Bertram Schiffers Verfügungsrechte im Stadtumbau
VS RESEARCH Quartiersforschung Herausgegeben von Dr. Olaf Schnur, Hu...
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Bertram Schiffers Verfügungsrechte im Stadtumbau
VS RESEARCH Quartiersforschung Herausgegeben von Dr. Olaf Schnur, Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Dirk Gebhardt, Eurocities, Brüssel
Das Wohn- oder Stadtquartier hat in unterschiedlichsten Bereichen der Stadtforschung einen wachsenden Stellenwert. Neue Schwerpunkte auf Quartiersebene sind sowohl in der Praxis, etwa in Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft, als auch in stärker theoretisch orientierten Bereichen zu finden. In der dazwischen liegenden Grauzone hat die wissenschaftliche Begleitforschung Konjunktur, die sich mit den immer vielfältigeren planungspolitischen Interventionen in Quartieren beschäftigt. Diese Reihe möchte sich den inzwischen existierenden pluralistischen, oft auch kritisch geführten Diskurslinien der Quartiersforschung mit ihren zahlreichen Überschneidungen und Widersprüchen widmen. Sie bietet Raum für Quartiersforschung im weitesten Sinn – von Arbeiten mit theoretisch-konzeptionellem Schwerpunkt über empirisch-methodisch orientierte Studien bis hin zu explizit praxisorientierten Arbeiten über Quartiers-Themen aus dem Blickwinkel verschiedener Paradigmen der Quartiersforschung. So soll ein Forum entstehen, in dem sich Interessierte aus allen Bereichen – vom Quartiersmanager bis zum Wissenschaftler – über das Themenfeld „Quartier“ auch über den eigenen Horizont hinaus informieren können. Quartiersforschung wird innerhalb dieser Reihe interdisziplinär und multidisziplinär verstanden, wobei geographische und sozialwissenschaftliche Ansätze einen Schwerpunkt darstellen.
Bertram Schiffers
Verfügungsrechte im Stadtumbau Handlungsmuster und Steuerungsinstrumente im Altbauquartier
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ulf Hahne und Dr. Sigrun Kabisch
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation an der Universität Kassel, Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung, vorgelegt von Bertram Schiffers, Datum der Disputation: 12.11.2008 Weitere Informationen zum Autor unter: www.stadtplandialog.de
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Christina M. Brian / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16560-8
Geleitwort
Stadtentwicklung unter den Bedingungen von Schrumpfung ist eine sehr junge Herausforderung sowohl für die Planung als auch für die Immobilienwirtschaft. Als planerisch und ökonomisch sinnvolle Bewältigungsstrategie wird seit einigen Jahren die Hinwendung zu einer konsequenten Innenentwicklung gefordert. Doch die bisher erreichten Ergebnisse mit Hilfe der dafür eingesetzten Instrumente können nicht überzeugen: Die Innenstadtquartiere gerade kleiner und mittlerer Städte sind nach wie vor von einem bunten Flickenmuster von sanierten und unsanierten sowie voll bewohnten, teilweise bewohnten und gänzlich leeren Gebäuden überzogen. Insgesamt bleibt ihre Attraktivität als Wohnstandort weit hinter den Erwartungen zurück. Die bislang in Forschung und wohnungswirtschaftlicher Praxis genannten Erklärungsmuster für die geringe Investitionsbereitschaft im Immobilienbestand wie „geringere Wirtschaftlichkeit“, „ungeklärte Eigentumsverhältnisse“ oder „nicht bewohnbare Substanz“ (alle aus den Statusberichten der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost) reichen nicht aus. Auch differenzierte Eigentümertypologien helfen nicht weiter. Hinter dem offensichtlichen Marktversagen müssen also weitere Hemmnisse stecken, welche die bisherige Forschung nicht aufgegriffen hat. Es ist das Verdienst von Bertram Schiffers, genau in diese Lücke hineinzustoßen und mit einem Ansatz der Neuen Institutionenökonomie einen innovativen Zugang zum Verständnis des Immobilienmarktes in Altbauquartieren zu schaffen. Es gelingt ihm dadurch, Möglichkeiten zur gezielteren Steuerung im Stadtumbau aufzuzeigen. Bertram Schiffers rückt die verschiedenen Akteure und ihr Verhalten in den Vordergrund. Es gehören dazu eben nicht nur Eigentümer, sondern auch Intermediäre wie Makler und Verwalter sowie vor allem die verschiedenen Finanzinstitutionen und Agenten des Kapitalmarkts. Ihre jeweiligen Verfügungsrechte führen zu Hemmnissen im Zusammenwirken von Boden-, Wohnungs- und Kapitalmarkt. Als mögliche Handlungsmuster filtert er Verbleiben, Verwerten oder Verfallen lassen heraus.
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Geleitwort
Drei zentrale Fragen leiten die Arbeit: Wie reagiert der Immobilienmarkt in Altbauquartieren auf Leerstand und
Verfall? Hierbei geht es insbesondere um unerwünschte Reaktionen und Wechselwirkungen zwischen Markt und Institutionen. Wie sind die Verfügungsrechte verteilt und welche Handlungen folgen daraus? Hier sind die Akteure zu identifizieren und ihre Handlungsmuster und -blockaden aufzuspüren. Welche Instrumente sind geeignet, den Stadtumbau unter diesen spezifischen Bedingungen besser zu steuern? Die Arbeit von Bertram Schiffers beruht auf zahlreichen Einzelfallstudien von „Immobilienschicksalen“ in der schrumpfenden Stadt Zeitz, die er in gesamtstädtische Entwicklungsperspektiven einordnet. Methodik und Ergebnisse sind aus Forschungs- wie Instrumentenperspektive so interessant und weiterführend, dass eine Veröffentlichung den interdisziplinären Blickwinkel der Stadt- und Quartiersforschung erheblich weitet. Den Herausgebern der neuen Reihe „Quartiersforschung“ sei für die Aufnahme des Bandes von Bertram Schiffers gedankt. Die Betreuer der Arbeit verbinden damit den Wunsch, dass die Quartiersforschung in ihrer interdisziplinären Weiterentwicklung für neue Impulse aus Ökonomie, Soziologie und Planungswissenschaften weiter offen bleibt. Die Arbeit von Bertram Schiffers wurde als Dissertation im Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel angenommen. Sie entstand in Kooperation des dortigen Fachgebiets Ökonomie der Stadt- und Regionalentwicklung mit dem Department Stadt- und Umweltsoziologie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung – UFZ in Leipzig. Hier wurde sie über drei Jahre im Rahmen des interdisziplinären Forschungsclusters Stadtumbau und Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gefördert. Ulf Hahne Universität Kassel
Sigrun Kabisch UFZ Leipzig
Dank
Die Anregungen und die Unterstützung vieler Personen haben die Entstehung dieser Arbeit ermöglicht. Allen voran gilt mein Dank Dr. Sigrun Kabisch, die meinen Ideen sehr offen und konstruktiv begegnete. Als Leiterin des Departments für Stadt- und Umweltsoziologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sorgte sie für das gute und produktive Arbeitsklima. Am UFZ kam ich mit Kollegen aus vielfältigen sozial- und naturwissenschaftlichen Disziplinen in Kontakt. Unter den zahlreichen guten Anregungen möchte ich die Gespräche mit Dr. Matthias Bernt erwähnen. Über die Kooperation des UFZ mit der Universität Kassel kam ich zu Prof. Ulf Hahne, dem ich spannende Diskussionsrunden und viele wichtige Hinweise verdanke. Als Inhaber des Lehrstuhls für Ökonomie der Stadt- und Regionalentwicklung stellte er gleichzeitig die Verbindung zu meiner fachlichen Heimat einer Architektur- und Planungsfakultät her. Für die Fallstudie bin ich meinen Interviewpartnern in Zeitz zu großem Dank verpflichtet. In der Stadtverwaltung, bei den privaten Hauseigentümern und lokalen Immobilienexperten bin ich auf ein starkes Interesse an meinen Forschungsfragen gestoßen. Die hohe Gesprächsbereitschaft und Offenheit in Zeitz war die Voraussetzung für viele neue Erkenntnisse. Das Thema der Arbeit entstand vor dem Hintergrund meiner mehrjährigen Praxiserfahrung als Stadtplaner im Büro für urbane Projekte in Leipzig. Mein Dank gilt deshalb auch Dr. Marta Doehler-Behzadi und Prof. Iris Reuther, mit denen mich ein anregender und kreativer Austausch verbindet. Wichtige Impulse und theoretische Zugänge verdanke ich der 10. Konferenz der European Urban Research Association 2007 in Glasgow. Insbesondere die Teilnehmer des Workshops Real Estate Development and City Planning unter der Leitung von Prof. David Adams, University of Glasgow, befassten sich mit Verfügungsrechten (property rights). Schließlich möchte ich mich bei meinen Freunden bedanken. Unter ihnen las und kommentierte Thomas Löffler meine Entwürfe. Im Zusammenleben mit Bientje Meyer fand ich einen schönen Ausgleich und sehr viel Unterstützung für diese Arbeit. Bertram Schiffers
7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
Inhalt
Teil I Grundlagen 1
Einleitung ......................................................................................................... 15 1.1 Altbauquartiere und Stadtumbau in schrumpfenden Städten ................. 15 1.2 Forschungslücken und Fragen ................................................................. 18 1.3 Aufbau der Arbeit .................................................................................... 23
2
Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten ............................................. 27 2.1 Marktmechanismus zwischen Modell und Realität ................................ 27 2.2 Ebenen des Immobilienmarktes: Wohnen, Bauen, Finanzieren............. 32 2.3 Marktversagen und staatliche Interventionen ......................................... 45
3
Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen ........................ 49 3.1 Verfügungsrechte und ihre Verteilung .................................................... 49 3.2 Informationsdefizite und Transaktionskosten ......................................... 55 3.3 Institutionen.............................................................................................. 61 3.4 Steuerungsinstrumente für den Immobilienmarkt................................... 65
4
Individuelles und kollektives Handeln ......................................................... 71 4.1 Handlungsoptionen und Blockaden......................................................... 71 4.2 Agenten und Intermediäre........................................................................ 77 4.3 Private und privat-öffentliche Kooperation............................................. 83
5
Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen .......................................... 89
Teil II Fallstudie Zeitz 6
Methodik und Datenbasis............................................................................... 95
7
Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt............................................... 103 7.1 Bevölkerung und Stadtentwicklung ...................................................... 103 7.2 Altbauquartiere....................................................................................... 109 7.3 Immobilienmarkt.................................................................................... 116
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Inhalt
8
Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren ....................................... 123 8.1 Lokale Planungsinstrumente.................................................................. 123 8.2 Staatliche Rahmenbedingungen............................................................. 131 8.3 Notleidende Darlehen und Zwangsversteigerungen ............................. 136 8.4 Informelle und kooperative Ansätze ..................................................... 141
9
Verfügungsberechtigte Akteure .................................................................. 145 9.1 Mieter...................................................................................................... 145 9.2 Private Hauseigentümer ......................................................................... 148 9.3 Kapitalanleger und Banken.................................................................... 153 9.4 Dritte und Vermittler.............................................................................. 158 9.5 Die verschiedenen Rollen der Stadt ...................................................... 162
Teil III Handeln und Steuern 10 Typologie und Modell ................................................................................... 165 10.1 Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen ............... 165 10.2 Funktionsmodell des Immobilienmarktes ............................................. 176 11 Auswirkungen in Altbauquartieren............................................................ 179 11.1 Reaktionen von Markt und Staat ........................................................... 179 11.2 Städtebau und Wohnstandort ................................................................. 186 12 Steuerung des Stadtumbaus......................................................................... 191 12.1 Ziele und Anforderungen....................................................................... 191 12.2 Ansätze für neue Instrumente ................................................................ 194 12.3 Weiterer Forschungsbedarf.................................................................... 198 13 Schlussfolgerungen........................................................................................ 201 Quellen .................................................................................................................. 205 Anhang .................................................................................................................. 215
Abbildungen
Abb. 1: Ebenen- und Sandwich-Modell des Immobilienmarktes..........................33 Abb. 2: Verfügungsrechte und ihre Inhaber ...........................................................50 Abb. 3: Ökonomische Verteilungsregeln von Verfügungsrechten........................54 Abb. 4: Grundtypen von Institutionen im Immobilienmarkt .................................62 Abb. 5: Instrumente zu Steuerung des Immobilienmarktes...................................66 Abb. 6: Aktive staatliche Eingriffe in den Bau- und Bodenmarkt ........................69 Abb. 7: Prinzipale und Agenten auf dem Immobilienmarkt..................................79 Abb. 8: Private und privat-öffentliche Kooperationen...........................................84 Abb. 9: Analytisches Konzept des Immobilienmarktes.........................................89 Abb. 10: Analyseebenen Altbau und Quartier .......................................................91 Abb. 11: Zeittafel der Stadt Zeitz..........................................................................103 Abb. 12: Einwohnerentwicklung der Stadt Zeitz .................................................104 Abb. 13: Alterspyramide .......................................................................................105 Abb. 14: Innenstadt: Rossmarkt und Neumarkt ...................................................108 Abb. 15: Mittelalterliches Zentrum (Sanierungsgebiet).......................................110 Abb. 16: Gründerzeit (Stadtumbau Fördergebiet 1 „Aufwertung“) ....................111 Abb. 17: Karte der Baualtersklassen, Untersuchungsgebiete ..............................113 Abb. 18: Karte des Leerstandes und Fördergebiete .............................................114 Abb. 19: Karte des Bauzustandes .........................................................................115 Abb. 20: Wohngebäudeerhebung der Stadt Zeitz ................................................116 Abb. 21: Wohnungserhebung der Stadt Zeitz ......................................................120 Abb. 22: Wohnungen im Fördergebiet 1 - Gründerzeit .......................................124 Abb. 23: Gebäude im Sanierungsgebiet ...............................................................128 Abb. 24: Zwangsversteigerungen in Zeitzer Altbauquartieren............................137 Abb. 25: Handlungsmuster in Altbauquartieren...................................................167 Abb. 26: Handlungsmuster Verbleiben ................................................................169 Abb. 27: Handlungsmuster Verwerten .................................................................172 Abb. 28: Handlungsmuster Verfallen lassen ........................................................175 Abb. 29: Funktionsmodell des Immobilienmarktes in Altbauquartieren.......... 177 Abb. 30: Instrumente zur Neugliederung von Verfügungsrechten......................195
Abkürzungen
AfA AHG BA BauGB BauO LSA BBR BGB BID BMVBS EFH EStG ETW EW ExWoSt GE GG GIS HH HID HOAI InvZulG KfW LVermGeo MFH MZ NIÖ NPL PPP REIT SGB II SZ UFZ VOB
Abschreibung für Abnutzung Altschuldenhilfegesetz Bundesagentur für Arbeit Baugesetzbuch Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Bürgerliches Gesetzbuch Business Improvement District Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung Einfamilienhaus Einkommensteuergesetz Eigentumswohnung Einwohner Experimenteller Wohnungs- und Städtebau Gewerbeeinheit Grundgesetz Geographisches Informationssystem Haushalt Housing Improvement District Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Investitionszulagengesetz Kreditanstalt für Wiederaufbau Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt Mehrfamilienhaus Mitteldeutsche Zeitung, Lokalausgabe Zeitz Neue Institutionenökonomik Non Performing Loan (notleidendes Darlehen) Public Private Partnership Real Estate Investment Trust (Immobilienfonds) Sozialgesetzbuch, 2. Abschnitt Süddeutsche Zeitung Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig Verdingungsordnung für Bauleistungen
14 WBG WE WEG WoGG ZV ZVG ZZ
Abkürzungen
Zeitzer Wohnungsbaugesellschaft mbH Wohneinheit Wohneigentumsgemeinschaft Wohngeldgesetz Zwangsversteigerung Zwangsversteigerungsgesetz Zeitz
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Teil I Grundlagen
1
Einleitung
Verfügungsrechte im Sinne der Neuen Institutionenökonomik erweitern das Verständnis der Eigentumsverhältnisse und des Immobilienmarktes. Für schrumpfende Städte, in denen mit Wohnungen kaum noch Gewinne zu erzielen sind, ergibt sich damit ein neuer Blickwinkel, der auch den Stadtumbau und die Förderpolitik erfasst. In der Einführung werden zunächst das Planungsproblem der verfallsbedrohten Altbauquartiere und damit der Anlass der Arbeit geschildert (Kap. 1.1). Es folgt eine Übersicht über die theoretischen Grundlagen und den Stand der Forschung. Daraus ergeben sich die Forschungsfragen zu Verfügungsrechten, Handlungsmustern und Steuerungsinstrumenten (Kap. 1.2). Das Kapitel schließt mit dem inhaltlichen Aufbau der Arbeit (Kap. 1.3).
1.1
Altbauquartiere und Stadtumbau in schrumpfenden Städten
Anlass der vorliegenden Studie sind die akuten Leerstandsprobleme und Verfallstendenzen in den Altbauquartieren derjenigen Städte, die nach der Wende einem massiven Arbeitsplatzabbau und Bedeutungsverlust unterliegen und mit langfristig sinkenden Einwohnerzahlen konfrontiert sind. Dieses Phänomen wird als Schrumpfung bezeichnet. Die schrumpfenden altindustriellen Regionen und Städte stellen eine Herausforderung für die Stadtpolitik in West- und Ostdeutschland gleichermaßen dar, auch wenn der Strukturwandel unterschiedlich schnell verlief (Glock 2006). Besonders stark betroffen sind vor allem kleine und mittlere ostdeutsche Städte außerhalb der Ballungszentren, die keinen Anschluss an die wirtschaftliche Erneuerung finden und anhaltender Abwanderung ausgesetzt sind (Banse/Effenberger 2002; Göschel 2003; Jessen 2007). Gegenläufig hierzu schufen massive steuerbegünstigte Investitionen in den 1990er Jahren ein Über-
16
Einleitung
angebot an Wohnungen, dem inzwischen eine stark abnehmende Nachfrage gegenübersteht (Glock/Häußermann 2004). Etwa ein Drittel der Altbauten ist noch unsaniert und zumeist auch unbewohnbar (BMVBS 2008b: 21). In einzelnen Städten erreicht der Wohnungsleerstand im Altbau bis zu 40 % (ebd.: 22). Viele Altbauquartiere präsentieren sich als kleinteiliges Mosaik von sanierten Häusern durchsetzt mit Leerständen, Brachen und Ruinen. Dieses Abbild des „harten Wandels“, aber auch die Grenzen der klassischen Förderinstrumente wurden bereits im Zuge der ersten Sanierungswelle nach der Wende sichtbar (Schiffers 1997). Die später so genannte „perforierte Stadt“ (Lütke Daldrup 2001; Doehler-Behzadi/Schiffers 2004: 37; Müller 2004) weist eine Reihe von Mängeln auf, die sich gegenseitig verstärken und eine geordnete und nachhaltige Entwicklung in Frage stellen. Die Auflösung ehemals geschlossener Baublöcke verändert das traditionelle Stadtbild und verstärkt das Gefühl von Unsicherheit und Identitätsverlust. Die Funktionszusammenhänge von Erdgeschosszonen und Ladennutzungen sind unterbrochen, die soziale Kontrolle schwindet. Ruinen strahlen negativ auf ihre Nachbarbebauung und das Wohnumfeld aus, Aufwertungsbemühungen unterbleiben daher oder verpuffen. Die Reduzierung der Bau- und Nutzungsdichte beeinflusst die Auslastung der sozialen und technischen Infrastruktur, deren hohe Fixkosten von immer weniger Verbrauchern und Steuerzahlern getragen werden. Schülerzahlen und Einzelhandelsumsätze sinken, die Folge sind Schließungen und Versorgungsdefizite für die verbleibende Bevölkerung. Dies verringert wiederum die Attraktivität der betroffenen Gebiete, die Abwärtsspirale dreht sich weiter. Die Kleinteiligkeit und bauliche Vielfalt von Altbauquartieren erinnert an ihre zum Teil Jahrhunderte alte Entstehungsgeschichte, als Bürger und Unternehmer Häuser für die eigene Familie und ihr Gewerbe errichteten. In der Zeit der Industrialisierung und der Landflucht kam das Vermietungsgeschäft hinzu. Der Wohnungsbau wurde um das Jahr 1900 mit Zinshäusern zwar gewerblich und stellenweise spekulativ, aber immer noch handwerklich betrieben. Die regionale Bauweise und die kleinen Parzellen spiegelten die örtlichen Eigentums- und Vermögensverhältnisse wider. Nach zwei Weltkriegen und mehreren Systemwechseln haben sich die Bezüge zwischen Immobilien, Eigentümern und Nutzern, aber auch die Bauweisen und Betriebsformen von Wohnungen stark gewandelt. Generationenübergreifender Familienbesitz hat in Ostdeutschland trotz der Rückübertragungen stark abgenommen. Laut einer Befragung haben 82 % der privaten Häuser in Ostdeutschland nach 1991 den Besitzer gewechselt (BMVBS 2007f: 28, einschließlich Rückübertragung und Neubau). Nach der Wende zogen Bauträgermodelle und Steuererleichterungen in hohem Umfang anonymes und ortsfremdes Kapital an. Die Hauseigentümer von Mehrfamilienhäusern sind daher nicht mehr mit den klassischen Stadtbürgern des historischen Mittelstandes
Altbauquartiere und Stadtumbau in schrumpfenden Städten
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gleichzusetzen, da die Zahl ortsfremder Kapitalanleger mit überwiegend finanziellen Interessen zunimmt. Entsprechend hat sich der Kreis relevanter Immobilienmarkt-Akteure, der den Stadtumbau beeinflusst, stark vergrößert. Der Begriff „Stadtumbau“ entstand bereits vor dem gleichnamigen Förderprogramm (Haller 2004). Stadtumbau steht für ein neues Verständnis von Planung und Stadtentwicklung, das weniger auf die Steuerung von Wachstum, sondern vielmehr auf die Anpassung des Bestandes orientiert ist. Als Reaktion auf die begrenzten Nutzungszyklen der Bausubstanz sowie die wirtschaftliche Transformation und den Wertewandel hat sich seit den 1970er Jahren zwar bereits die Stadterneuerung als Daueraufgabe etabliert, allerdings beruhte auch sie auf einer Wertsteigerung, um neue Investitionen anzustoßen. In der schrumpfenden Stadt wird diese Logik von Wachstum und Planungsgewinnen umgekehrt, da es nun Verluste zu verteilen gilt. Mit dem Stadtumbau streben schrumpfende Städte an, ihre Bau- und Nutzungsdichte dauerhaft zu reduzieren und die Flächennutzung im Sinne der Nachhaltigkeit effizienter zu organisieren. Angesichts sinkender Einwohnerzahlen und Einnahmen muss der künftige Lebensstandard neu oder anders definiert werden. Im Idealfall beruht der Stadtumbau auf einem gesamtstädtischen strategischen Entwicklungskonzept, das lokal angepasste bauliche und räumliche Prioritäten beinhaltet. Weil alle Maßnahmen wie Abrisse und Umnutzungen im Bestand stattfinden, verschärfen sich das Umverteilungsproblem und das Konfliktpotenzial von Planung (Bernt 2006). Die Mittel aus dem gleichnamigen Bund-Länder-Förderprogramm Stadtumbau Ost für Rückbau und Aufwertung sind bisher überwiegend an die kommunale Wohnungswirtschaft geflossen. Private Eigentümer in den kleinteiligen Altbauquartieren konnten bisher vom Stadtumbau Ost kaum profitieren (Liebmann 2004; BMVBS 2007b). Im Wohnungsmarkt ostdeutscher Stadtregionen sind viele Altbauquartiere doppelt gefährdet, zum einen durch ihre innere Fragmentierung und Perforation („Durchlöcherung“) und zum anderen durch die Konkurrenz, die nach der Wende durch die neuen Einfamilienhausgebiete und die Sanierung der Plattenbauten entstanden ist. Viele ältere Bewohner möchten ihr angestammtes und aufgewertetes Wohnumfeld in diesen Neubaugebieten nicht mehr verlassen. Vor allem in kleineren schrumpfenden Städten abseits der großstädtischen Reurbanisierungsgewinner wie Leipzig können die Altbauquartiere oft nicht mehr die Urbanität und noch nicht diejenigen zeitgemäßen Wohnbedingungen bieten, die eine Wiederbesiedlung und -belebung der Innenstadt begünstigen. Angesichts langfristig mangelnder Nachfrage und weiterer Neubau- und Sanierungstätigkeit ist eine Zunahme des Leerstandes und ein weiterer Abriss bzw. Abgang überschüssiger Bausubstanz unvermeidlich. Dieser Prozess verläuft zur Zeit noch weitgehend ungesteuert. Offensichtlich sind für diesen räumlich dispersen und zufällig wirkenden Erosionsprozess weder allein objektive Lagefaktoren, individuelle
18
Einleitung
Gebäudequalitäten oder die Stadtplanung verantwortlich, sondern auch und vor allem die individuellen Handlungslogiken der privaten Eigentümer. Zu diesem Ursache-Wirkungskomplex mangelt es noch an theoretischen Grundlagen, um empirische Phänomene einzuordnen sowie adäquate und wirksame Stadtumbauverfahren zu entwickeln (Bernt/Kabisch 2003; Doehler-Behzadi et al. 2005: 78).
1.2
Forschungslücken und Fragen
Die vorliegende Arbeit nutzt die Begleitforschung zum Stadtumbau in Ostdeutschland als Ausgangspunkt für eine weitergehende Untersuchung des Immobilienmarktes im Sinne der Neuen Institutionenökonomik. Daraus erwächst die Frage nach den Verfügungsrechten in Altbauquartieren, die neue Perspektiven auf die Wirkungsweise von Planungsinstrumenten eröffnet. Wohnungsmarkt- und Eigentumsforschung Eine theoretische Wohnungsmarktanalyse schrumpfender Städte lieferte Spieker, der zwischen Privaten, Wohnungsunternehmen und sonstigen Akteuren unterscheidet, die nur indirekt mit Wohnungen handeln (Spieker 2005: 65). Diese letzte Kategorie weist auf die komplexen Einflüsse und Wechselwirkungen im Wohnungsmarkt hin. Eine erste umfassende sozialwissenschaftliche Fallstudie zum Stadtumbau unter Schrumpfungsbedingungen legten Kabisch/Bernt/Peter 2004 vor. Am Fall der DDR-Entwicklungsstadt Weißwasser in Sachsen konstatierten sie neue, langfristige soziale und räumliche Effekte, aus denen sie interdisziplinären und akteursbezogenen Forschungsbedarf ableiteten. Als eine traditionelle Kernstadt untersuchte Sommer (2007) den Wohnungsmarkt in Gotha. Parallel liefen zahlreiche Gutachten zu einzelnen Wohnungsmarktsegmenten und Akteuren, jedoch oft ohne besonderen theoretischen oder räumlichen Bezug. Im Gegensatz zur Erforschung und Förderung der Plattenbaugebiete erschien der Stadtumbau in den Altbauquartieren lange Zeit als „Rechnung ohne den Wirt“. Inzwischen liegen jedoch einige Untersuchungen zur Situation der kleinen und privaten Eigentümer in schrumpfenden Städten vor. Die Eigentümertypologien, die vor allem im Rahmen von Gutachten zu den Bund-Länder-Programmen Stadtumbau Ost und West entstanden, sind überwiegend von deskriptiv-statistischer Art, wobei die Vorstellung des Eigentümers als autonomes, handlungsfähiges Wirtschaftssubjekt dominiert. Die ersten Studien widmeten sich der „Bewirtschaftungssituation vermieteter Altbaubestände“ in Brandenburg (ISW 2003) und den Optionen privater Eigentümer in Stadtumbaustädten (Krings-Heckemeier/Porsch 2002; BMVBW 2003). Nach einer ersten Umsetzungsphase des Stadtumbaus erkannten Politik und Wissenschaft akute
Forschungslücken und Fragen
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Handlungs- und Forschungsdefizite in den Altbauquartieren. Ein entsprechendes Gutachten zur Bestandssituation und zu Bewirtschaftungsstrategien (BMVBS 2007d: 157) unterschied Eigentümer ohne staatlichen Interventionsbedarf, Passive/Resignierte und Auswärtige. Eine weitere Studie zu Investitionsprozessen im Wohnungsbestand entwickelte Eigentümerprofile nach Professionalisierungsgrad, Zahl der Wohnungen und Standort der Vermieter (BMVBS 2007e: 115f). Die Begleitforschung zum Stadtumbau West leitete aus fünf ExWoSt-Fallstudien eine weitere Typologie privater Eigentümer ab, die zwischen Bestandsverbesserern, Bestandserhaltern und Exit-Strategen unterschied (BMVBS 2007c). Die Handlungsoptionen privater Kleineigentümer bei Hackenbroch (2007) orientierten sich dagegen an den baulichen Alternativen wie Rückbau, Konservierung, Umnutzung. Es gibt auch einige wenige ältere Untersuchungen zu privatem Hauseigentum. Ipsen, Glasauer und Heinzel (1981) identifizierten am Fall Mannheim „soziostrukturelle Teilmärkte“, die über die Lage und den Mietpreis hinaus das Investitionsverhalten der Eigentümer bestimmen. Speziellere Eigentümertypologien entstanden im Zusammenhang mit der Wohnungspolitik in Westberlin (Welch Guerra 1992) und im Rahmen der Stadterneuerung in Berlin Prenzlauer Berg (Reimann 2000). In dieser Fallstudie waren „atypische Eigentümer“ (ebd.: 122), die weder nutzungs- noch verwertungsorientiert sind, nicht anzutreffen. Gerade solche Eigentümer sind jedoch bei Ruinen in schrumpfenden Städten zu erwarten. Zur Erklärung von Wohnstandortverteilungen aus handlungstheoretischer Sicht entwickelte Odermatt (1996) eine differenzierte Vermietertypologie für die Schweiz, die auf komplexeren Markt- und Handlungskonzepten aufbaut. Die vorliegenden Studien bringen einerseits Licht ins Dunkel der Eigentumsverhältnisse, verwirren zum Teil aber auch durch die Überlagerung eigentumsrechtlicher, baulich-geographischer und wirtschaftlicher Merkmale, da die Kriterien für eine Trennung der Kategorien vielfach unscharf und nicht theoretisch fundiert sind. Es fehlen kausale Zusammenhänge und Erklärungen, die Handlungswissen generieren. Eine andere Typologie entwickeln Adams et al. (2000) in einer britischen Studie zur Mobilisierung innerstädtischer Brachen. Statt personaler und baulicher Merkmale stehen im Ergebnis die Verhaltensweisen von Eigentümern, die mit unclear, divided, restricted und unwilling beschrieben sind. Entsprechend werden als Indikatoren auch die Verfügungsrechte (property rights) und Transaktionskosten thematisiert. Insgesamt beruht die bisherige Forschung überwiegend auf schriftlichen Befragungen von Eigentümern und zielt auf ihre Investitionsbereitschaft im Rahmen bestehender Rechts- und Förderinstrumente. Eigentümer, die nicht mitwirkungsbereit oder -fähig sind, sowie Ruinen werden kaum berücksichtigt.
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Einleitung
Diejenigen Studien, die allein auf betriebswirtschaftlichen und physischen Merkmalen von Hauseigentum beruhen, vermögen es oft nicht, die dynamischen Wechselwirkungen und Prozesse im lokalen Kontext zu erfassen. Viele Stadtplaner und Forscher beziehen den Eigentumsbegriff nur auf Einzelpersonen oder Unternehmen als Hausbesitzer. Ihre Handlungen sind Reaktionen auf externe Einflüsse des Marktes oder des Staates. Viele Immobilien in schrumpfenden Städten unterliegen jedoch komplexen finanziellen und juristischen Konstellationen, an der mehrere Akteure und Institutionen beteiligt sind. In diesem Zusammenhang sind auch Eigentumsgemeinschaften, Anleger und Banken zu nennen. Hinzu kommen Dritte wie Anlagevermittler, Makler sowie Haus- und Insolvenzverwalter. Über ihre Motive sowie die Einflüsse solcher Auftragsbeziehungen auf den Stadtumbau liegen kaum Erkenntnisse vor. Eine derartige, qualitative Untersuchung der Eigentumsstrukturen in Altbauquartieren einer schrumpfenden Stadt steht noch aus. Diese Studie muss explorativ angelegt sein, um das Akteursgeflecht und die komplexen Wirkungszusammenhänge zu erfassen. Verfügungsrechte, „Neue institutionelle Stadtökonomik“ Die vorliegende Arbeit sucht nach Erklärungen für das Verhalten von Hausbesitzern in schrumpfenden Städten und ihren Restriktionen und Potenzialen für den Stadtumbau. Je nach theoretischer Perspektive können die Altbauquartiere als Ansammlung von Nutzungsoptionen, Realkapital oder als Handlungs- und Wohnumfeld verstanden werden. Die Eigentümer nehmen dabei die Rolle von Verfügungsberechtigten, Handelspartnern oder Akteuren ein. Um kausale Verknüpfungen der beiden Untersuchungsgegenstände Altbau und Eigentümer herzustellen, werden hier zunächst die Theorie des Marktes, dann ihre Erweiterungen durch die neue Institutionenökonomik sowie weitere, ausgewählte soziologische Handlungskonzepte herangezogen. Die neoklassische Ökonomik befasst sich vor allem mit den Ergebnissen des Marktes. Die Handelspreise ermöglichen die quantitative Analyse von Angebot und Nachfrage. So lässt sich z. B. ein mathematischer Zusammenhang zwischen den eingesetzten Fördermitteln und der Zahl der abgerissenen Wohnungen konstruieren. Zum Verständnis und zur Steuerung der Marktvorgänge muss eine Analyse jedoch über Input und Output bzw. Angebot und Nachfrage hinausgehen (Adams et al. 2005: 55). Außerdem sind innerhalb des komplexen Immobiliensektors verschiedene Teilmärkte zu unterscheiden. Da sich die Realität äußerst selten nach Idealmodellen verhält und die Summe höchst unterschiedlicher Einzelvorgänge sein kann, ist ein genauer Blick „hinter die Kulissen“ der Altbauquartiere erforderlich. Dabei spielen die Eigentums- und zugleich Machtverhältnisse eine wichtige Rolle: „Above all, the mysterious force of power lurks (lauert) whithin the property world“ (Ball 1998: 1501). Im dichten Nutzungsgeflecht der Städte
Forschungslücken und Fragen
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treten zudem regelmäßig negative Externalitäten zwischen den Nutzungen auf, die ebenso wie die Bereitstellung öffentlicher Güter staatliche Eingriffe erfordern und begründen. Dieser Antagonismus von Markt und Staat ist Gegenstand der Wohlfahrtsökonomie (Oxley 2004). In diesem Sinne kann der Immobilienmarkt nie perfekte Ergebnisse im Sinne einer gerechten und nachhaltigen Stadtentwicklung liefern. Bei genauerem Hinsehen verwandelt sich die „unsichtbare Hand“ des Marktes in ein Knäuel von ineinander verwobenen Rechten, Interessen und Strategien. Eine etwas andere und erweiterte Perspektive nimmt die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) ein. Sie versteht Eigentum nicht als Gegenstand, sondern als Bündel von Verfügungsrechten (property rights), deren Ausübung durch Institutionen geregelt wird. Bracke (2004) schlägt eine Brücke von der klassischen Theorie der Grundrente als ökonomische Form der Raumaneignung zu den Verfügungsrechten an Flächen. In Sinne der NIÖ werden auf dem Immobilienmarkt keine Grundstücke und Häuser, sondern vielmehr Nutzungs-, Bau- und Gewinnerzielungsrechte gehandelt. Jeglicher Handel mit diesen Rechten ist wiederum mit Transaktionskosten für die Informationsbeschaffung, die Aushandlung und die Überwachung verbunden. Zu den Begründern und Wegbereitern der NIÖ zählen die Nobelpreisträger Coase (1960), Williamson (1985) und North (1990), Fragen der Verfügungsrechte wurden insbesondere von Alchian/Demsetz (1967) und Barzel (1997) diskutiert. Eine umfassende Darstellung der NIÖ auf Deutsch legten Richter und Furubotn (1999) vor. Die NIÖ befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und entsprechenden ökonomischen Optionen der Marktteilnehmer, wobei auch hier die Grundmaxime rationalen und maximierenden Handelns bestehen bleibt. Erweiterungen und soziologische Zugänge zu Institutionen befassen sich mit dem gesellschaftlichen Kontext, den Akteuren und ihren Handlungsbedingungen (Ostrom 1990; Mukhija 2005; Miebach 2006; Schimank 2007). Wendet man nun das Konzept der Transaktionskosten und Verfügungsrechte analytisch und nicht nur normativ im Sinne einer ökonomischen Optimierung an, ergeben sich neue Perspektiven zum Verständnis von Stadtentwicklungsprozessen. So haben englische Stadtforscher Ende der 1990er Jahre damit begonnen, die Erkenntnisse der NIÖ für die Stadtplanung nutzbar zu machen (Ball 1998; Keogh/D’Arcy 1999; Guy/Henneberry 2000; Webster/Lai 2003; Adams/ Watkins/White 2005). An der Radburg Universiteit Nijmegen (NL) hat sich eine Forschungsgruppe etabliert, die stärker auf die kontinentaleuropäische Planungstradition eingeht (Van der Krabben 1995; Buitelaar 2003, 2007; Needham 2006; Geuting 2007). Bekannte Anwendungsbeispiele der NIÖ hierzulande sind der Handel mit Urheberrechten in der Medienindustrie oder mit Emissionsrechten in der Umweltpolitik.
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Einleitung
Bisher liegen nur sehr wenige, punktuelle Anwendungen der NIÖ auf die Wohnungswirtschaft (Sotelo 2001; Beermann 2006; Schmoll 2005) und Stadtplanung (Mayer 1996; Jakubowski/Pauly 2005; Davy 2006) vor. Es mangelt an Fallstudien, um die Relevanz der NIÖ für die Praxis zu prüfen. „In the field of planning and property, more research should be done on how people are related, how they interact and how institutions shape this interaction” (Buitelaar 2007: 177). Die Planungstheorie bewegt sich vorrangig im eigenen Feld ihrer Methoden und Instrumente, auch wenn sie einen engen Bezug zu den gesellschaftlichen Prozessen sucht (Selle 2005). In der deutschen Stadtentwicklungsplanung überwiegen oft die städtebaulichen und funktionalen Aspekte, wie sie in der Ausbildung der beim Stadtumbau federführenden Planer und Architekten vorkommen. Im Sinne eines Beitrages zu einer Art „Neuen institutionellen Stadtökonomik“ bildet die vorliegende Arbeit den ersten Versuch einer systematischen Anwendung von Konzepten der Neuen Institutionenökonomik auf Altbauquartiere schrumpfender Städte. Forschungsfragen Um die Leerstandssituation und den Verfall in Altbauquartieren schrumpfender Städte besser zu verstehen und neue Lösungswege zu entwickeln, sind für einen erfolgreichen Stadtumbau folgende Fragen zu klären: Wie reagiert der Immobilienmarkt in Altbauquartieren auf Leerstand und
Verfall? Es gilt, die Marktkräfte sowohl in der Theorie als auch am konkreten Fall einer schrumpfenden Stadt zu analysieren. Dabei steht die Frage nach unerwünschten Reaktionen und Wechselwirkungen zwischen dem Immobilienmarkt und den Rahmen setzenden Institutionen im Mittelpunkt. Wie sind die Verfügungsrechte verteilt und welche Handlungen folgen daraus? Hierzu sind die entscheidenden Akteure und ihre Beziehungen zu identifizieren. Aus ihren Interessen und Konflikte folgen typische Handlungsmustern und -blockaden auf dem Immobilienmarkt. Welche Instrumente sind geeignet, den Stadtumbau besser zu steuern? Mit dem Wissen um die Marktreaktionen und Handlungsmuster sind die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Defizite in Altbauquartieren abgebaut werden können. Die erste Frage nach den Reaktionen des Immobilienmarktes auf die Schrumpfung erfordert zunächst eine genaue Definition des Marktes. Zum Steuerungsmechanismus gehören nicht nur die Preise als Ausdruck von Angebot und Nachfrage, sondern auch die „Spielregeln“, d. h. Gesetze und Planungsinstrumente.
Forschungslücken und Fragen
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Wie viele und welche Art von Transaktionen finden unter diesen Bedingungen statt? Die zweite Frage gilt den Akteuren und ihren Interessen. Die Entscheidungen zum Umgang mit der Immobilie sind bei unterschiedlichen Inhabern von Verfügungsrechten sind angesiedelt. Eine Antwort auf die dritte Frage bedarf einer qualitativen Fallstudie, um die komplexen Handlungsmuster zu identifizieren, die zur Perforation der Altbauquartiere führen. Daher darf die Untersuchung nicht allein auf die Perspektive der Hauseigentümer und der bestehenden Planungsinstrumente beschränkt bleiben. Mit den Ergebnissen der Untersuchung können schließlich neue, wirksamere Steuerungsansätze konzipiert werden.
1.3
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit besteht aus drei großen Teilen: Der Grundlagenteil liefert die theoretischen Zugänge zum Immobilienmarkt und seinen Institutionen in schrumpfenden Städten, die Fallstudie stellt den Bezug zu den lokalen Bedingungen und zur Praxis des Stadtumbaus her und im dritten Teil folgt die Diskussion entsprechender Handlungsmuster und Steuerungsoptionen. Grundlagen Teil I beruht auf fünf Theoriesträngen, die sehr eng miteinander zusammenhängen und die für die Entwicklung von Altbauquartieren relevant sind:
Immobilienmarkt Marktversagen/Wohlfahrtsökonomie Neue Institutionenökonomik Handlungstheorie Planungstheorie
Kapitel 1 liefert einen kurzen Problemaufriss und Theorieüberblick, aus denen sich die Forschungsfragen ergeben. Kapitel 2 geht zunächst auf das ökonomische Prinzip von Angebot und Nachfrage ein und untersucht deren Wirkungen in einem schrumpfenden und fragmentierten Immobilienmarkt. In den historischen Altbauquartieren reicht ein quantitativ diskutierter Begriff des Wohnungsmarktes nicht aus, um die Bedingungen des Stadtumbaus zu verstehen. Deshalb werden hier zwei weitere Ebenen des Immobilienmarktes eingeführt: Der Bau- und Bodenmarkt mit Haus und Grundstück sowie der Kapitalmarkt. Hier wirken private Akteure mit eigennützigen Motiven, die dem öffentlichen Interesse einer geordneten Stadtentwicklung oft zuwiderlaufen. Diesem Marktversagen versuchen der Staat und die Kommu-
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Einleitung
ne im Sinne der Wohlfahrtsökonomie mit planerischen und finanziellen Eingriffen entgegenzusteuern. Kapitel 3 wendet die Neue Institutionenökonomik auf die Bedingungen des Stadtumbaus an. Dieser in der deutschen Stadtforschung noch neue Ansatz versucht, den theoretischen Gegensatz von vermeintlich autoritärer Planung und freiem Immobilienmarkt zu überwinden. Aus dieser Sicht haben private und öffentliche Akteure jeweils unterschiedliche Rechte und damit Zugriffsmöglichkeiten auf die Immobilie. Diese Aufteilung führt zu Interessensgegensätzen und Informationsasymmetrien, die hohe Transaktionskosten erzeugen. Die Verteilung von Verfügungsrechten wird ebenso wie ihr Handel durch staatliche Institutionen in Form von Gesetzen und Verfahren bestimmt. Kapitel 4 setzt einzelne Aspekte der Handlungs- und Planungstheorie mit dem Konzept der Verfügungsrechte in Beziehung. Es gilt, die Interessensgegensätze und Handlungsblockaden privater und öffentlicher Akteure genauer zu hinterfragen, die sich aus den sozioökonomischen Handlungsprinzipien und institutionellen Rahmenbedingungen ergeben. An dieser Stelle kommen Intermediäre und Agenten als wichtige weitere Akteure ins Spiel. Dazu werden Fragestellungen der Spieltheorie und des Prinzipal-Agenten-Modells herangezogen, um horizontale Konkurrenz- und vertikale Abhängigkeitsbeziehungen zu beschreiben. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion über die Bedingungen der Kooperation zwischen privaten und öffentlichen Akteuren. In Kapitel 5 wird aus den bisherigen theoretischen Erkenntnissen ein analytisches Konzept des Immobilienmarktes in Altbauquartieren entwickelt. Daraus ergeben sich Hypothesen zur Rolle und Bedeutung von Verfügungsrechten im Stadtumbau, die auf die Praxis in schrumpfenden Städten abzielen. Fallstudie Zeitz Teil II stellt die Methodik und die Ergebnisse der Fallstudie Zeitz dar. Dem theoretischen Zugang entsprechend werden aus der Perspektive privater Hauseigentümer drei Dimensionen untersucht: Stadtentwicklung und Immobilienmarkt Lokale und staatliche Institutionen Verfügungsberechtigte Akteure
Kapitel 6 erläutert die Methodik anhand der Fallauswahl und der verfügbaren Datenbasis. Den Schwerpunkt bilden qualitative Interviews mit privaten Hauseigentümern sowie Vertretern der Immobilienbranche und der Stadtverwaltung. Eine Besonderheit stellt die Beobachtung von Zwangsversteigerungen dar. Weiterhin werden statistische und geographische Daten sowie Planungsdokumente
Aufbau der Arbeit
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herangezogen. Es folgen Ausführungen zu den Analyseverfahren und zur Methodenkritik. Kapitel 7 enthält eine Bestandsaufnahme der Fallstudienstadt Zeitz in Bezug auf Stadtentwicklung und Immobilienmarkt. Gebäudestatistiken und GISKartierungen zeigen den hohen Leerstand und Problemdruck in den Altbauquartieren. Qualitative Einschätzungen der befragten Akteure ergänzen die Fakten. Kapitel 8 gibt die Institutionen wieder, die aus Sicht der Hauseigentümer den Immobilienmarkt und die Stadtentwicklung in Altbauquartieren beherrschen. Zunächst werden die klassischen Instrumente der kommunalen Planung betrachtet. Darauf folgen die staatlichen Rahmenbedingungen, wobei einige Gesetze teilweise zu überraschenden, bisher unbeachteten Auswirkungen für den Stadtumbau führen. Ein eigener Punkt ist den Zwangsversteigerungen gewidmet. Schließlich werden die lokalen Kooperationsbestrebungen und -hindernisse der lokalen Akteure im Stadtumbau wiedergegeben. Kapitel 9 stellt das Spektrum derjenigen lokalen Akteure dar, die Verfügungsrechte an den Immobilien in Altbauquartieren innehaben. Hierbei treten ihre Motive und Handlungsoptionen zutage. Bei der Entwicklung eines Hauses oder Quartiers fallen nicht nur die Entscheidungen der privaten Hauseigentümer, sondern auch der Mieter und Banken ins Gewicht. Als einflussreiche, aber bisher im Stadtumbaudiskurs vernachlässigte Gruppe präsentieren sich die lokalen Agenten, darunter Makler, Hausverwalter und Anlagevermittler. Zuletzt werden die verschiedenen und teilweise widersprüchlichen Rollen der Stadt als Eigentümerin und Planerin dargestellt. Handeln und Steuern Teil III dient der Diskussion der Ergebnisse, indem die empirischen Erkenntnisse mit den theoretischen Grundlagen gespiegelt und zu allgemeinen Aussagen für den Immobilienmarkt und den Stadtumbau in schrumpfenden Städten verdichtet werden: Typisierung von Handlungsmustern und Modellbildung Auswirkungen für Immobilienmarkt und Städtebau Steuerungsoptionen für den Stadtumbau
Kapitel 10 entwickelt und diskutiert drei verschiedene Handlungsmuster, abhängig von der Verteilung der Verfügungsrechte: „Verbleiben“ bezieht sich auf vermietete Häuser in örtlicher Hand; „Verwerten“ überwiegt bei auswärtigen, anonymen Anlegern; „Verfallen lassen“ ergibt sich aus inaktiven, unbekannten oder blockierten Verfügungsrechten. Die Handlungsmuster unterscheiden sich nach den beteiligten Akteuren und Institutionen. Ein Funktionsmodell des Immobilienmarktes setzt die drei Muster zueinander in Beziehung und stellt die Über-
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Einleitung
gänge zwischen ihnen dar. Das Modell zeigt auch einen Bereich außerhalb des Marktes, in dem keine ökonomischen Interessen mehr bestehen. Kapitel 11 geht zunächst auf die immobilienökonomischen Folgen der Institutionen und Handlungsmuster ein. Es enthält eine Kritik an den bestehenden Planungsinstrumenten, darunter das Förderprogramm Stadtumbau Ost. Ergänzend werden einige städtebauliche und soziale Folgen der Schrumpfungsprozesse unter den gegenwärtigen institutionellen Bedingungen skizziert. Kapitel 12 formuliert die Anforderungen an Steuerungsinstrumente für den Stadtumbau. Aus den theoretischen Grundlagen und empirischen Erkenntnissen leiten sich neue Ansätze für Altbauquartiere schrumpfender Städte ab, die auf einer problemadäquaten Verteilung der Verfügungsrechte basieren. Nicht zuletzt ergibt sich weiterer interdisziplinärer Forschungsbedarf. Kapitel 13 fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit als Schlussfolgerungen für die Theorie und Praxis des Stadtumbaus zusammen.
2
Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten
Grundlage freier Entscheidungen von Mietern, Hauseigentümern und Banken ist der Markt (Kap. 2.1). Wohnnutzungen, Häuser und Bankdarlehen werden dabei auf verschiedenen Ebenen gehandelt (Kap. 2.2). Die Preisbildung hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen und Konjunkturen ab. Öffentliche Güter wie Straßen und Infrastruktur werden nicht vom Markt, sondern von Staat und Stadt bereitgestellt. Daher muss die Stadtplanung in den Markt eingreifen (Kap. 2.3).
2.1
Marktmechanismus zwischen Modell und Realität
Der Markt bleibt trotz vielfältiger Kritik das dominierende Konzept zur Steuerung der Stadtentwicklung. Allenthalben gelten Angebot und Nachfrage als entscheidende Triebkräfte, deren freies Spiel stetige Impulse zur Optimierung des gebauten Raumes und der Stadtstruktur liefert. Jedoch sind die gebauten Resultate sowohl von vergangenen Marktaktivitäten als auch von geplanten Projekten vielerorts gesellschaftlich umstritten, ebenso wie die staatlichen Eingriffe. Die Leerstände auf dem Wohnungsmarkt und der Stadtumbau sind in schrumpfenden Städten zentrale politische Herausforderungen. Die entsprechenden Analysen und Planungen nehmen engen Bezug auf ökonomische Phänomene wie „Überangebot“ oder „mangelnde Nachfrage“. Einen weiteren Anlass die Funktionsweise und Reaktionen von Märkten zu untersuchen, liefert das explizite Ziel des Förderprogramms Stadtumbau Ost, den Wohnungsmarkt „zu bereinigen“ (BMVBW 2002). Hierzu sollen Abrisse insbesondere in den Großwohnsiedlungen das Wohnungsangebot verknappen, damit die verbleibenden Bestände in den Innenstädten wieder an Wert gewinnen. Dadurch würde ihre Unterhaltung und Sanierung wieder finanzierbar, lautet das politische Kalkül. Auch die traditionelle Städtebauförderung nutzt Marktmechanismen, indem sie private Anbieter darin fördert, neben ihren eigenen auch öffentliche Interessen wie eine funktionale Stadtstruktur, gute Wohnbedingungen oder den Erhalt von Denkmalen zu befriedigen. Gleichzeitig wird die Nachfrageseite durch Instrumente wie das Wohngeld und die inzwischen eingestellte Eigenheimzulage gestärkt.
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Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten
Allokation von Bauflächen und Wohnraum, Angebot und Nachfrage Wie funktioniert nun der Markt? Zunächst stellt er ein Instrument zur Koordination von Angebot und Nachfrage dar, das im Idealfall zu einem Ausgleich und zu einer optimalen Allokation von Ressourcen führt. Übertragen auf die Stadt führt ein vollkommener Immobilienmarkt zu derjenigen räumlichen Anordnung von Nutzungen, die gesamtgesellschaftlich am produktivsten ist (Buitelaar 2003: 316). Demnach entsteht Wohn- und Gewerberaum da und wird dort genutzt, wo sein ökonomischer Ertrag im Vergleich zu anderen Nutzungen am Höchsten ist. In der Theorie ist der vollkommene Immobilienmarkt offen für alle Individuen. Unter den gleichberechtigten Teilnehmern herrscht ein ständiger Wettbewerb um die knappe Ressource Raum, wobei Informationen über Qualität und Preis vollständig und frei verfügbar sind. Ein derart effizienter Markt steigert der Nutzen für den Einzelnen und damit die Wohlfahrt, die Profite bleiben aufgrund der Konkurrenzbedingungen begrenzt (Guy/Henneberry 2000). Dieses vordergründig überzeugende und verführerische Konzept unterliegt in der immobilienwirtschaftlichen und städtebaulichen Praxis vielen Einschränkungen, denn alle Aktivitäten und Einflüsse, die über preisgesteuerte Markttransaktionen hinausgehen, bleiben im vollkommenen Markt unberücksichtigt (Richter/Furubotn 1999: 12). Anstatt jedoch die abstrakten ökonomischen Modelle der Realität anzupassen und zu erweitern, wird die Beweislast für marktkonformes Verhalten weiterhin auf die Realwelt abgewälzt (Smith/Munro/Christie 2006: 88). Lediglich ökonomisches Interesse als Handlungsmotiv zu unterstellen, ist in komplexen städtischen Zusammenhängen jedoch unrealistisch. Wendet man nun die Theorie des Marktes auf Städte und Altbauquartiere an, ergeben sich aus ökonomischer Sicht wegen der besonderen Eigenschaften von Immobilien zahlreiche Beschränkungen (u. a. Evans 2004a): Gebäude sind äußerst langlebige Güter. Ihre Planung, Herstellung und
ggf. Beseitigung ist sehr aufwändig. Die Reaktion des Marktes auf Veränderungen von Angebot und Nachfrage ist je nach Nutzung äußerst träge. Immobilien sind, wie der Name schon sagt, standortgebunden. Die Nutzungen müssen daher zum Haus kommen. Entscheidend hierfür ist die Lage. Wenn die ursprünglichen Nutzungen abwandern, treten Wertverluste ein. Informationen über die Lage- und Gebäudequalitäten sind unvollständig und aufwändig in der Beschaffung. Entsprechend schwierig und fehlerhaft ist die Preisbildung als zentrales Instrument zur Marktsteuerung. Die Marktteilnehmer und ihre Bedürfnisse sind sehr verschieden. Zudem bestehen Machtgefälle zwischen großen und kleinen Anbietern ebenso wie zwischen armen und reichen Nachfragern.
Marktmechanismus zwischen Modell und Realität
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Der Kapitalbedarf für Immobilien ist hoch, die Bindung ist lang andau-
ernd und die Liquidität entsprechend gering. Eine Immobilieninvestition erfordert in der Regel Fremdkapital und ist von einem einzelnen Individuum kaum zu leisten. Häuser und Quartiere sind Lebensraum und Heimat. Existenzielle Bedürfnisse, persönliche Beziehungen und Gewohnheiten widersetzen sich der Logik von Effizienzsteigerung oder Gewinnmaximierung. Bestandsgebäude wirken als Bremse für neue und nachfolgende Nutzungen. Häuser sind auf ihre jeweilige Nutzung optimiert, jegliche Veränderung verursacht Kosten. In einem vollkommenen Markt gleichen sich Angebot und Nachfrage aus. Ein gewisser Angebotsüberhang ist ein notwendiger Bestandteil des Marktprozesses, der letztlich zu einer neuen und effizienteren Allokation von Ressourcen führt. Im Immobiliensektor gibt es jedoch keinen allgemein gültigen Maßstab, an dem sich ein Optimum messen ließe. „In the real world, there is no such thing as an optimum“ (Van der Krabben 1995: 75). Das Marktergebnis entsteht aus der Summe vieler Einzelentscheidungen unter Konkurrenzdruck und drückt sich im Handelspreis der Ware aus. Auf funktionierenden Märkten geben die Preise als zentrale Informationen den Teilnehmern das Signal, individuell ihr Angebots- bzw. Nachfrageverhalten anzupassen. Kollektiv und quantitativ betrachtet führt dies zu einem Ausgleich der Bedürfnisse. Das ökonomische Modell setzt voraus, dass alle Beteiligten Kosten und Nutzen optimieren und ihren Gewinn maximieren wollen. Diese Entscheidungen werden jedoch auf unterschiedlichen Teilmärkten und Produktionsketten der Immobilienwirtschaft getroffen (Unterreiner 2005: 217). Die Spezifik der Handelsobjekte, mangelnde Informationen, lange Handelsintervalle und mengenmäßig geringe Umsätze erschweren eine konkurrierende Preisbildung und senken die Effizienz von Immobilienmärkten (Adams 2005: 20). Dennoch bilden die abstrakten arithmetischen Modelle von Angebot, Nachfrage und Preisen die Basis der Immobilienbetriebswirtschaft und haben großen Einfluss auf die Produktion und Sanierung von Gebäuden. Dabei steht der Immobilienzyklus von der Finanzierung über die Planung und den Bau bis zur ökonomischen Verwertung im Mittelpunkt (Kühne-Büning/Heuer 1994; Schmoll 2005). Ohne die Schätzung künftiger Marktpreise ist eine Immobilieninvestition nicht darstellbar, wobei aus der Sicht von Investoren Institutionen wie das Baugesetz und die Stadtplanung lediglich exogene Kostenfaktoren darstellen. In englischen Studien stellten sich die Effekte von Planungsentscheidungen auf die Immobilienpreise jedoch als schwer messbar heraus (Adams/Dunse/White 2005: 24). Insgesamt ist die Immobilienmarktforschung stark auf die Nachfrage und den Neubau orientiert, um künftige Investitionsmöglichkeiten und Gewinnchan-
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Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten
cen zu identifizieren. Ob das bestehende Angebot bereits den Bedürfnissen entspricht und inwieweit die Bestandseigentümer willens und in der Lage sind, auf Änderungen bei der Nachfrage zu reagieren, bleibt oft unterbelichtet (Adams/ Dunse/White 2005: 53). In der Gesamtbilanz unterstellen Immobilienkaufleute den Marktteilnehmern ein rationales Verhalten, auch in schrumpfenden Städten. Demnach würden die Eigentümer in der Konkurrenz um die wenigen Mieter ihr Preis-Leistungsverhältnis optimieren, und die Mieter zögen entsprechend um. Doch wenn dieses Verhalten der Realität entspricht, ist es dann tatsächlich ein Ergebnis eines anonymen Wettbewerbs um vergleichbare Güter? Vor allem in den Altbauquartieren sind die angebotenen Wohnungen und die Bedürfnisse der Bewohner individuell verschieden. Hinzu kommt der Einfluss staatlicher Subventionen. Zudem nimmt bei sinkender Nachfrage der Einfluss des Wettbewerbs ab. Je niedriger die Anzahl der Transaktionen sinkt, desto mehr sind die Tauschpartner auf gegenseitige Kooperation angewiesen. Im Extremfall käme auf ein Haus oder eine Wohnung nur noch ein Interessent. Dann würde sich der Preis nicht mehr am Gesamtmarkt orientieren, sondern würde individuell ausgehandelt. Im Gegenzug für ein längerfristiges Mietverhältnis würde der Eigentümer Zugeständnisse bei der Miete machen. In einem vollkommenen Markt könnten derartige gegenseitige Abhängigkeiten nicht entstehen. Dauerhaftes Überangebot und Verfall In schrumpfenden Städten herrschen besondere Bedingungen. Ein zentrales Postulat des Marktes ist hier außer Kraft gesetzt: Die Knappheit der Ressource Wohnraum. Der Bericht der Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ stellte zur Jahrtausendwende einen dauerhaften Überhang von ca. 1 Mio. Wohnungen fest. Im Jahr 2005 lag der Leerstand in ostdeutschen Städten im Plattenbau bei ca. 15 %, in Altbauquartieren bei 20 % (BMVBS 2007b: 19). In einem vollkommenen Markt würden die Preise sinken und die Mieter ihre Wohnfläche vergrößern, die Häuser blieben voll belegt und Abrisse wären unnötig (Dascher 2007). Fallen die Mieten jedoch unter die Instandhaltungs- und Finanzierungskosten, droht der Verfall, denn die Eigentümer sind auf eine Mindestmiete (minimum rent) angewiesen, um den Wohnstandard zu halten (Evans 2004a: 183). Der Bevölkerungsschwund in Ostdeutschland als zentrales Kriterium der Schrumpfung legt eine sinkende Nachfrage nach Wohnungen nahe, obwohl diese real nie gesunken ist (Statistik WE/HH bis 2002 bei Spieker 2005: 42). Die Gründe hierfür liegen vor allem in der Verkleinerung der Haushalte und der Vergrößerung ihrer Wohnfläche. Der Leerstand ist demnach nicht allein Zeichen einer Nachfragekrise, sondern eines massiven Überangebotes, induziert und subventioniert durch die Abschreibungsmodelle der 1990er-
Marktmechanismus zwischen Modell und Realität
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Jahre aufgrund des Fördergebietsgesetzes. Die Kostenmieten wurden von Seiten des Staates massiv gedrückt, die Gewinnspanne anfangs extrem erhöht. Dabei leiteten die Investoren die künftige Nachfrage einfach aus den historischen Strukturen ab. Hier war nicht der Wohnungsmarkt, sondern der Markt für Kapitalanlagen und Subventionen bestimmend für Sanierung und Neubau. Wie wirkt sich das dauerhafte Überangebot in den Altbauquartieren aus? Veränderungen beim Immobilienangebot vollziehen sich aufgrund langwieriger und teurer Bauprozesse langsamer als bei der Nachfrage. Der Markt hat daher die Tendenz, ständig im Ungleichgewicht bzw. im Umbruch zu sein (Oxley 2004: 92). In der Erwartung von Umbau, Abriss oder Neubau können Brachen und Ruinen daher als ein Abschnitt des Marktzyklus aufgefasst werden, der in schrumpfenden Städten länger andauert. Allerdings bleiben beim Abwarten und Halten der Immobilie die laufenden Leerstandskosten bestehen, dazu zählen u. a. Gebäudesicherung, Netzanschlüsse, Grundsteuern und Kapitaldienste bis hin zu Vandalismuskosten (Beermann 2006: 72). Nicht wettbewerbsfähige Häuser und Wohnungen scheiden langfristig mangels Nachfrage aus dem Wohnungsmarkt aus. Trotz fehlender Mieterträge halten viele Eigentümer Überkapazitäten im Bau- und Bodenmarkt aufrecht, da ein Marktaustritt durch einen kostenintensiven Abriss eine vollständige Entwertung und Kapitalvernichtung bedeuten würde. Entsprechend liefert der Markt keine Anreize zum Bestandsabbau, zumal andere Eigentümer von der Angebotsreduzierung profitieren würden (Spieker 2005: 159). Ohne die Aktivität von Mietern oder Eigentümern bleibt die leere Bausubstanz einfach stehen und verfällt. Damit droht eine Situation, wie sie bereits 1990 in der DDR herrschte, als 40 % der leer stehenden Häuser, weit überwiegend Altbauten, bauaufsichtlich gesperrt waren (Spieker 2005: 32). Angesichts des hohen Leerstandes in den Altbauquartieren und seiner zufälligen Verteilung lässt sich nur schwer abschätzen, welche Bestände wieder genutzt werden und welche Flächen dauerhaft brach fallen, da die schwache Nachfrage das Risiko von Fehlinvestitionen stark erhöht. Die Frage bleibt offen, ob und wann neue Märkte für die leer stehenden Flächen, Ruinen und Brachen entstehen. In einer schrumpfenden Stadt mit ihrem Flächenüberangebot gibt es kaum höherwertige und ertragsstarke Nutzungen, die den Aufwand für Abriss oder Umbau rechtfertigen. „Der Boden geht nicht zum besten Wirt, er bleibt beim letzten Wirt“ (Davy 2007: 58). Entsprechend verfallen in schrumpfenden Städten viele Altbauten, da es an neuen Nutzungen für diese Bausubstanz fehlt. In vielen schrumpfenden Städten reicht die Nachfrage nicht einmal für eine Umwandlung in Parkplätze, Lagerflächen oder Gärten. Ohne öffentliche Interventionen bleiben Ruinen daher einfach stehen und Brachen breiten sich aus. In der Folge des o. g. Kommissionsberichtes (2000) legte die Bundesregierung das Förderprogramm Stadtumbau Ost mit dem Ziel auf, bis zum Jahr 2009
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Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten
350.000 Wohnungen abzureißen, um das Überangebot zu reduzieren (BMVBS 2006). Der Schwerpunkt lag auf dem Abriss von Plattenbauten, um die Städte von „außen nach innen“ zurückzubauen. Diese Strategie ließ sich in traditionellen Kernstädten kaum umsetzen, da die spezifische und weiter sinkende Nachfrage ebenso wenig wie die Eigentumsstrukturen berücksichtigt waren. Die Teilmärkte für Altbau, Plattenbau und Siedlungen reagieren unterschiedlich auf den Stadtumbau, ihre Bestände sind immobil und können sich nicht wie in einem System kommunizierender Röhren verteilen. Offensichtlich bieten einfache Marktmodelle keine geeignete Grundlage, um gebietsspezifische Dynamiken zu erfassen und den Stadtumbau räumlich zu steuern. Dennoch haben einfache Wohnungsmarktmodelle großen Einfluss auf den öffentlichen Stadtumbaudiskurs und die Abriss- und Förderentscheidungen. Mit Argumenten einer Marktbereinigung zugunsten des gesamten Wohnungsmarktes und eines öffentlichen Versorgungsauftrages wurde die kommunale Wohnungswirtschaft beim Stadtumbau bevorzugt. „So leben gleichsam die Prioritäten der DDR-Stadtpolitik unter veränderten Bedingungen fort“ (Häußermann/Läpple/Siebel 2008: 208). Die bisherigen Ausführungen deuteten bereits an, dass der Immobilienmarkt keine Maschine ist, die schöne Wohnquartiere produziert, wenn man sie nur mit den „richtigen“ Wohnungs- und Haushaltszahlen füttert und überdies Fördermittel einfüllt. Der Marktmechanismus ist offenbar nur für einige Teilnehmer effizient, aber nicht für alle. Die historisch gewachsenen Baustrukturen in ihrem räumlichen und funktionalen Zusammenhang sowie die Machtverhältnisse bleiben in den quantitativen Modellen unberücksichtigt. Die Komplexität der Altbauquartiere legt zunächst eine analytische Aufgliederung in Immobilienmarktebenen und Teilmärkte nahe.
2.2
Ebenen des Immobilienmarktes: Wohnen, Bauen, Finanzieren
Wie geht man mit einem inhomogenen Markt um, in dem die Güter, aber auch die Anbieter und Nachfrager sehr verschieden sind? Gerade in Altbauquartieren unterscheiden sich die Bau-, Sanierungs- und Ausstattungsstandards aufgrund der kleinteiligen Eigentumsstrukturen von Haus zu Haus. Analytisch kann man zunächst Teilmärkte abgrenzen, innerhalb derer die Tauschpartner oder Produkte vergleichbar sind und marktkonforme Konkurrenzbedingungen herrschen. So gibt es auf der Ebene der Stadtquartiere eigene Teilmärkte für Plattenbauwohnungen, für Altbauten ebenso wie für Einfamilienhäuser. Zu diesen horizontalen, nach Bauform und Bauzustand abgrenzbaren Teilmärkten kommen weitere Ebenen hinzu (Bach et al. 2005: 217ff). Spieker (2005: 83) unterscheidet daher den Wohnungsnutzungs- vom Wohnungsbestandsmarkt. Auch Eekhoff (2006) diffe-
Ebenen des Immobilienmarktes: Wohnen, Bauen, Finanzieren
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renziert die Funktionsweisen des Wohnungs- und Bodenmarktes. Ein komplexeres Modell von Odermatt (1997: 130; zitiert nach Frey 1990, 141) nimmt den Wohnungsmarkt im Sinne der Vermietung als Ausgangspunkt, um Teilmärkte für Bauland, Hypotheken, Wohnungsbau und Bestandsimmobilien abzugrenzen. Dies führt zu komplexen Beziehungen und Abhängigkeiten. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht der Umgang mit dem gefährdeten Immobilienbestand in Altbauquartieren. Dieser baulich-räumliche Rahmen wird hier als Immobilienmarkt definiert, wobei der Schwerpunkt auf den Wohnhäusern liegt. Um die Teilprozesse Wohnen, Bauen und Finanzieren sowie ihre Wechselwirkungen besser analysieren zu können, bietet sich die Gliederung des Immobilienmarktes in drei verschiedene Ebenen als zweckmäßig an:
Abb. 1: Ebenen- und Sandwich-Modell des Immobilienmarktes
Wohnungsmarkt: Die Stadtbewohner erwerben hier Nutzungsrechte für
Wohnraum in Form von Mietwohnungen oder Wohneigentum. Wichtige Kriterien für den Nutzen sind Größe, Aufteilung und Ausstattung der Wohnung in Relation zum Mietpreis. Bau- und Bodenmarkt: Auf dieser Ebene geht es um die bauliche Hülle in ihrem stadträumlichen Zusammenhang. Dazu gehört insbesondere auch die Erneuerung oder der Umbau der Bausubstanz. Der Doppelname verweist auf die wirtschaftliche Einheit von Haus und Grundstück. Zentrale Bewertungskriterien sind die Lage in Stadt, Quartier und Straße sowie die architektonische Qualität bis hin zum Denkmalstatus. Kapitalmarkt: Hier stellen die Banken, Investoren und Anleger Geld zum Bau und zur Sanierung von Häusern zur Verfügung. Entscheidende Parameter sind die verfügbaren Summen, das Risiko und der Zinssatz.
