Jan Eric Vold Von Zimmer zu Zimmer SAD & CRAZY
fra rom til rom
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SAD & CRAZY
Dr. philos. h.c. writer JAN ERIK VOLD ...
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Jan Eric Vold Von Zimmer zu Zimmer SAD & CRAZY
fra rom til rom
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SAD & CRAZY
Dr. philos. h.c. writer JAN ERIK VOLD EHRENDOKTOR DER THE FACULTY OF ARTS DER UNIVERSITÄT VON OSLO
Jan Erik Vold wurde 1939 in Oslo geboren. Er studierte in den 60er Jahren Sprach- und Literaturwissenschaft an den Universitäten von Oslo, Uppsala und Santa Barbara. Er ist der bedeutendste Dichter Norwegens und geschätzter Übersetzer europäischer und amerikanischer Literatur. Als Litraturkritiker und Herausgeber hat er den Weg zum tieferen Verständnis norwegischer Literatur geebnet. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat er zahlreiche Bücher skandinavischer Autoren, vornehmlich norwegischer Dichter neu herausgebracht. Volds Ausgaben sind hervorragend editiert und kritisch – sie sind für das Studiums moderner skandinavischer Literatur unerlässlich und zukunftsweisend. Jan Erik Vold leistet durch seine spritzigen Essays einen entscheidenden Beitrag zur Erneuerung des Verständnisses norwegischer Literatur; er eröffnet dadurch auch einer breiteren Öffentlichkeit den Zugang zu zeitgenössischer Literatur. (aus einem Artikel der Universität von Oslo, übertragen von maoi)
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Walter-Druck 16
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Jan Erik Vold Von Zimmer zu Zimmer SAD & CRAZY
Walter-Verlag Olten and Freiburg
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BLAU
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So ein rotierendes Ventil, wie man es zuoberst auf Kaminen sieht, nennt man das nun Wetterfahne oder Windhut ? Ich schaute lange hin von diesem fremden Frühstückfenster und dachte Wetterfahne – Windhut, während sich das Ventil im wechselnden Winde hin und her bewegte, bald langsam, bald schnell, und die ganze Zeit Rauch aufstieg, Wind und Rauch und Ventil: Wetterfahne oder Windhut ?
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Im Spielplatz war ein großer Sandkasten aus kräftigen Holzstämmen wie ein Schiff geformt, mit einem Mast, der sich von einer Querplanke erhob, die auch die Kommandobrücke war, da war eine Schaukel, deren Stoßdämpfer beinahe im Hügel verschwanden, da war eine Rutschbahn mit einer Leiter hinten hinauf, da war eine ganze Reihe Schaukelbretter, ein Kletterstativ, eine Schiffschaukel, ein Karussell und ein liegender, hohler Baumstamm mit starken, abgesägten Ästen, in dem sich die Kinder tummeln konnten, innen und außen herumkriechen. Kleine Insekten zeigten sich am bleichen Abendhimmel.
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Der Zug hielt mitten in einer Ebene draußen an. Das Gemurmel verlor sich allmählich, und die letzten, die sprachen, wurden verlegen, als sie ihre Stimmen allein im Abteil hörten, und die Augen der anderen auf sich gerichtet fühlten. Nach und nach stellte sich das Gleichgewicht ein – da fährt der Zug mit einem Ruck wieder an.
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Du hast keine Mitte, sagte er zu sich selbst. Wer hat keine Mitte ? Du. Wer bist du ? Du bist du, und du wappnest dich gut. Wen wappne ich gut ? Dich selbst. Gegen wen ? Du wappnest dich gut gegen dich selbst. Ich habe doch keine Mitte, wie kann einer ohne Mitte sich gegen einen ohne Mitte wappnen ? Ich weiß es nicht, aber deine Fäuste sind ständig geballt.
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In diesem Zimmer hat ein Mädchen gewohnt, und jetzt ist sie weggezogen – die Wände mit ihren Tapeten stehen unbeholfen da.
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Drei Schulfreunde begegneten sich nach einigen Jahren wieder an einer Straßenecke und hatten einander nicht viel zu sagen. Drei Kinder hatte der eine in die Welt gesetzt, drei Kinder der andere. Der dritte dachte: Drei Kinder, in eine Welt wie diese – sagte aber nichts. Die anderen dachten: Keine Kinder – was treibt der eigentlich ?
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Er sieht sie an. Ich sehe ihn an. Er sieht, daß ich ihn ansehe und zieht seinen Blick von ihr weg. Ich sehe, daß er sah, daß ich ihn ansah. Ich schaue hinaus. Das Abteil spiegelt sich draußen im Dunkel. Sie schaut hinaus, vielleicht sieht sie ihn im Fenster. Ich sehe ihn im Fenster. Er sieht mich im Fenster, ich ziehe meinen Blick zurück. Sehe sie an. Sie schaut hinaus, auf ihn ? Kaum. Schaut einfach. Sie sieht nieder. Ich sehe ihn an, senke aber den Blick, bevor er aufsieht. Sie sieht geradeaus, wendet sich zu mir, wie sie bemerkt, daß ich nach ihr schiele. Er sieht alles im Fenster. Ich schaue hinaus. Er zieht den Blick zurück, sieht nieder. Schaut zu ihr hinüber. Sie schaut hinaus. Er schaut nieder. Ich schaue geradeaus.
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Eines Nachts war jemand hier und änderte alle Fenster im Haus um, so daß die Fenster, die sich vorher nach außen geöffnet hatten, sich jetzt nach innen öffneten. Das erleichterte das Putzen der Fenster sehr, nicht wahr. Aber das vertraute Geräusch von hin- und hergeschlagenen Fenstern im Wind komma verschwand.
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Die Schublade öffnet sich langsam, gleitet ruckweise weiter und weiter ins Zimmer hinaus und fällt endlich zu Boden – das ganze Silberbesteck verstreut auf dem Parkett. Und das Silber zerfließt, Messer, Löffel und Gabeln gleiten zusammen in eine einzige Masse fließenden Silbers, die allmählich erstarrt und die Form einer Puppe annimmt, eines Miniatursilbermädchens mit geschlossenen Silberaugen, das daliegt und schläft. Wenn du dich vorsichtig näherst, dich niederbeugst und sie sachte auf die Augen küssest, zeigt es sich nicht, daß es eine verzauberte Prinzessin war, die, befreit von ihrem Prinzen, plötzlich die Augen aufschlägt. Die Augen bleiben geschlossen, das Mädchen ist immer noch Puppe, du kniest über dem Silberbesteck, mein Freund.
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Mitten auf einer Kreuzung, Morgengrauen, so dunkel, daß ich hinaufklettern muß, um zu sehen, was auf dem Wegweiser sieht. Ich zünde ein Streichholz an und lese ROM auf dem einen Pfeil, zünde ein neues Streichholz an und lese ROM auf dem anderen Pfeil, zünde ein drittes an, lese ROM, zünde Streichholz Nr. 4 an und lese ROM.
