PERRY RHODAN – Extra 5 BARDIOCS Null Autor: Achim Mehnert DIE SUPERINTELLIGENZ THERMIOC SCHICKT EINE BOTIN – TERRA ERHÄL...
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PERRY RHODAN – Extra 5 BARDIOCS Null Autor: Achim Mehnert DIE SUPERINTELLIGENZ THERMIOC SCHICKT EINE BOTIN – TERRA ERHÄLT HILFE AUS TIEFSTER VERGANGENHEIT Auf der Erde schreibt man das Jahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Seit zwei Jahren hält die Terminale Kolonne TRAITOR die Milchstraße in ihrem Würgegriff. Die Truppen der Chaosmächte haben dabei nur ein Ziel: die gesamte Galaxis als »Ressource« für den Kampf gegen die Mächte der Ordnung zu benutzen. Das Solsystem zählt dabei zu den wenigen Orten, an denen sich TRAITOR die Zähne auszubeißen droht: Ein undurchdringlicher Schutzschirm hält die Diskusraumer der furchtbaren Kolonne fern. Allerdings weiß niemand, wie lange dieser Schutz halten wird, welche Kräfte TRAITOR noch aufzubieten vermag. Schon oft hat die Menschheit in fernen Galaxien gegen die Chaotarchen und ihre Diener gekämpft. In diesen Tagen jedoch benötigt sie selbst Hilfe — und diese kommt nun aus den Tiefen des Alls. Es handelt sich um BARDIOCS NULL
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Achim Mehnert Prolog
Er orientierte sich auf eine Weise, die kein körperliches Wesen beherrschte. Seine Existenz war nicht auf Materie angewiesen, jedenfalls nicht auf eine eigene. Ihm reichte ein Wirtskörper, um zu ganzer Blüte zu gedeihen und seine unsichtbaren Fähigkeiten auszuspielen. Oder besser: dessen Geist, der wie ein Anker wirkte. Seine Orientierung erfolgte über die verzweifelten Gedanken der Kreatur, derer er sich bemächtigte, über jede ihrer Emotionen, die sich nicht unterdrücken ließ. Kein Wesen vermochte ihn aufzuhalten, wie er oft genug erfahren hatte. Keines hatte ihm und seinem Wirken jemals widerstanden. Er wusste um die eigene Stärke. Je mehr Macht er dadurch gewann, desto unüberwindlicher schätzte er sich ein. Und nicht nur er, sondern auch diejenigen, in dessen Auftrag er tätig wurde. »Sie ist präpariert. Du kannst überwechseln. Ganz vorsichtig, damit du keinen irreparablen Schaden anrichtest.« Er war immer vorsichtig und hatte noch nie Schaden angerichtet. Auf ihn war absoluter Verlass. Die Ermahnung ärgerte und erzürnte ihn, weil sie unangebracht war. Er hütete sich, aufzubegehren und sein Missfallen zum Ausdruck zu bringen. Er tat so, als hätte er die Worte nicht vernommen. Was waren schon Worte? Unbedacht ausgesprochene Surrogate aus oder Verfälschungen von dem, was wahrhaftig war: Gedanken. Ausschlaggebend war allein, dass die. Zeit gekommen war. Die Vorbereitungen waren präzise vorgenommen und abgeschlossen worden. Nur noch der entscheidende Schritt war zu tun, von keinem anderen als ihm allein. Und er tat den Schritt. Mit einem mentalen Glücksschrei machte er sich an die Arbeit. Seine Sinne tasteten sich dem Ziel entgegen, forschend und zaghaft zunächst, dann drängender, rücksichtsloser. Der
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ohnehin lahme Widerstand gegen seine Invasion wurde schwächer, brach vollends zusammen. Er hatte nichts anderes erwartet, wünschte sich zuweilen gar einen heftigeren Kampf, der ihn auf die Probe stellte und seine Reserven forderte. Doch darum ging es nicht, sondern einzig um den Erfolg, der sich alsbald einstellte. Er drang in den Verstand der Kreatur ein, flutete ihren Geist, atmete ihre Furcht und setzte seinen Willen anstelle des ihren, der bereits gebrochen worden war. Es gelang, so wie stets. Ich bin da, frohlockte Adamicter. Das Spiel konnte beginnen. 1. Reginald Bull Das plötzliche Zischen klang, als hätte jemand scharf die Luft eingesogen. Dabei hielt sich niemand in der Nähe auf. Reginald Bull war allein. Er unterdrückte den Impuls, sich umzusehen, und begutachtete den Boden. Keine zehn Meter vor ihm gähnte ein Loch im steinigen Untergrund, der von Furchen und Spalten durchzogen war. Dampf stieg auf, wo eben noch keiner zu sehen gewesen war. Er wallte, waberte und bildete eine trübe Wolke. Der Druck kam aus dem Inneren dieser Welt, an ihrer Oberfläche selbst regte sich kein Lüftchen. Bull verlangsamte seine Schritte und hielt inne, keinen Moment zu früh. Eine Fontäne entsprang aus dem Boden, riss den Dampf mit sich und jagte irisierend himmelwärts. Einem toten Himmel entgegen, dachte der Verteidigungsminister der Liga Freier Terraner. An diesem Ort existierte kein Leben im herkömmlichen Sinn. Die eintönige Umgebung, grau in grau und nur unterbrochen von den Zerrbildern knorriger Gebilde, die sich mit viel Phantasie als Bäume erkennen ließen, machte es beinahe unmöglich, Entfernungen abzuschätzen. Die Fontäne leuchtete rot mit Schlieren von Gelb, das sich züngelnd in ihrem Kern
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entlud. Sie verwandelte sich in eine Kaskade aus Licht und Formen, die sich nicht definieren ließen. Funken sprühend verteilte sie sich über die Ödnis, sank in Farbvorhängen zurück, perlte über das Gestein, versank in Ritzen und Spalten und vergegenwärtigte Bull die Unwirklichkeit der Landschaft. Gerade sie war es, die ihn entspannte. Sie war so weit weg vom TERRANOVA-Schirm und den Einheiten TRAITORS, dass die Bedrohung durch die Terminale Kolonne so unwirklich wurde, wie es die Sphäre war, durch die er schritt.' Der leicht untersetzt wirkende Mann mit dem roten Bürstenhaarschnitt wich seitlich aus und beschrieb einen großen Bogen um die Eruption. So schnell sie eingesetzt hatte, so schnell endete sie. Die letzten Farbtupfer vergingen, während er den Untergrund prüfte, um nicht durch einen unbedachten Schritt in Gefahr zu geraten. Nichts deutete Sekunden später auf das stattgefundene Schauspiel hin. In der Ferne, vor einem Horizont, an dem Himmel und Erde zu einer diffusen Einheit verschmolzen, zeichneten sich die Gratlinien eines Gebirges ab, das scheinbar endlos in beide Richtungen strebte. Einzelne mächtige Kegel spien Rauch und Feuerfontänen ähnlich jener, der Bull soeben um Haaresbreite entronnen war. Davor glomm ein Vorhang sich in die Tiefe stürzender Feuerfälle. Abermals versuchte Bull abzuschätzen, wie weit es bis dorthin war, wie lange er unterwegs wäre, um die ersten Ausläufer der Berge zu erreichen. Es war unmöglich. Die vor ihm liegende Ebene wurde von keinen geografischen Besonderheiten unterbrochen, die als Anhaltspunkte dienen konnten. Bauwerke oder andere Anzeichen von Zivilisation gab es schon gar nicht. Wieso hat es dich ausgerechnet hierher verschlagen?, fragte er sich. Wieso an einen Ort, wie er Menschen fremder nicht sein konnte und zu dem sie sich freiwillig nicht begeben hätten? Er tat es freiwillig, vergegenwärtigte er sich lächelnd, wobei er zügiger ausschritt, als bliebe ihm nicht viel Zeit und als gelte es, jede einzelne
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Sekunde zu nutzen, bevor ihn die Realität einholte. Wie sehr die unterschwellige Befürchtung zutraf, zeigte sich, ehe er sich selbst eine Antwort geben konnte. Ein durchdringender Alarmton schreckte ihn auf. Bull winkelte den Arm an und warf einen Blick auf das Multifunktionsarmband an seinem Handgelenk. Der Anruf kam direkt aus der Solaren Residenz. »Homer«, murmelte er. »Darauf hätte ich gewettet.« Wieder blieb Bull stehen. Gleich neben ihm tat sich eine Öffnung im Boden auf. Er vernahm ein Donnern aus der Tiefe, gewahrte die Lichtexplosion, die eine weitere Fontäne gebar, und wurde in einen feurigen Schweif gehüllt. »Simulation beenden«, wies Bull den positronischen Hybridrechner an, der die Simulation steuerte. Das Bild wurde eingefroren und erstarrte. Die Myriaden zu einer holografischen Darstellung arrangierten Lichtphotonen verloren ihren Zusammenhalt, kollabierten und lösten sich in Nichts auf. Bull ließ die verschwundenen Eindrücke in sich nachwirken und dachte darüber nach, ob zu seiner Entspannung ein amouröses Abenteuer mit einer exotisch-schönen Unbekannten nicht eine Alternative zu dem Erlebten gewesen wäre. Zumindest diese Frage war leicht zu beantworten. Nicht einmal mit einer holografischen Schönheit hätte er seine Ehefrau Fran Imith betrogen. Er löste sich aus seiner Starre. Wenn der Finanzminister ihn alarmierte, gab es dafür einen guten Grund. Gnade dir Gott, wenn nicht, Homer. Denn Zeit ist Geld, wie du seit ein paar tausend Jahren beteuerst. Reginald Bull marschierte aus der Privateinrichtung, die ihm allein zugänglich war, und geradewegs zum daran angeschlossenen Parkplatz. Wenige Minuten später steuerte er seinen Gleiter durch den dichten Verkehr von Terrania. *
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Die Solare Residenz schwebte einen Kilometer über dem Residenzpark inmitten von Terrania City. Das 1010 Meter hohe Bauwerk in Form einer Orchidee war nicht nur der Regierungssitz der irdischen Menschheit, sondern bildete zudem das markante Wahrzeichen der Hauptstadt. In Zeiten wie diesen hatte es für viele Menschen eine weitere Funktion. Es wirkte wie ein ruhender Pol vor dem Hintergrund des drohenden Untergangs, wie ein steter Anker, der den von der Terminalen Kolonne geschürten Stürmen trotzte. Ein Symbol für den Widerstand der Menschheit gegen einen übermächtigen Gegner, dachte Bull, während er seinen Gleiter auf eine Landeplattform steuerte und sanft aufsetzen ließ. Der Ausblick auf den Residenzpark, auf dessen Areal einst das HQ Hanse gestanden hatte, war atemberaubend. Deutlich hoben sich die nur aus irdischen Bäumen und Pflanzen bestehenden Grünanlagen vom zentralen Residenzsee ab. Bull sprang ins Freie und eilte in Homer G. Adams' Büro, wo ihn das Finanzgenie ungeduldig erwartete. »Immerhin stellt der Residenz-Minister für Liga-Verteidigung seine Eskapaden ein, wenn außergewöhnliche Ereignisse eintreten«, sagte Adams. Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören. Er saß hinter seinem Schreibtisch und sah wie beiläufig von einem Arbeitspad auf. Zwischen Displays schwebten Holomonitoren, über die die aktuellen wirtschaftlichen Transaktionen der Erde flimmerten. Adams deutete auf einen freien Stuhl und machte eine einladende Handbewegung. »Immerhin?« echote Bull verdrossen. Er kannte den klein gewachsenen Mann mit der gebückten Haltung zu gut, um zu übersehen, wie ungehalten Adams war. »Das klingt, als hätte ich in der Vergangenheit Anlass gegeben, daran zu zweifeln. Außerdem kann von Eskapaden keine Rede sein.« »Deine Zerstreuung in holografischen Welten kann ich nicht anders bezeichnen.«
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»Du kannst durchaus, du willst nur nicht«, konterte Bull. Adams nickte. Er ließ von seiner Arbeit ab und widmete seine Aufmerksamkeit dem Besucher. In seinen blassgrauen Augen funkelte es angriffslustig. »Du hast recht. Solange Perry ... unterwegs ist, führst du das Solsystem. Das ist keine Teilzeitaufgabe. Sie fordert dich täglich rund um die Uhr. Daneben bleibt keine Zeit für Privatvergnügungen.« Adams' Erinnerung an Rhodans Abwesenheit erschien Bull unpassend, wenn nicht gar ein wenig anmaßend. Niemand brauchte Perrys Stellvertreter seine Pflichten vor Augen zu führen, auch nicht die alten Freunde und Weggefährten. Seine Gedanken schweiften zum Solaren Residenten ab, der vor fünfzehn Tagen im Zuge der Operation Tempus mit der JULES VERNE in die Vergangenheit gereist war. Über welchen Zeitraum genau - und zu welchem Zweck -, wussten nicht einmal Bull und Adams, sondern nur die Teilnehmer der Expedition selbst. Durch zeitliche Abgründe voneinander getrennt zu sein war eine ungleich größere Hypothek als durch räumliche Lichtjahrmillionen. Man war quasi aus der Welt, auch wenn dies nicht der erste Ausflug 'der Menschheit und speziell Rhodans in die Vergangenheit war. Fünfzehn Tage, in denen sich nichts verändert hatte. Deshalb ließen Adams' Vorwürfe den Verteidigungsminister kalt. Inzwischen schrieb man den 30. April 1346 NGZ, und es war nicht abzusehen, wie lange der gegenwärtige Zustand noch Bestand haben würde. Die bislang im Schutz des TERRANOVA-Schirms verstrichenen knappen zwei Jahre mochten lediglich der Anfang gewesen sein... »Die Belagerung des Solsystems durch die Terminale Kolonne dauert nun schon so lange an, dass sich an der Lage nichts ändert, wenn ich mal ein paar Stunden nicht zur Verfügung stehe. Ein bisschen Mensch wird man wohl bleiben dürfen. Ich mache da keine Ausnahme, wenn ich nicht ausbrennen will.«
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»Du weißt so gut wie ich, dass diese Gefahr nicht besteht.« »Redest du davon?« Bull klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die linke Schulter, wo der Zellaktivator unter seinem Schlüsselbein implantiert war. »Der Chip kompensiert nicht alle Mühen über einen längeren Zeitraum. Ich spreche nicht von körperlichen Anstrengungen. Zwischendurch bedarf auch unsereins Mal einer ruhigen Stunde, um seine geistige Frische zu erhalten. Ich bin ein Gemütsmensch, der effektiver und besser funktioniert, wenn es dem Gemüt gut geht.« »Ein Genussmensch, würde die Sache treffender umschreiben. Würde ich dich nicht besser kennen, käme ich auf die Idee von Pflichtvergessenheit.« Adams' Skepsis war beinahe mit Händen zu greifen. »Ich finde es wenig erholsam, wenn du dich in ein holografisches Abenteuer stürzt.« Er hob abwehrend die Hände. »Keine Erklärungen dazu. Ich will gar nicht wissen, was du dir programmiert hast.« »Keine Sorge, ich habe nicht vor, es dir zu verraten.« »Geschenkt, Bully.« Adams strich sich fahrig durch das schüttere blonde Haar. »Wir haben einen gerafften und verschlüsselten Hyperfunkspruch von einem Patrouillenkreuzer erhalten. Bei BSAmeris hat sich vor wenigen Stunden ein Zwischenfall ereignet. Die Besatzung hat ein Manöver der Terminalen Kolonne beobachtet. BS-Ameris ist ...« »Ein blauer Stern, 42 Lichtjahre vom Solsystem entfernt«, unterbrach Bull ihn. »Ich kenne ihn. Wozu war ich tau send Jahre lang Chef der Explorerflotte?« »Du vergisst wohl nichts?« Bull wölbte eine Augenbraue. Die Frage war erstaunlich für einen Mann wie Homer G. Adams, der über ein fotografisches Gedächtnis verfügte und die Gabe besaß, komplizierteste mathematische Vorgänge so selbstverständlich zu begreifen wie andere das kleine Einmaleins. »Ich vergesse zumindest kein Sonnensystem, das in relativer Nachbarschaft zur Erde liegt.«
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»Tut es das? Nach meinem Dafürhalten hat die Erde keine unmittelbare Nachbarschaft mehr.« Adams hob den Daumen und deutete nach oben. »Solange wir nur unter diesem Schirm sicher sind, sind wir allein.« »Sagtest du nicht eben, deine Zeit sei kostbar? Ich bin nicht hier, um mit dir zu philosophieren. Und wegen eines schlichten Manövers hast du mich schon gar nicht alarmiert.« Adams lächelte wortlos, und plötzlich war Bull unsicher, ob ihn das freuen oder ängstigen sollte... 2. BS-Ameris Es schien, als sei der Strom in den Normalraum fallender Raumschiffe versiegt. Captain Ilvo Perrent kauerte angespannt in seinem Gliedersessel, die Lippen zu zwei schmalen Strichen zusammengepresst, aus denen das Blut gewichen war. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Lediglich sein Blick folgte den Bewegungen der Schiffe, die in der Panoramagalerie zu sehen waren. Die Ortungseinrichtungen der OROPUS arbeiteten auf Hochtouren. Die Systemkontrollen lieferten eine Flut von Daten, die aufbereitet und als Zahlenkolonnen und taktische Anzeigen auf eingeblendeten Detaildisplays des Panoramaschirms dargestellt wurden. Traitanks. Mehrere hundert flache, scharfkantig wirkende Diskusraumer der Terminalen Kolonne schienen in nur wenigen Lichtminuten Entfernung zu exerzieren. Jedenfalls gab es keinen Gegner oder sonstigen erkennbaren Anlass für ihre Flugmanöver. Perrent war versucht, das Abschalten der nicht lebensnotwendigen Anlagen zu befehlen. Er unterdrückte den archaischen Impuls, der sich nicht logisch begründen ließ. Im Ortungsschatten des planetenlosen Sterns BS-Ameris war die OROPUS sicher vor Entdeckung, solange der
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Patrouillenkreuzer nicht den Fehler beging, sich aus der Deckung zu wagen. »Strukturerschütterungen, die weitere Gegner ankündigen?« »Negativ, Captain«, meldete der Ortungschef Byl Quersh. »Aktive Fremdortung?« Perrent traute dem Gegner nicht. Keine Woche zuvor hatten Traitanks ein terranisches Patrouillenschiff im Raumsektor um BS-Ameris aufgebracht. Der Captain wollte sich nicht vorstellen, was mit den Menschen an Bord geschehen war. »Nur mit geringer Intensität und nicht gerichtet.« Besonders groß war die Aufmerksamkeit der Besatzungen an Bord der schwarzen Disken nicht. Also handelte es sich um ein Standardmanöver, vielleicht um eine Orientierungsphase. Perrent hielt es zumindest nicht für pure Verschleierungstaktik, die die wahren Absichten der Kampfschiffe verbarg; dazu war deren Vorgehen zu unbekümmert. Katz-und-Maus-Spiele gehörten nicht zum taktischen Repertoire der Mor'Daer, die das militärische Personal an Bord der Traitanks stellten. Perrent schaute zum Bordchronografen. Eine Viertelstunde war vergangen seit dem Rücksturz der ersten Einheiten in den Normalraum. Gleich darauf hatten sie sich in Rotten von zehn bis zwölf Schiffen formiert. »Hat jemand eine Idee, was die da draußen veranstalten?« »Allzu spannend sieht es nicht aus«, befand jemand. »Das wird gleich spannender, als uns lieb sein kann. Drei Gruppen ändern den Kurs!« Quersh stieß pfeifend die Luft aus. »Sie fliegen auf die Sonne zu.« Und damit genau auf uns!, ging es dem Captain durch den Kopf. »Ruhe bewahren! Es ist nicht gesagt, dass sie herkommen.« Und wenn doch? Selbst gegen einen einzigen der schwarzen Disken hatte der Kreuzer keine Chance. Wenn sie die OROPUS entdeckten, konnte die Besatzung froh sein, wenn sie nicht in
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Gefangenschaft geriet. Es gab wahre Horrorgeschichten Unter den Angehörigen der LFT-Flotte. Perrent legte keinen Wert darauf herauszufinden, ob auch nur ein Bruchteil davon der Wahrheit entsprach. Eine Flucht vor den hochgezüchteten Antriebssystemen der Traitanks war aussichtslos. Mit etwas Glück fiel die OROPUS einem Potenzialwerfer zum Opfer und endete mitsamt ihrer Besatzung als ultrakomprimiertes Klümpchen Materie, das schließlich explosionsartig zerfiel. »Erneute Kursänderung«, wisperte der Ortungschef. »Der Klabautermann des Sternenozeans ist mit den Gerechten.« Perrent grinste. Mit einem Blick zum Panoramaschirm überzeugte er sich davon, dass die unmittelbare Gefahr abgewendet war, zumindest vorübergehend. Die leuchtenden Ortungsholos lieferten die Bestätigung. Die Traitanks flogen eine enge Kehre und entfernten sich wieder. »Sie beschleunigen.« Plötzlich sprach Zuversicht aus Quershs Stimme. »Bei diesem Faktor erreichen sie in wenigen Sekunden die notwendige Geschwindigkeit zum Überlichtflug. Gleich ist es so weit. Ihre Supratron-Generatoren bauen Hyperraum-Blasen auf. Sie ... Jetzt!« Mehrere Ortungsechos erloschen in den Displays, die dazugehörigen Kampfschiffe verschwanden von den Holoschirmen. Zunächst waren es nur zwei Gruppen, dann folgten weitere. Es ging Schlag auf Schlag, bis Perrent auf eine leere taktische Darstellung sah. »Sie sind weg, alle. Der Sektor um BSAmeris ist frei von Schiffen. Nein, doch nicht. Ich bekomme einen schwachen Impuls herein. ziemlich verwaschen.« Quersh stockte. »Das verstehe ich nicht. Ich hätte ihn um ein Haar übersehen.« »Und jetzt?« »... ist er fast so offensichtlich da, wie es zuvor die Traitanks waren. Tut mir leid, Ilvo.« »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, wehrte Perrent ab. Die Einheiten der Terminalen Kolonne hatten ihrer aller Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
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Wenn ein Besatzungsmitglied der OROPUS einen Vorwurf verdiente, dann war es ihr Captain. »Was empfängst du?« »Einen im Raum treibenden Körper, nicht weit entfernt von der Sonne. Zwanzig Prozent Lichtgeschwindigkeit.« »Ein Überbleibsel der Manöverflotte?« Perrent war zeitlebens ein misstrauischer Mensch gewesen, was sich in den vergangenen Jahren verstärkt hatte. In einer Zeit, in der TRAITOR fast die gesamte Milchstraße besetzt hatte, musste man jederzeit mit einer Falle rechnen. Diese Einstellung hatte er zu seinem persönlichen Credo erhoben. »Energetische Aktivitäten?« »Nicht die geringsten. Das Objekt benutzt keinen Antrieb.« Quersh hantierte an den Bedienungselementen seiner Ortungseinrichtungen. »Das gibt es doch nicht«, entfuhr es ihm. »Ich habe den Kurs hochgerechnet. Haltet euch fest. Sein Bewegungsvektor ist unter anderem auf das Solsystem ausgerichtet.« Ein paar überraschte Kommentare folgten seiner Berechnung. »Du meinst, das Objekt will der Erde einen Besuch abstatten?« »Mit zwanzig Prozent Lichtgeschwindigkeit wird es dort aber nicht ankommen«, prophezeite Funker Kolman Dyle. »Das wird 'es ohnehin nicht«, fuhr Quersh fort. »Der Kurs führt nämlich genau durch BS-Ameris hindurch. Sehen wir uns an, womit wir es zu tun haben.« Auf dem Panoramaschirm bildete sich ein Ausschnitt. Eine Vergrößerung wurde sichtbar. Unwillkürlich beugte Perrent sich in seinem Gliedersessel nach vorn, als sich der im Raum treibende Körper darin abzeichnete. »Ein Raumschafswrack.« Der Captain erinnerte sich nicht, einen solchen Typ jemals zuvor gesehen zu haben. Er war an die achtzig Meter lang und hatte annähernd zylindrische Form. Zwei um die Längsachse montierte Scheiben in der vorderen Schiffshälfte segmentierten das Wrack in drei unterschiedlich lange Abschnitte. Der Mittelteil wies zahlreiche
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Löcher mit ausgezackten Rändern auf. Der hinten liegende Antriebsteil sah noch wesentlich schlimmer aus. Er war mehrfach perforiert und schleppte Trümmerstücke hinter sich her, die an nicht mehr als einem denen Faden hingen. Die Hülle war aufgerissen und großflächig zerstört. »Unbekannte Bauart«, kommentierte Quersh den Anblick. »Dieses Schiff kann keinem der uns bekannten Milchstraßenvölker zugeordnet werden. Es ist auch keine typische Einheit der Terminalen Kolonne.« »Keine Restemissionen aus der Antriebssektion?« »Negativ. Dieser Schrotthaufen ist tot. Offenbar ist er schon lange mit gleichbleibender Geschwindigkeit unterwegs. Aber nicht mehr lange. Die Sonne wird ihm in Kürze vollends den Garaus machen.« Perrent nickte. Was für ein merkwürdiger Zufall ... Nicht nur, dass das Wrack eine unbekannte Wegstrecke hinter sich hatte, um in Kürze in BS-Ameris zu verglühen, dies geschah auch ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die OROPUS in der Nähe war. Anhand dieser Konstellation war es zwangsläufig, an eine Falle durch die Kolonne zu denken. Mit einem prüfenden Blick zur taktischen Anzeige vergewisserte Perrent sich, dass die Einheiten TRAITORS verschwunden blieben. Mehrere Tasterstrahlen wanderten von der OROPUS zum unbekannten Objekt hinüber. Nichts deutete darauf hin, dass das Wrack eine Gefahr darstellte. Auch andere Anzeichen für eine Falle entdeckte er. nicht. Was noch lange nichts hieß, denn eine Falle, die man schon auf den zweiten oder dritten Blick erkannte, war so untauglich wie der, der sie stellte. Perrent überlegte kurz. Es kribbelte ihm in den Fingern. Viel Zeit blieb nicht mehr für eine Untersuchung. Wenn er sie unterließ, würde er das womöglich für den Rest seines Lebens bedauern. Trotz aller Vorsicht war er neugierig, womit sie es zu tun hatten.
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»Wir sehen uns das aus der Nähe an«, entschied er. * Die bizarr geformten Löcher wirkten im Licht der Scheinwerferkegel wie Wunden. Das Metall des Wracks war von Kräften zerfetzt worden,, die sich nicht eindeutig bestimmen ließen. Captain Perrent hatte in seiner Laufbahn die optischen Begleiterscheinungen zahlreicher Waffensysteme studieren können. Keine davon passte exakt zum Bild des Wracks. Er vermochte nicht einmal mit Bestimmtheit zu sagen, dass wirklich eine Waffe für den Zustand des Wracks verantwortlich war und nicht ein natürliches Ereignis irgendwo in den Weiten des Kosmos. Mit der Antigraveinrichtung seines Schutzanzugs steuerte Perrent eine Öffnung in der hinteren Scheibe an. Ihr Gegenstück weiter vorn war vergleichsweise unbeschädigt. Er verzichtete darauf, dort mit einem Strahler ein Loch in die Hülle zu schneiden, wenn der Einstieg vor ihm mühelos möglich war. Vincent Lormax und Therich Haldrich, zwei Besatzungsmitglieder der OROPUS, folgten ihm dichtauf und drangen hinter dem Captain ins Innere des Wracks vor. Die optischen Systeme der Anzüge filmten das Vordringen der drei Männer und übermittelten jedes Bild in die Zentrale des Kreuzers. Es war eine ständige Funkverbindung zu Kolman Dyle geschaltet. »Seht euch dieses Durcheinander an«, sagte Haldrich. »Die hätten mal aufräumen können, bevor Besuch kommt. Zuordnung zu einer bekannten Zivilisation ist in diesem Zustand nicht möglich.« »Vielleicht haben sie geahnt, dass du dieser Besuch bist«, frotzelte Lormax. »Ich finde, hier sieht es genauso aus wie in deiner Kabine.« »Sehr witzig, du Spaßvogel. llvo, ich schlage vor, wir schicken ihn zurück in die OROPUS. Der Junge hat einen Raumkoller.«
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Die Männer schwebten durch einen Korridor; dessen ohnehin spärliche Einrichtung weitgehend zerstört war. Ein paar blockartige Vorsprünge, die vermuten ließen, dass es sich um technische Einrichtungen handelte, gaben keine Lebenszeichen von sich. Perrent brauchte keine weiteren Beweise dafür; dass es sich bei dem Schiff wirklich um nicht mehr als ein Wrack handelte. Trotzdem schaute er hin und wieder auf sein Multifunktionsarmband. Die Gruppe arbeitete sich in Richtung der vorderen Scheibe vor. Wenn es Hinweise auf die Erbauer des Schiffs oder auf den Zweck seiner Mission gab, waren sie am ehesten dort zu finden. Wer oder was immer für die Zerstörungen verantwortlich war, hatte ganze Arbeit geleistet. Zumindest dieser Teil des Schiffs besaß längst keine Atmosphäre mehr. Perrent bezweifelte, dass es in anderen Teilen besser aussah. Die Einrichtung des Wracks war so unbekannt, wie es dessen Äußeres angedeutet hatte. »Die Besatzung war offenbar kleiner als Menschen«, sagte Lormax, als die Männer einen Durchgang erreichten. Ein Raum lag dahinter, von dem Gänge sternförmig in verschiedene Richtungen abzweigten. Perrent hatte nicht darauf geachtet, denn die Abmessungen des Korridors ließen keine Rückschlüsse auf die Körpergröße der ehemaligen Mannschaft zu. Bei der Höhe des Durchgangs schloss er, dass die Besatzungsmitglieder etwa 1,60 Meter gemessen hatten. Bisher war das Erkundungskommando auf keine Leichen gestoßen, was aufgrund der durchlöcherten Hülle nicht verwunderte. Sie wären wohl längst in den Weltraum abgetrieben. Oder hatte die Besatzung sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht? Die Spekulationen waren müßig, und Perrent setzte seinen Weg in die eingeschlagene Richtung fort. Die Einrichtung änderte sich nicht, nur der Grad der Zerstörungen wurde geringer, je weiter die Männer in Richtung der bugwärts befindlichen Scheibe vordrangen. Mehrmals passierten sie Durchlässe, die einst als Schotten gedient hatten. Nun
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standen sie ausnahmslos offen, was die Befürchtung untermauerte, dass das gesamte Wrack ohne Atmosphäre war. Ob sie früher für Terraner atembar gewesen wäre, stand ohnehin auf einem anderen Blatt. Die Eindringlinge trafen auf keine Hindernisse. Trotz der schweren Zerstörungen war der Korridor gangbar. An manchen Stellen war das Metall der Hülle zwar wie von einem Korkenzieher aufgezogen, ließ sich jedoch leicht umgehen. »Dass das vordere Scheibensegment am wenigsten abbekommen hat, bedeutet noch lange nicht, dass wir dort etwas finden«, unkte Haldrich. »Zumindest ist dort die Aussicht am größten, auf unversehrte Technik zu stoßen«, urteilte Lormax. »Wenn ich in eine solche Lage geriete und besäße keine Möglichkeit zur Flucht, würde ich mich dort verschanzen.« »Es ist niemand mehr an Bord.« »Dann würde ich dort eine Nachricht hinterlassen, falls jemand auf das treibende Wrack stößt.« »Wozu eine Nachricht hinterlassen, wenn man sich gerettet hat?« Lormax antwortete nicht. Perrent ignorierte den Wortwechsel seiner Begleiter. Es war es gewohnt, dass sie jede Gelegenheit nutzten, um sich gegenseitig eins auszuwischen. Vor ihnen zeichnete sich im Licht der Scheinwerfer ein weiterer Durchgang ab. Im Weltraum prangte die vordere Scheibe als gewaltige Plattform. Die Männer waren nun auf einer Höhe mit der Wandung. Wieder schwebte Perrent als Erster durch die Öffnung. Er fand sich in einem kleinen Raum wieder. Das gegenüberliegende Schott war verschlossen. »Eine Schleusenkammer.« Perrent stimmte Lormax gedanklich zu. Er registrierte eine Bewegung und fuhr herum: Schlagartig erkannte er, dass nicht sämtliche Schiffsfunktionen gestört waren. Das Schott hinter ihnen fuhr zu und
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arretierte in der dafür vorgesehenen Halterung. Haldrich fluchte vernehmlich. »Wir sitzen fest.« Der Captain hatte einen Verdacht, der gleich darauf bestätigt wurde. Auf der Innenseite seines Helms leuchtete ein Display auf. Verschiedene Daten wurden eingeblendet, Prozentanteile hauptsächlich von Stickstoff und Sauerstoff, daneben Argon sowie weitere Edel- und Spurengase, deren charakteristische Zusammensetzung keinen Zweifel gestattete. »Die Kammer wird mit Luft geflutet«, sagte er. »Das sieht so aus, als ob uns jemand erwartet«, ahnte Lormax. »Ein gewagter Schluss«, entgegnete Perrent. »Für den Vorgang kann eine Automatik verantwortlich sein, die auf unser Eindringen reagiert hat.« »Jedenfalls steht fest, dass die Besatzung das gleiche Luftgemisch geatmet hat wie wir.« »Was, wie wir wissen, in der Milchstraße nicht ungewöhnlich ist.« Die Anzeige auf Perrents Helminnenseite zeigte ihm, dass die Flutung der Kammer abgeschlossen war. Zugleich hatte sich die Schwerkraft auf für Menschen gewohnte Werte erhöht. Er und seine Begleiter hätten die Helme abnehmen können, doch er zögerte vor diesem Schritt. Als sich das Schott vor ihm öffnete, war er nicht überrascht. Es war die logische Konsequenz, ebenso die Tatsache, dass auch der dahinter liegende Raum mit Atemluft gefüllt war. Andernfalls hätte der automatisch durchgeführte Druckausgleich keinen Sinn ergeben. Obwohl jeder Raumfahrer den Aufenthalt in der völligen Schwerelosigkeit gewohnt war, tat es gut, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Perrent trat in den unübersichtlichen Raum, der mit technischen Einrichtungen gefüllt war. Maschinenzeilen reihten sich an den Wänden. Um ein zentrales Pult waren mehrere Sitzgelegenheiten gruppiert. Nirgendwo gab es eine Bereitschaftsanzeige.
