Gruselspannung pur!
Wiedertäufer-Vampire
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann »Zu Tode gefoltert?« Karin Strack ...
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Gruselspannung pur!
Wiedertäufer-Vampire
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann »Zu Tode gefoltert?« Karin Strack legte den Kopf in den Nacken. Ihr Blick glitt am ehrwürdigen Turm der Lambertikirche hoch. Die junge Studentin aus Magdeburg interessierte sich nicht besonders für alte Gemäuer. Aber ihr waren die drei Käfige aufgefallen, die über der riesigen Uhr der Lambertikirche an der Fassade hingen. Ihre Mitstudentin Meike Hamm legte ihr die Hand auf die Schulter. Meike stammte aus Münster. War in dieser westfälischen Stadt geboren und aufgewachsen. Und kannte darum auch die Geschichten, die sich um die drei Käfige am Lambertikirchturm rankten. »Wenn ich es dir sage, Karin. Münster war nicht immer so nett und friedlich wie jetzt. Im 16. Jahrhundert hat es hier ein wahres Blutbad gegeben. Die Rädelsführer der Wiedertäufer wurden zu Tode gefoltert und in diesen Käfigen zur Schau gestellt. Und wie du siehst, hängen ihre Gefängnisse noch heute dort.« Mark Hellmann - die Gruselserie, die Maßstäbe setzt! 2
Das Mädchen aus Magdeburg spürte, wie sie von einer panikartigen Angst befallen wurde. Vielleicht ging ja auch nur ihre Phantasie mit ihr durch. Aber plötzlich bildete sie sich ein, daß sich einer der Käfige bewegt hatte! »Hast du das auch bemerkt, Meike?« Die Münsteranerin zuckte mit den Achseln. Aber ihre Stimme klang ebenfalls belegt. »Vielleicht der Wind…« Aber an diesem Abend in der Nacht vom 30. auf den 31. März 1999 wehte nur eine schwache Brise in diesem Teil NordrheinWestfalens. Plötzlich war den beiden jungen Frauen ziemlich unheimlich zumute. Da geschah es! Einer der eisernen Käfige löste sich von der Wand und sauste herunter wie ein Fallbeil! Und eine gräßliche Gestalt kroch heraus. Riß ihr Maul auf und ließ zwei riesige Vampir-Fangzähne sehen! * »Iiiiiiiihhhhh!« Karin Strack spürte, wie sich ihre kurzen, blonden Haare vor Entsetzen aufstellten. Ihr Körper unter dem blauen FaltenMinirock und dem beigen Rollkragenpullover wurde von eisigen Schauern durchpulst. Sie war nicht besonders religiös. Und abergläubisch schon gar nicht. Aber das, was jetzt knurrend auf sie zukam, war eindeutig nicht von dieser Welt! »Lauf! Lauf um dein Leben!« Meike Hamm hatte sich schneller wieder gefangen als ihre neue Freundin. Die beiden jungen Frauen hatten sich vor zwei Tagen in der Uni-Bibliothek kennengelernt. Karin war im ersten Semester und kannte keine Menschenseele in Münster. Darum hatte Meike sich bereit erklärt, der Freundin die Westfalenmetropole zu zeigen. Vor allem das Nachtleben… Und deshalb waren sie jetzt, kurz nach Mitternacht, an der Lambertikirche vorbeigegangen. Auf dem Weg zum »Bunten Vogel«, einer der Traditions-Studentenkneipen der Stadt. Das war wohl nicht so eine gute Idee gewesen. Meike riß ihre blonde Begleiterin aus der tödlichen Erstarrung. Schleifte sie förmlich hinter sich her. Im Gegensatz zu Karin trug 3
sie zur Jeans und zum grünen Anorak flachere Schuhe und konnte darum besser rennen. Aber das würde ihr auch nichts nützen! Denn nun donnerten noch die beiden anderen Käfige vom Turm in die Tiefe. Es gab einen Höllenlärm, als sie aufschlugen. Ihnen entstiegen zwei hohnlachende Kreaturen, die mindestens genauso gräßlich aussahen wie die erste. Ihre Gliedmaßen schienen teilweise gebrochen und dann schief zusammengewachsen zu sein. Auf den hageren Körpern fehlte an einigen Stellen das Fleisch. Die skelettartigen Gestalten waren teilweise verfault und vermodert. Trotzdem bewegten sie sich mit einer ungeheuren Kraft. Einer Kraft, die nicht menschlich sein konnte. Alle drei hatten nun ihre Vampirzähne gefletscht. Und während Meike Hamm noch mit ihrer Freundin im Schlepptau zu fliehen versuchte, wurde ihr klar, wer diese Blutsauger waren. Sein mußten. Die Wiedertäufer, deren Leichen man vor mehreren Hundert Jahren in diesen Käfigen ausgestellt hatte! Dazu paßte auch die mittelalterliche Kleidung, die in moderigen Fetzen von den zerschundenen Leibern hing. Meike nahm sich allerdings keine Zeit, die angreifenden Blutsauger ausführlich zu betrachten. Sie rannte, so schnell sie konnte. Karin Strack stolperte hinter ihr her. Die beiden Mädchen jagten über das Kopfsteinpflaster des Prinzipalmarkts. Der liebevoll restaurierte mittelalterliche Platz mit den Arkaden galt als Münsters »gute Stube«. Das Stadtzentrum. Tagsüber traten sich hier die Touristen auf die Füße. Jetzt, um kurz vor halb eins nachts, war der Prinzipalmarkt wie ausgestorben. Die drei Wiedertäufer waren den Studentinnen dicht auf den Fersen. Da - was war das? Ein orangefarbener Stadtbus machte sich abfahrbereit. Nur wenige Fahrgäste saßen in dem hellerleuchteten Fahrzeug der Linie 14. »Haaaaalt!« kreischte Meike aus Leibeskräften. Sie spürte Seitenstechen, als sie ihr Tempo noch erhöhte. Doch es war sinnlos. Die Türen des Fahrzeugs schlossen sich mit einem dumpfen Zischen. Der Stadtbus glitt davon, Richtung Hansaring. Verfolgt von den stummen Flüchen der jungen Studentin. 4
Karin Strack erwischte es als erste. Wie aus heiterem Himmel sprang plötzlich einer der Vampire auf ihren Rücken. Seine Hände wirkten wie graue Krallen, die sich tief in ihr Fleisch bohrten. »Bitte - nicht!« »Bitte?!« höhnte das Monster in einem altertümlichen Deutsch zurück. »Bitte den Satan um seine Gnade, du babylonische Hure!« Der Vampir hatte eine Art zerfetzter Kutte oder Umhang auf seinem untoten Körper. Obwohl er völlig abgemagert war, schien er doch Tonnen zu wiegen. Karin wurde unter seinem Gewicht erbarmungslos niedergedrückt. Sie spürte die Kälte des Kopf Steinpflasters an ihren erhitzten Wangen. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte nicht mehr um Hilfe rufen. Dann senkten sich langsam, aber unerbittlich die Fangzähne nieder. Ein entsetzlicher Schmerz durchzuckte Karins Körper, als der Wiedertäufer-Vampir damit begann, ihr den Lebenssaft auszusaugen. Dann stürzte sie in eine schwarze Welt. Eine böse Freude breitete sich in ihrem Inneren aus. Der Blutsaugerkeim tat seine Arbeit. Ein Mädchen aus Magdeburg war auf das Pflaster des Prinzipalmarktes gefallen. Ein junger weiblicher Vampir stand wieder auf! Meike Hamm hetzte unter den Arkaden entlang. Die beiden anderen untoten Wiedertäufer nahmen sie in die Zange. Der eine blieb ihr dicht auf den Fersen. Der andere schnitt ihr den Weg ab. Plötzlich tauchte er vor ihr auf. Sein Haar war lang und strähnig. Sein schütterer Bart wuchs an mehreren Stellen in seinem verwüsteten Gesicht. Dort, wo es noch Haut gab. Vor ewigen Zeiten mußte er einmal ein sehr schöner Mann gewesen sein. Aber davon war nichts übriggeblieben. »Ich bin der König der Welt!« zischte er, flackernden Wahnsinn in den Augen. »Knie nieder vor mir, babylonische Hure!« Meike Hamm hatte gute Fluchtinstinkte. Unerwartet schlug sie einen Haken. Nach links. Raste durch den Domgang. Eine schmale mittelalterliche Gasse, die zum Domplatz hinüberführt. In der Bischofsstadt Münster ist es bis zur nächsten Kirche nie weit. Jedenfalls in der Innenstadt. Die dunkelhaarige Studentin fluchte in sich hinein. Am Samstagvormittag traten sich hier auf dem Domvorplatz beim Wochenmarkt die Leute gegenseitig auf die Füße. Aber jetzt war 5
niemand da, der ihr beistehen konnte! Trotzdem. Sie mußte es versuchen. »Hiiiiilfeeee!!« Ihr Verzweiflungsschrei gellte über den leeren Platz. Außer einigen geparkten Autos erinnerte nichts an das 20. Jahrhundert. Man hätte meinen können, sich im Münster des Jahres 1534 zu befinden. Der Zeit der Wiedertäufer. Plötzlich legte sich eine stahlharte Kralle um Meikes Hals. Das Mädchen wurde einen halben Meter hochgehoben. Der Unheimliche, der sich als »König der Welt« bezeichnet hatte, hielt die Studentin in seinem Würgegriff. Höhnisch lachend. Verzweifelt strampelte Meike Hamm. Versuchte sich loszumachen. Aber mit ihren menschlichen Kräften kam sie gegen den Dämon nicht an. Langsam, Zentimeter für Zentimeter zog der Wiedertäufer-Blutsauger die Dunkelhaarige an sich. Um dann genüßlich seine Fangzähne in ihre Schlagader zu versenken. Er trank schlürfend, mit der Gier eines jahrhundertealten Durstes. Dann war es vorbei. Die leere Hülle der toten Studentin glitt neben einem Parkscheinautomaten zu Boden. Neugierig betrachtete der Vampir das rechteckige Gerät aus Metall. »Einiges ist neu in Münster! Aber die jungen Mädchen schmecken noch so gut wie zu unserer Zeit!« meinte er teuflisch grinsend. Der dritte Nachzehrer konnte sich nicht so recht freuen. »Ich bin auch durstig, Majestät.« Der »König der Welt« stieß ihm den Ellenbogen in die herausstehenden Rippen. »Wo bleibt dein Vertrauen in Satan, unseren Herrn? Du bist zu kleinmütig, Krechting. Das war schon immer so. Die nächste feine Metze werden wir dir überlassen.« Wie auf ein Stichwort ertönte in diesem Moment das Stakkato von hohen Absätzen auf dem Kopfsteinpflaster. Aus Richtung Horsteberg kam eine dunkle Gestalt näher. Die beiden Wiedertäufer-Vampire duckten sich hinter einem geparkten Volvo. * »Münster?« Ich hatte den Namen der Stadt fragend betont. Denn ich war einigermaßen überrascht. Mein Vater Ulrich Hellmann hatte mich 6
gerade gebeten, dorthin zu reisen. Und es ist ein ziemlich weiter Weg von meiner Heimatstadt Weimar bis zu der Westfalenmetropole. Vor allem, wenn einen der Grund der Reise so wenig begeistert. »Ja, Münster, Mark. Eine alte ehrwürdige Bischofsstadt mit einer riesigen Universität. Und die haben dich eingeladen…« »Das ist es ja gerade!« stöhnte ich. »Du weißt doch, wie ich diese verstaubte Uni-Atmosphäre hasse. Ich bin kein Bücherwurm. Mein Platz ist draußen im wahren Leben, wo ich mich den Mächten der Finsternis in den Weg stellen kann!« Mein Vater erwiderte nichts, sondern drückte mir wortlos ein Fax in die Hand. Wir saßen uns wieder einmal in Ulrichs Arbeitszimmer gegenüber. In der Siedlung Landfried, am Rande von Weimar gelegen. Meine Eltern haben dort ein kleines Einfamilienhaus. Erst vor wenigen Tagen hatten der rüstige alte Herr mit den weißen Haaren und dem gleichfarbigen Schnurrbart und ich hier Pläne geschmiedet. Wie wir Dracomar endgültig besiegen konnten. Dieser gefährliche Vampirdämon und Blutdruide war zu einer großen Bedrohung für die Menschheit geworden (Siehe MH 43!). In letzter Sekunde und nur mit Hilfe des altgermanischen Götterkönigs Odin war es uns gelungen, ihn und seine verbündete Riesenarmee zu schlagen. Gedankenverloren fuhr ich über meinen Siegelring. Er war das einzige, was ich besaß, als ich im Alter von zehn Jahren nackt und verwirrt in der Weimarer Altstadt aufgegriffen wurde. Meinen richtigen Namen kenne ich bis heute nicht. Ulrich Hellmann arbeitete damals, zu DDR-Zeiten, noch bei der Kripo. Er und seine Frau Lydia adoptierten mich. Sie gaben mir den Namen Markus Nikolaus. Die Initialen meines Rings brachten sie auf diese Idee. Das Kleinod weist die Buchstaben M und N auf, außerdem einen stilisierten Drachen. Inzwischen hatte ich erfahren, daß der französische Seher Nostradamus den Ring vor vielen Hundert Jahren angefertigt hatte (Siehe MH31). Ursprünglich standen die Buchstaben M und N für seinen richtigen Namen, nämlich Michel de Notre Dame. Mit diesem Ring kann ich in die Vergangenheit reisen, weißmagische Waffen herstellen und vieles mehr. »Mark! Träumst du?« Die feste Stimme meines Vaters riß mich aus meinen 7
Grübeleien. Ich nannte ihn Vater und Lydia Mutter, weil ich sie wie meine wahren Eltern liebte. Die ich ja nicht kannte. Oft litt ich unter Unruhe und trüben Gedanken. Dabei war ich auf den ersten Blick mit meinen Einsneunzig und meiner muskulösen Sportlerfigur überhaupt nicht der Typ für Schwermut. Aber bei meinen Kämpfen gegen die Mächte der Hölle hatte ich schon verdammt viel Elend erlebt. Das konnte einem schon manchmal an die Nieren gehen. Ich bemerkte plötzlich, daß ich das Fax überhaupt nicht gelesen hatte. Bestimmt schon fünf Minuten hielt ich es in der Hand. Ulrich trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf seine Schreibtischplatte. Seit seiner Pensionierung baute Vater ein Archiv über Okkultismus und unerklärliche Phänomene auf. Er sammelte alles, was er zu diesem Themenkreis aufspürte, und speicherte vieles davon auf seinem PC. Er hielt über Internet Verbindung zu ernsthaften Okkultisten in aller Welt, die sich in der Liga zusammengeschlossen hatten. Einer von ihnen hatte uns kürzlich ein Buch geschickt, mit dem wir das Geheimnis des Blutdruiden Dracomar zu lüften hofften. Leider hatte der MegaDämon davon Wind bekommen und die Buchstaben in Blut verwandelt, bevor wir ihm auf die Spur gekommen waren. Nun nahm ich mir aber endlich das Fax vor. Ich wollte Vater nicht verärgern. Ich hatte nur absolut keine Lust, nach Münster zu fahren. »'Geister und Dämonen - Dichtung oder Wahrheit'?« las ich laut vor. »'Expertendiskussion der Westfälischen Wilhelms-Universität. Als Teilnehmer u.a. Markus Hellmann, Dämonenjäger aus Weimar'. Na toll! Soll ich da vor diesen arroganten Schreibtischhengsten den Geisterseher aus dem dunklen Osten spielen? Ich habe schließlich selbst erfolgreich mein Studium in Geschichte und Völkerkunde abgeschlossen, Vater. Dann hatte ich sogar kurzzeitig diesen Job als Wissenschaftlicher Assistent am Museum, wie du weißt. Ich kenne diese Leute. Die suchen nur einen, über den sie sich lustig machen können.« Ulrich Hellmann lächelte weise. »Ich glaube fast, du hast mehr Angst vor Doktoren und Professoren als vor Ghuls und Vampiren?« »Angst? Ich?« Ich nahm einen großen Schluck von dem köstlichen Kaffee, den Mutter Lydia für uns gebraut hatte. »Keine Spur. Aber ich habe den Assistenten]ob hingeworfen, weil ich 8
diese verknöcherten Strukturen und diesen Beamtenapparat verachte und als ineffektiv entlarvt habe. Ich will mein eigener Herr sein und bleiben!« »Die wollen dich ja nicht einstellen, Mark. Du kannst weiter freier Journalist bleiben, Junge. Du sollst nur einen Vortrag zu deinen Erfahrungen halten. Mit anschließender Diskussion.« Ich starrte trotzig auf das Fax. Viel zu tun hatte ich nicht im Moment. Durch einige meiner Fälle war ich ziemlich bekannt, fast prominent geworden. Das hatte auch Nachteile. Max Unruh, der Chefredakteur der Weimarer Rundschau und somit mein hauptsächlicher Brötchengeber, wollte mir keinen journalistischen Kleinkram mehr anbieten. Früher hatte ich meinen Lebensunterhalt mit Berichten über aufgebrochene Kleingartenhäuschen und Schützenfeste bestritten. Momentan schwebte öfter mal der Pleitegeier über mir. Auch wenn die Polizei mich dann und wann als freiberuflichen Gutachter bezahlte - verlassen konnte ich mich auf solche Aufträge natürlich nie. Niemand würde mir sagen können, wie sich das entwickelte. »Sie zahlen immerhin achthundert Mark«, lockte Ulrich. »Plus Spesen.« »Warum willst du eigentlich unbedingt, daß ich nach Münster fahre, Vater? Und wieso ging die Einladung an dich?« »Der Organisator ist ein gewisser Professor Uhlengang, der sich ernsthaft mit Okkultismus befaßt. So ernsthaft, daß er inzwischen der Liga angehört.« Ich pfiff durch die Zähne. »Professor Uhlengang besteht darauf, daß du kommst, Mark. Unerklärliche Dinge geschehen seit vorgestern in Münster. Der Professor hat einen schlimmen Verdacht. Vielleicht steckt sogar Dracomar… oh, verdammt…« Normalerweise war Ulrich Hellmann die Selbstbeherrschung in Person. Aber nun hielt er sich plötzlich sein steifes Handgelenk mit der anderen, der gesunden Hand. Krampfte die Finger um die Ledermanschette. Kniff die Augen zusammen. Er war totenblaß geworden. Ich sprang auf. »Hast du wieder Schmerzen, Vater? Soll ich dir deine Tabletten holen?« Ulrich atmete ein paarmal tief durch, bevor er wieder sprechen konnte. Vor Jahren, als ich noch jünger war, hatte mich Ulrich vor den Mächten der Hölle gerettet. Mephisto hatte gegen mich kämpfen wollen. Aber ich war damals noch zu jung gewesen, um 9
diese Auseinandersetzung bestehen zu können. Mein Vater war an meiner Stelle gegangen. Ein steifes Handgelenk und ein steifes Fußgelenk waren die bleibenden Erinnerungen an diese Nacht. Mehr wußte ich nicht über diese Ereignisse. »Nein, Mark. Die Tabletten helfen ja doch nicht. Es ist der Wetterumschwung, verstehst du? Der geht mir jedesmal durch und durch.« Vater atmete noch ein paar Mal tief mit geschlossenen Augen. Dann stahl sich ein feines Lächeln auf seine dünnen Lippen. Er nestelte an seiner Ledermanschette. »Du willst wohl wissen, was damals geschah? Als Mephisto mich zum Krüppel gemacht hat?« Ich glaubte, mich verhört zu haben. Bisher hatte Ulrich stets beharrlich geschwiegen, wenn es um diese verhängnisvolle Nacht ging. »Ja, sicher. Aber warum…?« »Warum ich erst jetzt rede, meinst du?« Ich nickte stumm. »Weil ich sicher bin, daß du die Wahrheit nun ertragen kannst, Mark. Die Wahrheit, die ich selber erst erkannt habe, seit meine Erinnerungen an diese Nacht langsam zurückgekehrt sind. Seit den Schreckenstagen von Weimar (MH 1) bist du enorm gereift. Du bist den Mächten der Hölle gewachsen. Das macht mich sehr stolz.« Darauf erwiderte ich nichts. Lob macht mich immer verlegen. Außerdem habe ich es mir nicht ausgesucht, der Kämpfer des Rings zu werden. Es ist meine Bestimmung im Leben. Eine eherne Stimme hatte es mir zugeflüstert. Ich bin dafür auserwählt, die Mission des Ringes zu vollenden. Eine Mission, von der ich noch nicht so genau weiß, worin sie besteht. Auf jeden Fall beschütze ich die Menschen vor dem Bösen. Auch wenn ich dabei mein eigenes Leben aufs Spiel setzen muß. »Mephisto«, begann Vater seine Erzählung, »ist damals hier in Weimar erschienen. Der Höllenfürst hatte lange warten müssen, Mark. Nur alle 699 Jahre stehen die Planeten unseres Sonnensystems in derselben Konstellation wie damals im Jahre 1990.« »Was haben die Planeten damit zu tun?« »Warte es doch ab, Junge. Die Venus, der Mars, der Jupiter 10
zogen wie immer ihre Bahnen. Doch an diesem Tag erreichte der Stern 666 die maximale Erdannäherung.« »Nie gehört.« »Das ist Mephistos Planet, Mark.« Ulrichs Stimme zitterte nun. Er stopfte sich umständlich seine Pfeife und zündete sie an. »Wenn der Stern 666 so dicht an unserem Planeten ist, kann der Böse sein gemeines Spiel besonders ungehindert treiben. Weil die kosmischen Gesetze und Energien ihm dann nicht soviel entgegensetzen können. Denn das Universum ist an sich gut und gerecht.« Der letzte Satz klang in meinem Kopf nach. Eine Frage drängte sich auf. »Woher weißt du das alles, Vater?« Ulrich ging nicht darauf ein. »Mephisto hatte an diesem Tag etwas ganz Besonderes vor. Etwas, was er in der Geschichte der Menschheit bisher nur einmal geschafft hat.« Der alte Mann griff sich eine dicke, zerlesene Bibel und schlug sie auf. Las laut daraus vor. »Und der Engel schrie mit großer Stimme und sprach: Sie ist gefallen, Babylon, die große, und ist eine Behausung der Teufel geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister und ein Gefängnis aller unreinen und verhaßten Vögel… Denn von dem Zorneswein ihrer Hurerei haben alle Völker getrunken… Und mit Feuer wird sie verbrannt werden. Kennst du die Stelle, Mark?« »Die Offenbarung des Johannes?« tippte ich. Wie die meisten in der DDR aufgewachsenen Menschen bin ich nicht gerade bibelfest. Ulrich ging es genauso. Erst durch seine Beschäftigung mit Übersinnlichem hat er die Bibel als unerschöpfliche Quelle für Hinweise auf die Feinde der Menschheit entdeckt. »Richtig«, bestätigte mein Vater. »Babylon ist Mephistos Stadt gewesen, die von den Kräften des Guten zerstört wurde. Der Höllenfürst mußte lange warten, bis er wieder eine solche Metropole des Bösen errichten konnte. 1990 wollte er die Chance ergreifen.« »Sollte Weimar das neue Babylon werden?« riet ich. Ulrich lächelte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Das erfährst du, wenn du aus Münster zurück bist, Mark.« Ich biß mir auf die Lippen. Aber ich kannte Vater. Er hatte seinen Eigensinn. Immerhin hatte er mit seinen wenigen Andeutungen eines erreicht. Ich würde Richtung Westfalen fahren. Wenn wirklich mein Erzfeind Dracomar hinter den 11
