ROMAN
Verfluchtes Schicksal von
V. R. Hart ©1983 Germany Verfluchtes Schicksal Das Taxi hielt vor dem Flugplatz. Ein ...
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ROMAN
Verfluchtes Schicksal von
V. R. Hart ©1983 Germany Verfluchtes Schicksal Das Taxi hielt vor dem Flugplatz. Ein Mann und eine Frau stiegen aus. Der Mann bezahlte den Taxifahrer und betrat anschließend mit der Frau das Terminal des Flughafens. Aus einem Schließfach holte er zwei große Koffer. Der Mann hieß Mike Skinner und war Psychologiestudent im letzten Semester. Er war 28 Jahre alt, hatte einen durchtrainierten, kräftigen Körperbau, dunkelblonde Haare und war 1,85 m groß. Er trug einen sportlichen blauen Sommeranzug. Bei der Frau handelte es sich um die 25 Jährige Ellen Caxton. Sie war Mikes Freundin. Sie hatte schulterlange schwarze Haare, ein engelhaftes Gesicht und eine faszinierende Figur. Sie hätte mit guten Chancen an einer Schönheitskonkurrenz teilnehmen können. Seit einigen Jahren war sie in einer Boutique beschäftigt. Sie trug ein farbenfrohes, enganliegendes Kleid. Es war sozusagen ein Hobby von ihr, immer auf dem neusten Stand der Mode zu sein. Das Kleid brachte ihre Figur voll zur Geltung. Beide kannten sich schon seit der Schulzeit und wollten nach Mikes Studium heiraten. Er hatte gerade Semesterferien und da wollten sie mal richtig ausspannen und verreisen. Das Geld reichte noch nicht für solche Ausflüge. Somit hatte er es sich von seinem Vater geborgt. Sein Vater war steinreich. Ihm gehörten einige Konservenfabriken in England. George Skinner hatte es zu etwas gebracht. Er hatte in der Gosse angefangen und sich in langen Jahren harter Arbeit zu einem Wohlstand emporgearbeitet, der sich sehen lassen konnte. Ihr Reiseziel war ein kleines Städtchen auf einer Insel vor der Westküste von Frankreich. Das Städtchen hieß Groix. Sie hatten es deshalb ausgewählt, weil es etwas abgeschieden war vom Rummel der Großstädte und dem Stress, der sie
eines Tages alle noch kaputt machen würde. Von London aus wollten sie mit dem Flugzeug nach Paris und von da mit einem Bus einer Reisegesellschaft weiter nach Lorient. Eine Fähre würde sie dann sicher zur Insel übersetzen. Der Flug London - Paris wurde aufgerufen. Da sie zu früh am Flughafen angekommen waren, saßen sie noch etwas im Wartesaal. Etwas später gingen sie zur Passkontrolle und dann zur Gepäckinspektion. Von einer Rolltreppe wurden sie bis zum Gebäudeausgang getragen. Unten wartete schon der Passagierbus.
-1Das Fahrzeug brachte sie bis zum Flugzeug. Über die Gangway gelangten sie ins Innere der Maschine. Die Passagiere nahmen ihre Plätze ein. In der Zwischenzeit wurde das Gepäck in dem Laderaum des Flugzeugs verstaut. Zehn Minuten später wurde die Maschine zum Start freigegeben. Die Stewardess bat die Passagiere sich anzuschnallen und das Rauchen einzustellen. Dann begann die Reise. Niemand ahnte etwas Böses, als das Flugzeug auf die Startbahn rollte. Der Start verlief einwandfrei. In dreitausend Meter Höhe schnallten sich die Fluggäste wieder ab. Sie waren alle heiter und froher Dinge. Die Stewardess fragte jeden einzelnen, ob er etwas benötige. "Ich freue mich schon so auf unseren Urlaub in Groix, Mike", sagte Ellen lachend. "Ich auch Liebling. Es wird bestimmt wunderschön", erwiderte Mike strahlend« Sie