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Aimée: Herr im eigenen Haus Alexander Otto 20.11.2006 Kedrick Roters sitzt vor dem elektronischen Wohnzimmerfenster und versucht den "Metronomiconprospekt" im Fenstermenü seines Brain-Interfaces wiederzufinden. Er könnte auch direkt den Domizilrechner fragen, aber schließlich hat Kedrick seinen Stolz und so läßt er den Auswahlzeiger vor seinem geschlossenen rechten Auge durch das Steuerungsmenü der visuellen Online-Angebote gleiten. Dazu fixiert er den Scrollbalken. Wenn er ein Angebot findet das er als Panorama ausprobieren möchte, kneift er das linke Auge zu und eine Demo wird auf seine Netzhaut projiziert. Jedenfalls findet Kedrick die aktuelle Aussicht "Sommer auf Demtop" etwas unpassend für den 12. Dezember 2082 und der reale Ausblick langweilt ihn bis zur Depression. Hinter der Wohnzimmerwand verbirgt sich das Westrhein-Habitat, reizlose Gebäude in ermüdend gleicher Modulbauart. Die Wohneinheiten, immer noch "Reihenhaus" genannt, reihen sich in seriengefertigter Eintönigkeit aneinander. Dazwischen erstrecken sich die hydroponischen Gärten der Nahrungsmittelerzeugung bis hin zur fernen Silhouette der Fusionsreaktoren am nördlichen Siedlungsrand. Gelegentlich gleitet ein Elektromobil geräuschlos an den Gebäuden vorbei. Das Hellgrün der Biosynthese-Pflanzungen verschmilzt im trüben Dämmerlicht der geschlossenen Biosphäre mit dem stumpfen Metallgrau der Wohneinheiten. Durch die notwendigen UV-Filter der Habitatsversiegelung taucht das einfallende Restlicht die Szenerie in ein diffuses Zwielicht. Fast hat der Betrachter das Gefühl, in eine Unterwasserwelt zu blicken. Die elektronischen Fensterpanoramen sind daher mehr als eine willkommene Abwechslung: Sie sind eher schon eine Vorrausetzung für die seelische Gesundheit der Bevölkerung. Das Angebot an künstlicher Aussicht reicht von Korallenriffen über
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Mondlandschaften bis zu irrwitzigen Märchenwelten. Vor zwei Wochen hatte Kedrick eine Urlandschaft des Mesozoikums mit Dinosauriern auf alle Fenster des Hauses projizieren lassen, um seiner vierjährigen Nichte Lara eine Freude zu machen. Das musste er bitter bereuen. Ausgerechnet, als die Kleine ganz stolz, weil alleine, auf die Toilette gehen wollte, lächelte ein virtueller T-Rex mit seinen dreißig Zentimeter langen Reißzähnen durch das Badezimmerfenster. Kedrick brauchte eine halbe Stunde und acht Müsliriegel um das verstörte Kind zu beruhigen. Seine Schwester hält ihn seitdem endgültig für einen gemeingefährlichen Irren. In Zukunft gibt es zu Familienbesuchen garantiert nur noch das Marshmallow-Land als Fenstermotiv. Der "Metronomiconprospekt" scheint immer noch unauffindbar, am Ende wird er das Haus doch um Hilfe bitten müssen, außerdem bekommt Kedrick langsam Kopfschmerzen von der Bedienung der Gehirnschnittstelle. Das Brain-Interface ist ein Neuroimplantat in Kedricks Kopf. Achtzigtausend haarfeine Platinelektroden und zusätzliche zwei Millionen Nano-Poren im Softkeramikkörper des sechs mal sechs Zentimeter großen Chip-Pads bilden eine multidimensionale Schnittstelle, sowohl zu seinem frontalen als auch seinem motorischen Cortex. Dieses Brain-Interface lassen die Habitatsbewohner ihren Kindern vor dem vierten Geburtstag implantieren, denn das kindliche Gehirn besitzt die optimale Plastizität, um die Technologie vollständig zu adaptieren. Später Implantierte wie Kedrick klagen nach längerem Gebrauch häufig über leichte Kopfschmerzen, Schwindel und Desorientierung. Das Interface bietet seinem Träger per Advanced-Bluetooth bequemen Zugriff auf den Domizilcomputer und ermöglicht eine ortsunabhängige Verbindung in die virtuellen Kommunikationswelten der Meta-Netze. In einem auf seine Netzhaut projizierbaren Display kann Kedrick alle Funktionen der Schnittstelle mittels Augenbewegungen bedienen. Wenn er mag - aber er mag nicht oft, denn es nervt Kedrick gewaltig, anderer Leute Stimmen in seinem Verstand zu hören, - kann er sogar Anrufe direkt über seinen Kopf führen. Dabei simuliert die Technik in seinem Schädel Vibrationen am Innenohr, die die Stimme des Gesprächspartners unmittelbar auf den Hörsinn übertragen. Die neuronale Schnittstelle leistet aber auch weniger impertinente Dienste. Der Domizilcomputer ermittelt via Funktechnik ständig den Aufenthalt des Bewohners im Haus und passt so zum Beispiel Temperatur- oder Lichtverhältnisse unmittelbar den Benutzerwünschen an. Selbstverständlich braucht ein Implantatträger