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Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten
Diese drei Ebenen des Immobilienmarktes sind stark voneinander abhängig. Dieser Zusammenhang wird hier mit dem „Sandwich-Modell“ verdeutlicht (Abb. 1) und im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder aufgegriffen. In Bezug auf die Altbauquartiere bildet sich der Leerstand zunächst als Problem auf der Ebene des Wohnungsmarktes ab. Wenn die Häuser verfallen, ist auch der Bauund Bodenmarkt betroffen. Die entsprechend mangelhafte Ertragslage schlägt sich dann auf dem Kapitalmarkt durch höhere Zinsen und notleidende Kredite nieder. Somit hat ein Mietshaus unterschiedliche Rollen in den drei Märkten für Wohnnutzungen, Häuser und Kapitalanlagen. Dabei ergeben sich je nach Konjunktur und Interessenslagen der Marktteilnehmer vielfältige Abhängigkeiten und Konflikte. Die erfolgreiche Sanierung und Bewirtschaftung eines Mietshauses erfordert sowohl zuverlässige Mieter als auch eine solide Finanzierung. Bei Leerstand sind die Hauseigentümer von zwei Seiten bedroht, einerseits von sinkenden Mieterträgen und andererseits von laufenden Schuldendiensten, wenn Kredite z. B. für die Sanierung aufgenommen wurden. Während die Konjunktur auf dem Wohnungsmarkt (Leerstand) und auf dem Kapitalmarkt (Zinsniveau) starken Schwankungen unterliegt, bleibt die Lage der Grundstücke und die Form der Häuser über lange Zeit unveränderlich. Die Hauseigentümer auf dem Bau- und Bodenmarkt sind zwischen dem Wohnungsmarkt und dem Kapitalmarkt quasi eingeklemmt (Abb. 1). Diese drei Marktebenen innerhalb des Sandwich-Modells unterliegen jeweils eigenen Rahmenbedingungen, die in Kap. 3.4 als Institutionen diskutiert werden. Wohnungsmarkt Gegenstand des Wohnungsmarktes sind die Nutzflächen und die mit ihnen verbundene Lebensqualität in den Häusern, aber auch im Wohnumfeld. Tauschpartner sind Vermieter und Mieter, die für ein Entgelt das Nutzungsrecht erwerben. Der Wettbewerb der Anbieter erstreckt sich über eine Wohnungsmarktregion, abhängig von der räumlichen Mobilität und den Pendelbeziehungen der Bewohner. Innerhalb des Wohnungsmarktes wiederum bilden spezifische Bauformen, Bauzustände und Lagen jeweils eigene Segmente (Ipsen/Glasauer/Heinzel 1981; Sotelo 2001: 40). Wissenschaft und Politik waren lange Zeit auf den quantitativen Wohnungsmangel und entsprechende Instrumente fixiert. Zur Frage, wie eine stetig wachsende Nachfrage befriedigt werden kann, entstand in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Filtering-Theorie (ausführlich in Eekhoff 2006: 18ff). Sie stellt eine hierarchische Beziehung zwischen den Bauzustandsstufen von Wohnungen her. Vereinfacht gesagt macht hochwertiger Neubau für gesellschaftliche Aufsteiger älteren und damit billigeren Wohnraum für weniger zahlungskräftige Haushalte frei. Die Vermieter lassen ihre Wohnungen in diejenigen Stufen absinken oder
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durch Sanierung aufsteigen, in denen sie die höchsten Renditen erwirtschaften können. Bei hohem Nachfragedruck haben die Hausbesitzer allerdings keine Anreize für die Modernisierung und Instandsetzung, vielmehr lassen sie ihre Bestände trotz guter Mieterträge verfallen. Entsprechend bedarf es einer kontinuierlichen Neubauproduktion und Sanierung, damit die Preise im Bestand fallen und es immer neue Chancen für Haushalte gibt, „heraufzufiltern“. Im Lichte dieser Theorie verzerren Subventionen und Mindeststandards diesen vermeintlich selbst laufenden und das Angebot optimierenden FilteringProzess, sie sind Ursachen für unerwünschte Mitnahmeeffekte, Fehlbelegungen und Verfall (Eekhoff 2006: 45). Abgesehen von den großen Unterschieden in Qualität und Volumen der Wohnungsmarktsegmente ist das Modell raumblind für Nachbarschaftseffekte und unterstellt eine unbegrenzte Mobilität der Haushalte, die vielfach nicht gegeben ist (Westphal 1979: 62). Bezogen auf die zu ihrer Entstehungszeit notorische Wohnungsknappheit lassen die Vertreter der Filtering-Theorie die Bodenspekulation außer Acht, außerdem sinken in vielen Lagen die Wohnqualitäten nicht ab, sondern werden durch Wert erhaltende Maßnahmen reproduziert. Daher ist die These, dass die Qualität von Wohnungen im Zeitverlauf linear abnimmt, unhaltbar (ausführlich in Sotelo 2001: 59). Das rein güterwirtschaftliche und auf Wachstum fixierte Filtering-Modell erweist sich insbesondere auf den Altbaubestand bezogen als unterkomplex und in der Gesamtwirkung sozial selektiv, da es auf den Interessen zahlungskräftiger Haushalte beruht. Bei einer Anwendung auf schrumpfende Städte fehlen die Top-Nachfrager, mangels Neubau wäre nur noch ein Herabfiltern möglich. Theoretisch müssten dann die Preise allgemein sinken, real ist hier allerdings kein einheitliches Muster anzutreffen, da auch gute Wohnungen leer stehen. Aus den vorstehenden Gründen ist auch die These von Dascher (2007), dass eine allgemeine Mietsenkung die Wirtschaft beleben und den Leerstand senken könnte, als unrealistisch einzustufen. In schrumpfenden Städten Ostdeutschlands unterliegen Angebot und Nachfrage vielmehr besonderen Bedingungen, die hier zunächst auf ein einfaches Marktmodell und in der weiteren Argumentation auf die Verfügungsrechte bezogen werden. In einem Wettbewerbsmarkt orientieren sich Wohnungsanbieter und Investoren an der künftigen Nachfrage. Diese setzt sich aus den Komponenten Bevölkerungsentwicklung (Wanderung, Sterbe- und Geburtenrate), Haushaltsnettoeinkommen und Haushaltsbildungsverhalten zusammen (Spieker 2005: 34). In schrumpfenden Städten dürften die letzten geburtenstarken Jahrgänge der späten 1980er Jahre zwar um das Jahr 2010 ins Haushaltsgründungsalter kommen, viele junge Leute wandern jedoch in prosperierende Regionen ab. Quantitativ können nur eine weitere „Versingelung“ oder Wanderungsgewinne die Nachfrage erhöhen. Der individuelle Wohnflächenkonsum steigt trotz eines entspannten Woh-
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nungsmarkt nur moderat und sozial selektiv (Steinführer 2004: 180; BMVBS 2007e: 38). Auch stetig steigende Nebenkosten bremsen den Flächenkonsum. Qualitativ wird die Nachfrage durch die Mietzahlungsfähigkeit der Bewohner bestimmt. Die hohe Zahl von Transfereinkommen wie Altersrenten, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe begrenzt die Kaufkraft und damit das finanzierbare Niveau der Wohnungen. Zusätzlich wirkt die geringe Steuerkraft auf die öffentliche Infrastruktur und die Wettbewerbsfähigkeit des Quartiers. Im Zuge der Alterung der Gesellschaft entstehen neue Ansprüche an die Wohnungen und das Umfeld betreffend (Müller 2005; Peter 2008). Die bisherige Orientierung der Wohnstandards an anonym projektierten und steuerlich subventionierten Bauträgermodellen wird den lokalen Spezifika oft nicht gerecht. Akzeptanzprobleme und Leerstand sind die Folge. In einem vollkommenen Markt würden die Mieter ständig danach streben, ihre Wohnsituation zu optimieren. Allerdings ziehen die Mieter aufgrund der hohen Umzugskosten und sozialer Bindungen nicht ständig um, so dass auch auf der Nachfrageseite nie ein Optimum der Wohnflächenverteilung erreicht wird. Wohnstandortentscheidungen beruhen auf komplexen sozialen und räumlichen Verflechtungen, individuellen Präferenzen und ökonomischen Bedingungen (Steinführer 2004). Einerseits wandeln sich die Mieter, Steuer- und Gebührenzahler von „Versorgungsfällen“ zu umworbenen Kunden, deren Bedürfnisse und Ansprüche an Gewicht gewinnen, andererseits ist der Wandel zu einem Mietermarkt nicht in allen Segmenten gleichbedeutend mit einem verbesserten Angebot. Die Nachfrage auf dem Wohnnutzungsmarkt folgt offenbar anderen Regeln als die Produktion bzw. Sanierung von Wohnraum auf dem Bau- und Bodenmarkt. Entsprechend ist auch die Idee des Förderprogramms Stadtumbau Ost und die Hoffnung mancher Eigentümer, dass die Sanierung der Altbauquartiere einen Umzug von Plattenbewohnern in die Innenstädte hervorrufen würde, als ein geistiges Kind der o. g. Filtering-Theorie einzustufen. Auf dem Wohnungsmarkt gilt eine Leerstandsquote von 3-5 % als notwendige Reserve, um Umzüge, Instandsetzungen und Modernisierung zu ermöglichen (Spieker 2005, 34). Im Vergleich hierzu liegt der Leerstand in schrumpfenden Mittelstädten Ostdeutschlands im Durchschnitt jedoch bei 20 %, wobei ca. ein Fünftel hiervon allerdings unbewohnbar und daher nicht marktaktiv ist (BMVBS 2007f: 19). Dies betrifft vor allem die Altbauquartiere. Während das Wohnungsüberangebot den Mietern theoretisch zu mehr Marktmacht verhilft, steigt das Risiko der Hausbesitzer und damit der Verwertungsdruck mit entsprechenden Verfallstendenzen bei Qualität und Preis. Die getrennten Ebenen von Wohnungs- und Bodenmarkt in Verbindung mit dem gesetzlichen Mieterschutz führen dazu, dass der Mieter das Marktwertrisiko der Häuser nicht mitträgt (Richter/Furubotn 1999: 147). Damit bleibt das Leerstandsrisiko voll bei den
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Hauseigentümern und ihren Kapitalgebern. Zur Werterhaltung benötigt der Eigentümer jedoch eine Mindestmiete, die nicht nur die Instandhaltung sichert, sondern zusätzlich auch die Leerstandskosten deckt. Hierfür reichen die Mieterträge in schrumpfenden Städten vielfach nicht aus, die Folge ist ein Wohnen auf Verschleiß. Bestandsgebäude sind sehr spezifisch, so dass bei Leerstand neue Nutzer ohne neue Investitionen nur schwer zu finden sind (Spieker 2005: 115). Viele staatliche Steuerungsinstrumente stellen auf eine quantitative Steuerung des Wohnungsmarktes ab, wobei sich sozial-, wirtschaftspolitische und städtebauliche Ziele überlagern: die Versorgung der Bevölkerung mit günstigem Wohnraum, die Existenzsicherung der Wohnungswirtschaft und die Wohnumfeldverbesserung. Beispiele dieser Verteilungspolitik zur Förderung der Nachfrageseite sind die inzwischen abgeschaffte Eigenheimzulage und das Wohngeld. Diese Instrumente wirken unmittelbar auf den Wohnungsmarkt, sind allerdings raumblind, da sie unabhängig von der Wohnform und dem Stadtquartier für alle Bürger gelten. Einen starken Einfluss auf das heutige Überangebot an Wohnungen hatte das Fördergebietsgesetz mit den hohen Steuersubventionen für Investitionen in Ostdeutschland. Die Abrissförderung für dauerhaft leer stehende Wohnungen im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost zielte zwar auf eine quantitative Marktbereinigung, diente aber vorrangig der Sanierung der kommunalen Wohnungsunternehmen (Bernt 2006). Aus einer stadtökonomischen Sichtweise heraus müsste man eher nach den erhaltenswürdigen und künftig noch nachgefragten Beständen fragen, um die knappen öffentlichen Ressourcen hier zu konzentrieren. Die Schwierigkeit unter Schrumpfungsbedingungen die künftige Bewohnerbewegung und Mietzahlungsfähigkeit einerseits sowie das Investitionsverhalten der Hauseigentümer und ihrer Geldgeber andererseits vorherzusagen, steigert das Risiko und die Unsicherheit im Stadtumbau. Bau- und Bodenmarkt im Altbauquartier Grundlage für den Abschluss von Mietverträgen auf dem Wohnungsmarkt sind funktionsfähige Wohngebäude. Diese werden wiederum auf dem Bau- und Bodenmarkt mit seinen eigenen Spezifika bewertet und gehandelt (Aring 2005). Dies geschieht hier jedoch nicht auf der grünen Wiese, sondern in einem historischen gewachsenen Bestand. Wie sind diese heute perforierten Altbauquartiere entstanden? Der überwiegende Teil der Bausubstanz entstand in der Zeit bis ca. 1920 als private Projektentwicklungen und Anlageobjekte bzw. Zinshäuser von klein- und mittelständigen Unternehmern. Die Arisierung jüdischen Eigentums in der Zeit des Nationalsozialismus und die Folgen des 2. Weltkrieges veränderten die Eigentumsstrukturen stark. In der DDR verhinderten staatlich festgesetzte Mieten und der Mangel an Baumaterial und Handwerkern die
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Instandhaltung und Modernisierung. Überschuldete, überforderte und ausreisende Hauseigentümer wurden zur Besitzaufgabe gezwungen. Unter den notdürftig geflickten Dächern blieb jedoch viel historische Substanz unverändert erhalten. Nach der politischen Wende im Jahr 1989 begannen ein wohnungspolitischer Umbruch und ein langwieriger Prozess der Rückübertragung (BMRBS 1994). Nach einer Erhebung im Jahr 2000 in brandenburgischen Mittelstädten sind 23 % der Altbauten in örtlichem Privateigentum geblieben, 45 % wurden von neuen Besitzern gekauft, und die übrigen sind die Hand von Erben und ehemaligen Eigentümern gelangt (ISW 2003: 12). Viele Häuser dürften mehrfach den Besitzer gewechselt haben. Die Instandsetzung und Modernisierung der vernachlässigten Altbausubstanz wurde von 1993-1997 mit einer steuerlichen Sonderabschreibung von 50 % für Bauinvestitionen (Fördergebietsgesetz) erheblich beschleunigt. Bauträger und Anlagevermittler organisierten einen schwunghaften Handel mit Wohnungen für Kleinanleger überwiegend in Westdeutschland. Für die zahlreichen Fälle von Anlagebetrug und Baumängeln wurde der Begriff „Schrottimmobilie“ geprägt. Im Wettlauf um die befristeten Steuersparmodelle wendeten die Bauträger unterschiedliche Sanierungsstandards an. In den Altbauquartieren stehen heute Investitionsruinen sowie Altbauten mit rein äußerlicher „Pinselsanierung“ neben historisch aufwändig rekonstruierten Denkmalen. Insgesamt erfasste diese Sanierungswelle in den 1990er Jahren ca. zwei Drittel des Altbaubestandes (BMVBS 2007f: 17). „Das letzte Drittel“ blieb unangetastet, da die Grenzkosten für die Instandsetzung mit dem Umfang der Bauschäden und der Komplexität der Eigentumsverhältnisse steigen (Krings-Heckemeier/Porsch 2002). Unter welchen Bedingungen werden die Altbauten nun auf dem Immobilienmarkt gehandelt? Diese festen Stadtbausteine sind historisch gewachsen, örtlich gebunden und nicht ohne weiteres ersetzbar durch andere Standorte. Mieter können umziehen, die Häuser bleiben jedoch stehen. Umgekehrt kann während eines längerfristigen Mietverhältnisses das Hauseigentum mehrfach wechseln. Nach deutschem Recht bilden Haus und Grund eine untrennbare wirtschaftliche Einheit, die nach der hier gewählten Definition auf der Ebene des Bau- und Bodenmarktes gehandelt wird. Die traditionellen Indikatoren zur Preisbildung sind nicht die kurzfristigen Bewegungen von Angebot und Nachfrage, sondern der Sachwert der Bausubstanz in Verbindung mit den langfristigen Faktoren „Lage, Lage und nochmals Lage.“ Entsprechend entstehen kleinräumige Teilmärkte, die im Extremfall nur ein einziges Haus oder Grundstück umfassen. Im Bau- und Bodenmarkt sind Qualität und Preis daher nur schwer vergleichbar. Die Wertermittlung ist entsprechend komplex (Dieterich/Kleiber 2002; Davy 2006: 33). Je nach Architektur, Ausstattung und Zustand versuchen viele Investoren und Hauseigentümer, exklusive Lage- und Monopolrenten zu
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erzielen. In schrumpfenden Städten kehrt sich dieses Prinzip jedoch um: Gute Lagen sind durch das flächendeckende Überangebot kein knappes Gut mehr. Bei der Betrachtung von perforierten Altbauquartieren kommt hinzu, dass Ruinen und Brachen im Wohnumfeld historische Lagevorteile zusätzlich beeinträchtigen. Der Verkehrswert der Immobilie bestimmt sich daher nicht mehr allein anhand seiner Bausubstanz und im Vergleich mit anderen Standorten, sondern ist viel stärker auf den lokal und real erzielbaren Mietertrag bzw. Verkaufserlös zu orientieren (MI/MIR BB 2005). Vielen Transaktionen im Immobilienmarkt liegt eine Verkehrswertermittlung zugrunde. Mit ihren Kaufpreissammlungen und Bodenrichtwertkarten liefern die Gutachterausschüsse Vergleichswerte. Reicht die Zahl der Transaktionen hierfür nicht aus, müssen die Werte mittels Abschlägen angepasst werden (BMVBS 2007d). Banken haben wiederum eigene Bewertungsmaßstäbe, die weniger auf die Bausubstanz als auf den Ertrag gerichtet sind. Bei Zwangsversteigerungen kann der Zuschlag auch unterhalb des Verkehrswertes erteilt werden (Kap. 8.3). In den perforierten Altbauquartieren finden sich auch viele Ruinen und gescheiterte Bauträgerprojekte, für die kein Markt mehr besteht. Der langfristige Sach- bzw. Substanzwert spielt dann kaum noch eine Rolle, bei Ruinen ist eine Null anzusetzen. Oft scheitern die Verkaufsabsichten an überzogenen Preisvorstellungen (Krings-Heckemeier/Porsch 2002). Abrisskosten, Altlastenbeseitigung und Grundschulden führen rechnerisch sogar zu einem negativen Ertragswert, das Haus oder Grundstück ist dann für Handelsaktivitäten völlig blockiert. In schrumpfenden Städten ist der Bau- und Bodenmarkt auf laufende Mieterträge (cash flow) angewiesen und gerät so unter den Druck der kürzeren Wohnungs- und Kapitalmarktzyklen (Abb. 1). An die Stelle einer Ökonomie des Kaufens und Verkaufens tritt eine „Ökonomie des Behaltens der Grundstücke“ (Davy 2007:58). Dann bleiben die Bodenpreise quasi eingefroren, Marktbewegungen finden mangels Wertänderungspotenzialen nicht mehr statt. Wer sind die Hauseigentümer in den Altbauquartieren und wie verhalten sie sich angesichts des Leerstandes? Hierzu beauftragte die Bundesregierung mehrere Gutachten (BMVBS 2007a, c, e, f). Die Stadtumbau-Ost-Kommunen schätzen den Anteil an Kleineigentümern in innenstadtnahen Quartieren auf 65 %, in Altstädten auf 80 % (BMVBS 2007f: 18). Die Ergebnisse der folgenden quantitativen Befragungen erfassen allerdings nur marktaktive Bestände auskunftswilliger Eigentümer, entsprechend dürften Ruinen untererfasst ein. Demnach gehören knapp 28 % der privaten Mietwohnungsbestände in Ostdeutschland westdeutschen Vermietern (BMVBS 2007e: 61). Der geographische Vergleich der Wohnsitze von Eigentümern von Bestandsimmobilien zeigt für die ostdeutsche Fallstudie Dresden eine sehr große Streuung bis in alle westdeutschen Ballungszentren und für die Mittelstadt Köthen eine punktuellere Verteilung,
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während die antwortenden Eigentümer in den westdeutschen Städten Frankfurt/ Main, Osnabrück, Celle und Essen in der Stadt selbst und im Umland wohnen (ebd.: 62f). Überall in Deutschland werden ca. 75 % der Wohnungen in Privatbesitz von „Amateuren“ vermietet (ebd.: 65). In Ostdeutschland beauftragen knapp 25 % eine Hausverwaltung, gegenüber 20 % in Westdeutschland. Dies kann ein Indiz für einen höheren Anteil ortsfremder Eigentümer sein. Größere Vermieter können bei der Verwaltung und Instandhaltung ihrer Bestände Skalenvorteile erwirtschaften. „So genannte Amateurvermieter sind durch ihre geringe Marktkenntnis bei steigender Komplexität von Nachfrageentwicklungen und Regelungen zunehmend benachteiligt“ (BMVBS 2007e: 35). Die Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage der Vermieter hängt stark vom Wohnsitz ab. Westdeutsche sind viel zufriedener als Ostdeutsche, was auf eine höhere Eigenkapitalquote oder Steuerersparnis hinweisen kann. Laut einer Umfrage geht es in Westdeutschland 8,1 %, im Osten dagegen mit 16,7 % doppelt so vielen Vermietern „schlecht und sehr schlecht“ (BMVBS 2007e: 67), was ein mögliches Anzeichen von Insolvenzgefahr darstellt. Dabei ist von einer gewissen Dunkelziffer auskunftsunwilliger bzw. -unfähiger Eigentümer auszugehen, insbesondere wenn bereits ein Verfahren zur Zwangsversteigerung läuft oder es sich um Ruinen handelt. „Die Gruppe der privaten Vermieter ist sehr heterogen hinsichtlich Alter, Einkommen und Eigentum an Mietwohnungen. Überwiegend handelt es sich um Freiberufler und Pensionäre. Wichtigste Motive zum Bau oder Kauf sind Altersvorsorge und die sichere Vermögensbildung“ (ebd.: 69). Die Studien zeigen, wie risikoreich Immobilienbesitz in Ostdeutschland für Amateure ist. Im Durchschnitt der befragten privaten Vermieter weisen 43,1 % der ostdeutschen Wohnungen eine Kostenunterdeckung auf, lediglich 20,2 % erwirtschaften Überschüsse (ebd.: 80). Dies gilt umso mehr für stark schrumpfende Städte. „Tendenziell besitzen die Eigentümer mit den geringsten Handlungsmöglichkeiten die Häuser mit den größten Defiziten“ (BMVBS 2007f: 37), sie sind auf Quersubventionen aus anderen Einkünften angewiesen. 35 % der Eigentümer erwägen einen Verkauf (ebd.: 44). Hier kann es eine Dunkelziffer von resignierten Eigentümern geben, die einen Verkauf angesichts der Marktlage für aussichtslos halten. Im Bau- und Bodenmarkt besteht eine hohe gegenseitige Abhängigkeit der Teilnehmer. In der räumlichen Enge des Altbauquartiers sind alle Haus- und Wohnungseigentümer Nachbarn in dem Sinne, dass ihre Handlungen unmittelbare Auswirkungen auf die übrigen Häuser und ihre Nutzungen haben. Gemeinsam genutzte Infrastrukturen und die entsprechende Vermeidung gegenseitiger Störungen erfordern im Minimalfall Abgrenzungs- und Schutzmaßnahmen (Kap. 2.3); im Bestfall können Netzwerke und kooperative Strukturen zusätzliche Erträge generieren (Kap. 4.3). Diese örtlichen Spezifika bewirken, dass der Bau-
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und Bodenmarkt räumlich und von den Nutzungsmöglichkeiten stark eingegrenzt ist. Auch die Stadtplanung übt einen starken Einfluss auf die Handlungsoptionen der Hausbesitzer in Altbauquartieren aus. Diese „Spielregeln“ werden als Institutionen in Kap. 3.4 dargestellt. Kapitalmarkt Die Verengung des planerischen und politischen Blicks auf die Wohnung und das Stadtbild blendet häufig die Vermögensseite aus. Das traditionelle Verständnis von Häusern als Lebens- und Arbeitsort sowie „Sparbüchse“ für das Alter greift zu kurz. In zunehmendem Maße werden Immobilien global als Anlageklasse gehandelt, entsprechend müssen sich die Renditen an der Börse messen lassen (Krätke 1991; Kleine 2007). Häuser und Grundstücke dienen zunehmend als Mittel zum Zweck der Kapitalvermehrung, wodurch alle Eigentümer unter einen hohen Verwertungsdruck geraten (Heeg 2003: 336; Rips 2006: 358). Im Zuge der Privatisierung von Staatsunternehmen seit den 1990er Jahren wurden Werkswohnungen und Immobilien u. a. von Bergbau, Bahn und Post privatisiert und kapitalisiert. Unter dem Privatisierungszwang des Altschuldenhilfegesetzes verkauften auch die Kommunen Mitte der 1990er Jahre Teilbestände an so genannte Zwischenerwerber, die wiederum in hohem Maße Fremdkapital einsetzen. Seither drängen auswärtige, anonyme Finanzinvestoren verstärkt auf den Markt und kaufen direkt oder über Tochterfirmen größere Darlehens- und Immobilienportfolios von Banken, kommunalen Wohnungsunternehmen und institutionellen Eigentümern auf, die eine Entschuldung oder die Konzentration auf ihr Kerngeschäft anstreben (ausführlich in BMVBS 2007c). Diese neuen Investoren erklären selten die Bereitschaft, durch die Inanspruchnahme öffentlicher Förderprogramme Bindungen einzugehen (Rips 2006: 359). Für den Stadtumbau sind sie daher schwierige Partner. Die im internationalen Vergleich geringen Immobilienpreise in Deutschland und das besonders niedrige Niveau in schrumpfenden Städten bieten zusätzliche Anreize für opportunistische Anleger. Im Gegensatz zum traditionellen Immobilienzyklus verlangen die hohen Risiken schnellere und höhere Erträge. Hohen Gewinnen standen spektakuläre Skandale gegenüber. So brachten spekulative Geschäfte der AUBIS-Immobiliengesellschaft die Berliner Bank ins Wanken, die Leipzig West AG verprellte dagegen Tausende von Kleinanlegern. Gleichzeitig verleiteten Bauträger mit Hilfe der Steuerabschreibung ungezählte Privatpersonen in Westdeutschland zum Kauf einer sanierten Altbauwohnung in den vermeintlich boomenden Städten im Osten. Traditionelle Werte wie Lage und langfristige Sicherheit spielten angesichts der versprochenen Traumrenditen keine Rolle mehr. Nach einer turbulenten noch nicht abgeschlossenen Phase der Umstrukturierung insbesondere in Ostdeutschland stehen sich zwei sehr unterschied-
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liche Gruppen auf dem Immobilienmarkt gegenüber: Fonds und Kapitalgeber mit großen Portfolios einerseits sowie örtlich und existenziell gebundene Kleinanleger andererseits. Während die Einen das Risiko innerhalb eines großen Portfolios und auf viele Kapitalgeber verteilen können, sind die Anderen durch Leerstand von Insolvenz und Totalverlust bedroht. Wie kommen nun die Altbauten von privaten Eigentümern auf den Kapitalmarkt und welche Strategien ermöglichen eine Gewinnmaximierung? Immobilien binden in hohem Umfang Kapital, das im Falle von Wohnnutzungen zwar nur sehr langfristig, aber in der Vergangenheit sicher refinanziert und zur Alterssicherung eingesetzt werden konnte. In knappen Wohnungsmärkten stehen den langen Laufzeiten niedrige Risiken gegenüber. Als Sicherheiten dienen der Substanzwert des Gebäudes und die Lagerente, die sich in bisher stets gestiegenen Bodenwerten widerspiegelt. In der kurzen Boom-Zeit nach der Wende entstand in Ostdeutschland eine Vermögensfiktion, die sich in langfristig unrealistischen Renditeerwartungen und entsprechend hohen Buch- und Beleihungswerten niederschlug. Insbesondere bei mangelndem Eigenkapital steigt das Insolvenzrisiko der Eigentümer stark an, wenn sie ihre Bankdarlehen nicht mehr bedienen können. Im „klassischen Fall“ eines zahlungsunfähigen Hauseigentümers beantragt die Gläubigerbank die Zwangsversteigerung. Auf diesem Weg sind Mietshäuser und Eigentumswohnungen in schrumpfenden Städten als Renditeobjekte äußerst günstig erhältlich. Mit dem direkten Verkauf der Forderung bietet sich den Banken aber noch ein anderer Weg zum Ausstieg aus ertragsschwachen Regionen, Quartieren und Beständen. Diese Tendenz verschärft sich aufgrund der Europäischen Richtlinie zu Ausfallrisiken und Bankenaufsicht, auch Basel II genannt. Um ihre Bilanzen zu entlasten und den Betreuungsaufwand zu senken, schnüren die Banken ihre Immobiliendarlehen zu Paketen und verkaufen sie mit hohen Abschlägen an Finanzinvestoren oder „Bad Banks“ weiter, die auf den „Work Out“ von „Non Performing Loans“ spezialisiert sind (Hellauer 2003: 5; Siems 2004: 16). In der Form von Darlehen können Gebäude international gebündelt und ohne Grunderwerbssteuer gehandelt werden. Wenn zur besseren Verwertung Baumaßnahmen oder ein Weiterverkauf an neue Nutzer anstehen, können die Kreditaufkäufer die Grundschuld fällig stellen. Mittels der Zwangsverwaltung können sie die Mieter bzw. Schuldner auswechseln oder das Haus in der nachfolgenden Zwangsversteigerung selbst erwerben (SZ 17.02.2008). Dann erst findet der Eigentümerwechsel auch auf dem Bau- und Bodenmarkt bzw. im Grundbuch statt. Das Risiko dieser gehandelten Darlehen ist nicht gleichmäßig über alle Bestände verteilt, sondern unterscheidet sich nach Gebäudetyp- und zustand, Lage, Ertragschancen und Kostenstruktur des Betreibers. Mit dem Handel größerer Kreditpakete wird das Risiko gestreut (Geiger/Rottke/Schiereck 2007: 15). Groß-
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händler setzen dabei auf eine schnelle bilanzielle Umstrukturierung und den Wiederverkauf von Portfolien. Unter Ausnutzung des Hebeleffektes maximieren sie mit Hilfe eines hohen Anteils an Fremdkapital ihre Umsatzrendite. Spezialisierte „Rosinenpicker“ dagegen optimieren die Ertragssituation vor dem Weiterverkauf (Wagner 2006: 7). Sie engagieren sich vor Ort in der Projektentwicklung und Vermietung, um neue ertragreiche Nutzungen in leere Häuser zu bringen. Chancenlose notleidende Darlehen können sie dagegen mit hohen Verzugszinsen fällig stellen oder einfach abschreiben, da die Kosten eines völlig leer stehenden und abgeklemmten Hauses minimal sind. Mit solchen Geschäftsmodellen erzielen die Finanzinvestoren, im Verbund mit ihren so genannten Asset Managern, gemeinsam mit den Banken eine Win-Win-Situation. Auf diese Weise kann ein verfallenes Haus, das für den Wohnungsmarkt nutzlos, für den Bauund Bodenmarkt schädlich und für die Stadtplanung unerreichbar ist, als Darlehen auf dem Kapitalmarkt immer noch Profite generieren. Die immobilienökonomische Standardliteratur (u. a. Kühne-Büning/Heuer 1994; Brauer 2003) orientiert sich am idealtypischen Investitions- und Verwertungszyklus von Immobilien, wobei betriebswirtschaftliche Fragen wie Finanzierung, Subventionen, Steuerbelastung und Renditen im Vordergrund stehen. Das Marktumfeld, d. h. die Nachfrage, das Quartier und die Stadtplanung, stellen dabei wichtige, aber externe Faktoren dar. Ähnlich dem Aktienhandel propagiert die Immobilienwirtschaft ein Portfoliomanagement, das eine rein ökonomische Bewertung des Bestandes und entsprechende renditeorientierte Verwertungsstrategien favorisiert (Beyerle 2007: 11). Die mangelnde Liquidität und die Grobkörnigkeit von Immobilien erfordern Zwischenprodukte wie Real Estate Investment Trusts (REIT), die Risiken bündeln und den Handel von Anteilsscheinen erlauben (Ball 1998, 1504). Für Wohngebäude ist dieses Kapitalisierungsinstrument in Deutschland allerdings noch nicht zugelassen, so dass hier nur eine Portfoliobildung innerhalb von Unternehmen und geschlossenen Fonds möglich ist. Je nach Strategie legen diese Finanzinvestoren jeweils eigene Wertmaßstäbe und Renditeerwartungen an, abhängig von der Größe und den Risiken ihrer Portfolien und dem Anteil an Fremdkapital. Je größer das Fondsvolumen, desto kürzer ist die Haltedauer (Wagner 2006: 6). „Die Standards des Kapitalmarktes gelten zunehmend auch für das Immobilienmanagement“ (Arnold/Wagner 2007: 34). Rating Agenturen und Asset Manager schaffen Informations- und Entscheidungsgrundlagen für Investoren. Die Discounted-Cash-Flow-Methode ermöglicht den Vergleich verschiedener Kapitalanlagen untereinander (BMVBS 2007d: 77). Um ihren Marktwert zu ermitteln, werden die künftigen Erträge abgezinst. Demnach müssten bei potenziell negativen Erträgen leer stehende und teilvermietete Objekte sofort aufgegeben werden. Während die Wohnungsmieten auch bei hohem Leerstand kaum unter die Kostenmiete fallen können, sinken die
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Verkaufspreise so genannter Anlageobjekte auf dem Bau- und Bodenmarkt weit unter die Substanz- bzw. Reproduktionskosten. Die Realisierung von Verlusten führt zum Wertverfall bzw. zur Vernichtung von Kapital. Beziehungen zwischen den Ebenen und Teilmärkten Ausschlaggebend für die Produktion und Sanierung von Wohnraum sind nicht allein die lokale Nachfrage, sondern die Bedingungen des Kapitalmarktes, die Zinsentwicklung und das Verhalten von Eigentümern, Investoren und Anlegern. Während Häuser unbeweglich sind, agiert Kapital global und Mieter sind regional mobil. Diese drei Immobilienmarktebenen (Abb. 1) sind hoch spezialisiert und folgen jeweils eigenen Regeln, ihre Konjunkturzyklen verlaufen asynchron. So kann Wohnraum als Kapitalanlage anonym finanziert werden und gelangt dann als Standardprodukt auf den Wohnungsmarkt. Umgekehrt ist es, wenn ein Haus leer fällt und aus dem Wohnungsmarkt ausscheidet. Dann rückt seine Rolle auf den kleinräumigen Bau- und Bodenmarkt in den Vordergrund, indem es als Ruine negativ auf das Stadtbild und den Wert der Nachbargrundstücke ausstrahlt. Erst wenn das Haus auf dem Kapitalmarkt vollständig entwertet und bilanziell abgeschrieben ist, steht das Grundstück dem Bau- und Bodenmarkt wieder für eine Nachnutzung zur Verfügung. Während die Verteilung der Flächenressourcen auf dem Bau- und Bodenmarkt historisch bedingt und relativ fest gefügt ist, ist der globale Kapitalmarkt viel flüssiger und unterliegt stärkeren Schwankungen. Der Wohnungsmarkt wiederum ist stärker regional verfasst. Mieter können auf dem Immobilienmarkt flexibler als Hauseigentümer agieren (Evans 2004a: 99). Daher gibt es in vielen Fällen keine direkten Beziehungen zwischen Mietern, Hauseigentümern und Kapitalgebern. Eine bedarfsgerechte, örtlich angepasste und nachhaltige räumliche Ordnung ist angesichts der Rückkopplung zwischen den Ebenen mit einem allzu einfachen Marktverständnis kaum zu bewältigen. Dies gilt vor allem für historische gewachsene Bestände. Die Diskussion der immobilienspezifischen Marktbedingungen macht auch deutlich, dass die verschiedenen Ebenen und Teilmärkte jeweils eigene Analysemethoden erfordern. Industriell gefertigte Wohnungen lassen sich leichter zählen und zu einem homogenen Teilmarkt aggregieren als ein perforiertes Altbauquartier mit seinen komplexen Eigentums- und Finanzierungsstrukturen. In schrumpfenden Städten zeigt sich, dass man ein Haus zwar formal besitzen kann, der Nutzen aber bei den Mietern und der Ertrag, soweit vorhanden, der Bank zufällt. Wie sollen die Eigentümer unter diesen Bedingungen als motivierte Akteure im Stadtumbau gewonnen werden? Angesichts der drei Immobilienmarktebenen und ihrer Abhängigkeiten greifen quantitative Konzepte und Instrumente, die abstrakten Marktmodellen folgen und auf eine Steuerung durch Preise setzen, zu
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kurz. Ergebnisorientierte, quantitative Marktanalysen blenden Fragen der Nachhaltigkeit und der räumlichen Zusammenhänge aus, die Prozesse und Akteure in ihrem sozialen und kulturellen Kontext bleiben im Dunkeln (Guy/Henneberry 2000). Dann besteht die Gefahr, dass die konkreten städtebaulichen Fragen aus dem Blick und die staatlichen und planerischen Interventionen zur Klientelpolitik geraten. Neueres ökonomisches Denken betont die soziale Konstruktion von ökonomischem Verhalten und betrachtet die Marktstrukturen mit ihren Institutionen sehr differenziert (Adams 2005: 44). Hierzu gehören Verfügungsrechte und Steuerungsmodi (Kap. 3). Doch zunächst gilt unser Interesse dem Verhältnis von Markt und Staat, von Immobilienwirtschaft und Planung.
2.3
Marktversagen und staatliche Interventionen
Eine quantitative Betrachtung des Immobilienmarktes reicht nicht aus, um die Diskrepanzen zwischen Nachfrage und Angebot zu erklären und die Handlungen öffentlicher und privater Akteure nachzuvollziehen. Offensichtlich gibt es weitere Faktoren, die den Immobilienmarkt und die Verteilung von Flächenressourcen beeinflussen. „Marktversagen“ ist kein Spezifikum der schrumpfenden Stadt, sondern zunächst ein ökonomischer Begriff, um Erklärungslücken innerhalb des Marktkonzeptes zu benennen. Die Wohlfahrtsökonomie begründet staatliche Interventionen mit den unerwünschten Nebenwirkungen des Marktes. Das ursprüngliche Konzept von Arthur Pigou aus dem Jahr 1920 unterstellt dabei, dass der Staat ohne Kosten, stets mit optimalem Ergebnis und allein im öffentlichen Interesse agiert (Buitelaar 2007: 4). Diese vereinfachte Sichtweise soll zunächst für die Begründung von Eingriffen beibehalten werden, bevor das Verhältnis von Staat und Markt differenziert wird. Da Informationsmängel in allen Märkten auftreten (Kap. 3.2) und Monopole in den kleinteiligen Altbauquartieren zu vernachlässigen sind, kann ein Marktversagen in Bezug auf Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung im Wesentlichen auf drei Faktoren zurückgeführt werden (Klosterman 1985; Oxley 2004: 65; Holm 2004: 54; Evans 2005b: 13): Externalitäten Öffentliche Güter Meritorische Güter
Externalitäten sind alle positiven und negativen gesellschaftlichen Auswirkungen von Baumaßnahmen und Gebäudenutzungen, die nicht im Kaufpreis oder der Miethöhe berücksichtigt sind. Ein Beispiel ist die Ansiedlung eines Einkaufszentrums auf der grünen Wiese. Einerseits bringt es neue Angebote, andererseits verlagern sich Kunden- und Verkehrsströme zu Ungunsten der
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Innenstadt. Der Abriss eines historischen Hauses mag einen Schandfleck und ein Sicherheitsrisiko beseitigen, gleichzeitig verändern sich das Stadtbild und die Ortsidentität. In der Enge der Stadt können die Marktteilnehmer kaum als unabhängige Individuen handeln, ohne Externalitäten zu produzieren oder von ihnen beeinflusst zu sein. Die Externalitäten von Immobilientransaktionen kommen vielfach in Umweltproblemen, Nachbarschaftskonflikten und sozialen Veränderungen zum Ausdruck. Externalitäten sind nur schwer zu messen und zu bewerten. Besonders schwer abschätzbar sind vor allem Wirkungen, die erst in der Zukunft auftreten. Für diese Effekte fließen keine Zahlungen, da der Aufwand zu groß ist, die Kosten zu ermitteln und einzelnen Verursachern, Nutznießern oder Geschädigten zuzuordnen (Adams/Dunse/White 2005: 32). Viele Externalitäten sind gesellschaftlich nicht akzeptabel. Die Maßstäbe hierzu leiten sich aus dem kulturellen Kontext, moralische Erwägungen oder auch dem Konzept der Nachhaltigkeit ab. Dann interveniert der Staat, um die negativen Wirkungen zu beschränken oder zu lindern. Eine Fülle von Gesetzen wie Planungsrecht und Bauordnung sowie Fördermittel zielen darauf ab, Nutzen und Lasten externer Effekte gerecht zu verteilen. Öffentliche Güter sind per Definition nicht teilbar (Webster/Lai 2003: 46). Eine schöne Stadt, gute Luft oder ein effizientes Versorgungsnetz dienen allen Bewohnern, sie sind non-rival und nicht ausschließbar. Alle Marktteilnehmer sind Nutznießer, ohne darum konkurrieren zu müssen oder andere zu beeinträchtigen. Umgekehrt kann niemand öffentliche Güter zurückweisen, wenn sie ihm nicht gefallen. Ruinen, schlechte Luft oder Staus müssen von allen geduldet werden. Über die Erschließung und die Infrastruktur ist der Immobilienmarkt unmittelbar von der Bereitstellung und der Qualität öffentlicher Güter abhängig, seien es Versorgungsstränge, Straßenreinigung, Parks, Schulen, Kindergärten. Da es keine exklusiven Verfügungsrechte und somit keine Preise gibt, fehlt den Individuen innerhalb des Marktsystems der Anreiz, öffentliche Güter nachzufragen oder zu produzieren (Oxley 2004: 79). Über die Produktion öffentlicher Güter entscheidet daher der Staat. Als Folge des freien Zugangs fällt es der Kommune oder dem Träger öffentlicher Belange schwer, den genauen Bedarf zu ermitteln. Angesichts knapper Ressourcen, fehlender Preissignale und langer Entscheidungswege kann eine flächendeckende, gerechte und zeitlich genaue Bereitstellung kaum gelingen. Einmal werden zuviel, ein andermal zuwenig öffentliche Güter angeboten. Dem allgemeinen Nutzen stehen die Herstellungsoder Erhaltungskosten gegenüber, die nur von der öffentlichen Hand getragen werden können. Zur Gegenfinanzierung bietet sich den Kommunen nur der indirekte Weg über Steuereinnahmen oder Fördermittel, zumal der Kapitalmarkt mangels Abgrenzbarkeit eines Gegenwertes kein Geld bereitstellt. Die Kommunen bilden daher Tochtergesellschaften, vergeben Aufgaben an private Dienst-
Marktversagen und staatliche Interventionen
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leister oder regen Bauproduzenten mit Fördermitteln dazu an, öffentliche Güter wie die Beseitigung städtebaulicher und funktionaler Missstände quasi huckepack zu erbringen. Ein hoher gesellschaftlicher Nutzen kann Eingriffe und Subventionen rechtfertigen (Oxley 2004: 79). Adams, Dunse und White (2005: 33) schlagen vor, öffentliche Güter eher über ihre Qualität zu definieren als über den Anbieter. Schließlich gibt es Fälle, bei denen öffentliche Güter überstrapaziert werden. Der Staat kann Zugangsbeschränkungen um die knappe Ressource errichten oder einen beschränkten Wettbewerb schaffen. Beispiele für eine unmittelbare und verbrauchsabhängige Zuweisung von Kosten und Nutzen sind Straßengebühren und Parkraumbewirtschaftung (Webster/Lai 2003: 135). Meritorische Güter entstehen, wenn der Staat Mindeststandards setzt, die in einem freien Markt unterschritten würden. Die Bürger verdienen (merit) eine gesellschaftlich gesetzte Norm, ob in der Gesundheitsversorgung, im öffentlichen Verkehr oder im Wohnungs- und Städtebau. Waren hier zunächst Hygiene- und Sicherheitsstandards maßgebend, kommen heute Regelungen zum Umweltschutz und zur Energieeffizienz hinzu. Damit wird die Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer aus normativen oder ethischen Gründen ausgesetzt (Oxley 2004: 81). Meritorische Güter schützen die Schwachen vor Konkurrenz und halten Substandard-Anbieter vom Markt fern. Im Gegensatz zu öffentlichen Gütern ist der persönliche Nutzen für den Konsumenten abgrenzbar, entsprechend bildet sich ein Marktpreis als Ausdruck von Angebot und Nachfrage. Sowohl private als auch öffentliche Anbieter stellen meritorische Güter bereit, wobei die Höhe und Verteilung der Mehrkosten umstritten sind, da sie private Investitionen unrentabel machen können. Im Städte- und Wohnungsbau kompensiert der Staat die Mehrbelastungen von Marktteilnehmern unter anderem durch Wohngeld, verbilligte Kredite für Wärmeschutz oder Sanierungsmittel. Viele Normen dienen allerdings auch dem Schutz von Partikularinteressen und Machtpositionen. Da viele meritorische Güter staatlich gefördert werden und zugleich einen individuellen Nutzen bringen, sind sie besonders anfällig für Opportunismus und die Fehlallokation von Fördermitteln. In der städtebaulichen Praxis sind die Bereitstellung öffentlicher und meritorischer Güter sowie die Abwehr von unerwünschten Externalitäten nur schwer voneinander zu trennen, da sie sich innerhalb eines einzelnen Quartiers oder eines Hause überlagern. In den Altbauquartieren dominieren private Anbieter, die öffentliche Güter wie z. B. eine historisch und touristisch wertvolle Altstadt huckepack nehmen. Der Stadtumbau zielt auf eine Aufwertung der Altbaustrukturen, gleichzeitig müssen Verluste kollektiv bewältigt werden. Das Umverteilungsproblem und das Konfliktpotenzial von Planung verschärfen sich, weil potenzielle Stadtumbaumaßnahmen wie Abrisse, Umzüge und Flächenstilllegungen im engen räumlichen Kontext des Bestandes stattfinden. Damit werden Markt-
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Immobilienmarkt in schrumpfenden Städten
aktivitäten mit öffentlichen Aufgaben vermischt. Wenn die zugrunde liegende private Investition aber unrentabel ist, kann auch das öffentliche Gut „schöne Altstadt“ nicht entstehen. Die Kommune müsste dann direkt eingreifen. Im komplexen räumlichen und sozialen Zusammenhang einer Stadt führen Individualentscheidungen unter Konkurrenzbedingungen nicht zu einer effizienten Nutzung und Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen. Nach ökonomischer Lesart geht Marktversagen mit der Verschwendung öffentlicher Güter einher. Ein einfaches Beispiel ist die Umweltverschmutzung. Aber auch ungenutzte Flächenressourcen wie Leerstände und Brachen wirken negativ auf die Funktionen und die Wohnqualität in der Stadt. Externalitäten und öffentliche Güter tragen keine Preisinformation, da die Kosten zu hoch sind, um den individuellen Nutzen und Schaden zu ermitteln und sie damit handelbar zu machen. Dies begründet staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus, wobei damit noch nicht gesagt ist, welche Instrumente am besten geeignet sind (Klosterman 1985). Entsprechend bedarf es auch einer ökonomischen Theorie zur inneren Funktion des Staates. In diesem Sinne befasst sich die Public-Choice-Theorie mit der öffentlichen Verwaltung, deren Effizienz unter anderem durch Informationsdefizite, Überwachungskosten von Gesetzen und Opportunismus beeinträchtigt ist. Dieser Ansatz des „Staatsversagens“ (Buitelaar 2003: 317) wird hier jedoch nicht weiterverfolgt, da der analytische Schwerpunkt dieser Arbeit vor allem bei den privaten Marktakteuren und weniger beim Verwaltungshandeln liegt. Dennoch bleibt das grundsätzliche Problem, dem Markt politische Ziele aufzugeben, weil es dem Prinzip des freien Handelns von Individuen widerspricht. Nichts tun kann allerdings auch keine Lösung sein. Im Lichte des Wirtschaftswachstums wurde der handelnde Markt zusammen mit einem regulierenden Staat konzipiert. Sinnbild dieser alten Denkrichtung ist im Städtebau der Masterplan, der private Investitionen in vorbestimmte Bahnen lenken soll. Diese Gegenüberstellung gilt inzwischen als unpraktikabel und überholt, denn gerade in der Stadtentwicklung bedingen Markt und Staat einander (Alexander 2001, Buitelaar 2003). Eine komplexere Betrachtungsweise offenbart „falsche Erwartungen an den Markt, die größtenteils durch verkehrte oder unzureichende Marktmodelle begründet sind“ (Sotelo 2001: 192). Webster/Lai (2003: 16) setzen den Begriff „Marktversagen“ daher in Anführungszeichen. Grundsätzlich jedoch bedarf Bewältigung von Defiziten eines Marktes kollektiven Handelns. Öffentlicher Güter entstehen nicht von allein nur aus gemeinschaftlichem Interesse, weil die Einzelnen zu einem Trittbrettfahrer-Verhalten neigen (Olson 1965; Ostrom 1990). Vielmehr bedarf es gesellschaftlicher Institutionen, die das Zusammenspiel der Akteure regeln (Kap. 3.3). Je nach Art und Umfang können die kollektive Herstellung öffentlicher Güter und die Vermeidung negativer Externalitäten staatlich, privat oder in Mischformen strukturiert sein (Kap. 3.4; 4.3).
3
Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Die bisherigen Betrachtungen blendeten die Vermittlungsprozesse zwischen Angebot und Nachfrage aus. Zudem erwiesen sich die Akteure auf den drei Immobilienmarktebenen als sehr verschieden. Dieses Kapitel geht der Frage nach, welche „Spielregeln“ und Risiken die Handlungen leiten und das Marktergebnis beeinflussen. Unter Bezug auf die Neue Institutionenökonomik (Richter/Furubotn 1999) werden hier die folgenden Konzepte eingeführt und auf den Immobilienmarkt in Altbauquartieren schrumpfender Städte angewandt:
3.1
Verfügungsrechte Informationsdefizite und Unsicherheit Transaktionskosten Institutionen, Steuerungsinstrumente Verfügungsrechte und ihre Verteilung
Verfügungsrechte (property rights) sind die Voraussetzung und der Gegenstand von Transaktionen (Alchian/Demsetz 1967; Richter/Furubotn 1999: 82). Erst die Definition und Zuordnung von Verfügungsrechten an Gütern ermöglicht ihren Tausch. Hauseigentum im Sinne der Neuen Institutionenökonomik umfasst nicht das Gebäude aus Holz und Stein, sondern besteht aus einem Bündel von Rechten daran. Die Verteilung von Verfügungsrechten wird erst durch Institutionen ermöglicht und geregelt. Die wichtigste Institution und Grundlage der Marktwirtschaft ist das Recht auf Privateigentum. Es wird daher vom Staat garantiert (Grundgesetz Art. 14). Verfügungsrechte sind gleichzeitig Ausdruck der gesellschaftlichen Machtverteilung, daher dienen viele Institutionen auch dem Machterhalt (Holm 2004: 63). Verfügungsrechte beinhalten immer auch das Recht auf Exklusion von Anderen, was im engen Raum der Stadt zu Konflikten führt (Mukhija 2005: 978). Staatliche und private Institutionen können den Handel mit Verfügungsrechten verbieten, bremsen oder auch beschleunigen (Kap. 3.3). Wichtige Grundlagen für die Stadtentwicklung sind das Grundbuch, das Planungsrecht und die Bauordnung. In Bezug auf Bestandsimmobilien werden in
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
dieser Untersuchung vier Arten von Verfügungsrechten unterschieden (Richter/ Furubotn 1999: 82; Schmoll 2005: 1254; Davy 2006: 56): Das Nutzungsrecht (usus) gestattet den Gebrauch von Immobilien z. B.
als Wohnung. Das Veränderungsrecht (abusus) ermöglicht dagegen auch Eingriffe in
die Bausubstanz, z. B. durch Sanierung, Umbau, Abriss oder auch Verfallen lassen. Das Recht auf Gewinnerzielung (fructus) erlaubt Banken, Investoren und Anlegern, Zinsen für ihren Kapitaleinsatz einzunehmen. Das Recht zum Verkauf (abutendi) ermöglicht den Handel mit der Immobilie. Im einfachsten Fall wird das ganze Haus mit allen Rechten verkauft. Möglich und geläufig ist aber auch die Übertragung einzelner Rechte, z. B. durch Miet- oder Darlehensverträge oder durch Aufteilung von Häusern in Eigentumswohnungen.
Verfügungsrechte
Inhaber
Handelsebene
Nutzungsrecht
Selbstnutzer, Mieter
Wohnungsmarkt
Veränderungsrecht, Baurecht
Hauseigentümer, Wohnungsgesellschaften
Bau- und Bodenmarkt
Recht auf Gewinnerzielung
Banken, Investoren, Anleger
Kapitalmarkt
Recht zum Verkauf oder zur Übertragung von Rechten
alle (in ihrem jeweiligen gesetzlichen Rahmen)
alle Märkte
Abb. 2: Verfügungsrechte und ihre Inhaber
Das Beispiel eines typischen Mietshauses in einem Altbauquartier zeigt, dass Verfügungsrechte auf verschiedene Akteure verteilt sein können. Der Bewohner erwirbt per Mietvertrag die Nutzungsrechte. Der Hauseigentümer hat das Recht zu bauen, das Haus zu sanieren oder zu verändern. Die Bank sichert sich ein Darlehen im Grundbuch und damit den Ertrag. Der Eigentümer kann auch die Vermietung und Verwaltung an Dritte abgeben und ihnen so Zutrittsrechte und Erfolgsbeteiligungen verschaffen. Mit dem Instrument des Bebauungsplans übt auch die Stadt ein Verfügungsrecht über das Haus aus, und zwar über Art und Maß der Nutzung. Noch komplizierter wird die Verteilung der Verantwortung, wenn jede einzelne Wohnung im Haus einem anderen Kleinanleger gehört, die womöglich noch in verschiedenen Städten leben und verschiedene Darlehens-
Verfügungsrechte und ihre Verteilung
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banken gewählt haben. Abgesehen von Einschränkungen aus dem Planungs- und Nachbarschaftsrecht besitzt lediglich derjenige Hauseigentümer die vollen Verfügungsrechte, der in seinem eigenen Haus wohnt und weder Mieter noch Grundschulden hat. Im anderen Extremfall der Insolvenz hat der offizielle Hauseigentümer gar nichts mehr zu bestimmen, er muss sich dem Insolvenzverwalter und der Zwangsversteigerung unterwerfen. Die Verfügungsrechte und ihre Ausübung werden grundsätzlich durch staatliche Institutionen ermöglicht und eingeschränkt (Kap. 3.3). Für den Bauzustand und damit die städtebauliche Entwicklung der Altbauquartiere ist das Veränderungs- bzw. Baurecht zentral, gleichzeitig bestehen hier die größten Beschränkungen im Handel und in der Ausübung der Rechte (Kap. 2.1). Mieter können ihr Nutzungsrecht nur im engen Rahmen des Mietrechts übertragen, z. B. an Untermieter. Anleger und Banken dagegen sind sehr frei im Handel ihrer Gewinnanrechte, indem sie den globalen Kapitalmarkt nutzen. Verfügungsrechte können nach de jure und de facto Rechten unterschieden werden (Richter/ Furubotn 1999: 88; Webster 2003: 2591): Absolute Rechte: Diese werden vom Staat zugewiesen und garantiert.
So können Eigentumsverletzungen gerichtlich verfolgt werden. Relative Rechte: Die Geschäftspartner handeln im Rahmen von Gesetzen
untereinander privatrechtliche Verträge aus. Soziale Verhältnisse und Gewohnheitsrechte: Die Geschäftspartner
halten sich an allgemeine gesellschaftliche Normen, ohne dass es der Schriftform bedarf. Aus ökonomischer Perspektive sollte der Staat lediglich für ein funktionierendes System von Verfügungsrechten sowie Institutionen zu deren Überwachung sorgen. Die optimale Allokation der Ressourcen übernimmt dann der Markt. Ein Grundproblem bei der Wahl und Gestaltung von Instrumenten ist der Status Quo bzw. die Grundausstattung der Marktteilnehmer mit Verfügungsrechten. In den Häusern der Altbauquartiere leben historisch erworbene Verfügungsrechte und Machtverhältnisse weiter (Micelli 2002: 151). Konstruiert man einen Extremfall ganz ohne Verfügungsrechte, dann verbleiben Güter im öffentlichen Raum und werden vergeudet. Allein der ökonomische Anreiz des Privateigentums soll der Verschwendung vorbeugen. Verfügungsrechte und insbesondere der Gewinn, der aus ihnen gezogen werden kann, sind ein Anreiz zum pfleglichen Umgang und für den Werterhalt. Führt man diesen Gedanken zu Ende, müssten alle Güter privatisiert werden. Öffentliche Verfügungsrechte wären nur noch eine gefährdete Restkategorie, nachdem alles an Private verteilt wurde (Webster 2003: 2598). Das andere Extrem einer vollständigen Verstaatlichung ist ebenso unpraktikabel, wie der Verfall der Altbauquartiere in der DDR gezeigt hat. Aber schon der
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Informations- und Verhandlungsaufwand zur Ermittlung der besten und produktivsten Verteilung der Verfügungsrechte macht diese allzu einfachen Überlegungen zunichte (Mayer 1996: 32). Der Effizienz steigernde Anreizeffekt des Privateigentums kehrt sich bei Leerständen und mangelnden Erträgen zu Ungunsten des Bauzustandes um. Zusätzlich schrecken die hohen Transaktionskosten (Kap. 3.2) die Hauseigentümer davon ab, im Sinne des Stadtumbaus aktiv zu werden. Aus Verfügungsrechten erwachsen dann Lasten (Davy 2007). Grundsätzlich ist die Übertragung von Verfügungsrechten nötig, damit die Marktteilnehmer das Ergebnis der Flächennutzung optimieren können (Alexander 2001: 10). In einem freien, liquiden Markt finden tendenziell eher vollständige Eigentümerwechsel mit der Übertragung aller Rechte statt. Damit liegt die Kontrolle in einer Hand, die Allokation der Ressource ist vollkommen. Wenn die Transaktionskosten jedoch steigen, wie es in komplexen Immobilienmärkten der Fall ist, übertragen die Teilnehmer vermehrt auch einzelne Rechte, z. B. über Nutzung oder Gewinn. Die Verfügungsrechte werden mit Hilfe von Miet- und Darlehensverträgen spezifiziert. Nicht in allen Fällen muss dabei auch der Hausund Grundeigentümer wechseln. In der Praxis treten Mischformen auf. Konflikte entstehen immer dann, wenn Verfügungsrechte nicht klar zugewiesen sind oder nicht ausgeübt werden (Webster/Lai 2003: 110). Nach Ball (1998) bilden Teilmärkte wie der kommunale Wohnungsbau oder Einfamilienhaussiedlungen entsprechende „structures of building provision“. Diese spiegeln das jeweilige Verhältnis von Staat und Markt wider. Buitelaar (2003: 321) bezeichnet die spezifische Konstellation von Verfügungsrechten als „user rights regime“, die einen Kompromiss aus privaten Verwertungsinteressen und gesellschaftlichen Wertvorstellung darstellen. Webster (2003) schlägt ähnliche Typen von „institutionellen Ordnungen“ vor. Geuting (2007: 25) nennt das jeweils gültige System von öffentlichem und privaten Recht „property rights regime.“ Diese Konstellationen werden in der vorliegenden Arbeit nicht zur Bildung von Teilmärkten, sondern zur Ableitung spezifischer Handlungsmuster in Altbauquartieren genutzt (Kap. 10). Verteilung der Verfügungsrechte Legt man ökonomische Prinzipien der Ertragsmaximierung zugrunde, können für die Verteilung der Verfügungsrechte vier Regeln aufgestellt werden (Abb. 3; Webster 2003: 2600ff): Die Aufteilungsregel (subdivision rule): Die Verfügungsrechte gelangen
tendenziell in die Hände derjenigen, die das beste Kosten-NutzenVerhältnis aufweisen bzw. den größten Einfluss auf die Zielerreichung haben. Je höher der Wert der Grundstücke und je effizienter die Institutionen oder die Technologie zur Aufteilung oder Kontrolle von Ver-
Verfügungsrechte und ihre Verteilung
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fügungsrechten, desto breiter werden sie gestreut. So erlaubt das Wohneigentumsgesetz die Aufteilung von Häusern in Eigentumswohnungen, das Grundbuch ermöglicht die Sicherung von und den Handel mit Bankdarlehen. Sind die Verfügungsrechte erst einmal aufgeteilt, verursachen oft die gleichen Institutionen einen hohen Aufwand zur Wiedervereinigung, es entstehen Pfadabhängigkeiten. Entscheidend für die Aufteilung der Verfügungsrechte ist, dass die Transaktionskosten den zusätzlichen Ertrag nicht übersteigen. Umgekehrt wirkt die Vereinigungsregel (combination rule): Wenn das Nutzungs- und damit Gewinnpotenzial von Stadtquartieren wegen der Kleinteiligkeit und Vielzahl von Akteuren nicht ausgeschöpft wird, tendieren Verfügungsrechte zur Zusammenlegung. Dies geschieht, indem Investoren mehrere kleinteilige Flächen für größere und rentablere Vorhaben aufkaufen. Ebenso bilden Banken aus kleineren unrentablen Darlehen Pakete und verkaufen diese gebündelten Risiken, aber auch Ertragschancen an Finanzinvestoren weiter, um ihre Bilanzen zu entlasten. Dagegen lohnt ein leeres Haus im Falle mangelnder Nachfrage den Aufwand für die Vermietung nicht, entsprechend findet keine Aufteilung von Verfügungsrechten über Mietverträge oder Bildung von Sondereigentum statt. Öffentlichkeitsregel (public domain rule): Eine Fläche oder ein Verfügungsrecht an ihr wird im öffentlicher Hand bzw. im öffentlichen Raum bleiben, wenn die Kosten der Aufteilung von Verfügungsrechten den Mehrwert übersteigen. So ist es bei geringem Nutzungsdruck ökonomisch nicht sinnvoll, öffentliche Grünflächen mit Gebühren zu versehen. Zaun, Kassen- und Wachpersonal würden sich nicht rentieren. Nach der Subsidiaritätsregel (subsidiarity rule) ist die Verteilung der Verfügungsrechte dann am Besten und der Nutzen für alle Beteiligten am Größten, wenn die Erträge, aber auch die Lasten voll von den Marktteilnehmern getragen werden, d. h. Ansprüche Dritter oder staatlicherseits ausgeschlossen sind. In diesem Falle gäbe es keinen öffentlichen Raum und öffentliche Güter mehr, alles wäre in privater Hand. Dieser ökonomische Idealzustand ist in der Stadt nicht erreichbar. Nehmen private Eigentümer ihre Verfügungsrechte nicht wahr, indem sie ihre Häuser verfallen lassen und damit Raumressourcen verschwenden, gibt diese Regel eine Tendenz zur Rückführung in den öffentlichen Raum vor. Einer Aneignung durch andere oder öffentliche Nutzungen steht jedoch ein großer Aufwand zum Umbau des Hauses oder zur Beräumung des Grundstücks entgegen.
54 Aufteilung (Subdivision)
Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Vereinigung (Combination)
Öffentlicher Raum (Public Domain)
Privateigentum (Subsidiarity)
Abb. 3: Ökonomische Verteilungsregeln von Verfügungsrechten
Aus der Verteilung der Verfügungsrechte leiten sich Unterschiede im Handeln zwischen den verschiedenen Eigentümertypen ab. Private Hauseigentümer im Bestand verfügen über alle Rechte, sie genießen ihr Wohnrecht ggf. selbst und profitieren, soweit der Markt es zulässt, von der Wertsteigerung oder der Vermietung. Es liegt in ihrer Hand, ihr Haus zu verkaufen oder zu behalten. Je kleiner sie sind und je geringer die inneren Transaktionskosten, desto flexibler und schneller können sie auf dem Markt Entscheidungen treffen, um auf Angebot und Nachfrage zu reagieren. Dagegen sind in der Wohnanlage einer Eigentumsgemeinschaft die Verfügungsrechte breit gestreut. Sonder- und Gemeinschaftseigentum regeln die Nutzung, einzelne Eigentümer haben das Wohnrecht an Mieter übertragen, andere haben zugunsten der Bank eine Grundschuld bestellt. Ein derartiges Geflecht von Verfügungsrechten verursacht hohe Koordinationskosten, da mehrere Marktebenen (Wohnung, Immobilie und Kapital) miteinander verknüpft sind. Entsprechend träge reagiert das System auf Marktschwankungen. Die historische Perspektive legt nahe, dass Gruppeneigentum an Boden oder Immobilien homogenen Nutzerkreisen im Sinne von Klubs Ertragsvorteile bringen kann (Ellickson 1992: 1332). Um ertragreiche Verfügungsrechte gibt es einen starken Wettbewerb. Im Immobilienbereich nimmt der Einfluss des global agierenden Kapitalmarktes gegenüber den lokalen Zyklen zu. Ein Beispiel ist die Immobilien- und Finanzkrise des Jahres 2007 in den USA, ausgelöst durch ungedeckte Kredite und spekulative Zukunftserwartungen. Über den Handel mit Verfügungsrechten in Form von Darlehen können Häuser mit anderen Finanzprodukten verglichen werden. Auslöser für Änderungen in der Verteilung von Verfügungsrechten sind starke Wertänderungen und große Technologiesprünge wie die Einführung des Autos oder des Internets. In der globalen Ökonomie geht es immer weniger um den physischen Besitz, sondern um den Zugang (access) zu Gütern, Dienstleistungen und Informationen (Rifkin 2001). Auch die Leerstandskrise in schrumpfenden Städten stellt bestehende Konstellationen in Frage. Eine Neuaufteilung von Ver-
Verfügungsrechte und ihre Verteilung
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fügungsrechten kann zwar zu spezialisierten, effizienteren Teilmärkten führen, gleichzeitig entstehen aber neue Probleme und Transaktionskosten. Andererseits verursacht auch der Erhalt von Verfügungsrechten Kosten, die verwaltet und gegen Risiken abgesichert werden müssen (Evans 2004a: 138). Dies gilt umso mehr für leer stehende Häuser. Stadtumbaumaßnahmen greifen in Privateigentum ein und verursachen Planungsschäden, wenn Wohnfläche vernichtet oder ein Baufeld in eine Grünfläche umgewandelt wird. Als Ausgleich für die Einschränkung privater Verfügungsrechte kommen Gemeinschaftslösungen wie abgestimmte Planungen und Nachteilsausgleiche in Form von Subventionen in Frage. Wegen ihrer einheitlichen Standards wirken sie zwangsläufig selektiv und bewirken eine Umverteilung (Ball 1998: 1508). Die in schrumpfenden Städten notwendige Verteilung von Verlusten verstärkt derartige Konflikte (Häußermann/Siebel/Läpple 2008: 223). Die ökonomische Wirkung der Einschränkung von Verfügungsrechten ist bisher im Planungssystem explizit kaum berücksichtigt worden (Adams in Webster 2005: 486). Auch der Ruf nach kreativen Lösungen im Stadtumbau und entsprechenden Kooperationsmodellen stößt an die Grenzen bestehender Verfügungsrechte und hoher Transaktionskosten.
3.2
Informationsdefizite und Transaktionskosten
Das Konzept des vollkommenen Marktes beruht auf der vollständigen Information aller Marktteilnehmer, die eine aussagekräftige Preisbildung ermöglicht. Kein Eigentümer will eine Wohnung unter Wert vermieten, umgekehrt will kein Mieter mehr zahlen als nötig. Das Angebot an Häusern und Wohnungen ist wegen seiner Baustruktur, Ausstattung und Lage äußerst heterogen. Ebenso ist die Nachfrage aufgrund individueller Bedürfnisse der Mieter stark differenziert. Auch die vorgelagerten Märkte für die Finanzierung und Bauproduktion sind unübersichtlich. Informationsdefizite entstehen auf den verschiedenen Ebenen des Immobilienmarktes. Das Risiko und der Wert eines Altbaus hängen stark vom jeweiligen Blickwinkel und den Kenntnissen der Beteiligten ab. Bei einer großen Zahl von Marktteilnehmern sind Unsicherheiten über das Objekt und den Käufer weniger gravierend, da es Alternativen gibt. In kleinen Marktsegmenten und bei geringer Nachfrage kommt Unsicherheit über das Verhalten der Tauschpartner ins Spiel. Mit einem Blick nach vorn und einem Blick zur Seite unterscheiden Richter und Furubotn (1999: 44) zwei Dimensionen von Informationsdefiziten: Die unvollkommene Voraussicht auf die zukünftige Entwicklung und die asymmetrische Information oder das Unwissen über das Handeln des
Konkurrenten, des Kunden oder des Beauftragten.