redeten noch eine Weile über alltägliche Dinge, dann nahm er sie in den Arm und sie betrachteten vergnügt die Wolkenberge aus dem Fenster. Nach einiger Zeit hatte sich die Stimmung an Bord gelegt und ein Großteil der Passagiere wollte ein wenig schlafen, um in Paris munter und ausgeruht zu sein. Mike und Ellen waren aber zu aufgeregt, um jetzt schlafen zu können. Es war ein herrlicher Anblick, den sie aus dem Fenster der Maschine genossen. Grellweiße Wolken türmten sich im blauen Himmel auf und wechselten langsam aber stetig ihre Formen. Plötzlich, von einem Moment zum anderen, waren da keine Wolken mehr. Ein roter Himmel spannte sich drohend über die Maschine. Damit begann die
Katastrophe. Ein Ruck ging durch das Flugzeug, als eine Düse ihren Geist aufgab. Die Fluggäste wurden brutal aus ihrem Schlaf gerissen. Sie blickten zuerst irritiert umher, doch dann explodierten sie förmlich. Alle stürzten und schrieen wild durcheinander, denn sie merkten, dass die Maschine langsam sank. Ein weiterer Ruck ging durch das Flugzeug. Auch die restlichen Düsen fielen aus. Eine Stimme erschallte aus dem Lautsprecher. "Bitte bewahren sie Ruhe. Wir haben alles im Griff." Eine Stewardess versuchte die Passagiere zu beruhigen, doch es half nichts. Das Chaos war perfekt. Die Maschine raste auf die Erde zu. In diesem Moment sollten sie
-2aber über dem Kanal sein und somit ins Wasser fallen. Dann hatten sie vielleicht noch eine Chance. Doch es war keine Ordnung mehr unter den Reisenden zu schaffen. In ihrer Panik vergaßen sie die Schwimmwesten umzuschnallen. Manche liefen zu den geschlossenen Türen und zerrten an den Öffnungshebeln, um herauszuspringen. In ihrer Angst merkten sie gar nicht, dass sie in den Tod springen wollten. Die Maschine wurde immer schneller. Doch nicht das graue Wasser des Kanals kam näher, sondern feurig roter Wüstensand. 'Jetzt ist es aus', durchzuckte Mike ein letzter Gedanke. In dieser Sekunde traf das Flugzeug auf den Boden auf. Eine ohrenbetäubende Detonation erfolgte. Die Maschine platzte auf wie eine überreife Frucht. Wrackteile flogen viele hundert Meter durch die Luft. Die, die nicht aus dem Flugzeug geschleudert wurden, verbrannten. Fürchterliche Schreie hallten durch die fremde Landschaft. Jede Hilfe wäre für die Menschen zu spät gekommen. Die einen wurden von messerscharfen Trümmern zerstückelt, die anderen zerquetscht. Nur wenige wurden nicht davon betroffen. Sie flogen in den roten Sand. Aber das half ihnen auch nichts. Ihre Genicke brachen wie Streichhölzer. + Die Katastrophe war vorbei und das Wrack ausgebrannt. Es gab kein Leben
mehr in unmittelbarer Nähe. Oder doch? Da bewegte sich etwas. Eine Hand. Ein Mensch hatte das Unglück überlebt. Dann war die Bewegung auch schon wieder vorbei. + Es war eine mondlose Nacht. Eastbourne war ein kleiner Ort an der Südküste Englands. Ein Teil der Einwohner lebte von der Fischerei. Es war ein netter, friedlicher Ort. In dieser Nacht sollte sich das grundlegend ändern. Es fing ganz harmlos an. Cathy war allein. Sie war ein modernes Mädchen, dass mit beiden Beinen fest im Leben stand. Sie war ein Durchschnittstyp. Sie hatte kurzgeschnittene Haare,
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und eine schlanke Figur. Fast zu schlank. Sie war zweiundzwanzig Jahre jung und ledig.