unerklärlichen Ereignissen von Münster stecken sollte… Ich stieg in meinen stahlblauen BMW und fuhr zu meiner Wohnung in der Florian-Geyer-Straße. Kaum hatte ich die Tür aufgeschlossen, als ich von hinten angesprungen wurde. * Steffie Kegel hatte sich lange gestylt, bevor sie das Haus verließ. Genauer gesagt, ihr winziges Zimmer in einer WG an der Magdalenenstraße. Eine traumhafte Lage mitten in Münster. Wie in vielen Uni-Städten herrschte auch in der Westfalenmetropole Wohnungsnot. Die junge Frau mit dem schwarzen Supermini und dem Seidentop war seit Jahren für Geschichte eingeschrieben. Aber Steffie hatte die Uni schon länger nicht mehr von innen gesehen. Ihr Job als Bedienung in einer eleganten Nachtbar ließ ihr einfach keine Zeit für das Studium. Immerhin kriegte sie noch ein schlechtes Gewissen, wenn sie am Museum für Kunst und Kulturgeschichte am Domplatz vorbeiging… Doch in dieser Nacht rührte ihr mieses Gefühl in der Magengegend nicht von ihren mangelnden Studienleistungen her. Sie überquerte eine der Brücken, die über den Fluß Aa geschlagen waren. Normalerweise fuhr sie mit dem Fahrrad zur Arbeit. Wie die meisten Leute in der deutschen Radler-Hauptstadt. Aber irgend jemand hatte ihr den Drahtesel geklaut. Der Domplatz lag einsam und verlassen vor ihr. Die Bar befand sich an der Ludgeristraße. Keine acht Minuten Fußweg vom Domplatz. Aber Steffie Kegel sollte ihren Arbeitsplatz nicht erreichen. Plötzlich waren die beiden Gestalten da. Wie aus dem Boden gewachsen. Im Hintergrund näherte sich noch eine dritte, die nicht weniger unheimlich aussah. Das fahle Licht der DomplatzLaternen zeigte deutlich die gefletschten Vampirzähne des gräßlichen Trios. Steffie hatte gute Reflexe. Dank ihres jahrelangen Karatetrainings. Bis zum Schwarzen Gürtel hatte sie es schon gebracht. Doch sie wäre nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, sich mit Fußtritten oder Handkantenschlägen gegen diese drei Unholde wehren zu wollen. 12
Das waren Blutsauger! Gegen die kam man mit menschlicher Kraft nicht an. Tief in ihrem Inneren spürte die junge Frau, daß sie es mit etwas abgrundtief Bösem zu tun hatte. Das war kein übler Scherz von dämlichen Studenten. Nicht für eine Sekunde zweifelte Steffie daran, daß die Nachzehrer echt waren. Nicht nur wegen dem penetranten Leichengeruch, den sie verströmten… Die Studentin tat das einzig Richtige. Sie schlüpfte aus ihren hochhackigen Schuhen und nahm die Beine in die Hand! Als sportliche Nichtraucherin konnte Steffie sehr schnell rennen. Aber sie wußte genau, daß Vampire übermenschliche Kräfte haben. Und wirklich. Schon mit wenigen Sätzen waren die ekelhaften Gesellen hinter ihr. »Die ist für dich, Krechting!« röhrte einer von ihnen. »Saug der babylonischen Hure den letzten Blutstropfen aus!« Schon spürte Steffie eine Vampirkralle an ihrer Schulter. Mit einem blitzschnellen Handkantenschlag der anderen Hand wehrte sie ab. Das geschah ganz automatisch. Durch das Training. Der Unheimliche hatte wohl nicht mit Gegenwehr gerechnet. Das verschaffte der jungen Studentin die winzige Pause, die sie brauchte. Zum Glück hatte Steffie in ihrem Leben unzählige Gruselromane gelesen. Sie hoffte darauf, daß die Autoren ihr Handwerk verstanden. Denn nun flankte die Verfolgte über das Brückengeländer und sprang in die eiskalten Fluten der Aa! Sie verließ sich darauf, daß ihr die Nachzehrer in dem fließendem Wasser nicht folgen konnten. Und es schien zu stimmen. Enttäuschte Rufe ertönten. Steffie schwamm um ihr Leben. Sie spürte nichts von der Kälte. Schluckte zwar jede Menge Wasser beim Rückenschwimmen. Aber ihre durchtrainierten Beine und Arme ließen sie vorwärts schießen wie einen hungrigen Hecht. Die Horrortypen versuchten noch eine Weile, ihr am Ufer zu folgen. Dann schienen sie aufzugeben. Wahrscheinlich wollten sie nach einem anderen Opfer Ausschau halten. Einem, das sich leichter beißen ließ. Steffie Kegel schwamm trotzdem mit aller Kraft weiter. Erst als ihre Muskeln erlahmten, kroch sie ans Ufer. Orientierte sich kurz. Sie war bis zum Stadtgraben gekommen, in der Nähe des Gymnasiums Paulinum. Nun spürte sie, wie unterkühlt sie war. Sie würde sich einen tüchtigen Schnupfen holen. 13
Besser erkältet als tot, dachte Steffie. Erst jetzt verarbeitete ihr Unterbewußtsein langsam die akute Gefahr, in der sie sich gerade befunden hatte. Steffie stapfte zu einer Telefonzelle. Ihre Umhängetasche hatte sie verloren. Zum Glück befand sich in ihrer Jacke eine Reserve-Telefonkarte. Es gab nur einen Menschen, dem sich Steffie anvertrauen konnte. Nur einen, der sie nicht für verrückt erklären würde. Steffie Kegel hatte ein schlechtes Gewissen. Nicht nur, weil sie ihn um viertel vor eins nachts anrief. Sondern auch, weil sie so lange nicht in seinen Seminaren gewesen war. Eine verschlafene Stimme meldete sich nach dem zehnten Klingeln. »Hallo…?« »Professor Uhlengang? Hier spricht Stefanie Kegel. Ich bin eine Ihrer Studentinnen. Sie werden es vielleicht nicht glauben, was mir gerade passiert ist…« * Mein Körper reagierte reflexartig. Als trainierter Kampf Sportler wußte ich mich auch gegen unerwartete Angriffe zu wehren. Ich warf mich nach vorn, um den heimtückischen Gegner durch seinen eigenen Schwung wegzureißen. Gleichzeitig preßte ich das Kinn auf die Brust, damit der Kehlkopf nach innen wanderte. Die beste Vorbeugung gegen Würgegriffe. Und wirklich glitt die Person hinter mir überrascht keuchend an meinem Rücken entlang. Man hätte auch sagen können, daß sie mir den Buckel runterrutschte. Ich ballte die Fäuste und ging in Abwehrstellung. Doch dann verharrte ich. »Spinnst du, Tessa? Mich so zu erschrecken…« Aber wirklich sauer konnte ich auf meine Freundin nicht sein. Nicht nur, weil ich die Fahnderin der Weimarer Kripo so heiß und innig liebe. Sondern auch, weil das Girl mit der sportlichen Figur und der frechen brünetten Fransenfrisur nur mit schwarzen Spitzendessous bekleidet war. Und das fand ich ziemlich anregend… Tessa rappelte sich grinsend vom Boden auf. Sie hatte wieder ihre grünen Kontaktlinsen angelegt, mit denen sie manchmal eine Abwechslung zu ihren braunen Pupillen sucht. »Die Überraschung ist mir jedenfalls gelungen, gib es zu!« 14
Ich beugte mich vor und nestelte an ihrem BH. »So überraschend ist es ja eigentlich nicht, daß du halbnackt rumläufst…« Sie schlug mir scherzhaft gegen die Brust. »Lüsterner Schuft! Ich wollte mich nur von dir verabschieden. Weil wir uns für eine Woche trennen müssen…« »Besser für eine Woche als für immer.« Ich öffnete den BH, schaute auf die Brustwarzen, die sich mir erwartungsvoll entgegenreckten. »Wieso das denn? Dauer-Beschattung von bösen Buben?« Tessas kühle Hände fuhren unter mein Hemd. »Nee. Weiterbildung. Erfolgreiche Polizeiarbeit durch Bürgernähe. So heißt das Seminar…« »Die Bürgernähe hast du schon gut drauf«, witzelte ich, als meine Freundin meine Jeans öffnete. »Die Bedürfnisse der Bürger erkennen und befriedigen…« »Deine Bedürfnisse sind deutlich zu erkennen«, erwiderte Tessa und schaute mit erotisch verschleiertem Blick an mir hinab. Ich konnte es nicht leugnen. »Wenn du meine Bedürfnisse schon kennst, dann komm endlich her…« Wir liebten uns auf dem Teppich, wie wir es schon oft getan hatten. An welchem Ort in meiner gemütlichen Dachwohnung hatten wir es eigentlich noch nicht getrieben? Mir fiel auf Anhieb nur die Abstellkammer ein. Aber die war verdammt eng. Und bald darauf fiel mir überhaupt nichts mehr ein… In einem rasenden Rhythmus klammerten wir uns aneinander, erreichten gemeinsam den Siedepunkt. Daß uns das Blut in den Adern zu kochen schien. Danach lag ich schwer atmend auf dem Rücken. Fühlte, wie sich Tessas Gesicht an meine Brust schmiegte. Dort, wo sich auf der linken Seite das sternförmige Hexenmal befindet. Es ist absolut schmerzunempfindlich. Wenn ich meinen Siegelring gegen diesen Fleck drücke, entfaltet er seine phantastischen Fähigkeiten. Läßt mich beispielsweise in die Vergangenheit reisen. Das Stichwort Reise brachte mich wieder auf den Grund für Tessas Spontanbesuch. »Wo findet diese Polizei-Weiterbildung eigentlich statt, Schatz?« »In Westfalen. In der Polizei-Führungsakademie von MünsterHiltrup. Eigentlich sollte mein Kollege Schröder teilnehmen. Aber der hat sich den Fuß gebrochen. Darum hat Pit in letzter Minute 15
entschieden, daß ich fahren soll. Nachdem wir den teuren Kurs schon mal bewilligt bekommen haben… Was ist daran so komisch, Mark?« Noch während die Fahnderin redete, hatte ich glucksend zu lachen begonnen. Pit, das war Pit Langenbach, Tessas unmittelbarer Vorgesetzter bei der Kripo Weimar. Und gleichzeitig mein bester Freund. Ich erzählte meiner Freundin kurz von Professor Uhlengangs Einladung und dem Gespräch mit Ulrich. »Na prima!« freute sich Tessa. »Dann brauche ich ja nicht allein nach Münster zu knattern, sondern kann mich bequem von meinem Lakaien im BMW nach Westfalen kutschieren lassen. James - Richtung Westen, bitte!« »Ich heiße immer noch Mark«, brummte ich mit gespieltem Groll. In Wirklichkeit wechselten wir uns natürlich beim Fahren ab. Ich hatte wie immer meinen Einsatzkoffer dabei. Wenn ich es wirklich mit Vampiren zu tun bekommen sollte, würde ich ihnen nicht mit leeren Händen entgegentreten müssen. Eine Reisetasche mit den wichtigsten Klamotten stand sowieso immer griffbereit in meiner Wohnung. Die Fahrt vertrieben wir uns mit dem neuesten Klatsch aus unserem Weimarer Bekanntenkreis. »Was macht Struppy?« fragte Tessa. Meine Freundin saß neben mir auf dem Beifahrersitz. Mit Jeans, Tweed-Jackett und dünnem Rollkragenpulli hatte sie wieder einmal den goldenen Mittelweg zwischen burschikos und elegant gewählt. Ich grinste. Struppy, mit richtigem Namen hieß sie Mechthild Schaumburg-Klöten, war ein inzwischen neunzehnjähriges grünhaariges Girl, deren Freund vor kurzem fast von einem Riesen getötet worden wäre (MH 43). Aber anscheinend hatte sie den Schock gut überwunden. »Oh, der geht's gut. Sie hat wieder mal einen neuen Job.« »Was denn diesmal?« »Stöhnende Synchronsprecherin für Erotikfilme.« »Bitte!« Tessa wären fast die Kontaktlinsen herausgefallen. »Tatsache, Tess. Als ich sie auf der Kulturmeile getroffen habe, war sie schon ganz heiser. Sie meinte, die Arbeit wäre verdammt schwierig. Amerikanerinnen würde ganz anders stöhnen als deutsche Frauen…« »Was sagst du denn als Experte dazu?« »Da schweigt des Genießers Höflichkeit.« Es war zwar besser 16
geworden mit Tessas Eifersucht. Aber ich wollte ihr trotzdem keine neue Nahrung geben, indem ich mich über vergangene Sex-Abenteuer mit anderen Frauen ausließ. Immerhin versuchte ich neuerdings ja, meiner Freundin treu zu bleiben. Ehrlich. »Einen Witz hat sie mir erzählt.« »Kann ja nur was Säuisches sein, aber schieß los. Damit ich nicht einschlafe.« »Also. Treffen sich zwei Frauen auf 'ner Bank im Park. Fragt die eine, während sie ihre Einkaufstasche öffnet: 'Möchten Sie eine Banane?' Da antwortet die andere: 'Nein danke, ich habe einen Freund.'« »Maaark!!« Als der Morgen graute, hatte Tessa das Lenkrad übernommen. Ich döste auf dem Beifahrersitz vor mich hin. »Sieh mal, Mark!« Der Aufschrei der Fahnderin ließ mich in den Gurten nach vorne schnellen. Gab es irgendwo dämonische Aktivität? Mein Ring jedenfalls zeigte keine Regung. Doch gleich darauf grinste ich. Wir hatten gerade die Autobahn-Auffahrt Osnabrück-Hafen passiert. Vor uns bogen zwei riesige weiße Sattelschlepper auf die Autobahn. Und auf beiden stand in großen, roten Buchstaben der Schriftzug HELLMANN. Tessa setzte den Blinker, bog auf die linke Spur. Wir zogen an den Lastwagen vorbei. »Tja«, sagte ich, »Hellmann ist eben ein Name, den man sich merken muß.« »Angeber!« Während wir uns Münster näherten, überholten wir noch mindestens zehn oder zwölf weitere HELLMANN-Fahrzeuge. Seltsam, dachte ich, da muß irgendwo ein Nest sein… Als wir am Freitagmorgen in der Westfalenmetropole ankamen, waren wir beide hundemüde. Wir stellten den BMW im Parkhaus Bremer Platz am Hauptbahnhof ab. Und gönnten uns im Cafe Fundus ein ausgiebiges Frühstück. Ich hatte noch einen Stadtplan besorgt. Großmütig beschloß ich, Tessa den Wagen zu überlassen. Der Stadtteil Hiltrup, wohin sie mußte, war doch noch ein ganzes Stück außerhalb. Ich hingegen würde nur ein paar Schritte zurücklegen müssen, um mein Ziel zu erreichen. Ein paar Schritte und über vierhundert Jahre. Das war mir an diesem Morgen allerdings noch nicht klar. Jetzt freute ich mich fast schon auf meinen Vortrag im Museum für 17
Archäologie: * Karin Strack und Meike Hamm hatten keine Särge. Trotzdem schafften es die beiden Neu-Vampirinnen, dem für sie tödlichen Sonnenlicht zu entgehen. Ihr neuer blutsaugerischer Instinkt sagte ihnen, was sie zu tun hatten. Und dann war da noch Jan van Leyden. Der König der Welt, wie er sich auch genannt hatte. Seit die beiden Studentinnen von den Wiedertäufern leergesaugt worden waren, galt ihre Treue dem unheimlichen Anführer des Nachzehrer-Trios vom Lambertikirchturm. Die Magdeburgerin und die Münsteranerin hatten sich verkrochen. Mit ihren übermenschlichen vampirischen Kräften hatten sie eine Seitenpforte des Stadttheaters an der Neubrückenstraße aufgebrochen. Und sich dort, im hintersten Winkel, in zwei Kostümkisten vor den Strahlen des Tageslichts verborgen. Nun lagen sie erstarrt in ihrer improvisierten Gruft. Sobald es Abend würde, wollten sie ihren gerade erweckten Blutdurst stillen. Jan van Leyden hatte ihnen befohlen, wo sie das tun durften. Im Museum für Archäologie. Der König der Welt hatte ihnen sogar ein besonders kraftvolles und großes Exemplar der Gattung Mensch versprochen, an dem sie ihre dämonische Gier befriedigen konnten. Einen Mann mit dem Namen Mark Hellmann. * Nach dem Frühstück fühlte ich mich schon besser. Ich verabschiedete mich mit einem Kuß von Tessa, die gleich zur Polizei-Führungsakademie fahren wollte. Mit meinem Handy rief ich Professor Uhlengang an. Teilte ihm mit, daß ich in Münster sei. »Ah, Herr Hellmann! Gottseidank, daß Sie kommen konnten! Es sind Dinge passiert, Sie glauben es nicht…« 18
»Ich glaube vieles, Herr Professor. Was denn genau?« »Nicht am Telefon. Kommen Sie lieber her…« Und er beschrieb mir den Weg zur Universitätsbibliothek, wo er gerade in einem Seminarraum saß. Ich machte mich auf die Socken. Lief die Salzstraße hoch, am Kino Stadt New York vorbei. Aber ob es nun am Anblick der vielen gutaussehenden Münsteranerinnen lag oder daran, daß der Professor - wie viele seiner Kollegen - zur Umständlichkeit neigte. Jedenfalls hatte ich mich nach einer halben Stunde in der fremden Stadt verlaufen. »Entschuldigen Sie…« Ich sprach einen Brillenträger mit ElvisFrisur an. »Wo komme ich hier zum Krummen Timpen…?« »Kein Problem!« Er malte mir sogar eine Skizze auf ein Blatt Papier. Ich bedankte mich. »Gern geschehen. Sonst wollen die Leute immer nur Autogramme von mir.« Ich beäugte ihn jetzt genauer. Er grinste. Zum Abschied reichten wir uns die Hand. »Hellmann.« »Aismann.« Nachdenklich schaute ich ihm nach. Der Anzugträger verschwand Richtung Hauptbahnhof. Dunkel erinnerte ich mich, ihn schon mal in der Glotze gesehen zu haben… Ich setzte meinen Weg fort. Dieser große Platz vor mir mußte der Prinzipalmarkt sein. Jetzt endlich fand ich mich zurecht. Da geschah es. Mein Ring erwärmte sich! Sofort schrillten bei mir alle Alarmglocken. Meinen Einsatzkoffer hatte ich bei mir, genau wie meine Reisetasche. Die SIG Sauer mit den Silberkugeln trug ich im Gürtelholster, griffbereit. Genau wie den geheimnisvollen armenischen Silberdolch. Sprungbereit wie eine Raubkatze ließ ich mein Gepäck fallen und ging vor dem Eingang eines Fast-Food-Ladens in Lauerstellung. Die Leute starrten mich an, als wäre ich wahnsinnig. Keine greifbare Bedrohung zu erkennen. Kein Höllenbewohner, der mir an die Gurgel wollte. Aber warum hatte mich mein Ring gewarnt? Instinktiv schaute ich nach oben. Ich befand mich fast im Schatten einer Kirche. Dort, über dem Ziffernblatt der Uhr, hingen drei Eisenkäfige. Wie in Trance hob ich meinen Arm. Mein Kleinod erwärmte sich stärker. Wie von einem Magneten 19
angezogen reagierte es auf die drei Eisenkäfige dort am Turm. »Verzeihen Sie - was ist das für eine Kirche?« Diesmal hatte ich mich an eine ältere Frau gewandt, die ich in die Kategorie »nette Omi« einstufte. »Die Lambertikirche, junger Mann.« »Und was haben diese drei Käfige zu bedeuten?« »Sie sind wohl nicht von hier? Man hört's. Na ja, seit dem Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens ist unser Münster eine richtige Touristenattraktion geworden. Also in den Käfigen wurden zur Abschreckung die Überreste der Wiedertäufer ausgestellt. Ihrer Rädelsführer, genauer gesagt. Das waren dieser Jan van Leyden, Knipperdollinck und - wie hieß der dritte? Ach ja: Krechting.« Eine schwache Erinnerung aus einem Geschichtsseminar dämmerte mir. Ich bedankte mich und setzte meinen Weg zur Uni-Bibliothek fort. Münster war wirklich eine schöne Stadt. Aber mit jedem Schritt, den ich tat, wurde mir mulmiger zumute. Ich hatte das Gefühl, einer gräßlichen Bedrohung in die Arme zu laufen… Als ich zum erstenmal das riesige Gebäude am Krummen Timpen betreten hatte, fand ich auch Professor Uhlengang. Der Professor erinnerte mit seinem Schnurrbart und seinen Locken ein wenig an unseren ostdeutschen Volksmusikstar Achim Mentzel. Jedenfalls schien er wirklich erleichtert zu sein, mich zu sehen. In dem kleinen Seminarraum waren wir ungestört. Er bot mir einen Stuhl an. »Ich will gleich mit der Tür ins Haus fallen, Herr Hellmann. Vor einigen Tagen rief mich eine Studentin an. Nachts. Sie sei angegriffen worden. Und zwar von…« »Untoten Wiedertäufern?« Ich hatte einfach nur einen Schuß ins Blaue gewagt. Aber der Wissenschaftler zeigte sich beeindruckt. Er fummelte nervös an seinem unmodischen Anzugrevers. »Woher wissen Sie das?« Ich berichtete von der Reaktion meines Ringes auf die Käfige am Lambertikirchturm. Uhlengang war schließlich Mitglied der Liga. Er würde mich nicht für verrückt erklären. Sonst hätte er mich wohl auch kaum in dieser Angelegenheit eingeladen. Instinktiv spürte ich, daß ich ihm vertrauen konnte. »Untote Wiedertäufer…« Der Professor ließ sich meine Worte 20
auf der Zunge zergehen. »Ja, es ist irrsinnig. Aber es spricht alles dafür. Die Käfige sind am frühen Mittwochmorgen vom Lambertiturm gestürzt. Die Polizei vermutet einen Dummejungenstreich. Und dann hat man eine große Blutlache mitten auf dem Prinzipalmarkt gefunden. Aber kein Opfer.« Wir schwiegen beide nachdenklich. »Was wissen Sie eigentlich über die Wiedertäufer, Herr Hellmann?« »Nicht viel«, gab ich zu. »Eine radikale Sekte, die im 16. Jahrhundert einen gewissen Zulauf hatte. Sie schafften es, die Herrschaft über Münster an sich zu reißen. Daraufhin wurde die Stadt von den Truppen des Bischofs belagert. Es gab ein entsetzliches Blutbad. Und die Rädelsführer der Wiedertäufer wurden in diesen drei Käfigen zur Abschreckung ausgestellt.« Der Historiker nickte. »Damit kennen Sie die wichtigsten Fakten. Ich habe ihnen hier ein paar Bücher zusammengestellt, Herr Hellmann. Material über die Wiedertäufer. Heute abend wird die Studentin zu Ihrem Vortrag kommen, die vor den Bestien fliehen konnte.« »Früher geht es nicht?« »Leider.« Der Professor stand auf. »Ich muß nun eine Vorlesung halten. Geben Sie den Raumschlüssel einfach der Aufsicht, wenn Sie gehen. Wir treffen uns dann heute abend im Museum für Archäologie.« Und bevor ich noch etwas sagen konnte, war er verschwunden. Aber dafür kriegte ich wenige Minuten später unerwarteten Besuch. Eine Gestalt in einem blauen Mantel und mit langem Graubart materialisierte sich in dem kleinen Seminarraum. Verblüfft riß ich die Augen auf. Erst vor kurzem hatte ich mit diesem Wesen Seite an Seite gegen eine Riesenarmee gekämpft. Es war Odin, der altgermanische Götterkönig! * »Mann, ist die Luft hier trocken!« tönte der Überirdische aus Asgard. »Hast du kein Bier für mich, Mark Hellmann?« Odin ernährte sich ausschließlich von Met. Doch bei unserem ersten Zusammentreffen hatte er sich statt dessen an 21
