Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten Herausgegeben von Ulrich Schmitzer
Band
4
Martin S. Harbsmeier Betrug oder Bildung Die römische Rezeption der alten Sophistik
Edition
(j) Ruprecht
Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.
Die Umschlagabbildung zeigt eine traditionell als Vertumnus bezeichnete Antonius-Statue aus dem Louvre, Paris, in einer historischen Abbildung der Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Erlangen-Nümberg.
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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Edition Ruprecht Inh.Dr.R.Ruprecht e.K. Postfach www.edition-ruprecht.de
1716, 37007 Göttingen- 2008
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung außerhaib der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach
Layout: mm interaktiv, Dortmund Satz: Martin S. Harbsmeier, Berlin Druck: buch bücher dd-ag, Birkach
ISBN:
978-3-7675-3048-5
§ 52 a
UrhG.
Meiner Familie und Dorli
Danksagung Das vorliegende Buch beruht auf einem Teil einer Preisarbeit, die
2004
manistischen Fakultät der Universität Kopenhagen ausgezeichnet und
von
der Uu
im selben Jahr
von der Uumboldt-Universität zu Berlin als Magisterarbeit angenommen wurde. F ür Anregungen und Kritik sowie für lIilfe bei der Fertigstellung des Manu skripts danke ich herzlich N. Blöllner, C. J. Classen, S. Ebbesen, W.-WO Ehlers, E. lIarbsmeier,
T. lIeine-)Jielsen, D. Uentschel, D. Konstan, J. Mejer, T. Poiss, '\T.
Rösler, 11. Sander, U. Schmitzer und D. Sonnemann sowie dem Sonderfor schungsbereich
644 "Transformationen der Antike" für die finanzielle Unterstüt
zung bei der Drucklegung.
Inhaltsverzeichnis Abktirzungen..................................................................................... 8 Einleitung . . . . 9 l. Methodische Vorbemerkungen .. . 14 2. Ciceros philosophische Schriften ................................................... 18 2.1. Lucullus . . . . . . . . .. . . 18 2.2. Cato Maior de senectute . . . . . . . . . 22 2.3. Definibus . . . 23 2.4. Thsculanae di.<�putationes . . . . 25 2.5. De natura deorum . . . . 27 2.6. De offi ciis .. .. . . . . . . . .. . 34 3. Ciceros rhetorische Schriften........................................................ 35 3.1. De in'Ventione . 37 3.2. De oratore . . . 37 3.3. Brutus 48 3.4. Orator . . . . . . .. . . . .. . . 52 4 . Seneca ........................................................................................ 5 6 5. Quintilian . . . . .. . . 58 6 . Apuleius . . . 65 6.1. FWrida . . . . 65 6.2. De Platone et eius dogmate . . . . . . . .. . . 69 7. GeUius . . . . . .. .. . . . . ... .. ... . 73 8. Christliche Autoren . . . . 76 8.1. Tertullian . . . . . 76 8.2. Minucius Felix . .. 78 8.3. Laktanz............................................................................................... 80 9. Zusammenfassung . .. .. . . . ... .. ... . 82 10. Bibliographie. .. . .. . . ..... . . .. . .. . .. 85 Personen- und Sachregister . 90 SteUenregister . . . . 95 . . . . ....
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Abkürzungen DK
Diels, 11. & Kranz, W. ("1951), Fr�melue der Vorsokratiker , Zürich, [Nachdr. lIildesheim 1996).
D!li7>
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RE
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TLL
Thesaurus linguae Latinae, Leipzig 1900ff.
E. X,
Scott,
R. &
Jones, II. S., A Greek-Enlllish Le�;con, Oxford
"Keine andere geistige Bewegung kann sich an Dauerhaftigkeit ihrer Folgen mit der Sophistik vergleichen. Nicht, dal.� sie mit einem Schlage das griechi sche Geistesleben umgestaltet hätte, wir hatten vielmehr von einer gewissen Begrenztheit der Krei'le zu sprechen, in denen sie zunächst wirksam wurde. Aber was sie autlöste, konnte innerhalb des griechischen Lebens nie wieder ein wirklich Ganzes werden, und die Fragen, die sie stellte, die Zweifel, die sie weckte, sind durch die europäische Geistesgeschichte nicht mehr zum Schweigen gekommen, bis auf den heutigen Tag. " Albin Lesky (, 197 1 ), Geschichte der griechischen Literatur, Bem - München, 388.
Einleitung Warum ist eine Untersuchung der Rezeption der älteren griechischen Sophistik in der römischen Literatur relevant? Die Geschichte der älteren griechischen SophL'Itik L'It, wie Albin Lesky an der zitierten Stelle seiner griechischen Literaturgeschichte mit Nachdruck hervorhebt, in weitem Maße eine Rezeptions- und Wirkungsgeschichte. I Keine andere geistige Strömung hat wie die Sophi'ltik Generation um Generation dazu gezwungen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die von ihr gestellt oder verkörpert wurde, und das mit einer solchen Nachhaltigkeit, dass selbst gelehrte Diskussionen über das Thema häufig dazu tendiert haben, in einem persönlichen und engagierten statt in einem objektiven und distanzierten Ton geführt zu werden. Der eine wird geneigt sein, wie Lesky ferner schreibt, in der sophistischen Bewegung den Anfang einer fatalen Auflösung aller notwendigen Fundamente der menschlichen Existenz zu sehen, der andere dagegen den lebensnotwendigen Bruch mit einer eingefrorenen und veralteten Tradition (ibid. 389). Es ist eben schwierig, so erklärt W. K. C. Guth rie in seiner groi�en Philosophiegeschichte diese Tendenz, "to remain impartial in di'ICussing questions which are of such vital importance to the preservation of civi lized values in our own day" . '
2
Cf. Kerfem & Fla..har (1991'1: 10): _Eine Nae h"irkung der Suphistik, sufern sie iiher eine bloße negative oder po.itive - Ileurteilung hi naW
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Einleitung
Man kann sagen, dass die historische Wirklichkeit der Sophistik - im eigentli chen Sinne des 'Vortes - vor allem in den Meinungen ihrer Zeitgenossen und ihrer Nachwelt besteht und weniger darin, was die einzelnen Sophisten selbst gesagt, geschrieben und möglicherweise gemeint haben. Dieser rezeptionsgeschichtliche Prozess' nimmt seinen Anfang um die Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts mit dem Autkommen professioneller Sophisten und gipfelt im gewissen Sinne bereits im folgenden Jahrhundert, nämlich in der Rezeption der Sophistik bei Platon, dessen Werk und Denken in vielfacher I1insicht eine Reaktion auf Strömungen sind, die in Platons Augen von den Sophisten ver körpert wurden. Platons Reaktion auf die Sophistik erwies sich mit ihren vielen fundamentalen Fragen als so grund'lätzlich, dass sie in beispielloser Weise für die historische Wirklichkeit der Sophistik in nachplatonischer Zeit konstitutiv wurde und immer noch ist. Die Auseinandersetzung zwischen Platon und den Sophisten ist jedoch nicht nur das folgenreichste Ereignis der Wirkungsgeschichte der Sophistik. Platons Dialoge sind zugleich unsere ausführlichsten Quellen zu den Sophisten und der Sophistik. Es kann daher nicht verwundern, dass die Feststellung, unser Bild der Sophistik und der einzelnen Sophi'lten sei zutiefst von der negativen Darstellung in diesen Dialogen geprägt, geradezu zu einem festen t6lto� in modernen Monographien über das Thema Sophistik geworden ist.' Dieser t6lto� dient jedoch in der Regel nicht so sehr dem Zweck, die sophistische Rezeptionsgeschichte adäquat zu beschreiben, sondern soll vielmehr die angeblich von Platon unabhängige Rehabilitation der Sophisten in den betreffenden Monographien in ein besonders innovatives Licht rucken. s Diese Entlastung der Sophisten von ihrem Ruf als amorali'lchem und ge-
3 4
\'atOO was niten vicinus, the treatises they wrow mnstly frivnlnus and the practi<..-e they em..'oW'aged and the notio"" they instilled de moralizi ng" ( 1 47). Üher die.,en zugang zur Sophistik als einem rezeption,geschichtlichen PnJJ<e..... siehe Friedrich Tenhruck., anregenden Artikel,llie Sophistik als Aufklilrung' ( - Tenhrnck 1982). \)je llei.l'iele sind zahlreich. Ci. beispielsweise Havelock (1957: IN): "The histnry oi Greek politi cal thenry � L"I also oi Greek politiust has heen written in m(Klem time.", exacdy &"1 Platnn and Arh... totle would have wi,hed iUo he written"; Merklin ( 1976: 5): .,\Ja., Urteil tiber sie [sc. die Sophistik) ist auf den ersten ßlick ftir uns fast un..;lIktirlich durch die negativen Ztige he.-timmt, mit denen l'laton . . . das lIild der fiihrenden Sophisten in seinen zumeist nach ihnen benannten \Jialogen zeichnet"; Jarrat (199 1 : xvi und 1 ) : .,LJntil the nineteenth centory, the first ,ophi.-ts had heen hur ied. under twn miUennia oE neglect, an nuwnme uf the passionale L.'(mdemnatinn they prnvuked frnm t\Vu uf their (,.'(mtemporanes who have fared hetter in the histories, Plato and Ari."Ctotle"; Enos (199:1: IIN): "Centnrie., of .cho\ars a<.'Cepted the purtra)'al ur suphist.< as uppurtuni.-tic, glih and
arnor.d'".
5
Ci. z.lI. zuletzt Schulten (200,1: 1 4ff.), deren histurisch-kritische Analyse der .'ragmente und Teh'1imonien ",die in philosophischen \\oie historischen Studien \'orherrschende� \'erzerrte Pen-pek· ti,'e der platunischen llialuge" ( 1 4 ) entgegenwirken ,ull, um nicht "vun vurnherein der VUlwie lIend ,',m l'latnn geprä!lten, negati'"", lI enrteilu ng zu unterliegen" ( 1 6).
Einleitung
11
seIlschaftszersetzendem "set of charlatans" ,"wofür sie angeblich noch Ende des 19. Jahrhundert� gehalten wurden, darf jedoch heute als abgeschlossen gelten.7 In den wenigen bisherigen" stark summarischen Schilderungen der Rezeptions geschichte der Sophistik werden die philosophiegeschichtlichen Vorlesungen G. W. F. lIegeIs (zuerst 1805-1806 in Jena gehalten), in denen IIegel die Sophistik zum unentbehrlichen Glied der Dialektik der großen Philosophiegeschichte aufwertet, einstimmig al� die erste Wende in der Rezeptionsgeschichte der Sophistik be schrieben. Danach haben insbesondere die Darstellungen von George Grote (1859: 317-399), Friedrich Nietzsche (1912) und Werner Jaeger (1933), die die Sophistik jeweils al� legitimen Teil der atbenischen Demokratie, als einzigartiges, fort schritt�orientiertes kulturgeschichtliches Phänomen sowie al� seriöse intellektuelle Bewegung interpretiert haben, den Weg für eine differenziertere Rezeption der Sophistik gebahnt. In der Zeit vor lIegeI, so die bisherige Auffassung, wurde Platons Darstellung der Sophistik als einer Gruppe von "Wortverdrehern und rednerischen Spiegelfechtern, der es nicht auf Wahrheit und Recht, sondern allein auf Üherlis tung des Gegners mit allen Mitteln und Kunstgriffen der Dialektik und Rhetorik ankommt" (Metzke 1949: 275) von allen späteren Darstellungen fraglos übernom men. So schreibt George Kerferd in seiner einschlägigen 1981 erschienenen Mono graphie The Sophistic Movement unter der Kapitelüberschrift "Towards a history of interpretations of the sophistic movement" , dass Platons und AristoteIes' "out right condemnation ... not surprisingly remained the standard view for the next two thousand years Isc. bis lIegeI). If anything, the reputation of the sophi�t� became still worse - they provided what seemed ready-made material for moralising and christianising interpretations of history" (5)" Diese Auffassung wiederholt Kerferd
6
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[)je Bezeichnung ent,
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Einleitung
zusammen mit Helmut Flashar (1998: 7) im zweiten Band des neuen Ueherweg Praechter von 1998 diesmal besonders im I1inblick auf die Antike: ".. . Platons Urteil über die Sophistik im Ganzen und über einzelne Sophi.,ten r hat I das spätere Bild stark beeintlut�t. " Dies gelte ebenfalls für AristoteIes und dessen Definition der Sophi.,tik als Scheinwissen und des Sophisten als jemand, der mit scheinbarem, aber nicht wirklichem Wissen handele. Diese Definition "mit ihrem platonischen I1intergrund bestimmte entscheidend die Auffassung der Begriffe ,Sophist' und ,Sophistik' in der Antike, aber auch die Verwendung des Wortes ,Sophist' in den neueren Sprachen als Bezeichnung für Wortklauber und Schwindler, der bewußt falsche Argumente verkauft" (ibid.). Dass Platons und Aristoteles' Auseinandersetzung mit der Sophistik eine nicht zu überschätzende Rolle in der Rezeptionsgeschichte der Sophistik gespielt hat, steht auJ.ler Frage. 10 Ob die negative Darstellung der Sophisten bei Platon und Aris toteles von der Nachzeit tatsächlich so mechanisch übernommen worden ist, wie dies Kerferd und andere behaupten, darf jedoch in Frage gestellt werden. So haben Einzeluntersuchungen wie z.B. diejenige von Wilhelm Nesde und Carl Joachim Classen gezeigt, dass sowohl AristoteIes als auch Xenophon eine wesen dich diffe renziertere Sicht auf die Sophistik hatten, als es die oben skizzierte Platon dominierte Darstellung vermuten lässt." Dass dies ebenfall., bei Isokrates und den Vertretern der intellektuellen Kultur, die wir als die zweite Sophistik bezeichnen, der Fall ist, liegt auf der Hand. 12 Selbst Platons eigenes Bild der Sophi'lten ist letzIich nicht so einseitig verurteilend, wie es die zitierten Monographien und der Großteil der Platon-Rezeption zu verstehen geben. " Wenn man diese Forschungsergebnisse mit den zahlreichen Untersuchungen in Verbindung bringt, in denen nicht nur der rhetorische, sondern auch der philo sophische Eintluss der Sophistik auf die Nachzeit hervorgehoben wird," erscheint -
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1:1 14
L>ia!ogen und dann Aristoteies' Beschreibungen der .Suphistik" so nachhaltiger Einflu1� auf die b]latere ßeu.rteilung der Sophisten beschieden war . . . ... Obgleich Platoos und Aristotel.".· generener Eintlus.. auf die unmittelbar danach folgende henenis tische Philosophie auch nicht iiberbetunt werden sunte. Cf. hierzu \lossenfeIder (1 '111 5 : 30): .Es ist bemerkenfoM'ert1 daß Plato und Ari�1oteles keine.."!wegs epochemachend gewe..·«m sind in dem Sin ne. tIaJ� die unmittelbar auf sie folgende Zeit entscheidend durch sie geprägt worden wäre . . . Plato und Arih1:uteles t"';nd Tt�lativ eintlußlus gehliehen. sn tIa.ß man sagtm kann. daß. wenn sie nicht g� wesen waren. die henenu.-tische Philusuphie dennoch kaum anders ausgesehen hatte.- Ihre eigent liche rezeptiunsge""hichtliche llliite erleben Platon nach I\"ssenfelder (ibid.) erst im Neuplat(l· ni�mu.."i der Spätantike und Aristuteles erst in der scholastischen Tradition des �HrtelalteTs. l\e.-tle ( 1 ')40), Classen ( 1 ,)/H) und ( 1 ')114). Auch Kerferd ( 1 ')6'): 54) sowie itk>m & Flashar ( 1 ')')11: 7) vermerken. das. An.tutel.".' VerhiUtnös zu der Sophi.-tik differenzierter gewesen sei, als die. in der Regel angenommen werde. Obwnhl ls(,krates mitunrer auch ein recht negatives Bild der älrenm Sophistik zeichmrt. wenn er z.ß. seine Anhänger davor warnt, .sich zu intensh' mit dtm \Verken der iilteren S()phi�ten zu hesch� gen (lid. 2r. . Antid. 2611 , udv""'T,h. l ')f.). Vgl. hienu bei.l'ielsweöse Dodds ( 1 ')59: ')f.), der gegeniiber der ""rherrschenden Auffassung betont, dass Platon im G"Tgias die Titelfigur mit einem grundsatzlich�n R.".pekt behandelt. ßibliographie bei Kerferd & Fla..har ( 1 l)l)1I: 1 1 0-1 37).
Einleitung
13
die angeblich unangefochtene und monopolistische Autorität Platons nicht ganz so selbstverständlich, wie bislang angenommen. Es besteht vielmehr Grund
zu
der
Annahme, dass die Rezeptionsgeschichte der Sophistik nicht auf eine Kanonisie rung des negativen Bildes der platonischen Dialoge reduziert werden kann .
Insbesondere die Sophistik-Rezeption im Rahmen der römischen Philosophie und
Rhetorik könnte sich als differenzierter erweL�en als bisher angenommen. Denn hier dürfte die allgegenwärtige Mischung aus philosophL�cher Reflexion und konkretem, politisch-rhetorischem IIandiungskontext, die vor allem in Ciceros Leben und Werk vorhanden ist, für eine wohlwollende Rezeption der griechL�chen SophL�tik al� eine
praktische Philosophie fruchtbare Bedingungen geschaffen haben." Dieses Buch wird sich deshalb vor allem mit Cicero befassen, aber auch Seneca, Quintilian, Gellius, Apuleius sowie die lateinL�chen Apologeten Tertullian, Minucius Felix und Laktanz werden in den Blick genommen. Die römische Rezeption der alten griechL�hen SophL�tik ist auch aus einem wei teren Grund besonders VI'ichtig. Sowohl das nicht GriechL�ch lesende Mittelalter als auch noch die RenaL�sance bezogen ihre Kenntnisse der griechischen Philosophie in ,'iel höherem Maße aus lateinischen Sekundärquellen \\'ie Cicero und Quintilian als beispielsweise aus Platon selbst, der im westlichen Mittelalter weitgehend unbe kannt war und erst im
15. Jahrhundert in einer lateinL�chen Übersetzung vorlag.'·
Wenn es sich also zeigen sollte, dass das Bild der Sophistik in der römL�chen Litera tur sich von der platonischen Darstellung in wesentlichen Punkten unterscheidet, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Mittelalter und die Renaissance dieses Bild und nicht das platonische Bild geerbt haben. Aus diesen Gründen erscheint eine spezjfL�che Untersuchung der lateinL�chen Rezeption der Sophistik nicht zuletzt im Ilinblick auf die weitere Rezeptionsge schichte relevant.
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So hat ""reit., Classen ( 1 976: J, Anm. 1 7 ) in einer Anmerkung damuf hingewiesen. dass Cicero trotz. d�r Dominanz des Platon in lJe orutore ..wes�ntlich� EI�mente sdner Idealvon.1.ellung auf die Sophisten zunickführt". Salvatore Pricucu ( 1 9H5) hat in einem kunen Artikel den Venmch unter nommen, das Bild der Sophistik in der romischen Literatur zu rekonz..-truieren. Aher auch wenn der Artikel viele gute Oeuhachtungen enthält. gründet sich Pricuc.., ühergeordnete These. die RiJmer hätten gro,,"u mudu Platuns muralische Verurteilung der Suphisten ühernummen (4 60 und 46.1). auf einer m. E. viel zu uherflächlichen Untersuchung der Quellen. Z.O. ü""rgeht Pricucu gänzlich einen wesentlichen lateinischen Autur "ie Apuleius. Classen ( 1 9H5) heschäftigt sich in seinem Aufsatz ü""r die Suphistik in der antiken Traditiun ausschließlich mit der Rulle des Gurgia•. eber Ciceros ßedeutung für die Vermittlung griechischer Philusuphie an das Mittelalter und die Renaissance .iehe Dilthey ( ' 1 964: 2.499). Seigel (1 96H: .1ff.), Rüegg & a1. ( 198.1: 2065f.), Gersh ( 1 9H6: 1 .5,1 ) mit weiteren hihliugraphischen Angahen. Graftun ( 1 985: 6.15), Gawlick (1 96.1: pa.... sim). Pric'K." (19H5: 4 65), Striker ( 1 995: 54) Gorler & a1. (1 9H%: 6(9) so"ie Zielinski ( ' 1 <)29). Ü""r OJllntilians ßedeutung siehe Seel (1977: 2 J l ff.) ",,..ie Austin und Winterhuttum ( 1996: 1 290). Lateinische (:nersetzungen vun Platuns Dialugen wie z . O. Ciceros und ApuleilL" ver schwanden �nt\\leder bereitN in der Antike oder fanden nie eine groi1e Verbreitung, so dass prak tisch keine direkte Platonü""rlieferung von der Antike hi. in. frühe J.littelalter exi.tierte (Gersch 1 9H6: l .4ff.).
1. Methodische Vorbemerkungen Das vorliegende Buch ist keine Untersuchung "sophistischer Einflüsse auf römische Philosophie" oder ähnliches. Was die Sophisten, die Sophistik und ,das Sophisti sche' für die römischen Autoren waren, ist gerade das, was die Untersuchung ermit teln soll. Anstatt ein modemes Bild der griechischen Sophistik an die antiken Texte heranzutragen, sollen hier die antiken Autoren selbst gefragt werden, was für sie die Sophi'lten, die Sophi'ltik und ,das Sophi'ltische' waren, wie sie diese Phänomene be werten und warum sie sich überhaupt damit befassten. Es geht also um den Ver such, möglichst unvoreingenommen das Bild der Sophistik in der römischen Litera tur aus den Texten selbst zu ermitteln. Die Untersuchung wird daher auf direkte oder nominelle Befunde über die Sophistik bei den römischen Autoren beschränkt sein, d. h. auf Äußerungen jeglicher Art, durch die der betreffende Verfasser mehr oder weniger explizit zu verstehen gibt, dass er sich über die Sophistik 31'1 Phäno men oder über einzelne Sophisten äuL\ert. Die indirekte oder unartikulierte Rezep tion der Sophistik wird dagegen nur berücksichtigt werden, sofern sie zu erhellen vermag, inwiefern die artikulierte, nominelle Rezeption mit einer entsprechenden inhaltlichen Rezeption bei den jeweiligen Autoren einhergeht. Im Gegensatz zu beispielsweise Philostratos'
ten (2./3. Jh.
n.
ehr.)
Lebensbeschreibungen der Sophi.�
behandelt keiner der relevanten lateinischen Texte die So
phistik als unmittelbaren Gegenstand, etwa in der Form eines Traktats, in dem der Verfasser seine Sicht der Sophistik und ihrer Auffassungen systematisch darlegt und begründet. Alle relevanten Äußerungen befinden sich vielmehr in Texten, die andere Themen zum eigentlichen Gegenstand haben. Zudem handelt es sich in mehreren Fällen (Cicero und Minucius Felix) um dramatische Dialoge, in denen der Autor dramatische Figuren - darunter gelegentlich auch die Figur des Autors selbst - über verschiedene Themen diskutieren lässt. So trivial diese Tatsachen sind, ebenso problematisch sind sie im I1inblick auf die Rekonstruktion des Bildes der Sophistik in der römischen Literatur. Denn ,vir müs sen zunächst davon ausgehen, dass die betreffenden Autoren sich nicht über die Sophi'lten äußern, um die Nachzeit über ihre Sicht dieser Strömung zu informieren, sondern weil sie eine andere, übergeordnete Absicht mit ihren Äul�erungen verfol gen.17 Dass dem so ist, wird bereits dadurch bestätigt, dass wir bei demselben Autor auf verschiedene Äußerungen über die Sophi'ltik stoßen, die sich - atL'I systemati scher Sicht - gegenseitig widersprechen. So kritisiert beispielsweise Cicero an einer Stelle die Sophisten als Pseudophilosophen, die nur um des Geldes und des Ruhmes willen (scheinbar) philosophieren
(LucuUus),
an anderer Stelle aber lobt er sie
dagegen als geachtete Lehrer der guten alten universalen Bildung, dank der Men schen ,vie Perikles fähig gewesen seien, "richtig zu handeln und richtig zu reden"
(De orawre) . 17
Zur dieser methodischen Problematik v!ll . ß1f,ßner ( 20IJ l : 20.1 ) ••',rschner ( 1 999: 1 6.1 ) und Steinmetz ( 19/j9).
1. Methodische Vorbemerkungen
15
Dieser Umstand bedeutet, dass es mit viel analytischer Arbeit verbunden sein wird
zu
ermitteln, ob eine gegebene Äut\erung liOOr die Sophisten Ausdruck des
eigenen Sophistik-Bildes eines
gegebenen Autors ist, oder ob die Äußerung so ge
staltet ist, wie sie ist, weil der Autor mit ihr ein bestimmtes argumentatives Ziel erreichen wollte - mit anderen Worten: weil sie eine bestimmte, kontextuell be dingte, argumentative
Funktion
erfiillen sollte. Dass vor allem Letzteres bei erfah
renen Rhetoren wie z.B. Cicero und Seneca häufig der Fall sein dürfte, leuchtet ein. 'R Man kann sich
al<;
einfache Probe z.B. vorstellen, zu welchem Ergebnis eine
Untersuchung von Ciceros Bild der stoischen Philosophie käme, die ausschliemich auf der Stoikerschelte in der Verteidigungsrede für Murena beruhen würde. Nichts destoweniger hat man bis in die jüngste Zeit Ciceros Gebrauch von rhetorischen Strategien in den theoretischen Werken zur Philosophie und Rhetorik nur begrenzt beachtet, was vermutlich damit zusammenhängt, dass diese Praxis sowohl formal als auch inhaltlich dem widerspricht, was wir im Allgemeinen von einem theoreti schen Autor und von philosophischen Texten erwarten (T hraede
1995: 469). Diese
anachronistische Erwartungshaltung hat oft dazu geführt, dass Gesichtspunkte und Argumente, die nur in ihrer argumentativen oder persuasiven Funktion verständ lich werden, statt dessen
al<;
sachlich-systematische Inkonsistenzen betrachtet
worden sind, was in nicht geringem Maße zu dem negativen Bild von Cicero als
Hl
eber Cicero. Gebrauch rh&orischer Strategie cf. Graff (1 <)6.1 : 7 lf.), Thraede (I <)<)5: 45<)ff.) und vor allem U1,ißner (200 1 : 2051.) mit weiteren Literaturangahen: ,. . . . trotz der Tatsache, daß man mit dem Einsatz rheturischer Strategien in Reden, deren Zielsetzung ... pragmatisch vorgegehen ist. natürlich schon immer rechnen durfte, liegt es doch auf der I land. daß ein Autor solcher Reden seine l löreT nicht nur tiheT relevante Sachverhalte und Fakten infonnic:.'TL�. sondern daß er hie be einjlu.o.r..�n mr)Chte .. . Daß ein souver.1nes Verfügen über solche [sc. persua"i ive I Techniken, \\ie es Ciceros Reden für ihren Verfasser allenthalbtm helegen, auch der Autor philosophischer Dialoge heispiel"'weise dabei untemtUtztm konnte. Argumente für oder gegc..'n E-pikur! für .xler �egen die Stoa zu finden. liegt auf der Hand" (206). L.,onhardt ( 1 <)<)<): <)4) betont , Ja", die"er Fall z.ll. in Ci ceros DelinibtL"I v., rliegt: ",Auch im zweiten lluch ,'on Definibus hat Cicen, wie in einer Gerichts rede be\\oußt mit T.fi.uschungsmanf)\'em und geschickter, zweckgehundener L>isposition der Fakten gearheiret. Ob er hich im Vergleich zu Gerichts.recl.en hierbei gemaJ:\.igt hat (in der Tat werden \\-ir keinen wirklich großen ll..trug finden), hleiht ffir un. unüherprüfhar, Ja wir hei den ,echten; Re den in keinem Fall die Gegenrede erhalten haben. " Cf. auch idem ( l l ff.). Solche rhetorische Stra tegien .ind ferner in der stilistischen Textge.taltung erkennbar. So hat zuletzt " . Alhrecht (2003) gezeigt. da.....s Ciceros Sprachgebrauch sich markant danach unterscheidet, welches Genre er be handelt. v.,renn Cicero beispielsweise in den philos ophischen Schriften einen �rationelleren Stil" verwendet als in den Reden, z.ll. in F'onn \o'on häufigen ahsoluten Ahlati"en, Gr.fi..ziHmen u. a. (.\'. Alhrecht 2003: 2 7), dann ist das vennutlich nicht nur die F'ulge einer genremaßigen Konvention, sondern zugleich Ausdruck eines beWll."Ih-ten rhetoriseh-peTh"tJalll,iven Gebr.lUchs von Stilmitteln. In lJe orut"re ( 1 .44) und in lJe '!lfi.<.ii., (2.5 1 ) macht Cicero "elbst, worauf llIi,ßner (200 1 : 2(6) hin weist., keinen l l ehl aus der Tat.."Iache. dass er auch in den philo.·mphu..'U beWllSh'1. rhetorische Str'.ite gien eingesetzt habe.
16
1 . Methodische Vorbemerkungen
einem unselbständigen und unfähigen philosophischen Eklektiker beigetragen haben dürfte." Dass Äut\erungen eines Autors nur in ihrem Kontext verständlich sind, gilt in noch höherem Maße, wo es sich um dramati'lche Texte handelt. In diesem Fall ste hen wir als Interpreten zu.'lätzlich vor der Schwierigkeit, dass wir nicht ohne Weite res die Au.'lsagen der
im
Text auftretenden Personen als Au.'lsagen des Verfassers
betrachten diirfen. Das bekannteste Beispiel für dieses hermeneutische Problem sind die Dialoge Platons. Im Gegensatz zu Platon, den wir abgesehen von den um strittenen Briefen nur durch seine Dialogfiguren kennen, haben wir in diesem römi schen Zu.'lammenhang jedoch den Vorteil, dass Cicero sämdiche seiner Dialoge mit einem auktorialen Vorwort einleitet und dazu auch gelegendich selbst in den Dialo gen im eigenen Namen auftritt. Autlerdem kennen wir - anders als bei Platon Cicero auch auilerhalb seiner Dialoge. Diese Umstände machen es verhältnismäilig leichter, bestimmte Äutlerungen in Ciceros Texten als Ausdruck seiner eigenen Ansichten zu identifizieren, obwohl auch hier mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass Cicero sein literarisches Ich dem jeweiligen Kontext entsprechend un terschiedlich gestaltet hat. Alle diese Umstände kann man als Probleme betrachten, die den Versuch einer
Rekonstruktion des Bildes der Sophi'ltik bei den lateini'lchen Autoren erschweren,
wenn nicht sogar unmöglich machen. Man muss sich allerdings fragen, ob es tiber haupt sinnvoll ist,
um jeden Preis
beispieL'lweise Ciceros oder Senecas persönli.ches
Bild der Sophistik aus deren Schriften heraus rekonstruieren zu wollen. Denn ers tens können wir nicht davon ausgehen, dass die einzelnen Autoren ihr gesamtes Leben hindurch dieselbe Sicht auf die Sophistik hatten.'· Zweitens, und wichtiger, setzt sich die Rezeptionsgeschichte aus Literatur, nicht aus Ansichten zusammen. Wenn wir eine qualifizierte Darlegung der Rezeptionsgeschichte der älteren grie chi'lchen Sophistik in der römischen Literatur geben wollen, mtissen wir also nicht nur fragen, was die Autoren tiber die Sophisten und die Sophi'ltik vielleicht dachten,
llJ
20
Siehe z.U. Uarwick (l lJ63: 35ff.). Dagegen betont Leonhanlt ( llJlJlJ: lJ4) mit Ulick auf Ciceros philosophiie These von Steinmetz ist zwar dafür kriti siert '...·orden, dass es nicht m()glich sei, auf der Grundlage von Cicen)s Schriften eine klare chroß(J logische Entwicklung des philosophischen Standpunktes Ciceros nachzuweisen (kurze F'or schung.disklL""ion bei Gawlick & G,ir!er ]lJlJ4: lOH4ff.), aber die DisklL
1. Methodische Vorbemerkungen
17
sondern auch was sie konkret über die Sophisten sagen, wie sie e s sagen und vor allem warum sie es an der betreffenden Stelle sagen. Ehe wir uns der eigentlichen Untersuchung der Rezeption der Sophistik zuwen den können, muss noch eine grundsätzliche Frage angesprochen werden: Hatte man in hellenistischer und römischer Zeit überhaupt die Möglichkeit, Schriften der Sophisten im Original zu lesen, oder war man konsequent auf Sekundärquellen angewiesen? Wie ich an anderer Stelle zu zeigen versucht habe, " war es für interes sierte Leser in hellenistisch-römischer Zeit durchaus noch möglich, gewisse Texte der Sophisten im Original zu lesen. Dies galt jedoch übenviegend für die Reden und rhetorischen Schriften des Antiphon, des Kritias, des T hrasymachos und des Gorgias sowie für Kritias' ethnographische Schriften. Mit Ausnahme der philoso phi'lchen Schriften des Antiphon, die primär 31'1 rhetorisches Reservoir benutzt
wurden, dürfte die Überlieferung der eigentlichen philosophischen Produktion der Sophisten dagegen allem Anschein nach auf einige seltene Exemplare in Gelehr
tenzentren \vie Alexandria und Athen beschränkt gewesen sein. '\Tas die antike
Literatur über die Sophi'ltik betrifft, scheinen - von einzelnen Ausnahmen wie z.B. Philostratos'
Lebensbeschreibungen der Sophisten abgesehen - auch in der Antike
diejenigen Werke Platons und AristoteIes', die sich mit der Sophistik und den So phisten befassen, die einzige eigentlich monographische Literatur zu diesem The ma gewesen
zu
sein. Philosophisch interessierte Leser waren in der Antike also
grundsätzlich darauf angewiesen, sich über die Sophistik aus Platon, Isokrates und Aristoteles smvie aus weiteren sekundären Quellen \vie Handbüchern, Sentenz sammlungen, Doxographien und dergleichen zu informieren.
2. Ciceros philosophische Schriften
2.1. Lucullus Nur an zwei Stellen in seinem philosophischen Werk setzt sich Cicero mit eigendi chen philosophischen ÄuLkrungen der Sophi�ten direkt auseinander. Die erste Stelle ist der Anfang des zweiten Buches der ersten Ausgabe der Academici
libri.
(Lucullus). Cicero bietet hier in guter peripatetischer Tradition seinen Lesern eine kurze er kenntni�theoretische
dissen.�o philosophorum,
in der auch die relativistische
Ansicht des P otagoras, "für jeden sei das wahr, was jedem wahr zu sein scheint" �, genannt \vird.-- Cicero geht auf den Relativismus des Protagoras nicht näher ein, es ist aber bezeichnend, dass Cicero Protagoras' erkenntni�theoretischen Standpunkt a1� eine unter mehreren philosophischen
öO�lXt
autli�tet und diesen Standpunkt in
keiner V{eise als etwas spezifisch ,Sophistisches' gegentiber den Standpunkten der tibrigen philosophischen Schulen der
dissen.�i.o
kennzeichnet." Protagoras wird
hier also a1� Philosoph unter Philosophen behandelt, was freilich nicht bedeutet, dass Cicero die Sophi�tik im Allgemeinen als ernst
zu
nehmende philosophische
Strömung oder Schule betrachtet. In einer frtiheren Passage im
Lucullus (72f.) hat
Cicero seinen Lesern deudich mitgeteilt, was er unter einem ,Sophisten' versteht. "Als Sophisten", schreibt er hier, habe man di�ienigen bezeichnet, "die Philosophie betrieben, um sich selbst darzustellen oder um des Geldes willen"
(72 sic [sc. sophi.�tae I enim appcllabantur ci, qui ostentadonis aut quaestus cau.�a philosophahantur). " Doch i�t diese Definition tat<;ächlich ein Ausdruck von Ciceros Bild der sophi<;ti schen Bewegung? Um diese Frage
zu
beantworten, mtissen wir den Kontext etwas
näher betrachten. Die zitierte Definition steht nicht um ihrer selbst willen an der betreffenden Stelle
im Text,
sondern ist ein Teil von Ciceros Antwort auf Lucullus'
antiocheische Kritik der ,Neuen Akademie'. Ehe wir darüber spekulieren können, ob wir es hier mit Ciceros eigener Meinung zu tun haben, mtissen wir also erst ver suchen zu ermitteln, welche Funktion diese Definition im argumentativen Kontext der Passage erftillen sollte. Die Kritik des Antiochos-Anhängers Lucullus schloss ein, dass die ,neuen Aka demiker'
unrechtmäilig
die Vorsokratiker
a1� Vorbilder für ihre
skeptisch
aporeti<;che Linie verwenden \viirden, weil die alten Philosophen gar keine Skepti ker, sondern Dogmatiker waren
(13-15).
In seiner Antwort hierauf greift Cicero bei
dem Versuch, die alten Philosophen als Vorläufer ftir die skepti<;che Linie wiederzu-
22 2.1 24
1 4 2 id (..'uique 'Oc:..,,-u m e.",,� quod (..ouiqu.e t...ideatur. 1 4 2 ... uliud iudidum I'mta!l()TUe est ...• uliud C:vrenaim.um ...• uliud Epicuri Ich folge an di�er Stelle der Konjektur von Goerenz, der am..1:att des phil.usophanrur der Hand schriften philo.�f)pha'JUntuT liest.
