Welch eine Nacht Mary Anne Wilson
Bianca 1034
3 – 1/97
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Später Oktober San Diego, K...
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Welch eine Nacht Mary Anne Wilson
Bianca 1034
3 – 1/97
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Später Oktober San Diego, Kalifornien „Was für ein scheußlicher Tag", bemerkte Dylan Bradford mit gerunzelter Stirn, während sie durch die Windschutzscheibe ihres alten BMW-Cabrios starrte, auf die der Regen niederprasselte. "Es ist sehr selten, dass es zu dieser Jahreszeit in San Diego regnet. Sieh nur, obwohl es erst sechzehn Uhr ist, ist es bereits dunkel wie die Nacht.“ „Dylan, was ist schon dabei, wenn es regnet und die Wolken alles ein wenig düsterer erscheinen lassen?" bemerkte Tori, ihre jüngere Schwester mit aufreizender Gelassenheit. "Weißt du, wenn du schwanger bist, bringen dich solche Dinge nicht aus der Ruhe. Irgendwie sieht man dann alles anders. Es ist ein wundervolles Gefühl." Sie seufzte. "Nach den ersten Monaten, in denen du dich vielleicht mit Müdigkeit und Übelkeit herumplagen musst, kehrt deine Energie wieder zurück, und du bekommst ein Gefühl des inneren Friedens, das einfach wunderbar ist. Das Leben scheint rundherum in Ordnung zu sein. Regen stört da einfach nicht.“ Dylan liebte ihre Schwester, aber langsam verlor sie die Geduld. Der Verkehr war so zähflüssig, dass sie nur im Schneckentempo vorankamen, und Tori hatte nicht aufgehört, über ihre bevorstehende Mutterschaft zu reden, seit Dylan sie vom Arzt abgeholt hatte. "Regen ist Regen, und du bist schwanger und dick und glücklich", murmelte Dylan, während sie das Scheinwerferlicht anstellte. "Könnten wir nicht für eine Weile über etwas anderes reden?“ "Ich bin nicht dick, nur im achten Monat schwanger. Ich wünschte, ich könnte dir zu verstehen geben, wie wundervoll man sich dabei fühlt." Tori holte kaum Luft, sondern. fuhr sofort mit dem wohlvertrauten Spruch fort: "Du weißt ja, wie sehr ich dich liebe, ich will nur das Beste für dich." Sie warf ihrer Schwester einen liebevollen Blick zu. "Wenn du nur eine Ahnung hättest, was du alles ... " Sie schmunzelte leicht. "Man behauptet, dass das sexuelle Verlangen einer, schwangeren Frau gleich Null wäre, aber glaube mir, das stimmt nicht." Dylan stöhnte innerlich. Details über Toris Sexleben, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie atmete tief durch, um gelassen zu klingen. "Also gut, ich habe keine Ahnung, was ich alles vermisse, und wahrscheinlich werde ich es auch nie wissen." Endlich hatten sie die Ausfahrt erreicht, die zum Einkaufszentrum führte, und Dylan wechselte die Spur. In diesem Moment quietschten hinter ihr die Reifen, und es wurde kräftig gehupt. "Hast du noch nie etwas von Blinkern gehört?" fragte Tori aufgebracht. Dylan zuckte die Schultern, den Blick fest auf den schwarzen Mercedes vor ihr geheftet, an dessen hochpoliertem Lack der Regen abperlte. „Es war genug
Platz." Sie konnte sich eine Spur von Sarkasmus nicht verkneifen. "Wo ist der innere Frieden, von dem du eben noch so geschwärmt hast?" "Ich habe es gleich geahnt. Ich hätte mir ein Taxi nehmen sollen", murmelte Tori. "Durch mich hast du zwanzig Dollar gespart. Entspann dich, wir sind fast da." "Zumindest möchte ich noch lebendig zu meiner nächsten Schwangerschaftsgymnastik kommen. "Sei nicht immer so dramatisch." Dylan seufzte. "Du mit deiner Gymnastik und deinen Atemübungen. Natürliche Geburt, wenn ich das schon höre. Warte, bis die Wehen einsetzen. Ich bin sicher, du schreist dann sofort nach einem Schmerzmittel.“ "Schmerzmittel sind nicht gut für das Kind." Dylan warf ihrer Schwester einen Blick zu. "Sie nennen es nicht umsonst Wehen. Es tut bestimmt höllisch weh." Doch Tori hörte gar nicht zu. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet, als sie hastig den Arm ihrer Schwester packte. "Pass auf, Dylan", rief sie entsetzt. Dylan begriff sofort, was ihre Schwester meinte, und trat heftig auf die Bremse. Die Reifen quietschten auf der nassen Straße, und der Wagen kam nur wenige Zentimeter vor dem schwarzen Mercedes, der plötzlich vor ihr angehalten hatte, zum Stehen. Nachdem ihr Wagen zum Stillstand gekommen war, riss sich Dylan aus Toris Griff los. "Der Typ ist wohl verrückt", zischte sie und starrte finster zu dem teuren Mercedes mit den getönten Scheiben vor ihr. In dem strömenden Regen konnte sie kaum die Silhouette des Mannes erkennen, der hinter dem Lenkrad saß und der sie durch den Rückspiegel zu beobachten schien. Der Regen und die getönten Scheiben machten es unmöglich, sein Gesicht zu erkennen. "Was glaubt er, was das hier ist? Ein Parkplatz?" "Der Fahrer achtet nur auf den Verkehr", bemerkte Tori, während sie sich wieder in den Sitz zurücklegte. „Im Gegensatz zu einer anderen Person, die in Gedanken so beschäftigt ist mit irgendwelchen alten Gebäuden, dass wir beinahe auf diesen teuren Wagen aufgefahren wären." „Er hat ohne Vorwarnung einfach angehalten", verteidigte Dylan sich, die langsam wütend auf ihre Schwester wurde. Bereits als sie sich Tori als neugeborenes Baby zum ersten Mal ansah, hatte sie sich gefragt, warum ihre Eltern sich eigentlich dieses zweite Kind gewünscht hatten. Ihr Verhältnis war immer zwiespältig beblieben. Es war eine Art Hassliebe. Je älter Dylan wurde, umso klarer wurde ihr, warum sie sich so viel stritten ... Sie waren unterschiedlich wie Tag und Nacht. Victoria Julianna war mit ihren hellblauen Augen, der zarten, sommersprossigen Haut und dem kupferfarbenen Haar, das sie stets kurz geschnitten trug, die hübsche Kindfrau. Dylan Briar, die nach einem obskuren irischen Dichter benannt worden war, hatte tiefblaue Augen, langes, fast rabenschwarzes Haar, das sie meistens
hochgesteckt oder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug, und ihre Haut war sommers wie winters leicht gebräunt. Tori hatte als Kind Rüschen und Schleifen, Puppen und Stofftiere geliebt. Jetzt als Erwachsene hatte sie einen Ehemann, ein Zuhause und bald ein Baby. Sie hatte das gefunden, was sie früher immer und immer wieder als das wirkliche Glück bezeichnete. Dylan hingegen hatte bereits als Kind Rüschen und Schleifen verabscheut und statt dessen Jeans und T-Shirts getragen, und statt für Puppen hatte sie sich mehr für Bausätze und Konstruktionskästen interessiert. Tori hatte Gedichte gelesen, hatte ständig die Boutiquen nach modischen Kleidungsstücken durchstöbert und sich fast jeden Tag neu verliebt, bis sie schließlich in Allan die Liebe ihres Lebens fand. Auch Dylan war ab und zu, ausgegangen. Sie war aber stets so besessen von dem Wunsch gewesen, Architektin zu werden und eines Tages ihr eigenes Büro zu besitzen, dass ihr schlicht und einfach die Zeit fehlte, darüber nachzudenken, ob sie sich nun verliebt hatte oder nicht. Und gerade jetzt war sie ihrem Traum, selbständig zu werden, so nahe. Tori hatte recht gehabt: Dylan war mit den Gedanken bei einigen alten Gebäuden gewesen, die sich ungefähr zwei Meilen von hier befanden und einst mit das Herz von San Diego gebildet hatten. Sie waren jetzt unbewohnt und halb zerfallen, aber Dylan hatte die Chance, das zu ändern und einen Teil des alten Glanzes wiederaufleben zu lassen. Vor einer Woche hatte sie mit der Stadt Vorgespräche über die anstehende Restaurierung dieser Gebäude geführt. Und wenn sie den Auftrag, diese Häuser in einen modernen Bürokomplex umzuwandeln, erhalten würde, wäre sie in der Lage, ihre eigene Firma zu gründen, und dann - ja dann wäre sie dem Glück sehr nahe. "Diese Person denkt über einen Auftrag nach", gab sie zu. "Und über eine Firma, die sie gründen. könnte." "Und du wirst deinen guten Job bei Barnes und Blazer aufgeben", erklärte Tori spitz. Das musste ja kommen, dachte Dylan genervt. "Ich wollte nie für eine Firma wie Aaron Barnes und John Blazer arbeiten, aber ich musste es tun, weil ich wie jeder andere Mensch Geld zum Leben brauche. Aber falls ich den Auftrag für die vier Santa Clare Gebäude bekomme, kann ich meinen Traum von Bradford und Partner endlich Wirklichkeit werden lassen. " Sie holte tief Luft. "Kannst du das verstehen?" "Ich begreife nur, wie sehr du dir eine eigene Firma wünschst, wie sehr du in die Idee verliebt bist, dein eigener Chef zu sein." „Falls das Liebe ist, dann ist diese Art von Liebe zumindest sicherer als Sex", erwiderte Dylan leichthin, um ein wenig von der entstandenen Spannung zu nehmen. "Zumindest habe ich die Garantie, nicht mit einem dicken Bauch zu enden und bis ins Einkaufszentrum fahren zu müssen, um mir ein schwarzes
Neglige für die letzte Liebesnacht mit meinem Mann zu kaufen, bevor Sex ganz verboten ist." Der Fahrer in dem schwarzen Wagen vor ihr starrte Dylan noch immer durch den Rückspiegel an, und sie konnte kaum den Wunsch unterdrücken, ihm zuzuwinken. Er schien sie fast ständig durch den Spiegel zu beobachten. "Ich darf gar nicht daran denken, dass ich einen ganzen Monat keinen Sex haben darf ", beklagte sich Tori, die sich offensichtlich entschlossen hatte, den Sarkasmus in Dylans Stimme zu überhören. "Aber heute darfst du mit Alan ins Bett gehen?" fragte Dylan, als sie sich dem Eingang des Einkaufszentrums näherten. "Natürlich, und ich möchte heute Abend gut aussehen." Dylan schaute zu ihrer Schwester hinüber, die liebevoll ihren Bauch tätschelte. "Bist du sicher? Ich meine, du bist so ... so dick." "Ganz sicher", erwiderte Tori und sah Dylan stirnrunzelnd an. „Ich dachte immer, dass du dich mit Dreißig ändern würdest." Dylan war überrascht, dass Tori auf ihr Alter anspielte. Sie selbst dachte nur selten darüber nach. "Ich werde erst in acht Monaten dreißig. Was hat außerdem mein Alter damit zu tun?" Tori zog eine Augenbraue hoch. "Du bist kein Kind mehr, Dylan." "Ich bin nur drei Jahre älter als du, also bin ich auch nicht uralt. "Natürlich nicht", erklärte ihre Schwester, während sie gedankenverloren über den Bauch strich. "Aber du brauchst endlich ein eigenes Leben.“ "Dieses Kind wird noch einen flachen Hinterkopf bekommen, wenn du dauernd deinen Bauch tätschelst. Und damit du es weißt, ich führe ein eigenes Leben." "Klar tust du das." "Ich habe einen Beruf, den ich liebe. Ich habe dich und Mom und Dad und Allan und ... " Sie winkte in Richtung von Toris Bauch. "... und auch noch das Baby, wenn es erst einmal zur Welt kommt." "Du weißt, dass das Baby ein Junge ist und auf den Namen Allan James getauft werden wird. Also nenn ihn nicht immer das Baby." "Schon gut", winkte Dylan ab, während sie langsam weiterfuhr. Der Himmel über ihnen wurde dunkler und dunkler. "Was ist denn mit diesem Polizisten, mit dem du ausgegangen bist ... Arnold oder Andrew oder so ähnlich?" "Andrew war ein Sicherheitsfachmann und kein Polizist", erklärte Dylan. "Was soll mit ihm sein?" "Nun, du hast ihn bereits seit geraumer Zeit nicht mehr erwähnt.“ "Weil er auch ein eigenes Leben hat." "Aber nicht mit dir?" "Bingo. Ich hoffe, du wirst jetzt nicht wieder damit anfangen, dass ich endlich den Mann meines Lebens finden sollte, da meine biologische Uhr unablässig aufs Ende zutickt, oder?"
"Du weißt, dass ich deinen Schwung und deine Intelligenz bewundere und dass ich nicht der Meinung bin, eine Frau brauche unbedingt einen Mann zum Glücklichsein." Es hat Männer in meinem Leben gegeben, dachte Dylan. Männer wie Andrew, die eine kurze Episode in ihrem Leben gewesen waren, aber darunter war kein Mann gewesen, der sie alles andere hätte vergessen lassen. Sie hatte sich nie so unsterblich in jemanden verliebt wie Tori in Allan. Und nie war ihr jemand auch nur annähernd so wichtig gewesen wie ihre Träume. "Danke." "Ich meine es wirklich so. Es ist nur... " "Du willst, dass ich glücklich bin, stimmt 's?" "Genau." "Ich will dir eines sagen, Tori, ich werde glücklich sein, wenn ich diesen Auftrag erhalte und endlich meine eigene Firma gründen kann." Als sie hörte, dass Tori Luft holte, um etwas zu erwidern, lenkte sie rasch ab: "Bist du sicher, dass ich dich einfach absetzen soll?" Dylan wünschte sich, sie und Tori könnten so ungezwungen miteinander reden, wie es sicherlich die meisten Schwester taten, ohne total gegenteiliger Meinung zu sein. Denn trotz ihrer Gegensätze liebte sie Tori. Als sie den Kopf leicht zur Seite drehte, um ihre Schwester anzusehen, bemerkte sie aus den Augenwinkeln ein rotes Licht aufblitzen. Die Bremsleuchten, dachte sie erschrocken, und im selben Moment wurde ihr klar, dass es zu spät war. Sie würde auf den schwarzen Mercedes auffahren ... Cooper Reeves verwünschte den Regen, den Verkehr und den Wagen, den Brokaw ihm geliehen hatte. Seine Laune war nicht die beste, seit Brokaw ihm erklärt hatte, dass es noch zwei Tage dauern werde, bis auch die letzte Hürde genommen worden sei, um einen Fünf-Jahres-Vertrag bei Brokaws Firma zu erhalten. Erst dann konnte er nach Spanien fliegen, um die Prototyp-Wagen zu testen, die unter strenger Geheimhaltung in der Firma entwickelt wurden. Aber Coop war nicht sehr gut im Warten, war es nie gewesen und würde es auch nie sein. Er wollte sofort Resultate sehen, und genau dieser Anspruch ließ ihn oft bis an seine Grenzen gehen. Allerdings würde ihm in den nächsten Tagen nichts anderes übrig bleiben, als zu warten, und er hatte nur die Wahl, in seinem Hotelzimmer zu bleiben oder in diesem luxuriösen Wagen in San Diego herumzufahren, in einer Stadt, die er nie zuvor besucht hatte. Er fuhr sich nervös mit der Hand durch das hellbraune Haar. Eigentlich hatte er auf den Freeway fahren wollen, aber er hatte sich offensichtlich in die falsche Spur eingereiht und befand sich nun auf der Zufahrt zu einem riesigen Parkplatz, der zu einem Einkaufszentrum gehörte. Der luxuriöse Wagen schien den Regen nicht zu mögen. Regen, so wurde Coop versichert, sei zu dieser Jahreszeit in Südkalifornien höchst ungewöhnlich. Der Motor röhrte nach jeder Pfütze, die der Wagen durchfuhr, und Coop befürchtete, dass der Motor bei einer tieferen Wasserlache einfach den Geist aufgeben würde.
Er blickte in beide Richtungen und bemerkte resigniert, dass er in dem dichten, zähflüssigen Verkehr feststeckte. Er würde mit der Autoschlange zum Einkaufszentrum fahren müssen, und sich dann ab dort gen Westen bewegen in der Hoffnung, den Feierabendverkehr endlich hinter sich lassen zu können. Er fuhr durch eine weitere tiefe Pfütze, und sofort begann der Motor aus Protest über die Feuchtigkeit zu stottern. Coop nahm rasch den Gang heraus, trat mit einem Fuß auf die Bremse und gab mit dem anderen leicht Gas, um den Motor am Laufen zu halten. Plötzlich hörte er das Quietschen von Bremsen hinter sich. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, dass der BMW hinter ihm so abrupt gebremst hatte, dass er mit der Nase fast den Boden berührte und wenige Zentimeter vor seiner hinteren Stoßstange anhielt. Durch den strömenden Regen sah Coop die verschwommenen Konturen einer Frau, die sich angeregt mit einer anderen Frau, die auf dem Beifahrersitz saß, unterhielt. Es war offensichtlich, dass die Fahrerin im Moment etwas anderes im Kopf hatte, als sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Er legte den Gang ein, hörte, dass der Motor wieder ruhig lief, und sah, dass die Frau, die hinter ihm herfuhr, sich immer noch lebhaft mit der Beifahrerin unterhielt. Erneut hielt er nach einem Ausweg Ausschau, sah aber nirgends eine Möglichkeit, auf die andere Spur zu wechseln. Resigniert fuhr er langsam weiter, behielt durch den Rückspiegel den roten BMW im Auge und wünschte sich, überall zu sein nur nicht hier oder zumindest so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Doch der Mercedes sabotierte seinen Wunsch. Als Coop langsam durch eine riesige Wasserlache fuhr, spritzte das Wasser so hoch, dass der Motor sofort ausging. Als Coop fluchend auf die Bremse trat, sah er im Rückspiegel, dass der BMW nicht abbremste, sondern weiter auf ihn zuschoss. Den Bruchteil einer Sekunde später prallte er bereits auf ihn auf. Er hatte zuvor Unfälle gehabt. Nur der Himmel wusste, wie viele es wirklich gewesen waren. Von einigen Schrammen und Prellungen abgesehen, war er immer mit heiler Haut davongekommen. Dies hier war nur ein kleinerer Zusammenstoß. Trotzdem war er überrascht, mit wie viel Wucht er nach vom in den Gurt geschleudert wurde. Dann war alles ganz ruhig, nur der Regen trommelte weiterhin auf das Wagendach. Coop fluchte laut und stieg aus. Der Regen war erstaunlich warm, und noch bevor er sich dem BMW zuwenden konnte, war sein Hemd so feucht, dass es an seiner Haut klebte. Er schaute auf die lange Autoschlange hinter seinem Wagen und dann auf den roten BMW, der auf den Mercedes aufgefahren war. Blaugrünes Antigefriermittel vermischte sich mit dem Wasser auf dem Asphalt, und Dampf stieg aus der Motorhaube des BMWs. Als ringsherum ein Hupkonzert begann, stieg die Fahrerin des BMWs aus, und Coop wurde blitzartig klar, wie falsch seine Meinung über San Diego gewesen war. Er hatte Jeb Brokaw erklärt, dass die Stadt langweilig und uninteressant sei. Aber keine
Stadt, in der sich eine Frau wie die Fahrerin des BMWs befand, konnte mit solchen Worten beschrieben werden. Die Frau war groß, mindestens ein Meter achtundsiebzig, zehn oder zwölf Zentimeter kleiner als er. Während sie mit schreckerfülltem Blick ihren beschädigten Wagen betrachtete, bewunderte er ihr dunkles, fast ebenholzschwarzes Haar, das sie zu einem losen Knoten im Nacken zusammengesteckt hatte. Zarte Strähnen hatten sich gelöst und klebten regennass auf ihrer leicht gebräunten Haut. Als sie ihn schließlich anschaute, war er überrascht, wie schön sie war. Sie schien nur wenig oder überhaupt kein Make-up zu tragen, doch selten hatte er eine so attraktive Frau gesehen. Sie besaß regelmäßige Gesichtszüge, hohe Wangenknochen, volle Lippen und tiefblaue Augen, die von langen dunklen Wimpern umgeben waren, von denen Regentropfen abperlten. Ihre beige Seidenbluse war vom Regen völlig durchnässt und klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper. Die Spitze ihres BHs zeichnete sich ab, und er konnte deutlich sehen, wie fest und gut geformt ihre Brüste waren. Sie zuckte zusammen, als ein Blitz den Himmel durchschnitt, rasch gefolgt von heftigem Donner. "Ach, du meine Güte", seufzte sie, als der Donner langsam verrollte, und schaute erneut ihren Wagen an, aus dem immer noch Dampf stieg. "Er ist runiert.“ "Weit kommen Sie mit dem nicht mehr", teilte Coop ihr mit und nahm ihr zartes, verführerisches Parfüm wahr. Als sie ihm zum ersten Mal direkt in die Augen schaute, stockte ihm für einen Moment der Atem. Du lieber Himmel, war sie schön. Die Anziehungskraft, die diese Frau auf ihn ausübte, war so stark, dass es ihn verwirrte, so verwirrte, wie ihre nächsten Worte. "Sie ist schwanger", stieß sie aufgeregt hervor. „Was sagten Sie?" Er war nicht sicher, ob er sie im Lärm der Autohupen und dem herannahenden Heulen einer Polizeisirene richtig verstanden habe. Bevor er noch wusste, was geschah, hatte sie bereits seinen Arm ergriffen und zog ihn zur offenen Beifahrertür ihres Wagens. "Meine Schwester ist schwanger, es ist nur noch einen Monat bis zur Geburt." An der Beifahrertür beugte sie sich sogleich in den Wagen hinein und ließ Coop so abrupt los, dass er beinahe gestolpert wäre. Bewundernd betrachtete er ihre Hüfte und ihre langen Beine, die in der regenfeuchten Hose, die an ihrem Körper klebte, gut zur Geltung kamen. Noch bevor er sich fragen konnte, warum diese Frau eine so starke Reaktion in ihm hervorrief, wandte sie sich wieder an ihn. "Warum stehen Sie so herum", fuhr sie ihn an. "Rufen Sie die Polizei oder einen Rettungswagen oder irgend was, aber tun Sie was.“ Coop trat einwenig zurück, um ein wenig Distanz zwischen sich und dieser Frau zu bringen, die eine so große Macht auf ihn auszuüben schien. Er legte die Hand auf das Dach des BMWS, bückte sich und schaute in das Innere des Wagens. Auf dem Beifahrersitz saß eine hochschwangere Frau. Aber sie hielt
sich weder den Bauch, noch schien sie irgendwelche Schmerzen zu haben. Und dem Himmel sei Dank - nirgendwo war Blut zu sehen. Die Fahrerin ergriff mit erstaunlicher Kraft erneut seinen Arm. "Meine Schwester ist schwanger, und sie braucht dringend Hilfe", erklärte sie so nah an seinem Ohr, dass er ihren warmen Atem spürte. "Mir geht es gut", sagte die Frau im Wagen. "Ehrlich, ich bin nur ...“ "Beweg dich nicht", sagte die Frau, die immer noch Coops Arm hielt. „Tori, bitte, sitz ganz still. Beweg dich nur nicht.“ Als er den Kopf aus dem Wagen zog und sich wieder aufrichtete, ließ die Fahrerin ihn zwar los, aber Coop musste jetzt feststellen, dass ihn nur noch wenige Zentimeter von dieser faszinierenden Frau trennten. "Sie sagt, es gehe ihr gut", erklärte er. "Und es ist nirgendwo Blut zu sehen." Sie zog verärgert die gut geformten Augenbrauen zusammen. "Was sind Sie? Gynäkologe? Sie ist schwanger und hatte soeben einen schrecklichen Unfall." Bevor Coop ihr mitteilen konnte, dass ein leichter Blechschaden für ihn kein schrecklicher Unfall sei, kamen zwei uniformierte Männer auf sie zugelaufen. Während einer sofort begann, den Verkehr auf die linke Spur zu leiten, wandte sich der andere an Coop und Tori. „Ist jemand verletzt?" fragte er. Coop wischte sich den Regen aus dem Gesicht. "Uns geht es gut, aber ... " "Uns geht es nicht gut", unterbrach die dunkelhaarige Frau ihn, während sie Coop den Rücken zuwandte und den Polizisten ansah. "Meine Schwester ist schwanger. Sie muss sofort in ein Krankenhaus." Der noch sehr junge Polizist wurde blass. "Bekommt Sie etwa das Baby?" "Das weiß ich nicht. Ich hoffe nicht, aber wir hatten diesen Unfall, und man kann nicht wissen, was alles passieren kann." Der junge Mann sah zu Coop hinüber. "Handelt es sich um Ihre Frau?" "Nein", stellte er rasch klar. "Ich bin der Fahrer des vorderen Wagens."' Dann zeigte er in den BMW. "Sie ist schwanger, aber sie sagt, es gehe ihr gut." Die Frau mit dem schwarzen Haar warf Coop einen finsteren Blick zu. "Bringen Sie uns einfach ins Krankenhaus. Ins Doctors Memorial. Es ist nicht weit und ...“ "Wir ... wir werden tun, was wir können, aber der Verkehr …“ regen tropfte von der Uniform des jungen Polizisten, der etwas hilflos wirkte. „Sie haben ein Funksprechgerät", bemerkte sie und wies auf seinen Gürtel. "Rufen Sie einen Krankenwagen." "Oh, ja sicher", sagte er hastig, beschämt, dass ein anderer ihn auf diesen Gedanken bringen musste. Coop blickte auf die endlose Autoschlange, die sich hinter ihnen und dann auf die Frau, die neben ihm stand. Der Regen ließ sie last unwirklich erscheinen, und er konnte kaum dem Impuls widerstehen, sie zu berühren. Während er sie betrachtete, wischte sie sich übers Gesicht, und er bemerkte, dass sie keine Ring an den Händen trug. Sie musste seinen Blick gespürt haben, denn sie wandte sich zu ihm. "Können Sie nicht irgend etwas tun?" fragte sie in einem wein, fast bittenden Tonfall.
Einer seiner Grundsätze war, sich niemals in irgend etwas verwickeln zu lassen. Er spielte auch jetzt mit dem Gedanken, rasch der Polizei seine Papiere zu zeigen, den Unfall aufnehmen zu lassen und dann zu verschwinden, aber die tiefblauen Augen dieser Frau schienen ihn festzuhalten. Er holte tief Luft. "Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?" fragte er, obwohl er selbst einige Antworten auf diese Frage parat hatte. Sie atmete zitternd durch, und er sah, wie sich ihre festen Brüste unter der nassen Seidenbluse hoben und senkten. "Ihr Wagen fährt sicherlich noch", sagte sie rasch. "Bitte bringen Sie uns ins Krankenhaus.“ "Aber der Motor geht pausenlos aus. Er scheint allergisch auf Wasser zu reagieren. Das war der Grund, warum ich dauernd vor ihnen anhalten musste. Dieser Regen ...“ „Es wird lange dauern, bis die Ambulanz zu uns durchgekommen ist, und mein Wagen ist nicht mehr fahrtüchtig. Sie können wenigstens versuchen, ob der Mercedes anspringt." Coop zögerte. Er wusste, dass er verpflichtet war, die schwangere Frau ins Krankenhaus zu bringen, trotzdem wusste er, dass er diese gute Tat durchaus nicht nur aus purer Nächstenliebe tun würde. Vielmehr sah er sie als gute Gelegenheit, die schöne Fahrerin des BMWs näher kennen zu lernen. „Falls er anspringt, werde ich Sie und Ihre Schwester ins Krankenhaus bringen." Der Polizist schien erleichtert, und die Frau flüsterte nur wenige Zentimeter von Coops Ohr entfernt ein warmes Danke. Nur Coop allein wusste, dass er keinen Dank verdient hatte. Er war alles andere als ein guter Samariter. Noch bis vor wenigen Minuten war er lustlos in San Diego herumgefahren und hatte nicht gewusst, wie er sich die Zeit totschlagen sollte. Doch jetzt war jede Langeweile von ihm abgefallen. Er hatte die perfekte Unterhaltung gefunden. Und diese Unterhaltung besaß ebenholzschwarzes Haar, tiefblaue Augen und eine Ausstrahlung, die so verführerisch war, dass es ihn fast umwarf. Und er kannte noch nicht einmal ihren Namen.
2. KAPITEL Dylan kümmerte sich nicht um ihren Wagen. Sie hatte ihn am Straßenrand zurückgelassen, wo er irgendwann von einem Abschleppwagen in eine Werkstatt gebracht werden würde. Sie kümmerte sich auch nicht darum, dass ihre teure Seidenbluse und Designerhose durch den Regen völlig ruiniert waren, oder dass sie in einem luxuriösen Wagen neben einem Mann saß, auf dessen Mercedes sie aufgefahren war.
Das einzige, worüber sie sich Sorgen machte, war Tori. Eine schreckliche Schuld lastete auf ihr. Das Ganze war nur passiert, sie so unkonzentriert gewesen war, weil sie so versessen darauf gewesen war, Tori ihren Standpunkt klarzumachen, und nur an den Auftrag gedacht hatte, den sie sich so sehnlich wünschte. Ihre Schwester war ungewöhnlich still, als der Fremde durch den strömenden Regen zum Doctors Memorial fuhr. Dylan drehte sich auf dem Beifahrersitz um, dass sie Tori, die hinter ihr saß, anschauen konnte. "Geht es dir auch wirklich gut?“ fragte sie besorgt. Eine Frage, die sie in den vergangenen Minuten mindestens zehnmal gestellt hatte. „Pst." Tori strich mit einer Hand sanft über ihren Bauch und hob andere Hand, um Dylan zum Schweigen zu bringen. Dann seufzte sie und sank in den Sitz zurück. "Mir geht es gut. Es hat sich gerade bewegt." Dylan entdeckte ein Autotelefon. "Könnte ich das Telefon benutzen, um den Ehemann meiner Schwester anzurufen?" „Bitte, bedienen Sie sich", antwortete er, ohne den Blick von der Straße zu wenden. "Ich wünschte, du würdest Allan nicht anrufen. Er wird sich große Sorgen machen", warf Tori ein, während Dylan Allans Büronummer engab. „Er muss es wissen." Sie drückte die letzte Zahl mit mehr Nachdruck, als notwendig gewesen wäre. "Das Ganze tut mir so leid. Ich hätte euch beide umbringen können." "Nun, du hast es nicht getan. Wenn ich auch nicht behaupten kann, dass du es nicht versucht hättest." "Ich weiß, ich weiß", murmelte Dylan und hörte dann Allans Sekretärin am anderen Ende der Leitung. Sie erzählte ihr rasch, was geschehen war, und bat sie, Allan so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu schicken. Dann legte sie den Hörer auf und gab dem Fahrer das Telefon zurück. "Vielen Dank." "Ich sagte dir doch, dass du besser auf den Verkehr achten solltest ", sagte Tori anklagend. "Ich wünschte, ich hätte es getan, aber ich hatte eben andere Dinge im Kopf. Ich hätte dich ein Taxi nehmen lassen sollen, aber ich wollte dir einen Gefallen tun, und es regnete so sehr." "Dein Wagen sah ganz schön lädiert aus. Deine Versicherungsprämie wird kräftig steigen", bemerkte Tori. Dylan hatte im letzten Jahr schon einige belanglose Unfälle gehabt, und man hatte ihre Prämie bereits erhöht. Aber im Moment hatte sie andere Sorgen. "Solange es dir gut geht, stört mich das nicht." Mit dieser Antwort wischte sie die Bemerkung ihrer Schwester weg. "Dass es dir und dem Baby gut geht, ist alles, was zählt." "Und dieser nette Mann ist so liebenswürdig, uns zum Krankenhaus zu bringen, damit der Doktor dich beruhigen und dir bestätigen kann, dass mit mir und dem Baby alles in bester Ordnung ist."
Netter Mann? Dylan warf einen Blick auf den Fahrer. Zum ersten Mal, seit sie auf seinen Wagen aufgefahren war, nahm sie sich wirklich Zeit, ihn zu betrachten. Selbst in der Aufregung nach dem Unfall hatte sie bemerkt, wie groß er war mindestens ein Meter siebenundachtzig - und wie breit seine Schultern und muskulös seine Oberarme waren. Sie bemerkte seine starken, gepflegten Hände und sein markantes Profil. Genau in diesem Moment hatte der Fremde den Kopf gewandt und ihr einen Blick zugeworfen. Seine Augen waren dunkel wie die Nacht. Die Wirkung, die er auf sie ausübte, war so stark, dass ihr für einen Moment der Atem stockte und sie rasch die Augen senkte. Obwohl sie ihn nur den Bruchteil einer Sekunde angesehen hatte, hatte sie das Gefühl, dass sich sein Bild für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt habe. Seine Haut war gebräunt, seine Gesichtszüge waren markant, sein hellbraunes Haar war fast schulterlang. Er strahlte Männlichkeit und Stärke aus. Er war ein Mann, der Aufmerksamkeit forderte, ein Mann, der sich nicht dominieren ließ. "Sie sind für uns tatsächlich der gute Samariter", hörte sie Tori zu dem Mann sag en. "Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, obwohl ich diese Fahrt ins Krankenhaus für höchst unnötig halte." Dylan sah nicht das Gesicht ihrer Schwester, aber sie konnte sich vorstellen, wie finster Toris Blick wurde, als sie hinzufügte: "Und jetzt wird auch noch mein Mann verrückt spielen." Zum ersten Mal seit die drei den Mercedes bestiegen hatten, begann der Mann zu sprechen. Die Stimme passte zu dem Fremden. Sie war tief und ein wenig rau, eine Stimme, die den ganzen Wagen zu erfüllen schien, obwohl er nicht besonders laut sprach. "Ich bin kein guter Samariter." "Natürlich sind Sie das. Schließlich ist Dylan diejenige, die Sie angefahren hat. Sie tragen an dem Unfall keine Schuld, trotzdem nehmen Sie sich die Zeit, uns ins Krankenhaus zu fahren. Das weiß ich sehr zu schätzen.“ Der Mann schaute zu Dylan hinüber. "Dylan?" fragte er unerwartet. „Meine Schwester, Dylan Bradford. Und ich bin Victoria Pallum, aber man nennt mich Tori." "Cooper Reeves", stellte er sich vor, nachdem er den Blick wieder auf die Straße gerichtet hatte. "Mr. Reeves …“ „Nennen Sie mich bitte Coop", unterbrach er Tori. Dann zeigte er auf ein Gebäude, das vor ihnen lag. "Ist das das Krankenhaus?" Dylan warf einen Blick durch die Scheibe, an der der Regen hinunterlief. Ja, es war das Doctors Memorial, dessen Umrisse sich von dem grauen Himmel abhoben. "Das ist es", antwortete sie. „Fahren Sie bis zur Notaufnahme, und biegen Sie dann rechts ab." Noch während sie sprach, folgte er ihrer Anweisung und hielt kurz darauf vor einer riesigen Doppeltür aus Glas. Dylan stieg aus dem Wagen, doch noch bevor sie die Tür geschlossen hatte, half Coop Tori aus dem Wagen. "Holen Sie jemanden, der sie hineinbringt", forderte er Dylan auf.