thüringischem Gerstensaft gütlich getan. Auf meine Kosten. Sein Auge zwinkerte mich ironisch an. Das andere hatte er ja verloren, um einen Blick in den Born der Weisheit werfen zu dürfen. Darum konnte Odin in die Zukunft sehen. »Hier gibt's kein Bier. Das ist eine Stätte des Wissens!« Odin wollte sich halb totlachen. »Brauche ich nicht! Ich bin ein Gott! Ich weiß sowieso alles! Und ein bißchen davon gebe ich dir auch ab.« »Was willst du dafür haben?« Ich hatte inzwischen gelernt, daß der Götterkönig aus Asgard nichts umsonst tat. Auch daß er Tessa in meiner Abwesenheit hatte verführen wollen, war mir nicht entgangen. Er war eben eine widersprüchliche Persönlichkeit. Grundsätzlich auf der Seite des Guten. Aber auch nicht abgeneigt, seinen Freunden einen derben Streich zu spielen. »Alle verkennen mich!« behauptete Odin. »Ich habe heute einfach gute Laune. Gerade habe ich oben in Asgard auf meinem Prophezeiungs-Hochsitz gesessen und dich hier mit dem alten Bock palavern sehen. Da bin ich mal vorbeigekommen, um dich zu warnen.« »Wovor?« »Vor dem König der Welt.« »Wer soll das sein?« »Das mußt du schon selbst rausfinden. Mehr guten Rat kannst du für umsonst wirklich nicht erwarten, Mark Hellmann. Paß gut auf dich auf, Waffengefährte!« Odins Raben Hugin und Munin schlugen noch kurz mit den Flügeln. Dann waren sie ebenso spurlos verschwunden wie ihr Herr und Meister. Der Herrscher von Asgard liebte solche Andeutungen. Das hatte ich ja schon festgestellt. Ich wußte bis heute nicht, ob Odin absichtlich Dracomar zum Schweigen gebracht hatte, als mir der Blutdruide etwas über meine wahren Eltern erzählen wollte. Und mir war auch überhaupt nicht klar, ob ich das überhaupt wirklich erfahren wollte… Ich schüttelte diese Gedanken ab. Es brachte nichts. Statt dessen konzentrierte ich mich auf meine Aufgabe. Erinnerungen an das Studium wurden wach, als ich mich durch die dicken Schwarten kämpfte, die teilweise noch in altdeutscher Schrift gesetzt waren. Die Wiedertäufer waren wirklich eine ursprünglich christliche Sekte gewesen. Sie lehnten die Kindstaufe ab. Wer zu ihnen gehören wollte, mußte sich als Erwachsener noch einmal 22
taufen lassen. Daher ihr Name. Sie waren Außenseiter der Reformation gewesen, die sowohl von Martin Luther als auch von der katholischen Kirche abgelehnt wurden. In ihrem fanatischen Glauben, die Wahrheit allein für sich gepachtet zu haben, legten sie sich mit allen an, die ihre Auffassungen nicht teilten. An der Intoleranz von Radikalen hat sich durch die Jahrhunderte nicht viel geändert, dachte ich fast schon philosophisch. Aber das brachte mich mit meinem Problem nicht weiter. Wieso waren die gefangenen Anführer der Wiedertäufer zu Vampiren geworden? Immerhin erhielt ich einen ersten Hinweis auf Odins Warnung. Einer ihrer Rädelsführer namens Jan van Leyden hatte sich zum König von Münster gekrönt, das sein »neues Jerusalem« darstellen sollte. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich von seinen Anhängern auch gleich zum »König der Welt« ausrufen lassen. Sie waren der festen Überzeugung, daß Gott ihnen gegen den Rest der Menschheit bestehen würde. Von Münster aus wollten sie die ganze Welt zum Wiedertäufertum bekehren. Nun, es war anders gekommen. Jedenfalls würde ich mich vor diesem Jan van Leyden hüten müssen. Nachdem ich stundenlang in den Geschichtsbüchern gelesen hatte, meldete sich mein knurrender Magen. Ich hatte völlig die Zeit vergessen. Ein Stück weit von der Uni-Bibliothek entfernt gab es in der Frauenstraße einen verräucherten Studentenschuppen namens Cafe Malik. Meinen Hunger stillte ich mit einer großen Lasagne, die ich mit einem alkoholfreien Bier hinunterspülte. Danach hatte ich gerade noch Zeit, um meinen Weg zum Museum für Archäologie zu finden. Professor Uhlengang erwartete mich bereits. Der Vortragssaal war gut gefüllt. Ich war erstaunt, wie viele hübsche Studentinnen im Publikum waren. Ob die wegen dem Thema oder wegen mir gekommen waren? Gut, daß Tessa auf der PolizeiFührungsakademie zu tun hatte. Ich nahm mir vor, sie nach der Veranstaltung anzurufen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen… Auf dem Podium waren einige ältere Männer versammelt, die mir schwer nach Bücherwürmern aussahen. Sie betrachteten mich wie einen Gorilla, der aus dem Zoo ausgebrochen ist. Aber Uhlengang klopfte mir auf die Schulter. »Am besten, Sie berichten gleich zu Anfang von Ihren Erfahrungen mit dem 23
Übersinnlichen, Herr Hellmann. Geben ein paar erlebte Geschichten zum besten. Dann kommt die Diskussion in Gang.« Ich zuckte mit den Schultern. Trat ans Rednerpult. Ein Assistent stellte das Mikrophon auf meine Körpergröße ein. Schlagartig wurde es still im Saal. »Guten Abend, meine Damen und Herren«, begann ich. »Unser Thema lautet: 'Geister und Dämonen-Dichtung oder Wahrheit?' Dazu muß ich, Mark Hellmann, gleich vorweg sagen: Das Böse existiert. Es…« Aus den Reihen der Bücherwürmer kam ein ironisches Schnaufen. Aber deshalb brach ich den Vortrag nicht ab, sondern weil plötzlich das Licht ausging. Und sich gleichzeitig mein Siegelring erwärmte und zu prickeln begann! * Innerlich klopfte ich mir selbst auf die Schulter für meine Vorsicht. SIG Sauer und Silberdolch hatte ich immer noch bei mir. Außerdem hatte ich mir die Pflöcke und die Holzkreuze aus meinem Einsatzkoffer in die Jackentaschen gestopft. Gegen einen überlegenen Blutdruiden wie Dracomar halfen sie zwar nicht. Aber im Kampf mit »normalen« Vampiren hatten sie sich bewährt. Da spürte ich schon die tödliche Gefahr. Sie kam von zwei Seiten gleichzeitig. Von rechts und links. Ich konnte kaum etwas erkennen. Nur ein Schimmer der Straßenlaternen der Johannisstraße fiel durch das Fenster herein. Die Vortragsgäste redeten wild durcheinander. Ich riß den Silberdolch heraus. Da packte schon eine der Blutbestien meinen Arm! Die andere ging mir an die Kehle. Die Fangzähne ragten weit aus dem aufgerissenen Maul heraus. Ich rammte den Handballen meiner Linken hoch. Traf das Kinn der Angreiferin. Aus der Nähe konnte ich erkennen, daß es zwei junge Mädchen waren. In modischer Kleidung der neunziger Jahre. Sie mußten von den Wiedertäufer-Vampiren infiziert worden sein. Mein Handstoß reichte nicht aus, um die Nachtgestalt zurückzuwerfen. Ich legte noch einen Fußtritt nach. Zog das linke Bein vor die Brust. Und feuerte dann den Fuß wie eine Kanonenkugel ab. Das verschaffte mir für eine Sekunde Luft. 24
Luft, die ich dringend brauchte. Denn die andere Vampirgöre war gerade damit beschäftigt, meinen rechten Arm zu brechen! Inzwischen hatten auch andere Leute im Saal gemerkt, daß auf der Bühne gerungen wurde. Rufe erschollen. Panik drohte auszubrechen. Vor allem, nachdem die Notbeleuchtung angesprungen war. Und man deutlich die Vampirzähne der beiden Mädchen erkennen konnte! Nur einer der vertrockneten Sesselfurzer richtete sich auf und schüttelte mißbilligend den Kopf. »Das ist doch alles nur Hokuspokus, um uns zu beeindrucken. Ich bin wirklich sehr konsterniert, von Ihnen in einen derartigen Mummenschanz involviert zu werden, Kollege Uhlengang!« Seine hochgestochene Wortwahl sollte ihm gleich vergehen. Denn die blonde Vampirin, die ich gerade zurückgeworfen hatte, drehte sich nun um. Offenbar hatte sie spontan beschlossen, sich an dem Historiker zu stärken, bevor sie sich wieder mit mir anlegte. Das mußte ich natürlich verhindern. Mit einer verzweifelten Anstrengung schnellte ich vom Boden hoch und schlug einen Purzelbaum, wobei ich die zweite Blutsaugerin mitriß. Sie strauchelte. Lockerte unwillkürlich den Krallengriff um meinen Arm. Meine Rechte war taub, für den Moment nicht zu gebrauchen. Da sprang die Blonde den Historiker an! Ich hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Mit den Fingern meiner linken Hand nahm ich den armenischen Silberdolch aus meiner gefühllosen Rechten. Und schleuderte ihn im selben Moment mit ganzer Kraft. Keine Sekunde zu früh. Die Vampirin in Minirock und Pulli hatte gerade den Alten zu Boden gerissen. Ihre Zähne hatten schon fast seinen faltigen Hals erreicht. Da hieb die weißmagische Klinge in ihren Rücken. Das Mädchen bäumte sich auf. Der Schrei war herzzerreißend. Die Weiße Magie kämpfte in ihrem Körper. Kämpfte und siegte. Und so konnte man auch ihr Gebrüll deuten. Einerseits das Gegeifer des Dämons, der in die Hölle zurückgedrängt wurde. Und andererseits der Erleichterungsschrei ihrer ursprünglich unschuldigen Seele, die nun nicht mehr zu einem unnatürlichen Blutsaugerdasein verdammt war. Der Körper zerfiel zu einem Haufen Staub. Leider währte mein Triumph nur kurz. Denn ihre Gefährtin 25
schien plötzlich mit doppelter Power gegen mich vorzugehen. Die Dunkelhaarige packte mich wie eine Puppe. Obwohl ich viel größer und muskulöser als sie war, nützte mir das überhaupt nichts. Denn ich bin nur ein Mensch. Und die Körperkräfte eines Dämons sind eine andere Sache. Das hatte ich in meinen Kämpfen gegen Dracomar schon oft schmerzhaft spüren müssen. »Komm mit mir ins Reich des Blutes, Mark Hellmann!« säuselte die Bestie. Ihre untoten Augen blickten mich starr an. Unerbittlich drückte sie mich zu Boden. Kniete auf mir. Mein rechter Arm tat immer noch fürchterlich weh. Ihre Vampirkrallen drückten mir nun den Kehlkopf zusammen. Mit der Linken wollte ich sie wegstoßen. Aber ich war schon zu schwach. Ohne Luft kämpft es sich schlecht. Ich brauchte dringend Hilfe. Aber von wem? Das Publikum drängte in wilder Panik zu den Ausgängen. Die besserwisserischen Gelehrten hatten sich ebenfalls verzogen. Alle. Bis auf einen. Professor Uhlengang. Er stand unschlüssig mitten auf der Bühne. Es konnte ihm nicht entgangen sein, wie verzweifelt ich mich zur Wehr setzte. Mit erlahmenden Kräften. Und dann tat er das einzig Richtige. In dem Staub, der einmal ein blonder Vampir gewesen war, lag mein geheimnisvoller armenischer Silberdolch. Der Wissenschaftler packte ihn mit der rechten Faust. Und eilte zu uns herüber. Ich schaute schon durch blutigrote Schleier. Langsam senkte sich der Kopf der jungen Blutsaugerin dorthin, wo ihre Krallen das Leben aus meinem Hals drückten. Doch jetzt war Uhlengang da! Das Mädchen bemerkte ihn zu spät. Sie warf den Kopf herum. Doch der Professor hatte schon Maß genommen. Und trieb die weißmagische Klinge mit wissenschaftlicher Genauigkeit mitten in ihr untotes Herz! Ein zweites Gebrüll ertönte. Und auch die dunkelhaarige Vampirin beendete ihre unnatürliche Existenz. Meine Lungen pfiffen. Es war verdammt knapp gewesen. Beeindruckt beäugte der Wissenschaftler die Waffe in seiner Faust. »Ein faszinierender Dolch, Herr Hellmann. Ich muß gestehen, daß ich solche Dinge nur aus der Literatur kannte. Aber Sie haben offenbar im täglichen Leben damit zu tun…« 26
»Könnte man sagen«, keuchte ich. »Übrigens vielen Dank für die Lebensrettung.« Ich wollte noch mehr zu ihm sagen. Aber das mußte ich wohl auf später verschieben. Denn nun griffen die WiedertäuferVampire an! * Meine Geschichtsbuch-Lektüre am Nachmittag hatte sich gelohnt. Ich erkannte die drei Höllengestalten sofort. Die alten Kupferstiche, auf denen man sie porträtiert hatte, waren ihnen ziemlich ähnlich gewesen. Inzwischen waren die Sektierer allerdings halb verwest und zu Blutsaugern geworden. Aber trotzdem. Der Gedrungene mit dem gelockten Bart mußte Bernd Knipperdollinck sein. Der Münsteraner Bürgermeister unter dem Wiedertäufer-Regime. Hermann Krechting hatte so breite Kinnladen wie ein Nußknacker. Und ihr Anführer war natürlich Jan van Leyden. Der »König der Welt«, vor dem mich Odin gewarnt hatte. Er mußte einmal ein schöner Mann gewesen sein, bevor der Keim des Bösen und die Folter ihn verschandelt hatten. Aber immer noch war er hochgewachsen, wenn auch nicht so groß wie ich. In seinem schmalen Gesicht glommen gnadenlose Augen wie glühende Kohlenstücke. Ein Fanatiker durch und durch. Sie kamen von drei Seiten gleichzeitig. Ich erholte mich gerade noch von dem Angriff durch die beiden Vampir-Mädchen. Mir war klar, daß ich mich nicht auf einen Nahkampf einlassen durfte. Das wäre mein Ende gewesen. Zum Glück kehrte gerade noch rechtzeitig das Leben in meinen gequälten rechten Arm zurück. »Mark Hellmann!« donnerte Jan van Leyden mit einer Stimme, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. »Knie nieder vor dem Satan, unserem Herrn!« Falls der Wiedertäufer wirklich jemals auf der Seite des Guten gewesen war, konnte man jetzt davon nichts mehr spüren. Mein Ring glühte förmlich. Aber auch ohne das Kleinod hätte ich die Schlechtigkeit spüren können, die von ihm ausging. Knipperdollinck und Krechting näherten sich von den beiden Bühnenseiten her. Jeder von ihnen hatte eine schwere 27
Eisenstange in den Blutsaugerkrallen. Jan van Leyden stand mit verschränkten Armen im leeren Zuschauerraum. Immer schon hatte er lieber andere die Drecksarbeit für sich machen lassen. Ich erinnerte mich an seine Untaten, über die ich am Nachmittag gelesen hatte. Aber nun konnte ich das Bücherwissen vergessen. Natürlich dachte ich überhaupt nicht daran, vor Satan niederzuknien. Sondern machte mich zur Abwehr bereit. Der »König der Welt« gab seinen Schergen ein Zeichen. »Bleiben Sie hinter mir!« blaffte ich Professor Uhlengang an, der immer noch mit meinem Dolch in der Hand neben mir verharrte. Die SIG Sauer flog förmlich in meine Hand. BOMM! BOMM! Die beiden geweihten Silberkugeln hieben in Krechtings Schädel. Ich konnte jetzt nicht checken, ob ich ihn wirklich gut getroffen hatte. Denn schon war Knipperdollinck heran. Um mir mit seiner Eisenstange den Schädel zu spalten. Das Metallrohr sauste durch die Luft. Die Blutkreatur gab einen ekelhaften Laut von sich. Ich wirbelte herum. Die SIG Sauer im Beidhandanschlag. Drei weitere Geschosse jagten aus der Waffe. Der untote Wiedertäufer-Bürgermeister verfehlte mich mit seinem Schlag um Haaresbreite. Dafür fanden meine Kugeln ihr Ziel. Das war auch auf die kurze Distanz keine Kunst. Ein Geschoß schlug in Knipperdollings linke Augenhöhle. Die beiden anderen setzte ich ihm mitten in die Stirn. Augenblicklich begann der heilende Zauber der Weißen Magie seine Wirkung zu entfalten. Wie Feuer und Wasser prallten Gut und Böse aufeinander. Knipperdollinck wurde zuerst von seiner Kraft verlassen, dann von dem untoten Lebensfunken selbst. Die unheimliche Gestalt in den altertümlichen Kleiderfetzen brach in die Knie. Wenig später lag nur noch ein Häufchen Staub dort, wo er gestanden hatte. Die Eisenstange klapperte zu Boden. Es gab keine Vampirkrallen mehr, die sie halten konnten. Lange konnte ich mich auf meinen Lorbeeren allerdings nicht ausruhen. Jan van Leyden griff mich frontal an. Er war zweifellos der Bösartigste der ganzen Bande. Doch meiner modernen Bewaffnung konnte auch er nichts entgegensetzen. 28
Zu seinen Lebzeiten im 16. Jahrhundert hatte es in Deutschland bereits klobige Hakenbüchsen gegeben. Und Kanonen, die »Feldschlangen« genannt wurden. Doch bis man so ein Ding nachgeladen hatte, dauerte es immer eine halbe Ewigkeit. Trotzdem hätte mich der untote »König der Welt« beinahe erwischt. Sein Vampirgebiß war gebleckt, als er mit einem unmenschlich weiten Sprung aus dem Zuschauerbereich hoch auf die Bühne schnellte. Seine Krallen wollten sich schon in meine Brust schlagen. Sein schmaler Kopf kam bis auf einen Meter an mich heran. In seinen Augen las ich nichts als abgrundtiefe Schlechtigkeit. Ich ließ mich einfach nach hinten fallen. Landete unsanft auf dem Allerwertesten. Und zog noch ein paar Mal den Stecher meiner SIG Sauer durch. Jan van Leydens Schädel schien förmlich zu platzen. Ich durchlöcherte das dämonische Wesen mit fünf oder sechs Kugeln. Dann war alles vorbei. Noch ein weiterer Haufen Staub zierte die gebohnerten Bretter der Bühne. Ich hätte zufrieden sein können. In noch nicht mal zehn Minuten hatte ich insgesamt fünf Blutsauger von ihrer unnatürlichen Existenz erlöst. Wie eine Art weißmagischer Rambo war ich mir vorgekommen. Es war leicht gewesen. Zu leicht. Die Bedrohung durch die Wiedertäufer-Vampire war jedoch noch nicht vorbei. Da war ich mir sicher. Denn mir war die feinstoffliche Fratze nicht entgangen, die von einer Ecke des Saales her alles beobachtet hatte. Dracomar. Der Blutdruide. Einer meiner Todfeinde. * »Was wollen Sie?« Professor Uhlengang starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dabei war er selbst gerade Zeuge von ganz unglaublichen Dingen geworden. Es war noch keine fünf Minuten her, seit ich den Vampir Jan van Leyden erledigt hatte. Ich hatte den Wissenschaftler in einen kleinen Nebenraum des Archäologischen Museums gezerrt. »Ich will in der Zeit zurückreisen, Professor Uhlengang. Mit meinem magischen Siegelring kann ich das. Ich muß dorthin, 29
woher diese Kreaturen gekommen sind. Ins Jahr 1534. Um zu verhindern, daß noch weitere von ihnen in unsere Zeit geschleust werden. Und dafür brauche ich Ihre Hilfe!« Der brave Historiker erschrak. »Soll ich mitkommen?« »Nein.« Lachend begann ich schon einmal damit, mich auszuziehen. Wenn ich eine Zeitreise machte, konnte ich auf dem Hin- und Rückweg nichts anderes mitnehmen als meinen Ring. »Ich möchte Sie nur bitten, meine Kleider hier bereitzuhalten. Denn wenn ich zurückkehre, werde ich ebenfalls nackt sein. Außerdem rufen Sie bitte meine Freundin an. Kommissarin Tessa Hayden. Sie nimmt an einem Seminar auf der PolizeiführungsAkademie in Hiltrup teil. Seien Sie offen zu ihr. Sie ist in meine Tätigkeit eingeweiht.« In dem Blick des Professors las ich nun auch so etwas wie Bewunderung. »Ich bin stolz darauf, Mitglied der Liga zu sein, Herr Hellmann. Mit solchen Persönlichkeiten wie Ihnen können wir den Kräften der Hölle Paroli bieten.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Sie haben auch Ihren Mann gestanden, als mir diese Blutsaugerin an die Kehle wollte.« Inzwischen war ich ganz nackt. Durch die dämonische Aktivität der Wiedertäufer-Vampire war mein Ring immer noch leicht erwärmt. Ich aktivierte ihn, indem ich das Kleinod gegen das Hexenmal auf meiner linken Brustseite preßte. Sofort schoß ein blauer Lichtstrahl, einem Laser ähnlich, aus dem Ring, den einst Nostradamus angefertigt hatte. Professor Uhlengang konnte nur mühsam einen Überraschungsschrei unterdrücken. Ich schrieb mit dem blauen Licht das keltische Wort für »Reise« in altgermanischen Runen aus dem Futhark-Alphabet auf den ausgetretenen Teppichboden. Der stilisierte Drache auf meinem Ring schien plötzlich ins Riesenhafte anzuwachsen und mich zu verschlingen. Sphärenklänge brandeten auf wie die Musik eines unvorstellbar schönen und perfekten Orchesters. Ich stürzte in einen Schacht aus Spektralfarben und Dunkelheit. Grelles Licht und herrliche und finstere Visionen umfingen mich. Ich war wieder einmal unterwegs in die Vergangenheit… * Tessa Hayden unterdrückte ein Gähnen. 30