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»Eine Kommandozentrale«, folgerte Haldrich. »Keine sichtbaren Schäden. Leider scheint auch hier nichts zu funktionieren, wenn man von der Luft und der künstlich erzeugten Schwerkraft absieht.« »Hier drin hätte die Besatzung nach der Katastrophe überleben können«, grübelte Lormax. Er umrundete das Pult und begab sich zur anderen Seite der Zentrale, wo ein Wust aus Aggregaten zu einem bizarren Konglomerat zusammengefügt war. »Siehst du jemanden? Die Mannschaft hat das Wrack aufgegeben.« »Kolman, keine Beeinträchtigung der Übertragung?«, rief Perrent die OROPUS. »Keine Probleme, Captain«, antwortete der Funker. »Wir sehen, was ihr seht.« »Alles aufzeichnen!« »Na klar.« »Die Besatzung mag das Schiff aufgegeben haben!« Lormax keuchte. Er stand vor dem Maschinenkonglomerat und starrte durch ein transparentes Bauteil. »Dabei hat sie aber ein Mitglied vergessen.« »Nichts berühren!« Perrent sprang zu Lormax hinüber. »Die Automatik hat einmal reagiert, das kann sie wieder tun. Vielleicht gibt es ein Schutzsystem, damit niemand dem Wesen zu nahe kommt.« »Es sieht aus wie ein Fisch. Ob es noch lebt?« »Keine Anzeichen von Verwesung oder körperlichem Zerfall.« Perrent taxierte das amphibische Wesen, dessen Augen geschlossen waren. In seinem Kopf entstand eine Assoziation, ohne dass er sie greifen konnte. Er hatte den Eindruck, ein solches Wesen nicht zum ersten Mal zu Gesicht zu bekommen. »Ich tippe auf eine Konservierungsstarre. Vorschläge, mit welchem Volk wir es zu tun haben?« »Mit einem fremden«, behauptete Lormax. »Ich setze dagegen.« Haldrich wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich habe so was schon mal gesehen.« »Und wo?« »Wenn es mir einfällt, lasse ich es dich wissen.«
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»Wir jagen die Bilder bereits durch die Positronik«, meldete sich Kolman Dyle. Das Wesen kam Perrent auf eigentümliche Weise bekannt von Es trug einen Schutzanzug, der nur den Kopf und die Hände frei ließ. Der Körper war schlank und knapp 1,60 Meter groß. Arme und Beine waren kurz und schwach. offensichtlich aus Flossen weiterentwickelt. Die Hände mündeten in zwei Daumen und vier Mittelfinger und wirkten zerbrechlich. Am auffälligsten war der ebenfalls recht kleine Kopf, der im Nacken von einem etwa zwanzig Zentimeter großen, birnenförmigen Auswuchs geprägt war. Verzweifelt kramte Perrent in seiner Erinnerung, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. »Da ist noch etwas anderes, was wir nicht sehen.« Haldrich untersuchte die Konservierungsliege mit einem Scanner. »Der Fisch trägt einen übergroßen Rucksack, der in einer Mulde der Liege verborgen ist.« »Fisch mit Rucksack?«, echote Lormax. »Vielleicht ein Anhalter durch die Galaxis, der der Besatzung bei ihrem Rückzug egal war.« »Du bist heute noch geistreicher als sonst. Na ja, eigentlich kein Kunststück.« Haldrich hantierte mit seinem Scanner, betrachtete ihn stirnrunzelnd und ließ ihn sinken. »Eigenartige Sache. Der Rucksack ist molekular mit dem Körper des Fremden verschmolzen. Es handelt sich aber um keinen natürlichen biologischen Körperteil.« »Wir haben es«, ertönte wieder Dyles Stimme im Helmempfänger. »Das Wesen ist eine Kelsirin.« »Unmöglich«, entfuhr es Perrent. »Ich bin nicht allzu bewandert in kosmischer Historie. Ich weiß jedoch, dass die Kelsiren in der Superintelligenz THERMIOC aufgegangen sind. Es gibt keine mehr.« In diesem Moment ertönte ein durchdringender Alarm. *
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Das Schott. durch das die Männer eingedrungen waren, schloss sich mit einem Ruck. Seitlich der Konservierungsliege flammte eine mannshohe Säule auf. Ein blauer Leuchtbalken huschte von oben zum Boden und wieder zurück. Er flackerte, stabilisierte sich und verharrte in der Ausgangsposition. »Das Schiff geht in Verschlusszustand.« Lormax griff nach seinem Kombistrahler. »Wir sitzen fest. Hier sind wesentlich mehr Systeme einsatzbereit, als wir gedacht haben.« »Ihr seid ohne Legitimation in die NEYDRIS eingedrungen und habt die Selbstzerstörungssequenz eingeleitet«, erklang eine künstlich generierte Stimme. »Beweist. dass ihr Terraner seid. Anderenfalls wird die NEYDRIS in drei Minuten vernichtet.« »Interkosmo!«, entfuhr es Haldrich. Er drehte sich um sich selbst, auf der Suche nach einem Sprecher, der nicht zugegen war. Die künstliche Stimme begann mit dem Herunterzählen eines Countdowns in Schritten von fünf Sekunden. »Das sieht so aus, als ob das Schiff wirklich auf uns gewartet hätte.« Lormax deutete auf die Kelsirin. »Oder die Schläferin. Ich bin dafür, dass wir sie aufwecken. Dann endet dieser Spuk von allein.« Daran zweifelte Perrent. »Es ist nicht gesagt, dass sie nicht längst tot ist und der Körper aus einem uns unbekannten Grund konserviert wird. Wenn sie tatsächlich noch lebt, besteht die Gefahr, sie umzubringen, wenn wir sie auf gut Glück aus ihrem Zustand reißen.« »Als ob es darauf ankommt, wenn das Schiff gesprengt wird. Wie sollen wir beweisen, dass wir Terraner sind?« Lormax hob beschwörend die Hände und wandte sich an die Maschinenstimme. »Wenn du über Terraner Bescheid weißt, erkennst du uns als solche.« Nicht in den Schutzanzügen, erkannte Perrent Lormax' Denkfehler.
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»Zwei Minuten, fünfunddreißig Sekunden«, verkündete der Countdown ungerührt. Der blaue Balken setzte sich wieder in Bewegung und durchlief die Säule vom Kopf zu ihrem Fuß, verharrte und strebte zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Perrent trat vor die Einrichtung und betrachtete sie nachdenklich. Es war kein Zufall, dass sie als einzige optische Betriebsamkeit zeigte. Eine Idee reifte in ihm. »Zwei Minuten, zwanzig Sekunden.« »Kommt sofort da drüben raus«, meldete sich Dyle über Funk. »Ich habe keine Lust, eure Moleküle aus dem Vakuum zu klauben.« »Uns bleibt keine Zeit für eine Flucht«, gab der Captain zurück. »Außerdem müssten wir mit Gewalt einen Ausgang sprengen, was dem Countdown vielleicht überhaupt nicht gefällt und ihn veranlasst, die Selbstzerstörung gleich einzuleiten. Also Klappe halten und Funkstille wahren, Kolman.« Er öffnete die Arretierung seines Helms, schlug ihn zurück und atmete die Bordluft. Zu seiner Überraschung roch sie nicht muffig, sondern wie frisch aufbereitet. »Zwei Minuten«, mahnte die emotionslose Stimme der NEYDRIS. Perrent beeilte sich, aus seinem Anzug zu schlüpfen. Mit dem Fuß stieß er ihn beiseite und positionierte sich mittig vor der Säule, die ihm bis knapp über den Kopf reichte. Er trug, wie die anderen mit einem Anflug von Belustigung bemerkten, eine lachsfarbene Unterkombination mit einem Muster aus kleinen blauen Blüten. »Das dürfte reichen«, kommentierte Haldrich. »Was hast du überhaupt vor? Strippen für Fische?« »Fast.« Perrent spürte einen dicken Kloß im Hals. Wenn er sich irrte ... »Eine Minute, fünfzig Sekunden.« Wieder setzte sich der blaue Balken in Bewegung, allerdings langsamer als bei den beiden Malen zuvor. Er warf einen Lichtvorhang, der sich über Perrents Körper tastete.
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»Ein Scanner«, vermutete Haldrich. »Wie bist du auf die Idee gekommen, Ilvo?« »Es war eine logische Konsequenz aus der Aufforderung, uns zu identifizieren.« Wie auf ein Stichwort brach der Countdown ab. Beinahe andächtig lauschten die Männer dem Klang der verstummten Stimme nach. Als sie wieder einsetzte, zählte sie keine verbleibende Frist herunter. »Ich begrüße euch an Bord der NEYDRIS, Terraner«, eröffnete sie lapidar. Licht flammte auf, allerdings nicht überall gleichmäßig. Die Zentrale war 'von den Zerstörungen nicht ganz verschont geblieben. Es war ein unglaublicher Glücksfall, dass die Einrichtungen, die für das Überleben der in Starre Liegenden verantwortlich waren, verschont geblieben waren. Glück ... oder eine Falle. Aber welcher Art sollte diese sein? »Die Kelsirin öffnet die Augen.« Lormax schlug seinen Raumhelm zurück. »Vielleicht erhalten wir jetzt ein paar Antworten.« Unbeweglich lag das Wesen vor den Raumfahrern. Es war nicht tot, auch wenn sein Körper weiterhin wie erstarrt schien. Lediglich in die Augen war das Leben zurückgekehrt. Funkelnd wandten sie sich von einem Mann zum nächsten. Schließlich blieb der Blick an Perrent, der am nächsten stand, hängen. Die ausgeprägten Lippen zitterten. »Sie will etwas sagen.« Der Captain beugte sich vor und brachte sein Ohr an den Mund der Kelsirin. Ein Wispern bestätigte seine Erwartung. »Gralsmutter Srinele grüßt die Terraner. Ich bringe euch BARDIOCS Null.« 3. Reginald Bull »BARDIOCS Null?« Reginald Bull zog die Stirn in Falten. »Was soll ich mir darunter vorstellen? Kannst du nicht etwas deutlich werden?« Homer G. Adams hob abwehrend die Hände. »Ich bin so schlau wie du, Bully.
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Captain Perrent hat versucht, mehr. aus der angeblichen Kelsirin herauszubekommen, ergebnislos. Seit sie erfahren hat, dass keiner der für das Solsystem Verantwortlichen an Bord der OROPUS ist, verweigert sie die Kommunikation.« Bull verstand. Adams, der älteste lebende Terraner, hatte ihn alarmiert, damit er vor BS-Ameris selbst nach dem Rechten sah. Bulls Gedanken drifteten ab in die Vergangenheit, in jene Zeit, die die Terraner und die Kaiserin von Therm zueinander geführt hatte. Bardioc, ehemals einer der Sieben Mächtigen, für einen kosmischen Verrat entleibt und zu einer Existenz als bloßes Gehirn verurteilt, war im Laufe von Jahrhunderttausenden zur negativen Superintelligenz BARDIOC geworden. Als solche hatte er sich in einen zahlreiche Galaxien umfassenden Konflikt mit einer positiven Superintelligenz, der Kaiserin von Therm, begeben, bis es dank des Eingreifens der SOL zu einem Ende der äonenlangen Auseinandersetzung gekommen war. BARDIOC war aus seinen bösen Träumen geweckt worden und mit der Kaiserin zur Superintelligenz THERMIOC verschmolzen. Ebenso wie die Kelsiren, ein Hilfsvolk der Kaiserin. Und nun ... nicht etwa ein Bote THERMIOCS erschien auf der Bildfläche, sondern eine Kelsirin der Kaiserin und die Null von BARDIOC? Was steckte hinter dieser Entwicklung? Was und vor allem: Wer? War THERMIOC am Ende gar zerfallen? »BARDIOCS Null«, sinnierte der Minister. Der Blick aus seinen wasserblauen Augen fixierte einen imaginären Punkt im Raum. »Wonach klingt das für dich?« »Nach einem Hilfsangebot? Vielleicht nach einem einfachen Gruß, der zufällig gerade jetzt ankommt?« »Aha. Das eine klingt so wenig plausibel wie das andere.« Bull seufzte vernehmlich. »Du bist wirklich eine große Hilfe, Homer.« Adams hob ratlos die Schultern. »Ich habe schon zu viel Zeit mit dieser
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Angelegenheit vertan, was den Staatshaushalt Millionen kostet. Glaubst du, ich habe nichts anderes zu tun? Ich versuche verzweifelt, ein Wirtschaftssystem aufrechtzuerhalten, dem so gut wie alle Märkte abhandengekommen sind. Diese Besucherin ist deine Angelegenheit, mit der ich nichts zu tun habe. Oder möchtest du die Staatsfinanzen im Fluss halten?« Bull fragte sich, wie Adams auf die Idee eines Hilfsangebots kam. Nie hatten sie Hilfe so sehr gebraucht wie derzeit, da weder feststand, wie Rhodans »Operation Tempus« voranging, noch wie sich die RICHARD BURTON mit Atlan an Bord in Hangay schlug. Er hätte sich Adams' leichtfertig vorgetragener Spekulation deshalb gern angeschlossen, doch er glaubte nicht an Wunder, Vielmehr tendierte er dazu, weiteres Ungemach auf die Menschheit zukommen zu sehen. »Einen Verantwortlichen für das Solsystem will diese Srinele also sprechen«, rekapitulierte er. »Sie scheint über die hiesigen Verhältnisse Bescheid zu wissen. Gibt dir das nicht zu denken'?« »Rechnest du mit einer Falle?« Der Finanzminister wirkte geistesabwesend. Längst beschäftigte er sich wieder mit dem Tagesgeschäft und erweckte den Anschein, seinen Besucher am liebsten so schnell wie möglich loszuwerden. »Ich rechne mit allem«, brauste Bull auf. »Das tue ich auch, und zwar wortwörtlich«, blieb Adams gelassen. »Es nützt uns nämlich herzlich wenig, wenn TRAITOR eines Tages aus der Milchstraße abzieht und wir als einzige bankrott sind.« »Zu unser aller finanziellem Wohl will ich dich nicht länger stören«, gab Bull sich geschlagen. In einem konnte er dem Finanzminister nicht widersprechen. Ihm blieb keine andere Wahl, als sich selbst um den überraschenden Zwischenfall zu kümmern. Wen hätte er schicken sollen? »Ich lasse die LEIF ERIKSSON II startbereit machen.« »Das habe ich bereits veranlasst«, überraschte ihn Adams. »Die Besatzung ist eingeschifft und wartet auf deine Ankunft.
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Nach deinem Eintreffen kannst du umgehend starten.« Für ihn war klar gewesen, dass der Residenz-Minister sich unverzüglich auf den Weg machen würde. Bull verabschiedete sich und ging zurück zu seinem Gleiter. Wenige Minuten später war er auf dem Weg zum Terrania Space Port. * Der Flottenraumhafen besaß ein vierzig Kilometer durchmessendes Landefeld, auf dem zahlreiche Raumschiffe verschiedener Bauart geparkt standen. Die LEIF ERIKSSON II stach Bull schon allein wegen ihrer Größe ins Auge, als sein Gleiter einen Zubringertunnel verließ, der den Wall um den Raumhafen umgab. Bulls Gesicht drückte Härte aus. Härte und Entschlossenheit. Adams täuschte sich gewaltig, wenn er einem kurzweiligen Freizeitvergnügen zu viel Bedeutung beimaß. Seinen virtuellen Ausflug hatte Bull längst vergessen. Seit der ersten bemannten Mondlandung vor annähernd 3000 Jahren war er viel zu sehr in der Realität verwurzelt, um sich einer Aufgabe nicht auf den Punkt genau widmen zu können. Dank seines Legitimationskodes wurde er von keiner Kontrollinstanz aufgehalten. Trotzdem unterlag das Gefährt einer lückenlosen Überwachung, während es sich der LEIF ERIKSSON II näherte. Wie ein stählernes Gebirge ragte die 2500 Meter durchmessende Kugelzelle des Flaggschiffs der Liga Freier Terraner in den lauen Frühjahrshimmel. Die obere Polkuppel lag zwischen zerrissenen Wolkenbänken, die Umrisse des Ultraschlachtschiffs ließen sich dort oben mehr erahnen denn erkennen. Bull stellte seinen Gleiter ab und lief über das Landefeld, das Flaggschiff wie ein stählernes Gebirge vor sich. Die ausgefahrenen Teleskopstützen machten es noch ein paar hundert Meter größer. Bull legte den Kopf in den Nacken und schaute an der schimmernden Wandung empor.
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Auf halber Höhe umspannte der mächtige Ringwulst das Schiff. Allein in seinem Inneren hätte eine Stadt Platz gefunden. Kein Empfangskomitee wartete auf den Residenz-Minister. Wozu auch? Inzwischen fühlte er sich an Bord der zweiten LEIF ERIKSSON wie in seinem Wohnzimmer Er brauchte in dem ausgeklügelten System aus Antigravschächten, Turbolifts und Laufbändern keine Zeit darauf zu verschwenden, sich zu orientieren, sondern gelangte zielsicher in die Zentrale. Das Schiffsinnere war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. »Die Startvorbereitungen sind abgeschlossen«, empfing ihn Ranjif Pragesh, der im Rang eines Obersts stehende Kommandant. Adams hatte also nicht zu viel versprochen. »MOTRANS in Bereitschaft?«, fragte Bull. MOTRANS, die Mobilen TransmitterStationen, bildeten die mobilen Sende- und Empfangsstationen des Projekts BACKDOOR, eines geheimen Transmitterrnetzes der Terraner. Merkur war der Bahnhof im Solsystem. »Die Schaltstelle auf Merkur ist unterrichtet und hat grünes Licht gegeben«, bestätigte Pragesh. »Wartezeit?« »Keine. Wir haben Vorrang vor sämtlichen avisierten Warenflüssen. Wenn du willst, können wir umgehend aufbrechen.« Bull nickte dem Turbanträger mit der dunklen Hautfarbe und dem schwarzen. Haar auffordernd zu und nahm in einem freien Sessel Platz. Er ließ das Procedere stumm über sich ergehen, als die LEIF ERIKSSON sich auf einem Antigravfeld in die Luft erhob, gesteuert von der venusgeborenen Ersten Pilotin Lei KunSchmitt, und die Erde hinter sich ließ. BARDIOCS Null, ging es dem Rotschopf durch den Kopf, und seine Gedanken eilten ihm voraus nach BS-Ameris. Die Reise war nicht mehr als ein Katzensprung, eine Lappalie unter normalen Bedingungen. Doch bei den in der gesamten Galaxis allgegenwärtigen Manövern der
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Terminalen Kolonne sah so etwas wie Normalität ganz anders aus als noch vor ein paar Jahren. Deshalb war Bulls Erleichterung entsprechend groß, als die LEIF ERIKSSON II ihr Zielgebiet ungehindert erreichte. In der Panoramagalerie zeichnete sich das treibende Wrack der NEYDRIS ab. Majestätisch glitt es auf die Sonne zu. Noch blieb Zeit, doch der Moment, da es in den äußeren Schichten des planetenlosen Gestirns verglühen würde, war abzusehen. »Soll ich ein Enterkommando zusammenstellen?«, fragte der Dritte Offizier Wasarkun DeMool. Bull schüttelte entschieden den Kopf. Das Außenteam von der OROPUS wartete in dem Wrack auf ihn. Eine Gefahr bestand ganz offensichtlich nicht, sonst wäre er längst darüber informiert worden. Einen archaischen Impuls, der ihn eindringlich vor der wenn auch noch so kleinen Möglichkeit einer Falle warnte, konnte er dennoch nicht unterdrücken. »Ich gehe allein«, sagte er entschlossen. * Das Wesen war eindeutig eine Kelsirin. Bis zuletzt hatte Reginald Bull leise Zweifel an den übermittelten Informationen gehegt. Nun, da er vor dem amphibischen Geschöpf stand, waren sie wie weggewischt. Es stammte von der inzwischen unbewohnbaren Welt Drackrioch in der Galaxis Nypasor-Xon, die einst das Zentrum der Mächtigkeitsballung der Kaiserin von Therm gebildet hätte. »Ich begrüße dich, Gralsmutter Srinele«, begann Bull ohne Umschweife und stellte sich vor. Er erinnerte sich daran, was die Bezeichnung bedeutete. Gralsmütter waren die Oberhäupter in den Dörfern auf Drackrioch gewesen und hatten als Kontakterinnen zwischen der Kaiserin und den Kelsiren fungiert. »Du bist für das Sonnensystem der Menschheit verantwortlich?« Srinele saß auf der Konservierungsliege, deren
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Abschirmung sich geöffnet hatte. Sie war inzwischen besser bei Kräften, hatte aber noch Mühe, auf ihren Beinen zu stehen. »Mir wurde der Name Perry Rhodan genannt. Er ist mein erster Ansprechpartner.« »Rhodan ist derzeit nicht verfügbar«, wich Bull aus. Fasziniert betrachtete er den birnenförmigen Auswuchs im Nacken der Gralsmutter. Er schimmerte scharlachrot und war von fächerförmigen Organantennen überwuchert, die in allen Farben des Spektrums schimmerten. Mit diesem gehirnähnlichen Psi-Organ waren Kelsiren in der Lage, mentale Lockrufe zu übermitteln. Dank dieser Fähigkeit bezeichneten die Terraner sie auch als Sirenen des Alls. »Ich bin sein Stellvertreter Du musst mit mir vorliebnehmen.« »Ich akzeptiere. Weitere Namen wurden mir genannt. Deiner ist darunter. Daher ist es mir gestattet, mit dir Kontakt aufzunehmen.« Die Eröffnung erleichterte Bull, denn er war nicht gewillt, Srinele Informationen über den derzeitigen Aufenthaltsort des Residenten zu geben. Ihn beschäftigte eine ganz andere Frage. »Wir wissen, dass die Kelsiren in der Superintelligenz THERMIOC aufgegangen sind«, sagte en »Es gab keine Ausnahmen, weil auf Drackrioch keine Überlebenschance für dein Volk bestand.« »Du bist . richtig informiert.« Die Gralsmutter bewegte ihre Finger, als müsse sie sich von deren Funktionsfähigkeit überzeugen. Die rudimentär erhaltenen Schwimmhäute dazwischen knisterten wie Pergament. »Ich war mit meinen Schwestern und den Männchen in THERMIOC aufgegangen. Doch THERMIOC stattete mich mit einem Körper aus und schickte mich in die Milchstraße, um Perry Rhodan Hilfe im Kampf gegen die Terminale Kolonne zukommen zu lassen.« Die Eröffnung elektrisierte Bull. Es schien etwas dran zu sein an Adams' leichtfertiger Überlegung. Sein Blick wanderte von dem Psi-Organ zu dem rucksackähnlichen
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Artefakt auf dem Rücken der Gralsmutter. Obwohl nicht organisch, war es mit der Kelsirin verschmolzen. Bei ihrem Volk war ein solcher Auswuchs biologisch nicht vorgesehen, und unwillkürlich brachte Bull ihn mit dem Namen in Verbindung, den er gehört hatte. BARDIOCS Null. Er zögerte, die Sprache darauf zu bringen, obwohl jede verstreichende Minute wertvoll war. Er musste damit rechnen, dass früher oder später weitere Einheiten TRAITORS im Raumsektor um BSAmeris auftauchten und auf das ungewöhnliche Zusammentreffen aufmerksam wurden. »Du richtest dein Augenmerk auf das Wesentliche«, riss Srinele ihn aus seinen Gedanken. Sie drehte den Kopf ein wenig. »Dies ist BARDIOCS Null, von der ich sprach.« »Das dachte ich mir«, mischte sich Captain Perrent ein. »Und was hat es damit auf sich?« »Es ist ein Hilfsangebot, wie ich bereits sagte.« Srinele musterte den rothaarigen Terraner »Aber es ist kein leichtfertiges Angebot. Wer BARDIOCS Null an sich nimmt, nimmt auch die Verantwortung dafür auf sich. Bist du daran interessiert, sie stellvertretend für die Menschheit auf dich zu nehmen, Reginald Bull?« Angesichts der Situation und der Reise über einen Abgrund von mehreren Galaxien empfand Bull die Frage als unwirklich. »Ich wäre dumm, wenn ich Hilfe ausschlagen würde«, bekannte er. »THERMIOC ist also über die Vorgänge in der Milchstraße informiert?« »So ist es. Die Lage der Mächtigkeitsballung von ES ist THERMIOC bekannt.« »Und woher?« »Das ist unerheblich.« Bull horchte auf. Wusste die Gralsmutter es nicht? Wollte oder durfte sie nicht darüber sprechen? Oder war sie wirklich nur der Meinung, dass eine Erklärung für das Hilfsangebot unwichtig war? Er spürte, dass er auch bei weiterem Nachbohren keine Antwort erhalten hätte, deshalb
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unterließ er den Versuch. Superintelligenzen dachten in Bahnen, die Sterbliche nur selten nachvollziehen konnten. »Wieso ergeht das Hilfsangebot ausgerechnet an die Terraner?«, wollte Perrent wissen. »Perry Rhodan ist ein Freund THERMIOCS. Er und die Menschen haben selbstlos gehandelt, als sie die beiden Superintelligenzen vereinten. Das wurde nicht vergessen, so wenig wie seine Warnung vor der Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstands oder gegen die heimtückischen Attacken von THOREGON. THERMIOC ist Perry Rhodan gegenüber verpflichtet.« Das war eine Erklärung, an der sich nicht rütteln ließ, fand Bull. »Welche Bewandtnis hat es mit BARDIOCS Null?«, fragte er. »Es ist eine Waffe aus dem uralten Fundus BARDIOCS. Sie befindet sich in dem Behälter auf meinem Rücken«, bestätigte die Gralsmutter seine Vermutung. »Er ist auf molekularer Ebene mit meinem Körper verbunden, wie ihr bereits herausgefunden habt. Er und ich können nicht voneinander getrennt werden. Im Inneren des Behälters ist ein Hyperraumkollektor.« Der Minister stutzte. »Wie funktioniert er, und wozu dient er?« »Es ist eine Waffe zur einmaligen Verwendung. Wird BARDIOCS Null in Betrieb genommen, beginnt der Kollektor, in seinem Inneren Psi-Materie zu akkumulieren. Sobald sechs Gramm zusammen sind, werden die Mikrofeldschirme, die den Inhalt der Waffe stabilisieren, automatisch abgeschaltet. Dazu bedarf es einer Vorlaufzeit von zwölf Tagen terranischer Zeitrechnung. Die Psi-Materie wird danach unverzüglich instabil. Die Materialisierung von übergeordneten Energieeinheiten entwickelt je nach Menge die milliardenfache Energie einer 1000 Gigatonnen-Fusionsbombe.« »Eintausend Gigatonnen Sprengkraft? Mal eine Milliarde? Du liebe Güte!«, keuchte Perrent atemlos. Er war bleich geworden.
