Martin Scholz, Ute Helmbold (Hrsg.) Bildsampling
Bildwissenschaft Herausgegeben von Klaus Sachs-Hombach und Klaus Rehkamper Editorial Board Prof. Dr. Horst Bredekamp Humboldt-Universitat Berlin
PD Dr. DagmarSchmauks Technische Universitat Berlin
Prof. Dr. Ferdinand Fellmann Universitat Chemnitz
Prof. Dr. Wolfgang Schnotz Universitat Koblenz-Landau
Prof. Dr. Christopher Habel Universitat Hamburg
Prof. Dr. Oliver Scholz Universitat Munster
Dr. John Hyman The Queen's College Oxford
Prof. Dr. Thomas Strothotte Universitat Magdeburg
Prof. Dr. Wolfgang Kemp Universitat Hamburg
Prof. Dr. Michael Sukale Universitat Oldenburg
Prof. Dr. Karlheinz Ludeking Akademie der bildenden Kunste Niirnberg
Prof. Dr. Bernd Weidenmann Universitat der Bundeswehr Miinchen
Prof. Dr. Roland Posner Technische Universitat Berlin
Prof. Dr. Ute Werner Universitat Karlsruhe (TH)
Prof. Dr. Claus Rollinger Universitat Osnabruck
Prof. Dr. Dieter Wiedemann Hochschule fiir Film und Fernsehen Potsdam
Zunehmend werden unsere Erfahrungen und Erkenntnisse durch Bilder vermittelt und gepragt. In kaum zu iiberschatzender Weise halten Bilder Einzug in Alltag und Wissenschaft. Gemessen an der Bedeutung, die bildhaften Darstellungen mittlerweile zugeschrieben wird, erstaunt jedoch die bisher ausgebliebene Institutionalisierung einer allgemeinen Bildwissenschaft. Mit dieser Buchreihe mochten die Herausgeber einen transdisziplinaren Rahmen fur die Bemuhungen der einzelnen mit Bildern beschaftigten Fachdisziplinen zur Verfugung stellen und so einen Beitrag zum Entstehen einer allgemeinen Bildwissenschaft leisten.
Martin Scholz, Ute Helmbold (Hrsg.)
Bildsampling Wie viele Bilder brauchen wir?
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ijber
abrufbar.
Band 17 der Reihe Bildwissenschaft, die bis 2001 im Scriptum Verlag, Magdeburg erschienen ist. Gedruckt mit UnterstiJtzung der Hochschule fur Bildende Kiinste Brauschweig. Das Werk erscheint aus Aniass der gleichnamigen Tagung vom 21. April 2005 an der Hochschule fiir Bildende Kiinste Braunschweig.
l.AuflageFebruar2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ute Wrasmann / Frauke Schindler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Typografie & Satz: Florian Hardwig, Braunschweig. Gesetztaus der Meridlen {Mnan Frutiger, 1957) mit Adobe InDesign auf Apple Macintosh Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8350-6020-1
UBERSICHT
Martin Scholz/ Ute Helmhold EINFUHRUNG S.7
Martin Scholz Der Fels, der Tanz, d i e Macht u n d i h r e Bilder FELSMALEREI DER S A N S.15
Eno Heme DAS KINETISCHE BILD trber das Z u s a m m e n w i r k e n v o n Bild u n d Musik i m Club S.63
Heide Hackenherg I N S P I R A T I O N ODER PLAGIAT? S.81
Wolfram Mechelke WIE GEWINNE U N D HALTE ICH DEN ZUSCHAUER? S.87
Hanne Bergius FOTOMONTAGE ALS AVANTGARDISTISCHES KONZEPT DES WIDERSPRUCHS S.lll
Ludvik Glazer-Naude DIE KUNST DER ILLUSTRATION S.127
Ute Helmhold 40 BILDER U N D NIGHT MEHR. Der M o d u l k a s t e n »Bildalphabet« S.141
Martin Scholz/ Ute Helmbold EINFUHRUNG
Das Bildsampling, -recycling, die Uberlagerung oder Collage, also die Mehrfachnutzung von Abbildungen, ist eine der wichtigsten visuellen Kulturtechniken. Wenn neue Bilder wirken und visuell erfolgreich sein sollen, benotigen sie ein gewisses MaE an bereits bekannten visuellen Eindriicken. Sie nutzen gezielt Telle und Versatzstiicke aus fremden Bildern in Form eines ahnlichen Konzeptes, einer vertrauten Erscheinung oder durch ein direktes visuelles Zitat. Oder andersherum gesagt, Zitate und Bildteile fremder oder eigener Herkunft inspirieren Gestalterlnnen maBgeblich dazu, neue Bilder zu schaffen. Die Bildwieder- und Weiterverwertung ist zudem als Zeichen der Kontinuitat in einer kulturellen Entwicklung anzusehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der urspriingliche Bildinhalt weitergefiihrt oder aber ignoriert wird, um zu neuen Ergebnissen und Bildaussagen zu kommen. Das kulturelle Bildgedachtnis beeinflusst in jedem Fall und intuitiv die Erfindung neuer Bilder. Insofern muss die Bilderflut nicht mehr sensationserheischend beschworen werden, sie ist langst da, denn sie war immer da. Neu sind die technischen Moglichkeiten, sie machen es einfach, ja obligatorisch, auf »fremde« Bilder und Bildelemente zuriickzugreifen, die in Katalogen, Zeitungen, im Internet gefunden werden und/oder schnell auf den Scanner gelegt werden konnen. Die jahrliche Veranstaltungsreihe »Stolpersteine« an der Hochschule
fiir Bildende Kiinste Braunschweig beschaftigt sich explizit mit Bildern unter aktuellen Gesichtspunkten. Bildpraktiker und -theoretiker stellen die jeweils eigenen Ansatze und Losungen vor und diskutieren sie. B i l d s a m p l i n g - W i e viele Bilder brauchen w i r ? ist das dritte Symposium der »Stolpersteine« und fokussiert auf die Konsequenzen, die fiir Bildhersteller und -gestalter aus der Wiederverwendung entstehen. Diese Konsequenzen entstehen haufig erst aus dem Gebrauch, der Praxis und der allmahhchen Veranderung von Bildern und lassen haufig die Ebene der wissenschafthchen Reflektion auKer Acht. Daher finden sich in dieser Pubhkation neben der wissenschaftlichen Darstellung auch Beschreibungen von Phanomenen. Diese zunachst als deskriptive Aufzeichnung zu verstehenden Ansatze sehen wir als Grundlage einer weiterzufiihrenden bildwissenschaftlichen Erforschung des Bildsamplings an. Felsmalereien zahlen zu den altesten von Menschen gemachten Bildern. Gerade in Hohlen, die haufig Wohnund Ritualstatten waren, wurden Bilder liber- oder dicht nebeneinander gemalt. Unterschiedliche Autoren oder Stilphasen finden sich auf der gleichen Wand und nur selten ist Platzmangel hierfiir verantwortlich. Vielmehr ist die Nutzung vorhandener Formen, Farben und Themen sehr bewusst geschehen. Der genius loci der Orte ist eine Erklarung, ein anderer und eher gestalterisch motivierter Ansatz, liegt in der Erkenntnis, dass die Uberlagerung eine bewusste visuelle Kommentierung und Konkretisierung alterer Bildkonzepte darstellt. A n h a n d von vier Thesen zeigt MARTIN SCHOLZ, dass
Ahnlichkeiten der europaischen und afrikanischen Felsmalerei auch in der Motivation der Bildherstellung vorausgesetzt werden konnen. Trotz ihrer raumlichen und zeitlichen Distanz ist eine groKe Ubereinstimmung beider Gruppen in der Zuweisung von Bildern als ein »erzahlendes« Medium festzustellen. Der berichtende Charakter der Felsmalereien wird erst durch die Verwendung der Uberlagerung als darstellerische und gestalterische Technik moglich. Damit wird zugleich die Verbreitung in der Moderne offensichtlich. Ist das Graffiti als moderne Methode der Wandkunst nur der Ausdruck einer unmittelbaren AuEerung oder ist es eine bewusste Kommentierung und damit die Fortfiihrung der visuellen Evolution eines Bildes? Die Verbindung von Bild und Musik ist in der Musik- und Clubszene alltaglich, Dort steht das Sampling fiir die Kombination von Bild, Musik, Ton und Live-Performance. Das Bildmaterial muss nicht von den Visual Jockeys (VJ) eigens hergestellt werden, sondern stammt haufig aus dem Internet, aus Computerspielen oder von Kollegen. Inhalt, Kontext und urspriingliche Bedeutung der Bilder werden damit weitestgehend ignoriert. Der VJ tritt als Bildnutzer fiir einem ganz anderen, als den urspriinglich informativen, kommunikativen oder kiinstlerischen Zweck auf. ENO HENZE fragt in seinem Aufsatz nach dem Zusammenwirken von Musik und Bild. Der Club zielt, im Gegensatz zur klassischen Bildbetrachtung im Museum, auf die Wahrnehmung des konkreten und physisch Prasenten ab. Anhand der Beschreibung und Diskussion
kinetischer Bilder, d.h. sich standig erneuernder und verfallender Bilder, wird die Relevanz von Bedeutung in Bezug auf Musik und Bilder untersucht und neu zugeordnet. Kinetische Bilder werden nicht langweilig, so Henzes These, denn ebenso wie dasselbe Musikstiick immer und immer wieder zu horen ist, weil das abstrakte Kennen des Stiicks die Erfahrung des Sich-in-der-Musik-Befindens nicht ersetzen kann, lassen sich auch jene, von Bedeutung und Verweisen entkleideten Bilder immer wieder nutzen und beschauen. Die Verwendung fremder Bilder oder -telle hat durch die vereinfachten Kopier- und Manipulationsmoglichkeiten neben der darstellerischen und gestalterischen Seite sehr starke juristische Aspekte. Es gibt Bilder und die Rechte an ihnen: das Recht am eigenen Bild, das Recht des Bildherstellers, die Rechte fiir die Verwertung und das Recht der Kunst und der Wissenschaft auf Zitate. Alle werden beriihrt, wenn Bilder recycelt, gesampelt und wiederverwertet werden. HEIDE HACKENBERG schildert den Einfluss von Personlichkeits- und Urheberrechten und lotet damit den schmalen Grad von Inspiration und Plagiat aus. Die Fotocollage war eine neue und innovative kiinstlerischen Technik der 20 er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Bilder lassen haufig den Bruch zwischen den Einzelteilen hervortreten, so als wenn an eine Verschleierung der unterschiedlichen Herkunft nicht gedacht worden ware. Aus ihrem eigentlichen Zusammenhang losgelost, wurden die Bildelemente genutzt, u m die reale Objektwelt zu einer phantasie-
vollen und iiberbordenden Weltbeschreibung werden zu lassen, in dem ein zuweilen groteskes visuelles Neben- und Miteinander geschaffen wurde. HANNE BERGIUS zeigt, dass die Fotomontage als ein Gegenkonzept zur damals aktuellen Fotografie zu begreifen ist. Ihre Herstellung liegt weniger in einem asthetisch motivierten Anhaufen von Bildteilen als vielmehr in d e r - d u r c h aus positiven-Intention der Zerstorung. Ganz im Sinne der Dada-Konzeption stellten die Briiche und visuellen Schocks die Moderne in Frage. Der Schnitt als ein visuelles, textuelles, mechanisches und poetisches Instrument v^ar Teil einer entregelten Kunstauffassung, in d e r - z u n a c h s t widersinnig erscheinend-gerade ein Groteskverfahren jenes zu leisten vermochte, was ein realistisches Verfahren wie z.B. die Fotografie nicht schafft, eben das Zeigen von Zusammenhangen, Beweggriinden und des Trivialen. Fine offensichtliche Collage hat einen stark Aufmerksamkeit erregenden Effekt. Designer und Zeitungsmacher nutzen dieses als Basis fur Titelbildcollagen und Werbekonzepte. Aus einem Bildfundus werden passende visuelle Accessoires genutzt, u m zu einer neuen Aussage zu kommen. Diese Bilder leben davon, dass ein offentliches Bild einer Sache vorhanden ist, auf das die Collage nur noch hinweisen muss. LUDVIK GLAZER-NAUDE beschreibt die Einschrankungen und Nutzungsmoglichkeiten dieser Bilderflut als Ausgangspunkt fiir Illustratoren und Titelbildgestalter. Er schildert die praktischen Auswirkungen eines Bildge- und Bildverbrauches als wirtschaftliches und kreatives Potential.
Der Zeitgeschmack kann verachtlich betrachtet werden, ist jedoch auch Ursache einer notwendigen, well generell abrufbaren Ubereinkunft, wie Visuelles zu behandeln ist. Filme, Serien und Informationssendungen werden durch Filmtrailer beworben. Die Szenen, Handlungen und Bilder werden komprimiert und uhereinandergelegt. In a n n a h e r n d 30 Sekunden wird eine Geschichte erzahlt und zugleich auf den tatsachlichen Film neugierig gemacht. Wahrend im Film die einzelnen Szenen in einer Reihenfolge, die der Erzahlung dient, stehen, erzahlt der Trailer hingegen etwas anderes und setzt die logische oder zeitliche Abfolge unter Umstanden auKer Kraft. Der Trailer ist keine Kurzfassung eines Films, sonst ware die Losung bereits bekannt, sondern ist ein eigenstandiges visuelles Statement mit geliehenen Bildern. WOLFRAM MECHELKES Beitrag fokussiert auf den fiir Massenmedien alltaglichen und praktischen Aspekt des Bildsamplings. Die Frage nach der Aufmerksamkeit der Zuschauer, ihre Gewinnung und Befriedigung fiihrt zu einer generellen Frage. Wie kann dauerhaft, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr etwas gezeigt werden, was in ausreichender Menge gar nicht vorhanden ist: Bedeutsames, kulturell Hochstehendes und zugleich Spannendes? Es wird deutlich, dass die Wiederholung des immer Gleichen oder Ahnlichen, neben wirtschaftlichen Aspekten, insbesondere Fragen der individuellen Bediirfnisse des Publikums beriihrt. Die Illustration nutzt ganz selbstverstandlich die eigenen Bilder
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mehrfach. Diese Verwendung bezieht sich im Wesentlichen auf drei Bereiche. Zum Ersten werden konkrete Bilder als Ganzes noch einmal benutzt. Das geschieht z.B. dann, wenn fiir eine Bildinstallation die Anordnung, die Reihenfolge und der visuelle Fokus verandert werden soil. Zum Zweiten kann eine Bildidee mehrfach verwendet werden. Bildreihen, Serien und das Werk eines Kiinstlers leben letztendlich hiervon. Entscheidend ist, dass ein Bild zu einem anderen und neuen fiihrt. Zum Dritten werden vorhandene Bildfragmente immer wieder genutzt, um neue Bilder und Kompositionen zu erstellen. Die Wiederverwertung von Bildern wird durch den Computer vereinfacht, ist allerdings nicht die Ursache fiir die massenhafte Bildwiederverwendung. Entscheidend ist fiir Bildmacher das Spiel mit Bildern und Fragmenten. UTE HELMBOLD steHt anhand des Projektes »40 Bilder« die Konzeption eines Bildalphabetes vor. Hierin iibernehmen vereinbarte Zeichen und Bildteile die Aufgabe, stets neue Bildaussagen zu generieren. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in seiner Einfachheit, denn die darstellerische Ebene verliert an Bedeutung, wahrend die erzahlerische Ebene gewinnt. Insofern fiihrt, so die Helmbold'sche These, die Reduktion der Elemente zu einer Potenzierung in der Narration.
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Martin
Scholz
Der Pels, der Tanz, die Macht und ihre B i l d e r FELSMALEREI DER SAN ABSTRACT Das Volk der San siedelte vor ca. 27 000 Jahren im siidlichen Afrika im Gebiet des heutigen Namibia, Siidafrika und Lesotho. Ihre Felsmalerei gehort zu den altesten Spuren menschlicher Bildproduktion und ist zugleich die langste einer einzigen Kultur. Die letzten Bilder wurden u m 1850 angefertigt. Die Kernthese dieses Aufsatzes ist, dass die Felsmalerei der San bereits alle wesentlichen Verfahren des Bildsamplings besitzt und, unabhangig von europaischen Einfliissen, auf Grundkonstanten von Bildern iiberhaupt verweist. Am Beispiel der San wird deutlich, dass vier grundlegende Konzepte existieren. Zum Ersten materialisiert die Bildiiberlagerung in erster Linie eine Idee. Ware das Abgebildete so vorhanden wie gewiinscht, ware eine naturalistisch arbeitende Abbildungsmethode gewahlt worden, d.h. Fiktion und Realitat treffen besonders deutlich in der sichtbaren Uberlagerung des Bildsamplings aufeinander. Zum Zweiten ist der Zufall - als Geselle der Gestaltung - offensichtlich. Die Nutzung von Untergriinden, Kantensituationen oder die Ausnutzung von Kontrasten und anderen normalerweise abbildunabhangigen Faktoren, ist ein Kennzeichen von Bildiiberlagerungen. Zum Dritten sind Uberlagerungen sichtbare und damit bewusste Weiterentwicklungen alterer Bildkonzepte.
Sie verdeutlichen starker als andere Bilder, dass Epochen, Stile und Generationen miteinander verwoben sind. Zum Vierten nutzt das Bildsampling, wenn es eine Wirkung im gesellschaftlichen Bereich besitzen will, die Macht, die den vorhandenen und bekannten Bildzeichen oder Orten zugeordnet wird. Es nutzt Tradiertes fiir eine eigene visuelle Aussage.
DER GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG »Von wirklichen Bildern erwarten wir dagegen nicht nur eine Bestatigung dessen, was wir schon wissen, sondern einen Mehrwert, einen Seinszuwachs« [Hans Georg Gadamer. Zitiert von Boehm 1995, S.3321. Der Begriff des Bildsamplings scheint die aktuelle und typischerweise mit modernen Produktionsund Kommunikationsformen verbundene Verwendungsart von Bildern in Zeitschriften, Fernsehen und Internet deutlich zu charakterisieren. Die Einfallslosigkeit der Kreativen und die Moglichkeit zur maschinellen Kopie sind Starke Motive, u m die verwerflich erscheinende industrielle Nutzung von Bildern zu kritisieren. Zeigt die Kopie an sich doch bereits die Beschranktheit der Bildhersteller und die hassliche Fratze von Bildvermarktung, in dem Visuelles, das urspriinglich der Sinnstiftung der Hochkultur diente, nun ein weiteres Mai verwendet wird. Leider ist die Entriistung, wie dessen Begriindung, bereits im Ansatz falsch. Die Wiederverwendung von Themen, Bildmotiven Oder voUstandigen Werken ist Teil der Bildkultur. Ohne standiges Kopieren und Verweisen auf altere
MARTIN SCHOLZ: Felsmalerei der San
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Bilder gabe es keinerlei visuelle Kultur. Das Thema dieser Veroffentlichung stellt die generelle Frage nach der notwendigen Menge an guten alten und notwendigen neuen Bildern und damit nach dem Anfang der Bildproduktion. Sind Spuren im Sand Bilder oder Uberlagerungen? ^ Sind bereits die Felsmalereien in den Hohlen von Lascaux, Cosquer oder Chauvet in Frankreich ein erstes Bildarchiv der Welt? Anhand von vier Thesen wird gezeigt, dass das Konzept des Bildsamplings so alt wie die menschliche Bildproduktion ist.^ Felsmalereien in Europa Menschen gibt es seit ca. 500 000 Jahren (Homofaber), vor rund 50 000 Jahren entwickelte sich der Homo sapiens. Die Zeit, verstanden als ein Mal^ zur Beschreibung von nacheinander geschehenen Handlungen, wird seit rund 5 000 Jahren erfasst und aus dem Jahr 4236 v. Chr. stammt das friiheste nachweisbare Datum in den Aufzeichnungen des agyptischen Reiches. Zurzeit sind rund 300 Fundorte palaolithischer Wandkunst in Europa bekannt. Diese befinden sich im Gebiet des heutigen Russlands am Ural, im Gebiet des heutigen Rumaniens und, mit der hochsten Konzentration von ca. 100 Hohlen, zwischen Bordeaux und dem Baskenland im heutigen Frankreich und Spanien [Lorblanchet 2000, S. 54]. Die wiederentdeckten Hohlen sind eine Art Momentaufnahme der damaligen Welt, Kultur und Zivilisation, ohne dass es allerdings weitergehende Erklarungen zu den Funden gabe, denn das Verstandnis fiir die Kultur ist verloren, bzw. iiberlagert worden. Es gibt keine Nachfahren der Steinzeitmenschen, die befragt
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A'
und deren Sprache oder Verhalten zu Vergleichen herangezogen werden konnte. Durch die kalten Polkappen war West- und Siideuropa ein Land der Rentierherden. Die Menschen der Jiingeren Steinzeit ( 4 0 0 0 0 - 1 2 500 V. Chr.) waren Jager und Sammler, es gab einen jahreszeitlichen Wechsel der Tierherden (Pferde, Ren, Wisent oder Mammut) und dorfartige Ansiedlungen an den Zugwegen der Tiere [Chauvet&al. 1995]. In der Mittelsteinzeit lebte der Neanderthaler, der ein direkter Nachkomme der Affen und kein Vorfahre des Menschen ist. Die Menschen, die die Felsmalereien in den Hohlen in Frankreich oder Nordspanien angefertigt haben, lebten in der Zeitepoche des Jungpalaolithikums, das ist die Spatzeit (nach Altund Mittelsteinzeit) der Steinzeit, und gehoren der Art Homo sapiens an. Der Homo sapiens ist in Korperhaltung und -form bereits mit den heutigen Menschen vergleichbar. Er besitzt eine Sprache und Werkzeuge. Es existieren Religionsformen und Tabus, d.h. aus einer der unmittelbaren Lebenserhaltung verpflichteten Gruppen von Lebewesen wird durch Formen von Reflexion ansatzw^eise eine Gesellschaft. Die »Hand des Entdeckers« (Bild 1) war 1985 das erste Zeichen menschlicher Anwesenheit, dass der franzosischen Berufstaucher Henri Cosquer in der Grotte Cosquer gefunden hat. Cosquer fand eine verlassene Hohle mit Kochstellen, Utensilien, Knochen und Werkzeugen vor. Die Grotte Cosquer war wie viele andere Fundstatten europaischer Felsmalerei ein Ritualort bzw. Notunterkunft und keine Wohnhohle. Sie wurde in zwei Phasen (16 000 v. Chr. und
MARTIN
SCHOLZ:
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Felsmalerei der San
25 000 V. Chr.) genutzt und ist zugleich die alteste von Menschen bewohnte Hohle Europas. Darstellungen von Menschen in den Felsmalereien sind mit rund 1 500 Abbildungen in ganz Europa selten zu finden, im Gegensatz zu vielen tausend Tierdarstellungen. Die Mehrzahl davon sind Darstellungen ohne eine explizite Geschlechterzuordnung. Nur ca. 10 % der Abbildungen sind eindeutig als Manner zu identifizieren [Lorblanchet 2000, S.57ff.]. Die haufigsten Tierarten sind Pferde und Kinder (d.h. Wisente oder Auerochsen), sie stellen gemeinsam rund 60 % der Tierbilder. Es existieren ferner Felsmalereien von Steinbock, Hirsch, Mammut, Ren sowie Baren und Lowen. Deutlich wird der Unterschied zwischen gejagten und abgebildeten Tieren. Durch die Forschung ist nachgewiesen, dass die Menschen haufig das Ren gejagt haben, aber in den Felsbildern haufiger Pferde und Rinder dargestellt haben. Das hei£t, dass, entgegen friiherer Erklarungsversuche, die Abbildung von Tieren nicht zwangslaufig als Jagdmagie verstanden werden kann. Dagegen spricht auch die Uberlegung, dass wesentlich mehr Tiere erlegt wurden als in alien Hohlen gemalt worden sind. Entweder haben die Menschen der Steinzeit also selten Fleisch gegessen, Oder sie sahen selber keinen elementaren Zusammenhang zwischen Jagdbild und Jagdgliick. Strichzeichnungen wurden haufig mit schwarzer und roter Farbe gemalt. In der Grotte Chauvet (Frankreich) wurden viele schwarze Streifen zusatzlich mit hell gezogenen Streifen umgeben. Dort wurde zusatzlich eine spezielle Wischtechnik
verwendet [Lorblanchet 2000, S.68]. An vielen Fundorten wurden Silhouetten der Tiere mit flachiger Farbe angebracht. Die Farbe wurde entweder durch Finger, Pinsel oder durch das Verspriihen der Farbe mit dem Mund auf die Wand gebracht. In Europa entstanden in der Regel monochrome Bilder, sofern der Felsuntergrund nicht als Farbe gerechnet wird. Zur Zeit sind etwa Hohlen mit polychromen (dreifarbigen) Abbildungen bekannt. Die verwendeten Pigmentfarben sind vor allem roter Ocker aus Hamatit, schwarze Farbe aus Holzkohle oder Manganoxyden, sowie Gelb und Braun aus Limonit. Griin und Blau fehlen als Farben vollig. Felsmalereien im siidlichen Afrika Die Ureinwohner des siidlichen Afrikas lebten anders als ihre Verwandten in Europa. Die Khoi besaEen Kinder und Schafe und einige gingen auf die Jagd. Ihr Leben hatte im Wesentlichen nomadische Ziige, mit festen Weidegriinden, die verteilt iiber das Jahr aufgesucht wurden. Die San^ hingegen waren Sammler und Jager und lebten in Clans, die aufgrund der anderen Ernahrungsweise kleiner als bei den Khoi waren. Die Felsmalereien der Khoi und San wurden seit der Spaten Steinzeit, d.h. vor ca.27 000 Jahren, hergestellt.^ Die iiberwiegende Anzahl der Felsmalereien in den Drakensbergen und am Eastern Cape sind rund 6 000 Jahre alt. Dies lasst sich vor allem a n h a n d des verwendeten und in den Darstellungen abgebildeten Werkzeuges nachweisen, z.B. des Digging-Sticks, eines Holzstockes mit einem beweglichen Steingewicht zur Kraftverstarkung.
MARTIN SCHOLZ: Felsmalerei der San
Vor rund 2 000 Jahren begann eine allmahliche Verdrangung der San durch Viehzucht und Ackerbau treibende Bantu-Volker aus Zentralafrika. Beide Gruppen standen in einer starken Konkurrenz um Wasser, Land und Vieh. Um ca. 300 n. Chr. erreichten die ersten Bantu als Bauern das siidliche Afrika, um ca. 1200 n.Chr. trafen die ersten Bantu in KwaZulu-Natal ein und ab 1650 begannen weiEe Kolonisten von Cape Town aus nach Norden ins Landesinnere vorzustoEen (Bild 3). Damit gerieten die San zwischen die Fronten. Weil ihre Waffen unterlegen waren und zugleich die ca. 20-30 Personen umfassenden Clans keinerlei Kontakt untereinander in Form von Biindnissen pflegten, wurden die kleinen Gruppen einzeln vertrieben und es blieb ihnen nur das Ausweichen in die Gebirgsregionen. Die Reviere wurden damit weniger, kleiner und mit Blick auf die Nahrungsbeschaffung unergiebiger. Im Ergebnis losten sich viele Clans auf und die einzelnen San schlossen sich anderen Volksgruppen an. Mit dem einhergehenden Verlust der traditionellen Lebensweise, der Rituale, der visuellen Aufzeichnung der spirituellen Welt und den nicht mehr vorhandenen Malmitteln verschwanden die Felsbilder der San.' Auch wenn die San als Individuen noch existierten, war ihrer Kultur einschlieElich der Bedingungen fiir die Felsbilder ab 1850 zunehmend die Grundlage entzogen [Anderson o.J., S.52]. Die Forschung geht davon aus, dass die Felsmalereien von den Schamanen nach einem Trance-Tanz, z.B. um den Regen oder den Zug von Herden zu begiinstigen, aufgezeichnet wurden. Die Bilder geben Erlebnisse auJ^erhalb des eigenen Korpers
wider. Jedoch enthalten die Darstellungen auch und gerade historische Ereignisse* [Woodhouse, o.J] (Bild4). Eine wichtige Funktion in den Felsbildern' der San n e h m e n die Therianthropen ein, die visuelle Kombinationen aus Mensch und Tier darstellen ' (Bild 5). Die im Bild gezeigte mittlere Figur ist im Original ca.27 Zentimeter hoch und konnte einen Menschen mit aufgesetzter Maske darstellen oder die dauerhafte Verbindung von Mensch und Tier zeigen, z.B. wenn ein Schamane der San in die Trancewelt gerat [Woodhouse o.J., S. 14]. Die bruchstiickhafte Kenntnis von der Mythologie der San gibt Anlass zu der Vermutung, dass ein Therianthrope eine Konvention der San ist, die ausdriickt: »Als die Tiere Menschen waren«'. Bereits Albert Skira weist in seinem Buch iiber die Hohlenbilder im franzosischen Lascaux darauf hin, dass es dort keine Abbildung von explizit mannlichen oder weiblichen Gesichtern gibt, sondern nur mit Tierkopfen (Vogel, Stier oder Hirsch) versehene Menschenkorper. Fraglich bleibt also auch bei den europaischen Felsbildern, ob die Tiermenschen besondere - eben tierische - Eigenschaften besitzen oder ob sie Gotterwesen darstellen [Skira 1955, S. 116]. Die Schamanen der San hatten mehrere Aufgaben. Zunachst als Heiler, dann als Regen-Macher und als Beschiitzer vor aul^erem schlechten Einfluss. Wichtigstes Mittel hierzu war der Trance-Tanz. Dieser dauerte oft Stunden und ging mit korperlichen Folgeerscheinungen einher. Nasenbluten, aufgestellte Haare, Pfeile u m Menschen herum, gebiickte Tanzpositionen und klatschende San sind im ganzen
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siidlichen Afrika und zu alien Zeiten verwendete Darstellungskonventionen hierfiir (Bilder 6-9). Sofern jemand aus dem Clan krank wurde, waren fiir die San Krankheitspfeile verantwortlich, d.h. ein Geist oder ein anderer Schamane hatte via Geisterwelt einen Pfeil auf den Kranke geschossen. Die geeignete GegenmaEnahme machte es notwendig, wiederum in der geistigen Welt durch den eigenen Schamanen Gegenpfeile schieften bzw. durch Fingerzeig jemanden einfrieren zu lassen. Die San glaubten, dass durch Fingerzeig jemand getotet werden konnte [Anderson o. J., S.18].