2. Ciceros philosophische Schrihen
19
gewinnen, als erstes Anaxagoras heraus und referiert dessen berühmt-berüchtigtes Paradoxon, der Schnee sei schwarz (72, cf. 59 A 97 DK). Anaxagoras' Begründung, der Schnee sei deshalb schwarz, weil er aus schwarzem Wasser bestehe, wie auch seine Schlussfolgerung, dass auf Sinneswahrnehmungen folglich kein Verlass sei, referiert Cicero allerdings erst später ( 100)." In dieser Passage versucht er zu nächst, seine Verwendung des berühmten Paradoxons als Beleg für den Erkennt nisskeptizismus des Anaxagoras damit zu begründen, dass er in Form einer rhetori schen Frage abstreitet, dass Anaxagoras ,Sophist' gewesen sei (72 num hic sophistes?). Diese Leugnung erläutert Cicero wiederum dadurch, dass er einerseits ,die Sophisten' al'l "diejenigen, die Philosophie betrieben, um sich selbst darzu stellen oder um des Geldes willen" definiert, andererseits betont, Anaxagoras sei wegen seiner Seriosität und seiner Begabung hoch gefeiert worden (ibid. maxima fu,it et �Ta'L-itatis et in�enii �loTia). Ciceros argumentative Strategie ist klar. Um Anaxagoras' Aussage über die schwarze Farbe des Schnees als Beweis für dessen angeblichen Skeptizismus in Anspruch nehmen zu können, muss die Aussage als Ausdruck ernsthafter Philoso phie gesichert werden. Dass diese Inanspruchnahme nicht so selbstverständlich war, wie Ciceros plakative Behauptung, Anaxagoras sei wegen seiner Seriosität hoch gefeiert worden, suggerieren soll, bezeugt bereits Ari'ltoteles, der in der Thpik ( 105a7) notiert, Anaxagoras' Behauptung sei so absurd, dass sie durch die bloL\e Wahrnehmung widerlegt würde. Wir wissen auL\erdem, dass der Sokratiker Ai'lchines Anaxagoras in der Tat wegen ,Sophisterei' angegriffen haben .'1011.'6 Cice ro gelingt es allerdings, mit einem kleinen rhetorischen Trick diesen Vorwurf der "Sophisterei" für sein eigenes Argumentationsziel positiv auszunutzen. Schauen wir uns die Funktion der Definition der Sophisten in Ciceros Argument näher an. Das Argument funktioniert so: Cicero teilt den Sophisten eine Eigenschaft zu (das Phi losophieren um des Geldes und des Ruhmes willen), die nach geläufiger Meinung auf Anaxagoras nicht zutrifft. Demnach kann Cicero mit seiner rhetorischen Frage zu Recht implizit konkludieren, Anaxagoras sei kein Sophist gewesen. Doch diese an sich gültige Konklusion ist für Ciceros eigentliches Anliegen, nämlich die Be hauptung, Anaxagoras sei die Ernsthaftigkeit selbst, logisch wertlos, denn es führt kein zwingender Weg von der Fest'ltellung, Anaxagoras habe nicht um des Geldes und des Ruhmes willen philosophiert, zu der Behauptung, seine Philosophie sei in 25 26
[)er SyllugismWl setzt dabei vuraWl, da... wahrnehmbare EigellHehaiten der [)inge permanent .ind. Zu Cieem. LJmgang mit Anaxaguras' Paraduxun viii. Straume-Zimmermann & aI. ( 1990: 4231.). Athenaius 220b � 59 A22 [)K " lif. ,KaUi�' autoü [sc. Aischine.'[ IIEP'ExEt ... lCai "",v npoliimu lCat AvOO;a.,opou tiilv O"ocp,O"tiilv litap.OOlCIlO"tv. Wie man sieht, stammt die llezeiehnung 1'iilv 004ptcJ1'rov vun Athenaios, aber die Zusammenstellung von AnaxagoraH mit I'r(xIikos s..\\oie die im fulgenden referierte Kritik der beiden aI. Lehrer "Iß "Verwurfenheit und Appetit auf da. Schlechte" (1Wl(""pi� mi IlEpt ta cpaüÄ.a Ä.tl(vma;) deuten darauf hin, <Jas.. die Anklage wegen ,Suphisterei' einen Teil vun Aischines' Kritik darstellte. Auch l Iarpukratiun (59 A2 [)K) und [)i,K1ul"W! Si...'l1IIL. ( 1 2.39 � 59 A 17 [)K) bezeichnen Anru
20
2. Ciceros philosophische Schriften
höchstem Maße ernst zu nehmen. Der Weg zu dieser Behauptung ist also kein logi scher, sondern ein rein suggestiver Weg. Ciceros Argument basiert darauf, dass der Leser von sich aus die Definition der Sophisten
um
die Prämisse ergänzt, wer für
Geld und Ruhm philosophiere, sei ein unernster Philosoph. Damit baut Cicero den impliziten Syllogismus auf, Anaxagoras müsse, da er kein Sophist und somit kein unernster Philosoph sei, folglich ein ernsthafter Philosoph gewesen sein. Dieser von Cicero lediglich suggerierte Syllogismus ist allerdings nur scheinbar gtiltig, denn v.'irkliche Gültigkeit wiirde voraussetzen, dass es auLler den beiden Möglichkeiten unernst - ernst keine weiteren Alternativen gäben
(certium non darur).
Doch wer
kein unernster Philosoph ist, muss nicht automatisch ein ernsthafter Denker sein. Der Charakter von Ciceros Argumentation ist also in hohem Maße suggestiv, und vor diesem IIintergrund stellt sich die Frage, ob die Definition der Sophisten auch v.'irklich Ausdruck einer allgemeinen Auffassung der älteren Sophisten ist oder ob sie von Cicero speziell für diesen Zusammenhang konstruiert wurde. Die suggestive Präsentation der Definition der Sophisten als historisches Referat
appellabantur)
(sic enim gra'L'itas des Anaxagoras (. . . maximafuit etc. ), obwohl dies, wie
sowie insbesondere die Darstellung der
als eine unanfechtbare histori�che Tatsache
erwähnt, keineswegs gegeben war, legt die Annahme nahe, dass Cicero auch die Definition der Sophisten für seine zweifellos bewusst suggestive Strategie gezielt geprägt haben könnte." Wir müssen also davon ausgehen, dass Ciceros Definition der Sophisten Ausdruck seiner persönlichen Auffassung der sophistischen Bewe gung sein kann, aber keineswegs sein muss. Gleichzeitig ist klar, dass selbst ein erfahrener Rhetor wie Cicero nicht willkür lich Sachverhalte so definieren kann, dass sie seinen argumentativen Zielen mög lichst dienlich sind. Auch er muss sich wie jeder Redner daran orientieren, was der Zuhörer oder Leser akzeptieren wird. In diesem Fall setzt Cicero also voraus, dass der Leser - wenn auch stark beeinflusst durch Ciceros suggestive Argumentation zumindest grundlegend bereit ist, sowohl den impliziten Mangel an Seriosität bei den Sophisten als auch die Seriosität des Anaxagoras aufzufassen. Ciceros Definition der Sophisten trieben, um sich selbst darzustellen oder
um
al�
als
historische Tatsachen
"diejenigen, die Philosophie be
des Geldes willen", muss somit sowohl
für Cicero selbst als auch für seine zeitgenössischen Leser jedenfalls eine
mögliche
Auffassung der sophistischen Bewegung gewesen sein. Es ist daher sinnvoll, etwas näher auf diese Definition einzugehen. Die Charakteristik der Sophisten als Personen, die nach Geld und Ruhm statt nach eigentlicher,
seriöser philosophischer Erkenntnis streben, ist eindeutig. Um philosophabanrur folgern dürfen,
stritten ist dagegen, ob v.'ir aufgrund des Wortes
dass die älteren Sophisten zu Ciceros Zeiten trotz der geschäftsmäLligen und osten-
27
vgl. Steinmetz ( l 'IIi'l: I'!), der ohwohl er die ALudemid WH' zu den Werken des ohjektiveren CiL'L"Tf) reft�(.'TL'" z.ählt� dennoch mit Blick auf u. a. c..lies� \Verk n()ti�rt. man werde " damit rechnen . daß er [sc. Cicen> ] das eine oder andere sc hon im l linhlick auf eine bequemere Kritik ZiUTechtge ruckt hat;'.
2. Ciceros philosophische Schriften
21
tath'en Form ihres öffentlichen Auftretens dennoch als Philosophen und nicht nur als Lehrer der Rhecorik betrachtet vlurden. ZR Um diese Frage beantworten zu kön nen, müssen wir erneut auf den argumentativen Kontext schauen. Für sein Argu ment kann Cicero die Sophisten nur in ihrer Eigenschaft als Philosophen verwen den, damit sie als Schau- oder Berufsphilosophen mit Anaxagoras als echtem, von unabhängigem und wahrheitssuchendem Ernst gekennzeichnetem Philosophen kontrastiert werden können. Auch hier gilt al�o einerseits, dass Cicero genau diese Definition der Sophi�ten als einer Gruppe von minderwertigen Berufsphilosophen für seine argumentativen Ziele zweifellos absichtlich ausgewählt hat, und anderer seit.� , dass er hierbei nur ein Bild der Sophistik zeichnen konnte, dem der Leser ohne Weiteres zustimmen würde und das somit mehr oder weniger allgemein ver breitet sein musste. Noch in derselben Lucullu.�-Passage liefert Cicero eine weitere Definition, die für sein Bild der Sophi�tik relevant sein könnte. Den Abschnitt über die vorsokrati schen Vorläufer und Vorbilder der skeptischen Philosophie beschlieL\t Cicero mit einer Bemerkung über die Dialektiker Stilpon, Diodor und Alexinos, die aufgrund ihrer verdrehten und spitzfindigen ao
2')
Zu dem Wort philo."rphabantur siehe Anm. 2 4 . Cope ( 1 1155: 1 29) zieht auf der Grundlage die"er l'aNsag� (ac. 1 72) den fulgenden Schlmls: ., F'rom this we team that . . . in GiccnJ ·s time these men were looked. upon 3S philosophers. anti not mere professors uf ar1:N, ur im..1nIctoI'N of yuuth .. :. [ l lervorh. d. Verl. [ . I)agegen meint Reid ( 1 1l1l5: 2 6 1 ) mit Verweis auf Cicero. hreite Auffas..ung de. l.Iegriff"" '1'1"""0'1'10: (ihid. 2 4 . vgl. Cicero, div. 2 . 4 ) , Cop" interpretiere zu viel l.ledeutung in das \Vort phülJsophabantur hindn; Cicero ,�merdy judged. of the .sophL"!t frorn Plato, and NUpplies no fresh evidence a.s to his character"'. Eine Formulierung in Platons Politeia (4,)6a7f.) scheint voraWizuse1:zen. da.� der Begriff bereits allgemein bekannt ist: �\Vas für eine Art \'on Gedanken und Meinungen wollen "ir �en, dass hie [.c. diejenige, die für die Wachterdushildung nicht geeignet .ind I erzeugen'! Kicht etwa "..lche, die in \Vahrheit verdienen. als aorplalJuta bezeichnet zu werden . . . ...� So i.st es durchaus, antwortete er'" (&p ' 0Ux 0>; aAl1"iii<; "p<>; (.1/,v o?,v, ;;'1'11). Ari"tutele" definiert den l.Iegriff in der Topik ( 1 62a16). Eine Ühemicht üher die l.Iegriff.ge"chichte hietet Eh he.en (1995). Siehe auch idem (1911 1 : 1 .2:1f. ).
2. Ciceros philosophische Schriften
22
wiegend technische Bezeichnung geworden.'· Auch die ausführliche Behandlung des Themas bei Sextus Empiricus zeigt, dass aoqltal1ll"t1l in der hellenistischen Tra dition eher mit den dialektischen Übungen der Megariker phisten assoziiert wurde." Ciceros Erwähnung des Begriffs
als mit den älteren So im Zusammenhang mit
den drei genannten megarischen Dialektikern bestätigt diesen Eindruck. Wenn wir das Material aus dem Lucu/.lus rekapitulieren, setzt Cicero mit seiner gezielten Instrumentalisierung der Sophistik also voraus, dass seine Leser eine durch und durch platonische Darstellung der älteren Sophisten akzeptieren wUr den, derzufolge sie durch eine abhängige, durch Eigennutz motivierte (schein} philosophische Tätigkeit gekennzeichnet sind, wodurch ihre Gesichtspunkte als ernsthafte philosophische Meinungen grundsätzlich disqualifiziert werden, und wodurch sie sich von ,richtigen' Philosophen unterscheiden, die - dürfen wir umge kehrt schließen - durch uneigennützige Suche nach Erkenntnis gekennzeichnet sind.
Ciceros Aufnahme von Protagoras'
Standpunkt unter die erkenntnis
theoretischen Positionen der übrigen philosophischen Schulen zeigt jedoch, dass diese wertende Unterscheidung zwischen richtiger Philosophie und der Schau philosophie der Sophisten offenbar nicht automatisch auf konkrete philosophi�che Ansichten der einzelnen Sophisten übertragen wird.
2.2 . Cato Maior de senectute Eine ähnliche Tendenz finden wir in der Schrift
Galo Maior de senectute.
Im Rah
men eines kleinen Katalogs besonders betagter Griechen, die trotz ihres hohen Alters weiterhin produktiv waren, rechnet Cicero Gorgias, der laut einer populären
.1 0
31
In den S"phi...n.."hL.... IVKk'Tlegu'Vl<... . Aristoteie. Traktat iiher da.. Thema. wird Antiphons Li.. sung."Ivorschlag zum Prohlem der Quadratur des Kreises beiläufig als ßeih-piel eristischer Praxis eT wahnt ( l 72a7). und iiher Gorgi"" heiL�t es. alle hi.herigen l1nterricht..methoden in der Eru.-tik "se;' en dem S�"'1:em des Gorgia.. ahnIich" ( l li3h31i). �ehen diesen heiden I Iinwei.en scheinen die älte . ren Sophl"ltenjeJoch keine wesentliche Rolle in Aristoteies Traktat geh-pielt zu hahen. Siehe Sextus Empiricus, Pyrrh. 2 . 2 29ff. : _So eilen uns die lJialektiker in vollem Ernste zu Hilfe. indem sie versuchen, uns das Prinzip der crocplO'J.luta sowie ihre l1ntenmhiede und U:'sungen ZiU lehren" (229 Ö\� � �'lMVtE� oi Ö'aAelC'fllCOI .. . EVVOIUV "ui ta� ölaq>opa� "ui �a� rnlÄuaE� öq trov ao.pla�t"'v IlETa CIIIoUöij; ftlla, ltElpiiiVtUI ölooa"E'v). lJiogenes wem<>s (2. 101i) er wahnt den lJialektiker Euhoulide.. alL. dem 4. Jahrhundert als Erfinder einer ganzen Reihe he rühmter ao.p(a!lutu. die [)jogenes al.. ,dialektische 'A.&yOL' hezeichnet. Reid ( l lili5: 2 6 1 ) "erwe;,,1: allerdings auf ValeriUH Maximus l . ,s ext. H als lleleg für die Verhind.ung zwischen dtm älteren So phisten und der Praxis der O'QlJ)ioJ.lu'ta. Valeriwi Text lautet.: ,. . . . da er ein Anhänger die.",er Art von 'Wis.·«mschaft \,,.ar , deren Lehrer Sophisten genannt \,,'erden. nfunlich einer lehren und liigenhaften .\oteinung.",erzeugung, . . ..• (hic, ,-,um du.", studii c.�·u�t L"Uiu.", pn)fe.�f)Te.", sophi.'itae vm.'C.tntur, inc..7JUte (,1(. mcndaL'i.� opinationi.", . . . ). Dei der Person, Uaphites oder lJaphit3s, die Valerius hier he schreiht, handelt es sich jedoch wahrscheinlich um einen Gnunmatiker und I lomerkritiker alL'\ dem 2 . vorchristlichen Jahrhundert (Strahon 647 und die Suda s.v.). Daher denkt denkt Valerius hei dieHtm Lehrern von hetrügerischer Meinungrrerzeugung wahscheinlich nicht an die alteren So phisten. sondern eher an hellenisti.che Gelehrte und Grammatiker. Cf. WardIe ( 1 991i: 275) und �Iont.anari ( 1 997: 3 1 1 ) .
2. Ciceros philosophische Schriften
23
Tradition aul\erordentlich alt wurde," zunächst nicht zu den Philosophen, sondern stellt ihn - als öffentlichen Rhetor - mit Isokrates zusammen." In einem früheren Abschnitt
(5.13) hingegen stellt Cicero Gorgias direkt neben Platon, der ebenfalls (scrihens est mOTtuus), und stilisiert ihn gerade
"noch schreibend" gestorben s ei
zu zum stoischen ·Weisen, indem er - ganz ohne Ironie - eine der vielen Anekdoten über den alten Gorgias \viedergibt. So soll Gorgias, als er einmal im hohen Alter gefragt wurde, warum er so lange am Leben bleiben wolle, die "vortreffliche und einem gelehrten Manne würdige Antwort" gegeben haben, er habe "an dem Alter nichts auszusetzen" . Gorgias, der trotz seiner hundertsieben Jahre in seinem wis senschaftlichen Eifer und seiner Produktion (studio
atque opere)
nie nachgelassen
hätte, \vird an dieser Stelle ausdrücklich als Gegenbild zu allen in.
lung des Gorgias al� weisen Greises auch die Mittel aus Platon. Die Kritik an den
i:lulipientes
ist ein direktes Echo der Anfangsszene der platoni�chen
der Cicero auch am Anfang des
Cato
Politeia,
von
einen beträchtlichen Teil mehr oder weniger
wörtlich übernommen hat. In der betreffenden Szene lässt Platon den alten Kepha los seine Gleichaltrigen eben dafür tadeln, dass sie nicht sich selbst, sondern das Alter für ihre Leiden verantwortlich machen, und Cicero lässt hier al�o Gorgias, den traditionellen Gegner des Sokrates, die Rolle der - durchaus positiv gezeichne ten - platonischen Dialogfigur Kephalos übernehmen.
2.3. De fin ib us Wie
im Lucullus setzt Cicero auch in Definihus
die Sophisten mit einer bestimm
ten Form philosophischer Praxis in Verbindung. Im methodischen Vorwort zum zweiten Buch
(2.1)
erklärt Cicero, er werde sein Thema nicht wie ein "Philosoph,
der irgendeinen systematischen Vortrag hält"
'Vohis aliquam explicaturum),
(tamquam philosophum . . . scho/am
behandeln, da er diese Praxis nie - nicht einmal bei
den Philosophen selbst - gebilligt habe (ibid.). Diese Praxi� des dogmatisch dozierenden Vortrags stamme, fährt Cicero fort, von den älteren Sophisten und in erster Linie von Gorgias, der " es als erster unter den Sophisten gewagt hatte, sich in
32 3.1
.14
Powell ( l \//>H: 1 3 1 ) fUhrt eine ganze Reihe von Paralleliih.,,-lieferungen auf. Cf. ferner Kerferd & �'Iashar (1 \/\//>: 44). 7.23. In dem kleinen Katalog erwahnt Cicero zuerst die Dichter (!\'um lIumL-rum ... ), dann Isokra !es und Gorgias (num qtw.� ante dh-.j, lsoc...>rat.em Gorgiam) und zuletzt die Philosophen (num philo:.f,ophurum prindpes Pythagorum, 1k�moc....,;rum . . . coegit in sui..� studiis olnnute.�ceTe senc<,otu...'of?) . . . . G(}�ija.", (..!(.,.,-ttu.m ct .�eptem L'fJmpk"tJit anno."'. RequC! umqw.t.m in MUH studio. utque OpL'TC! ee.",-""-''Cit. Qui (..'u m Co:."t" cu quaereretur, '-"ur turn diu vellet e..�se in 't:ita, ,nihil hnheo\ i1UfUit, ,qwxl lU..!(..'usern seneL'tulern'. Praeclantrn re.�J(m.."Atm tlf: docto hmnine dignum. Sua enim vitia insipientc..", et suam L'ulpam in scne<..'lulern tvmjerunt..
24
2. Ciceros philosophische Schrihen
einer Versammlung aufzustellen und jeden aufzufordern, ihn zu bitten, über ein be liebiges Thema zu sprechen"." Diesen gorgianischen Wunschkonzerten, die Cicero als "dreistes" und "schamloses" Unternehmen (2.1 audax negotium diccrem impudcns) bezeichnet, stellt er das sokratische Elenchos-Gespräch gegenüber, das darin bestehe, dass der erste Gesprächspartner seine Meinung vorträgt, worauf der zweite diese zurückweist, der erste daraufhin seine nunmehr revidierte Meinung darlegt etc. Dass diese Gesprächsform die bessere Methode sei, sieht Cicero durch die Dialoge Platons als erwiesen an (2.2 ut c Platonc intcUcgi potcst). Denn aus ihnen gehe deutlich hervor, dass Sokrates, "der zu Recht Vater der Philosophie genann t werden kann" , diese dogmatisch-dozierende Form nie praktiziert, sondern vielmehr diejenigen, die sie praktizierten, nämlich Gorgias und die anderen Sophis ten, verhöhnt habe.3• I1ier übernimmt Cicero sein Bild der Sophistik also direkt aus den Dialogen Platons, die er offenbar al'! verlässliche historische Quelle betrachtet. Mit seiner ,platonischen' Kritik der sophistischen Epideiktik zielt Cicero im Kon text von Dc /inib us jedoch nicht so sehr auf die alte Sophistik des fünften Jahrhun derts, sondern vielmehr auf die akademische Schule seiner eigenen Zeit. Diese habe nämlich, wie Cicero bemängelt, die gorgianisch-dozierende Epideixis als Me thode behalten, bis Arkesilaos endlich die sokratisch-fikeptische Methode wieder eingeführt habe. " Cicero ist hier offensichdich bestrebt, jede Art von nicht sokratischem, dogmatischem Philosophieren zu diskreditieren, und um dieses Ziel zu erreichen, lässt er die dogmatische Form des Philosophierens als Erbe der so phistisch-epideiktischen Praxis erscheinen. Dieser Vergleich ist zunächst rein for malcr Art. Cicero vergleicht den dogmatischen Vortrag mit der sophistischen Epi deixis. Zugleich verweist er aber auf die angebliche historische Tatsache (2.2 ut ... intcllegi p o test) , dass die Sophisten von dem Dialektiker Sokrates gründlich ver lacht wurden, und erreicht somit, dass das zweite Vergleichsglied (die Sophisten) zu.'lätzlich mit einem qualitati'Ocn Aspekt versehen wird. Damit legt Cicero dem Leser nahe, auch diesen Aspekt auf den ursprünglichen Vergleich zu übertragen, d. h. den suggerierten, aber keineswegs logisch zwingenden, umgekehrten Schlu.'!s zu ziehen, dass die formalen dogmatischen Erben der Sophi'!ten auch in qualitati ver I1insicht den Dialektikern unterlegen sind. Auch in Dc /inibus ist Ciceros Darstellung der Sophisten also Teil einer stark persuasiven Argumentationsstruktur. Auch hier envähnt Cicero die Sophistik nicht 35
:16
:17
ihid. ClI'rum erat i..'ft.e mmr. qui turn suphistne numinaoontur, quurum c numenJ primu.."1 e,lIIt ausu,"1 Lcuntinu.."1 ()urgia."f in cunwntu puscen: quu.c..mOf1,(..>Jn, id e.."ft. juIK..� dlccre, qua de rc qui.."1 ",-eilet awliTC. ibid. Quundo cnim S,,,TUt.r:s. qui puren.. philosophiac iurc die; p"tcs� quiL"qUam talefodt? . . . 2.2 Scd (..'t iUurn, quem runninut."i, (..'t (,.'elenJH sophistns, ur e Plaume intellcgi pot.c."It, 1u,,",,,"1 'UUk.?n1L"I a S''''.....re. vgl. etwa Platnn, Prot. :l2I1d.lff. und 0,,'1l. 447b9ff. 2 . 1 AuJax '"'I!ntium diL't.'f'<."" impudcns. ni.ori hoc in.,ntutum ".�.rea tran..latum aJ phi/"H"ph"•• ntJHtros eHS,"t . . . . 2.2 qui mt...."" ,"Um a pmrteriorihu.."" non eBNet ret,"11.tUH, Arcesila."" ,"Um Tt."'VfK.'U'Oit. Icb nebme mit Madvig ( H I76: 1:18) und Reid ( 1 925: 1 (14) an, da..,. "'�'
2. Ciceros philosophische Schriften
2S
um ihrer selbst willen, sondern setzt sie als argumentatives I1ilfsmittel für seine eigene Ziele ein. Der Rtickgriff auf Platons Darstellung der Sophistik a1� eine angeb lich historisch verlässliche Quelle ist daher mit Vorsicht zu geniel.\en, denn es liegt auf der Hand, dass Cicero - im Rahmen des Glaubwtirdigen - gezielt solche Ele mente aus Platons Darstellung auswählt, die ftir seine Zwecke dienlich sind, und dabei gleichzeitig versucht, Platons Angaben als historische Fakten erscheinen zu lassen.
2.4. Tusculanae dispu tationes Die Th.�kulancn sind eine Art praktisches Exerzieren in der dialektischen Methode, für die Cicero in Dc.finibus plädiert." Dabei ist es charakteristisch, dass Cicero nur Sokrates und Platon zu Urhebern der dialektisch-skeptischen Methode des in ucramquc partern disscrcrc (5.11) macht, obwohl Protagoras auch gelegentlich als �erster Erfinder" (ltpiiYro� ruPETft�) dieser Methode überliefert wird (z.B. bei Dioge nes Laertios 9.51). Auch in anderen Dialogen fUhrt Cicero die Skepsis auf Sokrates, nicht auf Protagoras zurtick." Der Grund hierftir dürfte sein, dass Cicero das plato nische und aristoteli�che Urteil tiber die sophistische Dialektik a1� eine rein formale eri�tische Ctv't'tAoYUCI] 't'EXVll tibernimmt, d. h. als ein Wortspiel, in dem es nicht auf die Sache oder die Wahrheit, sondern all ein auf die Sprache und auf die Diskussion selbst ankommt. 4o So findet sich die scharfe Dichotomie zwischen sophistischer Epideiktik und sokratischer Dialektik, die Cicero in Dc /inibus aufgestellt hatte, in den Thskulanen zwar nicht explizit wieder, doch wenn Cicero auch in diesem Dia log betont, es sei das Ziel des Dialektikers, "die 'Vahrheit zu erforschen" , 41 so dürfte dies ein deutlicher Reflex der platonischen Kritik der sophistischen Eri�tik sein. Über diese - implizite - methodische Charakterisierung der Sophi�tik hinaus lassen sich in den Tu.�kulancn auch einige Aufschltisse tiber Ciceros philosophiege schichtliche Kategorisierung der sophisti�chen Bewegung gewinnen. 3H
•
19
In dem Werkkatalog in De di,,'inan,me werden die Tu..kulanL'" als eine Art Anhang (2.3 :
lern).
40
41
Siehe hierzu Platon Plwid. 90hlJff., 1 O I e l ff .. Te". 5.17elff. . ..""h. 23 1 e l f. , 2.1 2h l ff.. 26llcHff. und AristoteIes . ..,,,,h. el. I M a2 0ff. und 1 7 1 h3ff., und "gI. Rohinson ( 1 953: 1l4-1i1l) und Kerterd & Flashar ( l lJ9H: 22f.). Tu..t'. 5.6/!: tu.! investWundam "",TitatL"". vgI. ""sonders,lin. 1 . 1 3 .. Denn ich wunsche, die Wahr heit zu finden, nicht nur irgendeinen Gegner zu widerlegen" ( Veru m L"'Jtim invenirc 'tlolumu.",. TUm tamquam w:k'el'NUrium uliquem L'fmt..;nL'(..""-c) und nut. 1 . 1 1 t.."eri rL7,,-"Ti<.'Tuli c..'uusu .
2. Ciceros philosophische Schriften
26
Im fünften Buch
(5. 7ff. ) bietet Cicero seinen Lesern eine kurze Geschichte der
Philosophie, und diese Passage scheint auf den ersten Blick den Eindruck zu bestä tigen, die SophL�ten seien nicht
zu
den ,richtigen' Philosophen gerechnet worden .
Cicero hebt in dieser Darstellung bekanntlich hervor, Sokrates habe als erster die Philosophie auf die Erde herunter und in die Häuser der Menschen gebracht, die Phil�osophie vor Sokrates dagegen habe sich ausschließlich mit naturphilOS0phischen Fragen beschäftigt. 4Z In diese Philosophiegeschichte gehört die sophisti sche Bewegung offensichtlich nicht hinein. Auch die Philosophiegeschichte in den Thskulanen enthält freilich l\-Ierkwürdig keiten, die vermuten lassen, Cicero sei es hier nicht in erster Linie darum gegan gen, seinen Leser über die Geschichte der Philosophie zu informieren, sondern darum,
für eine bestimmte Auffassung vom 'Vesen der Philosophie zu ar
gumentieren. So beginnt Cicero das fünfte Buch der Thskulanen mit der Feststel lung, "die ersten Philosophen" hätten sich ganz und gar dem Studium der Tugend
( virtus)
als Weg zum glücklichen Leben gewidmet.43 In der darauf folgenden Philo
sophiegeschichte werden diese Tugendphilosophen - trotz intensiven Suchen.� vieler Philologen - jedoch nirgends erwähnt. Man hat wohl zu Recht angenommen (Douglas
1990: 144),
dass diese auffällige Inkonsistenz mit der übergeordneten,
protreptischen Intention der Thskulanen zusammenhängt." Als Cicero - vermut lich
im Herbst 45
- die Thskulanen schrieb, war er vorübergehend von der Überle
genheit einer tugendorientierten Philosophie überzeugt, die dem kontemplativen Leben den Vorrang vor dem aktiven politischen Leben gab." Vor diesem Hinter grund erscheint es plausibel, dass Cicero den Ursprung der Philosophie Studium von dem Zusammenhang zwL�chen
virtus
als
das
und dem glücklichen Leben
identifizieren wollte. In der nachfolgenden Philosophiegeschichte hingegen, wo es um die historLwhe Herkunft des Begriffs , Philosophie' (philosophia) geht, konnte sich Cicero weniger Freiheit erlauben, und so mussten die imaginären Tugendphil0sophen den Platz für die ionischen Naturphilosophen und die Pythagoreer räumen. Diese Passagen zeigen erneut, wie vorsichtig man sein muss, wenn es um die In terpretation scheinbar objektiv-hL�torischer Angaben in Ciceros Texten geht. In dem allgemeinen philosophiehL�torischen Abschnitt der Thskulanen ( 5 . 7ff. ), so viel lässt sich freilich festhalten, kamen die Sophisten als Philosophen nicht in Fra ge. Noch waren sie offenbar reale Kandidaten für die idealen Tugendphilosophen.
42
5 . 1 0 .�d ab antiqua philmmphia w�que ud So<.!Tatem, . . . , numeri T1U)tlL.'�que truL-uJ)(J.ntu. r c..� unde ii� ..nderum �nitudine."" int(..�ulla, (.'UTSUS
omnia orerentur quO'Ve! rec..'iderent, ."Itudimieque alJ
anquireoontuT ct L"Uru...>tu (.'tlele...m.a; ..'XX"Tute.", autem "rimus philm«Yphiam dc."'Vocat,.;t e caclo c..'t in
urhibu.", colux..,·U'{)it c...� in dcnn1L"C etium introdu.:dt (.,'t L'(�ijt de vita ct moriJnL.... reblL.'�que huni..., c..'t ma li.", quaerere.
4.1
.�Tam cum ea (..'uusa impulerit co.'" qui " rimi �e
ud philmmphiae studium contul(...,.-unt, ut pmrtJU1hitL� toto.� se in optumo vitae statu e..xquirendo (.'(JrUo(..urent. prqte(."to spc beute 'Vi'Vtwi tanturn in co studio curam cfT}('''TUmque pwruefUnt. Vgl. Gawlick & G"r1er (1\1\14 : 104 l f. ) und Wulf ( I \160: J\I). Siehe inshesundere 5 . 5 "itac philo."'Phia dux . . . und dazu lIummel ( 1 \l611: TJlL...
omnmu..o.r rchus
44 45
2. Ciceros philosophische Schriften
27
Dies könnte jedoch mit Ciceros Konzentration auf das theoretisch-kontemplative Element in den wie in Kapitel
Thskulanen
3
zusammenhängen,'· denn in einem anderen Kontext,
zu zeigen sein wird, konnte das praktisch-politi�che Angebot der
Sophi�ten für Cicero durchaus eine Vorbildfunktion als praktische Philosophie der politischen Tugend einnehmen.
2.5. De natu ra deorum Der Dialog
Dc natum deorum
nimmt, was die Rezeption der Sophistik betrifft,
unter Ciceros philosophischen Schriften eine Sonderstellung ein, weil diese Schrift - sieht man von dem vereinzelten Verweis auf den Relativismus des Protagoras in
Lucullu.'l
ab - die einzige philosophische Schrift Ciceros ist, in der konkrete philo
sophische Ansichten der Sophisten referiert und diskutiert werden. Im Rahmen einer längeren theologischen Doxographie der epikureischen Dia logfigur Velleius Ausnahme
(1.25-41), in der sämdiche Philosophen (1.43 solus cnim vidit . . ) einer harten Kritik .
mit Epikur als einziger unterzogen werden, er
scheint zwischen Empedokles und Demokrit auch Protagoras, und Velleius erklärt, Protagoras habe mit seiner Behauptung, es sei unmöglich zu wissen, ob die Götter existieren oder nicht, ebenso wenig Ahnung von der Natur der Götter wie die übri
gen Philosophen gehabt. 4 7 Die große Doxographie soll sicherlich nicht zuletzt dem Leser einen Eindruck von Ciceros umfassenden Kenntni'lsen griechischer Philoso
phie vermitteln.'· Aber darüber hinaus hat die Doxographie auch den Zweck, im dramatischen Kontext des Dialogs die Figur des Velleius für die Richtigkeit der epikureischen T heologie durch eine Widerlegung der Ansichten sämdicher anderer Philosophen " als unüberlegte und voreilige" Ansichten argumentieren zu lassen." Dabei lä.�st Cicero Velleius' Kritik des Protagoras ( " er habe keine Ahnung von der Natur der Götter") wie auch die anderen Kritiken im Rahmen der Doxographie durch den gänzlichen Mangel an Begründung als auilerordendich oberflächlich
46
47
4/1 49
Siehe neben der lletonung des studium der Tugendphilosophen in 5 . 2 in.he.ondere den Ab schluss de. langen Ahschnitts iiher I'ythagora., (5.9): _ ' " so iibertreffen lIeohachtung und Er kenntnis der \Velt hei weitem alle anderen Tätigkeiten im Leben;" ( . . . sie in 'Vita longe ()mnihu..� .•tudiL, mntemplntirJnL'm ""rum cog»itirmemque pruestare). V gl. auch [)"uglas (1990: 1 4 4 ). l .2lJ ,., Ebtmso ProtagoTaN, der leugnet. ein Kriterium zu haben. das ihm erlaube, zu '",i."INen� ob die Gi">tter existieTtm oder nicht, und welche llel'tChaffenheit sie haben, I'tCheint keine Ahnung von der �atur der Gihter zu hahtm" U.,'ec 'VL"'-O Prot�oru.."" qui se.se nellat omnino de dt.';,s Iu.JJe re, quod li queat, xim, rum sint quak.�c xint, quiequam 'Ouu..�r de naturu deorum suspio:.tri). F'ür Gigon ( 1 9 72: 35/1) u,..: die I'a"age ein _Prunksruck ciceronischer Gelehrsamkeit" . 1 .43 . Wer hedenkt, wie unüberlegt und wie voreilig diese lIehauptungen .ind, mlL," Epikur anhe ten und ihn a1N einen von denen, üher die ,,,ir dh;kutieren, hetr.lchren'" (ta qui {''fJn..Meret quam incon..mlte ac temt.�e dicuntur. Vt�t.�un t'pu.'Urum et in eorum ip.",orum nuf1U..�O de quib u.", lwec qua estio "st ha/",,,,, debeat).
