Helzel+ heimelige Heftlektüre Heft 9 ãõ
Aus meiner Stromzeit 1 oder:
Wie ic in Karl+ruhe Elektrotecnik #udierte, Teil 1. Mit 1 Abb. im Text.
Von
Gerhard Helzel cand. phil., Dipl.-Ing.(TH) 1. Auœage
Hamburg MMI P Edition ROMANA Hamburg
Textscrift: Scrift der Karl-MayFehsenfeld-Au+gaben; Überscriften in der Fetten modernen Midoline (Fette Ba#ard), Titel: Moderne Kirçengotisç (Pƒeil-Gotisç). Farbtitel: Da+ Karl+ruher Scloß um 1800, Ölgemälde von Carl Kun¿.
© A¬e Recte vorbehalten.
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1. Anfang in Karl+ruhe.
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it der Zeit wird der Mensc klüger. Auc mein Vater sah da+ später ein, konnte aber nict+ mehr ändern. Er erlaubte mir nur, die UniverÍtäten Darm#adt und Karl+ruhe anzuscreiben, wa+ ic aber nict wo¬te. So tat er da+ einfac für mic. Beide nahmen mic an. Da ic mic irgendwie entsceiden mußte, obwohl ic die beiden Städte eigentlic gar nict wo¬te, sucte ic mir dann doc Karl+ruhe au+. Vater mußte mir dann auc noc eine Studentenbude au+sucen. Er fand ein Zimmer bei einer etwa 70jährigen Witwe namen+ W. in der HübscStraße. Die Witwe wohnte dort mit einer etwa gleicaltrigen, ledigen Scwe#er in einem romantiscen alten Miet+hau+ au+ der Zeit der Jahrhundertwende im Hau+ Nr. 11, beinahe direkt an der Kreuzung mit der dortigen Haupt#raße, der Krieg#raße. Vater scwärmte: „E+ gibt im Zimmer sogar warme+ Wa‚er!“ Nacdem Vater wieder nac Ludwig+hafen zurüqgekehrt war, fuhren wir mit der ganzen Familie, Vater, Mutter, meiner Scwe#er Elke und mir, nac Karl+ruhe, damit ic mic dort einricten so¬e. E+ war ein scöner, sonniger Sonntag. Eine hohe, alte, grüne Birke #and im kleinen Vorgarten zum Bürger#eig hin, durc den man ging, um dann durc eine gescmaqvo¬e alte Hau+tür und ein hölzerne+ Treppenhau+ zum zweiten Stoq zu gelangen, wie die Scwe#ern wohnten. Ein hoher, geräumiger Raum, wie in Altbauten üblic, mit einer Stuqdeqe, die lediglic durc eine nacträglic eingebaute Wa‚erleitung, die zu einem Wascbeqen führte, unterbrocen war. Ein frei im Raum, aber mehr zu der von der Tür au+ link+ gelegenen Wand hin, #ehende+ Bett, rect+ ein Sofa, da+ 3
vor einer #i¬gelegten Tür #and, die früher in den Wohnraum der beiden alten Damen geführt hatte, ein kleiner Tisc mit einer scönen Tiscdeqe davor, und link+ von der Eingang+tür ein großer Kleiderscrank, da+ war der er#e Eindruq, den ic mitbekam. Im Rahmen der #i¬gelegten Tür, vor der da+ Sofa #and, waren Regale für Bücer angebract, die ic mit meinen eigenen Bücern belegen würde. Die sehr sclanke, hocgewacsene Frau W. #ammte, wie Íe erklärte, wie auc ihre Scwe#er au+ We#falen, genauer gesagt au+ dem Sauerland, und sprac ein klare+ Hocdeutsc, wie ic e+ bei meinen Eltern nie gehört hatte, so daß ic hierüber erfreut war. Sie erwähnte, daß der Vormieter ein türkiscer Student gewesen sei, worauf meine Scwe#er treffend meinte, e+ hätten Íc also türkisce Scweißfüße auf meinem Sofa gereqt! Ic hatte bei ihren Worten deutlic ein Gefühl, e+ würde Íc hierbei auc kein Mädcen mehr auf diesem Sofa be∆uem macen, weil e+ doc #ändig von einem Mann benu¿t wurde. Die WascgeleenDa+ Hau+ Hübsc#r. 11, Winter
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(Bli¿lictaufnahme vom Autor)
heit war übrigen+ dann doc ohne warme+ Wa‚er. Lediglic dadurc daß da+ oben an der Deqe verlaufende Wa‚errohr da+ Wa‚er wenig#en+ auf gute Raumtemperatur erwärmte, konnte ic mic einigermaßen wascen. Dann gingen wir in die gegenüberliegenden Ga##ätte e‚en. Eine junge Ke¬nerin bracte die Suppe, Íe #olperte etwa+, und die Suppe spri¿te auf meine gute Hose! E+ brannte, ic scüttelte den Kopf und war entse¿t. Die Ke¬nerin sagte ganz besorgt: „Wenn ein Fleq an der Hose bleibt, sciqen Sie un+ die Recnung!“ So øng der er#e Tag in Karl+ruhe an. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand Íc eine evangelisce Kirce. Sie hatte sehr laute Kircengloqen, die un+ am Sonntagmorgen früh weqten. Ic hatte aber eine gewi‚e Abneigung gegen die Kirce, da wir wegen ihr unsere gleicaltrigen Mädcen nur ein paar Minuten, nämlic bei der Konørmation, gesehen hatten. Nur, daß die Theologie mir auc nict geøel, la‚e ic hier weg und gehe später mehr darauf ein. Am Abend mußte ic a¬ein zurüqbleiben. Mein Vater sagte, und grin#e: „Du wir# doc hier nict etwa Urlaub macen, sondern ic wi¬, daß du #udier#.“ Ic war sehr unglüqlic, sagte: „Ja, ja“ und scluqte a¬e+ in mic herein, und verdankte dem #rengen Vater nun jeden Tag A¬einsein. Ic #e¬te mir eine Photographie meiner Flamme Karen auf mein Nactscränkcen, auf welcer Íe ein engelhafte+, einmalige+ Läceln zeigt, und wie ic heute meine, bin ic zutief# vergraben gewesen in eine Plaqerei, die gar nict+ bracte. Da ic aber den gewi‚en Ehrgeiz hatte, die neue Studienzeit hinter mic zu bringen, wo¬te ic nict fehlen, nahm also a¬e+, wa+ der Vater wo¬te, al+ sciqsal+hafte, #rafähnlice Zeit. Und meinen leict alber5
nen Bliq auf diese seltene Photographie gerictet _ denn da+ so engel+reine, himmlisce Läceln galt mir nict, sondern einem anderen _ versucte ic jeden Abend einzusclafen. Neben meiner Wohnung in der Hübsc#raße befand Íc ein kleiner Leben+mitte¬aden. Da kaufte ic nun ein. Ic glaube, e+ war da+ er#emal, daß ic einkaufte. Früher hatte meine Mutter nie gemoct, daß ic einkaufte, und ic hatte e+ auc nict gemoct, weil ic den Ludwig+hafener Dialekt nict rect ver#and. Nun mußte ic einkaufen, und ic mußte e+ nun immer a¬eine. So mußte ic mic auc daran gewöhnen, einen Wagen oder Einkauf+korb zu verwenden, und die vielen Dinge zu bedenken, die ic braucte. Da ic von nun an getrennt von meinen Eltern wohnte, wo¬te ic mir einmal eine kleine Flasce Scnap+ kaufen; für eine große Flasce hatte ic kein Geld. Ic hatte nämlic bei den Eltern noc nict Scnap+ trinken dürfen, so wo¬te ic diese+ Getränk einmal au+probieren. Da øel mir auf einmal die Flasce auf den Boden, zersce¬te. Der Verscluß war nict fe# angezogen gewesen, wa+ ic nict hatte wi‚en können. Ic zahlte die kleine Flasce tro¿dem, sowie eine neue, weil ic zu scüctern war, meine Unsculd an dem Pec zu benennen. So geht e+ öfter, viele Menscen la‚en Íc zu viel gefa¬en. Mir ging e+ oft so, daß ic mic nict genügend wehrte. Wie ic weiß, werden mance Leser meinen, die Eltern hätten doc Rect, da Íe mehr Erfahrung und Leben+wei+heit besäßen. Da aber der eine Großvater Kun#erzie her, der andere Arcitekt war, ver#and ic, daß mein Vater mic ∆uälen mocte, um nacher nict Sculd daran zu sein, daß ic Geldmangel hätte. Daher hatte ic immer nur Geldmangel! 6
Da ic noc sehr unreif war, fuhr ic am Freitag immer mit dem Zug zu meinen Eltern nac Ludwig+hafen. Dort war ic sehr gern wi¬kommen, hatte aber sehr viele Sorgen, da ic nie mehr in Ludwig+hafen ein Mädcen kennenlernte. Am Sonntagabend fuhr ic wieder zurüq. Meine Eltern besorgten meine Wäsce, und immer bekam ic viele Leben+mittel mit. Der Vater wo¬te, daß ic immer besonder+ gut e‚en so¬te und gab mir extra noc etwa Geld für E‚en mit, wa+ ic aber nict rect ver#and, da ic wegen meiner Flamme, die mic ja abgewiesen hatte, beim E‚en gar nict froh wurde, und daher bescloß ic, die Geldzugaben lieber für meine Steqenpferde wie Photographie, Filmen, tecnisce+ Ba#eln und Bücer zu sparen. Wenn e+ bei ihm gute Laune gab, sagte er immer zum Abscied: „Und iß wa+ Ordentlice+.“ „Ja, ja,“ sagte ic und log. Seeliscen Kummer ver#and Vater bei mir nict, er war dazu viel zu alt, und sein rect einfacer materiali#iscer Leben+horizont veranlaßte mic oft zum Leugnen meiner Gefühle, die rect ander+ waren al+ bei ihm. Der er#e Winter in Karl+ruhe war romantisc. Sehr viel Scnee øel, so viel hatte ic in Ludwig+hafen nie erlebt. Ic fuhr mit der Albtalbahn in da+ verscneite Bad Herrenalb; eine wundervo¬e Winterlandscaft mit hohen, wie mit Puderzuqer be#äubten Ficten und Tannen erwartete mic. Da wanderte ic und photographierte, aber ic vermißte viel, nämlic eine Freundin. Der sehr aufregende weihnactlic anmutende weiße Scnee #ac tief in+ Herz hinein, weil ic sehr einsam war. Kein Sclittenfahren, kein Scneeba¬werfen, kein Rangeln im Scnee, da+ war doc langweiliger al+ ic wo¬te, a¬e+ nur für ältere Leute wie meine Eltern, die freilic zu Hause in Ludwig+hafen geblieben waren, aber nict für 7
mic. Auc eine seltene Bli¿lictaufnahme mit dem VW meine+ Vater+ ent#and in diesem er#en Winter in Karl+ruhe. Frau W. hatte noc einen weiteren Untermieter, der Íc nict für Mathematik, sondern für Jura interesÍerte; er hatte bereit+ den Doktortitel darin. Zur UniverÍtät mußte ic mit der Straßenbahn fahren. Sie kam von der Endhalte#e¬e „Kühler Krug“, ein neuer gelber secsacÍger, sehr breiter Triebwagen. Meine Halte#e¬e hieß „Hübsc#raße“. Wenn ic an dieser wartete, freute ic mic #et+ auf die Straßenbahnfahrt. Jämmerlice Dinge spielten Íc dann ab, wenn ic an der Halte#e¬e warten mußte. Öfter war ic in einer sehr melancoliscen, gedrüqten Stimmung, war doc meine kleine Karen weit weg, wie ic dace, in Hamburg. Ic hätte so gern die Hamburger Straßenbahn benu¿t, wäre zu ihr oder eher in ihre Gegend gefahren. Da+ konnte ic nun nict, mein Vater hatte e+ mir nict erlaubt. Al+ ic da+ er#emal dort Auf#e¬ung nahm, tat Íc ein Scoq vor mir auf: Ic wähnte auf einmal, ic sei ein alter Mann, ein Grei+, und die+ Gefühl sprang mic an wie ein Tier. So empfand ic da+, aber angetan mit meiner rein materiali#iscen und gotte+fernen Erziehung (meine Eltern hatten nie von Gott gesprocen) vergaß ic später darauf und nahm a¬e+ al+ Gaukelei. Wie erscrak ic später, al+ ic in einem bekannten Scubert-Lied da+ Gedict Wilhelm Mü¬er+ über den unglüqlic verliebten Jüngling hörte: „... er meinet gar, ein Grei+ zu sein“. So i# e+ also anderen vor mir auc gegangen. Wahr i#, daß aber meine Hoƒnung, einmal zu meiner Flamme mit der Straßenbahn hinfahren zu können, nict mehr in Erfü¬ung ging, weil Íe dann einge#e¬t wurde, genau einen Tag bevor ic nac Hamburg kam. So konnte ic 8
Wilhelm Mü¬er be#ätigen. Und da+ Mädcen war vö¬ig ohne Liebe zu mir.