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Risiken und Kosten von Marktaktivitäten Im Sinne des Immobilienmarktes kann Stadtplanung als Versuch interpretiert werden, Handlungsrisiken aufgrund unvollkommener Voraussicht zu verringern. Belastbare Antworten auf folgende Fragen von Investoren sind jedoch kaum zu erwarten: Wie wird sich die wirtschaftliche und demographische Entwicklung im Stadtgebiet auswirken und welche Subventionen werden wie lange und unter welchen Voraussetzungen erhältlich sein? Eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Akteuren erhöht die Gefahr der Vorteilsnahme und verringert die Effizienz des Marktes (vgl. Kap 3.3). Die Teilnahme am Immobilienmarkt ist mit einem hohen Informationsbedarf verbunden, sowohl um zuverlässige und zahlungskräftige Käufer bzw. Mieter zu finden, als auch um Preis und Zahlungsweise zu optimieren. Ein Informationsvorsprung kann den Gewinn einer Transaktion steigern, muss aber selbst wiederum erkauft werden. Eine hohe Unsicherheit steigert das wirtschaftliche Risiko von Transaktionen und schlägt sich im Preis nieder, was zu Handlungsblockaden oder Spekulation führen kann (Kap. 4.1). In der Neuen Institutionenökonomik gelten Informationsmängel als Hauptgrund für die Existenz von Transaktionskosten und die Bildung von Institutionen. Die Kosten der Nutzung des Marktmechanismus wurden von Coase (1937) in „The Nature of the Firm“ thematisiert. In der Diskussion um die Frage, warum Firmen entstehen, beschrieb er die Kostenvorteile von direkten Kommunikationswegen innerhalb einer arbeitsteiligen Organisation (Webster/Lai 2003: 10). Bei wiederkehrenden Produktionsabläufen steigern innerbetriebliche Regeln die Effizienz, Informations- und Verhandlungskosten werden internalisiert. Ab einer bestimmten Größe oder Komplexität von Aufgaben werden Firmen ineffizient, da die inneren Transaktionskosten größer werden als die Beschaffung auf einem freien Markt unter Konkurrenzbedingungen. Die Organisationen müssen eine ständige Balance finden aus Aufgaben, die sie selbst durchführen und denen, die sie besser oder billiger außerhalb ihrer Struktur beschaffen. „Make or buy“-Entscheidungen fallen in allen Formen der organisierten Kooperation an, so auch bei Immobilienprojekten und Verwaltungen. Im Immobilienmarkt treten folgende Alternativen ständig auf: Bauen oder Mieten? Selbstverwalten oder Hausverwaltung einschalten? Eigenkapital oder Fremdfinanzierung? Auch auf städtischer Seite stellen sich ökonomische Fragen: Bedarf es einer städtischen Wohnungsgesellschaft oder sollen Belegungsrechte bei privaten Anbietern gekauft werden? Wird die Stadterneuerung in der Verwaltung abgewickelt oder ein spezialisierter Sanierungsträger eingeschaltet? Abgesehen vom erwünschten Ziel spielen Transaktionskosten bei diesen Entscheidungen eine große Rolle. Damit sind alle Kosten gemeint, die über die reine Bauproduktion, Nutzung und Unterhaltung hinausgehen (Buitelaar 2007: 30).
Informationsdefizite und Transaktionskosten
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Transaktionskosten entstehen in verschiedenen Ausprägungen und Phasen (Richter/Furubotn 1999: 51). Sie sind Anlass für die Entstehung zahlreicher Institutionen und Dienstleistungen zu einer effizienteren Nutzung des Marktes. Such- und Informationskosten (ex-ante): Hierunter fallen alle Anbah-
nungskosten von Transaktionen wie Marktforschung, Produktdefinition, Wertermittlung und Werbung. In diesem Feld sind Makler, Sachverständige und Anlagevermittler tätig. In diesem Sinne verursacht auch Stadtplanung Kosten für Workshops, Konferenzen und Beteiligungsverfahren. Sie stellen Konfliktvermeidungskosten dar, indem sie Transaktionen erleichtern. Verhandlungs- und Entscheidungskosten: Hierbei gilt es, Transaktionen rechtlich abzusichern. Baugenehmigung, Notargebühren sowie Grunderwerbssteuer sind bei Immobiliengeschäften oft unumgänglich. Verbindliche Bauleitpläne oder Formulare wie bei Mietverträgen können den Verhandlungsaufwand senken. Überwachungs- und Durchsetzungskosten (ex-post): Hausverwaltungen sorgen für den reibungslosen Ablauf von Mietverhältnissen, Banken verwalten Darlehen und setzen Forderungen ggf. bei Gericht durch, die Stadtverwaltung kontrolliert die Einhaltung der Bauordnung. Schließlich müssen Rechte Dritter abgelöst werden wie Grundsteuer, Umweltauflagen und Netzanschlüsse. All diese Faktoren schlagen bei Immobilienprojekten zu Buche. Vereinfacht gesagt entstehen Transaktionskosten bei der Suche nach Handelspartnern wie Mietern und Investoren und bei der Absicherung von Verträgen (Webster/Lai 2003: 42). Während Wohnungssuchende und Amateurvermieter ihre „freie Zeit“ dafür opfern können, verursachen Informationsbeschaffung und Verhandlungen bei professionellen Wohnungsunternehmen bilanziell wirksame Transaktionskosten. Die Existenz von Transaktionskosten aufgrund von allgemeinen Unsicherheiten und individueller Risikovermeidung stellt die Effizienz von Immobilienmärkten und ihre Überlegenheit als Instrument zur Allokation von Flächen in Frage. Die höchsten Transaktionskosten sind im Bau- und Bodenmarkt zu erwarten, die Nutzung des Wohnungs- und Kapitalmarktes ist wegen der besseren Informationslage billiger. Die Transaktionskosten bei komplexen Stadtumbaumaßnahmen werden selten vollständig berücksichtigt, ihre genaue Höhe zu erfassen ist schier unmöglich: „Transaction costs are often hidden, indirect and are not at all quantifiable (in terms of money, man hours) by the people involved in the development process“ (Buitelaar 2007: 8). Unabhängig von den realen Zahlungen können schon die Erwartungen über die Existenz und die Höhe von Transaktionskosten Marktbewegungen vereiteln.
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Denkweisen im Sinne von „Dieser Aufwand lohnt sich nicht“ können dazu beitragen, bestehende und ineffiziente Strukturen zu verfestigen. Daher lohnt es sich, den Einfluss von Transaktionskosten auf die Stadtentwicklung zu untersuchen. Die Befragung von Akteuren im Immobilienmarkt kann Hinweise auf Hanlungshemmnisse liefern, die mit den bestehenden Instrumenten nicht erfasst werden. Abhängig von ihrem Informationsstand und ihrer Machtposition neigen Handelspartner dazu, die Transaktionskosten auf den anderen oder den Staat abzuwälzen. Angesichts der geringen Gewinnaussichten und des hohen Risikos in schrumpfenden Städten sinkt die Bereitschaft der Eigentümer, Transaktionskosten zu übernehmen. Entsprechend nimmt der Druck auf die Stadtplanung zu, Informationen bereitzustellen und Handelshindernisse zu beseitigen. In einem Mietermarkt ist es kaum noch möglich, Transaktionskosten wie Maklergebühren durchzusetzen, was die Vermieter zusätzlich belastet. Die Höhe der Transaktionskosten hängt von drei Faktoren ab (Mayer 1996: 37; Richter/Furubotn 1999: 49; Buitelaar 2007: 32; alle mit Bezug auf Williamson 1985): Gegenseitige Abhängigkeit: Je kleiner der Markt und je mehr die Tausch-
partner aufeinander angewiesen sind, desto höher wird der individuelle Verhandlungs- und Kontrollaufwand. Die Gefahr der Vorteilsnahme wächst. Vor allem ortsfremde Wohnungseigentümer oder anonyme Anleger sind von Vermittlungsinstanzen wie Hausverwaltungen abhängig. Unsicherheit: Je größer der Bedarf an Informationen, desto höher wird der zeitliche und finanzielle Aufwand zu ihrer Beschaffung. Dauer und Häufigkeit: Je länger ein Mietverhältnis andauert oder je öfter eine Transaktion stattfindet, desto geringer wird der Aufwand. Dies bedingt Vertrauen in den Geschäftspartner. In einem vollkommenen Markt ist eine Transaktion ein einmaliger Austausch mit vorhersehbarem Ergebnis. Sie ist nicht geplant, sondern folgt intuitiv und spontan aus den kurzfristigen Veränderungen von Angebot und Nachfrage. Vollkommene Märkte brauchen daher keine Planung. Hierbei könnten alle Externalitäten durch die Marktteilnehmer selbst verhandelt werden, hohe Transaktionskosten verhindern dies jedoch (Adams 2005: 14). Diesem unrealistischen Extrem stehen in der Realität lang andauernde, informationsintensive und produktspezifische Austauschbeziehungen gegenüber, die die Integration der Prozesse in Organisationen fördern und entsprechend auch Koordination und Planung benötigen (Alexander 2001: 5). In der Fläche kommen noch Translokationskosten für die Verlagerung von Nutzungen hinzu (Evans 2004a: 138). Daher reagiert der Immobilienmarkt nur sehr träge auf Veränderungen. Je größer die Strukturen, desto komplexer werden die Planungs- und Abstimmungsprozesse.
Informationsdefizite und Transaktionskosten
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Übertragen auf die Stadt heißt dies, dass die Transaktionskosten mit der Bauund Einwohnerdichte steigen (Webster/Lai 2003: 45). Je größer die Arbeitsteilung und die Spezialisierung, desto höher die Transaktionskosten (Richter/ Furubotn 1999: 59), was bis zu Handlungsblockaden der beteiligten Akteure führen kann. Dann müssen Hierarchien eingreifen (Micelli 2002: 151 mit Bezug auf Coase 1960). Die Schaffung und Umsetzung hierarchischer Kontroll- und Steuerungssysteme verursacht aber selbst wiederum Kosten (Webster/Lai 2003: 175). Eine Top-Down-Planung unter Marktbedingungen verursacht daher einen extremen Aufwand zur Informationsbeschaffung und Durchsetzung, andererseits erfordern auch die vielfach propagierten kooperativen Lösungen Verhandlungskosten, die oft vernachlässigt werden (Jakubowski/Pauly 2005). Innerhalb von Organisationen etablieren sich wiederum eigene Verfahrensregeln. Es entstehen Pfadabhängigkeiten, weil sich Verfahren und Handlungsmuster einschleifen und verfestigen (North 1990; Keogh/ D’Arcy 1999). Transaktionskosten lassen sich nie auf Null reduzieren. Insofern lassen sich Handlungsalternativen und Steuerungsformen nur relativ zu einander bewerten (Alexander 2001: 6). Ein hoher Verfahrensaufwand kann dann gerechtfertigt sein, wenn auch die Ergebnisse von höherer Qualität sind. Voraussetzung für die Wirkung der meisten Steuerungsinstrumente ist jedoch, dass überhaupt Marktaktivitäten stattfinden, d. h. ein grundlegendes Kaufinteresse vorhanden ist. In schrumpfenden Städten ist der Handel in einigen Segmenten wie Ruinen und Brachen zum Erliegen gekommen. In diesen Fällen kann auch die Übernahme von Verhandlungskosten keine Marktbewegung anregen. Prozesse optimieren Aus ökonomischer Sicht gilt es, die Kosten für Transaktionen durch mehr Transparenz und Sicherheit zu senken. Ziel ist es, die Marktprozesse zu erleichtern und zu beschleunigen (vgl. Richter/Furubotn 1999: 76), da mehr Wettbewerb und mehr Transaktionen eine effizientere Flächennutzung begünstigen. Als Nebeneffekt steigert ein höherer Flächenumsatz gleichzeitig auch die Profite von Agenten wie Maklern und Anlagevermittlern. Umgekehrt wählen und wechseln die Mieter ihre Wohnung nicht allein aus Effizienzgründen. Neben offen liegenden Kosten wie den Notargebühren wirken auch lokale und branchenspezifische Gepflogenheiten auf die Kostenstruktur eines Projektes (Keogh/D’Arcy 1999: 2410). Die Erleichterung von Transaktionen in Altbauquartieren kann die Wechsel- und Abnutzungsrate erhöhen, andere Institutionen wie der Denkmal- und Mieterschutz bremsen wiederum den Wandel. „Dieser geringeren Häufigkeit von Transaktionen sind Stadtbilder geschuldet, die uns heute als erhaltenswert erscheinen“ (Mayer 1996: 37). Der Staat handelt nicht nur als Vermittler öffent-
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
licher Interessen, sondern produziert als Organisation eigene Transaktionskosten und tritt selbst als Marktteilnehmer auf, oft mit unzureichenden Informationen und unklaren Zielen. Politische Entscheidungen zur Stadtentwicklung fallen daher nicht in einer logischen und transparenten Weise (Adams 2005: 42). Eine Kostensenkung ist nicht immer erwünscht, da Transaktionen oder ihre Behinderung neben der ökonomischen Logik auch wichtige kulturelle und soziale Funktionen erfüllen (Guy/Henneberry 2000). Ein unlösbares Problem bleibt daher die Bestimmung eines ökonomischen Optimums, da es von den einzelnen Marktteilnehmern und der Gesellschaft sehr unterschiedlich definiert wird. In der Neuen Institutionenökonomik sind Transaktionskosten der wichtigste Anlass zur Bildung von Institutionen (Kap. 3.3), die in Form von Gesetzen, Regeln und Verfahren auch den Immobilienmarkt prägen. Transaktionskosten dürfen allerdings nicht als einzige Erklärung von baulichen und sozialen Strukturen herangezogen werden (Ball 1998: 1503). Der Wandel von Wohnpräferenzen, Bauverfahren und Finanzierungsmodellen zieht einen stetigen Wandel der Institutionen nach sich (Adams 2005: 44). Im Bereich des Stadtumbaus gibt es einige Beispiele: So ist das Baugesetzbuch um ein temporäres Baurecht und einen flexibleren Einsatz von städtebaulichen Verträgen erweitert worden. Das Wohneigentumsgesetz erlaubt nun in Einzelfällen auch Mehrheitsentscheidungen. Auch die Förderprogramme und Stadtentwicklungskonzepte werden laufend fortgeschrieben. Der jeweilige Informations- und Verhandlungsaufwand beim Einsatz dieser Instrumente bleibt ex ante jedoch unklar und kann nur in der Praxis bestimmt werden. Die Kosten, um den Markt hin zu einem effizienteren Ergebnis zu bewegen, bleiben häufig unberücksichtigt (Keogh/D’Arcy 1999: 2402). Geeignete Steuerungsformen hängen daher nicht nur vom angestrebten Ergebnis, sondern in hohem Maße auch vom Lösungsaufwand ab. „Der Maßnahmenkatalog der räumlichen Planung könnte um die bewusste Erhöhung/Senkung und Verteilung von Transaktionskosten erweitert werden“ (Mayer 1996: 31). Bisher befasste sich lediglich ein Projekt des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus der BBR mit „Transaktionskosten als Indikator zum Vergleich von Governance-Strukturen“ (Jakubowski/Pauly 2005). Bei der Veränderung von Institutionen entstehen wiederum Transformationskosten, die den Wechsel zu einem effizienteren Standard verhindern (Buitelaar 2007: 8; Werle 2007: 126). „Es gibt viele Lösungen für verschiedene Probleme, ihre Auswahl ist ein schwieriger und zeitraubender Prozess“ (Elinor Ostrom in Richter/Furubotn 1999: 130). Politikprozesse sind oft nicht daraus ausgerichtet, Transaktionskosten zu reduzieren oder Verfügungsrechte marktgerecht zu optimieren (Adams/Dunse/White 2005: 44). In vielen Fällen werden zusätzlich neue, spezialisierte Institutionen geschaffen.
Institutionen
3.3
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Institutionen
Institutionen bestimmen das Verhältnis zwischen den Marktteilnehmern und beeinflussen ihre Handlungen. Oliver E. Williamson (1985) beschrieb die Funktionen von Institutionen in seinem Buch „The Economic Institutions of Capitalism“. Regeln, Verträge und Routinen sollen die Transaktionskosten der Marktteilnehmer senken und so freiwillige Tauschbeziehungen anregen, die letztlich den gesellschaftlichen Nutzen mehren. „In the jargon of the economist, institutions define and limit the choices of individuals (North 1990: 4).“ Für die Stadtund Immobilienentwicklung gibt es keine eindeutige Definition von Institutionen (Ball 1998: 1506), oft wird der Begriff auf staatliche Organisationen verengt. Im ökonomischen Sinne stellen die Institutionen jedoch die Spielregeln dar, Organisationen entsprechen den Mannschaften. Die Entwicklung allgemein gültiger Spielregeln, die auch die Bildung von Mannschaften vorsehen, ist daher nicht mit dem internen Training und der Aufstellung zu verwechseln (North 1990: 5). Beispiele für die hier verwendete Definition von Institutionen sind Privateigentum, Baugesetzbuch, Mietverträge oder der Verhaltenskodex eines Maklerverbandes. Dagegen bezieht sich der Begriff Organisation auf Parteien, Stadtverwaltung, Wohnungsunternehmen oder Vereine. In der vorliegenden explorativen Fallstudie werden diejenigen Institutionen gesucht, die die Handlungen von Eigentümern und ihren Organisationen in Altbauquartieren am Stärksten beeinflussen (Kap. 8). Formelle Institutionen im Sinne der Neuen Institutionenökonomik sind die verbindlichen Spielregeln des Marktes und die Verträge zwischen den Spielern, wie sie in Gesetzen und Geschäftsbedingungen verankert sind. Dies schließt den Einfluss von informellen „alten Institutionen“ wie persönliche Tugenden, Traditionen und lokale Gepflogenheiten jedoch nicht aus (Adams/ Dunse/White 2005: 48f; Schimank 2007: 163). Grundsätzlich sind zwei Arten von staatlichen Rahmenbedingungen bzw. Institutionen zu unterscheiden (Needham 2006: 12): Öffentliches Recht begründet staatliche Hierarchien. Es legitimiert poli-
tische Entscheidungen und hoheitliche Eingriffe. Privatrecht ermöglicht und sichert Verträge. Die Marktteilnehmer han-
deln freiwillig und unter Wettbewerbsbedingungen. Hoheitliche Maßnahmen, die auf öffentlichem Recht fußen, tendieren zu pauschalen und im Detail unangemessenen Lösungen oder Belastungen. Andererseits sind nur auf dieser Ebene öffentliche Güter und der Schutz vor negativen Externalitäten organisierbar. An privatrechtlichen Verträgen sind dagegen nur zwei Parteien beteiligt, was eine kreativere und flexiblere Nutzung von Verfügungsrechten erlaubt (Needham 2006: 141). Viele Ökonomen bevorzugen daher,
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
soweit dies in einer Stadt möglich ist, private und spontane Marktlösungen, da sie Bedürfnisse zielgenauer befriedigen können (Webster/Lai 2003; Evans 2004b; Gawel 2005). Eine dritte Kategorie bilden informelle Instrumente wie Konzepte und Absprachen, deren Wirksamkeit aufgrund des hohen finanziellen Einsatzes und mangelnder Planungssicherheit im Stadtumbau umstritten ist. Die Aufstellung in Abb. 4 trifft keine Aussagen zur Wirksamkeit und Bedeutung der Institutionen, sondern dient der Veranschaulichung der Kategorien.
Ebene
Institutionen formell
Makro
Mikro
informell
Öffentliches Recht
Privatrecht
Sitten, Gebräuche
Kommunale Planungshoheit
Schutz des Eigentums
Kultur, Gesellschaft
BauGB, BauO Städtebauförderung Sonderabschreibung
BGB: Mietrecht Nachbarrecht Schuldrecht
Gruppen Vereinsziele Netzwerke
Wohngeld Baugenehmigung Steuerbescheid
Mietvertrag Kaufvertrag Darlehen
Wohngemeinschaft
Abb. 4: Grundtypen von Institutionen im Immobilienmarkt
Institutionen sind von den Betroffenen anerkannte Anreiz- und Abschreckungssysteme, sie sollen Verhalten lenken. Einige Handlungsweisen und Marktteilnehmer werden bevorzugt, andere werden diskriminiert. Institutionen sind ein Produkt kollektiver Entscheidungen und haben sich oft über eine lange Zeit entwickelt. Institutionen können unter staatlicher Regie, in privater Initiative oder in Mischformen bestehen. Auf der Makroebene sind sie stabil und ändern sich nur sehr langsam oder durch Revolutionen (vgl. North 1990: 83f). Die wichtigste formale Institution für die Marktwirtschaft ist die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (GG Art. 14; Davy 2006: 58). Diese Garantie erstreckt sich nicht nur auf das dingliche Haus oder Grundstück, sondern auch auf die abgeleiteten Verfügungsrechte wie Mietverträge, Baulasten und Grundschulden. Eine besondere staatliche Eigentumsgarantie zur Sicherung privater Verträge stellt die Grundschuld als wichtigstes Mittel der Immobilienfinanzierung dar: „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen
Institutionen
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ist.“ (BGB § 1191,1). Die Grundschuld als gängigste Form der Belastung einer Immobilie ist anders als das veraltete Instrument der Hypothek nicht an den aktuellen Betrag der Restforderung eines Gläubigers gebunden. Die Belastung bleibt bis zum Ablauf der Tilgung in voller Höhe im Grundbuch bestehen, was den Immobilienhandel in Form verbriefter Darlehen auf dem Kapitalmarkt ermöglicht. Auf der mittleren institutionellen Ebene sind Politikzyklen relevant, wie z. B. beim Förderprogramm Stadtumbau Ost. Auf der Mikroebene der Individuen und einzelnen Häuser ist dagegen ein schnellerer Wandel möglich. „Institutional change will only contribute to collective or social efficiency where the interests of those with the bargaining power to create new rules coincide with the interests of the wider society” (Keogh/D’Arcy 1999: 2409). Die Institutionen müssen zur Gewährleistung von Kooperation, Schutz und Kontrolle gleichzeitig stabilisierend wirken, aber auch flexibel auf neue Anforderungen reagieren. Robuste, dauerhafte Institutionen stehen situationsabhängigen und instabilen Konstellationen gegenüber. Kollektiventscheidungen werden tendenziell mit Gesetzen (Institutionen 1. Ordnung) abgesichert, individuelle Einzelentscheidungen per Vertrag auf der Basis von Gesetzen (Institutionen 2. Ordnung). „Rational gestaltete formale Institutionen müssen Platz für die Entwicklung informeller Arrangements lassen“ (Richter/Furubotn 1999: 29). Institutionen und die Bildung von Organisationen zu ihrer Durchsetzung oder Anwendung erfordern grundsätzlich den Einsatz zumeist knapper Ressourcen. Ältere ökonomische Theorien besagen, dass Märkte und ihre konstituierenden Institutionen sich von allein auf eine größere Effizienz hinbewegen, aber dafür gibt es weder einen allgemein gültigen Maßstab noch empirische Evidenzen. Grundsätzlich bedingt die Unvollkommenheit von Informationen die Unvollkommenheit von Institutionen (Richter/Furubotn 1999: 18). Dass Marktkräfte die Wirtschaftsordnung zu mehr Effizienz drängen würden, ist eine sehr optimistische Sichtweise (ebd.: 119). Vielmehr können sich eingefahrene Handlungsmuster im Sinne eines „Lock-in“ verfestigen (Werle 2007). „Once a development path is set on a particular course, the network externalities, the learning process of the organizations, and the historically derived subjective modeling of the issues reinforce the course“ (North 1990: 99). Die Gestaltung von Institutionen steht “im langen Schatten der Vergangenheit“, wirkt aber auch lange in die Zukunft und steht somit im Konflikt mit kurzfristigen Projekten (Schimank 2007: 170). Ein Beispiel für Pfadabhängigkeit von Institutionen der Stadtentwicklung ist die Städtebauförderung, die in den über 30 Jahren seit ihrer Entstehung ein komplexes Geflecht aus mehreren Politik- und Verwaltungsebenen, Sanierungsträgern und externen Planern hervorgebracht hat (Walter 2001). Das aufwändige und bürokratische Funktionsprinzip ist trotz der hohen Transaktions-
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
kosten sowohl auf die östlichen Bundesländer als auch auf neue Programme wie soziale Stadt und Stadtumbau Ost übertragen worden. In einer Marktwirtschaft gelten theoretisch folgende Grundannahmen zur ökonomischen Analyse der Effizienz von Institutionen (Richter/Furubotn 1999: 132): Methodologischer Individualismus: Im Mittelpunkt steht das Handeln
von Einzelpersonen entsprechend ihren eigenen Ressourcen. Maximierung: Die Beteiligten streben nach einer Maximierung ihres
Nutzens. Unvollkommene Rationalität: Informationsdefizite bedingen unvollstän-
dige Verträge. Opportunismus: Wenn es Möglichkeiten zur Vorteilsnahme gibt, werden
sie genutzt. Wettbewerb: Die Beteiligten konkurrieren um knappe Ressourcen. Freie Entscheidung: Es herrscht kein Zwang, die Transaktion zu voll-
ziehen. Überwachung und Durchsetzung: Abweichungen von den Regeln wer-
den sanktioniert. Staatliche und kommunale Steuerungsinstrumente, die Ressourcen wie Subventionen gezielt zuweisen, den individuellen Nutzen mittels rechtlicher Schranken zugunsten der Allgemeinheit begrenzen, Informationen in Form von Plänen bereitstellen oder Handlungen erzwingen, greifen erheblich in den Markt ein und verzerren ihn. In der Praxis erfüllen die meisten Institutionen noch viel mehr Funktionen als nur die Unterstützung des Marktes oder eines bestimmtes Segmentes. Ein Großteil der städtischen Gesellschafts- und Raumstrukturen sind das Produkt von Institutionen und Transaktionen auf den Immobilienmärkten. Eine Evaluierung von öffentlichen Institutionen wie Plänen und Förderungen anhand rein ökonomischer Kriterien ist wenig sinnvoll. Gerade für das komplexe Feld des Stadtumbaus gibt es einen bunten Strauß von Zielen und einen kaum durchschaubaren Instrumentenmix, der eine Beurteilung der Wirksamkeit erschwert (Weith 2007). Neben gewünschten öffentlichen Zielen wie der Aufwertung einzelner Quartiere entstehen oft Nebenwirkungen wie die Verdrängung sozialer Gruppen. Städtebauliche Ziele werden zumeist mit sozialer Stabilisierung und Wirtschaftsförderung verknüpft, so dass jegliche Regelung oder Subvention zumindest in einem der Politikfelder als Erfolg verbucht werden kann, und sei es auf indirekte Weise. So können Maßnahmen im Wohnungsmarkt über die Mietshäuser auf den Kapitalmarkt zurückwirken und umgekehrt. Letztlich bleibt als Kriterium für die Errichtung von Institutionen zum Stadtumbau nur eine politische Abwägung der
Institutionen
65
Folgen, was eine rein ökonomische Optimierung in Frage stellt. Ungeachtet ihrer Wirkungen bieten Institutionen ein Mindestmaß an Orientierung und Stabilität auf den Märkten. Wenn die Politik allerdings ähnlich unsicher wie die Marktteilnehmer auf die Schrumpfung reagiert und ihre Instrumente ständig nachbessert, schwindet das Vertrauen in die Institutionen (Adams/Dunse/White 2005: 51).
3.4
Steuerungsinstrumente für den Immobilienmarkt
Die folgenden Ausführungen gehen auf diejenigen Institutionen des öffentlichen Rechts ein, die die Rahmenbedingungen für die Stadtentwicklung und damit auch für den Stadtumbau setzen. Mit Steuerungsinstrumenten sind hier Institutionen gemeint, die sich im Vergleich zum Grundgesetz politisch relativ flexibel einsetzen und verändern lassen. Dabei sind grundsätzlich drei Arten von staatlichen Eingriffsmöglichkeiten in den Immobilienmarkt zu unterscheiden: Allgemeine Rechtsansprüche und Pflichten: Alle Marktteilnehmer, die
mit Verfügungsrechten an Immobilien handeln, unterliegen überall den gleichen Spielregeln ohne Rücksicht auf lokale Besonderheiten. Ortspezifische Pläne und Förderungen: Hierbei gelten für ausgewiesene Gebiete eigene Handlungsziele und Regeln. Der Staat bzw. die Kommune kann Verfügungsrechte räumlich gezielt einschränken oder erweitern, insbesondere die Art und das Maß der Nutzung. Außer Subventionen können auch öffentliche Planungsinformationen wie Stadtentwicklungskonzepte private Akteure abschrecken oder anregen. Hoheitliche Maßnahmen und Eingriffe: Unabhängig vom individuellen Verhalten der Marktteilnehmer setzt der Staat Maßnahmen durch, sei es, indem er selbst baut oder Private dazu zwingt. Durch diese Aktivitäten, die außerhalb des Wettbewerbs stattfinden, wird das Marktumfeld für private Akteure beeinflusst. Die Verfügungsrechte werden dabei allein vom Staat ausgeübt, der auch die Kosten übernehmen muss. Privatrechtliche und informelle Institutionen wie Verträge und Absprachen von Akteuren untereinander und mit dem Staat sind Gegenstand von Kapitel 4, das genauer auf die individuellen Handlungsmotive, Blockaden und Kooperationen der Akteure eingeht. Die meisten öffentlich-rechtlichen Instrumente zielen auf die Steuerung freiwilliger Marktaktivitäten, die im Wettbewerb miteinander stattfinden (Abb. 5). Mit dem Planungsrecht (BauGB) bestehen umfangreiche Möglichkeiten der Steuerung von Art und Maß der Nutzung im Raum (Wüstenrot Stiftung 2003). Indem der Staat den Rahmen setzt, bestimmt er gleichzeitig die Verteilung der
66
Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Planungsgewinne (Evans 2004b: 89f). Die Instrumente sind überwiegend auf Wachstum orientiert, indem sie für Investitionen sowohl Anreize schaffen als auch Grenzen setzen (Tiesdell/Allmendinger 2005: 74f). Traditionell sichern rechtliche „Leitplanken“ wie Flächennutzugs- und Bebauungspläne eine funktional abgestimmte (Neu-)Bautätigkeit und Stadterweiterung. Aber selbst wenn ein Plan für die Gesamtstadt den größten Nutzen bringt, werden stets einzelne Grundeigentümer begünstigt oder benachteiligt. Diese Form von Verteilungspolitik verursacht hohe Transaktionskosten und produziert immer Gewinner und Verlierer. Aber auch der Marktmechanismus selbst lebt von Ungleichgewichten und kann diese verstärken. Einer reinen Preissteuerung steht immer die Notwendigkeit planungsrechtlicher Beschränkungen gegenüber, was einen PolicyMix erfordert (Gawel 2005).
Marktsteuernde Instrumente Marktebene
Gesetze, Verordnungen allgemeiner Rechtsanspruch
Fördermittel Kommune (Bund/Land/Kommune) Stadtplanung kommunalpolitische Entscheidung/ fallweise Genehmigung/Bewilligung
Wohnungsmarkt
Wohngeld, Wohn- Wohnungsbauförderung** kostenzuschuss, Eigenheimzulage* Umzugsprämie***
Mietenpolitik kommunaler Unternehmen
Bau- und Bodenmarkt
Stadtumbau Ost BauGB, BauNVO, Stadterneuerung Bauordnung Denkmalschutz
Fördergebiete Baugenehmigung Bodenpreispolitik
Investitionszulage Kapitalmarkt Sonder-AfA KfW-Kredite
Vergünstigte Darlehen (im Sanierungsgebiet)
* Abgeschafft zum 31.12.2005 ** Besteht in vielen Bundesländern für selbstgenutztes Wohneigentum *** In Sachsen in der Diskussion (WELT-Online 24.06.2008)
Abb. 5: Öffentlich-rechtliche Instrumente zu Steuerung des Immobilienmarktes
Seit den 1970er Jahren trägt die Städtebauförderung dazu bei, auch verschlissene Altbestände und Quartiere in einen neuen Nutzungszyklus zu bringen. Die Verschiedenheit der Hauseigentümer und ihrer Handlungsfähigkeit bei der Sanierung wurde schon früh als Problem erkannt und beforscht (Westphal 1979;
Steuerungsinstrumente für den Immobilienmarkt
67
BMBau 1982). In den Städten, die in der DDR lagen, bestand der Instandsetzungs- und Modernisierungsbedarf allerdings nicht wie in Westdeutschland nur in wenigen ausgewählten Quartieren, sondern im gesamten Stadtgebiet. Die Bedeutung von strategischer Planung nimmt unter Schrumpfungsbedingungen daher zu (Weidner 2005). Im Rahmen ihrer Stadtentwicklungskonzepte setzten viele Städte räumliche Prioritäten für den Stadtumbau, in dem sie u. a. konsolidierte Quartiere, Erhaltungs- und Umstrukturierungsgebiete auswiesen (BMVBW 2003: 31). Bald darauf stellte die Begleitforschung jedoch ein Umsetzungsdefizit in Altbauquartieren fest, da einige Bestände weiter verfielen (Liebmann 2004; BMVBS 2007a). Dies kann auf die Tatenlosigkeit von Marktteilnehmern, aber auch des Staates und der Kommunen zurückzuführen sein. Die Aufgliederung der Instrumente auf die Marktebenen zeigt, dass einigen Bundesgesetzen insbesondere auf den Marktebenen für Wohnungen und Kapital keine analogen, kommunalen Instrumente gegenüberstehen, die den Städten eine kleinräumige, räumliche Steuerung ermöglichen könnten (Abb. 5). Diese blinden Flecken gilt es im Verlauf der Untersuchung näher zu beleuchten. Viele staatliche und kommunale Institutionen zur Stadtentwicklung beeinflussen den Immobilienmarkt durch Subventionen für den Bau oder die Sanierung. Diese finanziellen Anreize schaffen jedoch zunächst nur Optionen, aber noch keine reale Bautätigkeit, da jegliche Veränderung die bestehenden Verfügungsrechte und zukünftigen Ertragsmöglichkeiten einschränken würde (Sotelo 2001: 154; Weiß 2008: 245). Diese Handlungsschwelle, die durch den Vergleich der Opportunitätskosten verschiedener Alternativen entsteht und durch mangelnde Nachfrage noch erhöht wird, soll durch Subventionen überwunden werden. Dies kann wiederum entsprechende Spekulationen auf Fördermittel auslösen (Pfeiffer 2004). Warum soll ein Hauseigentümer heute sanieren, wenn morgen ein Investor kommen könnte oder ein neues Förderprogramm aufgelegt wird? Zwischen den beiden Instrumententypen der staatlichen Steuersubventionen und der lokalen Fördermitteln für Sanierungs- und Stadtumbaugebiete ergeben sich Zielkonflikte. Steuererleichterungen wirken zwar schnell, aber sozial selektiv auf Inhaber von Investitionskapital. Auf dem Weg zur konkreten Baustelle laufen die Hilfen oft über den Umweg des Finanzmarktes, so dass die Interessen anonymer und ortsfremder Anleger sowie Banken die Belange der Stadtentwicklung überwiegen können. Die Transaktionskosten sind in dieser Variante zwar niedrig, die räumliche Steuerungswirkung bleibt aufgrund des allgemeinen Rechtsanspruchs aber ebenfalls äußerst gering. Direktsubventionen für unrentierliche Baukosten in räumlich abgegrenzten Fördergebieten können dagegen viel gezielter in Stadtumbauprojekte gelenkt werden, es entstehen aber hohe Transaktionskosten durch aufwändige Planungs- und Entscheidungsverfahren auf mehreren Ebenen. Die gebietsbezogene Städtebauförderung u. a. mit ihren Pro-
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
grammen Sanierung und Stadtumbau Ost wird daher seit Jahren kritisch diskutiert, ohne sie jedoch grundsätzlich in Frage zu stellen (Schmidt-Eichstaedt 2003: 701; BMVBS 2008a). Wenn aufgrund der Schrumpfung die Wohnungsnachfrage abnimmt, dann geht die Wirkung der planungsrechtlichen Beschränkungen verloren, da der Gebäudebestand und die ausgewiesenen Bauflächen zu groß werden. Aber nicht nur der Bau- und Bodenmarkt ist Gegenstand von Eingriffen. Sachsen hat eine Umzugsprämie angekündigt, die Mieter in die Altbauquartiere lenken soll (WELTOnline 24.06.2008). Angesichts des Leerstandes steigt die Anziehungskraft finanzieller Instrumente und damit die Gefahr von Fehlanreizen. Die einseitige Förderung von Verfügungsrechten kann leicht eine Überproduktion oder Mitnahmeeffekte zur Folge. Dabei können die Impulse und Reaktionen von den unterschiedlichen Marktebenen ausgehen und sich gegenseitig verstärken. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, die sich für die ostdeutschen Innenstädte als kontraproduktiv herausgestellt haben, sind die übergroßen Baulandausweisungen der 1990er Jahre, verstärkt durch die Eigenheimzulage und das Fördergebietsgesetz. Um die Subventionen herum entstanden spezialisierte Teilmärkte wie das Bauträgergeschäft. Die Frage, wie die aktuell bestehende Konstellation von Stadtumbau-Instrumenten auf die Altbauquartiere wirkt, ist Gegenstand der Fallstudie (Kap. 8). Im Falle unzureichender oder fehlender Reaktionen auf die marktsteuernden Instrumente, wie es die Perforation von Altbauquartieren vermuten lässt, kann der Staat direkt eingreifen. Indem er hoheitlich handelt oder selbst als Marktteilnehmer auftritt, beschränkt er sich nicht nur auf die Rahmensetzung, sondern übt sein Verfügungsrecht über Art und Maß der Nutzung unmittelbar selbst aus (Hackenbroch 2007: 87). Bezogen auf den Immobilienmarkt und die in Kap. 3.3 dargestellten Effizienzkriterien bilden diese Institutionen allerdings eine eigene Kategorie (Abb. 6), da sie dem Prinzip der Freiwilligkeit individueller Handlungen zuwiderlaufen. Zur Abwehr von Gefahr im Verzug oder zum Schutz historisch wertvoller Gebäude kann die Kommune auch in Privateigentum eingreifen, indem sie städtebauliche Gebote und Verbote erlässt (BauGB § 175ff). Unter besonderen Voraussetzungen ist die Enteignung, Umlegung bzw. Neuaufteilung von Grundstücken möglich (BauGB § 45ff). Wenn diese Zwangsoder Bodenordnungsmaßnahmen jedoch, wie in schrumpfenden Städten zu erwarten, keine Planungsgewinne durch nachfolgende, höherwertige Nutzungen bringen, fallen die Kosten für den Ausgleich dieser Planungsschäden auf die Kommune zurück. Dieses Eingriffsinstrumentarium stößt jedoch schnell an die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes und den Bestandsschutz (Schmidt-Eichstaedt 2003: 699). Im Falle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit kann der betroffene Eigentümer die Übernahme seines Grundstückes verlangen (BauGB §
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Steuerungsinstrumente für den Immobilienmarkt
39ff). Daher stellen teure Zwangsmaßnahmen, die zudem aufwändig zu planen und gerichtsfest zu beschließen sind, im Stadtumbau die absolute Ausnahme dar (Lege 2005). Liegenschaft
Aktiver Einsatz staatlicher Verfügungsrechte als hoheitliche/öffentliche Maßnahme
als Marktteilnehmer im Wettbewerb
öffentlich
Maßnahmen im öffentlichen Raum Straßen und Plätze, Infrastruktur
Kommunaler Liegenschaftspool Kommunale Gesellschaften
privat
Städtebauliche Gebote und Verbote, Umlegung, Enteignung
Kauf von Belegungsrechten Städtebauliche Verträge, PPP
Abb. 6: Aktive staatliche Eingriffe in den Bau- und Bodenmarkt
Eine zweite Form direkter staatlicher Eingriffe stellt die aktive Teilnahme am Wettbewerb mit eigenen Immobilienbeständen dar. Als kollektiver Akteur kann der Staat das ökonomische Effizienzkriterium von Nutzen maximierenden Individuen unterlaufen und die Preise beeinflussen. Ein Beispiel wäre der strategische Einsatz kommunaler Liegenschaften. Typische Maßnahmen sind der Straßenbau und die Anlage von Plätzen und Grünflächen. Mit der Aufwertung des öffentlichen Raumes schafft der Staat neue Lagequalitäten und Marktchancen, sofern eine Nachfrage besteht. Ähnlich verhält es sich mit städtebaulichen Verträgen, bei denen Private in Kooperation mit der Stadt öffentliche Güter herstellen (Bunzel et al. 1995). Ein Beispiel im Stadtumbau sind Gestattungsverträge für temporäre Grünflächen (www.flaechen-in-leipzig.de). Der Ertrag einer solchen Kooperation kann letztlich nur politisch bestimmt werden (Kap. 4.3). In einer Public Private Partnership beteiligt sich der Staat am unternehmerischen Risiko (Bach et al. 2005: 186). Im Stadtumbau gibt es bisher allerdings nur feste Zuschüsse. Ein anderer Weg führt über den Einsatz kommunaler Tochterunternehmen z. B. für den Wohnungsbau, die allerdings ähnlichen Voraussetzungen wie die privaten Anbieter unterliegen. „Wenn die Stadt sich auf den Markt begibt, muss sie auch den Gesetzen des Marktes gehorchen (Häußermann/Siebel/Läpple 2008: 300). Dann können Konflikte zwischen dem öffentlichen Auftrag und den Anforderungen des Wettbewerbs auftreten. Einen Sonderfall stellt die Institution der öffentlichen Zwangsversteigerung dar (Kap. 8.3). Da Häuser und Grundstücke auch bei Totalverlusten auf dem Wohnungs- und Kapitalmarkt nicht vernichtet werden, sondern im Stadtbild und als Flächenressource bestehen bleiben, organisiert der Staat auf dem Bau- und
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Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen
Bodenmarkt einen künstlichen Wettbewerb, um einerseits den gesetzlichen Gläubigerschutz zu gewährleisten, aber auch um zu verhindern, dass die Immobilien herrenlos werden. Bei mangelnder Nachfrage und schlechtem Bauzustand kann es jedoch schwierig werden, bei Zwangsversteigerungen Bieter bzw. Nachnutzer zu finden. Davy (2007: 62) schlägt für untergenutzte Grundstücke einen „Aneignungswettbewerb“ mit Hilfe einer öffentlichen Ausschreibung vor. Eine Begutachtungskommission würde aus verschiedenen privaten Nutzungskonzepten das Beste im Sinne der vorab definierten Kriterien und Förderbedingungen auswählen. In stark schrumpfenden Städten und Quartieren dürfte die Teilnahme allerdings gering ausfallen, bei temporären oder scheiternden Konzepten wären häufige Wiederholungen nötig. Mancher potenzielle Immobilieninteressent dürfte die Öffentlichkeit und den Aufwand des Verfahrens scheuen oder direkte Verhandlungen bevorzugen, wenn er ein geeignetes Haus oder Grundstück für seine Nutzungsidee kennt. Als Stadtplaner hört man öfter den Satz: „Die Instrumente sind alle schon vorhanden, man muss sie nur anwenden.“ Hier wird die Rechnung ohne den Wirt gemacht, in dem Sinne, dass allein schon Gesetze und Pläne die Hauseigentümer zur Mitwirkung am Stadtumbau bewegen könnten. Der Glaube, dass Stadtplanung die Stadtentwicklung quasi von außen steuern könne, muss komplexeren Betrachtungen von Institutionen weichen, die das Verhältnis von privaten und gesellschaftlichen Verfügungsrechten regeln. Ohne klare Abgrenzung und Ausübung von Verfügungsrechten, wie dies bei leer stehenden Häusern und Brachen der Fall ist, entsteht Unsicherheit. Aus dieser Perspektive liegt das zentrale Problem schrumpfender Städte weniger im Verfall der Altbaukulisse, sondern vielmehr in der Aufteilung der Verfügungsrechte sowie in der Gestaltung des entsprechenden institutionellen Rahmens. Dieser muss einerseits einen flexiblen Transfer von Nutzungs-, Bau- und Ertragsrechten ermöglichen, andererseits aber auch Berechenbarkeit bieten. Somit verlangt der Stadtumbau keine Alternativentscheidung zwischen staatlicher Planung und Laisser-faire des Marktes, sondern wird zur Frage der Aufteilung der Risiken und Transaktionskosten, die bei den notwendigen Anpassungsprozessen auftreten.
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Individuelles und kollektives Handeln
Auf der Suche nach Erklärungen für das Mosaikmuster von sanierten und verfallenen Häusern liefern Marktlogik (Kap. 2) und Institutionen (Kap. 3) allein noch keine ausreichenden Erklärungen. Es gilt daher, auch die individuellen Handlungsmotive der Akteure zu hinterfragen. Transaktionen auf dem Immobilienmarkt können grundsätzlich auf drei Wegen zustande kommen (Van der Krabben 1995: 73; Buitelaar/Needham 2007: 4; Wald/Jansen 2007: 94): Markt: Wettbewerb mit privatrechtlichen Verträgen Hierarchien: Staatliche Autorität auf der Basis öffentlichen Rechts Beziehungen, Netzwerke: informelle, freiwillige Kooperation
Der ökonomische Entscheidungsrahmen des Eigentümers ergibt sich aus der Natur seiner Verfügungsrechte und den Bedingungen des Wettbewerbs (Richter/Furubotn 1999: 82). Nach der Diskussion des öffentlich-rechtlichen Handlungsrahmens (Kap. 3.4) liegt der Schwerpunkt hier auf den privatrechtlichen Handlungsoptionen von Individuen (Kap. 4.1). Die Weitergabe von Verfügungsrechten an Agenten (Kap. 4.2) sowie Kooperationen von Marktteilnehmern (Kap. 4.3) schaffen weitere Handlungsalternativen, aber auch Probleme.
4.1
Handlungsoptionen und Blockaden
Die Nutzung, der Bauzustand und die Ertragslage eines Hauses können nicht nur aus dem Summenspiel von Angebot und Nachfrage, sondern auch aus den agierenden Individuen und ihren Motiven heraus erklärt werden. Dieses Kapitel nimmt die Perspektive der Inhaber von Verfügungsrechten ein. Die hohe Kapitalintensität und Langlebigkeit von Immobilien legt einen ökonomischen Umgang mit den Herausforderungen des Stadtumbaus nahe. Es ist zu erwarten, dass rationale Eigentümer alle Kosten in ihre Entscheidungen einbeziehen. Unternehmerische Wohnungsanbieter sind gezwungen, alle Belastungen, einschließlich der Transaktionskosten und Risikoaufschläge, in ihre Kalkulation einzubeziehen, wenn sie nicht ihre Existenz gefährden wollen. Allein schon zur Instandhaltung sind sie auf einen Mindestertrag angewiesen und müssen eine Kosten deckende Miete erwirtschaften (Evans 2004a: 137f). Aber es gibt nicht nur rationale Mo-
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Individuelles und kollektives Handeln
tive im Umgang mit Immobilien. Bei einer Befragung von privaten Hauseigentümern zum Stadtumbau in schrumpfenden Städten erachteten drei Viertel der Befragten Abrisse grundsätzlich als notwendig, aber trotz hoher Leerstände kam bei 89 % das eigene Haus dafür nicht in Frage (ISW 2003: 106). Dieses Ergebnis legt die Vermutung nahe, dass die Eigentümer das Überangebot zwar als Problem wahrnehmen, aber selbst nicht entsprechend handeln wollen oder können. Zunächst werden hier die ökonomisch rationalen und dann die privaten Handlungsmotive diskutiert. Handeln nach den Regeln des Marktes Ökonomische Krisen beeinflussen das Marktverhalten von Eigentümern. Bei einem hohen Leerstand tendieren Wohnungsunternehmer dazu, ihren Planungshorizont zu verkürzen, was sie in ihren Handlungsmöglichkeiten weiter einschränkt. Dies geschieht in drei Stufen (Spieker 2005: 110). In einer strategischen Krise geht das Angebot längerfristig an der Nach-
frage vorbei. So wurden in den 1990er Jahren zu viele Wohnungen zu teuer saniert. Eine Erfolgskrise resultiert aus mangelnden Erträgen. In schrumpfenden Städten drücken Leerstand und eine hohe Zinsbelastung mittelfristig den Ertrag. Eine Liquiditätskrise führt kurzfristig zur Zahlungsunfähigkeit. Dies tritt oft bei akuten Mietausfällen in Verbindung mit einem hohen Anteil an Fremdkapital auf. In ihrer Entstehung folgen die Krisen aufeinander: Eine falsche Strategie gefährdet den Ertrag und führt letztlich zur Zahlungsunfähigkeit. Die Wahrnehmung erfolgt aber oft in umgekehrter Reihenfolge, so dass es für eine strategische Neuausrichtung zu spät ist (Spieker 2005: 111). Quersubventionen zwischen Unternehmenssparten und die mangelnde Berücksichtigung von Transaktionskosten verschleiern zusätzlich das Ausmaß der Gefahr. Hauseigentümer in einer schrumpfenden Stadt müssen daher ihre Strategie klären. Können sie das sinkende Schiff noch rechtzeitig verlassen oder wollen sie den Sturm aussitzen? Angesichts der Nachfragekrise bieten sich theoretisch zwei grundsätzliche Handlungsoptionen (Spieker 2005: 121; Beermann 2006: 58): Stay: Der Eigentümer bleibt im Markt aktiv. Hierzu muss er seine Stra-
tegie anpassen. Er kann sich auf eine ertragreiche Nische konzentrieren oder dem Preiswettbewerb auf dem Massenmarkt stellen. Exit: Der Eigentümer scheidet aus dem Markt aus. Entweder schafft er es, sein Haus rechtzeitig zu verkaufen oder mit Förderung abzureißen.
Handlungsoptionen und Blockaden
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Andernfalls muss er Leerstand, Verfall oder Abriss dulden. Insolvenz und Zwangsversteigerung stellen einen erzwungenen Exit dar. In beiden Fällen bleibt ein hohes Risiko. Privateigentümer eines einzelnen Mietshauses geraten leichter in eine existenzielle Krise als größere Vermieter. Diese können ihr Risiko breiter streuen oder durch Verkäufe, Anpassungen und Abrisse verringern. Größere Wohnungsunternehmen nutzen eher die Möglichkeiten der Finanzierungsoptimierung, der betriebswirtschaftlichen Effizienzsteigerung und des professionellen Vermietungsmanagements (BMVBS 2007c, Heftrich 2006). Für dieses Marktsegment liegen genauere betriebs- und volkswirtschaftliche Kalkulationsmodelle von Abrissen vor (Beermann 2006; Schmoll 2006). Neue Nutzungen und Umbauten stehen im Immobilienmarkt wegen seiner langen Bauzyklen und seiner geringen Transparenz vor großen Hürden. Damit gewinnen in schrumpfenden Städten neben der operativen Ertragsoptimierung bzw. Verlustminimierung weitere rationale, aber nur schwer quantifizierbare Handlungsmotive an Bedeutung, die im Stadtumbau als Bremsklötze wirken können: Unsicherheit (Schimank 2007: 163): Mangelnde Preissignale und Pla-
nungsunsicherheit erhöhen das Risiko von Entscheidungen. Es fehlt das Vertrauen in den Marktmechanismus und seine Institutionen. Entsprechend können eine sinkende Nachfrage und unklare politische Vorgaben Marktaktivitäten verhindern. Viele Stadtumbaukonzepte sind zu unpräzise und unverbindlich, um Entscheidungen darauf zu gründen. Opportunitätskosten (Evans 2004a: 98), Optionen (Sotelo 2001: 134; Weiß 2008: 251): Bei der Suche nach Verwertungsalternativen ist es vorab nur schwer abzuschätzen, ob sie den Eigentümer besser stellen bzw. Verluste begrenzen. So kann er es vorziehen, die letzten zahlenden Mieter aus Sorge, nach der Sanierung keine neuen mehr zu finden, zu halten. Ähnliche Hürden gelten für Umzugsentscheidungen von Mietern, die Inanspruchnahme von Fördermitteln oder die Nachverhandlung von Krediten. Die Marktteilnehmer verharren in ihrer Bestandssituation (lock in). Transaktionskosten (Webster/Lai 2003: 42): Abgesehen von der baulichen Investition erscheint oder ist der Informations- und Zeitaufwand, um neue Nutzungen zu finden, diese vertraglich zu sichern und zu überwachen, zu hoch, um ihn mit Marktpreisen zu erwirtschaften. So ist es schwer, die Ansprüche von Nachnutzern zu ermitteln, Preisangebote darauf abzustimmen und den Ertrag langfristig zu sichern. Spekulation (Evans 2004a: 192): Der Eigentümer verschiebt Investitionen oder den Verkauf auf einen zukünftigen Zeitpunkt, in der Hoffnung, dann einen höheren Ertrag zu erzielen. Vom Tag, ab dem sein Haus leer
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Individuelles und kollektives Handeln
steht und nicht mehr gewartet wird, beginnt es jedoch zu verfallen. Anders als bei neuem Bauland wirkt das Abwarten in einer schrumpfenden Stadt tendenziell wertmindernd. Um in einem schrumpfenden Markt noch handlungsfähig zu sein, benötigen die Vermieter neben möglichst genauen Informationen zur Nachfrageentwicklung eine hohe Flexibilität und verfügbares Eigenkapital. Die Handlungsoptionen sind vor allem für private Kleineigentümer eingeschränkt, die in Unkenntnis des Marktes zu aufwändig saniert und/oder einen hohen Schuldendienst haben. Die Suche nach alternativen Nutzungen bzw. Verwertungsmöglichkeiten ist in schrumpfenden Städten jedoch sehr zeit- und kostenintensiv. Abwarten oder Aussitzen sind jedoch auch keine Lösungen, wenn die Nachfrage langfristig weiter abnimmt. Das Liegen lassen von Altbauten führt letztlich zum Verfall mit allen negativen Auswirkungen im Quartier. Spieltheorie, Gefangenendilemma Auch im Städtebau kann es zu Handlungsblockaden kommen, die dem Gefangenendilemma in der Spieltheorie ähneln (Klosterman 1985). Reißt ein Eigentümer sein Haus ab oder saniert es, profitiert auch der untätige Nachbar als Trittbrettfahrer allein durch die Marktbereinigung oder Aufwertung seines Wohnumfeldes, da bisher kein praktikables Ausgleichsverfahren für diese externen Effekte existiert. Im Rahmen des Stadtumbaus betrifft diese Art der Handlungsblockade vor allem die Plattenbaugebiete, in denen sich wenige große Vermieter mit relativ homogenen Wohnungsbeständen über den Abriss verständigen müssen (Bernt 2005). Auf die fragmentierten Eigentumsverhältnisse in Altbauquartieren ist dieses einfache Konkurrenzverhalten jedoch nur sehr eingeschränkt übertragbar, da es große Unterschiede bei den Verfügungsrechten gibt. Vielmehr war bis zum Jahr 1998 ein Herdenverhalten zu beobachten, indem sich zahllose Anleger in steuerlich geförderte Bauträgermodelle einkauften. Das Resultat war ein großes Überangebot, zusätzlich verstärkt durch Wohnungsteilungen und Dachausbauten. Zehn Jahre später wiederholt sich dieses Herdenverhalten, indem sowohl die Eigentümer als auch die Darlehensgeber diese Bestände abstoßen wollen. Bezogen auf die Spieltheorie erscheinen in einer schrumpfenden Stadt zwei Konstellationen von Endspielen interessanter. In der Hoffnung, die Krise aussitzen zu können (stay) oder noch rechtzeitig aussteigen zu können (exit) warten die Eigentümer ab, statt zu kooperieren (Spieker 2005: 171; Beermann 2006: 122). Bei der Frage, wer am längsten durchhält, stellen die Eigentümer ihre Investitionen so lange zurück, bis sie sicher sind, dass ihre Häuser den Stadtumbau überstehen und sie wieder eine sichere Ertragsperspektive haben. Das Motto hierfür könnte lauten: „Wer den längsten Atem hat gewinnt. Alle anderen gehen
Handlungsoptionen und Blockaden
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unter.“ Dagegen betraf die andere Variante „Wer macht als Letzter das Licht aus?“ bisher vor allem die Mieter beim Abriss von Plattenbauten. Aber auch mancher privater Eigentümer überlegt sich, wie lange er noch bleiben soll bzw. bis zu welchem Zeitpunkt er noch einen Käufer findet, bevor er den Totalverlust erleidet. In diesen Spielen ist das Risiko allerdings extrem hoch, was dem traditionellen Motiv einer Immobilienanlage völlig zuwiderläuft. Insgesamt erscheinen die Varianten der Spieltheorie als geeignet, Konkurrenzsituationen und Handlungsblockaden von einzelnen Investoren genauer zu modellieren (Bernet 2006). Sie bieten aber keine hinreichende Antwort auf die Frage in Altbauquartieren, wie das nicht kooperative „Stadtumbau-Spiel“ mit seinen vielen äußerst diversen Teilnehmern praktisch gelöst werden kann. Kann es private Lösungen geben oder muss der Staat eingreifen? An dieser Stelle sind wiederum Fragen der Institutionen und Verfügungsrechte berührt (s. Kap. 4.3). Nicht kommerzielle Motive und kollektive Ziele Viele Marktteilnehmer handeln nicht allein aus ökonomischen Gründen. Der langlebige Bau- und Bodenmarkt und die identitätstiftende Bausubstanz in Altbauquartieren legt ein breiteres Spektrum an Motiven nahe. Max Weber (1976: 12f nach Braun 1999: 35) beschreibt neben den zweck- und wertrationalen Handlungen auch affektive und traditionale Handlungen, wobei die drei letzten Typen nicht auf ein bestimmtes Ergebnis zielen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist das Modell des homo oeconomicus und das Paradigma der rationalen Wahlhandlung vielfach diskutiert und weiterentwickelt worden (Braun 1999: 22; Miebach 2006: 29). Wesentliche Korrekturen und Erweiterungen umfassen unter anderem Fragen der Unsicherheit, der subjektiven Zufriedenheit, des Entscheidungsprozesses und der zeitlichen Perspektive (Braun 1999: 170f). Zu den individuellen Entscheidungskriterien kommt die soziale Strukturierung des Handelns hinzu. Über den Institutionenbegriff ergeben sich zahlreiche Schnittstellen zwischen Soziologie, Politikwissenschaft und Neuer Institutionenökonomik (Scharpf 2000; Schimank 2007). Bezogen auf das Problem divergierender Handlungen in perforierten Altbauquartieren werden hier jedoch nur einige wenige subjektive Kriterien und informelle Institutionen dargestellt. Privatpersonen und Amateurvermieter, die in Altbauquartieren die größte Eigentümerfraktion bilden, betreiben ihre Immobilie überwiegend im Nebenerwerb (BMVBS 2007f: 15, 27). Damit treten in vielen Fällen streng betriebswirtschaftliche Maßstäbe der Ertragsoptimierung in den Hintergrund. Viele Hauseigentümer entwickeln eigene Rationalitäten und tolerieren oder gar wünschen aus Gründen der Selbstbestimmung auch ökonomisch suboptimale Ergebnisse (Davy 2006: 78ff). Ein zentrales Motiv im Immobilienmarkt ist die Ortsverbundenheit. „There is, indeed, an argument that the format of housing markets is as
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Individuelles und kollektives Handeln
much an emotional geography as an economic landscape” (Smith/Munro/Christie 2006: 94). Vor allem persönliche Beziehungen zum Haus oder Quartier halten die Verfügungsberechtigten davon ab, Nutzen und Ertrag zu maximieren. So orientieren sich Wohnungsnutzer nicht allein an der Miethöhe, sondern auch am Wohnumfeld und ihren sozialen Beziehungen. Die Umzugsbereitschaft und der individuelle Aufwand hängen stark von der Lebenslage ab. Im Bau- und Bodenmarkt umfassen die Bewirtschaftungszyklen oft Generationen. Traditionell dienen Privathäuser als Altersvorsorge und werden in der Familie vererbt. Durch die enge Verbindung von Haus- und Bewohnerbiographie entsteht eine starke emotionale Bindung an die Stadt, die auch in einer Krise nicht ohne weiteres aufgegeben wird. Dieser „Sense of Place“ gewinnt somit neben wirtschaftlichen Fragen bei der Restrukturierung von Standorten einen eigenen Wert (Bolton 1992: 193). Der Kapitalmarkt ist dagegen anonymer. Hier kommt es auf stark auf die Person des Investors bzw. die örtliche Verbundenheit der Bank an. Ob und wie die Schrumpfung diese privaten Handlungsmotive beeinflusst, ist ein Aspekt der Fallstudie. Die ökonomische und planerische Sichtweise auf die Marktteilnehmer ist zunächst statisch. Demnach versuchen die Individuen, ihre Situation entsprechend ihrer vorhandenen Bedürfnissen und Möglichkeiten zu optimieren. Diese persönlichen Eigenschaften sind jedoch veränderlich. Aus dieser Sicht können Planungsinstrumente konzipiert werden, die nicht bei den äußeren Handelsbedingungen, sondern bei den Marktakteuren selbst ansetzen. Tiesdell/Allmendinger (2005: 68ff) unterscheiden hierzu drei Arten von „capacity building tools“: Die Stärkung von Netzwerken, die Stärkung von Sozialkapital sowie der Wandel kultureller Perspektiven. In allen Fällen sind informelle Institutionen gemeint, die das Marktrisiko senken, indem sie Vertrauen zwischen den Akteuren bilden bzw. Handlungsalternativen eröffnen. Ein anderer Weg könnte über verstärkte Bildungsangebote führen, die Mieter, Hauseigentümer und Kreditgeber in schrumpfenden Städten darin befähigen, eigene, angepasste Strategien zu entwickeln. Bisher dominieren jedoch noch die Investitionen in die Hardware der Häuser. Neben ihren individuellen Rationalitäten beziehen die Marktteilnehmer aber auch kollektive Bedürfnisse in ihr Kalkül ein, wenn sie ihnen langfristig vorteilhaft erscheinen. Daher können belastbare Informationen über den kommunalen Entwicklungsrahmen wichtige Entscheidungskriterien darstellen. Die Bewältigung und Gestaltung der Schrumpfungsprozesse erfordert aber auch die Überwindung einiger lang gehegten Denkmuster und Konkurrenzverhältnisse (Doehler/Reuther 2001). Viele Stadtentwicklungskonzepte, die Transaktionen im Sinne des Stadtumbaus lenken sollen, versuchen höchst unterschiedene Rationalitäten in einem Plan zu vereinen. Unter dem Leitbild der Nachhaltigkeit sollen zudem
Handlungsoptionen und Blockaden
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wirtschaftliche, ökologische und soziale Belange gleichrangig berücksichtigt werden. Viele Städte stellen sich in die Tradition der europäischen Stadt. Dabei können sie allerdings Bilder aus unterschiedlichen Epochen aufrufen. Insgesamt wird der Stadtumbau-Diskurs jedoch stark von einer wohnungswirtschaftlichen Perspektive und dem Förderprogramm Stadtumbau Ost dominiert. Dessen Hauptziel und Wirkung ist weniger eine städtebauliche Neuorientierung, sondern vielmehr die Marktbereinigung, verbunden mit der Existenzsicherung kommunaler Wohnungsunternehmen (Bernt 2003). Der Stadtumbau hat den klassischen Standort- und Ansiedlungswettbewerb als Stadtentwicklungsziel bisher noch nicht abgelöst. Es gibt jedoch Anzeichen, dass die anhaltende Schrumpfung das bisher dominante Wachstumsparadigma in der Kommunalpolitik in Frage stellt. Gleichzeitig erhalten integrative Sichtweisen auf die Stadtentwicklung mehr Raum (Grossmann 2007). Die Entleerung der Städte und Landschaften bietet Potenzial für ihre Neuaneignung, sowohl praktisch als auch ideell (Kil 2004). Es bleibt jedoch schwer messbar, wie stark gesellschaftliche Ziele und Tendenzen die individuellen Einzelentscheidungen der Marktteilnehmer beeinflussen.
4.2
Agenten und Intermediäre
Viele Inhaber von Verfügungsrechten an Häusern sind keine Immobilienexperten. Bei Transaktionen innerhalb und zwischen den drei Ebenen Wohnungs-, Boden- und Kapitalmarkt greifen sie daher auf Informationen und Dienste Dritter zurück. Beispielsweise gehen Mieter zum Makler, Hausbesitzer beauftragen Hausverwaltungen und Investoren bedienen sich Anlagevermittlern. Diese Auftragsbeziehungen beruhen auf privatrechtlichen Verträgen zwischen jeweils zwei Parteien, die hier zunächst als Prinzipal-Agenten-Probleme diskutiert werden. Anders und komplexer sind diejenigen Fälle gelagert, in denen die Interessen mehrerer Parteien zu verhandeln sind. Diese Vermittler werden nachfolgend als Intermediäre dargestellt. Prinzipal-Agent-Beziehungen Marktteilnehmer (Prinzipale) können ihre Transaktionskosten senken, indem sie die Risiken an Dritte (Agenten) übertragen, die besser informiert sind und mehr Know-how haben. Gerade in schrumpfenden Städten mit vielen ortsfremden Eigentümern legt die Aufteilungsregel nahe, Verfügungsrechte zu spezifizieren und zu delegieren (Kap. 3.1). Diese „make or buy“-Entscheidung hängt von der Natur der Verfügungsrechte und den individuellen Möglichkeiten des Inhabers ab. So tritt der Makler für den Mieter als Experte für den lokalen Wohnungs-
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Individuelles und kollektives Handeln
markt auf, Hausverwalter kümmern sich unter anderem um die Bausubstanz und Anlagevermittler überblicken den Kapitalmarkt. Vor allem ortsfremde Amateurvermieter und anonyme Anleger sind auf die Dienste lokaler Experten angewiesen. Dagegen können große und professionelle Wohnungsunternehmen Aufgaben mehrerer Marktebenen integrieren und Skalenvorteile ausschöpfen. Banken bilden eigene Verkaufsabteilungen, Fonds nutzen spezialisierte (Tochter-)Firmen für das Asset und Facility Management. Einige lokale Immobilienunternehmen integrieren die verschiedenen Ebenen und Rollen und bieten alle Dienstleistungen rund um die Immobilie an. Einerseits helfen Agenten, den Nutzen, Zustand und Ertrag der Immobilie zu optimieren, andererseits verursachen sie erhöhte Transaktionskosten. Ein Verzicht auf eine qualifizierte Betreuung birgt aus ökonomischer Sicht jedoch die Gefahr, das Nutzungs- und Ertragspotenzial nicht voll auszuschöpfen oder die Bausubstanz zu gefährden (Glück 1997: 135). Prinzipal-Agenten-Probleme entstehen in allen Beziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Im Immobilienmarkt treten sie bei Verträgen sowohl zwischen den Marktebenen als auch im Verhältnis zu den Agenten auf (Abb. 7). Dabei sind drei Konfliktsituationen zu unterscheiden: Spezifizierung von Verfügungsrechten (Abb. 7a): Der Hauseigentümer
als Prinzipal betraut den Mieter mit der ordnungsgemäßen Nutzung des Wohnraums. Gleichzeitig muss er die Zahlungen und den pfleglichen Umgang überwachen. Ähnliches gilt für den Darlehensvertrag mit der Bank. Der Hauseigentümer ist auf gute und flexible Konditionen angewiesen, bei mangelnder Bonität erhält gar keinen Kredit. Mit der Abspaltung von Verfügungsrechten macht er sich sowohl von den Mietern und als auch von der Bank abhängig. Delegation von Verfügungsrechten (Abb. 7b): Die Marktteilnehmer übertragen Aufgaben im Rahmen der Ausübung ihrer Verfügungsrechte an Agenten. Diese können Makler, Hausverwalter, Architekten und Anlagevermittler sein. Die Auftraggeber als Prinzipale sind dem Risiko ausgesetzt, dass die Agenten ihr Fachwissen und ihre Ortskenntnisse auch zu ihren eigenen Gunsten ausnutzen. „Multi-Agenten-Situationen“ entstehen, wenn ein Immobiliendienstleister mehrere Rollen übernimmt, indem er z. B. gleichzeitig makelt, verwaltet und Anlagen vermittelt (Ottmann 2005: 196). Third-Party-Probleme (Abb. 7c): Wenn ein Agent kein Produkt, sondern einen Vermittlungsdienst anbietet, entsteht leicht ein Rollenkonflikt. Der Agent läuft Gefahr, zum Diener zweier Herren zu werden. So ist der Makler zunächst für den Mieter da, kann ihm aber auch bevorzugt Häuser befreundeter Vermieter zeigen. Gleiches gilt für einen Vermittler, der einem Privatanleger zu Schrottimmobilien rät, weil der Bauträger
Agenten und Intermediäre
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oder dessen Bank mit zusätzlichen Provisionen lockt. Die Dynamiken in diesen Dreiecksverhältnissen sind noch wenig erforscht (Gilardi/Braun 2002: 155).