28
2. Ciceros philosophische Schriften
erscheinen. so Zudem hat Cicero schon am Anfang des Dialogs vor dem epikurei schen Dogmatismus der Figur des Velleius ausdrücklich gewarnt. SI Cicero hat also von vornherein die Kritik des Velleius an Protagoras als gänzlich unseriös charak terisiert, und es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, dass Cicero mit dieser Kritik seine eigene Meinung zum Ausdruck bringen wollte. Die Aufnahme der agnosti schen Position des Protagoras in die Doxographie, ohne dass diese in irgend einer Weise als sophistisch oder unphilosophisch gekennzeichnet ist," signali'liert aUer dings umgekehrt, dass der Agnostizismus des Protagoras von Cicero und seinen Lesern als eine unter vielen philosophischen Positionen in der Frage nach der Exis tenz und Natur der Götter angesehen wurde. Protagoras' Agnostizi'lmus spielt auch in der anschlieilenden Kritik des epikurei schen Gottesbewei'les durch die akademische Dialogfigur Cotta eine wesendiche Rolle. Der Epikureer Velleius hat in seiner Rede behauptet, die Existenz der Götter sei dadurch bewiesen, dass alle Menschen zu allen Zeiten eine Vor-Vorstellung (ltpOATl'l'\�) von den Göttern gehabt hätten, und diese Prämi'lse versucht Cotta nun zu widerlegen, indem er u. a. auf das Schicksal des Protagoras verweist ( 1.63). Protagoras, laut Cotta "wohl der größte Sophist seiner Zeit" , s., wurde als Folge sei ner agnostischen Ansichten aus Athen vertrieben und "gerade deshalb sind viele", stellt Cotta fest, "davon abgeschreckt worden, diesen Standpunkt einzunehmen, nachdem sogar Zweifel sich als eine Straftat erwiesen hatte"." Die von den Epiku reern behauptete universale Vor-Vorstellung von Göttern, so die Implikation Cot tas, sei also nicht naturgegeben, sondern vielmehr durch gesellschafdichen Druck herbeigeführt worden." Ciceros IIervorhebung des Protagoras al'l "der wohl gröilte 50
51
52
VIII. 1 . 4 2 : _Ich hahe nicht die Urteile von Philo.ophen, "ondem die Tr.wme v,m Wahnsinnigen dargelegt" (exrx�"'ifere rum phil"""",lum,m iudi"ia, scd dclirantium somnia). 1 . 1 8 " Darauf ergriff VelleiWl da. Wort, "trutzend vor Selh.'tlricherheit aI" "ei er gerade au" einer GiJttervenammlunlt zurückgekehrt uder aus einer der Zwischenwelten EpikUl'S, so wie sie l sc. die Epikureer) ja pflegen, da sie nichts ".. !lehr fUrchten, als den Eindruck zu erwecken, "ie w".uen iiher etwas im Zweifel" (Tum Vel"-iusfok'1lter sane, ut so"...t i.ti, nihil tam t),,,,,.... quam ne dubilare uliqua de re t>ideretur, tamquam modo cx tkorum eondlio <'t "" Epi<'U" int,,"" undii.. tkseen di.." ct). Cf. Clau!len (1975) und Dyck (2()03: 5 7f. und 75), der weitere ßei"piele fiir Cicero" Dis kreditierung der VelleilL'l-Figur gibt. Die Kritik an Prutag..m.• ( 1 .29 n<", . . . quicquam t>idetur tk naturu cW,",m suspicari) erscheint ",.gar verhältni.mäßig mild, wenn man .ie mit der Kritik an den um"tehenden Phil.....phen ,..,.. gleicht, "'. heispielswei!le iiher Emped.. kles (ihid.): Empcd"ele.. autern multa ulia pC''''UOS in tko· rum "pini"ne turpi......;me Iulritur und iiher Demokrit (ihid. ): Dt.'1nO,:ritus . . . nonne in maxi"", ''r n"" <,,,..-satur?
53 54
55
1 .63 ....'um Abderite.. quid,,," Prr'fu/l"TrL' . . . s"phi.tcs tcmp"rilms i/li.. <,-cl muximu.• . . . ihid. . . . <...m i n p"O<""io lil," sie p"sui...."' t [sc. Prntagoras I ,de di<:i.. ncquc, ut siot, n<-quc, u t n"n sint, hab,�, dicenl, Atheniensium iussu urne atqu.e OIln) e."Cf: extenninatu.."I' librique eiu.."1 in '''O nD() ne <�nnbu.'Iti; cx qut, cquidem cxistinw tuM"r;.. ad hane scntentiam pnlliterulu m mult,»! esse Ja'''-'�'' quippc ,'Um p"<'1IUm ne dulritatill quidem e.ffullcre J><1tUis.«'t. Was VelleiWl gemde ( 1 . 4 4 ) gerade hehauptete, das. sie nicht war: "Denn da die.., V"rstellung [ .c. v"n den G,lttern I nicht durch irgend eine Institution "der Tmdition oder durch ein Gesetz zwrtan-
2. Ciceros philosophische Schriften
29
Sophist seiner Zeit" L�t vermutlich auch im Zusammenhang dieser Argumentation zu interpretieren, denn das epikureische Postulat einer allgemeinmenschlichen ltpbAl1"'l� deorum erscheint um so schwächer, als sogar einer der größten damali gen SophL�ten offenbar keine solche Vor-Vorstellung besal.\. Ein späterer Teil von Cottas Kritik zielt auf die Methode der epikureischen Göt terlehre, deren Ziel es L�t, die Menschen von abergläubischer Furcht vor den Göt tern zu befreien ( 1 . 1 15ff.). Cotta wirft an dieser Stelle den Epikureern vor, es sei kein Problem, die Menschen von Furcht vor den Göttern zu befreien (was die Epi kureer wollen), wenn man wie die Epikureer den Göttern jegliches Eingreifen in menschliche Angelegenheiten abspricht. Doch dadurch, so Cotta, werde nicht Aberglaube beseitigt, sondern der Religion überhaupt jede Grundlage entrL�sen (was die Epikureer nicht wollen) :" Um diesen Kritikpunkt zu veranschaulichen, greift Cotta mit einer Serie rhetorL�cher Fragen erneut auf den Agnostizismus des Protagoras und auf die Religionskritik anderer SophL�ten zurück ( 1 17f.). Zuerst fragt er mit Blick auf die Atheisten Diagoras und Theodoros: "Oder bist du etwa der Meinung, dass Diagoras und Theodoros, die ja leugneten, dass die Götter überhaupt existieren, abergläubisch sein könnten?"" Dann stellt er über Protagoras fest: "Ich finde nicht einmal, dass dies I sc. Aberglaube I auf Protagoras zutrifft, der es ja we der für möglich hielt zu wissen, dass die Götter existieren, noch dass sie nicht exL� tieren. Die Haltungen dieser Herren beseitigt ja nicht nur den Aberglauben, der aus einer grundlosen Furcht vor den Göttern besteht, sondern zugleich die Religion, die in dem frommen cultus der Götter besteht. ,, 5" Anschließend verweist Cotta auf eine nicht näher bestimmte Gruppe, welche die Ansicht vertrete, "weise Männer" hätten die Religion als gesellschaftliches Instrument für Staatsmänner erfunden, und fragt erneut: " . . . haben diese nicht etwa die Religion gänzlich abgeschafft?"" Als letzter
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57 SM
59
de gekommen i"lt, und da eine pemlanente O berdmdimmung unter allen Menschen l hierüberJ herrscht, miissen wir zwangsläufig folgern. da."iS die Gütter e.xL"Itieren'" ( Gum enim 7U.Jon in.o.rtitutf' aliquo uut more um lege Mit opinio L'fmstituta marwutque ud unum omniumfinna con."I(''TLorio, in teUegi 'J1.e<..'C."",..:e e."ft esse deos). Für die Funktion des ßerichtN iiber PruiagoTaN alN ein Teil von Cottas Argumentation cf. 1 .64� '''"0 die Argumentation ahgeschloSNen ",inl: �Folglich i"it diese.", Argument [ sc . das p",tulat einer "pOA.'11j1I']' das eure lIehauptung unten..tiitre n soll, nicht .o ""ingend, "ie es euch schdnt" Vli'on e."ft. \i!itur tum e.:t..-plorutu L"Jta rati.o ud id. quod vulti.�. L'(mfinnandum. quam 'Videtur). Siehe z . lI. 1 . 1 2 1 "Aber Epikur ri .. den Menschen die Religion mit der Wurzel au., al. er den UJlHterblichtm Güttern Hilfeleistung und \VohlwoUen ahNprach" (l!.'pu.'UnL."J 'VL""'O t:.'\" animi"! homi Rum extruxit nwiL'itIL"J rdil,S1.(Jru...� cum dis inmortalihus L't opern c..'t�ratiam sustulit). 1 . 1 1 7 JVi.·d lorte Diagorum um Theodorum, qui omnino deo.", e."k"JC! nqlubant, L'C...If1.."JC.."J sup(.�tio sos e.",,"Je potui..",-�; ihid. C!l0 ne IToU'lloram quidL"T11, (..'Ui neutrum l-ic...'uerit, neL! es.."iC deos nec non C."i."JC. IIon.tm l"fl.im sc:."ntentiuc omnium rum nuulo sup(.�titi(Jfu...1<J'1I tollunt. in qua ine.Oft timor i7U.tni.'f ooorum. sed ef iam relWi(JfU..� quae aeorum c..>t.tltu pio ('>fmnru..'tUT. 1 . 1 1 H Quid i, qui dixerunt torum Je di."I inmorlalibus opinloTU..-1'J7l fie-"t.um esse alJ Itominibu.", supk�tihu.."J rei publiL'ue (.'uu.'«t, uf, I.(UCJ."J ratio non pO.'i.·u't. ... . co.'" ud offidum rd�i(J dm..'(.,.,-et, nonne (Jmru..� rcligionemlundirus ..nJ..�tul�Tl.l.nt? Cb�r Kritia."i als m{jglichen erheber dies�r Ätiologie der Religion al. politischen Werkzeugs cf. U)'ck (200J: 1 <)7), Sextus Empiricu., ud<:. math. lJ.54 und
.1 0
2. C iceros philosophische Schriften
wird schließlich Prodikos und dessen T hese genannt, die Menschen hätten zu einem gewissen Zeitpunkt angefangen, das, was für sie nützlich sei, als Götter anzusehen: "Was für eine Religion hat er denn hinterlassen?""" Weder der Atheismus noch der Agnostizismus noch die anthropozentrischen T hesen der Sophisten bilden also das Ziel von Cottas Kritik. Die jeweiligen ,Religi onsabschaffungen' der Sophi�ten werden lediglich al� die logische Konsequenz ihrer ,T heologie' dargestellt und dienen ausschlid\lich dazu, eine systematische Schwachstelle in dem epikurei�chen Projekt aufzuzeigen, nämlich dass die epiku rei�che T heologie der nicht-eingreifenden Götter ebenso wie die Kritiken der So phisten die Religion al� solche untergraben." Die Erwähnungen der Sophisten sind also auch in
De natura deorum rein instru
mentaler Art Die sophisti�chen Religionskritiken werden nicht in eigenem Recht
diskutiert, sondern vielmehr für spezifische argumentative Zwecke im Rahmen des Dialogs eingesetzt. Aber auch wenn dieser Umstand verbietet, die Aussagen im Dialogtext mit Cice ros persönlichen Ansichten zu der Religionskritik der Sophisten
zu
identifizieren,
erlaubt der Dialog dennoch einige Rückschlüsse auf mögliche Auffassungen der Sophistik, weil wir davon ausgehen dürfen, dass Cicero bemüht war, in seinen Dia logen eine einigermallen reali�tische Situation zu schaffen. Es fällt zunächst auf, dass die Sophisten in
De natura deorum
konsequent als
T heoretiker herangezogen werden, Protagoras sogar als Philosoph unter Philo sophen. Entsprechend beschränken sich die referierten sophistischen Ansichten auf rein deskriptive Fragen, entweder aus dem Bereich der Logik, nämlich auf die Frage nach der Möglichkeit, die Existenz der Götter zu erkennen, oder aus dem Bereich der Soziologie oder Anthropologie, nämlich auf die Frage nach der IIer ktuÜt der Göttervorstellungen und der Religion. An keiner Stelle verbindet Cicero dagegen die T heorien der Sophisten mit den problematischen ethischen Konse quenzen, die man aus ihnen ableiten könnte,·2 obwohl er die prinzipielle Wichtig keit dieses Aspektes bereits im allerersten Satz des Dialogs hervorhebt und genau
60 61
62
Aeti()s 1 .7 . 2 = MM UK 1125 •. . . . da habe. meine ich. dn schlauer Mann, klug in seinem Sinn. zum ers ten Mal die FUrcht vor den G,ittern ffir die Sterhlichen erfunden' (t'lvllCClUTa 1'01 1)OlCel / ",,,v, a.; TL.; lCCll "O<po.; '/YO,II1lV äv�p <"Eiiiv > 1).\0.; "V'lTol"'V e�f:\JpEtv ... ) . Ihid. Quid l-Toau..'U..'i Ciw�, qui cu, quae l'rode.'t.'i(..�t rnnninum 't.itae, deorum in numero Iwhita e:-rxe dhit, €.(Ultm tund(..'Tn religumem reliquit� Vgl. den Verweil< auf die sophistischen Religionskritiken ( 1 . 1 1 11 Quid ii qui ... funditu.. "u"tul�� runt) mit Cotta.. Kritik von Epikur ( l . I 2 I E"ieuru.. 'Vom . . . .'ialog.
2. Ciceros philosophische Schriften
31
diesen Aspekt i n seiner eigenen Kritik der Epikureer anlegt:' Die sophistischen Religionskritiken werden aber, anders als die epikureische Theologie, in Coteas Rede nicht an sich kritisiert, sondern lediglich als argumentative Analogien ver wendet. In der Doxographie des Velleius dagegen wird Protagoras zwar vordergrün dig für seinen Agnostizismus kritisiert, aber die allgemeine Diskreditierung des Velleius hat sozusagen sowohl Protagoras
als
auch die tibrigen Philosophen bereits
rehabilitiert, sobald sie der epikureischen Kritik ausgesetzt werden. Im Rahmen von Coteas
Kritik
an den Epikureern geht Ciceros positive Darstel
lung des Protagoras sogar über den unmittelbaren Kontext der Argumentation deutlich hinaus. Durch die suggestive Darstellung der Reaktion der Athener als unberechtigt
( 1 . 63
"sogar Zweifel hatte sich al� eine Straftat enviesen" ), aber vor
allem durch die philosophi�che Affinität zwischen dem Agnostizi�mus des Protago ras und dem Skeptizi�mus der Dialogfigur Cotta erscheint Protagoras generell in einem sehr sympathi�chen Licht. Kurz vor der Protagoras--S telle hat Cicero Cotta betonen lassen, er sei eher dazu imstande, eine Behauptung zu widerlegen als sie aufzustellen
(1.57
und
1.60).
Solle er aber dennoch gezwungen werden, in der
Frage nach der Existenz und Natur der Götter Stellung zu nehmen, würde er sich auf die Autorität des Dichters Sim onides berufen, der, als der Tyrann lIieron ihm genau diese Frage stellte, zuerst einen, dann zwei, dann vier Tage Bedenkzeit und so fort erbeten habe. Als Begriindung soll Simonides dem mittlerweile ungeduldi gen l Iieron geantwortet haben: "Je länger ich darüber nachdenke, desto dunkler erscheint mir die ganze Sache zu sein"
mihi
res
'L'idetur obscurior).
( 1 . 60 quanta diutius considero . . . tanto
Cotta fasst die Pointe der Anekdote so zusammen,
dass Simonides, der " nicht nur den Ruf eines reizenden Dichters genoss, sondern auch sonst al� ein gelehrter und weiser Mann galt", sich so viele scharfsinnige und subtile Gedanken gemacht habe,
dass er in Zweifel geraten sei,
was das
Wahrscheinlichste sei, und darum letzten Endes die Hoffnung aufgegeben habe, die ganze Wahrheit zu finden:' Mit der Anekdote über Simonides will Cicero offenbar den weisen Zweifel
dubitantem)
6.1
64
( 1 . 60
des gelehrten Dichters als Kontrast zum dogmatischen Selbstsicher-
1 . 1 Quu.'tu.� sa"k�'«fUe rrtulitur, quill multu. 'tlL'11ire nt in m<.."fU:cm ucuta att.p.te suhtilia, dubitantL.'1J1, quUl eorum e.��t 'L'(..'7i.",-�imum. dcsperu."k�e mnncm 'l.1t:' ntau."fTI..
.1 2
2. Ciceros philosophische Schriften
heit der Epikureer hervorheben:s Diese Betonung von Simonides' vorbüdlichem Zweifel und dessen de facto-Agnostizismus ( 1 . 60 despera.'lse omnem verilatem [ sc. se .'leire posse (cf. Dyck 2003: 142) ] ) sowie die unmittelbar darauf folgende Fokussierung auf den Skeptizismus von Protagoras (vgl. 1.63 dubilLllio) führen indes dazu, dass die beiden Positionen sich so annähern, dass sie dem Leser als identisch erscheinen mtissen. Protagoras wird somit nicht nur generell in ein positi ves Licht gestellt, sondern zugleich dem zum skeptischen Vorbild stüisierten Simo nides gleichgestellt. Anders als bei den tibrigen sophL'Itischen Religionskritikern, deren Funktion in De natura deorum lediglich beispielhaft ist, hebt Cicero also Protagoras besonde res positiv hervor, indem er ihn zu einer Art Protoskeptiker macht, der zu Unrecht für seine berechtigten Zweifel bestraft wurde. Dieser Eindruck bestätigt sich im Vorwort des Dialogs, in dem Cicero im eigenen Namen ebenfalls Protagoras al'l Skeptiker vorstellt. In den ersten Zeilen des Vor worts schreibt er, die Frage nach der Natur der Götter sei, wie die untiberschaubare Menge an philosophischen Ansichten zu diesem Thema bestätige, von einer so extraordinären Schwierigkeit und Rätselhaftigkeit (ibid. perd{(fieilis cl perobscura quaestio), dass die akademische Urteil'lenthaltung (Elt0X'l) das Richtige sei: "Denn was ist schändlicher . . . als einen Standpunkt zu verteidigen, der nicht ausreichend untersucht und verstanden L'It, ohne dabei Zweifel zu äul.\ern?" (1.1 Quid est enim . . . turpius . . . quod non sads e.\.-plorate perceptum sit et cognitum, sine ulla dubitatione defendere?). Die Richtigkeit dieser skeptL'lchen Position sucht Cicero darauthin zusätzlich zu untermauern, indem er darauf hinweist, dass es selbst in der Frage nach der Existenz der Götter keine Einigkeit gebe: "So haben die meisten in Verbindung mit diesem Thema zwar gesagt, die Götter existierten . . . , Protagoras äut.\erte jedoch Zweifel, und Diagoras von Melos und Theodoros von Kyrene mein ten, die Götter existierten gar nicht" ( 1 . 2 VelUl in hac quaestione plerique . . . deos esse di.:-cerunt dubi.tare se Protagoras, nullos esse omnino Diagoras Melius cl Theodorus Cyrenaicus). Mit diesem HinweL'I will Cicero offenbar seinen skeptischen Standpunkt recht fertigen, den er im Laufe des Dialogs seinen akademischen Helden, Cotta, aus führlich begriinden lässt. Er stellt damit aber auch, an einer hoch exponierten Stel le seines Textes, das dubilare des Protagoras in ein ausgesprochen positives, skepti sches Licht," ein Licht, das im Laufe des Dialogs inhaltlich dadurch verstärkt wird, 65
66
enmittelhar nach der Anekdote von Simonides fährt Corta fort: .., lJein Epikur dagegen . . . . \\'as sagt er, wa."! der Philosophie \vürilig wäre, von nomlalem Veß1:anu gar zu schweigen?" ( 1 . 6 1 �'pü.."UTU.."i '\..'(.."11'J tuu."i . . . quid didt, quod non modo phüosnphia d�num c..""·U!t, SM medioc..."1'i pn.uk.�tiaP). Uyck (2()()J: 1 4 1 ) meint zu dieser Stelle. Cicero lasse hier Cotla Simonides als Ueispiel für eine .,pTUdent ddihL,.,.aW)'· zitieren. wohei er m. E. den prägnanten Gehrauch von dem \Vurt dubitare in der gesamten Pas.age iihen.;eht und dafiir einen Aspekt (ddilJt'Ture) hervorheht. der im Text nicht im Vordergrund steht. 'WaN keint�� swegs zwingend '...·ar. Cf. die pointiert ugntJstisL'he Funnulierung vun PTU"tagOTWiI Pn.."iiti un in Velleius' IJoxographie (I .2lJ zitiert in Anm. 4 7).
2. Ciceros philosophische Schriften
33
dass Cicero den Skeptiker Cotta wiederholt leugnen lässt, dass sich ein positiver Gottesbeweis führen lasse. Auch das Ende des Dialogs bestätigt diesen Eindruck, denn hier lässt er Cotta seine eigenen Worte über die Schwierigkeit des Themas aus dem Vorwort wiederholen, jetzt allerdings al'l Ergebnis des Gesprächs: "Das war ungefähr, was ich über die Natur der Götter zu sagen hatte, nicht um sie als solche zu leugnen, sondern damit ihr verstehen solltet, wie dunkel das Thema ist, und welche schwierige Ausführungen es fordert. ".7 Im Vorwort des Dialogs schreibt Cicero allerdings auch - trotz dieses skepti schen Bekenntni'lses, dass die unter den Philosophen mehrheitliche Annahme der Existenz der Götter "zum einen das Wahrscheinlichste, zum anderen eine Annah zu der wir von Natur aus geführt werden" (1.2 quod maxime verisimile est et quo omnes duce natura venimus). Entsprechend heißt es am Ende des Dialogs,
me sei,
die dogmatische Darstellung des stoischen Dialogteilnehmers Balbus erscheine ihm "di�jenige Darstellung gewesen zu sein, die wohl am Nächsten daran war, der
(3.95 milli Balbi tudinem 'L'ideretur esse propensior) .
Wahrheit zu entsprechen
[ sc.
disputatio I ad veritatis .<;imili
Wie lassen sich nun diese Aussagen mit dem positiven Bild von Protagoras' Skep tizismus und mit Ciceros eigener Favorisierung der akademi'lchen Skepsis in Ein klang bringen? Die Antwort dürfte sein, dass Ciceros Bekenntnis Götter nicht als Ausdruck eines philosophi'lchen schen
zur
Annahme der Existenz der
probabile,
sondern einer prakti
opinio aufgefasst werden soll .·· Die Frage nach der Natur der Götter
sei eben
nicht nur, wie Cicero in seinem Vorwort betont, im I1inblick auf theoretische Er kenntnis auL�rordentlich wertvoll
(1.1 ad cognitionem animi pulchernma), son modemndam rcligionem
dern auch für die religiöse Praxis notwendig (ibid. ad
necessaria). Sowohl in der Argumentation als auch in der Figur des Cotta,
der zwar
Skeptiker aber auch Pontifex Maximus ist, d.h. oberste religiöse Instanz in Rom, verbindet Cicero diese beiden Aspekte miteinander.·' Die Kombination aus philo sophischer Skepsis und politisch-pragmatischem Dogmatismus ist vermutlich nicht
67 68
61.)
J .9J Iluec.filfi! du.,'t..'TC haftui de 1U.tturu deoTum, non ut eam wlk,7L�, :-red ut intd�C!retL",. qtUtm e..""",,-� Of,.",c..'UTU et quam dtf.ficile.", e.xpliL'Utu..o.r haberet. \Vorauf u. a. Gigon ( 197.3: 247) hinge\"ie.'1tm hat: ,.,Als Rr}mer "inl der Akademiker z.war nicht auflt
34
2. Ciceros philosophische Schrihen
nur ein literari'lches Merkmal dieser Figur,'· sondern ein zentraler Bestandteil von Ciceros übergeordneter Intention mit De namm deorum. Denn mit der skepti schen Philosophie erreicht Cicero, wie Klaus Thraede gezeigt hat, 7 I eine philosophi sche Immunisierung der Religion gegen philosophische Kritik, weil das skeptische Argument, die Existenz der Götter könne nicht bewiesen werden, auch impliziert, dass sie nicht widerlegt werden kann. 7' Auf diese Weise instrumentalisiert der Philo soph und Politiker Cicero entsprechend der doppelten - theoretischen und prakti schen - Absichtserklärung in seinem Vorwort die akademische Skepsis für ein Argument, das die römische, auf Traditionen (mores) basierte Religion für philoso phische Kritik unangreifbar macht. 7> Wir besitzen hiermit eine plausible Erklärung dafür, dass Cicero die Existenz der Götter anerkennen und zugleich ein überaus positives Bild von Protagoras als einem frühen skeptischen Religionskritiker zeich nen kann.
2 . 6 . Oe oHiciis Als Abschluss des Abschnitts über die philosophischen Schriften Ciceros soll der Vollständigkeit halber angeführt werden, dass Cicero im ersten Buch von De officiis Prodikos' Mythos von IIerakles am Scheideweg nacherzählt. Cicero gibt zwar hier zu verstehen, der Myth os, den er Xenophons Memorabilien ent nimmt, stamme von Prodikos ( 1 . 1 18 JVam quod . . . Prodicus dicit, ut est apud Xenophontem, . . . . ), aber Prodikos spielt als Urheber des Mythos in diesem Kontext keine Rolle. Der Mythos wird lediglich als eine Art Gegenbeispiel für die traurige Tatsache angeführt, dass die meisten Menschen bei der Wahl ihres Lebenswegs nicht wie IIerakles zwei Göttinnen zur Wahl haben, sondern sich danach orientieren müssen, wer sich mehr oder weniger zufällig in ihrem Um gangskreis gerade befindet. Darüber hinaus dient der Prodikos-Mythos wahr scheinlich auch als - zweifellos beabsichtigtes - Beispiel der Gelehrsamkeit Ciceros.
7()
71 72
73
VIII. SÜ.. ( 1 952 ( 197 1 (: 1 66): _Mit einem iiberaWi lIIücklichen Griff verbindet Cicem in Cotta den pontifex. der von der Wahrheit der gilttlichen \)jnge überzeugt ist, mit dem Akademiker. der als Philosoph die Beweise fiir diese Frage fiir ungenügend und bruchig erachteL " Thraede ( 1 995: 469ff. und besonders 4721.). Im Vorwort zu lJe TC pubi;',... verwendet Ci"",m eine ähnliche Strategie der philo!lophi.""hen Im muni..ierung der Politik gegeniiber philosophische Kritik. Siehe hierzu ßli>ßner (2IJ() 1) und vgl. im Allgemeinen Leonhardt (21J1J() . Cher die Spannung zwischen diesen beiden Ebenen siehe Leonhardt ( 1 999: 76ff.) und Gawlick & Gilrler ( 1 994: 1 IJ99ff.), die dafür argumentieren, dass Cicems philosophische Methode von einem durchgängigen doppelten System von rational-dialektischer Argumentation auf der einen Seite und subjektiv-emotionalem Ut'!lmati..mWl auf der anderen Seite geprägt i.1:.
3 . Ciceros rhetorische Schriften "Oft und lange habe ich bei mir selbst überlegt, ob die Fähigkeit zu reden und das Streben, die höchste Beredsamkeit zu erreichen, für die Menschen und für das Gemeinwesen mehr zum Nutzen als zum Schaden gewesen sei. . . . Und indem ich lange überlegte, führte mich der reine Vernunft zur folgenden Auffassung: Ich mei ne, dass Wei.�heit ohne Beredsamkeit dem Gemeinwesen nur von geringem Nutzen ist, während Beredsamkeit ohne Weisheit zumeist zum großen Schaden und nie zum Nutzen i.� t."" So beginnt Cicero sein rhetorisches Jugendwerk De in'Ventiüne, und dieses Thema - das Verhältnis zwischen Politik, Rhetorik und Philosophie - sollte ihn für den Rest seines Lebens beschäftigen. Cicero selbst wurde bekanntlich nie müde, dafür zu argumentieren, Politik, Rhetorik und Philosophie müssten eine unteilbare Einheit bilden, obwohl es zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran geben kann, dass Cicero in den rhetorischen Werken und in De re publica dieses Einheitsideal als eine instrumentale Einordnung der Philosophie unter der Rhetorik verstand." Dies lässt sich deutlich aus einer Stelle im Dialog De omlore erkennen (1. 227ff. ). Hier bemerkt die Dialogfigur Antonius über Rutüius Rufus, den ,römischen Sokrates', der "in Unschuld, Integrität und Anstand alle übertraf", sich aber, als es zum Prozess gegen ihn kam, weigerte, auf andere rhetorische Mittel als "die einfache Form der Wahrheit" zurückzugreifen, und daraufhin zum Tode verurteilt wurde: "So ging ein solcher Mann verloren, indem er seine Sache so führte, als würde der Prozess in dem fiktiven Staat Platons stattfinden. ,,"
74
75
76
1 . 1 . L'ku..7J(� (.'t. multum hlJC mc(.."Um L"ogitu'C;" hfmine un muH plu.'i attulL"fi.t homini"lL'� et L'i'Citutibu..'l copiu dioendi ae summum doquentiae s rudi um. . . . Ac me quidem diu (.vJJ,Jitantc.7n rutio ipsa in hune poti"h'iimum SL"71tennam dudt, ut exi.""tim(."71l sapu..."71tiam . sine eloquentia pantm prode..·ise dvirotilnLs, eloqt.U...lJ1tiam veTO ."Äne supk"71ria nimium obe.'lsc plerurnque, pnxk."h'lC! nurnquam. Sein politisch-rhetnrisch-philmmphisches Einheitsideal begninuet Cicero aUHführlich in den rheto rischen \Verktm De inventione, De orutoTe, nrutu.� und Orator, die er seihst mit Ausnahme des Lehrbuches lJe i ntJc...7Itione hezeichnenden\'eise zu seinen philosophischen 'Werken zählt (div. 2 . 1 4), sowie i n seinem Von\'on z u lJe re publi<.!tl. ( 1 . 1J), da."i eine Protreptik z u der (1�o nn von Kombi nation aus staatsmännischer Tätigkeit und philosophischer Bildung darstellt, die Cicero seihst ver kürpem ",ollte (vgl. U1iißner 20(H ). Cf. ferner div. 2.2, off. 1 .55 und An. 1 5 .3.6. Diese. Einheit.-r ideal war allem Anschein nach Cicem. eigene Schiipfung (Leeman & al. 1 996: 4.99ff.) und nicht eine von Philon von I....arissa iihernommene� hereits fertige Konzeption (Arnim I HlJM: lJ7ff.), "ie man unter dem EinfllL"iS der ciceronischen Quellenforschung, die in Cicero einen gänzlich ullHelh stiindigen Ahschreiher sah, lange festhielt. Oie Literatur über Ciceros rhetorisehes Rinheitsideal ist außerordentlich umfassend. Gute Zusammenfassungen hieten Leeman & al. ( 1 996: 4 . SSff. ), Thraede (1995) und Ga",lick & Gi,rler ( 1 99 4 : 1 0 1 5f.) mit einer selektiven llihliographie zu den einzelnen rhetorischen Werken ( W5I1ff.). integrioT e:i.�c...1J. in .. 1 .22lJ Sam c...'um e.�o.ret iUe tnT exemplum . . . inmx'(."'fltiae, L>1Jmque Ulo ni·mo L"i.'citate, ncque sunctUrr, non modo supple.x iudiL'wus e.��e noluit. sed nc onumus quUKiffl uut liberiu."l c...'U u.."lum dk-i S1.U.lm quam .o.ri.ml'le..� ratio t-"'eritutis lL�dH.Jt. . . . •"une tulis t-"ir amissu.."i est, dum L'UU."iU itu dic...WTj ut si in illa ccnnmentk-ia Platoni.."i civitute Te.� �c......,.etur. In'V.
36
3 . Ciceros rhetorische Schriften
Auch die Rhetorik, das ist bereits im Vorwort zu De in'Oentione erkennbar, wollte Cicero der politischen Praxi� untergeordnet wissen. Dabei verbindet sich mit dem Nutzen des Gemeinwesens stets auch der Nutzen des Redners. So wird heispiel�wei se im Vonvort
zu
Brutu.'1 der Verlust der res publica unter der Diktatur Caesars in
erster Linie als der Verlust der politischen Bühne für Akteure wie Cicero selbst beklagt
( 6 /orum populi Romani, quod luisset quasi theatrum . . . ingeni). Ganz De oratore in hellenistisch-eudaimonistischer Tradition deudich, das Gute an dem "hesten Staat" ( 1 . 1 optima Te publica), näm ähnlich macht Cicero im Vorwort zu
lich des republikanischen, sei gewesen, dass die Menschen - d. h. die Politiker und Redner - "wirklich glücklich waren", weil sie die Option auf Ruhm und Ehre besa. . .,
TCTUrn
1\en (ibid.
perbeati luisse,
Jlorerent).
Ziel des politisch-rhetorisch-philosophischen Einheitsideals ist also im
cum et honoribus et
,gestarum ,gloria
mer auch der persönliche Erfolg des Redners. Es scheint allgemeine Einigkeit darüber zu herrschen, dass der unmittelbare IIintergrund für Ciceros Plädoyer für die praktisch-politische Rhetorik der hellenis tische ,Grenzstreit' zwischen Philosophen und Rhetoren über ihre jeweiligen Kom
petenzbereiche war - ein Streit, der seinen Höhepunkt im
2.
Jahrhundert v. Chr.
erreichte.77 Alle wesendichen Streitpunkte dieser Diskussion lassen sich jedoch auf Platons Kritik der Sophi'ltik zurückführen, wie sie vor allem in den Dialogen
Phaidms und Gor,gias
zum Ausdruck kommt. Auf die einfachste Formel gebracht
kann man sagen, dass Cicero im Rahmen seines Plädoyers für eine politische
t,-ita
acti'Oa am
Primat der Rhetorik festhält, während der platonische Sokrates auf dem Primat der kontemplativen Philosophie beharrt. ' " Daher haben Hans v. Arnim und
andere das ciceronische Einheitsideal als eine Wiedereinführung des sophistischen bzw. des isokrateischen Bildungsideal'l charakterisiert. ,. Aber wie hat Cicero selbst die Rolle der älteren Sophisten in dieser Diskussion gewertet? Diese Frage wird uns in den folgenden Abschnitten beschäftigen.
77 7/1
79
Siehe hierzu V. Arnim ( I /19/1: /lUf.), Michel ( 19611: 1 1 6f.) und Leeman & a1. ( 1 9/1 1 : 1 . 1 35f.) .()\vie idem ( 1 996: 4 .95ff. ). Cf. Ijsseling (1 976: 34ff.), Leeman & a1. ( 1 98 1 : 1 .65f.), Clarke ( 1 996: 5I1ff.), Adomeit ( 1 982: 1 2 1 ff.), Wisse (211112a) und (211112b) so"ie Michel ( 1960: 93), der unter I linweis auf rifj. 2 . 1 4 . 5 1 betont. die Philosophie sei für Ci""ro lediglich ein Instrument, das dem Redner z u ..c i........ Ziel • •c. zu tibeneugen (/X-'7'Iialogfillur Crassos im dritten Buch von /Je urature J mit dem .ophi."tischen Bildung..ideal in der Hauptsache identisch ist" (98). Cm..... u.· Entwurf "ird in der Regel, m. E. zu Recht, mit Cicero. eigener Auffa.... unll identifiziert. Vgl . •. B. dc ur. 3.46 mit Cicero. eigener Definition des vollko"" menen Redners in 1 . 2 1 und cf. Leeman & a1. ( 1 996: 86ff. und 92f.) S<,,,ie Michel ( 19611: 8Uf.), Pta...ek ( 1 993: /12) und Leeman & a1. ( 1 9 /1 1 : 1 . 4 lf.), die mit Verweis auf Barwick ( 1963: 1 8ff.) in I.okmte.' Kunzept von der Einheit _ischen elu'lu.cnna und sapierttia ein Mchtige. ZMschenglied ",ischen der älteren Sophistik und Ci""ro sehen.
3 . Ciceros rhetorische Sch riften
37
3 .1 . De inve n tione In der Einleitung zu
De in'Vention� versucht Cicero u. a. zu definieren, was der Ge (materia artis rlwtoricae) ist ( 1 . 7 ) . Unter Ciceros Vor
genstand der Redekunst
gängern haben die einen diesen Gegenstand verhältnismäl.lig umfassend, die ande ren ziemlich eng definiert. Als ein Beispiel aus der ersten Gruppe zitiert Cicero "wohl den ältesten Rhetor"
(antiqui.ssimus /ere rhetor),
nämlich Gorgias, dafür,
(omnibus de rehus oratorem optime posse dicere), und Cicero interpretiert vorsichtig (hic . . . 'L'idebatur) diese Definition als Ausdruck dafür, dass Gorgias "den Gegenstand der Redekunst fUr unbegrenzt" gehalten habe (infinitam el immensam Iwic artificio materiam). Cicero geht in De inventione jedoch nicht näher auf diese Definition dass der Redner "uber jeden Gegenstand bestens sprechen können soll"
des Gorgias ein, die in diesem Zusanunenhang offensichtlich aus rein literarischen Grunden als ein besonders altes (antiqui.�simus ) - und somit gelehrtes - Beispiel für eine Gegenposition zu Aristoteles' engerer Definition von der Aufgabe des Red ners dient, die Cicero im folgenden ausfiihrIich behandelt und persönlich fUr die beste Definition hält. O.
3.2 . De oratore In
De oratore finden wir
Ciceros ausffthrlichste Thematisierung des Verhältnisses
zwischen Rhetorik und Philosophie. Cicero verteidigt und begrundet in diesem Dialog sein universales rhetorisches Einheitsideal, das er im Vonvort des Dialogs
im
eigenen Namen so formuliert: "Es liegt sowohl in der Bedeutung des Begriffs ,Red ner' als auch in der Anklindigung des Redners selbst, gut reden zu können, dass er auf sich zu nehmen und zu versprechen scheint, kunstvoll und inhaltsreich über ein
vi.'l omtori.� projes.'lioque ipsa ben� dicendi hoc suscipere oe polliceri 'L'idetur ut omni de re quaecumq� sit propo..'lita ornate ab eo copio..'leque dicatur). Diese Definition ist mit Gorgias' universalem Programm oder E1taYYEAllu (cf. Ciceros polliceri), das uns in De inventione begegnet ist, identisch, und die sophi'ltische Bewegung spielt auch in RI anderer I1insicht eine wesentliche Rolle für die Argumentation in De omtore.
beliebiges Thema reden zu können" ( 1 . 2 1
SO
HI
Ihid. Ari�t(Jtele..� uutem . . . Et. qu(.�dm(Jdum nostTu. quitlL7Tl fert oTJinio. frralmi..., urs etluc.:ultu...", in hu.c materia mTJcrtitia 'V(.".sari cxi,..,timanda est. Cf. I . C) Qtwre mat(.,'na quidem nolJi..., mctone"", "Uk'tUr urn.. cu, quam Aristoteii vi..um "....e diximu.., und Michel ( 1 \160: H7). Wi;;newski (I\lHO) argumentiert dafiir. das.. die heiden I 1auptpe",onen des Dialogs, Cra.<tru.. und AntunilL'i, je"reils iiber Platons Gorgialr und l Iippias-Figuren modelliert. "ind, aber die Textgrund lage !Ur die..." The... e ist sehr dünn.