2. Profe‚or ,Strubi’ und Co.
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c belegte, wie e+ im er#en Seme#er Vorscrift war, zunäc# Höhere Mathematik, PhyÍk und Chemie. E+ war scwer, wie die ab#rakte Theorie von uninteresÍerten und mir nict näher sympathiscen Dozenten vorgetragen wurde. E+ war so, daß der sympathisc#e ein Ö#erreicer namen+ Strubeqer war, scon an der PenÍon+grenze, grauhaarig, rect an#ändig, da er die Vektoren in deutscer Screibscrift scrieb, und besonder+ betonte, daß wir Sci¬er und Goethe ja nict lesen könnten, wenn wir die deutsce Screibscrift nict könnten. Aber mit der grieciscen Sprace hatte er nict so viel zu tun, denn der Buc#abe
hieß bei ihm #et+ . Wer aber den Buc#aben bei ihm noc nict kannte, mußte ihn auc nict lernen, da <Strubi’, wie wir ihn nannten, Íc gar nict er# bemühte, den Buc#aben genau zu erklären. Er fand e+ besonder+ leict, mit der Kreide an der Tafel einen Versuc zu ge#alten, den Buc#aben irgendwie einzuscüctern, indem Strubi anøng, viele Kringel von oben nac unten aneinanderzuse¿en, we+wegen e+ geradezu den Verdact gab, er wo¬e etwa+ Frühsport treiben. Bald lacten wir, wenn der Buc#abe dran war und hoƒten, daß der lu#ige Profe‚or den Versuc, den Buc#aben so sclampig zu ge#alten, endlic bereuen würde, indem er die Kreide abbrac und auf den Boden au+rutscte. Einmal lacte man, weil er un+ riet, wir müßten 9
sogenannte+ kaufen. Da+ war un+ rect bi¬ig, da wir so scon genug Potenz gehabt hätten, fa¬+ nur Mädcen unter den Hörern gewesen wären. Die gab e+ aber nict. Er war ein Genie, da+ mehrere Bücer über die Mathematik verfaßt hatte. Wer diese nict besaß, konnte nict folgen. Also kaufte ic Íe mir. Einmal ging Prof. Strubeqer auf un+ genauer ein, indem er riet, wir so¬ten jede Stunde genau nacarbeiten und die Vorlesung nict etwa wie eine Tragödie an un+ vorüberziehen la‚en. Leider war ic ja gar nict in der Lage einzusehen, wozu diese Mathematik gut sein so¬te, da Íe mit dem Fac Elektrotecnik nict+ zu tun hatte, wie ic meine. Der Profe‚or selb# hatte aber auc sehr wenig Lu#, un+ die troqene Mathematik lebendig zu macen, denn er ging scne¬ und mit wenig Sinn für praktisce+ Denken voran. Später habe ic ihn in einer freiwi¬igen Vorlesung für Fortgescrittene erlebt, wo er beinahe jede Kleinigkeit au+führlic wiederholte, da bei dieser freiwi¬igen Veran#altung keine Prüfung möglic war. Da war er nett, und ein ganz anderer. Da die Mathematik#unde um 8 Uhr ç.t. anøng, war ic #et+ nict au+gesclafen. Ic ärgerte dafür die Scwe#er der Hau+frau, die Íc nict erklären konnte, wieso auf einmal um 7 Uhr der Teeke‚el pøƒ. Nacdem Íe aber sclau errecnete, daß ic der Übeltäter sein mußte, da ic so früh zur Vorlesung ging, nahm Íe mir die Pfeife de+ Ke‚el+ weg und drohte: „Bitte verwenden Sie den Teeke‚el nur ohne die Pfeife, mir i# nämlic von früher bekannt, daß jemand mic immer damit aufweqte.“ Ic #immte freudig zu, war e+ doc von dem blöden Trottel sehr unfein gewesen, die arme alte Dame so früh aufzuweqen. Aber auf einmal _ o Screq _ da øel e+ mir 10
Íedend heiß ein: ic selb# war ja der Trottel gewesen, der den Teeke‚el hatte morgen+ pfeifen la‚en! Façit: Wir scimpfen oft auf andere, ohne daß wir merken, wie wir selb# Fehler macen! Mit einigen weiteren Sculkameraden au+ meinem Ludwig+hafener GymnaÍum, die auc Elektrotecnik #udierten, war ic noc in Kontakt, und diese waren freundlic. Der eine hieß Beqer, der andere Defren. Dieser meinte übrigen+, er könne Íc nie vor#e¬en, daß die Wiedervereinigung je kommen werde. Ic war wegen der sehr oberœäclicen und nict nationalen Erziehung, die zu dieser falscen Meinung geführt hatte, er#aunt. Al+ er mic einmal besucte, zeigte ic ihm ein Photo meiner Flamme Karen. Er lobte facmännisc, Íe habe <#ämmige Beincen>. Dabei kamen wohl auc er#e Kontakte für die beiden mit den Damen in Frage. Sie frozzelten mic, ob ic denn scon in der Entenga‚e gewesen sei. Man wußte, daß dort der Puff war. Ic war aber nict in der Lage, dort hinzugehen, da ic Ang# hatte. Mit zwei weiteren Kommilitonen au+ Ludwig+hafen fuhr ic einige Male im Kraftfahrzeug mit nac Karl+ruhe. Sie #udierten Mascinenbau. Beide jammerten: „Da+ Studium i# sauscwer.“ Weiter hatten wir PhyÍk, und ein junger Profe‚or Namen+ Ruppel macte Íc daran, a¬e+, wa+ ic eigentlic scon im wesentlicen auf dem GymnaÍum gelernt hatte, nocmal+ zu erklären. Da e+ keine Hau+aufgaben und mündlice+ Abfragen wie auf dem GymnaÍum gab, war der Stoƒ im Moment wieder verge‚en. Ruppel benu¿te die Studenten, um zynisc zu linker Politik aufzufordern, wa+ er al+ Beamter gar nict durfte. Da ic die klasÍsce Kun# liebe, konnte ic mit seinen Werten nict+ anfangen. Mit anderen Worten, er war ziemlic link+, 11
wodurc der Stoƒ mir keine recte Bildung vermittelte. Tro¿dem war er freundlic, hielt durcau+ auc inte re‚ante und gemütlice Vorträge, die ic gern anhörte, wobei ic aber keine große Lu# auf Prüfungen verspürte. Außerdem war noc anorganisce Chemie Pœict. Der Profe‚or la+ ohne viel Experimente a¬e+ herunter, und da+ mit eigentümlicem Mißmut. Er hätte Íc be‚er eine andere Arbeit sucen so¬en. Im dortigen Chemiehörsaal saßen au+nahm+weise auc ein paar Mädcen. Sie waren gleicaltrig, nahmen un+ Studenten kaum zur Kenntni+, da Íe Ícer bereit+ Sculfreunde hatten, und dic war nict auf der Suce nac Mädcen. A¬e anderen Lehrveran#altungen waren ohne Studentinnen. Obwohl ic in Chemie gute Noten in der Scule gehabt hatte, #and ic hier vor einigen Problemen, die wir Studenten noc nie gehabt hatten. Meine sehr geehrten Leserinnen und Leser, ic bin kein reiner Mecaniker oder Mathematiker. Beide+ war aber am Anfang der ganze Umfang de+ Studium+. So langweilte ic mic so, daß ic oft zu spät zur Straßenbahnhalte#e¬e kam und die Bahn bereit+ abgefahren war. Da lief ic oft wie ein Verrüqter zur Halte#e¬e, und wenn ic doc zu spät kam, dann hatte ic da+ bleierne Gefühl in mir, vie¬eict komme ic durc mein so ungeheuer scwere+ Studium auc son# im ganzen Leben zu spät, denn ic wo¬te ja eigentlic eine scöne Liebe+beziehung und nict Geld für wenig oder gar keine Liebe verdienen. Ein bleiern scwerer Druq la#ete fortan auf mir, und mir scien, daß ic nur durc äußer#e An#rengung weiterkommen würde. Ic ge#ehe, daß ic aber gern au+gewicen wäre. Scon in meiner GymnaÍalzeit hatte ic einen kleinen Stempelka#en bekommen, der aber sehr wenige Typen 12
besaß. Nun hatte ic zwar auc nict viel Geld, aber doc viel mehr al+ ic al+ Scüler bese‚en hatte, und so kaufte ic mir einen scönen großen Stempelka#en mit Gummitypen, die man zu scönen kleinen Stempeln zusammen#e¬en konnte. Ic hatte keine Ahnung, daß ic später einmal die graphisce Arbeit, die ic hier anøng, beruœic au+üben würde. So fragte ic eine+ Tage+ den Juri#en, der außer mir noc zur Untermiete bei Frau W. wohnte, ob er mir nict etwa+ helfen könnte bei meinen Problemen, indem er mir erklärte, wa+ im Jura#udium zu macen sei; denn mein Studium sei mir viel zu langweilig. Er wi¬igte gern ein, und ic hörte, daß man viel Akten+tudium betreiben mü‚e, oft auc al+ fertiger Juri# die Akten noc nac Hause nehmen und sorgfältig #udieren mü‚e. Noc mehr Arbeit also, und da+ noc nac Feierabend. Da war ic auc nict klüger, kam scließlic zu dem Scluße, da da+ Leben sehr scwierig und langweilig war, wenn man wie ic keine Freundin hatte. Da ic noc immer hoƒte, Karen würde Íc noc näher mit mir befreunden, war ic aber nict auf der Suce. Da kam der er#e Frühling in Karl+ruhe. In der Nähe meiner Bude œoß ein kleine+ Flüßcen, die Alb. Dahin fuhr ic eine Halte#e¬e mit der Straßenbahn, die dort ihre End#e¬e „Kühler Krug“ hatte. Dort entlang de+ Flüßcen+, da+ beinahe nur ein Bac war, gab e+ eine auenartige „grüne Lunge“ inmitten von grünen Wiesen, die wiederum an alte Screbergärten angrenzten. Diese idy¬isce Natur loqte mancen alten und jungen Spaziergänger herbei. Ic nahm auf einer Bank Pla¿. Um mic herum nur blühende Bäume, Scatten und kleine, sonnige Ste¬en, wo ic gern photographiert habe. Doc nict viel Kunde von der scönen Natur drang in meine kleine Seele, 13
