Von der bösen Katze und vom guten Hund Monika Pelz (aus dem Buch „Nicht von dieser Welt) Scanned by Oswald
Es war einma...
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Von der bösen Katze und vom guten Hund Monika Pelz (aus dem Buch „Nicht von dieser Welt) Scanned by Oswald
Es war einmal vor langer, langer Zeit. Damals waren alle Tiere noch wild, alle Menschen waren Helden, und jeder Tag brachte ein neues Abenteuer. In einem dichten, dunklen Wald lebten eine Katze und ein Hund. Der Hund hieß WU, die Katze, die einen prächtigen weißen Pelz hatte, hieß CHHH. Nicht, dass sie einander nicht gemocht hätten, die Katze CHHH und der Hund WO! Aber sie gingen einander aus dem Weg. WU fing Kaninchen, und CHHH fing Mäuse. Die Katze schlief in einem Baum, und der Hund hatte eine Höhle. Eines Tages kamen die Menschen in den Wald. Sie machten ein Feuer, das Tag und Nacht brannte, und jagten die wilden Tiere mit Pfeil und Bogen. Das machte die Menschen zu den Herrschern des Waldes, denn vor nichts hatten die Tiere solche Angst wie vor Pfeilen und Feuer. Dennoch sahen die Menschen gar nicht so aus, wie man sich Herrscher vorstellt: Sie waren schmächtig und schmutzig, und ständig froren sie. Deshalb trugen sie die Felle der Tiere, die sie erlegt hatten. Sie fürchteten sich vor der Nacht und allen möglichen bösen Geistern. Die weiße Katze CHHH saß im Mondlicht auf ihrem Baum und beobachtete alles. Sie bemerkte, wie der Hund WU jeden Abend näher zum Feuer und zum Kreis der Menschen kam. Er überwand seine Furcht vor ihnen. Ei-
nes Abends kam er so nahe, dass der Wächter ihn bemerkte und ein brennendes Scheit nach ihm warf. WU konnte sich nur durch einen Sprung in die Dunkelheit retten. Aber am nächsten Abend war er wieder da. Und wieder vertrieben die Menschen ihn. Was für ein Narr!, dachte CHHH auf ihrem hohen Baum verächtlich. Aber WU war kein Narr. Er verfolgte eine ganz bestimmte Absicht. ..Da ist der Köter schon wieder!", riefen die Menschen am Feuer. "Er wartet wohl auf die Knochen, die von unserem Mahl übrig bleiben", sagte einer. Aber WU wollte die Knochen nicht, die sie ihm zuwarfen. "Vielleicht ist er ein böser Geist?", sagte einer ängstlich. Und schon griffen sie wieder nach brennenden Scheitern, um den Hund zu vertreiben. WU sagte rasch: "Ich will eure Knochen nicht, und böser Geist bin ich auch keiner. Das Leben ist mühsam, und wenn man sich zusammentut, geht es leichter. Gebt mir jeden Tag ein Stück Fleisch", fuhr WU fort, "und ich führe euch auf die Spur des Wildes, das vor euch flieht." Als die Menschen das hörten, berieten sie untereinander, und schließlich nahmen sie sein Angebot an. Von nun an lief WU vor ihnen her, wenn sie jagten, und zeigte ihnen die Spuren der Tiere an. Dafür bekam er einen Anteil an der Beute. CHHH auf dem hohen Baum beobachtete ihn. Und sie begann, WU zu hassen. Gestern war er noch wild und gejagt wie wir alle!, dachte sie. Heute dient er unserem Feind! WU ist selbst zum Feind geworden!