An diesem Abend war ihr Vater, von Beruf Fischer, in das Wirtshaus am Rande des tausend Einwohner zählenden Eastbourne gegangen. James Corton, Cathys Vater, ging öfter in den ‚Roten Kahn’, um sich nach dem langen, arbeitsreichen Tag mit Freunden zu treffen und die Sorge zu vergessen. Es war eine Angewohnheit von Cathy, ihren Vater aus der Wirtschaft abzuholen. Meist geschah das kurz vor Mitternacht. Auch an diesem Abend wollte sie ihn abholen. Sie zog sich eine dicke Strickjacke über und verließ das kleine Haus, das etwa einen Kilometer vom Ort entfernt war. Es stand am Rande eines Waldes, der sich weit ins Landesinnere erstreckte. Das Haus stand auf einem kleinen Hügel. Man konnte von dort das Meer überblicken. Bei Tag hatte man eine herrliche Aussicht. So schritt das Mädchen auf einem unbefestigten Weg am Waldrand entlang zum Dorf. Es schien eine Nacht zu sein, wie jede andere. Cathy ging furchtlos am finsteren Wald entlang, wie schon so oft zuvor in ihrem Leben. Sie hatte die Hälfte des Weges geschafft, als plötzlich das laute Knacken eines morschen Astes zu ihr hinüberschallte. Sie blieb erschrocken stehen, wandte den Kopf und blickte in die Düsternis. Als sie nichts entdecken konnte ging sie mit einem Achselzucken weiter. Fünf Minuten später krachte es laut und das Echo hallte durch den finsteren Wald. Cathy fuhr zusammen. Jetzt wurde es ihr doch unheimlich. Ihre Gedanken rasten. Lauerte ihr jemand auf, oder streifte nur ein großes Tier durch den Wald? Sie wollte die Antwort gar nicht wissen. Sie warf sich herum und fing an, den Wald entlang zu rennen. Weit kam sie aber nicht. Plötzlich tauchten zwei Gestalten auf und versperrten ihr den Weg. ‚Also, doch!’, dachte sie. Aber was wollten die Gestalten von ihr? Sie besaß doch nichts wertvolles. Sie hielt an und wollte den Weg zurückrennen. Doch sie prallte wie vor einer unsichtbaren Mauer zurück. Von hinten kam noch eine der riesigen, plumpen
-4Gestalten heran. Jetzt traten noch mehr aus dem Wald hervor. Es waren insgesamt sieben. Im Nu war sie eingekreist. Beim Näherkommen der Gestalten konnte sie deutlicher erkennen, wer das kam. Sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Sie kannte nur einen Ausdruck für
solche Wesen, wie sie ihr gegenüberstanden. Monster! + Waren es Stunden, oder waren es Tage? Ein Mensch erlangte das Bewusstsein wieder. Es war Mike Skinner. Er hatte das Unglück wie durch ein Wunder überlebt. Er richtete sich unter Schmerzen auf und blickte sich um. Er sah das ausgebrannte Wrack. ‚Ellen’! Wie ein Stromstoß erreichte ihn dieser Gedanke. Die Angst um seine Freundin verstärkte seine Kraft. So konnte er sich erheben und so schnell, wie ihn seine Füße in dieser Lage trugen, umhergehen und Ellen suchen. Mike näherte sich dem Flugzeug mit langsamen Schritten und blieb wie angewurzelt stehen. Der Anblick der Leiche setzte ihm zu und erweckte Brechreiz in ihm. Er machte einen Fund, der ihm fast das Herz zum Stillstand brachte. Erst schien er sich getäuscht zu haben, aber nach näherem betrachten einer Leiche wurde es zur Gewissheit. Einer der zerstückelten Menschen war Ellen Caxton. Mike konnte es nicht fassen. Sein Lebenswille war für kurze Zeit gebrochen. Er wusste nicht, was er ohne Ellen machen sollte, allein. Jetzt erst merkte er, dass niemand sonst das Unglück überlebt hatte. Es war ein grausames Schicksal, allein an diesem Ort sein zu müssen. In dieser Welt. + Grauenvolle Geschöpfe standen ihr gegenüber. Sie riss den Mund zum Schrei auf, aber kein Laut kam hervor. Die Gestalten sahen fürchterlich aus. Manche waren zwei Meter groß, hatten einen Echsenschädel und einen grau behaarten, menschenähnlichen Krötenkörper mit langen Sprungbeinen. Andere hatten Spinnenschädel mit langen Fangzähnen. Sie gingen aufrecht auf vier behaarten Beinen, die in Hufen endeten. Zwei Beine wuchsen den Kreaturen aus der Hüfte heraus und erreichten den Boden in einem leicht geschwungenen Bogen. Sie besaßen außerdem
-5zwei lange, affenähnliche Arme in denen sie Schwerter und Streitäxte hielten. Alle Kreaturen waren mit solchen Waffen aus dem Wald