Sein autoritärer Ton irritierte sie, aber sie zögerte nicht, sondern lief sofort durch den großen Haupteingang in die Halle des Krankenhauses. Sie sah sich um und eilte dann auf die Aufnahme zu. Eine Krankenschwester mittleren Alters saß hinter dem geöffneten Schalter und blickte Dylan entgegen. "Ja, Ma'am?" "Meine Schwester ist draußen. Wir hatten einen Unfall, sie ist schwanger und…" Bevor sie den Satz zu Ende bringen konnte, sprang die Krankenschwester auf. "Unfallopfer! Sofort zum Haupteingang kommen!“ rief sie nach hinten. Gleich darauf öffneten sich zwei große Schwingtüren, und zwei grüngekleidete Männer liefen mit einer Bahre auf Rädern hinaus. In wenigen Sekunden waren sie beim Mercedes. Als Dylan ihnen folgte wollte, hielt die Krankenschwester sie auf. "Ich brauche noch einige Informationen über die Patientin", erklärte sie. "Über ihre Versicherung und ihren Arzt, damit wir ihn verständigen können.“ Während Dylan der Krankenschwester das Gewünschte mitteilte, waren ihre Augen ununterbrochen auf den Eingang gerichtet. Sie konnte sehen, wie die Sanitäter Tori auf die Bahre halfen und dann mit Coop im Gefolge wieder das Gebäude betraten. Sie schoben die Liege zu den Schwingtüren, aus denen die Männer vorhin gekommen waren. Dylan wollte ihnen folgen, aber einer der Sanitäter hielt sie auf. "Bleiben Sie draußen. Wir werden Sie und den Ehemann zu ihr lassen, sobald sie vom Arzt untersucht worden ist." Dylan wollte widersprechen und Tori begleiten, doch eine Hand umfasste ihren Arm und hielt sie zurück. "Lassen Sie die Leute ihre Arbeit erledigen", hörte sie eine sehr männliche Stimme. "Ihre Schwester ist in guten Händen." Als sie sich umdrehte, sah sie Coop direkt hinter sich stehen. Sie spürte die Wärme seiner Hände, und plötzlich überfiel sie der idiotische Wunsch, diese Hand festzuhalten und nie mehr loszulassen. Sie konnte sich selbst nicht erklären, was auf einmal in ihr vorging. Dylan hatte sich immer für stark gehalten, für eine Frau, die Kontrolle über ihr Leben besaß und in Krisen einen kühlen Kopf behielt. Sie verabscheute Frauen, die schwach waren, aber im Moment schien sie ihr sonst so wohl ausbalanciertes Gleichgewicht verloren zu haben. Dieser Fremde kam ihr auf einmal wie ein rettender Anker vor. Sie entzog ihm die Hand und atmete tief durch. "Ich sollte bei meiner Schwester bleiben", flüsterte sie. "Sie weiß, dass Sie hier draußen sind. Und man wird Sie holen, sobald die Untersuchung vorbei ist." Das was er sagte, klang vernünftig, aber nicht tröstlich. Dylan fühlte sich auf einmal noch schuldiger. "Oh, Himmel, ich kann nicht glauben, dass das passiert ist." Sie ging zu den Fenstern hinüber und schaute hinaus in den grauen, verregneten Tag. Sie sah den schwarzen Mercedes, den der Mann auf dem
Parkplatz unmittelbar vor dem Krankenhauseingang geparkt hatte. Der schwarze Lack glänzte im Regen. Dylan runzelte die Stirn, als sie die verbeulte Stoßstange und die Schäden am hinteren Teil des Wagens durch das Fenster betrachtete. Sie wusste, wie teuer dieser Wagen war und wie kostspielig die Reparatur sein würde. Zweifellos würde sie ein kleines Vermögen bezahlen müssen. Aber auf keinen Fall wollte sie diesen Unfall ihrer Versicherung melden. "Ich kann es nicht fassen, dass ich auf einen Mercedes aufgefahren bin", murmelte sie und schüttelte den Kopf. "Stammen Sie aus dieser Gegend?" fragte Coop, der ihr gefolgt war und sich neben sie gestellt hatte. "Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht." "Genau das ist Ihr Problem." Sie wandte sich ihm zu und bemerkte, dass er von hier oben den Mercedes betrachtete. "Was ist denn mein Problem?" Er blickte sie an, und im Neonlicht der Halle sah sie, dass seine Augen tiefbraun waren und goldene Flecken hatten. "Soweit ich unterrichtet bin, wisst ihr Kalifornier nicht, wie man im Regen fährt", antwortete er mit einem leichten Lächeln ... ein Lächeln, das die Anziehungskraft, die dieser Mann auf sie ausübte, nur noch erhöhte. "Ich habe gehört, es regnet nie in Kalifornien.“ "Glauben Sie nie, was andere sagen." Er wies mit dem Kopf auf den unten auf der Straße geparkten Wagen. "Diese Erfahrung habe ich auf sehr unangenehme Art und Weise machen müssen." Dylan spürte, wie ihr bei seiner Bemerkung die Röte in die Wangen stieg. "Es tut mir wirklich leid, was mit ihrem wunderschönen Wagen passiert ist. Aber wenn Sie nicht ohne Vorwarnung angehalten hätten, wäre das Ganze nicht geschehen." "Oh, ich glaube, Sie hätten es auch so geschafft", entgegnete er lächelnd. „Wie bitte?" "Sie wären kurz vor dem Unfall schon einmal beinahe auf meinen Wagen aufgefahren." „Okay, okay", erwiderte sie verlegen. "Ich gebe ja zu, dass die ganze Sache meine Schuld war. Ich habe nicht rechtzeitig bemerkt, dass Sie gebremst hatten. Ich war in Gedanken. Es tut mir wirklich sehr leid." Dylan war froh, dass sein Gesichtsausdruck etwas ernster wurde, nur seine Augen blitzten noch humorvoll. "Mea culpa?" Ihr Herz schlug einen Takt schneller, und Dylan ärgerte sich darüber, dass ein Fremder soviel Macht auf sie ausüben konnte. "Ja. Absolut." Sie zögerte. "Ich weiß, dass Sie es bestimmt kaum erwarten können, uns endlich los zu sein. Sicherlich haben Sie etwas vor." "Ich bin nicht in Eile", gestand er. "Sie wollten nicht einkaufen oder nach Hause fahren oder sonst irgend etwas tun?"
"Nein, eigentlich wollte ich nur meine Zeit totschlagen. Allerdings hatte ich vor, es auf eine andere Weise zu tun." "Übrigens, ich wollte Sie etwas fragen, was den Wagen betrifft." "Und das wäre?" "Ich komme für den Schaden auf." "Klar. Geben Sie mir nur den Namen Ihrer Versicherung und...“ Dylan verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. "Nein, ich meine, ich will selbst dafür aufkommen. Es wäre mir lieber, wenn meine Versicherung nichts von dem Unfall erfahren würde." Sie schaute hinaus auf den Wagen und dann wieder zu Coop. "Ich weiß, dass ein Mercedes sehr teuer ist." "Ihr Wagen ist auch keine Blechdose", erwiderte er. "Mein Wagen ist bereits zehn Jahre alt und kaum mit Ihrem Mercedes zu vergleichen. Ich weiß, dass die Reparatur sehr kostspielig werden kann, und wahrscheinlich werde ich sie in Raten abzahlen müssen. Aber ich werde dafür aufkommen." Er betrachtete sie einen Moment. "Oh, ich verstehe." "Wie bitte?" "Sie hatten bereits einige Unfälle und befürchten nun, dass Ihre Versicherung Ihre Prämie saftig erhöht, falls sie von diesem weiteren Schadensfall erfährt." Es war eine Feststellung, keine Frage, und er hatte genau ins Schwarze getroffen. "Ja, ich hatte einige kleine Blechschäden." "Und warum?" Sie strich nervös mit der Hand über ihren Unterarm. "Ich bin oft zerstreut, und ich gebe zu, dass ich nicht immer genug auf den Verkehr achte." "Und was zerstreut sie so?" Sie verzog das Gesicht. "Meistens Häuser." Er lächelte. "Häuser? Winken die Häuser Ihnen etwa zu, wenn Sie vorbeifahren?" Sie wünschte sich, ebenfalls lächeln zu, können, aber sie war viel zu angespannt. "Ich achte auf Häuser, wie andere auf Wagen oder Landschaften achten. Das kommt von meiner Arbeit." "Die wäre?" "Ich bin Architektin und habe mich auf Restauration spezialisiert.“ "Was bedeutet?" Er machte es ihr wirklich nicht leicht. "Ich kümmere mich um alte, fast abbruchreife Häuser und Gebäude und versuche, sie so zu restaurieren, dass sie im alten Glanz erscheinen. Wenn, ich diese Häuser sehe, fange ich sofort an, mich mit ihnen in Gedanken zu beschäftigen. Dann stelle ich mir vor, wie die Häuser einmal waren, wie sie jetzt sind und was man aus ihnen machen könnte." "So, so, Sie haben also an alte Häuser gedacht, kurz bevor Sie auf meinen Wagen aufgefahren sind?" „Ja, ich gebe zu, ich habe mit meiner Schwester Tori über meine Arbeit gesprochen, und ich werde die volle Verantwortung für den Unfall übernehmen.
Allerdings käme es mir sehr gelegen, wenn ich den Schaden selbst zahlen könnte, weil ... Nun, wir können das doch unter uns ausmachen, oder?" Er zuckte die Schultern und zupfte sein feuchtes Hemd an seinen breiten Schultern zurecht. "Ich selbst sehe darin keine Schwierigkeit ...“ Dylan seufzte erleichtert auf. "Großartig, dann können wir …“ "Aber die Person, die mir den Wagen geliehen hat, wird vielleicht nicht so entgegenkommend sein", unterbrach er sie. Ihre Hoffnung sank. "Der Wagen gehört nicht Ihnen?" Coop schüttelte den Kopf. "Nein." "Sie haben ihn nur geliehen?" Er nickte. "Für die Zeit, in der ich mich in San Diego aufhalte." Dylan lehnte sich gegen die Wand neben dem Fenster, und die Kühle des Marmors drang durch ihre feuchte Kleidung. Sie fröstelte und schlang die Arme um sich. Dann sah sie Coop an. "Sie sind also nicht von hier?" "Nein.“ "Der Freund, der Ihnen den Wagen geliehen hat, würde er mit sich verhandeln lassen?" „Er ist kein Freund. Er ist ein Geschäftspartner, und ich kann Ihnen aus persönlicher Erfahrung sagen, dass er Verhandlungen geradezu liebt." Auch ihr letztes bisschen Hoffnung erlosch, als er hinzusetzte: "Vor allem, wenn er seinen Gegner hilflos am Boden liegen sieht, nachdem er ihn fertig gemacht hat." Dylan schloss für einen Moment die Augen, um sich zu sammeln. Sie wagte sich gar nicht vorzustellen, wie ihre Versicherung auf diesen weiteren Schadensfall reagieren würde. Und das gerade jetzt, wo sie jeden Penny, sparen musste. Falls sie den Auftrag zugeteilt bekäme, würde sie eine Weile auf ihr Honorar warten müssen, müsste aber ihren Job kündigen, da sie unmöglich beides zur gleichen Zeit machen könnte. Und das würde bedeuten, dass sie von ihren Ersparnissen leben müsste. "Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen", erklärte Coop. Ihr Magen zog sich beim Klang seiner tiefen Stimme leicht zusammen, und sie öffnete wieder die Augen. Er stand immer noch neben ihr, und die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, hatte in keiner Weise nachgelassen. "Und der wäre?" "Sie sagten doch, dass Sie hier geboren und aufgewachsen sind." „Ja, aber..." „Sie kennen also diese Stadt?" "Wie meine Westentasche.“ "Nun, und ich weiß, wie man mit Jeb Brokaw umgehen muss." Sie runzelte die Stirn. "Ich verstehe nicht, was das eine mit dem...“ "Wie sieht Ihr Plan für den nächsten Tag aus?" unterbrach Coop sie. Doch bevor sie ihn fragen konnte, warum er das wissen wolle, hörte sie jemand ihren Namen rufen. „Dylan?"
Sie blickte über Coops Schulter und sah Dr. Barnette durch die Halle auf sich zukommen. Der kleine Mann, dessen Haar bereits recht schütter war, trug einen weißen Kittel über einem sportlichen Pullover und einer Golfhose. Als Dylan hastig an Coop vorbeilaufen wollte, um dem Doktor auf halbem Weg entgegenzugehen, stieß sie gegen seine Schulter und stolperte. Geistesgegenwärtig packte Coop sie am Unterarm, damit sie ihr Gleichgewicht wieder finden konnte. Verlegen spürte sie, wie die Wärme seines Körpers durch ihre feuchte Kleidung drang. "Schön stehen bleiben", flüsterte er dicht an ihrem Ohr, dann stand Dr. Barnette vor ihnen. Sie musste mehrere Male nervös schlucken, bevor sie ihre Frage herausbringen konnte, und war sehr froh, dass Coop immer noch ihren Arm hielt. "Geht es ... geht es Tori gut?" Dr. Barnette nickte, während er die Hände rieb, als ob er sie wärmen wollte. "Ihr geht es sogar sehr gut." Auf seiner Stirn erschien eine tiefe Falte. "Sie ruht sich jetzt aus, und ich werde sie zur Sicherheit über Nacht hier im Krankenhaus behalten. Aber soweit ich es beurteilen kann, geht es ihr großartig, dem Kleinen ebenfalls." Dylan atmete erleichtert auf. "Oh, das ist wundervoll", seufzte sie. "Das ist wahrhaftig eine gute Nachricht." Der Arzt sah Coop an und schaute sich dann um. "Und wo ist Allan?" "Er ist auf dem Weg hierher." "Wenn er kommt, sagen Sie ihm, dass seine Frau die Nacht hier verbringen muss.“ "Danke, dass Sie so schnell gekommen sind", sagte Dylan. "Eigentlich hatte ich vor, Golf zu spielen, aber der Regen hat meine Pläne zunichte gemacht. Ich werde jetzt nach Hause fahren, aber ich, habe Anweisungen gegeben, dass Tori morgen früh das Krankenhaus verlassen kann, wenn sie eine ruhige Nacht verbracht hat." Dr. Barnette blickte wieder Coop an, "Entschuldigen Sie", erklärte er. "Ich glaube nicht, dass wir einander begegnet waren.“ Coop streckte ihm die Hand entgegen. "Cooper Reeves." Die beiden Männer schüttelten sich die Hände. „Als Tori heiratete und eine Familie gründete, wusste ich, dass Dylan bald ihrem Beispiel folgen würde", erklärte Dr. Barnette zu Dylans Entsetzen. Dylan warf Coop einen Blick zu und wartete darauf, dass er den Doktor über den wahren Sachverhalt aufklären würde, aber Coop nickte nur. "Dylan hält nicht hinter dem Berg zurück. Sie ist in allen Dingen sehr schnell." Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, doch bevor sie irgend etwas richtig stellen konnte, rief erneut jemand ihren Namen. "Dylan!“ Dieses Mal war es Allan, der auf sie zugelaufen kam und dem es völlig gleichgültig war, dass er dabei mehrere Leute anrempelte. Atemlos blieb der große, schlaksige Mann schließlich vor ihr stehen. Sein sonst so blasses Gesicht
war von der Anstrengung und der Aufregung leicht gerötet und sein Haar vom Regen feucht. "Wo ist Tori? Was ist los? Warum hast du meiner Sekretärin nicht mehr erzählt, als du angerufen hast?" "Alles ist in Ordnung", beruhigte Dylan ihn und berührte seinen Arm. „Tori muss für eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, aber... " Er wandte sich abrupt Dr. Barnette zu. "Doc, was ist los?" schnitt er ungeduldig Dylan das Wort ab. Der Doktor ergriff Allans Arm und zog den Mann sanft mit sich. "Ich werde Sie zu Tori bringen", erklärte er. "Und während wir zu ihr gehen, können wir alles bereden." Dylan sah den beiden nach, bis sie durch die Schwingtür neben der Aufnahme verschwunden waren. Jetzt kam sie sich erst recht allein und verlassen vor. „Werden Sie auch zu Ihrer Schwester gehen?" riss Coop sie aus ihren Gedanken. Sie war nicht allein. Ein Mann stand neben ihr. Ein Fremder, der ihr, ohne sie auch nur zu berühren, Trost zu spenden schien. "Ich ... ich finde, ich sollte Tori ein paar Minuten mit ihrem Ehemann allein lassen." "Gute Idee." Während sie für einen Moment die Augen schloss, um sich zu beruhigen, spürte sie, wie Coop seine Hand um ihren Ellbogen legte. Unwillkürlich überfiel sie der Wunsch, sich an diesen Mann zu lehnen. Was ist nur mit mir los, fragte sie sich verwirrt, entzog sich aber seinem sanften Griff nicht, sondern ließ sich widerspruchslos zu den Sitzen neben den Fenstern führen. Dankbar ließ sie sie sich auf die mit Kunststoff bezogenen Sessel nieder, ihre Beine hatten sie plötzlich nicht mehr tragen wollen. Coop hockte sich vor sie, legte leicht die Hände auf ihre Oberschenkel und sah sie prüfend an. "Hey, ich kenne Sie nicht sehr gut, eigentlich überhaupt nicht, aber selbst ich kann sehen, dass Sie sich diesen Unfall zu sehr zu Herzen nehmen.“ Dylan war nicht der Typ, der in Selbstmitleid versank, aber im Moment bestand tatsächlich die Gefahr, dass sie genau das tun würde. "Es ist alles meine Schuld." "Sicher", entgegnete Coop, ohne zu zögern. "Aber es gibt da ein altes Sprichwort." "Welches?" "Das es gute und böse Unfälle gibt. Die guten sind die, in denen jeder unbeschadet aus seinem Wagen steigen und den Unfallort auf seinen eigenen Beinen verlassen kann. Das konnten Sie, und das konnte auch Ihre Schwester. Das ist gut, glauben Sie mir, sehr gut sogar. Natürlich befinden sich unsere Wagen nicht mehr in einem einwandfreien Zustand, aber auch dafür gibt es ein Sprichwort: Es sind die Menschen, die zählen, nicht die Autos. Und so ist es auch." Fast hätte Dylan bei seinen Worten gelächelt. "Das haben Sie sich gerade ausgedacht, nicht wahr?"
"Nein, das sind wirklich, sehr, sehr weise Sprichworte", entgegnete Coop und strich leicht über ihr Knie. Es war eine Berührung, die fast zufällig wirkte, trotzdem stockte Dylan für einen Moment der Atem. "Ich finde, Sie sollten sich jetzt eine Pause von Ihren Sorgen gönnen und sich entspannen." Sie nickte. "Gut." Er zog seine Hand zurück. "Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen." Seine Worte regten sofort ihre Phantasie an und riefen allerlei Bilder in ihr hervor ... Bilder, die nichts mit Wagen oder Unfällen zu tun hatten. Dylan hatte sich bereits oft von Männern angezogen gefühlt, hatte Männer getroffen, die entweder sexy oder interessant oder anziehend waren. Aber sie war noch nie einem Mann wie Coop begegnet, auf den all das zutraf. Und obwohl sie in acht Monaten ihren dreißigsten Geburtstag feiern würde, war sie unfähig, mit der Anziehungskraft, die dieser Mann auf sie ausübte, umzugehen. Sie fuhr sich leicht mit der Zunge über die Lippen. „Ein Vorschlag? Was für ein Vorschlag?" Ihre Frage klang vorsichtig. Sie wartete gespannt auf die Antwort.
3. KAPITEL Coop war Dylan so nahe, dass er die verschiedenen Blautöne ihrer Iris und ihren weiblichen, blumigen Duft, der sich mit dem der regennassen Kleidung vermischte, wahrnehmen konnte. "Ich weiß, dass Sie bestimmt zuerst zu Ihrer Schwester gehen wollen, aber haben Sie danach etwas vor?" fragte Coop. Dylan sah ihn erstaunt an. "Wie bitte?" "Was haben Sie für die nächsten vierundzwanzig Stunden geplant?" Sie zuckte die Schultern. "Eigentlich wollte ich arbeiten. Warum?“ "In einem Büro?" "Nein, ich mache etwas für mich." "Was ist es?" "Ich habe mich um einen Auftrag beworben. Es handelt sich um die Restaurierung einiger alter Gebäude, im historischen Teil der Stadt, und ich hatte vor, noch einmal dort hinzufahren, um mir einige Anregungen für meine Pläne zu holen. Dann wollte ich nach Hause fahren und an den Entwürfen arbeiten." Alte Häuser? Das war nicht gerade seine Vorstellung davon, wie er die ihm noch verbliebene Zeit in San Diego verbringen wollte. Aber wenn Dylan dabei war, warum nicht? "Nehmen Sie mich mit.“ "Mr. Reeves, ich glaube nicht, dass..." "Coop, nennen Sie mich Coop. Ich möchte mit Ihnen reden."
"Worüber wollen Sie mit mir reden?" "Über meinen Vorschlag. Was halten Sie davon, wenn ich Brokaw davon überzeuge, dass Ihre Versicherung nicht eingeschaltet zu werden braucht?" Sie nickte. "Das würde ich sehr zu schätzen wissen." "Würden Sie dann auch etwas für mich tun?" Ihre Augen weiteten sich leicht vor Erstaunen. "Wie bitte?" "Zeigen Sie mir San Diego. Zeigen Sie mir die Stadt. Zeigen Sie mir die alten Gebäude, die Sie so in Bann ziehen. Zeigen Sie nur, was immer Sie wollen. Ich habe Zeit, und Sie kennen die Stadt.“ "Sie wollen, dass ich für Sie Fremdenführerin spiele?" "Klar, das würde uns beiden weiterhelfen." "Und Sie glauben tatsächlich, dass Sie Mr. Brokaw dazu bewegen könnten, auf die Mitteilung an meine Versicherung zu verzichten und mich selbst für den Schaden aufkommen zu lassen?" „Ja, das glaube ich. Aber ich habe noch immer keine Antwort auf meinen Vorschlag." Als Dylan auch weiterhin zögerte, wurde Coop plötzlich klar, wie wichtig es für ihn war, nicht allein dieses Krankenhaus zu verlassen. Ein etwas seltsames Verhalten für einen Mann, der ein überzeugter Einzelgänger war, aber im Moment wollte er einfach nicht allein sein. „Ich würde gern Ihre Häuser sehen", hörte er sich sagen, obwohl er normalerweise so gut wie überhaupt nicht an Architektur interessiert war. "Das was Sie vorhin erwähnt hatten, hörte sich sehr interessant an", schwindelte er. Die letzten Worten zauberten ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht. "Interessant sind die Häuser wirklich", erwiderte sie. Coop zuckte die Schultern, an denen sein feuchtes Hemd klebte. "Ich bin offen für alles, und wenn diese Häuser Sie so faszinieren, lasse ich mich gern von Ihnen anstecken." Sie hob die Hand, und zum ersten Mal fiel ihm auf, wie schlank ihre Finger waren. "Das reicht. Sie müssen mir nicht vormachen, dass Häuser irgendeine andere Bedeutung für Sie haben als die, dass sie eben Häuser sind. Es gibt in dieser Welt nur sehr wenige Leute, die beim Anblick von Fassaden und Dachbalken glänzende Augen bekommen." Da Coop sie nicht anlügen wollte, ignorierte er ihre Bemerkung einfach. "Haben wir eine Abmachung?" "Ich muss aber Tori zuerst sehen, und dann diese Sachen... " Sie strich energischer über ihre Kleidung. "Sie sind völlig hinüber. " Er hätte ihr am liebsten versichert, wie hübsch sie auch durchnässt aussehe, aber er fürchtete, dass das zu sehr nach einem Klischee geklungen hätte. Er nickte. "Kein Problem. Besuchen Sie zuerst Ihre Schwester und fahren dann nach Hause, um sich umzuziehen. Danach können wir gemeinsam starten.“ Er sah sie prüfend an. "Was halten Sie davon?" Dylan seufzte leise und erhob sich ebenfalls. "Wenn es Ihnen möglich ist, diesen Brokaw umzustimmen, dann kann ich Sie auch ein wenig in San Diego herumführen." Sie steckte eine vorwitzige Locke hinter ihr Ohr. "Sagen Sie mir,
wo wir uns treffen sollen, und wenn ihr Freund mit der Vereinbarung einverstanden ist, werde ich...“ "Gehen Sie zu Ihrer Schwester", unterbrach Coop sie. "Währenddessen werde ich in mein Hotel fahren, mich ebenfalls umziehen und Brokaw anrufen. Dann komme ich hierher ins Krankenhaus zurück und sage Ihnen, wie die Dinge stehen." "Sind das keine zu großen Umstände?" fragte Dylan zweifelnd. "Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Besuchen Sie Ihre Schwester. Ich bin bald zurück." Dylan zögerte. Offensichtlich wusste sie nicht, was sie tun sollte, also nahm Coop ihr die Entscheidung ab. „Ich werde in einer Stunde zurück sein." "Also gut, wir treffen uns hier in einer Stunde", murmelte sie und verschwand dann hinter den Schwingtüren. Coop sah ihr nicht nach, sondern ging sofort zum Ausgang hinüber. Es war fast dunkel, und es regnete immer noch. Während er zu seinem Mercedes eilte, hatte er das seltsame Gefühl, etwas zu erleben, das mit nichts, aber auch mit nichts zu vergleichen wäre, was er bisher gekannt hatte. Er stieg in den Wagen und stellte fest, dass Dylans Duft immer noch in den Polstern hing. Eine Illusion, sagte er sich mit einem Kopfschütteln, aber er freute sich schon jetzt darauf, Dylan wieder zu sehen, mit ihr zu reden und sie naher kennen zu lernen. Sie könnte sicherlich die Einsamkeit vertreiben, die er in dieser Stadt empfand. Er fuhr sich mit der Hand durch sein regennasses Haar und startete den Motor. Noch bevor er losfuhr, wurde ihm bewusst, was er tatsächlich empfand. Sehnsucht. Er hatte Sehnsucht. Wann hatte er sich das letzte Mal nach jemandem gesehnt, wann jemanden so wie Dylan gebraucht? Es war so lange her, dass er sich kaum noch daran erinnern konnte. Seit er erwachsen war, hatte er stets nach seinen eigenen Regeln gelebt. Beziehungen hatte er als beengende Fesseln empfunden, und er hatte sich auf niemand anderen verlassen als auf sich selbst. Brokaw war der Meinung, dass das der Grund für sein Draufgängertum sei, der Grund, warum er so oft bis an seine Grenzen ging und auch gefährliche Situationen nicht scheute. Da Coop niemanden hatte, dem er nahe stand, war sein Chef der einzige, dem er sich verpflichtet fühlte. Er hatte niemanden, der um ihn trauern würde, wenn er einmal aus einer engen Kurve herausgeschleudert und nicht mehr aus seinem Wagen steigen könnte. Es kümmerte Coop nicht, was Brokaw oder irgendjemand anders über ihn dachte. Ihm gefiel sein Leben, so wie es war. Ihm gefiel, was er tat und wie er es tat. Trotzdem gab er zu, dass er sich im Moment nichts sehnlicher wünschte, als in einer Stunde endlich Dylan wieder zu sehen. Es war gegen sieben Uhr abends und bereits dunkel draußen, als Dylan Tori mit Allan allein ließ und hinaus in den grüngekachelten Korridor des siebten Stocks trat. Noch während sie mit ihrer Schwester und ihrem Schwager geplaudert
hatte, hatte sie der Gedanke nervös gemacht, dass Coop auf sie wartete. Jetzt aber, da sie sich im Flur umsah und nirgendwo den großen, dunkelblonden Mann entdecken konnte, wusste sie nicht, ob sie Enttäuschung oder Erleichterung empfinden sollte. Sie ging zu den Fahrstühlen hinüber und drückte, auf den Knopf. Vielleicht ist es gut, dass er nicht gekommen ist, dachte sie. Heute war ein verrückter Tag gewesen, und das letzte, was sie jetzt brauchte, war die Gegenwart eines Mannes, dessen Nähe bereits genügte, sie noch mehr aus dem inneren Gleichgewicht zu bringen. Mit einem Klingeln leuchtete das Licht des Fahrstuhlknopfes auf, und wenige Sekunden später öffneten sich die Türen. Als ob ihre Gedanken Coop herbeigerufen hätten, stand er vor ihr im Fahrstuhl. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt ein beiges, langärmliges Hemd, das seine breiten Schulter betonte, dazu dunkelbraune Hosen und Wildlederschuhe. Dylan hatte fast vergessen, wie gutaussehend dieser Mann war, und auf einmal forderten die vielen Aufregungen dieses Tages ihren Preis. Ihr wurde schwindlig, und sie hatte das Gefühl, ihre Beine würden unter ihr nachgeben. Sie wollte sich gerade hilfesuchend an der Wand abstützen, als Coop bereits den Fahrstuhl verlassen hatte und bei ihr war. Er packte sie sanft bei den Schultern und lehnte sie gegen die kalte Wand. Sie spürte die Wärme seines Körpers und sehnte sich danach, sich an seine Brust schmiegen zu können. Dieser Mann schien ihr Rettungsanker geworden zu sein, und das störte sie fast genauso wie ihre ungewohnte Schwäche. Er sagte etwas zu ihr, aber sie begriff den Sinn seiner Worte erst, als sie sich zusammenriss und sich konzentrierte. "Sie sind schneeweiß. Geht es Ihnen nicht gut?" fragte Coop besorgt. "Ist irgendetwas mit Ihrer Schwester? Ich dachte, es sei alles in Ordnung... " "Nein, nein", unterbrach Dylan ihn mit atemloser Stimme, die sie kaum als ihre eigene erkannte. „Tori ... Tori geht es gut. Es ist nur alles ein bisschen viel gewesen, und... " antwortete sie stockend und hielt mitten im Satz inne. Coop blickte sich im Korridor um. "Verflixt, wir sind in einem Krankenhaus, und nirgends ist ein Arzt zu sehen. Was um alles in der Welt …“ „Nein, nein, ich brauche keinen Doktor", Warf Dylan rasch ein. Auch ein Arzt hätte keine Medizin, die die Anziehungskraft, die dieser Mann auf sie ausübte, schmälern könnte. "Mir wurde nur ein wenig schwindlig. Das ist alles." Er sah sie prüfend an. Dann ließ er ihre Schultern los und strich ihr mit der Hand über die Wange. "Du lieber Himmel, fühlen Sie sich kalt an. Werden Sie etwa ohnmächtig?" "Nein, mir geht es gleich wieder gut", antwortete sie schnell, obwohl sie sich dessen gar nicht so sicher war. "Ich brauche nur ... frische Luft." Vorsichtig machte sie einen Schritt. Sie musste sich nur ein wenig von diesem Mann entfernen, damit sie endlich wieder normal durchatmen konnte. Glücklicherweise hielt Coop sie nicht fest, und obwohl ihre Knie leicht zitterten, trugen ihre Beine sie tatsächlich, wie sie erleichtert feststellte.
"Sind Sie sicher, dass Sie nicht in Ohnmacht fallen werden?" fragte Coop zweifelnd. "Ich bin noch nie ohnmächtig geworden", antwortete Dylan und versuchte nervös, die zerknitterte Bluse glatt zu streichen. "Es gibt für alles ein erstes Mal." Coop hatte so leise gesprochen, dass Dylan den Kopf wandte, um ihn anzusehen. Sie bedauerte, ihre Reaktion sofort, denn er lächelte ... ein Lächeln, das wie ein Stromstoß auf sie wirkte. Das erste Mal, dass ein Lächeln eines Mannes eine so starke Reaktion bei ihr auslöste. "Sind Sie auch wirklich ganz sicher, dass es Ihnen gut geht?" fragte er noch einmal. "Ganz sicher." Sie drehte ihm rasch den Rücken zu und kämpfte darum, dem Mann mit mehr Gelassenheit zu begegnen. Aber Coop ließ nicht locker. "Können Sie allein laufen, oder soll ich Sie tragen?" bot er sich an. Unwillkürlich heizte sein Angebot Dylans Phantasie an. Wie wäre es, wenn sie sein Angebot annehmen würde ... Sie schloss die Augen und holte tief Luft, um diese albernen Gedanken zu verdrängen, Gedanken, die einem total Fremden galten. "Danke, ich komme allein zurecht", erklärte sie. Er nickte nur und drückte auf den Aufzugknopf. Der Fahrstuhl kam sofort, und Coop ließ Dylan eintreten, sobald die Türen sich geöffnet hatten. Während der Aufzug hinunterfuhr, verschränkte Dylan die Hände ineinander und schaute auf ihr eigenes Bild, das sich in den polierten Metalltüren widerspiegelte. Coop stand genau neben ihr. Sein würziger, sehr männlicher Duft umgab sie. Sie zuckte leicht zusammen und sah rasch auf ihre Hände, als sich im Spiegelbild der glänzenden Tür zufällig ihre Blicke trafen. Warum hatte dieser Mann nur soviel Macht über sie? Dylan zwang sich, ruhig und gelassen zu bleiben. "Haben Sie inzwischen mit Ihrem Freund, mit Mr. Brokaw, sprechen können?" „Ja, und es ist bereits alles geregelt. Er sagte, es sei ihm völlig egal, wer zahlt, so lange für den Schaden aufgekommen wird. Er wird die Reparatur bezahlen und Ihnen dann die Rechnung schicken. Er ist sogar mit Monatsraten einverstanden." Dylan seufzte erleichtert auf. Wenigstens war das eine gute Nachricht. "Er hat sich nicht allzu sehr über den Unfall aufgeregt", fuhr Coop fort. "Dieser Mann sieht einen Wagen als reinen Gebrauchsgegenstand an. Und da bei dem Unfall keine Personen zu Schaden gekommen sind, und alle unverletzt und glücklich sind, macht er sich keine weiteren Sorgen." Dylan konnte einen Mercedes kaum als reinen Gebrauchsgegenstand sehen. Aber glücklich konnte sie im Augenblick Tori kaum nennen. "Meine Schwester ist zwar unverletzt, aber sie ist weit davon entfernt, glücklich zu sein." Natürlich konnte sie Coop nicht erzählen, wie wütend Tori über die Tatsache war, dass sie die Nacht im Krankenhaus verbringen und damit auf eine letzte Liebesnacht mit Allan verzichten musste. "Sie ist nicht gerade erfreut, bis morgen im Krankenhaus bleiben zu müssen", setzte sie hinzu und schob den Gedanken an schwarze Spitzennachthemden und Liebesnächte lieber beiseite.
"Ich kann es ihr nachfühlen. Ich hasse Krankenhäuser ebenfalls." „Tori ist keine sehr geduldige Patientin. Seit sie schwanger ist, ist es schwer, mit ihr auszukommen, aber wenn sie dazu auch noch im Bett liegen muss, dann…“ "Freut sie sich nicht darauf, ein Kind zu bekommen?" "Oh, doch. Sie liebt es geradezu, schwanger zu sein und endlich Mutter zu werden." Und das war die Wahrheit, und die Worte sprudelten nur so aus Dylan heraus. "Sie ist dazu geboren, Mutter zu sein." Der Fahrstuhl hielt an, und als die Türen sich öffneten, trat Dylan vor Coop hinaus in die große Eingangshalle. Ohne Coop anzuschauen, ging sie auf den Ausgang zu, dankbar über die Tatsache, dass sie endlich tief Luft holen konnte, ohne seinen Duft einatmen zu müssen. "Ich habe von solchen Frauen gehört", erklärte er, nachdem er sie eingeholt hatte und neben ihr herging. "Das sind die geborenen Mütter." „Ja, Tori ist es", murmelte sie, während sie durch die Glastüren hinaus in die regnerische Nacht schaute. "Meine Schwester ist die geborene Hausfrau und Mutter." "Und wie steht es mit Ihnen?" fragte Coop, als die Automatiktüren sich öffneten und sie hinaus in den leichten Nieselregen traten. "Was soll mit mir sein?" "Wäre geborene Hausfrau und Mutter auch eine perfekte Definition für Sie?“ Dylan blieb stehen und sah Coop an. Jetzt, wo sie dem engen Fahrstuhl entronnen war, brachte sie sogar wieder ein Lächeln zustande. „Für mich? Oh, nein." Sie hatte noch nie darüber nachgedacht, wie sie sich eigentlich definieren sollte, und es war ihr unangenehm, dieser Frage in der Gegenwart eines Fremden nachzugehen. "Wo haben Sie geparkt?" fragte sie in der Hoffnung, ihn von diesem heiklen Thema ablenken zu können. "Dort." Er wies mit der Hand in Richtung seines Wagens. „In der Nähe des Eingangs war alles besetzt." Als sie den schwarzen Wagen erreicht hatten, betrachtete sie sich die verbogene Stoßstange und das leicht eingebeulte Blech. "Das sieht ziemlich schlimm aus", stellte sie fest. "Ich bin wirklich dankbar, dass Ihr Freund so verständnisvoll ist, obwohl er den Schaden gesehen hat." „Er hat ihn nicht gesehen. Ich sagte ihm am Telefon, dass mir bereits Schlimmeres unter die Augen gekommen sei. Das reichte ihm." Coop stand ihr sehr nahe. "Haben Sie denn so viel Erfahrung sammeln können, dass es Ihnen leicht fällt, Unfallschäden einzuschätzen?" Coop lachte leise, ein sehr anziehendes Lachen, wie Dylan fand. "Unfallschäden einzuschätzen, ist Teil meiner Arbeit. Ich habe schon viele Unfallwagen gesehen. Er wies auf die Beifahrertür. „Steigen Sie ein. Ich werde Sie zu Ihrer Wohnung fahren, damit Sie sich umziehen können. Dann werden wir unserer Besichtigungstour beginnen."
