J.
Hänel, A. Enders, S. Davis
BASICS Psychosomatik und Psychotherapie
Jette Hänel, Annalisa Enders, Svenja Davis Fachliche Unterstützung: Herr Prof. Dr. U. Gieler (Professor für Psychosomatik und Psychotherapie an der justus-Liebig-Universität, Gießen)
BASICS Psyc hoso mati k und Psyc hoth erap ie
ELSEVIER UHDA N & FISCii ER
URBAN&. FISCHER München ·Jena
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bibliografische Daten sind im Die Deutsche Nationalbibliotlhek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte abrufbar. dnb.d-nb.de / Internet unter http:/
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I . Auflage 2008
© Elsevier Gm bH , München Der Urban & Fischer Verlag ist ein lmprin t der Elsevier GmbH. 08
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Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildun gsnach weis. gegenüber dennoch der Nachweis der Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. ollte dem Verlag lt. gezah Honorar che Re ch t~ inhabersc haft geführt werden, wird das branchenübli en_gen Grenzen des UrheberrechtsgeDas Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Uberse tzungen, Mikroverfilmun gen ngen, Vervielfältigu r fü ere Insbesond gilt setzes ist ohne Zusti mmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das Systemen. n elektronische in und die Einspeicherung und Verarbei tung Programmlei tung: Dr. Dorothea Hennessen Planung: Christina Nussbaum Lektorat: Veronika Sonnleitner Redaktion: Gabriele Bäum! Herstellung: Christine Jehl, Rainald Schwarz Zeichnungen: Stefan Elsberger, Stefan Dang! Satz: Kösel, Kru gzell Druck und Bi ndung: MKT-Print Covergestaltun g: Spieszdesign, Büro für Gestaltung, Neu·Ulm Bildquelle: © Digita lVision/ Gettylmages Gedruckt auf I 00 g Eurobulk I , I f. Vol. Printed in Slovenia ISBN 978-3·437-42 356· 7 Aktuell e Informationen fi nden Sie im Internet unter www.elsevi er.de und www. elsevi er.com
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Vorwort
IV
IV
Liebe Studentinnen und Studenten, unser Interesse an der Psychosomatik wurde schon während des Studiums geweckt. Doch erst im klinischen Alltag- dem Praktischen Jahr im Krankenhaus - wurde uns das Ausmaß psychosomatischer Krankheiten in anderen Fachdisziplinen wirklich bewusst. Vom akuten Notfall bis zur chronischen Erkrankung- die Psychosomatik hat viele Facetten. Gerade zu dieser Zeit begannen wir mit der Arbeit an diesem Buch. Aus diesem Grund wollen wir euch die Psychosomatik ans Herz legen und die Wichtigkeit dieser Querschnittsdisziplin unterstreichen. Die Umsetzung psychosomatischen Denkens und die daraus folgende Behandlung setzen gute Kenntnisse in der somatischen Medizin voraus, um dagegen dann mögliche psychische Anteile und Einflussfaktoren abzugrenzen. Das Interessanteste ist dabei, die verschiedenen Lebensgeschichten von Patienten zu erfahren, die zum Teil "filmreif" sind und den Gang ins Kino fast ersparen können. Diese Kombination aus empathischer Ganzheitsmedizin und der Anforderung, keine somatischen Erkrankungen differentialdiagnostisch zu übersehen, macht die Psychosomatik so spannend. Der Psychosomatiker wird ja meist dann eingeschaltet, wenn sonstige medizinische Maßnahmen nicht fruchten. Deshalb wird er in
besonderer Weise sowohl seine medizinischen, psychotherapeutischen wie auch allgemein menschlichen Qualitäten einsetzen und außerdem auch noch gute Kenntnisse über das medizinische Versorgungssystem insgesamt aufweisen müssen. Wir wünschen euch beim Lesen dieses Buches viel Spaß und hoffen, dass euch die Grundlagen der Psychosomatik bei eurem weiteren medizinischen Weg neue Sichtweisen eröffnen! Ganz herzlich möchten wir uns vor allem bei Prof. Dr. Gieler bedanken, der uns mit seinem Fachwissen und seiner klinischen Erfahrung zu jeder Zeit unterstützt hat und uns vor allem in unserem Interesse an der Psychosomatik bestärkte. Unseren Freunden und Familien gilt ein großer Dank für die Unterstützung durch Gespräche, Korrekturen, Kaffee und Plätzchen sowie die freiwillige Mitarbeit als Fotomodell! Nicht zuletzt danken wir den Mitarbeitern von Elsevier Urban & Fischer, ganz besonders Veronika Sonnleitner, für die tolle Zusammenarbeit.
Mainz im Sommer 2008 Jette Hänel, Svenja Davis, Annalisa Enders
Inhalt A Allgemeiner Teil
Einleitung ......... ....... .. ... ... ... . . I Grundbegriffe der Tiefenpsychologie I .. .... . .
I Grundbegriffe der Tiefenpsychologie II . .... .. . I Grundbegriffe der Tiefenpsychologie III ...... . I Neuere Entwicklung in der Psychoanalyse . . .. . Grundbegriffe der Verhaltenstheorie .... . I Grundbegriffe des Verhaltens I .. . ......... . . I Grundbegriffe des Verhaltens II .... .. ... .. . . I Grundbegriffe des Verhaltens II ... . ....... . . I Theorien der Psychosomatik I . . .... ...... . . I Theorien der Psychosomatik II . .. .. .. .. .. . .
Diagnostik ... . ...... ......... .. ..... . . I Diagnostik .. ..... .... .... . ... . ....... . I Menschliche Grundbedürfnisse und Affekte ... . I Entwicklungspsychologie . ..... . .. . . ..... .
B Spezieller Teil ......... ......... ... .
Klinik der Neurosen .. .... . ... .. ... .... . I I I I
I I I
I
Phobien (IC D·l 0: F40) .... .. ..... . ...... . Zwangsneurosen (ICD-10: F42) ... .... . . . . . . Neurotische Depressionen (ICD-1 0: F34.1) ... . Histrionische Neurosen (ICD-1 0: F44) .. . .... . Angstneurosen (ICD-10: F41) . .... ... . ... . . Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen I (I CD-10: F60) ......... .. . . .. .. .. .. .... . Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen II (ICD-10: F60) .. .... . .... . ......... .... . Belastungs- und Anpassungsreaktionen (ICD-10: F43, F43.2) . ... . . .. ..... . .... . .
Psychosomatik . . .. ........ ......... .. . I Psychosomatische Erkrankungeneine Übersicht ... ...... . . ....... . .. . ... . I Essstörungen I .. .. .. ... . .... .. .... .. ... . I Essstörungen II ......... ......... ...... .
VI lVII 1-25 I Psychosomatik in der Gastroenterologie I .. .. . . 50 I Psychosomatik in der Gastroenterologie II .. .. . 52 2-9 I Psychosomatik in der Kardiologie ... .. .. ... . 54 I Psychosomatik in der Nephrologie und 2 Urologie . .. . . .. ......... .. . ....... .. . . 56 4 I Psychosomatik in der Gynäkologi e ...... .. .. . 58 6 I Psychosomatik in der Dermatologie ..... ... . . 60 8 I Psychosomatik in der Orthopädie ..... .. . . . . 62 I Psychosomatik in der HNO-Heilkunde I . . . . .. . 64 10-19 I Psychosomatik in der HNO-Heilkunde II ..... . 66 10 I Psychosomatik in der Augenheilkunde . .. ... . . 68 12 I Psychosomatik in der Kinderheilkunde ... .. . . 70 14 I Selbstverletzungen .. . ... .... .. . . . .. . ... . 72 16 I Psycheonkologie und Transplantation ..... . . . 74 18 Psychotherapie . . . ......... . .. . . .. ..... 76-93 20-25 I Übersicht Psychotherapie in Deutschland . .. . . 76 20 I Psychoanalytische Behandlungsverfahren I ... . 78 22 I Psychoanalytische Behandlungsverfahren I! . .. . 80 24 I Verhaltenstherapie I (kognitiv-behaviorale Therapie) ......... .. . . 82 I Verhaltenstherapie II 26-93 (kognitiv-behaviorale Therapie) ... .... ... .. . 84 I Gesprächspsychotherapie ... .. . . ... . . . ... . 86 28-43 I Familientherapie . . ...... .... ..... . ..... . 88 28 I Averbale Therapieverfahren .... .. .. . ...... . 90 30 I Entspannungsverfahren und suggestive Techniken . .... .. ... . . .. ...... . ..... . . . 92 32 34 36 C Fallbeispiele . .. .. . ...... . . . . . . .. ... 94-101 38 I Fall 1: Neurodermitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I Fall 2: Colitis ulcerosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 40 I Fall 3: Herzneurose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 42 44- 75
44 46 48
D Anhang .. .. .... . .. ..... ....... .. .. . 102-105 I Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I Verwendete Literatur und weitere Literaturempfehlungen . ..... .... .. ...... . 105
E Register ..... ....... ....... . ........ 106 - 115
. Abkürzungsverzeichnis A. AIDS ASS AT AWMF
Arteria Acquired immunodeficiency syndrome Acetylsalicylsäure autogenes Training Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften
BED BMI bzw.
Binge-eating disorder Body-mass-lndex beziehungsweise
c
Konsequenz circa chronisch-entzündliche Darmerkrankung Cystic fibrosis Cystic fibrosis transmembrane regulator konditionierte Reaktion konditionierter Reiz
ca. CED CF CFTR CR
es
DCCV Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung d. h. das heißt DSM(-IV-R) Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders (4. Auflage, Revision) EEG EKG etc. evtl.
Elektroenzephalogramm, -graphie Elektrokardiogramm, -graphie et cetera eventuell
FPI
Freiburger Persönlichkeitsinventar
GAS ggf.
Generaladaptionsyndrome gegebenenfalls
HAMD HAWIE HDL HIV HLA HNO
Hamilton-Depressionsskala Harnburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene High-density Iipoprotein humanes Immundefizienzvirus Human leukocyte antigen Hals-Nasen-Ohren
IBS !CD i.d.R. lg inkl.
Irritable bowel syndrome International Classification of Diseases in der Regel Immunglobulin inklusive
Jh.
Jahrhundert
K KBT KHK KZ
Konvergenz konzentrative Bewegungstherapie koronare Herzkrankheit Konzentrationslager
LJ
Lebensjahr
VIII IIX m mind. Mio. MMSE MRT
männlich(es Geschlecht) mindestens Million Mini-Mental State Examination Magnetresonanztomogramm, ·graphie
N. NS NSTEMI
Nervus neutraler Reiz Nicht·ST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkt
0 o.Ä. o.g. OP OPD
Organismusvariable oder Ähnliches oben genannt Operation Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik
PET PID PMR PMS PNS PS
Positronenemissionstomogramm, -graphie Pelvic inflammatory disease progressive Muskelrelaxation prämenstruelles Syndrom peripheres Nervensystem Persönlichkeitsstörung
01
Ouetelet-lndex
R RAAS
Reaktion, Verhalten Renin·Angiotensin·Aidosteron·System
s s. a. SKAT s. 0. sog. STEMI s. u.
Stimulus siehe auch Schwellkörper·Antoinjektionstherapie siehe oben so genannt ST·Strecken·Hebungs-Myokardinfarkt siehe unten
TFP TPG
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Transplantationsgesetz
u.a. u.Ä. UCR
u.g. usw.
unter anderem und Ähnliches unkonditionierte Reaktion unkonditionierter Reiz unten genannt und so weiter
v.a. VHS vs.
vor allem Volkshochschule versus
w WHO WMS·R
weiblich( es Geschlecht) World Health Organization Wechsler Memory Scale Revised
z.B. ZNS z. T.
zum Beispiel zentrales Nervensystem zum Teil
ucs
Einleitung 2 4 6 8
Grundbegriffe der Tiefenpsychologie I Grundbegriffe der Tiefenpsychologie II Grundbegriffe der Tiefenpsychologie 111 Neuere Entwicklung in der Psychoanalyse
Grundbegriffe der Verhaltenstheorie
10 12 14 16 18
Grundbegriffe des Verhaltens I Grundbegriffe des Verhaltens II Grundbegriffe des Verhaltens 111 Theorien der Psychosomatik I Theorien der Psychosomatik II
Diagnostik 20 22 24
Diagnostik Menschliche Grundbedürfnisse und Affekte Entwicklungspsychologie
Grundbegriffe der Tiefenpsychologie I Klassische Psychoanalyse Persönlichkeitsmodell nach Sigmund Freud
Der Wiener Neurologe Sigmund Freud (1856- 1939) ist der Begründer der Psychoanalyse, die wegen der Beschäftigung mit den unbewussten Phänomenen auch als Tiefenpsychologie bezeichnet wird. Freud entwickelte ein Persönlichkeitsmodell, das aus drei Instanzen besteht (I Abb. I ). Dieses Modell lässt sich in ein Struktur- und in ein Topographisches Modell einteilen.
Das Es dient der Befriedigung der eigenen Triebe (Bed ürfnisse wie Abhängigkeit, Selbstwertschätzung, Liebe, Hass). Es entsteht aus dem Lustprinzip und fordert sofortige Befriedigung. Das Es liegt vollständig im Unbewussten. Das Ich ist die Instanz, in der eine Entscheidung getroffen wird. Das Ich folgt dem Realitätsprinzip und vermittelt zwischen der Triebbefriedigung (Es) und den Ansprüchen der Außenwelt (ÜberIch). Das Ich dient der Selbsterhaltung
und der An passun g- ein Drahtseilakt, der häufig nicht bewältigt werden kann . Das Über-Ich ist die moralische Instanz, in der gesellschaftlic he Normen und Vorschriften berücksichtigt werden, die i. d. R. von außen, von Vater oder Mutter, übernommen werden. Dabe i spielen Identifi zierungsvorgänge eine große Rolle. Das Über-Ich ist der Gegenspieler des Es. Der Begriff Unbewusstes besc hreibt Erlebnisse, Gefühl e oder Gedanken, die im Laufe des Lebens verdrängt werden. Sie können nur sc hwer und gegen inneren Widerstand bewusst gemacht we rden. Das Unbewusste ka nn ma n durch Deutu ng erschließen. Mit Bewusstes werden Prozesse, die un mittelbar erlebt werd en, beschrieben. Vorbewusstes sind Inhalte, die im Moment nich t me hr erinnerlich sind, aber prinzipiell und meist ohne Schwierigkeiten bewusstseinsfähi g sind . Psychoanalytische Mechanismen
Mithilfe der Psychoanalyse sollen die unterbewussten Triebe und Forderungen an das Ich aufgedeckt werd en. In der Psychoanalyse gibt es einige unbewusst ablaufende Mechanismen, die zur Aufklärung des Unterbewusstseins genutzt werden könn en . Dazu zählen:
t Übertragung: Das Wesentliche an der Übertragung ist die Erfahrung von Gefühlen gegenüber einer Perso n, die dieser Person nicht eigentlich gelten und die sich offensichdich au f ei ne andere Person beziehen. Gewöhnlich wird auf eine gegenwä rtige Person so reagiert, als ob es sich um eine Person aus der (infantilen) Vergangenheit handelt. Übe rtragung ist ein psychisc hes Grundphänomen mensc hlichen Verhaltens und nicht nur ein Artefakt innerhalb der Psychotherapie! In der Psychotherap ie versucht man, die Übertragung aufzudecken, um aus einem immer gleichen Rollensp iel auszutrete n. t Gegenübertragung: Als Gegenübertragungbezeichnet man die Gesamtheit der bewussten und unbewussten Reaktionen des Arztes ode r Therapeuten auf den Patienten. Diese hängt I . mit der vo m Patienten entgegengebrachten Übertragung und 2. mit den Persönlichkei tsmerkmalen des Therape uten selbst zusammen. t Widerstand: Im Rahmen der Therapie wird das Ich mit unbewusstem Material konfrontiert, welches das Über-Ich ableh nt. Es kommt zu einem Konflikt zwischen dem Ich und de m Über-Ich. Die un bewussten Anteile des Ich wehren sich gegen diese Behandlung mit höchst polymorphem Widers tand. Die bewussten Anteile des Ich dagegen haben ein großes Interesse am Fortschritt der The-
Unbewusstes
Es
(Instanz d er Triebe und Wünsche) I Abb. I ; Sch matisc h Darstell ung des Oreilnstanzen-Modell s nac h Sigmund Freud. 1111
Einleitung
rapie (Arbeitsbündnis mit dem Therapeuten). Der Widerstand ist grundsätzlich ein gesundes psychisches Phänomen. Er wehrt unbewusstes, nicht verarbeitetes Material des Es ab. Typische Widerstandsformen sind das Agieren (der Konflikt wird ausagiert, statt ihn zu verbalisieren), die Verdrängung, die Verleugnung und die Übertragung. t Regression: ln einer psychoanalytischen Situation versucht der Patient, die auftretenden Konflikte mit infantilen Mitteln zu lösen. Dies können Verhaltensformen sein wie "Bitte um Trost" , Bettnässen, Bedürfnisbe friedigung usw. ln der klassischen psychoanalytischen Therapie versucht dann der Therapeut, über Deutung diese Mechanismen und deren Ursprünge dem Patienten bewusst zu machen. Dies sieht beispiels weise so aus, dass der Therapeut dem Patienten sagt, was er für die Ursache seines Verhaltens hält: "Sie haben große Angst, dass der Traum Ihnen etwas Unangenehmes sagen könnte, und deshalb war es leichter für Sie, dass Ihnen zu diesem Thema überhaupt nichts in den Sinn kam." Diese Vorgehensweise lässt unterschiedliche Nuancen zu. Wichtig ist v. a. , dass man den richtigen Zeitpunkt für die Deutung wählt. Wird sie zu früh eingesetzt, kann man den Widerstand verstärken. Fehlleistung
Im alltäglichen Leben werden durch menschliche Fehlleistungen nicht bewusste Motive sichtbar. Darunter versteht man beispielsweise Versprecher (es heißt ja nicht umsonst Freud'scher Versprecher), Fehlhaltungen, Übersehen, Vergessen von Namen, Austragung unbewäl tigter Konflikte im Straßenverkehr usw. Je neurotisc her das Verhalten wird und je mehr es Folge von unverarbeite ten Konflikten wird , desto eher treten unbewusste Faktoren in den Yord ergrund.
Traumdeutung
Die Traumdeutung wurde von Sigmund Freud 1890 als "Königsweg" zum Unbewussten in die Psychotherapie eingeführt. Dabei versucht der Therapeut, die Trauminhalte des Patienten zu deuten und die unterbewussten Wünsche und Triebe des Patienten zu analysieren.
Nach Freud handelt es sich bei Träumen vorwiegend um seelische Produkte. Diese entstehen weitgehend unabhängig von äußeren Erlebnissen, nur im Dienste der Selbsterkenntnis des Träumers. Es können aber auch Teile von Erlebnissen, Reize der Organe und Stücke bewusster Erwägungen mit in Träume einfließen. Mithilfe der freien Assoziation wird in der Psychoanalyse versucht, die Botschaft des Traums besser zu verstehen. Dabei wird der Patient aufgefordert, alles, was ihm spontan zum Inhalt des Traums einfällt, zu erzählen.
Trauminhaltsart
213
Freud unterscheidet bei Träumen zwischen dem manifesten Traumtext, dem tatsächlich Geträumten, und dem latenten Traumgedanken, dem hintergründig Geträumten. ln den verschiedenen Traumtheorien werden die Trauminhalte als zufällige Bildvorstellungen oder als Symbole für fest zugeordnete Bedeutungen angesehen. Unter Traumsemantik versteht man die Zeichenlehre von Träumen (I Tab. 1).
Exkurs: Sigmund Freud Sigmund Freud wurde 1856 in Freiberg als Kind jüdischer Eitern geboren. Er wollte zuerst Jura studieren, immatrikulierte sich dann aber an der Medizinischen Universität Wien und wechselte später an das Psychologische Institut. Sigmund Freud gilt als Begründer der Psychoanalyse. Zu seinen größten Werken zählen "Jenseits des Lustprinzips" (1920) und "Das Ich und das Es" (1923). Freud immigrierte 1938 mit seiner Familie nach London. Er verstarb 1939 in London an einer Überdosis Morphium.
Bedeutung
vom Vortag, die in das Traumgeschehen eingreifen
Tagesreste
Erlebnisse
Verschiebung
Falsche Zuschreibung von Merkmalen auf z. B. andere Personen
Angstträume (Alpträume)
Häufigste Traumgattung
Substitution
Versuch einer Wunscherfüllung
Regression
Vergangenheitsbewältigung im Traum
Verdichtu ng
Konzentrierung auf ein Hauptmerkmal
Umwandlung
Veränderung von Materie in Personen oder auch umgekehrt
I Tab. 1: Traumsemantik.
Zusammenfassung • Sigmund Freud ist der Begründer der Psychoanalyse. • Er entwickelte das .. Drei-Instanzen-Modell": das Strukturmodell, bestehend aus Es, Ich und Über-Ich, sowie das Topographische Modell, bestehend aus Unbewusstem, Bewusstem und Vorbewusstem. • Psychoanalytische Mechanismen können über das Unterbewusstsein aufklären. • Fehlleistungen decken unterbewusste Gedankeninhalte auf. • Die Traumdeutung ist der "Königsweg" zum Unbewussten.
Grundbegriffe der Tiefenpsychologie II Tiefenpsychologie und Psychodynamik Konfliktmodell und Internalisierung
Im Zentrum der psychoanalytischen Neurosenvorstellung steht der Begriff des Konflikts.
Ein Konflikt entsteht, wenn mind. zwei einander widerstrebende Tendenzen im Sinne unvereinbarer Interessen oder Motive auftreten. Hierbei wird eine innere Spannung hervorgerufen (z. B. "Ich möchte mich von meinem Partner trennen, weil er mir Schaden zufügt, aber meine soziale Situation lässt dies nicht zu"). Ähnelt ein aktueller Konflikt einem früheren, in der Kindheit erlebten Konflikt, welcher nur unzureichend verarbeitet wurde und somit noch potentiell pathogen ist, so kann dieser durch die momentane Konfliktsituation reaktiviert werden. Man spricht hierbei von der Reaktivierung infantiler Konflikte, welche als neurotische Störung klinisch manifest werden können.
Konfliktmodell nach Anna Freud Konflikte lassen sich nach Anna Freud, der Tochter Sigmund Freuds und Begründerirr der Kinder-Psychotherapie , folgen dermaßen einteilen: I) Äußere Konflikte sind die ersten Konflikte des Kinds: Interessen der sozialen Umwelt stehen den Interessen des Kinds gegenüber. Wenn sich die äußeren Umstände ändern lassen, sind die Lösung der äußeren Konflikte und damit auch die Weiterentwicklung des Kinds meist unproblematisch. I) Innere Konflikte werden auch Ambivalenzkonflikte genannt. Es streiten sich triebhafte Impulse, Emotionen und Affekte unterschiedlicher Art (Liebe- Hass, Männlichkeit Weiblichkeit, Aktivität- Passivität). Diese Ambivalenzkonflikte kennt jeder Mensch. t Verinnerlichte Konflikte sind die neurotischen Konflikte des Erwachsenen. Durch den Vorgang der Internalisierung werden äußere Konfliktsituationen verinnerlicht. Der Konflikt spielt sich in der Person statt zwischen der Person und der Umwelt ab. Der soziale Konflikt wird zum individuellen Kon-
flikt. Die Wünsche nach Befriedigung einerseits und die Verweigerung oder Versagung andererseits finde n sich in einer Person . Hiervon untersc heiden sich die pathogenen Konflikte: Bei der Entwic klung eines pathogenen Konflikts übersteigt die optimale Lösung eines Konflikts die jeweils alters- und persönlichkeitsentsprec hend en Möglichkeiten des Kinds. Es gelingt dauerhaft nicht, Konflikte zu lösen, ihre Voraussetzungen zu beseitigen oder mit ihren Folgen umgehen zu können . Beispiel: dauerhafte Größenfantasie des Kinds I)
Der deutsche Arbeitskreis OPD 2001 unterscheidet in seiner Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik
folgende pathogene Konflikte: Abhängigkeit vs. Autonomie I) Unterwerfung vs. Kontrolle I) Versorgung vs. Autarkie t Selbstwertkonflikte (Selbst- vs. Objektwert) I) Schuldkonflikte (egoistische vs. prosoziale Tendenzen) I) Ödipal-sexuelle Konflikte I) Identitätskonflikte (Identität vs. Dissonanz) I)
Diese psychodynamischen Konflikte kann man in einen aktiven und passiven Modus einteilen, die sich gegenüberstehen. Beispiele dafür sind in I Tabelle 2 dargestellt.
Passiv
Aktiv
Abhängigkeit
Autonomie
Unterwerfung
Kontroll e
Versorgt werden
Selbstständig sein
I Tab . 2: Aktiver und passiver Modus bei psychodyn arnischen Konfl ikten .
Einzelne der oben erwähnten Konflikte haben in bestimmten Lebenssituationen keinen pathologischen Krankheitswert, wie z. B. der Konflikt Versorgung vs. Autarkie im Rahmen einer Loslösu ngssituation, wenn ein junger Erwachsener sein Elternhaus verlässt. Treten diese Konfliktspannungen jedoch auch in anderen Lebensbereichen immer wieder auf, handelt es sich um einen repetitiv-dysfunktionalen Konflikt, der einer klinisch relevanten Störung entspricht.
Einleitung
Das Konfliktmodell (reaktualisierte Entwicklungskonflikte) Das Konfliktmodell in seiner einfachsten Art sieht folgendermaßen aus: I
promiss ,.... Symptom
Das Konfliktmodell ist das erste und klassische Entstehungsmodell neurotischer Symptome. Es sieht am Anfang der Neurose eine auslösende Ursache vor, bei der die belastende Situation in keinem Verhältnis zur krankhaften Reaktion steht ("Versuchungs- und Versagungssituation"). Es kommt zu einer Reaktivierung des infantilen Konflikts (I Abb. 2}, der Erwachsene versucht also, den aktuellen Konflikt mit kindlichen Mitteln, z. B. Verdrängung, zu lösen (Regression). Dadurch kommt es noch zu einer Verstärkung des Konflikts und zu Spannung, sogar zu Angst. Es muss also eine Lösung gefunden werden. Diese besteht in einem Kompromiss zwischen den einzelnen Konfliktanteilen (innere Impulse, Ich-Anteile, verinnerlichte Normen und äußere Einflüsse), welcher nur unzureichend Entlastung bringt und so zu Symptomen führt. Die Erweiterung dieses Modells ist in I Abbildung 2 dargestellt. Diese Lösung des Konflikts durch Symptombildung kann auch als Selbstheilungs-, Reparations- oder Restitutionsversuch bezeichnet werden. Obwohl sie eine missglückte oder unzureichende Lösung darstellt, ist sie in der aktuellen Situa-
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tion die beste Konfliktbewältigungsstrategie, die dem Kranken zur Verfügung steht. Deswegen kommt es auch leicht zum Wiederholungszwang, und der Patient erfährt folgende (scheinbare) Vorteile: Primären Krankheitsgewinn: Durch Bildung eines Symptoms erfährt der Patient subjektiv eine Entlastung. Der Kranke wird versuchen, trotz aller Nachteile dieses Symptom "beizubehalten", zu wiederholen. Sekundären Krankheitsgewinn: Durch Bestehen des Symptoms erfährt der Patient objektive Vorteile, z. B. verstärkte Aufmerksamkeit, Zuwendung oder auch Berentung. Internalisierung Der Mensch besteht aus eigenen und fremden Persönlichkeitsanteilen. Letztere sind von unserer Identität nicht mehr zu trennen, man spricht also von einer Identifizierung. Die Internalisierung entspricht einer Verinnerlichung, einer intrapsychischen Verankerung des Bilds von den primären Bezugspersonen (Eltern, Geschwister). Der Vorgang der Internalisierung entspricht also einer Verlagerung von Einstellungen, Beziehungen, Haltungen und Verhaltensmustern aus "dem Außen nach dem Innen". Aus dem Konflikt zwischen Kleinkind und Bezugsperson wird ein Konflikt zwischen Ich und Über-Ich, zwischen Persönlichkeit und Gewissen. Internalisierungen und Identifizierungen werden umso rigider, je mehr das soziale Umfeld, in dem sie stattfinden, mit Liebesentzug als Erziehungsmittel arbeitet, also selbst rigide und streng ist. Wächst das Kind in einer freundlichen und entspannten Umwelt auf, wird ihm mehr Freiraum für eigene Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung gegeben.
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auslösende Situation ,Versuchungs- und Versagungssituation"
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I Abb. 2: Erweiterung des Konfliktmodells.
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Grundbegriffe der Tiefenpsychologie 111 Abwehr
Sigmund Freud führte den Begriff der Abwehr ein . Das Ziel der Abwehr ist, mit dem unlusterregenden Impuls, der zum Konflikt führt, fertig zu werden. Die Abwehr führt zu einem Schutz des Ich gegen die Ansprüche des Es und Über-Ich. Bedrohliche, angsterregende und unangenehme Situationen, Gedanken und Handlungen sollen durc h Abwehr vermieden werden. Abwehrmechanismen kommen überall vor und werden von jedem verwendet. Sie kommen zum Einsatz, wenn das Ich bei seiner Vermittlungsaufgabe zwischen Es und Über-Ich unter Druck gerät. Sie werden von jedem Menschen gebraucht, aber ein übermäßiger Einsatz kennzeichnet eine neurotische Entwicklung. Freuds Tochter Anna unterteilte 1936 die verschiedenen Abweh rmechanismen. I Tabelle 3 zeigt eine Auswahl der häufigsten Abwehrmechanismen. Bindung
Der Mensch hat tief sitzende soziale Bedürfnisse nach Bindung und sog. Kontakttröstung (jemandem Trost spenden
unter Zuhilfenahme körperlicher Berührung). Für das Klein-
Abwehrmechanismus
Erklärung
Identifik ation
Um die Angst, die durch einen Stärke ren ausgeht,
klnd ist die Bindu ng an seine Mutter oder ei ne and ere Bezugsperson ausschlaggebend für seine spätere Entv,rickl ung. Bindung wird beschrieben als eine enge emotionale Beziehung zwisc hen Menschen und ist ein Verhalte nssystem, das aus versc hiedenen Verhaltensweisen, wie z. B. Lächeln Sch reien, Festklammern an der Mutter usw., besteht. Zude~ stellt Bind ung ein biologisch-genetisc h vorgeprägtes Verhalten dar, das bei objektiv oder subjektiv erlebter Gefahr Schutz durch die Bezugspersonen bieten soll. Aus diesem Grund wird Bindungsverhalten nur in Alarmsituationen aktiviert. Das Bind ungssystem besteht aus dem homöostatischen Prozess von Suche nach und Aufrechterhaltung von Nähe. Eine Deaktivierung des Systems tritt ein, wenn ein Zustand der Sicherh eit erreicht ist. Das Bindungsverhalten entwickelt sich in den ersten Lebensjahren. Anfangs können die Bezugspersonen beliebig wechseln . Später erst entwickelt sich eine fes te Bindung zu einer oder zwei Bezugspersonen (meist Mutter und Vater). Die stärkste Prägun g find et innerhalb der ersten 6 Lebensmonate statt. Nachd em sich das Bindungsverhalten gefestigt hat, bleibt es weitgehend konstant. Bindungsverhalten bzw. Bindu ngstypen eines Neugebore nen entstehen durch die Anpassung an das Verhalten der zur Verfügung stehenden Bindungspersonen.
Belspiel
zu vermeiden, stellt
Stockholm-Syndrom
sich das Opfer auf die Seite des Bedrohers lntellekt ualisierung
Die unlustvo llen Impul se we rden aus dem e motionalen Bereich in den
,. Ich ha be keine Lu st zu le rn en, we il mich das Thema nicht int e ress iert ..
intellektuell-th eore tischen Berei ch verschoben Projektion
Der Impuls, der die Unlust auslöst, wird in die Außenwelt übertragen. Er wird erlebt, al s komme er vo n außen und nicht aus einem se lbst heraus
Rati onalisierung
Reaktionsbild ung
Ein negatives Erl ebn is oder Affek t, der nich t bewusst gemacht werden
Der Student erklärt, dass er in der Prüfung, auf die er sich schlecht vorbe-
soll, wird durch eine andere, scheinbar logische Erkläru ng erse tzt
reitet hat, nur durchgefal len sei, weil der Pro fessor ihn nicht leiden kön ne
Die unlustm achenden Tat sachen werden durch das Gegenteil erse tzt
Man enählt den Freundinnen, wie I oll der eigene Freund ist. um sich nicht bewusst zu machen, welche Fehler er doch hat
Regression
Man verfällt in kindliche Verh al tensmuster
Patien t im Krankenhaus lässt sich wie ein Baby bemuttern
Ungeschehenmachen
Die konfliktauslösende Ursache wird fü r nicht exis tent erkl ärt
,.Ei nma l ist keinmal"
Verdrängung/
Bedeutet, einen unlustmachenden Gedankeninhalt, Affek t oder Impuls in
Schlechte Nachric hten, wie z. B. eine Krebserkra nkung, werd en vom
Ve rleugnung
das Unterbewuss tsein zu verlagern und ih n dort zu halten. Man kann es
Pati enten erst einmal verd rängt, und er erklärt unbeirrt, nicht an Krebs
auch als eine Art Vergessen aus Angst verstehen
erkran kt zu sein
Verschiebung
Verbotene Impulse werden gegen ein anderes Objekt gerichtet
Der Chi rurg schlägt dem Assis tenzarz t bei der OP auf die Finger, obwoh l er eigentlich Ärger mit sei ner Ehefrau ha t
Wendung gegen das
Unlusterlebende Impulse werden gegen sich selbst gerich tet
,.Cu tten·
Selbst
I
Die Aggression, die man gegenüber einer anderen Person hat, wird als Agg ression der anderen Person au f einen selbst erlebt
Tab. 3: Abwehrmech anis m en .
Einleitung
6 17
Es ergaben sich vier Bindungstypen: Man unterscheidet vier Blndungstypen: sicher, unsicher, vermeidend, unsicher vermeidend.
Mary Ainsworth entwickelte in den 60er Jahren mit den sog. Fremden Situationen ein Setting zur Erforschung kindlicher Bindungstypen. Dabei wurden Kinder mit ihren Müttern in ei nen Raum gebeten, in dem eine Fremde dazukam, die mit der Mutter und dem Ki nd Kontakt aufnahm. Nach einer Weile verließ di e Mutter den Raum. Dabei war nun die Reaktion des Ki nds von entscheidend er Bedeutung, um das Bindungsverhalten der Kinder zu kategorisieren, wie in I Tabelle 4 vereinfacht dargestellt.
Reaktion des Kindes
I
II Sichere Bindung (Typ B): ca. 60%der Kinder, gut anpas·
sungsfähig II Unsicher vermeidende Bindung (Typ A}: ca. 25 %, wenig Emotionen II Ambivalent unsichere Bindung (Typ C): ca. 15%, erhöhte Abhängigkeit II Desorganisierte Bindung (Typ D): weniger als 5%, Hinweis auf schwere Störung
Sicher
Unsicher vermeldend
Ambivalent unsicher
Desorganisiert
Trauer, Trost
Beim Ve rlassen und bei Rück kehr unbeei ndruck t, erhöhter Korli solspiegel
Angst, Stress beim Weggehen, bei Rückkehr einerseits nähesuchen d, andererseits zurückweisen d
Unterschiedliche Kombinationen und Muster, Hinweis auf Störungen
durch Fremde
Tab. 4: Die vi er Bindungstypen im Kind esa lter.
Zusammenfassung • Das Konfliktmodell nach A. Freud unterteilt Konflikte in äußere, innere und verinnerlichte Konflikte. • Das klassische Konfliktmodell beschreibt die psychedynamische Vorstellung der Symptomentstehung, wonach es durch eine auslösende Situation zu einer Reaktivierung infantiler Konflikte mit regressiven Lösungsversuchen des Patienten kommt. Der Konflikt wird verstärkt, und es entsteht die Symptombildung als Zeichen eines unzureichenden Kompromisses. Primärer und sekundärer Krankheitsgewinn verstärken die Symptome. • S. Freud führte den Begriff der Abwehr ein, unter dem er Schutzmechanismen verstand, die das Ich vor einer unlustbringenden Situation bzw. einem nahenden Konflikt schützen sollen. • Bindung stellt ein angelegtes und erlerntes Verhalten dar, das dem Menschen Schutz durch Bezugspersonen gewährt. Es gibt verschiedene Bindungstypen. • Die Bindungsart kann auch ein Faktor für die Entstehung von Neurosen sein .
Neuere Entwicklung in der Psychoanalyse Selbstpsychologie Unter "Selbst• versteht man die realen oder ideellen Vorstellungen einer Person von sich selbst.
Diese Vorstellungen können in allen drei Instanzen vorkommen, d. h. bewusst, vorbewusst oder unbewusst Das Selbst entsteht in der frühen Kindheit. In I Tabelle I ist die Entwicklung des Selbst-ldentitätsprinzip-Systems darges tellt.
Alter
Entwicklung des Selbst
0 Jahr
Frühe Selbstentwicklung
2 Jahre
Spracherwerb, Selbstwertgefühl
3 - 5 - 9 - 7 Jahre
Identitätsaufbau (Geschlecht, Körper, soziale Gruppen)
11 - 13 - 15 - 18 Jahre
Eigene Identi tät
Beginnende Selbst-/Objektpräsentanzen
I Tab . 1: Entwicklung des Se lbst-ld entitätsprinzip-Systems.
Die Ausprägung des Selbst ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Besonders kontinuierliche Beziehungen und Umfelder, wie z. B. die Mutter-Kind-Beziehung und der Wohnort, sind hier entscheidend. Aber auch traumatische Erlebnisse, wie beispielsweise Missbrauch und Gewalt, können die Entwicklung des Selbst prägen. Unter Selbstobjektübertragung versteht man die Übertragung vom Selbst auf ein bestimmtes Körperorgan. Beispiel: Bei einer Hauterkrankung kann die Hautsymptomatik als Selbstobjekt funktionalisiert werden. "Mir geht es ganz gut, aber meiner Haut geht es heute sehr schlecht." Objektpsychologie
Eine Objektbeziehung ist die Interaktion zwischen einem Menschen, der Umwelt, dem sozialen Umfeld und der Beziehung zu sich selbst Darin eingeschlossen ist nicht nur die Realität, sondern auch Träume und Fantasien. Objektbeziehungen entstehen durch das Bedürfnis der Menschen nach Bindung. Objektbeziehungen sind wichtig, um das eigene Selbst zu erfahren und aufzubauen, da es durch die Reflexion zwischen Objekt und Selbst entsteht. Narzissmus 1 Abbildung 1 zeigt die Zeichnung einer Frau, die sich ähn-
lich wie Narziss in der Mythologie selbstverliebt betrachtet. Umgangssprachlich versteht man unter Narzissm.us ein: übertriebene Selbstverherrlichung und SelbstverliebtheiL Der Narzissmus in der Psychoanalyse wurde 1909 von
I Abb . I : Narziss tisc her Anbli ck einer "Schönheit" im Spi egel. [41
Sigmund Freud als eine notwend ige Entwicklungsstufe des Übergangs vom Autoerotismus zur Objektliebe (Liebe oder Beziehung zu dem Gegenstand oder der Person, au f den/ die das In teresse, das Denken, das Handeln gerichtet ist) beschrieben . Nach Joffe und Sandl er (1967) versteht man unter Narzissmus das Bedürfnis nach Sicherheit, Wohlbefinden und Geborgenheit, die als Idea lzustände menschlicher Befindlichkeit angestrebt werden. Heute steht im DSM-IV unter Narzissmus: Ein tief greifendes Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten), Bedürfnisse nach Bewunderung und Mangel an Empathie. Der Beginn liegt im früh en Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen. Mindestens fünf Kriterien in I Tabelle 2 müssen erfül lt sein. Für di e Psychogenese spielen lebensgeschichtl ich frühe und massive Frustrationen basal er Bedürfnisse eine große Rolle. Es find en sich häufi g Eltern, die wenig akzeptieren, unempathisch sind und ih re Kinder früh überford ern. o können Kinder Regulationsweisen des Selbst-Erlebens entwickeln , die bei einem Zusammenbruch von ta bilisierung möglichkeiten die Kernan gst abwehren sollen. Dabei wird eine solche innere Erlebniswelt aufgebaut, di e subjektiv befriedigen und stabi lisieren kann.
Einleitung
Narzissmus-Kriterien nach DSM~V
4
819
Borderline-Kriterien nach DSM-IV
Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt z. B. die
Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu
eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen
vermeiden. Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden
als überlegen anerkannt zu werden)
Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind
Ist stark eingenommen von der Fantasie grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz,
Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen,
Schönheit oder idealer Liebe
das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und
Glaubt von sich, "besonders" und einzigartig zu sein und nur von anderen
Entwertung gekennzeichnet ist
besonderen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können
oder der Selbstwahrnehmung
Verlangt nach übermäßiger Bewunderung
ldentitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbilds
4
gen"). Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Hand-
eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d. h. zieht Nutzen
Impu ls ivität in mind . zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen (Geldaus-
gaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, "Essstörun-
Legt ein Anspruchsd enken an den Tag, d. h. übertriebene Erwartungen an
lungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind
5
Wiederholte Suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten
aus anderen, um eigene Ziele zu erreichen Zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht willens, die eigenen Gefühle oder
6
Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei
Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
diese Verstimmungen gewöhnlich ei nige Stunden und nur selten mehr als Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Handlungen
I Tab. 2: DSM-IV-Kriterien des Narzissmus.
einige Tage andauern)
7
Chronische Gefühle von Leere
8
Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten , die Wut zu kontrollieren (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen)
9
Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome
I Tab. 3: DSM-IV-Kriterien der Borderline-Störung.
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Bezeichnung Borderline-Persönlichkeitsstörung (s. a. S. 40) kommt aus dem Englischen {borderline =Grenzlinie) und stammt noch aus den Zeiten, als man dachte, BorderlinePatienten stünden zwischen einer Neurose und Psychose. Heute würde man Borderliner nach DSM-IV anders beschreiben, wie in I Tabelle 3 aufgelistet. In der BRD sind ca. 3% der Erwachsenen betroffen, davon zwei Drittel Frauen.
Borderline-Patienten erleben häufig chronischen Ärger und/ oder Wutausbrüche im Wechsel mit Ängstlichkeit, Depression und Entfremdungsgefühlen. Sie können sich nicht freuen (Anhedonie) und haben Angst vor dem Alleinsein. Beziehungen werden oft durch Manipulationen und Erpressungen festgehalten, wobei der Partner abwechselnd idealisiert und abgewertet wird. Diese Entwicklungen lassen sich in aller Regel auf traumatische Kindheitserfahrungen zurückführen. Die Spaltung ist die Abwehr der Borderliner, sie verhindert die Entwicklung einer sicheren eigenen Identität. Dadurch können sie kein schützendes inneres Objekt errichten, zu dem sie in Zeiten des Alleinseins Zuflucht nehmen könnten. Frühere traumatische Erfahrungen können jederzeit wieder wach werden.
Zusammenfassung X Die Selbstpsychologie beschäftigt sich mit der Entstehung und den Störungen des "Selbst". X Die Objektpsychologie beschäftigt sich mit der Interaktion zwischen Selbst und Umwelt. X Borderline-Störung und Narzissmus sind Beispiele für pathologische Selbst- und Objektbeziehungen.
Grundbegriffe des Verhaltens I Lerntheorien
Nach dem Experi ment
Vor dem Experiment r Reiz = UCS =
Unkonditionierter /angeborene Reiz Beim Lernen eignen wir uns Wissen Uncond itioned stimu lu s (Futter) und Kenntnisse an, Neu traler Reiz = NS = Neutral Stimulus (Glocke) Konditionierter Reiz = es = Conditioned Stimulus die sich in unser Gedächtnis einprägen. (Glocke) Dies führt im Laufe der Zeit durch perUncondi• UCR = Reaktion Unkonditionierte Reaktion Konditionierte Reak ti on = CR • Conditioned resönl iche Erfahrungen, Einsichten etc. zu sponse (Speichel ) tioned response (Speichel) ganz bestimmten Einstellungen und I Tab . 1: Die Reaktion des Pawlow'schen Hund s. Verhaltensweisen. Die Lerntheorien gehen von einer großen Bedeutung dieses individuellen beobachtet den Reiz (eng!. stimulus ) auf ße Kittel tragende Menschen übertragen Lernprozesses bei der Entstehung und werden (in diesem Fall empfiehlt es einen Organismus, wobei der Organis· Aufrechterhaltung psychischer Stösich, diesen abzulegen!). musselbst als "Biack box" automaten· rungen aus. Verfehlte oder fehlende haftreagiert (eng!. response) . Lernprozesse werden hier als Ursache von Verhaltensstörungen angesehen. Operante Konditionierung Die Verhaltenstherapie geht von der (Lernen am Erfolg) Reiz (Stimulus) -+ Organismus, .Biack Möglichkeit aus, durch neue Lernprobox• ~ Reaktion (Response) Bei der Operanten oder auch instrumenzesse die Verhaltensstörungen wieder tellen Konditionierung steht nun nicht zu "verlernen", sie zu korrigieren. mehr das passive Stimulus-ResponseEine möglichst zeitnahe Exposition konditionier· im Vordergrund. E. Thorndike nicht Modell angeborenen, eines Klassische Konditionierung ( 187 4 - 1949) untersuchte die Beeinten Reizes (UCS) mit einem konditioflussung des Verhaltens bei Tieren und nierten Reiz (CS) führt zu einer festen Die Lehre der bedingten (konditio· Assoziation. Der UCS kann dann später fand heraus, dass man deren Verhalten nierten) Reflexe/Reaktionen geht auf komplett durch den es ersetzt werden. in eine bestimmte Richtung lenken die Arbeiten von Iwan P. Pawlow konnte. Ein konditionierter (neutraler) Reiz (1849 - 1936) zurück. Er legte damit angeeine Lerneffekt durch also kann den Grundstein der Lerntheorie, Die Theorie borene Reaktion auslösen. weshalb diese Lehre der ReaktionsbilWird ein Verhalten ausgeführt, welches Dadurch wird die unkonditionierte Re· dung als klassische Konditionierung (auch zufällig) mit einer positiven Veraktion (angeborene und biologisch bezeichnet wird. stärkung belohnt wird, so kommt es zu zweckmäßige Reaktion, z. B. der Pawlow beobachtete Hunde bei der einer Verhaltensänderung im Sinne Schluckreflex durch den NahrungsboFütterung und stellte fest, dass sie mit einer Wiederholu ngstendenz. Eine polus) zu einer konditionierten Reaktion. der Zeit bereits einen Speichelfluss sitive Verstärkung kann Bedürfnisse, entwickelten, wenn sie nur den Mann z. B. nach Nahrung, Zuwendung usw., mit dem Futternapf sahen, auch wenn Die Konditionierung führt zur Ausbildung befriedigen oder auch materiell (Geld, oder riechen nicht noch sie das Futter erlernter Reaktionen, wobei eine Reaktisozial (Anerkennung, Lob) Geschenke), sehen konnten. Zum Beweis der Auslö· on auch dann eintritt, wenn an die Stelle sein. spaßbringend und des ursprünglichen Auslösereizes ein zusung einer natürlichen Reaktion auf tritt. Reiz neutraler nächst mit einem negaVerhalten das Wird einen erlernten Reiz setzte Pawlow jetzt so entwiverknüpft, Verstärker tiven jedes Mal bei Gabe von Futter einen Glockenton ein. Gleichzeitig registrierte Würde man nun Pawlows Hund immer ckelt sich eine Vermeidungstendenz. Eine negative Verstärkung ist eine unanweiter den Glockenton (CS) darb ieten, er den Speichelfluss des Hundes. Bei genehme Konsequenz auf das Verhalohne ihm Futter (UCS) zu geben, mehrmaliger Wiederholung floss der ten, wie z. B. körperliche (Ohrfeige) Speichel bei dem Hund auch ohne Gabe so würde die konditionierte, erlernte seelische (Schimpfen, Abwerten) oder (Exerlöschen wieder (CR) Reaktion von Futter nur bei Ertönen der Glocke, Bestrafung. wird Reaktion angelernte Die tinktion). wie zuvor durch alleinige WahrnehGenauso gut kann man umgekehrt nach dem Prinzip der Verhaltenstheramung des Mannes. Der Glockenton den Entzug positiver Verstärker durch . "verlernt" pie wieder wurde zum kond itionierten Reiz und Wegfall negativer Verstärker den oder der Speichelfluss zur konditionierten Re- Bei Darbietung von Reizen, die dem bekräftigen. Verhalten das konditionierten Reiz ähneln, kann es aktion. Eine Übersicht zu Pawlows Er· Die Wahrsc heinlichkeit des Auftretens auch zu einer Reizgeneralisierung kenntnissen gibt I Tabelle 1. kommen, bei der die kondition ierte Re· einer bestimmten Verhaltensweise wird durch positive Verstärkung eraktion schon bei einem Reiz mit ähn· Die Theorie und durch negative Verstärkung llöht So stattfindet. Eigenschaften Iichen Die klassische Konditionierung zerlegt gesenkt. weiauf Ärzten vor Angst die B. z. kann das Verhalten in Reiz und Reaktion. Sie
Grundbegriffe der Verhaltenstheor ie
I Tab. 2: Möglichkeiten, künft iges Verhalten zu beeinflussen. [3)
Verstärker
Einsatz
Entzug
positiver Verstärker
Positive Verstärkung (durch angenehme Konseq uenzen) --> Verhalten wird häufiger
Bestrafung (durch Verstärkerentzug)
negativer
Verstärker
--> Verhalten wird seltener
©
0
Bestrafung (durch unangenehme Konsequenzen)
Negative Verstä rkung (durch Wegfall eines unangenehmen Reizes) --> Verhalten wird häufiger
~ Verhalten
wird seltener
0
Die Löschung {Extinktion) der operant konditionierten Verhaltensweise geschieht durch: t Beseitigung des Verstärkers t Einsetzen eines neutralen Reizes anstelle des verstärkenden Reizes t Einsetzen eines aversiven (unangenehmen) Reizes Das Prinzip der operanten Konditionierung besteht darin, Handlungen, die Befriedigung zur Folge haben, zu wiederholen, und solche, die zu Unlust f!lhren, zu unterdrücken. Diese Konditionierung kann auch wieder gelöscht werden.
Wie mit einem Instrument kann hier aktiv auf die erwünschte Verhaltensweise Einfluss genommen werden. Die Beeinflussung des Verhaltens ist in I Abbildung I und Tabelle 2 dargestellt. Der Behaviorist (eng/. behavior = Verhalten) B. F. Skinner (1904 - 1990) zeigte die operante Konditionierung am Verhalten von Tauben. Er konstruierte
a
b
1o I 11
©
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Verhaltensweise erhöht sich
einen besonderen Experimentierkäfig, die berühmte "Skinner-Box", in die er Tauben setzte. Der Futternapf der Tauben wurde jedes Mal bei "Hebeldrücken" gefüllt, und so lernten die Tauben durch zufälliges Versuchen, den Hebel zu drücken, und fanden durch das damit verknüpfte Erfolgserlebnis rasch heraus, den Hebel zu drücken, um durch Nahrung belohnt zu werden.
I Abb. 1: Modell der operanten Konditionierung.
Lernen am Modell (Imitationslernen, soziales Lernen)
Albert Bandura (1963) studierte Kinder, die im Film beobachteten, wie Erwachsene eine Spielzeugpuppe schlugen und traten. Als die Kinder später allein mit der Puppe im Raum waren, hatten sie die Verhaltensweisen der Erwachsenen übernommen und imitierten das aggressive Verhalten (I Abb. 2).
c
I Abb. 2 a bis c: Lernen aggress iver Handlungen durch Beobac htung: a) Aggressive Handlung an einer Puppe durch ein erwachsenes Modell; b) Nachahmen des aggressiven Verhaltens durch ein Mädchen; c) Nachahmung durch ein Jungen [nach Bandura, 1963). [26]
Grundbegriffe des Verhaltens II Das Verhalten anderer Personen wird also beobachtet und dann imitiert. Ob ein Modellverhalten internalisiert wird , hängt von folgenden Faktoren ab: ~ Den Persönlichkeitsmerkmalen des Vorbilds (sozial anerkannt, sympathisch, Sicht des Erfolgs beim Vorbild, z. B. wenn die beobachtete Person ein Lob bekommt) aDen Persönlichkeitsmerkmalen des Beobachters (Selbstwertgefühl, Interessen, Aufmerksamkeit) aDer Beziehung zwischen Modell und Beobachter ~ Der Situation (ruhig, vertrauensvoll, angespannt) Der Beobachter nimmt das Modell in sein Gedächtnis auf und gleicht es mit den evtl. schon vorhandenen Modellen ab. Tritt für den Beobachter eine Situation auf, in der das Modell anwendbar ist, wird er ein ihm vorteilhaft erscheinendes und erwartetes Modell ausführen. Führt das Modell zu einem Erfolg, bestätigt dies die Anwendung (positive Verstärkung und Motivation). Das Lernen an fremden Erfahrungen bietet zudem ein ökonomisches Prinzip für den Erwerb eigener komplexer Verhaltensstrategien, da bereits Erfolgsprüfungen des Handeins durch das Vorbild/ Modell stattgefunden haben. Die Imitation findet man z. B. bei früh kindlicher sprachlicher und psychomotorischer Orientierung, bei Sprachstilen und ritualisierten Formen des Kontakts,
später auch bei differenzierten, kognitiven sowie affektiven Kompetenzen. So übernehm en Kind er häufig die Ängste und Vermeidungsstrategien ihrer Eltern. Während der Pubertät kommt es zu eigenwilligen Imitationen, da in bestehenden Gruppen (PeerG roup und Cliquen) eine starke Nachahmung und ein Konformitätsbedarf bestehen. Fertige Regelsysteme werden übernommen, was die soziale Anpassung fördert und somit einen Erfolg bietet. Durch den Erfolg wird das angestrebte Modell beibehalten. Therapeutisch wird dies bei der Therapie in Form von Rollenspielen genutzt. Einsichtiges Lernen
Eine richtige Wende hat die Lehre der Konditionierung durch das Einbringe n des Selbstmanagements erfahren. Die klassische operante Konditionierung und das Imitationslernen werden um ein planvolles, einsichtiges Lernen, das nicht als Folge einer externen Manipulation erklärt werden kann, erweitert. Dabei werden vorhandene Verhaltenselemente (Reaktionen) und Wissenselemente (Kognitionen) neu verknüpft und bewertet. Das zeigte Tollmann (1932) mit einem Labyrinthmodell für Ratten. Die Ratten, die bereits ein bekanntes Labyrinth erfolgreich durchlaufen hatten, erlernten
S = Stimulus : frustrierender. angst-, aggressionsauslösender Reiz oder Aktualisierung eines solchen Reizes (Patient endeckt eine Spinne an der Wand)
0
-
= O rganismus
(vegetative Übererregbarkeit Schwei ßausbruch. Pulsbeschleunigung . auch kognitive Einflüsse)
_.
ein spiegelbildlich aufgebautes Labyrinth wesentlich schneller als die Tiere ohne entsprechende vorherige Erfahrung. Verhaltensmodifikation
Es gibt verschiedene Möglich keiten, das Verhalten zu kontrollieren und zu beeinflussen (modifizieren) . So können z. B. unerw ünsc hte Verhaltensweisen verlern t und erwünschte Verhaltensweisen bestärkt werden. Das geschieht in der Verhaltenstherapie. Verhaltensanalyse
Eine Verhaltensanalyse wird zu Beginn, während und als Erfolgskontrolle nach der Verhaltenstherapie erstellt. Dabei werden die einzelnen Komponenten des Verhaltens auf verschiedenen Ebenen (s ubjektive Darstellung und motorische physiologisc he Objektivierung) berück- ' sichtigt. Zur Ermittlung der Lerngeschichte und der aufrechterhaltenden Bedingungen unerwünschter Verhaltensweisen wird hierbei die individuelle Verhaltensstruktur zerlegt. Bei der Zerlegung des Verhaltens werden in genauen Betrachtunge n die Verhaltensweisen und deren kognitive Hintergründ e aufgedeckt, und es wird analysiert, inwieweit sie für ein abweichendes Verhalten verursachend sind. Hierzu nutzt man das SORKCModell (s. S. 82), das I Abbildung 3 am Beispiel der Spinnenphobie zeigt.
R = Reaktion I unerwünschte Verhal tenswelse Aus Angst (Gefühl der Ang st. körperli che Erregung) schreit der Patient und geht aus dem Zimmer.
\
1
Abb. 3: D as SORKC-Modell am Beispie l eines
Patienten mit Spinnenphobie.
K
1-
=Ko nseq uenz;
aufrechterhaltende Verstärkung (der Patient verspürt unmittelbare Erleichterung. seine Freundin kocht ihm einen Tee [Verstärkung)). Auf längere Sicht füh lt der Patient sich aber Spinnen gegenüber hilflos ausgeliefert, er hat Versagens- und Unwertgefühle .
I
C = Kontingenz (engl. contlngency) unterschiedlich feste VerknOpfung zwischen Reaktion und Konsequenz
Grundbegriffe der Verhaltenstheorie
Verhaltensaufbau
Ziel des Verhaltensaufbaus (eng!. shaping) ist, ein erwünschtes Verhaltensmuster systematisch auf- bzw. ein unerwünschtes Verhalten abzubauen. Ein Verhaltensdefizit liegt vor, wenn wichtige Reaktionen nur insuffizient oder gar nicht auftreten (z. B. selbstsicheres Verhai ten). Der Verhaltensaufbau soll zur Verstärkung von Verhaltenstendenzen führen, die einer angestrebten Reaktion ähneln. Das angestrebte Verhalten wird hier nach und nach aufgebaut. Reaktionen, die dem Zielverhalcen im Wege stehen können (z. B. Angst und Vermeidung), werden beseitigt, wobei
oder durch sprachliche Zustimmung wie "hm" seitens des Therapeuten in ihrem erwünschten Sprachverhalten verstärkt. Der Patient lernt dabei rasch, das zu verbalisieren, was der Arzt erwartet. Angstverhalten
erwünschtes Kontaktverhalten
Angst ist ein charakteristisches Symptom der neurotischen Störungen. Die Entstehung von Angst erklärt man aus dem Gefühl der Bedrohung in einer Gefahrensituation. Wiederholt sich die Situation, erinnert dies an die vorangegangene Situation; daher tritt eine Signalangst mit Schutzfunktion auf. Für Außenstehende ist kein adäquater Auslöser erkennbar.
(z. B. die Auseinandersetzung mit einer Spinne als angstauslösendem Objekt) wahrscheinlicher wird. Dabei müssen irrelevante, störende Reize (lauter Knall, während der Patient die Spinne beobachtet) vermieden werden. Durch Modelllernen (der Patient beobachtet z. B. einen Freund, der eine Spinne in der Hand hält und deshalb ein Lob erhält) können Restdefizite ausgeglichen werden. Verhaltensaufbau wird im Durchsetzungstraining angewandt, bei der Ausformung verbesserter kognitiver oder affektiver Expressivität. Greensporn führte 1955 ein interessantes Experiment der verbalen Konditionierung durch. Versuchspersonen wurden mittels nonverbaler Reaktionen
Konfliktängste: Ein 30-jähriger Lehrer entwickelt eine Psoriasis (Schuppenflechte) und kommt damit in die dermatologische Praxis. Zwei Wochen zuvor hat ihm seine Freundin gesagt, dass sie sich trennen möchte. Diesem Konflikt kann der Patient sich nicht stellen und adäquat mit Traurigkeit oder Wut reagieren. Er fühlt sich hilflos, zurückgelassen, nicht gewollt und findet keinen Weg, mit der Situation umzugehen. Er entwickelt eine charakteristische Spannung, die man als Angst vor dem Konflikt beschreibt. Da er aber diese Angst nicht erträgt und um jeden Preis vermeiden möchte, verdrängt er den Konflikt und bekommt eine Schuppenflechte . Die Konfliktangst des Patienten
12
I
13
bleibt dabei unbewusst. Seine Freundin kümmert sich nun um ihn und seine Haut und bleibt bei ihm. Typische Konfliktängste sind Verfolgungs- und Verlassenheitsängste, Verlust- und Trennungsängste, Ängste vor Liebesverlust, Straf- und Gewissensängste. Vermeidung
Wird eine angstauslösende Situation vermieden (bei Angst vor Menschenmassen z. B. Vermeidung von Einkäufen im Supermarkt) und dadurch eine Belohnung erlebt (Spannungsreduktion: Die Ehefrau erledigt den Einkauf), so wird der Patient auch in Zukunft den Gang in den Supermarkt meiden. Das Vermeidungsverhalten wird also durch die operante Konditionierung mit Belohnung in Zukunft wahrscheinlicher! Biofeedback
Biofeedback (eng!. feedback = Rückmeldung) soll die willkürliche Kontrolle der Körperfunktionen erleichtern. Dazu werden biologische Daten gemessen, die der Mensch normalerweise nicht wahrnimmt. Durch die Rückmeldung an den Patienten über visuelle oder akustische Signale werden ihm nun die körperlichen Reaktionen seines Körpers bewusst und damit beeinflussbar gemacht.
Grundbe griffe des Verhalte ns 111 Beeinflussen lassen sich Herzfrequenz, Blutdruck, Hautleitfähigkeit (psychogalvanische Hautreaklionen), Muskelentspan nung, Potentiale im EEG, Atmung, Hauttemperatur, Gefäßvolumen und Magenmotilitä t
Das Biofeedbackprinzip wird auch beim Lügendetektor genutzt: Die elektrische Hautleitfähigkeit steigt durch eine erhöhte Schweißsekretion und kurzzeitiges Absinken des elektrischen Hautwiderstands bei Erhöhung des Sympathikotonus. Bei einer Lüge steigt durch die emotionale Angespanntheit der Sympathikotonus. Biofeedback wird in der Psychotherapie z. B. zur Entspannung eingesetzt. Der Patient kann auf einem Bildschirm die Kurvendiagramm e seines Pulses, seiner Körpertemperatur und seiner Atmung sowie eine Wohlfühllinie beobachten. ln entspanntem Zustand atmet der Patient in den Bauch (tiefe Atmung) und bemerkt, dass der Puls sich seiner Atmung anpasst. Er kann so lernen, tief in den Bauch zu atmen und dadurch besser zu entspannen. Weitere Anwendungsgebiete sind Mig-
räne, Bluthochdruck und psychosomatische Erkrankungen. Bestrafung
Bestrafung ist eine negative Konsequenz, die einem Verhalten folgt. Dies kann entweder ein Strafreiz der Umwelt (z. B. eine Ohrfeige) oder eine Unterb re· chung einer dauerhaft wirksamen befriedigenden Stimulierung (z. B. Liebesentzug) sein. Diese Form der Verhaltensmodifikation beinhaltet allerdings folgende unerwünschte Nebenwirkungen: t Steigende Strafintensität bei negativer Verstärkung t Artifizielles Defizit (z. B. Dämpfung der gesamten Sprachaktivität bei Löschung von kindlichen Widerreden) t Übernahme strafender Modelle
durch den Bestraften t Positive Verstärkung, wenn Strafe als Zuwendung verstanden wird (z. B. Sadomasochismus) t Fehlender Verhaltensaufbau durch fehlende Unterstützung des eigenen Verhaltens t Strafreizprogression (bei gleichblei-
bender Intensität verliert die Strafe ihre gezielte Wirkung) Der Zuwendungsentzug wird als wirksamere Bestrafung angesehen.
