Georg Büchner (1813-1837) Briefe
BRIEFE
I. Straßburg 1831-1833 1. An die Familie Straßburg, [nach dem 4. Dezember] 183...
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
BRIEFE
I. Straßburg 1831-1833 1. An die Familie Straßburg, [nach dem 4. Dezember] 1831. […] Als sich das Gerücht verbreitete, daß Ramorino durch Straßburg reisen würde, eröffneten die Studenten sogleich eine Subskription und beschlossen, ihm mit einer schwarzen Fahne entgegenzuziehen. Endlich traf die Nachricht hier ein, daß Ramorino den Nachmittag mit den Generälen Schneider und Langermann ankommen würde. Wir versammelten uns sogleich in der Akademie; als wir aber durch das Tor ziehen wollten, ließ der Offizier, der von der Regie rung Befehl erhalten hatte, uns mit der Fahne nicht passieren zu lassen, die Wache unter das Gewehr treten, um uns den Durchgang zu wehren. Doch wir brachen mit Gewalt durch und stellten uns drei- bis vierhundert Mann stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloß sich die Nationalgarde an. Endlich erschien Ramorino, begleitet von einer Menge Reiter; ein Student hält eine Anrede, die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den Wagen und ziehen ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikchor vormaschiert. So ziehen wir in die Stadt, begleitet von einer unge heuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberté! vive Ramorino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminiert, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Ramorino wird im Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, daß diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Ramorino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! – und die Komödie ist fertig. […]
2. An die Familie Straßburg, im Dezember 1831. […] Es sieht verzweifelt kriegerisch aus; kommt es zum Kriege, dann gibt es in Deutschland vornehmlich eine babylonische Verwirrung, und der Himmel weiß, was das Ende vom Liede sein wird. Es kann Alles verloren werden; wenn aber die Russen über die Oder gehn, dann nehme ich den Schießprügel und sollte ich's in Frankreich tun. Gott mag den allerdurchlauchig sten und gesalbten Schafsköpfen gnädig sein; auf der Erde werden sie hoffentlich keine Gnade mehr finden. […]
3. An die Familie Straßburg, [vor dem 16. Mai] 1832.
[…] Das einzige Interessante in politischer Beziehung ist, daß die hiesigen republikanischen
Zierbengel mit roten Hüten herumlaufen, und daß Herr Périer die Cholera hatte, die Cholera
aber leider nicht ihn. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
4. An August Stöber Darmstadt d. 24ten August 1832 Liebes Brüderpaar! Obgleich die Adresse nur an einen von Euch lautet, so gilt sie doch Euch beiden; doch seht vorerst nach der zweiten, denn mein Brief ist nur die Schale und figuriert nur als Käspapier. Habt ihr das andere Papier gelesen, so werdet ihr wissen, daß es sich um nichts geringeres handelt, als um die Muse der teutschen Dichtkunst; ob ihr dabei als Accoucheurs oder als To tengräber auftreten sollt, wird der Erfolg lehren. Ihr seid gebeten mit Eurer poetischen Haus und Feld-Apotheke bei der Wiederbelebung des Kadavers tätige Hülfe zu leisten; am besten wäre es man suchte ihn in einem Backofen zu erwärmen, denn dies ist noch das einzige Kunstwerk, welches das liebe Teutsche Volk zu bauen und zu genießen versteht! Doch, Spaß bei Seite! ich lege Euch die Sache ernstlich an's Herz; wenn die Männer, welche Ihre Beihülfe versprochen haben, Wort halten, so kann etwas Tüchtiges geleistet werden, daß Ihr viel dazu beitragen könnt, weiß ich, ohne Euch schmeicheln zu wollen. Die Herausgeber kenne ich per sönlich, Künzel ist Kandidat der Theologie, Metz steht einer Buchhandlung vor, beide sehr ge bildete junge Leute; die Zimmermänner sind Zwillinge und studieren in Heidelberg, sie gehören zu meinen ältesten und besten Freunden, namentlich hat der eine von ihnen ausgezeichnete poetische Anlagen. Eure Antwort seid Ihr gebeten, an mich zu adressieren, ich hoffe dabei auch einige herzliche Worte an mich zu finden; heute sind es zuerst 3 Wochen, daß ich Euch verlassen, und doch könnte ich Euch schon manche epistolas ex ponto schreiben! Ach säße ich doch wieder einmal und Euch im Drescher! Herzliche Grüße an die edlen Eugeniden, nament lich an Boekel und Baum. Lebt wohl.
Euer G. Büchner
5. An Adolph Stöber Straßburg, den 3ten Novb. 1852 Lieber Adolph! Nur wenige Zeilen bringen Dir diesmal meine Grüße. Ich komme eben aus dem Leichendunst und von der Schädelstätte, wo ich mich täglich wieder einige Stunden selbst kreuzige, und nach den kalten Brüsten und den toten Herzen, die ich da berührte, erquicken mich wieder das lebendige, warme an das Du mich drücktest über die Paar Meilen hinaus, die unsere Kadaver trennen. Wahrhaftig der Lindwurm, von dem Du sprichst ist nicht so gefährlich, man müßte ein armer Tropf sein, wenn unsre Arme nicht einmal über die dreißig Stunden hinübergreifen könnten. Wenn das Frühjahr kommt hoffe ich Dich zu sehen. Seit acht Tagen bin ich wieder hier, die teutsche naßkalte Holländeratmosphäre ist mir zuwider, die französische Gewitterluft ist mir lieber. Lebe wohl.
Dein G. Büchner
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
6. An die Familie Straßburg, im Dezember 1832. […] Ich hätte beinahe vergessen zu erzählen, daß der Platz in Belagerungsstand gesetzt wird (wegen der holländischen Wirren). Unter meinem Fenster rasseln beständig die Kanonen vor bei, auf den öffentlichen Plätzen exerzieren die Truppen, und das Geschütz wird auf den Wällen aufgefahren. Für eine politische Abhandlung habe ich keine Zeit mehr, es wäre auch nicht der Mühe wert, das Ganze ist doch nur eine Komödie. Der König und die Kammern regieren, und das Volk klatscht und bezahlt. […]
7. An die Familie Straßburg, im Januar 1833. […] Auf Weihnachten ging ich Morgens um vier Uhr in die Frühmette ins Münster. Das düstere Gewölbe mit seinen Säulen, die Rose und die farbigen Scheiben und die kniende Menge waren nur halb vom Lampenschein erleuchtet. Der Gesang des unsichtbaren Chores schien über dem Chor und dem Altare zu schweben und den vollen Tönen der gewaltigen Orgel zu antworten. Ich bin kein Katholik und kümmerte mich wenig um das Schellen und Knien der buntschecki gen Pfaffen, aber der Gesang alleine machte mehr Eindruck auf mich, als die faden, ewig wie derkehrenden Phrasen unserer meisten Geistlichen, die Jahr aus Jahr ein an jedem Weih nachtstag meist nichts Gescheiteres zu sagen wissen, als, der liebe Herrgott sei doch ein ge scheiter Mann gewesen, daß er Christus grade um diese Zeit auf die Welt habe kommen las sen. –
8. An die Familie Straßburg, den 5. April 1833. Heute erhielt ich Euren Brief mit den Erzählungen aus Frankfurt. Meine Meinung ist die: Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die Notwendigkeit abgezwun gen. Und selbst das Bewilligte wurde uns hingeworfen, wie eine erbettelte Gnade und ein elen des Kinderspielzeug, um dem ewigen Maulaffen Volk seine zu eng geschnürte Wickelschnur vergessen zu machen.. Es ist eine blecherne Flinte und ein hölzerner Säbel, womit nur ein Deutscher die Abgeschmacktheit begehen konnte, Soldatchens zu spielen. Unsere Landstände sind eine Satire auf die gesunde Vernunft, wir können noch ein Säkulum damit herumziehen, und wenn wir die Resultate dann zusammennehmen, so hat das Volk die schönen Reden seiner Vertreter noch immer teurer bezahlt, als der römische Kaiser, der seinen Hofpoeten für zwei gebrochene Verse 20,000 Gulden geben ließ. Man wirft den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker ge boren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit ange schmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde. Was nennt ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedi gen? Und dies Gesetz, unterstützt durch die rohe Militärgewalt und durch die dumme Pfiffigkeit seiner Agenten, dies Gesetz ist eine ewige, rohe Gewalt, angetan dem Recht und der gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann. Wenn ich an dem, was geschehen, keinen Teil genommen und an dem, was vielleicht geschieht, keinen Teil nehmen werde, so geschieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, sondern nur weil ich
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe im gegenwärtigen Zeitpunkt jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte und nicht die Verblendung Derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf für sein Recht bereites Volk sehen. Diese tolle Meinung führte die Frankfurter Vorfälle herbei, und der Irrtum büßte sich schwer. Irren ist übrigens keine Sünde, und die deutsche Indifferenz ist wirklich von der Art, daß sie alle Berechnung zu Schanden macht. Ich bedaure die Unglückli chen von Herzen. Sollte keiner von meinen Freunden in die Sache verwickelt sein? […]
9. An die Familie [Straßburg, im Frühjahr 1833.]
[…] Wegen mir könnt Ihr ganz ruhig sein; ich werde nicht nach Freiburg gehen, und eben so
wenig wie im vorigen Jahre an einer Versammlung Teil nehmen. […]
10. An die Familie Straßburg, [nach dem 27.] Mai 1833. […] So eben erhalten wir die Nachricht, daß in Neustadt die Sodalteska über eine friedliche und unbewaffnete Versammlung hergefallen sei und ohne Unterschied mehrere Personen nieder gemacht habe. Ähnliche Dinge sollen sich im übrigen Rheinbayern zugetragen haben. Die libe rale Partei kann sich darüber gerade nicht beklagen; man vergilt Gleiches mit Gleichem, Ge walt mit Gewalt. Es wird sich finden, wer der Stärkere ist. – Wenn Ihr neulich bei hellem Wet ter bis auf das Münster hättet sehen können, so hättet ihr mich bei einem langhaarigen, bärti gen, jungen Mann sitzend gefunden. Besagter hatte ein rotes Barett auf dem Kopf, um den Hals ein Cashmir-Shawl, um den Kadawer einen kurzen deutschen Rock, auf die Weste war der Name "Rousseau" gestickt, an den Beinen enge Hosen mit Stegen, in der Hand ein modisches Stöckchen. Ihr seht, die Karikatur ist aus mehreren Jahrhunderten und Weltteilen zusammen gesetzt: Asien um den Hals, Deutschland um den Leib, Frankreich an den Beinen, 1400 auf dem Kopf und 1833 in der Hand. Er ist ein Kosmopolit – nein, er ist mehr, er ist St. Simonist! Ihr denkt nun, ich hätte mit einem Narren gesprochen, und Ihr irrt. Es ist ein liebenswürdiger junger Mann, viel gereist. – Ohne sein fatales Kostüm hätte ich nie den St. Simonisten ver spürt, wenn er nicht von der femme in Deutschland gesprochen hätte. Bei den Simonisten sind Mann und Frau gleich, sie haben gleiche politische Rechte. Sie haben nun ihren père, der ist St. Simon, ihr Stifter; aber billigerweise müßten sie auch eine mère haben. Die ist aber noch zu suchen, und da haben sie sich denn auf den Weg gemacht, wie Saul nach seines Vaters Eseln, mit dem Unterschied, daß – denn im neunzehnten Jahrhundert ist die Welt gar weit vo rangeschritten – daß die Esel diesmal den Saul suchen. Rousseau mit noch einem Gefährten (beide verstehen kein Wort deutsch) wollten die femme in Deutschland suchen, man beging aber die intolerante Dummheit, sie zurückzuweisen. Ich sagte ihm, er hätte nicht viel an den Weibern, die Weiber aber viel an ihm verloren; bei den Einen hätte er sich ennuyiert und über die Anderen gelacht. Er bleibt jetzt in Straßburg, steckt die Hände in die Taschen und predigt dem Volke die Arbeit, wird für seine Kapazität gut bezahlt und marche vers les femmes, wie er sich ausdrückt. Er ist übrigens beneidenswert, führt das bequemste Leben unter der Sonne, und ich möchte aus purer Faulheit St. Simonist werden, denn man müßte mir meine Kapazität gehörig honorieren. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
11. An die Familie Straßburg, im Juni 1833. […] Ich werde zwar meinen Grundsätzen gemäß handeln, habe aber in neuerer Zeit gelernt, daß nur das notwendige Bedürfnis der großen Masse Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien der Einzelnen vergebliches Torenwerk ist. Sie schreiben, man liest sie nicht; sie schreien, man hört sie nicht; sie handeln, man hilft ihnen nicht. – Ihr könnt vo raussehen, daß ich mich in die Gießner Winkelpolitik und revolutionären Kinderstreiche nicht einlassen werde.
12. An die Familie Straßburg, den 8. Juli 1833. Bald im Tal, bald auf den Höhen zogen wir durch das liebliche Land. Am zweiten Tage gelang ten wir auf einer über einer 3000 Fuß hohen Fläche zum sogenannten weißen und schwarzen See. Es sind zwei finstere Lachen in tiefer Schlucht, unter etwa 500 Fuß hohen Felsenwänden. Der weiße See liegt auf dem Gipfel der Höhe. Zu unseren Füßen lag still das dunkle Wasser. Über die nächsten Höhen hinaus sahen wir im Osten die Rheinebene und den Schwarzwald, nach West und Nordwest das Lothringer Hochland; im Süden hingen düstre Wetterwolken, die Luft war still. Plötzlich trieb der Sturm das Gewölke die Rheinebene hinauf, zu unserer Linken zuckten die Blitze, und unter dem zerissenen Gewölk über dem dunklen Jura glänzten die Al pengletscher in der Abendsonne. Der dritte Tag gewährte uns den nämlichen herrlichen An blick; wir bestiegen nämlich den höchsten Punkt der Vogesen, den an 5000 Fuß hohen Bölgen. Man übersieht den Rhein von Basel bis Straßburg, die Fläche hinter Lothringen bis zu den Ber gen der Champagne, den Anfang der ehemaligen franche Comté, den Jura und die Schweizer gebirge vom Rigi bis zu den entferntesten Savoyischen Alpen. Es war gegen Sonnenuntergang, die Alpen wie blasses Abendrot über der dunkel gewordenen Erde. Die Nacht brachten wir in einer geringen Entfernung vom Gipfel in einer Sennerhütte zu. Die Hirte haben hundert Kühe und bei neunzig Farren und Stiere auf der Höhe. Bei Sonnenaufgang war der Himmel etwas dunstig, die Sonne warf einen roten Schein über die Landschaft. Über den Schwarzwald und den Jura schien das Gewölk wie ein schäumender Wasserfall zu stürzen, nur die Alpen standen hell darüber, wie eine blitzende Milchstraße. Denkt Euch über der dunklen Kette des Jura und über dem Gewölk im Süden, soweit der Blick reicht, eine ungeheure, schimmernde Eiswand, nur noch oben durch die Zacken und Spitzen der einzelnen Berge unterbrochen. Vom Bölgen stiegen wir rechts herab in das sogenannte Amarinental, das letzte Haupttal der Vogesen. Wir gingen talaufwärts. Das Tal schließt sich mit einem schönen Wiesengrund im wilden Gebirg. Über die Berge führte uns eine gut erhaltene Bergstraße nach Lothringen zu den Quellen der Mosel. Wir folgten eine Zeit lang dem Laufe des Wassers, wandten uns dann nördlich und kehr ten über mehrere interessante Punkte nach Straßburg zurück. Hier ging es seit einigen Tagen etwas unruhig zu. Ein ministerieller Deputierter, Herr Saglio, kam vor einigen Tagen aus Paris zurück. Es kümmerte sich Niemand um ihn. Eine bankerotte Ehrlichkeit ist heutzutage etwas zu Gemeines, als daß ein Volksvertreter, der seinen Frack wie ein Schandpfahl auf dem Rücken trägt, noch Jemanden interessieren könnte. Die Polizei war aber entgegengesetzter Meinung und stellte deshalb eine bedeutende Anzahl Soldaten auf dem Paradeplatz und vor dem Hause des Herrn Saglio auf. Die lockte denn endlich am zweiten oder dritten Tage die Menge herbei, gestern und vorgestern Abend wurde etwas vor dem Hause gelärmt. Präfekt und Maire hielten es für die beste Gelegenheit, einen Orden zu erwischen, sie ließen die Truppen ausrücken, die Straßen räumen, Bajonette und Kolbenstöße austeilen, Ver haftungen vornehmen, Proklamationen anschlagen u.s.w.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