getreten. So auch ein Schleimmonster. Der Körper war mit einer Schicht grünen Schleims überzogen. Es hatte einen großen, gebogenen Schnabel, der aus dem riesigen Schädel mit spitzen Wolfsohren wuchs. Es blickte Cathy aus ausgebrannten Augenhöhlen an. Es knurrte fürchterlich und wankte langsam mit ausgestreckten, krallenbewehrten Klauen auf sie zu. Cathy glaubte den Verstand zu verlieren. Sie löste sich endlich aus der Erstarrung und warf sich herum. Da gab es noch eine Lücke zwischen Schleimmonster und Echse. Sie jagte darauf zu. Aber da ragte eine knorrige Wurzel aus dem Boden. Sie stieß mit dem rechten Fuß dagegen und schlug der Länge nach hin. Grauenerfüllt drehte sie sich auf den Rücken und blickte auf die Wesen, die langsam auf sie zukamen. Sie hatte gerade zwei Meter aus dem Kreis der Monster zurückgelegt, als die Wurzel sie zu Fall gebracht hatte. Eine Krallenhand packte sie am Handgelenk und zerrte sie in die Höhe. Plötzlich hörte sie einen markerschütternden Schrei durch die Nacht hallen. Sie merkte nicht, dass sie es selber war, die diesen Schrei hervorgebracht hatte. Sie wand sich im Griff eines Spinnenungetüms. Sie schlug wild um sich, aber es half nichts. Die Monster schienen zufrieden zu knurren, als sie näher an sie herantraten und sie begutachteten. Sie blickte in die scheußlichen Fratzen und schrie nur noch lauter. Warum hörte sie denn niemand? In Panik biss und kratzte sie um sich, aber ohne Erfolg. Das Spinnenmonster hielt sie nun mit ausgestreckten Armen von sich weg. Ein bestialisches Knurren war zu hören. Eine Echse hob das große Breitschwert und schlug zu. Cathy blickte mit weit aufgerissenen Augen auf die blitzende Klinge, den Mund noch zum Schrei geöffnet. Der Tod traf sie erbarmungslos und schnell. Cathy spürte keinen Schmerz mehr, als ihr Kopf den kleinen Waldhang hinunterrollte und in einem Gebüsch hängen blieb. + Nachdem er aufgewacht war blickte er automatisch auf seine Armbanduhr. Sie hatte
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äußerlich keinen Schaden erlitten, was recht seltsam erschien. Trotzdem funktionierte sie nicht. Er sich etwas von dem Schmerz erholt und sich ein wenig mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass Ellen nicht mehr am Leben war. Er schaute sich seine neue Umgebung an. Es war kein einladender Anblick. Ein feurig roter Himmel spannte sich über ihn. Ebenso feurig rot war die Sandwüste, in der er sich befand. Nur vereinzelt standen knochige Büsche verloren in der Weite der Landschaft. Die Sonne war das Sonderbarste, was er je erlebt hatte. Man konnte nicht von einer Sonne sprechen, sondern von zweien. Es war eine Doppelsonne. Sie hing schon tief am Horizont und strahlte ein helles, gelbes Licht auf diese unbekannte Welt. Es würde bald dunkel werden. Aber bevor er sich erneut schlafen legte, wollte er noch seine geliebte Ellen bestatten. Mike hatte nicht die Kraft die anderen auch zu beerdigen. Dazu war er nicht in der Lage. Hunger machte sich brutal bemerkbar. Er versuchte das Hungergefühl zu unterdrücken. Das musste noch warten. Schweren Herzens ging er langsam zu der Toten. Er begann mit bloßen Händen ein Loch zu graben. Nach zwei Stunden harter Arbeit hörte Mike schweißgebadet auf. Er bettete Ellen liebevoll in das Loch und schaute sich zum letzte mal ihr Gesicht an. Es war furchtbar entstellt. Ein Schwall von Gefühlen jagte durch seinen Körper. Dann machte Mike sich an das Zuschütten. Er arbeitete wie ein Besessener, um seiner Freundin einen letzten Dienst zu erweisen. Als er die Arbeit beendet hatte murmelte er noch ein Gebet. Er setzte sich in Bewegung, um sich an einer windgeschützten Stelle schlafen zu legen. Morgen wollte Mike dann weitersehen, wie er dem Dilemma entfliehen konnte. Er musste das Hungerproblem lösen. Aber er sollte in dieser Nacht kein Auge zumachen. Die Gefahr lauerte bereits. Es schoben sich aus einer Düne zwei, drei, vier Augenpaare, die die Unglücksstelle gierig beobachteten. + Mike hatte gerade die Augen geschlossen, als er sie erschrocken wieder aufriss.