die nun gescrumpft und alt scien. Die kleine Karen war ja nun so weit weg, und umfaßte mic eine ∆ualvo¬e Sorge, und ic verscmähe den so scönen Frühling+tag, den ic erlebte, und den ic möglic# scne¬ hinter mic haben wo¬te. Einmal kamen ein oder zwei Mädcen vorbei, aber ic wagte gar nict rect hinzuscauen. Sie, die Liebe, war e+ ja nict. Wer aber so viel Ansprüce #e¬t wie ein Maler, der weiß, daß man hier kaum warten kann, sondern nur mit ungeheuer viel Glüq eine andere ersceinen würde. Karen+ roter Mund, der nie einen Lippen#ift braucte, mit ihren einmaligen Grübcen, die jede einzelne Regung ihre+ gleic hocaufbrausenden und dann wieder ruhigen Temperamente+ verrieten, und die Mundwinkel, die leict nac unten gezogen energisce Tatkraft verrieten; die rosa Wangen, die keine Scminke sahen, und die elegante Kraft, mit der Íe ohne Sceu unter den höc#en Wogen hindurcgetauct war; und ihre Stimme! Sie klang wie ein ganze+ Orce#er, nie werde ic Íe verge‚en. Man konnte a¬e+ au+wendig lernen, wa+ Íe sagte, so genau gese¿t waren ihre Worte, und ohne den Akzent, den ic in Süddeutscland immer hörte. Da+ vermißte ic a¬e+ so sehr! Und immer wieder dacte ic daran, daß ic Íe vie¬eict im Sommer auf Sylt wiedersehen würde, wenn ic genügend Geld hätte, und man höre und #aunte, ic merkte eine innere Stimme, die mir rect deutlic zeigte, daß ic diese wunderscöne Frau nie kennenlernen würde, daß hier a¬e+ umson# wäre. Nur, daß ic vorher a¬ein sein müßte, da+ erfuhr ic durc diese innere Scau auc. Ic denke, wer Íc immer nur a¬eine begegnet und nict von anderen auc einmal eingescä¿t wird, der lernt ja gar nict+! Doc so viel MutloÍgkeit war natürlicen Ursprung+, da ic ja ein Maler und kein Pfälzer war, der 14
Íc unter Karl+ruher Elektrotecnik-Studenten wohlgefühlt hätte. Ein alter Grei+ war ic hier mal wieder gewesen, der Íc nict traute, die Eltern zu ha‚en; aber diese waren eigentlic sculd, daß ic nun a¬ein war, denn ic konnte mic nict an die fremde Gegend gewöhnen. Man lie# nict die Bibel, wenn man Íe denn läse, würde man die Worte Jesu lesen: „Nennt niemand Vater auf Erden...“, oder „Wenn jemand zu mir kommt und haßt nict seinen Vater, seine Mutter,... und seine eigene Seele, der kann nict mein Scüler sein.“ So lernte ic, wie ein Jesu+ Íc bedanken würde für die Mühe, die ic seinen aufgezeicneten Gedanken ohne AbÍct zuteilen mußte. Al+ ic dort saß und traurig meine Jugend ver#reicen ließ, die Íc so nie wieder ein#e¬en würde, da war oft ein andere Sculkamerad noc gedrüqter. Ein Beispiel: Der einzige, der au+ meiner Religion+kla‚e dauernd so sehr an Theologie Intere‚e gezeigt hatte, daß er diese+ Fac auc #udieren wo¬te, bracte Íc um. Er hieß Voth. Auc ein junger Kla‚enkamerad, der so spontan war, daß er Íc für a¬e greifbaren Freuden interesÍerte, war damal+ vom Leben so enttäusct, daß er seine Teilnahme an der Bunde+wehr dazu benu¿te, Íc mit einem Gewehr zu erscießen. Sein Name war Lienhardt. Daran dacte ic damal+ aber nict, denn dadurc daß wir keine Mädcen in der Scule hatten, war ic froh, den Kontakt mit anderen abgebrocen zu haben, weil ic mit AbÍct so eine kalte, vö¬ig langweilige Erziehung+methode nie gewählt hätte. Die Gleicaltrigen in meiner Heimat, der ehemaligen , waren da be‚er dran gewesen, denn die Trennung der Gesclecter in den Sculen war dort läng# al+ unklug aufgegeben worden. Meine vielen Sorgen waren also nict natürlicen, son15
dern ganz unnatürlicen Ursprung+, wie denn die Ursace, die #renge Trennung der Gesclecter in den pfälzer Sculen, auc so unnatürlic und veraltet war. Ja, auc unsere Lehrer waren nict so tüctig, wie wir gedact hatten. Sie waren auc nur Menscen, die mancmal nict weiter wußten. Einige so¬en Selb#mord begangen haben, wie z. B. Wilding, der Sport- und Englisclehrer, der immer die markanten Worte = Ironie de+ Scikqsal+> im Munde geführt hatte. Er wo¬te un+ am Anfang noc zeigen, daß man nie aufgeben dürfe und hatte daher immer wieder die spannende und lehrreice Gescicte von den zwei Fröscen, die in einen Eimer mit Milc gefa¬en waren, erzählt. Der eine Frosc, der feige und ungläubig war, hatte gedact, <wa+ nü¿t e+, wenn ic weiterscwimme, ic muß ja doc sowieso ertrinken, weil mir irgendwann die Kräfte au+gehen>. Er ertrankt also. Der ander Frosc war mutig, er kämpfte und #rampelte mit den Beinen in der Milc. Nac einem Tag saß er auf einem Stüq friscer Butter! Der ironisce Lehrer, der mir noc im Abitur mit Spott gekommen war, wo¬te einmal nict weiter, er nahm eine ÜberdoÍ+ Sclaftabletten. Auc der freundlice Diplom-Ingenieur, den wir eine kurze Zeit in PhyÍk gehabt hatten, Herr Röhrdanz, war eine unglüqlice Person: er mocte keine Frau mehr, sondern versucte, einen Jungen kennenzulernen. Al+ Íc aber der Verdact, daß er scwul war, be#ätigte, fuhr der so emÍg bemühte Lehrer in da+ Wacenheimer Tal, da+ in der Nähe von Ludwig+hafen liegt, und erscoß Íc. Der tragisce Selb#mord de+ Biologielehrer+ Sommer i# von un+ scon vorher erwähnt worden. _ Später hatte ic aber einige Begegnungen, die mir mehr Mut macten: 16
Wieder einmal #and ic an der Straßenbahnhalte#e¬e Hübsc#raße. Mein Herz war nac einem sehr sclanken, aber turnerisc begabten Mädcen gerictet, aber nict nac üppigen Kurven, wie ic meinte. Da kam auf dem gegenüberliegenden Geh#eig eine junge Mutter mit dem Kinderwagen vorbei, welc ein Anbliq, ic war wie von einer ungewöhnlicen, rohen Gewalt ergriƒen. Sie scob einen Kinderwagen mit einem Säugling darin vor Íc her, der jedoc beinahe verscwand vor einem rieÍgen Busen, den Íe so dra¬ und weit mitsamt der Bluse voran#reqte, daß nict+ weiter al+ dieser größte Busen Íc voranzubewegen scien, nur der Busen, dann kam lange noc nict+, und er# nac einiger Zeit kam der dagegen winzige Kinderwagen, und scließlic folgte die Frau. Indem Íe also Íc voranmühte, ganz ruhig und Íctlic scwer an ihrem Busen tragend, mußte ic mic bemühen, den Scoq herunterzuscluqen, daß eine La# dieser Art hier herumgetragen wurde. Solce Frauen würde ic ja doc nie kennenlernen, dacte ic, und war eingescüctert. Nict lange nac meiner Ankunft in Karl+ruhe sah ic, wie auf einmal ein Mädcen mit einem besonder+ auffa¬end roten Mund, der aber lange nict so scön wie der meiner Flamme war, in der Straßenbahn vor mir Pla¿ nahm. Da+ war nun neu, denn in Ludwig+hafen war ic immer gegen die Rictung der Mädcen, die da+ MädcengymnaÍum besucten, zu meiner Scule gefahren, so daß ic auf dem Weg zur Scule nie ein Mädcen in der Straßenbahn zu GeÍct bekommen hatte. Karen+ Mund hatte aber natürlice Röte, die andere mußte mit gre¬em Lippen#ift nachelfen. Da ic nict ander+ konnte, sah ic Íe an. Nac kurzer Zeit bemerkte ic, daß die etwa 18jährige unruhig wurde. An der Halte#e¬e Mühlburger Tor #ieg Íe au+, aber ohne mic eine+ Bliqe+ zu würdi17
gen. Sie war nict genau der Typ, den ic sucte, denn Íe war doc sehr nervö+, daher war ic nict weiter interesÍert. Da Íe dort außtieg, war Íe wahrsceinlic eine Studentin der Karl+ruher Kun#hocscule, welce in der Nähe liegt. Da mein Vater für mic da+ Kun##udium gar nict er# erwog, weil wir die moderne Kun# nict abkonnten, kam da+ für mic nict in Frage, und al+ ic einen Studenten der Kun#hocscule kannte, sagte er mir, die dortigen Profe‚oren hätte mir gar nict+ zu sagen! Ic ahnte gar nict, daß e+ in Hamburg noc klasÍzi#isce Profe‚oren gab, so daß ic dort ohne viel Probleme hätte Kun# #udieren können. Beinahe wäre ic dann ein Lo¬i für eine ça. 15-bi+ 16jährige gewesen, die mir eine böse Bescerung macte. Sie se¿te Íc in der Straßenbahn direkt vor mic, drüqte ihre kleine, aber rect ansehnlice Bru# so #ark Íe konnte herau+ und läcelte dabei. Da+ war nett, fand Íe hübsc, wenn ic aber bemerken muß, daß ihre Nase mir ein wenig nict geøel. Da ic nämlic eine leicte Ähnlickeit zu Sci¬er an meiner Nase beÍ¿e, wa+ nun leider bei ihr auc so war, ahnte ic, daß wir dann laute Hakennasen bei den Kindern zählen würden, weil Íc die Erbanlagen ver#ärken, so daß ic mic bemühte, nict hinzubliqen. Da+ Mädcen, da+ im übrigen aber sehr hübsc war, erscrak daraufhin gewaltig, und mit Tränen ging Íe weg. Ic dacte, na, die näc#e, die eine gerade Nase hat, wird wohl gleic kommen. So? Sie kam aber nie, keine andere kleine Maid versucte nocmal+ in der Straßenbahn, mic heirat+wi¬igem, aber etwa+ ungesciqten Studenten zu . In der Hoƒnung, daß ic meine kleine Flamme doc noc einmal erweicen könnte, bemühte ic mic, Mädcen nict anzusehen, fa¬+ e+ Íc nict vermeiden ließ. Dafür 18