Der lebenslustigen, jungen Frau steckte noch die nächtliche Fahrt von Weimar nach Münster in den Knochen. Das Seminar an der Polizei-Führungsakademie versprach ebenfalls nicht gerade spannend zu werden. Jedenfalls nicht so aufregend wie eine Nacht mit Mark Hellmann. Ihre Kollegen, die aus allen Bundesländern zusammengewürfelt waren, konnte die Weimarerin auch nicht gerade vom Hocker reißen. Also verdünnisierte sie sich nach dem gemeinsamen Abendessen. Als erstes versuchte sie, ihren Freund über Handy zu erreichen. Aber Marks Anschluß war tot. Das beunruhigte Tessa noch nicht. Sie wußte ja, daß er mit seinem Gespenstervortrag beschäftigt sein würde. Daher begann die Fahnderin damit, allein und zu Fuß Hiltrup zu erkunden. Schnell mußte sie feststellen, daß sie in einem idyllischen, aber mehr als ruhigen Vorort gelandet war. Hier wurden die Bürgersteige wohl schon um sechs Uhr abends hochgeklappt. Immerhin gab es unweit der PolizeiFührungsakademie einen Templerweg. Wahrscheinlich zu Ehren dieses englischen Star-Geisterjägers, dachte Tessa grinsend. Doch dann schrillten bei ihr die Alarmsirenen. Mit ihrem untrüglichen Polizeiinstinkt spürte sie, daß sie verfolgt wurde. Mehr noch. Jemand schien sie psychisch beeinflussen zu wollen… Die Fahnderin aus Weimar überquerte die Marktallee, die wohl so eine Art Hiltruper Hauptstraße war. Vorbei an kleinen Läden, Eisdielen und Bankfilialen steuerte sie auf ein Gelände zu, das sie magisch anzuziehen schien. Der Friedhof. Tessa Hayden bog in die Friedhofstraße ein und lenkte ihre Schritte zwischen die Gräber. Plötzlich war sie innerlich ganz ruhig. Sie spürte deutlich, daß gleich etwas passieren würde. Und so war es auch. Ein Mann baute sich vor ihr auf. Groß, gutaussehend, von männlicher Schönheit. Ein Traumtyp sozusagen. Jedenfalls in Tessas Augen. Trotzdem hob sie ihren Kopf und warf ihm einen genervten Blick zu. »Hallo, Odin! Du gibst wohl nie auf, was?« * 31
Der altgermanische Göttervater kannte die Gedanken der Menschen. Daher hatte er die Gestalt eines PhantasieTraummannes angenommen, den sich Tessa seit ihrer Teenagerzeit gewünscht hatte. Genützt hatte es allerdings bisher nichts. Tessa war nicht mit ihm ins Bett gegangen, obwohl Mark Hellmann gerade nicht in der Nähe war (MH 43). Und auch im Moment schien sie nicht gerade vor Leidenschaft zu sprühen. Trotzdem lotste Odin sie zu einer kleinen Holzbank zwischen den Gräbern. Die Fahnderin und der Gott aus Asgard setzten sich nebeneinander wie ein Liebespaar. Allerdings schob Tessa Odins Hand, die er auf ihrem Knie gelandet hatte, resolut wieder weg. »Was willst du?« »Warum so unfreundlich, kleine Tessa? Ich langweile mich heute ein wenig. Darum habe ich beschlossen, euch zu helfen. Dir und Mark. Ihr könnt es dringend brauchen!« Tessa kniff mißtrauisch die Augen zusammen. Doch Odin sprach schon weiter. »Dracomar ist immer noch sauer, weil wir seine Riesenarmee zerrieben haben. Er will sich jetzt furchtbar an Mark rächen. Und dafür hat er sich ein paar gute Verbündete ausgesucht. Jedenfalls bessere als diesen Trottel Kalpa und seine Kumpane.« »Wen denn?« »Die Wiedertäufer. Sie sind wie Marionetten in den Händen des Blutdruiden.« Wiedertäufer. Das sagte Tessa nicht viel. Sie erinnerte sich aus der EOS-Geschichtsstunde an diese Sekte. Zu DDR-Zeiten hatte man das Wiedertäufer-Reich zu einer Art Vorläufer des Kommunismus hochgejubelt. Weil es kein Privateigentum gegeben hatte oder so. Tessa hatte damals im Unterricht nicht gut aufgepaßt. Odin merkte, daß die junge Frau noch nicht von der Gefahr überzeugt war. Er mußte schwerere Geschütze auffahren. »Mark ist in eine Falle getappt, Tessa. Er hat ein paar Wiedertäufer vernichtet, die in eure Zeit gekommen sind. Dein Freund glaubt jetzt, er müsse in die Wiedertäufer-Zeit zurückkehren, um eine weitere Invasion dieser Vampirschergen in eurer Zeit zu verhindern. Aber genau darauf wartet Dracomar!« Tessa lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie wäre selbst einmal um Haaresbreite auf ewig zur Blutsaugerin 32
geworden. Das hatte sie Dracomar zu »verdanken« (Siehe MH11). Die Fahnderin fürchtete und haßte diese Blutbestie von ganzem Herzen. »Was kann ich tun, Odin?« »Eine ganze Menge. Zum Glück. Denn du bist die einzige, die Mark Hellmann im Moment beistehen kann, liebe Tessa! Mit meiner Hilfe…« Und wieder ließ er seine Hand auf ihren Obersehenkel sinken. * Ich landete in einem Alptraum aus Blut, Kot und Verzweiflung. Was genau passierte, wußte ich nicht. Wenn ich eine Zeitreise hinter mir habe, bin ich eine Weile nicht zu gebrauchen. Rasende Kopfschmerzen und allgemeine Körperschwäche raubten mir den größten Teil meiner üblichen Topform. Ausgerechnet in dieser Verfassung fand ich mich in einem erbarmungslosen Gemetzel wieder. Nackt fiel ich in den Schlamm. Direkt neben meinem Ohr wurde eine Hakenbüchse abgefeuert. Der Knall machte mich fast taub. Im nächsten Moment stürmte jemand mit einem langen Spieß auf mich los. Wollte mich durchbohren. »Stirb, verdammter Ketzer!« grölte der Mann. Ich drehte mich zur Seite, zog an der Stange, die an mir vorbeiraste. Und ließ dann meine Faust auf die Nase des Lanzenträgers krachen. Er legte sich sofort im Dreck schlafen. Ich blinzelte. Unmittelbar hinter mir war die Stadtmauer. Es mußte sich um Münster handeln. Kein Zweifel. Die Kirchtürme kamen mir bekannt vor, obwohl ich noch nicht viel von der Westfalenmetropole gesehen hatte. Ich stand inmitten eines Pulks von Männern, die auf Leben und Tod miteinander kämpften. Schwer zu sagen, auf welche Seite ich mich schlagen sollte. Denn es sah so aus, als wollten mir beide an den Kragen. Die einen trugen Gewänder von Bauern, Handwerkern und Bürgern des 16. Jahrhunderts. Ihre Bewaffnung war ziemlich zusammengewürfelt. Aber was ihnen an Militärdisziplin fehlte, glichen sie durch erbarmungslosen Haß aus. Wie ausgehungerte Bestien stürzten sie sich auf ihre Gegner. Das waren offenbar die Soldaten des Bischofs. Sie mußten es sein. Aus meiner Lektüre wußte ich, daß der Bischof Franz von 33
Waldeck ein Heer aus Landsknechten zusammengestellt hatte, um die Herrschaft der Wiedertäufer zu beenden. Diese Berufssoldaten dienten jedem Herrn, der sie bezahlte. Sie waren eine Art Vorläufer der Fremdenlegion. Ihre Treue wurde durch ihren Sold erkauft. Ihre bunten Gewänder und Hüte mit Federbüschen würden im Dreißigjährigen Krieg in ganz Deutschland für Angst und Schrecken sorgen. An diesem kalten Frühlingstag bezogen sie selbst allerdings unter dem Stadtmauern von Münster tüchtig Prügel. Auf den Zinnen mußten einige Scharfschützen liegen. Selbst mit den primitiven Feuerwaffen schafften sie es, die Reihen der Landsknechte zu lichten. Und ihre Kameraden am Boden gingen mit Spießen und Schwertern gegen die Männer des Bischofs vor. »Freßt Scheiße, ihr Papstknechte!« brüllte ein riesiger Wiedertäufer mit sich überschlagender Stimme. Er rammte seine Lanze vor. Der Schwung war so heftig, daß er gleich zwei Soldaten damit durchbohrte. Die Sohlen ihrer Stulpenstiefel glitten auf dem Matsch aus, als sie tödlich getroffen in den Kot sanken. Der Fanatiker stieß ein heiseres Jubelgebrüll hervor und zog die vor Blut rote Stange wieder zurück. Da erwischte ihn eine Landsknecht-Kugel am Kopf. Nun küßte er selber den aufgewühlten Boden. »Ein Engel!« rief einer der Wiedertäufer plötzlich und ließ sich auf die Knie fallen. Dabei deutete er mit beiden Armen auf mich. »Er ist vom Himmel gefallen! Gott gibt uns ein Zeichen! Das Ende der Sünder ist nahe!« Genaugenommen war ich nicht vom Himmel gefallen, sondern aus dem Jahr 1999 gekommen. Doch ich war in einer wundergläubigen Zeit gelandet. Als die Wiedertäufer in Münster die Macht ergriffen, wurde ganz Deutschland von einer fiebrigen Unruhe geschüttelt. Bauern schüttelten die Leibeigenschaft ab. Martin Luther verbreitete Unerhörtes. Seine Predigten des Evangeliums erschütterten angebliche Sicherheiten, die seit Jahrhunderten festgestanden hatten. Nichts war mehr so, wie es gewesen war. Eine Zeit, in der Fanatiker wie die Wiedertäufer nur allzu bereitwillige Anhänger fanden… Einen Vorteil hatte der jubelnde Ausbruch des Münsteraners. Seine Kameraden nahmen mich nicht ins Visier. Und einen Nachteil gab es auch. Die Landsknechte versuchten nun erst 34
recht, mir, dem Wiedertäufer-Engel, die Flügel zu stutzen! Ein wilder Söldner mit einem roten Federbusch am Hut feuerte seine Hakenbüchse auf mich ab. Normalerweise wäre das mein Ende gewesen. Doch da strauchelte einer seiner Kameraden. Die Kugel, die mir gegolten hatte, traf einen Soldaten des Bischofs! Schwerverletzt oder tot sank er in den Schlamm. Das war Wasser auf die Mühlen der wundergläubigen Wiedertäufer. »Gottes Engel ist gegen Kugeln gefeit!« kreischte der kniende Sektierer. Er preßte nun auch noch seine Stirn gegen den Boden. »Halleluja! Der Herr straft die Schergen des Heuchlers aus Rom!« Damit war der Papst gemeint, den die Wiedertäufer ebensowenig anerkannten wie Martin Luther. Zwei oder drei Landsknechte stürmten nun auf mich los. Mit ihren langen Holzspießen drohten sie mich in Stücke zu hauen. Doch bevor mir meine Wiedertäufer-»Kameraden« beistehen konnten, hatte ich mich dem Angriff entgegengeworfen. Ich packte die Lanze des vordersten Angreifers und zog mit beiden Händen daran. Der Söldner glitt aus. Ich verpaßte ihm eine fürchterliche Rechte mitten auf den Punkt. Dann brach ich seinen fast drei Meter langen Spieß entzwei. Nun hatte ich eine handliche Waffe, mit der ich mich gut verteidigen konnte. Im Polizeisportverein Weimar habe ich auch einmal japanisches Stockfechten trainiert. Diese Grundlagen kamen mir nun zugute. Ich wirbelte das elastische Holz in Achterbahnen um meinen Kopf und Oberkörper. Damit konnte ich mich gleichzeitig verteidigen und plötzlich und unerwartet blitzschnell vorstoßen. Und das tat ich. Gegenüber der starren Kampftechnik der Landsknechte war ich im Vorteil. Wie ein Hase sprang ich hin und her, um kein festes Ziel für Kugeln, Lanzen und Schwerter zu bieten. Schnell zog ich meine Konter durch. So mancher meiner Gegner holte sich eine blutige Nase. Oder ich prellte ihm seine Waffe aus den Händen. Töten wollte ich niemanden, wenn ich es vermeiden konnte. Aber meiner Haut wehren mußte ich mich schon. Während ich den Holzprügel kreisen ließ, rückten die Wiedertäufer hinter mir vor. Manche warfen sich hohnlachend dem Musketenfeuer der Landsknechte entgegen. Offenbar glaubten die armen Narren, genauso »unverwundbar« wie ich geworden zu sein. Es war ein tödlicher Irrtum. 35
Das Büchsenfeuer der zurückweichenden Söldner riß große Lücken in die Reihen der Fanatiker. Plötzlich ertönte Hufgetrappel, so laut wie eine Steinlawine. »Die Reiterei des Bischofs!« brüllte jemand. Ich blickte auf. Hinter einer improvisierten Brustwehr sprengten hunderte Soldaten auf Schlachtrössern heran. Ihre Brustpanzer und Helme blinkten in der Frühlingssonne. Sie konnten sich wie ein Keil zwischen uns und die Stadttore schieben. Dann würden sie uns aufreiben und niedermachen. Und ich hätte keine Chance, den vampirischen Keim von Münster zu ersticken. »Rückzug!« brüllte ich deshalb kurz entschlossen. »Zurück in die Stadt!« Einige der Wiedertäufer schielten mich mißtrauisch an. Aber sie mußten mich ja immer noch für ein überirdisches Wesen halten. Also befolgten sie die Anordnung. Kämpfend wichen wir zurück. Die Münsteraner auf der Stadtmauer nahmen die Reiter unter Feuer. Ein oder zwei Pferde brachen in die Knie. Aber die Hauptstreitmacht würde uns in wenigen Minuten unter ihren Hufen zertrampeln. Da kam mir eine verzweifelte Idee. Mein Ring konnte mir im Moment nicht helfen. Da es keine schwarzmagische Aktivität gab, konnte ich ihn auch nicht zum Leben erwecken. Also blieb nur ein Ausweg. Ich konzentrierte meine Gedanken auf Odin. Der altgermanische Gott war erst vor kurzem mein Kampfgefährte gewesen, gegen Dracomar. Es würde ja schon reichen, wenn er nur kurz… Und er tat es. Plötzlich war er da. Riesig wie ein Berg kam er zwischen einigen Quellwolken herab. Sein grauer Bart flatterte über seine Schulter. In der rechten Faust hielt er Gungnir. Seinen Speer, der nie das Ziel verfehlt. Und er saß auf dem Rücken seines achtbeinigen Götterpferdes Sleipnir. Ein Donnergrollen und Blitzezucken begleitete seinen dramatischen Auftritt. »Du nutzt mich aus, Mark Hellmann!« hörte ich seine Stimme in meinem Gehirn. »Ich bin doch nicht deine persönliche Vogelscheuche! Ich habe auch noch andere Sachen zu tun!« Wahrscheinlich Met trinken und Frauen nachstellen, dachte ich grinsend. Seine Show ließ jedenfalls nichts zu wünschen übrig. Die Pferde der bischöflichen Reiter scheuten oder gingen durch. Viele von ihnen rissen die Gäule auf der Hinterhand herum und traten brüllend die Flucht an. 36
Auch die Wiedertäufer waren vor Angst halbtot. Odins Gastspiel konnte nicht länger als zehn Sekunden gedauert haben. Nachdem er wieder verschwunden war, machte die Reiterei keinen Streß mehr. Eines der Stadttore öffnete sich. Das Jüdefeldertor, wie ich später erfuhr. Der Wiedertäufertrupp und ich zogen im Triumph in die belagerte Stadt ein. Die Soldaten des Bischofs schickten uns zwei oder drei halbherzige Büchsenschüsse hinterher. Aber getroffen wurde niemand. * Tessa Hayden staunte nicht schlecht. Gerade hatte sich Odin noch an ihrem prallen Hintern zu schaffen gemacht. Und sie hatte mit sich gerungen, ob sie ihm auf die Finger klopfen sollte oder nicht. Da war er plötzlich, von einem Augenblick zum anderen, spurlos verschwunden. Die Fahnderin saß allein auf einer Gartenbank des Hiltruper Friedhofs. Die Dämmerung war schon längst über den Münsteraner Stadtteil hereingebrochen. Nur einige funzelige Laternen erhellten den Gottesacker spärlich. So sind die Männer, dachte Tessa achselzuckend. Plötzlich sind sie weg. Vor allem, wenn man ihre Hilfe braucht… Sie überlegte schon, ob sie ebenfalls wegstiefeln sollte. Da ertönten Schritte auf dem Kies. Tessa blickte auf. Ihr polizeilicher Instinkt sagte ihr, daß es Ärger geben würde. Drei jugendliche Kraftpakete kamen den sorgfältig geharkten Weg entlang. Jeder der Lederjackenträger hatte eine offene Bierdose in der Pfote. Daß die Büchsen Gerstensaft enthielten, konnte man schon auf drei Kilometer gegen den Wind riechen. Tessa rümpfte verächtlich die Nase. Solche Angebertypen gab es anscheinend auch in dem kleinsten Provinznest. Das Trio grölte los, als es die appetitliche Polizistin erblickte. »Ey, was für 'ne tolle Schnecke!« geiferte der Größte von ihnen. Sein Gesicht erinnerte an einen mißgestalteten Frosch. »Wo kommst du denn her, Süße?« »Aus der Gruft«, konterte Tessa. »Ich bin ein Vampir auf Bildungsurlaub.« »Haha«, machte Froschgesicht und nahm einen Schluck Paderborner aus der Dose. »Du bist ja richtig lustig. Ob die wohl 37
auch witzige Unterwäsche anhat? Was meint ihr, Männer?« Die drei geierten los. Tessa hatte keine Angst. Erstens hatte sie ihre Dienstwaffe dabei. Und zweitens verstand sie als Polizistin 'ne Menge von der Selbstverteidigung. »Was für Männer meinst du, Milchgesicht?« schnarrte die Weimarerin. »Dich selbst und deine Sandkastenkumpels ja wohl kaum, oder?« Das Froschgesicht war nun weiß vor Wut. Das konnte Tessa sogar bei der miesen Beleuchtung erkennen. In seinen Augen glitzerte eine explosive Mischung aus Lüsternheit und Heimtücke. Er riß ein Stilett aus seiner Lederjackentasche. »Greifen wir uns die Schlampe!« blökte er. Tessa federte hoch. Sie hatte die Rechte schon am Kolben ihrer SIG Sauer. Doch bevor sie die Pistole ziehen konnte, rauschte Sleipnir über sie hinweg. Das Götterpferd keilte mit seinen acht Hufen mächtig aus. Die drei Randaletypen wurden in verschiedene Richtungen geschleudert, als ob eine Bombe zwischen ihnen explodiert wäre. Und Odin gab ihnen mit seinem Speerschaft zusätzlich Zunder. »Hinweg, ihr Kanalratten!« donnerte er mit seiner Götterstimme. »Ich werde euch lehren, wehrlose Weiber anzugreifen!« Sein Speerschaft traf Froschgesicht an Rücken und Hinterteil mit voller Wucht. Der Schläger wurde nach vorne geworfen, als ob er von einem Katapult abgeschossen worden wäre. Er landete mit dem Kopf am Stamm einer Blautanne. Jammernd nahmen die drei Maulhelden die Beine in die Hand. Odin blickte ihnen lachend nach und verwandelte sich wieder in den Traumtypen. Dann griff er sich seine Kriegsbeute. Eine halbvolle Dose Paderborner. Leerte sie mit einem einzigen Zug. »Ah, das tut gut!« Er legte seinen Arm um Tessas Schultern. Die Fahnderin zog die Augenbrauen zusammen. Machte sich von ihm los. »Was soll das heißen, wehrloses Weib? Mit denen wäre ich schon fertiggeworden! Und wieso bist du so plötzlich verschwunden?« Odin seufzte theatralisch. »Es ist mein Schicksal, mißverstanden zu werden. Mark Hellmann brauchte meine Hilfe!« Der Göttervater bemerkte, wie die junge Frau erschrak. Er streute weiter Salz in ihre Wunde. »Er ist jetzt im Jahre 1534, Tessa. In Münster. Und er wird in große Gefahren geraten. Du 38
wirst ihm helfen müssen!« »Wie kann ich das?« hauchte Tessa. »Ich kann doch nicht durch die Zeit reisen! Jedenfalls nicht ohne Mark.« »Natürlich kannst du! Laß das nur den alten Odin machen.« Tessa war ziemlich durcheinander. »Also gut.« Der Göttervater grinste siegesgewiß. Wenn er als edler Retter auftrat, würde dieses Menschenweib ihn vielleicht endlich erhören. Nicht umsonst war er der Frauenheld des germanischen Götterhimmels. Er konnte es nicht verwinden, daß Tessa ihn bisher zurückgewiesen hatte. Odin nahm die Fahnderin auf seine muskulösen Arme. Im nächsten Moment lag die Gartenbank des Hiltruper Friedhofs völlig verwaist da. Nur eine leere Dose Paderborner zeugte noch davon, das sich hier vor wenigen Minuten etwas abgespielt hatte. * In Münster ist der Teufel los! Das war mein erster Gedanke, als ich inmitten des Wiedertäufer-Trupps die Stadt betrat. Dem aufgeregten Geschnatter meiner »Kameraden« entnahm ich, daß sie einen Ausfall gewagt hatten. Ich erinnerte mich aus den Geschichtsbüchern, daß die Sektierer die Truppen des Bischofs durch nadelstichartige Überfälle damals ganz schön in Atem hielten. »Welches Jahr haben wir eigentlich?« fragte ich den Truppführer, der sich mir als Klemens Witt vorgestellt hatte. Er blinzelte überrascht. »Anno Domini 1534, o Engel vom Himmel!« Ich nickte. Die Belagerung durch den Bischof Franz von Waldeck war also schon etliche Monate im Gange. Das einst so reiche Münster wirkte heruntergekommen. Als erstes fiel mir auf, daß die Kirchtürme keine Spitzen mehr hatten. Statt dessen befanden sich Kanonen auf den flachen Turmstümpfen. Damit konnten die Sektierer bis weit in die Lager ihrer Feinde schießen. Die Menschen auf der Gasse starrten mich mit einer Mischung aus Furcht und Hoffnung an. Ich war immer noch nackt. Der eine oder andere glotzte, als ob er etwas an mir vermissen würde. Vielleicht die Flügel auf meinem Rücken? 39
Klemens Witt wollte mich unbedingt zu Knipperdollinck bringen. So war es Vorschrift in der belagerten Stadt. Jeder Neuankömmling mußte zunächst dem Bürgermeister vorgeführt werden. Damit sich keine Spione des Bischofs einschlichen. Denn im Frühjahr 1534 war der Belagerungsring noch nicht hundertprozentig dicht. Es gelangten manchmal noch Boten aus Münster heraus und in die Stadt hinein. Vor der Begegnung mit Knipperdollinck fürchtete ich mich nicht. Ich hatte ihn als untoten Vampir weit in der Zukunft erledigt. Er konnte mich also noch nicht kennen. Vielleicht würde ich durch ihn erfahren, woher der Blutsaugerkeim in der Wiedertäuferstadt stammte… Da wurde meine Aufmerksamkeit auf einige seltsame Maschinen gelenkt. Sie standen auf dem Prinzipalmarkt herum. Die Grundlage bildeten Karren mit riesigen Rädern. An den Seiten waren diese Wagen mit dicken Eisenblechen beschlagen, zwischen denen ganze Batterien von Hakenbüchsen drohend hervorlukten. »Was ist das?« fragte ich. »Gepanzerte Wagen, mit denen wir aus der Stadt hinausziehen wollten. Aber der König hat beschlossen, sie doch nicht einzusetzen.« »So konnten wir wenigstens die Pferde fressen!« entfuhr es einem der anderen Wiedertäufer. Klemens Witt drehte sich mit haßverzerrtem Gesicht zu ihm um, die Hand auf dem Dolchgriff. »Schweig, du verblendeter Zweifler! Der Herr wird Brot vom Himmel regnen lassen! Wie es der König vorhergesagt hat! Noch so ein Satz von dir, und ich melde dich bei Knipperdollinck!« Der Vorwitzige senkte zitternd vor Angst den Blick auf das schmutzige Straßenpflaster. Mir fiel auf, daß alle Wiedertäufer ziemlich abgemagert aussahen. Kein Wunder in einer Stadt, die seit einem Jahr ohne Nahrungsmittel von außen zurechtkommen mußte. In einer Ecke des Prinzipalmarkts glommen noch die letzte Reste eines Scheiterhaufens. »Dort haben wir die Bücher verbrannt, o Engel des Himmels!« verkündete Klemens Witt stolz. »Welche Bücher?« »Alle Bücher«, erwiderte er verwundert. »Bis auf die Bibel. Das 40