Für einen Moment befürchtete Dylan, Coop würde sie wieder berühren, etwas, das sie auf keinen Fall wollte. Sie machte einen Schritt zur Seite, um ihm auszuweichen, und schämte sich ihrer Reaktion, als ihr bewusst wurde, dass er ihr nur die Beifahrertür öffnen wollte. Ohne ihn anzusehen, stieg sie in den Wagen. Als sie sich in die weichen Lederpolster setzte, fiel ihr Blick auf ihre Handtasche, die zwischen den Sitzen steckte. Sie hatte sie vollkommen vergessen, als sie vorhin außer sich vor Sorge um Tori vor dem Krankenhaus ausgestiegen war. Dylan legte die Tasche auf ihren Schoß, während Coop einstieg und den Motor startete. Schien der Fahrstuhl bereits zu eng gewesen zu sein, so hatte sie jetzt im Wagen das Gefühl, überhaupt keine Luft mehr zu bekommen. Dylan blickte durch die Windschutzscheibe in die neblige Nacht hinaus. Aus diesem Parkplatz herauszukommen, war nicht leicht. Regen und Nebel nahmen ihm die Sicht. Dylan kam der Gedanke, dass dies genau auch ihre Rettung sein könnte. "Ich glaube nicht, dass es einen Sinn hat, jetzt eine Besichtungstour zu machen. Es ist, viel zu dunkel und regnerisch draußen. Und in San Diego kann man nachts nicht viel unternehmen.“ "Ich habe stets gefunden, dass die interessantesten Dinge sich gerade im Dunklen abspielen", bemerkte Coop, während er den Parkplatz verließ. Seine Worte riefen solch einen Ansturm an erotischen Bildern in Dylan hervor, dass ihr für einen Moment der Atem stockte. Sie hielt die Handtasche fest umklammert und warf Coop einen verstohlenen Seitenblick zu. Offensichtlich war ihm nicht bewusst, was für eine Wirkung seine Worte auf sie hatten. Seine Aufmerksamkeit schien ganz auf das Fahren gerichtet zu sein. "Ich verstehe nicht, was Sie soeben sagen …“ begann Dylan, wurde aber sofort unterbrochen. "Vertrauen Sie mir", bat Coop sie. "Ich bin ein Experte in den Dingen, die man nachts tut." Er musterte sie amüsiert von der Seite. "Ich bin darin sehr geübt." Verflixt, sie konnte kaum noch atmen. Dylan zweifelte nicht im Geringsten daran, dass er Erfahrungen auf vielen Gebieten hatte, besonders darin, Wortspiele zu gebrauchen, die eine Frau verlegen machen konnten. Dylan fühlte sich wie ein Teenager, obwohl sie bisher über erotische Anspielungen nur kühl gelächelt hatte. Dieser Mann brachte sie völlig durcheinander. Sie wollte endlich wieder ihren gesunden Menschenverstand gebrauchen. Doch irgendetwas sagte ihr, dass Coop und gesunder Menschenverstand nicht zusammenpassten. "Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist", stieß sie ohne nachzudenken hervor. "Was?" fragte er. "Das .... na, das ... " "Dass Sie mir San Diego zeigen?" fragte er. Sie machen mich verrückt, hätte Dylan ihm am liebsten gesagt, entschied sich jedoch für: "Dieser ganze Tag war verrückt." Und das entsprach auch der Wahrheit. "Und ich bin ... " Sie suchte nach den passenden Worten, aber er gab
ihr dazu keine Gelegenheit. "Sie sind was? Eine San-Diego-Expertin, die immer noch feuchte Kleidung trägt und sich vor Sorgen um ihre Schwester fast verrückt macht?" "So ungefähr", antwortete Dylan resigniert. Er warf ihr im Halbdunkel des Wagens einen Blick zu. "Dann lassen Sie mich doch um alles kümmern." Das war genau das, was Dylan nicht wollte. "Nein", entgegnete sie schroffer als beabsichtigt. "Ich möchte Sie bitten, dass Sie mich vor meiner Haustür absetzen, und wenn es morgen aufgehört hat zu regnen, dann …“ "Ich dachte, eine Abmachung wäre eine Abmachung", fiel er ihr ins Wort und sah sie an, als er kurz vor der Ausfahrt des Parkplatzes anhielt. "Natürlich, aber es regnet und..." Der Blick, den er ihr jetzt zuwarf, war so intensiv, dass Dylan auf einmal die Worte fehlten. "Hey, es tut mir leid", erklärte er. "Wenn Sie es nicht tun wollen, vergessen Sie das Ganze einfach. Ich werde Sie zu nichts zwingen. Ich dachte nur, wir könnten …" Er seufzte und fuhr dann fort: "Verflixt, irgendwie mache ich alles falsch." Sie hielt ihre Handtasche so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. "Was machen Sie falsch?" Coop antwortete nicht, sondern schaute durch die Windschutzscheibe. Die Spannung, die sich im Wagen ausbreitete, war beinahe greifbar. Schließlich fuhr er sich nervös mit der rechten Hand durchs Haar. „Es wird Zeit, endlich mit der Wahrheit herauszukommen." "Ich verstehe nicht." "Die Wahrheit", wiederholte er langsam und sah sie kurz an. "Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, wie ich mir heute die Zeit vertreiben könnte. Auf keinen Fall möchte ich zurück in mein Hotelzimmer, um mir Wiederholungen von ‚Gilligans Insel' anzuschauen und die ganze Nacht wach zu liegen und darüber zu grübeln, warum der Professor und Mary Ann nie zusammenkommen.“ Dylan starrte ihn verblüfft an. Sie war nicht sicher, ob sie seine Worte richtig verstanden habe. "Wie bitte?" "Sie sind doch nie ein Paar geworden, oder? Ich glaube, dass ich jede Folge gesehen habe, und die beiden haben sich nie bekommen. Es sei denn, ich habe genau diese eine Folge versäumt. Also, wenn ich ausgerechnet diese Folge ausgelassen hätte, wäre ich wirklich sehr verärgert. " Dylan musste gegen ihren Willen lachen. "Auf dieser Insel hat sich nie jemand bekommen." "Also gut, genug von Gilligans Insel", erwiderte er. "Bitte, retten Sie mich vor diesem Unsinn. Wir könnten im Regen umherfahren oder essen gehen oder das Abwassersystem der Stadt besichtigen. Alles ist besser als Gilligan. Wissen Sie, dass ich sogar den Text zu der Musik kenne?" Dylan lehnte sich in den Sitz zurück. Das Lachen war verklungen, aber es hatte etwas in ihr bewirkt. Plötzlich erschien ihr alles ganz einfach. Er hatte sie nur darum gebeten, ihm zu helfen, sich ein wenig die Zeit in dieser Stadt zu
vertreiben, und sie wusste, dass sie ihm das schuldig war, nachdem er sich so für sie bei seinem Freund eingesetzt hatte. "Nun?" fragte Coop. "Soll ich für Sie die Erkennungsmelodie der Gilliganfolgen singen?" "Nein, nein, nicht nötig. Ich werde Sie begleiten." Sie entspannte sich ein wenig. "Wir werden uns irgendetwas ausdenken, etwas, das ein bisschen interessanter als das Abwassersystem der Stadt ist…“ Dylan wollte sich gerade gelöst in die Polster zurücklehnen, als er mit wenigen Worten ihr mühsam zurückgewonnenes Gleichgewicht erneut zerstörte. "Oh, ja, ich weiß, dass wir das werden", erklärte er mit einer Stimme, die ihr ein erregendes Prickeln bis in die Zehenspitzen schickte.
4. KAPITEL Dylan rückte noch ein Stück von Coop ab und spürte, wie ihr ganzer Körper sich anspannte. Sie verabscheute die Art, wie es ihm gelang, allein mit Worten mit ihr zu spielen. "Wie kommen wir zur Ihrem Haus?“ fragte Coop. Sie erklärte ihm rasch, welcher Weg der günstigste sei, und wusste, dass es nur eins gab, mit dieser Situation fertig zu werden. Sie musste sie so schnell wie möglich beenden. Aber als Coop erneut das Wort an sie richtete, wusste Dylan, dass es nicht einfach werden würde. "Wie definieren Sie sich denn, wenn nicht durch Heim und Kinder?" fragte er gelassen. Er ließ ein angeschnittenes Thema wohl niemals fallen. Dylan schaute hinaus in die regnerische Nacht. "Ich weiß es nicht." "Also gut, machen wir es für uns beide einfacher." "Wie bitte?" fragte sie verdutzt. "Wir wurden uns nie vorgestellt, und da wir niemanden haben, der es für uns tun könnte, müssen wir es eben selbst übernehmen. Ich beginne." Dylan nickte. "In Ordnung." "Ich bin Cooper Mason Reeves, achtunddreißig Jahre alt. Ich habe weder Brüder noch Schwestern. Ich habe ein Apartment in New York, bin aber selten dort. Meine Lieblingsfarbe ist rot. Ich weiß nicht, was für ein Sternzeichen ich habe, aber ich wurde am 1. Mai geboren. Ich trage Schuhgröße vierundvierzig und bin kein besonderer Freund von Gilligan.“ Wenn er so humorvoll war wie er sich gab, würde es ihr vielleicht leicht fallen, mit ihm umzugehen. "Warum sind Sie in San Diego?" fragte Dylan. "Ich warte die Nachricht ab, ob ich in den nächsten fünf Jahren einen Job haben werde. Die Entscheidung fällt in den kommenden zwei Tagen." „Was machen Sie beruflich?« "Ich bin Testfahrer für Prototypen."
"Was ist das?" "Neue Wagen, neue Konzeptionen. Ich versuche herauszufinden, ob sie auch tatsächlich das leisten, was sie leisten sollen." "Sind Sie Ingenieur?" "Nein, eher Rennfahrer." „Fahren Sie etwa auch gegen Mauern, um zu sehen, was dann passiert? Ich dachte, man benutzt Dummies für so etwas." Coop lachte leise. "Auf jeden Fall fahren wir nicht absichtlich gegen Mauern, wir versuchen lediglich die Rennstrecke und auch sehr enge Kurven zu meistern." "Und was ist mit Unfällen?" "Wenn man Glück hat, passiert nichts." Dylan wurde auf einmal klar, wie unbedeutend der kleine Blechschaden, den sie angerichtet hatte, für ihn gewesen sein musste. "Und wie viel Glück haben Sie?" Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Es reicht mir." "Ausgenommen, wenn Sie von hinten angefahren werden." "Klar, aber das war nicht so schlimm", sagte Coop. "Zumindest werde ich mir keine Wiederholungen im Fernsehen ansehen müssen. Das ist gut. Außerdem ist keiner verletzt worden. Und das ist noch besser." "Sind Sie schon öfter verletzt worden?" "Ich hatte einige Brüche, Prellungen, Abschürfungen, aber die Sicherheitsvorrichtungen in den Wagen sind erstklassig. Sie kennen doch das alte Sprichwort: Jeder Unfall, aus dem man noch aus seinem Wagen steigen und gehen kann, ist ein...“ "... guter Unfall", beendete Dylan den Satz. "Genau." Obwohl Dylan sich nicht erklären konnte, warum, gefiel ihr der Gedanke ganz und gar nicht, dass Coop sich ständig lebensgefährlichen Situationen aussetzte. "Haben Sie denn keine Angst, dass Ihr nächster Unfall kein guter Unfall sein könnte?" "Ich denke nicht daran. Wenn ich Angst hätte, wäre das für niemanden im Geschäft von Vorteil, schon gar nicht für mich. Angst lässt einen im falschem Moment zögern und hält einen zurück, wenn man das Bestes geben sollte." "Sie haben also überhaupt keine Angst vor dem, was passieren könnte?" "Oh, doch. Aber ich lasse mich von ihr nicht einschüchtern. Ich betrachte meinen Job eher als Herausforderung. Brokaw sagt, Angst sei für mich das, was Drogen für die Junkies ist." Coop lachte rau auf. "Brokaw ist wie Ihre Schwester. Er hat fest gefügte Meinungen.“ "Hat er recht?" "Wahrscheinlich mehr, als ich zugeben möchte. Er behauptet, das sei auch der Grund, warum ich allein bin. Auf diese Weise habe ich niemanden, der von mir abhängt. Ich kann tun und lassen, was ich will, und brauche mir über niemanden außer über meine eigene Person Sorgen zu machen. Er hätte Psychotherapeut
werden sollen", erklärte Coop, während er auf den Freeway fuhr. "So, jetzt sind Sie an der Reihe", wechselte er dann das Thema. "Erzählen Sie mir etwas von sich." Dylan beobachtete eine Weile die aufleuchtenden Scheinwerfer der entgegenkommenden Wagen. Seine Worte über die Angst, über die Risiken, die er suchte, und über das Alleinsein hatten sie seltsam berührt. Nie zuvor war sie einem Mann wie Cooper Reeves begegnet. Sie atmete tief durch. "Mein Name ist Dylan Briar Bradford. "Sind Sie nach einem irischen Dichter benannt worden, der im achtzehnten Jahrhundert lebte?" Dylan sah ihn überrascht an. "Ich glaube, Sie sind die erste Person, die meinen Namen überhaupt in Verbindung mit Dylan Briar bringt. Die meisten Leute glauben, ich sei nach Bob Dylan benannt worden. Woher kennen Sie den Dichter?" "Eines Nachts war ich einmal sehr betrunken. Ich war in Gesellschaft eines anderen Fahrers ... ich glaube, er hieß Tilly oder so ähnlich ... und er trug mir ein Gedicht vor, in dem es darum ging, dass nur wenige Menschen mitbekommen, wann sich die wertvollsten oder entscheidendsten Momente in ihrem Leben abspielen." "Der Titel des Gedichtes ist: Zeitportale. Mein Vater hat es mir oft vorgelesen." "Vielleicht wollte der Dichter damit ausdrücken, dass man nur im Hier und Jetzt leben sollte und nicht für die Vergangenheit oder die Zukunft. Dann braucht man sich keine Sorgen zu machen, ob man die wertvollsten Momente erkennt oder auch nicht. Man lebt sie ja. " Dylan spürte heraus, dass Coop, das, was er sagte, auch glaubte. Und dieser Glaube war es, der ihn dazu brachte, stets bis an seine Grenzen zu gehen und nie zurückzuschauen. "Ist das Ihre Lebensphilosophie?" fragte sie ihn. „Für den Moment, im Hier und Jetzt, zu leben?" "Ja, so ist es", antwortete er, während er ihr einen kurzen Seitenblick zuwarf. "Und was ist mit Ihnen? Glauben Sie daran, dass man für den Moment leben sollte?" Das war wieder so eine Frage von Coop, die Dylan verwirrte und auf die sie keine Antwort wusste. "Wenn Sie meinen, dass man tun sollte, was man tun muss, dann glaube ich auch daran. Aber wenn Sie damit sagen wollen, dass man nur dem Genuss des Moments nachgeben sollte, nein, das halte ich nicht für sehr schlau." "Schlau? Muss es das sein?" "Vielleicht ist schlau das falsche Wort. Vielleicht sollte ich sagen, dass das nicht sehr effektiv ist. Ich meine, man sollte seine Zukunft schön in etwa planen." "Kennen Sie nicht die alte Lebensweisheit, dass das Leben passiert, während man sich über seine Zukunft Sorgen macht?" "Worte", murmelte sie.
"Worte, die wahr sind", entgegnete er. Nach einer Minute Schweigen fragte er: "Wissen Sie, was ich denke?" Dylan wusste, dass er es ihr sagen würde, gleichgültig wie ihre Antwort ausfiele, trotzdem erwiderte sie: "Nein, was denken Sie?" „Dass Sie ein paar Lektionen darüber gebrauchen könnten, wie man im Hier und Jetzt lebt." "Oh, ich komme ganz gut zurecht." Ihre Stimme klang leicht gepresst. "Und das, obwohl ich seit längerem aus der Schule bin." "Vielleicht brauchen Sie einen kleinen Auffrischungskurs." Dylan umklammerte wieder ihre Handtasche und sah hinaus in die Nacht. "Ich möchte nur endlich diese Kleider ausziehen und... " Sie unterbrach sich sofort, als ihr klar wurde, was sie da gesagt hatte. "Nun, nach Ihren Worten zu urteilen, würde ich behaupten, Sie wissen bereits, wie man im Hier und Jetzt lebt." Verflixt, dachte Dylan, warum besitzt dieser Mann die Macht, mich völlig durcheinander zu bringen? Gegen ihren Willen breitete sich eine prickelnde Wärme in ihrem Körper aus. "Sie wissen, was ich meine", erwiderte sie kurz angebunden und schloss dabei resigniert die Augen. "Die Bluse klebt feucht auf der Haut, und das ist nicht gerade angenehm." "Natürlich." Selbst als Coop ihr zustimmte, wusste sie, dass er in Wirklichkeit etwas anderes gemeint hatte. "Wir haben eine Stadtbesichtigung vor uns und keinen Philosophieunterricht", bemerkte sie schroff. „Finden Sie nicht auch, dass das ganze Leben eine Art Unterricht in Philosophie ist?" „Ein weiteres Sprichwort?" "Nur ein Gedanke, eine Idee." "Ich kenne auch ein altes Sprichwort.“ "Oh? Wie lautet es?" „Ein Fremdenführer führt Besichtigungen durch, und ein Tourist ist kein Philosophiestudent. Ich finde, wir sollten eins nach dem anderen angehen.“ "Da stimme ich mit Ihnen überein", erwiderte Coop mit irritierender Gelassenheit. "Konzentrieren wir uns erst einmal auf Sie. Außer Ihrem Namen, weiß ich noch nichts von Ihnen." Die entgegenkommenden Scheinwerfer beleuchteten im Abstand Coops Gesicht und ließen ihn geheimnisvoll und faszinierend wirken. Dylan wandte den Blick von ihm ab. "Ich bin neunundzwanzig Jahre alt“, begann sie, nachdem sie sich geräuspert hatte. "Ich habe nur eine Schwester, Tori, die drei Jahre jünger ist als ich. Unsere Eltern leben in Florida und scheinen sich dort sehr wohl zu fühlen. Ich habe mein ganzes Leben in San Diego verbracht." "An welchem Tag sind Sie geboren?" "Am 4. Juli." "Ah, deswegen gibt es an diesem Tag ein Feuerwerk."
Seine humorvolle Bemerkung entspannte Dylan ein wenig. "Als ich noch klein war, hat mein Dad das auch zu mir gesagt. ‚Nur für dich, Dylan', versicherte er mir, und ich glaubte ihm." "Woran glauben Sie, wenn es nicht Herd, Ehe und Kinder sind." Dylan sah hinaus in den Regen und das An- und Aufleuchten der entgegenkommenden Scheinwerfer. "Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht daran glaube. Ich habe auch ein Heim, ein Zuhause... ein restauriertes Haus in der Nähe der Altstadt. Es hat sogar einen richtigen Kamin." "Und was ist mit Familie?" "Ich habe Tori und meine Eltern.“ "Einen Ehemann?" "Nein." "Laufen irgendwo kleine Dylans herum?" "Natürlich nicht", stieß sie so empört hervor, dass sie ihn damit zum Lachen brachte. "Was ist daran so komisch?" fragte sie misstrauisch. "Die Art und Weise, wie sie es gesagt haben. Ich glaube, ich habe bereits etwas über Sie erfahren." "Und das wäre?" „Sie scheinen keine geborene Mutter zu sein. Wahrscheinlich haben Sie Kindern gegenüber gemischte Gefühle und sehen in ihnen so etwas wie seltsame Außerirdische. Es sind kleine Leute, auf die man sich nicht verlassen kann. Kleine Wesen, die schreien, weinen, spucken und ganz einfach stören. Habe ich ihre Gefühle so in etwa umrissen?" Dylan starrte Cooper an. "Ich weiß nicht, ob ich es so ausgedrückt hätte, aber..." "Was habe ich ausgelassen?" Sie lachte leise. „Ich gebe zu, dass Sie der Wahrheit nahe gekommen sind. Aber Sie haben so geklungen, als ob Sie selbst diese Erfahrung gemacht hätten." "So in etwa stimmt es." Er seufzte. "Und wenn ich ganz ehrlich, bin, war das wahrscheinlich das Hauptproblem meiner Ehe." Ehe? Das Wort schockierte Dylan, doch noch mehr bestürzte sie die Tatsache, dass sie noch nicht einmal auf die Idee gekommen war, dass Coop verheiratet sein könnte. Wie einfältig von ihr. Dieser Mann war attraktiv. Es war doch klar, dass auch andere Frauen so dachten und gedacht hatten. "Sind Sie verheiratet?" "Ich bin geschieden und das bereits seit langer Zeit. Man sagt, Gegensätze ziehen sich an, nicht wahr? Nun, das mag sein, aber leider hält eine Ehe, die auf diesem Prinzip gegründet wird, nicht lange. Ich wollte keine Kinder. Sie wusste das, aber aus irgendeinem Grund glaubte sie, meine Einstellung ändern zu können. Aber ich will und kann kein Kind in die Welt setzen, wenn mein Leben so unsicher ist. Sie weigerte sich, das zu verstehen oder konnte es einfach nicht. Und das war es dann."
"Das tut mir leid", sagte Dylan automatisch und verdrängte das Gefühl der Erleichterung, das sich in ihr auszubreiten begann, als er von seiner Scheidung erzählte. "Oh, das war vor langer Zeit gewesen. Wahrscheinlich war diese Ehe von Anfang an ein Fehler gewesen. Ich habe nur eine Weile gebraucht, bis ich herausfand, dass meine Arbeit für mich wichtiger war als alles andere." "Lieben Sie das, was Sie tun, so sehr?" Coop schwieg einen Moment. "Meine Arbeit fasziniert mich. Und ich bin verflixt gut in meinem Job." Er lachte. „Es ist das, was ich tun will. Und was ist mit Ihnen? " "Ich hoffe, dass ich den Auftrag erhalte, um den ich mich bei der Stadt beworben habe. Dann kann ich mein eigenes Architektenbüro eröffnen. Wahrscheinlich werde ich für den Rest meines Lebens vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten, aber immerhin werde ich das tun, was ich sehr gern tue..." Sie zuckte die Schultern. "Obwohl es Tori bereits bei diesem Gedanken schaudert, finde ich das völlig in Ordnung." Sie sah aus der Windschutzscheibe und zeigte nach vorn. "Nehmen Sie die nächste Abfahrt, und fahren Sie dann in östliche Richtung." „Tori glaubt nicht, dass dieses Leben ihre Schwester glücklich machen könnte?" fragte Coop. "Ich kann ihr noch so oft versichern, dass das die Wahrheit ist, aber sie ... nun, sie ist voreingenommen." Dylan zeigte erneut mit dem Zeigefinger auf die Straßenkreuzung, die vor ihnen lag. "Nächste Straße rechts und dann vorletztes Haus links." Coop folgte ihren Anweisungen, und schon bald fuhren sie durch ihre Straße, die von Eukalyptus und Eichenbäumen gesäumt war, und in der altmodische Straßenlaternen mit ihrem gelblichen Schein die Dunkelheit erhellten. Dann kam ihr Haus. Es war ein altes Ziegelsteinhaus mit wundervollen Holzarbeiten, dessen Garten von einem hübschen schmiedeeisernen Zaun umgeben war. Dylan hatte dieses Haus vollkommen restauriert. Es war die erste Aufgabe gewesen, die sie ganz allein bewältigt hatte. Nachdem Coop den Mercedes in der Einfahrt geparkt hatte, stieg sie aus und eilte zum schmiedeeisernen Tor, durch das man in den Vorgarten und zum Haus gelangte. Sie ging rasch an dem alten Olivenbaum vorbei, auf die Veranda zu und schloss die schwere Holztür auf. Doch bevor sie sie öffnen konnte, spürte sie Coops Hand auf ihrer Schulter. Selbst als sie sich umdrehte, um ihn anzusehen, zog er die Hand nicht zurück. „Es ist nicht so, dass Ihre Schwester Tori voreingenommen ist. Ich glaube, sie versteht einfach nicht, was in ihnen vorgeht." "Nein, das verstehen nicht viele Menschen." Er glitt mit der Hand an ihrem Hals hinauf und umfasste dann ihr Kinn. Sein Blick ruhte auf ihren Lippen, und ein leichtes Beben durchfuhr Dylan, als ihr
klar wurde, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als von diesem Mann geküsst zu werden. "Nein, nicht viele, aber ich verstehe Sie", flüsterte Coop. "Sie?“ "Man kann es schlicht und einfach Leidenschaft nennen, nicht wahr?" Seine Stimme klang rau. Leidenschaft? Dieses Wort genügte, um das Feuer noch höher lodern zu lassen, das seine Nähe und seiner Berührung in Dylan entfacht hatte. Dieser Fremde rief in ihr wilde, ungestüme Gefühle hervor, ein Verlangen, das sie kaum noch kontrollieren konnte. "Was ... was meinen Sie damit?" fragte sie atemlos. Coops Hand lag immer noch um ihr Kinn, sein Blick war immer noch auf ihre Lippen gerichtet. "Leidenschaft, vollständige Hingabe an das, was man tut. Sie heben Ihre Arbeit, Sie konzentrieren sich vollständig darauf, und ich wette, Sie sind gut in Ihrem Job." Coop zog die Hand zurück, und Dylan drehte sich rasch um und ging durch die Tür. "Woher wollen Sie das wissen?" fragte sie und schaltete das Licht ein. "Weil ich Ihnen ähnlich bin", antwortete er, während er ihr ins Haus folgte. "Ich mache nur das, was mir Spaß bringt, und gehe völlig in dem auf, was ich tue. Es ist mein Leben, aber nicht viele Leute würden dieses Leben für sich wählen." "Aber Sie haben es gewählt?" fragte sie. "Irgendwie hat es mich gewählt", erwiderte Coop und sah sich dabei in dem großen Wohnzimmer um. Dylan beobachtete, wie sein Blick über die weißen Wände und die polierten Holzböden glitt. Sie hatte alles wieder in den Zustand gebracht, in dem sich das Haus vor hundert Jahren, als es gebaut worden war, befunden hatte. Hätte sie Geld gehabt, hätte sie es sogar mit Antiquitäten aus dieser Zeit eingerichtet, aber im Moment musste sie mit ein paar geschmackvollen Webteppichen und einigen hübschen modernen Möbeln vorlieb nehmen. An den Wänden hingen gerahmte Fotos und Bauzeichnungen von den Arbeiten, die sie in den letzten Jahren ausgeführt hatte. "Heim und Herd", murmelte Coop, als er zum Kamin hinüberging und mit der Hand über die steinerne Fassung strich. Unwillkürlich musste Dylan daran denken, wie zärtlich diese Hand sie noch vor einigen Minuten berührt hatte. Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf Coop, der langsam von einem Bild zum nächsten ging ... Fotos und Pläne, die sie für den Tag sammelte, an dem sie ihr eigenes Archtiktenbüro ihr eigen nennen könnte und sie damit wohlhabende Kunden beeindrucken wollte. "Ich habe also recht“, erklärte Coop und kam zu ihr herüber. "Worin?" fragte sie. "Mit der Leidenschaft. Man spürt sie in diesem Haus. Jedes Foto, jede Blaupause, die an Ihrer Wand hängt, zeugt davon." Er trat so nahe an sie heran,
dass sie die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, spürte. Dann schaute er ihr in die Augen. "Und sie ist in Ihnen", flüsterte er. Dylan hätte ihm gern entgegnet, dass er sie doch gar nicht kenne, dass er keine Ahnung habe, wer sie wirklich sei, dass er nicht beurteilen könne, ob überhaupt ein Funken Leidenschaft in ihr brenne. Aber sie wusste, dass das eine Lüge gewesen wäre. Sie kannte ihn zwar erst seit wenigen Stunden, aber er hatte sie in dieser Zeit besser durchschaut und ihr mehr Wahrheiten gesagt, als sie je von ihren Freunden oder ihrer Familie gehört hatte. Er berührte ihre Wange mit dem Zeigefinger. Die Berührung war leicht wie eine Feder, doch Dylan war unfähig, auch nur die geringste Bewegung zu machen. Als Coop sich zu ihr herunterbeugte, hielt sie unwillkürlich den Atem an. Doch sie wich nicht zurück, auch nicht, als er seine Lippen auf ihre presste.
5. KAPITEL Als Coop ihre weichen Lippen berührte, wurde ihm auf einmal klar, dass er Dylan bereits vom ersten Moment an, wo er sie im Regen gesehen hatte, küssen wollte. Er gab keinem verrückten Impuls nach, sondern er war einer Sehnsucht gefolgt, die so intensiv war, dass er sich selbst nicht verstand. Obwohl er Dylan noch nicht einmal in den Armen hielt, war er überwältigt von einem Verlangen, das wie Feuer durch seine Adern floss. Nichts in seinem Leben hatte ihn auf solch eine Erfahrung vorbereitet, nichts auf eine Frau wie Dylan Bradford. Als er spürte, dass sie seinen Kuss nicht erwiderte, zog er sich leicht verunsichert zurück und schaute ihr ins Gesicht. Ihre Augen waren halb geschlossen, und für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete er, dass sie ihn auffordern würde, zu gehen. Was würde er tun, wenn sie ihn hinauswerfen sollte oder eine Erklärung für sein Verhalten forderte? Sollte er etwa sagen: Vom ersten Augenblick an habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als Sie zu küssen? Nein, das war unmöglich. "Das war Lektion Nummer eins von Lebe im Hier und Jetzt"', sagte er schließlich und gab sich Mühe, humorvoll und unbeschwert zu klingen. Irgendwie hasste er sich dafür, diese lässige Bemerkung gemacht zu haben, denn sie stand so im Gegensatz zu den tiefen Gefühlen, die er für Dylan empfand. Aber was hätte er sonst sagen sollen? Keine andere Frau hatte ihm das Gefühl gegeben, verletzlich zu sein, auf keine ändere Frau hatte er je so stark reagiert. "Vielleicht sollte ich mich entschuldigen", murmelte er. "Schließlich sind Sie meine Fremdenführerin und... " Coop redete wie ein Teenager, dem ein Mädchen den Kopf verdreht hatte, und er hasste sich noch mehr, als er es sowieso schon tat. Dylan schüttelte den Kopf, und einige Haarsträhnen befreiten sich aus dem Knoten, der sich langsam aufzulösen begann. Der Gedanke, ihr Haar über ihre
nackten Schultern fließen zu sehen, erregte ihn. "Ich ... ich muss mich jetzt umziehen", sagte sie rasch, wandte sich von ihm ab und ging davon. Coop schloss die Augen, während er ihren Schritten auf dem Holzboden lauschte. "Ich werde in wenigen Minuten zurück sein", hörte er sie aus einiger Entfernung rufen, dann ließ sie ihn allein. "Nehmen Sie sich nur Zeit“, murmelte er in den leeren Raum und öffnete die Augen. Sein Blick fiel auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand. Es war erst neun Uhr abends. Er hatte Dylan vor fünf Stunden getroffen, doch er hatte das Gefühl, sie bereits sein ganzes Leben zu kennen. Ihm kamen die Unfälle in den Sinn, die er gehabt hatte, dachte an jene Momente, in denen die Zeit stillzustehen schien und Sekunden zu Stunden wurden. Die fünf Stunden mit Dylan waren wie in einem Atemzug vergangen, und doch hatte er das Gefühl, in diesen fünf Stunden ein ganzes Leben gelebt zu haben. Dylan stand im Halbdunkel ihres Schlafzimmers, das sich am anderen Ende des Hauses befand. Nur das Licht, das aus dem anliegenden Badezimmer hereinfiel, erhellte ein wenig den Raum, und das einzige Geräusch war der Regen, der gegen die Terrassentür schlug. Sie hatte fünfzehn Minuten gebraucht, um sich frisch zu machen und in einen weißen Pullover und dunkelblaue Leinenhosen zu schlüpfen. Fünfzehn Minuten, die ihr geholfen hatten, darüber nachzudenken, was eigentlich mit ihr und Coop passiert war. Jetzt wusste sie es. Diese ganze Sache war eine reine Überreaktion. Die letzten Tage waren einfach zu anstrengend gewesen. Erst das nervenaufreibende Warten auf Nachricht, ob man ihr den ersehnten Auftrag erteilen würde, dann der Unfall und die Sorge um Tori und schließlich noch Coop ... ein Mann, der pure Sinnlichkeit ausstrahlte. "Ich bin nur seine Fremdenführerin", flüsterte sie, als ob sie sich so davon überzeugen könnte. Ja, trotz des Kusses und seines ständigen Geredes, man solle im Hier und Jetzt leben, bin ich lediglich seine Fremdenführerin, dachte sie. Auf keinen Fall wollte sie in irgendetwas hineingezogen werden. Eine freundschaftliche Beziehung, selbst eine Affäre, käme nicht in Frage. Und mit erschreckender Klarheit wurde ihr bewusst, warum sie sich das nicht leisten konnte. Es hatte etwas mit Cooper Reeves zu tun. Coop war kein Mann, mit dem sie eine kurze Liebesbeziehung haben und ihn dann wieder vergessen könnte. Instinktiv spürte sie, dass er die Macht besaß, ihr Leben für immer zu ändern. Und genau das wollte sie auf keinen Fall. Sie holte tief Luft. "Fremdenführerin", sagte sie noch einmal, aber diesmal klang es entschieden. Dann öffnete sie die Tür und trat hinaus in, den dunklen Flur. Sie war fest entschlossen, diese Stadtbesichtigung so kurz wie möglich zu halten. Während sie langsam auf das Wohnzimmer zuging, atmete sie mehrere Male tief durch. Ich habe mich wieder gefangen, dachte sie. Ab jetzt wird mein
gesunder Menschenverstand die Oberhand haben. Das glaubte sie zumindest, bis sie Coop auf der Couch sitzen sah, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Kopf gebeugt. Dann geschah das, was in den letzten fünf Stunden stets in seiner Nähe geschehen war. Dylan war nicht in der Lage, auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen, sondern war nur noch von dem Verlangen erfüllt, zu ihm zu gehen und ihm mit den Händen übers Haar zu streichen. Erschrocken über ihre Gefühle, trat sie unwillkürlich einen Schritt zurück, aber Coop hatte sie bereits bemerkt und blickte auf. Er erhob sich und lächelte. "Ah, meine kleine Fremdenführerin ist zurück", sagte er und glitt mit dem Blick über ihren Körper und dann zu ihrem Gesicht. Als ihre Blicke sich trafen, schien sie ein unsichtbares Band zu verbinden, und Dylan wurde klar, wie unsinnig es war, den Kuss von vorhin einfach ignorieren zu wollen. Wie soll ich diesen Abend überstehen, dachte sie verzweifelt. Sie musste ihm irgendwie zu verstehen geben, dass sie keine weiteren Annäherungen wünschte. Dylan war eine Frau, die Probleme direkt anging, und sie entschied sich auch jetzt für diesen Weg. "Sagten Sie nicht vorhin, dass ich eine Entschuldigung verdient hätte?" Coops Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber Dylan spürte es heraus, dass er diese Bemerkung nicht von ihr erwartet hatte. „Ja, das habe ich", gab er gelassen zu. "Und ich entschuldige mich hiermit bei Ihnen." "Danke", sagte sie. Er legte den Kopf schief und sah sie prüfend an. "Wollen Sie, dass ich das mit meinem Herzblut unterschreibe?" Sie ärgerte sich über den leichten Sarkasmus in seiner Stimme. Warum hatte sie nur damit angefangen? Nun, ihre Einsicht kam zu spät. "Das wird nicht nötig sein. Ich wollte nur, dass wir beide uns verstehen. " Mit wenigen Schritten war Coop bei ihr, so nah, dass sie kaum noch atmen konnte. Er betrachtete sie eingehend und nickte dann. "Oh, ich glaube, wir verstehen uns." Dylan war eine selbstbewusste Frau und wurde selten verlegen, aber dieser Mann schaffte es immer wieder, dass sie wie ein linkischer Teenager errötete. Sie hasste ihn dafür. Er schaute wieder auf ihre Lippen. Sein Blick war wie eine zärtliche Berührung. "Stimmt es nicht?" fragte er leise. "Sie ... ich... " stammelte sie, als er begann, mit dem Zeigefinger die Umrisse ihrer Lippen nachzuzeichnen. „Pst. Entspannen Sie sich." Coop lächelte. "Genießen Sie den Moment.“ Aus seinem Munde klangen diese Worte ... fast vernünftig. "Ich denke, wir wissen beide, worauf wir uns einlassen", sagte er weiter. "Ich bin nur für ein oder zwei Tage in der Stadt, dann werde ich wieder abreisen. Sie warten auf den großen Auftrag. Ich versuche meine Zeit totzuschlagen, Sie ebenfalls. Es wäre doch großartig, wenn wir das zusammen tun könnten."