Abb. 7: Prinzipale und Agenten auf dem Immobilienmarkt
Prinzipal-Agenten-Probleme entstehen in allen vertraglichen Beziehungen. Dieses wichtige Teilkonzept der Neuen Institutionenökonomik wurde zunächst auf das Verhältnis zwischen Chef und Angestelltem sowie Wähler und Politiker angewandt. Das zentrale Problem und die Ursache vieler Folgephänomene eines Auftrags ist die Informationsasymmetrie zwischen den Beteiligten, die beiden Parteien zu ihren Gunsten ausnutzen wollen. Daraus entsteht die Frage, wie man die Beziehung vertraglich so gestalten kann, dass das Arbeitsergebnis optimiert wird (Richter/Furubotn 1999: 201ff). Eine umfangreiche amerikanische Literatur befasst sich z. B. mit Provisionssystemen für Makler, um den Verkaufsgewinn zu maximieren (Anglin/Arnott 1991; Yavas 2007). Glück (1997) diskutierte die Rolle des Maklers aus der Perspektive der NIÖ ausführlich für den deutschen Immobilienmarkt. Makler spielen durch ihre Funktion als Informationsvermittler
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Individuelles und kollektives Handeln
eine wichtige Rolle bei der Allokation von Bauflächen und Wohnraum (ebd.: 187). Je nachdem, ob die Provision vom Mieter oder Vermieter bezahlt wird, können im Dreieck mit dem Makler zusätzliche Interessenkonflikte auftreten (Evans 2004a: 72; Thill 2007: 37). Indem die Agenten sowohl ihre Fachkenntnis als auch ihr Eigeninteresse in das Vertragsverhältnis einfließen lassen, nehmen sie großen Einfluss auf die Nutzung und die Erträge der Immobilie (Ottmann 2005: 194). Der Agent stellt für den Auftraggeber als Prinzipal ein moralisches Risiko (moral hazard) dar, denn Mieter, Makler oder Hausverwalter können dem Eigentümer Informationen (hidden information) und Absichten (hidden intentions) zurückhalten, nicht zuletzt können sie sich vor der korrekten Vertragserfüllung drücken (shirking). Diese Probleme entstehen insbesondere dann, wenn die Kontrolle aufgrund von Anonymität, großer Entfernungen oder Kommunikationsproblemen erschwert ist. Prinzipale auf der mittleren Ebene des Immobilienmarktes, vor allem die privaten sowie ortsfremden Hauseigentümer, sind diesen Risiken nach allen Seiten ausgesetzt (Abb. 7 mitte, vgl. Sandwich-Modell in Kap. 2.1, Abb. 1). Die Auftragsbeziehung erfordert eine enge Kooperation und schafft somit eine hohe gegenseitige Abhängigkeit. Dabei entstehen vermehrt Gelegenheiten für den Agenten, die Ressourcen des Auftraggebers mit Hilfe ihres Fachwissens und ihrer Ortskenntnis zum eigenen Vorteil auszunutzen (rent seeking). Damit nimmt die Markttransparenz ab und damit auch die Möglichkeit für die Auftraggeber, die Entwicklung ihres Hauses bzw. ihrer Geldanlage zu kontrollieren und zu steuern. Wegen der Informationsasymmetrie liegt daher schon in der Auswahl des Vertragspartners, z. B. eines Mieters oder einer Hausverwaltung, ein Risiko (adverse selection). In Konfliktfällen entsteht eine Überfall-Situation (hold up), wenn schon Gelder und Leistungen geflossen sind und die Geschäftspartner nicht mehr aus dem Vertrag herauskommen. So können Mietnomaden oder unflexible Kreditkonditionen von Darlehensbanken besondere Gefahren für Hauseigentümer in schrumpfenden Städten darstellen. Der Ausgestaltung der Prinzipal-Agent-Beziehung durch Institutionen wie privatrechtliche Verträge kommt daher eine hohe Bedeutung zu (Richter/Furubotn 1999: 187). Wegen ihrer langen Wirkungsdauer können Immobiliengeschäfte niemals alle Externalitäten berücksichtigen und Risiken ausschließen. Die Probleme bestehen vor allem in der Risikoverteilung, der Anreizgestaltung und der Kontrolle der übertragenen Verfügungsrechte. Der Prinzipal kann in der Regel nur das Ergebnis sehen, nicht den Prozess. Es bedarf daher immer eines Mindestmaßes an Vertrauen, Ehrlichkeit und Fairness unter den Geschäftspartnern. Diese informellen Aspekte sind wiederum Gegenstand der Alten Institutionenökonomik. Diese freiwilligen und informellen Akteursbeziehungen gel-
Agenten und Intermediäre
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ten als schwache Bindungen und sind daher weniger belastbar als sanktionsbewehrte Verträge, die eine starke Bindung darstellen (ebd.). Die Vertragspartner müssen ihre Absichten vorab kommunizieren, um das Risiko einschätzen und begrenzen zu können. Da der Idealzustand vollständiger Information nicht erreichbar ist, stehen theoretisch verschiedene Second-BestStrategien zu Optimierung von Auftragsbeziehungen zur Verfügung (Glück 1997: 171f). Signale wie Gütesiegel, Verbandsmitgliedschaften oder Selbstauskünfte versprechen Zuverlässigkeit ebenso der Verweis auf Beziehungen und Vorerfahrungen. Der Prinzipal kann Auswahl- oder Bewerbungsverfahren durchführen (Screening), der Agent Erfolgsgarantien anbieten. Nicht zuletzt vermitteln die Marktpreise Leistungsniveaus und Qualitätserwartungen. Bisher hat die Stadtplanung die Rolle der Makler für die Bestandsentwicklung und die Stabilisierung von Quartieren kaum beachtet. Mit ihren genauen Kenntnissen der Hauseigentümer, der Mieter und des Wohnumfeldes können diese jedoch bei der Vermittlung von Wohnraum eine Steuerungsfunktion wahrnehmen. Diese besondere Rolle im Immobilienmarkt und bei der Zuteilung von Lebenschancen wurde in der Wohnforschung gelegentlich als „Gatekeeper“ oder „Urban Manager“ benannt, wobei auch Wohnungsämter und Wohnungsunternehmen gemeint waren (Pahl 1970: 215; Odermatt 1997: 108; Sommer 2007: 38). Zu einer möglichen Diskriminierung finden sich aber kaum empirischen Studien. Vor allem in Altbauquartieren ostdeutscher Städten mit ihrem erhöhten Anteil an auswärtigen Eigentümern (BMVBS 2007f: 36) ist ein merklicher, steuernder Einfluss von Agenten zu vermuten. Hierzu leistet diese Untersuchung einen ersten Beitrag. Intermediäre, Moderatoren Im Gegensatz zum Agenten dienen Intermediäre nicht einem einzigen Auftraggeber, sondern nehmen eine unabhängige Vermittlerrolle ein. Diese kann sowohl bei mangelnden Marktaktivitäten als auch bei Problemen in Prinzipal-AgentenBeziehungen nützlich sein. Intermediäre treten als Garanten von Verfügungsrechten auf, indem sie zwischen zwei Tauschpartnern oder auch quasi als Spinne im Netz zwischen mehreren Parteien vertraglich eingebunden werden. Moderatoren und Stadtplaner nehmen eine ähnliche, allerdings ganz unverbindliche Rolle ein. Für den Einsatz von Intermediären kommen drei Konstellationen in Frage: Mangelnde Marktaktivität: Ein hohes Informationsgefälle mit entspre-
chenden Transaktionskosten kann potenzielle Marktteilnehmer wie Investoren, Hausbesitzer und Nutzer daran hindern, zueinander zu finden. In schrumpfenden Städten nimmt dieses Risiko zu. Ein Intermediär kann hier Sicherheiten bieten.
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Individuelles und kollektives Handeln
Gesetzliche Intermediäre: Viele Immobiliengeschäfte bedürfen eines
unabhängigen Sachwalters. Dieser kann von Privaten oder dem Staat eingesetzt werden. Beispiele sind Notare, Verwalter von Wohneigentumsanlagen, Insolvenzverwalter, Gerichtspfleger in Zwangsversteigerungen. Diese Intermediäre garantieren den gesetzlichen Umgang mit Verfügungsrechten. Kooperationen, Third-Party-Probleme: Immer wenn Agenten als Vermittler in einen Rollenkonflikt kommen, kann ihre Ablösung durch Intermediäre im Sinne eines Treuhänders sinnvoll sein. Dieser verwaltet die Verfügungsrechte aller Beteiligten bis zum Abschluss der Transaktion. Mögliche Beispiele wären eine Stadtumbaugesellschaft oder ein Grundstücksfonds. Stadtplaner nehmen eine Zwitterstellung zwischen Agenten und Moderatoren ein. Auf dem „Markt“ für Stadtentwicklungsinformationen arbeiten sie einerseits als Agenten der Stadtverwaltung, andererseits kommen sie auch als Vermittler in der Auftragsbeziehung zwischen Bürgern und Kommunalpolitik zum Einsatz. Durch die Möglichkeit, vertragliche Bindungen einzugehen, werden Sanierungsträger zu Intermediären zwischen Stadtverwaltung und Hauseigentümern. In schrumpfenden Städten und perforierten Altbauquartieren sind inzwischen einige Initiativen entstanden, die Stadtplanung, Fördermittelangebote und Moderation verbinden (BMVBS 2008b). All diese Projekte im Sinne von „Immobilienlotsen“ (ebd.: 49) werden öffentlich gefördert oder beruhen auf städtischer Planung und Beteiligung. Ihnen fehlt daher der Charakter unabhängiger Intermediäre, was bei manchen privaten Hauseigentümern einerseits zu mangelnder Akzeptanz, andererseits auch zu Mitnahmeeffekten führen dürfte. Neben sachlichen Problemen können daher auch Beteiligungs- und Rollenkonflikte den Stadtumbau kompromittieren. Die Entstehungsprozesse politischer Programme und Entscheidungen bilden jedoch ein eigenes Thema, das hier nicht weiterverfolgt wird. Insgesamt vergrößern die Aktivitäten von Agenten und Intermediären den Immobilienmarkt, da sie mit gezielten Informationen die Gelegenheiten für Transaktionen vermehren. Das Problem mangelnder Transparenz und fehlender Preissignale insbesondere in schrumpfenden Städten kann reduziert werden, indem diese Vermittler über die Marktebenen hinweg Nutzer, Eigentümer und Investoren zusammenbringen. Ein Beispiel eines gemeinnützigen Maklers ist der Verein Haushalten e. V. in Leipzig (www.haushalten.org). Schwierig ist die Rolle der Agenten und Intermediäre jedoch immer dann, wenn noch eigene Interessen in die Arbeit einfließen und Dritte berührt sind. Bei Intermediären stellt sich zusätzlich die Frage des Auftraggebers bzw. der Bezahlung. In schrumpfenden Städten reichen die Erträge von Immobiliengeschäften oft nicht zur Deckung der Transaktionskosten. Entsprechend muss ein Dritter den Aufwand
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für die Vermittlung übernehmen. Wenn sich dazu keine privaten Initiativen finden, muss der Staat bei den Transaktionskosten einspringen. Solche Lösungen verlieren aber den ökonomischen Motivationsanreiz der Freiwilligkeit und der Offenheit für alle Teilnehmer.
4.3
Private und privat-öffentliche Kooperation
Die Marktteilnehmer können ihre Stellung nicht nur durch kurzfristigen und anonymen Handel, sondern auch durch direkte, dauerhafte Beziehungen verbessern (Wald/Jansen 2007: 99). Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Planung finden Kooperationen freiwillig und im privaten Geschäftsverkehr statt. Ihr Reiz besteht darin, allein mit ökonomischen Handlungsanreizen Effizienzreserven freizusetzen. Entsprechend gewinnen Kooperationsmodelle in der Stadtumbau-Diskussion an Popularität (Dransfeld/Pfeiffer 2005; BMVBS 2008b). Im Rahmen von Kooperationen kombinieren die Partner ihre Verfügungsrechte oder teilen sie neu auf mit dem Ziel, ihre Verwertbarkeit zu erhöhen (Kap. 3.1). Dies ist vor allem im unflexiblen Bau- und Bodenmarkt erforderlich, um die Flächen- und Raumaufteilung neuen Bedürfnissen anzupassen. Dauerhaft leer stehende Wohnhäuser und perforierte Altbauquartiere stellen dringende Fälle für die Neuordnung von Verfügungsrechten dar. Die einfachste Form der Kooperation besteht aus zwei privaten Partnern, die sich untereinander vertraglich einigen. Diese ist jedoch mit einer Marktlösung gleichzusetzen. Private Kooperationen beziehen sich daher im Folgenden auf freiwillige Zusammenschlüsse von drei oder mehr Parteien. Ökonomisch betrachtet bilden sie einen Klub (Webster/Lai 2003: 127; Beermann 2006: 135). Gewinne, aber auch Verluste fallen dabei nur den Mitgliedern zu. Um die Exklusivität des Klubgutes zu wahren, müssen Trittbrettfahrer von der Nutzung ausgeschlossen bzw. bestraft werden. Die Abgrenzungs- und Entscheidungsprobleme werden dabei umso größer, je mehr Partner zu beteiligen sind und je stärker die Lösungen vom Status quo abweichen. Angesichts der Komplexität des Immobilienmarktes sind Kompromisse meist nur in kosten- und zeitintensiven Verhandlungen zu erzielen. Die Grenzkosten zur Klubgründung steigen mit jedem neuen Partner, der Letzte lässt sich den Beitritt am teuersten bezahlen (Adams 2005: 34). Bereits ein Eigentümer kann den Prozess blockieren. Private Kooperationen im Quartier sind daher auf Beratungs- und Vermittlungsprozesse angewiesen, die der kommunalen Planung ähneln. Vor allem auf dem stark regulierten Bau- und Bodenmarkt ergeben sich viele Schnittmengen und Konflikte zwischen den privaten Klubinteressen und der Produktion öffentlicher Güter bzw. dem Ausgleich von Externalitäten. Dies führt zu einer zweiten
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Form der Kooperation, und zwar mit der Stadt als Partner. Mit der öffentlichen Hand kommt ein Dritter ins Spiel, was für einen fairen Aushandlungsprozess einen Intermediär oder Treuhänder erfordern würde. Dann müssten jedoch alle Seiten Verhandlungsmandate bzw. Verfügungsrechte abgeben. Verfahren und Programme zur gebietsbezogenen, privaten Stadterneuerung im Verbund mit der Gemeinwohlverantwortung wurden bereits seit 1971 im Städtebaurecht gesetzlich verankert und kontinuierlich weiterentwickelt (Krautzberger 2008). Diese beruhen letztlich auf einer staatlichen Lenkung von Individualförderungen. Um die Anreizfunktion des Marktes optimal zu nutzen, sind freiwillige Kooperationen jedoch interessanter. Je nach Marktebene und öffentlicher Beteiligung ergeben sich verschiedene Konstellationen:
Marktebene
Kooperationen im Immobilienmarkt Private untereinander
Wohnungsmarkt Bau- und Bodenmarkt Kapitalmarkt
Genossenschaft
Wohngemeinschaft Hausgemeinschaft
Belegungsrechte
Standortgemeinschaft Städtebauliche Verträge WEG, Blockkonzept Gestattungsvereinbarung
Geschlossene Immobilienfonds* Offene Immobilienfonds*, REIT*
* in der Regel keine Wohnimmobilien
Private – Öffentliche Hand
Stadtentwicklungsfond (PPP, Leasing, REIT**)
** nur bei öffentlichen Bauten
Abb. 8: Private und privat-öffentliche Kooperationen
Innerhalb des Immobilienmarktes liegt es nahe, Kooperationen auf derjenigen Ebene zu suchen, wo der Handel mit Verfügungsrechten am flexibelsten ist. Entsprechend können Mieter im Wohnungsmarkt relativ leicht Wohn- oder Hausgemeinschaften bilden. Offene Immobilienfonds bzw. Real Estate Investment Trusts (REIT) können auf dem Kapitalmarkt Baugeld in größeren Mengen bündeln und je nach Baunachfrage verteilen (Jones 2007; Dinauer 2007). Bei Bestandsimmobilien sind diese Formen allerdings wenig verbreitet. REITs sind wegen des Mieterschutzes für Wohnimmobilien in Deutschland noch nicht zugelassen. Ungleich schwieriger sind Kooperationen auf dem Bau- und Bodenmarkt zu organisieren, da die Handelsgüter Haus und Grundstück immobil, stückig und unflexibel sind. Wegen umfangreicher Externalitäten kommen hohe planungsrechtliche Beschränkungen hinzu. Die Anpassungsfähigkeit von Nutzern und
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Geldgebern an die Bausubstanz durch Kooperation stößt oft an Grenzen. Gerade in schrumpfenden Städten fehlt der Nachfragedruck seitens der Mieter, entsprechend schränken die Darlehensbanken ihre Kreditangebote ein. Der Stadtumbau muss daher versuchen, die Verfügungsrechte auf dem Bau- und Bodenmarkt stärker auf die noch vorhandenen Nutzungen und das verfügbare Kapital zuzuschneidern. Als Freiwillige Versuche in diese Richtung können Standortgemeinschaften oder Urban Improvement Districts gelten (Kreutz 2008: 11). Neben der horizontalen Kooperation innerhalb der drei Marktebenen ist auch die vertikale Integration der Rechte auf Nutzung, Bau und Gewinnerzielung möglich. Der Extrem- und Idealfall ist das selbst genutzte, abgezahlte Eigenheim, das gar keine Kooperation erfordert, weil die Verfügungsrechte in einer Hand liegen. In Wohnungsgenossenschaften verbinden die Mitglieder ihr Wohnrecht fest mit einem Haus. Die hochflexible Ebene des Finanzkapitals dagegen lässt sich nur selten auf das unternehmerische Risiko einer Kooperation im Immobilienbereich ein. Statt sich fest an den wirtschaftlichen Erfolg des Wohnhauses oder des Quartiers zu binden, bevorzugen Banken vielmehr festverzinsliche und handelbare Darlehen mit der Exit-Option der Zwangsversteigerung. Eine Ausnahme im Kapitalmarkt bilden geschlossene Immobilienfonds, bei denen die Anleger voll ins Risiko gehen. Diese Arten „vertikaler“ Kooperationen sind in den kleinteiligen Altbauquartieren allerdings nicht anzutreffen, obwohl Banken ein Interesse am langfristigen Rücklauf ihrer Darlehen haben müssten. Der wichtigste Ansatzpunkt für Kooperationen im Stadtumbau liegt daher im Bau- und Bodenmarkt. Dabei gilt es, Externalitäten und fehlende Marktimpulse durch die Zusammenarbeit vieler Hauseigentümer zu überwinden. Sanierungsgebiete sind ein erster Schritt in diese Richtung, indem ein Klub für Fördermittelanrechte geschaffen wird. Es fehlt allerdings die Verpflichtung zur Umsetzung, ebenso wie bei gemeinschaftlichen Quartierskonzepten. Eine freiwillige Umsetzung derartiger Blockkonzepte erscheint nach bisherigen Erfahrungen unmöglich. (Hackenbroch 2007: 141). Verbindliche Standortgemeinschaften haben ihren Ursprung in US-amerikanischen Städten, wo sie als Business Improvement Districts (BID) für das Geschäftsstraßenmanagement entstanden. Hier müssen die Anlieger eine Abgabe zahlen, die zur Verbesserung der Sicherheit und Sauberkeit eingesetzt wird. Wegen des staatlichen Steuerprivilegs, der kommunalen Planungshoheit und der Eingriffe in den öffentlichen Raum bedürfen Standortgemeinschaften einer gesetzlichen Grundlage. Hamburg ermöglichte als erstes Bundesland außer BIDs seit 2007 auch die Gründung von Housing Improvement Districts (HID), die auf eine Aufwertung des Wohnumfelds zielen (Kreutz 2008: 14).
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Individuelles und kollektives Handeln
Kooperationen in Form von Standortgemeinschaften privater Hauseigentümer stehen vor mehreren großen Hürden (Beermann 2006: 25, 138; Heinze 2007; Lerz 2008: 82): Win-Win: Ohne einen Zugewinn für alle Beteiligten fehlt jegliche Moti-
vation, an einer Standortgemeinschaft teilzunehmen. Nach Abzug aller Bau- und Transaktionskosten muss noch ein Delta übrig bleiben. Beteiligte, Trittbrettfahrer: Grundprinzip einer effizienten Standortgemeinschaft ist die Freiwilligkeit. Wenn nicht alle teilnehmen wollen, dann gelten Zustimmungsquoren und Vetogrenzen. Mit zunehmender Zahl, Diversität und Interessen von Teilnehmern steigt der Aufwand für die Einrichtung des Klubs. Räumliche Abgrenzung: Das Gebiet mit seiner Raumstruktur und Bausubstanz muss möglichst homogen sein, damit die Maßnahmen allen Teilnehmern gleichermaßen nützen. Öffentlicher Raum: In der Stadt kann eine Standortgemeinschaft selten eine reine Privatangelegenheit sein, da häufig öffentliche Straßen und Plätze mit betroffen sind. Zudem bedürfen alle Fragen der Bauordnung und des Planungsrechts der städtischen Beteiligung bzw. Genehmigung. Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen: Die Projekte müssen mehrheitsfähig sein, am Besten ist ein Konsens. Die Maßnahmen müssen konkret, messbar und zeitlich begrenzt sein, um die Kosten und Gewinne abrechnen zu können. Die Verbesserungen müssen aus den erhöhten Grundstücks- und Mietpreisen refinanziert werden. Damit droht der gemeinsame Nenner sehr klein zu werden bis hin zum Scheitern. Verfügungsrechte: Wie viel Autonomie wollen die Beteiligten abgeben? Eine Standortgemeinschaft erfordert die Übertragung von Verfügungsrechten an einen Dritten. Damit sind Probleme einer Prinzipal-AgentenBeziehung verbunden (Kap. 4.2). Es ist zu klären, welche Verfügungsrechte zum Klub gehören, d. h. ob nur die Hauseigentümer oder auch die Mieter und Investoren beteiligt werden. Transaktionskosten: Der Aufwand zur Gründung und zur Verwaltung einer Standortgemeinschaft ist schwer abschätzbar und wird selten mitkalkuliert (Jakubowski/Pauly 2005). Der Zielkonflikt aus möglichst vollständiger Information und Sicherheit einerseits sowie schneller Entscheidung und Flexibilität andererseits, ist auch in Kooperationen nicht lösbar. Die Transaktionskosten werden durch die notwendige Beteiligung der Kommune an der Planung und finanziellen Abwicklung verschleiert.
In Altbauquartieren schrumpfender Städte sind viele der oben genannten Bedingungen nicht erfüllt, insbesondere nicht die Homogenität der Bausubstanz und
Private und privat-öffentliche Kooperation
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der Eigentümerstruktur. Statt Gewinnsteigerungen kann das Ziel einer Standortgemeinschaft natürlich auch die Minimierung von Verlusten sein. Aber bei Leerstand gibt es keinen ausreichenden Cash-Flow zur Refinanzierung von Stadtumbaumaßnahmen. Hohen Investitionen für Verbesserungsmaßnahmen stehen höchst unsichere, zukünftige Ertragserwartungen gegenüber. In Bezug auf HIDs befürchten Private zudem, dass öffentliche Aufgaben letztlich auf sie abgewälzt werden (Lerz 2007: 96). Um das Free-Rider-Problem zu überwinden, unternimmt Beermann (2006) den schwierigen Versuch, möglichst alle Kosten und Gewinne des Stadtumbaus zu bilanzieren. Die angestrebten positiven, externen Effekte lassen sich jedoch nicht abgrenzen. „Der Rückbau stellt somit ein öffentliches Gut dar“ (Beermann 2006: 115). Daraus folgt, dass ein Stadtumbau-Klub nicht auf das betroffene Quartier beschränkt werden kann, sondern auf das ganze Stadtgebiet oder gar die Wohnungsmarktregion ausgedehnt werden muss. Abgesehen von den Finanzierungsproblemen bei den Baumaßnahmen erscheinen die Transaktionskosten dann als die größte Hürde für private Kooperationen. Damit bleibt der Stadtumbau, genauso wie die Stadtplanung in Zeiten des Wachstums, eine öffentliche, politische Aufgabe. Dennoch erscheinen freiwillige Kooperationen im Stadtumbau sinnvoll und möglich. Sie bedürfen allerdings zusätzlich zur Übernahme der Rückbaukosten der öffentlichen Unterstützung bei den Transaktionskosten. Damit ist wiederum die Kommune maßgeblich beteiligt. Bilaterale städtebauliche Verträge mit Privaten sind die Vorzugsvariante (BauGB § 171c). Als Kooperationspartner hat die Stadt nur begrenzte Spielräume bei der Beteiligung und Vertragsgestaltung. Bei öffentlichen Projekten ist die Ergebnisstruktur politisch oft schon vorgegeben. Ein Beispiel ist die Leipziger Gestattungsvereinbarung: Im Gegenzug für den geförderten Abriss stellt der Eigentümer seine Fläche der Öffentlichkeit zur Verfügung (www.flaechen-in-leipzig.de). Private Projekte über mehrere Grundstücke hinweg bedürfen oft auch einer unabhängigen oder städtischen Moderation. Beispiele für kleine, private Stadtumbau-Kooperationen innerhalb von Altbaublöcken finden sich in Magdeburg (Neumann 2001; BMVBS 2008b: 67) und Lutherstadt Eisleben (www.lutherstadtumbau.de). Allen Kooperationsmodellen liegt eine Optimierung des Kosten-Nutzen Verhältnisses zugrunde. Probleme ergeben sich bei dauerhaft negativen Erträgen in schrumpfenden Städten und unbekannten Preisen wie bei öffentlichen Gütern. Wenn es gilt, im Rahmen von privaten Kooperationen Verluste zuzuweisen, fehlen jegliche Anreize zur Veränderung von Verfügungsrechten. Der Versuch, die Vielzahl von Rechteinhabern in Altbauquartieren zu freiwilligen Kooperationen zu bewegen oder in Planungsprozesse zu integrieren, dürfte an hohen Transaktionskosten scheitern. Der Verfall von Häusern weist darauf hin, dass die Verfügungsberechtigten, seien es Grundeigentümer oder Banken, ihre Rechte und
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Individuelles und kollektives Handeln
Pflichten gar nicht mehr wahrnehmen. Im ökonomischen Sinn werden diese Flächenressourcen vergeudet. Institutionen wie der Schutz privaten Eigentums verhindern allerdings eine Aneignung durch die Öffentlichkeit. Für den Fall, dass der Verwertungszyklus einer Immobilie endgültig abgeschlossen ist, fehlen Gesetze und Verfahren zur Neuordnung der Verfügungsrechte, sei es durch Kooperationen und/oder hoheitliche Eingriffe. In allen Fällen bedarf es einer Konstruktion, die die Nutzungs- und Finanzierungsebene mit berücksichtigt.
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Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Neuen Institutionenökonomik in ein analytisches Konzept für die Untersuchung von Altbauquartieren überführt. Zunächst gilt es, die Impulse und Beziehungen innerhalb des Immobilienmarktes darzustellen. Diese wirken auf den kleinsten Stadtbaustein, dem Wohnhaus, und erzeugen spezifische Handlungsmuster. Aus deren räumlicher Addition ergeben sich Zustand und Entwicklungsperspektive des Quartiers. Anhand der besonderen Konstellation von Verfügungsrechten in schrumpfenden Städten werden forschungsleitende Hypothesen formuliert. Daraus folgen die Anforderungen an eine explorative, qualitative Fallstudie.
Abb. 9: Analytisches Konzept des Immobilienmarktes
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Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen
Verfügungsrechte und Marktebenen Zunächst werden Altbauquartiere als Immobilienmarkt mit dem Schwerpunkt Wohnen aufgefasst. Institutionen, genauer gesagt Gesetze und Planungsinstrumente, setzen den Handlungsrahmen für die Marktteilnehmer. Im Lichte der Neuen Institutionenökonomik werden die Häuser und Wohnungen jedoch nicht als Dinge, sondern als Verfügungsrechte gehandelt. Als analytisches Konzept ergeben sich drei Marktebenen (Abb. 9, vgl. Abb. 1): 1. Das Nutzungsrecht wird auf dem Wohnungsmarkt gehandelt. 2. Das Recht, ein Haus zu bauen, zu verändern oder abzureißen besteht auf dem Bau- und Bodenmarkt. 3. Das Recht, daraus Gewinne zu erzielen, zirkuliert in Form von Darlehen auf dem Kapitalmarkt. Entsprechend setzen die Instrumente auf den verschiedenen Ebenen an. Der Bauund Bodenmarkt, auf der mittleren Ebene, entscheidet über die konkrete Wohnform und die Funktionalität der Altbauquartiere. Nachfrageimpulse kommen vom Wohnungsmarkt (oben), Kredite für Sanierung und Stadtumbau bietet der Kapitalmarkt an (unten). Die Instrumente (links) unterliegen dem öffentlichen Recht und werden mit Hilfe von Stadtplanern erstellt. Alle Markttransaktionen (rechts) laufen dann bilateral und privatrechtlich zwischen den Inhabern der Verfügungsrechte ab. Diese können wiederum Dritte beauftragen, in der Theorie als Agenten bezeichnet. Der Begriff des Hauseigentums wird so entscheidend erweitert auf alle Akteure, die mit ihren Verfügungsrechten die Nutzung, den Bauzustand und den finanziellen Ertrag beeinflussen. Ihre Handlungsoptionen leiten sich aus Institutionen wie Mietverträgen, Plänen und Darlehen ab. In der Praxis werden diese Funktionen des Immobilienmarktes selten so scharf getrennt. Manche Instrumente setzen auf mehreren Ebenen an und auch die Verfügungsrechte können in einer Hand gebündelt sein. So können Institutionen oder Organisationen zwar die Beziehungen zwischen den drei Marktebenen internalisieren, die entsprechenden Probleme bestehen aber prinzipiell fort. Diese liegen in den unterschiedlichen Handelseigenschaften und Konjunkturen der zu übertragenden Verfügungsrechte. Nutzungen und Geldgewinne sind in unterschiedlichem Maß mobil, dagegen ist das Baurecht immobil, d. h. ortsgebunden. Bereits die große Zahl und Anordnung der Elemente des Konzeptes (Abb. 9) weist auf die Notwendigkeit von umfangreichen Informationsflüssen und Verhandlungsprozessen hin. Daraus resultieren hohe Transaktionskosten, die zu den reinen Baukosten des Stadtumbaus hinzukommen und diesen erschweren. Insgesamt erlaubt das Konzept der Verfügungsrechte eine genauere Analyse der Interessen und Handlungsoptionen, indem es die Art des Zugriffs auf die
Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen
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Immobilie präzisiert und in den Kontext der rechtlichen Rahmenbedingungen stellt. Folgt man der ökonomischen Effizienzlogik, müssten die Planungsinstrumente auf eine Senkung der Transaktionskosten hin optimiert werden, um private Verträge zu erleichtern. Da aber weder der Wert öffentlicher Güter noch die Höhe der Transaktionskosten genau zu bestimmen sind, kann es im Stadtumbau nicht um eine ökonomische Optimierung in einem normativen Sinn gehen. Vielmehr wird die Neue Institutionenökonomik hier als analytische und heuristische Perspektive gewählt, um Handlungsblockaden und Planungsprobleme aufzudecken und besser zu verstehen. Analyseebenen Altbau und Quartier a) Altbau
b) Quartier
Abb. 10: Analyseebenen Altbau und Quartier
Im Zuge der Untersuchung gilt es nun, das analytische Modell (Abb. 9) für das Problem des Leerstandes in Altbauquartieren zu operationalisieren. Die drei Ebenen des Immobilienmarktes kommen im kleinsten Stadtbaustein, dem Altbau, zusammen. So stellt ein typisches, gründerzeitliches Mietshaus das Objekt mehrerer Verfügungsrechte dar (Abb. 10a). Auf den einzelnen „Etagen“ des Hauses kann es wiederum mehrere Akteure geben, zum Beispiel in einer Wohneigentumsanlage. Das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen privaten und ökonomischen Interessen ergibt ein spezifisches Handlungsmuster, das letztlich die Sanierung, den Leerstand oder den Verfall hervorruft. Dazu tragen auch die Rahmen setzenden Instrumente und die beauftragten Agenten bei, im Modell in
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Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen
Dach bzw. Keller dargestellt (Abb. 10a). Somit können die Handlungsimpulse sowohl aus der Situation des Quartiers als auch aus den hausinternen Beziehungen und Interessen der Akteure kommen. Die Gesamtentwicklung des Altbauquartiers ergibt sich dann weniger aus dem Wettbewerb der Hauseigentümer, sondern vielmehr aus der räumlichen Anordnung der einzelnen Handlungsmuster (Abb. 10b). Zumindest ihr Resultat in Form von Leerstand und Bauzustand lässt sich mit einem geographischen Informationssystem quantitativ erfassen. Die Fallstudie soll zur Klärung beitragen, welche Konstellationen von Verfügungsrechten in Altbauquartieren anzutreffen sind und welche Restriktionen und Potenziale bei den Akteuren liegen. Ausgehend von ihren Marktaktivitäten sind Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Institutionen zu ziehen. Dagegen sind Aussagen zu den politischen Reaktionen auf die Schrumpfung bei diesem Ansatz nur indirekt über die Inhaber von Verfügungsrechten möglich. Hypothesen Das bisher vorliegende Wissen zur Stadtentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen und das oben entwickelte, analytische Konzept erlaubt die Aufstellung forschungsleitender Thesen. Für eine explorative Studie müssen diese breit genug sein, um eine Offenheit für neue Sachverhalte zu gewährleisten (Kelle/Kluge 1999: 99). Bezogen auf die Ausgangsfrage, wie die Hauseigentümer im Altbau agieren und wie die Instrumente wirken, ergeben sich sechs Hypothesen: Leerstand, Bauzustand und Preise hängen nicht allein vom Wohnungs-
markt ab. Die quantitativen Impulse von Angebot und Nachfrage treffen auf ein komplexes Beziehungsgeflecht von Verfügungsrechten, die jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Konjunkturen unterliegen. Aus ihren Wechselwirkungen ergeben sich spezifische Handlungsmuster und Werterwartungen. Die quantitative Betrachtung des Stadtumbaus im Sinne von Leerstandszahlen und Förderquoten greift daher zu kurz. Die Hauseigentümer befinden sich in einer prekären Lage. Die Verfügungsrechte an einem Wohnhaus sind spezifiziert und auf mehrere Ebenen und Agenten verteilt. Die Hauseigentümer als Inhaber der Bau- und Veränderungsrechte sind nach allen Seiten hohen Informationskosten und Risiken ausgesetzt. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Zuverlässigkeit von Nutzern und Geldgebern, aber auch auf die Vertragserfüllung von Maklern und Hausverwaltern. Damit verliert Hauseigentum in schrumpfenden Städten an Attraktivität. Die Perforation der Altbauquartiere nimmt zu. Während Mieter und Banken die schrumpfende Stadt verlassen können, bleiben die Häuser stehen. Leerstand und Verfall folgen aber weniger der Lagequalität und
Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen
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der Konkurrenz der Mietpreise, sondern unterschiedlichen „hausinternen“ Handlungsmustern. Entsprechend ihrer Interessen und Handlungsoptionen verstetigen sie das Nebeneinander von sanierten und verfallenen Häusern. Die Chancen für Marktlösungen und rein private Kooperationen sind gering. Die Marktebenen sind sehr verschieden. Für eine freiwillige Zusammenarbeit von Nutzern, Eigentümern und Geldgebern bilden komplexe Externalitäten, hohe Transaktionskosten und die mangelnde Exklusivität von Aufwertungsmaßnahmen große Hürden. Der Stadtumbau wird zum öffentlichen Gut. Die bestehenden Steuerungsinstrumente wirken nur selektiv und unzureichend. Planungsrechtliche Leitplanken verlieren durch die Schrumpfung an Wirkung. Die übrigen, vor allem finanziellen Anreizinstrumente setzen auf unterschiedlichen Marktebenen an und sind zum Teil raumblind. Angebot und Nachfrage gleichzeitig und ohne räumliche Lenkung gefördert. Zuschüsse für Baumaßnahmen treffen auf höchst unterschiedliche Eigentumskonstellationen. Die Fachprogramme sind unzureichend abgestimmt, sowohl untereinander als auch auf die Problemlagen hin. Lösungsansätze liegen in der Neugliederung von Verfügungsrechten. Wenn Marktpreise und Planungsinstrumente keine Handlungsimpulse mehr liefern, müssen die Verfügungsrechte gebündelt oder anders verteilt werden. Aufgrund privater Handlungsblockaden und Externalitäten können Lösungen im Sinne des öffentlichen Gutes Stadtumbau nur unter aktiver staatlicher Beteiligung entstehen. Für die nachfolgende Fallstudie sind diese Hypothesen forschungsleitend. Es wird das Ziel verfolgt, die Wechselwirkungen zwischen den Marktakteuren und Instrumenten zu erkennen, um dann typische Handlungsmuster und Ansatzpunkte zu ihrer Beeinflussung abzuleiten. Untersuchungskonzept Das Untersuchungskonzept muss angesichts der komplexen und neuartigen Fragestellung explorativ und qualitativ angelegt sein. Es gilt, einen breiten Zugang zu Akteurswissen zu ermöglichen (Kelle/Kluge 1999: 35). Nur so können Verhaltensweisen und komplexe Veränderungsprozesse in den Altbauquartieren erschlossen werden (Franz 1989). Als Fallstudie ist eine eindeutig und anhaltend schrumpfende Stadt zu wählen, die groß genug ist, damit alle typischen Immobilienteilmärkte und Ebenen vertreten sind, aber auch klein genug, um den Baubestand und die entscheidenden Akteurskonstellationen voll zu erfassen. Mittelstädte bilden den meist verbreiteten Stadttyp, der jedoch wenig erforscht ist (Rüdiger 2005; Adam 2005: 498). Die Fallstudie sollte außerhalb des unmittel-
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Forschungsleitende Konzepte und Hypothesen
baren Einflusses von Ballungszentren und Großstädten liegen, damit die Wohnungsmarktregion auf die Kernstadt und ihr Umland begrenzt bleibt. Da der Schwerpunkt der Untersuchung in den Altbauquartieren liegt, sind große und möglichst zusammenhängende Areale des Mittelalters und der Gründerzeit erforderlich. Hier bilden die privaten Hauseigentümer den Ausgangspunkt und die Perspektive der Untersuchung, da sie die bauliche Entwicklung am direktesten beeinflussen können. Ihre realen Motive, Handlungen und Optionen dürften auf Einflüsse eines breiteren Spektrums von Institutionen verweisen als nur der Stadtplanung. Würde man nur die Planungsinstrumente aus einem öffentlichen Interesse heraus analysieren, blieben viele relevante und wirkungsvolle Faktoren im Verborgenen. Die Beschränkung auf die Typik einer dauerhaft schrumpfenden Mittelstadt reduziert den Einfluss des Wachstumsparadigmas und erlaubt eine angemessene empirische Tiefe. Qualitative Interviews mit den privaten Immobilien-Akteuren sind das Mittel der Wahl, um die Ausgangsbedingungen und Umsetzungschancen des Stadtumbaus zu ermitteln. Um die Ergebnisse einzuordnen und in Bezug auf die kommunale Planung auszuwerten, sind zusätzlich Statistiken, Planungsdokumente und Interviews mit der Stadtverwaltung heranzuziehen. Diese Anforderungen bilden die Basis für das genauere methodische Design.
Teil II Fallstudie Zeitz
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Methodik und Datenbasis
Als Fallstudie wurde eine ostdeutsche, stark schrumpfende Stadt gewählt. Kern der empirischen Untersuchung waren qualitative Interviews mit von Leerstand betroffenen Hauseigentümern sowie mit örtlichen Immobilienexperten. Plandokumente, GIS-Karten und teilnehmende Beobachtungen lieferten wichtige Kontext- und Detailinformationen. Erst die Kombination der verschiedenen Methoden ermöglichte neue Erkenntnisse über die Verteilung und Ausübung von Verfügungsrechten in Altbauquartieren. Fallauswahl Entsprechend den Anforderungen der Forschungsfragen und Arbeitsthesen fiel die Wahl auf eine Mittelstadt in Ostdeutschland. Als Grundgesamtheit dienten die 269 Teilnehmerstädte am Wettbewerb Stadtumbau Ost (BMVBW 2003), für die eine Vergleichstabelle quantitativer Daten vorlag. Zu den Auswahlkriterien gehörten überdurchschnittliche Bevölkerungsverluste von über 10 % im Zeitraum 1990-2000 sowie Leerstandsraten von über 25 %. Solche Werte kommen vor allem in mittleren, ehemaligen Industriestädten mit 20-50.000 Einwohnern vor. Entsprechend der Frage nach den privaten Hauseigentümern sollten große geschlossene Altbauquartiere mittelalterlichen und gründerzeitlichen Ursprungs vorhanden sein. Auf der Ebene der Gesamtstadt war eine ausgewogene Verteilung der Baualtersklassen und Siedlungstypen einschließlich Plattenbauten zu berücksichtigen, um mögliche Konkurrenzen und Wechselwirkungen zwischen den Beständen zu erfassen. Von 42 statistisch geeigneten Städten zwischen Güstrow und Zittau, Mühlhausen und Luckenwalde kamen schließlich 12 Orte in Sachsen und Sachsen-Anhalt in die nähere Auswahl, da sie in den Geberländern des UFZ liegen und vom Forschungsstandort Leipzig gut erreichbar sein sollten. Dazu gehörten unter anderem Bautzen, Bernburg, Freiberg, Köthen, Lutherstadt
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Methodik und Datenbasis
Wittenberg, Schönebeck sowie Weißenfels. Nach mehreren Ortsbesichtigungen und Vorgesprächen erfüllte Zeitz, 45 km südlich von Leipzig gelegen, mit 27.421 Einwohnern (31.12.2007) die Bedingungen am besten. Erste Anlaufstelle war das Zeitzer Stadtplanungsamt, dessen Mitarbeiter das Forschungsprojekt mit Interviews, Plandokumenten, statistischen und geographischen Daten sowie weiteren Kontakten umfassend unterstützten. In Zeitz standen zwei große Altbauquartiere zur Untersuchung an (Abb. 17): Der mittelalterliche, gemischt bebaute Stadtkern (Sanierungsgebiet), und die unmittelbar östlich angrenzende homogene gründerzeitliche Stadterweiterung (Fördergebiet 1 des Stadtumbaus). Datenerhebung Der explorative Zugang und der dynamische Wandel des Untersuchungsgegenstandes erforderten flexible Verfahren und kreative Instrumente. Die Fallstudie Zeitz beruhte daher auf einem Methodenmix aus Analyseverfahren, wie sie in der Soziologie, der Geographie und der Stadtplanung zur Anwendung kommen. Die empirischen Erhebungen fanden zwischen April 2006 und März 2007 statt und gliederten sich in folgende Schritte, die sich zum Teil zeitlich überlagerten: Abgrenzung und Begehung der Untersuchungsgebiete: Dazu gehörte die
Erfassung der städtebaulichen Situation und des Wohnumfeldes sowie die Ermittlung von Kontaktdaten privater Hauseigentümer Problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews: In Bezug auf Leerstand und Stadtumbau wurden Interviews mit privaten Hauseigentümern, örtlichen Immobiliendienstleistern, der Wohnungswirtschaft und der Verwaltung geführt. Sie bilden den Kern der empirischen Untersuchung. GIS-Kartierung von Leerstand und Bauzustand: Für die Untersuchung lagen flächendeckende Geodaten und die Ergebnisse der städtischen Wohngebäudeerhebung vor. Die Karten liefern den räumlichen Kontext für die privaten und öffentlichen Handlungsstrategien (Abb. 17, 18, 19). Beobachtung von Zwangsversteigerungen: Um die finanziellen Risiken und Verwertungsketten von Altbauten genauer nachvollziehen zu können, wurde eine Statistik über die Zwangsversteigerungen geführt und ausgewählte Verhandlungen am Amtsgericht Zeitz besucht (Kap. 8.3). Statistik, Plandokumente: Zu den Informationsgrundlagen zählten insbesondere das Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 2002 und der Entwurf seiner Fortschreibung vom Januar 2008. Hinzu kamen weitere Daten der Stadt Zeitz und des Landesamtes für Statistik Sachsen-Anhalt. Qualitative Inhaltsanalyse, Typisierung und Modellbildung: Anhand der theoretischen Kriterien und empirischen Befunde wurden Merkmalsgruppen und Typen gebildet. Aus den Optionen, Ressourcen und Beziehungen der Akteure wurden Handlungsmuster abgeleitet (Kap. 10).
Methodik und Datenbasis
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Im Verlauf der explorativen Studie entwickelten sich die Arbeitsthesen, Erklärungsansätze und Fragestellungen immer weiter. Dabei führte ein Interviewpartner oft zum nächsten. Auch das Forschungsfeld Altbauquartier selbst veränderte sich dynamisch aufgrund laufender Abrisse, Sanierungen, Insolvenzen, Verkäufe und neuen Planungsdokumenten. Interviews Als Ausgangspunkt für die Befragung diente in den beiden Untersuchungsgebieten „mittelalterlicher Kern“ und „Gründerzeit“ jeweils ein Straßenzug bzw. Block, der besonders von Leerstand und Verfall betroffen war. Die erste Interviewphase zielte auf die Hauseigentümer als unmittelbar Handelnde und Adressaten des Stadtumbaus. Die Kontakte kamen über Verkaufs- und Vermietungsschilder in den Fenstern leer stehender Häuser sowie über Hinweise von Händlern, Mietern, Nachbarn, dem Stadtplanungsamt und dem Verein Haus & Grund zustande. Aus verschiedenen Quellen ergab sich eine Liste von 87 Häusern, anhand derer ca. 50 schriftliche und telefonische Anfragen erfolgten. Eine zweite Phase der Interviews zielte auf all jene Akteure, die Immobilien hauptberuflich entwickeln, bewirtschaften, verwalten, vermitteln, beleihen, planen oder begutachten. Die Gesprächspartner gliederten sich in folgende Gruppen: Immobilien-Nebenerwerb: In diese Gruppe fielen insgesamt 13 private
Hauseigentümer, Gewerbetreibende sowie ein Kleinanleger, die ihren Lebensunterhalt nicht mit Erträgen aus der Vermietung decken. Sie besaßen überwiegend nur ein Mietshaus oder eine Wohnung. Die meisten konnten zu Hause befragt werden. Ortsfremde erklärten sich zu Treffen im Café oder Telefongesprächen bereit. Immobilien-Haupterwerb: Unter den zehn Gesprächspartnern, die sich in Zeitz hauptberuflich mit Immobilien befassen, befanden sich unter anderem sechs Makler. Fast alle Befragten nahmen mehrere Rollen und Aufgaben wahr. Es waren private Wohnungsunternehmer, Makler, Bauträger, Hausverwalter, Gutachter und Anlagevermittler vertreten. Sie zeichneten sich durch eine gute Marktkenntnis aus. In dieser Gruppe befand sich auch der Vertreter von Haus & Grund Zeitz e. V. Stadtverwaltung: Sieben Experten aus folgenden Sachgebieten wurden interviewt: Stadtplanung, Stadtumbau, Stadtsanierung, Liegenschaften, Stadtkasse (Grundsteuern), Bauordnung und Denkmalpflege. Planer und Architekten: Hier konnten drei externe Experten befragt werden, darunter der Bearbeiter des Stadtentwicklungskonzeptes und der Beauftragte für das Sanierungsgebiet. Wohnungswirtschaft: Zusätzliche Interviews zu Immobilienmarkt und Stadtumbau wurden mit dem Geschäftsführer der kommunalen Woh-
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Methodik und Datenbasis
nungsbaugesellschaft sowie den Vorsitzenden der zwei größten Zeitzer Wohnungsgenossenschaften geführt. Weiterhin ergaben sich zahlreiche kurze Telefonkontakte mit interessanten Einschätzungen und Hinweisen, die jedoch nicht in ein Interview mündeten. Die ausführlichen, leitfadengestützten Interviews (Lamnek 1995; Deffner 2004) waren auf das Leerstandsproblem und den Stadtumbau zentriert. Der Leitfaden für die privaten Hauseigentümer wurde anhand eines Pretests mit Eigentümern eines Leipziger leer stehenden Mietshauses erstellt und dann in Zeitz erfolgreich eingesetzt. Die Kennenlern- und Einstiegsphase würdigte zunächst die Eigentümerpersönlichkeit in Verbindung mit ihrem Immobilienbesitz. In einigen Fällen wurde das Haus gemeinsam besichtigt. Der erste Teil enthielt gezielte Fragen zur Finanzierung, Vermietung, Unterhaltung des Hauses, der zweite Teil ging auf das Wohnumfeld und die Stadtplanung ein (Anhang). Das Interview wurde so offen geführt, dass die Befragten ihre Sichtweisen und Erfahrungen möglichst frei einbringen konnten. Vor dem Hintergrund des Gesagten erhielt der Befragte abschließend die Gelegenheit, seine aktuelle Situation und die künftige Entwicklung zu reflektieren. Vielfach kamen so noch wichtige Aspekte zur Sprache. Bei den Interviews mit den Experten der Immobilienbranche, den Planern und der Verwaltung galt es zunächst, viele Fachinformationen zu gewinnen und Verständnisfragen zu klären. Ausgehend von einem Leitfaden für Gespräche mit Maklern (Anhang) bedurfte es einer individuellen Vorbereitung und Fragestellung. In allen Fällen gab es genügend Freiräume für Abweichungen vom Leitfaden. 19 von 26 Befragten stimmten einer Tonaufnahme zu, in 13 Fällen wurden vollständige Transkripte angefertigt. Die geringe Anzahl der Personen in den einzelnen Berufsgruppen und Ämtern einer relativ kleinen Stadt wie Zeitz erforderte eine starke Anonymisierung. Daher werden alle Zitate nur mit männlichen Sprechern und einer verallgemeinerten Berufsbezeichnung wiedergegeben. Die qualitative Inhaltsanalyse der Interviews baute auf den aus Theorie bzw. Vorwissen stammenden Kategorien und Dimensionen auf und entwickelte diese anhand der spezifischen Gesprächsinformationen weiter. Bei der Auswertung lag der Schwerpunkt auf der Art und der Verteilung der Verfügungsrechte und den Motiven ihrer Ausübung sowie den handlungsleitenden Institutionen. Ein besonderes Augenmerk lag auf Hinweisen zu Veränderungen und Gefährdungen des Immobilienbesitzes wie Leerstände und Ertragsausfälle. Weiterhin wurden Meinungen zum Wohnumfeld und zur Stadtentwicklung erfasst. Die Validierung und Interpretation der Aussagen geschah im Spiegel der Experteninterviews und im baulich-räumlichen und planerischen Kontext, gestützt durch die GIS-Kartierung. Die Verschiedenheit der Haus- und Eigentümerbiographien und die Subjektivität der Darstellungen ließen keine direkten Vergleiche oder
Methodik und Datenbasis
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schematische Darstellungen zu. Stattdessen sind die Ergebnisse in strukturierten textlichen Beschreibungen wiedergegeben, untersetzt mit Zitaten (Kap. 8, 9). Auf die Analyse der Interviews folgte die Abstrahierung und Typisierung der Einzelfälle und die Bildung eines Modells (Kelle/Kluge 1999). Unter Rückgriff auf die Theorie wurden als entscheidende Faktoren die Konstellation der Verfügungsrechte und die Handlungsmotive zugrunde gelegt (Kap. 10). Aus der Synthese von theoretischen Zusammenhängen und empirischen Befunden konnten eine Instrumentenkritik sowie neue Ansätze für Problemlösungen abgeleitet werden (Kap. 11, 12). Dokumente, Statistiken und Beobachtungen Statistische Informationen ermöglichten die Quantifizierung verschiedener Gebäude- und Bevölkerungsmerkmale und bildeten den Kontext für die Interviews. Sozialdaten waren vom statistischen Landesamt in Halle sowie aus dem Stadtentwicklungskonzept und dem Entwurf seiner Fortschreibung (Stadt Zeitz 2002, 2008) zu beziehen. Die Gebäudedaten basieren auf einer vollständigen Begehung und Erfassung aller Gebäude mit Wohnungen, veranlasst vom Stadtplanungsamt im Sommer 2006. Als Grundlage für die GIS-Karten (Abb. 17, 18, 19) zu Baualter, Bauweise, Zustand und Belegung diente die Automatisierte Liegenschaftskarte des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation SachsenAnhalt in Halle (LVermGeo 2008). Die Überlagerung der Gebäudedaten in GIS mit den statistischen Bezirken und Fördergebieten ermöglichte differenzierte Aussagen für das gesamte Stadtgebiet. So ergab sich im Bereich der Gebäude-, Wohnungs- und Einwohnerstatistik in Verbindung mit dem GIS eine sehr gute Datenlage. Die städtebauliche Analyse begann mit einer Begehung und Beschreibung der sichtbaren Quartiersmerkmale, ergänzt um historische Angaben und verfügbare Gebäude- und Sozialdaten. Weitere Darstellungen zur Gestalt und Funktion der Zeitzer Altbauquartiere beruhen auf Fotos und den subjektiven Aussagen der Hauseigentümer und Makler. Eine Auswertung der örtlichen Planungen und Medien lieferte weitere wichtige Grundlagen und Kontextinformationen. Die Beobachtung von Zwangsversteigerungen ergab sich als Folge von Maklerinterviews und der Frage nach der Eigentumssituation völlig leer stehender Häuser und teilsanierter Investitionsruinen. Da das Amtsgericht Zeitz keine Statistik führt, wurden die amtlichen Terminankündigungen für Altbauten in den Untersuchungsgebieten im Internet unter www.zvg.com/termine/sachsenanhalt/zeitz über 16 Monate lang verfolgt. Sieben Termine wurden persönlich als Beobachter wahrgenommen, wobei sich in den Gesprächen am Rande mit Gerichtspflegern, Gläubigern und Bietinteressenten weitere wichtige Aspekte für die Untersuchung ergaben. Die Einsichtnahme in Gutachten zur Verkehrswert-
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Methodik und Datenbasis
ermittlung lieferte exemplarisch Aussagen zur Bau- und Nutzungsgeschichte sowie zu Betriebskosten und Sanierungskosten einzelner Häuser. Die Kalkulationen enthielten auch Annahmen zum erwarteten Zinssatz, der Miethöhe und der Restnutzungsdauer. Datendefizite Einige Ansprüche an die Datenbasis und die Auswahl der Gesprächspartner konnten in der Fallstudie Zeitz nicht erfüllt werden. Idealerweise wäre die Ermittlung der Hauseigentümer nach dem Grundbuch erfolgt. Aus Datenschutzgründen, aber auch wegen veralteter Einträge und ihrer Klassifizierung nach Flurstücken, war ein Zugriff auf das Grundbuch nicht praktikabel. Hochinteressant wären auch anonymisierte Eigentumsstatistiken für die Altbauquartiere. So könnte man den Anteil von Wohneigentumsgemeinschaften, auswärtigen Eigentümern, Umfang der Grundpfandrechte oder die Anzahl von Insolvenzen ermitteln. Auch in einigen anderen relevanten Bereichen waren statistische Auskünfte nicht, nur mit unangemessenem Aufwand oder lediglich schätzungsweise und undifferenziert erhältlich. Hier sind Angaben zum aggregierten Fördermitteleinsatz der verschiedenen Programme, Zahlen zu Bau- und Abrissgenehmigungen sowie zum kommunalen Immobilienbesitz gemeint. Der explorative Ansatz verlangte nach qualitativen Interviews mit Hauseigentümern und weiteren Inhabern von Verfügungsrechten in Altbauquartieren. Viele Anfragen liefen aus mangelndem Interesse oder wegen großer Entfernungen ins Leere, in manchen Fällen ergab sich kein gemeinsamer Termin. Einige verwiesen auch auf Makler und Hausverwalter. Die Befragung musste daher aus Gründen der Bearbeitungskapazität und des Antwortverhaltens auf eine kleine, aus Absicht und Zufall gemischte Anzahl äußerst vielfältiger Vertreter beschränkt bleiben. Zugunsten einer tiefgründigen Erklärung von Handlungsmustern waren daher Abstriche beim Versuch einer quantitativen Typisierung in Kauf zu nehmen. Diese war lediglich näherungsweise anhand der GIS-Kartierung und aufgrund von Aussagen von Maklern möglich. Ein direkter Kontakt zu Banken bezüglich ihrer Geschäftspolitik in Zeitz ergab sich nicht. Abgesehen von einigen informellen Gesprächen mit Gläubigervertretern am Rande von Zwangsversteigerungen erfolgte stets ein Verweis an die Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmenszentralen in Frankfurt oder München. Methodenkritik Die Stadt Zeitz bildet weder einen Durchschnitt von Problemlagen schrumpfender Städte ab noch kann sie repräsentativ für die Umsetzung von StadtumbauStrategien sein. Entsprechend sind keine quantitativen Einordnungen oder Rückschlüsse in Bezug auf eine Mehrheit von Städten möglich. Zeitz ist jedoch eine
Methodik und Datenbasis
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typische Vertreterin mittelgroßer ostdeutscher Städte im postindustriellen Zeitalter, die stark von demographischem Wandel, Abwanderung und Leerstand betroffen sind. Die untersuchten Baustrukturtypen „mittelalterliches Zentrum und „gründerzeitliche Stadterweiterung“ sind europaweit verbreitet, der rechtliche Rahmen und die Förderbedingungen gelten in ganz Ostdeutschland. Vorbehaltlich lokaler Spezifika in den Bereichen Politik und Planung sind daher verallgemeinerbare Aussagen oder Querbezüge zu Akteursbeziehungen und Entwicklungsprozessen in Altbauquartieren anderer Städte möglich. Der Gefahr des Lokalismus wird durch eine Kontextualisierung mit quantitativen Studien (u. a. BMVBS 2007 a, b, e, f) und dem fachlichen Austausch mit Planern und Stadtforschern begegnet. Eine explorative Studie kann zwar ein hohes Maß neuer Erkenntnisse bringen, ist zugleich aber auch vielen Unwägbarkeiten ausgesetzt. Wichtig für die Wahl der Methoden ist eine klare Richtschnur, die sich aus dem Ausgangsproblem, dem Untersuchungsgegenstand sowie der Forschungsfrage ergibt. Dann lassen sich auch kreative und ggf. indirekte Lösungswege begründen. Ausgangspunkt der vorliegenden Studie waren perforierte Altbauquartiere und ihre Eigentumsverhältnisse, die Frage bezog sich auf die Marktreaktionen und den Einfluss von Planungsinstrumenten. Im Verlauf der Untersuchung stellte sich sehr bald heraus, dass die Akteurskulisse um weitere einflussreiche Verfügungsberechtigte zu erweitern war. Bestimmte Verwertungsprozesse ließen sich nur indirekt über den Weg von Zwangsversteigerungen ermitteln. Entsprechend wurden zusätzliche Experteninterviews mit Vertretern der Immobilienbranche geführt. Insgesamt jedoch blieb der Fokus auf die Perspektive der Hauseigentümer bestehen, trotz wichtiger Verfügungsrechte von Mietern, Geldgebern und Staat. Eine direkte Erforschung der Strategien von Banken und Käufern notleidender Kredite in Bezug auf Schrumpfung und Stadtumbau muss jedoch weiteren Studien vorbehalten bleiben. Die Defizite vieler Studien bei der Erfassung von handlungsunfähigen Eigentümern und komplett leer stehenden Häusern konnte zum Teil durch die Statistik und Beobachtung von Zwangsversteigerungen, aber auch Befragungen von Nachbarn aufgefangen werden. Dennoch blieb die mangelnde Datenlage insbesondere für verfallene Häuser unbefriedigend, da sie für den Stadtumbau besonders kritisch sind. Bei diesen Ruinen und Brachen ist anhand des letzten Grundbucheintrags oft schwer festzustellen, ob und welche Rechtstitel für das Haus bestehen und wer sie ausübt. Letztlich konnte angesichts der Vielfalt von Gebäudemerkmalen, Handlungsmotiven und Geschäftspraktiken in Altbauquartieren nur eine empirisch begründete Auswahl typischer Handlungsmuster und einflussreicher Instrumente dargestellt werden. Die Kombination der verschiedenen Quellen und Methoden
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Methodik und Datenbasis
in einer überschaubaren Stadt erlaubte jedoch trotz der Einschränkungen bei Datenlage und Forschungsdesign einen sehr guten Überblick über die relevanten Bedingungen für den Stadtumbau. Der weitere Forschungsbedarf ist in Kap. 12.3 dargestellt.
7
Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
Als Einstieg in die Fallstudienstadt werden hier die Eckdaten der Stadtentwicklung und des örtlichen Immobilienmarktes erläutert. Da die handelnden Akteure die äußeren Rahmenbedingungen stets subjektiv interpretieren, enthalten die folgenden Darstellungen auch persönliche Einschätzungen. Auf diese Weise werden nicht nur die Fakten, sondern auch die Stimmungslage bzw. das Geschäftsklima in einer schrumpfenden Stadt wiedergegeben.
7.1
Bevölkerung und Stadtentwicklung
967 1564 1656 1718 1815 1843 1858 1872/73 1889 1952 1994
Slawische Siedlung Erste urkundliche Erwähnung als Cici auf der Synode von Ravenna Gründung Bistum Zeitz durch Kaiser Otto I. Papst Johannes XIII. Auflösung des Bistums Zeitz, Verlagerung nach Naumburg Herzogtum Sachsen-Zeitz, Bau der Moritzburg 1657 - 1678 Das Stiftsgebiet Zeitz kommt zu Preußen Erste Dampfmaschine, Beginn der Industrialisierung Eisenbahn Weißenfels – Zeitz – Gera Eisenbahn nach Leipzig und Altenburg Erste Brikettfabrik der Welt Kreisstadt im Bezirk Halle Auflösung des Landkreises Zeitz, Eingliederung in den Burgenlandkreis
Daten: Rat der Stadt Zeitz (Hrsg.) (1988), Königs Hofbuchhandlung Hanau (Hrsg.) (1992)
Abb. 11: Zeittafel der Stadt Zeitz
Zeitz an der weißen Elster ist eine mittelgroße Stadt mittelalterlichen Ursprungs am Übergang von der Leipziger Tieflandsbucht zum Thüringer Wald. „Topographisch ist Zeitz eigentlich eine tolle Stadt, das ist fast einmalig, auf so einem Bergsporn über dem Fluss zu liegen“, sagte ein Stadtplaner. Zeitz war im 10. Jahrhundert kurzzeitig Bischofssitz, im 17. Jahrhundert Residenzstadt und bis
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
zur Wende Industriestadt mit den typischen Phasen barocker und gründerzeitlicher Stadterweiterung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist Zeitz noch ein Mittelzentrum und die südlichste Stadt in Sachsen-Anhalt, nah an den Grenzen zu Sachsen und Thüringen gelegen. Die Stadt Zeitz verlor 1994 ihren Status als Kreisstadt und gehört nun dem Burgenlandkreis mit Sitz in Naumburg an. Zeitz bildete im Jahr 2007 mit acht angrenzenden Orten eine Verwaltungsgemeinschaft mit 35.000 Einwohnern (MZ 11.01.2007). 50000
40000
30000
20000
10000
0 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
Daten: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt; Stadt Zeitz
Abb. 12: Einwohnerentwicklung der Stadt Zeitz
Bevölkerungsentwicklung Im Jahr 1875 hatte Zeitz 16.480, im Jahr 1900 bereits 27.558 Einwohner (König’s 1992), zur Zeit der DDR lag die Einwohnerzahl über lange Zeit bei über 43.000 EW. Im Jahr 1971 erreichte sie ihren Höhepunkt mit 47.745 EW. Bereits in den 1980er Jahren setzte ein leichter Bevölkerungsrückgang ein, der sich nach der Wende erheblich beschleunigte. Zeitz unterschritt die Marke von 30.000 EW im Jahr 2004 und kam 2007 auf 27.421 Einwohner (Abb. 12). Damit verlor die Stadt seit 1990 kontinuierlich pro Jahr im Durchschnitt 2,2 % ihrer Einwohner. Zur Frage der künftigen Bevölkerungsentwicklung ermittelt und vergleicht der
Bevölkerung und Stadtentwicklung
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Entwurf zur Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzeptes verschiedene Prognosen (Stadt Zeitz 2008: 14). Je nach Variante würde die Einwohnerzahl im Jahr 2020 nur noch zwischen 17.103 EW (Basis: Kreisprognose Statistisches Landesamt) und 23.734 EW (Stadt Zeitz) liegen. Drei Fraktionsvorsitzende des Stadtrates kritisierten, dass der Entwurf des Stadtentwicklungskonzeptes von einem weiteren Bevölkerungsrückgang ausgeht, „statt nach Ansatzpunkten zu suchen, wie diese Tendenz aufgehalten werden kann“ (Super Sonntag 13.04.2008). Die Alterspyramide zeigt jedoch, dass die nachrückenden Jahrgänge zu klein sind, um eine Erholung der Bevölkerungszahl zu ermöglichen (Abb. 13). Kleine Steigerungen in der Geburtenrate vermögen die mangelnde generative Nachhaltigkeit mit dem zunehmenden Sterbeüberschuss nicht auszugleichen. Der Einwohnerrückgang ließe sich nur durch dauerhafte Wanderungsgewinne, und dann allenfalls nur leicht bremsen. Einzelne neue Industrieansiedlungen dürften daher eher fiskalische als demographische Effekte haben. Ihre Auswirkungen auf den regionalen Wohnungsmarkt sind auch aufgrund der hohen, bereits ansässigen Arbeitsreserve als sehr gering einzuschätzen.
Daten: Stadt Zeitz, Stand 30.06.2007
Abb. 13: Alterspyramide
Die Alterspyramide liefert wichtige Aussagen für viele Belange der Stadtentwicklung, darunter Wohnungsmarkt und Infrastruktur. Neben der zahlenmäßig reduzierten Nachkriegsgeneration der 55-65-Jährigen und der Abwanderungs-
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welle insbesondere der heute ca. 30-jährigen Frauen fällt der Geburtenknick nach der Wende bei den 10-15-jährigen Kindern besonders auf. Dieser wird ab ca. 2010 zu einer stark verringerten Haushaltsbildung und Wohnungsnachfrage führen. Bei den Senioren über 65 Jahren überwiegen die Frauen. Bei einer Lebenserwartung von ca. 80 Jahren dürften noch einige starke Jahrgänge in die Phase betreuungsbedürftigen Wohnens rücken. Gleichzeitig ist absehbar, dass die Wohnsiedlungen Völkerfreundschaft und Zeitz-Ost mit ihrem sehr hohen Seniorenanteil in absehbarer Zukunft „aussterben“ werden. Das Geburtendefizit und die schwachen Jahrgänge am Fuß der Alterspyramide werden die weitere Stadtentwicklung in Zeitz nachhaltig prägen. Manche private Hausbesitzer und Immobilienprofis blickten sehr nüchtern in die Zukunft und meinen, man müsse sich auf eine künftige Bevölkerungszahl von unter 20.000 Einwohnern einstellen. Ein Vertreter der Wohnungswirtschaft kommentierte die Reaktion der Politik auf die demographischen Herausforderungen wie folgt: „Das ist immer noch so wie bei dem, der aus dem Hochhaus fällt und an der 5. Etage vorbeifliegt und sagt, bis jetzt ging noch alles gut.“ Ein Vermieter, der aus einer westdeutschen Mittelstadt kommt, stellte fest: „Unsere Erfahrung ist: Eine 20.000-Einwohner-Stadt kann sehr schön sein, gut funktionieren und für alle profitabel sein. Es kann rollen. Unsere Hoffnung hier für Zeitz ist, dass die Stadt, wenn sie mal zusammengeschrumpft ist auf 20.000 oder 18.000, dann etwas Vernünftiges ist. Aber wenn sie auf 18.000 rechnen, dann müssen hier ganze Straßen weg.“ Professionelle Vermieter sowie einige engagierte private Hausbesitzer waren sich der demographischen Herausforderung durchaus bewusst. Für sie stellt sich die Frage nach der strategischen Orientierung innerhalb eines schrumpfenden Marktes. Wirtschaftsstandort Die Industrialisierung in Zeitz setzte Mitte des 19. Jahrhundert ein und blieb bis 1990 bestimmend für die Stadtentwicklung. In Zeitz war eine große Vielfalt von Branchen angesiedelt. Zu den wichtigsten Arbeitgebern gehörten der Maschinenbau (ZEMAG) als Ausrüster für den Bergbau und die größte Kinderwagenfabrik Europas (ZEKIWA). Weiterhin wurden in Zeitz Haushaltschemie, Pianos und Textilien hergestellt. Auf dem Gelände des Chemie- und Industrieparks 5 km nordöstlich von Zeitz entstand ab 1936 das Hydrierwerk (Hyzet) zur Gewinnung von Benzin aus Braunkohle. Viele Zeitzer arbeiteten auch in den Braunkohletagebauen in der näheren Umgebung sowie in den Uranerzgruben der Wismut AG in Thüringen. Bedingt durch die wirtschaftliche Transformation durchlief die Stadt Zeitz in den 1990er Jahren eine rapide Deindustrialisierung. Heute gibt es nur noch sehr wenige Arbeitsplätze in der Chemieindustrie und im Bergbau. Die Zuckerfabrik (Zeitzer Zucker) und eine Schokoladenproduktion (Zetti) haben die
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Wende überdauert. Die Neuansiedlung eines Bioethanolwerkes im Jahr 2005 und einer Gießerei im Jahr 2008 haben nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Burgenlandkreis betrug die Arbeitslosenquote im Durchschnitt des Jahres 2006 21,5 % (2005: 24,8 %) (Bundesagentur für Arbeit). Für die Stadt Zeitz lag keine Detailauswertung vor. Aufgrund der Stadtstruktur und der industriellen Vergangenheit dürfte die Quote hier höher als im Landkreis liegen. Als Wirtschaftsstandort hat Zeitz seine ursprüngliche Bedeutung verloren, da die verbliebene Unternehmensstruktur weder eine kritische Masse noch eine Verbundwirkung nach innen und in die Region entfaltet. In 25-30 km Entfernung liegen weitere ehemalige Residenz- und Industriestädte ähnlicher Größe mit ähnlichen Problemen: Altenburg in Thüringen sowie Naumburg und Weißenfels an der Saale in Sachsen-Anhalt. Ein wichtiger Bezugspunkt für Zeitz ist das Oberzentrum Gera in Thüringen, 25 km südlich an der weißen Elster flussaufwärts gelegen. Nach Norden flussabwärts führen die Regionalbahn und die Bundesstraße 2 in ca. 45 min in die 45 km weit entfernte Stadt Leipzig. Die nächsten Autobahnanschlüsse an die A9 und A4 liegen je in ca. 15-20 km, der Flughafen Leipzig-Halle in 40 km Entfernung. Die Verlagerung der Hauptverkehrs- und Wirtschaftsströme auf den Ballungsraum Leipzig-Halle und die Autobahnkorridore lässt Zeitz in einer vergleichsweisen ungünstige Randlage zurück. Mehrere befragte Zeitzer Hauseigentümer und Immobilienexperten kritisierten die halbherzige und unkoordinierte Ansiedlungspolitik. Jedoch halten der Bevölkerungsrückgang und die Konzentration der Bildungs- und Arbeitsstätten in den Großstädten an. Daher ist kein weiteres großes Ansiedlungspotenzial zu erwarten, das merklich und arbeitsmarktwirksam in die Region bis nach Zeitz hin ausstrahlen könnte. Die Attraktivität der Zeitzer Innenstadt als Einkaufsort ist gering. In der Innenstadt fehlt ein Magnet. Im Jahr 2007 standen 31,4 % der Einzelhandelsflächen leer (Stadt Zeitz 2008: 43). Die Kaufkraft lag in Zeitz bei 71,4 % des Bundesdurchschnitts (ebd.). Die geplante Ansiedlung eines Schnellrestaurants wirft ein Schlaglicht auf die prekäre Situation. „Man war sich darüber einig, geht aus dem Brief von McDonald’s hervor, dass die Größe der Stadt Zeitz und ihres Umfeldes den wirtschaftlichen Bau und Betrieb eines Restaurants rechtfertige“ (MZ 15.08.2007). Die Fast-Food-Kette stellte in ihrer Analyse jedoch fest, dass der Innenstadt die „für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Fußgängerfrequenzen“ fehlen (ebd.). Daher bevorzugte der Investor einen autogerechten Standort an der Ausfallstraße Richtung Altenburg, direkt neben dem Plattenbaugebiet. Hier befinden sich bereits zwei Discounter und ein Einkaufszentrum. „Schlimm, was die auf der grünen Wiese gemacht haben“, meinte ein Wirt aus der Altstadt. Anstatt die abnehmende Kaufkraft durch Konzentration zu binden, schwächen sich in einer kleinen Stadt wie Zeitz das Zentrum und die grüne
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
Wiese gegenseitig besonders stark. Die weiteren geplanten Einzelhandelsprojekte für die innenstadtnahen Brachen Piano Union, Lack Lenzen und die Artilleriekaserne würden das Einkaufsziel Zeitz weiter zerfasern (MZ 21.05.2007). Ein örtlicher Immobilienexperte kommentierte: „Der eine Supermarkt zieht den anderen leer. Wir produzieren uns unsere Ruinen selbst.“ In der Altstadt meinte ein existenziell bedrohter Einzelhändler in dritter Generation verzweifelt: „Da wurschteln wir alle bloß noch so hin, in der Hoffnung, dass wir es noch, bis wir aufhören, schaffen. Das ist doch keine Zukunft.“ Viele der befragten einheimischen Hauseigentümer, die gleichzeitig ein Handwerk oder Geschäft betreiben, waren pessimistisch eingestellt. Ein Ladeninhaber wurde deutlich: „Es geht weiter abwärts. Zeitz ist eine sterbende Stadt.“ Diese Aussagen stellen zwar nur einzelne Momentaufnahmen im Untersuchungszeitraum 2006/2007 dar, diesen standen allerdings keine nennenswerten positiven lokalen Wirtschaftsnachrichten gegenüber.