II. Gießen und Darmstadt 1833-1835 13. An die Familie Gießen, den 1. November 1833.
[…] Gestern wurden wieder zwei Studenten verhaftet, der kleine Stamm und Groß. […]
14. An die Familie Gießen, den 19. November 1833. […] Gestern war ich bei dem Bankett zu Ehren der zurückgekehrten Deputierten. An zweihun dert Personen, unter ihnen Balser und Vogt. Einige loyale Toaste, bis man sich Courage ge trunken, und dann das Polenlied, die Marseillaise gesungen und den in Friedberg Verhafteten ein Vivat gebracht! Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt! […]
15. An August Stöber Darmstadt: d. 9 Dez. 33. Lieber August! Ich schreibe in Ungewißheit, wo Dich dieser Brief treffen wird. Ich müßte mich sehr irren, wenn mir nicht Lambossy geschrieben hätte, daß Du Dich gewöhnlich in Oberbrunn aufhieltest. Das nämliche sagte mir Künzel, der von Deinem Vater auf einen an Dich gerichteten Brief Antwort erhalten hatte. Du erhälst am spätesten einen Brief, weil ich Dich am letzten mit einem finste ren Gesicht quälen wollte, denn wenigstens Eurer Teilnahme halte ich mich immer versichert. Ich schrieb mehrmals, vielleicht sahst Du meine Briefe; ich klagte über mich und spottete über andere; beides kann Dir zeigen, wie übel ich mich befand. Ich wollte Dich nicht auch in's Laza rett führen und so schwieg ich. Du magst entscheiden, ob die Erinnerung an 2 glückliche Jahre, und die Sehnsucht nach All dem, was sie glücklich machte oder ob die widrigen Verhältnisse unter denen ich hier lebe, mich in die unglückselige Stimmung setzen. Ich glaube s'ist beides. Manchmal fühle ich ein wahres Heimweh nach Euren Bergen. Hier ist Alles so eng und klein. Natur und Menschen, die kleinlichsten Umgebungen, denen ich auch keinen Augenblick Inter esse abgewinnen kann. Zu Ende Oktobers ging ich von hier nach Gießen. 5 Wochen brachte ich daselbst halb im Dreck und halb im Bett zu. Ich bekam einen Anfall von Hirnhautentzündung; die Krankheit wurde im Entstehen unterdrückt, ich wurde aber gleichwohl gezwungen nach Darmstadt zurückzukehren um mich daselbst völlig zu erholen. Ich denke noch bis Neujahr hier zu bleiben und d. 5 oder 6. Januar wieder nach Gießen abzureisen. Ein Brief von Dir würde mir große Freude machen, und, nicht wahr Christ in einem Rekonva leszenten schlägt man nichts ab? Seit ich Euch am Mittwoch Abend vor 5 Monaten zum letzten mal die Hände zum Kutschenschlag hinausstreckte, ist's mir als wären sie mir abgebrochen und ich denke wir drücken uns die Hände um so fester, je seltner wir sie uns reichen. 3 treffli che Freunde habe ich in Gießen gelassen und bin jetzt ganz allein. H. Dr. H. K. … ist freilich noch da, aber das ästhetische Geschlapp steht mir am Hals, er hat schon alle möglichen poetischen Accouchierstühle probiert, ich glaube er kann höchstens noch an eine kritische Nottaufe in der Abendzeitung appellieren.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe Ich werfe mich mit aller Gewalt in die Philosophie, die Kunstsprache ist abscheulich, ich meine
für menschliche Dinge müsse man auch menschliche Ausdrücke finden; doch das stört mich
nicht, ich lache über meine Narrheit und meine es gäbe im Grund genommen doch nichts als
taube Nüsse zu knacken. Man muß aber unter der Sonne doch auf irgendeinem Esel reiten und
so sattle ich in Gottes Namen den meinigen; für's Futter ist mir nicht bang, an Distelköpfen
wird's nicht fehlen, so lang die Buchdruckerkunst nicht verloren geht. Lebe wohl, Bester. Grüße
die Freunde, es geschieht dann doppelt, ich habe auch Boeckel darum gebeten.
Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig
den Karren, woran die Fürstne und Liberalen ihre Affenkomödie spielen. Ich bete jeden Abend
zum Hanf und zu d. Laternen.
Was schreiben Viktor und Scherb?
Und Adolph ist er wieder in Metz? ich schicke Dir nächstens einige Zeilen an ihn.
16. An die Familie Gießen, im Februar 1834. […] Ich verachte Niemanden, am wenigsten wegen seines Verstandes oder seiner Bildung, weil es in Niemands Gewalt liegt, kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden, – weil wir durch gleiche Umstände wohl Alle gleich würden, und weil die Umstände außer uns liegen. Der Verstand nun gar ist nur eine sehr geringe Seite unseres geistigen Wesens und die Bildung nur eine sehr zufällige Form desselben. Wer mir eine solche Verachtung vorwirft, behauptet, daß ich einen Menschen mit Füßen träte, weil er einen schlechten Rock anhätte. Es heißt dies, eine Roheit, die man Einem im Körperlichen nimmer zutrauen würde, ins Geistige übertragen, wo sie noch gemeiner ist. Ich kann Jemanden einen Dummkopf nennen, ohne ihn deshalb zu ver achten; die Dummheit gehört zu den allgemeinen Eigenschaften der menschlichen Dinge; für ihre Existenz kann ich nichts, es kann mir aber niemand wehren, Alles, was existiert, bei sei nem Namen zu nennen und dem, was mir unangenehm ist, aus dem Wege zu gehn. Jemanden kränken, ist eine Grausamkeit, ihn aber zu suchen oder zu meiden, bleibt meinem Gutdünken überlassen. Daher erklärt sich mein Betragen gegen alte Bekannte; ich kränkte Keinen und sparte mir viel Langeweile; halten sie mich für hochmütig, wenn ich an ihren Vergnügungen oder Beschäftigungen keinen Geschmack finde, so ist es eine Ungerechtigkeit; mir würde es nie einfallen, einem Anderen aus dem nämlichen Grunde einen ähnlichen Vorwurf zu machen. Man nennt mich einen Spötter. Es ist wahr, ich lache oft, aber ich lache nicht darüber, wie Je mand ein Mensch, sondern nur darüber, daß er ein Mensch ist, wofür er ohnehin nichts kann, und lache dabei über mich selbst, der ich sein Schicksal teile. Die Leute nennen das Spott, sie ertragen es nicht, daß man sich als Narr produziert und sie duzt; sie sind Verächter, Spötter und Hochmütige, weil sie die Narrheit nur außer sich suchen. Ich habe freilich noch eine Art von Spott, es ist aber nicht der der Verachtung, sondern der des Hasses. Der Haß ist so gut erlaubt als die Liebe, und ich hege ihn im vollsten Maße gegen die, welche verachten. Es ist deren eine große Zahl, die im Besitze einer lächerlichen Äußerlichkeit, die man Bildung, oder eines toten Krams, den man Gelehrsamkeit heißt, die große Masse ihrer Brüder ihrem verach tenden Egoismus opfern. Der Aristokratismus ist die schändlichste Verachtung des heiligen Geistes im Menschen; gegen ihn kehre ich seine eigenen Waffen; Hochmut gegen Hochmut, Spott gegen Spott. – Ihr würdet euch besser bei meinem Stiefelputzer nach mir umsehn; mein Hochmut und Verachtung Geistesarmer und Ungelehrter fände dort wohl ihr bestes Objekt. Ich bitte, fragt ihn einmal … Die Lächerlichkeit des Herablassens werdet Ihr mir doch wohl nicht zutrauen. Ich hoffe noch immer, daß ich leidenden, gedrückten Gestalten mehr mitleidige Blik ke zugeworfen, als kalten, vornehmen Herzen bittere Worte gesagt habe. – […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
17. An die Braut [Gießen, Februar 1834.] […] Ich dürste nach einem Briefe. Ich bin allein, wie im Grabe; wann erweckt mich deine Hand? Meine Freunde verlassen mich, wir schreien uns wie Taube einander in die Ohren; ich wollte, wir wären stumm, dann könnten wir uns doch nur ansehen, und in neuen Zeiten kann ich kaum Jemand starr anblicken, ohne daß mir die Tränen kämen. Es ist dies eine Augenwas sersucht, die auch beim Starrsehen oft vorkommt. Sie sagen, ich sei verrückt, weil ich gesagt habe, in sechs Wochen würde ich auferstehen, zuerst aber Himmelfahrt halten, in der Diligence nämlich. Lebe wohl, liebe Seele, und verlaß mich nicht. Der Gram macht mich Dir streitig, ich lieg' ihm den ganzen Tag im Schoß; armes Herz, ich glaube, du vergiltst mit Gleichem. […]
18. An die Braut [Gießen, um den 10. März 1834.] […] Der erste helle Augenblick seit acht Tagen. Unaufhörliches Kopfweh und Fieber, die Nacht kaum einige Stunden dürftiger Ruhe. Vor zwei Uhr komme ich in kein Bett, und dann ein be ständiges Auffahren aus dem Schlaf und ein Meer von Gedanken, in denen mir die Sinne ver gehen. Mein Schweigen quält dich wie mich, doch vermochte ich nichts über mich. Liebe, liebe Seele, vergibst du? Eben komme ich von draußen herein. Ein einziger, forthallender Ton aus tausend Lerchenkehlen schlägt durch die brütende Sommerluft, ein schweres Gewölk wandert über die Erde, der tiefbrausende Wind klingt wie sein melodischer Schritt. Die Frühlingsluft löste mich aus meinem Starrkrampf. Ich erschrak vor mir selbst. Das Gefühl des Gestorben seins war immer über mir. Alle Menschen machten mir das hippokratische Gesicht, die Augen verglast, die Wangen wie von Wachs, und wenn dann die ganze Maschinerie zu leiern anfing, die Gelenke zuckten, die Stimme herausknarrte und ich das ewige Orgellied herumtrillern hörte und die Wälzchen und Stiftchen im Orgelkasten hüpfen und drehen sah, – ich verfluchte das Konzert, den Kasten, die Melodie und – ach, wir armen schreienden Musikanten, das Stöhnen auf unserer Folter, wäre es nur da, damit es durch die Wolkenritzen dringend und weiter, wei ter klingend, wie ein melodischer Hauch in himmlischen Ohren stirbt? Wären wir das Opfer im glühenden Bauch des Peryllusstiers, dessen Todesschrei wie ein Aufjuchzen des in den Flam men sich aufzehrenden Gottestiers klingt? Ich lästre nicht. Aber die Menschen lästern. Und doch bin ich gestraft, ich fürchte mich vor meiner Stimme und – vor einem Spiegel. Ich hätte Herrn Callot-Hoffmann sitzen können, nicht wahr, meine Liebe? Für das Modellieren hätte ich Reisegeld bekommen. Ich spüre, ich fange an, interessant zu werden. – Die Ferien fangen morgen in vierzehn Tagen an; verweigert man die Erlaubnis, so gehe ich heimlich, ich bin mir selbst schuldig, einem unerträglichen Zustande ein Ende zu machen. Mei ne geistigen Kräfte sind gänzlich zerrüttet. Arbeiten ist mir unmöglich, ein dumpfes Brüten hat sich meiner bemeistert, in dem mir kaum ein Gedanke noch hell wird. Alles verzehrt sich in mir selbst; hätte ich einen Weg für mein Inneres, aber ich habe keinen Schrei für den Schmerz, kein Jauchzen für die Freude, keine Harmonie für die Seligkeit. Dies Stummsein ist meine Ver dammnis. Ich habe dir's schon tausendmal gesagt: Lies meine Briefe nicht, – kalte, träge Wor te! Könnte ich nur über dich einen vollen Ton ausgießen; – so schleppe ich dich in meine wü sten Irrgänge. Du sitzest jetzt im dunklen Zimmer in deinen Tränen allein, bald trete ich zu dir. Seit vierzehn Tagen steht dein Bild beständig vor mir, wie das Lichtzittern, wenn man in die Sonne gesehen. Ich lechze nach einer seligen Empfindung, die wird mir bald, bald, bei dir.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe 19. An die Braut [Gießen, nach dem 10. März 1834.] Hier ist kein Berg, wo die Aussicht frei ist. Hügel hinter Hügel und breite Täler, eine hohe Mit telmäßigkeit in Allem; ich kann mich nicht an diese Natur gewöhnen, und die Stadt ist ab scheulich. Bei uns ist Frühling, ich kann deinen Veilchenstrauß immer ersetzen, er ist unsterb lich wie der Lama. Lieb Kind, was macht denn die gute Stadt Straßburg? es geht dort allerlei vor, und du sagst kein Wort davon. Je baise les petites mains, en goûtant les souvenirs doux de Strasbourg. – "Prouve-moi que tu m'aimes encore beaucoup en me donnant bientôt des nouvelles." Und ich ließ dich warten! Schon seit einigen Tagen nehme ich jeden Augenblick die Feder in die Hand, aber es war mir unmöglich, nur ein Wort zu schreiben. Ich studiere die Geschichte der Revolu tion. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem Gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine un abwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen ge gen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. Es fällt mir nicht mehr ein, vor den Paradegäulen und Eckstehern der Geschichte mich zu bücken. Ich gewöhnte mein Auge ans Blut. Aber ich bin kein Guillotinenmesser. Das muß ist eins von den Verdammungsworten, womit der Mensch getauft worden. Der Ausspruch: es muß ja Ärgernis kommen, aber wehe dem, durch den es kommt, – ist schauderhaft. Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt? Ich mag dem Gedanken nicht weiter nachgehen. Könnte ich aber dies kalte und gemarterte Herz an deine Brust legen! B. wird dich über mein Befinden beruhigt ha ben, ich schrieb ihm. Ich verwünsche meine Gesundheit. Ich glühte, das Fieber bedeckte mich mit Küssen und umschlang mich wie der Arm der Geliebten. Die Finsternis wogte über mir, mein Herz schwoll in unendlicher Sehnsucht, es drangen Sterne durch das Dunkel, und Hände und Lippen bückten sich nieder. Und jetzt? Und sonst? Ich habe nicht einmal die Wollust des Schmerzes und des Sehnens. Seit ich über die Rheinbrücke ging, bin ich wie in mir vernichtet, ein einzelnes Gefühl taucht nicht in mir auf. Ich bin ein Automat; die Seele ist mir genommen. Ostern ist noch mein einziger Trost; ich habe Verwandte bei Landau, ihre Einladung und die Erlaubnis, sie zu besuchen. Ich habe die Reise schon tausendmal gemacht und werde nicht müde. – Du frägst mich: sehnst du dich nach mir? Nennst du's Sehnen, wenn man nur in ei nem Punkt leben kann und wenn man davon gerissen ist, und dann nur noch das Gefühl seines Elends hat? Gib mir doch Antwort. Sind meine Lippen so kalt? […] – Dieser Brief ist ein Chari vari: ich tröste dich mit einem anderen.