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Er richtete sich auf. Er glaubte seinen Augen nicht trauen zu können. Eine Horde
wilder Bestien machte sich über das Flugzeug und die Leichen her. Es waren etwa zweihundert wolfsartige Wesen. Aber statt eines Wolfskopfes hatten sie nur ein rundes verfaultes Etwas mit riesigem Maul mit fingerlangen, messerscharfen Reißzähnen. Diese Geschöpfe kamen direkt aus dem roten Sand. Sie buddelten sich mit ihren Pfoten hervor und stürmten auf das Wrack zu. Die Bestien fraßen alles, was nicht in diese finstere Welt gehörte. Die Zähne der Kreaturen zerbissen das Metall des Flugzeuges wie Pappe. Sie verschlangen Leichen und Wrackteile. Sie gebärdeten sich wie wild und Mikes Augen weiteten sich bei ihrem Anblick. Innerhalb von zehn Minuten war nichts mehr von der Maschine und den Toten zu sehen. Als wenn niemals ein Unglück geschehen wäre. + Mike stand wie angewurzelt da. Es dauerte lange, bis er den ersten Schock überwunden hatte und wieder klar denken konnte. Er merkte, dass diese Bestien sein Leben bedrohten. Sie hatten ihn aber noch nicht entdeckt. Er lag seitlich an einer Düne und hatte so alles beobachtet. Jetzt verschwand er schnell hinter ihr. Die wolfsartigen Wesen waren mit ihrem ‚Mahl’ fertig und blickten sich nun anscheinend nach ihm um. In ihren Augen loderten wilde Feuer, die jetzt in seine Richtung sahen. Mike wäre am liebsten im Erdboden versunken. Nun hetzten sie los. Sie kamen immer näher. Mike duckte sich angsterfüllt und schlug die Arme über dem Kopf zusammen, um sich zu schützen. Er wusste, dass ihm das auch nichts helfen würde. Die Bestien würden ihn zerreißen. Die Horde raste heran. Sie erreichten schnell die Düne, hinter der Mike zusammengekauert hockte. Die ersten Geschöpfe erklommen die Sanddüne. Doch dann geschah etwas, woran er nicht geglaubt hatte. Die Bestien, welche die Düne erklommen hatten, buddelten sich einfach in den lockeren Sand. Die Nachfolgenden taten genau dasselbe. Als nach zwei Minuten nichts passierte, blickte Mike verwundert auf. Er stand langsam auf und wankte vorsichtig zum Rand der Düne. Es war keine dieser Kreaturen mehr zu sehen. Verwirrt blickte er sich um.
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Ein Schrei der Freude zerteilte die Stille der einsamen Weite der Wüste. Diese Bewohner der Gegend schienen nur tote Gegenstände zu fressen. Sie schienen eine Art Gesundheitspolizei zu sein, so wie auf der Erde die Geier tote organische Substanzen beseitigten. Sonst lebten sie offenbar nur unter dem Sand. Aber wenn sie Beute an der Oberfläche registrierten, waren sie nicht mehr zu halten. Mike konnte nach diesem Ereignis kein Auge zutun. Es war sein erstes Zusammentreffen mit den Bewohnern einer anderen Welt. Hinter Mikes Stirn hämmerten seine Gedanken fieberhaft.
