Seewölfe 155 1
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Gleichmäßig blies der Wind aus Osten, und die lange Dünung hob und senkte die „Elizabet...
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Seewölfe 155 1
Fred McMason 1.
Gleichmäßig blies der Wind aus Osten, und die lange Dünung hob und senkte die „Elizabeth Bonaventura“ in gleichmäßigen Abständen. Es sah aus, als atme die große Galeone tief ein, sobald sie den Bug hob, und als atme sie tief aus, wenn sich der Bug wieder in das nächste Wellental senkte. Die der portugiesischen Küste vorgelagerten Berlenga-Inseln waren seit einer halben Stunde zu sehen. In einer weiteren Stunde würden sie auf Backbord erscheinen und schließlich achteraus verschwinden. Admiral Francis Drake, der das Flaggschiff befehligte, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und blickte auf den Stand der Flögel. Das Flaggschiff lief Südkurs, auf Steuerbordbug liegend mit Backbordhalsen. Drake kontrollierte den Rudergänger und warf dann einen Blick auf den Kompaß, ein zweiter Blick aus den grauen Augen traf den Rudergänger. „Hundertachtzig Süd liegt an, Sir“, meldete der Rudergänger. Der Admiral gab keine Antwort, er nickte nur und nahm seine Wanderung, die schweigend von Backbord nach Steuerbord erfolgte, wieder auf. Ab und zu blieb er an der Schmuckbalustrade stehen, drehte sich gemächlich um, und dann suchten seine kühlen grauen Augen die See hinter ihnen ab. Achteraus war bis auf einen kleinen portugiesischen Zweimaster, der dicht unter Land segelte, kein anderes Schiff zu sehen. Die Stirn des Admirals umwölkte sich leicht, während seine linke Hand über den gepflegten rötlich-braunen Spitzbart strich. Nein, von seinem Verband war immer noch nichts zu sehen, der segelte noch weit hinter der Kimm, seit der fürchterliche Sturm bei Cabo Finisterre das Geschwader auseinandergeblasen hatte. Es waren gute, fast neue und stark armierte Galeonen, die
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selbst härtesten Stürmen zu trotzen vermochten. In Drakes Verband segelten die „Golden Lion“ unter Vizeadmiral William Borough, die „Dreadnought“ unter Kapitän Robert Seymour, und die „Rainbow“, die Kapitän John Wight befehligte. Weitere drei schwerarmierte Galeonen Londoner Kaufleute unter dem Flaggschiff „Mercant Royal“ gehörten dem Geschwader an, dem sich noch sieben kleinere Kriegsschiffe und elf leichte Segler für Depeschen-, Wacht- und Aufklärungsdienste anschlossen. Treffpunkt dieser Flotte war Lissabon, und so wußte jeder der Kapitäne, welchen Punkt er anzusteuern hatte. Drake war für dieses Unternehmen von Ihrer Majestät, Königin Elizabeth I. mit allen Vollmachten ausgestattet, denn über England begann sich etwas zusammenzubrauen. Agenten hatten die Zusammenziehung von Schiffen gemeldet, deren Angriff sich gegen England richten würde. Drakes Aufgabe war es, diesen kriegsmäßigen Aufmarsch zu verhindern, dabei blieb ihm sein Vorgehen selbst überlassen, einschließlich der Möglichkeit, die spanischen Schiffe in ihren Häfen anzugreifen. Da Francis Drake das ständige Zaudern seiner Königin kannte, hatte er zur Eile gedrängt und war ausgelaufen, teilweise mit gepreßten Leuten an Bord. Was Francis Drake nicht wußte, war die Tatsache, daß die Königin von England ihre Vollmacht widerrufen hatte - zu spät allerdings, denn das nachgeschickte Depeschenboot erreichte das längst ausgelaufene Geschwader nicht mehr und kehrte unverrichteter Dinge wieder um. An diesem frühen Abend schrieb man den 24. April 1587. Es war der Zeitpunkt, als die „Elizabeth Bonaventura“ die BerlengaInseln passierte. Drake war so in Gedanken versunken, daß er das dezente Räuspern hinter seinem Rücken bereits zweimal überhört hatte. Erst jetzt drehte er sich um.
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Thomas Fenner, der bei Drake als eine Art Stabschef fungierte, deutete eine leichte Verbeugung an. Drake schätzte diesen Mann, der ein Könner mit guten taktischen Qualitäten, ein ausgezeichneter Seemann, aber auch ein Rauhbein mit dem Hang zum Raufen und Kämpfen war, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot. „Der Verband bereitet Ihnen Sorgen, Sir“, sagte Fenner. „Ich sah Sie bereits öfter achteraus zum Horizont blicken.“ „Ich würde es nicht direkt Sorgen nennen, Mister Fenner“, erwiderte Drake ruhig. „Es sind gute, stabile Schiffe, und ich bin sicher, daß sie den Sturm bei Cabo Finisterre überstanden haben, genau wie wir auch. Der Sturm wird sie hart gebeutelt haben, aber ich schließe aus, daß wir auch nur ein einziges Schiff verloren haben. Es sind ausnahmslos verläßliche Leute, die diesen Verband befehligen, sie sind nur, wie es bei solchen Stürmen üblich ist, versprengt worden.“ „Der Ansicht bin ich auch, Sir“, sagte Fenner. „Vermutlich sind wir ihnen eine Tagesreise voraus.“ „Kaum mehr als eine halbe Tagesreise, Mister Fenner, denke ich.“ Thomas Fenner widersprach nicht, er nickte nur, drehte sich dann um und warf einen Blick auf die Berlenga-Inseln, die sie jetzt passiert hatten und die Backbord achteraus langsam kleiner wurden. Eine Viertelstunde lang unterhielten sich die beiden Männer, bis eine tiefe Baßstimme aus dem Ausguck ihr Gespräch unterbrach. „Deck! Dreimaster zwei Strich Backbord voraus auf Nordkurs!“ Der Admiral ließ sich das Spektiv geben und warf einen langen Blick hindurch, ehe er es an Thomas Fenner weiterreichte. „Ein phantastisches Schiff“, sagte Drake leise. „Sehen Sie es sich genau an, Mister Fenner, und dann sagen Sie mir, was Sie davon halten.“ Zunächst sagte Fenner gar nichts. Er preßte das Spektiv ans Auge und sah lange hindurch. „Donnerwetter“, murmelte er beeindruckt. „Eine herrliche Dreimastgaleone, ein
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Anblick wie man ihn selten geboten kriegt, Sir. Es trägt viel Segelfläche, denn es hat außergewöhnlich lange Masten. Aber diese Linienführung muß ich loben. Ich hätte den Dons eine derart ranke Bauweise nie zugetraut.“ „Es kann auch ein Portugiese sein, Mister Fenner.“ Wieder ergriff Drake das Spektiv. Fenner sah, wie er fasziniert den Kopf schüttelte und etwas murmelte. „Nein, er zeigt keine Flagge, leider. Aber das tun wir ja auch nicht. Haben Sie das Achterkastell gesehen, Mister Fenner'? Es ist flach, sehr flach sogar. Ich möchte wissen auf welcher Werft es gebaut wurde.“ In Fenner gewann wieder das alte Rauhbein die Oberhand. Er begann lüstern zu grinsen und fuhr sich, immer noch grinsend, mit der Hand über das Kinn. „Es ist fast zu schade, es zu durchlöchern“, sagte er langsam. „Andererseits ist es ein leckerer Braten, den wir uns nicht entgehen lassen sollten.“ Lauernd wartete er auf die Reaktion des Admirals, doch Francis Drake reagierte zu seinem Leidwesen nicht. Er musterte immer noch den schlanken Dreimaster und war von der Bauweise und der Linienführung stark beeindruckt. „Ein Don oder ein Portugiese“, sagte er mehr zu sich selbst. „Wirklich ein ausgezeichnetes, ein prächtiges Schiff.“ „Wenn wir uns begegnen“, begann Fenner wieder, als handele es sich um eine Nebensächlichkeit, „dann hat dieser Don die Luvposition, Sir.“ „Das ist richtig.“ „Möglich, daß er uns unter Feuer nimmt, und es sieht so aus, als habe er gute Geschütze.“ Fenner stützte die Hände auf die Schmuckbalustrade und starrte angelegentlich ins Wasser. „Das ist in der Tat möglich“, gab Drake zu und verbarg sein Lächeln hinter einem betont ausdruckslosen Gesicht. Er kannte Fenner, dem es jetzt mächtig in den Fäusten juckte, diesem Don oder Portugiesen eins aufzubrennen. Aber
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Drake ließ sich vorerst noch Zeit und wartete insgeheim darauf, wie weit Fenner ihn wohl noch animieren würde. Das ließ auch nicht lange auf sich warten. Fenner begann, immer ungeduldiger zu werden, und von der Kuhl her starrten bereits die ersten Männer unschlüssig zu ihnen hoch. „Laut unserer Order können wir ihn doch ein bißchen kitzeln“, sagte Fenner und versuchte seine Ungeduld zu verbergen. Doch sein lüsternes und erwartungsvolles Grinsen war immer noch nicht aus seinem Gesicht verschwunden. Auch Francis Drake verspürte plötzlich Appetit, diesem Gegner eine Breitseite aufzubrennen. Drake war ein Mann, der immer wieder Erfolge vorweisen wollte, und der jetzt die Gelegenheit sah, weiteren Ruhm einzuheimsen. Dieser Brocken, der ihm entgegensegelte, konnte der Auftakt sein, mit dem der spanische Tanz begann, gleich, ob der schlanke 'Dreimaster jetzt Portugiese oder Spanier war. Er war, wie Fenner schon ganz richtig bemerkte, ein leckerer Braten, der Drake das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Nein, den schmackhaften Happen wollte er sich nicht entgehen lassen. „Einen Strich Backbord!“ befahl er und sah gleichzeitig, wie Fenner sich die Hände rieb. „Gefechtsbereitschaft, Sir?“ fragte Fenner eifrig. „Richtig, Mister Fenner! Sie haben doch Appetit auf diesen Braten, er muß nur noch gespickt werden“, sagte Drake etwas überheblich, und es störte ihn auch nicht, daß der Gegner die Luvposition behielt. Drake wollte ihn überraschen, ganz plötzlich, wie es seine Art war, wie ein hungriger reißender Wolf. Admiral Francis Drake, von der Königin zum Ritter geschlagen, ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß der leckere Braten ein Teufelsbraten war, vom Satan persönlich zubereitet und daher so zäh, daß sich an ihm bisher noch jeder die Zähne ausgebissen und ein schadhaftes Gebiß davongetragen hatte.
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Zu jenem Zeitpunkt war die große, allein segelnde Galeone auf der „Isabella VIII.“ längst gesichtet worden. „Er zeigt keine Flagge“, sagte Philip Hasard Killigrew. „Aber hier in der Nähe der iberischen Küste kann es nur ein Don oder ein Portugiese sein. Ein beachtlicher Brocken jedenfalls, und er segelt mutterseelenallein.“ Ein paar Male blickte der schwarzhaarige Mann, den sie den Seewolf nannten, durch das Spektiv. „Ein herrlicher Brocken“, sagte auch Ben Brighton anerkennend und blickte in das narbige Gesicht des Profos und Zuchtmeisters der „Isabella“, Edwin Carberry, der grimmig vorausstarrte und die Armierung des vermeintlichen „Schneckenfressers“ taxierte. „Eine lausige Nuß, die man knacken sollte“, sagte Carberry, „denn da haben sich ganz sicher die' Würmer eingenistet.“ „Knoblauchfressende Würmer“, sagte der junge Dan O'Flynn. „Wozu haben wir eigentlich unseren großen Nußknacker!“ „Noch will er ja gar nichts von uns“, sagte der Seewolf, über den Eifer seiner Männer lachend, die es wieder einmal nicht erwarten konnten, sich mit den Spaniern anzulegen, obwohl ein heißes Tänzchen gerade hinter ihnen lag, an dem sich die Spanier zu Tode getanzt hatten, und jetzt noch in glühenden Schuhen herumliefen. Sie hatten ihnen wirklich übel mitgespielt, und nachdem sie im Hafen von Cadiz zwei Zweidecker mit Pulverfässern in die Luft gesprengt hatten, war da der Teufel los. Hasard hatte einen wahrhaft genialen Plan ausgeheckt, wobei ihm allerdings der Zufall in Form einer Galeere geholfen hatte. Und Bill, dieser verflixte Bengel, hatte alles ins Rollen gebracht und dabei gleichzeitig verhindert, daß die „Isabella“ durch die Spanier entdeckt worden war. Das Bürschchen wurde anschließend von der ganzen Crew wild gefeiert. Nachdem in Cadiz die Hölle losgebrochen war, hatte sich die „Isabella“, vorbei an
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spanischen Galeonen, Karacken und Zweideckern aus Cadiz geschlichen. Jetzt begegneten sie wieder einem Don oder einem Portugiesen, der Unterschied spielte keine große Rolle. Schon beim Anblick dieses großen Kastens erwog Hasard die Möglichkeit, dem Burschen ein heißes Tänzchen zu liefern, aber noch gab er sich ruhig und gelassen. Er sah jedoch, wie Carberry langsam, aber sicher immer nervöser wurde und grimmig das narbige Gesicht verzog. „Nicht mehr lange, und wir begegnen uns“, hörte er den Profos vorwurfsvoll murren. „Ein sehr logischer Schluß“, gab Hasard zu. „Eine Begegnung erfolgt zwangsläufig, sobald sich zwei Schiffe aufeinander zu bewegen. Aber noch ist es nicht so weit.“ Die Männer, die auf dem Achterkastell standen, Brighton, Dan O'Flynn, der Profos und Hasard blickten angestrengt nach dem vermeintlichen Feind und verfolgten genau die Manöver. Aber auf der großen Galeone tat sich nichts. Sie lief genauso unter vollen Segeln wie die „Isabella“ auch, sie änderte auch nicht ihren Kurs, und so würde die Begegnung in einem Abstand von etwa einer knappen Meile erfolgen. Pete Ballie, der Rudergänger, hielt das schwere Ruder mit seinen mächtigen Fäusten umklammert, und weil die „Isabella“ auf Backbordbug mit Steuerbordhalsen segelte, war der Druck auf das Ruderblatt entsprechend stark, und seine Oberarmmuskeln traten scharf hervor. Hasard warf einen Blick auf das Geschützdeck und verkniff sich erneut ein Lächeln. Al Conroy, der Waffen- und Stückmeister, stand in der unauffälligen Haltung eines Mannes da, der nur auf einen Befehl zu lauern schien, um ihn blitzschnell auszuführen. Und, der Seewolf glaubte seinen Augen nicht zu trauen, da schlich auch der Kutscher in fast der gleichen Haltung umher, und ganz „zufällig“ hatte er ein Messingbecken mit glühender Holzkohle in der Hand. Die anderen
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Seewölfe auf der Backbordseite standen ebenso unauffällig herum. „Die Kerle riechen, daß es gleich losgeht“, sagte Hasard kopfschüttelnd zu Ben, „obwohl noch keiner etwas befohlen hat.“ „Ein Zeichen, daß sie sofort auf dem Posten sind“, erwiderte der untersetzte Bootsmann. „Sie spüren deine Gedanken schon im Voraus, denn schließlich hast du sie darauf getrimmt. Seien wir stolz auf diese Räuberbande.“ „Ja, das bin ich, ich könnte mir keine bessere Crew vorstellen. Nanu, unser Freund ändert ja plötzlich den Kurs“, sagte Hasard überrascht. Auch die anderen bemerkten das Manöver und blickten den Seewolf fragend an. „Er ist ungefähr einen Strich nach Backbord gegangen“, sagte Ben Brighton und wischte sich die Haare aus der Stirn. „Das bedeutet nichts anderes, als daß ...“ „ ... er das gleiche vorhat wie wir“, erwiderte der Seewolf. „Ist die vordere Drehbasse klar, Al?“ rief er zu Conroy hinunter. „Aye, Sir!“ schrie der Stückmeister zurück. „Auch die Backbordbreitseite ist klar!“ „Er soll nicht merken, was wir vorhaben, Al“, sagte Hasard. „Traust du dir zu, dem Burschen mit einem sauberen Schuß aus der Drehbasse Blinde und Bugspriet wegzublasen?“ Eigentlich wußte er, daß diese Frage überflüssig war, denn Al Conroy hatte sein Können mehr als einmal unter Beweis gestellt. „Selbstverständlich, Sir!“ rief Al zurück, und dabei sah er fast ein wenig gekränkt aus. „Dann tue es, sobald die Position günstig ist. Ich überlasse es dir, du bist der Waffenmeister. Aber versammelt euch nicht auf der Back, du gehst allein oder nimmst nur einen Mann mit.“ „Verstanden, Sir!“ rief Al Conroy -und eilte aufs Vordeck, nur gefolgt von Smoky, dem Decksältesten. Unterdessen errechnete Dan, daß die Begegnung auf zwei entgegengesetzten Kursen in etwa zweihundert Yards Abstand erfolgen würde.
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Da beide Schiffe hart gesegelt wurden, würden sie auch dementsprechend schnell aneinander vorbeilaufen und sich wieder das Heck zeigen. Hasard erläuterte sein Vorhaben kurz und bündig. „Damit wir nicht in den Genuß seiner Breitseite gelangen“, sagte er, „werden wir nach dem ersten Schuß sofort abdrehen, dem Gegner das Heck zeigen und ostwärts weitersegeln, südlich also auf die Sandbänke der Berlenga-Inseln zu. Vermutlich wird der Kerl nicht so schnell reagieren, und mit etwas Glück geht seine Breitseite ins Leere. Ich weiß nicht, ob der Don sich hier auskennt, aber wir haben hier vor ein paar Jahren einmal einen Gegner ausgesetzt, und ich kenne die tückischen Sandbänke noch genau.“ „Ich habe sie auch noch gut in Erinnerung, Sir“, sagte Pete Ballie, „ich würde in einer einigermaßen mondhellen Nacht noch hier durchfinden.“ Auch die meisten anderen entsannen sich der damaligen Sache, als sie hier einen Gegner aussetzen. Allerdings war das schon eine ganze Weile her. „Hopp, hopp, ihr Kakerlaken“, sagte Ed zu den Männern in der Kuhl. „Schert euch gefälligst an die Brassen und Schoten und schlaft nicht ein, wenn wir den Kurs ändern, oder glaubt ihr etwa, unsere stolze Lady kann das alles allein, was, wie? Willig, ihr Läuseknacker, sonst spielt uns der Don zu einem Tänzchen auf, und ihr endet auf der Galeere wie die Burschen in Cadiz.“ Die Entfernung zu dem „Feind“ betrug noch etwa vierhundert Yards. Der Irrtum wurde auf beiden Seiten nicht bemerkt, und von dem Ausgang dieser schicksalhaften Begegnung hatte auch noch niemand eine Ahnung. Wie sollten sie auch! Jeder hielt den anderen für einen Don, dem sie es ganz einfach zeigen mußten. Es war eine merkwürdige Situation, und nie hätte Hasard sich träumen lassen, daß ihm hier sein alter Kapitän Francis Drake von der „Golden Hind“ entgegensegelte, jener Drake von
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dem er sich vor langer Zeit im Zorn losgesagt hatte. * Francis Drake hielt die schlanke Galeone immer noch für einen Portugiesen oder Spanier, und auch er wollte so unauffällig wie möglich dicht an den Gegner heransegeln, um ihn ganz plötzlich zu überraschen. Das harmlos dahinsegelnde Schiff sollte sich von einer Sekunde zur anderen in eine feuerspeiende Festung verwandeln. Der stämmige, untersetzte Admiral lächelte gegen seinen Willen, und als Fenner dieses Lächeln sah, erschien auch auf seinem Gesicht wieder das lüsterne Grinsen, dem Gegner eins zu verpassen, ohne daß der wußte, was ihm so plötzlich geschah. „Lassen Sie erst feuern, wenn wir uns begegnen“, sagte Drake noch einmal. „Die Geschwindigkeit beider Schiffe ist groß, die Begegnung erfolgt sehr schnell, und wenn er die Breitseite voll geschluckt hat, sind wir schon weg und setzen dann noch die achteren Drehbassen blitzschnell ein.“ „Das ist ganz nach meinem Geschmack, Sir“, sagte Fenner anerkennend. „Noch etwas, Mister Fenner: Sofort nach der Feuereröffnung zeigen wir die englische Flagge, damit dieser Philip auch genau weiß, mit wem er es zu tun hat, und bei wem er sich bedanken kann. Wie sieht es jetzt bei ihm an Deck aus? Einzelheiten zu erkennen?“ „Er ist nicht gefechtsbereit, Sir. Die Stückpforten sind geschlossen, ein paar Männer tummeln sich in der Kuhl, zwei andere befinden sich auf der Back. Die Kerle schlafen, Sir, aber wir werden sie gleich wecken.“ „Überwachen Sie das selbst, Mister Fenner“, ordnete Drake an. Aus seinem Gesicht war jetzt das Lächeln verschwunden, es wurde wieder ernst und verschlossen. „Aye, aye, Sir“, sagte Fenner steif und ging auf das Batteriedeck, denn die Entfernung schrumpfte jetzt schnell zusammen.
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Drake heimste im Stillen weiteren Ruhm für sich ein. Nachdem er eine ganze Weile fast reglos an der Schmuckbalustrade gestanden hatte, nahm er die für ihn typische Wanderung wieder auf und verschränkte dabei die Hände auf dem Rücken. Er lächelte über Fenners besorgte Worte, der Gegner hätte die günstige Luvposition. In diesem Falle tat es nichts zur Sache, ob Luv oder Lee, das blieb bei dieser kurzen Begegnung völlig gleich. Daraus würde niemandem ein Vorteil erwachsen, der Don konnte ihm bei der flüchtigen Begegnung nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er die Mannschaft, hörte das Brüllen des Profos, der etliches zu bemängeln hatte, und sah schließlich, daß unter Fenners Aufsicht alles seine Ordnung hatte. Blieb noch dieser Don, dachte er überheblich, ein Brocken, den man im Vorbeigehen verspeiste, und dem jetzt eine höllische Überraschung bevorstand. Drake, der immer alles gründlich und gewissenhaft tat, überzeugte sich durch einen Blick auf den Kompaß, daß sein Flaggschiff genau auf dem Kurs lag, den er angegeben hatte. Auch den Stand der Flögel und Segel überprüfte er mit einem schnellen Blick. Die Schoten waren durchgeholt, es gab nichts zu bemängeln. Der Tanz konnte losgehen. * Hasard blickte auf seinen Waffenmeister Al Conroy, der sich an Deck gekniet hatte und das Ziel aufnahm. Smoky reichte ihm gerade die Lunte. Hundertfünfzig Yards, schätzte Hasard, der Al Conroy freie Hand gelassen hatte, um aus der für ihn günstigsten Position zu feuern. „Jetzt könnte er ja mal so ganz langsam die Ladung herauslassen und dem lausigen Don zeigen, wer ...“
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Ed Carberrys Worte wurden von einem nachhallenden Dröhnen überlagert, das die Schiffsplanken erzittern ließ. Vor dem Bug entstand eine rauchgraue Wolke, als die Drehbasse ihren tödlichen Eisenhagel mit wildem Gebrüll ausspie. Ein paar Sekunden vergingen, dann schlug es drüben mit unglaublicher Präzision in den Bugspriet der heransegelnden Galeone ein. Der schwere Bugspriet knickte ein wie morsches Treibholz, sackte weg und riß die obere und untere Blinde mit sich. Ein Gewirr aus Tauen, zerfetzten Segeln und zersplittertem Holz bildete augenblicklich einen wüsten Haufen, der über Bord klatschte, von einigen Stangen noch gehalten würde und sich nur schwerfällig von dem Schiff löste. Dabei geriet die Galeone leicht aus dem Kurs und scherte weiter nach Steuerbord aus. Auf der „Isabella“ rissen die Seewölfe die Arme hoch und brüllten Al Conroys Namen, der mit diesem sauberen Schuß den Bug der Galeone in einen Trümmerhaufen verwandelt hatte. Zur weiteren Begeisterung blieb allerdings keine Zeit mehr, denn jetzt scheuchte der Profos die Männer an die Schoten und Brassen, und der Rudergänger der „Isabella“ wirbelte das schwere Rad herum, um nach Hasards Anweisungen nach Osten abzulaufen, in Richtung der gefährlichen Sandbänke. Ben Brighton grinste über das ganze Gesicht und rieb sich die Hände. „Der kann gar nicht mehr feuern“, sagte er voller Schadenfreude, „denn jetzt ist er beschäftigt. Er muß seinen Kurs korrigieren, und da wir hart ablaufen, kann er nicht mehr seine Breitseite voll einsetzen. Mann, das haben wir diesem lausigen Don aber gründlich vermiest. Ein Meisterschuß war das!“ Auch der Seewolf lachte laut. „Was Al treffen will, das trifft er auch“, sagte er anerkennend. „Damit hat der Don nicht gerechnet.“ Inzwischen wurden die Segel nachgetrimmt, die „Isabella“ ging auf den
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neuen Kurs und zeigte dem angeschossenen Gegner das Heck. Der Don trieb so weit aus dem Kurs, daß man von ihm jetzt ebenfalls nur noch das Heck sah. Jetzt erst fanden die Seewölfe Zeit, ihre Begeisterung noch lauter hinauszubrüllen. Dieses spanische Tänzchen gefiel ihnen allen, dieses „An-der-Nase-Herumführen“ eines Gegners, der sie überlisten wollte und dann doch das Nachsehen hatte. * Francis Drake blieb kühl und gelassen. Er war ein Mann der sich beherrschen konnte, aber wenn es die Umstände erforderten, konnte er ebenso schnell explodieren. Noch war er ganz der kühle überlegene Mann, der wohl die Gefahr kannte und das Risiko abzuschätzen vermochte, der sich diesem Gegner aber in seiner leicht überheblichen Art doch stark überlegen fühlte. Als gewieftem Taktiker unterlief ihm dabei der Fehler, einen Gegner zu unterschätzen, selbst wenn der offensichtlich zu schlafen schien. So wurde es für den Admiral eine bittere Lehre. Als es auf der ranken Galeone plötzlich aufblitzte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. In der ersten Sekunde hielt er den gewaltigen Blitz für eine Sinnestäuschung, doch als der Donner dröhnend über die See rollte, strafften sich seine Schultern. Das war der Augenblick, in dem sich alles gleichzeitig abzuspielen schien und sich die Ereignisse überschlugen. Er hörte das ohrenbetäubende Krachen bis aufs Achterdeck, er sah, wie der Bugspriet auseinander barst, wegknickte und, die obere und untere Blinde mit sich reißend, in der See an der Steuerbordseite verschwand. Sofort gierte das Flaggschiff aus dem Kurs, das Heck schwang herum, die Galeone fiel nach Steuerbord ab, weil die Last der beiden Segel und der Bugspriet hemmend wirkte, bis sie sich endlich durch die letzten Tampen vollständig lösten.