Jager haben haufig eine spirituelle Beziehung zu den Tieren, die sie eriegen wollen. Die San malten besonders haufig in ihren Felsbildern das Eland, die groEte und mit rund 1 500 kg Gewicht zugleich die schwerste Antilopenart Afri]<;as (Bild 10). Das Tier besaK einen hohen Nahrungswert fiir die Jager. Auch deshalb wurde ihm eine iibernatiirliche Kraft von den San zugesprochen [Basset 2001, S. 54]. Sie glaubten, dass Kaggen, das hochste Wesen in der San-Mythologie, sich vorwiegend in Elandlierden aufhalt. Aber auch andere Tiere sind in den Abbildungen zu finden. Flusspferd, Elefant, Rehbock, Biiffel, Rhinozeros und Ochse sind sogenannte Regentiere. Wenn ein solches Tier in der Darstellung getotet wird, wird das als eine Metapher fiir das Erbitten von Regen gedeutet [Anderson o. J., S.25]. Die Weh der San bestand aus der realen Welt der Dinge und der geistigen Welt. Beide wurden nicht voneinander getrennt gesehen, sondern miteinander verwoben [Basset 2001, S.88]. Die Felswand w^ar die Tiir in den anderen Zustand. Dort lebte Kaggen, machtvolle Tiere wie z.B. das Eland, Ungeheuer, die Regen brachten, und dort w^urden bose Geisier gefroren, die anderenfalls Krankheitspfeile auf die San schiei^en wiirden. Die Fels-(Bild-)wand war permeabel, d.h. durchlassig fiir beide Seiten. In Bild 18 ist dies an der Tierdarstellung sehr deutlich zu sehen, denn die Tiere schauen aus dem Stein hervor. Die Felsbilder der San miissen nach heutigem Wissensstand nicht nur als Aufzeichnungen von Erlebnissen der Schamanen gelten, sondern sind vielmehr Zustandsberichte der anderen Welt. Die Felsbilder der San zeigen die Dinge, die dort passieren
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und den Einfluss, der von dort auf die diesseitige Welt genommen wird. Das gestalterische Interesse an den Felsmalereien der San, und damit der Anlass fiir das Verfassen dieses Aufsatzes, liegt in der Art, wie beide Welten visuell miteinander verbunden werden. Die Kernthese ist, dass die Kenntnis iiber die Art der Ubergange, die spezifische Nutzung des Untergrundes und durch die Bezugnahme auf altere Bildteile iiberhaupt erst eine Narration mit bildlichen Mitteln zustande kommt. EINE UBERLAGERUNG MATERIALISIERT IN ERSTER LINIE EINE IDEE Die erste These ist, dass eine Uberlagerung etwas deutlich anderes darstellt als ein naturalistisches Abbild einer Szenerie. Genauer gesagt wiirde niemand eine Bildiiberlagerung anfertigen, wenn Abbildungstreue, Ahnlichkeit von Zeichen und Bezeichnetem oder formale Ubereinstimmung elementare Anspriiche an das Bild waren. Objekte und Konstellationen, die bereits in der Realitat vorhanden sind, konnen abgezeichnet oder fotografiert werden. Eine offensichtliche Uberlagerung ware nicht nur unnotig, sondern ausgesprochen storend fiir eine Bildwirkung, die auf visuellen Realismus, d.h. auf weitestgehende Ahnlichkeit, beruht. Daraus lasst sich schlieEen, dass wiederum eine Uberlagerung nicht vorrangig eine n a t u r n a h e Abbildung, sondern vielmehr die Visualisierung einer Vorstellung, n e n n e n wir es Idee, ist.
Die Grotte Chauvet in Frankreich, die erst 1994 entdeckt wurde, war vermutlich keine Wohnhohle, da nur wenig Verunreinigungen zu finden sind und nur einige Knochenund Schadelrest, bzw. Reste von Feuerstellen [Chauvet&al. 1995] vorhanden sind. Die Tierdarstellungen in der Hohle von Chauvet (17 000 und 21 000 Jahre v. Chr.) sind, verglichen mit anderen bekannten Felsmalereien der Zeit, extrem lebendig (Bilder 11-13). Sie weisen wenige Stereotypen auf und es wurden erste Versuche einer perspektivischen Darstellung gefunden, wie z.B. die gegenseitige Abdeckung der Tierkorper in einer Herde. Bei mehreren Felszeichnungen dieser Hohle wurden zunachst Umrisslinien abgeschabt, um den helleren Kalkstein aufzufrischen und erst dann die eigentliche Schwarzzeichnung aufzutragen. Haufig ist auch eine Wischtechnik zu finden, die Farbabstufungen und Schattierungen eriaubt. Der Anteil der bestimmbaren Tiere, d.h. eine klare Zuordnung von Bild zu Tierart, betragt ca. 95 %. Insofern muss die generelle materielle und mentale Fahigkeit der Hersteller zur Anfertigung abbildgetreuer Zeichnungen als sehr hoch eingeschatzt werden. Erstaunlicherweise werden eine Reihe von Tieren, wie z.B. in Bild 11 iiberlagernd abgebildet. Da an den Wanden kein Platzmangel herrscht, muss von einer Absicht ausgegangen werde. Fiir den Maler miissen die Pferde, die kampfenden Nashorner und die Auerochsen eine inhaltliche Beziehung besessen haben.^° Die hier im Bild gezeigte Felsmalerei der San (Bilder 14-16) ist aus den Cedar Mountains und hat von den Entdeckern den Titel Veg'n Vlug
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erhalten.'^ Kampfszenen sind ungewohnlich und selten fiir die Felsmalereien der San. Sechs Manner stehen in der Mitte in Konfrontation mit sechs anderen. Hinzu kommen sieben Figuren in der Peripherie, die in einer Beziehung zu den Kampfenden stehen, ohne direkt in das Geschehen einzugreifen. Sie sind durch Linien verbunden. Die rechte Gruppe ist in einem reinen Rot gezeichnet, die linke sendet hingegen weii^e Pfeillinien aus. Linien bezeichnen in der Malerei der San immer Macht-Beziehungen. Diese Threads of light^^ symbolisieren die iibernatiirliche Kraft, die in der Mythologie von Kaggen iiber das Eland zu den San kommt. Die Verbindung wird haufig in Form von weiEen oder gelben Lichtbander dargestellt." Von den Miindern der Mitglieder der zentralen Gruppe gehen rote Linien aus, die - gestalterisch gesehen - die gegeniiberstehenden Kampfer tragen. Kampfen sie also tatsachlich gegeneinander an einem Ort und zu einer Zeit oder symbolisiert die Darstellung den Kampf auf der Ebene der realen Welt und der spirituellen Welt? Unklar ist insbesondere die Bedeutung der Figuren in der Peripherie fiir das Gesamtbild. Sind es die gleichen Personen wie die im Zentrum abgebildeten oder sind es (hilfreiche) Ahnen? Ist es eine Darstellung der Lage nach dem Kampf, d.h. eine Vorher-NachherDarstellung oder sind die San auf der Flucht oder sind sie tot? Bei all diesen Fragen, die wesentlich die Mythologie der San betreffen und auf die hier nicht welter eingegangen werden kann, wird deutlich, dass auf der darstellerischen Ebene durch Linien Verbindungen geschaffen werden, die auf etwas materiell
nicht Vorhandenes verweisen. Auf der gestalterischen Ebene entstehen Nahe und Distanz durch raumliche Verortung einzelner Personen. Die unterschiedlichen Perspektivansichten der Personen verstarken den Eindruck eines Schau- statt eines Realbildes. Auch bei vorsichtiger Interpretation wird erkennbar, dass das Bild nicht als Dokumentation eines Kampfes an einem Ort, sondern weit umfassender, als Erzahlung einer Abfolge von Handlungen und Situationen gedacht und gemacht worden ist. Fast erscheint es als die Visualisierung eines Beziehungsgeflechtes, wie sie aus den Schautafeln des 20. Jahrhunderts bekannt ist.^* Die Szene dieser Felsmalerei ist ca. 150 cm lang, aus einem 35 Meter langen Fries und zeigt ein Schamanenritual (Bild 17). In den San-Bildern ist die liegende Position auf dem Riicken, hier die beiden Antilopen, nicht grundsatzlich das Zeichen fiir Tod, sondern der Hinweis auf einen Tod im Diesseits. Wenn ein Schamane in Trance war, war er oder sie entriickt, d.h. die Riickenposition ist zunachst die Konvention fiir Trance. Dies wird zusatzlich durch die tanzenden weil^en Personen verstarkt, die sich z.T. nach vorne iiberbeugen und als weiteres Indiz fiir den Trance-Zustand gelten. Der weijle Stil ist in den Drakensbergen in Felsbildern, die ab 1800 gemalt wurden, zu linden. Der Grund liegt vermutlich in einem anderen Bindemittel der Farbe. Durch andere Reviere und Ressourcenzugange wurden andere Darstellungsarten notwendig lAndersono.J.; S.7ff.]. Die Felsmalereien der San wurden in den Wohnhohlen an ausgesuchten Wanden angebracht, denn sie waren
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die Tur zur anderen Welt. Je mehr Bilder an einer Wand waren, desto mdchtiger wurde der Ort. Daher war die Uberlagerungstechnik gewollt, denn gerade diese Technik erhohte die Bedeutung der Hohle fiir die Wesen des Dies- und des Jenseits [Anderson o. J.; S. 14], [Basset 2001, S.82ff.].
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Die Welt der San bestand aus der realen Welt der Dinge und der geistigen Welt und beide waren miteinander verwoben. Die Durchlassigkeit dieser Felswand fiir beide Welten ist in diesem Bild sehr deutlich erkennbar (Bild 18). Vier Tiere durchstoKen die Felswand und simulieren die Anwesenheit vor und hinter der Pels-(Bild-)ebene. Eine im Original ca. 16 cm hohe menschliche Figur beriihrt das Eland und vom Kopf der Person laufen rote Linien in Richtung Boden. Die Augen aller Tiere sind geschlossen und auch hier flieEen vom zweiten Steinbock rote Linien zu Boden. Diese Linien konnen, insbesondere wenn sie rot sind und von der Nase weglaufen, als Zeichen fiir den Trancezustand gedeutet werden, denn wahrend der oft stundenlangen Trancetanze reagierten die Schamanen haufig mit korperlichen Erschopfungserscheinungen, z.B. mit Nasenbluten. Was die urspriingliche Bedeutung der Felsmalerei ist, wird nicht eindeutig zu klaren sein, aber auf der darstellerischen und bildgestalterischen Ebene wird die gezeigte Situation im Bild immer so gedeutet werden, dass es sich um eine Beriihrung oder Kontaktaufnahme von Tieren und Menschen handelt und dass sich die vier Tiere an zwei Orten gleichzeitig befinden, die durch eine undurchsichtige Bildebene getrennt sind.
Der englische Begriff fiir die stetige Anreicherung von Bildern mit neuen Bildteilen lautet superpositioning und wird nicht nur in der Bedeutung des Wortes Uherlagerung genutzt, sondern auch als gegenseitige Beeinflussung. Gerade der letzte Begriff verdeutlicht in der deutschen Ubersetzung, dass die formale und grafische Uherlagerung von Personen und/oder Tieren eine starke nicht-visuelle Begriindung besitzt. Der Ursprung der gegenseitigen Beeinflussung in einem Felsbild der San liegt nicht in der blol^en zeichnerischen Komhination von einigen visuellen Zeichen, sondern in der Aufzeichnung der religios-ideellen Ehene. Auf der darstellerischen Ehene wird, wie noch zu sehen sein wird, auch stilisiert, abstrahiert, manipuliert, interpretiert und arrangiert, aber der Kern der Darstellungsart ist, dass sich etwas wechselseitig heeinflussen soil. Insofern k a n n die Bildiiberlagerung als eine darstellerische Umsetzung der mythologischen Basis der SanGesellschaft angesehen werden. Beide Welten wurden von den San zusammengedacht und zusammengesehen. ZUM KENNZEICHEN DER UBERLAGERUNG GEHORT DIE NUTZUNG A B B I L D U N G S FREMDER FAKTOREN Die zweite These besagt, dass Uherlagerungen immer im Kontext ihrer Materialitat entstehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bildarten konnen sie den gliicklichen Umstand, den rauhen Untergrund, den Fleck oder das Loch im Felsen nutzen. Dies verandert die Bildwirkung und lasst diese Bilder zugleich etwas von der Art ihrer Herstellung erzahlen. Haufig benutzen die steinzeitlichen
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europaischen und die afrikanischen Kiinstler die Gegebenheit der Felswand fiir inhaltliche Verstarkungen Oder Metaphern, so wird z.B. ein schmaler Felsvorsprung fiir eine Schlange oder ein Loch als Metapher fiir die andere Welt hinter dem Fels genutzt. Im Fall der San werden insbesondere Untergrundsituationen als Hinweis auf die jenseitige Welt verwendet. Der Weg in die spirituelle Dimension geht durch die Wand und nicht um sie herum [Anderson o. J.; lOff.]. Das Beispiel aus der Grotte Chauvet in Frankreich zeigt ein in einer Nische gemaltes Nashorn (Bild 19). Durch die Positionierung des Nashornnackens an einer Hervorwolbung des Felsuntergrundes erscheint das Tier nicht nur dynamischer in seiner Bewegung, sondern es kann durch die Anbringung an einer Wandkante von drei Positionen im Hohlenraum betrachtet werden. Es ist der Versuch einer perspektivischen Darstellung des Tieres unter Nutzung des Maluntergrundes. Mit der Betonung des Nackens des Nashorns wird zugleich das ohnehin sehr langgezogene Horn des Tieres nochmals in seiner optischen Wirkung verstarkt.
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Dieses Beispiel, ebenfalls aus der Grotte Chauvet, zeigt ein in einen Knick der Felswand gezeichnetes Wisent (BildlO). Wahrend der Kopf des Tieres in einer Frontalansicht auf die Rundung des Felsens gezeichnet wurde, wird auf der sich links anschlieBenden Flache der Korper des Wisent in einer Seitenansicht gezeigt. Kopf und Korper sind nicht miteinander verbunden, befinden sich aber in der erwartbaren Stelle, werden also von den meisten Betrachtern als zusammengehorend betrachtet. Die so kombinierten Perspektivansichten machen deutlich, dass die naturnahe Abbildung nicht das alleinige Ziel des Zeichners gewesen sind. Durch die Kombination beider Darstellungsarten erweitert sich die durch die Felswolbung erzeugte perspektivische Wirkung noch einmal zu einer fast schon kubistisch anmutenden Doppelansicht des Tieres. Zuweilen nutzt die Bildiiberlagerung auch einen kleinen Aspekt des Untergrundes, ahnlich zu einer Randnotiz, wie in dem hier gezeigten Bild eines Tieres, bei dem der Bauchbereich durch die Beschaffenheit des Felsens rund wird (Bild 21). Das Rot des Riickens wird in seinem Verlauf von oben nach unten am gesamten Tier in ein WeiE iiberfiihrt. Ohne dass das WeiE am Bauch des Tieres noch notwendig ware wird die Aui^enform durch den runden Abschlag am Pels deutlich. Die visuelle Uberlagerung besteht hier darin, dass in einem Bild, das zunachst aus dem Auftragen von Farbe auf einen Bildtrager entsteht, diese Form nahtlos in den Untergrund iibergeht. Bildebene und Untergrund verbinden sich hier und werden durch Formen im Fels wiederum darstellerisch verstarkt.
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Briiche und Locher im Pels eignen sich besonders dafiir, in zweidimensionalen Darstellungen als Verstarkung Anwendung zu finden. Dies k a n n die Imitation einer Hohle oder einer Bodenvertiefung fiir Wasser sein. In der Felsmalerei von Buffelsfontein sind eine Eland-Herde und zwei Flusspferde in einer ca. 20 cm tiefen Einbuchtung im Pels zu sehen (Bilder22und23).
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In anderen Fallen werden ganze Korperteile durch untergrundbedingte Formen in der Felsmalerei ersetzt (Bilder24 und 25). Das k a n n in einfachen Fallen der Ersatz eines Kopfes sein, in anderen Fallen zu einer geschlechtsabhangigen Bedeutung fiihren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Darstellung einer Figur mit einem Loch/Bauch eine Frau darstellt, obgleich andere Hinweise hierzu fehlen. Aber die Konnotation, die durch die Betonung des runden Bauches als Objekt, aus dem etwas herauskommen kann, und einer Person in einer gebarenden Haltung, ist ein sehr starkes Motiv. Hier wird noch einmal das durchgehende ideelle und bei den San festzustellende Motiv deutlich, dass die Felswand allenfalls ein Vorhang zwischen unterschiedlichen Zustanden ist, diese Trennwand jedoch permeabel ist. Die Nutzung der Untergrundes verortet die Bilder und bindet sie untrennbar an den Ort (nicht nur materiell, wie das bei jedem Wandbild der Pall ist, sondern auch darstellerisch-gestalterisch) und macht Bild und Wirkung einzigartig.
UBERLAGERUNGEN S I N D SICHTBARE WEITERENTWICKLUNGEN A L T E R E R
BILDKONZEPTE Die dritte These verdeutlicht, dass visuelle Uberlagerungen oder Uberlappungen das alte Bild erganzen oder die Deutung in einen neuen Weise ermoglichen. Insofern sind iiberlagernde Bilder immer die Kommentierung des Uberlagerten [Anderson o. J.; S. 14], denn sie nehmen Bezug auf das Vorhergehende. Dies kann in der individuellen Ausfuhrung die Erweiterung des Bildfeldes und die Ausweitung der inhaltlichen Aspekte zur Folge haben oder als direkte Uberlappung alte Bildteile verdecken, schwarzen, in ihrer Form erweitern und damit zu einer krassen Umdeutung des im Bild Gemeinten fiihren. 26 H I I H I ^ H I H K S i ^ ^ H i H I i ^ ^ H I I H I ^ ^ ^ B
in den Felsmalereien der San tieren eine Reihe unterschiedlicher Darstellungsstile (Bild 26). Auch wenn haufig ein flachendeckendes Dunkelrot vorherrscht, sind andere Bildobjekte mit Rot und WeiE zur Modellierung der Licht- und Schattenpartien ausgestattet [Woodhouse o.J.; S. 12], Dies liegt zum einen an der Heterogenitat der einzeln lebenden Clans und den sehr unterschiedlichen Zugangen zu Malresourcen. Im Uberblick ist jedoch festzustellen, dass die altesten Bilder fast ausschlieKlich monochrom gefertigt sind und erst allmahlich zweifarbig wurden. In einer weiteren Phase entstanden viele zweifarbige Felsbilder, die verdunkelte Schattenpartien aufweisen, und schlieKlich in einer letzten Phase mehrfarbige Bilder [Anderson o.J.; S. 3]. Die unterschiedlichen Stile stellen keine lineare Entwicklung von einfacher
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Rotdarstellung" in den Felsmalereien aller San zu einem differenzierten naturahnlichen Abbild dar, sondern sind eine nachtragliche Erkenntnis. Das Wissen um die Stile lasst sich aufgrund differenzierter Resourcen, geographischer Besonderheiten, GruppengroEen und personlicher Maltechniken der Kiinstler-Schamanen nur schwer generalisieren [Anderson o.J.; S.9]. Eine Abfolge der Stile kann nur aus einem Vergleich aller Felsbilder im siidlichen Afrika gefolgert werden. Dies bedeutet, dass trotz genereller Fahigkeit und Fertigkeit zur polychromen Anfertigung einfache rote Bilder auch in einer spateren Epoche entstanden sind. 27
In diesem Bild aus dem StrombergGebiet sind vier unterschiedliche Malstile sehr dicht aneinandergefiigt zu finden (Bild 27). In der ersten Phase wurde eine rein rote Antilope, in der zweiten Phase eine rote Antilopen mit schwarzer und weiEer Kontur angefertigt. In der dritte Phase wurden sie erganzt durch eine rein weiEe Antilope und als letzte Hinzufiigung findet eine gelb gemalte Antilope mit weiEer Kontur auf der Wand Platz. Eine Uberlappung von Figuren ist an zwei Stellen deutlich zu sehen, zum einen eine weiEe Antilope, die zwei rote San-Figuren iiberdeckt, und die Verdeckung einer grau-weiEen Antilope durch eine grau-weiE-gelbe Antilope. Auch in den europaischen Hohlen sind Ubermalungen, Erganzungen und Beifiigungen haufig zu finden, wie hier am Beispiel der Grotte Chauvet, das Lowen und Rentiere sowie Nashorner zeigt (Bild 28). Die alteren Lowendarstellungen
im linken Bildteil werden von zumindest einem Ren iiberlagert. Die Zahlung der Beine lasst durchaus die Vermutung eines weiteren, dahinter liegenden Rens zu. Auf der rechten Seite des Bildausschnittes sind liber einem separat stehenden Nashorn vier hintereinander gestaffelte Nashornleiber zu erkennen. Wenn jedoch die Anzahl der Horner gezahlt wird, miissten tatsachlich sieben Tiere vorhanden sein, ohne dass alle Korper und Kopfe zu sehen sind. Dafiir konnen mehrere Griinde gefunden werden. Entweder sind die nicht sichtbaren Tiere in der Gruppe hintereinander verborgen und tauchen nur als Horntrager auf. Da Nashorner allerdings Einzelganger sind, ware dies eine unwahrscheinliche Sicht. Oder das Bild stellt eine Bewegungsstudie dar. Fiir diese A n n a h m e wiirden insbesondere die drei nach links unten fiihrenden Nashornschnauzen sprechen. Ahnlich zu der Art heutiger Comiczeichner wiirde bei dieser A n n a h m e die vorderste Darstellung die Ausgangssituation des Tieres zeigen, das sich dann nach vorn bewegt, um anschUei^end nach oben (in die Position, bei der n u n die Leiber bewegt werden) zuriickzuschwingen. Albert Skira beschreibt 1955 (!) am Beispiel der Hohle von Lascaux, dass sich die Abbildungen des Jungpalaolithicums in Europa in drei Gruppen einteilen lassen. Er schlussfolgert diese Ansicht aus dem Vergleich der Abbildungsahnlichkeiten in den Hohlen von Frankreich und Nordspanien. Die alteste Phase europaischer Hohlen weist eine im Wesentlichen verschohene Perspektive auf. In der mittleren Phase entstanden vor allem plastische Arbeiten, d.h. Gravuren oder Statuen. Die
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jiingsten Bilder zeigen in den Abbildungen die Hufe und Horner der Tiere von vorne [Skira 1955, S. 112]. Auch Clones &al. beschreiben vermutete Darstellungskonventionen am Beispiel der Grotte Cosquer bei Marseille. Zunachst ist bei einem Teil der Figuren die Y- oder kriickenformige Wiedergabe der Beine auffallig, die auch in anderen Hohlen zu finden ist. Dann scheint die Umsetzung der Horner bemerkenswert zu sein. Der Kopf wurde durch eine Linie mit der Stirn gezeichnet. Eine zweite Linie bildet das Horn und zugleich die Riickenkante. Diese beiden Linien beriihren sich nicht, wahrend Brust und Vorderseite der Beine wiederum mit einer einzigen durchgehenden Linie gezeichnet wurden. In der Grotte Cosquer bleiben Niistern und Augen haufig ausgespart, was sehr ahnlich zu Bildern in Lascaux ist [Clottes &al. 1995, S.171]. Die abgebildete Zeichnung stellt einen Deckenteil der Hohle von Altamira in Spanien dar und wird als das »Tahleau der Stiere« bezeichnet (Bild29). Es wurde in der Abbildung mit den vermutlichen Entstehungsjahren der Einzelzeichnungen versehen. Nachweise sind durch eine radiometrische Messung des Verfalls des in fast alien Materialien enthaltenen Kohlenstoffes nach Ende der Kohlenstoffaufnahme moglich. Fiir diese Radiocarbon- oder C 14-Methode miissen jedoch Telle der Zeichnung entfernt werden und damit wird zugleich das zu untersuchende Bild fiir immer zerstort [Lorblanchet 2000, S.267&327]. In der Darstellung aus der ChauvetHohle tritt besonders die tJber-
lappung des unteren Pferdes in die iiberlagerte Figur deutlich hervor (BiidSO). Dies kann weder Zufall noch Platzmangel sein, insofern ist von einer Intention, und insbesondere einer anmerkenden Komposition, auszugehen.
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Durch die Nachstellung palaolithischer Techniken werden Ausgangslage und Bedingungen erkundet, in der sich Bild und Urheber zur Herstellungszeit befunden haben. Dadurch konnen A n n a h m e n zu Pigmentbeschaffung und -aufbereitung erhartet werden. Erst die tatsachliche Ausfiihrung der Felsmalerei klart offene Fragen zu den Hilfsmitteln, zur Groi^e der Bilder (bis zu 5 m Lange), zur Hohe, in der sich die Malereien befinden (z.T. 5 m iiber Niveau), zur Anordnung in engen Hohlengangen (Bewegungsfreiheit der Maler) und zur notw^endigen Farbmenge [Lorblanchet 2000, S.249]. Diese den Bestand schonende Untersuchungsart zeigt ein Experiment in der Hohle von Pech Merle. Die hier abgebildeten fiinf Zeichnungen (Bilder 31-35) zeigen das evolutionare Prinzip des Bildsamplings, indem das ca. 3,5 m lange Bildfeld der gepunkteten Pferde rekonstruiert wurde, Durch die Imitation der tatsachlichen Felsmalerei wird deutlich, dass die Pferde als erstes gemalt worden sind und erst danach die sechs Handnegative, die von derselben Person stammen, in einer zweiten Phase entstanden sein konnen. Danach wurden vermutlich die Pferdeformen mit schwarzen Punkten ausgefiillt, denn sie begleiten die Konturen. Die Kiinstler haben bereits nachweislich mit Schablonen und einer Spriihtechnik, ahnlich zu jener der Aborigines in
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Australien, gearbeitet.^** In der letzten Phase kommen Fische hinzu.
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Die beiden Bilder (Bilder 36 und 37) aus einer Felsunterkunft am Sani Pass in den siidafrikanischen Drakensbergen zeigen Ausschnitte eines groEeren Wandarrangements (2 X 7m). Die einzelnen Figuren besitzen eine Grol^e von etwa 10 cm. In beiden Bilder wird die Beilaufigkeit, mit der viele Uberlagerungen auftreten, deutlich. Beide Szenen zeigen fast alltagliche Situationen von Personen, die jedoch durch Farbe und Ausgestaltung voneinander zu unterscheiden sind. Im ersten Fall hangt eine diirre Gestalt am Arm einer mit vollem Rot gezeichneten gehenden Person. Es ist eine flehende, bittende Oder zumindest Aufmerksamkeit suchende Haltung. Im zweiten Fall scheint eine gehende Gestalt den Jagdkocher einer sitzenden und einer Gruppe zugehorenden Person zu iibernehmen. Die Ausbleichung bzw. Beschaffenheit der Farbe verdeutlicht die Unterscheidung der Figuren. Ohne iiber die urspriingliche Bedeutung beider Szenen zu spekulieren, kann aufgrund der gestalterischen Anordnung mit Sicherheit gesagt werden, dass sich die Szenen aus Figuren unterschiedlicher Entstehungszeit zusammensetzen. Es wird ebenfalls deutlich, dass der spatere Zeichner auf das Vorhergehende gezieh Bezug nimmt und zwar indem Objekte, bzw. Gestalten in die visuelle Erzahlung im neuen Bild integriert werden. Beide Bildebenen werden miteinander verwoben. Nach A.Laming-Emperaire und A.Leroi-Gourhan kann eine Gesamtanalyse^' des Bildes ohne Beriicksichtigung auEerer Faktoren und
Stiitzung ausschlieElich basierend auf materiell vorhandene Spuren durchgefiihrt werden. In einer solchen werkimmanenten Analyse werden die Orientierung des Gesamtbildes, der Einzelteile zueinander und die Uberlagerungen untersucht. Aufgrund der Uberlagerungen, d.h. der Undurchsichtigkeit der Dokumente ist eine grafische Dokumentation der Felsbilder sinnvoll, um Bildteile, Komposition und Herstellungstechniken zu entdecken [Lorblanchet 2000, S. 1251. In dem hier gezeigten Beispiel aus dem Gebiet um Stromberg in Siidafrika existieren viele Darstellungs- und Bedeutungsebenen (Bild 38). Durch den Vergleich der Stile und Formen, die sich gegenseitig iiberlagern, k a n n geschlossen werden, dass als die alteste Schicht vermutlich die — gelben Antilopen unten am Rand zu gelten haben. Dann folgen die — schwarze Antilope rechts oben am Bildrand und ein schwarzer Pavian links. Es folgen die — roten Fingerabdriicke, sowie danach ein — weiKer Strauss oben und ein weiterer rechts unten. Die — roten Vogel rechts im Bild sind alter als die — wei/^e Antilope am rechten Rand. Die — schwarzen menschliche Figuren und ein schwarzes Rind (ca. 150-500 Jahre alt) werden iiberlagert von — zwei grol^en Elands in der Mitte des Bildes. Eine kleine — schwarze menschliche Figur steht auf dem rechten Eland und muss als jiingster Bildteil gelten. Aber auch diese Reihenfolge ist nicht wirklich korrekt. Das rechte Eland iiberlagert den Strauss, der wiederum
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nach den Fingerabdriicken entstanden sein muss, denn das Bein liegt iiber dem roten Fleck. Da allerdings die Punkte oben wiederum das Eland iiberdecken, dreht sich der Beweis im Kreis. Vermutlich wird m a n von zwei Serien der Fingerabdriicke ausgehen miissen. UBERLAGERUNGEN NUTZEN TRADIERTES FUR EIN EIGENES VISUELLES STATEMENT Die vierte These geht davon aus, dass der Ort der Felsbilder und die Bedeutung des Vorgefundenen Anziehungspunkt fiir KiinstlerSchamanen war. Die Felsbilder w u r d e n iibermalt, u m die Bilder und den Ort in ihrer Bedeutung zu steigern. Damit steigt zugleich die Bedeutung des eigenen, hinzugefiigten Bildteils. Um dies nachvollziehen zu konnen, bedarf es eines kurzen Ausflugs [Lorblanchet 2000, S.84ff.] in die vermutete Bedeutung der Felsmalereien, denn die Attraktivitat des Ortes setzt insbesondere die Attraktivitat der dort vorhandenen Felsmalereien voraus. Nur ein kraftvoUes Zeichen wird iibermalt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden Gravuren und Malerei, auch die der steinzeitlichen Vorfahren, als Ausdruck eines kiinstlerischen Instinktes gesehen. Bei Nahrungsiiberfluss habe der Kiinstler Mufie gehabt und die Bildherstellung u m des Vergniigens Willen betrieben. Als Kritik an dieser Theorie des L'art pour I'art muss erstens gelten, dass damit der palaolithische Mensch fiir unfahig gehalten wird, ein Denk- und Sozialsystem zu entwickeln und er nur den Zustand von satt, d. h. Kiinstler, u n d hungrig, d. h. Jager, einnehmen k a n n . Er ist demnach nicht in der Lage z.B.