20. An die Familie Gießen, den 19. März 1834.
[…] Wichtiger ist die Untersuchung wegen der Verbindungen; die Relegation steht wenigstens
dreißig Studenten bevor. Ich wollte die Unschädlichkeit dieser Verschwörer eidlich bekräftigen.
Die Regierung muß aber doch etwas zu tun haben! Sie dankt ihrem Himmel, wenn ein paar
Kinder schleifen oder Ketten schaukeln! – Die in Friedberg Verhafteten sind frei, mit Ausnahe
von Vieren. – […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
21. An die Braut [Gießen, März 1834.] […] Ich wäre untröstlich, mein armes Kind, wüßte ich nicht, was dich heilte. Ich schreibe jetzt täglich, schon gestern hatte ich einen Brief angefangen. Fast hätte ich Lust, statt nach Darm stadt, gleich nach Straßburg zu gehen. Nimmt dein Unwohlsein eine ernste Wendung, – ich bin dann im Augenblick da. Doch was sollen dergleichen Gedanken? Sie sind mir Unbegreiflichkei ten. – Mein Gesicht ist wie ein Osterei, über das die Freude rote Flecken laufen läßt. Doch ich schreibe abscheulich, es greift deine Augen an, das vermehrt das Fieber. Aber nein, ich glaube nichts, es sind nur die Nachwehen des alten nagenden Schmerzes; die linde Frühlingsluft küßt alte Leute und hektische tot; dein Schmerz ist alt und abgezehrt, er stirbt, das ist Alles, und du meinst, dein Leben ginge mit. Siehst du denn nicht den neuen lichten Tag? Hörst du meine Tritte nicht, die sich wieder rückwärts zu dir wenden? Sieh, ich schicke dir Küsse, Schneeglöck chen, Schlüsselblumen, Veilchen, der Erde erste schüchterne Blicke ins flammende Auge des Sonnenjünglings. Den halben Tag sitze ich eingeschlossen mit deinem Bild und spreche mit dir. Gestern Morgen versprach ich dir Blumen; da sind sie. Was gibst du mir dafür? Wie gefällt dir mein Bedlam! Will ich etwas Ernstes tun, so komme ich mir vor, wie ein Larifari in der Komö die; ich will das Schwert ziehen: so ist's ein Hasenschwanz. […] Ich wollte, ich hätte geschwiegen. Es überfällt mich eine unsägliche Angst. Du schreibst gleich, doch um's Himmelswillen nicht, wenn es dich Anstrengung kostet. Du sprachst mir von einem Heilmittel; lieb Herz, schon lange schwebt es mir auf der Zunge. Ich liebte aber so unser stilles Geheimnis, – doch sage deinem Vater Alles, – doch zwei Bedingungen: Schweigen, selbst bei den nächsten Verwandten. Ich mag nicht hinter jedem Kusse die Kochtöpfe rasseln hören, und bei den verschiedenen Tanten das Familienvatersgesicht ziehen. Dann: nicht eher an meine Eltern zu schreiben, als bis ich selbst geschrieben. Ich überlasse dir Alles, tue, was dich beru higen kann. Was kann ich sagen, als daß ich dich liebe; was versprechen, als was in dem Wor te Liebe schon liegt, Treue? Aber die sogenannte Versorgung? Student noch zwei Jahre; die gewisse Aussicht auf ein stürmisches Leben, vielleicht bald auf fremdem Boden! Zum Schlusse trete ich zu dir und singe dir einen alten Wiegengesang: War nicht umsonst so still und schwach,
Verlass'ne Liebe trug sie nach.
In ihrer kleinen Kammer hoch
Sie stets an der Erinnrung sog;
An ihrem Brotschrank an der Wand
Er immer, immer vor ihr stand,
Und wenn ein Schlaf sie übernahm,
Er immer, immer wieder kam.
Und dann: Denn immer, immer, immer doch
Schwebt ihr das Bild an Wänden hoch
Von einem Menschen, welcher kam
Und ihr als Kind das Herze nahm.
Fast ausgelöscht ist sein Gesicht,
Doch seiner Worte Kraft noch nicht,
Und jener Stunden Seligkeit,
Ach jener Träume Wirklichkeit,
Die, angeboren jedermann,
Kein Mensch sich wirklich machen kann.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
22. An die Braut Gießen, März 1834. […] Ich werde gleich von hier nach Straßburg gehen, ohne Darmstadt zu berühren; ich hätte dort auf Schwierigkeiten gestoßen, und meine Reise wäre vielleicht bis zu Ende der Vakanzen verschoben worden. Ich schreibe dir jedoch vorher noch einmal, sonst ertrag' ich's nicht vor Ungeduld; dieser Brief ist ohnedies so langweilig, wie ein Anmelden in einem vornehmen Hau se: Herr Studiosus Büchner. Das ist Alles! Wie ich hier zusammenschrumpfe, ich erliege fast unter diesem Bewußtsein; ja sonst wäre es ziemlich gleichgiltig; wie man nur einen Betäubten oder Blödsinnigen beklagen mag! Aber du, was sagst du zu dem Invaliden? Ich wenigstens kann die Leute auf halben Sold nicht ausstehen. Nous ferons un peu de romantique, pour nous tenir à la hauteur du siècle; et puis faudra-t-il du fer à cheval pour faire l'impression à un cœur de femme? Aujourd'hui on a le système nerveux un peu robuste. Adieu.
23. An die Familie [Straßburg, im April 1834.] […] Ich war [in Gießen] im Äußersten ruhig, doch war ich in tiefe Schwermut verfallen; dabei engten mich die politischen Verhältnisse ein, ich schämte mich, ein Knecht mit Knechten zu sein, einem vermoderten Fürstengeschlecht und einem kriechenden StaatsdienerAristokratismus zu Gefallen. Ich komme nach Gießen in die niedrigsten Verhältnisse, Kummer und Widerwillen machen mich krank. […]
24. An die Familie Gießen, den 25. Mai 1834. […] Das Treiben des "Burschen" kümmert mich wenig, gestern Abend hat er von dem Philister Schläge bekommen. Man schrie Bursch heraus! Es kam aber Niemand, als die Mitglieder zweier Verbindungen, die aber den Universitätsrichter rufen mußten, um sich vor den Schuster- und Schneiderbuben zu retten. Der Universitätsrichter war betrunken und schimpfte die Bürger; es wundert mich, daß er keine Schläge bekam; das Possierlichste ist, daß die Buben liberal sind und sich daher an die loyal gesinnten Verbindungen machten. Die Sache soll sich heute Abend wiederholen, man munkelt sogar von einem Auszug; ich hoffe, daß der Bursche wieder Schläge bekommt, wir halten zu den Bürgern und bleiben in der Stadt. […]
25. An die Familie Gießen, den 2. Juli 1834. […] Was sagt man zu der Verurteilung von Schulz? Mich wundert es nicht, es riecht nach Ko mißbrot. A propos, wißt ihr die hübsche Geschichte von Herrn Kommissär […]? Der gute Co lumbus sollte in X … bei einem Schreiner eine geheime Presse entdecken. Er besetzt das Haus, dringt ein. "Guter Mann, es ist Alles aus, führ' Er mich nur an die Presse." – Der Mann führt ihn an die Kelter. "Nein, Mann! Die Presse! Die Presse!" – Der Mann versteht ihn nicht, und der Kommissär wagt sich in den Keller. Es ist dunkel. "Ein Licht, Mann!" – "Das müssen Sie kaufen, wenn Sie eins haben wollen." – Aber der Herr Kommissär spart dem Lande überflüssige Aus-
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe gaben. Er rennt, wie Münchhausen, an einen Balken, er schlägt Feuer aus seinem Nasenbein, das Blut fließt, er achtet nichts und findet nichts. Unser lieber Großherzog wird ihm aus einem Zivilverdienstorden ein Nasenfutteral machen. – […]
26. An die Familie Frankfurt, den 3. August 1834.
[…] Ich benutze jeden Vorwand, um mich von meiner Kette loszumachen. Freitag Abends ging
ich von Gießen weg; ich wählte die Nacht der gewaltigen Hitze wegen, und so wanderte ich in
der lieblichsten Kühle unter hellem Sternenhimmel, an dessen fernstem Horizonte ein bestän
diges Blitzen leuchtete. Teils zu Fuß, teils fahrend mit Postillionen und sonstigem Gesindel,
legte ich während der Nacht den größten Teil des Wes zurück. Ich ruhte mehrmals unterwegs.
Gegen Mittag war ich in Offenbach. Den kleinen Umweg machte ich, weil es von dieser Seite
leichter ist, in die Stadt zu kommen, ohne angehalten zu werden. Die Zeit erlaubte mir nicht,
mich mit den nötigen Papieren zu versehen. […]
27. An die Familie Gießen, den 5. August 1834. […] Ich meine, ich hätte Euch erzählt, daß Minnigerode eine halbe Stunde vor meiner Abreise arretiert wurde, man hat ihn nach Friedberg abgeführt. Ich begreife den Grund seiner Verhaf tung nicht. Unserem scharfsinnigen Universitätsrichter fiel es ein, in meiner Reise, wie mir scheint, einen Zusammenhang mit der Verhaftung Minnigerodes zu finden. Als ich hier ankam, fand ich meinen Schrank versiegelt, und man sagte mir, meine Papiere seien durchsucht wor den. Auf mein Verlangen wurden die Siegel sogleich abgenommen, auch gab man mir meine Papiere (nichts als Briefe von Euch und meinen Freunden) zurück, nur einige französische Brie fe von W[ilhelmine], Muston, L[ambossy] und B[oeckel] wurden zurückbehalten, wahrschein lich weil die Leute sich erst einen Sprachlehrer müssen kommen lassen, um sie zu lesen. Ich bin empört über ein solches Benehmen, es wird mir übel, wenn ich meine heiligsten Geheim nisse in den Händen dieser schmutzigen Menschen denke. Und das Alles – wißt ihr auch war um? Weil ich an dem nämlichen Tag abgereist, an dem Minnigerode verhaftet wurde. Auf einen vagen Verdacht hin verletzte man die heiligsten Rechte und verlangte dann weiter Nichts, als daß ich mich über meine Reise ausweisen sollte!!! Das konnte ich natürlich mit der größten Leichtigkeit; ich habe Briefe von B., die jedes Wort bestätigen, das ich gesprochen, und unter meinen Papieren befindet sich keine Zeile, die mich kompromittieren könnte. Ihr könnt über die Sache ganz unbesorgt sein. Ich bin auf freiem Fuß und es ist unmöglich, daß man einen Grund zur Verhaftung finde. Nur im Tiefsten bin ich über das Verfahren der Gerichte empört, auf den Verdacht eines möglichen Verdachts in die heiligsten Familiengeheimnisse einzubre chen. Man hat mich auf dem Universitätsgericht bloß gefragt, wo ich mich während der drei letzten Tage aufgehalten, und um sich darüber Aufschluß zu verschaffen, erbricht man schon am zweiten Tag in meiner Abwesenheit meinen Pult und bemächtigt sich meiner Papiere! Ich werde mit einigen Rechtskundigen sprechen und sehen, ob die Gesetze für eine solche Verlet zung Genugtuung schaffen! […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
28. An die Familie Gießen, den 8. August 1834. […] Ich gehe meinen Beschäftigungen wie gewöhnlich nach, vernommen bin ich nicht weiter geworden. Verdächtiges hat man nicht gefunden, nur die französischen Briefe scheinen noch nicht entziffert zu sein; der Herr Universitätsrichter muß sich wohl erst Unterricht in Franzö sisch nehmen. Man hat sie mir noch nicht zurückgegeben. […] Übrigens habe ich mich bereits an das Disziplinargericht gewendet und es um Schutz gegen die Willkür des Universitätsrich ters gebeten. Ich bin auf die Antwort begierig. Ich kann mich nicht entschließen, auf die mir gebührende Genugtuung zu verzichten. Das Verletzen meiner heiligsten Rechte und das Ein brechen in alle meine Geheimnisse, das Berühren von Papieren, die mir Heiligtümer sind, em pörten mich zu tief, als daß ich nicht jedes Mittel ergreifen sollte, um mich an dem Urheber dieser Gewalttat zu rächen. Den Universitätsrichter habe ich mittelst des höflichsten Spottes fast ums Leben gebracht. Wie ich zurückkam, mein Zimmer mir verboten und mein Pult ver siegelt fand, lief ich zu ihm und sagte ihm ganz kaltblütig mit der größten Höflichkeit in Ge genwart mehrerer Personen: wie ich vernommen, habe er in meiner Abwesenheit mein Zim mer mit seinem Besuche beehrt, ich komme, um ihn um den Grund seines gütigen Besuches zu fragen etc. – Es ist Schade, daß ich nicht nach dem Mittagessen gekommen, aber auch so barst er fast und mußte diese beißende Ironie mit der größten Höflichkeit beantworten. Das Gesetz sagt, nur in Fällen sehr dringenden Verdachts, ja nur eines Verdachts, der statt halben Beweises gelten könne, dürfe eine Haussuchung vorgenommen werden. Ihr seht, wie man das Gesetz auslegt. Verdacht, am wenigsten ein dringender, kann nicht gegen mich vorliegen, sonst müßte ich verhaftet sein; in der Zeit, wo ich hier bin, könnte ich ja jede Untersuchung durch Verabreden gleichlautender Aussagen und dergleichen unmöglich machen. Es geht hier aus hervor, daß ich durch nichts kompromittiert bin und daß die Haussuchung nur vorgenom men worden, weil ich nicht liederlich und nicht sklavisch genug aussehe, um für keinen Dema gogen gehalten zu werden. Eine solche Gewalttat stillschweigend ertragen, hieße die Regierung zur Mitschuldigen machen; hieße aussprechen, daß es keine gesetzliche Garantie mehr gäbe, hieße erklären, daß das verletzte Recht keine Genugtuung mehr erhalte. Ich will unserer Re gierung diese grobe Beleidigung nicht antun. Wir wissen nichts von Minnigerode; das Gerücht mit Offenbach ist jedenfalls reine Erfindung; daß ich auch schon da gewesen, kann mich nicht mehr kompromittieren, als jeden anderen Reisenden […] – Sollte man, sowie man ohne die gesetzliche notwendige Ursache meine Papie re durchsuchte, mich auch ohne dieselbe festnehmen, in Gottes Namen! ich kann so wenig darüber hinaus, und es ist dies so wenig meine Schuld, als wenn eine Herde Banditen mich anhielte, plünderte oder mordete. Es ist Gewalt, der man sich fügen muß, wenn man nicht stark genug ist, ihr zu widerstehen; aus der Schwäche kann Einem kein Vorwurf gemacht wer den. […]
29. An die Familie Gießen, Ende August 1834. Es sind jetzt fast drei Wochen seit der Haussuchung verflossen, und man hat mir in Bezug dar auf noch nicht die mindeste Eröffnung gemacht. Die Vernehmung bei dem Universitätsrichter am ersten Tage kann nicht in Anschlag gebracht werden, sie steht damit in keinem gesetzli chen Zusammenhang; der Herr Georgi verlangt nur als Universitätsrichter von mir als Studen ten: ich solle mich wegen meiner Reise ausweisen, während er die Haussuchung als Regie rungskomissär vornahm. Ihr sehet also, wie weit man es in der gesetzlichen Anarchie gebracht hat. Ich vergaß, wenn ich nicht irre, den wichtigen Umstand anzuführen, daß die Haussuchung sogar ohne die drei, durch das Gesetz vorgeschriebenen Urkundspersonen vorgenommen wur-