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Drake war zutiefst erschüttert. Sekundenlang stand er da, unfähig sich zu rühren, dann wurde sein Gesicht weiß vor Wut. Er drehte sich um und brüllte den Rudergänger an, den nicht die geringste Schuld traf. „Auf Kurs bleiben, habe ich gesagt!“ schrie er. „Verlassen Sie den Kurs nicht, Mann, oder ich lasse Sie auspeitschen!“ „Sir, ich ...“ „Halten Sie den Mund!“ schrie Drake. „Wagen Sie es nicht, mir zu widersprechen! Zurück auf den alten Kurs!“ Zornbebend sah er, wie der vermeintliche Don sofort nach dem Treffer abdrehte und ihnen das Heck zeigte. Francis Drake beugte sich über die Schmuckbalustrade. Seine grauen Augen schleuderten wütende Blitze, und die Männer duckten sich unter der peitschenden harten Stimme, die erbarmungslos wie eine Geißel auf sie einhieb. „Unfähiges Pack!“ schrie der Admiral außer sich. „Mister Fenner, sofort aufs Achterdeck!“ Fenner, noch überraschter als der tobende Admiral, hastete mit fliegendem Atem die Holzstufen des Niedergangs hoch und fuhr sich nervös mit der Hand über das Gesicht. „Damit hat keiner gerechnet, Sir, wir ...“ „Schweigen Sie! Lassen Sie feuern, sofort!“ Drake wußte selbst, daß der beim Gegner keinen Treffer mehr landen konnte, aber seine Wut war grenzenlos, daß der Don ihn einfach so übertölpelt hatte, und darum tobte er seinen englischen Dickschädel auf dem Achterkastell aus. Fenner gab den Befehl zum Feuern sofort weiter, und die verstörten Leute befolgten ihn blindlings, aus Angst vor der scharfen, erbarmungslosen Stimme des Admirals und seines Stabschefs. Die „Elizabeth Bonaventura“ erbebte unter dem Abschluß einer gewaltigen Breitseite, die tonnenweise Eisen und Blei wahllos in die Gegend spie.
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Eine Pulverwand entstand vor dem Schanzkleid, die der Wind jedoch rasch auseinandertrieb. Fenner registrierte aus den Augenwinkeln, daß die Kugeln in einer Entfernung von mindestens zweihundert Yards in die See klatschten und dort gewaltige Fontänen hochrissen. Er wollte sagen: Nicht getroffen, Sir, aber das verkniff er sich im letzten Augenblick, als er Drakes Gesicht sah. Das hatte jetzt seine weiße Farbe verloren und wirkte blutrot. „Das ist mir noch nie passiert“, fauchte Drake. „Dabei hatten wir das Überraschungsmoment einwandfrei auf unserer Seite. Wie konnte das geschehen, Mister Fenner? Was sind das für Satansbraten, die uns mit einem einzigen Schuß den Bugspriet einschließlich der Segel wegschießen?“ „Ein Zufallstreffer, Sir“, versuchte Fenner den aufgebrachten Admiral zu beruhigen, aber Drake war noch lange nicht so weit, daß er seine Ruhe wiedergefunden hatte. „Ja, ein Zufallstreffer!“ schrie er. „Nur nutzt uns diese Erkenntnis verdammt wenig. Wie stehen wir da! Weshalb ließen Sie das Feuer nicht eher eröffnen, Mister Fenner?“ „Ich handelte nach Ihren Anweisungen, Sir! Sie betonten ausdrücklich, das Feuer erst dann zu eröffnen, wenn ...“ Drake winkte erbittert ab. Er sei ein Mann, wie er sich ausdrückte, der es nicht gewohnt sei, sich hinterrücks und heimtückisch übertölpeln zu lassen. „Der Schiffszimmermann soll mir einen genauen Bericht darüber geben, wie es am Bug aussieht, und bis wann der Schaden behoben sein kann. Veranlassen Sie das Mister Fenner!“ „Sofort, Sir!“ Fenner schickte einen Läufer nach vorn, der den Schiffszimmermann instruierte, doch der hatte mittlerweile schon aus eigenem Entschluß gehandelt und sich den Schaden besehen. Drake griff, immer noch hochrot im Gesicht und vor Zorn bebend, nach dem Spektiv und richtete es auf das andere
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Schiff, das ihnen diese überraschende und peinliche Niederlage beschert hatte. In Drakes Augen war es eine Niederlage, ihm, dem Admiral des Flaggschiffs Ihrer Majestät, den Bugspriet und die Segel wegzuschießen. Und das ohne jede Warnung, überfallartig, „heimtückisch und hinterrücks“. Daß er das gleiche vorgehabt hatte, übersah er dabei in seiner Wut. „Wir werden diesen Kerlen folgen, Mister Fenner, auch ohne Bugspriet und Blinde. Er ist auf Ostkurs gegangen und muß zwangsläufig kreuzen. Mit Gottes Hilfe werden wir ihn unter Land erwischen. Die vorderen Drehbassen werden ausgerichtet, und sobald er in deren Bereich gelangt, zertrümmern wir ihm das Heck. Spätestens unter Land werden wir ihn stellen. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich den Kapitän dieser Galeone hier auf dem Achterdeck -vor mir knien sehe.“ „Aye, aye, Sir“, erwiderte Fenner beklommen. Er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, es hier mit einem ganz besonders ausgekochten Burschen zu tun zu haben. Nein, diesen Makel konnten sie als Engländer nicht auf sich sitzen lassen, solche Kleinigkeiten verkraftete der unbeugsame und harte Sir Francis Drake nicht. Er ließ sich nicht beschämen, zumindest von keinem Spanier oder Portugiesen, dazu hatte er schon zu viele von ihnen vor seinen Rohren gehabt. So etwas untergrub seinen guten Ruf und stärkte nicht gerade die Moral seiner Leute. Deshalb setzte er sich verbissen und stur auf die Fährte der Galeone, die ihnen immer noch das Heck zeigte. Der Schiffszimmermann erschien auf dem Achterkastell und erstattete seine Meldung. „Die Bugspiere einschließlich eines Teiles des Klüverbaumes ist weggeschossen, Sir“, sagte er. „Es läßt sich mit Bordmitteln nur sehr schwer beheben, aber ich werde es selbstverständlich sofort in Angriff nehmen. Wir haben eine Ersatz-Spiere an Bord, und der Segelmacher hat auch noch Rahsegel vorrätig.“ Drake hörte mit steinernem Gesicht zu. Schließlich nickte er.
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„Gehen Sie gleich an die Arbeit, Mister Blake, und suchen Sie sich so viele Leute aus, wie Sie benötigen. Ich wünsche, daß die Blinde und Oberblinde bald wieder gefahren werden können. Sie werden es schon schaffen, die Bugsprietstange einzusetzen, daran zweifle ich keine Sekunde. Vorrang haben jedoch die Waffenmeister an den vorderen Drehbassen. Passen Sie auf, daß Sie denen nicht ins Gehege geraten, Mister Blake!“ „Aye, aye, Sir!“ Der Zimmermann, ein sonst rauhbautziger Bursche, verbeugte sich und eilte davon. Er hatte einen Heidenrespekt vor dem Admiral, und so verärgert wie heute hatte er ihn noch nie erlebt. Erst nach und nach beruhigte sich der Admiral, aber jeder sah, daß es innerlich in ihm kochte und brodelte. Von da an ließ er auch die fremde Galeone keine Sekunde mehr aus den Augen. Er hatte diesen Gegner unterschätzt, das gestand er sich selbst etwas später vorbehaltlos ein, und jetzt galt es, diese Scharte wieder auszuwetzen. Ein zweites Mal sollte ihm das nicht mehr passieren. Die „Elizabeth Bonaventura“ drehte noch weiter in den Wind und jagte dem anderen Schiff nach, das in eigenartigen Schlägen zu kreuzen begann. Drake runzelte die Stirn und fragte sich was dieser Bursche wohl mit seinen merkwürdigen Kreuzschlägen bezweckte. Auf diese Art und Weise konnte er ihm nicht entwischen, das kostete ihn nur Zeit. Und weit und breit war kein anderes Schiff zu sehen, das diesem Spanier eventuell helfen konnte. Nach einer Weile wechselte der Gegner erneut den Kurs. Er drehte von Ost auf Ostsüdost und schließlich nach Südost. Drake und Fenner verfolgten das Manöver aus schmalen Augen. „Zweifellos segelt dieser Bastard schneller als wir, aber er hat Angst, in den Bereich unserer Geschütze zu geraten. Hat der Stückmeister sofort wieder nachladen lassen?“
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„Wir sind gefechtsbereit, Sir“, antwortete Fenner diensteifrig und hoffte, daß die üble Laune des Admirals bald vorübergehen möge, denn jetzt schienen Drake die Manöver des anderen brennend zu interessieren. „Sehr gut, ich denke, diesmal packen wir ihn von der anderen Seite. Geben Sie Befehl auf die Stationen, aber warten Sie noch einen Augenblick, Mister Fenner, ich will sehen, wie er manövriert, um ihn besser packen zu können.“ „Er segelt stur Südostkurs, Sir. Wenn wir nach Süd ...“ Drake sah seinen Stabschef gelassen an. „Ich weiß, was ich zu tun habe, Mister Fenner“, sagte er kühl und einigermaßen beherrscht. „Wir gehen wieder auf Südkurs und verlegen ihm den Weg. Sollte er erneut den Kurs ändern, haben wir nicht viel verloren. Er gerät, damit in den Bereich unserer Kanonen.“ „Dann werden wir es ihm heimzahlen, Str“, versprach Fenner mit grimmigem Gesicht. „Sollen wir die englische Flagge zeigen?“ Drake überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Noch nicht, erst wenn wir ihn vor den Rohren haben.“ * Hasard blickte wieder durch das Spektiv und nickte anerkennend. „Ein zäher Bursche, das muß man ihm lassen. Seit wir ihm die Blinde weggeschossen haben, ist bei ihm an Bord der Teufel los, und jetzt will er es wissen.“ „Er segelt wie der Teufel hinter uns her“, sagte Ben und grinste. „Wie ein wütender, bis zum Bersten angefüllter Teufel, aber er schafft es nicht, wir sind schneller.“ Er sah, wie der Seewolf die Lippen verzog, bis man seine weißen Zähne blitzen sah. Ja, jetzt war dieser schwarzhaarige Satan wieder in seinem Element, jetzt dachte er mit Haken und Ösen, um den Gegner aufs Kreuz zu legen, nachdem er mit ihm Katze und Maus gespielt hatte.
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„Pete! Kursänderung auf Ostsüdost. Die anderen an die Brassen und Schoten, aber noch nicht dichter holen. Wir ändern später noch einmal den Kurs auf Südost.“ Brighton und Big Old Shane warfen sich einen Blick zu. Der alte Waffenschmied von der Feste Arwenack, stieß dem Bootsmann leicht den Daumen in die Rippen. „Sieh ihn dir an“, sagte er mit seiner tiefen Stimme. „Sieh ihn dir genau an, diesen Teufelsbraten. Weißt du, was er jetzt gerade ausheckt?“ Brighton brauchte immer erst etwas Anlauf, bis er in Fahrt geriet, aber dann war er voll da. „Ich kann es mir denken“, sagte er leise, „er will den Burschen in die Falle locken. Aber es ist ein Spanier oder ein Portugiese, und ich nehme an, daß der sich hier noch besser auskennt als wir. So einfach wird das nicht gelingen.“ „Abwarten, Ben. Der Bursche ist blind vor Wut, ihm geht es nur darum, die Scharte auszuwetzen, und ein blindwütiger Gegner begeht Fehler und bemerkt sie meist zu spät. Früher oder später wird er aufbrummen.“ Hasard drehte sich um und klemmte das Spektiv unter die Achselhöhle. „Der Name ist kaum zu erkennen“, sagte er, „irgendetwas mit ,naventura` am Ende. Liegt der Kurs an, Pete?“ „Liegt an, Sir!“ „Du weißt, daß du jetzt höllisch aufpassen mußt“, schärfte der Seewolf seinem besten Rudergänger noch einmal ein. „Ich lasse jetzt die Blinde wegnehmen, damit du bessere Sicht hast. Zwei Mann stehen auf der Bank und geben dir Zeichen, für alle Fälle.“ Die große Sandbank, die sie jetzt umsegelten, sah man kaum. Aber das Wasser auf ihr war nicht tiefer als eineinhalb Faden. Pete Ballie segelte die „Isabella“ hart daran vorbei, bis ihm von der Back aus Zeichen gegeben wurden, daß das Wasser wieder tiefer wurde. „Neuer Kurs Südost!“ rief Hasard.
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Die Segel wurden getrimmt, der Wind fiel jetzt dwars ein. Der Seewolf blickte wieder zu der Galeone hinüber. „Ich hoffe, daß er in seinem Eifer versuchen wird, uns den Weg zu verlegen“, sagte er ruhig. „Wenn er sich hier allerdings sehr gut auskennt, fällt er nicht darauf herein. Ändert er aber den Kurs auf Süd, dann brummt er auf und wir können uns die Hände reiben.“ „Und wenn nicht?“ fragte Ben. „Dann haben wir ihn ein bißchen geärgert und versuchen es später noch einmal.“ Ein paar Minuten vergingen, in denen fast alle gespannt nach dem Segler blickten. „Er fällt ab!“ schrie Dan begeistert. „Er geht tatsächlich auf Südkurs.“ Hasard stemmte die Fäuste in die Hüften und ließ keinen blick mehr von dem Schiff. Gleich darauf hörten sie ihn lachen, so laut, wie er schon lange nicht mehr gelacht hatte. Es war ein höhnisches Lachen voller Schadenfreude, in das die Seewölfe sofort einfielen. Die „Isabella“ erzitterte unter diesem Höllengelächter, und ein paar der Männer krümmten sich und höhnten über den Gegner, denn der bäumte sich plötzlich auf, als er die Sandbank rammte. Und dann saß er fest. * Francis Drake bemühte sich immer noch, seinen Zorn zu unterdrücken. Nach außen hin schaffte er es auch, aber innerlich fühlte er sich mit Wut bis zum Bersten angefüllt. Man sah es ihm an, wenn er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, von einer Seite zur anderen lief, an dem fast reglos stehenden Fenner vorbei, vor dem Schanzkleid wieder umkehrte und seine rastlose Wanderung erneut aufnahm. Es ging ihm alles nicht schnell genug, er wollte dem Spuk ein Ende bereiten, und so blieb er ruckartig stehen, als von der Back her ein heller Schrei gellte. Drake verstand ihn nicht. Er blickte irritiert nach vorn und sah dann Fenner an. In diesem Augenblick hob eine unsichtbare Riesenfaust die „Elizabeth Bonaventura“
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ruckartig aus dem Wasser und stoppte sie auf der Stelle. Der Stoß war so gewaltig, daß die Masten erzitterten, die Rahen wild zu schwingen begannen und auf Deck zu stürzen drohten. Wie durch ein Wunder blieben sie oben. Dafür warf der Stoß die Männer um. Das Schiff erzitterte in allen Spanten und Fugen, knirschend, krachend und schlürfend wühlte es sich in den Sand. Drake kippte nach vorn, verlor den Halt und stürzte, streckte jedoch noch geistesgegenwärtig die Hände vor und milderte seinen plötzlichen Sturz dadurch etwas ab. Thomas Fenner verlor das Gleichgewicht und knallte in voller Länge auf die Planken, und als er schmerzhaft das Gesicht verzog, fiel der Rudergänger wie ein nasser Sack über ihn. Drake versuchte, sich einigermaßen würdevoll zu erheben. Er hatte das Gefühl, jemand habe ihm ein glühendes Messer ins Herz gestoßen. Er verspürte keinerlei Schmerz, aber die Erkenntnis, wie ein blutiger Anfänger auf eine Sandbank gelaufen zu sein, versetzte ihm einen so nachhaltigen Schock, daß er geraume Zeit keine Worte fand. Er stand nur da, zutiefst gedemütigt. Er fühlte sich von Gott persönlich bestraft und verachtet, und dann stieg der Zorn in ihm hoch wie eine Riesenwoge, die ihn überschwemmte. Was die schockierten Männer vorhin erlebt hatten, war nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt sahen und hörten. Niemand entsann sich, den Admiral schon einmal in einer ähnlichen Verfassung gesehen zu haben. Der stämmige, untersetzte Mann brüllte und tobte, hob beide Fäuste hoch und schüttelte sie in ohnmächtigem Zorn. Vor Zorn bebend und lauthals fluchend drohte er allen, die er sah, bis ihm nach einer Weile buchstäblich die Luft ausging und er sich fast heiser geschrien hatte. Fenner schlich geknickt davon, brüllte den Profos an und befahl ihm laut, er solle endlich die verdammten Segel ins Gei hängen, oder ob er wünsche, daß sich die
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lausige Galeone noch tiefer in den Sand wühlen solle. Die Männer arbeiteten schweigend und bedrückt und beeilten sich höllisch, denn jetzt würde der große Tanz erst richtig beginnen. Sie kannten Drake, der brauchte einen Schuldigen, auch wenn er sich selbst genügend Mitschuld gab. Niemand wollte jetzt mit dem Rudergänger tauschen, denn dem ging es mit Sicherheit zuerst an den Kragen. Brüllend verlangte Drake, man solle Flagge zeigen, um sich zu erkennen geben. Aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis die englische Flagge hochgezogen wurde. * Die „Isabella“ hatte inzwischen angeluvt, war durch den Wind gegangen und lief jetzt mit achterlicher Brise Westkurs. in Richtung der gestrandeten Galeone. Die Kanonen waren feuerbereit, die Stückpforten hochgezogen. Die Seewölfe lauerten darauf, sofort zu feuern, _sobald die gestrandete Galeone das Feuer eröffnen würde. „Er wird es nicht wagen, zu feuern“, versicherte Carberry. „Denn dann weiß er genau, was ihm blüht. Wir können ihn in aller Ruhe auseinandernehmen, und so dämlich wird der Don nicht sein, denn jetzt ist er so hilflos wie ein Säugling.“ „Zeigt dem Kerl unsere Flagge“, befahl Hasard, „damit er weiß, mit welch ehrenwerten Leuten er es zu tun hat. Der Schreck wird ihm in die Knochen fahren, und wir werden ihn zum Streichen seiner eigenen Flagge auffordern, falls er sie zeigt.“ Die „Isabella“ segelte weiter. Die Entfernung schmolz ziemlich schnell zusammen, als Hasard plötzlich die Augen zusammenkniff und angestrengt zu dem vermeintlichen Spanier starrte. Dort ging jetzt ebenfalls die Flagge hoch. Sie, wurde als gebundenes Päckchen hochgezogen, ein harter Ruck an der Flaggleine, und sie entfaltete sich und wehte aus.
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Hasard verschluckte sich fast. Er drehte sich verblüfft um und sah seine Männer an. „Was seht ihr?“ fragte er rauh. „Die — die englische Flagge“, stammelte Dan O'Flynn konsterniert. „Das ist sicher ein Trick“, setzte er hinzu. Stumm und verdattert sahen sich die Männer an, blickten dann wieder auf die englische Flagge der Galeone und schüttelten immer wieder die Köpfe, als könnten sie es nicht begreifen. „Wenn das stimmt“, murmelte der Seewolf, „dann haben wir unsere eigenen Landsleute unter Feuer genommen, wir Idioten!“ Er ließ Segel wegnehmen und die „Isabella“ wieder in den Wind drehen, denn jetzt wollte er es genau wissen. * Gleich groß war die Verblüffung auf dem Flaggschiff, als die heransegelnde Galeone die englische Flagge zeigte. Drake, dem fast die Galle platzte, kriegte einen neuen Schock. Schnaufend stieß er die Luft aus und umklammerte mit seinen Händen die Schmuckbalustrade, bis seine Fingerknöchel weiß hervortraten. „Dieser Bastard“, murmelte er fassungslos. „Dieser lausige Kerl! Wenn das ein Engländer ist, lasse ich mit dem Kapitän dieser Galeone das Deck aufwischen. Das ist die größte Schweinerei, die mir je passiert ist. Das ist einfach unbegreiflich.“ „Sollen wir ihm eine Breitseite verpassen, Sir?“ fragte Fenner mit hochrotem Kopf. „Da steckt doch sicherlich ein Trick dahinter, die schießen uns jetzt zusammen.“ „Nein, wir feuern nicht“, sagte Drake entschieden. „Er wird vermutlich damit rechnen und sich vorbereitet haben. Wenn sich jedoch da drüben auch nur ein einziger Schuß löst, jagen wir alles Eisen aus den Rohren.“ Aber drüben löste sich kein Schuß. Die Segel wurden aufgegeit bis auf die Fock und dann ging die Galeone in den Wind. Zum ersten Male sah Drake den Namen des Schiffes.
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„Isabella VIII.“ stand dort, und dieser Name ließ den Admiral plötzlich sehr nachdenklich werden und etwas in ihm anklingen, das schon lange der Vergangenheit angehörte. 3.