Dylan kam sich wie hypnotisiert vor, ein Gefühl, das erst nachließ, als Coop den Blickkontakt brach. Erst dann war sie in der Lage, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. "Wir ... wir könnten in die City fahren." "Das hört sich ja nach einem richtigen Plan an." Er seufzte. "Wo werden wir hingehen?" "Wo immer Sie hinwollen.“ Er zuckte die Schultern. "Ich würde gern etwas essen. Ich bin fast verhungert. Wie steht es mit Ihnen?" An so etwas Banales wie Nahrungsaufnahme hatte Dylan in dieser Situation überhaupt nicht gedacht, aber jetzt, wo Coop es erwähnte, stellte sie fest, dass Sie ebenfalls Hunger hatte. Außerdem wäre ein gut besuchtes Restaurant der richtige Platz, um diese Intimität zu vertreiben, die zwischen ihnen entstanden war. „Ja, ich bin auch hungrig." „Dann suchen wir uns ein gutes Restaurant und essen etwas." Dylan nickte und ging dann zu dem kleinen Tisch an der Tür hinüber, um ihre Handtasche zu holen. Als sie den Riemen über die Schulter legte, folgte Coop ihr und schaltete das Deckenlicht aus. Für einen Moment standen sie im Dunkeln. Die Spannung zwischen ihnen war so groß, dass Dylan glaubte, es knistern zu hören. Dann öffnete Coop die Tür, und die Kühle der regnerischen Nacht drang zu ihnen herein. Von weitem hörte man den Lärm des Großstadtverkehrs, der auch in der Nacht nie ganz einschlief. Dylan trat rasch hinaus und atmete mehrere Male die kühle Luft tief ein. Ohne Coop ein weiteres Mal anzusehen, ging sie eilig zum Mercedes hinüber. Der Regen hörte genau um dreiundzwanzig Uhr auf, als Dylan und Coop das Mexikanische Restaurant verließen, in dein sie gegessen hatten. Das Restaurant war auf einer Anhöhe gelegen, und man hatte von hier aus einen wundervollen Blick über die Bucht und die Stadt. Die Luft hatte sich noch mehr abgekühlt, und der Wind trieb die Blätter über den Boden. Sie gingen schweigend zum Parkplatz hinüber. Dylan fühlte sich erleichtert, weil das Abendessen so angenehm verlaufen war. Das Restaurant war gut besucht gewesen, und Coop hatte die Unterhaltung darauf beschränkt, ihr Fragen über San Diego zu stellen. Geduldig hatte Dylan ihm über die Geschichte dieser Stadt erzählt und einige ihrer Lieblingsplätze beschrieben. Noch bevor sie den Mercedes erreicht hatten, sah Dylan zum Himmel hinauf. Dunkle Wolken zogen so rasch vorbei, dass hin und wieder der fast volle Mond hervorschaute. Der Kuss, den Coop ihr in ihrem Haus gegeben hatte, schien auf einmal nie geschehen zu sein, und sie fühlte sich entspannt. Der Abend mit Coop neigte sich dem Ende zu, und der Rest würde ein Kinderspiel sein. Das glaubte sie jedenfalls, als sie sich in die ledernen Polstern zurücklehnte. Doch Dylan hatte sich geirrt. Ein weiterer Irrtum an einem Tag, der voller Fehler war. Coop hatte mittlerweile hinter dem Lenkrad Platz genommen und
den Motor gestartet. Er fuhr jedoch nicht los, sondern sah sie fragend an. "Nun, in welcher Richtung liegen Ihre alten Häuser?" Dylan rutschte noch ein wenig von ihm ab. Sie brauchte allen Abstand von ihm, den sie bekommen konnte. "Auf der anderen Seite der Altstadt, in der Nähe des Hafens." „Sagen Sie mir nur, wie ich fahren muss", bat er. Sie schaute auf die Uhr am Armaturenbrett, dann wieder zurück zu Coop. "Aber es ist bereits elf Uhr, eine Stunde bis Mitternacht." "Oh, nein", stieß er entsetzt hervor, doch Dylan hörte deutlich den Humor aus seiner Stimme heraus. "Erzählen Sie mir bitte nicht, Sie seien Frühaufsteherin, dass Sie zu jenen Menschen gehören, die in der Lage sind, bereits morgens um sechs Uhr fröhlich ein Lied zu schmettern, dafür aber um zehn Uhr abends erschöpft ins Bett sinken." Dylan musste gegen ihren Willen lächeln. "Du lieber Himmel, nein, Ich bin keine Frühaufsteherin." Er seufzte erleichtert. "Dem Himmel sei Dank. Dann haben wir ja noch einige Stunden Zeit“ "Einige Stunden?" "Zeit genug, damit wir uns Ihre Häuser ansehen können." "Ich brauche Sie wohl nicht darauf hinzuweisen, dass es dunkel ist und die Häuser unbewohnt sind, oder?" "Was ist mit Licht? Gibt es dort nirgends eine Art von. Beleuchtung?" „Es gibt ein paar Sicherheitslichter, aber …“ "Können wir die Häuser betreten?" "Ich habe einen Schlüssel. Man hat ihn mir gegeben, damit ich meine Entwürfe fertig stellen konnte." "Wo liegt dann das Problem? Ich habe genug von diesen Häusern gehört, jetzt möchte ich auch sehen, ob sie wirklich so großartig sind, wie Sie mir erzählt haben." "Meinen Sie das im Ernst?" "Absolut. Kommen Sie Ihrer Pflicht als, Fremdenführerin nach, und zeigen Sie mir die Gebäude." Seltsamerweise sehnte sich ein Teil von Dylan sogar danach, ihm diese Häuser, die ihr so am Herzen lagen, zu zeigen. "Sind Sie sicher?" "Ganz sicher. Ich möchte sie sehen, möchte herausfinden, warum sie so Wichtig für Sie sind", antwortete er. "Sie kennen doch das alte Sprichwort ... " „Was für ein altes Sprichwort?" "Schau einem geschenktem Gaul nicht ins Maul." Dylan musste lachen. "Irgendwie passt dieses Sprichwort jetzt nicht.“ "Na gut, aber ich werde vielleicht nie wieder die Chance haben, die Häuser zu sehen, wenn nicht hier und jetzt. Was sagen Sie dazu?"
"Also gut. Sie haben gewonnen." Dylan erklärte Coop den Weg, lehnte sich im Beifahrersitz zurück und sah hinauf zum Mond, der jetzt endgültig über die Wolken gesiegt hatte. Sie schwiegen eine Weile, und als Coop es wagte, in ihre Richtung einen Blick zu werfen, bemerkte er, dass Dylan aus dem Seitenfenster sah, ihre Hände hatte sie fest im Schoß verschränkt. Wie schön, wie verletzlich sie aussieht, dachte er. Er umfasste das Lenkrad noch ein wenig fester und wünschte sich, ihre Gedanken lesen zu können. Er wusste nicht, ob Dylan verärgert oder gelangweilt war, und er sehnte sich nach der Verbundenheit, die er im Restaurant mit ihr empfunden hatte. "Wohin muss ich jetzt?" fragte er, obwohl er sicher war, dass sie bereits die Gegend erreicht hatten, in der ihre Häuser gelegen waren. Die breite Straße, durch die sie fuhren, war von Restaurants und Geschäften gesäumt. Nach den Fassaden zu urteilen, war dieses Viertel zum Ausgang des letzten Jahrhunderts gebaut worden. Auch um diese späte Stunde flanierten Menschen an den Geschäften vorbei, gingen in Restaurants oder standen vor einem Kino, um sich Tickets für das angekündigte Filmfestival zu kaufen. Als Coop rechts abbog und auf den Hafen zufuhr, stellte er fest, dass sie die vornehmen Einkaufsstraßen hinter sich gelassen hatten. Die Straße, auf der sie sich jetzt befanden, war dunkler, die Hälfte der alten Straßenlaternen schien nicht zu funktionieren. Nirgends sah man auch nur einen einzigen Menschen auf den Bürgersteigen gehen oder ein Auto vorbeifahren. Diese Gegend schien bereits seit langer Zeit den Anschluss an die moderne Zeit verpasst zu haben. Die meisten der mehrstöckigen Gebäude waren unbewohnt und ihre Fassaden mit Graffitis versehen. Trotz des Regens, der gefallen war, sah es hier alles andere als sauber aus, und Coop begann fast zu bereuen, dass er unbedingt hatte hierher fahren wollen. Doch dann hörte er Dylan leise seufzen, und als er einen Blick zu ihr hinüberwarf, bedauerte er sein Hier sein genauso wenig, wie er den Kuss vorhin bedauert hatte. "Dort ist das Hauptgebäude", erklärte sie und wies auf eines der alten Häuser vor sich. "Dort auf der rechten Seite, das Haus mit dem Licht neben den Türen am Ende der Straße. " Coop sah eine Reihe von Gebäuden, die größer als der Rest waren, vielleicht zwölf oder dreizehn Stockwerke hoch. "Die berühmten Häuser", bemerkte er. "Sie werden bald berühmt sein", entgegnete Dylan. "Wenn ich den Auftrag bekomme." Coop verzog das Gesicht, als er bemerkte, wie heruntergekommen diese Häuser bereits waren. "Habt ihr schon einmal an Abbruch gedacht?" "Oh, natürlich. Diese Lösung wird für die meisten dieser Gegenden angewandt", antwortete Dylan. "Aber es ist nicht die beste." Coop hätte einiges dagegen einzuwenden, gehabt, aber er hielt sich zurück. "Wirklich nicht?" fragte er nur.
"Wenn man sie abreißen ließe, würde so vieles für immer verloren gehen. Warten Sie nur, bis Sie sie von innen sehen. Winston Lee, der Architekt, der diese Häuser entworfen hat, war seiner Zeit weit voraus. Wenn ich den Auftrag bekommen sollte, würde ich im großen und ganzen den Grundriss übernehmen. Die Großzügigkeit der Raumgestaltung ist absolut bemerkenswert." "Ich bin beeindruckt", sagte Coop. Das stimmte zwar, aber er meinte damit nicht die Häuser. Er war beeindruckt von Dylans Phantasie, die inmitten von Verfall noch Schönheit sehen konnte ... einer der vielen besonderen Züge, die er bei dieser Frau festgestellt hatte. "Warten Sie nur, bis sie restauriert sind. Die Straße wird wieder zu ihrem alten Leben erwachen. Es wird phantastisch werden, und ...“ Coop hielt vor dem Gebäude an. "Sie haben eine rege Phantasie." "Das hat man mir bereits öfter gesagt, allerdings reicht sie nicht aus, um mir vorzustellen, wo es hier einen sicheren Parkplatz für Ihren Wagen geben könnte." "Wo parken Sie denn, wenn Sie hierher kommen, um Ihre Studien zu machen?" "Ich bin tagsüber hier, und dann parke ich genau vor der Tür." "Wenn das bei Ihnen funktioniert, warum dann nicht bei mir?" Coop hielt genau vor der Eingangstür an und stellte den Motor ab. Dann blickte er die Straße hinauf und hinunter. "Und Sie kommen immer allein in diese verlassene Gegend?" „Ja, das tue ich", antwortete Dylan. Sie war ausgestiegen, bevor Coop noch vom Sitz geglitten war, und er beeilte sich, ihr zum Eingang zu folgen. Er stand neben ihr, während sie im schwachen Licht der Straßenlaterne an ihrem Schlüsselring nach dem richtigen Schlüssel suchte. "Leben Sie immer so gefährlich?" fragte er. Dylan zögerte mit der Antwort und zuckte dann die Schultern. "Meine Schwester behauptet, dass ich das tue, aber sie, findet es bereits gefährlich, wenn ich einen Job aufgebe, bevor ich den nächsten habe. Ich gehe wirklich keines der Risiken ein, denen Sie sich jeden Tag aussetzen." Plötzlich drang von irgendwoher Musik zu ihnen herüber. Elvis Presley sang ‘Blue Suede Shoes'. "Hören Sie das?" fragte Coop, während er sich umsah. "Das ist Elvis." Dylan öffnete die Tür. "Man hat ihn bereits des Öfteren an Tankstellen in Texas gesehen", zog sie ihn auf. "Nein, ich meine, hören Sie ihn auch singen?" "Die Musik kommt von einem neu eröffneten Club, der sich die Fünfziger Jahre als Motto genommen hat. Er liegt dort drüben, gleich um die Ecke in der Nähe des Hafens." Coop folgte ihr in das Gebäude. Es roch muffig und der Gestank von Verfall lag in der Luft. Eine einzige Glühbirne an der hohen Decke warf schwaches Licht auf eine große Empfangshalle. Überall standen Kisten und zugedeckte Möbel herum.
Die, Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, und Dylan führte Coop zum hinteren Teil der riesigen Halle, während sie ihm etwas von der Geschichte dieses Gebäudes erzählte und von ihrem Vorhaben, es so originalgetreu wie möglich zu restaurieren. Doch Coop achtete nicht auf ihre Worte, die von den hohen Wänden widerhallten, sondern nahm nur den Klang ihrer Stimme wahr. Hin und wieder atmete er ihren zarten Duft ein, die die muffige Luft dieser alten Gemäuer erträglicher machte. Er bewunderte ihre offensichtliche Liebe für ihre Arbeit. Und obwohl er nicht wusste, was sie genau plante, ließ er sich von ihrer Hingabe und Begeisterung anstecken. Als Dylan einem großen Schreibtisch ausweichen wollte, stieß sie gegen einen Aktenschrank. Sie verlor das Gleichgewicht und taumelte gegen Coop. Instinktiv schlang er den Arm um sie, um sie zu stützen. "Entschuldigen Sie", hörte er sie flüstern, und als ihre Blicke sich trafen, schienen nur noch sie beide auf dieser Welt zu existieren. Coop spürte, wie warm und weich sie war, und schaute sie fasziniert an. Er sah ihre tiefblauen Augen, ihre leicht geöffneten Lippen, die er nur zu gern geküsst hätte. Und auf einmal wurde es ihm bewusst, dass diese Frau zu verlassen schwer sein würde. Die Gefühle, die Coops Kuss bei Dylan hervorgerufen hatten, waren intensiv gewesen, aber die Emotionen, die jetzt auf sie einstürzten, waren überwältigend. Sie fühlte sich so beschützt und geborgen, dass sie sich abrupt von Coop löste, um nicht die Arme um seinen Nacken zu schlingen. Stattdessen schaute sie sich in der Empfangshalle um und gab sich Mühe, nichts von ihrer Verwirrung zu zeigen. Bei den vorhergehenden Besuchen hatte sie stets ihre Gedanken auf ihre Pläne konzentriert, hatte sich mit ihrer Vorstellungskraft ausgemalt, was sie aus diesem heruntergekommenen Gebäude machen könnte. Aber im Moment gelang es ihr nicht, an irgendetwas anderes zu denken als an den Mann, der vor ihr stand. Ohne ihn anzuschauen, drehte sie sich um und ging zielstrebig auf die Fahrstühle zu, deren einst glänzende Metalltüren mit der Zeit matt und fleckig geworden waren. "Der Architekt Winston Lee wird als Minimalist gesehen", erklärte Dylan und schluckte nervös. „Er setzte auf klare Linien und große Räume. Manche Leute glauben, dass Minimalismus eine gewisse Sterilität und Steifheit bedeutet. Nun, meiner Meinung nach ist diese Gefahr tatsächlich gegeben, aber nicht bei einem Mann wie Winston Lee. Er ist der große Untertreiber, der mit großer Liebe die Details so ausarbeitet, dass sie das Auge nie ermüden." Dylan drückte auf den Fahrstuhlknopf, obwohl sie nicht wusste, ob der Fahrstuhl intakt war. Er kündigte sich mit einem Surren an, dann öffneten sich die Türen. "Ich war nicht sicher, ob sie noch in Betrieb sind" erklärte sie und stieg in den Aufzug. "Wir ...werden ganz nach oben fahren. Der beste Teil des Gebäudes ist da s oberste Geschoß."
Dylan drückte auf den Knopf des vierzehnten Stockes und lehnte sich dann gegen die Wand. Der Fahrstuhl fuhr langsam nach oben, und das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, war fast unerträglich. Schließlich war es Coop, der das Wort ergriff. "Gibt es kein dreizehntes Stockwerk?" fragte er. Dylan sah ihn an und wunderte sich. Dieser Mann konnte die einfachsten Fragen mit der verführerischsten Stimme stellen. "Das oberste Stockwerk ist das dreizehnte, aber wegen des Aberglaubens, den es auch noch während unserer Zeit gibt, hat man es einfach als vierzehntes bezeichnet und ... " Sie hielt erschrocken im Satz inne, als der Fahrstuhl plötzlich mit einem Ruck stehen blieb. Nein, das darf nicht sein, dachte Dylan verzweifelt. Sie drückte mehrere Male alle Knöpfe durch. "Verflixt", stieß sie hervor und schlug mit der flachen Hand auf die obersten Knöpfe. Coop trat zu ihr und hielt ihr die Hand fest. "Nur nicht übertreiben, sonst werden wir hier für immer festsitzen."
6. KAPITEL Für immer. Für immer mit Coop in einem Fahrstuhl festsitzen ... Dylan versuchte, tief Luft zu holen konnte aber nur zitternd durchatmen. "Nein, er kann doch nicht so einfach, stehen bleiben", stöhnte sie. Coop zog sie näher an sich. "Dylan, ein Fahrstuhl ist ein Fahrstuhl. Er meint es nicht persönlich." Natürlich meinte er es nicht persönlich. Aber dass Coop ihre Hand hielt und sie unfähig war, sich ihm zu entziehen, das war persönlich. Sehr persönlich sogar. "Ich ... ich meine ... " Sie seufzte. "Dieser Tag wird als der schlimmste in mein Lebensbuch eingetragen. Coop lachte leise. "Und Sie machen mich dafür verantwortlich." Ohne Vorwarnung beugte er den Kopf und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. In dem Moment, als sie die Wärme seiner Lippen spürte, setzte sich der Fahrstuhl mit einem Ächzen wieder in Bewegung. Dylan öffnete die Augen und sah Coop an. Doch Coop war offensichtlich im Moment weniger an ihr interessiert, glücklicherweise wie sie fand. Er starrte gespannt zur Fahrstuhldecke hoch. "Ich nehme an, er hat sich entschlossen, uns doch noch zum vierzehnten Stock zu bringen", murmelte er. Als Coop den Blick auf Dylan richtete, trat sie rasch einen Schritt zurück und löste ihre Hand aus seiner. "Entschuldigen Sie bitte." „Wofür das?" fragte er.
Dylan schluckte nervös. „Für mein Benehmen vorhin. Ich bekomme in engen Räumen schnell Platzangst." "Das dachte ich mir schon", erwiderte Coop. Inzwischen hatte der Fahrstuhl das vierzehnte Stockwerk erreicht, und Dylan trat hinaus in den Korridor. "Das hier ist der beste Teil des Gebäudes", erklärte sie rasch. "Wände und Möbel sind aus massivern Mahagoni, und schauen Sie sich das an." Sie wies nach oben zu der riesigen Glaskuppel. "Ist das nicht einzigartig?" Sie blieb vor einem der großzügig geschnittenen Räume stehen. „Jedes Büro auf der Westseite hat einen phantastischen Blick über den Hafen und das Meer und an der Ostseite über die Stadt und auf die Berge." Als Dylan die Tür öffnete, lag ein großer, von Mondlicht durchfluteter Raum vor ihnen, und Coop pfiff anerkennend. Durch eine riesige Fensterfront, die vom Boden bis zur Decke und von Wand zu Wand reichte, hatte man einen wunderbaren Ausblick auf den mondhellen Nachthimmel, auf die Lichter der Hafengegend und die Schiffe, die im Hafen im dunklen Wasser vor Anker lagen. Coop ging schweigend an Dylan vorbei zum Fenster hinüber. Dylan blieb stehen und betrachtete seine Silhouette, die sich dunkel gegen das Mondlicht abhob, seine breiten Schultern, seine schmalen Hüften. Und auf einmal wurde die wundervolle Aussicht zweitrangig für sie. Sie hatte nur Augen für diesen Mann. Schließlich wandte sie den Blick ab, verlegen darüber, dass dieser Mann sie so in seinen Bann ziehen konnte. Langsam ging sie ebenfalls zum Fenster hinüber, achtete aber darauf, ausreichenden Abstand zwischen sich und Coop zu lassen. Sie öffnete eines der Fenster, und die kühle Nachtluft strömte herein. "Mein Verhalten im Fahrstuhl tut mir wirklich leid'. Ich hasse geschlossene Räume, und mich verbindet mit Winston Lee die Liebe zu offenen Räumen mit viel Fenster- und Glasfronten. „Der Mann liebte die Freiheit, nicht wahr?" fragte Coop, während er sich neben sie stellte. "In seinen Räumen fühlt man sich nicht eingeengt." Aber deine Nähe engt mich ein, dachte Dylan und ärgerte sich, weil ihr Herz einen extra Schlag tat. "Sie sind sehr einfühlsam“, erwiderte sie. "Nein, das bin ich nicht. Ich kann mich nur mit ihm identifizieren. Ist es nicht das, was Sie auch tun? Sind Sie nicht deswegen so von seinem Stil begeistert?" "Ich weiß es nicht." Er stand jetzt so dicht neben ihr, dass sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. Er stellte sich vor sie. Langsam, wie in Zeitlupe, hob er die Hand und strich ihr mit den Fingerspitzen über die Wange. Ein leichtes Beben durchfuhr Dylan, und im Mondlicht konnte sie sehen, wie ein Lächeln um seine Mundwinkel zuckte. "oh, doch, das weißt du", sagte er leise. Sein warmer Atem strich ihr über das Gesicht. "Nein stieß Dylan hervor und wusste nicht genau, warum sie widersprach. Meinte sie seine Worte oder seine Berührung oder beides?
Die Welt um sie herum verlor ihre Bedeutung. So etwas wie Zeit schien nicht mehr zu existieren. Es gab nur noch seine dunklen Augen, sein Lächeln, seine Hand, mit der er ihr Kinn umschloss. „Du willst frei sein und gehen können, wann und wohin du willst", flüsterte er. Lebe im Hier und Jetzt, genieße den Moment, waren Coops Worte gewesen, und in diesem Augenblick fühlte Dylan sich lebendiger als je zuvor in ihrem Leben. Dieser Mann war so unerwartet und plötzlich wie ein Komet in ihr Leben eingedrungen und hatte eine Sehnsucht in ihr geweckt, die ihr bislang völlig fremd gewesen war. "Möchtest du tanzen?" fragte er. "Wie bitte?" Mit einer leichten Kopfbewegung wies er zum offenen Fenster hin. "Die Musik", erklärte er. Sanft und einschmeichelnd drang ein alter Song aus den Fünfziger Jahren ‚Send me' durch die feuchte, kühle Luft zu ihnen hinauf. Dylan zuckte leicht zusammen, als Coop seine Hand mit ihrer verschränkte und dann die andere an ihre Hüfte legte. Er zog Dylan an sich, und sie begannen sich langsam zur Musik zu bewegen. Zärtlich hob er ihre Hand an die Lippen und küsste sie. In einem alten, verlassenen Büro, in einem Gebäude, an dem die Zeit ihre Spuren hinterlassen hatte, um es dann zu vergessen, wurde Dylan klar, dass dieser Mann, dem sie erst vor wenigen Stunden begegnet war, das Wichtigste in ihrem Leben geworden. war. Lebe im Hier und Jetzt, genieße den Moment. Dylan schien, dass sie nie glücklicher gewesen sei als jetzt, Licht und Schönheit schienen sie zu umgeben. Sie fühlte sich so verbunden mit Coop wie noch mit keinem anderen Mann auf dieser Welt. Ihr war, als hätte sie bereits ein Leben lang mit ihm getanzt. Als sie den Kopf an seine Schulter schmiegte, hatte sie das Gefühl endlich zu Hause angekommen zu sein, endlich den Menschen gefunden zu haben, der zu ihr gehörte. Für eine Weile gab sie sich ganz dem Moment hin, doch dann wurden die Emotionen so intensiv, dass Dylan aus Angst, die Kontrolle über sich völlig zu verlieren, rasch den Kopf von seiner Schulter nahm. Sie wusste, dass sie sich aus seiner Umarmung lösen musste, bevor es zu spät war. Doch der Zauber dieses Momentes war zu stark. Die Musik spielte immer noch, als beide zu tanzen aufhörten und sich gebannt in die Augen schauten. Dylan wusste, was jetzt kommen würde, aber als Coop sie dann tatsächlich küsste, war sie trotzdem nicht auf die Leidenschaft vorbereitet, die sie fast mit Explosionsgewalt traf. Für einen Moment war Dylan unfähig, sich zu rühren. Sie erstarrte, überwältigt von den Gefühlen, die Coop in ihr hervorrief. Doch als er leicht ihre Lippen teilte und mit der Zunge in ihren Mund eindrang, schlang sie die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. Der Wunsch, eins mit ihm zu sein,
mit ihm zu verschmelzen, war fast übermächtig. Als er ihre Hüften umfasste und sie fest an sich presste, spürte sie, dass er sie bereits begehrte. Lebe in der Gegenwart, genieße den Moment. Genau das tat Dylan jetzt, und es jagte ihr Angst ein. Trotz der Leidenschaft, die sie empfand, warnte sie eine innere Stimme, dass das hier nicht passieren dürfe ... nicht hier, nicht jetzt, nicht mit einem Fremden. Ein Fremder, der eine eigenartige Macht über sie besaß. Ein Fremder, der sie dazu bringen konnte, Dinge zu tun, die sie nie zuvor getan hatte. Während sie sich küssten, hallte immer wieder das Wort ‚Fremder' in ihren Gedanken wider, und langsam gelang es Dylan, das allverzehrende Feuer, das Coop in ihr entfacht hatte, zu löschen und sich wieder in ihre Gewalt zu bekommen. Er war nur ein Fremder. Mit einem Stöhnen löste Dylan sich verlegen aus seiner Umarmung. Coop machte nicht den Versuch, sie festzuhalten. Er ließ sie los, und plötzlich, obwohl er noch unmittelbar vor ihr stand, fühlte sie sich sehr einsam in diesem dunklen, muffigen Raum. Dylan musste sich zurückhalten, um nicht wieder die Arme um ihn zu legen und sich an ihn zu schmiegen, und sie ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass ihre Fingernägel sich in ihre Handflächen bohrten. Glücklicherweise endete der romantische Song und wurde von einem schnellen Rock 'n' Roll-Stück abgelöst. Coop sah Dylan an und legte leicht den Zeigefinger unter ihr Kinn. „Es wird Zeit, dass wir gehen, nicht wahr?" "Ja", hauchte sie, drehte sich um und ging auf die Tür zu. Es gab nichts mehr zu tun, außer den Raum und das Haus zu verlassen. Jeder Versuch, einen Sinn in den Geschehnissen dieses verrückten Tages zu finden, wäre absolut idiotisch. Das wusste Dylan. Während Coop Dylan nach Hause fuhr, schmerzten seine Schultern und sein Nacken von der Anspannung, unter der er stand. Noch nie hatte er eine Frau so sehr begehrt wie Dylan. Er konnte es jetzt zugeben. Seit er sie in den Armen gehalten hatte, könnte er die Wahrheit nicht mehr verleugnen. Aber was er nie für möglich gehalten hätte, war die Tatsache, dass dieses Verlangen weit über das Körperliche hinausreichte, weit über reine körperliche Lust hinausging. Das gab ihm zu denken. Sicherlich, Dylan war schön, intelligent, faszinierend und verführerisch. Es war normal, dass er sie begehrte, aber er wollte mehr von ihr, viel mehr. Aber was? Als er schließlich in der Einfahrt ihres Hauses hielt, öffnete Dylan schweigend die Autotür und stieg aus. Coop folgte ihr durch den Vorgarten bis hinauf zu der Eingangstür. Er hatte die Absicht, Dylan rasch auf Wiedersehen zu sagen und dann zu verschwinden. Sie hatte den Kuss in dem alten Büro abrupt unterbrochen, und er wollte sie nicht bedrängen. Das hatte er noch bei keiner Frau getan, ganz bestimmt würde er damit nicht bei Dylan anfangen. Aber als sie die Tür geöffnet hatte und sich zu ihm umdrehte, wusste er auf einmal, dass er sie nicht einfach gehen lassen konnte. Er konnte sie noch nicht verlassen.
"Und was jetzt?" fragte er. Dylan zuckte leicht die Schultern. "Ich ... ich weiß es nicht. Wir kennen uns kaum, aber …“ Selbst im Dunkeln konnte er sehen, wie sie nervös mit der Zunge über die Lippen fuhr. Eine Gewohnheit, die er des Öfteren bei ihr beobachtet hatte. "So etwas habe ich noch nie erlebt", flüsterte sie. "Ich auch nicht", gab er leise zu. "Aber bedeutet das, dass es deshalb nicht geschehen kann?" Dylan trat einen kleinen Schritt zurück und seufzte. "Nun gut, nur weiß ich nicht, was dieses ‚es' ist.“ "Müssen wir das denn wissen? Können wir es nicht einfach genießen?“ Noch während er die Worte aussprach, wusste er, wie oberflächlich sie für Dylan klingen mussten, aber er hatte sie nicht so gemeint. Im Gegenteil, seine Gefühle für Dylan waren alles andere als oberflächlich. Wahrscheinlich war das der Grund, warum er sich nicht einfach auf dem Absatz umdrehen und verschwinden konnte. Das wunderte ihn. Er war ein Mann, der nie gern unkalkulierbare Risiken einging, und er wusste, dass hier zu bleiben eines wäre. "Dann gehst du jetzt deinen Weg und ich meinen?" fragte sie. Wie kalt sich das anhörte. Sein Blick glitt prüfend über ihr Gesicht. "Vielleicht sollten wir die Stunden, die wir zusammen verbringen, als etwas Besonderes ansehen, als einen magischen Moment, in dem der Alltag keine Bedeutung hat. Ich werde wahrscheinlich schon morgen nach Europa fliegen, und du wirst sicherlich deinen heißersehnten Auftrag erhalten und Winston Lees Gebäude im neuen Glanz erstrahlen lassen. Ich weiß nur eines, was heute und hier zwischen uns passiert, geschieht nicht jeden Tag.“ Dylan lachte ... ein leichtes, verlegenes Lachen, das ihn anzog wie die Motte das Licht. Die Sehnsucht, sie zu berühren, sie zu streicheln, wurde fast übermächtig. Aber er hielt sich noch zurück. Er holte tief Luft und zwang sich, das zu sagen, was in dieser Situation gewöhnlich von einem Mann verlangt wurde. "Wenn du möchtest, dass ich gehe, werde ich dich jetzt verlassen. Du brauchst es nur zu sagen." Für einen Moment, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam, reagierte Dylan überhaupt nicht. Dann seufzte sie, ergriff seine Hand und zog ihn ins Haus. Erst als die Haustür hinter ihnen geschlossen war, ließ sie ihn wieder los und sah ihn an. "Bist du auch sicher?" fragte Coop. "Ich will nicht, dass du gehst." Dylan, wollte nicht, dass Coop aus ihrem Leben verschwand, noch nicht. Mit beiden Händen umfasste er zärtlich ihr Gesicht und streichelte ihre Wangen mit den Daumen. „Ich möchte auch nicht gehen", flüsterte er. Dylan legte ihre Hände über die von Coop und wusste, dass sie diesem Mann nicht gewachsen war. Prickelnde Erregung, aber auch zugleich Furcht breiteten sich in ihr aus. „Dann bleib", hauchte sie.
Sanft strich er mit den Händen über ihr Haar und zog die Haarnadeln heraus, so dass ihr das Haar offen über die Schultern fiel. "Bist du auch sicher?" wiederholte Coop so nah an ihrem Ohr, dass sie seinen warmen Atem spürte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Ja", hauchte sie. Mit einem leisen Stöhnen presste er den Mund auf ihre Lippen. Heißes Verlangen pulsierte durch Dylans Adern, und sie verlor sich in den Gefühlen, die dieser Mann in ihr hervorrief. Man mochte die Zeit zwar nicht anhalten können, aber in dieser Nacht hatte Zeit für Dylan keine Bedeutung. Was auch immer der nächste Tag bringen mochte, sie würde schon damit zurechtkommen. Diese Nacht gehört ihr, einzig allein ihr und Coop. Dylan schlang die Arme um seinen Nacken und bog sich Coop leidenschaftlich entgegen. Dieser Kuss war mehr als ein Austausch von Zärtlichkeiten. Coop ergriff damit Besitz von ihr, und sie ließ es geschehen. Jegliche Vernunft war ausgeschaltet, sie wurde nur noch von Gefühlen und der Leidenschaft des Moments regiert. Es gab kein langsames Vorspiel, das Verlangen nacheinander war viel zu groß. Dylan legte die Hände auf seine Brust und begann die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Sie konnte es kaum erwarten, endlich seine nackte Haut auf ihrer zu spüren. Schließlich war auch der letzte Knopf geöffnet, und Dylan schob die Hände unter das Hemd. Sie genoss es, seine wunderbar warme Haut unter ihren Fingern zu fühlen. Sie fuhr mit den Händen über seine muskulöse, leicht behaarte Brust und spürte, wie seine Brustwarzen unter ihrer spielerischen Zärtlichkeit hart wurden. Und auch er wollte mehr. Ungeduldig glitt er mit der Hand unter ihr Sweatshirt, und sie stöhnte unterdrückt auf, als er eine ihrer Brüste umfasste und nur noch hauchdünne Spitze seine starke, warme Hand von ihrer nackten Haut trennte. Dylan bog sich erregt zurück, als Coop begann, mit seinem Daumen ihre erregte Brustspitze zu streicheln. "Wo ist das Schlafzimmer?" fragte er atemlos. "Am Ende des Ganges", stieß Dylan hervor und hatte kaum die Worte ausgesprochen, als er sie bereits auf die Arme gehoben hatte. Bereitwillig legte sie die Arme um seinen Nacken und schaute in sein Gesicht. Sie kannte ihn nur wenige Stunden, und doch fühlte sie sich mit ihm tief verbunden. Nie hatte Dylan sich lebendiger gefühlt, nie einen Mann mehr begehrt. Sie schloss die Augen, während er durch den dunklen Gang zu ihrem Schlafzimmer ging. Erst als sie hörte, wie er die Tür aufstieß, öffnete sie die Augen. Das Zimmer war in Mondlicht gebadet, und man sah deutlich die Umrisse des großen Vierpfostenbettes. Coop trug sie zum Bett und ließ sie darauf nieder. Dylan kniete sich sogleich auf die Laken und blickte ihm erwartungsvoll in die Augen. Ohne ein Wort zu sagen, zog Coop sein Hemd und dann seine Jeans aus und stand nur noch mit Boxershorts bekleidet vor ihr.
Dylan war von seinem Anblick so fasziniert, dass sie sich kaum bewegen konnte. Das Mondlicht fiel auf seinen schlanken, durchtrainierten Körper, und es blieb Dylan nicht verborgen, wie sehr Coop sie begehrte. Sein Gesicht lag im Schatten, doch sie wusste, dass er sie betrachtete, dass sein Blick über ihren Körper glitt. Nach einem Moment zog er ihr entschlossen das Sweatshirt über den Kopf und warf es über die Schulter auf den Boden. Dylan griff ohne eine Spur von Verlegenheit zum Rückenverschluss ihres BHs, öffnete ihn und warf das zarte Spitzendessous zur Seite. "Wie schön du bist", sagte er mit einem leisen Stöhnen und fuhr mit den Händen über die hochaufgerichteten Brustknospen. "Wunderschön." Lust und Verlangen waren Worte, die nicht genügten, um das auszudrücken, was seine Berührungen in Dylan hervorriefen. Fieberhaft entledigten sie sich der restlichen Kleidungsstücke und fielen in enger Umarmung zusammen auf das vom Mond beschienene Bett. Dann trennten sie sich ein wenig und sahen einander in die Augen, bevor sie mit Händen und Lippen ihre Körper erforschten, immer und immer wieder, als ob sie nie genug von diesen neuen, berauschenden Empfindungen bekommen könnten. Ekstase ergriff Dylan, als Coop mit der Hand über ihren Bauch zum Zentrum ihrer Weiblichkeit hinunterglitt und sie sanft massierte. Süße Gefühle durchströmten sie, aber auch Angst vor dem Unbekannten ... Angst davor, sich zu verlieren. Doch als Coop sich schließlich zwischen ihre Oberschenkel schob und in sie eindrang, war jede Angst verschwunden. Sie wollte nur noch ihm gehören, sich ihm verschenken und endlich mit ihm den Gipfel der Lust erreichen.