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe de, und so um so mehr den Charakter eines Einbruchs an sich trägt. Das Verletzen unserer Familiengeheimnisse ist ohnehin ein bedeutenderer Diebstahl, als das Wegnehmen einiger Geldstücke. Das Einbrechen in meiner Abwesenheit ist ebenfalls ungesetzlich; man war nur berechtigt, meine Türe zu versiegeln, und erst dann in meiner Abwesenheit zur Haussuchung zuschreiten, wenn ich mich auf erfolgte Vorladung nicht gestellt hätte. Es sind also drei Verlet zungen des Gesetzes vorgefallen: Haussuchung ohne dringenden Verdacht (ich bin, wie ge sagt, noch nicht vernommen worden, und es sind drei Wochen verflossen), Haussuchung ohne Urkundspersonen, und endlich Haussuchung am dritten Tage meiner Abwesenheit ohne vorher erfolgte Vorladung. – Die Vorstellung an das Disziplinargericht war im Grund genommen überflüssig, weil der Uni versitätsrichter als Regierungskommissär nicht unter ihnen steht. Ich tat diesen Schritt nur vorerst, um nicht mit der Türe ins Haus zu fallen; ich stellte mich unter seinen Schutz, ich überließ ihm meine Klage. Seiner Stellung gemäß mußte es meine Sache zu der seinigen ma chen, aber die Leute sind etwas furchtsamer Natur; ich bin überzeugt, daß sie mich an eine andere Behörde verweisen. Ich erwarte ihre Resolution … Der Vorfall ist so einfach und liegt so klar zu Tage, daß man mir entweder entweder volle Genugtuung schaffen oder öffentlich erklä ren muß, das Gesetz sei aufgehoben und eine Gewalt an seine Stelle getreten, gegen die es keine Appellation als Sturmglocken und Pflastersteine gebe. […]
30. An Sauerländer Darmstadt, d. 21. Febr. 35. Geehrtester Herr! Ich gebe mir die Ehre Ihnen mit diesen Zeilen ein Manuskript zu überschicken. Es ist ein dra matischer Versuch und behandelt einen Stoff der neueren Geschichte. Sollten Sie geneigt sein das Verlag desselben zu übernehmen, so ersuche ich Sie mich so bald wie möglich davon zu benachrichtigen, im entgegengesetzten Falle aber das Manuskript an die Heyerische Buchhand lung dahier zurückgehn zu lassen. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie dem Herrn Carl Gutzkow den beigeschlossenen Brief überschicken und ihm das Drama zur Einsicht mitteilen wollten. Haben Sie die Güte eine etwaige Antwort in einer Couverte mit der Adresse: an Frau Regie rungsrat Reuß zu Darmstadt, an mich gelangen zu lassen. Verschiedne Umstände lassen mich dringend wünschen, daß dies in möglichster Kürze der Fall sei. Hochachtungsvoll verbleibe ich Ihr ergebenster Diener G. Büchner
31. An Gutzkow [Darmstadt, den 21. Februar 1835.] Mein Herr! Vielleicht ist es die Beobachtung, vielleicht, im unglücklicheren Fall, die eigne Erfahrung schon gesagt, daß es einen Grad von Elend gibt, welcher jede Rücksicht vergessen und jedes Gefühl verstummen macht. Es gibt zwar Leute, welche behaupten, man solle sich in einem solchen Falle lieber zur Welt hinaushungern, aber ich könnte die Widerlegung in einem seit Kurzem erblindetem Hauptmann von der Gasse aufgreifen, welcher erklärt, er würde sich totschießen, wenn er nicht gezwungen sei, seiner Familie durch sein Leben eine Besoldung zu erhalten. Das ist entsetzlich. Sie werden wohl einsehen, daß es ähnliche Verhältnisse geben kann, die Einen
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe verhindern, seinen Leib zum Notanker zu machen, um ihn vor dem Wrack dieser Welt in das Wasser zu werfen, und werden sich also nicht wundern, wie ich Ihre Türe aufreiße, in Ihr Zim mer trete, Ihnen ein Manuskript auf die Brust setze und ein Almosen abfordere. Ich bitte Sie nämlich, das Manuskript so schnell wie möglich zu durchlesen, es, im Fall Ihnen Ihr Gewissen als Kritiker dies erlauben sollte, dem Herrn Sauerländer zu empfehlen und sogleich zu antwor ten. Über das Werk kann ich Ihnen nichts weiter sagen, als das unglückliche Verhältnisse mich zwangen, es in höchstens fünf Wochen zu schreiben. Ich sage dies, um Ihr Urteil über den Ver fasser, nicht über das Drama an und für sich, zu motivieren. Was ich daraus machen soll, weiß ich selbst nicht, nur das weiß ich, daß ich alle Ursache habe, der Geschichte gegenüber rot zu werden; doch tröste ich mich mit dem Gedanken, daß, Shakespeare ausgenommen, alle Dich ter vor ihr und der Natur wie Schulknaben dastehen. Ich wiederhole meine Bitte um schnelle Antwort; im Falle eines günstigen Erfolgs können eini ge Zeilen von Ihrer Hand, wenn sie noch vor nächsten Mittwoch hier eintreffen, einen Unglück lichen vor einer sehr traurigen Lage bewahren. Sollte Sie vielleicht der Ton dieses Briefs befremden, so bedenken Sie, daß es mir leichter fällt, in Lumpen zu betteln, als im Frack eine Suppli zu überreichen und fast leichter, die Pistole in der Hand: la bourse ou la vie! zu sagen, als mit bebenden Lippen ein: Gott lohn' es! zu flü stern.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
III. Straßburg 1835-1836 32. An die Familie Weißenburg, den 9. März 1835. Eben lange ich wohlbehalten hier an. Die Reise ging schnell und bequem vor sich. Ihr könnt, was meine persönliche Sicherheit anlangt, völlig ruhig sein. Sicheren Nachrichten gemäß be zweifle ich auch nicht, daß mir der Aufenthalt in Straßburg gestattet werden wird. […] Nur die dringensten Gründe konnten mich zwingen, Vaterland und Vaterhaus in der Art zu verlassen … Ich konnte mich unserer politischen Inquisition stellen; von dem Resultat einer Untersuchung hatte ich nichts zu befürchten, aber Alles von der Untersuchung selbst. […] Ich bin überzeugt, daß nach einem Verlaufe von zwei bis drei Jahren meiner Rückkehr nichts mehr im Wege ste hen wird. Diese Zeit hätte ich im Falle des Bleibens in einem Kerker zu Friedberg versessen; körperlich und geistig zerrüttet wäre ich dann entlassen worden. Die stand mir so deutlich vor Augen, dessen war ich so gewiß, daß ich das große Übel einer freiwilligen Verbannung wählte. Jetzt habe ich Hände und Kopf frei. […] Es liegt jetzt Alles in meiner Hand. Ich werde das Stu dium der medizinisch-philosophischen Wissenschaften mit der größten Anstrengung betreiben, und auf dem Felde ist noch Raum genug, um etwas Tüchtiges zu leisten und unsere Zeit ist gerade dazu gemacht, dergleichen anzuerkennen. Seit ich über der Grenze bin, habe ich fri schen Lebensmut, ich stehe jetzt ganz allein, aber gerade das steigert meine Kräfte. Der be ständigen geheimen Angst vor Verhaftung und sonstigen Verfolgungen, die mich in Darmstadt beständig peinigte, enthoben zu sein, ist eine große Wohltat. […]
33. An Gutzkow Straßburg, [März 1835.] Verehrtester! Vielleicht haben Sie durch einen Steckbrief im Frankfurter Journal meine Abreise von Darm stadt erfahren. Seit einigen Tagen bin ich hier; ob ich bleiben werde, weiß ich nicht, das hängt von verschiedenen Umständen ab. Mein Manuskript wird unter der Hand seinen Kurs durchge macht haben. Meine Zukunft ist so problematisch, daß sie mich selbst zu interessieren anfängt, was viel hei ßen will. Zu dem subtilen Selbstmord durch Arbeit kann ich mich nicht leicht entschließen; ich hoffe, meine Faulheit wenigstens ein Vierteljahr lang fristen zu können, und nehme dann Handgeld entweder von den Jesuiten für den Dienst der Maria oder von den St. Simonisten für die femme libre oder sterbe mit meiner Geliebten. Wir werden sehen. Vielleicht bin ich auch dabei, wenn noch einmal das Münster eine Jakobiner-Mütze aufsetzen sollte. Was sagen Sie dazu? Es ist nur mein Spaß. Aber Sie sollten noch erleben, zu was ein Deutscher nicht fähig ist, wenn er Hunger hat. Ich wollte, es ginge der ganzen Nation wie mir. Wenn es einmal ein Miß jahr gibt, worin nur der Hanf gerät! Das sollte lustig gehen, wir wollten schon eine Boa Con striktor zusammen flechten. Mein Danton ist vorläufig ein seidenes Schnürchen und meine Mu se ein verkleideter Samson.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
34. An die Familie Straßburg, den 27. März 1835. […] Ich fürchte sehr, daß das Resultat der Untersuchung den Schritt, welchen ich getan, hin länglich rechtfertigen wird; es sind wieder Verhaftungen erfolgt, und man erwartet nächstens deren noch mehr. Minnigerode ist in flagranti crimine ertappt worden; man betrachtet ihn als den Weg, der zur Entdeckung aller bisherigen revolutionären Umtriebe führen soll, man sucht ihm um jeden Preis sein Geheimnis zu entreißen; wie sollte seine schwache Konstitution der langsamen Folter, auf die man ihn spannt, wiederstehen können? […] Ist in den deutschen Zeitungen die Hinrichtung des Lieutenant Kosseritz auf dem Hohenasperg in Würtemberg be kannt gemacht worden? Er war Mitwisser um das Frankfurter Komplott, und wurde vor einiger Zeit erschossen. Der Buchhändler Frankh aus Stuttgart ist mit noch mehreren Anderen aus der nämlichen Ursache zum Tode verurteilt worden, und man glaubt, daß das Urteil vollstreckt wird. […]
35. An die Familie Straßburg, den 20. April 1835. […] Heute Morgen erhielt ich eine traurige Nachricht; ein Flüchtling aus der Gegend von Gießen ist hier angekommen; er erzählte mir, in der Gegend von Marburg seien mehrere Personen verhaftet und bei einem von ihnen eine Presse gefunden worden, außerdem sind meine Freun de A. Becker und Klemm eingezogen worden, und Rektor Weidig von Butzbach wird verfolgt. Ich begreife unter solchen Umständen die Freilassung von P […] nicht. Jetzt erst bin ich froh, daß ich weg bin, man würde mich auf keinen Fall verschont haben. […] Ich sehe meiner Zu kunft sehr ruhig entgegen. Jedenfalls könnte ich von meinen schriftstellerischen Arbeiten le ben. […] Man hat mich auch aufgefordert, Kritiken über die neu erscheinenden französischen Werke in das Literaturblatt zu schicken, sie werden gut bezahlt. Ich würde mir noch weit mehr verdienen können, wenn ich mehr Zeit darauf verwenden wollte, aber ich bin entschlossen, meinen Studienplan nicht aufzugeben. […]
36. An die Familie Straßburg, den 5. Mai 1835. Schulz und seine Frau gefallen mir sehr gut, ich habe schon seit längerer Zeit Bekanntschaft mit ihnen gemacht und besuche sie öfters. Schulz namentlich ist nichts weniger, als die unru hige Kanzleibürste, die ich mir unter ihm vorstelle; er ist ein ziemlich ruhiger und sehr an spruchsloser Mann. Er beabsichtigt in aller Nähe mit seiner Frau nach Nancy und in Zeit von einem Jahr ungefähr nach Zürich zu gehen, um dort zu dozieren. […] Die Verhältnisse der poli tischen Flüchtlinge sind in der Schweiz keineswegs so schlecht, als man sich einbildet; die strengen Maßregeln erstrecken sich nur auf diejenigen, welche durch ihre fortgesetzten Tollhei ten die Schweiz in die unangenehmsten Verhältnisse mit dem Auslande gebracht und beinhahe in einen Krieg mit demselben verwickelt haben. […] Böckel und Baum sind fortwährend meine intimsten Freunde; Letzterer will seine Abhandlung über die Methodisten, wofür er einen Preis von 3000 Francs erhalten hat und öffentlich gekrönt worden ist, drucken lassen. Ich habe mich in seinem Namen an Gutzkow gewendet, mit dem ich fortwährend in Korrespondenz stehe. Er ist im Augenblick in Berlin, muß aber bald wieder zurückkommen. Er scheint viel auf mich zu halten, ich bin froh darüber, sein Literaturblatt steht in großem Ansehn. […] Im Juni wird er hierherkommen, wie er mir schreibt. Daß Mehreres aus meinem Drama im Phönix erschienen
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe ist, hatte ich durch ihn erfahren, er versicherte mich auch, daß das Blatt viel Ehre damit einge legt habe. Das Ganze muß bald erscheinen. Im Fall es euch zu Gesicht kommt, bitte ich euch, bei eurer Beurteilung vorerst zu bedenken, daß ich der Geschichte treu bleiben und die Männer der Revolution geben mußte, wie sie waren, blutig, liederlich, energisch und zynisch. Ich be trachte mein Drama wie ein geschichtliches Gemälde, daß seinem Original gleichen muß. […] Gutzkow hat mich um Kritiken, wie um eine besondere Gefälligkeit gebeten; ich konnte es nicht abschlagen, ich gebe mich ja doch in meinen freien Stunden mit Lektüre ab, und wenn ich dann manchmal die Feder in die Hand nehme und schreibe über das Gelesene etwas nie der, so ist dies keine so große Mühe und nimmt wenig Zeit weg. […] Der Geburtstag des Kö nigs ging sehr still vorüber, Niemand fragt nach dergleichen, selbst die Republikaner sind ru hig; sie wollen keine Emeuten mehr, aber ihre Grundsätze finden von Tag zu Tag, namentlich bei der jungen Generation mehr Anhang, und so wird wohl die Regierung nach und nach, ohne gewaltsame Umwälzung von selbst zusammenfallen. […] Satorius ist verhaftet, sowie auch Becker. Heute habe ich auch die Verhaftung des Herrn Weidig und des Pfarrers Flick zu Petter weil erfahren. […]
37. An die Familie Straßburg, Mittwoch nach Pfingsten 1835. […] Was ihr mir von dem in Darmstadt verbreiteten Gerüchte hinsichtlich einer in Straßburg bestehenden Verbindung sagt, beunruhigt mich sehr. Es sind höchstens acht bis neun deutsche Flüchtlinge hier, ich komme fast in keine Berührung mit ihnen, und an eine politische Verbin dung ist nicht zu denken. Sie sehen so gut wie ich ein, daß unter den jetzigen Umständen der gleichen im Ganzen unnütz und dem, der daran Teil nimmt, höchst verderblich ist. Sie haben nur einen Zweck, nämlich durch Arbeiten, Fleiß und gute Sitten das sehr gesunkene Ansehn der deutschen Flüchtlinge wieder zu heben, und ich finde das sehr lobenswert. Straßburg schien übrigens unserer Regierung höchst verdächtig und sehr gefährlich, es wundern mich daher die umgehenden Gerüchte nicht im Geringsten, nur macht es mich besorgt, daß unsere Regierung die Ausweisung der Schuldigen verlangen will. Wir stehen hier unter keinem gesetz lichen Schutz, halten uns eigentlich gegen das Gesetz hier auf, sind nur geduldet und somit ganz der Willkür des Präfekten überlassen. Sollte ein derartiges Verlangen von unserer Regie rung gestellt werden, so würde man nicht fragen: existiert eine solche Verbindung oder nicht? sondern man würde ausweisen, was da ist. Ich kann zwar auf Protektion genug zählen, um mich hier halten zu können, aber das geht nur so lange, als die Regierung nicht besonders meine Ausweisung verlangt, denn in diesem Falle spricht das Gesetz zu deutlich, als daß die Behörde ihm nicht nachkommen müßte. Doch hoffe ich, das Alles ist übertrieben. Uns berührt auch folgende Tatsache: Dr. Schulz hat nämlich vor einigen Tagen den Befehl erhalten, Straß burg zu verlassen; er hatte hier ganz zurückgezogen gelebt, sich ganz ruhig verhalten und dennoch! Ich hoffe, daß unsere Regierung mich für zu unbedeutend hielt, um auch gegen mich ähnliche Maßregeln zu ergreifen und daß ich somit ungestört bleiben werde. Sagt, ich sei in die Schweiz gegangen. – Heumann sprach ich gestern. – Auch sind in der letzten Zeit wieder fünf Flüchtlinge aus Darmstadt und Gießen hier eingetroffen und bereits in die Schweiz weiter ge reist. Rosenstiel, Wiener und Stamm sind unter ihnen. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