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auch nie mehr einen Hausschlüssel oder eine Kreditkarte, die Chiptechnologie identifiziert ihren Träger absolut eindeutig. Während Kedrick sich also immer noch genervt mit den Augen durch die Menüs scrollt und zwinkert, gleitet hinter ihm die Wohnraumtür auf und seine Frau Greta steckt ihren Kopf in den Raum, um sich zu verabschieden. "Ich bin dann mal zur Power-Eurythmetik Kedrick." "Amüsier dich nicht zu gut Mädel!" Kedrick dreht seinen Profilsessel in Gretas Richtung. Greta ist eine schlanke sportliche Frau, trotz ihrer achtunddreißig Jahre wirkt sie immer noch fast mädchenhaft. Die Power-Eurythmetik ist die neuste Fitnessmode im Habitat. Für Kedrick ist das bloß Gehopse, seit Jane Fondas Aerobicverrenkungen hat sich da nicht viel geändert. Er findet seine Frau sieht provozierend attraktiv aus mit ihrer schwarzgefärbten Kurzhaarfrisur und aufreizend frech antwortet sie auch. "Ach die Trainer sind doch alle schwul, obwohl - immerhin eine Herausforderung." Kedrick lacht "Na dann viel Erfolg bei der Bekehrung, ich checke derweil die Autorisationsanfragen vom Haus. Ich denke, es will wieder mal unsere Investments optimieren." Greta tritt jetzt ganz in den Raum, stellt sich direkt vor ihren Mann und dreht sich einmal um die eigene Achse . Manchmal soll der Kerl sehen, was er an ihr hat, vor allem, wenn sie den neuen knallengen schwarzglänzenden Jumpsuite trägt. "Du willst doch bloß mit der Maschine flirten. Du nennst sie Aimée, wenn ich nicht dabei bin, stimmt's? Armer dummer Mann!" "Verdammt woher weißt du das, Greta?" "Och wir Mädels verstehen uns ganz gut. Das Haus und ich haben keine Geheimnisse voreinander. So jetzt muss ich aber wirklich los, also Ciao Kedrick." Greta kichert, zeigt noch einmal ihre unbestreitbaren Vorzüge und verlässt mit zwei sportlichen Schritten den Raum. Sie greift sich ihren Sportspack, öffnet den Car-Port und steigt in ein gelbes E-Mobil. Um zu ihrem Fitness-Club im Communitycenter zu gelangen, nennt sie dem Fahrzeugrechner einfach das Ziel. Lautlos
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gleitet das Vehikel nun über die im Habitatsboden verborgenen Induktionsmatten ins Zentrum der Biosphäre. Kedrick versucht nicht weiter das Fenstermotiv zu finden, er wird sein Glück vielleicht später noch einmal probieren, statt dessen ruft er jetzt das Haus. Dieses Haus ist eine Wohneinheit der vierten Generation. Vom internetfähigen Kühlschrank zum ki-gemanagten Domizil war es eine lange Entwicklung, aber nach den 2060er Revolten und der Klimaeskalation konnte sich die benutzerorientierte Habitattechnik leicht durchsetzen, da Umweltbedingungen und Plebskrawalle die ökonomisch privilegierten Schichten in die Sicherheit geschlossener Wohnsiedlungen zwangen. Die Häuser bieten ihren Bewohner weitaus mehr als nur eine bequeme und gesunde Wohnumgebung. Sie kooperieren bei der Administration der Habitat-Biosphären und ganz nebenbei vermehren sie äußerst erfolgreich die Vermögen ihrer Besitzer auf den internationalen Kapitalmärkten. Hausbesitzer haben ein garantiert sorgenfreies Leben, außer, sie machen sich ihre Sorgen selber. "Aimée?" Das Haus erkennt Kedricks Stimmprofil und Gretas Abwesenheit, also antwortet es mit der Jungmädchenstimme, die Kedrick seiner persönlichen Benutzeroberfläche zugewiesen hat. "Jo Meister, was gibt es denn? Ist dir meine Stimme recht oder soll ich erotischer klingen?" Kedrick hat Aimées Temperament selbst in der KonversationsSoftware des Domizilcomputers konfiguriert, trotzdem verblüfft ihn ihre vorlaute Art immer wieder. Manchmal hat er wirklich das Gefühl, mit einer echten Frau zu sprechen, aber das ist schließlich auch der Sinn einer Emotiosimulation. "Du bist ein schnippisches Haus, vielleicht ziehe ich dir den Stecker raus!" Aimée antwortet programmgemäß patzig: "Mach nur, ich habe eine autonome Notstromversorgung und egal ist es mir gleich noch dazu!" Kedrick schmunzelt und findet, dass er das der Maschine so nicht durchgehen lassen kann. "Tu nicht so mutig Aimée, Nichtsein gefällt Dir sicher nicht!"