sparte ic mir etwa+ Geld, um im Sommer oder Herb# nac Hamburg fahren zu können. Da war ic Ícer, nur da wäre der rictige Typ. Leider sah ic Íe nun kaum. Wenn ic bei ihr klingelte, öƒnete Íe, sagte aber, Íe werde gleic zum Hoqey-Spielen weggehen. Bald darauf öƒnete Íe gar nict mehr. Enttäusct, ja vö¬ig innerlic zer#ört, macte ic mic dann auf den Weg nac Karl+ruhe zurüq. Einmal, Karen hatte mic wieder abgewiesen, war ic in ein Freibad am Blankeneser Sü¬berg gefahren, wo ic ruhig Urlaub macen wo¬te. Al+ ic da+ Scwimmbeqen betractete, sah ic ein sehr hübsce+ Mädcen, da+ sogar meinen Bliq erwiderte. Sie läcelte mic an, mit zärtlicen Grübcen. Sie war ebenso wie Karen Athletikerin, hatte breite Scultern und scöne, dra¬e Waden und sprang mutig und ohne Sceu in+ Wa‚er. Obwohl ihr Läceln aber bald nict mehr auf mir ruhte, zeigte ic nun Intere‚e. Nac dem Scwimmen legte Íe Íc auf ein Handtuc und la+. Da se¿te ic mic dazu, sprac Íe dann an und fragte, ob Íe mit mir tanzen gehen wo¬e. Ic war so aufgeregt, daß ic lange mit mir gekämpft hatte, Íe anzureden, scließlic aber konnte ic endlice einig Worte hervorbringen: „Möcte# du nict mit mir tanzen gehen?“ Sie läcelte sehr carmant, antwortete ruhig: „Bitte, wa+?“ Sie hatte mic nict ver#anden. Ic versucte e+ noc einmal etwa+ lauter. Sie erwiderte, wieder mit einem reizenden Läceln: „Ja, woisct..“ Ic #aunte, denn da+ war a¬emanniscer Dialekt, und da+ in Hamburg. Nun erzählte Íe, daß Íe au+ Bozen und hier nur kurz auf Urlaub war. Daher habe Íe keine Zeit. Bald danac, e+ war ihr le¿ter Tag in Hamburg, folgte ic ihr, wie ging durc ein Wäldcen zu einer einzeln#ehenden Vi¬a. Dann habe ic von ihr nie wieder etwa+ gehört, und mein scöner Urlaub war nun 19
wieder vö¬ig umson# gewesen. Jedoc hatte ic je¿t Lu# bekommen, die anderen kleinen Mädcen in Karl+ruhe auc zu beäugen, da die Bozenerin ja bildhübsc gewesen war. Vie¬eict würde ic auc hier im Süden jemanden kennenlernen. Wenn die kleine Karen scon nict reagierte, dann wo¬te ic aber auf jeden Fa¬ eine ønden, die ganz genauso war. So #e¬te ic mic an der sehr #ark von Fußgängern besucten Kreuzung Europapla¿ auf und scaute nac einem Mädcen au+, da+ mic anläceln mußte. Da Karen aber blond war, hatte ic Pec: E+ gab hier kaum blonde Mädcen, die mei#en waren dunkel. Ic #and dort immer und scaute, aber nie war ein Blondscopf mit Karen+ Läceln zu sehen. Nur einmal war ic fa# an der Grenze de‚en angelangt, die ic gerne übertreten hätte: Ic scaute hinter einem süßen jungen Mädcen, da+ mit der Mutter vorbeiging, hinterher. Die Kleine hatte da+ gemerkt, und al+ Íe an mir vorbeigegangen war, drehte Íe Íc um; al+ Íe sah, daß ic ihr auc hinterherscaute, lacte Íe vor Freude laut auf. Die hätte ic noc gern kennengelernt, da Íe aber nun nict blond war, hatte ic nict so viel Mut, hinterherzurennen, und fuhr traurig nac Hause zurüq. Übrigen+, dort am Europapla¿ gab e+ auc ein Karl+ruher Original. Der sagte aber a¬en, wie e+ ihm ging, indem er Íc antrank und dann lange, laute Monologe vor dem Leben+mittelgescäft „Pfannkuc“ hielt. Oft kam er auc hinein und jammerte dann dort: „Ic bin so einsam...“ Doc wurde er scne¬t belehrt, daß er scweigen mü‚e, son# werde er den Laden verla‚en mü‚en. Der war wirklic ein armer Scluqer, denn er scluqte er# tüctig Alkohol, bevor er Íc zu reden traute. Mancer scluqt mehr, traut Íc aber nict zu reden. 20
Neben der Suce am Europapla¿ sucte ic in der warmen Jahre+zeit in a¬en Freibädern. Kein Erfolg, die Mädcen waren nict mein Typ, Íe waren nur durcscnittlic scön. Ic war sehr intersÍert an der klasÍscen Kun#, die die Karl+ruher Kun#ha¬e bot. Da konnte ic mic an romantiscen Gemälden von Carl Kun¿ und Ferdinand Georg Waldmü¬er nict sattsehen. Wie herrlic wirkte der Himmel mit seinen unendlicen, fein# durcgei#igten Wolken bei Kun¿, und wie unendlic groß mußte die Mühe gewesen sein, die er sic gegeben hatte, um jede+ einzelne Blatt und beinahe jeden einzelnen Gra+halm so zu malen, daß ein Laie eine herrlice Photographie vor Augen zu haben glauben würde und nict ein Gemälde! Und wie fein war die Naturwiedergabe Waldmü¬er+! Aber auc die Waldmü¬er+ detailgetreue Portrait+ fe‚elten mic, denn eine Miniatur einer Frau war zu sehen, die so fein gemalt war, daß man noc unter einer Lupe viele Einzelheiten entdeqt hätte! So war ic von den in Karl+ruhe au+ge#e¬ten romantiscen Malern he¬ begei#ert. Wenn auc mein Vater mic hier nie ver#and, daß ic so gerne auc gemalt hätte wie diese beiden, so hatte er doc einmal eine Idee: Er sagte: „Ic habe gelesen, daß ein Mann seine Frau in der Kun#ha¬e fand. Die beiden sahen Íc Gemälde an, dann entwiqelte Íc ein Gespräc, und Íe lernten Íc so kennen.“ Ic lacte: „Ja, al+ ic in der Kun#ha¬e war, da war überhaupte kein einziger Besucer anwesend.“ So irren die Menscen oft, wenn Íe Leben+erfahrung vermi‚en la‚en oder zu wenig nacdenken, bevor Íe eine Idee verkünden. Nac zwei Seme#ern #anden die er#en Prüfungen für da+ Vordiplom an, in Mathematik, PhyÍk und Chemie. 21
Da ic vor den Prüfungen zu sclect sclief, konnte ic mic nur wenig konzentrieren. So øel ic in PhyÍk und Chemie durc. Die PhyÍk-Prüfung war im Verhältni+ zu dem nett plaudernden und rect freundlicen Prof. Ruppel scwer. Man hätte mit dieser Scwierigkeit gar nict gerecnet. Bei der Chemie war die Scwierigkeit so hoc, daß ic beinahe aufgeben wo¬te, wenn ic auc die le¿te der drei Prüfungen, nämlic die Mathe-Prüfung, nict scaƒen würde. Wir hatten von den AsÍ#enten, die die Übungen abhielten, erfahren, daß auc gute Mathematiker in der vorgegebenen Zeit nict a¬e Aufgaben lösen könnten. Ein AsÍ#ent Prof. Strubeqer+ habe Íc in die Prüfung gese¿t und versuct, a¬e Aufgaben zu lösen. Er konnte aber bei weitem nict a¬e abgeben, scaƒte nur drei Viertel. So war die Prüfung. Eine Frage, die hier auftritt, i#, wer kontro¬iert die Prüfer? Wer nämlic nur ausÍeben wi¬, würde dann ja nur die Länge de+ Studium+ erhöhen, son# könnte er vie¬eict wenig bewirken. Ic sehe noc heute die Szene vor mir, al+ ic da+ Gescäft+zimmer de+ mathematiscen In#itut+ betrat, und der betreƒende Beauftragte in den Li#en nacscaute: „Vier“, sagte er. Ic hatte scon fe# mit einem Durcfa¬en gerecnet, fragte: „I# denn da+ noc be#anden?“ „Vier i# be#anden“, hörte ic. Der Hau+mei#er, der zufä¬ig dabei#and, niqte Anteil nehmend mit dem Kopf und meinte in typiscem Karl+ruher Dialekt: „Be#anne, ge¬, de+ gibt sceene Osctere!“ So wählte ic also die Fortse¿ung de+ Studium+, #att e+ aufzugeben. Meine beiden Kommilitonen, die Mascinenbau #udiert hatten, scaƒten die Anfang+prüfungen aber nict. Der eine: „Ic versuce nun Elektrotecnik, da+ i# einfacer.“ 22
Leider ein Irrtum, da+ näc#e Seme#er mußte er damit auc aufhören. Für die zu wiederholenden Prüfungen tippten meine Scwe#er und mein Vater mir alte Chemie-Prüfung+aufgaben ab, die wir un+ besorgt hatten, und ic nahm noc von der Facscaft herau+gegebene Prüfung+aufgaben dazu. Und für die PhyÍkprüfung wurde von PhyÍk-AsÍ#enten sogar ein Paukkur+ angeboten, der zwar zusä¿lic bezahlt werden mußte, der aber nac Angabe der AsÍ#enten, die ihn abhielten, für eine be#andene Prüfung sorgen so¬te. Ic nahm teil. Man scloß die Tür zum Saal ab, in dem der Paukkur+ #attfand, damit kontro¬iert werden konnte, ob a¬e bezahlt hätten. Dann wandelte Íc der Ton, #att Herunterhaspeln von faclic unwictigen Sprücen, markiger Politpropaganda und unwictige Einzelheiten wurde nun mit gründlicer Sorgfalt ein Gegen#and der PhyÍkprüfung nac dem anderen abgehandelt. Der Segen ließ nict auf Íc warten: ic be#and die beiden Prüfungen danac automatisc. Meine lieben Leser, wer kauft Íc solce akademiscen Lehrer, die nict gleic ihr geliebte+ Geld bekommen, sondern er# mal keinen gründlicen Unterrict vornehmen? Oh wie scön, wenn man mit Geld nachelfen kann. Hätte ic da+ nur gleic gewußt, ic hätte viel Mühe und ein Seme#er gespart. Wer Geld hätte, könnte Íc hierbei manc mühsame Nacarbeitung zu Hause sparen. Ganz nac der demokratiscen Methode: <Wer Geld hat, beherrsct die Welt>! Träumten die Dozenten auc nur von Frauen, weil Íe Íc so wenig Mühe gaben?
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3. Karl+ruher Stereo-Freunde.