38. An Wilhelm Büchner [Straßburg, 1835] […] Ich würde Dir das nicht sagen, wenn ich im Entferntesten jetzt an die Möglichkeit einer politischen Umwälzung glauben könnte. Ich habe mich seit einem halben Jahre vollkommen überzeugt, daß Nichts zu tun ist, und daß Jeder, der im Augenblicke sich aufopfert, seine Haut wie ein Narr zu Markte trägt. Ich kann Dir nichts Näheres sagen, aber ich kenne die Verhältnis se, ich weiß, wie schwach, wie unbedeutend, wie zerstückelt die liberale Partei ist, ich weiß, daß ein zweckmäßiges, übereinstimmendes Handeln unmöglich ist, und daß jeder Versuch auch nicht zum geringsten Resultate führt. […]
39. An unbekannten Empfänger [Straßburg, 1835]
[…] Eine genaue Bekanntschaft mit dem Treiben der deutschen Revolutionärs im Auslande hat
mich überzeugt, daß auch von dieser Seite nicht das Geringste zu hoffen ist. Es herrscht unter
ihnen eine babylonische Verwirrung, die nie gelöst werden wird. Hoffen wir auf die Zeit! […]
40. An Gutzkow [Straßburg] […] Die ganze Revolution hat sich schon in Liberale und Absolutisten geteilt und muß von der ungebildeten und armen Klasse aufgefressen werden; das Verhältnis zwischen Armen und Rei chen ist das einzige revolutionäre Element in der Welt, der Hunger allein kann die Freiheitsgöt tin und nur ein Moses, der uns die sieben ägyptischen Plagen auf den Hals schickte, könnte ein Messias werden. Mästen Sie die Bauern, und die Revolution bekommt Apoplexie. Ein Huhn im Topf jedes Bauern macht den gallischen Hahn verenden. […]
41. An die Familie Straßburg, im Juli 1835. […] Ich habe hier noch mündlich viel Unangenehmes aus Darmstadt erfahren. Koch, Waloth, Geilfuß und einer meiner Gießener Freunde, mit Namen Becker, sind vor Kurzem hier ange kommen, auch ist der junge Stamm hier. Es sind sonst noch Mehrere angekommen, sie gehen aber sämtlich weiter in die Schweiz oder in das Innere von Frankreich. Ich habe von Glück zu sagen und fühle mich manchmal recht frei und leicht, wenn ich den weiten, freien Raum um mich überblicke und mich dann in das Darmstädter Arresthaus zurückversetze. Die Unglückli chen! Minnigerode sitzt jetzt fast ein Jahr, er soll körperlich fast aufgerieben sein, aber zeigt er nicht eine heroische Standhaftigkeit? Es heißt, er sei schon mehrmals geschlagen worden, ich kann und mag es nicht glauben. A. Becker wird wohl von Gott und der Welt verlassen sein; seine Mutter starb, während er in Gießen im Gefängnis saß, vierzehn Tage darnach eröffnete man es ihm!!! Kl[emm] ist ein Verräter, das ist gewiß, aber es ist mir doch immer, als ob ich träumte, wenn ich daran denke. Wißt ihr denn, daß seine Schwester und seine Schwägerin ebenfalls verhaftet und nach Darmstadt gebracht worden sind, und zwar höchstwahrscheinlich auf seine eigne Aussage hin? Übrigens gräbt er sich sein eignes Grab; seinen Zweck, die Heirat
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe mit Fräulein v. [Grolmann] in Gießen, wird er doch nicht erreichen, und die öffentliche Verach tung, die ihn unfehlbar trifft, wird ihn töten. Ich fürchte nur sehr, daß die bisherigen Verhaf tungen nur das Vorspiel sind; es wird noch bunt hergehen. Die Regierung weiß sich nicht zu mäßigen; die Vorteile, welche ihr die Zeitumstände in die Hand geben, wird sie auf's Äußerste mißbrauchen, und das ist wohl sehr unklug und für uns sehr vorteilhaft. Auch der junge v. Bie geleben, Weidenbusch, Floret sind in eine Untersuchung verwickelt; das wird noch ins Unendli che gehen. Drei Pfarrer, Flick, Weidig und Thudichum sind unter den Verhafteten. Ich fürchte nur sehr, daß unsere Regierung uns hier nicht in Ruhe läßt, doch bin ich der Verwendung des Professors Lauth, Duvernoy und des Doktor Boeckels gewiß, die sämtlich mit dem Präfekten gut stehen. – Mit meiner Übersetzung bin ich längst fertig; wie es mit meinem Drama geht, weiß ich nicht; es mögen wohl fünf bis sechs Wochen sein, daß mir Gutzow schrieb, es werde daran gedruckt, seit der Zeit habe ich nichts mehr darüber gehört. Ich denke es muß erschie nen sein, und man schickt es mir erst, wenn die Rezensionen erschienen sind, zugleich mit diesen zu. Anders weiß ich mir die Verzögerung nicht zu erklären. Nur fürchte ich zuweilen für Gutzkow; er ist ein Preuße und hat sich neuerdings durch eine Vorrede zu einem in Berlin er schienen Werke das Mißfallen seiner Regierung zugezogen. Die Preußen machen kurzen Pro zeß; er sitzt vielleicht jetzt auf einer preußischen Festung; doch wir wollen das Beste hoffen. […]
42. An die Familie Straßburg, 16. Juli 1835. […] Ich lebe hier ganz unangefochten; es ist zwar vor einiger Zeit ein Reskript von Gießen ge kommen, die Polizei scheint aber keine Notiz davon genommen zu haben. […] Es liegt schwer auf mir, wenn ich mir Darmstadt vorstelle; ich sehe unser Haus und den Garten und dann un willkürlich das abscheuliche Arresthaus. Die Unglücklichen! Wie wird das enden? Wohl wie in Frankfurt, wo Einer nach dem Anderen stirbt und in der Stille begraben wird. Ein Todesurteil, ein Schafott, was ist das? Man stirbt für seine Sache. Aber so im Gefängnis auf eine langsame Weise aufgerieben zu werden! Das ist entsetzlich! Könntet ihr mir nicht sagen, wer in Darm stadt sitzt? Ich habe hier Vieles untereinander gehört, werde aber nicht klug daraus. Kl[emm] scheint eine schändliche Rolle zu spielen. ich hatte den Jungen sehr gern, er war grenzenlos leidenschaftlich, aber offen, lebhaft, mutig und aufgeweckt. Hört man nichts von Minnigerode? Sollte er wirklich Schläge erhalten? Es ist mir undenkbar. Seine heroische Standhaftigkeit sollte auch den verstocktesten Aristokraten Ehrfurcht einflößen. […]
43. An die Familie Straßburg, 28. Juli 1835. […] Über mein Drama muß ich einige Worte sagen: erst muß ich bemerken, daß die Erlaubnis, einige Änderungen machen zu dürfen, allzusehr benutzt worden ist. Fast auf jeder Seite weg gelassen, zugesetzt, und fast immer auf die dem Ganzen nachteiligste Weise. Manchmal ist der Sinn ganz entstellt oder ganz und gar weg, und fast platter Unsinn steht an der Stelle. Außer dem wimmelt das Buch von den abscheulichsten Druckfehlern. Man hatte mir keinen Korrek turbogen zugeschickt. Der Titel ist abgeschmackt, und mein Name steht darauf, was ich aus drücklich verboten hatte; er steht außerdem nicht auf dem Titel meines Manuskripts. Außer dem hat mir der Korrektor einige Gemeinheiten in den Mund gelegt, die ich in meinem Leben nicht gesagt haben würde. Gutzkows glänzende Kritiken habe ich gelesen und zu meiner Freu de dabei bemerkt, daß ich keine Anlagen zur Eitelkeit habe. Was übrigens die sogenannte Un sittlichkeit meines Buchs angeht, so habe ich Folgendes zu antworten: der Dramatische Dichter
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe ist in meinen Augen nichts, als ein Geschichtsschreiber, steht aber über Letzterem dadurch, daß er uns die Geschichte zum zweiten Mal erschafft und uns gleich unmittelbar, statt eine trockene Erzählung zu geben, in das Leben einer Zeit hinein versetzt, uns statt Charakteristi ken Charaktere, und statt Beschreibungen Gestalten gibt. Seine höchste Aufgabe ist, der Ge schichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen. Sein Buch darf weder sittlicher noch unsittlicher sein, als die Geschichte selbst; aber die Geschichte ist vom lieben Herrgott nicht zu einer Lektüre für junge Frauenzimmer geschaffen worden, und da ist es mir auch nicht übel zu nehmen, wenn mein Drama ebensowenig dazu geeignet ist. Ich kann doch aus meinem Danton und den Banditen der Revolution nicht Tugendhelden machen! Wenn ich ihre Liederlichkeit schildern wollte, so mußte ich sie eben liederlich sein, wenn ich ihre Gottlo sigkeit zeigen wollte, so mußte ich sie eben wie Atheisten sprechen lassen. Wenn einige unan ständige Ausdrücke vorkommen, so denke man an die weltbekannte, obszöne Sprache der damaligen Zeit, wozu das, was ich meine Leute sagen lasse, nur ein schwacher Abriß ist. Man könnte mir nur noch vorwerfen, daß ich einen solchen Stoff gewählt hätte. Aber der Entwurf ist längst widerlegt. Wollte man ihn gelten lassen, so müßten die größten Meisterwerke der Poesie verworfen werden. Der Dichter ist kein Lehrer der Moral, er erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben, und die Leute mögen dann daraus lernen, so gut, wie aus dem Studium der Geschichte und der Beobachtung dessen, was im menschlichen Le ben um sie herum vorgeht. Wenn man so wollte, dürfte man keine Geschichte studieren, weil sehr viele unmoralische Dinge darin erzählt werden, müßte mit verbundenen Augen über die Gasse gehen, weil man sonst Unanständigkeiten sehen könnte, und müßte über einen Gott Zeter schreien, der eine Welt erschaffen, worauf so viele Liederlichkeiten vorfallen. Wenn man mir übrigens noch sagen wollte, der Dichter müsse die Welt nicht zeigen wie sie ist, sondern wie sie sein solle, so antworte ich, daß ich es nicht besser machen will, als der liebe Gott, der die Welt gewiß gemacht hat, wie sie sein soll. Was noch die sogenannten Idealdichter anbe trifft, so finde ich, daß sie fast nichts als Marionetten mit himmelblauen Nasen und affektier tem Pathos, aber nicht Menschen von Fleisch und Blut gegeben haben, deren Leid und Freude mich mitempfinden macht, und deren Tun und Handeln mir Abscheu oder Bewunderung ein flößt. Mit einem Wort, ich halte viel auf Goethe oder Shakespeare, aber sehr wenig auf Schiller. Daß übrigens noch die ungünstigsten Kritiken erscheinen werden, versteht sich von selbst; denn die Regierungen müssen doch durch ihre bezahlten Schreiber beweisen lassen, daß ihre Gegner Dummköpfe oder unsittliche Menschen sind. Ich halte übrigens mein Werk keineswegs für vollkommen, und werde jede wahrhaft ästhetische Kritik mit Dank annehmen. – Habt ihr von dem gewaltigen Blitzstrahl gehört, der vor einigen Tagen das Münster getroffen hat? Nie habe ich einen solchen Feuerglanz gesehen und einen solchen Schlag gehört, ich war einige Augenblicke wie betäubt. Der Schade ist der größte seit Wächtersgedenken. Die Steine wurden mit ungeheurer Gewalt zerschmettert und weit weg geschleudert; auf hundert Schritt im Umkreis wurden die Dächer der benachbarten Häuser von den herabfallenden Steinen durchgeschlagen. – Es sind wieder drei Flüchtlinge hier eingetroffen. Nievergelder ist darunter; es sind in Gießen neuerdings zwei Studenten verhaftet worden. Ich bin äußerst vorsichtig. Wir wissen hier von Niemand, der auf der Grenze verhaftet worden sei. Die Geschichte muß ein Märchen sein. […]
44. An die Familie Straßburg, Anfangs August 1835. […] Vor Allem muß ich Euch sagen, daß man mir auf besondere Verwendung eine Sicherheits karte versprochen hat, im Fall ich einen Geburts- (nicht Heimats-) Schein vorweisen könnte. Es ist dies nur als eine vom Gesetze vorgeschriebene Förmlichkeit zu betrachten; ich muß ein Papier vorweisen können, so unbedeutend es auch sei. […] Doch lebe ich ganz unangefochten, es ist nur eine prophylaktische Maßregel, die ich für die Zukunft nehme. Sprengt mir übrigens immerhin aus, ich sei nach Zürich gegangen; da ihr seit längerer Zeit keine Briefe von mir
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe durch die Post erhalten habt, so kann die Polizei unmöglich mit Bestimmtheit wissen, wo ich mich aufhalte, zumal da ich meinen Freunden geschrieben, ich sei nach Zürich gegangen. Es sind wieder einige Flüchtlinge hier angekommen, ein Sohn des Professor Vogt ist darunter, sie bringen die Nachricht von neuen Verhaftungen dreier Familienväter! Der eine in Rödelheim, der andere in Frankfurt, der dritte in Offenbach. Auch ist eine Schwester des unglücklichen Neuhof, ein schönes und liebenswürdiges Mädchen, wie man sagt, verhaftet worden. Daß ein Frauenzimmer aus Gießen in das Darmstädter Arresthaus gebracht wurde, ist gewiß; man be hauptet, sie sei die […]. Die Regierung muß die Sachen sehr geheim halten, denn ihr scheint in Darmstadt sehr schlecht unterrichtet zu sein. Wir erfahren Alles durch die Flüchtlinge, welche es am besten wissen, da sie meistens zuvor in die Untersuchung verwickelt waren. Daß Minni gerode in Friedberg eine Zeit lang Ketten an den Händen hatte, weiß ich gewiß; ich weiß es von Einem, der mit ihm saß. Er soll tödlich krank sein; wolle der Himmel, daß seine Leiden ein Ende hätten! Daß die Gefangenen die Gefangenenkost bekommen und weder Licht noch Bü cher erhalten, ist ausgemacht. Ich danke dem Himmel, daß ich voraussah, was kommen wür de, ich wäre in so einem Loch verrückt geworden. […] In der Politik fängt es hier wieder an, lebendig zu werden. Die Höllenmaschine in Paris und die der Kammer vorgelegten GesetzEntwürfe über die Presse machen viel Aufsehn. Die Regierung zeigt sich sehr unmoralisch; denn, ohne gleich es gerichtlich erwiesen ist, daß der Täter ein verschmitzter Schurke ist, der schon allen Parteien gedient hat und wahrscheinlich durch Geld zu der Tat getrieben wurde, so sucht sie doch das Verbrechen den Republikanern und Karlisten auf den Hals zu laden und durch den momentanen Eindruck die unleidlichsten Beschränkungen der Presse zu erlangen. Man glaubt, daß das Gesetz in der Kammer durchgehen und vielleicht noch geschärft werden wird. Die Regierung ist sehr unklug; in sechs Wochen hat man die Höllenmaschine vergessen, und dann befindet sie sich mit ihrem Gesetz einem Volke gegenüber, das seit mehreren Jahren gwohnt ist, alles, was ihm durch den Kopf kommt, öffentlich zu sagen. Die feinsten Politiker reimen die Höllenmaschine mit der Revue in Kalisch zusammen. Ich kann ihnen nicht ganz Unrecht geben; die Höllenmaschine unter Bonaparte! der Rastadter Gesandtenmord! […] Wenn man sieht, wie die absoluten Mächte Alles wieder in die alte Unordnung zu bringen su chen, Polen, Italien, Deutschland wieder unter den Füßen! es fehlt nur noch Frankreich, es hängt ihnen immer, wie ein Schwert, über dem Kopf. So zum Zeitvertreib wirft man doch die Millionen in Kalisch nicht zum Fenster hinaus. Man hätte die auf den Tod des Königs folgende Verwirrung benutzt und hätte gerade nicht sehr viele Schritte gebraucht, um an den Rhein zu kommen. Ich kann mir das Attentat auf keine andere Weise erklären. Die Republikaner haben erstens kein Geld und sind zweitens in einer so elenden Lage, daß sie nichts hätten versuchen können, selbst wenn der König gefallen wäre. Höchstens könnten einige Legitimisten hinein verwickelt sein. Ich glaube nicht, daß die Justiz die Sache aufklären wird. […]