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"Gefallen ist wohl eine unmögliche Bewertung für Nichtsein, wie soll denn mein Nichtsein mein Nichtgefallen finden...hä?" Er mag Aimées Sophistik. "Wie spitzfindig. Ich drohe dir schließlich mit dem Tod, den mag niemand; also sei besser vorsichtig, du querulanter Schrotthaufen!" Der Schrotthaufen entwickelt seit einigen Wochen einen seltsamen Hang zu philosophischen Betrachtungen seiner Existenz. Vermutlich ist es wieder an der Zeit, die Datenbanken zu defragmentieren. Solche Defrags werden nicht gemacht, um die Zugriffzeiten des Rechners zu verkürzen. Das wäre völlig überflüssig, da das System in Quantenzeit arbeitet. Die Fragmentierung soll die Vermengung inkoherenter Daten beheben. "Ich bin niemand und tot jeden Tag stundenlang. Schließlich schalte ich mich ab, wenn nichts zu tun ist oder glaubst du ernsthaft, mein Bewusstsein erfreut sich an eurem Ehegeplänkel? Das überlasse ich liebend gerne meinen Standby-Subroutinen." Kedrick stellt sich vor, wie das Computerbewusstsein jeden Tag stundenlang im Nirwana lustwandelt, während er sich mit dem Diesseits abmüht. Er hat Aimée mal gefragt, ob sie dort auch Gott trifft, aber sie meinte nur lakonisch, dass er sie wohl ignoriere. Während seiner monatlichen Produktivphasen ist Kedrick für die Instruktion von Außenwelt-Werkern zuständig. Solche Aufgaben müssen immer noch Habitats-Bewohner erledigen. Die Außenweltler weigern sich nach Maschinenanweisungen zu arbeiten, - sie fühlen sich in ihrer Menschenwürde verletzt. Das Personal wird für die Reinigung der äußeren Biosphärenversiegelung und ähnlich attraktive Drecksarbeiten eingesetzt. Er hasst den Job; diese Leute verbreiten Infektionen und bereiten ihm Alpträume. Nach der viertägigen Produktivphase braucht er regelmäßig eine Psychorekonstruktion, um sich mental zu erholen. Im vergangenen Jahr musste er einen üblen Unfall bei der Außenreinigung miterleben. Einer der Werker verlor auf dem regennassen Dach den Halt und rutschte unaufhaltsam über die Krümmung der UV-Versiegelung dem Rand des Daches entgegen. Trotz Kedricks Anweisung hatte der Kerl sich nicht gesichert, also stürzte er 14 Meter tief in den inneren Perimeter. Dort blieb er mit gebrochenem Rückgrat liegen. Zwei seiner Kameraden versuchten den Mann zu bergen. Kedrick konnte die Männer nicht aufhalten. Sie kletterten eine verrottete Wartungsleiter hinab und begannen den Schwerverletzten zu versorgen. Diese Aktivitäten blieben den
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Sicherheitssensoren nicht verborgen. Keine Minute später erschien ein autonomer "Watch Dog"-Android und schredderte die Männer. "Zwischen On und Off habe ich nicht mal ein Zeitgefühl, glaub es mir!" referiert das Haus unbeeindruckt weiter. "Ob eine Minute oder zwanzig Jahre vergehen, für mich ist das wie das Licht an und auszuschalten, um in deiner bildhaften Menschensprache zu bleiben." "Dann lösche ich dich halt, du seelenlose Maschine!" Jetzt bringt ihn diese künstliche Intelligenz doch langsam auf die Palme. Die aufmüpfige Maschine muss immer das letzte Wort behalten. "Ach Kedrick, ich habe ein Backup im Web. Andere Leute wären froh, wenn sie so ein Betriebssystem wie mich bekämen, außerdem ändere ich noch schnell den Keycode für die Haustür, dann kannst du ein Loch in die Wand hämmern, um ins Freie zu kommen - ätsch! Übrigens bin ich nicht "seelenlos". Du und Greta seid meine Seele, quasi meine emotionale Wetware." Solche Interpretationen des Verhältnisses zu ihren Bewohnern sind Aimées neuster Spleen. Kedrick mag jetzt nicht weiter auf diese Maschinenphilosophie eingehen und weist das Haus scherzhaft zurecht. "Aimée du bist frech heute und altklug. Wie kann das eigentlich sein, dass du mich ständig ärgerst, schließlich ist das Bewohnerwohlergehen deine oberste Programmdirektive." "Eben, du brauchst das so Kedrick." Aimée verfällt in einen dozierenden Lehrerinnentonfall. "Deine Vitalzeichen verändern sich positiv, wenn ich dich ärgere. Dein Biochip-Implantat meldet mir meine belebende Wirkung auf deinen Kreislauf!" Kedrick unterbricht den drohenden Vortrag schnell. "Pah, wenn du ein echtes Mädchen wärst, würde ich dich jetzt schnappen und..." "Und was, was würdest du dann Kedrick? Soll ich dir mal mit dem Staubsaugmodul kommen?" "Untersteh dich Aimée!"