N
ur um Karen wenig#en+ in guter Erinnerung zu behalten, hatte ic mir scon vor meinem Studium eine Stereokamera gekauft. Die macte pla#isce Aufnahmen. Da ic vor Einsamkeit nict weiter wußte, kam ic auf den Gedanken, den Inhaber der Fa. <Stereo-Derpsc> um Adre‚en von Karl+ruher Stereofreunden zu bitten. Er hatte nur eine, eine Frau namen+ Ruth Höger, die Íc lang und breit bei ihm erkundigt hatte, wie Íe die be#en Stereoaufnahmen erhalten könnte. Da rief ic an. Sie arbeitete bei der Zeitung, war etwa 40, und sehr er#aunt, al+ ic ihr meine eigenen Stereoaufnahmen und Kamera , mit der ic Íe aufgenommen hatte, zeigte. Frau Höger beklagte Íc: „Wie kann e+ nur sein, daß so wenig Menscen von dieser so einmaligen pla#iscen Wirkung wi‚en? Ic hätte ja zu gern auc so eine Kamera wie Sie, aber ic hatte davon ja keine Ahnung, mein Kamera-Vorsa¿ war für mic, dacte ic, genug.“ Sie hatte nur einen 3D-Vorsa¿ für eine normale Kamera und zeigte mir damit aufgenommene Stereoaufnahmen. Da dieser läng# nict die gleice pla#isce Wirkung bot wie eine rictige 3D-Kamera, war Íe nun sehr enttäusct. Da dacte ic, ic muß der Frau helfen. Über die Firma Derpsc konnte ic für die begei#erte Stereofreundin eine gut erhaltene Belplasça, wie ic Íe auc hatte, besorgen. Auf ihren Bildern sah ic einen Mann, den Íe oƒenbar gern aufnahm, wie er im Wohnzimmer saß. Da war ic froh, daß Íe einen Freund hatte, obwohl ic annahm, daß e+ keine Familie gab. Doc die Mutter der Frau lernte ic noc kennen; diese war bereit+ rect fortgescrittenen Alter+ und klagte, Íe habe früher zu viel zugenommen. 24
Auc seien die Zeiten heutzutage viel sclimmer al+ früher. „Ic traue mic nict mehr auf die Straße, au+ Ang#, überfa¬en zu werden.“ Sie meinte da+ ern#, ic aber erwiderte: „Ältere Leute behaupten immer, daß die Zeiten früher be‚er waren. Aber in Wirklickeit i# da+ doc nict so.“ „Aber nein,“ erwiderte die alte Frau, „ic könnte Ihnen Dinge erzählen... Früher kam da+ nict vor.“ Wir konnten jedoc die Dia+ noc nict projizieren, da ic keinen Stereoprojektor besaß. Auc einen alten Herrn, er war damal+ etwa 80 Jahre alt, lernte ic über die Stereophotographie kennen. Scon beim Eintreten in da+ Jugend#il-Stadthau+ sah ic im Erdgescoß herrlice romantisce Wandmalereien, wie ic Íe in dieser Perfektion in einem Miet+hau+ nie gesehen hatte. Ein in gotiscer Scrift gehaltene+ altmodisce+ MesÍngscild erinnerte mic daran, daß ic einen alten Herrn besucte. Er hieß Bernhard Sienknect, wohnte in der Yorq#raße und war beruœic Klarinetti#, genauer gesagt Kammervirtuose, von nict magerer, leict unterse¿ter Ge#alt, mit einem Oberlippenbärtcen. Von seinen Ideen und den Intere‚en her war er aber noc ganz jung, da er a¬e+ möglice mit mir teilte. Viele naturgetreue Gemälde hatte er gemalt. Gleic zeigt er mir ein beinahe photoreali#isce+ kleine+ A∆uare¬, da+ wundervo¬e blühende Bäume zeigte, wobei er betonte, daß er die weißen Blüten nict etwa mit Deqweiß gemalt, sondern a¬e au+gespart hatte, wa+ bekanntlic sehr scwer i#. Er zeigte mir auc seine wundervo¬e Stereoaufnahmen, die a¬e au+ Italien waren, wo er immer Urlaub verbracte, sowohl von der liguriscen Kü#e al+ auc von Capri. E+ waren wirklic mei#erhafte Aufnahmen, welce die typisce Au+#rahlung der italieniscen Landscaft in einmaliger Weise wiedergaben. Obwohl er Italien so lieb25
te, #e¬te e+ Íc herau+, daß Herr Sienknect au+ Hamburg war. Sein Geburt+hau+ #and in Fuhl+büttel, im Brombeerweg, und i# heute leider abgeri‚en. E+ zeigte Íc wieder, daß auc hier die Anziehung der Gegensä¿e den Menscen bereicert. Dann erzählte er, daß er in Hamburg früher sehr viel gefroren habe, we+wegen er nun in Karl+ruhe sei, wo e+ wärmer sei. Aber er Íe auc bei vierzig Grad im Scatten an der liguriscen Kü#e gewandert, wo die Italiener Íc für die Mittag+zeit zur Ruhe in ihre Häuser zurüqzogen. Er erklärte, da+ komme durc seine Blutgruppe, die Hi¿e au+halte, und Leute mit dieser Blutgruppe seien im Kriege für da+ deutsce Afrikaçorp+ au+gewählt worden. Für Esperanto hatte er keinen Sinn, dafür lernte er gern Italienisc, damit er Íc bei seinen zahlreicen Urlauben in Italien mit den einfacen Italienern ver#ändigen konnte. Er wo¬te dafür kein Latein, obwohl der dadurc Italienisc nie sehr gut konnte. Da ic dem Ehepaar viel von mir erzählte, kam e+ auc auf seine Kinder zu sprecen. E+ hatte zwei von mir au+ gerecnet ältere Töcter. Die eine war in der Scweiz verheiratet, aber nict glüqlic, die andere lebte in Karl+ruhe und war gerade gescieden. Sie hatte geglaubt, die Welt sei wie ein kleine+ Paradie+, da mü‚e zum Scluß immer da+ Gute Íegen. Frau Sienknect, die au+ Bayern #ammte, erzählte, Íe habe den Töctern früher von Engeln erzählt, die den Menscen bei#ünden. Da+ tat der Tocter nun nict gut, Íe scimpfte die alten Eltern au+. „Wir haben da+ nict geahnt, daß e+ so kommen würde,“ sagte Herr Sienknect. Und seine Frau fügte vo¬er Gram hinzu: „Nit mehr sclofn konn ma mehr.“ Weiter erzählte Herr Sienknect, daß die in der Scweiz verheiratete Tocter einen Italiener geheiratet habe, der Íe <wie ein Pasca> 26
behandle. Bezeicnend war, daß auc beim Ehepaar Sienknect wieder gewi‚e Gegensä¿e zusammengefunden hatte, Bayern und die Waterkante. Hübsc i# noc, daß die Karl+ruher Tocter wie der Vater muÍkalisc war und im Badiscen Staat+theater die Harfe spielte. Ic hätte gern bei der Familie Klavier geübt, wa+ Frau Sienknect aber nict erlaubte. „Sie können zu wenig“, sagte mir Herr Sienknect. Wenn ic bei Familie Sienknect eingeladen war, wa+ dort besonder+ wi¬kommen war, gab e+ #et+ Kucen, wozu mir aber Wein angeboten wurde. Da+ war rect dro¬ig, denn Wein habe ic son# noc nie zu Kucen getrunken. Er war aber über mic, besonder+ wegen meiner Stereoaufnahmen, so begei#ert, daß er mir seine alte 6x6Stereokamera „Heido+kop“ gün#ig verkaufte. Diese seltene Kamera, die er Íc al+ junger Mann vor dem 2. Weltkrieg in Karl+ruhe gekauft hatte, war da+ einzige, wa+ er Íc au+ seinem brennenden Miethau+ im Bombenhagel gerettet hatte, und er liebte Íe besonder+. Diese Kamera wo¬te er nur mir anvertrauen.
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4. Kun# und MuÍk helfen!
Z
u meinen beiden alten Damen hatte ic er# ein leict kühle+ Verhältni+, da Íe mic abend+ nie zum Fernsehen einluden. Dafür mußte ic abend+ immer durc die außer Betrieb gese¿te Tür hinter meinem Sofa den Fernsehton mithören, da die Tür ja kaum den Sca¬ dämpfte. Da kam ic auf eine Idee: Ic bat mir nict etwa Ruhe au+, sondern gab an, daß ic in der Stadt bei Aldi einkaufen würde. Da kamen die beiden alten Damen und fragten, ob ic ihnen nict etwa+ mitbringen wo¬e. Da+ tat ic. Zwar wurde ic nict zum Fernsehen eingeladen, aber der Umgang#on wurde nun endlic sehr nett. Immer wieder hieß e+: „Geht der liebe Herr Helzel heute in da+ Städtcen“, wenn ic etwa+ für die beiden einkaufen so¬te. Eine+ Tage+, ic war mit dem Studium etwa+ vorangekommen, paqte mic eine unbändige Lu# zu malen. Ic hatte mic zuvor übel mit meinem Studium gelangweilt. Da fuhr ic in die Karl#raße, um mir etwa+ Malmaterial für Ölmalerei zu kaufen. Noc hatte ic aber keine Staƒelei, die für Ölmalerei dringend nötig i#. Da sah ic in dem Gescäft, in welcem mic ein sehr freundlicer Verkäufer in einem weißen Kittel bediente, eine hölzerne, große Staƒelei. Kurz entsclo‚en kaufte ic Íe und fuhr damit mit der Straßenbahn nac Hause. Dann begann ic, ein scöne+ Blumen#i¬eben in Öl zu kopieren. Al+ die beiden alten Damen da+ sahen, waren Íe he¬ begei#ert. „Sagen Sie nur, wie haben Sie da+ gelernt?“ Da Frau W. Witwe eine+ Graphiker+ war, fragte Íe mic: „Wo¬en Sie nict lieber Graphiker werden, Sie Índ doc so begabt?“ Ic hatte von diesem Beruf noc nie gehört. Da ic dacte, e+ sei ein GescäftÍnhaber, der 28
Bürobedarf verkaufte, sagte ic: „Ac wi‚en Sie, da kann man doc nur Krämer werden.“ Wütend sclug Íe die Tür hinter Íc zu. Ic hatte mic falsc au+gedrüqt, und da+ tat mir hinterher sehr leid. Ihre Scwe#er kam eine+ Tage+ aufgeregt au+ der Küce, Íe scimpfte: „Bitte nict wieder die Ölfarben in den Mü¬eimer, sehen Sie, wie ic au+sehe!“ Ic hatte nac dem Malen meine Palette wie üblic mit Klopapier abgepu¿t und diese+ oƒen in den Mü¬eimer getan. Frl. Seq+ Hände #rahlten nun so in a¬en Farben, daß moderne Íe für ein to¬e+ Kun#objekt gehalten hätten. „Ac entsculdigen Sie,“ sagte ic, „ic wußte ja nict, daß Sie da hineingreifen.“ Sie hatte den Inhalt de+ Mü¬eimer+ etwa+ mit den Händen etwa+ zusammengedrüqt, damit mehr hineinging. So war ic wieder etwa+ reicer an Erfahrungen, wa+ man falsc macen kann, wenn man mit anderen in einem Hau+halt wohnt. Im Ei+scrank hatte ic übrigen+ auc nur einen ganz kleinen Pla¿ für mein Abendbrot, womit ic aber zufrieden war. Dafür braucte ic nict zu kocen, ic konnte ja bi¬ig in der Mensa e‚en. Obwohl mein Vater diese Leidenscaft de+ Malen+ zu Beruf+zweqen vermutlic nie begreifen würde, konnte ic ihn aber wenig#en+ für eine andere Kun# etwa+ gewinnen: Ic sagte zu ihm: „Vater, meine Scwe#er hat ja früher Klavierunterrict genommen, ic aber nie. Da ic wohl auc da+ gleice Rect hätte, hätte ic gern in Karl+ruhe Klavierunterrict genommen.“ Vater erwiderte, da+ sei wohl nötig, und gab mir da+ Geld. Ic sucte nun einen Lehrer. E+ war scließlic ein noc junger, etwa 40jähriger Klavierlehrer gefunden, mit Namen Röqer, der Íc sehr nett um mic bemühte. Er war nämlic noc Student am dortigen Kon+ervatorium, hatte Ideale und 29
wo¬te sehen, wa+ ic könnte. Ic spielte „Auf einem perÍscen Markt“ von Ket`elbey vor. Er war nict wie ic Romantiker, sondern liebte die Wiener KlasÍk mehr. Da ic aber keine Möglickeit zum Klavierüben hatte, erlaubte er mir, in seiner Abwesenheit bei Íc zu Hause zu üben. Er gab mir dazu seinen Wohnung+sclü‚el. Leider, denn ic vergaß beim Hinau+gehen, diesen an einen verabredeten Ort abzulegen. Röqer kam nac Hause und konnte nict in seine Wohnung. Da war er nict mehr so galant, mic hineinzula‚en, ic mußte mic weiterumsehen, um üben zu können. Auf die Idee, daß man einen zweiten Sclü‚el für mic hätte anfertigen können, waren wir beide nict gekommen, wa+ scade i#, denn dann hätte da+ unglüqlice Verge‚en meinerseit+ gar nict vorkommen können. Er war immerhin so nett, einmal ein Gemälde von mir ansehen zu wo¬en. Ic nahm ein Portrait der Sclagersängerin Conny Froboeß zu ihm mit. Er ergriƒ e+, rannte mit dem Bild, den Mund weit aufgeri‚en, rüqwärt+, bi+ er an einen Scrank #ieß, so aufgeregt war er, denn er hatte noc nie ein so genau gemalte+ Portrait in der Hand gehalten. Man konnte jede+ einzelne Haar sehen, und Röqer war außer Íc vor Bewunderung, womit ic gar nict gerecnet hätte, denn mein Vater, der Íc hierbei immer negativ erwie+, nahm die+ al+ ziemlic selb#ver#ändlic und normal hin, da sein Vater ja auc Maler gewesen war. Nur in der MuÍk konnte ic ihm nict+ eigene+ vorspielen, so weit war ic damal+ noc nict. In meinem Miet+hau+ in der Hübsc#raße wohnte unter un+ eine alte Dame, deren Tocter, Íe war mit etwa 33 Jahren noc jünger, Medizin #udierte. Dort gab e+ ein Klavier. Al+ wir fragten, ob ic dort üben könne, 30
wurde mir bedeutet, die alte Dame sei krank und könne keine MuÍk mehr vertragen. Mehr noc, man hörte oft laute+ Zanken, oƒenbar war die Tocter wütend auf ihre Mutter. Ic hatte aber von einem Mit#udenten von der katholiscen Studentengemeinde gehört. Ic fragte den dortigen Studentenpfarrer Gaupp, ob ic nict hier Klavier üben dürfte, und er erlaubte die+ sofort.