ist doch Gottes Wille, nicht wahr? Der König hat es gesagt…« Der König, immer wieder der König! Ich biß die Zähne aufeinander. Dieser Jan van Leyden mußte eine wirklich dämonische Ausstrahlung haben. Er brachte seine Anhänger dazu, die seltsamsten und furchtbarsten Dinge zu tun. Das wurde mir klar, als wir an einigen Gehängten vorbeikamen, deren Leichen im milden Frühlingswind pendelten. »Was haben sie getan, Klemens?« Der Truppführer würdigte die Hingerichteten kaum eines Blickes. »Ach, die Frau da hat ihrem Mann Widerworte gegeben. Und der Kerl hat versucht, ein Brot zu klauen. Und der junge Bursche wollte die Stadt verlassen, um diesem bischöflichen Satansbraten zu dienen. Alles todeswürdige Verbrechen!« Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Aber ich konnte nichts tun. Mir blieb nur die Gewißheit, daß die Schreckensherrschaft der Wiedertäufer bald zu Ende gehen würde. Mit diesen Gedanken betrat ich den Dom. Klemens Witt blieb an meiner Seite. Die anderen, rangniederen Kämpfer warteten draußen vor dem Portal. Das Gotteshaus war von den Sektierern in eine Trümmerlandschaft verwandelt worden. Die kunstvollen Glasfenster waren zerschlagen, sämtliche Heiligenstatuen zerhackt. Unter der Kanzel lümmelte sich ein feister Vollbärtiger in einer Art Thronsessel. Er wirkte viel besser genährt als alle anderen Wiedertäufer, die ich bisher gesehen hatte. »Was ist denn nun schon wieder?« brummte er und biß knackend in eine geräucherte Wurst. Klemens Witt mußte schlucken, als dem Kerl auf dem Thron das Fett in den Bart lief. Aber er begann tapfer mit der Berichterstattung. Schilderte haarklein, wie ich vom Himmel gefallen war. Und wie dann plötzlich Odin die Reiterei des Bischofs vertrieben hatte. Nun erkannte ich auch die breite Bürgermeisterkette über dem bestickten Wams des Bärtigen. Das mußte Knipperdollinck sein. Es gab keinen Zweifel. Der Bürgermeister schwieg, bis er seine Wurst verzehrt hatte. Dann stocherte er ungeniert zwischen den Zähnen herum. »Ein neues Wunder also«, sagte er schließlich. Es klang so gelangweilt, als würde er höchstpersönlich jeden Tag Wasser in Wein verwandeln. Angesichts seines Säuferzinkens war das nicht undenkbar. Nun richtete Knipperdollinck seinen heimtückischen 41
Blick auf mich. »Wie heißt du, Engel vom Himmel?« »Markus, Herr Bürgermeister.« »Der Engel Markus…«, wiederholte der Feiste sinnend. Plötzlich schoß seine Hand vor. »Ergreift den Ketzer!« * Ich startete durch, kaum daß er seine Futterluke wieder verschlossen hatte. Sollte ich in eine Falle getappt sein? Darüber konnte ich mir später Gedanken machen. Erst mußte ich raus aus diesem Dom, der zu einer Brutstätte des Bösen geworden war. Klemens Witt hatte seinen Dolch noch nicht ganz aus dem Gürtel gezogen, als mein Ellenbogen schon in sein Gebiß schlug. Ich war kräftig und durchtrainiert. Mein Vorteil gegenüber diesen abgemagerten Wiedertäufern. Andererseits waren sie mir zahlenmäßig weit überlegen. Und durch ihre Irrlehre hoffnungslos vom Haß verblendet. Einer packte mich von hinten. Ich keilte aus. Jaulend ging er zu Boden, als ich seine Kniescheibe eingedellt hatte. Mit Schwertern und Äxten drangen seine Kameraden auf mich ein. Ich drehte mich auf dem linken Bein und verpaßte dem ersten Angreifer einen gezielten Tritt. Fernöstliche Kampftechniken waren im europäischen 16. Jahrhundert etwas Neues. Man wußte nicht, wie man sich dagegen verteidigen sollte. Das Schwert des Mannes klirrte zu Boden. Ich hechtete hin und griff es mir. Nun war ich nicht mehr unbewaffnet. Keinen Moment zu früh! Funken sprühten, als eine Hellebarde unmittelbar neben mir auf den Steinfußboden klirrte. Ich trat den Schaft der Waffe zur Seite. Hieb dem Wiedertäufer auf den Unterarm. Sie versuchten mich einzukreisen. Knipperdollinck hing auf seinem Thron herum, als ob er einen Boxkampf in der Glotze verfolgen würde. Für einen Moment überlegte ich, ihn als Geisel zu nehmen. Aber es war aussichtslos. Denn zwischen dem Dicken und mir drängten sich zwei Dutzend mordlüsterne Fanatiker. »Ergreift den Satansdiener!« kreischte der Bürgermeister. Ich hätte lachen können, wenn ich die Zeit dafür gehabt hätte. Ich, Mark Hellmann, ein Scherge der Hölle - das war ja wohl der 42
größte Hohn überhaupt! Ich flankte auf eine Kirchenbank und schüttelte die nachdrängenden Wiedertäufer mit Fußtritten ab. Dann riskierte ich einen weiten Sprung, um ins Querschiff des Doms zu gelangen. Das eiserne Gestell einer Taufschale kam mir zwischen die Füße. Bevor ich straucheln konnte, ergriff ich es. Und schleuderte es hinter mich. Zwei oder drei Wiedertäufer küßten den Steinfußboden. Nach dem Domino-Prinzip liefen ihre Mitstreiter auf sie drauf. Ein Zeitvorteil, der leider nur Sekunden für mich herausschinden würde. Einige andere Fanatiker waren außen um die Kirchenbänke herumgelaufen. Sie schnitten mir nun den Weg zum Ausgang ab. Mit einem ohrenbetäubenden Angriffsschrei stürzte ich mich auf sie. Aber diese Männer waren zu aufgehetzt, um Angst vor dem Tod oder einer Verletzung zu empfinden. Metall prallte auf Metall, als ich mir meinen Weg freizukämpfen versuchte. Durch meine zahlreichen Reisen in die Vergangenheit hatte ich schon oft genug die Gelegenheit, das Schwert zu schwingen. Darum war ich gut in Übung. Aber hier nützte mir das nicht viel. Für jeden meiner Gegner, den ich niederkämpfte, schienen drei weitere aus dem Boden zu wachsen. Ich blutete schon aus einigen kleineren Wunden. Dann verpaßte mir jemand von hinten einen fürchterlichen Schlag auf den Schädel. Für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Das Schwert entfiel meinen Fingern. Meine Knie verwandelten sich scheinbar in Pudding. »Tötet ihn noch nicht! Schafft ihn zum König!« bellte eine heisere Stimme von irgendwoher. Dann gingen bei mir die Lichter aus. * Odin wollte Tessa beeindrucken. Darum ließ er nichts aus, um ihr seine übermenschliche Macht und seine magischen Fähigkeiten vorzuführen. Die Reise durch nie gesehene Dimensionen war ein Anfang. Der germanische Gottkönig brachte die Fahnderin in das Jahr 1534 zurück. Allerdings war die junge Frau nicht so geblendet, wie es andere an ihrer Stelle gewesen wären. Es war nicht Tessas erste 43
Zeitreise. Einmal war sie, zum Beispiel, von einem gräßlichen Leichenvogel in die Wikingerzeit entführt worden (MH 40). Trotzdem staunte die Weimarerin nicht schlecht, als sie an Odins Seite im Münster des 16. Jahrhunderts landete. Denn sie trug plötzlich ein langes Kleid, wie es eine westfälische Bürgersfrau damals angehabt haben mochte. Komplett mit weißem Häubchen, unter dem sich ihre Kurzhaarfrisur verbarg. Auch Odin hatte sich der Umgebung angepaßt. Mit seiner derben Joppe und seinen Kniehosen und Holzschuhen konnte man ihn für einen holländischen Wiedertäufer halten. Sein Auge blinzelte vergnügt. »Was soll das?« brachte Tessa hervor. »Wo sind meine Sachen?« »Die habe ich nach Asgard gezaubert, in mein Haus. Dort liegen sie gut und trocken, bis wir zurückkehren. Du wirst alles zurückbekommen, kleine Tessa. Sogar deine Unterwäsche!« Er rieb sich vergnügt die Hände. Mark Hellmanns Freundin war nahe daran zu erröten, was in ihrem Job nicht oft vorkam. Sollte das bedeuten, daß sie unter dem Kleid überhaupt nichts…? Aber bevor sie den Gedanken zu Ende führen konnte, erschien eine Wiedertäuferpatrouille. Odin und Tessa befanden sich in einer schmalen Gasse, dem Hötteweg. Konnten nicht ausweichen. »Du da!« Der Truppführer trat auf Tessa zu. »Ich habe dich noch nie gesehen! Wessen Frau bist du?« »Meine!« Bevor die Fahnderin etwas erwidern konnte, hatte sich der germanische Gott vor sie geschoben. Der Wiedertäufer bleckte die Zähne. »Du? Ich wette, daß du ein Spion des Bischofs bist! Du wirst schneller auf dem Prinzipalmarkt hängen, als dir lieb ist, verdammter Ketzer! Und dieses Weib mache ich zu meiner sechsten Frau!« »Ketzer?« wiederholte Odin ungläubig. »Das soll wohl ein Witz sein. Ich bin selbst ein Gott!« Die Fanatiker hielten den Atem an, als sie diese für sie unglaubliche Bemerkung hörten. Doch dann machten sie sich sofort daran, Odin in Stücke zu hauen. Tessa mußte sich abwenden. Der Anblick war einfach zu gräßlich. Doch sie hätte Odins Sinn für makabere Scherze kennen müssen. Als die Wiedertäufer geifernd über seiner scheinbaren blutüberströmten Leiche standen, fügten sich die Körperteile 44
einfach wieder zusammen. Odin machte kurzen Prozeß. Er zog seine Holzschuhe aus und klopfte den Männern der Patrouille damit kräftig aufs Schädeldach. Tessa wollte nun auch nicht mehr untätig herumstehen. Sie raffte ihre Röcke und verpaßte einem der Soldaten einen Fausthieb ins Gesicht, der ihn ins Land der Träume schickte. Dabei bemerkte sie zu ihrer Erleichterung, daß sie wirklich eine knielange Leinenunterhose im Stil des 16. Jahrhunderts trug… Die sechs Wiedertäufer waren jetzt im Reich der Träume. Odin und Tessa liefen Hand in Hand die Gasse entlang. Bogen dann nach rechts ab. Als sie merkten, daß sie nicht verfolgt wurden, gingen sie langsamer. »Für einen Moment hatte ich Angst um dich.« »Ich weiß.« Beruhigend tätschelte Odin ihr pralles Hinterteil. Deshalb hatte er sich ja gerade von den Schergen Arme, Beine und Kopf abschlagen lassen! Um Tessas Gefühle für ihn zu verstärken. Ihm konnte ja durch Menschenhand nichts passieren. Wozu war er schließlich ein Gott? »Wieso wollte mich dieser Typ überhaupt zu seiner sechsten Frau machen?« fragte Tessa. »Hatte der einen Samenkoller oder was?« »Die Wiedertäufer haben die Vielehe eingeführt«, erklärte Odin. »Jeder Mann konnte so viele Frauen nehmen, wie er ernähren konnte. Eigentlich eine ganz sympathische Sitte…« Dazu hätte Tessa einiges sagen können. Sie wäre schon mit einem einzigen Ehemann sehr glücklich gewesen. Nämlich mit Mark. Und wegen dem war sie schließlich hier. »Die Riten der Wiedertäufer sind mir egal, Odin. Ich will nur meinen Freund holen und dann zurück in eine Zeit, wo es eine funktionierende Müllabfuhr gibt.« Zur Bekräftigung ihrer Worte zog Tessa die Nase kraus. Der Gestank auf den Gassen war wirklich atemberaubend. Allerdings fehlten die Rattenkadaver, die man in anderen Städten dieser Zeit überall herumliegen sah. Die waren nämlich von den Wiedertäufern schon verspeist worden. Odin seufzte. Er würde sich wohl noch einiges einfallen lassen müssen, um Tessa endlich über die Bettkante zu schubsen… Das ungleiche Paar bewegte sich auf den Prinzipalmarkt zu. »Was ist mit Mark?« drängte Tessa. 45
»Er hat Schwierigkeiten. Diese Finsterlinge haben ihn gefangengenommen. Sie wollen ihn… Oh, verdammt!« Plötzlich hielt Odin an. Wie vom Blitz getroffen. »Ich muß noch mal weg, kleine Tessa! Eine dringende Geschichte in Asgard! Ich bin so schnell wie möglich zurück. In Ordnung?« »Aber…« Tessa Hayden kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden. Denn plötzlich war sie allein in der fremden Stadt und der fremden Zeit. Odin, der Göttervater, war wieder einmal wie vom Erdboden verschluckt. * Als Mensch sah Jan van Leyden wirklich gut aus. Das Vampirdasein der Zukunft würde seinem Teint schaden. Auch die Folterungen in dem Käfig würden an seinem Äußeren nicht spurlos vorübergehen. Aber das war wie gesagt alles noch Zukunftsmusik. Als ich vor den »König der Welt« gezerrt wurde, spielte er seine Rolle als Herrscher des Neuen Jerusalem wirklich perfekt. Vielleicht glaubte er ja wirklich an das, was er tat. Aber das konnte ich mir nicht vorstellen. Denn erstens wirkte er genauso wohlgenährt wie Knipperdollinck, während seine Anhänger hungerten. Und zweitens erwärmte sich mein Ring, als ich vor den Thron des Ober-Wiedertäufers geworfen wurde. Das Kleinod prickelte auch heftig. Es gab keinen Zweifel. Jan van Leyden war eine dämonische Kreatur! Der selbsternannte »König der Welt« spielte in dem Wiedertäuferaufstand eine Schlüsselrolle. Ursprünglich war er ein holländischer Gastwirt gewesen. Auch als Wanderschauspieler hatte er sich einmal versucht. Dort hatte er offenbar gelernt, den Menschen etwas vorzugaukeln. Er war nackt durch Münster gelaufen und hatte seine wirren Visionen zum besten gegeben. Darauf hatte man ihn zum König gemacht, der die Menschheit vor der Sünde retten sollte… Und nun an saß er vor mir auf seinem Thron und musterte mich wie ein Insekt unter dem Mikroskop. In Samt, Seide und Brokat war er gekleidet. Schwerer Goldschmuck zierte seine Finger und 46
seinen Hals. Und auf dem Kopf trug er tatsächlich eine Krone. Links und rechts von ihm lagerte sein Harem auf weichen Polstern und Kissen. Ich wußte aus den Büchern, daß die Wiedertäufer unter ihrer Herrschaft die Vielweiberei eingeführt hatten. Jan van Leyden hatte es offenbar verstanden, die hübschesten Frauen der Stadt für sich zu gewinnen. Mindestens neun oder zehn von ihnen lagen ihrem Herrn und Meister zu Füßen. »Du bist also dieser gefallene Engel?« Als er den Mund aufmachte, verstand ich plötzlich, warum die Menschen ihm so hörig folgten. Seine Stimme hatte etwas Hypnotisches. Aber um Mark Hellmann um den Finger zu wickeln, muß man sich schon etwas Besseres einfallen lassen. Ich spulte meine Lügengeschichte ab, die ich mir flugs zurechtgelegt hatte. »Ich habe nie behauptet, ein Engel zu sein, Majestät.« »Wer bist du dann?« »Nur ein einfacher Student aus Thüringen. Die Kunde vom Neuen Jerusalem hat mich hierhergegeführt. Ich will dabeisein, wenn die Welt von ihren Sünden befreit wird.« Die Wiedertäufer hatten wirklich versucht, überall in Deutschland und Holland Anhänger zu werben. Insofern war meine Geschichte plausibel. Dachte ich. Der »König der Welt« fuhr sich durch seinen parfümierten Vollbart. »Aber wieso bist du nackt vom Himmel gefallen?« »Das ist nicht wahr, Majestät. Ich habe versucht, mich durch die Reihen der Landsknechte zu schleichen. Aber sie haben mir alles genommen, was ich besitze. Sogar das Hemd.« »Offensichtlich«, sagte eine der »Königinnen« begeistert. Ihr Blick saugte sich dabei lüstern an meinem Körper fest. Eigentlich nur an einer ganz bestimmten Körperregion. »Ruhe!« schnappte Jan van Leyden. »Dann wäre da noch dieser Krieger, der aus den Wolken gekommen sein soll. Was hast du dazu zu sagen?« »Ich weiß nicht, was Ihr meint. Ich bin ein einfacher Student und heiße Markus Hellmann. Ich kann keine Wunder geschehen lassen.« »Der Kerl ist ein Spion, Majestät!« polterte nun Knipperdollinck. »Er soll dem Bischof haarklein erzählen, was er hier gesehen hat.« Der Wiedertäufer-König wiegte den Kopf. Es gefiel ihm wohl, 47
hier in der Stadt Herr über Leben und Tod zu sein. In ihm schlummerte eindeutig der Keim des Bösen. Da konnte es keinen Zweifel geben. »Dieser Markus Hellmann ist wirklich verdächtig, Knipperdollinck. Am besten ziehe ich meinen neuen Berater hinzu.« Er gab einem Diener ein Zeichen. Der Mann ging in einen Nebenraum des Thronsaals, der im Rathaus eingerichtet worden war. Und kam in Begleitung einer wohlbekannten Gestalt zurück. Mein Ring erwärmte sich noch mehr. Aber auch ohne dieses Signal wäre mir klar gewesen, wen ich da vor mir hatte. »So sieht man sich wieder, Mark Hellmann.« Ich hielt dem einäugigen Blick der grauenhaft entstellten Kreatur stand. »Unkraut vergeht nicht Dracomar.« * Das Münster der Wiedertäuferzeit war ein Alptraum für Tessa. Die Weimarerin schlich durch die stinkenden Gassen. Sie versuchte, möglichst niemandem aufzufallen. Gleichzeitig beobachtete sie ihre Umgebung sehr genau, wie sie es durch ihre Polizeiarbeit gewohnt war. Und was sie bemerkte, drehte ihr den Magen um. Mindestens in jeder zweiten Straße waren abgeschlagene menschliche Arme und Beine an die Tore und Wände genagelt. Und die Leute gingen daran vorbei, als würde es sich um Plakate handeln! Die junge Frau wollte nur eins. So schnell wie möglich zurück ins Jahr 1999. Aber nicht, ohne ihren Freund Mark Hellmann zu finden. Wo er nur stecken mochte? Tessa Hayden überquerte einen Kirchplatz. Auch auf der Turmplattform dieses Gotteshauses hatte man eine Kanone aufgebaut. Die Besucherin aus der Zukunft näherte sich einem großen Platz, auf dem früher vielleicht Wochenmarkt abgehalten worden war. Aber in dieser Stadt gab es offenbar nichts mehr zu beißen… Mit zusammengezogenen Augenbrauen bemerkte Tessa einen Scheiterhaufen. Und dann erschrak sie. Auf den verkohlten Ästen kletterte plötzlich ein nackter Mann 48
herum! Im ersten Moment dachte Tessa, es wäre ihr Freund. Auf seinen Zeitreisen war er schließlich immer ohne einen Faden am Leib unterwegs. Aber schon auf den zweiten Blick bemerkte sie ihren Irrtum. Dieser Typ war kleiner als Mark und fast bis zum Skelett abgemagert. Außerdem kreischte er mit einem Fanatismus, der ihrem Freund zutiefst fremd war. »Und die himmlischen Heerscharen sind auf unserer Seite!« verkündete er vom Scheiterhaufen aus. Riß sich voller Inbrunst Büschel seines schwarzen Vollbartes aus. »Ich habe sie gesehen! Halleluja! Schon bald werden die Knechte des römischen Heuchlers durch die erzenen Schwerter der Engel sterben. Und der König der Welt wird regieren sein Reich bis in alle Ewigkeit!« Nun erst fiel Tessa auf, daß sie die Ausdrucksweise des 16. Jahrhunderts genauso gut verstehen konnte, als ob sie in ihrer Gegenwart leben würde. Sie wußte von Mark, daß er bei seinen Zeitreisen ebenfalls keine Verständigungsprobleme hatte. Das mußte Odin getrickst haben. Odin! Wohin war diese »treulose Tomate« verschwunden? Was geschah mit ihr, wenn weder sie weder Mark Hellmann noch den Götterkönig wiederfand? Daran wollte sie lieber nicht denken. Der Nackte steigerte sich immer mehr in seinen Wahn hinein. »Die Belagerer werden zermalmt. Und der wahre Glaube wird die Welt beherrschen! Doch wir dürfen nicht kleinmütig sein. Seid fruchtbar und mehret euch! So steht es schon in der Bibel! Laßt uns dem König ein neues Weib zuführen!« Plötzlich schoß sein dürrer Arm vor und deutete auf Tessa. »Die da!« Die Fahnderin stand inmitten einer Menschenmenge, die sich um den Rasenden versammelt hatte. Jetzt merkte Tessa, daß sie einen Fehler gemacht hatte. So schnell würde sie sich aus diesem Pulk an Wiedertäufern nicht verdünnisieren können. Vor allem, wo jetzt alle Augen auf sie gerichtet waren. »Ich - ich bin schon verheiratet!« stotterte sie. Etwas anderes fiel ihr im Moment nicht ein. »Der König wird diese Ehe für null und nichtig erklären«, meinte einer der Gaffer. »Wäre ja nicht das erste Mal…« Und der Nackte auf dem Scheiterhaufen hörte sowieso nicht auf Tessas Einwand. »Ergreift sie!« brüllte er mit sich überschlagender Stimme. Tessa Hayden war nicht der Typ, um kampflos aufzugeben. Sie 49