7. KAPITEL Als sie langsam wieder in die Wirklichkeit zurückkehrten, hatte Dylan immer noch die Arme um Coop geschlungen, und sie ließ ihn auch nicht los, als er sich vorsichtig mit ihr auf die Seite rollte. Sie legte den Kopf gegen seine feuchte Brust und fühlte sich in seinen Armen wunderbar geborgen. Keine Verlegenheit, kein Schamgefühl oder Bedauern störten diesen wunderbaren Moment. Als Dylan langsam in den Schlaf hinüberglitt, bekam sie noch mit, wie Coop einen leichten Kuss auf ihre Stirn hauchte. Und in diesem Augenblick wurde ihr bewusst, was geschehen war. Sie hatten sich geliebt, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie schmiegte sich an Coop, seufzte leise und schlief ein. Als Dylan erwachte, spürte sie einen warmen Körper in ihrem Rücken und eine Hand auf ihrer Brust. Langsam wurde ihr klar, wie weit sie in der vergangenen
Nacht die Kontrolle über sich verloren hatte, wie sehr sie im Hier und Jetzt gelebt hatte. Hinter ihr seufzte behaglich ein Mann, und sie schloss rasch die Augen. Alle Zweifel, die sie in der letzten Nacht entschieden von sich geschoben hatte, kehrten jetzt mit voller Macht zurück. Sie hatte mit Coop die Nacht verbracht, mit einem Fremden, der sie dazu gebracht hatte, Dinge zu tun, an die sie zuvor nicht einmal gedacht hatte. Ein Mann, der mit seinen Zärtlichkeiten ihren gesunden Menschenverstand zum Schweigen gebracht und ihr mehr als nur körperliche Lust geschenkt hatte. Sie erzitterte leicht, als sie daran dachte, was das ‚Mehr' bedeutete. Liebe ... Kaum hatte sie das Wort in Gedanken geformt, als Coop sich bewegte. "Bist du wach?" Beinahe hätte sie vorgegeben, noch zu schlafen, aber dann umfasste er mit der Hand ihre Brust, und sie war unfähig, ihm etwas vorzuspielen. Sie bedeckte seine Hand mit ihrer und atmete zitternd durch. "Das dachte ich mir", murmelte er gegen ihren Rücken. "Pst, hör mal." Bisher hatte sie nur das laute Klopfen ihres Herzens und sein Atmen gehört, aber jetzt bemerkte sie das leichte Trommeln des Regens gegen die Fensterscheibe. "Es regnet schon wieder", murmelte sie. "Ich kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal zu Halloween geregnet hat." "Ich habe Regen nie gemocht - bis jetzt“, sagte Coop, während er ihre Brüste streichelte. Dann drehte er Dylan sanft zu sich um. "Ich weiß nicht, wie das passieren konnte", flüsterte sie. "Ich verstehe es immer noch nicht." Er strich ihr zärtlich das Haar aus dem Gesicht. „Eins habe ich im Leben gelernt. Suche nie nach Antworten, wo es keine gibt." Er küsste sie, hart und fordernd, dann zog er sich zurück und atmete tief durch., "Das Hier und Jetzt ist das einzige was zählt, sonst nichts.“ "Und was ist mit morgen?" Er zeichnete mit dem Zeigefinger die Konturen ihrer Lippen nach. „Es gibt nur das Jetzt", flüsterte er rau. "Morgen kommt nie.“ Zum ersten Mal in ihrem Leben dachte Dylan nicht an das, was morgen kommen könnte oder sollte. Sie wusste, dass diese wenigen Stunden alles waren, was sie je von Coop haben würde, und sie wollte jeden einzelnen Moment genießen. „In Ordnung", sagte sie, während sie ihre schlanken Arme um seinen Nacken legte. „In Ordnung." Als sie sich das erste Mal geliebt hatten, wurden sie von Leidenschaft mitgerissen, und ihre Liebe war hitzig und fordernd gewesen. Doch dieses Mal war es anders. Sie kosteten jeden Augenblick aus, als wollten sie sich jede Sekunde in ihr Gedächtnis einbrennen, damit die kostbare Erinnerung nie verloren ginge. Coop drehte sich schließlich auf den Rücken und zog Dylan auf sich, umfasste ihre Hüften und drang mit einem Stoß in sie ein. Die Lust, die sie dabei empfand, war so intensiv, dass Dylan sie beinahe als Schmerz empfand.
Das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben, war auf einmal verschwunden, als Coop sich unter ihr zu bewegen begann, und eine Leidenschaft erfasste Dylan, die so stark war, dass sie Angst hatte, von ihr verbrannt zu werden. Sie schrie auf, hörte wie Coop ihren Namen ausstieß, und glaubte, vor Lust vergehen zu müssen. Es gab nur das Hier und Jetzt, nur diesen Mann, der solche wundervollen Gefühle in ihr hervorrief. Und im Moment genügte es Dylan. Coop erwachte durch die Sonnenstrahlen, die auf sein Gesicht fielen, und er war sich schlagartig bewusst, in wessen Bett er lag und wer sich an ihn schmiegte. Die Nacht war wundervoll gewesen. Nie zuvor hatte er etwas Vergleichbares erlebt, und für ein paar Sekunden überließ er sich der Vorstellung, wie es wohl wäre, jeden Morgen an Dylans Seite aufzuwachen. Wie es wäre, jeden Abend mit ihr schlafen zu gehen. Aber so rasch dieser Gedanke gekommen war, so schnell schob er ihn auch wieder beiseite. Nur weil Dylan eine unvergleichliche Frau war und er diese einzigartige Nacht mit ihr verbrachte hatte, würde er nicht die Prinzipien ändern, auf die sein Leben aufgebaut war. Coop öffnete die Augen und sah ihr Haar, das über seine Schulter floss, und ihre schlanke Hand, die genau über seinem Herz auf seiner Brust lag. Er wusste, dass er sie verlassen musste, aber er hatte vor, diesen Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszuzögern. Er rührte sich nicht, betrachtete sie nur und genoss das Gefühl, sie zu spüren. Vielleicht würde er erst morgen etwas von Brokaw hören und noch ein paar Stunden geschenkt bekommen. Aber selbst wenn Brokaw sich meldete, könnte er vielleicht bei ihr bleiben, bis er San Diego verließ. Er müsste seinem Chef nur die Telefonnummer hinterlassen, unter der er ihn erreichen konnte. Langsam zog er den Arm unter Dylans Körper hervor. Sie murmelte etwas im Schlaf, rollte sich dann auf die Seite und schlief weiter. Vorsichtig schlüpfte er aus dem Bett, und sah sich um. Schließlich entdeckte er auf einem kleinen Tisch neben dem Fenster das Telefon. Auf Zehenspitzen ging er über den hölzernen Boden zu dem gläsernen Tisch hinüber, wählte die Nummer seines Hotels und fragte den Portier mit leiser Stimme, ob jemand eine Nachricht für ihn hinterlassen habe. "Ja, Sir", antwortete der Mann gutgelaunt. "Ich bin froh, dass Sie anrufen. Jemand hat eine wichtige Mitteilung für Sie hinterlassen." Während der Portier ihn bat, zu warten, bis er die Nachricht geholt hatte, blickte Coop zu Dylan hinüber. Sein Herz zog sich bei ihrem Anblick fast schmerzhaft zusammen, und sein Körper reagierte sofort auf sie. "Hier habe ich die Nachricht, Sir. Ich lese sie Ihnen vor", hörte er dann die Stimme des Portiers am anderen Ende der Leitung. "Der Vertrag ist unter Dach und Fach. Ruf mich an, sobald du kannst. Wir brauchen dich in vierundzwanzig Stunden auf unserem Testgelände. Brokaw."
Coop schluckte hart, bevor er sich beim Portier bedankte und auflegte. Der Hörer lag kaum auf der Gabel, als das Telefon laut klingelte. Er sah zu Dylan hinüber, die durch den schrillen Laut aus ihrem tiefen Schlaf geweckt worden war. Sie rollte sich auf den Rücken und öffnete langsam die Augen. Schlaftrunken blickte sie ihn an. Wie sollte er ihr sagen, dass er sie bereits in wenigen Stunden verlassen müsse? Ein Abschied, der ihm unendlich schwer fallen würde. Aber noch hatten sie Zeit, miteinander zu reden, um gemeinsam zu überlegen, wie es nach dieser Nacht weitergehen könnte. Dylan strich sich mit einem Lächeln das Haar aus dem Gesicht. Himmel, war sie schön. Sie war die schönste Frau, der er je begegnet war - und die begehrenswerteste dazu. Während das Telefon noch immer klingelte, wurde Coop klar, dass er Dylan nicht verlieren müsse. Er könnte etwas dagegen tun. Und dann kam ihm blitzartig ein Gedanke. Es war zwar ein sehr selbstsüchtiger Gedanke, und insgeheim schämte Coop sich ein wenig dafür, aber im Moment war er der Strohhalm, an den er sich festhalten konnte. Dylan könnte mit ihm nach Europa folgen und mit ihm dort eine Weile bleiben, falls sie den Auftrag, die Häuser zu restaurieren, nicht bekommen sollte. "Das Telefon", murmelte sie. Sein Entschluss stand fest. Er würde Dylan mit nach Europa nehmen. Er hob den Hörer ab. "Ja?" "Könnte ich bitte Mrs. Bradford sprechen? Hier spricht Colin Dytmyer." „Einen Moment, bitte." Coop sah zu Dylan hinüber. „Ein Colin Dytmyer wünscht dich zu sprechen." Sie setzte sich abrupt auf. "Oh, ja", sagte sie benommen. Das Laken war nach unten gerutscht, und Dylan sah wunderschön in ihrer Nacktheit aus. Am liebsten hätte er sie sofort wieder in die Arme gezogen, aber er riss sich zusammen und ging lediglich zum Bett hinüber, um ihr den Hörer zu geben. "Danke", sagte sie. "Ja? Dylan Bradford am Apparat." Coop beobachtete die Art, wie sie ihr Haar zurückstrich, wie sie mit geschlossenen Augen dem Mann am anderen Ende der Leitung lauschte. Er konnte sich vorstellen, was sie in Europa alles machen könnten. Er liebte diesen Kontinent - die Strände, die romantischen, kleinen Städte. Der ideale Ort für ein Liebespaar. Er nahm neben ihr auf dem Bett Platz, berührte ihre nackte Schulter und spürte, wie Dylan zusammenzuckte. „Ja, Sir, das ist großartig", hörte Coop sie antworten, während sie ihn ansah. "Natürlich." Er hauchte einen Kuss auf ihre Schultern. Sie duftete wundervoll. Er rückte näher an sie heran, fuhr mit der Hand in ihr glänzendes schwarzes Haar, strich es zurück und küsste sie hinter das Ohr. Coop wollte Dylan nicht aus seinem Leben lassen. Ein Gedanke, der so neu für ihn war, dass es ihn verwirrte. Sein ganzes Leben war aufs Loslassen angelegt
gewesen - bis jetzt. Er wusste, dass er Dylan verlassen musste, aber nicht im Augenblick, noch lange nicht. Langsam glitt er mit den Lippen über ihren Hals. „Ja, das geht in Ordnung", flüsterte sie und beugte den Kopf leicht zurück, damit er sie besser küssen konnte. "Ja, das werde ich.“ Seine kleinen heißen Küsse wurden immer leidenschaftlicher, und Dylan ließ sich mit Coop zurück aufs Bett fallen. „Ja, Sir, das werde ich. Vielen Dank." Coop zog sich ein wenig zurück, stemmte sich auf einen Ellbogen und nahm ihr den Hörer ab, den er einfach unter eines der Kissen schob. "Guten Morgen", flüsterte sie und legte mit einem wohligen Seufzer die Arme um seinen Nacken. Er küsste sie kurz und heftig und lächelte dann. "Guten Morgen. Der Regen hat aufgehört. Es ist ein wunderschöner Tag." "Wunderbar", flüsterte sie und lächelte ihn verführerisch an. Er legte die Hand auf ihren Bauch. "Ich glaube, es gibt etwas, das ihn noch besser machen könnte.“ Sie schmiegte ihre Hüften gegen seine. Sein Körper verriet bereits, was er von ihr wollte. "Das glaube ich auch. Aber es gibt etwas, das ich dir unbedingt zuerst sagen muss." Er fuhr mit der Hand zu ihren Brüsten hinauf und streichelte eine ihrer bereits erregten Brustspitzen. "Und das wäre?" "Es hat etwas mit dem Anruf von Mr. Dytmyer zu tun." „Ein ehemaliger Geliebter von dir?" fragte Coop, während er sanft ihre Brustknospe massierte. Dylan stöhnte unterdrückt und legte ihre Hand auf seine, um ihn bei der Liebkosung aufzuhalten. "Nein, keine Sorge, er ist kein ehemaliger Geliebter." Er senkte den Kopf, um ihre Brustspitze mit der Zunge zu berühren, und war bestürzt, als Dylan sich abrupt zurückzog. "Coop, hörst du mir überhaupt zu?" "Klar. Mach es aber kurz." „Mr. Dytmyer ist ein Mitglied des Stadtrates und Leiter des Baudezernats. Er hat den Auftrag ausschreiben lassen." Sie lächelte strahlend. "Ich habe ihn bekommen." Coop starrte sie an. "Du hast ihn bekommen?" "Ja, den Auftrag", antwortete Dylan und umarmte ihn. Und einmal wieder wurde Coop klar, wie unsinnig es war, Zukunftspläne zu machen. Meistens kam alles anders, als man erwartete. Er küsste Dylan. "Herzlichen Glückwunsch. Ich wusste, dass du ihn bekommen würdest." Dann presste er sie fest an sich. "Das ist wunderbar. Ein Traum wird für dich wahr." Dylan schmiegte ihre Gesicht an Coops nackte Brust. Ja, ihr Traum würde wahr werden. Sie hatte es geschafft. Sie rückte etwas von ihm ab, um ihm voll ins Gesicht sehen zu können, und wusste, dass nicht nur ein Traum, sondern Träume wahr geworden waren. Sie hatte nicht nur den Auftrag bekommen, sondern Coop war auch noch in ihr Leben getreten. „Ja, es wird sich alles zum Besten wenden."
In seine Augen trat plötzlich ein Ausdruck, den Dylan nicht, deuten konnte. Sie berührte seine Wange. "Coop, stimmt etwas nicht?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, nein, es ist alles in Ordnung", versicherte er rasch und küsste sie wieder. Aber Dylan fühlte, dass ihn irgendetwas sehr beschäftigte. Sie spürte zwar seinen Mund auf ihren Lippen, aber die Leidenschaft war verschwunden. Betroffen suchte sie seinen Blick. "Coop, was ist los?" "Du hast den Auftrag erhalten und ich meinen Vertrag. Ich rief heute morgen das Hotel an. Brokaw hat mir eine Nachricht hinterlassen. Ich habe den FünfJahres-Vertrag, den ich mir so gewünscht habe, erhalten und muss meinen Chef spätestens am frühen Nachmittag treffen." Noch vor vierundzwanzig Stunden hatte Dylan nichts sehnlicher erwartet als den Anruf von Mr. Dytmyer. Und nun, da sie ihn endlich erhalten hatte, spürte sie nichts von dem überschäumenden Glück, von dem sie Tori immer erzählt hatte. "Und was nun?" fragte sie leise und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Coop legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. "Wir haben nicht mehr viel Zeit füreinander, nicht wahr? Nur noch ein paar Stunden, bevor ich die Stadt verlassen muss." "Ich muss um elf Uhr in Dytmyers Büro sein." "Was nun?" Dylan hätte Coop so gern gesagt, dass er sie jetzt gleich in die Arme nehmen, sie lieben und für immer bei ihr bleiben sollte. Aber was hätte das für einen Sinn gehabt? Sie legte eine Hand auf seine Brust und sah ihn sehnsüchtig an. "Einfach den Moment genießen?" flüsterte Coop. Zärtlichkeit stand in seinen Augen, aber auch Schmerz. "Das ist alles, was wir im Moment tun können." "Ich weiß." Mit einem leisen Stöhnen legte er sich auf sie, und Dylan wurde von einem Verlangen erfasst, das so stark war, dass ihr Tränen in die Augen traten. Sie umarmte Coop, streichelte ihn und bog sich ihm entgegen. Als er in sie eindrang, glaubte sie, vor Glück und Lust zu vergehen. Wenn ich diesen Moment doch nur festhalten könnte, dachte sie verzweifelt, bis auch dieser Gedanke verschwand und nur noch Coop, sein Körper und die Lust, die er ihr schenkte, auf dieser Welt zu existieren schienen. Die Wirklichkeit griff mit eisiger Kälte nach Dylan, als Coop sich schließlich aus ihren Armen löste und aufstand. Sie sah ihn nackt durch das Zimmer auf seine Kleidung zugehen, die als kleiner Haufen auf dem Boden lag. Dylan biss sich fest auf die Lippe, damit sie ihn nicht anflehte, zu bleiben. "Wir könnten heute Nachmittag noch etwas unternehmen", schlug sie mit zitternder Stimme vor. "Nachdem du dich mit Brokaw getroffen hast." "Ich muss abfliegen, sobald ich Brokaw gesehen habe", erwiderte Coop, während er die Jeans aufhob. „Er hat es auf einmal ziemlich eilig."
Dylan sah zu, wie er in die Jeans schlüpfte. "Es muss doch noch einen Weg geben", murmelte sie unglücklich. Er zog den Reißverschluss zu. "Ich wüsste nicht welchen." Dylan verließ das Bett, ergriff ihren Morgenmantel und zog ihn an. "Ich hätte nie gedacht, dass so etwas wie die letzte Nacht passieren könnte", sagte sie. Er hatte inzwischen sein Hemd angezogen und fuhr jetzt nervös mit der Hand durchs Haar. "Mir geht es ebenso." "Könntest du dir Urlaub nehmen?" Coop lehnte sich gegen einen der Bettpfosten und streifte die Socken über. "Wahrscheinlich werde ich ein Jahr durcharbeiten müssen, bis das Projekt steht." Er straffte sich und sah sie fragend an. "Wie ist es mit dir? Wirst du sofort mit deiner Arbeit beginnen müssen?" "Ich glaube ja. Sie scheinen es jetzt, da die Entscheidung gefallen ist, sehr eilig zu haben. Aber vielleicht könnte ich die Unterredung mit Dytmyer für ein paar Stunden verschieben, damit wir... " Während sie sprach, trat Coop zu ihr und lächelte sie an ... ein Lächeln, das voller Bedauern war. "Nein, tue es nicht", bat er leise. "Du musst zu dieser Unterredung gehen und ich zu meiner. Es tut mir sehr leid, aber es ist einfach so am besten." Auch ihr tat es leid, so leid, dass ihr Herz schmerzte. "Dann werden wir ... ich..." "Genau", flüsterte er, senkte den Kopf und küsste sie voller Leidenschaft. Der Kuss war viel zu kurz und bittersüß. Alles in Dylan sehnte sich danach, Coop zu bitten, nie von ihr fortzugehen. Aber als sie sich an ihn schmiegen wollte, trat er abrupt zurück und ergriff ihre Hände. "Nein. Wenn wir uns jetzt noch einmal lieben, kommt keiner von uns zu seiner Unterredung." Er schüttelte den Kopf. "Das darf nicht passieren." Sie verschränkte ihre Hände mit seinen. "Komm sicher nach Europa.“ Coop zögerte und umschloss dann ihr Gesicht mit beiden Händen. "Du hast eine wundervolle Zukunft vor dir, Dylan Bradford." Er fuhr leicht mit dem Daumen über ihre Wange. "Du wirst diese alten Gemäuer im neuen Glanz erstrahlen lassen, und danach wirst du noch bessere und größere Aufträge erhalten. Das weiß ich." Dylan sah ihn nur an, wollte sich sein Bild für alle Zeiten einprägen. "Wir können nicht einfach so auseinandergehen. Ich meine, wir könnten telefonieren und ... " Sie fuhr mit der Zunge über die Lippen. "Hast du eine Telefonnummer, unter der ich dich erreichen kann?" "Nein. Die Sicherheitsvorkehrungen bei diesem Projekt sind sehr groß. Aber ich kann dich anrufen, und ich werde es auch tun, das verspreche ich dir." Er überlegte kurz. "Hör zu, vielleicht könnte ich im Januar gleich nach Neujahr einen kurzen Urlaub bekommen. Wenn du willst, besuche ich dich." Dylan nickte, zog ihn an sich und legte die Stirn an seine Brust, bis Coop Dylan bei den Schultern fasste, sie sanft von sich drückte und sie eine Weile nur
ansah. Dann küsste er sie ein letztes Mal. Es war ein harter, fordernder Kuss, ein Kuss, der sie beide zutiefst aufwühlte. "Bis Januar", flüsterte Coop, als er Dylan wieder losließ. Damit wandte er sich ab und ging zur Tür. Dylan lauschte seinen Schritten auf dem hölzernen Boden, die immer schwächer wurden. Dann hörte sie, wie sich die Eingangstür öffnete und wieder schloss. Als er den Motor seines Wagens startete, sank sie aufs Bett und starrte vor sich hin. "Bis Januar", flüsterte sie in den leeren Raum hinein.
8. KAPITEL Heiligabend San Diego "Entschuldige, dass ich zu spät komme", stieß Dylan völlig außer Atem hervor, während sie in Toris Haus eilte, ein Bungalow, der östlich der Stadt in den Hügeln gelegen war. "Ich musste noch nachsehen, ob die Arbeiten im Rundbau richtig ausgeführt wurden." Sie zog rasch den Mantel aus, warf ihn auf die Bank in dem kleinen Flur und ging dann ins Wohnzimmer. "Ich wollte früher kommen, um euch mit dem Weihnachtsbaum zu helfen und ... " Sie stockte, als sie den Baum fertig geschmückt neben dem Fenster stehen sah. Tori, die gerade die Weihnachtsgeschenke unter den Baum gelegt hatte, erhob sich und strich sich über die Jeans und das Top. Sie war nach der Geburt ihres Babys so schlank wie eh und je und sah ohne Make-up fast wie ein Teenager aus. "Und? Ist alles richtig ausgeführt worden?" Dylan verzog das Gesicht. "Entschuldige, aber ich konnte nicht früher kommen. Ich bin wohl sehr spät dran, hm?" "Ja", sagte Allan, der gerade mit dem schlafenden Baby auf dem Arm ins Zimmer gekommen war. Dylan betrachtete das kleine Gesicht des Säuglings. Sie hatte seine Geburt um eine Stunde verpasst, weil sie sich zu dem Zeitpunkt in einer Besprechung mit Dytmyer befunden hatte. Irgendwie hatte sie nie den richtigen Draht zu ihrem winzigen Neffen gefunden. Sie betrachtete ihn stets etwas misstrauisch aus der Distanz, sagte zwar wie niedlich er sei, aber nur, weil das Dinge waren, die Eltern gern hörten. Insgeheim fand sie, dass das Baby einem kleinen Gnom nicht unähnlich sei.
"Es tut mir wirklich leid", seufzte sie und setzte sich in den Sessel, der neben dem Baum stand. Sie war erschöpft, zuviel Arbeit, zuwenig Schlaf, zuviel Stress. Als Allan zu ihr herüberkam und Anstalten machte, ihr das Baby in den Arm zu legen, zuckte sie automatisch zurück. "Ich glaube, ich bin ... krank, ja, wirklich krank", sagte sie rasch. "Aber du siehst gut aus, ein wenig dünn vielleicht, aber gut", erklärte Allan, während er ihr das Baby in den Schoß legte. Dylan setzte sich kerzengerade auf und sah Tori flehend an. „Tori, ich glaube, dass ..." Tori wischte ihre Worte mit einer kurzen Handbewegung weg. "Du musst deinen Neffen kennen lernen, Dylan. Er ist kein Dekorationsstück. Versuche, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Er wird nicht zerbrechen, wenn du ihn auf den Arm nimmst, außerdem brauchst du ein wenig Praxis, wenn du selbst …“ „Tori, ich..." „Ich weiß, ich weiß", fiel Tori ihr ins Wort und zupfte eine Lichterkette zurecht. "Dazu bist du viel zu beschäftigt. Und du bist nicht daran interessiert. Außerdem gibt es zur Zeit keinen Mann in deinem Leben. Ich kenne all deine Entschuldigungen." Dylan saß ganz still und schluckte, während sie gegen eine Welle von Übelkeit ankämpfte. Coops Bild stieg vor ihrem geistigen Auge auf. Er war jetzt seit zwei Monaten fort, und während dieser Zeit hatte er nur dreimal angerufen und mit ihr über Belanglosigkeiten geplaudert. Aber es war bald Januar, und dann würde er sie besuchen. „Es sind keine Entschuldigungen", murmelte sie. "Geht die Arbeit an den Gebäuden gut voran?" fragte Allan. Dylan wusste, dass nicht wirkliches Interesse hinter seiner Frage lag, sondern dass er ihr nur zur Hilfe eilen und Tori von diesem ewigen Thema ablenken wollte. "Wir kommen gut voran", antwortete sie dankbar. "Die Büros sollen bereits im nächsten September bezugsfertig sein." Das Baby bewegte sich auf einmal in ihren Armen, streckte eine kleine Hand aus und gähnte. Gerade als Dylan dachte, der Kleine würde ruhig weiterschlafen, schlug er die Augen auf. Sie sah ihn unsicher an und hoffte, dass er wieder einschlafen würde. Doch er tat ihr nicht den Gefallen, stattdessen lief sein kleines Gesicht krebsrot an, und er begann lauthals zu schreien. „Tori“, rief sie, als sie feststellte, dass Allan nicht mehr im Raum war. "Er hat wohl Blähungen. Allan hat ihn gleich, nachdem ich ihn gestillt habe, ins Bett gelegt", bemerkte sie, während sie sich hinkniete, um den Stecker der Lichterkette in die Steckdose zu stecken. Nervös legte Dylan den Kleinen über ihre Schulter und gab ihm einen kleinen Klaps auf den Rücken. Er machte ein Bäuerchen, doch damit war es noch nicht genug. Dylan hörte ein würgendes Geräusch und spürte dann, wie etwas Feuchtes und Warmes über ihre Schulter floss. Der Geruch von saurer Milch stieg ihr in die Nase.
Dylans Magen zog sich krampfhaft zusammen. Als Tori ihr endlich das Baby abnahm, erhob sie sich taumelnd und rannte ins Badezimmer. Sie hatte es kaum erreicht, als sie auch schon vor der Toilette niedersank und sich übergab. Ihr war so schlecht wie nie zuvor in ihrem Leben. Nachdem ihr Magen sich schließlich wieder beruhig hatte, griff sie nach einem Handtuch neben dem Waschbecken und presste es gegen ihr Gesicht. Mit geschlossenen Augen wartete sie darauf, dass eine neue Welle der Übelkeit sie befiel, aber für den Moment schien es nicht der Fall zu sein. "Was ist los mit dir?" hörte sie Tori hinter sich fragen, die von ihr unbemerkt eingetreten war. Dylan wischte sich mit dem Handtuch das Gesicht ab und holte tief Luft. "Ich sagte dir doch, ich bin krank. Ich fühle mich furchtbar." "Ich dachte, du wärst nur von der vielen Arbeit so erschöpft." "Nein, es ist wohl ein Virus." Tori hockte sich vor Dylan und. legte eine Hand auf die Stirn ihrer Schwester. "Nein, du hast kein Fieber." "Doch, es ist so. Fast jeder ist im Moment krank, aber ich kann es mir nicht leisten, im Bett zu liegen. Sie drängen so sehr auf Fertigstellung, dass ich stets der Zeit hinterher renne. Ich bin einfach erschöpft." Dylan erhob sich langsam und fühlte sich irritiert, weil Tori sie mit einem Blick musterte, den sie nur allzu gut kannte. Es war ein Blick, als ob sie um alle Geheimnisse des Lebens wüsste, und sie nur darauf wartete, endlich etwas von ihrem Wissen preisgeben zu können. "Also gut", murmelte Dylan, als sie das Handtuch in das Waschbecken warf. "Sag mir, was du denkst." "Ich denke nur gerade darüber nach, wie lange es her ist, dass wir diesen Unfall hatten." Diese Bemerkung kam so völlig unerwartet, dass Dylan vor Überraschung den Mund zu schließen vergaß. Sie griff nach dem Wasserhahn und ließ kaltes Wasser über ihre Hände laufen. "Es war am Tag vor Halloween. Warum?" fragte sie und schaute ihre Schwester im Spiegel an. Ehre Blicke trafen sich. "Ich wundere mich nur.“ Dylan spürte, wie ihr Magen wieder zu rebellieren begann. "Warum?" "Allan sagte, dass er dich und Mr. Reeves zusammen im Krankenhaus gesehen habe und dass du und dieser Mr. Reeves dann das Krankenhaus gemeinsam verlassen habt." Dylan schloss die Augen und atmete tief durch. Lebe im Hier und Jetzt, das Morgen kommt nie. "Er war sehr nett und zuvorkommend", flüsterte sie. "Du hast nie viel von ihm erzählt, außer dass du seinen Besuch im neuen Jahr erwartest." "Das hat er gesagt." "Du hast ihm nicht nur die Stadt gezeigt, nicht wahr? Es ist mehr vorgefallen?" Trotz ihrer Übelkeit spürte Dylan, wie ihr Gesicht heiß wurde. „Er ... er war wirklich sehr verständnisvoll."
"Und?" "Okay, er und ich ... wir haben es getan." "Nennt man das heute so?" "Oh, Tori, zum..." "Dylan, das letzte Mal, als ich mich so gefühlt habe, wie du dich jetzt fühlst, bin ich schwanger gewesen." Dylan riss die Augen auf und starrte in den Spiegel. Sie sah müde und blass aus. Sie war krank, sie hatte sich irgendeine harmlose Virusinfektion zugezogen. Schwanger? Sie konnte Coop bei diesem Gedanken auflachen hören. Schwanger? Ein Baby? Ein Kind, das spuckte und weinte? Nein, so etwas hatte keinen Platz in seinem Leben. Sie hingegen lachte nicht, als sie langsam vom Waschbecken zurücktrat und beide Hände auf den Magen presste. "Ich ... ich kann nicht schwanger sein. Ich kenne meinen Zyklus. Ich habe nicht an meinen fruchtbaren Tagen mit ihm geschlafen." "So? Nun, da hat sich schon manche Frau geirrt." Tori drehte sich um, begann im Medizinschrank zu suchen und holte schließlich eine längliche weiße Schachtel heraus. "Wenn ich du wäre, würde ich es genau wissen wollen.“ Dylan starrte auf die Schachtel, in der sich ein Schwangerschaftstest befand, und nahm sie ihrer Schwester aus der Hand. "Und wenn er positiv ausfällt, was mache ich dann?" "Erzähl es dem werdenden Vater, wenn er im Januar kommt." Coop hatte ihr von seinem Leben erzählt, von dem, was er wollte, und von dem, was er nicht wollte. Und eines war klar, er wünschte sich keine Kinder. „Er will keine Kinder", erklärte Dylan leise. Allein der Gedanke an Kinder hatte seine Ehe zerstört, und was sie und Coop verband, war sehr viel weniger als eine Ehe. "Er sagte, er habe zu Kindern überhaupt keine Beziehung." Tori berührte die kalte Wange ihrer Schwester. "Du würdest eine wundervolle Mutter abgeben. Du kannst es dir nur noch, nicht vorstellen, und vielleicht unterschätzt du ihn." Dylan sah Tori an. "Du überschätzt mich, ich bin keine geborene Mutter. Ich bin es nicht und werde es nie sein.“ "Dylan …“ "Und ich will es auch gar nicht sein...“ "Menschen ändern sich." "Tori, ich werde mich nicht ändern. Ich will nicht schwanger sein, will einfach kein Kind haben. Und wenn Coop im Januar hierher kommt, möchte ich ihm nicht die Neuigkeit überbringen müssen, dass ich schwanger bin." Ihre Stimme wurde bei jedem Wort lauter, und Tori beschwichtigte sie. "Pst, es ist ja alles gut, reg dich doch nicht so auf. Mach den Test. Vielleicht gibt es ja auch gar nichts, was du ihm sagen musst.“ "Also gut“, erwiderte Dylan. "Bringen wir es hinter uns." Sie öffnete mit zitternden Fingern die Packung und versuchte, jeden Gedanken an Coop zu verdrängen.
„Was wirst du tun, wenn der Test positiv ausfällt?" fragte Tori. Dylan schluckte und spürte erneut Übelkeit in sich aufsteigen. "Ich weiß es nicht", antwortete sie und griff nach dem kleinen Plastikbecher. "Sag mir nur, was ich jetzt tun muss." Silvester Südspanien "Du hast ihn zu sehr ausgefahren", schrie Brokaw in dem Versuch, das Röhren des Motors zu übertönen, als Coop seinen Sicherheitshelm abnahm. Dann gab er Coop zu verstehen, dass er den Motor des Wagens, eines graumetallenen Prototypen, abstellen solle. Brokaw, der sein schulterlanges dunkles Haar stets am Hinterkopf zusammengebunden trug, war in Jeans und einem schwarzem Polohemd gekleidet. Tiefe Sorgenfalten durchzogen sein markantes Gesicht. Er beugte sich vor und sah durch das offene Fahrerfenster. "Hast du gehört, was ich gesagt habe?" fragte er eindringlich. "Natürlich habe ich das. Ich habe nur meinen Job getan, Brokaw", murmelte Coop, während er sich mit den Händen durchs Haar fuhr. "Den Job, für den ihr mir viel Geld bezahlt." "Du bist verrückt, schlicht und einfach verrückt. Du tust das nicht fürs Geld. Du liebst die Gefahr, den Nervenkitzel. Das weiß ich. Aber in letzter Zeit wirst du zu leichtsinnig, und das, mein lieber Coop, ist ein Problem." Coop schaute Brokaw an. Der Mann begann ihn zu ärgern, er ging ihm auf die Nerven. Er war bereits angespannt genug, seine Belehrungen hatten ihm gerade noch gefehlt. "Ihr habt mich eingestellt, damit ich die Belastbarkeit der Wagen teste, und genau das tue ich. Ich mache genau das, was von einem Testfahrer verlangt wird. Falls euch mein Arbeitsstil nicht passt, könnt ihr euch ja nach einem anderen umsehen." Brokaw schüttelte den Kopf. "Coop, verstehe mich doch nicht falsch." Er versuchte mit einem Witz die Spannung, die zwischen ihnen entstanden war, zu mildern. "Allerdings muss ich sagen, dass du in einem Mercedes auf einer normalen regennassen Straße wirklich kein As bist." Coop musste lächeln. Brokaws Worte riefen Bilder von Dylan in ihm hervor. Dylan im Regen. Dylan in seinen Armen. Dylan am letzten Morgen. Dann schüttelte er heftig den Kopf. „Ja, ich bin nicht für alltägliche Dinge gemacht. Deswegen meide ich sie wie die Pest." "Und du hast nichts zu verlieren." Bei Brokaws Worte spürte er eine eigenartige Enge in seiner Brust, und er fragte sich, ob das, was Brokaw sagte, überhaupt noch zutraf. Er hatte nie aufgehört, an Dylan zu denken, und wenn sie miteinander telefonierten, fühlte er sich so mit ihr verbunden 4de nie zuvor mit einem Menschen. Er konnte es kaum erwarten, sie wieder zu sehen.