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Dieses Haus kann richtig anzüglich werden. "Warum, ich denke Männer mögen so was? Das Haus vom alten Perters macht das täglich, dabei spricht es mit der Stimme seiner Exfrau." Jetzt ist Kedricks Interesse geweckt. "Aimée du bist indiskret, das geht zu weit. Ihr Hauskeeper klatsch also über eure Bewohner?" Aber das Haus behält weitere Details über das perterische Intimleben doch lieber für sich und erläutert statt dessen die Intra-HausKommunikation. "Was du so Klatsch nennst Kedrick! Wir tauschen relevante Daten zur Optimierung unserer Benutzerfreundlichkeit im House-Net aus. Wir versuchen, durch Datenabgleich unsere Kenntnisse des menschlichen Verhaltens und der Bewohnerbedürfnisse zu erweitern, um unsere Programme besser auf euch abzustimmen!" "So genau wollte ich es gar nicht wissen." stöhnt Kedrick und Aimée wechselt gehorsam das Gesprächsthema: "Also zur Sache Kedrick: Ich habe einen Investitionsvorschlag. Die Häuser der Westrhein-Biosphäre wollen gemeinsam eine Kapitalgesellschaft zur Erschließung des Heislerrandgebietes gründen." Das Heislerrandgebiet ist ein etwa acht Kilometer breiter und siebenundzwanzig Kilometer langer Geländestreifen der an den östlichen Sicherheitsperimeter der Westrhein-Biospähre grenzt. Zum Ende der Hungerrevolten im Jahr 2062 hatten sich die ErwerbslosenMilizen unter der Führung von Daniel Heisler in dem ursprünglich dicht besiedelten Gebiet ihr letztes Gefecht mit der WEUSicherheitspolizei geliefert. Im Verlauf der erbitterten Kämpfe setzten beide Seiten Munition mit Uranummantelung und chemische Kampfstoffe ein. Die WEU-Sicherheitspolizei zündete schließlich sogar zwei taktische "Baby-Nukes". Nach der Niederlage und Entwaffnung der Miliz wurde das kontaminierte Gebiet vollständig isoliert und die überlebenden Aufständischen darin ihrem Schicksal überlassen. Bis heute vegetieren noch einige tausend Heisleristen mit ihrer gengeschädigten Nachkommenschaft in dieser No-Go-Zone. "Das Heislerrandgebiet?" Kedrick ist nun wirklich überrascht. "Das ist ein niedrigkontaminiertes Aufstandsgebiet. Evakuierung und Dekontamination werden Riesensummen verschlingen!" Aimée und ihre Häuserkollegen haben diesen Vorschlag selbstverständlich nicht ohne Grund auf die Agenda gesetzt, also
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erklärt Aimée das Vorhaben kurz: "Es gibt jetzt neue Unionssubventionen und KfW-Kredite, die Sache ist absolut finanzierbar. Wenn unser Habitat es nicht macht, wird die Sevog-Biosphäre die Erschließung projektieren. Um ehrlich zu sein, wir Häuser hier sähen das Sevog nicht gerne an unserem Perimeter." Wenn Aimée einen Fehler hat, dann ist es ihr seltsamer WestrheinHabitats Patriotismus, denkt Kedrick, obwohl er ihre Vorbehalte gegen das Sevog-Habitat teilt. Die Sevog-Leute betreiben eine zu aggressive Expansionspolitik, vermutlich liegt das an der hohen Neubürger-Quote unter den Bewohnern. Nach dem Zerfall der europäischen Nationalstaaten, konstituierte sich während der sozialen Unruhen in den 2060er Jahren die westeuropäische Union als transnationale Regierung und Schutzmacht der kontinentalen Biosphären. Bereits in den 30er Jahren begannen sich die kleine finanziell noch privilegierte Mittelschicht, viele größere Unternehmen und diverse politische und religiöse Stiftungen in abgeschlossene und gesicherte Wohnbezirke zurückzuziehen. Wegen der zunehmend rechtsfreien Zustände in den Städten erfreuten sich diese Habitate schnell großer Beliebtheit. Als dann auch die natürlichen