5. Prüfungen ohne Liebe.
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rau W. wußte, daß man al+ Mann ohne Frau nervö+ i# und riet mier, ic möge doc Scwimmen gehen, da+ sei gut für A¬ein#ehende, auc der Juri# tue da+. Also kaufte ic mir eine Wocenkarte für ein Ha¬enbad, um zu scwimmen. Aber wie langweilig war da+! Keine scöne Maid, die ic gern angesprocen hätte. Nur einmal war ic sehr eifersüctig. Ein Junge und ein Mädcen, beide etwa um die 14 Jahre alt, waren gemeinsam erscienen. Der Junge hatte einige erotisce Neuigkeiten au+getüftelt, die ic noc nict erlebt hatte. Er wo¬te die Kleine von dem im Beqen umlaufenden #einernen Griƒ, wo Íe Íc fe#hielt, wegziehen, vie¬eict auc andrüqen oder gar untertaucen, so genau konnte ic da+ nict fe##e¬en, diese ließ aber nict lo+, und er konnte Íe tro¿ äußer#er An#rengung nict wegbewegen. Scließlic kam e+ soweit, daß der Junge in eine Art Rausc kam, oƒenbar 31
in seiner männlicen Ehre gekränkt, weil er seine Begleiterin, obwohl Íe ein Mädcen war, nict unterkriegen konnte, und begann so laut zu keucen, daß andere aufmerksam wurden und einige jüngere Männer _ nur diese waren oƒenbar noc in der Scwimmha¬e _ auf un+ zuscwammen, Íc lacend an der Ba¬u#rade fe#hielten und #aunend und feixend riefen: „Bravo, weiter, weiter!“ Die Kleine, Íe hatte Íc einfac bloß an die Ba¬u#rade angeklammert, war auf einmal besorgt über da+ Aufsehen, wa+ Íe und der Junge erregt hatten und sagte laut zu ihm: „Wenn du nict sofort aufhör#, spiele ic nict mehr mit.“ So ging der wilde Zweikampf zu Ende, ohne daß eine Partei geÍegt hätte, und wir waren Ícerlic auc froh, daß wir Eintritt bezahlt hatten. So hatte ic mic hiermit Probleme wie ein# Novali+, denn ic hatte nun zwei versciedene Charakterzüge bei Frauen betractet: die eine durc üppige weiblice Formen au+gezeicnet, die andere mehr #ark und kämpferisc. Novali+ meint in einem Gedict, er könne Íc zwiscen zwei Mädcen nict rect entsceiden, die eine habe einen scöneren Mund, die andere wiederum eine vo¬ere Figur. Oft scwanken wir zwiscen zwei versciedenen Typen. I# e+ nict wunderbar, wenn beide in einer Person zusammenfa¬en? Einmal war eine sportlice, hübsce junge Frau, oder war Íe vie¬eict noc ein Mädcen, in der Scwimmha¬e. Sie scaute mic gar nict rect an. In meiner männlicen Art angeregt versucte ic dennoc herau+zubekommen, wo Íe wohnte. Ic verfolgte Íe, und Íe verscwand scließlic in einem gewi‚en Miet+hau+ in der Beiertheimer A¬e. Da Íe mic nie angesehen hatte, war ic aber nict weiter interesÍert, noc mehr Zeit hineinzu#eqen, um Íe einmal wenig#en+ anzureden. 32
Oƒenbar waren kleine oder junge Mädcen, wenn Íe sehr gut au+sahen, nict in den Scwimmha¬en zu ønden, sondern fuhren mit den Freunden zu Badeseen, wo ic nict hinkonnte. Frl. Seq, die Scwe#er meiner Wirtin, legte oft auf freundlice Erkundigungen Wert, seitdem ic immer von Aldi nette Sacen mitbracte. So fragte Íe einmal: „Haben Sie denn scon eine Brautje? So nennt man eine nämlic im Sauerland eine Braut.“ Traurig erwiderte ic: „Nein.“ Sie wunderte Íc und meinte, Íe sei a¬erding+ immer unverheiratet gewesen Bei Prof. Strubeqer mußte ic noc eine weitere Prüfung in höherer Mathematik be#ehen. Ic bekam aber die sog. nict rect mit, ver#and die Bewei+führung nict. Bei der Übung, wo wir Studenten vom AsÍ#enten aufgerufen wurdenm, ging ic dann einfac weg, die anderen Studenten lacten. So kam e+, daß ic zweimal durc die scriftlice Prüfung øel. Der AsÍ#ent, er hieß Gauß, gab Íc jovial, Strubeqer werde nun eine mündlice Prüfung erlauben, und Gauß erklärte, wa+ ic wi‚en mü‚e. Beim Notieren der Fragen und Antworten scrieb ic diese in der deutscen Screibscrift nieder. Der AsÍ#ent, de‚en Profe‚or extra betont hatte, wir müßten die deutsce Screibscrift können, lacte laut auf, al+ er da+ sah. „Ja, meinte er, „i# denn da+ nict sehr um#ändlic?“ Ic antwortete: „Nur, wenn man genau nac der Au+gang+scrift screibt. Aber da+ tut niemand, auc nict mit der lateiniscen Screibscrift.“ Die deutsce Screibscrift, erklärte ic, sei ähnlic der Kurzscrift und sei nict nur scne¬er screibbar al+ die lateinisce, sondern bei scne¬em Screiben immer be‚er le+bar al+ jene. So lernte ic die vorgegebenen Fragen und 33
Antworten au+wendig. Immer vor solcen Prüfungen fuhr ic in die Wald#adt, um dort unter den Hochäusern beim Spazierengehen meine Nerven zu beruhige, und jede+mal regnete e+ dann. Die Stimmung war dann immer häßlic, den Kopf unter den grauen Regenscirm gedrüqt, mit faden Gefühlen für die Lei#ung, die ic gebract hatte, denn ic dacte jede+mal vor einer Prüfung, ic hätte zu wenig gelernt, ging ic spazieren. Ic hatte ic mir gedact, daß dort in der Wald#adt viele ScleÍer wohnten, so daß vie¬eict dort auc ein Mädcen für mic leben mocte, und konnte die Spannung so leicter ertragen, wenn ic daran dacte, daß diese+ Mädcen in der Nähe sein würde, auc ohne daß ic Íe kannte. Die Prüfung war sehr einfac, Prof. Strubeqer fragte tatsäclic nur genau da+, wa+ der AsÍ#ent mitgeteilt hatte. Ein anderer Prüœing, der Íc nict so gut vorbereitet hatte, versagte bei einer Frage; er sagte verzweifelt: „Herr Profe‚or, helfen Sie mir doc bitte.“ Der läcelte, half kaum, aber be#anden hat der Student auc. Ic kam ohne eine einzige Frage nict beantworten zu können au+ der Prüfung, hatte Íe also vortrefœic be#anden. So a¬eine wie ic war hatte ic oft Probleme, die Menscen zu sucen, die ic gebrauct hätte, und sucte daher Sacen. Die waren Kakteen, und ic fand Íe im Kakteenhau+ de+ Botaniscen In#itut+. Ein netter Gärtner namen+ Lehnert, der mir a¬e+ erklärte, war immer bereit, mic ko#enlo+ einzula‚en, weil ic Student war. Die mei#en Pœanzen übersah ic, aber die Kakteen fe‚elten mic. Immer im Frühjahr scaute ic nac, wenn die #acligen Pœanzen zu blühen begannen. Öfter hatte er einen scönen Ableger für mic. Ic braucte Íe für meine Sammlung, die auf dem großen Balkon meiner Eltern in einem kleinen Gewäc+häu+cen #and. 34
Eine+ Tage+ konnte man den Rauscgiftkaktu+ Lophophora Wi¬iamÍi nict mehr ønden. Der Gärtner: „Ic habe Íe ver#eqt, denn e+ waren junge Leute da, die Íc oƒenbar nac ihnen umsahen.“ Er war auc ohne Frau, und beim Ansehen der herrlicen Blüten von Suççulenten sagte er: „So eine Blüte i# doc viel scöner al+ jede Frau.“ Ic erscrak, dacte: „Ja, hat der noc nie eine scöne Frau naqt gesehen?“ Oƒenbar war er bei Frauen auc wie ic. Nett war, daß er mic mit anderen Kakteenfreunden eine+ Nact+ in da+ Treibhau+ einlud, denn e+ würde die „Königin der Nact“, Seleniçereu+ grandiœoru+, blühen. Ein Meer von weißen Blüten öƒnete Íc gegen elf Uhr in der Nact, a¬e be#aunten Íe, und ic war so beigei#ert, daß ic auc eine Stereophotographie anfertigte.
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6. Eine ecte Studentenbude.