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»Das klingt nach dem reinsten Weltuntergang.« »Für das betroffene Ziel trifft genau das zu. Bei den freigesetzten Gewalten bricht die Raum-Zeit-Struktur auf. Die Waffe reißt ein Stück des Universums vom Ausmaß eines ganzen Sonnensystems in den Hyperraum. Zurück bleibt ein Vakuum, nämlich null.« BARDIOCS Null. Endlich kam Sinn in die Sache. Nichts blieb nach der willentlich ausgelösten Katastrophe übrig. Null! Der eher kryptische Name der Waffe erhielt eine nachvollziehbare Bedeutung. Schweigend verarbeitete Reginald Bull die erhaltenen Informationen. Er konnte dem Captain dessen Entsetzen nicht verdenken. Die unscheinbare Waffe auf dem Rücken der Kelsirin stellte einen Machtfaktor dar, den man sich nur schwerlich vorstellen konnte. Der Schaden, der sich damit anrichten ließ, war kaum zu überschauen. Es kam nur darauf an, in wessen Hand diese Zerstörungskraft lag. »BARDIOCS Null lässt sich nur einmal einsetzen?«, vergewisserte sich Bull. »Ja.« »In dem Fall wirkt sie bei all ihrer Kraft allenfalls als Insektenstich gegen TRAITOR«, unkte er. »Ein besetztes Sonnensystem in der Milchstraße zu vernichten lässt die Terminale Kolonne bei ihren Ressourcen kalt. Einen Pulk ihrer Einheiten zu zerstören ebenfalls.« »THERMIOC hat das beschriebene Schicksal einem bestimmten Ziel in den Reihen der Kolonne zugedacht. Es wird eins sein, dessen Zerstörung eine tief gehende Wirkung bei den Invasoren nach sich zieht.« Srinele erhob sich auf ihre kurzen Beine, machte eine umständliche Verrenkung und ließ sich gleich wieder auf die Liege fallen. »Ihr werdet sehen, welches Ziel das ist, sobald die Zeit gekommen ist.« »Ein Hinweis darauf wäre hilfreich.« »Den kann ich dir leider nicht geben.« Das klang mehr als geheimnisvoll. Wie sollten die Terraner ohne Anhaltspunkt im richtigen Moment das richtige Ziel erkennen? Bulls Gedanken jagten einander.
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Bei allem Erhellenden blieb viel im Dunkeln. Zu viel für seinen Geschmack. Die Ausflüchte der Gralsmutter missfielen ihm, doch ihm war klar, dass er auf die Abgesandte einer Superintelligenz keinen Druck ausüben konnte. »Ich habe eine weitere Nachricht von THERMIOC für die Terraner«, verkündete Srinele. Sie wirkte unbehaglich. »THERMIOC lässt ausrichten, dass ihr einen Verbündeten werdet opfern müssen, der euch über Tausende Jahre hinweg ein treuer Freund war.« Die Worte versetzten Reginald Bull einen gelinden Schock. Einen Verbündeten seit Jahrtausenden? Wen meinte die Kelsirin? Einen aus dem Kreis der Aktivatorträger? Auch wenn er sich dagegen sträubte, gelang es Bull nicht, eine düstere Ahnung zu unterdrücken. Wenn die angebotene Waffe so wirkungsvoll funktionierte wie geschildert, und daran zweifelte er nicht, war derjenige in größter Gefahr, der unmittelbar damit zu tun hatte. Das War er. Er presste die Luft aus den Lungen und schloss für einen Moment die Augen. Er hatte dem Tod unzählige Male ins Auge gesehen. Spätestens im Jahre 1303 NGZ in arkonidischer Gefangenschaft im GolkanaGefängnis hatte er mit seinem Leben abgeschlossen. Wenn nötig, würde er sein Leben opfern, doch durch Rhodans Abwesenheit brauchte die Menschheit ihn so dringend wie nie zuvor »Was soll das?«, brachte er mit trockenem Hals hervor, als er seine Augen wieder aufschlug. »Übermittelst du eine Prophezeiung oder mehr?« »Keine Prophezeiung. Eine Tatsache«, sagte Srinele emotionslos. Bull schreckte davor zurück, die logische nächste Frage zu stellen. »Dann verrate mir, welcher Verbündete gemeint ist.« »Ich weiß - es nicht. Ich habe THERMIOCS Worte so wiedergegeben, wie sie formuliert wurden. Mehr kann ich dir nicht sagen.« Der Unsterbliche wusste nicht, ob er darüber verärgert oder erleichtert sein
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sollte: Vielleicht war die Opferung eines Verbündeten - eines Freundes? - lediglich eine Gedankenspielerei, die sich nicht erfüllen würde, gab Bull sich einer trügerischen Hoffnung hin. »Du als Perry Rhodans Stellvertreter bist der. der Ziel und Zeit des Einsatzes von BARDIOCS Null nennen wird«. prophezeite Srinele, als sei das längst beschlossen. »Dann wirst du -dafür sorgen, dass ich mit dem Behälter an Ort und Stelle gelange. Ich hingegen werde diejenige sein, welche die Waffe zündet.« Es klang so einfach -- und so undurchführbar, wenn man nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wie das potenzielle Ziel aussah. Trotzdem war Bull von der Aussicht stärker fasziniert, als er sich eingestehen wollte. Denn was war das für eine Waffe, die ihm da offeriert wurde! Sie entstammte dem Arsenal einer Superintelligenz und übertraf alles, was Menschen gegen TRAITOR aufzufahren vermochten. »Du sagtest, die Waffe sei untrennbar mit deinem Körper verbunden.« »Richtig.« »Das heißt, du musst dich mitsamt ihr in die Luft sprengen?« »Auch das ist zutreffend.« Die Vorstellung behagte Bull nicht sonderlich. »Wozu dieser Opfergang? Gab es keine Alternative?« »THERMIOC durfte nicht das Risiko eingehen, dass mir BARDIOCS Null abgenommen wird. Sie hätte sonst gegen ihre eigentliche Bestimmung eingesetzt werden und TRAITOR von Nutzen sein können. Aus dem gleichen Grund wurden meine Erinnerungen an die Existenz in THERMIOC blockiert. Wäre ich bei meiner Mission feindlichen Mächten in die Hände gefallen, hätte ich auch gegen meinen Willen nichts verraten können.« Soviel dieses Argument für sich hatte, Bull mochte es kaum anerkennen. In diesem Krieg gab es Millionen Opfer zu beklagen, und so düster, wie sich die Zukunft abzeichnete, war das erst der Anfang. THERMIOCS Botin hatte jedoch nichts damit zu tun. Sie war auf eine Mission
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entsandt worden, die von vornherein ihr Todesurteil bedeutete. Diese Tatsache schien sie nicht einmal zu belasten, oder sie kaschierte ihre Gefühle perfekt. »Ich hatte meine Lebensspanne fast erreicht, als ich in THERMIOC aufging. Seitdem genoss ich mit vielen anderen eine lange Existenz in einem Bewusstseinspool, was mir sonst nicht vergönnt gewesen wäre. Ich hadere nicht mit meinem Schicksal, sondern nehme es dankbar an. Im Grunde bin ich lediglich ein materialisierter Teil THERMIOCS, der für diesen Einsatz mit einem Körper versehen wurde. So etwas wie Furcht vor dem Tod besitze ich nicht. Wenn dieser Körper erlischt, werde ich wieder eins sein mit THERMIOC.« Die Behauptung beruhigte Bull nur wenig. »Wieso weißt du manche Dinge über dein Volk, wenn deine Erinnerungen blockiert wurden?«, wunderte er sich. »Meine ganz persönlichen Lebensumstände sind mir verblieben«, klärte ihn Srinele auf. »Ich erinnere mich an die Gralstöchter, die anderen Gralsmütter. Auch an das Dorf am Meer von Drackrioch ...« Sie hielt inne und wechselte übergangslos das Thema. »Der bisherige Abschnitt meiner Existenz endet nun endgültig. Alles geschieht, wie es bestimmt ist:« Unüberhörbar schwang ein Anflug von schicksalhafter Gleichmütigkeit in der Übersetzung des Translators mit. Reginald Bull blieb keine Zeit, darauf einzugehen. Sein Multifunktionsarmband aktivierte sich mit einem durchdringenden Ton. Als Bull den Anruf entgegennahm, meldete sich Kolman Dyle. »Schlechte Nachrichten«, verkündete der Funker hektisch. »Im umliegenden Raumsektor fallen Traitanks in den Normalraum zurück. Es sind Tausende.« * »Da haben wir den Salat.« Ilvo Perrent warf theatralisch die Arme in die Luft. »Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Traitanks auf uns aufmerksam werden.«
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»Da stimme ich dem Captain zu«, meldete sich Pragesh über Funk. »Bisher haben sie uns nicht bemerkt. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie zumindest das Wrack entdecken.« »Was unternehmen die Traitanks?«, fragte Bull. »Das lässt sich bisher nicht erkennen. Bei dieser Übermacht brauchen wir das auch nicht herauszufinden. Seht zu, dass ihr die NEYDRIS verlasst.« Bull zögerte. Da es sich bei der Gralsmutter um eine Gesandte THERMIOCS handelte, musste er dafür sorgen, sie sicher ins Solsystem zu bringen. Schließlich war sie als Beistand für die Terraner hier, da konnte man sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Das war eine Vorgehensweise, die Bull ohnehin nicht behagte. Zudem ließen gerade ihn als für die solare Verteidigung Zuständigen die Einsatzmöglichkeiten von BARDIOCS Null nicht mehr los. »Vorschläge, Ranjif?« »Der Sektor um BS-Ameris ist nicht länger sicher. Wir nehmen die NEYDRIS per Traktorstrahl mit und schleppen sie zum nächsten MOTRANS-Bahnhof, und zwar umgehend.« Und von dort aus geradewegs in die gute Stube Solsystem, dachte Bull skeptisch. Wieder kam ihm die Befürchtung, in eine Falle zu tappen, die so gut getarnt war, dass er sie nicht durchschaute. Besonders, dass die Traitanks plötzlich aufgetaucht waren und Entscheidungsdruck erzeugten, passte in dieses Bild. Wenn es sich bei der Kelsirin um einen Gestaltwandler der Kolonne handelte? Aber woher wusste er dann so viel über THERMIOC und dessen Verhältnis zu Rhodan? Aber selbst wenn die Kelsirin echt war— woran Bull im Grunde seines Herzens glaubte musste er sich fragen, inwieweit er verantworten durfte, eine Waffe von solcher Verheerungskraft ins Innere des TERRANOVA-Schirms zu bringen. Denn theoretisch konnte sie das Solsystem ebenso vernichten wie jedes andere Sonnensystem, zumal man selbst nicht die Kontrolle über sie hatte. Er unterstellte
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Srinele keine unlauteren Absichten, durfte jedoch auch nicht blauäugig an die Sache herangehen. »Mit der NEYDRIS im Schlepp sind wir ziemlich unbeweglich«, zeigte er ein weiteres Problem auf. »Solange wir nicht entdeckt werden, spielt das keine Rolle«, fand der Kommandant der LEIF ERIKSSON II. »Sollte dieser Fall eintreten, ändern wir kurzerhand unsere Taktik und suchen das Weite.« »Ohne die NEYDRIS?« »Sofern uns keine andere Wahl bleibt«, gab Pragesh ungerührt zurück. »Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommt.« Die. Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung erhöhte sich, je länger sie diskutierten. Bull wägte das Für und Wider ab und traf eine Entscheidung. »Die NEYDRIS bleibt auf ihrem Kurs und wird in Kürze in der Sonne verglühen. Ich schließe nicht aus, dass die Einheiten TRAITORS das Wrack bereits bei ihrem vorigen Manöver bemerkt und ihm nur aufgrund seines Zustands keine Aufmerksamkeit geschenkt haben. Das wird sich schlagartig ändern, wenn sie merken, dass es auf unerklärliche Weise seinen Kurs geändert hat.« »Was geschieht mit der Gralsmutter?« »Wir nehmen sie an Bord der ERIKSSON.« Für einen Moment herrschte Stille, und Bull begriff, dass die Entscheidung dem Oberst nicht schmeckte. Deshalb fügte er rasch hinzu: »In Quarantäne, durch einen HÜ-Schirm von der Außenwelt abgekapselt.« »Der im Ernstfall auch die Wirkung der Bombe aufheben wird«, antwortete Pragesh sarkastisch. »Aber was soll's. Ich veranlasse das Nötige.« »Sobald die Überstellung erledigt ist, ziehen wir uns über MOTRANS zurück.« Bull grinste trotz aller Ungewissheit und unterbrach die Verbindung. Ihm war eigentlich nicht nach Lachen zumute. Denn die Zweifel, einen fatalen Fehler zu begehen, ließen ihn nicht los. Aber welche Wahl blieb ihnen, als den dargebotenen. Strohhalm zu ergreifen? Angesichts der Macht der Terminalen
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Kolonne durfte man eine solche Chance nicht ungenutzt lassen. * Keine Stunde später war die LEIF ERIKSSON über die MOTRANSPlattformen des Projekts BACKDOOR ins Solsystem zurückgekehrt. Reginald Bull befahl den Verbleib in der Bahn des Merkur. »Stellung halten?« Pragesh drehte den Kommandantensessel in Richtung des Residenz-Ministers für Liga-Verteidigung. »Du bist immer noch misstrauisch?« »Trau, schau wem«; antwortete Bull mürrisch. Auf einem Holoschirm beobachtete er die in ihrer Unterkunft hockende Gralsmutter. Sie wirkte so starr wie nach ihrem Auffinden durch die OROPUS. »Wie bitte?«, fragte der Kommandant. »So drückte man sich im zwanzigsten Jahrhundert aus. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.« Bull beantwortete den fragenden Blick mit einer abwinkenden Handbewegung und fuhr sich nachdenklich durch seinen Bürstenhaarschnitt. »Ich habe keine Begründung. Es ist, nur so ein Gefühl.« »In diesem Fall eins, das so nicht mehr greift«, gab Lei Kun-Schmitt mit ihrer außergewöhnlich hellen Stimme zu bedenken. Die SERT-Haube schwebte dicht über dem Kopf der zuweilen als Riesenbaby bezeichneten Pilotin. »Egal ob über dem Merkur oder über der Erde, BARDIOCS Null befindet sich im Solsystem. Wenn die Bombe hochgeht, verschwindet der TERRANOVA-Schirm mit jedem einzelnen Molekül in seinem Inneren im Hyperraum.« »Du plädierst für eine sofortige Rückkehr zur Erde?« . Die Emotionautin klopfte mit den Fingerspitzen beider Hände gegeneinander. »Das ist ganz und gar deine Entscheidung«, flötete sie lächelnd. »Hm«, machte Bull mürrisch. Auch wenn er es hinauszögerte, früher oder später mussten sie nach Terra, um zumindest den
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Versuch zu unternehmen, etwas über die geheimnisvolle Waffe aus BARDIOCS Vergangenheit herauszufinden. »Vor dem nächsten Schritt unterhalte ich mich noch einmal mit unserem Gast. Ranjif, Lei, ihr begleitet mich.« Die Angesprochenen erhoben sich, und Bull wandte sich an den Dritten Offizier. »Behalte den Monitor im Auge. Wenn sich bei Srinele etwas ändert, ist dies augenblicklich mir zu melden!« »Wasarkun, das Schiff gehört dir.« Pragesh nickte seinem von Olymp stammenden dritten Stellvertreter zu, bevor er hinter Bull und Kun-Schmitt die Zentrale verließ. Auf dem Weg zu Srineles Unterkunft trafen sie nur wenige Besatzungsmitglieder; wer gerade keinen Dienst hatte, ruhte sich aus, trieb Sport oder traf sich in einer ErfrischungsLounge, aber er schlenderte nicht unbedingt durch die kilometerlangen Gänge. Das Quartier, in dem die Gralsmutter untergebracht war, besaß einen anderen Status als eine reine Herberge für einen Gast. Der aktivierte HÜ-Schirm, der es einhüllte, ließ keinen Zweifel an Bulls weiterhin bestehendem Misstrauen. Srinele hatte kein Wort des Protests geäußert, als man sie höflich zwar, aber de facto eingesperrt hatte. Bull berührte ein Bedienungsfeld neben dem Eingang zu Srineles Quartier Der Eingang öffnete sich. Gleichzeitig bildete sich eine Lücke im HÜ-Schirm, durch den die Raumfahrer eintreten konnten. Bull zuckte innerlich zusammen, da ertönte auch schon der Alarmton seines Armbands. »Die Kelsirin ist weg«, meldete sich DeMool aufgeregt. »Sie ist vor wenigen Sekunden teleportiert.« Ungläubig starrte Bull ins Innere des leeren Quartiers. Die Gralsmutter war fort und mit ihr BARDIOCS Null. 4. Srinele
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Sie träumte mit offenen Augen. Von einem scheinbar endlosen blauen Ozean, der am Horizont mit dem Himmel verschmolz. Schlanke Körper pflügten das Wasser, tanzten auf den Wellenbergen und ließen Kronen schäumender Gischt hinter sich. Sie nahm einen vertrauten Geruch wahr, frisch, salzig und durchsetzt von einer Prise Algenaroma, wie es nur an der Wasseroberfläche vorkam, wenn der Wind für eine Weile abebbte. Ein naher Ruf drang an ihr Ohr. Es war der Ruf des Schwarms, in dessen -sozialem Gefüge sie sich so lange wohlgefühlt hatte. In letzter Zeit nicht mehr. Sie entfernte sich immer öfter vom Schwarm und suchte Wohlbefinden in der Einsamkeit. Ein unbezähmbarer Drang trieb sie in Regionen, in die der Schwarm ihr nicht folgen wollte. Er war nicht bereit, noch nicht. Eines Tages vielleicht, doch einstweilen war sie die Einzige. Die Erste. Die Erste, die an Land ging. Sie trug den Namen Mitra, und sie wurde die erste Gralsmutter. Nicht Mitra, dachte sie mit einem Anflug von Besinnung, sondern Srinele. Gralsmutter Srinele. Aber in bester Tradition sah sie sich Mitra verpflichtet, die die Weichen gestellt hatte für die Entwicklung der Kelsiren. Es dauerte den Verlauf einiger Wellenbrecher, bis Srinele Drackrioch hinter sich ließ und die Tatsache akzeptierte, an Bord eines Raumschiffs der Terraner zu sein. Sie hockte in einem Gefängnis und wartete darauf, dass das geschah, was sie nicht verhindern konnte. Stummes Gelächter entstand in ihrem Verstand. Sie bemühte sich verzweifelt, es zu unterdrücken, doch sie hatte keinen Einfluss darauf. Es gehörte nicht ihr, sie produzierte es nicht. Verantwortlich war Adamicter. Du siehst es ein, Botin THERMIOCS, höhnte eine Stimme in ihrem Geist. Du begreifst es und bist nicht in der Lage, das Geringste dagegen zu unternehmen. Du bist hilflos und schwach.
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Srinele antwortete nicht. Nicht die Tatsache, von einem fremden Bewusstsein unterworfen worden zu sein, demütigte sie. Vielmehr war es das Wissen, dass sich der Auftrag, zu dem THERMIOC sie ausgeschickt hatte, ins Gegenteil verkehrte. Die Hilfsmission war pervertiert und richtete sich gegen die, denen sie Hilfe bringen sollte. Was zur Unterstützung der Terraner gedacht war, würde in zwölf Tagen zu deren unwiederbringlichem Ende führen. BARDIOCS Null würde sie vernichten, nicht ... Sie sah die NEYDRIS vor sich, das stolze Schiff, mit dem sie von der Auris um die Doppelmächtigkeitsballung THERMIOCS aufgebrochen war. Und sie sah das Wrack, das übrig geblieben war, nachdem Einheiten der Terminalen Kolonne die NEYDRIS abgefangen und in ihrem Sinne präpariert hatten. Anfangs hatte Srinele nicht begriffen, weshalb die unzähligen Traitanks das Botenschiff nicht zerstörten, sondern einen Kurs programmierten, der es schließlich nach BS-Ameris im Einflussbereich der Menschheit trug. Wo die Terraner zufällig darauf aufmerksam wurden. Inzwischen verstand sie umso besser. Gegen ihren Willen war sie zu einer Todesbotin für Milliarden Lebewesen ... Freunde geworden. THERMIOC war arglos, Hilfe für die Gralsmutter und ihre gescheiterte Mission nicht zu erwarten. Sie stemmte sich gegen das Gelächter, bis es verstummte. Ich schweige, weil ich es will. Warum knechtest du mich?, fragte sie voller Verzweiflung. Du weißt es. Du hast eine Aufgabe. Eine Aufgabe wohlgemerkt, die mit der ursprünglichen nichts mehr zu tim hatte. Srinele erschauderte. Die Kompromisslosigkeit der Botschaft war ernüchternd. So ernüchternd wie der Umstand, dass sie sich nicht präzise erinnerte, was geschehen war, nachdem Traitanks die NEYDRIS aufgebracht hatten. Alles blieb verschwommen. Nur so viel stand fest: Nachher war nichts mehr so wie vorher, nachdem sie die Gralsmutter
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heimgesucht hatten. Dichte, ständig wabernde Nebel von etwa zwei Metern Größe, innen heraus dunkelrot glühend. Einbildung oder Erscheinungen, die Srinele tatsächlich erlebt hatte? Kolonnen-Motivatoren, kam die beinahe vergnügte Antwort. Erinnerungsfetzen drängten an die Oberfläche. Die Kelsirin gewahrte seltsame, nebelhafte Mutanten, die mittels einer Art Gehirnwäsche ihren Willen gebrochen und ihr einen körperlosen Mitbewohner in den Schädel eingepflanzt hatten. Einen Psi-Parasiten namens Adamicter. Seitdem er da war, konnte sie eigene Entscheidungen nur noch treffen, wenn er es gestattete und ihren Geist nicht unterdrückte. Andernfalls hätte Srinele die NEYDRIS mit sich und BARDIOCS Null an Bord im interstellaren Leerraum zerstört, um nicht zu einer tödlichen Bedrohung für die Terraner zu werden. Srinele haderte mit ihrem Schicksal. Wieso gelang es ihr nicht, sich gegen Adamicter und seine Beeinflussung zu wehren, wenn sie sich deren bewusst war? Sie wollte laut aufheulen, den Terranern, von denen sie sicher war, dass sie die Botin beobachteten, durch ein Zeichen zu verstehen geben, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie brachte keinen Ton hervor. Lethargisch hockte sie in ihrer Unterkunft und lauerte auf eine Gelegenheit zur Flucht, die sie eigentlich gar nicht begehen wollte. Er ließ ihr keine andere Wahl. Wir sind innerhalb des Solsystems, mithin innerhalb des Kristallschirms, der den Einheiten TRAITORS schon viel zu lange widersteht. Bislang, doch damit ist in Kürze Schluss, ließ Adamicter sie wissen. Es gibt keinen Grund, länger zu warten. Bald ist es so weit. Sie sind auf dem Weg zu dir Sie kommen, nähern sich. Reginald Bull, dieser Narr, der zu kurzsichtig ist, um sein eigenes bevorstehendes Ende zu sehen. Seins und das seines Volkes. Srinele zuckte zusammen. Eine dunkle Vorahnung ergriff Besitz von ihr. Sie erhob sich und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die verschlossene
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Tür, die kein Hindernis darstellte. Allein der unsichtbare Schirm verhinderte, dass sie aus der Obhut der Terraner verschwand. Jetzt. Der HÜ-Schirm, wie die Menschen ihn nannten, erlosch. Die Tür öffnete sich. Srinele erhaschte einen letzten flüchtigen Blick auf Reginald Bull und fädelte sich körperlos in das Hyperspektrum ein. Nie zuvor hatte sie die Schwingungen aus fünfdimensionaler Energie empfunden, nun badete sie darin wie im Ozean von Drackrioch. Die unerhörte Leichtigkeit entführte sie in die unbeschwerten Tage ihrer Jugend. Es war wie ein Rausch, wie eine Rückkehr in alte Zeiten, und für eine kurze Weile drohte sie sich darin zu vergessen. Bis ihr klar wurde, dass auch dies nicht aus eigenem Antrieb geschah. Wieder war es Adamicter, der seine Para-Fähigkeiten in die vorübergehende Symbiose eingebracht hatte. In eine Symbiose auf Zeit, die nur anhielt, bis Srinele mit dem Sonnensystem der Terraner unterging. Er war ein Frequenzgänger, dazu befähigt, jede beliebige Energieform als Transportmedium zu benutzen und so bis an den Zielpunkt des Energieflusses zu gelangen. Wie in diesem Augenblick. Srinele ließ sich von der Strahlung des Hyperspektrums erfassen und floh, schneller, als der Augenaufschlag eines Terraners dauerte, aus ihrem Gefängnis. Sie schwamm auf den Schwingungen, suchte einen Weg, den sie beschreiten konnte. Es war so einfach, sich zu orientieren und die Reise in eine bestimmte Richtung anzutreten, selbst in diesem übergeordneten Spektrum einen Kursvektor festzulegen und .ihr körperloses Dasein zu kanalisieren. Ihr standen unbegrenzte Möglichkeiten der Bewegung offen, von denen sie zuvor nicht einmal geträumt hatte. Reginald Bulls entsetztes Gesicht blieb hinter ihr zurück, während sie eine Hyperfunkbotschaft streifte, die von der LEIF ERIKSSON abgestrahlt wurde. Die
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Funkwellen waren ein perfektes Medium. Ohne zu zögern, fädelte sich die körperlose Gralsmutter in den Strom ein. Als Bull Alarm auslöste, war Srinele bereits auf dem Mond namens Luna. * Die neue Erfahrung wirkte in ihr nach. Srinele sah an sich hinunter, um sich zu überzeugen, dass sie wieder stofflich war. Fast konnte sie das soeben Erlebte nicht glauben. In annähernder Nullzeit war sie von der LEIF ERIKSSON nach Luna gewechselt. Sie stand in einem Raum, der mit allerlei technischen Gerätschaften angefüllt war und von einem düsteren Notlicht nur unzureichend beleuchtet wurde. Außer ihr hielt sich niemand darin auf, der sie hätte festsetzen können. Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als ihr klar wurde, dass diese Gefahr ohnehin nicht bestand. Eine Flut von energetischen Emissionen umgab sie, von denen zahlreiche dem Hyperspektrum zugehörig waren. Mit ihren neuen Fähigkeiten nahm sie jede Strahlung wie eine goldene Aureole wahr. Srinele war in der 'Lage, im Sekundenbruchteil darin zu verschwinden und sich abermals transportieren zu lassen. Niemand konnte sie gegen ihren Willen festhalten. Die Gralsmutter zögerte. Ein willkürlicher Frequenzsprung mit ungewissem Ziel war sinnlos. Sie überlegte, wohin sie sich wenden sollte. Ihre Informationen über das Solsystem waren begrenzt. Zumindest gaben sie her, dass Terra dessen Zentralwelt war. Keine Wasserwelt zwar, doch eine mit Meeren und Ozeanen. Sie lauschte in sich hinein. Adamicter hielt sich im Hintergrund und schwieg. Ihn interessiert nicht, wohin sie sich wendete. Um seinen Auftrag zu erfüllen, war ein Platz im Solsystem so gut wie jeder andere, denn die von BARDIOCS Null ausgelöste Vernichtung war umfassend. Die Vorstellung, in der Wahl ihres nächsten Zielortes frei zu sein, ließ eine Idee in Srinele wachsen.
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Einfädeln in die starke Strahlung eines Hyperfunkspruchs, der den TERRANOVA-Schirm überwand und das Solsystem verließ. Hin zu einem Ort, wo die Bombe nur geringen Schaden anrichtete. Sofort brandete in ihrem Kopf hämisches Gelächter auf. Auch wenn der Psi-Parasit sich still verhielt, ließ er in seiner Aufmerksamkeit keinen Augenblick nach. Er war ständig präsent, schien keine Ruhephasen zu benötigen. Jedenfalls waren sie nicht so tief, dass seine Wachsamkeit darunter litt. Trotz seiner Passivität würde er nicht zulassen, dass Srinele an einen Ort ging, der die Pläne TRAITORS torpedierte. Blieb nur Terra. Die Kelsirin sondierte die zahlreichen Strahlenschauer, filterte die Funkwellen heraus und fand eine weitere Hyperfunkbotschaft, die von Luna nach Terra gerichtet war. Sie fädelte sich in den Strom ein und begleitete ihn als blinde Passagierin zur Erde. Dort angekommen, wurde sie von hellem Sonnenlicht empfangen. * Die gelbe Sonne Sol stand hoch am Himmel, das Wasser war warm. Srinele trieb rücklings auf ihrem Tornister durch die Wellen eines weiten Ozeans. In der Ferne zeichneten sich die Silhouetten von Inseln ab. Sie fragte sich, wo auf der Erde sie angekommen war. Westlich des nordamerikanischen Kontinents, erhielt sie eine überraschende Antwort. Bei einer Inselgruppe namens Hawaii. Die Tatsache, dass Adamicter mehr Informationen über die Heimatwelt der Terraner besaß als sie, betrübte die Gralsmutter. Sie machte seine ParaFähigkeiten dafür verantwortlich, von deren Reichhaltigkeit sie keine Ahnung hatte. Bisher hatte sie lediglich herausgefunden, dass er, abgesehen von der Durchsetzung seines eigenen Willens, in der Lage war, ihre Fähigkeiten der
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Suggestion zu verstärken. Der natürlichen Gabe, die sämtliche Kelsiren besaßen, hatte die Duuhrt sich vor Äonen bedient, um Hilfsvölker wie die Choolks anzulocken und unter ihre Kontrolle zu bringen. Srinele hasste das Scheusal in ihrem Kopf. Sie lenkte sich ab, indem sie begann, an der Wasseroberfläche zu paddeln. Der Ozean war ihr sympathisch, wie eine alte Freundin, die sie nach ewigen Zeiten wiedersah. Sie war lange nicht mehr in einem Meer geschwommen. Nicht mehr, seit sie körperlos in THERMIOC aufgegangen war, erinnerte sie sich mit einem Anflug von Wehmut. Ein drängender Impuls erreichte sie, und sie wusste, was sie zu tun hatte. Es war so weit, den letzten entscheidenden Schritt zu machen. Sie beendete ihre Paddelbewegungen und ließ sich von den Wellen tragen. Mit einer Folge von Handgriffen machte sie sich an dem Behälter auf ihrem Rücken zu schaffen. In ihr tobte ein Widerstreit der Gefühle, ohne dass ihr Spielraum für eine eigene Entscheidung blieb. Der Parasit schien Vergnügen daran zu finden, ihr die Handlungen zu diktieren und sie zugleich darüber reflektieren zu lassen, was sie dadurch anrichtete. Sie brauchte keine Minute, um die Kollektorfunktion von BARDIOCS Null in Gang zu setzen. Als sie fertig war, gab es kein Zurück. Einmal initiiert, ließ sich der Vorgang nicht mehr aufhalten, geschweige denn umkehren. Es blieb keine Option, die Waffe zu entladen, die von nun an bis zur Detonation ihrem Programm folgte. Selbst wenn Adamicter die Gralsmutter freigegeben hätte, hätte sie den Prozess nicht stoppen können. Wohl aber aus dem Solsystem fliehen. Die Überlegung war hypothetisch, und sie blieb es. Fakt war etwas ganz anderes. Eine simple Zahl. Eine letzte Frist. Zwölf Tage! Diesen Zeitraum musste Srinele überbrücken, bis der Kollektor sechs Gramm Psi-Materie gesammelt hatte, sich die stabilisierenden Mikro-Feldschirme
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abschalteten und BARDIOS Null das Sonnensystem der Menschheit aus dem gewohnten Raum-Zeit-Gefüge riss und in den Hyperraum schleuderte. Hätte sie vorher gewusst, wann genau sie ins Innere des TERRANOVA-Schirms eindrang, hätte sie die Null schon geladen an Ort und Stelle gebracht, um weiteren Zeitvorschub zu unterbinden. Eine innere Unruhe trieb sie weiter. Terra war gesättigt von Hyperfrequenzen. Srinele brauchte nur nach einem Faden zu greifen. Sie entschied sich für einen kurzen Sprung Richtung Hawaii, wobei sie darüber nachdachte, was sie eigentlich suchte. Einen Ort, der Meer und Land verband, wie es einem amphibischen Lebewesen wie einer Kelsirin entgegenkam? Da sie keine Antwort auf die Frage fand, ließ sie sich von ihren Instinkten leiten, auf die sie sich schon bei ihrem früheren Leben auf Drackrioch stets hatte verlassen können. Zwischen zwei kurzen Frequenzsprüngen dachte die Gralsmutter an Reginald Bull. Perry Rhodans Stellvertreter war kein Dummkopf. Sicher leitete er bereits sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen ein, um sie zu finden. Auf der Suche nach ihr würde er jeden Stein des Sonnensystems umdrehen und jeden Winkel durchkämmen. Sein Hauptaugenmerk lag dabei zweifellos auf Terra. Denn Terra war das Zentrum des Widerstands gegen TRAITOR. Sollte er nur. Bull mochte ein Arsenal an Messgeräten auffahren, um BARDIOCS Null zu orten, es würde ihm nicht helfen. Der Behälter war perfekt abgeschirmt und ließ kein Jota an Emissionen nach außen dringen. Zum ersten Mal seit ihrem Erwachen aus der Konservierungsstarre verspürte Srinele Hunger. Zwölf Tage lagen vor ihr, in denen sie Wasser und Nahrung zu sich nehmen musste, sollte ihre quasi-leibliche Existenz nicht zu früh zu Ende gehen. Eine verwegene Hoffnung kam ihr. Würde der Countdown der Null mit ihrem Tod enden?