Aversionstechniken
Definition Aversivreize (tat. aversio = Abneigung) sind Reize, auf die der Organismus mit Aversion (Abneigung, Ekel oder Vermeidung) reagiert, z. ß. Schmerz, Nahrungsmittel oder bestimmte Situationen . Zugrunde liegt meist eine unangenehme Erfahrung in einer vorher neutralen Situation, die mit der unangenehmen Erinnerung verknüpft wurde (Konditionierung). Eine Aversion kann erlernt werden: Erfolgt in einer ursprünglich neutralen Reizsituation eine unangenehme Erfahrung, so wird diese Reizsituation künftig gemieden, z. B. erlern te Aversion gegen weiße Kittel (Arztangst), Erregung und Angstgefühle beim Heulen einer Sirene nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Anwendung der Aversivreize
I Abb . 4: Einflussfaktoren der SelbstunsicherheiL
Grundbegriffe der Verhaltenstheorie
bei unerwünschtem Verhalten soll die lichkeitsmerkmal, sondern auch vom Häufigkeit dieses Verhaltens reduziert gesellschaftlichen System und von deswerden. Dabei wird bei Auftreten des sen Normen abhängig. unerwünschten Verhaltens (z. B. ZigaSelbstunsicherheit hat verschiedene rettenrauchen) eine Konditionierung Einfl ussfaktoren (I Abb. 4), welche fü r mit einem unangenehmen Reiz (z. B. eine Verschiebung in Richtung SelbstsiNichtbeachtung) vorgenommen. cherheit angegangen und überwunden Ein Aversivreiz ist z. B. die Fixation werden sollten. von Oligophrenen (Bezeichnung fü r Zum Aufbau der Selbstsicherheit nutzt Intelligenzmangel/ Geistessc hwäche) man Methoden wie Rollenspiel, bei Selbstbeschädigung. Modelllernen und differentielle Diese Techniken haben keine starke Ef- Verstärkung. fizienz gezeigt und sollten therapeutisch nur eingesetzt werd en , wenn schwere Selbstkontrolle Symptome vorliegen und andere Techniken versagen, z. B. bei Autoaggression Selbstkontrolle wird durch Verhaltensund zur Gewichtskontrolle bei lebensänderungen erreicht, die vom Individuum selbst gesteuert werden. Durch bedrohlichen Essstörungen. In jedem Fall kontraindiziert sind sie bei Selbstbeobachtung, Überwachung, Bewertung und Protokollieren eigeÄngsten und Depressionen! ner Reaktionen kann deren Auftreten kontrolliert werden. Dies wirkt als KonSelbstsicherheit Die Selbstsicherheit umfasst einen weiten Bereich unserer Persönlichkeit. Eine selbstsichere Person bildet sich eine eigene Position, kann diese ausdrücken und ggf. verteidigen. Selbstsicherheit ist kein individ uelles Persön-
14
I 15
sequenz auf eigenes Verhalten verstärkend, ausblendend oder bestrafend. Beispielsweise können die weit verbreiteten Gewichtsprobleme durch eine Selbstkontrolle günstig beeinflusst werden. Diese Methode benötigt Selbstverstärkung, wie kleine Belohnungen, z. B. eine Arbeitspause. Der adipöse Patient lernt so durch die Kontrolle seines Verhaltens ("Esse ich schon den dritten Riegel Schokolade?"), das nun kontrollierte Verhalten zu steuern (" Ich esse bewusst einen Riegel Schokolade mit Genuss"). Situationskontrolle bedeutet die Ausblendung bestimmter Reizangebote, bevor sie ihre auslösende Wirkung ausüben können. Der werdende Nichtraucher sollte z. B. andere Raucher, Zigarettenautomaten oder Aschenbecher meiden.
Zusammenfassung X Die Theorie vom erlernten Verhalten beschäftigt sich mit äußeren Reizen, die in konditionierte (erlernte) Reize umgewandelt werden können. Die Reaktion auf den Reiz lässt sich durch posit ive und negative Verstärker beeinflussen . Wird eine erlernte Reaktion nicht mehr durch eine positive Konsequenz bestärkt, so kann sie wieder verlernt werden (Extinktion).
X Bei der Reizgeneralisierung kann die Reaktion eines ursprünglichen Reizes auf ähnliche Reize übertragen/verallgemeinert werden.
X Um uns in einer Umwelt und Gesellschaft zurechtzufinden sowie den erwarteten Verhaltensweisen zu entsprechen, lernen wir aus eigenen Erfah rungen und aus den Erfahrungen anderer, indem Verhalten beobachtet und ggf. nachgeahmt wird.
X Es gibt verschiedene Methoden der Verhaltensbeeinflussung und somit des systematischen Auf- bzw. Abbaus von Verhaltensweisen .
X Um den Verlauf einer Verhaltensreaktion zu verstehen, wird das Verhalten mithilfe des SORKC-Modells zerlegt und analysiert. X Eine angestrebte Verhaltensweise wird beim Verhaltensaufbau stufenwei-
se erarbeitet. X Der zugrunde liegende Konflikt sollte gelöst werden, um dem Teufelskreis
der Angst entkommen zu können und ein Vermeidungsverhalten zu verhindern. X Methoden zur Modifikation des Verhaltens sind Reizüberflutung, Desen-
sibilisierung, Biofeedback, Bestrafung, Aversionstechniken, Entwicklung von Selbstsicherheit und Selbstkontrolle.
Theorien der Psychosomatik I Grundlage n der Psychosom atik
Stressor
körperlich-s eelisch-sozia len und biopsychoso zialen Wechselwir kungen in der Entstehung, dem Verlauf und
Die zentrale Frage in der Psychosomatik, als das sog. Leib-Seele-P roblem bezeichnet, beschäftigt sich damit, wie körperliche und seelische Vorgänge sich gegenseitig beeinflussen und verändern können. Oft stößt man dabei auf das "HenneEi- Dilemma" , d. h. die Frage, welches von beiden denn nun zuerst da war (die psychische oder die körperliche Erkrankung= die Henne oder das Ei ). Beispielsweise kann eine Frau mit Brustkrebs nach Brustamputation und Chemotherapie eine Depression entwickeln, oder eine Depression führt bei einem Patienten zu einer so schlechten Abwehrlage, dass er eine Infektion oder Autoimmunerkrankung entwickelt. Manchmal ist dann später nicht
Infektion
Phys. Trauma
neurovegetatives System , endokrines System
Definition Die Psychosomatik (griech. soma = Körper, Psyche: Seele) ist die Lehre von den
Das Leib-Seele-Problem
Emotion
Intoxikation
li mbisches System
Psychosom atik
der Behandlung menschlicher Krankheiten (I Abb. I). Sie muss ihrem Wesen nach als eine personenzen trierte Medizin verstanden werden. Das bedeutet, dass der Patient als Person- mit allen dazugehörigen Aspekten - im Mittelpunkt steht. Als junges medizinisches Fachgebiet kann man sie als Erweiterung der ärztlichen Grundeinste llung den Patienten gegenüber verstehen. Im Gegensatz zu anderen Fachärzten, die sich entweder den körperlichen oder den psychischen Aspekten einer Krankheit zuwenden, versucht der Psychosomatiker, alle den Patienten beeinflussenden Faktoren mit einzubeziehen.
Schmerz
Zielorgan
Magen
mögliche Ulcus emotional ~entriculi ausgelöste et Symptome, duodeni Krankheiten
I
HerzKreislauf Funktion Herzbeschwerden
ZNS
Darm
Schlaflosigkeit, Depression
Colitis
Lunge
Hyper~entilatlon
Muskeln
Spasmus
Haut
Ekzem, Neurodemnitis
Abb. 1: Beispie le psychoso mati sc her Erkrankun gen.
mehr erkennbar, ob nun die eine Erkrankung der anderen folgt oder umgekehrt. Moderne Überlegungen werfen daher die Frage auf, ob sich Leib und Seele überhaupt voneinander trennen lassen .
flikts in körperliche, insbesondere sensorische und motorische Erscheinungsbilder.
Theorien in der Psychosom atik
Werden in einer Situation Impulse und Vorstellungen entwickelt, die unangenehm, peinlich oder mit den Vorstellungen des Bewusstseins unvereinbar sind, so werden sie unterdrückt. Der entstandene psychische Konflikt wird durch die körperlichen Phänomene symbolisch zum Ausdruck gebracht und dadurch unbewusst. Nur über eine EntschlüsseJung der Körpersprac he ka nn der Symbolgehalt ermittelt werden. Beispielsweise hört ein Patient zufä llig öfter, dass seine Frau mit einem Kollege n telefon iert, und find et so heraus, dass sie eine Affäre mit ihm hat. Der Mann erleidet einen Hörsturz (hier kön nte man die Körpersprach e symbolisch deuten: "Er will von der Affäre nichts mehr hören") . Weitere typische körperliche Symptome wären Lähmung, Ga ngstörun g, Anfallsleiden oder Blindheit. Zwei Amerikaner, G. L. Engel und A. Schmale, haben das Konve rsionsmodell nac h dem "Henne-Ei-Prinzip"
Eine Theorie ist immer nur so gut, wie sie in der Praxis anwendbar ist (Einstein)! Die fo lgenden Theorien der Psychosomatik sollen einen Überblick über die Entwicklung der psychosomatischen Medizin in den letzten Jahrzehnten geben. jeder der aufgeführten Autoren hat wichtige Beiträge zur heutigen Vorstell ung, wann und warum Mensc hen krank werden, geleistet. Konversion smodell und Aktualneu rose \
Das 1895 von Fre,ud entworfene Konversions modf ll ist auch heute noch GrundJage zu'r Erklärung körperlicher Symptome bei psychischer 1 · Ursache. = Umwandconversio (fat. Konversion g der Umsetzun die lung) bedeutet hier Konhen seelisc Erregungssumme eines
Die Symptombildung ist nach Freud der Lösungsversuch eines Konflikts.
V
Grundbegriffe der Verhaltenstheorie
untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass zuerst auch eine körperliche Innervationsstörung vorliegen kann, die sekundär mit Gefühlen, Wünschen und Konflikten besetzt wird. In diesem Sinn prägte Engel die Bezeichnung somatopsychisch-psychosomatische Krankheiten.
Ein Ehemann erleidet also z. B. einen Hörsturz und ist im Nachhinein davon überzeugt, der Grund dafür sei, dass er das Flirten seiner Frau nicht mehr ertragen konnte. Liegt ein aktueller Konflikt vor, der unmittelbar das Ausleben der Energie erfordert, so entwickelt der Körper keine spezifische und symbolische Konversion, sondern setzt die überschüssige Energie unspezifisch, z. B. in Form von Schwindel, um. Diese Reaktion nannte Freud Aktualneurose. Theorie krankheitsspezifischer Verdrängung
F. Alexander fügte dem Freud 'schen Modell eine zweite, von den Konversionssymptomen abzugrenzende Neurose hinzu. Seiner Auffassung nach entstehen bei der Entwicklung psychosomatischer Krankheiten zwei psychodynamische Grundmuster: I Die Konversionssyrnptorne, die als
symbolischer Ausdruck chronischer unerträglicher emotionaler Konflikte entstehen (s.o.) I Die Symptome der vegetativen Neurose (Organneurose). Hier entwickeln sich die körperlichen Symptome als funktionelle Begleiterscheinungen von chronisch unterdrückten emotionalen Spannungen. Dabei kommt es durch den Versuch der Aufrechterhaltung der körperlichen Homöostase zu zwei Grundstörungen:
-Der Körper verharrt im Zustand der Bereitstellung zur Handlung: Der Sympathikus ist situationsgerecht ak· tiviert und überwiegt im vegetativen Nervensystem. Er steht bereit, eine Handlung auszuführen. Es kommt aber nie zur Ausführung der vorbereiteten, notwendigen Handlung.
Daraus entstehende Symptome sind z. B. Hypertonie und Angst. -Der Körper verharrt im Rückzug, statt die Handlung auszuführen: Der Parasympathikus überwiegt im vege· tativen Nervensystem. Es kommt zum Rückzug vor der Lösung äußerer Problerne in einen passiven Zustand der Abhängigkeit. Die mangelnde Aktivität wird z. B. am Herzen über eine Verlangsarnung des Pulses, verminderte Erregbarkeit und Pumpkraft getriggert. Der zentrale Konflikt ist der Abhängigkeitskonflikt (Störungen in der frühen Mutter-Kind-Beziehung). Dass die Störung einem bestimmten Konflikt entspricht, wird heute in Frage gestellt. Konzept der Objektbeziehungen
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I
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Kindes. Mithilfe eines sog. Übergangsobjekts (Kuscheltier, Schmusedecke) entwöhnt sich das Kind von der engen mütterlichen Beziehung. Winnicott interessierten außerdem die Phänomene einer "Good-enough"Mütterlichkeit und deren Bedeutung für die kindliche Entwicklung. Sie beschreibt das unabdingbare Bedürfnis des Kinds (des Patienten} nach Empathie und die Fähigkeit der Mutter (des Analytikers}, sie zu gewähren. Damit spannt die Objektbeziehungstheorie auch einen Bogen zur Übertragung und Gegenübertragung in der Psychotherapie. Theorie der De- und Resomatisierung
M. Schur beschrieb die Symptombildung in einer Gefahrensituation als eine ReMelanie Klein und D. Winnicott befass· gression in ursprüngliche körperliche Veräußerungen von Bedürfnissen. ten sich mit der Bedeutung der frühen Normalerweise kommt es im Verlauf Bezugsperson· Kind-Interaktion für der Entwicklung zu einem Prozess der spätere Beziehungen und die PersönDesomatisierung: Nach der Geburt lichkeitsentwicklung. Das Kind entwickelt nach Klein gegen- werden körperliche und psychische über dem idealisierten Bild von Bezugs- Bedürfnisse unbewusst und körperlich ausgedrückt (z. B. schreit das Neugebopersonen {"Objekten"), insbesondere rene bei Hungergefühl) . Bei einem von Vater und Mutter, im Laufe der gesunden Kind kommt es zu einer Entwicklung sehr früh zwei Positionen (Imago). Dabei kann das Kind ein gutes Reifung und Strukturierung des Ich. Dadurch ist es ihm möglich, seine Beund ein böses Imago zur gleichen Perdürfnisse nun psychisch bewusst zu son entwickeln. In Bezug auf die mütverarbeiten (Gefühle zu verbalisieren: terliche Brust entwickelt sich z. B. ein "Ich habe jetzt Hunger"). Die anfangs Konflikt zwischen dem Wunsch nach somatisch geäußerten Bedürfnisse Nähe einerseits und Verschmelzungswerden desomatisiert und nun adäquat angst, Neid oder Gier andererseits. In verbal ausgedrückt. emotionaler Distanz bezieht das Kind Die frühen somatischen Reaktionsmuszunächst eine "paranoid-schizoide Position". In der weiteren Entwicklung ter können in starken psychosozialen erkennt das Kind, dass sein Hass dersel· Belastungssituationen wieder aktiviert werden. Es kommt dann zur Resomaben Mutter gilt, von der auch Gutes kommt, und bezieht eine "depressive tisierung: Der Körper kann die ErrePosition" mit Schuldgefühlen und Wie- gung in einer für ihn gefährlichen Auslösesituation nicht mehr mit seinem dergutmachungstendenzen. entwickelten, psychisch bewussten VerBeide Positionen bleiben nach dieser arbeitungsmuster bewältigen. Deshalb Lehre als elementare Konstellationen greift er auf kindliche Mittel der Kon· bestehen und können zu gegebener fliktlösung zurück. Eine Tachykardie Zeit aktualisiert werden. wird z. B. nicht als Angst wahrgenomWinnicott betont bei diesem Modell men, sondern als organische Funktionsaber auch den Einfluss realer Umweltstörung. erfahrungen in der Entwicklung des
Theorien der Psychosomatik II Konzept der zweiphasigen Verdrängung
1. Operationales Denken
Schlechter Zugang zu seelischen Inhalten und schlechtes Ausd rucksvermöge n von Gefühlen
Die Grundvoraussetzung menschlichen Lebens ist nach A. Mitscherlieh die Gleichzeitigkeit leiblicher und seelischer Prozesse. So zeigt sich etwa seelische Anspannung auch durch körperliche AngespanntheiL Entsteht ein Konflikt, wird versucht, diesen mit psychischen Mitteln zu lösen ( l. Phase); eine neurotische Symptombildung kann entstehen. Kann das Ich dem Konflikt nicht auf Dauer standhalten, kommt es zu einer Verdrängung durch Verschiebung in körperliche Abwehrvorgänge, einer "Flucht in die Krankheit" (2. Phase). Diesen Vorgang zeigt I Abbil· dung 2.
Partielle psychische Unreife
2. Ich-Störungen
Mangelhafte Symboli sierungsfähigkeit Beziehungsleere in Objektbezieh ungen Unfähigkeit zu einer Übertragungsbeziehung in der Psychotherapie Regre ssion auf ein primitives Abwehrsystem mit
3. Psychosomatische
aggressiven und autodestrukt iven Tendenzen in
Regression
Form der Soma tisierung
4 . Projektive Verdopplung
Sieh t die anderen stereotyp so wie sich selbst Verneint eigene Originalität und die der anderen
I Tab. 1: Kennzeichen der psychosoma ti sc hen Persö nlichkeit sstruktur nach Marty und d'Uza n.
Der organischen Symptombildung geht in jedem Fall der Konfliktlösungsversuch mit psychischen Mitteln voraus.
Stressmodell
Stress ist nach H. Selye eine Forderung an den Organismus, innere oder äußere Reize so zu verarbeiten, dass das biologiNach der französischen psychosomatischen Schule (P. Marty, sc he Gleichgewicht aufrechterhalten werden kann. M. d'Uzan) besitzen Patienten mit psychosomatischen Krank- Dabei lässt sich Stress unterteilen in Eustress, der eine stiheiten eine spezifische Persönlichkeitsstruktur (I Tab. 1). mulierende Wirkung hat (z. B. Urlaubsplanung), und Disstress, der bei längerer Dauer oder großem Ausmaß schädiSie sind unfähig, ihre Gefühle wahrzunehmen und mit Worwirkt (z. B. Prüfungen). gend ten zu beschreiben. Auch andere Autoren beschrieben alexiDie Grundlage des eher unspezifischen Stressmodells ist die thyme Persönlichkeitszüge bei Menschen mit psychosomati· Notfallreaktion. Sie ist bestrebt, durch eine komplexe vegetasehen Krankheiten. tive Steuerung eine "Homöostase", also ein inneres Gleichgewicht der Funktionen im Organismus, zu erhalten. Alexithymie ist das Unvermögen, Gefühle hinreichend wahrzunehSelye entwickelte daraus das allgemeine Anpassungssynmen und zu beschreiben; alexithyme Patienten haben Schwierig(general adaption syndrome, GAS, I Abb. 3): drom keiten, Gefühle von körperlichen Folgen auf eine BelastungssituaHat der Stress eine schädigende Wirkung auf den Organistion zu unterscheiden. mus, kommt es zur Symptombildung, wobei das betroffene, meist schwache Organ vom Zufall bestimmt wird. häufiger tatsächlich Alexithymie dass sagen, Man kann heute einfache Modell der Stresswirkung wurde in mehreren Dieses bei psychosomatischer Erkrankung auftritt. Der feh lende Richtungen erweitert. Zuerst muss festgestellt werden, dass Zugang zur Gefühlswelt betrifft aber Gesunde wie Kranke. Stress individuell sehr unterschiedlich empfunden wird Man kann die Alexithymie also als Risikofaktor zur Ent(z. B. ist für den einen ein Referat ein förd ernder, ermutigenwicklung körperlicher Symptome bei seelischer Belastung der Eustress, während er für den anderen alptraumhaften sehen. Disstress bedeutet). Auch die Art und Weise der Stressbewältigung ist sehr unterschied lich. Alexithymiekonzept
Chronische Belastung Konnikts ituation
! Mobilislenung psychischer Abwehrkratte mit neurotischer Symptombildung Phase 1
Phase 2 Einengung des Ichs Dauerbelaslung
Verdrängung
Verschiebung in körperliche Abwehrvorgänge
1 Ausbildung eines körperlichen Symptoms
I
Abb . 2: Modell der zweiph asige n Verdrängung.
Grundbegriffe der Verhaltenstheorie
Alarmreaktion Leistungsabfall
I
---
Widerstand
Erschöpfung
gesteigerte
Zusammenbruch
Leistung sfähigkeit
des Organismus
Abb. 3: Allgemeines Anpassungssyndrom nach Se lye.
Wichtig ist v. a. auch zu wissen, dass Stress nicht nur von außen kommt (z. B. Prüfung, Beinbruch), sondern meist als innerer Stress (Probleme in der Partnerschaft oder Familie) stärker belastend ist. Die Erfassung von sozialem Stress in seiner Gesamtheit wird mit der LifeEvent-Forschung (Gewichtung belas· tender Lebensereignisse) angestrebt. Dem andauernden alltäglichen Stress kommt dabei nicht weniger Bedeutung zu als einmaligen traumatischen Stresserlebnissen. Psychosomatische Grundstörung und Repräsentanzen M. Balint ist v. a. durch die Einführung der . Baiint-Gruppen" bekannt, in denen der Einfluss der Psychedynamik zwischen Arzt und Patient herausgearbeitet wird und so eine Verbesserung der Patientenbehandlung ermöglicht.
M. Balint beschäftigte sich vorrangig mit der psychologischen Entwicklung durch frühkindliche Erfahrungen und die Be· ziehungzur Mutter. In dieser frühen Mutter-Kind-Beziehung kann es zur Repräsentation einer sicheren Bindung kommen. Eine Mutter kommt z. B. nach Abwesenheit in den Raum, in dem sich das Kind befindet. Bei einer sicheren Bindung wartet das Kind zuversichtlich auf die Wiederkehr der Mutter. Bei der Repräsentation einer unsicheren Bin· dungfühlt sich das Kind fehlerhaft und nicht liebenswert, es rechnet nicht mit einem Entgegenkommen der Mutter.
Eine sichere Bindung wird als Schutz· faktorgegenüber psychischen Erkran· kungen betrachtet. M. Balint und W. Kutter sprechen von "zwei Ebenen der analytischen Arbeit" in der psychosomatischen Medizin: ~ 1. Ebene =Ebene der Ödipalproblematik: analytische Arbeit mithilfe der klassischen analytischen Technik durch Deutung, Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand ~ 2. Ebene = Ebene der Grundstörung: entwickelt sich auf einer sehr früh en Ebene der "Objektbeziehung", frühe Bereiche der Mutter-Kind-Beziehung ("primäre Liebe") Biopsychosoziales Krankheitsmodell
Das biopsychosoziale Krankheitsmodell, welches v. a. von T. von Uexküll in die Psychosomatik eingeführt wurde, geht
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I
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von unterschiedlich beobachtbaren Ebenen aus, die miteinander in Wech· selwirkung stehen und sich gegenseitig beeinflussen (I Abb. 4). Das Modell berücksichtigt die Kample· xität menschlichen Seins. Gesundheit ist ein erfolgreicher Anpassungsprozess auf biochemischer, physiologischer, im· munologischer, sozialer und kultureller Ebene. Psychosomatik ist somit die Wissen· schaftvon der gegenseitigen Beeinflus· sung biopsychosozialer Vorgänge und deren Bedeutung für Gesundheit und Krankheit des Menschen. lntegratives Krankheitsmodell
H. Weiner bevorzugt ein sog. integratives Modell. Er beschreibt die Gesundheit als erfolgreiche psychobiologische Anpassung an die Um· welt. Folglich verursacht ein Zusammenbruch dieser Anpassung Krankheit. Die Genese ist dabei multifaktoriell (die beeinflussenden Faktoren sind genetisch, bakteriell, immunologisch, nutritiv, entwicklungsbestimmt, psycho· logisch und sozial).
EinflOsse aus
molekulare oder organpathologische Gegebenheiten
Gemeinschaft, Familie, bisher gelernte Verhaltensmuster
Entstehung und
Verlauf von Erkrankungen I Abb. 4: Biopsychosoziales KrankheitsmodelL
Zusammenfassung • Die Psychosomatik beschäftigt sich in Bezug auf Krankheiten mit körperlich-seelisch-sozialen und biopsychosozialen Wechselwirkungen. Dabei bleibt in einzelnen Fällen die Frage ungeklärt, ob psychische oder körperliche Vorgänge Folge oder Ursache dieser Wechselwirkungen sind. Wichtig erscheint das Zusammenspiel von Psyche und Körper (Soma) . • Es gibt verschiedene Modelle, die zum Verständnis psychosomatischer Erkrankungen beit ragen. Sie bauen z. T. aufeinander auf, stellen verschiedene Sichtweisen da r oder können einander ergänzen.
Diagnostik Die Anamneseerhebung in der psychosomatischen Medizin
II Fragebögen, Tagebücher, Diagramme II Psychophysiologische Messungen {Biofeedback)
Im Rahmen einer psychosomatischen Grundversorgung bzw. der allgemeinen "patientenzentrierten Medizin " sollten alle Fachärzte die Grundregeln der psychosomatischen Anamneseerhebung beherrschen. Diese dient hauptsäch· lieh folgenden Aufgaben: t Beziehungsaufbau zwischen Arzt und Patient im Sinne eines Arbeitsbündnisses: Vertrauen, Interesse zeigen, Hilfe anbieten II Erarbeitung und Verständnis der biographischen Situation der Erkrankung: Krankheitsbedeutung für den Patienten und seine Umgebung II Beschwerdeerfassung und Erarbeitung des Krankheits· bilds: Das Ziel ist die Diagnosestellung.
Psychologische Testverfahren
Das Anamnesegespräch soll dabei nicht ein Abfragen be· stimmter Symptome darstellen, sondern dem Patienten Raum für sein e persönliche Reihenfolge und Wichtigkeit bestimmter Ereignisse lassen. Die erfassten Daten sollten anschließend nach folgender Einteilung geordnet werden: 1. Jetziges Leiden 2. Persönliche Anamnese 3. Familienanamnese 4. Entwicklungs· und Sozialanamnese 5. Systemübersicht der Symptome einzelner Organe Während des Interviews sollten möglichst offene Fra· gen gestellt werden. Direkte Fragen sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Die Beobachtung der Körpersprache, der Art des Gesichtsausdrucks und der Redeweise des Patienten im Zusammenhang mit dem Gesprächsinhalt sowie die Persönlichkeit des Patienten sind ebenfalls wichtig. Verhaltenstherapeutische Diagnostik/Problemanalyse
Im Mittelpunkt der verhaltenstherapeutischen Diagnostik steht die Problemanalyse, aus der sich Therapieziele und Therapieplanung ableiten. Die Problemanalyse will herausfinden: t Welche Problembereiche verändert werden sollen (Motivationsanalyse) t Welche Faktoren diese Problembereiche aufrechterhalten (funktionale, kognitive und Interaktionsanalyse) t Welche Veränderungen realistisch möglich sind
Verschiedene Verfahren eignen sich dabei für die verhaltens· therapeutische Diagnostik: t Das diagnostische Gespräch {Exploration) 11 Die Verhaltensbeobachtung (im Alltag, in Rollenspielen etc.) t Verhaltenstests
Es gibt viele versch iedene psychologische Testverfahren mit unterschiedlichen Diagnoseschwerpunkten, die in der Psychiatrie und psychosomatischen Medizin eingesetzt werden können. Sie alle sollten jedoc h fo lgende Eigenschaften besitzen: II Objektivität: Testergebnisse von Untersucher unabhängig II Reliabilität: Verlässlichkeit des Testve rfahrens II Validität: Genauigkeit des Testverfahrens II Normierung: Vergleich der Ergebnisse mit Referenzwerten II Praktikabilität: Durchführung bei geringem Aufwand möglich Standardisierte Untersuchungsmethoden
Sie dienen der Objektivierung und Ouantifizierung psychopathalogischer Befunde mithilfe von Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen. II Fremdbeurteilungsverfahren werden durch geschulte Beobachter, also durch Ärzte, Psychologen und Pflegepersonal, durchgeführt. Durch diese Expertenbeurteilung werden einerseits Fehleinschätzungen durch verzerrte Selbstwahrnehmung verringert, andererseits jedoch kann die Objektivität auch z. B. unter der Erwartungshaltung des Beobachters leiden. Beispiele sind die Hamilton·Depressionsskala (HAMD) und Mini-Mental State Examination {MMSE} zu r Diagnose von Demenzen. t Mithilfe der Selbstbeurteilungsverfahren kann sich der Patient selbst auf Schätzskalen beurteilen. Dies hat den Vorteil, dass un tersucherbed ingte Verzerrungen eingedämmt werden, birgt aber auch das Risiko, dass der Patient im Sinne einer sozialen Erwunschtheit das Ergebnis verfälscht. Dieses Beurteilungsverfahren ist besonders für die Praxis niedergelassener Ärzte geeignet, um Depressivität, paranoide Tendenzen und körperliche Beschwerden zu erfassen. Beispiel ist die Depressivitätsskala nach v. Zerssen.
Testpsychologische Untersuchungsmethoden
Diese Untersuchungsmethoden werden im Rahm en einer "Leistungsdiagnostik" zur Objektivierung kognitiver Funktionen, wie Intelligenz, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis, z. B. bei angeborenem oder früh erworbenem Intelligenzmangel oder bei dementiellem Abbau, herangezogen. Ziel ist es, eine quantitative Aussage bezüglich Leistungsminderung bzw. -potential eines Patienten treffen zu können . In Deutschland ist der Hamburg-Wechsler-lntelligenztest für Erwachsene {HAWIE) am verbreitetsten, der allerdings eine gewisse Abhängigkeit vom Bildungssta nd aufweist. Zur Überprüfung von Aufmerksamkeitsdefiziten bietet sich der Aufmerksamkeits-Belastungstest d2 an. Die Wechsler
Diagnosti k
Memory Scale Revised (WMS-R) wird zur Testung der Gedächtnisfunktion eingesetzt. Persönlichkeitstests
Die Persönlichkeitstests dienen der Standardisierung von Persönlichkeitsstrukturen, meist in Form von Selbstbeurteilungsverfahren. Mithilfe einer Kontrollskala (Lügenskala) kann der Wahrheitsgehalt des beantworteten Fragebogens überprüft werden. In Deutschland wird hauptsächlich das Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) verwendet. Operationalisierung nach ICD und DSM
International gibt es zwei Klassifikationssysteme zur Standardisierung psychischer Störungen, die der Operationalisierung diagnostischer Begriffe, also der Angabe definierter Ein- und Ausschlusskriterien für eine Diagnose, dienen. Das DSM-System (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wurde I 980 von der American Psychiatrie Association entwickelt und ist eine multiaxiale Klassifikation mit fünf Achsen:
t Achse 1: aktuelles psychopathologisches Syndrom t Achse II: Persönlichkeitsstörungen t Achse lll: körperliche Erkrankung t Achse IV: situative Auslöser t Achse V: soziale Adaption
Die aktuelle 4. Auflage DSM-IV-R (R für Revision) ist in der amerikanischen Psychiatrie verbindlich und wird heute in der internationalen wissenschaftlichen Literatur ebenfalls bevorzugt. Die ICD-1 0 (International Classification of Diseases) wurde 1991 von der WHO erarbeitet, um ein international akzeptiertes und vergleichbares System (psychischer) Störungen, also eine Standardisierung zu schaffen. Die diagnostische Hauptgruppe für psychische Störungen ist die Gruppe F:
20 I 21
t FO: organische einschließlich soma-
tischer psychischer Störungen t Fl : psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Suchterkrankungen) t F2: Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen t F3: affektive Störungen t F4: Belastungs- und somataforme Störungen t F5: Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit körperlichen Störungen oder Faktoren t F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen t F7: Intelligenzminderung t F8: Entwicklungsstörungen t F9: Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
\\
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Zusammenfassung
X Die Anamneseerhebung in der psychosomatischen Medizi~ sollte im, Sinne einer " patientenzentrierten Medizin" allgemein behlmsct\bar s\ in und sieht folgende Vorgehensweise vor: Aufbau einer B'ezieh_un~ I
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Erarbeitung eines Krankheitsverständnisses und Beschwerde\ erfassung. Dabei ist es wichtig, v. a. offene Fragen zu stellen
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Körpersprache zu achten. X Im Mittelpunkt der verhaltenstherapeutischen Diagnostik
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Problemanalyse, die Motivation, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren und Interaktionsmuster mithilfe folgender Techniken analysiert: Exploration, Verhaltensbeobachtung, Verhaltenstests, Fragebögen und Biofeedback. X Psychologische Testverfahren lassen sich einteilen in: - Standardisierte Untersuchungsmethoden zur Objektivierung und Ouantifizierung psychopathalogischer Befunde in Form von Fremd- und Selbstbeurteilungsverfahren - Testpsychologische Untersuchungsmethoden zur Objektivierung kognitiver Funktionen im Rahmen einer .,leistungsdiagnostik" - Persönlichkeitstests zur Standardisierung von Persönlichkeitsstrukturen X Zur Standardisierung psychischer Störungen existieren international zwei Klassifikationssysteme, die ICD-1 0 (International Classification of Diseases) der WHO und das DSM-IV-R (= Diagnostic Statistical Manual) der American Psychiatrie Association. Beide Systeme dienen der Oparationalisierung diagnostischer Begriffe, der Angabe definierter Ein- und Ausschlusskriterienfür eine Diagnose.
Menschliche Grundbedürfnisse und Affekte Menschliche Grundbedürfnisse Menschliche Grundbedürfnisse können unterschieden werden in emotionale, triebhafte und primäre Grundbedürfnisse.
Folgende Bedürfnisse sind nach Ansicht der Neurosenpsychologie triebhafte Grundbedürfnisse, welche im Es (s. S. 2) als primäre Impulse definiert werden: t Abhängigkeitsbedürfnisse: Sie hän gen eng mit den Zärtlichkeits- und Anlehnungsbedürfnissen zusammen und entsprechen einem Bedürfnis nach Passivität. Durch eine oder mehrere Bezugspersonen, deren interessierte, zuwendende und fürsorgen de Anteilnahme erfolgt die Befriedigung. Vorherrschend sind Bedürfnisse nach Folgendem: - Körperlichem Kontakt -Getragen zu werden -Sich anzuklammern - Interesse -Angenommen zu werden -Emotionaler Zuwendung Beispiel: Eine pathologische Entwicklung durch nicht befriedigte Abhängigkeitsbedürfnisse zeigte sich bei Kaspar Hauser (Kasper Hauser wuchs auf Anordnung König Ludwigs von Bayern im 19. ]h. ohne menschlichen Kontakt auf und erhielt lediglich Nahrung; dies fü hrte zu einer sozialen Deprivation und später dazu, dass Kaspar Hauser nicht mehr sozial lebensfäh ig war) . t Autonomiebedürfnisse: ln der analen Phase (s. S. 24) treten die ersten natürlichen Autonomiebedürfnisse des Kleinkinds auf, die einem Bedürfnis nach Aktivität entsprechen und häufig aggressiv durchgesetzt werden (Trotzphase). Das Kind macht in seiner Entwicklung die Erfahr ung, selbst etwas zu wollen und selbst etwas zu können. Es versucht, sich von den Eltern zu entfernen. Die Eltern haben Angst, das Kind zu verlieren. Um dies zu verhindern, wird häufig eine restriktive oder überfürsorgliche Erziehung angewandt. Diese Eltern werden auch als overprotective bezeichnet. t Sexuelle Bedürfnisse: Nach Freud sind diese Bedürfnisse bzw. die nicht ausgelebte Triebhaftigkeit für die Entstehung von Neurosen von besonderer Bedeutung. Diese Ansicht ist von der Sexualwissenschaft weitestgehend relativiert worden. t Aggressive Bedürfnisse: Sie spielen bei vielen Neu rosen eine wichtige Rolle. Während der analen Phase (s. S. 24) kommt es zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit den aggressiven Bedürfnissen, v. a. den Autonomiebedürfnissen (s.o.) . Dieser Entwicklungszeitraum ist wegweisend für den späteren Umgang mit den eigenen Aggressionen. Wichtig ist, dass das Kind lernt, sie zu akzeptieren, sie kontrolliert für seine Ziele einzusetzen und sie nicht zu unterdrücken . t Narzisstische Bedürfnisse: Diese Bedürfnisse kann man auch als innere Kräfte ansehen, die dem Menschen bei der Erhaltung eines für ihn vereinbaren Selbstbi lds helfen und
somit ein gewisses Maß an Selbstwertgefühl aufrechterhalten. Sie sind gleich bedeutend mit einem Bedürfnis nach stabiler Identität, Akzepta nz und Bedeu tung. Die Befriedigun g narzisstischer Bed ürfnisse entspricht einer Steigerung des Selbstwertgefühls und somit einem Grundbedürfnis das das Selbstwertgefühl stabilisiert. Erst die deutliche Fok~s sierungauf di~ eigene Person und die egoistische Betrachtung unter Emschrankung und Abwertu ng der Kommuni kation mit and eren Personen machen schließlich den pathologischen Narzissm us aus. Affekte Affekte (lat. affectus • Gemütsverfassung) sind zeitlich begrenzte intensive Gefühlsregungen, wie z. B. Zorn, Wut, Hass, Freude, Ekel und andere, die sich mimisch ausdrücken und häufig auch mit einer körperlichen Reaktion einhergehen (z. B. Erröten, Schwitzen).
Es gibt Störungen, bei denen der Patient diese Affekte nur schwer kontrollieren kann und impulsive Affekthandlungen ausführt (z . B. Borderline- Persönlichkeitsstörung, s. S. 38 und 40). ln Abgrenzung zu den Affekten stehen die Stimmungen, die länger andauern und wen iger intensiv sind (z. B. "gut drauf sein"), und die Emotionen, die aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen, wie Gefühle, Kognitionen, Ausdruck etc. Im Folgenden soll auf die häufigsten Affekte genauer eingegangen werden. Angst t Realangst: Die Realangst ist die Angst vor realer äußerer Bedrohung. Sie ist für das Überleben des Individuums unerlässlich. In der Ausprägu ng der Angst gibt es starke Unterschiede zwischen den Menschen. Die einen
entwickeln häufiger und rascher Angst, die anderen dagegen bleiben in den gleichen Situationen gelassener und entspannter. Ein Beispiel ist die Angst vor der erlebten lnsektengiftallergie. t Neurotische Angst: Die neurotische Angst ist Angst aus einer innerlich erlebten Bedrohung oder auch aus einem internalisierten Konflikt heraus (z. B. Herzneurose) . Bei der Entstehung einer Neurose kommt es zur Verstärkung der Realängste. Ein aktueller Konflikt kan n zur Regression und damit zur Reaktivierung infantiler Ängste (z. B. Verlassenheitsängste) führen . Die Realängste des Kinds können beim Erwachsenen als neurotische Ängste in Konfliktsituationen wieder auftauchen. t Angstvermeidung: Neurotisch gefährd ete Personen empfinden Ängste als un erträglic h. Sie versuchen, sie zu verleugnen, zu verdrängen oder auf die Außenwelt zu projizieren. Es kommt zum Rückzug von allen Angst- und Gefahrensituationen, und die Angstverm eidung beherrscht die Person (z. B. Sozialphobie). Der übermäßige Gebrauch
Diagnostik
von Abwehrmechanismen fUhrt dann zu einer Neurose. t Einen Schutz der psychischen Gesundheit bietet die Zuflucht in aktive Maß· nahmen, wie den Einsatz von Verstand und logischem Denken, tatkräftige Veränderung der Außenwelt, aber auch aggressive Gegenmaßnahmen (kontraphobische Vermeidung, z. B. BungeeJumping bei Höhenangst). Abwehr
Die Begriffe Abwehr und Verdrängung gehen auf Sigmund Freud zurück. Die Abwehr führt zu einem Schutz des Ich gegen die Ansprüche des Es (s. S. 2). Bedrohliche, angsterregende und unangenehme Situationen, Gedan· ken und Handlungen sollen durch Abwehr vermieden werden. Seine Tochter Anna Freud unterteilte 1936 verschiedene Abwehrmechanismen, wie Regression, Projektion, Intel· lektualisierung etc. (s. S. 6), die in primäre und sekundäre (reife) Abwehrmechanismen klassifiziert werden. Sie werden von jedem Menschen gebraucht, ein übermäßiger Einsatz kennzeichnet jedoch eine neurotische Entwicklung.
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Verlust dar und ist ein Stadium der Depression in der Phase des Abschied· nehmens. Dabei dient die Traurigkeit Scham, Takt, Geheimnisse, Schweige· dem Ausdruck und der Ablösung vom pflicht usw. sind Schutzmaßnahmen, um das Innerste unverletzlich zu halten. Verlust. E. Kühler-Ross, amerikanische Dieser Selbstschutz hindert uns auch Psychiaterin und Begründerin der daran, Grenzen anderer taktlos zu Sterbeforschung und ·begleitung, durchbrechen. Bei einer körperlichen oder geistigen Bloßstellung kommt es zu teilte das Abschiednehmen 1982 in fünf verschiedene Stadien ein einer Verletzung des erworbenen (I Tab. 1). Selbstbilds. Es besteht die Gefahr, Bei diesen Phasen handelt es sich um einen Makel zu entdecken. Das dabei unbewusste Strategien zur Bewältigung entstehende Schamgefühl ist nicht imdes Verlusts. Sie können zeitweise auch mer nur aktuell, sondern es gibt auch verlernte und verdrängte Schamgefühle. nebeneinander existieren und von unterschiedlicher Dauer sein. Manche Phasen können auch übersprungen Trauer werden. Sie werden sowohl vom Sterbenden als auch vom Trauernden Die Trauer stellt eine prozesshafte erlebt. Auseinandersetzung mit einem Scham
Nicht-wahrhaben-Wollen
Abwehr, Isolierung
Sichaufbäumen
Zorn, Neid auf Nichterkrankte
Feilschen
Verhandeln, Flucht in die Regression
Trauern
Depression
Siehfügen
Zustimmung, Akzeptanz, Hoffnung
I Tab. 1: Fünf Ph asen des Sterbens na ch Kübler-Ross.
Wut Die Wut mobilisiert Kräfte zum Widerstand gegen Einschränkungen der Person und kann zum Stressor werden. Wut ist individuell sehr unterschiedlich auslösbar, hängt aber meist mit Frustrationen wie Zielbehinderungen, Scha· denszuführungen, drohendem Verlust, Beleidigungen, Übervorteilungen, Zwängen usw. zusammen. Wut spielt auch bei den Autonomiebedürfnissen (s.o.) eine große Rolle und wird vom Kleinkind im Rahmen der Trotzphase bei dem Versuch, seine Bedürfnisse zu stillen , unkontrolliert eingesetzt.
Zusammenfassung • Menschliche Grundbedürfnisse werden in der Neurosenpsychologie als triebhafte Grundbedürfnisse oder primäre Impulse des Es bezeichnet und folgendermaßen eingeteilt: - Abhängigkeitsbedürfnisse - Autonomiebedürfnisse - Sexuelle Bedürfnisse - Aggressive Bedürfnisse - Narzisstische Bedürfnisse • Affekte sind zeitlich begrenzte intensive Gefühlsregungen, wie z. 8. Ärger, Zorn, Wut, Hass, Freude und Ekel, die häufig auch mit einer körperlichen Reaktion einhergehen (z. 8. Erröten, Schwitzen). Ihnen stehen die Stimmungen, die länger andauern und weniger intensiv sind (z. B. "gut drauf sein"), und die Emotionen, die aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen, wie Gefühlen, Kognitionen, Ausdruck etc., gegenüber.
Entwicklungspsychologie Im Folgenden sollen die zwei klassischen En twicklungsmodelle nach Freud und Piaget vorgestellt werden, die jedoch in der modernen Entwicklungspsyc hologie um eine Vielzah l von Theorien und Modellen, z. B. aus dem Bereich der Säuglingsforschung, erweitert wurden. Psychoanalytisches Modell nach Freud
Sigmund Freud erarbeitete anhand von Informationen aus Therapiegesprächen mit Patienten das Phasenmodell der psychosexuelle n Entwicklung. Es entspricht einem triebtheoretisc hen Entwicklungsmodell, in dem vom Lebensalter abhängige Körperfunktionen die psychische Reifung des Kind s prägen. Traumatisierungen in den einzelnen Phasen führen zu phasenspezifischen neurotischen Störungen. Das Entwicklungsmodell nach Freud wird in mehreren Stufen vollzogen:
beherrsc ht. Dabei wird die Stimulation der Darmschleimha ut als lustvoll empfunden. Es komm t zu ersten Auseinandersetzungen zwischen dem aufkeimenden Willen des Kinds, den Autonomiebedürfnissen, und der elterlichen Autorität. Die psyc hischen Themen sind Ordnung und Mach t, Behalten und Hergeben, Beharren auf rigiden Einstellungen, aber auch die Freude an kreativem Gestalten. Ödipale Phase: Sie entspricht der
phallischen Phase. Im 4. und 5. LJ entdeckt das Kind den anatomischen Geschlechtsunterschied. Der eigene Körper wird erforscht, verbunden mit sog. Kastrationsangst beim Jungen und Penisneid beim Mädchen. Der Vater wird vom Sohn als Konkurrent beim Werben um die Gunst der Mutter em pfunden. Es entsteht die ödipale Situation. Geschlechtsrollenkonforme Verhaltensweisen entwickeln sich durc h die Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil.
Taktile Phase: Schultz-Hencke (1927)
beschreibt die Haut als Ausgangspunkt von Bedürfnissen nach Wärme, Trockenheit, zärtlichem Hautkontakt und Gestreicheltwerden. Die Entwicklung des Taktgefühls ist dabei eine wesentliche Voraussetzung für einen glückenden Gefühlsaustausch. In den ersten Lebenswochen bis zum ersten Lächeln im 2. oder 3 . Monat herrschen zunächst diese objektlosen Sinneseindrücke vor. Sie ermöglichen durch die regelmäßige Wiederkehr derselben Person und deren Zuwendung die Entwicklung einer positiven emotionalen Bindung. Es entwickelt sich das erste Vertrauen (Riemann 1963). Orale Phase: Im 1. LJ des Kinds liegt
eine enge Mutter-Kind-Beziehung vor. Der Schlaf und die Ernährung sind die wichtigsten Aktivitäten, wobei das Kind durch Saugen einen oralen Lustgewinn hat. Das günstige Klima des Körperkontakts wirkt in dieser Zeit als emotionale und soziale Quelle des Urvertrauens. Anale Phase: Im 2. und 3. LJ setzt
die Sauberkeitserziehung ein. Die Körpersc hließmuskeln werden zunehmend
Latenzphase : Vom 6 . LJ bis zur Pubertät besteht "Triebruhe". In dieser
Zeit sollte ein positives Leistungsgefühl erworben werden , um ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Genitale Phase: Diese Jugend- oder Adoleszenzzeit ist der Übergang vom
Kind zum Erwac hsenen. Ein hormonell bedingter Reifungsschub leitet die Entwicklung zu einer sexuell funktion sfähigen Person ein. Es wird eine reife Geschlechtsidentität entwickelt. Eine sexuell reife Entwicklun g bedeutet dabei , sich dem eigenen Geschlecht zuzuwenden und sich damit zu identifizieren bei gleichzeitiger libidinöser Annäherung an einen gleichwertigen Sexual partner. Kritisch ist dabei anzumerken, dass Freud sei n Entwicklungsmodell hauptsächlich auf Patientenerinnerunge n basierte und nicht auf die systematische Beobachtung von Kindern. Aus diesem Grund wurde es später durch andere Analytiker erweitert, z. ß. durch E. Erikson, der das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung erarbeitete.
Kognitive Entwicklung nach Piaget
Nach Piaget (1896- !980), einem Schweizer Enrwicklungspsyc hologen, der sein kognitives Entwicklungsmodell auf die Beobachtung von Kindern stützte, durchläuft das Kind vier intellektuelle Entwicklungsstadien (I Tab. 1). Dabei spielen Assimilation (Neues wird in bekannte Strukturen eingefügt) und Akkommodation (bestehende Strukturen werden neuen Situationen und Umständen angepasst) eine herausragende Rolle. Das Kind steht in ständigem Austausch mit seiner Umwelt und ist in der Lage, Erlerntes durch neue Erfahrungen abzuändern bzw. zu vervollständigen . Dieser Vorga ng entspricht einer kognitiven Anpassung und wird auch als Adaption bezeich net. Risikofaktoren und protektive Faktoren der Entwicklung
In Langzeitstudien, z. B. der GrantStudie, wurden Menschen und ihre Entwicklung über Jahrzehnte hinweg unter der Fragestellung beobachtet, welche Bedingungen für das Auftreten psychogener und psyc hosomatischer Erkrankungen objektivierbar si nd und welche Bedingungen davor schützen. Es konnte eindeutig belegt werden, dass biographische Traumatisierungen, also Entwicklungsschäden, eine höhere Bedeutun g für die Entstehung neurotisc her Störungen haben als Entwicklungsko nflikte. Entwickl ungsdefizite treten zudem gehäuft in der Unterschicht auf, Entwicklungskonflikte si nd eher in Mittel· oder Oberschicht zu beobachten. Aus verschiedenen Studien ergaben sich folgende biographische Risikofaktoren für die Entstehung psychischer Erkrankungen (nach Hoffmann und Egle 1996): t Niedriger sozioökonomischer Status und schlec hte Schulbildun g de r Eltern t Mütterliche Berufstätigkeit im 1. LJ t Große Familien und sehr wenig Wohnraum
Diagnostik
241 25
Stadium
Beschreibung und typische Merkmale
Sensornotorische
Erfahren der Welt durch sensorische und motorische Interaktion mit der Umwelt: Sehen, Hören, Anfassen, ln-den-Mund-Nehmen
Phase
t Entwicklung von Objektpermanenz [ca. ab dem 6. Monat): Wissen, dass ein Gegenstand weiter existiert, auch wenn er gerade nicht wahrgenommen wird
(bis ca. 2. U)
[Baby sucht nach seinem Spielzeug, wenn man es versteckt)
t t
Fremdeln Herausfinden von Zweck-Mittei-Verknüplungen und Ursache-Wirkungs-Prinzipien durch experimentelles Ausprobieren
Präoperationales
Darstellen von Dingen mit Worten und Bildern, noch kein logisches Denken
Denken
t Egozentrismus: Kind sieht all es aus seiner Perspektive, kann nicht den Standpunkt eines anderen einnehmen. Beispiel: Verstellt ein Vorschu lkind die Sicht
(2 .-7. LJ)
auf den Fernseher, tut es das, weil es glaubt, man sähe das Gleiche wie es selbst. Denkweisen: animistisch (keine Unterscheidung zwischen belebten und unbelebten Gegenständen); finalistisch [Natur ist da, um dem Menschen zu helfen, z. B. Bäume für Schatten); artifiziell[alles wurde von jemandem gemacht).- Das Vorschulk ind nimmt zwar egozentrisch wahr, entwickelt aber dennoch allmählich die Fähigkeit, innere Zustände und Absichten anderer zu erkennen.
t Zen trierung: Aufmerksamkeit kann nicht auf mehrere Dinge gleichzeitig gerichtet werden. t Kein Konzept für Mengenerhaltung: Gießt man den Inh alt eines breiten, niedrigen Gefäßes in ein schma les, hohes, glaubt das Kind, im hohen sei mehr Flüssigkeit. Weil sich die Form geändert hat, glaubt es, auch die Menge habe sich geändert.
t t Konkret-operatio-
Symbolhaftes Spielen (So-tun-als-ob-Spiele) Sprachentwicklung
Logisches Denken, auch in Umkehrung [.. Denken siegt über Wahrnehmung"), Erfassen von Ana logien
nales Denken
t Logisches Nachdenken über konkrete Ereignisse
(7.- 11. LJ)
t
Durchführen mathematischer Transformationen
t Verstehen von Mengenerhaltung
I
Formales Denken
Denken über ein e vorgegebene Situation hinaus, Nutzung zusätzlicher Informationen zur Problemlösung
(ab 11 . LJ)
t t
Gedankenexperimente: Hypothetisch angenommene Sachverha lte können in das Denken einfließen. Abstrakte Logik
Tab. 1: Kognitive Entwick lungsstad ien nach Piaget.
Zusätzlich zu allen o. g. Faktoren spielt ~ Kriminalität oder Dissozialität eines ~ Mindestens durchschnittliche Intellidas Geschlecht eine herausragende Elternteils genz Rolle. Insgesamt weisen Mädchen näm~ Chronische Disharmonie/Beziehungs~ Robustes, aktives und kontaktfreulich im Vergleich zu Jungen eine gerinpathologie in der Familie diges Temperament gere Vulnerabilität hinsichtlich der ~ Schwere körperliche Erkrankung/ ~ Soziale Förderung (z. B. JugendgrupWahrscheinlichkeit späterer psychischer psychische Störungen der Mutter/des pen, Schule, Kirche) oder psychosomatischer Erkrankungen Vaters ~ Verlässlich unterstützende Bezugsauf. ~ Unerwünschtheit personen im Erwachsenenalter ~ Alleinerziehende Mutter ~ Lebenszeitlich späteres Eingehen ~ Autoritäres väterliches Verhalten "schwer auflösbarer Bindungen" ~ Sexueller und/oder aggressiver ~ Geringere Risikogesamtbelastung Missbrauch ~ Verlust der Mutter ~ Häufig wechselnde frühe Beziehungen Zusammenfassung ~ Schlechte Kontakte zu Gleichaltrigen • ln der Entwicklungspsychologie existieren zwei klassische Entwicklungs~ Altersabstand zum nächsten Geschwister < 18 Monate modelle: ~ Genetische Disposition - Das Phasenmodell der psychosexuellen Entwicklung nach Freud, Entscheidend ist dabei die Summe mehrerer Risikofaktoren, einzelne Punkte spielen eher eine untergeordnete Rolle. Außerdem kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass diese Risikofaktoren eine Störung verursachen, sondern dass durch sie lediglich eine erhöhte Vulnerabilität entsteht. Gleichermaßen ergaben sich aber auch positive Faktoren der Entwicklung, die eine protektive Wirkung auf die Entstehung psychischer Erkrankungen haben (nach Hoffmann und Egle 1996):
welches mehrere Stufen umfasst: taktile Phase, orale Phase, anale Phase, ödipale Phase, Latenzphase und genitale Phase Das kognitive Entwicklungsmodell nach Piaget, das vier intellektuelle Entwicklungsstadien des Kinds beschreibt: sensornotorische Phase, präoperationales Denken, konkret-operationales Denken und formales Denken • Die moderne Entwicklungspsychologie ist um eine Vielzahl von Theorien und Modellen erweitert worden. Sie befasst sich heute zunehmend mit Risikofaktoren und protektiven Einflüssen auf die Entstehung einer psychischen Störung im Erwachsenenalter.
Klinik der Neurosen 28 30 32 34 36 38 40 42
Phobien (ICD-10: F40) Zwangsneurosen (ICD-10: F42) Neurotische Depressionen (ICD-10: F34. 1) Histrionische Neurosen (ICD-10: F44) Angstneurosen (ICD-10: F41) Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen I (ICD-10: F60) Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen II (ICD-1 0: F60) Belastungs- und Anpassungsreaktionen (ICD-10: F43, F43.2)
58 60 62 64 66 68 70
72 74
Psychotherapie 76
Psychosomatik 44 46 48 50 52 54 56
Psychosomatische Erkrankungen eine Übersicht Essstörungen I Essstörungen II Psychosomatik in der Gastroenterologie I Psychosomatik in der Gastroenterologie II Psychosomatik in der Kardiologie Psychosomatik in der Nephrologie und Urologie
Psychosomatik in der Gynäkologie Psychosomatik in der Dermatologie Psychosomatik in der Orthopädie Psychosomatik in der HNO-Heilkunde I Psychosomatik in der HNO-Heilkunde II Psychosomatik in der Augenheilkunde Psychosomatik in der Kinderheilkunde Selbstverletzungen Psychoonkologie und Transplantation
78 80 82 84 86 88 90 92
Übersicht Psychotherapie in Deutschland Psychoanalytische Behandlungsverfahren I Psychoanalytische Behandlungsverfahren II Verhaltenstherapie I (kognitiv-behaviorale Therapie) Verhaltenstherapie II (kognitiv-behaviorale Therapie) Gesprächspsychotherapie Familientherapie Averbale Therapieverfahren Entspannungsverfahren und suggestive Techniken
Phobien (ICD-1 0: F40) Definition
Phobien sind Angstzustände mit einem konkreten Objektbezug, wobei die Unsinnigkeit der Angst eingesehen wird und der Patient versucht, das angstauslösende Objekt zu meiden. Alle Phobien weisen folgende Charakteristika auf: t Die Angstentstehung ist an eine reale Situation oder an ein Objekt gebunden. t Die Angst kann nicht durch Vernunft erklärt oder beseitigt werden. t Die Angst ist dem Willen entzogen und unverhältnismäßig. t Durch Angstvermeidung kommt es zu Einschränkungen des täglichen Lebens.
t Spezifische Phobien: Hauptmerkmal der spezifischen Phobien ist die anhaltende Angst vor einem bestim mten Ob-
jekt. Sie gelten nur als Störung, wenn dadurch erhebliches Leiden entsteht. Es gibt alle möglichen Formen von Phobien. In I Tabelle I sind verschiedene häufige und außergewöhnliche Beispiele aufgelistet.
Untertyp en t Agoraphobie (griech. agora = Marktplatz): Es handelt sich
um eine irrationale Angst vor Situationen, bei denen das Haus verlassen und /oder öffentliche Orte aufgesucht werden müssen (I Abb. 1) und/oder in denen man auf Reisen allein, weit weg von zu Hause entfernt ist. Die Agoraphobie stellt die häufigs te und oft auch schwerste Form der gebundenen Ängste dar. John Bowlby (1907- 1990), britischer Arzt und Bindungsforscher, bezeichnet diese Sonderform der Phobie als Pseudophobie, da die Patienten nicht nur eine bestimmte Situation fürchten, sondern auch darunter leiden, dass keine Bindungsfigur (oder eine andere sicherheitsvermittelnde Basis) präsent ist. Aus diesem Grund können die Betroffenen schon besser mit der gefürchteten Situation umgehen, wenn sie eine vertraute Person, einen Talisman o. Ä. bei sich haben. Die Angst beginnt oft, wenn das Haus ohne Begleitung verlassen werden soll. Kennzeichnend sind vegetative Angstkorrelate (in über 50% in Kombination mit Hyperventilationsanfällen). Oft werden nur die körperlichen Veränderungen wahrgenommen. Die Agoraphobie tritt gehäuft in Kombination mit einer Panikstörung auf (s. S. 36).
Erkli rung
Phobie
I
Zoophobie (I Abb. 2)
Angst vor Ti eren
Ak rophobie
Angst vor der Höhe bzw. vor der Tiefe (Höhenangst)
Klaustrophobie
Platzangst
Aviophobie
Flugangst
Ablutophobie
Angst vor dem Waschen oder Baden
Achluophobie
Angst vor Dunkelheit
Belonophobie
Angst vor Nadeln
En t omophobien
Angst vor Insekten
Dysmorphophobie
Angst vor Hässlichkeit
Tab. 1: Be isp iele für verschiedene Phobie n.
t Soziale Phobien (Anthrophobie): Diese sind charakterisiert durch die Angst vor Aufmerksamkeit und kritischer Beachtung durch andere Menschen. Diese Angst hat zahlreiche Auswirkungen auf uns. Von Erröten bis zu starkem Schwitzen, Händezittern, Übelkeit, Erbrechen, Drang zum Wasserlassen oder der Vermeidung von Blickkontakt mit anderen ist vieles möglich. Dies wird als unvernünftig und übertrieben empfunden und führt zu starkem Vermeidungsverhalten . Soziale Phobien sind häufig mit einem niedrigen Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Ein Beispiel ist die Erythrophobie (die Angst zu erröten (I Abb. 3)).
I
Abb . I : Angstaus lö se nde Si tu a ti on für Personen mit Agoraphobie: e in e große M ensch enmenge auf
e inem öffentli ch en Platz.
111
Klinik der Neurosen
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Epidemiologie
Prävalenz: 1,5 -3% der Bevölkerung, w > m, Ausnahme bei sozialen Phobien m = w. Pathogenese und Psychodynamik
Die Ursache der meisten Phobien ist eine unbewusste Vor· stellung, z. B. ein Wunsch oder Impuls, der subjektiv verboten ist und dessen Inhalt verdrängt wird. Durch diesen inneren Konflikt ("Ich möchte etwas, das ich eigentlich nicht darf") kommt ein Gefühl der inneren Gefahr auf, das die Patienten als Angst bewusst wahrnehmen. Diese Angst wird als Abwehrmechanismus auf eine Situation oder ein Objekt in der Außenwelt verschoben . Der innere Konflikt ist somit entlastet, es bleibt jedoch die verschobene, reale Angst. Durch Vermeidung der angstauslösenden Situation (bzw. des Objekts) kann die Angst eingedämmt werden, was aber zu erheblichen Einschränkungen des Lebens führen kann. Aus lerntheoretischer Sicht kann die stetige Angstvermeidung in einer Chronifizierung der Phobie oder sogar in einer Generalisierung resultieren. Therapie
Mittel der Wahl bei allen Phobien ist die Psychotherapie. Bei speziellen Phobien (z. B. Spinnenphobie) hat sich die Verhaltenstherapie in zahlreichen Studien als evidenzgesichert dargestellt. Anmerkung
Unter kontraphobischem Verhalten versteht man die Umkehr in ein gegenteiliges Verhalten, wenn z. B. ein Patient mit Höhenangst als Hobby Bungee-Jumping betreibt.
I Abb. 3: Man sieht eine Doze ntin, die eine Antrittsvorlesung hä lt. Jeder von uns kann sich vielleicht die Anspannung und Aufregung in einer solchen Situation vorstellen. Für einen Menschen mit sozialer Phobie ist das noch viel schlimmer. 14)
Zusammenfassung
x Phobien beziehen sich auf ein Objekt, sind unsinnig und behindern das alltägliche leben. X Man unterscheidet zwischen Agoraphobie, sozialen und spezifischen Phobien. I
Abb. 2: Die Spinne ist eines der Tiere, vor denen Menschen am häufigste n ei ne Phobie entwickeln. 14)
x Die Therapie der Wahl ist die Verhaltenstherapie.