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Ich wohne jetzt in einem Außenquartier, zuoberst in einem Hochhaus. Vom Fenster sehe ich auf eine Gruppe Föhren. Um Mittag zeigen die Schatten der schlanken Föhrenleiber genau nach Norden. [Mein Zimmer schaut nach Westen.] Bevor die Sonne untergeht, fallen die Schatten gegen Osten. Wenn man diese zwei Bilder übereinanderlegt, erhält man ein Gitter von Schatten auf dem Schnee. [Es ist Winter.]
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Das Märchen vom Autoreifen draußen auf der Wiese
Es war einmal ein alter Autoreifen, der lag ganz für sich allein auf einer Wiese, aber noch konnte ihn niemand sehen, denn es war Winter, und der Schnee lag hoch auf der Wiese. Als alter der Schnee beinahe weggeschmolzen war, kam der Autoreifen zum Vorschein, zuerst nur als schwarzer Ring auf dem schmutzigen Schnee, dann als nasses Rad in der aufgeweichten Wiese, endlich als trockener, schwarzer Autoreifen auf einer grünen Wiese. Denn jetzt hatte das Gras begonnen zu wachsen, später auch großer, gelber Löwenzahn, der sich öffnete, wenn die Sonne schien, und sich schloß, wenn sie verschwand. Jetzt war es Sommer geworden, und am Rande der Wiese stand ein Junge, der den Autoreifen auf der Wiese entdeckt hatte, und ihn haben wollte. Um sicher zu sein, daß das Rad nicht davonzurollen beginne, wenn er kam, um es zu holen, war der Junge so klug, sich in vier zu teilen: er machte vier gleiche Jungen wie er selbst aus sich und begann jetzt gleichzeitig von allen vier Seiten auf den Autoreifen zuzugehen; er achtete die ganze Zeit darauf, von jeder Seite gleich schnell zu gehen, so daß er immer gleich weit vom Reifen war. Und der Autoreifen rührte sich nicht, er lag ruhig draußen auf der Wiese, während der Junge von allen Seiten vorrückte. Er schmiegte sich durch das Gras, vorsichtig, und stets mit einem Auge auf dem Autoreifen, näher und näher kam er, der Ring lag einfach da, näher und näher, bis er endlich in einem Sprung von allen vier Seiten den Reifen packte und an sich riß. Alle vier Jungen zogen jeder in seiner Richtung und wollten das Rad mitnehmen, standen aufrecht draußen auf der Wiese und zogen an dem Rad nach Norden und Süden, Osten und Westen. Alle zogen gleich stark, und keiner kam vom Fleck. So standen sie mitten auf der grünen Wiese mit all dem gelben Löwenzahn und zogen an dem Autoreifen mit den abgefahrenen Rillen, bis der Löwenzahn sich zu schließen begann, und die vier langsam müde wurden
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davon, mit dem Rad zwischen sich dort draußen zu stehen. Deshalb legten sie das Rad wieder auf die Erde, gleichzeitig ließen alle vier los und richteten sich auf. Auf vier Seiten stehen sie jetzt und Starren auf den Autoreifen nieder, den sie so gern haben möchten, dann schauen sie auf und starren sich an, der im Süden schaut dem im Norden in die Augen, der im Norden dem im Süden, der im Osten dem im Westen, der im Westen dem im Osten, und plötzlich – hopp – hüpfen alle in den Reifen hinein, bücken sich, nehmen das Rad auf und halten es um sich herum, und mit dem Autoreifen mit den glatten Rillen um die Mitte geht der Junge über die Wiese, und wie er auf den Weg hinaus kommt, steigt er aus dem Ring heraus, stellt den Autoreifen auf, und indem er mit der Hand auf den abgenützten Gummi schlägt, bringt er das Rad auf dem Weg zum Rollen. So rollt der Junge den Reifen nachhause.
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GELB
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Der weiße Schaukelstuhl, in dem ich saß und schaukelte nach dem Kaffee – plötzlich verlor ich das Gleichgewicht, und der Stuhl kippte rückwärts um, ich versuchte mich nach vorn zu lehnen, aber sauste in voller Fahrt in entgegengesetzter Richtung – doch der Sturz blieb aus, denn aus dem Stuhl wuchsen Kufen, bis der ganze Schaukelstuhl umschlossen war, einbeschrieben in einen Kreis saß ich und rollte rückwärts über den Boden, der nicht mehr von Wänden begrenzt war, sondern als ein endloses glattes Parkett dalag, auf dem ich weiter und weiter-rollte, hinein in eine riesige Sonne, glaub ich, die eben im Horizont versank.
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An der Decke kommen die Nägel zum Vorschein, sie wachsen langsam aus den Deckenbrettern heraus, während der Rost abbröckelt, Unebenheiten ausgeglättet werden, krumm eingeschlagene Nägel gerade herauskommen, schließlich verlassen die Nägel die Decke und fallen zu Boden, wo sie sich zu Haufen ordnen; die Köpfe alle in derselben Richtung, gerade und blank glänzend, mit kariertem Muster auf den Köpfen liegen sie da wie neu, finden dann den Weg zu ihren Kartonschachteln, die sie allmählich füllen, ziehen sich den Deckel über die Köpfe und kleben ein Band um die Schachtel. Kaum sind die grauschwarzen Schachteln zur Seite gestellt, lösen sich die Bretter von der Decke, schließen das Holz um ihre Nagellöcher und glätten die Hammerschläge aus, legen sich am Boden in Stapel – verschiedene Stapel für verschiedene Bretterlängen – die dann weggeführt werden. Kaum sind die Deckenbretter weggeführt und in einem Schuppen gelagert, neigen sich die Wände, packen die Nägel in Schachteln und legen die Bretter in Stapel. Kaum sind die Schachteln beiseite gelegt und die Bretter im Schuppen verwahrt, sondert der Boden die Nägel aus, legt die Nägel in die Schachteln und die Bretter in den Schuppen – immer der gleiche Schuppen. Jetzt kommen vier Männer, legen Blachen über die Bretterstapel und strammen in den Ecken an. Die Nagelschachteln werden in einem großen Haufen daneben aufgeschichtet, die drei verlassen den Schuppen, der vierte löscht das Licht, schiebt den Riegel vor und schließt das Hängeschloß von außen – ein großes, starkes Hängeschloß – steigt ins Auto, und die vier fahren weg.
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Ich legte die Hand auf den Tisch, und sie wuchs – wuchs und wuchs wie ein Ballon aus Zement, der aufgeblasen wird. Als der Tisch brach, fiel die Hand hinunter und schlug ein Loch in den Boden, die Hand fiel und fiel durch die Stockwerke, bis sie schließlich am Kellerboden aufschlug. Da zerschellt die Hand in 250 Splitter, die wie Samen über den Boden und die Gänge des Kellers geschleudert werden: Blumen wachsen heraus, große gelbe und rote Blumen, mit grünen Blättern, aufwärts durch die Stockwerke, dicke, saftige Blumenstengel, die das Treppenhaus ganz ausfüllen, Kronblätter wollen durch die Türspalten hinein und pressen sich gegen die Türglocken, die Kinder laufen in den Strümpfen zur Tür und öffnen, die Eltern verwirrt im Hintergrund: Was soll das sein ? Blumen, sagen die Blumen.