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Der Parasit schwieg. Der Umstand war beredt genug. Starb sie, änderte sich gar nichts. Sie führte weitere Sprünge durch, und bald war das Land zum Greifen nahe. Kleinere und größere Ortschaften reihten sich entlang des Küstenverlaufs. Srinele zögerte, eine davon anzusteuern. Immer noch war sie unschlüssig, wonach sie Ausschau hielt. Zumindest brauchte sie eine Deckung, wo sie sich verstecken konnte, um vor Bull und seinen Häschern sicher zu sein. In manchen Momenten fiel es ihr schwer, zwischen Adamicters und ihren eigenen Überlegungen zu unterscheiden. Dabei war es so offenkundig. Sie wollte den Terranern helfen, der Parasit hingegen genau das verhindern. Begannen die Grenzen zu verschwimmen? Wenn das geschah, fürchtete Srinele, vor ihrem Tod dem Wahnsinn zu verfallen. Nach einem weiteren Sprung erregten zwei im Sonnenlicht funkelnde Kuppeln ihre Aufmerksamkeit. Die Abbildungen von Meeresbewohnern waren darauf zu sehen. Im Gegensatz zu Kelsiren besaßen sie noch voll ausgebildete Flossen anstelle der im Laufe der Evolution entstandenen Gliedmaßen, die erst ein Leben an Land ermöglichten. Srinele trieb einen Kilometer vor dem Ufer. Sie war neugierig, was für eine Einrichtung gleich an der Küste das war. Mit zügigen Schwimmbewegungen jagte sie durch das Wasser Richtung Ufer. Zwischen den Kuppeln schwebte. ein Holoboard mit flammend roten Lettern. Therapeutisches Aquarium Maugo Bei. 5. Maugo Bei »Individualorter einsetzen!«, befahl Reginald Bull über Interkom. »Die Sicherheit durchkämmt das Schiff! Jedes Besatzungsmitglied ist aufgefordert, nach der Kelsirin zu suchen. Sie ist umgehend zu paralysieren.«
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»Die Suche läuft«, antwortete Wasarkun DeMool. »Wir haben alle Rechner mit ihren Schwingungsmustern gefüttert, Es kann nicht lange dauern, bis unsere Sensoren sie ausfindig machen.« Bull war weniger zuversichtlich. Eine ungute Ahnung sagte ihm, dass die Entflohene mehr Überraschungen bereithielt, als sie bisher aufgedeckt hatte. »Kehren wir in die Zentrale zurück«, forderte er seine Begleiter auf. »Glaubst du, Srinele hat die Wahrheit über ihr Mitbringsel gesagt?«, fragte Ranjif Pragesh. Er klang völlig ruhig und gelassen. »Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler. Bis wir einen Beweis für das Gegenteil haben, gehen wir davon aus. Wie sich die Lage darstellt, wird das Solsystem nicht mehr nur von außen angegriffen, sondern direkt in seinem Inneren.« »Die Kelsirin war anfangs kooperativ. Wieso hat sie ihre Taktik plötzlich geändert und ist ausgebrochen?« Weil sie am Ziel ihrer Reise angelangt ist, fürchtete Bull. Es war offensichtlich. »Ich hätte diese verdammte Strukturlücke im .HÜ-Schirm nicht schalten dürfen«, warf er sich vor, statt seine Vermutung auszusprechen. »Wir hätten die Befragung von außerhalb vornehmen können.« »Niemand konnte ahnen, über welche Fähigkeiten die Kelsirin verfügt«, versuchte Lei Kun-Schmitt ihn zu trösten. »Unseres Wissens gab es bei ihnen keine Teleporter. Aber ein Gestaltwandler der Kolonne kann sie ebenfalls nicht sein, denn die können garantiert nicht teleportieren.« »Soweit wir wissen zumindest. Und du hast auch recht mit dem, was du über die Kelsiren gesagt hast. Ihr Psi-Spektrum ist uns bekannt. Und trotzdem ist sie verschwunden. Das ist ein Rätsel, das wir aufklären müssen, und zwar schnell.« Bull ärgerte sich über sich selbst. Wie hatte er so leichtsinnig sein können? Erwarte stets das Unerwartete, das war eine Grundregel für Verantwortliche in seiner Position. Bei der Zerstörungskraft einer solchen Waffe, wie sie Srinele angeblich bei sich trug, hätte der Minister nicht das
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geringste Risiko eingehen dürfen. Er schalt sich einen Narren, weil er nicht auf die warnende Stimme in seinem Inneren gehört hatte. Er hatte zu sehr glauben wollen, eine schlagkräftige Waffe gegen TRAITOR zugespielt zu bekommen. Nun war es zu spät für Selbstvorwürfe. Es galt, den Schaden so schnell wie möglich zu beheben. Grimmig stapfte Bull in die Kommandozentrale des LFT-Flaggschiffs und warf sich in seinen Sessel. »Suchergebnisse, Wasarkun?« Der Dritte Offizier saß vor einem Holokubus und las die aus sämtlichen Schiffssektionen eingehenden Meldungen ab. Er schüttelte den Kopf und vertiefte sich in die negativen Ergebnisse. Bull hatte das Gefühl, dass sich die Sekunden zu Ewigkeiten dehnten. Je länger die Suche lief, ohne dass die Kelsirin aufgefunden wurde, desto mehr schwanden seine Hoffnungen auf einen glimpflichen Ausgang ihrer Flucht. Als DeMool abermals den Kopf schüttelte, auf ein Sensorfeld hieb und der Kubus erlosch, war das die Bestätigung, die Bull bis zuletzt nicht wahrhaben wollte. »Nichts«, sagte der Major. »Keine fremden Individualmuster. Die Kelsirin hält sich nicht mehr an Bord der LEIF ERIKSSON auf.« Reginald Bull löste Großalarm für das gesamte Sonnensystem aus. In Windeseile ergingen ein Bericht und Einsatzorder an den Terranischen Liga-Dienst, den Geheimdienst der Liga Freier Terraner, dessen Agenten auf verschiedenen Planeten und Monden des Solsystems stationiert waren. Bull betonte die absolute Priorität, die Kelsirin zu finden und festzusetzen. Alle anderen Aktivitäten des TLD mussten dahinter zurückstehen. Über die Bedrohung durch BARDIOCS Null wahrte er Stillschweigen, um keine Panik unter der Bevölkerung auszulösen. Bei einer Mobilmachung wie dieser sickerte immer etwas durch. Ohnehin lebten die Menschen seit Monaten unter extremer Anspannung, weil die Zukunft an einem seidenen Faden hing. Es war wenig
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förderlich, diesen Zustand zu verschärfen, indem er die neue Bedrohung öffentlich lancierte. »Neue Befehle?«, fragte Pragesh, der im Kommandantensessel Platz genommen hatte, in seiner wortkargen, zurückhaltenden Art. Bull überlegte, was er anstelle der Kelsirin getan hätte. Es war schwierig zu entscheiden, ohne ihre wahren Absichten zu kennen. Er ging davon aus, dass ihre Teleporterfähigkeit stark genug war, sie an jeden Ort des Solsystems zu bringen. Vorausgesetzt, sie kannte dessen Aufbau und die Bedeutung der einzelnen Planeten, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie bereits die Erde erreicht hatte und dort ihre undurchsichtigen Pläne in Angriff nahm. »Wir verlassen die Merkurbahn«, entschied er. »Kurs auf die Erde.« * Gigantische Bassins reichten bis weit ins Meer hinein. Energiesperren zäumten ein Dutzend und mehr Becken voneinander ab, die verschiedenen Zwecken dienten. Srinele entdeckte schwimmende Terraner neben Meerestieren. Dazwischen platzierte Laufstege waren mit Bäumen und vielfarbiger Blumenpracht versehen und luden zum Verweilen ein. Der Gralsmutter behagte nicht, dass die Meeresbewohner eingesperrt waren. Oder irrte sie sich? Ohne Hintergrundwissen war das schwer zu entscheiden. Minutenlang stand sie am Strand und beobachtete das Treiben. In dieser Enklave vermischten sich Bewohner von Land und Wasser, und es schien nicht so, als ob eine Seite bei dieser Art des Zusammenlebens unter Zwang stünde. Srinele fuhr herum, als sie Stimmen vernahm. Das spezielle Material ihres Anzugs, an einen Aufenthalt im Wasser ebenso wie in Luft oder im luftleeren Raum angepasst, war in Gedankenschnelle getrocknet. Drei Terraner kamen auf sie zu, zwei Männer und eine Frau. Es war zu spät, sich zu verstecken. Die Menschen hatten sie entdeckt und waren nur noch
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wenige Meter entfernt. Srinele mahnte sich zur Ruhe und wartete ruhig ab, um keine unbeabsichtigte Reaktion zu provozieren. »Wer bist du?« fragte einer der Männer Er trug weiße Kleidung und war deutlich älter als seine Begleiter, die sich bei den Händen gefasst hielten. Alle drei starrten sie unverhohlen an. Srinele konnte es ihnen nicht verdenken. Noch nie war eine Kelsirin auf Terra gewesen. Den meisten Menschen war ihr Volk vermutlich unbekannt, zumal nur in einer weit entfernten Galaxis vorkommend und überdies schon vor Jahrhunderten ausgestorben. »Wir müssen die Sicherheit benachrichtigen«, forderte die junge Frau. Sie hatte lange blonde Haare, war schlank und überragte die Kelsirin um Haupteslänge. »Vielleicht ist es ein Spion der Terminalen Kolonne. Es heißt doch, dass deren Agenten im Sonnensystem Fuß gefasst haben.« »Ein Spion?«, überlegte ihr Begleiter, ein kräftiger, schwarzhaariger Mann. »Oder eine Spionin? Für mich sieht sie nach einem weiblichen Wesen aus.« Die Worte amüsierten und verärgerten die Gralsmutter gleichermaßen: Nicht nur, dass man sich über ihr Geschlecht uneins war, verdächtigte man sie fälschlich, TRAITOR anzugehören. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte sie aufgelacht. Sie selbst hatte keine solchen Schwierigkeiten, das Geschlecht ihrer Gegenüber zu bestimmen. Beiläufig registrierte Srinele, dass einige der Schwimmer auf die Szene aufmerksam geworden waren und an Land kamen. Sie hielten sich in respektvollem Abstand. »Eine Kelsirin!«, rief jemand. »Eine Dienerin der Kaiserin von Therm. Ich habe einen Holobericht über dieses ausgestorbene Volk gesehen.« Also kennt man uns doch, dachte Srinele und fühlte für einen Moment innige Zuneigung zu den Terranern. Sie haben uns nicht vergessen. »Ausgestorben?«, antwortete ein anderer. »Dann würde die Kelsirin nicht hier stehen.«
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Srinele fühlte sich plötzlich in die Enge getrieben. Sie spürte, dass es der Parasit war, der ihr diese Empfindung suggerierte, konnte aber nichts dagegen tun. Sie spürte ein sanftes Pochen in ihrem PsiOrgan, als sie sich auf ihre suggestiven Fähigkeiten konzentrierte. Im Normalzustand wirkten die mentalen Impulse langsam und unterschwellig, jetzt war das anders. Adamicter verstärkte die Suggestionen mit seinen Para-Kräften, bis sie mit Macht über die Terraner herfielen. Keiner von ihnen konnte sich dagegen wehren. Ausnahmslos empfingen sie die Botschaft, an der nicht einer von ihnen zweifelte. »Ich bin Srinele«, sprach die Gralsmutter die Worte aus, obwohl das nicht nötig war. »Ich bin soeben in Maugo Bei eingetroffen und gehöre zu euch.« »Zu uns?«, zweifelte der ältere Mann. »Du meinst, zum Pflegepersonal?« Pflegepersonal. Ein interessanter Begriff. Eine therapeutische Einrichtung. Das passte, auch wenn Srinele die Zusammenhänge nicht begriff. Wohin war sie geraten? Wurden hier Meeresbewohner therapiert? Oder Terraner? Aus welchem Grund und wovon? Sie spürte, dass der Zufall sie an einen Ort geführt hatte, der ihren Bedürfnissen gerecht wurde. »Ich gehöre zum Pflegepersonal«, bestätigte sie und sandte die entsprechenden, von Adamicter verstärkten Suggestivimpulse. »Geht und widmet euch wieder euren bisherigen Tätigkeiten.« Niemand kam auf die Idee zu widersprechen. Niemand hegte einen Zweifel. Die Menschen verloren das kurzzeitig erwachte Interesse an ihr und zerstreuten sich. Srinele war vom raschen Erfolg ihrer Beeinflussung selbst überrascht. Die Macht des Psi-Parasiten war so erstaunlich wie erschreckend. Der ältere Mann ging einen Sandweg entlang zu einer Bank, auf dem drei Terraner saßen. Er blieb vor ihnen stehen und redete auf sie ein. Srinele sah den beiden jüngeren Leuten nach. Sie hielten einander nicht länger bei den Händen gefasst, und doch war
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unverkennbar, dass ein besonderes Band zwischen ihnen bestand, das einem hochgradig sozial veranlagten Wesen wie einer Gralsmutter nicht entging. Sie war versucht, ihnen zu folgen, um mehr über sie zu erfahren. Denn sie war sicher, mit diesem Ort das richtige Versteck gefunden zu haben, wo sie die nächsten zwölf Tage verbringen würde. Manches hier erinnerte sie an daheim. Die Nähe des Wassers zur Ortschaft, die Abgeschiedenheit. Die farbenprächtigen Blumen, die Muster zwischen den Palmen bildeten. Vor ihren Augen entstand das Bild des Dorfes auf Drackrioch, dessen Gralsmutter sie einst gewesen war. Sie sah die schlichten Hütten vor sich, gefertigt aus Baumstämmen, Ästen, Blättern und Moos, als wäre es gestern gewesen, dass sie sie verlassen hatte. In den Gärten blühten Blumen, von den Kelsiren zu Wachstum und Farbenpracht angeregt. Und sie sah den Kreis der Gralstöchter, den sie geleitet und angeführt hatte, jener jungen Weibchen, die gesellschaftliche Aufgaben wahrnahmen, für die Srinele keine Zeit hatte, und die das Potenzial besaßen, irgendwann selbst zu Gralsmüttern mit einem eigenen Dorf aufzusteigen. Mit einem wohligen Schauer löste sich Srinele aus dem Tagtraum und kehrte in die Gegenwart zurück. Das junge Paar war verschwunden. Der ältere Mann redete weiterhin mit den Personen auf der Bank, behutsam und fürsorglich, wie es Srinele schien. Auf eine undefinierbare Art wurde sie erneut an ihr eigenes früheres Leben erinnert. Es ging um Obhut, um Verständnis, um die Sorge und Aufopferung für andere. Von Pflegepersonal war die Rede gewesen, erinnerte sie sich. Betreute der ältere Mann die anderen? Waren es Schutzbefohlene? Zahlreiche Fragen beschäftigten Srinele. Zwölf Tage standen ihr zur Verfügung, ihnen nachzugehen und Antworten darauf zu finden. Der Kollektor war in Tätigkeit, sie hatte nichts anderes zu tun. Adamicters mentales Schweigen 'zeigte, dass es ihm gleichgültig war, was sie in der verbleibenden Zeit unternahm.
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Nachdenklich schaute sie zum Himmel empor. Die gelbe Sonne Sol stand hoch im Zenit. Es war Mittagszeit in diesem Teil Terras, und sie beobachtete, dass viele Menschen die Meeresbecken verließen und in Richtung einer der Kuppeln strebten, zwischen denen schlanke Turmbauten errichtet waren. Ein Verdacht kam Srinele, und sie schloss sich dem Strom der Terraner an. Ein paar neugierige Blicke wurden ihr zugeworfen, mehr nicht. Niemand belästigte sie. Ihre suggestive Beeinflussung wirkte mit nie gekannter Intensität. Kurz nur grübelte sie über Adamicters Herkunft nach, über das Wesen seiner Existenz. Sie wusste kaum etwas über TRAITOR und die Terminale Kolonne, hatte keine Ahnung über die Völker, die ihr angehörten. Obwohl das Zentrum der Mächtigkeitsballung einer Superintelligenz, war Drackrioch überschaubar gewesen, Heim und Hort, den man nicht verließ. Kelsiren fuhren nicht in die Galaxien hinaus. Die Duuhrt hatte es nicht verlangt, und die Kelsiren waren sich selbst genug. Srinele gelangte an den Eingang zu einer der beiden Kuppeln. Ohne zu zögern, trat sie ein. * Das Innere war geräumig angelegt. Ausladende Korridore führten zu Wohneinheiten, in denen die Terraner untergebracht waren, und zu weiten Räumen, die offenbar der Allgemeinheit und zwischenmenschlicher Interaktion dienten. Der Anblick berührte etwas in Srinele. Sie fühlte sich in eine Zusammenkunft ihrer Dorfgemeinschaft versetzt, bei der sie die Gedanken der Duuhrt an deren Kinder weitergab. Die Terraner benahmen sich ungezwungen. Sie erweckten nicht den Anschein, als hätten sie Verpflichtungen. Sie schienen in den Tag hineinzuleben, ohne sich über das Morgen Gedanken zu machen. Das war ungewöhnlich, denn so ließ sich keine Gemeinschaft aufrechterhalten. Wer sich
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keinen Regeln unterwarf, wurde zur Last für das Gemeinwohl. Srinele betrat eine von Sonnenlicht geflutete Halle, in der Tische und Sessel zu kleinen Sitzgruppen arrangiert waren. Ein schwer zu deutender Geruch lag in der Luft. Hier und da saßen Terraner. Sie speisten oder gaben sich dem Müßiggang hin. Unwillkürlich schaute die Gralsmutter zur Hallendecke empor, um nach dem Stand der Sonne zu sehen. Zu ihrer Überraschung war das gelbe Gestirn Sol nicht zu sehen. Auch gab es keine sichtbaren künstlichen Beleuchtungsquellen. Stattdessen Wasserbewohner, die über den Köpfen der Menschen durch den Raum schwammen und Kapriolen schlugen. Holografische Fische oder Meeressäugetiere, von denen sie einige bereits draußen in den Bassins gesehen hatte. Klobige Gestalten waren darunter, die für ihre Größe und Körpermasse erstaunlich agil waren. Andere, die ihnen glichen, aber wesentlich kleiner waren und mit ihren Bärten geradezu lustig aussahen. Am faszinierendsten waren die Vertreter einer schlanken, silberfarbenen Spezies, die kecke Laute von sich gaben, durch Ringe sprangen und mit Bällen jonglierten. Srinele fragte sich, ob sie ihre Kunststücke den Menschen zu vermitteln versuchten. Ich werde zu ihnen gehen, dachte die Kelsirin. Zu ihnen ins Wasser steigen. und mit ihnen um die Wette schwimmen. Eine Berührung holte sie in die Wirklichkeit zurück. Vor ihr stand ein männlicher Terraner, sehr jung, wenn sie sich nicht täuschte. Die blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, in das sich tiefe Furchen gegraben hatten. Für einen Moment dachte Srinele, er würde sie ansehen, dann bemerkte sie, dass sein Blick geradewegs durch .sie hindurch drang. Auf Drackrioch hatten Männchen nie die geistigen und sozialen Fähigkeiten der Weibchen erreicht. Ständig musste man sie beaufsichtigen und achtgeben, dass sie ein halbwegs sozialverträgliches Verhalten an den Tag legten und sich als nützlich erwiesen. Kaum einmal schafften
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sie es, einen halbwegs ansehnlichen Blumengarten zu schaffen, und wenn es tatsächlich dann und wann gelang, verkümmerte er durch ihre Lethargie schneller wieder, als er gewachsen war. »Kann ich dir behilflich sein?«, bot Srinele dem Terraner an. Seine Augen flackerten. Ein Lächeln trat in sein Gesicht. »Ich muss dort entlang«, raunte er. »Dort entlang.« Er trat auf der Stelle, wie an Fäden geführt, den Blick weiterhin ins Leere gerichtet. »Ich bin Srinele«, sagte die Gralsmutter spontan. »Ich gehöre zum Pflegepersonal.« »Ich habe gegessen.« Die Worte klangen wie eine Rechtfertigung. »Ich muss schlafen. Dort entlang.« Der Terraner wippte vor und zurück. Mit ihren feinen Sinnen spürte Srinele, dass irgendetwas ihn daran hinderte, ihr auszuweichen und einen Bogen um sie herum zu machen. Sie trat beiseite, um ihn passieren zu lassen. Sofort setzte der Mann sich in Bewegung und ging weiter, als sei nichts geschehen. Schaudernd wandte Srinele sich ab. Als Gralsmutter empfand sie eine Verpflichtung, sich des Problems anzunehmen. Dabei kannte sie es nicht einmal. Sie durfte nicht auffallen, was aber zwangsläufig geschehen würde, wenn sie in das ihr unverständliche soziale Geflecht von Maugo Bei eingriff. »Möchtest du dich zu uns an den Tisch setzen?« Srinele drehte den Kopf. Die beiden jungen Terraner von draußen winkten ihr zu. Sie trugen Tabletts, die sie vor sich abstellten. Teller waren darauf platziert, deren Ladung ein süßliches Aroma verströmte. Es war der Geruch, der bereits beim Betreten der Halle in der Luft lag. Die Kelsirin war dankbar für den Zufall und nahm die Einladung an. Umständlich ließ sie sich auf einem freien Stuhl nieder, weil der Behälter auf ihrem Rücken sie behinderte. »Du bist Srinele«, sagte die junge Frau mit glockenheller Stimme. »Unsere neue Kollegin.« Immerhin hielt sie die Gralsmutter nicht länger für ein Männchen. »Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt.
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Mein Name ist Sonka Heiddru, und dies ist Arkmund Eystein.« Srinele entging nicht das unsichtbare, knisternde Band, das sich zwischen den beiden Menschen spannte. Es war kein Zufall, dass sie sie zum zweiten Mal zusammen antraf. Etwas bahnte sich zwischen ihnen an. Nein, ein Paar waren sie nicht, einander jedoch keineswegs gleichgültig. »Ihr wolltet gerade etwas essen?«, fragte sie. »Entschuldige«, sagte der Mann. »Bestimmt hast du Hunger. Warum holst du unserer Kollegin nicht auch etwas, Sonka?« »Dein Charme haut mich immer wieder vom Hocker.« Die junge Frau klang verärgert. »Auf die Idee, das selbst zu tun, kommst du nicht.« Sie erhob sich und ging davon, vermutlich zu einer Essensausgabe. »So ist Sonka.« Srinele hielt Arkmunds aufziehende Grimasse für ein Lächeln. »Nie kann man ihr etwas recht machen.« Srinele schwieg. Auf Drackrioch wäre es undenkbar gewesen, dass ein Männchen ein Weibchen geschickt hätte. Auf Terra waren die Verhältnisse anders, machte sie sich klar, nicht wie auf ihrer Heimatwelt matriarchalisch geprägt, was ursächlich dafür gewesen war, dass die Duuhrt sich als weibliche Entität gesehen hatte. Hier waren beide Geschlechter anscheinend gleichberechtigt. Ein erschreckender Gedanke kam der Gralsmutter. Oder war die menschliche Gesellschaft gar patriarchalisch geprägt? Sie lachte stumm über sich selbst. In dem Fall hätten es die Terraner nicht zu solcher Blüte gebracht, sondern wären längst in die Primitivität zurückgefallen und vom Universum vergessen worden. Kurz darauf kam Heiddru mit einem weiteren Tablett an den Tisch zurück. Srinele begutachtete das Aufgetragene, das sie nicht klassifizieren konnte. Es schien sich um Knollen zu handeln, die mit dunkelrotem Gemüse ummantelt waren. Vorsichtig kostete sie von den ihr fremden Speisen.
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»Sonka isst kein Fleisch«, entschuldigte sich Eystein. »Deshalb geht sie immer davon aus, dass das bei anderen genauso ist.« »Dafür stopfst du umso mehr davon in dich hinein«, versetzte Heiddru. »Eine gute Wahl.« Unwillkürlich schlug sich Srinele auf die Seite der jungen Frau, zumal es köstlich mundete, was Sonka aufgetragen hatte. »Genau wie es wohl eine gute Wahl war, hier eine freie Stelle anzutreten.« »Die Arbeit in Maugo Bei macht wirklich Spaß«, versicherte Eystein. »Du kannst dich glücklich schätzen, dass man dich genommen hat. Bisher hieß es immer, wir seien personell am Limit. Du scheinst gute Referenzen zu haben. Homer G. Adams dreht bekanntlich jeden Galax zweimal um. Aber wenn es darum geht, neurotisch gewordene Freiwillige aus den TANKSTELLEN zu behandeln, bleibt ihm keine andere Wahl, als den Staatssäckel zu öffnen. Sonst riskiert er nämlich, dass bald niemand mehr freiwillig Dienst in den TANKSTELLEN schiebt, um den Nukleus mit Mentalenergie zu stärken. Was das bedeuten würde, wissen wir alle.« Srinele hatte Mühe, die Informationen zu verarbeiten. Sie waren Stückwerk und ließen sich in keinen zusammenhängenden Kontext bringen. »Ich habe mich nie um den Nukleus und diese Dinge gekümmert. In Politik bin ich recht unbewandert«, behauptete sie. Gleichzeitig ließ sie einen Suggestivschauer über die beiden Terraner ergehen. Erklärt es mir. »Ohne den Nukleus wäre es vorbei mit der Stabilisierung des TERRANOVASchirms«, antwortete Heiddru arglos. Die Suggestivimpulse waren so stark, dass sie gar nicht auf die Idee kam, sich darüber zu wundern, weshalb jemand über derart alltägliche Dinge nicht Bescheid wusste. Sie erzählte auch, wie der Nukleus entstanden war: Es handelte sich um die Vereinigung der mentalen Energie von 35.000 Monochrom-Mutanten. Diese waren einst in der negativen Superintelligenz SEELENQUELL
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aufgegangen und hatten später von ihr wieder getrennt werden können. Seitdem wachte der Nukleus als geistige Wesenheit minderer Stärke im Auftrag von ES über wechselnde Bereiche seiner Mächtigkeitsballung. Und nach allem, was man von ihm wusste, erledigte er seine Aufgabe sehr gewissenhaft. Derzeit verhinderte der Nukleus durch die Aufrechterhaltung des TERRANOVASchirms, dass die Einheiten der. Terminalen Kolonne das Solsystem überrannten. Zuletzt verlieh sie ihrer Zuversicht Ausdruck: »Im Inneren des Schirms sind wir auf unbestimmte Zeit sicher.« Wie sehr du dich irrst, dachte Srinele, innerlich hin und her gerissen zwischen dem unfreiwilligen Verrat an THERMIO C und ihrer ursprünglichen Mission und der Hoffnung auf ein gutes Ende für Sonka. Schlagartig erkannte sie, dass sie in der jungen Menschenfrau so etwas wie eine Gralstochter sah, deren Zeit noch bevorstand. Adamicter erinnerte sie durch ein plärrendes Auflachen an seine Anwesenheit. Ihr Abscheu gegen den Parasiten wuchs. »Einige Menschen, die in den TANKSTELLEN Dienst tun, werden verrückt oder neurotisch«, nahm Eystein den Faden auf. »Dieser Tage erhöht sich die Quote ständig, was nicht verwunderlich ist nach so vielen Monaten permanenter Belagerung durch die Terminale Kolonne. Umso wunderbarer ist es, dass das uralte Rezept des Streichel- und Kontaktzoos gute Heilerfolge zeitigt. Die Nähe zu den Tieren und der Umgang mit ihnen wirken wahre Wunder bei unseren Patienten.« »Hier werden die Kranken therapiert«, folgerte Srinele nachdenklich. Allmählich setzten sich die Bruchstücke zu einem stimmigen Bild zusammen. Sie legte den Kopf in den Nacken und taxierte die silbernen Geschöpfe, die sich wenige Meter über den Tischen vergnügten, als seien sie körperlich anwesend und nicht bloße Projektionen.