Die Aufregungen rissen nicht ab. Sie häuften sich in geradezu grotesker Weise. Hasard, der durch überlegtes Taktieren die Vorteile immer auf seiner Seite hatte und den Gegner wie eine Marionette bewegte, erhielt jetzt fast einen Schlag ins Gesicht, als er den grimmigen untersetzten Mann mit dem rötlichbraunen Spitzbart erkannte. Die Erkenntnis, Francis Drake vor sich zu haben, warf ihn fast um. Er erkannte ihn auf Anhieb, dieses unverwechselbare Gesicht, die harten grauen Augen, die so kühl blicken konnten, und die stämmige Figur. Blitzartig rollten längst vergangene Ereignisse vor seinem geistigen Auge ab. Er starrte Drake in die Augen, der starrte genauso entgeistert zurück, und in diesem Augenblick rollten die Ereignisse noch einmal vor Hasard ab. Hasard war auf die „Marygold“, die Drake damals befehligte, gepreßt. worden, zusammen mit dem damaligen Bürschchen Daniel O'Flynn, dem vorlauten rotzfrechen Bengel. Dort hatte er auch zum ersten Male den Profos Edwin Carberry kennengelernt, der sich seiner damals so „liebevoll“ angenommen hatte. Bei der dann folgenden Prügelei zog Carberry den kürzeren, und Hasard verschaffte sich den ersten Respekt. Die drei Jahre dauernde erste Weltumsegelung begann, bis Hasard das Kommando über die „Isabella“ erhielt. An der Westküste Südamerikas stießen die beiden unnachgiebigen Männer dann hart zusammen. Anlaß war der Profos Carberry, der auf Drakes Befehl und nach einem Bordgericht den Höfling Thomas Doughty wegen schwerer Verfehlungen hatte köpf en müssen.
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Der Bruder des Hingerichteten, John Doughty, sann auf Rache, bis seine Stunde endlich kam. In dieser Sturmnacht hatte Carberry Wache, und als die Gischt über die „Golden Hind“ stäubte, kriegte er einen Stoß ins Kreuz und flog über Bord. Carberry gelang es, sich am nachgeschleppten Beiboot festzuklammern, doch Doughty war das nicht entgangen, und so kappte er kurzerhand die Leine und ließ das Boot treiben. Erst nach unglaublichen Strapazen erreichte Carberry Land und geriet an die Spanier, die ihn fast zu Tode folterten, bis der Seewolf ihn in Trujillo befreite. Was der Profos dabei durchgestanden hatte, war mit Worten kaum noch zu beschreiben. Kurz darauf traf der Seewolf wieder mit Drake zusammen. Seine Forderung, den verbrecherischen Doughty vor ein Bordgericht zu stellen, lehnte Drake kategorisch ab. Daraufhin entstand das schwere Zerwürfnis zwischen den beiden Männern, aber Drake stellte sich vor Doughty und dachte nicht daran, ihn zu bestrafen. Hasard wandte sich verächtlich von ihm ab, und er glaubte noch heute, Drakes letzte Worte zu hören. „Hier trennen sich nun also unsere Wege, Killigrew!“ „Grüßen Sie den Mörder“, hatte der Seewolf kalt erwidert, „eines Tages hole ich ihn mir vor die Klinge, und dann erhält er das, was Sie zu feige sind, hier zu vollbringen!“ Drake steckte diese moralische Ohrfeige mit verbissenem Gesicht ein, aber er vergaß sie nie, denn er war nachtragend und trotzig, obwohl Hasard das moralische Recht auf seiner Seite hatte. Drake war nicht der Mann, der vergessen konnte, zumal Hasard sich vor den Profos stellte in Drakes Augen eine Unmöglichkeit, denn der Profos zählte nach seiner -Ansicht zum gemeinen Schiffsvolk und stand rangmäßig weit unter dem Höfling Doughty. Von da an hatten sich die Wege der beiden Männer getrennt und sie sahen sich nicht mehr wieder - bis zum heutigen Tag.
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Drakes Innerstes wurde tief erschüttert, als auch er den Mann erkannte. Die langen schwarzen Haare, in denen der Wind spielte, die eisblauen Augen, die ihn spöttisch und zugleich auch höhnisch musterten, die Narbe, die auf der Stirn begann und sich bis zur Wange zog. Der Seewolf! Philip Hasard Killigrew! Der wilde unnachgiebige Kerl, der aus einer ganz bestimmten Sorte Eisen geschmiedet war, dieser unbeugsame, harte Bursche, der ihn gedemütigt hatte und dann stolz davongesegelt war. Nein, Drake hatte ihn nicht vergessen, auch den grimmig blickenden narbengesichtigen Kerl nicht, der neben ihm stand, breit wie eine Rah, und dessen narbiges Gesicht sich ebenfalls zu einem ganz infamen Grinsen verzog. Drake hielt mühsam die Tränen blanker Wut zurück, die seine grauen Augen wässerig werden ließen. Ein buntes Kaleidoskop wirbelte durch seinen Schädel und verursachte eine Rebellion in seinem Magen. Gedankensplitter schossen ihm durch den Kopf, zusammenhanglos, „ verwirrend. Bugspriet, Sandbank, aufgelaufen, auf den miesen, hinterhältigen Trick dieses überlegenen Kerls hereingefallen, der es sich ohne weiteres erlauben konnte, zu grinsen und ihm, dem Admiral des Flaggschiffes, blanken Hohn an den Kopf zu werfen. Das ging Drake unter die Haut, das hinterließ brennende Wunden, die nicht zu heilen waren, das demütigte ihn zutiefst, ließ ihn klein und häßlich werden und zugleich vor Wut kochen. Seine Erbitterung äußerte sich in einem Ächzlaut, der qualvoll aus seinem zuckenden Mund brach. Er fühlte sich wie ein Seekranker, dessen Magen längst leer war und sich in Krämpfen wand. Dieser schwarzhaarige Bastard, dachte er benommen. Was niemand wagte, er wagte es, er schoß ihm die Blinde weg, lockte ihn schlitzohrig hinter sich her, ließ ihn eiskalt auf eine Sandbank auflaufen und kehrte
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dann siegessicher zurück, um ihn zu verspotten. Hatte er es vielleicht anders verdient, dachte Drake bitter. War er nicht wie ein Narr hinter diesem Killigrew hergesegelt und prompt in die Falle gelaufen? Bestand dieser dreimal verfluchte Killigrew nicht aus ständig neuen Tricks? Er glaubte, die Mannschaft tuscheln zu hören, wie sie verächtlich über ihn grinsten, wie er an Ehre und Ansehen verlor, von einem lausigen Bastard derart geleimt und schachmatt gesetzt worden zu sein. Aber die Demütigungen gingen noch weiter. Carberry, der Profos der ehemaligen „Golden Hind“, unter seinem, Drakes, Befehl stehend, bog sich, hielt sich die Pranken vor den Bauch und begann so schauerlich laut und brüllend zu lachen, daß Francis Drake in heller Wut zum Degen griff und ihn aus der Scheide riß. Das schien diesen häßlichen narbigen Kerl aber nur noch mehr zu amüsieren, denn jetzt sprang er auf seinen mächtigen Beinen in die Höhe, lachte, bis ihm Tränen in die Augen traten und er sich nicht mehr beruhigen konnte. Ein verdammtes Schiff voller brüllender und hüpfender Gestalten, dachte Drake, denn jetzt fiel der ganze Chor ein, zeigte zu der aufgelaufenen Galeone, erkannte Francis Drake natürlich auch und lachte, lachte immer schauriger. Und auf der „Elizabeth Bonaventura“ standen sie da, geknickt, beschämt, gedemütigt und mußten sich das Gebrüll dieser Horde rotschwarz- und blondhaariger Decksaffen anhören, ob sie wollten oder nicht. Drake war wie betäubt, und er zuckte zusammen, als auf der „Isabella“ der Anker klatschend ins Wasser fiel. „Sie. Killigrew!“ tobte Drake und schüttelte die Faust, weiß vor grenzenloser Wut im Gesicht. „Das werden Sie büßen, das verspreche ich Ihnen, so wahr ich hier stehe! Dafür gibt es keine Entschuldigung, niemals! Weshalb haben Sie nicht die englische Flagge gezeigt, um diesen Irrtum zu vermeiden!“
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Haßerfüllt starrte er in die eisblauen Augen des Seewolfs, der ihn überlegen grinsend musterte, und dem man seine Gedanken fast an der Stirn ablesen konnte. Seine Stimme durchfuhr Drake wie der Schlag einer Peitsche. Sie klang spottend und trotzdem sehr gelassen. „Weshalb taten sie das nicht, Sir? Hatten Sie keine Zeit mehr dazu? Nein, natürlich nicht, Sie mußten ja wie ein blutiger Anfänger die Sandbank entern!“ Wieder gab es unter den rauhen Kerlen Gelächter, das der Seewolf mit einer Handbewegung stoppte. „Ich befehle Ihnen ...“ brüllte Drake. Doch die kühle Stimme unterbrach ihn wieder. „Sie haben mir nichts zu befehlen, Sir, nicht soviel!“ Hasard schnippte mit den Fingern. „Ich bin Ihnen nicht unterstellt, und ich habe auch nicht die Absicht, mich Ihnen jemals unterzuordnen. Das nur zu Ihrer Information! Ich bin und bleibe ein freier Mann, solange bis mich der Teufel holt.“ „Selbst dem wird er sich nicht unterordnen, Sir!“ schrie Carberry mit seiner Donnerstimme dazwischen, und wieder begann lautes Gelächter und brandete wie eine heiße Woge herüber. „Hoffentlich holt der Teufel Sie heute noch“, zischte Drake in verständlicher Erregung. Immer wieder mußte er sich zusammenreißen, um sich nicht mit lautem Gebrüll über diese elende Schmach ins Meer zu stürzen und zur „Isabella“ hinüberzuschwimmen. Der Seewolf stand breitbeinig auf dem Achterdeck und lachte. Er empfand diese Situation als köstlich, und er nutzte sie auch rigoros aus, so wie es andere an seiner Stelle auch getan hätten. Drake erhielt nur die Quittung für sein damaliges Verhalten, egal welchen Rang er auch heute bekleiden mochte. Der Seewolf dachte nicht daran, vor einem Admiral zu kuschen. „Man sollte sich seinen vermeintlichen Gegner vorher immer sehr genau ansehen, ehrenwerter Sir.“ höhnte er. „Sonst beißt man auf Eisen, und das hat schon so manchen die Zähne gekostet. Ich will aber
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nicht nachtragend sein, Sir. Selbstverständlich bin ich gern bereit, Sie von der Sandbank wieder herunterzuziehen. Wir haben ja Erfahrung darin, oder haben Sie vergessen, daß ich Sie damals in Irland, im Blackwater, schon einmal von einer Sandbank geholt habe? Das war die ,Marygold`, wenn ich mich richtig entsinne, Sir. Und es war wieder einmal Ihr Starrsinn, der Sie auflaufen ließ, obwohl ich Sie warnte, nicht zu dicht unter Land zu segeln.“ Der Hohn aus den Worten troff wie zäher Sirup über Francis Drake. Dieser schwarzhaarige Bastard verstand es meisterhaft, ihm vor der gesamten Mannschaft den Rest zu geben. Er deckte schonungslos seine Schwächen auf, die Drake bemüht war, zu verbergen. Drakes Nerven vibrierten, auf die anderen wirkte er wie ein Pulverfaß, an dem die Lunte brannte. Er legte alle Kraft in seine Stimme und brüllte: „Scheren Sie sich zum Teufel, Killigrew, fahren Sie zur Hölle! Ich verzichte auf Ihre Hilfe, ich pfeife darauf. Holen Sie den Anker auf, und verschwinden Sie aus meiner Nähe, sonst lasse ich, bei Gott; eine Breitseite auf Sie feuern!“ Hasard lachte stoßartig auf. „Ehrenwerter Sir!“ rief er zurück. „Sie wollen doch nicht leichtsinnig das Leben Ihrer Crew und das Ihrer Seesoldaten aufs Spiel setzen! Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber ich verspreche Ihnen, daß Ihre 'Elizabeth Bonaventura` anschließend nur noch aus einigen rauchenden Planken besteht! Sie wissen, daß ich mein Wort halte!“ Drake blickte hilflos auf Fenner, der diese Ungehörigkeit des Seewolfs als permanente Ohrfeigen empfand und mit den Zähnen knirschte, Er hätte vor Wut heulen können, und deutete mit dem Daumen aufs 'Batteriedeck hinunter, wo die Geschütze standen. Dabei legte er fragend den Kopf schief. „Ich sollte ihn wirklich zusammenschießen lassen“, murmelte der Admiral. „Dieser
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impertinente Kerl geistert wie ein Alptraum durch mein Leben.“ „Eine Breitseite ist schnell abgefeuert, Sir“, sagte Thomas Fenner hitzig. „Er kann nur acht Kanonen einsetzen, wir hingegen können ihn total in die Luft blasen.“ Drake schüttelte müde und entsagungsvoll den Kopf. „Er hat irgendeinen Trumpf in der Hand, das weiß ich, denn sonst könnte er nicht so selbstsicher auftreten. Nein, nein, es geht nicht, daß sich Engländer von Iberiens Küsten gegenseitig bekriegen. Unsere Situation ist prekär genug, Fenner. Wir werden genug zu tun haben, um uns aus dieser Lage selbst zu befreien.“ Fenner hatte den Admiral noch nie so demoralisiert gesehen, und so wandte er sich mit einem Schulterzucken ab. „Befehlen Sie ihm noch einmal, zu verschwinden!“ rief Drake dem Mann nach. Fenner trat ans Schanzkleid und brüllte ebenfalls aus voller Kraft hinüber: „Der Admiral verlangt, daß sie augenblicklich verschwinden, Killigrew! Ein drittes Mal wird die Aufforderung nicht wiederholt!“ „So sparen Sie wenigstens den Atem!“ rief Hasard zurück. „Aber wir werden trotzdem bleiben, richten Sie das dem ehrenwerten Admiral aus. Wir werden ihn beschützen, damit kein Malheur passiert, wenn hier Spanier oder Portugiesen aufkreuzen. Wir werden über euch wachen wie besorgte Väter.“ „Jawohl, Sir!“ brüllte der Profos. „Wir behüten euch wie eine Mutter ohne Brust, denn was wollt ihr gegen die Dons ausrichten! Ihr werdet ja nicht mal mit einem fertig! Ihr seht ja nicht einmal die Sandbänke, wenn nicht ständig einer mit der Laterne vor dem Schiff hergeht und euch leuchtet!“ Erneut brandete wieherndes Gebrüll auf. Auf der „Isabella“ amüsierte man sich köstlich, wogegen man auf dem Flaggschiff pausenlos Ohrfeigen einsteckte und nicht der geringste Anlaß bestand, auch nur verschämt zu grinsen. Drake aber wußte, daß er in eine böse Falle gelaufen war, die ihnen allen zum
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Verhängnis werden konnte, falls die Dons hier auftauchten, denn diesen fetten englischen Brocken ließen sie sich ganz sicher nicht entgehen, so hilflos wie er war. Er konnte diesen Killigrew nicht mehr sehen, bei seinen Worten wurde ihm speiübel, und er würde diese Niederlage auch nie verkraften, das wußte er, nie in seinem Leben. „Sie übernehmen vorläufig das Kommando an Deck, Fenner“, sagte er müde, und über seinen grauen Augen schien ein trüber Schleier zu liegen. „Wir warten ab. Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen. Ich glaube, der heutige Tag war etwas anstrengend für uns.“ „Ja, das glaube ich auch, Sir. Aye, aye, Sir, ich lasse Sie wecken, falls etwas Unvorhergesehenes eintritt.“ „Ich habe nicht gesagt, daß ich mich schlafen lege, Mister Fenner“, erwiderte Drake hochmütig. „Ich kann nur den Anblick dieses Schiffes nicht mehr ertragen, ohne krank zu werden.“ „Ich verstehe, Sir.“ Drake ließ die Schultern hängen, als er ging. „Sie verstehen gar nichts“, murmelte er. „Sie können es auch gar nicht verstehen, es ist reichlich kompliziert.“ Fenner sah ihm nach, als er ging. Ein gebrochener Mann, mit dem er plötzlich Mitleid empfand. Drake schien nicht mehr derselbe zu sein, nicht mehr der harte unbeugsame Admiral. Genau genommen, dachte Fenner, sah er aus wie ein müder alter Mann, der die Lust am Leben verloren hat. Und das alles hatte der schwarzhaarige Kerl mit ein paar Worten bewirkt? Fenner sah zu der Galeone des Seewolfs hinüber. Ihn fror plötzlich, einfach so, aus keinem besonderen Anlaß. Vielleicht waren es die Augen dieses Höllenhundes, die so kalt wie Polareis schimmern konnten. Drake war noch keine Viertelstunde fort, als er wieder an Deck erschien. Er sah etwas frischer aus und seine Schultern hatten sich wieder gestrafft, aber er
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vermied es, zu der Galeone des Seewolfs hinüberzublicken. „Ich war vorhin wohl etwas durcheinander, Mister Fenner“, sagte er kühl. „Natürlich warten wir nicht ab, sondern beginnen unverzüglich mit der Arbeit. Ich möchte nicht auf diesen Killigrew zurückgreifen müssen, es wäre zu beschämend. Wir versuchen selbst, uns herunterzuziehen. Lassen Sie Anker ausbringen, der Profos und der Bootsmann verstehen ihr Handwerk. Treiben Sie die Leute ordentlich an, lassen Sie eine Extraration Rum an die Mannschaften ausgeben. Natürlich sollen Sie das nicht selbst tun, Mister Fenner, geben Sie den Befehl weiter, tut mir leid, wenn ich mich immer an Sie wende, aber Sie verstehen mich schon.“ „Aye, Sir, ich werde alles veranlassen.“ Nachdem die Ration Rum ausgegeben worden war, begann auf der „Elizabeth Bonaventura“ eine äußerst schweißtreibende Arbeit. Da wurden Boote zu Wasser gelassen, da wurde gebrüllt, geschrien und geflucht, und über allem stand später der Mond und blickte seelenruhig und milde herunter. 4. Bei Beginn der Nacht gab es keine fauleren Burschen als die Seewölfe auf der „Isabella“. Sie hockten ausnahmslos an Deck und sahen gespannt und belustigt auf das Treiben gegenüber. Einige hingen faul und träge wie große Spinnen in den Webleinen der Wanten, andere hockten mit herabbaumelnden Beinen auf dem Handlauf des Schanzkleides, und ein großer Teil saß auf der Kuhlgräting und verfolgte interessiert, wie die aufgescheuchten Seesoldaten und Mannschaften wohl ihr Schiff vom Dreck ziehen wollten. Daß ihr Tun von kräftigen und ironischen Kommentaren gewürzt wurde, verstand sich von selbst. Carberry lehnte Däumchen drehend am Schanzkleid und grinste, als die Kerle den
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schweren Anker ausbrachten und sich verzweifelt abmühten, ihn ins Boot zu hieven. „Ha, ihr triefäugigen Kanalratten!“ schrie Ed. „Ihr müßt das Boot austrimmen. Ihr stellt euch an wie Nachttopfsegler!“ „Halt dein Maul, du Narbengesicht!“ schrie einer der Seesoldaten sauer zurück. „Ihr hockt da wie faule Hunde!“ „Klar, wir sind ja auch nicht so bescheuert und segeln auf Sandbänken spazieren.“ Carberry hob dozierend den Zeigefinger hoch. „Merke, du Kakerlake“, sagte er, „wer kein Wasser unter dem Kiel hat, sollte nicht zur See fahren, du lausiger Sandrutscher!“ „He, ihr Schlickrutscher!“ rief Smoky und schwenkte eine halbvolle Weinflasche. „Stellt euch doch mit hundert Mann auf die Sandbank und hebt den Kasten vorn hoch, dann gehts besser!“ Unter dem anfeuernden Gebrüll der Seewölfe wurden die Männer von Drake wütend und sauer und schrien lautstark zurück. Matt Davies hob seine Hakenprothese, die im Mondlicht blitzte. „Hier, ihr müden Säcke, damit ziehe ich euer Schiffchen ganz allein vom Dreck!“ Auch der herkulische Gambianeger Batuti ließ sein fürchterliches Englisch vom Stapel und grinste. „Sitzen wie faules Krokodil auf Sandbank, und wenn kommen Dons, werden euch Feuer machen unter Achtersteven, bis Hosen qualmen.“ Er zuckte zurück, als zwei kleine Gestalten wie die Teufel an ihm vorbeirasten, eine dritte verfolgend, die mit einem Affenzahn übers Deck fegte, mit einem wilden Satz in die Wanten sprang und blitzschnell aufenterte. Hasard und Philip, die Zwillingssöhne des Seewolfs, hatten den Schimpansen Arwenack aus der Kammer gelassen und scheuchten ihn jetzt über Deck, sein Gekecker nachahmend. Mit einem Satz wollten sie in die Wanten. Arwenack nach, der sich bis in den Topp verzogen hatte.
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Old O'Flynn kriegte einen der wilden Rangen gerade noch am Genick zu fassen und hielt ihn fest. Wie angenagelt blieb auch der andere, Philip, stehen und blickte den alten O'Flynn treuherzig an. „Wollt ihr Rotznasen wohl den Affen in Ruhe lassen!“ schrie er. „Das geht ja hier zu wie in einem Tollhaus. Verschwindet in eure Kojen, ihr Lümmel!“ „Nix verstehen“, sagte Hasard prompt, und auch der andere Lümmel grinste den Alten an und sagte: „Auch nix verstehen, Sir!“ „Ihr Wasserflöhe, ihr lausigen, ihr versteht ganz gut. Holzbein, du verstehen?“ fragte er Hasard. Der Junge, seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, und der clevere der beiden, nickte ernsthaft. „Holzbein“, wiederholte er. „Da, Feuer an Schiff!“ Der Alte fiel auf den lausigen Trick herein und drehte sich um. Er sah zwar kein Feuer, aber er wußte, daß ihn die beiden Burschen wieder einmal kräftig geleimt hatten, denn als er herumfuhr, waren die Kerlchen längst verschwunden und jagten wieder wie junge Hunde über Deck. Und von der Back tönte im Duett aus kreischenden Kehlen der Ruf: „O'Flynn, Holzbein, du verstehen?“ „Ich werde euch das Holzbein noch überziehen“, versprach der Alte grimmig und handelte sich dabei einen strafenden Blick seines Sohnes Dan ein, dessen Rückgrat früher oftmals Bekanntschaft mit dem Holzbein geschlossen hatte. Als es Hasard zu viel wurde, pfiff er einmal durch die Finger. Die beiden standen wie aus dem Boden gewachsen 'vor ihm und bauten sich rechts und links vor ihm auf. Hasard strich ihnen über die schwarzen Haare und beugte sich ein wenig hinunter. „Genug jetzt, Hasard und Philip“, sagte er, preßte die Hände zusammen und legte sie unter den schief gehaltenen Kopf. „Jetzt geht es in die Kojen, ihr Banausen. Schlafen, verstanden?“ „Aye, aye, Sir“, ertönte es im Chor, und beide grinsten wie auf ein geheimes Kommando.