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In dem großen Sommerhaus lag eine Klebstofftube, endlich fand ich sie. Ich schraubte den Deckel ab und begann die Tube von hinten her aufzurollen und zusammenzudrücken. Doch wie sehr ich auch drücke und rolle, Kleister kommt keiner, bloß die Tube wird kleiner und kleiner, zum Schluß ein hart zusammengepreßter Klumpen weiches Metall mit einer blaugrauen Metallspitze, vollständig trocken. [Scheiße !]
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Büroklammern über das ganze Zimmer verstreut, am Boden, auf dem Fensterbrett, im Büchergestell, unter den Papieren auf dem Schreibtisch, in den Spalten des Lehnstuhls, des Divans, des Bettes, überall Büroklammern, verdrehte Büroklammern und verbogene Büroklammern und Büroklammern, die zerbrochen waren [die letzteren allerdings in der Minderheit, die meisten hatten ihre vier Gelenke heil, aber eben, selten unangetastet], beinahe alle hatten die zwei Dimensionen der Ebene verlassen, um in den Raum hinaus zu gehen, hinaus in die drei Dimensionen des Raums, die Beine – eines oder mehrere – zeigten in den merkwürdigsten Richtungen im Verhältnis zu dem, was man den Körper nennen könnte, oft war es wohl kaum möglich, überhaupt einen Körper zu unterscheiden, überall im Zimmer tauchten sie auf, ungelenk und unförmlich, Büroklammern.
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Der Bleistift lag auf dem Tisch und schluckte. Warum schluckst du; fragte ich. Ich schlucke nicht, sagte der Bleistift, ich schluchze. Aber es steht schlucken, sagte ich. Das muß ein Schreibfehler sein, sagte der Bleistift. Bist du sicher; fragte ich, jetzt war ich selbst im Zweifel. Nein, schluck, sicher – sagte der Bleistift.
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alle Weißen und alle Schwarzen viereckig zum Teufel quadratisch die Weißen wollen größer werden und die Schwarzen wollen größer werden aber alles bleibt wie es ist die Weißen liegen wie die weißen Fliesen in einem Badezimmer die Schwarzen wie die roten Fliesen in einem Badezimmer die Schwarzen und die Weißen zum Teufel keines rührt sich keines kommt zur Tür. Und erst dieses verfluchte Stuhlbein
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Als ich nieste, lag ich auf dem Rücken, die Hände unter dem Kopf und die Beine zappelnd in der Luft, wie ein Baby auf der Wickelkommode – oder vielleicht eher wie eine Frau, die ihren Geliebten empfängt, bequem auf dem Rücken liegend, im Begriff, die Beine um seinen Rücken zu klemmen – ich nieste, und die Beine fielen von meinem Körper, lösten sich in den Hüftgelenken und blieben säuberlich auf dem Bett liegen, zu beiden Seiten meines Körpers, blieben liegen wie ein Paar tranchierte Hühnerschenkel – nur weil ich nieste !
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Mitten im Zimmer steht ein großer Tisch – wir sitzen rundherum und schauen. Langsam beginnt der Tisch zu wachsen und schiebt uns gegen die Wand, uns vier, gegen die vier Wände des Zimmers, näher und näher, bis wir festgepreßt an der Wand sitzen, die Tischkante an der Kehle. Wir können nicht mehr zur Seite sehen, nur noch geradeaus über den Tisch, in die Augen des gegenübersitzenden Partners. Jetzt ein letzter Ruck der Ausweitung in die vier Himmelsrichtungen – und unsere Köpfe liegen abgetrennt auf dem Tisch.
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Ein ganz gewöhnliches Hotelzimmer – guter Standard [aber nicht zu gut] [aber auch nicht schlecht], drei blaue Wände und eine grüne, weiße Decke, hellblaues Linoleum auf dem Betonboden, Waschgelegenheit, Schrank, Tür zur Dusche, ein Bild an einer Wand – und wie ich komme und zu Bett gehen will, ist der Bettüberwurf schon weg, und wie ich hineinkrieche, unter das Deckbett, liegt da ein Mädchen – übrigens, nein, das summt gar nicht.
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Ça va bien ? Vom Fenster sehe ich hinaus auf die Landstraße in der Ferne. Manchmal sind zwei Autos auf dem Weg zueinander, manchmal voneinander, es können mehrere Autos sein, in beiden Richtungen, großer Verkehr oder kleiner Verkehr. Manchmal ist die Straße leer.
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Ein Haus mit starken Mauern, trotzdem fallen die Mauern, langsam, wie ein Lattenzaun, der von Hunden und Buben niedergebrochen wird, oder rasch, wie während einer Sturmnacht: Eines Tages liegt das Haus in Splittern auf dem Boden, wie die Splitter eines Spiegels, auf denen barfuß zu gehen gefährlich ist. Nach und nach beginnen dann die Splitter zu steigen, sie erheben sich und verdichten sich von Glas und Spiegeln zu Stein und Mauer, die neue Wände formen, stärkere und stärkere, zum Schluß ein solide gebautes Haus mit dicken Mauern aus Backstein. Und langsam bricht das Haus zusammen, die Mauern zerbröckeln und bleiben wie die Splitter eines großen Spiegels am Boden liegen, es ist gefährlich, darauf zu treten – bis sie sich langsam wieder zu erheben beginnen und Haus werden, das dann wieder zusammenfällt, und sich erhebt, und zusammenfällt, und sich erhebt, und zusammenfällt, und sich erhebt. Dann ist es nicht mehr.