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»Die Delfine gefallen dir«, stellte Sonka fest. »Es sind halbintelligente Exemplare, die sich freiwillig im Aquarium angesiedelt haben. Sie laben einen positiven Einfluss auf Seekühe und Seehunde, sogar auf die ungefährlichen Haifischarten, die ihnen hierher gefolgt sind.« »Wie hoch ist die Heilungsquote?«, wollte Srinele wissen. »Lange nicht so hoch wie in der KuntamiKlinik auf Mimas, wo die ganz großen Therapieerfolge erzielt werden, die man später in den Trivideo-Nachrichten bestaunen kann«, bedauerte Heiddru. »Doch dort sind die Aufnahmekapazitäten erschöpft, und wir leisten hier in Maugo Bei einen ganz guten Beitrag.« »Hast du schon eine Unterkunft gefunden?«, fragte Eystein. »Nein«, gestand Srinele zögerlich. Es verlangte sie nicht nach einem festen Quartier, in dem man sie hätte aufspüren können. Auch wenn sie sich vor Reginald Bulls Suchtruppen sicher wähnte. wollte sie keine unnötigen Hinweise auf ihren Aufenthaltsort liefern. »Wir können uns darum kümmern. Was meinst du, Sonka?« »Sicher. Was hast du eigentlich in deinem Rucksack?« »Nicht viel«, wich Srinele aus. »Kleidung und ein paar persönliche Dinge.« »Du solltest ihn ablegen. Er ist doch unbequem beim Essen.« »Ich habe mich so an ihn gewöhnt, dass ich ihn gar nicht mehr bemerke.« Du spürst nicht das Ticken?, spottete Adamicter. Auch nicht das tonnenschwere Gewicht der heraufziehenden Vernichtungsorgie? Srinele schickte ihm einen Impuls, der ihren Ekel und ihre Verachtung ausdrückte. Zu ihrer Verwunderung gestattete er den gegen ihn gerichteten Gefühlsausbruch. Wie jedes verräterische Wort an die Terraner hätte er auch ihn unterdrücken können. Er war sich seiner Sache so sicher. dass er seinem geknechteten Wirt den kleinen Triumph gestattete.
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Kriechender Sklave hoher Herren, in deren Augen du nicht mehr bist als ein Schlickwurm. Mäßige dich. Es wird dir nicht gelingen, mich zu provozieren. »Ich glaube, du passt gut nach Maugo Bei«, sagte Heiddru. »Ich bin sicher, dass wir gute Freunde werden.« Bitterkeit erfüllte die Gralsmutter. Etwas wie Freundschaft oder Nähe war im Augenblick nur billige Maskerade, hinter der sich die bösartige Falschheit Adamicters verbarg. Es würde sie nur unnötig belasten, sich gegen ein Schicksal zu stemmen, das feststand. Ihre eigene Zukunft war wie die ihrer neuen Bekannten und des gesamten Solsystem bereits geschrieben, und nichts und niemand war in der Lage. sie im letzten Moment zu korrigieren. Sie schickte einen Suggestivimpuls, der Heiddru und Eystein vergessen ließ, dass sie sich um eine Unterkunft kümmern wollten. Sie bemerkte, wie die beiden Terraner immer wieder Blicke tauschten. Srinele brauchte keine Gedanken lesen zu können, um deren Sinn zu ergründen. Ihre durch die frühere Tätigkeit als Gralsmutter geschulten Sinne ließen sie intuitiv erfassen, was sich zwischen den jungen Terranern abspielte. Ihr Interesse aneinander war groß, doch ihre Fähigkeiten, das dem jeweils anderen in angemessener Form zu zeigen, standen dahinter weit zurück. Ihr seid beinahe noch Kinder; dachte die Kelsirin. Noch bleibt euch Zeit, euch zu finden. Sie drängte die Überlegung weit von sich. In zwölf Tagen ließ sich kein Fundament für eine glückliche Beziehung bauen. Und die Tage verstrichen. * Sie wähnte sich an einen Sonnentag auf Drackrioch versetzt. Die traumhafte Küstenlandschaft erinnerte Srinele an die Zeit, bevor die Duuhrt sie zu sich geholt hatte, vielleicht die glücklichste Zeit in ihrem ganzen Leben, auch wenn sich der
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Untergang abgezeichnet hatte. Sie war versucht, zum Himmel über Terra emporzuschauen und nach dem kristallinen Gespinst der Kaiserin Ausschau zu halten. Welch törichter Drang! Es existierte längst nicht mehr, nicht im Yoxa-Sant-System und hier schon gar nicht. Das war die alles entscheidende Parallele zum Solsystem der Terraner. Auch dessen Zeit war abgelaufen. Srinele sog prüfend die Luft ein, als der laue Wind den markanten Meeresgeruch landeinwärts trug. Unbewusst war sie zum Strand gegangen, nun knirschte der Sand unter ihren Füßen, drang das Geschrei von Möwen herüber, die dicht über der Wasseroberfläche tollten und im letzten Licht des Tages wie Schatten wirkten, die einander umgarnten und sich jagten, mal in die eine Richtung, mal in die andere. Hinzu kamen andere Geräusche. Klicklaute, Pfeifen und Schnattern, Srinele allesamt auf eigenartige Weise vertraut. Sie wusste inzwischen, dass die Delfine sich zudem mit hochfrequenten Tönen verständigten, die sie selbst nicht hörte, und zudem fähig waren, ihre Umwelt mittels Echoortung wahrzunehmen. Ein paar Terraner hielten sich noch im Wasser auf und spielten mit den Meeressäugern, die es Srinele angetan hatten. Eine Zeit lang stand sie stumm unter einer Palme und beobachtete die Delfine, die sich bereitwillig als Zugpferde für die Patienten zur Verfügung stellten und mit ihnen durch das Wasser ritten, nicht ahnend, welches Schicksal ihnen schon bald bevorstand. Als die Sonne am Horizont versank, forderten die Pfleger ihre verbliebenen Patienten auf, das Wasser zu verlassen und sich in ihre Unterkünfte zu begeben. Geduldig wartete Srinele, bis die Letzten von ihnen in Richtung der Kuppeln verschwanden. Der Wind war inzwischen kühler. Er machte der Gralsmutter nichts aus, die ihr Leben lang im Einvernehmen mit der Natur und den Elementen verbracht hatte. An manchen Tagen hatte sie bei Wind und Wetter viele Stunden vor einem COMP gesessen, um über diese
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Schnittstelle zum Kristallgespinst mit der Duuhrt zu kommunizieren und deren Botschaften zu empfangen. »Beeilt euch!«, vernahm sie einen Ruf. »Es ist Zeit, in die Betten zu kommen.« Die Worte klangen wenig einfühlsam. Manche Pfleger in Maugo Bei schienen mit ihrer Aufgabe überfordert, oder ihnen fehlte die Sensibilität, die neurotischen Lebewesen gegenüber angebracht war. Eine Gralsmutter wäre ganz anders mit ihren Schutzbefohlenen umgegangen. Schon am ersten Tag ihres Aufenthalts in dieser Einrichtung hatte Srinele festgestellt, dass Teile des Pflegepersonals selbst Betreuung nötig hatten. Sonka Heiddru und Arkmund Eystein gehörten nicht dazu. Sie kümmerten sich rührend um ihre Patienten, ohne dabei in Mitleid zu verfallen. Umso verwunderlicher waren die Probleme, die sie mit sich selbst hatten. Wieso gelang es ihnen nicht, ihre gegenseitige Zuneigung in die richtigen Bahnen zu lenken? Es wurde immer deutlicher, dass sie nicht so sensitiv waren wie Kelsiren mit ihrem beinahe empathischen Gespür für das Miteinander der Gruppe, aber auch von Individuen untereinander. Galt dieses Defizit für alle Terraner? Srinele nahm es an. Allmählich kehrte Ruhe ein. Am Strand flammten Lichter von schwacher Intensität auf, beleuchteten die Laufstege zwischen den Becken und warfen verwaschene Flecken auf das Wasser, das ohne die Schwimmer zur Ruhe gekommen war. Sie vermeinte Schatten dicht unter der Oberfläche zu sehen, die flinken Bewegungen der Wesen, die dort in ihrem angestammten Lebensraum blieben, weil sie im Laufe der Evolution nicht den Schritt an Land getan hatten. Srinele huschte von der Parkanlage zum Uferstreifen hinunter, berauscht vom aromatischen Geruch des Ozeans. Der Wind trug Feuchtigkeit mit sich, die sich auf ihre Haut legte, salzig schmeckend. Nun, da sie in relativer Sicherheit war, war der Rausch viel intensiver als in den Stunden nach ihrer Ankunft auf Terra, als
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sie sich mit Frequenzsprüngen durchs Meer bewegt hatte. Jetzt endlich konnte sie die auf sie einstürzenden Empfindungen auskosten. Selbst der Behälter auf ihrem Rücken, BARDIOCS Null und Adamicter traten in den Hintergrund und wurden vorübergehend zu Marginalien. Srinele stieg ins Wasser, entfernte sich vom Ufer, bis es zu ihrer halben Körperlänge reichte, und begann mit kräftigen Schwimmbewegungen. Die bereits zuvor vernommenen Geräusche empfingen sie. Sie tauchte unter und wurde sogleich von einem Schwarm Delfinen empfangen, die sie mit Körperkontakt begrüßten. Wieder wurde sie zu Mitra, der ersten aller Gralsmütter. Die Delfine lebten in einem ähnlichen sozialen Gruppengefüge wie die Kelsiren. Terra wurde zu Drackrioch, und Drackrioch bestand weiter in Terra, manifestierte sich in dieser Welt, von deren Existenz Srinele bis vor Kurzem nichts gewusst hatte. Danke, Duuhrt, dachte sie, sogleich geplagt von schlechtem Gewissen, dem sie mit einem stummen Hilfeschrei zu begegnen versuchte. Wo bist du? Dein treues Kind versagt. Bitte, hilf mir! Sie gab sich keinen Illusionen hin. Natürlich wurde sie nicht gehört. THERMIOC verließ sich auf die GralsMutter, wähnte BARDIOCS Waffe im Einsatz gegen TRAITOR und ahnte nicht, dass sich stattdessen die Kolonne ihrer bediente, um die machtvollste Widerstandszelle in der Milchstraße auszulöschen. Adamicter schwieg. In diesem Moment kam seine ausbleibende Reaktion Srinele höhnischer vor als jeder Kommentar. Aufgeregt hielten sich die Delfine in ihrer Nähe. Empfanden auch sie eine gewisse Verwandtschaft zu der ungewohnten Besucherin? Srinele sendete einen beruhigenden Suggestivimpuls, voller Wärme und Zuneigung, und die Delfine bedankten sich durch erneute Körperberührung. Geht, trieb die Kelsirin sie an, von plötzlichem Mitgefühl übermannt. Ich
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kann nichts mehr für euch tun. Doch ich werde euch wieder besuchen, jeden Tag. Wie viele Tage das waren, stand unverrückbar fest, doch das brauchten die Delfine nicht zu wissen. Es hätte sie nur beunruhigt und aus ihrer Beschaulichkeit gerissen. Die schlanken Geschöpfe zogen sich in die Tiefe des Bassins zurück, gemeinsam, keines für sich allein. Sie waren klüger und besaßen stärker ausgeprägte Sozialkompetenz als die Terraner im Allgemeinen und als Sonka und Arkmund im Besonderen. Srinele schwamm ans Ufer und stieg an Land. Die Delfine waren nicht die Einzigen, für die ein gemeinschaftliches Dasein das wahre Leben bedeutete. Andere brauchten lediglich einen Anstoß, um sie auf den richtigen Weg zu bringen. 6. Das Wirken der Gralsmutter »Was heißt das, keine Spur?«, brauste Reginald Bull auf. Er saß am Arbeitstisch seines Büros in der Solaren Residenz und spielte fahrig mit einer Tasse, in der heißer Kaffee dampfte. »Irgendwo steckt diese Kelsirin. Inmitten von Terranern fällt sie auf wie ein bunter Hund. Wenn sie Kontakt mit Menschen hat, und den hat sie, dafür garantiere ich, spricht sich das herum.« »Da bin ich nicht so sicher«, wehrte Noviel Residor ab. »Unsere Agenten fahnden rund um die Uhr nach ihr. Es gibt keinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort. Ich fürchte, sie versteckt sich irgendwo und wartet in aller Ruhe ab. Bist du sicher, dass sie wirklich auf der Erde ist?« »Das frage ich dich«, gab Bull eine Spur schärfer als beabsichtigt zurück. Er musterte das holografische Abbild des TLD-Leiters, der in Lebensgröße von 1,89 Metern scheinbar nur drei Schritte entfernt jenseits des Schreibtischs stand. Residor, der in die Art der Bedrohung eingeweiht war, war schlank und wirkte beinahe ein wenig schlaksig. Der kantige Schädel mit der Glatze beugte sich nach vorn. In den dunkelbraunen Augen zeigte
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sich so wenig Regung wie im Rest seines Gesichts. Es hieß, er sei nach einem Unfall nicht mehr in der Lage, Gefühle zu empfinden. »Und ich sagte dir, dass wir das Menschenmögliche tun«, versicherte Residor. »Konzentriert euch auf wassernahe Gegenden auf der Erde«, regte Bull an. »Kelsiren sind amphibischer Herkunft. Ich schätze, Srinele hält sich in halbwegs vertrauter Umgebung auf.« »Auf die Idee sind wir auch schon gekommen.« Der gut Hundertjährige knetete die verschränkten Finger. Ein wenig klang er wie ein Automat, emotionslos, zweckmäßig, zielgerichtet. »Hast du eine Ahnung, wie lang alle Küstenverläufe der Erde zusammengenommen sind? Von den Inseln ganz zu schweigen.« »Verschon mich mit Zahlen. In dieser Hinsicht reicht mir Adams.« »Bekanntlich besitzen Kelsiren schwache Para-Fähigkeiten. Sie beherrschen die suggestive Manipulation anderer Wesen«, dozierte Residor. »Sehr schwach«, winkte Bull ab, dem klar war, worauf der TLD-Leiter hinauswollte. »Diese Psi-Kräfte reichen nicht aus, einen Schutzwall aus beeinflussten Menschen um sich herum zu bilden, hinter dem Srinele sich verstecken kann.« »Das ist mir nicht neu. Ich lasse trotzdem Untersuchungen in diese Richtung durchführen. Der winzigste Hinweis kann ausschlaggebend sein. Glaub mir, es ist ungleich problematischer, die Kelsirin zu lokalisieren und einzufangen, als sie aus sicherem Gewahrsam entkommen zu lassen.« Balls Gesichtszüge verhärteten sich. Ihm lag eine geharnischte Zurechtweisung auf der Zunge. Er verkniff sie sich, als er in das ausdruckslose Gesicht seines Gesprächspartners sah. Residors Bemerkung war kein Vorwurf, sondern eine wertfreie Feststellung und als solche zu verstehen. »Halt mich auf dem Laufenden«, bat Bull, von der Erinnerung an seinen Fehler
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dennoch getroffen. »Ich verlasse mich auf dich.« »Noch bleiben neun Tage bis zum Verstreichen der Frist.« Residor zeigte den Anflug eines Kopfnickens, dann erlosch die Verbindung. Bull lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Ja, neun Tage blieben. Neun Tage, an denen ihm jede einzelne Minute die Hölle bereiten würde. Und danach? Er wagte nicht, sich das von Srinele ausgemalte Inferno in der Realität vorzustellen. Schließlich, und diese Tatsache ließ sich nicht wegdiskutieren, trug er die Schuld daran, wenn es so weit kam. Oder zumindest die Verantwortung. * In den nächsten Tagen beobachtete die Gralsmutter Sonka Heiddru und Arkmund Eystein unauffällig aus der Entfernung. Häufig kamen die beiden sich nahe. Wenn sie nicht mit Pflegeaufgaben beschäftigt waren, durch die sie zeitweilig getrennt wurden, waren sie unzertrennlich. Mehrmals stand der Funke kurz davor, zu zünden und von einem zum anderen überzuspringen. Es geschah nicht. Trauer erfasste Srinele, weil die beiden Terraner unfähig waren, der Natur ihren Lauf zu lassen. In ihrem Dorf auf Drackrioch wäre solche Blindheit unvorstellbar gewesen. Wenn ein Weibchen Interesse an einem Männchen fand, zeigte es das, und kein Männchen war so dumm, die Offerte auszuschlagen. Lag es also an Sonka, stärker die Initiative zu ergreifen? Die beiden Menschen waren gleichberechtigt, daher also auch in gleichem Maß in die Pflicht genommen. Srinele hing ihren Gedanken nach, während sie sich in die Kuppel begab, in der das Essen ausgegeben wurde. Sie hatte herausgefunden, dass es auch außerhalb der geregelten Zeiten Nahrungsmittel gab, die allerdings nicht von terranischem Personal verteilt wurden, sondern aus automatischen Spendern stammten. Srinele
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hatte verschiedene Speisen probiert und sich schnell an das Essen der Menschen gewöhnt, das ähnlich proteinreich war wie Beutefische aus dem Meer. Nur wenige Terraner hielten sich in dem Saal, der sogenannten Messe, auf. Alle kannten Srinele inzwischen. Sie war trotz ihres in dieser Umgebung einzigartigen Aussehens als Pflegerin anerkannt und wurde behandelt wie jeder andere. Srinele tastete sich eine Speise und einen Becher mit Wasser und nahm an einem freien Tisch Platz. Kurz ließ sie die sphärische Musik auf sich wirken, die dezent im Hintergrund spielte. Benötigst du Beruhigung, um das Wissen über deine Fracht zu verdrängen?, fragte sie sich. Die Hälfte der Vorlaufzeit war abgelaufen. Srinele wusste nicht, ob die Aufladung mit Psi-Materie über die Dauer des Vorgangs kontinuierlich vonstatten ging. Wenn es so war, hatten sich inzwischen drei Gramm in dem Behälter auf ihrem Rücken angesammelt. Adamicter, nahm sie gegen ihre Überzeugung Kontakt auf. Der Parasit schwieg. In Widerspruch zu ihren früheren Überlegungen fragte Srinele sich, ob er vielleicht doch Ruhepausen einlegte, in denen seine Aufmerksamkeit nachließ. Spontan wollte sie nach Reginald Bull rufen. Wenn sie seinen Namen anstimmte, würde irgendwer ihn darüber informieren. Hoffte sie zumindest. Sie brachte keinen Laut hervor. Ihre Hilflosigkeit war ernüchternd. Bull wird nicht kommen, verkündete Adamicter so unvermittelt, dass die Kelsirin zusammenzuckte. Niemand wird kommen. Und wenn doch, wirst du dafür sorgen, dass kein Terraner Maugo Beis Auskunft über dich gibt. Drängend: Verstanden? Sorg dafür! Srinele tat, wie ihr geheißen. Sie flutete die gesamte Einrichtung mit dem Befehl und widmete sich wieder ihrem Essen, als sei nichts geschehen. Nicht zum ersten Mal staunte sie darüber, wie gut es ihr mundete. Als sie sich anschickte, ihr Mahl zu
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beenden, machte ein lautes Scheppern sie aufmerksam. Srinele sah auf und erblickte den blonden Terraner, mit dem sie am ersten Tag ihres Aufenthalts in Maugo Bei im wahrsten Sinne des Wortes zusammengestoßen war. Auf dem Boden vor ihm lag ein Tablett, das er offensichtlich fallen gelassen hatte. Speisereste und Flüssigkeit vermischten sich zu seinen Füßen. »Torricen«, ertönte eine Stimme. Ein Pfleger eilte herbei, heftig gestikulierend. »Schon wieder du Trottel. Kannst du nicht einmal aufpassen? Ständig müssen wir deinen Mist ausbaden. Man könnte meinen, du hältst uns mit Absicht auf Trab.« Srinele schob das Tablett von sich und erhob sich von ihrem Platz. Sie war unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte: Trotz der von Adamicter verstärkten Suggestivkräfte hatte sie sich Zurückhaltung auferlegt, um nicht unnötig aufzufallen. »Hier hast du einen Lappen«, schnarrte der Pfleger. »Diesmal wischst du die Sauerei selbst auf.« Der junge Terraner zitterte am ganzen Körper. Seine Lippen bebten und formten stumme Worte. Srinele empfing seine Verstörung so deutlich wie die Botschaft eines COMP, nur dass er ungleich hilfloser war. Er streckte eine Hand aus, um nach dem Lappen zu greifen, erstarrte mitten in der Bewegung und begann im nächsten Moment mit rasenden Schritten auf der Stelle. »Ich habe gegessen!«, schrie er auf. »Ich muss gehen!« Der Pfleger zeigte sich unbeeindruckt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und weigerte sich, den Weg freizugeben. Er war unfähig, die Situation zu bewerten und sich angemessen zu verhalten. Wenn doch Sonka oder Arkmund gekommen wären! Sie taten Srinele den Gefallen nicht. Ein Beschützerinstinkt erwachte in der Gralsmutter. Sie gab ihre Zurückhaltung auf und ging hinüber. Torricens Arme und Beine flatterten. Seine Augen waren weit aufgerissen.
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»Du überforderst ihn«, sagte sie zu dem Pfleger. »Ich komme schon mit .ihm zurecht«, widersprach der Mann. »Ich lasse mich nicht länger von ihm auf den Arm nehmen.« Srinele sandte beruhigende Impulse, die augenblicklich wirkten. Torricen entspannte sich, ein Lächeln zierte sein Gesicht. Er verlangsamte seine Schritte, trat zwar weiterhin auf der Stelle, wirkte aber nicht mehr wie von Panik -erfüllt. Gib ihm den Weg frei und reinige den Boden. Der Pfleger legte den Kopf schief, wankelmütig, als könne er sich nicht erklären, woher sein plötzlicher Meinungsumschwung kam. Dann trat er beiseite und ließ den Patienten passieren. Torricen setzte einen Fuß vor und marschierte los. Stoisch, ohne sich umzusehen, ging er zum Messeausgang und trat in den Korridor hinaus. Die Gralsmutter folgte ihm ein Stück, während der Pfleger. tat, was sie ihm aufgetragen hatte. Sie fühlte sich erleichtert. Dass sie einem Unterlegenen, der ihrer Hilfe bedurfte, beiseite gestanden und mit ihren Fähigkeiten etwas bewirkt hatte, führte sie zurück in die Vergangenheit. Sie trug eine Verantwortung, die sie nicht so einfach ablegen konnte, hatte sie immer getragen. Daran hatte sich nichts geändert. Srinele wunderte sich über sich selbst, weil sie so lange gezögert hatte, die ihr von der Natur verliehene Gabe zum Wohle der Schwächeren einzusetzen. Sie ging ins Freie und spazierte auf der Suche nach Heiddru und Eystein durch die Parkanlage. Die Sonne stand weit über dem Meer, ihr Abbild spiegelte sich in dem ruhigen Wasser. Ein sanfter Windhauch wehte landeinwärts, der die Schreie der Delfine mit sich trug. Der Klang verriet Srinele, dass es ihnen gut ging. Alles hätte so schön sein können für die verbleibenden Tage. Wenn da nicht eine tragische Liebesgeschichte gewesen wäre, die allein
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die Gralsmutter zu einem guten Ende führen konnte. * Sonka und Arkmund stritten. Zum ersten Mal erlebte die Kelsirin, dass keine Eintracht zwischen den beiden herrschte. Sich zwischen den Palmen nähernd, verstand sie die Worte nicht, bekam nur mit, dass der Wortwechsel heftig geführt wurde. Sie hielt inne, weil sie nicht ungeschickt in eine persönliche Auseinandersetzung geraten wollte, was möglicherweise zu einer Eskalation geführt hätte. Während sie noch über ihr Vorgehen nachdachte, drehte Eystein sich um und stapfte davon. Er ging zu den Bassins hinunter, nahe an der Kelsirin vorbei. Sein Gesicht war gerötet, und er nahm sie nicht wahr. Sie registrierte seine Aufregung umso deutlicher und sah ihm nach, bis er sich unter die Terraner am Ufer mischte. Entschlossen ging Srinele zu der jungen Menschenfrau. »Was ist geschehen?« Sonka schreckte auf. »Ach, du bist es. Ich habe dich gar nicht kommen hören.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Nichts Ist passiert, gar nichts.« »Ihr habt gestritten.« In manchen Momenten waren Taktgefühl und Diplomatie gefragt, in anderen nicht. Eine Gralsmutter entschied rein intuitiv, weil es ihr von der Natur so bestimmt war; und nur ganz selten traf sie die falsche Entscheidung. »Hast du uns belauscht?« »Belauscht?« Die Frage war so töricht wie die Vorstellung, das zu tun. Deshalb ignorierte Srinele sie. »Ich bin ein wenig herumspaziert und sah euch von Weitem. Willst du mir nicht verraten, was los ist?« »Er ist so ... so dumm«, sagte Heiddru wütend. Kleine Wasserperlen traten aus ihren Augen und rannen ihr die Wangen herunter Sie wischte sie mit einer fahrigen Geste weg. »Ständig nimmt er meine Hand oder legt seinen Arm um mich.« Terranische Verhaltensmuster, die Zuneigung bekundeten, wusste Srinele.
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Dieses Verhalten Eysteins bewertete sie durchaus positiv, weil Sonka augenscheinlich ähnlich empfand. »Was ist daran so schlimm?« »Schlimm? Gar nichts.« »Verkehrt?« »Auch nicht. Im Gegenteil, es gefällt mir. Doch jedes Mal, wenn ich Arkmund darauf anspreche und mich mit ihm über uns unterhalten will, weicht er aus, macht einen lahmen Scherz, schneidet ein anderes Thema an. Man kann einfach nicht mit ihm darüber reden.« Fehlende Sozialkompetenz der Männchen, diagnostizierte Srinele diesen Fall, wie sie unzählige im Dorf auf Drackrioch erlebt hatte. Anscheinend war interaktives Fehlverhalten zwischen den Geschlechtern ein galaxienübergreifendes Problem. Es war verwunderlich, dass die Natur nicht auf allen Welten des Universums ein Regulativ wie die Gralsmütter vorgesehen hatte. Mit einem Mal sah sie ihre Anwesenheit auf Terra in einem neuen Licht. Vielleicht war sie nicht allein hergekommen, um BARDIOCS Null zu überbringen, vielleicht hatte THERMIOC sie mit Bedacht auf die Erde geschickt, um die Liebe der Blinden zueinander zu entfachen. Denn so viel war klar: Nicht nur Eystein verhielt sich ungeschickt, sondern auch Sonka. Auf Drackrioch hätte jedes Weibchen Mittel und Wege gefunden, das auserwählte Männchen gefügig zu machen. Hier gestalteten sich die Dinge komplizierter. »Es wird alles gut werden«, versprach sie. »Nett von dir, dass du mich trösten willst. Es ist zwecklos.« Sonka reagierte trotziger als erwartet. »Bei diesem Tollpatsch fällt kein Wort auf fruchtbaren Boden.« Ein netter Ausdruck, fand Srinele. Fruchtbarer Boden assoziierte prächtige Blumen, wie die Kelsiren sie auf Drackrioch allein kraft ihres Willens zum Erblühen gebracht hatten. »Es gibt Möglichkeiten, das zu ändern.« »Ich verstehe nicht, wovon du sprichst.« »Man muss Arkmund anschubsen, um ihn auf den richtigen Weg zu bringen.«
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»Leichter gesagt als getan. Er ist ein grober Klotz. Manchmal wünschte ich, er wäre nicht mehr als das für mich.« »Ich kenne mich mit schwierigen Fällen aus«, seufzte Srinele. Sie konnte nicht mit ansehen, was vor ihren Augen geschah. Sonka und Arkmund waren so. füreinander bestimmt, wie es zwei Wesen nur sein konnten. Es war erschreckend, dass manche Terraner ebenso halb intelligent waren, wie Sonka es den Delfinen bescheinigt hatte. »Es liegt nicht an Arkmund allein. Auch du musst deinen Beitrag leisten.« »Ich? Seit Monaten tue ich alles, was nötig ist.« Offensichtlich nicht, sonst würdet ihr euch nicht immer noch wie die Halbwüchsigen aufführen. Srinele gewahrte einen warmen, weichen Schub in ihrem Nacken. Ihr PsiOrgan klopfte von innen heraus. Lass dich gehen, Sonka!, befahl sie. Streife deine Zweifel ab, wenn du ehrlich liebst. Ich zeige dir den Weg. Heiddru kniff die Augen zusammen. Sie wirkte verwirrt. Das hielt nicht lange an. Schon gleich würde sie klarer sehen als jemals zuvor in ihrem Leben. Die Gralsmutter indes eilte hinter Eystein her. * »Hast du dieses Wesen schon einmal gesehen? Ist es im Aquarium aufgetaucht?« Srinele hätte die beiden Terraner fast zu spät bemerkt, die Eystein ausfragten. Sie konnte von Glück sagen, nicht gesehen worden zu sein. Nun stand sie hinter dem Stamm einer Palme und beobachtete den Mann und die Frau. Ihrem Auftreten nach waren es weder Pfleger noch Patienten. In Brusthöhe schwebte ein sich drehendes Hologramm, das die Kelsirin von allen Seiten zeigte. Bull hatte sie gefunden! Srinele wurde von einem archaischen Fluchtinstinkt gepackt. Es kostete sie Überwindung, nicht einfach loszulaufen. Sie war keineswegs bereits entdeckt worden. Bull ließ sie im ganzen
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Solsystem und besonders auf Terra suchen. Es war zwangsläufig, dass seine Häscher auch in Maugo Bei auftauchten und Fragen stellten. »Ich kenne dieses Wesen nicht«, antwortete Eystein lahm. »Ganz bestimmt nicht?«, bohrte die Frau. »Du scheinst dir nicht sicher zu sein, so lange, wie du nachgedacht hast.« »Ich bin mir sicher«, entgegnete der Pfleger. Er tippte mit der Fingerspitze gegen das Holo. Es verwirbelte in der Luft, setzte sich wieder zusammen und setzte seine Drehung in entgegengesetzter Richtung fort. »Andererseits kommt es mir bekannt vor. Ich erinnere mich daran wie an einen Traum, den ich einmal hatte.« »Ein, Traum?«, fragte der Mann skeptisch. »Da stimmt etwas nicht, Tarisha. Ich schlage vor, wir benachrichtigen den Verteidigungsminister, damit er Verstärkung schickt, um hier alles zu durchsuchen.« »Bull? Du übertreibst. Der hat sicher etwas anderes zu tun, als jeden einzelnen Anruf persönlich entgegenzunehmen. Es reicht doch, wenn wir unsere Vorgesetzten beim Liga-Dienst informieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, auch nicht Noviel Residor. Bleib auf dem Teppich.« »Spielverderberin!« Der Mann grinste. »Aber du hast recht. Unsere Beförderung kommt schnell genug, falls wir den richtigen Riecher haben. Ich unterrichte die zuständigen Stellen.« Er hob den Arm und brachte die Hand vor seinen Mund, vermutlich um einen Funkkontakt herzustellen. Srineles Gedanken überschlugen sich. Wenn der Mann seine Meldung abgab, wimmelte es in Maugo Bei in kürzester Zeit von Häschern, die hinter ihr her waren. Zwar konnte sie sich jederzeit mit einem Frequenzsprung an einen anderen Ort versetzen, doch daran lag ihr nichts. Sie fühlte sich wohl in dem Therapeutischen Aquarium und war nicht willens, es zu verlassen. Unternimm endlich etwas!, sandte Adamicter einen Impuls wie einen Hieb.