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„Dann ab mit euch!“ Wenn Hasard etwas sagte oder durch Zeichen andeutete, wie eben das Schlafen, begriffen die beiden sofort. Sie wurden brav wie die Lämmer und marschierten ab. Der Seewolf sah ihnen nach und lächelte, wie sie einträchtig nebeneinander gingen, die kleinen Entermesser stolz im Leinengürtel tragend, die sie Ferris Tucker in einer schwachen Stunde abgeluchst hatten. Dabei hatten sie mit ihm gefeilscht – in der ausgekochten Manier altorientalischer Bazar-Händler, bis Tucker endlich nachgegeben hatte. Die beiden waren sehr selbständig, clever und mit allen Wassern gewaschen, obwohl sie erst sieben Jahre alt waren. Aber die Selbständigkeit hatten sie bei der Gauklertruppe gelernt und bei jenen Leuten, die mit ihnen durch den ganzen Orient gezogen waren. Auf der Sandbank ging das Gebrüll weiter. Fluchende und schwitzende Männer brachten einen weiteren Anker aus, um sich mit deren Hilfe von der Sandbank zu ziehen. Mancher Tropfen Schweiß wurde dabei vergossen, und zwischen den Leuten bewegte sich brüllend und fluchend der Profos der „Elizabeth Bonaventura“, ein grobschlächtiger Kerl, bärbeißig und voller Grimm, der die Leute fast pausenlos anbrüllte und auch mit der Faust nach ihnen schlug. „Der kann es bald noch besser als du, Ed“, sagte Smoky grinsend. Carberry warf dem Decksältesten einen finsteren Blick zu. „Das bezweifle ich“, sagte er, „oder soll ich es dir erst beweisen?“ „Ich glaube es dir auch so“, versicherte Smoky hastig. Brighton legte dem Profos einen Arm auf die Schulter. „Wenn man ins gesetzte Alter kommt, wird man ruhiger“, sagte er grinsend. „Oder könnt ihr euch über Ed beschweren? Er ist wirklich etwas ruhiger geworden, weil er eine gut eingespielte Mannschaft hat und keine Hitzköpfe.“ „Was — gesetztes Alter?“ rief Carberry. „Das könnt ihr zum alten O'Flynn oder zu Will Thorne sagen, ihr lausigen
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Affenärsche,- aber nicht zu mir! Ich bin noch lange nicht im gesetzten Alter, auch wenn ich mir in aller Ruhe ansehe, wie diese Schlickrutscher sich abmühen, ihren Kahn wieder flottzukriegen.“ Daraufhin wandten sich die Blicke der anderen wieder Drake und seiner Mannschaft zu, die sich immer noch erfolglos abmühten, das große Schiff von der Sandbank zu ziehen. „Wetten, daß sie es nicht schaffen?“ fragte Gary Andrews. „Die murksen morgen noch daran herum.“ „Das schaffen sie auch nicht“, versicherte der Rudergänger Pete Ballie, der die „Isabella“ so haarscharf und exakt an den Sandbänken vorbeigesteuert hatte. „Die sind viel zu hart aufgebrummt, und wenn sie nicht leichtern, bleiben sie hocken.“ Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, lehnte sich an die Nagelbank des Großmastes zurück. „Das gibt einen Mordspaß, wenn sie die schweren Kanonen aus dem Batteriedeck hieven“, sagte er. „Drake wird einen Tobsuchtsanfall kriegen. Später wird er auf die Idee verfallen und doch noch Hasards Hilfe annehmen.“ „Das glaubst du doch selbst nicht“, sagte Tuckers Freund Carberry und tippte sich mit dem Finger an die Stirn. „Der stolze Drake krepiert lieber auf der Stelle, als daß er das Angebot annimmt.“ „Da kommt Hasard“, sagte der Kutscher, „hören wir doch mal seine Meinung über Drake.“ Der Seewolf erschien in der Kuhl und blickte auf das Gewimmel. Unzählige Leute schufteten im Schein blakender Schiffslaternen. Es war ein riesiges Gewimmel, auf den ersten Blick ein scheinbares Durcheinander, und es sah so aus, als wüßte niemand, was er eigentlich tat. Der Seewolf hatte die Worte gehört und schüttelte den Kopf. „Nein, Drake wird uns nicht bitten“, sagte er, „oder ich müßte mich schon sehr täuschen. Sein Stolz als Admiral läßt das nicht zu, er ist bockig und dickköpfig, nachtragend wie ein Elefant, und er beißt
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sich eher die Zunge ab, als mich um Hilfe zu bitten. Wir haben Zeit, warten wir es ab, ob sie es schaffen. Aber so, wie es den Anschein hat, sieht es nicht danach aus.“ „Weil der Kahn zu schwerfällig ist“, sagte Tucker nickend. Er sah, wie sich einer der Seesoldaten über das Dollbord des Bootes lehnte und sich erbrach. Mit beiden Händen hielt er sich den Bauch. „He!“ rief Ferris. „Kotzen könnt ihr auch an Land, deshalb braucht ihr nicht zur See fahren.“ Die Bemühungen gingen pausenlos weiter. Drake hatte jetzt achtern zwei Anker ausbringen lassen, mit deren Hilfe er sich achteraus von der tückischen Sandbank zu ziehen gedachte. Rudelweise stemmten sich die Männer in die Winschen, bis die Trossen steif waren und zu singen begannen. Doch das Flaggschiff rührte sich nicht. Sie sahen, wie Drake vom Achterkastell aus mit den Händen mal hier' hin mal dorthin zeigte und Befehle schrie. Er ließ noch mehr Männer an den Winschen arbeiten, bis sie sich gegenseitig auf die Füße traten. Länger als drei Stunden kämpften sie verbissen darum, das schwere Schiff zu bewegen. Vergeblich, es rührte sich keine Handbreite von der Stelle. Eine Pause wurde eingelegt. Die erschöpften Männer ruhten sich aus, saßen ausgelaugt an Deck herum und tranken heiße Brühe. Danach ging es weiter. Drake ließ leichtem, und einen Teil der schweren Geschütze nach achtern bringen, bis sich der Bug ein kleines Stück höher aus dem Wasser hob. Auch das nutzte nichts, alle Mühe war vergebens. Die Galeone des Admirals hatte sich zu tief in den Sand gesetzt. * Gegen Mitternacht sah der Admiral ein, daß er es allein nicht schaffte. Er ließ den Stabschef und Kapitän Thomas Fenner zu sich in die Kapitänskammer
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bitten und starrte verbissen auf den mit Karten übersäten schweren Tisch. Fenner sah, was den Admiral bedrückte, der nicht so recht mit der Sprache herausrückte. Sollte er seine Ansicht. etwas geändert haben? dachte Fenner. Das war kaum vorstellbar, dazu war Drake viel zu starrköpfig und eigensinnig. „Ich sagte vorhin, es wäre beschämend, diesen Killigrew um Hilfe zu bitten, Mister Fenner, Sie erinnern sich?“ „Ja, Sir.“ „Nun“, Drake seufzte tief. „Ich sehe ein, daß es nicht anders geht. Wir hatten nicht den geringsten Erfolg aufzuweisen, obwohl die Leute Schwerstarbeit geleistet haben. Schließlich geht es nicht um unser persönliches Wohl, es geht um England. Ich bin mir über meine Lage durchaus im klaren und muß meine Beschämung in diesen speziellen Fall zurückstellen. Es geht leider nicht anders, wir werden Killigrews Hilfe anfordern müssen, wohl oder übel.“ Thomas Fenner schluckte trocken. Also hat der Alte doch seine Meinung geändert, dachte er. Das mußte ihm wie ein glühendes Messer ins Herz gehen, wenn er den Seewolf um Hilfe bat. Es würde ihn erniedrigen, demütigen, aber ihm blieb tatsächlich kein anderer Weg. Fenner sah das ein, insgeheim war er auch bereit, diesen demütigen Weg zu gehen, und er würde diesem Killigrew schon einbläuen, was er zu tun hatte. „Darf ich das so auffassen, Sir, daß ich ...“ Drake nickte und breitete die Hände auf dem Tisch aus. Dann stieß er sich leicht ab und erhob sich ruckhaft. „Ich wüßte keinen geeigneteren Mann als Sie“, sagte er. „Lassen Sie sich hinüberpullen und erinnern Sie Killigrew an das Hilfsangebot. Ich weiß, wie Sie sich jetzt fühlen, Mister Fenner, aber ich denke, Sie verstehen mich.“ „Aye, aye, Sir“, sagte Fenner heiser und erhob sich ebenfalls. „Verlassen Sie sich auf mich, ich werde mit diesem Killigrew schon fertig.“ „Seien Sie vorsichtig“, warnte Drake mit erhobenem Finger. „Killigrew ist nicht
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irgendwer, der ist aus einem besonderen Holz geschnitzt. Sie haben einen scharfzüngigen ausgekochten Fuchs vor sich, Mister Fenner, dem es an jeglichem Respekt mangelt. Dieser Mann ist ein Freibeuter, er hat es gewagt, sogar Ihrer Majestät, der Königin, die kalte Schulter zu zeigen und zu trotzen. Es dauert sehr lange, bis man sein Vertrauen gewinnt. Er traut nur seinen eigenen Kerlen und sonst niemandem“, setzte Drake bitter hinzu. „Ich traue mir zu, diesen Burschen in seine Schranken zu verweisen, Sir. Er wird wissen, wie weit er zu gehen hat. Wir sind schließlich auch nicht irgendwer.“ „Ich habe Sie gewarnt“, sagte Drake nur, als die beiden Männer an Deck gingen und Fenner das kleine Boot bestieg. 5. Die Nacht war immer noch mondhell. Einige der Seewölfe, denen es zu langweilig geworden war, hatten ihre Kojen aufgesucht. Drakes Schiff war hell erleuchtet. Es lag da wie ein zum Sprung hingeducktes Tier. Es mußte meilenweit zu sehen sein. Der Seewolf, der das Manöver der Soldaten und Seeleute immer noch beobachtete, straffte sich und zeigte auf das kleine Boot, das von zwei Männern gepullt wurde, während ein dritter wie eine Statue regungslos auf der achteren Ducht saß und seine Blicke unverwandt auf die „Isabella“ richtete. Das Boot lief direkt auf die Galeone zu. „Sieht aus, als kriegten wir Besuch“, sagte Hasard zu seinen Männern, die sich jetzt zum größten Teil in der Kuhl aufhielten. Carberry musterte den Mann, der so reglos dasaß und zu Stein erstarrt schien. „Wenn das nicht einer von Drakes Häuptlingen ist, fresse ich den Besan mitsamt der Lateinertakelung“, sagte er laut. „Ruhe!“ rief Hasard. „Natürlich will der Mann zu uns, ich bitte mir daher aus, daß nicht gelacht wird.“ „Weshalb nicht?“ fragte Luke Morgan. „Wir haben doch genügend Grund zum Lachen, Sir!“
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Hasard warf ihm einen kühlen Blick zu. „Ich wiederhole mich nicht gern, Luke. Wir haben Drake und seine Leute genügend gedemütigt, und das bis zu dem Punkt, der einen Mann verbittert. Ich sage also noch einmal: Kein Gelächter, was immer der Mann auch will. Ich werde schon mit ihm fertig.“ „Aye, aye, Sir.“ Morgan schluckte und senkte den Kopf. Abwartend sah er dem Boot entgegen, das jetzt dicht vor der Bordwand der „Isabella“ im Wasser trieb. Hasard hatte die Jakobsleiter bereits außenbords ausbringen lassen und stand ruhig und gelassen in der Kuhl. „Ich bitte, an Bord kommen zu dürfen, Mister Killigrew“, sagte der Mann, der jetzt aufrecht stand und den Seewolf aus kühlen Augen einer blitzschnellen Musterung unterzog. „Mein Name ist Thomas Fenner, Kapitän, Sir!“ setzte er schnell hinzu, als von seiten des Seewolfs keine Reaktion erfolgte. Hasard lud ihn mit einer Handbewegung ein und nickte. „Bitte, Mister Fenner“, sagte er. Während Fenner auf enterte, blieben die beiden Männer im Boot sitzen und taten so, als interessiere sie die „Isabella“ nicht im Geringsten. Sie nahmen keine Notiz von ihr, aber den Seewölfen entging nicht das heimliche Lauern in ihren Augen, die begehrlichen Blicke, die sie auf den ranken Dreimaster warfen, und wie sie ihn immer wieder unauffällig musterten. Fenner schob sich an einer schweigenden Mauer Seewölfe vorbei. Er sah in harte kühle Gesichter, erblickte riesige hünenhafte Gestalten und schluckte unmerklich, als er den Profos sah, der die Arme über der Brust verschränkt hatte und ihn spöttisch musterte. Dabei vergaß Fenner durchaus nicht die erbärmliche Rolle, die sie soeben noch gespielt hatten, und er ahnte auch, was diese harten Kerle über ihn und ganz besonders den Admiral dachten. Denen stand ein lausiges, unsichtbares Grinsen in den harten Gesichtern, auch wenn sie bemüht waren, dieses Grinsen nicht unverhüllt zu zeigen.
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„Darf ich Sie in meine Kammer bitten?“ fragte Hasard. Thomas Fenner, der die Scharte gar zu gern wieder auswetzen wollte, verneinte hochmütig. „Nicht nötig, Killigrew“, sagte er herablassen. „Wir haben nicht sehr viel miteinander zu besprechen.“ Hasards Blick wurde eisig, das winzige Lächeln aus seinen Mundwinkeln verschwand. „Bewahren wir doch die Höflichkeitsformen“, sagte er kalt. „Ich werde versuchen, sie auch zu wahren, Kapitän Fenner.“ Fenner lief rot an, murmelte etwas und ärgerte sich über diesen einen Satz des Seewolfs bereits halbtot. Der Kerl ließ aber auch nichts aus, dachte er, der nahm jede Gelegenheit wahr, um ihn auch weiterhin kühl und distanziert zu demoralisieren. „Admiral Drake ist nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt, daß er Ihre Hilfe annimmt, Kapitän Killigrew. Natürlich haben wir darüber diskutiert ...“ „Natürlich“, sagte Hasard ausdruckslos, und diese Wiederholung seines Wortes begann Fenner schon wieder aufzuregen. „Wie gesagt“, brummte er und räusperte sich wiederholt, „der Admiral ist also bereit. Er wird Sie dann empfangen und Ihnen seine Befehle unterbreiten.“ „Wie nett von ihm, wirklich sehr großzügig“, erwiderte Hasard trocken. Er sah Fenner in direkt verletzender Weise an, bis der wieder knallrot anlief und sich ärgerte. Fenner wartete irritiert auf weitere Antwort, doch die Gesichter, die ihn anstarrten, wirkten wie nackter Hohn. Er war sicher, daß die Kerle heimlich über ihn lachten, und niemand dachte daran, ihm zu antworten. Wieder schluckte er und sah den Seewolf an. Dann wanderte sein Blick zu dem Profos weiter, der sehr langsam seine mächtige Pranke hob und sich mit ausgestreckten Zeigefinger andächtig an der Schläfe zu kratzen begann. Ebenso langsam nahm er die Riesenpranke wieder
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herunter, trat ans Schanzkleid und spie in einem langen Strahl über Bord. Im ersten Impuls hätte Fenner vor Wut am liebsten laut aufgeschrien und gebrüllt, denn er ahnte nur allzu gut, was diese Geste bedeutete. „Ich warne Sie“, klangen ihm immer noch Drakes Worte im Ohr, aber er hatte sie auf die leichte Schulter genommen, und jetzt befand er sich in einer recht peinlichen Situation. „Also, ich warte“, sagte Fenner hochnäsig. „Auf was bitte, warten Sie, Kapitän Fenner?“ fragte Hasard ironisch. „Auf Ihre Antwort, Mann!“ schrie Fenner, dem jetzt die Pferde durchgingen wegen dieser Unverschämtheit. „Sie werden sich dem Admiral gefälligst unterordnen, nach allem was Sie angestellt haben. Das ist ein Befehl, Mister Killigrew. Sie haben keinen Hampelmann vor sich!“ Hasard tat so, als müsse er das erst noch feststellen, dann zuckte er gelassen mit den Schultern. „Natürlich will ich kein abwertendes Urteil fällen“, sagte er, „das mit dem Hampelmann haben Sie gesagt. Aber ich muß Sie in aller Form ersuchen, Mister Fenner, hier auf meinem Schiff nicht herumzubrüllen. Und noch etwas, Mister Fenner“, sagte er fast freundlich, und jetzt erschien auch wieder ein feines Lächeln in seinem harten Gesicht, „ich denke nicht im Traum daran, mich dem Admiral unterzuordnen. Wir sind freie Männer und nicht an die Admiralität gebunden, und wir bleiben freie Männer, solange wir leben. Wenn Sie das gütigst zur Kenntnis genommen haben, dann besteigen Sie Ihr Boot und richten Sie Sir Francis Drake meinen verbindlichsten Gruß aus. Er hat mein Hilfsangebot abgelehnt, brüllend und laut, und wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich läßt, drohten Sie uns sogar noch mit einer Breitseite. Sie werden verstehen, daß ich das nicht teilnahmslos hinnehmen kann. Im übrigen ist der ehrenwerte Admiral an seiner Misere selbst schuld. Er ist nun einmal beutegierig und lief blindlings hinter uns her. Das wertet fast seine seemännischen Qualitäten etwas ab.
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Und dann will er mir auch noch auf der Nase herumtanzen und mich kommandieren? Zum Teufel, Mister Fenner!“ „Was? Sie wagen es“, schrie Fenner mit hochrotem Schädel, „die seemännischen Qualitäten eines Sir Francis Drake anzuzweifeln? Sie sind wohl nicht bei Trost, Killigrew! Es gibt keinen besseren Mann als Drake.“ „Dann seien Sie froh, daß Sie ihn haben. Im Entern von Sandbänken hat er jedenfalls erstklassige Qualitäten.“ „Auf was bilden Sie sich etwas ein?“ schrie Fenner, der mitunter einfach keine Erwiderung auf des Seewolfs Worte fand. „Auf meine Freiheit, Fenner! Sonst auf nichts. Stolpern Sie nicht, wenn Sie von Bord gehen, vergessen Sie nicht, den Admiral zu grüßen und richten Sie ihm aus, er möge sich gefälligst persönlich an Bord meines Schiffes bemühen, Wenn er etwas will. Ihre Bekanntschaft war mir eine Ehre, Sir!“ Fenner war sprachlos. Er sah sich fassungslos nach allen Seiten um und glaubte noch immer, sich verhört zu haben. Aber die Augen, die zurückblickten, gaben ihm überdeutlich zu verstehen, was die Männer von seinem Kommandoton hielten. Nichts, dachte er erschauernd, sie hielten überhaupt nichts von ihm, und dieser schwarzhaarige Bastard dachte nicht im Traum daran, einem Befehl Drakes zu gehorchen. Der zeigte nicht nur die Zähne, dieser Kerl, der zeigte ein Prachtgebiß wie ein reißender Wolf, ein Seewolf. „Sie verlangen, daß der Admiral sich selbst herbemüht? Sie müssen größenwahnsinnig sein, Sie - Sie ... Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ „Dann ruhen Sie sich meinetwegen bis in alle Ewigkeit auf der Sandbank aus“, erwiderte Hasard trocken. „Sie selbst schaffen es ja doch nicht, die Galeone auch nur eine Handbreite aus dem Dreck zu ziehen.“ „Sie werden noch von uns hören!“ schrie Fenner. „Sie werden jedes Ihrer Worte noch bereuen, das verspreche ich Ihnen! Vielleicht hängen Sie eines Tages noch an
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der Großrah eines Mastes und genießen einen weiten Ausblick!“ „Der wird dann sicher auf Ihrer gestrandeten Galeone wohlwollend ruhen, Fenner. Fallen Sie nicht von der Jakobsleiter, manche Stürze können sehr unangenehm sein!“ Damit war Fenner verabschiedet. Er warf einen letzten fassungslosen Blick auf den Seewolf, schüttelte dann den puterroten Kopf, schnaufte erregt und stieg über das Schanzkleid, düstere Prophezeiungen vor sich hinmurmelnd. Noch während er ins Boot stieg, packte ihn eine unbeschreibliche Wut, und bevor er hineinsprang, hämmerte er mit beiden Fäusten voller Zorn und hilfloser Enttäuschung wie ein Wilder an die Bordwand. „Bestes Holz, Sir“, versicherte Ferris Tucker freundlich, der ihm ausdruckslos nachblickte. „Da geht so schnell nichts kaputt. Es bleiben nicht mal Kratzer, selbst wenn man zufällig mal irgendwo aufläuft.“ Fenner wartete nicht mehr länger, er wandte den Seewölfen den Rücken zu und schrie die beiden Männer an, endlich loszupullen. „Ich wette, er heult jetzt“, sagte Matt Davies. „Deshalb dreht er sich auch nicht mehr um. Wie weh muß ihm ums Herze sein!“ Ein paar Seewölfe prusteten los, bis Carberry ihnen sein grimmiges Gesicht zuwandte. „Wenn ich jemanden lachen höre“, sagte er im Plauderton und ohne jeden Ausdruck, „dann jage ich ihn solange in die Wanten, bis er mit einem ellenlangen grauen Bart ' zurückkehrt. Habt ihr das kapiert, ihr Hafenratten, ihr verwanzten, was, wie?“ Sie lachten auch nicht mehr, sie warfen ihrem Kapitän nur einen bewundernden Blick zu, denn der hatte Fenner und Drake mit ein paar Worten so tief gekränkt, wie es noch niemand getan hatte. Fenner schien tatsächlich zu heulen. *
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Fenners Rückkehr ließ den erwartungsvollen Francis Drake fast in die Knie gehen und setzte allem die Krone auf. Mit vor Zorn versagender und immer wieder überkippender Stimme erstattete er dem Admiral Bericht. Er wagte kaum, dem Admiral dabei in die Augen zu blicken. Der erwartete und befürchtete Tobsuchtsanfall folgte auch sofort danach. Drake hörte erst schweigend zu, dann verfärbte er sich, und Fenner sah, wie seine Hände zu zittern begannen. Diese Reaktion setzte sich fort, bis Drakes Schultern vor Wut bebten, sein Kopf knallrot anschwoll und er sich ruckartig umdrehte, weil auch er glaubte, sich verhört zu haben. Was Fenner dann zu hören kriegte, übertraf alle seine befürchteten Erwartungen.. Er hatte Drake jetzt schon ein paarmal tobend und brüllend erlebt, aber diesmal erinnerte es Thomas Fenner an eine Nierenkolik, bei der der bedauernswerte Patient sich die Lunge aus dem Hals schrie. Dabei sparte der sonst so zurückhaltende und immer auf Würde bedachte Admiral auch nicht mit Kraftausdrücken. Im Gegenteil : Er wandte sie lautstark an und tobte sich aus, bis ihm vor Erregung die Stimme versagte. Er würdigte Fenner keines Blickes mehr, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand unter Deck in der achteren Kammer. Er ließ sich auch vorerst nicht mehr blicken. Kapitän Thomas Fenner blieb hilflos und verwirrt auf dem Achterdeck zurück und dachte über die Ungerechtigkeit der Welt nach. 5. Weit nach Mitternacht, der Mond schien unverändert von einem klaren Himmel, wurden aus dem Ausguck der „Isabella“ vier langgestreckte Schiffe gesichtet. Der blondhaarige Schwede Stenmark meldete sie aus dem Ausguck, auf den Hasard keine Sekunde lang verzichtete.
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„Vier Galeeren!“ rief er zum Deck hinunter. „Sie laufen von der Küste auf uns zu.“ Im Nu war alles auf den Beinen. Hasard, der sich in seine Kammer zurückgezogen hatte, erschien fast gleichzeitig mit Ben Brighton auf dem Achterdeck, legte die Hand über die Augen und suchte die See ab. Da krebsten sie heran, anfangs schwerfällig, als suchten sie mühsam nach dem Ziel, doch dann wurden sie immer schneller, änderten den Kurs und hielten auf die „Elizabeth Bonaventura“ zu. „Kein Wunder“, sagte der Seewolf, „das Licht lockt sie magisch an. Sie scheinen es schon seit einer ganzen Weile bemerkt zu haben. Ben, Feuerbereitschaft, Anker auf! Klar Schiff zum Gefecht!“ „Aye, Sir! Alle Mann auf Stationen !“ Der Ruf hallte über das Deck, und von überall tauchten die Seewölfe auf, schnell und wendig wie Riesenameisen aus einem Bau erschienen sie und besetzten ihre Stationen. Das Flaggschiff bot einen Anblick wie eine brennende Riesenfackel, die die Nacht ringsum erleuchtet. Schiffslaternen brannten, Fackeln waren entzündet worden, überall flackerte Licht und tauchte das Schiff in Helligkeit. Natürlich hatte das den Spaniern keine Ruhe gelassen, und so krebsten sie jetzt mit vier Galeeren heran, um sich der Beute zu bemächtigen. Auf dem Vordeck der „Isabella“ wurde der Anker gehievt, die Männer legten sich hart in die Spillspaken, während in der Kuhl die Culverinen überprüft und einsatzbereit gemacht wurden. Kugeln und Pulverfässer wurden gemannt, die allgemeine Hektik lief nach einem genau ausgetüftelten Schema ab. Jeder hatte seinen ganz bestimmten Platz, jeder kannte seine Handgriffe im Schlaf, es saß alles auf Anhieb, ohne daß es großer Worte bedurft hätte. Hasard blickte durch das Spektiv und nickte dem Gefechtsrudergänger Pete Ballie zu, der schon längst seinen Posten eingenommen hatte und am Ruder stand.