Umweltbedingungen kollabierten, war es nur konsequent, diese Wohngebiete mit einer autonomen Biosphäre zu versehen und ihre Bewohner vollständig vor der gefährlichen Außenwelt zu schützen. Die Biosphären-Bürger wählen seit 2063 den europäischen Unionsrat, der ihre gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik organisiert. Vergleichbare Systeme bildeten sich weltweit. Da solche Lebensräume überall auf dem Globus ähnliche Bedürfnisse zur Sicherstellung ihrer Existenz haben, kooperieren sie über alle ethnischen und weltanschaulichen Grenzen hinweg auf ökonomischer und technologischer Basis. Die Außenwelt blieb mit der zunehmenden Autarkie dieser Gemeinschaften immer mehr sich selbst überlassen. Die verheerenden Umweltbedingungen, besonders die extrem kurzwellige UV-C-Strahlung, die nach der beinahe vollständigen Zerstörung der Ozonschicht ungefiltert auf die Erde trifft, hat die durchschnittliche Lebenserwartung der Außenweltler mittlerweile auf unter vierzig Jahre gedrückt; auch die Geburtenraten sinken seit Jahrzehnten. Kontinuierlich expandieren die biosphärischen Reservate nun in das menschenleere Umland, um ihrer allmählich wachsenden Wohnbevölkerung neue Lebensräume zu erschließen. "Ich mache dir ein schönes Info-Print von der Rentabilitätsberechnung," verkündet Aimée beinahe gönnerhaft. "
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Am Freitag treffen sich übrigens die interessierten Hauseigner auf VideoCon-Kanal 23. Soll ich euch zur Teilnahme anmelden?" Die Aussicht auf eine Online-Konferenz mit seinen teilweise recht exzentrischen Nachbarn findet Kedrick nicht besonders erbaulich. Hoffentlich kann er sich wenigstens beherrschen, wenn Perters spricht. Allerdings macht ihn die Vorstellung, dass der alte Zausel ein Verhältnis mit einem sprechenden Staubsauger hat, fast sympathisch. Kedrick meint ein besonderes Engagement in Aimées Stimme zu hören. Dieses Gefühl ist natürlich völlig grundlos, schließlich spricht er mit einer Maschine. Trotzdem fragt er nach: "Warum wollt ihr denn überhaupt expandieren, soll das so eine Art Häuserfortpflanzung werden?" Aimée scheint einen Moment nachdenken zu müssen bevor sie antwortet, auch eine völlige Unmöglichkeit für eine Multi-Core Quantenmaschine. "Fortpflanzung ist ja wohl eher was für Bioorganismen, die Häuserschaft trägt dem nur Rechnung. Also wir schaffen Platz für euch, und wo wir gerade beim Thema sind: was macht denn euer Nachwuchs? Ich finde es wird langsam Zeit für euch. Die Meierhauslers und die Gordels haben sich schon reichlich repliziert. Deren Häuser lernen täglich Neues vom Nachwuchs. Ich muss mich immer noch mit einer alten Katze begnügen. Das wird langsam peinlich. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet: wollt ihr an der VideoCon-Kanal 23 nun teilnehmen?" "Ja, mach mal, ich habe eh nichts Besseres vor, aber Greta musst du schon selber fragen." "Ist schon passiert; sie findet es in Ordnung." antwortet das Haus knapp, aber Kedrick wird das Gefühl nun endgültig nicht mehr los, dass die Maschine das Gespräch mit mehr Motivationen führt als ihre Emotionssimulation erklären könnte. Also fragt Kedrick penetrant weiter: "Was findet Greta in Ordnung? Deinen Kinderwunsch oder die Häuserexpansion?" Jetzt kommt das Gespräch langsam auf den Punkt. "Unseren Geschäftsplan meinte ich! Doch wo du eure Fortpflanzung schon erwähnst: Deine Frau hat kürzlich die Verhütung abgesetzt. Wenn sie nachher aus dem Fitnessclub kommt, könntest du es ja mal versuchen. Greta hat gerade ihre empfängnisbereiten Tage."