Zwangsneurosen (ICD-1 0: F42) t Zwangsimpulse: Bei einem ZwangsBei der Zwangsneurose wird der Grund_ impuls handelt es sich um einen plötzstein in der analen Phase gelegt. Der Zwangsneurosen = Zwangssyndrom = lichen, zwanghaften Drang, eine meist anankastisches Syndrom = obsessivKonflikt besteht zwischen einem besonaggressive Handlung durchzuführen, kompulsive Funktionsstörung. ders rigiden Über-Ich und an tisozialen z. B. jemanden anschreien, anspucken, Von einem Zwang spricht man, wenn Triebwünschen aus dem Es (Instanzenverletzen, vergewaltigen zu müssen o. Ä. modell, s. S. 2). Diese als antisozial sich Gedanken oder HandlungsimDiese quälenden Impulse werden allererlebten Bedürfnisse können anale pulse immer wieder aufdrängen, wie beispielsweise: "Habe ich das Bügel- dings nur extrem selten in die Tat um(aggressive Wünsche) oder genitale eisen ausgeschaltet?" (I Abb. 1). Diese gesetzt, doch die betroffenen Patienten Impulse (Onanieproblematik, homo-/ können aber nicht unterdrückt oder leben in der ständigen Angst, wirklich heterosexuelle Wünsche) sein. Das Ich verdrängt werden, obwohl der Patient einmal eine andere oder die eigene Perhat die Aufgabe, zwischen Es und Übermeist erkennt, dass sie unsinnig sind. son zu schädigen. Ich zu vermitteln. Auf der Ich-Seite beZwänge werden als dem Ich zugehörig, • Zwangseinfälle: Folgende Zwangssteht jedoch eine gewisse Handlungsjedoch meist als unsinnig und bedroh- handlungen sind typisch für die Zwangs- störungaufgrund einer Ambivalenz neurose: Wasch-, Putz-, Kontroll- und lich erlebt. Wird den Gedanken oder zwischen den Wunsch zu handeln und Handlungsimpulsen nicht nachgegeben, Zählzwang. Diese Zwangshandlungen nicht handeln zu dürfen (dies kommt in resultiert oft unerträgliche Angst. sind Konsequenzen aus ZwangsgedanForm der beherrschenden Zweifel zum ken und unterliegen ausgeprägten Zwei- Ausdruck!). Das Ich ist nicht in der Untertypen feln, weshalb sie auch ständig wiederLage, freie und klare Entscheidungen zu • Zwangsgedanken: Das zwangsneuholt werden müssen. treffen, weil es in der frühen Entwickrotische Denken wird treffend als von lung nicht "ausprobieren" konnte, welZweifeln beherrschtes Denken beschrie- Epidemiologie che Handlung welche Konsequenzen ben. Die eigentlichen Inhalte der GeBei der Zwangsneurose handelt es sich hat. Von daher kann das Ich auch nicht danken, die der Handlung vorausgehen, um eine relativ seltene Erkrankung zwischen Denken und Handeln untersind scheinbar nicht bewusst. Im Allge(I Abb. 2). Die Gesamtmorbidität der scheiden (deshalb die "magische Grundmeinen kann bei der Zwangsneurose Bevölkerung wird mit 0, 7%angegeben, einstellung"). Der beschriebene unbedas Denken sowohl formal als auch inm = w. Patienten aus mittleren und wusste Konflikt kann nicht gelöst oberen sozialen Schichten scheinen haltlich gestört sein. werden, und es kommt zu einer Kompromissbildung. Diese Kompromiss-Bei inhaltlichen Denkstörungen ist besonders häufig betroffen zu sein. Auffallend ist der frühe Krankheitsbebildung äußert sich bei den Patienten der Denkprozesses verändert, wie als Zwangssymptom und kann als verz. B. beim Wahn (" ... das Auto schaltet ginn in der Adoleszenz und im jungen suchte Abwehrleistung des Ich angeErwachsenenalter. das Licht an, es will mich warnen ... ", sehen werden. Die typischen Abwehrstatt "... das Auto schaltet das Licht Pathogenese und Psychodyn am ik mechanismen der Zwangsneurose sind an, es wird dunkel ... "). Affektisolierung, Sublimierung, Rationa-Bei formalen Denkstörungen ist der Nach dem Konfliktmodellliegt jeder lisierung, Reaktionsbildung und UngeNeurose bzw. jeder Symptombildung Ablauf der Gedankengänge gestört, schehenmachen. ein infantiler Konflikt zugrunde, der z. B. eingeengtes Denken, Gedankenabreißen, ldeenflucht, Gedankendrän- durch eine auslösende Situation reaktu- Aus der Symptomatik der Patienten kann man erkennen, ob auf der Ich-Seialisiert wird. gen, inkohärentes Denken usw. te der Trieb- oder der Gewissensfaktor überwiegt, je nachdem, ob die Symptomatik eher Befriedigungs- oder Bestrafungscharakter hat. Es gibt zwei Möglichkeiten der Symptomentstehung: ~ Ein unbewusster antisozialer Zwangsimpuls wird über sekundäre Bearbeitung zu einer bewussten Zwangsbefürchtung. Diese wird über versuchte Abwehr zu einem Zwangsgedanken, der zu einer Zwangshand lu ng führen kann. ~ Ein bewusster antisozialer Zwangsimpuls wird über versuchte Abwehr zu einem Zwangsgedanken, der zu einer I Abb . 1: Handlungszwang: Ist da s Bügelei sen Zwangshandlung führen kann. ausgeschaltet und aufgestellt? [4[ Definition
Klinik der Neurosen
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I 31
I Abb. 2: Re lative Häufigkeit ve rschiedener Zwangsfo rme n. [5]
Waschzwänge
42%
Kontroll zwänge
Therapie Die Verhaltenstherapie stellt bei der Zwangsneurose das Mittel der ersten Wahl dar. Als Standardverfahren gilt die Expositionsmethode (Konfrontation) in Verbindung mit einer Reaktionsverhinderung. Anme rk ung Man findet im täglichen Leben häufig zwanghafte Rituale. Es gibt persönliche oder gesellschaftliche Rituale, z. B. beim Essen oder bei der Begrüßung. Diese Rituale sind jedoch nicht pathologisch. Von pathologischen Phänomenen spricht man in fol genden Fällen: t Wenn es den Patienten nicht gelingt, sich davon zu lösen, obwohl sie die Unsinnigkeit der Handlungen einsehen t Wenn eine erhebliche Einschränkung des täglichen Lebens vorliegt t Wenn die Patienten die Zwangsinhalte als "in der eigenen Person entstanden" empfinden, gleichzeitig aber ein ausgeprägtes Fremdheitsgefühl der Symptomatik gegenüber besteht ("Ich-Fremdheit" oder "Ich-Dystonie"); so spricht der Zwangsneurotiker z. B. von "meinem Zählzwang" .
Zwangsneurosen können begleitend bei Suchtkrankheiten, Psychosen und Impulskrankheiten auftreten.
Differentialdiagnose liert werden, sie werden aber, zuminDifferentialdiagnostisch muss man die dest teilweise, als sinnvoll bzw. notwendig erlebt. Zwangshandlungen v. a. vom Wahn abEine Impulshandlung liegt z. B. bei grenzen, wie er besonders häufig bei der Kleptomanie oder Pyromanie vor. den schizophrenen Psychosen vorkommt. Beim Wahn werden die Hand- Dabei handelt es sich um einen rasch auftretenden und unreflektierten Durchlungen nicht als unsinnig empfunden, die Patienten sind von der Richtigkeit bruch von Handlungen. Diese Handder Wahnvorstellungen sogar absolut lungen treten v. a. in Versuchungssituaüberzeugt. Darüber hinaus erleben tionen immer wieder auf, und führen bei den Betroffenen zu einer ungerichwahnhafte Personen ihre Gedankenteten emotionalen Entladung. Vor der und Handlungsinhalte als "von außen Handlung besteht ein erhöhter Spangemacht", sie fühlen sich fremdbeein nungszustand, während der Handlung flusst empfind en die Betroffenen BefriediBei der Sucht liegt eine psychische oder physische Abhängigkeit von zentral- gung und Erleichterung, die kurze Zeit später in Reue oder Schuldgefühle umnervös wirkenden Substanzen vor. Hier können die Handlungen zwar z. T. schlagen können. auch nicht unterdrückt oder kontra!-
Zusammenfassung X Zwang bedeutet, dass sich Handlungsimpulse und oder -gedanken immer wieder aufdrängen. Der Zwang ist dann behandlungsfähig, wenn er als unsinnig und nicht veränderbar empfunden wird. X Man kann zwischen Zwangsimpulsen, -gedanken und -einfällen unterscheiden. X Psychoanalytisch wird eine Fixierung auf die anale Phase im Zusammenhang mit rigiden Erziehungsformen angenommen. • Die Verhaltenstherapie ist die Therapie der ersten Wahl. • Differentialdiagnostisch muss man schizophrene Psychosen, Sucht und Impulshandlungen abgrenzen.
Neurotische Depressionen {ICD-1 0: F34.1) I
Abb. 1: Dep ress ion eines jungen
Definition
Bei neurotischen Depressionen hand elt es sich um chronisch depressive Verstimmungen meist leichteren Grads, die zu den anhaltenden affektiven Störungen zählen und mind. 2 Jahre kontinuierlich bestehen. Das Leitsyrn ptom bei der neurotischen Depression ist ein chronischer Verstimmungszustand, dessen Intensität jedoch wechseln kann. In I Abbildung 1 wird versucht, eine depressive Verstimmung eines Mädchens darzustellen.
Mädchens. [4]
Untertypen Es können Schwankungen und Mischungen zwischen den in I Tabelle 1 dargestellten Tendenzen bestehen.
zurückgeführt werden. Es kommt zu einer Fixierung in der oralen Phase. In dieser Entwicklungsphase ist das Erlebnis der existentiellen Abhängigkeit Epidemiologie der prägendsten Elemente. Die eines die ist Depression neurotische Die der AbhängigkeitsbedürfBefriedigung Entwicklung. häufigste neurotische Die Morbidität der Gesamtbevölkerung nisse des Säuglings erfolgt durch fürsorgliches Interesse, emotionale liegt bei 5- 12 %. Das typische ErkranZuwendung und die kontinuierliche kungsalter ist das 3. und 4. LebensAnwesenheit der Bezugsperson. Die dezennium; m < w = 1:2(-3). Frustration, aber auch die exzessive Ver· Pathogenese und Psychedynamik wöhnung der basalen AbhängigkeitsVereinfacht gesagt, stellt die Depression bedürfnisse füh ren - abgesehen von schwerwiegenden frühen Störungen die Möglichkeit des Ich dar, Krändie zu Verlust- und Verlassenheitsängsten. kungen des Selbstwertgefühls, Am deletärsten wirkt der ambivalente im Zusammenhang mit Verlusten Erziehungsstil, der ständig zwischen (Enttäuschungen) entstehen, zu Verwöhnung und Entsagung schwankt. verarbeiten. In der späteren oralen Phase finde t die Die entscheidende Voraussetzung für die Entstehung einer Depression ist das Identifizierung mit der Bezugsperson statt. Das Kind baut sich ein Bild dieser Zusammenwirken einer bestimmten Bezugsperson auf, das die Grundlage für Charakterstruktur und der äußeren das spätere Selbstbild ist und von der Realität. Im Folgenden wird zwischen der Patho- eigenen Identität dann z. T. nicht mehr genese (d. h. der frühkindlichen Kompo- abzugrenzen sein wird . Anhand dieser Vorgänge wird deutlich, dass bei der nente) und der Psychedynamik (d.h. Identifizierung mit einer ambivalenten dem eigentlichen Prozess, der zur DeBezugsperson auch eine Ambivalenz pression führt) unterschieden. gegenüber dem Selbst entstehen kann. Pathogenese: Die neurotische Depres- Bei depressiven Personen ist eine Ambision kann auf affektiv nicht verarbeitete valenz zwischen dem Bedürfnis nach Geborgenheit und nicht realisierten und verdrängte Konfliktsituationen
Hemmung von Aktivität und Willens-
Offene oder verdeckte Vorwürfe,
Ängste mit begleitenden Insuffizienz-
kraft mit Neigung zu Selbstzweifeln
Aggressionen, Forderungen
gefühlen und Unruhe
I Tab. 1: Tendenzen der Dep res sion.
Aggressionen kennzeichnend. Im Mittelpunkt der neurotisch-depressiven Entwicklung stehen Trennungsängste, die aus (realem oder fantasiertem) Objektverlust und wiederholten Versagungserlebnissen in der frühen Kindheit oder auch in der Pubertät und/oder Adoleszenz resultieren. Psychodynamik: Im Mittelpunkt der
Dynamik der neurotischen Depression steht die unbewusste Fantasie vom Verlust. Den Depressiven schwebt vor: dass früher etwas Gutes vorhanden war:' das jetzt verschwunden ist. In seltene- ' ren Fällen liegt ein realer Mangel an Zuwendung in der frühen Kindheit vor (dann erinnern sich die Patienten, dass sie nicht oder nur wenig bekommen haben). In beiden Fällen versuchen die Betroffenen jedoch, sich vor realen oder fantasierten Verlusten zu schützen. Zu diesem Zweck stehen ihnen zwei Kompensationsmechanismen zur Verfügung: t Herstellung ausgeprägter Abhängigkeitsbeziehungen: Diesem Schutzmechanismus liegt die Vorstellung der Depressiven zugrunde, dass eine andere Person ihnen genau das geben könne, was sie selbst vermissen. Die sozialen Partner werden sozusagen als "Puzzlestein" zur eigenen Vollständigkeit gebraucht. Um die dadurch noch gesteigerte Verlustangst so gering wie möglich zu halten, verhalten sich die Personen in besond erem Maße "klammernd" . Die Partner können diesem Druck nur eine gewisse Zeit standhalten, und letztlich tritt gena u das ein , was die depres-
Klinik der Neurosen
siven Personen am meisten befü rchten, die Trennung. Wird den Betroffenen dieser Teufelskreis bewusst, reagieren sie mit einem noch schneller sinkenden Selbstwertgefühl und der Schlussfolgerung, dass sie, so wie sie si nd , nicht liebenswert sind. Als Alternative gibt es für diese Personen nur den sozialen Rückzug oder die selbst gesuchte Isolation. t Ausbildung unbewusster Größenfantasien: Für jeden Menschen stellen Größenfantasien in gewissem Maße einen Trost gegenüber erlebten Frustrationen dar. Depressive Personen leben diese jedoch konsequent aus, und obwohl sie immer wieder erleben, dass sie in der Realität nicht so groß sind wie in ihrer Vorstellung (sondern ganz im Gegenteil klein und ersetzbar), lernen sie nicht daraus. Sie versuchen im Anschluss an solche frustrierenden Erkenntnisse, noch größer zu sein und noch mehr zu vollbringen. Da sie dadurch jedoch von ihren Mitmenschen als "noch größer" behandelt werden möchten, werden auch die Verletzungen, die sie sich so selbst zufügen, größer. Von daher ist die Größenfantasie für die depressiven Personen im Endeffekt kein Trost, sondern eher eine Steigerung ihrer sowieso schon extrem großen Verletzlichkeit.
nie in die Außenwelt gelangen dürfen.
Die einzige (pathologische!) Lösung besteht für sie in der Wendung der Aggressionen gegen die eigene Person. Durch diesen Umgang mit
den aggressiven Impulsen wird verhindert, dass Konflikte entstehen, und gleichzeitig können die Schuldgefühle, die wegen der empfundenen Wut entstanden sind, beschwichtigt werden. Durch die anhaltende Autoaggression induzieren die Patienten immer wieder die charakteristischen Einbrüche des Selbstwertgefühls, die in der depressiven Verstimmung münden. Dies erklärt auch, warum die Aggressivität meist vom Gegenüber, also z. B. auch von der Ärztin/ dem Arzt, eher wahrgenommen wird und nicht selten dazu führt, dass daraus eine erneute Ablehnung entsteht, die der Patient wiederum autoaggressiv interpretiert.
32 I 33
Therapie Bei depressiven Störungen können folgende Therapien helfen: psychoanalytische/psychodynamische Therapie, Verhaltens- und Gesprächstherapie, Antidepressiva allein oder in Kombination mit den anderen Therapiemöglichkeiten. Je nach Ausprägung und Persönlichkeit muss der Therapeut entscheiden, welche Therapie angewendet wird. Anmerkung Zur besseren Unterscheidung zwischen neurotischen und endogenen (genetisch determinierten) Depressionen zeigt I Tabelle 2 eine kurze Gegenüberstellung. Differentialdiagnose t Abnorme Trauerreaktion t Reaktive Depressionen t Erschöpfungsdepression t Organisch begründete Depression t Medikamentös induzierte Depression
n _~----------' on_e_ ••-•1pr_ ne_o_e.;.. og;...e_ en_d...; lo-ne.;..n_ _ _ _ _ _ ••;..; ••.;. Neurotische Dep.., Schleichender Beginn
Plötzlicher Beginn
Keine klar abgrenzbaren Pha sen
Rezidivierende Phasen
Nich t zyklisch
Jahres- und Ta gesrhythmen, z. B. Morgentief
Suizidgedanken chronisc h
Suizidgedan ken akut
Erhaltene psyc hosoziale Reaktion sfä higkeit
Beeinträchtigte Reaktion sfähigkeit Ve rlust der emotiona len Schwingungs- und Resonanzfähigkeit
Bei beiden Mechanismen handelt es sich um Lösungsversuche von Konflikten, die irgendwann misslingen müssen, da sie unzureichend sind . Wenn die vorliegenden Liebeswünsche oder Größenfantasi en dann enttäuscht werden, kommt das einem Angriff auf das ohnehin schon extrem verletzliche Selbstwertgefühl der Depressiven gleich. Die ständigen Frustrations- und Versagenserlebnisse (frustriertes passives Liebesverlangen, fru strierte Größenfantasien) führen zum Auftreten von Wut, Ärger und Aggressionen. Da depressive Personen jedoch über ein sehr strenges, rigides Gewissen verfügen, dürfen die aggressiven Empfi ndungen unter keinen Umständen gegenüber and eren Personen geäußert werd en. Die Patienten geraten in eine Zwickmühle: Einerseits steigen ständig aggressive Impulse in ihnen auf, die andererseits aber
Normale Traurigkeit
Eingeschränkte Traurigk eit
Zum Tei l offen geäußerte Aggressionen
Aggressionen werd en nicht direkt geäußert
Vollständig erhaltener Rea litätsbezug
Depressive Wahnideen mögl ich
Keine genetische Di sposition
Genetische Disposi tion
I Tab. 2: Neurotische vs. end ogene Depressionen.
Zusammenfassung X Störungen der psychischen Erlebnisverarbeitung werden durch ganz oder teilweise verdrängte Konflikte in der Biographie bewirkt. X Entscheidend ist das Zusammenspiel einer neurotischen Persönlichkeitsstruktur und entsprechender Umweltfaktoren. X Meist lassen sich gestörte Eltern-Kind-Beziehungen nachweisen: Mangel an Zärtlichkeit, Geborgenheit und Sicherheit, direkte Ablehnung, Härte, Ausstoßung, Tabuisierung der Sexualität, verängstigende oder gespannte familiäre Verhältnisse, aber auch überfürsorgliche Verwöhnung.
_=~~2-~: rionische
Neurosen (ICD-10: F44)
Histrionische Neurosen = Konversionsneurose = dissoziative Störungen. Unter histrionischen Neurosen versteht man anfallsartig oder chronisch auftretende körperliche Symptome, wie beispielsweise Lähmungen, Einnehmen einer vermeintlich krankheitsbedingten Körperhaltung oder Empfindungslosigkeiten, denen keine organischen Funktionsstörungen zugrunde liegen . Diese können mit Dissoziationen (Entkoppelung von seelischen und körperlichen Funktionen), erhöhter Störanfälligkeit, Neigung zu Auto- und Selbstsuggestionen und einer Vielzahl weiterer psychogener Symptome unterschiedlicher Intensität einhergehen. Untertypen t Konversionstyp:
Mit Konversion ist eine neurotische Symptombildung im körper-
lichen Bereich durch symbolhafte Somatisierung gemeint.
Im Vordergrund stehen pseudoneurologische Störungen psychogener Ursachen, v. a. Störungen von Motorik, Sensibilität und Wahrnehmung. Eine Konversionsstörung wird diagnostiziert, wenn unerklärbare Defizite der Willkürmotorik oder Wahrnehmung ohne neurologische oder organische Befunde vorliegen, z. B. Seh- oder Hörstörungen. Ursprünglich wurden die Begriffe Konversionsneurose und hysterische (= histrionische) Neurose synonym verwendet. Mittlerweile hat sich eine gewisse Unabhängigkeit zwischen den beiden Konzepten ergeben. Konversionsabläufe finden sich zwar am häufigsten im Rahmen einer hysterischen Neurose, sie werden je· doch regelmäßig auch außerhalb dieser beobachtet, denn prinzipiell kann jeder Konflikt ins Körperliche konvertiert werden. Es ist der klassische Mechanismus somatischer Symptombildung bei psychogenen Erkrankungen, wobei die genaue Umsetzung noch nicht geklärt ist. Freud spricht von einem "rätselhaften Sprung ins Somatische", bisher existieren lediglich Hypothesen. Die Symptome können prinzipiell bei allen Neurosen mit Konversion auftreten. Zu den für die hysterische Neurose typischen Konversionssymptomen zählen Anfälle, Ausfälle der Motorik, Ausfälle des Sensoriums und Darstellung multipler Körperzustände. t Dissoziativer Typ: Darunter versteht man den Typus der hystJrlschen Neurost, bei dem spezifische Bewusstselnsverinderunge" das Krenklleltsblld beherrschen, z. B. Erinnerung an die Vergangenheit, ldentltltsbewusstseln.
t Man kann unterscheiden zwischen: -Psychogenen Amnesien: Dabei werden qualvolle Inhalte aus der Vergangenheit verdrängt. Häufig wurde der Inhalt zwar wahrgenommen, seine Verfügbarkeit jedoch auf irgendeine Weise versperrt. - Fugue: plötzliches, unerwartetes Weglaufen (von zu Hause vom Arbeitsplatz) oder Verreisen, ohne sich an Vergangenes' erinnern zu können, oftmals verbunden mit Verwirrungen bezüglich der eigenen Identität bzw. der Annahme einer neuen Identität - Multipler Persönlichkeitsstörung: die Überzeugung, zwei oder mehrere unterschiedliche Identitäten zu besitzen, die abwechselnd die Kontrolle über das Verhalten übernehmen, in Verbindung mit der Unfähigkeit, sich wichtiger persönlicher Informationen zu erinnern; oftmals die Folge in der Kindheit erfahrener physischer oder sexueller Misshandlungen, z. B. bei Opfern eines Teufelskults. Diese unterschiedlichen Persönlichkeiten alternieren und sind wechselseitig füreinander am nestisch.
t Polysomatischer Typ: (Somatisierungsstörungen, BriquetSyndrom): Dieser Typ der hysterischen Neurose wird v. a. bei jungen Frauen angetroffen und ist durch flüchtige, schnell wechselnde Symptome charakterisiert. Der polysymptomatische Typ ist nicht immer klar von den funktionellen Störungen abzugrenzen. t Hysterischer Typ: Der Begriff des hysterischen Charakters ist ein deskriptiver und kein pathologischer. Die Beschreibungen der Charaktereigenschaften von Hysterikern sind oft negativ getönt, was bei der normalpsychischen Ausprägung keineswegs berechtigt ist. Kuiper hat als Charakteristika Egozentrik, Infantilität, Geltungssucht und Unechtheit angeführt. Hysterische Personen sind lebendig-impulsiv, sehr spontan, charmant, kontaktfreudig, mit dem Bedürfnis nach Anerkennung und dem lebhaften Drang, sich auszudrücken.
Epidemiologie Allgemeine Angaben über die Häufigkeiten in der Allgemeinbevölkerung fehlen; w > m. Wird insgesamt selten diagnostiziert Pathogenese und Psychedynamik Bei der hysterischen Neurose besteht ein Zusammenspiel zwischen determinierendem (hysterischem) Charakter und äußerer Auslösesituation. Der Konflikt stammt über-
wiegend aus der ödipalen Phase, es kommen jedoch auch Fixierungen auf die orale Phase vor. Der folgende theoretische Teil ist in Pathogenese (Wurzeln des Konflikts) und Psychodynamik (Prozess der Krankheitsentstehung) gegliedert.
Klinik der Neurosen
Pathogenese: Der Trieb-Abwehr-Konflikt stammt meist aus der ödipalen Phase (4. - 6. LJ). In diesem Lebensabschnitt
muss das Kind bestimmte Aufgaben erfüllen. Es muss eine gewisse Realitätstindung und-annahmevollziehen (Abgrenzung der Realität gegenüber der Fantasie), zunehmend Einsicht, Verantwortlichkeit und Vernunft zeigen ("erwachsen werden") und erste Ansätze zur Übernahme der Geschlechterrolle aufweisen. Damit diese Anforderungen vom Kind erfüllt werden können, müssen die Eltern überzeugende Vorbilder darstellen, mit denen das Kind sich identifizieren möchte. Die Lebensform und die Ordnungen müssen ihm also nachahmenswert erscheinen. Zur Entwicklung einer hysterischen Neurose müssen zwei Voraussetzungen aufeinandertreffen: I) Das Kind muss bestimmte Anlagen besitzen. Diese Charaktermerkmale sind z. B. angeborene Lebhaftigkeit und Spontaneität, betontes Geltungsbedürfnis, Ansprechbarkeit im Emotionalen, Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit I) Wenn ein Kind mit diesen Charaktermerkmalen in einem hysteriefördernden Milieu aufwächst, kann es zur Ausbildung eines hysterischen Charakters und bei Vorliegen entsprechen· der Auslösesituationen auch zur Entstehung einer hysterischen Neurose kommen. Hysteriefördernde Milieus: Goldener-Käfig-Milieu, Partnerersatz, Rolle des Sonnenscheins, reaktives Milieu. Psychodynamik: Nach dem Konfliktmodell sind die Voraussetzungen für die Entstehung der hysterischen Neurose eine hysterische Charakterstruktur im Zusammenspiel mit äußeren Umständen, die einen Trieb·Über·lch-Konflikt reaktivieren.
341 35
Dieser Konflikt wird von unbewussten Vorstellungen und Fantasien induziert. Diese Vorstellungen, die oft sexuellen Inhalts sind, stehen im Zentrum der hysterischen Dynamik. Die unbewussten, triebhaften Fantasien müssen von den hysterischen Neurotikern abgewehrt werden. Das geschieht mithilfe der typischen Abwehrmechanismen (Verdrängung, Verleugnung, Verschiebung, Projektion) einerseits und durch eine Veränderung des Selbstbilds und Hyperemotionalität andererseits. Der vorliegende Trieb-Über-Ich-Konflikt kann mit den Mitteln, die den Patienten zur Verfügung stehen, nicht gelöst werden, und es kommt zu einer Scheinlösung. Diese Scheinlösung ist, absolut gesehen, zwar insuffizient, stellt für die Patienten jedoch die optimale Lösung dar. Sie drückt sich in der Konversion ins Körperliche aus, und führt so zu einem primären Krankheitsgewinn (d. h. zu verdrängter Abfuhr der entstandenen Triebspannung).
Therapie Je nach den Symptomen sind verschiedene Therapieansätze möglich. Häufig werden psychoanalytische/psychodynamische Therapie, Verhaltenstherapie, Hypnose und Entspannungstherapie eingesetzt.
Anmerkung Die Bezeichnung Hysterie wurde für die o. g. Symptome in der Antike unter der Annahme eingeführt, die bei Frauen auftretende Hysterie sei auf ein Umherwandern oder eine durch unbefriedigte Sexualität bedingte Fehlfunktion der Gebärmutter (griech. hystera) zurückzuführen.
Zusammenfassung X Histrionische Störungen sind anfallsartig oder chronisch auftretende körperliche Symptome, denen keine organischen Funktionsstörunger:1 zugrunde liegen. X Unter Konversion versteht man eine symbolhafte Somatisierung der Problematik.
ac Bei der Dissoziation beherrschen spezifische Bewusstseinsveränderungen das Krankheitsbild. X Dissoziationen kann man unterscheiden in psychogene Amnesie, Fugue und multiple Persönlichkeiten. X Die multiple Persönlichkeitsstörung darf nicht mit der Schizophrenie verwechselt werden. X Die Ursachen für histrionische Störungen sind pathogenetisch in der ödipalen Phase, in einer gestörten Trieb-Konflikt-Abwehr-Entwicklung ur:~d psychedynamisch in einem Trieb-Über-Ich-Konflikt zu sehen.
Angstneurosen (ICD-10: F41) Angst, dass sich di e Panikattacken wiederholen (Angst vor der Angst). Die Panikstörung soll nicht als Hauptdiagnose verwendet werden, wenn der Betroffene bei Begi nn der PanikUnter Angst versteht man ein gegenstandsloses, qualvolles, unbestimmtes und individuell sehr unterschiedlich ausgeprägtes Geattacken an einer depressiven Störung leidet. Unter diesen fühl der Beengung, Bedrohung und des Ausgeliefertseins. Umständen sind die Panikattacken wahrschein lich sekundäre Folge der Depression . Normale Angst (Realangst} kennt jeder von uns [I Abb. I ). t Generalisierte Angststörungen = Angstneurose: Bei Sie hat eine Alarmfunktion, die den Menschen vor Gefahren der generalisierten Angststörung haben die Patienten ständig schützen solL Wenn die Gefahr abgewendet ist, verschwindet und vor allem Angst. Der An gstpegel ist stetig erhöht, und es auch die Angst. bestehen keine angstfreien In tervalle. Es handelt sich um eine Pathologische Angst hat diesen Schutzmechanismus nicht "frei flotti erende" Angst ohne konkreten Objekt- oder Situaaufhört, mehr nicht Angst die wenn tionsbezug. Die Angst ist generalisiert und anhaltend . Sie ist mehr. Es wird krankhaft, grundlos und/ oder gesteigert ist. Auch das völlige Fehlen von nicht auf bestimmte Umgebungsbed ingungen beschränkt oder auch nur besonders betont in solchen Situationen. Die Angst ist pathologisch. Angststörungen können extreme Folgen für das Leben haben. Sie können familiäre, soziale und in- wesentlichen Symptome sind variabel, Beschwerden wie ständige Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, dividuelle Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder OberUntertypen baucht eschwerden gehören zu diesem Bild. Häufig wird die Befürchtung geäußert, der Patient selbst oder ein Angehöriger t Panikstörungen (episodisch paroxysmale Angst): Ohne sichtbaren Anlass entstehen starke Ängste, die mit aus- könme demnächst erkranken oder einen Unfall haben. t Angst und depressive Störungen gemischt: werden geprägten körperlichen Symptomen verbunden sind und anfallsartig auftreten. Panikstörungen sind v. a. unerwartet und nach !CD klassifiziert, wenn keine der Störungen überwiegt und beide nebeneinander vorkommen nicht situationsgebunden. t Andere gemischte Angststörungen: werden nach !CD klassifi ziert, wenn neben der Angst noch andere psychische Im Gegensatz zu Phobien sind Panikattacken nicht situationsStörungen vorkommen Definition
oder objektgebunden.
Ep idemiologie t Das wesentliche Kennzeichen sind wiederkehrende schwe-
re Angstattacken (Panik], die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und deshalb auch nicht vorhersehbar sind. Wie bei anderen Angsterkrankungen zählen zu den wesentlichen Symptomen plötzlich auftretendes Herzklopfen, Brustschmerz, Erstickungsgefühle, Schwindel, Schwitzen und Entfremdungsgefühle (Depersonalisation oder Derealisation) . Oft entsteht sekundär auch die Furcht, zu sterben oder die Kontrolle zu verlieren, oder die
Angst und Panikstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.
Etwa I S% aller Menschen erkranken einmal im Leben an Angststörungen [Lebenszeitprävalenz); w < m. I Abbildung 2 zeigt schematisc h die Lebenszeitprävalenz verschiedener Angststörungen.
15% 11 ,3% 8,6%
1 Abb.
1: Eine Angst, die wir bestimm t all e kennen : die Prüfungsangst Abgebildet ist eine Stud enti n während ein er Klausur. [8)
7,5%
I Abb . 2: Lebensze itpräva lenz verschi ede ner An gs tstörunge n. [nac ll8]
Klinik der Neurosen
Pathogenese und Psychedynamik Voraussetzung für die Entstehung einer Angstneurose ist eine Ich-Schwäche. Diese Ich-Schwäche kann durch schlechte Entwicklungsbedingungen während der Kindheit entstehen, d. h., die Angstneurotiker konnten keine stabile Persönlichkeit aufbauen, was beinhaltet, dass auch keine stabilen Abwehrm echanismen bestehen. Die Ich-Schwäche bewirkt, dass die Angst nicht toleriert werden kann und die Angstbewältigung in der Neurose misslingt. Die Patienten erleben ihre Ich-Schwäche als "innere Brüchigkeit" und empfinden sie als Bedrohung. Da die Angstbewältigung jedoch nicht adäquat gelingt, kommt es zum Durchbruch der Angst als Symptom, dem die
Beispiel
Patienten hilflos ausgeliefert sind. Entlastende Handlungen oder Verschiebungen (wie bei der Phobie- vergleichen Sie die Entstehungsmodelle!) sind den Angstneurotikern nicht möglich. Desha lb können sie den Angstaffekten nicht entkommen und nur sehr schwer Angstfreiheit erreichen. Therapie
Zur Behandlung von Angststörungen wird eine Kombination aus Psychopharmaka, hier v. a. Diazepam (Valium®), und nichtpharmakologischer Therapie gewählt. Bei der generalisierten Angststörung ist die psychoanalytisch-psychodynamische Therapie Mittel der Wahl. Bei Panikstörung ist die Verhaltens-
36 I 37
therapie in Kombination mit Entspannungsverfahren eine wirkungsvolle Maßnahme. Anmerkung
Die Angststörungen treten gehäuft in Kombination mit Depressionen auf. Besonders häufig ist die "Angst vor der Angst" bei Panikattacken. Dabei bekommen die Patienten Angst, dass sie gleich wieder eine Panikattacke erleiden. Differentialdiagnose
Um die verschiedenen Arten der Angststörungen besser unterscheiden zu können, sind die einzelnen Störungen in I Tabelle 1 kurz dargestellt.
Phobie
Panikstörung
Generalisierte Angststörung
a Agoraphobie (Platzangst) a Soziale Phobie
Panikattacke
Übersteigerte, pathologische Ängstlichkeit
Kein spezifischer Auslöser vorhanden; Attacke ist
Sozialer Stress, Umweltstresst Patienten machen
nicht vorherzusehen, das Leben wird durch die
sich vermehrt Sorgen, v. a. was den Bereich Fami-
a Spezifische Phobie Auslöser
t Vorhersagbar, d. h., Verhalten tritt immer in bestimmten Situationen au f
a Ausmaß der Angst ist nicht proportional zum Stressor
a Vermeidung von auslösenden Situationen führt
ständige Angst vor einer Attacke beeinträchtigt;
lie, Gesundheit, Beruf angeht; tritt oft zusammen
Patient ist zwischen den Attack en j edoch be-
mit depressiven Episoden auf
schwerdefrei
zur Beeinträchtigung des täglichen Lebens Erscheinungs-
a Spezifische Phobie: Kindheit
alter
t Soziale Phobie: Pubertät
a Agoraphobie: I
20.-30. LJ
I. Gipfel: Adoleszenz 2. Gipfel: 40 . LJ
20. - 30. LJ
Tab. 1: Unte rsch eidungs kriterien be i Angststörungen. [13]
Zusammenfassung • Realangst ist eine normale biologische Reaktion, die uns vor Gefahren schützen soll. • Pathologische Angst schützt uns nicht mehr vor Gefahren, s0ndern kanr:) unseren Alltag schwer beeinträchtigen. • Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. • Man unterscheidet zwischen der generalisierten Angststörung, die ständig vorhanden ist, und Panikattacken, die anfallsartig auftreten können.
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen I {ICD-1 0: F60) Definition Die Persönlichkeitsstörung (PS) ist eine Extremvariante einer bestimmten Persönlichkeit, die andauerndes abnormes Verhaltens- und Erlebensmuster in mehreren Bereichen wie z. B. Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmung, Denken und Beziehungen zeigt. Die tief greifende Störung des Charakters und des Verhaltens umfasst die gesamte Persönlichkeit und beschränkt sich nicht auf ein Symptom. Daher ist auch das deutliche subjektive Leidensgefühl diffus, entwickelt sich manchmal aber erst im Verlauf. Es kommt meist zur Einschränkung der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit. Die PS ist stabil. Sie beginnt meist in der Kindheit oder Jugend und manifestiert sich im Erwachsenenalter. Die Diagnose wird daher frühestens mit 16 oder I 7 Jahren gestellt. Untertypen Die PS werden nach !CD-I 0 (F60) und DSM-rv eingeteilt (I Tab. 1).
t Paranoide PS (F60.0): Die paranoide PS beschreibt die ungerechtfertigte Neigung, fremde unbedeutende oder freundliche Handlungen als feindlich zu missdeuten. Deshalb bestehen Misstrauen, eine übertriebene Empfindlichkeit auf Zurückweisung und streitsüchtiges Beharren auf vermeintlichen Rechten. Die Patienten reagieren auf Kränkungen oft nachtragend und zeigen häufig eine pathologische Eifersucht. Sie neigen zu einem überhöhten Selbstwertgefühl.
Cluster A Sonderbar, exzentrisch
ICD-10
DSM-IV
Paranoide PS (F60.0) Schizoide PS (F60 . I)
Paranoide PS Sch izoide PS
Dramatisch, emotional
Cluster C
Ängstlich, vermeidend
I
Emotional instabile PS: vom Bord erfine-Typ oder vom impulsiven Typ (F 60.3) Histri onische PS (F60.4)
Borderline-PS
Dissoziale PS (F60.2)
Histrionische PS Dissoziale PS Narzissti sche PS
Ängstliche PS (F60.6) Abhängige PS (F60.7) Anankastische PS (F60.5)
Selbstunsichere PS Abhängige PS Zwanghafte PS
Passiv-aggressive PS (F60.8)
(Passiv-aggressive PS)
Tab. 1: Einteilung der Persön lichkeitsstö run ge n.
schwache Reaktionen auf Lob und Kritik (I Abb. I). t Dissoziale PS (F60.2): Sie tritt v. a. durch ein Missachten der sozialen Normen und Regeln zutage. Den Patienten fehlt die Fähigkeit, sich in Gefühle anderer hineinzuversetzen. Sie sind andauernd reizbar. Die sehr niedrige Frustrationstoleranz ruft oft gewalttätiges Verhalten hervor, welches dann rationalisiert wird. Es besteht Unfähigkeit, durch negative Erfahrungen oder auch Bestrafungen zu lernen .
unterscheidet einen impulsiven und einen Borderline-Typ. - Impulsiver Typ: Der Schwerpunkt liegt hier auf der Instabilität der Stimmungen und mangelnder Impulskontrolle. Häufig wird durch Kritik anderer gewalttätiges Verhalten ausgelöst. - Borderline- Typ: häufige Störung (etwa 2% der Al lgemeinbevölkerung). Es besteht zusätzlich eine andauernde Beeinträchtigung des Selbstbilds und der Ziele. Eine chronische Leere wird empfunden. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind intensiv, aber instabil, so dass es zu selbstschädigenden Handlungen oder Suiziddrohungen und -versuchen kommen kann. Häufig liegt ätiologisch sex ueller oder physischer Missbrauch voc
t Emotional instabile PS (F60.3) :
Die Gemeinsamkeit der emotional instabilen PS liegt in einer wechselnden, launenhaften Stimmung mit einer Tendenz, Impulse auszuagieren. Dadurch entstehen oft Ausbrüche mit gewalttätigem , explosivem Verhalten. Man
Unterformen: Die fanatische Persönlichkeit bezieht sich auf eine überwertige Idee. Bei der querulatorischen PS bezieht sich das eindeutig unpassende Verhalten auf den Kampf gegen ein Unrecht. t Schizoide PS (F60. 1): Patienten mit einer schizoiden PS zeigen ein einzelgängerisches Verhalten mit einem Mangel an engen, vertrauensvollen Beziehungen. An sexuellen Erfahrungen besteht wenig Interesse. Ihnen fehlt das Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben, so zeigen sie z. B.
-
Sch izotyp ische PS Cluste r B
I
Abb. I : Katatonie bei sc hizoider Persönlic hk ei t. [10)
-
Klinik der Neu rosen
38 1 39
I Abb. 2: Ein Patient mit Waschzwang wäscht sich die Hände . [9)
t Histrionische PS ( lat. histrio = Schauspieler, Gaukler; F60.4 ): Sie ist
durch oberflächliche und labile Affektivität, Dramatisierung, einen theatralischen, übertriebenen Ausdruck von Gefühlen, Suggestibilität, Egozentrik, Genusssucht, Mangel an Rücksichtnahme, erhöhte Kränkbarkeit und ein dauerndes Verlangen nach Anerkennung, äußeren Reizen und Aufmerksamkeit gekennzeichnet Persönlichkeit(sstörung): hysterisch, infantiL Tritt gehäuft mit dissoziativen Konversionsstörungen auf. t Anankastische (zwanghafte) PS (F60.5): Diese PS ist durch Gefühle
von Zweifel, Perfektionismus, übertriebene Gewissenhaftigkeit, ständige Kontrollen, Halsstarrigkeit, Vorsicht und Starrheit gekennzeichnet. Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen (I Abb. 2). Zwanghafte Persönlichkeit(sstörung), Zwangspersönlichkeit(sstörung). Häufig treten depressive Verstimmungen auf. t Ängstliche (vermeidende) PS (F60.6): Sie ist durch Gefühle von An-
spannung und Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit gekennzeichnet. Es besteht eine andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptanz, eine Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik mit eingeschränkter
Beziehungsfähigkeit Die betreffende Person neigt zur Überbetonung potentieller Gefahren oder Risiken alltäglicher Situationen bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten. t Abhängige (asthenische) PS (F60.7) : Personen mit dieser PS ver-
lassen sich bei kleineren oder größeren Lebensentscheidungen passiv auf andere Menschen . Die Störung ist ferner durch große Trennungsangst, Gefühle von Hilflosigkeit und Inkompetenz, durch eine Neigung, sich den Wünschen anderer, v. a. Älterer, unterzuordnen, sowie durch ein Versagen gegenüber den Anforderungen des täglichen Lebens gekennzeichnet. Die Kraftlosigkeit kann sich im intellektuellen und/ oder emotionalen Bereich zeigen; bei Schwierigkeiten besteht die Tendenz, die Verantwortung anderen zuzuschieben. Persönlichkeit(sstörung): asthenisch, inadäquat, passiv, selbstschädigend. t Sonstige spezifische PS (F60.8):
Exzentrisch, haltlos, narzisstisch. Narzissmus ist eine Störung des Selbstwertgefühls, die als Minderwertigkeitsoder überzogenes Selbstgefühl auftritt. Die narzisstische PS geht mit einer ständigen Angst und Unsicherheit einher, das "falsche" Ich nach außen zu zeigen. Die Patienten zeigen ein durch-
gängiges Muster von Großartigkeit in Fantasie (grenzenloser Erfolg, ideale Liebe} und Verhalten (verlangt besondere Anerkennung, Aufmerksamkeit, Bewunderung}. Sie reagieren überempfindlich auf Kritik und Einschätzung anderer und zeigen einen Mangel an Einfühlungsvermögen. t Kombinierte oder andere PS: Wenn nach den allgemeinen Kriterien PS vorliegen, diese aber keine spezifischen Symptomenmuster zeigen oder Kombinationen der verschiedenen Symptome obiger PS bieten. t Andauernde PS:
-Andauernde, über mind. 2 Jahre bestehende, tief greifende Persönlichkeitsveränderungnach Extrembelastungen, wie z. B. Folter, Katastrophen, Terrorismus mit sozialem Rückzug, Hoffnungslosigkeit und Leeregefühl sowie einer feindlichen, misstrauischen Haltung gegenüber der Welt -Nach psychischer Krankheit mit sozialer Isolation und Überzeugung, durch die Krankheit verändert und stigmatisiert worden zu sein -Bei chronischem Schmerzsyndrom
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen II (ICD-10: F60) Epidemiologie
Die Prävalenzangaben der PS liegen in Deutschland bei etwa 11 %.
Die häufigsten Formen sind: t Borderline-PS t Histrionische PS t Dissoziale PS t Abhängige PS
lieh auf die eigene Person gerichtet si nd. Er ist physiologisch und kann als "Durchgangsstadium" angesehen werden. Später bezieht sich das Interesse/ di e Libido sowohl auf die eigene als auch auf and ere Personen im Umfeld. Von sekundä rem Narzissmus spricht man, wenn dieses Interesse an Personen in der Außenwelt versc hwindet und wieder ausschließlich auf die eigene Person ge rich tet wird. Borderline: Die vulnerable Phase für die Entwicklung einer
Borderline-Persönlichk eit ist die früh e lndividuationsentwic klung. Diese fällt in das I. und 2. LJ und ist normalerweise spätestens mit dem 18. Lebensmonat abgeschlossen. Sowohl Mangelerlebnisse und Beeinträchtigunge n in di eser Zeit als Pathogenese und Psychodynamik veraus auch Realtraumatisierungen nach Absc hluss der vu lnerablen PS haben eine komplexe Genese. jede PS entsteht Kindheitsphasen (besonders durch Inzesterlebnisse oder anschiedenen Defiziten in Anlage, Umwel t und/ oder sozialem de re Gewalterfahrungen) können zur Entstehung einer BorUmfeld. derline-Persönlichkeit führen. In der IndividuationsentwickPsychodynamisch wird die Entstehung von PS durch Störunlung muss der Säugl ing zwei Fähigkeiten erl ernen: I. die gen in den einzelnen frühkindlichen Entwicklungsphasen Differenzierung von Selbst· und Objektbildern (Bilder von erklärt (I Tab. 2). Eine Störung z. B. durch Missbrauch, anderen Personen in sich), was beinhaltet, dass er schrittTraumata etc. in einer bestimmten Phase lässt sich auf eine weise eine eigene Persönlichkeit entwickelt, und 2. die VereiVerhaltensstörung zurückführen . nigun g von gegensätzlichen Qualitäten eines Objekts, d.h., Psychodynamik und Im Folgenden sollen die Pa thogenese muss lernen, dass eine Person verschiedene, auch gegener einiger PS näher beleuchtet werden: sätzliche Funktionen ausüben kann (z. B. , dass die Mutter Narzissmus: In den ersten 2 LJ entwickelt sich das Selbstge- ihn füttern und tröste n, aber auch bestrafen kann ). Bis zum erfolgreichen Abschluss diese r Phase bestehen im Inneren des fühl. Diese Entwicklung find et während des IndividuationsSäugl ings also lediglich Teilobjektbeziehungen (jeder einzelprozesses und der ersten Zeit danach statt. Nach Abschluss nen Funktion wird eine Person zugeordnet, mehrere Zuorddes Individuationsprozesses benötigt das kohärente, aber nunge n zu einer Person sind nicht möglich). Durch diese labile Selbst noch Unterstützung in Form von empathischer projiziert der Säugling auf einige Objekte Spaltungsprozesse Kinds, des Individualität der Anerkennung und Spiegelung Objekte werden als Gegengewicht mit ere and "Böse", alles Bedürfnisse, kindlichen der Bestätigung Berechtigung und ausgestattet. Durch diese Polarisierung Fähigkeiten "guten" kann PS narzisstischen Bewunderung seiner Größe. Bei der is t es ihm möglich, sich (v. a. bei ngen lu Objektvorstel der werden, der Individuationskonflikt relativ stabil vera rbeitet Versagungen, mangelnder Zuwie Erlebnissen en quälend doch treten hier die Störungen in der Anschlussphase auf. gleichzeitig bestehende und trösten zu ) u.Ä. wendung Wenn die empathische Spiegelung durch die Mutter bei einzelnen Gefühlsäußerungen (z. B. Aggressionen) ausbleibt oder Spannungen abzubauen. Diese Spaltu ngsprozesse sind typisch für die lndividuationsentwicklung, sollten jedoch bis zum in übermäßiger Form stattfindet ("Overprotection"), so entEnde dieser Phase stabil verarbeitet werden. Störungen in steht beim Kind der Eindruck von Ablehnung. Als Reaktion der Verarbeitung der Spaltungsprozesse treffen auf ein völlig darauf und als Schutz vor Liebesentzug spaltet das Kind die unreifes Ich. Folglich wirken sich solche Störungen auf mehmissachtete Gefühlsqualität ab. Dadurch kommt es jedoch Grundstrukturen aus: auf basale Ich-Funktionen, auf das rere auch als Spannungen sowohl das Ungleichgewicht, zu einem auf di e Beziehungen zu anderen Menschen. Selbstgefühl, Winnicott verursacht. eine generelle Selbstunsicherheit die eine gestörte bzw. nur unzureichend Menschen, Bei Man Selbst. lsches bezeichnet dieses unsichere Selbst als fa unterscheidet primären und sekundären Narzissmus: Ein pri- bewältigte Individuationsentwicklung erlebt haben, können die Spaltungsprozesse rea ktiviert und gezielt als (unreife) märer Narzissmus liegt in der oralen und analen Phase vor, Spaltungsabweh r zur Konfliktbewältigung eingesetzt werden . in denen das Interesse und die Libido des Kind s ausschließDiese Spaltungsa bwehr führt zu einer Aufspaltung von Vorstellungen, Affekten etc. So kan n z. B. ei n Gefüh l der Wut auf eine geliebte Person mittels Spal tun gsabwehr auf zwei Arten verarbeitet werd en: a) Die Wut wird auf eine andere Person Persönlichkeltsstörung Verhalten Phase projiziert (es entstehen sehr polare Beziehungen). b) Die Wut Abhängige, passiv-aggressive Abhängiges und forderndes Verha lten Orale wird verleugnet, di e Perso n wird weiterhin als "nur gut" erZwa nghafte Rigides und zwangha ft es Verhalten Ana le lebt, bis es irgendwann zur Entwertung kommt und sie als sche oni stri Hi sc hl ec ht" erlebt wird (un ter Verl eugnun g der posi tiven Beziehungen "nur intimen zu t Un fähigkei Phallische und oberfläch liche Emotionen Anteile). Durch die Spaltungsa bwehr (zusa mmen mit anderen früh en Abwehrm ec hanismen) wird di e Wahrnehmung der 1 Ta b. 2: St örun gen d er frühkind li c hen Entwicklungsphasen. Die Geschlechtsverteilung ist unterschiedlich und hängt von der jeweiligen PS ab.
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Klinik der Neurosen
Realität verzerrt und werden instabile Bezieh ungen vor dem Zerbrechen geschützt. in psychodynamischer Sicht ist die Borderline-Persönlichkeit aufgrund der basalen Ich-Sc hwäche und des fragilen Selbstgefühls besonders bedroht zu dekompensieren_ Die innere Welt der BorderBne-Persönlichkeiten ist angefüllt mit aggressiven und destruktiven Fantasien_ Aufgrund dessen werden viele alltägliche Belastungen von den Betroffenen umgedeutet und erhalten subjektiv die Bedeutung eines Angriffs auf das SelbstgefühL Die Borderline- Persönlichkeiten setzen alle verfügbaren Abwehrmechanismen (v. a. die Spaltungsabwehr) ein, um den vermeintlichen An griff zu bewältigen. Gelingt dies nicht, so kommt es zu einer Dekompensation. Die o. g. subjektive Umdeutung von Geschehnissen erklärt, warum keine spezifischen, einschneidenden Auslösesituationen nötig sind, um eine Dekompensation zu bewirken. Es handelt sich oft um eine Vielzahl kleinster Verletzungen, die das Sicherheitsgefühlder BorderUne-Persönlich keiten dermaßen gefährden, dass ein Zerfall der Persönlichkeit stattfindet (Desintegration) . Diese Desin tegration der Persönlichkeit ist ein akutes Krankheitsbild, das man mit dem Begriff Borderline-Syndrom beschreibt. Die Patienten sind nicht auf bestimmte Symptome oder Erscheinungsbilder festgelegt, sondern können wahllos alle Symptome produzieren. Manchmal steht ein Symptom im Mittelpunkt, doch meist bestehen mehrere nebeneinander. Zum Teil häufen sich die Symptome derart, dass sich ein chaotisches klinisches Bild ergibt, welches man als Panneurose bezeichnet. Beim Borderline-Syndrom kommt es zu einer Verstärkung der Besonderheiten und Störungen der Borderline-Persönlichkeiten, v. a. zu Kontaktabbrüchen und
40 141
Affekt- bzw. Impulsdurchbrüchen (Wutausbrüche, durchbruchartige perverse Handlungen, Selbstverletzungen, Alkohol- und Drogenexzesse). Die Desintegration oder die Bedrohung durch diese ist verbunden mit panischer Angst, Fragmentierungserlebnissen, depressiven Leeregefühlen und einer Lockerung des Realitätsbezugs mit zeitlich begrenztem Auftreten von Halluzinationen und Wahnerlebnissen (auch Selbstbeschädigungen und dissoziativen Zuständen). Zur Abwehr dieser extremen Begleitzustände der Desintegration werden alle verfügbaren Abwehrmechanismen eingesetzt. Sie sollen die panischen Ängste binden und den Zerfall des Selbst verhindern. Durch die Abwehrversuche entstehenals Kompromiss zu verstehen - zahlreiche Symptome, die wesentlichen Zwangsgedanken, phobische Ängste, Konversionssymptome und dissoziative Zustände. Therapie Die Therapie von PS ist schwierig. Sie dauert Jahre und ist häufig nicht erfolgreich. Je nach PS und Patientencharakter gibt es unterschiedliche Ansätze und Möglichkeiten. Allgemein lässt sich sagen, dass die Psychotherapie mit psychoanalytischen (nach Kernberg), verhaltenstherapeutischen (Konzept nach Linehan), interpersonellen und kognitiven Ausrichtungen im Vordergrund steht Auch Psychopharmaka können eine unterstützende Wirkung haben. Anmerkung Differentialdiagnostisch abgegrenzt werden müssen eine Hirnschädigung, Persönlichkeitsveränderungen nach Extremstress und andere psychiatrische Störungen.
Zusammenfassung • Die PS ist die Extremvariante einer bestimmten Persönlichkeit, die relativ starr ist.
a Man kann zwischen paranoider, schizoider, histrionischer, dissozialer, Borderline-, ängstlicher, abhängiger, anankastischer und passiv-aggressiver PS unterscheiden.
a Häufig kommt die Borderline-PS vor. • Die Therapie ist sehr schwierig und häufig erfolglos.
Belastungs- und Anpassungsreaktionen (ICD-10: F43, F43.2) Def inition
scheidun g), Emigration, Umzug, Pensionienmg oder schwere Enttäuschungen ausgelöst werd en.
t Belastungsreak:tionen: Hierunter
versteht man psychische, körpe rliche und Verhaltensstörungen, die in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhan g nach einer psychosozialen Belastung auftreten und durch die Intensität bzw. die Dauer der Belastung verursacht werden. Sie dauern an, solange die Belaswng wirksam ist oder bis eine effektive Bewältigung zum Tragen kommt. I Abbildung I zeigt, wie sich ein Manager fühlen kann, wenn er sehr schwierige Entscheidungen treffen muss.
Untertyp en Man unterteilt die Belastungsreaktionen in akute und posttraumatische Belastungsstörungen.
Exkurs: Trauma Unter Trauma versteht man eine " Erschütterung" des Körpers und/ oder der Seele. Ein Trauma ist ein sehr schmerzliches Erlebnis, das nicht verarbeitet werden kann (I Abb. 2). Da ein solches Erlebnis außerhalb der üblichen Erfahrungen liegt, verfügen wir nicht über innere Vorbilder oder Muster, nach denen wir vorgehen können, um es zu bewältigen. Aufgrund dessen kann ein Trauma Ursache für vorübergehende oder anhaltende Störungen im körperlichen und psychischen Bereich sein.
I Abb . 1: Ein Manage r fü hlt sich am Rande des Abgrund s, nac hdem er sc hwi eri ge Perso nalentsc heid ungen treffen musste. 14]
~ Ein Erlebnis, das außerhalb der menschlichen Erfahrungen liegt. ~ Eine körperliche Verletzung. Ein Erlebnis, das wegen seiner Dauer und Intensität nicht verarbeitet werden kann. ~ E i ne emotionale Ursache für seelische Störungen, die nicht überwunden werden kann.
t Anpassungsreak:tionen: Hier handelt es sich um Zustände von subjektivem Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, die soziale Funktionen und Leistungen behindern und wä hrend des Anpass ungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen wie auch schwerer körperlicher Erkrankung auftreten. Die Störung beginnt im Allge meinen innerhalb eines Monats nach dem be· lastend en Ereignis oder der Lebensveränd erung. Die Symptome halten meist nicht länger als 6 Monate an. Anpassungsreaktionen können durch Todesfälle, Trennungserlebnisse (z . B. Ehe-
I Abb. 2: Ein Feuerwehrmann wird nac h ein em sc hweren Brand einsa tz ve rsorgt. Der sc hwere Ein sa tz kann zu ein em Traum a fü hren. 141
t Akute Belastungsstörung ("Nervenzusammenbruch"}: - Symptomatik: Trotz der großen Varianz der Symptome sind folgende Erscheinungen charakteristisch: eingeengte Bewusstseinslage (" Betäubung"), Unfahigkeit, Reize zu verarbeiten, Desorientiertheit. Die akuten Symptome sind variabel. Darauf können die u. g. Erscheinungen fol gen: depressive Verstimmungen, heftige Ängste, Unruhe und unproduktive Überaktivität, soziale Rückzugstendenzen, Fluchtreaktionen oder Fugue. Fast immer vervollständigen zahlreiche vegetative Begleitsymptome das Bild. - Dauer und Verlauf: Unter optimalen Bedin gun gen verschwindet das Besc hwerdebild innerhalb weniger Stund en. Doch selbst unter weniger günstige n Bed ingungen liegen die Symptome gewöh nlich nach 3 Tagen nur noch in minimaler Ausprägung vor. Allgemein lässt sich sagen, dass akute Belastungsreaktionen folgenlos ausheilen könn en. -Das Risiko, mit einer akuten Belastun gsreaktion auf ein traumatisches Erlebnis zu reagieren, hängt von der individ uellen Vu lnerabili tät und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien ab. Es ist erhöht bei körperlicher Erschöpfung, höherem Lebensalter, fehlend en Erfahrungen im Umgang mit Belastungen, Vorliegen vo n spezifischen Bedeutungen des Erlebnisses für die betroffene Person mangelnd er sozialer Unters tützung ' und mangelnder Kon trollierbarkeit der Situation.
Klinik der Neurosen
~ Posttraumatische Belastungsstörung: -Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine Reaktion auf massiv belastende und außergewöhnliche Situationen (z. B. Kriege, Folter, KZ-Haft, Vergewaltigung, schwere Unfälle, Naturkatastrophen u.Ä.). Dieses Beschwerdebild tritt mit einer Latenz von Wochen bis Mona· ten auf. -Symptomatik: Die posttraumatische Belastungsstörung ist durch folgend e Trias charakterisiert: 1. Emotionale Teilnahmslosigkeit und soziale Rückzugstendenzen 2. Sich aufdrängende Nachhallerinne· rungen (.,Flashbacks") 3. Psychovegetative Überaktivität (mit Schlaflosigkeit und Schreckhaftigkeit)
Ängste und Depressionen sind häufig mit dieser Trias assoziiert. Akute affek· tive Ausbrüche (von Panik oder Aggres· sion) sind seltener, können aber durch· aus vorkommen. - Dauer und Verlauf: Die posttraumatische Belastungsstörung folgt dem Trauma mit einer Latenz von Wochen bis Monaten. Sie beträgt jedoch nur in den seltensten Fällen mehr als 6 Monate. Der Verlauf der posttraumatischen Belastungsstörung ist wechsel· haft, es find et jedoch in den meisten Fällen eine Heilung statt. Es kommt aber häufiger vor, dass die Betroffenen einer Sucht (Alkohol, Medikamente) verfallen oder - seltener- Suizidten· denzen entwickeln.
Epidemiologie Die Lebenszeitprävalenz für posttraumatische Belastungsstörungen in der Allgemeinbevölkerung liegt zwischen 2 und 7%. Die Häufigkeit ist abhängig von der Art des Traumas. Es lässt sich sagen, dass die Prävalenz nach Verge· waltigung ca. 50%, nach anderen Ge· wallverbrechen ca. 25%, bei Kriegsund Vertreibungsopfern ca. 50%, bei Verkehrsunfallopfern ca. 15% und bei schweren Organerkrankungen (Herzinfarkt, Malignome) ca. 15 % beträgt. Pathogenese und Psychodynamik ln I Abbildung 3 ist die Psychopathoge· nese von Belastungsstörungen skizzenhaft dargestellt. Therapie Akute Belastungsstörung: In der Regel ist keine Therapie notwendig. Lediglich
bei protrahierten Verläufen ist eine psychiatrische bzw. psychosomatische Psychotherapie mit supportiven Gesprä· chen und Medikamenten indiziert. Posttraumatische Belastungsstörung: Sowohl die psychoanalytische Therapie als auch die Verhaltenstherapie können hier indiziert sein. Bei der analytischen Psychotherapie möchte man den Pati· enten bei der Bewältigung der erschre· ckenden Emotionen begleiten und das Zulassen der Wiederholungen des Traumas unterstützen. Anpassungsstörungen: Die Psychothe· rapie (z. B. Gesprächstherapie) findet häufig Anwendung. In besonders schweren Fällen (z. B. Suizidalität) ist auch an Psychopharmaka zu denken. Bei länge· renStörungenmuss differentialdiagnostisch das Bestehen einer depressiven Störung oder einer generalisierten Angststörung abgewogen werden.
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I Abb. 3: Darstellung der Psychopathogenese von Belastungsstörungen (AWMF online).
Zusammenfassung X Nach einem Trauma können Belastungsreaktionen auftreten. X Man unterscheidet zwischen akuten und posttraumatischen Belastungs-
störungen. X Anpassungsreaktionen können nach persönlichen Schicksalsschlägen
auftreten. X Eine Therapie ist bei posttraumatischen Belastungsstörungen und bei
Anpassungsstörungen meist notwendig.