+ Der ‚Rote Kahn’ war um diese Zeit nicht mehr gut besucht. Die meisten Gäste waren Fischer. Sie mussten früh aufstehen und gingen deshalb gegen zweiundzwanzig Uhr nach Hause. So waren sie für die Arbeit am nächsten Tag ausgeruht, wenn sie wieder mit ihren Booten hinaus fuhren und auf einen guten Fang hofften. Die meisten waren arm, kamen gerade so durch. Sie mussten nicht hungern, konnten aber auch keine großen Anschaffungen am Haus oder am Boot machen. Nach getaner Arbeit gingen die Fischer in die Wirtshäuser, um mit Freunden die freien Stunden zu genießen, bevor sie wieder an die Arbeit denken mussten. Das Leben in Eastbourne war eintönig, aber die Einwohner machten sich darüber keine Gedanken. Sie hatten ihre Sorgen und Probleme, wie andere Menschen auch. Die Beute der Fischer war manchmal nur bescheiden. Das brachte nicht viel Geld ein und die Familien mussten sparsamer mit den Nahrungsmitteln umgehen. Der Fang der letzten drei Tage war nicht erträglich gewesen. Die Fischer besprachen wieder einmal, wie schon so oft in ihrem Leben, ihre Geldknappheit. Es gab vier Wirtshäuser im Ort. Jeder Fischer hatte seine Stammwirtschaft. So auch James Corton. Er war, wie fast jeden Abend, im 'Roten Kahn'. Er saß mit seinen Freunden an ihrem Stammtisch. Die Wirtschaft war rustikal eingerichtet. Der Raum war etwa hundert Quadratmeter groß. In ihm standen fünfzehn braungebeizte Tische und die dazugehörigen Stühle. An der Wand, gegenüber der Eingangstür, befand sich die Theke. Sie bestand aus massiver Eiche und würde den Gästen bestimmt noch lange Zeit als Armstütze dienen.
-9Ein paar Landschaftsbilder zierten die beigeverputzten Wände des Schankraumes. Es waren nur noch drei Fischer in der Wirtschaft, John McClish, Poul Henly und James Corton. Sie sprachen über alltägliche Dinge, die jedes Mal bei ihrem Zusammentreffen diskutiert wurden. Der dicke Wirt, Tom Barney, trat an ihren Tisch. Er trug eine weiße Schürze um den Bauch und ein weißes Tuch über der massigen Schulter. "Ich muss euch jetzt bitten nach Haus zu gehen. Ich muss jetzt schließen", sagte der Wirt mit freundlicher Miene.
"Ist es denn schon so spät?", fragte Poul Henly. "Natürlich. Wenn man sich aber so angeregt unterhält wie ihr drei, kann die Zeit schneller vergehen als man denkt", antwortete Tom. James Corton erstarrte förmlich. "Wie spät ist es genau, Tom?" "Gerade Mitternacht durch", antwortete der Wirt. Cortons Gesichtszüge verfinsterten sich. Er blickte starr zur Wand und überlegte fieberhaft. "Was ist denn in dich gefahren? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?", fragte ihn John McClish verwundert. "Nein, das nicht. Ich wundere mich nur, wo Cathy so lange bleibt. Sie müsste doch schon längst hier sein", erwiderte Corton. "Du hast recht. Cathy hätte längst hier sein müssen. Hoffentlich ist ihr unterwegs nichts passiert ", meinte Poul Henly sorgenvoll. Er kannte Cathy seit ihrer Geburt und mochte sie sehr. Seit Cathys Mutter vor sieben Jahren plötzlich gestorben war, hielt sie sich an ihren Vater und dessen Freunde. "Vielleicht ist sie auch zu Haus eingeschlafen und zur gewohnten Zeit, zu der sie dich sonst abholt, nicht aufgewacht", versuchte John McClish eine Erklärung zu finden. "Sicher hat sie verschlafen. Mach dir keine Sorgen, James", versuchte der Wir t ihn zu beruhigen. "Natürlich, so wird es sein", meinte James Corton mit unsicherer Stimme und erhob sich. Jeder hatte gerade mal drei Bier getrunken. Für mehr hätte das Geld nicht gereicht.