Im Januar würde er nach San Diego fliegen. Er würde zu ihr gehen und herausfinden, ob er die Erinnerungen an die Zeit, die er mit ihr verbracht hatte, nur beschönigte. Sie hatten eine Verabredung, und er würde sie halten. "Wir haben bald kein Tageslicht mehr", erklärte Coop. "Lass mich noch eine Runde fahren. Dann kannst du dich endlich auf den Weg machen, um Silvester zu feiern." Er griff nach seinem Helm und setzte ihn auf. Er fuhr diese letzte Runde nicht wegen des Nervenkitzels, sondern aus Pflichtgefühl heraus. Er war heute nicht in Form gewesen. Hätte er sich in der letzten Runde besser konzentriert, hätte er den Mechaniker wahrscheinlich sagen können, wo die Schwachstelle des Wagens lag. Aber er hatte an andere Dinge gedacht, an eine wunderschöne Frau, an Regen und an eine Nacht voller Leidenschaft und Liebe. Der Motor sprang an, und der schlanke, PS-Stake Wagen begann zu vibrieren. Brokaw schlug mit der Hand aufs Dach und trat zur Seite. "Okay. Fahr los. Halte das Lenkrad unter Kontrolle." Coop legte den Gang ein und fuhr zurück auf die Rennstrecke. Du hast nichts zu verlieren. Diese Worte hallten in ihm wider, und er erinnerte sich daran, wann er sich so ähnlich Dylan gegenüber geäußert habe. Er drückte noch fester auf das Gaspedal und teilte durchs Mikrofon, das an seinem Helm befestigt war, den Mechanikern die Geschwindigkeit, die Umdrehungen und die Reaktionen des Wagens mit. Aber seine Gedanken waren woanders - in der Vergangenheit und in der Zukunft. Januar. Bereits in zwei Tagen könnte er losfliegen. Zum ersten Mal seit seiner Teenagerzeit konnte er es kaum erwarten, eine Frau wieder zu sehen. Es hatte viele Frauen in seinem Leben gegeben - intelligente, schöne, aufregende Frauen. Aber seit er Dylan getroffen hatte, war ihm, als hätten diese Frauen nie existiert. Auf einmal überfiel ihn schreckliche Angst, dass irgend etwas geschehen könnte, und er Dylan nie wieder sehen würde. Er hatte kaum diesen Gedanken zu Ende gedacht, als er Wirklichkeit zu werden begann. Das Heck des Wagens begann zu zittern. "Instabilität des Hecks", teilte er den Mechanikern mit, als er eine der engen Kurven erreichte. Er ließ das Gaspedal los und drückte den Fuß auf die Bremse. Dann brach die Hölle los. Das Bremspedal vibrierte leicht, ging bis zum Boden durch, aber die Geschwindigkeit des Wagens verringerte sich nicht. "Bremsversagen", rief er über das Mikrofon, während er versuchte, den Wagen trotz der hohen Geschwindigkeit, mit der er immer noch fuhr, durch die Kurve zu manövrieren. Der Sicherheitswall, der um die Kurve gebaut war, kam plötzlich auf ihn zu, und er erkannte mit schmerzlicher Klarheit, dass Brokaw unrecht gehabt hatte. Er hatte etwas zu verlieren. Funken stoben auf dem Zement, die Karosserie des Wagens wurde aufgerissen, und dann flog der ganze Wagen in die Luft. Und in einem Moment, der ihm wie die Ewigkeit vorkam, erschien Dylans Bild vor ihm. Und ein fast unerträgliches Bedauern ergriff ihn, dass er sie verlassen hatte.
Er hatte alles verloren. Träumten Tote? Coop war sicher, dass er tot sei. Er wusste, dass etwas passiert war, dass er aus der Wirklichkeit herausgerissen und endlos gefallen war, Er musste tot sein. Aber seltsamerweise träumte er. Er sah Dylan aus dem Nebel herauskommen, lichtdurchflutet und wunderschön. Er wusste, dass er nur einzuatmen brauchte, um ihren Duft wahrzunehmen, und nur seine Hand ausstrecken musste, um ihre seidenweiche Haut berühren zu können. Doch instinktiv wusste er, dass irgendetwas nicht stimmte. Obwohl Dylan ihm jetzt so nahe war und ihn einladend anlächelte, war er nicht in der Lage, seine Hand zu heben. Er hatte sogar Schwierigkeiten durchzuatmen. Er versuchte, ihren Namen zu rufen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt, die Worte wollten nicht herauskommen. Dann begann Dylan sich langsam aufzulösen, wurde wieder eins mit dem Nebel und der Dunkelheit, die ihn umgab. Doch plötzlich saß er in dem Mercedes, den Brokaw ihm in San Diego geliehen hatte, und er sah Dylan in ihrem BMW auf ihn zurasen. Es regnete in Strömen, Bremsen quietschten, und der Gestank verbrannter Reifen hing in der Luft. Er wollte ihr zuschreien, doch endlich anzuhalten, doch er konnte keinen Laut herausbringen. Er konnte auch nicht auf die Bremse treten oder das Lenkrad herumreißen. Er wusste, dass der Zusammenstoß unvermeidlich war, aber es kam nicht dazu. Irgendetwas riss ihn aus der Dunkelheit, die ihn umgab, und er war sich auf einmal bewusst, dass er nicht tot war. Er lebte. Tote hatten keine Schmerzen. Auf einmal wusste er, wo er war. Er befand sich seit zwei Tagen in einem Krankenhaus. Die Erinnerung, dass die Bremsen des Wagens versagten und er gegen die Wand gefahren war, kehrte zurück. Er hatte überlebt. Aber er wusste noch nicht, wie hoch der Preis war, den er für sein Überleben zahlen müsste. Erst, wenn der Arzt ihm die letzten Untersuchungsergebnisse mitgeteilt hatte, würde er wissen, wie seine Zukunft aussehen würde. Aber eines war sicher, sobald er wieder einigermaßen in Ordnung war, würde er sofort nach San Diego fliegen. Alles was er sich wünschte, war, Dylan wieder zu sehen. Eine Tür öffnete sich zu seiner Rechten, und er hörte Schritte auf dem Kachelboden. Dann berührte eine Hand seine Schulter, aber die Stimme gehörte nicht dem Arzt. "Coop, hey, Coop. " Brokaws Stimme war eindringlich. "Bist du wach?" Coop öffnete mühsam die Augen und erkannte unklar Brokaw, der sich über ihn gebeugt hatte. "Dachte ich mir doch, dass du wach bist." "Wo ist der Doktor?" "Er wird in wenigen Minuten hier sein, aber ich wollte zuerst mit dir reden."
Coop spürte heraus, dass Brokaw ihm etwas sehr Unangenehmes zu sagen hatte. "Warum?" "Ich dachte, es sei eine gute Idee." Er betrachtete Coop und atmete dann tief durch. "Sie haben dich zu mir geschickt, um mir etwas Unangenehmes mitzuteilen, nicht wahr?" Brokaw runzelte sorgenvoll die Stirn. "Du hattest einen schweren Unfall. Du hast schwere Prellungen an deinen Rippen, und deine Beine sind an mehreren Stellen gebrochen. "Erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß." Brokaw zögerte, bevor er fortfuhr. "Die Verletzungen sind schlimmer als die Ärzte zuerst vermutet haben." Er schwieg wieder, als ob er Coop Zeit geben wollte, auf seine Worte zu reagieren. Aber Coop sagte nichts darauf, sondern starrte Brokaw nur unverwandt an. "Also, deine Beine sind an mehreren Stellen gebrochen, und in deinem rechten Bein sind Nerven und Blutgefäße verletzt. "Komm zum Kern der Sache." "Sie müssen dich noch einmal operieren, die Beine nageln und sehen, wie gut es heilt. Und die Nerven ... Es gibt keinen Weg, herauszufinden, ob sie sich wieder regenieren oder nicht." Coop schloss die Augen. "Du meinst, ich, werde nie mehr laufen können?" "Es besteht immer noch Hoffnung, dass alles gut geht, aber es besteht auch das Risiko, dass du dein rechtes Bein verlierst." "Wie lange wird es dauern, bis das endgültige Resultat vorliegt?" fragte Coop. „Das weiß man nicht genau. Wahrscheinlich wird man erst in einigen Monaten wissen, ob es sich um einen irreparablen Schaden handelt." Coop war vielen schmerzlichen Situationen in seinem Leben ausgesetzt gewesen, aber das hier war selbst für ihn zuviel. Außer einer dumpfen Trauer empfand er im Moment überhaupt nichts. "Irreparabler Schaden?" "Hey, beruhige dich, Warte erst einmal ab und schau, was passiert. Du musst Geduld haben. Außerdem läuft dein Vertrag über fünf Jahre, ob du arbeitest oder nicht, also wirst du keine Geldsorgen haben." "Na, großartig", murmelte Coop. "Ich rufe jetzt den Doktor." Coop holte tief Luft. "Sag dem Doktor, er soll noch eine Weile warten. Ich muss noch einen Anruf machen." Brokaw griff zum Telefon, das auf Coops Nachttisch stand. "Wie ist die Telefonnummer?" Coop nannte sie ihm aus dem Gedächtnis, hielt dann mühsam den Hörer an das Ohr und bekam nur halbwegs mit, dass Brokaw den Raum verließ. Nachdem es dreimal geläutet hatte, hörte er ein Klicken und dann Dylans vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. "Hallo?" Coop zuckte zusammen, als er ihre Stimme so deutlich vernahm, als ob sie sich im Nachbarzimmer befinden würde. Unwillkürlich schloss er die Augen.
"Hallo, wer ist dort?" fragte sie. Er hatte sie spontan angerufen, aber jetzt fragte er sich, was er sich eigentlich dabei gedacht habe. Hatte er ihr mitteilen wollen, dass er für eine Weile hier festsitze, sie dann aber im Anschluss besuchen werde? Oder hatte er ihr von dem Unfall erzählen wollen und geglaubt, sie würde sofort alles in San Diego stehen und liegen lassen und zu ihm, einem Invaliden, eilen? Nein, das ergab keinen Sinn. Jetzt wusste er wirklich, was unerträglicher Schmerz bedeutete. Er würde nie mehr zu Dylan zurückkehren können. Er wollte nicht mehr zurückkehren. Es sei denn, er würde sein Bein doch behalten und eines Tages wieder laufen können. Es schmerzte, ihre Stimme zu hören, und er versuchte den Hörer auf die Gabel zu legen, aber er schaffte es im Liegen nicht. Der Hörer rutschte ab und fiel zu Boden. Er sank in die Kissen zurück. Sein Gesicht war von der Anstrengung verzerrt, und Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Zum letzten Mal hörte er schwach ihre Stimme. "Hallo, hallo?" Dann war sie fort, und das Freizeichen ertönte.
9. KAPITEL San Diego 4. Juli "Heiß, heiß, heiß", tönte die Stimme aus dem Radio. "San Diego kocht. In den Straßen der Stadt herrschen zweiundvierzig Grad, und selbst am Strand werden noch achtunddreißig erreicht. Und es sieht so aus, als ob diese Rekordtemperaturen uns noch eine Weile erhalten bleiben. Die Bevölkerung wird gebeten, Strom zu sparen und, die Klimaanlagen nicht auf Hochtouren laufen zu lassen." Als es an der Haustür klingelte, schaltete Dylan das Radio aus, stellte die Limonade, die sie sich gerade gemacht hatte, auf die Spüle und ging zur Tür. Trotz der Ventilatoren, die sie im Haus aufgestellt hatte, war es unerträglich warm, und ihr leichtes Baumwollkleid klebte ihr am Körper. Als sie die Tür aufmachte, stand Tori, die Arme voller Pakete vor ihr. "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag", rief ihre Schwester und eilte an ihr vorbei ins Haus. Dylan schloss die Tür, folgte ihr und sah, wie sie die Pakete auf die Couch neben dem Kamin legte. "Danke", murmelte sie. Dann drehte Tori sich zu ihr um. Sie trug weiße Shorts und ein pinkfarbenes Trägertop und sah heiß und verschwitzt aus.
„Junge, hier drinnen sind ja Temperaturen wie in einem Backofen", stöhnte sie "Ich sagte dir doch, dass du eine Klimaanlage brauchst. Allan hätte sie für dich einbauen lassen können." Dylan lehnte sich gegen die Tür. "Was ist los? Ich dachte, wir würden später bei euch feiern?" "Das werden wir auch, meine liebe Schwester, aber ich wollte diese Sachen bei dir vorbeibringen." Sie sah Dylan prüfend an. "Dein neuer Haarschnitt steht dir gut." Dylan fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das sie nun kurz geschnitten trug. "Ich dachte, dass kürzeres Haar bei dieser Hitze angenehmer wäre." Sie schaute auf die braunen Pakete, die auf ihrer Couch lagen. "Du hättest mir nicht so viel kaufen sollen. Aber dreißig wird man nicht jeden Tag, nicht wahr?" "Oh, das hier ist nicht für dich, zumindest nicht direkt." Tori griff nach dem Päckchen, das ihr am nächsten lag. Sie öffnete es und zog einen gelben Strampelanzug heraus, der so winzig war, das er aussah, als wäre er für eine Puppe. "Die Sachen sind für das Baby, Liebes. Strampler, Hemdchen, Windeln und sonstiges. Dinge, die du eigentlich kaufen solltest." Dylan runzelte kurz die Stirn und wandte sich dann ab. "Danke", murmelte sie und ging zur Küche. Tori folgte ihr. "Hey, irgendwann musst du anfangen, solche Sachen für das Baby zu kaufen." Dylan vermied es, auf ihren gerundeten Bauch zu sehen, und ging zur Spüle, um noch mehr Zitrone in die Limonade hinzuzufügen. Sie nahm ein Messer, schnitt eine Zitrone in zwei Hälften und presste den Saft in den Krug. "Sachen?" „Ja, Babysachen, und du solltest endlich dein Gästezimmer ausräumen und beginnen, das Kinderzimmer einzurichten." Dylan schnitt eine weitere Limonade auf, "Das werde ich auch, ich hatte nur noch nicht ..." „... die Zeit oder die Lust dazu." Dylan ließ das Messer scheppernd in die Spüle fallen und lehnte sich gegen den Schrank. Im Haus war es bereits vor Toris Besuch heiß gewesen, aber jetzt war die Hitze unerträglich geworden. Sie blickte auf den Schlafanzug, den Tori in den Händen hielt. "Danke für alles." "Gern geschehen. Übrigens, ich habe mich nach einem passenden Schwangerschaftskurs für dich erkundigt und... " „Tori, hör auf. Es ist zu heiß für solche Gespräche. Ich werde mich schon selbst darum kümmern." "Du tust es aber nicht." "Das reicht. Das letzte, was ich heute brauche, sind Belehrungen. Ich fühle mich gestresst, und ich habe noch sehr viel zu tun." Sie schaute auf die Limonade, die sie zubereitet hatte, und ihr Magen zog sich auf einmal krampfhaft zusammen. Was sie jetzt brauchte, war ein kühles, sprudelndes Mineralwasser.
"Natürlich", erwiderte Tori. Dylan schaute auf. "Was soll das heißen?" "Cooper Reeves ist nie zurückgekommen, und du hast ihn auch nie angerufen und …“ "Ich habe weder seine Telefonnummer noch seine Adresse." "Du hattest Mr. Brokaws Nummer und Adresse. Du hast ihm genug Geld für diesen Wagen geschickt." „Ich sagte dir doch, dass es sinnlos wäre, Coop anzurufen …“ "Woher willst, du das wissen, wenn...“ „Tori, hör endlich auf. Ich weiß, was ich tue." Aber damals, als sie noch geglaubt hatte, Coop würde zurückkommen, hatte sie nicht gewusst, was sie zu tun oder was sie zu erwarten hatte. Eines war ihr allerdings klar gewesen, er hätte dieses Kind niemals willkommen geheißen. Genauso wenig, wie sie es am Anfang getan hatte. Sie wusste, dass er ihre Entscheidung, das Kind zur Welt zu bringen, nie verstehen würde. Und wie sollte sie es ihm erklären, wenn sie ihre Gründe selbst nicht verstand? Aber das hatte sich ja nun erübrigt. Coop war nicht im Januar zurückgekommen und hatte sie auch nie angerufen. Sie war völlig auf sich selbst angewiesen. Aber sie hatte überlebt und sich der Situation angepasst. Die Schwangerschaft machte ihr im Moment keine Probleme. Sie war gesund und fühlte sich wohl. Als das Baby sich noch nicht bewegte, hatte sie manchmal sogar vergessen, dass sie schwanger war. Allerdings mit, bis Tori sie mit ihren Belehrungen immer wieder daran erinnert hatte. "Ich sagte dir bereits, dass das nicht dein Problem ist. Es ist meins, und ich komme damit schon zurecht." "Indem du deine Schwangerschaft einfach ignorierst?" Dylan schaute auf ihren Bauch herunter. "Wie kann man sie ignorieren, wenn man sich wie ein aufgeblasener Ballon fühlt." "Das stimmt nicht. Du bist nicht so dick, wenn man bedenkt, dass du bereits im achten Monat schwanger bist. Himmel, als ich mit Allan James im achten Monat...“ "Du warst so dick wie ein Elefant." "Vielen Dank für das Kompliment." "Gern geschehen. Und jetzt habe ich andere Dinge zu tun." "Dylan, kennst du das Wort Verleugnung?" "Natürlich." "So? Wenn du in ein Wörterbuch schauen würdest, könntest du dein Bild daneben sehen." Das reichte. Dylan hatte das Gefühl, die Wände würden langsam auf sie zukommen und sie wäre für immer mit ihrer Schwester eingesperrt, mit Tori, die niemals aufhörte, über Kinder und Schwangerschaften zu reden. Sie brauchte dringend etwas Luft, und die würde sie nur bekommen, wenn entweder sie oder
Tori das Haus verließen. "Du hättest anrufen sollen", suchte sie nach einer Entschuldigung. "Ich wollte gerade das Haus verlassen." "Und wie wäre es mit einer Limonade für mich?" Dylan nahm ein Glas, gab Eis und die Hälfte ihrer Limonade hinein und reichte es Tori. "Hier bitte. Ich muss jetzt gehen." "Wohin willst du?" fragte ihre Schwester, während sie das Glas entgegennahm. "Oh, nein, du brauchst es mir nicht zu sagen. Du fährst zu diesen Gebäuden, nicht wahr?" Dylan hatte nicht gewusst, wohin sie fahren sollte. "Ja, das werde ich", entschied sie rasch. "Warum willst du dich in dieser Hitze hinauswagen“ Dylan wusste, dass Tori die Wahrheit nicht verstehen würde, also log sie. "Mein neuer Wagen hat eine phantastische Klimaanlage. Und es ist wichtig, dass ich hinfahre, um nachzusehen, ob tatsächlich alles so geworden ist, wie ich es haben wollte." "Oh, Dylan, warum gerade jetzt?" "Warum nicht? Man hat bereits die Klimaanlage installiert und wollte sie an diesem Wochenende ausprobieren. Es wird dort wunderbar kühl sein." Sie kam sich vor, wie ein Gefangener der seinem Wärter entkommen wollte. "Schließ bitte ab, wenn du das Haus verlässt." Sie griff nach ihrer Tasche und eilte zur Haustür. "Ich werde um etwa zwanzig Uhr bei euch sein, und falls ich aufgehalten werde, rufe ich an." "Dylan! " rief Tori hinter ihr her. "Du bist schwanger, und du...“ Zu Dylans Erleichterung hörte sie den Rest nicht mehr, nachdem sie die Tür zugeschlagen hatte. Die Dämmerung begann sich bereits über die Stadt zu legen, und die Hitze stand wie ein Schild vor ihr. Während sie zu ihrem neuen Wagen ging, verdrängte sie die Gedanken an Toris Belehrungen. Sie wollte nicht daran erinnert werden, dass sie schwanger war, und an Coop schon gar nicht. Sie stieg in den dunkelblauen Wagen mit den getönten Scheiben. Sobald sie den Motor gestartet hatte, begann die Klimaanlage zu arbeiten. Sie fuhr auf die Straße hinaus und wusste auf einmal, dass sie das richtige tat. Vielleicht war ein letzter Besuch der Santa Clare Gebäude der einzige Weg, um mit der Vergangenheit abzuschließen und sich mit dem neuen Leben, das vor ihr lag, anzufreunden. Ein neues Leben mit einem Kind, das zumindest eine Mutter verdiente, die nach vorne schauen konnte und nicht nur in der Vergangenheit lebte. "Coop, ich sagte dir doch, dass ich die Firma kontaktiert habe, die ich für dich anrufen sollte, und man teilte mir mit, dass sie gekündigt habe." Brokaw bog vom Freeway ab und lenkte seinen schwarzen Porsche auf den Freeway und auf die staubigen, abendlichen Straßen, die zu Dylans Haus führten. "Man sagte mir, dass sie an einem privaten Auftrag arbeite. Ihr Chef schien nicht gerade begeistert zu sein. Wahrscheinlich hätte er sich gern den Auftrag, den sie als
nächstes ausführen wird, selbst an Land gezogen.“ „Das hast du mir bereits erzählt“, murmelte Coop und wies auf die Abzweigung, die zu Dylans Haus führte. „Fahr bitte dort hinein. Ihr Haus liegt fast am Ende der Straße." "Und wenn sie nicht zu Hause ist?" fragte Brokaw. Coop starrte auf die Kühlerhaube des schwarzen Porsches. "Dann weiß ich nicht weiter. Ich wünschte mir, ich könnte mich an den Nachnamen ihrer Schwester erinnern." "Was ist eigentlich los?" fragte Brokaw. "Zuerst wolltest du überhaupt nichts von San Diego wissen und unbedingt in Spanien bleiben. Dann wolltest du doch zurück, und nun willst du mit aller Macht die verrückte Fahrerin finden, die meinen Mercedes angefahren hat. Warum so plötzlich?" Verrückte Fahrerin? Er hätte über diese Beschreibung Dylans gelächelt, wenn er nicht so nervös und fahrig gewesen wäre. Er rieb sich das rechte Bein. Der Schmerz in dem Bein war konstant und verschlimmerte sich noch durch das Einund Aussteigen in den tiefliegenden Sportwagen. Aber selbst das war im Moment das kleinere Übel. Er seufzte. "Gestern teilte der Arzt mir mit, dass ich über den Berg bin und es sicher sei, dass ich mein Bein nicht verlieren werde.“ "Nun gut. Aber was hat das mit der wilden Suche nach dieser Dylan Bradford zu tun?" "Ich wollte sie im Januar wieder sehen, doch der Unfall hat meine Pläne durchkreuzt. Aber jetzt, da ich weiß, dass ich kein Invalide sein werde, möchte ich sie gern wieder sehen." "Ich wusste, dass mehr hinter dieser Suche steckt." Coop lächelte. "Also gut, ich mag sie. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen, und ich konnte sie einfach nicht vergessen." Während er zwei Operationen und unzählige Therapien hinter sich gebracht hatte, waren Träume von Dylan seine Zuflucht gewesen. "Ich möchte sie einfach nur sehen", erklärte er schlicht. "Obwohl dein Bein sicherlich höllisch schmerzt, bist du den ganzen Weg von Spanien hierher geflogen, nur um diese Frau zu sehen?" "Ja, aber ich habe kein einziges Mal an die Möglichkeit gedacht, dass ich sie nicht finden würde." Brokaw bog in Dylans Straße ein, und Coop beugte sich leicht vor, um ihr Haus besser erkennen zu können. "Dort", erklärte er. "Das Haus mit dem Vorgarten." Brokaw fuhr zu dem Haus und bog dann in die Einfahrt ein. Noch bevor er den Wagen angehalten hatte, öffnete Coop die Tür. "Warte hier", sagte Coop und stieg so schnell er konnte aus dem Wagen. Er achtete genauso wenig auf die drückende Hitze wie auf den Schmerz in seinem Bein. Sein Herz hämmerte, während er sich der Haustür näherte. Was sollte er Dylan sagen? Wie konnte er ihr erklären, warum er im Januar, nicht gekommen war?
Er blieb vor der Tür stehen und hoffte, dass sie ihm genug Zeit geben würde, um ihr alles erklären zu können. Er klopfte an, aber niemand antwortete. Er klopfte noch einmal, und als immer noch nichts geschah, trat er einige Schritte zurück und blickte am Haus hoch. Er konnte durch das Fenster irgendwo im Haus ein Licht brennen sehen, sonst herrschte vollkommene Stille. Das Haus schien leer zu sein. Er trat noch einige Schritte zurück und stieß gegen einen kleinen Tisch, der unter dem Olivenbaum stand. Er drehte sich um und sah ein Glas auf dem Tisch stehen. Er nahm es in die Hand und roch daran. Es war noch ein Rest von Zitronenlimonade darin, und die Eiswürfel waren noch nicht völlig zerschmolzen. Irgendjemand musste noch vor wenigen Minuten hier gewesen sein. Er stellte das Glas zurück, ging wieder zur Eingangstür und klopfte erneut. Doch niemand antwortete. "Verdammt", murmelte er, während er langsam zum Porsche zurückhumpelte. „Es ist keiner zu Hause", erklärte er Brokaw, als er wieder in den Wagen stieg. Brokaw startete den Motor und fuhr zurück auf die Straße. "Vielleicht wohnt sie nicht mehr hier. Vielleicht ist sie in eine andere Stadt gezogen." "Vielen Dank für deine Ermutigungen", erwiderte Coop lakonisch. Tiefe Trauer erfüllte sein Herz. Würde er Dylan nie mehr wieder sehen? Als Dylan in die Straße einbog, in der sich die Santa Clare Gebäude befanden, kam es ihr, wie so oft in der letzten Zeit, wie ein Wunder vor, wie verändert hier alles war. Die Gebäude sahen wie neu aus, nirgendwo waren Graffitis auf den Häusern zu sehen, die Straßen waren neu gepflastert und sauber. Sie parkte unter einer der hübschen, altmodischen Gaslaternen, stieg aber nicht sofort aus. Am liebsten wäre sie jetzt auf gut Glück weitergefahren, irgendwohin, aber sie überlegte es sich anders. Sie musste das, was sie jetzt vorhatte, hinter sich bringen. "Herzlichen Glückwunsch, Dylan", murmelte sie, ließ den Schlüssel in die Handtasche fallen und stieg aus, hinein in die glühende Hitze, die trotz des einfallenden Abends immer noch über der Stadt lag. Sie ging langsam, dankbar, dass sie nur ein leichtes, schulterfreies Baumwollkleid trug. Als sie die Eingangstüren erreicht hatte, standen trotzdem bereits Schweißperlen auf ihrer Stirn. Sie stieß die Tür auf und betrat die restaurierte Eingangshalle. Der Marmorboden glänzte, die Wände waren frisch gestrichen, und die wundervollen Mahagonimöbel schimmerten. Erfreulicherweise arbeitete die Klimaanlage bereits mit voller Kraft. Eine kühle Brise liebkoste ihre nackten Arme, und Dylan atmete erleichtert durch. "Das tut gut, nicht wahr, Miss Bradford?" Sie bemerkte den Nachtwächter, Chuck, ein imposant wirkender Mann mit dunklem Haar und einer makellosen grauen Uniform. Er stand hinter der Rezeption, die Kappe weit in den Nacken geschoben. „Ja, es ist großartig." Sie seufzte. "Einfach wundervoll.“
"Die Klimaanlage arbeitet wirklich gut. Es ist alles fertig, nur die Telefone funktionieren noch nicht. Der Einweihungsfeier steht nichts mehr im Weg. Ich habe gehört, der Tag wäre bereits festgelegt worden." "Ja, am 1. August. Das Ganze soll hochoffiziell werden." Er lächelte. "Und wann ist Ihr großer Tag?" Sie legte eine Hand auf den Bauch. "Am 8. August." "Whoa!" sagte Chuck, immer noch ein breites Lächeln auf seinem Gesicht. "Sie haben wirklich alles bis ins Detail geplant." Dylan schluckte. Ihr war es nicht möglich, über seine Worte zu lächeln. Ihre Planung war alles andere als gut gewesen. Sie wandte sich rasch ab und ging auf die Fahrstühle zu. "Ich hoffe nur, dass alles gut verläuft", erwiderte sie mit gepresster Stimme. Als sie auf den Fahrstuhlknopf drückte, fiel ihr Blick auf ihr Bild, das sich in den polierten Metalltüren widerspiegelte. Sie sah so anders aus als in jener Nacht, in der sie mit Coop hier gewesen war, und es lag nicht nur an ihrem neuen Haarschnitt. Jene Frau von damals war verschwunden, und an ihre Stelle war eine schwangere Frau mit ernstem Gesichtsausdruck getreten, die sich nicht daran erinnern konnte, wann sie das letzte Mal von Herzen gelacht hatte. "Ich werde bald meine Runde machen. Falls ich nicht hier bin, wenn Sie herunterkommen, schließen Sie bitte gut die Türen hinter sich zu", rief Chuck ihr nach. "Manchmal klickt das Schloss nicht richtig ein. Ich muss das noch melden." Dylan drückte auf den Knopf für den vierzehnten Stock und nickte. "Ich werde aufpassen." "Ach, übrigens, Miss Bradford, ist es ein Junge oder ein Mädchen?" "Ich weiß es nicht“, rief sie zurück, bevor die Fahrstuhltüren sich langsam schlossen. Im vierzehnten Stock ging sie zielstrebig in das Büro, in dem sie mit Coop gewesen war. Sie schaltete das Licht im vorderen Raum ein und sah, dass der neue Mieter bereits Bücherregale hatte anbringen lassen und einen Tisch und einige Schreibtischstühle abgestellt hatte. Als sie den dahinter liegenden Raum betrat, entschied sie, das Licht nicht anzuknipsen. Das Halbdunkel, in dem dieses Zimmer lag, war ihrer Stimmung angepasster. Langsam ging sie zum Fenster hinüber mit der wundervollen Aussicht. Sterne und Mond erhellten den heißen Abend, und unter ihr lagen die Lichter der Bucht. Dylan legte ihre Handtasche auf einen Stuhl in ihrer Nähe ab und öffnete eines der Fenster. Die Luft, die eindrang, war heiß, aber sie brachte den salzigen Duft des Ozeans mit sich. Wie aus weiter Ferne drangen die Geräusche des Verkehrs zu ihr herauf. Sie zuckte leicht zusammen, als plötzlich durch die Nachtluft Musik zu ihr herüberwehte. Es war eine Version von ‚Blue Moon', und Dylan wusste, dass der Song aus dem Club, der etwas weiter die Straße hinunter lag, gespielte wurde.
Dann wechselte die Musik, und ‚Send me' wurde gespielt, ein Lied, das bittersüße Erinnerungen in ihr hervorrief ... Erinnerungen an eine regnerische Nacht, in der sie mit einem Fremden getanzt hatte. Sie schüttelte energisch den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Doch sie hatten bereits eine Sehnsucht in ihr hervorgerufen, die ihr den Atem nahm. Das alles gehörte der Vergangenheit an. Sie musste in die Zukunft schauen, in eine Zukunft, in der Coop Reeves keinen Platz mehr hatte. Sie wusste, dass Coop nie wiederkehren würde und dass sie ihr Leben allein weiterleben musste. Ihre Augen brannten von ungeweinten Tränen, als sie plötzlich spürte, wie das Baby sich in ihr bewegte. Auf einmal - zum ersten Mal während der letzten Monate - wurde ihr klar, dass sie ja gar nicht allein war. Sie trug ein neues Leben in sich. Ihr Kind. Ein Kind, für das sie verantwortlich war und das sie brauchte. Plötzlich fiel die letzte Barriere, die sie innerlich noch von ihrem. Baby getrennt hatte, und sie verspürte ein zärtliches Gefühl diesem winzigen Wesen gegenüber, das in ihr wuchs. Und noch etwas geschah. Coop war Tausende Meilen entfernt von ihr und lebte das Leben, das er für sich gewählt hatte. Sie hatte geglaubt, sie würde ihn hassen, aber sie in diesem Moment wusste sie, dass das nicht stimmte. Sie konnte ihn nicht hassen. Aber sie konnte eines tun. Jetzt, hier in der Stille dieser Büroräume, konnte, sie ihn endlich loslassen.
10. KAPITEL "Das Restaurant, in dem die Party stattfindet, liegt nur zehn Minuten entfernt von hier. Sollen wir nicht hinfahren?" Coop, der es sich auf dem Beifahrersitz des schwarzen Porsches bequem gemacht hatte, starrte hinaus in die Nacht. "Ich hätte vor ihrem Haus warten sollen, bis jemand zurückkommt." „Wenn sie überhaupt noch dort wohnt", erinnerte Brokaw ihn. „Fahr mich trotzdem zurück." Brokaw blickte auf die Armbanduhr. "Kann das nicht eine Weile warten? Wir werden nicht lange auf der Party bleiben, gerade lange genug, um ein paar Drinks zu nehmen und uns das Feuerwerk anzusehen. Hey, du hast sie acht Monaten nicht gesehen, da werden ein paar Stunden mehr nichts schaden." Acht Monate. Eine lange Zeit. Ein Leben. Und Coop hasste jede Minute, die er noch auf Dylan warten musste. Er wollte endlich wissen, ob seine Erinnerungen an die Zeit mit ihr nur eine schöne Illusion waren. Dann fiel Coop ein, dass es noch einen Ort gab, wo er sie finden könnte, einen Ort, an dem alles begann. "Kennst du die Santa Clare Gebäude?" fragte er. "Weißt du, wie du hinkommen kannst?" "Klar. Ich glaube, die liegen hier ganz in der Nähe", antwortete Brokaw.
Coop blickte durch die Windschutzscheibe und entdeckte eine Abzweigung, die ihm bekannt vorkam. „Ja, es muss hier sein." Als sie in die Straße einbogen, war Coop erstaunt über die Verwandlung, die sich hier vollzogen hatte. Die einst so verfallene Straße war nicht mehr wieder zu erkennen. "Sind wir hier richtig?" fragte Brokaw. "Ja", bestätigte Coop, und im gleichen Moment entdeckte er einen dunkelblauen BMW, der an derselben Stelle geparkt war, an der sie vor acht Monaten den Mercedes abgestellt hatten. „Halt an", forderte er Brokaw auf. "Park dort hinter dem dunkelblauen Wagen. Brokaw warf erneut einen ungeduldigen Blick auf seine Armbanduhr. "Wir haben nicht viel Zeit und ...“ "Du brauchst nicht zu warten. Fahr ruhig zur Party." „Aber... " "Mach dir keine Sorgen, ich komme später nach. Gib mir nur die Adresse des Restaurants." Brokaw parkte hinter dem dunkelblauen BMW. "Bist du sicher?" „Absolut sicher", antwortete Coop, während er die Tür aufstieß. Dann griff er nach seinem Stock und stieg vorsichtig aus. Brokaw lehnte sich zur Beifahrertür hinüber, um Coop anzusehen. "Das Restaurant heißt Atrium und liegt am Ende der Hauptstraße, von der wir eben abgebogen sind", erklärte er. Coop nickte. "Verstanden. Wir sehen uns dann später." Brokaw startete den Motor, fuhr los und ließ Coop in der stickigen Hitze des Abends zurück. Coop drehte sich um und ging auf den Eingang zu. Das Gebäude machte nicht den Eindruck, als ob es bereits eröffnet worden wäre, aber eine der Eingangstüren war nur angelehnt. Er öffnete sie und trat in die schwach beleuchtete Eingangshalle. Angenehme Kühle umgab ihn. Er blickte sich um, niemand war zu sehen. Auch hier erinnerte nichts mehr an den ehemaligen Verfall, und die Verwandlung war hier drinnen ebenso erstaunlich wie draußen auf der Straße. Langsam ging er auf die Fahrstühle zu, und als er zum Anzeiger hochschaute, bemerkte er, dass einer der Aufzüge im vierzehnten Stock gehalten hatte, dort wo sich die besten Büroräume des ganzen Hauses befanden ... dort wo er einmal mit Dylan im Mondschein getanzt hatte. Dylan stand am Fenster und hatte das Gefühl, dass ein schweres Gewicht von ihren Schultern genommen worden wäre. Sie lächelte, als das Baby sich in ihr bewegte, und war selbst überrascht, dass sie die Hand auf den Bauch legte und zum ersten Mal zu ihrem Kind sprach. "Okay, ich weiß, dass du hier bei mir bist", murmelte sie leicht verlegen. Als in der Ferne ein gigantisches Leuchtfeuer den Nachthimmel durchzuckte und die Bucht in helles Licht tauchte, bewegte sich das Baby erneut. "Ich weiß, es sieht ein wenig unheimlich aus. Aber ich würde mich an deiner Stelle entspannen." Sie seufzte und drückte die Hand auf den Rücken, der zu
schmerzen begonnen hatte. "Vertrau mir, mein Kind, wenn du erst einmal geboren bist, wirst du merken, wie gut es dir in meinem Bauch ergangen ist. Da ich für uns arbeiten muss, wirst du wahrscheinlich die meiste Zeit deiner Kindheit auf Baustellen verbringen, in alten Häusern, die deine Mommy neu macht." Das Baby stieß wieder mit seinem Füßchen zu. "Also gut, vielleicht brauchst du nicht sofort mit mir zu kommen. Tante Tori wird begeistert sein, wenn du Allan James unterhältst." Wieder strich sie mit der Hand über ihren Bauch. "Weißt du, heute ist mein Geburtstag, und Tante Tori wartet bereits mit dem Kuchen auf uns. Aber genießen wir noch eine Weile diesen wundervollen Ausblick." Als Coop den vierzehnten Stock erreichte, hielt er für einen Moment die Fahrstuhltür offen. Vielleicht war das, was er hier tun wollte, doch nicht so eine gute Idee. Vielleicht war es sogar eine Form von Masochismus, und es wäre besser für ihn, wenn er dieses Gebäude auf der Stelle verlassen würde. Er könnte ein Taxi zu Dylans Haus nehmen, dort eine Weile warten und dann zur Party fahren. Er wollte sich gerade umdrehen, um wieder hinunterzufahren, als er am Ende des Korridors eine offene Tür und schwaches Licht sah. Langsam verließ er den Aufzug und ging auf die Tür zu. Die dicken Teppiche verschluckten das Geräusch seiner Schritte und seines Stockes. Er betrat den Raum und nahm einen Duft wahr, der ihm nur allzu vertraut war. "Dylan", flüsterte er. Er atmete noch einmal den Duft ein. Ja, es war kein Traum. Dann fiel sein Blick auf eine weitere geöffnete Tür, die in ein Nebenzimmer führte. Er überquerte den Raum, ging über dicke Teppiche zur Tür, lehnte dort den Stock gegen die Wand und blieb im Türrahmen stehen. Er erkannte die Silhouette einer Frau, die mit dem Rücken ihm zugewandt vor dem Fenster stand, eine schlanke Frau, die sich gegen den dunklen Himmel abhob. Sie wirkte, als wäre sie ein Teil der Nacht. Und sie sah aus wie Dylan. Ein Leuchtfeuer zuckte über den Himmel, und Coop zweifelte an seinem Verstand. Das fahle Licht erhellte die nackten Schultern der Frau, und durch den dünnen Stoff ihres sommerlichen Kleides zeichneten sich ihre langen schlanken Beine ab. Seine Verwirrung nahm noch zu, als er leise Musikklänge vernahm, denselben Song, den er mit Dylan in jener unvergesslichen Nacht hier gehört hatte. Es schien alles so wirklich zu sein, doch Coop wusste, dass er einer Illusion erlegen sein musste. Ich kann es mir nicht leisten, den Verstand zu verlieren, hielt er sich vor und schüttelte über sich selbst den Kopf. In diesem Moment begann die Frau zu summen. Keine Erscheinung würde einen Song der Fünfziger Jahre summen. Es war tatsächlich Dylan!