.1 8
3 . Ciceros rhetorische Schriften
Zwei historische Abschnitte über die sophistische Bewegung Im dritten Buch von
De oratore
längere Übersicht über die Geschichte der Rhetorik unter "Wei�heit"
(sapientia)
(3.56·73
und
3 . 1 26·1 3 1 )
beginnt Crassus, die Hauptfigur des Dialogs, eine
(3 .56-73) mit der Behauptung,
habe man im alten Griechenland die Synthese aus
Philosophie und Rhetorik verstanden.·' Als die ältesten Bei�piele für diese alte Wei�heit werden die Staatsmänner Lykurg, Pittakos und Solon aufgeführt. ·' Es habe allerdings auch unter den Alten einsichtsvolle, aber unpraktische Griechen gege ben , wie z . B . Pythagoras, Demokrit und Anaxagoras, deren Autorität leider zur Folge hatte, dass zu viele begabte Menschen anfingen, sich einem kontemplativen Dasein theoretischer Studien zu widmen - eine Entwicklung, die sich als Vorstufe der späteren Verurteilung der aktiven rhetorischen Lebensform durch die Philoso phen zeigen sollte
(3.56).
Es ist aber eine wesendiche Pointe in Crassus' Darstel
lung, dass die genannten vorsokrati�chen Theoretiker im Gegensatz zu den späte ren Philosophen das Einheitsideal aus Philosophie und Rhetorik nicht angefochten
(3.57 vetus illa doctrina), welche eine Anleitung zum rechten Handeln als auch zum guten Reden gewesen sei (ibid. recte jaciendi et hene dicendi magistra), zunächst weiterhin existiert habe. So hätten hätten, so dass diese "alte Lehre"
sowohl
damals noch dieselben Lehrer, wie bereits der homerische Pädagoge Phoinix, der aus Achill "einen Sprecher von Worten und einen Mann der Taten" gemacht hätte, "sowohl in der Kunst des Lebens als auch des Reden.�" unterrichtet (ibid.
'neque
disiuncti doctores, sed eidem erant '{.'i'Vendi praeceptores atque dicendi). Ftir Crassus wird die ideale Einheit zwischen rechtem Handeln und gutem Re den , also zwischen philosophisch begründeter Ethik und prakti�ch-politischer Rhe torik, einerseits von aktiven Politikern ""ie Themistokles, Perikles und Theramenes, andererseits von Lehrern wie Gorgias, Thrasymachos und Isokrates verkörpert, von denen die letzteren "zwar in geringerem Maile am politi�chen Leben teilnah men, dafür aber als Lehrer in derselben Form von Weisheit blühten" .•4 Hier werden die Sophisten Gorgias und Thrasymachos also in durchaus positiven Wendungen
(qui . . . florerent)
als die vorwiegend, aber offenbar nicht ausschliel.llich theoreti
schen Vertreter jenes Einheitsideals vorgestellt, das Cicero wiederherzustellen
nam.r liche Einheit ( ancipitem, quae non potest esse seiuncta, jaciendi dicendique sapientiam ) und auilerdem zu jener Zeit weit verbreitet gewesen. So habe es
wün.�cht. Dabei wird betont, die Einheit zwischen Handlung und Rede sei die 00.
00.
N2
HJ
oS4
3.56 Ilant', inquam, <",'ngitandi pnmuntiandique runOR{.1'ffi 'Vimque dicendi vet(..'"Te."!: Orua>i sapientiam nmnina'Junt. Oie Nennung von Lykurg, der im Gegensatz zu Pittakns und Solon nicht zur Gruppe der Sieben 'VI/eisen gehürte. zeigt! das."i auch Pittakos und Solon in diesem Zusammenhang primär als Staa.tlr männer unJ Gesetzgeber aufgefa"st wenlen .ullen (Leeman & al. 1')')6: 4 . 2 1 5). :l.St) Sed quod erunt quidam eique multi qui aut in re publicu propter urn..ipitem. qtute non pote."tt e."I..�e seiurn..>tu, flK>u,mdi di<..'(..�dique supu...�tium f'lA,rerent, ut Thcmi.�tocles, ut Peri(.·le.�, ut Theramene.�, uut, qui minus ip.o.ri in Te puhlica 't."erxan"T1.tUT, sed huiw� turnen dusdem supientiue do{."tores eSSf..-�tt Ul O(nJlia.�, Thrl1.o.tYl1ulCh os, IM(}(...,..ate.� . . .
3. Ciceros rhetorische Sch riften
39
neben den namentlich genannten Lehrern noch viele andere gegeben (e mnt quidam eique multi), die jene alte einheitliche Lehre praktiziert hätten. Etwas später im Dialog (3.126-1.11) lobt die Dialogfigur Catulus, ein Prototyp des modemen gebildeten Staatsmannes (Leeman & al. 1985: 2.204f.), die rhetori sche Kraft und den gelehrten Universalismus seines Vorredners und Vorbildes Crassus. Vor allem sei an ihm lobenswert, dass er es gewagt habe, "den Redner aus seinen viel zu engen Schranken herauszuführen und ihn in das Königsamt seiner
(3.126 quantisqu.e ex angu,�tiis oralorem educere ausus es el in maiorum suorum reg./W mnloca.re). Catulus greift dabei Crassus' Darstellung der sophistischen Bewegung des 5. Jahrhunderts wieder auf und stellt
Vorfahren wieder einzusetzen"
ebenso wie Crassus diese Bewegung aufgrund ihres universalen Ansatzes als die Verkörperung jenes " Königreiches der Vorfahren" dar: "Denn auch die alten Lehr meister und Gründer der Redekunst hielten kein Diskussionsthema rur fremd und waren mit allen Formen der Redekunst vertraut. " " Als Beleg Ii.ir diese Behauptung erzählt Catulus die Anekdote von I1ippias, der einmal bei den Olympischen Spielen vor ganz Griechenland verktindet hätte, es gäbe "nichts auf welchem Gebiet auch immer" , von den ,freien 'Vissensehaften' bis zur Herstellung von Sandalen, auf das er sich nicht verstünde.'· Catulus' Beschreibung von I1ippias' radikalem Universa lismus ist gewiss von einem starken Hauch von Di�tanz und Ironie getragen, was in Catulus' Anmerkung, I 1ippia.� sei "selbstverständlich zu weit gegangen" (3 .128 Sei/icel nimis hic quidem est progressus), sowie i n seiner kritischen Betonung von I1ippias' Selbstinszenierung (3 .127 g/oriatus est) zum Ausdruck kommt, und diese di�tanzierenden Bemerkungen sind sicherlich ein Zeichen von der starken Wirkung der platonischen I1ippias-Darstellungen in den gleichnamigen Dialogen. Aber die Konklusion des Catulus lässt erkennen, dass die Distanzierung nicht das Universali tätsprinzip als solches betrifft, sondern I1ippia.�' exzentri�che Do-it-yourself-Manie auf dem Gebiet des Praktischen und Handwerklichen, da.� von den Römern tradi-
S5 116
1 . 1 26 .\'arnque illo.� 't,'etc..�e.."( doctoTes aU(..'1:ofl!sque diL>endi nullum ge.."r,us di..oqrutationi."1 a se uliL.'"1u 1 m l'uta.·"..'m uQL't..-pimu."( sc..�pL.�qu.e esse in in omni oTurumis rutione veTSato,s. 3 . 1 27 ,.Einer "on ihnen, l Iippia.. aus EHs, ... riihmte .ich einmal in Olympia. wahrend beinahe ganz Griechenland ihm zuh<1rte, dass es keine Kuru..'1 auf keinem Gehiet gäbe, von dem er nichts ven..'tiin d.e. Er behauptete nicht nur, die Disziplinen zu heh""",, hen, welche die )"'rziehung und Bildung eines freien Mannes dan.1ellen, \\ie Geometrie! Mmdk. K�nntniNs� von Literanrr und Oichtung� Physik. Ethik und Politik� sond�m auch, dass er den Ring. d�n Mantel und die Sandalen. die ertrug. mit seinen eigenen I länJen verfertigt hatte" (Ex quWlL. 1>1iu.. JIippin.., L'Um O�"mpium "L'nis" et . . . • /lloriutus ",'I/: L'tUlctLL T}U(..'"'J"Le audienre OraeL'ia nihü e.""ore ulla in arte Tl"TUm omnium, qt.wd ipse 11e.'«..-1ret; nec sorum has arti.'i, quibus liberules dexmlll.le atque i�S(."fl11l1e (..'ontinen.."fltur, geometriam, mwriL'um. littt.'TUnlm . (.'.oAnm.ofu.:rn. et. pt'K.�aTU1l1 a:tque ilIa., C(lU1e de natun.s Tl-'1Um, C(lU1e de hmninum ffwnblL'i. � de rdJlL'i puhl:it..i."f dicen..,,-.,tur, se tt.."flt..-'Te, sed anulum, qtu...'m �,.,.et, pallium, quo amietus, s(x,'co."c, quifnL'" induru..", esset, se suu manu L'fmj"eLi.",,"Ie) .. Uie Geschichte von I lippiaN als Alleskünner stammt wahn;cheinlich letztlich aus Platons JIi"1T'in.. minOT (36Ilh5ff.). aber die ern'eiterte Version der Geschichte hei lJio (frr. 7 1 .2) zeigt.., das.", wir e."I spateh"'te1lN zur Zeit der zweiten Sophih1ik mit ei nem le.K'us L'fJmmun-L"f zu tun haben. Cf. neben Uio auch Philostr.rtos' l IippirurUiographie (uit. soph. 1 . 1 l .4lJ5f.) """ ie Plutarch. Numa 1 und 0". 2.1. Lukian IIL'1Txl. •1. AriStid"" OT. 3.602. 614 und 4.44, Pausaniru; 5.24.5 und Athenaios 2 11lc und 506f.
40
3 . Ciceros rhetorische Schriften
tionell gering geschätzt wurde (cf. I Iarrison 2000: 108). Catulus zieht aus der Anek dote nämlich den folgenden Schluss ( 3 . 128): Auch wenn I 1ippias zwar dadurch übertrieben habe, dass er sich auch mit niedrigeren Tätigkeiten
artes ])
(somidiores
[ sc.
abgegeben habe, so zeige sein Beispiel gerade, wie sehr die Sophisten, die
Catulus konsequent als
oratores bezeichnet, nach einer universalen Bildung auf (praeclarissimis artibus) gestrebt hätten, wenn sie sich
allen erhabenen Gebieten
nicht einmal scheuten, sich auch mit den weniger erhabenen zu befassen. " ' Ent sprechend betont Catulus mit anaphorisch-rhetorischem Nachdruck, dass auch die übrigen Sophisten Prodikos, Thrasymachos und Protagoras "über alle möglichen Themen, darunter auch naturphilosophische, schrieben und lehrten" . "" Diese summ arische Erwähnung der umfassenden, mündlichen und schrifdichen Tätigkeit von Prodikos, Thrasymachos und Protagoras dient al'l eine Art Auftakt zur Präsentation von ,jenem berühmten Gorgias aus Leontinoi selbst" ( 3 . 1 2 9
Leontinu."I OoTgia."I),
ipse ille
dessen universales Programm als Klimax der Geschichte der
sophistischen Bewegung ausführlich vorgestellt wird: " . . . er [ sc. Gorgias l bietet in dem erwähnten Buch des Platon [ sc .
OoTgiasl
an, über welches Thema auch im
mer, das j emand untersucht und zur Diskussion gestellt haben möchte, ausschöp fend zu sprechen. ,," Um den Erfolg des sophistischen Universalitätsideals zu beto nen, fügt CatultL'I
in unmittelbarem AnschltL'IS an die
Darstellung von Gorgias' Pr0-
gramm ohne jegliche Distanzierung hinzu, Gorgias sei im damaligen Griechenland
so angesehen gewesen, dass ihm al'l einzigem keine vergoldete, sondern eine golde ne Statue in Delphi aufgestellt worden sei (ibid . ) . Zudem betont Catulus ebenso wie CrasstL'I und in derselben Absicht, dass die sophistische Bewegung ein umfassendes Phänomen war." Während jedoch Gorgias, Thrasymachos und die übrigen Sophis ten bei Crassus als Theoretiker dargestellt wurden, die im Gegensatz zu Perikles und anderen regulären Politikern selbst wenig politisch aktiv waren, bezeichnet Catulus, wie gesagt, die Sophisten nicht nur als
doctores auctoresque dicendi
( 3 . 1 26), sondern zugleich als oratores ( 3 . 128).
87 88 8'J
'JIJ
3 . 1 28 Scd "'" c o i,....o e.'ft "mic,,'hJru JU<.1Ils. quantum ",bi i/li "ratore... dc pruecla ri.'IId mi... artibu... appcti<-'lint. qui nc ",mlidi,,",,, quUk.". r".,...diarint. 3 . 1 28 quid de P,."dico . . . • de Thra...ymacho . . . • de ProtlA#iora . . . loquar? QwlTUm unu... qui....,.. c plurimum temp{Jrihu.� iUi..., ''l1am de natura rerum ,� di..'f.n ."U..·- dt ,� sc..oripsit 3 . 1 2'J scd hic in i/lo ipHo P/uUmls lilm. de omni re. quac"...mquc in di."""'Ptati,mcm quaesti()n,�c ",oO(..'ctU.T, sc: (..'fJp1usi..'f....ri:me dicturum esse p"dltetur; i..'1 prinC(.7'S ex mnnihu..'1 au....... cllt in umt>entu JK""",re. qua dc re quisquc t>ell" t audire. lleachte, wie Cicero den uni\'e1"ll:l len Ansatz des GorgiaH hen'orheht, indem er in die.'4em l'a"&SUS insgesamt dreimal den Gegenstand der Redekun.t als unbellrenzt bezeichnet (de ..mni re . . . quae"... mt(UC • • • qua de re qui....,.. e .,"'let). 3 . 1 3IJ "l>iejenigen, die ich genannt habe, und " ele andere der IIrf.ßten Theoretiker der Redekunst waren alle Zeitlten()s..�n" (hi qU{J..o.r numirut'Oi multique pra,.tt:erea Hummique dk.'(...,wi mK.rt."rcs uno temJKweJu,.".nt).
3 . Ciceros rhetorische Sch riften
41
Ciceros Eloquentio-Ideal und die alte Sophistik Als vorläufiges Ergebnis können wi r den Befund in De
oratore s o zusammenfassen,
dass Cicero mit den beiden historischen Abschnitten offenbar die Sophisten als eine
historische
Gruppe
aus
vornehmlich
auctoresque diccndi) darstellt,
rhetorischen
Theoretikern
(doctores
die in weitem Mal.\e genau das rhetorische Ideal der
Einheit zwischen Denken und Reden verkörperte, die Cicero mit seinem
eloquen�
Konzept \\iederherstellen will . Die damalige Verbreitung und der damalige Erfolg des
Einheitskonzepts soll dabei zugleich die Richtigkeit dieses Ideals zeigen.
Im Allgemeinen bezog Cicero wahrscheinlich sein Wissen über die Geschichte der griechischen Rhetorik aus AristoteIes sowie aus verschiedenen rhetorischen Handbüchern:' aber
im
Falle des Gorgias bezieht er sich in erster Linie auf die
De fi.nihu.� auch hier offenbar De De oratore jedoch nicht zugleich die
Figur des gleichnamigen Dialogs Platons, die er wie in
für eine zuverlässige Wiedergabe des historischen Gorgias hält." Anders als in
finihus
(siehe S.
23)
übernimmt Cicero in
kritische Perspektive des Platondialogs. Von einer Niederlage des Universal rhetorikers Gorgias im Kräftemessen mit der sokratischen Dialektik ist hier keine Rede. Wir sehen vielmehr, wie Cicero in
De oratore
das sophistische Einheitsideal
rehabilitiert, sowohl direkt durch die Betonung der damaligen Achtung und der Popularität der Sophisten als auch indirekt durch seine eigene universale Definition der Rhetorik, die nominell dem gorgianischen Programm entspricht. Dieses Pro
Dc in'Vcntionc als dasjenige des Gorgias präsentiert Dc oratore wird der universale Anspruch der Rhetorik zweimal explizit
gramm hatte Cicero bereits in und auch in
als das Programm des Gorgias dargelegt." Ciceros Behandlung der Sophistik beschränkt sich in
Dc oratorc jedoch nicht cxcmplum des rhetori
auf die positive Darstellung der SophL�tik als historisches
schen Einheitsideal� sowie auf die positive Übernahme des gorgianischen Universa litätsprogramms im Ilinblick auf das Wirkungsfeld des ideellen Redners. Als Crassu.� im ersten Buch (1. 103f.) dazu aufgefordert wird, zu der Frage Stellung
zu beziehen, ob die Rhetorik eine Kunst
(ars) sei
oder nicht, reagiert er empört, in
dem er antwortet, wenn jemand einen solchen Vortrag wünsche, solle er lieber ir gendeiner der "kleinen unbeschäftigten und redseligen Griechen"
otioso ce loquaci)
(1.103 Gracculo
kommen lassen, die ja mit ihrer Gelehrsamkeit und Bildung für
diese Form von improvisierten, epideiktischen Vorträgen Experten seien. Als Beispiel
führt Crassus Gorgias an, "der angeblich der erste gewesen sein soll, der diese Me thode praktiziert habe, " und bemerkt dazu in einem deutlich herablassenden Ton: "Damals fand man, dass es etwas ganz Besonderes war, was er auf sich nahm, als er
\/1
\12
\/J
Vgl. hierzu l Iarhsmeier (i m Druck). Siehe z . ß. de ,,,.. J. 12\/, zitiert in Anm. /-I\/. 3 . 1 2\/. Siehe hierzu S. 40 und d. l I.strup ( 1 9/-1 1 : 1 .2\/). Allerdings ist .uch die :-lähe des rn&�a zum Anf.ng.satz der ari.·totelischen '[()pik ( 100a Hf.) auffällig.
42
3 . Ciceros rhetorische Schriften
versprach, er sei bereit, tiber jedes Thema zu sprechen, das man von ihm wünsche. "••
Ilier gilt Gorgia.� also nach wie vor als Erfinder der epideiktischen Improvisation, aber
sein E1taYYEA�Hx, tiber ein beliebiges Thema aus dem Stegreif reden zu können, wird diesmal - ähnlich wie in Dcfinibus (siehe S.
23) - nicht als Vorbild einer universalen
Bildung, sondern al� typisches Beispiel ftir die angebliche Redseligkeit und Freizeit · mentalität der Griechen präsentiert. 5 So versucht ein dritter Gesprächsteilnehmer des Dialogs, Scaevola, an dieser Stelle den aufgeregten Crassu.�
zu
beschwichtigen,
indem er versichert, man wünsche sich keineswegs "das Alltagsgerede irgendeines Griechen ohne praktisch-politische Relevanz", sondern die Ansicht eines großen Römers, der seine Erfahrungen nicht in der Studierkammer, sondern in den größten Gerichtsprozessen gesammelt habe.'· Auch im Rahmen von Catulus' Rekapitulation von Crassus' Geschichte der so phistischen Bewegung findet sich ein ähnliches Doppelbild. Catulus betont einer seits, wie die theoretische Einheitslehre der Sophisten dazu geführt habe, dass die
akti'Oc
Redekunst damals unter den Griechen "sowohl kraft einer gröLleren inhalt
lichen Tiefe al� auch kraft eines größeren Ansehens" zu groLler Bltite gelangte�7 Dartiber hinaus wird die ursprüngliche ideale Verbindung zwischen Theorie und Praxis dadurch hervorgehoben, dass Catulus die Tätigkeit der Sophisten einerseits als tiberwiegend theoretisch, die einzelnen Sophisten aber zugleich als
oratore.'l Dc
bezeichnet. Andererseits lässt Cicero in unmittelbarem Anschluss an dieses - in
oratore
- tiberaus positive Prädikat Catulu.� beklagen, dass sich die Griechen mit
ihrer Neigung zu theoretischen und wissenschaftlichen Beschäftigungen in einem solchen MaLle einem Leben des MüLligganges hingegeben hätten, dass sie nicht imstande gewesen seien, das auszubauen oder auch nur zu bewahren, was ihr ei gentliches proprium war, nämlich die Einheitskultur der politischen Praxis und der philosophischen Theorie."
94 95
1 . 1 03 ... quod primumfL'n.mt ... .fi�;''''''ie G(J�Jian. qui p(.�num quühlam. SlL"iL";'1x:Te (J,(." T,nJjit(,� 't.:idc..�atur. L'U1Tl se ud omn-ia, de quihu.."i qui'«fUc uudiru veUct. e."h.'re lJUTatum denuntiuret. 1 . 1 02 Quando enim 'f'1lC i.."ftU. (,..'UrlL",,�e aut (,..·og itu.."ise et non s(:m.per in risi.."ise fJCJtiu.� eontm lunninum [ !
Cf. !Je fin. 2 . 1 . 1 . (uuda.,." ne/l"num, di<.'en'm die gorgianische Epideiktik. eber we gelegentliche The m ati.ierun g de. traJiti,,· ne l len Schismas zwi"ichen rümischer o{"(..'uTJatio und gri ec hi sch em otium in DC! oratore siehe Lee man & a1. ( 1 9/11 : 1 .57f.) mit Angahe vun weiteren TextsteIlen und Sekundärlitemtur. J . I 05 . .. non Grucd ulicuius cotidianam loqtWCiUdLlfn sinC! usu ... :1ed . . . e.,x: co, qui rum in liheUis, ."I-Cd in maximi.", ca1Jsi.� . . . sit .. . prifU..'f..7J.o.r. J . I JO Ex quilrus in tcllC!gi pote",t ita se TC.'m hu.bere, ut tu, Cru...�set diLi.�, orutmi.",que runnen uptul. antiquo.", in Orueda 'l1'Wio7"C! quadam 'Ud copia vel gloria}loruisse. J . l J I il1i nun in Utt"rL' urrH.'1lte.'«{Ue hi.. srudii..., "no <-"<-'Tl) di8lUL'1lte." nem rruxl" nihil UAX(Ui.'phischer Theurie und puHti...cher Praxis nicht haben aufrecht erhalten kfmnen. imJ1udL"'-') üher
«)6 «)7 9!l
3. Ciceros rhetorische Sch riften
43
Eine Erklärung firr die Widersprüchlichkeit dieser Darstellung könnte sein, dass
oratorcs - wie das Beispiel lIippias vermuten lässt - die Sophi�ten nicht als prakti zierende Redner in politischen, sondern nur in epideiktischen Zusammenhängen bezeichnen soll. Allerdings scheint der Begriff
orator
- das Thema des gesamten
Dialogs - nicht bloß auf einen beliebigen öffendichen Redner, sondern speziell auf einen im politischen Leben tätigen Redner gemünzt
zu
sein. Vermudich hat es da
her eine tiefere Bedeutung, wenn Cicero diesen prägnanten Titelbegriff auch auf die Sophisten überträgt. Bevor
wir
allerdings diese Funktion genau bestimmen
können, müssen wir zuerst die Rolle etwas näher untersuchen, die Platons Behand lung der Sophisten in Dc oratorc spielt.
Die Rolle der p latonischen Darstellung der Sophistik in De oratore Die Verantwortung firr die "sinnlose, nutzlose und tadelnswerte" Autlösung der ur sprünglichen und natürlichen Einheit "zwischen Zunge und Verstand", die dazu geführt habe, dass "die einen uns das Reden beibringen, die anderen das Denken" , überträgt Cicero - wie später auch Friedrich Nietzsche - auf Sokrates und seine Anhänger und auf deren "Unbehagen an praktisch-politischen Tätigkeiten" und die daraus folgende "Verachtung der Redekunst" ." Mit dieser Polemik wendet sich Cicero gegen Platons Darstellung der Auseinandersetzungen zwischen Sokrates und den Sophisten. So stellt Crassus in seiner ersten Antwort auf die antirhetorische Polemik der zeitgenössischen Philosophie und deren Infragestellung der philosophischen Inhal te der Rednerausbildung und der politischen Existenzberechtigung der Rede kunst'oo
im
ersten Buch fest, diese Polemik stamme letzten Endes von Platon, dem
"Erfinder und Urheber der ganzen Auseinandersetzung"
tionum in'Vcntori ct principi).I0·
(1.47 harum disputa
Crassus denkt hierbei in erster Linie an Platons
Dialog Gorgias, den er während eines Aufenthaltes in Athen zusammen mit dem
Akademiker Charmadas intensiv studiert habe (ibid . ) . Auch in seiner späteren Geschichte der Rhetorik
(3.59)
wird die Polemik gegen Platons
Oorgias
- wenn
auch eher implizit - deudich, wenn Crassus ausgerechnet Themistokles und
t)«)
J.59ff. ... muenti :runt, qui . .. a re auU.� duiü LI( U �otii.� unimi qwxlam itulido ulJhorTL-Tl!nt, hanc dia..."1Uli . e...'\'t.n.itatümc.."17l �itan...ont utqu.e CfmU..>ffiTU.-7L"TIt; qtLCJrlDll 1'1'inc...'f..7J.'" ..'Kx.."rl1.tes fuit, 1.'t qui . . . IuJe
L'(nnmune f1(mK.� c.-?"ipuit sapu_''fl.tL�e st.'TItic.."7IL1i et ornate diL'f..'1Uli sc.."ienriam TC cohtALn.'TIti.", dispuwtionilru.. sui.. "
44
3 . Ciceros rhetorische Schriften
Perikles in hohen Tönen lobt, die beide (neben Kimon und Miltiades) in Platons 102 Dialog einer besonders harten Kritik unterzogen werden. Crassus und Catulus lehnen sowohl die Rhetorik-Kritik Platons aL'I auch die der zeitgenössischen Philosophie entschieden ab. So betont Crassus, dass er besonders mit Blick auf den Dialog Gor�ias Platon zwar bewundert, aber eben nicht als Philo sophen, der die Redner bloßgestellt habe, sondern als den "a1lergröt\ten Redner selbst" . lo, Platons Kritik wird mit der Begründung zuruckge""'iesen, es handele sich lediglich um einen - für die streitsüchtigen Griechen typischenlo• - ",\Tortstreit" ( 1.47 vcrhi controvcrsia). Ähnlich argumentiert Catulus in seinem Abschnitt, Platon habe im GoTgi.as nicht die Wahrheit erzählt und Gorgias sei von Sokrates in S Wirklichkeit nie besiegt worden, l O oder Gorgias sei tatsächlich besiegt worden, 10. aber nur deshalb, weil Sokrates einfach der bessere Redner gewesen sei. In bei den Fällen habe nicht die Philosophie, sondern die Rhetorik gesiegt. Ciceros Behandlung von Gorgias und dem Ideal, das er ihn und die übrigen So phisten vertreten lässt, hat also einen zentralen Bezugsrahmen in Platons Diskussi on der Sophistik, ",,'ie sie besonders im Dialog Gorgia.'1 entfaltet wird. Die direkte Anknüpfung an Platons Dialog bedeutet jedoch nicht, dass Cicero auf die Proble matik der platonischen Diskussion wirklich eingeht. Dies ,,,ird aus seiner Verteidi gungsstrategie für den platonischen Gorgias klar. Wenn Cicero Gorgias verteidigt, indem er Crassus und Catulus behaupten lässt, Gorgias sei von Sokrates auf seinem eigenen Gebiet, d. h. auf dem Gebiet der Rhetorik, nie geschlagen worden, und wenn, dann nur deshalb, weil ihm Sokrates rhetorisch überlegen war, dann lässt Cicero im Grunde genommen die platonische Kritik der sophistischen Rhetorik völlig unbeantwortet. Denn die Überlegenheit der Rhetorik, die Cicero beweisen wi.ll , sieht er von vornherein als gegeben an. Sie wird in der Diskussion Z"I'ischen Philosophie und Rhetorik - ganz gleich ",,'ie diese Diskussion endet - lediglich be stätigt, weil der Sieger der Diskussion immer kraft der Rhetorik gesiegt haben wird (cf. Ptassek 1993: 8Sff.). In diesem Zusammenhang ist es auch bezeichnend, dass Cicero von den übrigen Kardinalpunkten in Platons Gorgias, nämlich der Frage, ob die Rhetorik überhaupt eine ars (tiXVrj) sei, sowie dem moralL'lChen Problem, das dadurch ent'lteht, dass 102 1'1. O"'"Il. 5 1 5h6ff. Siehe hierruauch Leeman & al. ( 1 996: 4 . 2 1 1f.). 103 1 .47 'I'W in li'm, [ sc. O()�>iu.< 1 in Iwc ma.,imc udmimbuT P/at()nem, qwx./ mihi ()mt()ribu.< inridendi."f ipse esse €JTutor ,rummu.-.: 'Videbu.tur. Vgl . .1 . 1 22, wo CraNsus explizit .. Sokrates aus Pla tons G(Jrgia.�·· (ut ille in Om'giu SO(..7Ules) als ein BeihT'iel dafür anführt. \,,-i e die Philosophen zu l�nrecht tUe Rhetorik verspotten. 1 04 1 .47 OrueL>tllo.."f homine..., (:ontentUmis (."Upidiore•.., Cfl.U.'m 'Vc...'Ti.tati.�. 1 05 Vgl. die Fonnulierung in .1 . 1 29 .. . . . jener Gorgias seihst. unter dessen l'atrunat der Redner, so u.....e es Haton wollte, dem Philosophen unterlag" (/p.� üle . . . Ot)"�iu.."I'. qtW patnmo, ut Pluto 'tJoluit, phil"."''T,hcJ .
3. Ciceros rhetorische Schrihen
45
die Rhetorik missbraucht werden kann, den ersten Punkt nur oberflächlich berührt (cf. Leeman & al. 1981 : 1.190ff.) und den zweiten dadurch zu lösen meint, dass er 107 auf das isokratei'IChe Konzept des ,rechten Gebrauchs' der Rede zurückgreift. Damit verschiebt Cicero freilich bloß das Problem auf die Frage, wie die moralische Integrität des Redners gesichert werden könnte, aber diese Frage wird bezeichnen derweise in De oratorc nicht thematisiert. Im Gegenteil zeigt Catulus' Verweis auf Kritia.'I und A1kibiades 31'1 Beispiele für die alte Einheit zwischen Reden und Den H ken, obwohl diese beiden ihren Mitbürgern nichts Gutes gebracht hätten, l O dass Ciceros primäres Ziel mit dem philosophisch-rhetorischen Einheitsideal nicht die moralische Integrität des Redners ist, sondern vielmehr eine möglichst grolle rhe torische Wirku� der Rede. Diese Prioritätensetzung geht zudem daraus hervor, dass Platon auch in De oratorc zwar einerseits neben Sokrates als der für die in Ciceros Augen fatale Auflösung der ursprünglichen Einheitskultur Verantwordi chen dargesteUt wird, andererseits aber gelegendich aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten und seines allseitigen Wissens in hohen Tönen gelobt wird.'" Entweder, so lässt sich dieser Befund zusammenfassen, hat Cicero den Kern der philosophischen Problematisierun g der sophistischen Rhetorik in Platons GoTgias nicht begriffen, I I O oder er hat mit seiner DarsteUung der Sophistik und deren Rolle in Platons Dialogen nicht beabsichtigt, eine philosophisch qualifizierte Diskussion 11 der Probleme des platoni'lchen Gorgias zu führen. I Die erste Möglichkeit lässt sich nur schwer verifizieren, während die zweite Möglichkeit durch weitere Züge in 107 3.55 " " . diese Fähigkeit [sc. die Bered'l3J1tkeit). die auf der Grundlage einer Gesamteiruricht in die [)inge 11II!Iere Gedanken und Üherlegungen auf eine solche Weu.e in Worte nmsetzt, da... .ie dieje nigen, die .ne h',ren. in eine heliebige Richtung zu fUhren "ertna!l: Je gr',ßer ihre Macht in dieser l liruricht i.t, de.'U, notwendiger i.1: es darum. dass sie mit RechL�haHenheit und höchster Ein.ncht vereint ist'" ( . . . haec 'Ui..IIf, quae st.;entiam (..·omplexa n.�m 1""1L.,,", menti.., ct ("'W'nL.'filia sie 4UCroi..'1 explk.'ut, ut cus qui audiant, qu(J(.."Um� im.oubuerit, 'fHJSHit. impelk."f'"C ; l(IUJe quo maior e..
46
3. Ciceros rhetorische Schriften
Ciceros Darstellung der Sophistik sowie in seiner Behandlung von Platons Dar stellung der Sophistik plausibilisiert wird. Die Darstel l u n g der Sophistik in Oe oratore und die Argumentation des Dialogs
Ciceros Behandlung der Sophistik und sein Umgang mit deren Darstellung bei Platon machen zunächst einen widersprüchlichen Eindruck. Einerseits betont Ci cero, die Sophi�ten hätten mit ihrem universalen Bildungsideal zu ihrer Zeit in ganz Griechenland eine hohe Achtung genossen, andererseits lässt er seine Dialogfigu ren eine deutliche Verachtung gegentiber Gorgias als Prototyp "des geschwätzigen Griechen" (cf. 1 . 103 Graeculo . . . loquaci) zeigen. Im Vorwort des Dialogs bekennt sich Cicero selbst, wie bereits erwähnt, aus drücklich zu dem Ideal einer universalen politisch-rhetorisch-philosophischen Bil dung ( 1 .21), 1 1 2 einem Ideal, das er mit wechselndem Glück in seiner öffentlichen Karriere zu realisieren versuchte. Somit funktioniert De oratore auch als eine Art persönlicher Imagepflege, I" und es liegt daher auf der Hand, dass Cicero auch mit dieser Schrift seine Leser über sein Einheitsideal nicht lediglich informieren, son dern vielmehr sie von der Richtigkeit dieses Ideals überzeugen wollte. Dieser protreptische Ansatz zeigt sich auch in den hi�torischen Abschnitten, die . ebenso wie der Rest des Dialogs eine stark persuasive Form aufweisen. 1 1 So lässt Cicero z.B. in dem besprochenen I1ippialrAbschnitt den ,Beweis' führen, es sei aus der Tatsache, dass die Sophisten sich zu weniger erhabenen Tätigkeiten herablie l)en, "leicht zu schliel.) en" (.1.128 est conieclum fllCilis), dass sie auch auf allen erhabenen Gebieten tätig waren. Diese Stelle zeigt in durchaus repräsentativer 'Veise, wie sehr Cicero bereit ist, rhetorische Mittel zugunsten seiner argumentati ven Ziele einzusetzen - hier der Suggerierung eines universalen Bildungsideals im 5 . Jahrhundert, denn im strengen Sinne gibt es natürlich keinen logischen Zusam menhang zwischen I1ippias' Sandalenherstellung und seiner Beschäftigung mit Mathematik, Ethik etc. Wie das I1ippias-Beispiel zeigt, besteht Ciceros Behandlung von Platon und der Sophistik nicht aus neutralen Infonnationen und lauteren Sachdiskussionen, ge schrieben für Philosophiehistoriker späterer Zeiten, sondern ist vielmehr ein inte grierter Teil der ubergeordneten Argumentationsstrategie in De oratnre. Wenn Cicero seine Figuren die sophistische Bewegung als eine rhetorisch orientierte 1 1 2 Cf. Thraecle (1995: 4 57f.) uncl CI"".en ( 19H2: pu...'
3. Ciceros rhetorische Schrihen
47
Einheitskultur darstellen lässt, kann e r nämlich beim Leser den Eindruck erwe cken, dass sein Ideal
bereits existiert hat.
Dass Cicero mit seiner Darstellung der
Sophi'ltik genau das erreichen wollte, lässt sich einer der impliziten Interpretations anweisungen entnehmen , die Cicero dank der Dialogform seinen Figuren in den Mund legen kann, so dass der Leser nicht sofort merkt, dass er vom Autor in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. So lässt Cicero Catulus sowohl seine eigene his torische Darstellung als auch die des Crassus folgendermat�en zusammenfassen
(3 .130):
nIlieraus kann
man
lernen, dass es sich genau so verhält, wie du sagst,
Crassus, nämlich dass der Name des Redners bei den alten Griechen sowohl wegen einer grötleren inhaldichen Tiefe als auch infolge eines größeren Ansehens in Blüte stand" . 1 1 5 Wenn Cicero im Folgenden dann beschreibt, wie die sophistische Ein heitskultur
nur wegen
zwei Männer, Sokrates und seinem Wortführer Platon, zu
sammenbrach, legt er dem Leser wiederum implizit nahe, den zweifellos gewünsch ten Schluss zu ziehen, dass es nicht so schwierig sein dürfte, die ursprüngliche Einheit wiederherzustellen (cf. Leeman & al. Die Sophisten erfüllen in
De oratore 31'10
1996: 4.212). die Funktion als historische Vorläufer
für Ciceros eigenes Konzept einer philosophisch gestützten, politischen Rhetorik, und Cicero möchte offensichdich suggerieren, dass es einen kausalen Zu sammenhang zwischen der von den Sophisten repräsentierten philosophischen Rhetorik und dem Erfolg gibt, welcher den Sophisten zuteil wurde. Daher hält er sich - in diesem Kontext - nicht davon zurück, den Sophisten eine umfassende und allseitige Gelehrsamkeit oder gar .Weisheit" zuzuschreiben. Sogar Redner wie Kritias und A1kihiades, deren moralische Integrität nicht unumstritten war, be kommen, wie wir gesehen haben, die Prädikate he S.