raffte ihre Röcke. Säbelte mit ihrem linken Bein einen Halbkreis um sich herum frei. Die Fäuste hielt sie schlagbereit dicht am Oberkörper. »Kiiiiiiaaaaaiiiii!« Für einen Augenblick hatte sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Aber dann stürzte sich die aufgehetzte Meute auf sie. Der bärtige Knochenmann stachelte die Wiedertäufer zusätzlich an. »Das Weib ist vom Bösen besessen! Schafft sie zum König, damit er ihr den Dämon austreibt!« Tessa ließ ihren Fuß auf einem Männernase krachen. Es gab ein dumpfes Knacken, als das Riechorgan brach. Zwei andere Wiedertäufer versuchten, ihr Bein zu packen. Damit hatte sie schon gerechnet. Unerwartet schlug die Fahnderin eine Art Flickflack, wobei ihr allerdings ihre Röcke ziemlich im Weg waren. Trotzdem schaffte sie es, wieder auf den Füßen zu landen. Tessa rammte ihren Ellenbogen in den Magen eines weiteren Angreifers. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Die Weimarerin sprang über ihn hinweg. Der Platz war groß und langgestreckt. Es handelte sich um den Prinzipalmarkt. Das wußte die Besucherin aus dem Jahre 1999 allerdings nicht. Sie wußte nur eins. Sie wollte so schnell wie möglich aus dieser Horrorwelt verschwinden. Direkt vor ihr hatte man drei Galgen aufgerichtet, an denen übel aussehende Gehenkte im Wind baumelten. Tessa schlug einen Haken nach links. Jemand packte ihr Kleid. Durch den Schwung zerriß es. Die Polizistin hetzte »oben ohne« weiter. Einige Männer und Frauen schnitten ihr den Weg ab. Unter dem WiedertäuferRegime hatten auch viele Mädchen und Frauen auf den Wällen gegen die Landsknechte des Bischofs gekämpft. Aber in diesem Moment konnte sich Tessa über diese frühe Form der »Gleichberechtigung« nicht so recht freuen. Denn diese Weiber wollten sie zum König bugsieren! Tessa verpaßte einer grobknochigen Bäuerin einen furchtbaren Hieb. Die Frau strauchelte, küßte das Kopfsteinpflaster. Ein anderes Weibsbild ging mit der Hellebarde auf Tessa los! Aber da tadelte der Nackte auf dem Scheiterhaufen. »Fangt sie lebend! Dem König zum Wohlgefallen!« Ich werde eurem König was abschneiden, wenn ich ihn in die Finger kriege! dachte Tessa wütend. Der braucht dann keine 50
Frauen mehr, nicht eine einzige! Sie war sogar sauer auf Mark Hellmann, weil er unbedingt in diese Stadt in jener Zeit gereist war. Gleichzeitig wußte sie, daß das Unsinn war. Mark tat, was getan werden mußte. Als Kämpfer des Rings hatte er keine Wahlmöglichkeiten. Er folgte nur seiner Bestimmung. Die Hellebarde stieß ins Leere. Tessa verpaßte der jungen Frau mit ihrem Handballen einen Stoß, der ein hübsches blaues Auge zur Folge haben würde. Vergeblich. Nun kamen sie von allen Seiten. Noch ein paar Tritte und ein paar Schläge, dann schien Tessa zu ertrinken in einem Meer aus knochigen, stinkenden Leibern, Schmutzige Finger geiler Kerle betatschten ihren nackten Oberkörper, während ihre Hände mit einem groben Strick auf dem Rücken gebunden wurden. Der Nackte hatte inzwischen endgültig das Kommando übernommen. Bei den Wiedertäufern hat offenbar der das Sagen, der den größten Knall hatte, dachte sich Tessa. Die Menge stimmte einen selbstgerechten Schlachtgesang an, während sie Tessa im Triumphzug zum Rathaus schleiften. * Dracomar genoß seinen Auftritt. In altbekannter Gestalt kam er auf mich zu. Sein magerer, halb zerfetzter Oberkörper wurde von einem schwarzen Umhang verhüllt. Seine ohnehin widerwärtige Fratze war grauenvoll entstellt. Das hatte er mir zu verdanken. Ich hatte ihm eine gute Ladung Weihwasser ins Gesicht gekippt (MH 1). Auf den Blutdruiden wirkte die weißmagische Flüssigkeit wie Salzsäure. Seitdem haßte er mich wie die Pest. Seine dürren Lippen zogen sich zurück, ließen die vampirischen Fangzähne sehen. Als mächtiger Vampirdämon konnte er auch tagsüber erscheinen, ohne gleich zu Staub zu zerfallen. Schließlich existierte der Alte des Schreckens schon seit ewigen Zeiten. Seine Krallen streckten sich nach mir aus. Meine Hände hatten mir die Wiedertäufer mit einer Kette auf den Rücken gebunden. Aber ich würde mich von dieser Bestie trotzdem nicht befummeln lassen. Nicht, wenn ich es verhindern konnte. Dracomar näherte sich mir. Selbst die Wachen an meiner rechten und linken Seite zuckten unwillkürlich zurück. Nun stand 51
für mich endgültig fest, was für Heuchler diese Wiedertäufer waren. Selbsternannte Auserwählte, die ein angebliches »Reich Gottes« auf Erden errichten wollten. Aber dafür verbündeten sie sich mit einer Kreatur, die so eindeutig durch und durch böse war wie eben dieser Blutdruide. Als Dracomar in meiner Reichweite war, riß ich mein rechtes Bein hoch und trat ihm kräftig vor die Brust. »Komm mir nicht zu nahe, Blutbestie! Du stinkst wie eine ganze Ghulkompanie!« Obwohl mir der Alte des Schreckens an Körperkräften haushoch überlegen war, wurde er durch meine unerwartete Abwehr zurückgeschleudert. Unsanft landete er zu Füßen des »Königs der Welt« auf seinem Hintern. Haßerfüllt geiferte er los. »Da seht ihr es, Majestät! Dieser Bastard vergreift sich an eurem treuen Berater und Freund!« »Freund?« höhnte ich. »Wer Dracomar als Freund hat, braucht keine Feinde!« »Du hast ein freches Mundwerk, Markus Hellmann.« Jan van Leyden beugte sich auf seinem Thron vor. Ein sadistisches Lächeln verzerrte sein Schönlingsgesicht. »Wir sollten dir als erstes die Zunge herausschneiden. Dann können wir dich vierteilen und deine Reste außen an das Jüdefeldertor nageln. Damit deine Landsknechtsfreunde sehen, was ihnen im neuen Jerusalem blüht.« Ich gab mir nicht die Mühe, diesem Irren zu antworten. Doch Dracomar setzte noch einen drauf. »Nein, Majestät! Nehmt ihm zunächst seinen Siegelring ab. Das ist die schlimmste Pein für ihn.« Damit hatte er gar nicht so unrecht. Trotz meiner gefesselten Hände kämpfte ich wie ein Löwe. Aber die persönliche Leibwache des Königs war stärker als ich. Diese Männer waren auch noch recht gut ernährt. Kein Wunder. Für sie fielen sicher die Reste von den rauschenden Banketts des Wiedertäufer-Herrschers ab. Nach einigem Hin und Her hatten sie mir den Ring vom Finger gezerrt. Einer der Schergen brachte das Kleinod mit einer tiefen Verbeugung seinem König. »M und N«, buchstabierte der ehemalige Kneipenwirt und jetzige »König der Welt«. »Was soll das heißen?« »Leck mich!« zischte ich. »Ein widerspenstiger Bursche.« Eine der Königinnen meldete 52
sich nun zu Wort. Sie trug ein schwarzes Samtkleid. Ihre üppigen Brüste quollen halb aus dem Ausschnitt. »Ihr solltet sofort mit der Folter beginnen, Majestät…« »Gute Idee, Dividana.« Jan van Leyden machte ein Handzeichen. Daraufhin schleppte ein Diener ein Becken mit glühenden Kohlen herbei. Mehrere Zangen wurden darin erhitzt. »Wie schön«, sagte ich, mich an meine Lektüre erinnernd. »Mit diesen Instrumenten wirst du selbst auch zu Tode kommen, Jan van Leyden. Durch die Knechte des Bischofs. Und dann wird man deine Überreste in einem Käfig zur Schau stellen.« »Ketzer!« kreischte der dicke Knipperdollinck. »Du hast den tausendfachen Tod verdient!« Ich ignorierte ihn. Etwas anderes war mir wichtiger. In der selbstgerechten Stimme des »Königs der Welt« schwang plötzlich noch ein neues Gefühl mit. So etwas wie Angst. »Woher willst du das wissen, Markus Hellmann?« Ich ging nicht auf die Frage ein. »Deine Stadt wird durch Verrat in die Hände des Bischofs fallen. Alle Männer werden sterben, bis auf dich und Knipperdollinck und Krechting. Euch steht das Schlimmste noch bevor. Ihr werdet…« »Hört nicht auf ihn!« mischte sich nun Dracomar ein. »Solange ich an eurer Seite bin, könnt ihr den Kampf gar nicht verlieren. Nehmt Hellmanns Ring, Majestät. Schmückt eure Hand damit!« Zögernd folgte der Wiedertäufer-Herrscher der Aufforderung. Ich biß die Zähne zusammen. Fragte mich die ganze Zeit, was der Blutdruide im Schilde führte. Jan van Leydens Finger glänzten so vor Geschmeide, daß mein Ring zwischen den anderen Schmuckstücken gar nicht auffiel. Für den König war er wahrscheinlich relativ wertlos. Doch ich brauchte ihn dringend. Ohne das Kleinod konnte ich nicht in meine Zeit zurückgelangen. Der Wiedertäufer-Herrscher erhob sich von seinem Thron und trat an das Kohlebecken. »Du hast die Folter wirklich verdient, Markus Hellmann. Deine schwarze Seele wird durch die Pein gereinigt werden.« Ich schwieg. Was sollte ich darauf auch erwidern? Außerdem wollte ich Dracomar den Triumph nicht gönnen. Er weidete sich sowieso schon daran, daß ich gefangen und meiner Rückkehrhilfe beraubt war. Wie ein Anfänger war ich in seine Falle gestolpert. Ich hätte mir denken können, daß er die Rädelsführer der Sekte mit seinem vampirischen Keim infiziert hatte. Wie viele von denen 53
er wohl noch in unsere Gegenwart schicken wollte? Es war, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. »Ich mache diese Männer zu einer unschlagbaren Streitmacht, Hellmännchen. Nachts greifen wir dann die Lagerplätze der Landsknechte an. Du kannst dir sicher denken, warum sie uns nichts entgegensetzen können, hehehe…« Das konnte ich natürlich. Weil Dracomar die Wiedertäufer beißen würde. Und weil gewöhnliche Menschen im Kampf gegen Vampire immer den kürzeren ziehen. Der Blutdruide hatte es nicht verwunden, daß ich seine Riesenarmee vernichtet hatte. Das wollte er mir jetzt offenbar heimzahlen. Und diese Wiedertäufer waren dabei nützliche Marionetten in seinen Händen. Jan van Leyden hatte sich eine Zange gegriffen. Er kam mit dem glühenden Werkzeug auf mich zu. Ich wußte aus den Geschichtsbüchern, daß er gerne höchstpersönlich seine Widersacher bestrafte. Ich konnte die Hitze schon deutlich auf meiner nackten Haut spüren. Das Eisen näherte sich meiner Brust. Dann kniffen die Backen der Zange in meine Haut. Doch der Schmerz blieb aus. Kein Wunder. Denn das Folterinstrument hatte genau in mein blau-rot-golden schimmerndes Hexenmal getroffen. Und diese Stelle meines Körpers ist absolut schmerzunempfindlich. Deshalb vorzog ich keine Miene. Deutlich konnte ich die Verunsicherung des königlichen Folterknechts spüren. Er verstärkte seine Bemühungen. Aber ich empfand nichts. Sein Blick begann zu flackern. In diesem Moment gab es am Saaleingang einen Tumult. Eine Menschenmenge strömte herein. »Ehre sei Gott in der Höhe!« kreischte ein Nackter. »Wir bringen eine neue Königin, Majestät!« Ich erstarrte. Denn wer dort gefesselt und mit zerrissenem Kleid vor den Thron geschleift wurde, war keine andere als meine Freundin Tessa Hayden! * Jan van Leyden legte die Zange beiseite. Er schien plötzlich das Interesse an mir verloren zu haben. Das war auch kein Wunder. 54
Denn Tessa ist ohnehin schon sehr gutaussehend. Doch in diesem Moment raste sie förmlich vor Zorn. Und das steht ihr manchmal besonders gut. »Diese Stadt ist ein einziges Tollhaus! Laßt mich endlich frei, ihr Galgenstricke!« Der König der Wiedertäufer trat auf sie zu. Seine Hand glitt prüfend über ihren kleinen, aber festen Busen. Ich hätte ihn gerne windelweich geprügelt. Aber die Wachen hielten mich zurück. Wenigstens trat Tessa ihm kräftig vor das Schienbein. Nun gab auch noch Dracomar seinen Senf dazu. »Hütet euch vor diesem Weib, Majestät! Sie ist nicht gut für euch. Sie hat den Teufel im Leib.« Er stiefelte heran und riß Tessas Häubchen mit seiner Vampirklaue herunter. »Seht selbst! Sie hat kurze Haare! Wie eine Hexe!« »Du spinnst doch, Blutsäufer! Mein Styling ist topaktuelle Weimarer Friseurarbeit!« Dracomar warnte den Wiedertäufer-König noch einmal. »Laßt euch von der Metze nicht blenden, Majestät! Sie ist dem Bischof ergeben! Sie…« Doch Jan van Leyden war durch Tessas Ausstrahlung offenbar schon hin und weg. Er wollte sie in seinem Harem haben. »Ich weiß, was ich tue, Dracomar!« schnappte der »König der Welt«. »Dieses Weib wird meine Gemahlin! Mit Markus Hellmann kannst du machen, was du willst. Bereitet alles für eine prunkvolle Hochzeit vor!« * »Du kannst dein Leiden verkürzen«, sagte der Blutdruide mit einem heimtückischen Grinsen. Er rieb sich seine widerwärtigen Krallen. Und erfreute sich daran, mich in einem Verlies unter dem Rathaus mit dem Kopf nach unten von der Decke baumeln zu sehen. Meine Füße wurden von schweren Ketten gehalten. Das Eisen schnitt tief in meine Knöchel. »Wie edel von dir!« höhnte ich. »Wußte gar nicht, daß du auf deine alten Tage unter die Menschenfreunde gegangen bist.« »Bin ich auch nicht«, gab Dracomar ungerührt zurück. »Ich würde lieber jetzt als später dein verdammtes Blut saufen, Mark 55
Hellmann. Aber das kann warten. Ich werde dich Mephisto auf dem Silbertablett servieren. Aber nicht dich allein. Du wirst mir jetzt alles verraten, was du über Die Liga weißt.« Eher würde ich mir selbst die Zunge abbeißen, als unsere internationale Vereinigung zur Bekämpfung des Bösen zu verraten. Deshalb schwieg ich verbissen. Dracomar griff zu einer Daumenschraube, die auf einem Tischchen neben ihm lag. Gemeinsam mit anderen Folterwerkzeugen. »Diese Wiedertäufer sind viel bessere Verbündete als die blöden Riesen«, meinte der Alte des Schreckens angeberisch. »Dieser Jan van Leyden ist zum Beispiel sehr intelligent. Kann sein, daß er früher wirklich mal an das Gute geglaubt hat. Aber das habe ich ihm tüchtig ausgetrieben. Seit er König ist, macht er, was ich will!« »Außer, wenn es um Frauen geht.« Dracomar kam mit der Daumenschraube näher. Er schätzte es nicht, auf eine Niederlage angesprochen zu werden. »Soll sich der nützliche Idiot doch mit deiner Tessa vergnügen, Hellmännchen! Das wird meinen Plänen auch nichts schaden. Wie gefällt dir das? Tessa teilt sich das Brautbett mit dem König der Welt, während wir beiden Hübschen uns hier unten im Kerker einen schönen Abend machen…« Mit diesen Worten legte er die Daumenschraube an meine linke Hand an. »Jetzt beginnt die Plauderstunde, Mark Hellmann! Ich will alles über Die Liga hören!« »Fahr zur Hölle!« »Nach dir, Kämpfer des Rings! Nach dir…« Er begann, die Daumenschraube zusammenzudrehen. In diesem Moment stürzte die Decke ein. * Tessa Hayden fühlte sich schauderhaft. Dabei war sie eigentlich in einer beneidenswerten Lage. Alle anderen Frauen von Münster konnten im Jahre 1534 wohl nur davon träumen, in warmer Eselsmilch zu baden. Sie bekamen so eine Delikatesse noch nicht einmal zu trinken. Doch der König des neuen Jerusalem ließ für sich selbst und 56
seinen Harem nur das Beste auffahren. Die Weimarerin hatte sich wie wild gewehrt. Aber irgendwann war sie müde geworden. Und hatte sich von einer Horde Zofen in die königlichen Gemächer schleppen lassen. Die Weiber hatten ihr das Kleid vom Leib gerissen. Und sie dann in die große Wanne mit der warmen Eselsmilch gesteckt. »Davon wird deine Haut besonders weich«, verkündete eine aus dem Trupp stolz. »So wie der Auserwählte es besonders gern hat.« Auserwählt für eine gewaltige Tracht Prügel, dachte Tessa still für sich. Aber sie biß die Lippen zusammen. Sogar zum Fluchen war sie inzwischen zu müde geworden. Die Zofen ließen sie eine Weile allein. Kündigten an, daß sie mit dem Brautgewand zurückkehren wollten. Offenbar ging eine Hochzeit bei den Wiedertäufern ziemlich schnell über die Bühne. Kein Wunder. Angesichts der Vielweiberei heirateten sie anscheinend fast jeden Woche… Tessa schloß die Augen. In ihrem Gehirn schien sich alles zu drehen. Sie suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Mark! Was war nur mit ihm geschehen? Ob er noch lebte? Sie hatte im Thronsaal kein Zeichen gegeben, daß sie ihn kannte. Instinktiv hatte sie gespürt, daß er dadurch vielleicht nur noch mehr Ärger bekam. Wo blieb dieser verfluchte Odin? Wenn man sich einmal auf ihn verlassen mußte, war man wirklich verlassen… Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende geführt, als sich fast unhörbar eine Pforte hinter ihr öffnete. Doch völlig geräuschlos ging es eben doch nicht ab. Tessa tat, als würde sie nichts Böses ahnen. Mit keinem Wimpernzucken verriet sie, daß sie Verdacht geschöpft hatte. Leise Schritte schlurften über den Boden. Jemand versuchte krampfhaft, lautes Atmen zu unterdrücken. Die Fahnderin lag bis zur Kinnspitze in der Eselsmilch. Nun war sie ganz konzentriert. Jede Furcht fiel von ihr ab. Ihr Körper spannte sich an wie eine Stahlfeder. Während sie nach außen hin völlig locker wirkte. Plötzlich passierten drei Dinge gleichzeitig. Erstens raste ein Dolch auf Tessa nieder. Zweitens schoß ihre Hand hoch und blockte den Angriff ab. Und drittens schlug sie die Augen auf. Die Fahnderin blickte in das haßverzerrte Gesicht von Dividana. Der Hauptfrau des Wiedertäufer-Anführers! Der gewaltige Busen der »Königin« wogte, während sie ihre 57
Klinge in Tessas Körper treiben wollte. Doch Dividana konnte nicht ahnen, daß sie es mit einer durchtrainierten Polizistin zu tun hatte. Die Abwehr von Messerangriffen mit bloßen Händen gehörte zum Ausbildungsprogramm der Kriminalbeamtin. Das sollte die Vollbusige gleich schmerzhaft zu spüren bekommen. Tessa warf sich in der Wanne zur Seite. Verdrehte gleichzeitig Dividanas Messerhand und kantete dann den Unterarmknochen der Angreiferin gegen den eisernen Rand der Wanne. Dividana jaulte auf, mit Tränen in den Augen. Der Dolch fiel platschend in die Eselsmilch. Tessa schnellte hoch. Sie verpaßte der Messerheldin einen fürchterlichen Stoß gegen das Kinn. Ihre ganze Abscheu gegenüber den Wiedertäufern entlud sich in diesem Schlag. »Versuch das nicht noch mal, du fette Kuh!« Schnaufend plumpste die Königin zurück und setzte sich auf ihren Hintern. Tessa sprang inzwischen leichtfüßig aus der Badewanne und ging in eine Verteidigungshaltung. »Dafür wirst du auf der Folterbank enden!« drohte Dividana, während sie sich ihre blutige Lippe abwischte. »Du kannst dir deinen Königs-Schönling sonstwo hinstrecken, Speckbacke! Ich will hier nur raus! Glaubst du, es ist eine Ehre für mich, Königin Nr. 17 oder so was zu werden?« Dividana verzog überrascht das Gesicht. Sie war offenbar rasend eifersüchtig auf jede weitere Nebenfrau. Konnte es aber kaum verstehen, daß Tessa nicht von Jan van Leyden beglückt werden wollte… Doch dann hellte sich ihre Miene auf. »Komm mit mir, Fremde! Die Zofen können jeden Moment zurück sein. Ich gebe dir Kleider. Und zeige dir einen sicheren Fluchtweg aus der Stadt.« Tessa folgte der Königin, ohne zu überlegen. Sie hatte nichts zu verlieren. Allerdings wollte sie Münster nicht ohne Mark Hellmann verlassen. Aber das ging diese Dividana ja nichts an. Die Frau in dem schwarzen Samtkleid hatte Probleme, ihre weiblichen Rundungen durch den schmalen Geheimgang zu quetschen. Der sportlichen Fahnderin bereitete das keine Schwierigkeiten. Sie huschte flink hinter Dividana her. Die Königin entzündete eine kleine Blendlaterne und warf dann die Tür des Geheimgangs von innen zu. Tiefste Schwärze umfing die beiden Frauen. Dividanas Lichtquelle spendete nur einen Hauch von Helligkeit. 58
»Vorsicht!« wisperte die Münsteranerin. »Die Stiegen sind sehr steil.« Jetzt, wo klar war, daß Tessa nichts von ihrem Göttergatten wollte, war die Wiedertäuferin plötzlich superfreundlich. Der Fahnderin lief ein Schauer über den Rücken. Der Stein unter ihren nackten Füßen war feucht und eiskalt. Sie würde sich eine tüchtige Erkältung holen, wenn sie nicht bald ein paar warme Kleider bekam. Tessa nieste. »Ruhe!« mahnte die Führerin. »Dieser Gang ist geheim. Und soll es auch bleiben.« Nach ungefähr zwanzig Schritten abwärts kamen die beiden Frauen durch eine Vorratskammer. Die Weimarerin konnte kaum etwas sehen. Aber ihre Nase verriet ihr trotzdem, was hier gelagert wurde. Schinken. Dauerwürste. Gepökeltes oder getrocknetes Fleisch. Wütend biß sie die Zähne aufeinander. Sie mußte an die halbverhungerten Gestalten auf den Straßen von Münster denken. Der Mächtige denkt an sich selbst zuerst, dachte Tessa bitter. Sie durchquerten die Speisekammer und gelangten in einen schmalen, ebenerdigen Gang. Dividana machte sich wieder an einer Tür zu schaffen. Und öffnete sie. Und führte Mark Hellmanns Freundin in ein prunkvolles Schlafzimmer. Ein Himmelbett mit Baldachin stand inmitten eines Raumes, der mit handgeschnitzten Möbeln vollgestopft war. »Das ist mein Privatgemach«, bemerkte die Königin stolz. »Ich gebe dir die Hosen und das Wams eines Dienerknaben. Sehr fraulich bist du ja nicht gebaut.« »Ich bin jedenfalls nicht auf einer Melonenfarm geboren«, meinte Tessa mit Blick auf die strotzenden Brüste ihrer Begleiterin. »Was?« »Schon gut, vergiß es. Die Klamotten!« Dividana blinzelte irritiert und reichte Tessa die Kleider. Der Stoff war derb, hielt aber warm. An die Füße zog die Fahnderin schmale Halbstiefel. »Du bist eine geheimnisvolle Person. Spionierst du wirklich für den Bischof?« »Nein, Dividana. Aber je weniger du von mir weißt, desto besser für dich. Ich werde bald für immer verschwinden. Reicht das nicht?« 59