eine religios motivierte Kunst zu entwickeln, in dem Bilder eine Rolle spielen. Und zum Zweiten wird Kunst als eine nutzlose und oberflachliche Tatigkeit gesehen mit der sich nur die Zeit totschlagen lasst. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde die Theorie einer Jagd- und Fruchtbarkeitsmagie favorisiert. Hierbei wird vermutet, dass Menschen liber Magie und magische Bilder das Jagdgliick bzw. die Fruchtbarkeit der Arten zu manipulieren versuchten. Diese Theorie ist eine Reaktion auf die Zweckfreiheit der palaolithischen Kunst und macht aus der Hohlenkunst eine funktionale Ernahrungskunst. Die Bestimmung der Bilder ist die Begiinstigung des Nahrungserwerbes. Allerdings lassen sich auch hier Kritikpunkte anbringen. Zum Ersten ist damit die Bildherstellung eine rein zielgerichtete Tatigkeit zur Nahrungsbeschaffung. Die »Primitiven« besitzen nach diesem Ansatz nicht den Aspekt der visuellen Weiterentwicklung in ihren Bildern, d.h. es fehlen die wesentliche Erklarung fiir die Individualitat der Arbeiten, fiir die hohe visuelle Reflektion der realen Umgebung und dem dort dargestellten Beziehungsgeflecht und zur Poesie in den Bildern. Der zweite Kritikpunkt an dieser Theorie ist die relativ hohe Unterschiedlichkeit in der Zahl der Abbildung von gejagten Tieren und den tatsachlich gemalten Tieren. Auch sind mit 3 - 4 % nur sehr wenige verwundete Tiere gezeigt und nur sehr wenige trachtige Tiere/* Zusatzlich ist auch die Abbildung von (lebenserhaltenden) Pflanzen zu erwarten, was allerdings extrem selten der Fall ist. Max Raphaels Theorie des Totemismus sieht in der Darstellung von Tieren die symbolische Abbildung
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des sozialen Gefiiges der Gruppe. In den Bildszenen werden Kampfe, Biindnisse und Versohnungszeremonien gesehen. Die Tiere erhalten damit charakterliche Ziige der von ihnen dargestellten Menschen, wie z.B. Liebenswiirdigkeit, Feinfiihligkeit, Wiirde oder Ernst. Eine Kritik an der TotemTheorie ist angeraten, denn die generelle Homogenitat und Bestandigkeit der Tierdarstellung ist iiberwaltigend, wahrend Gegenstande Oder Pflanzen extrem selten dargestellt werden. Und diese konnten ebenso, zumindest von einigen Clans Oder zu einigen Epochen, als Symbole genutzt worden sein, was allerdings nicht der Fall ist. Ferner ist die chronologische Unsicherheit bei der Bestimmung und Zuordnung der Bilder zu beachten. Im Weiteren sind die Unterschiede der Hohlenkunst zu den anderen bekannten Totemformen bereits erforschter Ureinwohner pragnant, d.h. die Wahrscheinlichkeit spricht gegen diese These. Von 1975 bis ungefahr 2000 wurden die Wanddarstellungen in einer Yin- und Yang-Symbolik gedeutet. Gegen diese sexuelle Symbolik ist einzuwenden, dass eine Dualitat aller Zeichen und zeichnerischen Darstellungen nicht nachvollziehbar ist. Die Behauptung, dass bestimmte Tiere (z.B. der Wisent) das mannliche Prinzip und andere Tiere (z.B. das Pferd) das weibliche Prinzip darstellen, ist falsch, da die Arten haufig ohne visuelle Ausdifferenzierung ihres Geschlechts in den Darstellungen zu finden sind. Dieser Einwand unterhohlt die gesamte Argumentation, denn wenn es fiir die Theorie der sexuellen Symbolik einerlei ist, ob ein Pferd tatsachlich weiblich oder mannlich ist, bedeutet
dies, dass das Pferd ebenso gut die Funktion des (mannlichen) Wisent einnehmen konnte. Die Wahrheit dieser Theorie hat demnach nichts mit den tatsachlichen Bildzeichen zu tun. Die aktuelle Forschung geht von einem Mix der beschriebenen Ansatze aus. Kennzeichen aktueller wissenschaftlicher Positionen sind zum Ersten eine statistische Annaherung an die Phanomene, z.B. durch den Vergleich mit benachbarten Hohlen. Zum Zweiten bedarf es der Zuordnung der Einzelbilder^' zu Epochen, und das insbesondere innerhalb einer Anlage. Damit wird eine durchaus unterschiedliche Motivation, die aus einer unterschiedlichen Nutzung entstanden sein mag, phanomenologisch entdeckt. Drittens erfolgt die Einbettung der Bilder in den Kontext der Hohle. Die Analyse der Hohle als z.B. Heiligtum, Wohnhohle oder Zuflucht fiihrt zu jeweils anderen Bedingungen einer Erklarung. Diesem pragmatischen Forschungsansatz liegt die A n n a h m e zugrunde, dass es einen strukturalistischen Einfluss der Funktion auf die Bilder gibt und dass es damit zugleich im Umkehrschluss erlaubt sein muss liber die Ordnung eines Bildensembles Riickschliisse auf die Funktion der Hohlen zu erhalten. Eine solche Theorie versucht die Mechanismen ihrer Kritik zu integrieren. Dieser kurze Ausflug" in die moglichen Erklarungsansatze fiir die Bilder zeigt, dass alle bis auf die Theorie des L'art pour Tart, davon ausgehen, dass eine Felsmalerei immer eine Bedeutung besitzt. Da Felsmalereien i.d.R. nicht zu transportieren sind, wird damit auch der
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Ort der Anbringung aufgewertet, denn dieses oder jenes Bild kann nur an einem Ort angesehen werde. Zugleich ist leicht nachzuvollziehen, dass der Einfluss, d.h. die Macht eines Ortes mit der Zunahme der deutbaren Bilder wachst. Je mehr Bilder da sind, desto mehr zieht es die Kiinstler an.^^ Zugleich existieren Orte, die per se iiber einen genius loci verfiigen, d. h. Quellen, Ausblicke in die Landschaft, Konstellationen von Baumen in Hainen, Orte ritueller Handlungen Oder Orte, an denen AuEergewohnUches passiert ist. Werden beide Strategien verkniipft, also das bedeutsame Bild und der genius loci, verstarken sich beide. 39
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Dieses Handnegativ aus der Grotte Chauvet zeigt eine vollstandige Hand (Bild 39). Hande sind immer Ausdruck menschlicher Anwesenheit. Auch wenn ein Teil der Handdarstellungen als Teil einer Gestensprache gewertet werden muss, sagen Handabdriicke immer: »Ich war da.« Die altesten Darstellungen der Grotte Cosquer bei Marseille sind ca.25 000 Jahre ah und zeigen ebenfalls flachendeckende Fingerzeichnungen und Handnegative [Clottes&al. 1995, S.63]. Die besondere Bedeutung dieser Bilder zeigt sich bei Ritualen zur Initiation Jugendlicher in den Clan oder als genereller Ausdruck von Inbesitznahme und damit von Macht. Aus diesem Grund existieren an keinen Felswanden Abdriicke von Kinderhanden [Clottes &al. 1995, S. 164]. Diese Darstellung zeigt die drei wichtigsten Regen-Tiere der San iibereinander gelegt: Elefant, Eland und - als kleine Anmerkung am Rand - eine weiBe Antilope (Bild 40). Anderson geht davon aus, dass sich insbeson-
dere die Uberlagerung der RegenTiere Elefant, Rehbock und Eland die Bedeutung des Felsbildes verstarkt [Anderson o.J., S. 15]. Dem schliei^t sich Basset an und betont die Haufigkeit iibermalter Felsbilder bei den San sowie die Steigerung der Bedeutung durch die Anzahl der sichtbaren Bildschichten [Basset 2001, S.51&82]. Es ist deutlich geworden, dass auch der Ort der Felsmalerei eine Auswirkung auf das Bild und seine tJberlagerungen besitzt. Auf eine einfache Formel gebracht bedingen sich beide Faktoren gegenseitig. Dies erscheint einer Ubertragung auf die Moderne zunachst zu widerstreben, ist aber vor dem Hintergrund einer relativ jungen Tafelmalerei mit seiner ortsveranderlichen Eigenart, verstandlich. In dem MaEe, indem allerdings auch Museen zu festen Pilgerorten der Kunstinteressierten werden, z.B. Ausstellungen mit Werken von van Gogh, Cezanne Oder Picasso oder das MoMa in New York, wirkt auch hier der gleiche Mechanismus, dass der Ort und die Menge an Einzelwerken auf jedes einzelne Bild zuriickstrahlt und es in seiner Bedeutung verstarkt. RELEVANZ DES THEMAS FUR DIE GEGENWART Welche Relevanz besitzt das bisher Vorgebrachte fiir das Thema des Sammelbandes und der Diskussion iiber das Bildsampling, insbesondere in seiner modernen und damit extrem bildverschwenderischen Spielweise? Die Malerei von Julia Riither aus der Klasse von Albert Oehlen an der Kunstakademie Diisseldorf ist fiir den Rundgang der Akademie 2005 erstellt w^orden (Bild41). Die Arbeit »0l auf Putz« k a n n nicht entfernt werden wie ein Bilderrahmen, denn sie wurde
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auf die Wand direkt aufgebracht. Die Arbeit kann iiberstrichen werden, aber sie wird trotzdem als ein vollstandiges Bild, dann aber in der Wand, erhalten bleiben. Unabhangig von dem Wunsch junger Kunststudenten, dem Ort ihrer Initiation ewig verbunden zu bleiben, spielt die Arbeit auf den Wunsch eines jeden Bildes an, zugleich die letzte und endgiiltige Aussage in einer Reihe zu sein. Einerseits kokettiert Riithers Arbeit mit den vielen, an diesem fiir Kunsteleven hoch bedeutsamen Ort vor ihr gemalten Bildern, die alle zur Bildung dieses Bildes mehr oder weniger direkt beigetragen haben. Andererseits kann die Arbeit auch als kritische Reflektion der Realitat des Malens gesehen werden. Viele Bildleinwande weisen eine hohe Anzahl an (Versuchs-)Schichten im Untergrund auf, ohne die die endgiiltige Form nicht hatte entstehen konnen. Letztendlich ist das Abbilden nicht nur eine Frage der Ahnlichkeit von Objekt und seinem Zeichen, sondern es ist auch eine Frage, welche Zeichenform tatsachlich gewahlt wird.
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Die Manipulation von Wahlplakaten kann als Verunreinigung oder als eine Uberlagerung gesehen werden. Die grafische Kommentierung fiigt neue Aspekte auf der visuellen Ebene hinzu und verfolgt damit ihr eigentliches Ziel, eben neue gedankliche Verkniipfungen anzuregen (Bilder 42 und 43). Das geht so weit, dass die Absicht des urspriinglichen Bildes, in diesen Fallen die positive Vereinnahmung fiir eine politische Partei, durch den gezeichneten Strick und die Typografie in das Gegenteil gedreht wird. Die Aussage des Kandidaten wird benutzt, um ihn (er sich scheinbar selber) zu verspotten. Dies
mag illegal sein, aber die Technik der Uberlagerung lebt von den oben beschriebenen und in den zwei Wahlplakaten gut zu sehenden vier Kernfaktoren. Die Bildiiberlagerung materialisiert in erster Linie eine Idee. Sie nutzt gezielt vorhandene Untergriinde, Kantensituationen und andere typischerweise abbildunabhangigen Gegebenheiten. Das gesampeltes Bild nutzt bewusst das darunterliegende Bildkonzept und verwebt beide miteinander. Und das Bildsampling benotigt, wenn es eine Wirkung im gesellschaftlichen Bereich besitzen will, die Macht, die mit bereits vorhandenen und bekannten Bildzeichen oder Orten verbunden ist. Graffiti ist eine groEe Sorge von Hausbesitzern, aber ein visueller Kommentar an der Wand bleibt es trotzdem (Bilder 44 und 45). Dieser Kommentar wird umso deutlicher, je starker er in einem visuellen Kontrast zum Bezugssystem steht. Dann iibertragt sich die formal sichtbare Differenz auf die inhaltlich zu bringende Unterscheidung. Das heiEt, dass die Uberlagerung die deutlichste Form der Pointierung, Herausarbeitung und Stellungnahme ist.
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Die vier Bilder der Graffitis am Hotel Bender in Dortmund dokumentieren die Leichtigkeit der Umdeutung durch visuelle Uberlagerungen (Bilder 4649). Das erste Bild zeigt die Situation bis zur SchlieEung des Hotels im Herbst 2004. In den nachsten Bildern werden die Symbole des ersten Sprayers gezeigt: ein Hammer, der iiberall auf Wanden, Tiiren, Spiegeln und Glas auftaucht. Der Hammer ist eine Form der visuellen Inbesitznahme und gleichzeitig ein Ausdruck der Zerstorung und zwar sowohl als (iiberlagerndes) Zeichen als auch in seiner Realitat als Abrisswerkzeug des stillgelegten Hotels. Die Zeichen vermischen sich mit den alteren Objekten und Bildern (s.das Bleiglasfenster mit der Brunnenszene) zu neuen Bildbedeutungen.
ABSCHLUSSBEMERKUNG In dieser Abbildung einer SanFelsmalerei sind die Korper einer Antilope und eines Redbuck hintereinander gesetzt (Bild 50). Die Abbildung zeigt mehr als die blasse naturalistische Beschreibung zweier sich verdeckender Tiere. Die Beine des vorne stehenden Redbucks stehen auf dem Boden deutlich hinter denen der hinteren Antilope. Der Betrachter kann immer die eine Figur sehen, aber niemals beide z u s a m m e n . " Fiir die San war die Uberlagerung, und damit die Collage, einfach zu erfinden. Sie lebten zu gleichen Teilen in der realen und in der spirituellen Welt. Sie suchten etwas, was die Reise zwischen den Welten ermoglichte, etwas, was sie und ihre Bediirfnisse hindurchlieE. Die San erfanden Bilder, die Realitat zeigen und zugleich durchlassig sein konnten. Sind alle Bilder Uberlagerungen? Dies muss verneint werden, denn die Visualisierungen mathematischer Formeln, Rontgenaufnahmen der Lunge, Fotografien zu schnell fahrender Autofahrer und Ahnliches sind natiirlich auch Bilder. Aber sie wollen berichten und nicht erzahlen. Eine visuelle Uberlagerung ist hingegen ein Bild, das mehr vermittelt als es materiell zeigt. Insofern sind visuelle Uberlagerungen als erste narrative Bilder der Welt, wie der Aufsatz zu beweisen versuchte, nicht nur eine Bestatigung dessen, was wir schon wissen, sondern sie geben einen Mehrwert, einen Seinszuwachs. Lenssen-Erz schreibt iiber die Uberlagerungen in der San-Felsmalerei: »... nicht das Verstreichen der Zeit ist die Ursache dafiir, dass ein Motiv iiber einem anderen liegt.
MARTIN SCHOLZ: Felsmalerei der San
sondern eine in der Bedeutung festgelegte Zusammengehorigkeit zweier Motive.« [Lenssen-Erz 2005, S.171]. Um die Frage der Bildbedeutung zu klaren, ist es daher notwendig, die Einzelbilder und deren Bedeutung zu klaren, z.B. in Bezug auf ihre darstellerische und gestalterische Aussagekraft. Im Weiteren ist fiir ein vertieftes Verstandnis der Felsmalereien hilfreich, die Fragen der symbolischen Form, d.h. des geistigen Bedeutungsinhaltes eines konkreten sinnlichen Zeichens, zu erkunden. Da das aui^ere Bezugssystem nicht mehr vorhanden ist, bzw. iiber wissenschaftliche Riickschllisse durch eine Sprach- oder Verhaltensanalyse nur eingeschrankt rekonstruiert werden kann, bleiben als Forschungsgegenstand die reinen Bilder und deren darstellerische und gestalterische Faktoren. Da die Wahrnehmungsphanomene und ihre erlauternden Wahrnehmungsgesetze auch vor 20000 Jahren gegolten haben, ware das ein weitergehender Ansatz. Fiir eine tiefergehende Untersuchung ist es notwendig, zunachst die Grundlagen prahistorischer Bildgestaltung zu erkunden. Wenn z.B. Erwin Panofsky behauptet, dass die Antike, ahnlich zu der Moderne, zwar eine Perspektivkonstruktion besaiS, sich von jener aber grundlegend unterscheidet, gilt Ahnliches fiir die San. Panofsky begriindet seine These mit seinem Nachweis, dass die Moderne ein Raumsystem besitzt, in dem Objekte und der umgebende Raum zusammen wahrgenommen werden, wahrend in der Antike zwar perspektivisch konstruiert, aber nur der Raum allein abgebildet wurde [Panofsky 1985, S. 110ff.]. Vor diesen Uberlegungen ist die Raum-
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konstruktion der San zu erkunden. Damit sehr eng verbunden sind Fragen zum gegenseitigen Bezug von Tieren (in einer Herde) und Raum, von Bildraum zu Hohlenraum, das Vorhandensein von Abbildungskonventionen und die Frage, welche Auswirkungen die verwendete Perspektive auf die Konstruktion von Komposition und Szene haben. Dies erscheint insbesondere deshalb so dringlich, da Panofsky behauptet, dass in der Moderne das Bild den Charakter der Wand bzw. der Tafel als Trager verliert und vielmehr die Figuren das Bild tragen. Dies bedeutet, dass das Bild durch den Verweis auf etwas Bezeichnetes die Eigenschaft einer durchsichtigen Ebene, also einer nur dem Bild eigenen Bildebene besitzt [Panofsky 1985, S. 116]. Dieses Phanomen des Durchblicks in ein Bild auf die dort gezeigte Sache wird von vielen Forschern der San-Felsmalerei stillschweigend angenommen, denn auf die permeable Felswand, das Dies- und Jenseits in der Mythologie und die standige Bezugnahme beider Welten in den Bildern aufeinander wird unisono verwiesen. Allerdings ist diese Opazitdt, wie Majetschak ausfiihrt, eine zutiefst moderne und die Aufklarung des Menschen benotigende Betrachter-Haltung [Majetschak 2004]. Werden also unzulassiger Weise aktuelle Bew^ertungsmaKstabe an prahistorische Bilder angelegt, waren die San fortschrittlicher als gedacht oder waren sie einfach nur diejenigen, die als erste die Macht der Bilder erkundet haben? 4i^
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Felsmalerei der San
LITERATUR ANDERSON, GAVIN: Bushman Rock Art. Durban / Johannesburg / Cape Town: Art Publishers Pty. Ltd., O.J. BASSET, STEPHEN TOWNLEY: Rock Paintings of South Africa. Revealing a legacy. Claremont: David Philip Publishers Cape Town, 2001. BOEHM, GOTTFRIED: Was istein Bild? 2.Aufl. Miinchen, 1995. CHAUVEZ JEAN-MARIE/ ESCHAMPES, ELIETTE BRUNEI/ HILLAIRE, CHRISTIAN: Grotte Chauvet. Altsteinzeitliche Hohlenkunst im Tal der Ardeche. Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag, 1995. CLOTTES, JEAN/COURTIN, JEAN: Cosquer bei Marseille. Eine im Meer versunkene Bilderhdhle. Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag, 1995. LENSSEN-ERZ, TILMAN: Archaologie und Prahistorie. In: SACHS-HOMBACH, KLAUS (Hg.): Bildwissenschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2005. LORBLANCHEZ MICHEL: Hdhlenmalerei. Ein Handbuch, 2.Aufl. Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag, 2000. MAJETSCHAK, STEFAN: Opazitat und ikonischer Sinn. S. 177-194 in: SACHS-HOMBACH,KLAUS : Bildwissenschaft zwischen Reflektion undAnwendung. Koln: von Halem, 2005. PANOFSKY, ERWIN: Die Perspektive als >symbolische Form<. S. 99-126 in: HARIOLF OBERER/EGON VERHEUGEN: Aufsdtze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Berlin, 1985. SACHS-HOMBACH, KLAUS: Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Koln: von Halem, 2003.
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SKIRA, ALBERT: Lascaux oder die Gehurt der Kunst. Text von GEORGES BATAILLE. Genf: Editions d'Art Albert Skira, 1955. WOODHOUSE, BERT: Bushman Art of South Africa. 40 significant Bushman rock-art sites. D u r b a n / J o h a n n e s burg/Cape Town: Art Publishers Pty. Ltd., o.J. ANMERKUNGEN 1 Bilder sollen fiir die Betrachtung hier als zeichenartige, materielle, artifizielle, relativ dauerhaft und visuelle Veranschaulichung eines (realen oder virtuellen) Sachverhaltes verstanden werden [vgl. Sachs-Hombach 2003, S.77]. 2 Eine begriffliche Klarung vorweg: Mit dem Begriff des Bildes konnen viele unterschiedliche visuelle Ergebnisse und Intentionen verbunden sein. Dieser Aufsatz behandelt narrative Bilder, d.h. der Schv^^erpunkt dieser Darstellungen liegt nicht auf der physikalisch-beschreibenden, naturalistischen Abbildung einer vorgefundenen Situation, sondern auf der visuellen Erzahlung, Ganz im Gadamer'schen Sinn. 3 Das Volk der Khoi und San gelten als die Ureinwohner des siidlichen Afrikas. Dieses »Volk« bestand aus vielen kleinen Familienclans mit unterschiedlichen Eigennamen. Da es keinen selbstgewahlten Namen fiir alle Gruppen und Unterclans der Ureinwohner gibt, wird hier der Begriff der Bushmen oder der San benutzt, ohne an kolonialen sprachlichen Abwertungen teilhaben zu wollen. 4 Die alteste Felsmalerei der San befindet sich auf einem losen Felsstiick, das in der ApoUo-II-
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Hohle in Namibia gefunden wurde. Die Felsmalereien neuesten Datums liegen im Gebiet des heutigen KwaZulu-Natal und sind ca. 150 Jahre alt [Anderson o. J., S. 5]. 5 Es existiert heute noch eine kleine San-Bevolkerung mit insgesamt ca.6 000 Mitgliedern. Sie leben im Bereich der Kalahari-Wiiste in Namibia und Botswana. Insofern konnen die San zwar nach ihren Mythen befragt werden, ihre Lebensweise hat sich durch die Umwelt allerdings radikal geandert. Es gibt, im Unterschied zu friiher, andere Nahrungsgrundlagen, veranderte Malmittel und keine Hohlen bzw. Felsunterstande. 6 Siehe auch das »GaUeon«-Bild nahe Porterville (150km entfernt von Cape Town). Es existieren zudem eine Reihe von datierbaren (iiber Abgleichung mit den Aufzeichnungen der weil^en Siedler) Abbildungen von Pferdewagen, M a n n e r n mit Peitschen und Gewehren, Frauen in europaischen Kleidern sowie mit den Rinderherden der Bantu. 7 Ein wichtiger Hinweis zu den Abbildungen in diesem Aufsatz: Die meisten davon sind Fotografien. Jene Abbildungen, die von Stephen Townley Basset stammen, sind nachgemalte Felsbilder. Basset ist Archaologe und Kiinstler und versucht, durch das Nachmalen mit Originalfarben und -malmitteln, eine Rekonstruktion zu erreichen. Damit besteht allerdings auch die - unbestimmt bleibende - Gefahr, dass »Bereinigungen« oder »Verstarkungen« den originalen Felsbilder in der Abbildung hinzugefiigt werden. 8 Griechisch: Therion (Tier) und Anthropos (Mensch)
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9 Jedem Tier wurde von den San spezielle Krafte und Fahigkeiten zugeordnet. Um als Schamane ein Tier zu werden, bedurfte es der Trance. Therianthropen waren Transformationen in dieser Trancewelt. In der Welt der San gab es keinen Unterschied zwischen realer und spiritueller Welt. So kann z.B. das Bild eines Lowen das Abbild einer Jagd oder ein Symbol fiir einen Schamanen auf Reisen in der spirituellen Welt sein [Anderson o.J., S.23]. 10 Auch wenn die Abfolge der Tierzeichnungen durch Schlussfolgerung der sich iiberlagernden Linien und Flachen aufgedeckt wird, bleibt die dazwischenliegende tatsachliche Zeitdauer ein Ratsel. Alle Tiere konnen vom selben Zeichner stammen, oder aber viele Generationen auseinanderliegen. Insofern bleiben auch die Motive fiir die Uberlagerung zu einem gewissen Anteil spekulativ. 11 Veg'n Vlug = Afrikaans fijr »Fight and Flight« 12 Eng.: thread - Faden, Strahl, Streifen 13 Diese in der Literatur auch als lines of magic force bezeichneten Mittel stellen Zauberkrafte dar, z.T. auch als gepunktete Linie. WeiK ist in weiten Teilen Afrikas die Farbe fiir Zauber, iibersinnliche Krafte und reprasentiert insbesondere die Verbindung mit den Vorfahren [Woodhouse o.J.; S.21 ff.]. Vergl. hierzu auch die (seltenere) Nutzung von Linien in europaischen Darstellungen bei Clottes&al. [1995, S.155ff.]. 14 OTTO NEURATH: Isotype; PAUL KLEE: Ausftihrungen zum Linienausdruck; s. a. HARRY ROBIN:
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Wissenschaftliche Illustration oder BARBARA M. STAFFORD: Kunstvolle Wissenschaft 15 Stephen Townley Basset weist darauf hin, dass die Gesichtspartien vieler alterer San-Figuren mit einer hellen Farbe (gelb oder weiE) gemalt wurden. Im Lauf der Zeit ist diese Farbe, im Gegensatz zum Rot des Hinterkopfes, Halses und iibrigen Korpers verblichen und abgefallen [Basset 2001, S.42]. Daher riihrt der merkwiirdige Eindruck, dass die San sehr lange und verbogene Kopfe batten. 16 Auch in der Hohle von Lascaux (Frankreich) wurden viele Darstellungen mit einer Blasrohr-Spritztechnik gefertigt [Skira 1955,8.139]. 17 Die Dokumentation besteht aus mehreren Techniken: Zeichnen von Details aus der Nahe, Zeichnen aus der Distanz, u m mogliche Kompositionen bzw. GroBformen zu erkennen, Fotografien und Fotografien mit speziellen Farbfiltern, u m Farbzusammenhange deutlicher hervortreten zu lassen, sowie Ultraviolett-, Infrarot- oder Stereofotografie [Lorblanchet 2000, S. 127]. 18 Auch Clottes &al. weisen darauf hin, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass der Grund fiir die Bilddarstellung in einem reinen Beschworungsritual liegt, da relativ selten in den entdeckten europaischen Hohlen Tierdarstellungen mit Pfeilen gefunden wurden. Das heiEt, dass das eigentliche Beschworungsziel, eben der Pfeil im Opfer, nirgends eine herausragende Rolle spielt [Clottes &al. 1995, S.164]. 19 In Lenssen-Erz (2005) wird beschrieben, wie liber die Konzepte
Komposition und Szene aktuelle Forschung betrieben wird. 20 Vgl. hierzu auch andere Fachliteratur, z.B. Skira [1955, S. 127]. 21 Dies verbindet den palaolithischen Menschen mit dem modernen Kiinstlertypus. Das Ziel scheint immer die Museums-Hohle zu sein. Ob das Werk dort tatsachlich zu sehen ist, bleibt zweitrangig, Hauptsache, die Anwesenheit der Arbeit lasst sich fiir das Archiv, den Katalog oder eben in einer unteren Bildschicht nachweisen. 22 Dieses Prinzip nutzt jedes Vexierbild aus und die Gestaltungsdisziplinen kennen es als Figur-Grund-Problematik. BILDTITEL U N D -QUELLEN 1 »Die Hand des Entdeckers« In: Clottes et al 1995, S.64 2 Sani Pass Shelter, Drakensberge, SiJdafrika: Fin einzelnes Eland in Rot und Weiss mit Schattierung Bild: M.Scholz2004 3 Karte des siidlichen Afrikas In: Basset 2001, S. 10 4 Stompiesfontein/Western Cape, Siidafrika: The wagon scene at Stompiesfontein In: Woodhouse, o.J, S.42 5 Schaapplaats, Rooiberg, Siidafrika: Karossed therianthropes (central tall red figure 27cm height), three figures combine here h u m a n and animal characteristics and are termed therianthropes. In: Anderson o.J., S. 125 6 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika: Ausschnitt, Tanzer in Trance Bild: M. Scholz 2004 7 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika: Ausschnitt Sitzender Bild: M. Scholz 2004
MARTIN SCHOLZ: Felsmalerei der San
8 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika: Fries Bild:M.Scholz2004 9 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika: Ausschnitt mit drei laufenden Jagern Bild:M.Scholz2004 10 Sheltered Vale/KwaZulu-NatalSwartberg, Siidafrika: Painting of an eland on the ceiling in a small shelter. In: Woodhouse, o. J, S. 12 11 Grotte Chauvet: Bildensemble des Panneau der Pferde In: Chauvet et al. 1995, S.49 12 Grotte Chauvet: vier perspektivisch dargestellte Pferde In: Chauvet et al. 1995, S. 51 13 Grotte Chauvet: Details der Lowen In: Chauvet et al. 1995, S. 84 14 Sevilla, Agter Pakhuis District, Cederberg Mountains, Siidafrika: Veg 'n Vlug In: Basset 2001, S.38 15 Detail aus Veg'n Vlug: Battlescene In: Basset 2001, S.40 16 Detail aus Veg'n Vlug: Eine von Pfeilen getroffene Person In: Basset 2001, S.41 17 Strydkloof, Stormberg, Siidafrika: White Antelope In: Basset 2001, S. 106 18 Leeuwkraal, Stormberg, Siidafrika: Door to a spirit realm In: Basset 2001, S.88 19 Grotte Chauvet In: Chauvet et al. 1995, S.85 20 Grotte Chauvet: Zwei Lowen und ein Wisent In: Chauvet et al. 1995, S.88 21 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika Bild: M. Scholz 2004 22 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika: Drei Jager im Loch Bild: M. Scholz 2004
23 Buffelsfontein/North Eastern Cape, Siidafrika: Eland mural with two upside-down hippo-like rain animals painted in a recess in the rock. In: Woodhouse, o.J, S.33 24 o. O.: A nodule has been used for only one head emphasising this particular h u m a n In: Anderson o.J., S. 11 25 O.O.: A nodule is used to represent a female's a b d o m e n / w o m b In: Anderson o.J., S. 31 26 O.O.: A detailed frieze of polychrome and shades polychrome eland In: Anderson o.J., S.8 27 Wasbankspriut, Stromberg, Siidafrika: Yellow Eland In: Basset 2001, S . l l l 28 Grotte Chauvet: Lowen und Nashorner gemeinsam In: Chauvet et al. 1995, S.87 29 Hohle von Altamira, Kalabien, Spanien: die Decke von Altamira. Gruppe der polychromen Tiere. Zeichnung von Breuil mit einzelnen C-I4-Daten, die durch eine direkte Datierung der Proben gewonnen wurden. In: Lorblanchet 2000, S. 39 30 Uberlagerungen in der Darstellung des unteren Pferdes in die iiberlagerte Figur. In: Chauvet et al. 1995, S. 55 31 Pech Merle: Hohle von Pech Merle, gepunktete Pferde. Rekonstruktion des Bildfeldes durch M. Lorblanchet (Lange ca. 3,5 Meter). In: Lorblanchet 2000, S.242 32 Pech Merle: I.Phase der Ausarbeitung des Bildfeldes, Pferde In: Lorblanchet 2000, S.252 33 Pech Merle: 2. Phase der Ausarbeitung des Bildfeldes, Pferde und Handnegative In: Lorblanchet 2000, S.252
MARTIN SCHOLZ: Felsmalerei der San
34 Pech Merle: 3. Phase der Ausarbeitung des Bildfeldes, Pferde, Handnegative und punktierte Flachen In: Lorblanchet 2000, S.253 35 Pech Merle: 4.Phase der Ausarbeitung des Bildfeldes, Pferde, Handnegative, punktierte Flachen und Zeichen, sowie ein Fisch In: Lorblanchet 2000, S.253 36 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika Bild:M.Scholz2004 37 Sani Pass Shelter, Drakenberge, Siidafrika Bild:M.Scholz2004 38 Bamboesberg, Stormberg, Siidafrika: Eland and Ostrich In: Basset 2001, S.98 39 Handnegativ der Grotte Chauvet. Vollstandige Hand. In: Chauvet et al. 1995, S. 112 40 o. O.: A re-use of a rain making theme: the rain animals are elephant, rhebuck and eland. Note how the rain animals are superimposed on each other. In: Anderson o. J., S. 15 41 JULIA RUTHER: »OlaufPutz«, Kunstakademie Diisseldorf, Rundgang 2005 In: TAZ vom 26. / 27. Februar 2005, NRW-TeilS.3 42 Wahlplakat der PDS Unter: www.banksy.co.uk 43 Wahlplakat aus Wien Unter: www.hanksy.co.uk 44 Graffiti-Wand Unter: www.hanksy.co.uk 45 Wand mit gesprayten Ratten Unter: www.hanksy.co.uk 4 6 - 4 9 Hotel Bender Dortmund Unter: www.hanksy.co.uk 50 Bamboesberg, Stormberg, Siidafrika: Juxtaposed Antelope, grey rhebok and mountain reedbuck In: Basset 2001, S.80