45).
eloquens
und dactus zugeteilt (sie
Diese Instrumentalisierung der griechischen Philosophie- und Rhetorik
geschichte zugunsten einer übergeordneten Argumentation erklärt zugleich, wa rum Cicero in den historischen Abschnitten mit dem Etikett
orator (3.128)
oder
entsprechenden Andeutungen von praktisch-rhetori'lchen Fähigkeiten so grot�zü gig ist. Denn hier soll ja gerade die Einheit zwischen Politik, Rhetorik und Philoso phie suggeriert werden. Wenn er 31'10 im dritten Buch Crassus sagen lässt, die So phisten hätten sich zwar weniger mit praktischer Politik befasst
in re puhlica versarentur), seien aber Gelehrte der hui«.'1 tarnen eiusdem sap ientiae doctores e&
(3 .59 minus ipsi
politischen Theorie (ibid. ist dies sicherlich zum Teil
ein Zugeständnis an die realen historischen Gegebenheiten. Aber gerade durch die zweifellos beabsichtigte Formulierung, die Sophisten hätten sich
weniger (min«.
mit der praktischen Politik befasst, erreicht Cicero, dass die traditionell eher als reine Theoretiker gezeichneten Sophi'lten hier - wenn nicht in die Mitte, so doch an den Rand des praktisch-politischen Lebens gerückt werden.
1 1 5 Zitiert in Anm. 97. Oie.., Art pen...rudver InterpretatiolL'I3l1leitungen in Cicems rhetorischen und phil",,, .phischen Schriften sind m. W. hwang noch nicht systematisch untenrucht worden. Dabei würde eine derartige Untersuchung im l linblick auf Cicems rhetorische Strategie und Methode vermutlich recht aufschlu."&Sreich Hein.
48
3 . Ciceros rhetorische Schriften
Wo es hingegen Ciceros Absicht ist, den römischen Redner a1� einen vir gravis hervorzuheben, der rund um die Uhr mit konkreten praktisch-politischen Tätigkei ten beschäftigt ist, schärft Cicero dieses Bild zu, indem er es mit der angeblich typisch griechischen Vorliebe für MüLliggang und Geschwätzigkeit kontrastiert. In diesem Zusammenhang bekommt Gorgias' berühmtes universales tnaYYtA!m nun die Funktion eines Urbeispiels für diese - negativ gewertete - Tendenz zur epideik tischen " art pour " art-Rhetorik.
3 . 3 . Brutus Im Brutu.� geht es um die Geschichte der römischen Redekunst, doch zunächst beginnt der Dialog mit einem längeren Abschnitt über die Entstehung der Rede kunst in Athen (2 6ff.). Dieser Abschnitt wird von Ciceros eigener persona vorge tragen und auch hier spielen die Sophisten eine gewisse Rolle. Der Abschnitt beginnt mit einem kurzen Überblick über die groLlen Redner hi� zum Perikles, darun ter Alkibiades und Kritias (29). Danach erklärt Cicero, wie die Erkenntnis von der Macht einer präzi�en und systematisch ausgearbeiteten Rede plötzlich zu der Entstehung einer groLlen Menge an Redelehrern (magi.�tri dicendi) geführt habe, darunter Gorgias, Thrasymachos, Protagoras, Prodikos und I1ippias, die "zu diesem Zeitpunkt in hohem Ansehen standen" . "6 Wie in De oratore be 117 zeichnet Cicero diese Redelehrer auch hier zusätzlich als oratore.�. M i t dieser kurzen Darstellung der Entstehung der Redekunst möchte Cicero die Rhetorik als eine groLle und bewunderungswürdige aTl! darstellen. Gleichsam in einer langen Evolution habe sich die Redekunst erst spät, dann aber explosiv (subito) entwickelt und zu einer umfassenden Theoriebildung und Unterrichts praxi� geführt, die mit Begeisterung aufgenommen wurde. Die Rhetorik sei also als die zuletzt entwickelte Kunst - eine Art Metafähigkeit, welche die Beherrschung einer ganzen Reihe anderer Disziplinen voraussetze, und darum bei weitem die schwierigste (25f. , Cf. Douglas 1966: 17f. ) . Im Rahmen dieser Geschichte der Rhe torik kann Cicero mit Vorteil die Sophisten gleichzeitig magistri dicendi und oratore.� nennen, weil die Dichotomie zwischen griechischer Theoriebildung und römischer Praxis aus De omtore im Brutu.� keine Rolle spielt. I1ier geht es im Ge genteil vielmehr darum, den hohen Status der praktischen Redekunst kmft der umfassenden Theoriebildung, mit der sie verbunden ist, zu betonen. An einer späteren Stelle im Brutu.� (45ff. ) bietet Cicero freilich eine neue Vari ante der Entstehung der systematischen Redekunst. Diesmal möchte er zeigen, 1 1 6 30 Seil ut intcUc<-rum c.'
3. Ciceros rhetorische Sch riften
49
dass die Redekunst nur unter wohlgeordneten und friedlichen politischen Verhält nissen zu blühen vermag - eine im Jahr 4 6 , dem Jahr der Veröffentlichung des Dialogs, höchst aktuelle Pointe. "" Um diese Behauptung zu untersttitzen, verweist Cicero auf AristoteIes, der in seiner (verlorenen) l:'\lvuymyi]
tEXVroV
die Meinung
vertreten habe, die systematische Redekunst sei erst nach der Abschaffung der Tyrannis entstanden, weU man erst dann angefangen habe, Privatklagen an die Gerichtshöfe einzureichen . So entstanden zunächst die rhetorischen Werke des Korax und des Tei�ias, später die des Protagoras und des Gorgias. Von Protagoras habe Aristoteles in diesem Zusammenhang Mustervorträge über berühmte Themen (47
rerum illustrium disputationes )
tadelnde
Reden
über
'Vituperati.onesque).
dieselben
genannt, von Gorgias dessen lobende und
Gegenstände
(singularum rerurn laudes
Über Antiphon heißt es - immer noch nach AristoteIes - er
habe "ähnliche Stücke" verfasst, und Cicero fügt hinzu, man könne bei Thukydides lesen (sc.
8.68),
dass keiner sich hätte besser verteidigen können, als es Antiphon
in dem Prozess getan habe, in dem er selbst unter Anklage stand.
De oratorc hat die Darstellung der sophistischen Bewegung also auch im Brutus einen klaren instrumentalen Charakter. Dies wird noch deutlicher, wenn wir
Wie in
Ciceros Charakteri�ierung der Sophi�ten und die Definitionen ihrer Tätigkeit in den jeweiligen Abschnitten betrachten. Im Aristoteles-Abschnitt (45ff.) v.'ird Gorgias dafür zitiert, das Wesen der Rede kunst al� die Kunst des "Vergröl.�erns"
(augerc)
und "Zerstörens"
(ajJl.igerc)
dersel
ben Sache rni t jeweil� Lob und Tadel definiert zu haben (47 ) . Diese Definition bUdet nicht nur das passende
EltayyeA!!U
zu den genann ten
pro cl
contra-Musterreden,
sondern dient Cicero auch als hi�torische Sttitze für die aus Ari�toteles übernomme ne These, die Ent�tehung der systemati�hen Redekunst sei das Ergebnis des blühen den
OcrichtswcsCll.s eines freien Staates.
Ciceros Beschreibung von Gorgias' Reden
und dessen Rhetorik-Definition i�t also Teil einer rhetori�hen Strategie, die ein be stimmtes BUd der Redekunst fördern soll. Das gUt ebenfall� für die Beschreibung des Antiphon. Hier beschränkt sich Cicero - zweifellos bewusst - darauf, nur den po · sitiven TeU vom Leumund des angeblichen Augenzeugen" Thukydides (8. 68) wie derzugeben, während er darauf verzichtet zu erzählen, was man an derselben Stelle bei Thukydides auch lesen könnte, nämlich dass Antiphon in dem genannten Prozess wegen seiner Teilnahme an dem oligarchischen Put'ich von 4 1 1 angeklagt war und dass er aufgrund seines Rufes al� machtvoller Rhetor mit einem ernsthaften Glaub-
I l H 45 ,.Ui� ß�reililamkeit ist eine ßegleiterin des Friedens, eine F'reunwn der politischen Stabilität und l'«)z\.L�en we Pflegetochter des wohlgeurdnrltm GemeinwesenN'" (Pud..... e.."ft c{)m(."�... otique . alumna quaedam doquentia). soda ct iam bene c(Jm�titutae d't--itati.... quu.o.ri 1 1 ') �ach Cicero hahe Thukydides Antipholl8 Veneidigungsrede ..seihst geh,;rt" (47 se lJudiente). was allerdings nicht stimmen kann, ",eil Thukydid.,. zu diesem Zeitpunkt im Exil war (cf. [)"ugla, 1 966: 3M). L>ieser - be�'1lNsre oder unbe\'r'l.lsste - Fehler unterstreicht zusätzlich. dass e.'" Cicero hier darauf ankommt, die Qualität von Antiphons Verteidigungsreue zu hetonen, m(jg,licherweise indem er Thukydides ahNichtlieh zu einem heSNeren Z-eugen macht. als er in \Virklichkeit war.
SO
3 . Ciceros rhetorische Schriften
würdigkeitsproblem zu kämpfen hatte . ' " Mit diesem selektiven Referat erreicht Cice ro erstens, dass Antiphon zusätzlich zu seiner theoretischen Tätigkeit auch als aktiver und außerordentlich tüchtiger
Verteidiger
erscheint. Zweitens vermeidet er, das
Kernproblem zu berühren, das insbesondere seit Platon mit der Rhetorik verbunden ist, sofern diese sich als eine Kunst des Überredens versteht, nämlich dass von demje nigen, der jemanden überreden möchte,
a priori angenommen werden muss, dass er
dieses Ziel über die Rücksicht auf die Wahrheit
setzen
wird. Diese elliptische Strate
gie ist vermutlich auch die Ursache dafür, dass Cicero Kritias neben Alkibiades, Kleon
und Theramenes ohne weitere Kommentare schlicht al'l große Redner der Zeit dar stellt (29
huic aetaLi suppare.'I Alcibiades, Critias, Themmenes). K1eon wird zwar turbulentem . . . quidem eitlem) bezeichnet, aber
al'l ein "chaotischer Bürger" (ibid.
es ist deutlich, dass Cicero mit der Erwähnung dieser - in politischer I1insicht nicht unproblematischen - Gruppe ebensowenig wie in
De oratore beabsichtigt, die Frage
nach der moralischen Integrität des Redners zu thematisieren, sondern lediglich das perikleische Zeitalter al'l die Zeit einer blühenden Redekunst darstellen will . ... Ciceros Absicht, die Rhetorik als das Produkt eines blühenden Gerichtswesens zu zeigen, dürfte auch der Grund sein, weshalb Protagoras'
disputatione.'I
nicht
näher kommentiert werden, denn sie gehörten wahrscheinlich eher einem theore tisch-philosophischen als einem juristischen Kontext an . ... In diesem Abschnitt können wir al'lO einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Ziel der Argumentation und der Art und Wei'le beobachten, in der Cicero die sophistische Bewegung in einem durchaus positivem Licht al'l erste Phase einer bestimmten Entwicklungsgeschichte der Rhetorik präsentiert. Die Instrumentalisierung einer scheinbar objektiven historischen Darstellung der griechischen Rhetorik zugunsten eines bestimmten Bildes der Rhetorik begeg net auch in einem früheren Abschnitt des
Brutus,
in dem Cicero auf die Sophisten
zu sprechen kommt (2 6ff.). Der Abschnitt handelt von der Entstehung der Rede kunst al'l Ergebnis eines zunehmenden Bewusstseins für die Macht des Wortes und hier scheint Cicero auf den ersten Blick das moralische Problem der sophistischen Rhetorik in der Tat aufzugreifen. Denn mit Blick auf die rhetorische Theoriebildung der Sophisten bemerkt er: "Auch viele andere warben zu diesem Zeitpunkt - in reichlich unbescheidenen Wendungen - damit, dass sie ihren Schülern beibringen
1 2 0 Thuk)·dide. 11.611 • . . . auigrund sein"" Ruies als machtmllen Rhetors, hegte die Menge Misstrauen gegeniiher i hm " ( ... imtmtm.; tip ItM"E, IiU'c li69xv IiEtVOt'lto<; IitalCei"Evo<;). 1 2 1 Vg!. hierzu Brutu.. 26 Athenac . . . . lfIU.' in urbe primum s" "ruwr -..lit und 44 l/aec igitur adu•• [sc. die perikl eische I prima AtIu..,.", "_,,rom 1'""''' p<--rf",:rum lUlit. 1 2 2 Es handelt sich wahrscheinlich um die mehrfach hezellllten AVTtÄoytICOl. Siehe hierzu Kerferd & �'Ia.,h ar ( 1 <)<)11, 3 1 ) und l Iarh.meier (im lJruck). Wenn Cicem die IJi''1>UtlJÖlm"s de., I'mtag",..... dennoch ern'ahnt, hängt es wohl damit zusammen. dass die l)arstellung der Geschichte der Rheto· rik sonst zu mager geworden wire und das.... l'1'otagnr..t...... ' in utramquc parTern-Prinzip mit der juris tischen pro (..'t (..'(.mttu,.�()nn in der Sache tat."i3.chlich eng verwandt ist.
3. Ciceros rhetorische Sch riften
51
könnten, die schwächere Sache - so sagten sie - durch die Kunst der Rede zur stär keren zu machen" . 1 23 Diese Definition des proprium der Sophistik begegnet bereits bei Aristophanes (Nuh. 112 ff. ) , wo sie freilich auch als Charakteristikum des Sokrates genannt wird. Eben dieser Vonvurf war bekanntlich einer der Punkte in der Anklage, die Sokrates das Leben kosten sollte. 1 24 Platon diskutiert das EltIlyyeA.J.Ul im Phaidros, wo Teisias' und Gorgias' Fähigkeit, "Kleines als groL\ und GroL\es als klein erscheinen zu las sen", 1 25 erwähnt und kritisiert wird. In der Rhetorik setzt Ari..�toteles diese sophisti sche Praxis ausdrücklich mit Protagoras in Verbindung und definiert sie hierbei als eine Form von betnigerischer Wahrscheinlichkeitsargumentation, die bewusst auf scheinbaren statt wirklichen Prämissen beruht, und darum hätten sich die Men schen, so AristoteIes an der selben Stelle, zu Recht über dieses rnayyeA.J.Ul des Pro tagoras aufgeregt . .,. In all den genannten Fällen ist dieses sophistische E7tayyeA.J.Ul also mit eindeutig negativen Konnotationen verbunden. Cicero hätte somit allemal Gelegenheit ge habt, auch die ethischen Implikationen dieser sophi�tischen Praxis zu problemati sieren. Um so auffälliger ist es daher, dass Cicero das Programm der Sophisten al� solches keineswegs kritisiert, sondern nur die etwas zu prätentiöse Vermarktung des Programms moniert (.10 arro�anter sane verhis). Cicero hebt im Gegenteil sogar - direkt gegen AristoteIes - hen'or, die SophL�ten hätten in ihrer Zeit hohe Achtung genossen (ibid. in 11Oß.ore magß.o juit). Auch wenn Cicero im folgenden schildert, wie Sokrates sich gegen die Sophisten zur Wehr setzte und "mit einer bestimmten raffinierten Argumentationsform ihre Lehrsätze zu Vliderlegen ptleg te",'" ist dies kaum als eine Kritik des sophistischen Programms zu verstehen, son dern al� I Iervorhebung der rhetorL�chen Überlegenheit des Sokrates. Wie in De ora·tore betont Cicero ausdrücklich, Sokrates habe die Sophisten besiegt, indem er sie mit ihren eigenen - rhetorL�chen - Waffen (.11 suhtilitate quadam disputandi) geschlagen habe, nicht indem er ihr Angebot als solches diskreditiert habe. Es kann somit kein Zweifel daran sein, dass Ciceros Bemerkung über die reichlich prahleri sche Versprechungen der Sophisten ausschlieL\lich auf ihre übermütige Selbst sicherheit gemünzt ist und nicht auf die ethische Problematik ihres Programms.
1 2 .1 30 aliique multi tc...�poribu.", eisd(.� docere sc rn"ofitebanrur, arr(J�anu..� sane 't.'erllL�, quem ud modum cau.'«t i nlLJ'Tior - ita c:.�im loquebantur - diL'{,.�o lieri .'(up<...�(Jr POSSLI(. Ob�T dieses i1tayyeApa der alteren Sophir-.wn und die Prohleme, die mit cleNsen Interpretation \'erhunden sind., siehe ßuchheim ( 1 995: 1 (76). 124 Ohgleich die Verurteilung in Wirklichkeit wahnwheinlich ganz andere Grunde hatte (cf. l Ian""n 1995 : 19ff.). 1 2 5 267a7 Ta T ' au a!l"'pa !U'yaAa Kat Ta lU'YaAa a!lIKpa opalv,a"at 1I010Üatv. 1 2 6 1 402a251. "al EVT'Ü"EV ol"aim; .;m,a-.(Epalvov oi ilV"pm1!01 TC, ITpffitayopoll i:1I
1jI'� tE ya.p EatLV "al 0;''' MIl"h; iiJ,.).ft opalVO!lEVOV d�.
1 2 7 JI Ili� 0l'posuit ."te.se 8o('"Tute.o.t, qui subtilitate quadam disputaooi Telelk�e. eorum in.mtuta solebat . . .
S2
3. Ciceros rhetorische Schriften
Wie in De oratore greift Cicero also auch im Brutu.� auf die platonisch aristotelische Diskussion der Sophistik zurück, aber sein Gebrauch dieser Diskus sion macht deudich, dass es auch in diesem Dialog nicht die philosophische Di�kus sion der Sophistik oder die Sophistik selbst ist, die Cicero interessiert. Seine über geordnete Absicht mit den historischen Passagen über die Sophistik besteht darin, ein bestimmtes Bild der Redekunst zu vermitteln, und sowohl die Sophi�tik als auch die platoni�ch-sokratische Kritik sind al� literarisch-hi�torisches Argumentations material diesem Zweck untergeordnet. Dieses rein literarische Verhältnis zu Platons Di�kussion der Sophi�tik wird in einer Passage am Ende des Dialogs (292ff. ) besonders deudich. I1ier lässt Cicero den drit ten Dialogteilnehmer, AttictL�, seinen Beitrag mit einem kurzen Exkurs über Ironie einleiten. AttictL� verwei� t zunächst auf die berühmte Ironie des Sokrates, die er al� "witzig und elegant" (292/acctam atque elegantem) bezeichnet. Als Bei�iel führt er an (ibid.), wie Sokrates in Fmgen über Wei�heit (sapientia) vorgebe, er würde selbst keine besitzen, und sie statt dessen denjenigen zuschreibe, die behaupten, sie besä ßen sie: "Dies i�t beispielsweise der Fall," fährt AttictL� fort, "wenn Sokrates bei Platon Protagoras, I1ippias, Prodikos und Gorgias mit Lobpreisungen in den I1immel erhebt, seIhst aber vorgibt, gänzlich unwissend und ungebildet zu sein" . ... Wie Atticus' Chamkteristik der sokratischen Ironie als "witzig und elegant" zeigt, ist es wie in den histori�chen Abschnitten auch hier nicht Sokrates' dialekti sche Methode oder die Kritik des sophisti�chen Scheinwissens, die AttictL� und seine Dialogpartner interessieren, sondern die sokratische Ironie al� ein besonders gelungenes rhetorisches Stilmittel des Schriftstellers Platon. l 29
3 . 4 . Orator Mit dem Orator, der dritten Schrift in der Reihe rhetorisch-theoretischer Werke, nimmt Cicero den Faden aus De omtorc wieder auf und gibt eine systematische Darstellung des idealen Redners (2 quac sit optima species et quasi jigura diccn di). Wie in De omtorc ist es auch hier eine zentmle Pointe, dass der vollendete Red ner erst dann entstehen kann, wenn die seit Platon existierende Trennung zwi�chen philosophischem Wissen und dessen rhetori�her Kommunikation aufgehoben werde.I:IO Im Gegensatz zu De oratorc konzentriert sich Cicero im Orator allerdings 1 2 8 292 Ut upud Plato........ S(K-'TUtes in eaelum efl'"Tf. laudibus PrntUll(wam /Iippiam Prndi<-'Um OOTJ!iam (.. 'Ctt.'TO..-C, sc awem omnium rerum irL'K.-1.umfingit et. nuU.'1R. 1 29 Cf. 292 lJecct hoc Isc. der Gebrauch "m Inmie I ne.,,-u. quo ""Hk. illum I sc . Sokrates). Über den Gebrauch von Ironie als Stilmittel cf. im übrigen ac. 1 1 5 , off. 1 . 1118 und de or. 2.270 sowie Quinti lian 1'1.6.54 und 9.2.46. 130 14 _Ohne Philosophie kann der Redner, den wir suchen, nicht geschaffen werden" (sine phih",,,,hia rum "'�..."" effi<.'i qucm quaerimus eloqu<-"7ltem) und 16 "ohne die Meth(sle der Philo· sophen kimnen wir auch nicht Art und TyptL, eines gegebenen Falles be.-timmen" (nee .,,'nI sine phih",,,,horum di.'K.';plina gen"" Cl KpC,'iem ,'Ui1L"lfUC n.'; eern,,,.., . . . ). Cber Platon als i""ent(w
3. Ciceros rhetorische Sch riften
53
nicht auf die ursprüngliche Einheit, sondern vielmehr auf die AbweL�ung der foren.�L�chen Rhetorik vonseiten der Philosophen. Die fatale Trennung ZVlischen philosophischer und rhetorischer Bildung sei nämlich deshalb emstanden, weil die Philosophen das notwendige Element des sprachlichen Ausdrucks vernachlässigt hätten. So sei es schließlich gekommen, bilanziert Cicero weiter, dass die Kunst der sprachlichen Ausdrucksmittel "damals ausschließlich von denjenigen, die als Re delehrer galten, gepflegt wurde" . 1 3 ' Zu dieser Kunst gehört der richtige Gebrauch unterschiedlicher Stilebenen, denn der vollendete Redner, so das zentrale Thema im Orator, miisse alle Stilgat tungen der Rede beherrschen. So kommt Cicero gelegentlich auch auf das Genus der epideiktischen Rede zu sprechen, d.h. Reden, so Cicero, die nicht fiir den poli tL�ch-juristL�chen Gebrauch geschrieben werden, sondern der Unterhaltung des Publikums und der Selbstdarstellung des Redners dienen. 1 3' Dieses Genre verbindet Cicero an mehreren Stellen mit den Sophisten, teils explizit (42 illo epidierieo genere quod diximus proprium sophistarum), teil� implizit, wenn er die Sophis ten als Autoren einer bestimmen Form von politischen Empfehlungsreden (suasiones) definiert, für die Isokrates' Panegyrikos ein Beispiel ist. ''' Später zi tiert Cicero eine Definition, die angeblich von Gorgias selbst stammt ( 176 sie enim ipse cellset), derzufolge die epideiktischen Kunstprosatechniken der Sophisten "Zierrat" ( ibid.fes ti�'itatibus) sind. D4 Zweifellos stellen für Cicero politL�che und forensL�he Reden ein Vlichtigeres und wertvolleres Genre innerhalb der Rhetorik dar, aber das impliziert nicht, dass der epideiktischen Gattung gar keine Bedeutung zukäme. Die sophistische Epideiktik betrachte er, schreibt Cicero mehrfach, als "eine Art Pflegemutter oder Wiege" fiir
des Schismas und über de""en fatale Folgen siehe 12f.: " . . . auf die...em Gehiet hinterließ Platon als efh1:er seine F'uß.."Ipuren . . . . so fehlte e.."1 den Gelehrten an (jffentlicher Beredsamkeit und den ßered. foianum an gebild.eter Gdehrsamkeit'" ( . . . in quibus Platonis primum sunt impTe."t.""" 'Oe.'ftigia . . . . ita C't docH.. eUJ«Ut'Tltia p<>pulan.. t't di.""rtis eI"Ilun.. d,wmnu defuit). 1 .1 1 17 ,.Zu all diesen ,ielen und hedeutung.."ollen Themen [ se. welche die phUosophisehe Schulung dem Redner erlauht zu behandeln I müssen zahlreiche Stilmittel venvendet werden, die damals nur von denjenigen, die al. Redelehrer galten, gepflegt wurden, und dies ;"1: die Ursache dafür, dass keiner c.lie wahre und vollkommene Beredsamkeit erreicht. weil wir hier AUNhildung in Er kenntnis hahen, dort AUlihildung in Redekun.-t ... " (ud ha.. tot tunta."'fUC' rus udhihendu sunt orn.amenta innumeruhiliu.; quae ,"tow rum qu idern tnu1elJanrur ab iis qui dit'endi numerahu.ntur m�Ji.�tri, quo fit ut 't..'<.."TUrn Warn et absolutum cl,oquentiam JU..."TJUJ consequarur, quod alia in telleillwi uliu dieendi disc..:-iplina e.�t et ab aliis rerum ab alii.'i verhorum doc...trina quaeritur). 132 J7 delec.."tutioni.o.r (,'Ousa . . . JS n on (''1i1 m ud iudic.."'ÜJrum (,'(,'71Lt71U...'"1J, sed ud "Volupt.u.tem aurium . . . 42 pompuc quam �J.nue uptius, ß!.ym.7U1..oriis et lJalae.�true dieutum, .'ipretum et puLo.rumforo. 1 33 37 talium suu.'ii . onum, qualem I:�oerate..., ledt Panegyrieum multique ulii, qui sunt nominun sopH'<WC. Ober .
S4
3 . Ciceros rhetorische Schriften
den idealen politischen Redner. l3S So sei, erklärt Cicero, der mittlere, "temperierte" Stil, den er al'l "ausgezeichneten, blühenden, farbreichen und polierten Stil" charak terisiert, "· ursprünglich aus den "Quellen der Sophisten" hervorgegangen, um
so
dann von den ausgeklügelten und gewichtigen Rednern des forensischen Schlacht felds zurechtgestutzt
zu
werden, so dass er jetzt seinen Platz auf der mittleren Ebene
gefunden habe. m So sei es auch schwierig, schreibt er an einer anderen Stelle, zwi schen Sophi'lten und Rednern
zu
unterscheiden, da Sophisten ja denselben rhetori
schen Schmuck verwenden wolJen, wie ihn der Redner in den Prozessen verwende.". Aus diesen Gründen geht Cicero im
Orator auf das epideiktische Genus etwas nä
her ein und bespricht verschiedene Elemente der Epideiktik, die für den idealen Red ner nützlich sein könnten. Dabei greift er mehrfach auf die Texte der älteren griechi
schen Sophisten zurück und kommentiert diese. Zunächst hebt Cicero hervor, der ideale Redner könne von der Epideiktik neben dem Ausbau seines Wortschatzes auch
Satzkonstruktion, Rhythmus und Periodenbau lernen (37f.), wobei er freilich vor allem an die epideiktischen Reden des Isokrates denkt, den er sehr bewundere (40ff.). Die älteren Sophisten Thrasymachos, Gorgias "und viele andere" hingegen betrachtet Cicero
zwar
al'l die Gründer des epideiktischen Genres, doch anders al'l
Isokrates erhalten sie im
Orator keinen sonderlich guten Leumund.
So sollen Thrasymachos und Gorgias sich al'l die ersten mit rhythmi'lcher Kunst prosa systematisch beschäftigt haben (40, cf. 175f.), und Cicero erklärt ( 164ff.), er habe selbst oft die sprachrhythmischen Techniken verwendet, die Gorgias und Thra symachos eingeführt hatten.". Seide Sophi'lten seien allerdings,
was
ihre eigenen
Reden betrifft, mit ihren abgehackten Rhythmen bereits Isokrates zu abrupt
(conci.orus)
vorgekommen und Cicero selbst beanstandet, dass sowohl Gorgias al'l
auch Thrasymachos das erforderliche Mai� in ihrem Gebrauch rhythmisierender Techniken nicht gekannt hätten. U. In ähnlicher Weise kritisiert Cicero an einer ande ren Stelle die Texte der Sophi'lten
im
Allgemeinen und bemängelt, ihr sprachlicher
1 .15 37 e.'
3. Ciceros rhetorische Sch riften
55
Stil sei "unreif, abgehackt, ähnlich kleinen Versen und viel zu ausgemalt" (39 modo nascenria minuta ct 'Ocrsiculorum similia . . . nimiumquc depicta). Auch im Orator wird Platon neben den Reden der Sophisten selbst als Quelle zur älteren Sophistik erwähnt. Cicero übernimmt an einer Stelle Sokrates' Bezeich nung der Sophi�ten als ,WorL�chmiede' (39, cf. Phaidr. 266e4 MryoO<xtÖ<XAoV), aber wie in den übrigen rhetorischen Werken Ciceros handelt es sich nicht um eine phi losophi�ch-
14 1 65 Sed hoc dif.ferunt quoll, (,'Um sir his propo.o.ritu m rum lJC...lJturbure un;11w.�, scd plac..'UTe potiu.", nec tam penruat.lere quam delectare, . . . Ab hi.� multo . . . haec el{}Cf!.U.-�ti.a. qua m quac..'1imu.."" SL"vocamkt est. Cf. auch Cic�n}."l KnnkllL.... ion in 6N: 8eiunctu..'i igitur orator . . . a sophi"ltarum l sc. d(}lflU.-�tia ] e.:\.7Jlicarulu."I est nobi..., qualis flJrurus s it . Vgl. ferner die in Anm. 1.12 aufgeführten T ext..1:ellen sowie lluchheim (1 <,)<,)5 : 10 7/i). 1 4 2 .19 Quo m�Si.'{ sum IlL�)(lotu.'{ ThU(...,.'l1ide.�que min.Jnle.�; quorum aetas ,-"um in eorum h."1t1 . pOTU quos nomina'Ci indc.lissent. longissime tamen ipsi u tulibus delic...-ii� vel potius im...7'tii.� ubfueru nt .
4 . Seneca Seneca hat sich nur oberllächlich mit den alten griechischen Sophisten beschäftigt. In dem 4 5 . Lucilius-Brief (8) definiert er croq>icrl1u'tu als rhetorische Fang-Tricks (captiones), aber wie schon Cicero (siehe S. 2 1 ) verwendet auch Seneca den Be griff als eine rein technische Bezeichnung rur logische Trickargumente, ohne ihn mit den Sophisten des 5 . Jahrhunderts in Verbindung zu setzen. In seinem 88. Brief an Lucilius geht Seneca jedoch kurz auf Protagoras ein, und dieser Abschnitt vermittelt trotz seiner Kiirze einen guten Eindruck von Senecas Protagoras-Bild und von der Art und Weise, wie Seneca dieses Bild rur seine eigenen Zwecke einsetzt. In der betreffenden Passage (42ff. ) beklagt Seneca, wie viel welt fremdes, überflüssiges und schädliches Wissen die Philosophen mit sich herumtrü gen. Nicht zuletzt die typisch philosophische "Spitzfindigkeit" (suhtilitas) sei ein solcher Fall schädlicher Philosophie, und als Beispiele führt Seneca eine Reihe von Philosophen und philosophischen Schulen auf, die alle eine mehr oder wenig radi kale erkenntnistheoretische Skepsis vertraten . .... Sein erstes Beispiel ist Protagoras und dessen Aussage, es gebe zu jeder Sache - einschließlich dieser Aussage - zwei sich widersprechende, aber jeweils gültige Ansichten. "Wenn ich dem Protagoras Glauben schenke" , klagt Seneca, "besteht die Welt ja nur aus Zweifel" . '44 Hierzu ist es zunächst wichtig zu bemerken, dass Seneca in keiner \Veise Prota goras von den übrigen genannten Philosophen und Philosophenschulen unter scheidet. Protagoras' Lehrsatz wird als eines unter mehreren Beispielen dafiir ange führt, wie eine - in Senecas Augen - viel zu spekulative und verschrobene Philoso phie droht, den \Veg zu dem zu versperren, worum sich Senecas philosophisches Projekt dreht, nämlich das glückliche Leben. 1 4' Aut\erdem ist hier auffällig, dass Seneca Protagoras selhst die logL'lche, aber problematische Implikation seines Lehrsatzes zuschreibt, nämlich dass auch für den Lehrsatz selbst gilt, dass man zu Recht das Gegenteil behaupten könne, wo durch der Satz als Behauptung widerlegt ware. Das ist auffällig, weil dieser Aspekt in Platons Euthydemos von Sokrates als Argument gegen den protagoreischen Satz verwendet wird (286c3ff. ), sofern er als Ausdruck eines dialektischen Grundprin zips aufgefasst wird. Im Euthydemos wird der Satz deshalb zum Ausdruck eines
1 4 3 �aw.;phanes, Pannenides, Zenon. die pyrrhonischen Skeptiker, die Megariker. die Eretriker und die Akademiker, die _uns der Hoffnung jeglichen Wissens herauhen" (H1i.4 5 hi spc"", omni., .�L-i.entiue eril'ium). 1 4 4 E;p. HH.4Jff. Pmt�oTUs ait de mnni Te in urmrrurue purt<,", di.."utari posse ex uequo c't de hac I1Jsa , an omni.-.: re.� in utramque l'uTt(.:m disputubilis sit . . . . Si J-!n)tagorue LT"edo, nih-il in T<...'"TUm naturu e..rt ni�i duhium. 1 4 5 Die Zusammenstellung von Proiagonls mit den anderen Philosophen betont Seneca zudem auf der spr.1Chlichtm Ehene durch die anaphorisch-paralleli<.;t:ische Auflistung der Kunsequenzen der je \,,-eiligen Stamlpunkte: Si Prut�orue ,-"redo, . . . , si .\'ausiphani, . . . • .'fi PafTTU.� .. i di • . . . Ni Zenoni . . . (lili.45). Zum praktitmh-eudamonistisuhen Primat der hellenistisuh-römischen Philosophie siehe l los...enfelder ( 1 995: 23ff.).
4. Seneca
57
radikalen Subjektivismus in dem Sinne umdefiniert, dass " e s nicht möglich ist, etwas Unwahres zu sagen" (ibid. (lu.o
'tt
'l'EU01l 'A.E:yElV oUK eOtlv), was Sokrates im
folgenden jedoch ebenfalL� ad absurdum führt.
In Senecas Variante ist der Satz des Protagoras dagegen nicht Ausdruck einer dia lektischen
oder
su�jektivistischen }-Iaxime,
mologischen Skepsis
sondern
einer
radikalen
episte
(nihil esse nisi dubium). Seneca, der m. W. die einzige antike
Quelle ist, die das platonische Gegenargument Protagoras selbst zuordnet,l4· voll zieht also eine deutliche Aspektverschiebung gegemiber Platons Behandlung des protagorei�chen Lehrsatzes, wodurch sich Senecas Bild des Protagoras als eines radikalen Skeptikers entscheidend von Platons Protagoras-Bild
im Euthydemos
unterscheidet. Dass es sich hier um eine bev.'usste Modifikation der platonischen Darstellung vonseiten Senecas handelt, ist dabei eher unwahrscheinlich. Dem Moralphiloso phen Seneca geht es in diesem Brief darum, am Beispiel der radikalen Skepsi� eine übertriebene spekulative Philosophie als Gefahr für die Reali�ierung des glückli chen Lebens darzustellen, und um diese Pointe so klar und deutlich wie möglich herauszustellen, wird er bestrebt gewesen sein, Protagoras, den er wahrscheinlich bereits al� skepti�hen Denker vorgefunden hat, 147 mit möglichst viel Zweifel auszu statten.
1 4 6 Cf. die ührigen Testimonien hei Oiels-Kranz (1I0 1Il, 1l6. Al und A20 OK). 1 4 7 Siehe hierzu S. 2 7ff. iiher we Darstellung des ProtagoTas in Ciceros lJe nutuTu deorum.