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Srinele trat aus ihrem Versteck hervor und stellte sich den Terranern, die auf der Jagd nach ihr waren. »Ich bin hier«, sagte sie. »Ihr braucht niemanden zur Unterstützung zu rufen. Ich ergebe mich, das wollte ich ohnehin tun. Der Ruhm für meine Festnahme wird euch allein zufallen.« Sie blickte in zwei überraschte Gesichter. Geistesgegenwärtig zog der Mann eine Waffe und richtete die Mündung auf die Kelsirin. »Denk an den Befehl«, zischte seine Begleiterin ihm zu. »Sie ist auf der Stelle zu paralysieren.« Nein! Srinele versetzte den Häschern einen Impuls von ungeahnter Stärke. Sie knickten in den Kniekehlen ein und sanken zu Boden. Waffe wegstecken! Es erfolgte keine Gegenwehr. Eystein beobachtete das Geschehen atemlos. Er wagte nicht, sich zu bewegen. Srinele suggerierte den Häschern, sich zu erheben, und verbannte das Geschehene zumindest oberflächlich aus ihren Erinnerungen. Nur bei einer genaueren Untersuchung würde man darauf stoßen. Der Mann und die Frau drehten sich um und gingen zu einem in der Nähe abgestellten Gleiter, stiegen ein, flogen los und verschwanden landeinwärts. »Wer war das?«, wollte Srinele wissen. »Agenten des Terranischen LigaDienstes«, erklärte der Pfleger. »Sie suchen nach dir. Wieso?« »Ein Missverständnis.« »Ich verstehe das nicht.« Eystein kam Srinele so verwirrt vor wie manche seiner Patienten. »Was ist geschehen? Weshalb sind sie ohne ein weiteres Wort weggeflogen?« »Weil sie ihren Fehler erkannt haben. Belassen wir es dabei.« Und vergiss den Zwischenfall. »Ich möchte über ein anderes Thema mit dir sprechen.« »Verrätst du mir, über welches?« »Über Sonka.« Eysteins Gesicht verdunkelte sich. »Hat sie sich bei dir ausgeweint?« »Hätte sie denn Grund dazu?« Der Pfleger drehte sich um und richtete den Blick in die Ferne. Regungslos starrte
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er aufs Meer hinaus. Schließlich wandte er sich wieder Srinele zu. »Was hast du mir zu diesem Thema zu sagen?« Er merkte nicht, dass die Gralsmutter längst begonnen hatte, auf ihn einzureden. Sie tat es in einer stummen Weise, von der er nichts mitbekam. Allein die Konsequenzen ihrer suggestiven Einflüsterungen begannen schon in ihm zu wirken. Als sie ihn verließ, hatte sie ihm keinen neuen Willen aufgezwungen, sondern lediglich verstärkt, was latent in ihm verborgen lag und auf seinen Ausbruch wartete. Srinele war gespannt auf das nächste Zusammentreffen der Liebenden. * Der Sand und die Uferkiesel knirschten unter den Füßen der Kelsirin. Sonst war kein Geräusch zu hören. Für die Patienten hatte die Nachtruhe begonnen. Sie hatten sich längst in ihre Unterkünfte zurückgezogen. Nur ein paar saßen noch bei einem Trivideo in den Gemeinschaftsräumen. Srinele traf Heiddru und Eystein in aufgeräumter Stimmung an. Sie schlenderten am Ufer entlang, Arm in Arm, so innig und vertraut, als wäre es ihr Leben lang nicht anders gewesen. Beide begrüßten sie überschwänglich. »Es scheint euch gut zu gehen«, stellte die Kelsirin fest. »Das scheint es nicht nur, es ist so.« Es blitzte in Sonkas Augen. Die Worte bestätigten den Erfolg von Srineles Eingreifen. Sie spürte die gleiche Zufriedenheit, die sie nach dem Lösen sozialer Probleme auf Drackrioch empfunden hatte. Auch wenn sie sich ihre Zweifel nicht hatte eingestehen wollen, waren sie da gewesen. Der eingetretene Erfolg bedeutete eine umso größere Erfüllung. Sonka und Arkmund waren zu einem Paar geworden, dank ihr. Du wärest stolz auf mich, Duuhrt, schickte sie einen Gedanken auf die weite Reise in eine ferne Galaxis. Sie bedauerte, THERMIOC niemals von ihrem Erfolg
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berichten zu können, denn bald war alles vorbei. Die Erinnerung an den bevorstehenden Untergang traf sie mit brutaler Gewalt. Jäh zerstieben die Glücksgefühle, in denen sie eben noch wie in einer Meereswelle gebadet hatte. Die Realität machte zunichte, was sie geschaffen hatte. »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Eystein. Srinele riss sich zusammen. Es war ihr unmöglich, eine ehrliche Antwort zu geben. Sie wollte es auch gar nicht, um nicht als Verkünderin des Untergangs dazustehen. Das änderte nichts daran, dass sie eine Frage nicht mehr loswurde. Was sollte mit dem von ihr herbeigeführten Glück geschehen? Sie hatte sich von den Instinkten einer Gralsmutter leiten lassen und nicht darüber nachgedacht. Nun kam sie nicht umhin, es zu tun. Hämisches Gelächter entstand in ihrem Geist. Du weißt, was daraus wird, ich weiß, was daraus wird, quäkte Adamicter vergnügt. Nur diese terranischen Narren haben keine Ahnung. »Alles in Ordnung«, sagte sie wider besseres Wissen. »Ich will euch nicht länger stören. Einen schönen Abend, und genießt jede einzelne Minute.« »Du störst nicht«, versuchte Sonka sie zurückzuhalten. Srinele drehte sich einfach um und ging in die Dunkelheit des Parks. 7. Strukturbeben Reginald Bull taxierte den Kalender in seinem Büro wie einen bösen Geist. Er war versucht, irgendetwas gegen die Anzeige zu schleudern. Leider war nichts in greifbarer Nähe. Schon in der Bibel trug derjenige die Schuld, der eine schlechte Nachricht brachte. Viele Überbringer von Hiobsbotschaften waren in der Geschichte der Menschheit anstelle der Verursacher umgebracht worden. Schnaufend donnerte er die Faust auf die Tischplatte. Das angezeigte Datum änderte sich dadurch nicht.
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10. Mai 1346 NGZ. Es blieben höchstens zwei Tage bis zur Explosion von BARDIOCS Null. Wenn die Waffe nicht schon vor dem Einflug ins Solsystem aktiviert worden war ... Bull stieß die Luft aus. Seine Gedanken schweiften ab zu Perry Rhodans Expedition in die Vergangenheit. Wenn sie erfolgreich verlief und die JULES VERNE eines Tages zurückkehrte, dann in interstellaren Leerraum, weil an der Position des Solsystems nichts mehr existierte. Die Vorstellung war aberwitzig, doch sie wurde stetig realer. Und wenn nicht? Wenn alles ganz anders kam als erwartet? Es gab keinen Beweis dafür, dass die Waffe aus BARDIOCS Fundus wirklich so funktionierte, wie die Kelsirin es beschrieben hatte. Die Wissenschaftler der Erde ließen sich zu keinen Aussagen bewegen. Wie sollten sie auch? Sie wussten nicht mehr als er selbst, denn niemand hatte jemals von einer solchen Waffe gehört. In einem Anflug von Verzweiflung war Bull sogar per Transmitter nach Luna gegangen und hatte NATHAN mit der Problematik konfrontiert, vergebens. Die Hyperinpotronik stand nicht nur vor dem gleichen Rätsel wie er selbst, sie war zudem mit anderen Dingen beschäftigt und hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sein Besuch ungelegen käme. Als ob etwas ungelegen sein könnte angesichts des bevorstehenden Falls des Solsystems und des endgültigen Triumphes TRAITORS über die Milchstraße! Zu allem Überfluss tappte der TLD weiterhin im Dunkeln. Noviel Residor nahm Bulls stündliche Anfragen nicht mehr selbst entgegen, sondern ließ die stereotype Antwort von einem Bürohengst übermitteln. »Alle Agenten sind im Dauereinsatz. Bisher keine Erfolge. Wir geben nicht auf.« So klang blanker Zynismus, auch wenn Bully sich bewusst war, dass er dem TLDLeiter unrecht tat. Er stieß einen derben Fluch aus, den er aus Pietätsgründen seit
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den Zeiten der Explorerflotte nicht mehr verwendet hatte. »Ich sollte den verdammten Liga-Dienst auflösen«, murmelte er. »Aber das Problem erledigt sich ja in Kürze von allein.« Abermals hieb er auf die Tischplatte vor sich und rieb sich danach die schmerzende Hand. Nein, er war nicht bereit, der Ankündigung Glauben zu schenken. Diese Srinele konnte viel erzählen, wenn der Tag lang war. Wenn tatsächlich THERMIOC sie auf die Reise geschickt hatte, dann in freundschaftlicher Verbundenheit zur Menschheit. Weshalb sollte die Kelsirin auf dem Flug von Nypasor-Xon in die Milchstraße ihre Motivation geändert haben? Weil ihre Mission aufgeflogen und sie in die Fänge der Terminalen Kolonne geraten war. Da war die zufällige Entdeckung des Wracks durch die OROPUS. Sein exakter Kurs nach BS-Ameris. Die geschickt in Szene gesetzten Manöver TRAITORS. Das Verschwinden und Wiederauftauchen der Traitanks, das die Terraner zu einer raschen Entscheidung gezwungen hatte. All das sah nach einem abgekarteten Spiel aus. Srinele war mental »umgedreht« und dann den Terranern in die Hände gespielt worden. Die Teile des Gedankenkonstrukts passten perfekt zusammen. So oder ähnlich könnte es sich abgespielt haben. Oder auch nicht. Bull drehte sich im Kreis. Ging er davon aus, dass Srineles Auskunft stimmte, blieben der Menschheit zwei Tage bis zum Ende. In dem Fall gab es zum Untergang nur eine Alternative. Das Abschalten des TERRANOVA-Schirms und bedingungslose Kapitulation. Genauso gut hätte er sich und jedem einzelnen Terraner im Solsystem einen Thermostrahler an den Kopf halten und abdrücken können. Stimmte Srineles Horrorszenario nicht, stellte sich die Frage, was tatsächlich geschehen würde. Vielleicht bewirkte BARDIOCS Null in Wahrheit etwas ganz anderes. Vielleicht war sie ein Bluff, vielleicht ... Bull hob resignierend die Hände. Seine Grübeleien brachten ihn
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keinen Schritt weiter. Solange der TLD keine Spur der verschwundenen Kelsirin fand, blieben seine Überlegungen reine Spekulation. Der Interkom auf seinem Schreibtisch schlug an, und Bull versteifte sich in die Hoffnung auf eine gute Nachricht. Er aktivierte die Bildsprechverbindung. Ein blasses Gesicht erschien im Holokubus. »Die Zeit der Ruhe ist vorbei. Die Kolonne startet einen neuen Großangriff auf den Schirm.« Reginald Bull stürmte aus seinem Büro. * Knapp 100.000 Traitanks hatten sich senkrecht zur Bahnebene der Planeten eingefunden und eröffneten das Feuer auf den Kristallschirm. Lange schon waren ihre Waffen bekannt, auch deren Leistungsfähigkeit. Rings um Bull herrschte gelassene Erwartungshaltung. Von Hektik keine Spur. Wenn TRAITOR keine neuen, bislang unbekannten Waffensysteme gegen den Schirm auffuhr, hielt sich die Bedrohung in überschaubarem Rahmen. Eine Phalanx von Anzeigen lieferte Daten, Diagramme und taktische Anzeigen, die bestätigten, was der Verteidigungsminister voraussah. Der systemumspannende Schutzschirm hielt der ersten Angriffswelle stand. Was hatten die Mor'Daer vor? Mit mehr als einer Viertelmillion Traitanks war es nicht gelungen, den TERRANOVA-Schirm zu überwinden. Weshalb fuhr die Kolonne eine wesentlich kleinere Streitmacht auf? Dabei war ihr Nachschub in der Milchstraße inzwischen unüberschaubar. Die Logistik bewegte sich in Zahlenbereichen, von denen die Terraner und ihre Verbündeten nur träumen konnten. »LORETTA-Tender arbeiten mit Standardwerten«, kam eine Meldung herein. »Keine erhöhte Sonnenzapfung erforderlich.« Noch nicht. Das konnte sich schnell ändern, auch wenn der Bund aus
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Gegenkräften immer besser dichtmachte. Der Nukleus der Monochrom-Mutanten und die Terraner in den TANKSTELLEN waren mittlerweile eingespielt. Die dem Nukleus von den Globisten zugeführte Mentalenergie war enorm, erst recht seit dem Einsatz der Salkrit-Resonatoren. Der Schirm war stabil, doch generell von undurchdringlich zu reden wäre vermessen gewesen. Eine Garantie verhießen die bisherigen Erfolge allemal nicht. Das war keinem so klar wie dem Verteidigungsminister. »Sie kommen nicht durch«, sagte jemand leichtfertig Bull verfolgte das irisierende Strahlengitter aus unzähligen Geschützen. »Nicht den Tag vor dem Abend loben«, dämpfte er die Euphorie. Nicht von ungefähr, denn die Begleiterscheinungen des Angriffs zeichneten sich in den Holos ab. Beim Trommelfeuer trafen Energiemengen auf den Schirm, die jenseits menschlicher Vorstellungskraft lagen. Der Minister hatte den Anblick so oft gesehen, dass er ihm viel vertrauter vorkam, als ihm lieb war. Zunächst dunkelte das blauweiße Glitzern des Schirms stark ab. Es war, als legte sich eine gigantische Hand um den Schirm und verdunkelte ihn. Die Traitanks flogen einen Angriff nach dem anderen. In Wellen huschten sie heran, unermüdlich. Bull schielte zur Angabe mit der Anzahl der feindlichen Einheiten. Sie blieb konstant. Kein weiterer Nachschub kam, nicht gleich, doch die Taktik der Kolonne war schwer vorauszusagen. Die Angriffe waren niemals berechenbar, keiner glich dem anderen. Routinemäßig liefen die in unzähligen Manövern geschulten Verteidigungsmaßnahmen an. Die LFTBOXEN der 1. Mobilen Kampfflotte und die Wachflotte Solsystem rasten dem Ort des Geschehens entgegen. »Schirmstruktur im Bereich 34-TetaOmikron ist aufgeweicht. Optische Aufbereitung kommt.«
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Bull vernahm ein Stöhnen, als in der Darstellung ein Sektor des Schirms seine Farbe verlor. Der Ausschnitt sprang aus dem Gesamtbild hervor. Die Positronik rasterte ihn auf und generierte einen milchig wabernden Nebel von vielen Millionen Kilometern Durchmesser. An einer anderen Stelle zuckten lange, gezackte Blitze über die Schirmfläche, nur dass sie im Gegensatz zu herkömmlichen Entladungen pechschwarz waren. Sie verästelten sich, huschten hierhin, huschten dorthin, und für lähmende Sekunden sah es aus, als rissen sie Lücken in den Schirm. In Gedanken war Bull bei den Globisten in den TANKSTELLEN. Es waren Millionen, die in diesem wie in jedem anderen Moment freiwillig ihren Dienst verrichteten, organisiert in Schichten von maximal vier Stunden, weil es sonst zu negativen gesundheitlichen Begleiterscheinungen kam. Sie wurden ihrer Aufgabe gerecht, wie der Sekunden später einsetzende Erfolg des Nukleus verriet. Der nebelhafte Ausschnitt verdichtete sich und nahm an Farbintensität zu. Der Schirm konsolidierte sich, ohne dass Waffenwirkung in sein Inneres gedrungen und ohne dass Traitanks der Durchbruch gelungen wäre. Der Minister wollte gerade aufatmen, als ein düsterrot glimmender Trichter entstand. Er klaffte im Schirm und stülpte sich nach innen, atemberaubend schnell wachsend, bis auf eine Größe von mehr als 100.000 Kilometern. Kaum etabliert, brach er schon wieder in sich zusammen, vom pararealen ResonanzAustausch in eine Pararealität umgeleitet und somit aus dem Standarduniversum entfernt. »Sie kommen nicht durch.« Wieder die Behauptung. Dieses Mal nickte der Minister. »Wenn sie immer noch nicht begriffen haben, dass sie auf die Art nichts erreichen, ist es mit ihren Gefechtsanalytikern nicht besonders weit her.« »Darum geht es ihnen nicht«, widersprach Bull grimmig. »Die unregelmäßigen Angriffe zielen darauf ab, die Moral im
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Solsystem niedrig zu halten. Da drüben sitzt ein Kommandant, der so viel auf psychologische Kriegführung gibt wie auf Waffenwirkung.« Die Bildübertragung von dem betroffenen Schirmsektor übermittelte jedes Detail des Angriffs. Noch mehrmals flackerte der Schirm kurz auf, ohne in ernsthafte Gefahr zu geraten. Die auftretenden Energieeruptionen hielten sich in Grenzen. »Es kann nicht mehr lange dauern. Die ersten Traitanks ziehen sich zurück.« Routine. Bull hakte den Angriff ab und schickte sich an, in sein Büro zurückzukehren. Gedanklich beschäftigte er sich schon wieder mit der entflohenen Kelsirin. Es juckte ihn in den Fingern, sich in einen Gleiter zu setzen und sich an der Suche zu beteiligen. Der Drang war so unsinnig, wie er aussichtslos war. Was einem Heer von TLD-Agenten nicht gelang, würde er im Alleingang erst recht nicht schaffen. »Da geht etwas vor sich«, hielt ihn eine Stimme zurück. Bull fuhr herum. »Was heißt das?« »Der Schirm spielt verrückt.« »Geht es etwas genauer?« »Leider nicht. Die Kolonne stellt irgendwas an, was die Instrumente nicht ermitteln.« Bull biss sich auf die Unterlippe und verschaffte sich einen Überblick über die Messergebnisse. Innerhalb des Schirms in Stellung gegangene LFT-Schiffe und Schwärme von Sonden übermittelten eine wahre Datenflut, in die nicht einmal der Positronik-Verbund einen Sinn brachte. Kolonnen von abstrusen Algorithmen liefen in rascher Folge durch die Holos. Bull suchte nach einem vertrauten Ansatz und gab schließlich genervt auf. »Wenn wir schon keine Erklärung dafür haben, liegen dann wenigstens Hochrechnungen über mögliche Folgen der unbekannten Aktivitäten vor?« »Wir registrieren Unregelmäßigkeiten im Raum-Zeit-Gefüge. Sie gehen vom Schirm aus, kein Zweifel möglich. Wie auch immer sie das machen, sie unterlaufen den Resonanz-Austausch. Der Nukleus ist
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offenbar nicht in der Lage zu kompensieren. Sollen wir Kontakt aufnehmen?« »Unsinn!« Bull winkte ab. Wenn der Verbund aus Nukleus und TANKSTELLEN in Schwierigkeiten steckte, war das Letzte, was er brauchte, eine zusätzliche Ablenkung. »Da kommen neue Werte.« Eine radikale Veränderung trat ein. Endlich kamen System und Ordnung in die Anzeigen. Die Positronik lieferte nachvollziehbare Daten. Die Werte jagten dem Minister einen Schauer über den Rücken. Er wagte nicht auszusprechen, was sich dahinter verbarg. »Strukturbeben«, tat es jemand an seiner Stelle. »Lokalisierung läuft. Ausgang ist der Kristallschirm, eine Vektorierung der Beben lässt sich nicht vornehmen.« »Sie entstehen im gesamten Solsystem«, folgerte Bull tonlos. Eine ungeheuerliche Befürchtung drohte ihn zu übermannen. Setzte die Kolonne eine unbekannte neue Waffe ein, wie er es Minuten zuvor vorausgesehen hatte? Aber nicht ausgerechnet heute. Nicht an einem Tag, da die Lage ohnehin aussichtslos erschien. »Status des Schirms?« Ringsum trat Totenstille ein. Man hätte das Fallen einer Stecknadel hören können. Dann: »Schirm ist stabil.« Bull atmete erleichtert auf. Seine Zuversicht wuchs, als die nächste Meldung folgte: »Strukturbeben ebben ab. Keine Aufrisse im Raum-Zeit-Gefüge.« Eine Reihe von Beobachtungssonden war vernichtet worden. Die aufmarschierten Schiffseinheiten der LFT hatten nichts abbekommen. Die Welten des solaren Systems waren weniger glimpflich davongekommen. »Wir erhalten Funksprüche von den meisten Planeten. Die Strukturbeben ziehen üble Folgen nach sich. Auf der Erde gibt es mehrere Epizentren schwerer Beben. Es ist von Vulkanausbrüchen und Springfluten die Rede.« Sosehr ihn die Meldungen schmerzten, ließ Bull sie kommentarlos über sich ergehen. Denn sie waren Kleinigkeiten gegen die
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weiterhin drohende Gefahr. »Stärkegrad der Strukturerschütterungen?« »Annähernd bei null. Das ist noch nicht alles.« Ungläubiges Staunen begleitete die Meldung. »Die Traitanks ziehen ab und verlassen gleich reihenweise den Normalraum.« Es ist so weit ... Bull versteifte. Sie wissen, was gleich geschehen wird. BARDIOCS Null wird ausgelöst und wir alle... Reginald Bull stürmte aus dem Raum. Wie viele Minuten blieben ihnen noch? 8. Tsunami Donner lag in der Luft, obwohl keine Wolken am Himmel zu sehen waren. Verwundert lauschte Srinele dem Grollen, das aus dem Landesinneren herüberdrang. Von ihrem Standort aus konnte sie nicht sehen, was dort vor sich ging. Noch war niemand außer ihr auf 'die ungewöhnlichen Geräusche aufmerksam geworden, zumindest nahm niemand Notiz davon. Sie ging zu einem der Turmbauten zwischen den Kuppeln, der ihr als Pflegerin wie jeder andere Bereich von Maugo Bei offen stand. Sie betrat einen Antigravschacht und ließ sich von dem aufwärts gepolten Feld nach oben auf die Aussichtsplattform tragen. Aufgeregte Stimmen empfingen sie. Ein paar Pfleger und Patienten standen am Rand und starrten in die Ferne, wo sich dunkle Wolken in den Himmel erhoben. Es war dichter Rauch, und sie erhaschte einen Feuerschein zwischen den Hügeln. Srinele war vor Schreck wie gelähmt. Was sie sah, erinnerte sie an den Untergang Drackriochs. nachdem THERMIOC sich aus der Kristallhülle gelöst hatte. Die Erde hatte sich aufgetan, Vulkane waren ausgebrochen und die Meere verdampft. Was geschah auf Terra? Die Null konnte nicht dafür verantwortlich sein. Ein Angriff TRAITORS? Waren KolonnenEinheiten ins Innere des Kristallschirms und bis nach Terra vorgedrungen? Unwahrscheinlich, denn die hätten die Erde flächendeckend bombardiert und es
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nicht bei punktuellen Nadelstichen belassen. »Ein Vulkanausbruch«, sagte jemand. Ein simpler Vulkanausbruch? War das alles? Srinele verstand nicht, weshalb sie so panisch reagierte. Sie löste sich aus ihrer Starre und ging zum Einstieg des Antigravschachts, um sich wieder nach unten transportieren zu lassen. Ein unerwarteter Stoß fegte sie von den Beinen. Unsichtbare Kräfte schüttelten den Turm. Die Terraner auf der Plattform stießen ängstliche Schreie aus. Srinele rappelte sich auf und sprang auf die Beine. Unter ihren Füßen vibrierte der Oberflächenbelag. Wie zufällig sah sie auf den Ozean hinaus - und erlitt den nächsten Schock. Das Meer war in Aufruhr. Eine Wasserwand raste gischtend landwärts. »Ein Tsunami!«, rief sie. »Bringt euch in Sicherheit!« Die Warnung war überflüssig, denn bis hier oben reichten die heranrollenden Wassermassen nicht. Blieb zu hoffen, dass keine weiteren Erdstöße folgten, die dem Turm gefährlich wurden. Besorgt um Sonka und Arkmund, sprang Srinele in das Antigravfeld, dessen Transportgeschwindigkeit ihr auf einmal unglaublich langsam vorkam. Wie sollte sie die beiden finden? Sie hatte sie am Tag zuvor zuletzt gesehen und wusste nicht, wie ihr heutiger Dienstplan aussah. Unten hatte sich das Bild gewandelt. Ein schauerliches Heulen eilte dem Tsunami voraus. Die Wellenberge waren nur wenige Meter hoch, doch sie reichten allemal aus, den flachen Strand und. alles, was sich darauf befand, mit ihrer Urkraft zu überschwemmen und Hunderte Meter weit ins Landesinnere vorzudringen. Aufgeregte Menschen liefen durcheinander. Die meisten strebten zu den Gebäuden, einige wenige irrten orientierungslos umher, und wieder andere -verwirrte Patienten offensichtlich begaben sich zu den Bassins, weil sie instinktiv spürten, dass aus dieser Richtung etwas Ungewöhnliches auf sie zukam, was sie wie magisch anzog.
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Zurück! Die Gralsmutter setzte ihre Suggestivkräfte ein, um die Terraner aus der Gefahr zu retten. Sie nahm an, dass sowohl die Kuppeln als auch die Türme gegen die Kraft der Wassermassen gefeit waren. Lauft in die Gebäude. »Srinele!« Es war Eystein, der sie rief. Er scheuchte einen Pulk orientierungsloser Patienten vor sich her in die Kuppel, in der die Messe untergebracht war. »Wir haben eben einen Funkspruch empfangen, dass überall auf der Erde die Natur verrückt spielt. Ein Tsunami kommt auf uns zu. Es gab keine Vorwarnzeit.« »Wo ist Sonka?«, fragte die Kelsirin, mühsam beherrscht. »Ich habe sie vorhin bei den Delfinen gesehen.« Eysteins Stimme drohte sich zu überschlagen. »Ich muss nach unten und sie holen.« »Ich mache das. Du bringst die Leute nach drinnen.« »Ich denke nicht daran. Ich werde sie ...« Keine Widerrede. Geh! Die Kelsirin rannte los. Ihr blieb keine Zeit, sich um Arkmund zu kümmern. Sie rannte zwischen den Palmen hindurch, die sich im aufkommenden Sturm wiegten, und wich herumfliegenden Gegenständen aus. Meerwasser, salzig schmeckend, legte sich wie ein feuchter Film auf ihr Gesicht, auf ihren Anzug und perlte von ihm ab. Das Heulen steigerte sich unterdessen zu einem durchdringenden Inferno, in dem .man das eigene Wort nicht verstand. Am Strand und zwischen den Wasserbecken hielten sich mehr Menschen auf, als Srinele erwartet hatte. Zwar hatten sie den suggestiven Befehl empfangen, doch das Entsetzen hielt sie mit eisernem Griff gepackt. Voraus türmte sich das Wasser, hatte sie schon fast erreicht, allenfalls noch ein paar hundert Meter entfernt. Verschwindet endlich!, animierte die Gralsmutter die Unglücklichen. Die Wassermassen trafen auf Land, gekrönt von wirbelndem Schaum, spülten über Srinele hinweg. Eine unsichtbare Faust schmetterte sie nieder' und trug sie davon. Alles um sie herum drehte sich.
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Schmerz fuhr durch ihren Körper, durch ihre Glieder und ließ gleich darauf wieder nach, als sie sich instinktiv in die Fließrichtung des Wassers drehte, sich ihm anvertraute und sich nicht gegen seine Macht stemmte Ihre amphibische Herkunft erwies sich als Glücksfall. Die Terraner hatten nicht so viel Glück. * Delfine umringten den blonden Jungen, stupsten ihn an und schoben ihn zwischen sich her. Er genoss das spielerische Vergnügen, hängte sich an eine Rückenflosse und ließ sich quer durch das Becken ziehen, tätschelte seinem Träger zum Dank den Rücken und wechselte zum nächsten Tier über. Aufmerksam beobachtete Sonka Heiddru das Wechselspiel zwischen dem Jungen und den Delfinen. Er machte Fortschritte, auch wenn sie langsam vonstattengingen. In einer der TANKSTELLEN hatte er aus falsch verstandenem Ehrgeiz eine Doppelschicht absolviert, ohne dass es dem Psychologischen TANKSTELLENSchutz aufgefallen war. Davon hatte er eine tief greifende Neurose davongetragen. Seine Fähigkeiten, zu kommunizieren und zu interagieren, waren seither stark eingeschränkt. Stellenweise erinnerten die Symptome an die eines Autisten. »Es ist genug für heute, Torricen«, sagte die Pflegerin. »Komm aus dem Becken. Es wird Zeit für dein Mittagessen.« Entrüstet schüttelte der Junge den Kopf. Für einen Moment hatte Heiddru den Eindruck, er würde sie ansehen. Als er untertauchte und sich bäuchlings über den Rücken eines Delfins schob, musste sie sich eingestehen, dass es Wunschdenken war. »Nun komm schon !«, mahnte Heiddru. »Wenn du magst, kommen wir nach dem Essen wieder her.« Er hörte nicht auf sie, sondern tollte ausgelassen durch das Becken. Mit kräftigen Schwimmbewegungen durchmaß er es der Länge nach, vollführte eine Kehre
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und glitt auf die Delfine zu. Statt ihn wie gewohnt zu empfangen, wichen sie ihm aus, schwammen um ihn herum und strebten dem jenseitigen Ende des Bassins zu. Verwundert verfolgte die Pflegerin ihre Reaktion. Dass sie nicht auf den Jungen eingingen, hatte es ihres Wissens noch nie gegeben. Sie schienen ihn vergessen zu haben, ihre Aufmerksamkeit von etwas anderem beansprucht. Sie postierten sich am zum Meer hin offenen Ausgang des Beckens und schnatterten aufgeregt. Die Pflegerin sah auf und erblickte etwas, das sie im ersten Moment für eine über dem Wasser treibende dichte graue Wolke hielt. Entsetzt erkante sie, dass es das Wasser selbst war. Es türmte sich zu zehn oder mehr Meter hohen Wogen, die auf die Küste zuliefen. Eine Riesenwelle? Ein ... Tsunami? »Torricen, komm sofort aus dem Wasser !«, rief Heiddru. Der Junge dachte nicht daran, der Aufforderung nachzukommen. Sonka, nur mit einem Badeanzug bekleidet, sprang in das Bassin und schwamm zu dem Jungen hinüber. Das Heulen setzte ein, bevor sie ihn erreichte, und ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Der Tsunami war viel näher, als es den Anschein gehabt hatte. Ein wilder Fluchtimpuls traf die junge Frau. Sie griff nach Torricen und zog ihn mit sich. Er zappelte, schreiend und sich nach Kräften wehrend, bis es ihm gelang, sich zu befreien. Die Delfine umringten ihn, diesmal nicht, um zu spielen. Sie, die die Gefahr als Erste bemerkt hatten, unterstützten die Pflegerin und drängten den Jungen Richtung Beckenrand. Heiddru rollte sich über die Begrenzung und streckte die Hand aus. Sie erstarrte, als sie begriff, dass weder Torricen noch sie selbst entkommen konnten.. Sie warf sich nach vorn, atmete tief ein und tauchte unter, um nicht vom vollen Druck der Woge. erfasst .zu werden. Schlagartig verschwand das Sonnenlicht, und es wurde nachtdunkel. Ein Sog zog Sonka mit sich, gegen dessen Kraft sie machtlos war.