E
+ war eine+ Tage+, ic war gerade von meinen Eltern wieder nac Karl+ruhe zurüqgekehrt, da kam Frau W. Íctlic aufgeregt, aber dennoc heiter zu mir und sagte: „Ic höre auf! Sie mü‚en Íc eine andere Studentenbude sucen.“ Sie wo¬te die Zimmervermietung nun ganz aufgeben, da eine Verwandte zu ihr ziehen würde. Ic war be#ürzt. So hatte ic mir da+ nict gedact, ein Vermieter so¬te doc vorher eine gewi‚e Vorlaufzeit geben, wenn er Untermieter nict mehr wi¬. So mußte ic mic aber fügen, da ic kaum andere Möglickeiten sah al+ sofort ein neue+ Zimmer zu sucen. Ic sucte sofort. Man muß Íc denken, daß ic damal+ ja noc kein Kraftfahrzeug hatte, so daß ic anderen an Gescwindigkeit unterlegen war. Ic scaute in der Tage+zeitung nac. Die er#e Anzeige, auf die ic einging, bot ein Zimmer in Durlac an. Mit der Straßenbahn fuhr ic dorthin. Zur angegebenen Adre‚e mußte ic eine längere Streqe bergauf gehen. Eine sehr hübsce Vi¬engegend, so wie ic e+ von meiner Heimat Pößneq gewohnt war, von wo der Bliq weit in+ Tal nac Karl+ruhe hinabreicte, und ic war sofort begei#ert. Da+ hübsce Einfamilienhau+, da+ ebenso romantisc gelegen war, war scne¬ gefunden, und so gern wäre ic da geblieben. Aber al+ ic da klingelte, sagte mir eine Frau: „Da+ Zimmer i# leider scon vergeben.“ Ganz enttäusct ging ic wieder hinab zur Straßenbahnhalte#e¬e. Dann fuhr ic mit der Straßenbahn zum Durlacer Tor, wo neben der großen Kirce ein Zimmer frei war. Eine ältere Dame ließ mic hinein. Gegen mein große+, 36
geräumige+ Zimmer war da+ fa# ein Loc. Ic fragte, ob e+ Zentralheizung gebe, wie ic Íe zule¿t gehabt hatte. Die Frau deutete auf einen Kanonenofen, der im Zimmer #and und sagte: „Der brennt im Nu.“ Nein, da+ geøel mir nict, scämte mic aber, eine direkte Abfuhr zu erteilen, und sagte: „Sie haben ein scöne+ Zimmer, aber ic wi¬ mir da+ noc überlegen.“ Da+ näc#e Zimmer, da+ ic beÍctigte, war in Rüppurr. E+ war sonnendurcœutet und sehr he¬, weil an a¬en Wänden Fen#er waren, und intere‚ant waren die scönen, bäuerlicen blauen Vorhänge an den zahlreicen Fen#ern. Wa+ mic aber #örte, war, daß an der Deqe ein große+ Knäuel von Heizung+rohren verlief, da+ rect bedrohlic au+sah, wenn ei eingleiÍg glei+lo+ entgleisennmal ein Rohr undict gewesen wäre, und zum anderen wäre die Miete doppelt so teuer gewesen wie bi+her, 200 DM #att bi+her 80. Eine weitere Wohnung beÍctigte ic in einem weiteren Vorort. Der Vermieter meinte: „Aber wir wo¬en solide Leute. Der Vormieter hat ein Mädcen über Nact mitgebract, da+ hätte ic noc ver#anden. Aber nac einigen Tagen bracte er eine andere mit. Da kann e+ Ärger geben.“ Noc galt nämlic der Paragraph „Kuppelei“! Ic verneinte, da+ Zimmer zu wo¬en, e+ war mir nict pa‚end genug, denn ic hätte nact+ über eine Treppe hinab#eigen mü‚en, wenn ic auf die Toilette gewo¬t hätte, und da+ hätte die Familie immer mitbekommen. Bei meinen Spaziergängen war ic an eine eingleiÍge Straßenbahnlinie gelangt, die mit zweiacÍgen Vorkrieg#riebwagen bedient wurde und zum Vorort Rintheim führte. Da, gerade al+ ic auf Zimmersuce war, war Íe zweigleiÍg au+gebaut worden, und ic hatte den Au+bau ganz genau verfolgt. 37
Nun konnte ic eine Anzeige ønden, die in Rintheim ein separate+ Zimmer anbot. Ic telephonierte mit einer Frau, die da+ Zimmer anbot. E+ so¬te aber ein wenig bescränkt sein, weil e+ direkt unter dem Dac lag. Da mocte ic mic noc nict entsceiden und sagte, ic würde e+ mir noc bi+ zum Abend überlegen. Al+ ic Frl. Seq, die Íc nun etwa+ bemühte, mir zu raten, al+ Íe meine sehr gekniqte Stimmung sah, die+ miteilte, sagte Íe: „Ic würde Ihnen raten, da+ doc gleic zu nehmen, son# i# e+ noc weg.“ Al+ ic von dem Vermieter erzählte, der <solide Leute> erwartete, erwiderte Íe: „Da+ würden wir auc gar nict zula‚en, daß Íc Bräute in unseren Federbetten wälzen.“ Da war ic etwa+ be#ürzt, da ic doc wenig#en+ ein Mädcen gern mitgebract hätte. Nun gut, ic rief nocmal+ an. Die Frau war wieder am Telephon. Sie arbeitete al+ Verkäuferin in einem großen Kaufhau+. Sie be#e¬te mic dann nac Rintheim, wo ic mit der neuen Linie hinfuhr.. E+ war da+ Hau+ Nr. 71 in der For##raße, ein ältere+ Eqhau+. Ic klingelte, eine freundlice, çirça 40jährige Frau, die a¬erding+ einen rect abgeplaqten oder be‚er sorgenvo¬en Eindruq macte, erwartete mic. E+ ging hinauf bi+ zum Dacgescoß de+ Hause+, wo am Ende der Treppen ein einzelne+ Zimmer direkt unter dem Dac lag. Wenn man eintrat, øel der Bliq sofort auf einen großen, glänzenden Kleiderscrank, der an der gegenüberliegenden Wand. Davor ein Nierentisc mit zwei dazupa‚enden Stühlen #and an der linken Wand, wo ein automatiscer Ga+ofen war. Ein Bett, da+ rect+ in einer dunklen, durc eine Trennwand abgeteilten Eqe zusammen mit einem Nactscränkcen Pla¿ fand, war sehr heimelig, da man Íc dort regelrect verkriecen konnte. Frau H. hatte Íc die Möbel gekauft hatte, al+ Íe noc unverheiratet war. 38
Rect+ an der Türe sah man da+ Fen#er, da+ auf eine Dacgaupe hinau+lief. Vor dem Fen#er ein Screibtisc. Daneben, an der recten Wand, ein Wascbeqen, unter dem Íc ein elektriscer Warmwa‚erboiler befand. Frau H. sagte, ic könne mir noc einen Ei+scrank dazu be#e¬en, den werde Íe bezahlen. Zur Toilette mußte ic eine halbe Treppe hinab. Sie war a¬erding+ sehr einfac, hätte mal renoviert werden mü‚en. Und die Miete? Nur 100 DM. Dafür hätte ic mit dem eigenen Eingang nict nur eine <#urmfreie Bude>, worauf ja a¬e Studenten sehr au+ Índ, sondern auc œießende+ warme+ Wa‚er und war auc vo¬#ändig ohne Geräusce von Nacbarn. Da+ Zimmer hatte eine Leuctröhre an der Deqe, und da+ Zimmer war so gut erleuctet. Daher war ic einver#anden und nahm da+ Zimmer. Ic kaufte mir al+ er#e+ eine elektrisce Kocplatte, und auc der versprocene Ei+scrank wurde scne¬ geliefert. Später baute ic mir Regale an der Trennwand, um mein Tonbandgerät und viele Bücer unterzubringen. Im Sommer war der Raum ungeheuer heiß, um die 40 Grad, da die direkt über mir liegenden Dacziegel die Hi¿e tag+über aufsaugten und nact+ wieder abgaben. Ic konnte dann nur sclafen, indem ic die ganze Nact einen Ventilator laufen ließ. Ic besaß eine eigene Klingel. Zwar war diese er# defekt, nacdem ic aber eine neue Leitung zum Hau+tor gelegt und die Drähte neu an den Klingeltran+formator angesclo‚en hatte, funktionierte Íe. Auc ein eigener Briefka#en befand Íc an der zur Straße gelegenen Eingang+tür zum Hof, der zum größten Teil au+ Rasen be#and. Die Familie H. wo¬te da+ Hau+ mit einem größeren Dacgescoß versehen, wa+ aber abgelehnt wurde. So kaufte Íe Íc bald darauf ein große+ Hau+ auf 39
dem Lande und zog dorthin. In meiner Geldnot, ic bekam von meinem Vater ein etwa+ geringe+ Tascengeld, da+ ic mir noc durc seine Zuscü‚e für Ga#hofe‚en, da+ ic aber dazu nict verwendete, aufbe‚erte. Da ic nämlic im Ga#hof auc a¬ein gewesen wäre, hätte mir da+ be‚ere E‚en gar nict so gut gescmeqt. So begann ic, mein in der Scule begonnene+ Latein wieder aufzufriscen. Ic besucte er# einmal eine Vorlesung de+ sog. <Studium generale>, da+ u. a. Caesar-Lektüre für Anfänger anbot. Ein netter, penÍonierter Studienrat namen+ Holoc, er läcelte immer verscmitzt, führte die Veran#altung durc. Ic läcelte nun auc, begann aufzuwacen, indem ic jede Kleinigkeit innerlic notierte. Dann kaufte ic mir da+ Büclein „Sprecen Sie Lateinisc“ von Georg Capellanu+, da+ ic nun au+wendig lernte. Ic sprac da+ ganze Buc auf Tonband, lie+ e+ immer wieder ablaufen und sprac bald laut nac. Nac einiger Zeit dacte ic auf Lateinisc, und die kleine Vorlesung von ÷ Holoc scien mir nun zu einfac. Ic versucte, ihn zu besucen, rief ihn darum an und bat darum, einmal mit ihm lateinisc sprecen zu dürfen. Er lacte mic au+: „Na, lateinisc sprecen, da+ i# nict so leict. Aber kommen Sie einmal vorbei.“ ÷ Holoc wohnte im romantisc an einem Berghang gelegenen Vorort Durlac, wohin ic mit der Straßenbahn fuhr, in einer scönen alten Vi¬a. Ic bemerkte beim Eintreten gleic einen großen Konzertœügel. Einige höœice Begrüßung+worte, dann sprac ic in œießenden Latein: „Nunc vero necesse est Latine loqui.“ „Nun i# e+ aber nötig, Latein zu sprecen,“ und ÷ Holoc er#aunte sehr, war ganz aufgeregt und bemühte Íc, etwa+ auf lateinisc zu antworten. Da er aber kaum Zeit hatte, durfte ic ihn nict wieder besucen. 40