5 . Quintilian Auch Qui ntilian, I nhaber des er sten öffentlich vergüteten Lehrstuhi s für Rhetorik in der Antike, beschäftigt sich in seinem grol\ en Le hrbuch, der Institutio orawria, insgesamt verhältnismä1\ ig wenig mit den alten Sophisten. Es gibt keine Anz eichen dafür, dass Quintilian Schriften der Sophisten selbst gelesen hat, und seine Behand lung der Sophi'lten im Rahmen seiner Geschichte der Rhetor ik sowie seine Ausein andersetzung mit den Ansichten des Gor gias ber uhen wahr scheinlich vor wiegend auf griechischen H andbüchern zur Rhetor ik sowie auf seiner Lektüre des Platon dialogs Gorgia.'1 . .. • Quintilians Kapitel über die Geschichte der rhetorischen Theorie (3 .1) besteht vor wiegend aus anekdotischem M aterial, dar unter insbesondere Angaben über die Er finder unterschiedlicher rhetorischer Techniken. Gorgias, Thrasymachos, Prodikos, Protagoras, I1ippias, Alkidamas und Antiphon gehör ten nach K orax und Teisias, den Gründer n der Rhetor ik , zur ältesten Generation der rhetorischen Theo r etiker (3 . 1 . 8 artium . . . scriptoTCs antiquissimi), wobei Quintilian Gor gias auf Gr und seines legendären hohen Alters als einen Konk urr enten der beiden Gründer beschr eibt (9). Ü ber Protagoras weiß Quintilian zu berichten, sein Schüler E u athlos habe ihm 10.000 Denare bezahlt, damit dieser ihm die Redekunst beibr inge ( 10), und aul\ erdem soll sich Pr otagoras neben Gor gias als erster 31'1 mit der Ver wendung von loci communes befasst haben. Darüber hinaus habe Protagoras zu sammen mit Pr odikos, I 1ippias, und Thrasymachos zuerst die Affekte in systemati scher For m behandelt (12). An tiphon sei wieder um der erste gewesen, der sowohl schrifdiche Reden als auch eine systematische Rhetorik (artem) ver öffendicht habe und zudem für einen hervorragenden Redner in eigener Sache gehalten wor den sei ( 1 1 ) . Wie eine später e Stelle zeigt, betrachtet Quintilian dennoch und trotz seiner Liste der ältesten artium ScriPWTCS Antiphon primär als Redner, nicht als Theoretik er, ' " und er findet denn auch keine weiter e Erwähnung in der Institutio omtoria. Die inhaltlichen und zum Teil wörd ichen Üb er einstimmungen mit Cicero zeigen deutlich, dass diese historischen Informationen auf die histor ischen Abschnitte in Ciceros rhetor i'IC hen Werken sowie (möglicher weise nur über C icero) auf Ar istote les' l:uvaycayTJ tEXYcDV zurückgehen, die Qui ntilian auch beide 31'1 seine Quellen I SO angibt. Quintilian überni mmt indes nicht nur die Sachinformation aus Cicero,
1 4 /1 V1lI. Aw.-tin & Winterbo!tom ( 1 996: 1 290) und l Iarb.meier (im /}rnck). 1 4 9 In 1 2 . 1 11.22 teilt Quintilian mit. er babe sich enbichieden. in �iner /}anrtellung der griechi�hen Redner viele der ältesten. hierunter Antiphon, zu iihergehen. I S O 12 C1""m in Uruto . . . 13 nUH tanIen Ari...toreli ,,""dirn..... . Vgl. •. 0. lost 3. 1 . 1 1 '" ,'I Thcodoru... lIysanri ...... ex lis CI ip.oc. qw�" Plato appellat AO"(O&nOOAO\J; mit Cicero ur. 39 '" ThcoJmum lndc llyzantium rntdtr�'lqUc aliuH. quUH Ä.oyo&ttOOAou; appellat in PhaedTu Srx..'TatCH und 1n.'II. 3 . 1 . 1 2 hurum primi ("'(nnmuniH IO(...'fJS tTuctaHHC' dk."Untur Protul!()ru..�. Of"1l'ia..'1 . . . mit CicenJ Brut.. 46 ,,'Tiptu...que fui....c ct pa rutu... a Prr't
5. Quintilian
59
sondern auch dessen neutrale bis positive Sicht auf die Sophisten, die er - mit Aus nahme des unerhörten Honorars des notorisch geldgierigen Protagoras, wo eine gewisse Distanzierung vonseiten Quintilians spürbar ist - völlig ohne moralische Disqualifizierung schlicht als Gründer und Pioniere auf dem Gebiet der Rhetorik präsentiert. Das gilt auch für die übrigen verstreuten Verweise auf die Sophisten in der
Institutio oratoria,
die entweder eine historisch-exemplarische Funktion haben
oder in einem rein technischen Zusammenhang stehen. So führt Quintilian an einer Stelle mehrere Beispiele aus Isokrates sowie eines
Olympischen Rede des Gorgias an, um zu zeigen, wie exordia im delibera genus verhältni'lmäilig frei gestaltet werden können (3 .8.9), und in einem
aus der tiven
späteren Abschnitt über den G ebrauch von parallelistischen Wortfiguren wieder holt Quintilian Ciceros tels
(9 . 3 . 74).
Kritik an Gorgias' übertriebenem Gebrauch dieses Stilmit
Auch der Bericht über Gorgias' entspanntes und vorbildliches Ver
hältnis zum Alter fehlt in Quintilians abschließendem Kapitel über das Leben eines pensionierten Redners nicht. Quintilian bezeichnet den Bericht ausdrücklich 31'1 ISI eine allgemein verbreitete griechische Tradition und wiederholt in diesem Zu IS· t a sammenhang auch Gorgias' berühmtes n yytA!.m . Die Tatsache, dass die Wie derholung des gorgianischen Programms an dieser Stelle thematisch gesehen völlig unmotiviert erscheint, lässt vermuten, dass das tn ayytA!.m spätestens zu Quintili ans Zeiten quasi den Status eines charakterisierenden
rni"Etov
zu Gorgias be
kommen hat. Prodikos wird in Verbindung mit einem Exkurs über den Einsatz von direkter Rede innerhalb einer Argumentation envähnt
(4 . 1 .73),
einer Methode, die - so
Prodikos in Quintilians Referat - dem Aufwecken von eingeschlafenen Leuten ent spreche. AuJ.lerdem verweist Quintilian als Beispiel für den Gebrauch von tropi schen Jormae (d.h. Personen für abstrakte Begriffe) auf Prodikos'
Voluptas-
bzw.
Virtus-Figur, die er wie Cicero aus Xenophons Memorabilien kennt (9.2 .36). In einem Kapitel über die Bedeutung einer umfassenden Ausbildung verweist Quintilian
beinahe
erwartungsgemäil
auf
I1ippias'
( 12 . 11. 2 1 Iibcralium . . . di.."Iciplinarum scientiam)
umfassende
Kenntnisse
und versäumt dabei nicht, auf
dessen nicht weniger legendäre Eigenproduktion von Kleidern, Schmuck etc. hin zuweisen (ibid.). Thrasymachos wird als Erfinder des Versfußes Päon
(9 .4.87)
erwähnt, und in
einem anderen Abschnitt teilt Quintilian mit, Thrasymachos habe im Gegensatz sowohl zu Quintilians eigener als auch zur allgemeinen Auffassung die Meinung vertreten, das Vortragen der Rede
(actio ) zähle nicht zu den fünf Teilen der Rheto-
/'''';; quud id,.". Jer..-iHse Gurgian . . . . /)azu kommen wahr!ICheinlich auch spätere griechi!IChe /)ar ."tellungen der Ge.'lChichte der Rhetorik. 1 5 1 1 2. 1 1 .2 1 inl.....;...."" tot <mali••> quut summa sr..... cr..'IUs hahr.... uni""""", Gracdac ,..-edim.... (Juf"/lian. 1 5 2 ihid . . , . O,wgian, qui I(IJUI:rere auditure.. dc quu qui...,..., ",,/1<... i uhehut.
60
5. Quinlilian
rik, weil das Vortragen eine Frage der natiirlichen Begabung und keine erlernbare Fähigkeit sei ( 3 . 3 . 4 ) . "> Quintilians Formulierung: "Mag auch Thrasymachos der selben Auffassung gewesen sein, was das Vortragen bettifft [ sc. dass es nicht zu den fünf Teilen gehöre ] , " ist interessant, denn sie scheint zu implizieren, dass Thrasy machos' Ansicht noch allgemein bekannt war und offenbar eine gewisse Autorität besaß, über die sich Quintilian ausdrücklich hinwegsetzen zu müssen meince. Neben diesen historischen und technischen Partien setzt sich Quintilian in mehre ren Abschnitten mi t dem platonischen Dialog
Gorgia.� auseinander.
In Verbindung
mit seiner Diskussion des Wesens und des Gegenstands der Rhetorik ( 2 . 1 5 ) zitiert und kritisiert er mehrere Rhetorik-Definitionen der platoni�chen Dialogfigur Gor gias. Gorgias habe, erklärt Quintilian, bei Platon die Rhetorik ungefähr so definiert wie später auch Isokrates, nämlich als eine "Meisterin der Überredung", ". eine Definition, die Quintilian entschieden zuriickweist, weil sie ihm zu umfassend er scheint, da auch viele andere Dinge, wie z . B . Geld, Menschen tiberreden können ( 2 . 1 5 . 9 ) . In ähnlicher Weise hält Quintilian auch die präzisierte Definition des pla tonischen Gorgias, Rhetorik sei die Fähigkeit, durch Reden zu überzeugen ( 2 . 1 5 .10
vim dicendo persuadendi),
für rni�slungen, weil nicht nur Redner, sondern auch
viele andere - zweifelhafte - Personen, wie z . B . "Verführer"
(corruptores),
durch
Reden tiberreden ( 2 . 1 5 . 1 1 ) . Auch in der Frage nach dem Wirkungsfeld des Redners zitiert Quintilian erneut Platons Gorgias daftir, den Redner als einen "Überre dungskünsder" definiert zu haben, "der sich bei den Gerichtshöfen und in anderen öffendichen Versammlungen mit der Frage nach dem Gerechten und dem Un gerechten beschäftige" ( 2 . 1 5 . 18 , cf. Platon,
Gorg.
4 54b5ff. ). Dagegen wendet
Quintilian mit Berufung auf Sokrates ein, Gorgias habe mit dieser Definition nur eins unter tausend möglichen Gebieten des Redners genannt ( 2 . 1 5 . 15ff, bes. 23). So habe Sokrates im
Phaidros (261 a8ff. ), wie Quintilian in einem späteren Kapitel (demonstrat), dass die Rhetorik nicht nur in Gerichts
( 2 . 2 1 . 4 ) schreibt, gezeigt
prozessen und in Volksversammlungen auftrete, sondern auch im privaten Bereich. Auch was den Stoff der Rede betrifft, wendet sich Quintilian gegen die Definition des platonischen Gorgias, die Rhetorik bestehe aus "Rede " , ' " denn Sokrates, so eine wesendiche Begriindung Quintilians, scheine im
Gorgias
dieser Definition zu
encgegnen, der Stoff der Rhetorik bestehe nicht in Worten, sondern in Sachen ( 2 . 2 1 . 4 , cf.
Gorg.
44ge l ff. ).
'Vie diese Passagen zeigen, schlägt sich Quintilian in seiner Auseinandersetzung mit dem platonischen Gorgias durchgehend auf die Seite des Sokrates. Dies bedeu tet allerdings nicht, dass er die platonL
5. Quintilian
61
bildeten Redners"· nicht genüge ron, und nicht - wie Sokrates in Platons Dialog wegen der moralischen Problematik, die mit einer al'l Überredung definierten Rhe torik verbunden ist, nämlich dass eine so verstandene Rhetorik in den falschen Händen eine gefährliche Waffe sei. Auch Quintilian versteht die Rhetorik al'l eine Waffe, deren Wert davon abhängt, in wessen Hände sie sich befinde
(2 .16.6).
Den
traditionellen Vorwurf, eine solche Rhetorik könne von den falschen Menschen dazu genutzt werden, "die schlechtere Sache zur besseren zu machen"
(2.16.3),
lS7
meint Quintilian freilich dadurch zu entkräften, dass er den Redner per Definition zum moralisch integren
vir bon«.'1
macht.'so Doch indem er somit die morali'lche
Verantwortung von der Rhetorik auf den Redner selbst überträgt, diesen aber zugleich moralisch unantastbar macht, beseitigt - ähnlich wie bereits Cicero (siehe S.
44)
- auch Quintilian das Problem der platoni'lch-sokratischen Kritik dadurch,
dass er sich ihr gar nicht stellt. "0 Quintilian verfolgt in seiner Auseinandersetzung mit Platons Kritik der Rhetorik allerdings auch ein weiteres Ziel, nämlich Sokrates und Platon als Autoritäten für sein Rhetorik-Ideal zu gewinnen. Diese Strategie ist bereits in den besprochenen Passagen erkennbar geworden, in denen sich Quintilian konsequent gegen Gorgias auf die Seite des Sokrates schlägt und dessen Argumente übernimmt. So schreibt Quintilian etwa in dem Abschnitt über den Stoff der Rede, es sei offenbar, dass Sokrates' Definition des Gegenstandes der Rhetorik als Sache
(res)
auch die An
sicht Platons gewesen sei, .60 und suggeriert damit aufs Kräftigste, er habe eine so kratisch-platonische Definition übernommen, wenn er im selben Kontext "nicht ohne Gewährsleute" den Gegenstand der Rhetorik als "sämdiche Gegenstände" definiert, "die dem Redner vorgelegt werden, damit er über sie spreche" . • • • Der entscheidende exegetische Schritt besteht freilich darin, dass Quintilian, massive sokratische Kritik der Rhetorik im gen des Dialogs
(460c
GoTgias
um
die
zu beseitigen, aus zwei Passa
und 508c) ableitet, Platons Kritik der Rhetorik sei aus
schließlich auf die zeitgenössische - und, dürfen wir hinzufügen,
sophistische
-
Rhetorik gemünzt. Platon sei nämlich - wie Quintilian selbst - der Auffassung ge wesen, es gäbe eine "wahre und ehrenhafte Rhetorik"
(2.15.27 veram autcm et
honestam [ sc. rhetoTicen )), die nur der "rechtschaffene und gute Mensch" (ibid.
1 5 6 Zu Q/Iintilians rhetorischem Uildungsideal siehe im Allgemeinen Seel ( l'J 7 7 : 1 9f1.). 157 V!lI. hierzu 1'1. Phaidr. 267a7t. 1 5 /1 2 . 1 6. 1 1 _Wenn sie I sc. die Rhetorik an sich (2. 1 6. 1 1 summam r/u.·lmicen)] dagegen eine Kunst des gut Reden. ist, was wir als ihr Ziel hetrachten, so das. der Redner in erster Linie ein guter :\Iann ist, dann mll5.' man zugeben, das.. oie ntitzlich ist" (si .,ern esl b,...., di<......wi S<'Ü,ntia, quem n(JHfifU.,1fn sequimur. ut sit. tmd.tW in primi." 't."ir Ixm1L'I, utilem certe C'H.'1C eam (.'fJnfit,..,wum c."It). 159 Cf. ljsseling ( 1 976: 1 6), I'ta..ek ( I99J: 90fl.) und l Iastrup ( 1 976: 2251.) 1 60 2 . 2 1 .4 manife..rum e.'ft ""nc "pini,m'.... ip.orius PWt'misjui...."" . 1 6 1 ibid. �o nequA: id sine uu(..'f:mihus mak.1"'iam esse rhetork..e.'1 iudico omnc."1 roH, quaec..."IJmque '''"' ud di,-'(.�um su."ieL-we <..1Unt.
62
5. Quintilian
iu."Ito ac bono) erreichen könne, woraus klar sei, dass Platon die (wahre) Rhetorik "nicht für etwas Schlechtes gehalten habe" . "" Um Sokrates und Platon 31"1 Autoritäten einer "wahren Rhetorik" zu gewinnen, opfert Quintilian also gleichsam die Sophistik, indem er sie zum alleinigen Ziel der platoni"lchen Kritik im Gorgias werden lässt, und diese Strategie führt zu einer entsprechend negativen Darstellung der Sophistik im Rahmen der Gorgia.'! Exegese. So referiert Quintilian unkritisch Sokrates' Beschreibung der Sophistik als eine inhaltslose Nachahmung der echten Gesetzgebungskunst (2 .15.25) und legt auf Grundlage des Dialogs Phaidms in Übereinstimmung mit der referierten Gorgias-Passage dar, Platon habe die zeitgenössischen Rhetoriklehrer, d.h. die Sophisten, deshalb kritisiert, "weil sie die Rhetorik von der Ausübung der Gerechtigkeit trennten und das Glaubwürdige dem Wahren vorzogen" . , .., Quintilians Strategie schlägt sich auch in seiner Übersetzung des griechischen Wortes aocptattldt [ sc. ti.xvJl J nieder, das er - personifiziert - mit ca'Oülatrix über setzt (2.15.25). Ca'OiUatrix ist nur an zwei Stellen, beide bei Quintilian, belegt, aber verwandte Ausdrücke wie ca'Oillator, ca'Oillatio und ca't,'iUor zeigen, dass Quintilian hier die Sophistik als eine spitzfindige, neckende und spöttische Wort verdreherin bezeichnen möchte (vgl. Bonell 1834 und Dm, beide s.vv.). Wie verhält sich nun das Bild der Sophi"ltik, das Quintilian im Rahmen seiner Gor gia.'!-Exegese zeichnet, zu seinen hi'ltorischen Ausführungen über die Sophistik? Es scheint, 31'1 gebe es gar keine Verbindung zwischen den jeweiligen Abschnitten, denn für die historische Darstellung spielt, wie wir gesehen haben, das durch und durch negative Bild der Sophistik als ca'Oillatrix keine Rolle. Quintilians kritische Auseinandersetzung mit dem platonischen Gorgias hat keine Konsequenzen für seine Darstellung des hi'ltorischen Gorgias, und auch inhaltlich unterscheidet sich Quintilians Definition des Gegenstandes der Rhetorik als omnes res, quaecumque ci [ sc. omtori J ad dicendum suhiectae erunt (2.21.4) in keiner Weise von Gorgias' berühmtem rnayyeAJUX (z. B. in eic. in'O. 1 . 7 omnibus de rebu."I omtorem optime posse dicere). Quintilian verweist denn auch tatsächlich auf Gorgias' EnayyeAJ.ux als autoritatives Beispiel für die Richtigkeit seiner Definition.'·' Eine mögliche Erklärung für diesen zunächst widersprüchlichen Befund könnte sein, dass Quintilian zwischen den Figuren in Platons Dialogen und ihrer histori schen Vorlage unterscheidet. Wir haben bereits mehrfach gesehen, dass Quintilian die Aussagen der Dialogfigur Sokrates nicht automatisch für Platons Ansichten hält, sondern stets darüber retlektiert, ob dies der Fall sei, und auch darüber hinaus scheint sich Quintilian der hermeneutischen Probleme, die sich aus der literari-
1 62 2 . 1 5 .28 . . . ut apparcat. Platlmi nrm rhet"ricen ..-ideri nwlum. 1 6.1 2 . 1 5 . •1 1 '" qui rhetlni<.'Cn a iustitia ""pararen. et ""ris ,-rcdibilia praeforrent. 1 64 2 .2 1 .2()f. Itn sie qu"que ",,-te diximu.• . . , O"rllw.. quidem ode" �.."ri de "mnibu.. pa.a<.-it esse di'''''Rdum ut se in auditmiis ina-rrolla ri par''Tetur qua qui..que tle re ueUe•.
5. Quintilian
6.1
schen Eigenart der platonischen Dialoge ergeben, bewusst zu sein 65 So weist er im Rahmen seiner ao�ias-Exegese ausdrücklich darauf hin, das s Sokrates in diesem Dialog "31'1 Maske für Platons eigene Meinung" zu dienen scheine.' 66 Quintilian betrachtet also die Reden des platonischen Sokrates nicht als eine mehr oder weni ger direkte Wiedergabe der Reden des histori'IC hen Sokrates. Entsprechend ist es charakteri'ltisch, dass Quintilian, solange es um Platons Dialog geht, die Figur des Gorgias konsequent als "Gorgias bei Platon" o. ä. bezeichnet (z. B. 2 . 15 . 18 Gorgias apud Platonem . . . ait), während er in den histori'IC hen Abschnitten den histori schen Gorgias 31'1 Gorgias aus Le onti noi bezeichnet. Es wäre somit nah e liegend anzunehmen, die widersprüchl iche DarsteI lung ergebe sich daraus, dass Quintilian mit zwei verschiedenen ,Gorgiassen' arbeite, nämlich der literarischen Figur des platonischen Dialogs und dem historischen Sophisten Gorgias. Wir haben j edoch bereits implizit festgesteI lt, dass sich Quintilian nicht dafür ents chieden hat, das Problem der massiven sokratischen Kriti k an der Rhetorik mit H ilfe der , sokratischen Frage' zu lösen, indem er z.B. behauptet hätte, di e rhetorik kritischen Ä ul\ erungen der Dialogfigur Sokrates ents prächen der Auffassung des historischen Sokrates, seien aber nicht Ausdruck von Platons eigener Meinung. Quintil ian bestä tigt vielmehr ausdrücklich, dass die Kritik der Dialogfigur Sokrates zugleich die Auffassung Platons ist. Was nun die Darstell ung der Sophistik betrifft, lässt Qui ntilian zwar keinen Zwei fel daran, dass es sich um Platons DarsteI lung handelt, doch der Kontext zeigt zugleich, das s Quintil ian Platons Darstell ung der Sophistik nicht 31'1 eine literari sche Konstruktion betrachtet, sondern 31'1 histori'lche Tatsache. So notiert er über den Enzykl opädisten Com elius CeL'Ius, " auch er sei mit j ener älteren Generati on [ sc. den Sophisten] einig gewesen, wenn er sagte: ,Der Redner sucht nur das, was der Wahrheit ähnlich ist' , und kurz darauf: ,Denn nicht das gute Gewissen, sondern der Sieg ist der Lohn des Prozessführenden'" " 67 I1ier kehrt das platonische Bil d der Sophisti k in einem platonunabhängigen, historischen Kontext wieder und bestä tigt damit, das s das negative Bil d der Sophistik als einer Form der Rhetorik, für die . •
1 65 [}je. wird an mehreren Stellen erkennbar, an denen Q/lintilian die platoni.'lChen !Jialoge au.....rück lieh a1. literarische KOIL.truktionen ihre. Auto,.. beschreibt, "I •. 8. 2.2 1 . 1 : " . . . bei Platon wird Gor gm zum Vertreter die..,.. Standpunkte.. gemacht Isc. das.. der Gegen.tmd der Rhetorik die Rede ist) " (qua in sententia p<mitur apud Plat",..,m Oo'1!ia..) oder "Auch bei Platon ""IIt Gorgia. unllefähr da..elbe, aber Platon möchte, das. die. a1. die Auffw<.ung de.. GorIlias, nicht a1. die ""i nige ve,..tanden wird" (2. 1 5.5 apud Platonem qlUlqtW Gorgias in li""" qui nomine ein.. ios ..";prus est, W,.".l..'"I"C di<.oit, scd hanc Pluto iUiu... opiniom.... <Jult a,,,,,'Pi, rum suum). !Jarüber hinaus ist Qnintilian mit der - zu .einer Zeit Iäng.t traditionellen - Einteilung der platonischen [}ja loge in elenehtische und dogmatische [}jaloge vertraut. Siehe hierzu 3 . 1 5.26 "cd alii sunt ,'ius sennune,.1If ud clJarglK.."RdlJs, qui (..'fJntra disputant, (..'(JmpJsiti, quos ÜEy1cttICOU<; 'O(J(..'aRt, alii ud prae<.'ipieru/um, qui /lowuTucol uppeUantur. 1 66 3 . 1 5 .26 . . . SrK.'f"ate, .....in.. perH,ma <JW,'tur Planl "illni/icare quid ""nnat. 1 67 2 . 1 5 .,12 coos""'.;....." anlern illi.. supenoribu... <Jiden p<.test eöum Cmnelius CeL.u..., .....in.. haec 't."'1J'ba sunt: ,0"00'" simile tanturn 't."(.1J'i . petit' ck"inde pauLJ po..o.rt: ,nun ('''11 irn buna (''fJRS(.;entia, sm ..i<."'o"" Iitijlantis est pruemium'.
64
5. Quintilion
nicht die Wahrheit, sondern der Gewinn zähle, für Quintilian nicht nur ein platoni sches, sondern auch ein histori'lches Bild war.
Die Scheidelinie innerhalb QuintUians divergierenden Darstellungen der sophisti schen Bewegung scheint somit nicht primär in einer Dichotomie zwischen den platonischen und den historischen Sophisten zu bestehen, sondern eher in einer Dichotomie zwischen der ,platonischen Sophistik' al'l einem ziemlich abstrakten und auch in QuintUians Augen eindeutig negativen, amoralischen Phänomen auf der einen Seite (cf. 25 ca'Oillatricem) und den konkreten einzelnen Sophisten hierunter auch Platons Dialogfigur Gorgias - als Vertretern einer langen und grundsätzlich positiven Geschichte der Rhetorik und der rhetori'IChen Theoriebil dung auf der anderen Seite. Diese Interpretation beseitigt natürlich nicht die Inkonsi'ltenz, die sich daraus ergibt, dass
dasselbe hi'ltorische
Phänomen in verschiedenen Kontexten verschie
dene und zum Teil widersprüchliche darstellerische Funktionen erfüllt. Doch wahr scheinlich ist es - wie schon Cicero und Seneca - auch QuintUian nicht darum gegangen, seinen Lesern ein einheitliches Bild der sophistischen Bewegung zu ver mitteln, sondern vielmehr darum, ohne Rücksicht auf eine übergeordnete, syste matische Konsistenz zugleich die Autorität Platons für sein Programm
und die
zu
sichern
einzelnen Sophisten als wichtige und zum Teil autoritative Theoretiker in
seiner Geschichte der Rhetorik beizubehalten.
6 . Apuleius Apuleius ist ein wesendicher Autor für die römische Rezeptionsgeschichte der So phistik , weil der zweisprachige nordafrikanische Sophist aus dem
2.
nachchrisdi
ehen Jahrhundert bereits zu seiner Lebzeit ein wichtiger Vermitder griechischer inteUektueUer Kultur an den lateinischen Westen war und auch später, im latei nischsprachigen Mittelalter, eine nicht unbedeutende Quelle zur griechischen Welt der Antike. '" Apuleius gehört in den Kontext der rhetorisch-inteUektueUen Bildungskultur der ersten beiden nachchrisdichen Jahrhunderte, deren Vertreter sich selbst a1� Erben der alten griechischen Sophisten verstanden und sich darum a1� Zweite Sophistik bezeichneten.'·> Diese genereU e Verwandtschaft konkretisiert sich bei Apuleius in zwei ,\Terken seiner umfangreichen Produktion, in denen er sich mit den alten So phi�ten explizit auseinandersetzt, nämlich in den
Florida, einer vermudich post 1977: 8) Anthologie kleiner epideiktischer Reden über unterschiedliche Themen, sowie in der Schrift Dc Platone ct eius dogmate, deren Urheberschaft freilich nicht unumstritten ist (Harrison ibid. und 2000: 174 ff. ) . Es hum veröffendichten (H elm
handelt sich bei diesem Text möglichenveise um eine redigierte Fassung von Noti zen, die sich Apuleius bei einer einführenden Vorlesung über Platons Philosophie gemacht hat (Sandy
1997: 215),
oder vielleicht um die Übersetzung oder Paraphra
se eines griechischen Handbuches (Harrison 2000:
197).
6.1. Florida Ein wesendicher Teil der erhaltenen griechischen literarischen Kultur der ersten nachchrisdichen Jahrhunderte bestand aus Anekdoten über Philosophen und So
xpiat, d. h. Anekdoten mit einer angefügten witzigen 2000: 124, Sandy 1997: 7 7 ff. ) . Zwei solche anekdotische Dar
phisten - häufig in Form von Pointe (cf. Harriso n
stellungen von I1ippias und Protagoras, die heide populäre Figuren der zeitgenössi schen griechischen Literatur waren,170 finden sich in den Florida des Apuleius, der sie wiederum einer zeitgenössischen Sammlung in der Art der
AIt0IlVll lloveUj.Ulta
des Favorinos entnommen haben dürfte. In Florida 9 rechtfertigt Apuleius seine sophistische Tätigkeit gegenüber seinen Kritikern, indem er u. a. auf die genremäL�ige Breite verweist, die mit dieser Tätig keit verbunden sei. So habe er, behauptet Apuleius, mehr poetische Werke ge-
1 6/1 Sandy 1 997: ix, Harri.on 1 996: 1 .1 2 , Gel'llc h 1996: 2 2 . 1 69 l)er TenninlL< stammt von I'hilostratos (Lehen..lx:schreibu"ll'''' iollenes I.
66
6. Apuleius
schrieben als Ilippias technL�che
. 1 71 Mit diesem Vergleich setzt sich Apuleius nicht
nur explizit mit einem der alten Sophisten in Verbindung, sondern auch fiber ihn hinaus, der als Vielschreiber hinlänglich bekannt war. '" Zugleich gibt er sich selbst damit Gelegenheit, eine Probe seines Könnens in Form eines dozierenden Exkurses fiber den SophL�ten Ilippias zu geben
( 14 [ 1 1,23f. ) qu id istud sie, si animo aetendatis, diligentius ee accuratius dispueabo) . Apuleius beginnt seinen Kurzvortrag im telegrammhaften Stil - gleichsam einem modemen curriculum vieae - indem er mitteilt, auch IIippias habe der Gruppe der älteren Sophisten angehört, im Hinblick auf die Spannweite seines Könnens habe
er aber alle anderen fibertroffen und stand, was seine Beredsamkeit betrifft, hinter keinem zuruck. Er war Zeitgenosse des Sokrates und entstammte einer unbekann ten Familie aus Eli�. Dennoch erreichte er gro11en Ruhm, aber nur einen mittelmä11igen Reichtum. Daffu hatte er einen erhabenen Charakter und ein hervorragendes Gedächtnis, betrieb Studien auf sehr vielen Gebieten und hatte viele Rivalen. m Anschließend berichtet Apuleius fiber den legendären Auftritt des IIippias bei den olympischen Spielen und beschreibt hierbei ausführlich, ,,'ie Ilippias selbst alles, was er besa11, hergestellt hatte, einschließlich sämtlicher Teile seiner Kleidung ( 16ff.
[ 1 2 , 5 ff. J).
als einen positiven Zug hervorzu Enim non pigebiC me commemorare), dass sich das Multita
Apuleius L�t hierbei bestrebt, es
heben ( 2 2 [ 1 2 , 19f. )
lent Ilippias nicht geschämt habe, in gr011en Versammlungen aufzutreten und sein Können zur Schau zu steHen ( 2 2 [ 1 2 , 20f. J). Am Ende fasst Apuleius den kleinen
Vortrag fiber I lippias mit der rhetorL�chen Frage zusammen: "Wer wfirde einen
solchen Mann nicht loben, einen Mann mit einer so umfassenden Sachkunde auf so \'ielen Gebieten, einen Mann, der sich durch ein so umfassendes WL�sen auszeich nete, einen praktL�chen Künstler in so vielen I linsichten?" 1 74 Insgesamt zeichnet Apuleius also ein fiberaus positives Bild des IIippias fast als einer Art Leonardo da Vinci des
5. Jahrhunderts.
Der ausfUhrliche anekdotische Vortrag über I lippias, mit dem Apuleius gegen fiber einem dankbaren karthaginiensischen Publikum aufgetreten ist, besitzt zu nächst einen offenbaren epideiktL�hen Wert an sich . Es ist aber auch charakteris tL�ch für Apuleius, dass er den traditioneHen anekdotischen Stoff rur den fiberge ordneten Zweck seiner Rede, nämlich sich selbst vorzustellen, instrumentalisiert
1 7 1 14 [ 1 1 ,20ft. I pluru enim "",a extant in Carnen;'. quam llippiae in "p(ndi.. "pL'Ta. Alle Stellen angahen zu den Fkrridu beziehen sich auf die AllIigahen \'on Vallette ( 1 \160) und - in eckigen Klammem - l l elm ( I\15\1). 172 eber den noton.ehen Vielschreiber l lippias, de.""n Schriften zu Apuleius' Z.,it z.T. noch zugäng lich waren. d. die lakonische Zusammenfassung in der Suda (s.\'. , ' ''t7t I� �\O!!d"ollC; 'HA.eioC;'): . Er schrieh vie'" (EyPffi\lt !!oA.A.&) und "gI. im Allgemeinen l larh.meier (im [)ruck). 1 7 3 15 [ l 1 ,25ff. 1 Et Ilippias e numem s(JphL�ururn e..t, urtium multitudine prior omnibu.., cluqt«...lfitia nulli s&,'Uoou:-r; actus illi (,'Um Soe...,-ute, p«trU.t EU.",,' genu.."f �norutuT gloria 'VL'TO �TU.l,fortuna m4'x1u."U, scd ingenium no"ile, mC!11Uni« exc..oeULJn.:", studia 'Ouria. u(."J1u 1, li multi. 1 7 4 24 [ l3 , 6ff. ] Qui.. auMn nlJn laudabit hlJminem tarn num<.'To..u arte multi..dum, totiugi sdentiu ma,ljnifi<.'Um, tot uten..ilium pL'Titia daedalum.
6. Apuleius
67
(vgI. I1arrison 2000: 8). Mit seiner Darstellung der umfassenden - überwiegend praktischen - Tätigkeit des IIippias will Apuleius offenkundig seine eigene entspre chende literarische Vielseitigkeit positiv hervorheben. 175 Es ist daher sicherlich kein Zufall, dass Apuleius von dem traditionellen Anekdotenmaterial über IIippias gera de die freimütige Zurschaustellung seines Könnens al'l einen positiven Zug in den Vordergrund stellt und IIippias darüber hinaus mit einem edlen Charakter, einer bescheidenen I1erkunft und einer finanziellen Bescheidenheit ausstattet - drei biographischen Komponenten, die, so weit sich die griechische IIippias-Tradition rekonstruieren lässt, keine integrierten Elemente dieser Tradition waren. "6 Auch wenn Apuleius sofort nach seinem anekdotischen Vortrag betont, er ahme zwar die reichhaltige und vielseitige Produktion des IIippias auf dem intellektuellen Gebiet gerne nach, beabsichtige aber keineswegs, mit ihm in einem handwerklichen Wett streit zu konkurrieren, 177 ist dies vermutlich ebenfalls ein Ausdruck der zielgerichte ten Rücksicht auf sein westlich-lateinisches Publikum, das für handwerkliche Fä higkeiten keinen grol\en Respekt gehabt haben dürfte (vgI. S. 39). In Florida 18 greift Apuleius auf eine Anekdote über Protagoras zurück. Als Phi losoph, so das Thema dieser Rede, sei er seinen Mitbürgern, die ihm zugleich Eltern und Lehrer gewesen seien, etwas schuldig, und diese ,Schulden' möchte er nun zurückzahlen. Es soll aber nicht, betont Apuleius, "eine solche Bezahlung werden, die der Sophist Protagoras forderte und nicht bekam, sondern vielmehr eine solche, die der Philosoph Thales nicht forderte, aber dennoch bekam" .17H Wie in Florida 9 nutzt Apuleius also auch in dieser Rede anekdotisches Material, um seinem Publikum eine Pointe auf gelehrt-unterhaltsame Weise nahe zu bringen, eine Methode, die Apuleius auch explizit thematisiert: "Ich sehe, was Ihr wünscht: Ich werde Euch beide Geschichten erzählen" ( 18 r 36,2 1 Video quid postuleti.."I: utramque narrabo).
1 7 5 Cf. 27ff. [ 1 3 , 1 6ff. ) , Ich ge>-tehe, das.. ich e. >"tat! dem,.on I.c. I Iippiw<' selhstherge.tellten prakti schen Utensilien] vurziehe, Gedichte in allen Gattungen zu schreiben . . . � ferner Satiren, Rauei, historische Berichte noor verschiedene Themen, Reden . . . , l>ialogen . . . , we. und " ele. anderes auf griechisch und lateinisch . . . " (pro hiH J1'U'''1ptare me faww . . . mc rcficcrc pocrrwtn mnnigcnu.. "pta . . . item satifUH ac gripho..'I. itern historia..'1 'Uuna.'I Terum nec non cwatilmcs .. . . nec non dia'''II'�' "" arque ha cc et alia <--i UHdcm modi tnm llra<:ce quam /utinc . . . ). Vgl. außerdem Harri.on (20IJIJ: 1 07f.) und N'orden ( 1 958: 6IJIJ). 1 7 6 VIII. Philo.trato., cit, soph. 1 . 1 2 . 49 5 , der keine weser Komponenten erwähnt, .ondern im Gegen teil explizit anfiihrt, I Iippia.. sei nach Sizilien gereist mit dem ausgespmchenen Zweck, Geld zn verdienen (UltEP lP'1l1a�(J)v). l>ie.., Informati,m stammt h,ich.twahrscheinlich au.. einer Stelle in Platon. l>ialog J li,."ias rrwi",. (282d8ff.), an welcher l lippia. erzählt, er würde alleine in dem kleinen siziliani.'lChen Dorf Inykns mehr als zwanzig Minen verdienen. 1 7 7 25 1 1 .1 ,8ff. ) quin ct i",,,, lliPTrian latulo, .ed iollenii eiu.' fo<-'Unditnt<,m malo d,,<-mnae qlJ<Jm ""pelkctiliH multifrwmi ia't. u "ique C"H qui,."c tu pan.... tu. uc primos "'"IIislros _'fJS <-'C/c,,"' men..eJemque .." .rn.. Tr.'pendo , non Warn, qlJ<Jm Pn,tnI!OraH s"phiHtn P'7'igit ncc a<-'C<.7'u. scd quam Thale.. ""pie... nee p'7'il/it et a''<.'''7'it.
(jA
6. Apuleius Im folgenden präsentiert Apuleius sodann Protagoras als einen Sophisten, der zu
den ersten Erfindern der Rhetorik gehört und über ein außerordentlich umfassen des Wissen und ein großes rhetorisches Talent verfügt habe ( 19 1 3 6 ,3f. 1 sophista juit l.(}l�e multiscius et cum primis rhetoriooe repertoribus perfacundus). Er stamme, so heißt es weiter, aus derselben Stadt wie der gleichaltrige �aturphilo soph Demokrit, nämlich Abdera, und habe auch dessen Lehre übernommen (ibid .