BILDER BETRACHTEN Die Stolpersteine-Bilder konnen Sie online auch in Farbe betrachten. Die von Martin Scholz gezeigten Bilder finden Sie unter www.hbk-bs. de/stolpersteine/bildsampling/ms#.jpg, wobei # fiir die jeweilige Bildnummer steht-also z.B.Bild 1 unter www. hbk-bs.de/stolpersteine/hildsampling/ msl.jpg UBER DEN AUTOR Martin Scholz, Jg. 1963, Fotograf & Diplom-Designer mit den Schwerpunkten Still-Life und Fotografien in Multimediaprojekten. Wiss.Mitarbeiter an der Universitat Magdeburg; Promotion bei Bazon Brock und Thomas Strothotte; kiinstl. Assistent an der HBK Braunschweig fiir Neue Medien; Guest lecturer am UCC Cork/Irland. Forschungsschwerpunkte: Visuelle Argumentation, Bildgestaltung, Bild und Interaktion. Wichtigste Veroffentlichungen: Kommunikationsdesign. In: SACHSHOMBACH, KLAUS (Hg.): Bildwissenschaft - Disziplinen, Themen, Methoden. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2005. M. S.&UTE HELMBOLD (HG.): Stolpersteine - Gibt es RegelnfUr die Bildgestaltung? Wiesbaden: DUV, 2004 (Bd. 12 der Reihe Bildwissenschaften). Technologische Bilder - Aspekte visueller Argumentation. Weimar: VDG, 2000. E-Mail: [email protected]
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Eno Heme DAS KINETISCHE BILD Uber das Zusammenw i r k e n von Bild und Musik im Club In meiner Untersuchung mochte ich versuchen, einen theoretischen Zugang zu dem Phanomen zu finden, dass zu der Musik im »Club fiir elektronische Musik« seit einigen Jahren Bilder gezeigt bzw. gespielt werden. Ich betreibe seit einigen Jahren dieses »Bildermachen zu elektronischer Musik« als eine Art Ausgleichsport zu meiner sonstigen kiinstlerischen Arbeit, und schatze diese Tatigkeit besonders fiir ihre intuitive Qualitat. Sie fordert, sich vollstandig dem Moment zu iiberantworten ohne dabei fiir seine Handlungen eine argumentative Absicherung bereit halten zu konnen. Ich erarbeite also mit dieser Untersuchung zum ersten mal eine theoretische Haltung zu meiner praktischen Arbeit in diesem Feld - und stelle dabei fest, dass der hier eroffnete Raum gerade ausreicht, einige der auftauchenden Fragen ledighch an der Oberflache zu streifen. Einige meiner Argumente miissen deshalb ohne den eigentUch notwendigen stichhaltigen Beweis auskommen, und konnen so nur als essayistische Behauptung verstanden werden. Versuchen wir also, die Gegebenheiten der Situation »Im Club werden Bilder zur Musik gezeigt« naher zu betrachten. In welchem Verhaltnis stehen hier Bild und Ton zueinander, und was unterscheidet iiberhaupt ein Bild von einem Ton? Und wer nimmt
diese beiden wahr und in welcher Verfassung ist dieser jemand? Im Club ist die Hierarchic von Bild und Ton vertauscht. Wo sonst iiberall das Bild regiert und der Ton das Bild begleitet, steht im Club die Musik an erster Stelle, und das Bild erganzt die Wahrnehmung des Tons. Die Wahrnehmung des Tons ist untrennbar mit der Wahrnehmung von Zeit verbunden, denn damit ein Ton iiberhaupt existieren kann, muss er sich in der Zeit ausbreiten. Wenn wir die wellenformige Ausbreitung eines Tons anhalten, bleibt nicht etwa ein Ton in Form einer stehenden Welle zuriick, sondern nur eine Linie. Ein Punkt in der Zeit des Tons ist also nicht wahrnehmbar. Zur Musik arrangierte Tone nehmen eine zeitliche Dauer ein, die den Rahmen der bewussten Wahrnehmung sprengt. Wenn man sich beim Musik horen gleichsam »in der Musik« befindet, weil^ man zwar, dass die Musik einen Anfang hatte, und man weil^ auch, dass sie ein Ende haben wird. Aber dieses Wissen ist abstrakt und kann die Erfahrung der Musik im Moment oder im Jetzt nicht aufwiegen. Deswegen wird es auch nicht langweilig, das selbe Musikstiick immer und immer wieder zu horen, weil das abstrakte Kennen des Stiicks die Erfahrung des sich-inder-Musik-Befindens nicht ersetzen kann. Die Musik, die in den Clubs gespielt wird, hat diese Eigenschaft bis ins Extrem ausgedehnt. Aus einzelnen Musikstiicken wird ein durchgangiger Strang gekniipft. Dabei werden die Musikstiicke auf solche Weise amalgamisiert, dass der Eindruck eines einzigen, immer fortwahrenden
ENO HENZE: Das kinetische Bild
Stiicks entsteht - dessen Anfang man nicht erlebt, well die Musik meist schon angefangen hat, wenn man den Club betritt, und dessen Ende man ebenso selten erlebt, auKer man zahlt zu den wirklich hartgesottenen Zeitgenossen. Wenn man das Ende eines Abends tatsachlich erlebt, und der Club von den Neonrohren des Putzlichtes erhellt wird, hebt das den Zustand des Clubs als Ort der Musik auf, er wird auf brutale Weise zu einem hasslichen und profanen Ort. Wesentlich an der Musik im Allgemeinen, im Besonderen aber der Club-Musik, ist also ihre prinzipielle Uniiberschaubarkeit. Musik ist nicht als ganze, sozusagen als ganzes Ding, sondern nur abstrakt iiberschaubar. Sie zwingt zu ihrer Wahrnehmung in der Zeit, und wahrend man ihr Ende wahrnimmt, kann man sich den Anfang zwar ins Gedachtnis rufen, aber nicht mehr wahrnehmen. Die Zeitokonomie, die mit der Wahrnehmung von Musik verbunden ist, ist so machtig, dass der Betrachter sich ihr vollstandig unterwerfen muss, wenn er sie denn erfassen will. Im Gegensatz zur Musik ist ein Bild in der Zeit unveranderlich. Das bedeutet, dass sich die Zeitokonomie umkehrt, denn der Betrachter kann entscheiden, wieviel Zeit er mit dem Bild verbringen mochte. Das Bild ist iiberschaubar und als ganzes zu erfassen. Diese Erfassbarkeit verleiht dem Bild allerdings eine andere Qualitat, die der Musik weitestgehend verschlossen bleibt, zumindest der elektronischen Musik, iiber die ich hier spreche. Sie verleiht dem Bild die Fahigkeit, etwas zu bedeuten, und auf einen Kontext oder einen Ursprung zu verweisen. Das Bild als Ding, sozusagen als Ansammlung
von Farbe, ist in Bruchteilen von Sekunden erfasst. Die Zeitokonomie entsteht erst beim Einordnen und Dechiffrieren des Abgebildeten - und sie unterliegt w^eitgehend dem Ermessen des Betrachters - jedoch nicht vollkommen, wie v^^ir spater noch sehen werden. Das heiftt also, dass der wesentliche Teil einer Abbildung nicht das konkrete Objekt, z.B. Papier und Farbe oder Mattscheibe ist, sondern der Kontext oder der Sachverhalt, auf den von ihm verwiesen wird. Im Gegensatz dazu ist die Musik auf konkrete Weise das, was sie ist. Sie verweist weder auf einen entfernten Kontext, noch erzahlt sie eine Geschichte von einem anderen Ort. Die Musik ist sie selbst, als konkretes physisches Phanomen mit seinem Einfluss auf unsere Sinne. (Diese These lasst sich so kategorisch sicherlich nicht durchhalten. Es geht mir auch nicht u m Schwarz-WeiftMalerei, sondern um die Darstellung von Musik und Bild als zv^ei entgegengesetzte Pole, die bei genauer Betrachtung jedoch viele Zwischenzustande bei Wahrnehmungshaltung und Bedeutungsgehalt zulassen.) Wir haben also auf der einen Seite das Bild, dessen eigentlicher Gehalt im ideellen Raum verankert ist, und das dem Betrachter eine flexible Zeitokonomie anbietet, und auf der anderen Seite die Musik, die konkret ist was sie ist, aber dem Zuhorer ihre eigene Zeitokonomie aufzwingt. Zwischen diesen beiden Polen ist n u n der Film angesiedelt, mit Eigenschaften sowohl des Bildes, als auch der Musik. Wie die Musik konnen wir den Film nicht als ganzen iiberschauen. Auch er widersetzt sich der W a h r n e h m u n g ad hoc, indem er sich in der Zeit ausbreitet und den
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Betrachter in seine eigene Zeitokonomie zwingt. Aber wenn man einen Film anhalt wird deutlich, dass sein Medium nicht so fliichtig ist wie ein Ton, sondern dass er vielmehr mit aneinander gereihten Standbildern operiert, die alle als eigenstandige Elemente wahrnehmbar sind. Ich mochte behaupten, dass fiir einen Film im Grunde ein Bruchteil der Gesamtheit seiner Bilder geniigen wiirde, um die in ihm verpackte Geschichte zu erzahlen. Als Beispiel dient hier wohl den beriihmte Film »La Jetee« (1962) von Chris Marker, der bis auf eine kurze Szene in der Mitte vollstandig aus Standfotos zusammengesetzt ist, die jeweils fiir die Dauer von wenigen Sekunden sichtbar sind. Alle Bilder zwischen diesen Schliisselbildern werden also fiir den eigentlichen Transport der Geschichte nicht gebraucht, sondern dienen einem anderen Zweck. Zum einen bilden sie das Zeitfleisch, das dem Betrachter fiir die Einordnung und Dechiffrierung der Bilder gewahrt werden muss. Wir kennen das alle, ein Film kann durchaus zu schnell oder zu langsam sein, wenn der Filmemacher die Einordnungsfahigkeit der Betrachter nicht richtig eingeschatzt hat. Zum anderen dienen sie aber auch der Konstruktion von Wirklichkeit. Denn die viel besprochene Illusionsmaschine Film konstruiert ein komplexes Geflecht aus Verweisen und Bedeutungen, die alle in einem ideellen Raum angesiedelt sind. Dass wir diesen ideellen Raum wahrend der Filmvorfiihrung als Wirklichkeit akzeptieren, liegt an der Simulation einer konsistenten Welt, mit samt ihren Bewegungen und raumlichen Zusammenhangen. Wie empfindlich
diese Illusion ist, sehen wir daran, dass die Kinosale nachtschwarz sind und alles diesseitige ausblenden, und dass die Illusion in dem Moment zusammenbricht, wo der Film angehalten wird oder im Saal das Licht angeht. Der Film hat also von der Abbildung seine Verankerung im ideellen Raum iibernommen und diese aber gleichsam mit der machtigen Zeitokonomie der Musik multipliziert. BloE dass diese Zeitokonomie die Aufmerksamkeit des Publikums nicht wie die Musik auf sich selbst als das konkrete Ding des Films, also der Leinwand oder des Lichts lenkt, sondern auf eine imaginare Welt. Es ist demnach so: Der Film spielt eigentlich »woanders«, die Musik spielt hier. Was bedeutet das Zusammentreffen dieser unterschiedlichen Medien also fiir einen Ort wie den »Club fiir elektronische Musik«? Der Club ist die Sphare der Musik, und in dieser Sphare richtet sich alles nach deren Wesen und Gesetzen. Analog zum Kino ist der Club ein voUstandig auf die Wahrnehmung von Musik optimierter Raum, der seinerseits alle Storfaktoren auszublenden versucht. Der wesensmaEige Unterschied ist aber, dass das Kino auf die Erzeugung einer Illusion, also auf ideelle Wahrnehmung ausgelegt ist, wahrend der Club auf die Wahrnehmung des Konkreten und physisch Prasenten abzielt. Es handelt sich dabei um zwei konkurrierende Wahrnehmungsmodi, in denen m a n sich nicht gleichzeitig befinden kann, wobei die fokussierte Wahrnehmung des Konkreten, also der Musik erstaunlicher Weise empfindlicher und schwacher zu sein
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scheint als die Wahrnehmung des Ideellen. Woran liegt das? Der Mensch ist eine Wahrnehmungsmaschine, und er kann sich der Bewertung seiner Wahrnehmung nicht entziehen. Entwicklungsgeschichtlich hat es dem Menschen einen entscheidenden Vorteil gebracht, Dinge abstrakt beurteilen und deren Bedeutung einordnen zu konnen. Wir kontrollieren unsere Wahrnehmung, die immer als erstes konkret ist, standig auf das Vorhandensein von Bedeutung, und, sobald wir einen Brocken Bedeutung gefunden haben, sind wir auch gezwungen, diesen einzuordnen und zu bewerten. Oben habe ich behauptet, dass die Zeitokonomie des Bildes dem Willen des Betrachters unterliegt. Das gilt jedoch nur begrenzt. Denn um zu entscheiden, ob man sich mit einem Bild weiter beschaftigen will Oder nicht, bedarf es einer GrundRezeptionsleistung, namlich grob den Gehalt des Bildes zu bewerten. Diesem Mechanismus des Gehirns kann man sich willentlich nicht entziehen, aufter man schlieiSt die Augen. Die Wahrnehmung der Musik wird also durch die Darstellung von Abbildungen gestort oder in den Hintergrund geriickt. Um noch einmal das Beispiel des Kinos zu bemiihen: Die Musik und die Gerausche des Films werden fast ausschliel^lich unbewusst verarbeitet, well die bewusste Wahrnehmung damit beschaftigt ist, dem ideellen Geschehen zu folgen. Fiir das Bild im Club hat das wesentliche Konsequenzen. Was fiir Bilder diirfen iiberhaupt noch in der
Sphare der Musik existieren? Und in welchem Zusammenhang stehen sie mit der Musik? Wir suchen nach einem Bild, das nicht wie der Film bloB die zeitliche Ausdehnung, sondern viel weiter gehende Eigenschaften von der Musik iibernommen hat. Wir suchen nach einem Bild, das auf seine Weise konkret ist und nicht auf einen entfernten Kontext verweist. Ich habe bis jetzt immer die Musik als das Konkrete und die Abbildung als das Ideelle gegeniibergestellt. Diese Gegeniiberstellung ist jedoch unvollstandig, denn es gibt sowohl im auditiven, wie auch im visuellen Bereich jeweils ein ideelles bzw. konkretes Gegeniiber. Ton als Sprache iibertragt ebenfalls eine Bedeutung und verweist auf einen ideellen Raum oder entfernten Kontext. Und es sind Bilder denkbar, die auf nichts verweisen und nichts abbilden, sondern zunachst nur aus Farbe und Form bestehen. Erhalten diese Bilder noch eine zeitliche Komponente, kommt zu Farbe und Form die Bewegung hinzu. Bilder die nichts abbilden und nichts bedeuten, sondern nur sind, was sie sind - namlich Licht und Farbe. Braucht m a n solche Bilder wirklich? Und dann noch zur Begleitung der Musik, die ja erstmal nicht von der Anwesenheit von Bildern zu profitieren scheint? Zunachst einmal zu dem Wert dieser Bilder selbst. Die Abwesenheit von Bedeutung bedeutet noch nicht, dass ein Bild keinen Wert besitzt. Denn auch die Musik, die ihrerseits auf nichts als sich selbst verweist, behalt ihren Wert. Und auch die Geschichte der modernen Kunst zeigt uns, dass auch solche Bilder,
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die nichts abbilden, ihre Daseinsberechtigung haben. Es bleibt also zu klaren, weshalb man Bilder zur Musik hinzufiigen mochte. In den Club zu gehen und sich der Musik auszusetzen und iiber Stunden vollstandig in sie einzutauchen scheint angesichts der vielen Menschen, die diese Beschaftigung teilen, ein natiirliches Bediirfnis zu sein. Im Grunde ist es ja die Fortsetzung Jahrtausende alter Traditionen. Ich habe zur Geniige beschrieben, dass der Geist wahrend der Wahrnehmung des konkreten Phanomens Musik einen besonderen Zustand einnimmt. Dieser Zustand ist grundsatzlich verschieden von der geistigen Verfassung, in der wir uns im alltaglichen Leben befinden, das von uns meistens den reflektierten Zustand der Bild-Wahrnehmung fordert. Wir leben in einem Zeitalter des Bildes, davon ist im Zusammenhang dieser Publikationsreihe viel die Rede. Dem gegeniiber stellt die Direktheit, die mit der konkreten Wahrnehmung der Musik verbunden ist, einen erstrebenswerten Ausnahmezustand dar, der Erholung und Abstand von den Pflichten des Tages verspricht. Im Club wird also versucht eine Situation zu schaffen, die auf moglichst vollkommene Weise die Wahrnehmung des Konkreten ermoglicht. In den Bereich des Konkreten muss aber neben der Musik auch deren visuelles Aquivalent gerechnet werden, namlich das von Bedeutung und Verweisen entkleidete Bild. Im Sinne eines totalen und immersiven konkreten Ereignisses sind Bilder zur Musik also durchaus erwiinscht.
Wenn das Bild seine verweisende Funktion eingebiiBt hat, ist es vollstandig Licht und Farbe. Fiir die Wahrnehmungssituation im Club sind diese Faktoren genau so wichtig, wie fiir ein Kino. Auch w e n n es u m Musik horen geht, kann m a n sich keinen Club bei tagheller Beleuchtung vorstellen. Die Bilder iibernehmen die Gestaltung dieser fiir die Wahrnehmung der Musik wesentlichen Faktoren. Bis hierher habe ich also meine Uberlegungen zum grundsatzlichen Verhaltnis von Bild und Musik im Club dargelegt. Fiir die genauere Betrachtung der Bilder und ihrem Zusammenwirken mit der Musik, werde ich nun Bildbeispiele hinzuziehen. In dem Vortrag, der dieser Publikation vorausging, konnte ich auf einige Beispiele anderer Kiinstler zuriickgreifen. Auf Grund urheberrechtlicher Bedingungen kann ich hier jedoch nur meine eigenen Arbeiten und die einiger Bekannter abbilden. Da es sich um Videobeispiele handelt, bitte ich Sie jedoch, in jedem Fall die Moglichkeit zu benutzen und die Videos im Internet zu betrachten. Die Verbindung von Bild und Musik im Club ist nicht gleichberechtigt. Die Musik besitzt die Eigenschaft, sich in die Zeit auszudehnen, und die Bilder, auf die ich hier rekurriere, haben diese Eigenschaft nur von der Musik entlehnt. Sie stellen also eine Erweiterung der Musik in den visuellen Bereich dar und beziehen ihr Leben aus der Musik. Deshalb kann die Musik weiterhin ohne das Bild existieren, aber das Bild nicht ohne die Musik. In der Hierarchic steht die Musik also eindeutig iiber den Bildern. Bilder innerhalb dieser Konstellation sind
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also immer von einer mehr oder weniger direkten Verbindung mit der Musik abhangig. Diese Versuche gehen schon sehr weit zuriick. An dieser Stelle wiirden Sie Beispiele von Oskar Fischinger sehen, namlich »Studie 7« und »Studie 8«, jeweils von 1931. Ich hoffe, diese Beispiele sind bekannt, ansonsten finden Sie im Internet leicht die richtigen Abbildungen. Warum erfiillt es einen regelrecht mit Freude, diese Beispiele zu sehen? Ich wiirde sagen, es gibt so etwas wie eine synasthetische Befriedigung. Wenn ein Ereignis in der Musik mit einem Ereignis im Bild zusammenfallt, stellen wir unwillkiirlich einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen her; sie gehoren dann zusammen. Es entspricht unserer natiirlichen Wahrnehmung, dass Dinge Gerausche erzeugen, bzw. dass zu einem Gerausch immer eine Ursache gehort.
Link 1
Link 2
http://www.dienststeUe.de/movies/2003/ trioon_noto_sakamoto_ISDN.mov http://www.hexstatic.tv/videos/thatrack.mov
Nach den Versuchen von Fischinger und seinen Zeitgenossen in den 20 er und 30 er Jahren gab es lange keine wesentlichen Neuerungen auf diesem Feld. Mit dem elektronischen Bild und der Computertechnik entstanden jedoch neue Bearbeitungsmoglichkeiten, die die Beschaftigung wieder aufleben lieEen. Sehen wir hierzu ein aktuelles Beispiel von einem befreundeten Kiinstler aus Frankfurt, Karl Kliem (Bild 1, Link 1), und anschlieBend einen Ausschnitt aus einem Musikvideo der Kiinstlergruppe Hexstatic aus London (Link 2). Die extrem direkte Verbindung zwischen Bild und Ton in den Beispielen, die wir bis hierher gesehen haben, lasst sich nur in
einem Studio erzeugen. Die Kiinstler haben hier den Vorteil, dass sie sich ausschlieElich auf ein Musikstiick konzentrieren konnen um eine besondere Interpretation dieses Stiicks mit ihren Bildern herauszuarbeiten. Die Situation im Club stellt mich dagegen vor ganz andere Bedingungen. Ich weil^ zwar ungefahr, welche Musik mich erwartet, aber ich kann die Entscheidungen des DJs nicht vorweg nehmen, so dass ich immer zum hinterher eilenden Reagieren gezwungen bin. Trotzdem habe ich von Anfang an versucht, auch unter diesen Bedingungen eine enge Bindung des Bildes an den Ton zu erreichen. Dazu habe ich mir ein Instrumentarium zurecht gelegt, das es mir erlaubt, intuitiv, sozusagen wie auf einem Instrument der Musik zu folgen und diese zu interpretieren. Sehen Sie n u n einige Beispiele meiner eigenen Arbeit. Diese Beispiele sind Live-Mitschnitten aus dem Club entnommen, d.h., sie entstammen aus einem fortlaufenden Strang von mehreren Stunden. Hier miissen diese Bilder ohne den Kontext des Clubs auskommen. Ich bitte Sie also nicht zu vergessen, dass Sie sich, wenn Sie die Beispiele gleich sehen, eigentlich genau nicht in der richtigen Wahrnehmungshaltung befinden, die notwendig ware, um sie richtig verstehen zu konnen. Die Prasentation hier entspricht ungefahr der Situation, dass Sie einen dramatischen Spielfilm aus dem Augenwinkel auf dem Fernseher in der Ecke eines Restaurants verfolgen (Bild 2-7). Ich versuche also, eine zwangslaufige Verbindung zwischen Musik und Bild herzustellen. Dabei habe ich den Eindruck, als handele es sich u m eine
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neue Art Bild, die dabei entsteht. Im Kino wird das Bild von einem Kinematographen erzeugt. Ein Kinematograph ist eine Maschine, die Bewegung aufzeichnet, indem sie sie zerhackt und an verschiedenen Stellen deren Zustand einfriert und konserviert. Bei der Wiedergabe werden diese Zustande wieder aneinander gereiht, so dass die Illusion einer Bewegung entsteht. Technisch gesehen arbeite auch ich noch mit dieser Aneinanderreihung von Einzelbildern. Aber dadurch, dass ich nicht auf eine tatsachliche Bewegung verweise und eine Illusion dieser erzeugen will, sondern die Bewegung scheinbar direkt aus der Musik ableite, passe ich das Bild der Zeitlichkeit der Musik an. Dadurch entsteht ein Bild, das nicht kinematographisch ist, also Bewegung aufgezeichnet hat, sondern ein konkretes Bild, das sich tatsachlich selbst zu bewegen scheint. Es ist ein kinetisches Bild. Das kinetische Bild ist eigentlich nicht fixierbar, sondern entsteht im Moment und vergeht im Moment. Im Sinne der synasthetischen Kopplung zwischen Musik und Bild, gibt es keine Farbe, wenn es keinen Ton gibt. Es hat den Anschein, als erzeuge die Musik das Bild, und als waren die beiden eine Einheit und untrennbar miteinander verbunden. Das Bild besitzt die selben fliichtigen Eigenschaften der Musik und mit dem letzten Ton verklingt auch das letzte Bild. Man konnte jetzt dagegen sagen, dass es eine Art politischen Auftrag des Kiinstlers gibt, sich mit der Bildkultur unserer Gesellschaft zu beschaftigen. Es gehort ja zu den kiinstlerischen Techniken, genau an den Stellen zu
bohren, wo es fiir das Publikum unangenehm wird, so dass m a n gerade im Club mit dem visuellen Material unserer Zeit arbeiten sollte. Es wird immer wieder behauptet, dass es einen erschreckenden Mangel an der Bereitschaft zu reflektieren und zu kritisieren gibt, und dass das Volk die Augen vor den Absurditaten unserer Zeit verschliel^t. Sollte m a n deshalb nicht im Club mit den Bildern unserer Gesellschaft arbeiten? (An dieser Stelle wiirde ich Ihnen jetzt ein Beispiel zeigen, dass ich im Internet gefunden habe, und das sich so hundertfach auch in irgendwelchen Clubs finden lasst. Ich hatte Ihnen den Namen dazu nicht gesagt. Stellen Sie sich also irgendwelche Las Vegas-Lichter-Videosequenzen Oder Found Footage aus einem Tierfilm zu Mainstreamtechno vor.) Die Musik ist im Club so dominant, dass sie Bildern, die sich nicht nach ihren Gesetzen richten keine wirkliche Chance lasst. Diese Bilder zerfallen dann einfach. Wenn es in diesem Zusammenhang hier iiberhaupt um Politik und Auftrag geht, wiirde ich eher behaupten, dass es gerade ein politischer Akt ist, einen Ort zu schaffen, von dem die Bildkultur, die uns standig umgibt, ausgeschlossen ist. Alle Bilder, die uns taglich begegnen, sind aus irgendeiner Motivation heraus entstanden und haben ihrerseits eine Botschaft, die sie an das Publikum iibertragen wollen. Die Collagen, die aus dem visuellen Material unserer Zeit entstehen, sind aus kiinstlerischer und theoretischer Sicht sicherlich interessant uns ergiebig. Aber w a r u m sollte m a n diesen Bildern freiwillig einen Nahrboden bereiten auf dem sie sich noch weiter ausbreiten konnen.
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Link 3
http://www.hexstatic.tv/videos/salvador.mov
als sie es ohnehin schon tun? Warum sollen wir sie in den Club zerren, wo aus ihnen nichts anderes als eine Kakophonie der Bilder werden kann? Das hei£t jedoch nicht, dass jedes natiirliche Bildmaterial aus dem Club ausgeschlossen sein muss. Ich hatte Ihnen bisher nur abstrakte Oder computergenerierte Beispiele gezeigt. Fiir eine gelungene Verwendung von Abbildungen als Erweiterung der Musik mochte ich noch einmal auf die Arbeit von Hexstatic (Link 3) zuriickgreifen. Auch wenn es nicht meinen eigenen asthetischen Praferenzen entspricht, sehe ich das folgende Beispiel dennoch als eine ernstzunehmende Moglichkeit, mit Bildern im Club umzugehen. Auch dieses Beispiel leistet also trotz dem Abbildungscharakter der Videosequenzen die synasthetische Verkniipfung von Bild und Ton. Das Prinzip der Verbindung ist aus dem Bild ablesbar. Geht es also letztlich nur darum, die Arbeit eines Automaten zu iibernehmen und Ton in Farbe zu iibersetzen? Was unterscheidet einen VJ von Programmen wie iTunes oder Mediaplayer?
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Ich denke die Kunst besteht darin, Bilder zu erzeugen, die deutlich mit der Musik in Verbindung stehen, sich aber zu ihr wie eine weitere Instrumentenstimme hinzufiigen. Es geht nicht darum die Musik zu verdoppeln und auf jede Basedrum einen Lichtblitz zu setzten, sondern es geht darum die Musik zu erweitern (Abb,8-14; Videobeispiel 2 im Internet). Dabei kann man die Eigenschaften, die das Bild der Musik voraus hat ausspielen, und mit Licht und Farbe als zusatzlichen Bestandteilen der konkreten Wahrnehmung auf das Publikum wirken. Letzten Endes ist es wohl so, dass die Grenzen, die ich in diesem versucht habe darzulegen, in der Praxis nicht so scharf zu Ziehen sind, wie das bis hierher vielleicht den Anschein haben mag. Natiirlich kann die Musik verweisenden Charakter haben, beispielsweise wenn Gesang verwendet wird, und natiirhch h a k sich das Auge auch gelegentlich gerne an einem Zeichen von Bedeutung in einem Kontext von ansonsten Konkreten Bildern fest. Aber diese Elemente miissen eben sehr vorsichtig und gezielt eingesetzt werden, wie zum Beispiel eben der Gesang in der Musik. Abschliessend mochte ich noch einmal auf die physische Quahtat des Bildes als Licht hinweisen. Bei aller akademischer Einordnungswut geht es doch immer noch darum, dass nicht nur die Musik, sondern auch das Bild rockt. Nun, was ist das fiir eine Qualitat - »es rockt«? Die ist sicherlich subjektiv, u n d ich k a n n nicht mehr, als Ihnen noch ein paar Beispiele zu zeigen. Gelegentlich benutze ich bei meinen Auftritten
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eine LED-Wand, die sehen Sie bei diesem Beispiel hinter Jamie Lidell auf dem Boden stehen (Bild 15).
Diese Wand ist fiir mich zur Zeit das Optimum an Bildausgabe. Sie ist nicht besonders scharf, aber es ist das erste Bildwiedergabegerat, das mit seiner physischen Wirkung mit der Soundanlage eines Clubs mithalten kann (installiert im WMF, Berlin. Bild 16-18). Man beginnt das Licht auf der Haut zu spiiren, so wie man den Ton in der Magengrube fiihlen kann.
BILDER BETRACHTEN Die Stolpersteine-Bilder konnen Sie online auch in Farbe betrachten. Die von Eno Henze gezeigten Bilder finden Sie unter www.hbk-bs.de/ stolpersteine/bildsampling/eh^.jpg, wobei # fiir die jeweilige Bildnummer steht-also Z.B.5/W 7 unter www. hbk-bs.de/stolpersteine/bildsampling/ehl. iP9 UBER DEN AUTOR EnoHenze, Jg. 1978. 1998-2004 Studium der Medienkunst an der HfG Karlsruhe bei Dieter Kiessling und Lois Renner. Seit 2004 Student an der HfbK Stadelschule Frankfurt bei Ayse Erkmen. Arbeitet als freier Kiinstler in Frankfurt mit Scliwerpunkt Raumbezogene Foto-, Video- und Lichtinstallationen. Website:
http://www.enohenze.de/
Heide Hackenberg
INSPIRATION ODER PLAGIAT? Die Flut der Bilder lost bei Gestaltern Inspirationen aus, die nicht selten die Grenzen der Legalitat tangieren. Was ist erlaubt? Wo endet die »geborgte Kreativitat«? Und was ist eine Urheberrechtsverletzung? Fragen, die vom Gestalter immer wieder gepriift werden miissen, wenn er auf vorhandenes Bildmaterial zuriickgreift. Die Grenzen zwischen Inspiration und Plagiat regelt das Urheberrechtsgesetz, wobei die Merkmale mitunter nicht ganz eindeutig sind. Beispiele und Informationen zu den Themen Urheber- und Personlichkeitsrecht werden in diesem Beitrag erortert. Um zu wissen, was man darf und wo man die Rechte anderer verletzt, muss man sich mit zwei Rechtsformen beschaftigen, dem Urheberrecht und dem Personlichkeitsrecht. WAS IST NACH DEM URHEBERRECHT GESCHUTZT? Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, sofern es sich um personliche geistige Schopfungen handeh (§2 UrhG), das heiEt Werke der angewandten Kunst, Lichtbildund Filmwerke sowie Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art wie Zeichnungen, Plane, Karten, Skizzen, Tabellen oder plastische Darstellungen. Auch Designleistungen sind selbstverstandlich urheberrechtlich geschiitzt, sofern sie eine gewisse Originalitat und Eigenstandigkeit aufweisen bzw. vom individuellen Geist des Gestalters gepragt sind.