Die Vollbusige verzog den Mund. »Doch. Aber ich habe die Vorahnung drohenden Unheils. Es…« Diese Ahnung sollte sie nicht täuschen. Die Tür zum Schlafgemach wurde aufgestoßen. Jan van Leyden stand vor ihnen. Inmitten einer Schar seiner schwerbewaffneten Leibgardisten. »Seht ihr, Männer? Ich wußte, daß dieses untreue Weib Dividana einen Verrat versuchen würde. Aber den König der Welt kann man nicht hinter das Licht führen!« * Ich hatte Glück. Als die Decke des Kerkers einstürzte, flog ich, mit dem Kopf voran, zu Boden. Doch als Kampfsportler habe ich gelernt zu fallen, ohne mich zu verletzen. Deshalb zog ich noch im Fallen die Beine an den Körper und drehte die Schultern. Ich rollte über den Rücken ab. Es tat kaum weh. In den Füßen hatte ich sowieso kein Gefühl, nachdem ich so lange von der Decke gehangen hatte. Dracomar bekam Probleme. Riesige Teile des Estrichs über uns knallten auf ihn nieder. Er zerschlug sie mit seinen schwarzmagischen Kräften zu Staub. Aber trotzdem hatte er zunächst alle Hände voll zu tun. Und das war noch nicht alles. Im nächsten Moment sprang ein Mann in den zertrümmerten Kerker hinab. Ich hockte am Boden und blinzelte ungläubig. Konnte nicht glauben, was ich sah. Der Angreifer trug einen weiten Talar und ein schwarzes Samtbarett. Auf unzähligen Kupferstichen und Abbildungen hatte ich im Studium seine Gesichtszüge erblickt. Die zeitgenössigen Künstler hatten ihn wirklich gut getroffen. Der Angreifer war Martin Luther! Der Vater der deutschen Reformation brüllte die Blutbestie an. »Zurück in deinen Höllenpfuhl, Elender!« Dracomar hob seine Vampirklauen und wollte sich auf Luther stürzen. Da breitete der Reformator die Arme aus und murmelte etwas. Wie aus dem Nichts entstand plötzlich eine Art MiniTornado zwischen den Trümmern. Die Windhose bestand offenbar aus weißmagischer Energie. Jedenfalls erfaßte sie Dracomar, der sich dagegen nicht wehren konnte. Wie eine Stoffpuppe wurde 60
der Alte des Schreckens hochgehoben und hinweggewirbelt. Gleich darauf war ich mit meinem Retter allein. Martin Luther kam schweigend auf mich zu. Dann verzog sich sein mageres, ernstes Gesicht zu einem gewinnenden Grinsen. Und bevor ich es richtig zu deuten versuchte, war ihm ein brustlanger, grauer Bart gewachsen. Und der Blick seines Auges ruhte auf mir. »Odin!« rief ich erstaunt. »Ich liebe diese Verwandlungen.« Der altgermanische Gott half mir, mich von den Kettenresten zu befreien. »Wenn ich meiner wahren Gestalt überdrüssig bin, schlüpfe ich gerne in solche Rollen. Der echte Luther kann keine Wirbelstürme verursachen. Immerhin bewirft er den Satan mit Tintenfässern!« »Jeder nach seinen Fähigkeiten«, erwiderte ich. »Danke, für die Rettung, Edler von Asgard. Aber woher…?« »Ich bin eigentlich mit Tessa hier.« Odin umarmte mich wie einen alten Freund. Einen Wimpernschlag später waren wir draußen auf der Gasse. Durch dicke Wände hindurchgeflohen. Ob die Wachen meine Flucht bemerkt hatten? Der Einsturz des Fußbodens über dem Kerker würde die Wiedertäufer für den Moment genug beschäftigen. »Aber ich mußte kurz mal weg. Eine Angelegenheit in Asgard klären. Schlimm, sage ich dir. Der Götterhimmel ist der reinste Bienenstock, wenn ich auch nur mal kurze Zeit weg bin. Dann glaubt jeder gleich, er kann machen, was er will. Balder, zum Beispiel… Ist ja auch egal. Was ist hier passiert?« »Tessa!« stieß ich hervor. »Dieser Jan van Leyden will sie heiraten! Die Wiedertäufer haben sie geschnappt.« Odin klopfte mir beruhigend auf die Schulter. »Den knöpfen wir uns gemeinsam vor.« »Was ist mit Dracomar geschehen, Odin? Hast du ihn…?« »Getötet? Nein. Obwohl der Blutdruide schon genug Unheil über die Menschheit gebracht hat. Aber obwohl ich ein Gott bin, muß auch ich mich an die Spielregeln der kosmischen Harmonie halten.« »Und was heißt das?« »Es ist nicht meine Bestimmung, Dracomar von seiner schwarzmagischen Existenz zu erlösen.« »Und wessen Bestimmung ist es?« 61
»Deine natürlich«, meinte Odin, als würde er eine Selbstverständlichkeit wiederholen müssen. »Aber jetzt besorgen wir dir erst mal ein paar Kleider. Mit einer Erkältung kannst du schlecht gegen Dämonen kämpfen, Mark.« * Dracomar fand sich auf einem Misthaufen wieder. Benommen schüttelte er seinen vom Weihwasser zerfressenen Vampirschädel. Was war geschehen? Ein Menschlein, gegen dessen weißmagische Kraft er nichts ausrichten konnte, hatte ihn weggepustet wie ein verdorrtes Blatt! Ein meckerndes Lachen erklang. Einige junge Wiedertäufer standen vor dem schmalen Fachwerkgebäude, neben dem der Misthaufen angelegt war. »Ei, das ist doch der Berater unseres Königs! Was treibt ihr da, Magister Dracomar? Lest ihr die Zukunft aus der Schweinescheiße?« Der Blutdruide war alles andere als beliebt bei den normalen Münsteranern. Sie haßten und sie fürchteten ihn. Wahrscheinlich, weil sie instinktiv spürten, daß diese Gestalt sie nicht in das neue Jerusalem führen würde. Sondern in die Abgründe der Hölle… Dem Alten des Schreckens kamen die jungen Kerle gerade recht. Er mußte dringend seinen dämonischen Haß abreagieren. Schon schnellte er hoch und hieb seine widerwärtigen Krallen in die Brust des Sprechers. Die Zähne der Blutbestie gruben sich tief in die Halsschlagader des nichtsahnenden Opfers. Die Freunde des Mannes standen wie gebannt. Sie waren zu schockiert, um weglaufen zu können. Daher erfüllte sich auch ihr Schicksal sofort. Innerhalb weniger Minuten hatte Dracomar die drei jungen Wiedertäufer bis auf den letzten Blutstropfen leergesaugt. Befriedigt wischte er sich seine zerfetzten Lippen. Die Leichen schaffte er hinter den Misthaufen. Schon in wenigen Stunden würden sie wieder zum Leben erwachen. Sie und die anderen, die er in der Zwischenzeit erwischen konnte. Mit dieser Truppe in der Hinterhand würde er die Schmach von seinem Namen abwaschen können…
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* Eigentlich hatte ich mir meine Hochzeit anders vorgestellt, dachte Tessa traurig. Gewiß, sie trug ein weißes Brautkleid aus reiner Seide. Aber ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Und nur der Schleier verbarg ihre Tränen. Denn an ihrer Seite stand nicht Mark Hellmann, sondern dieser Heuchlerkönig der Wiedertäufer, Jan van Leyden. Es war eine bizarre Zeremonie. Durchgeführt von dem nackten Verrückten, der sich den eigenen Vollbart büschelweise ausgerissen hatte. Neben ihm stand Bernd Knipperdollinck. Der Dicke war nicht nur Bürgermeister der Stadt Münster, sondern nebenbei auch Scharfrichter. Darum hatte er ein Henkersbeil mit breiter Klinge in seinen speckigen Pfoten. Immerhin mußten die Wiedertäufer gespürt haben, daß Tessa niemals freiwillig den Bund der Ehe mit Jan van Leyden eingehen würde. Darum fragten sie die Fahnderin erst gar nicht. Die Hochzeit wurde rechtskräftig, weil der »König der Welt« es so bestimmte. Die Feier in dem geschändeten Dom war ein höhnisches Abziehbild dessen, was sich Tessa Hayden unter einer Hochzeit vorstellte. Beim Bankett fraßen und soffen Jan van Leyden und seine Spießgesellen, als ob die Stadt nicht seit einem Jahr unter Belagerung stünde. Aber die Küchen und Keller der Oberschicht waren anscheinend immer noch gut gefüllt. Das hatte Mark Hellmanns Freundin auf ihrer mißglückten Flucht schließlich selbst gesehen. Sie kriegte keinen Bissen runter. Dabei wurde sie von Dividana höchstpersönlich bedient. Der »König der Welt« hatte seine Königin in ein löcheriges Magdgewand stecken lassen und sie zur Dienerin von Tessa gemacht. Darin bestand ihre Strafe für den mißglückten »Fluchtversuch«. Jan van Leyden hatte sich das so ausgedacht. Die Weimarerin verachtete den selbstgerechten Sektierer von ganzem Herzen. Endlich war das Hochzeitsgelage vorbei. Einer der Wiedertäufer nach dem anderen rutschte besoffen unter die langen Tische und Bänke. Nur der König selbst schien noch leidlich nüchtern zu sein. Leider. Und natürlich seine Wachen. Mit vorgehaltenen Hellebarden trieben sie Tessa in das königliche Schlafgemach. 63
Und schlossen die Tür hinter dem Brautpaar ab. »Du bist sehr widerspenstig, kleine Tessa.« Inzwischen hatte Jan van Leyden ihren Namen mitbekommen. »Weißt du nicht, welche große Ehre dort auf dich wartet?« Er deutete auf das Bett. Die Fahnderin hätte ihm am liebsten auf der Stelle den Hals umgedreht. Aber sie entschied sich für eine andere Taktik. »Was soll ich mit einem Mann, der am 22. Januar 1536 hingerichtet wird?« Trotz des vielen Alkohols schien Jan van Leyden plötzlich stocknüchtern zu sein. »Wie war das?« Tessa war in der Schule nie besonders gut im Auswendiglernen gewesen. Aber nun, viele Jahre nach ihrer letzten Schulstunde, wurde das Datum wieder aus den Tiefen ihres Unterbewußtseins an die Oberfläche gespült. Johann Bockelson, genannt Jan van Leyden, der lebte von 1509 bis 1536. »Ich kenne die Stunde deines Todes, König von Münster. Deine Leiche wird in einem Käfig an der Fassade des Lambertikirchturms aufgehängt. Zur Abschreckung.« Der Wiedertäufer-Anführer hatte damit aufgehört, sein Wams aufzuknöpfen. Sein Interesse an der Hochzeitsnacht mit Tessa schien plötzlich geschrumpft zu sein. »Hast du eine Vision gehabt, Tessa? Wie kommst du dazu, meinen Tod vorherzusagen?« Plötzlich kam sich die Fahnderin vor wie Scheherazade, die Märchenerzählerin aus Tausendundeiner Nacht. Sie mußte den »König der Welt« mit spannenden Geschichten einlullen. Ihn so lange beschäftigen, bis Hilfe eintraf. Zeit herausschinden. Sie wollte um keinen Preis mit ihm schlafen. Und mit körperlicher Gegenwehr sah es schlecht aus. Ihre Hände waren noch immer gefesselt. Wenn sie also auf diese Weise seine dreckigen Pfoten von ihr fernhalten konnte - okay. »Es war keine Vision, Jan van Leyden. Dein Tod ist eine geschichtliche Tatsache. Ich weiß es, denn ich, Tessa Hayden, komme aus dem Jahre 1999.« Der »König der Welt« hatte sich auf die Bettkante gesetzt. Mit offenem Mund starrte er Tessa an. »Bist du toll geworden? Hat der Hunger dir den Kopf verdreht?« »Keineswegs. Obwohl es nichts schaden würde, wenn du deine Vorräte mit deinen Untertanen teilen würdest… Aber höre mich an, König der Wiedertäufer. Dein Reich wird untergehen. Münster 64
wird wieder katholischer Bischofssitz.« »Niemals!« brüllte Jan van Leyden. »Das Schwert Gottes…« »Wage es nicht, seinen Namen zu nennen!« fuhr Tessa ihn an. »Du hast dich mit den Mächten der Hölle eingelassen. Und das weißt du ganz genau!« Wenn Blicke töten könnten, wäre die Fahnderin jetzt eine Leiche gewesen. Der »König der Welt« war es wohl nicht gewöhnt, daß ihm jemand offen die Wahrheit ins Gesicht sagte oder einfach nur widersprach. Er atmete tief durch. »Ich glaube dir nicht, babylonische Hure. Was wird noch passieren?« Tessa durchforstete ihr Gedächtnis nach einigen HammerEreignissen. »Im Jahre 1969 betreten Menschen den Mond. Und zwar nicht zum letzten Mal. In meiner Zeit lassen sich Menschen einfrieren, um ewig zu leben. Und jeder sitzt abends vor einer kleinen Kiste, die Bilder zeigt. Bilder von Dingen, die am anderen Ende der Welt passiert sind.« Der Wiedertäufer lachte schallend. »Du bist verrückt, Tessa! Das mit den Mondmenschen und den Frostmenschen hätte ich ja noch geglaubt - aber nicht die Geschichte von der kleinen Kiste! So was kann es einfach nicht geben!« Wenn du wüßtest, dachte die Weimarerin. Sie mußte ihm ein paar Sachen auftischen, die seiner Zeit näher waren. Sonst machte sie sich unglaubwürdig. Tessa grub weiter in ihren Geschichtskenntnissen. »Äh -1618 wird es in Europa einen großen Krieg geben. Zwischen Katholiken und Protestanten. Man nennt ihn auch den dreißigjährigen Krieg.« »Ach wirklich?« Man hörte es dem Tonfall des Königs an, daß er Tessa nicht mehr glaubte. »Und welche Rolle spielen wir Täufer dabei?« »Keine. In Europa haben die Wiedertäufer in meiner Zeit nichts mehr zu melden. Es gibt allerdings noch friedliche Nachfolger dieser Bewegung in Amerika. Sie nennen sich Mennoniten, glaube ich.« »In Amerika!« Lachend griff Jan van Leyden an Tessas Oberschenkel. Sie wehrte ihn mit einem Fußtritt ab. »Zwischen den Wilden dort? Du hast wirklich eine blühende Phantasie, Tessa.« »In meiner Zeit ist Amerika das mächtigste Land der Welt«, sagte die Fahnderin nachdenklich. 65
Doch Jan van Leyden machte inzwischen nicht mehr den Eindruck, als ob er an Geschichtsvorträgen interessiert wäre. Lüstern glitzerte es in seinen Augen. »Spar dir deine Lügengeschichten für später, ja? Jetzt will ich erst einmal meine Hochzeitsnacht genießen…« Er versuchte, Tessa unter den Rock zu fassen. Im selben Moment fiel ihm der Kronleuchter ins Genick! * Es war eine feine Sache, einen Gott als Kampfgefährten zu haben. Während ich mich in einem leeren Ziegenstall versteckte, dessen Bewohner längst verspeist worden waren, besorgte Odin mir eine Pumphose, ein Hemd ohne Kragen, ein Wams und Stulpenstiefel. Auch ein Schwert vergaß er nicht. Er ging einfach durch Wände, um die Sachen zu klauen. Nötig gewesen wäre das nicht unbedingt. Im Münster der Wiedertäuferzeit mußten alle Türen immer unverschlossen bleiben. Ein Recht auf Privatsphäre existierte nicht. Zu jeder Tages- und Nachtzeit durften die Schergen des Königs einfallen, und kontrollieren. Ich fühlte mich fast an die Stasi erinnert… Odin pfiff vor sich hin, während er mir beim Anziehen zuschaute. Nicht umsonst war er auch der Gott der Dichtkunst. Er selbst hatte eine ähnliche Verkleidung gewählt wie ich selbst. Nur auf seinen Bart wollte er nicht verzichten. »Ich brauche dringend ein Bier«, klagte der Göttervater. »Dieser Menschenkörper läuft schon auf Reserve.« Ich wußte aus der germanischen Mythologie, daß sich Odin ausschließlich von Met ernährte, hier wollte er mal wieder auf Bier umsteigen. »In Münster sieht es mies aus mit der Ernährung. Ist dir das noch nicht aufgefallen?« »Sicher, Mark. Aber in den Vorratskammern des Rathauses gibt es genug. Da können wir uns stärken. Dann befreien wir Tessa, holen deinen Ring zurück und verabschieden uns aus diesem Tollhaus.« »Und was ist mit Dracomar?« »Schätze, der heckt was gegen uns aus. Normalerweise kann ich seine Gedanken lesen. Aber er hat jetzt so eine Art schwarzmagischen Schutzschirm hochgezogen, den ich nicht 66
durchbrechen kann.« Ich blinzelte ironisch. »Ich denke, du als Gott kannst alles?« »Undankbarer Bengel«, grollte Odin. »Dracomar ist ein ziemlich mächtiger Dämonenbastard. Das wirst du auch noch merken, Mark Hellmann.« »Ich hatte schon das Vergnügen.« Während wir halblaut miteinander sprachen, drückten wir uns zwischen Aegidiikirchplatz und dem Überwasserkloster herum. Wenigstens unsere Kleidung schien unauffällig zu sein. Allerdings waren wir im Vergleich zu den meisten Wiedertäufern hochgewachsen und wohlgenährt. Einige warfen uns mißtrauische Blicke zu, trauten sich aber nicht, etwas zu sagen. Doch plötzlich rief uns jemand an. »Ihr da! Warum seid ihr nicht auf eurem Posten?« »Sind gerade auf dem Weg dorthin«, behauptete ich. Und drehte mich zu dem Sprecher um, der uns von hinten angesprochen hatte. Und erstarrte. Es war Klemens Witt. Der Truppführer, der in mir vor den Münsteraner Stadtmauern einen »Engel vom Himmel« gesehen hatte. Auch er schaltete verdammt schnell. Zum Glück war er momentan allein. Trotzdem zog er sofort seinen Dolch. »Das ist doch der elende Spion des Bischofs! Ich werde…« Ich war sprungbereit, um ihn mundtot zu machen. Doch Odin kam mir zuvor. Für Sekunden verwandelte sich der germanische Gott in einen zähnefletschenden Braunbären, der auf den Hintertatzen aufgerichtet war. Mindestens fünf Meter ragte er hoch. Geifer lief ihm aus der Schnauze. Klemens Witt riß die Augen auf. Der Dolch entfiel seinen schlaffen Fingern. Dann sackte er ohnmächtig in sich zusammen. Als sein Körper auf das Straßenpflaster schlug, hatte Odin schon wieder die unauffällige Gestalt eines Kämpfers aus dem 16. Jahrhundert angenommen. Doch einige Passanten hatten die kurze Verwandlung ebenfalls bemerkt. »Ein Zeichen des Herrn!« brüllte jemand. »Halleluja!« »Denen ist die ewige Hungerei wohl aufs Gemüt geschlagen«, raunte Odin. Dann machten wir, daß wir wegkamen. Niemand hielt uns auf. Es war eine wundergläubige Zeit, in die wir geraten waren. Und die Wiedertäufer waren noch viel stärker als andere Menschen des 16. Jahrhunderts bereit, an himmlische Fingerzeige 67
und unerklärliche Botschaften aus dem Jenseits zu glauben. Wir steuerten auf das Rathaus zu. Inzwischen hatte sich die Dämmerung über die belagerte Stadt gesenkt. Und das bedeutete etwas anderes als im 20. Jahrhundert. Von einer geregelten Straßenbeleuchtung konnte keine Rede sein. Odin schloß für einen Moment die Augen. Das tat er oft, wenn er erfahren wollte, was anderswo vor sich ging. »Dieser Jan van Leyden will sich über Tessa hermachen«, brummte mein göttlicher Begleiter. »Wir haben keine Zeit zu verlieren, Mark.« Wir erreichten das Rathaus von der Hinterfront her. Hier stand nur eine Wache. Bevor sie auch nur ihre Hellebarde senken konnte, hatte ich den Mann mit einem Boxhieb genau auf den Punkt ausgeknockt. »Du kommst langsam in Form«, lobte Odin. Dann gab er mir ein Zeichen, mich an seinen Schultern festzuhalten. Was das sollte, bemerkte ich gleich darauf. Aus dem Stand sprang der Götterkönig bis zum Dach des Gebäudes hoch. Er ließ die Beine seines Menschenkörpers durch eines der bunten Glasfenster krachen. In einem Splitterregen landeten wir in einem spärlich eingerichteten Raum. Zwei Wachen mit Hellebarden schreckten aus dem Halbschlaf hoch, als wir sie überfielen. Sie hatten keine Chance gegen uns. Bevor sie auch nur aufschreien konnten, hatten wir sie schon mit gezielten Hieben und Handkantenschlägen ins Traumland geschickt. »Das Schlafzimmer ist nebenan. Es hat keine Fenster.« Ich fragte nicht, woher er das wußte. Das hatte ich mir bei Odin schon lange abgewöhnt. Seite an Seite warfen wir uns gegen die Tür. Sie hielt unserem Ansturm nicht stand. Der Götterkönig hatte recht gehabt. Dieser Wiedertäufer-Herrscher wollte wirklich gerade seine dreckigen Pfoten auf meine Freundin legen. Wie ein Pfeil, der von der Sehne schnellt, jagte ich wutschnaubend durch den Raum. Aber Odin kam mir zuvor. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie er einen kleinen Blitz gegen die Aufhängung des Kronleuchters losließ. Die Kette zersprang. Der schwere Leuchtkörper krachte auf Jan van Leyden. Im nächsten Moment hatte ich ihn am Kragen. Wir blickten uns in die Augen. Es gab nichts zu sagen. Meine Faust schoß vor. Der »König der Welt« wich aus. Im nächsten 68