Democriti physici civis aequaC't-'Us - inde ci suppedita doctrina est). Während diese biographischen Informationen wie die Angaben über IIippias in
Florida 9 als historische
Tatsachen
(juit)
präsentiert werden, kennzeichnet Apulei
us die Erzählung vom Streit zwischen Protagoras und seinem Schüler Euathlos ausdrücklich als Anekdote (20 1 36 , 6 ]
eum Protagoran aiunt . . . ).
Laut dieser An
ekdote hatte Euathlos, ein wohlhabender Schüler des Protagoras, seinem Lehrer zu Beginn des Unterrichts die Hälfte von dessen Honorar gezahlt und dabei verspro chen, den Rest zu bezahlen, sobald er seinen ersten Prozess gewonnen hätte. Als die Zeit jedoch verging und Protagoras allmählich den Verdacht schöpfte, Euathlos lasse sich absichtlich Zeit, um nicht bezahlen lich Euathlos an, ihn vor Gericht
zu
zu
müssen, drohte Protagoras schließ
ziehen, um somit, egal wie der Prozess ausge
hen würde, Euathlos zum Bezahlen zu zwingen. "Denn " , wie Protagoras zu Euathlos sagte, "wenn ich den Prozess gewinne, bestätigt mir das Gerichtsurteü, dass du mir mein Honorar zahlen musst, aber auch wenn du gewinnst, bist du mir mein Honorar schuldig, weil du gegebenenfalls deinen ersten Prozess gewonnen hast." 179 Euathlos hatte jedoch nicht vergeblich bei Protagoras studiert und begegnete dem Trickar gument, indem er seinen Meister belehrte: er wiirde ihm nichts schulden, wenn der Prozess zu seinen Gunsten entschieden werden sollte und ihm damit Recht geben; er v..ürde ihm aber auch nichts schulden, wenn er verlieren sollte, denn so hätte er ja nach wie vor noch keinen Prozess gewonnen .
al� "ambivalentes und doppel anceps argumentum ambifariam) und über
Protagoras' Trickargument bezeichnet Apuleius deutiges Argument" (23 1 .1 6 , 16f. ]
den Inhalt von Protagoras' Lehre heißt es, er bestehe aus "all jenen Mitteln, die verwendet werden können, um die Richter zu bewegen, ferner allen kleinen Fallen, die gegen die Gegner eingesetzt werden können sowie allen Kunstgriffen der Rheto rik" . '"0 Protagoras selbst ,,,ird als "gar alter Hase" bezeichnet ( 2 6 1 3 6,23f. ]
tanti
veteratoris) , und über den Schüler Euathlos schreibt Apuleius, es sei ihm leicht gefallen, die rhetorischen Kunstgriffe seines Meisters Protagoras zu lernen, weil er "ohnehin gewandt war und eine natürliche Veranlagung zur Gerissenheit besat\".
lRl
In Übereinstimmung mit diesen eher negativen Charakteristika fasst Apuleius die Pointe der Anekdote für sein Publikum folgendermat\en zusammen: "Scheinen euch diese sich selbst widersprechenden Argumente der Sophisten nicht Spitzfin1 7 ') 24 [ J 6 . 1 7fL l .\ram si't."e eR0 t..*'(.."T{) . . . •�()I'C{.�e merc...oedem debebi.o.r ut vondL'TnfU.l.tu."I, ML"U tu 'Cu.,,(.,.,-L.o.r nihilo minu.'i redderC! dehebi.o.r ut pac...otu.."I, . qui'P'PC qui hanc cau.'«.tm primam l''-IJZe...''I iudice.o.r vi'-'erls. 1 SO 2 1 [.16. 9ff. ) �'UnL'ta üla ex()TU1Jula iudimntium ot decipula aduersuntium et arqficia dkentium. I S I 2 1 [ .1 6 . 1 l f . ) "�'TIru.tus uli0'lui Cl' i1l/1eniutu.. ad u.
6. Apuleius
69
digkeiten zu sein, die vom Wind zusamm engeweht, ineinander festhängen und sich mit denselben gegenseitigen Stichen und derselben Durchschlagskraft gegenseitig venvunden? Lasst uns darum den Lohn des Protagoras, hart und dornig wie er war, gerissenen und gierigen Menschen überlassen." , •• Als Gegenstück referiert Apulei us daraulhin die Anekdote vom Lohn des Thales (29ff. [ 37,10ff. )). Dieser habe sich nämlich als Lohn damit begnügt, dass sein Schüler Mandraytus aus Priene, wenn er die Lehre seines Meisters weitervermitteIn wolle, diese nicht al'l seine eigene oder diejenige anderer Lehrer, sondern eben als diejenige des Thales ausgeben solle. Wie in Florida 9 wird Pmtagoras hier also zunächst al'l einer der grollten Sophis ten und rhetorischen Könner eingeführt ( 19 [ 36,3f. ) multiscius et . . . perfacun dus). Aber anders als beim Vortrag über I1ippias, in dem der Sophi'lt al'l positive Folie für Apuleius' eigene sophistische Tätigkeit verwendet wird, hat die allgemeine Empfehlung von Protagoras in Flanda 18 keinen Einfluss auf Apuleius' Wiedergabe der Anekdote von Pmtagoras und Euathlos, die durch und durch von der traditio nell platonisch-aristotelischen Sicht der Sophi'ltik und der Sophisten als einer Be wegung von durchtriebenen, unseriösen und gierigen Wortkünsdern geprägt ist. I1ier dient die Anekdote über den Sophisten Protagoras vielmehr als negative Folie für das Bild, das Apuleius von sich selbst vermitteln möchte. Diese divergierenden Darstellungen der Sophistik weisen auf den intellektuellen I1intergrund des Apuleius hin. Al'l Kind einer Zeit, die in kulturell-intellektueller I1insicht von der zweiten Sophistik dominiert war, schätzt Apuleius zwar die älteren Sophisten des 5. Jahrhunderts als rhetorische Vorbilder, wie dies aus der I1ippias Anekdote und der positiven Einführung des Pmtagoras hervorgeht. Dass diese Hochschätzung ihn jedoch nicht davon abhält, über dieselben Sophi'lten satirisch herzuziehen, darf bei Apuleius und den übrigen nKonzertrednern" (Radermacher zitiert von Lesky '197 1 : 891 ) der sophistisch-rhetorischen Kultur der ersten nach christlichen Jahrhunderte nicht verwundern, denn sie legten im Allgemeinen mehr Wert auf eine gute Geschichte und auf populäre Darstellung al'l auf Dogmatik und Systematik (vgl. Sandy 1997: 173).
6 . 2 . Oe Pla to n e et eius do g mate Ein der Protagoras-Anekdote ähnliches, negatives Bild der Sophistik finden wir auch in der unter Apuleius' Namen überlieferten Schrift De Platane et eius dagmate. In diesem kleinen Kompendium der platonischen Philosophie be schäftigt sich Apuleius {oder ein uns unbekannter Autor)'''' u. a. ausführlich mit 182 28 [:l7.3ff. ] ."""nne .,,,hi.. ..'identur haec s"phi...wrum utgum<'ßtu "hwnoa invi"" m vü.., spinurum, quas 'UentuH c(Jn�(Jlu,"';t. inter se (..'(Jha,'n"f'e. paribu..o.r utrirnqu.e a'luk.�"I, simili pcnctTutiune. mutuo 'Culnere? A� idctJ mer(...C's Prot1.cllcwae tam u.'C'pCra, tarn sent1cIJsa 'Oersun."I "t avuri.. reliquenda est. 1 8..1 Aui die Frage der Urhebe...chaft v"n Dc Platune kann im Rahmen die..,r Untersuchung nicht eingegangen werden. Siehe hienu Redf"... ( 196IJ).
70
6. Apuleius
Platons Definition der Sophistik im Gorgias. Doch auch wenn das Kompendium im Allgemeinen eher über die platonische Philosophie informieren als für be stimmte Ansichten argumentieren will, '0' verfolgt auch Apuleius ähnlich wie Quintilian ein knappes Jahrhundert früher bestimmte Ziele, die für seine Exe gese ma(�geblich sind. Im Gorgias (462el-466a7) definiert Sokrates an einer Stelle die Rhetorik als eine Form von "Anbiederei" (ICOAIlICEtll). 'oS 'Vas damit gemeint sei, erklärt er mit Hilfe einer schematischen Darstellung verschiedener Künste (tEXVIlt), die jeweils für den geistig-politischen und für den körperlichen Bereich zuständig sind, nämlich Gesetzgebungskunst und Rechtsprechung sowie Gymnastik und Heilkunst. Diesen vier echten Künsten stellt Sokrates nun vier Scheinformen oder Imitationen (dÖCilW) gegenüber, die zwar den echten vordergründig ähneln, allesamt aber auf Vergnügen zielen und darum Formen der ICOAlllCEtll sind. So ahmt die Sophistik die echte Gesetzgebungskunst, die Rhetorik die Rechtsprechung, die Kosmetik die echte Gymnastik und die Kochkunst die Heilkunst nach. Darüber hinaus, erklärt Sokrates, bestehe ein proportionales Verhältnis zwischen den beiden Bereichen, so dass die Gesetzgebungskunst als regulierende Instanz im geistigen Bereich der Gymnastik im körperlichen Bereich entspreche, die Rechtsprechung als korrektive Instanz dagegen der Heilkunst. Für die ScheinkÜI1ste würden dieselben Proportionsverhältnisse gelten, so dass die Sophistik der Kosmetik und die Rhetorik der Kochkunst entspreche. Diese Definitionen aus dem OOl-gia..� erklärt Apuleius in De Platone (231ff. Beau jeu), und dabei übernimmt er auch die negative Einstufung der Sophistik als eine Form von ICOAIlICElIl. Sie sei, so erläutert Apuleius, eine Wissenschaft des Verfüh rens (2.8 231 Beaujeu ad-ulandi sc-ientia), die auf dem Gebiet des Juristischen imstande sei, die weniger Klugen zu überzeugen, indem sie vorgebe, sie würde für die Gerechtigkeit Sorge tragen, während sie in Wirklichkeit - "das steht fest" - nur im eigenen ungerechten Interesse handele (2.9 233 Beaujeu iniquitati favere COll..�tat). Wie die übrigen Formen von �achahmungen (imitatrices) echter Fertig keiten (disciplinas) sei die Sophistik Ausdruck einer leeren anbiederischen Ver lockung (ibid. blanda.� . . adsenta.tion-um inlecebris), die, so Apuleius weiter, von keinem Nutzen sei, sondern vielmehr eine Schande für diejenigen, die sich zu ihr bekennen würden (ibid. turpes prq/1.tentibus, inutiles cunctis). Diese Übernahme der sokratischen Verurteilung der Sophistik mag für einen Vertreter der zweiten Sophistik - trotz der allgemeinen antidogmatischen Haltung dieser Redner - zunächst überraschend wirken. Doch Apuleius verstand sich eben nicht nur als epideiktischen Redner in der sophistischen Tradition, sondern auch als Platoniker in der Tradition des mittleren Platonismus. Er bezeichnet sich selbst =
=
.
H l4 Vgl. Sandy ( 1 1)<) 7 : 2 1 4 ) und l Iijmans ( 1 9S7: 42 7f. ) HiS 46Ja6ff. Zur schwer ühers..tzharen Semantik "on "oAu"du ,.gl. lJodds ( 1 959: 225).
6. Apuleius
mehrfach als
philosophus Platonicu.� , '0.
71
und wenn er i n seinem Platon-Kom
pendium eine rigorose Kritik der Sophistik präsentiert, die womöglich noch über Platons Kritik hinausgeht, dann tut er dies eben in der Eigenschaft eines platoni schen Philosophen. Dabei unterscheidet Apuleius - obwohl er sie in seiner eigenen Person vereint - offensichtlich deudich zwischen Sophisten und Philosophen. Pro tagoras und Ilippias mögen in den epideiktischen Reden als Beispiele einer umfas senden allgemeinen Bildung und al� rhetorische Vorbilder gepriesen werden, sie werden aber nirgends mit eigendicher philosophischer Tätigkeit in Verbindung gesetzt. In
Flonda 18
sagt Apuleius zwar zunächst, VI'ie wir gesehen haben, Prota
(18.19 indc ci suppcdi.ta doctrina), aber diese Information hat bezeichnendenveise keine Konse goras habe die naturphilosoph ische Lehre Demokrits übernommen
quenzen für die weitere Darstellung von Protagoras, der ebenso \\'ie Ilippias mehr fach explizit als
sophista
bezeichnet wird. Wenn Apuleius aber umgekehrt seine
philosophischen �Ientoren nennt, z.B. in der Apolo�ic, denkt er nicht an die Sophi'l ten, sondern an "Aristoteles, Theophrast, Eudemos, Lykon und die übrigen Plato niker"
(36.3).
Gleichzeitig war Apuleius doch nicht so sehr
philosophus Platonicus, dass er Dc Platonc den
sich davon abhalten Iieil, im Rahmen seiner Gor�as-Exegese in
platoni�chen Dialog an mehreren Stellen recht eigenmächtig auszulegen. In seiner Wiedergabe des platonischen Schemas hat Apuleius nämlich die So phistik an die Stelle der Rhetorik gesetzt, während die Rhetorik aus dem Schema =
(2.9 233 Beaujeu profcssio iu ris) ersetzt worden ist. '07 Die Jurisprudenz konnte als speziell römisches Phänomen
gänzlich verschwunden und durch Jurisprudenz
in Platons Text gar nicht vorkommen, aber dennoch sind Apuleius' Änderungen sicherlich kein Versuch, den Inhalt des
Gorgia.�
für ein lateinisches Publikum zu
romani�ieren. Apuleiu.� geht es - \\'ie schon Quintilian - vielmehr darum, die Rhe torik von der platoni�chen Kritik au.�zunehmen. Was in Platons
Oor�ias gegen die
Rhetorik gesagt VI'ird, lässt Apuleius daher in seiner Wiedergabe al� eine spezifi�che Kritik der Sophistik erscheinen. Statt der Rhetorik macht Apuleiu.� die Sophistik zu dem geistigen Gegenstück der Kochkunst
(233
Beaujeu), die, indem sie sich für
eine IIeilkunst ausgibt, mitunter in der Lage sei, die Meinungen unverständiger �Ienschen zu der Auffassung zu verleiten (ibid.
tium captat),
intc rdum opinioncrn inprudcn
sie habe eine gesundheitlich positive und heilende Wirkung (ibid.).
Und wo es bei Platon die Rhetorik ist, die mit ihrem juristischen Ausdruck Unver ständigen den Eindruck vermittele, sie würde sich um die Gerechtigkeit kümmern, während sie in Wirklichkeit die Ungerechtigkeit unterstütze, hat bei Apuleius die Sophistik diese Rolle übernommen.
l S6 Z.ll. ap. 1 0 . 1 2 . Auch AugUHtim.L"Ii nennt ihn phiu)sophus Platonu."U.'f oder einfach Plutfmk'U.'oJ: (d-c. H . 1 2 , 1 4 .H, H.24, 9.3 und 10.27). Cf. l Iarri "on (2 ()()() : 5, Anm . 19). I H 7 Vgl. U""ujeu ( 1 973: 292f.).
72
6 . Apuleius
Apuleius' mehrfache Identitäten als
philosophus Platonicus,
professioneller
Rhetor und erfolgreicher Anwalt'" erzeugen einen entsprechend vielseitigen Um gang mit der alten sophistischen Bewegung. Auf der einen Seite identifiziert sich Apuleius als Redner atL'ldrücklich mit den alten Sophisten, andererseits zeigt er sich als Platon-Exeget trotz seines I1intergrundes in der Kultur der Zweiten Sophistik bereit, ein sehr kritisches Bild der alten Sophi'ltik zu zeichnen. Dieses Bild dient aber, wie wir gesehen haben, letzlich dem Redner ApuleitL'I dazu, die Rhetorik vor der platonischen Kritik zu bewahren. Apuleius' Doppelrolle als platonischer Philosoph in der zeitgenössischen griechi'lchen Kultur,
in der
und
man
sophistischer Rhetor war
sich
im Allgemeinen mehr
oder weniger dazu gezwungen sah, sich entweder als Sophist oder 31'1 Philosoph zu bekennen, , .. höchst untypisch. Sie hängt vermutlich damit ZtL'lammen, dass Apu leitL'! etwas auL\erhalb der zeitgenössischen griechi'IChen Sophi'ltik stand, teils weil er trotz seiner Zweisprachigkeit nicht imstande war, mit den griechischen Sophisten sprachlich zu konkurrieren, ' 90 teils weil Apuleius seine Geburtsstadt Karthago nie verließ, die - obwohl in vieler Uinsicht eine kosmopolitische Stadt - gegenüber den großen intellektuellen Zentren des griechischsprachigen Mittelmeerraums kulturei zurückgeblieben war (Uarrison 2000: 37f. ) . Diese Outsiderposition gab ApuleitL'I mehrere Vorteile gegenüber seinen grie chischsprachigen Kollegen. Zum einen war er nicht dazu gezwungen, im Kultur streit der Zeit Partei zu ergreifen, zum anderen hatten seine lateinischsprachigen Mitbürger in Karthago nur wenig Vorkenntni'! der griechischen Kultur, die ihnen ApuleitL'I präsentierte. Diese Umstände dürften für die groLle Freiheit im Umgang mit der griechischen Philosophie, Philosophiegeschichte und Kultur, '9' die
wir in
den stark divergierenden Darstellungen der sophi'ltischen Bewegung in den rida-Reden und in
De Platone
Flo
festgestellt haben, ein entscheidender Faktor gewe
sen sein.
1 88 �lit ApuIeius' Tiitigkeit als "Anwalt" ist hier nicht die rein technisch-juristische lIetiitigung, die ApuIeiu., al, p"lfc....'
7. Gellius Aulus Gellius entstammt derselben zweisprachigen intellektuellen Kultur wie Apuleius, und beide erhielten ungefähr zur selben Zeit und möglicherweL'ie sogar von denselben Lehrern ihre philosophische Ausbildung in Athen (vgl. Sandy 1997: 33). In Gellius' Attischen Nächten, einem bunten und unterhaltsamen zwanzig bändigen Sammelwerk, das die literarL'iche Bildungskulrur dieser Epoche wider spiegelt, finden sich erwartungsgemät) auch einige verstreute Bemerkungen und Anekdoten über die alten Sophisten. So weit) Gellius zu berichten, dass Euripides neben naturphilosoph ischen Stu dien bei Anaxagoras und ethL'ichen Studien bei Sokrates auch Rhetorik bei Prodikos studiert hat (15. 20.4). Gellius kommentiert den möglichen Einfluss des Prodikos auf Euripides allerdings nicht näher, und die biographische Information dient lediglich als ein kleines Stück literarhistorischer Gelehrsamkeit. Eine etwas ausführlichere Anekdote über die Begegnung der beiden Abderiten Protagoras und Demokrit gibt Gellius im fünften Buch zum Besten (5.3). Einmal, erzählt Gellius, hätten sich der damals als IIolzträger arbeitende Protagoras und der berühmte Philosoph Demokrit vor den Toren Abderas getroffen. Als Demokrit das ausgeklügelte Tmgesystem des Protagoras gesehen und erklärt bekommen hatte, nahm er ihn sofort als Schüler auf, "bildete ihn in der Philosophie aus und machte aus ihm den Mann, der er später war" . 192 Die Anekdote soll, wie Gellius in seiner Kapitelüberschrift angibt, erzählen, wie Protagoras dazu kam, sich mit philosophi schen Studien (philosophiae Uttem.'i) zu beschäftigen, und Gellius bezeichnet entsprechend Protagoras als einen "hervorragenden �fann der Wissenschaften" (5.3.1 'Vinlm in studiis doctrina.nlm egregium). Er sei, so Gellius weiter, der "scharfsinnigste der Sophisten" ( 5 . 3 . 7 acerrimus sophistarum),I9·, aber ein "un seriöser Philosoph" gewesen. Gellius begründet dies mit einem VerweL'i auf Pro ta goms' spätere Unterrichtspraxis, die darin bestanden habe, gegen eine enorme Summe seine Schülern zu lehren, "mit IIilfe der Sprache die schwächere Sache zur stärkeren zu machen" (ibid. quanam 'Verb oru m industria cau.<;a infi·rmior fieret
jortior). In einem späteren Kapitel über die spezifL'iche Form von Trickargumenten, die als avnatpE!jlOVta bzw. reciproca (Retour-Argumente) bezeichnet werden (5.10), gibt Gellius mit der bekannten Anekdote ( 5 . 10.3 est pervolgatum) von Protagoras und Euathlos, die wir bereits bei Apuleius kennen gelernt haben, seinem Leser ein konkretes Beispiel dieser PraxL'i, die Gellius offenbar speziell mit Protagoras und den Sophisten verbindet. Gellius' Darstellung, in der Protagoms ausschliet)lich als Lehrer einer allgemeinen undjuristL'ichen Rhetorik vorgestellt wird ( 5 . 10.5), unter scheidet sich im Wesentlichen nicht von der Darstellung bei Apuleius mit der einen 192 5.3.6 philmmphias wx.'Uit ct esse eumfecit qu.ant1L.� po.�tea.fuit. }l)J Vgl. d�n ohen (S. 2H) OOhol'TOchenen Pali.'ms in Cicero,"! lJe natura deorum 1 .63: :mphi"ite."I temJJorihu."1 iUL"i vel maximu."i.
...
Prf)w.gorus . . .
74
7. Gellius
Ausnahme, dass Gellius hinzufügt, die Richter hätten sich anschlieLlend nicht in der Lage gesehen, ein Urteil zu verkünden, und darum den Fall vertagt ( 5 . 10.15). Der Anekdote entnimmt Gellius dieselbe Pointe wie Apuleius, indem er mit einer gewissen Schadenfreude hinzufügt, dass hier der Meister der Redekunst von sei nem eigenen Schüler und mit seinem eigenen Trickargument bloßgestellt wurde.'" Wie für Apuleius ist Platon - "der groLlte Freund der Wahrheit" ( 10. 2 . 1 'Veritatis homo amicissimus) - auch für Gellius ein groLles Vorbild, und seine Dialoge sind autoritative Quellen. '·s So spitzt auch Gellius in seiner Darstellung des Protagoras das platonische Bild erheblich zu, indem er Protagoras als einen philosophisch gebildeten und überaus scharfSinnigen, aber gierigen und eigen nützigen rhetorischen Formalisten darstellt, der sich vom wahren Philosophen radikal unterscheidet. Freilich setzt sich Gellius mitunter auch kritisch mit den platoni�chen Texten auseinander. Besonders relevant sind in diesem Zusammenhang seine Kommentare zur Kritik der Philosophie durch die Figur des Kallikles im Gorgias, die Gellius in extenso und auf Griechisch zitiert (10.22.lff.). Kallikles wirft in dem zitierten Aus zug u.a. Sokrates vor, die Beschäftigung mit Philosophie über das Jugendalter hin aus sei Ausdruck von Schwäche und Weltfremdheit und mache insgesamt den Nlen sehen schlechter. In seinem Kommentar versucht Gellius einen Kompromiss zu bilden, indem er einerseits betont, KallikIes' Kritik sei Ausdruck des richtigen Ge fühls und des natürlichen schlichten Menschenverstandes sowie einer gewissen unleugbaren Wahrheit" · - auch wenn ihr Urheber, Kallikles, weder gra'{.'i.� noch probu,� sei ( 10.22.1 und 10. 2 2 . 24). Andererseits hebt GeIlius mit Nachdruck her vor, die berechtigte Kritik beziehe sich nur auf das unnütze Ersinnen von spekulati ven Spitzfindigkeiten, nicht aber auf die "wahre Philosophie", deren Ziel die tu gendhafte Pflichterfüllung im Staat und Gemeinwesen sei. Gellius bezeichnet in diesem Kapitel KallikIes allerdings nirgends als Sophisten oder setzt ihn mit ande ren Sophi.�ten in Verbindung, was sicherlich damit zusammenhängt, dass KallikIes, den Gellius offensichdich als fiktive Person betrachtet, " 7 auch von Platon im Gor gias nicht explizit als Sophist klassifiziert wird. In der Sache jedoch zeigen die Kommentare des Römers Gellius hier eine ciceronianisehe Sympathie für den Pri}94 5 . 1 0 . 1 6 :dc ab adolescente di.'Ro1T1ulo magisk..� elqu(."fI.ti.uc inclitus suo sihi ul'),Jumento . . . (.'fmfutatu."C es! ,-'I. capnoni.", Vt..,-sute (!,:\;"og ÜLt.tLt.e fru..o.rtruhL"C fuit. Cf. auch GellilL"I! F'unnulierung vun Euathlos' h()chst: ironischer Antwort auf Prot&igoTaN' Trickargwnent: 1.Jetzt lerne auch du, gelehr tester Meister!" (5 . 1O . 1 J di..t'e ij,>itur tu l{,wque. mUl,>i...ter su."k--nrissime). }95 Uei der ProtagoTas-Anektlow im fünften Uuch, die an "ich nicht aus Platnn stammt, verweiNt GeHi us auf Platons ,.henihmten'" lJia10g Prot�ora..., (5.3 . 1 L'1Jiu.."i nomen Plutf) libn) suo lIli ifWluh) in..eriTJ.vit). Pri"",,,, ( 1<JH4: 4(6) fUhrt das negative Pmtagur"",Uild des GelliUli auf den Umstand zuriic k. dass GelliUN Schwer des PlatonikeTh Taurus war. 1 9 6 10.22.24 sed eum sen."iu...., tamen intellegL'TItiaequ.e communi.", .tit L't cum quudum indi."isimuluhüi '\.."eritate di."i.·R�it. }97 ln'tviefem Platons Figur tatsächlich eine reale Vorlage hatte� ist um...,;tritten. Siehe hierzu Nails (2002. 7 5ff. ).
7. Gellius
7S
mat der praktisch-politischen �ita acti�a, die grundsätzlich eher der Sophistik al'l der Sokratik venvandt ist.
8 . Christliche Autoren Ciceros De natum deorum und damit die Darstellung der Sophisten in diesem Dialog übten einen nicht geringen Einfluss auf die )Jachwelt aus So zitiert bei· spielsweise Valerius Maximus zur Zeit des Tiberius, vermittelt über mehrere Zwi schenquellen, sowohl VelleitL�' Darstellung des protagoreischen Agnostizi�mtL� als auch Cottas Beschreibung der Reaktion der Athener atL� De natura deorum und Ciceros Darstellung in De natura deorum ist in diesem Fall somit zweifellos der Grund, warum Valerius Protagoras nicht al� sophista, sondern al� philosophus bezeichnet . ... Insbesondere haben sich die christlichen Autoren der Spätantike für De natum deorum interessiert, nicht zuletzt weil die Apologeten die darin enthaltene Kritik der heidni�chen Religion wieder verwenden konnten."" Die deutlichsten Bezüge finden wir bei dem Apologeten MinucitL� Felix atL� dem frühen 3. Jahrhundert,'" aber De natura deorum war ebenfall� eine jener Schriften Ciceros, die einen gro ßen Einfluss auf AugustintL� ausübten. '0' Auch Laktanz und Tertullian zitieren häu fig aus De natum deorum (cf. Kotek 1901), und somit kamen die christlichen la teinischen Autoren der Spätantike, die sich im übrigen kaum mit der sophistischen Bewegung beschäftigt haben, durch die Rezeption von De natum deorum zwangs läufig mit der Sophistik in Berührung. . • ••
8 . 1 . Te rtu l l i a n Tertullian hat sich zwar mehrfach mit Ciceros D e natum deorum beschäftigt, er wähnt aber nur ein einziges Mal Protagoras und dies in einem gänzlich neuen und merkwürdigen Kontext. So erscheint der Name Protagoras in den Handschriften der Tertulli an-Schrift De ani ma als Urheber einer Theorie über den Sitz der Seele im Herzen (15.6 etiam Protagoras, etiam Apollodorus et Chrysippus haec sapiunt). Die Richtigkeit des 1911 Cf. P"""e ( 1955: 1 .53. Anm. 7) und zum fulgenden /)yck (211113: 1 4ff. ). 199 1.1 ext. 7 Prr'tuj/,was phi/UHUphus ab Athcnk.....i1L. publice exu...n. . , . Pmtuj/'YI"US phil,�..".hu... ""riPH<'rUt \Iln urari an cli essent "" si essent qua"'" CH.ocnt rum P''''''C s,oiri, (aus einer Epitome des Juliu."I Paris). 21111 Cf. im Allgemeinen Opelt ( 1 966) und speziell über AmubiWi ßunnieck ( 1 9/14). Im Mittelalter spielte lJc natum deurum dagegen keine w....... ntliche Rulle (/)yck 2011.1: 1 5). Erst mit dem erwa chenden Interesse für ,Naturreligiun' zur Zeit der Aufklärung wird das Werk erneut in großem Stil rezipiert (i)yck 21103: 1 5f. und Gawlick 1 963). 2(11 /)as umfa.....end
8. Christliche Autoren
Namens Protagoras ist allerdings stark umstritten (cf. Waszink
( 1879: 254)
schlug
statt
Protagoras
Pythagoras
vor,'o,
1947: 2 2 9 ) .
Pamelius
77
DieL�
dagegen
4 . Jahrhunderts, der u. a. die (ltVE\l!Wt 'l'Uxucov) seinen Sitz im Herzen Körper hinausströme (Fr: 30 Steckerl Athe
Praxagoras, einen Arzt aus der zweiten Hälfte des Theorie vertrat, dass das Seelenpneuma habe und von dort in den restlichen naios
687f) .
=
Ftir Pamelius' Konjektur plädiert auch Waszink (ibid. ) mit dem Argu
ment, in Tertullians Text stehe neben Protagoras' Name auch der Name eines ge wissen ApoIlodor, der dieselbe Auffassung wie Protagoras vertreten haben soll, weshalb es sich wahrscheinlich um einen der drei Ärzte handele, die wir unter die sem �amen kennen (Waszink
1980: 249).
Mit der Konjektur Praxagoras hätte man
somit zwei Ärzte nebeneinander, was den Verdacht auf einen Schreibfehler erhär ten könnte. AIlerdings v.'ird auch Chrysipp im gleichen Satz als Vertreter derselben Seelen-These genannt, und so bleibt das gewichtigste Argument gegen Protagoras, dass eine solche Theorie gegebenenfalls nur an dieser SteIle unter seinem �amen überliefert wäre. Dies aber wäre in Verbindung mit der Überlieferung vorsokrati scher Texte kein Einzelfall. '04 Um den Zweifel dem Angeklagten zugute kommen zu lassen, soIl die betreffende Passage hier kurz besprochen werden, weil sie, sofern die Überlieferung korrekt ist, ein interessantes Beispiel für den Umgang eines chrisdichen Apologeten mit Platon und der Sophistik darsteIIr.
De anima gehört zur Gruppe der antihäretischen Schriften Tertullians und ist in erster Linie gegen die griechische Philosophie gerichtet, besonders gegen die Pla tonücer und vor allem gegen Platon selbst, die als "Patriarchen der Häretiker"
patriarchis ... haereticorum)
bezeichnet werden. I n der fraglichen Passage
(3 .1 (15)
geht Tertullian der Frage nach, im,'iefern die Seele eine höchste und leitende In stanz
(15.1 �YE�vtl(oV, principale)
enthalte, was Tertullian in Übereinstimmung
mit einer großen Gruppe griechischer Ärzte und Philosophen, hierunter Sokrates, Platon und Aristoteles, bejaht
(15.3). Was jedoch
die Frage betrifft, wo sich diese
Instanz im Körper befinde, weist Tertullian die Auffassung Platons zurück, die Seele befinde sich im Kopf, und schliel)t sich statt dessen der Meinung von u. a. Empedokles, Chrysipp, dem genannten ApoIlodor und eben Protagoras an, denen zufolge sich die Seele im Herzen befinde ( 15 .6). Wenn die Überlieferung des Namens Protagoras korrekt ist und wenn der über lieferte Text tatsächlich Tertullians Meinung darstellt,
lOS
können \\'ir aL�o hier beob
achten, v.'ie Tertullian Protagoras neben anderen Vorsokratikern und hellenisti schen Philosophen als naturphilosophische Autorität
haec sapiunt) ohne jegliche
(15.6 etiam Protagoms . . .
- platonische - Vorbehalte diskutiert.
2()J UieL"I ht:!ruft sich hierhei auf A�tios 4 . 5 . 10, der l'ythagura."I eine vergleichbare Theorie zuschreibt. 204 \Vaszink ( 1 947) lässt in seiner AUNgahe trotz seiner ZlL"itimmung zu PameliUN' Konjektur denn auch dtm J\amen PnJt:aROnL� im Text ho'1.e hen. 205 Waszink ( 1') 4 7 : 22\1) macht darauf aufmeTksam,
78
8 . Christliche Autoren
8 . 2 . M i n u c i u s Felix
Tertullians Zeitgenosse, der Apologet Minucius Felix, verfasste i n der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts einen kleinen nach seiner christlichen Hauptfigur Octavi us betitelten Dialog, in dem Minucius neben anderen Vorlagen vor allem aus De natum deorum schöpft An einer Stelle des Dialogs lässt Minucius Caecilius, Octa vius' heidni�chen Gegner, die traditionelle griechisch-römische Religion gegen die "Sturmangriffe" der Christen (8.3 gmssari in deos) verteidigen, indem er Octavi UR entgegenhält, weder er seIhst noch andere Heiden hätten je die "gottlose und scheinphilosophische"'oo Aut1ösung der überlieferten Religion durch die sogenann ten Atheisten akzeptiert noch würden sie sie je akzeptieren (8.2). Wenn doch die Athener sogar Protagoras vertrieben, fährt Caecilius fort, und seine Schriften auf einer Volksversammlung verbrannten, "wo er doch ein Mann war, dessen Behand lung der Frage nach dem Göttlichen eher wohhiberlegt als blasphemisch war" (8.3 Protagomm . . . consulte poti.us quam projel"nC dc div'i nitate di.<�putantem), "um wie viel bedauernswerter ist es dann nicht, mitansehen zu müssen, wie ihr I sc. die Christen I die Götter im Sturm überfall t? " (ibid.). Minucius lässt hier Caecilius Protagoras als einen moderaten und seriösen reli gionstheoretischen Denker darstellen, der sich deutlich von den kritisierten Atheisten unterscheide. Damit lehnt sich Minucius eng an Ciceros Schilderung des Protagoras in De natum Deorum an (siehe S. 31), auch wenn er mit seinem Text ein ganz anderes Ziel verfolgt als Cicero, nämlich die Figur des Caecilius betonen zu lassen, nicht alle Heiden seien unter dem Deckmantel der Philosophie in Wirklich keit Atheisten. Caecilius' Berufung auf die Vertreibung des Skeptikers Protagoras ist indes nur vordergriindig ein Argument für heidnische Religiosität. In Wirklich keit soll die Argumentation des Caecilius, in der die mäßige Skepsis des Protagoras letztlich positiv gewertet wird, gegenüber dem Leser vermutlich eine allgemeine heidnische Tendenz zu theologischem SkeptizL�mus andeuten, in dem Minucius seinen HauptgegtIer sieht.'·7 Auch für diese Vorstellung dürfte Cicero mit seinem skeptL�chen Helden Cotta in De natum deorum die Vorlage geliefert haben (siehe S. 27ff. ). Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Protagoras in Minucius' Wie dergabe der ciceronischen Doxographie aus De natum deorum fehlt. Denn anders als Cicero möchte Minucius mit seiner Variante zeigen, dass die Mehrheit der heid nischen Philosophen in Wirklichkeit die chrL�tIiche Gottesauffassung geteilt habe, was sich jedoch nur schwer für den ciceronischen Protoskeptiker Protagoras hätte behaupten lassen.
206 H.2 hac inpwtan.."f di.o.rdplina simulutue philosphiae nominc utque uu'-'toritate. 207 Vgl. hi�rzu c.l�n �rst�n T�i1 von Octaviw<' Apologie ( 1 6. 1-20. 1 ), c.li� �ine Kritik c.ler �rkenntni.-th�(,. retischen Skepsis deN CaecililL'i ist: und in verschiedene Fonnen von Gottesheweisen mündet (1 11.5-20. 1 ).
8. Christliche Autoren
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Minucius lässt allerdings seine chri�diche Figur Octavius auf einen anderen So phi� ten zurückgreifen, dessen Religionskritik ihm ebenfalls in Ciceros De natura deorum vorlag, nämlich Prodikos und dessen Ätiologie der Religion. Allerdings verwendet Minucius auch Prodikos zu einem anderen Zweck al� Cicero. Im zweiten Teil des Dialogs greift Octavius die traditionelle griechisch-römische Religion heftig an und wirft dabei seinen und CaecUius' Vorfahren vor, sie seien, was die Götter und die Religion betrifft, nicht nachdenklich genug gewesen, sondern hätten "in ihrer unzivilisierten leichtgläubigen Einfalt einfach in den Tag hinein geglaubt" . ... Um CaecUius von der Richtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen, fordert Octa vius ihn auf, "die Schriften der I1istoriker und der Weisen zu lesen" (2 1.1 Lege historicorum scripta vel scripta sapientium), woraufhin er u.a. die Religionsäti0logie des Prodikos wiedergibt, derzufolge es ursprünglich Menschen gewesen seien, die auf ihren Rei� bis dahin unbekannte Fruchte entdeckt und so zum Wohlerge hen der Menschheit beigetragen hätten und darum in den Status von Göttern erho ben worden seien .... Neben Prodikos werden im selben Kontext auch Euhemeros, Autor eines be rühmten Reiseromans, der Stoiker Persaios sowie Alexander der Grol�e genannt, ". wodurch deudich wird, dass Octavius' Aufforderung lege hi.·'!toricorum scripta 'Oel scripta sapientium nicht als philosophie- oder literarhistorische Klassifizierung gemeint sein kann - keiner der genann ten Autoren ist historicu.� im engeren Sinne, sondern eher eine rhetorisch-persuasive Übertreibung ist, die die Existenz eines umfangreichen und autoritativen historischen Beweismaterials suggerieren soll. Dennoch verwendet Minucius tatsächlich Prodikos als eine Art Geschichtsschrei ber, indem er ihn nicht als Vertreter der von ihm geschilderten rationalisierten anthropozentrischen Religion kritisieren lässt, sondern seine Religionsätiologie al'l eine Art anthropologischer Geschichtsschreibung zitiert, die den primitiven Natur glauben der Heiden belegen soll. Somit transformiert Minucius, der höchstwahr scheinlich keine Schriften des Prodikos selbst gelesen hat - vielleicht aber auch gerade deshalb - für seine Zwecke den beteiligten Religionskritiker aus Ciceros De natum deorum in einen distanzierten historisch-anthropologischen Beobachter.