Fotografien nehmen unter den schutzfahigen Werken eine Sonderstellung ein. Sie geniel^en grundsatzlich Urheberrechtsschutz. Erfiillen sie aufgrund ihrer kiinstlerischen Aussage den Status der »pers6nlich geistigen Schopfung«, werden sie als Lichthildwerke ebenso geschiitzt wie alle anderen Werkarten des Urheberrechts. Erreichen sie hingegen nicht die geforderte Individualitat, sind es einfache Lichthilder. Da die Unterscheidung zwischen kiinstlerisch und nicht-kiinstlerisch schwierig ist, genieEen alle Fotos Urheberrechtsschutz, wobei dieser Schutz auch fiir das Knipsbild eines Kindes oder ein Automatenfoto gilt. Eine Unterscheidung gibt es lediglich hinsichtlich der Schutzdauer. Lichthildwerke sind bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschiitzt, einfache Lichthilder hingegen nur 50 Jahre nach der Erstellung oder der ersten Prasentation. Dennoch sind auch die »70 Jahre post mortem auctoris« kein Freibrief fiir erlaubte Nutzung, denn die Rechte konnen an die Erben, einen Verlag oder eine Galerie veraui^ert worden sein. Im Zweifel hilft daher ein Anruf bei der Verwertungsgesellschaft BildKunst weiter.
DIE GRENZEN ZWISCHEN INSPIRATION U N D PLAGIAT SIND VERSCHWOMMEN Das Rad k a n n man nicht taglich neu erfinden, das wissen auch Sie als Gestalter, Aul^erdem gibt es Trends und Stilrichtungen, die man mitunter gar nicht auKer Acht lassen kann. Aber wildes Abkupfern oder Runterladen, was der Rechner gerade hergibt, ist geistige Kleptomanie und unter der Wiirde eine qualifizierten
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Inspiration oder Plagiat?
Designers. AuEerdem ist es strafbar (§106UrhG). Bearbeitungen oder Veranderungen urheberrechtlich geschiitzter Werke diirfen nur mit Einwilligung des Urhebers veroffentlicht oder verwertet werden. Das Recht auf Anderung kann man sich allerdings auch bezahlen lassen (§23 UrhG). Wer dennoch ungefragt urheberrechtlich geschiitzte Werke bearbeitet oder verandert, begeht eine Urheberrechtsverletzung und muss mit Konsequenzen bis hin zur Schadensersatzleistung rechnen. Die Grenzen zwischen Plagiat und Inspiration regelt das Urheberrechtsgesetz, wobei die Merkmale mitunter nicht ganz eindeutig sind. Zu unterscheiden ist nach ahhdngiger Bearbeitung und freier Benutzung. Die abhangige Bearbeitung lasst den Wesenskern des Originals noch erkennen, eine freie Benutzung prasentiert ein voUig neues Werk mit eigenem Charakter, so dass die Grundmerkmale nur noch vage zu erkennen sind (durchscheinen). Mit anderen Worten: Nur wenn der Ursprung eines entliehenen BildElementes nicht mehr zu erkennen ist bzw. durch Neukomposition auch ein neues Werk entsteht, sollte es kein Problem geben. Mit der Frage »Was ist erlaubt, was ist strafbar?« sind wir iibrigens haufig konfrontiert, vor allem bei Vortragen an Hochschulen. Dies lasst hoffentlich nicht auf mangelnde Ideen der Studierenden schlieEen. Es zeigt aber ganz klar die Bildiiberflutung durch Medien und Internet, die das »Abkupfern« zum Kinderspiel machen. Andererseits ist das
Jammern laut, wenn eigene Gestaltungs-Elemente anderswo entdeckt werden. RECHT AM EIGENEN BILD Wann darf man eine Person fotografieren und wann nicht? Und darf man diese Bilder auch veroffentlichen bzw. verbreiten? Beide Fragen bestimmen sich nach dem jeder Person zustehenden allgemeinen Personlichkeitsrecht. Selbstverstandlich spricht nichts dagegen, im Freundes- und Familienkreis Fotos anzufertigen. Will man sie aber verbreiten bzw. veroffentlichen, muss das Einverstandnis vorliegen. In der Rechtsprechung fiir das Fotografieren von Personen gilt der Grundsatz, dass grundsatzlich nicht von jeder Person das Einverstandnis vorliegen muss. Es ist aber zu respektieren, wenn jemand nicht fotografiert werden will. Driickt man dennoch auf den Ausloser, ist dies eine Verletzung des Personlichkeitsrechts. Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild kommt immer dann in Betracht, wenn die Person auf dem Foto zu erkennen ist. Hierzu miissen nicht unbedingt die Gesichtsziige sichtbar sein. Auch bestimmte Merkmale, die Riickschiisse auf die Identitat ermoglichen, oder eine Namensnennung im Text, stellen eine Verletzung des Personlichkeitsrechts dar. Unbedenklich sind Veroffentlichungen von Personenaufnahmen nur dann, wenn die Abgebildeten ihre Zustimmung geben.
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Eine Ausnahme stellen die sogenannten Personen der Zeitgeschichte dar. Hierzu zahlen nicht nur Menschen, die selbst Zeitgeschichte machen und dies iiber ihren Tod hinaus auch bleiben, sondern auch Personen, die durch ihre Verbindung mit besonderen Ereignissen voriibergehend in das Blickfeld der Offentlichkeit und damit in den Bereich der Zeitgeschichte gelangt sind. Und hier gibt es wiederum eine Unterscheidung zwischen absoluten Personen der Zeitgeschichte und relativen Personen der Zeitgeschichte. Menschen, die durch Geburt, Stellung Oder Leistung aus dem Kreis ihrer Mitmenschen herausragen und daher fiir die Offentlichkeit von allgemeinem Interesse sind, zahlen zu den absoluten Personen der Zeitgeschichte. Zu den relativen Personen der Zeitgeschichte zahlen Menschen, die durch familiare oder private Kontakte bzw. bestimmte Ereignisse mit den absoluten Personen der Zeitgeschichte in Verbindung stehen. Dies konnen Kinder sein, die einem Staatsoberhaupt Blumen iiberreichen oder ein Richter, der einen spektakularen Prozess fiihrt. Fiir beide Seiten gilt allerdings ein Schutz der Privatsphare. Und dieser beginnt nicht erst hinter der verschlossenen Tiir. So hat der Bundesgerichtshof BGH in mehreren Urteilen entschieden, dass Personen nicht fotografiert werden diirfen, wenn sie sich in eine ortliche Abgeschiedenheit zuriickgezogen haben bzw. wenn objektiv zu erkennen ist, dass sie nicht fotografiert werden woUen. Grundsatzlich gilt fiir Fotos aus dem Bereich der Zeitgeschichte, dass die Veroffentlichung dem berechtigten
Informationsbediirfnis der Allgemeinheit dienen muss, 1st dieses Interesse nicht zu erkennen bzw. soil lediglich Neugier und Sensationslust befriedigt werden, darf ein Foto nicht veroffentlicht werden.
tJBER DIE AUTORIN Heide Hackenberg ist Kommunikationsfachwirtin, Journalistin und Autorin von Design-Fachbiichern. Sie ist Jurorin bei vielen DesignWettbewerben, Vorstandsmitglied des designerinnen forums und Sprecherin der AGD Alliance of German Designers. In beiden Verbanden berat sie seit vielen Jahren selbstandige Designer in berufsw^irtschaftlichen Fragen.
Wolfram Mechelke: WIE G E W I N N E U N D H A L T E ICH D E N ZUSCHAUER?
Schonen guten Tag allerseits, ich freue mich hier zu sein. Nach diesen ganzen kiinstlerischen Vortragen, die wir heute gehort haben, ist mein Vortiag etwas anders. Ich bekenne mich, ich gehore zu diesen »Bildsamplern«, also zu denen, iiber die wir heute gesprochen haben, und die diese ganzen Bilder verbrauchen. Wir-also meine Abteilung-also wir bei VOX-brauchen ziemlich viele Bilder; und dazu habe ich auch viele Beispiele mitgebracht. Aber zunachst einmal mochte ich den Organisatoren dieses Symposiums, Frau Prof.Ute Helmbold und Dr. Martin Scholz fiir die Einladung, hier vor Ihnen zu sprechen, danken-und natiirlich auch Ihnen, die sich die Zeit genommen haben, um meine Prasentation anzuschauen. Ich bin heute hier mit einigen Beispielen zum Thema Bildsampling aus dem Bereich Fernsehen, die ich unter das Motto gestellt habe: Wie gewinne ich und halte ich den Zuschauer? Das ist bei uns das Tagesgeschaft, das Wichtigste. Wie gewinne ich den Zuschauer und wie bleibt er bei uns? Insofern ist es im Vergleich zu den anderen, die hier gesprochen haben eher eine alltagliche, praktische Anwendung des Bildsamplings-es ist unsere Grundlage. Frau Prof. Ute Helmbold hat es schon angesprochen, seit vielen Jahren bin ich bei VOX, einem Sender der zweiten Generation im
privaten Fernsehen, der seit dem Jahr 2000 zur RTL-Gruppe gehort. Mein Aufgabengebiet dort ist die Spielfilmund Serienkonfektionierung. In diesem Aufgabengebiet sind verschiedene Arbeitsschritte von Bild- und Tonpriifung und technischen und inhaltlichen Bearbeitungen zusammengefasst, die dazu fiihren-was wir hoffen-dass der Zuschauer das bestmogliche Produkt zu sehen bekommt, einschliel^lich der Werbepausen. Die argern ja manche von Ihnen, aber wir liefern diese ja gratis dazu. Also, Sie miissen ja nicht dafiir zahlen, sondern wir brauchen Ihre Aufmerksamkeit. Jeder Film, jede Serienepisode geht durch unsere Hande auf den Bildschirm zu Hause, mit der Besonderheit, dass wir darauf achten, dass das Bild moglichst knackig aussieht und der Ton gut horbar. Ich gebe ihnen mal ein Beispiel aus der Alltagspraxis: wenn Sie ins Kino gehen und eine 5.1-Ton-Mischung horen, die so schon knallt auf den Lautsprechern, konnen wir diese Fassung so niclit senden, weil zu Hause haben unsere Zuschauer ja nicht diese schonen Dolby-Anlagen-icdeniaWs nicht die meisten-sondern die Seher haben eher kleine Lautsprecher, und solche Lautsprecher vertragen nicht diese Tondynamik, die wir dann iibertragen miissten. Viele Fernsehnutzer haben ja nur einen Stereoempfang und dann gibt es Ausloschungen im Ton. Das sind die Details, mit denen wir uns beschaftigen. Aber tauchen wir jetzt tiefer in die Problematik des Bildes ein-Bildsampling: In unserem Arbeitsbereich ist die Wiederverwendung von vorhandenen Bildern ein ganz normaler Vorgang. Die Verwendung von Bildsequenzen,
WOLFRAM MECHELKE: Wie g e w i n n e und halte ich den Zuschauer?
um fiir Programm zu werben, ist ein viel genutztes Mittel im Fernsehen. Den Zuschauer anzulocken und auch zu halten ist im Zeitalter des Zappings ein schwieriges Unterfangen. Sie wissen ja selbst, wie schnell Sie weg sind, wenn Ihnen etwas nicht gefallt. Gehen wir einen Schritt weiter. Ich habe mich gefragt, was kann an unserem Tun bei VOX so interessant sein, dass es Ihre Aufmerksamkeit als Kommunikationsdesigner auf sich Ziehen konnte. Meine Antwort darauf: VOX hat eine erstaunliche Bilanz in den letzten Jahren aufzuweisen, dieser Erfolg liegt im wesentUchen an unserem Look und an unserem Image, das wir ja taglich verkaufen und das Sie wahrscheinlich auch kennen: VOX macht an. Die Zuschauerbindung hat deutlich zugenommen, seitdem wir eine markante Komposition von Logo, Form und Farbe iiber einen langen Zeitraum unverandert verwenden. Die Resonanz des Zuschauers, die taglich gemessen wird, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen-und dies unter den verscharften Bedingungen eines hart umkampften Fernsehmarktes, mit einer Vielzahl von Voll- und auch Spartenprogrammen. Wir reden hier insbesondere von der hart umkampften Zone namens Primetime, also dem Zeitfenster zwischen 20 und 22 Uhr. Hier haben wir fiinf Jahre hintereinander Zuwachsraten erzielen konnen, in den meisten Jahren sogar zweistellig. Ein eindeutiger Hinweis, dass unsere konsequente Anwendung von Design und Marketing funktioniert. Was pragt unser Design? Beginnen wir mit der Farbe. Die Farbe Rot ist die zentrale Farbe des Senders geworden und zwar on air, also auf
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dem Bildschirm, als auch off air in den Anzeigekampagnen. Hier zeige ich ihnen eine, die fiir den heutigen Tag passt. Nachsten Donnerstag ist namlich bei uns »Waschetag«. Es wird deutlich, dass die Wiederverwendung von Motiven auf jedem unserer Plakate stattfindet. Im Durchschnitt werden vier Motive pro Quartal bundesweit plakatiert (Bilder 1 und 2). Ich habe Ihnen das mitgebracht, damit Sie sehen: es ist nicht nur der Trailer, das Plakat, sondern es ist die ganze Strecke. Rot in den Kampagnen, auf dem Schirm. Zu den Kollegen, die heute iiber ihre fotografischen Produkte gesprochen haben: Diese Fotos bekommen wir zum Teil vom Lizenzgeber und zum Teil miissen w^ir sie einkaufen fiir diese Werbekampagnen. Auch die Bildagenturen behefern uns, und die Bildredaktion kauft das Material an, wenn wir im Film kein gut auflosendes Material finden. Bei Eigenproduktionen ist das etwas anderes, da haben wir dann entweder einen Fotografen am Set oder w^ir haben gutes Material, aber bei den groEen Spielfilmen ist es so, d a s s - w e n n die Major-Studios keinen Redakteur oder Fotografen am Set h a t t e n - w i r uns diese Aufnahmen zukaufen miissen. Kommen wir zum wesentlichen Funkt! Das Logo ist beim VOX-Design das zentrale Element. Es war das Logo, das den Sender von Anfang an gepragt hat. Sie alle haben es sicherlich schon einmal gesehen. Dieses Logo-das werden die, die sich vornehmlich mit Design und Kommunikationsmoglichkeiten beschaftigen, e r k e n n e n - i s t so konzipiert, dass es uns etwas zeigt, was eigentlich gar nicht vorhanden ist, namlich den Buchstaben O. Drei
WOLFRAM MECHELKE: Wie g e w i n n e u n d h a l t e ich d e n Z u s c h a u e r ?
Gesetze der Wahrnehmungspsychologie, mit denen Sie vertraut sind, kommen hier zur Anwendung: Als erstes das Emergenzprinzip. Aus der wechselseitigen Beziehung von Teilen-in denen ein im Prinzip neues emergentes Phanomen, dessen Eigenschaften Telle nlcht haben-entsteht Ganzhelt oder Gestalt. So die Definition. Das Zwelte 1st das Grundgesetz der Selbstorganlsatlon, der Prozess der Ausblldung von Ganzhelten tellt Blldung, erfolgt autonom. Ganzhelten sind selbstorganislert. Das dritte Prlnzlp, das Grundgesetz des dynamlschen Gleichgewlchtes, das Prinzip der Selbststablllslerung. 1st elne Ganzhelt einmal entstanden, dann setzt sle slch jeder Veranderung, insbesondere ihrer Zerstorung Widerstand entgegen. Fiir dieses Belsplel, das ist bel VOX ganz wichtlg, die Groi^e und die Nahe der Buchstaben V und X bllden den Buchstaben O. Haben wlr VOX einmal gesehen, sehen wlr es Immer (Bild 3). Auch im welteren Verlauf meines Vortrags mochte ich Regeln und Prlnzlplen vorstellen, die bel unserer Arbeit mit dem vorhandenen Blld Verwendung finden. Bevor Ich Ihnen jetzt eine Vielzahl von visuellen Happchen serviere, mochte ich elnen Aspekt vorziehen, namllch die rechtliche Grundlage, der Mehrfachverwendung von Bildern. In jedem Lizenzvertrag-dieses Dokument ist melne Arbeltsgrundlage-einer Serle Oder elnes Splelfilms, wird uns das Recht elngeraumt, mit Ausschnitten des Programms zu werben. Dies konnen wir allerdings nur auf unserem eigenen Vertrlebsweg tun: also on air. Eingeschrankt sind wlr dabel von gesetzlichen Vorgaben, die den Jugendschutz betreffen. Im
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Klartext heiEt das, wir diirfen einen FSK-16-Spielfilm nicht vor 22 Uhr bewerben und einen FSK-12er nicht vor 20 Uhr.
ti.s 28. A P R I L
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2 0 : 1 S UHR
Zuriick zum Design: Im Laufe der Jahre hat sich der rote Punkt zu einer roten Kugel entwickelt. Die flache zweidimensionale rote Scheibe wurde zur Kugel, die auch rotieren kann. Die Kugel bestimmt die Bildaufteilung bei Trailern und Abspann. Sie liegt im Zentrum des Bildes und ist gleichzeitig auch das Startsignal bei Trailer und Abspann (Bilder 4-6); also ein sehr wichtiges Element. Es ist das zentrale Strukturmerkmal unserer Abspanngestaltung. (Trailer) So sieht das aus, wenn wir einen kurzen Trailer vor die Werbung schalten. Kennzeichen der Plakate Oder Trailermotive ist der Akteur Oder Schauspieler, der Moderator. Starkino ist eines der Stichworter, die den Zuschauer ansprechen. Stars und damit Gesichter riicken sehr in den Mittelpunkt der verschiedenen Prasentationen. Ich habe Ihnen einen Spielfilmtrailer mitgebracht, der die Highlights bei VOX fiir das Jahr 2005 antrailert. Fiir jeden dieser fiinf sehr markanten A-Filme, wie die groEen Blockhuster-¥\\Yii& genannt werden, die aus Hollywood kommen und nur in sehr begrenzter Zahl produziert werden, ist nur sehr wenig Zeit, um sie dem Zuschauer zu prasentieren. Sie konnen sehen, wie mehrere 90-Minuten-Filme auf nur wenige Sequenzen reduziert werden. Eine Antwort auf die zentrale Frage dieser Veranstaltung »Wie viele Bilder brauchen wir?«: Bei einem Blockbuster, das werden Sie gleich sehen, sind es nicht so viele. (Trailer)
WOLFRAM
MECHELKE:
Wie gewinne und halte ich den Zuschauer?
Dieses Beispiel war passend fiir das, was wir hier heute morgen gehort haben. Das hat ja mit den einzelnen Spielfilmen nichts mehr zu tun. Es werden Szenen aufeinander abgestimmt, die dem Zuschauer eine andere Geschichte erzahlen. Diejenigen von Ihnen, die mit dem Prinzip des Filmschnitts vertraut sind, konnen sehen, dass hier meist kurze Szenen mit harten Schnitten aufeinander folgen. Die Farbgebung ist insofern aufeinander abgestimmt, als dass die dunklen Szenen mehr am Anfang des Trailer zu finden sind und die anderen Motive eher am Ende. Aber viel entscheidender sind die Aussagen der Schauspieler, die patchworkartig zusammengefiigt werden: ein Augenaufschlag, ein BHck, eine Bewegung, die Lebendigkeit symboUsiert. Die eigentliche Arbeit ist, in vielen Teilschritten aus der Flut der Bilder diejenigen Motive zu filtern, die die starkste Aussage haben. Das Bild des Kriegers vor der Schlacht mit Banderas ist hier ganz klar, die verfiihrerische Frau mit Nicole Kidman, der Held, der Wissende. Das sind so die Dinge, die wir transportieren wollen. Nun werden Sie sich fragen, wann und wie oft werden diese Trailer eingesetzt. Bei einem regularen Spielfilm, werden die Trailer eine Woche im Voraus gestartet. Es werden so genannte »Shorties« produziert, Zehn-Sekiinder, die vornehmlich vor den Werbeblocken laufen. Also zehn Sekunden Zeit. Tack, tack, tack, tack geht das dann meistens und dann sind wir mit dem Spielfilm der Woche im Programm. Alle anderen Trailervarianten zwischen 20 und 90 Sekunden werden nach dem Werbeblock geschaltet. Je wichtiger das Produkt, umso hoher ist die Anzahl
der Trailervarianten. Fiir einen Spielfilm werden in der Kegel alle Trailervarianten zusammen 60-mal in einer Woche gezeigt. Ein HighlightSpielfilm, wie wir ihn gerade gesehen haben, wird zwei bis drei Wochen lang beworben, mit einer zwei- bis dreifachen Prasenz eines durchschnittlichen Spielfilms. Die Spielfilmgenerdle, also Spielfilmtrailer, die nur partielle Bilder benutzen, die Hohepunkte des Monats zeigen, werden ab Mitte des Vormonats eingesetzt. Eine Faustregel ist: Serien werden in Serienumfeldern, Spielfilme im Spielfilmumfeld beworben. Besonders wichtig ist, dass in der gleichen Zeitschiene beworben w i r d - o d e r davor. Ein Primetime-V'lXm. wird also in der Primetime und ein Daytime-Film in der Daytime angetrailert. Eine DaytimeSerie wird folglich nicht in der Primetime beworben. Diese Art des Trailer-Einsatzes sorgt dafiir, dass die Zielgruppe fiir die Trailer, also z.B. fiir den Spielfilm, den wir bewerben, so identisch wie moglich ist. AuEergewohnlich sind Imagekampagnen, weshalb ich diese heute herausheben m o c h t e - i n diesem Vortrag, am Beispiel »Moulin Rouge«. Imagetrailer werden in alien Zeitzonen und in alien Umfeldern beworben. Deshalb habe ich auch eine grol^e Auswahl mitgebracht. Daytime ist alles was vor 18 Uhr liegt. In diesen Zeitzonen sind bei vielen Sendern die gestrippten Serien zu sehen, Serien, die taglich ausgestrahlt werden, von montags bis freitags. Bei uns sind das die Serien »Gilmore Girls« und »Eine himmlische Familie«. Indem der Programmplaner eine Serie, die auf Frauen zugeschnitten ist, auf die nachste folgen lasst, will er den »Audienceflow« halten. Bei uns findet m a n am Nachmittag typisch frauenaffines
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Programm. Andere Sender machen das anders, die machen manneraffines Programm. Noch mal zum besseren Verstandnis: Es hat sich im Fernsehalltag bewahrt, dass man den Zuschauer eher halt, wenn der Sender frauenaffines Programm sendet und darauf frauenaffines Programm folgt und nicht den Bruch herbeifiihrt und die Seherschaft austauscht. Das hat meist sehr negative Konsequenzen auf Ihr Zuschauerpotential. Sie haben also ein tolles frauenaffines Programm und senden dann ein Mannermagazin. Die Folge: Sie verlieren sofort Ihre Zuschauer und miissen neue gewinnen. Das versuchen die Programmplaner natiirlich weitestgehend zu vermeiden, es sei denn, es ist wie bei den Offentlich-Rechtlichen, wo noch andere Faktoren ausschlaggebend fiir die Planung sind, wie z.B. die feste Programmierung eines Magazins. Fine Antwort auf die Frage, warum privates Fernsehen manchmal viel besser funktioniert, als das, was die KoUegen von den Offentlich-Rechtlichen machen: Es liegt nicht daran, dass diese Programmmacher schlechtes Fernsehen machten, sondern weil dort einfach sehr viele Dinge im Programm umgesetzt werden miissen, die diesen Zuschauerfluss unterbinden. Das hat ja bekanntlicherweise mit dem Auftrag der Grundversorgung zu tun. Normalerweise es ist schwierig, eine Serie mit einem Magazin zu kombinieren, das ziindet in der Kegel nicht. Das konnen wir bei unserer Programmierung sehen, da werden sonntags zwei Spielfilme kombiniert, das funktioniert gut im Doppelpack. Entscheidet sich der Programmplaner anders, kann es schwierig werden. Mittwoch war friiher hausintern der »Todes-
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mittwoch«, well die Konkurrenz dort immer sehr publikumswirksam FuEball gezeigt hat. Da hatte unser Sender jahrelang wenig Chancen. Und irgendwann haben wir diese Krimi- und 5w5;7ew5^-Programmierung gestartet und plotzlich funktionierte dieser Mittwoch und ist einer unserer besten Tage geworden. Also zwei Krimiformate, »C.S.I.« und »Medical Detectives«, dann noch hinterher »Profiler« (auch ein Krimiformat) und »Poltergeist« (eher so ein Sci-FiFormat), das funktioniert hervorragend. Es war mir wichtig, fiir Sie das Ganze mal in einen Zusammenhang zu stellen-nicht nur: Warum machen wir Trailer, w a r u m benutzen wir die Bilder? Sondern: Welchen Nutzen und Zweck hat dies? Das heiKt natiirlich auch, wenn man einen Trailer schaltet, dass genau dieses Kriterium zu beriicksichtigen ist: Ist das Produkt manneraffin oder ist es frauenaffin? Tendenziell wird man in einem frauenaffinen Umfeld keinen Actionfilm bewerben, der ja eher von Mannern geschaut wird. In diesem Zuschauerumfeld wird ein Promotionplaner natiirlich mit Trailern die romantische Liebeskomodie bewerben oder ein entsprechendes anderes Motiv wahlen. So, jetzt kommen ein paar »Moulin Rouge«-Shon\QS. (Shorties) Ja, also w a r u m habe ich Ihnen das mitgebracht? Das zeigt natiirlich, dass dieser Film genial ist, was den Variantenreichtum angeht. Wir machen davon eine sehr lange Kampagne von fiinf Wochen, mit rund 550 Einsatzen auf dem Schirm, ein ungeheurer Aufwand. (aus dem Publikum) »Nervtdas nicht, wenn man das immer sieht?«
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Ja, das konnte schon sein. Es ist fiir uns auch ein Testfall: wir wiirden gerne einen hoheren Marktanteil als bei der Ausstrahlung auf RTL erreichen. Dort hat er 10,7 % in der Zielgruppe der 14-49-jahrigen Zuschauer geschafft und wir wollen Erfahrungen sammeln, ob wir mit so einer massiven Kampagne mehr erreichen konnen. Schauen wir doch mal wie gut wir sind. Leicht zu bewerben ist er nicht, denn er hat so seine Langen. Unsere Trailer jedoch sind genial und da haben wir uns gesagt: okay, vielleicht iiberzeugt es ja. Die Bandbreite der Genres ist, so hoffe ich, fiir Sie alle sichtbar. Es sind unterschiedliche Motive und es sind noch ein paar mehr. Wenn ich Sie iiberzeugen kann, dann werden Sie ja nachsten Donnerstag diesen Film bei uns anschauen! Der VOX-Zuschauer wird also in der Zeit zwischen Mitte Marz und Ende April sicherlich mehrere Trailer unterschiedlicher Lange und unterschiedlichen Inhalts gesehen haben. Weil es eine Imagekampagne ist, geht es nicht nur um diesen Spielfilm, sondern um ein bestimmtes Image. »Hollywood-Highlights«, grofte Stars, es geht mehr um die Emotion, die da transportiert wird. Die Kreativen aus dem Bereich On Air Promotion haben eine Vielzahl von Trailervarianten geschaffen. Da gibt es einfach ein auJ^ergewohnlich breites Spektrum. Und zwar, well dieser Film unterschiedliche Aspekte hat. Es ist Musical, Drama und Lovestory. Und jeder dieser Aspekte wird in sich geschlossen prasentiert. Das haben wir ja gesehen. Der Producer kann da schon mit den Genres spielen. Actionfilme sind dagegen einseitiger. Da folgt Kampf auf Kampf, Explosion auf Explosion.
Fiir die Producer, die auch nachts bei uns arbeiten, ist so ein 40Sekiinder eine schone Aufgabe, weil dort die Moglichkeit im Vergleich zu einem lO-Sekunden-Trailer besteht, einen Stimmungsbogen bauen zu konnen. In zehn Sekunden ist es nur moglich, eine zentrale Aussage zu bringen und den Sendehinweis mit Tag und Uhrzeit. Das erkennen Sie auch gleich, das ist ein ganz anderes Arbeiten auch von den Zeitdimensionen her. Aber man muss natiirlich auch mal den Aspekt des Einsatzes sehen, wenn Sie 550 Trailer zeigen, wenn wir das dritteln, sagen wir mal 150 Werbespots konnte man zeigen, fiir 150 Werbespots a 1 000 Euro, das ist ja nur ein sehr niedriger fiktiver Wert, wiirde man 150 000 Euro einnehmen. Das ist schon massiv, das ist Programmflache und Geld was der Sender da einsetzt. Es ist immer wichtig, auch Erfahrung zu sammeln: Macht das Sinn, das so zu machen? Im Lizenzgeschaft fiir das Fernsehen ist es haufiger so, dass ganze Programmpakete erworben werden miissen. Wenn also ein gutes Produkt gekauft werden soil, so konnen wir nicht immer nur einen einzigen Spielfilm kaufen. Also bei einem Paket mit A-Titeln ist auch mal ein schwacherer Film mit dabei. Es liegt in der Natur der Sache, dass auf einem Programmplatz, wie bei u n s - m i t dem Starkino Filmplatz um 20 Uhr 15 Spielfilme von unterschiedlicher Attraktivitat gezeigt werden. Dann strahlt das Starkino mit der Spitzenbesetzung etwas auf den »normalen« Spielfilm auf dem gleichen Sendeplatz eine Woche spater ab und verhilft diesem Titel zu einer besseren Quote. (aus dem Publikum) »Was ware denn so ein normaler Spielfilm?«
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Das sind in der Regel Filme, die am Wochenende tagsiiber gezeigt werden, sogenannte TV-Movies, die nicht fiirs Kino, sondern direkt fiirs Fernsehen gedreht wurden. Diese Filme kosten in der Regel deutlich weniger als ein Kino-Titel, laufen aber trotzdem ganz ordentlich. Manchmal wissen die Programmplaner nicht, wieso ein bestimmter Titel beim Zuschauer gern gesehen ist, obwohl wir weder die Story noch den Cast gut finden. Und es gibt »tolle« Filme, die dann wiederum kein Publikum finden. Ja, so unberechenbar ist manchmal unser Kunde - der Zuschauer. (aus dem Publikum) »Warum laufen Samstags diese TV-Movies und am Donnerstag kommt das Starkino?« Sie sind bestimmt ein guter Zuschauer und kennen die Landschaft, also von diesen A-Titeln, die lA-Qualitat haben und sehr kostspielig sind. Wenn Sie mal verfolgen, wie viele Kinoproduktionen jahrlich neu kommen-wie viele davon sind wirklich erfolgreich? Es sind womoglich 20 solcher Filme im Jahr, um eine grobe Zahl zu nennen. Damit konnen Sie ja nicht einmal einen Programmplatz im Jahr fiillen, denn es gibt ja 52 Programmwochen. Selbst wenn Sie alle A-Titel kaufen konnten, wir haben das Problem, wir konnen ja noch nicht einmal alle kaufen, es gibt ja auch noch die Konkurrenz, RTL, PRO 7, SATl, die wollen ja auch noch einen haben. Folglich konnen Sie gar nicht so viele aktuelle A-Titel kaufen, um die Flache zu schlieEen. Wir haben jetzt vier Spielfilmplatze, das heiEt Sie brauchen 200 Spielfilme pro Jahr. Die brauchen Sie einfach, um ein Jahr Fernsehen wochentlich fiir 90 Minuten zu gestalten.