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Das Märchen von allen Katzen im Zimmer
Es war einmal ein Zimmer und ein Junge, der in dem Zimmer schlief. Er schlief ruhig, also guckte ein Kätzchen vorsichtig unter dem Sofa hervor, ein kleines, schwarzes Kätzchen mit weichem Pelz, und wagte sich schließlich ins Zimmer hinaus. Danach taucht ein anderes Kätzchen auf, auch klein, auch schwarz und weich. Nach diesem Kätzchen kommt noch ein Kätzchen, klein, schwarz, weich, und wagt sich unter dem Bett hervor. Jetzt hat sich ein viertes Kätzchen unter dem Sofa heraus ins Zimmer gewagt, ein fünftes vom Tisch, ein sechstes vom Bett, und so geht es weiter; Kätzchen, alle schwarz, alle weich, alle gleich klein, strömen unter dem Sofa, unter dem Tisch, unter dem Bett hervor, der Zimmerboden beginnt sich langsam mit Kätzchen zu füllen, das Parkett verschwindet bald unter diesem lebendigen Teppich von weichem, schwarzem Katzenpelz, einem stummen Teppich, denn diese Katzen miauen nicht, sie rotieren nur einfach in einer stummen Prozession am Boden, bis es so viele geworden sind, daß sie nicht mehr aneinander vorbeikönnen, ohne sich zu Stoßen – und zum Schluß so eng, daß die Kätzchen aufeinandersteigen müssen, um vom Fleck zu kommen. Und wie eine Katze den Fuß einer anderen Katze ins Auge bekommt, stößt sie ein Miau aus, später ertönt ein Miau aus einer anderen Ecke, weitere Miaus, weitere und weitere, der Teppich bekommt Töne, ein unablässiges, ständig anwachsendes Katzengejammer, der ganze Boden ein einziges Meer von Katzen: Katzen, die drücken und Katzen, die schreien, ein Jammern, stärker und stärker, und eine Unruhe, die allmählich abnimmt, je höher das Katzenmeer im Zimmer steigt und dem Tischbein, Divanbein, Bettbein entlang herauffließt, Katzen und immer mehr Katzen, und der, der da ruhig im Bett lag, wird schon beinahe überschwemmt. Da kommt eine Bewegung in das Katzenmeer. Auf taucht eine rote Zipfelmütze, darunter ein brauner Sack, darunter ein blaues
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Heinzelmännchen. Es ist das Heinzelmännchen, dem die Katzen gehören. Hinein mit euch, Katzen, sagt es, und wenn die Katzen sich zuerst auch widerwillig zeigen, springen sie schließlich doch hinein in den Sack, zuerst eine, dann noch eine, dann noch eine, dann noch eine, Katze um Katze hinein in den Sack, und obwohl das ganze Zimmer voll von Katzen war, bekommt jede einzelne Katze Platz im Sack; vielleicht werden die Katzen winzig klein, sobald sie in den Sack kommen, oder was meinst du ? Wie die letzte Katze im Sack verschwunden ist, stößt das Heinzelmännchen den Jungen an, um ihn zu wecken, und wie der Junge eben die Augen aufschlagen will, hat sich das Heinzelmännchen kleingemacht und ist in sein Ohr gehüpft, und wie der Junge sich im Ohr kratzen will, hat sich das Heinzelmännchen noch kleiner gemacht und ist in seinen Kopf hineingekrochen, so daß der Junge es nicht sehen kann. Dort drin geht das Heinzelmännchen umher. Nur wenn der Junge schläft, kann er das Heinzelmännchen mit dem Sack auf dem Rücken und der roten Zipfelmütze sehen. Aber was das Heinzelmännchen im Sack hat, das weiß er nicht. Das wissen nur wir.
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ROT
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Ein natürliches Lächeln, weiche Lippen, schöne Zahnstellung, ein warmes, zärtliches Lächeln, das sich öffnet, wie wenn die Sonne sich durch einen Nebel bricht, wärmer und wärmer, breiter und breiter, wächst in ihrem Gesicht, die Mundwinkel verbreitern sich gegen die natürlichen Lachgrübchen der Wangen, sie gehen in diesem fantastischen Lächeln auf, das jetzt an den Ohrläppchen zehrt und sich bald über das ganze Gesicht hinaus – über die gewöhnlichen Konturen eines Frauenkopfes hinaus – ausgeweitet hat, und die Lippen: die Oberlippe, die ganz hinauf in die Stirn ragt, und die Unterlippe, weit hinunter zum Hals, der Mund ein enormes Territorium mitten in dem, was ihr Gesicht gewesen war; und wie sie endlich in Gelächter ausbricht, geschieht das mit einem Mund, der auflachend sein eigenes Gesicht verschluckt hat, und nur die Lippen, die Zähne, die rauhe, hellrote Zunge blieben zurück, ein einziges, allumfassendes Gelächter blieb zurück – auf jener Seite des Tisches.
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Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Ich zog von Anfang an die Konsequenzen: ich grub eine Grube für mich selbst, stieg hinaus, maß ein Stück Boden daneben ab, gleich groß, und grub hinunter, gleich tief. Als ich nach getaner Arbeit aus Grube Nr. 2 heraufstieg, konnte ich mit Genugtuung die Schaufel wegwerfen, den Schweiß von der Stirne wischen, das vollbrachte Werk betrachten und bei mir denken: Jetzt habe ich da zwei Gruben, die eine für mich, die andere aber punkt punkt punkt
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Hallo, sagte ich, du bist so klein geworden – und um so größer wurde ich, ich wuchs und wuchs ins Zimmer hinaus, meine Arme wurden zu groß für die Armlehnen des Stuhles, in dem ich saß, meine Knie stießen an die Unterseite der Tischplatte, die Bilder an den Wänden widmeten mir mehr Aufmerksamkeit als vorher, wachsam auf meine kleinste Bewegung. Und um so kleiner wurde sie, sie saß auf dem Stuhl wie ein kleines Mädchen in der Straßenbahn, das mit den Beinen nicht an den Boden reicht, kurzer Rock und dünne, weiße Beine. Sie sprach und sprach, aber in einer anderen Sprache, ein Kindergelalle, das kein Mensch verstand, und als sie fertig war, sprang sie auf den Boden hinunter und stolperte mit wunderlichen, mechanischen Bewegungen über den Teppich, wie eine aufziehbare Puppe. Sie zappelte eine Weile dort unten im Kreis herum, ehe sie den Weg zu mir fand, zu meinem Stuhl, und begann, an meinen Beinen hochzuklettern. Sie fiel immer wieder herunter, so daß ich ihr in meine Arme hinauf helfen mußte. Aber sie trat und stampfte und wollte noch höher hinauf, so daß ich sie an der Hand nahm und sie vor mein Gesicht hob, doch sie wurde nur immer kleiner und kleiner, und wie ich eben etwas zu ihr sagen wollte, war sie nur noch ein kleines rotes Kügelchen in meinen Handfalten, ein kleines rundes Preiselbeerchen, das die Lebenslinie meiner hilfreichen Hand hinunterrollte, und als sie in die Verstandeslinie hinüberrollte, verschwand sie. Plupp.
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Ein seltsamer Rock, das heißt, seltsam war er nicht an sich – der Länge und Quere nach aufgeteilt in Schwarz und Weiß, in vier große Felder wie ein Schachbrett – aber er hatte eine gewisse Auswirkung auf die Haut des Trägers, sozusagen, denn das Schwarz setzte sich fort, und das Weiß setzte sich fort, hinauf in das Gesicht dessen, der ihn trug: der eine Arm wurde schwarz, der andere natürlich weiß, das eine Bein weiß, das andere schwarz, natürlich. Da nützte es nichts, den Rock auszuziehen, einen neuen zu kaufen, sich zu waschen und zu schrubben, mit Bimsstein, nicht einmal mit Bimsstein. Wenn du also jemanden siehst, höchstwahrscheinlich mit niedergeschlagenem Blick, den linken Fuß schwarz und den rechten Arm schwarz und den rechten Fuß weiß und den linken Arm weiß, und ergo ein schwarz-weiß geteiltes Gesicht, so hat die betreffende Person seinerzeit einen solchen OP-Rock getragen.
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Während sein Glied wuchs und wuchs, merkte er, wie sich der Ring zusammenzog, und eben als er es so tief er konnte in sie – seine Verlobte – hineingebohrt hatte, merkte er, daß der Ring seinen rechten Ringfinger abgeschnürt hatte, einen Augenblick hing der Finger an einem letzten Hautfetzen, schlapp baumelnd, bevor er abfiel. Rate mal, was da mit seinem Glied geschah ?