_:hosoma tische Erkrank ungen - eine Übersic ht 5::_::::::, ergaben, dass 13 - 18 % der Allgemei nbevölkerung an psychosomatischen Störungen leiden. Für jeden Kliniker ist es also wichtig, die psychosomatischen Erkrankungen zu kennen, um die Beschwerden seiner Patienten einordnen zu können! Aufgrund der multifaktorielle n Genese von Krankheiten werden heute die psychosomatischen und somatischen Krankheiten nicht mehr streng getrennt betrachtet. Überblick der Krankheitsbilder
Die frühere Einteilung psychosomatischer Erkrankungen v. a. nach der zugrunde liegenden Psychedynamik ist verlassen worden. Die ICD-1 0 richtet sich heute auf die Beschreibung der Symptome. Zum besseren Verständnis der Psychodynamik soll die klassische Einteilung dennoch dargestellt werden (dabei nehmen die psychischen Faktoren nach unten ab bzw. die somatischen Faktoren nach unten zu). Konversionsstörungen I dissoziative Störungen der Bewegung und Sinnesempfindung (früher Hysterie oder hysterische Neurose)
Die psychogenen Störungen des Körpers werden als Konversionsstörung bezeichnet. Diesen körperlich dargestellten Krankheiten wie Lähmung, Ertaubung, Erblindung oder Sensibilitätsstörung liegt ein psychogener Konflikt zugrunde. Dieser wird in ein körperliches Symptom umgewandelt (konvertiert). Daher beschrieb von Uexküll sie als "Ausdruckskrank· heiten". Sie sind die Neurosen im
engeren Sinne. Das Symptom steht symbolhaft für den zugrunde liegenden Konflikt. Der Patient ist nicht in der Lage, den Konflikt zu bewältigen, und signalisiert über sein Symptom den Ruf nach Hilfe. Führt die körperliche Erkrankung zu einem Krankheitsgewinn wie Zuneigung, Aufmerksamkeit oder Schonung, kann es bei anhaltendem Konflikt zu einer Fixie-
rung des Symptoms oder einer Verschiebung in ein and eres Organsystem kommen. Als Dissoziation (lat. dissociare =aufspalten, hier im Sinne einer Bewusstseinsspaltung) wird die Bewusstseinsstörung beschrieben. Sehr ausgeprägt und eindrücklich wi rd eine dissoziative Identitätsstörung bei der multiplen PS, bei der zwei oder mehrere unterscheidbare Persönlichkeitszustände existieren, die im Wechsel das Verhalten der Person kontrollieren. in der ICD-1 0 sind die Konversions- und dissoziariven Störungen zusammengefasst, im DSM-IV werden sie getrennt behandelt. Konflikt -+ Symptom -+ Krankheitsgewinn -+ anhaltender Konflikt -+ Fixierung des Symptoms • Chronlftzlerung oder-+ Symptom-.Shlft" • Verschiebung in anderes Organsystem
Somatotarme autonome Funktionsstörungen (funktionelle Störungen)
Die Gruppe der somataformen (griech. soma = Körper, !at. forma = Gestalt, also "körpergestaltig" ) Funktionsstörungen beschreibt eine vielgestaltige Dysfunktion körperlicher Organe ohne organpathologisches Korrelat.
Autonom bezeichnet dabei die Versor-
gung eines Organs durch das vegetative Nervensystem. Die körperlichen Symptome sind vie lgestaltig, meist diffus und wechseln in ihrer Intensität und Lokalisation. Trotz wiederholter negativer Ergebnisse und ärztlicher Versicherung, dass keine körperlichen Ursachen der Beschwerden zu finden sind, fordert der Patient hartnäckig weitere medizinische Untersuchungen. Funktionelle Störungen treten v. a. im Magen-Darm·Trakt, aber auch im HerzKreislauf-System, Respirationstrakt und weiteren Organsystemen auf.
Ma nchmal sind sie schwer von den Konversionsstörungen abz ugrenzen. Untertypen t Somataforme autonome Störungen: (diese werden bei den einzelnen
Fachgebieten behand elt) t Somatisierungsstörung: Die
schwerste Ausprägungsform der somatoformen Störungen ist di e Somatisierungsstörung. Hierunter werden wiederholt auftretende und mehrere Organsysteme betreffend e Symptome zusammengefasst, die seit mind. 2 Jahren bestehen . Ein pathologisches Organkorrelat lässt sich hierbei nicht find en.
Die rasch wechselnde körperliche Sym,ptomatik ohne somatische Begründbar. keit, die v. a. bei jungen Frauen anzutreffen ist, wurde früher als Hysterie bezeichnet Der Begriff der Hysterie hlrr gegen bezieht sich auf die Konveralona-o Störungen und dissoziatlven Störullg~tn.
t Patienten mit einer hypochondrischen Störung beschäftigen sich in
übertriebener Weise und über eine lange Zeit mit der Vorstellung, an einer schweren und fortschreitenden körperlichen Erkranku ng zu leiden. Durch genaue Selbstbeobachtung kommt es zur Überbewertung von Körperwahrnehmungen als Krankheitszeichen. Diese auf den Körper bezogene Angst kann sich bis in einen hypochondrischen Wahn steigern. t Das Störungsbild der Neurasthenie zeigt einen anhaltenden psychophysischen Schwächezustand schon bei geringen Anstrengungen. Oft wird er als Unterform der hypochondrischen Störung gewertet. t Das Depersonalisationssyndrom beschreibt Patienten mit Zuständen in denen sie sich nicht mehr als sie ' selbst erl eben. Ihre Gefüh le und Empfindungen sind wie fremd und losgelöst von ihnen (so beschreiben Patienten z. B. , es sei wie im Traum, sie hätten das Gefühl , der Schmerz wäre der eines and eren). Bei der Derealisation klagen di e Betroffenen über ein Gefüh l der Unwirklichkeit. Die Umgebung erscheint dann fremd oder verzerrt.
Psychosomatik
t Die Patienten können diesen Zustand
wahrnehmen. Im Unterschied zu den dissoziativen Störungen erlebt sich der Patient in einem "Als-ob"-Zustand ("als ob ich es nicht gewesen wäre" ), wohingegen der Patient in einem dissoziativen Zustand pseudoneurologische Symptome (Amnesie, Hypästhesie, Parese, Aphonie, Blindheit, Anfall etc.) zeigt. t Patienten mit andauernden, quälenden Schmerzen, die pathophysiologisch nicht ausreichend erklärbar sind, leiden an einer somatoformen Schmerzstörung. Sie tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder Belastungssituationen auf. Organkrankheiten mit psychosozialer Komponente
Von Uexküll prägte für diese Gruppe den Begriff "Bereitstellungserkrankungen", da hier vegetative Bereitstellungsreaktionen (Flucht, Aggression) ursächlich an der Krankheitsentstehung beteiligt sind. Früher nannte man diese Erkrankungen auch Psychosomatosen. F. Alexander ordnete dieser Gruppe sieben Krankheiten zu: Ulcus pepticum, Colitis ulcerosa, Asthma bronchiale, essentielle Hypertonie, Neurodermitis, Hyperthyreose und rheumatoide Arthritis. Andere, seelisch beeinflusste Erkrankungen müssten ergänzt werden. Heute interessiert bei diesen meist chronischen Krankheiten eher die Krankheitsbewältigung (Coping}. Unter psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne versteht man heute psychisch ausgelöste oder zumindest beeinflusste organische Erkrankungen. Hier ist also ein organisches Korrelat der Symptombeschreibung vorhanden, die Ursache liegt aber weitestgehend im psychischen Bereich. Durch immunbiologische Nachweisverfahren, Psychoimmunologie, Verbesserungen der Bildgebung v. a. im Schädelbereich usw. ist der Einfluss psyc hischer Faktoren auf körperliche Organe teilweise schon gut nachweisbar. So können Bereitstellungserkrankungen wie die Neurodermitis, die Colitis ulcerosa oder Asthma als nach neuester medizinisc her Evidenz
psyc hosomatische Erkrankungen im engeren Sinne verstanden werden, während man z. B. beim Ulkus durch Nachweis von Helicobacter pyloriden psychischen Faktoren weniger Einfluss als angenommen zuspricht. Dauerstress, ein belastendes oder unzureichend verarbeitetes biographisches Ereignis (Life event) oder eine prämorbide Persönlichkeitsstruktur wie z. B. neurotische PS führen in einer psychischen Belastungssituation zu einer fehlenden Kompensationsmöglichkeit In einem vulnerablen Organsystem kommt es durch somatopsychische Wechselwirkungen zur Manifestation des Symptoms/der Krankheit. Als Beispiel sind in I Abbildung 1 die psychischorganischen Wechselwirkungen bei Bauchschmerzen dargestellt.
Somatapsychische Störungen
Somatapsychische Störungen sind psychogene Erkrankungen, die sich auf der Basis einer organischen Krankheit
44145
sekundär entwickeln, z. B. eine depressive Stimmung bei einem Krebspatienten. Es wird dann auch von psychischer Überlagerung gesprochen. Weitere Beispiele für eine mögliche sekundäre psychische Pathogenese sind Dialysepflichtigkeit, Brustamputation, Ileostoma, HIV-Infektion oder AIDS. Die Einteilung der ICD-1 0 sieht etwas anders aus. Sie soll hier zur besseren Übersicht vereinfacht dargestellt werden: F30 affektive Störungen: Diese umfassen psychogene Störungen wie Manie, Depression und Dysthymie (zur Vertiefung sei auf Lehrbücher der Psychiatrie verwiesen). F40 neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen: Hierzu zählen die phobischen, Angst- und Zwangsstörungen, dissoziative und Somatisierungsstörungen , hypochondrische und somataforme autonome Störungen. FSO Verhaltensauffalligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen und Faktoren: Hierunter werden Essstörungen, nichtorganische Schlafstörungen und sexuelle Funktionsstörungen zusammengefasst. F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen.
Psychische Faktoren bei Bauchschmerzen
Gedankepj reisen. g,rübeln und Sorgen wegen der Symptome können ·'h. einem Teu~lskreis die Sym~ol"e unte~lten und verstärken~
I Abb. 1: Psychische Faktoren bei Bauchschmerzen_ [nach 6]
Zusammenfassung ac ln der psychosomatischen Medizin interessieren den Arzt die primär krank heits(mit)auslösende psychische Ursache und die sekundär im Verlauf der Krankheit entwickelte oder für die Bewältigung der Krankheit wichtige psychische Komponente.
Essstöru ngen I wicht abzunehmen, schlank zu werden Störungen der Nahrungsaufnahme und zu bleiben. bzw. des Körpergewichts ohne orgaIm oft chronischen Verlauf besteht eine nische Ursachen fasst man unter den Essstörungen zusammen. Diese reichen phobisch zu nennende Angstbindung, normal zu essen, an Gewicht zuzunehvon der "Magersucht" (Anorexia nermen sowie durchschnittliche Körperforvosa) über Heißhungerattacken mit men und ein gesundheitlich vertretbares anschließenden gegensteuernden Körpergewicht zu erreichen. Das angeMaßnahmen (Bulimia nervosa) oder strebte Gewicht wird sehr niedrig ohne gegensteuernde Maßnahmen festgelegt. Um es zu erreichen, halten (Binge-eating disorder) bis hin zur eine strikte Diät Anorektikerinnen be· "Sucht" "Fettsucht" (Adipositas). oder es kommt Charakter Typ}, (restriktiver schreibt den zwanghaften zu Heißhungerattacken mit anschließen· dieser Störungen. Diese primären Essstörungen müssen dem Erbrechen, Einnahme von Laxan· zien oder sonstigen gegensteuernden von den sekundären Essstörungen, z. B. bei Tumorerkrankungen, InfektioMaßnahmen (bulimischer Typ}. Beinen, Hyper-/ Hypothyreose oder psych- den Typen gleich ist die Gewichtsredukiatrischen Erkrankungen wie Depressition. Sie kann auch durch übertriebene onen, abgegrenzt werden. körperliche Aktivitäten (Anorexia athletica) gesteigert werden. Den PatientinEs wird versucht, zugrunde liegende nen fehlt eine realistische Einstellung psychische Konflikte über die Nahrung (Nahrungsaufnahme/-ablehnung) zu gegenüber dem eigenen körperlichen Zustand (Körperschemastörung}, kompensieren. Dabei spielt das Unvermögen, mit Emotionen (gewünschten sie sehen im Spiegel eine "fette" Frau, oder geäußerten) umzugehen, pathoge- auch wenn sie schon extremes Untergewicht haben. netisch eine große Rolle. Primär somatische, etwa hormonale Auch das westliche Schlankheitsideal Störungen sind nicht zu finden. trägt einen erheblichen Teil zu den Störungen bei. Früher wurde das Normalgewicht nach Kriterien einer Anorexie (in Anlehnung an Broca berechnet: Körpergröße (cm)die ICD-10): 100 - I 0% bei Männern und - 15% bei t Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust Frauen = Idealgewicht Das Idealgemit einem BMI :!> 17,5 wicht ist das Gewicht mit der höchsten t Körperschemastörung Lebenserwartung. t Angst, zu dick zu werden Heute berechnet man das Gewicht nach t Endokrine Störung der Achse Hypothalamus-Hypophyse-Gonaden, die sich bei dem Quetelet-Index (OI = "BodyFrauen mit Amenorrhö, bei Mlinnem mit mass-Index" = BMI; I Tab. 1). Potenz.. und Libidoverlust äußert
Anorexie
Definition Als Anorexia nervosa (Magersucht) bezeichnet man eine meist bei Mädchen in der Pubertät auftretende Entwicklung, die auf dem Wunsch beruht, Ge-
BMI • Körpergewicht (kg) 1 Körperlänge' (m'), z. B. 751 (1,79 m)'• 23,4 Untergewicht
< 18,5 kglm 2
Normalgewicht
18,5- 24,9 kglm 2
Übergewicht
25-29,9 kg/m'
I Tab. 1: Gewichtsdefinitionen.
In Studien mit fastenden Probanden konnten die psychischen und körperlichen Konsequenzen der körperlichen Mangelernährung gezeigt werden: Auf der psychischen Seite sind eine gesteigerte Reizbarkeit, Ängstlichkeit und Affektlabilität bis hin zur Depression sowie eine gedankliche Einengung durch Kreisen um das Thema "Essen" Folgen längerer Mangelernährung. Neben Störungen in der Konzentrationsund Entscheidungsfähigkeit treten viel· fältige vegetative Störungen (u. a. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Obstipation) auf. Körperliche Symptome sind in I Abbildung I zusammengestellt.
Epidemiologie Die Lebenszeitprävalenz liegt für Frauen bei 0,5 %. Frauen sind zehnmal häufiger als Männer betroffen. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 13. und 23. LJ auf. In Risikogruppen (z. B. Turnerinnen, Models etc.) finden sich Prävalenzangaben von bis zu 7%. Psychedynamik Auslöser können belastende Lebens· ereignissewie Trennung, körperliche Krankheiten oder einfach eine banale Bemerkung Außenstehender über den (rundlicher werdenden) Körper sein. Die Störung steht vor dem Hintergrund adoleszenter Entwicklungskonflikte, ohne dass ein Konfliktbewusstsein vorliegt. Verschiedene Konflikte können zur Erklärung herangezogen werden, z. B.: t Das Ideal-Ich kollidiert in seinen Vorstellungen mit dem Körper-Ich. Das Körper-Ich verändert sich und entwickelt triebhafte Bedürfnisse wie weibliche Sexualität. Die weibliche Identität und v. a. die weibliche Sexualität werden durch die Flucht in ein asketisches Ideal (geschlechtsloses, bedürfnisloses ' autonomes Wesen) bekämpft. t Durch die Kontrolle über das Essen wird ein Gefühl von Unabhängigkeit gegenüber der Natur, dem eigenen Körper und der (fürsorgenden) Mutter erlebt, welches bei Schwierigkeiten der Ablösung eine Lösungsmöglichkeit für die Patientinnen darstellen kann. t Auch eine zu große reale oder empfundene Dominanz der Eltern kann zu einem Kampf um Autonomie führen. Hier wird die Verweigerung von Nahrung als Mittel genutzt, sich selbst als Individuum zu spüren. Oft gibt es in der Familie magersüchti· ger Patientinnen bestimmte Strukturen die die Sucht zumindest aufrechterhal- ' ten können; man findet hier überhäufig Spannungen, Depressionen, Essstörungen und Alkoholismus. Es besteht häufig eine Suchtneigung, wobei durch eine kachexiebedingte Endorphinausschüttung der Wille zur weiteren Gewichtsabnahme unterstützt wird. Hohe Konkordanzraten in Zwillingsstudien von ca. 50% zeigen, dass auch ein genetischer Faktor vorliegt.
Psychosomatik
I Abb. 1: Körperliche Symptome und Kompli-
Endokrin • t Somatotropin • t Kortisol • ~ Gonadotropin
kationen der Anorexia nervosa. [ 12]
. n3
Kardiavaskulär • Bradykardie • Hypotension
46 147
gen, Schwielen an Fingern oder Handrücken, Gastritiden, diabetischen Entgleisungen und Niereninsuffizienz. Kriterien einer Bulimie (in Anlehnung an die ICD-10):
---1+-
t Zwanghafte Essattacken mit Nah-
Obstipation Amenorrhö Lanugobehaarung Kälteempfindlichkeit
Psychisch • Angst vor Fettleibigkeit • Körperschemastörung Muskelschwäche - - -H• Beschäftigung/Kreisen der Ödeme Gedanken vor allem ums ---~"")''\'\'~:) Essen
rungsaufnahme in großen Mengen (mind. über 3 Monate und mind. zweimal pro Woche) t Anschließende Gewichtsabnahme mithilfe von selbst induziertem Erbrechen und/oder Laxanzien- oder Diuretika missbrauch, Appetitzüglern, Schilddrüsenhormonen, Fasten, Diäten I) Endokrine Störungen (Amenorrhö, Impotenz) t Sozialer Rückzug, lnteressenverlust, Denkeinengung auf das Thema "Essen"
Epidemiologie Therapie
Gewichtsrekonstruktion und Systemische Psychotherapie: Bei einem BMI < 17,5 kg/m 2 sollte eine stationäre Aufnahme erfolgen und schrittweise, möglichst unter Veränderung des Körperbilds, eine Gewichtszunahme erzielt werden. Eine Sondenernährung und ggf. die Überwachung auf der Intensivstation können bei ausgeprägter Kachexie notwendig sein. Bei steigendem Gewicht können die psychotherapeutischen Gespräche intensiviert werden. Auch familientherapeutische Gespräche sind, v. a. bei jüngeren Patientinnen, sinnvoll. Verhaltenstherapie: Die Patientinsoll eine aktive Rolle in ihrem neu zu erlernenden Essverhalten einnehmen. Dies kann über Absprachen und "Verträge", z. B. die regelmäßige Nahrungsaufnahme und Gewichtszunahme (etwa 500 g/Woche), erreicht werden. Die Letalitätsrate beträgt bei Anorexie 5%, etwa 65% haben eine gute Prognose, während in 15% der Fälle ein gefährliches Untergewicht persistiert 15% bleiben moderat untergewichtig. Männer haben generell eine schlechtere Prognose.
Bu limie Definition
Als Bulimie bezeichnet man ein psychosomatisches Syndrom mit wiederholt auftretenden Zuständen von Heißhunger, in denen große Nahrungsmengen verschlungen werden. Aus Furcht vor Gewichtszunahme wird meist unmittelbar anschließend willkürliches Erbrechen provoziert und/ oder versucht, durch Verringerung der Nahrungsaufnahme, Fasten, Laxanzienabusus und exzessive sportliche Betätigung, diese zu verhindern. Das tatsächliche Gewicht schwankt meist um ± 5 kg und liegt im (hoch)normalen Bereich. Wie bei der Anorexie zeigen die Patientinnen eine übertriebene Sorge um Körperform und Gewicht. Im Unterschied zur Anorexie leiden die Patientinnen oft erheblich unter ihrer Erkrankung, verschweigen sie aber trotzdem, da sie sich deswegen schämen. Neben o. g. körperlichen Folgen kommt es bei Bulimikerinnen durch das Erbrechen zu Parotitis, schwerer Karies, Ösophagitiden, Pharyngitiden, Herzrhythmusstörungen, Elektrolytstörun-
Frauen zwischen dem 15. und 35. LJ, also etwas später als bei der Anorexie, erkranken zu 1-5%. Die Bulimia nervosa kommt bei Männern noch viel seltener vor, nimmt aber auch hier zu. Nicht selten geht eine anorektische Periode in der Pubertät voraus. Es existieren auch Mischtypen, die als Bulirexie bezeichnet werden. Psychedynamik
Die o. g. Modelle lassen sich auf die Bulimie übertragen. Multifaktorielle Ursachen tragen auch hier im Sinne eines Stress-Vulnerabilitäts-Modells zur Krankheitsentstehung bei. Therapie
Da die psychodynamischen Merkmale denen der Anorexie ähneln, kommen die gleichen psychotherapeutischen Prinzipien, z. B. Verhaltenstherapie, zum Einsatz. Fluoxetin (ein selektiver SerotoninWiederaufnahmehemmer], welches bei Depressionen eingesetzt wird, kann zur Durchbrechung von Heißhungerattacken und Brechanfällen die Psychotherapie ergänzen.
Essstörungen II Adipositas
Adipositas (tat. adeps = Fett, also eigentlich adip-os-itas = Fett-ig-keit) ist eine moderne und leider immer häufigere Diagnose in verschiedensten Fachbereichen. Eine Zunahme ist in allen Ländern erkennbar, in denen zumindest für einen Teil der Bevölkerung ein ausreichendes Nahrungsangebot vorliegt. Die Nahrung ist bequem erreichbar, weshalb die Bewegung ab- und die Trägheit zunimmt und es zur Gewichtszunahme kommt. Definition
Die Adipositas[= Fettleibigkeit= Fettsucht= Überernährung= Obesitas) wird definiert als eine Einlagerung von Fett in verschiedene Teile des Körpers durch eine den Kalorienbedarf dauerhaft übersteigende Kalorienzufuhr. Man spricht von Übergewicht, wenn das Idealgewicht um 30% [BMI > 30) überschritten wird. Dabei kann man drei Schweregrade unterscheiden [I Tab. 2). Ob bei Fettleibigkeit von Krankheit zu sprechen ist, hängt, wie der Krankheitsbegriff überhaupt, von gesellschaftlichen Bewertungen ab. Es steht aber außer Zweifel, dass die Fettsucht einen Risikofaktor hinsichtlich anderer Krankheiten [wie Hypertonie, KHK, Diabetes mellitus, Arthrose usw. ) darstellt und die Lebenserwartung sowie die Lebensqualität z. T. deutlich einschränkt. Mittlerweile weiß man auch, dass es auf das Fettverteilungsmuster ankommt und dass Fettdepots im Bauchraum und in den inneren Organen besonders risikoreich sind. Ein Bauchumfang ab 88 cm bei der Frau und ab 102 cm beim Mann stellt ein erhöhtes Risiko dar und ist oft ein besserer Indikator als der BMI.
I
Adipositas Grad I
30-34,9 kg/m'
AdipositasGrad II
35 - 39,9 kg/m'
Adipositas Grad 111 (per magna)
~ 40 kg/m'
Tab. 2: Einteilung der Ad ipositas.
Adipositas ist eine ernst zu nehmende Erkrankung mit starkem Übergewicht durch eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts mit hohem Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen.
Epidemiologie
Übergewichtigkeit nimmt in den westlichen Industrieländern immer mehr zu und ist aufgrund der Folgeerkrankungen zu einem großen Problem im Gesundheitssystem geworden. Bei einem Drittel bis der Hälfte der Menschen in westlichen Industrieländern liegt heute das Gewicht über dem Normalmaß. Frauen sind häufiger betroffen, und in unteren sozialen Schichten ist Übergewicht überre präsen ti ert. Psychedynamik
Adipöse Patienten kommen oft aus Familien, in denen sich auch gehäuft übergewichtige oder extrem untergewichtige Personen finden. Es gibt also eine genetische Komponente, die aber durch Modelllernen [s. S. 11) und durch den von den Eltern geprägten Ersatz von Emotionen durch Nahrung verstärkt wird. Das Essen ist dann (auch später) Ersatz für die fehlende emotionale Zuwendung und gleichzeitig Abwehr von Gefühlen der Leere und Depressivität. Das frühere positive Bild vom freundlichen Dicken hat sich deutlich negativ verändert. Dadurch wird ein adipöser Mensch, der ohnehin schon Schwierigkeiten mit seinem Körperbild und -gefühl hat, aufgrundder sozialen Missachtung nur noch stärker den Wunsch nach oraler Befriedigung verspüren. Endokrine Störungen sind nur in 5% der Fälle verantwortlich. Anmerkung
Persönlichkeitsstörungen sowie sekundäre Depressionen und Ängste durch das Übergewichr finden sich bei Adipösen gehäuft. Therapie
Sehr wichtig ist es als Arzt, den adipösen Patienten ernst zu nehmen! Dabei sollte man nicht annehmen, der Patient könne durch eine freie Wil-
lensentscheidung einfach mit dem vermehrten Essen und Trinken aufhören. Meist schämt er sich selbst, Opfer seiner Suchtgefühle zu sein. Durch Gegenübertragungsgefühlewie Ärger ("Der Patient täuscht mich bewusst, indem er behauptet, fast gar nichts zu essen") und Verachtung kann es passieren, dass der Patient weiter in seinem Selbstwertgefühl geschwächt und damit ein Teufelskreislauf verstärkt wird. Eine somatische Therapie (Appetitzügler, Darmresektion, Magenband oder Magenbypass zur Reservoirverkleinerung) ist nicht sehr vielversprechend, wenn sie die ursächlichen psychischen Aspekte nicht beachtet, und weist zudem eine hohe Komplikationsrate auf. Sie sollte daher nur bei einem BMI > 40 erfolgen. Der Begriff Diät wurde ursprünglich im Sinne von "Lebensweise" verwendet. Nur so ist er auch sinnvoll einsetzbar. Auch wenn eine Diät im heutigen Sinne kurzfristig zur Gewichtsreduktion führen kann, so ist sie als alleinige Maßnahme nicht in der Lage, die vielfältigen Ursachen der Entstehung des Übergewichts zu beheben. Kommt es also nicht zu einer grundlegenden Umstellung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens, kehrt das Gewicht nach einem Diätversuch durch die Aufnahme alter Gewohnheiten wieder zum Ausgangswert zurück und steigt aufgrunddes Jo-JoEffekts sogar meist. Wie beim langsamen Gewichtsaufbau bei der Anorexie ist auch hier eine langsame, kontinuierliche Gewichtsabnahme sinnvoller [z. B. 5% Gewichtsreduktion pro Jahr). Eine Diätberatung kann bei der Umstellung der Ernährung hilfreich sein. Weitere Möglichkeiten bieten Koch- und Selbsthilfegruppen (z. B. Weight-Watchers, Overeaters Anonymous). Bewegungstherapie und Sport kommen als unterstützende Maßnahmen in Betracht. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie kann normales Essverhalten erlernt werden. Dies ist heute auch obligater Bestandteil von Schulungsprogrammen bei Adipositas [z. B. Optifast). Bei Patienten mit psychischen Konflikten oder psychischen Symptomen [Depression, Selbstwertproblematik)
Psychosomatik
kann eine Psychotherapie weiterhelfen. Eine langfristig erfolgreiche Therapie gelingt allerdings nur in 5% der Fälle! Differentialdiagnose Abzugrenzen ist die arzneimittelinduzierte Adipositas durch Kortikosteroide, Antidepressiva und Neuroleptika. Stoffwechselerkrankungen wie Hypothyreose oder Störungen des Kortisonhaushalts sind nur in 2% der Fälle ursächlich verantwortlich.
Schamgefühle ein, teilweise bis hin zur Depression. Die Essanfälle treten an mind. 2 Tagen pro Woche und über 6 Monate auf. Im Unterschied zur Bulimie wird das Gegessene anschließend nicht erbrochen, so dass oft Übergewicht oder Adipositas die Folge ist. Der Essanfall (Binge eating) Ist Hauptsymptom der BED und der Bulimie. Die BED lässt sich von der Bulimie dadurch abgrenzen, dass es nach den Essenfällen nicht zu gegenregulierenden Maßnahmen wie Erbrechen kommt.
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gelöst werden. Die Patienten versuchen, ihr gestörtes Essverhalten zu verheimlichen, und ziehen sich daher (v. a. zum Essen) von Freunden und Bekannten zurück, um ihre Essattacken zu verbergen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen ist in der Vergangenheit einmal depressiv gewesen. Das Essen soll auch hier, wie bei den übrigen Essstörungen, andere positive Gefühle ersetzen (Liebe, Geborgenheit, Trost, Glück} oder vor negativen schützen (Angst, Unbehagen).
Binge-eating disorder (BED)
Definition Mit "Binge eating" (eng!. to binge = schlingen) werden Episoden unkontrollierten Überessens bezeichnet, in deren Verlauf die Betroffenen in begrenzter Zeit große Mengen an Essen zu sich nehmen. Dieses als "Essanfall" oder "Heißhungerattacke" umschriebene
Phänomen entzieht sich der Kontrolle des Betroffenen. Die Essanfälle werden nicht durch starken Hunger, sondern eher durch Stress oder Langeweile ausgelöst; dabei geht das Sättigungsgefühl verloren. Die Essattacke wird erst durch ein unangenehmes Völlegefühl beendet. Nach dem Essanfall stellen sich Schuld- und
Epidemiologie Die BED betrifft etwas 2% der Deutschen; damit ist sie hierzulande die häufigste Essstörung. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen, ein Drittel Männer. Eine besonders betroffene Altersgruppe wie bei der Anorexie oder Bulimie gibt es nicht. Durch die Erkrankung ist der größte Teil übergewichtig. Umgekehrt leidet aber nur ein Drittel der Adipositaspatienten an sporadischen Essanfällen. Psychedynamik Zahlreiche Diätversuche sind oft Auslöser für die BED, einEssanfall kann aber durch verschiedenste Faktoren aus-
Therapie Die Therapiemöglichkeiten gleichen weitestgehend den bereits genannten: Angestrebt werden eine Normalisierung des Essverhaltens und die Behandlung der zugrunde liegenden seelischen Konflikte (wie Selbstwertdefizite). Ziel der Therapie ist nicht eine Ge· wichtsreduktion, sondern die Rückgewinnung der Kontrolle über das Essverhalten. Dabei sollen die Patienten lernen, sich zu mögen, wie sie sind; Gefühle der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht verstärken wiederum die BED.
Zusammenfassung X Das Ess- und Trinkverhalten sowie das Gefühl zum eigenen Körper sind das Ergebnis von Erziehung und Umwelt. X Eine Störung oder Verweigerung der Nahrungsaufnahme hat meist langfristige und ernsthafte Gesundheitsschäden zur Folge. Zugrunde liegen psychosoziale Störungen und die Einstellul'lg zum eigenen Körper. • ln den letzten Jahrzehnten nelilmen Essstörungen - leider auch v.a. im Kir:.desalter- ständig zu.
Psychosomatik in der Gastroenterologie I Wie bereits deutlich wurde (s. S. 46ff.), sind Nahrungsaufnahme und Verdauung häufig mit Emotionen gekoppelt. Lust und Unlust, Befriedigung und Frustration werden vom Säugling mit dem Stillen und Füttern verbunden und spiegeln damit die Kommunikation mit der ersten Bezugsperson wider. Auch im h wachsenenalter bleibt eine Beziehung zwischen Nahrungsaufnahme und sozialer Umgebung wichtig. Hinweise für den Einfluss von Emotionen auf den Gastrointestinaltrakt finden sich in Red ensarten wie "Es ist zum Kotzen", "Es hat mir den Appetit verdorben", "Es bedrückt mich" und "Schmetterlinge im Bauch haben" . Es gibt verschiedene Gründe und Überlegungen, warum Erkrankungen sich gerade im Magen-Darm-Trakt manifestieren: t Es besteht eine hohe genetische Komponente. t Es entwickelt sich eine Vulnerabilität ("Schwächung") dieses Organsystems in der frühen Kindheit, z. B. Bauchschmerzen oder Essensverweigerung in einer psychosozialen Belastungssituation. Später wird dann die Fixierung auf den Gastrointestinaltrakt beibehalten . t Das Verhalten des Menschen hat einen bekannten Einfluss; so schädigt Rauchen z. B. den Magen, Alkohol kann eine Gastritis fördern und eine Leberzirrhose oder Pankreatitis begünstigen. t Es findet sich ein- als psychisch belastend empfundenes- auslösendes Ereignis oder eine länger andauernde Konfliktsituation. Übersicht funktioneller gastroenterologischer Erkrankungen I Tabelle 1 vermi ttelt einen Überblick
über die funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen. Sie soll weiter einen Anhalt für di e Häufigkeit der Störungen in der Allgemeinbevölkerung geben. Da die funktion ellen gastroenterologischen
Störungen den größten Teil der funktionellen Störungen ausmachen, wird hier beispielhaft die Bandbreite der möglichen psychosomatischen Hintergründe bestimmter Symptome eines Fachgebiets dargestellt. Vier der häufigsten und in der Klinik wichtigsten Störungen werden genauer behandelt. Allgemein bestehen Psychotherapieindikationen bei schwieriger Krankh eitsverarbeitung, prämorbider Persönlichkeitsstörung, affektiven Störungen, Ängsten, Phobien, akuten Belastungssituationen bzw. Konflikten, reaktive psychische Störungen, Karzinophobie (etwa bei Colitis ulcerosa) und schlechter Compliance. Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni
Definition Als Ulcus pepticum (tat. ulcus = Geschwür, wunder Fleck) bezeichnet man einen Gewebedefekt der Magen- bzw. Duodenalschleimhaut und darun terliegender Schichten bis zur Serosa. Die lCD-10 unterscheidet zwischen Magengeschwür (Ulcus ventriculi) und Duodenalgeschwür {Ulcus duodeni). Das gutartige Geschwür tritt in 30% chronisch-rezidivierend auf und kann perforieren. Die Patienten haben krampfartige, epigastrische Schmerzen. Diese treten beim Ulcus ventriculi meist direkt nach dem Essen auf, kommen aber bei beiden Ulkusformen auch nüchtern vor. Häufig leiden die Patienten unter Völlegefühl, Sodbrennen, Aufstoßen und der Unverträglichkeit bestimmter Getränke und Speisen. Epidem iologie Duodenalgeschwüre weisen eine Prävalenz von l ,5 %auf und kommen damit fünfmal häufiger vor als Magengeschwüre. Männer sind doppelt bis dreimal so häufig betroffen wie Frauen.
Beim Ulcus ven triculi sind 60- bis 65-Jährige am häufigsten betroffen, beim Ulcus duodeni liegt das Maximum zwischen dem 75. und 79. LJ. Pathogenese und Psychedynamik Eine genetische Prädisposition spielt bei der Entstehung eines Ulkus ei ne wichtige Rolle. Die Blutgruppe 0 und HLA-B5 liegen bei den Patienten überdurchschnittlic h häufig vor. Da eine Ulkusentwicklung durch die Störung des Gleichgewichts zwischen aggressiven und defensiven Faktoren gefö rd ert wird, haben z. B. Men-
schen mit erhöhter Säuresekretion ein höheres Risiko, an einem Ulkus zu erkranken. Eine weitere Verschiebung des Gleichgewichts kann durch Nikotinabusus und Kaffee (Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität und Schleim-/ Säuresekretion), längere Einnahme von Antirheumatika und seelische Belastung entstehen. Vor allem Angst und aufgestaute Aggessionen konnten in Studien als Auslöser für eine gesteigerte gastrische Sekretion nachgewiesen werden. Psychosoziale belastende Ereignisse
wurden vermehrt beim Auftreten von Ulzera beobachtet; so kam es nach dem Erdbeben in Japan 1995 zu einem dramatischen Anstieg peptischer Ulzera. Erst Ende der 80er Jahre wurde das Bakterium Helicobacter pylori als Hauptverursacher der Ulkuskrankheit entdeckt (95% der Duodenal- und 70 % der Magenulzera ). Das Bakterium kann eine Entzündung der Magenschleimhaut hervorrufen und schließlich durch Zerstörung des Schleimhautschutzes die säurebedingte Ulkusbildung verursachen. Es wird auch angenommen, dass es durch eine Schwächung des Immunsystems gehäuft zur Infektion kommt. Allerdings entwickeln nur 20-30% der mit Helicobacter pylori infizierten Personen ein Ulkus, so dass pathogenetisch mehrere Ursachen , also auch psychische, zugrunde liegen müssen_
Psychosomatik
Die Ulkusentstehung ist am häufigsten bakteriell verursacht. Aber auch genetische Prädisposition und Verhaltensweisen wie Alkohol- und Nikotinabusus tragen neben psychischen Belastungen wie Stress und Belastungssituationen einen erheblichen Teil zur Ulkusmanifestation bei.
Therapie Mittlerweile lassen die meisten Ulkuspatienten sich pharmakologisch mit einer antisekretorischen und antibakteriellen Tripeltherapie [Kombination von Clarithromycin, Omeprazol und Amoxicillin bzw. Metronidazol) gut be-
50
I 51
handeln. Daher werden allerdings auch die Möglichkeit und die Chance zur Klärung hintergründiger Konflikte im Rahmen einer Psychotherapie meist abgelehnt.
Funktionelle Störungen (zur Diagnosestellung müssen die Symptome mind. 3 Monate anhalten und somatische Ursachen ausgeschlossen sein!)
Prävalenz in der Bevölkerung(%)
Funktionelle Störungen des Ösophagus
42 1 5
• Globus: Fremdkörpergefühl im Hals, evtl. Würgen ohne Dysphagie; tritt zwischen den Mahlzeiten auf
12,5
• Ruminationssyndrom: rezidiv ierende Regurgitation von Mageninhalt mit erneutem Kauen und Schlucken; ohne Übelkeit und Erbrechen
10,6
~ Funktionelle Brustschmerzen vermut lich ösophagea len Ursprungs: retrosternale Schmerzeni somatische Ursachen wie Acha lasie und Reflux müssen
12,8
ausgeschlossen sein • Funktionelles Sodbrennen: brennende retrosterna le Beschwerden ohne Entzündung des Ösophagus (Endoskopie) und ohne pathologischen gastroösophagea len Reflux (24-h-pH-Messung) • Funktionelle Dysphagie: Schluckstörungen. Beim Essen besteht das Gefühl, dass die Speisen im Ösophagus stecken bleiben oder ihn abnormal
30,1 7,4
passieren; eine somatische Motilitätsstörung wie Achalasie oder Reflux muss ausgeschlossen sein
Funktionelle gastroduodenale Störungen • Funktionelle Dyspepsie (Reizmagen): epigastrische Schmerzen und Beschwerden wie Vollegefühl oder ulkusähnliche Symptome; die Beschwerden sind
25,4 2,6
nicht kontinuierlich, oft ungenau und tage-/bewegungsabhängig • Aerophagie: Luftschlucken. Durch anschließendes wiederholtesAufstoßen tritt nur vorübergehend eine Erleichterung von abdominellen Spannungen
23,4
und Blähungen ein Funktionelle Darmstörungen
44,1
• Irritabler Darm (Colon irritabile) s. u.
11,2
• Funktionelle Obstipation: zwei oder weniger Stühle/Woche, die Patienten haben das Gefühl einer inkompletten Entleerung und müssen sich bei der
3,6
Defäkation meist anstrengen. Die Stüh le sind hart und klumpig • Funktionelle Diarrhö: drei oder mehr Stühle/Tag, erhöhtes Stuhlgewicht (> 200 g/Tag für Europäer) und ungeformte Stühle; das Vollbild eines Reiz-
1,7
darms liegt hier nicht vor • Funktionelle abdominale Blähungen: Die abdominalen Blähungen gehen mit Völlegefühl und Spannungen einher. Ein Bezug zur Maldigestion
30,7
(Laktoseintoleranz, schlecht verdaubare Nahrung wie Bohnen) besteht nicht Chronische abdominale Schmerzen: Der Schmerz im abdomina len Bereich muss hier zur Diagnosestellung 6 Monate anhalten. Es gibt keine Beziehung
2,2
zu physiologischen Ereignissen wie Essen oder Menses. Es kommt zu Einschränkungen im Alltag Funktionelle Gallenstörungen: rezidivierende, länger als 20 min anhaltende Schmerzen im Epigastrium oder rechten oberen Quadranten weisen auf eine
1,5
Gallenblasendysfunktion hin. Die Schmerzen können von Übelkeit oder Erbrechen begleitet sein. Bei cholezystektomierten Patienten kann es bei einer Sphincter-Oddi-Dysfunktion zu einem weiterhin oder wieder auftretenden Schmerz kommen
Anorektale funktionelle Störungen • Funktionelle Inkontinenz: wiederholte unkontrollierte Ausscheidung von fäkalem Material mind. über 1 Monat. Klinisch finden sich Hinweise für eine
26,8 7,8
nichtstrukturelle anale Sphinkterdysfunktion [erhöhte Wahrnehmungsschwelle der rektalen Füllung, sch lechte Funktion des Sphincter ani internus) ~ Funktionelle anorektale Schmerzen : über 20 min andauernde rezidivierende rekta le Schmerzen
11 ,6
• Erschwerte Defäkation: erschwerte, anstrengende Defäkation mit dem Gefühl der inkompletten Entleerung. Durch Drücken in oder um den Anus findet
13,8
ein Viertel der Betroffenen Erleichterung. Ausschluss mechanischer Ursachen Anteil der an funktionellen gastrointestinalen Störungen Leidenden an der Gesamtbevölkerung
I
Tab. 1: Prävalenz und Definition funktioneller gastrointestinaler Erkrankungen (n- 5.430). [nach Drossman et al. , 1993]
69,3
Psychosomatik in der Gastroenterologie II Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CEDs): Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Beide Krankheitsbilder stellen CEDs dar, die sich v. a. durch die Ausdehnung im Gastrointestinaltrakt, die Pathologie, die Klinik, die Folgeerkrankungen und einige psychosomatische Aspekte untersc heiden. Die ätiologischen und pathogeneti· sehen Gesichtspunkte sind in vieler Hinsicht gleich. Es gibt ausreichende Hinweise, die für ein Zusammenwirken von genetischen, entzündlichen, immunologischen und psychischen Ursachen bei der Entstehung der Colitis ulcerosa und des Morbus Crohn sprechen. Nahezu jeder Medizinstudent im fortgeschrittenen Semester dürfte sich bereits mit der Thematik Colitis ulcerosa vs. Morbus Crohn herumgeschlagen und dabei festgestellt haben, dass die klinische Differentialdiagnose gar nicht so einfach ist. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für den somatischen, sondern auch für den psychosomatischen Bereich. Definition Colitis ulcerosa ist eine schubweise verlaufende Entzündung der oberflächlichen Dickdarmschleimhaut Das Rektum ist zu 95% befallen, und sie dehnt sich von hier nach proximal aus. Die Patienten leiden bis zu 30·mal am Tag unter blutig-schleimigen Durchfällen, die mit krampfartigen Schmerzen einhergehen. Oft kommen Übelkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Fieber hinzu. Die Erkrankung verläuft zu 90 %chronisch-rezidivierend. ~ Der Morbus Crohn (Enteritis regio· nalis) ist eine schubweise verlaufende, diskontinuierlich segmentale Entzün· dungauch der tiefen Wandschichten, die den gesamten Gastrointestinaltrakt befallen kann. Am häufigsten ist das terminale Ileum betroffen; zu 50 %greift die Entzündung auf das Kolon über. Andere Abschnitte sind seltener befallen. Der Verlauf ist sehr unterschiedlich und kann aus nur einem oder zwei Schüben bestehen, bei den meisten Patienten entstehen aber chronisch-rezidivierende Verläufe. Die Lebenserwar~ Die
tung ist kaum verringert. Patienten mit Morbus Crohn klagen über chronische Durchfälle, Bauchschmerzen, Fieber, allgemeine Schwäche, Appetitverlust und Gewichtsabnahme.
Verselbstständigungstendenzen ver-
standen. Andererseits kann man die einzeinen Züge auch auf die- mit großer sozialer Beeinträchtigung einhergehendeSymptomatik zurückführen. Epidemiologie Bei Patienten mit Morbus Crohn konn40 von 100 000 Einwohnern erkranken ten nicht mehr neurotische Züge als bei an einer Colitis uicerosa, die Prävalenz- anderen Erkrankungen und weniger als rate beim Morbus Crohn liegt mittlerbei der Colitis ulcerosa festgestellt werweile im gleichen Bereich und darüber. den. Im Schub kommen Depressionen Eine Zunahme des Morbus Crohn wird und Angst zwar vermeh rt vor, dies ist seit langem beobachtet. aber eher als "sekundäre NeurotisieDer Häufigkeitsgipfelliegt für die CEDs rung" in der schwierigen Krankheitssituation zu verstehen. zwischen 20 und 40 Jahren. Generell sind Patienten mit einer CED Pathogenese und Psychedynamik einer hohen Belastung durch die Eine multifaktorielle Ätiopathogenese Unvorhersehbarkeit und Chronizität ist wahrscheinlich. Umwelteinflüsse wie des Verlaufs ausgesetzt. Sie haben Angst bestimmte Mikroben und eine fehlvor dem Kontrollverlust über ihren gesteuerte individuelle Reaktion Körper, was aus Angst vor notwendiaufgrund immunologischer oder gen Toilettengängen zu einem Rückgenetischer Besonderheiten sowie zugs- und Vermeidungsverhalten führen psychische Faktoren scheinen bekann. Durch Attraktivitäts· und Leisdeutsam zu sein. tungsverlustkommt es zu einer Selbst· wertproblematik. Beim Morbus Crohn konnte eine VerMan sollte aufgrund der vielseitigen stärkung der Krankheitssymptome Ursachen und großen Unterschiede durch bestimmte Nahrungsmittel (Stärzwischen einzelnen Patienten jeden ke, Zucker, Nahrungsmittelzusätze) Erkrankten individuell betrachten! beobachtet werden. Die psychischen Faktoren haben nach Differentialdiagnose aktueller Auffassung keinen größeren Die Abgrenzung zwischen Morbus Stellenwert als bei anderen chronisch verlaufenden Krankheiten auch. Psycho· Crohn und Colitis ulcerosa ist im Einzelfall nicht leicht. Weiter müssen eine soziale Einflüsse können allerdings auf infektiöse Ursache, iatrogene Kolitiden die Vulnerabilität für eine CED ein· (Strahlenkolitis, Antibiotika, Schwermewirken. Nachgewiesen werden konnte talle), ischämische Kolitiden, Polyposen ein Zusammenhang zwischen Stress/ und die Pneumatosis cystoides intestini starken Emotionen und Krankheits· abgegrenzt werden. symptomen, da Stress einen direkten Einfluss auf die segmentale Kolonmoti· Therapie lität hat. Eine Grundlage bildet die somatische Therapie mit entzündungshemmenden Medikamenten (Giukokortikoide und Salicylate wie Sulfasalazin) und evtl . Immunsuppressiva (Azathioprin). Bei Komplikationen (z. B. toxisches Megakolon bei der Colitis ulcerosa bzw. zuEine spezifische Persönlichkeit liegt bei den Patienten mit Colitis ulcerosa nicht nehmende Stenosierung und Fistelbildung beim Morbus Crohn) kann eine vor. Einige zeigen sozial angepasste, Teilresektion des Darms notwendig konfliktvermeidende und zwanghafte werden. Züge (Gewissenhaftigkeit, Ordnungs· liebe). Deutliche Abhängigkeitswünsche Psychotherapeutische Gespräche sind sowohl während der Schübe als mancher Patienten werden als unbewältigte frühe Abhängigkeiten bzw. auch dazwischen zur Klärung aktueller
Psychosomatik
psychosozialer Probleme, zur Unterstützung sowie zur Krankheitsbegleitung sinnvoll. Der Arzt übernimmt im langen Verlauf der chronischen Darmerkrankung eine sehr wichtige Rolle als Partner für den Patienten.
Reizdarmsyndrom: chronische Dyspepsie und Colon irritabile (Irritable bowel syndrome, IBS)
Während der Reizmagen eine somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen Gastrointestinaltrakts darstellt, beziehen sich die Beschwerden des Reizdarms auf den unteren Teil des Verdauungsapparats. Eine organische Diagnose muss in beiden Fällen ausgeschlossen sein.
Epidemiologie
Die chronische Dyspepsie (Reizmagen) stellt eine funktionelle Störung mit epigastrischen Schmerzen und Vollegefühl oder ulkusähnlichen Symptomen dar.
ln der Allgemeinbevölkerung leiden 30 (-70) % an funktionellen gastrointestinalen Symptomen. Frauen sind etwas häufiger betroffen. Nur ein Bruchteil (ca. 20 %) der Erkrankten sucht einen Arzt auf.
t Das Colon irritabile (Reizdarmsyn-
Psychedynamik
drom, lat. irritabilis = reizbar) beschreibt eine funktionelle Darmstörung mit chronisch-rezidivierenden Abdominalschmerzen. Ein Wechsel von Diarrhö und Obstipation ist oft kombiniert mit anderen Beschwerden (wie Migräne oder Dysmenorrhö) . t Die Beschwerden sind in beiden Fällen oft ungenau, von wechselnder Intensität und Lokalisation.
Der Einfluss von psychischem Erleben auf die Darmmotilität wird über das enterische Nervensystem gesteuert: t Dabei kann z. B. Ärger zu einer motorischen Aktivitätssteigerung führen. Diese löst Kontraktionen aus und wird vom Patienten als krampfartiger Schmerz empfunden. t Lösen Diskussionen über Gefühle beim Patienten Hoffnungs- und Hilf-
Definition
52
I 53
losigkeit oder Selbstvorwürfe aus, so kommt es zu einer Motilitätsabnahme. Neben den Motilitätsstörungen ist das Empfinden viszeraler Schmerzen erhöht. Die Patienten zeigen häufig eine Unfähigkeit, Affekte, insbesondere Ängste und Aggressionen, zu äußern. Dabei haben sie den Wunsch, unabhängig zu sein und besonders gute Leistungen zu erbringen. Therapie
Eine Symptombesserung konnte nach einer Kombination von internistischer Behandlung (diätetisch, z. B. faserreiche Kost, und symptomatisch, z. B. Spasmolytika) und psychedynamischer Kurztherapie- im Vergleich zur alleinigen internistischen Therapie -belegt werden. Auch mit verschiedenen Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback, einer Verhaltens- oder Gruppentherapie lassen sich Erfolge erzielen.
Zusammenfassung • Emotionale Ereignisse und Konflikte können auf das gesamte Verdauungssystem Einfluss nehmen. Die häufigsten funktionellen Störungen in der Allgemeinarztpraxis sind Störungen des Gastrointestinaltrakts. • Einen sehr großen Einfluss in der Entstehung und Aufrechterhaltung haben psychische Faktoren bei den funktionellen Störungen wie beispielsweise Reizmagen (Dyspepsie) und Reizdarm (Colon irritabile).
Psychosomatik in der Kardiologie Die normale Kontraktion des Herzens und seine Kopplung an den Kreislauf stehen unter dem Einfluss des sympathischen und parasympathischen Nervensystems, von Hormonen wie Adrenalin und Noradrenalin und weiteren Regulatorsystemen (RAAS, Prostaglandine, Dehnungsrezeptoren etc.). Unter körperlichen und psychischen Belastungen steigen Herzfrequenz und Schlagvolumen an. Psychische Belastungen können dabei z. B. Affekte wie Angst, Schrecken oder Wut oder psychische Leistungsanforderungen sein. Die symbolhafte Bedeutung des Herzens kennen wir alle und wenden sie auch in der Alltagssprache an ("herzlich", "Herzschmerz" bei Traurigkeit, "meine Herzallerliebste"). So projizieren wir Wünsche und Vorstellungen, aber auch Ängste auf unser Herz.
zu diffusen, sich ausweitenden hypochondrischen und phobischen Beschwerden. Erhebliche Herzbeschwerden (oh ne kör-
perliche Ursache) werden als funktionell bezeichnet.
Epidemiologie In der Allgemeinarztpraxis kommen funktionelle Störungen des Herz-Kreislauf-Systems mit einer Prävalenz von 8- 16% vor, direkt nach den funktio nellen Störungen des Gastrointestinaltrakts. Meist sind Personen zwischen dem 20. und 40. LJ betroffen, darunter häufiger Männer.
ein häufig erheblicher Krankheitsgewinn, der einen Therapieerfolg weiter erschwert. Die Therapie ist individuell abzuwägen und entspricht jener bei Angststörungen, depressiven und somataformen Störungen. Koronare Herzerkrankung und Herzinfarkt
Definition Bei der KHK kommt es durch eine zunehmender Verengung der Herzkranzgefäße zu einer Minderversorgung des Herzens mit Sauerstoff und zum Beschwerdebild der Angina pectoris. Ein zunehmender Verschluss der Gefäße kann zu einem Herzinfarkt Pathogenese und Psychodynamik führen. Häufig finden sich bei den Patienten Beeinflussbare Risikofaktoren sind Trennungskonflikte mit wichtigen Rauchen, Hypertonie, HyperlipidBezugspersonen, von denen sie emotio- ämie mit HOL-Cholesterin-Senkung Bei körperlicher und seelischer Belasnal stark abhängig sind. Der Wunsch und Lipoprotein-(a)-Erhöhung, Diabetung kommt es über eine Sympathikusnach Selbstständigkeit auf der einen tes mellitus, Adipositas, Hyperfibrinostimulation zum Anstieg der Herzfrequenz und des Schlagvolumens. Seite steht mit der Angst vor dem "Ob- genämie und Bewegungsmanget jektverlust" auf der anderen Seite in Mittlerweile ist auch psychosozialer Stress als wichtiger Risikofaktor anerKonflikt. Die Patienten entwickeln ein Funktionelle kardievaskuläre instabiles Ich. Außerdem findet man kannt. Die kardiatoxische Wirkung von Störungen gehäuft depressive PersönlichkeitsStress kann, wie Studien belegten, als alleinige Ursache für einen plötzlichen strukturen. Definition Herztod bei ansonsten koronargesunden Durch die Krankheit lassen sich AufFunktionelle kardiavaskuläre Störungen merksamkeit und Zuwendung erlangen. Patienten verantwortlich sein! (auch als irritable heart, HerzangststöEine auf das Herz bezogene Schwäche Epidemiologie rung, Herzneurose oder somataforme kann besser anerkannt werden als eine autonome Funktionsstörung des HerTrotz rückläufiger Zahlen ist die KHK im Psychischen liegende. zens bezeichnet) sind Symptome, die Bei der Wahl des Herzens als Ausdrucks- immer noch die häufigste Todesursader Patient mit dem Herzen in Verbinorgan spielen oft Menschen in der che in Deutschland. Der Rückgang ist dung bringt. Sie können objektivierbar unmittelbaren Umgebung eine Rolle, auf die bessere Prävention der Risikofaktoren zurückzuführen. Eine Zunahoder nicht objektivierbar sein. Dabei die tatsächlich an Herzerkrankungen leiden oder verstorben sind. Unbewusst me ist hingegen in einkommensschwäleidet der Patient unter Stechen und identifizieren sich die Patienten mit cheren Schichten zu verfolgen. Männer Schmerzen in der Brust, Herzstolihnen. pern, Herzjagen oder Beschwerden, sind (noch) häufiger als Frauen betroffen und leiden zu 5-1 0% an einer KHK. die sich auf Atmung, Allgemeinbefinden oder psychisches und vegetatives Befin- Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch müssen ein Pathogenese und Psychedynamik den auswirken. Die Patienten haben akuter Herzinfarkt, eine KoronarinFriedmann und Rosenmann zeigten große Angst, herzkrank zu sein, und suffizienz, ausstrahlende Schmerzen 1974, dass v. a. ein Typ-A-Verhalten lassen sich durch klinisch negative Bez. B. des Ösophagus, eine Hyperthyreose (Feindseligkeit, Erfolgs- und Leistungsfunde nicht beruhigen. oder andere organische Erkrankungen druck, Aggressionsbereitschaft, RivaliDer Verlauf einer Herzangststörung ausgeschlossen werden. tätsverhalten, Depressionsneigung) die wird oft als Störung beschrieben, die Risikopersönlichkeit charakterisiert. meist mit einem akuten (sympathikoTherapie Daneben gibt es psychosoziale Belasvasalen) Herzanfall beginnt, der als Da der Patient sehr auf eine organische tungsfaktoren (v. a. Depression), die das akuter Angstzustand mit HerzstillKrankheitsursache fixiert ist, kann eine Risiko für eine KHK und einen Herzinstandsangst erlebt wird. Im Laufe der farkt zwei- bis dreifach erhöhen: Therapie schwierig sein. Hinzu kommt neurotischen Erkrankung kommt es
Psychosomatik
t Psychische Belastungsfaktoren wie Selbstwertproblematik, soziale Isolation, anhaltende Partnerschaftskonflikte, vitale Erschöpfung und Depressivität. 20 - 30% der Patienten entwickeln nach einem Herzinfarkt eine depressive Reaktion, die aufgrundder veränderten Lebensbedingungen (Autonomieverlust, Angst vor Invalidität etc.) nachfühlbar ist. Hierbei ist interessant zu wissen, dass die Reinfarktprognose nach einem Herzinfarkt durch zu viel Angst (Panik), aber auch durch zu wenig Angst (Verleugnung als Abwehrmechanismus!) verschlechtert wird. Die Erklärung hierfür lautet, dass bei einem angemessenen Maß an Angst die Wahrscheinlichkeit höher ist, die ungesunde Lebensweise zu ändern. Unter vitaler Erschöpfung versteht man Leistungsschwäche durch Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sowie Schwindel, Schlafstörungen, unbestimmte Angst oder KrankheitsgefühL Diese "Warn"-Symptome treten bei 25% der Herzinfarktpatienten vor dem Herzinfarkt auf! t Berufliche Belastungsfaktoren wie die Verausgabung bei der Arbeit bei überschätzter eigener Kraft und Leistungsfähigkeit und einem Bedürfnis nach Anerkennung (s.o., Typ-A-Verhalten). Es können aber auch die beruflichen Anforderungen zu hoch und der eigene Handlungsspielraum zu klein oder die Entlohnung (durch Geld, Anerkennung o. Ä.) für geleistete Arbeit zu niedrig sein. Eine negative Beziehung zum Arbeitsplatz stellt einen weiteren beruflichen Stressor dar. Her:rlnftutct zu erleiden, TvP·A-",Jferhalten, einem f'niilifrli:!en Au~:blldungsst11tus und sozialer t:.~~)Ja~on•.IDurc~h e•'heblich1 an Stress (Tod ,.,.llme•-... Erdbeben) werden.
Außerdem sollte der Arzt den Patienten nach möglichen psychosozialen Risikofaktoren fragen und eine adäquate Therapieempfehlung geben. Ein Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung besteht bei mind. 20% der Infarktpatienten. Weitere mögliche Therapien sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Trainingsprogramme zur Reduktion des Typ-A-Verhaltens, Gruppentherapie und Rehabilitation. Essentielle Hypertonie Definition
Eine Hypertonie liegt bei dauernder Blutdruckerhöhung auf Werte > 140 mmHg systolisch und > 90 mmHg diastolisch vor. Ist eine sekundäre Hypertonie bei renaler, endokrinalogischer oder kardiavaskulärer Ursache ausgeschlossen, spricht man von einer essentiellen {primären) Hypertonie. Epidemiologie
Die Lebenszeitprävalenz beträgt in den Industrieländern 20% und steigt im Alter an. Bei 95% der Hypertoniker ist die Ursache unbekannt, d. h., es liegt eine essentielle Hypertonie vor. Pathogenese und Psychodynamik
Die Genese der Hypertonie ist multifaktoriell. Einfluss haben genetische Faktoren, renale Mechanismen und das RAAS, Adipositas und Alkohol sowie eine gesteigerte sympathische Aktivität unter Stress.
541 55
Der Psychoanalytiker und Pionier der Psychosomatik F. Alexander beschreibt bei Patienten mit essentieller Hypertonie eine intensive innere Auseinandersetzung mit aggressiven, feindseligen Gefühlen. Die Vorstellung ist, dass schon in der Kindheit eine Neigung zu vermehrter Aggression und Wut vorlag, die aber bei Auslebung den Verlust der elterlichen Zuneigung zur Konsequenz hatte. Aus Furcht, die Zuneigung anderer zu vertieren, versuchen die Patienten daher, ihre feindseligen Äußerungen ständig zu kontrollieren. Dies führt zu einem immer vorhandenen inneren Spannungszustand. Dazu passen auch von anderen beschriebene Züge wie zwanghaft perfektionistische Einstellungen zur eigenen Leistung und ein wenig selbstbestimmtes Erleben. Die Umsetzung von unterdrücktem Ärger und Feindseligkeit in einen gesteigerten vegetativen Gefäßtonus hat sich empirisch bestätigt. Therapie
Unterformen der Hypertonie, die durch psychosomatische Mechanismen erheblich beeinflusst werden, sollten neben der allgemeinen medikamentösen Therapie mit einer Psychotherapie behandelt werden. Die Psychotherapie der Wahl ist hier das AT als Entspannungsverfahren. Hypertonikerschulungen und v. a. eine gute Arzt-Patienten-Beziehung haben einen entscheidenden Einfluss auf den Erkrankungsverlaut Das vermehrt angewendete Biofeedback führt ebenfalls zu guten Ergebnissen.
Zusammenfassung • Als zentrales Organ spielt das Herz für (über)lebenswichtige Funktionen
Therapie
eine sehr große Rolle. Seine Erkrankung ist die häufigste Todesursache in
Einem Patienten, der nach Herzinfarkt zu einer plötzlichen Passivität gezwungen ist, sollte erst einmal Verständnis entgegengebracht werden. Dazu gehört, eine mögliche Verleugnung des Patienten als solche zu erkennen und ihn nicht als uneinsichtig abzuschreiben.
den westlichen lndustrieländern. • Die Blutversorgung des Körpers durch das Kreislaufsystem ist ebenso, wie die Herzfunktionen es sind, durch psychische Faktoren beeinflussbar. Diese sollten daher auch bei der Pathogenese und Therapie unbedingt berücksichtigt werden!
Psychosomatik in der Nephrologie und Urologie Angst, Wut und andere Affekte führen zu muskulären Verspannungen im Unterbauch. Diese kommen beim Mann v. a. durch Beschwerden in der Prostataregion und Sexualfunktions· Störungen zum Ausdruck. Bei der Frau stehen Miktionsprobleme im Vordergrund. Die anatomische Nähe zu den Genitalorganen prägt die Verbindung organischer und psychosexueller Störungen. Nephrologische und urelogische Krankheitsbilder mit psychosomatischer Beteiligung sind erektile Dysfunktion, Reizblasensymptomatik, chronisch-rezidivierende Urethrozystitis, Blasenentleerungsstörung und Harninkontinenz.