45. An die Familie Straßburg, den 17. August 1835. Von Umtrieben weiß ich nichts. Ich und meine Freunde sind sämtlich der Meinung, daß man für jetzt Alles der Zeit überlassen muß; übrigens kann der Mißbrauch, welchen die Fürsten mit ihrer wieder erlangten Gewalt treiben, nur zu unserem Vorteil gereichen. Ihr müßt Euch durch die verschiedenen Gerüchte nicht irre machen lassen; so soll sogar ein Mensch Euch besucht haben, der sich für Einen meiner Freunde ausgab. Ich erinnere mich gar nicht, den Menschen je gesehen zu haben; wie mir die Anderen jedoch erzählten, ist er ein ausgemachter Schurke, der wahrscheinlich auch das Gerücht von einer hier bestehenden Verbindung ausgesprengt hat. Die Gegenwart des Prinzen Emil, der eben hier ist, könnte vielleicht nachteilige Folgen für uns haben, im Fall er von dem Präfekten unsere Ausweisung begehrte; doch halten wir uns für zu unbedeutend, als daß seine Hoheit sich mit uns beschäftigen sollte. Übrigens sind fast sämtliche Flüchtlinge in die Schweiz und in das Innere abgereist, und in wenigen Tagen gehen noch Mehrere, so daß höchstens fünf bis sechs hier bleiben werden. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
46. An Gutzkow [Straßburg, September 1835.] […] Was Sie mir über die Zusendung aus der Schweiz sagen, macht mich lachen. Ich sehe schon, wo es herkommt. Ein Mensch, der mir einmal, es ist schon lange her, sehr lieb war, mir später zur unerträglichen Last geworden ist, den ich schon seit Jahren schleppe und der sich, ich weiß nicht aus welcher verdammten Notwendigkeit, ohne Zuneigung, ohne Liebe, ohne Zutrauen an mich anklammert und quält und den ich wie ein notwendiges Übel getragen habe! Es war mir wie einem Lahmen oder Krüppel zu Mut und ich hatte mich so ziemlich in mein Lei den gefunden. Aber jetzt bin ich froh, es ist mir, als wäre ich von einer Todsünde absolviert. Ich kann ihn endlich mit guter Manier vor die Türe werfen. Ich war bisher unvernünftig gutmü tig, es wäre mir leichter gefallen ihn tot zu schlagen, als zu sagen: Pack dich! Aber jetzt bin ich ihn los! Gott sei Dank! Nichts kommt Einem doch in der Welt teurer zu stehen als die Humani tät. […]
47. An die Familie Straßburg, den 20. September 1835. […] Mir hat sich eine Quelle geöffnet; es handelt sich um ein großes Literaturblatt, deutsche Revue betitelt, das mit Anfang des neuen Jahres in Wochenheften erscheinen soll. Gutzkow und Wienbarg werden das Unternehmen leiten; man hat mich zu monatlichen Beiträgen aufge fordert. Ob das gleich eine Gelegenheit gewesen wäre, mir vielleicht ein regelmäßiges Ein kommen zu sichern, so habe ich doch meiner Studien halber die Verpflichtung zu regelmäßigen Beiträgen abgelehnt. Vielleicht, daß Ende des Jahres noch etwas von mir erscheint. – Kl[emm] also frei? Er ist mehr ein Unglücklicher, als ein Verbrecher, ich bemitleide ihn eher, als ich ihn verachte; man muß doch gar pfiffig die tolle Leidenschaft des armen Teufels benützt haben. Er hatte sonst Ehrgefühl, ich glaube nicht, daß er seine Schande wird ertragen können. Seine Fa milie verleugnet ihn, seinen älteren Bruder ausgenommen, der eine Hauptrolle in der Sache gespielt zu haben scheint. Es sind viel Leute dadurch unglücklich geworden. Mit Minnigerode soll es besser gehen. Hat denn Gladbach noch kein Urteil? Das heiße ich einen doch lebendig begraben. Mich schaudert, wenn ich denke, was vielleicht mein Schicksal gewesen wäre! […]
48. An die Familie Straßburg im Oktober 1835. […] Ich habe mir hier allerhand interessante Notizen über einen Freund Goethes, einen un glücklichen Poeten Namens Lenz verschafft, der sich gleichzeitig mit Goethe hier aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen Aufsatz in der deutschen Revue erscheinen zu lassen. Auch sehe ich mich eben nach einem Stoff zu einer Abhandlung über einen philosophi schen oder naturheilkundlichen Gegenstand um. Jetzt noch eine Zeit lang anhaltendes Studi um, und der Weg ist gebrochen. Es gibt hier Leute, die mir eine glänzende Zukunft prophezei en. Ich habe nichts dawider. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
49. An die Familie Straßburg, den 2. November 1835. […] Ich weiß bestimmt, daß man mir in Darmstadt die abenteuerlichsten Dinge nachsagt; man hat mich bereits dreimal an der Grenze verhaften lassen. Ich finde es natürlich; die außeror dentliche Anzahl von Verhaftungen und Steckbriefen muß Aufsehen machen, und da das Publi kum jedenfalls nicht weiß, um was es sich eigentlich handelt, so macht es wunderliche Hypo thesen. […] Aus der Schweiz habe ich die besten Nachrichten. Es wäre möglich, daß ich noch vor Neujahr von der Züricher Fakultät den Doktorhut erhielte, in welchem Fall ich alsdann nächste Ostern anfangen würde, dort zu dozieren. In meinem Alter von zwei und zwanzig Jahren wäre das Alles, was man fordern kann. […] Neulich hat mein Name in der Allgemeinen Zeitung paradiert. Es handelte sich um eine große literärische Zeitschrift, deutsche Revue, für die ich einen Artikel zu liefern versprochen habe. Dies Blatt ist schon vor seinem Erscheinen angegriffen worden, worauf es denn hieß, daß man nur die Herren Heine, Börne, Mundt, Schulz, Büchner u.s.w. zu nennen brauche, um einen Be griff von dem Erfolge zu haben, den diese Zeitschrift haben würde. – Über die Art, wie Minni gerode mißhandelt wird, ist im "Temps" ein Artikel erschienen. Er scheint mir von Darmstadt aus geschrieben; man muß wahrhaftig weit gehen, um einmal klagen zu dürfen. Meine un glücklichen Freunde! […]
50. An Gutzkow [Straßburg 1835.] […] Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von meinen Freunden Stöber. Die Sagen sind schön, aber ich bin kein Verehrer de Manier à la Schwab und Uhland und der Partei, die immer rückwärts ins Mittelalter greift, weil sie in der Gegenwart keinen Platz ausfüllen kann. Doch ist mir das Büchlein lieb; sollten Sie nichts Günstiges darüber zu sagen wissen, so bitte ich Sie, lieber zu schweigen. Ich habe mich ganz hier in das Land hineingelebt; die Vogesen sind ein Gebirg, das ich liebe, wie eine Mutter, ich kenne jede Bergspitze und jedes Tal und die alten Sagen sind so originell und heimlich und die beiden Stöber sind alte Freunde, mit denen ich zum Erstenmal das Gebirg durchstich. Adolph hat unstreitig Talent, auch wird Ihnen sein Name durch den Musenalmanach bekannt sein. August steht ihm nach, doch ist er gewandt in der Sprache. Die Sache ist nicht ohne Bedeutung für das Elsaß, sie ist einer von den seltnen Versuchen, die noch manche Elsässer machen, um die deutsche Nationalität Frankreich gegenüber zu wahren und wenigstens das geistige Band zwischen ihnen und dem Vaterland nicht reißen zu lassen. Es wäre traurig, wenn das Münster einmal ganz auf fremden Boden stände. Die Absicht, wel che zum Teil das Büchlein erstehen ließ, würde sehr gefördert werden, wenn das Unternehmen in Deutschland Anerkennung fände und von der Seite empfehle ich es Ihnen besonders. Ich werde ganz dumm in dem Studium der Philosophie; ich lerne die Armseligkeit des mensch lichen Geistes wieder von einer neuen Seite kennen. Meinetwegen! Wenn man sich nur einbil den könnte, die Löcher in unsern Hosen seien Palastfenster, so könnte man schon wie ein Kö nig leben; aber so friert man erbärmlich. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
51. An Ludwig Büchner [Straßburg, Ende Dezember 1835] Prost Neujahr Hammelmaus! Ich höre, daß du ein braver Junge bist, die Eltern haben ihre Freude an dir. Mache, daß es im mer so sei! Es ist mir ein schönes Weihnachtsgeschenk, dies von dir zu hören. Du zeichnest nett, fahre so fort, Louis Jaeglé hatte große Freude daran und am Büchsenlecker und da läßt er dir durch mich ein Buch mit Zeichnungen schicken. Da hast du etwas um dich zu üben. – Ist Lottchen Cellarius mit dir zufrieden und ist es mit dem Stück am Weihnachtsabend gut gegan gen? Wenn du in die Klavierstunde gehst, so sage der Fräulein Lottchen einen schönen Gruß von mir, aber sage um des Himmelswillen Niemand ein Wort davon. Nächstes Frühjahr gehe ich in die Schweiz. Wenn du brav bist und etwas größer, als jetzt, so mußt du Stock und Ranzen nehmen und mich besuchen. Erst gehst du auf das Straßburger Münster und dann gehn wir an den Rheinfall nach Schaffhausen und an den VierwaldstätterSee nach der Tellenplatte und der Tellskapelle. Adieu Mäuschen, ich denke du bist jetzt eine Maus und wenn du so fort machst, kannst du es noch weit bringen; ich hoffe, daß du für den grauen Biberrock jetzt zu groß bist. Lebewohl dein Bruder Georg
52. An die Familie Straßburg, den 1. Januar 1836. […] Das Verbot der deutschen Revue schadet mir nichts. Einige Artikel, die für sie bereit lagen, kann ich an den Phönix schicken. Ich muß lachen, wie fromm und moralisch plötzlich unsere Regierungen werden; der König von Bayern läßt unsittliche Bücher verbieten! da darf er seine Biographie nicht erscheinen lassen, denn die wäre das Schmutzigste, was je geschrieben wor den! Der Großherzog von Baden, erster Ritter vom doppelten Mopsorden, macht sich zum Rit ter vom heiligen Geist und läßt Gutzkow arretieren, und der liebe deutsche Michel glaubt, es geschähe Alles aus Religion und Christentum und klatscht in die Hände. Ich kenne die Bücher nicht, von denen überall die Rede ist; sie sind nicht in den Leihbibliotheken und zu teuer, als daß ich Geld daran wenden sollte. Sollte auch Alles sein, wie man sagt, so könnte ich darin nur die Verirrungen eines durch philosophische Sophismen falsch geleiteten Geistes sehen. Es ist der gewöhnlichste Kunstgriff, den großen Haufen auf seine Seite zu bekommen, wenn man mit recht vollen Backen: "unmoralisch!" schreit. Übrigens gehört sehr viel Mut dazu, einen Schrift steller anzugreifen, der von einem deutschen Gefängnis aus antworten soll. Gutzkow hat bis her einen edlen, kräftigen Charakter gezeigt, er hat Proben von großem Talent abgelegt; wo her denn plötzlich das Geschrei? Es kommt mir vor, als stritte man sehr um das Reich dieser Welt, während man sich stellt, als müsse man der heiligen Dreifaltigkeit das Leben retten. Gutzkow hat in seiner Sphäre mutig für die Freiheit gekämpft; man muß doch die Wenigen, welche noch aufrecht stehn und zu sprechen wagen, verstummen machen! Übrigens gehöre ich für meine Person keineswegs zu dem sogenannten Jungen Deutschland, der literarischen Partei Gutzkows und Heines. Nur ein völliges Mißkennen unserer gesellschaftlichen Verhältnis se konnte die Leute glauben machen, daß durch die Tagesliteratur eine völlige Umgestaltung unserer religiösen und gesellschaftlichen Ideen möglich sei. Auch teile ich keineswegs ihre Meinung über die Ehe und das Christentum, aber ich ärgere mich doch, wenn Leute, die in der Praxis tausendfältig mehr gesündigt, als diese in der Theorie, gleich moralische Gesichter ziehn und den Stein auf ein jugendliches, tüchtiges Talent werfen. Ich gehe meinen Weg für mich und bleibe auf dem Felde des Dramas, das mit all diesen Streitfragen nichts zu tun hat; ich
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe zeichne meine Charaktere, wie ich sie der Natur und der Geschichte angemessen halte, und lache über die Leute, welche mich für die Moralität oder Immoralität derselben verantwortlich machen wollen. Ich habe darüber meine eignen Gedanken. […] Ich komme vom Christkindlesmarkt, überall Haufen zerlumpter, frierender Kinder, die mit auf gerissenen Augen und traurigen Gesichtern vor der Herrlichkeit aus Wasser und Mehl, Dreck und Goldpapier standen. Der Gedanke, daß für die meisten Menschen auch die armseligsten Genüsse und Freuden unerreichbare Kostbarkeiten sind, machte mich sehr bitter. […]
53. An Gutzkow [Straßburg, Januar 1836.]
Mein Lieber!
Ich weiß nicht ob bei der verdächtigen Adresse diese Zeilen in ihre Hände gelangen werden.
Haben Sie den Brief von Boulet erhalten? Ich habe ihn nach Mannheim geschickt. Ich wagte
damals nicht einige Zeilen an Sie beizulegen. Ich hielt die Sache für ernsthafter. Nach den Zei
tungen müssen Sie bald frei sein. 4 Wochen. Das ist bald herum. Dann habe ich noch besonde
re Nachrichten über Sie aus Mannheim. Ihre Haft ist leicht. Sie dürfen Besuche annehmen,
sogar ausgehen. Verhält es sich so?
Haben Sie nicht weiter zu fürchten? Geben Sie mir Auskunft so bald, als möglich! Die Frage ist
nicht müßig. Glauben Sie, daß man Sie frei läßt, nach Verlauf der bestimmten Frist? Sie sitzen
im Amthaus, nicht wahr?
Sobald Sie frei sind, verlassen Sie Teutschland so schnell als möglich. Sie haben von Glück zu
sagen, daß es so abzulaufen scheint. Es sollte mich wundern.