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neinein Madame es ist nicht gefährlich nur Cancermetastase etwas das kommt und geht nehmen Sie diese Pillen dann wird es schon besser die Schmerzen lassen nach der eklige Geruch verliert sich die blaue Farbe der Haut verschwindet bald bekommen Sie Haut wie alle anderen welche Krankenkassennummer sagten Sie nur eben
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Einige Autos sind rot, einige sind blau, da sind graue Autos, und die vornehme Dame hat ein vornehmes Hündchen, das geniert zur Seite sieht, wie die Dame das Bein hebt und den Strahl gegen ein Parfümerieschaufenster richtet. Ja, der Frühling, denkt das Schaufenster, indem es stumm die gelbe Botschaft des Frühlings entgegennimmt.
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Die Zeitung wächst aus zu einem Schild, ihre Worte sind grüne Erbsen, die sie gegen den Schild wirft, sie fallen auf den Tisch, füllen den Tisch, fallen zu Boden, breiten sich aus über den Boden. Er legt die Hand auf den Tisch, die Hand wird von dem grünen Fließband weggeführt, er erhebt sich, er gleitet auf Rollschuhen davon. Sie bleibt allein zurück und ißt reife Vogelbeeren jetzt.
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Messer und Gabel gekreuzt auf dem Teller, und er behaglich im Stuhl zurückgelehnt – da merkte er, daß ein bißchen von den Spaghettis wieder in den Mund heraufkam, er versuchte hinunterzuschlucken, aber es kam noch mehr, so daß er Messer und Gabel zum Mund führen und einen Mundvoll herausnehmen und auf den Teller legen mußte – lange, weiße, schöne Spaghettis – da mußte er noch einmal das Besteck zum Mund führen und einen Mundvoll herausnehmen, den er sorgfältig auf den Teller legte, und einen weiteren Mundvoll, Spaghettis, und immer mehr Spaghettis, er muß die Spaghettis mit dem Messer in der Platte verteilen, der Mund leert sich, jetzt kommen Ketchup und Fleischstücke, die Platte füllt sich, die Spaghettis werden schön mit Fleisch, Sauce und Ketchup garniert und oben drauf eine kleine Schicht Reibkäse. Er stellt das Spaghettigericht aufs Tablett, zusammen mit dem Rotweinglas, das sich inzwischen wieder gefüllt hat, faltet die Papierserviette um Messer und Gabel, erhebt sich, geht vorsichtig mit dem Tablett zwischen den Tischen durch zum Büffet, wo die Frau an der Kasse ihm das Geld zurückgibt, gießt den Wein in die Literflasche zurück, legt den Käse in die Käseschale, bringt das Ketchup in die Ketchupflasche, Fleisch und Sauce in ihren Behälter, die Spaghettis in den ihren, legt dann die Serviette auf den Serviettenhaufen, Messer und Gabel in ihre Lade, und den Teller, dampfend sauber, zuoberst auf den Tellerstoß. Dann geht er nachhause zu seinen Eltern und kriecht in den Schoß seiner Mutter hinein. [Was sagte wohl da die Mutter ?]
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soll ich dir die Nägel schneiden, die Zehennägel, oder soll ich dir die Zehen abschneiden, oder soll ich dir die Fußballe abschneiden, den ganzen Fuß, die Wade bis zum Knie, über dem Knie, mitten am Schenkel, soll ich dir das Bein abschneiden, beide Beine, die Schamhaare, ich habe einen Remington, soll ich dir den Oberkörper abschneiden, ich habe eine Motorsäge, soll ich dich vollständig wegschneiden, so daß nur dein rasiertes Loch zurückbleibt, soll ich einen Zettel dorthin legen, das Loch mit dem Zettel drin in eine Flasche stopfen, die Dänemarkfähre nehmen, die Flasche Viertel nach zwölf über Bord werfen, Steine danach werfen und bestimmt danebentreffen, dann verstehst du wohl endlich, was du mir bedeutest
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Phobie ist Phobie, seufzte er.
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Ich schaue dich an. Du schaust weg. Ich schaue dich an, schaue dich an, schaue weg. Ich sage etwas, murmelnd, tastend, meine Stimme so fremd. Du schaust mich an. Beim letzten Wort wende ich mich zu dir. Unsere Blicke streifen sich einen Moment, dann schauen wir beide weg. Ich sage noch etwas, etwas, das am Schluß im Ton steigt. Schaue ich dich an ? Du schaust mich an, dann vorbei. Ja, ich habe verstanden, sagst du.
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überwachsen überwachsen du wirst bald überwachsen sein die Haare wachsen dir in die Stirn über die Augen verdecken die Nase wachsen dir in den Mund hinein und um die Wangen herum schließen sich um das Kinn überwachsen dich überwachsen dich. Aber jetzt ist dein Hinterkopf kahl, dorthin zeichne ich mit grünem Filzstift Augen Nase Ohren Mund und Lachgrübchen, Geliebte
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Das Märchen vom Jungen im haarigen Zimmer
Es war einmal ein Junge, der auf einem Stuhl saß, mitten im Zimmer. Er saß unbeweglich, mit geschlossenen Augen, die Hände auf den Knien, und sah aus wie ein alter Mann, denn er war kahl am Kopf, der blanke Schädel leuchtete ins Zimmer und gegen die Wände, die von Haar bedeckt waren. Deshalb hieß es das haarige Zimmer, und deshalb kam niemand zum Jungen auf Besuch, denn wer will schon in ein Zimmer gehen mit Haar an den Wänden ? Und deshalb saß der Junge wie alt und tot, und niemand konnte wissen, ob er sich langweilte oder traurig war, oder ob er schlief, denn er saß und saß einfach auf seinem Stuhl mitten im Zimmer, und etwas anderes hatte es nicht in diesem Zimmer, als diesen einfachen Stuhl aus Holz und den Jungen, der darauf saß, mit blankpoliertem Schädel und blankgeputzten schwarzen Schuhen Seite an Seite auf dem Boden, denn das hatte er. Wenn jemand hineingekommen wäre und lange auf den blanken Schädel gestarrt hätte, wäre es ihm nicht leicht gefallen zu entscheiden, ob der Kopf des Jungen ein kleines bißchen zu schwinden begonnen hatte, so daß er zum Schluß so klein geworden wäre wie ein grüner Apfel auf seinen Schultern; oder ob er vielleicht langsam zu wachsen begonnen hatte, so daß er zum Schluß groß, so groß geworden wäre, daß er bis ganz an die Wände und an die Decke gereicht hätte, der kahle Kopf gegen die haarigen Wände. Nein, wer in sein Zimmer gekommen wäre, hätte lange stehen müssen und zusehen, doch mit Geduld und Liebe würde er zum Schluß begriffen haben, daß der Kopf des Jungen weder wuchs noch schwand, sondern blieb, wie er war, von normaler Größe für einen normal großen Jungen. Aber niemand kam in das Zimmer des Jungen, und niemand konnte wissen, ob der Kopf wuchs, schwand oder blieb, wie er war; ob der Junge schlief, sich langweilte oder traurig war – er saß einfach dort. Da kommt plötzlich ein Ton in dieses Zimmer, Töne hatte es früher hier
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nicht gegeben, vielleicht hatten alle die Haare die Töne aufgeschluckt ? Jetzt war da auf jeden Fall ein Ton. Der Junge öffnete sofort beide Augen und flackerte wild mit dem Blick, den Kopf unbeweglich: Was ist das ? Und obwohl er wild mit dem Blick flackerte, merkte er nicht, daß das Haar an Wänden und Decke dünner wurde. Der Junge schlief nicht und war weder traurig noch langweilte er sich, er warf angstvolle Blicke im Zimmer umher, noch lange nachdem der Ton verschwunden war, nur langsam, langsam beruhigte er sich, auf dem Stuhl sitzend wie vorher. Aber die Augen schloß er nicht mehr, außer zum Blinzeln, wie es alle Augen tun müssen. Da hörte er aufs neue einen Ton, es war der gleiche wie eben, eine Art Läuten; jetzt fuhr er vom Stuhl auf und blieb stehen, mit den blankgeputzten Schuhen Seite an Seite vor dem Stuhl. Er drehte den Körper nach rechts und nach links, machte nachdenkliche Runzeln im Gesicht und mußte die Hand nach dem Gesicht führen, da merkte er, daß eine leichte Schicht Haare auf seinen Kopf gekommen war. Jetzt sah er auf und merkte, daß beinahe kein Haar mehr an der Decke war, und auch nicht an den Wänden, er begriff nichts und mußte sich setzen, um nachzudenken: das linke Knie auf dem rechten ruhend, den rechten Ellbogen in der linken Hand, das Kinn in der anderen – auch als es schon lange Still geworden war in seinem Zimmer. Da läutet es zum dritten Mal, er fährt auf und stürzt zur Tür, der Stuhl fällt um, und wie er öffnet, steht dieses Mädchen da, mit geneigtem Kopf und einem verschmitzten Lächeln in den Mundwinkeln: Wir sorgten uns so, was aus dir geworden sei, sagte sie, und strich ihm durch das dicke, gekrauste Haar und lehnte sich an seine Schulter, wie er dastand in seinen schwarzen Schuhen und einen Blick von der geblümten Tapete erhaschte. Sie guckt an ihm hinauf. Er lächelt: Bist du’s ? Und dann zieht er seine Schuhe aus.