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Sie brauchen sehr viele Titel, die okay sind, aber noch irgendwie bezahlbar. (aus dem Publikum) »Was ist mit der Programmierung am Samstag?« Samstag ist Familienprogramm. Da gibt es: »Wetten dass.. ?« Da hat das ZDF klar die Nase v o r n - m a r k t beherrschend. Und da setzt kein Konkurrent einen A-Titel dagegen. Wenn nur so wenige Supertitel da sind, dann macht es keinen Sinn, diesen an solch einem Tag zu zeigen. Fiir uns ist Donnerstag bisher ein konkurrenzloser Platz gewesen, zumindest in den letzten Jahren. Da hat kein anderer Sender einen groEen Titel gespielt. RTL und PRO 7 machen sich sonntags immer das Leben schwer, weshalb wir auf diesem Platz auch andere Spieifilme programmieren, denn alles andere wird vom Zuschauer auch nicht honoriert. Es geht rein wirtschaftUch nicht. Man muss schon diese Gegenprogrammierung sehen, da passen die Planer schon alle aufeinander auf. Natiirlich versucht jeder seine Serie, die gut lauft, moghchst nicht gegen harte Konkurrenz laufen zu lassen. Es gibt bei uns schon eine gewisse Abstimmung mit RTL. Uns gegenseitig harte Konkurrenz zu machen, ware nicht sehr sinnvoll. SAT 1 und PRO 7 hatten in der Vergangenheit schon gelegenthch auch eine konkurrierende Programmierung, obwohl sie ja zu einem Konzern gehoren. ARD und ZDF, die stimmen sich gut ab. Nur da werden dann so manche Spieifilme erst um 23 Uhr gesendet. Wenn wir einen solchen Titel dann um 20 Uhr 15 zeigen konnen, freut uns das. Jede Ausstrahlung hat ja ihre budgetare Auswirkung, denn jeder Run kostet viel Geld. Oft werden Spieifilme fiir drei Ausstrahlungen gekauft. So weit mir die Abschreibungsmodi gelaufig
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sind, wild degressiv abgeschrieben. Der erste Run ist der teuerste, dann der zweite und der dritte, wenn Sie mehr als drei gekauft haben, ist der vierte kostenneutral. Auf diese Weise kann der Durchschnittswert einen Spielfilmplatz schon mal giinstiger machen, wenn Sie noch einige kostenfreie Runs ausstrahlen konnen. Der absehbare Mangel an guten und bezahlbaren Spielfilmen fiihrt dazu, dass viele Sender Dokusoaps machen, die einfach viel billiger sind. Der Zuschauer tragt natiirlich auch zu einer bestimmten Entwicklung bei, nehmen wir mal »Big Brother«. Der Erfolg beim Zuschauer hat uns natiirlich vor wirkliche Probleme gestellt, denn erstens war diese Produktion sehr giinstig, zweitens von einer schlechten Sendequalitat. Wie konnen Sie intern noch verkaufen, dass wir Hochglanzfernsehen brauchen, wenn der Durchschnittsseher mit Schmalkost zufrieden ist. Was das Sehverhalten angeht, hat »Big Brother« nicht gerade positiv gewirkt, weil einfach ein vergleichbar hochwertiges und gutgemachtes Produkt vom Zuschauer bisweilen vergleichsweise wenig Resonanz kam. (aus dem Publikum) »Wird der Hochglanz uberhaupt vom Publikum angenommen? Arte zum Beispiel, dieja ein recht anspruchsvolles Programm haben, wird auch nicht von so vielen gesehen.« Wir miissen immer unterscheiden zwischen intellektuell hochwertig und technisch hochwertig. Ich rede vom gutem Bild! Fiir mich ist kodakblau hochwertig. Eine auf 35mm-Film von Kodak gedrehte Serie ist fiir mich 1 A. Das nennt man Productvalue, das hat nichts mit »Ist das jetzt gut?« zu tun, sondern »Wie sieht das jetzt aus?«. Ich bin da ein
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sehr visueller Mensch. Wenn das so einen bestimmten Look hat, gefallt es den technisch orientieren Mitarbeitern. Ob das jetzt inhaltlich gut ist? Das ist dann noch eine offene Frage. An dieser Fragestellung sehen Sie, da gibt es sehr viele Unterschiede. Wir haben die Serie »Gilmore Girls« im Programm, die war urspriinghch sehr magentastichig, richtig rot, da mussten wir Farbe rausnehmen, so versuchen wir dann, ein gutes Bild zu machen. Meistens schatzt es der Zuschauer! Es gibt interessante schone Serien, wo wir als Programmmacher gerne hinschauen. Das muss aber nicht beim Zuschauer ankommen. In unserem eigenem Sender hatten wir so einen Fall. Die erste Staffel von »Alley McBeal« ist mittwochs sehr schlecht gegen FuEball gelaufen. Unsere Senderchefin hat aber an die Serie geglaubt; sie wurde umprogrammiert auf den Dienstag und plotzlich kam »Alley« aus der Versenkung. Hatte auch sein konnen, dass diese Serie einfach vom Schirm verschwindet, well sie nicht auf dem richtigem Programmplatz gezeigt wurde. Es kann durchaus hochwertiges, gutes Programm vom Bildschirm verschwinden, well es einfach in der falschen Zeitzone programmiert war und die Leute es dort nicht sehen wollten. Zuriick zu »Moulin Rouge« und den Trailern. Je mehr Elemente Sie haben, umso mehr Zuschauer konnen Sie finden und moglicherweise binden. Es ist besser, als wenn Sie nur so eine ganz schmale Ausrichtung haben, z.B. wenn der Spielfilm zwar die Cineasten erreicht, aber nicht unseren Durchschnittszuschauer. Und deshalb habe
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ich noch mal zwei Trailer fiir Sie zum Anschauen. (Trailer) Das war doch wirklich ein ganz anderes Setting, zwar schon bestimmte Motive, aber trotzdem anders, da sieht man, wie Bildsampling funktioniert. Letzten Endes geht es bei den Trailern um emotionales Erleben, Trailer appellieren an die Sinne, an das limbische System, es ist der Teil unseres menschlichen Gehirns, wo wir unsere emotionalen Erinnerungen speichern. Es wird darauf verzichtet, das Material deutlich zu bearbeiten. Die Bearbeitung betrifft Luminanz, Helligkeit, Chrominanz und Farbgebung. Denn hierzu ist eine secondary color correction notwendig, wo wir die RGB-Anteile des Bildes separat verandern konnen. Da gibt es zwei Systeme, die nennen sich DaVinci und Poggle, mit Hilfe solcher Systeme konnen die einzelnen Farbgebungen verandert werden. Wir halten solche Systeme aber nicht im Hause vor. Diese digitale Farbkorrektur wird von professionellen Farbbestimmern durchgefiihrt, die extern bei Produktionsfirmen arbeiten und im Vorfeld ein Sendemaster herstellen. Mit der hausinternen Zusammenstellung von Trailern haben diese professionellen Bildbearbeiter aber nichts zu tun. Anders als dies vielleicht bei der kiinstlichen Bearbeitung von Videomaterial der Fall sein kann, sind bei Serienmaterial keine Szenen zu sehen, wo die Luminanz stark, d.h. Helligkeit so stark hochgezogen wird, dass das Weii^ iibersteuert ist und Konturen ausreiiSen oder Schwarz und Gammawert so gestaucht sind, dass das Bild sehr dicht wirkt. Denn bei der Fernsehiibertragung haben wir die Beschrankung auf den
RGB-Raum. Nicht jede Farbe, die ein Grafiker auf einem Mac zaubern kann, konnen wir iiber den Satelliten schicken. Wir nennen diese Farben illegale Farben, sie werden mit Hilfe von Limitern herausgefiltert. Somit konnen wir zwar grelle und bunte Vorlagen aufgrund gesampelter Bilder herstellen, aber der Zuschauer kann diese Vorlagen niemals sehen. Das ist insbesondere bei der Herstellung von Intros ein Problem, hier muss abgeglichen werden, ob das Bild noch iibertragbar ist. Die Ubertragungstechnik setzt uns Grenzen, wenn wir ein sogenanntes »Unterschwarz« auf den Transponder eines Satelliten schicken, dann kann dies zu einer Fehlfunktion, einem Bildausfall fiihren. Wenn bei Luminanz und Chrominanz das Maximum von 133 % iiberschritten wird, kann es dazu fiihren, dass eine Magnetbandmaschine (MAZ) aussteigt. Ein voriibergehende Filmunterbrechung ware die Folge-das wollen wir ja nicht. Im Gegensatz zum kreativen Designer bleiben wir im Rahmen unserer Messwerte; Weil^ bei 100%, Luminanz, Chrominanz bei 1 3 3 % . Kommen wir zu einem weiteren Arbeitsfeld fiirs Bildsampling; die Abspanngestaltung. Der Kurzabspann hat sich im deutschen Fernsehen durchgesetzt. Da der Zuschauer spatestens 15 Sekunden nach Ende eines Films Oder einer Serie wegzappt, sind die traditionellen Film- und Serienabspanne den Kurzabspannen gewichen, die in der Regel nicht langer als 20 Sekunden auf dem Bildschirm bleiben. Hier miissen alle Credits genannt werden, die laut Lizenzvertrag Erwahnung finden miissen. Dafiir werden in einem
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Schriftgenerator verschiedene Tafeln produziert, die auf eine Hintergrundmaske geblendet werden. In dieser Maske ist ein Keysignal hinterlegt; wir brauchen dieses Signal, damit das Effektgerat erkennt, wo das Bild eigentlich hin muss, damit diese Einblendung funktioniert. Wahrend der Herstellung der Sende-MAZ schneiden Redakteure und Cutter einige kurze Filmsequenzen auf ein Tragerband, die die Dramaturgie der Filmstory sehr gut wiedergeben konnen. Zu Ihrem Leidwesen habe ich den gleichen Film mitgebracht, damit Sie sehen, dass aus einer anderen Abteilung andere Bilder des Films genutzt werden konnen. Hier nun das Beispiel zum Kurzabspann. (Ahspann) Das Wesentliche fiir unser Design, das konnten Sie ja deutlich sehen: die Kugel muss in der Mitte sein. In der Kegel wird die Original-Abspannmusik verwendet, es sei denn, wir bekommen damit keine Blende in der vorgegebenen Zeit zustande. Beim Langabspann werden deutlich mehr Tafeln produziert, aufgrund der Vielzahl der Credits, die wir nennen mlissen. Die Herstellung eines solchen Abspanns kostet die Crew eine halbe Arbeitsschicht. Sie werden aus meinen Ausfiihrungen vielleicht eher verstehen, dass Fernsehen zu produzieren sehr teuer ist, denn fiir die Herstellung einer recht kurzen Sequenz miissen Schriftgenerator, Bildmischer, Effektgerat etc. fiir vier Stunden gebucht werden. Das macht unsere Arbeit so unglaublich diffizil und teuer; zum einen brauchen wir hochtechnisches, teures Gerat dafiir, zum anderen dauert es auch sehr lange, um Dinge zu produzieren, die beim Zuschauer aber recht schnell verpuffen. 40 Sekunden sind im
Alltagsleben nicht sonderlich lang, im Fernsehen jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden. Ich zeige Ihnen hierzu noch einen Abspannspot in der genannten Lange. (Spot) Mit dem Abspannspot gab es vor wenigen Jahren eine Neuerung der Werbevermarktung. Der Grund hierfiir ist sehr eindeutig: der Werbekunde zahlt mehr, wenn seine Werbung direkt ans Ende des Spielfilms Oder der Serie angehangt wird. Im direkten Wechsel vom Abspann wird der Spot ins Bild eingeklinkt. So etwas nennt man Eckprogrammierung. Die Folge: der Werbekunde ist recht zufrieden, well er weiE, wo im Werbeblock sein Produkt beworben wird. AbschlieEend kann man sagen, dass im Trailer immer wieder Menschen als Motiv im Vordergrund stehen. Andere Motive finden nur selten Verwendung, auKer sie haben eine bestimmte Dynamik im Ausdruck-Explosionen oder fliegende Autos. Aber eines haben Sie auch gesehen: meistens sind es Menschen oder Stars, Gesichter eben. Dabei verwenden wir viele Bilder, wie sie im Spielfilm oder in der Serie schon vorhanden sind. Also Stanzen, Drehen, Invertieren, K i p p e n - n e i n . Wir lassen es so wie es ist. Es wird so genommen wie es geliefert wird. Wollen Sie noch einen Trailer sehen? Ich habe einen mitgebracht, der nicht jugendfrei i s t - d e r darf normalerweise nicht vor 22 Uhr gezeigt werden. (aus dem Publikum) »Mich wurde mal interessieren, inwieweit sich durch solche Abspdnne die Sehgewohnheit dndert? Auch wie hei MTV, wo befinde ich mich dajetzt, sehe ichjetzt den Abspann oder ist das schon ein Vorspann zu was Neuem, irgendwie ist das alles
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gleichzeitig ...Ich frage mich, wo soil das hinfuhren? Ich sehe das unter der Prdmisse.'jede Sekunde wird vermarktet, klar, keiner guckt drei Minuten Ahspann, es sei denn, ich sitze im Kino. Das geht nur langsam an ein Limit heran-dieses Tempo istja irgendwann nicht mehr steigerbar-gibt es da im eigenem Haus nicht Uberlegungen, wie kann man dem anders hegegnen?«
Ich stimme zu, das ist auch ein sehr schwieriges Thema. Aber der Druck vom Umfeld ist unheimlich groE. Als kleinerer Sender konnen Sie nicht sagen, wir machen jetzt die schonen langen Abspanne. Fiir mich ist es selbst-also ich bin ein ziemlich schneller Zuschauer, der sehr schnell und sehr viel erfassen kann-auch sehr schnell. Abspann lesen und gleichzeitig das Promo wahrnehmen, funktioniert nicht. Man kann sich wirklich nur auf eine Sache konzentrieren-Entweder-oder. Da gebe ich Ihnen recht. (aus dem Publikum) »Was sollen denn da spdter die Leute denken?Die konnen ja noch nicht mal ein Intro abwarten, und denken sich: >Mein Gott, wann geht's denn los?< Es wird alles oberfldchlicher.«
Unser Problem ist: wenn wir die Musik am Ende des Filmes anhangen, ist es technisch oft sehr schwierig, dass Sie kein Tonloch generieren, dass es ein sanfter Ubergang ist, schone Tonblenden, da haben Sie eine Heidenarbeit fiir drei Frames. Das wird der Zuschauer nie so bewusst horen, aber das ist halt unser professioneller Anspruch. Wir senden ja nicht bewusst einen Fehler. Wir geben uns deshalb Miihe, diese 20 Sekunden ordentlich herzustellen, aber unsere Sendeablaufplanung sagt: 20 Sekunden-that's it; die Zeit habt ihr. Wir sind nicht die Instanz, die
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dariiber entscheidet, wie lange wir den Abspann gestalten, sondern wir horen von den Planern: Wie kurz konnt ihr den machen? Dann wird zum Teil der Abspann beschleunigt, speeden heiBt das im Fernsehjargon. Wir bekommen aucli genaue Vorgaben, wo wir die Werbeunterbrechungen machen miissen. (aus dem Publikum) »Wenn man so ein Programm verfolgt, sieht man ja gar nicht, was fur eine wahnsinnige Maschinerie dahinter steckt-wirklich Respekt von meiner Seite-was fiir eine Arbeit! Aber wo sogar Sie sagen, dass ihnen die Komprimierung der Programminhalte zu schnell geht, dann ist damit klar: es geht jedem zu schnell... 1st das dann nicht eine Fehlerziehung, mit der sich die Sender ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie das, was an filmischem Werk vorhanden ist, so zerhackstUckeln, dass Anfang und Ende auseinander reij^en-und dann noch Werbung in der Mitte-dass man zu dem Punkt kommt, dass sogar der abgebriihteste Couchpotato nichts mehr von dem wahrnimmt.?« (aus dem Publikum) »Da findet im Abspann ja regelrecht Wahrnehmungspsychologie statt, ich meine ich habe den Film gesehen, warum muss ich dann noch in einer sehr gekiirzten Form das alles noch mal zusammengestellt sehen?« Die Fernsehsender werden von der GFK in Niirnberg taglich dariiber informiert, welches Programm der Zuschauer verfolgt hat und wo er gewechselt hat. Im Gegensatz zu anderen Medien, wie z.B. dem Radio, bringt diese Analyse an den Tag, welches Programm gut und welches schlecht ankommt; welcher Einstieg, welcher Trailer funktioniert und welcher nicht, das ist schon sehr hart, well Sie ja direkt damit konfrontiert
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werden. Es ist nichts, was ich entwickelt habe, von mir aus konnten die Abspanne auch 30 oder 40 Sekunden sein, aber es ist n u n mal so, dass das Setting derartig forciert wurde. Wir haben einfach keine Argumente fiir eine entschleunigte Gestaltung. Der Druck kommt vom Zuschauer! Ich danke Ihnen.
BILDER BETRACHTEN Die Stolpersteine-Bilder konnen Sie online auch in Farbe betrachten. Die von Wolfram Mechelke gezeigten Bilder finden Sie unter www.hbk-bs. de/stolpersteine/bildsampling/wm^.jpg, wobei # fiir die jeweilige Bildnummer steht-also z.B.Bild 1 unter www. hbk-bs.de/stolpersteine/bildsampling/ wml.jpg UBER DEN AUTOR Wolfram Mechelke M.A., geboren am 24.03.1959 in Mainz. Studium der Amerikanistik/ Geschichte /Politologie an der Freien Universitat Berlin von 1980-1986 sowie an der Universite de Montreal von 1981-1982. Seit 1986 beim Fernsehen beschaftigt: — bis 1992 ZDFABD und RTL Aktuell — seit 1992 Leiter Archiv/Programmlogsitik bei Vox Film- und Fernseh GmbH & Co KG (A?
Hanne
Bergius
FOTOMONTAGE ALS AVANTGARDISTISCHES KONZEPT DES WIDERSPRUCHS
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IM UNTERSCHIED ZUM B I L D SAMPLING als innovativem, computertechnischem Herstellen von Bildern aus Bildern war die Entstehung der avantgardistischen Fotomontage unmittelbar mit dem medienreflexiven, revoltierenden Avantgarde-Konzept Dadas verbunden. Es ging nicht nur u m das unendliche Verfiigen iiber Bild-Inventare, sondern u m Widerspruch hierzu. Die friihe Form des fotomomierenden »Bildsamplings« war also an widerstandige Verfahren gekniipft - und zwar in zweifacher Hinsicht: einmal gegen die traditionelle Auffassung von Kunst als »interesselosem Wohlgefallen« und zum andern gegen das Foto-Inventar selbst. Die wohlgefallige Rezeption des hundertfach reproduzierten Torsos der Venus von Milo sollte bspw. durch ^aargelds Portratfoto in »Typische Vertikalklitterung als Darstellung des Dada Baargeld« (1920) (Bild 1) gestort werden. Das neue Medienmaterial- die Fotografie-, das auEerhalb des kiinstlerischen Bildes und in Konkurrenz zu diesem seit dem 19. Jahrhundert durch Reproduktionsmedien an einer Konstruktion der Wirklichkeit teilhatte, gait es, durch Briiche und Schocks zu verfremden. Der Foto-Monteur sprang auf den fahrenden Zug der Moderne und definierte sein kiinstlerisches Bewusstsein am Ende des Ersten Weltkriegs im Schnittpunkt von beginnender Medienrevolution,
gesellschaftlichen Umbriichen und Kunstrevolte, die die Trennung von Kunst und Massenmedien wie von Trivialkultur aufheben sollte. Indem man also auf den fahrenden Zug der Moderne sprang, versuchte man zugleich, die Fahrt selbst medienkritisch zu reflektieren. Diese Verfahren entstanden nicht ad hoc. Die avantgardistischen Bildverfahren, die sich mit satirischen und grotesken Strategien befassten, waren durch ihre Tabubrechungen und Grenziiberschreitungen pradestiniert, ihre Kompositwelten im Kontext der neuen Montagen weiter auszubauen. Die Kraft der Verwandlung, der Vertauschung, der Verfremdung und Uberraschung beanspruchte eine schopferische Freiheit, die schon in Anbetracht der romischen grotteschi als UbermaK eines aegri somnia (kranken Traumes) - so von Horaz in »Ars Poetica« - beunruhigt wahrgenommen wurde (Bild 2). Der Manierismus vermochte mit der Wiederentdeckung der grotteschi seit Beginn des 16. Jahrhunderts eine kiinstlerische Virtuositat und Artistik zu entdecken, die die Wahlfreiheit des Realitatsgrades, der Moglichkeitsformen, der Polyvalenzen, der Gestaltverflechtungen bildkiinstlerisch entfaltete. Vieles von diesen Inspirationen - gerade die Verbindung gegensatzlicher Bildargumentationen, besonders zwischen Organischem und Mechanischem, auch die standige Brechung von Raum und Zeit - w^ar grundlegend an der neuen Grotesk-Sprache der Montage beteiligt.
HANNE BERGIUS: Fotomontage als avantgardistisches Konzept des Widerspruchs
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Jener sensibilisierte ironische DadaBlick fiir diese Art des GroteskSamplings wird wohl auch dazu beigetragen haben, dass Hoch und Hausmann in den massenhaft reproduzierten Oldrucken mit aufgeklebten Soldatenportratfotos (Bild 3) seit 1918 avantgardistische Moglichkeiten entdeckten, mit Fotografien montierend arbeiten zu konnen. Doch was da so trivial zusammengefiigt wurde, namlich das Portratfoto auf einem stereotypen Korper, sollte der dadaistische Schnitt gewaltsam storen und in ein Lustmordverfahren am Korpus der Kunst selbst transformieren. Bevor der Schnitt sich mit dem kiihlen Sezierverfahren Dadas verband, wurde er aber iiberdies schon in den linearen Abstraktionsprozessen der Zeichnungen -beispielsweise von Grosz - vorbereitet. Denn hier gaben die geraden, stakkatohaft gesetzten Linien seiner Zeichnungen der Anatomic und Selektion seines Blickes Ausdruck, wie er ihn unter den dissoziierenden Bedingungen der GroEstadtwahrnehmung entwickelte. Seine Linien schnitten in den Stadtkorper, skelettierten das Stadtlabyrinth, schnitten Segmente heraus, sezierten die GroJ^stadtarchitektur und atomisierten die Menschen in simultanen Uberlagerungen. Mit dem Messer ging iiberdies der Protagonist seiner Bilder lustmordend um, setzte seine Schnitte zwischen Kopf und Korper, bis der Kiinstler sein Fotoportrat 1920 programmatisch selbst auf die Klinge eines Messers montierte in »Dadamerika« (Bild 4).
Die Analogic zwischen Kiinstler und Chirurg, die Apollinaire 1913 auf die analytischen kubistischen Verfahren Picassos bezog, sollten in den dadaistischen Montageverfahren auf ihre Art weiterwirken. Nichts sollte sich dem dadaistischen Sezierverfahren entziehen - nicht der Korper, der Kopf, noch die Maschine, die Stadt, die Medien - selbst die Denk- und Wahrnehmungsweisen. Der Schnitt am und durch den Menschen sollte wie der durch die Maschine anasthetisch, prazise, emotionslos und analytisch voUzogen werden. Nicht nur bereitete sich der Schnitt der Montage in den bildkiinstlerischen Verfahren vor, sondern wurde iiberdies in der Literatur vorformuliert. Fiir die Dadaisten spielte Nietzsches Sprachkritik eine ebenso grol^e Rolle wie Baudelaires Anregung des Dekomponierens vorgegebenen Materials und dessen Reorganisation nach den Gesetzen der Imagination, Die Lautgedichte des Berliner Dadaisten Hausmann von 1918 demonstrieren die dadaistische Konsequenz der Entregelung der Sprache als artistisches Konzept, wie es seit Baudelaire aus der Reflexion auf die eigenen poetischen Formen entstand und keinen anderen Inhalt als sich selbst hatte, sich jeder lyrischen Uberhohung verweigernd. Es sollte auch als zweites semiotisches Verfahren sein eigenes stochastisch bedingtes Repertoire in den Fotomontagen neben den Reproduktionsbildern entfalten. Schliel^lich sollten die Korperfragmente auch wie Morpheme zu einem neuen Gebilde anagrammatisch zusammengefiigt werden.
HANNE BERGIUS: Fotomontage als avantgardistisches Konzept des Widerspruchs
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Analog zur Entregelung seiner Lautgedichte und u m der Optophonetik Ausdruck zu geben, setzte Hausmann sein schreiendes Fotoportrat zu den Buchstabengedichten (Bild 5). Dieses Fotoportrat ist wohl das am meisten wiederverwendete Bild aus dem Kontext der Dadaisten-Szene. Es vermittelt iiberdies impulsiv den aktionistisch-ikonoklastischen und inszenatorischen Impuls Dadas. Von Heartfield im Juli 1919 aufgenommen, taucht es im DadaMedien-Chaos von »Das Pneuma umreist die Welt« (1920) in »Der Dada« Nr.3 (April 1920) erstmals auf, u m dann in »Schnitt mit dem Kuchenmesser« von H a n n a h Hoch 1920 an ein vorgestanztes Roboterwesen gekoppelt zu werden, denn der Geist Dadas war zeitgemaE »mechanisch«. Die spateren Werke von Hausmann »Dada RaouU (1956) und »OAOA« (1965) sind lautstarke Gesten der Deregulation - in Erinnerung an jenen optophonetischen Ursprung der Lautgedicht-Montagen. Diese Portrat-Demontage war Hausmann derart wichtig, dass er meinen Untersuchungen zufolge - sie selbst manipulierte. Denn es ist unmoglich, dass die Montage mit den zerschnittenen Zitaten von Mund und Augen schon 1918 mit dem ersten DADA-Manifest Hausmanns »Synthetisches Cino der Malerei« (vgl Bild 51.) veroffentlicht wurde. Erstens stammt die Fotografie von 1919, zudem ging es in dem Manifest weder u m Fotografie noch u m Fotomontage, sondern u m die neuen durch den Futurismus gepragten Collagematerialien wie Glas, Stoff, Eisen, Holz, Wolle etc., also Primarmaterialien. Ein Manifest der Fotomontage wurde zu der Zeit nicht geschrieben, wie auch der Begriff
der Fotomontage selbst erst 1925 von Moholy-Nagy gepragt wurde in seinem Buch »Malerei Fotografie Film«. Ich vermute, dass diese Montage im Nachhinein in das Manifest geklebt wurde, als die Vorbereitungen zur Montage-Ausstellung fiir das Kunstgewerbemuseum 1931 liefen. Denn das Negativ der Fotografie der Montage stammt aus dieser Zeit, als Tschichold, der Organisator der Ausstellung, Hausmann um friihe Montage-Arbeiten bat. Hausmann wollte durch die Zuriickdatierung - wie immer - beweisen, dass er entgegen der A n n a h m e von Tschichold vor Heartfield und Grosz Erfinder der Fotomontage gewesen war. Diese Art des Montierens von Gesichtern zeichnete sich erst 1931 im Werk von Hausmann ab; die Fotomontage »Augen« (vgl. Bild 51.) von 1931, in der ebenfalls das Optische mit dem Phonetischen gekoppelt wird, konnte dies beweisen. Diese Art der Deregulation des Gesichtes scheint mir fiir die Dada-Zeit noch nicht angemessen, da hier trotz der Groteskverfahren Gesichtsformen beibehalten wurden. Vielmehr war der Schnitt zwischen Kopf und Korper das gangige Verfahren, auch als die Politmontage einsetzte. »Hohenzollern-Renaissance« (1920) zeigt eine einfache wie schlagende Methode des Fotomontierens von Politkopfen der Weimarer Republik auf eine Hohenzollernpostkarte der wilhelminischen Familie, wobei hier auch schon festgestellt werden konnte, dass die Kopfe von Wilhelm 11. und seiner Familie montiert waren. Die Fotomontage-Arbeit, die sich mit Polit-Zitaten auseinandersetzte.
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entstand zur Berliner Dadazeit erst, als die Dadaisten einsehen mussten, dass sich ihre Revolte nicht ohne weiteres an eine Weltrevolution anbinden liel^, sondern zunehmend konservative, monarchistisch gesinnte, anachronistische Krafte die neue Weimarer Republik regierten, so dass auch Huelsenbeck von »Kleinburger-Exzellenzen« sprach. Betrachten wir das Entstehen der Fotomontage genauer, dann setzt sie an einem Zeitpunkt ein, in dem das Foto erstmals als massenmediales Phanomen auftrat und dessen scheinbar authentische Suggestivkraft die sprachliche Information mehr und mehr ersetzen sollte - d.h. als Sensation den Absatz der Medien garantieren sollte - so der Herausgeber der auflagenstarken »Berliner Illustrirten Zeitung« um 1920. Die Fotografie hatte zu der Zeit erstmals teil an dem Entstehen eines sogenannten Bildjournalismus (Bild 6), der wiederum den Strukturwandel der Offentlichkeit mit einem pictorial turn signalisierte: von der biirgerlichen Funktion der Aufklarung durch die Presse zu einer seit der Jahrhundertwende zunehmenden Bildsensationspresse. Sich der Surrogatkonstruktionen der Macht der Presse bewusst, lieB der Dadaist Baader 1920 sogar verlauten: »Der Weltkrieg war ein Krieg der Zeitungen. In Wirklichkeit hat er niemals existiert.« Mit dem Zitat aus der Zeitung und mit dem Foto aus der Illustrierten wurde ein offentlicher Reflexionswert ins Bild gezogen. Der Schein des Zusammenhanges wurde destruiert, um in neuen Kontexten verfremdet zu werden - denn der Bleistift sei nach Heartfield ein zu langsames
Mittel gewesen. Die Fotomontagen selbst wurden wiederum reproduziert in den Politzeitschriften der Dadaisten - in »Der Dada«, »Jedermann sein eigner Fuj?>ball«, »Der blutige Ernst« und »Die Pleite« - um einen eigenen antibiirgerlichen, gesellschafts- und medienkritischen Diskurs in Gang zu setzen.