Moment wurde mir klar, daß ich ihn unterschätzt hatte. Ich hatte in ihm einen Blender und Aufschneider gesehen, der immer nur seine Leute die Kastanien aus dem Feuer holen ließ. Sicher, das war er auch. Aber er konnte trotzdem gut kämpfen. Jan van Leyden riß den rechten Fuß hoch und trat mir in den Magen. Während ich zurücktaumelte, befreite er sich von dem Kronleuchter. Und zog seinen Dolch. »Vorsicht, Mark! Die Klinge ist vergiftet! Ein Kratzer, und du bist hinüber!« meldete sich Odin zu Wort. »Überlaß ihn mir. Mir macht das nichts aus. Ich bin schließlich…« »… ein Gott, ich weiß«, vollendete ich seinen Satz, während ich vor dem Dolchstoß zurücksteppte. »Halt dich da raus, Odin. Das ist eine Sache zwischen mir und diesem Ringdieb!« »Wie du willst!« Jan van Leyden war wirklich verdammt schnell. Er holte aus, fintete und kam mir mit seiner Klinge gefährlich nahe. Zwischendurch schaffte ich es, einen Kerzenleuchter zu schnappen und ihm in die Visage zu werfen. Zehn Sekunden später hatte ich ihn wieder am Hals. »Ich bin unbesiegbar!« kreischte der Sektenführer. »Die Kräfte der Hölle sind auf meiner Seite!« Nun hatte er die Maske fallen gelassen. Keine Rede mehr vom neuen Jerusalem, vom Reich Gottes auf Erden. Doch wenn er sich auf seinen Helfer Dracomar verließ, würde er noch tief enttäuscht werden. Der Blutdruide hatte seine Verbündeten schon öfter schmählich im Stich gelassen, um seine eigene Haut zu retten. Die Dolchspitze zielte genau auf meine Brust. Ich ließ mich unerwartet nach hinten fallen. Ich kam auf den flachen Händen auf und rammte meine beiden Stiefel vor. Damit hatte Jan van Leyden nicht gerechnet. Die Absätze trafen ihn an der Hüfte. Er geriet ins Straucheln. Ich federte wieder auf die Beine und setzte nach. Mit der Linken blockte ich seine Messerhand. Und die Rechte benutzte ich, um seine Deckung zu durchbrechen. Es klappte. Eine gewaltige Gerade landete mitten auf seiner edel geschwungenen Nase. Danach sah sie nicht mehr so gut aus. Der »König der Welt« versuchte einen miesen Trick. Er wollte mir seinen Dolch in den Unterleib stechen. Damit hatte ich gerechnet. Bevor sein Arm den Schwung auch nur halb ausgeführt hatte, brachte ich einen Dreifingerstoß gegen seinen 69
Oberarm an. Eine schwierige Technik, mit der wir unseren Selbstverteidigungslehrer beim Polizeisportverein Weimar immer in den Nervenzusammenbruch trieben. Weil es meist nicht funktionierte. Aber diesmal klappte es. Ein vitaler Punkt wurde getroffen. Der Wiedertäufer verlor die Kontrolle über seine Finger. Sein Arm würde sich jetzt und in den nächsten Minuten wie gelähmt anfühlen. Ich kannte das aus eigener bitterer Trainingserfahrung. Der Dolch fiel zu Boden. Im letzten Moment konnte ich noch meinen Stiefel zurückziehen, bevor die vergiftete Spitze womöglich meinen Fuß traf. Aber jetzt gab es kein Halten mehr für mich. Jan van Leyden war ohne seine Stichwaffe nur die Hälfte wert. Vielleicht hatten sich meine Kräfte ja auch inzwischen verdoppelt. Keine Ahnung. Im puren Faustkampf zog er jedenfalls den kürzeren. Immer öfter durchbrach ich seine Deckung. Für jeden Schlag, den er bei mir landete, mußte er selbst mindestens zehn einstecken. Und so kam es, wie es kommen mußte. Nach ein paar Minuten schickte ich ihn auf die Bretter. Schwer atmend blickte ich auf. Odin hatte inzwischen Tessas Fesseln gelöst. »Schade«, sagte meine Freundin. Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Was - schade?« »Schade, daß du ihn ausgeknockt hast, Mark. Das hätte ich gerne selbst getan.« Lachend fielen wir uns in die Arme und küßten uns ab. Odin bedachte uns mit einem mißgünstigen Seitenblick. Dann beeilte ich mich, dem ohnmächtigen Jan van Leyden meinen Siegelring vom Finger zu ziehen. Ich hatte das Gefühl, ihn in dieser Nacht noch dringend zu brauchen. Die Vorahnung hatte mich nicht getäuscht. Kaum berührte das von Nostradamus gefertigte Kleinod meine Haut, als ich auch schon das vertraute Prickeln und die Erwärmung spürte. Irgendwo in unserer Nähe mußten grauenvolle Kräfte aus der Hölle ihr Unwesen treiben… * Die Landsknechte des Bischofs brannten auf Rache. 70
Sie dienten zwar keinem höheren Zweck als ihrem Monatssold, aber der Überfall durch diese ausgehungerten Strolche von Wiedertäufern hatte sie doch tief in ihrer Söldnerehre gekränkt. Sogar die gefürchtete bischöfliche Reiterei war in die Flucht geschlagen worden. Durch eine Vision am Himmel, die sich keiner von ihnen so recht erklären konnte. Waren diese Wiedertäufer am Ende doch mit dem Teufel im Bunde? Schreckliche Gerüchte machten die Runde zwischen den vier Heerlagern, mit denen die bunt zusammengewürfelten Truppen des geistlichen Herrn die Wiedertäufer-Stadt Münster seit fast einem Jahr eingekesselt hatten. Da war von Schwarzen Messen in dem geschändeten Dom die Rede. Von Menschenopfern, die dem Leibhaftigen gebracht wurden. Und von unaussprechlichen Qualen, die den Landsknechten drohten, die in Gefangenschaft gerieten… Und trotzdem rückte in dieser mondlosen Nacht im März 1534 ein Stoßtrupp auf die Stadt vor. Es waren zwanzig Mann, ausgewählt unter den Tapfersten. Sie sollten in Münster die Verteidigungsanlagen um die Tore ausspionieren und die Kanonen auf den Kirchturmplattformen sabotieren. Womöglich sogar ein paar Offiziere oder Rädelsführer der Wiedertäufer töten… Ein wahres Himmelfahrtskommando. Aber keine Aufgabe, vor der sich ein Landsknecht drücken würde. Jedenfalls nicht, solange es dafür fünffachen Sold gab. Ein Obrist namens Karl Stuttner führte die kleine Schar an. Er war mit einem langen Dolch und einer Reiterpistole bewaffnet. Genau wie seine Männer. Die schweren Hakenbüchsen waren für so eine Aufgabe ungeeignet. Von den drei Meter langen Spießen ganz zu schweigen. Im Gänsemarsch folgten die Soldaten dem Lauf des Flüßchens Getterbach. Stuttner hatte eine Karte der Wiedertäufer-Stadt bei sich, die ein Verräter der Sekte für den Bischof gezeichnet hatte. Sie wollten vom Süden her einfallen. Dort sollte es einen Mauerabschnitt geben, an dem leicht hochzuklettern war. Und der trotzdem nicht so gut bewacht wurde. Wenn man diesem verräterischen Ketzer glauben konnte… Zwischen den Wällen und den Stellungen der Bischofsarmee lagen Leichen, die niemand bestattet hatte. Ein grausiger Anblick, der allerdings den schlachterprobten Haudegen nichts mehr ausmachte. Sie ahnten nicht, welcher Schrecken in der Stadt auf 71
sie wartete… Karl Stuttner ließ sich auf Hände und Knie nieder, als sie bis auf zwanzig Meter an die Mauer herangekommen waren. Seine Männer folgten seinem Beispiel. Wenn sich ein Posten sehen ließ, stellten sich die Landsknechte einfach tot. Das war der Vorteil. Wenn hier draußen so viele Kadaver herumlagen, kam es auf ein paar Körper mehr auch nicht an. Es war so still, daß man die Schritt te des Wiedertäufers auf den Wällen hören konnte. Langsam entfernten sie sich. Der Obrist sprang auf und hetzte bis direkt an die Mauer heran. Zog den Enterhaken und das Seil unter seinem Wams hervor. Und dann ging alles ganz schnell. Der mit Tuch umwickelte Haken faßte schon beim ersten Versuch festen Grund. Stuttner prüfte kurz das Seil durch kräftiges Ziehen. Und dann kletterte er wie ein Affe an dem Strick hoch. Seinen Dolch hatte er zwischen den Zähnen wie ein Pirat. Geräuschlos landete er auf den Zinnen der Stadt. Machte sich kampfbereit. In der linken Hand den Dolch, in der rechten die Reiterpistole. Obwohl er sie nur im äußersten Notfall benutzen wollte. Ihr Schuß würde die ganze Stadt aufwecken. Der Obrist hörte, wie seine Landsknechte hinter ihm an dem Seil hochkamen. Der Stoßtrupp verteilte sich geräuschlos. Ihre Augen waren es gewohnt, auch in finsterster Nacht genug sehen zu können. Daher erkannten sie nun auch die Wache, die ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Karl Stuttner grinste verächtlich. Was war mit diesen Wiedertäufern los? Hatte der Hunger sie schon, so geschwächt, daß sie auf Wache einschliefen? Gewiß, er und seine Männer waren leise gewesen. Aber trotzdem hätte man doch bemerken müssen, wenn zwanzig Soldaten die Mauer enterten. Soviel Dummheit mußte bestraft werden. Der Obrist hetzte auf die Wache zu. Der Wiedertäufer tat immer noch nichts. Stuttner hob den Dolch. Und rammte dem Mann die Klinge mit einem geübten Stoß von hinten direkt ins Herz. Doch der Sektierer dachte nicht daran, umzufallen. Zu Stuttners grenzenlosem Entsetzen drehte er sich einfach um. Der Dolch des Obristen war bis zum Heft in das Herz der Wache eingedrungen. Doch das machte dem Mann nichts aus. Denn er war schon tot. Der Erdolchte war ein Vampir! Nun packte er seinerseits mit seinen Krallen den vor Angst wie 72
gelähmten Obristen. Fangzähne.
Und
fletschte
seine
langen,
spitzen
* Auf meinen Ring ist Verlaß. Wenn er vor schwarzmagischer Aktivität warnt, sollte man das ernst nehmen. Ich überprüfte Jan van Leyden. Er hatte sich noch nicht in einen Blutsauger verwandelt. Das würde noch kommen. Ich wußte, daß ich ihn in der Zukunft als Vampir bereits vernichtet hatte. Er würde also im Jahre 1999 keinen Schaden mehr anrichten können. Jedenfalls keinen, den ich verhindern konnte. Wenn ich mich zu sehr einmischte, bestand die Gefahr eines Zeitparadoxons. Trotzdem mußte ich versuchen, hier im Jahre 1534 weitere vampirische Keime zu unterdrücken. »Hat der Ober-Wiedertäufer irgendwas gesagt?« forschte ich. »Über Dracomar und dessen Absichten?« »Er hat nicht viel geredet«, erwiderte Tessa. »Dem ist das Gehirn zwischen die Beine gerutscht. Das passiert Männern anscheinend öfter…« »Keine sexistischen Bemerkungen bitte«, sagte ich. Es tat gut, wieder mit Tessa flachsen zu können. Und ich war sehr erleichtert, daß ihr nichts geschehen war. »Odin, was meinst du?« »An der Stadtmauer ist irgend etwas los«, antwortete der Götterkönig. »Aber dieser blöde Dracomar macht seinen schwarzmagischen Schirm immer noch dicht…« Einen Vorteil hatte es, daß mein Ring sich erwärmt hatte. Ich konnte ihn an meinem Hexenmal auf der Brust aktivieren. Schnell ließ ich den blauen Lichtstrahl erscheinen und schrieb mit ihm das keltische Wort für »Waffe« aus dem altgermanischen FutharkAlphabet. Und zwar auf zwei Dolche. Einen für mich, einen für Tessa. Odin konnte auch ohne solches Zubehör mit Vampiren fertig werden. Zufrieden sah er mir bei der Arbeit zu. »Ich freue mich immer wieder, wenn jemand Runen schreibt.« Damit spielte er darauf an, daß er auch der Gott der Runen war. Es hieß, daß er dieses Schriftsystem überhaupt erfunden hatte. Nun hatten meine Freundin und ich weißmagische Waffen, mit 73
denen wir uns verteidigen konnten. Tessa schnürte inzwischen ein handliches Paket aus dem immer noch ohnmächtigen Wiedertäufer-Führer. Außerdem knebelte sie ihn. Damit er uns nicht ins Handwerk pfuschen konnte. Kaum waren diese Vorbereitungen beendet, als ein Pistolenschuß die Stille der Nacht durchriß. »Jetzt wird auch der letzte Säufer vom Hochzeitsgelage aufwachen«, mutmaßte Tessa. »Dann nichts wie zur Stadtmauer! Wir müssen die Vampire stoppen, bevor sich der Keim noch weiter ausbreiten kann!« Niemand konnte mir widersprechen. Tessa und ich krallten uns an Odins breitem Rücken fest. Dann sprang er hinunter auf die Straße. Jeder Mensch hätte sich dabei alle Knochen gebrochen. Aber wir kamen heil an. Und rannten dorthin, wo der Schuß gefallen war. Tessa trug immer noch ihr langes Brautkleid. Sie hatte es allerdings an der Seite bis zum Oberschenkel aufgerissen, um schneller laufen zu können. Sehr sexy. Leider war ich gerade nicht in der Stimmung, um das zu genießen. * Karl Stuttner glaubte an Vampire. Er glaubte auch an Geister, Hexen, Teufel und den bösen Blick. Doch trotzdem verließ ihn sein in vielen Schlachten bestätigter Mut nicht ganz. Er wußte, daß er gegen dieses Höllenwesen keine Chance hatte. Und trotzdem kämpfte er. Vielleicht war es einfach Gewohnheit. Die vampirische Wache trieb ihre Krallen tief in das Fleisch des Eindringlings. Der Kopf der Kreatur schoß vor, um die Zähne in den Hals des Landsknechts zu schlagen. Stuttner reagierte automatisch. Er hob seine Pistole, zielte kurz und drückte ab. Auf die kurze Distanz war es unmöglich, den Vampir zu verfehlen. Die Kugel zerfetzte das Gesicht des Blutsaugers. Aber es war eben kein geweihtes Geschoß. Daher hatte es keine Wirkung. Der Nachzehrer trank gierig das Blut des Offiziers. Die anderen Landsknechte waren verunsichert. Nur die vordersten von ihnen hatten in der fast undurchdringlichen Dunkelheit mitbekommen, was Gräßliches mit ihrem Anführer 74
geschehen war. Wie eine Schafherde drängten sie sich aneinander. Unschlüssig, was sie tun sollten. Sie wußten nur, daß durch den Schuß sämtliche Wachen auf den Wällen alarmiert werden würden. Plötzlich schrie einer von ihnen auf. Eine entsetzliche Gestalt kam über die Treppe auf sie zu. Der Unheimliche war mit einem schwarzen Umhang bekleidet. Mehr konnte man auf der düsteren Mauer nicht erkennen. Aber das reichte auch. Schon packte der scheinbar uralte Vampir den nächstbesten Landsknecht und biß ihm die Kehle durch. Seine Kameraden versuchten ihm beizustehen. Einer stieß seinen Dolch in den halbzerfetzten Brustkorb der Bestie. Vergeblich. Der Nachzehrer ließ nur ein höhnisches Lachen hören. Und dann stieß er ein paar Worte in einer unbekannten Sprache aus. Eine Sprache, wie sie nur von den Wesen der Nacht verstanden wurde. Und sie hörten den Ruf. Jeder Wiedertäufer, der an diesem Tag von Dracomar gebissen worden war, eilte auf den Ruf seines Meisters herbei. Und das waren nicht wenige. * Ich erledigte den Vampir mit einem einzigen Dolchstoß. Sofort verging seine untote Existenz. Das zeigte mir, daß er noch nicht lange von dem Blutsauger-Keim infiziert war. Mit Dracomar würde ich nicht so leichtes Spiel haben. Leider. Wir gerieten mitten in eine Vampirhorde, als wir unterhalb der Wälle angekommen waren. Tessa und ich kämpften entschlossen um unser Leben. Zum Glück hat meine Freundin schon oft Kreaturen der Hölle gegenübergestanden. Mit dem weißmagischen Dolch in der Hand ging sie beherzt vor. Sie wußte aus eigener Erfahrung, was ihr blühte, wenn sie gebissen würde. Und ob sie diesmal wieder in letzter Sekunde würde gerettet werden können, das stand in den Sternen. Tessa trat einem Vampir in den Bauch. Was bei einem schwarzmagischen Wesen keine große Wirkung hatte. Aber wir waren im Vorteil. Zumindest in den ersten paar Minuten. Denn die Blutbestien ahnten nicht, daß wir ihnen gewachsen waren. Das bekamen sie schmerzlich zu spüren. Dracomar hatte offenbar seine vampirischen Hilfstruppen 75
aktiviert. Ich wußte nicht, wie viele Menschen er in Münster gebissen hatte. Aber es mußten mindestens ein Dutzend oder mehr sein. In der Finsternis zu kämpfen, war kein reines Vergnügen. Immerhin konnten wir ihre böse Ausstrahlung deutlich fühlen. Tessa hatte bereits drei Vampire von ihrer untoten Existenz erlöst. Ich selbst hatte noch ein paar mehr erledigt. Odin machte sich einen Spaß daraus, mit den Blutsaugern Katz und Maus zu spielen. Ihm konnten einfache Nachzehrer nichts anhaben. Darum ließ er sich von ihnen beißen, spuckte ihnen dann Blut ins Gesicht. Im nächsten Moment zauberte er hohnlachend aus dem Nichts einen Eichenpfahl hervor und trieb ihn durch das schwarze Herz seines Gegners. So leicht hatten wir es nicht. Die Krallen der Vampire hatten sowohl Tessa als auch mir schon mehrere Fleischwunden geschlagen. Ich fragte mich, was oben auf den Wällen vorging. Und - wo war Dracomar? Zumindest diese Frage beantwortete sich zwei Sekunden später. Denn da sprang mir die Blutbestie ins Genick. * Ich hatte schon mehrfach gegen Dracomar gekämpft. Aber diesmal nutzte der Blutdruide seinen Überraschungsangriff hemmungslos aus. Er hatte mir schon schwere Wunden geschlagen, bevor ich auf dem Boden aufschlug. »Mark!« schrie Tessa entsetzt. Aber ihr Ruf ging unter im Triumphgeheul des Blutdruiden. Ich stieß verzweifelt meinen weißmagischen Dolch vor. Doch ich erwischte den Alten des Schreckens nur am Oberarm. Und ihm machte so eine kleine Wunde leider gar nichts aus. Dafür waren seine Kräfte als Dämon einfach zu stark. Dracomars Krallen drangen tief in mein Fleisch. Er packte mich wie eine Puppe und schleuderte mich gegen die Stadtmauer. In meinem Schädel läuteten die Glocken. Ich glaubte, die Engel im Himmel singen zu hören. Hatte ich einen Schädelbasisbruch? War das das Ende? Jedenfalls spürte ich, wie das Blut aus meiner Nase lief. Kein gutes Zeichen. »Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet«, geiferte der 76
Alte des Schreckens. Seine Zähne senkten sich über meine Halsschlagader. Mit letzter Kraft hob ich noch einmal den Dolch. Aber Dracomar schlug ihn mir aus der Hand wie einen Zahnstocher. »Willkommen in der Hölle, Hellmann!« »Neeeeiiiiin!« kreischte Tessa. Ein gewaltiger Donnerschlag schien ganz Münster in seinen Grundfesten erbeben zu lassen. Ein Blitz schlug ein. Genau an der Stelle, wo eben noch Dracomar gestanden hatte. Odin schlug die Hände gegeneinander, als ob er sie von Staubkörnern befreien mußte. »Jedesmal kann ich dir aber nicht helfen, Mark Hellmann.« * Odins Blitzschlag hatte den Blutdruiden in die Hölle zurückgetrieben. Ihn endgültig auszuschalten, war meine Aufgabe. Ich hoffte, daß ich eines Tages die dafür nötigen Kräfte erwerben würde. In dieser Märznacht des Jahres 1534 war ich jedenfalls schwer verletzt und nicht mehr einsatzfähig. Tessa und Odin erlösten die letzten paar Vampire von ihrer unnatürlichen Existenz. Mein Ring hörte auf zu strahlen. Das war der letzte Beweis dafür, daß unsere Mission erfüllt war. Tessa klammerte sich weinend an mich. Da unsere Mission erfüllt war, leitete die Magie meines Rings unsere Rückreise ein. Als wir im Jahre 1999 landeten, waren alle Wunden verheilt. Das kannte ich schon von anderen Zeitreisen. Ein Nebeneffekt, den ich zu schätzen wußte. Denn so schwer verletzt' wie bei meinem Einsatz gegen die Wiedertäufer-Vampire war ich selten gewesen. Professor Uhlengang staunte jedenfalls nicht schlecht, als ich nicht allein zurückkehrte. Sondern eine überaus attraktive und auch noch nackte Frau in meinen Armen hielt. »Ist die Dame eine Wiedertäuferin?« flüsterte der Wissenschaftler. Seine Brille beschlug. »Ganz und gar nicht. Das ist meine Freundin, Kommissarin Tessa Hayden von der Kripo Weimar. Wenn Sie vielleicht noch ein Kleider besorgen könnten…« Der Professor schickte seine Studentin Steffie Kegel los, die 77
ungefähr dieselbe Figur wie Tessa hatte. Ich erklärte mit ein paar kurzen Sätzen, was im Jahre 1534 geschehen war. »Faszinierend«, sagte der Historiker. »Ich wünschte, ich wäre dabeigewesen.« »Wünschen Sie sich das nicht…« Wie sich herausstellte, hatte Professor Uhlengang eine größere Aufregung über den Angriff der Wiedertäufer-Vampire vermeiden können. Genau wie ich selbst war er nicht daran interessiert, zuviel Staub aufzuwirbeln. Er hatte etwas von einem »Experiment« gefaselt. Und seine Kollegen und das Publikum hatten es nur zu gerne geglaubt. Denn Vampire aus der Vergangenheit - so etwas konnte es nun wirklich nicht geben! Während meiner Abwesenheit war im Jahre 1999 nur eine Stunde vergangen. Die meisten Zuhörer drängten sich noch im Foyer. Daher beschlossen wir, den Vortrag durchzuziehen. Schließlich wollte ich ja auch mein Honorar einstreichen… Professor Uhlengang bat das Publikum wieder in den Saal. Er entschuldigte meine Abwesenheit mit einem Schwächeanfall. Inzwischen war ich wieder in meine Kleider geschlüpft. Ich trat erneut ans Rednerpult. Da fiel mir ein, daß ich mich bei Odin noch gar nicht für die Lebensrettung bedankt hatte. »Wie ich schon sagte, meine Damen und Herren - das Böse existiert…« Mein Blick fiel auf einen älteren Herrn in der ersten Reihe, der vorhin nicht dort gesessen hatte. Er trug einen langen, grauen Bart. Ich nickte ihm grinsend zu. Er grinste zurück. Und zwinkerte mir mit dem einen Auge zu. Das andere hatte er ja geopfert, um in den Born der Weisheit schauen zu können…
ENDE Der Berserker von Trondheim mordet, wo und wie es ihn gelüstet! Niemand kann ihn stoppen. Nicht Brä, der Trolldruide, erst recht nicht die zahlreichen Opfer. Keiner ist dem Riesenwolf ebenbürtig, wie soll da Mark Hellmann die Verschleppten befreien, wie den Feind besiegen? Mit List und Tücke? 78
Gruselspannung pur bietet der 45. MH-Roman von C.W. Bach!
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