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GRÜN
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Es ist ein stiller Tag, blau und weiß. Die Sonne sieht auf uns, wir sehen auf die weißen Wiesen, weiß vom Reif, und auf die Bäume, gepflanzt vor ein paar Jahren, weiß. Die Autos stehen wohlparkiert an ihren Plätzen, es glitzert im Lack und in den Scheiben, eine Frau kommt aus dem Haus, sie geht im Zickzack zwischen den Autos, der kürzeste Weg über den Platz, vom Hafen ferne Nebelsignale. Jetzt kommen Stimmen über die Wiese, drei schwarze Menschen im rechten Winkel zu drei schwarzen Schatten auf dem Weg hierher. Ihr Atem steht um sie wie Sonnensignale. Hier schließt der Text.
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Je länger er die Mauer anstarrte, desto sicherer fühlte er, daß sie stehen bleiben würde, sie hatte sich kaum gerührt während der Zeit, da er hier gesessen und sie angestarrt hatte. Es dunkelte langsam, und die Mauer stand immer noch unverrückbar da, und wenn er zuweilen vielleicht wahrgenommen hatte, daß sie sich ein kleines bißchen gerührt hatte, war das wohl eine Täuschung gewesen, denn als er eine Weile die Augen geschlossen oder weggeschaut hatte, fand er die Mauer immer noch dort stehen, wo sie den ganzen Tag gestanden hatte. Und studiert man die Mauer näher, begreift man, das die sich nicht so leicht bewegen wird: an einzelnen Stellen ist der Putz abgebröckelt und die Backsteine sind sichtbar – Seite an Seite festgemauert – nach diesem Muster, sieht man, ist die ganze Mauer aufgebaut, denn selbst wo der Putz unversehrt ist, sieht man Vertiefungen, die ungebrochen dieses Muster andeuten. Nein, diese Mauer ist gute Arbeit und braucht einen nicht mehr zu bekümmern als die Hunde, die ab und zu an ihr entlang schnüffeln, ein Bein heben und weiter zotteln.
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Das kleine Mädchen mit hellem Haar und hellblauen Hosen läuft auf nackten Füßen, läuft über den Kiesweg einer Taube nach, aber die Taube läuft immer wieder weg, und das Mädchen muß schneller laufen, will es die Taube fangen, und da flattert die Taube auf und fliegt.
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Am Fluß bleibt er stehen, verwirrt von Geräuschen, Bewegungen und all diesem Gelächter um ihn herum, er faßt das Geländer, etwas Nahes, etwas Festes, schaut hinunter in das vorbeiströmende Wasser – Schaumblasen, die sich ständig verändern, sich drehen, sich zusammenziehen und verschwinden, in einem sachte gleitenden Strom – da kommt ein Liederbuch auf dem Wasser angeschwommen, aufgeschlagen wie in der Kirche. Es dreht sich langsam [so daß alle sehen können] und verschwindet ebenso leise, wie es gekommen ist. Das Lied
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Das Haus ist groß, der Fahrstuhl braun, der Korridor weiß und die blinde Tür hat ein kleines kleines Auge, dahinter wohnt ein Mädchen, ein Mädchen mit Kopftuch auf dem Kopf und frischgewaschenem Haar und klugen Gedanken, das zum kleinen Auge hinausguckt und öffnet.
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Die Pointe mit Ziegeln ist die, daß der obere Ziegel immer den untern überlappt, so daß Regen und Hagel und Schnee frei von den Hausdächern strömen können.
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Das große, weiße Haus in der grünen Wiese, mit der hohen, neugestrichenen Fahnenstange, an einem frühen Junimorgcn – und die Sonne, die beinah im Norden über dem Waldrand aufgeht, guckt über die Bäume und steigt am Himmel empor, während der Schatten des Hauses scharf im Grünen liegt und sich langsam um das Weiße dreht, wie die Sonne über den Himmel wandert, die Schatten kürzer und kürzer, bis sie nicht mehr kürzer werden können, da wachsen sie wieder langsam an, werden länger und länger und bedecken endlich die ganze Wiese rund um das Haus, nur die Fahnenstange noch in der Sonne. Dann verschwindet die Sonne auch von dort, und wir ziehen die Vorhänge. Gutenacht !
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Den Wald hinunter, weiches, angenehmes Gefälle in der Spur nach all diesem Neuschnee, die Skier gleiten gut – schon ist er unten am See, einem großen, breiten See, die Spur geht quer darüber, südwärts. Wie er mitten draußen ist, hebt sich ein Vogel von seiner rechten Schulter und fliegt nach links fort, gleich darauf einer von seiner linken Schulter, und fliegt nach rechts fort, er selbst hat angehalten und läßt es geschehen; die Vögel fliegen tief über den breiten See, er folgt ihnen mit den Augen, bald dem einen bald dem anderen, sie werden kleiner und kleiner, schließlich so klein, daß er jedesmal, wenn er sich dreht, Mühe hat, sie zu finden, deshalb nimmt er den Weg nach Süden wieder auf. Es ist früh am Vormittag, es ist spät im Winter, die Sonne hat wieder mehr Kraft, bei gleichmäßigem Lauf wird er sie den größten Teil des Tages im Gesicht haben. Die Spur ist gut, es wird ein schöner Tag.