Prostatapathie (Urogenitalsyndrom) Definition Beschwerden in Bezug auf die Prostata sind Miktionsbeschwerden, Druck· gefühl oder Brennen im Damm, ziehen· de Schmerzen bis in die Symphyse und das Kreuzbein sowie Störungen der se· xuellen Funklion. Diesen Symptomen liegt nur in einem Drittel der Fälle eine Entzündung, also eine Prostatitis, zugrunde. Daher wird der Begriff der Prostatapathie empfohlen, der das Spektrum ausschließlich organisch bedingter Prostatitiden, chronische bakterielle und abakterielle Prostatitiden mit zumindest psychischer Mitwirkung und die Prostatodynie, bei der bisher keine kausale organische Ursache gefunden wurde, umfasst (Untergruppen s. u.). Eine Prostatapathie ohne organisches Korrelat ist in der Praxis wahrscheinlich acht- bis zehnmal häufiger als eine Prostatitis. Untertypen t Akute bakterielle Prostatitis
t Chronische bakterielle Prostatitis t Chronische abakterielle Prostatitis t Prostatodynie ohne organisches
Korrelat (griech. -odynie =Schmerz, Qual)
Ein akutes Beschwerdebild weist auf eine somatische akute bakterielle Prostatitis hin, während ein buntes, individuell sehr unterschiedliches chronisches Beschwerdebild eine psychische (Mit-)Verursachung nahelegt.
Epidemiologie Der Anteil psychosomatischer Ursachen der Prostatapathie wird von Urologen und Allgemeinmedizinern oft unterschätzt. So gibt es Studien, in denen eine Prostatapathie nur in 5% der Fälle organisch verursacht ist. Schätzungsweise erleidet etwa ein Drittel aller Männer einmal im Leben eine Prostatopathie. Pathogenese und Psychedynamik Bei der Prostatodynie konnte in Studien eine Häufung zwangsneurotischer Persönlichkeitsstrukturen gezeigt werden. Auffallend ist eine sehr hohe Komorbidität mit Sexualstörungen wie erektil er Dysfunktion, Ejakulationsstörung, Anorgasmie oder Libidoverlust (etwa 50%!). Einiges weist darauf hin, dass sexuelle Störungen eine Prostatapathie begünstigen oder bedingen können. So kann die Therapie der sexuellen Störungen auch zum Abklingen der Prostatapathie führen, was auf eine gemeinsame Psychodynamik hinweist. Therapie
t Medikamentös: Eine antibiotische Therapie sollte nur bei nachgewiesener bakterieller Ursache angewandt werden. Dagegen kann die relaxierende Wirkung von a.-Rezeptoren-Biockern, Spasmolytika oder Anticholinergika bei Miktionsbeschwerden hilfreich sein. Mit der Gabe von Sedativa wie Benzodiazepinen sollte man aufgrunddes Abhängigkeitspotentials, gerade bei chronischen Erkrankungen, zurückhaltend sein. t Physikalisch: Regelmäßige heiße Sitzbäder sind ebenso wie eine Mikrowellen-Thermotherapie (Wärme wird über eine transrektale Sonde zugeführt) bei der Prostatapathie allgemein sinnvoll. t Berücksichtigung psychischer Aspekte: Neben akuten psychosozialen Stressfaktoren sollten Probleme in der Sexualpartnerschaft berücksichtigt werden .
Eine zeitlich limitierte Sexualberatung kann sinnvoll sein. t Bei Erregernachweis kann in therapierefraktären Fällen eine transurethrale Resektion erwogen werden . Anmerkung Die psychosomatische Beteiligung oder Ursache einer Prostatapathie wird oft erst bei anhaltenden Beschwerden nach antibiotischer oder operativer Behandlung erkannt. Bei ausgeschlossenen organischen Ursachen sollte eine Organfixierung des Patienten vermieden werden. Differentialdiagnose Neben der Differenzierung zur akuten bakteriellen Prostatapathie müssen organische Ursachen wie benigne Prostatahyperplasie, Prostatakarzinom und andere tumoröse oder entzündliche Erkrankungen im anorektalen Bereich ausgeschlossen werden.
Urethralsyndrom (Reizblase) Definition Die Reizblase (== Blasenneurose == Zystalgie== weibliches Urethralsyndrom) beschreibt einen chronischen Reizzustand des unteren Harntrakts. Sie äußert sich durch erschwerte, schmerzhafte Blasenentleerung (Dysurie), Harndrang, häufige Entleerungen kleiner Harnmengen (Pollakisurie) und diffuse suprapubische Schmerzen. Epidemiologie Die Erkrankung betrifft v. a. Frauen zwischen 30 und 50 Jahren, also im sexuell aktiven Alter. Sie ist in der Praxis bei Frauen ungefähr so häufig wie die Pros· tatopathie beim Mann. Pathogenese und Psychodynamik Als Ursachen der ständigen Reizung des unteren Harntrakts werden obstruktive, entzündliche (eine Keimerhöhung > I 05 Keime/ mi fehlt zwar beim entzündlichen Harnwegsinfekt auch manchmal, doch ist hier eine Leukozyt· urie obligatorisch vorhanden), neurogene (Spasmus des Sphincter urethrae externus) und psychogene Mechanismen angenommen. Bei Patienten mit
Psychosomatik
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Urethralsyndrom wurden erhöhte WerTherapie störung meist eine organische Ursache te für hypochondrische, hysterische und zugrunde_ Risikofaktoren einer Arteriosklerose schizoide Merkmale gefunden. Ein Einsollten beseitigt werden. fluss auf die neurogene Steuerung des Epidemiologie Extern angewandte Vakuum-Erektionsexternen Sphinkters wird vermutet. Wie Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. hilfen, die passiv über eine Saugglocke bei der Prostatapathie finden sich oft eine Erektion auslösen, können einen Sie beträgt bei Männern über 65 Jahre begleitende oder ursächliche SexualVersuch wert sein. Sie sind komplikaetwa 15 - 25%. probleme. Aus psychoanalytischer tionsarm. Symbolik kann man die häufig vorPathogenese und Psychodynamik Medikamentös können Yohimbin kommende Anorgasmie als "Hingabe(a- Rezeptoren-Blocker, SympatholytiDie Erektion wird bei einem sexuell störung" verstehen, die dann auf die stimulierenden Reiz durch einen Reflex- kum), Sildenafil (selektiver PhosphoUrin-"Gabe" übertragen wird. diesterasehemmstoff) und Testosteron bogen afferent über denN. pudendus zur Anwendung kommen. und efferent über parasympathische Therapie Fasern in die Schwellkörpermuskulatur Die meistangewandte Therapieform ist Die größte Rolle spielt eine gute Arztdie Schwellkörper-Autoinjektionsund -gefäße ausgelöst. Über das vegetaPatienten-Beziehung! Mit Phytotheratherapie (SKAT). Hierbei werden getive Nervensystem haben psychische peutika lässt sich ein guter Plazeboeffekt Faktoren wie z. B. Versagensängste fäßwirksame Medikamente (Papavererzielen, ansonsten können Anticholin- oder unausgesprochene Sexualkonflikte din/Phentolamin und das risikoärmere ergika (z. B. Trospiumchlorid) zur AnProstagtandin Alprostadil) in den daher einen Einfluss auf die Erektion. wendung kommen. Diese Maßnahmen Auch tiefer liegende sexuelle Konflikte Schwellkörper gespritzt. sind den operativen und antibiotischen wie sexueller Missbrauch oder Abwehr Chirurgisch kann eine Revaskularisagleichwertig oder haben sogar bessere tion im Sinne einer Bypass-OP mit der des Triebimpulses können eine Rolle Erfolgsquoten; wegen ihrer geringeren A. epigastrica oder eine Penisvenenligaspielen. Invasivität sind sie auf jeden Fall vorzuDennoch weiß man heute, dass vorwie- tur versucht werden. Dadurch werden ziehen. gend organische Ursachen vorliegen, die häufig im Mikrogefäßbereich liegenden Störungen allerdings oft nicht behodie dementsprechend berücksichtigt Differentialdiagnose ben. werden sollten. Dabei handelt es sich Harnwegsinfektionen und Veränderunam häufigsten um unzureichende arte- Als Ultima Ratio wird die Implantation von Penisprothesen gesehen, da sie gen des unteren Harntrakts, Erkranrielle Versorgung (v. a. durch Arteriokungen benachbarter Beckenorgane sklerose), venöse Insuffizienz, neuro- intrakavernöses erektiles Gewebe irresowie des ZNS und Rückenmarks versibel zerstört. gene Läsionen (z. B. Diabetes mellitus, Eine Psychotherapie kann nach Aus[z. B. multiple Sklerose) müssen ausgemultiple Sklerose), hormonelle Stöschlossen werden. schluss organischer Ursachen oder berungen [Testosteronmangel, ProlaktinDie rezidivierende Urozystitis, bei der erhöhung) und Medikamentenneben- gleitend sinnvoll sein. Keime vorliegen und antibiotisch angewirkungen (z. B. Clonidin, Digitalis, gangen werden können, sollte primär ßBlocker). auch wenn psychosomatische Aspekte berücksichtigt werden sollten - als somatische Diagnose abgegrenzt werden. Erektile Dysfunktion Definition Sie bezeichnet eine fehlende oder für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr unzureichende Erektion [tat. erigere =aufrichten); Anschwellen und Aufrichten des Penis) bei sexueller Erregung und wird im Volksmund als Impotenz bezeichnet. Libido, Orgasmusfähigkeit und Ejakulation können unbeeinträchtigt sein. Während die spontan auftretende Erektionsstörung meist psychisch bedingt ist, liegt der länger andauernden, sich zunehmend verschlechternden Erektions-
Zusammenfassung • Die häufigen psychosomatischen Beschwerden im Urogenitalbereich entstehen durch affektiv ausgelöste schmerzhafte muskuläre Verspannungen im Unterbauch einerseits und die anatomische Nähe zu den intimen und sensiblen Geschlechtsorganen andererseits. • Während beim Mann die Prostatapathie Ausdrucksform sehr unterschiedlicher Symptome im Prostatabereich ist, stellt das Urethralsyndrom eine häufige funktionelle Störung der Frau dar. • Die erektile Dysf~;~nktion ist als direkte Sexualstörung des Manns ein Beispiel für die Möglichkeit einer psychogenen Ursache, bei der Diagnosestellung sollten aber die organischen Aspekte penibel ausgeschlossen werden.
Psychosomatik in der Gynäkologie Die gynäkologische Psychosomatik hat die längste Tradition der psychosomatischen Fachrichtungen. Das liegt daran, dass Frauen eher als Männer bereit sind, psychische Aspekte ihrer Erkrankung zu berücksichtigen. Frauen zeigen grundsätzlich ein anderes Gesundheitsverhal· ten als Männer. Individuell gibt es sehr große Unterschiede der weiblichen Physiologie und des Verhaltens bei Beschwerden. Man kann eine adäquate Darbietung der Symptome erleben, es gibt aber auch eine kleine Gruppe extrem klagender und eine Gruppe extrem ausdauernder, schmerzunempfindlicher Patientinnen; beides weist auf eine Selbstwertproblematik hin. Frauen haben auch ein anderes Verhältnis zu ihrem Körper als Männer. Der Körper steht für die Identität bei der Frau aufgrunddes herkömmlichen (männlichen) Frauenbilds im Vordergrund. Er wird schon wegen der monatlichen körperlichen Veränderungen intensiver erlebt und stärker wahrgenommen. Eine Funktionsstörung v. a. der gynäkologischen Organe bedeutet für die Frau eine Bedrohung ihrer Identität. Zu beachten ist auch, dass depressive Verstimmungen und Ängstlichkeit bei Frauen häufiger vorkommen als bei Männern. Man könnte also annehmen, dass Frauen aus verschiedensten Gründen (etwa aufgrundsozialer Benachteiligung oder einer anderen Stressverarbeitung) eher zu Somatisierungen neigen als Männer (die z. B. ihre Probleme eher in Alkohol ertränken oder gewalttätig werden). Folgende psychosomatische Erkrankungen spielen in der Gynäkologie (früher oft als Frauenleiden bezeichnet) eine Rolle: prämenstruelles Syndrom (PMS) , Inkontinenz, Reizblase, chronisch-rezidivierende Zystitis (s. S. 56), Brustkrebs, chronischer Unterbauchschmerz sowie Beschwerden in Klimakterium und Menopause. In der Schwangerschaft und während oder nach der Geburt können verschiedene Problemkonstellationen auftreten, die eine psychosomatische Berücksichtigung verlangen. Dies sind v. a. die ungewollte Schwangerschaft, Hyperemesis, vorzeitige Wehen, drohender Abort, postnatale Depression ("Wochen-
bettpsychose" ) und die Bewältigung eines frühen Kind stods oder einer Fehlgeburt. Zwei häufig vorkommende Beschwerdebilder sollen im Folgenden dargestellt werden. Chronischer Unterbauchschmerz Definition Einen ständigen Schmerz im Unterbauch, der länger als 6 Monate anhält, bezeichnet man als chronischen Unterbauchschmerz. Meist ist kein ausreichender organischer Befund nachweisbar. Chronische Schmerzen im Unterbauch betreffen viele Frauen und führen zu Beeinträchtigung in psychischen und physischen Bereichen, wie Freizeit, Beruf, Sexualleben usw. Untertypen t Vulvodynie: Die Vulvodynie beschreibt chronische, meist brennende Schmerzen im Bereich der äußeren Geschlechtsorgane der Frau. Eine organische Ursache liegt nicht vor. t Dyspareunie: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
Schmerzwahrnehmung durch Gefühle beeinflussbar ist. Depressionen und Ängstlichkeit sind vermehrt zu find en, psychologische Tests erbrachten bei Patientinnen mit chronischen Unterbauchschmerzen erhöhte Werte bezüglich Depression, Hypochond rie und Hysterie. Außerdem gaben diese Patientinnen im Vergleich zur schmerzfreien Kontrollgruppe striktere sexuelle Moralvorstellungen an. Es liegt eine signifikant höhere Zahl an Fällen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit oder sexuellen Störungen wie Sadomasochismus vor. Differentialdiagnose Der psychogene chronische Unterbauchschmerz muss von organischen Erkrankungen des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts, des Skeletts oder der Muskulatur dif~~ren ziert werden. Oft liegt auch eine Uberschneidung vor (so haben Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz z. B. in etwa 80% der Fälle ein Reizkolon), oder die primär organischen Krankheiten sind nun zu sekundär psychosomatischen Problemen geworden.
Therapie Die Patientinnen sollten interdisziplinär Epidemiologie durch Gynäkologen, Psychologen oder Eindeutige Zahlen über di e Häufigkeit bei psychiatrischer Erkrankung durch chronischer Unterbauchschmerzen Psychiater und ggf. Internisten betreut liegen nicht vor, es wird jedoch eine werden. In der Praxis ist dies oft hohe Prävalenz (in einzelnen Studien schwierig umzusetzen, und daher 20-38%) angenommen. sollte versucht werden, mit der PatienPathogenese und Psychedynamik tin gemeinsam nach der (psychogenen, Bei Patientinnen mit chronischen Unter- somatischen oder psychosomatischen) bauchschmerzen werden vermehrt ent- Ursache ihrer Schmerzen zu suchen zündliche Erkrankungen im Beckenbeund krankheitsauslösende Faktoren wie Life Events, sexuell belastende reich (Pelvic inßammatory disease, PID) festgestellt. Bei diagnostischen Erlebnisse in der Kindheit oder SexualLaparoskopien kann häufig kein organi- störungen zu erheben. Aus diesem sches Korrelat gefunden werden, als Grund ist eine empathische, genaue mögliche Folge einer Entzündung beob- biographische und soziale Anamnese sehr bedeutsam! achtet man aber vermehrt Adhäsionen Entspannungsübungen und Biofeedback und Endometriose. Weitere Theorien diskutieren eine können Verspannungen und Ängste verringern, und auch Akupunktur kann Hyperämie im Beckenbereich als einigen Patientinnen mit chronischen auslösenden Faktor. Wie bei anderen Schmerzen zu einer Linderung verhel· chronischen Schmerzzuständen kann fen. Eine Psychotherapie ist bei psychoauch hier die Gate-Control-Theorie gener Ursache der Schmerzen indiziert. angenommen werden, bei der die
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Prämenstruelles Syndrom
Da in einer Schwangerschaft die Beschwerden oft besser werden und hier Psychische und körperliche Veränderun- durch das Corpus luteum eine Progesgen in der zweiten Zyklushälfte sind teronproduktion anhält, wird die ein schon seit der Antike bekanntes Dominanz von Östrogenen in der Phänomen. zweiten Zyklushälfte (nichtschwangerer Frauen) als beeinflussender Faktor des Definition PMS angenommen. Auch Prolaktin Als PMS bezeichnet man einen Sympto- wird nach dem Eisprung vermehrt semenkomplex, der charakteristische kör- zerniert und könnte eine modulierende perliche und psychische Veränderungen Wirkung haben; die schmerzende Brustvon individuell sehr unterschiedlichem vergrößerung ließ sich oft auf erhöhte Charakter umfasst. Die Beschwerden Prolaktinwerte zurückführen. treten meist einige Tage nach ZyklusDa Prostaglandine im ZNS, in der mitte [Eisprung) auf und lassen mit BeBrust, den Geschlechtsorganen und ginn der Regelblutung nach. auch dem Gastrointestinaltrakt vorkomDie vielfältigen Symptome umfassen men, wird hier ebenfalls eine ursächu. a_ Affektlabilität und Reizbarkeit, liche Rolle diskutiert. Des Weiteren Verstimmung, Ermüdbarkeit, Nervosikönnten verminderte Serotoninspietät, schmerzhafte Spannungen und gel zu Verstimmungen beitragen. Schwellungen der Brust, Völlegefühl, Ein PMS tritt auch gehäuft nach belasVerdauungsbeschwerden, Kopf- und tenden Lebensereignissen wie dem Rückenschmerzen, Hautveränderungen, Tod eines Elternteils auf. Eine neuroHitzewallungen und Gewichtszunahme endokrinalogische Wechselwirkung durch Flüssigkeitseinlagerung. Gemein- mit psychischen Stressoren [wie Life sam ist diesen Beschwerdebildern ihr events) wird daher angenommen. zyklisches Auftreten. Ein inadäquates Bewältigungssystem Die zyklischen Veränderungen der Brust ist dabei für die Pathogenese entscheikönnen auch isoliert auftreten und dend. werden dann als zyklische Mastodynie Eine gestörte Entwicklung in der Idenbezeichnet. tität als Frau mit monatlichen Regelblutungen kann zu einem PMS führen. Epidemiologie Gleiches gilt für ungewollte KinderEtwa 70 - 80% aller Frauen leiden oder losigkeit, an die die Frau dann litten über einen längeren Zeitraum an monatlich durch die Menstruation prämenstruellen Beschwerden, wovon erinnert wird. ca. 6% therapiebedürftig sind. Pathogenese und Psychedynamik
Die Ursache der vielfältigen Symptome ist weitgehend ungeklärt, es werden psychevegetative und endokrine Faktoren vermutet.
Physischer oder psychischer Stress führt zu einem Ungleichgewicht der körperlichen Homöostase und verursacht somit die verschiedenen Symptome in der Zeit vor der Menstruation.
Differentialdiagnose
Primär organisch bedingte Erkrankungen wie eine Endometriose, die die o. g. Symptome hervorrufen, müssen ausgeschlossen werden. Therapie
Da die Beschwerden sowie die potentiellen Auslöser des PMS vielfältig sind, ergibt sich auch für die Therapie eine Vielzahl an Möglichkeiten. Steht z. B. die Ödembildung als Beschwerde im Vordergrund, sollten salzarme und kaliumreiche Kost oder Entschlackungstees empfohlen werden. Bei erhöhten Prolaktinwerten kann Bromocriptin ab dem 14. Zyklustag gegeben werden. Ibuprofen hilft bei prostaglandininduzierten Beschwerden. Bei schwerer Mastodynie kann Danazol verabreicht werden. Bei gewünschter Schwangerschaftsverhütung können gestagenbetonte Kontrazeptiva die Symptome lindern. Neben der hormonalen Therapie kommen AT, Meditation, Sport sowie psychotherapeutische Maßnahmen in Betracht.
Zusammenfassung X Frauen zeigen grundsätzlich im Vergleich zu Männern einen anderen Um-
gang mit ihrem Körper, mit Krankheit und Gesundheit. Die Wahrnehmung und Verarbeitung sind von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. X Aufgrund der (lebenserhaltenden) Bedeutung der weiblichen Geschlechts-
organe ist eine Erkrankung in diesem Gebiet von großer psychischer und sozialer Bedeutung. X Durch die hormonellen und psychischen Veränderungen im weiblichen
Zyklus können sich verschiedene Beschwerden entwickeln. Eine Sexualanamnese sollte bei der Aufnahme nicht vergessen werden! X Durch ein therapeutisches Gespräch mit biopsychosozialer Anamnese
sollten mögliche Auslösefaktoren aufgedeckt und behandelt werden.
-~hosomatik
in der Dermatologie
::-:::ut, das größte Organ des Körpers, Epidemiologie Die Häufigkeit der Erkrankung wird auf gilt als "Spiegel der Seele". Wir kennen etwa 3% geschätzt. Mehr als 50% der alle die psychosomatischen WechselFälle treten im 1. L] auf. Die Wahr· wirkungen beim "Erröten aus Scham", scheinlichkeit, eine Neurodermitis zu wenn wir uns "in unserer Haut wohl entwickeln, steigt bei familiärer Vorbefühlen" oder "aus der Haut fahren könnten". lastung (wenn beide Eltern betroffen sind, ca. 60%) . Neurodermitis Pathogenese und Psychedynamik Definition Eine genetische Disposition ist für atoDie Neurodermitis (atopische Dermapische Erkrankungen gesichert. Als Austitis, atopisches Ekzem, endogenes löser der Neurodermitis nimmt man ein Ekzem) ist eine chronisch juckende Ent- Zusammenspiel mehrerer Faktoren an. zündung der Haut. Betroffen sind v. a. So spielen neben der auch durch AllerPatienten, in deren persönlicher Anagene hervorgerufenen Atopie Klimafak· toren, Irritation durch Kleidung oder mnese oder Familienanamnese atoUmwelt und psychische Faktoren eine pische Krankheiten, v. a. Asthma bronchiale oder Rhinoconjunctivitis allergica Rolle. Es konnte gezeigt werden, dass bei emotionaler Erregung wie Wut oder (Heuschnupfen), vorkommen. Ärger Juckreiz psychisch ausgelöst wer· den kann. Patienten geben zu ca. 70% psychische Einflüsse an. Neurodermitis Als Ekzem bezeichnet man eine Entzünstellt eine deutliche Beeinträchtigung dungsreaktion der Haut mit Juckreiz. Eine Atople ist die klinische Manlfea~ti der Lebensqualität dar, Depression und on einer durch genetisclle P(ädispoaltion sind häufige Komorbi· Angststörungen vorherrschenden Überempfindlichkeitsditäten. Patienten haben oft Probleme reaktion vom Soforttyp (Typ 1). Dabei bewirken aliergenspezifi$Qhe lgE-Molein der Krankheitsverarbeitung, Mütter küle eine Oegranulation von biolosJsch erkrankter Kinder fühlen sich hilflos, da wirl<samen Substanzen wie Histamin und sie mit ihrer emotionalen Zuwendung Serotonln aus Mastzellen bzw. anderen dem Kind letztlich nicht helfen können. immunkompetenten Zellen der Haut. Klinische Manifestationsformen sind die Es ergibt sich ein Teufelskreis aus JuNeurodermitis, die Rhinitis allerglca und cken und Kratzen. Bei unerträglichem das allergische Asthma bronchiale. Juckreiz kratzt der Patient, was kurzfris· tig (wahrscheinlich wegen der Schmerz· Überlagerung) zu einer Linderung führt, Die Patienten leiden unter Pruritus anschließend entsteht jedoch an der auf· (Juckreiz), Rötung, Schuppung, Nässen und Krustenbildung. Beim Säugling sind gekratzten Haut durch die mechanisch meist erst die Streckseiten befallen. Die hervorgerufene Entzündung wieder ein verstärkter Juckreiz, auf den mit Krat· Manifestation am behaarten Kopf und zen reagiert wird, usw. Dieser Teufels· an den Wangen bezeichnet man als kreis kann auch durch psychische AnMilchschorf. Häufigste Lokalisationen sind beim Erwachsenen v. a. Gelenkbeu- spannung ausgelöst werden, dabei wird das Kratzen zur Spannungsreduktion gen, Gesicht und Hals. eingesetzt. Neurodermitis wird durch die Basissymptome Juckreiz, familiäre Dispositi· Differentialdiagnose on, typische Prädilektionsstellen und und Prurigo anderer Ursache Ekzeme eigene Anamnese mit Allergien definiert Urtikaria, Myko· Kontaktekzem, B. (z. (nach Hanifin und Rajka). und Niereninsuffizienz) bei oder sen Symptome, die häufig vorhanden sind, differentialwie Juckreiz beim Schwitzen, Nahrungs· Skabies (Krätze) müssen diagnostisch ausgeschlossen werden. mittelintoleranzen und weißer Dermo· graphismus, bedingen nicht die Diagno· Therapie se, sind aber als fakultative Symptome Neben einer dermatologischen Behand· häufig vorhanden. Jung zur Wiederherstellung der defek=~::
ten Hautbarriere im Rahmen eines Stufenprogramms (Basistherapie, differente Therapie und antientzündliche Therapie) ist v. a. eine Hilfestellung beim Umgang mit Juckreiz und Kratzen für den Patienten wichtig. Durch ein Kratztagebuch kann der Patient psychische und sonstige Einflussfaktoren auf Kratzen und Juckreiz herausfinden, außerdem ergibt sich dadurch der positive Effekt der Selbstkontrolle. Urtikaria (Nesselsucht) Definition Bei der Urtikaria (tat. urtica = Nessel) kommt es zum flüchtigen Auftreten stark juckender, exanthematischer Ouaddelbildungen, manchmal in Kombination mit einem Angioödem (Ouincke-Ödem). Die Quaddeln entstehen durch die Freisetzung von Mediator· substanzen (v. a. Histamin, Prostaglandine, Leukotriene) aus Mastzellen. Diese Substanzen bewirken durch eine Vasodilatation eine vorübergehende Erhöhung der Gefäßpermeabilität, die den Plasmaaustritt in das Gewebe erleichtert. Ab einer Dauer von 6 Wochen spricht man von einer chronischen Urtikaria. Epidemiologie Die Urtikaria kommt mit einer Lebenszeitprävalenz von 7- 15 % sehr häufig in der Bevölkerung vor. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Pathogenese und Psychedynamik Die Histaminfreisetzung aus den Mastzellen wird durch physikalische Einflüsse (Hitze, Kälte, Druck), allergische Mechanismen (durch Allergene wie Medikamente und Nahrungsbestandteile !gE-vermittelte Überempfindlichkeits.' reaktionvom Soforttyp) und andere ' nichtallergische Einflüsse (sog. Intoleranzphänomene gegenüber Medikamenten oder Farbstoffen) ausgelöst. Vor allem bei chronischer Urtikaria spielen psychische Faktoren eine große Rolle. In Belastungssituationen (Life events), die in mind. einem Drittel der Fälle dem Auftreten der Urtikaria vorausgehen, reagieren die Patienten mit
Psychosomatik
einer vermehrten Ausschüttung von Mediatorsubstanzen. Im Gegensatz zu anderen psychosoma· tischen Krankheitsbildern findet man bei der Urtikaria mit > 30% ein sehr hohes Maß an psychischer Komorbidität. Vor allem erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität werden beschrieben. Differentialdiagnose Die Urtikaria ist eine gut abzugrenzende Erkrankung. Im Gesicht kann das autosomal-dominant vererbte hereditäre Angioödem manchmal mit einer Urtikaria verwechselt werden. Therapie Lässt sich ein Auslöser der Urtikaria finden, sollte er beseitigt werden (z. B. Medikamente wie ASS absetzen). Symptomatisch werden Antihistaminika gegeben, evtl. kurzfristig G!ukokortikoide. Einer Psychotherapie stehen die Patienten erfahrungsgemäß aufgeschlossen gegenüber. Zur Symptomlinderung reicht die Bearbeitung des auslösenden Konflikts z. T. aus. Viele Patienten können konkrete Life Events als Auslösesituationen angeben! Aufgrund der hohen Komorbidität mit psychischen Störungen sollte die Diagnostik bei chronischer Urtikaria immer in Zusammenarbeit mit Dermatologen, Internisten und Psychosomatikern erfolgen.
t Acne comedonica: Auftreten von Kornedorren t Acne papulopustulosa: Übergang zu entzündlichen Pusteln und Papeln. t Acne conglobata: schwerste Form der Akne, bei der durch eine perifollikuläre Entzündung große entzündliche Knoten, Abszesse und Fisteln auch an Extremitäten und Gesäß entstehen. Die narbige Abheilung kann hypertroph (Aknekeloide) und damit auch nach Ab· heilungauffällig sein. Männer sind hormonbedingt häufiger betroffen als Frauen. Aus psychosomatischer Sicht sollte man daneben folgende Akneformen abgrenzen: t Akne des Pubertätsalters: physio· logisch --* i. d. R. keine psychotherapeu· tische Intervention notwendig t Persistierende Akne: nach dem 25. LJ beginnend, oder anhaltende Akne, die noch nach dem 25. LJ schlimmer wird --* Psychotherapie t Acne excoriee ("Knibbelakne"): meist bei jungen Frauen anzutreffendes zwanghaftes Ausdrücken oder Knibbeln kleinster Akneeffloreszenzen, Paraartefakt--* spezielle Psychotherapie (Verhal· tenstherapie der Zwänge oder psychodynamische Psychotherapie) t Dysmorphophobe Störung bei minimaler Akne: hohe Diskrepanz
zwischen objektivem Befund und subjektivem Leidensdruck --* wegen Suizidtendenz dringende psychothera· peutische Behandlung
Acne vulgaris Definition Die Akne ist eine multifaktorielle Erkrankung an besonders talgdrüsenreichen Hautbezirken durch Talgdrüsenhyperplasie und Verhornungsstörung der Follikel. Die Verstopfung der Follikel führt zur Bildung eines primär nicht entzündlichen Komedos (Mitesser). Sekundäre, entzündliche Effloreszenzen wie Pa· peln, Pusteln und Knoten können folgen. Bei der Abheilung kann es zur Narbenbildung kommen. Untertypen Man unterscheidet verschiedene Schweregrade der Akne:
Epidemiologie Akne ist eine der häufigsten Hauterkrankungen, ca. 85% der Bevölkerung sind betroffen. Sie tritt in der Pubertät auf und kann bis zum 30. LJ anhalten.
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Je früher der Beginn, desto schwerer ist meist der Verlauf. Pathogenese und Psychedynamik Disponierende Faktoren für eine Akne wie Seborrhö und Talgdrüsenbeschaffenheit werden vererbt. In der Pubertät kommt es dann durch den Androgeneinfluss zu einer Vergrößerung der Talgdrüsen und einer Zunahme der Talgproduktion. Eine Proliferation des Follikelepithels mit Hyperkeratose führt zum Verschluss des Talgdrüsenfollikels, der sich unterhalb der Keratose aufweitet und mit Lipid gefüllt ist. Der Komedo hat sich entwickelt. Mit der Komedobildung steigert sich die Proliferationsrate von P. acnes, einem die Haut besiedelnden Propionibakterium. Über chemotaktisch aktive Entzündungsmediatoren setzt dieser Keim die Komplementkaskade in Gang, die zur Entstehung der sekundären Effloreszenzen führt. Es konnte gezeigt werden, dass Stress einen negativen Einfluss auf die Effloreszenzentwicklung hat. Vor allem steht bei vielen Aknepatienten aber die EntsteHungsproblematik im Vordergrund. Häufig haben Aknepatienten Minderwertigkeitsgefühle und Probleme im affektiven Kontakt zu anderen, die durch Vermeidungsreaktionen wieder· um verstärkt werden. Es besteht keine Korrelation zwischen objektivem Be· fundund subjektivem Krankheits-/ Entstellungswert! Therapie Neben der kausalen dermatologischen Behandlung kommen verhaltensthera· peutische Verfahren, psychoanalytische Psychotherapie und Psychoanalyse in Frage.
Zusammenfassung M Die Haut ist unsere erste Schutzschicht nach außen zur Abwehr potentieller Krankheitserreger. • Hauterkrankungen stellen durch das äußerliclil entstellende Bild häufig eine sekundäre psychische Belastung für die Patienten dar, primär haben psychische Faktoren wie Stress aber auch einen Einfluss auf das Erscheinungsbild der Haut.
Psychosomatik in der Orthopädie Über die Bedeutung des Begriffs Ortho- Schmerz pädie (griech. paideia = Erziehung, ortho = gerade, aufrecht, also die Erzie- Schmerz ist ein Leitsymptom in der Orthopädie. Individuell bestehen sehr hung mit dem Ziel einer richtigen große Unterschiede in der SchmerzwahrHaltung} kann man die notwendige nehmung hinsich tlich der Toleranz, enge Zusammenarbeit zwischen Arzt, Schwelle und Intensität. Schmerz dient Patient und Physiotherapeut bei der Korrektur von Fehlhaltungen und -Stel- dazu, die auslösende Unstimmigkeit zu beseitigen (z. B. Schmerz bei einem lungen erahnen. Besonders die chroder durch Korrekturstellung Armbruch, behandelnnischen und konservativ zu und Ausheilung im Gipsverband gelinden Symptome benötigen viel Geduld dert werden kann) . Hat der Schmerz und meist intensives Training. aber eine versteckte psychosomatische Unverhofft und oft unvorbereitet entDimension, so muss zur Schmerzlindepuppen sich Beschwerden wie Fehlhaltungen, Bewegungseinschränkungen rung auch hier die zugrunde liegende Ursache angegangen werden. und lnstabilitäten als "richtige" oder des ausreichendem EinfühlungsvermöMit Leben im Haltungen" "falsche muss der Arzt herausfinden, was gen Erlebnisse Patienten. Schmerzliche der Schmerz individuell darstellt, ob er in der Vergangenheit können als Schmerzkomponente auftreten. Gerade ein organisches Symptom, eine Enttäuschung, Verdrängung oder ein ungelösbei der Chronifizierung von Schmerztes Problem veräußerlicht. syndromen des Bewegungsapparats Die Patienten leiden subjektiv sehr unspielen Persönlichkeitsfaktoren eine große Rolle. ter ihren Schmerzen; teufelskreisartig kommt es oft zu einer immer weiter Leider wird oft erst an psychosomawenn fortschre itenden sozialen und persöngedacht, Komponenten tische Desintegration. lichen die Patienten schon eine Ärzteodyssee Für das Gesundheitssystem entstehen hinter sich haben, nach einer oder enorme Kosten v. a. durch chronische mehreren Operationen an anhaltenden Schmerzen. Schmerzen leiden oder nach langer Krankschreibung arbeitsunfähig werden. Chronisches Schmerzsyndrom Zu den psychosomatisch (mit) beBeim chronischen Schmerzsyndrom dingten Erkrankungen gehören in der verliert der Schmerz seine WarnfunkOrthopädie u. a. chronische Wirbelsäution und steht für den Patienten im lensyndrome, Lumboischialgien, PostMittelpunkt seines Denkens und Vernukleotomiesyndrome, Osteoporosehaltens. Er hat einen selbstständigen schmerzen, Phantomschmerzen nach Krankheitswert erlangt. Per Definition Gliedmaßenamputation, sympathische muss der Schmerz beim chronischen Reflexdystrophie (Morbus Sudeck), Schmerzsyndrom länger als 6 Monate Schulter-Arm-Syndrome, Fibromyalgiesyndrome, Weichteilrheuma und multi- bestehen. Das Spektrum der Ursachen chronischer Schmerzen reicht von ple Schmerzsyndrome. adäquaten Schmerzen bei organischen Erkrankungen (z. B. Tumorschmerz) Als Syndrom bezeichnet man ein typibis zu primär psychischen Störungen sches Krankheitsbild mit einer Gruppe mit begleitenden Schmerzen. von Krankheltszeichen, dessen PathogeSpielen bei der Ursache der Schmerzen nese unbekannt ist. überwiegend psychische Faktoren eine Rolle, spricht man von einer somataformen Schmerzstörung.
Epidemiologie 6%der Bevölkerung leiden an einem chronischen Schmerzsyndrom. Am häufigsten sind Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Fibromyalgie (nichtentzündlicher chronischer Weichteilschmerz). Pathogenese und Psychedynamik Nach der Gate-control-Theorie geht man davon aus, dass die Wahrnehmung und Weiterleitung peripherer Schmerzen durch Freude oder Ablenkung gehemmt und durch Angst oder Depression verstärkt werden können. Angenommen wird also eine Modulation nozizeptiver Signale durch Gefühle. Da sowohl die Stimmungsregulation als auch die Schmerzwahrnehmung ähnliche Transmitter, wie Serotonin und Endorphine, benötigen, wäre eine gegenseitige Beeinflussung denkbar. Beim Phantomschmerz hat eine neuroplastische Reorganisation stattgefunden, so dass der Schmerz trotz nicht stattfindender Schmerzweiterleitung von peripher zentral aktiviert werden kann. Auch frühere Schmerzerfahrungen können zu einer solchen zentralen Modulation führen. Bei Depressionen oder Ängsten können sich Schmerzen als Somatisierung nicht geäußerter Affekte darstellen (somatoforme Schmerzstörung). Eine unbewusste oder bewusste Aggression gegen die Umwelt kann in eine eigene Qual umgewandelt werden. Indem der Patient ständig unter Schmerzen leidet quält er aber auch wiederum seine Um-' welt. Menschen, die ichbezogen sind, narzisstische oder sadomasochistische Züge aufweisen, neigen eher zu chronischen Schmerzen als Menschen ohne diese Charaktereigenschaften.
Th era pie Prinzip der Behandlung ist eine interdisziplinäre Therapie. Da beim chronischen Schmerzsyndrom gerade das
Psychosomatik
fehlende Ansprechen auf schmerzlindernde Faktoren typisch ist, gestaltet sich die medikamentöse Behandlung oft sehr schwierig. Fast alle Patienten mit chronischen Schmerzen nehmen (erfolglos) Analgetika ein; Missbrauch oder Abhängigkeit ist häufig. Auch trizyklische Antidepressiva haben einen nachgewiesenen analgetischen Effekt. Eine Reduzierung chronischer Schmerzen kann mit Entspannungsverfahren, Hypnose und kognitiver Verhaltenstherapie erzielt werden. Bei somataformen Schmerzen haben sich psychodynamische und kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren bewährt.
fälle, Wirbelbrüche, spinale Stenosen, Tumoren oder Entzündungen, gefunden werden. In Deutschland leiden etwa 30 - 40 % der Bevölkerung an Rückenschmerzen. Sie stellen die häufigste Ursache für Arbeitsausfälle dar, bei Frühberentung stehen Erkrankungen der Wirbelsäule mit an erster Stelle.
Pathogenese und Psychodynamik Dass Rückenschmerzen von der "psychischen Gesundheit" beeinflusst werden, ist im Volksmund schon lange bekannt: "Rückgrat haben", "ein Kreuz zu tragen haben", "ein Geizkragen sein", "jemanden in den Rücken fallen", "sich den Hals bei etwas brechen", "etwas am Hals haben" . Dabei können VerspanRückenschmerzen nungen jeden Teil der Wirbelsäule beDie Patienten kommen mit der Übertreffen und spielen darüber hinaus eine weisung Lumbago (!at. lumbus = Lenkieferorthopädische Rolle bei der kraniode), Dorsalgie (tat. dorsum =Rücken, mandibulären Dysfunktion und dem Zähneknirschen. Durch die Anspangriech. algos =Schmerz), Ischialgie nung der Muskeln kommt es zu einer oder Zervikobrachialsyndrom in die Praxis oder klagen über Hexenschuss Kompression und Minderversorgung der Bandscheiben. Daher entsteht eine und Kreuzschmerzen. Tendenz zur Verlagerung und MöglichDefinition keit, eine Nervenwurzel zu reizen. Es entsteht ein Teufelskreis: Die VerRückenschmerzen sind ein Symptom. Die Ursache für die Schmerzen in Hals-, spannungen verstärken sich noch, die Schmerzen nehmen zu, Angst vor den Brust- und Lendenwirbelsäule ist oft nicht nachweisbar, in mind. einem Drit- Schmerzen entwickelt sich, und die tel der Fälle liegen psychische Ursachen Bandscheiben werden weiter komprizugrunde. Bei den chronischen Rücken- miert. Der Patient zieht sich aus seinem schmerzen kann in 90 % keine befriesozialen Umfeld zurück und erlebt dadurch eine Verarmung seines Werts und digende organische Ursache gefunden Lebens, was eine Depression verstärken werden. kann. Der Patient ist somit nicht mehr in der Epidemiologie Lage, die Krankheit zu überwinden, er Rückenschmerzen sind die zweithäukann seine Reserven zur Selbstheilung figste Ursache eines Arztbesuchs. Bei nicht mobilisieren. chronischen Rückenschmerzen kann Risikofaktoren für chronische Rückennur in etwa 10% der Fälle eine somaschmerzen sind nach Albrecht Schüchtische Ursache, wie Bandscheibenvor-
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ternheit, Angst, verkrampfter Ehrgeiz, Starrsinn, Eifersucht, Bequemlichkeit, Neid und Wut. Häufig finden sich bei Patienten ausgeprägte Sexualprobleme, Mangel an sozialer Bezogenheit, Gefühlskargheit, chronische Verstimmungen oder unbewältigte Schwellensituationen wie Pubertät oder Klimakterium. Differentialdiagnose Häufig sind psychosomatische Ursachen mit an der Auslösung oder Erhaltung der Rückenschmerzen beteiligt. Primär organische Ursachen wie Wirbelbrüche, Spondylolisthese, Bandscheibenprotrusion oder -prolaps, Spinalkanalstenosen, Entzündungen, Tumoren und internistische Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Therapie Die Prognose der Rückenschmerzen würde sehr viel besser werden, wenn schon bei der ersten Konsultation des Patienten wegen Rückenschmerzen die psychosomatische Dimension mit berücksichtigt würde. So wäre eine psychosomatische Abklärung parallel zur Röntgendiagnostik und körperlichen Untersuchung wünschenswert. In der Behandlung ist eine gut abgestimmte orthopädische, schmerztherapeutische und psychosomatische Therapie sinnvoll. Es geht v. a. darum, den Teufelskreis aus Verspannung, Schmerz, Angst und sozialem Rückzug zu durchbrechen. Die Persönlichkeit des Patienten muss stabilisiert werden, und die zunehmende Einengung sollte in eine expansive, lebensbewältigende Haltung umgekehrt werden.
Zusammenfassung X Das häufigste Symptom, mit dem ein Patient eine Praxis aufsucht, ist der
Schmerz. Daher ist es für jeden Arzt wichtig, die Differentialdiagnose des Schmerzes gut zu kennen und um die psychosomatische (Mit-)Beteiligung v. a. bei chronischen Schmerzen zu wissen. Schon in der Anamnese sollte auf psychosomatische Aspekte eingegangen werden. Der Rückensclilmerz führt die Patienten meist zu einem Orthopäden.
Psychosomatik in der HNO-Heilkunde I Umgangssprachliche Redewendungen zeigen, dass emotional belastende, sozial oder psychisch tief greifende Situationen einen Einfluss auf die Organsysteme der Kopfregion haben können: "Mir verschlägt es die Sprache", "Da ist mir Hören und Sehen vergangen", "jemanden nicht riechen können", "sich taub stellen". Da die Organe des Kopfs, v. a. der Hör- und Gleichgewichtssinn, eine Wahrnehmung unserer Umgebung und eine Kommunikation mit ihr ermöglichen, ist eine Störung in diesem Bereich immer auch mit psychischen Faktoren verknüpft. Nach S. 0. Hoffmann sind bei ca. zwei Drittel der HNOPatienten u. a. funktionelle und psychosomatische Störungen zu finden. Krankheitsbilder mit einem hohen psychogenen Anteil sind: t Globusgefühl einschließlich Schluckstörungen ohne entsprechenden Organbefund t Psychogene Hörstörungen und Tinnitus t Schwindelerscheinungen ohne ausreichend erklärendes organisches Korrelat t Psychogene Stimm- und Sprechstörungen Reaktiv zeigen sich auch psychogene Reaktionen bei schweren Erkrankungen wie bei akuten und chronischen Hörbeeinträchtigungen, dem Morbus Meniere und Karzinomen. Selten finden sich gar Wahnentwicklungen bei lang anhaltender, schlecht versorgter Schwerhörigkeit. Schwindel Somataformer Schwindel
Definition Schwindel kann einen Verlust von physischem und psychischem Gleichgewicht bedeuten. Der Anteil der psychogenen Schwindelformen wird auf 30-50% aller Schwindelerscheinungen geschätzt. Dieser Schwindel spielt sich ätiologisch überwiegend auf der Empfindungsebene in der emotionalen Welt des betroffenen Patienten ab. Der Schwindelzustand entsteht für das Individuum aus unbegreiflichen, "verwirrenden" Affekten mit dem zentralen Element der Angst. Dabei kann Angst reaktiv einer organischen Erkrankung folgen oder gar ursächlich für das Gefühl des Schwindens und des Schwindels sein.
Der psychisch verursachte Schwindel kann mit anderen, i. d. R. vegetativen Symptomen wie Schweißausbrüchen
Mundtrockenheit, Herzrasen, Engegefühl, Atemnot und Leeregefühl im Kopf auftreten. Charakteristischerweise wird ein Schwankschwindel oder ein diffuser Schwindel ("wie betrunken", "gehen wie auf Schaumstoff" etc.) beschrieben. Prinzipiell können aber alle Schwindelqualitäten d. h. auch ein Drehschwindel mit subjektiver Fallneigung, ' psychisch bedingt sein. Die psychogenen Schwindelempfindungen sind dabei für die Betroffenen sehr real und keineswegs eingebildet. Der reaktive psychogene Schwindel bei otologischen Erkrankungen: In der HNO-Heilkunde treten, wie in der Allgemeinmedizin, psychogene Schwindelformen oft reaktiv
nach oder bei organischen Erkrankungen wie Vestibulopathien, nach Kopfverletzungen und anderen, mit Instabilität einhergehenden Erkrankungen auf. Dann liegt zwar ein organisch "fassbarer" Befund vor, dieser erklärt aber das Ausmaß und die Ausprägung der empfundenen Schwindelzustände zumindest nicht allein. Die Patienten schildern den psychogenen Schwindelzustand z. B. wie folgt: Man sei taumelig, nicht standfest, wackelig, aneckend, wirr im Kopf, man hätte ein dröhnendes Gefühl und oft sehr viel Angst, häufig über ganze Tage. Die Situationen, in denen es dabei meist zu klassischen Konditionierungsvorgängen gekommen ist, werden in der Regel nicht bewusst wahrgenommen. Hingegen wird erlebt, dass Reize und Situationen, die normalerweise weder angst- noch schwindelerregend besetzt sind, scheinbar unberechenbar z. T. heftigste Angst oder physiologische Reaktionen wie Schwindel auslösen können. Bei Morbus Meniere, einer Erkrankung, die direkt das Gleichgewichtsorgan betrifft, können sich gar organische und seelisch bedingte Schwindelzustände abwechseln oder ineinander übergehen. Ein großer Teil der Entstehung und insbesondere der Aufrechterhaltung der reaktiven psychogenen Schwindelproblematik ist durch Mechanismen der klassischen und der operanten Konditionierung im Sinne der Lerntheorie gut erklärbar. Insbesondere werden die vegetativen Begleiterscheinungen konditioniert Man könnte auch sagen, die Qualität des Schwindels orientiert sich am vorher erlebten Modell, das real beim Patienten stattgefunden haben kann oder bei anderen beob-
Psychosomatik
achtet wurde. Zum Verständnis wesentlich sind daher die stattgehabten Erkrankungen, die Biographie und die bis dahin entwickelte Persönlichkeitsstruktur. Weitere psychisch beeinflusste Schwindelsymptome: Dem Morbus Meniere, der typischen anfallsartig auftre-
tenden Trias von Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, liegen ein Endolymphhydrops oder Endolymphschwankungen zugrunde. Ein Meniere-Anfall kann durch belastende Lebenssituationen ausgelöst werden. Die Patienten neigen eher dazu, sich zu überfordern, sind intelligent und streben nach Perfektion. Epidemiologie
Die Prävalenz von Schwindelliegt bei 17% und steigt bei über SO-jährigen Patienten bis auf 40%. Am häufigsten liegt ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel vor, unmittelbar gefolgt vom sog. phobischen AttackenschwindeL Pathogenese und Psychedynamik Am häufigsten liegen dem psychogenen Schwindel Angst-
und phobische Störungen, an zweiter Stelle somataforme Störungen und an dritter Stelle depressive Störungen und dissoziative Störungen zugrunde. Wie bei anderen psychosomatischen Erkrankungen folgt der Schwindel dann ähnlichen pathogenetischen Mechanismen wie denjenigen der jeweiligen zugrunde liegenden psychopathalogischen Störungen.
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innerpsychischen Konflikten und verursachen die körperlichen Symptome nicht willentlich. Sie haben aber meist eine lange Krankengeschichte mit klinisch bedeutsamen Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen und häufige Arztwechsel aufzuweisen. Sie sind besonders gefährdet für eine zusätzliche iatrogene Fixierung, weil sie jede medizinische Maßnahme "dankbar" annehmen. Fließende Übergänge bestehen zu den anderen psychischen Störungen, eine hohe Komorbidität mit Angstund depressiven Störungen ist vorhanden. Depressive Störungen: Sie rangieren bei Schwindelbeschwerden von 6 bis zu 62%. Dabei können die Schwindelbeschwerden zum führenden Symptom werden, das oft statt der- in vielen Fällen nicht wahrgenommenen oder nicht eingestandenen - Depression im Vordergrund steht. Der Schwindel als Ausdruck einer depressiven Störung tritt meist als Dauerschwindel oder diffuser Schwindel auf. Ebenso wie bei den Angst- und phobischen Störungen werden alle weiteren Symptome als Folge des Schwindels interpretiert. Oft geben diese Schwindelpatienten wie der Schüler in Goethes ,.Faust" an: "Mir wird von alledem ganz dumm, als ginge mir ein Mühlrad im Kopf herum." Typisch sind Tagesschwankungen ("Abends geht der Schwindel zurück") und die entsprechende vegetative Symptomatik, ebenso sozialer Rückzug, Zukunftsängste und nihilistische Gedanken bis hin zu Befürchtungen, wie "Wenn der Schwindel nicht weggeht, kann ich nicht mehr leben!".
Angsterkrankungen: Seelische Erkrankungen gehen oft
Differentialdiagnose
mit Angst einher. Dabei kommt der Angst als Warnsignal eine überlebenswichtige Funktion zu. Die evolutionär entwickelten Grundreaktionen sind dabei aggressive Hinwendung, Flucht oder Totstellen. Das Gleiche gilt auch für die Angst, wenn im seelischen Gefüge Gefahr droht. So erkannte Freud 1895 den Schwindel als ein wichtiges Symptom bei Angsterkrankungen.
Ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, akuter Vestibularisausfall, Morbus Meniere, traumatischer Schwindel und migräneassoziierter Schwindel kommen differentialdiagnostisch in Betracht. An Nebenwirkungen von Medikamenten sollte gedacht werden!
Schwindel im Rahmen von Somatisierungsstörungen und undifferenzierten Somatisierungsstörungen:
Eckhardt-Henn (2003) fand in ihrer prospektiven Studie bei 53 von 102 Schwindelpatienten somataforme Störungen, was fast der bei Angsterkrankungen genann ten Zahl entspricht. Quasi definitionsgemäß haben die Patienten selbst bei diesen Störungen zunächst keinen Zugang zu ihren
Therapie
Die Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden psychischen Störung, in Abhängigkeit davon werden psychodynamische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen angewendet. Bei vestibulärer Läsion mit somataformen (Begleit-) Faktoren sollte eine Kombinationstherapie aus vestibulärem Training mit psychoedukativer und/oder psychotherapeutischer Behandlung erfolgen.
Psychosomatik in der HNO-Heilkunde II Hörstörungen
Es konnte gezeigt werden, dass Menschen in einem völlig schallfreien Raum nach 2 h psychotische Reaktionen entwickeln. Um psychisch gesund zu bleiben, braucht der Mensch einen gewissen Außenreiz und auch wieder eine schal larme Zeit, um sich zu erholen. Lärm ab etwa 130 dB ist schon bei kurzer Einwirkung schädlich, dauerhafter Lärm kann schon ab etwa 85 dB Schäden verursachen. Im Arbeitsbereich ist deswegen die zulässige Lärmbelastung über 8 h auf 85 dB (A) begrenzt, Musik wird aber oft, gerade über Kopfhörer, stundenlang lauter aufgedreht. Wesentlich für die Wahrnehmung akustischer Eindrücke ist die individuelle Bewertung, selbst "objektiver" Lärm wird individuell unterschiedlich wahrgenommen. Hörsturz Definition Ein Hörsturz wird definiert als- Ld. R. einmaliger - plötzlicher, meist einseitiger lnnenohrhörverlust ohne erkennbare Ursache. Die Funktionsstörung des Innenohrs kann über alle Frequenzen variieren und bis zur seltenen vollständigen Taubheit führen. Es gibt zahlreiche Theorien zu den möglichen Ursachen der plötzlichen Hörminderungen. Im Wesentlichen unterscheidet man jedoch zwei Erklärungsansätze: t Durchblutungsstörung t Schädigung durch Viren Durchblutungsstörung: Die gängigste Erklärung sieht eine Durchblutungsstörung als auslösendes Ereignis. Wahrscheinlich kommt es dabei zu einem kurzfristigen Zusammenbruch der Energieversorgung des Innenohrs. Ebenso wahrscheinlich muss es sich dabei um eine vorübergehende Verminderung der Durchblutung handeln. Das Innenohr wird nur durch ein einziges Blutgefäß, durch eine sog. Endarterie, versorgt. Daher ist das Innenohr einerseits besonders anfällig. Andererseits ist es aber dadurch geschützt, dass diese Arterie in ihrer Funktion zu den
das Gehirn versorgenden Blutgefäßen gehört. So kann eine vorübergehende Durchblutungsstörung zwar Ausgangspunkt für eine Hörschädigung und einen Tinnitus, nicht aber der Grund für die Aufrechterhaltung und Fortdauer der Schädigung oder des Tinnitus sein. Läge eine dauerhafte Durchblutungsstörung vor, müsste das Ohr ertauben. Dies ist zum Glück nur selten der Fall.
Eine positive Beeinflussung des Hörsturzes durch die Gabe von Medikamenten gegen die Virusausbreitung konnte nicht beobachtet werden. Hörstürze können aus anhaltenden Belastungssituationen oder, wie wir das auch von Herzinfarkten kennen, nach Beendigung solcher Dauerzustände entstehen. Allerdings lassen sich in dem großen Topf "Hörsturz" zunehmend verschiedene Krankheitsbilder unterscheiden wie Lärmtraumata, psySchädigung durch Viren: Der zweite chogene Hörschwankungen etc. Erklärungsansatz für das Auftreten Auch wenn trotz unspezifischer, polyeines Hörsturzes geht von einer Schäpragmatischer Therapie meist gut geholdigung durch Viren aus. Hierbei wird fen werden kann, ist es dennoch sinneine Reihe von Viren, die "neurotropen" voll, die Umstände ernst zu nehmen Viren, verdächtigt. Dazu gehören über die das hochsensible Hörorgan Mumps·, Herpes·zoster-, Masern-, Influ- plötzlich "gestürzt" ist. Hier können enza- und Adenoviren. Diese befallen Weichen gestellt werden zur Vorbeumit besonderer Vorliebe Nerven und gung weiterer Ereignisse oder anderer Gleichden und somit auch den HörKrankheitsformen, wie etwa von Ergewichtsnerv. schöpfungszuständen. Oft scheint es In der Regel ist durch eine gründliche aber so zu sein, dass erst ein Tinnitus HNO-Untersuchung und eine Audiohinzukommen muss, um genauer hinhören zu müssen. metrie die Diagnose schnell gestellt. Das akute Auftreten eines plötzlichen Hörverlusts gilt in der Bundesrepublik Tinnitus (Ohrgeräusche) als HNO-Notfall. Definition Unter Tinnitus versteht man alle HörEpidemiologie wahrnehmungen (Ohrgeräusche), die Der Hörsturz gilt als Zivilisationskrank· nicht durch Laute von außen bedingt heit, sein Auftreten in Industrieländern nimmt stetig zu. Zurzeit registriert man sind. Der Hauptgrund für das zunehmende Auftreten dieses und anderer etwa 500 Neuerkrankungen pro Jahr "Hörschäden" dürfte die rasante indusauf I Mio. Einwohner. trielle und technische Entwicklung der letzten 50 Jahre sein. Wenn inzwischen Dif fere ntia ldiagnose Alle Erkrankungen, die eine Schallemp- auch der direkte Lärm am Arbeitsplatz nachgelassen hat, so hat die Lärmbelasfindungsschwerhörigkeit verursachen, tung- auch und v. a. in der Freizeit! müssen abgegrenzt werden : Verlegung insgesamt zugenommen. Die Möglichdes Gehörgangs durch einen Ohrenkeiten für das Ohr, sich gegen eine schmalzpfropf (Cerumen obturans), Reizüberflutung abzuschirmen, sind Infektionen, Traumen, Tumoren, vaskuläre Erkrankungen und andere sehr begrenzt: Es ist immer offen, auch nachts. otologische Erkrankungen. Beim objektiven Tinnitus kann der Therap ie Untersucher das Ohrgeräusch auskultiemöglichst einer in Die Therapie besteht ren, beim subjektiven Tinnitus nimmt nur der Patient die Geräusche war. sofortigen, d. h. innerhalb von 48 h beginnenden Infusionsbehandlung Tinnitus ist ein Symptom und keine Erunterschiedlichster Art. Gleichzeitig krankung! Von tinnituskranken Patiensollten die Betroffenen aus dem Arbeits- ten sollte man also genau genommen nur sprechen, wenn sich durch mangelund familiären Umfeld gelöst werden, hafte Verarbeitung ein Krankheitswert um so eine gewisse Abschirmung zu einstellt (s. u.). erreichen. )
Psychosomatik
L
"~----------------------------------------------~~~~~~ Es scheinen auch viele seelische Erkrankungen wesentlich am Tinnitus beteiligt zu sein. Dann kann ein - oft schon vorher vorhandener, aber bis dahin nicht als quälend empfundener - Tinnitus deutlicher in die Wahrnehmung rücken und in den Vordergrund des Beschwerdebilds treten, auch bei (weitestgehend) normalhörigen von Tinnitus Betroffenen.
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psychisch belastenden Situation be· schrieben. Die Krankheit kann sich verschlimmern, wenn der Patient erfolglos versucht, dagegen anzukämpfen. Es entsteht ein regelrechter Teufelskreis, wobei der Tinnitus Einfluss auf die gesamte Tages· gestaltunghat und zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führt. Depressionen können als Folge der erheblichen Belastung auftreten.
getretenen Tinnitus zum Leiden werden lassen können, und zu analysieren, was das Leiden aufrechterhält. Ziele sind: t Eine Unterstützung des Habituations· prozesses t Eine Verringerung der psychischen Problematik t Eine Erhöhung der Tinnitusakzeptanz t Die Erarbeitung einer positiven Alter· native ("Reframing" )
Therapie
Ziel der psychodynamischen Ansätze kann sein, die im Tinnitus ausgedrückte psychogene Not zu verstehen und zu bearbeiten. Das besondere Interesse liegt auf den bei dem Patienten ausge· lösten Gefühlen und nonverbalen Botschaften, die dann im Therapiefort· schritt diagnostisch und therapeutisch genutzt werden können. Dabei erwarten Tiefenpsychologen, dass Selbster· kenntnis Veränderung bewirkt. Meist reicht diese allein aber nicht aus: Das Erkannte muss auch "durchgearbeitet" und in der Praxis angewandt bzw. eingeübt werden.
Epidemiologie
Jährlich erkranken ca. 10 Mio. Deutsche neu an Tinnitus, der bei etwa 340 000 Betroffenen chronifiziert. Etwa 3 Mio. Erwachsene in Deutschland, also ca. 4% der Bevölkerung, sind von chronischem Tinnitus betroffen (Punktprävalenz), 10 -20%davon leiden erheblich darunter. So finden sich Klagen über einen Tinnitus bei etwa 15% des Patientenguts in deutschen Allgemeinarzt- und bei ca. 25% in HNO-Praxen. Pathogenese und Psychodynamik
Der bekannteste Patient mit einem quälenden Ohrpfeifen war wohl Vincent van Gogh (1853- 1890). Der berühmte Maler schnitt sich in dem Glauben, sich dadurch vom quälenden Pfeifen befreien zu können, in einer affektiven Auseinandersetzung mit seinem Freund Gauguin ein Ohr ab. Die Person, die einen Tinnitus erlebt, wird dann zum tinnituskranken Patienten (tat. patiens = leidend, erduldend), wenn ihre Bewältigungsmechanismen und Verarbeitungsmöglichkeiten zusammenbrechen. Dabei entwickelt sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht und auch des Nicht-verstanden-Seins, da die Geräusche ja nur von ihr wahrgenommen werden. Das kann zu einer Lebenskrise mit Selbstmordgedanken führen. Somatische Ursachen eines Tinnitus können sowohl kochleäre als auch zen· trale auditive Prozesse sein. Dabei wei· senüber 90% der Tinnituspatienten einen kochleären Hörverlust auf, wobei die Tinnitusfrequenz meist dem Ort des maximalen Hörverlusts entspricht. Eine Zunahme oder Auslösung der Beschwerden wird von vielen Patienten in
Soweit eine somatische Ursache vorliegt, wird diese kausal behandelt. Dazu gehört v. a. der Ausgleich von Hörstörungen. Im chronischen Stadium zeigt sich dann oft, dass jedes Bemühen, den Tinnitus "zu beseitigen", das Leiden am Tinnitus eher verschlimmert als lindert. Ein wesentlicher Grund dürfte darin liegen, dass für eine Erkrankung innerhalb der Wahrnehmung andere, teilweise gegensätzlich erscheinende Regeln gelten als für körperlich reparable Störungen. So fördert die auf den Tinnitus gerichtete Aufmerksamkeit mehr das Leiden und weniger die Habituation. Dann werden eine entängstigende Aufklärung (Counselling) des Patienten und das Sich-vertraut-Machen mit den Ursachen und Auswirkungen des Tinnitus zur wohl wichtigsten Grundlage, um den aufreibenden Kreislauf zwischen Tinnitus und Aufmerksamkeit beenden zu können. Hinzu kommen können: t Musikhören und ggf. eine Hörtherapie t Das Erlernen von Entspannungsverfahren t Psychosomatische Verfahren Lerntheoretische Ansätze sind gut geeignet, die Faktoren zu beschreiben, die den einmal in die Wahrnehmung
Weitere psychisch beeinflusste Hörstörungen Die Ursache einer Taubheit (am häufigsten sind Infektionen) kann in 30% der Fälle nicht geklärt werden. Menschen mit Taubheit kann heute, bei intaktem Hörnerv, durch die Implantation einer elektrischen Hörhilfe (Kochleaimplantat), ein Höreindruck ermöglicht werden. Von Seelentaubheit (auditive Agnosie) spricht man, wenn Töne und Geräusche zwar gehört, aber in ihrem Sinn und Zusammenhang nicht erkannt werden. Eine Schädigung des hinteren Schläfenlappens kann die Ursache sein.