CHHH sträubte den weißen Pelz, ihre Augen blitzten, und sie schwor beim Licht des Mondes Rache an WU. „Solange ich lebe, werden wir Feinde sein!", fauchte sie. "Solange meine Nachkommen leben, werden sie Feinde seiner Nachkommen sein!" Der Hund WU wusste nichts von diesem Schwur. Und hätte er auch davon gewusst, er hätte sich nicht darum gekümmert. WU hatte an andere Sachen zu denken. Er überlegte, wie er seine Position bei den Menschen noch verbessern konnte. Ein Stück Fleisch jeden Tag war eine feine Sache. Aber sonst war das Leben bei den Menschen eher ungemütlich! Ständig lebten sie in Angst: vor den wilden Tieren, vor dem Sturm, vor den Blitzen, vor dem nahenden Winter, vor anderen Menschen außerhalb des Waldes. Ihre Angst war ansteckend. Auch WU fing an, sich zu fragen: Was geschieht mit mir, wenn der Winter kommt und wir nicht mehr jeden Tag auf die Jagd gehen können? Werden sie mich durchfüttern, wenn die Zeiten schlechter sind? Er ging zum Anführer der Menschen, und der sagte zu WU: "Wenn du uns nicht zu einer Jagdbeute verhelfen kannst, dann kannst du höchstens einen Fußtritt kriegen, das ist alles." Aber WU gab nicht auf und sagte: "Wenn ihr mir versprecht, mich auch in schlechten Zeiten zu füttern, dann zeige ich euch etwas sehr Wertvolles." Der Anführer der Menschen beriet sich mit den anderen, und schließlich versprachen sie WU, was er wollte. WU war sehr vorsichtig, er ließ sie beim großen Hundegott
schwören, dass sie ihr Versprechen auch halten würden. Als das erledigt war, führte er sie zu seiner Höhle. Es war eine große Höhle, in der schon sein Vater und des-sen Vater gewohnt hatten. Hier konnten die Menschen überwintern und waren sicher vor Schnee und Sturm. WU und seine Familie bekamen den schlechtesten Winkel zugewiesen, aber ihr Versprechen hielten die Menschen, da sie Angst vor dem großen Hundegott hatten. Täglich bekam WU sein Stück Fleisch. CHHH aber hatte längst beschlossen, ihm einen Streich zu spielen. Außerdem litt sie selbst unter der Not des Win-ters. Unter ihrem dicken weißen Fell war sie schon ganz mager geworden. Eines Nachts schlüpfte sie in die Höhle und stahl ein Huhn. Am nächsten Morgen konnte keiner sich erklären, wo das Huhn geblieben war. In der Nacht darauf stahl CHHH das zweite Huhn. Diesmal war die Aufregung der Menschen noch größer, und WU wurde verprügelt. "Ich war es nicht, bei meiner Ehre!", winselte WU. In der darauf folgenden Nacht stellte er sich nur schlafend und bemerkte CHHH. Er bellte zornig und vertrieb sie. "Nun weiß ich, wer das Huhn gestohlen hat! Die böse Katze hat's getan", sagte der Hund zu den Menschen. "Diese Katze ist ein unerhört gieriges Tier, und was noch schlimmer ist: Sie hat keine Moral und hält kein Versprechen! " Da bekamen die Menschen große Angst um ihre Vorräte. „Du musst von nun an die Höhle bewachen!", befahlen sie WU. „Wehe, wenn noch ein einziges Huhn gestohlen wird, dann geht es dir an den Kragen!"
Also hielten WU und seine Söhne Tag und Nacht Wache. Dennoch fand CHHH wieder eine Gelegenheit, an die Vorräte zu gelangen. Es machte ihr Spaß, die Hunde zu täuschen und irrezuführen, sodass sie kläffend umhersprangen und Schatten jagten, während die Katze die Vernutzte und wieder ein Huhn raubte. So geht es nicht weiter, dachte WU schließlich. Er fand keinen Schlaf mehr und bekam jeden Tag Prügel. „Ich werde euch noch einen guten Rat geben", sagte er zum Anführer der Menschen, "wenn ihr mir dafür versprecht, mich nie mehr zu prügeln! Außerdem müsst ihr mir eine Pension versprechen für den Fall, dass ich zu alt werde zum jagen und zum Wachen! " "Keine Prügel kann ich dir nicht versprechen", sagte der Anführer. "Wenn ich mich unerhört ärgere, so brauche ich jemanden, den ich hauen kann. Aber wenn dein Rat gut ist und uns vor den Räubereien der bösen Katze bewahrt, so sollst du bis an dein Lebensende jeden Tag genügend Futter haben." Also gab WU ihm den nächsten Rat: Die Menschen sollten einen Wall aus Steinen um die Höhle errichten und ihn so glatt mit Lehm verputzen, dass kein Tier daran hochklettern konnte; außerdem sollten sie vor dem Wall noch einen Graben anlegen und mit Pfeilen spicken, sodass jeder, der hineinfiel, verloren war. Wall und Graben wurden gebaut, und damit war die Höhle sicher. WU stand nun bei den Menschen in Ansehen, weil er ein so guter Ratgeber war. CHHH sah ein, dass sie nicht mehr in die Höhle gelangen konnte, und ihr Hass wurde noch größer. "Ich warte!",