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Das Wasser presste ihr die Luft aus den Lungen und trug sie davon. Es gab kein Oben und kein Unten mehr, alles drehte sich rasend schnell. Einmal kam der hilflos um sich schlagende Torricen in ihr Blickfeld, verschwand wieder und tauchte nicht mehr auf. Ein Lichtfenster schob sich in die Dunkelheit. War dort die Oberfläche? Heiddru machte Schwimmbewegungen, die nichts ausrichteten. Bizarre Schatten huschten an ihr vorbei, Palmen, an denen die Wassermassen rüttelten. Das Schicksal ersparte es ihr, an einer davon zerschmettert zu werden. Dafür ging ihr die Luft aus. Der Sauerstoffmangel gaukelte ihr nie gesehene Bilder vor Phantasmagorien aus der Tiefe ihres Verstandes, und löste einen Rausch unbeschreiblichen Glücks aus. Sonka schnappte euphorisch nach Luft, doch da war keine, nur salziges Wasser, das in ihre Lungen drang. Ihr Blickfeld verengte sich zu einem Tunnel, an dessen Ende ein vertrautes Gesicht erschien. Es gehörte Arkmund. Er lächelte. Das Lächeln verging, das Bild schwand ins Nichts. Zurück blieb Finsternis. * Arkmund Eystein brachte seine Schutzbefohlenen sicher ins Innere der Kuppel. Andere Pfleger hatten alle Hände voll zu tun, die verwirrten Patienten zu beruhigen. Psychotische Fälle waren darunter, die den Tod klaglos hingenommen hätten, bevor sie auf die Idee kamen, ihr eigenes Leben zu retten. Manche verhielten sich passiv, andere jammerten, weinten oder schrien. Eystein leistete seinen Teil wie mechanisch, wie in Trance. Alles war unwirklich, wie in einem Trivideo, in das er zufällig geraten war. Seine Gedanken drehten sich um Sonka, seine Gefühle marterten ihn. Sie reagierte auf keinen Anruf. Die Angst um seine Partnerin brachte auch ihn an den Rand des Wahnsinns. Wenn ihr etwas zustieße,
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wüsste er nicht, was er täte. Lange war er blind gewesen, und er hatte sie nicht endlich gefunden, um sie sogleich wieder zu verlieren. Srinele war unterwegs, auf der Suche nach Sonka. Was sie ihm aufgetragen hatte, nämlich die Menschen in die Kuppel zu führen, war erledigt. Nichts hinderte ihn daran, wieder nach draußen zu gehen und sie zu unterstützen. Er machte auf dem Absatz kehrt und stürmte durch, den Korridor, in dem die Pfleger die Tumulte allmählich unter Kontrolle brachten. Weitere Patienten kamen durch den Eingang. Der Strom versiegte. Viele waren in Sicherheit, doch längst nicht alle. Nicht Sonka. Oder war sie in eins der anderen Gebäude geflüchtet? Nein, er spürte es. Sie war noch draußen, und selbst wenn nicht, er brauchte eine Bestätigung, dass es ihr gut ging. »Was hast du vor, Arkmund? Du kannst jetzt nicht raus.« Klagendes Heulen übertönte die Worte seines Kollegen, der sich anschickte, den Eingang zu verschließen. »Ich muss.« »Der Tsunami ist gleich hier.« Der Kollege griff nach ihm. Eystein riss sich los und sprang ins Freie. Peitschender Wind empfing ihn. Etwas streifte seine Wange und brachte ihn halbwegs zu Besinnung. Sein Vorhaben gab er trotzdem nicht auf. Das Meer war in Bewegung. Nie hatte er es ähnlich aufgewühlt gesehen. Brodelnd rollte es auf die Küste zu, keine Minute blieb. Bei den Becken zeichneten sich Bewegungen ab. Nein! Nein, Sonka war bestimmt längst in Sicherheit. In einem der anderen Gebäude. In der zweiten Kuppel. Er hetzte hinüber und stand vor einem verschlossenen Zugang. Ein Prallfeld hüllte die Kuppel ein und hinderte ihn daran, den Öffnungsmechanismus zu aktivieren. Fluchend wandte Eystein sich ab. Dann eben die Türme. An der Balustrade kam ihm ein alter Mann entgegen, lallend,
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gramgebeugt und ohne Hilfe verloren. Eystein hatte ihn nie zuvor gesehen. Er hob den Alten auf die Arme und trug ihn mit sich. Wenn die Türme verschlossen waren, hatten sie beide Pech gehabt, denn der Tsunami war heran, einen Geruch von Moder und Fäulnis mit sich bringend. Der Pfleger hieb den Ellenbogen auf eine Kontaktplatte. Das Eingangsschott fuhr beiseite und ließ ihn passieren. Er setzte den Alten ab, das Rauschen des Wassers in den Ohren, das sich über den Strand und in den Park ergoss, verriegelte den Zugang positronisch und generierte ein Prallfeld. Sie waren in Sicherheit. Und Sonka? Sie allein war wichtig. Zwar hatte es ein Leben vor ihr gegeben, eines nach ihr war hingegen unvorstellbar. »Keinen Unsinn anstellen«, trug er dem Alten auf, der ohnehin nicht in der Lage war, ohne Beistand das Schott zu öffnen. Eystein begab sich zum nächsten Antigravschacht und trat in das Feld. Während er nach oben getragen wurde, betätigte er sein Armbandgerät. und rief Sonka an. Sie meldete sich nicht. Dafür vernahm er das Tosen und Brausen des Tsunamis durch die stählerne Hülle des Turms hindurch. Die Ausstiege zu den einzelnen Etagen glitten vorüber und blieben unter ihm zurück. Eystein stieg erst auf dem Dach aus. Zahlreiche Menschen hatten sich dort versammelt. Sie drückten ihr Entsetzen in drastischen Kommentaren aus. Einige waren stumm vor Schreck. »Wo ist Sonka?«, fragte ein Kollege. »Hast du sie nicht gesehen? Hat niemand sie gesehen?« »Wir dachten, sie wäre bei dir. Hast du sie angepiepst?« Eystein zuckte die Achseln. Mit einem mulmigen Gefühl trat er an den Rand der Plattform und erblickte das ganze Ausmaß der Naturkatastrophe. Die Meereswogen rollten über den Strand und begruben den Park unter sich, ¬verschlangen ihn geradezu. Vergeblich hielt der Pfleger nach den Schwimmbecken und Bassins Ausschau. Das Wasser stand meterhoch, wogte vor und zurück, brach sich, wo es
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auf die Prallfelder der Gebäude traf, und tobte sich an anderen Stellen aus. »Es Wird Tote geben«, raunte sein Kollege. Eystein beachtete ihn nicht. Er registrierte nicht, wie die Zeit verging. Reglos stand er da, eine Stunde, eine weitere, bis die Kraft des Tsunamis nachließ. Das landeinwärts gedrungene Wasser zog sich ins Meer zurück. Der Ozean selbst hatte sich beruhigt. Er bewahrte seine Hoffnung, dass Sonka sich zu guter Letzt in eins der Gebäude gerettet hatte. Bis er zwischen im Wasser treibenden Palmenstämmen einen leblosen menschlichen Körper entdeckte. Trotz der Entfernung erkannte er die blonden Haare auf Anhieb. Sie gehörten Sonka. Eystein blieb wie erstarrt stehen. Kein Laut kam über seine Lippen, obwohl er hätte schreien mögen. Dann stieg Arkmund Eystein über die Absperrung der Plattform und sprang in die Tiefe. * Srinele schwamm zum Strand hinunter. Sogar für eine Kelsirin stellten die Wogen ein Problem dar. Allerdings keines, das sie nicht bewältigen konnte. Mit erhöhtem Kraftaufwand überwand sie die Strömung, die zudem nach einer Weile nachließ. Die Wellen wurden kleiner, der Wasserstand sank, bedeckte aber immer noch die Palmwedel. Die Kelsirin drang bis zu den Bassins vor. Ein Teil der Einfassungen existierte nicht mehr. Der Tsunami hatte Breschen in die Wandung geschlagen. Die Meeresgeschöpfe hielten sich nicht mehr darin auf, hatten vermutlich das Weite gesucht. Srinele war auf sich allein gestellt. Sie suchte die Umgebung ab, ohne auf Ertrunkene zu stoßen. Sie machte sich nichts vor. Der Tsunami war zu schnell gekommen, zu überraschend, um keine Opfer gefordert zu haben. Die würde man vielleicht am nächsten Tag finden oder auch nie, weil
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das Meer die Körper bei seinem Rückzug mit sich nahm. Die Gralsmutter stieß einen klagenden Laut aus. Sie brauchte Gewissheit. Bei den Bassins sollte Sonka sein, hatte Arkmund gesagt. Es mochte stimmen, doch die Suche gestaltete sich ergebnislos. Wenn du mich empfängst, gib mir ein Zeichen, schickte die Gralsmutter einen Suggestivimpuls, der speziell an Sonka gerichtet war. Tote geben keine Zeichen, spottete Adamicter. Srinele setzte die Suche fort, bis Töne unter Wasser sie aufmerksam machten. Sie schwamm in die Richtung, aus der sie drangen, und stieß auf eine Gruppe Delfine, ein Stück abseits am Strand. Die schlanken Säuger hatten sich um einen toten Menschen gruppiert. Sie hielten ihn zwischen sich, verhinderten, dass die Strömung ihn fort trug, und trauerten um ihn. Das bleiche Gesicht kam Srinele bekannt vor. Bei der Annäherung erinnerte sie sich. Der Tote war der junge Mann, mit dem sie in der Messe zusammengestoßen war. Habt ihr Sonka gesehen, die Pflegerin? Es war zumindest einen Versuch wert. Wisst ihr, ob sie noch lebt? Ein Delfin löste sich aus der Gruppe. Er stieß schrille Unterwassertöne aus, die Srinele nicht verstand. Seine schnabelartige Schnauze bewegte sich, und er schwamm landeinwärts, verweilte zwischen den Palmen, die mittlerweile zur Hälfte aus dem Wasser ragten, und zog sich zu seinen Artgenossen zurück. Srinele sah ihm nach, ohne ihm zu folgen. Wenn sie seinen Hinweis richtig verstand, hatte er Sonka hier zuletzt gesehen, mithin also nach dem Eintreffen des Tsunamis. Sonst hätte er nicht an diese Stelle gelangen können. Sie war im Freien gewesen. Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass Sonka unter den erwarteten Opfern war. War der Delfin gar auf die treibende Leiche gestoßen? Srinele verdrängte den deprimierenden Gedanken. Unermüdlich .zog sie ihre Bahnen durch das Aquarium, beseelt von
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der Hoffnung, Sonka zu finden und zu Arkmund zu bringen. Wie hätte sie sonst vor ihn hintreten sollen? Schließlich hatte sie ihm zuvor verboten, sich selbst auf die Suche zu machen. Zu dieser Entscheidung stand sie zwar, da sie ihm damit zweifellos das Leben gerettet hatte, doch das wäre kaum ein Trost für ihn gewesen, wenn er seine Geliebte verloren hatte. Srinele tauchte zu den Gebäuden, kam an die Wasseroberfläche und sah Arkmund, der auf einem der Türme stand. Er bemerkte sie nicht. Srinele wollte ihn auf sich aufmerksam machen, um ihm zu zeigen, dass sie nicht aufgab. Sie zögerte, als sie im schwappenden Wasser eine Gestalt entdeckte. Dicht unter der Oberfläche jagte sie dem leblosen Körper entgegen. Schon bevor sie wieder auftauchte, wusste sie, dass es Sonka war. Die junge Frau trieb auf dem Rücken und atmete. Die Gralsmutter konnte ihr Glück kaum fassen. Sonka lebte. Srinele streckte den Kopf aus dem Wasser, zog Sonka zu sich heran und winkte zum Turm hinauf. Sie bekam gerade noch mit, wie Arkmund über die Absperrung stieg und sich vom Rand der Aussichtsplattform abstieß. * Eystein stürzte schwerelos, für eine halbe Sekunde nur. Antigravkräfte verhinderten seinen Fall, trugen ihn zurück auf die Plattform und setzten ihn sanft . ab. Fassungslos erduldete er den Vorgang, der ihn vor dem sicheren Tod bewahrte. Nur langsam dämmerte ihm, dass der Turm mit einer Rückhaltevorrichtung gegen Unfälle ausgestattet war, wie es sie in den Städten in fast allen Wohn- und Bürohochhäusern gab. »Hast du den Verstand verloren, Arkmund?« Gleichgültig drehte sich Eystein zu seinem Kollegen um. Er wünschte, er hätte die Frage bejahen können, weil sie vieles erleichtert hätte. Stattdessen sah er mit
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ernüchternder Klarheit sein zerstörtes Leben vor sich. »Das ist doch Sonka.« Der Kollege trat an Eystein vorbei und sah in die Tiefe. »Tatsächlich, ich erkenne sie ganz deutlich.« »Ja.« Eystein hätte am liebsten seinen Kollegen in die Tiefe gestürzt. Leider bestand keine Aussicht auf Erfolg. »Sonka und die neue Pflegerin schwimmen zu einem Einstieg im zweiten Stockwerk. Sie sind ein bisschen nass, schätze ich, aber sonst scheint es ihnen gut zu gehen.« »Was?« »Ich sagte, es geht ihnen gut. Sie klettern gerade durch einen Einstieg.« Ein Kloß steckte in Eysteins Hals. Mit einem Ruck fuhr er herum und beugte sich über das Geländer. Es war den beiden Frauen gelungen, einen Notausgang zu öffnen, wie es ihn auf jeder Etage gab. Die Welt drehte sich um Arkmund. Ganz langsam dämmerte ihm, was geschah. Sonka lebte... ... und er wäre ihretwegen freiwillig in den Tod gesprungen, wenn die verflixte Technik ihm nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Unauffällig wischte er sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen. Sein Leben ging weiter, und das tat es gemeinsam mit Sonka. 9. Der letzte Tag Aus dem Schlaf in einen Dämmerzustand ... ins Erwachen ... und in die Unruhe. Srinele schlug die Augen auf und sah sich um, weil sie eine Stimme zu hören glaubte. Sie war allein. Niemand war in der Nähe, der zu ihr sprach. Die Stimme war nicht mehr als ein unterschwelliges Raunen, unbeabsichtigt und nicht an sie gerichtet. Sie gehörte Adamicter, der mit sich selbst beschäftigt war und den Geist der Kelsirin ignorierte. Sie verhielt sich abwartend, öffnete sich, um zu erfahren, was ihn beschäftigte. Der Parasit sah sich der Erfüllung seines Auftrags nahe und schmiedete Pläne.
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Srinele erschrak heftig, als sie die Zusammenhänge erkannte. Der zwölfte Tag war angebrochen. Es blieb kein Aufschub, keine weitere Nacht, die in den kommenden Morgen mündete. BARDIOCS Null war bis zur Kapazitätsgrenze der Feldschirme geflutet und würde innerhalb der nächsten Stunden detonieren. Das Solsystem war dann Geschichte, der lange Weg der Terraner, die bis in kosmische Dimensionen vorgestoßen waren, beendet. Vorher werde ich dich verlassen. Adamicter unternahm keine Anstrengungen, seinen bevorstehenden Aufbruch aus dem Körper der Kelsirin zu verschleiern. Was hatte sie erwartet'? Dass er den Tod mit ihr und Milliarden. Terranern teilte? Von Anfang an hatte festgestanden, dass er sich im entscheidenden Moment in Sicherheit brachte. Die Konsequenz aus diesem Wissen ließ Srineles Geist taumeln. Sie würde frei sein. Vielleicht blieb sogar ausreichend Zeit, etwas zu unternehmen Reginald Bull zu kontaktieren ... die Katastrophe zu verhindern. Närrin. Nein, natürlich nicht. Es war naiv, sich derlei Illusionen hinzugeben. Der Parasit würde sich erst von ihr lösen, wenn alles zu spät war. Unter Ausnutzung der allgegenwärtigen Hyperstrahlung würde er sich mit Frequenzsprüngen vom Ort der Vernichtung entfernen und irgendwie, irgendwo, irgendwann wieder zur Terminalen Kolonne stoßen, um neues Unheil anzurichten. Ihr Abscheu erreichte ungeahnte Ausmaße und kulminierte in Hass, ein Gefühl, das der Sensibilität einer Gralsmutter nicht angemessen war. Sie bemerkte, dass sie im Park oberhalb des Ufers stand. Wie in Trance war sie hinaufgewandert, obwohl die Last auf ihrem Rücken Millionen Tonnen zu wiegen schien. Das Gras, über das sie schritt, war von dem Tsunami getränkt. Bei jedem Schritt entstanden schmatzende Geräusche, die ihr zuvor nicht aufgefallen waren. Am Strand waren die Schäden zu
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erkennen, die die Naturkatastrophe hinterlassen hatte. Zahlreiche Palmen waren wie morsche Hölzer umgeknickt, die Bassins zerstört, doch die Gebäude unbeschädigt. Ihre Bauweise, nicht zu vergleichen mit den Hütten in Kelsirendörfern, und die Prallfelder hatten sie geschützt. Es war gleichgültig, was zerstört worden und was heil geblieben war. In wenigen Stunden gab es niemanden mehr, den es interessierte. Sie empfand einen schmerzhaften Stich tief in ihrem Inneren, als sie an Sonka und Arkmund dachte. Sie hatte beide gerettet, um sie letztendlich doch an den Tod zu verlieren. Vergeblich hielt Srinele nach den Tieren Ausschau. Der Wohlfühlzoo existierte nicht mehr. Delfine und andere Meeresbewohner waren in die Weiten des Ozeans heimgekehrt. Und wozu? Nur um zu sterben, auch sie. Eine Vision suchte die Kelsirin heim. Sie sah das Ende der Delfine und beobachtete die Vernichtung des Therapeutischen Aquariums. Sonka Heiddru und Arkmund Eystein wurden ausgelöscht, als hätten sie niemals existiert. Ein zweites Mal würden sie nicht vom Tod zum Leben zurückkehren Alles, was Srinele angeschoben, aufgebaut und gerettet hatte, fiel dem Vergessen anheim. Sie wurde Zeugin des Endes von allem, für das sie etwas empfand. Srinele schrie gequält auf. Sie litt unter den Bildern, die sich ihr aufdrängten. Sie durften keine Realität werden. In ihrem Bewusstsein ging eine Veränderung vor. THERMIOC hatte sie mit einem Körper auf Zeit ausgestattet, der darauf angelegt war, so schnell wie möglich wieder zu sterben. Sie hatte es mit Gleichgültigkeit hingenommen, mit Fatalismus einer Tatsache gegenüber, die sich nicht ändern ließ. Nur die Mission zählte, ihr eigenes Dasein zählte nichts dagegen. Die Mission war gescheitert. Dafür waren Dinge entstanden, die Srinele etwas bedeuteten, auch über den eigenen Tod hinaus. Sie war noch immer eine Gralsmutter, denen verpflichtet; um die sie
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sich kümmerte. Es war verantwortungslos und feige, sich nicht gegen das drohende Verhängnis zu stemmen. Noch war es nicht zu spät, zumindest einen Versuch zu unternehmen, alles zu ändern; was so unabänderlich schien. Was willst du tun, hilflose Närrin? Srinele gab Adamicter die richtige Antwort. Sie sammelte einen Suggestivimpuls und schleuderte ihn gegen den Parasiten, der mental aufschrie. Nie hätte er erwartet, dass sie sich gegen ihn und seine geistige Bevormundung zur Wehr setzte. Er war viel zu überrascht, um die Attacke abzuwehren. Srinele setzte nach. Der Anfangserfolg, der sie selbst überraschte, verlieh ihr zusätzliche Kräfte. Sie führte einen Schlag nach dem anderen, bis es Adamicter endlich gelang, sich zu berappeln. Er schlug zurück, und ein geistiger Zweikampf entbrannte, den kein Außenstehender hätte beobachten können. Der Körper der Kelsirin wand sich wie in Agonie. Sie mobilisierte sämtliche Geisteskräfte und bediente sich dabei Adamicters eigener Kraft, die sie auf ihn zurückwarf. Sie bekämpfte ihn mit der Macht ihrer Gefühle, die im Grunde Muttergefühle waren. Beschützerinstinkte für Sonka und Arkmund. Die Fürsorge der Gralsmutter für die Gemeinschaft. Die selbstlose Aufopferung für den Schwarm. Archaische Urinstinkte bahnten sich einen Weg an die Oberfläche, und sie taten es mit der rohen Gewalt, die vor Äonen den Kampf ums Überleben in den Ozeanen Drackriochs bestimmt hatte. Das eruptive Aufwallen von Instinkten und Emotionen sprengte den Panzer, den die KolonnenMotivatoren um Srineles Geist gewoben hatten. Sie ertastete Adamicters Dilemma. Hob er die Verstärkung ihrer Suggestivkräfte auf, die sie beide teilten, gab er ihren Geist bis zu einem gewissen Grad frei. Nichts fürchtete er mehr, als dass es ihr rechtzeitig
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gelang, Kontakt zu Reginald Bull aufzunehmen. Nun zeigte sich, dass der' Parasit längst nicht so stark war, wie sie angenommen hatte. Er vermochte ihre Para-Fähigkeiten zu verstärken, sie selbst aber nicht in gleicher Intensität einzusetzen. Ihr Wille war dem seinen ebenbürtig. Nein, traf sie ihn mit Vehemenz. Überlegen. Sie drängte ihn zurück, verbannte ihn in den hintersten Winkel ihres Verstandes. Er versuchte sich zu wehren und wieder in die überlegene Position zu gelangen. Srinele gab nicht nach, bis er wütend aufschrie und dann verstummte. Sie richtete sich auf, konnte kaum glauben, dass sie ihn besiegt hätte. Seine Macht war gebrochen, vielleicht gerade noch rechtzeitig. Doch für wie lange? Adamicter lauerte im Hintergrund, sammelte neue Kräfte. Srinele war erschöpft und geschwächt. Sie blieb wachsam, lief jedoch jederzeit Gefahr, die Kontrolle über ihren eigenen Willen wieder zu verlieren. Sie hatte einen Sieg auf Zeit errungen, und diese Zeit musste sie nutzen. Sie lief zu den Kuppeln hinüber und suchte die Unterkunft von Sonka Heiddru und Arkmund Eystein auf. Zu ihrer Erleichterung waren die beiden daheim und ließen sie ein. »Was ist denn mit dir passiert?«, empfing Sonka sie. »Du siehst furchtbar aus.« »Es bleibt keine Zeit für lange Erklärungen«, keuchte Srinele und ließ den Suggestivblock fallen. Im selben Moment erkannten die jungen Terraner die Wahrheit. Sie war keine Pflegerin, sie war nicht einmal ein Mensch. »Seit Tagen suchen Reginald Bull und der TLD eine Fremde. Diese Fremde bin ich. Informiert Bull, wo er. mich findet, sofort!« Die Dringlichkeit ihrer Worte wirkte, auch ohne dass sie geistig nachhalf. Sonka nahm Verbindung zu einer offiziellen Stelle auf. Nun kam es auf Reginald Bulls Schnelligkeit an. *
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Eine halbe Stunde später verdunkelte sich der Himmel über Maugo Bei, als die LEIF ERIKSSON II mit Antigravantrieb über dem Areal niederging. Die gewaltige Kugelzelle des Ultraschlachtschiffs bezog 200 Meter über dem Boden Position. Raumsoldaten und LFT-Sicherheitstruppen regneten aus der unteren Polschleuse. Reginald. Bulls Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Die Flüchtige hatte sich gestellt, just in denn Moment, da er sämtliche Hoffnungen auf ihre Ergreifung begraben hatte. Nach den langen Tagen des Versteckspiels hatte sie ihre Meinung sicher nicht aus einer Laune heraus geändert. Er schloss sich den Landetruppen an, um keine weitere Zeit zu verlieren. Was er brauchte, waren Erklärungen aus erster Hand, und die gab es in Maugo Bei. Das ausgeschleuste Militär riegelte das Gebiet großflächig ab. Auf die Patienten der Einrichtung konnte Bull in diesem Fall keine Rücksicht nehmen. Jeder wurde durchleuchtet und in seinem Quartier bis auf Weiteres unter Arrest gestellt. Die Aktion verlief mit aller Präzision und Umsicht, die angesichts des Zeitdrucks möglich war. Terranischer Liga-Dienst und die Solare Flotte besetzten jeden Winkel. Solange nicht geklärt war, was vor sich ging, rechnete der Minister damit, aufs Glatteis geführt zu werden. Bull beobachtete das Vorgehen mit Argusaugen. Wie lange blieb ihnen noch Zeit? Nach dem plötzlichen Verschwinden der Traitanks hatte er den Tod bereits anklopfen hören ... und ihm war eine Gnadenfrist verblieben. Die Situation erinnerte ihn an die Verwirrung von ES, als die Superintelligenz ihm die Unsterblichkeit entzogen hatte und jeder Augenblick der letzte hätte sein können. Kam das Ende nunmehr durch die Botin einer anderen höheren Wesenheit? Es gab Tage, da verwünschte Reginald Bull, vertrautester Weggefährte Perry Rhodans, all die Hohen Mächte, die sich den Kosmos wie eine Spielwiese aufteilten und ohne Rücksicht auf die »normalen« Bewohner des Universums regelrechte
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Bandenkämpfe zwischen Chaos und Ordnung inszenierten. Aber waren jene deswegen besser? Wohl kaum, sonst würden nicht immer wieder auch unter ihnen Zwist, Hader und Krieg aufflammen. So gesehen spiegelten die angeblich »Hohen« Mächte nur das Leben in den »Niederungen«. Aus der LEIF ERIKSSON wurde eine HÜSchirmfeldglocke projiziert. Der grünlich leuchtende Schutzschirm überspannte das gesamte Therapeutische Aquarium und riegelte es hermetisch gegen die Außenwelt ab. Von diesem Zeitpunkt an kam niemand mehr hinaus oder herein. Wenn die Kelsirin wirklich dort war, gelang ihr kein zweites Mal die Flucht. Für BARDIOCS Null hingegen war der HÜ-Schirm nicht mehr als eine Seifenblase. Wenn die Psi-Materie instabil wurde, war das gleichbedeutend mit dem Ende des Solsystems. Während Bull zu den Wohnbereichen eilte, bemerkte er die leichten Zerstörungen. Die vom Kristallschirm ausgegangenen Strukturbeben hatten auch in Maugo Bei Verwüstungen angerichtet, die sich allerdings im Rahmen hielten. An anderen Orten sah es schlimmer aus. Bevor er die Kuppeleingänge erreichte, trat eine Gruppe schwer bewaffneter Soldaten ins Freie. Sie führten zwei Menschen mit sich, die die Kelsirin flankierten. »Na also«, murmelte Bull gereizt. »Das hätten wir einfacher haben können.« »Srinele trägt keine Schuld an dem, was geschehen ist«, empfing ihn die junge Frau. »Mein Name ist Sonka Heiddru. Arkmund Eystein.« Sie deutete auf ihren Begleiter. »Wir gehören zum Pflegepersonal.« »Ihr habt die Kelsirin festgesetzt?«, zweifelte Bull. Heiddru schüttelte den Kopf. »Sie ist von sich aus zu uns gekommen und hat uns alles gestanden.« »Ich habe mich gestellt, nachdem. ich meinen eigenen Willen zurückerlangt hatte«, sagte Srinele. Sie wirkte schwach und schien Mühe zu haben, sich auf den Beinen zu halten. »Ich weiß nicht, wie
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lange das so bleibt. Wir müssen schleunigst aufbrechen.« Nichts anderes hatte Bull vor, doch trotz des immensen Zeitdrucks verlangte er nach einer Erklärung. In knappen Sätzen schilderte die Gralsmutter, was ihr zugestoßen war. »Ich wollte nicht vor dir fliehen, Reginald Bull. Leider zwang mich Adamicter dazu.« »Geschenkt. Was du über die Bombe gesagt hast, trifft zu?« »Alles ist so, wie ich es dir schilderte.« »Wie viel Zeit bleibt uns?« »Wenig.« Die Kelsirin wirkte ratlos. »Jedenfalls nicht genug, um die Null ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Wenn wir sie nicht sofort aus dem Sonnensystem bringen, ist es zu spät.« »Wir gehen an Bord der ERIKSSON.« Bull nickte den Pflegern zu. »Ich danke euch.« »Ich möchte, dass sie mich begleiten«, forderte die Kelsirin. »Srinele hat uns erklärt, weshalb«, lieferte Heiddru die Begründung. »Unsere Gegenwart verleiht ihr Kraft, um Adamicter unter Kontrolle zu behalten. Er erholt sich allmählich von seiner Niederlage und versucht die Oberhand zu gewinnen. Wir sind ein Anker für Srinele, mit dem sie permanent die positiven Erinnerungen aktiviert, die sie mit Maugo Bei verbindet.« »Einverstanden«, gab Bull sich geschlagen. »Wer immer dieser Adamicter auch sein mag. Es gibt keine Möglichkeit, den Behälter operativ von deinem Rücken zu entfernen?« »Bei dem Versuch würde er auf der Stelle explodieren.« Das gab den Ausschlag. Die Kelsirin musste aus dem Solsystem gebracht werden, und zwar, wie sie es selbst forderte, so schnell wie möglich. Obwohl ein Robotraumer die beste Wahl gewesen wäre, sollte etwas schiefgehen, bot nur die LEIF ein Maximum an Schnelligkeit. »Ich will in unmittelbarer Nähe zu einer Flotte Traitanks ausgesetzt werden«, erhob die Gralsmutter ihre Stimme. »Sie wollten Maugo Bei vernichten, das darf nicht
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ungesühnt bleiben. Wenn ich das Universum verlasse, werde ich sie mit mir nehmen.« Bull nickte. Er hätte jede Zusage getroffen, um die tickende Bombe loszuwerden. * »Die Patrouillenschiffe der Mobilen Einsatzflotte Sol melden keine Einheiten der Kolonne im Sektor des Solsystems«, verkündete der Leiter der Abteilung Funk und Ortung Shabor Melli fast feierlich. Von der lauten und polternden Art des Terra-Springer-Mischlings war derzeit nichts zu spüren. Bull konnte es ihm nicht verdenken. Angesichts der ungewöhnlichen Ladung war die Atmosphäre in der Zentrale der LEIF ERIKSSON II aufgeladen. Niemand sprach ein unnötiges Wort. Allen war klar, dass die Bombe auf dem Rücken der Kelsirin jederzeit explodieren konnte. Sie würden es nicht einmal mitbekommen. Ranjif Pragesh hatte Bull sogar heftige Vorhaltungen gemacht, weil er sich an Bord aufhielt. Der Minister hatte mit dem Argument gekontert, dass die Mannschaft dasselbe Risiko einging wie er. Er nickte dem 2. Offizier Knut Anderson zu, der im Sitz des Piloten Platz genommen hatte. »Bringen wir es hinter uns.« Der Kugelraumer nahm Fahrt auf und näherte sich dem TERRANOVA-Schirm jenseits der Neptunbahn. Das blauweiße Glitzern füllte die vordere Hälfte der Panoramagalerie aus. Bei einer Distanz von 10.000 Kilometern vor dem Schirm wurden Torde Molms Ingenieure tätig. Sie generierten ein Prallfeld im Raum, das für eine bestimmte Schirmsektion über mehrere Quadratlichtsekunden hinweg den Zufluss von Sonnenwind verhinderte. Nur so ließ sich eine Strukturlücke schalten. »Wir passieren den Schirm. So weit, so gut.« Anderson steuerte die ERIKSSON aus dem Solsystem hinaus in den interstellaren Raum. Hinter dem Schiff schloss sich die Lücke sofort wieder. Bull atmete auf. Die primäre
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Gefahr war gebannt. Selbst wenn BARDIOCS Null in absehbarer Zeit zündete, geschah das nicht im Solsystem. Das LFT-Flaggschiff beschleunigte mit enormen Werten und jagte in den Raum hinaus, Kurs auf den interstellaren Leerraum. Bull ertappte sich dabei, alle paar Sekunden auf sein Armbandchrono zu schielen. Er zwang sich zur Ruhe, um die Offiziere nicht mit seiner Nervosität anzustecken. Ohnehin hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Unauffällig schaute er zu Srinele hinüber. Sie stand vornübergebeugt. Ihre Hände umklammerten die der beiden Pfleger. Offenbar war es in wenigen Tagen zu einer innigen Freundschaft zwischen ihnen gekommen. Heiddru und Eystein hatten einen gleichermaßen beruhigenden wie stärkenden Einfluss auf die Kelsirin, die ihrerseits die Oberhand über Adamicter behielt. Bull bedauerte, dass es keinen anderen Weg gab als die Selbstopferung der Gralsmutter. »Wir nähern uns vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit«, sagte der Pilot, mehr zu sich selbst. »Linearetappe bei Erreichen der StandardMindesteintrittsgeschwindigkeit!«, ordnete Bull an. Bloß keine überflüssige Sekunde vergeuden. lautete die Devise. Er merkte, dass seine Hände schwitzten. und rieb die Handflächen gegeneinander Die Zeit floss träge wie Blei. Als es so weit war, hätte Bull den Übergang in den Linearraum fast verpasst. »Halbe Lichtgeschwindigkeit.« Andersons Stimme klang übermäßig laut, doch wahrscheinlich war das nur Einbildung. Darm tauchte der Kugelraumer in den Linearraum ein. * Sie wurde schwach. Mentale Müdigkeit übermannte sie. Ihr Körper hielt durch. ihr Geist hingegen war ausgelaugt, wie ein verwehender Schemen. Vor ihren Augen entstanden groteske Bewegungen, die Umgebung verschwamm und beanspruchte ihre Konzentration.