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Als er mit diesem Bild da in die Stadt kam und vor dem Bahnhof stand, wußte er plötzlich nicht mehr, wem er das Bild abliefern sollte. Verwirrt stand er vor dem langsam zunehmenden Verkehr des Morgens, ohne eine Ahnung, wohin er gehen sollte. Er schob deshalb die große Frage zugunsten einer kleineren beiseite: Wohin gehen, um etwas zu essen; Und der erste beste Taxichauffeur konnte ihm da Richtung und Weg angeben. Dorthin ging er und aß sich satt, wurde mit einem Tischnachbarn bekannt und folgte ihm in die Stadt und ließ sich nieder, heiratete und bekam Kinder in dieser Stadt, wo er nun schon 18 Jahre wohnt. Das Bild vergaß er im Restaurant.
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Letzter Raum – ein großer, weißer Raum, ein Betonraum mit nackten Wänden und einer graugestrichenen Eisentür, wir waren alle dort eingeschlossen – als uns drei Bilder erschienen: das erste mit einer kräftigen Eiche mit grünen Blättern oben gegen den Himmel; das zweite mit einer Eiche noch größer und kräftiger, die Blätter leuchtend im saftigen Grün des frühen Sommers; und auf dem dritten Bild eine Eiche mit einem Stamm so dick, so dick wie ein Haus. Wir standen an ihrem Fuß und reichten kaum zu der braunen Rinde, wir sahen hinauf, wo die gewaltige Krone beinah den ganzen Himmel bedeckte, die Äste unmöglich zu sehen, nur die grünen Blätter, das Grün, so dicht, daß nur ab und zu kleine Punkte blau durchblickten – der Himmel von blau in grün umgeschlagen. Wir standen an der Wurzel und fühlten, wie die Wurzeln in die Erde hinuntergingen und sich dort unten ausbreiteten, die Eiche wuchs und wuchs, in die Erde, in den Himmel, der braune Stamm, und oben gegen das Licht all das Grün. Draußen regnete es, und ich fühlte durch den ganzen Körper, daß ich glücklich war.
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Das Märchen vom Prinzen in der schwarzen Schachtel
Es war einmal ein Prinz, der in einer schwarzen Schachtel wohnte. Dort spielte er ein Spiel, das keinen Namen hat. Es war ein Spiel, das man allein spielt, und er fand, daß es ein spannendes Spiel war. Versunken saß er von abends früh bis morgens spät und spielte das Spiel ohne Namen. Schließlich ging das Spiel auf und war kein spannendes Spiel mehr. Der Prinz sah auf und sah nichts, denn er saß in einer schwarzen Schachtel. Jetzt wollte der Prinz hinaus aus der Schachtel. Er stampfte auf den Boden und schlug an die Wand und stieß nach der Decke bis es weiß wurde vor seinen Augen, und er umfiel. Als er wieder zu sich kam, war die Schachtel weiß geworden, vollständig strahlend weiß, über und über – so blank war es in der Schachtel geworden, daß der Prinz sein Spiegelbild erblickte, wohin er auch sah. Aber er wußte nicht, was ein Spiegelbild ist, er glaubte, was er sah, sei ein anderer Mensch, und das hatte er nicht gewußt, daß es andere Menschen gab. Jetzt begann der Prinz zu sprechen, das hatte er noch nie getan, er begann mit dem Prinzen im Spiegel zu sprechen, und kaum hatte er angefangen, so begann auch der Prinz im Spiegel zu sprechen, und nicht nur das: Der Prinz im Spiegel sagte genau das gleiche, Wort für Wort, was der Prinz in der Schachtel sagte. Sprach der Prinz in der Schachtel langsam, sprach der Prinz in der Wand langsam; sprach der Prinz in der Wand schnell, sprach der Prinz in der Schachtel schnell. Da wurde der Prinz in der Schachtel wütend. Er schleuderte seine Stiefel an die Wand, seinen Helm auf den Boden, sein Schwert an die Decke, und er fiel vor Erschöpfung um. Als er endlich wieder zu sich kam, war die Schachtel blau geworden bis auf den Boden, der grün war. Der Prinz in der Schachtel spähte verwundert nach dem Prinzen im Spiegel, aber fand ihn nirgends. Da verzweifelte der Prinz in der Schachtel und schrie. Zuerst schrie er nach dem Prinzen im Spiegel – keine Antwort;
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da erfand er ein Wort für das Spiel ohne Namen und schrie das – keine Antwort; da schrie er alle Wörter, die er kannte, dann schrie er Laute, die gar keine Wörter waren, dann schrie er einen einzigen langen, zusammenhängenden Schrei. Keine Antwort. Und trotzdem fiel der Prinz diesmal nicht um. Er war bei sich, die ganze Zeit, und als der Schrei vorbei war, fiel ein Gedanke in seinen Kopf: Wo sind alle die anderen ? Welche anderen ? fragst du jetzt wohl. Aber der Prinz fragte diese Frage nicht. Ich muß die anderen finden, dachte er und ging über den grünen Boden gegen die blaue Wand. Doch es war weiter bis zur Wand, als er geglaubt hatte, er ging und ging, aber erreichte die Wand nicht. Er sah auf, und das Dach war hoch, hoch oben; er sah nieder, und jetzt verstand er, warum es so uneben zu gehen war: Er ging barfuß auf grünem Gras. Da sah er auf und verstand, warum es so warm war: Er ging barhaupt unter einer strahlenden Sonne. Da sah er geradeaus und verstand, warum er auf keine Wand stieß: Da war keine Wand, da war keine Schachtel, er war draußen auf einer Wiese. Jetzt wurde aus dem Prinzen in der Schachtel ein Junge im Freien. Anstelle der Stiefel zog er im Sommer Sandalen an, anstelle des Helms zog er im Winter eine Zipfelmütze an, und anstelle des Schwertes in der Hand ging er mit offenen Händen, Sommer und Winter. Hast du ihn gesehen ?