fauchte sie. "Und wenn einer der Menschen die Mauern verlässt, dann zerkratze ich ihm das Gesicht!" Und wirklich: Als die Menschen wieder zur Jagd gingen, sprang CHHH vom Baum und zerkratzte dem Anführer das Gesicht. Der brüllte furchtbar und gab WU die Schuld. "Die Katze hasst uns", sagte WU. ..Sie sieht nicht ein, dass die Zeiten sich ändern, dass wir nun die Herren im Land sind. Sie will nicht dazulernen. Sie ist ein unvernünftiges, wildes Tier, und es hat keinen Sinn, mit ihr zu reden. Doch wenn ihr mir einen Platz näher am Feuer lasst, so will ich euch noch einen guten Rat geben." Als die Menschen das nächste Mal zur Jagd gingen, trugen sie Helme auf dem Kopf und schützende Panzer. Und so konnten die Krallen der Katze nichts ausrichten. CHHH musste einsehen, dass sie besiegt war. Sie hörte auf, den Menschen aufzulauern und zog sich in den tiefsten Wald zurück. Die Menschen aber verließen die Höhle. Sie bauten sich Häuser aus Stein, und niemals vergaßen sie die Mauern rundherum, die Gräben und Fallen. Sie hatten Tore, die sie verriegelten, sie hatten Schießscharten, von denen aus sie ihre Pfeile schleuderten. Hinter vielen Wällen und Mauern und Toren, im Inneren der größten Burg, lag der alte Hund WU und gab den Menschen Ratschläge, wie sie sich vor ihren Feinden und der Wildnis und den Geistern noch besser schützen konnten. Dafür erhielt WU die erlesensten Speisen, auf das Beste zubereitet und ganz fein gehackt, da er schon fast keine
Zähne mehr hatte. WU konnte sich kaum noch bewegen; erstens, weil er so fett geworden war, und zweitens, weil ihn die Gicht plagte. Aber er war hoch geehrt. Die Menschen nannten ihn den Guten Hund', und wenn sie ein neues Problem hatten, dann kamen sie zu ihm. CHHH streifte durch den Wald, wo er noch dicht und dunkel war. Aber an den meisten Stellen war der Wald schon gelichtet. Immer noch fing die Katze mühelos ihre Beute. Ihr weißer Pelz glänzte wie eh und je, und ihre Augen funkelten. „Sie muss einen Zauber haben!“, meinten ihre Nachkommen. „Deshalb bleibt sie immer jung!“ Aber CHHH sagte zu ihnen: „Ich bleibe jung, weil ich einen Feind habe!“ Und sie erzählte die Geschichte vom guten Hund WU. „Wir wilden Katzen haben kein leichtes Leben“, schloss sie. „Aber wir sind frei und unsere eigenen Herren, vergesst das nicht! Denkt immer daran, dass wir böse Katzen sind und böse Katzen bleiben wollen! Und dass der gute Hund unser Feind ist!“ Die jungen Katzen versprachen es. Eines Tages tat WU seinen letzten Schnaufer - satt und in Sicherheit, wie er es sich gewünscht hatte. Eines Tages ereilte auch CHHH der Tod auf der Jagd. Eben hatte sie eine Beute anvisiert und sich lauernd geduckt. Dann sprang CHHH - einen herrlichen, weiten Sprung. Er führte sie direkt in den Katzenhimmel. Ihre Ururenkel und Urururenkel hielten ihr Versprechen. „Wir sind frei“, war ihr Motto. „Wir sind böse und wollen böse bleiben!“
Und wenn die Menschen schließlich auch die Katzen einfingen, so konnten sie sie doch niemals zähmen, und die Katzen wurden niemals ihre Diener. Während die anderen Tiere für die Menschen hart arbeiten mussten, waren die Katzen es, die immer spielen durften. "Wir sind frei und unsere eigenen Herren!", sagte jede Katzenmutter zu ihren jungen, während sie sie sauber leckte. "Vergesst das nicht!" Und es folgte die lange Geschichte vom Hund WU, der sich freiwillig in den Dienst der Menschen begeben hatte - für ein bisschen Sicherheit -, und wie die Sicherheit das Wichtigste geworden war und den Wald zerstört hatte zu hohen Mauern geworden war - zu Türmen mit Schießscharten - zu verriegelten Toren ... "Sie haben ihn den guten Hund genannt und uns die bösen Katzen. Wir wollen nicht lernen, dass sich die Zeiten ändern, sagen sie. Aber merkt euch: Die Zeiten ändern sich nicht so sehr, wie die Menschen behaupten. Und ein Feind bleibt ein Feind ..." Und so weiter und so weiter, bis die Jungen Kätzchen gähnten. Alles war schon so lang her! Heutzutage gab es jederzeit einen Napf mit süßer Milch, Hände, die streichelten, Stimmen, die zärtlich riefen: "Komm spielen, kleine Pussy!" Und alle Hunde hatten den strengen Befehl, die Katzen nicht anzubellen oder gar zu beißen. So sehr hatten sich die Zeiten seit jenen fernen Tagen geändert, als noch der gute Hund WU gelebt hatte. Die Kätzchen spazierten umher, die Schwänze erhoben, und ließen sich gnädig den Pelz kraulen. Ihr angenehmes
Leben war ihnen ganz selbstverständlich, als wären sie immer schon solchen Komfort gewohnt gewesen. Aber wenn eine von ihnen zufällig einen Hund traf, der sie auch nur schief anblickte, dann zerriss der Schleier. Dann zerbröckelten die dicken Mauern, und der Wald war wieder da und die Wildnis und der Mond - und der gute Hund WU, der die anderen Tiere verraten hatte. Das Kätzchen sträubte den Pelz. Es machte einen Buckel, legte die Ohren flach. Es schoss Blitze aus den Augen und fauchte: "CHHH -" Das ist der Name, den sie alle gelernt haben. Das ist ihr Kampfruf. Das ist ihr Zauberwort. Wenn ihr eine so böse Katze seht, wundert euch nicht! Dahinter steckt eine alte, alte Geschichte.