Abb. 14: Innenstadt: Rossmarkt und Neumarkt
Der Tourismus erfuhr zwar im Jahr 2004 einen kleinen Schub mit der Landesgartenschau an der Moritzburg, bleibt aber relativ schwach entwickelt und vermag es kaum, die Zeitzer Gastronomie und Hotels zu füllen. Zeitz liegt an Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt. Die Weinroute und der Radweg an der weißen Elster sollen Bestandteil des Touristikverbundes „Blaues Band“ des Landes Sachsen-Anhalt werden. Einige Westdeutsche Bauträger sahen nach der Wende in der Zeitzer Altstadtkulisse ein großes Potenzial und stehen bis heute dazu. Einer von ihnen bekannte: „Zeitz ist eine schöne Stadt. Da kann man echt nix sagen. Gehört meiner Meinung nach zu den schönsten Kleinstädten hier im Osten.“ Gleichzeitig kritisierten er und mehrere weitere befragte Hauseigentümer das zu schwach ausgeprägte Stadtmarketing: „So bringt man keine Stadt vorwärts.“ Die Euphorie der frühen 1990er Jahre ist inzwischen der Ernüchterung
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gewichen. Ein Wirt in einer halb verfallenen Durchgangsstraße im Zentrum stellte fest: „Ein paar müssen dableiben, um das Licht auszumachen. Das war schon zu DDR-Zeiten so.“ Zu den Bemühungen einiger Händler und Unternehmer, Kulturveranstaltungen und Märkte zu organisieren, meinte er: „In Zeitz ist nichts los. Und wenn was los ist, geht keiner hin.“ Tatsächlich dürfte der Aufwand, um das verbliebene Handels- und Kulturpotenzial neu auszurichten und zu bündeln, mit der weiteren Ausdünnung von ehemals hoch frequentierten Geschäftslagen steigen (Abb. 14).
7.2
Altbauquartiere
Am Fallbeispiel Zeitz wird die Dimension des Leerstandes und der Perforation in Altbauquartieren stark schrumpfender Städte besonders gut sichtbar. Die Beschreibung der städtebaulichen Situation und die GIS-Analyse des Bestandes an Wohngebäuden spiegelt zugleich die räumliche Verteilung der Verfügungsrechte und der entsprechenden Handlungsmuster wider. Altbauquartiere sind in dieser Arbeit als zusammenhängende, geschlossene Vorkriegsbebauung definiert (Abb. 17, blau dargestellt). In Zeitz, ähnlich wie in anderen altindustriellen Städten, können drei Gebietstypen unterschieden werden (Straßen und Gebietsnamen s. Abb. 19): Der mittelalterliche Kern mit einigen barocken Ergänzungen (Oberstadt), die großen gründerzeitlichen Stadterweiterungen (Bereiche Schillerstraße und August-Bebel-Straße) sowie Randbebauungen und Gemengelagen an Ausfallstraßen (Unterstadt, Parkstraße, Wasservorstadt, Freiligrathstraße). Alle diese historischen Strukturen zeichnen sich durch ihre kleinteilige Parzellenstrukturen und fragmentierten Eigentumsverhältnisse aus. Die weitere Siedlungsentwicklung verlief dagegen in größeren Einheiten, von den grünen Höfen der Musikersiedlung aus den 1920er und 30er Jahre über die offenen Reihen und Zeilen der Nachkriegszeit in der Siedlung Völkerfreundschaft mit 960 Wohnungen (Abb. 17, grün dargestellt), es folgte der Plattenbaustandort Zeitz-Ost mit 1.460 Wohnungen (Rat der Stadt Zeitz 1988) (ebd., rot). Nach der Wende kamen einige wenige Ein- und Mehrfamilienhausgebiete hinzu (ebd., orange). Im Zuge des Programms Stadtumbau Ost erfuhren diese großen Strukturen eine hohe politische, planerische und finanzielle Zuwendung. Die Altbaubestände mit ihren zahlreichen und vielfach ortsfremden Kleineigentümern blieben dagegen für Planungsansätze nur schwer zugänglich und bilden heute ein weitgehend zufälliges Mosaik von vermieteten Häusern, Leerstand und Ruinen (Abb. 15, 18, 19).
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
Abb. 15: Mittelalterliches Zentrum (Sanierungsgebiet)
Das Zentrum mittelalterlichen Ursprungs umfasst die Oberstadt innerhalb des ehemaligen Mauerrings und weist eine sehr kleinteilige, heterogene Struktur auf. Der Stadtgrundriss und die Straßennamen reflektieren die historischen Nutzungen und Orte. Die Bebauung und ihr Zustand sind sehr gemischt. Kleine Handwerker- und Hofhäuser wechseln sich mit Geschäftshäusern aus der Gründerzeit ab. In einigen zentralen Bereichen überwiegt der Eindruck sanierter Häuser, an vielen anderen Stellen, insbesondere am Westhang der Oberstadt dominieren Ruinen und klaffen große Lücken (Abb. 19). Die Bundesstraße 180 führt mitten durch den Stadtkern. Ein betroffener Hauseigentümer ärgerte sich: „Dass nach 15 Jahren Stadterneuerung die Bundesstraße immer noch durch die Altstadt verläuft, ist eine Katastrophe. Und deshalb haben Sie in Zeitz durch die Innenstadt eine Ruinenschneise.“ Die Verkehrsführung und Stellplatzsituation ist ein wiederkehrendes Thema in der Lokalpresse (MZ 22.01.2007). Der Einzelhandel konzentriert sich überwiegend in der Fußgängerzone, einige Läden und Gaststätten sind weiter verstreut. „Wenn noch ein Wohnhaus saniert wird, fällt dafür ein anderes leer.“ Ein Mitarbeiter der Verwaltung bezeichnete diese Dynamik als „innere Umverteilung“. Die Eigentumsverhältnisse sind sehr gemischt, viele mittelalterliche Häuser weisen inhabergeführte Läden und selbst genutzte Wohnungen auf. Andere Gebäude sind in der Hand von auswärtigen Immobiliengesellschaften oder befinden sich in der Zwangsversteigerung. Der Mittelalterliche Kern ist als Sanierungsgebiet ausgewiesen und Schwerpunkt der Zeitzer Stadterneuerungspolitik. Der Problemdruck bleibt trotz aller Bemühungen der letzten 15 Jahre hoch. Der Leerstand im Sanierungsgebiet betrug im Jahr 2006 44,5 % (Abb. 18). Der Anteil unsanierter Wohnhäuser, fast alles Ruinen, lag hier bei 29,3 %. Die Gesamtfläche der Altstadt erscheint viel zu groß und die Einzellagen zu verschieden, als dass alle städtebaulichen und funktionalen Mängel planerisch mit Hilfe des Sanierungsgebietes gelöst werden könnten.
Altbauquartiere
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Abb. 16: Gründerzeit (Stadtumbau Fördergebiet 1 „Aufwertung“)
Die geplanten Stadterweiterungsgebiete des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts wiesen ein orthogonales, hierarchisches Straßenraster und eine homogene, geschlossene Baustruktur auf. Es dominieren 3-5-geschossige Mehrfamilienhäuser, überwiegend in traditioneller Bauweise als Zweispänner mit Wohnungsgrößen zwischen 50 und 80 m2 errichtet. In Zeitz umfassen sie die Gebiete zwischen Schiller- und Schützenstraße sowie die August-Bebel-Straße und ihre Seitenstraßen. Der Bauzustand ist gemischt. Der Leerstand betrug 36,5 % (Abb. 18). In vielen Höfen sind trotz der Sanierung der Wohnungen viele Nebengebäude, Garagen und Werkstätten erhalten geblieben, die die Wohnqualität nach heutigen Maßstäben einschränken. Der östliche, neuere Teil wurde damals als reines Wohngebiet mit Gartenhöfen entwickelt. In den 1990er Jahren haben Bauträger viele gründerzeitliche Mietshäuser in Eigentumswohnungen aufgeteilt. In diese Steuersparmodelle sind ortsfremde Kleinanleger eingestiegen, die sich vor Ort von Hausverwaltungen und Maklern vertreten lassen. Weitere große Eigentümergruppen bilden Privatleute und private Wohnungsunternehmen. Aber auch die kommunale Zeitzer Wohnungsgesellschaft (WBG) verwaltet noch größere Altbaubestände. Das Gründerzeitgebiet ist als Stadtumbaugebiet „Aufwertung“ ausgewiesen (Abb. 18). Hier ist allerdings auch die Förderung von Rückbau möglich. Auf diesem Weg hat die hoch verschuldete WBG hier bereits mehrere Häuser abgerissen. Weitere Altbaubestände liegen an Stadteingängen, Ausfallstraßen und in Gemengelagen mit Fabriken. Die Bebauung ist meist gründerzeitlich geprägt und bildet überwiegend geschlossene Straßenränder (Unterstadt, Parkstr, Wasservorstadt). Als Wohnstandort erreichen sie angesichts des Leerstandes um ca. 40 % nicht mehr die kritische Masse für die Nahversorgung, der Weg zum Bäcker und zur Kaufhalle ist weit. Weder gehören diese Bereiche dem urbanen Kern an noch weisen sie die Grünqualitäten von geplanten Siedlungen auf. Viele Rand- und Gemengelagen sind spekulativ oder im räumlichen Zusammenhang mit inzwi-
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schen stillgelegten Fabriken entstanden. Teilweise prägen sie mit ihren leer stehenden Häusern, Ruinen und Brachen markante Stadteingänge (Brühl, Wasservorstadt, Schädestraße). Ein Architekt bemerkte: „Also der Zustand der Häuser an den Ausfallstraßen ist prekär. Ich kenne keine Stadt, die so einen schlechten Eindruck macht. Fremde, die auf der Bundesstraße durch Zeitz fahren, werden durch die schlechtesten Gebiete geführt.“ Das Wohnumfeld im Bereich der Stadteingänge wirkt ungeordnet, die weitere Entwicklung erscheint unentschieden. Die Verkehrsbelastung und der Leerstand sind hoch. Seitens der Stadtplanung gibt es keine klaren Zukunftsaussagen. In diesen Lagen fanden bereits einige Abrisse statt. Die Bevölkerungsentwicklung zwischen den Jahren 2000 und 2006 verlief in den untersuchten Zeitzer Altbauquartieren unterschiedlich. Während der mittelalterliche Stadtkern auf niedrigem Niveau einen minimalen Zuwachs von 1,8 % auf 1.623 EW verzeichnete, verlor das Gründerzeitgebiet knapp 10 % seiner Einwohner und sank auf 6.582 EW (Stadt Zeitz 2008: 16). Der Anteil der über 65-jährigen Bevölkerung lag im Stadtkern mit 20 % am niedrigsten, in der Gründerzeit lag er knapp unter dem Zeitzer Durchschnitt von 29,7 %. Zum Vergleich ist das DDR-Neubaugebiet Zeitz Ost mit einem Anteil alter Bewohner von 35,7 % zu erwähnen (Stadt Zeitz 2008: 19f). Die Zahl der Jugendlichen hat in Zeitz insgesamt stark abgenommen (Abb. 13), ihr prozentualer Anteil in den Altbauquartieren ist jedoch leicht überdurchschnittlich. Die Einwohnerdichte lag nach eigenen GIS-Berechnungen bezogen auf die Wohnbauflächen im Stadtkern bei noch ca. 37 EW/ha. Dieses Dichte-Niveau liegt nur knapp über den Werten der Zeitzer Randlagen und Einfamilienhausgebiete. Die Gründerzeit erreichte dagegen eine Dichte von ca. 95 EW/ha, etwa gleich viel wie im Plattenbau in Zeitz Ost. Gemessen an den Kapazitäten der Bau- und Infrastruktur sind diese Werte jedoch sehr gering. Im Stadtumbau stellen sich für Zeitz daher nicht nur drängende Fragen des Stadtbildes, sondern gleichzeitig auch der Bewirtschaftung der sozialen und technischen Infrastruktur. Insgesamt erscheinen die Aussichten für eine Wiederbelebung der Zeitzer Altbauquartiere in ihrer historischen Form und Urbanität ungünstig. Ein örtlicher Architekt schätzt die städtebauliche Situation so ein: „Es soll wohl ausgelichtet werden, das ist unaufhaltsam. Was jetzt noch steht, ist wohl sehr aufwändig zu sanieren. Es ist vorauszusehen, was hier in den nächsten 10-15 Jahren noch an Baulücken entstehen wird.“ Vielmehr ist ein neues Leitbild gefragt, das die zunehmende Durchlöcherung thematisiert. „Irgendwo ist die Stadt auch keine Stadt mehr, wenn man nur noch Grünflächen hat, wenn man überall die Häuser wegreißt“, meinte ein privater Hauseigentümer in der Altstadt. Neue Überlegungen zur Entwicklung der Altbauquartiere können keine Postkartenkulisse, sondern müssen die perforierte Stadt als Ausgangspunkt nehmen (Abb. 19).
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Altbauquartiere
Erlaubnis A9-46685-2008-14
Abb. 17: Karte der Baualtersklassen, Untersuchungsgebiete
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Erlaubnis A9-46685-2008-14
Abb. 18: Karte des Leerstandes und Fördergebiete
Altbauquartiere
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Erlaubnis A9-46685-2008-14
Abb. 19: Karte des Bauzustandes
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
Immobilienmarkt
Für die Untersuchung standen Daten einer Vollerhebung der Zeitzer Wohngebäude zur Verfügung, die im Jahr 2006 vom Stadtplanungsamt veranlasst wurde. Im Gegenzug wurden am UFZ GIS-Karten erstellt (Abb. 17-19). Zunächst wird die Gebäudestatistik im Zusammenhang mit dem Bau- und Bodenmarkt diskutiert (Abb. 20). Anschließend folgt eine Betrachtung des Zeitzer Wohnungsmarktes (Abb. 21). Bau- und Bodenmarkt Knapp ein Drittel aller Wohngebäude in Zeitz sind Mietshäuser in Altbauquartieren. Die Gebäudestatistik wird jedoch verzerrt durch die Zusammenfassung mehrerer Hausnummern in den Blöcken der Nachkriegs- und Plattenbaugebiete. Die große Zahl der Altbau-Einfamilienhäuser setzt sich aus Teilen des mittelalterlichen Kerns und der Dorflagen, einzelner Villen sowie den Kleinsiedlungen der Zwischenkriegszeit zusammen. Strukturtyp MFH Altbau* Siedlung** Platte**
Wohngebäude
saniert
teilsaniert
unsaniert
1.220
31,7 %
808
125
286
23,4 %
199
5,2 %
195
3
1
0,5 %
101
2,6 %
86
4
11
10,9 %
1.465
38,1 %
1.222
92
151
10,3 %
EFH DDR
332
8,6 %
303
17
12
3,6 %
EFH ab 1990
153
4,0 %
25
0,6 %
EFH Altbau
MFH ab 1990 Sonstige gesamt
354 3.849
9,2 % überwiegend ohne Wohnfunktion 100,0 % Zahl der erhobenen Datensätze
Daten: Stadt Zeitz, Gebäudeerhebung 2006. Auswertung B. Schiffers, UFZ MFH Mehrfamilienhaus ab 3 Wohneinheiten Siedlung MFH nach Krieg, überw. Völkerfreundschaft EFH Ein- und Zweifamilienhäuser EFH Altbau Schließt kleine mittelalterliche Häuser sowie Villen mit ein * Überwiegend Gründerzeit ** Blöcke mit mehreren Aufgängen
Abb. 20: Wohngebäudeerhebung der Stadt Zeitz
Bemerkenswert ist vor allem der Sanierungsgrad innerhalb der verschiedenen Kategorien (Abb. 20, letzte Spalte). Obwohl dieses Merkmal von Laien erfasst
Immobilienmarkt
117
wurde und gerade bei teilsanierten Gebäuden nicht ganz eindeutig war, dürfte die Differenzierung innerhalb des Bestandes mit gleichem Maßstab erfolgt sein. Demnach waren von den Mietshäusern der Gründerzeit 23,4 % noch unsaniert. Dies ist das „letzte Viertel“, das von der Sanierungswelle der 1990er Jahre nicht erfasst wurde. Abb. 19 stellt den Bauzustand in den Altbauquartieren dar. Unsanierte Gebäude (rot) befinden sich fast überall, mit gewissen Häufungen an den Rändern des Altstadtkerns. Die gründerzeitlichen Standard-Mietshäuser sind etwas besser in Schuss, da hier oft Bauträger mit Anlegermodellen eingestiegen sind. In diesem Segment erfolgten allerdings auch viele „Pinselsanierungen“, bei der eine schöne Fassade eine minimale Billig-Instandsetzung verbirgt. Die Gespräche und GIS-Karten zeigen, dass der Bauzustand weniger von der Lage, als vielmehr von den Eigentumsverhältnissen abhängt, wie sie sich seit den 1990er Jahren entwickelt haben. Die Auswertung der Begehung aus dem Jahr 2006 ergab, dass etwa drei Viertel aller Altbauten von Leerstand betroffen waren, ob es der Laden im Erdgeschoss, eine einzelne Wohnung oder das ganze Haus ist (Abb. 18). Angesichts mangelnder Nachfrage und hoher Instandsetzungskosten ist eine wirtschaftliche Sanierung des ruinösen „letzten Viertels“ der Altbauten kaum darstellbar. Bei Sanierungskosten von 650-800 Euro/m2 ist eine nachhaltig erzielbare Miete von mindestens 5 Euro/m2 erforderlich, vorausgesetzt Grunderwerb und Zinsen waren günstig und es treten keine Probleme auf. „Im Altbau gibt es immer wieder Überraschungen, wenn ich keine Sicherheiten einbaue“, bemerkte ein Planer. Der Grundstücksmarktbericht liefert eine Analyse der Kaufpreissammlung (LVermGeo 2007). Demnach erzielten Eigentumswohnungen in den Mittelzentren des Burgenlandkreises im Erstverkauf nach Sanierung im Jahr 2006 durchschnittlich 857 Euro/m2 gegenüber 1.017 Euro/m2 im Jahr 2005. Ein Zeitzer Immobilienexperte kommentierte: „Also wenn man heute etwas für 1.000 Euro/m2 kauft, kann man das morgen nur noch für 750 Euro/m2 verkaufen.“ Damit dürfte die Investitionsbereitschaft weiter sinken. Wenn eine Sanierung nicht darstellbar ist, bleibt die Option des Verkaufs. „Viele Häuser haben schon mehrfach den Besitzer gewechselt“, berichtete ein Makler und fuhr fort: „Die meisten wollen verkaufen. Wer will sich den Ärger noch antun?“ Der Bau- und Bodenmarkt für leer stehende, vielfach ruinöse Häuser ist fast zum Erliegen gekommen. „Hier vorne ist noch ein unsaniertes Haus, das wurde erst für 200.000, dann für 100.000 und jetzt nur noch für 30.000 angeboten, und es will immer noch niemand“, berichtete ein privater Hauseigentümer. Ein Makler drückte es so aus: „Also so’n Altbau haben Sie so nötig wie’n Kropf. Wofür brauche ich heute noch ein Mietshaus?“ Einer der größeren Vermieter fand ähnliche Worte zur Leerstandssituation: „Diese Häuser braucht kein Mensch.“ Sanierte Altbauten dagegen werden noch auf dem Anlegermarkt gehandelt. Laut Grundstücksmarktbericht waren seit 2004 vermehrt Paketkäufe von
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
Kapitalinvestoren zu verzeichnen. Nach einem starken Preisverfall seit dem Jahr 2000 stiegen die Geldumsätze wieder leicht an (LVermGeo 2007). Im Falle von einzelnen Wohnungen gelingt es manchen Gläubigern und Anlagevermittlern, über den Weg der Zwangsversteigerung neue Anleger zu finden. Ein stabiler Zweitmarkt für selbst genutztes Wohnungseigentum hat sich jedoch nicht entwickelt. Nach Ablauf der Darlehen und Spekulationsfristen werden die ehemals steuersubventionierten und nun abgeschriebenen Wohnungen an opportunistische Zweitverwerter weiterverkauft. In den Mittelzentren im Bereich Saale-Unstrut sank der Wohnflächenpreis aller gehandelten Mehrfamilienhäuser von 337 Euro/m2 im Jahr 2005 auf 227 Euro/m2 im Jahr 2006 (LVermGeo 2007: 50). Angesichts des Überangebotes und der Intransparenz des Marktes aufgrund der verschiedenen Eigentümerkalküle bemerkte ein Anlagevermittler: „Es gibt hier keine Quadratmeter-Preise. Wohnungen gibt’s für 4.000 bis 5.000 Euro.“ Bezogen auf die Wertermittlung stellte ein Immobilienexperte fest: „Es geht nur noch um den Mietertrag. Seit 15 Jahren wird die Sachwertermittlung für Renditeobjekte nicht mehr angewendet.“ Dabei wurden die Kosten für einen vergleichbaren Neubau veranschlagt und die Abnutzung berücksichtigt. „Bei Investitionen wurde in den 1990er Jahren eine viel zu hohe Restnutzungsdauer angesetzt“, erklärte ein Gutachter. „Üblich war es damals immer mit 50 Jahren zu kalkulieren, aber die schnellen Veränderungen zeigen, dass man eigentlich alle 20 Jahre umrüsten muss, bei Bädern, Dämmung und Heizsystem. Und deshalb sind die vor 10-15 Jahren sanierten Häuser gar nicht mehr in dem Maße marktgängig.“ Die Vermieter müssen sich auf zunehmend kürzere Verwertungszyklen einstellen. Damit steigt das in schrumpfenden Städten bereits hohe Marktrisiko weiter. Die Bodenrichtwertkarte weist die Marktpreise von baureifem Land auf der Basis der bisherigen Verkaufsfälle aus und wird jährlich angepasst. Sie ist bedeutend für die steuerliche Bewertung von Grundstücken und gibt Banken, Gutachtern und anderen Teilnehmern am Immobilienmarkt Anhaltspunkte für die Wertermittlung und Kreditvergabe. Die Einsicht ist in Sachsen-Anhalt im Internet kostenfrei möglich (www.lvermgeo.sachsen-anhalt.de). In den Altbauquartieren im Bestand ist der Bodenwert theoretischer Natur, da Haus und Grund eine wirtschaftliche Einheit bilden. Für die Neubebauung anstelle einer Ruine müsste das Grundstück erst freigelegt werden. Den Abrisskosten entsprechende negative Werte sieht die Wertermittlungsverordnung jedoch nicht vor. In den geschlossenen Zeitzer Gründerzeitgebieten galt zum Stichtag 01.01.2008 (ebd.) ein Bodenrichtwert 45-50 Euro/m2, was einen Abriss völlig unwirtschaftlich erscheinen ließ. Ein Gutachter bemerkte dazu: „Dort wo wir kommen und sagen der Wert ist Null, passiert solange nichts, bis einer den Abbruch übernimmt.“ Randlagen wie die Unterstadt oder Wasservorstadt lagen um 30 Euro/m2, das
Immobilienmarkt
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Plattenbaugebiet Zeitz-Ost wurde mit 35 Euro/m2 dargestellt. Der Höchstwert in Zeitz mit 150 Euro/m2 wurde in der Fußgängerzone erreicht. Zum Vergleich kostete erschlossenes Bauland in den Zeitzer Neubaugebieten zwischen 55 und 65 Euro/m2. Würden der Abriss des Bestandes finanziert und die Bodenrichtwerte vom Markt akzeptiert, dann wären erschlossene Grundstücke in den Altbauquartieren günstiger als auf der grünen Wiese. In einigen Straßen und Beständen schrumpfender Städte finden jedoch gar keine Kaufbewegungen mehr statt. Dann kann der Gutachterausschuss die Bodenwerte anhand von Sondergutachten fiktiv ermitteln und die Richtwerte absenken. Ein befragter Gutachter berichtete, dass in der Region Saale-Unstrut in einzelnen Lagen Korrekturen von bis zu minus 30 % vorgenommen wurden, wobei Stadtplaner hier nicht beteiligt waren. Vor allem viele auswärtige Eigentümer erliegen noch einer Vermögensfiktion, indem sie an den hohen Buch- und Beleihungswerten aus der „Boomzeit“ der 1990er Jahre festhalten. Bei einem Verkauf müssten sie die Verluste realisieren und Abschreibungen vornehmen, was ihren Kredit- und Steuerstatus gefährden könnte. Neben der Insolvenz stellt dies einen weiteren wichtigen Grund für das Liegenlassen von Grundstücken und den Verfall von Häusern dar. Insgesamt war die Dynamik des Bau- und Bodenmarktes sowohl in Bezug auf die Neubautätigkeit als auch die Sanierung in Zeitz als sehr gering einzuschätzen. Dabei zeigte die Analyse des Zeitzer Bau- und Bodenmarktes, dass das kleinteilige, dauerhafte Mosaik unterschiedlicher Bauzustandsstufen und Leerstände (Abb. 18, 19) nicht allein aus Marktkräften entstanden ist. Wohnungsmarkt Hier geht es um die Nutzflächen innerhalb der Wohngebäude. Die Zahl und Qualität der Wohnungen weicht daher zum Teil stark von der Gebäudestatistik ab (Abb. 20). Auch bei der Wohnungserhebung beruhen die Zahlen auf der Begehung aus dem Jahr 2006 (Abb. 21). Demnach hatten die Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Altbauquartieren mit 42,3 % den größten Marktanteil. Gleichzeitig fiel hier der extrem hohe Leerstand von über 40 % und der Anteil unsanierter Wohnungen von über 20 % auf. Das Neubaugebiet Zeitz-Ost und einige vereinzelte Blöcke bildeten das zweitgrößte Wohnungsmarktsegment. Der Anteil von Wohnungen in Plattenbauweise lag bei knapp 30 %. Der Leerstand war mit ca. 17 % hoch, aber für die Wohnungswirtschaft, insbesondere die etwas stabileren Genossenschaften, noch beherrschbar. Die Siedlungen der Vor- und Nachkriegszeit bildeten mit einem Marktanteil über 14 % das drittgrößte Segment. Sie wiesen die höchste Sanierungsquote auf und waren mit einem Leerstand von knapp 7 % vergleichsweise gut vermietet. In der knapp 9 % großen Gruppe der Altbau-Einfamilienhäuser waren auch Villen und mittelalterliche Häuser enthalten, insbesondere Letztere tragen zum Leerstand von über 12 %
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
bei. Am stärksten vom Leerstand waren die Bestände der Zeitzer Wohnungsbaugesellschaft betroffen. Mit ihren ca. 1.137 leeren Wohnungen betrug ihr Anteil am gesamten Zeitzer Leerstand ca. 27,6 % (Stadt Zeitz 2008: 29). In der Mehrzahl handelt es sich dabei um unvermietbare Altbaubestände. Zählt man alle Einfamilienhäuser zusammen und geht von einem kleinen Bestand an selbst genutzten Wohnungen in Mehrfamilienhäusern aus, dann ist von einer Wohneigentumsquote im Stadtgebiet von nur ca. 15 % auszugehen. Im Umkehrschluss wurde diese Einschätzung auch von einem Makler geteilt: „Zeitz ist immer noch eine Mieterstadt.“ Der Fall Zeitz wird damit vergleichbar mit anderen ehemaligen Industriestädten, die ihre größte Wachstumsphase im ausgehenden 19. Jahrhundert hatten. Der Leerstand über alle Bestände betrug im Jahr 2006 24,5 % (Abb. 21). Bereinigt man diesen Wert um die unsanierten Altbauwohnungen, die nicht am Markt angeboten werden, ergab sich auf dem Zeitzer Wohnungsmarkt insgesamt ein Leerstand bzw. ein Überangebot von 17,1 %. Die räumliche Verteilung war jedoch höchst ungleich, am stärksten waren die Altbauquartiere betroffen (Abb. 18).
Strukturtyp
Wohnungen
MFH Altbau
8.260
42,3 %
4.895
3.365
Siedlung
2.781
14,2 %
2.592
189
6,8 %
0,2 %
Platte
5.732
29,3 %
4.750
982
17,1 %
11,9 %
MFH ab 1990
belegt
leer stehend 40,7 %
400
2,0 %
385
15
3,8 %
1.744
8,9 %
1.525
219
12,6 %
EFH DDR
384
2,0 %
373
11
2,9 %
EFH ab 1990
170
0,9 %
168
2
1,2 %
60
0,3 %
19.531
100,0 %
14.744
4.787
24,5 %
EFH Altbau
Sonstige gesamt
unsaniert 21,1 %
Daten: Stadt Zeitz, Gebäudeerhebung 2006. Auswertung B. Schiffers, UFZ
Abb. 21: Wohnungserhebung der Stadt Zeitz
Die Befragung der Makler und Hausverwalter nach der Mietergunst der Bestände ergab eine einhellige Meinung zur Abstufung der Quartiere, die sich auch mit den Leerstandsraten deckt. Am beliebtesten war das Musikerviertel, eine Nachkriegssiedlung mit großen grünen Höfen, die genau zwischen dem Gründerzeitund dem Neubaugebiet Zeitz-Ost liegt (Abb. 17). Es folgte die Siedlung Völker-
Immobilienmarkt
121
freundschaft aus den 1960er Jahren auf der südwestlichen Seite der Stadt (ebd.). Als Drittes kam das Neubaugebiet Zeitz-Ost in Plattenbauweise. Erst an vierter Stelle lagen die besseren Mietshäuser der Gründerzeit. Die Mieterpräferenzen waren geteilt. „Entweder sie wollen in der Platte bleiben oder sie bevorzugen den Altbau“, stellte ein Makler fest. Offenbar bestehen kaum Austauschbeziehungen zwischen diesen beiden Segmenten. Insbesondere ältere Bewohner, die seit der Bauzeit in den Siedlungen leben, wechseln nicht mehr zurück. Der mittelalterliche Kern hat zwar interessante Einzellagen, ist aber aufgrund seiner Heterogenität, der Ruinen und der Verkehrsproblematik schwer zu vermarkten. Die Unterstadt nördlich von Fluss und Bahn landet auf dem letzten Platz. Ein Makler meinte: „Die Lage dort ist eher für Leute gedacht, die am Rande der Gesellschaft leben. Das ist keine hochwertige Lage.“ Es zeigt sich, dass die Mieter die geordneten und durchgrünten Siedlungen den kleinteiligen und dichten Altbaustrukturen vorziehen. Große Wohnungen konkurrieren in der relativ kleinen Stadt Zeitz unmittelbar mit Einfamilienhäusern am Stadtrand und in den Dörfern. Ein großer Privatvermieter beurteilte die Situation in den historischen Quartieren so: „Wenn man ehrlich ist, gibt es kein urbanes Flair in Zeitz.“ Diese Aussage stellt einen wichtigen und von Planern und Maklern oft betonten Standortvorteil der Altbauquartiere auf dem Wohnungsmarkt in Frage. „Die Altstadt ist kein Trumpf“, sagte ein Hausverwalter. Ruinen und auffällige soziale Probleme beeinträchtigen zusätzlich die Vermietung. „Die Leute wollen ruhig wohnen, die schauen genau auf’s Umfeld“, meinte ein Makler. Abgesehen von vereinzelten Sanierungen ist in Zeitz kein Trend zur Reurbanisierung zu beobachten. Ein wichtiger Faktor für die Nachfrage sind staatliche Mietzuschüsse. In der Stadt Zeitz gab es im Jahr 2007 ca. 2.400 Empfänger von Miet- bzw. Lastenzuschüssen nach Wohngeldgesetz (Stadt Zeitz 2008, WoGG), hinzu kamen 3.561 Bedarfsgemeinschaften nach Sozialgesetzbuch II, auch Hartz IV genannt (BA 2008). Bezogen auf die 14.744 belegten Wohnungen (Abb. 22) erhielten im Jahr 2007 etwa 40 % der Zeitzer Haushalte Transferleistungen für das Wohnen. In Zeitz betrug das Wohngeld für 1/2/3 Personen maximal 280/285/340 Euro (WoGG § 8, Mietenstufe II). Dieser Satz gilt auch für Altbauten, die nach Sanierung ab dem 01.01.1992 bezugsfertig wurden. Der Wohnkostenzuschuss für Hartz IV-Empfänger wird regional festgelegt und beträgt im Burgenlandkreis bis zu 4,35 Euro/m2. Viele Vermieter stellen sich auf diese Sätze ein. Besonders für kleine Bedarfsgemeinschaften sind die Altbauwohnungen regelmäßig zu groß. „Man muss die Wohnungen ohne Flur vermieten, um die Grenzen einzuhalten“, erklärte ein Makler sein Vorgehen. Manche Anbieter von billig sanierten Wohnungen erzielen so Extraprofite. Andere setzen die Miete ganz bewusst oberhalb dieser Marke an, um ein sozial schwaches Klientel auszuschließen.
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Zeitz: eine stark schrumpfende Mittelstadt
Nach Auffassung der befragten Vermieter haben die Mieten in Zeitz insgesamt eine sinkende Tendenz. Auch der Wohnkostenzuschuss von 4,35 Euro/m2 deckt oft nicht einmal den Kapitaldienst der teuren Sanierungskredite aus den 1990er Jahren. Dann gelingt es den Vermietern weder eine Instandhaltungsrücklage noch die ursprünglich geplante Alterssicherung aufzubauen. Die künftigen Investitionen in den Bestand richten sich nach den Mieterträgen. Ein großer privater Vermieter erklärte es so: „Ich muss eine Kostenmiete machen. Ich fange mit der Miete an und kapitalisiere das nach unten.“ Eine Zusatzrente für Lage oder Ausstattung ist nur schwer durchsetzbar. Ein weiteres Vermietungshemmnis erwächst aus den stetig steigenden Nebenkosten, die zur Zeit der Befragung im Jahr 2007 zwischen 1,90 und 2,50 Euro/m2 lagen. Ein größerer privater Vermieter konnte sich den Einsatz von Blockheizkraftwerken oder Solarenergie in Altbaublöcken vorstellen. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sind Vermieter im Vorteil, die Mengeneffekte beim Betrieb und der Verwaltung ihrer Häuser nutzen können, sei es durch größere Eigenbestände oder die Beauftragung von Dienstleistern. Insgesamt wird die Wohnungsnachfrage von den Interviewpartnern als schwach eingeschätzt, fast alle haben bereits Erfahrungen mit länger andauerndem Leerstand gemacht. „Die Nachfrage verändert sich: Mehr alte Leute, mehr Hartz-IV“, beobachtete ein Makler. Ein anderer bemerkte, dass neben kleinen Wohnungen auch hochwertige Wohnungen fehlen, „aber wegen ein bis zwei Nachfragen geschieht nichts“. Private Vermieter ohne professionelles Management, die auf Wohngeldempfänger angewiesen sind, klagen über hohe Fluktuation und Mietnomaden. „Ein bis zwei Jahre und weg sind die Mieter“, kommentierte ein Makler. Manche dieser meist säumigen Mieter ziehen nach mehreren Mahnungen einfach aus, ohne aufzuräumen oder zu renovieren. Die Situation vieler Vermieter in Zeitz ist prekär, der Wohnungsmarkt bleibt mit großen Risiken behaftet.
8
Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
Dieses Kapitel stellt diejenigen lokalen und staatlichen Institutionen dar, die in den Zeitzer Altbauquartieren Immobilien-Transaktionen anregen, begrenzen oder bestimmen. Aus der Perspektive der befragten Hauseigentümer stellt sich heraus, dass der Einfluss der Stadtplanung eher gering ist. Viel bedeutender sind einige gesetzliche Vorgaben und Verfahren des Bundes, die auf die verschiedenen Ebenen des Immobilienmarktes wirken, bis hin zu Zwangsversteigerungen in Insolvenzverfahren. Ob für den Stadtumbau auch informelle Kooperationen von Eigentümern bestehen oder möglich sind, wird ebenfalls anhand der Aussagen der lokalen Akteure geprüft.
8.1
Lokale Planungsinstrumente
Im Wohnungsbestand stoßen die vom Stadtumbau betroffenen Städte mit ihrer kommunalen Planungshoheit an Grenzen. Da Altbauquartiere Bestands- und vielfach auch Denkmalschutz genießen, würden hoheitliche Eingriffe in Art und Maß der Nutzung Planungsschäden und entsprechende Ersatzforderungen auslösen. Ein forcierter Stadtumbau mit großflächigen Abrissen, wie er in der Platte erfolgt, ist in den kleinteiligen Altbaustrukturen nur selten gewünscht und schwer erreichbar. Schrumpfende Städte nutzen daher eher Leitbilder, finanzielle Anreize und freiwillige Vertragslösungen, um private Eigentümer in eine gemeinsame Richtung zu lenken. Die Stadt Zeitz verfolgt für ihre Altbauquartiere bisher eine Aufwertungsstrategie, die im Wesentlichen mit Städtebaufördermitteln für das Sanierungsgebiet und die Fördergebiete des Programms Stadtumbau Ost untersetzt ist. Stadtentwicklungskonzept und Stadtumbau Gemeinsam mit 269 anderen Städten nahm Zeitz in den Jahren 2001/2002 am Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost teil, der zugleich den Auftakt für das gleichnamige Förderprogramm bildete. Das Zeitzer Stadtentwicklungskonzept (Stadt Zeitz 2002a) weist zwei Fördergebiete aus: F1 „Erhaltung und Pflege der Altbauten der Gründerzeit“ und F2 „Umstrukturierungsgebiet und Rückbau des industriell gefertigten Wohnungsbaus“ (Abb. 17). „Zusammenfassend gilt das Leitbild
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
der europäischen kompakten Stadt mit kurzen Wegen als Ziel für den Stadtumbau auch in Zeitz“, hieß es in der Bürgerinformation (Stadt Zeitz 2002b). Schwerpunktmäßig sollten in F1 Aufwertungsmaßnahmen, in F2 Abrisse gefördert werden. Entsprechend der Überlappungen bei der Zuordnung und Umsetzung von Maßnahmen ist eine genaue Statistik schwer zu führen. Die Auszahlung der Mittel an die Kommunen kann erst erfolgen, wenn die jährliche Verwaltungsvereinbarung vom Bund und allen Ländern unterzeichnet ist. „Umbuchungen sind sehr aufwändig. Ein vorfristiger Maßnahmenbeginn birgt ein hohes Risiko“, erklärte ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Stadtumbaumaßnahmen sind zeitlich an Programmjahre und inhaltlich an Landesverordnungen gekoppelt. So gab es in Sachsen-Anhalt im Programmteil Aufwertung im Jahr 2005 eine Nullrunde für städtebauliche Maßnahmen zugunsten von Schulen und Kindertagesstätten. Die Gebäudeerfassung des Jahres 2006 ermöglichte eine Momentaufnahme des Fördergebietes 1 im laufenden Stadtumbauprozess.
Strukturtyp MFH Altbau
Wohnungen 5.732
leer
unsaniert
unsan. + leer
82,9 % 2.311 40,3 % 1.111 19,4 % 1025 17,8 %
Siedlung
555
8,0 %
60 10,8 %
6
6
Platte
270
3,9 %
32 11,9 %
0
0
EFH Altbau
195
2,8 %
32 16,4 %
40
0,6 %
0
121
1,8 %
4
EFH DDR MFH ab 1990 gesamt
3,3 %
31 15,9 %
21
0
0
-
-
6.913 100,0 % 2.439 35,3 % 1.148 16,6 % 1052 15,2 %
Daten: Stadt Zeitz, Gebäudeerhebung 2006. Auswertung B. Schiffers, UFZ
Abb. 22: Wohnungen im Fördergebiet 1 - Erhaltung und Pflege der Gründerzeit
Das Fördergebiet 1 „Gründerzeit“ umfasst ein Drittel aller Zeitzer Wohnungen. Im Jahr 2006 stellte sich die Bestandssituation katastrophal dar: 40 % der Altbauwohnungen standen leer. Knapp 18 % waren unsaniert und leer, das heißt unbewohnbar. Außer allgemeinen städtebaulichen Aussagen ist bisher keine Umsetzungsstrategie sichtbar. Ein beteiligter Planer bemerkte zum Stadtentwicklungskonzept (Stadt Zeitz 2002) selbstkritisch: „Es gab nichts, wo man sagen konnte, ich kann ein ausgereiftes Programm auf die Beine stellen, der Zeitraum war einfach zu kurz. Es waren eigentlich alle überfordert, und dann die Ernüchterung nach den ersten Zahlen, o weh, was machen wir jetzt. Und dann durfte es ja keinem weh tun“. Manche Immobilienakteure sind schon zu radikaleren
Lokale Planungsinstrumente
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Schlussfolgerungen gekommen. Ohne das Konzept im Detail zu kennen, meinte ein Makler zum Stadtumbau: „Es müsste die Hälfte der Stadt abgerissen werden“. Die wenigsten der befragten Hauseigentümer kannten das Stadtentwicklungskonzept und das Ziel, die Gründerzeit aufzuwerten. Ein Gewerbetreibender fragte: „Haben die auch gesagt wie die das machen wollen?“ Die demographischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Herausforderungen wurden öffentlich kaum diskutiert, Bürgeranhörungen im Fördergebiet 1 und im Rathaus fanden kaum Resonanz. „Man ist damals an dem Punkt stehen geblieben, erstmal Wettbewerb geschafft, erstmal abgegeben“, sagte der Planer. Viele Detail- und Verfahrensfragen wurden nie geklärt. „Was dann mit Blocks passiert, die abgerissen werden oder so ein einheitliches Stadtkonzept, das gibt es nicht“, bemerkte ein Immobilienexperte dazu. Bezogen auf die Fördermittel meinte ein Vertreter der Wohnungswirtschaft ganz pragmatisch: „Lieber ein schlechtes Stadtentwicklungskonzept als gar keines, sonst wäre es zu spät gewesen.“ Gleichzeitig forderte er klare Vorgaben: „Ich muss als Stadt eine Richtung vorgeben. Da gehören die Infrastruktur, die Schulen dazu. Und dann müssen Handlungen abgeleitet werden.“ In den ersten Jahren des Programms Stadtumbau Ost standen Fördermittel fast nur für den Abriss zur Verfügung. Die Genossenschaften hatten in ihren überwiegend sanierten Plattenbauten allerdings kaum Leerstände. Hiervon war die Zeitzer Wohnungsbaugesellschaft dagegen besonders betroffen. Allerdings war die WBG finanziell kaum in der Lage, Ersatzwohnungen, etwa im Altbau, für Mieter aus Abrissobjekten bereitzustellen. In den ersten Förderjahren gab es nur einen kleinen Anteil für die Aufwertung, der zudem einen kommunalen Eigenanteil von einem Drittel erforderte. Hinzu kamen erhöhte Abrisskosten, da die Zeitzer Platten eine besondere Bautechnik aufweisen. Der Stadtumbau lief daher nur schleppend an. Aufgrund einer Leerstandsquote von mehr als 15 % beantragte die WBG im Jahr 2003 die zusätzliche Entlastung von Altschulden nach AHG § 6a und wurde daher bei der Fördermittelvergabe bevorzugt. Anfang 2005 beschloss der Stadtrat, beide Fördergebiete für Abriss- und Aufwertungsmaßnahmen zu öffnen. Vier geplante Erweiterungen des Fördergebietes 1 „Gründerzeit“, die Altbaubestände der WBG enthielten, wurden vom Landesverwaltungsamt nicht genehmigt (Abb. 17). Im Falle eines positiven Bescheides wäre fast das gesamte Stadtgebiet Zeitz mit Ausnahme des Gebietes Völkerfreundschaft und der Kleinsiedlungen flächendeckend zum Fördergebiet geworden. Hier tritt der Widerspruch zwischen städtebaulichem Anspruch und betriebswirtschaftlichen Zwängen deutlich zu Tage. Die WBG nutzt die Stadtumbau-Fördermittel zum Abriss von Altbauten, um die Altschuldenhilfe des Bundes zu nutzen. Bezogen auf das Ziel in F1, die Gründerzeit zu pflegen, wird die Beseitigung von Ruinen als Aufwertung dargestellt. Insgesamt lagen für das Pro-
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
grammjahr 2006 35 Abrissanträge vor, die Hälfte kam von der WBG und zwei Drittel betrafen Denkmale. Eine Stimme aus der Verwaltung sagte dazu: „Die Abrissanträge für Gebäude der Gründerzeit laufen dem Stadtentwicklungskonzept zuwider. Da werden Zähne aus der geschlossenen Blockbebauung herausgebrochen. Aufgrund der politischen Konstellation musste das Stadtplanungsamt die Abrissanträge weiterreichen, in der stillen Hoffnung, dass sie nicht genehmigt werden.“ Ein örtlicher Bauträger fand klare Worte zu den Abrissen der WBG und den Löchern, die damit im Bestand gerissen werden: „Da bricht jeder Unternehmer zusammen, solange so was gefördert wird. (…) Planerisch ist das völlig uninteressant.“ Ein Mitarbeiter der Verwaltung stellte fest: „Eigentlich bräuchte man richtige Blockkonzepte.“ Zum notwendigen Aushandlungsprozess meinte ein Makler: „Die Stadt müsste das moderieren. Und das ist richtig Arbeit.“ Den meisten befragten privaten Eigentümern war das Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 2002 unbekannt, die Immobilienexperten jedoch waren zum Teil sehr genau informiert. Ein privater Vermieter ärgerte sich über die Bevorzugung der WBG bei den Fördermitteln: „Das ist nicht in Ordnung, dass sich der Staat auf unsere Kosten saniert.“ Ein privater Investor von außerhalb war verunsichert: „Ursprünglich wollten wir noch ein viertes Haus kaufen, aber das haben wir dann gelassen, weil die Konzeption am Steinsgraben nicht klar war.“ Ein örtlicher Großvermieter blickte auf eines der Hauptprobleme in den Altbauquartieren: „Wenn ich da noch ein Haus saniere, und wenn es 100 % gefördert ist, und ich finde dafür Mieter, dann fragen die: Ja, was ist denn mit den Ruinen nebenan, was ist mit den Ruinen gegenüber, wie soll sich das entwickeln? Aber genau diese Antwort gibt die Stadt nicht, die gibt die Politik überhaupt nicht.“ Die bisherigen Planungen sehen zwar weitestgehend den Erhalt oder die Wiederherstellung der geschlossenen Blockrandbebauung vor, aber ein entsprechender Nutzungsdruck fehlt völlig. Mehrere Immobilienexperten in Altbauquartieren fragten nach dem Sinn und Ziel des Förderprogramms. Zur Finanzierung der Stadtumbaus meinte ein Vermieter zum Stand der öffentlichen Kassen: „Die haben das Geld. Die haben einfach nur die falschen Prioritäten beim Einsatz der Mittel.“ Ein Großvermieter stellte sich den Stadtumbau so vor: „Ich würde an ein Stadtentwicklungskonzept genauso rangehen wie an ein Sanierungskonzept für Unternehmen. Ich sage also nicht, was wünsche ich mir, sondern welche Rahmenbedingungen sind gegeben, was geht wirtschaftlich. Da kann das Kriterium Politik eine Rolle spielen, das ist klar. Zum Schluss kommt es darauf an, wie bewegen sich die Preise, welche Lebensbedingungen habe ich.“ Der Entwurf zur Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzeptes (Stadt Zeitz 2008) schrieb die Grundaussagen und Grenzen der Fördergebiete fort, stell-
Lokale Planungsinstrumente
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te dabei aber gebäudescharfe Maßnahmen dar. Je nach Bevölkerungsszenario beschrieb der Konzeptentwurf bis zum Jahr 2020 eine Rückbauerfordernis zwischen 16,4 % und 39,4 % des aktuellen Wohnungsbestandes fest (ebd.: 34). Darin waren bereits eine Mobilitätsreserve, Verschleiß, kleinere Haushaltsgrößen und eine individuelle Steigerung des Wohnflächenbedarfs berücksichtigt. Im Mittel würde dies einen Abriss von 5.400 Wohnungen bedeuten. Diese Zahl entspricht entweder dem gesamten Bestand an Plattenbauten oder dem gesamten Gründerzeitgebiet (Abb. 21). Beide Varianten sind unrealistisch, zeigen aber die Dimension des Problems. Für die Gründerzeit sah der Entwurf die Entkernung und Begrünung von Baublöcken sowie einzelne Abriss- und Arrondierungsmaßnahmen vor. Den Schwerpunkt für den Abriss legte der Planentwurf dagegen in die Rand- und Gemengelagen insbesondere der Unterstadt, denen der Fördergebietsstatus noch fehlte. Die Finanzierung des gesamten prognostizierten Umbaubedarfes und das Umsetzungsverfahren blieben offen. Im Februar 2008 lag der Entwurf zur öffentlichen Einsicht aus. Der designierte neue Oberbürgermeister bemerkte öffentlich dazu, dass „man sich nicht einfach mit dem flächenhaften Abriss von Wohnungen und einer Reduzierung von Sportstätten um 50 % abfinden [kann], als sei alles unvermeidlich“ (Super Sonntag 14.04.2008). Er forderte eine breite Einbeziehung aller Akteure in der Stadt und kündigte die Neuentwicklung des Konzeptes an (ebd.). Ein größerer privater Vermieter betrachtete den Stadtumbau ebenfalls als Chefsache, ohne den Zeithorizont zu vergessen: „Wenn Sie einen guten Bürgermeister haben, eine gute Verwaltung, dann fliegt die Stadt. Das dauert 10 Jahre, dann haben Sie ein Schmuckkästchen.“ Viel nüchterner klang dagegen die Aussage eines Vertreters der Wohnungswirtschaft: „Wenn wir uns mal an den Gedanken gewöhnen können und definieren für uns das Ziel 18.000 [Einwohner], und sagen, das und das [an Häusern] gehört dazu, und das kommt weg, und wir haben uns das um die Ohren gehauen, aber dann haben wir es mal, das ist dann unser Kampfziel.“ Die Befragung der Zeitzer Hauseigentümer und Immobilienexperten zeigt, dass die Diskussion um eine strategische Verkleinerung der Stadt im Jahr 2008 noch gar nicht richtig begonnen hat. Sanierungsgebiet Während die Zeitzer Gründerzeit seit 2002 als Fördergebiet für das Programm Stadtumbau Ost ausgewiesen ist, besteht das Sanierungsgebiet „Stadtzentrum Zeitz“ schon viel länger. Zur Beseitigung städtebaulicher Missstände sind hier neben der Sanierung auch Abrisse förderfähig. Die vorbereitenden Untersuchungen zum Sanierungsgebiet begannen 1991, das Fördergebiet innerhalb des mittelalterlichen Mauerrings wurde 1993 förmlich festgesetzt. Die Stadt beauftragte einen treuhänderischen Sanierungsträger, der Erfahrungen aus anderen Städten
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
und mit den Verfahrensabläufen einbringen konnte. Im Jahr 2001 wurde das Sanierungsgebiet bis an die Elster auf 70 ha erweitert, um die Projekte rings um die Landesgartenschau 2004 sowie aus dem URBAN 21-Programm der EU miteinzubeziehen. Von 1993 bis 2006 wurden 567 Wohnungen und 137 Gewerbeeinheiten in 154 Gebäuden mit staatlichen Zuschüssen saniert. Dazu wurden 183 Förderverträge mit Privateigentümern mit einem Gesamtvolumen von 12 Mio. Euro geschlossen. Mit Zuschüssen von über 2,2 Mio. EUR wurden 55 Häuser abgerissen und 13 Objekte gesichert. Die Gesamtinvestitionen lagen mit dem Faktor 2,84 über dem Fördermitteleinsatz (alle Angaben: Sanierungsträger). Angesichts der flächenhaften Probleme hat die Stadt die Fördergebiete so groß ausgewiesen, dass nur ein Bruchteil der ausgedehnten historischen Bestände von den knappen Mitteln profitieren konnte. Dem Erfolg von 29,1 % öffentlich geförderten Gebäuden standen im Jahr 2006 jedoch noch 29,3 % unsanierte und leere Häuser gegenüber, deren Eigentümer nicht zu erreichen oder zu bewegen waren. Manches Projekt scheiterte auch an der Finanzierung in Verbindung mit dem komplexen und bürokratischen Bewilligungsverfahren, das in einigen Fällen nicht genug Planungssicherheit bot. Als Zweige der Städtebauförderung ähneln sich die Abläufe im Sanierungsverfahren und im Programm Stadtumbau Ost. Anzahl leer
saniert
Gebäude
529
131
teilunsaniert Geförderte saniert Einheiten 327 47 155 29,3 % 154 29,1 %
darin WE
1564
696
868
269
427 27,3 %
567 36,2 %
Daten: Erhebung Stadt Zeitz/UFZ 2006; Sanierungsträger 2006
Abb. 23: Gebäude im Sanierungsgebiet (Maßnahmen von Privat/Dritten)
Die geförderten Hauseigentümer bildeten einen breiten Querschnitt ab: „Es war eigentlich alles dabei, ganz einfache Leute mit wenig Mitteln, denen musste man beim Antrag ausfüllen helfen. Oder aber auch ein Großinvestor mit so einer Klappe: Ich mache halb Zeitz. Und dann kommt nix“, sagte der zuständige Bearbeiter. Seit dem Jahr 2001 haben die Anträge auf Sanierungsmittel in Zeitz stark abgenommen. „Wir sind früher auch durch die Straßen gegangen und haben Hauseigentümer direkt angeschrieben, welche Maßnahmen förderfähig sind“. Derartige Kommunikationsleistungen ebenso wie die Sanierungszeitung wurden aus Kostengründen eingestellt. Nicht alle privaten Baumaßnahmen laufen über das Sanierungsgebiet, denn „da muss ich die VOB und HOAI und alles anwenden. Ich brauche da einen Architekten, ich muss ausschreiben, das wollen viele nicht. Die sagen, das verhandele ich einzeln, das gebe ich meinem Kumpel, da
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spare ich die Mehrwertsteuer“, gab ein Planer die Stimmung wieder. Im Umkehrschluss dürfte mancher Beteiligte an Planung und Bau der Sanierungsprojekte gut verdient haben. Ein Makler kritisierte die Vergabepraxis, bei der auch einige unrealistische und unrentable Projekte gefördert wurden: „Investoren sollten klare Aussagen machen, sonst gibt’s keine Förderung.“ Je nach Programmjahren und Eigenmitteln schwankte das Fördervolumen. Im Jahr 2005 konnten nur zwei private Maßnahmen gefördert werden, die Restmittel flossen in den Straßenbau. „Im letzten Jahr [2006] haben die Maßnahmen von Privat/Dritten 38,7 % ausgemacht. Tendenziell geht der Anteil zurück. Die, die es konnten, haben schon investiert“, berichtete der Bearbeiter. Für einen örtlichen Architekten war der Schwung raus: „Ich denke was jetzt noch im Sanierungsgebiet in Angriff genommen wird, ist an einer Hand abzuzählen, alles andere ist früher oder später abgängig.“ Der Maßnahmenkatalog insbesondere an öffentlichen Maßnahmen ist stets größer als die finanziell und verfahrenstechnisch machbaren Projekte: „Wir machen da eine Planung, die ist natürlich mächtig hochgepuscht. Mittlerweile ist das so, dass wir von den geplanten Sachen nur noch ein Viertel kriegen“, stellte der Bearbeiter fest. Bei der Projekt- und Finanzplanung besteht die Herausforderung darin, die Maßnahmen, Fördermittel und Eigenmittel fristgerecht aufeinander abzustimmen. Der zuständige Planer erklärte es so: „Der Bescheid für ein Programmjahr geht immer über fünf Kalenderjahre. Für 2006 und 2007 gibt es null Mittel, das sind die ersten beiden Jahre der Tranche 2006. Geld gibt’s aber dann für zwo-acht, zwo-neun und zwo-zehn. Zur Zeit werden noch Mittel aus den vergangenen Programmjahren verbaut.“ In der Vergangenheit konnte die Stadt Zeitz dem Land am Ende des Jahres noch Restfördermittel abnehmen, weil die Stadt noch Projekte und Eigenmittel vorweisen konnte. Der Planer kommentierte die Vergabepraxis so: „Das Ministerium muss ja auch sehen, wie die Mittel abfließen.“ Im Jahr 2007 wiederum standen mehr Förderungen zur Verfügung als mit Eigenmitteln untersetzt werden konnten, weil Fortführungsmaßnahmen aus den Vorjahren mit ihren laufenden Verträgen Bindungswirkung für die kommenden Haushaltsjahre entfalten. Eine in Zeitz noch ungeklärte Frage ist die Erhebung des Ausgleichsbeitrages der Anlieger, da wichtige Bedingungen nicht erfüllt sind: Weder sind Wertsteigerungen zu verzeichnen noch gibt es zusammenhängende Gebiete, die aus der Sanierungssatzung entlassen werden könnten. Lediglich einzelne Eigentümer haben ihren Beitrag vorzeitig abgelöst. Ein großer Teil der Sanierung umfasste den Kauf und die Sanierung öffentlicher Bauten für den Gemeinbedarf und Folgeeinrichtungen sowie Maßnahmen im öffentlichen Raum. Anfangs lag die städtebauliche Oberleitung noch in den Händen eines externen Architekturbüros, das auch die ersten Blockkonzepte und Sanierungsziele präzisierte. Im Zuge der Verknappung der Fördermittel und dem
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
Rückgang von Aktivitäten entwickelten sich Konflikte zwischen dem Stadtrat, Teilen der Verwaltung und dem Sanierungsträger. Der Auftraggeber beklagt sich über die hohen Kosten und mangelnde Effizienz, der Auftragnehmer wiederum kritisierte fehlende Vorgaben: „Man hat nichts wo man sich lang hangeln kann, wo mal gesagt wird, das sind die Prioritäten, und diese Stufen wollen wir verwirklichen, und für die Privaten wollen wir wenigstens diesen Anteil zur Verfügung stellen.“ Schließlich kündigte der Stadtrat den Vertrag mit dem Sanierungsträger. Ein Argument war, dass man mit den Planungskosten bereits mehrere Häuser sanieren könnte. Lediglich Rest- und Einzelmaßnahmen werden noch extern abgewickelt, die laufenden Aufgaben sind im Stadtplanungsamt angesiedelt. Der Konflikt zeigt, dass in den gegenwärtigen Förderprogrammen der Aufwand zur Vorbereitung, zum Vertragsabschluss und zur Kontrolle von Maßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt ist. In schrumpfenden Städten steigen diese Transaktionskosten gleichzeitig mit dem Planungsdruck, da die Rentabilität der Projekte sinkt. Städtebaulicher Denkmalschutz Ein wiederkehrendes Thema in den Interviews mit den Hauseigentümern war die Institution Denkmalschutz. In den 1990er Jahren war die für Bauanträge zuständige Denkmalbehörde eigenständig und hatte große Befugnisse. Ein Architekt meinte dazu: „Der frühere Denkmalpfleger hat uns mit Forderungen überzogen, der wollte alle möglichen Untersuchungen gemacht haben, da hat man schon damals einige Bauherren verprellt, die sind dann nicht wieder gekommen.“ Ein Eigentümer verstärkte diesen Eindruck: „Früher gab es einen komplizierten Denkmalpfleger. Die haben mich schikaniert bis zum geht nicht mehr.“ Eine Änderung des Landesgesetzes und der Bauordnung verlagerte die Denkmalpflege auf die Ebene der Baugenehmigungsbehörde und damit zur Stadtverwaltung Zeitz. In der Praxis fand ein inhaltlicher und kommunikativer Wandel statt: „Damals musste man es genau so machen. Heute heißt das Motto: Neu und alt verträgt sich gut“, beobachtete ein Makler. Aus der Verwaltung klang es so: „Wir machen Kompromisse, damit sie überhaupt bauen. Ziel ist der Substanzerhalt, nicht das letzte Detail.“ Beratung wird heute wichtiger erachtet als Auflagen, es gilt die Bauherren zu überzeugen. Auch die Gestaltungsatzung wird nicht mehr angewandt, da sie viele Detailfragen nicht klären kann und manche Kompromisslösung verhindert. Auch wenn die finanziellen Mittel im Fördergebiet knapp sind, bleiben der Stadt zwei wichtige formale Institutionen: So sind Denkmalrechtliche Genehmigungen eine Voraussetzung für Steuervorteile (EStG §§ 7i, 10f, g; 11b). Demnach können bis zu 90 % der Aufwendungen abgesetzt werden, was für private Investoren eine wichtige Motivation darstellt. Weiterhin ermächtigt das Sanierungsrecht (BauGB § 144) die Gemeinde Grund-
Lokale Planungsinstrumente
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stücksverkäufe zu verbieten, wenn die Erreichung der Sanierungsziele gefährdet ist. Die Stadt Zeitz versagte hierzu bereits mehrfach die Genehmigung. Insgesamt zeigt der extrem hohe Leerstand in den Zeitzer Altbaugebieten, dass die bisherigen Fördermaßnahmen trotz vieler sichtbarer Einzelerfolge nicht ausreichten, um neue oder stärker nachgefragte Stadtstrukturen hervorzubringen. Die aufwändige Rettung von Einzeldenkmalen bildet noch keinen städtebaulichen Zusammenhang. Die Analyse zeigt, dass die Umsetzung der Stadtumbau Ost-Agenda an den privaten Eigentümern als Adressaten vorbei ging. Zudem schaffen die Bundes- und Landesbestimmungen zur Städtebauförderung und zum Denkmalschutz eine Vielzahl verfügungsberechtigter Akteure im öffentlichen Sektor, die nicht am ökonomischen Risiko beteiligt sind. Mit den bürokratischen Verfahren steigen die Transaktionskosten. Die Lokalpolitik, aber auch viele private Akteure, erkennen den Verhandlungsaufwand für den Stadtumbau nicht genügend an. Die individuelle Förderung von Baumaßnahmen nach Hausnummern wirkt kooperativen Lösungen entgegen.
8.2
Staatliche Rahmenbedingungen
Wichtige Einflussfaktoren für den Immobilienmarkt und den Stadtumbau ergeben sich nicht aus dem lokalen Kontext und Maßnahmen der Stadtverwaltung, sondern beruhen auf staatlichen Rahmenbedingungen. Aus der Befragung der Zeitzer Hauseigentümer und Immobilienexperten ergibt sich, welche dieser rechtlichen Institutionen in Altbauquartieren schrumpfender Mittelstädte besonders wirksam sind. Dabei können zwei große Gruppen unterschieden werden. Zum einen bestehen Regelungen zur Ausübung und zum Handel von Verfügungsrechten, zum anderen schafft der Staat finanzielle Anreize (Kap. 3.4). Die Ausführungen basieren auf den Reaktionen der privaten Hauseigentümer, eine juristische Fachdiskussion kann hier nicht geleistet werden. Dem Verfahren der Zwangsversteigerung wird auf Grund seiner Bedeutung in schrumpfenden Städten ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. 8.3). Wohnungsmarkt: Mietrecht, Wohngeld Auf der Ebene des Wohnungsmarktes stärkt der Bund die Inhaber von Nutzungsrechten durch die Förderung und den Schutz sozial schwacher Mieter. Viele Vermieter kritisieren Aspekte des Mietrechts (BGB 535ff), das in Zeiten der Wohnungsnot entstand. Angesichts der Schrumpfung und des Überangebots kehrt sich die Machtbalance in einigen Teilmärkten um. Manche der befragten Vermieter sahen die Vertragsfreiheit durch Kündigungs- und Antidiskriminierungsregeln eingeschränkt. In ihrer finanziellen Not vermissten sie Instrumente,
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
um Mietschulden einzutreiben und säumige Mieter aus ihren Wohnungen zu entfernen. Ein Privatvermieter berichtete: „Ich habe einen Mieter wegen dauerndem Zahlungsverzug ausgesperrt. Da wurde ich vor Gericht geladen und musste wieder aufmachen.“ Probleme gibt es auch mit Mietnomaden, die von Wohnung zu Wohnung ziehen und Mietrückstände anhäufen. Auch die Häufung ordentlicher Wohnungswechsel erhöht die Transaktionskosten bei der Vermietung. „Bei diesem Mietniveau können Sie sich Streitereien und juristischen Kram nicht leisten. Das rechnet sich nicht“, sagte ein Vermieter. Manche haben die Vermietung aufgegeben, da der Verwaltungsaufwand den Ertrag übersteigt. Es fehlt an einer Garantieinstanz, die das erhöhte Risiko trägt oder verteilt. Auf der Nachfrageseite spielt auch die staatliche Wohnkostenübernahme für Bezieher von Arbeitslosengeld II eine große Rolle. Die Höchstgrenze beträgt im Burgenlandkreis 4,35 Euro/m2, was für viele Zeitzer Vermieter eine wichtige Orientierungsmarke darstellt. Um dieses große Marktpotenzial auszuschöpfen, passen sie ihre Mieten an dieses Niveau an, ohne die Qualität zu verändern. So werden in Zeitz in dieser Preisklasse sowohl wesentlich bessere als auch viel schlechtere Wohnungen angeboten. Ein Problem für Altbauquartiere besteht in der Bewilligungsstaffel der Arbeitsagentur, nach der einer Person 50m2, zwei Personen 60m2, drei Personen 75m2 und jeder weiteren Person je 10m2 zustehen. Altbauwohnungen sind hierfür oft zu groß (Kap. 7.3). Dieser Wohnkostenzuschuss (SGB II) stellt ebenso wie das Wohngeld (WoGG) in seiner Höhe für viele Vermieter und Anleger eine Art Einkommensgarantie dar, auf die sie auch Investitionsentscheidungen, Finanzierungen und Renditeerwartungen gründen. Aber auch manche solvente Mieter profitieren davon. „Dadurch pegelt sich die Miete auch für die ein, die Geld verdienen, also die Miete nicht geschenkt kriegen vom Staat. Die sagen dann, warum soll ich mehr bezahlen“, berichtete ein Zeitzer Makler. Ein Kollege zweifelt an der Dauerhaftigkeit dieser Regelung: „Wie lange das geht, weiß niemand, das kann auch reduziert werden.“ Durch die Mitnahmeeffekte verkehrt sich der Sinn der Institution Wohngeld ins Gegenteil, das ja eigentlich sozial schwachen Mietern helfen soll, sich am Markt zu behaupten. Diese Marktverzerrung verhindert bei einigen unrentablen oder Substandard-Häusern das Ausscheiden aus dem Markt. Grundsätzlich bietet das Wohngeld den Sozialmietern die freie Wohnungswahl. Das staatliche Instrument erlaubt keine räumliche Lenkung von Mietern zugunsten langfristig zu erhaltender Bestände. In schrumpfenden Städten und für einen strategischen Stadtumbau wirkt das Wohngeld kontraproduktiv, da es einerseits Anlegern und Gutverdienern leistungslose Vorteile verschafft und andererseits viele Bewohner als „Hartz-IV-Mieter“ diskriminiert, indem ihnen tendenziell schlechtere Wohnungen angeboten werden (Kap 9.1). Sinnvoller erscheint eine Förderung von Belegungsrechten in ausgewählten Beständen.