201! 20.S . . . <-"1la deos qlwque maiores ru�'Ilri inpnNidi, ,oredtdi nuli simplicitate ,,,,,,didef'unt. 20<) 2 1 .2 Pnxlk'U.. ud.....mpws in der�. loquitur qui enuruk. in"".,.o.. ru...-i.. jrugi"us utilitati Iunninum pn!lm,runt.
2 10 Euhemem. verfas.te in der el'l
80
8. Christliche Autoren
8 . 3 . La kta nz Etwa ein knappes Jahrhundert später erwähnt auch Laktanz i n seiner Schrift De im
dei die Vertreibung
(9 . 1-2), und auch seine Dar De natum dconLm zurück. Aber wie Minucius
des Protagoras durch die Athener
stellung geht vermutlich auf Ciceros
stellt auch Laktanz den Agnostizismus des Protagoras in ein ganz anderes Licht al'l seine Vorlage. Im Kapitel
9,
in dem es
um
die Vorsehung (protridcntia) Gottes geht, beschreibt
Laktanz Protagoras al'l den ersten und einzigen Agnostiker unter den älteren Philo sophen . . . . Protagoras' agnostischer Standpunkt, man könne nicht entscheiden, ob es irgendeine Gottheit gebe oder nicht, sei jedoch, so Laktanz, bereits
zu
seinen
Lebzeiten al'l so sündhaft und der Wahrheit und Religion widersprechend empfun den worden, ' " dass die Athener ihn vertrieben und seine Schriften öffentlich ver brannt hätten (9 .2). Laktanz, dessen Darstellung die Reaktion der Athener
al'l berechtigt erscheinen
lässt, hat auch selbst für den Agnostizismus des Protagoras offensichtlich nicht viel übrig: "Über seine Ansicht, " so beendet er sein kurzes Referat, "lohnt es sich nicht zu diskutieren, da er keine sichere Meinung zum Ausdruck brachte" . m Die polemische Haltung des Apologeten Laktanz ist wenig überraschend . . . . Auffällig i s t dagegen, dass Laktanz Protagoras nicht als Sophisten, sondern als Philosophen klassifiziert, wenn auch als Kontrahenten zur gesamten übrigen griechischen Philosophie. Mit dieser - stark vereinfachten'" - philosophiege schichdichen Darstellung woIlte Laktanz wahrscheinlich erreichen, dass Protago ras' Agnostizismus als ein philosophiegeschichtlich völlig isoliertes Phänomen erscheinen soIlte (cf. Ingremeau
1982: 261 ) ,
eine Absicht, die sich auch darin
zeigt, dass Laktanz in dem vorangegangenen Kapitel, das sich ebenfalls auf Cice ros
De natum deonLm ( 1 . 1 18)
bezieht, nur die
anonyme
Gruppe sophistischer
Religionskritiker nennt, Prodikos' These von der Entstehung der Religion (siehe S.
29)
aber ignoriert.
Wie Minucius greift Laktanz also auf die ciceronische Protagoras-DarsteIlung aus
De natum dconLm
zurück, ersetzt aber das tendenzieIl positive Bild des
skeptischen Akademikers Cicero mit einem negativen Bild, das freilich nicht auf der Grundlage der traditionellen platonischen Kritikpunkte erstellt wird, sondern
2 1 1 \/ . 1 primu.. umnium PrrItUll,n-u.. exstitit tempuribu... Sr"orati.. qui silli di<.'t.'I"<>f nun liquerr: utrum ess,'" tdiqua di'Uinita.o.r fIe(.-,&e.
qwre di.."utatiu aus udeu inpia d ".,ntru t>eritat,,,,, Cf rr:li,Ilirmem iwli<'Uta cst. ibid. dc ,..dus H''ntcntia nun e.� ''PUS diHputarr:, quia nihil certi pnmuntiuu it. 2 1 4 [)a< LJrtei i des Laktan. teilt die �Iehrheit der llrieehisehen Patristik. Ci. beispiel.weise Jobanne.. Ch"Y"',.-t<,mo., In 1 . Cur. "'nnil. 4 . 5 , Kerferd & FI .... har ( 1 \/\/11: 42) .owie die nützliche Cbendeht bei Capi.. i ( ' 1 \/55: 366-370). 2 1 5 Viii . •. B. Laktan.' Kritik von Pmtallor",, ' Skep.is (nihil ccrti pnmuntiavit) mit Cieem. Lob von Platons Skepsis in ac. 2 1 .4 6 : "...ius in Iibri.. nihil ufJirmatur ct in utrUmque puftem multa di...."'runtur. de ,nnnihu.. quu<.";tur nihil "'t.'f"ti di<'ÜUr. 2 1 2 \/.2 213
8. Christl iche Autoren
vielmehr aus dem Geiste des spätantiken Neuplatonismus heraus Protagoras blasphemischen Agnostiker zeigt.
81
aL�
9 . Zusammenfassung Obwohl interessierte Leser in hellenistisch-römischer Zeit in etwas höherem Maße als moderne Leser die Möglichkeit hatten, Texte der Sophisten im Original zu lesen, galt dies überwiegend für rhetorische Schriften und Reden. Wer sich mit der So phistik beschäftigen wollte, war auch in der Antike grundsätzlich auf zumeist kriti sche Sekundärquellen wie Platon, Ari�toteles und Xenophon angewiesen. Dieser Umstand hatte jedoch
nicht,
wie man oft angenommen hat, zur Folge,
dass die kritische Darstellung der Sophistik durch Platon und AristoteIes die Rezep tion in der lateinischen Literatur so stark dominierte, dass der lateinische Westen ihr negatives Bild der Sophistik einfach übernahm . Zwar spielen insbesondere Pla tons Dialoge G07·gia.� und Phaidms in der lateinischen Rezeption der sophi�tischen Bewegung bei Cicero, Quintilian und Apuleius eine zentrale Rolle. Aber Platon ist keineswegs der einzige Bezugspunkt der lateinischen Rezeption gewesen, und au Llerdem besteht ein wesentlicher Teil dieser Rezeptionsgeschichte in dem Versuch, das sophi�tische Bildungsideal gegen Platons Kritik zu rehabilitieren. Wenn wir uns also fragen, wie unser Bild der Sophistik aussehen würde, wenn wir nur die Texte Ciceros und der übrigen behandelten lateinischen Autoren zur Verfügung hätten, muss die Antwort lauten, dass es ein außerordendich buntes und widersprüchliches Bild wäre. Auf der einen Seite erscheint die sophistische Bewegung vor allem in den rhetorischen Werken Ciceros in einem sehr positiven Licht als hi�torisches Beispiel einer attraktiven universalen Bildungskultur, in der eine breit gefasste philosophische Bildung mit konkreter rhetorischer Praxis ver eint wurde
(De oratore).
Die Sophisten werden im Kontext dieses Rezeptions
stranges als hoch angesehene Redelehrer und Redner dargestellt
(Brutus),
hier
unter speziell als Lehrer der notwendigen rhetorischen Kommunikation philoso phischen Wissens
(Omtor).
Die Sophisten begegnen auLlerdem häufig in einem
neutraleren rhetorikgeschichdichen Zusammenhang, in dem sie als Gründer und Pioniere der forensischen Rhetorik, aber vor allem der epideiktischen Kunstprosa betrachtet werden
(De omtore, Orator, Quintilian) .
Diese neutrale bis positive
Darstellung der Sophisten als rhetorische Pioniere weicht jedoch einem stark negativen Bild, sobald es darum geht, die Ernsthaftigkeit der römischen politisch juristischen Praxis durch die Kontrastierung mit der sophistischen Epideiktik hervorzuheben
(Brutu.'1, Orator) .
Gegenüber diesem - insgesamt überwiegend positiven - Bild der Sophistik 31� eines philosophisch begründeten, aber doch primär rhetorischen Phänomens fehlt es in der lateinischen Rezeption nicht an negativen Darstellungen, sobald die So phistik aus philosophischer Sicht betrachtet wird. Es ließ sich zwar eine neutrale Rezeption der Sophisten als philosophisch-anthropologische Religionstheoretiker nachweisen
(De natum deorum) .
Doch davon abgesehen finden wir - nicht nur bei
dem Akademiker Cicero - in vielen Fällen das platonische Bild der Sophisten 31'1 unseriöse Schein- oder Berufsphilosophen wieder, die den Gewinn oder den persön-
9. Zusammenfassun g
R3
lichen Erfolg über die echte philosophische Suche nach Wahrheit setzten (Lucullus und Deftnibus). Dasselbe Bild begegnet auch bei Quintilian und Apuleius (De Pla tone), die die platonisch-ariswtelische Kritik der Sophistik als unwissenschaftliches und opportunistisches Phänomen in besonderem �Ial\e übernehmen. So bezeich net Quintilian die Sophi�tik als eine ca'l)il.latrix, von der bei Apuleius wiederum "feststeht" , sie unterstütze mit dem Mittel der Sprache "die Ungerechtigkeit" (De Platone). Das Bild der Sophistik hat sich jedoch, sobald es um die Darstellung einzelner So phi�ten geht, als erheblich vielfältiger herausgestellt, al� es die einfache Dichotomie zwischen einer positiven Rezeption der Sophistik al� rhetorischen Phänomens und einer negativen Rezeption der Sophi�tik als philosophischen Phänomens vermuten lässt. Protagoras wird in der Mehrheit der Fälle in einem neutralen bis positiven Licht als (proto)skeptischer (Lucullus, De na.tura deorum), naturphilosophischer (De oratore, Tertullian) oder religionstheoretischer (De natura deorum) Denker rezi piert. Minucius Felix und Laktanz sehen in Protagoras' Skeptizismus dagegen einen typischen Fall heidnischer Ungläubigkeit, während er für Seneca schlicht ein Bei spiel des weltfremden und übertrieben spekulativen Philosophen ist. Bei Apuleius (Florida) und bei Gellius erscheint er zugleich als überaus gelehrtes rhetorisches Vorbild und als durchtriebener, unseriöser und gieriger Wortkünstler. Gorgias wird überwiegend mit der je nach Kontext positiv oder negativ beurteilten griechischen Praxis der Epideixis in Verbindung gesetzt (De oratore, Deftnihus), tritt aber mit unter auch als weiser und unermüdlicher homo doctus (De senectute) und als rhetorischer Theoretiker (Quintilian) auf. Prodikos erfährt durchgehend eine neu trale Rezeption, sei es als Naturphilosoph (De oratore), als Religionsanthropologe (De 'IIatura deorum), al� anthropologisch-historische Quelle (Minucius Felix) oder als Urheber der berühmten moralischen Erzählung von IIerakles am Scheideweg (De offtcii.�). Ilippias' legendärer Olympia-Auftritt und sein Status als griechi�cher Alleskönner ,,-ird nicht ohne eine gewisse ironische Distanz betrachtet, grundsätz lich jedoch positiv bewertet (De omtore, Apuleius, Florida). Kritias gehört in der lateinischen Tradition offensichtlich nicht zur Gruppe der (philosophischen) So phi�ten, sondern \\ird ausschließlich als Beispiel des alten Typus eines philoso phi�ch geschulten und gebildeten Redners rezipiert (De oratore, Bru.tus). Dasselbe gilt auch für Antiphon, den ,,-ir nur bei Cicero und Quintilian finden und hier nur in seiner Eigenschaft als forensi�cher Redner und rhetorischer Theoretiker. Dieses Buch ging von der Annahme aus, dass der praktisch-politische Ausgangs punkt vieler römischer Autoren zu einer positiven Rezeption der sophi�tischen Bewegung als prakti�cher Philosophie der universalen Bildung führen würde. Diese Annahme hat sich bei allgemeiner Betrachtung als zutreffend herausgestellt, frei lich nur in den Zusammenhängen, in denen die betreffenden Autoren das Ziel ver-
84
9. Zusa mmenfassun g
folgen, das praktisch-politische Eloquentia-Ideal zu verteidigen und zu begründen. Wo es sich dagegen um allgemeine moralphilosophische Fragestellungen handelt, wird die platonisch-kritische Sicht übernommen. Bei konkreten Einzelfragen tritt diese kritische Sicht wiederum erneut in den Hintergrund, und die Ansichten der Sophisten werden nach anderen, kontextabhängigen Kriterien beurteilt. So hat es sich paradoxerweise gezeigt, dass insbesondere der Akademiker Cicero die sophistische Rhetorik in Schutz nimmt, indem er das sophistische Bildungsideal gegenüber der platoni�chen Kritik verteidigt. Umgekehrt ist es in erster Linie das lateinischsprachige Echo der griechischen zweiten Sophistik, nämlich Apuleius und Gellius, das zur Tradierung der traditionellen und negativen platonischen StereOI1' pen fiber Sophisten an die Nachwelt beigetragen hat. Bei dieser differenzierten Rezeption der sophistischen Bewegung in der lateini schen Literatur ist es schließlich wichtig festzuhalten, dass wir nicht von einer un mittelbaren Rezeption der Sophistik in dem Sinne sprechen können, dass die latei nischen Autoren sich mit der sophistischen Bewegung um ihrer selbst willen be schäftigt hätten. Keiner der behandelten Autoren hat die Absicht verfolgt, seine Leser fiber die Sophistik sachlich zu informieren. Es ist vielmehr deutlich gewor den, dass die Rezeption der Sophistik in sämtlichen untersuchten Quellen eine instrumentale Funktion in den jeweiligen Kontexten erfUHt. Dieser Umstand ist zweifellos ein wesentlicher Teil der Erklärung dafiIr, dass das Bild der sophistischen Bewegung in der lateinischen Literatur alles andere al� eindeutig oder konsistent ist. Es ist keineswegs undenkbar, dass diese konsequente Instrumentalisierung der Sophistik und der Sophisten und das sich hieraus ergebende vielseitige und wider sprftchliche Gesamtbild der Sophistik in der römischen Literatur ein wesentlicher Faktor fUr die weitere spannungsvolle Rezeptionsgeschichte der Sophistik gewor den ist.
1 0. Bibliographie Die Bibliographie beschränkt sich auf Werke und Artikel, auf die im Buch venviesen wird. Im übrigen sei auf die umfassenden Bibliographien
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Personen- und Sachregister Aberglaube 29 Achilleus 3 8 Atitios 30, 77 Agnostizi�mus siehe ,Protagoras, Agnostiker' Aischines, Sokratiker 19 Akademie, skeptische siehe ,Skeptizismus' Alexander der Grol,\e 7 9 Alexinos, Megariker 21 Alkibiades 4 5 , 47, 48, 50 Alkidamas 5 8 Anaxagoras 18-2 1 , 38, 73 angeklagt als ,Sophist' 19 Anekdoten über die Sophisten 2 3 , 3940, 5 8 , 65-69 , 73-75
Antiochos 18 Antiphon Quadratur des Krei�es 2 2 Redelehrer 49, 5 8 , 83 Redner 49-50, 58, 83 Überlieferung des 17 Apollodoros, Arzt 76 Apuleius 65-72 , 7 3 , 74 , 82-84 Aristides 39 Aristophanes 51 Aristoteles ,Lehrer' des Apuleius 7 1 Quelle zu den Sophi�ten 17, 4 1 , 49, 58, 82
über Anaxagoras 19 über den Redner 37 über die Redekunst 4 1 , 49 über die Seele 77 über die Sophisten 9-13 , 2 5 , 5 1 , 5 2 , 5 5 , 69, 82
über Sophismata siehe ,Sophismata' Arkesilaos 24 , 2 5 Arnobius 76 Atheismus 29, 3 2 , 7 8 Athenaios 19, 39, 77 Augustinus 7 1 , 76
Bildungsideal, politi�h-rhetori'lch philosophL'lches 35-48, 5 3 , 60, 66, 68, 82-84
Blasphemie 78, 80-81 Caesar, Gaius Iulius 3 6
capliones siehe ,Sophi�mata' und , Trickargumente'
ca'Cillamx
62, 83
Charmadas, Akademiker 43 Chriai siehe ,Anekdoten über die Sophisten' Chrysipp 76 Cicero 18-5 5 , 82-84
Academica posteriora 80 Academica priora (Lucullus)
18-
22, 52
Ad Atticum 3 5 Brutus 3 5 , 36, 48-52, 58, 82, 83 Gato lHaior de senectute 22 De di'Cina.tione 2 1 , 2 5 , 30, 35 Definibu.'l 23, 4 2 , 83 De inventione 3 5 -37, 4 1 , 62 De natura deorum 2 5 , 27-36, 57, 76-81 , 82 , 83
De officiis 1 5 , 3 5 , 5 2 , 83 De oratore 13, 14, 1 5 , 3 5 , 36, 3748, 49, 50, 51, 5 2 , 82, 83 34, 3 5 , 46
De re publica
Definition der Sophisten 18-2 2 , 5 5 dramatischer Autor (siehe auch ,Dialogform') 14, 27 Eklektiker 16
Orator 3 5 , 5 2 - 5 5 , 58, 82 Pro Milone 54 Pro Murena 15
Rhetor (siehe auch ,Rhetorische Strategie' ) 1 5 , 20, 4 6 Vorlage für Quintilian 58, 5 9
Demokrit 27-28, 3 8 Lehrer des Protagoras 6 8 , 73 Diagoras von Melos siehe ,Athei'lmus'
Personen- u n d Sachregister
Diruektik 1 1 , 24-2 5 , 36, 5 2 , 56 Diruogfonn 14-16, 30, 47, 62-64, 78
goldene Statue des 4 0 Lehrer der sapientia (siehe auch
Diodoros Kronos, Megariker 2 1 Diodorus Siculus 19
,sapientia') 38 Olympische Rede 5 9
Diogenes Laertios 2 2 , 2 5 , 65 Dion von Prusa 39
Redelehrer 48, 5 8 Rhetor 22-23, 37, 51
Doxographie 17, 27-28, 7 8
über die Redekunst 37, 40, 49, 59, 60-64
eloquentia
Üherlieferung des 17, 49 weiser Greis 23, 83
siehe ,Bildungsideru, politisch-rhetori'lch-philosophisches'
91
Empedokles 27-28 Epideiktik 4 1 , 53-5 5 , 59, 65-69, 82,
Grote, G . 1 1 Gymnastik 7 0
83 Epikur, Epikureer 27-36
handwerkliche Fähigkeiten 39, 59, 66-
Eretriker 56 Euathlos, Schüler des Protagoras 58,
67 l Iarpokration 19
68-69 Euboulides, Megariker 22
lIegeI, G. W. F. 1 1 llei1kunst 70-71
Eudemos 71 Euhemeros 79
lIerakles 34, 83 hermeneutische Probleme 14- 17, 62-
Euripides 73
64 lIerodot 55
Favorinos 65 Fiktivität 35, 62-64 , 74 , 79
I1ippias Alleskänner 39-40, 46, 59, 65- 7 1 ,
Geld 14, 18, 58, 59, 60, 66-67, 68-69, 7 3 , 83 Gelehrsamkeit 2 3 , 27, 31, 34, 37, 39, 4 1 , 4 2 , 47, 73 GeJ1ius 65, 73-7 5 , 82-84 Gerechtigkeit 11, 60, 62 Gerichtswesen 3 5 , 3 6 , 4 2 , 49-50, 5 3 , 63 , 68, 7 2 , 82 Gesetzgehungskunst 62, 70-71 Gier siehe ,Geld' Glück 2 6-27, 36, 56
Gorgias (siehe auch ,Platon, Gorgias') Begründer der Epideiktik 24-2 5 , 4 1 -4 2 , 48, 54 Begründer der Kunstprosa 54
83 Auftritt in Olympia 39-40, 66 Begründer einer Affektenlehre 5 8 Gegner des Sokrates 5 2 Redelehrer 48, 5 8 Sophist 65-71 Vielschreiber 66
in urramque partem disserere,
Methode des siehe ,Diruektik'
Ionische Naturphilosophen 26 Ironie (siehe auch ,Sokrates, Ironie des') 39, 83 Isokrates 17, 2 3 , 36, 3 8 , 4 5 , 5 3 , 54, 5 9 , 60
Begründer der Rhetorik 58 Begründer der Topik 49, 58
Jaeger, W. 1 1 Johannes Chrysostomos 80
Definition der Epideiktik 53-55 Eristiker (siehe auch ,Sophistik,
Jurisprudenz 71
Eristik') 2 2 Gegner des Sokrates 5 2
Krulikles 74 -75 Kameades 25
92
Personen- und Sachregister
Karthago 66, 7 2 Kimon 44
Hippia.'1 minor (siehe auch ,lIippias')
Kleon 50 Kochkunst 70-7 1
Menon 43 Phaidon 25, 4 5 Phaidros 36, 4 5 , 5 1 , 54-5 5 , 60, 62,
kolakeia ,Anhiederei' 70-71 Korax 49 Gründer der Rhetorik 58 Kosmetik 70 Kritias 17, 29, 4 5 , 47, 48, 50, 83 Laktanz 76, 80-81, 82-84 Lukian 39 Lykon 71 Lykurg 38 Megariker 2 2 , 56 Miltiades 44 Minucius Felix 14 , 76, 78-79, 82-84 Mittelalter 1 3 , 6 5 , 76 Naturphilosophie 2 6 , 40, 68, 7 1 , 7 3 , 77,
83 Naturreligion 76 Nausiphanes 5 6 Neue Akademie siehe ,Skeptizi�mus' Neuplatonismus 81 Nietzsche, F. 11, 43 Parmenides 5 6 Pausanias 3 9 Perikles 14, 38, 40, 4 4 , 48 Persaios, Stoiker 7 9 Phiion von Lari�sa 3 5 philosophia 26 Philostratos 14 , 17, 39, 65 Pittakos 38 Platon Autorität 60-64 Dialogform 16 Euthydemos 2 1 , 5 6-57
Oorgias (siehe auch ,G orgias')
24, 36, 40, 43-46, 5 8 , 60-64 , 69-70, 74-7 5 , 82
Hippias maior (siehe auch ,lIippias') 67
39
82
Politeia 2 1 , 23, 2 5 , 3 5 , 45 Prota/loras (siehe auch ,Protagoms') 24, 74 Quelle zu den Sophisten 10, 17, 24, 4 1 , 82 Skeptiker 80
Sophistes
25 über die Redekunst 43, 4 5 , 47, 5 2 ,
60-64 über die Seele 7 7 über die Sophisten (siehe auch unter den einzelnen Dialogen) 9-13 ,
2 5 , 40, 43-46, 5 1 , 54-5 5 , 5 6-57, 60-64, 69, 74 , 82, 84 über die Sophistik 24-25 , 36, 6970, 71 über Sophismata siehe ,Sophi'lmata' Platonismus, mittlerer 70 Plutarch 39 Pontifex Maximus 33 Praxagoras, Arzt 7 7 Praxis, politische 13, 33-34 , 35-48, 5 4 , 7 5 , 82 , 83 Prodikos angeklagt a1� ,Sophist' 19 Ätiologie der Religion 29, 7 9 , 80, 83 Begründer einer Affektenlehre 58 Gegner des Sokrates 52 II erakles am Scheideweg, Mythos vom 34, 5 9 Philosoph 40, 83 Redelehrer 48, 5 8 , 5 9 , 73 Prolepse 2 8-29 Protagoms (siehe auch ,Platon, Protagoras') Agnostiker 27-31 , 76, 80-81 Begründer der Rhetorik 58, 68 Begründer der Topik 4 9 , 58 Begründer einer Affektenlehre 58 Euatblos und P., Anekdote von 5 8 , 67 -69 , 73-74
Personen- u n d Sachregister
Gegner des Sokrates 52 Philosoph 18, 28, 40, 7 3 , 76, 80
Skeptizismus 18-2 1 , 2 5 , 28-30, 3 1 34, 5 6-57, 7 8 , 80, 83
Redelehrer 48, 49, 50, 5 8 , 68 Relativist 18
Sokrates Autorität 60-62
9.1
Schüler des Demokrit 68, 73 Skeptiker 3 1 -34 , 5 6-57, 78, 83
bei Aristophanes 51 Dialektiker 24-2 5 , 4 1 , 5 2
Soph�t 28-29 , 5 1 , 67-69 über die Seele 76-77
Gegner der Sophisten 1 1 , 2 3 , 24 - 2 5 , 43, 44, 47, 5 1 , 5 2 , 5 5 , 56, 61, 66,
Urheber der dialektischen Methode 2 5 , 5 6-57
74 , 7 5 Ironie des 52
Urheber eines Sophisma (siehe auch ,Sophismata') 21
Skeptiker 25 Sprachrohr Platons 62-64
Verbrennung seiner Schriften 2829, 78, 80
theoretischer Philosoph 36, 73 über die Rhetorik 60-62 , 70
Vertreibung aus Athen 28-29, 78, 80
über die Seele 77 über die Sophistik 7 0
Protreptik 26-27, 3 5 , 4 6 Prozess siehe ,Gerichtswesen'
Vater der Philosophie 24, 26 Solon 38
Pythagoras, Pythagoreer 26, 27, 38, 77
Sophi'lmata (siehe auch ,Trickargumente' ) 2 1 - 22 , 5 6
Quellenforschung 3 5 Quintilian 5 2 , 58-64 , 70, 7 1 , 82-84
Sophi'lten (siehe auch unter den einzelnen Sophisten) Begründer der Rhetorik 82
Relativismus 18 Religion Ätiologie der 29-30, 78-79 , 82 Kritik der 27-36, 76, 78-79, 80, 83 Renaissance 13 Rezeptionsgeschichte 9- 17, 82, 84 Rhetorik 11, 13, 3 5 -5 5 , 5 8-64, 68- 7 2 , 73-74 , 82, 83, 84 rhetori'lche Strategie 15-16, 19-21, 24-2 5 , 26-27, 46-48, 49-50, 6162 RutilitL'I Rufus 3 5
sapicntia
siehe ,Bildungsideal, politisch-rhetorisch-philosophisches'
schwächere Sache zur stärkeren machen 5 1 , 61 , 7 3 Seneca 1 5 , 5 6-57, 82 -84 Sextus Empiricus 29 über Sophismata 22 Simonides 31-32 Skeptiker, pyrrhoni'lche 5 6
Lehrer der sapicntia (siehe auch ,sapicntia') 38-39 , 40-41 Philosophen 20-2 1 , 26, 30, 71 Redelehrer 48, 50-51, 62 Redner 40-4 1 , 43, 47, 48, 82 Schein- oder Berufsphilosophen 1 2 , 14 , 18-2 1 , 2 2 , 7 3 , 82 Schwindler 10- 12 , 50-51 , 83 Überlieferung ihrer Schriften 17, 82 Wortkünstler 1 1 , 54-5 5 , 69, 83 Sophi'ltik
cavillatriJc
siehe
,caviliatriJc'
Epideiktik (siehe auch ,Epideiktik') 24-25 , 48, 53-55 Eristik 1 2 , 2 5 Instrumentalisierung der 14-17, 202 1 , 2 2 , 24-25 , 28-30, 3 2 , 46-48, 49-50, 5 6-57, 62, 84 kolakeia ,Anbiederei' siehe ,kolakeia' Nachahmung 62, 70-71 praktische Philosophie 1 3 , 27 Rehabilitation der 10- 1 1 universale Bildung (siehe auch ,Bildungsideal, politisch-
Personen- und Sachregister
94
rhetorisch-philosophisches' ) 14 , 3 9 , 40-41 , 46-4 8 , 8 3 , 84 Verführung 70, 71 Stilpon, Megariker 21
Trickargumente (siehe auch ,Sophismata') 1 2 , 50-5 1 , 68-69 , 73-74
Subjektivismus 56
Ungerechtigkeit 60, 70, 7 1 , 83
Taurus, Platoniker 74
Valerius Maximus 2 2 , 76
Teisias 4 9 , 51 Gründer der Rhetorik 58 Tertu1lian 76-77, 82-84
virbonus 61 virtus 2 6-27 vita activa siehe ,Praxis, politische' vita contcmplati'Va 2 6 , 27, 3 6 , 38
Thales 67-69 ThemL�tok1es 38, 43 Theodoros von Kyrene siehe ,Atheismus' Theophrast 71 Theramenes 38, 50 Thrasvmachos 17 Be ründer der Epideiktik 54
g
Begründer der Kunstprosa 54 Begründer einer Affektenlehre 58 Erfinder des Päon 59 Lehrer der sapientia (siehe auch
,sapientia')
38, 40
Philosoph 40 Redelehrer 48, 5 8 über die actio 5 9 Thukydides 4 9 , 5 5 Topik 58
Wahrheit 1 1 , 2 1 , 2 5 , 3 1 , 33, 3 5 , 36, 50, 62, 63, 74 , 80 , 83 Wahrscheinlichkeit 3 1 , 33, 5 1 , 62, 63 Wirkungsgeschichte siehe ,Rezeptionsgeschichte' Xenophon Quelle zu den Sophisten 3 4 , 59, 82 über die Sophistik 1 2 Zweifel siehe ,SkeptizL�mus' Zweisprachigkeit 7 2 , 73 Zweite Sophistik 1 2 , 65-75 , 84
Stellenregister Aetios 1 . 7. 2 30 4 . 5 .10 77 Anaxagoras 59 B 97 DK 18-21 Apuleius
Apologia 10.12 7 1 36.3 71
De Platone e t eius dogmate
9.3 71 10. 2 7 7 1 14 .8 7 1
Epistulae
H8.23ff. 76 Cicero
Academica posteriom 1 . 4 6 80
Academica priora (Lucullus) 13-15 18
231ff. 70-71
15 52 24 2 1
9 . 14ff. 65-67 1 8 . 1 8ff. 67-69
72 18-21 7 5 21-22
Florida
1 8 . 19 7 1 Aristides
Reden 3 . 602ff. 39 4 . 4 4 39 Aristophanes
Wolken 1 1 2 ff. 51 Aristoteles
Rhetorik 1402a2 5f. 5 1
Sophistische Widerlegungen 164a20ff. 25 171b3ff. 25 172a7 22
Ad Atticum 15.3 . 6 35
Brutus 6 36 2 6 50 26ff. 48, 50-SI 29 48, 50 30 48, 50-51 31 4 8 , 5 1 44 50 45ff. 48-50 46 5 8 47 49 292 5 2
Gato Maior de serwctute
183b38 2 2
5 . 13 23 7.2 3 22-23
100a1 ff. 4 1 105a7 19
De di'Vinatione
Topik
162a 16 2 1 Athenaios
Deipnosophistae 218c 39 220b 19 506f. 39 687f 7 7 Augustinus
De ci'Vitate dei 8.12 71 8.24 71
1 . 105 30 2 . l ff. 3 5 2.2 35 2.3 25 2.4 21 2 . 2 8 30
Definibus 1 . 13 25 2 . 1 42
2 . l f. 23-25
96
Stellenreg isler
De in'Oentione 1 . 1 35-36
3.105 4 2 3 . 1 2 6 39
1 . 7 37, 62 1 . 9 37
3 . 1 2 8 38, 4 6 , 47 3 . 1 2 9 40, 4 1 , 44
De natum deorum 1 . 1 f. 30-3 1 , 32-34
3.130 40, 4 2 , 47 3 . 131 42
1 . 3 31 1.11 2 5
3 .139 4 5 3 . 2 2 8 4 5 , 46
1.18 28 1 . 2 5 ff. 27-28, 76
De re publica
1.29 32 1.43 27
Orator
1 . 13 35 2 52
1.44 28 1 . 57 31
12 5 2 14 5 2
1 . 60 31-32 1 . 61 3 2 , 33
1 7 53 37 5 3
1 . 63 28-29 , 3 1 , 3 2 , 73 1 . 64 29
37f. 53-54 38 53
1 . 1 1 5ff. 29 1 . 1 17f. 29-30
39 54-55 , 58 40ff. 54
1 . 1 18 80 1 . 1 2 1 2 9 , 30
42 53 65 54 68 55
3.93 33 3.95 33
De officiis 1.55 35 1 . 108 52 1 . 1 18 34 2 . 5 1 15
De oratore
95 54 96 54 164ff. 54 175f. 54 176 53
Thsculanae di.�putationes
1.1 36
5 . 2 2 6-27 5.5 26
1 . 2 1 36, 37 1.28 45
5 . 7 ff. 2 6 5 . 9 27
1.44 15 1 . 4 6f. 43
5 .10 2 6 5 . 1 1 25
1 . 47 44 1.49 4 5 1 . 217 4 5 1 . 2 27ff. 3 5 1 . 2 65 45 2.270 52
5 . 68 2 5 Diodorus Siculus
Historische Bibliothek 12.39 19 Diogenes Laertios
Leben und Lehre der Philosophen
3 . 4 6 36 3 . 5 5 44-45
1. 21 ff. 65 2 . 108 2 2
3 . 5 6 38, 39 .1 . 57 38
9 . 50ff. 6 5 9.51 25
3. 59ff. 38-39 , 43-44 , 43-44 , 47 3 . 102f. 4 1 -4 2
Stel len register
Dion von Prusa
1 . 8 . 4 94f. 65 1 . 1 1 . 495f. 39
7 1 . 2 39 Gellius
1 . 1 2 .495 67 1 . 18 . 507 65
Reden
Noctes Atticae 5 . 3 . l ff. 7 3 , 74 5 . 10 65 5 . 1 0 . Uf. 73-74 5 . 10 . 13 74 10. 2 1 . 1 74 10. 2 2 . l ff. 74-75 15.20.4 73
Platon
Euthydemo.� 286b l ff. 2 1 286c3ff. 5 6-57
Oorgias 447b9ff. 24 44ge l ff. 60 44ge3 60
lIarpokration 59 A 2 DK 19
453a2 60 454a4ff. 43
Isokrates
454b5ff. 60 4 5 6a4 ff. 43
Antido.
Oe,gen die Soph1.�ten 19f. 12
Helena 2f. 1 2
Nikokles 7 45
Johannes Chrysostomos
In 1. Gm: hamil. 4 . 5 80
Laktanz
De im dei
9 . l f. 80-81 Lukian
Herodot 3 39 Minucius Felix
Octavius
459c6ff. 43 4 63a6ff. 70
Hippia.� maior 282d8ff. 67
Hippia.� minor 368b5ff. 39
Jfenon 70b5ff. 43
Phaidon
90b9ff. 2 5 101 e Uf. 2 5
Phaidros 2 60b l ff. 3 6 2 61 a8ff. 6 0 2 66e4 54-55 2 67a7 51
Politeia
496a7f. 21 537e l ff. 2 5
8 . 2 f. 78 16. Uf. 7 8
Protagoras
18.5ff. 78 19. 1 ff. 76
Soph1.�tes
2 0 . 5 79 2 1 . l f. 79 Pausanias 5 . 2 4 . 5 39 Philostratos
Leben.�heschreibungen der Sophisten 1 pT. 481 65
328d3ff. 24 2 3 1 e l ff. 2 5 233d2 2 5 2 68c8ff. 2 5 Plutarch
Lykurg 23 39
Numa
1 39
97
98
Stellenreg isler
Quintilian
InstilUtio omtoria 2 . 1 5 .4ff. 60 2 . 1 5 . 5 63 2 . 15 . 18 6.1 2 . 1 5 . 25 62 2 . 1 5 . 2 7f. 6 1-62 2 . 1 5 . 3 1 62 2 . 1 5 . 3 2 63 2 . 16.3 61 2 . 16.6 61 2 . 16 . 1 1 61 2 . 2 1 . 1 60, 63 2 . 2 1 . 4 60, 6 1 , 62 2 . 2 1 . 20f. 62 3 . 1 . 8ff. 58-59 3 .3.4 59-60 3.8.9 59 3 . 1 5 . 26 63 4 . 1 . 73 59 8 . 6 . 54 52 9.2.36 59 9.2.46 52 9 . 3 . 74 59 9 . 4 . 87 59 1 2 . 10 . 2 2 5 8 12.11.21 59
Seneca
Epi.�tulae ad Lucilium 45.8 56 88.42ff. 5 6-57
Sextus Empiricus
Ad'OeTSu.� mathematicos 9 . 54 29
PyrThrmiae hypotheses 2 . 2 29ff. 2 2 Tertullian
De anima 3.1 7 7 1 5 . l ff. 7 6-77 Thukydides
Historien 8.68 49-50 Valerius Maximus
Facta er dicta memombilia 1 . 1 ext. 7 76 1.8 ext. 8 2 2