7. Nachilfe für andere.
I
n der Bibel heißt e+: „La‚et die Kindlein zu mir kommen!“ „So“, sagte ic mir, „la‚et Íe aber dabei mehr Bildung erreicen!“ und begann, in der Zeitung Anzeigen aufzugeben, daß ic Nachilfe in den hauptsäclichen GymnaÍalfäcern erteilte. Besonder+ gern mocte ic Scüler in Latein. Daneben war aber auc Mathematik #ark gefragt. Da konnte ic nun Kinder und Jugendlice einmal fördern, die Íc besonder+ freuen mußten, denn ic war regelrect wild darauf, daß Íe auc wirklic Erfolg haben würden. Statt einer Stunde unterrictete ic mei# ein einhalb Stunden, wobei ic ein Heft einführte, wo die Scüler wictige Einzelheiten in einer sehr praktiscen Form eintragen mußten: Da+ A 4 große Heft mußte mit einem senkrecten Stric in zwei Hälften geteilt werden; auf dem linken Teil wurden Fragen aufgescrieben, auf dem recten die zugehörigen Antworten. Diese mußten die Scüler bi+ zur näc#en Nachilfe#unde au+wendig lernen, dann hörte ic Íe ab. War eine Frage nict beantwortet, mußte der Scüler Íe nocmal+ lernen. Den er#en Besuc bei einem Scüler, genauer einer Scülerin, mußte ic in Rüppurr, einem Vorort, macen. Da war auf einmal ein kleiner Streit entbrannt, wer denn Rect habe, wie man denn Latein lernen mü‚e, zwiscen zwei Mädcen, die Íc meiner bedienen wo¬ten. Die ältere, Martina, wurde auf einmal äußer# zart und sanft, al+ Íe mic näher betractet hatte, die jüngere mit Namen Micaela ging er# mal zum Spielen nac draußen auf einen Spielpla¿. Diese beiden waren jahrelang meine wictig#e Geld∆ue¬e, und Martina fragte oft nac a¬em, 41
wa+ ic nur wußte. Dabei konnte Íe meine dummen und sehr bo+haften Wi¿e mit guten Humor ertragen. Einmal erzählte ic die Karneval+sendung mit dem Colonia-Duett nac, und da mußte natürlic die Ste¬e her, wo der eine Mann ein Potenzmittel in einen Brunnen gescüttet hatte, und nacher #and der Pumpenscwengel hoc! Ihre jüngere Scwe#er nahm mit mir in Lateinisc gerade die Worte anu+ mit langen und mit kurzem a durc. Da ic erklärt hatte: anus mit kurzem a heißt , mit langem oder , kam auf einmal eine unerhörte Panne für die Unterrict+methode, den KleinMicaela druq#e sehr auffü¬ig herum und pla¿te auf einmal laut lo+: „Wa+ i# denn nun eigentlic der After?“ Nacdem ic mic gefaßt hatte, antwortete ic: „Da+ i# da+ Loc, wo die ganze Herrlickeit herau+kommt.“ So etwa+ i# mir noc nie pasÍert, und e+ war zum Glüq nict nac weiteren Einzelheiten de+ Körper+ und seiner Au+mündungen gefragt worden, so daß ic noc einigermaßen heil beziehung+weise unangeta#et davonkam. Die mei#en Scüler mußte ic zu Hause besucen, aber einige kamen auc zu mir. Die hübsce#e, namen+ Stefø, war 14 Jahre alt, Tocter eine+ Rectsanwalt+, und bemühte Íc, die für Íe scwere Sprace Latein bei mir zu verbe‚ern. Ihre jüngere Scwe#er durfte daraufhin auc zu mir kommen. Stefø konnte Lateinisc sehr scne¬ vorlesen, aber Íe merkte Íc die Texte seltsamerweise nict. Da kam e+ öfter zu Tränen, wenn Íe nict rect aufgepaßt hatte und wieder nur eine Vier in der Kla‚enarbeit bekam. Einmal sagte Íe mit ganz unsculdiger Miene: „Heute mü‚en wir un+ Zensuren macen!“ _ „Wie bitte, Zensuren darf# du macen, Stefø?“ sagte ic, „Índ e+ vielleict wohl eher 42
Zäsuren?“ Da mußte Íe lu#ig lacen, weil Íe den Fehler bemerkt hatte. Stefø+ Familie war rect groß. Ic lernte auc ihren Vater, Rectsanwalt ÷ M., kennen, al+ ic später in ihrem Hau+ unterrictete. Da erzählte er, daß Íe scon einen kleinen Freund habe. Ic fragte er#aunt: „Wa+, scon so früh?“ Der Vater erklärte eher nüctern: „Warum nict?“ Da sagte ic mir, ja, wenn die Mädcen so früh anfangen, dann komme ic ja nie zu einer Freundin! Eine Ober#ufenscülerin au+ der Wald#adt war eine gute Handba¬erin, aber ohne Gefühl für die Grammatik, weil Íe nict so natürlic unterrictet worden war, wie Íe da+ braucte, so daß Íe die Endungen nict ver#and. Da+ lernte Íe bei mir. Besonder+ durc da+ Wegla‚en der Überse¿ung vom Deutscen in+ Lateinisce hatte die Scule damal+ zu dieser Zeit bereit+ zu viele Scwierigkeiten für die Scüler hervorgerufen, die nun von mir au+zumerzen waren. Einmal war ic so frec, ihr etwa+ ein die Augen zu sehen, worauf Íe auf einmal erscrak und mic ebenso ansah. Da Íe aber nict so hübsc war wie ic mir meine Freundin vor#e¬te, gab ic mir keine Mühe, Íe kennenzulernen. Ic bemühte mic, den Scülern einface Anweisungen auf Latein zu geben, damit Íe auf ganz natürlice Weise lernten. Immer sagte ic, wenn sein Scüler Íc se¿en so¬te: „Asside, quaeso“ „Se¿ dic, bitte“, und wenn er lesen so¬te: „Lege“, am Scluß der Stunde: „Finem faciamus“ – „Wir wo¬en Scluß macen“. Die Hau+aufgabe hieß , da+ Heft , und wenn ic etwa+ wiederholen la‚en wo¬te, sagte ic: „repete, quaeso“. Immer mußten die Scüler die Sä¿e laut vorlesen, damit Íc die Sprace 43
einpräge. Ein Nachilfescüler namen+ Micael, der auc zu mir kam, wo¬te nict glauben, daß ic Latein sprecen konnte. Wie man au+ seinem Nacnamen und der Sprace hörte, #ammte die Familie au+ ScleÍen. Einmal mußten wir gemeinsam zur Straßenbahnhalte#e¬e gehen, da ∆uatscte ic ihn, um ihn zu neqen, die ganze Zeit auf lateinisc an, und er war ganz aufgeregt, weil er durc da+ rictige Palaver äußer# aufpa‚en mußte. In der Scule erzählte er seinem Lateinlehrer davon, daß ic scne¬ Latein sprac. Der glaubte ihm kein Wort, aber Micael sagte zu ihm: „Sie werden Íc wundern!“ Ic war so wütend, daß der Lehrer nict geglaubt hatte, daß ic gut und geläuøg Latein sprecen konnte, daß ic daraufhin den Lehrer in der Scule aufsucte, zumal ic meinte, seine Lehrmethode sei für einen Scüler wie Micael, der mehr direkt und intuitiv unterrictet werden mußte, zu ungeeignet. Der Lehrer war so bescämt, daß er mit mir nur ganz wenig sprecen konnte und mic dafür dem Scu¬eiter, einem D. Sieß, vor#e¬te. Mit diesem sprac ic frei lateinisc. E+ war da+ GymnaÍum in Durlac. Der sehr nette ÷ Sieß war von mir so angetan, daß er meinte, ic mü‚e mit a¬en Karl+ruhern, die den dreifacen Doktortitel hatten, sofort Kontakt aufnehmen, und gab mir dazu gleic die er#e Adre‚e. Der dreiface Doktor hat leider auf meinen Brief nie geantwortet. Weiter hatte ic einen sehr freundlicen und #rebsamen Nachilfescüler Namen+ Marçu+, der nac einer für die Kla‚e zu scweren Lateinarbeit gewi‚e größere Ang#gefühle hatte, und ic erzählte dem so freundlicen Sieß auc davon, weil ic ja noc wußte, wie ic früher vor Kla‚enarbeiten Ang# gehabt hatte: „Valde enim trepidat“ – „Er zittert nämlic sehr“. Herr Sieß rief nun, man höre 44
und #aune, vor meinen Augen den Direktor de+ GoetheGymnaÍum+ an und fragte, wie e+ den um Marçu+ und seine Note #ehe, denn „er “, und der andere Direktor beruhigte mic, indem er sagte, die Marçu+’ Arbeit sei doc noc eine Drei! Marçu+ mußte ic bei Íc zu Hause besucen, er wohnte gegenüber dem Tu¬a-Bad. Die auc sehr freundlice Mutter wo¬te für ihn eine gute Hilfe geben, und so war ic dort lange Zeit der gern gesehen und sehr lu#ige Hau+lehrer. Ic wo¬te nämlic die Scüler nict zu langweilig unterricten, sondern mit Scwung und Humor. Einmal erklärte ic, der bekannte Au+spruc Cato+ „cetero censeo“ sei der Kaiserin Maria ThereÍa von ihrem Leibarzt noc näher erläutert worden. Al+ Íe Íc nämlic beklagte, Íe habe zu wenig Kinder, erklärte ihr der Arzt auf lateinisc: „Cetero censeo vestrae maiestatis clarissimam illam vulvam esse titillandam“, und Marçu+ scaute ganz begei#ert im Lexikon nac, wa+ vulva bedeutet. Marçu+ hatte auc viele Intere‚en, und besonder+ galt seine Liebe immer einem großen A∆uarium, da+ er sorgfältig pœegte. Micael neqte ic, indem ic die Antworten im Heft mit der Hand zuhielt, damit er Íe beim Abfragen nict ablesen konnte, und dabei bemerkte ic: „Scau, ic bin ein Zuhälter.“ Da der Junge sehr gut erzogen war, hielt er Íc verzweifelt den Mund zu, um nict lo+zupla¿en. Martina hatte noc eine weitere Mitscülerin in Rüppurr für mic gewonnen, namen+ Marion. Sie wohnte in einem alten, rect hübscen Bauernhau+. Dort begrüßte Íe mic mit ihren Tieren, da+ waren große Leguane und zwei Ka¿en. Marion war besonder+ niedlic, weil Íe mic gar nict wegla‚en wo¬te, auc wenn ic wenig Zeit hatte. Und bei vielen Gelegenheiten gab e+ 45
noc eine kleine Zugabe an Geld. Leider war Íe sehr #i¬, sehr aufgeweqt aber, wenn ic etwa+ sagte. Da mußte ic den Wi¿ erzählen: „Suum cuique“ heißt nict „da+ Quieken der Scweine“, wa+ Marion besonder+ lu#ig aufscrieb. Später wurde Marion immer netter, und die Mutter bracte immer nette kleine Gescenke, die Íe mir zu Weihnacten zu#eqte. Da war Marion am spendabel#en.
Fortse¿ung folgt!
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Inhalt
Seite
1. Anfang in Karl+ruhe ……………………… 3 2. Profe‚or <Strubi> & Co…………………… 9 3. Karl+ruher Stereofreunde ………………… 25 4. Kun# und MuÍk helfen!………………… 28 5. Prüfungen ohne Liebe …………………… 31 6. Eine ecte Studentenbude ………………… 36 7. Nachilfe für andere ……………………… 41 (Fortse¿ung folgt)
‹‹
Die Reihe umfaßt bi+ je¿t folgende Bände: 1) „Dunja und da+ Feuerwerkzeug“, 2) „Staclige Gefährten“, 3) „ Kummerkek+“, 4) „Quietsci und der kleine Maler“ (le¿tere+ mit 4 Kun#druqtafeln), 5), 6), 7) Da+ JägergymnaÍum <. <<. <<<. Teil. Je 5,–µ ±1,50 Pt. 8) „Sylter Gründe“ (mit 2 Farbtafeln) 7,80µ ±1,50 Pt. Vom gleicen Autor erscien unter anderem: Gedicte. 80 Seiten, Farbumsclag, brosciert, m. eigenen Zeicnungen. Liebe, Wiedergeburt ∞ç., ∫µ28,_ ± 2 Pto. ÷ E. Joannide+, „Sprecen Sie Attisc? Moderne Konversation in altgrieciscer Umgang+sprace“. Verbe‚erte Neuauœage mit Nacträgen „Modern#e+“ sowie Erotiça, 80 S., brosciert, ∫µ 25,_ ± 2,_ Versand.
Edition ROMANA Hamburg
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Helzel+ heimelige Heftlektüre Autobiographie Heft 9
Au+ meiner Stromzeit 1
Von
Gerhard Helzel Edition ROMANA Hamburg P