Zusammenfassung X Funktionelle Störungen des Gleichgewichts- und Hörorgans umfassen den
somatotarmen Schwindel, den Hörsturz und einige Tinnitusformen. X Für den Betroffenen ist die nur von ihm wahrgenommene Erkrankung eines
seiner Sinnesorgane sehr beeinträchtigend und kann weitreichende psychosoziale Folgen haben.
Psychosomatik in der Augenheilkunde Mit dem Auge kann der Mensch seine Umgebung sehen, wahrnehmen und beurteilen, aber auch getäuscht werden. Sein Blick kann Emotionen wie Wut, Angst, Abweisung, Traurigkeit, Offenheit, Freude und viele mehr ausdrücken. Das Auge ist also ein wichtiges Kommunikationsorgan. Außerdem ist es das Fenster der Seele. Schon lange wird dem Auge eine Bedeutung zugeschrieben, die weit über die physiologische Sehfähigkeit hinausgeht. Dies kommt z. B. beim wachsamen Auge, einem dämonischen Blick, vor dem man sich schützen soll, oder Gottes alles sehendem Auge zum Ausdruck. Sehstörungen Funktionelle Sehstörungen (psychogene Sehstörung)
Definition Funktionelle Störungen sind subjektiv erlebte Störungen ohne ein objektivierbares körperliches Korrelat. Der Patient täuscht dabei i. d. R. unbewusst eine nicht vorhandene Krankheit vor. Die Symptomdarstellung kann als Hilferuf des Patienten, der den Konflikt nicht adäquat lösen kann, verstanden werden. Die Patienten klagen über ein- oder beidseitige Visusverminderung oder Gesichtsfeldausfälle (Skotome) . Die Gesichtsfeldausfälle sind meist konzentrisch. Mit gezielten Simulationsproben kann die psychogene Beteiligung wahrscheinlich gemacht und können organische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Diese Untersuchungen beinhalten das Auslösen willkürlicher, reflektorischer Antworten, das Irreführen und das Messen einer Fehlfunktion mit unterschiedlichen Methoden, so dass der Patient mit funktioneller Störung unterschiedliche Angaben macht. Einen Anhalt liefern auch unterschiedliche Ergebnisse bei Wiederholung eines Tests (reproduzierbar?). Typischerweise sind die Angaben des Patienten schon in der Anamnese widersprüchlich. In der ICD- I 0 werden funktionelle Sehstörungen unter den dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (F44.6) genannt, im DSM-N finden sie sich unter den Konversionsneurosen (300. 11 ). Treten sie im Rahmen eines
vielgestaltigen Beschwerdebilds auf, spricht man von einer Somatisierungsstörung. Epidemiologie Funktionelle Sehstörungen sind insgesamt selten, Häufigkeitsangaben schwanken zwischen 0,2 und 5%der ophthalmologischen Patienten. Pathogenese und Psychodynamik Als Ursache der Sehstörung liegt häufig ein seelischer Konflikt zugrunde, der zu einem körperlichen Symptom
verschoben" wird. Dadurch verspürt der Patient erst einmal
~ine Entlastung. Ein weiterer, anhaltender Krankheitsge-
winn (Zuneigung, Aufmerksamkeit, Schonung) kann zur Fi-
xierung des Symptoms oder zu weiterer Verschiebung auf
andere Organsysteme führen. Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch abgeklärt werden müssen Augenund Sehbahnerkrankungen, die ebenfalls ohne ein organisches Korrelat einhergehen. Dies sind z. B. beginnende Makula- und Optikusprozesse oder Amblyopie (d. h. angeborene Schwachsichtigkeit). Von einer Seelenblindheit spricht man bei visueller Agnosie also einer Störung des Erkennens von Gesehenem. Der Sinn ' oder die Bedeutung von gesehenen Objekten wird - bei voll funktionierenden Sehorganen - nicht erkannt. Ursache ist eine Schädigung im Bereich des Okzipitallappens, also des Sehzentrums. Therapie Zunächst einmal sollte der Patient in seiner Not ernst genommen und nicht als Simulant abgestempelt werden. Manchmal kann sogar ein suggestive Therapie (z. B. Tränenersatzmittel zur Visusverbesserung) sinnvoll sein. Eine Lösung des zugrunde liegenden Konflikts ist als kausale Therapie angezeigt. Bei einem aktuellen Konflikt kann eine kurzfristige Intervention wie eine Entlastung bei Überforderung helfen, bei zugrunde liegenden neurotischen Störungen mit Krankheitsgewinn ist eine Psychotherapie indiziert. Psychosomatische Augenerkrankungen
Definition Die psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne sind psychogen ausgelöst oder beeinflusst und zeigen ein objektivierbares körperliches Korrelat. Hier spielt die somatopsychische Wechselwirkung, wie z. B. bei Glaukom, Retinopathia centralis serosa und Uveitis, eine Rolle. In der ICD-1 0 gibt es keine generellen psychosomatischen Erkrankungen, sie werden bei den einzelnen Fachgebieten beschrieben. Epidemiologie Bei den Augenerkrankungen findet man in 15-40% psychosomatische Aspekte. Pathogenese und Psychodynamik Psychische Belastungsfaktoren können eine Erkrankung der Augen verursachen. Ein weitverbreiteter Belastungsfaktor ist der Disstress. Dauerstress führt zu einem Anstieg des Sympathikotonus. Dadurch kommt es zu einer Steigerung des Augeninnendrucks, durch Entspannung im AT wiederum kann der Augeninnendruck nachweislich gesenkt werden. Außerdem bewirkt ein erhöhter Sympathikotonus Vasospasmen, die zu einer Mikrozirkulationsstörung der Choroidea, der Retina oder des N. opticus führen können. Bei engem Kammerwinkel ist es möglich, über einen intraokularen Druckanstieg durch Stress einen Glaukomanfall
l
Psychosomatik
"~----------------------------------------------------------~--------auszulösen. Beim Glaucoma chronicum simplex (grüner Star) kann es durch die Ausbuchtung der Netzhaut im Bereich des N.·opticus-Eintritts zu einer Erblindung kommen, in den Industrieländern ist es eine der häufigsten Erblindungsursachen! Es gab Untersuchungen, die eine Korrelation von Stress und Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut, der Uvea, bestehend aus Iris, Corpus ciliare und Choroidea) postulierten. Besonders die Iritis ist ein psychosomatisch beeinflusstes Krankheitsbild, das durch eine Modulation des Immunsystems begünstigt wird. Die Retinopathia centralis serosa ist eine Makulaerkrankung unbekannter Ätiologie, bei der jedoch eine psychogene Beteiligung angenommen wird. Eine subretinale Flüssigkeitsansammlung führt zu plötzlichem Verlust der Sehschärfe, einem zentralen Skotom und verzerrter Wahrnehmung von Gegenständen. Sie kommt bei sensiblen Männern mittleren Alters vor und heilt häufig nach mehreren Wochen wieder ab, neigt aber zu Rezidiven.
Zu den durch psychische Auslöser (mit) bedingten Augener~rankungen zählen Uveitis, Retinopathia centraUs serosa und Gl.aukom.
Des Weiteren kann es bei einer nicht zu bewältigenden Situation, einem Life event und unzureichenden Bearbeitungsmechanismen zu einer Manifestation von Augenerkran-
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kungen kommen. Dabei ist es v. a. auch entscheidend, ob der Patient eine ansonsten gesunde Persönlichkeitsstruktur und somit eine Kompensationsmöglichkeit hat, auf die er zurückgreifen kann. Patienten mit primär somatischer Augenerkrankung können je nach Erkrankung und vorhandenen oder nicht vorhandenen Bewältigungsmechanismen eine sekundäre psychische Komponente entwickeln. Eine solche somatapsychische Erkrankung spielt v. a. bei drohender Erblindung eine große Rolle und sollte möglichst früh durch Hilfestellungen (Vermittlung von Selbsthilfegruppen, Anpassung vergrößerter Sehhilfen und eine gute Arzt-Patienten-Beziehung) beachtet werden. Krankheitsauslösende Faktoren sind Dauerstress, Überforderung, belastende Lebensereignisse (Life events) und eine prämorbide Persönlichkeitsstruktur.
Therapie Das Therapiekonzept ähnelt dem der funktionellen Augenerkrankungen. Eine Psychotherapie ist empfehlenswert, wenn ein Stressfaktor oder Konflikt nicht ohne Weiteres in einem Gespräch gelöst werden kann oder andere psychische, soziale oder somatische Probleme hinzukommen. Stress kann mithilfe von AT reduziert werden. Bei somatapsychischen Erkrankungen können Psychotherapie und/ oder Selbsthilfegruppen bei der Krankheitsbewältigung helfen.
Zusammenfassung X Das Auge spielt in der Kommunikation eine besondere Rolle und ist ein wichtiger Sinn für die Wahrnehmung unserer Umgebung. X Visusverluste und Gesichtsfeldausfälle können auch psychogener Ursache sein, was sich durch sog. Simulationsproben herausfinden lässt. Die Erkrankung ist aber nicht bewusst vorgetäuscht! X Stress, belastende Lebensereignisse (life events) und eine prämorbide Persönlichkeit können über somatopsychische Wechselwirkungen psychosomatische Augenerkrankungen hervorrufen.
Psychosomatik in der Kinderheilkunde Einige der sieben "klassischen" psychosomatischen Erkran· kungen nach Alexander (Ulcus pepticum, Colitis ulcerosa, Asthma bronchiale, essentielle Hypertonie, atopische Dermatitis, Hyperthyreose und rheumatoide Arthritis) sind typische Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters. Hier ist nicht (wie früher angenommen) ei ne typisc he Persönlichkeit ursächlich an der Krankheitsentstehung beteiligt! Dennoch hat das psychische Befinden des Kinds in seiner sozialen Umgebung (also primär in der Familie) einen Einfluss auf die Zusammenarbeit mit dem Arzt, die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen, den Verlauf und die Prognose der Erkrankung. Auch später entwickelte psychische Symptome haben ihren Ursprung oft in biographischen (traumatischen) Erlebnissen. Für Kinder kann allein durch den Krankenhausaufenthalt Schaden entstehen (Hospitalismus). Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern kann die fehlende körperliche und emotionale Zuwendung (insbesondere der Mutter) durch die Isolation zu psychomotorischer und somatischer Retardierung, erhöhter Mortalität, Kontaktstörungen, Angst, Apathie und erhöhter Infektanfälligkeit bis hin zu Wachstumsstörungen führen. Daher wird heute versucht, die Eltern möglichst mit den Kindern unterzubringen. Schwerere und chronische pädiatrische Erkrankungen können weitreichende Auswirkungen haben und resultieren nicht selten in sekundären Folgen und psychischen Störungen.
Die Patienten leiden unter Atemnot, die sie durch verstärkte Atmung auszugleichen versuchen. Husten und Auswurf können hinzukommen. Typisch ist ein verlängertes Exspirium da die Patienten gegen erhöhten Widerstand ausatmen mUssen. Ein schwerer Asthmaanfall wird als Status asthmaticus bezeichnet. Untertypen t Allergisches Asthma (=extrinsisches Asthma) : Durch Inhalation von Allergenen (Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare etc.) tritt eine !gE-vermittelte allergische Reaktion vom Soforttyp (Typ I) auf. t Infektbedingtes Asthma (= intrinsisches Asthma, endogenes Asthma): Durch Viren und Bakterien werden Nervenendigungen stimuliert. Es tritt nach einem bronchopulmonalen Infekt auf. t Weitere Formen: Ein gemischtförmiges Asthma liegt bei mehreren Auslösemechanismen vor. Analgetikabedingtes Asthma kann durch Einnahme von Antiphlogistika, die in den Prostaglandinstoffwechsel eingreifen (z. B. ASS), ausgelöst werden. Anstrengungsbedingtes Asthma (Exerciseinduced asthma) tritt nach körperlicher Belastung auf. Epidemiologie Das Asthma bronchiale ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen mit weiterhin ansteigender lnzidenz. Etwa 5- 10%der Bevölkerung sind betroffen.
Psychosomatische Krankheitsbilder
Wichtige Krankheitsbilder in der Pädiatrie, bei denen biopsychosoziale Aspekte beachtet werden müssen, sind u. a. Asthma, Mukoviszidose, CEDs, Anorexia nervosa, habituelles Erbrechen, Hauterkrankungen (Neurodermitis), Adipositas, Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, chronische Niereninsuffizienz und Tumorerkrankungen. Beispielhaft sollen im Folgenden zwei chronische Erkrankungen dargestellt werden. Asthma bronchiale Definition Als Asthma bronchiale bezeichnet man eine anfallsweise auftretende Atemnot durch eine zeitweilige Bronchienverengung. Ursächlich wird eine genetisch disponierte Hyperreaktivität der Atemwege angenommen. Dadurch kommt es zu folgenden, den Asthmaanfall auslösenden Vorgängen: t Entzündung der kleinen Atemwege t Bronchokonstriktion der glatten Muskulatur (Bronchospasmus) t Lumeneinengung durch Schleimhautschwellung
Pathogenese und Psychodynamik Es gibt verschiedene Wege zur Auslösung eines Asthmaanfalls. Als auslösende Reize kommen Allergene, psychische Probleme, Infektionen und chemische oder physikalische Inhalationsreize in Frage, die über verschiedene Mediatoren direkte nervale Reizung oder !gE-vermittelt zu den oben be-' schriebenen pathologischen Vorgängen an den Atemwegen führen. Eine Sympathikusaktivierung führt zur Symptomlinderung, daher kommt es nachts vermehrt zu Asthmaanfällen. Außerdem nutzt man die Wirkung von ß2-Sympathomimetika in der Therapie. Psychiatrische Erkrankungen kommen bei Asthmapatienten häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung. Sie sind aber eher auf familiäre Probleme, individuelle Konflikte oder psychiatrische Erkrankungen der Eltern zurückzuführen. Auch ein schwerer chronischer Krankheitsverlauf kann zu psychischen Symptomen wie Depression und Angststörungen bei Kindern undJugendlichen (J ugendliche sind nach den alten Menschen die am häufigsten selbstmordgefährdete Altersgruppe!) führen .
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Therapie
Epidemiologie
Viele Asthmatiker sind unzureichend [medikamentös) behandelt, was wiederum Auswirkungen auf das Alltagsleben hat. Um eine Chronifizierung und deren Folgen zu vermeiden, sollte daher bereits in der Frühphase v. a. die entzündliche Komponente der Erkrankung mit antiphlogistischen Medikamenten, Cromoglicinsäure [Mastzellmembranstabilisator) und Steraiden behandelt werden. Für die Patienten und Eltern sind eine Asthmaschulung und ausreichende Informationsvermittlung sehr wichtig. Bei einer Schulung werden neben der Information und Aufklärung über die Erkrankung auch Konzepte zu deren Bewältigung an die Hand gegeben. Eine psychotherapeutische Behandlung steht bei Asthmapatienten nicht im Vordergrund, sie sollte erst bei diagnostizierter psychiatrischer Komorbidität oder sekundärer psychischer Erkrankung bedacht werden. Gibt es in der Familie [evtl. durch die Krankheit ausgelöste) Konflikte, kann eine Familientherapie sinnvoll sein. Die Familientherapeuten sprechen von dem Indexpatienten [das Kind), der stellvertretend für die Familie ein Symptom entwickelt, um die scheinbar nicht mögliche Konfliktlösung in der Familie zu kompensieren. Dies wird in den Familientherapien entsprechend bearbeitet.
Die CF ist die häufigste autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung in Europa. 1 von 2000 Neugeborenen ist an CF erkrankt. Die Lebenserwartung liegt bei ca. 32 Jahren.
Zystische Fibrose
Therapie
Definition
Die CF (Cystic fibrosis , Mukoviszidose) ist eine autosomalrezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung mit einem Defekt auf Chromosom 7. Nur bei der homozygoten Form erkranken die Betroffenen (etwa jeder 45. ist heterozygoter Genträger!) . Das defekte Gen ist für die Synthese des "Cystic fibrosis transmembrane regulator" (CFTR-Gen) zuständig, welcher einen Chloridkanal reguliert und zum aktiven Transport von Chiaridionen aus der Zelle führt. Folge des Defekts ist die Sekretion eines für den normalen Zilientransport zu zähen Schleims, der Bronchien, aber auch andere exokrine Drüsen, wie Leber und Pankreas, verlegt. Auch im Darm kommt es zu einer Vermehrung und Hypertrophie der Becherzellen mit vermehrtem und viskösem Sekret, was zu Verdauungsschwierigkeiten durch mangelnde Resorption führen kann. Durch den Sekretanstau kommt es vermehrt zu Entzündungen. Durch einen vermehrten Elektrolytverlust der (Schweiß-) Drüsen kommt es auch zu Flüssigkeitsverlusten.
Pathogenese und Psychedynamik
Die CF ist primär eine genetische und damit eine somatische Erkrankung. Aufgrund der schweren psychischen und physischen Belastung sowohl des betroffenen Patienten als auch der Eltern ist aber eine multidisziplinäre Behandlung bei dieser Erkrankung wichtig. Psychiatrische Erkrankungen treten bei CF-Patienten nicht häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung, jedoch neigen sie bei psychiatrischer Erkrankung zu einer stärkeren Ausprägung der Symptome. Wie auch bei anderen chronischen Erkrankungen nimmt die Compliance des Patienten mit zunehmender Therapiedauer ab. Mukoviszidosekranke unterscheiden sich in ihrer psychischen Persönlichkeit und ihrem Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln, nicht von körperlich Gesunden.
Die Behandlung der Mukoviszidose sollte in einem hierauf spezialisierten Zentrum erfolgen. In der sog. Mukoviszidoseambulanz kann eine symptomatische Therapie erfolgen. Diese besteht aus ausreichender Na Cl-Gabe, Mukolysetherapie und antibiotischer Behandlung der bronchialen Infekte, Pankreasenzymsubstitution und Gabe fettlöslicher Vitamine [A, D, E, K), Darmreinigung bei intestinaler Obstruktion und ggf. Sauerstoffzufuhr. Eine heute zwar mögliche genetische Übertragung gesunder CFTR-Gene oder eine Herz-Lungen-Transplantation ist auch zukünftig in der landläufigen Praxis eher nicht anwendbar. Der behandelnde Arzt begleitet die Patienten durch verschiedene Krankheitsstadien bis zum Tod. Aber auch die Entwicklung des Kinds zum Jugendlichen und Erwachsenen vollzieht sich in der Zeit. Daher wird die Krankheit immer wieder neu bewertet und hat für den Patienten auch eine unterschiedliche Bedeutung.
Zusammenfassung X Vor allem schwere und chronische Erkrankungen beeinflussen das soziale Leben sowie das psychische Verhalten und Denken eines Kinds. X Eine wichtige Rolle in der pädiatrischen Psychosomatik spielen die
familiäre Interaktion sowie sekundäre Folgen akuter und chronischer Erkrankungen.
Se Ibstve rl etzu nge n Autoaggression
kann absichtlich, gezielt oder ungezielt und unbeherrschbar geschehen. Oft ist sie zwanghaft.
wieder, sich in Krankenhäuser aufnehmen zu lassen, sie suchen aktiv die Krankenrolle. Bei der Autoaggression kommt es durch eine gegen sich selbst gerichtete AggresErkrankungszeichen können in allen Differentialdiagnose sion zu körperlichen Schäden. Meist med izinischen Fachgebieten angegeben Im Gegensatz zum Suizidversuch ist das werden, z. B.: liegt eine psychiatrische Erkrankung oder PS zugrunde. Grundsätzlich muss selbstschädigende Verhalten hier nicht t Gastrointestinal (z. B. Koliken, Appenakut lebensgefährdend . Dennoch kann man zwischen offenen und heimlichen dizitis, Ulzera, Erbrechen, Bridenileus) Selbstverletzungen unterscheiden: es als "larvierter Suizid" und Hilfeschrei t Neurologisch (z. B. Kopfschmerzen t Offene Selbstverletzungen (= Paverstanden werden. Kram pfanfälle, Bandscheibenschaden)' raartefakte): Hier ist deutlich erkennt Urologisch (z. B. urogenitale Infekbar, dass der Patient sich den Schaden tionen durch Kotlösungen, Gabe von Artifizielle Erkrankungen selbst zugefügt hat. Er gibt dies wäh· Zucker und tierischem Eiweiß in den rend der Behandlung auch zu, es werUrin etc.) Im DSM-IV werd en selbstschädigende den keine Krankheitszeichen vorgeHandlungen als Factitious disorder t Dermatologisch (chronische Reizzutäuscht! (eng!.= künstlich erzeugte Krankstände == Dermatitis factitia, z. B. nicht t Die Selbstverletzungen können leichheiten) bezeichnet. abheilende Ulzera durch Säuren) terer (z. B. "Cutter", die sich die Arme t Gynäkologisch (z. B. chemische Vagiaufritzen) und schwererer Form (Iebens· Definition na- oder Portiomanipulation, artifiziell bedrohlich) sein. Schwerste SelbstverEine artifizielle Erkrankung(= Artefakt, induzierte Schwangerschaftskomplikaletzungen wie z. B. das Abtrennen von tionen) eng!. artifact == Kunstprodukt) ist ein Körpergliedern weisen auf eine schizodurch Selbstschädigung künstlich t Kardial (z. B. Myokardinfarkt, Angina verursachtes körperliches Symptom phrene Psychose mit sog. zönästheti· pectoris, Herzstillstand) sehen Wahrnehmungen (Fremdheits· (I Abb. 1). t Psychiatrisch (z. B. durch heimlich Die durch den Patienten verursachten eingenommene Medikamente) gefühl eines Körperteils) hin. vorgetäuschten oder verstärkten t Heimliche Selbstverletzungen t Fieber (z. B. Thermometermanipula(aggravierten) Schäden ähneln oft (=Artefakte, artifizielle Störungen): tion oder Selbstinjektion infektiöser Substanzen) "normalen" Krankheiten. Daher ist es Der Patient fügt sich heimlich Schaden für den Arzt (v. a. wenn er gar nicht an zu und verschweigt auch anschließend t Hypoglykämien (heimliche Insulineinen Artefakt denkt!) oft schwer, die injektion) usw. die Selbstverletzung vor dem Arzt. künstliche Herbeiführung zu bemerken. Epidemiologie Artefaktpatienten versuchen immer Epidemiologie Die Prävalenz von Autoaggressionen Artifizielle Störungen kommen in bis zu 2% der Fälle bei allgemeinmediziniliegt in der Allgemeinbevölkerung bei unter I%. In bestimmten Gruppen finschen Patienten und bis zu 5% bei dermatologischen Patienten vor. Über 80% det man Autoaggression allerdings gedavon sind Frauen, oft sind sie auch in häuft, z. B. bei Essstörungen und Suchtmedizinischen Bereichen tätig oder Anerkrankungen, emotional instabilen PS gehörige medizinischen Personals. Der wie Borderline·Typ. Beginn artifizieller Verhaltensweisen liegt in frühen Entwicklungsstadien (PuPathogenese und Psychedynamik bertät oder frühes Erwachsenenalter) . Nach Scharfetter unterscheidet man: Das Münchhausen-Syndrom wird bei t Aggravation, d. h. die Darstellung etwa 10%der Patienten mit artifiziellen übertriebener, aber vorhandener SymStörungen gefunden und ist damit sehr ptome/ Simulation, also bewusstes Vorselten. täuschen von Krankheitssymptomen t Selbstschädigung aus Angst oder IchUntertypen Schwäche (durch die Autoaggression t Münchhausen-Syndrom: Wegen der entstehen hier eine Erleichterung und oft fantasiereichen Geschichten der Patiein Befreiungsgefühl) ente n zur Entstehung ihrer Krankheiten t Selbstschädigung als Bestrafung (= Pseudologia phantastica) wurde t Selbstschädigung als notwendige Lügenbarons Mönchhauder Name des Wahrnehmung der eigenen Exisgewäh lt. Im Gegensa tz zur Lüge sen tenz wird hier der unwahre Geha lt ihrer Get Selbstschäd igung als psychische Span- I Abb. 1: Schweres Artefakt na ch langer Missschichten i. d. R. nicht mehr realisiert. brauchse rtahrung in der Kindheit. nungsabfuhr. Die Selbstschädigung
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Psychosomatik
,~------------------------------------------------~~~~~~ Die Patienten versuchen durch eine eindrucksvolle Symptomschilderung selbst herbeigeführter oder nicht vorhandener Symptome, eine stationäre Aufnahme oder eine OP zu erreichen. Wenn ein Patient immer wieder versucht, den Chirurgen durch Darbietung ungewisser Krankheitszustände zu verunsichern und zu einer OP zu verleiten, spricht man auch von einer Mania operativa. Es liegt i. d. R. eine neurotische PS zugrunde, eine ausgeprägte Störung zwischenmenschlicher Beziehung zeigt sich in einem Mangel an sozialem Umfeld und führt auch immer wieder zum Wechseln des Krankenhauses. • Münchhausen by proxy: Diese Unterform des Münchhausen-Syndroms wird auch als Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom bezeichnet Hier fügen i. d. R. Eltern ihren Kindern Symptome zu und bringen sie dann zum Arzt Diese Form der Kindesmisshandlung kann bis zum Tod des Kinds führen. Meist wird das Kind stellvertretend benutzt, um eigene Bedürfnisse wie Zuwendung zu befriedigen.
Differentialdiagnostisich kommt die Simulation in Frage. Da diese Differenzierung oft sehr schwierig ist, kann eine nachgewiesene Komorbidität wie PS, posttraumatische Belastungsstörung, Süchte oder dissoziative Störungen den Hinweis auf Artefakte geben. Bei der Simulation wird bewusst eine Krankheit vorgetäuscht, um sich dadurch einen psychosozialen Vorteil (wie Beurlaubung, Rente usw.) zu verschaffen. Hier sind im Gegensatz zum Artefakt v. a. Männer betroffen.
Pathogenese und Psychodynamik
Therapie
Biographisch finden sich gehäuft traumatische Erlebnisse, wie sexueller Missbrauch. Der durch die Selbstverletzung provozierte ärztliche "Übergriff" durch die intensive Diagnostik oder OPs ist dann in gewisser Weise eine Fortsetzung der Traumatisierung. Die Opferrolle wird also aktiv gesucht (Viktimisierung). Artefaktpatienten inszenieren oft eine besondere Symptomatik, um teilweise angenehme Erfahrungen in der Kindheit durch Zuneigung bei einem früheren Krankenhausaufenthalt zu wiederholen. Meist sind sich die Patienten der Täuschung bewusst. Trotz dieses Wissens um die Selbstmanipulation können dissoziative (abgespaltene) Zustände des Bewusstseins dazu führen, dass der Patient selbst sich nicht mehr an die Entstehung erinnert und deshalb den Verdacht des Arzts diesbezüglich als zutiefst ungerecht empfindet
Grundsätzlich sollte man sich als Arzt auf mögliche psychische Probleme seiner Patienten einlassen und artifizielle Störungen als mögliche Differentialdiagnose berücksichtigen. Typischerweise idealisiert der Patient mit selbst induzierten Krankheiten den
Psychopathalogisch zeigen die Patienten oft ein unauffälliges Verhalten und vermeiden biographische Gespräche. Ein Kontrast zwischen der Gleichgültigkeit gegenüber weiterem Krankheitsverlauf oder Untersuchungsergebnissen und dem Wunsch nach Untersuchungen ist auffallend. Das Ausmaß tatsächlicher Hospitalisierung kann enorm sein, es wurden Patienten mit über 200 Krankenhausaufenthalten in 10 Jahren beschrieben. Differentialdiagnose
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Arzt und wertet ihn gegenüber den (früher konsultierten) Kollegen auf. Die Gefahr besteht darin, dass der Arzt dadurch besonders gut sein will und möglichst viele Untersuchungen vornimmt, um die Erkrankung zu heilen, was sehr im Interesse des Patienten liegt, der oberflächlich angepasst und kooperativ wirkt. Wird der Arzt mit der Zeit misstrauischer, reagiert der Patient aggressiv und ablehnend. Über einen Konfrontationsversuch ärgert der Patient sich, und häufig kommt es zu einer vom Patienten selbst arrangierten Entlassung. Dieser Verlauf wird dann in einem anderen Krankenhaus wiederholt. Eine schnelle Konfrontation des Patienten mit seiner Selbstmanipulation allein reicht therapeutisch nicht aus, und da er als Konsequenz meist nur den Arzt oder das Krankenhaus wechselt und alles wieder von vorn beginnt, sollte das artifizielle Verhalten ohne eine ausreichend stabile Vertrauensbeziehung nicht angesprochen werden! Der Aufbau von Vertrauen ist in der Arzt-Patienten-Beziehung umso wichtiger, auch um mit dem Patienten über eine Überweisung zum Psychosomatiker reden zu können (man spricht über mögliche psychosoziale Zusammenhänge, ohne das Artefakt direkt anzusprechen: "Ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß"). Ziel sollte eine psychodynamisch-psychoanalytische oder psychiatrische Therapie sein.
Zusammenfassung X Artefakte sind vom Patienten selbst herbeigeführte Krankheitserschei-
nungen. X Dem Arzt werden Symptome präsentiert, die heimlich selbst verursacht
wurden. X Durch Aufmerksamkeit des Arzts oder die Zuwendung während eines Kran-
kenhausaufenthalts werden Bedürfnisse des Patienten befriedigt. X Teilweise wird die Fortführung traumatischer biographischer Lebensereig-
nisse (körperliche/psychische Schädigung) mithilfe durchgeführter invasiver Untersuchungen und OPs auf den Arzt übertragen.
X Um die Chronifizierung solchen Verhaltens zu durchbrechen, ist ein lange begleitende, vertrauensvolle Arzt-Patier:~ten-Beziehung wichtig!
Psycheonkologie und Transplantation Psychoonkologie
Ein wichtiges Teilgebiet der Psychosomatik ist die Psychoonkologie. Sie beschäftigt sich mit Entstehung, Verlauf und Bewältigung von Tumorerkrankungen.
Krankheitsverlauf und -Verarbeitung
Einen scheinbaren Zusammenhang findet man in der Art der Krankheitsbewältigung (Coping) und der Überlebenszeit Ein aktives und hoffnungsvolles Coping-Verhalten, sei es Zupacken (" Ich werde jetzt einiges Beeinflussung psychischer Fakunternehmen, um die Krankheit zu toren der Krankheitsentstehung überwinden"), Auflehnung gegen die Eine psychische Beeinflussung bei der Erkrankung oder Verleugnung, führt Entstehung von Tumoren ist bis heute eher zu einer längeren Überlebenszeit nicht nachgewiesen, Patienten nehmen als eine negative Coping-Strategie, wie dies aber manchmal mit eigenen Schuld- passive Akzeptanz der Erkrankung und gefühlen an, die die Krankheitsverarbei- Behandlung, Resignation oder Selbsttung negativ beeinflussen! Psychische vorwürfe. Faktoren bei Tumorpatienten können sekundär gehäuft gefunden werden. Eine günstige Krankheitsverarbeitung Hier stehen wir wieder vor einem der (Coping) beinhaltet eine aktive Auseinangrundlegenden psychosomatischen dersetzung mit der Erkrankung, SinnProbleme. Denn die Frage, ob eine suche, soziale Unterstützung und eine gute, vertrauensvolle Arzt-Patienten-Begewisse psychische und dadurch beziehung. Ungünstige Coping-Formen sind dingte körperliche Vulnerabilität zur passive Hinnahme, soziale Isolation und Tumorentstehung führt oder aber Rückzug, Resignation, Hilf- und Hoffdurch die körperliche Erkrankung psynungslosigkeit. chische Folgeerscheinungen auftreten, bleibt ungeklärt. Auch die psychische Ausgangssituation Typische psychologische Einflussfaktound Ausgangspersönlichkeit des Patienren bei Tumorpatienten sind: ten und die ihm im Krankheitsverlauf t Introversion zur Verfügung stehende psychische Bet Neigung zu Anpassung und Selbstauf- arbeitungsfähigkeit sowie eine geringe/ opferung hohe soziale Unterstützung werden als t Hohe ethische Ansprüche Vorhersagewerte der Überlebenszeit t Mangelnde Selbstkritik und mangeln- angesehen. Eine Heilung ist je nach de Fähigkeit der Selbstbeobachtung eiKrebserkrankung mithilfe von Chemogener Erlebnisse und Verhaltensweisen und Immuntherapie in I 0% (beim Bront Wenig Aufgeschlossenheit für psycho- chialkarzinom) bis 80% (beim Chorionkarzinom) der Fälle möglich. logische Zusammenhänge t Belastende Lebensereignisse (Life Psychische und psychosomatische events wie der Tod einer wichtigen Komorbidität bei Krebskranken : Bezugsperson sind allerdings auch bei Psychische Störungen entwickeln anderen schweren Erkrankungen 35 - 85% aller Krebspatienten! nachweisbar) Angstzustände und depressive Vert Stress stimmungen treten im Sinne einer Anpassungsstörung am häufigsten auf. Gesundheitsschädigendes Verhalten Dabei spielen Krankheits- und Behandwie Rauchen, Alkohol und falsche Erlungsfolgen, Todesängste, körperliche nährung, welches ursächlich an der und soziale Verluste, Hilf- und HoffKrebsentstehung beteiligt ist, wird wiederum durch psychosoziale Belastungen nungslosigkeit eine große Rolle. Nicht selten kommt es zu ernsthaften beeinflusst. Außerdem können solche Partnerschaftsproblemen. Generell Belastungsfaktoren über endokrinoloreagieren Partner krebskra nker Patiengische, immunologische und genetische ten unterschiedlich; eine Frau versucht Veränderungen einen Einfluss auf die eher, ihren Mann zu unterstützen, wo Karzinogenese haben. es geht, während ein Mann meist grö-
ßere Schwierigkeiten mit der Krebserkrankung seiner Frau hat und es nicht selten zu einer Distanzierung oder Trennung komm t. Besondere Belastung bei chronischen Erkrankungen: Eine chronische Erkrankung ist i. d. R. irreversibel.
Sie schreitet mit langsamer Progredienz und ungewissem Verlauf fort. Die Zukunftsperspektive ist begrenzt. Der Patient ist in seinem Leben durch Hospitalisierungen und lang dauernde medizinische Abhängigkeit eingeschränkt. Seine körperliche Leistungsfähigkeit lässt nach. Hieraus entstehen auch besondere Belastungen für den behandelnden Arzt und das PflegepersonaL Sie sind ebenfalls mit einer unheilbaren Krankheit und dem Sterben konfrontiert. Emotionale und physische Rückschläge können den Sinn einer Therapie in Frage stellen . Der Arzt kann nach langjähriger Behandlung dabei selbst ein "Burn-out" (Ausbrennen) erleben. Hierunter versteht man eine körperliche und psychische Erschöpfung mit negativer Einstellung gegenüber dem Patienten und sich selbst. Wichtig sind daher ein guter Teamzusammenhalt, kollegiale Gespräche, Supervision oder eine BaHntGruppe. Man sollte sich einen persönlichen Ausgleich schaffen (wie Sport, Entspannung etc.) und Unsicherheiten durch Kompetenzerwerb (psychosomatische Grundversorgung) verringern. Therapie
Ziel einer Behandlung von Karzinompatienten ist primär die subjektive Lebensqualität, die immer im Vordergrund stehen sollte! Eine Kombination psychischer und somatischer Therapien hat einen gesicherten positiven Einfluss auf die Lebensqualität Eine emotionale Unterstützung wird von 80% der Patienten gewünscht und hilft nachgewiesenermaßen, psychische Folgestörungen sowie Nebenwirkungen einer Chemooder Radiotherapie zu verringern. In diesem Zusammenhang muss die Frage geklärt werden, ob eine kurative Therapie, die eine umfassende medizinische Diagnostik und radikale Therapie erfordert, angestrebt wird oder eine pallia-
Psychosomatik
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tive Behandlung mit Begleitung des Palienten bis zum Tod sinnvoller ist. Psychotherapeutische Maßnahmen führen bei einzelnen Krebsarten (wie z. B. beim malignen Melanom nachgewiesen) zu einer deutlichen Verlängerung der Überlebensze it und sind daher anzuraten. Der behandelnde Arzt sollte den Patienten sensibel, aber ehrlich und deutlich über dessen Erkrankung aufklären und über mögliche Behandlungswege beraten. Die Auseinandersetzung des Patienten, v. a. in einem späteren Krankheitsstadium, mit Sterben und Tod sollte vom Arzt berücksichtigt und nicht nur den "Psychofachmännern" überlassen werden.
Die Auseinandersetzung mit Sterben und
Transplantation ist eine intensivmedizinische Maßnahme, die beim Patienten eine gewisse körperliche und psychische Stabilität voraussetzt Die Information des Patienten, dass eine Transplantation für sein Überleben erforderlich ist, ruft in ihm verschiedene und vom Zeitverlauf abhängige Gefühle wie Angst, Hoffnung auf ein Organ, Schuld- und Schamgefühle gegenüber dem Spender oder depressive Symptome hervor. Man kann den Verlauf einer Transplantation in sechs Phasen einteilen (I Tab. 1). Eine Transplantation ist rechtlich durch das Transplantationsgesetz (TPG) geregelt. Aufgrund der in Deutschland geringen Bereitschaft zur Organspende nach festgestelltem Tod werden v. a. bei Familienmitgliedern auch zunehmend Lebendspenden vorgenommen. Am häufigsten sind hier Nierentransplan-
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tationenvon Eltern dialysepflichtiger Kinder und die Transplantation eines Leberteilresektats von einem Familienmitglied. Bei entsprechender Gewebeverträglichkeit (Histokompatibilität) kann seit 1997 eine Lebendspende von "Verwandten ersten und zweiten Grades, Ehegatten, Verlobten oder anderen Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen" vorgenommen werden. Aus dieser Situation heraus sind verschiedene ethische Konfliktsituationen denkbar, wie eine angebliche Spendewilligkeit aus anderen Beweggründen. Das TPG schreibt daher eine psychosomatische Evaluation sowie eine Untersuchung und Aufklärung des Spendewilligen durch zwei unabhängige Ärzte vor.
Tod ist für jeden behandelnden Arzt eine
menschliche Herausforderung.
Wichtig für die Behandlung sind Kenntnisse der Sterbephasen, die von KühlerRoss in die Medizin eingeführt wurden. Diese sind: t Nicht-wahrhaben-Wollen und Isolierung t Zorn t Verhandeln t Depression t Zustimmung Die Phasen folgen nicht zwangsläufig aufeinander, und nicht alle Patienten durchlaufen alle Phasen, aber die Kenntnis ist hilfreich, um den Krebspatienten in seiner derzeitigen Stimmung jeweils zu verstehen! Im Rahmen einer psychosomatischen Grundversorgung kann der behandelnde Arzt Bewältigungsstrategien und Entspannungsprogramme vermitteln. Da, wie oben beschrieben, auch der Partner einer psychischen Belastungssituation gegenübersteht, soll ten Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.
1. Phase der Mitteilung 2. Phase der Empfängerauswahl 3 . Phase der Wartezeit
Angst, depressive Verstimmung ~ Schock ~ Verleugnung Der Patient muss von der Transplanta tion profitieren, soziale stabile Integration wi chtig Oft schwerste Zeit für den Patienten und Angehörige, mit der Befürchtung, nicht mehr "rechtzeitig- ein Organ zu erha lten
4 . Phase: kurz nach der Transplantation 5. Phase: längere Zeit nach
Bei etwa 50%delirante Durchgangssyndrome, medizinische Komplikationen (Abstoßung), Konzentration auf das Überleben Evtl. treten plötzlich Ängs te und Depressionen als posttraumatische Reaktionen auf
der Transplantation 6 . Phase: poststationär
Alltagskonflikte müssen wieder bewältigt werden, was öfter schwieriger ist als zuvor Nebenwirkungen der Immunsuppressiva (Gewichtszunahme, vermehrte Behaarung)
I Tab. 1: Die sec hs Phasen der Transplantation.
Zusammenfassung X Die Psychoonkologie beschäftigt sich mit dem Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Entstehung, den Verlauf und die Bewältigung (Coping) einer Krebserkrankung. Die ursächliche Beeinflussung JilSychosozialer Faktoren bei der Karzinogenese kann bisher nur vermutet werden. Hingegen gibt es eindeutige Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen psychosozialer Stabilität, positiven Coping-Strategien und dem Krankheitsverlauf. X Bei der Krebsbehandlung steht immer die subjektive Lebensqualität des Patienten im Mittelpunkt. X Eine Organtransplantation ist ein körperlich und seelisch belastendes Er-
Transplantation
eignis für den Empfänger (und bei Lebendspenden auch für den Spender).
Das am häufigsten transplantierte Organ ist die Niere (75 %der Transplantationen), gefolgt von Leber und Herz. Die
Psychosoziale und ethische Dimensionen sollten hier in jedem Fall mit berücksichtigt werden .
Übersicht Psychotherapie in Deutschland Psychotherapieeine Definition
Die Psychotherapie ist eine Krankenbehandlung bei seelisch bedingten Krankheiten, Beschwerden oder Störungen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens. Sie nimmt Bezug auf theoretisch begründete und empirisch gesicherte Theorien zur Entstehung, Heilung und Behandlung von psychisch bedingten Krankheiten und Störungen und wird unter Zuhilfenahme qualifizierter Diagnostik und Differentialindikation mittels wissenschaftlich begründeter psychotherapeutischer Verfahren
durchgeführt. Überblick
In Deutschland werden zurzeit als ambulante Therapien von den gesetzlichen Krankenkassen die TFP, die analytische Psychotherapie und die Verhaltenstherapie sowie bestimmte Entspannungsverfahren bezahlt. Andere Therapieverfahren, wie die systemische Familientherapie, die nondirektive Gesprächstherapie, diverse Körperpsychotherapien usw., müssen ambulant selbst gezahlt werden. Sie werden jedoch in psychosomatischen oder psychiatrischen Kliniken im Rahmen umfassender Behandlungsprogramme eingesetzt. Die Anerkennung der Psychotherapieverfahren beruht auf dem Vorliegen wissenschaftlich gesicherter Therapiestudien, die bei den nicht übernommenen Therapieverfahren bisher noch nicht vorgelegt werden konnten.
Oie TFP, die analytische Psychotherapie und die Verhaltenstherapie werden von den gesetzlichen Krankenkassen als ambulante Therapien bezahlt.
1999 wurde das "PsychotherapeutenGesetz" verabschiedet, welches die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" gesetzlich festlegt und definiert. Psychotherapeutisch arbeiten können demnach nur Ärzte und Psychologen, die eine gesetzlich geregelte Ausbildung (3 Jahre in Vollzeit oder 5 Jahre in Teilzeit) an
dazu ermächtigten Weiterbild ungsstätten absolvieren. Die Ausbildung zum Psychotherapeuten ist eine mehrjährige Weiterbildung, die 1200 h Theorie, praktische Ausbildung, Selbsterfahrung und Supervision durch erfahrene Psychotherapeuten beinhaltet. Nach Abschluss erhalten sie eine Approbation und eine (bedarfsabhängige) Kassenzulassung. Auch Psychologen sind somit Mitglieder der regionalen kassenärztlichen Vereinigungen und folglich den ärztlichen Psychotherapeuten gleichgestellt. In der Kinder- und Jugendlichentherapie ist diese Ausbildung auch für Pädagogen und Sozialpädagogen mit einer damit verbundenen "ärztlichen Approbation" möglich. Es gibt drei Möglichkeiten der Weiterbildung des Arztes in Psychotherapie: t Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie:
5-jährige Teilnahme an entsprechenden Curricula innerhalb und außerhalb der psychiatrischen Institutionen t Weiterbildung zum Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie: mind. 3-jährige
Weiterbildung in Psychosomatik und Psychotherapie, zusätzlich 1 Jahr Psychiatrie und 1 Jahr Innere Medizin, Selbsterfahrung außerhalb der weiterbildungsermächtigten Institution ~ Weiterbildung zum Erwerb der Zusatzbezeichnung "Fachgebundene Psychotherapie" oder "Psychoanalyse": steht allen Fachärzten offen,
berufsbegleitendes 3- bis 5-jähriges Curriculum Zudem können alle Ärzte eine Weiterbildung in der "Psychosomatischen Grundversorgung" mit einem ca. 80-stündigen Curriculum durchlaufen, das sie befähigen soll, psychosomatische Probleme in der Praxis und Klinik zu erkennen. Dies ist jedoch keine "Richtlinienpsychotherapie". Darüber hinaus können praktizierende Ärzte in BaHntGruppen Probleme im Umgang mit und in der Beziehung zu ihren Patienten erkennen, gemeinsam im Austausch mit Kollegen erarbeiten und so eine gewisse psychotherapeutische Kompetenz erwerben. Meist besteht eine solche
Gruppe aus ca. zehn Ärzten und einem speziell ausgebildeten Leiter, die sich wöchentlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren treffen. Etwa I 0% aller klinisch tätigen Ärzte nehmen an solchen Balint-Gruppen bzw. Qualitätszirkeln teil. Fakten und Zahlen
In Deutschland arbeiten zurzeit (2007) ca. 18 500 niedergelassene Psychotherapeuten. Ambulante Therapien können einen Rahmen von ca. 25 h (verhaltenstherapeutische Kurzzeittherapie) bis zu 300 h (psychoanalytische Langzeittherapie) umfassen. Etwa 300 000 Patienten pro Jahr nutzen dieses ambulante Behandlungsangebot 400 000 Patienten jährlich bedürfen einer stationären psychotherapeutischen Therapie, meist in Kliniken und in
der medizinischen Rehabilitation (ca. 6000 Betten in Deutschland). Zusätzlich werden Psychotherapien in sozialen Beratungsstellen (v. a. EhePaar- und Familientherapie), Ambulan: zen und Tageskliniken angeboten. Nach den Ergebnissen des BundesGesundheitssurveys (2004) erkrankt in Deutschland etwa jeder dritte Erwachsene im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung. Aus eigener Initiative begeben sich allerdings nur ca. 3% der Erkrankten in Behandlung. Verdrängung und Angst vor Stigmatisierung sind u. a. die Ursache für diese erschreckenden Zahlen. Außerdem wird ein Großteil der Fälle vom Hausarzt nicht richtig diagnostiziert. Von denjenigen Patienten, bei denen eine psychische Störung erkannt wird, sind wiederum nur ca. 60% motiviert eine Psychotherapie in Anspruch zu ' nehmen. I Abbildung I zeigt die häufigsten psychischen Störungen, mit denen Patienten den Hausarzt, meist die erste Anlaufstelle, aufsuchen. Insgesamt sind Frauen häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als Männer; eine Ausnahme bilden die Suchterkrankungen. Angststörungen und somataforme Störungen kommen bei Frauen sogar doppelt so häufig vor wie bei Männern.
Psychotherapie
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/~----------------------------------------------~~~~~ I Abb. 1: Psychische Erkrankungen in hausärztlichen Praxen. [51
Depression (aktuell)
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toleranz. Erfährt der Patient durch
seine Erkrankung oder vermeintlich "körperlichen" Symptome einen sekunSchädlicher GebrauchJ----,..1 dären Krankheitsgewinn, z. B. in von Alkohol Alkoholabhängigkeit Form von Mitleid, Zuwendung oder sozialen Vorteilen wie ArbeitsunfähigSomatisierungsstörung keit oder Rentenanspruch, kann dies Dysthymie den Therapieverlauf negativ beeinflussen. Agoraphobie mit Panik Auf Therapeutenseite müssen ebenfalls Hypochondri e gewisse Voraussetzungen gewährleistet Agoraphobie ohne Panik sein. So spielen im Verhalten gegenüber lmgesarnt-J=~~~~F!!!2!!~~~~~_j__ ___j dem Patienten wertfreies Akzeptie0 5 10 15 20 25 30% ren des Patienten, Empathie, Zuwendung und Echtheit (Authentizität) des Verhaltens eine wichtige Rolle Allgemeines (s.a. S. 86). in vielen Fällen dem tatsächlichen Allgemein gelten folgende Erkran"Leidensdruck" des Patienten. Ein Das erste eigentliche Psychotherapiekungen als absolute Indikationen für Mindestmaß an Konfliktbereitschaft verfahren entwickelte Sigmund Freud bzw. eine gewisse Frustrationstoleranz eine Psychotherapie: Ende des 19. Jh., seine sog. Redekurmuss ebenfalls gegeben sein. Die Fähig- t Psychogene, psychoreaktive, "neurodie Psychoanalyse auf der Basis von bis keit zur Einsicht (Introspektionsfähig- tische" Störungen (Angsterkrankungen, Zwangsstörungen, Phobien, Depressiodahin bereits angewendeter Hypnothekeit) und zur kritischen Selbstprüfung rapie (Charcot). Seitdem hat sich die (Reflexionsfähigkeit) sowie Ausdauer nen) Psychotherapie in viele verschiedene und Beziehungsfähigkeit sind weitere t Funktionelle, psychosomatische Störungen (somatoforme Störungen) Richtungen und "Schulen" entwickelt Voraussetzungen, um einen konstrukt Organische Erkrankungen mit sekunund basiert heute im Rahmen eines inte- tiven Therapieverlauf gewährleisten zu dären psychischen Veränderungen grierten Gesamtbehandlungsplans auf können. [somatopsychische Störungen) drei Säulen, immer auf dem Boden der Ungünstig für den Erfolg einer Psycho• PS Arzt-Patienten-Beziehung (ärztliches therapie sind Komorbiditäten, AbhänGespräch): gigkeit und mangelnde Frustrations- t Suchterkrankungen und Essstörungen t Biologisch-somatisches Therapieverfahren (Psychopharmakotherapie) t Psychotherapie t Soziotherapie Generalisierte Angststörung·-j:;-::::::;;;J:.;;:;;:-1 Neurasthenie
Natürlich sind Art und Schwere der Erkrankung ausschlaggebend dafür, wo der Behandlungsschwerpunkt liegt. In der Psychosomatik spielt die Psychotherapie allerdings die ausschlaggebende Rolle. Es gibt jedoch mehrere Arten, die sich inhaltlich unterscheiden lassen: t "Zudeckende", stützend-"supportive" Psychotherapie t "Aufdeckende" Psychotherapieverfahren (beides tiefenpsychologisch fundiert oder psychodynamisch genannt) t Experimentell-lernpsychologische Therapieverfahren (Verhaltenstherapie) Um eine Psychotherapie erfolgreich durchführen zu können, muss auf Patientenseite eine ausreichende Therapiemotivation vorliegen. Dies entspricht
Zusammenfassung ~
Definition der Psychotherapie: Die Psychotherapie ist eine Krankenbehandlung, die bei seelisch bedingten Krankheiten auf dem Boden empirisch gesicherter Theorien mittels wissenschaftlich begründeter psychotherapeutischer Verfahren durchgeführt wird.
X Auf dem Boden des Psychotherapeuten-Gesetzes können nur Ärzte und Psychologen, die eine gesetzlich geregelte mehrjährige Ausbildung absolviert haben, psychotherapeutisch arbeiten. X Zurzeit werden in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen die TFP, die analytische Psychotherapie und die Verhaltenstherapie als ambulante Therapien bezahlt. X Psychische Erkrankungen sind h~ufig. So erkrankt in Deutschland etwa jeder dritte Erwachsene an einer psychischen Störung. Aus eigener Initiative werden aber nur ca. 3% adäquat behandelt. Der Hausarzt ist für die meisten Patienten die erste Anlaufstelle.
Psychoanalytische Behandlungsverfahren I Defin ition Die heutigen psychoanalytischen (psychodynamischen) Therapieverfahren umfassen zwar verschiedene Therapierichtungen und "Schulen", basieren jedoch nach wie vor auf den Erkenntnissen Sigmund Freuds (s. u.). Neurosen entstehen demnach durch eine Reaktivieru ng ungelöster, verdrängter frühkindlicher Konflikte, ausgelöst durch eine "Versuchungs- und Versagenssituation". Die psychoanalytische Behandlung strebt Konfliktbearbeitung und -bewältigung an und führt so letztendlich zu einer Nachreifung der Persönlichkeit.
Anspruch der psychoanalytischen Therapieverfahren ist es, nicht nur die Symptome, sondern auch die Störung selbst zu behandeln, frei nach dem Credo: "Erkenne dich selbst!" Ursprung Ihren Ursprung haben die psychoanalytischen Therapieverfahren in der von Sigmund Freud (I 856-1939) Ende des I 9. Jh. entwickelten klassischen "Redekur". Mithilfe dieser Behandlung, in der die Patienten, auf der berühmten Couch (I Abb. I) liegend, "freie Assoziationen" äußern sollten, wollte Freud unbewusste Triebkonflikte reaktivieren und anschließend deuten. Inzwischen haben sich aus dieser Methode verschiedene Therapieverfahren entwickelt. Gemeinsam ist allen jedoch die Wende von Triebkonflikten zu Beziehungsmustern und -konflikten als Ursache psychischer Störungen. Probleme des Selbstwertgefühls und in den Interaktionen des Patienten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen. Die verschiedenen psychoanalytischen Behandlungsverfahren stützen sich heute außerdem zunehmend auf die Erkenntnisse der Säuglingsforschung (der Säugling als kommunizierendes und soziales Wesen), der Bindungstheorie (J. Bowlby} und der modernen Neurowissenschaften (Gehirnforschung). Die Bindungstheorie besagt, dass Bindungsstilehauptsächlich in der frühen Kindheit durch die Beziehung zur Mutter geprägt werden und Bindungsstörungen als Grundlagen seelischer Störungen anzusehen sind. Die modernen Neurowissenschaften weisen wesentliche Prägungen neuronaler Netzwerke ebenfalls in der frühen Kindheit auf.
I Abb. 1: Die berühmte Couch von Sigmund Freud. [2]
t Der Konflikt-, Selbst- und Objektpsychologie (s. S. 8 ff.) t Der Theorie der Übertragung und Gegenübertragung sowie Analyse dieser Phänomene (s. u.)
Modell e Modell der Übertragung und Gegenübertragung: Die
Theorie der Übertragung und Gegenübertragung spielt eine zentrale Rolle für die psychoanalytischen Behandlungsverfahren . ln der Kommunikation jeder menschlichen Interaktion findet ebenso wie in der Therapie automatisch eine Übertragung vonseilen des Pa tienten statt, indem er unbewusst Erwartungen an den Therapeuten richtet, die aus Erfahrungen mit früheren Bezugspersonen stammen. Es ist Aufgabe des Therapeuten, diese Übertragung zu erkennen und gezielt mit ihr zu arbeiten, z. B. indem er die in ihn hineinprojizierte Vaterrolle (bzw. Mutter-, Geschwister-, Partner- oder Freundesrolle) annimmt, um aus dieser Position unbewusstes Material zu aktivieren. Auch die Gegenübertragung, also die Gefühle und Einstellungen, die ein Patient beim Therapeuten auslöst, kann dieser gezielt für die therapeu tische Arbeit nutzen und z. B. zur Diagnostik verwenden. Strukturmodell der Seele: Freud postulierte die drei Instanzen der Persönlichkeit: das Es, welches Triebimpulse beinhaltet, das Ich, welches eine Entscheidungsinstanz nach dem Realitätsprinzip darstellt, und das Über-Ich, die sog.
Grundannahme Psychoanalytische Behandlungsverfahren gehen von mehreren Grundannahmen aus, z. B.: t Der Psychologie des Unbewussten, also der Annahme, dass moralische und elterliche Instanz (s. S. 2 ff. }. psychische Störungen und bestimmte körperliche Symptome aus unbewussten, verdrängten Konflikten entstehen, die reak- Stufenmodell psychosozialer Entwicklung: Freud beschrieb die Entwicklung der menschlichen Grundbed ürfnisse tiviert werden. Symptome entsprechen Lösungsversuchen in mehreren Entwicklungsphasen, die jeder Mensch durchbzw. misslungenen Verarbeitungsversuchen dieser Konflikte läuft. Traumatisierungen in den einzelnen Phasen führen zu (Defizit(Konfliktmodell, s. S. 4 ff. ). Entwicklungsdefizite modell) und traumatische Erlebnisse (Traumamodell) spie- phasenspezifischen neurotisc hen Störungen. Es wird von fo lgenden Phasen ausgegangen (s. a. S. 24): len zusätzliche Rollen. t oral-se nsorische Phase (I. LJ) t Dem Persönlichkeitsmodell nach S. Freud (s. S. 2 ff.) anal-muskuläre Phase (2. und 3. LJ) t t Der psychoanalytischen Entwicklungstheorie (s. S. 24) phallisch-ödipale Phase (4. und 5. LJ) t t Verschiedenen Abwehrmechanismen (s. S. 6 ff. )
Psychotherapie
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Latenzphase (6. LJ bis Pubertät) ~ Pubertät und Adoleszenz
Das klassische Behandlungssetting beeiner Wiederbelebung infantiler steht aus einem Couch-( manchmal Gefühle (Regression) gegenüber pri· auch Sessel· )Arrangement. Die Position mären Bezugspersonen (insbesondere Techniken/Methoden den Eltern) und einer Übertragung die· des Analytikers außerhalb des Blickfelds des Patienten soll dessen freie AssoDen psychoanalytischen Behand lungs· serGefühle auf den Analytiker. Zudem ziation fördern, eine entspannte Situaverfahren können heute drei Verfahrens· können sich unbewusste Widerstände tion herstellen und dem Analytiker eine gruppen zugeteilt werden: gegen die Wahrnehmung des zuvor gleichschwebende Aufmerksamkeit ~ Klassische Psychoanalyse verdrängten Materials und den Thera· erleichtern. ~ Analytische Psychotherapie peuten entwickeln . Die Bearbeitung Zu Beginn der analytischen Behandlung ~ Psychodynamische Psychothedieser Widerstände im Rahmen der dient die sog. tiefenpsychologische rapie (TFP) Widerstandsanalyse spielt in der Anamnese bzw. das psychoanalytiTherapie eine wichtige Rolle. sche Erstinterview als diagnostisches Diese Gruppen unterscheiden sich und prognostisches Instrument. Hierbei nach Therapiedauer, Behandlungs· wird im Besonderen auf die biographifrequenz, Art des Behandlungssettings, Widerstands- und Übertragungsanalyse sind die Kernelemente der klassischen schen Daten, ihren subjektiven ZusamBehandlungszielen und Merkmalen Psychoanalyse. menhang, Beziehungsaspekte und deren der psychotherapeutischen Technik Dynamik (Übertragung, Gegenübertra(I Tab.!). gung, Widerstand) geachtet. GleichzeiEhemals verdrängte Probleme müssen tig wird ein Arbeitsbündnis zwischen Klassische Psychoanalyse: Die klas· in verschiedenen Alltagssituationen Patient und Therapeuten gebildet. Für durchgearbeitet und ihre Bewältigung sische Psychoanalyse, wie sie von Siggeübt werden, um neue Erfahrungen in den Analytiker gilt, dass er eigene Meimund Freud, von der Erkrankung der nungen nicht äußert und außerhalb Hysterie ausgehend, entwickelt wurde, die Persönlichkeit integrieren zu könder Therapie keinen Kontakt zum will die unbewusste Persönlichkeit, ihre nen. Patienten oder zu Angehörigen unter· Ziele der Behandlung sind die AuflöKonflikte und deren lebensgeschicht· hält (Abstinenzregel). Laut Freud soll entstandener Übertragungsneusung liehe Verarbeitung erforschen und dem der Analytiker eine "Spiegelhaltung" rosen (Neurosen, die nach Freud in der bewussten Ich (Persönlichkeitsmodell einnehmen, also undurchsichtig für den nach Freud, s. S. 2ff.) des Patienten ver- Lage wären, die sog. Übertragung in der Patienten sein und nur das widerspie· fügbar machen. Therapie auszubilden: Hysterie, phobigeln, was ihm geboten wird. Die Hauptsche Neurosen, neurotische Depression, Unbewusst gewordene konflikthafte aktivität des Analytikers besteht in der Beziehungserfahrungen werden vom Zwangsneurosen) und letztendlich eine Patienten emotional und lebendig in der strukturelle und dauerhafte Umstruk- Deutung der freien Assoziationen, des Widerstands und der Übertragungen des gegenwärtigen therapeutischen Bezie· turierung der Persönlichkeit des Patienten. hung inszeniert. Hierbei kommt es zu Patienten. ~
Klassische Psychoanalyse
Analytische Psychotherapie
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Frequenz
3- 4 pro Woche, unbegrenzt
2-3 pro Woche, ca. 200-300 h
1 - 2 pro Woche, ca. 25- 80 h
Setting
Couch-(Sessei-)Arrangement
Couch-Sessel-Arrangement
Face-ta-face-Arrangement
Dauer
2-4 Jahre
2 - 3 Jahre
I -3 Jahre
Ziele
Um strukturierung der Persönlichkeit
Strukturelle Veränderungen
Reifere Verarbeitungen und Manifestationen unbewusster Konflikte in aktuellen Lebensumständen
I
Tab . 1: Übers icht der versch iedenen psychoanalytischen Behandlungsverfahren.