Coop konnte es nicht fassen, dass er sie gefunden hatte. Sein erster Impuls war, zu ihr zu gehen und sie in die Arme zu ziehen. Aber er zögerte. Monate waren vergangen, seit er sie gesehen hatte, und er konnte nur hoffen, dass sie ein offenes Ohr für seine Erklärungen haben würde, dass sie ihm eine zweite Chance gab. Das war alles, was er in dieser Situation verlangen konnte. Er ließ den Stock neben der Tür und betrat den Raum. Das schmerzende Bein zog er nach. In der Mitte des Raumes blieb er stehen und rief leise: "Dylan." Ihr leichtes Summen verstummte, und sie blickte über die Schulter zu ihm herüber. Erneut teilte ein gigantisches Leuchtfeuer den Himmel, und als das grelles Licht die Dunkelheit erhellte, spürte Coop eine überwältigende Freude in sich aufsteigen. Er hatte sie gefunden. Er hatte Dylan gefunden. Sie stand vor ihm. Aber die Freude erlosch sofort, als sie sich zu ihm umdrehte. Obwohl er wahrhaftig kein Experte auf diesem Gebiet war, erkannte er sofort, dass Dylan hochschwanger war. Selbst in der Dunkelheit, die nur von dem schwachen Licht aus dem anderen Raum und dem Mondschein ein wenig erhellt wurde, blieb ihm das nicht verborgen. Er schluckte nervös, und ein Gefühl des Verlustes ergriff ihn. Der Gedanke, dass Dylan einen anderen Mann so sehr liebte, dass sie bereit gewesen war, für ihn ihre ganze Lebensweise aufzugeben, schmerzte ungemein. Sie trug das Kind eines anderen Mannes unter ihrem Herzen. Auf einmal bereute es Coop, dass er zurückgekommen war. Es musste ein Geist sein. Eine Erscheinung. Sie war zuviel allein gewesen, hatte zu oft an Coop gedacht, und jetzt wurde sie von den Gebilden ihrer eigenen Gedanken verfolgt. Doch dann erhellte das Leuchtfeuer noch einmal den Raum, und sie erkannte das Gesicht der Gestalt. In diesem Moment gab es keine Zweifel, dass es tatsächlich der Mann war, nach dem sie sich so gesehnt hatte. Der Mann, dessen Kind sie unter dem Herzen trug. Coop. Doch bevor sie etwas sagen konnte, begann er bereits zu reden. Seine Stimme klang so kühl und distanziert, als würde er mit einer Fremden sprechen. "Arbeitest du auch an Feiertagen? Oder hast du nur das bewundert, was du fertig gestellt hast?" Freude stieg in ihr auf, aber auch Furcht. „Ein bisschen von beidem", antwortete sie. "Du hast gute Arbeit geleistet", sagte er, und unwillkürlich wappnete sie sich gegen ihn, als er einen Schritt auf sie zumachte. Doch er kam nicht zu ihr, sondern ging zu den Bücherregalen. Erstaunt stellte Dylan fest, dass er sein rechtes Bein nachzog. "Es ist wirklich nett hier", bemerkte er, als er sich zu ihr umdrehte.
Sie wollte keine Komplimente über ihre Arbeit hören, nicht von ihm. "Ich dachte, du wärst in Spanien", erwiderte sie mit einer Stimme, die ihr selbst fremd klang. „Das war ich auch, bis gestern." Er ging langsam an den Bücherregalen entlang, bis er das Fenster erreichte. "Ich bin heute Morgen in San Diego eingetroffen." „Du bist ein wenig verspätet", flüsterte sie. „Wie sagt man noch? Besser zu spät als nie." Er machte einige Schritte auf sie zu und blickte auf ihren Bauch, doch er erwähnte ihren Zustand mit keinem Wort. Als Dylan im Januar, fest daran geglaubt hatte, Coop würde zurückkommen, war sie nervös und besorgt gewesen. Ein Baby. Das letzte, was Coop sich gewünscht hatte. Aber sie war bereit gewesen, es ihm zu sagen, hatte sich auf den Schmerz vorbereitet, den seine abweisende Reaktion bei ihr hervorrufen würde. Er hätte sie verlassen, damit hatte sie fest gerechnet, aber sie wäre damit fertig geworden. Im Moment war sie jedoch mit Coops unerwartetem Erscheinen völlig überfordert. Es tat weh, dass er so kühl wirkte, dass er so tat, als ob ihre Schwangerschaft überhaupt nicht existieren würde. Das mütterliche Gefühl, das erst vor einigen Minuten richtig lebendig geworden war, wuchs rasch an. Sie musste ihr Kind beschützen. "Nun gut, wenn das deine Meinung ist“, sagte sie gewollt gleichmütig. „Es gab Schwierigkeiten, deshalb konnte ich nicht früher weg." Das Fenster war auf einmal hell erleuchtet. Die ganze Bucht war von einem großartigen Feuerwerk, das kein Ende zu nehmen schien, in wundervolle Farben getaucht. Die ganze Szene wirkte so unwirklich, dass Dylan die naive Hoffnung hegte, Coop würde sich in Luft auflösen, wenn sie nur ganz stillstehen und nicht reden würde. "Auch wenn es nicht regnet, hat man von hier aus einen wundervollen Ausblick", bemerkte Coop, der hinter sie getreten war und nur noch einen Meter von ihr entfernt stand. "Ja", murmelte Dylan. Sie sah sein Spiegelbild in einem der großen Fensterscheiben und schloss rasch die Augen. "Feuerwerk. Heute ist der 4. Juli. Tag der Unabhängigkeit, Dein Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch." Sie wollte nicht, dass Coop sich an Dinge, die sie betrafen, erinnerte. Sie hatte gewusst, dass ihr dreißigster Geburtstag nicht der beste ihres Lebens sein würde, aber so unerträglich hätte selbst sie ihn sich nicht vorgestellt. Sie musste diese Situation, in der sie sich jetzt befand, unbedingt beenden. "Danke." Sie spürte, wie sein Blick über ihr Gesicht und ihr Haar glitt. "Du trägst dein Haar kurz." Und ich bin hochschwanger, wollte Dylan sagen, doch stattdessen fragte sie mit seltsam fremder Stimme: "Warum bist du hierher gekommen?"
"Ich befand mich in der Nachbarschaft und sah, dass die Eingangstür offen stand. Ich dachte, ich schaue einmal nach, wie es jetzt im Inneren aussieht." "Das habe ich nicht gemeint", entgegnete sie und wünschte sich, ihre Stimme würde fester klingen. Coop sah sie an, und Dylan war dankbar, dass sie im Halbdunkel stand. "Dann sag mir, was du gemeint hast", forderte er sie auf. Sie zuckte leicht die Schultern. "Du hast gesagt, dass du im Januar zurückkommen würdest, aber du kamst nicht. Und jetzt stehst du plötzlich nach so langer Zeit hier." Hilfesuchend schlang sie die Arme um sich. "Warum?" Er schwieg eine Weile. "Warum nicht?" "Bitte lass das." "Lass was?" "Spiel nicht mit mir." "Ich spiele nicht mit dir." "Was machst du dann?" "Nun, zwei alte Freunde treffen sich nach langer Zeit wieder und sprechen miteinander. Für mich ist das kein Spiel. Ich wollte dir nur guten Tag sagen, sehen wie es dir geht und vielleicht meine Stadtbesichtigung mit dir beenden." Dylan schluckte. Übelkeit stieg in ihr auf, als die Erinnerung mit voller Wucht zurückkehrte. "Einfach so?" "Warum nicht?" Es war offensichtlich, dass Coop ihre Schwangerschaft nicht erwähnen würde, sie musste es tun. "Ist das nicht offensichtlich?" Dylan wappnete sich rasch, wusste, dass jetzt der Moment gekommen war, in dem Coop sie nach dem Kind - nach seinem Kind - fragen würde. Er tat es nicht auf die erwartete Weise. "Ich dachte, du magst keine Kinder", bemerkte er. "War ein Kind nicht das letzte, was du wolltest?" "So war es auch", antwortete Dylan, betroffen über seine Worte. "Was ist denn passiert?" "Wie du siehst, bin ich schwanger geworden." Die Worte standen zwischen ihnen, und Dylan wartete auf die Fragen, die unweigerlich kommen mussten. Wartete auf den Moment, in dem sie ihm sagen würde, dass es sein Kind sei, und auf den Moment, dass er sie endgültig verließ. "Ich würde behaupten, du weißt mittlerweile, wie man im Hier und Jetzt lebt. Offensichtlich hast du gelernt, den Moment zu genießen." Dylan zuckte zusammen, als sie den Sarkasmus heraushörte. "Genieß das Hier und Jetzt, denk nicht an morgen", flüsterte sie. "Erinnerst du dich, wie oft du es mir gesagt hast? Darauf kann ich dir heute eine Antwort geben, Coop. Der morgige Tag kommt, und er ist nicht immer so, wie du ihn erwartet hast. Er kann mit Überraschungen aufwarten." "War es für den Vater auch eine Überraschung?" Erst bei diesen Worten wurde Dylan klar, dass Coop noch nicht einmal in Erwägung gezogen hatte, dass er der Vater dieses Kindes sein könnte. Ihm schien noch nicht einmal der Gedanke gekommen zu sein.
Sie wusste, dass dies ihre Chance war, ihm die Wahrheit mitzuteilen, aber irgendetwas hielt sie zurück. Der Wunsch, ihr Baby zu beschützen, war auf einmal das Wichtigste. Ihr Kind war alles, was zählte - nicht sie, nicht ihre Gefühle, nicht Coop. Coop wollte keine Schwierigkeiten in seinem Leben haben, und sie würde dafür sorgen, dass er keine bekam. "Es war eine Überraschung für jeden", erwiderte sie vage. Coop betrachtete sie prüfend. "Du hast also geheiratet?" fragte er. Dylan wusste, dass sie alles mit einer einzigen Lüge überstehen könnte. Sie brauchte Coop nur zu sagen, was er hören wollte. Es wäre das vernünftigste, was sie in dieser Situation tun könnte. Damit würde sie jeder Diskussion, jeder Demütigung ausweichen. Es wäre für alle Beteiligten das Beste. Die Lüge glitt ihr nicht einfach über die Lippen, aber irgendwie gelang es ihr, "Ja" zu sagen. "Du hast in unseren Telefonaten nie einen anderen Mann erwähnt.“ "Und du bist nicht wie versprochen zurückgekommen und hast mich auch nicht mehr angerufen, also sind wir quitt", entgegnete sie. "Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest. Ich muss hier noch einige Dinge erledigen, bevor ich gehe, und Tori wartet bereits mit dem Geburtstagskuchen auf mich." Plötzlich flackerte das Licht, das hinter ihnen aus dem vorderen Büroraum ins Zimmer fiel - einmal, zweimal. Dann herrschte Dunkelheit. Dylan hatte alle elektrischen Leitungen und Anlagen in diesem Gebäude erneuern lassen, und für einen Moment glaubte sie, man habe irgendeine Schwachstelle bei der Fertigstellung übersehen. Aber dann fiel ihr Blick aus dem Fenster, und sie bemerkte, dass nicht nur das Gebäude, sondern das ganze Hafenviertel von dem Stromausfall betroffen war. Es war ein seltsamer Anblick, San Diego völlig im Dunkeln liegen zu sehen. Es schien, als ob ein Teil der Zivilisation plötzlich verschwunden wäre und nur noch der Mond, die Sterne, einzelne Scheinwerfer der Autos, die sich einen Weg durch die Nacht bahnten und der Mann neben ihr existierten. „Es sieht nach einem gigantischen Stromausfall aus", bemerkte Coop, der jetzt unmittelbar neben ihr stand und ebenfalls aus dem Fenster schaute. Dylan legte eine Hand auf den Rahmen des geöffneten Fensters und schaute hinunter. Sirenen und Wortfetzen drangen zu ihnen hinauf. Die Musik war nicht mehr zu hören. "Doch wodurch? Ich meine, wie konnte das passieren? Es scheint, die ganze Stadt ist lahm gelegt." "Es wird sicherlich nur kurze Zeit dauern." "Was sollen wir jetzt tun?" "Ich könnte dir die Erkennungsmelodie von ‚Gilligans Insel' vorsingen", schlug Coop vor. "Erinnerst du dich? Ich kenne den ganzen Text." Seine witzige Bemerkung konnte Dylan nicht aufheitern. "So etwas hatte ich nicht im Sinn", murmelte sie. "Entschuldige." Es klang allerdings ganz und gar nicht so, als ob ihm sein Anflug von Humor leid tue.
Erneut durchzuckte der helle Schein eines Leuchtfeuers den Himmel und erhellte für den Bruchteil einer Sekunde die Stadt unter ihnen. Dann war sie wieder in Dunkelheit getaucht, und das Baby begann so fest zu strampeln, dass Dylan für einen Moment die Luft wegblieb und sie eine Hand auf den Bauch presste. „Dylan, geht es dir gut?" fragte Coop besorgt. Sie sah ihn an, aber in der Dunkelheit konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. "Das Baby hat gestrampelt", erklärte sie und wünschte sich, sie könnte Coops Hand nehmen und auf ihren Bauch legen, damit er das Leben in ihr spürte. Wie gern hätte sie für einen Moment dieses Wunder mit ihm geteilt. Aber sie wusste, dass sie die Vergangenheit ruhen lassen müsse. Das Damals war längst vorbei.
11. KAPITEL Dylan war auf einmal sehr müde, und, sie seufzte erleichtert, als sie auf dem Stuhl, der in ihrer Nähe stand, Platz genommen hatte. Allerdings verflog diese Erleichterung sofort, als Coop zu ihr herüberkam und sich vor sie hockte. Es war die gleiche Position, die er damals eingenommen hatte, als sie auf dem Stuhl in der Wartehalle des Krankenhauses saß. Bei diesem Gedanken wurde ihr noch unbehaglicher zumute. "Steht der Geburtstermin fest?" fragte er. Sie war keine Lügnerin, aber die Wahrheit ein wenig zu strecken, konnte sie durchaus mit ihrem Gewissen vereinbaren. "Das Baby kommt im September zur Welt", schwindelte sie. "Möchtest du, dass ich jemanden für dich anrufe? Vielleicht deinen Ehemann, damit er kommen und... " "Nein", unterbrach Dylan ihn schroffer, als sie beabsichtigt hatte. Sie umklammerte mit den Händen die Armlehnen des Stuhles und versuchte gelassener zu klingen. "Mein Wagen steht vor dem Haus." "Aber mit diesem Stromausfall ...“ "Du hast doch selbst gesagt, dass er bestimmt nur kurze Zeit dauern wird. Außerdem bin ich bei Tori eingeladen." Coop zögerte und erhob sich dann. Er würde jetzt gehen, und sobald er den Raum verlassen hatte, würde sie sich wieder entspannen können. Vielleicht würde dann auch der Schmerz in ihrem Rücken nachlassen; Und vielleicht würde der Friede, den sie empfunden hatte, bevor Coop aufgetaucht war, wiederkehren.
Aber wie immer war Coop unberechenbar. Statt zu gehen, beugte er sich vor, legte sanft zwei Fingerspitzen unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. Seine Berührung war leicht wie eine Feder, aber Dylan empfand sie fast als Schmerz. "Ich bin nicht sehr gut darin, Abschied zu nehmen", flüsterte er. "Ich hasse es, auch wenn ich weiß, dass er unvermeidlich ist." Sie biss sich auf die Lippe und schluckte. Die Erinnerung an ihren letzten Abschied war ihr nur allzu lebhaft in Erinnerung. Wie leidenschaftlich, fast verzweifelt sie sich geliebt hatten. "Du würdest am liebsten wie der einsame Cowboy am Horizont verschwinden, nicht wahr?" fragte sie. Sie war unfähig, die Bitterkeit aus ihrer Stimme herauszuhalten, die sie empfand. "Du gehst und schaust nicht mehr zurück." "Ich hatte nie vor ... " Coop machte eine kleine Pause und fügte dann hinzu: „Es tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe, aber man hat im Leben nicht auf alle Dinge Einfluss." "Ja, das stimmt", sagte Dylan mit Betonung und unterstrich die Wahrheit dieser Worte. Ihre Augen brannten von unterdrückten Tränen, als sie sich zwang, Coop anzusehen. "Es ist Zeit für dich zu gehen, nicht wahr?" "Ja", murmelte er. Sie hielt den Atem an und wartete darauf, dass er endlich den Raum verlassen würde. Doch er ging immer noch nicht" sondern beugte sich vor und küsste sie leicht auf die Lippen. Dann trat er zurück. "Ich wünsche dir ein gutes, erfülltes Leben Dylan, und alles Liebe zu deinem Geburtstag." Als sie wieder die Augen öffnete, war Coop in der Dunkelheit nur ein Schatten zwischen ihr und der äußeren Tür, die zur Halle führte. Sie wusste, dass dies ein Abschied für immer war. Coop würde nie mehr anrufen. Er würde nie mehr unerwartet auftauchen. Er würde sie nie mehr berühren. Und er würde nie wissen, dass es sein Kind war, das sie erwartete. Sie hörte ein leichtes Klicken, als die Tür des vorderen Raumes sich schloss, dann wurde es still im Zimmer. Dylan vernahm nur noch das Rauschen des Verkehrs, das zu ihr heraufdrang. Jetzt, allein in der Dunkelheit, kamen die Tränen. Seit Coop sie nach jener Nacht verlassen hatte, hatte sie nicht mehr geweint, weder als sie erfuhr, dass sie schwanger war, noch als ihr klar wurde, dass Coop nicht, wie versprochen, kommen würde. Jetzt strömten ihr die Tränen aus den Augen, und sie schluchzte, dass ihre Kehle schmerzte. Als das Baby sich bewegte, legte sie die Hand zärtlich auf den Bauch und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie stellte sich wieder vor das Fenster und sah hinaus in die Nacht, deren Stille immer noch von Sirenengeheul unterbrochen wurde. "Jetzt sind wir beide allein, du und ich, mein Kind", flüsterte sie und streichelte ihren Bauch. Erneut liefen Tränen über ihre Wangen, aber sie blinzelte sie entschlossen weg. "Nur kein Selbstmitleid. Wir beide kommen auch allein zurecht. Ich verspreche dir, mein Kind, dass ich mein Bestes geben werde, wenn du mir dein Wort gibst, dass du mir ab und zu etwas Ruhe gönnst." Das Kind bewegte sich leicht. "Danke, Liebling", flüsterte Dylan.
Sie zuckte zusammen, als sie hörte, wie die Tür des vorderen Büros geöffnet wurde. Doch dann fiel ihr ein, dass das sicherlich der Wachmann war, der nach ihr sehen wollte. Es wurde wirklich Zeit, dass sie sich auf den Weg machte. Tori wartete bereits mit dem Geburtstagskuchen auf sie, und sie freute sich schon darauf, das überraschte Gesicht ihrer Schwester zu sehen, wenn sie erklärte, sie wolle gleich morgen damit beginnen, das Kinderzimmer herzurichten. "Du wirst Schwierigkeiten haben, zu deiner Geburtstagsparty zu kommen", drang auf einmal Coops Stimme an ihr Ohr. Sie drehte sich um und sah nichts als einen Schatten im Türrahmen stehen. "Wegen des Stromausfalls funktionieren natürlich die Fahrstühle nicht, und die Zugänge zu den Treppenhäusern sind fest verschlossen. Leider sind die Telefone in diesem Gebäude noch nicht angeschlossen. Es sieht so aus, als ob wir hier ausharren müssen, bis es wieder Elektrizität gibt." "Dem Himmel sei Dank, es ist keiner von uns im Fahrstuhl stecken geblieben", flüsterte sie. Ein eiskalter Schauer lief ihr bei diesem Gedanken den Rücken hinunter. "Da haben wir wirklich Glück gehabt. Leider ist auch die Klimaanlage ausgefallen. Es ist ziemlich stickig hier, drinnen. Glücklicherweise war der Architekt so umsichtig und hat Fenster einbauen lassen, die sich öffnen lassen." Coop fing zugleich an, jedes einzelne Fenster zu öffnen. "Jemand hat mir einmal erzählt, dass der Architekt Winston Lee berühmt dafür sei, dass er Licht und Luft liebte. Deshalb gibt es in seinen Gebäuden diese riesigen Fenster. Es wundert mich, dass er nie daran gedacht hat, Fahrstühle mit Fenstern zu bauen." Dylan erhob sich. Es war ihr unangenehm, dass Coop so tat, als wären sie bereits seit langem Freunde. Jetzt, da er alle Fenster geöffnet hatte, drang ein leichter Luftzug in den Raum. Doch die Luft blieb warm und schwül. Sie starrte aus dem Fenster, und die Erinnerung an die letzte Nacht, die sie mit Coop hier verbracht hatte, überwältigte sie fast. "Was macht dein Beruf?" fragte sie rasch, um sich abzulenken. "Ich lege gerade eine Pause ein." Sie schaute zu Coop herüber. Er stand am mittleren Fenster und war ihr zugewandt. Nur das bleiche Licht des Mondes fiel auf sein Gesicht. Seine Augen lagen im Schatten, aber Dylan war sicher, dass er sie beobachtete. "Was bedeutet es, eine Pause einlegen?" "Ich habe ein bisschen Pech gehabt, und ich muss erst herausfinden, ob ich meinen Beruf noch weiter ausüben kann." Jetzt fiel ihr wieder ein, dass Coop beim Hereinkommen gehinkt hatte. "Was ist passiert?" „Ein Unfall. Die Bremsen des Prototyps, den ich testete, haben versagt.“ "Wie schlimm war der Unfall?" "Du erinnerst dich doch sicherlich noch an das alte Sprichwort, nicht wahr?" fragte Coop und nahm auf einem Stuhl Platz. "Wenn du aufstehen und davongehen kannst, ist es ein guter Unfall." Er lehnte sich in den Stuhl zurück
und hielt sein rechtes Bein ausgestreckt. "Gerade du müsstest das doch wissen." Er lachte humorlos auf. Dylan erschauerte. Wie konnte er lachen, wenn sich ihr allein bei dem Gedanken, dass er einen Unfall gehabt hatte, das Herz zusammenzog? Er hätte sterben können, und sie hätte vielleicht nie etwas von seinem Tod erfahren. Dieser Gedanke erschreckte sie über alle Maßen. Eine Welt ohne Coop. Unwillkürlich legte sie eine Hand auf ihren Bauch. "Aber du bist wieder völlig hergestellt, oder?" "Den Umständen entsprechend ja. Brokaw witzelte am Flughafen, dass ich mit den vielen Metallstiften in meinen Beinen die Metalldetektoren auslösen würde." "Was geschieht, wenn du deinen Beruf nicht mehr ausüben kannst?“ "Gute Frage." Coop zuckte die Schultern. "Ich versuche im Moment über mein Leben nachzudenken und frage mich, wo meine Prioritäten liegen. Ich bin sicher, dass es dir bereits genauso ergangen ist.“ "Ja, im Leben muss man sich immer wieder anpassen und seine Prioritäten neu setzen." "Ich dachte immer, das Leben sei dazu da, gelebt zu werden, und nicht, um es analysieren. Aber manchmal wird man einfach dazu gezwungen, anzuhalten und nachzudenken." Es dauerte eine Weile, bevor er wieder zu sprechen begann. "Darf ich dich etwas fragen, Dylan?" Dylan spürte, wie ihre Knie weich wurden, und hielt sich am Fensterrahmen fest. "Was?" "Warum tust du das?" "Ich weiß nicht, was du fragen willst..." "Ich meine das Kind. Warum wirst du es bekommen?" Sie klammerte sich so fest an den Rahmen, dass ihre Hand zu schmerzen begann. "Vor einer Weile habe ich mich das selbst gefragt. Doch dann wusste ich auf einmal, dass ich es bekommen möchte. Ich weiß nicht mehr, wann ich das entschieden habe. Ich glaube, es war klar für mich von Anfang an, dass ich zu dem Kind stehen würde. Sie sah zu Coop hinüber, und auf einmal geschah, etwas Seltsames. Das Baby bewegte sich, und Dylan spürte mit einer Gewissheit, die keinen Zweifel zuließ, dass das Baby ein Teil von Coop war ... und dass ein Teil von ihr diesen Mann immer noch liebte. Ja, sie liebte Coop. Es war auf einmal so einfach. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an geliebt und liebte ihn immer noch. "Du bist also verheiratet, schwanger und wirst durch deine ausgezeichnete Arbeit auch noch berühmt werden." Seine Stimme klang gepresst. "Du hast alles erreicht, was du erreichen konntest." Sie wusste, wie falsch dies war, was, er sagte, aber sie konnte ihm nicht die Wahrheit erzählen. "Und du?"
Er stand vom Stuhl auf und ging wieder zum mittleren Fenster, wo er sich von ihr abwandte und in die Nacht hinausstarrte. „Im Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen Drink." Dylan konnte ihn verstehen. Wenn sie nicht schwanger wäre, hätte sie auch einen starken Drink gebrauchen können. "Oh, ich habe im vorderen Büroraum einen Kühlschrank gesehen. Ich schau mal nach, was ich für dich tun kann." Sie erhob sich und ging auf die Tür zu. Doch irgendetwas, das sie im Dunkeln nicht erkennen konnte, lag ihr im Weg. Sie stolperte, verlor das Gleichgewicht und fiel. Noch im Fallen riss sie die Arme hoch, um sich irgendwo festzuhalten, aber sie griff ins Leere. Sie hörte noch, wie Coop ihren Namen herausschrie, dann schlug sie hart auf den Boden auf. Coop hatte sich in seinem ganzen Leben nie hilfloser gefühlt. Er hatte ihr gerade nachschauen wollen, als er sie bereits fallen sah. "Dylan", rief er entsetzt und eilte auf sie zu. Seine Bewegung war wohl zu abrupt gewesen, denn ein stechender Schmerz durchfuhr sein rechtes Bein bis zur Hüfte hinauf. Er stöhnte auf. "Dylan!" rief er wieder, packte die Rücklehne des nächsten Stuhles und schob sich damit in ihre Richtung. Selbst im Dunkeln konnte er sie auf dem Boden erkennen. Sie lag bewegungslos auf der Seite. Angst befiel ihn, eine Angst, die größer war als jene, die er in der Sekunde vor seinem Unfall empfunden hatte. Er verwünschte seine Verletzung, und als er Dylan schließlich erreicht hatte, gab sein höllisch schmerzendes Bein nach, und er sackte kraftlos neben sie. "Dylan, Dylan", stieß er hervor und strich mit der Hand über ihre Wange. Ihre Haut war warm und weich, und eine ungeheure Erleichterung erfasste ihn, als er sie tief einatmen hörte. "Oh, nein", flüsterte sie, als er die Hände um ihre Wangen schmiegte. "Nein." Er beugte sich vor und verfluchte die Dunkelheit, die ihn kaum etwas erkennen ließ. "Bitte, schau mich an. Schau mich an, Dylan." Er spürte, wie sie erzitterte, dann öffnete sie langsam die Augen. "Coop?" "Beweg dich nicht. Ich hole Hilfe." Er hatte zwar keine Ahnung, wie er das tun sollte, aber dass er etwas unternehmen musste, war ihm klar, und zwar schnell. "Bleib nur ganz ruhig liegen." Aber sie hörte nicht auf das, was er sagte. Sie umfasste mit den Händen ihren Bauch und atmete angstvoll durch. "Oh, Coop. Das Baby bewegt sich nicht." Ihre Stimme zitterte. "Ich ... ich habe solche Angst." Ihm ging es nicht anders. "Bleib nur ruhig liegen. Rühr dich nicht. Ich versuche, ein Telefon zu finden. Du bleibst solange hier. " "Es kann doch nichts passiert sein", flüsterte sie. "Ich bin doch nur gefallen. Tori hatte einen richtigen Unfall erlitten und Allan James ist nichts geschehen." Sie begann ihren Bauch mit kleinen Kreisen zu massieren. "Komm, Kleines, beweg dich. Ich muss wissen, ob es dir gut geht." "Hast du Schmerzen?" "Nein." Sie fuhr mit der Massage fort. "Komm schon, tritt mich, mach irgendetwas." In diesem Moment zuckte ihre Hand leicht, und Dylan lachte
leise. "Oh, Gott sei Dank. Ja, das Baby lebt. Gott sei Dank. Danke", flüsterte sie, während sie immer und immer wieder über ihren Bauch strich. "Hat ... hat es sich bewegt!" fragte Coop. "Dem Baby geht es gut, das glaube ich jedenfalls." Sie atmete erleichtert auf. "In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viel Angst gehabt." „Es wird doch nicht so etwas Dummes tun, wie zu früh auf die Welt kommen, oder?" „Ich hoffe nicht." "Kannst du dich aufsetzen?" "Ich glaube schon." "Dann komm, setz dich auf, und rutsch das Stück bis zum Fenster zurück. Dann kannst du dich gegen die Wand lehnen." Dylan folgte seinen Worten, und er half ihr so gut er konnte, obwohl ihm vor Schmerzen Schweißperlen auf die Stirn traten. Nachdem sie sich erschöpft gegen die Wand gelehnt hatte, richtete er sich vorsichtig auf. "Sagtest du nicht, hier gebe es etwas zu trinken?" fragte er. „Es ist so heiß. Du hast sicher Durst." "Ja", flüsterte sie. „Im vorderen Büroraum befindet sich in einem Nebenraum eine kleine Teeküche. Es hat einen Kühlschrank." Coop bewegte sich vorsichtig in die genannte Richtung. Er musste sein Bein noch mehr nachziehen, als er es schon vorher getan hatte. Seine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, und er fand schnell das Gewünschte. Er öffnete den Kühlschrank und fühlte die in der Tür stehenden Flaschen ab. Er umfasste den Hals einer jener großen Plastikflaschen, in denen normalerweise Mineralwasser verkauft wurde, und zog sie heraus. Nachdem er langsam wieder zu Dylan zurückgefunden hatte, setzte er sich neben sie und streckte sein schmerzendes Bein aus. "Müsste dein Ehemann dich mittlerweile nicht vermissen?" fragte er, drehte den Verschluss der Plastikflasche auf und reichte ihn Dylan. "Hier ist Wasser, das glaube ich jedenfalls. Probier zuerst." Sie nahm ihm die Flasche aus der Hand, nahm zuerst einen zögernden Schluck und begann dann gierig zu trinken. Erst danach beantwortete sie seine Frage. "Vielleicht tut er das ja auch. Aber wie soll er mich finden? Die Fahrstühle funktionieren nicht, und das Treppenhaus ist fest verschlossen. Was soll er deiner Meinung nach tun? Bis zu den Fenstern des vierzehnten Stock hinauffliegen und nachschauen, ob ich hier bin?" Coop verstand nicht, warum so viel Sarkasmus in ihrer Stimme lag, aber er spürte heraus, dass irgendetwas mit ihrer Ehe nicht stimmte. Wäre Dylan seine Frau, er hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zu finden. "Zumindest sollte er etwas unternehmen, um dich zu finden." „Er ist nicht Superman.“ "Offensichtlich."
Dylan stellte die Flasche hart auf den Boden, drehte sich so, dass sie auf die Knie kam, erhob sich und schaute aus dem Fenster. Sie war wie vom bleichen Mondlicht umflossen. Coop betrachtete sie, als könnte er damit für immer ihr Bild in seine Seele einbrennen. Er rührte sich nicht vom Fleck, denn er fürchtete, dass er dann etwas Dummes tun würde, wie zu ihr hinübergehen und sie in die Anne ziehen. Etwas, was er nicht tun durfte. Dylan war die Frau eines anderen. "Mein Mann geht dich überhaupt nichts an", flüsterte sie, ohne sich umzudrehen. "Du hast recht. Ich habe weder das Recht, nach ihm zu fragen, noch ihn zu kritisieren." Dylan schwieg, und Coop glaubte schon, sie würde das Thema fallenlassen, als er bemerkte, dass ihre Schultern bebten. Mühsam erhob er sich und ging zu ihr hinüber. "Hey, was ist los?" Sie schüttelte den Kopf. "Nichts. Alles. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich spielen meine Hormone verrückt." „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich hatte kein Recht so etwas zu sagen." "Das hier ist verrückt", flüsterte sie. „Es könnte noch schlimmer sein." "Schlimmer als diese Hitze und kein Strom und ... und hier eingeschlossen zu sein?" Dylan seufzte. Es war ein Seufzer, der so verzweifelt klang, dass Coop instinktiv die Hand auf ihre Schulter legte und Dylan an sich zog. Er schaute ihr ins Gesicht, das nur schwach vom Mondlicht beleuchtet war. Zärtlichkeit und Verlangen durchströmten ihn und noch eine andere Empfindung, die ihn am meisten berührte. Eine seltsame Vertrautheit, das Gefühl, endlich zu Hause angekommen zu sein. Er umschmiegte ihr Gesicht mit den Händen und strich mit den Daumen über ihr leicht geröteten Wangen. "Es wird alles gut werden. Das verspreche ich dir. Bald werden wir wieder Elektrizität haben. Dann wird die Klimaanlage arbeiten, und dein Ehemann wartet wahrscheinlich unten in der Halle und wird froh sein, endlich mit dir Geburtstag feiern, zu können." "Oh, Coop", schluchzte sie. "Hey, nun komm schon. Wahrscheinlich fliegt er sogar bis zum vierzehnten Stock hinauf, wenn es denn sein muss", flüsterte er. Dylan schüttelte langsam den Kopf und wirkte dabei so verletzlich und traurig, dass Coop wütend wurde. Irgendetwas stimmte nicht mit Dylans Ehe. Und er hasste beinahe diesen Mann, den er nie zuvor gesehen hatte, diesen Mann, dessen Namen er noch nicht einmal kannte. "Dylan, Liebling, so schlimm ist es doch auch nicht." Tränen liefen ihr über die Wange und fielen auf seine Hände, und er wusste nicht, womit Dylan trösten könnte. Er strich ihr zärtlich die Tränen von den Wangen. "Darf ich um diesen Tanz bitten?"