Staatliche Rahmenbedingungen
133
Bau- und Bodenmarkt: Eigentumswohnungen Eine weitere formale Institution mit Auswirkungen auf den Stadtumbau ist das Wohneigentumsgesetz (WEG), nach dem Häuser in Sonder- und Gemeinschaftseigentum aufgeteilt werden können. Vor allem Bauträger nutzten die Möglichkeit für Anlagemodelle, indem sie Altbauten sanierten und die einzelnen Wohnungen an Privatleute überwiegend in Westdeutschland verkauften. In Zeitz kann ein typisches ehemaliges Mietshaus heute bis zu acht Eigentümer haben, die in einer Wohneigentumsgemeinschaft zusammengeschlossen sind. Diese bestellt laut Gesetz eine gemeinsame Verwaltung. Deren Aufgaben werden angesichts der anonymen und ortsfremden Eigentümer in der Regel einer Zeitzer Hausverwaltung übertragen. „Wir machen die Hausversammlung immer in [Name einer westdeutschen Großstadt]“, sagte ein Zeitzer Verwalter. Das steuerlich massiv begünstigte Modell von Anlegerwohnungen förderte einerseits die dringende Instandsetzung und Modernisierung vieler Häuser, andererseits wird es nun bei Leerständen und Insolvenzen zum Bremsklotz. Manche Teileigentümer melden sich gar nicht und zahlen auch kein Hausgeld mehr. In dieser Grauzone springt mancher Verwalter ein (Kap. 9.4). Im Jahr 2007 wurde das WEG dahingehend geändert, dass unter anderem Modernisierungen mit einer 3/4-Mehrheit der Eigentümer beschlossen werden können. Die gemeinsame Teilnahme an Blockkonzepten mit Nachbarhäusern oder gar der Rück- oder Umbau erscheinen aber nach wie vor als eigentumsrechtlich praktisch unmöglich. Die Institution WEG, die zunächst eine weite Verbreitung von Verfügungsrechten und Profiten ermöglichte, verhindert nun die Teilnahme am Stadtumbau und die notwendige Bündelung der Eigentumsrechte. Kapitalmarkt: Sonderabschreibung und Altschuldenhilfe Die staatlichen Instrumente sind überwiegend raumblind, da sie allen Adressaten unabhängig von der örtlichen Situation einen Rechtsanspruch bieten. Prominente und höchst umstrittene Beispiele sind Eigenheimzulage und Pendlerpauschale, die für die verstärkte Suburbanisierung verantwortlich gemacht werden. Eine Eigenheimförderung soll künftig als Sonderform der Alterssicherung in der Riesterrente wieder aufleben, die Pendlerpauschale ist im Jahr 2008 vor Gericht anhängig. Diese massiven Förderströme üben Druck auf die örtlichen Planungen aus und laufen den Zielen der Innenstadterneuerung oft zuwider. Ebenfalls raumblind war die 50-%ige Sonder-AfA auf Investitionen in den neuen Bundesländern zwischen 1991 bis 1998 (Fördergebietsgesetz §§ 3, 4). So wurden auch Gebäude und Lagen saniert, die im Zuge der Schrumpfung und des Stadtumbaus nicht zukunftsfähig sind. Gezielter wirkt dagegen die Steuerabschreibung bis 90 % für Denkmale (EStG §§ 7i, 10f, 10g, 11b), da diese überwiegend in den Altbauquartieren liegen. Auch mit dem Investitionszulagengesetz (InvZulG § 3a)
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
förderte der Bund die Instandsetzung und Modernisierung von Wohngebäuden in Kern-, Sanierungs- und Erhaltungsgebieten der neuen Bundesländer. Der Zuschuss betrug ab dem Jahr 1999 15 % und von 2002-2004 22 % der Investitionssumme. Nach Aussagen der Verwaltung unterstützten einige Zeitzer Bauherren die Erstellung eines Gutachtens zur Ausweisung eines Erhaltungsgebietes finanziell, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Im Zuge der Evaluation des Förderprogramms Stadtumbau Ost im Jahr 2008 wird ein Wiederaufleben des InvZulG diskutiert. Ein beliebtes Finanzierungsinstrument sind außerdem die zinsverbilligten KfW-Kredite zur energetischen Modernisierung. Eine weitere finanzielle Institution ist eng mit dem Stadtumbau auch in Altbauquartieren verknüpft. Die Baudarlehen der Staatsbank der DDR für volkseigenen und genossenschaftlichen Wohnungsbau wurden als so genannte Altschulden in die Bundesrepublik überführt und lasten mit 76 Euro/m2 auf allen Beständen der kommunalen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften. Der Bund verkaufte die Kredite an private Banken, die nun marktübliche Zinsen fordern. Bei einem Abriss oder Verkauf von Wohnungen bleiben diese Verpflichtungen bestehen, eine Umschuldung ist teuer und geht zu Lasten des Kernbestandes. Mit dem Altschuldenhilfegesetz bot der Bund eine Teilentlastung über den Erblastentilgungsfonds an. Im Gegenzug mussten die Wohnungsunternehmen einen Teil ihrer Bestände privatisieren. Wirtschaftlich gefährdete Wohnungsunternehmen wie die Zeitzer WBG, die im Jahr 2003 mehr als 15 % Leerstand aufwiesen, erhalten nach AHG § 6a weitere Entlastungen, wenn sie dauerhaft ungenutzten Wohnraum abreißen. Zudem bevorzugt das Land Sachsen-Anhalt diese „6a-Unternehmen“ bei der Bewilligung von Fördermitteln des Programms Stadtumbau Ost. Entsprechend zieht die WBG den Abriss ihrer leeren Altbauten den oft noch bewohnten Plattenbauten vor, was die städtebauliche Perforation verstärkt. Verwaltung Die Stadt Zeitz ist an der Planung und Durchführung der Bund-LänderProgramme Sanierung, Städtebaulicher Denkmalschutz und Stadtumbau Ost beteiligt. Im Verwaltungsablauf von der Beantragung bis zur Bewilligung ähneln sich die Programme, die Abstimmungsprozesse zwischen den Ebenen sind aufwändig und langwierig. Der Stadt Zeitz gehen inzwischen die Eigenmittel aus. Ein Programm- bzw. Antragsjahr bezieht die jeweils fünf darauf folgenden Kalenderjahre zur Durchführung der Maßnahmen mit ein. Die Bewilligung und Zuweisung hängt von der jährlich zu erneuernden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern sowie von den aktuellen Vergaberichtlinien des Landesministeriums ab. Beim „lernenden Programm“ Stadtumbau Ost werden das Verhältnis und die Konditionen von Aufwertung und Abriss immer wieder
Staatliche Rahmenbedingungen
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angepasst. Sind die Maßnahmenkataloge und ggf. Eigenmittel vom Stadtrat beschlossen und vom Landesverwaltungsamt bewilligt, bringen die örtlichen Planungs- und Vergabeverfahren sowie Finanzierungsfragen oftmals weitere Verzögerungen in der Umsetzung. Entsprechend müssen die Stadt Zeitz und die WBG als größter Empfänger die Fördermittel zwischen den Programm- und Kalenderjahren umschichten und Ausnahmen beantragen. Dies bindet wiederum Verwaltungskraft. In den über 30 Jahren der Existenz der Städtebauförderung haben sich diese bürokratischen Abstimmungs- und Bewilligungsverfahren auf allen Ebenen eingeschliffen. Einen weiteren Einflussfaktor für das Investitionsverhalten bilden die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und die Verdingungsverordnung für Bauleistungen (VOB). Ihre Anwendung ist bei öffentlichen Baumaßnahmen und bei geförderten Projekten in Sanierungs- und Stadtumbaugebieten vorgeschrieben. Konflikte entstehen zwischen dem Wunsch, Zeitzer oder regionale Firmen einzusetzen und der Forderung, den preisgünstigsten, zumeist auswärtigen Anbieter zu wählen. In vielen Fällen setzte dieser wiederum lokale Subunternehmer zu Niedrigpreisen ein, berichtete ein Hausverwalter. Viele private Bauherren verzichten bei Modernisierungen auf Architekten und bevorzugen eine direkte Vergabe von Bauleistungen. Ein Bauträger ermittelte das Planungsbudget anhand des künftigen Ertrages: „Wenn mir einer ein Kostenangebot nach HOAI macht, ist der sofort weg vom Fenster. Ich muss das heute doch ganz anders rechnen. Ich fange mit der Miete an und kapitalisiere das dann nach unten. Da bleibt dann bloß ein Betrag x.“ Der Druck auf die Planungskosten kann durch Tafelwerte und Vergabevorschriften kaum gemindert werden. Die Ausweichreaktionen der Auftraggeber gehen bis zum Bauverzicht. Auch auf der Landesebene in Sachsen-Anhalt werden Rahmenbedingungen geschaffen, die den Stadtumbau und den Handlungsspielraum der Hauseigentümer beeinflussen. Mit dem Investitionserleichterungsgesetz wurde unter anderem die Bauordnung dahingehend vereinfacht, dass kleinere Baumaßnahmen und Abrisse, sofern sie nicht dem Genehmigungsvorbehalt in Satzungsgebieten nach BauGB unterliegen, nicht mehr genehmigungs-, sondern nur noch anzeigepflichtig sind (BauO LSA § 63). Auch wurde die untere Denkmalbehörde auf eine Ebene mit den Baugenehmigungsbehörden gestellt. Die Vielfalt der Förderprogramme und ihrer Bedingungen wirkt auf manchen Bauherren und Investor verwirrend. Auf die Frage, wo er die größten Herausforderungen sieht, antwortete ein großer Vermieter ähnlich wie viele andere Befragte: „Bei der Bereitstellung von Fördermitteln. Dass da wieder geschwenkt wird, zu schnell, zu oft, zu unabsehbar. Und da kann man sich schlecht drauf einstellen. Da kann man mittelfristig keine vernünftige Planung machen.“
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
Vor allem die fiskalisch und finanziell wirksamen Institutionen des Bundes begünstigen sowohl die Angebots- als auch Nachfrageseite innerhalb der einzelnen Marktebenen. Das Wohngeld bestimmt den Wohnungsmarkt, Sanierungsund Denkmalförderungen zielen auf den Bau- und Bodenmarkt und Steuervorteile begünstigen Privatinvestoren im Kapitalmarkt. Insgesamt sind die Instrumente nicht genügend aufeinander abgestimmt. Um die Subventionen herum bilden sich Teilmärkte mit eigenen Regeln, die eine Integration und Bündelung von Verfügungsrechten im Sinne des Stadtumbaus behindern.
8.3
Notleidende Darlehen und Zwangsversteigerungen
Eine besondere Institution zum Schutz von Kapitalmarktinteressen stellt die Zwangsversteigerung dar, die von Gläubigern notleidender Bau- und Sanierungsdarlehen beantragt werden kann. Die schlechte Ertragslage auf dem Wohnungsmarkt führt in vielen Fällen zur Insolvenz und damit zur faktischen Handlungsunfähigkeit der im Grundbuch eingetragenen Eigentümer. Damit treten besondere Bedingungen und Verfahren in Kraft, die einen großen Einfluss auf den Stadtumbau haben und in der bisherigen Stadtentwicklungsdebatte kaum berücksichtigt sind. In der Verwaltung wird die Gesamtzahl der laufenden Verfahren auf ca. 200 geschätzt, dies entspricht ca. 5 % des Gebäudebestandes in Zeitz. Die Altbauquartiere mit ihren Bauträgermodellen und Sanierungsprojekten der 1990er Jahre sind besonders stark von Zwangsversteigerungen betroffen. Die folgenden Abschnitte erläutern die Erhebung, das Verfahren und seine Beteiligten. Das Kapitel schließt mit den Auswirkungen für den Stadtumbau. Um dem Phänomen leer stehender und augenscheinlich herrenloser Mietshäuser genauer auf den Grund zu gehen, wurde die Fallstudie um Zwangsversteigerungen von Zeitzer Altbauten ergänzt. Als Datenbasis dienten die Terminankündigungen des Amtsgerichtes Zeitz für Liegenschaften im Sanierungsgebiet und im Fördergebiet 1 “Gründerzeit“ (Abb. 18, 24). Im Zeitraum Januar 2007 bis Mai 2008 waren 98 von insgesamt 1.115 Altbauten als Ganze oder mit einzelnen Wohnungen von gerichtlichen Versteigerungen (ZVG) betroffen, dies entspricht knapp 9 % des Bestandes. Darin kamen 51 Eigentumswohnungen einzeln zum Aufruf, zum Teil an verschiedenen Terminen innerhalb des gleichen Hauses. Die Verfahrensdauer von der Antragsstellung des Gläubigers bis zum letztmaligen Gerichtstermin betrug im Durchschnitt 31,2 Monate. Bezogen auf den Beobachtungszeitraum von nur 17 Monaten ist eine gewisse Dunkelziffer von laufenden oder ausgesetzten Verfahren anzunehmen. Insgesamt fanden in 114 Verfahren 161 Termine statt, da im Verlauf der Zeit 43 Objekte mehrmals aufgerufen wurden. 22 Teilungsversteigerungen dienten der Vermögensauseinandersetzung
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Notleidende Darlehen und Zwangsversteigerungen
von Erben, Gesellschaftern und Ehepaaren. In 49 Terminen war die Zuschlagsuntergrenze von 5/10 des Verkehrswertes aufgehoben, da in vorangegangenen Terminen das Mindestgebot nicht erreicht wurde (§ 85a ZVG). Diese Zahlen geben nur eine Momentaufnahme in einer länger währenden Entwicklung wieder. Das Amtsgericht führt keine Statistik über die Höhe der Gebote und die Anzahl der erteilten Zuschläge. Aspekte der Zwangsversteigerung
Anz./Preis
Bemerkung
Versteigerungstermine (Anzahl)
161 Zeitraum 17 Monate
Verfahren (Anzahl)
114
Verfahrensdauer bis zum letzten Termin
31 Monate min. 8, max. 94 Monate
Von ZV betroffene Gebäude (Anzahl)
98 8,8 % von insges. 1.115
Einzelne Eigentumswohnungen in ZV
51
Termine mit Aufhebung der 5/10Zuschlagsgrenze
49 § 85a ZVG
Häuser mit einzelnen ETW-ZV an verschiedenen Terminen
9
Gutachterlicher Verkehrswert für saniertes MFH* (Durchschnitt)
310.000
n=23
min 149.000 max 757.000
Gutachterlicher Verkehrswert für sanierte ETW* (Durchschnitt)
626
n=35
min 326 /m 2 max 1.150 /m
2
Daten: www.zvg.com/termine/sachsen-anhalt/zeitz im Zeitraum Januar 2007 bis Mai 2008 ZV: Zwangsversteigerung ETW: Eigentumswohnung 2 MFH: Mehrfamilienhaus 6-8 WE, ca. 400-600 m Netzfläche * Gebote und Zuschläge können diese Werte unterschreiten.
Abb. 24: Zwangsversteigerungen in Zeitzer Altbauquartieren (1/2007 - 5/2008)
Notleidende Darlehen, Insolvenz Ausgangspunkt eines Insolvenzverfahrens ist in der Regel ein Baudarlehen, das vom Schuldner nicht mehr bedient werden kann. Die meisten der heute notleidenden Kredite wurden in den 1990er Jahren von Banken aus der ganzen Republik ausgereicht, die den Bauboom in den neuen Ländern allzu freigiebig unterstützten. Inzwischen hat sich ein differenzierter Markt für diese „Non Performing
138
Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
Loans“ herausgebildet (Bösch/Heinig 2007). Häufige Insolvenzgründe seitens der Investoren sind Fehlkalkulationen, zu hohe Zinsbelastung bei zu geringem Eigenkapital und mangelnde Mieterträge. Mancher hat das mit der Immobilie gesicherte Darlehen auch für andere unternehmerische Zwecke entfremdet und ist dann damit gescheitert. Ein Vermieter schilderte den Extremfall: „Es gab in der Stadt mal so einen Spinner, der hat hier 80 Häuser gekauft und ist dann verschwunden. So, und die Dinger sind alle in die Versteigerung gekommen.“ Die Zwangsversteigerung von Eigentumswohnungen geht dagegen oft auf Anlagebetrug oder überforderte Kleinanleger zurück. Bauträger und ihre Strukturvertriebe boten Wohnungen und entsprechende Finanzierungen als Altersvorsorge an. Kleinanleger, die zum Erwerb einen hohen Anteil an Fremdkapital aufnahmen, sind besonders betroffen. In Fällen von Zahlungsverzug oder Ausfall kann die Bank das Darlehen fällig stellen und die Zwangsversteigerung beantragen, um ihre Forderungen zu befriedigen (Kap. 9.4) Als Gläubiger treten auch Bausparkassen, Versicherungen, Direktanleger und Immobilienfonds auf. In der Regel tritt die Stadt Zeitz dem Verfahren bei, um ihre Ansprüche auf die Grundsteuer zu sichern. Zu den Gerichtsterminen reisen die Gläubiger und ihre Vertreter aus der ganzen Republik nach Zeitz an. Viele lassen sich durch einen örtlichen Makler oder Anwalt vertreten. Manche Gläubiger bleiben dem Termin im Falle niedriger Forderungen oder Zuschlagschancen ganz fern. Die Insolvenz bedeutet faktisch die Handlungsunfähigkeit des Eigentümers. An seine Stelle tritt die Gläubigerbank, die jedoch kein Spezialist für die Bewirtschaftung von Immobilien ist. Je nach Größe und Streuung ihres Immobilienportfolios hat sie kein besonderes Interesse am spezifischen Objekt und Standort, geschweige denn für die Belange des Stadtumbaus entwickelt. Ist das Haus oder die Wohnung noch genutzt, kann der Gerichtspfleger auf Antrag des Gläubigers einen Zwangsverwalter bestellen. Dieser sichert die laufenden Erträge und bewahrt das Objekt auf Kosten des Gläubigers vor weiterem Verfall. Je geringer der Wert oder die Chance, im Termin ein gutes Gebot zu erhalten, desto geringer ist auch das Interesse des Gläubigers, Bieter zu suchen und das Verfahren aktiv und zügig zu betreiben. Unabhängig davon, ob sie saniert oder ruinös sind, bleiben manche Objekte über mehrere Jahre im Verfahren und werden mehrfach aufgerufen. Leer stehende Häuser sind in der Regel dem weiteren Verfall preisgegeben, da sich der Insolvenzverwalter auf die juristischen und finanziellen Aspekte des Verfahrens beschränkt. Mehrere befragte Zeitzer Hausverwalter beklagten, dass keine örtlichen Immobilienfachleute als Verwalter eingesetzt werden, die die Häuser aktiv weiter bewirtschaften. Einer von ihnen meinte: „Auswärtige Verwaltungen haben keine Ahnung, was hier abgeht. Die Gerichte bevorzugen Anwälte.“ Damit bleibt die Immobilie für die Dauer des Verfahrens, in der Regel für ein bis fünf Jahre, dem freien Immobilienmarkt entzogen.
Notleidende Darlehen und Zwangsversteigerungen
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Verfahren der Zwangsversteigerung Ist der Antrag auf Zwangsversteigerung gestellt, bestellt ein Gerichtspfleger am Amtsgericht Zeitz ein Gutachten zur Verkehrswertermittlung. Im ersten Verhandlungstermin kann er den Zuschlag von Amts wegen verweigern, wenn das höchste Gebot weniger als die Hälfte des Verkehrswertes beträgt. Bis zur 7/10Grenze des Verkehrswertes kann auch der Gläubiger den Zuschlag verweigern. Falls die Gebote unter der 5/10-Grenze liegen, fallen diese Grenzen beim nächsten Termin, was in einer schrumpfenden Stadt wie Zeitz mangels Kaufinteressenten regelmäßig der Fall ist. Bei leer stehenden Häusern geben manche Bieter beim ersten Termin Pro-forma-Gebote ab, um dann beim zweiten Termin den Preis zu drücken. Die Zwangsversteigerung stellt einen Test für die Marktfähigkeit einer Immobilie dar, gleichzeitig wird der Wert neu bestimmt, da die Verkehrswerte regelmäßig weit unterschritten werden. Im Beobachtungszeitraum kamen fünf Objekte mit einem gutachterlichen Verkehrswert von 0 bzw. 1 Euro zur Versteigerung. Ein gültiges Gebot für diese zumeist abbruchreifen Häuser müsste jedoch mindestens den Gerichtskosten in Höhe von 1.500 - 2.500 Euro entsprechen. Praktisch liegt der Verkehrswert dieser Ruinen im Minusbereich, da die Abriss- und Freilegungskosten den Bodenwert bei weitem übersteigen. Auch eine Sanierung ist finanziell nicht darstellbar. In diesen Fällen sitzt der Gerichtspfleger während der Bietstunde, laut ZVG 30 Minuten, allein im Saal. Nach drei erfolglosen Terminen wird das Verfahren eingestellt, und der Gläubiger kann seine Forderungen abschreiben. Wenn kein Zuschlag erfolgt, haftet der Gläubiger für die Gerichtskosten. Dieser kann auch die Aussetzung des Verfahrens beantragen, um auf anderem Wege Übernahmeinteressenten für das Haus oder das Darlehen zu finden. Manche Verfahren werden kurzfristig eingestellt, wenn das Darlehen vor dem Termin verkauft und die Steuerforderungen befriedigt sind. Die Bieter, die sich für Altbauten in Zeitz interessieren, sind lokale und regionale Bauträger sowie Makler und Anlagevermittler, die auf ein Schnäppchen hoffen. Viele Immobilienverwerter verfolgen den Versteigerungskalender und schicken Agenten zu den Gerichtsterminen. In manchen Fällen hat die Gläubigerbank bereits Absprachen mit Kaufinteressenten getroffen, die dann ein entsprechendes Gebot abgeben. Bei Voruntersuchungen in Leipzig war zu beobachten, dass die potenziellen Bieter sich in einigen Fällen vorher absprechen, wer Kapazitäten zur Übernahme des Objektes hat. So können sie einen teuren Bieterwettstreit vermeiden und den Zuschlag niedrig halten. In Zeitz ist das Investitionsrisiko jedoch viel höher und das Interesse an Renditeobjekten geringer. Bei kleineren Häusern treten auch potenzielle Selbstnutzer als Bieter auf. Das Objekt wird versteigert wie es „steht und liegt“, nach dem Erwerb können keinerlei Ansprüche gestellt werden oder Rückabwicklungen erfolgen. Gerade
140
Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
bei Altbauten mit ungewissem Bauzustand sind teure Überraschungen möglich, die ganz vom Erwerber zu tragen sind. Es ist rechtlich möglich und kam auch in Zeitz vor, dass die Gläubigerbank selbst als Bieter für eine Immobilientochter auftritt. Es handelt sich dann zumeist um konzerninterne Bilanzbereinigungen und Risikoverlagerungen. Verfügungsrechte und Stadtumbau Ein besonderes Problem ist die Insolvenz oder der stille Rückzug einzelner Anleger innerhalb einer Wohneigentumsgemeinschaft, weil Rückstände beim Hausgeld auflaufen und in der Zuständigkeit eine Grauzone entsteht. Ein Hausverwalter stellte einen Lösungsweg dar: „Wenn ich das nur nach Gesetz mache, dann dürfte ich gar nicht in die Wohnung rein. Wir machen die Wohnungen auf, richten die her, und mit der Miete zahlen wir erstmal die Hausgeldrückstände zurück. Wenn die Kosten abgefahren sind, und der tote oder halbtote Eigentümer noch auftaucht, kriegt er das Geld. Der Eigentümer weiß gar nicht, dass wir das so gemacht haben. Die rühren sich nicht. Wir schreiben denen: Wir haben das so und so gemacht. Manchmal kriegen die sogar noch was, bevor es versteigert wird.“ Im Beobachtungszeitraum kamen in neun Fällen mehrere Eigentumswohnungen innerhalb eines Hauses an verschiedenen Terminen zur Versteigerung. Eine Bündelung der Verfügungsrechte bei einem einzigen, zahlungskräftigen Bieter ist dann äußerst aufwändig. Einzelne Anlagevermittler versuchen, Termine und Interessenten entsprechend zu koordinieren. Die Zwangsversteigerung schafft einen künstlichen Markt für Objekte, die unter anderen Umständen keinem Besitzwechsel unterworfen wären. Gleichzeitig werden die Häuser und Grundstücke mangels Nachfrage bzw. Bietinteressenten massiv entwertet. In der schrumpfenden Stadt wie Zeitz führt die Zwangsversteigerung die Häuser nicht der besten bzw. rentabelsten Nutzung zu, sondern lediglich einem weiteren Verwerter oder Spekulanten. Das Verfahren ist Ausdruck der Marktschwäche und stellt lediglich eine Phase im Verwertungszyklus dar. Im Insolvenzverfahren werden Fragen zur künftigen Nutzung ausgeblendet, lediglich der Gutachter muss im Ertragwertverfahren einige Annahmen zu Mietpotenzial und Restnutzungsdauer treffen. Für eine Reaktivierung dieser Häuser und Flächen fehlt oft ein entscheidungsfähiger Verhandlungspartner. Häuser, die sich in der Zwangsversteigerung befinden, sind dem planerischen Zugriff für den Stadtumbau entzogen. Theoretisch könnte die Stadt oder ein Stadtumbaufonds einzelne Häuser im Termin günstig selbst ersteigern, hierzu fehlen aber die Mittel und Strukturen. Angesichts der großen Zahl von Zwangsversteigerungen wäre auf diesem Weg eine gewisse Steuerungswirkung und lokale Bündelung von Verfügungsrechten möglich. Einige private Bieter fahren bereits entsprechende, allerdings eigennützige
Notleidende Darlehen und Zwangsversteigerungen
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Strategien. Wenn sich jedoch gar keine Bieter mehr finden, blieben die leeren Altbauten und Investitionsruinen formal beim alten Eigentümer. Die störende Wirkung im Stadtbild und auf die Infrastruktur bleibt bestehen. Zwangsversteigerungen in der gegenwärtigen Form sind kein geeignetes Instrument zur Neuordnung der Verfügungsrechte im Sinne des Stadtumbaus. Im Gegenteil entstehen mit ortsfremden Anlegern neue, immer kurzfristigere Verwertungszyklen.
8.4
Informelle und kooperative Ansätze
Neben den formalen Institutionen, die sich auf Gesetze, Verordnungen und kommunale Satzungsbeschlüsse gründen, können auch informelle Vereinbarungen und Kooperationen neue Möglichkeiten für den Stadtumbau bieten. Dazu gehören freiwillige Vereinbarungen von Hauseigentümern untereinander und mit der Stadt. Die Interviews mit den Hauseigentümern enthielten daher die explizite Frage nach bestehenden oder möglichen Formen der Zusammenarbeit mit Nachbarn, aber auch innerhalb der Gesamtstadt. Blockkonzepte Viele Befragte befürworteten ein abgestimmtes Vorgehen auf Blockebene, waren sich aber auch der Umsetzungsprobleme bewusst. Ein großer Privatvermieter entwickelte im Gespräch eine Beispielrechnung für eine Blockentkernung, schränkte aber zugleich ein: „Und die Trittbrettfahrer? Das ist Pech, da können Sie niemanden zwingen. (…) Sie müssen das eben moderieren und die Notwendigkeit ganz klar aufzeigen.“ Implizit geht der Vorschlag von einem ökonomischen Mehrwert der Maßnahme aus, da es sonst keinen Anreiz zur Teilnahme gibt. Für einen anderen Einzeleigentümer steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag: „Ich habe keine Absicht, mit den Nachbarn etwas zu machen. Da hat jeder seine eigenen Pläne und Voraussetzungen.“ Ein Vermieter drückte es so aus: „Das Schwierige ist, dass die Hauseigentümer immer ganz besondere Charaktere sind, da wird bis zum letzten Ziegelstein gekämpft.“ Tatsächlich umfassen die zersplitterten Eigentumsverhältnisse die unterschiedlichsten Interessenslagen: Der örtliche Kleinunternehmer ist in seinem eigenen Wohnumfeld betroffen, der anonyme Immobilienfonds benötigt einen laufenden Cash-flow, der ortsfremde Wohnungseigentümer hofft langfristig auf ein zusätzliches Alterseinkommen. Die Banken insolventer Eigentümer ebenso wie einzelne private Vermieter suchen eine Exit-Strategie. Eine abgestimmte Entwicklung auf der Blockebene kann nur gelingen, wenn die Verfügungsrechte in den Händen einer lokal verankerten, langfristig engagierten Interessengemeinschaft gebündelt werden. Das Spektrum reicht von einer gemeinsamen Hausverwaltung bis hin zu
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Gesetze und Stadtplanung in Altbauquartieren
einer Immobiliengesellschaft. Um auch die kostenintensiven Leerstände und Ruinen in derartige Modelle zu integrieren, muss ein Verlustausgleich organisiert werden, was ohne finanzielle Unterstützung oder planerische Eingriffe von außen kaum vorstellbar ist. Standortgemeinschaft Die Zeitzer Hauseigentümer und Wohnungswirte bemängeln den fehlenden Zusammenhalt in der Stadt. Ein Vermieter sah die Ursache in der Schrumpfung und im stadtweiten Leerstand: „Soziologisch läuft es so ab: Wenn eine Stadt erobert wird, und der Feind steht vor den Toren der Stadt, dann halten noch alle zusammen. Aber in dem Moment, wenn der Feind eingedrungen ist und die Stadt aufgegeben ist, geht das Hauen und Stechen untereinander los. Dann fällt die Solidarität weg, und die rauben sich sogar gegenseitig aus. Und diesen Punkt haben wir hier erreicht.“ Auf der Ebene des Einzelhandels gab es in einem Teilbereich der Altstadt einige Jahre eine Händlergemeinschaft, die an Einzelinteressen zerbrach: „Ein paar waren zu geldgierig, da ging es auseinander“, sagte ein Wirt. Aber nicht nur die mangelnde Kooperation innerhalb der Immobilienbranche, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Zeitz waren Anlass zur Kritik eines Maklers: „Es wird nur von der Tapete bis zur Wand gedacht.“ Ein Vertreter der Wohnungswirtschaft, der vielfältige Ansprüche und Zwänge berücksichtigen muss, drückte seinen Unmut wie folgt aus: „Heute spielen so viele Leute mit und die Interessen sind so unterschiedlich, dass ich nicht mehr erkennen kann, wer überhaupt etwas Gutes will.“ Ein Immobilienexperte verstärkt diese Einschätzung: „Da sind sehr viele Emotionen, sehr viel Kleingeist und Privaterie im Spiel. Ich sage, die Stadt schrumpft deswegen.“ Ein Planer ergänzte: „Da müsste man soviel vernetzen, das läuft aber nicht zusammen.“ Ein Vertreter der Verwaltung spielte den Ball zurück, in dem er nicht mitwirkungsbereite Eigentümer als Bremse für den Stadtumbau bezeichnete. Einen Gegenpol bildete ein frustrierter Makler mit der Forderung nach einer Lösung von oben: „Man sollte eine Kommission bilden die sagt: Das und das kommt weg!“ Die Aussagen der Befragten in Zeitz lassen den Schluss zu, dass Kooperationen im Stadtumbau nur mit einer breiten Diskussion, dem Einsatz von Vermittlern und belastbaren Verträgen zustande kommen können. Die Kritik an der schlechten Stimmung mischte sich aber auch mit konstruktiven Beiträgen. Mehrere Investoren, Vermieter und Planer äußerten den Wunsch nach einem besseren Stadtmarketing zur Ansprache von Investoren und Touristen, aber auch zur Bewerbung ihrer Altbaubestände. Ein Vermieter erzählte: „Als die Landesgartenschau in Zeitz war, also damals war ich so euphorisch, da hab’ ich gesagt, wisst ihr was, ich entwickle euch einen Stadtprospekt, eine Imagebroschüre. Da habe ich Bilder von Zeitz gemacht, wenn Sie die sehen,
Informelle und kooperative Ansätze
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glauben Sie, Sie sind in einem Kurort.“ Trotz vieler Frustrationen durch die bisherige Stadtentwicklungspolitik zeigten die Bauträger, die nach der Sanierungswelle der 1990er Jahre in Zeitz geblieben sind, das größte Interesse an Kooperationen im Stadtumbau. Ein Wohnungswirt dachte über die weitere Zusammenarbeit in der Stadt nach: „Jetzt müssen wir hier alle miteinander an einen runden Tisch. Jetzt müssen wir gucken, dass wir die Stadt retten. Es geht den Privaten nicht gut, wenn es der Stadt nicht gut geht. Und umgekehrt.“ Ein größerer Vermieter vermutete noch finanzielle Reserven bei den privaten Hauseigentümern: „Und wenn sie eine klare Idee haben, und die Eigentümer sehen, dass sie das wirklich wollen, dass es da weitergeht, dann würden die auch wieder Geld in die Hand nehmen.“ Im Stadtumbau gilt es nicht nur, die Hauseigentümer zu beteiligen, sondern auch das Wissen und die Ideen der Makler und Hausverwalter zu nutzen. Seit der Befragung der Hauseigentümer in den Jahren 2006 und 2007 deutet sich in der Stadtpolitik nun ein Wandel an. Nach seiner Wahl am 02.03.2008 positionierte sich der designierte neue Oberbürgermeister öffentlich zur Stadtentwicklung. „Es gelte die Rahmenbedingungen dahingehend zu verändern, dass die Wirtschaft floriert. Und das sei nicht nur für die Stadtplaner eine Herausforderung. Gefordert seien hier alle mittelbar und unmittelbar am Stadtumbauprozess Beteiligten wie Wohnungsunternehmen, Eigentümer, Unternehmer, Ämter, Vereine aus Kultur und Sport“ (Super Sonntag, 13.04.2008). Damit ist ein großes Potenzial an Ideen und Ressourcen angesprochen. Mit der Erweiterung des „Marktes für Stadtentwicklungsinformationen“ und der Zuweisung entsprechender Mitspracherechte steigt allerdings der Moderations- und Verhandlungsaufwand. Statt weiter den Individualismus einzelner Anspruchsberechtigter zu fördern, müssten Planungs- und Förderinstrumente verstärkt Kooperationen anregen und belohnen.
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Verfügungsberechtigte Akteure
Als Spielregeln schaffen Institutionen die Basis und den Rahmen für Marktaktivitäten (Kap. 8). Sie bestimmen über die Handelsmöglichkeiten von Verfügungsrechten. Die Entscheidung über das Zustandekommen von Transaktionen liegt jedoch bei den Inhabern der Verfügungsrechte. Bezogen auf das analytische Konzept der drei Marktebenen (Kap. 5) sind dies die Nutzer, Hauseigentümer und Geldgeber. Weitere wichtige verfügungsberechtigte Akteure sind die Agenten und Intermediäre sowie die Stadt Zeitz. Wegen ihrer zentralen Bedeutung für die Umsetzung von Stadtumbau-Plänen und Förderprogrammen wurden im Rahmen der Fallstudie nur Hauseigentümer, Immobilienexperten und Verwaltungsmitarbeiter befragt. Die Handlungsmotive und -optionen von Mietern und Banken wurden indirekt über Makler und die Beobachtung von Zwangsversteigerungen erschlossen.
9.1
Mieter
Im Konzept der Verfügungsrechte spielen die Mieter eine wichtige Rolle, da sie nicht nur Nutzungsrechte auf dem Wohnungsmarkt erwerben, sondern über den Bodenmarkt hinweg auch Profite auf dem Kapitalmarkt generieren. Die Standortentscheidungen der Mieter bestimmen zudem die Optionen für den Stadtumbau. Aus der Befragung der Zeitzer Vermieter ergeben sich vier Themen:
Verhältnis Platte – Altbau Wohnumfeld Wohnkostenzuschuss und Sozialstatus Vermietungsstrategien
Das Zeitzer Stadtentwicklungskonzept zielt auf eine Aufwertung der Gründerzeit und einen Rückbau des Plattenbaugebietes. In der Vorstellung der Stadtplaner und privaten Vermieter sollten daher möglichst viele Mieter in die Altbauquartiere umziehen. Langfristige Wohnpräferenzen und gestiegene Ausstattungsstandards, gewachsene Nachbarschaften, Vorteile in der Nahversorgung und Grünausstattung sowie das steigende Alter der Bewohner stehen diesem Wunsch jedoch entgegen. „Platte ist Platte“, sagte ein Hausverwalter zur gewachsenen
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Verfügungsberechtigte Akteure
Wohnkultur im Neubaugebiet. Unter den Wohnungssuchenden erkannte ein Makler zwei klar getrennte Gruppen: „Die Leute wissen schon genau was sie wollen: Entweder Platte oder guten Altbau.“ Wenn Mieter einen Zuwachs an Wohnraum suchen, kommt die Nähe zum Stadtrand und zum Umland mit ins Kalkül: „In einer kleinen Stadt wie Zeitz konkurriert natürlich die große Wohnung in der Innenstadt mit dem Einfamilienhaus, weil es das gleiche kostet“, sagte ein Hauseigentümer. Im Gegensatz zur Beliebtheit von sanierten Gründerzeitgebieten in westdeutschen Innenstädten stellt diese Bauepoche im Osten keinen Vermietungsvorteil dar: „Denn hier ist das inflationär, hier ist die ganze Stadt Altbau“, stellte ein aus Westdeutschland stammender Vermieter fest. Ein anderer kritisierte die mangelnde Wertschätzung der Zeitzer für das historische Erbe der Stadt und die notwendigen Anstrengungen zu ihrer Erhaltung: „Die müssten mal alle in den Flieger, andere Länder angucken, dass die mal mit einem klaren Kopf wiederkommen.“ Neben ihrer emotionalen Bindung an die Nachbarschaft dürften für die Mieter im Plattenbau allerdings auch handfeste Standortvorteile zählen, darunter bessere Einkaufsmöglichkeiten, grünes Wohnumfeld, Ordnung und Sicherheitsgefühl. Hinzu kommt ein jederzeit ansprechbarer Großvermieter vor Ort. Dagegen wirken die halbleeren Altbauquartiere für Neuzuzügler wenig anheimelnd. Das Wohnumfeld wurde mehrfach als wichtiges Rentabilitätskriterium genannt. Ruinen und auffälliges Sozialverhalten in der Nachbarschaft stören und erschweren die Vermietbarkeit, weiterer Leerstand auch in sanierten Häusern ist die Folge. Ein Privateigentümer äußerte sich verbittert über einen Treffpunkt von Alkoholikern gegenüber seinem Haus: „Und wenn dann ordentliche Leute kamen, und die haben das da gesehen, da hab ich Leerstände gehabt von manchmal einem Dreivierteljahr wegen dieser Umstände.“ Neben der passiven Duldung von Störungen sind andere Umfeldfaktoren aktiv beeinflussbar. Ein anderer Hauseigentümer geht auf die Bedürfnisse der Mieter ein: „Die Leute wollen Sauberkeit und Sicherheit. Das ist einfach so. (…) Wir haben die Mülltonnenplätze so gestaltet, dass man das nicht mehr sieht. Kostet alles gar kein Geld.“ Anders als im Plattenbaugebiet ist es in den kleinteiligen Eigentumsstrukturen der Altbauquartiere schwer, eine abgestimmte Gestaltung und Pflege des Wohnumfeldes zu organisieren. In den seltenen Fällen, in denen mehrere zusammenhängende Grundstücke in einer Hand waren, versuchten zwei der befragten Hauseigentümer Lagevorteile durch Innenhofbegrünung und Stellplatzangebote zu erzielen. Der Wohnkostenzuschuss der Arbeitsgemeinschaft (Arge) aus Agentur für Arbeit und Burgenlandkreis war Thema in fast allen Interviews (Kap. 7.3). „Es sind doch 90 % der Kunden Hartz-IV-Empfänger, an die wir vermieten“, sagte ein Makler, um diese Gruppe dann genauer zu differenzieren: „Es gibt die mit
Mieter
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Ausbildung und der Betrieb ist pleite und die, die hier vorne auf der Bank sitzen. Und die müssen auch irgendwo wohnen. Und ich wäre bescheuert, denen einen neu sanierten Altbau anzubieten, wenn ich doch vom Staat die 4,35 Euro kriege.“ Die Miete wird von der Arge wahlweise auch direkt an den Vermieter überwiesen. Auch die privaten Vermieter unterschieden die Bewohner ihrer Häuser genau. Einer sagte: „Wir haben in der Mehrzahl Leute, die ihre Miete selber verdienen, also nicht vom Staat kriegen. Wir wollen keine solchen Leute. Wir haben nur ordentliche Mieter, die in die Häuser passen.“ Viele Vermieter und Makler waren besorgt, dass Hausgemeinschaften durch einzelne unverträgliche Mieter gestört werden könnten. Dabei berief sich ein Makler auf konkrete Erfahrungen: „Es darf nicht stinken. Arbeitslose haben Hunde und Katzen.“ Ein Hauseigentümer urteilte über ausländische Mieter: „Die Kulturen passen einfach nicht zusammen. Es braucht jede Kultur ihren eigenen Lebensraum. Wenn man das vermischt, funktioniert es nicht.“ Ein Makler, der auch als Hausverwalter für auswärtige Anleger agierte, sah in Ausländern wiederum gute Kunden: „Russen, Vietnamesen habe ich nicht allzu viele. Syrer und Iraker, das sind ordentliche Leute, mit denen habe ich keinen Stress. Die haben auch ordentlich fertig gemachte Wohnungen, mit Teppich, mit Tapete, mit allem drum und dran.“ Offensichtlich haben nicht nur die Vermieterpersönlichkeiten, sondern auch die Makler großen Einfluss auf die Belegungspolitik. Die Vermietungsstrategien hängen von der Eigentümerstruktur ab. Amateurvermieter bedienen ein größeres Nachfragespektrum und ziehen nicht nur Kriterien der Ertragsmaximierung heran. „Die Strategie ist soweit mit der Miete runterzugehen, dass wir möglichst mehrere Interessenten haben, so dass wir uns die Mieter aussuchen können. Und die Auswahl muss ich zu dem Zeitpunkt haben, wenn die Wohnung frei ist“, sagte ein Hausbesitzer. Ein anderer legte Wert auf den persönlichen Bezug und ein möglichst dauerhaftes Mietverhältnis: „Also ich kann sagen, ich vermiete für 3,50 Euro und suche mir die Leute dafür aus.“ Größere Privatvermieter fahren eher eine Qualitätsstrategie und streben ein entsprechend höheres Mietniveau an. Auf die Frage, ob er Vermietungsschwierigkeiten habe, antwortete einer von ihnen: „Bis auf die Tatsache, dass ich nicht jeden Mieter nehme, keine. Wir haben keine Hartz-IV-Empfänger.“ Manche Mieter zahlen dafür gerne eine etwas höhere Miete. Weniger anspruchsvoll sind dagegen die Makler und Hausverwalter im Falle von Eigentumswohnungen ortsfremder Anleger. Um für ihre Kunden einen laufenden Ertrag zu gewährleisten, spezialisieren sie sich teilweise auf Hartz-IVEmpfänger, deren persönliche Verhältnisse häufiger wechseln: „Ein bis zwei Jahre und weg sind die Mieter.“ Die höhere Fluktuation verursacht zwar einen höheren Aufwand, aber auch Verdienste in Form von Provisionen. Diese sind in Zeitz wegen des Überangebotes grundsätzlich von den Anbietern zu tragen und
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Verfügungsberechtigte Akteure
so für Makler ein sicheres Geschäft. Der Versuch, Wohnungen an selbstnutzende Mieter zu privatisieren, scheitert an der geringen Nachfrage. Nach Aussagen eines Maklers haben potenzielle Wohnungskäufer Angst vor Arbeitslosigkeit und notwendigen Umzügen. In Zeitz haben nicht nur die Hauseigentümer Probleme, sondern auch viele Mieter sorgen sich um ihre Wohnsituation. Die Äußerungen der Hauseigentümer und Makler zeigen, dass der Wohnungsmarkt in Altbauquartieren weder homogen noch transparent ist. Es herrschen höchst unterschiedliche Qualitäts- und Preisniveaus vor, die nicht in der Bausubstanz, sondern in den Persönlichkeiten und Kostenstrukturen beider Vertragsparteien, Mieter und Vermieter, begründet sind. Als Agenten der ortsfremden Anlegereigentümer haben die Zeitzer Makler einen großen Einfluss auf Wohnstandortentscheidungen und damit potenziell auch auf den Stadtumbau.
9.2
Private Hauseigentümer
Hauseigentümer agieren als Vermieter auf dem Wohnungsmarkt und als Grundbesitzer auf dem Bau- und Bodenmarkt. Formal entscheiden sie über die Sanierung, den Umbau oder den Abriss eines Hauses und nehmen daher für den Stadtumbau eine zentrale Rolle ein. Zugleich sind aber fast alle auf Bankdarlehen angewiesen. Die befragten Zeitzer Privateigentümer waren in ihren Eigenschaften als Personen, Hausbesitzer und Vermieter individuell sehr verschieden, wobei Selbstständige überwogen. Die Altersspanne reichte von Anfang 20 bis über 90 Jahre. Bei den Berufen waren unter anderem Händler, Handwerker, Ingenieure, Studenten und Wissenschaftler vertreten. Sie waren sowohl in Zeitz und der Region als auch in Westdeutschland ansässig. Aus steuerlichen, organisatorischen oder Altersgründen sprachen in manchen Fällen Angehörige oder Beauftragte für den eingetragenen Hausbesitzer. Viele Befragte konnten auch Auskünfte über die Nachbarhäuser geben. Die Aussagen wurden ergänzt und gespiegelt mit den Erfahrungen und Einschätzungen der Makler und Hausverwalter. Ein Kennzeichen der privaten Hauseigentümer ist die große Vielfalt von Merkmalskombinationen, die pauschale Aussagen oder trennscharfe Typisierungen unmöglich macht. Dennoch ermöglichten der Interviewleitfaden und die Aussagen der Befragten Erkenntnisse, die wichtige Handlungsvoraussetzungen für den Stadtumbau darstellen:
Ortsbezug, Besitzumfang und Motiv Form des Erwerbs, Finanzierung Nutzung, Vermietung, Leerstand Bezug zur Stadtentwicklung und Planung
Private Hauseigentümer
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Der Besitzumfang der privaten Hauseigentümer reichte von einer Wohnung bis zu 27 Mietshäusern. Bei der geographischen Herkunft konnten drei Gruppen unterschieden werden: Ortsansässige, Zugewanderte sowie völlig Ortsfremde. Diejenigen, die lediglich ein Mietshaus besitzen, stammen überwiegend aus Zeitz und befassen sich nur nebenberuflich mit der Vermietung oder Verwaltung. Viele haben eine enge persönliche Bindung an ihr Haus oder sind hier mit ihrem Unternehmen ansässig. Eigentümer, die in ihrem Haus aufgewachsen sind, darin leben oder ihr Gewerbe betreiben, streben den langfristigen Erhalt ihres Hauses an. Zugewanderte Eigentümer haben oft noch ein Standbein in ihrer alten Heimat. Sie haben Zeitz als Investitionsgelegenheit entdeckt und ihr Engagement Haus um Haus vergrößert. Einige bewirtschaften inzwischen ihre Immobilien im Haupterwerb und sind auf laufende positive Erträge aus der Vermietung angewiesen. Ortsfremde Eigentümer treten dagegen als anonyme Anleger oder „Karteileichen“ im Grundbuch auf. Viele, vor allem externe Eigentümer, nehmen spezialisierte Dienstleistungen für ihr Haus oder Ihre Wohnung in Anspruch, insbesondere zur Hausverwaltung und Vermietung (Kap. 9.4). Der Erwerb erfolgte in den meisten Fällen durch Kauf in den 1990er Jahren. Vorbesitzer waren meist Erben und Alteigentümer, die ihr Haus nach der Rückübertragung weiterverkauften. Einige Käufer wurden auch bei der WBG oder der Zeitzer Sparkasse fündig. Alle befragten Eigentümer haben Darlehen für den Erwerb oder die Sanierung ihres Hauses in Anspruch genommen, wobei die Kleinen tendenziell eher Schritt für Schritt bauten, die großen dagegen ganze Häuser in einem Zug sanierten. Vergünstigte KfW-Kredite wurden von fast allen, Steuerabschreibungen eher von Zugewanderten und Privatanlegern in Anspruch genommen. Diese nutzten auch ihre Verbindungen in die Heimat, um Kredite oder Anlagekapital zu akquirieren. Den aufwändigeren Weg zur Beantragung von Sanierungsmitteln beschritten relativ wenige Eigentümer. Viele kalkulierten schon von Anfang an sehr knapp oder wurden zu Investitionen verleitet, die sich als nicht marktgerecht herausstellten. Ein Sonderfall besteht in einem großen unsanierten Eckhaus am Stadteingang. Im Jahr 2006 entdeckte ein befragter auswärtiger Käufer das Objekt zufällig bei einem Internet-Händler für 4.000 Euro (www.immobilienunter20000euro.de). Als Nutzung war zunächst ein Zweitwohnsitz mit Werkstatt und Garage vorgesehen. „Wir dachten, bei dem Preis kann man nichts falsch machen“, meinte er und ergänzte: „Eigentlich wollten wir etwas kleineres.“ Zeitz hat zwar alle Hausgrößen zu bieten, aber abgesehen von den zahlreichen Ruinen befinden sich viele leer stehende Häuser gar nicht auf dem Markt. Das Risiko versteckter Schäden bleibt hoch, der Nutzwert ohne größere Investitionen gering. Mutige und hinreichend finanzkräftige Selbstnutzer, die bereit sind Altbauten zu sanieren, sind in Zeitz äußerst selten.
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Verfügungsberechtigte Akteure
Die meisten befragten Eigentümer bewirtschaften ihren Bestand im Nebenerwerb oder als Altersvorsorge. Auswärtige Eigentümer beauftragen örtliche Hausverwaltungen und Makler. Viele äußern allerdings ihre Sorge um die Zukunft und die Finanzierbarkeit. „Die ziehen an der Decke“, kommentiert ein Makler ihre prekäre Situation. Einige wenige größere Privatvermieter, die nach der Wende in Zeitz eingestiegen sind, betreiben das Geschäft als inhabergeführte Gesellschaften professionell. Einer schränkte aber ein: „Wir haben noch nichts verdient.“ Fast alle Eigentümer, die Wohnungen vermieten, haben oder hatten Leerstände zu verzeichnen. Einige Anbieter konzentrieren sich bewusst auf das Segment der Wohngeldempfänger, zum Teil auch unfreiwillig. Viele haben schlechte Erfahrungen mit säumigen Mietern gemacht, die die Wohnung hinterließen ohne zu malern und aufzuräumen. Derartige Zusatzkosten und Mietausfälle bedrohen leicht die Existenz vor allem kleiner Privatvermieter. Angesichts des Leerstandes ist mancher mit der betriebswirtschaftlichen Dimension seines Besitzes überfordert. Während viele Ortsansässige angesichts des Leerstandes resignieren, sind die zugewanderten Bauträger aktiver in der Bewirtschaftung und im Erhalt ihrer Immobilien: „Ich habe mich in diese Stadt verliebt“, bekannte ein zugezogener Investor. Sie verfolgen die Position ihres Hauses am Wohnungsmarkt genau, weil sie die Projektentwicklung und Sanierung persönlich begleitet haben. Eine letzte Gruppe privater Eigentümer hat sich der Stadt Zeitz völlig abgewandt und bleibt unerreichbar. Allenfalls alte Schilder erinnern an die Investitions- und Vermarktungsabsichten. Das Wissen zu Fragen des Stadtumbaus war bei den befragten Kleineigentümern äußerst gering, von der Existenz eines Stadtentwicklungskonzeptes haben sie allenfalls gehört. Das Sanierungsgebiet ist als Institution besser bekannt, da einige Jahre lang eine Sanierungszeitung in der Altstadt verteilt wurde. Die weiteren Satzungsgebiete zur Erhaltung, für das Urban-Programm und für den Stadtumbau wurden nicht oder ungenau benannt und verwechselt. Die Einzeleigentümer waren überwiegend auf das unmittelbare Umfeld ihrer Straße konzentriert und äußerten eine diffuse Besorgnis über die Schrumpfung der Stadt. Die großen Vermieter dagegen verfolgten die Stadtentwicklung und die politischen Verhältnisse viel genauer. Amateure und Professionelle Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal privater Eigentümer liegt in der Erwerbsform. Die meisten erwirtschaften ihren Lebensunterhalt aus einer immobilienfernen beruflichen Tätigkeit oder aus Ruhegeldern. „Und jetzt haben sie etwas, was völlig artfremd ist zu ihrer normalen Tätigkeit, also ein eigenes, völlig anderes Geschäft“, äußerste sich ein Immobilienexperte über diese Amateure. Einer von diesen kleinen Vermietern stellte fest: „Die Häuser haben bisher
Private Hauseigentümer
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keinen Gewinn gebracht. Die Häuser tragen sich nicht, in dem Sinne. Man muss irgendwo anders her Geld verdienen und das dann da reinstecken.“ Ein Makler ergänzte: „Also im Osten ist die Vermietung ein eigenes Geschäft. Wenn sie sich da nicht auskennen, haben sie ein Problem.“ Profis betreiben das Vermietungsgeschäft als Haupterwerbszweig. Während sich ihre Handlungsmöglichkeiten unterscheiden, betrifft das Vermietungsrisiko in einer schrumpfenden Stadt jedoch alle Eigentümer gleichermaßen. Die befragten Amateure besitzen mit wenigen Ausnahmen ein bis zwei Häuser. Etwa die Hälfte wohnt als Selbstnutzer in ihrer eigenen Altbau-Immobilie in den kleinen mittelalterlichen Strukturen des Stadtkerns. Sie haben ihr Haus ererbt oder erworben und betreiben ein Gewerbe im Erdgeschoss. Diese Gruppe nimmt aus Kapitalmangel, aber auch aus Unsicherheit über die künftige Entwicklung erforderliche Reparaturen und Modernisierungen nur schrittweise vor. Die Vermietung stellt einen Zusatzverdienst dar, oft übersteigt der Aufwand jedoch den Ertrag. Gegenüber der Stadterneuerung und dem Stadtumbau verhalten sie sich abwartend. Viele Kleinvermieter mit einem Mehrfamilienhaus im Gründerzeitquartier wohnen in einem Einfamilienhaus am Stadtrand oder in der Region. In der Regel haben sie ihr Haus ererbt oder durch Rückübertragung zurück gewonnen. Die Gründerzeithäuser in Privatbesitz weisen sehr unterschiedliche Qualitäten in der Sanierung auf, je nach Eigentümerpersönlichkeit und finanziellen Möglichkeiten. „Hier wurde viel ohne Kenntnis und Geschmack gemacht“, kommentierte ein Immobilienexperte. Das Ziel der Alterssicherung rückt für manchen Vermieter in die Ferne: „Ich gucke mir an, wieviel Geld stecke ich in die Häuser und wieviel kommt raus. Und wie entwickelt sich das in der Zukunft. Wenn mein Geld aber für Rechtsanwälte und Zwangsräumungen draufgeht, habe ich keinen Ertrag.“ Ein Anderer bedauerte: „Ich kann das Haus nicht auf die Schulter nehmen und wegtragen.“ Eine Insolvenz jedoch würde den Totalverlust des Eigentums bedeuten, was viele Eigentümer deshalb so lange wie möglich hinauszögern. Daher bedienen manche Amateure ihre Bankschulden aus anderen Einkünften. Insgesamt ist das Interesse der Amateure eng auf das Haus und seine Ertragslage fokussiert, Stadtplanung und Stadtumbau erscheinen als zusätzliche Belastung, gar Bedrohung. Ein großer Vermieter kommentierte ihre Situation: „Natürlich beunruhigt mich die Schrumpfung. Aber wie wollen Sie einen Exit machen? Sie sind nun mal im Markt drin. Wenn ich jetzt nur ein einziges Haus hätte, könnte ich nachts nicht schlafen.“ Ein privater Vermieter aus Westdeutschland, der in seiner alten Heimatstadt Zeitz nach und nach mehrere Häuser saniert hat, stellte fest: „Inzwischen, und das ist die Katastrophe für uns, steckt unser ganzes Geld in diesen Häusern. Und inzwischen sind wir auf dem Standpunkt, dass es nicht reicht, nur sein Haus in Ordnung zu bringen, man muss auch das
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Verfügungsberechtigte Akteure
Umfeld in Ordnung bringen.“ Andere Eigentümer sind weniger an Zeitz gebunden. Ein befragter Erbe aus Westdeutschland würde sein leeres Wohn- und Geschäftshaus in zentraler Innenstadtlage für einen Betrag in der Höhe der aufgelaufenen Verwaltungskosten verkaufen. Es finden sich jedoch auch immer noch Amateuranleger, die mit Hilfe oder Überredung eines örtlichen Vermittlers eine vermietete Eigentumswohnung als Renditeobjekt „aus der Versteigerung holen.“ Professionelle Vermieter sind in Zeitz Privatpersonen und Familienunternehmen mit einem Bestand zwischen 50 und 200 Wohnungen. Einige sind als Bauträger oder Kapitalinvestoren in den 1990er Jahren mit Hilfe der Sonderabschreibung eingestiegen. Ihre Wahl für Zeitz beschrieben sie als zufällig. Sie haben hier Investitionsmöglichkeiten erkannt und sich in den Standort mit seinem geschlossenen Stadtbild verliebt. Einem ersten Haus folgten immer weitere Sanierungen, bis die Abschreibung auslief und um das Jahr 2000 die Marktsättigung einsetzte. Ihr finanzielles Investment und ihr persönlicher Einsatz haben einen Umfang erreicht, der einen Ausstieg unmöglich macht. Entsprechend verfolgen sie eine Qualitätsstrategie, um die Mietpreise zu halten. Ihr Engagement in Zeitz ist langfristig nur mit einem hohen Anteil an Eigenkapital durchzuhalten. Als Professionelle kalkulieren sie genau. „Wenn ich ein Haus hier kaufe, dann nur, wenn sich das trägt. Das geht nur dann, wenn ich einen Steuervorteil habe oder wenn das Haus schwarze Zahlen schreibt, und zwar nach Vermietung und Kapitaldienst“, sagte ein Investor. Mit ihren großen Beständen können sie Skalenvorteile bei den Nebenkosten und Versicherungen erzielen, aber auch Vermietungsrisiken auffangen: „Entweder die Immobilie läuft oder sie läuft nicht. Wenn nicht, geht sie den Bach runter. Das können nur große Gesellschaften auffangen“, erklärte ein großer Vermieter. Ein örtlicher Bauträger blickte über den Zyklus seiner Immobilien hinaus: „Über die gesamte Laufzeit kann man nicht nur das Objekt betrachten, wir müssen auch die Stadt betrachten, den Schwund.“ Die Interviews zeigen, dass die wirtschaftliche Lage vieler privater Hauseigentümer in den Altbauquartieren prekär ist. Ihre Ressourcen zur Teilnahme am Stadtumbau sind äußerst beschränkt. Zentrales und akutes Problem ist die Schuldenlast. Besitzer eines einzigen Hauses sind besonders gefährdet, während größere Vermieter Risiken streuen oder auffangen können. Neben der Unterscheidung nach Amateuren und Profis spielt der Ortsbezug eine große Rolle für die Bereitschaft, sich über die Stadtentwicklung zu informieren. Der Schritt zur aktiven Teilnahme am Stadtumbauprozess erscheint aber noch sehr groß. Der Verein Haus & Grund hat in Zeitz nur 180 Mitglieder. Dazu zählen überwiegend Alteigentümer, die ihr Haus durch die DDR-Zeit gerettet haben. Dem stehen in Zeitz geschätzte 2.500 private Wohn- bzw. Mietshäuser gegenüber. Eine nach
Private Hauseigentümer
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außen verhandlungsfähige Interessenvertretung privater Eigentümer und eine entsprechende Lobby-Arbeit wäre nur mit sehr hohem Aufwand zu organisieren, auch wenn sie auf die Altbauquartiere beschränkt würde. Insgesamt besteht eine hohe Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Altbauquartiere, was zu einer starken Zurückhaltung gegenüber weiteren Investitionen führt. Unter dem Druck von Wohnungs- und Kapitalmarkt bleibt das Verfügungsrecht über die bauliche Gestaltung und Veränderung ungenutzt.
9.3
Kapitalanleger und Banken
Neben Mietern und Hauseigentümern bilden die Geldgeber die dritte Gruppe wichtiger verfügungsberechtigter Akteure im Immobilienmarkt. Obwohl keine direkten Gespräche mit Banken stattfanden, lieferten die Gespräche mit Hauseigentümern, Immobilienexperten und Gläubigern am Rande von Zwangsversteigerungen genug Informationen für einen ersten, guten Überblick. Im Fall der Zeitzer Altbauquartiere mit ihrem großen Anteil an Mietshäusern der Gründerzeit können auf dem Kapitalmarkt drei Akteursgruppen unterschieden werden: Kleinanleger in Wohneigentumsgemeinschaften Private Equity Fonds Darlehensbanken
Privatanleger und Fonds Viele Kleinanleger haben in den 1990er Jahren zur Altersvorsorge eine Eigentumswohnung in Ostdeutschland erworben. Auch in der relativ kleinen Stadt Zeitz boten Bauträger mit Hilfe von Banken und Anlagevermittlern in großem Umfang sanierte Altbauwohnungen als Anlageobjekte an. Mancher Anleger wurde über die Lage des Hauses, die Qualität der Sanierung und die Prognose der Mietentwicklung getäuscht. Viele Käufer durchschauten die Bedingungen ihrer vermeintlich sicheren Anlage gar nicht. Was als Sparplan zur Alterssicherung gedacht war, entpuppte sich als schlechter Immobilienkredit. Überzogene Erwartungen einerseits und kriminelle Energie andererseits brachten manche Eigentümer in eine finanzielle Schieflage oder in die Insolvenz. Die zumeist acht bis zehn Wohnungseigentümer sind gesetzlich in einer Wohneigentumsgemeinschaft (WEG) organisiert, die in vielen Fragen auf die Einstimmigkeit der Beschlüsse angewiesen ist. Wenn ein oder mehrere Eigentümer ausfallen oder fernbleiben, wird die WEG handlungsunfähig. Für die insolventen Anteilseigner müssen gerichtlich Zwangsverwaltungen eingerichtet werden. Leerstände und Mietrückstände verschärfen das Problem. „Sie möchten es nicht hören, weil es so
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Verfügungsberechtigte Akteure
negativ ist, dass es Tränen gibt“, kommentierte ein Makler die Reaktionen. „Viele Eigentümer verschleppen Insolvenzen. Sie warten, was die Bank mit ihnen macht“, meinte ein Anderer. Mit entsprechenden „Schnäppchen“ bei Zwangsversteigerungen gewinnt ein Vermittler wiederum neue Anleger für einen zweiten Verwertungszyklus der Eigentumswohnungen: „Die Investoren haben es doch, von denen kann man es nehmen“, meinte ein Vermittler, der im Komplettpaket auch die Vermietung anbietet. Die Rendite ist auf das Wohngeld der Mieter hin kalkuliert. Ein anderer Makler gibt die Reaktionen der gutgläubigen Anleger wieder, wenn sie sich ein eigenes Bild der Leerstände machen: „Wenn die zum ersten Mal hier sind, sind die geschockt.“ Für diese Anleger stellt sich die Situation in Zeitz wie ein Lotto um die verbleibenden Mieter dar. Private Equity Fonds sind erst seit ca. 2003 auf dem Markt und durch den Paketkauf von notleidenden Darlehen auch in Zeitz aktiv. Diese meist global agierenden Fonds sind im Umgang mit den Altbauten nicht auf öffentliche Förderungen und Banken angewiesen. Wenn die Restrukturierung von Darlehen für einen Weiterverkauf nicht ausreicht, dann gehen die Fonds mit Objektgesellschaften auf dem Weg von Zwangsversteigerungen ins Zeitzer Grundbuch. So erwerben sie das Verfügungsrecht für bauliche Veränderungen. Das operative Geschäft übernehmen Real Estate Asset Manager. Ihr Ziel ist es, die „Rosinen“ im Paket der notleidenden Darlehen durch eine Vollvermietung zu einem attraktiven, kapitalmarktfähigen Produkt zu transformieren. Ruinen werden als solche belassen oder in Immobilienpakete eingebunden. Investitionen werden nur getätigt, um die Vermietbarkeit wiederherzustellen oder zu verbessern. Einige Fonds sind ganz auf den Erwerb und die Restrukturierung (work out) von Non Performing Loans spezialisiert. Hier ist das Risiko zwar hoch, aber die geringen Erwerbskosten bieten bei einem aktiven Management hohe Gewinnchancen. Aussichtsreiche Bestände werden mobilisiert, indem sie vermietet oder weiterverkauft werden. Mit der Hebelwirkung (leverage effect) von Fremdkapital kann der Gewinn weiter gesteigert werden. Der Mietertrag muss dabei nur wenig größer als die Zins- und Tilgungsraten der Banken sein. Grundsätzlich sind die Fonds sehr frei und flexibel in der Strategiewahl, da sie finanziell unabhängig sind. Sie managen große, sehr gemischte Portfolios und können Verlustobjekte mit Ertragsbringern ausgleichen. „Das Geld fließt in den Westen. Sie wollen nur die Miete abziehen und bringen sich nicht mehr ein“, bewertete ein Makler die Strategie. Ein anderer Immobilienexperte sah in der Bündelung von Risiken Vorteile für den Anleger: „Die Immobilientrusts, die eine Rendite garantieren, sind eine viel bessere Anlageform als eine einzelne Ruine zu kaufen und dann mit viel Mut wieder aufzubauen.“ Fonds werden zu Auffangbecken für Immobilienvermögen von gescheiterten Bauträgern und Projektentwicklern sowie Non Per-
Kapitalanleger und Banken
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forming Loans von Banken. „Am Ende landet alles bei uns“, sagte ein befragter Asset Manager über die zunehmenden Insolvenzen und Wiederverkäufe. Die interne Wertbestimmung orientiert sich nicht an Liegenschaftszinsen der Banken und Restnutzungsdauer der Gebäude, sondern allein am Marktwert für Anlageobjekte. In diesem Sinne wird im deutschen Markt noch ein hohes Wertsteigerungspotenzial gesehen. Das Verhalten dieser opportunistischen Fonds wird beeinflusst durch die globalen Anlagestrategien und entsprechend wechselnde Konjunkturen. Bei den Fonds sind Immobilienprofis tätig, die flexibel und individuell verhandeln können und schnelle und ertragreiche Lösungen anstreben. In diesem Sinne sind sie durchaus an der Stadtentwicklung interessiert, jedoch weniger langfristig orientiert. Seitens der Stadt fehlen entsprechende Verhandlungspartner. Neben den großen Fonds gibt es auch kleinere „Schnäppchenjäger“, die bei Zwangsversteigerungen Renditeobjekte günstig erwerben, um sie zu bündeln und wiederum größeren Fonds anzubieten. Teilweise handeln sie auch in ihrem Auftrag. Im Fokus dieser Strategie stehen sanierte Mehrfamilienhäuser, die unter geringem Aufwand wieder vermietet werden können. Solche Objekte werden je nach Lage und Ertragssituation zum 6-8-fachen der Jahresmiete gehandelt. In Zeitz gibt es auch Fälle, in denen Eigentümer von unrentablen Mietshäusern vermietete Schnäppchen hinzukaufen, um ihre Ertragslage zu verbessern und ihre Bankverpflichtungen zu bedienen. In manchen Fällen gelingt es örtlichen Immobilienprofis, einzelnes, verstreutes Wohnungseigentum (WEG) in einer Hand zusammenzuführen, was Vorteile bei Verwaltung und Kosten bringt. Indirekt profitieren die Schnäppchenjäger von den Sonderabschreibungen der 1990er Jahre und den Wertberichtigungen der Banken. Wenn das Objekt wieder läuft, d. h. voll vermietet ist, kann es wiederum an Anleger weiterveräußert werden. Angesichts der sinkenden Ertragslage aufgrund der Schrumpfung ist diese Strategie hochspekulativ. Auf die Frage ob Mietdumping für diese Verwerter eine lukrative Strategie sein könnte, antwortete ein größerer Zeitzer Privatvermieter: „Sie müssen auch ein gewisses Niveau halten. In dem Haus, wo die 1-Euro-Typen einziehen, würden sofort alle anderen wegziehen, und dann wäre der Stadtteil tot und dieser Glücksritter wäre auch tot.“ Bei anhaltender Schrumpfung und Änderungen beim Wohngeld schwinden die Renditechancen dieser hochspekulativen Modelle. Ein unübersichtlicher Markt bietet viele Nischen, in denen Opportunisten kurzfristige Gewinne wittern. Teilweise werden auch Objekte und Brachen wieder in Nutzung gebracht, die lange leer standen. Mit aktiven Instrumenten könnte die Stadt versuchen, diese Marktkräfte produktiv im Sinne des Stadtumbaus zu lenken. Ein Makler meinte dagegen, man solle es in Zeitz etwas ruhiger und langfristiger angehen: „Die Rendite soll nicht riesengroß sein, es soll ein ruhiges, problemfreies Investment
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mit zufriedenen Mietern sein. Mit der Sache soll man ruhig Geld verdienen, das ist der Sinn von Immobilieninvestments, so mit drei, vier, fünf Prozent.“ Noch aber ist der Verwertungsdruck auf Renditeobjekte groß, verstärkt durch die global agierenden Fonds. Banken Ein Immobilieninvestment ist in den meisten Fällen nur mit geliehenem Kapital zu realisieren, da die Erwerbs- und Sanierungskosten auf einen Schlag anfallen, die Erträge bzw. Mieten dagegen nur langfristig und in Raten fließen. Entsprechend gibt es kaum ein Immobilienprojekt ohne die Beteiligung von Banken. In den 1990er Jahren reichten die Banken große Summen zur Sanierung der Altbausubstanz in ostdeutschen Städten aus. „Und da bin ich zur Bank gegangen, damals im Westen, und hab’ gesagt: Hier ist der Plan, das ist das Haus, Innenstadtlage, 630.000 DM, voll vermietet, da brauch ich einen Kredit, zu 100 %. Und da hat der gesagt: Haben Sie noch mehr davon? Das habe ich dem Versicherungsmann erzählt, der hat 14 Tage später selbst ein Haus gekauft“, berichtete ein Eigentümer, der heute froh ist, dass sein Haus in der Innenstadt liegt. Angesichts des Investitionsdrucks, den die 50%-ige Sonderabschreibung auslöste, prüften die Kreditabteilungen viele Projekte und Investoren nicht ausreichend. Ein Überangebot an sanierten Altbauwohnungen war die Folge. Ausbleibende Erträge bei hoher Zinsbelastung trieben viele Anleger in die Insolvenz. Heute ziehen sich die Banken zurück: „Die Bank sagt, Zeitz ist ein rotes Gebiet“, berichtete ein Bauträger. Im Umgang mit diesen notleidenden Krediten haben die Banken mehrere Optionen: Verkauf des Hauses: In Absprache mit dem Schuldner wird ein Käufer
gesucht, der das Haus erwirbt und das Darlehen übernimmt oder ablöst. Auf diesem Weg kann eine Zwangsversteigerung abgewendet werden. Umschuldung: Nach zehn Jahren laufen viele Darlehen aus. Die Eigentümer bitten dann um Aussetzung oder Verlängerung zu besseren Konditionen. Angesichts schlechter Ertragsaussichten lehnen dies viele Banken ab. Dann beklagen die Schuldner, dass hohe Zinsen und die mangelnde Flexibilität der Bank sie in den Ruin getrieben hätten. Abtretung: Die Forderung wird an ein Inkassounternehmen, eine eigens gegründete Abwicklungsabteilung oder Banktochter („Bad Bank“) weitergereicht. Diese Bank bleibt als Gläubigerin im Risiko. Verkauf der Forderung mit Wechsel des Gläubigers: Um ihre Bilanzen schneller und einfacher zu entlasten, verkauft die Bank ihre Forderungen bzw. Grundpfandbriefe in Paketen an Private Equity Fonds und spezialisierte Anleger. Der Verkauf von privaten Baukrediten ist juristisch und politisch umstritten (LVZ 29.06. 2007; SZ 18.06. 2008). Bei neueren
Kapitalanleger und Banken
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Darlehensverträgen müssen die Schuldner dem Weiterverkauf vorab zustimmen. Zwangsversteigerung: Bei Zahlungsverzug stellt die Gläubigerbank den Kredit mit hohen Strafzinsen fällig und beantragt beim Amtsgericht die Zwangsversteigerung. Der Erlös dient der Tilgung des Darlehens. Leer stehende Objekte können meist nur mit Verlusten versteigert werden, die die Bank dann abschreiben muss. Dies ist ein meist langwieriger und verlustreicher Prozess. In einigen Fällen bestellt das Gericht auf Antrag des Gläubigers einen Zwangsverwalter mit dem Ziel, den laufenden Ertrag zu sichern oder das Objekt für die Versteigerung in Schuss zu bringen. Erwerb für Dritte: Manche Banken ersteigern die Immobilie selbst und überschreiben sie dann einer auf Verwertung spezialisierten Immobilientochter. Angesichts der Schrumpfung und gesunkenen Renditeaussichten haben sich viele Banken aus ihrem ostdeutschen Engagement zurückgezogen. Die für Zeitz zuständigen Kreditabteilungen sitzen in Berlin, Frankfurt, Leipzig oder München. Dabei geht es nicht mehr um die Vergabe neuer Kredite, sondern nur noch um die „Intensivbetreuung“ und das „Forderungsmanagement“, d. h. die Sicherstellung des Ertrags aus den Darlehen. Eine bundesweit agierende Bausparkasse betreut die notleidenden Kredite besonders intensiv mittels eines Maklernetzwerkes zur Bewertung und eines Anwaltsnetzes zur Vertretung der Gläubigerinteressen vor Gericht. Die große Fallzahl ermöglicht eine Mischkalkulation, 80 % der Forderungen können dabei realisiert werden. „Es lohnt sich“, meinte der Bankvertreter. Die Sparkasse Burgenlandkreis mit Sitz in Zeitz handelt durch ihre verschiedenen Abteilungen widersprüchlich. Einerseits beleiht sie vereinzelt noch neue Projekte, andererseits stellt sie Forderungen fällig und destabilisiert den Markt. Ein Makler kommentierte: „Die Banken ruinieren sich meiner Meinung nach selbst. Die machen Wertberichtigung, aber nehmen sich den Markt auch selber weg. Die haben vielleicht 50 Häuser hier finanziert, und 30 davon sterben weg. Wenn sie sagen, komm, Wertberichtigung, die werfen wir jetzt billig auf den Markt, dann sind die anderen 20 Häuser mit abgewertet. Und dann machen sie wieder eine Wertberichtigung.“ Ein Bauträger drückte es drastischer aus: „Der Markt wird zerstört durch die Banken, ganz klar. So viele Zwangsversteigerungen gab es noch nie.“ Ein Makler glaubte, dass die Banken mit Hilfe von Immobilienfachleuten einen großen Beitrag zur Werterhaltung ihres Bestandes in Zeitz beitragen könnten: „Die hätten das Geld dazu. Das fehlt noch ein bisschen.“ Investoren in Zeitz beklagten die Zurückhaltung der Banken bei neuen Projekten im Altbaubereich. „Man braucht ein Bank, die vor einem hergeht“, sagte ein größerer Privateigentümer. Aber „Ohne eine Zeitzer Bank wird es hier sehr, sehr schwer, etwas zu machen“,
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Verfügungsberechtigte Akteure
glaubt ein Bauträger. Ein Makler kritisierte das mangelnde Engagement vor Ort: „Die Banken können nicht mit der Schrumpfung umgehen, sie haben keinen ausreichenden Sachverstand und Erfahrung.“ Ein privater Hauseigentümer, der nur einen kleinen Kredit benötigte, gab die Aussage einer Bank wieder: „100.000 Euro gern, aber 10.000 Euro? Da verdienen wir nichts dran.“ Hier wird deutlich, dass die Korngrößen von Nutzungen, Gebäuden und Krediten nicht genügend aufeinander abgestimmt sind. Die Verfügungsrechte über die finanziellen Gewinne von Immobilienprojekten werden weitgehend losgelöst von der konkreten örtlichen Situation und Bausubstanz gehandelt. Das Engagement von Fonds ist opportunistisch und stark von der Konjunktur und den Anlagealternativen auf den globalen Kapitalmärkten abhängig. Um langfristig für den Stadtumbau zur Verfügung zu stehen, müsste ein lokaler Stadtentwicklungsfonds konstruiert werden, ggf. mit öffentlicher Beteiligung. Nicht nur Investitionskapital, auch Darlehen werden in schrumpfenden Städten knapp. Viele Banken bieten hier gar keine Kredite oder Refinanzierungen mehr an. Die Transaktionskosten zur Bewertung des Ausfallrisikos und zur Kundenbetreuung bei kleinen Beträgen sind zu hoch. Staatliche Zinssubventionen und Bürgschaften können das Risiko zwar für die Geldgeber, aber nicht für das Gesamtprojekt reduzieren. Bei der Entscheidung über Stadtumbaumaßnahmen gilt es daher, die drei Ebenen Nutzung, Bausubstanz und Investitionskapital stärker miteinander zu verkoppeln. Das Gesamtrisiko kann dann besser eingeschätzt und auf die beteiligten Verfügungsrechte verteilt werden. Dies betrifft auch den Staat und die Kommune.