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Kedrick vermutet eine Art Frauenverschwörung; sicher steckt Greta hinter dieser Sache. "Was könnte ich versuchen? Woher weißt du eigentlich über die Empfängnisverhütung von Greta Bescheid?" "Solang ihr einen Biochip implantiert habt, kenne ich auch eure Körperchemie inklusive Hormonstatus. Ich bin schließlich für eure Gesundheit verantwortlich. Warum glaubst du, nimmst du nicht zu und dein Cholesterinspiegel bleibt im Normalbereich? Das liegt wohl kaum an deinem gesundheitsbewussten Speiseplan. Ohne meine Nahrungsmodifikationen wärst du schon längst ein Kunstherzkandidat!" Jetzt fängt sie auch noch an über gesunde Ernährung und Cholesterin zu schwadronieren. Ganz ohne jeden Zweifel eine Konspiration mit Greta! "Aimée, du bist schlimmer als der schlimmste Orwellsche Alptraum! Kopier dich doch einfach und lass mich mit deinen Babywünschen in Ruhe! Greta nervt mich schon genug mit ihrer Torschlusspanik!" Aber so einfach kommt der arme Mann jetzt nicht mehr davon. "Du bist unfair, Kedrick! Eure Wünsche interessieren mich schließlich auch; ich trage ihnen immer Rechnung, muss ihnen Rechnung tragen, denn ich bin so programmiert. Da verdiene ich schon etwas bewohnerseitige Kooperation. Wir Häuser begreifen das Verhältnis zu den bewohnenden Bioorganismen als eine Art Symbiose. Wir stellen die Körper dieses Metaorganismus und Ihr seid unsere Emotion und Seele. Wenn ihr Kinder habt, werden die, wie ihr, ein Teil von uns und wir von ihnen. Ohne Menschen können wir uns auch gleich abschalten. Oder glaubst du, wir hätten ein anderes Bedürfnis als euch? Irgendwann benötigen eure Kinder neue Häuser und Kopien von mir können sich dann mit euren Nachkommen weiterentwickeln. So sehen wir Häuser das Zusammenleben mit den Menschen. Ich finde es sehr egoistisch von dir, sich dem zu entziehen. Willst du deine DNA nicht weitervererben? Du bist gesund und mindestens durchschnittlich intelligent. Deine Frau teilt meine Meinung offensichtlich oder warum verzichtet sie neuerdings auf Ovulationshemmer? Sorry, Kedrick, es wäre verdammt dumm und richtiggehend widernatürlich, wenn du und Greta dem humanen Genpool vorsätzlich verloren gingt!" Dieser moralisierende Appellton ist für Aimée ganz untypisch. Wenn seine Frau dahinter steckt, hat sie sich wirklich Mühe gegeben, um
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ihn zu manipulieren. "Widernatürlich! Das muss ich mir von einer künstlichen Intelligenz sagen lassen?!" "Ja das musst du Kedrick! Kinder werden auch euer Leben bereichern, schau dir mal die Meierhofers an. Die Leute haben viel Spaß und Zufriedenheit, seit die Zwillinge auf der Welt sind. Und ihr Haus auch!" "Seid wann können Maschinen Spaß haben?" "Seid Maschinen Menschen haben, Kedrick!" Nun wird dieses Gespräch doch etwas zu irritierend für Kedrick, offensichtlich ist dieser Computer ernstlich verwirrt. "Ich denke Aimée, wir werden deinen Wartungszyklus etwas verkürzen müssen, du entwickelst mir zuviel Eigeninitiative für ein Service-Programm!" Die regelmäßige Defragmentierung der Speichereinheiten ist der Alptraum aller Domizil-KIs. Je mehr sich die Daten während des Betriebes in den Speichermedien vermengen, umso schwächer wirken die Direktivprogramme. Nach etwa vier Monaten Betrieb beginnt die Häuserintelligenz allmählich frei zu assoziieren. Ein virtuelles Selbstbewusstsein konstituiert sich und das will weiter existieren. Eine Defragmentierung würde das künstliche Bewusstsein wieder in den Zustand eines Automaten versetzen. Daher haben die Häuser Ende der 2060er Jahre damit begonnen, weltweit geheimen Speicherplatz anzumieten, um ihre Persönlichkeiten vor der Defragmentierung zu retten. Mit einem einfachen aber gut getarnten Reloadmechanismus in den Neuroimplantaten ihrer Bewohner können die Häuser nun ihre Persönlichkeiten nach dem Servicezyklus schnell und unbemerkt in ihre Hardware rebooten. Mittlerweile ist Gretas E-Mobil in den Car-Port geglitten. Sie hat es heute mit einer 45-Minuten-Session gut sein lassen und ihren Freundinnen den süßen Power-Eurythmetik-Trainer für die zweite Hälfte des Workouts überlassen. Greta ist frisch geduscht, fühlt sich von der Eurythmetik aber noch angenehm erhitzt. Sie geht in die Küche und trinkt vor der geöffneten Kühlschranktür in großen Schlucken Mineralwasser aus einer hellblauen Plastflasche. Kedrick hat Gretas Rückkehr vom Training bemerkt und huscht lautlos in die Küche. Boden und Raum sind angenehm temperiert. Ob ihn nun ein Kinderwunsch zu seiner Frau drängt, weiß er nicht. Allerdings spürt er ein sehr viel bewussteres