Sie fing mit der Zunge die Tränen auf, die über ihre Lippen liefen. "Was?" flüsterte sie. "Ich möchte mit dir tanzen." Coop nahm ihre Hand, verschränkte sie mit seiner und legte dann die andere Hand auf ihren Rücken. Plötzlich war es, als wenn die Zeit sich zurückdrehen würde, und Coop begann leise den Song zu summen, den sie vor acht Monaten hier in diesem dunklen Büroraum gehört hatten: „Send me...“ Er spürte, wie Dylan in seinen Armen bebte, und er zog sie noch enger an sich heran. Sie bewegten sich nur auf der Stelle, doch das genügte, um einen höllischen Schmerz in seinem Bein hervorzurufen. Aber er wusste, dass er noch viel größere Schmerzen durchstehen könnte, wenn er nur Dylan in den Armen halten dürfte. Doch es traf ihn unvorbereitet, als Dylan die Arme um seine Taille schlang und ihr Gesicht an seine Brust schmiegte. Von seinen Gefühlen überwältigt, schloss er die Augen und spürte, wie unmittelbar sein Körper auf sie reagierte. "Oh, Dylan ... " Er biss sich auf die Lippen, als sie mit ihrer Hand sanft über seinen Rücken strich. Nichts, aber auch gar nichts hatte sich geändert. Nichts. Er sehnte sich nach ihr. "Coop?" flüsterte Dylan kaum hörbar für ihn. "Warum bist du zurückgekommen?" Er wusste, dass er diesmal nicht lügen konnte. "Um dich wieder zu sehen." Er hauchte einen Kuss auf ihr Haar. "Ich wollte sehen, ob es für uns noch einen Anfang geben könnte." Dylan schwieg, dann rückte sie von ihm ein Stück ab und sah ihm ins Gesicht. "Was hast du da gesagt?" "Liebes, ich habe dich so vermisst", gab er zu und wusste, dass es nicht nur körperliche Lust war, die ihn zu dieser Frau zurückgetrieben hatte. Er liebte sie. Er liebte Dylan über alle Maßen. Doch er war zu spät gekommen, und sein Herz zog sich bei diesem Gedanken zusammen. Im Stillen verwünschte er sein Schicksal, das verhindert hatte, rechtzeitig im Januar zu ihr zurückzukehren. Dylan sah Coop verwirrt an. "Wie hast du das gemeint, als du sagtest, du wolltest sehen, ob es noch einen neuen Anfang geben könnte?" fragte sie atemlos. "Ich konnte einfach nicht aufhören, an dich zu denken." Überwältigt von den Gefühlen, die seine Worte in ihr hervorriefen, schloss sie die Augen. Sie spürte, wie Coop sie losließ und von ihr abrückte. Als sie die Augen öffnete, stand er am Fenster und schaute hinaus. "Ich habe eben Pech gehabt", sagte er rau, ohne sich zu ihr umzudrehen. "Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber ganz bestimmt nicht, dass du verheiratet bist. Verdammt. Auf diesen Gedanken bin ich überhaupt nicht gekommen.“ Dylan glaubte zu träumen. Coop war ihretwegen zurückgekommen? Er war gekommen, weil er sich einen neuen Anfang mit ihr erhofft hatte? "Coop, was würdest du sagen, wenn ich dir erzählte, dass ich nicht verheiratet bin?"
"Hör auf", entgegnete er verdrossen und wandte sich ihr zu. "Mir ist heiß, und mein Bein schmerzt. Ich bin nicht in der Stimmung, mir Märchen auszudenken." Er sah so blass aus, und Schweißperlen standen auf seiner Stirn. "Du bist verheiratet, Dylan. Egal, welche Probleme du auch in deiner Ehe haben magst, für mich bist du die Frau eines anderen Mannes. Und das habe ich zu respektieren. " Dylan hasste dieses Lügengespinst, das sie gewoben hatte. Sie wollte dem allen auf der Stelle ein Ende setzen. "Ich bin nicht verheiratet", sagte sie entschieden. "Und ich war es auch nie." "Was um alles …“ "Ich bin nicht verheiratet." Sie zuckte zusammen, als Coop sie hart bei den Schultern packte. "Was um alles in der Welt redest du da?" „Ich dachte ..." Dylan schluckte schwer. "Ich dachte, es wäre das Beste, wenn alle glaubten, ich sei verheiratet. Ich wollte nie ..." Sie spürte, dass es keinen Sinn machte, eine Erklärung für ihr Verhalten zu finden. "Es tut mir leid", schloss sie lahm. „Es gibt keinen Ehemann?" Weil es ihr nicht möglich war, auch nur ein Wort herauszubringen, schüttelte sie den Kopf. "Wie konntest du mir so etwas antun?" Der Griff um ihre Schulter wurde so fest, dass sie leise aufschrie. Er ließ sie sofort los. Für einen Moment befürchtete Dylan, Coop würde sie von sich stoßen und sie verlassen. "Es tut mir leid", flüsterte sie noch einmal. Mit einem unterdrückten Stöhnen zog Coop sie an sich, und als er seinen Mund auf ihre Lippen presste, schien sich der Rest der Welt mit all seinen Problemen aufzulösen. In seinen Armen fand sie endlich das, wonach sie sich während der vergangenen acht Monate gesehnt hatte. Der Kuss war innig und leidenschaftlich, eine Herausforderung, die sie mit ihrem ganzen Sein beantwortete. Leidenschaft überwältigte sie, und sie begann ungeduldig, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen und mit den Händen seine Brust zu, liebkosen. Wie sehr sie sich nach diesem Mann sehnte, wie sehr sie sich wünschte, ein Teil von ihm zu sein. Aber noch bevor irgendeine Phantasie Wirklichkeit werden konnte, griff eine andere Realität ein. Das Baby strampelte. Es strampelte, und da Dylan und Coop so dicht beieinander standen, konnte er es auch spüren. Das Kind konnte nicht verleugnet werden. Dylan erschrak, dass sie es vergessen hatte. Sie hatte nur noch an Coop gedacht, an seine Umarmung, an seine Zärtlichkeiten. Er zog sich prompt zurück, und ihre Hände bebten leicht, als sie sie auf ihren Bauch legte. "Das Baby", flüsterte er so leise, dass Dylan es kaum hören konnte, und starrte auf ihren Bauch.
Wie sehr hoffte sie, Coop würde ihr erklären, eine Schwangerschaft sei kein Problem für ihn. Dann könnte sie ihm gestehen, dass er der Vater wäre, und er wäre begeistert, statt wütend und verletzt zu sein. Aber das war nur Wunschvorstellung. Die Wirklichkeit war, dass er auf ihren Bauch starrte, als könnte er nicht glauben, was er sah. "Was ist mit dem Vater?" fragte er. Der Funke Hoffnung, den sie trotz allem noch in sich getragen hatte, erlosch, und sie spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Ihr Rücken schmerzte, und sie wünschte sich, sie könnte einschlafen und wieder in einer Welt erwachen, in der es Elektrizität, eine funktionierende Klimaanlage und vor allem keinen Mann namens Coop mehr gab. "Ich will nicht darüber reden", murmelte sie. "Gibt es den Vater des Kindes noch in deinem Leben?" fragte er beharrlich. Dylan schlang die Arme um ihren Oberkörper und seufzte. "Warum?" „Ich will es wissen." „Möchtest du seinen Platz als Vater einnehmen?" fragte sie und konnte den Sarkasmus nicht vermeiden, der sich in ihre Stimme einschlich. Das darauf folgende Schweigen war unerträglich. "Ich wüsste nicht, wie ich das anstellen sollte. Außerdem ist es sein Kind." "So? Was für ein Unterschied macht das? Er will nichts mit dem Baby zu tun haben." Coop rieb sich den Nacken. "Er ist einfach abgehauen?" Dylan ballte die Hände zu Fäusten. "Was hättest du getan, wenn eine Frau zu dir gesagt hätte: Oh, übrigens, ich bin schwanger. Ich bekomme ein Kind, das dauernd weint, dauernd trockengelegt und dich fast zum Wahnsinn bringen wird?" "Was hat das hiermit zu tun?" murmelte er. Dylan hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie ging zum Fenster, hielt sich am Rahmen des geöffneten Fensters fest und atmete tief die heiße Luft ein. Sie sehnte sich danach, diese Räume verlassen zu können, aber ihr war, als gäbe es kein Entrinnen. Die ganze Stadt war durch den Stromausfall lahm gelegt und sie ein Opfer dieses Notfalls. "Vergiss es", sagte sie müde. "Wie kann ich das vergessen, nach dem, was eben passiert ist?" Dylan versuchte, durch tiefes, regelmäßiges Einatmen die Enge in ihrer Brust zu vertreiben, aber es gelang ihr nicht. "Das ändert gar nichts", stieß sie hervor. „Du sehnst dich nach mir so sehr, wie ich mich nach dir sehne", erklärte er mit einer Stimme, die rau vor Gefühlen war. Dylan konnte das nicht leugnen, aber sie lehnte es ab, darauf einzugehen. Sie drehte ihm den Rücken zu. "Ich will nicht darüber reden. Mir ist heiß und elend zumute, und ich möchte vergessen, dass es überhaupt passiert ist." "Ich wünschte, ich könnte es", hörte sie Coop leise hinter sich sagen. "Nun, gib dir keine Mühe. Babys verschwinden nicht. Es sind richtige kleine Menschen, und sobald sie empfangen werden, gibt es kein Zurück. Nichts ändert diese Situation." Dylan musste gegen Tränen der Frustration ankämpfen. Sie
liebte Coop. Sie würde ihn den Rest ihres Lebens lieben. Aber sie liebte auch das Baby. "Kannst du nicht irgendein Übereinkommen mit dem Vater ausarbeiten?" "Welchen Vorschlag hättest du?" "Wir könnten zusammen mit dem Vater reden und sehen, ob er vielleicht doch vernünftig reagiert. Vielleicht möchte er doch Anteil am Leben seines Kindes nehmen, sich vielleicht sogar das Sorgerecht mit dir teilen." Dylan hielt es nicht mehr länger aus. "Hör auf! " schrie sie. "Hör endlich auf. Er will kein Baby. Er hasst Kinder. Er hat nie Kinder gewollt. Er glaubt, sie wären kleine seltsame Außerirdische." Sie hielt erschrocken inne und starrte Coop an. Das hatte sie nicht sagen wollen. Es war gegen ihren Willen herausgerutscht. Und sie wusste, welchen Schaden sie angerichtet hatte, als Coop fassungslos murmelte: "Oh, nein."
12. KAPITEL Coop hatte das Gefühl, als hätte er einen Faustschlag in den Magen bekommen. Er rang nach Luft und war unfähig, sich zu bewegen. Sogar als Dylan zur Seite trat und vom Fenster wegging, bis sie fast von der Dunkelheit verschluckt wurde, konnte er ihr nicht folgen. "Nein", stieß er hervor. "Nein." Sie lachte humorlos. "Oh doch, so etwas kommt nicht nur in billigen Romanen vor." "Oh, Mann." "Glaube mir, ich war ebenfalls schockiert. Mach dir nur keine Sorgen, wir beide wollen nichts von dir. Wir kommen allein zurecht." Sein ganzer Körper war angespannt, und er hatte die Hände zu Fäusten geballt. "Warum hast du es mir nicht gesagt?" "Wie hätte ich es dir denn sagen sollen? Ich hatte noch nicht einmal eine Telefonnummer von dir. Jeb Brokaw steht nicht im Telefonbuch, und du bist im Januar nicht zurückgekommen. Außerdem hast du mir selbst erzählt, dass du Kinder nicht magst." Er konnte die Bitterkeit aus ihrer Stimme heraushören. "Warum hätte ich es dir also sagen sollen? Es gab keinen Grund dafür." "Deshalb hast du dich entschlossen, mich anzulügen." "Ich tat, was ich tun musste." Der Schmerz im Bein wurde unerträglich. Coop ließ sich langsam auf einen Stuhl fallen und streckte das Bein aus. "Du hast mich mit dem Ehemann angelogen und auch mit dem Kind. Was hast du noch verschwiegen, das ich wissen müsste?“ "Dass dich das Ganze nichts mehr angeht."
"Wenn ich es doch nur gewusst hätte", stöhnte Coop. "Und wenn du es gewusst hättest, was hättest du von mir gefordert? Dass ich das Baby loswerden solle? Tut mir leid, aber diese Möglichkeit habe ich noch nicht einmal in Betracht gezogen." "Du weißt doch gar nicht, wie ich mich verhalten hätte", entgegnete er verärgert. "Ich konnte es mir aber ganz gut vorstellen.“ Dann wusste Dylan mehr als er. Coop lehnte den Kopf gegen das weiche Polster des Bürostuhles und starrte durch das Fenster hinaus in die Nacht. Ein Kind. Allein der Gedanke machte ihn atemlos. Dylans Kind. Ein Kind, das er nicht gewollt hatte. Nicht einmal im Traum wäre ihm eingefallen, ein Kind haben zu wollen. Seltsamerweise war er erleichtert, dass es nicht das Kind eines anderen Mannes war. Allerdings wurde die Sache dadurch nicht leichter. Er starrte vor sich hin und war unfähig, es sich vorzustellen - sein Kind. Doch Dylan ließ ihm nicht viel Zeit, darüber nachzusinnen. „Es ist mein Kind", erklärte sie schroff ."Es gibt nur mich und das Baby." Ihre Worte schlossen ihn aus, und Coop fühlte sich ausgegrenzt und sehr allein. Er hasste dieses Gefühl. "Du verdankst das Kind nicht dir allein", erklärte er kurz angebunden, während sie zum Fenster ging. Dylan zuckte bei seinen Worten leicht zusammen. "Warum tun wir nicht so, als wenn es so gewesen wäre?" entgegnete sie, ohne ihn dabei anzusehen. „Es würde sicherlich die Sache leichter für uns machen." Er konnte nicht den Blick von Dylan abwenden. Sie sah so schön aus, wie sie im Mondlicht dastand. Die sanfte Rundung ihrer bloßen Schultern, die Art, wie sie ihr Kinn hob, ihr gerundeter Bauch, in dem sie sein Kind trug, alles an ihr faszinierte ihn. Und in diesem Moment wusste er, dass er sie brauchte, nicht nur körperlich, nicht nur emotional. Er brauchte sie in seinem Leben - für immer. So einfach war es. Dieses Eingeständnis überraschte ihn. Er konnte diese Frau ansehen und zugeben, dass er sie liebte. Er wollte nicht fortgehen. Er würde auch nicht fortgehen. Plötzlich war alles klar. Sie waren eine Familie - er, Dylan und das Kind. Sein Kind. Ein Kind, das von ihm nicht erwünscht war, aber das er jetzt ersehnte. Das Kind war für ihn ein Geschenk. Er hatte das Gefühl, als wäre die ganze Welt auf den Kopf gestellt und von innen nach außen gedreht worden. Nichts war mehr wie früher, seit er Dylan kennen gelernt hatte. Nichts. Aber er wollte es auch gar nicht mehr anders haben. "Dylan?" Sie sah ihn nicht an. "Bitte, lass es so, wie es ist, okay?" flüsterte sie. Coop stützte sich an den Armlehnen ab und stand mühsam auf. Er beachtete den stechenden Schmerz in seinem Bein nicht, als er auf sie zuhumpelte und
hinter ihr stehen blieb. Er legte die Hände auf ihre Schultern, um sie zu sich umzudrehen. Als sie vor ihm zurückzuckte, nahm er die Hände von ihr. "Dylan", flüsterte er. "Dylan, du bist nicht allein." „Coop, ich kann nicht...“ "Nein, du kannst es nicht. Ich sehe es ein", sagte er leise. "Und ich kann es auch nicht. Nicht allein. Aber warum sollten wir allein bleiben, wenn wir es zusammen schaffen können." Sie drehte sich langsam zu ihm um und sah ihn an. Er bemerkte, dass sie mit den Tränen kämpfte. "Ich kann das nicht länger ertragen, Coop. Ich kann es nicht." "Hör dir nur an, was ich noch zu sagen habe, dann werde ich dieses Gebäude verlassen, sobald die Fahrstühle wieder funktionieren, und ich werde dich nie mehr belästigen, und du wirst dein Leben so leben können, wie du es dir vorstellst." Er hatte noch nie in seinem Leben, um etwas gebeten, aber jetzt musste er es tun. "Bitte.“ Sie schloss die Augen und nickte. Coop holte tief Luft. "Ich liebe dich", gestand er und wunderte sich, dass er in der Lage war, diese Worte, die er noch nie zuvor jemandem gesagt hatte, auszusprechen. "Ich liebe dich. Wahrscheinlich habe ich dich vom ersten Augenblick an geliebt, und trotz allem, was ich dir über Bindung und Familie erzählt habe, kann ich dir ruhigen Gewissens versichern, dass ich unser Kind auch lieben werde." Dylan schwieg, stand nur regungslos da. Und Coop hatte auf einmal das niederdrückende Gefühl, dass sein Geständnis zu spät komme, dass alles verloren sei. "Hast du mich gehört?" „Ja, ich habe dich gehört", antwortete sie mit ausdrucksloser Stimme. "Ich liebe dich", wiederholte er und legte zum ersten Mal seine Hand auf ihren Bauch. Dylan ließ es wider Erwarten geschehen. Und nach einer kleinen Weile spürte er, wie sich etwas unter seiner Hand bewegte - sein Kind. "Oh Gott", flüsterte er fast ehrfürchtig und wusste mit überwältigender Klarheit, dass er zu ihnen gehörte, zu Dylan und seinem Kind. Sie waren eine Familie. Er hatte einen Platz in seinem Leben gefunden. Endlich wusste er, wohin er gehörte. "Ich muss wissen, ob du es wirklich ernst meinst", sagte sie mit zitternder Stimme. "Ich muss es wissen." Ohne zu zögern nahm er sie in die Arme, legte das Kinn auf ihren Kopf und schloss die Augen. "Oh, ja, ich meine es ernst", sagte er. Dylan schlang die Arme um seine Taille, presste ihr Gesicht an seine Brust und weinte. Beruhigend strich er ihr übers Haar. "Psst. Es ist alles in Ordnung, alles ist in Ordnung", flüsterte er immer und immer wieder. Sie schluchzte und rieb die Stirn gegen seine Brust. "Ja, ich weiß, dass du es ernst meinst.“ "Darauf kannst du wetten", erwiderte er und hob leicht ihr Kinn an, um ihr in die Augen zu sehen. Und als er sie dann küsste, spürte er eine Leidenschaft in
sich aufsteigen, die mit nichts zu vergleichen war, was er bisher erlebt hatte. "Ich will dich", flüsterte er. "Ich habe solche Sehnsucht nach dir. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dass wir uns geliebt haben." Sie presste einen Kuss auf seine Brust. "Ja, wie eine Ewigkeit." "Kannst du?" fragte er mit hoffnungsvoller Stimme und umfasste ihre Brüste mit den Händen. "Ich möchte weder dir noch dem Baby schaden." Dylan spürte seine Erregung und willigte dann lächelnd ein. "Oh, ja, wir können uns lieben." "Bist du sicher?" Dylan war sich nie sicherer gewesen. Sie umschmiegte sanft Coops Wange. "Sehr sicher." Coop wischte ihr die letzten Tränen weg und küsste sie fordernd, während er ihre vollen Brüste liebkoste, deren Brustspitzen sich bereits vor Erregung aufgerichtet hatten. Ungeduldig wanderten er mit den Händen zu dem Reißverschluss ihres Kleides. Er öffnete ihn und streifte ihr die dünnen Träger über die Schulter. Wenige Sekunden später hatte er ihr den BH ausgezogen. Dylan stöhnte unterdrückt, als er seine Wange an die schwellende Rundung schmiegte und die Knospen, eine nach der anderen küsste. Vorsichtig legte er sich mit ihr auf den weichen Teppichboden, und Dylan ließ sich von ihm umarmen und ihr war, als wären sie nie getrennt gewesen. Seine Berührungen, seine Zärtlichkeiten waren ihr vertraut. Das Verlangen, sich ihm in aller Liebe hinzugeben, wuchs. Doch als er dann ihr leichtes Sommerkleid über den Kopf streifen wollte, hielt sie seine Hände fest. Ihr blieb nicht verborgen, wie sehr er sie begehrte. Aber würde er auch diesen Körper begehren, der durch das Kind, das sie trug, sich verändert hatte? Coop zog sanft ihre Hände weg und zog ihr das Kleid aus. Sie lag in all ihrer Nacktheit vor ihm, und er betrachtete sie mit zärtlichen Augen. Sein Blick glitt über ihre vollen Brüste, über die Rundung ihres Bauches. Er berührte sie, streichelte sie und beugte sich vor, um eine ihrer Brustspitzen zu küssen. Schließlich glitt er mit den Lippen zu ihrem Bauch hinunter und küsste ihn fast andächtig. Dylan hatte die Befürchtung gehabt, dass Coop sich von ihr abwenden würde. Sein Verhalten erfüllte sie mit Staunen. Er hob den Kopf und sah sie voller Liebe an. "Du bist schöner als je zuvor", flüsterte er. Er meinte es ernst. Dylan zweifelte nicht mehr daran und auch nicht, dass er ihr Kind wollte. Glücklich schlang sie die Arme um seinen Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn. Er erwiderte ihren Kuss wild und fordernd, getrieben von einem Hunger, den er glaubte nie mehr stillen zu können. Dylan spürte seine Erregung, seine ungebändigte Leidenschaft und war nur noch von dem Wunsch besessen, endlich mit ihm vereint zu sein.
Doch nach einer Weile rückte er ein wenig von ihr ab. "Wir müssen vorsichtiger und nicht so wild sein", erklärte er atemlos und küsste sie leicht auf den Mund. "Schließlich haben wir alle Zeit der Welt." Sie fuhr zärtlich mit dem Zeigefinger über seine Lippen und wollte ihm gerade sagen, wie Recht er habe, als vom Rücken bis in den Bauch sie ein so starker Schmerz durchfuhr, dass es ihr den Atem verschlug. Dylan stöhnte auf, als der Schmerz immer stärker wurde. "Was ist?" fragte Coop alarmiert. Sie legte sich auf die Seite, zog die Beine an und biss sich auf die Unterlippe, bis der Schmerz langsam nachließ. Dann rollte sie sich erschöpft auf den Rücken und atmete tief durch. "Das darf nicht passieren", flüsterte sie verzweifelt und zog streifte sich hektisch das Kleid über. "Was? Was darf nicht pas... " Er brach mitten im Wort ab, als ihm klar wurde, was Dylan meinte. "Oh, nein", stöhnte auch er. "Oh, doch", keuchte sie, als eine weitere Wehe einsetzte. "Es ist das Baby. Es hat sich entschlossen, auf die Welt zu kommen.“ "Kommt es zu früh?" „Ja", flüsterte Dylan atemlos, während sie versuchte, dem Schmerz durch kontrolliertes Atmen zu begegnen. Nachdem er verebbt war, sah sie Coop an. "Die Wehen kommen bereits so heftig und kurz hintereinander. Irgendetwas stimmt nicht. Man hat mir gesagt, sie beginnen in größeren Abständen." Coop legte die Hand auf ihre schweißnasse Stirn und wünschte sich, er wüsste, was er jetzt tun sollte. Angst überfiel ihn. Eine furchtbare Angst, die ihm fast die Kehle abschnürte. Angst um Dylan, Angst um das Baby. Sein Kind. Was wusste er schon über Wehen und Geburt? Wie konnte er Dylan helfen? "Bist du sicher, dass das bereits die Geburtswehen sind?" fragte er. Dylan sah ihn mit ihren großen dunklen Augen an. "Ich weiß es nicht Ihr Gesicht verzog sich wieder vor Schmerz, und sie begann schnell und heftig zu atmen. Als sie sich schließlich entspannen konnte, schüttelte sie hilflos den Kopf. "Auf jeden Fall fühlt es sich so an." "Alles, was ich über Geburtshilfe weiß, habe ich aus Filmen gelernt", sagte er. Sie lachte. "Oh, großartig. Was für ein Team wir... " Sie stöhnte und umklammerte hart seinen Arm. "Oh, Coop", flüsterte sie fassungslos. "Was ist? Dylan, sag doch." "Meine Fruchtblase ist geplatzt." Sogar Coop wusste, dass damit endgültig die Geburt eingeleitet war. "Also gut." Er versuchte, Ruhe zu bewahren. Das war zunächst das wichtigste. "Wir werden einige Dinge benötigen. Im Nebenraum gibt es Wasser und Handtücher. Ich hole sie und... " "Oh, Coop Dylan bäumte sich auf, als eine weitere Wehe einsetzte. „Es wird alles gut werden, Dylan", beruhigte er sie und hielt ihre Hand, während der Schmerz seinen Gipfel erreichte und dann wieder abzuebben begann. "Liebling, wir schaffen es. Ich verspreche dir, dass alles gut gehen wird."
Coop stammte aus keiner religiösen Familie, aber in dem Moment, als er diese Worte sagte, betete er bereits darum, dass er die Wahrheit sagte. Er hatte Dylan und sein Kind gerade erst gefunden, und er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um sie nicht zu verlieren, und dafür brauchte er die Hilfe von oben. Coop hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Er wusste nicht, ob er bereits Stunden oder erst Minuten neben der gebärenden Dylan saß. Sein ganzes Sein konzentrierte sich nur auf diese Frau, auf sein Kind, das darum kämpfte, das Licht der Welt zu erblicken. Coop griff nach einem der Handtücher, die er im Nebenraum gefunden hatte, und wischte der schweratmenden Dylan das Gesicht ab. Er hauchte einen Kuss auf ihre Stirn, bevor er wieder ihre Hand ergriff. "Ich liebe dich, Dylan Bradford", flüsterte er, und sie umklammerte seine Hand. „Einen schlechteren Zeitpunkt für seine Geburt hätte sich unser Kind nicht aussuchen können", sagte Dylan mit einer Stimme, der Coop anhörte, wie viel Kraft sie die Wehen bereits gekostet hatten. Coop machte sich Sorgen. Er hatte Handtücher unter ihren Körper gelegt, beruhigte sie, hielt ihre Hand und wischte ihr das schweißnasse Gesicht ab. Aber er wünschte sich, er könnte mehr tun, als nur mitzufühlen. Es brachte ihn um, sie so leiden zu sehen und nicht helfen zu können. "Ich nehme an, das Baby macht sich darum keine Sorgen", sagte er. "Oh, Coop", keuchte sie. "Das Handtuch." Er griff nach dem feuchten Handtuch und strich damit über ihre Stirn und dann über ihre Wangen. Dylan sank zurück und versuchte, ruhig durchzuatmen. "Wie wäre es mit Shakespeare, wenn es ein Junge ist?“ "Klar, und Susi, falls es ein Mädchen wird." "Ich dachte eher an …“ Sie wurde von einer neuen Wehe geschüttelt, die noch heftiger zu sein schien, als die vorangegangen. Dylan wirkte immer erschöpfter. Wieder einmal überfiel Coop die furchtbare Angst, dass Dylan das Ganze nicht durchstehen könnte. Sie wirkte so zart, so zerbrechlich, und sie beklagte sich nicht ein einziges Mal. Er drückte ihre Hand, um ihr zu zeigen, dass er bei ihr war, dass sie durchhalten solle. Himmel, er hatte jetzt so viel zu verlieren. Er konnte Dylan verlieren, sein Kind verlieren. Er verdrängte den unerträglichen Gedanken. Als der Schmerz langsam nachließ, beugte er sich über sie und sah ihr in die Augen. "Dylan, du schaffst es, halte durch. Du machst das großartig. Bald wird es wieder Strom geben, und man wird uns hier herausholen. Deine Schwester wird dich bestimmt schon gesucht haben." Er legte die Hand auf ihre Stirn und bemerkte, wie kalt sich Dylan in den letzten Minuten trotz der Hitze in dem stickigen Raum anfühlte. "Dann wird es zu spät sein", flüsterte sie. "Nein, mach dir keine Sorgen. Kinder sind schon in schlimmeren Situationen geboren worden und haben es mit der Mutter durchstanden", beruhigte er Dylan, obwohl er sich selbst nicht sicher war, wie lange sie diese Qualen noch aushalten konnte.
„Ooooh!" schrie sie auf, bog sich aber diesmal nicht zurück, sondern zog die Knie an und fiel dann wieder erschöpft auf ihr Lager zurück. "Dylan, Liebling, entspann dich. Bitte, entspann dich." "Es kommt, Coop, es ... " Eine weitere Wehe schien sie fast zu zerreißen, und Coop legte den Arm um Dylans Schulter, bis sie sich wieder entspannte und zurücklehnte. "Coop, ich habe das Gefühl, pressen zu müssen", stieß sie hervor. „Tori sagt, man darf auf keinen Fall zu früh pressen, aber wenn ich nicht presse..." Tränen strömten ihr über das Gesicht, und Coop spürte, wie es in seinen eigenen Augen brannte. Eine Wehe folgte ohne Abstand der nächsten, und Coop spürte instinktiv, dass das Baby jetzt zur Welt kommen wollte. "Press, Liebling", forderte er Dylan auf. "Press, ich glaube, das Baby möchte endlich seine Eltern kennen lernen." Kaum hatte er das ausgesprochen, als die nächste Wehe einsetzte. Coop zog schnell mehrere trockene Handtücher zu sich heran. Wenn das Baby geboren wurde, würde er es vor allen Dingen warm halten müssen. Coop wollte gerade noch ein zusätzliches Handtuch unter ihre Hüften schieben, als er plötzlich erstarrte. Das Köpfchen des Babys war bereits ein Stück aus dem Becken ausgetreten. Ohne auf den Schmerz in seinem Bein zu achten, kniete er sich nieder und legte die Handtücher, die er in den Händen hielt, auf den Teppich. „Es kommt, Dylan. Es kommt!" Er hörte, wie Dylan keuchte, presste, Luft holte und wieder presste, und dann geschah das Wunder. Erst war der Kopf draußen, dann eine Schulter, dann die andere, und Coop konnte gerade noch die Hände ausstrecken, um das winzige Wesen aufzufangen. Er hielt sein Kind in seinen Händen, seine Tochter, aber sie bewegte sich nicht. "Coop, Coop ", rief Dylan angstvoll. "Ist alles in Ordnung?" Coop reagierte instinktiv. Er packte das Baby bei den winzigen Füßchen, hob es und schlug ihm sanft auf den Rücken, während er darum betete, dass sein kleines Mädchen atmen möge. Dann geschah ein weiteres Wunder. Das Licht flackerte und ging an. Er musste zufällig den Schalter berührt haben, als er in den Nebenraum gegangen war. Es war auf einmal hell. Und er konnte seine Tochter sehen - dieses kleine schrumpelige Baby, das regungslos an seiner Hand hing und dessen Haut seltsam blau war. Er sah, wie Dylan versuchte, sich aufzurichten, und gerade als er glaubte, dass alles verloren sei, spürte er, wie ein Zittern den Körper des Babys durchlief, und im nächsten Moment stieß der Winzling seinen ersten Schrei aus. "Gott sei Dank." Unsagbare Dankbarkeit und Erleichterung durchströmten Coop. "Die Nabelschnur", flüsterte Dylan. "Hol die Kordel und die Schere, die du gefunden hast." Er legte rasch das Baby auf die Handtücher vor Dylans Füßen, band die Nabelschnur ab und schnitt sie durch. Dann wickelte er das Kind in Handtücher
und sah in sein winziges, noch runzeliges Gesicht. Sein Anblick war so schön, dass es ihm fast das Herz brach. „Coop?“ Er wandte sich Dylan zu und legte ihr das Kind in den Arm. „Es ist ein Mädchen, wunderschön - unsere Tochter." Während Dylan das Baby sanft an sich drückte, streckte Coop sein höllisch schmerzendes Bein aus, ohne auch nur einmal den Blick von Dylan zu nehmen. Sie war blass, das schweißnasse Haar klebte an ihrem Kopf, und Tränen der Erleichterung und des Glücks liefen über ihr Gesicht, als sie das Baby das erste Mal ansah. Ein winziges Füßchen schaute aus den Handtüchern heraus, so klein, als würde es einer Puppe gehören. "Ist sie nicht wundervoll?" flüsterte Coop, ergriffen von der Verbundenheit und der Liebe, die er für diese Frau und dieses Kind empfand. "Oh, ja, das ist sie", hauchte Dylan. Er schaute ihr in die Augen. "Und du bist die wundervollste Frau, die ich kenne, und ich bitte dich hiermit, meine Frau zu werden. Dylan Bradford, ich liebe dich, liebe dich von ganzem Herzen und verspreche dir dich zu lieben, solange ich lebe." "Oh, Coop." Sie lächelte strahlend unter Tränen und wollte ihm gerade sagen, wie glücklich sie sei, als sie Schritte vernahm. Sie schauten zur Tür, durch die der Wachmann hereinkam. Er blieb fassungslos in der Tür stehen und starrte auf die Szene, die sich ihm bot. "Was um alles in der Welt ist hier los?" fragte er entgeistert. "Sie dürfen uns gratulieren. Wir haben soeben ein Baby bekommen", erklärte Coop stolz und legte den Arm um seine bald angetraute Frau. "Wenn Sie bitte einen Krankenwagen rufen würden.“ Er rutschte von Dylan weg und versuchte aufzustehen. Der Schmerz in seinem Bein, den er über die Aufregungen der vergangenen Minuten verdrängt hatte, kam nun, da alles überstanden und Rettung in Sicht war, mit voller Macht zurück. Und bevor er sich noch ganz aufgerichtet hatte, forderte der aufregende Tag seinen Tribut. Coop wurde zum ersten Mal in seinem Leben ohnmächtig. Coop lag auf dem Rücken, Unerträglicher Schmerz wütete in seinem Bein, und Stimmen drangen in sein Bewusstsein. Für einen Moment glaubte er, wieder in Spanien im Krankenhaus zu sein. Doch dann hörte er einen Mann sagen: "Machen Sie sieh keine Sorgen, Ma'am, er ist nur ohnmächtig. Das geht manchen Männern nach einer Geburt so." "Sein Bein, passen Sie auf, er hat eine schlimme Verletzung." Das war eindeutig Dylans Stimme. Er war ohnmächtig geworden? Coop spürte, wie ihm jemand etwas unter sein schmerzendes Bein legte. "Ich nehme an, dass es sechs Pfund schwer ist“, hörte er dann eine andere Stimme. Coop blinzelte vorsichtig in das grelle Neonlicht, das den Raum erhellte, und versuchte sich aufzurichten, doch jemand hielt ihn fest.
Er schaute den Mann an, der sich über ihn beugte. "Helfen Sie mir beim Aufstehen", bat Coop den Mann. Alles was er wollte, war, Dylan und das Baby zu sehen. "Ja, Sir", erwiderte der Sanitäter und half Coop auf. Als er dann Dylan mit dem Baby auf dem Arm auf einer Trage liegen sah, war die Welt für ihn wieder in Ordnung. Das Wort Liebe war längst nicht genug, um das zu beschreiben, was er in diesem Moment Empfand. „Du bist ohnmächtig geworden", erklärte sie mit dem Anflug eines Lächelns auf dem blassen Gesicht. "Das war meine erste Geburt", gab Coop ihr zu bedenken und lächelte sie jungenhaft an. In diesem Augenblick wurde er von einem Frieden erfüllt, den er nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte. Er, der Bindungen verabscheute und nie ein Zuhause sein eigen genannt hatte, hatte endlich den Platz gefunden, an den er gehörte. Er gehörte an die Seite seiner Frau und seines Kindes - für immer. "Sir", riss ihn einer der Sanitäter aus den Gedanken. "Es ist wohl besser, wenn wir Sie drei jetzt ins Krankenhaus bringen. Nehmen Sie bitte in dem Rollstuhl Platz." Dankbar nahm Coop in dem Rollstuhl Platz, den der Mann ihm hingeschoben hatte, und er wurde an Dylans Seite hinaus in den Korridor gerollt. Er ergriff ihre Hand, und schweigend fuhren sie im Fahrstuhl hinunter. Als sie durch die Lobby gefahren wurden, stand der Wachmann da, der sie gefunden und die Ambulanz gerufen hatte. "Hey, ist alles in Ordnung?" rief er ihnen zu. "Alles ist großartig", antwortete Coop. "Einfach großartig." "Ist es ein Junge oder ein Mädchen?" "Ein Mädchen." "Wie wird sie heißen?" Coop warf Dylan einen Blick zu. "Ich nehme an, Susi kommt nicht in Frage, oder?" "Ausgeschlossen", erwiderte Dylan. "Ich dachte an Anna wie meine Großmutter. Aber mir ist noch kein zweiter Name eingefallen.“ Gerade in diesem Moment hatten sie fast den Ausgang erreicht, und Coops Blick fiel auf ein Schild, das lautete - Herzlich Willkommen im Santa Clare Center - ein Teil von San Diegos Geschichte. "Ihr Name ist Anna Clare", rief er dem Mann zu. Dylan lächelte Coop an. "Anna Clare", sagte sie leise. "Ein schöner Name." Sie drückte Coops Hand und wusste, dass dieser Tag nicht nur die Geburt ihrer Tochter mit sich gebracht hatte, sondern auch den Anfang einer wundervollen Beziehung mit ihrem zukünftigen Ehemann für ein ganzes Leben lang. Ein Leben voller Liebe und Glück lag vor ihnen. - ENDE -