Psychoanalytische Behandlungsverfahren II Techniken/Methoden (Fortsetzung) Analytische Psychotherapie : Die analytische Psychotherapie wurde durch Freuds Schüler C. G. Jung aus der
klassischen Psychoanalyse abgeleitet und wird heute in unterschiedlichen Verfahren unabhängig von der speziellen Psychoanalyse Jungs angewandt: t Langzeittherapie: Die analytische Langzeittherapie stellt eine Einzelbehandlung dar, bei der sich im Vergleich zur klassischen Psychoanalyse Patient und Therapeut gegenübersitzen und die alltäglichen Konflikte des Patienten stärker in die Therapie mit einbezogen werden. Gesellschaftliche Beziehungen, Lebensstilanalyse, produktives Gestalten und Symboldeutung spielen u. a. eine wichtige Rolle. Der Patient soll seine inneren produktiven Kräfte im Sinne eines Nachreifungsprozesses mobilisieren. t Kurztherapie: Die Kurztherapie spielt insbesondere bei Kriseninterventionen eine Rolle mit dem Ziel der raschen Unterstützung und emotionalen Entlastung (stützender Therapieansatz) des Patienten. Als Therapieprinzipien gelten rasche Verfügbarkeit, Begrenzung der Therapieziele, kurze Therapiedauer und das Verbleiben im Hier und Jetzt Zu den Behandlungstechniken gehören Stützen, Beraten, Klären und Konfrontieren. Die Dauer der Behandlung beträgt ca. 25-40 h. Im Anschluss an eine Kurzzeittherapie muss geprüft werden, ob der Patient einer weiteren (ambulanten) Langzeittherapie oder sonstiger sozialer Unterstützung bedarf. t Fokaltherapie: Bei der Fokaltherapie dreht sich die Behandlung fast ausschließlich um einen bestimmten, vorher genau definierten Konflikt (z. B. Partnerschaftskrise), es wird also unter Aussparung weiter greifender Konfliktthemen ein Fokus festgelegt Die Behandlungsdauer umfasst etwa 15-40 Sitzungen. t Analytische Gruppentherapie: Im Rahmen der analytischen Gruppentherapie werden gezielt Interaktionen zwischen einzelnen Gruppenteilnehmern untereinander sowie zwischen der Gruppe und dem Therapeuten beobachtet und interpretiert Es soll ein produktiver Gruppenprozess in Gang gesetzt werden, um auf entstehende Übertragungen, Gegenübertragungen und Widerstände eingehen zu können und mit ihnen zu arbeiten. Die Gruppe an sich stellt zudem ein wichtiges therapeutisches Werkzeug dar und kann verschiedene psychotherapeutische Aufgaben übernehmen. So kann sie z. B. einen supportiven Einfluss auf den Patienten haben und ihm Hoffnung vermitteln, wie auch umgekehrt der Patient altruistisch wirken und so sein Selbstwertgefühl steigern kann. Der Patient kann durch die Gruppe wichtige Rückmeldungen erhalten und anhand der Modellfunktion anderer Gruppenteilnehmer positive Verhaltensweisen übernehmen. Häufig ist auch die Einsicht bezüglich eigener Konflikte in der Gruppe leichter zu erlangen als in der Einzeltherapie.
ln diese Verfahren sind Ansätze aus Nachbarwissenschaften wie der Sozialpsychologie und der Soziologie eingegangen_ Ziele der analytischen Psychotherapie sind die strukturelle Veränderung des Patienten, die Auflösung pathologischer Konflikte und das Anstreben reiferer Konfliktlösungen. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TFP)/ psychodynamische Therapie: Die TFP fasst folgende
Behandlungsverfahren zusammen: t TFP von mittlerer Dauer (Kurztherapie, Gestalttherapie): Bei dieser Therapie stehen unbewusste aktuelle Kon-
flikte im Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit. Übertragungs- und Widerstandsanalysen sollten sich möglichst nur auf den umschriebenen Konflikt beziehen, und regressiven Tendenzen des Patienten sollte entgegengesteuert werden. Die Therapiedauer umfasst 25 - 40 Sitzungen. t Supportive Psychotherapie: Diese Therapieform entspricht einer stützenden, "zudeckenden" Behandlung im Rahmen einer Kurzpsychotherapie. Die Anteilnahme und der Zuspruch des Therapeuten spielen hier eine wichtigere Rolle als "aufdeckendes" therapeutisches Arbeiten. Der Patient soll vorrangig stabilisiert und entlastet werden. t Tiefenpsychologisch fundierte und psychoanalytischinteraktionelle Gruppentherapie
t Andere Verfahren mit geringfügigen Unterschieden Die in der Gegenwart und im alltäglichen Lebensumfeld des Patienten auftretenden abgeleiteten Konflikte und Manifestationen von Entwicklungsstörungen, insbesondere aus seinen aktuellen interpersonellen Beziehungen heraus, werden vom Psychotherapeuten bearbeitet und gedeutet. Insgesamt spielt dieser eine aktivere und strukturiertere Rolle als in der Psychoanalyse, eine stützende Behandlungstechnik ist wichtig. Die klassischen psychoanalytischen Phänomene wie Übertragung und Widerstand sind zu vernachlässigen. Das Behandlungssetting besteht am häufigsten aus einem Face-to-face-Arrangemen t. Ziele der psychodynamischen Therapie sind die Symptomverringerung und -auflösung, keine Veränderung der Cesamtpersönlichkeitsstruktur wie in der Psychoanalyse. Im Vergleich dazu werden Regression oder Übertragungsneurosen in dieser Therapieform begrenzt. Es geht eher darum, unbewusste Übertragungen in der therapeutischen Beziehung bewusst zu erleben und auf Beziehungen im Alltag zu übertragen . So kann der Patient aus der Beziehung zum Therapeuten neue, korrektive emotionale Erfahrungen sammeln.
Psychotherapie
Indikationen
t Klassische Psychoanalyse: Die Indikation stellt sich bei neurotischen Erkrankungen, insbesondere Symptomneurosen, und den PS. Voraussetzung für eine Psychoanalyse sind ausgeprägter Leidensdruck, hohe Therapiemotivation, ausreichende lntrospektionsfähigkeit und Ich-Stärke. Es erfordert breite klinische Erfahrungen, um beurteilen zu können, in welchen Fällen eine klassische Psychoanalyse hilfreich und unter welchen Umständen sie auch schädlich sein kann. In universitären Psychotherapieambulanzen werden in ca. 2-5% Indikationen für eine solche Form von Psychotherapie gestellt. t Analytische Psychotherapie: Sie wird bei Patienten angewandt, bei denen ein akutes Krankheitsgeschehen als Folge eines umschriebenen unbewussten Konflikts vorliegt. Solche umschriebenen unbewussten Konflikte sind z. B. Trennungs-
80
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Situationen, die zur Aktualisierung früherer traumatischer Trennungserfahrungen führen, so mobilisiert werden und in depressiven Verarbeitungen resultieren. Aber auch biologische Veränderungen, wie z. B. eine depressive Entwicklung durch hormonelle Umstellung in der Menopause bei Frauen, können eine Indikation sein. Die analytische Psychotherapie verlangt eine relativ stabile Persönlichkeitsstruktur des Patienten. t TFP: Sie ist bei Patienten indiziert, bei denen eine Umstrukturierung der Persönlichkeit (klassische Psychoanalyse) während der Behandlung nicht erforderlich oder nicht möglich ist. Sie ist daher zum einen bei Patienten mit umschriebenen Problemen, zum anderen aber auch bei Patienten mit schweren PS und chronifizierten neurotischen Beeinträchtigungen anwendbar. Patienten mit psychotischen Episoden können ebenfalls profitieren.
Zusammenfassung X Die psychoanalytischen Therapieverfahren streben Konfliktbearbeitung unbewusster intrapsychischer Konflikte an und führen so letztendlich zu einer Nachreifung der Persönlichkeit. Ihren Ursprung haben sie in der von Sigmund Freud entwickelten klassischen .. Redekur". X ln ihren Grundannahmen stützen sich die psychoanalytischen Behandlungen u. a. auf das Modell der Übertragung und Gegenübertragung, das Strukturmodell der Seele und das Stufenmodell psychosozialer Entwicklung. X Es gibt heute drei Verfahrensgruppen psychoanalytischer Behandlungen: - Klassische Psychoanalyse, deren Kernelemente Übertragungs- und Widerstandsanalysen sind, möchte eine Wiederbelebung infantiler Gefühle (Regression) zur therapeutischen Nutzung bewirken. Ziel ist eine dauerhafte Umstrukturierung der Persönlichkeit. Die Frequenz beträgt drei bis vier pro Woche in einem Couch-Sessel-Arrangement über einen Zeitraum von mehreren Jahren. - Analytische Psychotherapie kommt in Form von Langzeittherapie, Kriseninterventionen oder Gruppentherapien zum Einsatz. Ihr Ziel ist, strukturelle Veränderungen beim Patienten in einem Rahmen von 2- 3 h pro Woche über 2- 3 Jahre zu bewirken. - Psychodynamische (tiefenpsychologisch fundierte) Psychotherapie fokussiert auf aktuelle interpersonelle Beziehungen mit dem Ziel einer reiferen Verarbeitung unbewusster Konflikte in aktuellen Lebensumständen. ln einem Face-to-tace-Arrangement werden 1 - 2 h pro Woche in einem Zeitraum von 1 - 3 Jahren abgehalten.
Verhaltenstherapie I (kognitiv-behaviorale Therapie) Definition Die Verhaltenstherapie stellt eine Gruppe vo n Behandlungsform en dar, die der Lernforschung entspringe n und auf experimental psychologischen Erkenntnissen basieren. Sie befasst sich mit den auslösenden und aufrechterhaltenden Fakto ren einer Störung und ist zielund handlungsorientiert. Sie soll eine "Hilfe zur Selbsthilfe" für den Patienten darstellen und weist, trotz der kürzeren Behand lungsdauer im Vergleich zu anderen Psychotherapieverfahren, bei Patienten mit Angsterkran kungen, Depressionen und Zwangserkrankungen sehr hohe Erfolgsquoten auf.
könn en "falsc h" gelernte Verhaltensweisen umgelernt und nicht gelerntes Verhalten neu erlernt werden. Ein strukturiertes und nachvollziehbares Therapiekon zept soll dem Patienten dabei eine Hilfe sein . Modelle Modelle menschlichen Verhaltens zeigt I Tabelle l (s. a. S. II , I Abb. 2). Das klassisch-lineare Modell der Ve rhaltenstherapie (horizontale Verhaltensanalyse) dient der Erläuteru ng des menschlichen Verhaltens und ist für di e Diagnostik und aktuelle Verhaltensanalyse in der Verhaltenstherapie grundlegend.
Ursprung Die modern e Verhaltenstherapie hat ihren Ursprung in der experimentellen Lernpsychologie der SOer Jahre, deren Wurzeln zurück bis I. Pawlow (klassische Konditionierung) Ende des 19. ]h. reichen. Sie orientierte sich zunächst hauptsächlich an den Forschungen und Ergebnissen des Behavioristen B. F. Skinner (operantes Konditionieren) und j . Wolpes (Desensibilisierung) sowie dem Modelllernen (s. S. 11). In den 70er Jahren kam dann die "kognitive Wende", in der die Verhaltenstherapie zunehmend auch intrapersonelle Konflikte berücksichtigte. Der amerikanische Psychiater A. Beck z. B. war zwar ursprünglich Psychoanalytiker, avancierte aber später zum Begründer der kognitiven Seite der Verhaltenstherapie und setzte sich u. a. mit den Denkmustern depressiver Patienten auseinander. Heute beschäftigt sich die Verhaltenstherapie sowohl mit dem Verhalten als auch mit der Gedankenwelt der Patienten, wobei die Frage nach dem "Warum " eine weniger wichtige Rolle spielt als die aktive Ausbildung und Förderung menschlicher und sozialer Handlungsfähigkeit Grundannahme Die Verhaltenstherapie sieht krankhaftes Verhal ten in Form von psychischen Störungen als erlerntes Fehlverhalten im Umgang mit Belastungssituationen an . Da Lernvorgänge reversibel sind,
Grundlage einer Verhaltenstherapie ist die Verha ltensgleichung nach Kanfer: s ~ o ~ R ~ K ~ C.
Charakteristisch für die Verhaltenstherapie als Änderungsprozess ist ein schrittweiser Problemlöseprozess, der jeweils den En twicklungsmöglichkeiten der Patienten angepasst ist. Dieser Prozess wird in sieben Phasen unterteilt (Sieben-Phasen-Modell therapeutischer Veränderung nach Kanfer): ~ Phase 1: Schaffung günstiger Ausgangsbedingungen und Bildung einer positiven Arzt-Patienten-Beziehung ~ Phase 2: Aufbau von "Änderungsmotivation"; Auswa hl von Änderun gsbereichen ~ Phase 3: Verhaltensanalyse
Phase 4: Erstellung eines funktionalen Bedingungsmodells (SORKCModell ) als Erklärung der Störung ~ Pha s e 5: Planung, Auswahl und Durchführung spezieller Methoden t Phase 6: Ausführung und Evaluation therapeutischer Fortschritte t Phase 7: Sicherung des Therapieerfolgs und Absc hluss der Therapie Dieser Endphase fo lgt das "Follow-up" bzw. die Ka ta mnese. Methoden Techniken der Stimuluskontrolle/ Angstbewältigung: Eine Angstsituation löst beim Patienten eine Angstreaktion mit Vermeidungsverhalten aus. Dies führt zu einer negativen Verstärkung und zu einer Stabilisierung der Angstreaktion. Diese Reaktionskette gilt es zu durchbrechen. Durch Löschung (Extinktion ) konditionierter Angstreaktionen und Gegenkonditionierung (Verknüpfung von Entspannung mit der angsta uslösenden Situation) kann dies erreicht werden. Das Prinzip der reziproken Hemmung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Sie besagt, dass körperliche Entspannung und Angst nicht gleichzeitig bestehen können_ Bei de r systematischen Desensibilisierung erstellen Patient und Therapeut zu Beginn der Behandlung eine Angsthierarchie, in der angstauslösende Situationen hinsichtlich des Bedrohlichkeitsgrads eingestuft werden . Dem Therapeuten stehen dafür neben Explorationsgesprächen auch Angstfragebögen und protokollierte Hausaufgaben ty-
Im Verständ nis der klassischen Konditionierung (Pawlow 1927) galten situative Reize oder Stimuli (S) als ursächliche Auslöser eines Verhaltens bzw. einer Reaktion (R)
s - >R
S-0-R-Modell
Bald wurden Organ ismusv aria blen (0 ) im Sin ne von art- und individuum spezifischen Bedingungen (biologische Faktoren inkl. kognitiver Einflüsse) angenommen
s --> o --> R
Modell des Op&ranten lernens
Im Verständnis der operanten Kond it ionierung (Skinner 1938/ 1953; Thorndik e 1898) lässt sich unser Verhaltensrepertoire als Ab fol ge von
R --> K -+
(" Lernen am Erfolg' )
Reaktionen, die eine Wirkung auf die Umwelt besitzen, verslehen. Enlscheidend ist die Vers tärkun g bzw. Konvergenz (K) zwi schen dem Verh alt en eines Orga nismus (R) und den Kons equenzen (C)
Klassisch-lineares
Das S-0 -R-Lernmod ell und das Modell des operanten Lern ens wurden da nn kom biniert (Kan fer und Phillips 1970; Hearsl 1975)
Modell des S-R-Lernen s
Modell der Verhaltenstherapie
I
~
Tab. 1: Mode lle menschlic hen Verhaltens.
c
.....
Psychotherapie
piseher Situationen zur Verfügung. Zudem erlernt der Patient ein Entspannungsverfahren [z. B. PMR, s. S. 92). Die Desensibilisierung wird zunächst in der Vorstellung (in sensu) durchgeführt, d. h., der Patient soll sich im entspannten Zustand möglichst plastisch die schwächste angstauslösende Situation vorstellen. Unter körperlicher Entspannung werden nun systematisch entsprechend der Angsthierarchie die Situationen in der Vorstellung gesteigert. Der Patient lernt, dass im entspannten Zustand Reize, die sonst Angst auslösten, plötzlich keine Angstreaktion mehr verursachen. Schließlich werden diese angstauslösenden Situationen auch in der Realität (in vivo) in Gegenwart des Therapeuten durchgemacht und geübt. Das Reizüberflutungsverfahren [eng!. flooding) ist eine Expositionsbehandlung, in welcher der Patient nach gründlicher Vorberei tung durch den Therapeuten dem maximal angstauslösenden Reiz ausgesetzt wird. Unter Anwesenheit des Therapeuten soll er diese Situation dabei so lange aushalten und erleben, bis die Angst nac hlässt. Dabei kommt es zur Löschung der konditionierten Angstreaktion, und das Vermeidungsverhalten des Patienten wird umgangen. Der Patient lernt, dass die von ihm befürchteten Katastrophen nicht ei ntreten und Ängste [entweder durch zuvor erlernte Entspannungsverfahren oder durch physiologische Erschöpfung) von selbst wieder abklingen. Diese Habituation mit Rückgang der psychophysiologischen Angstreaktion und deren vegetativer Begleitsymptome führt zu einer Veränderung des Erlebens der Situation und ihrer Bewertung und somit zum Aufbau eines neuen Verhaltens.
Beispiel: Eine Patientin mit starker Agoraphobie (s. S. 36) soll eine vielbefahrene Brücke (I Abb. 1), welche einen breiten Fluss überquert, betreten und bis auf die Hälfte der Gehstrecke überqueren. Sie wird dieser Situation, natürlich in Begleitung ihres Therapeuten, so lange ausgesetzt, bis die Angst allmählich abklingt. Das Verfahren wird so oft wiederholt, bis die Patientin die Aufgabe ohne größere Angst durchstehen kann. Nach dieser Erfahrung wird sie nahezu angstfrei eine Brücke überqueren.
Die o. g. Techniken werden bevorzugt bei Ängsten, Zwängen und Phobien angewandt.
I
82 1 83
Abb. 1: Die Theodor-Heuss-Brück e in Mainz- Idylle oder Angstauslöser?
Operante Methoden (Techniken der Kontrolle von Verhalten durch Veränderung von Konsequenzen):
In Anlehnung an die operante Konditionierung [Skinner) wird durch operante Verfahren das Verhalten des Patienten beeinflusst. Beispiele für die Anwendung operanter Methoden sind der Aufbau von aktiverem oder selbstsichererem Verhalten im Rahmen einer Therapie, aber auch Sekundärprävention wie Raucherentwöhnung, Ernährungsberatung etc. im Gesundheitssystem. Positive und negative Verstärkung können zu einer Zunahme eines bestimmten Verhaltens führen oder neue Verhaltensweisen aufbauen. Als positive Verstärker dienen dabei soziale Verstärker (Lob, Aufmerksamkeit) oder vorher vereinbarte Vergünstigungen (Wochenendbefreiung etc.). "Bestrafung" und Löschung führen zu einer Abnahme eines bestimmten Verhaltens, z. B. im Rahmen einer Aversionsbehandlung. Hierbei wird ein aversiver Reiz zeitlich an ein unerwünschtes Verhalten gekoppelt (z. B. Klingelhose bei nächtlicher Inkontinenz von Kleinkindern). Beim Prinzip der Löschung (z. B. Entzug von Aufmerksamkeit und Zuwendung beim vor Wut schreienden Kleinkind) werden alle positiven Verstärker entfernt. Als Time-out versteht man die Entfernung aller Verstärker.
Verhaltenstherapie II (kognitiv-behaviorale Therapie) Methoden (Fortsetzung) Techniken des Modelllernens: Durch Vorleben eines erwünschten Verhaltens durch bestimmte Personen (Therapeut, Mitpatienten etc.) oder Orientierung an einem Symbol (Modell) sollen neue Fähigkeiten erlernt werden. Dabei unternimmt der Patient Lernschritte in Form von Einsicht oder Motivation, indem er sieht, wie Modelle das für ihn problematische Verhalten durchführen.
Datum
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Situation Kurze Situa tions.
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Automatlsche(r) Gedanke(n) Versuchen Sie, Gedanken auf· zuführen: Bewerten Sie dann zwischen 0 und 100 %, inwieweit Sie von jedem Gedanken überzeugt sind
Rationa le Antwort Bewerten Sie Ihre Überzeugung zwischen 0 und 100 %
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Abb. 2: Protokoll vo n automatischen Gedanken mit verzerrtem Inhalt.
Strategien der Selbstkontrolle: Die Selbstkontrolltechniken entsprechen verzerrte Wahrnehmung Einfluss auf einer Selbstmanagementtherapie. seine Gefühlswelt und sein Verhalten Dabei spielt die Selbstbeobachtung haben, und krank machende Denkmusz. B. in Form von Tagebüchern (Prototer durch realitätsnahe Kognitionen erkolle, I Abb. 2) oder Verhaltensdiagram- setzen. men als Basis fü r eine VerhaltensändeKrank machende Denkmuster könrung eine wichtige Rolle. Der Patient nen z. B. sein: soll dazu "ausgebildet" werden, seine • Übergeneralisierung ("Nie kriege ich was auf die Reihe, immer mache ich aktuellen und zukünftigen Probleme selbstständig zu erkennen, zu beeinflus- alles falsch!") sen und dauerhaft zu verändern. Reize, • Katastrophisieren {"Das kann ja jetzt die ein bestimmtes negatives Verhalten nur noch schlimmer werden!") induzieren, können mittels Stimulus• Dichotomes Denken (Schwarz-Weißkontrolle so verändert werden, dass Denken) ein erwünschtes Verhalten erzeugt wird • Übertriebenes Verantwortungsgefühl (z. B. Lernstörungen durch großzügige ("Wenn ich da nicht ab und zu vorbeiZeitplanung, strukturierten Lernplan, schaue, geht alles den Bach run ter!") regelmäßige Pausen etc.). Das Gedankenstopptraining hat zum Ziel, Es gilt, die mangelnde Logik, die in dieständiges Grübeln und unerwünschte sen Aussagen steckt, für die Patienten Gedanken zu unterbrechen. transparent zu machen. Bei Panikstörungen z. B. kann so ein Erklärungsmodell Kognitive Therapieverfahren: Die für den "Teufelskreis der Angst" rational-emotive Therapie (RET) erarbeitet und können von dort weitere nach A. Ellis beruft sich auf die Erkennt- Therapieschritte abgeleitet werden. nis, dass häufig nicht eine bestimmte Situation (A) ein Gefühl und ein entsprechendes Verhalten (C) auslöst, ~er TenttfH :fiir ~(e ~tt!ff~ttltlt ~,,, Ist ein Patient also ängstlich oder de(Iodiert. tionale Bewertungsfunktion, werden l
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[51
Die kognitive Therapie nach A. Beck wurde ursprünglich für die Behandlung von Depressionen entwickelt. Er fand heraus, dass Depressive häufig typische Denkmuster (sog. kognitive Triade) aufweisen: negative Sicht ihrer selbst, der Umwelt und der Zukunft (I Tab. 2). Erst durch Veränderung dieser Denkweise ist eine Behandlung depressiver Emotionen behandelbar. Dies geschieht in der Therapie durch Selbstbeobachtungen, in denen der Patient lernen solJ seine Gedanken auf Angemessenheit ' und Realitätsbezug zu prüfen und so Schritt für Schritt umzustrukturieren. Heute ist die kognitive Therapie auch bei Panik-, Ess-, Persönlichkeits- und somataformen Schmerzstörungen erprobt und einsetzbar. Aufbau von (sozialen) Kompetenzen: Im Rahmen eines Trainings sozialer Kompetenz sollen soziale Ängste abgebaut sowie soziale Fertigkeiten und positive Selbstwahrnehmung gefördert werden. Über Psychoedukation lernen Patienten die Abgrenzung zwischen selbstsicherem, aggressivem und unsicherem Verhalten. Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung sozialer Situationen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Dies geschieht meist in Form von Rollenspielen und aktiven Verhaltensübungen. Das erste Rollenspiel dient der Diagnostik und der Erkennung eigener problematischer Verhaltensweisen im Sozialkontakt Hier erweist sich das Feedback der anderen Gruppenteilnehmer als sehr nützlich. Weitere Wiederholungsrollenspiele dienen anschließe nd dem experimentellen Üben sozialer Fertigkeiten. Im Rahmen eines
Psychotherapie
Problemlösetrainings können alltagstaugliche Strategien zur Erkennung von Problemlösungswegen in schwierigen Situationen erarbeitet werden. Dies eignet sich besonders für Patienten, die zu unüberlegten und impulsiven Reaktionen neigen.
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Selektive Wahrnehmung
Ein negati ver Aspekt eines Ereignisses wird überb ewertet, dafür werden andere,
und Verallgemeinerung
positive Seiten nicht berücksichtigt, z. 8.: .. Die Prüfung war eine einzige Katastrophe! Ich habe zwar mit ,gut' bestanden, aber stell dir vor: Ich konnte das EKG nicht vollständig befunden!"
Emotionale Bewei sführung
Eine Empfindung die nt als "Beweis" dafür, dass eine Überze ugung oder Vorstellung der .. Wahrhei t" entspricht; andere, widersprechende Beweise werden dabei vernachlässigt, z. 8 .: "Obwohl ich eigentlich weiß, dass meine Frau zu mir steht, ka nn ich es nicht glauben. Ich spüre einfach, dass sie einen Versager wie mich nicht wirk lich lieben kann. "
Indikationen Als klassische Indikationen für eine kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie gelten folgende Krankheitsbilder:
Befehle (. Sollte"-
Es besteht eine präzise Vorstellung von Ordnungen, Normen und Maßstäben,
oder . Müsste"-Sätze)
nach denen sic h alle Menschen zu richten haben, z. 8.: "Es ist absolut unverzeihlich, dass ich ihr den Gefallen nicht getan habe."
I Tab. 2: Beispiele für systematische logische Denkfehler in der kogn itiven Therapie nach Beck. 13]
~ Phobien
t Angst- und Panikstörunge n
Zwangsstörungen Essstörungen ~ Depressive Erkrankungen ~ ~
Voraussetzungen für einen Therapieerfolg sind ein überschaubarer zeitlicher Rahmen und ein abgrenzbares Problernverhalten des Patienten. Bei chronifizierten und multimorbiden Patienten sind Art und Stadium der Erkrankung ausschlaggebend dafür, inwieweit sich eine Verhaltenstherapie als sinnvoll erweisen kann. Ebenfalls wichtig für die therapeutische Arbeit sind ein adäquates Erklärungsmodell und die Behandlungserwartung des Patienten - das Therapieziel sollte die Bewältigung der Erkrankung darstellen! Die Bereitschaft zur Kooperation und aktive Mitarbeit ("Hausaufgaben", Tagebücher etc.) sind absolute Voraussetzungen. Dies macht den Einsatz bei unmotivierten oder psychische Konflikte völlig ablehnenden Patienten schwierig bis unmöglich.
Zusammenfassung X Die Verhaltenstherapie oder kognitiv-behaviorale Therapie befasst sich mit den auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren einer Störung und soll eine "Hilfe zur Selbsthilfe" für den Patienten darstellen. X Ihren Ursprung hat die Verhaltenstherapie in der experimentellen Lernpsychologie der 50er Jahre, hauptsächlich in den Forschungen B. F. Skinners (operantes Konditionieren~ und J. Wolpes (Desensibilisierung). X Sie sieht psychische Störungen als erlerntes Fehlverhalten an, welches jedoch reversibel ist und umgelernt werden kann. Grundlage ist die Verhaltensgleichung nach Kanfer: S ~ 0 ~ R ~ K ~ C. X Verhaltenstherapie ist ein schrittweiser Probiemlöseprozess, der in sieben Phasen unterteilt wird (Sieben-Phasen-Modell therapeutischer Veränderung nach Kanfer). X Es gibt verschiedene Methoden, die abhängig von der vorliegenden Störung angewendet und/oder kombiniert werden können: - Techniken der StimuluskontrollefAngstbewältigung: systematische Desensibilisierung und Reizüberflutungsverfahren - Operante Methoden (Techniken der Kontrolle von Vefhalten durch Veränderung von Konsequenzen): z. B. durch positive oder negative Verstärkung, Aversionsbehandlungen - Techniken des Modelllernans - Strategien der Selbstkontrolle: entsprechen einer Selbstmanagementtherapie - Kognitive Therapieverfahren: z. B. die rational-emotive Therapie (RET) nach A. Ellis auf Basis des sog. ABc-Schemas und die kognitive Therapie nach A. Beck - Aufbau von (sozialen) Kompetenzen: durch Psychoedukation, Rollenspiele, Problemlösetrainings etc. X Als klassische Indikationen gelten Phobien, Angst- und Panikstörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen und depressive Erkrankungen.
Gesprächspsychotherapie Definition Die klientenzentrierte Gesprächstherapie oder auch nondirektive Gesprächstherapie zähl t zu den Verfah ren der "humanistischen Psychologie" und stellt neben den psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen Verfahren eine dritte Schule der Psychotherapi e dar. Diese Therapieform ist ein erlebnisaktivierendes und einsichtsorientierendes Verfahren. Für die Einsichtsgewinnung ist eine große Eigenleistung des Patienten notwendig_ Die Gesprächstherapie kann auch als eine "Hilfe zur Selbsthilfe " betrachtet werd en, deren Ziel es ist, die individuellen positiven Kräfte des Patienten herauszuarbeiten. Ursprung Der Begründer der klientenzentrierten Gesprächspsychoth erapie ist der amerikanische Psychotherapeut Carl R. Rogers (1902 - 1987)_ Rogers sprach von seinen Patienten immer als "Klienten" und vertrat die Auffassung, dass jeder Mensch eine angeborene Fähigkeit zur Selbstverwirklichung besitzt Weder wollte er durch Deutung unbewusster Konflikte (s _S. 4 ff.) noch durch Umstrukturierung oder Verha ltensänderung (s_ s_ 82 - 85) den ,.Klienten" beeinflussen, sond ern dieser sollte selbst seine eigenen Bedürfnisse wahrnehmen. Vom Beginn an wurde dieses Therapieverfahren unter ständ iger empirischer und experimenteller Beobachtung entwickelt Geforscht wurde u. a. auch an den Qualitäten des Therapeuten selbst und am Gesprächsverfahren der klientenzentrier-
zeptiert werden. Die anderen Anteile, wie z. ß_Wut, werden verdrängt und können nicht in das Selbstkonzept integriert werden _Es entsteht ei n Selbstwiderspruch, also eine Diskrepanz zwischen Selbstbild und ldealbild. Method en Jn der Gespräc hstherapie ist das klassische autori täre Abhängigkeitsverhältnis zwisc hen Patienten und Therapeuten un erwünscht, daher auc h der Begriff "klientenzentriert". Der Therapeut soll weniger ein Experte als ein Berater und Unterstützer eigener Bestrebungen des Patienten zur Problemlösung sein_ Die Thera pie soll als erlebter Dialog und konkurrierende Interaktion empfu nd en werden (I Abb. 2)_ Sie ist durch Förderung der Selbstheilungskraft, bejahende Beglei tung und identifikatorische Teilhabe des Therapeuten gekennzeichnet Die Grundbedingu ngen seitens des behandelnd en Therapeuten dabei sind: ~ ~ ~
Bedingungsfreies Akzeptieren Empathie bzw_einfühlendes Verstehen Kongruenz bzw. Echtheit (I Abb. 1)
Das Therapiegespräch ist nondirektiv gestaltet, d. h., der Gesprächsverlauf wird vom Patienten und nicht vom Therapeuten bestimmt Dieser versucht, während des Gesprächs die emotionale Bedeutung des vom Patienten inhaltlich Gesagten zu erfassen und zu interpretieren _Dabei sucht ten Gesprächsführung (s. u_)_ er allerdings keine Lösung für die Probleme, sondern leistet Hilfestellun g bei der selbstständigen Lösungstindung des Grundan nahme Patienten. Der Patient, als ganzheitlicher Mensch mit seinen MöglichEine weitere Gesprächstechnik ist das Spiegeln. Der Therakeiten und emotionalen Erlebnissen, steht im Mittelpunkt der peut fasst die Aussagen und Inhalte des Patienten mi t einem klientenzentrierten Gesprächstherapie. Die Therapie konzent- anderen Schwerpunkt zusammen und konfrontiert ihn so riert sich dabei v. a. auf die Verbalisierung seiner Gefühle, mit seinem Verhalten und seinen Gefühlen_ um Klarheit in das emotionale Erleben zu bringen. Außerdem Die Therapieziele sind weniger durch eine Analyse und versucht der "Klient" mit Unterstützung des Therapeuten, Verarbeitung der En tstehungsgeschichte der Störung geprägt Lösungsmöglichkeiten selbstständig zu erarbeiten, denn: als durch aktives Bemühen des "Klienten", mithilfe seines Therapeuten Lösungsmöglichkeiten für sich selbst zu Die Gesprächstherapie geht im Vergleich zu anderen psychotherapeutischen Behandlungsansätzen davon aus, dass der Patient im Prinzip selbst weiß, was für ihn gut ist. Therapeut
Die klientenzentrierte Gesprächstherapie geht davon aus, dass der Mensch dann gesund ist, wenn sein Selbstbild mit seiner persönlichen Vorstellung eines idealen Selbst übereinstimmt Dann kann er Selbstvertrauen entwickeln, Kreativität und Selbstbestimmung leben und seinen "Aktualisierungstendenzen" folgen . Störungen entstehen dann, wenn der Mensch während seiner Entwicklung nur unter bestimmten Bedingungen Lob, emotionale Zuwendung, also positive Verstärkung, erhält Er wird von äußeren Einflüssen gebahnt und kann sich nicht entsprechend seinen persönlichen Eigenschaften und Stärken selbst verwirklichen. Der Patient ist dann in seiner Selbstentfaltung eingeschränkt und erlebt nur die Teile seiner Persönlichkeit, die von der Umwelt ak-
Vertrauen
Bereicherun g seins
.. Klient" I Abb . I : Die drei Basisvariab len des Gesprächsverha ltens ( 1942) . J7]
~~~-------------------------------------------------------P_s~y_c_h_o_th_e_r_a~p--ie
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erarbeiten. Dabei soll der behandelnde Therapeut zusammen mit dem Patienten eine Klärung dessen momentaner Gefühle und Wünsche erarbeiten, um eine Aufhebung des Selbstwiderspruchs zu erreichen. So wird eine erhöhte seelische Funktionsfähigkeit hergestellt, und der Patient hat die Möglichkeit, sich entsprechend seiner Vorstellung zu verwirklichen. Die Therapie dient zudem als Sinnerfahrung. Die klientenzentrierte Gesprächstherapie findet ihre Anwendung sowohl im klinischen als auch im ambulanten Bereich: • Gruppengesprächstherapie • Paartherapie • Familientherapie • Kinderpsychotherapie • Stationäre Gesprächstherapie Die durchschnittliche ambulante Therapiedauer beträgt 70 Sitzungen.
Anwendung Die Indikation für eine klientenzentrierte Gesprächstherapie ergibt sich bei: t Affektiven Störungen wie Depressionen • Selbstunsicherheit • Sozialem Rückzug, lntrovertiertheit • Selbstunzufriedenheit • PS
I Abb. 2: Typisches psychotherapeutisches Setting. 131
Nicht sinnvoll ist dieses Verfahren bei ungenügender Verbalisierung seitens des Patienten.
Zusammenfassung • Die klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Rogers ist ein .,humanistisches" Psychotherapieverfahren, welches durch nondirektive Gesprächsführung erreichen will, dass der Patient den Therapieverlauf selbst bestimmen und seine Problemlösungsfähigkeiten aktivieren kann. Sie stellt quasi eine "Hilfe zur Selbsthilfe" dar. Der Therapeut nimmt die Rolle eines Beraters ein und fördert die natürlichen Selbstverwirklichung stendenzen des "Klienten". Folgende Grundbedingungen muss der Therapeut erfüllen: - Bedingungsfreies Akzeptieren - Empathie bzw. einfühlendes Verstehen - Kongruenz bzw. Echtheit • Eine weitere Gesprächstechnik ist das Spiegeln von Aussagen und Gefühlen des Patienten. Therapieziele sind u. a. das Aufheben des Inneren Selbstwiderspruchs des Patienten und das Erlangen einer erhöhten seelischen Funktionsfähigkeit.
i .
Familientherapie Definition Die Familientherapie fokussiert auf die gegenwärtigen oder vergangeneo realen Beziehungsprozesse der Individuen innerhalb der Familie. Dazu ist das gemeinsame Gespräch mit Angehörigen mind. zweier Generationen nötig. In dieser Systemsicht (Familie als System) erscheinen die Patienten als Teil eines offenen Beziehungssystems, welches sie sehr stark beeinflusst. Störungen dieses biopsychosozialen Systems können sich in seelischen und körperlichen Erkrankungen ausdrücken. Gestört ist dabei nicht nur der Einzelne, sondern auch die Beziehungen im System. Da die intrapsychischen Kon fli kte in Wechselwirkung mit
der Familiendynamik stehen, hat jede therapeutische Inter· vention in das Familiengefüge Auswirkungen auf den Einzelnen - und umgekehrt. Der Familientherapie kommt v. a. große Bedeutung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (I Abb. 1) sowie bei Essstörungen (s. S. 46 ff.) zu. Ursp ru ng Obwohl erste Ansätze schon bei Freud und in der Pädagogik zu sehen sind, sind die Ursprünge der Familientherapie in erster Linie Ende der 40er Jahre in den USA anzusiedeln, wo Familienangehörige systematisch in die Psychotherapie schizophrener Patienten mit einbezogen wurden. Seitdem haben sich mehrere psychotherapeutische Schulen v. a. in die psychoanalytische und die verhaltenstherapeutische (sog. systemische) Familientherapie entwickelt.
I Abb. 1: Fam ili en( struktu r) aus der Sicht von Leo (6 Jahre) und Ti II (4 Jahre), küns tlerisch dargeste llt.
Grundannahme
Die Familientherapie beruht auf der Annahme, dass die Erkrankung oder Störung eines Familienmitglieds (sog_ Indexpatient) durch die Interaktionen innerhalb einer Familie mit bedingt und aufrechterhalten wird. Vor allem Eltern üben einen entscheidenden Einfluss auf ihre Kinder aus, so dass das Kind oder der Jugendliche häufig sog. Symptomträger seiner Eltern ist.
ein stabiles emotionales Verhältnis zwischen allen Beteiligten, v. a_ aber zwischen allen Patienten und "ihrem" Therape uten
gleichermaßen zu gewährleisten.
'
• Zirkuläres Fragen: Familienmitglieder werden aufge-
fordert, in Anwesenheit der Familie Verhaltensweisen und Beziehungen untereinander zu kommentieren. • Reframing: Zu festen, in der Familie ablaufenden VerhalMethoden: In der Familientherapie gibt es verschiedene Schu- tensmustern werden alternative Erklärungen und Verhaltenslen und Methoden, von denen hier vier genannt werden sollen. weisen aufgezeigt. Probleme oder Ereignisse werden also umgedeutet. Feste Rollen wie z. B. der "Sündenbock" werden Systemische Familientherapie: Ziel der systemischen aufgedeckt, und der betroffene Patient wird aufgefordert, sich Familientherapie ist zunächst einmal eine Umdeutung in seiner passiven Rolle zu wehren und eine aktivere einzunehmen. (" Reframing") in Bezug auf das erkrankte Familienmitglied, den sog. lndexpatienten. Das Problem des Patienten soll t Paradoxe Interventionen: Ein bestimmtes Verhalten, als Problem der Familie angesehen werden, denn er ist dessen Gegenteil man eigentlich erreichen will, wird gezielt Ausdruck für eine Störung innerhalb der Familie, also nur "verordnet", ohne dies mit der Familie vorab zu besprechen. Das Ziel ist, eine Einsicht des Agierenden zu seinem Verhalder "Symptomträger". Das Aufdecken und Verstehen des unbewussten Zusammenspiels der Familienmitglieder (Kollu- ten oder eine Reaktion der anderen Familienmitglieder zu provozieren und so eine Veränderung der Beziehungsstruktusionen) als Problemquelle und das anschließende Verändern ren zu erreichen. sind dann die nächsten Ziele der Therapie. t Unterbrechung der Sitzungen: Der Therapeut verlässt Diesystemische Familientherapie bedient sich dabei verschieden Raum, um sich evtl. mit einem weiteren Therapeuten dener Techniken: oder einem Beobachter zu besprechen und von der Beziet Joining: Zwischen Psychotherapeut und jedem einzelnen hungsdynamik der Familie Abstand zu gewinnen. Familienmitglied wird ein Arbeitsbündnis geschlossen, um
-r
Psych othe ra pie
"~--------------------------------------------------~~~~~~ t Verschreibungen: Die Familie soll neue Erfahrungen machen und etwas Neues für sich entdecken. So können der Zusammenhalt und die emotionale Zusammenarbeit gestärkt werden. Strukturelle Familientherapie :
Diese Form der Familientherapie wurde aus der Kommunikationsforschung und der Lerntheorie heraus entwickelt und ist eigentlich eine sozialtherapeutische Methode, um ursprünglich v. a. mit dissozialen und schwer gestörten Fami· Iien zu arbeiten. Heute wird diese Form der Familientherapie auch bei weniger schwer gestörten Familien angewandt. Bei dieser Behandlung befasst sich der Therapeut mit der horizontalen Perspektive, d. h. , auf die Herkunft und Ursache eines Symptoms wird nicht näher eingegangen. Die Familie wird in zwei Subsysteme eingeteilt, das elterliche Subsystem und das Geschwistersubsystem. Es gilt, eine schwache Eltern-Kind-Grenze (Generationsgrenze) zu stärken, um insgesamt die Familienstruktur zu verbessern. Mithilfe von Techniken wie Hausaufgaben und Belohnungen greift der Therapeut aktiv in die familiären Beziehungsstrukturen ein, um Änderungen der problematischen Verhaltensmuster zu erreichen.
Analytische Familientherapie:
Diese Therapieform hat ihre Ursprünge in den analytischen Einzeltherapieverfahren und sieht ihre Zielsetzung v. a. in der Aufdeckung und Bearbeitung unbewusster intrafamiliärer Konflikte, immer vor dem Hintergrund der speziellen Familiengeschichte. Der Therapeut nimmt eine Vermittlerrolle im Familien· dialog ein. Seine Hauptaufgabe liegt in der Deutung der ÜbertragungsGegenübertragungs-Reaktionen
innerhalb der Familie, im Erkennen der spezifischen Entstehungsursachen und Auswirkungen der Störung. "Mehrgenerationentherapie": Die· ses Familientherapieverfahren bezieht, wie der Name schon sagt, mehrere Generationen, also die Großeltern, in die Behandlung mit ein und bietet so eine vertikale Perspektive in der Familienanalyse. Anwendung
Es gibt viele verschiedene Indikationen für eine Familientherapie. Absolute Voraussetzung jedoch ist die Motivation der Familienangehörigen des Patienten. Die Familientherapie kann eingesetzt werden bei: t Psychischen Störungen im Kinder· und Jugendalter
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t Existentiellen Probleme (schwere körperliche Krankheit) eines Familien· mitglieds ~ Generationenkonflikten (Ablösungsund Adoleszenzkonflikten) ~ Sucht- und Abhängigkeitsproblematik eines Familienangehörigen ~ Geriatrischen Problemen ~ Schweren chronifizierten psychia· trisehen und psychosomatischen Störungen eines Familienmitglieds ~ Jugendlichen Schizophrenien und Essstörungen t Suizidalen Krisen eines Patienten ~ Multiproblemfamilien Kontraindikationen für eine Familien· therapie sind z. B. Patienten, bei denen die intrapsychischen Konflikte über· wiegen und eine Besserung der Störung am ehesten durch Einzeltherapien zu erreichen ist. Bestimmte Störungsbilder, wie narzisstische oder antisoziale PS, sind ebenfalls nicht geeignet, da diese Patienten die Ursache für ihre Probleme hauptsächlich in der Familie oder der Gesellschaft sehen. Eine Familientherapie könnte sie in dieser Ansicht bestär· ken. Bei massiven Vorwürfen und Gewaltbereitschaft innerhalb einer Familie muss man besonders hinterfragen, ob eine Therapie in diesem Setting sinnvoll ist.
Zusammenfassung X Die Familientherapie geht davon aus, dass die Ursache einer psychischen Störung nicht vorrangig auf intrapersonellen Konflikten beruht, sondern v. a. durch die Familie als biosoziales System mit bedingt und aufrechterhalten wird. Die Störung des Patienten ist also nur Ausdruck eines Problems, welches eigentlich in der Familie vorliegt. Der Patient ist der sog. Indexpatient Es gibt verschiedene Schulen der Familientherapie: - Systemische Familientherapie - Strukturelle Familientherapie - Analytische Familientherapie - "Mehrgenerationentherapie" X Die Indikation liegt vor bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter, Generationenkonflikten, Multiproblemfamilien und einer Reihe von psychischen Störungen, wie u. a. Suchtproblematik und suizidalen Krisen, die vornehmlich ein Familienmitglied betreffen.
Averbale Therapieverfahren Bei diesen Therapieverfahren steht nicht das therapeutische Gespräch, sondern der "averbale" Zugang zu den seelischen Konflikten und Gefühlen des Patienten im Vordergrund. Da der Patient sein "Innenleben" häufig nicht in Worten ausdrücken kann, werden ihm verschiedene andere Möglichkeiten angeboten, sich auszudrücken. Speziell ausgebildete Therapeuten interpretieren die Ergebnisse der Therapiesitzungen.
Anwendu ng Die Indikation ist für eine Vielzahl von psychosomatischen und somataformen Erkrankungen zu stellen. Kontraindikationen sind wahnhafte Formen von Depression, schwere depressive Hemmungen und akute Suizidalität.
Gestaltungstherapie (Kunsttherapie)
Musiktherapie
Definition Ein kreativtherapeutisches Verfahren, welches sich in den 60er Jahren in enger Anlehnung an die TFP etablierte. Es geht dabei um die Einbeziehung von bildnerisch-künstlerischen Tätigkeiten und Mitteln in die Psychotherapie, wobei sowohl der Weg (die Herstellung) als auch die Gestalt (das Bild) eine gleich wichtige Rolle spielen. Die Gestaltungstherapie hat sowohl diagnostische als auch therapeutische Aspekte (I Abb. 1).
Definition
Durchführung Die Gestaltung bringt den Patienten in Beziehung zu sich selbst. Dies geschieht durch sensorische und körperliche Erfahrungen sowie durch affektives Erleben während der künstlerischen Arbeit. Zudem fördert Gestaltung Ich-Funktionen, wie z. B. Entscheidungen bezüglich des Materials zu treffen sowie zeitliche oder räumliche Grenzen zu bestimmen und respektieren zu lernen. Im Anschluss an die Gestaltung er· folgt ein Gespräch mit dem Therapeuten über das Werk: Welche Gefühle spiegelt es wider? Weiche Gefühle löst es aus? Inwieweit bezieht es sich auf die aktuelle Lebenssituation des Patienten? Es werden Einzel-, bevorzugt jedoch Gruppentherapien mit maximal zehn Patienten angeboten, die ein- bis zweimal pro Woche in 90-min-Sitzungen behandelt werden. Die Gestaltungstherapie wird vorwiegend in der klinischen Psychotherapie und psychosomatischen Medizin einschließ-
lieh der psychosomatischen Rehabilitation eingesetzt, immer im Rahmen eines multimodalen Behandlungsprogramms.
Eine Therapieform, die darauf beruht, dass Musik schon seit je eine natürliche Ausdrucksform des Menschen ist, und bei der die Musik als nonverbales Mittel zur Kommunikation eingesetzt wird. Bei der passiven Musiktherapie lauscht der Patient auf vom Therapeuten ausgewählte Musik bei der aktiven Musiktherapie drückt er sich selbst musika-' lisch aus. Durchfü hrung In der aktiven Musiktherapie kommen u. a. auch Orff-Instrumente (Trommeln, Rasseln, Flöten) zum Einsatz, die ohne Vorkenntnisse gespielt werden können. Die Musiktherapie ist in Form sowohl von Einzel- als auch Gruppentherapie möglich. Beide Therapieformen finden einbis zweimal pro Woche statt und haben eine Dauer von 45-60 min im Einzelsetting und ca. 90 min in der Gruppe. Ziel der Musiktherapie ist es, emotionale und kommunikative Vorgänge im Patienten zu aktivieren und seine Erlebnisfähigkeit zu erweitern. Anwe nd ung Die Indikation ist bei neurotischen Störungen, psychosomatischen Störungen und Krankheitsbewältigung bei chronischen Erkrankungen zu stellen. Eine Kontraindikation ergibt sich bei akuter Suizidalität, Hirnleistungsstörungen und Hörstörungen.
I Abb . 1: Patientenarbeit al s Ergebnis der Ge staltungstherapie.
Psychotherapie
Die Musiktherapie ist zusätzlich auch in der Geriauie, Geromapsychiatrie sowie Kinder- und Jugendtherapie einsetz bar. Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) Definition Eine körperorientierte Therapieform, die ganzheitlich auf Wahrnehmung, Beziehung, Handlung und Affektregulation ausgerichtet ist. Durch bewusste Konzentration auf das eigene Erleben werden Erinnerungen belebt, die sich neben realen Erfahrungen auch in symbolbedeutsamen Verhaltensweisen oder Bewegungen widerspiegeln. Aktualisierte Inhalte werden konkret erfassbar und eventuelle Konflikte "begreifbar". Je nach Prozessgeschehen kann die KBT sowohl übungsorientiert als auch aufdeckend und konfliktorientiert eingesetzt werden. Durchführung Die Übungen fi nden im Liegen, Stehen oder Gehen statt und sind oft mit Spürerfahrungen, z. B. mit Steinen, Kugeln, Bällen, Bändern usw., verbunden. Während der Übungen sollte sich der Patient auf alle Sinneswahrnehmungen konzentrieren. Die KBT findet meist in Gruppen mit maximal zehn Teilnehmern ein- bis zweimal pro Woche statt, kann aber auch einzeltherapeutisch genutzt werden. Das Ziel der Therapie ist es, Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden, die Ausdrucksfähigkeit und das eigene Körpergefühl zu verbessern. Durch diesen Lernprozess findet eine Veränderung im Sinne einer Persönlichkeitsentwicklung statt. Zudem kann unbewusstes "Material" durch aufdeckendes Arbeiten bewusst gemacht und anschließend psychotherapeutisch bearbeitet werden.
Anwendung Die Indikation ergibt sich bei neurotischen, Belastungs- und somataformen Störungen, bei PS, strukturellen sowie bei Körperschemastörungen.
Tanztherapie und Körpertherapie Definition Die psychotherapeutische Verwendung von Tanz und Bewegung dient dem freien Ausdruck und Ausleben von Gefühlen. Zusätzlich werden bei der Tanztherapie ähnlich wie bei sportlichen Tätigkeiten die positiven Effekte körperlicher Betätigung auf das psychische Befinden genutzt. Durchführung Die drei methodischen Hauptelemente der Tanztherapie sind Tanztechnik,
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Improvisation und Gestaltung. Tanztherapie kann sowohl übungsorientiert als auch erlebnis- und konfliktzentriert eingesetzt werden. Mit der Bewegungsanalyse versucht der Therapeut, durch Körperhaltung, Gesten, Mimik, Rhythmus, Tempo und Atemmuster des Patienten mehr über dessen Gefühle und Konflikte zu erfahren. Ziele der Tanztherapie und der Körpertherapie sind die Förderung der Körperwahrnehmung, die Verbesserung der Selbst- und Fremdwahrnehmung, die Erweiterung der Bewegungsund Ausdrucksmöglichkeiten sowie die Aufarbeitung von konflikthaften Themen. Anwendung Die Indikation ist bei psychosomatischen, funktionellen Beschwerden und Körperschemastörungen gegeben.
Zusammenfassung X Bei den averbalen Therapieverfahren steht der nonverbale Zugang zum Innenleben des Patienten im Vordergrund. - Die Gestaltungstherapie ist ein kreativtherapeutisches Verfahren, welches den Patienten durch bildnerisch-künstlerische Tätigkeiten und Mittel zum einen in Beziehung zu sich selbst bringen, zum anderen eine Ausdrucksmöglichkeit unbewusster Inhalte geben soll. Sie kann sowohl therapeutisch als auch diagnostisch genutzt werden. - Die Musiktherapie verwendet Musik als nonverbales Kommunikationsmittel in aktiver oder passiver Form, um emotionale und kommunikative Vorgänge im Patienten zu aktivieren und dessen Erlebnisfähigkeit zu erweitern. - Die konzentratlve Bewegungstherapie ist ein körperorientiertes Verfahren, welches den Zugang zu den eigenen Gefühlen, die Ausdrucksfähigkeit und das eigene Körpergefühl durch verschiedene "konzentrative" Körperübungen verbessern soll. - Bei der Tanz- und Körpertherapie wird durch die Verwendung von Tanz und Körperbewegung die Erweiterung der Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten gefördert und werden die po'sitiven Effekte körperlicher Betätigung auf das psychische Befinden genutzt.
Entspannungsverfahren und suggestive Techniken Zu den als wissenschaftlich fundiert geltenden Entspannungsverfahren zählen: • Das autogene Training (AT) • Die progressive Muskelrelaxation (PMR) • Die Hypnose
Es existieren Direktnachweise für ein Absinkendes Atemwiderstands bei Asthmapatienten. Sinnvoll ist die Anwendung zudem bei Hypenonikern und Patienten mit Schlafstörungen.
Sie werden vorwiegend als die Psychotherapie unterstützende Maßnahmen angesehen. Zudem gewinnt das Biofeedback als Entspannungsverfahren zunehmend an Bedeutung (s.S.l3ff.).
Definition Eine Anspannung der Muskulatur geht häufig mit Unruhe Angst und psychischer Spannung einher. Jedoch ist nach einer großen körperlichen Anstrengung, also Anspannung, der Entspannungseffekt bekanntermaßen am größten. Diese Kontrastwahrnehmung intentional angespannter bzw. entspannter Muskelgruppen ist die Grundlage der von Edmund jacobson 1930 begründeten PMR, mit deren Hilfe die Patienten eine verbesserte Körperwahrnehmung für Entspannungs- und Verspannungszustände lernen. Das Ziel ist eine willkürliche Entspannung der wichtigsten quergestreiften Muskulatur und somit vegetativer und mentaler Prozesse.
Autogenes Training Definition
Das AT wurde 1932 von J. H. Schultz als "Basispsychotherapeutikum" eingeführt und ist ein Verfahren zur ,.konzentrativen Se1bstentspannung", welches auf Auto- [Selbst-) Suggestionen basiert. Durchführung Das Verfahren lässt sich in psychotherapeutische Grundübungen und formelhafte Vorsatzbildung einteilen [I Tab. I).
Bei diesen Übungen konzentriert sich der Übende auf körperliche Wahrnehmungen [z. B. Ruhe, Schwere und Wärme in den Extremitäten) und unterstützt dies durch die mentale Wiederholung autosuggestiver Selbstinstruktionen [z. B. "Meine Beine sind warm und schwer"). Es handelt sich also um eine primär suggestive und sekundär konditionierte Einübung erwünschter vegetativer Abläufe. Ziele dieser Übungen sind psychovegetativ regulierende Selbstentspannung und Selbstbeeinflussung. Um vom AT profitieren zu können, müssen die Eigenübungen zwei- bis dreimal am Tag für 2- 10 min durchgeführt werden. Anwendung Die Anwendung des AT reicht von der Psychohygiene und -prophylaxe (z. B. durch Volkshochschulkurse) bis zur gezielten psychosomatischen und psychotherapeutischen Behandlung bei einer Vielzahl von funktionellen Störungen, psychosomatischen Erkrankungen, neurotischen Erkrankungen, Suchterkrankungen etc.
Progressive Muskelrelaxation
Durchführung Die PMR wird folgendermaßen durchgeführt: • Beginn mit einer allgemeinen Ruheeinstellung [z. B. Konzentration auf die Atmung) • Muskelgruppe schmerzfrei anspannen [z. B. Hand zur Faust ballen) • Spannung bewusst für ca. 5 - 10 s halten • Spannung lösen und Entspannung für ca. 30 s bewusst spüren
Nach diesem Muster werden mehrere Muskelgruppen für 10-20 min angesprochen. Die Effekte dieses Verfahrens umfassen die Verbesserung der allgemeinen Befindlichkeit und der vegetativen Stabilität die Herbeiführung muskulärer Entspannung sowie größere ' innere Ruhe und Gelassenheit. Anwendung Die PMR kann zur Behandlung von Schlafstörungen, bei essentieller Hypertonie, Spannungskopfschmerz sowie Angstund Spannungsgefühlen eingesetzt werden.
Hypnose Definition
Grundstufe des autogenen Trainings Psychotherapeutische Grundübungen
Wärmeempfindung Schwereempfindung Ruhetönung
Organübungen
Wahrnehmung der Atmung Wahrnehmung des Herzschlags Kühleempfindung im Stirnbereich Wärmeempfindung im Bauchraum (Sonnengeflech t!
Formelhafte Vorsatzbildung (z. B. persönliche Leitsätze)
1 Tab.
1: Aufbau des autogenen Trainings.
Hypnose ist ein Bewusstseinszustand, der gegenüber dem Alltagserieben als subjektiv verändert empfunden wird. Durch entsprechende Suggestion erleben Patienten in hypnotischer Trance unwillkürliche Veränderungen auf der sensorischen Ebene, der kognitiv-affektiven Ebene und der Verhaltensebene (I Tab. 2). Die Hypnose soll dem Patienten den Zugang zu seinen eigenen Ressourcen erleichtern.
Psychotherapie
Ana lgesie, Hallu zi nation Katalepsie, unwill kürliche Bewegungen, posthypnotisch e Reak ti onen
Kognitive Phänomene
Hyperamnesie, Amnesie, Imaginati on, Zeitverzerrung
Physiologische Phänomene
Vasokonstrik ti on/ -dilatation, Muskeltonusänderung, immunologische Reaktio nen, EEG-Veränderungen
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werden. Am Ende der Hypnose erfolgt eine Einleitung der Reorientierung. Die Nutzung der Trancephänomene (I Tab. 2) liegt im analytischen und therapeutischen Bereich. Anwendung
Die Indikationen für eine Hypnotherapie sind vielfältig: t Somatische Probleme: z. B. Immunologie, Vasomotorik, akuter Schmerz, Neurologie und sexuelle Dysfunktion t Psychoneurotische Störungen: z. B. Phobien, Zwänge, Durchführung depressive Reaktionen, posttraumatische Reaktionen, SchlafVor der Tranceinduktion müssen eine ausführliche Eingangsstörungen und dissoziative Persönlichkeitsstörungen diagnostik und Anamnese erfolgen und ein Vertrauensverhält- t Psychosomatische Störungen: z. B. chronische Schmerzen, nis hergestellt werden (Rapport). Erwartungen und Befürch- Migräne/Spannungskopfschmerz, Morbus Crohn, Ulkus, tungen des Patienten müssen abgeklärt werden. Asthma, Heuschnupfen, Neurodermitis und Hypertonie Die Hypnose beginnt dann mit Fokussierung der Aufmerk- t Verhaltensprobleme: z. B. Nägelkauen, Bettnässen, Rauchen samkeit des Patienten, z. B. durch Augenfixation eines Ge· und Übergewicht genstands oder Erzählen von Geschichten. Das Sprachmuster ist durch rhythmische Synchronie mit der Kontraindikationen sind: Atmung und Wiederholungen von Wörtern oder Sätzen cha- t Fortgeschrittene Demenzen rakterisiert. Es kommt zu einer Dissoziation von Alltagslet Schizophrene und andere organische Psychosen ben durch Trance. Dies leitet die therapeutische Phase ein, t Wahnstörungen in der Thematisierung und Bahnung des Therapieziels durch t Schwere Depressionen Suggestionen die Hauptrolle spielen. Je nach therapeutischem t Patienten mit Neigung zu hypochondrischer SelbstbeobachNutzen kann auch du rch Suggerierung eine Amnesie erzeugt tung (AT) I Tab. 2: Trancephänomene.
Zusammenfassung X Entspannungsverfahren und suggestive Techniken können als die Psychotherapie unterstützende Maßnahmen eingesetzt werden. X Autogenes Training (AT) ist ein Verfahren zur "konzentrativen Selbstentspannung". Bei den Übungen konzentriert sich der Patient auf körperliche Wahrnehmungen und unterstützt dies durch die mentale Wiederholung autosuggestiver Selbstinstruktionen. X Progressive Muskelentspannung (PMR) ist eine Methode, um die Kontrastwahrnehmung intentional angespannter bzw. entspannter Muskelgruppen zu fördern. Das Ziel ist eine Entspannung vegetativer und mentaler Prozesse. X Die Hypnose soll dem Patienten durch Veränderung seiner Bewusstseinslage den Zugang zu seinen eigenen Ressourcen erleichtern. Es kommt zu Trancephänomener:t, die analytisch und therapeutisch genutzt werden können.
Fallbeispiele 96 Fall 1: Neurodermitis (Jenas Papel) 98 Fall 2: Colitis ulcerosa 100 Fall 3: Herzneurose
Fall 1: Neurodermitis Eine besorgte Mutter stellt Ihnen in Ihrer dermatologischen Ambulanz ih ren 4-jäh rigen Sohn mit stark juckenden Hau teffloreszenzen vo r. Frage I: Welche Differentialdiagnosen ko mmen in Betracht? Antwort I: Bei Juckreiz und Ekzem sollte an eine Neurodermitis, Urtikaria, Mykosen, Epizoonosen (z. B. durch Skabies, Läuse, Flöhe) gedacht werden. Juckreiz ohne Ha uta ussc hlag kann auch bei Erkrankungen innerer Organe wie Niereninsuffizienz, Urämie , Diabetes mellitus und Cholestase oder bei malignen Tumoren wie Lymphomen vorkommen.
Szenario 1 Die Mutter berichtet, dass ihr bei ihrem Sohn schon immer eine "empfindliche", trockene Haut aufgefallen sei. Nun habe sich der Zustand der Haut aber dramatisch verschiech tert, und ihr Sohn leide seit einigen Wochen unter sehr starkem Juckreiz und habe trotz intensiver Bemühungen ihrerseits, ihn vom Kratzen abzuhalten, immer wieder offene und aufgekratzte Stellen, die v. a. in den Ge· lenkbeugen lokalisiert seien und meist nachts entstünden, wenn er sehr unruhig schlafe. Frage 2: Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Welche weiteren Fragen helfen Ihnen, Ihren Verdacht zu bestätigen oder auszuschließen? Worauf achten Sie im Labor? Frage 3: Worauf achten Sie bei der klinischen Untersuchung? Frage 4: Welche Therapiemöglichkeiten können Sie der Familie anbieten?
Szenario 2
Szenario 3
Die Mutter berichtet, dass ihr bei ihrem Sohn nach einem Ausflug in die Eislaufhalle ringförmige, blasenartig-teigige Hauterhebungen aufgefallen seien. Der Sohn klage über starken Juckreiz. Sonst sei der 4-jährige bis auf eine Erkältung vor 1 Woche gesund, habe auch zuvor noch nie einen solchen Ausschlag gehabt.
Die Mutter berichtet, dass der Juckreiz bei dem Kind kurz nach dem letzten Treffen mit lhrem getrennten Ehemann dem Vater des Kinds, aufgetreten sei. ' Bei diesem Treffen sei es zu einer heftigen Auseinandersetzung um finanzielle Probleme gekommen, die der Sohn miterlebt habe. Er habe sich recht still verhalten und damit beschäftigt, in einem Kinderbuch zu malen.