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„Pete“, sagte er ruhig, „wir umsegeln die Sandbank und legen uns vor die Galeone. Sobald die Galeeren auf Schußweite heran sind, eröffnen wir das Feuer. Achte auf die Sandbank, damit es uns nicht so ergeht wie dem ehrenwerten Admiral. Ich möchte mich nicht bis auf die Knochen blamieren!“ „Aye, aye, Sir. Ich kenne sie jetzt noch besser, es wird uns nichts passieren“, versprach Pete. Die Segel wurden gesetzt, die Doppelblinde blieb im Gei hängen, damit die Sicht besser war, und als der Anker vor dem Bug baumelte, nahm die „Isabella“ langsam Fahrt auf. Auf den vier Galeeren standen Segel, die der Wind straff blähte. Die Riemen tauchten nach wie vor ins Wasser, und der Seewolf glaubte das nervtötende Geräusch der Schlagmänner bis hierher zu hören. Sie waren schnell und wendig, diese Galeeren. Sie wurden jetzt zu einer Kette auseinandergezogen und erhöhten die Fahrt. Hasard sah zu der Galeone hinüber, die jetzt achterlich verschwand, und auf der alles wie erstarrt schien. Im Schein der Laternen und Fackeln erkannte er Francis Drake und fragte sich, wie dem Mann jetzt wohl zumute sein mochte. Er mußte sich noch hilfloser als ein Säugling fühlen, und ohne die „Isabella“ wäre er jetzt vermutlich eine leichte Beute der Spanier geworden. Für Drake bedeutete das nicht gerade einen neuen Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg. Er konnte wirklich nicht viel mehr unternehmen, als ein paar Kanonen abzufeuern. Jedenfalls war er total manövrierunfähig. Hasard blickte ihn nicht an, und auch Drake vermied es, seinem Blick zu begegnen. Noch waren sie nicht miteinander fertig, es würde noch ein weiteres Tänzchen geben. Hasard gab dem Waffenmeister Al Conroy noch einmal letzte Informationen. „Wir segeln auf sie zu, feuern die vorderen Drehbassen ab, Al, lassen dann eine
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Breitseite folgen, wenden, und setzen die achteren Drehbassen ein. Anschließend kriegen sie noch die andere Breitseite zu spüren.“ Conroy verstand. Genauso hätte er auch gehandelt, und er verschwand wieder wie ein Blitz. Batuti und der graubärtige Waffenschmied Big Old Shane enterten fast gleichzeitig auf, unter den Armen ihre mächtigen Bögen, die auf unglaublich weite Distanz die verheerenden Brandpfeile verfeuern konnten. Ferris Tucker war damit beschäftigt, seine gefürchteten Höllenflaschen zu überprüfen und zu verteilen, die unter den Gegnern Panik verbreiteten. Gleichzeitig lud er die Gestelle mit den chinesischen Brandsätzen, dem unlöschbaren Höllenfeuer. Hasard ließ noch einmal den Profos rufen. „Ich bitte mir allerstrengste Disziplin aus, Ed“, sagte er, „und möchte kein unnötiges Gebrüll hören. Die Männer sind auf ihren Posten und wissen, was sie zu tun haben. Wir führen einen nächtlichen Blitzangriff, und wir werden uns bemühen, so sauber und schnell zu kämpfen, daß Drake die Spucke wegbleibt.“ „Aye, aye, Sir!“ Wir werden es ihm zeigen, daß wir unseren Namen zu Recht tragen, Sir! Drake soll staunen!“ Der Profos verschwand fast lautlos. Auf der ersten Galeere blitzte es einmal kurz auf, ein Schuß löste sich und rollender Donner fegte über die See. Sie hielten sich jetzt so, daß sie höchstens im Bereich einer Breitseite lagen, und jederzeit davonjagen konnten, falls die „Isabella“ drehte. Die Kugel donnerte mehr als zweihundert Yards von der Galeone entfernt ins Wasser und riß eine kleine Fontäne hoch. „Imponiergehabe“, sagte Hasard verächtlich. „Nur ein Einschüchterungsversuch der Spanier.“ Er gab Batuti und Big Old Shane ein Zeichen, und sofort darauf flogen zwei glühende Pfeile durch die Nacht. Schnurgerade zogen sie ab, suchten sich ihren Weg durch die Luft und fielen in einem Bogen nach unten.
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Der erste Pfeil traf, der zweite verfehlte die eine Galeere nur um ein paar Yards. Der brennende Pfeil bohrte sich ins Deck, die Pulverladung entzündete sich und bildete einen kleinen Glutball. Männer eilten herbei und versuchten das Feuer zu löschen. Es gelang auch sofort, aber schon folgten der dritte und der vierte Pfeil. Diesmal trafen beide und erneut loderten kleine Feuer auf. Hasard gab ein Zeichen. Tucker hielt die glimmende Lunte an zwei der chinesischen Brandsätze. Augenblicke später wurde die Nacht von einem infernalischen Schrillen und Heulen zerrissen. Wie glühende Schlangen sausten die Brandsätze pfeifend, kreischend und mißtönend auf ihrer Bahn davon. Bei den Galeeren zerplatzten sie in der Luft, und nun folgte das, was den Männern auf Drakes Flaggschiff einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Sie hatten etwas Ähnliches noch nie erlebt. Starr und unbeweglich sahen sie auf das einmalige Schauspiel. Niemand sprach auch nur ein Wort. Das Geschehen schlug sie in ihren Bann. Ein Vorhang aus roten, blauen und grünen Flammen entstand in der Luft, dicht über zwei Galeeren. Prasselnd und knackend fiel ein farbenprächtiger Feuerregen nieder und setzte zwei der Galeeren schlagartig in Brand. Ein Inferno tobte plötzlich los, und die Brände, die jetzt aufflackerten, wurden immer zahlreicher. Das Segel der ersten Galeere verging in einem Feuersturm, es lohte auf und verschwand. Das zweite Segel begann zu glühen, bis es eine Flammenwand schlagartig überzog. Gleichzeitig wurde der Bug in blutrotes strahlendes Licht getaucht. Die zwei Galeeren gerieten aus dem Rudertakt, es wurde nicht mehr gepullt, man hörte Männer vor Angst brüllen und schreien. Anscheinend wurden sie von ihren Ketten befreit, denn die Riemen hingen im Wasser, und an Deck erschienen mehr
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Leute, als zur normalen Besatzung eigentlich gehörten. Die ersten Männer sprangen über Bord, als die beiden brennenden Galeeren zusammenstießen, und durch den Anprall einen wilden Funkenregen erzeugten. „Drehbassen und Breitseite!“ rief der Seewolf. Die vorderen drehbaren Geschütze schwenkten herum und entluden ihren verheerenden Eisenhagel. Fast gleichzeitig, die „Isabella“ schwang gerade herum um die beiden anderen Galeeren anzuvisieren, donnerte die Breitseite los, ließ die Galeone stark krängen und eine Wand aus Rauch entstehen, die langsam zum Achterdeck trieb. Hasard stand hochaufgerichtet auf dem Achterkastell. Sein Gesicht war unbewegt, er hustete nicht, als die Qualmwolke kurz das Deck einhüllte und langsam verwehte. Aber drüben hatte es viermal eingeschlagen. Einer der Galeeren wurde ein Teil des Bugs weggefetzt, die andere erhielt zwei Treffer mitschiffs oberhalb der Wasserlinie und drehte sofort ab, riesige klaffende Löcher im Rumpf. Sofort fuhr die „Isabella“ das nächste Manöver. Segel nachtrimmen, Hartruder und klar bei erneuter Breitseite. Sie war überflüssig. Der blitzartige Angriff hatte die Spanier in Panik gebracht. Sie dachten nur noch an Flucht, als auch auf der dritten Galeere heller Feuerschein aufzuckte. Hier schien der Teufel persönlich heranzusegeln und seine glosende Hölle auszuspeien, sein schwefliges Feuer, das alles versengte und verbrannte. Die Spanier sahen ihr einziges Heil nur noch in rascher Flucht. Die letzte noch fast intakte Galeere wurde zum Land getrieben, gepullt von Sträflingen, die keinen Schlagmann mehr brauchten, die ihr Leben in Gefahr sahen und alles gaben, was sie an Kräften noch hatten. Shanes letzter Brandpfeil erwischte sie allerdings noch, und nun zuckte auch dort
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ein kleines Feuer auf und breitete sich schnell aus. Damit war das Gefecht beendet. Der Seewolf hatte nicht vor, die angeschlagenen und brennenden Galeeren weiter zu verfolgen. Er hatte dafür gesorgt, daß der hilflosen „Elizabeth Bonaventura“ nichts passiert war und der Angriff der Spanier blitzschnell, sauber und präzise zurückgeschlagen wurde, und zwar so, daß es nichts zu bemängeln gab. Insgesamt hatten die vier Galeeren sieben Schuß abgefeuert, zu mehr hatte es nicht gereicht. Sie pullten zur Küste zurück, halb zerstört und unbrauchbar, und sie würden sich mit Sicherheit hier nicht mehr blicken lassen. „Klart auf!“ rief Hasard. „Wir kehren auf denselben Platz zurück und gehen dort vor Anker. Ich nehme an, der Admiral wird erneut sehr beschämt sein.“ Er wußte nicht, wie recht er mit seinen Worten hatte, denn auf dem Flaggschiff gab es einen Mann, der den Seewolf sehr gut kannte. * Der Koch Mac Pellew, der sauertöpfische, ewig mißgelaunte und pessimistische Eigenbrötler, sah aus schmalen Augen und mit zusammengekiffenen Lippen dem Angriff zu und schüttelte immer wieder fassungslos den Kopf. Mac Pellew war nicht zum Lachen geboren, er sah immer so aus, als hätte er gerade ein Faß Essig verschluckt, aber jetzt bemerkten die beiden Hilfsköche des Flaggschiffes, wie sich sein Mund öffnete, seine Zahnstummel sichtbar wurden und er die Lippen zu einem Grinsen auseinanderriß, das direkt schauerlich wirkte. „Ha“, hörten sie ihn schadenfroh murmeln, „der zeigt es denen aber! Das ist noch ein Kerl, ein richtiger, harter.“ „Was brabbelst 'du da dauernd?“ fragte einer der Hilfsköche. „Hast du Zahnschmerzen, weil du dein Maul so aufreißt?“
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„Schnauze“, brummte der übelgelaunte Koch, und schickte einen gallebitteren Blick zum Achterkastell wo Drake wie ein Denkmal aus Stein stand und mit verkniffenem Gesicht dem Angriff zusah. „Da kann er sich was abschneiden, der Sir Admiral“, brabbelte er vor sich hin. „Immer wenn er in der Scheiße sitzt, kann der Seewolf ihn raushauen. Haha, erst läuft er auf, daß mir die Pfannen und Töpfe um die Ohren fliegen, und dann muß er noch beschützt werden.“ Seine Stimme wurde verächtlich. Mac Pellew war bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nahm und immer ruhig blieb. „Kanalratte“, hörten die entsetzen Hilfsköche ihn murmeln, und einer. bedeutete ihm durch Zeichen, er möge still sein, weil in diesem Augenblick Kapitän Thomas Fenner herantrat. Aber Mac Pellew dachte gar nicht daran, er sah den Kapitän auch nicht. „Große Töne kotzen“, ereiferte er sich mißmutig. „Die Hände auf den Hintern halten und hin und her laufen, das kann er. Soll er doch jetzt mal zeigen, was er kann, dieser Sir Admiral! Der Seewolf - das wäre ein Admiral.“ Fenner riß den Koch mit einem Ruck herum und sah ihm in die Augen. „Ich lasse Sie einpökeln, Kerl!“ schrie er. „Was sind das für ketzerische Reden? Was faseln Sie da? Sie haben wohl die Neunschwänzige noch nicht ausprobiert?“ Mac Pellew sah ihn sauer an. Er kriegte weder einen roten Schädel, noch regte er sich auf. „Ich sage nur die Wahrheit“, erklärte er. „Oder ist der Killigrew vielleicht aufgebrummt? Wir waren. das doch! Und was hätten wir wohl gegen die Galeeren ausgerichtet, Sir?“ „Zusammengeschossen, natürlich!“ schrie Fenner. Mac Pellew kicherte, dann wandte er sich ab und ignorierte die Worte des Kapitäns, indem er ihn einfach stehen ließ und in seiner Kombüse verschwand. Aber selbst da meckerte er weiter, brummte vor sich hin, fluchte auf Drake
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und dessen Unvermögen und verstummte schließlich nach einer Weile. „Melden Sie mir den Mann morgen früh!“ sagte er zu dem Bootsmann. „Aber vergessen Sie das nicht!“ „Aye, aye, Sir, ich werde ihn melden!“ Fenner kehrte zum Achterkastell zurück. Dort stand Drake, sah durch ihn hindurch und schien überhaupt nichts wahrzunehmen. „Das war also sein Trumpf“, sagte Fenner. „Dieses merkwürdige Feuer. Was mag es nur sein?“ „Das weiß ich nicht, Mister Fenner“, antwortete Drake eisig. „Ich bin nicht an Bord des Flaggschiffes, um herauszufinden, mit welchen Finten und Tricks dieser Killigrew arbeitet. Haben Sie mich verstanden?“ „Selbstverständlich, Sir. Ich wollte nur bemerken, daß es ziemlich schnell ging, die Galeeren in die Flucht zu schlagen.“ „Die Bemerkung sei Ihnen gestattet“, sagte Drake, und seine Stimme klang immer noch eiskalt. Er dachte nicht im Traum daran, mit Fenner darüber zu diskutieren, wie der Seewolf es geschafft hatte, diese vier angriffslüsternen Spanier zu vertreiben. Erst als der Anker der „Isabella“ klatschend ins Wasser fiel und die ranke Galeone ihren vorherigen Platz wieder einnahm, zuckte der Admiral zusammen. Was in seinem Innern vorging, wußte niemand, man sah es ihm auch nicht an, aber die Männer deuteten diesen steinernen Gesichtsausdruck ganz richtig. Der Seewolf hatte dem Admiral imponiert, allerdings war Drake nicht der Mann, der das offen zugab. Er stritt und haderte lieber mit sich selbst herum, als seine Gefühle zu offenbaren. Lange stand er so, unbeweglich, fast starr, rang mit sich und seinem Gott und zog seine Konsequenzen. Wäre der Seewolf nicht gewesen, so sagte er sich, dann hätte es hier ein Blutbad gegeben, und das hätte hauptsächlich auf dein Flaggschiff stattgefunden.
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Dieser Mann beschämte ihn erneut zutiefst, und Drake bemühte sich ständig, seine eigenen Gefühle zu analysieren. Wie es den Anschein hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als den beschwerlichen steinigen Weg zu gehen und Killigrew um etwas zu bitten, was ihm zutiefst zuwider war. Drake betrachtete die Dinge auch etwas nüchterner. Ohne fremde Hilfe, in diesem Fall die Hilfe Killigrews, kam er nicht mehr flott, und das konnte er sich in seiner Eigenschaft als Führer des Verbandes einfach nicht leisten. Es würde ein bitterer, dorniger Weg für ihn werden, aber er mußte ihn gehen, ob er wollte oder nicht, es gab keine andere Alternative für ihn. Er gab sich einen Ruck, straffte sich und verließ das Achterkastell. Sein Gesicht war eine Maske, und er preßte die Zähne so hart aufeinander, daß es schmerzte. Sollte Killigrew seinen Triumph haben, sollte er über ihn dominieren oder ihn herablassend behandeln, es ging nicht anders, er würde ihn bitten müssen. In der Kuhl überzeugte er sich noch einmal, wie weit die Arbeiten fortgeschritten waren. Sie schritten überhaupt nicht fort, es ging nicht voran, das Flaggschiff lag wie ein Wal auf dem Trockenen fest, der sich aus eigener Kraft nicht mehr freizuschwimmen vermochte. Die Mannschaften wichen vor Drake zurück, sobald er aufkreuzte, senkten die Köpfe und gaben eine Gasse frei. Kühl blickte er sich um, dann krümmte er den Zeigefinger und winkte den Profos herbei. „Sir!“ schrie der Profos überlaut und nahm Haltung an. „Brüllen Sie nicht so“, sagte Drake ruhig. „Suchen Sie acht Leute aus, lassen Sie das große Boot damit bemannen. Sofort, Profos, Beeilung!“ „Aye, aye, Sir!“ Drake deutete mit der Hand zur „Isabella“ hinüber.
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„Sie fahren mit dem kleinen Boot voraus, Profos, und melden Killigrew meine sofortige Ankunft!“ „Aye, aye, Sir!“ Dem Profos ging erst jetzt der Sinn der Worte: auf, er sah den Admiral verwirrt an, blickte dann ebenfalls zu der Galeone des Seewolfs und fragte: „Sagten Sie Killigrew, Sir?“ „Wenn Sie nicht mehr gut hören, Profos, dann sind Sie für den Decksdienst untauglich. Sie werden dann ab sofort Dienst in der Kombüse tun!“ „Aye, aye, Sir!“ Der Profos schwang sich in das kleine Boot, ergriff die Riemen und begann wie ein Wilder zu pullen. Drake folgte ihm gemessen, in voller Uniform, den Blick ausdruckslos und abweisend nach vorn gerichtet. 6. Das Deck war aufgeklart, blitzschnell, wie Hasard es angeordnet hatte. Es sah so aus, als wäre in den letzten Stunden nichts geschehen. „Jetzt scheint es ernst zu werden“, sagte Brighton, als er den Profos des Flaggschiffes und dahinter das große Boot erkannte, die beide auf sie 'zuhielten. „Drake persönlich“, sagte der Seewolf fast andächtig. „Ich hätte es nicht geglaubt, ihn als Bittsteller zu sehen, kann mir aber vorstellen, was in dem Mann vorgeht. In seinem Innern muß ein chaotisches Durcheinander herrschen.“ Diesmal lachte niemand, als der Profos die Bordwand erreichte und nach oben blickte. „Der Admiral, Sir!“ schrie er. Hasard, Ben Brighton und Dan O'Flynn warfen sich einen bedeutsamen Blick zu. Hasard nickte und unterstrich seine Bereitwilligkeit durch eine knappe Handbewegung. Gleich darauf ging das größere Boot bei der „Isabella“ längsseits, und Francis Drake bestieg die Jakobsleiter. An Bord der schlanken Galeone hatte es sich blitzschnell herumgesprochen, wer da gerade erschien. Aber die Seewölfe
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standen nicht neugierig herum, sondern verhielten sich still und abwartend, jeder befand sich auf seinem Posten, als sollte das Schiff augenblicklich in Gefechtszustand versetzt werden. Drake erschien mit völlig ausdruckslosem Gesicht. Er hatte sich vorzüglich in der Gewalt, streifte Hasard mit einem kühlen Blick und sah sich schnell um. Dem Admiral entging nichts. Er sah, daß das Schiff bereits aufgeklart war und die Männer abwartend auf ihren Stationen standen. Auf Zucht und Ordnung hält der Seewolf, das muß man ihm lassen, dachte er. Sein Blick wanderte weiter und suchte die Stelle, von der man die eigenartigen Feuerpfeile abgeschossen hatte, aber er konnte nichts entdecken, was auch nur entfernt darauf hingedeutet hätte. Merkwürdig, wie sie das getan hatten, er begriff es nicht. Drake gab dem Seewolf nicht die Hand, aber er sah ihm in die Augen und straffte sich. Zu seinem Leidwesen bemerkte er allerdings auch, daß sich der Seewolf durch seine Position als Admiral keineswegs beeindrucken ließ. „Darf ich Sie nach achtern bitten, Sir?“ fragte Hasard. Drake nickte und bewegte sich mit hölzern wirkenden Schritten auf das Achterkastell zu. In der hell erleuchteten Kapitänskammer bat Hasard den Admiral, Platz zu nehmen. Drake tat es sichtlich widerwillig und behielt sein ernstes abweisendes Gesicht bei. „Sie haben mich nun genügend beschämt, Kapitän Killigrew, und Sie haben es auch ausgekostet“, begann Drake die Unterhaltung. „Ich glaube, ich kann es Ihnen nicht verübeln, außerdem weiß ich, daß ich in Ihrer Schuld stehe. Ich bin also hier, um Sie an Ihr Hilfsangebot zu erinnern und Sie zu bitten, mir zu helfen.“ „Ja, Sir“, sagte Hasard. „Ihr Kapitän pochte auf Rechte und Befehle, denen ich mich nicht unterstellen kann. Ich denke, Sie verstehen mich, Sir!“
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„Vielleicht, Kapitän Killigrew. Ich kenne Ihren unbändigen Freiheitsdrang, ich bin mehrfach damit konfrontiert worden.“ Hasard lehnte sich zurück und warf einen Blick in die kühlen grauen Augen des Admirals. Sein Gesicht mit dem sauber gestutzten Bart lag im Halbschatten der Lampe, so daß sich die Regungen darauf nur schlecht ablesen ließen. Hasard wußte trotzdem, wie es um den Admiral stand. Er balancierte auf dem schmalen Grat, sein Gesicht zu verlieren und war nicht in der Lage Befehle zu erteilen, er mußte um etwas bitten, und dieses Bitten entsprach überhaupt nicht seiner Natur. Es war ihm fremd, und daher kostete es ihn unsägliche Überwindung. Hasard wollte das demoralisierende Spiel auch nicht unnötig in die Länge ziehen, denn Drake hatte längst jenen Punkt erreicht, da es ihm gallebitter aufstieß. „Ich habe Hilfe zugesagt und halte dieses Angebot auch weiterhin aufrecht, Sir. Wir können gleich mit der Arbeit beginnen. Außerdem werde ich veranlassen, daß mein Schiffszimmermann Ihnen einen neuen Bugspriet zimmert. Schließlich haben wir ihn auch weggeschossen.” Drake zuckte unmerklich zusammen. Dieser Killigrew mochte sich jetzt eben vielleicht nichts dabei gedacht haben, aber es saß dennoch wie eine kleine Ohrfeige, dachte er erbittert. Jedenfalls wurde er immer wieder an das blamable Verhalten erinnert. Er wollte einwenden, daß sein eigener Zimmermann sich bereits mit dem Bugspriet beschäftige, aber wenn er an den rothaarigen Hünen Ferris Tucker dachte, dann wußte er auch, daß dem niemand das Wasser reichen konnte. Schließlich nickte er und wollte aufstehen. Hasards fast beiläufige Worte ließen ihn jedoch wie angenagelt sitzen bleiben. „Wir haben bereits einen spanischen Mittelmeer-Verband außer Gefecht gesetzt. Sir“, sagte er ruhig. „In Spanien kocht und brodelt es, Gerüchte schwirren herum, daß ein englischer Verband unterwegs sei. Die Agenten und Spitzel haben nicht geschlafen, man munkelt so allerlei.“
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Drake kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf. Sofort war der alte Jäger wieder munter. „Das weiß man also“, sagte er leise. „Weiß man auch. aus wie vielen Schiffen dieser Verband besteht und wer ihn befehligt?“ „Das entzieht sich meiner Kenntnis, Sir. Ich selbst ahne es. Was ist aus Ihrem Verband geworden?“ „Ein schwerer Sturm hat ihn zersprengt, der Verband ist auseinandergerissen worden, doch nach meiner Schätzung wird er im Laufe des morgigen Tages, spätestens übermorgen, querab von Lissabon bei dem vereinbarten Treffpunkt eintreffen. Ich hoffe, daß alle Schiffe diesen Sturm überstanden haben. Was weiß man über diesen Verband noch, Kapitän Killigrew?“ „Nur, daß man ein Unternehmen gegen spanische Häfen plant, wie gemunkelt wird.“ Drake versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch der Seewolf sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete und der Admiral fieberhaft überlegte. „Wir müssen so schnell wie möglich von dieser Sandbank herunter“, sagte der .Admiral. „Wenn der Verband im Laufe des morgigen Tages den Treffpunkt erreicht, und ich sitze dann immer noch fest, dann … Dann, mein Lieber, bist du bis auf die Knochen blamiert, dachte Hasard. Du willst es nur nicht zugeben und schützt jetzt Eile vor, Besorgnis bis ins Uferlose. Drake sprach nicht weiter. Er erhob sich abrupt, verschränkte die Hände auf dem Rücken und begann ungeduldig zu wandern. Vor den bleiverglasten Heckscheiben blieb er stehen und sah, den Rücken Hasard zugewandt, hinaus. Der Seewolf sah Drake als untersetzte Silhouette gegen das Mondlicht, und im Hintergrund das aufgebrummte Schiff, auf dem sich Männer vergeblich abmühten, es wieder flott zu kriegen. Sie gaben nicht auf, zäh und verbissen schufteten sie noch immer, versuchten es erneut und hatten doch keine Hoffnung, jemals aus eigener Kraft freizukommen.