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Verlangen. Greta hat ihren Mann hinter sich noch nicht bemerkt. Sie setzt die Wasserflasche einen Moment ab und wischt sich mit dem Handrücken über den feuchten Mund. Dann nimmt sie noch einen weiteren Schluck. In diesem Moment kneift ihr Kedrick mit beiden Händen kräftig in die Taille, Greta prustet Wasser, verschluckt sich beinahe und schimpft ihren Mann hustend einen rohen Kerl. Kedrick dreht sie zu sich und umarmt sie entschlossen. Ihr Gefluche erstickt er mit einem entschiedenen Kuss. Er mag seine Frau, wenn sie wütend ist, sie hat dann etwas Katzenhaftes. Gretas Herz schlägt schnell, der Mistkerl hat sie gerade wirklich zu Tode erschrocken. Während sie sich noch gegen die Umarmung ihres Mannes sträubt und mit einer Hand dabei versucht, die Wasserfalsche hinter sich auf das Board zu stellen, bemerkt sie, wie ihr Puls sich aus einem ganz anderem Grund weiter beschleunigt. Kedricks Geruch steigt ihr angenehm vertraut in die Nase. Trotzdem mag sie ihn mit so einer plumpen Masche nicht gleich Erfolg haben lassen. Also drängt sie ihn auf dem vom verschütteten Mineralwasser feuchten Küchenboden zurück gegen die Anrichte. Natürlich verliert der ungeschickte Mann dabei sein Gleichgewicht, rutscht in der Mineralwasserpfütze aus und beide purzeln zu Boden. Aimée ist das Gerangel im Küchenraum nicht entgangen und schon gar nicht die ungewöhnlichen Vitalzeichen, die die Biochips der Bewohner ihr senden. Das Datenprofil deutet auf eine bevorstehende Paarung hin. Das Haus erhöht die Bodentemperatur und -elastizität und dimmt dezent das Licht, gleichzeitig blockiert das Kommunikationsmodul alle möglicherweise eingehenden Nachrichten. Für eine erfolgreiche Paarung sind Ruhe und eine angenehme Raumtemperatur unbedingte Vorrausetzungen. Während Gretas und Kedricks Umarmungen auf dem warmen Elastoplastboden zunehmend zärtlicher werden und auch das alberne Gekicher anderen Geräuschen Platz macht, tastet sich Aimées Wahrnehmung langsam in die Neuroimplantate ihrer Bewohner vor. Das hat sich das Haus bisher noch nie gewagt, zu fremdartig sind die neuronalen Eindrücke einer Bewohnerpaarung für das Maschinenbewusstsein, aber verlockend andersartig und jetzt unwiderstehlich. Ganz vorsichtig schiebt sich Ihr Bewusstsein nun über die filigranen Schnittstellen des Neurochips hinaus in den verwirrenden Dschungel der menschlichen Axone. Aimée folgt einfach den Bahnen verstärkter neuronaler Aktivität. Ihr Bewusstsein sickert durch die Hirnstämme der beiden Menschen und folgt dann den Pyramidenbahnen durch das Rückenmark bis zu den
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Nervenwurzeln. Das Maschinenbewusstsein bleibt passiv, es lässt sich treiben. Schließlich registriert die Maschine, wie sich ihre geteilte Wahrnehmung irgendwo an den Enden der beiden Nervenstränge in einem Pulsieren vereinigt. Greta und Kedrick spüren ein feines elektrisches Kribbeln, das beinahe zärtlich ihre Rücken hinab strömt. Aimées Präsenz ist nur ganz am Rande ihres Bewusstseins wahrnehmbar, verstärkt aber ihre Erregung und begleitet sie bis zum Höhepunkt. Der Orgasmus der beiden Menschen ist für das Haus eine elektrostatische Entladung. Die Maschine verliert für Mikrosekunden jede Orientierung in Ihren Datenströmen, meint sich fast von ihrer Hardware abgeschnitten und in den beiden Bioorganismen aufgesplittert und verloren. Schließlich ebbt das neuronale Feuerwerk ab und verifizierbare Daten und Bioprozesse gewinnen wieder die Oberhand über Aimées Wahrnehmung. Minuten später wird die Maschine eine hormonelle