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Die Sozlalisferung der Parteifonds
Die Foto-Montage sollte dergestalt als »optisches Pamphlet« in den offentlichen Diskurs kritisch eingreifen und den Schein der Reprasentanz gewaltsam durch Wahrnehmungsschocks brechen. Die Fotomontage »Wer ist der Schdnste?« (Bild 7) zeigt die Vertreter der Weimarer Republik im Februar 1919 noch im Zusammenhang von Ludendorff, dem General des Ersten Weltkrieges, und demonstrierte Kontexte, die die militaristischkonservative Gewalt der Weimarer Republik entlarven sollten. Das Trivialarrangement des Fachers im Kontext der Fotomontage stellt die Erscheinungsweise der Politiker ebenso lacherlich in Frage wie dies Hannah Hoch mit der Fotografie von Ebert und Noske - einmal als Reichsprasidenten und Staatsmanner, zum anderen als Kriegsminister - fiir »Dada Rundschau« (Bild 8) und »Staatsmdnner« versuchte. Der Bekanntheitsgrad der Fotografien, die in der »Berliner lUustrirten Zeitung« erschienen, wurde in die kritischen Kontexte der Montagen einbezogen und unterwandert. Die Politiker erhielten die Rolle von Polit-Narren, denen nicht zu trauen und nichts zuzutrauen war. Die komplexen Mischgebilde der Foto- und Textmontagen - bspw. im »Schnitt mit dem KUchenmesser« -
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nehmen sich wie Politallegorien aus, in denen einerseits das mediale Erscheinungsbild einer untergehenden Gesellschaft demontiert wird, und andererseits - gerade initiiert durch die proportional iiberdimensionierten Rader - eine Dynamik evoziert wird, deren Fortschritt wildgeworden scheint. Die Momentfotografien der springenden und tanzenden Korper scheinen iiberdies den temporaren fliichtigen Moment zu steigern, in dem die Fiille der Portrats gebiindelt wird, wahrend die Rader an die Dynamik eines nie abschlieBenden Prozesses gebunden scheinen. Die Rader laufen durch eine Fiille an gleichzeitigen Erscheinungen - ohne Ziel noch Zweck, als ob das SimultanEreignis Symptom einer innerweltlichen Kraft sei. Es scheint nicht einfach nur Tatsachen der Wahrnehmung, des Bewusstseins und der Welt zu geben, hinter ihnen treibt eine energetische Kraft alles in ein heteromobiles Unvollendetsein, das iiber die Gegenwart der Korper und Portrats hinausreicht. Man erblickt im »statischen Film« der Montage (Hausmann), was ist und noch nicht ist zugleich. Aus dieser Ambivalenz zwischen Untergang und Aufbruch zog die Montage ihren spezifischen fotografischen Ereignischarakter der divergierenden Einsichten, der jahen Briiche, der konflikttrachtigen Gegensatze. Untergang wird in Ubergang transformiert - und zwar in Ubergange einer neuen fluktuierenden Medienwirklichkeit, die den sozialen Lebenszusammenhang von Schicht und Stand abzulosen scheint - so jedenfalls vermitteln es die isoliert-schwebenden Menschkonstrukte. Die Fahigkeit der Fotografie, Gedachtnisbilder herzustellen, problematisierte die Montage schon vor
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Kracauer, indem sie zugleich mit dem erkenntnisverhindernden »Schneegestober« der massenmedialen Bilderflut irritierend arbeitete. Zugleich hat die Montage teil an der Konditionierung eines neuen Medienrezipienten - der nach Brecht fahig sein sollte »simultan aufzunehmen oder kiihn zu abstrahieren oder schnell zu kombinieren«. Die Fotomontage des rasenden Reporters Egon Erwin Kisch von UMBO (Bild 9) verkorpert in den 20 er Jahren jenen neuen Typus, der seine Wahrnehmung durch die mediale Extension seines Korpers zeitgemaB ausriistet und die GroEstadt iiberdies als Folie seiner Erfahrung fiir eine neue Montage-Asthetik nutzt, die das Instabile und Dezentrierende, die Fliichtigkeit und die Wurzellosigkeit nicht nur zu konzedierten, sondern zu notwendigen Faktoren seines asthetischen Experimentes erhebt. Denn nur sie garantieren ihm einen neuen Zusammenhang zwischen Kunst, Medien und modernem Leben. Schon mit der Montage »Tatlin lebtzu Hause« (1920) demonstrierte Hausmann, dass dessen Imagination und Geist von der Maschine bestimmt werden und eine naive Subjektkonzeption aufkiindigen. Der Prozess der Geschichte geht nicht mehr von handlungsmachtigen Subjekten aus, sondern von den neuen Bedingungen einer Vielzahl von ineinandergreifenden, lang- und kurzfristigen »Ereignissen« medialer, politischer, technischer, naturwissenschaftlicher Faktoren. Hieraus eine »entschiedene Mischung« in der Montage aus Desillusionierung, Skepsis, Aufklarung, Irritierung, Erheiterung und Erschrecken
HANNE BERGIUS: Fotomontage als avantgardistisches Konzept des Widerspruchs entstehen zu lassen, setzte nicht nur einen gezielten Schneideakt und das Wiederzusammensetzen in Gang, sondern begann schon im Sammeln der Materialien. Hier wurde der Kiinstler zur »Personnalite du choix« (Aragon). Insofern steht vor allem Montieren das archivarische Ordnen, das besonders H a n n a h Hoch pflegte. Dieses hangt mit einer Gedachtnisarbeit zusammen, die in der Montage durch eine fluktuierende Assoziationsbreite in Gang gesetzt zu werden scheint. Insofern konnte m a n das Montageprinzip auch mit Kategorien der Kunstkammern fassen, die ja wie »aktive Labore« die Weltzusammenhange ihrer Zeit in assoziativer Breite vor dem Auge des Betrachters entfalteten. Doch wahrend diese die Hohepunkte ihrer Kultur vorfiihrten u n d im mechanischen Menschen ihre Naturnachahmungsfahigkeit bewunderten, steht hinter dem DadaMontage-Verfahren der zerstlickelte Mensch eines homo protheticus als apokalyptisches Zentrum, dessen Designer der Dadaist geworden war {»Dixfecit«) - so ersichtlich in den Dada-Kammern der »Ersten Internationalen Dada-Messe« (Bild 10). Abgriinde werden gerade durch die Fotomontage in Orte des Ubergangs umgewertet - so auch hier in der »Ersten Internationalen DadaMesse« - die Grotesk-Sprache der Montagen sieht zwar die Moderne von ihrem Ende aus, jedoch mit einer Ironie, die selbst nicht dem Ende verfallt, sondern eine kiinstlerische Freiheit einfordert, die die Kultur der Weimarer Republik bisher nicht kannte. Doch diese breite Skala der Wirkungsabsichten der Montage anderte sich in dem Mai^e, wie die Montage
seit den zwanziger Jahren in den Dienst der Werbung und Propaganda genommen wurde. Durch ihre offenen Strukturen schuf sie Raum fiir Agitationsmoglichkeiten, die durch die Bildorganisation das tun sollte - so Lissitzky -, was die Stimme und die Geste des Redners fiir seine Gedanken schuf im Ausstellungsraum der PRESSA des sowjetischen Pavilions in Koln 1928 (Bild 11). So innovativ hier die Bildwande und Schriftseiten in einen Bewegungsraum umgewandelt wurden und Dynamik nicht nur die Wande, sondern auch die Objekte medienoptimistisch ergriff, so sehr stand alles unter der Propaganda eines dynamischen Fortschritts der Sowjets: »Proletarier aller Lander vereinigt Euch!«. Den weltumspannenden Sinnbezug dieser »typographischen Plastik« (Lissitzky) sollten die sechs iiber den Spitzen des Sowjetsterns schwebenden Himmelskorper ins Kosmische weiten. Nichts mehr von Ironie und Groteske. Es geht in den unterschiedlichen Bewegungsformen - auch den Transmissionsriemen - u m die PRESSA als Organ der UdSSR. Der riesige Fotofries der Ausstellung (Bild 12), den Lissitzky und der Fotomonteur Sergej Senkin gemeinsam schufen - 3,5 m hoch und 2 4 m lang - war ungewohnlich. Auch hier wird der diskontinuierliche Aufbau der Montage aufgegriffen, wie er von Dada bekannt war - doch die Montage erscheint wie eine deklamatorische Rede, mit Betonungen, Beschleunigungen, Verlangsamungen, gesenkter und gehobener Stimme mit Lenin im Zentrum in der bewegten Masse. Die Fotomontage wurde als neue Organisationsform der Wahrnehmung prasentiert, die
HANNE BERGIUS: Fotomontage als avantgardistisches Konzept des Widerspruchs Kommunikations- und Informationsaustausch ermoglichte. Seit den zwanziger Jahren setzte sich die Foto-Montage als kiinstlerisches Verfahren in unterschiedlichen Konzepten durch. Der groBstadtische Kult der Zerstreuung konnte ebenso mit diesem Verfahren bedient werden, wie im Gegensatz dazu wahrnehmungskritisch Realitat gegen Erscheinung in surrealen Montagen auszuspielen. Die »Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbundes. Film und Foto« (Stuttgart 1929) und die Ausstellung »Fotomontage« (Berlin 1931) prasentierten komplex die avantgardistischen Konzepte und Moglichkeiten der Fotomontage im Zusammenhang mit dem avantgardistischen Film, vor allem mit der Kollisionsmontage in Eisensteins Film »Streik« - im Wechsel von Schlachthof und Zerschlagung des Streiks. 1928 iibertrug Ernst Bloch sogar die Bezeichnung »Photomontage« auf die Denkbilder, die Walter Benjamin in den kurzen Prosastiicken von »Einbahnstrasse« (1928) schuf und hob 1935 in »Erbschaft dieser Zeit« das Verfahren der Montage als bedeutsamen erkenntnis- und wahrnehmungskritischen Gewinn fiir Kunst, Literatur und Film hervor - n u n aus der Perspektive von Weimars Ende im Nationalsozialismus. 1997 stellte Benjamin Buchloh im Katalog »Deep Storage« fest, dass sich im Zusammenhang der zeitgenossischen Kunst der Widerstandsgeist der Montage verschliffen habe und archivarischer Ordnung von Fotografien Platz mache, die in Atlanten nebeneinander in einer Art melancholischer Gedachtnisarbeit die
Fotografie wirken lieEen - Richter, Boltanski, die Bechers seien hier erwahnt. In der Tat nimmt sich die akkumulierende Montage von Pop - bspw. jene Pop-Ikone »Heart's delight« (1941) von Paolozzi, auch »Just what is it that makes today's home so different, so appealing« (1956)(Bild 13, Ausschnitt) von Hamilton - recht harmlos gegeniiber dem Widerstandsgeist Dadas aus und ist nur noch aus dem sogenannten Antikunst-Gestus der Multimedialitat von Pop heraus zu verstehen. Dada selbst brach um 1920 das exzentrische kumulative Spiel mit Fotozitaten zugunsten seines metamechanischen Verfahrens weitgehend ab. Die Simultanitat der Montagen war auch ihrem Gegenteil ausgeliefert - dem Stillstand der Zeit in Zeitlosigkeit als einer Perpetuierung der Gegenwart im Hier und Jetzt, d.h. Gleichzeitigkeit trieb januskopfig den Verlust der Zeit hervor, die Fiille der Moglichkeiten loste die Entgrenzung bis zur Beziehungslosigkeit auf und stagnierte im Verlust von Wirklichkeit. Die Dynamik der Rader bedeutete nicht mehr Zeitfluss des ewigen Kreislaufes, sondern Leerlauf, der alles annulierte, was sich an Positionen und Werten abzeichnete. Eine coincidentia oppositorum im »Gar nichts, d.h. allem« bezog die Fotomontagekonzepte auf Leere, die sich in architektonischen Konstruktionen verraumlichte. Ein neues Konzept wurde eingefordert, das Kunst und Wissenschaft verbinden sollte. Ratio und Poesie soUten neu aufeinander bezogen werden.
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»Der mechanische Kopf« (Bild 14) von Hausmann, der noch an die ars combinatoria des Manierismus erinnert, an die Komposit-Kopfe des ArcimboIdo, stellt ein neues Konzept dar: Es verbindet i h n mit der »Meta-Ironie« eines Duchamp gegeniiber zuviel Wissenschafts- u n d Ratio-Glaubigkeit und fordert das zweck- und ziellose Spiel, wie es der »Diabolospieler« (1920) (Bild 15) von Grosz vermag, Mr den die Gegebenheiten in Bewegung blieben und dessen Freiraum immer wieder von neuem austariert werden musste. In meiner Untersuchung zu »Montage undMetamechanik« (2000) (Bild 16) habe ich diese polaristische Ambivalenz Dadas im medialen Spektrum auf Nietzsches Einfluss seiner Kunst- und Lebensphilosophie zuriickgefiihrt - auf das komplexe Zusammenspiel dionysisch-apollinischer Antagonismen und seine Forderung, die Kunst unter der Optik des Lebens, die Wissenschaft unter der Optik der Kunst zu sehen.
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BILDER BETRACHTEN Die Stolpersteine-Bilder konnen Sie auch online betrachten. Die von Hanne Bergius gezeigten Bilder finden Sie unter www.hbk-bs. de/stolpersteine/hildsampling/hh#.jpg, wobei # fiir die jeweilige Bildnummer steht-also z.B. Bild 1 unter www. hhk-hs.de/stolpersteine/bildsampling/hhl. JP9 UBER DIE AUTORIN Hanne Bergius hat seit 1994 eine Professur fiir Kunst-, Design- und Architekturgeschichte an der Hochschule fiir Kunst und Design HalleBurg Giebichenstein inne.
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DIE KUNST DER ILLUSTRATION
sslMII^^^^ Mein vierjahriger Sohn mochte im Moment Maler und KinderbuchIllustrator werden (Bild 0). Daher hoffe ich sehr, dass die Menschen nie genug bekommen von neu geschaffenen Bildern, die die Welt erklaren.
DER BPIEGEL
Das Titelbild ist die wochentlich aktuelle Visitenkarte eines Magazins, es soil den Betrachter am Zeitungsstand in kurzer Zeit zum Kauf anreizen (Bild 1). Der Titel sollte informativ, innovativ, plakativ, suggestiv und vor allem exklusiv sein. Dariiber hinaus k a n n ein Illustrator eine Geschichte abstrahieren, iiberhohen, verdichten, oder ein Thema ironisch brechen. Meist werden zwei oder auch mehrere Motive unterschiedlicher Herkunft zu einem neuen Bild kombiniert und in Verbindung mit dem Text oder Schlagzeile wird eine rasche Interpretation ermoglicht. Beim Spiegel geht es u m Allgemeinverstandlichkeit. Die Herkunft der Motive fiir seine Bildsprache ist dabei wesentlich. Die Bildsprache aus antiker Mythologie, biblischer Geschichte und barocker Allegorie werden selten als Bildlieferanten fiir zeitgemaEe Illustrationen eingesetzt, da diese von der breiten Masse nicht mehr richtig verstanden wird. Die iiberwiegende Zahl der Bildmotive ist unserer heutigen Welt entlehnt. Eine Welt, die jeden Tag durch unzahlige Fotos und Filme festgehalten wird. Ohne diese
Bilderflut konnte ich als Illustrator nicht auf die Bekanntheit unterschiedlicher Motive aufbauen. Mit einer gigantischen Bilderkenntnis im Kopf eines jeden Betrachters, konnen daher Motive in ungeahnter Vielfalt geschaffen werden. Eine meiner ersten Arbeiten, die auf dem Spiegel erschien, war zu dem Thema: »Die Lust am Bosen - wie viel Boses steckt in jedem von uns«. Der Wunsch des Chefredakteurs Stefan Aust war, Gott und Teufel in irgendeiner Form gemeinsam auf die Titelseite zu bringen. Wie bringt man die beiden plausibel und plakativ in einer Bild-Idee fiir ein Magazin unter? Viel Zeit bleibt einem meist dabei nicht, denn im ein Titelbild hat man in der Kegel vom Entwurf bis zur Fertigstellung drei bis sechs Tage Zeit. Dies heiKt oft. Tag und Nacht zu arbeiten, bis der Kurier am Abend klingelt, um das Motiv direkt nach Hamburg zu bringen. Ich schlug mit mehreren Skizzen verschiedene Grundideen vor. Die Redaktion wahlte den Teufel, der mit dem Zeigefinger kess den Heiligenschein kreisen lasst (Bild2). Danach legte ich eine genauere l:l-Vorzeichnung an, und konterte dabei die Blickrichtung (Bild3)-und schlieBlich gemalt in Acryl, 7 0 x 5 0 c m g r o l ^ (Bild 4).
LUDVIK GLAZER-NAUDE: Die K u n s t der I l l u s t r a t i o n
DER SPIEGEL
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Kombiniert mit der Titelzeile »Der gottliche Teufel - die Lust am Bosen« bekommt die Illustration die richtige Interpretation. Dieser Titel kam zu Weihnachten heraus, woraufhin es aus verschiedenen Lagern kritische Leserbriefe hagelte (Bild 5, gedruckter Titel 52/1996). Sigmund Freud kommt alle fiinf bis zehn Jahre auf die Titelseite - ein Thema, das m a n schieben k a n n . In dem Artikel, der vor ca. sechs Jahren erschien, wurden Freud und seine Theorien zur Psychoanalyse von der heutigen Wissenschaft demontiert, auch seine Schwierigkeiten mit dem weiblichen Geschlecht wurden darin kurz beschrieben. Zu Freud wollte ich gerne eine unbekleidete und selbstbewusste Dame auf seine beriihmte Patienten-Couch legen. Ich dachte beim Skizzieren an die vielen beriihmten liegenden Akte aus der Kunstgeschichte, BildIkonen, die fast jedem bekannt sind {Bild 6). Dabei lieE ich mich von einem meiner liebsten Maler inspirieren - von Modigliani, der sich selbst von Giorgione, Tizian oder Goya zu seiner Serie von Liegenden anregen lieE - unter anderem auch, well er in etwa zur gleichen Zeit wie Freud lebte. So kombinierte ich also zwei BildIkonen miteinander: einen Akt, den ich auf meine Art frei nach einer Liegenden von Modigliani interpretierte, mit dem alteren Freud (mit seinem typischen weiEen Vollbart und der runden, dunklen Hornbrille) (Bild 7).
Aus zwei bekannten Motiven entstand so ein neues Bild (iibrigens wirkt ein gemalter und kiinstlerisch iiberhohter nackter Korper, zusammen mit einem alteren Mann, nicht so anstoEig, als wenn es ein realistisches Foto ware) (Bild8). Zusammen mit der Titelzeile »Die Psycho-Falle« bekommt die Illustration eine weitere Bedeutungsebene (Bild 9, gedruckter Titel 25/1998).
DER SPIEGEL
Psycho
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In der Ausgabe vom 18. April 2005 behandelt der Spiegel nun wieder das Thema Sigmund Freud. Diesmal wird dieser, nach der Demontage vor sechs Jahren, wieder auf das Podest gehoben. Die heutige Hirnforschung hat wohl Freuds Theorien mit neusten Messmethoden praktisch bestatigen konnen. Zu diesem Thema iiberlegte ich mir, dass die Titelseite gestalterisch zu dem letzten Freud-Cover passen sollte. Diesmal wollte ich Freud im Verhaltnis zu seiner Patientin gleich groS und mit einem heutigen Messinstrument in Form eines Laptops darstellenf5/WiO;. Der Chefredakteur wiinschte sich die liegende »Maja« von Goya. (Bilder 11-12) Am Freitagabend, bevor es in den Druck ging, entschied sich der Chefredakteur fiir eine Illustration, die von meinem New Yorker Kollegen Olbinski parallel zu diesem Thema angefertigt wurde (Bild 13). Er kombinierte Freud mit einer Schonheit irei nach einem Bild des Malers Ingres. Am Ende spiegelt seine Bildidee den Inhalt des Artikels, der auch erst am Freitag fertig wurde, besser wider. Hinzu kam, dass die vollkommen Unbekleidete in meinem Motiv der Redaktion zu muslimisch erschien, was vielleicht die Befindlichkeit einiger Gruppen im In- und Ausland hatte verletzen und damit auch den Verkauf des Magazins hatte reduzieren konnen.
DER BPIEGEL I
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Hier eine Ideenskizze (Bild 14) zu einem ahnlichen Thema: »Wer ist ICH? Neue Erkenntnisse aus der Bewusstseinsforschung« (meine allererste Titelillustration fiir den Spiegel)-und die Umsetzung der Idee in Kiinstler-Acryl auf Holz, 70 x 50 cm (Bild 15) Im Unterschied zur Skizze habe ich, um eine weitere Bildebene hineinzubekommen, auf die Riickseite der Handspiegel Wolken gemalt. Dadurch wird bei dem Betrachter die Assoziation zu Rene Magritte ausgelost (Bild 16, gedruckter Titel 16/1996). Zum Thema Bildverwertung und Rechte eines Bildermachers Einige Jahre spater wurde dieses Motiv in der ZDF-Sendung »Wetten, dass..?« als 15 x7 m groEes Biihnenbild hinter der Sangerin Britney Spears gezeigt (Bild 17). Das Pikante daran war, dass der Biihnenbildner der Sendung es ohne mein Wissen verwendet hat. Das Motiv e n t n a h m er einem meiner Verkaufs-Kalender. Das Lizenzhonorar musste nachtraglich miihevoll eingeklagt werden. Dabei wurde mir praktisch verdeutlicht, was fiir einen schlechten Stand die bildenden Kiinstler und vor allem Auftragskiinstler in Deutschland im Vergleich zu z.B. Italien oder Amerika haben. Eine Woche danach erschien im Spiegel ein Artikel iiber diesen Vorfall.
LUDVIK GLAZER-NAUDE: Die Kunst der Illustration
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Ein weiterer interessanter Bereich fiir einen Bildermacher ist das Gestalten fiir Buchverlage (Bilder 18-20). Hier miissen immer neue Bildideen, analog zu den vielen neuen Texten, erfunden oder dem neuen Zeitgeschmack angepasst werden.
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Die Gartnerin aus Lieoe Opera buffa von Wolfgang Anriadeus Mozart
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Plakate fiir den kulturellen Bereich, wie z.B. Theaterplakate, werden hingegen immer weniger. Bei der Gestaltung von Theaterplakaten ist es ahnlich wie bei der Buchillustration. Hier muss man sich auf verschiedenste Texte oder Musikrichtungen eines Schauspiels oder einer Oper einlassen konnen, um diese in einem einzigen Bild wiederzugeben (Bilder 21-25; Theaterplakate zur Oper »Gdrtnerin aus Liebe« von Mozart, Schlossparktheater Berlin, Acryl aufFolie; zum Schauspiel »Medea«, Stadttheater Hildesheim, Acryl auf Papier; zur Oper »Die letzte Reise des E.A.Poe«, Theater Dortmund, Acryl auf Papier; zur Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« von Brecht und Weill, Stadttheater Hildesheim, Kreide und EiweiJ^lasur auf Papier; zum Musical »Der kleine Horrorladen«, Stadttheater Hildesheim, Acryl auf Papier).
LUDVIK GLAZER-NAUDE: Die K u n s t der I l l u s t r a t i o n
Hier hatte ich die Aufgabe zu abstrakten Begriff aus der Finanzund Geschaftswelt in elf Bilder umzusetzen. Aus den Illustrationen fiir einen Geschaftsbericht und Kalender einer Aktiengesellschaft hier drei Beispiele: »Alles aus einer Hand«, »Teamwork tragt Fruchte« und »Energie-Management«. Die Originale sind jeweils 70 x 50 cm auf Holz gemalt. (Bilder 26-28)
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Fiir die Nordseite der AuKenfassade des Knochenhauer Amtshauses in Hildesheim malte ich auf ca. 130x60 cm groEen Flatten Motive zu dem Thema »Krieg und Frieden« (Bilder 29-32).
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DIE MACUr DER
Hier einige Illustrationen fiir Zeitungen und Magazine; »Die Macht der Gefuhle« fiir den Stern (BUd33), zum Thema »Krebskranke« fiir Psychologie heute (Bild 34) ...
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... und eine Portrait-Serie fiir die Wochenzeitung DIE ZE/T-hierfiir portraitierte ich 20 Personlichkeiten aus der Werbeszene, von Herrn Sedlmayer bis zu den Agenturinhabern von Jung v.Matt (Bilder 35-38). Die 100 X 70 cm groEen, auf Holz gemalten Originale wurden nach dem Abdruck in den Image-Anzeigen fiir DIE ZEIT den Portraitierten als Dankeschon iiberreicht. Diese wurden meist in den jeweiligen Agenturen aufgehangt. Hier ein Beispiel aus dem Besprechungszimmer von Jung v.Matt, zu Besuch der Bundeskanzler Schroder (Bild 39).
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BILDER BETRACHTEN Die Stolpersteine-Bilder konnen Sie online auch in Farbe betrachten. Die von Ludvik Glazer-Naude gezeigten Bilder finden Sie unter www.hbk-bs. de/stolpersteine/bildsampling/lgn#.jpg, wobei # fiir die jeweilige Bildnummer steht-also z.B. Bild 1 unter www. hhk-hs.de/stolpersteine/hildsampling/ I3nl.jpg UBER DEN AUTOR Ludvik Glazer-Naude, DiplomDesigner und Meisterschiiler der Universitat der Kiinste Berlin arbeitet als Designer, Maler und Illustrator. Zu seinen maEgebliche Auftraggebern gehoren: Magazine und Zeitungen (u.a. Der Spiegel, Die Zeit, Stern), Theater und Opern (u.a. Theater des Westens Berlin, Gewandhaus Leipzig, Theater Dortmund), Werbeagenturen (u.a. Jung v.Matt, BBDO, Y&R) und Buchverlage (u.a. dtv, Ravensburger, Hanser-Verlag). Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Fachmagazinen besprochen und auf internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Aktuelle Arbeiten und Informationen iiber die neuesten Ausstellungen konnen auf seiner Website eingesehen werden. Website: http://www.atelier-glazer.de E-Mail: [email protected] fAp
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Ute Helmbold
40 BILDER UND NICHT MEHR. Der Modulkasten »Bildalphabet« Ihr Lieben, zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das ich gleichwohl nicht alleine erarbeiten will. Dies ist der Grund, warum Ihr heute von mir hort-ndmlich um zufragen: wer macht mit? Doch zundchst will ich das Projekt schildern. Aus eigener Erfahrung als Illustratorin weif> ich, dass ich die Ideen fUr meine Bilder immer wieder neu verwende, dass ich aber wenigstens auf immer dieselben Bildelemente zurUck greife, um zu neuen Bildaussagen zu gelangen. Ich stelle diese Elemente als Metaphern oder Symbole in einen neuen thematischen Zusammenhang, um zu anderen Bildinhalten zu gelangen. Aufierdem machen es die technischen Moglichkeiten besonders einfach, auf»fremde« Bilder und Bildelemente zuriickzugreifen, sie zu (foto-)kopieren, aus dem Netz herunterzuladen, Fotos einzuscannen, oder Gesammeltes auf den Scanner zu legen, um damit eigene Bilder zu gestalten. Das ist sehr reizvoll, denn so kann die Illustration, Uber das Zeichnerische oder Malerische hinaus, mit darstellerischen Kontrasten arbeiten und im Zusammenhang mit der eigenen Handschrift zu einer reizvollen Darstellung werden. Diese zwei Umstdnde, meine Erfahrung und die technischen Angebote, haben mich Uberlegen lassen, sie als grundsdtzliche Methode zum Prinzip der Bilderfindung zu institutionalisieren. Ist es grundsdtzlich moglich, mit einer nur hegrenzten Anzahl von Bildelementen,
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das in einem Bild auszudrucken, was gesagt werden soil? Ich habe 40 Bilder/Bildelemente ausgewdhlt (ich nenne sie das »Bildalphabet«), von denen ich annehme, dass sie meine Frage beantworten konnen. Es handelt sick urn Darstellungen von z. B. Schuh, Mund, Himmel, Auge, Apfel etc., allesamt aus dem Netz herunter geladen. Ich habe sie freigesteUt und als PhotoshopDateien gespeichert, um sie moglichst unkompliziert handhabbar zur VerfUgung stellen zu konnen. Aber nun zu meiner konkreten Frage: Wollt Ihr an meinem Projekt teilnehmen und eine Bildgeschichte erzdhlen, die ausschliefilich mit Hilfe dieser ausgewdhlen Elementen dargestellt wird? Meldet Euch bald! Mit vielen Griifien (...) Dies war ein Auszug aus dem Brief, den icii vor etwa einem halben Jahr an Kollegen, Freunde, Bekannte, Studierende und Absolventen versandte. Ich bat 40 Kunstler und Designer mir Bilder zuzuschicken, die sie mit Hilfe der Module des »Bildalphabetes« formulieren sollten. Sie werden bemerkt haben, dass sich das Thema des heutigen Symposiums: »Wie viele Bilder brauchen wir?« in meinem Projekt sehr pragmatisch, der rhetorischen Fragestellung folgend, widerspiegelt. Diese Frage ist meiner Arbeit implizit, denn mein Berufsalltag als Bildermacherin scheint sie mir oft genug, in aller Routine und ganz selbstverstandlich zu beantworten. Offen gesagt war es ein stiller Effizienzgedanke, der mich sehr bald, kaum hatte ich mich auf den Computer eingelassen (und das war erst 1997) auf »fremdes« Bildmaterial brachte. Bald begann ich, der Ver-
UTE HELMBOLD: 40 Bilder u n d n i c h t m e h r
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lockung des Scanners erliegend, mit Darstellungen und Abbildungen aus Zeitschriften ein Bildarchiv anzulegen. Aus dem schopfte ich allerdings zunachst nur, u m die Abbildungen als Vorbilder fiir die eigenen, gezeichneten Darstellungen zu nutzen. Bald aber nutzte ich die gescannten und digitalisierten Bilder, um sie geradewegs in meine Zeichnungen zu integrieren (Bild 2).
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Die »Schnibbelbiicher«, die seit den 70 er Jahren mit ihren, zum Teil abstrusen und herrlich simplen Stichen und Schwarz-WeiE-Abbildungen, lizenzfrei, als didaktisches Material, zur Verfiigung stehen, wurden von mir beinahe restlos digitalisiert (Bild 3). Heute greife ich jedoch nur noch selten auf mein, auf CDs versammeltes Bildarchiv zuriick, sondern bediene mich der Bildsuche von Google (Bild 4). Wenn m a n Gliick hat, findet m a n unter etlichen hunderttausend Bildern das e i n e brauchbare (Bild 5), wenigstens jedoch stolpert m a n iiber standig neue, ungewohnliche Bildarchive, mit einem Fundus, der seinerseits zu neuen Bildideen anregt. Das Repertoire an Bildern im Netz ist schier grenzenlos.
Seit fast 20 Jahren arbeite ich n u n als lUustratorin flir die Wirtschaftsund Managementpresse, bebildere Geschaftsberichte und Unternehmenspostillen von Versicherungen und GroKkonzernen. Die Themen sind standig neue, die Inhalte jedoch bleiben die gleichen. Sie h a n d e l n - i c h fasse hier sehr k u r z - v o n Effizienz, Management, Kapital und von Strategien, diese/s zu erhohen, zu vermehren und zu steigern (Bild 6). Die gleichen Inhalte verlangen immer andere und neue Umsetzungen (Hier sehen Sie einige Beispiele fUr die Deklination einer »Krone«; Bild 7). Im Laufe der Zeit kristallisierte sich jedoch heraus, dass sich bestimmte Bildelemente tapfer bewahrt h a t t e n und dies sicher auch zukiinftig leisten w e r d e n - u m mit ihnen, in ihrer Deklination, immer neue Bildaussagen zu generieren, die immer neue Konstellationen einzelner Bildelemente ermoglichen immer neue Bildaussagen. Ich entdeckte, dass ich fiir meine Themenkreise nicht mehr eine nie enden wollende Motivsuche anstellen musste, sondern dass sich mit nur wenigen, einzelnen Bildmodulen ein reichliches Repertoire an unterschiedlichsten Bildinhalten anhaufen lasst. Diese Module oder Bildelemente miissen einzig in der Lage sein, ein symbolhaftes Potential mitzutragen. Die narrative Intonation, die Eindeutigkeit und Richtigkeit der Illustration wird schliel^lich durch die Bildkomposition, durch die Dramaturgie der einzelnen Bildelemente und ihrer Beziehungen zueinander gepragt. Die heutige Frage: »Wie viele Bilder brauchen wir?« beziehe ich im
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Folgenden also auf die Elemente eines Bildes, die benotigt werden, um eine nachvoUziehbare Bildaussage zu formulieren. 1st es aber moglich, mit im Voraus bestimmten Bildelementen, eine konkrete, nachvoUziehbare aber auch emotional ansprechende Bildgeschichte zu formulieren? 1st die Anzahl der Bildelemente limitierbar ohne gravierende Schmalerung unterschiedlichster Bildideen Oder Bildaussagen? Sind Bildelemente grundsatzlich determinierbar? Hier sind die Elemente (Bild 8) und
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GEBRAUCHSANLEITUNG
— Es soil eine Bildgeschichte erzahlt werden, die mit Hilfe der Bildelemente, die im Alphabet vorgegeben sind, formuliert wird. — Es soil eine erzahlerisch und formal pragnant sprechende Geschichte formuliert werden, allerdings soil dieser Anspruch keine Einflussnahme auf die kiinstlerische Ausdrucksweise des Autors bedeuten. — Der Autor soil seine Bildauffassung und seine Anforderungen an Bildqualitat einbringen, auch wenn er die zur Verfiigung gestellten Bildelemente benutzt. — Alle Elemente konnen beliebig eingesetzt und kombiniert werden, um das Bild erzahlen zu lassen. Es miissen niclit alle Elemente genutzt werden. — AuEerdem konnen Punkte und Linien in beliebiger GroEe und Breite eingesetzt werden. Das kann durchaus bedeuten, dass z.B. eine Linie zur Flache wird.