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Drakes Gedanken kreisten augenblicklich um einen ganz bestimmten Punkt. War es möglich, daß dieser Seewolf ihn schon einmal angegriffen hatte, überlegte er. Waren sie aufeinander losgegangen, ohne zu wissen, wen sie vor sich hatten? So wie jetzt vor ganz kurzer Zeit? Fast glaubte er es, doch seine Gedanken rissen jäh ab, als Hasard das Schott der Kammer aufriß und nach Ed Carberry und Ben Brighton rief. Carberry, durchfuhr es Drake, der narbengesichtige Profos, durch den alles in die Brüche gegangen war. Was sollte der denn hier? Wieder einmal begann Drake, sich ausgesprochen unwohl zu fühlen, und als die beiden Männer kurz danach eintraten, wandte er sich nur sehr langsam um. Der Profos stand im angelehnten Schott. Er schlug die Augen vor Drake nicht nieder, und der Admiral hielt diesem ruhigen überlegenen Blick nicht lange stand. Himmel, dachte er, was war nur aus diesen Kerlen geworden! Er hatte erwartet, einen ziemlich undisziplinierten Haufen vorzufinden, eine Horde Seezigeuner, aber er entdeckte das genaue Gegenteil. Das Schiff befand sich in einem einwandfreien blitzsauberen Zustand, die Kerle waren sauber gekleidet und benahmen sich durchaus diszipliniert, zurückhaltend und korrekt, fast eisig höflich, dabei aber durchblicken lassend, daß sie vor ihm, dem Admiral, keinen Respekt empfanden. Sie akzeptierten ihn lediglich und wußten, daß er auf ihre Hilfe angewiesen war. Diese Erkenntnis war für Drake wiederum bitter, und so streifte er den Seewolf mit einem langen nachdenklichen Blick. „Sir?“ fragte Carberry und schob sein Rammkinn vor. „Wir beginnen unverzüglich mit der Arbeit“, sagte Hasard. „Ben wird das Bergungskommando zusammenstellen. und du wirst es leiten. Ed!“ Drake wurde so steif, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Sein Gesicht verfärbte sich leicht, und sein Atem ging etwas schneller.
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Verdammt! Dieser Seewolf war impertinent genug, ausgerechnet dem Profos Carberry das Bergungskommando zu übergeben! Ausgerechnet Carberry, seinem ehemaligen Profos, diesen Kerl vom gemeinen Schiffsvolk, den er einmal abwertend weit hinter John Doughty gestellt hatte. Das hatten weder der Profos noch Hasard jemals vergessen, und schon gar nicht Drake in seiner Starrköpfigkeit, auch wenn er sich nicht gern daran erinnerte. Jetzt aber brachen die alten Wunden wieder auf, und er mußte auch diese moralische Ohrfeige zähneknirschend einstecken. Innerlich kochte er vor Wut als der Profos Haltung annahm und ihn selbst nur mit einem kurzen gleichgültigen Blick streifte. „Aye, aye, Sir!“ schrie Ed mit seiner Donnerstimme. Dann drehte Ben Brighton sich um, und der Profos folgte ihm. Sein mächtiges Kreuz füllte den gesamten Rahmen des Schotts aus. „Carberry ist ein sehr guter Mann mit viel Erfahrung“, sagte Hasard im Plauderton, und Drake glaubte die feine Ironie aus den Worten deutlich heraus zu hören. Am. liebsten hätte er diesen Killigrew in den Schlund eines Zwanzig-Pfünders gesteckt und weit hinaus auf die See geschossen. „Sie werden das am besten beurteilen können, Kapitän Killigrew“, sagte er gepreßt, „obwohl ich an Ihrer Stelle dem Bootsmann Brighton das Kommando überlassen hätte. Aber ich will Sie nicht bevormunden, und ich glaube, Ihre Beweggründe auch zu verstehen.“ Sein Mund verzog sich zu einem entsagungsvollen Lächeln, doch seine Augen blieben ernst und kühl. Es war nicht mehr als ein bloßes schmerzliches Verziehen seiner Lippen. Er rang sich mühsam die weiteren Worte von den Lippen. „Ich stehe in Ihrer Schuld, Mister Killigrew. Es war eine Glanzleistung, wie Sie den Angriff dieser spanischen Galeeren abgewehrt haben. Ich glaube“, setzte er
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leise hinzu, „wir hätten kein sehr gutes Bild abgegeben, eben wegen unser äußerst prekären Lage.“ „Meine Mannschaft ist gut aufeinander eingespielt und hat auch die nötige Erfahrung“, antwortete Hasard, und wiederum sah er, wie Drake leicht zusammenfuhr. Himmel, er wollte nicht ständig Ohrfeigen verteilen, doch alles, was er sagte, kriegte Drake in den falschen Hals und empfand es als Arroganz oder Überlegenheit. Verdammt, war seine, Drakes Mannschaft, nicht ebenfalls gut aufeinander eingespielt? Nein, sie war es zweifellos nicht, wie er vor sich selbst zugeben mußte. Es war ein zusammengewürfelter Haufen teilweise mit, teilweise ohne Erfahrung, und die Seewölfe hatten ihnen Jahre voraus, die nicht mehr aufzuholen waren. Das hatten sie ihm immer wieder knallhart bewiesen. Drake gingen immer wieder die Meldungen im Kopf herum, wonach längst bekannt war, daß sich ein englischer Verband den spanischen Häfen näherte, um sie zu überfallen. Das bereitete ihm Sorgen, aber mit dem Seewolf wollte er jetzt nicht weiter darüber diskutieren, es blieb keine Zeit mehr. Sie mußten von der Sandbank herunter, und zusammen würden sie es auch schaffen, davon war er überzeugt. Auf dem Deck war inzwischen Gepolter zu hören. Boote wurden abgefiert, Kommandos erklangen und Schritte polterten. Die „Isabella“ war jäh zum Leben erwacht. „Wir sehen uns später“, sagte Drake. „Im Augenblick danke ich Ihnen für Ihre Hilfe, Mister Killigrew.“ „Keine Ursache, Sir. Das Kommando unter Carberry wird sein Bestes tun, das verspreche ich Ihnen.“ Drake verschluckte sich fast, als er aus der Kammer trat. Er sah den Profos an Deck stehen und staunte über die Schnelligkeit, mit der alles vonstatten ging. Ja, dachte er beklommen, in dem narbengesichtigen Burschen hatte er wirklich einen guten Mann verloren, da halfen alle inneren Ausflüchte nicht. Das
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war ein Kerl aus Eisen, auch wenn er zehnmal zum niederen Schiffsvolk zählen mochte. Drake entsann sich jedenfalls nicht, einen gleichwertigen Mann an Bord zu haben. Gemessen und würdevoll bestieg er das Boot und ließ sich zur „Elizabeth Bonaventura“ zurückpullen. 7. Sehr spät in dieser Nacht wurde in der Nähe der Sandbank geschuftet und geschwitzt. Die „Isabella“ war ankerauf gegangen und befand sich jetzt achterlich vom Flaggschiff. Carberry hatte mit zwei Booten Anker ausgefahren und sie weit hinter der Galeone in den Grund gesetzt. Einige der Seeleute Drakes begriffen nicht so recht, was der narbengesichtige Profos plante, und sie mußten sich so manches spöttische Wort anhören, wenn Carberry die Arme in die Hüften stemmte und seine Donnerstimme erhob. „Ja, begreift ihr lausigen Kojenpisser denn nicht, wie das Manöver abläuft, was, wie? Die Trossen werden jetzt auf dem Flaggschiff belegt und laufen über unsere Winschen. Willig, willig, ihr Kanalsegler, pullt sie hinüber! Belegt das!“ In Drakes Beibooten mühten sich fluchende und schwitzende Männer ab, die schweren Taue hinüberzuwuchten. Es war eine Plackerei, eine schweißtreibende Arbeit, und immer wieder passierte es, daß Drakes Männer fast hilflos dastanden, und sich viele der Handgriffe erklären lassen mußten, was Carberry immer wieder mit saftigen Flüchen begleitete. Vom Achterdeck des Flaggschiffes sahen Drake und Thomas Fenner zu. Sie zuckten jedesmal zusammen, wenn der Profos von triefäugigen Kakerlaken, Kanalratten und Affenärschen sprach und den Burschen Feuer unter den Achtersteven versprach, wenn sie nicht hart zupackten und sofort kapierten, was er wollte. „Was sind das nur für Männer!“ sagte Kapitän Fenner immer wieder
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kopfschüttelnd zu Drake. „Diese Kerle klotzen heran, packen zu, und schon sitzt jeder Handgriff. Es ist beschämend, daß unsere Mannschaft das nicht schafft. Sie ist nicht halb so gut aufeinander eingespielt wie diese Seewölfe. Die stecken uns ganz verächtlich in die Tasche.“ Drakes Lippen waren zwei schmale Striche. „Ich weiß, ich weiß“, sagte er ungeduldig, „aber Sie haben diesen Killigrew selbst kennengelernt und wissen nun, wie er ist. Und die Kerle sind genauso hart, unnachgiebig und erfahren wie er. Sie haben die ganze Welt umsegelt, Fenner, haben Erfahrungen gesammelt, und sind von diesem Seewolf immer wieder hart rangenommen worden. Unsere Leute sind zu einem Großteil gepreßt und schlecht ausgebildet, sie sind mürrisch und plagen sich für einen bescheidenen Sold ab. Die haben keine Lust, und sie sind auch nicht frei wie Killigrews Seewölfe. Vielleicht ist das der feine Unterschied.“ Unterdessen wurden immer mehr Taljen und Blöcke eingesetzt, um den Kraftaufwand so gering wie möglich zu halten. Die Trossen wurden mit den Taljen und Blöcken verschäkelt und durchgesetzt. Die ersten Männer stemmten sich in die Spillspaken und warteten auf das Kommando. Auch auf dem Flaggschiff brüllten Bootsmänner und der Profos und trieben die Leute ans Spill. Ed Carberry umrundete mit dem Beiboot zuerst die „Isabella“, dann das Flaggschiff, überprüfte die Ankertrossen, untersuchte die Taljen und Blöcke und sah hinauf. Im Mondlicht sah sein Gesicht noch narbiger und grimmiger aus als bei Tage. „Legt euch in die Spaken, wenn ich es sage, ihr lausigen Sandrutscher!“ rief er hinauf. „Und setzt alle Kräfte ein, sonst fressen euch die Dons mit Haut und Haaren, wenn sie hier auf - kreuzen. Orientiert euch nach uns, richtet euch genau nach dem Kommando!“ Überall lauerten sie an den Spaken der Spills. Zu dritt und zu viert standen sie eng beisammen, die Muskeln gespannt, die Blicke nach vorn gerichtet.
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„Hol durch!“ schrie Ed. Unter lautem Gebrüll, sich gegenseitig anfeuernd, legten sich die Männer in die Spillspaken. Sie traten auf der Stelle, bis die erste Trägheit der steifen Trossen überwunden war, und stemmten sich dann hart von den Planken ab. Anfangs schienen die Trossen brechen zu wollen, in den Taljen und Blöcken knarrte und quietschte es, und dann ging es nicht mehr weiter. Die Trossen waren zum Zerreißen gespannt. „Ruht euch ja nicht aus, ihr Müdmänner!“ brüllte Ed. „Geht keine Spanne zurück, holt durch, holt durch! Willig, willig!'` Sturzbäche von Schweiß liefen über die Gesichter. Die Muskeln traten hart hervor, und es hatte den Anschein, als würden die Kräfte der Männer unter dem ungeheuren Zug schon jetzt erlahmen. „Das ist nur der Anfang“, sagte Carberry. „Das dauert solange, bis der Kasten kapiert, daß er nicht mehr dagegen an kann, und dann gibt er nach. Hol weiter durch!“ Was er brüllte oder schrie, galt nur für die anderen. Den Seewölfen brauchte er es nicht zu sagen, die wußten, was sie zu tun hatten und feuerten sich gegenseitig an. Auf der „Isabella“ ging plötzlich ein Schrei hoch. „Ar-we-nack!“ brüllte jemand, und sofort pflanzte sich der alte Kampfschrei der Seewölfe fort, jagte den Soldaten und Seeleuten einen kalten Schauer über die Rücken und animierte sie dazu, alles herzugeben, was in ihren Kräften stand. Schaurig laut und beängstigend klang dieses „Ar-we-nack“ durch die Nacht, bis es unter dem Kiel des Flaggschiffes zum ersten Male hörbar zu knirschen begann. Der Ruck war durch das ganze Flaggschiff zu spüren. Es wälzte sich schwerfällig über den Sand, das Spill drehte sich für Augenblicke schneller, es ging etwas leichter, und die „Elizabeth Bonaventura“ rutschte eine Handbreite achteraus. Dieser Erfolg wurde von einem orkanartigen Brüllen begleitet und stachelte die Männer an. Dazwischen klang Carberrys Stimme wie Donnergrollen.
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„Holt durch, holt durch!“ schrie er. „Holt weiter durch, ihr Rübenschweine, bis euch das Wasser im Hintern kocht. Seid ihr Säuglinge oder Wickelkinder, was, wie?“ Carberrys Worte versetzten Drakes Seeleute in Raserei und nötigten ihnen einen ungeheuren Kraftaufwand ab. Wenn sie sich in die Spaken legten und schrien, dann war das blanke Wut, und die ließen sie im Geiste an dem tobenden und brüllenden Profos aus, ganz so wie Ed das beabsichtigt hatte. Was sie in den Händen hielten, waren Knüppel, um den Profos damit zu erschlagen, diesen narbigen Rauhbautz, der sie zutiefst beleidigte. Ed hockte im Boot, grinste fürchterlich und schrie sich die Kehle heiser, bis die ersten Flüche erschallten. „Du Hund, du lausiger!“ schrien einige, mit Wut bis zum Bersten angefüllt. „Warte es nur ab! Dir werden wir es schon zeigen!“ „Ha, ihr kraftlosen Säcke!“ brüllte Carberry zurück. „Ihr habt ja keinen Mumm in den Knochen!“ Ihr Brüllen steigerte sich, und ihre Wut wuchs, und gleich darauf erfolgte der nächste Ruck. Unter dem Kiel schabte es, die schwere Galeone legte sich unmerklich auf die Seite, und als sie sich erneut grimmig in die Spaken legten, zog sich das Flaggschiff wie von Geisterhänden bewegt, noch weiter achteraus. Carberry versprach, lockte, drohte und bepöbelte die Kerle, versprach ihnen die Hölle auf Erden, drohte ihnen mit der Neunschwänzigen und schaffte es, den Haufen Kerle in eine nie gekannte Raserei zu versetzen, indem er sie lauthals beleidigte und mit allem möglichen Ungeziefer verglich. „Die hassen ihn so, daß sie ihn später totschlagen werden“, sagte Thomas Fenner erschüttert. „Aber er erreicht, was er will“, erwiderte Drake. „Und wenn wir frei sind, werden sie ihn nicht totschlagen, sondern ihm um den Hals fallen. Dieser Mann hat eine unglaubliche Begabung mit den Leuten genau richtig umzuspringen. Im Geist haben sie ihn tausendmal umgebracht.“
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Fenner sagte gar nichts mehr. Ein neuer Ruck erfolgte und brachte sie wieder ein Stück von der Sandbank herunter. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis das Flaggschiff frei war, denn jetzt wollten es die tobenden Männer ganz genau wissen, um dem Profos zu beweisen, daß sie es schafften und er Unrecht hatte. Am Horizont begann es dämmrig zu werden. Da hatten sie sich längst die Kehlen heiser geschrien und waren total erschöpft. Sie hatten auch keinen Haß mehr auf den Profos, denn sie erkannten seine Taktik, mit der er bis aufs Blut gereizt und immer wieder angespornt hatte. Das Flaggschiff war frei, es hatte wieder Wasser unter dem Kiel. Drake ließ an die Männer Rum ausgeben, und als Carberry an Bord kletterte, sahen sie ihn stumm an, bis einer der Soldaten erschöpft grinsend das Gesicht verzog und auf ihn deutete. „Seht euch diesen Himmelhund an“, sagte er, „seht euch diesen häßlichen Klotz genau an. Wollten wir ihn vorhin nicht in einzelne Fetzen reißen? Ich sage Hurra, er kriegt die Hälfte von meinem Rum.“ „Hätte ich von euch gar nicht erwartet, ihr Hurensöhne!“ sagte Ed und grinste sie an. Die Hurra-Rufe wurden lauter und lauter, und dann war Ed Carberry der Held des Tages. Sie ließen ihn hochleben und schrien, bis Francis Drake sich oben auf dem Achterdeck an Fenner wandte, der wie gebannt auf die Szene starrte. „Ein merkwürdiger Vorgang“, sagte er. „Zuerst wollten sie ihn umbringen, und jetzt küssen sie ihm die Stiefel. So ähnlich habe ich mir das gedacht. Können Sie sich in die Lage des Schiffsvolkes versetzen, Mister Fenner?“ „Nein“, sagte Fenner erschüttert, „nein, Sir, das kann ich nicht, wirklich nicht.“ „Mitunter begreife ich es auch nicht. Vielleicht hätte ich ihn damals doch nicht so zurückstellen sollen.“ Das Flaggschiff schwamm jetzt. Die beiden Schiffe lösten sich vorsichtig voneinander und suchten tieferes Wasser auf.
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Ferris Tucker, Big Old Shane und der Zimmermann des Flaggschiffes waren damit beschäftigt, einen neuen Bugspriet zu zimmern. Tucker verwendete dazu das afrikanische Hartholz, das sie auf der „Isabella“ mitführten, eine Holzsorte, die sich bisher allerbestens bewährt hatte. Dabei konnte der Schiffszimmermann von Tucker einiges lernen, was Schnelligkeit und äußerste Genauigkeit betraf, denn Big Old Shane und Tucker waren ebenfalls aufeinander eingespielt, so daß alles reibungslos und ohne große Worte verlief und der Zimmermann sich immer wieder verblüfft den Schädel kratzte, wenn er Tucker bei der, Arbeit zusah. Der rothaarige Kerl schien den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als neue Bugspriets einzusetzen. Und wenn er seine riesengroße, beängstigend scharfe Axt hoch über den Kopf schwang, dann schlug er nie daneben, und traf immer genau das, was er auch wollte. Der Respekt vor den Seewölfen wuchs, gleichzeitig aber bemerkte die Mannschaft auch, daß der Admiral immer wieder nachdenklich auf die Seewölfe blickte und seine eigene Crew fast geringschätzig musterte. Sie alle wußten, daß sie sich von diesen Kerlen eine große Scheibe abschneiden konnten, denn die hatten es ihnen in dieser Nacht überdeutlich bewiesen, was echte Seemannschaft hieß. Einige vertrugen das nicht, andere nahmen es gelassen hin, und der Rest war ziemlich beschämt. Im Morgengrauen ging es ankerauf, und die Segel wurden gesetzt. Beide Schiffe schwangen auf Südkurs und nahmen Fahrt auf. 8. Das erste Schiff, das im Laufe des Morgens gesichtet wurde, war die „Dreadnought“ unter Kapitän Robert Seymour, die von Norden heransegelte und sich dem Flaggschiff anschloß.