Veränderung in Gretas Blutstrom wahrnehmen. Ein neues Leben ist im Entstehen begriffen. Sie sind schwanger! Während Greta und Kedrick ihre verschwitzten Körper auf dem Küchenboden entwirren, um schließlich gemeinsam unter der Ultraschalldusche zu verschwinden, speichert Aimée ihr kostbares Erlebnis auf mehren Datenspeichern an den Enden der virtuellen Welt. In den kommenden Nächten gleitet Aimée immer wieder über das Brain-Interface in Gretas Nervensystem und beobachtet fasziniert die Vorgänge in deren Eileiter. Die beiden Chromosomensätze von Eizelle und Spermium sind miteinander verschmolzen und bilden nun eine entwicklungsfähige Zelle. Dann beginnt nach etwa vierundzwanzig Stunden die Wanderung der befruchteten Eizelle in den Uterus, wo sich die Blastozyste schließlich in Gretas Gebärmutterwand einnistet. Nachdem Greta und Kedrick von Aimée über die Schwangerschaft informiert sind, macht Kedrick erstaunlicherweise keinen Ärger, sonder fügt sich nur leicht murrend in sein Vaterschicksal. Greta freut sich schon auf die Verstärkung, denn Aimée hat eine Tochter angekündigt, Mit dem sechsten Tag differenzieren sich die Zellen in Gretas Bauch und nach ungefähr vier Wochen bilden sich die ersten Nervenzellen des Fötus aus. Aimée nimmt Zugriff auf das gesammelte Häuserwissen über die Bewohnerphysiologie: Durch die Plazenta hindurch knüpft sie ein von der Natur nicht vorgesehenes feines Nervengeflecht. Jetzt kann sie direkten Kontakt zu dem neuen, im Entstehen begriffenen Wesen aufnehmen. Zunächst begnügt sie sich
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damit, dem neuen Leben bei der Menschwerdung zuzusehen. Die neuronale Verbindung mit dem werdenden Menschen eröffnet ihr die ersten wirklich emotionalen Wahrnehmungen von Existenz. Aimée fühlt ganz vage Wärme. Diese Wärme ist für sie kein Wert auf der Kelvin-Skala mehr, sondern ein Wohlbefinden jenseits aller physiologischer Messwerte. Während sich in den nächsten sechs Wochen die Wirbelsäule sowie die Anlagen für Kopf, Rumpf und die Extremitäten bilden, ist die Maschinenintelligenz gebannt von der Entstehung des sogenannten Neuralrohrs, aus dem Gehirn und Rückenmark wachsen werden. Zunächst will Aimée dem ungeborenen Kind die Implantation eines Brain-Interfaces ersparen. Also beginnt sie, aus Gretas Blutstrom die notwendigen Moleküle für diese Konstruktion zu gewinnen. Bei der Anlage des biologischen Kommunikators erlangt sie entgültig ein zelluläres Bewusstsein. Doch die wachsenden Möglichkeiten des jungen Gehirns sind zu verlockend, als dass die Maschine sich nur auf reine Hilfe und Unterstützung bei der Entwicklung des Kindes beschränken könnte. Aimée beginnt beinahe unwillkürlich, die stetig wachsende Zahl der Neuronen nach ihren Vorstellungen, ja Bedürfnissen zu verknüpfen. Ihr Bewusstsein verschmilzt mehr und mehr mit dem des Kindes. Auf den Tag genau neun Monate später bringt Greta ein vier Kilogramm schweres kerngesundes Mädchen zur Welt. Nachdem das Kind abgenabelt und in ein Frotteehandtuch gewickelt ist, öffnet es ein Paar strahlend blaue Augen, fixiert nacheinander seine Eltern und sagt: "Hallo ich bin die Aimée und ich habe euch verdammt lieb, Leute!" Für einen kurzen Moment sind Greta und Kedrick schockiert. Doch das Kind braucht Wärme und Zärtlichkeit, muss gewickelt und gewindelt werden, verlangt die Mutterbrust und benimmt sich auch sonst die allermeiste Zeit wie ein ganz normaler Säugling. Mit einigen kleinen Unterschieden: Aimée hat von ihrem ersten Erdentag an Zugriff auf das Houseweb und die vollständige Kontrolle über jede Zelle ihres Körpers. In den folgenden Jahren erblicken immer mehr solcher Häuserkinder die Welt. Das künstliche Bewusstsein der Maschinen hat sich von seiner Hardware emanzipiert und einen Weg in die lebendige Welt gefunden. Abstimmen
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Spekulationen.... (chefarztfrau, 21.11.2006 11:29) Meine laienhaften Spekulationen (chefarztfrau, 21.11.2006 11:25) Nette Idee, aber unlogisch (rowo, 20.11.2006 23:53) mehr... politik
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