— Alle Bildelemente konnen in Farbe und Form verandert werden, um deren aussagerelevante Bedeutung in der jeweiligen Bildgeschichte zu betonen. — Sie konnen skaliert, zerschnitten, verzerrt, multipliziert und dupliziert werden. — Die bereitgestellten digitalisierten Bildteile miissen in ihrer Darstellung nicht zwingend genutzt werden. Sie stehen vielmehr als Vorschlag fiir die Darstellung von z.B. Stuhl oder Baum. — Wenn die Bearbeitung mit Hilfe von digitalen Mitteln nicht moglich Oder gewiinscht ist, konnen die Bildelemente durchaus auch ausgedruckt und analog verarbeitet werden. — Auch konnen die Bildelemente selbst erstellt werden, ob fotografisch oder zeichnerisch/malerisch, allerdings sollen dennoch nur die Elemente, die im Alphabet vorgegeben sind, genutzt werden. An dieser Stelle sei einen Ausschnitt aus einem Gesprach mit einem Schweizer Freund eingeschoben: Ja, aber ichfinde diese typisch deutsche Fragestellung langweilig. Fulle nicht Reduktion! Was meinst du mit Fiille und nicht Reduktion? Wir haben eine deutsche Studentin, die hat mal die Frage untersucht: »Gibt es das typisch deutsche Design?« Das ist einfach langweilig und trifft nicht das Neue der Zeit! Wieso gibst du soviel Interesse in ein geschlossenes System? Reduktion-nicht Fiille! Atopic nicht Utopic... Ich muss nichts Neues erfinden, es ist alles schon da, das ist die Utopie! Oder: in der Beschrankung liegt die Fiille...
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INTERMEZZO Es hat immer wieder Versuche gegeben-mehr oder weniger spielerisch-mit System Bilder zu finden. Piktogramme sind dafiir lediglich ein Beispiel. Mit Hilfe von nur zwei Elementen, dem Viertelkreis und der Geraden, hat Ruedi Bauer und sein Team ein System entwickelt, innerhalb dessen sich alle Bildzeichen fiir das Orientierungssystem des Koln/Bonner Flughafens konstruieren lassen. Die bediirfnislose Grammatik des Systems besteht lediglich aus der Vorgabe von Linienstarken, Abstanden und Radien (Bild 9) [form, Zeitschrift fiir Gestaltung, 3/2003, S.189,].
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Moritz Zwimpfer gibt keine Grammatik vor. Im Gegenteil: Er fragt in seinem Biichlein »Uber Berg und Tal« frech und undogmatisch, (auch er ist Schweizer): »Fur jede Zeichnung neue Linien?« und antwortet sich selbst mit: »Verschwendung!« [Moritz Zwimpfer, tjber Berg und Tal, Sulgen 2001] Er stellt einen Katalog an Linien zur Verfiigung, mit dessen Hilfe er seine Darstellungen zusammenpuzzelt (Bilder 10 und 11). Wohlgemerkt: Er verwendet fiir jede seiner Zeichnungen alle Linien seines Kataloges.
Henning Wagenbreth entwickelte ein, wie er es nennt »Automated Illustration System«, kurz »Tobot«. Es handelt sich um einen digitalen Baukasten, vergleichbar mit einem Font. Ca. 800-1 000 Animationselemente wie Kopfe, Hals, Ober- und Unterkorper etc.konnen zu beliebigen Formen, Korpern und Szenerien zusammengesetzt werden (Bilder 12 und 13). [www.wagenbreth.com]
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Neben der Katalogisierung von Bildfragmenten oder Modulen gibt es immer wieder Schematisierungsversuche, um komplexe, abstrakte und bildlich nicht fassbare Begriff lichkeiten, wie etwa Moral, Verantwortung, Egoismus etc. so schliissig darzustellen, dass sie als allgemein deutbare Bilder funktionieren konnen. Die Visualisierungen von Individualitat, Selbstbewusstsein, Freiheit-Unbeschranktheit. Aber sind diese Bilder (Bild 14) wirklich neu? Erst kiirzlich habe ich selbst an einem Projekt der UdK Berlin teilgenommen. Unter der Leitung von Prof. Alexander Schimansky, am Studiengang Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft fiir innovative Marktforschung GIM wird versucht, zentrale Werte der Gesellschaft zu identifizieren und die verschiedenen Bedeutungsinhalte jeden Wertes zu beschreiben. Neben der verbalen Beschreibung der Wertefacetten soil ein Bilderpool erstellt werden, in dem jede Facette durch ein aussagekraftiges Bild ausgedriickt wird. Uber die visuellen Darstellungsmoglichkeiten soil der inhaltliche Zugang zu Werten erleichtert werden. Fiir die Visualisierung der
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Werte wurden Experten aus den Bereichen Grafik, Illustration, Kunst, Fotografie und Bild-Regie angesprochen, die durch ihre Arbeit auf dem Gebiet der Gestaltung Erfahrung in der Umsetzung von verbalen Inhalten in Bildideen haben, u m festzustellen, welche Bilder eine sog. Facette ausdrlicken kann. Fiir jede Facette eines Wertes wurde n u n versucht, vier bis fiinf Bilder zu finden. Diese Bilder wurden in Workshops beurteilt, u m herauszufinden, ob die Bilder von verschiedenen Befragten gleich verstanden werden. ErwartungsgemaE funktionierte dies bei einigen Werten sehr gut, bei anderen weniger. Ein mittels CAD generiertes Anzeigenmotiv (Bild 15). Hier ist es der weibliche Archetypus Fee, der uns tiefenpsychologisch vorprogrammiert und kulturiibergreifend ansprechen mochte. In den 90 er Jahren gab es den Ansatz, sogenannte Expertensysteme einzurichten. Diese hofften, erschreckend programmatisch und von der Idee der Bildkataloge besessen, zu vermeintlich verstandlichen Bilddarstellungen zu gelangen. Die Sorge, kiinstlerische Kreativitat in der Werbung sei, bar jeder Werbebotschaft, fiir den Konsumenten nicht nachvollziehbar und daher fiir Werbung nicht geeignet, veranlasste Franz Rudolf Esch und Werner Kroeber-Riel dazu, ein computergesteuertes Expertensystem zur Generierung von werbewirksamen Bildern zu entwickeln, das CAAS (Computer Aided Advertising System) [Franz Rudolf Esch, Werner Kroeber-Riel, Expertensysteme fiir die Werbung. Vahlen, 1994. S.3I9ff.l
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Die sog. Schemaforschung belegt, dass gerade die Verwendung von Bildern, die archetypische Schemata ansprechen, die groEte Chance fiir eine langfristige und internationale Vermittelbarkeit von starken Emotionen haben. Zudem scheinen sie sich wenig abzunutzen. Da sie den Wahrnehmungserw^artungen eines Konsumenten entsprechen, sind archetypische Schemata, nach Kroeber-Riehl, ein wesentUcher Bestandteil und Baustein kreativer Werbung. Die Datenbank ermogUcht es nun, dem Prinzip »Quantitat bringt Quahtat« folgend, alle erdenklichen Assoziationen zu vorgegebenen Begriffen abzurufen und mit bildhaften Schemata zu versorgen. Allerdings, so gibt Kroeber-Riehl zu bedenken, haben sich leichte Verfremdungen und Abwandlungen vom Schema als besonders werbewirksam erwiesen. Die Kreativitat des Werbers hegt folglich in der Herausforderung, das Schema zwar zu finden aber trotzdem die Austauschbarkeit eines Bildmotivs zu vermeiden. Der Blick in die Assoziationsdatenbank des CAAS zum Begriff »wi\d« (Bild 16). Hier lassen sich nur exemplarisch und nur in Fragmenten Beispiele des komplexen Suchsystems aufzeigen. Die Bildschirmerscheinung des Systems zur Suchoption »Suche Bildideen, in denen Farben dominieren.« (Bild 17) Die Bildassoziationen konnen also in jede Tiefe und Breite weitergefiihrt und konkretisiert werden. In fiinf Kategorien konnen schlie/^lich bevorzugte Bildideen im morphologischen Kasten verkniipft werden, u m zu »innovativen« Bildaussagen zu gelangen. Zum Beispiel: Frauen
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mit gefletschten Zahnen, Kannibalen beim Schlagzeug spielen oder Frau, Wilde Haare, lochrige Jeans, Wildpferd reitend, durch aufgepeitschtes Wasser (Bild 18)-wie hier die Anzeigenwerbung der Firma HERMES (Bild 19). [Werner KroeberRiel Bild-Kommunikation, Vahlen, Miinchen 1993] Zwischen der Modularisierung von Bildelementen, der Wiederverwertung, Systematisierung und Katalogisierung von Bildern und Bildelementen, lasst sich das »BildalphaheU positionieren. Mein Projekt befindet sich irgendwo in der Mitte. Es ist das spielerische Experiment. Das Spiel folgt der einzigen Kegel, aus einem determinierten Bildkatalog zu schopfen (Bild 20; Ute Helmbold: Die aktuelle Bildungsgesellschaft). Fest bestimmte 40 Bildmodule, samt des ihnen innewohnenden symbolischen Repertoires, zu nutzen, um im virtuosen Umgang mit ihnen, zu narrativen Bildaussagen zu gelangen. Fiir manch einen mag die Aufgabenstellung extrem restriktiv klingen. In gewissem Sinne ist sie das auch, bzw. will und muss sie es sogar sein: Um die Relevanz der ausgewahlten Bildelemente des Bildalphabetes iiberpriifen zu konnen und eine Vergleichbarkeit herstellen zu konnen, gab ich nicht nur die Bildelemente vor, sondern auch inhaltliche Themen, zu denen die Bildgeschichten erfunden werden soUten. Die Themen formulieren sich zum einen sehr konkret, zum anderen sehr offen. Ich land sie unter Zuhilfenahme von Zeitschriften.
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Ich lie£ mich durch Headlines von Anzeigen und Artikeln inspirieren (Bild 21; Andreas Liss: So fing das Jahr an). Diese acht Themen, aus denen sich jeder Teilnehmer drei heraussuchen sollte, lauten: 1. So fing das Jahr an. 2. Find ich super! 3. Was war da los? 4. DieFolgenderUS-Wahlfiir Europa und die Welt 5. Ich tue alles um langer zu leben. 6. Die grol^te Veranderung, die es je im Fernsehen gab. 7. Augen zu und durch 8. Die aktive Bildungsgesellschaft In keinem Falle ist mir daran gelegen, einem selbst auferlegten Dogma zu folgen, das womoglich lautete: Nur diese und keine anderen Bildelemente / Symbole benotigt ein Bild, um zu einem bildhaften Narration werden zu konnen, jedes weitere Element ware obsolet und wiirde nur Wiederholungen und Redundanzen provozieren. Das ware vermessen und in gar keinem Falle realistisch und erstrebenswert (Bild 22; Stefan Michaelsen: So fing das Jahr an). Es geht mir in diesem Projekt um den spielerischen Umgang und den Einfallsreichtum im Finden und Zuweisen symbolischer Bedeutungen und es geht mir um die Sichtweisen anderer Bildermacher (Bild 23; Lars Keller: Ich tue alles, um langer zu leben). Es geht um die Lust am Katalogisieren und Sammeln, u m die Lust an der Beschrankung und dem Interesse an immer neuen Moglichkeiten im Spiel mit der Vielschichtigkeit von Symbolik und Metaphern, es geht um die Herausforderung, dieser begrenzten Anzahl von Bildmodulen eine einfallsreiche symbol- oder metapherhafte Bildsprache abzugewinnen.
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Das Projekt ist ein Spiel und das beinhaltet auch die Frage: Wie weit lasst sich dieses Spiel treiben? Kann wirklich alles, was ausgesagt und gezeigt werden soil, mit diesen Elementen verbildlicht werden? Egal ob Prosa oder Sachbericht? Wie geht der Bildermacher mit den Bildelementen gestalterisch und darstellerisch um? (Bild 24; Katrin Funcke: Find ich super!) Konnen die unterschiedlichsten Autoren ihre eigene Bildauffassung und Handschrift bewahren? Wie werden die Elemente von den unterschiedlichen Autoren bewertet, wie werden sie eingesetzt, welche Bildelemente sind ihnen wichtig? Welche unwichtig? Reichen die ausgewahlten Bildelemente, sind es die, die tatsachlich benotigt werden? Welche Module aber fehlen, u m verstandlich und nachvoUziehbar die beabsichtigte Geschichte formulieren zu konnen? Welche Bildelemente werden gar nicht benotigt und sind daher iiberfliissig? Lasst sich das »Bildalphabet« womoglich noch welter reduzieren? Die dokumentarisch abbildhafte Darstellung eines konkreten Szenarios lasst sich womoglich gar nicht, nicht immer oder nur mit der geschickten Anwendung der vorgegebenen Bildteile realisieren, und muss in seiner Genauigkeit scheitern. Dafiir ist das Repertoire an Bildmodulen im »Bildalphahet« wohl tatsachlich zu knapp. Die Autorin kommentierte ihr Bild (Bild 25; Silke Helmerdig: So fing das Jahr an) selbst: Um die Jahreswende war das Wetter entsetzlich. Zumal ich schon krank war blieb mir nichts anderes iibrig, als mich ins Bett zu verkriechen. AUe konkret abbildenden Bildideen lassen sich womoglich gar nicht
umsetzen, ohne dass das Alphabet um etliche weitere Bildelemente erweitert werden miisste. Dies sollte jedoch ausgeschlossen sein (Bild 26; Ute Helmbold: So fing das Jahr an). Kleiderbiigel und Kleiderstander waren nicht im Modulkasten vorgegeben. Doch benotigte der Autor diese Bildelemente fiir seine Geschichte (Bild 27; Martin Scholz: So fing das Jahr an). Kiinstlerische Freiheit? In der Sprache ist ein »Stuhl« zunachst nur ein Stuhl, ohne jede Information liber seine Beschaffenheit und Eigenart. Ein Stuhl ist jedoch nie nur ein Stuhl, ein Sitzmobel. Die einfache Benennung »Stuhl« beinhaltet zunachst nicht seine Materialbeschaffenheit, Farbe, Form, Qualitat und Originalitat. Fine Abbildung (Bild 28; Roman Adam: So fing das Jahr an) zeigt jedoch stets einen bestimmten Stuhl, sei er aus Holz, Kunststoff oder Metall, sei er ein Designerstuhl, oder Massenware oder eine Antiquitat, mit oder ohne Armlehne usw. Seine Darstellung erzahlt von der Herkunft, von seiner Technik und Konstruktion, womoglich sogar von den Vorlieben oder Abneigungen seines Besitzers. Die Nachahmung, das Umgestalten und Kombinieren fremder Bilder oder Bildteile zum Nutzen der eigenen bildnerischen Absicht ist ein wichtiges und produktives Potential unserer Bildkultur. Dieses Verfahren ist seit Dada und dem Surrealismus der 20 er Jahre, spatestens aber seit der Popkultur der 60 er Jahre als kijnstlerisches Mittel implementiert und akzeptiert. Die Bildelemente des »Bildalphahets« w^urden aus ihrem urspriinglichen Zusammenhang herausgetrennt und isoliert. Sie erzahlen n u n nichts mehr von ihrer einstigen Bedeutung
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im ehemaligen Bildkontext, sie sagen nichts mehr iiber eine Bedeutung, die iiber sie selbst hinausgeht (Bild 29; Ute Helmhold: Was war da los?). Die Surrealisten sprachen von diesem Status als Befreiung der Bilder, von der Offnung fiir den Zugriff symbolischer Tatigkeit und Fantasieproduktion. Die Bildteile werden entfunktionalisiert, u m ihnen anschliei^end eine neue Bedeutung zukommen zu lassen. Andre Breton bemerkte: »Man k a n n eine Hand verfremden, in dem m a n sie vom Arm abtrennt, sie gewinnt dabei als Hand.« [Max Ernst, La femme 100 tete, Berlin 1962]
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Das bedeutet fur das »Bildalphabet«, dass jedes Bildmodul allein iiber seine Darstellung schon selbst narrative Aspekte in sich tragt. Das bedeutet auch, dass selbst ein S t u h l - w i e jeder andere Gegenstand-allein iiber seine Abbildung zu einer Metapher, oder Versinnbildlichung einer abstakten Oder nicht direkt darstellbaren Bedeutung, werden kann. Der Stuhl steht hier stellvertretend fiir das gesamte Mobiliar, ja sogar fiir Haus und Hof (Bild 30; Sybs Bauer: So fing das Jahr an), hier fiir Komplikationen (Bild 3 i ; . . . und hier fiir Einsamkeit (Bild 32). Ubrigens habe ich spai^eshalber Zeitschriften nach Bildern durchsucht, die scheinbar aus dem Bildalphabet generiert wurden. Bei diesen Bildern handelt es sich u m zwei Beispiele. Bei dem oberen Bild handelt es sich u m die Anzeigenv^erbung fiir den Toyota Corolla. Das untere zeigt ein Szenenbild aus dem franzosisch-georgischen Film »Seit Otarfort ist...«, gefunden im Spiegel 19/2004. Die Bildmodule des »Bildalphahets« sind nach ihrer symboli-
schen Aussagekraft gewahlt, davon ausgehend, dass jedes dieser Module seinen eigenen Freiraum fiir Interpretationen bietet und neben seiner reinen Abbildung als Ding auch als Metapher oder Symbol gelesen werden kann (Bild 33; Stefanie Guse: Ich tue alles, um Idnger zu leben). Wider Erwarten verspeist sie nicht den Apfel Symbol fiir Verfiihrung, Reife, Fiille und Gesundheit, sondern sie stemmt ihn, setzt ihn zum Kugelstoi^en ein und gibt dem Apfel damit eine weiterfiihrende Bedeutung (Bild 34; Susanne Wolff: die aktuelle Bildungsgeselhchaft). Sie ersetzte die Kopfe der Protagonisten mit den, ihrer Meinung nach, profanen Insignien unserer aktuellen Gesellschaft. Aus diesem Grunde entschied ich mich beispielsweise gegen die Aufnahme der Bildelemente »Auto« Oder »Flugzeug«, da diese zwar ein Fortbewegen oder Reisen konkretisieren konnen, Fortbewegung aber auch mit Hilfe von »FiiKe«, »Schuhe« oder »Fliigel« symbolisch dargestellt werden kann (Bild 35; Ute Helmbold: Was war da los?).
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Der Bildermacher kann neben der tatsachlichen Abbildung und der symbolischen Bedeutung des Bildelementes ebenso die Metapher nutzen, um Inhalte zu transportieren (Bild 36; Ute Helmbold: Augen zu und
durch). Hier wurde die sprachliche Metapher fiir Hut genutzt. Er nutzt eine (korper-)bildliche, gestische Metapher des Themas (Bild 37; Stefan Michaelsen: Find ich super!).
Die Besonderheit seines Abbildes zeigt jedes der Bildmodule in seiner konkreten Darstellung. Die kann vom Bildermacher genutzt werden, u m seine beabsichtigte Bildaussage zu tragen, oder aber ganz abweichend von den angebotenen Darstellungen, selbst hergestellt und ausgetauscht werden, u m ihnen die beabsichtigte Klangfarbe und Aussagekraft zu geben (Biid 38; Lars Keller: Augen zu und durch; Bild 39; Stefanie Guse: Augen zu und durch) Jedem lesbaren, narrativen Bild ist das Symbol implizit, wie die Metapher einer bildreichen Sprache. Symbole sind wichtige Ankerpunkte fiir das Bildverstandnis und ein wirksames Instrument, um gerade abstrakte Inhalte vermitteln zu konnen (Bild40). Jede Bildkommunikation wird sich einer symbolischen Sprache bedienen miissen, um verstanden zu werden. Allein die Gegeniiberstellung von Bildfragmenten, ohne bildkompositorische Absicht kann eine Geschichte assoziieren lassen. Jedoch schafft erst eine absichtsvolle Beziehung der Bildelemente und Symbole untereinander ein evokatorisches Bild. Nicht nur das, was ein Bild zeigt, sondern auch das wie ein Bild etwas zeigt, bestimmt seine Kommunikationsform.
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Es ist bemerkenswert, dass die Module als die ihnen innewohnenden Symbole eingesetzt wurden, Herz = Gesundheit, Krone = wichtig, bedeutsam, Wiese = Natur (Bild41; Sylke Lutzenkirchen: Ich tue alles, urn fit zu bleiben). Sie wurden wiederum zu einer, wie ein neues symbolisches Zeichen anmutenden, Konstellation angeordnet. Die erzahlerische Dichte des Bildes und Komplexitat seiner Gestaltung scheinen sehr gering, was sich allerdings fiir die inhaltliche Aussage nicht behaupten lassen kann, die Symbole sprechen iiber ihre profane Abbildhaftigkeit hinaus. (Bild 42; das gilt ebenso fiir den Beitrag von Dietmar Schldper zu: Was war da los?) Die Vielschichtigkeit eines Bildes und seine erzahlerische Dichte zeigt sich in den Beziehungen der einzelnen Bildelemente zueinander. Meistens sind diese Beziehungen nonlinear angelegt, Bildaufteilung, perspektivische Tiefe und Groi^enverhaltnisse bieten eine Leserichtung an (Bild 43; Ute Helmbold: Was war da los?).
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Die Grammatik eines Bildes k a n n aber genauso linear lesbar angelegt sein (Bild 44; Phoebe Helmbold: So fing das Jahr an). Schneckenformig, von der Mitte ausgehend lasst sich die Darstellung des Jahresbeginns im Uhrzeigersinn und in Sequenzen, quasi filmisch, lesen. Der Idee einer Geschichte in Bildern, in Sequenzen folgend entstand auch die Erzahlung von Andreas Liss (Bild 45; Andreas Liss: Ich tue alles, um Idnger zu leben). SCHLUSSFOLGERUNGEN Die bislang gezeigten Bildbeispiele haben, so meine ich, gezeigt, dass eine erfrischende Vielfalt an Inhalten, Darstellungsmoglichkeiten und Ausdrucksformen im Umgang mit dem Bildalphabet gefunden werden kann (Bild 46; Lars Keller: Die aktuelle Bildungsgesellschaft). Wenn auch keine erkennbaren Handschriften ersichthch werden, so lassen sich dennoch alle Bilder an ihren Autoren unterscheiden. Und das nicht nur, weil sie eigene Mittel gewahlt haben. Es gibt Bildergebnisse, denen man nicht anmerkt, dass »fremdes« Modulmaterial zur Verfiigung gestellt wurde. Die Bilder wirken stimmig und wie aus einem Guss, sie wirken so kongruent, als ob die Elemente gezielt nur fiir sie ausgesucht und collagiert wurden. Meine Anfangs gestellten Fragen; Wie geht der Bildermacher mit den Bildelementen gestalterisch und darstellerisch um? Wie werden die Elemente von den unterschiedlichen Autoren bewertet, wie werden sie eingesetzt, welche Bildelemente sind ihnen wichtig? Welche unwichtig? wurden mir hinreichend und zufrieden stellend beantwortet.
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obwohl die Aufgabenstellung eine Herausforderung darstellt, die ein Umdenken abverlangt und der Herangehensweise manch eines Bildermachers widerspricht. {Bilder 47 und 48; Stefan Michaelsen: Aug en zu und durch; Roman Adam: Augen zu und durch). »Die Themen und deine Vorlagen habe ich mir angesehen u n d auf den ersten Blick fiel mir aber nicht gerade spontan etwas dazu ein. Es fallt mir scheinbar nicht ganz leicht, mit vorgefertigten Elementen etwas Personliches auszudriicken. Vielleicht fallt mir das freie Assoziieren schwer, bei dem ich nicht einfach drauflos machen kann, wie beim Zeichnen«, schrieb mir eine befreundete Designerin. Die Aufgabenstellung fallt iiberdies gerade den Bildermachern, die fotografisch, journalistisch arbeiten, schwer. Sie suchen ihre Bilder, den Blickwinkel und die Perspektive und finden ihn im Augenblick und in der Fiille ihres lebendigen Kontextes. Hier n u n miissen sie festgelegte Bildteile erfinderisch kombinieren und inszenieren (Bild 49; Stefanie Guse: Was war da los?). Gleichwohl beinhaltet mein Projekt nicht die Aufgabe, die Elemente und das »Bildalphabet« zu bedienen, sondern sie zu n u t z e n . Form und Inhalt eines Bildes ergeben sich selbstverstandlich aus der Absicht des Bildermachers und nicht aus der eines Systems. Die Bildideen sollten sich in jedem Falle aus den Inhalten der Themenstellungen ergeben, u m erst anschlieEend Moglichkeiten fiir deren Umsetzung und moglichst mit Hilfe der Module zu finden. Zugleich nehme ich an, dass sich die eine oder andere urspriingliche
Bildidee mit den Modulen womoglich nicht umsetzen lie/^ und dass ohne die Modulvorgabe ein ganz anderes Bild zum gewahlten Thema entstanden ware, dass nun aber die Geschichte ganz anders erzahlt werden musste, als der Autor es ohne diese Beschrankung getan hatte (Bild 50; Silke Helmerdig: Was war da los?). Die Anzahl der Module des »Bildalphabets«, die fiar ein erzahlendes Bild benutzt werden sollen oder gar miissen, ist in meinem Projekt nicht festgelegt. In der Auswahl der 40 Module dasjenige zu finden, welches moglichst schon aus sich heraus eine Darstellung des konzipierten Bildinhaltes bieten kann, ist eher unwahrscheinlich. Daher miissen immer neue Zusammenhange der zur Auswahl stehenden Bildmodule gesucht und geschaffen werden. Der Bildermacher hat die Aufgabe, zu iiberpriifen, welche Module, in welcher Form (Darstellung) und Inszenierung der beabsichtigten Bildaussage gerecht werden konnen. Zudem zwingt das »Bildalphabet« den Bildermacher zu einer, quasi poetischen Umsetzung seiner Bildideen, da sich reale oder abbildhafte Darstellungen, wie schon bemerkt, kaum realisieren lassen (Bild 51; Stefan Michaelsen: Diegrofite Verdnderung, die es je im Fernsehen gab). Die anfangliche Irritation, die allein die konkrete Bezifferung der Elemente und der Begriff »Bildkatalog« ausloste, die Konsequenzen, mit denen die Beteiligten das »BildalphabeU< notwendig verbunden sahen, konnte ich hingegen bald entkraften, nachdem bewusst wurde, dass die Montage der Bildelemente, deren Skalieren und Verfremden
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und Selbstherstellen ein zusatzliches Potential fiir Formulierungen darstellt. Lars Keller schrieb mir: »Ich fand es letztendlich doch recht knifflig, da sich nicht jede Bildidee mit den gegebenen Elementen optimal umsetzen lieE. Wenn z.B. eine Eintagsfliege alles tut u m langer zu leben ist eine Fliege, auch wenn aus Kreis und Fliigeln zusammengesetzt, ein eigener Begriff, oder?« Ich antwortete ihm: »Nein, Punkte sind zugelassen und wenn die Fliigel entsprechend klein dem Punkt zugeordnet wiirden und beispielsweise ein Apfel in der Nahe lage, der massenhaft umschwirrt wiirde, liefte sich klipp und klar die Fliege a l s - i m Volksmund-Eintagsfliege identifizieren.« Ein Bildelement ware nicht neu hinzugekommen, sondern aus bestehenden zusammengesetzt. Ahnlich wie bei der Zuordnung von Haus und Frau, was leicht als Hausfrau assoziiert werden k a n n (Bild 52; Susanne Wolff: Ich tue alles um langer zu leben). Auf Grund dieser Argumentationen (die Darstellung eines Kindes lasst sich beispielsweise durch Skalieren der Personendarstellung erreichen) bekam ich die diametrale Kritik, dass meine Aufgabenstellung wiederum zu offen formuliert sei (Bild 53; Stefan Michaelsen: Augen zu und durch). Im bisherigen Verlauf des Projektes hat sich jedoch die Frage nach der Quantitat und dem qualitativen Potential der ausgewahlten Module nicht mehr gestellt (Bild 54; Kristina Heldmann: Augen zu und durch). Und n u n noch ein paar statistische Daten, denn die beantworten am besten die Fragen nach der Qualitat und Quantitat der ausgewahlten Bildelemente:
17 Bildermachern mochte ich fiir ihre Beitrage danken! — Susanne Wolff — Heike Schick — Henrike Gomber — Phoebe Helmbold — Sylke Liitzenkirchen — Roman Adam — Dietmar Schlaper — Stefan Michaelsen — Lars Keller — Andreas Liss — Stefanie Guse — Katrin Funcke — Kristina Heldmann — Ulrich Pester — Silke Helmerdig — Martin Scholz
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Insgesamt sind 84 Bilder entstanden, zum Teil als Einzelbilder von Bildsequenzen. Das Thema »Finde ich super!« wurde 9 x, »Was war da los?« 9 x, »So fing das Jahr an.« 15 x, »Ich tue alles, um langer zu leben.« 7 x , »Die aktive Bildungsgesellschaft« 6 x , »Die Folgen der US-Wahl fiir Europa und die Welt« 3 x, »Augen zu und durch« lOx, »Die grol^te Veranderung, die es
Fine letzte meiner Fragen war, wie weit lasst sich das Spiel treiben? Bislang ist die Frage in keinem Falle annahernd beantwortet. Ich habe in diesem Semester das »Bildalphahet« zum Inhalt meines Fachseminars
UTE HELMBOLD: 40 Bilder u n d n i c h t m e h r
gemacht. Wir sammeln und wir suchen welter nach Ausdrucksmoglichkeiten in einem limitierten Bildsystem. BILDER BETRACHTEN Die Stolpersteine-Bilder konnen Sie online auch in Farbe betrachten. Die von Ute Helmbold gezeigten Bilder linden Sie unter www.hbk-bs.de/ stolpersteine/bildsampling/uh#.jpg, wobei # fiir die jeweilige Bildnummer steht-also z.B.Bild 1 unter www. hbk-bs.de/stolpersteine/bildsampling/uhl.
m UBER DIE AUTORIN Ute Helmbold, Jg. 1958, Kommunikationsdesignerin mit dem Schwerp u n k t Illustration. Seit 1994 Professorin fiir Bildhafte Darstellung an der Hochschule fiir Bildende Kiinste in Braunschweig. Wichtigste Veroffentlichungen: WTWO Bilderbuch. Verlagsgruppe Handelsblatt, 1999. U. H., KLAUS PAUL & ULRIKE STOLTZ (Hg.): Bildersprechen. 6.Jahrbuch der Hochschule fur Bildende Kunste Braunschweig. Koln: Salon Verlag, 2003. U.H. & MARTIN SCHOLZ (Hg.): Stolpersteine - Gibt es Regeln fiir die Bildgestaltung? Wiesbaden: DUV, 2004 (Bd. 12 der Reihe Bildwissenschaften). U.H. ^MARTIN SCHOLZ (Hg.): Stolpersteine - Bilder lesen lernen Wiesbaden: DUV, 2004 (Bd. 16 der Reihe Bildwissenschaften). Website: (A?
http://www.derbildindex.de/