Frage 6: Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie? Frage 7: Wie entstehen die Quaddeln? Wodurch kann das Krankheitsbild ausge· löst werden? Frage 8: Welche Komorbidität liegt bei einer Urtikaria häufig vor? Frage 9: Worin besteht die Therapie der Urtikaria?
Frage 10: Kann dieser psychische Konflikt der Eltern eine körperliche Symptomatik mit Kratzspuren auslösen? Frage 11: Wie kann man sich die Entstehung eines solchen Juckreizes vorstellen? Frage 12: Wie kann man in der Praxissituation auf einen solchen Konflikt eingehen, welche Fragen kann/ darf man stellen? Frage 13: Welche Therapiemöglichkeiten können vorgeschlagen werden?
Fall 1: Neurodermitis
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Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
Antwort 2: Bei chronischem Juckreiz und Ekzemen an den Gelenkbeugen liegt elne Neurodermitis nahe. Um Ihre Verdachtsdiagnose zu erhärten, sollten Sie außerdem nach Folgendem fragen: t Familienanamnese mit gezielten Fragen nach atopischen Krankheiten wie Asthma und Heuschnupfen t Eigenanamnese mit gezielten Fragen nach anderen Krankheiten des atopischen Formenkreises und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Symptombeginn (in der Mehrzahl der Fälle beginnt die Erkrankung innerhalb der ersten 3 Lebens· monate) t Psychischen Einflüssen (tritt dadurch eine Verschlimmerung ein?)
Antwort 6: Es besteht der Verdacht auf eine akute Urtikaria. Antwort 7: Die Quaddeln kommen durch eine Mediatorfreisetzung aus Mastzellen zustande. Durch die von den Mediatoren ausgelöste Vasodilatation und Erhöhung der Gefäßdurchlässigkeit kommt es zum Plasmaaustritt Die Freisetzung der Mediatoren kann ausgelöst werden durch: t Physikalische Einflüsse (Hitze, Kälte, Druck) t Allergische Mechanismen t Intoleranzphänomene (nichtallergische Reaktion z. B. auf Farb- oder Arzneistoffe) t Psychische Faktoren
Antwort 10: Eine psychische Konfliktsituation ln der Familie kann von elnem Kind in jedem Lebensalter ln Form von somatischen Symptomen ausgelebt werden. Antwort II: Der Juckreiz wird über polymodale C-Fasern der Epidermis über das Rückenmark an das Gehirn vermittelt. Dieses kann sowohl efferent als auch afferent aktiviert werden. Emotionen oder Affekte, gerade wenn sie selbst kaum wahrgenommen oder verdrängt werden, können dieses System über Neuromediatoren in die Haut vermitteln und damit den Juckreiz auslösen. Dies zeigt sich in der mentalen Auslösung von Juckreiz durch eklige Bilder (Höhe und Wanzen), bei der vermutlich die Spiegelneuronen des Gehirns aktiviert werden und zum Juckreiz führen. Antwort 12: Zunächst sind einfühlsames Zuhören und Empathie die wichtigsten Voraussetzungen. Ist das bei der aktuellen Konsultation aus zeitlichen Gründen nicht möglich, sollte man einen entsprechenden Gesprächstermin anbieten. Es wäre slnnvoll, das Kind in altersgerechter Form nach seiner Einstellung zum Streit der Eltern zu fragen, um seine lnnere psychische Beteiligung einschätzen zu können, und sich nicht damit zufriedenzugeben, wenn das Kind elne solche zunächst negiert! Man darf Mutter und Kind darauf ansprechen und nach der subjektiv empfundenen Stärke des Einflusses fragen , den dieser Konflikt auf ihre Befindlichkeit ausübt. Antwort 13: Ist der zeitliche und konflikthafte Zusammenhang mit dem Auftreten der Symptomatik evident, sollte eine psychotherapeutische Maßnahme empfohlen werden. Dies können zunächst die Abklärung, welche weiteren Bezugspersonen und Vertrauenspersonen hier als Ansprechpartner zur Verfügung stehen (Soc!al support), und die Anwendung elnes Entspannungstrainings sein (das bei Kindem ab dem 3. LJ möglich ist und von VHS und Bildungsstätten bzw. Kindertherapeuten angeboten wird) . Sollte es sich um elnen doch recht lebensentscheidenden Konflikt handeln (eine Trennung wäre ein solcher), dann ist auch elne formale Psychotherapie bei einem Kinder-Jugendlichen-Psychotherapeuten, ggf. sogar ein Aufenthalt ln einer der wenigen psychosomatischen Stationen einer Kinder- oder Rehabilitationskllnik sinnvoll.
lm Labor findet man häufig eine stark erhöhte IgE-Konzentration und Eosinophilie. Die Mutter desjungen berichtet Ihnen, dass ihr Sohn schon als Säugling Verkrustungen an Wangen und Kopfhaut gehabt habe (sog. Milchschorf). Bis zu seinem 2. LJ habe er immer wieder unter Juckreiz gelitten, so dass es öfter zu offenen, nässenden Hautläsionen gekommen sei. Seither sei die Haut besser geworden. Nun habe sie sich aber aktuell wieder verschlechtert. Des Weiteren können Sie eine Unverträglichkeit von Nüssen bei dem Jungen eruieren. Das Tragen von Wollkleidung führt zu einer Verschlechterung des Hautzustands. Der Vater des Jungen hat ebenfalls als Kind unter diesen Hauterscheinungen gelitten, bei dem 2 Jahre älteren Bruder ist ein Asthma bekannt. Von dem Vater des Jungen lebt die Mutter seit 3 Monaten getrennt, die Scheidung ist eingereicht. Bereits davor ist es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen der Eheleute wegen außerehelicher Beziehungen des Manns gekommen. Antwort 3: Bei der klinischen Untersuchung sollten Sie auf Folgendes achten: t Art der Effloreszenzen (exsudativ-krustöse Effloreszenzen sprechen für eine Neurodermitis, Superinfektionen mit Staphylokokken sind häufig) t Lokalisation der Effloreszenzen (typisch sind Beugenekzeme, die Kopfhaut kann auch betroffen sein) t Häufig ist ein weißer Dermographismus auslösbar.
Antwort 8: In 40%der Fälle liegt eine psychische Komorbidität, v. a. erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität, vor. In einem Drittel der Fälle geht der Urtikaria ein kritisches Lebensereignis (Life event) voraus, welches für den Patienten ein wichtiges Ereignis ist und zu einer psychischen Instabilität führt. Antwort 9: Lässt sich ein Auslöser der Urtikaria find en, sollte er beseitigt werden (z. B. Absetzen von ASS). Antihistaminika und evtl. eine kurzfristige Behandlung mit Glukokortikoiden lindern die Symptome. Da psychische Faktoren häufig Auslöser einer Urtikaria sind, empfiehlt sich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Dermatologen, Psychosomatikern und Internisten. Eine Psychotherapie kann indiziert sein.
t Hertaghe-Zeichen [Fehlen der seitlichen Augenbrauenpartien) t Durch die Talgdrüsenunterfunktion ist die Haut glanzlos und trocken. Oft findet man eine verstärkte Handlinienzeichnung (lchthyosishände ). t Trockene, entzündete Lippen (Cheilitis sicca) Antwort 4: Neben der dermatologischen Behandlung, die Antihistaminika, Glukokortikoide und äußerlich anzuwendende Arzneimittel beinhaltet, ist eine Unterstützung zum Durchbrechen des Teufelskreises aus Juckreiz und Kratzen wichtig! Hilfestellungen können z. B. ein Kratztagebuch, Hinweise auf Schulungsprogramme und Entspannungsverfahren sein.
Fall 2: Colitis ulcerosa Ihre Kollegin Dr. A. Enders, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin , hat Ihnen eine Patientirr zur internistischen Mitbetreuung überwiesen. Dagmar Puh ist 17 Jahre alt und erscheint in Begleitung ihrer Mutter in Ihrer Praxis. Die Patientin ist sehr zurückhaltend , sitzt vor Ihnen mit gesenktem Kopf und überlässt ihrer Mutter die Initiative. Diese teilt Ihnen Folgendes mit: "Sie war \4 Jahr in Limburg in der Klinik, die hat ganz schlimme Durchfälle gehabt. Ja und da war 5 Jahre Ruh und dann ist es noch mal aufgetreten, und da war es wieder so weit hergestellt, da war 2 Jahre Ruh, und hier' kurz bevor sie die Prüfung in der Schule gemacht hat, da hat sie wieder damit angefangen." ' Frage 1: Was sind die möglichen Verdachtsdiagnosen bei Dagmar? Antwort 1: Colitis ulcerosa, Reizdarmsyndrom, Morbus Crohn, chronische Gastroenteritis.
Szenario 1 Nachdem Sie einen ersten Eindruck von der Patientin bekommen haben, wollen Sie Ihre Anamnese weiter vertiefen. Frage 2: Welche Fragen müssten dazu erörtert werden? a) Wann traten die Beschwerden erstmals auf? b) Welche äußeren Umstände korrelieren mit dem Auftreten der Beschwerden? c) Welche Rolle spielt beruflicher/ fami· liärer Stress bei der Entstehung von Symptomen? Frage 3: Da die Colitis ulcerosa zu den Krankheiten des psychosomatischen For· menkreises gehört, interessieren Sie sich für welche der folgenden Fragen? a) Exploration der Kindheit b) Fragen nach dem letzten Auslandsauf. enthalt c) Fragen bezüglich der Beziehung zu den Eltern d) Erörterung des Verhältnisses zur Schule
Szenario 2 Frage 4: Welche Aussagen über häufige Persönlichkeitszüge von Patienten mit Colitis ulcerosa bzw. Morbus Crohn sind zutreffend? a) Dagmars Persönlichkeitsstruktur ver· anschaulicht typische Merkmale eines Patienten mit Colitis ulcerosa bzw. Morbus Crohn. b) Patienten mit Colitis ulcerosa zeigen häufiger als Patienten mit Morbus Crohn ein pseudounabhängiges Verhalten. Frage 5: Vorausgesetzt, es besteht ein psychosomatischer Zusammenhang, welche Aussagen zur Erstmanifestation und zum Verlauf der Colitis ulcerosa bzw. des Morbus Crohn sind danach zutreffend? a) Der tatsächliche oder fantasierte Tod einer nahestehenden Person kann einen Auslöser für die Erkrankung an Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn darstellen. b) Die Auslösesituationen der Schübe im Fall von Dagmar sind typisch für beide Krankheitsbilder. c) Ein potentieller Auslöser könnte in Dagmars Fall das Verhalten ihrer Mutter gewesen sein.
Szenario 3 Frage 6: Wie würden Sie Dagmars Persönlichkeit beschreiben? Frage 7: Im folgenden Abschnitt werden Behauptungen über psychotherapeutische Maßnahmen in der Behandlung von Colltis ulcerosa/ Morbus Crohn aufgestellt. Welche halten Sie für zutreffend? a) Eine analytische Psychotherapie Ist bei beiden Krankheitsbildern das Mittel der Wahl. b) Hypnoseverfahren sind nach neuesten Erkenntnissen dem AT vorzuziehen. c) Selbstbillegruppen stellen eine Alternative zur Psychotherapie dar.
Fall 2: Colitis ulcerosa
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Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
Antwort 2: Fragen nach dem zeitlichen Zusammenhang. a) Die Erstmanifestation der Erkrankung erfolgte vor 8 Jahren. Die Patientin war damals 9 Jahre alt. b) Der erste Schub korrelierte mit einem Schulwechsel, und der zweite trat auf, als Dagmar unter starkem Prüfungsstress stand. c) Ihre Mutter schildert Dagmars Verhal· ten bei Auseinandersetzungen folgender· maßen: Dagmar werde leichenblass, fange an zu zittern und laufe anschlie· ßend direkt zur Toilette.
Antwort4: a) Richtig. Zwar gibt es bei beiden Krankheitsbildern keine typische Persönlichkeitsstruktur, die auf alle Patienten zutrifft, aber wie bei vielen Krankheitsbildern mit psychosomatischen Aspekten lassen sich Persönlichkeitszüge herausstellen, die gehäuft auftreten. Dazu gehören: - Ambivalentes Verhältnis zu Bezugs· personen, meist gegenüber der Mutter geringes Durchsetzungsvermögen - Introversion - Depressive Persönlichkeitszüge, häufig erst sekundär - Zwanghafte Persönlichkeitszüge: Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Unentschlossenheit - Aggressive Gehemmtheil b) Falsch.
Antwort 6: Der Einfluss der Mutter tritt in diesem Fall überdeutlich in Erscheinung. Frau Puh reißt das Gespräch ffirmlich an sich, Ihre Tochter reagiert nur, wenn sie direkt angesprochen wird. Ebenfalls auffällig ist Dagmars Verhalten bei Auseinandersetzungen mit der Mutter. Dagmar ist nicht in der Lage, sich zu wehren, ihr einziger Abwehrmechanis· mus in solchen Situationen ist der RUck· zug. Indem sie ihre Mutter von Ihren Gedanken und Gefühlen ausschließt, versucht sie, sich abzugrenzen. Andererseits reagiert sie in Situationen, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit verlangen und sie aus Ihrer Abhängigkeit lösen könnten, mit einem Rückfallihrer Erkrankung.
Antwort3: a) Nach Aussagen der Mutter war Dag· mar ein ruhiges, unauffälliges Kind. Sie hat eine jüngere Stiefschwester, und damals hatte die Patientin auch noch viel Kontakt zu gleichaltrigen Kindern. Heute dagegen sagt Frau Puh über ihre Tochter: "Ein furchtbarer Stubenhocker ist das, die geht gar nicht raus, so dass die unter die Jugend geht, furchtbar für sich, so in sich hineingeschlossen." b) Der Auslandsaufenthalt spielt aus psychosomatischer Sicht keine große Rolle, allerdings ist diese Frage bei Durchfall unklarer Genese generell indiziert! c) Dagmars Eltern ließen sich noch vor ihrer Geburt scheiden. Sie hat ihren Ieib· liehen Vater auch später nie kennenge· lernt. Einige Jahre später heiratete Frau Puh erneut und bekam ein zweites Kind, woraufhin sie ihre Berufstätigkeit aufgab. Als Dagmar 7 Jahre alt war, starb der Stiefvater durch einen Arbeitsunfall. Es wird nicht deutlich, ob oder wie Dagmar seinen Tod verarbeitet hat. Nach dem Tod des Stiefvaters hat Dagmars Mutter keinen Mann mehr kennengelernt Frau Puh wünscht sich intensive Gespräche, um Dagmar besser verstehen zu können. Dagmar lehnt dies jedoch ab, genauso wie sie sich bei Konflikten mit der Mutter durch Rückzug von ihr abgrenzt. d) Dagmar hat zunächst die Hauptschule besucht und anschließend auf die Höhere Handelsschule gewechselt. Zu dieser Zeit - Dagmar war 14 Jahre alt - trat die Colitis ulcerosa erneut in Erscheinung. Dagmar hatte wenig Kontakt zu ihren Mitschülern. Es gab im Wesentlichen nur eine gute Freundin, mit der sie außerhalb der Schule etwas unternahm. Durch ihren langen Klinikaufenthalt war Dagmar noch nicht in der Lage, sich um eine Berufsausbildung zu bemühen.
Antwort 5: a) Richtig. Bei Betroffenen beider Krank· heitsbilder besteht häufig ein ambivalent besetztes Abhängigkeitsverhältnis mit Symbiose- und Distanzierungswünschen. Manche Autoren ordnen der Colitis ulcerosa eher die Angst vor Verlusten und dem Morbus Crohn mehr die Angst vor Trennungen zu. Die entstehenden Emotionen können nicht zugelassen werden und werden verdrängt. Durch die Somatisierung finden sie ihren Weg nach außen. b) Richtig. Die Schübe beider Krankheits· bildertreten häufig in Schwellensituationen, bei Leistungsanforderungen auf wie z.B.: - Prüfungsstress - Situationen, die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung fordern -Umzüge, Ortswechsel - Operationen Ebenso können unterdrückte Wut und Aggressionen schubauslösend wirken. c) Richtig. So wie Frau Puh über ihre Tochter gesprochen hat, scheint es kaum möglich, dass ein Meq.sch bei derartig negativer Fremdsuggestion ein angemessenes Selbstwertgefühl entwickeln kann. Die Missbilligung oder die Bedrohung durch ein Elternteil kann als auslösender Faktor durchaus eine Rolle spielen, zumal sich weder Dagmar noch ihre Mutter an ein einschneidendes Ereignis im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstmanifestation der Kolitis erinnern können.
Antwort 7: a) Falsch. Selbst die beste Psychoanalyse kann die biologischen Faktoren als Ursa· ehe für die Colitis ulcerosa bzw. den Morbus Crohn nicht beheben. Außerdem sind nur wenige Patienten zu einer aufdeckenden Psychotherapie bereit. Man bevorzugt daher eine anaklitische Form der Psychotherapie, d. h. eine Geborgenheit und Schutz vermittelnde Variante als Begleitung zur Internistischen Therapie. b} Falsch. Das AT, die KBT sowie funktionelle Entspannungsverfahren werden heute der Hypnose vorgezogen. Ebenso kommen Gestaltungs· und maltherapeutische Techniken zur Anwendung. Die genannten Therapieformen schließen eine Internistische oder chirurgische Behandlung natürlich nicht aus. c) Richtig. Viele Patienten sind eher bereit, sich einer Selbsthilfegruppe anzu. schließen, als sich einer Psychotherapie zu unterziehen. Die Selbsthilfegruppen verzeichnen in den letzten Jahren großen Zulauf und sind als durchaus positiv einzustufen. Zu empfehlen sind beispielsweise die Deutsche Morbus Crohn/ Collt!s ulcerosa Vereinigung (DCCV).
Fall 3: Herzneurose Ein 22-jähriger Mann kommt in Begleitung seiner Mutter in Ihre Praxis. Herr Hart berichtet, dass er auf einmal Angst habe, einen Herzinfarkt zu bekommen. Diese Angst trete immer mal wieder auf. Zusätzlich habe er ein Kribbeln und Jucken in den Fingern (I Abb. 1), den Armen und am Herzen. Erstmalig seien die Beschwerden 2 Tage nach seinem 22. Geburtstag aufgetreten. Es sei vormittags während der Arbeitszeit passiert, ohne dass unmittelbar etwas Besonderes vorausgegangen sei. Der Patient habe sich derartig schlecht gefühlt, dass er nach Hause gehen musste. Seine Mutter habe den Notarzt informiert, und nach einer Beruhigungsspritze sei es Herr
Hart wieder besser gegangen. I Abb. 1: Der Patient klagt über Angst vor einem Herzi nfarkt und Kri bbeln und Jucken in den Fingern .
Frage 1: Was sind mögliche Differentialdiagnosen bei Herrn Hart? Frage 2: Was können Sie tun , um mögliche Krankheitsu rsachen näher einzugrenzen? Antwort 1: Herzinfarkt, instabile Angina pectoris, stabile Angina pectoris, KHK , Herzneurose, Panikattacke, Ösophagitis. Antwort 2: Anamnese, klinische Untersuch ungen, Überweisung zu einem Kardiologen, Internisten oder Psychosomatiker.
Szenario 1 Vor Ihnen sitzt Herr Hart, ein junger Mann, der einen unsicheren, ängstlichen Eindruck auf Sie macht. Frage 3: Welche Fragen in der Anamnese könnten Ihnen weiterhelfen? a) Kann der Patient genauere Angaben zum Kontext, in dem die Herzschmerzen erstmals auftraten, machen? b) Sind in der Familie Herzerkrankungen bekannt? c) Wie würden Sie die Herzschmerzen typischerweise charakterisieren? Frage 4: Welche klinischen Untersu· chungen würden Sie zunächst einmal durchführen?
Szenario 2
Szenario 3
Durch Ihre Anamneseerhebung kommen Sie auf die richtige Spur, dass es sich bei Herrn Hart um eine "Herzneurose" handelt.
Frage 9: Welche Therapiemöglichkeiten schlagen Sie vor? a) Verhaltenstherapie b) Analytische Psychotherapie c) Weiterbehandlung durch den Hausarzt d) Psychopharmaka e) Entspannungsverfahren 0 Körperorientiertes Verfahren
Frage 5: Was versteht man unter einer Herzneurose? Frage 6: Wie ist der Verlauf der Herzneurose? Frage 7: Was sind Synonyme für Herzneurose? Frage 8: Welche Persönlichkeitsstruktur ist für die Herzneurose typisch?
Fall 3: Herzneurose
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Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
Antwort3: a) Herr Hart berichtet von seiner Geburtstagsfeier. Er habe sieben Frauen und sieben Männer eingeladen, für ihn habe es keine Partnerin gegeben, und er habe somit mehr oder weniger zugesehen, wie die anderen sich amüsierten. Er sagt, es belaste und enttäusche ihn, wenn Frauen so offensichtlich ablehnend auf ihn reagieren. Er hätte gern eine Freundin und wünscht sich, das Elternhaus zu verlassen und eine eigene Familie zu gründen. Wörtlich meint er dazu: "Vielleicht würde dann ja auch die Krankheit besser." Vor einigen Wochen habe er einen erneuten Angstanfall erlitten, nachdem innerhalb kürzester Zeit beide Großväter verstorben seien. Seither sei er kaum noch angstfrei, kontrolliere ständig seinen Puls und bekomme bereits Beschwerden, sobald er ein Martinshorn häre. b) Herr Hart berichtet, dass einer seiner Großväter auch an einem Herzinfarkt gestorben sei. Dies habe seine Angst verstärkt, er könne ebenfalls an einer schweren Herzerkrankung leiden. c) Der Schmerzcharakter bei einem akuten Herzinfarkt oder instabiler Angina pectoris wird häufig als dumpf, drückend und einengend beschrieben. Im Gegensatz dazu wird bei psychosomatischen Herzbeschwerden eher ein kribbelndes, stechendes Gefühl angegeben.
Antwort 5: Unter Herzneurosen versteht man Symptome, die der Patient mit dem Herzen in Verbindung bringt Die Patienten können dabei unter Stechen und Schmerzen in der Brust, Herzstolpern, Herzjagen oder Beschwerden, die sich auf die Atmung, das Allgemeinbefinden oder das psychische und vegetative Befinden auswirken, leiden. Diese Beschwerden können objektivierbar oder nicht ob· jektivierbar sein. Die Patienten haben große Angst. Antwort 6: Der Verlauf einer Herzangststörung wird oft als Störung beschrieben, die meist mit einem akuten (sympathikovasalen) Herzanfall beginnt, der als akuter Angstzustand mit Herzstillstandsangst erlebt wird . Im Laufe der neurotischen Erkrankung kommt es zu diffusen, sich ausweitenden hypochondrischen und phobischen Beschwerden. Antwort 7: Synonyme Begriffe für Herzneurose sind funktionelle kardiavaskuläre Störungen, Irritable heart, Herzangststörung, Herzneurose und somataforme autonome Funktionsstörung des Herzens. Antwort 8: Herr Hart entspricht ziemlich genau der A-Typ-Persönlichkeit, die typischerweise bei Herzneurotikern auftritt: depressiv-klammernd, einfache Abhängigkeit, Konzentration auf die eigene Symptomatik, zunehmende Einengung der Lebensbezüge, Vermeidung von Belastungssituationen, gesteigerte Selbstbeobachtung. Hiervon unterscheidet man eine oppositionelle B-Typ-Persönlichkeit: überkompensierend-abwehrend, verleugnende Aktivität, Krankheit wird mit körperlicher Leistung überspielt, übertriebene Selbstständigkeit (Abhängigkeitssituationen werden als demütigend empfunden und nicht ertragen).
Antwort 9: Alle der genannten Möglichkeiten können eingesetzt werden! Man muss allerdings anmerken, dass eine Therapie schwierig sein kann. Die VerhaltensthePapie ist eine durchaus geeignete Methode zur Behandlung der Herzneurose, insbesondere da sie auf die depressive Struktur des Herzneurotikers eingeht. Sie wird auch als Kombinationstherapie mit Psychopharmaka eingesetzt. Entspannungsverfahren beheben zwar nicht den eigentlichen Konflikt, stellen jedoch eine gute unterstützende Therapie zur Verminderung der Symptomatik bei akuten Angstanfällen dar. Das körperorientierte Verfahren, v. a. die KBT, dient ähnlich wie die Entspannungsverfahren der verbesserten Wahrnehmung und Regulation der Körperfunktion. Kombiniert mit einem verbalen Verfahren kommt es als Therapieform durchaus in Frage.
Antwort 4: Zuerst einmal müssen die möglichen internistischen Notfallerkrankungen (Herzinfarkt, Lungenembolie, rupturiertes Aortenaneurysma) ausgeschlossen werden. Dazu sind ein Labor (Troponine, D-Dimere, Laktat, Entzündungsparameter), ein EKG (STEMI, NSTEMI , Lungenembolie, Tachyarrhythmia absoluta) und ein Röntgen-Thorax (Pneumothorax, Rippenserienfraktur) erforderlich. Alle diese Untersuchungen waren bei Herrn Hart blande und ergaben keinen Anhalt für eine internistische Erkrankung.
Anhang
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Quellenverzeichnis
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Jäckle R.: Hexa! Taschenlexikon Medizin, 3. Auflage. München: Elsevier Urban & Fischer 2004 LexiROM Version 3.0 (CD), 3. Auflage. Mannheim: Biblio· grafisches Institut 1997 Möller H.-J./Laux G./Deister A.: Psychiatrie und Psychotherapie (Duale Reihe), 3. Auflage. Stuttgart: Thieme 2005 Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage. Berlin: de Gruyter 2007 Rosemeier H. P.: Medizinische Psychologie und Soziologie, (Enke Reihe zur AO/ AOÄ), 4. Auflage. Stuttgart: Thieme 1991
Rudolf G./Cierpka M./Clement U.: Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik, 4. Auflage. Stuttgart: Thieme 2007 Wunn E.: BASICS Psychiatrie. München: Elsevier Urban & Fischer 2006
Register A ABC-Schema, kognitive Therapieverfahren 84 abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung 39 Abhängigkeit, Psychotherapie 77 Abhängigkeitsbedürfnisse 22 Abhängigkeitsbeziehung, Depression, neurotische 32 Abhängigkeitskonflikt 17 Ablutophobie 28 Abneigung 14 Abstinenzregel, Psychoanalyse 79 Abwehr(mechanismen) 6, 23 Achluophobie 28 Acne - comedonica, conglobata, papulopustulosa bzw. vulgaris 61 - excoriee 61 Adaption 24 Adipositas 46, 48 - arzneimittelinduzierte 49 - Bauchumfang 48 - Bewegungstherapie 48 - Binge·eating disorder (BED) 49 - Koch- und Selbsthilfegruppen 48 - koronare Herzerkrankung 54 - Psychotherapie 49 - Risikofaktor 48 -Sport 48 - Stoffwechselerkrankungen 49 - Verhaltenstherapie 48 Ängste/ Ängstlichkeits. Angst(störungen) ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung 39 Ärger, Depression, neurotische 33 Aerophagie 51 Ärzte, Psychotherapie 76 Ärzteodyssee 62 Affekte 22 affektive Störungen, somatapsychische Störungen 45 Aggravation, Selbstverletzungen 72 Aggression - gegen die eigene Person 33 - Depression, neurotische 33 aggressive Bedürfnisse 22 Agnosie, visuelle 68 Agoraphobie 28 Ainsworth, Mary 7 Akkommodation 24 Akne 61 - dysmorphophobe Störung 61 - des Pubertätsalters 61 Akrophobie 28 Aktivitätsbedürfnisse 22 Aktualneurose 16 - 17 Akzeptieren, bedingungs·/ wertfreies - Gesprächs(psycho)therapie, klientenzentrierte 86 - Psychotherapie 77 Aiexander, F. 45
1os Alexithymiekonzept 18 Amblyopie 68 Amnesien 34 anale Phase 24, 78 - aggressive Bedürfnisse 22 - Autonomiebedürfnisse 22 - Zwangsneurose 30 analytische Psychotherapie 79 - 81 Anamnese( erhebung) -psychosomatische 20 - tiefenpsychologische 79 anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung 39 angstauslösender Reiz, Verhaltenstherapie 83 Angsthierarchie, Verhaltenstherapie 82 Angsmeurosen 36-37 Angst(störungen) 22-23 - Belastungsreaktion, akute 42 - Depression 36 - episodisch paroxysmale 36 - infantile, Reaktivierung 22 - vor Liebesverlust 13 - neurotische 22 -normale 36 - pathologische 36 - Rückenschmerzen 63 - Schmerzsyndrom, chronisches 62 - Selbstverletzungen 72 - Transplantation 75 - Unterbauchschmerzen, chronische 58 Angst(störungen) - gemischte 36 - generalisierte 36 -- Unterscheidungskriterien 37 - Krebskranke 74 - Verhaltenstherapie 85 - Vermeidungsverhalten 82 Angstverhalten 13 Angstvermeidung 22-23 Anhedonie 9 Anlehnungsbedürfnisse 22 anorektale funktionelle Störungen 51 Anorexia nervosa/ Anorexie 46-4 7 Anpassungsreaktionen 42-43 Anpassungssyndrom, allgemeines 18 Anthrophobie 28 Arbeitsbündnis -Anamnese, psychosomatische 20 - Psychoanalyse 79 Artefakte 72 Arthritis, rheumatoide 45 artifizielle Erkrankungen/Störungen 72-73 artifizielles Defizit 14 Arztangst 14 Assimilation 24 Assoziationen, freie 78 - Deutung 79 - Psychoanalyse 79 Asthma bronchiale 45, 70-71 - allergisches 70 - anstrengungsbedingtes 70
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- extrinsisches/ intrinsisches 70 - gemischtförmiges 70 - infektbedingtes 70 - Sympathikusaktivierung 70 Asthmaschulung 71 Aufmerksamkeit - Fokussierung, Hypnosetherapie 93 - gleichschwebende, Psychoanalyse 79 Aufmerksamkeits-Belastungstest d2 20 Augenerkrankungen, psychosomatische 68 - 69 Ausdruckskrankheiten 44 Autoaggression 72 Autoerotismus 8 autogenes Training 92 autonome Störungen, somataforme 44 Autonomiebedürfnisse - Entwicklung 22, 24 -Wut 23 averbale Therapieverfahren 90-91 Aversionsbehandlung, Verhaltenstherapie 83 Aversionstechniken 14- 15 Avlophobie 28
B Balint, M. 19 Balint-Gruppen 76 Beck, A. 82, 84 Bedürfnis nach Aktivität 22 Behandlungstechnik, stützende 80 Belastungsreaktionen/ ·störungen 42- 43 -akute 42 - koronare Herzerkrankung 55 - posttraumatische 43 - psychosoziale 42 - somatapsychische 45 Belonophobie 28 Bereitstellungserkrankungen 45 Bestrafung 14 - Selbstverletzungen 72 Bewältigungsmechanismen s. Coping Bewegungsstörungen, dissoziative Störungen/ Konversionsstörungen 44 Bewegungstherapie, konzentrative (KBT) 91 Bewertungsfunktion, dysfunktionale, kognitive Therapie 84 Bewusstes 2 Bewusstseinslage, eingeengte, Belastungsreaktion, akute 42 Bewusstseinsstörung 44 Beziehungen, interpersonelle, aktuelle 80 Beziehungsaufbau 20 Beziehungsfcihigkeit, Psychotherapie 77 Beziehungskonflikte 78 - Psychoanalyse 79 Beziehungsmuster 78 Bindung 6- 7 - ambivalent unsichere 7 - desorganisierte 7 -sichere 7 - unsicher vermeidende 7
Register Bindungstheorie 78 Binge-eating disorder (BED) 46, 49 Biofeedback 13 - 14, 20 biographische Situation, Erarbeitung 20 biopsychosoziale Wechselwirkungen 16 biopsychosoziales Krankheitsmodell 19 biopsychosoziales System, Störungen 88 Blähungen 51 Blasenneurose 56 -57 Body-mass-lndex (BMI) 46 Bord erline-Persönlich keitsstörung 9, 38, 40-41 -DSM-IV 9 Bowlby, Joh n 28 Brustschmerzen, funktionelle 51 Bulimie 47 buHmiseher Typ, Anorexia nervosa 46 Burn-out 74
c Coping, Tinnitus 67 CF (cystic fibrosis) 71 chronische Erkrankungen, Psychoonkologie 74
Colitis ulcerosa 45, 52 - 53, 98 - 99 Colon irritabile 53 Coping 45, 74 Counselling 67 Crohn-Krankheit 52 - 53
D Darm, irritabler 51 Darmerkrankungen/ -störungen -chronische (CDE) 52-53 - funktionelle 51 Defäkation, erschwerte 51 Defizitmodell 78 Denken - dichotomes 84 - formales 25 - konkret Operationales 25 - Operationales 28 - präoperationales 25 Denkstörungen -formale 30 - inhaltliche 30 - kognitive Therapie 84 Depersonalisationssyndrom 44 Depression 32 - Angst 36 - Belastungsreaktion, akute 42 - chronische 32 - endogene 33 - Krebskranke 74 - medikamentös induzierte 33 -neurotische 32 - 33 -- Fixierung, orale Phase 32 - Objektbeziehungen I 7 - organisch begründete 33
-reaktive, Differenzialdiagnose 33 - Schmerzsyndrom , chronisches 62 - Schwindel 65 - Transplantation 75 - Unterbauchschmerzen, chronische 58 - Verhaltenstherapie 85 depressive Verstimmungs. Depression Derealisation 44 Dermatitis, atopische 60 Dermatologie, Psychosomatik 60-6 1 Desensibilisierung, systematische, Verhaltenstherapie 82 Desomatisierung 17 Desorientiertheit, Belastungsreaktion , akute 42 Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankung 54
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders 21 Diagnostik 20- 21 - verhaltenstherapeutische 20 diagnostische Begriffe, Operationalisierung 21 Diarrhö, funktionelle 51 dissoziale Persönlichkeitsstörung 38 dissoziative Störungen 34 - 35 -der Bewegung und Sinnesempfindung 44 - Hypnosetherapie 93 - Münchhausen-by-proxy-Syndrom 73 -Neurosen, histrionische 34 Distress 18 DSM-IV - Borderline·Kri terien 9 - Narzissmus- Kriterien 9 DSM-!V-R 21 Duodenalgeschwüre 50-51 Durchsetzungstraining 13 Dysmorphophobie/ dysmorphophobe Störung 28 -Akne 61 Dyspareunie 58 Dyspepsie 53 - funktionelle 51 Dysphagie, funktionelle SI
E Echtheit (Authentizität) - Gesprächs(psycho)therapie, klientenzentrierte 86 - Psychotherapeut 77 Ekel 14 Ekzem, atopisches/endogenes 60 Ellis, A. 84 Elternteil, gleichgeschlechtliches, geschlech tsrollenkonforme Verhai rensweise 24 emotional instabile Persönlichkeitsstörung 38 emotionale Entlastung 80 emotionale Zuwendung - Ad ipositas 48 - fehlende 48
Emotionen 22 Empathie - Gesprächs(psycho)therapie, klientenzentrierte 86 - Psychothera peut 77 Empfindungsstörungen, dissoziative, Sehstörungen, funktionelle 68 Engel, G. L !6 Enteritis regionalis 52 - 53 Entomophobien 28 Entspannungsverfah ren 92 - 93 - Angststörung 37 - Neurosen, histrionische 35 Entwicklu ng - kognitive 24 - - sensornotorische Phase 25 -Modell 24 - positive Faktoren 25 - protektive Faktoren 24 - psychosexuelle 24 -- Phasenmodell 24 - psychosoziale 24 - - Stufenmodell 78 - 79 - Risikofaktoren 24 - triebtheoretische 24 Entwicklungsdefizite 78 Entwicklungskonflikte 5 Entwicklungspsychologie 24 Entwicklungsstad ien, kognitive 25 Erbrechen - Bulimie 47 - willkürliches 47 erektile Dysfunktion 57 Erschöpfungsdepression 33 Erstinterview, psychoanalytisches 79 Erythrophobie 28 Es 2 - Triebimpulse 22, 78 Essstörungen 46 - 49 Eustress 18 exercise-induced asthma 70 Existenz, eigene, Wahrnehmung, Selbstverletzungen 72 Exposition , Verhaltenstherapie 83 Extinktion - Verhalten, konditioniertes 10 - - operantes I I
F Facharzt - für Psychiatrie und Psychotherapie 76 - für psychosomatische Medizin und Psychotherapie 76 fachgebundene Psychotherapie, Zusatzbezeichnung 76 Familientherapie 87 - 89 - elterliche Subsysteme 89 - Fragen, zirkuläres 88 - Generationsgrenze 89 - Geschwistersubsysteme 89 - Indexpatient 88
Register
- Interventionen, paradoxe 88 - Joining 88 - Kollusionen 88 -Konflikte, intrafamiliäre, Aufdeckung 89 -Kontraindika tionen 89 -Perspektive, horizontale/ vertikale 89 -Sitzungen, Unterbrechung 88 - Symptomträge r 88 - systemische 88 - Übertragungs-Gegenübertragungs-System 89 - Umdeutung (Reframing) 88 - Verschreibungen 89 fanatische Persönlichkeitsstörung 38 Fantasie vom Verlust, Depression, neurotische 32 Fehlleistung 3 Fehlverhalten , erlerntes, Verhaltenstherapie 82 Fettleibigkeil/Fettsucht s. Adipositas Fixation, Aversionstechniken 15 Fixierung, Sehstörungen, fun ktionelle 68 Flucht in die Krankheit 18 Fluchtreaktion , Belastungsreaktion, akute 42 Fokaltherapie 80 Fragebögen 20 Fragen - Familientherapie 88 - offene 20 - zirkuläre 20 Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) 21 Fremdbeurteilungsverfahren 20 Freud - Anna 4, 23 - Sigmund 2-3, 77-79 Frustrationstoleranz, mangelnde, Psychotherapie 77 Fugue 34 - Belastungsreaktion, akute 42 funktionelle Störungen 44 - 45
G Gallenstörungen, funktionelle 5 1 GAS (general adaption syndrome) 18-19 gastroduodenale Störungen, funktionelle 51 gastroenterologische Erkrankungen - funktionelle 50 -Psychosomatik 50-53 Gate-Control-Theorie - Schmerzsyndrom, chronisches 62 - Unterbauchschmerzen, chronische 58 Gedankenstopptraining, Verhaltenstherapie
84 Gefühle -infantile, Wiederbelebung 79 - Verbalisierung 86 Gegenübertragung 2 - Familientherapie 89 - psychoanalytische Therapie 78 general adaption syndrom (GAS) 18 - 19
Geschlecht, Entwicklung, kognitive 25 geschlechtsrollenkonforme Verhaltensweisen 24 Gesprächs(psycho)therapie 86-87 - Akzeptieren, bedingungsfreies 86 - Echtheil/Empathie des Therapeuten 86 - Hilfe zur Selbsthilfe 86 - identifikatorische Teilhabe des Therapeuten 86 - klientenzentrierte 86 - Kongruenz 86 - Kräfte, positive, individuelle 86 - Lösungsmöglichkeiten, Erarbeitung, selbstständige 86 - nondirektive 86 - seelische Funktionsfähigkeit, erhöhte 87 - Selbstwiderspruch, Aufhebung 87 - Spiegeln 86 - stationäre 87 Gestalttherapie 80 , 90 Gesundheitssurveys (2004), Erkrankungshäufigkeit 76 Gewissensangst 13 Globusgefühl 51 Good-enough-Mütterlichkeit 17 Größenfantasien, Depression, neurotische 33 Grundbed ürfnisse 22 - menschliche 22 - triebhafte 22 Grundbegriffe, Verhalten I 0- 15 Grundeinstellung, Patient 16 Grundstörung I 9 Gruppen(gesprächs)therapie 87 - analytische 80 - psychoanalytisch interaktioneHe 80 - tiefenpsychologisch fund ierte 80 gynäkologische Erkrankungen, Psychosomatik 58-59
H Habituation, Verhaltenstherapie 83 Haltungen, falsche/ richtige 62 Hamburg.Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWlE) 20 Hamilton-Depressionsskala (HAMD) 20 Hauser, Kaspar 22 Heißh ungera ttacke - Binge-eating disorder 49 - Bulimie 47 Helicobacter pylori, Ulkuskrankheit 50 Hemmung, Verhaltenstherapie 82 Henne-Ei-Dilemma 16 Herz, symbolhafte Bedeutung 54 Herzinfarkt 54 -55 Herzjagen, -neurose bzw. -stolpern 54 - Fallbeispiel 100 - 101 Hllfe zur Selbsthilfe 82, 86 Hingabestörung, Urethralsyndrom 57 histrionische Neurosen 34 - 35 histrionische Persönlichkeitsstörung 39 HNO-Erkrankungen, Psychosomatik 64 -67
1101111
Hörstörungen 66 Hörsturz 66 Hospitalismus 70 Hyperlipidämie, koronare Herzerkrankung 54 Hyperthyreose 45 Hypertonie - essentielle 45, 55 - koronare Herzerkrankung 54 Hypnose(therapie) 77, 92 - 93 - Aufmerksamkeit, Fokussierung 93 - dissoziative Störungen 93 - Neurosen, histrionische 35 -Rapport 93 - Reorientierung 93 hypnotische Trance 92 -93 hypochondrische Störung 44 Hysterie 44, 79 hysterieförderndes Milieu, Neurosen, histrionische 35 hysterischer Typ, Neurosen, histrionische 34
IBS (irritable bowel syndrome) 53 ICD-10 21 Ich 2, 78 - instabiles, kardiavaskuläre Störungen 54 - Reifung/Strukturierung 17 Ich-Schwäche, Selbstverletzungen 72 Ich-Störungen 28 Identifikation 5-6 Imitationslernen 11 Impulse, primäre 22 Impulshandlung 31 impulsiver Typ, Persönlichkeitsstörung 38 lndexpatient, Familientherapie 88 infantile Gefühle, Wiederbelebung, Psychoanalyse 79 Inkontinenz, funktionelle 51 Innenohrhörverlust 66 Intellektualisierung 6, 23 Interaktionsanalyse 20 Internalisierung 4- 5 Interventionen, paradoxe, Familientherapie 88
Introspektionsfahigkeit, Psychotherapie 77 irritable bowel syndrome (IBS) 53
J Jacobson, Edmund 92 Joining, Familientherapie 88 Jung, C.G. 80
K kardiavaskuläre Störungen - funktionelle 54 -Psychosomatik 54-55
~
Register Kastrationsangst 24 Katastrophisieren 84 KBT (konzentrative Bewegungstherapie) 91 Kinderheilkunde, Psychosomatik 70 - 71 Kinderlosigkeit - prämenstruelles Syndrom 59 - ungewollte 59 Kinderpsychotherapie 87 klassische Konditionierung I 0, 82 Klaustrophobie 28 Klein, Melanie 17 Kleptomanie 31 Knibbelakne 61 Körperfunktionen, willkürliche Kontrolle 13 - 14
körperlich-seelisch-soziale Wechselwirkungen 16 Körperschemastörung, Anorexia nervosa 46 Körpersprache 16 - Beobachtung 20 Körpertherapie 91 Körperwahrnehmungen, autogenes Training
92 kognitiv·behaviorale Therapie 82 - 86 kognitive Entwicklung, nach Piaget 24 kognitive Therapie(verfahren) nach A. Beck 84 - ABC-Schema 84 kognitive Triade 84 Kollusionen, Familientherapie 88 Komorbiditäten, Psychotherapie 77 Konditionierung I 0- 11 - klassische 10, 82 - operante 10- 11, 82 -verbale 13 Konfliktängste 13 Konfliktbereitschaft, Psychotherapie 77 Konflikte 4 -äußere 4 -frühkindliche 78 -infantile, Reaktivierung 4-5 - innere 4 - neurotische 32 - operationalisierte psychodynamische 4 - pathogene 4 - psychodynamische 4 - reaktualisierte 5 - repetitiv·dysfunktionale 4 -verdrängte 78 --Depression 32 - verinnerlichte 4 Konfliktmodell 4, 78 - nach Anna Freud 4 Konformitätsbedarf 12 Kongruenz, Gesprächs(psycho)therapie, klientenzentrierte 86 Kon taktverhalten, erwünschtes 13 Kontrollskala 2 1 Kontrollzwang 31 Konversionsmodell 16- 17
Konversionsneurose/ -störungen 17, 34 - 35, 44 - histrionische 34 - Sehstörungen, dissoziative, funktionelle 68 konzentrative Bewegungstherapie (KBT) 91 Kooperation, Verhaltenstherapie 85 koronare Herzerkrankung 54 - 55 - Belastungsfaktoren 55 Krankheitsbewältigung 45, 74 Krankheitsentstehung, psychische, Faktoren 74 Krankheitsgewinn - primärer 5 - Sehstörungen, funktionelle 68 - sekundärer 5 -- Mitleid 77 Krankheitsmodell - biopsychosoziales I 9 - integratives 19 Krankheitsverlauf 74 kreativtherapeutische Verfahren 90 Krebskranke - kurative Therapie 74- 75 - Lebensqualität, subjektive 74 - palliative Behandlung 74 - 75 - psychische und psychosomatische Komorbiditä t 74 Kriseninterventionen 80 Kühler-Ross, E. 23 - Sterbephasen 23, 75 künstlich erzeugte Krankheiten 72 - 73 Kunsttherapie 90 kurative Therapie, Krebskranke 74-75 Kurztherapie 80
L Langzeittherapie 80 Lebensqualität, subjektive, Krebskranke 74 Lebensweise, Adipositas 48 Leib·Seele·Problem 16, 18 Leidensdruck, Psychotherapie 77 Leistungsdiagnostik 20 Lernen -einsichtiges (planvolles) 12 - amErfolg 10 - 11 ,82 - am Modell II , 15, 82, 84 - operantes 82 -soziales II lernpsychologische Therapieverfahren, experimentelle 77 Lerntheorien I0 Life events - Forschung 19 - prämenstruelles Syndrom 59 - Urtikaria 60 Löschung, Verhaltenstherapie 82 - 83 Lügenskala 2 1 Lumbago 63
M Magengeschwüre 50-5! Magersucht 46 - 47 Mania operativa 73 Meniere-Syndrom 65 Milchschorf 60 Mini-Mental State Examinabon (MMSE) 20 Mitscherlich, A. 18 Modelllernen I I, 15, 82, 84 Morbus s. unter den Eigennamen bzw. Eponymen Motivationsanalyse 20 Münchhausen·by·proxy-Syndrom/ Münchhausen·Stellvertreter·Syndrom 73 Münchhausen·Syndrom 72-73 Müuerlichkeit, Good·eno ugh·Mütterlichkeit 17 Mukoviszidose 71 Musiktherapie 90-91 Muskelrelaxation, progressive nach Jacobson 92 Mutter-Kind-Beziehung, frühe, Störungen 1 7
N Nachahmung 12 Narzissmus 8-9, 40 - DSM·IY 9 narzisstische Bedürfnisse 22 nephrologische Erkrankungen, Psychosomatik 56 - 57 Nervenzusammenbruch 42 Nesselsucht 60 - 61 Neurasthenie 44 Neurodermitis 45, 60 - Fallbeispiel 96 - 97 neuronale Netzwerke, Prägungen 78 Neurosen - histrionische 34 - 35 - hysterische 44 neurotische Angst 22 neurotische Depression 32 - 33 Neurotisierung, Darmerkrankungen, chronische 52 - 53 Neurowissenschaften 78 Normierung, Testverfahren, psychologische 20
0 Obesitas 48 Objektbeziehungen, Konzept 17 Objektivität, Testverfahren, psychologische 20 bjektliebe 8 Objektpsychologie 8 Obstipation, funktion elle 5 1 ödipale Phase 24 - Neurosen, hlstrionische 35 Ödipalproblematik 19
Register
Ösophagusstörungen, funktionelle 51 Ohrgeräusche 66-67 operante Konditionierung 10-11, 82 operationalisierte psychodynamische Diagnostik, Konflikte 4 Operationalisierung 21 orale Phase 24, 78 - Fixierung, Depression, neurotische 32 Organkrankheiten, psychosoziale Komponente 45 Organneurose 17 orthopädische Erkrankungen -Psychosomatik 62-63 - Schmerzen 62 Overprotection 40
p Paartherapie 87 palliative Behandlung, Krebskranke 74- 75 Panikstörungen 36 - Agoraphobie 28 - Unterscheidungskriterien 37 - Verhaltenstherapie 85 Panneurose 41 Paraartefakte 72 paranoid-schizoide Position, Objektbeziehungen 17 paranoide Persönlichkeitsstörung 38 Parasympathikus 17 Partnerschaftsprobleme, Krebskranke 74 Patient, Grundeinstellung 16 Pawlow, Iwan P. 10, 82 pelvic inflammatory disease (PID ) 58 Penisneid 24 Persönlichkeit - Nachreifung 78 - Umstrukturierung, Psychoanalyse 79 Persönlichkeitsmodell, Sigmund Freud 2 Persönlichkeitsstörung 38-41 -abhängige (asthenische) 39 - ängstliche (vermeidende) 39 - anankastische (zwanghafte) 39 - andauernde 39 - Borderline-Typ 38 - depressive, kardiavaskuläre Störungen 54 - dissoziale 38 - emotional instabile 38 - fanatische 38 - histrionische 39 - impulsiver Typ 38 -kombinierte 39 - multiple 34 - narzisstische 40 - paranoide 38 - Pathogenese und Psychodynamik 40 - Prostatapathie 56 - querulatorische 38 - schizoide 38 - somatapsychische 45 - sonstige spezifische 39 - zwangsneurotische 56
Persönlichkeitsstruktur, psychosomatische 28 Persönlichkeitstests 21 personenzentrierte Medizin 16 phallisch-ödipale Phase 78 Phantomschmerz, Schmerzsyndrom, chronisches 62 Phobien 28-29 - Psychotherapie 29 -soziale 28 - spezifische 28 - Unterscheidungskriterien 37 - Untertypen 28 - Verhaltenstherapie 29, 85 Piaget 24 PMR (progressive Muskelrelaxation) 92 polysomatischer Typ, Neurosen, histrionische 34 posttraumatische Belastungsstörungen 43 prämenstruelles Syndrom (PMS) 59 Praktikabilität, Testverfahren, psychologische 20 Problemlösetraining 85 - Verhaltenstherapie 82 Problemverhalten, abgrenzbares, Verhaltenstherapie 85 Projektion 6, 23 Prostatitis 56 Prostatodynie/Prostatopathie 56 Pseudologia phantastica 72 - 73 Psychiatrie, Facharzt 76 psychische Störung, Erkrankungshäufigkeit 76 Psychoanalyse - Entwicklung, neuere 8- 9 -klassische 79, 81 - Zusatzbezeichnung 76 psychoanalytische Mechanismen 2 psychoanalytische psychodynamische Therapie 78 - Angststörung 37 -Neurosen, histrionische 35 psychoanalytisches Erstinterview 79 psychoanalytisches Modell nach S. Freud 24 Psychoedukation 84 Psychologen, Psychotherapie 76 Psychoonkologie 74-75 Psychosen, schizophrene 31 psychosexuelle Entwicklung, Phasenmodell 24 Psychosomatik - Augenheilkunde 68 -Definition 16 -Dermatologie 60-6 1 - Gastroenterologie 50-53 - Gynäkologie 58-59 - HNO-Heilkunde 64 - 67 -Kardiologie 54-55 - Kinderheilkunde 70-71 - Nephrologie 55 - Orthopädie 62 - 63 - Psychotherapie 77 - Theorien 16 - 19 - Urologie 56 - 57
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psychosomatische Erkrankungen 44-45 psychosomatische Grundstörung 19 psychosomatische Grundversorgung 76 psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt 76 psychosomatische Persönlichkeitsstruktur 28 psychosomatische Regression 28 Psychosomatosen 45 psychosoziale Entwicklung, Stufenmodell 78-79 Psychotherapeut, Voraussetzungen 77 Psychotherapeuten-Gesetz 76 Psychotherapie 76 - 77 - ambulante/ stationäre 76 -analytische 79-8 1 - Facharzt 76 - fachgebundene, Zusatzbezeichnung 76 - Phobien 29 - psychodynamische 79 - Psychosomatik 77 - seelisch bedingte Krankheiten 76 - stützend supportive 77 - supportive 80 - Therapiemotivation 77 - tiefenpsychologisch fund ierte (TFP) 77, 80-81 -Weiterbildung des Arztes 76 Pyromanie 31
Q Ouetelet-lndex (01) 46 Ouincke-Ödem 60
R Rapport, Hypnosetherapie 93 rational-emotive Therapie (RET) 84 Rationalisierung 6 Reaktionen, eigene 15 Reaktionsbindung 6 Realangst 22, 36 - des Kindes 22 Reflexionsfähigkeit, Psychotherapie 77 Reframing (Umdeutung), Familientherapie 88 Regression 3, 6, 23 - Konfliktmodell 5 - Psychoanalyse 79 - psychosomatische 28 Reiz -konditionierter (CS) 10 -nicht konditionierter (UCS) I 0 Reizblase 56-57 Reizdarmsyndrom 53 Reizüberflutungsverfahren, Verhaltenstherapie 83 Reliabilität, Testverfahren, psychologische 20 Reorientierung, Hypnosetherapie 93 Resomatisierung 17 restriktiver Typ, Anorexia nervosa 46 Retinopathia centralis serosa 69
Register Selbstverstärkung 15 Se!bstverwirkJichung, Fähigkeit, angeborene 86 Selbstwertgefühl - Probleme 78 - Steigerung 22 Selbstwiderspruch 86 - Aufhebung, Gesprächs(psycho )therapie, kJien tenzen trierte 87 Selye, H. 18 Sensibilitätsstörungen, dissozialive, Säuglingsforschung 78 Sehstörungen, funktionelle 68 Scham 23 sensornotorische Phase, Entwicklung, schizoide Persönlichkeitsstörung 38 kognitive 25 Schmale, A. 16 Sexualstörung, Prostatapathie 56 Schmerzen sexuelle Bedürfnisse 22 -abdominale, chronische 51 sexuelle Moralvorstellungen, - anorektale , funktionelle 51 Unterbauchschmerzen, chronische 58 -Orthopädie 62 sexueller Missbrauch, Unterbauchschmerzen, - Rückenschmerzen 63 chronische 58 Schmerzstörungen, somataforme 45, 62 Sieben· Phasen-Modell, Verhaltenstherapie Schmerzsyndrom, chronisches 62-63 82 Schultz, J. H. 92 Simulation Schwachsichtigkeit, angeborene 68 - Differenzialdiagnose 73 Schwankschwindel 64 - Selbstverletzungen 72 Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT), Simulationsproben, Sehstörung, funktione!Je erektile Dysfunktion 57 68 Schwindel 64 Sinnesempfindung, dissoziative Störung - depressive Störungen 65 44 - diffuser 64 Situationskontrolle 15 - Somalisierungsstörungen 65 Skinner, B. F. 82 - somatotarmer 64 Sodbrennen, funk tionelles 51 Seele, Strukturmodell 78 somatische Therapie, Adipositas 48 Seelenblindheit 68 Somatisierungsstörungen 44 Seelentaubheit, Agnosie, auditive 67 - Schwindel 65 seelisch bedingte Krankheiten, Psychotherapie somataforme autonome Funktionsstörungen 76 44 - 45 seelische Funktionsfähigkeit, Gesprächssomataforme Schmerzstörung 45 (psycho)therapie, klientem:entrierte 87 :;omatoforme Störungen 45 Sehstörungen 68 somatoformer Schwindel 64 - funktionelle 68 somatapsychische Störungen 45 -- Simulationsproben 68 somatapsychische Wechselwirkung 45 - psychogene 68 somatopsych isch-psychosomalische Krankheiten 17 Selbst - Aktualisierungsiendenzen 86 SORKC-Modell, Spinnenphobie 12 S-0-R-Modell 82 -ideales 86 soziale Anpassung 12 Selbstbeobachtung 84 soziale Kompetenz, Training 84 - Bewertung und Protokollieren 15 soziale Phobien 28 Selbstbeschädigung 15 Spannungsabfuhr, Selbstverletzungen 72 Selbstbeurteilungsverfahren 20 Spiegelhaltung, Psychoanalyse 79 Selbstbild 86 Spiegeln, Gesprächs (psycho )therapie, - erworbenes, Verletzung 23 klientenzentrierte 86 Selbstentfaltung 86 Spinnenphobie 29 Selbstentspannung, konzentralive 92 - SORKC 12 Selbstinstruktionen, autosuggestive, S-R-Lernen, Modell 82 autogenes Training 92 Sterbephasen nach Kübler·Ross 23, 75 Selbstkontrolle 15 Stimmungen 22 - Strategien 84 Stimu luskontrolle Selbstmanage rneo ttherapie 84 - Techni ke n 82 Selbstpsychologie 8 - Verhaltenstherapie 84 Selbstsicherhei t 15 Strafangst I 3 Selbstunsicherheit 14- 15 strafende Modelle, Übernahme 14 Selbstverletzungen 72 - 73 Rogers, Carl R. 86 Rollenspiel 15, 84 Rückenschmerzen 63 Rückzug 17 - Angst· und Gefahrensituationen 22 - sozialer, Belastungsreaklion, akute 42 Ruminationssyndrom 51
s
Strafreizprogression 14 Stress - alltäglicher 19 - innerer 19 - psychosozialer, koronare Herzerkrankung 54 - traumatische Erlebnisse, einmalige 19 Stressmodell 18 Sucht 31 Sympalhikus(aktivierung) 17 - Asthma bronchiale 70 Symptomträge r, Familientherapie 88
T Taktgefühl, En twicklung 24 taktile Phase 24 Tanztherapie 91 Taubheit 67 Testverfahren, psychologische 20 Therapiemolivation, Psychotherapie 77 Tiefenpsychologie - Anamnese 79 -Grundbegriffe 2- 7 Time·out, Verhaltenstherapie 83 Tinnitus 66 - 67 -objektiver 66 - somatischer 67 - subjektiver 66 Trance, hypnotische 92 - 93 Transplantation 75 Trauer(reaktion ) 23 - abnorme, Differenzialdiagnose 33 Traumamodell 78 Traumdeutung 3 Trennungsangst 13 Trennungskonflikte, kardiavaskuläre Störungen 54 Triebkonflikte 78 Triebruhe 24 triebtheoretisches Entwicklungsmode!J 24 Trotzphase 23 TypAVerhalten, koronare Herzerkrankung 54
u Überaktivität, unproduktive, Belastungsreaktion, akute 42 Überernährung 48 Überga ngsobjekt 17 Überge nera lisierung 84 Über·lch 2, 78 Überleben des Individuums 22 Übertragung 2, 78 - Familientherapie 89 - Psychoanalyse 79 Übertragungsneurosen, Auflösung, Psychoanalyse 79 von Uexküll, Thure 19
Register
Ulcus - duodeni/ ventriculi 50 - 51 - pepticum 45, 50 - 51 Ulkuskrankheit 50 - 51 Umdeutung [Reframing), Familientherapie 88 Unbewu~s te~ 2 Ungeschehenmachen 6 Unruhe, Belastungsreaktion, akute 42 Unterbauchschmerzen, chronische 58 - Gate-Control-Theorie 58 Untersuchungsmethoden - standardisierte 20 - testpsychologische 20 Urethralsyndrom 56 - 57 - Hingabestörung 57 - weibliches 56-57 Urogenitalsyndrom 56 urologische Erkrankungen, Psychosomatik 56 - 57 Urtikaria 60 - 6 I Urvertrauen 24 Uveitis 69
V Validität, Testverfahren, psychologische 20 Verantwortungsgefühl, übertriebenes 84 Verarbeitungsmöglichkeiten, Tinnitus 67 Verdopplung, projektive 28 Verdrängung 6 - krankheitsspezifische I 7 - zweiphasige, Konzept 18 Verhalten - Beobachtung 12 - Grundbegriffe 10- 15 - lmilalion 12 - menschliches, Modelle 82 - Zerlegung 12 Verhaltensanalyse 12 - horizontale 82 Verhaltensaufbau !3 Verhaltensauffälligkeiten, körperliche Störungen und Faktoren 45
Verhaltensbeobachtung 20 Verhaltensdefizit 13 Verhaltensmodifikation I 2 Verhaltensstörungen 38-41 - Pathogenese und Psychodynamik 40 - somatapsychische 45 Verhaltenstests 20 Verhaltenstherapie 77, 82 - 86 - Angsthierarchie 82 - Angststörung 37 - Aversionsbehandlung 83 - Desensibilisierung, systematische 82 - Erklärungsmodell, adäquates 85 - Erleben, Veränderung 83 - Exposition 83 - Fehlverhalten, erlerntes 82 - Gedankenstopptraining 84 - Habituation 83 - Hemmung 82 - Indikationen 85 - klassisch lineares Modell 82 - Kooperation 85 - Löschung 82-83 - Neurosen, histrionische 35 -Phobien 29 - Problemlösungsprozess, schrittweiser 82 - Reizüberflutungsverfahren 83 - Sieben-Phasen-Modell 82 - Stimuluskontrolle 84 - Therapieziel 85 - Time-out 83 - Ursprung 82 - Verstärkung, positive/ negative 83 - Zwangsneurosen 3! Verhaltensweisen, geschlechtsrollenkonforme 24 Verlassenheitsangst !3 Verleugnung 6 - Transplantation 75 Verlustangst 13 Vermeidung(sverhalten) 13 - 14 - Angstreaktion 82 Verschiebung 6 - Sehstörungen, funktionelle 68 Verspannungen, Rückenschmerzen 63
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Verstärker /Verstärkung -differentielle 15 -negative/positive I 0 - Verhaltenstherapie 83 Viktimisierung, Münchhausen-by-proxySyndrom 73 Vorbewusstes 2 Vulnerabilität, Entwicklung, kognitive 25 Vulvodynie 58
w Wahrnehmung, körperliche, autogenes Training 92 Wechsler Memory Scale Revised (WMS-R) 21 Weiner, H. 19 Weiterbildung, Psychotherapie 76 Wendung gegen das Selbst 6 Widerstand 2- 3 Widerstandsanalyse, Psychoanalyse 79 Winnicott, D. 17 Wolpes, J. 82 Wut 23 - Autonomiebedürfnisse 23 -Depression, neurotische 33
z Zärtlichkeilsbedürfnisse 22 Zoophobie 28 Zuwendung, Psychotherapeut 77 Zwang 3! zwanghafte Rituale 31 Zwangseinfälle 30 Zwangsgedanken 30-31 Zwangsimpulse 30 Zwangsneurosen 30 - 31 - anale Phase 30 - Untertypen 30 - Verhaltenstherapie 31 Zwangsstörungen, Verhaltenstherapie 85 Zystalgie 56-57 zystische Fibrose 71