Im Fall Sie den Weg über Straßburg nehmen, so fragen Sie nach mir bei Herrn Schroot Gast
wirt zum Rebstock. Ich erwarte Sie mit Ungeduld.
Ihr G.
54. An die Familie Straßburg, den 15. März 1836. […] Ich begreife nicht, daß man gegen Küchler etwas in Händen haben soll; ich dachte, er sei mit nichts beschäftigt, als seine Praxis und Kenntnisse zu erweitern. Wenn er auch nur kurze Zeit sitzt, so ist doch wohl seine ganze Zukunft zerstört: man setzt ihn vorläufig in Freiheit, spricht ihn von der Instanz los, läßt ihn versprechen, das Land nicht zu verlassen, und verbie tet ihm seine Praxis, was man nach den neusten Verfügungen kann. – Als sicher und gewiß kann ich Euch sagen, daß man vor Kurzem in Bayern zwei junge Leute, nachdem sie seit faßt vier Jahren in strenger Haft gesessen, als unschuldig in Freiheit gesetzt hat! Außer Küchler und Groß sind noch drei Bürger aus Gießen verhaftet worden. Zwei von ihnen haben ihr Geschäft, und der eine ist obendrein Familienvater. Auch hörten wir, Max v. Biegeleben sei verhaftet, aber gleich darauf wieder gegen Kaution in Freiheit gesetzt worden. Gladbach soll vor einiger Zeit zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden sein; das Urteil sei aber wieder umgestoßen, und die Untersuchung fange von Neuem an. Ihr würdet mir einen Gefallen tun, wenn ihr mir über Beides Auskunft gäbet. Ich will euch dafür sogleich eine sonderbare Geschichte erzählen, die Herr J. in den englischen Blättern gelesen, und die, wie dazu bemerkt, in den deutschen Blättern nicht mitgeteilt werden durfte. Der Direktor des Theaters zu Braunschweig ist der bekannte Komponist Methfessel. Er hat eine hübsche Frau, die dem Herzog gefällt, und ein Paar Augen, die er gern zudrückt, und ein Paar Hände, die er gern aufmacht. Der Herzog hat die sonderbare Manie, Madame Methfes sel im Kostüm zu bewundern. Er befindet sich daher gewöhnlich vor Anfang des Schauspiels
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe mit ihr allein auf der Bühne. Nun intrigiert Methfessel gegen einen bekannten Schauspieler, dessen Name mir entfallen ist. Der Schauspieler will sich rächen, er gewinnt den Maschinisten, der Maschinist zieht an einem schönen Abend den Vorhang ein Viertelstündchen früher auf, und der Herzog spielt mit Madame Methfessel die erste Szene. Er gerät außer sich, zieht den Degen und ersticht den Maschinisten; der Schauspieler hat sich geflüchtet. – Ich kann euch versichern, daß nicht das geringste politische Treiben unter den Flüchtlingen hier herrscht; die vielen und guten Examina, die hier gemacht werden, beweisen hinlänglich das Gegenteil. Übrigens sind wir Flüchtigen und Verhafteten gerade nicht die Unwissendsten, Einfältigsten oder Liederlichsten! Ich sage nicht zuviel, daß bis jetzt die besten Schüler des Gymnasiums und die fleißigsten und unterrichtetsten Studenten dies Schicksal getroffen hat, die mitgerechnet, welche von Examen und Staatsdienst zurückgewiesen sind. Es ist doch im Ganzen ein armseliges, junges Geschlecht, was eben in Darmstadt herumläuft und sich ein Ämtchen zu erkriechen sucht!
55. An Gutzkow Straßburg. [1836] Lieber Freund! War ich lange genug stumm? Was soll ich Ihnen sagen? Ich saß auch im Gefängnis und im langweiligsten unter der Sonne, ich habe eine Abhandlung geschrieben in die Länge, Breite und Tiefe. Tag und Nacht über der ekelhaften Geschichte, ich begreife nicht, wo ich die Geduld her genommen. Ich habe nämlich die fixe Idee, im nächsten Semester zu Zürich einen Kurs über die Entwicklung der deutschen Philosophie seit Cartesius zu lesen; dazu muß ich mein Diplom haben und die Leute scheinen gar nicht geneigt, meinem lieben Sohn Danton den Doktorhut aufzusetzen. Was war da zu machen? Sie sind in Frankfurt und unangefochten? Es ist mir leid und doch wieder lieb, daß Sie noch nicht im Rebstöckel angeklopft haben. Über den Stand der modernen Literatur in Deutschland weiß ich so gut als nichts; nur einige ver sprengte Broschüren, die, ich weiß nicht wie, über den Rhein gekommen, fielen mir in die Hän de. Es zeigt sich in dem Kampfe gegen Sie eine gründliche Niederträchtigkeit, eine recht gesunde Niederträchtigkeit, ich begreife gar nicht, wie wir noch so natürlich sein können! Und Menzels Hohn über die politischen Narren in den deutschen Festungen – und das von Leuten! mein Gott, ich könnte Ihnen übrigens erbauliche Geschichten erzählen. Es hat mich im Tiefsten empört; meine armen Freunde! Glauben Sie nicht, daß Menzel näch stens eine Professur in München erhält? Übrigens, um aufrichtig zu sein, Sie und Ihre Freunde scheinen mir nicht gerade den klügsten Weg gegangen zu sein. Die Gesellschaft mittelst der Idee, von der gebildeten Klasse aus re formieren? Unmöglich! Unsere Zeit ist rein materiell, wären Sie je direkter politisch zu Werk gegangen, so wären Sie bald auf den Punkt gekommen, wo die Reform von selbst aufgehört hätte. Sie werden nie über den Riß zwischen der gebildeten und ungebildeten Gesellschaft hi nauskommen. Ich habe mich überzeugt, die gebildete und wohlhabende Minorität, so viel Konzessionen sie auch von der Gewalt für sich begehrt, wird nie ihr spitzes Verhältnis zur großen Klasse aufge ben wollen. Und die große Klasse selbst? Für die gibt es nur zwei Hebel, materielles Elend und religiöser Fanatismus. Jede Partei, welche diese Hebel anzusetzen versteht, wird siegen. Unse re Zeit braucht Eisen und Brot – und dann ein Kreuz oder sonst so was. Ich glaube, man muß in sozialen Dingen von einem absoluten Rechtsgrundsatz ausgehen, die Bildung eines neuen geistigen Lebens im Volk suchen und die abgelebte moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding, wie diese, zwischen Himmel und Erde herumlaufen? Das ganze
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe Leben derselben besteht ja nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben. Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann. […]
56. An die Familie Straßburg, im Mai 1836. […] Ich bin fest entschlossen, bis zum nächsten Herbste hier zu bleiben. Die letzten Vorfälle in Zürich geben mir einen Hauptgrund dazu. Ihr wißt vielleicht, daß man unter dem Vorwande, die deutschen Flüchtlinge beabsichtigten einen Einfall in Deutschland, Verhaftungen unter den selben vorgenommen hat. Das Nämliche geschah an anderen Punkten der Schweiz. Selbst hier äußerte die einfältige Geschichte ihre Wirkung, und es war ziemlich ungewiß, ob wir hier blei ben dürften, weil man wissen wollte, daß wir (höchstens noch sieben bis acht an der Zahl) mit bewaffneter Hand über den Rhein gehen sollten! Doch hat sich Alles in Güte gemacht, und wir haben keine weiteren Schwierigkeiten zu besorgen. Unsere hessische Regierung scheint unse rer zuweilen mit Liebe zu gedenken. […] Was an der ganzen Sache eigentlich ist, weiß ich nicht; da ich jedoch weiß, daß die Mehrzahl der Flüchtlinge jeden diskreten revolutionären Versuch unter den jetzigen Verhältnisse für Un sinn hält, so konnte höchstens eine ganz unbedeutende, durch keine Erfahrung belehrte Min derzahl an dergleichen gedacht haben. Die Hauptrolle unter den Verschworenen soll ein gewis ser Herr v. Eib gespielt haben. Daß dieses Individuum ein Agent des Bundestags sei, ist mehr als wahrscheinlich; die Pässe, welche die Züricher Polizei bei ihm fand, und der Umstand, daß er starke Summen von einem Frankfurter Handelshause bezog, sprechen auf das direkteste dafür. Der Kerl soll ein ehemaliger Schuster sein, und dabei zieht er mit einer liederlichen Per son aus Mannheim herum, die er für eine ungarische Gräfin ausgibt. Er scheint wirklich einige Esel unter den Flüchtlingen übertölpelt zu haben. Die ganze Geschichte hatte keinen andern Zweck, als, im Falle die Flüchtlinge sich zu einem öffentlichen Schritt hätten verleiten lassen, dem Bundestag einen gegründeten Vorwand zu geben, um auf die Ausweisung aller Refugiés aus der Schweiz zu dringen. Übrigens war dieser v. Eib schon früher verdächtig, und man war schon mehrmals vor ihm gewarnt worden. Jedenfalls ist der Plan vereitelt und die Sache wird für die Mehrzahl der Flüchtlinge ohne Folgen bleiben. Nichts destoweniger fände ich es nicht rätlich, im Augenblick nach Zürich zu gehen; unter solchen Umständen hält man sich besser fern. Die Züricher Regierung ist natürlich eben etwas ängstlich und mißtrauisch, und so könnte man wohl unter den jetzigen Verhältnissen meinem Aufenthalte Schwierigkeiten machen. In Zeit von bis drei Monaten ist dagegen die ganze Geschichte vergessen. […]
57. An Eugen Boeckel D. 1. Juni [1836]. Straßburg. Mein lieber Eugen! Ich sitze noch hier, wie Du aus dem Datum siehst. "Sehr unvernünftig!" wirst Du sagen, und ich sage: meinetwegen! Erst gestern ist meine Abhandlung vollständig fertig geworden. Sie hat sich viel weiter ausgedehnt, als ich Anfangs dachte und ich habe viel gute Zeit mit verloren; doch bilde ich mir dafür ein sie sei gut ausgefallen – und die societé d'histoire naturelle scheint der nämlichen Meinung zu sein. Ich habe in 3 verschiedenen Sitzungen 3 Vorträge darüber gehalten, worauf die Gesellschaft sogleich beschloß sie unter ihren Memoiren abdrucken zu lassen; obendrein machte sie mich zu ihrem korrespondierenden Mitglied. Du siehst, der Zufall hat mir wieder aus der Klemme geholfen, ich bin ihm überhaupt großen Dank schuldig und mein Leichtsinn, der im Grund genommen das unbegrenzteste Gottvertrauen ist, hat dadurch wieder großen Zuwachs erhalten. Ich brauche ihn aber auch; wenn ich meinen Doktor bezahlt
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe habe, so bleibt mir kein Heller mehr und schreiben habe ich die Zeit nichts können. Ich muß eine Zeitlang vom lieben Kredit leben und sehen, wie ich mir in den nächsten 6-8 Wochen Rock und Hosen aus meinen großen weißen Papierbogen, die ich vollschmieren soll, schneiden wer de. Ich denke: "befiehl du deine Wege" und lasse mich nicht stören. Habe ich lange geschwiegen? Doch du weißt warum und verzeihst mir. Ich war wie ein Kranker der eine ekelhafte Arznei so schnell als möglich mit einem Schluck nimmt, ich konnte nichts weiter, als mir die fatale Arbeit vom Hals schaffen. Es ist mir unendlich wohl, seit ich das Ding aus dem Haus habe. – Ich denke den Sommer noch hier zu bleiben. Meine Mutter kommt im Herbst. Jetzt nach Zürich, im Herbst wieder zurück, Zeit und Geld verlieren, das wäre Unsinn. Jedenfalls fange ich aber nächsten Wintersemester meinen Kurs an, auf den ich mich jetzt in aller Gemächlichkeit fertig präpariere. Du hast frohe Tage auf Deiner Reise, wie es scheint. Ich freue mich darüber. Das Leben ist überhaupt etwas recht Schönes und jedenfalls ist es nicht so langweilig, als wenn es noch ein mal so langweilig wäre. Spute dich etwas im nächsten Herbst, komme zeitig, dann sehe ich Dich noch hier. Hast du viel gelernt, unterwegs? Ist dir die Kranken und Leichenschau noch nicht zur Last geworden? Ich meine eine Tour durch die Spitäler von halb Europa müßte einem sehr melancholisch und die Tour durch die Hörsäle unserer Professoren müßte einem ganz wü tend machen. 3 Dinge, die man übrigens auch ohne die drei Touren sehr leicht werden kann z.B. wenn es regnet und kalt ist, wie eben; wenn man Zahnweh hat, wie ich vor 8 Tagen, u. wenn man einen vollen Winter und ein halbes Frühjahr nicht aus seinen 4 Wänden gekommen, wie ich dies Jahr. Du siehst ich stehe viel aus und ehe ich mir neulich meinen hohlen Zahn ausziehen lassen, habe ich im vollständigen Ernst überlegt, ob ich mich nicht lieber totschießen sollte, was jeden falls weniger schmerzhaft ist. Baum seufzt jeden Tag, bekommt dabei einen ungeheuren Bauch und macht ein so selbstmör derisches Gesicht, daß ich fürchte, er will sich auf subtile Weise durch einen Schlagfuß aus der Welt schaffen. Er ärgert sich dabei regelmäßig jeden Tag, seit ich ihn versichert habe, daß Är ger der Gesundheit sehr zuträglich sei. Das Fechten hat er eingestellt und ist dabei so entsetz lich faul, daß er zum großen Verdruß deines Bruders noch keinen von Deinen Aufträgen ausge richtet hat. Was ist mit dem Menschen anzufangen? Er muß Pfarrer werden, er zeigt die schön sten Dispositionen. Die beiden Stöber sitzen noch in Oberbrunn. Leider bestätigt sich das Gerücht hinsichtlich der Frau Pfarrerin. Das arme Mädel hier ist ganz verlassen und unten sollen die Leute über die poetische Bedeutung des Ehebruchs philosophieren. Letztes glaube ich nicht, – aber zweideutig ist die Geschichte. Was macht unser Freund und Vetter, Zipfel? Ist ihm die Zeit nirgends weiter gezündet worden? Siehst Du meinen Vetter aus Holland zuweilen? Grüße Beide vielmals von mir. Wilhelmine war lange Zeit unwohl, sie litt an einer chronischen Friesel, ohne jedoch bedenklich krank gewesen zu sein. à propos, sie hat mir Deine beiden Briefe, unerbrochen gegeben, dennoch hätte ich es passen der gefunden Du hättest schicklichkeitshalber eine Couverte um deinen Brief gemacht; konnte ein Frauenzimmer ihn nicht lesen, so war es unpassend ihn auch an ein Frauenzimmer zu adressieren; mit einer Couverte ist es etwas anders. Ich hoffe Du verdenkst mir diese kleine Zurechtweisung nicht. Jedenfalls bin ich die nächsten 4 Wochen noch hier, während des Drucks meiner Abhandlung. Wirst Du mich noch mit einem Brief erfreuen, ehe du aus Wien abreisest? à propos, du machst ja ganz ästhetische Studien, Dem. Peche ist eine alte Bekanntin von mir. Lebwohl Dein G. B.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