9.4
Dritte und Vermittler
Die Rolle und das Potenzial von Immobilienvermittlern und -verwaltern für den Stadtumbau wurden bisher kaum betrachtet. Bisherige Untersuchungen konzentrierten sich auf die Strukturen und Standortpräferenzen der Bewohnerhaushalte einerseits oder das Investitionsverhalten von Hauseigentümern und Fonds andererseits (Kap. 1.2). Viele Gutachten analysieren auch nur die abstrakten Zahlen von Angebot und Nachfrage. Aber wie kommen diese beiden oder mehreren Handelspartner zusammen? Die folgenden empirischen Betrachtungen weichen die strenge, theoretische Definition von Agenten und Intermediären im Sinne von Dritten und Vermittlern etwas auf (Kap. 4.2). Dritte sind hier Ausführungsorgane eines einzigen Auftraggebers. Definiert. Vermittler agieren multilateral, indem sie die Verfügungsrechte unterschiedlicher Gruppen verwalten, bündeln und ggf. Kompromisse suchen. Viele der Befragten nehmen mehrere Rollen ein.
Dritte und Vermittler
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Ihr Einsatz kann temporär oder dauerhaft sein. In den Zeitzer Altbauquartieren konnten folgende Akteure und Rollen beobachtet werden:
Bauträger, Projektentwickler Anlagevermittler, Fonds Makler Hausverwalter, Insolvenz- und Zwangsverwalter Asset Manager Externe Planer, Sanierungsträger
Das Bauträgergeschäft bestimmte in den 1990er Jahren auch den Zeitzer Immobilienmarkt und führte zur Sanierung großer Bestände in der Gründerzeit. Aus dieser teilweise hochspekulativen „Boomzeit“ sind allerdings bis heute noch viele Investitionsruinen im Stadtbild sichtbar. Das Geschäftsmodell bestand darin, Fremdkapital mit der Sonder-AfA für die Sanierung von Mietshäusern zu gewinnen und diese dann als einzelne Wohnungen an Kleinanleger weiterzuverkaufen. An dem lukrativen Geschäft waren Banken, Anlagevermittler, Makler und teilweise Strukturvertriebe beteiligt. „Die Eigentumswohnung als Steuersparobjekt ist für mich legaler Betrug. Die Bauträger wissen eigentlich, dass es nicht funktioniert“, meinte ein Hausverwalter. Der Bauträger ließ sich für die Beleihung ins Grundbuch eintragen und setzte sich so einem hohen Insolvenzrisiko aus. In manchen Fällen führten finanzielle Engpässe zum Abbruch der Sanierung oder der Weiterverkauf scheiterte. Seit dem Ende der Sonderabschreibung im Jahr 1999 sind derartige Modelle nur noch für Denkmale interessant. Die wenigen in Zeitz noch aktiven Bauträger teilen die Häuser nicht mehr auf, sondern bieten sie Investoren als Ganzes an. Während in den 1990er Jahren noch alles gekauft wurde, besteht heute nur noch ein Markt für neue oder hochwertige Immobilien und Lagen. Bauträger und Projektentwickler bündeln temporär verschiedene Verfügungsrechte. Ein erfolgreiches Agieren bezogen auf die künftige Nachfrage, die Risiken einer Altbausanierung und die Kapitalbeschaffung setzt breite Kenntnisse und Kontakte voraus. Möglichen hohen Profiten stehen vielfältige Risiken gegenüber. Dennoch bleiben die Bauträger und Projektentwickler die treibenden Kräfte der baulichen Entwicklung von Zeitz. Anlagevermittler beschaffen zum einen Geld für Bauträger, zum anderen suchen sie gezielt nach Anlageobjekten für Kapitalinvestoren. Sie sind das Bindeglied zwischen dem Bau- und Bodenmarkt einerseits und dem Kapitalmarkt andererseits. Früher spielten sie eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Bauträgermodellen. Angesichts der Schrumpfung suchen Anlagevermittler heute Investoren für die Zweitverwertung insolventer Mietshäuser, die durch den Prozess der Zwangsversteigerung schuldenfrei und somit äußerst günstig zu erwerben sind. Das gleiche Prinzip gilt für Eigentumswohnungen. Wenn mehrere
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Verfügungsberechtigte Akteure
Wohnungen im gleichen Haus an verschiedenen Terminen zum Aufruf kommen, versuchen manche Anlagevermittler in Personalunion mit der Hausverwaltung einen einzigen Anleger zu finden, der auf diese Weise mehrere Einheiten oder das ganze Haus kauft. Eine derartige Bündelung der Verfügungsrechte in einer Hand erhöht die Gestaltungsspielräume und vereinfacht die Verwaltung. Angesichts der zahlreichen leer stehenden Häuser in Zeitz schlug ein Makler vor: „Man sollte Pakete schnüren mit Immobilien und auf Investoren zugehen.“ In Zeitz geschieht dies bereits, allerdings auf einer anderen Ebene, indem die Banken notleidende Darlehen in Paketen an Kapitalinvestoren verkaufen. Diese Bewegungen finden allerdings nur auf dem Kapitalmarkt statt und haben selten bauliche Investitionen zur Folge. Auf einer weiteren Ebene können auch Fonds als Anlagevermittler betrachtet werden, da sie eine Vielzahl von Objekten bündeln und Risiken für ihre Anteilseigner streuen. Makler bringen die beiden Vertragspartner Hauseigentümer und Mieter zusammen. Angesichts des Überangebotes in Zeitz sind die Vermieter gezwungen die Provision zu übernehmen, so dass die Zeitzer Makler mehr als Interessenvertreter der Anbieter als der Nachfrager agieren. Ihr Hauptgeschäft liegt in der Vermittlung von Mietwohnungen in sanierten Altbauten privater, meist auswärtiger Eigentümer. Viele haben auch eigene Häuser in der Vermietung. Aufgrund ihrer Marktkenntnis betätigen sich viele Zeitzer Makler zusätzlich als Anlagevermittler und Hausverwalter. Manche betätigen sich auch als Gutachter und Projektentwickler. Die Biographien, Ausbildungen und Strategien der Zeitzer Makler sind sehr unterschiedlich. Alle verfolgen die Entwicklung der Stadt und des Immobilienmarktes genau. Die wichtigste Geschäftsgrundlage der Makler ist ihr Informationsvorsprung, mit dem sie ihren Kunden Wettbewerbsvorteile verschaffen. Je größer der räumliche und organisatorische Abstand zum Hauseigentümer, desto mehr Gelegenheiten ergeben sich für eigennütziges Handeln, zum Beispiel bei der Belegungsstrategie und bei Provisionen (Kap. 9.1). Mit ihren Netzwerken könnten sie ein interessanter Partner im Stadtumbau sein. Hausverwalter sind Agenten der Eigentümer. Das Spektrum ihrer vertraglichen Aufgaben reicht von der Mietbuchhaltung bis hin zur Organisation von Hausmeisterdiensten und der Instandhaltung. Die Zeitzer Hausverwaltungen haben „ihr Ohr am Haus“ und können schnell auf Zahlungsschwierigkeiten und Havarien reagieren. Viele auswärtige Eigentümer setzen sie daher zur Wahrung ihrer Verfügungsrechte vor Ort ein. Wohneigentumsgemeinschaften (WEG) sind gesetzlich verpflichtet, einen Verwalter einzusetzen. In Zeitz sind auch viele WEG-Verwalter aus anderen Städten aktiv. Bei Zahlungsunfähigkeit setzt das Amtsgericht Zeitz einen Insolvenzverwalter ein. In Abstimmung mit der Gläubigerbank berufen die Gerichtspfleger vielfach auswärtige Anwaltskanzleien, um die Rechtstitel und finanziellen Forderungen zu sichern. Die bauliche Wert-
Dritte und Vermittler
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erhaltung der zumeist leer stehenden Immobilien vor Ort wird oft vernachlässigt. Im Falle von Insolvenzen einzelner Wohnungseigentümer in wirtschaftlich interessanten Mietshäusern bemühte sich ein Zeitzer WEG-Verwalter, das Haus zu übernehmen und dann neue Käufer zu finden: „Wir kaufen zuerst ein bis zwei Wohnungen in dem Objekt und versuchen dann, die Verwaltung zu kriegen. Das kann ein bis zwei Jahre dauern. So bringen wir das Objekt wieder zum Laufen.“ Eine aktive Hausverwaltung kann somit steuernd in die Verteilung der Verfügungsrechte eingreifen. Diese Funktion wird auch für den Stadtumbau benötigt. Der Begriff des Asset Managers (Anlage bzw. Vermögensverwalter) ist der Finanzwelt entlehnt. Sein Auftrag ist die Ertragsmaximierung der Immobilien von Fonds und Kapitalinvestoren, die große Bestände an notleidenden Krediten günstig von den ursprünglichen Gläubigerbanken erworben haben. Asset Manager setzen die Renditeerwartungen der Fonds mit allen juristischen, finanziellen und baulichen Mitteln um. Mit dem Status eines Insolvenzverwalters können sie zunächst nur Mieterträge erzielen oder Darlehen neu strukturieren. Bauliche Änderungen, Umschuldungen oder Umnutzungen setzen die Eintragung im Grundbuch voraus. Dazu stellen die Asset Manager die Grundschuld fällig und beantragen die Zwangsversteigerung, wobei oft eine Immobilientochter des Fonds als Bieter eintritt. Asset Manager operieren von wenigen zentralen Standorten wie Leipzig aus. Die Mitarbeiter sind mit hohen Provisionen am Erfolg ihrer Transaktionen beteiligt. „Wir gehen nur da rein, wo Musik ist“, bemerkte ein Asset Manager. Unrentable Objekte innerhalb der Kreditportfolien bleiben daher liegen. Von dieser Situation nicht ausgeübter Verfügungsrechte sind auch in Zeitz viele leer stehende Altbauten betroffen. Planungsbüros bilden eine besondere, externe Kategorie von Intermediären, weil sie einen hoheitlichen Auftrag erfüllen. In ihrer Tätigkeit müssen sie aber gleichzeitig auch private Interessen berücksichtigen. Die Stadt Zeitz vergab sowohl die treuhänderische Verwaltung des Sanierungsgebietes als auch die Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzeptes an externe Büros. In der Stadtverwaltung fehlten für derartige Sonderaufgaben die Kapazitäten und die Expertise. Ein beauftragter Planer sagte: „Wir können Erfahrungen aus anderen Städten einbringen, das ist wichtig, da auch noch andere Perspektiven zu haben.“ In dieser Konstellation stellt die Auftragskontrolle ein Problem dar, da der Stadtrat nur wenig Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis dieser komplexen Planungsund Bauprozesse nehmen kann. Die lange Auftragskette Stadtrat – Verwaltung – Bürgerbeteiligung – Planungsbüro/Sanierungsträger bis hin zum Antragsteller von Fördermaßnahmen ist besonders anfällig für Prinzipal-Agenten-Probleme (Kap. 4.2). Ein Planer äußerte sich zur Diskussion um den Abriss von Plattenbauten: „In jeder Verwaltung ist das so, dass sie nicht der Initiator sein wollen und sich der Kritik aussetzen. Wenn man da fachlich etwas vorschlägt, heißt es
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Verfügungsberechtigte Akteure
dann, das können wir den Leuten nicht vermitteln, wie geht denn das, da sind ja noch Leute drin. Es ist dann schwer zu sagen, wir wollen in diese Richtung.“ An einigen Stellen der Kette sind die Transaktionskosten zur Konzeption, Verhandlung und Kontrolle von Stadtumbau-Projekten so hoch, dass keine Aussagen oder Lösungen zustande kommen (Kap. 8.1). Die Tätigkeit der Dritten und Vermittler unterliegt privatrechtlichen Verträgen. Sie bildet das „Schmiermittel“ innerhalb und zwischen den drei Immobilienmarktebenen Wohnnutzung, Haus und Grund sowie Kapitalanlage. Mit ihrer genauen Kenntnis der örtlichen Strukturen, des rechtlichen Rahmens und der Förderbedingungen üben sie eine Lenkungswirkung auf die Bewohner und das Anlagekapital aus, nicht zuletzt im finanziellen Eigeninteresse. Als Vermittler könnten sie eine koordinierende Funktion im Stadtumbau übernehmen. Abgesehen von Interessenkonflikten würde eine solche Rolle öffentlich-private Verträge oder berufsgruppenspezifische Regelungen voraussetzen.
9.5
Die verschiedenen Rollen der Stadt
In den vorangehenden Kapiteln kommt der öffentlichen Hand eine gesetzgebende und steuernde Rolle zu. Staat und Stadt setzen die Rahmenbedingungen, indem sie private Verfügungsrechte am Markt stärken oder beschränken (Kap. 3.4). Allerdings bilden die öffentlichen Ressourcen eigene, zum Teil konkurrierende Verfügungsrechte. Einerseits muss die Stadt all ihren Bewohnern und Unternehmen gleiche Grundlagen für ihre Entwicklung gewähren, andererseits steht sie sich als Eigentümerin von Immobilien selbst am nächsten. Neben den Ansprüchen und Forderungen der privaten Hauseigentümer als Wahlbürger besteht ein stadtinterner Widerstreit zwischen den Belangen der Stadtplanung und der Wohnungsbaugesellschaft. Deren Insolvenz, die auch die Stadt gefährden würde, ist nur durch staatliche Förderprogramme wie Stadtumbau oder Altschuldenhilfe abzuwenden (Kap. 8.2). Mehrere Rollen zwischen Gestalten und Verwalten sind hier verquickt, die die Wirkung der Steuerungsinstrumente beeinträchtigen. Die Stimmen der Hauseigentümer, Immobilienexperten und aus der Verwaltung lassen Konflikte vor allem auf drei Ebenen erkennen: Stadtumbau in Altbauquartieren mit privaten Eigentümern Städtische Wohnungsbaugesellschaft Verteilung von Fördermitteln
Zur Entwicklung der Zeitzer Altbauquartiere gibt es widersprüchliche Ansichten. Ein größerer Privatvermieter kritisierte die Stadt: „Sie könnten es retten, die Bewegung in die Altstadt hinkriegen. Parkplätze, Grün, Einkaufen. Da ist hier
Die verschiedenen Rollen der Stadt
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nichts passiert. Gar nichts.“ Ein externer Stadtplaner sah in der Aufwertung und dem Umbau der Altbaustrukturen jedoch einen hohen Aufwand: „Bei den vielen Kleineigentümern kann man die Umsetzung nur in Briefmarken betreiben, da braucht man Feinkonzepte und muss das dann Stück für Stück vorantreiben.“ Viele befragte Hausbesitzer beklagten den Zustand der Altbauquartiere und forderten ein stärkeres Engagement der Stadt. „Die Stadt will nicht, oder die Stadt will und das Land will nicht. Also jedenfalls der Staat, für mich ist das eins, der will kein Geld in die Aufwertung stecken und das ganze Geld fließt im Moment in den Abbruch von Platten nicht in die Aufwertung der Innenstadt“, beklagte ein Vermieter und stellte fest: „Die Privaten haben keine Lobby.“ Ein Vertreter der Stadtverwaltung meinte dagegen: „Es ist nicht die Rolle der Stadt, privaten Eigentümern zu helfen.“ Ein Hausbesitzer kommentierte den Konflikt so: „Als Stadtentwickler hat man zwei Möglichkeiten. Entweder steigen die Einwohnerzahlen und dann läuft es von allein oder die Stadt schrumpft, dann ist es ein reiner Umverteilungskampf, dann müssen Sie schauen, dass da wo Sie sind, gewinnt. Und was ich nicht verstehe, ist, warum das kulturelle Erbe nicht der Gewinner sein soll.“ In diesem Punkt fehlt es in Zeitz an einer abgestimmten Haltung und Strategie. Ein Streitobjekt im Zuge des Stadtumbaus ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft, da sie zum einen bei der Fördermittelvergabe bevorzugt wird und zum zweiten ihre Altbaubestände abreißen will, um günstig eine Altschuldenentlastung zu erreichen. Die WBG war einige Zeit akut von der Insolvenz bedroht. Nach eigenen Aussagen lag der Leerstand im Jahr 2007 über alle Bestände bei 34 %. Im Altbau stand fast alles leer. In der Konsolidierungspolitik gab es verschiedene Kurswechsel, die auf Änderungen bei den Förderbedingungen und der Lokalpolitik zurückgehen. Zunächst bestand noch die Hoffnung, investitionsbereite Käufer zu finden: „Die WBG hat letztes Jahr noch Häuser für 1 Euro angeboten, völlig unsaniert. Heute sagen die: 30.000 Euro oder wir reißen es ab. So wird die Stadt kaputt gemacht“, stellte ein Makler fest. Inzwischen sollen bei einem Verkauf mindestens die Altschulden erlöst werden, die sonst bei einem Abriss vom Erblastentilgungsfonds des Bundes übernommen würden. Nach Ansicht eines Maklers kann ein Verkauf den städtischen Einfluss auf die Stadtentwicklung nur schwächen: „Wenn erstmal ein Privater drin ist, dann ist es vorbei.“ Ein Stadtplaner sah die Ziele des Stadtumbaus gefährdet: „Der Partner Wohnungswirtschaft muss stärker in solche Bereiche wie die Gründerzeit eingebunden werden. Solche Häuser werden nie wieder gebaut.“ Angesichts der schlechten finanziellen Verfassung und den aktuellen Förderbedingungen bleibt der WBG aber nur wenig Gestaltungsspielraum für den Stadtumbau. Allenfalls ein Tausch von innerstädtischen Abrissobjekten gegen städtebaulich weniger
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Verfügungsberechtigte Akteure
kritische private Bestände wäre denkbar. Ohne private Investitionsbereitschaft ändert aber auch dieser Weg nichts am fortschreitenden Verfall der Altbauten. Schließlich hat die Stadt auch großen Einfluss auf die Verteilung von Fördermitteln. Auf diesem Weg hat die Stadt Zeitz nicht nur Straßen und öffentliche Grünflächen, sondern auch viele städtische Liegenschaften saniert, für die entsprechende Gemeinbedarfsnutzungen und Folgeeinrichtungen an- und umgesiedelt wurden. „Die Stadt hat ihre Lieblingsobjekte“, meinte ein Makler zur Förderpraxis im Sanierungsgebiet. Zum Förderprogramm Stadtumbau Ost bemerkte ein Stadtplaner: „Die Operationalisierung hat nur mit der Wohnungswirtschaft stattgefunden, in Zeitz Ost. Da fehlt die Transparenz der Planung.“ Andererseits würde die Förderung von Einzelobjekten nichts an der prekären Vermietungssituation in einem perforierten Quartier ändern. Bei Aufwertungsmaßnahmen muss die Stadt zudem einen Eigenanteil leisten. „Wenn ich im Altbau etwas machen soll, fehlt die Gegenfinanzierung der Stadt. Aber selbst wenn, reichen die Mieten nicht“, meinte ein Hauseigentümer. Ein Investor, der ein komplexes Umnutzungsprojekt nach zahlreichen Problemen auf unterschiedlichen Ebenen aufgeben musste, beklagte die Widersprüchlichkeit der Förderbedingungen und Verwaltungsinstanzen: „So aber werden sie letztendlich ganz allein gelassen bei der Geschichte.“ Manche Investitionsprojekte scheiterten nach Aussage eines Eigentümers auch an widersprüchlichen Interessen zwischen Stadt und Bauherren: „Man kam sich nie so nahe, dass man gesagt hat, so wird’s gemacht.“ Angesichts knapper Kassen schwanken schrumpfende Städte wie Zeitz zwischen öffentlichen und privaten Interessen. „Es gibt Gesetze. Aber es gibt da Bandbreiten. Ostdeutsche Kommunen gehen eine schmalen Weg“, sagt ein Makler zur Förderpraxis. An derartigen Verteilungs- und Entscheidungskonflikten innerhalb des öffentlichen Sektors nehmen die Marktteilnehmer nur sehr indirekt als Wahlbürger teil. Ein anderer Weg zu mehr Einfluss führt über die Bündelung von Verfügungsrechten oder eine effektive Lobbyarbeit. Hierfür ist die Organisationskraft der zahlreichen und diversen Privateigentümer aber zu gering. Ein erster Schritt wäre mehr Transparenz und Offenheit beim Einsatz städtischer Verfügungsrechte zu schaffen.
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Teil III Handeln und Steuern
10 Typologie und Modell
Aus den empirischen Erhebungen ergeben sich typische Handlungsmuster innerhalb des Immobilienmarktes schrumpfender Städte. Diese können Erklärungen für den heterogenen Bauzustand und Leerstand in Altbauquartieren sowie Hinweise auf das Mitwirkungspotenzial der beteiligten Verfügungsberechtigten am Stadtumbau liefern (Kap. 10.1). Das Funktionsmodell setzt die Handlungsmuster zueinander in Beziehung und beschreibt die Dynamiken, darunter auch jene, die zum Verfall und zum Ausscheiden aus dem Markt führen (Kap. 10.2).
10.1 Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen Vorhandene Typologien gehen von autonomen Hauseigentümern aus und unterscheiden überwiegend nach persönlichen und betriebswirtschaftlichen Merkmalen. Oft fehlt der städtebauliche Bezug. Zum Teil wurden in den Typenbezeichnungen Eigenschaften, Motive und Handlungen vermischt, so dass die Aussagekraft für den Stadtumbau sinkt (Kap. 1.2). Bei der Bildung von Gruppen ist jedoch darauf zu achten, dass die Elemente innerhalb und gegenüber den anderen Kategorien möglichst homogen sind. Bei der Zuordnung sind Reste zu vermeiden (Kelle/Kluge 1999: 76). Bezogen auf die Leerstandsprobleme und Verfallserscheinungen in perforierten Altbauquartieren wird daher eine Typologie gesucht, die spezifische Entwicklungspfade einzelner Häuser beschreibt, um Anknüpfungspunkte für wirksame Stadtumbaumaßnahmen zu finden. Grundlagen zur Klassifizierung von Eigentümerverhalten in der Stadtentwicklung lieferte Adams (1994: 90ff). Als Mittel zu diesem Zweck hebt die hier entwickelte Typologie nicht auf einzelne Akteure und ihre Handlungen, sondern auf komplexe Handlungsmuster
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Typologie und Modell
ab. Diese beruhen auf der Konstellation der Verfügungsrechte und den vertraglichen und informellen Beziehungen der verschiedenen Beteiligten. Grundlage hierfür sind typische Hausbiographien aus den Eigentümer- und Expertenaussagen der Fallstudie, die untereinander kontrastiert werden. Aus den Ähnlichkeiten und Unterschieden ergeben sich die Merkmale der Handlungsmuster. Aussagen zur Häufigkeit und zur räumlichen Verteilung sind bei dieser qualitativen Studie schwierig. Gewisse Anhaltspunkte können jedoch die Statistiken zu einzelnen Merkmalen wie dem Anteil von selbstnutzenden Eigentümern, Bauzustand oder auch Zwangsversteigerungen liefern. Die hier entwickelten Handlungsmuster dienen nicht allein der Ordnung von Merkmalen, sondern haben auch eine heuristische Funktion, indem sie zu neuen Erkenntnissen und weiteren Forschungen anregen (Kelle/Kluge 1999: 81). Als ein zentrales Ergebnis der Untersuchung werden hier drei Handlungsmuster abgegrenzt und definiert: Verbleiben, Verwerten und Verfallen lassen. Sie gelten für Altbauquartieren stark schrumpfender Städte. Die nachfolgende Tabelle (Abb. 25) enthält ihre zentralen Merkmale. Die Bezeichnung des Handlungsmusters Verbleiben spiegelt die prekäre Lage zwischen Leerstand und Insolvenzgefahr wider, in der sich viele ortsansässige Eigentümer befinden, die auf einen langfristigen Ertrag zum Lebensunterhalt und zur Altersvorsorge hoffen. Verwerten drückt die Dominanz des finanziellen Kalküls überwiegend ortsfremder und anonymer Anleger aus und basiert auf der Vermietung, dem Verkauf oder der Zwangsversteigerung von Immobilien, oft unter der Beauftragung von Dritten. In seinen Auswirkungen ist Verwerten ambivalent. Einerseits wird die Bausubstanz aktiv genutzt, andererseits werden Erträge und damit verbundene Verfügungsrechte aus der Stadt abgezogen. Das Handlungsmuster Verfallen lassen dagegen betont bereits mit seinem Namen seine negative Konsequenz für die Stadtentwicklung. Es resultiert aus der Handlungsunfähigkeit entscheidender Akteure, mangelnder Nachfrage und/oder mangelnden Informationen. Dabei stellt sich heraus, dass auch NichtHandeln weitreichende Folgen haben kann. Bewusste Spekulation kann zwar auch eine Ursache für Verfall sein, jedoch schwingt die Hoffnung auf bessere Zeiten oder die Erwartung auf höhere Erträge oder neue Förderprogramme auch in allen aktiven Varianten mit. Angesichts des hohen Leerstandsrisikos ist die Minimierung von Verlusten ein wichtiges gemeinsames Motiv. Alle drei Handlungsmuster repräsentieren jeweils ein Bündel aus Aktivitäten unterschiedlicher Rechteinhaber und Agenten. Ihr Einfluss hängt von Natur und Umfang ihrer Verfügungsrechte ab. Die Handlungsmuster wirken unmittelbar auf den baulichen Zustand und die Nutzung des Hauses, was sich im Mosaik von sanierten und verfallenen, voll belegten und leeren Häusern widerspiegelt. Je weiter und tiefer die Verfügungsrechte verteilt
Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen
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sind, desto höher sind schließlich die Transaktionskosten, um die Interessen und Rechte im Sinne eines koordinierten Stadtumbaus zu bündeln oder auszugleichen.
Abb. 25: Handlungsmuster in Altbauquartieren
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Typologie und Modell
Mit der vorliegenden Typologie werden die immobilienwirtschaftlichen Normstrategien Stay und Exit (Spieker 2005: 177) differenziert und erweitert. Die beiden typischen Motive privater Eigentümer, die Wohnnutzung und die Altersvorsorge (Reimann 2000: 122), finden sich im Handlungsmuster Verbleiben wieder, während Anleger dem Verwerten zugeordnet sind. Angesichts des Leerstandes kommt Verfallen lassen nun als dritte, bisher atypische Variante hinzu. Aufgrund der Vielfalt der Häuser, Verfügungsrechte und Akteure muss eine Typenbildung die Handlungsmuster in ihrer Komplexität reduzieren. Die Merkmalsausprägungen können im Einzelfall abweichen, so dass einzelne Häuser nicht eindeutig dem einen oder anderen Handlungsmuster zuzuordnen sind. Da die Verfügungsrechte an einem Haus auf verschiedenen Ebenen des Immobilienmarktes gehandelt werden, kann es zu Ungleichzeitigkeiten und Überlagerungen einzelner Handlungen kommen. Betrachtet man nicht nur die im Grundbuch eingetragenen Hauseigentümer, sondern alle beteiligte Akteure, können sich komplexe Konstellationen ergeben. Wird zum Beispiel das Haus oder das Darlehen unabhängig von der Laufzeit des Mietvertrages weiterverkauft, dann kann der Mieter im Haus verbleiben, der insolvente Hauseigentümer verliert die Rechte daran und lässt es notgedrungen verfallen, während die Bank ihr Darlehen durch Verkauf oder Zwangsversteigerung verwertet. Einen anderen komplexen Fall stellt die Aufteilung von Altbauten in Eigentumswohnungen dar, die aus unterschiedlichen Motiven erworben und mit ungleichen Konstellationen von Verfügungsrechten bewirtschaftet werden. Die vorstehende Typologie und die nachfolgende Diskussion konzentrieren sich daher auf die jeweils dominanten Handlungsmuster innerhalb von Altbauten, so wie sie nach außen sichtbar werden und die Entwicklung des Quartiers prägen. Im Sinne einer repräsentativen Fallinterpretation werden dabei jeweils Prototypen gebildet und erläutert (Kelle/Kluge 1999: 94). Verbleiben In dieser Kategorie dominiert der Nutzwert des Wohnraums, oft verbunden mit der Altersvorsorge. Das Engagement ist langfristig auf den Erhalt der Bausubstanz angelegt, da die Eigentümer existenziell an die Stadt gebunden sind und den Markt nicht kurzfristig verlassen können. Zur Gruppe Verbleiben gehören zunächst die selbstnutzenden Eigentümer. In der Kategorie der Vermieter sind die kleinen Einzeleigentümer und Erben einerseits und einige wenige Großvermieter andererseits zu unterscheiden. Letztere sind meist inhabergeführte Gesellschaften, die aus dem Bauträgergeschäft der 1990er Jahre hervorgegangen sind. Die Selbstnutzer (Abb. 26a) stellen im Sinne der Verfügungsrechte einen Extrem- und Idealfall dar. Hier sind die Rechte und damit die Zuständigkeit für Nutzung, Veränderung und Gewinnerzielung in einer Hand, sofern kein Dar-
Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen
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lehen besteht. Da die Eigentümer langfristig in ihren Häusern wohnen, kommen die Häuser allenfalls in Abständen von Generationen auf den Markt. Für die Stadtplanung verfügen diese Häuser somit über einen Ansprechpartner vor Ort, der voll entscheidungsfähig ist. In der Praxis sind viele Häuser jedoch mit einer Grundschuld belegt, die zum Erwerb oder zur Sanierung bestellt wurde. Viele Selbstnutzer haben ihren Altbau schrittweise im Rahmen ihrer jeweiligen finanziellen Möglichkeiten instand gesetzt und modernisiert. Zudem betreiben viele Eigentümer in ihren mittelalterlichen Häusern der Innenstadt ein Ladengeschäft oder Gewerbe, so dass ein verstärkter Anspruch an einen wirtschaftlichen Nutzen der Immobilie hinzukommt. Einige vermissen bei den Banken entsprechende flexible Kleinkredite. In schrumpfenden Städten und Quartieren ist das Potenzial zur Ansiedlung neuer Selbstnutzer aus drei Gründen gering. Häufig entsprechen der Zuschnitt der Räume und Freiflächen sowie das Wohnumfeld nicht den Anforderungen der Bauwilligen, für Mehrgenerationenhaushalte ist die Barrierefreiheit oft nur mit starken Eingriffen zu realisieren. Hinzu kommt das erhöhte bauliche und finanzielle Risiko von Altbauten. Hier bestehen oft große technische und denkmalpflegerische Herausforderungen, wobei Beratung, Planung und Förderung noch zusätzliche Transaktionskosten erzeugen. Schließlich nimmt das Mengenpotenzial der Bauherren unabhängig von ihren Lagepräferenzen aufgrund der demographischen Entwicklung weiter ab. Verbleiben a) Eigenheim
b) Mietshaus
Fett: Ansprechpartner vor Ort
Abb. 26: Handlungsmuster Verbleiben
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Typologie und Modell
Die privaten Vermieter (Abb. 26b) in der Kategorie Verbleiben haben in der Regel einen starken Ortsbezug, obwohl sie selten selbst im Haus wohnen. Viele besitzen noch ein Eigenheim in der Region oder wohnen als Erben oder Gesellschafter in anderen Städten und halten ihren Heimat- oder Familienbezug aufrecht. Bei diesen Eigentümern zumeist einzelner Häuser ist zwischen denjenigen zu unterscheiden, die ihr Haus über die Zeit der DDR hinweg hielten und den anderen, die ihr Haus aufgaben oder enteignet wurden und entsprechend nach der Wende restituiert wurden. Hier gibt es große Unterschiede im Sanierungsgrad und im Anspruch an die Stadtentwicklung, wobei manche „Rückkehrer“ eine höhere Erwartungshaltung und politisches Interesse aufweisen. Diese kleinen privaten Eigentümer sind als Amateure einzustufen, die ihr Haus im Nebenerwerb bewirtschaften und angesichts von Mietausfällen und Schuldendiensten oft gezwungen sind, den Betrieb aus anderen Einkommensquellen zu subventionieren. Eine weitere, zahlenmäßig kleinere Gruppe im Handlungsmuster Verbleiben stellen die professionellen Vermieter dar. Sie sind überwiegend in den 1990er Jahren als Bauträger oder „Steuersparer“ in den örtlichen Wohnungsmarkt eingestiegen und geblieben. Sie haben die Stadt bewusst gewählt und mit ihrem hohen persönlichen Einsatz bei der Sanierung und Bewirtschaftung einen engen Ortsbezug entwickelt. Ihre größeren Bestände verhelfen ihnen zu guten Marktkenntnissen. Eine weitere, wenig angewandte, weil teure Variante des Verbleibens ist die Konservierung leer stehender Altbauten, indem das Dach und die Öffnungen des Hauses langfristig gegen Wettereinflüsse und Vandalismus geschützt werden. Insgesamt ist die Situation vieler bleibewilliger Eigentümer prekär. Ihre Mieterlöse reichen oft nicht aus, um ihre Häuser instand zu halten. Zukunftsinvestitionen im Sinne von Barrierefreiheit und Energieeffizienz sind kaum möglich. Ihre Existenz hängt stark von den Wohnpräferenzen und der Zahlungsfähigkeit der Mieter ab. Daher ist ihnen ein attraktives Wohnumfeld besonders wichtig, wozu vor allem Sauberkeit und Ordnung gehören. Ruinen im Umfeld werden daher häufig beklagt, da sie die Investitionssicherheit stark einschränken. Viele Vermieter glauben auch, dass eine Verbesserung des Arbeitsplatzangebotes das Mieterpotenzial steigern könnte. Gleichzeitig unterschätzen sie oft die langfristige Grundtendenz der negativen demographischen Entwicklung. Im Handlungsmuster Verbleiben sind auch die Bestände der städtischen Wohnungsgesellschaft zu vermuten. Ihre Altbauten sind jedoch inzwischen eher den Handlungsmustern Verwerten bzw. Verfallen lassen zuzuordnen. Das Handlungsmuster Verbleiben ist eine Gratwanderung zwischen Gewinn und Verlust. Ständig von Leerstand bedroht oder betroffen, müssen viele Eigentümer die Amortisationsphase strecken oder die laufenden Kosten mit anderen Einkommen quersubventionieren. Viele Eigentümer halten dennoch aus emotionalen Gründen an ihren Häusern fest. Andere haben soviel Kapital in die Sanie-
Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen
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rung investiert, dass sie bei einem Rückzug fiskalisch und bilanziell wirksame Verluste realisieren würden. Mancher hält lieber an den vielfach illusorischen Buchwerten fest, als in die Insolvenz zu gehen. Viele Kleineigentümer sind den Verlockungen von verbilligten Krediten, Eigenheim- und Investitionszulage sowie Sanierungsmitteln gefolgt und haben ihr Risiko teilweise massiv erhöht. Der Lebenszyklus langfristig unrentabler Häuser wurde so mit staatlichen Mitteln nochmals verlängert. Die Verteilung der Verfügungsrechte ist in der Gruppe Verbleiben aus Sicht der Stadtplanung als günstig einzuschätzen, da die Zahl der Rechtstitel überschaubar und ihre Inhaber bekannt und vor Ort aktiv sind. Der Einsatz von Agenten wie Maklern und Hausverwaltern ist gering ausgeprägt. Zudem sind der Informationsfluss und die Kontrolle durch den engen Ortsbezug der Auftraggeber gut. Entsprechend dürften die Transaktionskosten für Planungen und Verhandlungen im Sinne des Stadtumbaus geringer sein als in den Gruppen Vewerten und Verfallen lassen. Viele Eigentümer sind jedoch derart zwischen den akuten Problemen von Mietausfällen und Schuldendienst gefangen (vgl. Sandwich-Modell Abb. 1), dass ihr Interesse und ihr Spielraum für zusätzliche Aktivitäten gering ist. Den meisten kleinen und ortsfremden Eigentümern ist der konkrete Inhalt des Stadtentwicklungskonzeptes unbekannt. Die professionellen Vermieter sind zwar informiert, stellen aber die Wirksamkeit der Planungen für die Altbauquartiere in Frage. Verwerten Das Handlungsmuster Verwerten betont den Charakter der Immobilie als Assetklasse. Bei dieser Form von Kapitalanlage und Geschäftsmodell steht der Ertragswert im Vordergrund. Die Hauptakteure sind Opportunisten ohne große emotionale Bindung an den Standort. Die Konstellation der Verfügungsrechte ist zumeist komplex, vielfach werden Dritte mit der Bewirtschaftung beauftragt. In den ostdeutschen schrumpfenden Städten sind zwei Prototypen und ein Sonderfall anzutreffen. Bauträger haben in den 1990er Jahren viele gründerzeitliche Mietshäuser in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Andere Häuser sind von Alteigentümern oder der Kommune als Ganzes zunächst an Bauträger und danach weiter an Finanzinvestoren verkauft worden. Eine besondere Form der Verwertung von Altbauten stellt der geförderte Abriss dar, wie er von einigen kommunalen Wohnungsgesellschaften praktiziert wird. Im Fall der Aufteilung in Eigentumswohnungen sind die Verfügungsrechte breit gestreut (Abb. 27a). Zu den Rechteinhabern gehören nicht nur die zumeist ortsfremden Anleger, sondern auch deren Banken und Bauträger, die diese Modelle vertrieben haben, und nicht zuletzt die zahlenden Mieter. Bleiben Letztere weg oder gerät ein einzelner Eigentümer mit seinem Darlehen oder Anteil am
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Typologie und Modell
Hausgeld in Verzug, gerät das Modell leicht aus den Fugen. Entsprechend befinden sich auch einzelne Wohnungen in der Zwangsversteigerung. Selbst genutztes Wohnungseigentum dagegen bleibt in kleineren und mittleren Städten angesichts der Konkurrenz durch die nah gelegenen Einfamilienhausgebiete einerseits und der geringen Investitionskraft privater Haushalte andererseits die Ausnahme. Versuche der Mieterprivatisierung in den 1990er Jahren vor allem seitens der kommunalen Wohnungsunternehmen fanden keine große Resonanz. Verwerten a) Eigentumswohnungen
b) Renditeobjekt
c) Abrissförderung
Fett: Ansprechpartner vor Ort
Abb. 27: Handlungsmuster Verwerten
Bei denjenigen Häusern, die als Zinshäuser oder Anlageobjekte gehandelt werden (Abb. 27b), erscheinen die Verfügungsrechte zunächst eindeutiger, da im Grundbuch nur ein Eigentümer steht. In vielen Fällen stehen dahinter aber komplexere Finanzströme und Verwertungsmodelle. Manche Immobiliengesellschaft agiert als Strohmann oder Asset Manager für große, internationale Fonds. Diese professionellen Anleger nutzen Hebel- und Skaleneffekte bei der Finanzierung und Bewirtschaftung. Wie in einem Verschiebebahnhof kaufen Fonds und ihre Verwertungsgesellschaften Verfügungsrechte an Immobilien, verkaufen diese weiter oder lassen sie stehen. Umgekehrt ist auch die Minimierung von Verlusten ein wichtiges Motiv für das Verwerten. Der hohe Leerstand führt viele finanziell überforderte oder desinteressierte Hausbesitzer dazu, sich aus dem Handlungsmuster Verbleiben zu verabschieden und sich für den Verkauf im Sinne von Verwerten zu entscheiden, auch wenn dies mit Verlusten verbunden
Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen
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ist. Manches Haus wird zu einem symbolischen Preis von 1 Euro angeboten, um sich der Belastung zu entledigen. Auch in den Katalogen der Immobilienauktionshäuser finden sich derartige „Schnäppchen“. Findet sich kein Käufer, lassen viele Eigentümer ihr Haus verfallen. Das Handlungsmuster Verwerten ist am laufenden Ertrag und an der Restnutzungsdauer der Objekte orientiert. In schrumpfenden Städten spielt die örtliche Höchstgrenze des Wohngeldes und des Wohnkostenzuschusses für HartzIV-Empfänger eine wichtige Rolle, da sie bei einem hohen Anteil solcher Mieter einer entsprechenden Ertragsgarantie gleichkommt. Um eine gute Vermietungsquote zu sichern, setzen die Eigentümer überwiegend professionelle Hausverwalter und Makler zur Bewirtschaftung ein. Angesichts der vielfach anonymen Vertragsbeziehungen bringen manche dieser Agenten dabei eigene Strategien ein. Beim Verwerten spielen der Substanzwert, aber auch die Lage nur eine untergeordnete Rolle. In vielen Fällen steht am Ende einer Investitions- oder Vermietungsphase der Verkauf, sei es, weil der Ertrag sinkt, oder weil sich die Anlagestrategie ändert. Die Frage des Haltens oder Verkaufens hängt sowohl von der internen Konstellation der Verfügungsrechte als auch von der externen Marktsituation ab. Bei Transaktionen können sowohl die Mieter, die Eigentümer als auch die Geldgeber zusammen oder einzeln ausgewechselt werden. Ansprechpartner für die Stadtplanung sind nicht wie im Falle des Verbleibens die Nutzer und Eigentümer, sondern vielmehr die Hausverwalter und Kapitalvermittler, die wiederum die Finanzinvestoren vertreten. Banken verwerten insolvente Häuser, indem sie die Zwangsversteigerung beantragen oder die notleidenden Darlehen im Paket an Finanzinvestoren weiterverkaufen. Eine gewinnbringende Verwertung durch Verkauf ist in einer schrumpfenden Stadt immer schwerer zu realisieren. Die Auswirkungen dieser Investitions- und Verwertungsstrategien auf die Stadtentwicklung sind ambivalent. In den 1990er Jahren floss auf diesem Weg viel Geld in die Sanierung. Dabei konnte auch manche vermeintlich verlorene Ruine reaktiviert werden. Angesichts der vielen Insolvenzen und leer stehenden Häuser sind es heute überwiegend ortsfremde Opportunisten, die wieder Nutzungen in einzelne Gebäude und Lagen bringen. Profite lassen sich nur da erzielen, wo bereits Bewegung ist oder wo man sie selbst schafft. Diese Zweit- und Drittverwertungszyklen sind jedoch nicht mit neuen Investitionen verbunden. Meist werden nur Bilanzwerte abgeschöpft, die zudem aus der Stadt abfließen. In einer schrumpfenden Stadt kann man kaum noch auf die Wertsteigerungen der Substanz oder höhere Mieterträge spekulieren, sondern lediglich auf Umzüge in den eigenen Bestand sowie Fördermittel. Soweit sie ortsfremd sind, ist das Interesse der Verwerter an der Stadtentwicklung gering. Die örtlich ansässigen und zum Teil einflussreichen Anlagevermittler, Makler und Bauträger haben gute
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Typologie und Modell
Marktkenntnisse und sind an Fragen der Stadtentwicklung sehr interessiert. Beim Stadtumbau stehen sie allerdings im Dreieck zwischen ihren überwiegend finanziell interessierten Auftraggebern, den für jeglichen Ertrag notwendigen Mietern sowie ihrem Eigennutz, oft verstärkt durch eigene Immobilienprojekte. Einen besonderen Fall des Verwertens schafft das Förderprogramm Stadtumbau Ost (Abb. 27c). Hier subventioniert der Staat den Abriss leer stehender Häuser, um durch die Verknappung des Angebots die verbleibenden Bestände wieder profitabel zu machen. Viele kommunale Wohnungsunternehmen nutzen die Förderung nicht nur für den Abriss von Plattenbauten, sondern zunehmend auch für leer stehende Altbauten, die sie sonst verfallen lassen würden. Eine echte Marktbereinigung findet dabei allerdings nicht statt, es handelt sich vielmehr um ein betriebswirtschaftliches Sanierungsprogramm. Der Nutzen für die Altbauquartiere ist zweifelhaft, vor allem wenn es an Konzepten für den Umgang mit den Lücken fehlt. Bezogen auf die Steuerung des Stadtumbaus ist die Verteilung der Verfügungsrechte im Handlungsmuster Verwerten ungünstig. Es dominieren finanzielle Interessen ohne lokalen Bezug, die mit Hilfe spezialisierter Immobiliendienstleister wahrgenommen werden. Die Transaktionskosten bei der Vermittlung und Bündelung der oft weit gestreuten Verfügungsrechte sind entsprechend hoch. Verfallen lassen Das Handlungsmuster Verfallen lassen verweist nicht nur auf den desolaten Bauzustand, sondern auch auf die verantwortlichen Akteure. Die Verfügungsrechte sind hier unzweckmäßig verteilt oder werden nicht wahrgenommen. Sind es in wachsenden Städten nur Einzelfälle am Ende eines Nutzungs- und Verwertungszyklus, so bilden vernachlässigte Häuser und Ruinen in vielen schrumpfenden Städten eine eigene, unübersehbare Kategorie. Das Handlungsmuster Verfallen lassen setzt zu dem Zeitpunkt ein, ab dem es keine regelmäßige Kontrolle und Instandhaltung mehr gibt. Die Bezeichnung „Liegen lassen“ würde die Konsequenzen und Kosten verharmlosen. Eine Nutzung findet nicht mehr statt oder ist nur mit hohem Aufwand wieder zu ermöglichen. Betriebskosten werden eingespart, Schuldendienste ausgesetzt. Drei Varianten sind zu unterscheiden: „Inaktiv“ bedeutet, dass die Eigentümer und Gläubiger bekannt sind, aber nichts unternehmen. „Unklar“ heißt, dass aus dem Grundbuch und etwaigen Miet- und Schuldverhältnissen nicht klar hervorgeht, wer wozu berechtigt ist. „Blockiert“ bezieht sich auf eine laufende Zwangsversteigerung und/oder einen hohen Schuldenstand, der vor jeglicher Nachnutzung abgelöst werden muss. Die Gruppe der inaktiven Verfügungsberechtigten (Abb. 28a) lässt sich zwar ermitteln, aber nicht zu Maßnahmen zwingen, da sie sich auf die Argumente der Unrentierlichkeit und Unzumutbarkeit berufen kann. Hierzu gehören
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Handlungsmuster: Verbleiben, Verwerten, Verfallen lassen
gescheiterte Bauträger, überforderte oder ratlose Privateigentümer. Aber es sind auch Banken und Fonds zu nennen, die über notleidende Darlehen ins Eigentum gekommen sind. Vielerorts sind zudem staatliche und städtische Liegenschaften sowie solche Mietshäuser dem Verfall ausgesetzt, die bereits zu DDR-Zeiten kommunal verwaltet wurden. Neben der Stadt und ihrer Wohnungsgesellschaft lassen auch die Finanzbehörden sowie Abwickler und Nachfolger von Treuhandund Betriebsvermögen einzelne Bestände verfallen. Viele ortsfremde Privateigentümer unterliegen zudem einer Vermögensfiktion, die auf den hohen Investitionen und Buchwerten der 1990er Jahren beruht. Solange die Eigentümer oder Gläubiger die entsprechenden Verluste nicht realisieren, sei es durch Abschreibung, Verkauf oder Versteigerung, kann keine neue Nutzung einsetzen. Die Inaktiven lassen den Verfall sehenden Auges zu. Eine Abrissförderung aktiviert wiederum das Handlungsmuster Verwerten. Verfallen lassen Verfügungsrechte a) inaktiv
b) unklar
c) blockiert
Fett: Ansprechpartner
Abb. 28: Handlungsmuster Verfallen lassen
Unklar sind die Verfügungsrechte (Abb. 28b) und damit die Verantwortung für den Verfall, wenn die Eigentumsrechte nicht geklärt sind, Verkaufsketten von Häusern und Darlehen nicht mehr nachvollziehbar sind oder informelle Absprachen zur Nutzung oder Instandhaltung bestehen, die nicht überprüfbar oder rechtlich belastbar sind. In diese Gruppe fallen unter anderem Erbengemeinschaften, verstorbene Eigentümer oder erloschene Gesellschaften mit unklaren Nachfolgeregelungen. Hierzu gehören ehemals staatliche Liegenschaften, Be-
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triebsstätten und Werkswohnungen, die mehrfach den Besitzer gewechselt haben. Innerhalb dieser großen Portfolien gibt es Restbestände und Einzelobjekte, die nur in den Büchern geführt werden und keiner aktiven Bewirtschaftung mehr unterliegen. Angesichts dieser „Ramschzyklen“ ist es schwer, hier Ansprechpartner zu finden. Der Aufwand zur Klärung der Eigentumsverhältnisse lohnt sich angesichts mangelnder Ertragschancen nicht. Faktisch ist das Haus herrenlos. Blockiert ist die Ausübung von Verfügungsrechten (Abb. 28c), wenn ihre Inhaber vor Gericht streiten oder die Zwangsversteigerung beantragen. Im Falle mangelnder Verwertungsmöglichkeiten ziehen sich viele Verfahren über eine langen Zeitraum hin oder werden von den Gläubigern ausgesetzt. Bei der Zwangsversteigerung von Ruinen in schrumpfenden Städten finden sich auch zu einem symbolischen Verkehrswert von 1 Euro keine Bieter, zudem müssten diese noch die Gerichtskosten übernehmen. Da der insolvente Eigentümer sein Haus nicht weiter bewirtschaften darf, bestellt das Gericht einen Verwalter. Dieser besorgt in der Regel nur die rechtlichen Geschäfte und kann das Haus nur weiter verfallen lassen, wenn ihn die Gläubigerbank nicht für eine Instandhaltung für eine spätere Verwertung beauftragt und bezahlt. Auch die Stadt kann säumige Eigentümer blockieren, indem sie bei überfälligen Grundsteuern die Zwangsvollstreckung beantragt. Das bisher kaum erforschte Handlungsmuster Verfallen lassen beruht auf äußerst ungünstigen Konstellationen von Verfügungsrechten. Bezogen auf leer stehende Objekte und Ruinen ist eine Konzeptlosigkeit festzustellen. Die Transaktionskosten zur Klärung und Aktivierung der Eigentumsverhältnisse im Sinne des Stadtumbaus sind als extrem hoch einzuschätzen.
10.2 Funktionsmodell des Immobilienmarktes Dieses Modell stellt die drei typischen Handlungsmuster für den Altbaubestand in den Kontext des Immobilienmarktes schrumpfender Städte. Auf diese Weise entsteht ein qualitatives, auf die Motive und Verfügungsrechte der Akteure bezogenes Funktionsmodell, das Aussagen zu den Marktprozessen und zu Ansatzpunkten für staatliche Eingriffe ermöglicht. Die quadratische Fläche in Abb. 29 bezeichnet den Immobilienmarkt. In der oberen Hälfte sind die Erträge positiv, in der unteren Hälfte negativ. Das Handlungsmuster Verbleiben befindet sich auf einer labilen Zwischenposition. Abhängig vom Leerstand müssen die Eigentümer zum Teil Eigenkapital aufzehren oder andere Einkommensquellen heranziehen, um das Verbleiben zu sichern. Der Fall Verwerten führt in der Regel zu positiven Erträgen, wenn auch nicht unbedingt
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Funktionsmodell des Immobilienmarktes
zu Gewinnen auf das eingesetzte Kapital. Das Muster Verfallen lassen verursacht dagegen nur Kosten. Das Haus fällt dann aus dem Immobilienmarkt, wenn keine Nutzungsansprüche, verwertbaren baulichen Potenziale oder Kapitalforderungen mehr bestehen (d). Die für die Handlungsmuster relevanten Marktebenen sind jeweils Paaren zugeordnet. Verbleiben und Verwerten sind auf den Wohnungsmarkt und die Zahlungsfähigkeit der Mieter angewiesen, Verwerten und Verfallen lassen sind stark von den Einflüssen des Kapitalmarktes und dem Motiv der Verlustminimierung bestimmt, und die Muster Verbleiben und Verfallen lassen wiederum beziehen sich auf die Bausubstanz und Lage auf dem Bau- und Bodenmarkt. Die Handlungsmuster bilden die Extremalternativen innerhalb dieser Märkte ab: Wohnraum selbst nutzen oder vermieten, Kapital vermehren oder abschreiben, Häuser instandhalten oder Verfallen lassen. Während die Verfügungsrechte am linken Rand des Rahmens im Fall Verbleiben relativ eindeutig zugeordnet sind, nehmen die Komplexität ihrer Verteilung und damit die Transaktionskosten für Marktaktivitäten und Stadtumbau nach rechts hin zu.
a
b c
d
Abb. 29: Funktionsmodell des Immobilienmarktes in Altbauquartieren
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Das Handlungsmuster Verbleiben war die ursprüngliche Form einer Investition auf dem Immobilienmarkt. Es war langfristig angelegt, als Sachwert krisensicher und im Zeitverlauf mit steigenden Bodenwerten verbunden. Mitte der 1990er Jahre setzte mit dem Fördergebietsgesetz ein verstärkter Handel mit Immobilien als Anlageklasse ein, Kapitalinvestoren drängten auf den Markt und erhöhten die allgemeinen Renditeerwartungen an Immobilien. Nur wenige Jahre später zeigte der Indikator Leerstand das Ausmaß der Schrumpfung. Damit geriet das traditionelle Handlungsmuster von Selbstnutzern und privaten Amateurvermietern in Altbauquartieren in die Krise. Viele Häuser wurden von Bauträgern gekauft und in Eigentumswohnungen aufgeteilt, andere wurden von Fonds durch Zwangsversteigerung oder Kauf notleidender Darlehen von Banken übernommen (a). Das Handlungsmuster Verwerten wird von spezialisierten Finanz- und Immobiliendienstleistern beherrscht. Scheitert die Verwertung, rutscht das Haus in das Handlungsmuster Verfallen lassen ab (b). Ein neuerliches Verwerten kann meist nur durch Abriss und Nachnutzung oder hohe bauliche Investitionen erzielt werden (b). Das Handlungsmuster Verfallen lassen hat mancherorts Ideen und Projekte für nichtkommerzielle Nach- und Zwischennutzungen hervorgerufen. Diese vielfach öffentlich geförderten Grünflächen oder Kunstprojekte finden in der Regel außerhalb der Wettbewerbsbedingungen des Immobilienmarktes statt (d). Das Leipziger Selbstnutzerprogramm und die Wächterhaus-Initiative sind dagegen Versuche, einzelne Häuser mit öffentlichem und freiwilligem Einsatz wieder in das Handlungsmuster Verbleiben zu bringen (c). Der Planungs- und Verhandlungsaufwand hierfür ist jedoch groß und wird von den Marktkräften aufgrund des hohen Risikos und geringer Erträge nicht von allein erbracht. Angesichts der flächenhaften Verfallstendenzen insbesondere in kleinen und mittleren Städten fallen viele Häuser dauerhaft aus dem Markt (d). Für diese Ruinen und Brachen fehlen Gestaltungskonzepte und rechtliche Auffanginstrumente.
11 Auswirkungen in Altbauquartieren
Dieses Kapitel geht der Frage nach, welche Folgen die Marktsituation schrumpfender Städte für die Altbauquartiere hat. Dem theoretischen Konzept und den Ergebnissen der Fallstudie entsprechend liegt der Fokus dabei auf der Wirkung der Instrumente auf die drei Marktebenen und die drei Handlungsmuster. Aus Sicht der Verfügungsrechte wird auch das Potenzial des Förderprogramms Stadtumbau Ost für die Altbauquartiere diskutiert. Die laufenden Prozesse und geplanten Eingriffe führen zu Konsequenzen für Stadtbild und Wohnumfeld.
11.1 Reaktionen von Markt und Staat Zunächst werden die Reaktionen der einzelnen Marktebenen auf die Schrumpfung beschrieben, um in der Zusammenschau Synergien und Widersprüche aufzuzeigen. Unter dem Einfluss der Steuerungsinstrumente stehen auch die drei Handlungsmuster Verbleiben, Verwerten und Verfallen lassen. Dies erlaubt eine Einschätzung der Wirkung des Programms Stadtumbau Ost auf die Altbauquartiere. Die folgende Diskussion beruht auf der Fallstudie Zeitz und bezieht sich auf stark schrumpfende, mittelgroße Städte. Immobilienmarkt und Planungsinstrumente Der Wohnungsmarkt schrumpft mit der Stadt, die Zahl der Nutzer nimmt ab. Weniger die Lage und Ausstattungsqualität, sondern vielmehr die Mietzahlungsfähigkeit einerseits und die Kostenstruktur des Vermieters andererseits bestimmen den Preis. Dieser orientiert sich für große Teile der Mieterschaft am Wohngeld bzw. Wohnkostenzuschuss für Langzeitarbeitslose. Zusätzlich gelten Angemessenheitsgrenzen bei der Wohnfläche. Der Markt polarisiert sich. Auf der einen Seite steht eine hohe Zahl von „Garantiemietern“ mit Rente oder Sozialleistungen, auf der anderen Seite stehen die „Selbstzahler“ mit Arbeitseinkommen. Professionelle Vermieter und Makler reagieren Haus für Haus mit spezifischen Angeboten und nutzen Skaleneffekte bei der Verwaltung. Dagegen sind kleine Privateigentümer mit unklarer Strategie viel anfälliger für Leerstände. Weder der Abriss von Plattenbaugebieten noch der Leerstand in Altbauquartieren hat dazu geführt, dass die Mieter entsprechend umziehen. Dazu sind die Teil-
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Auswirkungen in Altbauquartieren
märkte von der baulichen und sozialen Struktur her zu verschieden. Außerdem will kein Wohnungsunternehmen zahlende Mieter verlieren. Auch ist die Herrichtung von Ersatzwohnungen im Altbau zu teuer. Aufgrund der hohen Leerstände und zahlreichen Ruinen rangieren Altbauquartiere in der Mietergunst weit unten. Die Mieter können ihre Ansprüche an Ausstattung und Umfeld mit dem Möbelwagen realisieren. Das Selbstnutzerpotenzial ist sehr gering. In manchen Fällen ergibt sich aus Ertrag und Risiko, dass die Aufgabe des Vermietungsgeschäftes günstiger ist als der Umbau für neue Mieterbedürfnisse. Die räumliche Lenkung von Mietern funktioniert kaum noch über den Preis, da das Kriterium Lage zugunsten von Sozialleistungen und betriebswirtschaftlicher Zwänge an Bedeutung verloren hat. Ostdeutsche Städte benötigen wegen des Überangebotes keine Belegungsbindungen. Somit existiert auch kein Instrument zur räumlichen Lenkung von Nutzungsrechten in Altbauquartieren. Der Bau- und Bodenmarkt bildet das räumliche Gerüst für die Wohnnutzungen einerseits und Kapitalrenditen andererseits. Er ist von hohen Produktions- und Transaktionskosten geprägt. Die Langfristigkeit und Tragweite von Entscheidungen führt zu Lock-in-Effekten. In schrumpfenden Städten spielt der Sachwert kaum noch eine Rolle, es zählt nur der laufende Mietertrag. Wenn dieser nicht mehr für Instandhaltung und Schuldendienst reicht, scheidet das Haus zwar aus dem Wohnungsmarkt aus, bleibt aber auf dem Bodenmarkt als Ruine und auf dem Kapitalmarkt als notleidendes Darlehen stehen. Die schädlichen Externalitäten pflanzen sich im Wohnumfeld und vielen anderen Bereichen fort. Die Zuschussförderung zur Sanierung und Denkmalpflege, die in der Regel auf den mittelalterlichen Kern beschränkt ist, ändert nichts am Baukostenund Ertragsrisiko von Altbauten. Aufgrund des hohen bürokratischen Aufwandes erreicht sie nur unternehmerisch aktive Hauseigentümer, die vor Ort ansprechbar sind. Nach der Euphorie der 1990er Jahre sind die Antragstellungen rückläufig. Viele Hauseigentümer wollen ihr Verfügungsrecht und die damit verbundenen Lasten abgeben. Solange Mietshäuser und Altbauwohnungen noch in einem vermietbaren Zustand sind, finden sich manchmal noch professionelle Verwerter, die sie als Renditeobjekte kaufen. Ansonsten bleibt ein langwieriger Existenzkampf oder der Verfall des Hauses. Der Kapitalmarkt stellt das Geld für Bauinvestitionen bereit. Kaum eine Sanierung oder ein Bauträgermodell ist ohne Banken und den Hebeleffekt festverzinslicher Darlehen darstellbar. Einige Makler in der Fallstudie vermuten bei manchen Hausbesitzern noch Eigenkapitalreserven. Diese werden wegen der unsicheren Aussichten zwar nicht zum Bauen aktiviert, senken aber das Insolvenzrisiko. Überwiegt dagegen Fremdkapital, droht bei Leerstand schnell die Zwangsversteigerung. Die Transaktionskosten, um das Kreditrisiko von Bestandsimmobilien und Stadtumbauprojekten einzuschätzen, sind extrem hoch, da
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es im Bankensektor an Expertise zu schrumpfenden Städten im Allgemeinen und an konkreten, verlässlichen Informationen zur Stadtentwicklung im Besonderen fehlt. In schrumpfenden Städten setzen Banken das Ertragsrisiko und damit die Zinsen hoch an oder lehnen eine Finanzierung pauschal ab. Kleine Beträge zur Sanierung einzelner Bauteile sind kaum erhältlich. Baugeld und Anschlussfinanzierungen sind für Miethäuser im Bestand teurer als für Selbstnutzer mit Eigenkapital. Manche Bank zieht sich aus Ostdeutschland zurück, indem sie ihr Recht, Gewinne aus dem Haus zu erzielen, bzw. die Pflicht, die Verluste zu tragen, verbrieft und an spezialisierte Fonds weiterverkauft (Kap. 2.2). Das Kapital fließt aus der Stadt ab ohne die Aussicht einer Reinvestition. Angesichts der geringen Steuerkraft in schrumpfenden Städten begünstigen auch die Sonderabschreibungen überwiegend ortsfremde Privatanleger. Zinsverbilligte Kredite nützen zwar allen, setzen aber in der Regel eine Grundfinanzierung mit entsprechender Bonität voraus. Wegen des hohen Risikos sind die Möglichkeiten zur Beschaffung von Stadtumbau-Mitteln auf dem Kapitalmarkt stark eingeschränkt. In der Zusammenschau der drei Marktebenen kann die Hypothese bestätigt werden, dass Leerstand, Bauzustand und Preise nicht allein von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt abhängen. Bei der Preisbildung kommen aufgrund der unterschiedlichen Steuerungsinstrumente negative Wechselwirkungen hinzu. Die wichtigen Marktkräfte Wohnungsnachfrage und monetäres Gewinnstreben meiden die Altbauquartiere, da sie nicht den aktuellen Erwartungen an Lebensqualität bzw. Rendite entsprechen. Die bestehenden Fördermittel und Subventionen zielen nur auf individuelle Akteure und einzelne Bestände. Sie berücksichtigen nicht ausreichend die Externalitäten des Verfalls und das gemeinsame, hohe Standortrisiko. Indem die Instrumente eigene Teilmärkte z. B. für Wohngeldempfänger, Denkmalbesitzer oder ortsfremde Steuersparer schaffen, polarisieren sie die Akteure auf verschiedenen Ebenen. Zudem setzen marktsteuernde Instrumente direkt an der Transaktion an, honorieren aber zuwenig die Informations- und Verhandlungsphase. Subventionen führen daher eher zu kurzfristigen Mitnahmeeffekten bei rentablen Standardprojekten als zur Anbahnung innovativer und risikoreicher Stadtumbaumaßnahmen. Die Fördermittel für Sanierung und Abriss verstetigen die bestehenden Eigentumsverhältnisse auf dem Bau- und Bodenmarkt, anstatt Anreize zur Bündelung oder Kooperation von Verfügungsrechten zu schaffen. Die Institutionen wie Planungsrecht und Förderinstrumente berücksichtigen nicht das Risiko und die Transaktionskosten neuer Lösungen bei der Änderung von Baustruktur und Verfügungsrechten. Damit bestätigt die Fallstudie Zeitz die Hypothese, dass die bestehenden Instrumente selektiv und unzureichend wirken.