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Die „Elizabeth Bonaventura“ und die „Isabella“ segelten langsam weiter, damit die anderen Zeit hatten, aufzuschließen. Etwas später gesellten sich die „Rainbow“ unter Kapitän John Wight, die „Golden Lion“ geführt von Vizeadmiral William Borough und zwei schwerarmierte Galeonen der Londoner Kaufleute hinzu. Der Verband wuchs im Laufe des Tages weiter an, als weitere Segler hinzustießen. Einige der Schiffe, die für Aufklärungsoder Wachdienste eingesetzt waren, lagen in der Größenordnung von fünfundzwanzig, fünfzig und hundert Tonnen. Hasard sah immer wieder zu den Schiffen hinüber, die jetzt eine beachtliche Kampfkraft darstellten. Fast stündlich begann der Verband anzuwachsen. „Wie hat Drake sich das eigentlich vorgestellt?“ fragte Ben Brighton den Seewolf. „Sollen wir zu allem Ja und Amen sagen, was er anordnet? Nehmen wir Befehle von ihm entgegen? Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht.“ „Drake ließ sich nicht genau darüber aus, er will erst eine Lagebesprechung ansetzen, sobald der Verband komplett ist. Ich bin bereit, kräftig mitzumischen, allerdings nicht unter Drakes Kommando, sondern frei und unabhängig. Das habe ich dem Admiral in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben.“ „Und wie hat er es aufgenommen?“ „Wie ich es erwartet habe. Er war leicht verärgert, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.“ „Vermutlich, weil er in unserer Schuld steht. Drake kann so etwas nicht verkraften. Er ist der Admiral, und die anderen haben gefälligst zu gehorchen.“ „Er hat viel eingesteckt“, sagte Hasard, „und es hat ihm auch zu denken gegeben. Ich weiß nicht, ob er seine Ansicht über uns revidiert hat, ich weiß auch nicht, was er denkt, ich kann nur Vermutungen anstellen. Ein Mann seines Kalibers begreift nicht, daß wir frei sein wollen, er sieht nur seine Karriere, die ihm über alles geht. Dabei verliert er etwas die Übersicht. Er denkt nicht sehr viel weiter, er führt das
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aus, was ihm aufgetragen wird und versucht ständig, Ruhm an seine Flagge zu heften, um noch besser und glorreicher dazustehen.“ „Ja, so wird es wohl sein“, sagte Ben nachdenklich. „In der Gesellschaft bornierter Höflinge und Intriganten färbt das alles ein wenig ab. Ich möchte in diesen Kreisen jedenfalls nicht verkehren.“ „Dazu wirst du auch kaum Gelegenheit erhalten. Wir bleiben, was wir sind, und eher holt mich der Teufel lotweise, als daß ich mich Drake unterstelle.“ „Konsequenz imponiert dem Admiral aber“, sagte Ben. „Mag sein, es ist mir gleichgültig. Er wird es jedenfalls nie zugeben. Wir haben ihm bewiesen, was wir können, und daraus soll er Konsequenzen ziehen, wie er will. Ich liege mit Drake nur nautisch auf einem Kurs, und das nur vorübergehend. Geistig haben sich unsere Wege längst getrennt.“ Sie segelten weiter, den Tag hindurch, dann in die Dämmerung und in die Nacht hinein, und immer wieder stießen kleinere und größere Schiffe zu dem Verband. * Am 26. April erreichte der Verband siebzehn Meilen querab von Lissabon seinen Treffpunkt. Noch immer stießen vereinzelte Schiffe zu ihnen, die im Lauf des Tages herankrebsten und sich anschlossen. Die Ansammlung wurde größer und wuchs beängstigend an. Ein einmastiger Segler von fünfundzwanzig Tonnen galt als verloren. Vermutlich war er bei dem fürchterlichen Sturm am Kap untergegangen. Niemand hatte ihn seither gesehen. Am Nachmittag näherte sich ein kleines Boot der „Isabella“, in dem der Profos des Flaggschiffes saß. Er enterte auf und grüßte den Seewolf respektvoll. „Admiral Drake läßt Ihnen seine Einladung zu der angesetzten Lagebesprechung überbringen, Sir, und fragt an, ob er mit Ihrer Anwesenheit rechnen kann.“ „Wo hast du denn diese geschwollenen
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Sätze her?“ fragte Carberry den Mann und grinste. „Die habe ich auswendig gelernt“, knurrte der Profos. „Man hat sie mir zehnmal vorgekaut.“ „Ja, ich werde daran teilnehmen, lassen Sie den Admiral das wissen, Profos. Sind die anderen schon da?“ „Sie sind unterwegs, Sir?“ „Gut, fiert das Beiboot ab“, befahl Hasard. „Zwei Mann genügen, die mich hinüberpullen.“ Als der Profos wieder abenterte, grinste der junge O'Flynn. „Dann wirst du dich ja in sehr erlauchter Gesellschaft bewegen, Hasard. Stinkvornehme Herren, denen der Kalk durch die Gebeine rieselt. Glaubst du, du wirst dich wohlfühlen?“ „Halt die Schnauze, Mister O'Flynn“, sagte Carberry gemütlich, „sonst stopfe ich sie dir! Der Seewolf ist keinem unterstellt, egal, was die Kerle auch immer denken, kapiert!“ „Was, wie?“ sagte Dan. „Das hast du eben noch vergessen.“ Carberry trat einen Schritt vor, aber Dan räusperte sich nur und drehte sich um. Grinsend verschwand er. „Ich werde mich ganz sicher nicht wohlfühlen“, sagte Hasard. „Da hat Dan ganz recht, ich bin es nicht mehr gewohnt.“ „Du wirst schon mit ihnen fertig, wenn sie überhaupt etwas von dir wollen“, meinte Brighton. „Die trauen sich doch gar nicht, sich mit dir anzulegen.“ Etwas später war das Boot unterwegs und pullte dem Flaggschiff entgegen, wo bereits andere Boote lagen. Neue gesellten sich hinzu, und Hasard sah die ersten Kapitäne, die oben an Deck empfangen und zu Drakes Kammer geleitet wurden. Einige waren stutzerhaft gekleidet und hatten hochmütige und blasierte Gesichter aufgesetzt. Als Hasard in Drakes Kammer erschien, verstummte das Geraune, und alle Augen starrten ihn an. Er gab den Blick gelassen zurück, zählte einschließlich Drake, fünfzehn Kapitäne und nickte ihnen zu. Auch Fenner war
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dabei, der den Seewolf mit einem wohlwollenden Blick bedachte. Drake erhob sich und deutete auf den Seewolf. In der Kammer wurde es totenstill. „Ich möchte Ihnen Kapitän Philip Hasard Killigrew vorstellen, Gentlemen“, sagte er, „von der ,Isabella acht`.“ Mißtrauische Blicke wurden auf den Seewolf gerichtet, die ehrenwerten Herren murmelten etwas und blickten ziemlich hochmütig und arrogant aus ihrer Kleidung. Drake stellte nun seinerseits die Gentlemen mit einer schnellen Handbewegung vor, aber Hasard konnte die Namen, die da auf ihn einprasselten nicht alle behalten. Lediglich ein Mann stach aus der Menge hervor: William Borough, der Kommandant der „Golden Lion“, der dem Seewolf freundlich zunickte. „Killigrew?“ hörte er sie tuscheln. Sie genierten sich nicht, seinen Namen durchzukauen und genüßlich in die Länge zu ziehen. „Killigrew — der Seewolf“, sagte einer, ein blasierter aufgeblasener Typ, der Hasard fast geringschätzig musterte. „Da war doch vor einigen Jahren mal etwas. Hieß es nicht, dieser Mann habe Konflikte mit der Königin gehabt?“ „Er soll einen Teil der Schätze beiseite geschafft haben“, murmelte unüberhörbar ein anderer, „Schätze, die eigentlich der Krone zustanden und gehörten.“ „Ach, das ist der Killigrew?“ Irgendwo an der langen Tafel wurde leise und hämisch gekichert. Zwei geckenhaft gekleidete Männer zwinkerten sich zu. Hasard musterte sie eisig. Von ihm strömte eine eiskalte und gefährliche Atmosphäre aus, die den stutzerhaft gekleideten Kapitän schlagartig verstummen ließ. Einen kurzen Augenblick sah er in die eisblauen Augen, dann blickte er auf die Tafel, scharrte mit den Füßen und begann unruhig zu werden, als der Blick des Seewolfs immer noch unheilverkündend auf ihm hing. „Gentlemen“, sagte Drake kalt, „ich wünsche hier keine Reibereien und keinen
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Streit. Ich muß Sie bitten, sich zusammenzunehmen. Falls Sie persönliche Differenzen haben, dann tragen sie die nicht hier aus! Ich habe eine Lagebesprechung angesetzt und keinen Klatschabend.“ Die Männer schwiegen sofort. Aber dem Seewolf entging nicht das versteckte Grinsen, mit dem sie zum Ausdruck brachten, wie sie über ihn dachten. Er sah sie lange an, einen nach dem anderen unterzog er eine genaue Musterung. Nein, er paßte nicht mehr in diese Kreise und fühlte sich beileibe nicht wohl. Dan O'Flynn hatte das ganz richtig gesehen. Hier saßen wirklich verstaubte karrieresüchtige Burschen herum, die sich von den Höflingen, Intriganten und Lordschaften wie Pembroke kaum unterschieden. In Plüsch und Pomp, Samt und Seide saßen sie da, verstaubten Marionetten ähnlich, die man auf irgendeinem Speicher oder Keller vergessen hatte. Engstirnige, bornierte Gents, voller Überheblichkeit, die mit Macht nach oben drängten, zur Spitze gehören wollten und auf ihrem Weg nach oben keine Hinterhältigkeit scheuten. Lediglich dieser Borough unterschied sich von ihnen deutlich. Das schien ein aufrechter, ehrlicher und offener Mann zu sein, mit klaren Augen und geradem Blick, der nicht den Kopf senkte oder dämlich grinste, wenn man ihn ansah. Auch die Kapitäne der Kauffahrer unterschieden sich nicht sonderlich von den anderen. Sie hatten die Gelegenheit beim Schopf gepackt und gierten nach Ruhm, Beute und Ansehen. Nach Hasards Ansicht waren es Leisetreter, die den offenen, ehrlichen Kampf scheuten und nur aus dem Hintergrund operierten. Seine Lippen kräuselten sich verächtlich, und als Kapitän Borough das sah, und die Gedanken hinter der Stirn des Seewolfs zu erkennen glaubte, da begann er plötzlich zu lächeln, und nickte Hasard ein zweites Mal freundlich zu.
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Der Seewolf gab dieses Lächeln zurück. Zwischen den beiden Männern bestand ein plötzliches Einvernehmen und Verstehen. Drake hatte spanischen Rotwein kredenzen lassen und nahm am Kopfende der Tafel Platz. „Ich möchte Ihnen jetzt mitteilen, um was es geht, meine Herren“, sagte er. „Unser Verband wird weitersegeln in Richtung Cadiz. Dort werden wir blitzartig den Hafen überfallen und angreifen: Für seine Allerkatholischste Majestät, König Philip, wird das ein überraschender Schlag sein, trotz allem, was ich bisher gehört habe, was uns aber nur am Rande interessiert. Ich halte es zu einem großen Teil für Gerüchte. Angeblich ist man unterrichtet, daß ein englischer Verband unterwegs sei, wie Kapitän Killigrew andeutete.“ Hasard rührte sich nicht. Er hob den Becher und trank einen Schluck. über den Rand des Bechers sah er dabei Francis Drake genau in die Augen. „Cadiz also“, sagte Borough mit seiner klaren Stimme. „Das wird den Dons sicher einen Schock versetzen. Dürfen wir über das Vorgehen mehr erfahren, Sir? Einzelheiten, wie wir operieren, wie sich der Verband aufgliedert, und was der Dinge mehr sind.“ Drake musterte den Kapitän, der als siegreicher Führer eines Seegefechtes gegen die Dänen hervorgegangen war, und dabei ausgezeichnete Qualitäten bewiesen hatte. „Ich sagte, wir überfallen Cadiz, Kapitän Borough“, erwiderte Drake scharf. „Das genügt vorerst.“ „Es tut mir leid, wenn ich Ihnen widerspreche, Sir“, sagte der Kapitän ruhig. „Aber wenn wir den Hafen überfallen und angreifen, dann muß dem ein detaillierter Plan zugrunde liegen. Aus diesem Grund bitte ich um nähere Einzelheiten. Es erscheint mir gelinde gesagt, absurd, Sir, wenn wir im ganzen Verband einfach drauflossegeln und jeder das tut, was ihm gerade einfällt.“ „Das erscheint Ihnen absurd?“ brauste Drake auf. „Ich habe Ihnen einen klaren und unmißverständlichen Befehl gegeben,
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Kapitän, und Sie wagen es von absurd zu sprechen! Für Einzelheiten haben wir vor Cadiz Zeit, noch sind wir nicht da.“ Hasard sah, wie Borough rot anlief und seinen Weinbrecher mit der Hand umkrampfte. Sehr ruhig und gelassen hob Hasard den Kopf. „Ich teile die Ansicht Kapitäns Borough“, sagte er. „Ich kenne auch den Hafen von Cadiz genau. Man hat mich in der Festung von Cadiz zum Tode durch Erschießen verurteilt, aber meine Männer haben dort eingegriffen und mir zur Flucht verholfen, bevor die Dons ihr Urteil vollstrecken konnten. Das liegt jedoch schon einige Jahre zurück und ist kaum noch einer Erwähnung wert. Etwas anderes interessiert in diesem Zusammenhang allerdings mehr, Sir!“ Er sah Drake an und erkannte, daß dem Admiral das alles überhaupt nicht paßte, denn Drake trommelte nervös mit den Fingern seiner Rechten auf der Tischplatte herum. Aber Hasard war das völlig gleichgültig, es galt, Drake vor einem schweren Fehler zu bewahren und unnötige Verluste an Menschenleben und Schiffen zu vermeiden. „Ich mußte in einer Bucht etwa fünfzig Meilen südlich von Cadiz Schutz suchen, um nicht von den spanischen Verbänden entdeckt zu werden“, fuhr er fort und berichtete, was sich dort, und auch später, alles auf der Reede von Cadiz zugetragen hatte. Drake starrte ihn an. Seine Gesichtsfarbe hatte eine unnatürliche Blässe angenommen. „Sie wollen damit sagen, Mister Killigrew, daß Sie also insgesamt drei der großen spanischen Zweidecker, unter ihnen die Admirals-Galeone, versenkt haben?“ Der Seewolf nickte kühl und warf gleichzeitig einen Blick auf Borough, der sich interessiert vorgeneigt hatte und ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen ansah. Drake sprang auf, er konnte sich nicht mehr beherrschen. „Wissen Sie eigentlich, Mister Killigrew,
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daß Sie mit Ihrer Eigenmächtigkeit mein ganzes Unternehmen gefährdet haben?” schrie er außer sich vor Wut. „Ich werde Sie ...“ Auch der Seewolf hatte sich erhoben und blitzte Drake an. „Nichts werden Sie, Admiral, gar nichts. Von einer Eigenmächtigkeit meinerseits kann gar keine Rede sein, denn ich habe nicht gewußt, daß Sie mit Ihrem Verband in diesen Gewässern kreuzen. Trotzdem rate ich Ihnen, von Ihrem Plan Abstand zu nehmen. Die Spanier sind durch den Verlust ihrer drei Schiffe gewarnt, die Reede von Cadiz wird bestimmt überwacht — ich denke an Galeeren. Wenn Sie so vorgehen, wie Sie das vorhaben, dann wird es bei Ihnen schwere Verluste geben. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen, Sir.“ Drake atmete schwer. Dann blickte er Hasard kühl an. „Das alles war sehr interessant und aufschlußreich, Mister Killigrew“, sagte er eisig, „aber auch ich kenne den Hafen und habe die Details im Kopf. Es ist also nicht nötig, daß Sie mir Angriffsvorschläge unterbreiten. Ich danke Ihnen trotzdem für Ihr Engagement.“ Er warf Hasard einen verletzenden Blick zu und freute sich insgeheim, dem Seewolf eine der vielen Ohrfeigen, die er erhalten hatte, zurückgegeben zu haben. „Keine Ursache“, sagte Hasard ebenso kalt. „Dann darf ich mich wohl von Bord melden.“ „Heißt das, Sie haben nicht die Absicht, für England zu kämpfen?“ rief Drake mit rotem Kopf. „Sie haben mich mißverstanden, Admiral. Natürlich werde ich jederzeit für England kämpfen, aber ich möchte nicht das Leben meiner Männer vorsätzlich gefährden, indem ich mich einem närrischen, planlosen Unternehmen anschließe. Ich sehe darin leider keinen Sinn, Sir! Es war mir ein Vergnügen, Gentlemen.“ Aus den Augenwinkeln registrierte Hasard, wie die erlauchten Gentlemen in eine merkwürdige Starre verfielen, wie Drake einen puterroten Kopf kriegte und pausenlos schluckte und Kapitän William
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Borough ganz offen grinste und alle Mühe hatte, über Killigrews Worte nicht laut zu lachen. Drake stand wie festgeschraubt am Tisch, sah ihm wütend nach und setzte sich empört, als Hasard den Raum verließ. Nein, dachte der Seewolf, als er zur Kuhl. ging, Konzepte dieser Art behagen mir ganz und gar nicht. Entweder legt Drake seine Karten offen auf den Tisch, so daß man jederzeit mitspielen kann, oder aber er deckt sie zu und spielt allein weiter. Deshalb setze ich nicht das Leben meiner Männer aufs Spiel. Das hieße nichts anderes, als Drake blindlings in seinem Kielwasser zu folgen und den Affen zu spielen. Ein leichtes Lächeln lag auf Hasards Lippen, als er ins Boot stieg und sich zurückpullen ließ. „Das ging aber schnell“, sagte Ed. „Veranstalten die anderen jetzt einen Saufabend?“ „Sie begnügen sich mit dummem Geschwafel und hören einem störrischen Hitzkopf zu, der gar nicht daran denkt, sie in seine Pläne einzuweihen. Ich habe die Karten hingeschmissen, Ed. Wir gehen ankerauf und lösen uns von dem Verband.“ „Richtigen Streit mit Drake?“ fragte der Profos. „Meinungsverschiedenheiten. Wir haben grundlegend andere Ansichten. Während Drake irgendwo dort oben auf dem Mond hockt, stehe ich noch auf der Erde. Wir heizen den Dons selbst ein und gehen Kurs auf Cadiz.“ „Das wird Drake aber freuen, Sir.“ „Sicher, er hatte ja schon lange nichts mehr zu lachen. Mir ist dieses bornierte Hornochsengeschwader zuwider, bis auf eine Ausnahme, und das ist Kapitän Borough. Der nimmt kein Blatt vor den Mund und wird mit Drake noch öfter zusammenrasseln.“ Auf der „Isabella“ wurden kurz darauf der Anker gehievt und die Segel gesetzt. In diesem Augenblick sah Hasard auch, wie Kapitän Borough über das Deck stürmte und das Flaggschiff verließ. Die anderen blieben noch und redeten Drake
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vermutlich so nach dem Maul, wie er es wünschte. Außerdem hatte Drake schamhaft verschwiegen, auf welche Art und Weise er den Seewolf erneut kennengelernt hatte. Von der Sandbank und der blamablen Niederlage war kein einziges Wort gefallen, das hatte Drake immer noch nicht verkraftet. * Während die „Isabella“ weiterhin Südkurs lief, ließ der Seewolf vor seinem geistigen Auge noch einmal den Hafen Cadiz erstehen und überlegte sein Vorgehen. Es wurde mit der gesamten Mannschaft genau besprochen. Am 28. April 1587 erreichte die Galeone spät nach Mitternacht den Hafen und schlich ungesehen in eine winzige Nebenbucht südlich von Puerto de Santa Maria, genau der Stadt und Festung von Cadiz gegenüber. Dort versteckte sie sich und ging vor Anker. Zu dieser Zeit hielt Drake die zweite Besprechung ab und rasselte prompt mit Kapitän Borough zusammen. „Sobald wir Cadiz erreichen“, sagte Drake, „wird es blitzartig und nach alter Freibeuter-Art überfallen, Gentlemen. Und damit Schluß und basta.“ „Ich muß Ihnen noch einmal widersprechen, Sir“, sagte Borough zum Entsetzen der anderen Kapitäne. „Ich sehe in diesem Überfall keinen richtigen Sinn, er scheint mir zu konzeptlos. Ich schließe mich der Meinung des offenbar sehr überlegt handelnden Kapitäns Killigrew voll und ganz an. Der Mann denkt in ganz anderen Dimensionen, er plant sorgfältig, wägt ab und trifft dann seine Entscheidung. Das hat ihn auch bis heute am Leben erhalten, und ich bedaure es zutiefst, daß er uns verlassen hat und weitersegelte. Sie hätten auf ihn hören sollen, Sir!“ „Zum Teufel!“ brauste Drake auf. „Ich befehlige das Flaggschiff, Kapitän Borough, und ich verbitte mir jede Einmischung von Ihrer Seite. Ihr Befehl lautet ganz einfach und verständlich, dem
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Flaggschiff zu folgen, nicht mehr und nicht weniger.“ „Und was sollen wir sonst noch tun, wenn wir dem Flaggschiff folgen, Sir?“ fragte der Kapitän aufsässig. „Sie sollen auf alle Spanier, die Sie sehen, feuern. Zu was, zum Teufel, haben Sie denn Ihre Kanonen!“ Borough verzog das Gesicht und ließ seinen Blick über die anderen Gesichter wandern, die zu jedem Wort Drakes nur nickten. „Schön“, sagte er patzig, „dem Flaggschiff folgen und auf jeden Spanier feuern, sehr einleuchtend, Sir.“ „Damit ist die Besprechung beendet, Gentlemen“, sagte Drake. „Ich hoffe, Sie haben nun auch endlich begriffen, Kapitän.“ „Aye, Sir, jedes Wort. Es war ein völlig klarer Befehl, und demnach kann auch nichts schiefgehen.“ Hohn troff aus seinen Worten, als er ging, und um seine Mundwinkel lag ein verächtliches Zucken. So wie Drake das plant, gibt es ein Malheur, dachte er. Aber bitte, er war der Admiral, er mußte ja alles besser wissen als die anderen, sonst hätte er es nicht so weit gebracht. 9. Noch spät in der Nacht, gegen Morgen fast, nahmen Dan O'Flynn und der Schiffsjunge Bill, der sich schon in der Bucht südlich von Cadiz so hervorragend bewährt hatte, in dem Boot Platz und pullten davon, um auszukundschaften, was sich im Hafen tat. Im Morgengrauen stieß Dan den Jungen an. „Siehst du es?“ fragte er. „Da tut sich etwas, Bill. Vier Galeeren rudern in die untere Bucht bei Port Real.“ Der Junge nickte aufgeregt. Sie hatten sich so vorzüglich verborgen, daß sie niemand sah, und selbst wenn man sie gesehen hätte, sie wären kaum aufgefallen. „Und noch zwei rudern heran“, sagte Dan gleich darauf. „Mann, da tut sich wirklich
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eine ganze Menge. Du spielst wieder den Fühlungshalter zur „Isabella“, Bill!“ „Klar, sowieso, denen werden wir es schon zeigen, was?“ Dan entsann sich grinsend, wie der Bengel den Spaniern schon einmal einen üblen Streich gespielt hatte, an eine Galeere herangeschwommen war und dem verblüfften Kapitän eine haarsträubende Geschichte in allerbestem Spanisch untergejubelt hatte, auf die die Dons auch prompt hereingefallen waren. Der Bengel hat sich ganz schön gemausert, dachte er und beobachtete weiter, was sich vor ihren Augen tat. Die sechs Galeeren ruderten heran. Gleichmäßig tauchten die Riemen ins Wasser, das Tamtam des Schlagmannes war deutlich zu hören, und im beginnenden Morgengrauen erkannte man bereits die Gestalten auf dem Deck. Es waren schwerbewaffnete Galeeren, und sie waren äußerst wendig und schnell, wenn es darauf ankam. Jetzt sahen sie schon deutlicher, wie die Kriegsgaleeren Mit mittlerer Geschwindigkeit in die untere Bucht ruderten. Dan versuchte sich vorzustellen, wie Francis Drake es wohl anstellen würde, wenn er so völlig konzeptlos in den Hafen segelte. Die Kriegsgaleeren konnten ihm und dem Verband zum Verhängnis werden, denn man sah sie von der großen Reede aus nicht. Sie aber konnten blitzschnell heranschießen und das Feuer eröffnen. „Zisch ab“, sagte Dan, „du hast selbst gesehen, wie sie hier aufmarschieren, und berichte dem Seewolf alles haarklein. Du kennst den Weg ja „noch!“ „Und du? Bleibst du noch hier?“ „Ja, ich beobachte weiter, was sich tut.“ „Soll ich noch einmal zurückkehren?“ fragte Bill. „Nicht nötig, ich kehre mit dem Boot zurück, sobald die ersten Mastspitzen an der Kimm auftauchen. Und jetzt hau endlich ab, Mann!“
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Schon daß Dan ihn „Mann“ genannt hatte, erfüllte den Bengel wiederum mit Stolz. Bevor er verschwand, sicherte er erst das Gelände, sah noch einmal auf die Wrackteile, die aus dem Wasser ragten und die von den versenkten Schiffen stammten und lief dann los. Etwas später kehrte er ungesehen auf die „Isabella“ zurück und erstattete dem Seewolf haarklein Bericht. „Prächtig, Bill“, lobte ihn Hasard. „Du wirst von Tag zu Tag besser.“ Hasard wandte sich an Ben, den Profos, Smoky, Conroy und die arideren, die sich auf dem Achterdeck aufhielten und das Unternehmen Cadiz immer wieder erörterten. „Drake segelt von Nordwesten heran“, sagte er, „und er wird sein blaues Wunder erleben, wenn die Galeeren aus dem unteren Hafen plötzlich auftauchen und sich ihm stellen.“ „Er rennt genau in sein Verderben“, prophezeite Ben. „Und das werden wir verhindern. Wie sieht es aus? Sind die Schiffe schon in Sicht?“ Im Großtopp saßen drei Ausgucks, aber da es am Horizont noch dunkel war und Wolken darunter hingen, die die Kimm verbargen, sahen die Männer noch nichts. „Das Schiff in Gefechtsbereitschaft versetzen“, ordnete der Seewolf an. „Wenn ich nachher das Zeichen gebe, setzt ihr die englische Flagge, dann hoch mit allen Segeln und nichts wie drauf auf die Dons!“ „Wir versuchen also, den Galeeren den Weg zu verlegen“, sagte Ben Brighton, „und eröffnen das Feuer in dem Augenblick, wenn sie sich herausschieben.“ „Genau das“, erwiderte Hasard. „Wenn wir Pech haben, fangen wir die ersten Kugeln“, sagte der Decksälteste Smoky, „und der Sir Admiral steht wieder glänzend und in alter Frische da.“ „Wir taktieren besser, denn wir haben einen Plan, während Drake ihn nicht hat. Der Lagebesprechung nach zu urteilen, weiß von seinen Leuten überhaupt niemand, was er. tun soll.“
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Davon, daß eine zweite Lagebesprechung stattgefunden hatte, wußte man auf der „Isabella“ noch nichts. Außerdem hatte sie ohnehin nicht viel eingebracht, und so glaubte man immer noch an ein planloses Vorgehen des Admirals. Nur sehr langsam wurde es an der Kimm hell, während der Hafen wesentlich heller wirkte. Auf den Reeden lagen Schiffe, dickbauchige Galeonen, gewaltige Brocken darunter, hinter denen sich die „Isabella“ dreimal verstecken konnte. Dazwischen lagen kleine und kleinste Segler. „Mastspitzen an der Kimm!“ rief Jeff Bowie aus dem Ausguck. Carberry rieb sich in der Vorfreu- de kommender Ereignisse die gewaltigen Pranken und stieß Ferris Tucker an. „Zeit, daß mal wieder ein paar lausige Affenärsche das große Fürchten lernen“, sagte er fröhlich. „Was, glaubst du, wird hier in kurzer Zeit los sein?“ „Der Teufel persönlich“, sagte Tucker. „Einer nur?“ Der Profos lachte. „Sind alle Mann auf den Stationen, Smoky? Wie sieht es vorn aus?“ „Alles klar, Ed. Der Tanz kann losgehen, die Kanonen sind geladen, Al Conroy leckt sich schon ständig die Lippen.“ Etwas später war der Verband unter Admiral Sir Francis Drake bereits deutlich zu erkennen, wie er von Nordwesten unter Vollzeug auf die Reede von Cadiz zusegelte. Voran die große Galeone, das Flaggschiff, gefolgt von der „Golden Lion“ unter Kapitän William Borough, im Kielwasser und etwas zu breit angelegter Formation die anderen, ganz zum Schluß die kleineren Schiffe. Hasard sah dem Aufmarsch besorgt entgegen. „Hölle und Teufel“, murmelte er, „was hat sich Drake nur dabei gedacht? Oder sieht jemand darin einen sinnvollen Aufmarsch?“ „Bisher nicht“, sagte Ben, „bisher sieht es so aus, wie du es vermutet hast.“
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In Cadiz schien zu dieser Zeit immer noch alles zu schlafen, als sich der englische Verband dem Hafen näherte. Auf einigen Schiffen blakten trübe, rußgeschwärzte Laternen, auf anderen gab es überhaupt kein Licht. Die einzigen, die anscheinend hellwach und bereit waren, schienen die bisher noch unsichtbaren Galeeren zu sein. Aber diese Ruhe konnte auch nur vorgetäuscht sein, dachte der Seewolf, und sobald der Admiral den Hafen anlief, konnte alles schlagartig zum Leben erwachen, um ihm einen heißen Empfang zu bereiten. Immer wieder beobachteten sie die anderen Schiffe auf der Reede, und ab und zu zeigte sich auch mal eine Gestalt, aber man sah sie nur, wenn man in die Wanten stieg. Auf der Galeone des Seewolfs standen die Männer bereit, den Anker zu hieven. Die anderen warteten darauf, Segel zu setzen, so daß ihr Schiff blitzschnell manövrierfähig war. Auf dem Deck glühte Holzkohle in den Messingbecken, immer noch wurden Kugel gemannt, Pützen bereitgestellt, Sand auf das Deck gestreut und Lunten entzündet. Der einzige, der sich wegen des bevorstehenden Aufmarschs nicht sonderlich aufregte, war der Kutscher. Er latschte über Deck, langte mit einer Kelle in einen dampfenden Kessel und verteilte an die Männer kochendheißen Tee, den er ordentlich mit Rum umgerührt hatte. „Ihr friert ja wie die Henker“, sagte er, „das wird euch gut tun, ihr Lausekerle, euch erwärmen und eure Gemüter aufheizen, wenn die Dons ausgeschlafen haben.“ Die Seewölfe schlürften behaglich das heiße Gebräu und warteten ab, bis sich der Verband näher heranschob. Es war ein imposanter Anblick, als die Flotte heransegelte und sich dem Hafen näherte. Zu dieser Zeit kehrte auch Dan O'Flynn mit dem Beiboot zurück und bezog seinen
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Posten, nachdem er Hasard noch einmal alles haarklein berichtete, was er gesehen hatte. „Der Kerl ist verrückt“, stellte der Profos fest, als der Verband sich kurz vor dem Hafen befand und den Kurs änderte. „Die beharken sich ja gegenseitig bei dieser Formation.“ Von da an hatte er keine Zeit mehr, denn Hasard gab das Zeichen zum Ankerhieven und Segelsetzen. Auf der „Isabella“ begann es hektisch zu werden. „Trabt wie die Pferde um das Spill herum“, sagte der Profos. „Denkt daran, daß vor jeder Spake eine Flasche Rum hängt, die ihr erst dann kriegt, wenn der Anker oben ist.“ Er packte selbst mit zu, jede Hand wurde jetzt gebraucht. Die Seewölfe trabten im Kreis herum, stumm und verbissen hievten sie den schweren Anker hoch, bis er auftauchte. Auf dem Achterdeck bezog Pete Ballie seine Position am Ruder, und gleich darauf wurden die Segel gesetzt, bis sie sich im Wind leicht bläh-. ten. Die „Isabella“ nahm langsam Fahrt auf. An den Geschützen lauerten die Männer, glimmende Lunten in der Hand, auf das Zeichen zum Angriff. Das war der Zeitpunkt, zu dem Drake in den Hafen einlief. Auf allen Schiffen waren die Stückpforten hochgezogen. „Die Galeeren!“ schrie der Ausguck. Aus der unteren Bucht ruderten sie heran. Die mächtigen Riemen zerteilten das Wasser. Die erste leere fegte heran, änderte den Kurs, die zweite, dritte und die vierte folgten augenblicklich. Zwei weitere hielten sich zurück, um etwas später in den, beginnenden Kampf eingreifen zu können. Drake hatte sie offensichtlich noch immer nicht gesehen, denn er segelte unbekümmert weiter - nach Freibeuter-Art, wie er selbst gesagt hatte, um blitzartig zuzuschlagen. Aus dem Nebenarm rauschte die „Isabella“ heraus, genau in dem Moment, als Drake
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die Galeeren erkannte, die sich ihm sofort zum Kampf stellten. „Hoch mit der Flagge und Feuer frei!“ schrie Hasard. Ein vielstimmiges Gebrüll antwortete ihm. Am Mast stieg die englische Flagge hoch, und die ranke Galeone segelte jetzt, die „Elizabeth Bonaventura“ deckend, den Galeeren entgegen. Der Hafen erbebte plötzlich, als die Galeeren das Feuer eröffneten. Gelbrote Blitze zuckten auf, ein wildes Donnern fegte über den Hafen, und die ersten beiden Galeeren spien ihren tödlichen Eisenhagel aus. Da sie durch das plötzliche Auftauchen des neuen Gegners völlig verblüfft waren, feuerten sie in die Mitte, noch während sie abdrehten. Gewaltige Fontänen stiegen aus dem Hafenbecken, hoben sich in den Himmel und fielen in sich zusammen. Ein Orkan aus glühendem Eisen fegte über die „Isabella“ weg, als die dritte Galeere ihren Hagel ausspie. Die vierte schob sich auf das Flaggschiff zu, als es auf der „Isabella“ wild aufblitzte. Drake reagierte immer noch nicht, weil er durch das Auftauchen der Galeeren überrascht war und nicht damit rechnete, daß sie sich sofort zum Kampf stellten. Vor der Bordwand der „Isabella“ entstand eine gewaltige Rauchwolke, als die Siebzehn-Pfünder aus den Rohren der Culverinen jagten und ihr Ziel suchten. In der angreifenden Galeere, die Drake entgegenfuhr, entstand ein großes gezacktes Loch dicht an der Wasseroberfläche. Die Riemen hin- -gen wie erstarrt aus den Bordwänden, als die Eisenkugel den Bug aufriß. Dann kehrte Leben in sie zurück, und die Kerle pullten wie die Wilden. Vier Siebzehn-Pfünder schlugen in die andere Galeere und verwandelten das Deck einschließlich der Aufbauten in einen Trümmerhaufen aus Holz. Auch die vorderen schwenkbaren Drehbassen spuckten ihren Blei- und Eisenhagel aus und überzogen die Spanier mit einem wütenden Feuer.