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Nachwort
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Ich kenne Norwegen nicht, und die Vorstellungen, die wir uns von Norwegen machen, erreichen oft nicht einmal ein Klischee. Daß es eine norwegische Literatur gibt, darauf hat mich Volds Übersetzer Walter Baumgartner aufmerksam gemacht. In einem Gespräch mit Jan Erik Vold, der meine Geschichten ins Norwegische übersetzt hat, habe ich etwas über die Situation der Literatur in Norwegen erfahren – viel mehr weiß ich darüber nicht. Diese Unkenntnisse hindern mich daran, über das spezifisch Norwegische in Volds Texten zu sprechen. Das ist schade, denn ich erkenne in ihnen neben Formen, die mir sehr bekannt sind, neue Möglichkeiten, von denen ich überzeugt bin, daß sie nicht nur persönliche, sondern auch regionale Varianten sind. Bekannt ist die Position, die Vold als Schreiber einnimmt: Er gibt sich als Beobachter, als Notizbuchschreiber sozusagen, er stellt sich vor einen Gegenstand und betrachtet ihn, wie wenn er ihn noch nie gesehen hätte. Er nimmt die Stellung eines Zeichners ein. Was dabei vordergründig entsteht, sind Schreibübungen, Schüleraufsätze, Denkübungen auch. Gleich der erste Text ist eine solche Denkübung. Offensichtlich hatte Vold die Absicht, «so ein rotierendes Ventil» zu beschreiben. Er scheitert an der Bezeichnung [Wetterfahne oder Windhut] und kommt über dieses Problem [das sich für einen Zeichner nicht stellen würde] nicht hinaus. Das Problem interessiert aber im Grunde genommen weder ihn noch den Leser, es ist keines, es ist nur eine Denkübung. Immerhin, gerade durch die Bezeichnungsschwierigkeit ist
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mir der Gegenstand nun bekannt [Vold hat die Aufgabe des Zeichners erfüllt], ich sehe ihn genau, und es gehört zu seinem Wesen, daß man nicht weiß, welcher Begriff zutrifft. Volds Arbeiten erinnern mich an Texte von Henri Michaux, den ich verehre. Henri Michaux wird – ich kann dagegen nichts unternehmen – den Surrealismen zugeordnet; ich ärgere mich darüber, weil ich wenig Zugang zum Surrealismus habe. Volds Ähnlichkeit mit der Methode Michauxs ist, daß auch seine Texte die dauernde Tendenz zum Surrealen haben, bei beiden ist dieses Ergebnis aber nicht von vornherein angestrebt, sondern es ist eine Folge des angestrengten Arbeitens, der angestrengten Beobachtungsübung an den Gegenständen. Wenn man irgendeinen Gegenstand sehr lange und intensiv betrachtet, wird er erstmalig und einmalig. Was einmalig ist, entzieht sich der Realität, wird surreal. Ich weiß nicht, ob Vold Henri Michaux kennt. Bestimmt sind Volds Texte zu naiv, als daß man in ihnen den Michaux’ Schüler erkennen könnte. Ich schätze Volds Naivität. Fraglich wird sie erst bei jenen Stellen, wo sie ihn zu voreiligen Pointen verführt, die zwar oft ironisch gedacht sind, aber doch als Kommentar wirken, etwa «Ich weiß es nicht, aber deine Fäuste sind ständig geballt» [S. 12] oder «Was sagte wohl da die Mutter ?» [S. 49]. Auch wird es mir leicht peinlich, wenn Gegenstände personifiziert werden, wenn Bleistifte sprechen. Ein deutscher Autor würde davor zurückschrecken, ein deutscher Lektor würde sich dagegen zur Wehr setzen. Aber diese «Ausrutscher» haben hier ihren Reiz. Vielleicht liegt darin die Situation der norwegischen Literatur; darin, daß
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sie davon gehört hat, daß es moderne Formen der Literatur gibt, und darin, daß sie wegen ihrer Isolation diese Formen selbst herstellen muß. Der Lyriker Vold zum Beispiel könnte unsern Konkreten zugezählt werden. Unsere Konkreten sind aber doktrinär, ihre Sätze tragen ihr eigenes Gesetz zur Schau und hüten sich selbst vor Einbrüchen. Volds Texte verschließen sich nicht, sie öffnen sich sogar, gewollt und ungewollt, Sentimentalitäten. Vold ist noch etwas, für das man sich bei uns bereits zu schämen hat, er ist ein Dichter, und in diesem Sinne hätte er bei uns wohl nur einen einzigen Kollegen, H. C. Artmann. Volds Sätze sind eigentliche Geschichten. Was in ihnen geschieht, geschieht nicht nur in der Sprache selbst; Volds Thema ist das Dilemma, das Scheitern an jeder Kleinigkeit. Der einzelne Satz auf Seite 13: «In diesem Zimmer hat ein Mädchen gewohnt, und jetzt ist sie weggezogen» [auch hier würde ich auf den anschließenden Satz verzichten], ist eine ganze Geschichte. Daß es nicht mehr darüber zu sagen gibt, über dieses große Ereignis, ist das Dilemma. Das hat hier nichts mit den Schwierigkeiten des Schreibens zu tun, sondern mit den Schwierigkeiten des Lebens. Es gibt bei Vold wenig zu bewundern, er brilliert weder sprachlich noch thematisch. Seine Sätze stehen so da wie die Gegenstände, die er beschreibt. Sie sind gewöhnlich und selbstverständlich, erst nach langem Betrachten werden sie [wie die Gegenstände] einmalig und erstmalig. Peter Bichsel
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BLAU
9 So ein rotierendes 10 Im Spielplatz 11 Der Zug hielt 12 Du hast keine Mitte 13 In diesem Zimmer hat 14 Drei Schulfreunde 15 Er sieht sie an 16 Eines Nachts war jemand 17 Die Schublade öffnet sich 18 Mitten auf einer Kreuzung 19 Ich wohne jetzt 20 Das Märchen vom Autoreifen draußen auf der Wiese
GELB
25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
Der weiße Schaukelstuhl An der Decke kommen Ich legte die Hand In dem großen Sommerhaus Büroklammern über das ganze Der Bleistift lag auf dem Tisch alle Weißen Als ich nieste Mitten im Zimmer Ein ganz gewöhnliches Ça va bien Ein Haus mit starken Mauern Das Märchen von allen Katzen im Zimmer
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ROT
41 Ein natürliches Lächeln 42 Wer andern eine Grube 43 Hallo, sagte ich 44 Ein seltsamer Rock 45 Während sein Glied 46 neinein Madame 47 Einige Autos sind rot 48 Die Zeitung wächst aus 49 Messer und Gabel gekreuzt 50 soll ich dir die Nägel 51 Phobie ist 52 Ich schaue dich an 53 überwachsen überwachsen 54 Das Märchen vom Jungen im haarigen Zimmer
GRÜN
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Je länger er die Mauer Das kleine Mädchen Am Fluß bleibt er Das Haus ist groß Die Pointe mit Ziegeln Das große, weiße Haus Den Wald hinunter Als er mit diesem Bild da Letzter Raum Das Märchen vom Prinzen in der schwarzen Schachtel
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Die Sammlung der Walter-Drucke bringt in freier Folge Arbeiten, in denen sich Veränderungen des literarischen Aus-drucks der Gegenwart abzeichnen. Der Autor des WalterDrucks 16, Jan Erik Vold, wurde 1939 in Oslo geboren. In den letzten vier Jahren hat er drei Gedichtsammlungen publiziert. Er wurde mit einem Staats- und dem Vesaas-Stipendium ausgezeichnet. Die vorliegenden Texte sind 1967 unter dem Titel «fra rom til rom SAD & CRAZY» im Gyldendal Norsk Forlag, Oslo, erschienen. Walter Baumgartner hat sie übersetzt, Peter Bichsel hat ein Nachwort dazu geschrieben. Das Buch wurde gedruckt und gebunden in den Werkstätten des Walter-Verlags Olten. Alle Rechte daran sind durch den Verlag vorbehalten. © Walter-Verlag Olten, 1968. maoi
n 2003
2003/III-1.0
Der Text folgt der Ausgabe des Walter-Verlages seiten- und zeilenkonkordant; wiedergegeben in der Amsterdamer Garamont.
Non-profit — Nicht zum Verkauf bestimmt. Anmerkungen von maoi: Seite 10: Karusell zu Karussell geändert Seite 26: karriertem zu kariertem geändert Seite 44: den zu denn geändert
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