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Auswirkungen in Altbauquartieren
Private und kommunale Handlungsmuster Die Fallstudie der Hauseigentümer zeigt, dass die Handlungsimpulse von Angebot und Nachfrage stark durch die Konstellation der Verfügungsrechte beeinflusst und verzerrt werden. Innerhalb der einzelnen Häuser bilden sich Handlungsmuster heraus, die über das Schicksal des Hauses entscheiden. Auf Quartiersebene ergeben sich kleinräumig widersprüchliche Situationen und negative Externalitäten. Das Muster Verbleiben ist einerseits günstig für den Stadtumbau, da die ortsverbunden Beteiligten ein großes Interesse an der Quartiersentwicklung haben. Viele resignieren jedoch, gefangen zwischen Mietausfällen und Schuldendienst. Sie zehren von ihrem Eigenkapital oder ziehen andere Einkünfte heran. Die Amateurvermieter benötigen Unterstützung weniger für Investitionen als vielmehr für den laufenden Betrieb. Das Handlungsmuster Verwerten beruht auf professionellen Strukturen, die auch risikoreiche Projekte erlauben. Diese Eigentümer nutzen finanzielle Anreize nur, um ihren Ertrag zu steigern. Städtebauliche Ziele würden sie in ihrer Flexibilität einschränken. Diese Opportunisten sind allerdings oft die einzigen Marktakteure, die noch leer gefallene und verlustbringende Wohn- und Geschäftshäuser übernehmen. Hiervon bringen sie einige in einen neuen, lukrativen Nutzungszyklus, die anderen müssen auch sie verfallen lassen. An diesem Punkt versagen in schrumpfenden Städten alle klassischen Instrumente. Vom Verwerten gibt es kaum ein Zurück zum Verbleiben. Beide Handlungsmuster sind stark auf ihrem jeweiligen Pfad eingefahren, drohen aber jederzeit, ins Verfallen lassen abzurutschen. Angesichts dieser Abhängigkeiten und Risiken bestätigt sich die Hypothese, dass die wirtschaftliche Lage vieler Hauseigentümer in Altbauquartieren schrumpfender Städte äußerst prekär ist. Die vorliegende Untersuchung erlaubt auch einige Aussagen zu den kommunalen Reaktionen in einer mittelgroßen, stark schrumpfenden Stadt. Der Fall Zeitz stellt ein Extrem, aber vermutlich keine Ausnahme dar, in dem Sinne, dass die Lokalpolitik noch nicht bereit ist, den massiven Bevölkerungsrückgang als längerfristig unumkehrbares Faktum zu akzeptieren und der Stadtentwicklung als Zielgröße zugrunde zu legen. Der Leerstand wird nicht als gesamtstädtische Krise, sondern als privates Problem der Eigentümer aufgefasst. Die wenigen, zum Teil widersprüchlichen Stadtumbaumaßnahmen im Altbau orientieren sich kurzfristig an den Fördermitteln und der Haushaltslage. Die Stadt gestaltet nicht aktiv ihre Zukunft, sondern reagiert lediglich im Rahmen der Bauaufsicht und der Bewilligung von Fördermitteln. Es besteht eine große Unsicherheit in Bezug auf die Entwicklungsperspektive der Altbauquartiere. Die „Machbarkeit“ wird zum Gegenargument für neue Ansätze (Schmidt/Scurrell 2003: 4). Für den Umgang mit den kleinteiligen privaten Strukturen fehlt es an Informationen, Instrumenten und Kapazitäten. Im Vergleich hierzu erfreuen sich die Plattenbaugebiete einer größeren Beliebtheit und politischen Lobby, da sie den großen
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Wohnungsunternehmen als Hauptertragsquelle dienen und entsprechend gut gepflegt sind. Hier offenbart die Stadt ihre Doppelrolle als neutrale Stadtplanerin einerseits und eigennützige Wohnungsunternehmerin andererseits. Dieser stadtinterne Konflikt, der im Ergebnis zum Abriss innerstädtischer, kommunaler Altbauten führt, wird verschärft durch die gesetzliche Kopplung von Altschuldenhilfe und Abrissförderung. Insgesamt fügen sich die verschiedenen privaten und öffentlichen Interessen nicht zu einer Gesamtstrategie für die Altbauquartiere. Gegensätzliche Handlungsmuster, die auf Eigennutz und Konkurrenzverhalten beruhen, werden durch die Abhängigkeit von staatlichen Subventionen verschärft und verstetigt. Der Ruf nach kreativen und innovativen Lösungen reicht allerdings nur soweit wie die Verfügungsrechte der Akteure. In Zeiten des Wachstums konnte die Stadt ihr Verfügungsrecht über Art und Maß der Flächennutzung mittels verbindlicher Pläne wirkungsvoll einsetzen. Angesichts der Schrumpfung ist die Stadt mit ihren Bürgern in eine passive Zuschauerrolle geraten. Denkmalpflege oder allgemeine Leitbilder der europäischen Stadt vermögen die Unsicherheit nicht zu kompensieren. Zum effizienten Handeln in Altbauquartieren benötigen sowohl die Stadt als auch die Mieter, Eigentümer und Investoren mehr Informationen voneinander. Hierzu bieten private Makler, Hausverwalter und Anlagevermittler bereits ihre Dienste an, indem sie Transaktionen anbahnen und koordinieren. Dieses lokale Potenzial an Netzwerken und Immobilienwissen sollte einbezogen werden, wenn es gilt, Handlungsblockaden im Stadtumbau zu überwinden. Förderprogramm Stadtumbau Ost In der öffentlichen Wahrnehmung wird Stadtumbau vielfach mit dem Förderprogramm Stadtumbau Ost gleichgesetzt. Für den Zeitraum 2002 bis 2009 sieht der Hauptteil des Bund-Länder-Programms den Abriss von ca. 350.000 dauerhaft leer stehenden Wohnungen in den ostdeutschen Bundesländern vor. Ein zweiter Programmteil dient der Aufwertung der betroffenen Quartiere (BMVBS 2006). Mit einem Gesamtvolumen von ca. 2,5 Mrd. Euro verteilt auf 300 Städte bindet der so genannte „Stadtumbau Ost“ auf allen Ebenen große Planungs- und Verwaltungskapazitäten. Dieses „lernende Programm“ wird bereits von einer umfangreichen Forschung und Kritik begleitet (BMVBS 2002-2008; Bernt 2003; Liebmann 2004 uvm.). Viele grundsätzliche Mängel der Städtebauförderung sind bereits lange bekannt. Dazu zählen die Zwänge, die sich aus der kommunalen Eigenbeteiligung, dem Erfolgsdruck zum Mittelabfluss und der weitgehenden Konzentration auf bauliche Maßnahmen ergeben. Oft findet eine Verengung der Planung auf die förderfähigen Maßnahmen statt (Schröter 1988: 85f). Je länger das Förderprogramm Stadtumbau Ost läuft, desto stärker erscheint es mit Erwartungen und Interpretationen überfrachtet. An dieser Stelle sollen daher nur einige
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Aspekte aus Sicht der Verfügungsrechte und der Fallstudie in den Altbauquartieren ergänzt werden. Der formulierte Anspruch des Förderprogramms Stadtumbau Ost suggeriert, dass eine strategische Verkleinerung der Stadt hauptsächlich mit stadtplanerischen Instrumenten und Abrissen zu erreichen sei. Die Integration von fachpolitischen Programmen für Soziales, Infrastruktur und Wirtschaft wird zwar ebenfalls gefordert, aber nur selten und dann meist nur auf kommunaler Ebene eingelöst. Viele Städte, darunter auch Zeitz, haben einfach die zwei großen Ziele des Förderprogramms in ihre Stadtentwicklungskonzepte übernommen: Wohnungsmarktbereinigung und Aufwertung. Bisher war der Stadtumbau überwiegend von den betriebswirtschaftlichen Nöten der kommunalen Wohnungswirtschaft dominiert (Bernt 2003, 2006). Die volle Kostenübernahme begünstigte zunächst den Abriss von Wohnungen in Größenordungen, die organisatorisch nur in der Platte möglich waren. Die Frage „Was kann weg?“ erschien aufgrund des Drucks, die Mittel abzurufen, wichtiger und war leichter zu beantworten als: „Wie und wo wollen wir in 20 Jahren noch wohnen?“ Anders als anfangs erhofft sind insbesondere in kleinen und mittleren Städten die Bewohner nicht aus den Plattenbauten als vermeintlichen „Spenderquartieren“ in die Innenstadt gezogen. Die Definition und Förderung von langfristigen Kernen in kleinteiligen und gemischten Beständen ist ungleich schwerer, denn in schrumpfenden Städten „brennt“ es überall. Entsprechend besteht die Tendenz, die Fördergebiete für Stadterneuerung und Stadtumbau sehr großflächig auszuweisen. In Zeitz gehören fast alle Mehrfamilienhausbestände der Vorkriegszeit sowie die Plattenbauten dazu. Auf diese Weise werden möglichst viele potenzielle Abrissobjekte, insbesondere die kommunalen Bestände, erfasst. Die ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigte Konzentration von Mitteln in eng definierten Problembereichen wird nicht erreicht. Räumliche Stadtumbaupläne werden in vielen Einzelfällen unterlaufen, wenn Entscheidungen anhand von finanziellen Zwängen der Eigentümer getroffen werden. Das Urteil des sächsischen Rechnungshofes (2005) am Programm Stadtumbau Ost fällt vernichtend aus (ebd.: 19): „Wegen unzureichender Mittelausstattung, widersprüchlicher Zielstellungen der am Programm Beteiligten und ungenügender Steuerung des Fördermitteleinsatzes wurden Ziele des Programms nicht erreicht.“ Andersherum könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Mittel kreativ oder im Sinne der dominierenden Verfügungsrechte eingesetzt wurden. Ein Zielkonflikt des Stadtumbau Ost blieb von Anfang an ungelöst: Der Widerspruch zwischen der betriebswirtschaftlichen Sanierung der Wohnungsunternehmen einerseits und der Aufwertung langfristig nachgefragter Bestände andererseits. Hier treffen unterschiedlichste Verfügungsrechte, Teilmärkte und Planungsbedingungen aufeinander. Die Stadtentwicklungskonzepte haben ledig-
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lich den Charakter von Leitbildern. Die konkreteren Stadtumbaugebiete (§ 171c BauGB) beinhalten zwar städtebauliche Ziele, es fehlen aber Anreize zur Kooperation. Die finanzielle Seite des Programms orientiert sich nur am Fördergebietsstatus (ja/nein), nicht an der konkreten städtebaulichen Situation oder der Verteilung der Verfügungsrechte bzw. Handlungsmuster. Die Mittel werden nach Hausnummern und Quadratmetern abgerechnet. So gerät in schrumpfenden Städten das besondere Planungsrecht vom Gestaltungsinstrument für Quartiere zum Finanzierungsgesetz für notleidende Einzeleigentümer. Im Zuge der jährlichen Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern wird der Kreis der begünstigten Bestände und Eigentümer zwar immer wieder angepasst. Die bestehenden Eigentumsstrukturen werden durch das Prinzip der individuellen Subventionen aber weiter zementiert. Diese finanziellen Erwartungen stehen auch förmlichen Umlegungsverfahren oder einem Grundstückstausch im Wege. Das hohe Finanzvolumen des Förderprogramms birgt zudem die Gefahr, dass die Kommunen zur Abwicklung der einzelnen Stadtumbaumaßnahmen besondere Verwaltungsstrukturen schaffen, die parallel oder gar im Widerspruch zur langfristigen Stadtplanung agieren. Beim Fachpolitischen Dialog im BMVBS (17.06.2008) bezeichneten die Redner das Förderprogramm in Bezug auf das Ziel der Marktbereinigung als Erfolg, der jedoch mit einer Fortsetzung insbesondere zugunsten der kommunalen Wohnungswirtschaft gesichert werden müsse. Gleichzeitig solle der Förderschwerpunkt auf die Altbauquartiere verlagert werden. Wie eine stärkere Beteiligung der privaten Hauseigentümer praktisch funktionieren kann, blieb noch unklar. In der anschließenden Diskussion war umstritten, ob und wieweit der Staat oder die Kommunen die Verantwortung für verlassene Häuser und Grundstücke übernehmen sollen. Ein Argument lautete, dass man keine DDR-Verhältnisse wiederholen wolle. In diesem letzten Drittel des Handlungsmusters Verfallen lassen liegt jedoch das zentrale Problem des Stadtumbaus. Ohne handlungsfähige Eigentumsstrukturen laufen alle Pläne und Fördermittel ins Leere. Die angedachten Justierungen im Verteilungsschlüssel zwischen Abriss und Aufwertung würden nichts an dem Problem der hohen Transaktionskosten zur Vermittlung von Kooperationen oder Änderungen der Verfügungsrechte ändern. Ideen zur Integration bzw. Steuerung der Marktebenen für Wohnnutzung, Bau- und Boden sowie Kapital waren ansatzweise im Sinne von Beispielen guter Praxis, aber nicht in der institutionellen und organisatorischen Ausgestaltung des Programms erkennbar (BMVBS 2008b). Das erste Förderprogramm Stadtumbau Ost endet nach sieben Jahren in 2009, woraus sich theoretisch vier Alternativen ergeben. Bund und Land können das Programm ganz beenden, es unverändert fortführen, es modifizieren, oder es mit anderen Fördertöpfen zusammenlegen. Eine Beendung des Programms zu-
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gunsten einer finanziellen und rechtlichen Stärkung der kommunalen Ebene wäre angesichts der genannten Widersprüche und Konflikte konsequent. Eine planerisch sinnvollere Politik bestünde in der Unterstützung einer abgestimmten Entwicklung schrumpfender Städte und ländlicher Räume innerhalb von zusammenhängenden regionalen Immobilienmärkten (Aring 2007). Dies ist jedoch innerhalb von engen Fördergebietsgrenzen und angesichts der Verschiedenheit der kommunalen Handlungsmuster illusorisch. Die simple Fortführung würde das bürokratische Verfahren und die strukturelle Begünstigung der Wohnungswirtschaft verstetigen. Die Zusammenlegung der verschiedenen Programme der Städtebauförderung in einen pauschalen Fördertopf klingt verlockend, würde aber die bundespolitische Begründung und Kontrolle erschweren (GG Art. 104b). Auf kommunaler Ebene könnten derartige „Block-Grants“, nach englischem Vorbild und nach Problemintensität der Städte gestaffelt, neue Handlungsspielräume schaffen (Pfeiffer 2004: 677). Trotz der offenen Fragen soll das Programm in seiner bestehenden Struktur bis zum Jahr 2016 fortgeführt werden (BMVBS 17.06.2008). Die Analyse der Verfügungsrechte und Institutionen zeigt allerdings, dass das Programm Stadtumbau Ost weder das einzige noch das wirksamste Steuerungsinstrument sein kann.
11.2 Städtebau und Wohnstandort Eine zentrale Frage in Altbauquartieren ist, warum es allein mit Marktkräften und marktsteuernden Instrumenten nicht gelingt, eine effiziente räumliche Ordnung herbeizuführen. In schrumpfenden Städten, wie anhand der GIS-Karte der Fallstudie Zeitz sichtbar (Abb. 18), ist ein ungerichtetes Mosaik von genutzten und leer stehenden Gebäuden zu beobachten. Dieses Raummuster gefährdet in seiner derzeitigen Ausprägung die Wohnqualität und das Wirtschaftsleben der Stadt. Raummuster Perforation Das räumliche Ordnungsmuster in Städten kann als Ergebnis von inkrementellem Wachstum, von hoheitlicher Planung oder auch Zufallsereignissen betrachtet werden oder einer Mischung von allen. Aus ökonomischer Sicht wird jedoch alles unter spezifischen Marktbedingungen ausgehandelt. Die klassischen Standorttheorien für die Ansiedlung von Nutzungen in der Stadtregion liefern keine Aussagen zu historischen Beständen und differenzierten Verfügungsrechten. Im Gegensatz zu freiem Bauland besteht in der gewachsenen Stadt eine ganz andere, ungleich komplexere Startverteilung für neue ökonomische Entwicklungen (Webster 2003). Wenn es nur nach dem Wettbewerb ginge, dann müssten sich je
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nach Lagequalität Cluster gleichartiger Nutzungen bilden. Agglomerationen sind entstanden, um Informations- und Transportwege zu verkürzen. Die Ersparnis dieser Transaktions- und Translokationskosten ermöglichte eine effiziente Arbeitsteilung (Webster/Lai 2003: 78). Ballung spart zwar Kosten, erzeugt aber auch Kosten, da Nutzungen im Raum aufeinander abgestimmt werden müssen. Externalitäten wie die gegenseitige Beeinträchtigung privater Interessen und öffentlicher Güter bestimmen die Form. Höhe und Dichte der Bebauung müssen Licht, Luft und Verkehr zulassen und dürfen den Nachbarn nicht in seiner Nutzung stören. Dazu dienen die Institutionen des Planungsrechtes und der Bauordnung. Warum sind dann nicht alle Häuser gleich groß oder in gleich gutem Zustand? Dazu hilft ein geistiger Spaziergang vom Haus durch die Straße über das Quartier in die Stadt. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft beeinflussen und behindern sich die Handlungsmuster Verblieben, Verwerten und Verfallen lassen gegenseitig (Kap. 11). Eine Kooperation oder Arbeitsteilung bei der Bewirtschaftung der Häuser und Grundstücke könnte den Einzelnen und der Stadt Vorteile bringen. Hinderungsgründe sind aber weniger der Wettbewerb und das Gefangenendilemma (Kap 3.4), sondern vielmehr die Verschiedenheit der Verfügungsrechte-Konstellationen. Zehn ortsfremde Privatanleger in einer Wohneigentumsanlage, die über eine Hausverwaltung agieren und sich jährlich nur einmal versammeln, können nicht auf direktem Weg mit einem benachbarten Einzelvermieter kooperieren, der womöglich auch ortsfremd ist. Ähnlich ist es mit Banken und Fonds, die sich nicht am Städtebau, sondern an der Rendite orientieren. Die Entwicklung einzelner Nachbarhäuser ist zu unsicher, um in die Wertermittlung einzufließen. Wird der Nachbar seine Ruine sanieren oder verfallen lassen? Wird die Brache neu bebaut, in einen Parkplatz oder in eine Grünfläche verwandelt? Die bestehenden finanziellen Anreizsysteme verschärfen jedoch das individualistische Denken und die entsprechenden Handlungsblockaden. In der räumlichen Addition ergeben die verschiedenen Handlungsmuster das Bild der perforierten, d. h. durchlöcherten Stadt. Aufgrund dieser unterschiedlichen Entwicklungspfade kann die Hypothese bestätigt werden, dass die städtebauliche Perforation unter Schrumpfungsbedingungen verstetigt und verstärkt wird. Nachbarschaften Die kleinteilige, historische Parzellenstruktur ermöglichte in der Vergangenheit eine hohe Urbanität und Entwicklungsdynamik (Hoffmann-Axthelm 1993: 189). Dieser nachbarliche und funktionale Zusammenhang ist in der perforierten Stadt gestört. Die breite Streuung von Verfügungsrechten auch an auswärtige und anonyme Eigentümer hat auch Folgen für die soziale Struktur der Stadt. So wird die Bewirtschaftung großer Bestände an Dritte delegiert. Manche Makler und
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Auswirkungen in Altbauquartieren
Hausverwalter tendieren dazu, sozial schwache Haushalte mit einer staatlich garantierten Miete bevorzugt in billig- und teilsanierte Objekte auswärtiger Anleger einzuquartieren. Qualitätvoll sanierte Wohnungen werden dagegen bevorzugt zahlungskräftigen und anspruchsvollen Haushalten angeboten, um Wertverluste zu vermeiden. Private Vermieter wiederum achten persönlich auf die Vertrauenswürdigkeit und Bonität der Mieter. Zugunsten langfristiger Mietverhältnisse sind sie zu Preisabschlägen bereit. Entsprechend tragen die besonderen Vermietungsstrategien innerhalb der Altbaugebiete zu einer kleinräumigen sozialen Differenzierung bei. Die Mietkonditionen und das Mieterklientel unterscheiden sich stark von Haus zu Haus. Die zum Teil hohe Fluktuation, der Verfall und die unklare Perspektive lässt die Innenstadt gegenüber den Siedlungen der Großvermieter als relativ unsicheren Wohnstandort erscheinen. Bei eingeschränkten Renditeerwartungen können sich zwar auch ökonomisch schwache Nutzungen in Altbauquartieren aufhalten, die Mieterträge reichen dann aber vielfach nicht aus, um die Bausubstanz instandzuhalten. Diese Häuser werden dann auf Verschleiß abgewohnt. Die Stadtentwicklung muss sich daher auch der Frage der künftigen Mietzahlungsfähigkeit und entsprechender Wohnstandards stellen. Ein großes Problem liegt aber auch im Vakuum an Verantwortung und Gestaltungswillen, das mit dem Leerstand und der Aufgabe von Verfügungsrechten einhergeht. Insgesamt schafft die geringe Markttransparenz Raum für opportunistisches Verhalten bei allen Inhabern von Verfügungsrechten in Altbauquartieren, seien es Mieter, Eigentümer oder Anleger. In der Ortsverbundenheit privater Eigentümer und Vermieter liegt ein hohes Potenzial für den baulichen und sozialen Zusammenhang der Stadt. „Fachdebatte und Kommunikation sollten an den Lebenswelten und nicht nur an der Baustrukturen anknüpfen“ (Doehler-Behzadi et. al 2005: 76). Zunehmend werden Selbstnutzerprogramme gefordert und auch gefördert (Krings-Heckemeier/ Porsch 2002; www.selbstnutzer.de). In Altbauquartieren mit fortgeschrittenen Leerstandsquoten und Verfallstendenzen fehlen jedoch die räumlichen und sozialen Potenziale zur Bildung von Netzwerken, um diese Form des „unternehmerischen Wohnens“ zu unterstützen. Derartige Altbaukoalitionen von Verfügungsrechten sind insbesondere in kleinen und mittleren Städten wegen der hohen Standortrisiken nur schwer zu formen (Kap. 4). Da sich die Nutzer gleichzeitig auch als Schuldner langfristig an den Standort binden, bedarf es einer weit vorausschauenden Planung. Entsprechende Sicherheiten können mit den derzeitigen Planungsinstrumenten jedoch nicht geschaffen werden. Mangelnde Ertragsaussichten schrecken auch die bereits bzw. noch ansässigen Eigentümer und Vermieter von Kooperationen ab. Die Fallstudie bestätigt die Hypothese, dass die Chancen für freiwillige, selbstgesteuerte Kooperationen in perforierten Altbauquartieren sehr gering sind.
Städtebau und Wohnstandort
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Leitbild Historische Mittelstädte wie Zeitz verpflichten sich in ihren Stadtentwicklungskonzepten häufig auf das Leitbild der europäischen Stadt. Zentrale Merkmale hierfür sind eine historische, identitätstiftende Stadtkulisse, ein geschlossenes Raumbild und eine feinkörnige Nutzungsmischung. Die Überzeugungskraft dieses Leitbilds schwindet jedoch mit anhaltender Perforation, gefolgt von Funktions- und Urbanitätsverlust. Im Zuge des Wettbewerbs Stadtumbau Ost entwarfen viele Städte aber auch neue Entwicklungsprofile und Gebietskategorien (Reuther 2002). „Erkennbar wird, dass Stadtumbau in der Schrumpfung baulich nicht die Sanierung bestehender, sondern die Entwicklung neuer Stadtgestalten bedeutet“ (Göschel 2003: 614). Trotz des wachsenden Bewusstseins für den demographischen Wandel und sinkenden Steuereinnahmen fehlt es vielen schrumpfenden Städten noch an einer realistischen und zukunftsorientierten Definition der Altbauquartiere und ihrer Eigenschaften. Mit der Perforation nimmt auch die räumliche und soziale Polarisierung der Inhaber von Verfügungsrechten zu. Für die Stadtgesellschaft vor Ort stellt sich die Zukunft eher als ein „Survival“ denn als ein „Revival“ dar (Rada 2005). Der Rückbau vom Stadtrand her bleibt angesichts der Eigentumsstrukturen lediglich ein Wunschbild. Ausgangspunkt eines neuen Leitbildes müssen die neu entstandenen Strukturen sein, ein ideologischer Kampf um die historische Stadt erscheint aussichtslos. „Im verfallsbedrohten Bestand entstehen tragfähige Strukturen und neue Wohnformen allerdings nicht im Selbstlauf“ (Schiffers 2008: 395). Aber weder ein Abriss nach quantitativen und finanziellen Fördervorgaben noch eine alleinige Orientierung an historischen Denkmalen und Baufluchten schaffen ein neues Profil. Zudem müssen sich viele mittlere und kleine Städte im Zuge von Gebietsreformen von ihrer historischen Bedeutung als Geschäfts- und Verwaltungszentrum ihrer Region verabschieden. Trotzdem werden verstärkt innenstadtorientierte Leitbilder gefordert (BMVBS 2008b). Wenn die stark schrumpfenden Städte ihre Erwartungen an Urbanität und Zentralität neu und realistisch einschätzen würden, müssten sie ihre Altbauquartiere im Extremfall als grüne Kleinsiedlungen neu programmieren. Die Planer sollten jedoch einer realistischen Bestandsaufnahme und offenen Diskussion der Bürgerschaft vor Ort nicht allzu weit vorgreifen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass viele Städte zur Zeit keinen hinreichenden Einfluss auf die Gestaltung und Weiterentwicklung ihres historischen Stadtbildes ausüben, sie werden zu Zuschauern einer ungeordneten Schrumpfung und Perforation.
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12 Steuerung des Stadtumbaus
Wenn die individuellen Marktkräfte trotz Förderung keine effiziente Nutzung oder bauliche Veränderung des Altbauquartiers hervorbringen, dann müssen die Verfügungsrechte neu zugeschnitten werden. Da freiwillige Lösungen aus ökonomischer Sicht am effizientesten sind, ist zunächst das Potenzial für private Kooperationen, auch mit Hilfe von Intermediären, zu prüfen. Als letztes Mittel blieben direkte staatliche Eingriffe in die Verfügungsrechte, sei es durch Ablösung oder Tausch. Zu diesen Bereichen besteht noch weiterer Forschungsbedarf.
12.1 Ziele und Anforderungen Ein großes Problem des Stadtumbaus liegt in den verschiedenen Qualitäten und Marktebenen der Verfügungsrechte. Viele Marktlösungen gehen auf Kosten des Städtebaus, weil die Inhaber nur einzelne oder zuwenig ihrer Verfügungsrechte abtreten. So bestehen Mietverträge und Darlehen losgelöst von der baulichen Verantwortung. Viele Hauseigentümer, aber auch Gläubigerbanken übertragen nur einzelne Aufgaben der Bewirtschaftung an Agenten. Kooperationen kommen nicht zustande, weil die Teilnehmer entscheidende Befugnisse nicht aus der Hand geben wollen. Entsprechend lassen sich der Wohnungsmarkt nur schwer, und der Kapitalmarkt noch weniger, an die bauliche Entwicklung der Altbauquartiere koppeln. In vielen schrumpfenden Städten, wie auch im Fall Zeitz, herrscht Unsicherheit, an welchen Stellen und inwieweit Eingriffe in private Eigentumsstrukturen erforderlich oder möglich sind. Das analytische Konzept der Verfügungsrechte (Abb. 9) und die Ergebnisse der Fallstudie können zwar keine Planungsrezepte liefern, zeigen aber die Voraussetzungen für mögliche neue Lösungswege auf. Wenn der Marktpreis als Messlatte und Handlungssignal für Stadtumbaumaßnahmen ausfällt, erscheinen die widersprüchlichen Motive der Marktteilnehmer sowohl untereinander, als auch gegenüber dem Staat theoretisch auf zwei Wegen lösbar: Die Extremvarianten wären die Bündelung von Verfügungsrechten in einer einzigen Hand einerseits oder unzählige individuelle Vereinbarungen zwischen allen Rechteinhabern und Ebenen andererseits. In beiden Varianten fällt ein hoher Transaktionsaufwand an, sei es für den Wandel zu einer zentralen
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Steuerung des Stadtumbaus
Institution oder die intensive Kommunikation zwischen den Akteuren. An diesen Schnittstellen bieten wiederum Intermediäre und Agenten spezialisierte Dienstleistungen an. Sind die Verfügungsrechte bei niedrigen Erträgen zu stark spezifiziert und räumlich verstreut, legen die hohen Transaktionskosten nahe, die Komplexität zu reduzieren. Nach der Vereinigungsregel (Kap. 3.1) kann die Bündelung von Verfügungsrechten auf einer Ebene oder in einer Hand zu privaten Effizienzgewinnen führen, aber auch die Produktion öffentlicher Güter erleichtern (Mukhija 2005: 980). Ziel in Altbauquartieren schrumpfender Städte muss es daher sein, die einzelnen Verfügungsrechte zum Nutzen, Bauen und Geldverdienen besser aufeinander abzustimmen, sei es durch Bündelung oder Kooperation. Subventionen sollten dazu dienen, Risiken von Innovationen aufzufangen und nicht bereits laufende Prozesse zu verstärken. Die Fallstudie hat gezeigt, dass quantitative Instrumente, die lediglich die Position einzelner Verfügungsrechte stärken, nicht geeignet sind, um städtebauliche Ziele zu verwirklichen. Gefragt sind vielmehr qualitative Instrumente, die zu neuen Konstellationen von Verfügungsrechten führen (Geuting 2007: 25). Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich einige sachliche Idealforderungen an den Stadtumbau. Nachfrageorientierung: Es hat keinen Sinn, Baustrukturen zu fördern,
die nicht nachgefragt und zukunftsfähig sind. Wichtige Kriterien für künftige Wohnstandards sind die demographische Entwicklung und die (Miet-)Zahlungsfähigkeit. Lokaler Bezug: Die Verfügungsrechte sollten eher auf der räumlichen Ebene des Quartiers und des Blocks gestärkt werden statt nur einzelne Häuser zu fördern. Maß-stab ist das bauliche Veränderungspotenzial, da es den größten Aufwand erfordert. Marktebenen synchronisieren: Es gilt, die Bedürfnisse der Nutzer, die Bausubstanz und die Renditeerwartungen der Geldgeber stärker aufeinander abzustimmen. Das gemeinsame Produkt Wohn- und Stadtraum muss in seiner Körnigkeit mit allen drei Ebenen kompatibel sein. Prioritäten: Die Instrumente müssen in ihrer Intensität auf die verschiedenen Handlungsmuster eingehen. Höchste Priorität hat der Umgang mit dem Handlungsmuster Verfallen lassen, wenn es unmittelbar schädlich auf die Nachbarschaft wirkt. Verbleiben bedarf oft der Stabilisierung, Verwertungsprozesse sind genauer zu überwachen. Verlustausgleich: Freiwillige Kooperationen kommen ohne Gewinnaussichten nicht zustande. Wenn Stadtumbau als ein öffentliches Gut verstanden wird, dann müssen Staat und Kommune aktiv einen Ausgleich der Verluste unter den Inhabern der Verfügungsrechte mitorganisieren und fördern.
Ziele und Anforderungen
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Leistungsfähige, nachhaltige Eigentumsstrukturen: Mit der baulichen
Komponente allein ist der Stadtumbau nicht getan. Die Verfügungsrechte auf den drei Ebenen sind so zu verteilen, dass sie eine dauerhafte Nutzung und Bewirtschaftung ermöglichen. Auch wenn die politischen Prozesse und die Verwaltungsstrukturen nicht expliziter Gegenstand dieser Untersuchung waren, lassen sich aus Theorie und Fallstudie einige Anforderungen zur Implementation des Stadtumbaus formulieren: Flexibilität versus Planungssicherheit: Es gibt einen unauflösbaren
Widerspruch zwischen raschen Entscheidungen und vollständigen Informationen über Alternativen und ihre Folgen. Stadtumbau braucht aber sowohl handlungsfähige Strukturen als auch verbindliche Entscheidungen. Risiko: Entsprechend der Natur ihrer Verfügungsrechte und ihrer Marktmacht können und müssen die Tauschpartner Risiken eingehen. Dabei kann der Staat einzelne Teilnehmer bevorzugen bzw. schützen. Wenn Stadtumbaumaßnahmen jedoch öffentliche Güter darstellen, liegt die Verantwortung letztlich beim Wahlbürger und Steuerzahler. Transaktionskosten: Die Transparenz des Immobilienmarktes ist gering, es fallen Kosten für Agenten und Intermediäre an. Kooperationen erhöhen den Informations- und Verhandlungsaufwand zusätzlich, ebenso wie die staatliche Beteiligung. Diese Transaktionskosten sind in der Projektförderung oder in den Kommunalhaushalten zu berücksichtigen. Effizienzkontrolle: Der Erfolg des Stadtumbaus lässt sich nur bewerten, wenn er konkreten, messbaren Zielen folgt (Weith 2007). Wenn diese nicht für alle Verfügungsrechte gleichermaßen vorliegen, sind Mitnahmeeffekte vorprogrammiert. Diese Anforderungen können auch für andere Steuerungsinstrumente gelten, die einen hybriden Gegenstand als Ziel haben. Beim Stadtumbau ist die Kommune jedoch wegen der weit reichenden räumlichen Auswirkungen besonders intensiv an der Lösung beteiligt. Sowohl private als auch öffentliche Akteure benötigen Pläne als Handlungsgrundlage. „Then the question is no longer „to plan or not to plan“, but: What is the most effective form (or mix of forms) of governance?“ (Alexander 2001: 2). Altbauquartiere, wie viele andere räumlichen Planungsebenen, berühren vielfältige private und öffentliche Interessen, die vertikal und horizontal verflochten sind. Dabei können sich sowohl negative als auch positive Koordinationsformen entwickeln (Mayntz 2001: 41). „Während früher (Government) das politisch-administrative System als vergleichsweise autonome Instanz zur politischen Regelung des gesellschaftlichen Zusammenlebens gesehen wurde, wird heute (Governance) davon ausgegangen, dass „Regieren“ nur noch
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Steuerung des Stadtumbaus
durch eine Zusammenarbeit mit Unternehmen oder der Zivilgesellschaft möglich ist.“ (Altrock 2004: 156). Angesichts der unterschiedlichen Entwicklungspfade der Städte und der kleinräumigen Handlungsmuster kann es für die Stadt- und Regionalentwicklung kein allgemeingültiges Rezept geben. Der GovernanceBegriff sollte vielmehr analytisch verwendet werden, um neue Steuerungsformen zu identifizieren (Nuissl/Heinrichs 2006). Die hier entwickelte Perspektive der Verfügungsrechte trägt zum Diskurs der Urban Governance bei, indem sie die Grenzen und Schnittstellen einer marktgesteuerten Stadtentwicklung beschreibt.
12.2 Ansätze für neue Instrumente Verfügungsrechte sind die Voraussetzung für jegliche wirtschaftliche und bauliche Aktivität. In schrumpfenden Städten üben viele Eigentümer ihre Rechte nicht aus, da sie ihnen keinen persönlichen Nutzen oder finanziellen Ertrag bringen. Im Falle der Insolvenz sind Zukunftsentscheidungen bis zu einem Transfer nicht möglich. Die hohe Zahl der Zwangsversteigerungen und Verkaufsabsichten weist auf notwendige Veränderungen bei den Verfügungsrechten hin. In der Diskussion wird von „guten“ und „bösen“ Eigentümern sowie mangelnder Mitwirkungsbereitschaft gesprochen. Diese Sichtweise lenkt jedoch von den übrigen Verfügungsberechtigten wie Mietern und Banken ab. Bezogen auf das Sandwich-Modell der Marktebenen (Abb. 1) ist zu fragen, ob und wie der Druck gleichmäßiger verteilt werden kann. Auch die Stadt hat theoretisch einige Möglichkeiten wie das Vorkaufsrecht, praktisch fehlen ihr aber Konzepte und Ressourcen im Umgang mit Ruinen, von denen sie viele auch im eigenen Bestand hat. Mangels Zielvorstellungen und Ressourcen nehmen Stadt, Immobilienwirtschaft und Banken die vielfältigen Optionen nicht wahr, die in der Neuordnung oder Kooperation von Verfügungsrechten liegen. In den Veränderungsprozess können auch Intermediäre und Agenten eingebunden werden. Die folgenden fünf grundsätzlichen Lösungswege gelten für Fälle, in denen Markttransaktionen aus ökonomischen Gründen nicht stattfinden oder einzelne Verfügungsrechte innerhalb komplexer Handlungsmuster blockiert sind: Spezifizierung von Verfügungsrechten: Allein oder mit öffentlicher
Unterstützung schaffen die Eigentümer neue Verfügungsrechte durch Abspaltungen oder Veränderungen der Gutseigenschaften. Dabei können neue Nutzungen, Bauformen oder Kreditformate entstehen. Diese spezialisierten Teilmärkte können Ansprüche an Flächenressourcen besser befriedigen, erzeugen aber auch neue Transaktionskosten. Vertikale Bündelung: Diese ökonomische Idealform erlaubt die größte Freiheit im Handel durch die vollständige Übertragung aller Rechte an
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Ansätze für neue Instrumente
einem Haus. Im Extremfall bestünde die Stadt nur aus Eigenheimen. Genossenschaften ermöglichen auch kollektives Eigentum. In den Altbauquartieren ostdeutscher, industriell geprägter Städte ist der Mieteranteil jedoch traditionell hoch. Horizontale Kooperation: Wenn es nicht gelingt, die Verfügungsrechte durch Marktkäufe in einer Hand zu konzentrieren, können einzelne Aspekte außerhalb des Wettbewerbs vereinbart werden. Dies gilt insbesondere für Kooperation zwischen drei und mehr Partnern sowie mit der öffentlichen Hand. Intermediäre: Diese Personen oder Organisationen sammeln und verteilen Informationen. Damit schaffen sie neue Gelegenheiten für Marktbewegungen oder Kooperationen. Als unparteiische Treuhänder können sie Verfügungsrechte auch verwahren und Transaktionen absichern. Diese unabhängigen Vermittlungsleistungen haben allerdings auch ihren Preis. Staat/Kommune: Definiert man den Stadtumbau als öffentliches Gut, da er keine genaue Kosten- und Gewinnzuweisungen erlaubt, dann erscheinen hierarchische Eingriffe als folgerichtig. Wegen knapper Haushalte und aufwändiger politischer Prozesse kann ihr Einsatz jedoch nur sparsam erfolgen.
Verfügungsrecht auf
Nutzung (Wohnraum)
Instrumente zur Neugliederung Neue (Teil-) Märkte
neue/andere Selbst/temporäre nutzer Nutzung
Veränderung Neue Bau(Bau) formen Gewinn (Zinsen)
Vertikale horizontale InterBündelung Kooperation mediär Nutzerverein
Vermittler
Staatliche Lösung Öffentlicher Raum
Genossen Standortge- öffentlicher Flächen-schaft meinschaft Verwalter pool
Kleinkredite EigenRisikokapital kapital
Stadtumbau Treuhandkonto -fonds
Staatsfonds Kommune
Abb. 30: Instrumente zur Neugliederung von Verfügungsrechten
Staatliche Eingriffe, zumal in Ostdeutschland, unterliegen leicht dem Vorwurf, eine neue Planwirtschaft hervorzubringen. Im Sinne eines „Gott-Vater-Modells der Planung“ (Siebel 2006) eignen sich Hierarchien nicht als Motor von Innovationen in komplexen Bestandsstrukturen. Intermediäre zwischen den privaten
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Steuerung des Stadtumbaus
Akteuren und dem Staat sind daher wichtig, können aber nicht die kommunale Verantwortung für die Stadtentwicklung ersetzen. „Bei harten Konflikten um die Flächennutzung, aber auch angesichts der Unumgänglichkeit negativer Verteilungsentscheidungen unter Bedingungen des Schrumpfens wird eine Planung, die sich als bloße Moderation versteht, sehr schnell scheitern“ (Siebel 2006: 16). Somit wird der Stadtumbau für den lokalen Staat in seiner Doppelrolle als Interessenvermittler einerseits und Inhaber von Verfügungsrechten andererseits zu einer Gratwanderung. Unabhängig davon steht auch die Frage, ob die Kommunen im Staatsaufbau ausreichende Ressourcen besitzen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Die marktsteuernden Instrumente, die Inhabern einzelner Verfügungsrechte Schranken und Anreize setzen, sind hinlänglich bekannt (Kap. 3.4). Da sie nur individuelle Verfügungsrechte innerhalb ihrer jeweiligen Marktebenen fördern, bleibt ihre räumliche Lenkungswirkung im Sinne des Stadtumbaus beschränkt. Ausgehend von der langfristigen demographischen Entwicklung fordert auch die staatliche Förderbank nicht nur eine stärkere Integration der Fachprogramme im Städtebau, sondern auch die Förderung nichtinvestiver Maßnahmen u. a. zur Prozesssteuerung und Netzwerkbildung (KfW 2006: 8): „Derartige Maßnahmen sind für die Stadtentwicklung von zentraler Bedeutung und ihre finanzielle Unterstützung kann manchmal mehr bewirken als die Förderung von Sachinvestitionen.“ Interessanter sind daher Instrumente, die zu einer Kopplung oder Neugliederung von Verfügungsrechten führen (Abb. 30). Da sie nicht auf den normalen, preisorientierten Markthandlungen von Kaufen und Verkaufen beruhen, erzeugen sie erhöhte Transaktionskosten. Obwohl viele Ansätze bereits bekannt sind und öffentlich diskutiert werden, ist ihre Umsetzung im Stadtumbau noch wenig verbreitet. Auf der Nutzungsebene ist die größte Kreativität im Umgang mit Altbauten und Quartieren möglich. Im Stadtumbau gibt es bereits zahlreiche Beispiele für Zwischennutzungen und Nutzungsänderungen sowie entsprechende Vermittlungsinstanzen (BMVBS 2008b). Diese Aktivitäten sind jedoch ökonomisch oft sehr schwach und temporär. Das Potenzial an Personen, die die leeren Räume füllen können, ist in schrumpfenden Städten sehr gering, ebenso wie der Druck zur Kooperation. Daher sind extensivere Nutzungen als das Wohnen gefragt. Das Verfügungsrecht über die Wohnnutzung könnte auch anders, und zwar in Verbindung mit dem Planungs-, Steuer- und Sozialrecht konzipiert werden: „Dafür muss das Instrument Miete neu gedacht, es muss als Preis für die Inanspruchnahme gesellschaftlicher Fläche durchsichtig gemacht werden“ (Hoffmann-Axthelm: 153). Eine stärkere räumliche Steuerung wäre auch mit Belegungsrechten denkbar.
Ansätze für neue Instrumente
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Die bauliche Ebene leistet Veränderungen gegenüber den größten Widerstand. Davy (2007: 71) fordert, dass Grundstückseigentümer, die sich nicht an der Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen beteiligen, gegen eine Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes enteignet werden dürfen. Aber auch dann bleibt die Frage nach neuen, effizienteren Eigentumskonstellationen offen (Kantzow/Oswalt 2004; Davy 2006: 121). Standortrisiken lassen sich nur durch Kooperationen und mit öffentlicher Beteiligung verringern. Die Kapitalmarktprodukte ließen sich zwar flexibel an die Größe der Bauaufgabe oder die Nutzerwünsche anpassen, hierzu wäre jedoch ein höherer Verwaltungsaufwand und Abstriche bei der Rendite in Kauf zu nehmen. Ein neuartiger Weg, privates Kapital und öffentliche Mittel für Stadtumbauprojekte zu kombinieren, ist die Bildung von Stadtentwicklungsfonds (BBR 2007). Zur Zeit wird in Leipzig die Einrichtung eines solchen Fonds geprüft, mit dem zunächst einige größere Einzelobjekte saniert bzw. umgebaut werden sollen (Gerkens 23.05.2008). Angesichts der hohen Transaktionskosten bei der Neugliederung von Verfügungsrechten gewinnen Agenten und Intermediäre an Bedeutung. Hier sind grundsätzlich zwei Wege möglich: Zum einen könnte der Staat die Transaktionskosten fördern oder gänzlich übernehmen. Zwar gibt es bereits zahlreiche Informationsangebote, es fehlt aber noch an Ressourcen für die aktive Vermittlung. Zum anderen könnten Wettbewerbselemente in Form von staatlichen Kooperationsprämien in den Stadtumbau eingebracht werden. Dieser Ansatz würde weiter gehen als individuelle Umzugs- oder Abrissprämien. In diesem Sinne hat der Wettbewerb Stadtumbau Ost den Kommunen mit der Förderung von Stadtentwicklungskonzepten bereits einen ersten, aber noch sehr unverbindlichen Anschub gegeben. Nun gilt es, auch Innovationen im Quartier zu unterstützen. Diese Leistungen lassen sich allerdings nicht mehr in Euro pro Quadratmeter abrechnen und beinhalten immer das Risiko des Scheiterns. Entsprechend sind Stufen einzubauen und Intermediäre einzuschalten. Das Problem kooperationsunwilliger und -unfähiger Hauseigentümer bleibt jedoch bestehen. Das Handlungsmuster Verfallen lassen zeigt, dass in vielen Fällen weder Anreizsysteme noch Drohkulissen wirken dürften. Im Fall von störenden Ruinen und Brachen sind gesetzliche Treuhandlösungen zu schaffen. An dieser Stelle wird keine vergleichende Bewertung der Instrumente vorgenommen, da ihre Wirkung stark von der konkreten Zielstellung, den örtlichen Handlungsmustern und der Baustruktur abhängt. In der systematischen Zusammenschau jedoch zeigen die Kombinationsmöglichkeiten der Verfügungsrechte ein großes Handlungsspektrum jenseits von individuellen Subventionen auf. Dabei sind private, staatliche und Mischkonstruktionen gleichermaßen denkbar, wobei Transaktionskosten und Intermediäre in der Förderung verstärkt zu berücksichtigen sind. Diese Optionen gilt es zu erproben und mit Ressourcen zu
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Steuerung des Stadtumbaus
untersetzen. Die Hypothese, dass neue Lösungsansätze für den Stadtumbau in der Neugliederung von Verfügungsrechten liegen, kann nur in der Praxis überprüft werden.
12.3 Weiterer Forschungsbedarf Für die theoretischen Konzepte der Neuen Institutionenökonomik liegen in Deutschland bisher nur wenige und punktuelle Übertragungen auf Fragen der Stadtentwicklung vor (Mayer 1996, Bracke 2004, Jakubowski/Pauli 2005, Beermann 2006, Schmoll 2006, Davy 2006). Die vorliegende Untersuchung hat die große theoretische und praktische Bedeutung von Verfügungsrechten und Transaktionskosten für den Stadtumbau verdeutlicht. Hier gilt es, den internationalen Austausch zu vertiefen, um die Potenziale des Ansatzes besser auszuschöpfen. Neben dem institutionellen Rahmen der Märkte sind auch die Prinzipal-AgentenProbleme zwischen den Akteuren vertieft zu betrachten, da diese die vielfach geforderten Kooperationen (u. a. HID, BID) im Stadtumbau erschweren oder blockieren können. Diese Forschung sollte nicht gleich normativ auf eine Minimierung der Transaktionskosten und Maximierung der privaten oder öffentlichen Renditen zielen, sondern den Ansatz der Verfügungsrechte zunächst analytisch einsetzen. Aus juristischer Perspektive müssten dann neue institutionelle Rahmenbedingungen und Vertragsformen für den Stadtumbau entwickelt werden. Damit wird die Erforschung und Anwendung der drei Konzepte Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Institutionen auf die Stadtentwicklung zu einem interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Projekt. Die vorliegende Fallstudie beschränkte sich auf die Aussagen von Hauseigentümern und Immobilienexperten am Bau- und Bodenmarkt. Die Motive und Handlungsmuster der Mieter und Banken konnten nur indirekt ermittelt werden. Diese Handelsebenen mit Verfügungsrechten über die Nutzung und die Gewinnerzielung mit Wohnraum bleiben daher noch genauer zu erforschen. Wie stark sind die Mieter an ihr Quartier und ihr Haus gebunden? Repräsentieren die Altbauquartiere aus Bankensicht noch Sachwerte oder dienen sie nur als Vehikel für den Kapitalmarkt? Konkret lieferte diese Studie eine Momentaufnahme der Rahmenbedingungen und Akteurskonstellationen für zum Teil äußerst dynamisch ablaufende Prozesse. Um die Geschwindigkeit der Veränderungen in Abhängigkeit äußerer Ereignisse oder innerer Änderungen der Verfügungsrechte darzustellen, wäre eine Längsschnittstudie erforderlich. Diese kann qualitativ auf eine begrenzte Menge konkreter Hausbiographien innerhalb eines Blocks oder Handlungsmusters abstellen oder über ein kontinuierliches Monitoring ganze Quartiere abdecken.
Weiterer Forschungsbedarf
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Damit ein geographisches Informationssystem (GIS) zu einem vollwertigen Instrument der Stadtplanung und wissenschaftlichen Begleitung werden kann, müssten auch Aspekte der Verfügungsrechte erfasst werden. Für die Steuerung des Stadtumbaus wäre es interessant zu wissen, welche Häuser in Wohnungseigentum aufgeteilt sind, wo Insolvenzgefahr oder notleidende Darlehen bestehen, Zwangsversteigerungen anberaumt sind und bei welchen Häusern die Verwaltung delegiert ist. Sieht man für diese Überlegungen vom Datenschutz ab, ließen sich mit einer derart vergrößerten Transparenz neue Koordinations- und Ausgleichsmechanismen konzipieren, aber auch Teilmärkte reaktivieren. Ein verbessertes GIS wäre auch geeignet, die Handlungsmuster Verbleiben, Verwerten und Verfallen lassen zu quantifizieren. Im Sinne eines Perforationsindex ließe sich der Eingriffs- und Förderbedarf genauer bestimmen und mit den vorhandenen Ressourcen und Ansprüchen abgleichen. Nicht zuletzt bieten die Verfügungsrechte einen über die reine Baustruktur hinaus erweiterten handlungsorientierten Ansatz zur Typisierung von Teilmärkten und Quartieren (vgl. Kap. 3.1). Indikatoren können der Anteil und der Einfluss ansässiger Selbstnutzer einerseits oder ortsfremder und anonymer Eigentümer andererseits sein. Auch die Dominanz von Kapitalmarktinteressen in Form von Anlageobjekten und Fonds sowie die Eigentumsform bestimmen das Potenzial für den Stadtumbau. Eine große Bedeutung für die Ertragslage und Instandhaltung kommt der Mietzahlungsfähigkeit zu, die sich in der Zahl der Wohngeldempfänger spiegelt. Bei einer stärkeren Abstraktion können auch ganze Städte gemäß ihrer Bedarfe klassifiziert und Förderinstrumente entsprechend abgestimmt werden. Zur Unterscheidung des Problemdrucks kann die Dynamik der Leerstandsentwicklung ein erster Indikator sein (Banse/Effenberger 2002: 20; BMVBW 2003: 18).
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13 Schlussfolgerungen
Das Konzept der Verfügungsrechte aus der Neuen Institutionenökonomik ermöglicht ein erweitertes und verbessertes Verständnis der Akteurskonstellation auf dem Immobilienmarktes und eröffnet so neue Optionen für den Stadtumbau. Dies ist für schrumpfende Städte von großer Bedeutung, in denen quantitative Indikatoren wie Leerstand, Mieten und Bodenwerte das Markt- und Baugeschehen nur unzureichend abbilden und Subventionen daher an Zielgenauigkeit und Wirksamkeit verlieren. Flächenhafte Stadtumbaustrategien, die anfangs innerhalb der großen kommunalen und genossenschaftlichen Bestände noch umsetzbar waren, stoßen in den kleinteiligen Altbauquartieren an die Grenzen privaten Eigentums und individueller Handlungsmuster. Dies findet seinen Ausdruck in einem zufälligen Mosaik von sanierten, leer stehenden und verfallenen Häusern, das sowohl den Prinzipien des Wettbewerbs als auch einer nachhaltigen Stadtentwicklung widerspricht. Erklärungen hierfür liegen auch in der Verteilung der Verfügungsrechte und der Höhe der Transaktionskosten. Stadtumbau im Sinne einer statistischen Marktbereinigung durch Abriss kann daher der realen und dispersen Leerstandsentwicklung nur weiter hinterherlaufen und schafft nicht die notwendige räumliche Steuerung und Bündelung der Ressourcen. Stadtumbau als Aufwertungsmaßnahme verstanden wirkt mit seinen Fördermitteln bisher nur sehr selektiv auf leistungsfähige und handlungswillige Eigentümer. Damit wird die Wirksamkeit des Bund-Länder-Programms Stadtumbau Ost für Altbauquartiere schrumpfender Städte grundsätzlich in Frage gestellt. Alternativen ergeben sich aus einer differenzierten Betrachtung des Immobilienmarktes, seiner Akteure und der staatlichen Rahmensetzungen. Im Sinne der neuen Institutionenökonomik werden hier keine Häuser gehandelt, sondern Verfügungsrechte gewährt und übertragen: das Nutzungsrecht, das Baurecht und das Gewinnanrecht. Dieser Austausch findet auf drei verschiedenen, voneinander abhängigen Ebenen statt: auf dem regionalen Wohnungsmarkt mit Nutzflächen, auf dem lokalen Bau- und Bodenmarkt mit Grundstücken und Gebäuden sowie auf dem globalen Kapitalmarkt mit Bankdarlehen und Anlagekapital (Abb. 2). Diese drei Marktebenen mit ihren jeweils eigenen Konjunkturen und Spielregeln wirken wiederum im Quartier und in jedem einzelnen Haus zusammen. So ist der Eigentümer sowohl auf Mieteinnahmen als auch auf Kredite angewiesen, wenn er sein Haus im eigenen Interesse oder im Sinne der Stadtplanung erhalten oder
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Schlussfolgerungen
umbauen will. Schrumpft die Stadt oder das Quartier, können die Mieter umziehen, ebenso können sich die Banken und Anleger aus der Stadt zurückziehen. Der Eigentümer bleibt jedoch fest an sein Haus und seine Straße gebunden. So gerät der vergleichsweise träge Bau- und Bodenmarkt von zwei Seiten unter Druck, da er nicht flexibel auf eine reduzierte und veränderte Nachfrage reagieren kann. Der amtliche Bodenrichtwert und die Restnutzungsdauer der Bausubstanz geraten in schrumpfenden Städten zu theoretischen Größen. Was zählt sind die erzielbaren Mieterträge und Kapitalmarktzinsen. Instrumente, die lediglich auf die Bausubstanz und das Stadtbild zielen, greifen daher zu kurz. Das Verhalten von Mietern und Banken muss zwingend mitberücksichtigt werden. Die Anwendung des analytischen Konzeptes der Marktebenen (Abb. 9) auf die Fallstudie Zeitz zeigt die große praktische Bedeutung der Verfügungsrechte für den Stadtumbau. Defizite können nicht allein auf den schlechten Bauzustand, den Nachfragerückgang oder die mangelnde Mitwirkungsbereitschaft privater Hauseigentümer zurückgeführt werden. Der Eigentumsbegriff muss um weitere Verfügungsrechte und Entscheider aufgeweitet werden. Das Zusammenwirken oder auch die gegenseitige Blockaden der Verfügungsrechte prägen die Nutzung und den Bauzustand der einzelnen Häuser. Zudem beauftragen viele ortsfremde Hausbesitzer und anonyme Anleger lokal tätige Agenten. Diese Makler, Hausverwalter und Anlagevermittler nehmen zum Teil großen Einfluss auf Entscheidungen zu Wohnstandorten, Sanierung und Finanzierung. Die qualitativen Interviews führten zu einer Typologie von drei Handlungsmustern (Abb. 25). Verbleiben ergibt sich aus dem engen Ortsbezug der Bewohner und Eigentümer. Motive sind die eigene Nutzung oder Vermietung und die Altersvorsorge, Ziel ist der langfristige Erhalt des Hauses. Beim Verwerten stehen der laufende Ertrag und die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Das Haus ist hierbei lediglich Mittel zum Zweck. Die Erträge fließen meist aus der Stadt an ortsfremde Anleger und Fonds ab, die keinen persönlichen oder emotionalen Bezug zur Stadt haben. In einigen Fällen nehmen ihre lokalen Agenten im Eigeninteresse gezielt Einfluss auf die Umzugs-, Vermietungs- und Anlageentscheidungen. Verfallen lassen ist die Konsequenz aus inaktiven, unklaren oder blockierten Verfügungsrechten. Dieses Handlungsmuster wurde im Stadtumbau bisher zu wenig berücksichtigt. Mangelnde Ertragschancen, Desinteresse, Abwesenheit, zu hohe Transaktionskosten sowie Zwangsversteigerungen erschweren den planerischen Zugriff und die Entwicklung. Viele dieser Häuser werden nicht am Markt angeboten. Sie sind dem Wettbewerb und der Preisbildung entzogen, fallen aber auch als Adressaten von Fördermitteln aus. Die räumliche Addition dieser gegensätzlichen Handlungsmuster führt zur Perforation des Altbauquartiers. Entsprechend erfordern die Handlungsmuster Verbleiben, Verwerten und Verfallen lassen unterschiedliche Herangehensweisen im Stadtumbau.
Schlussfolgerungen
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Die Fallstudie zeigt auch, dass die in schrumpfenden Städten tatsächlich wirksamen Institutionen und Instrumente überwiegend (bundes-)staatlicher Art und daher raumblind sind. Stadtplaner vor Ort können ihren Einsatz und ihre Wirkung kaum steuern. Eine große Rolle spielen dabei die Sozialleistungen. Das Wohngeld bzw. der Wohnkostenzuschuss für Langzeitarbeitslose stellt für viele Vermieter eine Mietgarantie dar. Insbesondere bei Anlegermodellen und Zweitverwertungen kommt es zu Mitnahmeeffekten, ohne die Wohnqualität für die Bedarfsgruppen zu verbessern. Auch die Steuererleichterungen für Anleger stellen einen allgemeinen Rechtsanspruch dar, der sich nicht im Sinne des Stadtumbaus auf bestimmte Quartiere oder Bestände lenken lässt. Zudem haben viele Kommunen die Gebietskulisse für die Städtebauförderung angesichts des flächenhaften Leerstandes sehr groß angelegt. So können sie die knappen Mittel für Baumaßnahmen letztlich nur selektiv und abhängig von der Eigentumskonstellation einsetzen. Insgesamt verstärken und verstetigen die bestehenden Instrumente die individuellen Verfügungsrechte und Ansprüche auf den drei Marktebenen Wohnen, Bauen und Kapital, ohne sie räumlich und strategisch aufeinander abzustimmen. Um die Subventionen herum bilden sich wiederum Teilmärkte, die die Polarisierung zwischen den Handlungsmustern Verbleiben, Verwerten und Verfallen lassen verschärfen. Für verfallsbedrohte Häuser kommen marktsteuernde Instrumente oft zu spät, für Ruinen fehlen Auffangstrukturen. Freiwillige Kooperationen der privaten Marktakteure im Sinne von Standortgemeinschaften scheitern an mangelnden Ertragsaussichten und einem unverhältnismäßig hohen Verhandlungsaufwand. Da sich die Belastungen und Vorteile von Maßnahmen wegen des engen räumlichen und funktionalen Zusammenhangs nicht einzelnen Verfügungsrechten zurechnen lassen, wird Stadtumbau zu einem öffentlichen Gut, das einer aktiven kommunalen Gestaltung und Koordination bedarf. Das Förderprogramm Stadtumbau Ost soll nach einer ersten Phase der Konsolidierung kommunaler Wohnungsunternehmen nun stärker auf die Altbauquartiere orientiert werden. Allerdings können die begrenzten Fördermittel die fehlenden Nutzungs- und Ertragsperspektiven der privaten Eigentümer nicht kompensieren. Sie bieten daher nur kurzfristige und punktuelle Entlastungen. Vielmehr zementiert die aktuelle Individualförderung die bestehenden, ineffizienten Eigentumsstrukturen. Daher sind Instrumente gefragt, die eine dauerhafte Bündelung oder Neuaufteilung der Verfügungsrechte begünstigen, indem sie Mieter, Eigentümer und Geldgeber im Quartier und in den einzelnen Häusern zusammenbringen. Es gilt die Korngrößen von Nutzung, Bausubstanz und Finanzierungsangeboten besser aufeinander abzustimmen. Wenn Preissignale fehlen oder Kooperationen nicht freiwillig innerhalb des Immobilienmarktes gelingen, bedarf es einer gemeinsam getragenen Koordination. Eine derartige Vermitt-
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Schlussfolgerungen
lungsinstanz kann zur Bildung von leistungsfähigen Netzwerken und Verbünden beitragen. Vereinzelt gelingt dies bereits in Form von Selbstnutzerinitiativen oder Standortgemeinschaften. Fallen einzelne Inhaber von Verfügungsrechten wie im Fall leer stehender und ruinöser Häuser jedoch als Akteure des Stadtumbaus aus, müssen sie abgelöst oder durch einen handlungsfähigen Treuhänder vertreten werden. Wenn sowohl Märkte als auch privat organisierte Netzwerke trotz staatlicher Förderung und kommunaler Planung keine nachhaltige Quartiersentwicklung hervorbringen, fällt dem lokalen Staat die Verantwortung nicht nur als Steuermann zu, sondern zunehmend auch als Inhaber von Verfügungsrechten. So müsste er die Belegungs-, Bau- und Gewinnanrechte an betroffenen Häusern selbst übernehmen und direkt ausüben. Übersetzt für eine schrumpfende Stadt könnte dies auch eine aktive Lenkung von Nutzungen, die Verpflichtung zum Abriss bzw. Umbau oder die Übernahme fauler Darlehen beinhalten. In diesem Zusammenhang muss auch viel genauer nach Auftrag, Rolle und (finanzieller) Handlungsfähigkeit der kommunalen Gesellschaften gefragt werden. Weiterhin befinden sich auch öffentlich-private Pools und Fonds in der Diskussion. Hierfür fehlen bisher noch akzeptable Verfahren und der politische Mut. Mehr noch als auf der Förderung von (Rück-)Baumaßnahmen muss das Augenmerk im Stadtumbau künftig auf den Transaktionskosten zur Zielfindung und den entsprechenden Vertragsverhandlungen liegen. Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte analytische Konzept der Verfügungsrechte eignet sich gut als Prüfraster für die Wirkungsweise bestehender und neuer Stadtumbau-Instrumente (Abb. 9). Der systematische Blick auf den Immobilienmarkt betont die Aushandlung neuer institutioneller Regeln und verbindlicher Verträge gegenüber allgemeingültigen Aufrufen nach mehr Beteiligung und mehr Geld. Es gilt die Handlungsoptionen innerhalb der Marktebenen und Netzwerke transparenter darzustellen und entsprechende Transaktionen flüssiger zu gestalten. Die Handlungsmuster Verbleiben, Verwerten und Verfallen lassen zeigen hierzu Ansatzpunkte auf. Weiterer Forschungsbedarf besteht in den Motiven und der besseren Einbindung von Nutzern und Finanzierern in den Stadtumbauprozess. Dies gilt auch für die juristische Konstruktion von Kooperationsformen und Vermittlungsinstanzen. So können die Altbauquartiere zum Labor für eine interdisziplinäre Stadtforschung und zur Ressource einer nachhaltigen Stadtentwicklungspraxis werden. Nicht nur der Stadtumbau selbst, sondern auch der institutionelle Transformationsprozess hin zu neuen Formen der Steuerung ist mit Risiken und Transaktionskosten verbunden. Angesichts des großen Handlungsdrucks liegen in der Erweiterung der Akteurskulisse und der Neuordnung der Verfügungsrechte jedoch große Potenziale, die es für den Stadtumbau auszuschöpfen gilt.
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Anhang
Interview-Leitfaden für Hauseigentümer Zunächst habe ich einige Fragen zu Ihrem Haus: 1a. Wie sind Sie in den Besitz ihres Hauses gekommen? Ggf.: Warum haben Sie es gekauft? (Anlage, Altervorsorge, Liebhaber …) Ggf.: Wer war der Vorbesitzer? Ggf.: Haben Sie einen persönlichen Bezug zur Stadt Zeitz bzw. zur Region? Ggf.: Wo wohnen Sie selbst? 1b. Sind Sie auf regelmäßige Einnahmen aus der Vermietung angewiesen? 1c. Verwalten Sie Ihr Haus selbst oder haben Sie dafür eine Firma beauftragt? 1d. Haben Sie noch weiteren Immobilienbesitz? 2a. Wie ist Ihr Haus heute genutzt/belegt? Vermieter: Haben Sie Vermietungsschwierigkeiten? Wenn ja, warum? Kennen Sie die Struktur Ihrer Mieter? 2b. Wie alt ist das Haus? Ggf.: War das Haus früher anders genutzt? 3a. Was sind die Zukunftspläne für Ihr Haus? Ggf. Abriss, Verkauf, Sanierung 3b. Haben Sie schon Investitionen getätigt? Wann? In welchem Umfang? Beauftragung? Selbsthilfe? Wenn keine Investition, warum nicht? 3c. Sind weitere Investitionen geplant, und wenn ja, wann? 4a. Wie haben Sie die Maßnahmen finanziert? 4b. Haben Sie staatliche Hilfen in Anspruch genommen? Ggf.: Sonder-AfA, Investitionszulage, Städtebauförderung, KfW-Kredit? 4c. Was sind Ihre Erfahrungen mit Förderbank und Hypothekenbank? 5b. Verdienen Sie mit Ihrem Haus Geld oder müssen Sie zuschießen? (Alt. Reichen die Einnahmen, um die Kredite planmäßig tilgen?) Ggf.: Wie lange können oder wollen Sie die Verluste dulden? 5b. Verfügen Sie über Eigenkapital, um ggf. weitere Investitionen zu tätigen?
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Haben oder erwarten Sie weitere/besondere finanzielle Belastungen? Ggf. Gebühren, Straßenausbaubeitrag, Ausgleichsbeitrag Sanierungsgebiet?
Nun möchte ich auf die Stadt- und Quartiersentwicklung eingehen: 7a. Kennen Sie den Begriff Schrumpfung im Zusammenhang mit Stadtent wicklung? Wenn nein, dann Erläuterung: Die Einwohnerzahl von Zeitz ist seit der Wende von 40 Tsd. auf heute 28 Tsd. gesunken. Die städtische Prognose sagt für das Jahr 2015 eine Zahl von 22 Tsd. voraus. 7b. Inwieweit fühlen Sie sich als Vermieter bzw. Anleger von dieser Entwick lung betroffen? 8a. Ist Ihnen der Begriff „Stadtumbau“ geläufig? Wenn nein, dann Verweis auf das Förderprogramm Stadtumbau Ost und das Zeitzer Stadtentwicklungskonzept 2002. Es beinhaltet „den Rückbau von peripheren Wohnstandorten und die Aufwertung der Gründerzeitquartiere“. 2004 hat der Stadtrat auch die Aufnahme des Sanierungsgebietes Innenstadt in das Programm beschlossen. 8b. Was bedeutet der Stadtumbau in Zeitz für Sie und Ihre Immobilie? 9a. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Quartier in den nächsten 10 Jahren ein? 9b. Glauben Sie, dass in Ihrem Stadtviertel künftig (weitere) Abrisse stattfinden oder nötig sein werden? 9c. Ist Abriss auch ein Thema für Ihr Haus? Wie ginge das? Was käme danach? 9d. Würden Sie das Viertel einem guten Freund zum Wohnen (als Anlageob jekt) empfehlen? 10a. Inwieweit hatten Sie wegen Ihres Hauses schon mit der Stadtverwaltung zu tun? (Baugenehmigung/Bauordnungsamt, Stadtplanung, Denkmalpflege) 10b. Konnte Ihnen geholfen werden oder gab es Probleme? 10c. Haben Sie als Hauseigentümer besondere Erwartungen an die Stadt Zeitz? 11a. Kennen Sie die Nachbareigentümer? 11b. Gibt es Kontakte, gemeinsame Themen oder Konflikte? 12a. Können Sie sich vorstellen, mit anderen Eigentümern zusammenzuarbeiten? 12b. Auf welchen Feldern ließe sich ihrer Meinung nach gemeinsam etwas bewegen?
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217
12b. Unter welchen Voraussetzungen würden Sie sich daran beteiligen? 16a. Haben Sie Vorbilder für die Entwicklung ihres Hauses aus Zeitz oder anderen Städten? 16b. Kennen Sie Beispiele für einen aus ihrer Sicht gelungenen Stadtumbau? 17. Sind Sie Mitglied in einem Interessenverband von Hauseigentümern? 18. Gibt es noch etwas, was Sie zu Ihrer Situation als Hauseigentümer in Zeitz sagen möchten?
Interview-Leitfaden für Makler und Hausverwalter Allgemein: 1a. Seit wann sind Sie in Zeitz tätig? 1b. Welches sind ihre Arbeitsschwerpunkte? Fragen zu den betreuten Objekten: 2.
Welche Klienten mit welchen Beständen bzw. Ansprüchen vertreten Sie? Mieter/Private Hauseigentümer/Erbengemeinschaften/Anleger/Investoren? Ortsansässig/aus der Region/ortsfremd?
3.
Gibt es Unterschiede in den Preiserwartungen bei lokalen und ortsfremden Klienten?
4.
Wie ist das Verhältnis von Kauf-/Renditeobjekten zu Vermietungen?
5.
Wie schätzen Sie den Leerstand in den von Ihnen betreuten Objekten ein? Völlig leer, teilweise leer? Unterschiede Altstadt-Gründerzeit?
6.
Was sind die Gründe für den Leerstand? Überangebot/Ausstattungsmängel/Miethöhe
7.
Inwieweit kann es gelingen, leere Häuser wieder zu reaktivieren?
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Fragen zum Immobilienmarkt: 8a. Wie hat sich die Nachfrage verändert? Welche Wohnungen sind heute gefragt? 8b. Wie stark sind die Teilmärkte voneinander abgegrenzt? (EFH – Mietwohnungen, Platte – Altbau) 8c. Inwieweit werden neue Wohnkonzepte nachgefragt bzw. angeboten? (Wohnen 50+, Barrierefrei, Service, . . .) 9.
Wie schätzen Sie die Marktposition der kommunalen Wohnungswirtschaft und der Genossenschaften ein?
10. Sind die privaten Hauseigentümer noch zu Investitionen bereit? 11a. Welche Mietpreise erzielen Ihre Wohnungen? 11b. Wie schätzen Sie weitere Miet- und Wertentwicklung in Zeitz ein? 11c. Welche Rolle spielen Substanzwert und Ertragswert für ihre Kunden? Fragen zur Stadtentwicklung: 12. Wie sehen Sie das Interesse der Eigentümer am Stadtteil und Quartier? 13. Rechnen Sie mit weiteren Abbrüchen in der Altstadt oder in der Gründer zeit? 14. Wie argumentieren Sie für den Altbau bzw. die Innenstadt? 15. Wo in Zeitz würden Sie einem guten Freund raten, zur Miete zu wohnen? 16. Wo in Zeitz würden Sie einem guten Freund empfehlen, in Immobilien zu investieren? 17. Wie sehen Sie die Zukunft der Altbauquartiere in Zeitz? Abschließend: 18. Können Sie mir Kontakt zu den Eigentümern vermitteln?