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Du machst mir etwas vor. Ich falle nicht darauf herein, wehrte Srinele sich. Adamicter versuchte ihre eigenen Fähigkeiten zu imitieren und gegen sie einzusetzen. Es gelang nur unzureichend, und sie durchschaute seine Absicht. Er wollte ihr Schwäche vorgaukeln, damit sie sich auf etwas anderes konzentrierte und in ihrer Aufmerksamkeit ihm gegenüber nachlässig wurde. Sie presste die Hände zusammen, und der Druck wurde erwidert. Sofort strömte neue Kraft in Srinele. Sie drehte den Kopf und sah nach links. Sonka. Sie sah nach rechts. Arkmund. Die Liebenden lächelten sie an, als ahnten sie mehr, als ausgesprochen wurde. Durch ihre Gesellschaft gaben sie doppelt und dreifach zurück, was die Gralsmutter für sie getan hatte. Ohne ihre Nähe hätte Srinele womöglich bereits aufgegeben. So jedoch sah sie Maugo Bei vor sich, gewahrte das kleine Paradies, in das, davon war sie überzeugt, schon bald die Delfine zurückkehren würden. Eine unsichtbare Kraft zerrte an ihr. Diesmal nicht an ihrem Geist, sondern am Körper Adamicter, der Frequenzgänger, versuchte die Gralsmutter fortzubringen. An Bord dieses Schiffes existierten mannigfache Kanäle, die er benutzen konnte, sofern es ihm gelang, sich in einen davon einzufädeln. So einfach mache ich es dir nicht. Srinele unterdrückte den Drang, den der Parasit in ihr auslöste. Sie unterband den Frequenzsprung mit der neu geschöpften Energie. Ich werde dich töten. Es gelang Adamicter nicht, seinen wachsenden Zorn vor ihr zu verbergen. Ich hätte es gleich tun sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Srinele glaubte ihm nicht. Niemals hätte er sie töten dürfen, ohne gegen den Auftrag TRAITORS zu verstoßen. Inzwischen sah die Sache anders aus, doch ihm fehlten die Mittel, seine Drohung in die Tat umzusetzen. Srinele entdeckte in seinen Vorstellungen, dass er es gnadenlos getan hätte. Er war von Mordlust durchdrungen. Glaubst du etwa, du änderst etwas?, sandte er bösartige Impulse. Die Menschheit ist
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ihrem Schicksal nur vorübergehend entkommen. Niemand widersteht TRAITOR auf Dauer. Wenn Terra fällt und das Solsystem in einer Feuerlohe verweht, werde ich an dich denken, ohnmächtige Gralsmutter ohne Anhang. Die Kelsirin war zu klug, um auf die Stiche' des Psi-Parasiten zu reagieren. Er wollte sie provozieren, aus der Reserve locken. Er ahnte, dass sie an Kraft einbüßte, wenn sie sich von heftigen Gefühlen leiten ließ. »Bald ist es geschafft«, flüsterte sie Sonka zu. »Ich spüre die Blicke von Reginald Bulls Leuten. Sie geben mir die Schuld an der Bedrohung. Es macht mir nichts aus, weil ich weiß, dass sie sich irren, und weil ich das Richtige tue.« »Niemand gibt dir die Schuld.« Heiddru lächelte. »Alle wissen, was du auf dich nimmst, um uns zu retten.« »Du und Arkmund, ihr werdet mich nicht vergessen. Die Delfine auch nicht.« »Ganz bestimmt nicht«, versicherte die Pflegerin. Srinele spürte, dass Adamicter neue Tätigkeit entwickelte. Er drang nicht länger auf ihren Geist ein, sondern kanalisierte seine Kraft in eine andere Richtung. Srinele begriff, was er anstrebte. Da er erkannt hatte und akzeptierte, dass er die Null nicht ins Solsystem. zurückschaffen konnte, wollte er die Verbindung zum Wirtskörper lösen, bevor die Bombe zündete. Es war dir so wichtig, bei mir zu sein. Nun willst du mich einfach so verlassen? Du bist die Mühe nicht mehr wert. Wenn du stirbst, arbeite ich schon wieder an der Vernichtung des Solsystems. Der körperlose Parasit wollte sich davonstehlen. Nein. Srinele sah ihn wie einen blassen Dunst, der zitternd nach dem Ausgang suchte. Sie sammelte ihre Kraft und warf sich auf ihn, deckte seinen Geist zu und hielt ihn fest. Sie war nicht bereit, ihn einfach ziehen zu lassen Adamicter schrie auf, als er erkannte, was geschah. Er schüttelte sich und versuchte
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sie abzuwehren. Srinele klammerte sich an ihn, und der Parasit intensivierte seine Bemühungen. Der unsichtbare Kampf begann von Neuem. * Die LEIF ERIKSSON II fiel zwanzig Lichtjahre abseits des Solsystems in den Normalraum zurück. Auf dem Panoramaschirm war ein sternenarmer Raum zu sehen. »Zielkoordinaten erreicht.« Anderson bremste den 2500-Meter-Riesen ab. Die Ortungseinrichtungen arbeiteten auf. Hochtouren. Shabor Mellis Fingerkuppen huschten über die Bedienungselemente. Der kräftige Mann mit dem rotblonden Haar wirkte hektisch. Seine geflochtenen Zöpfe flogen hin und her. Der oberflächliche Eindruck täuschte, denn jeder Handgriff des Oberstleutnants saß. »Die nächste Sonne ist mehrere Lichtjahre entfernt«, meldete er. »Die Ortung erfasst keine Traitanks. Der Raumsektor ist sauber.« Bull nickte zufrieden. Mochte die Sprengkraft auch noch so gewaltig sein, hier draußen konnte BARDIOCS Null nicht viel Schaden anrichten. Sie würde praktisch nichts in den Hyperraum reißen. Nur die Gralsmutter und den Staub zwischen den Sternen. THERMIOCS Hilfe würde verpuffen. »Keine Traitanks?« Srinele trat zu Bull. Nach wie vor wirkte sie. geschwächt, doch in ihren Augen lag ein entschlossenes Funkeln. »Hast du dein Versprechen vergessen?« »Es gab kein Versprechen«, wehrte Bull ab. »Nenn es eine kleine Notlüge, wenn du willst.« »Was bedeutet das? Du hast Srinele belogen«, zischte Sonka Heiddru angriffslustig. »Für das, was sie auf sich nimmt, hat sie eine Gegenleistung verdient.« »Keine Gegenleistung, die wir nicht bringen können.« Bull sah die Gralsmutter beschwörend an. »Natürlich könnten wir
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BARDIOCS Null benutzen, um einige tausend Traitanks mit in den Untergang zu reißen, wie du es gefordert hast. Aber das wäre ein sinnloses Morden und weder die Art der Menschen noch die THERMIOCS.« Srinele starrte ihn an. »Du kannst dir nicht vorstellen, was sie mit mir gemacht haben. Sie ...« »Ich kann es mir sogar sehr genau vorstellen.« Bully dachte an sein Patenkind, den längst erwachsenen, unsterblichen Michael Reginald Rhodan, genannt Roi Danton. Er war der Kolonne in die Hände gefallen und zu einem Dual verschmolzen worden, einer Abscheulichkeit in körperlicher wie moralischer Hinsicht. Er war zum Feind der Milchstraße geworden - oder es hatte zumindest so ausgesehen, denn beim Tod des Duals stellte sich heraus, dass die Danton-Hälfte nicht mehr und nicht weniger war als eine perfekte Kopie. Wo Danton sich derzeit aufhielt und was die Kolonnen-Anatomen und -Motivatoren mit ihm anstellen mochten ... Der Unsterbliche spürte, wie es ihn eiskalt überlief. »Aber wir werden uns nicht auf eine Stufe mit jenen begeben, die wir bekämpfen, denn dann haben wir uns selbst verloren. Wir beteiligen uns nicht an einem Massaker. Ich bitte dich, Gralsmutter, horche in dich hinein. Ich glaube nicht, dass du mit deiner letzten Tat so viele unschuldige Tote auf dein Gewissen laden willst.« »Sie sind nicht unschuldig«, beharrte Srinele. Dann löste sie unversehens ihre Hand aus Eysteins und legte sie auf Bulls Schulter. »Dennoch habe ich kein Recht, die Wehrlosen zu töten. Ich danke dir, dass du mich vor diesem Fehler bewahrt hast.« »Hast du Adamicter unter Kontrolle?«, fragte Sonka. »Er sträubt sich, weil er weiß, was ihn erwartet. Ich habe meine verbliebenen Kräfte für den letzten Gang gebündelt. Ich halte stand.« Srinele schloss die Augen und krümmte sich. »Trotzdem sollte ich schnell gehen.« »Eine Rettungskapsel steht für dich bereit. Ich bringe dich persönlich dorthin.«
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Rettungskapsel. Was für ein verlogener Begriff, wenn man bedenkt, wofür sie eingesetzt wird. Uns Zurückbleibende rettet sie, die Kelsirin hingegen... »Danke, Reginald Bull.« Srinele drückte ein letztes Mal die Hände von Heiddru und Eystein. »Ich verabschiede mich von euch, stellvertretend. für das Aquarium Maugo Bei, das meiner kurzen Rückkehr ins körperliche Leben Sinn gab.« Bull fühlte sich wie auf glühenden Kohlen und trat von einem Fuß auf den anderen. Er verdrängte die sechs Gramm Psi-Materie aus seinem Kopf, auch die stabilisierenden Mikro-Feldschirme, die jeden Moment automatisch abgeschaltet werden konnten. »Gehen wir«, befahl er tonlos. Als Srinele ihm folgte, ließ sie sich von ihrer körperlichen Schwäche nichts anmerken. Energisch hielt sie sich an seiner Seite, bis sie in die startbereite Rettungskapsel stieg. Sie sagte kein weiteres Wort. Stumm ließ sie die Ausschleusung über sich ergehen, allein mit sich und dem Parasiten in ihrem Kopf. Fröstelnd wandte Bull sich ab und hastete zurück in die Zentrale, wo Knut Anderson den Kugelraumer mit Höchstwerten beschleunigte. Die ProtonenstrahlImpulstriebwerke trugen das Schiff von BARDIOCS Null und seiner Trägerin fort. Wie weit wirkte die Bombe, wenn sie zündete? Der Pilot hatte eine Linearetappe von drei Lichtjahren programmiert. In sicherer Entfernung zu der ausgeschleusten Raumkapsel ging die LEIF ERIKSSON II in Warteposition. * Es war Srinele schwergefallen, sich von den beiden Terranern zu trennen, die sie zusammengeführt hatte. Sorgen machte sie sich nicht um Sonka und Arkmund, denn sie war überzeugt, dass die beiden ihren Weg von nun an allein gehen konnten. Sie brauchten nicht länger jemanden, der sie anstieß. Die eingeleitete Entwicklung verselbstständigte sich, im besten Fall ein Leben lang.
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Srinele empfand Stolz. Ein letztes Mal hatte sie gehandelt wie eine Gralsmutter, die sich um die Kinder des Dorfes kümmerte. Allein die Auffrischung dieser Erfahrung hatte den Flug in die Milchstraße gelohnt. Dass die eigentliche Mission gescheitert war, hatte damit nichts zu tun. Ihre Kräfte erlahmten zusehends. Noch reichten sie aus, Adamicter in die Schranken zu weisen. Die Vorstellung, dass ihm in letzter Sekunde die Flucht gelang, während sie starb, bereitete ihr körperliches Unwohlsein. Der Parasit stemmte sich mit aller Macht gegen das drohende Verhängnis. Seine lautlose Stimme entfachte einen Orkan. Er schimpfte, fluchte und tobte, um sich aus der geistigen Umklammerung, die ihn unerbittlich hielt, zu befreien. Du bleibst hier, übermittelte die Kelsirin leidenschaftslos. Ich bin dir überlegen und halte dich fest, wie es sich für eine Gralsmutter geziemt. Du irrst dich, wenn du das glaubst. Ich werde dich vernichten. Die Null wird mich vernichten und dich mit mir Adamicter schrie, rasend vor Zorn. Srinele ließ ihn wüten, ohne einen Deut nachzugeben. Letztlich hatte sich alles zu einem halbwegs versöhnlichen Ende entwickelt. Das Solsystem war weit weg, die LEIF ERIKSSON ebenfalls. Die Null konnte ihnen nichts haben. Draußen war nur die Schwärze des Raums, unterbrochen von Myriaden winziger Lichtpünktchen, die wie die Lichter von Tiefseefischen in den finsteren Bereichen des Meeres leuchteten. Srinele genoss den Anblick, so gut es ging. Denn sie musste aufpassen, durfte sich nicht zu sehr ablenken lassen. Adamicter war stark, und die Verzweiflung peitschte ihn zu unermüdlichen Attacken. Einmal hielt er sich minutenlang zurück, spielte den Arglosen und tat so, als füge er sich in sein Schicksal. Dann unternahm er einen umso wütenderen Ausbruchsversuch. Srinele war darauf vorbereitet, trotzdem
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gelang es ihm fast, sie zu überwinden und eine Lücke zu schaffen, durch die er schlüpfen konnte. Der stumme Kampf wurde heftiger, je länger er andauerte. Die Kelsirin besaß den Vorteil, dass ihr der bestehende Zustand ausreichte. Sie brauchte keinen weiteren Schritt zu tun, nur noch ein kleines Weilchen durchzuhalten. Wie lange?, fragte sie sich. Die Kollektoren waren geflutet, randvoll. Srinele sehnte den Augenblick herbei, da die Feldschirme sich abschalteten. Ihre geistigen Reserven waren erschöpft. Viel Widerstandskraft blieb nicht. Etwas geschah, was sie noch nie erlebt hatte. Eine elementare Erkenntnis bohrte sich in ihren Geist. Es war so weit. Sie hatte keine Erklärung, woher ihr das Wissen zufloss. Es war einfach da. Adamicter merkte es ebenfalls. Er verstummte, wie vor Todesahnung erstarrt. Dann setzte er zum Sprung gegen seine Unterdrückerin an. Bis zuletzt begriff er nicht, wie es ihr gelungen war, ihn zu überwinden und die Vorzeichen zu verkehren. Alles, was ihm an Kraft verblieben war, entlud sich in einem letzten Aufbäumen. In verzweifelter Panik schlug er körperlos um sich, um aus dem selbst gewählten Gefängnis zu entkommen, das unerwartet zur Todeszelle geworden war. Jetzt!, schrie er. Jetzt gehe ich, Gralsmutter Und es ist auch deine letzte Chance! Nein. Stoisch und entschieden. Mehr gab es nicht zu sagen. Auch sie würde nicht gehen, sich nie mehr mit THERMIOC vereinigen können, wenn sie ihren Plan zu Ende führte. Ihre Essenz würde sich nicht in Sicherheit bringen und zugleich Adamicters Vernichtung sicherstellen können. Das war ihr Opfer, und sie akzeptierte es. Die Mikrofeldschirme kollabierten, der Inhalt der Null destabilisierte sich im Bruchteil einer Sekunde. Srinele nahm das Ende mit wachen Sinnen wahr, ihr eigenes ebenso wie das des Parasiten. Adamicter war verblüfft. Bis zuletzt hatte er gehofft, sie würde die Umklammerung
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in letzter Sekunde lösen, um ihren Geist in Sicherheit zu bringen. Sie tat es nicht. Adamicter schrie in Todesangst auf. Und starb. Gralsmutter Srinele lächelte und schloss die Augen zu ewiger Ruhe. Mit einem Blitz, der den Weltraum taghell erleuchtete, erlosch ihr Geist. Epilog »Du liebe Güte!«, entfuhr es Ranjif Pragesh, der wieder im Kommandantensessel Platz genommen hatte. Er schaute zu Knut Anderson hinüber. »Bist du sicher, dass du uns drei Lichtjahre weit weggebracht hast und keine drei Lichtminuten?« »So sicher, wie ich bin, noch niemals einen solchen Knall miterlebt zu haben«, bestätigte der Zweite Offizier mit dem sommersprossigen Gesicht. Seine dünnen Lippen bebten beim Anblick der Vernichtungsorgie, die TRAITOR dem Solsystem zugedacht hatte. Anhand der Übertragung auf dem Panoramaschirm konnte man wirklich auf die Idee kommen, sich in unmittelbarer Nähe des ausbrechenden Chaos aufzuhalten. Unterwegs hatten die Techniker in regelmäßigen Abständen Schwärme von Sonden ausgesetzt, um von jeder Phase der Vorgänge Aufzeichnungen zu erhalten. Die Sonden, die der Explosion am nächsten gewesen waren, fielen auf einen Schlag aus, als BARDIOCS Null zündete. Von der zweiten Staffel sendete immerhin die Hälfte. Reginald Bull las die eingehenden Daten von einem Holoschirm ab. Srineles Ankündigung war nicht übertrieben gewesen. BARDIOCS Null riss den Weltraum über Lichtmonate hinweg auf. Nichts, was sich in der Nähe der Explosion befand, wurde verschont. Die Kelsirin im Leerraum fernab des nächsten Sonnensystems auszusetzen war die einzig richtige Entscheidung gewesen. »Nicht auszudenken, wenn das im Solsystem geschehen wäre«, flüsterte Tako
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Ronta. Wie die. meisten Offiziere hielt sich der Erste Offizier in der Zentrale auf. Der Kommandant hatte die erwartete Katastrophe zum offiziellen Anschauungsunterricht für die Führungskräfte erklärt. Bull schluckte einen imaginären Kloß die Kehle hinunter, als der gewaltige Blitz erlosch und die Sekundärerscheinungen in den Vordergrund traten. An jeder Stelle des Panoramaschirms zeigten sich andere Phänomene, die in ihrer Gesamtheit nur erahnen ließen, welche Kräfte in drei Lichtjahren Entfernung entfesselt wurden. An den Instrumentenpulten brach hektische Aktivität aus. Reihenweise flammten zusätzliche Holos auf, um sämtliche eingehenden Daten zeitnah anzeigen zu können. Meldungen wurden durcheinandergerufen, ungläubige Kommentare ausgetauscht. Bull ließ das nur für einen unbeteiligten Beobachter als solches erscheinende Durcheinander stumm über sich ergehen. »Der Hyperraum ist an einem Dutzend Stellen perforiert«, erklärte der Hyperphysiker Sackx Prakma. »Multiple Aufrisse. Dort finden Wechselwirkungen zwischen normalem Raum-ZeitKontinuum und der fünften Dimension statt. Gewaltiger Energieabfluss in den Hyperraum.« »Würde Materie in ausreichender Dichte dem standhalten?« »Sicher nicht. Stellt euch einfach vor, eine ganze Phalanx von 1000-GigatonnenFusionsbomben würde in einer Reihe vor der Fassade des bei euch so beliebten Loch Lomond Clubs in Atlan Village gezündet. Die Effekte da draußen in Relation zu einem Sonnensystem sind vergleichbar.« »Übertreib nicht«, winkte der Swoon Szam-Soon ab, der mit einem Miniabsorber ausgerüstet auf einer Konsole hockte und die Werte der ausbrechenden Hyperstürme betrachtete, die im gesamten Raumsektor tobten. »Von Übertreiben kann keine Rede sein«, verteidigte sich der leicht untersetzte Olympgeborene. »Wir reden hier von der
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milliardenfachen Energieabgabe solcher Bömbchen.« Bei dieser Leistung waren die Hyper- und Psi-Stürme kein Wunder. Fasziniert beobachtete Bull den Verlauf der Aufrisslinien, viele Millionen Kilometer langer Übergänge. Hinter einigen glomm es bedrohlich rot, als schaute man direkt in die Hölle. Was dort hineingeriet, verschwand für alle Zeiten. So dicht lagen Schönheit und Zerstörung beieinander. Die übergeordneten Dimensionen griffen mit Gewalten nach dem Standarduniversum, denen selbst die mächtigsten Raumschiffe der Menschheit niemals gewachsen wären. Die unüberschaubare Flut eingehender Daten wurde in die Positronik geleitet. Schon nach wenigen Sekunden hafte Bull es aufgegeben, aus der Flut an Zahlen, Daten und Algorithmen schlau werden zu wollen. Dazu bedurfte es Zeit, einer Reihe Positroniken und eines ganzen Rudels Spezialisten wie Hyperphysiker, Kontinuumsexperten und AlphaMathematiker. Die Hyperstürme tobten unvermindert. Strukturrisse im Raum, die die Dimensionen miteinander verbanden, schlossen sich willkürlich und entstanden an anderer Stelle neu. An Nordlichter erinnernde Erscheinungen huschten über die Peripherie der Aufrisse, aus denen planetengroße Elmsfeuer tropften. Bull winkelte den Arm an. Keine zwei Minuten waren vergangen, registrierte er verblüfft. Die n-dimensionalen Phänomene verstärkten sich noch und überlasteten ein paar Orter. In unmittelbarer Nähe des Chaos wäre längst die Hälfte der Maschinen durchgegangen, selbst bei aktivierten Paratrons und mehrfach gestaffelten HÜ-Schirmen. »Was ist das denn?«, fragte Szam-Soon beim Anblick einer diffusen, in ständiger Bewegung begriffenen Wolke. Sie illuminierte grüne und blaue Lichtschauer, die verschwommene Umrisse und unkenntliche Silhouetten umschmeichelten. Oszillierend dehnte sie
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sich abwechselnd aus und zog sich wieder zusammen. »Steckt womöglich etwas im Inneren der Wolke?«, riet Knut Anderson. »Vielleicht ein Raumschiff aus einer anderen Dimension? Wäre ja nicht das erste Mal ...« Bull kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was fernab der Aufrisse entstand. Nein, da war nichts. Prakmas nächster Kommentar bestätigte ihn darin. »Da rasen energetische Schockfronten aufeinander zu. Raumbeben, aber keine große Nummer. Da könnten wir gemütlich mit. der ERIKSSON durchfliegen.« »Wir behalten unsere Position bei«, stellte Pragesh klar. »Nur damit hier keiner auf irgendwelche dummen Gedanken kommt.« Weitere zwei Minuten später zeichnete sich ab, dass das Hyperchaos sich allmählich beruhigte, die optischen Effekte flauten ab. Die n-dimensionalen Energien tobten noch eine Weile weiter, wurden aber bald merklich schwächer. In der Zentrale kehrte allmählich Ruhe ein. »Inzwischen dürfte auch der Letzte begriffen haben, was um Haaresbreite mit dem Solsystem geschehen wäre«, nutzte der Residenz-Minister die Gelegenheit. um an den Opfergang der Gralsmutter zu erinnern. »Wenn sie nicht Adamicter besiegt und sich anschließend gestellt hätte, wäre auch das letzte Molekül des Solsystems im Hyperraum verschwunden und von den Dimensionen aufgesaugt worden.« Sonka Heiddru nickte ihm dankbar zu. Sie und Arkmund Eystein saßen schüchtern in zwei Sesseln, überfordert von den Geschehnissen, in die es sie verschlagen hatte. Sie verhielten sich tapfer, so. wie es seit dem Erscheinen der Terminalen Kolonne viele Menschen taten. Terra darf nicht fallen!, hatte der Nukleus als Parole ausgegeben, und wenn man die Menschheit beobachtete, ihr Verhalten in der Krise, dann konnte man aus der Forderung beinahe eine Feststellung machen: Terra wird nicht fallen.
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»Das war es dann wohl«, sagte Ranjif Pragesh in seine Überlegungen hinein. »Ob THERMIOC erfährt, was hier heute geschehen ist?« Eine gute Frage, fand Bull. Er nahm es an. Der Verbund aus Kaiserin von Therm und BARDIOC war über die Vorgänge in der Milchstraße informiert und würde es weiterhin bleiben. Ob er es wagen konnte, ein weiteres Mal Hilfe zu entsenden. stand auf einem anderen Blatt. Wenn TRAITOR auf die unliebsame Einmischung von THERMIOC reagierte, mochte sie bald genügend eigene Probleme haben... »Wenn, dann kommt die Superintelligenz hoffentlich nicht auf die Idee, uns noch einmal Hilfe zu schicken«, beschwerte sich jemand. »Man sieht ja, wohin das führt. Diese ganzen höhergestellten Wesen sollen uns einfach unser Leben leben lassen.« Ein frommer Wunsch, den Bull selbst ja ebenfalls schon gehabt hatte. Und der vollkommen unrealistisch war, wie er sehr genau wusste. Bei ihrem Aufbruch ins Weltall war die Menschheit davon ausgegangen, mit anderen Völkern konfrontiert zu werden, was auch schnell geschehen war. Niemand hatte vorhersehen können, dass alles im Multiversum bis hinauf zu den Hohen Mächten wie Kosmokraten und Chaotarchen zusammenhing. Wer wäre jemals auf die Idee gekommen, sich die Existenz von Kosmonukleotiden oder des Moralischen Kodes vorzustellen, von Materiequellen und -senken und den unbegreiflichen Wesenheiten, die sich daraus entwickelten? Im Grunde überstieg eine Negasphäre menschliches Vorstellungsvermögen, und doch sahen sich die Terraner wie die anderen Völker in der Milchstraße und Hangay damit konfrontiert. Zuweilen wünschte der Residenz-Minister für Verteidigung sich zurückversetzt zu den unbeschwerten Tagen, da er an Bord der STARDUST zum Mond aufgebrochen war. Ein Abgrund von 3000 Jahren lag dazwischen. Das Rad der Zeit ließ sich nicht zurückdrehen, und Bull bezweifelte, dass das wünschenswert gewesen wäre.
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»Inzwischen dürfte die Kolonne auf die Explosion aufmerksam geworden sein.« Er gab dem Kommandanten ein Zeichen. »Verschwinden wir von hier, bevor die ersten Traitanks den Raumsektor unter die Lupe nehmen. Wir fliegen zurück zur Erde.« Sein Blick ging ins Ungewisse, als die LEIF ERIKSSON II den Rückweg ins Solsystem antrat. Bei den dramatischen Ereignissen der letzten zwölf Tage hatte er etwas verdrängt, was Srinele gesagt hatte.
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Nun waren die schicksalhaften Worte wieder da und gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Ihr werdet einen Verbündeten opfern müssen, der euch über Tausende Jahre hinweg ein treuer Freund war. Traf die Prophezeiung zu? Und wenn ja, welcher treue Freund war gemeint? Insgeheim fürchtete Reginald Bull sich davor, eine Antwort auf diese Fragen zu erhalten. Doch auch ihr konnte er auf Dauer nicht aus dem Weg gehen.
ENDE