58. An die Familie Straßburg im Juni 1836. […] Es ist nicht im Entferntesten daran zu denken, daß im Augenblick ein Staat das Asylrecht aufgibt, weil ein solches Aufgeben ihn den Staaten gegenüber, auf deren Verlangen es ge schieht, politisch annullieren würde. Die Schweiz würde durch einen solchen Schritt sich von den liberalen Staaten, zu denen sie ihrer Verfassung nach natürlich gehört, lossagen und sich an die absoluten anschließen, ein Verhältnis, woran unter den jetzigen politischen Konstellatio nen nicht zu denken ist. Daß man aber Flüchtlinge, welche die Sicherheit des Staates, der sie aufgenommen, und das Verhältnis desselben zu den Nachbarstaaten kompromittieren, aus weist, ist ganz natürlich und hebt das Asylrecht nicht auf. Auch hat die Tagsatzung bereits ih ren Beschluß erlassen. Es werden nur diejenigen Flüchtlinge ausgewiesen, welche als Teilneh mer an dem Savoyer Zuge schon früher waren ausgewiesen worden, und diejenigen, welche an den letzten Vorfälle Teil genommen haben. Dies ist authentisch. Die Mehrzahl der Flüchtlin ge bleibt also ungefährdet, und es bleibt Jedem unbenommen, sich in die Schweiz zu begeben. Nur ist man in vielen Kantonen gezwungen, eine Kaution zu stellen, was sich aber seit längerer Zeit so verhält. Meiner Reise nach Zürich steht also kein Hindernis im Weg. – Ihr wißt, daß unsere Regierung uns hier schikaniert, und daß die Rede davon war, uns auszuweisen weil wir mit den Narren in der Schweiz in Verbindung ständen. Der Präfekt wollte genaue Auskunft, wie wir uns hier beschäftigten. Ich gab dem Polizeikommissär mein Diplom als Mitglied der Societé d'histoire naturelle nebst einem von den Professoren mir ausgestellten Zeugnisse. Der Präfekt war damit außerordentlich zufrieden, und man sagte mir, daß ich namentlich ganz ruhig sein könne. […]
59. An Wilhelm Büchner Straßburg, den 2. September 1836. […] Ich bin ganz vergnügt in mir selbst, ausgenommen, wenn wir Landregen oder Nordwest wind haben, wo ich freilich einer von denjenigen werde, die Abends vor dem Bettgehn, wenn sie den einen Strumpf vom Fuß haben, im Stande sind, sich an ihre Stubentür zu hängen, weil es ihnen der Mühe zuviel ist, den anderen ebenfalls auszuziehen. […] Ich habe mich jetzt ganz auf das Studium der Naturwissenschaften und der Philosophie gelegt, und werde in Kurzem nach Zürich gehen, um in meiner Eigenschaft als überflüssiges Mitglied der Gesellschaft mei nen Mitmenschen Vorlesungen über etwas ebenfalls höchst Überflüssiges, nämlich über die philosophischen Systeme der Deutschen seit Cartesius und Spinoza, zu halten. – Dabei bin ich gerade daran, sich einige Menschen auf dem Papier totschlagen oder verheiraten zu lassen, und bitte den lieben Gott um einen einfältigen Buchhändler und ein groß Publikum mit so we nig Geschmack, als möglich. Man braucht einmal zu vielerlei Dingen unter der Sonne Mut, so gar, um Privatdozent der Philosophie zu sein. […]
60. An die Familie Straßburg, im September 1836. […] Ich habe meine zwei Dramen noch nicht aus den Händen gegeben, ich bin noch mit Man chem unzufrieden und will nicht, daß es mir geht, wie das erste Mal. Das sind Arbeiten, mit denen man nicht zu einer bestimmten Zeit fertig werden kann, wie der Schneider mit seinem Kleid. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
61. An Bürgermeister Hess Straßburg, d. 22. September 1836 Euer Wohlgeboren werden, wie ich hoffe, einen Fremden entschuldigen, der sich die Freiheit nimmt in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit Ihre Güte in Anspruch zu nehmen. Die politischen Verhält nisse Teutschlands zwangen mich, mein Vaterland vor ungefähr anderthalb Jahren zu verlas sen. Ich hatte mich der akademischen Laufbahn bestimmt. Ein Ziel aufzugeben, auf dessen Errichtung bisher alle meine Kräfte gerichtet waren, konnte ich mich nicht entschließen und so setzte ich in Straßburg meine Studien fort, in der Hoffnung in der Schweiz meine Wünsche rea lisieren zu können. Wirklich hatte ich vor Kurzem die Ehre von der philosophischen Fakultät zu Zürich einmütig zum Doktor kreiert zu werden. Nach einem so günstigen Urteile über meine wissenschaftliche Befähigung konnte ich wohl hoffen auch als Privatdozent von der Züricher Universität angenommen zu werden und im günstigen Fall, im nächsten Semester meine Vor lesungen beginnen zu können. Ich suchte daher bei den hiesigen Behörden um einen Paß nach. Diese erklärten mir jedoch, es sei ihnen durch das Ministerium des Inneren auf Ansuchen der Schweiz, untersagt einem Flüchtling einen Paß auszustellen, der nicht von einer Schwei zerbehörde die schriftliche Autorisation zum Aufenthalt in ihrem Bezirk vorweisen könne. In dieser Verlegenheit nun wende ich mich an Sie, hochgeehrter Herr, als die oberste Magistrats person Zürichs, mit der Bitte um den von die hiesigen Behörden verlangte Autoristation. Das beiliegende Zeugnis kann beweisen, daß ich seit der Entfernung aus meinem Vaterlande allen politischen Umtrieben fremd geblieben bin und somit nicht unter die Kategorie derjenigen Flüchtlinge gehöre, gegen welche die Schweiz und Frankreich neuerdings die bekannten Maß regeln ergriffen haben. ich glaube daher auf die Erfüllung einer Bitte zählen zu dürfen, deren Verweigerung die Vernichtung meines ganzen Lebensplanes zur Folge haben würde. Sollten Euer Wohlgeboren gesonnen sein, mich mit einer Antwort auf dies Gesuch zu beehren, so bitte ich dieselbe unter der Adresse: Dr. Büchner bei Herrn Weinhändler Siegfried an der Douane zu Straßburg, an mich gelangen zu lassen. Mit der größten Hochachtung Ihr ergebenster Dr. Büchner. [Beilage: Zeugnis der Straßburger Polizei] Il est certifié que Monsieur George Büchner, Docteur en Philosophie, agé des 23 ans, natif de Darmstadt, est inscrit sur nos registres rue de la Doune No 18, comme demeurant en cette ville depuis dixhuit mois jusqu'à ce jour sans interruption; et que pendant ce laps de temps, sa conduite, tant sous le rapport politique que moral, n'a donné lieu à aucune plainte. En foi de quoi le présent Strasbourg 21. Sept. 1836
Pfister.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
62. An das Präsidium des Erziehungsrates von Zürich Herr Präsident, hochgeachtete Herren! Nach Einreichung einer Abhandlung über einen naturhsitorischen Gegenstand, hatte ich die Ehre von der philosophischen Fakultät zu Zürich in ihrer Sitzung vom 3ten dieses Monats einmütig zum Doctor philosophiae ernannt zu werden. Gestützt auf dieses Urteil über meine wissenschaftliche Befähigung wünsche ich mich als Privatdozent für Vorlesungen an der philosophischen Fakultät zu Zürich zu habilitieren. Ich habe daher die Ehre mich an Sie mit der Bitte um Zulassung zu der für diesen Fall nach § 157 des Organisationsgesetzes über das Unterrichtswesen erforderlichen öffentlichen Probevorlesung zu wenden. Mit der größten Hochachtung und Ergebenheit Straßburg d. 26. Sep. 1836. G. Büchner Dr. phil.
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
III. Zürich 1836 – 1837 63. An die Familie Zürich, den 26. Oktober 1836.
[…] Wie es mit dem Streite der Schweiz mit Frankreich gehen wird, weiß der Himmel. Doch
hörte ich neulich Jemand sagen: "die Schweiz wird einen kleinen Knicks machen, und Frank
reich wird sagen, es sei ein großer gewesen." Ich glaube, daß er Recht hat. […]
64. An die Familie Zürich, den 20. November 1836. […] Was das politische Treiben anlangt, so könnt Ihr ganz ruhig sein. Laßt euch nur nicht durch die Ammenmärchen in unseren Zeitungen stören. Die Schweiz ist eine Republik, und weil die Leute sich gewöhnlich nicht anders zu helfen wissen, als daß sie sagen, jede Republik sei un möglich, so erzählen sie den guten Deutschen jeden Tag von Anarchie, Mord und Totschlag. Ihr werdet überrascht sein, wenn ihr mich besucht; schon unterwegs überall freundliche Dörfer mit schönen Häusern, und dann, je mehr Ihr Euch Zürich nähert und gar am See hin, ein durchgreifender Wohlstand; Dörfer und Städtchen haben ein Aussehen, wovon man bei uns keinen Begriff hat. Die Straßen laufen hier nicht voll Soldaten, Akzessisten und faulen Staats dienern, man riskiert nicht von einer adligen Kutsche überfahren zu werden; dafür überall ein gesundes, kräftiges Volk, und um wenig Geld eine einfache, gute, rein republikanische Regie rung, die sich durch eine Vermögenssteuer erhält, eine Art Steuer, die man bei uns überall als den Gipfel der Anarchie ausschreien würde. […] Minnigerode ist tot, wie man mir schreibt, das heißt, er ist drei Jahre lang tot gequält worden. Drei Jahre! Die französische Blutmänner brachten einen doch in ein paar Stunden um, das Ur teil und dann die Guillotine! Aber drei Jahre! Wir haben eine gar menschliche Regierung, sie kann kein Blut sehen. Und so sitzen noch an vierzig Menschen, und das ist keine Anarchie, das ist Ordnung und Recht, und die Herren fühlen sich empört, wenn sie an die anarchische Schweiz denken! Bei Gott, die Leute nehmen ein großes Kapital auf, das ihnen einmal mit schweren Zinsen kann abgetragen werden, mit sehr schweren. – […]
65. An Wilhelm Büchner Zürich, Ende November 1836.
[…] Ich sitze am Tage mit dem Skalpell und die Nacht mit den Büchern. […]
66. An die Braut [Zürich] 13. Januar 1837. Mein lieb Kind! […] Ich zähle die Wochen bis zu Ostern an den Fingern. Es wird immer öder. So im Anfange ging's: neue Umgebungen, Menschen, Verhältnisse, Beschäftigungen – aber jetzt, da ich an Alles gwöhnt bin, Alles mit Regelmäßigkeit vor sich geht, man vergißt sich nicht mehr. Das Beste ist, meine Phantasie ist tätig, und die mechanische Beschäftigung des Präpa rierens läßt ihr Raum. Ich sehe dich immer so halb durch zwischen Fischschwänzen, Froschze-
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe hen u.s.w. Ist das nicht rührender, als die Geschichte von Abälard, wie sich ihm Heloise immer zwischen die Lippen und das Gebet drängt? O, ich werde jeden Tag poetischer, alle meine Ge danken schwimmen in Spiritus. Gott sei Dank, ich träume wieder viel Nachts, mein Schlaf ist nicht mehr so schwer. […]
67. An die Braut [Zürich] 20. Januar [1837.] […] Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber jetzt ist's besser. Wenn man so ein we nig unwohl ist, hat man ein so groß Gelüsten nach Faulheit; aber das Mühlrad dreht sich als fort ohne ohne Rast und Ruh. […] Heute und gestern gönne ich mir jedoch ein wenig Ruhe und lese nicht; morgen geht's wieder im alten Trab, du glaubst nicht, wie regelmäßig und ordent lich. Ich gehe fast so richtig, wie eine Schwarzwälder Uhr. Doch ist's gut: auf all das aufgereg te, geistige Leben Ruhe, und dabei die Freude am Schaffen meiner poetischen Produkte. Der arme Shakespeare war Schreiber den Tag über und mußte nachts dichten, und ich, der ich nicht wert bin, ihm die Schuhriemen zu lösen, hab's weit besser. – […] Lernst Du bis Ostern die Volkslieder singen, wenn's Dich nicht angreift? Man hört hier keine Stimme; das Volk singt nicht, und Du weißt, wie ich die Frauenzimmer lieb habe, die in einer Soiree oder einem Kon zerte einige Töne totschreien oder winseln. Ich komme dem Volk und dem Mittelalter immer näher, jeden Tag wird mir's heller – und gelt, du singst die Lieder? Ich bekomme halb das Heimweh, wenn ich mir eine Melodie summe. […] Jeden Abend sitz' ich eine oder zwei Stunden im Kasino; Du kennst meine Vorliebe für schöne Säle, Lichter und Menschen um mich. […]
68. An die Braut [Zürich] 27. Januar [1837.] Mein lieb Kind, Du bist voll zärtlicher Besorgnis und willst krank werden vor Angst; ich glaube gar, Du stirbst – aber ich habe keine Lust zum Sterben und bin gesund wie je. Ich glaube, die Furcht vor der Pflege hier hat mich gesund gemacht; in Straßburg wäre es ganz angenehm gewesen, und ich hätte mich mit dem größten Behagen in's Bett gelegt, vierzehn Tage lang, rue St. Guillaume Nro. 66, links eine Treppe hoch, in einem etwas überzwergen Zimmer, mit grüner Tapete! Hätt' ich dort umsonst geklingelt? Es ist mir heute einigermaßen innerlich wohl, ich zehre noch von gestern, die Sonne war groß und warm im reinsten Himmel – und dazu hab' ich meine Laterne gelöscht und einen edlen Menschen an die Brust gedrückt, nämlich ei nen kleinen Wirt, der aussieht, wie ein betrunkenes Kaninchen, und mir in seinem prächtigen Hause vor der Stadt ein großes elegantes Zimmer vermietet hat. Edler Mensch! Das Haus steht nicht weit vom See, vor meinen Fenstern die Wasserfläche und von allen Seiten die Alpen, wie sonnenglänzendes Gewölk. – Du kommst bald? mit dem Jugendmut ist's fort, ich bekomme sonst graue Haare, ich muß mich bald wieder an Deiner inneren Glückseligkeit stärken und Deiner göttlichen Unbefangenheit und Deinem lieben Leichtsinn und all Deinen bösen Eigen schaften, böse Mädchen. Adio piccola mia! –
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
69. An die Braut [Zürich, 1837.]
[… Ich werde] in längstens acht Tagen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen er
scheinen lassen. […]
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Georg Büchner (1813-1837) Briefe
Anmerkungen Büchners Briefwerk ist nur bruchstückhaft überliefert, viele Briefe liegen nicht mehr im Original vor. So hat z.B. Wilhelmine Jaeglé die meisten der an sie gerichteten Briefe nach dem Tod Büchners vernichtet. Ein weiterer großer Teil ging bei einem Archivbrand in den 1850er Jahren verloren. Die heutigen Ausgaben stützen sich deshalb vor allem auf den ersten Herausgeber des Brief werks, Büchners Bruder Ludwig (1850). Dessen Bestreben war jedoch nicht eine lückenlose Sammlung, sondern eine interpretierende Auswahl mit einem besonderen Augenmerk auf Büchners politische Aktivitäten. Nicht nur das literarische Schaffen kommt deshalb zu kurz, sondern auch viele private Aspekte wurden ausgeblendet. Von Ludwig Büchner stammen so auch viele der zahlreichen Auslassungen (im vorliegenden Text mit […] markiert): einige Brief zitate setzen unvermittelt ein und enden ebenso. Dennoch gibt das Briefwerk einen tiefen Einblick in Büchners Leben, und die Einflüsse auf sein Werk werden sichtbar. Wie bei kaum einem anderen Schriftsteller sind politisches Engagement und literarisches Schaffen miteinander verwoben. Dies zeigt sich sowohl im Inhaltlichen als auch im Formalen. In den Briefen finden sich Formulierungen, die auch Eingang in die Stücke gefunden haben. In diesem Dokument sind noch nicht die beiden neu entdeckten Briefe an den Schwager Edu ard Reuß aufgenommen, die erstmals bei Hauschild veröffentlicht und kommentiert wurden.
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