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Während eine der Galeeren Wasser zog und sich langsam auf die Seite neigte, verholten sich die anderen in die untere Bucht zurück und schluckten auch noch die restlichen Siebzehn-Pfünder aus den Culverinen des Seewolfs. * Auf der „Golden Lion“ riß sich Kapitän William Borough die Kopfbedeckung vom Schädel und sprang vor Begeisterung auf dem Achterkastell in die Höhe. „Das ist ein Kerl!“ schrie er. „Ein tollkühner Satansbraten. Drei Hurras für ihn, Männer!“ Seine Crew ließ sich das nicht zweimal sagen, und sie stimmte ein Gebrüll an, das weit über Cadiz zu hören war. „Drei Hurras für den Seewolf!“ schrien sie, und ihr Ruf blieb auf den anderen Schiffen nicht ungehört. Dort fiel man ebenfalls in den Chor ein, und wieder ertönten Hurras, die die Seewölfe anfeuerten und die Begeisterung der englischen Seeleute lautstark zum Ausdruck brachten. Auf der „Elizabeth Bonaventura“, Drakes Flaggschiff, wurde die allgemeine Begeisterung vom Admiral selbst jedoch nicht geteilt. Drake starrte verbissen voraus, konnte aber nicht umhin, das blitzartige tollkühne Manöver, des Seewolfs insgeheim zu bewundern. Er sah wie Kapitän Thomas Fenner plötzlich grinste und etwas sagen wollte, aber Drakes eisiger Blick brachte ihn noch rechtzeitig zur Besinnung und ließ ihn schweigen. „Damit hatte ich nicht gerechnet, Sir“, sagte Fenner. „Ich dachte, er wäre weitergesegelt und hätte uns im Stich gelassen.“ Drake gab keine Antwort, ihn wurmte es, und der Zorn stieg wieder einmal wie eine glühendheiße Woge in ihm hoch. Er rang nach Luft, reckte sich und schüttelte den Kopf. „Wenn wir gerecht bleiben wollen, Sir“, hörte er den Kapitän wie aus weiter Ferne sagen, „dann müssen wir zugeben, daß diese Breitseite der Galeere uns voll
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erwischt hätte, denn wir segelten genau auf sie zu, und haben sie erst dann gesehen, als es bereits zu spät war.“ „Wollen Sie jetzt ein Loblied anstimmen, Mister Fenner, oder darf ich Sie daran erinnern, daß auch wir Kanonen an Bord haben, die feuerbereit sind?“ fragte der Admiral bissig. Drake wünschte den Seewolf und seine Männer weit fort, nach Möglichkeit bis auf den Mond. Denn er hatte sich diesen Überfall ganz anders vorgestellt, und nun war ihm der Seewolf mit seinem tollkühnen Angriff im allerletzten Augenblick doch noch einmal zuvorgekommen, und die Hurra-Rufe der anderen Engländer galten ihm ganz allein. Drake gab den Feuerbefehl, und. jetzt sprachen auch seine .Kanonen und die Hurra-Rufe der anderen Engländer galten ihm ganz allein. * „Sie kehren zurück“, sagte Ben Brighton. „Die ersten beiden drehen wieder bei.“ Die angeschlagenen und durch den blitzartigen Überfall etwas verwirrten Spanier hatten sich neu formiert, bis auf die. eine Galeere, die mit Schlagseite ablief und im unteren Teil des Hafens verschwand. Dafür griffen jetzt die beiden noch in Reserve gehaltenen Kriegsgaleeren in den Kampf ein. Sie hielten vorerst noch respektvollen Abstand und suchten nach einer Lücke, um sich von Backbord an die „Isabella“ heranzuschieben. Hasard erkannte diese Absicht jedoch sehr schnell. „Nachladen, schneller!“ rief er. „Nach Backbord weiter ablaufen, Pete! Setzt die vorderen Drehbassen ein.“ In der Kuhl wurden die Wischer in die Kanonen geschoben, in die Bodensätze der Kanonen wurde Pulver gefüllt, SiebzehnPfünder wurden in die Schlünde geschoben, und schon nach erstaunlich kurzer Zeit war die Dreimastgaleone des Seewolfs wieder feuerbereit.
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Sie segelte jetzt auf Kollisionskurs der Kriegsgaleere entgegen, aus der lautes Gebrüll tönte. „Die Kerle werden es doch nicht wagen, uns zu rammen“, meinte der junge O'Flynn. „Dann müßten sie ja bescheuert sein.“ „Das tun sie ganz gewiß nicht, sie werden kurz vorher abdrehen, um uns eine Breitseite zu verpassen, jedenfalls werden sie das versuchen.“ Sie hatten jetzt keine Zeit mehr, sich um die anderen Engländer zu kümmern, denn die Galeere hielt immer noch den Kurs stur auf den Bug der „Isabella“ gerichtet. „Feuer frei für die Drehbassen!“ rief Hasard. Er sah, daß der Schiffszimmermann Ferris Tucker seine Höllenflaschen an Deck gebracht hatte, uns sie an Batuti und Big Old Shane verteilte. „Werft, soweit ihr könnt“, sagte er. Die Flaschen, ganz normale Weinflaschen, die Ferris mit gehacktem Blei, Eisen und Steinen gefüllt hatte, waren verkorkt und bis an den Hals mit Pulver im oberen Teil gefüllt. Eine Lunte ließ sie zur berechneten Zeit krepieren. Die Höllenflaschen funktionierten auch unter Wasser. Wieder hackten die Drehbassen ihren tödlichen Hagel in die Galeere, siebten den Bug und rissen Löcher. „Noch härter Backbord, Pete“, sagte der Seewolf. „Aye, aye, Sir!“ Pete Ballie war überhaupt nicht aus der Ruhe zu bringen. Wie ein Klotz stand er am Ruder, er schien nicht einmal den Lärm zu hören, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf das Schiff, um es immer in der richtigen Position zu halten. „Recht so, Pete!“ Batuti holte weit aus. Er konnte nicht nur unheimlich weit mit dem Bogen schießen, er verstand sich genauso gut auf das Speerwerfen, und ob er eine Flasche schleuderte oder einen Speer, blieb im Prinzip das gleiche. Die Flasche sauste durch die Luft, beschrieb einen Bogen und flog auf das Deck, wo die Spanier standen und die
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Kanonen abfeuern wollten. Gleichzeitig warf Big Old Shane die nächste Höllenflasche, dann der Gambianeger wieder die dritte. Es gab einen Blitz, ein Feuerschein zuckte auf dem Deck der Galeere auf und hüllte alles in Rauch und Feuer. Erst jetzt änderte sich der Kurs des Schiffes, und drüben versuchten sie verzweifelt, eine weitere Breitseite abzufeuern. Bei zwei Kanonen gelang das nur, die anderen konnten nicht mehr eingesetzt werden, denn an den Kanonen standen keine Soldaten mehr. . „Verdammt!“ schrie Smoky. „Das gibt wieder Arbeit für Will.“ Im Focksegel erschienen zwei Löcher, als hätte ein Unsichtbarer sie dort sauber hineingestanzt. „Feuer!“ erklang der Befehl. Zwei Culverinen fuhren wie bösartige Tiere zurück, als sie mit einem grellen Blitz ihre Kugeln ausspuckten. Die Brooktaue spannten sich und fingen den Rückstoß auf. Sofort danach schlug es in der Galeere erneut ein. Ein Teil der Riemen verschwand wie wegrasiert, und die Galeere drehte sich hilflos im Kreis. Auf der anderen Seite pullten die Gefangenen weiter und drehten das Schiff noch weiter herum. Hasard drehte sich um und blickte aus schmalen Augen nach achtern. Ausnahmslos jedes Schiff aus Drakes Verband hatte die englische Flagge gesetzt und suchte sich seinen Gegner. „Verdammt, ist das ein zäher Brocken“, sagte Ferris Tucker zu dem Profos, „alle Achtung vor den Kerlen, die geben immer noch nicht auf, obwohl sie fast absaufen.“ „Die kriegen wir schon noch“, versprach Carberry grimmig und hielt die glimmende Lunte an das Zündkraut, als der Gegner, der sich als überaus zäh erwies, eine ungünstige Position erwischte. Der brüllende Abschuß ließ sich mit dem Auge verfolgen. Die Distanz betrug nicht mehr als achtzig Yards, als die Kugel auf die Reise ging.
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Diesmal fetzte sie den Bug auseinander. Carberry hatte die Kugel direkt neben den Einschlag der anderen gesetzt, und jetzt erschien ein großes gähnendes Loch in dem Bug. Den Schlagmann hatte es längst erwischt. an Deck lagen Verwundete herum, und aus dem Innern, von den Ruderbänken, erklangen angstvolle Schreie. „Ein lausiger Mist ist das!“ schrie Ed aufgebracht. „Wenn sie schon absaufen, dann sollen sie die armen Teufel wenigstens von ihren Ketten losschließen. Himmel, es kotzt mich jedesmal aufs neue an, gegen Galeeren zu kämpfen, ganz einfach aus dem Grund, weil die Männer da unten total hilflos sind.“ Sie kannten die barbarischen Galeeren aus eigener betrüblicher Erfahrung, und die meisten von ihnen hatten selbst auf den Ruderbänken gesessen und sich die Seele aus dem Leib geschunden. Dazu waren sie bei jeder Gelegenheit noch ausgepeitscht worden, und so konnten sie mit dem Gegner mitfühlen. „Nicht mehr weiterfeuern!“ rief Hasard, als er sah, daß von der Galeere keine Gefahr mehr drohte. Auch er wollte nicht, daß die Gefangenen elend absoffen, ohne Hilfe ertranken und umkamen. Schwerfällig und angeschlagen trieb das Schiff in der See, doch dann schienen sich die Ruderer selbst befreit zu haben, denn plötzlich wimmelte es an Deck von ihnen. Wie sie es geschafft hatten, blieb dem Seewolf ein Rätsel, vielleicht hatte es der Einschlag einer Kugel bewirkt, vielleicht hatte jemand im letzten Augenblick sich doch erbarmt und die Kette aufgeschlossen. Er sah, wie die Männer kopfüber ins Wasser sprangen, schreiend und fluchend und aufklatschend in der See verschwanden, und- er gönnte es ihnen. Sollten sie an Land schwimmen, zum Teufel, sie würden vorerst doch nichts gegen sie unternehmen können. Er ließ das Schiff auf neuen Kurs bringen, und wandte sich einer weiteren Galeere zu, die sich herangeschlichen hatte.
Überfall auf Cadiz
„Die anderen sind weg“, sagte Ben, „sie haben sich bis auf die eine in den unteren Hafen zurückgezogen. Ha, jetzt hauen die auch ab“, unterbrach er sich. Der Takt wurde schneller geschlagen, die Kriegsgaleere wich der heransegelnden „Isabella“ aus und suchte ihr Heil in einer blitzschnellen Flucht. „Wir treiben sie zurück!“ schrie der Profos. Seine Worte waren in dem Geschrei, dem Donner der Abschüsse und dem allgemeinen Getümmel kaum zu verstehen, aber Carberry nickte grimmig, als die „Isabella“ herumschwenkte und die Verfolgung der Galeere aufnahm. Sie erreichte sie jedoch nicht mehr. Die Galeere, voller Panik gerudert, war schneller und verschwand im unteren Hafenbereich, wohin auch die anderen gerudert waren. Inzwischen waren Stunden vergangen, und der Überfall auf Cadiz nahm seinen Lauf. In der scheinbaren Konzeptionslosigkeit von Drakes Verband, waren gewisse klare Ansätze zu erkennen. Hasard nahm an, daß Kapitän Borough daran einen besonders großen Anteil hatte, denn immer, wenn er die „Golden Lion“ sah, ging der Kapitän tollkühn, aber überlegt vor und setzte seine Männer keinem unnötigen Risiko aus. Inzwischen hatte sich der Himmel leicht bewölkt, und über dem Hafen von Cadiz bildeten sich dunkle Rauchwolken. Hasard blickte über sein Schiff, sah die rußgeschwärzten Gesichter der Seewölfe und den Schweiß, der ihnen wie Wasser auf den Gesichtern stand. Sie hatten pausenlos zu tun, es gab keine Ruhe, und wenn sie nicht an den Kanonen waren, wischten, luden, feuerten, dann standen sie an den Nagelbänken, klarierten die Fallen, trimmten Segel nach oder kümmerten sich um den Nachschub an Kugeln. „Das sieht nach einem totalen Chaos aus“, sagte Big Old Shane. „Und das dürfte eine Weile dauern.“ „Es wird noch schlimmer werden, denn noch haben wir den Höhepunkt des Überfalls längst nicht erreicht. Ich würde
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das eher als eine Art Vorgeplänkel bezeichnen. Ist von unseren Männern jemand verwundet?“ „Nein, bisher gab es keinen Ausfall. Wir haben zwei Löcher im Focksegel und einen Kratzer in der Bordwand. Bisher hat uns von den Dons noch keiner ernsthaft erwischt. Die kreuzen hier wie die Verrückten herum, ziellos, voller Panik, und einige haben sich bereits verzogen.“ „Sie formieren sich nur neu“, sagte Hasard. „Das ist die Ruhe vor dem Sturm, Shane.“ Ferris Tucker erschien auf dem Achterdeck. Auch sein Gesicht war schwarz, nur seine Augen leuchteten weiß, und seine roten Haare hingen ihm verschwitzt ins Gesicht. „Keine Schäden“, meldete er und wischte sich mit beiden Händen über das nasse Gesicht. Er zeigte nach oben auf das Segel. „Wenn wir das als Schaden bezeichnen wollen, will ich nicht mehr Ferris Tucker heißen. Wir hatten Glück und einen Schutzengel. Hoffentlich hält das so an.“ „Hoffentlich“, sagte auch der Seewolf, und gab an Pete Ballie den Befehl, an den Wind zu gehen und anzuluven. Al Conroy lud unterdessen immer wieder nach. Er war hier und dort, tauchte überall wie aus den Planken gewachsen auf und kontrollierte alles. Es ging ihm nicht schnell genug, er trieb die Leute an, brüllte und gab Befehle. „Nicht mehr lange, dann geht der Tanz weiter, und wir müssen jedes Rohr nachgeladen haben, sonst holt euch der Teufel! Und mich auch“, sagte er hinzu. Der alte O'Flynn hinkte über das Deck und verschwand unten im Achterdeck. Er hatte alle Hände voll zu tun, um die Söhne des Seewolfs zu beruhigen, die an das Schott mit den Fäusten hämmerten und unbedingt an Deck wollten. O'Flynn hatte sie eingesperrt, denn es konnte nur zu leicht passieren, daß den beiden etwas zustieß. Er hörte sie fluchen, aber er verstand den Sinn der Worte ohnehin nicht, denn sie brüllten in der ihm unbekannten Sprache, aber er begriff durchaus, daß sie ihn meinten und es nicht gerade feine Worte waren, die sie ihm
Überfall auf Cadiz
durch das geschlossene Schott zuriefen. Ihr Gebrüll mischte sich mit dem Keckern des Affen und dem Kreischen des AracangaPapageis, und was dabei herauskam, tat dem alten O'Flynn in den Ohren weh. Er verzog schmerzhaft das Gesicht und schlich davon. Hier oben an Deck war der Teufel los, aber da unten waren zwei kleine Teufel los, und wenn er den Schimpansen dazurechnete, waren es drei, die da um die Wette heulten, tobten, brüllten und schrien. * Selbst am späten Nachmittag gab es immer noch keine Ruhe, das Schießen ging weiter, und die Spanier hatten sich von dem ersten Schock erholt und begannen damit, ihre Schiffe zusammenzuziehen und Ordnung in den Hafen zu bringen. Immer wieder brüllten die Geschütze auf, ein Eisenhagel nach dem anderen ging über den Hafen, und dazwischen klang das Donnern der Festungstürme, wenn die Kanonen von dort feuerten. Die „Isabella“ war wieder aufgeklart worden, neuer Sand wurde an Deck gestreut, Kugeln und Pulver aus der Pulverkammer gemannt und an Deck gestellt. Hasard sah zu dem Flaggschiff des Admirals. Er sah Francis Drake an Deck stehen, und fragte sich zum wiederholten Male, was in dem Manne vorgehen mochte. Einmal begegneten sich ihre Blicke und verfingen sich ineinander, dann blickte Drake gleichgültig zur Seite und wandte dem Seewolf den Rücken zu „Der hat es gerade nötig“, sagte Carberry, „gerade der! Obwohl du ihm jede Hilfe geleistet hast, bleibt der Kerl störrisch wie ein alter Esel. Er ist unbelehrbar, und außerdem wette ich, daß er Gift und Galle spuckt, denn du hast ihm den ganzen Auftakt vermasselt, Sir! Wahrscheinlich hätte er lieber den ersten Eisenhagel geschluckt, als von uns beschützt zu werden.“
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„So ist er nun mal“, sagte Hasard. „Ich bin längst über den Punkt hinaus, da ich mich ständig über ihn ärgere. Wir segeln jetzt dort hinüber, Ed“, sagte er und zeigte nach Backbord. „Von dort aus haben wir eine günstige Position und können sofort wieder eingreifen.“ „Aye, aye, Sir.“ Es dauerte keine halbe Stunde mehr, bis sich die Spanier formiert hatten und weiterkämpften.
Überfall auf Cadiz
Noch vor dem Abend begann Cadiz unter dem Kanonendonner der vereinigten englischen Schiffe zu erbeben. Was der Seewolf als Vorgeplänkel bezeichnet hatte, erwies sich als richtig. Jetzt ging es los, und über Cadiz tat sich die Hölle auf, eine brüllende gnadenlose Hölle. Die Hafenstadt hatte etwas Ähnliches noch nicht erlebt...
ENDE