-10Aber der genossene Alkohol machte sich schon ein wenig bemerkbar. Corton schritt zur stabilen hölzernen Eingangstür und wollte gerade hinausgehen. "Warte James, wir kommen ein Stückchen mit ", forderte ihn Poul Henly auf. James Corton wandte den Kopf und blickte sorgenvoll auf seine beiden Freunde, die ihn begleiten wollten. Gemeinsam verließen sie das Wirtshaus und gingen gemächlichen Schrittes zu dem Weg, der zu Cortons Haus führte. Sie passierten ein paar alte Häuser, die schon vom Zahn der Zeit angenagt waren. Dann hatten sie den Ortsausgang erreicht. Nur der dunkle Wald türmte sich jetzt
noch rechts neben ihnen auf. Die drei Männer, alle schlank und mit wettergegerbten Gesichtern, mit dicken Mänteln und Fischermützen bekleidet, kannten sich schon seit der Schulzeit. Sie waren alle ein Jahrgang. Mit achtundvierzig Jahren waren sie schon abgearbeitet und die Arbeit wurde schwerer von Jahr zu Jahr. Sie gingen langsam den Weg entlang und sprachen kein Wort miteinander. Die Angst James Cortons um seine Tochter ließ John McClish und Poul Henly verstummen. Nach der Hälfte des Weges blieb James Corton plötzlich stehen. Sein Blick richtete sich in die Düsternis des Waldes. John und Poul blieben verwundert stehen. "Was ist, was hast du? Warum bleibst du stehen. Wir sind doch erst die Hälfte der Strecke gegangen und haben noch ein gutes Stück vor uns", meinte John auf seine Uhr blickend. James Corton antwortete nicht und ging langsam zu den Bäumen hinüber. John und Poul schauten ihm verständnislos nach. Sie folgten ihm dann schnell. Corton verschwand hinter den ersten Stämmen und blieb dann wie angewurzelt stehen. Vor ihm stand ein kleiner Busch, in dem ein Stück Stoff hing. Er war kaum vom Weg her zu erkennen, doch Corton hatte ihn bemerkt. Jetzt standen auch McClish und Henly neben ihm. "Was ist das James?", wollte Poul wissen. "Das ist ein Fetzen von Cathys Strickjacke", antwortete Corton mit brüchiger Stimme.
-11"Da muss etwas passiert sein", stellte McClish trocken fest. Sie fingen zu suchen an. Nach was, wussten sie noch nicht. Sie durchstöberten das Unterholz und untersuchten jeden Baumstamm. Plötzlich stieß McClish einen entsetzlichen Schrei aus. Corton und Henly rannten zu ihm. Sie blickten ihn fragend an und sahen, dass John am ganzen Körper wie Espenlaub zitterte. John deutete mit dem Zeigefinger in ein zusammengedrücktes Gebüsch. Dann sahen James Corton und Poul Henly ebenfalls den Fund. Im Gebüsch lag ein blutüberströmter Körper, der am Bauch und am Brustkorb aufgerissen war. Die Organe quollen zerfetzt hervor. Es war nicht mehr zu erkennen, wer die Leiche war, denn sie hatte keinen Kopf mehr. Die drei Männer
wandten sich ab und übergaben sich. + Es graute der Morgen. Mike war doch noch eingeschlafen. Er hatte es nicht verhindern können. Die Müdigkeit hatte ihn übermannt. Als er die Augen aufschlug, wusste er nicht gleich, wo er sich befand. Mike zuckte zusammen, als er den roten Himmel über sich erblickte. Dann kehrte die Erinnerung zurück. Nichts war mehr von der Katastrophe zu sehen. Alles war verschwunden. Die Bestien hatten ganze Arbeit geleistet. Mike erhob sich ächzend und kam schwankend auf die Beine. Er betrachtete die rote Landschaft und wusste nicht, wie er es anfangen sollte, seine Lage zu verbessern. Er hatte gemerkt, dass er nicht mehr auf der Erde sein konnte, denn dort gab es nicht solche Geschöpfe, wie er sie letzte Nacht sah. Aber wo war er hingeraten und wodurch? In Zeitungen hatte er schon von Menschen und Maschinen gelesen, die einfach von einer Sekunde zur anderen vor den Augen anderer verschwanden und nie mehr auftauchten. War mit dem Flugzeug dasselbe geschehen? Waren sie durch einen Dimensionsspalt gerutscht und in eine andere Welt geschleudert worden? Seine Überlegungen stimmten, aber niemand konnte sie ihm bestätigen. Das Schicksal hatte erbarmungslos zugeschlagen. Welchen Sinn hatte sein Leben überhaupt noch?
-12Er wusste es nicht. Aber sein Selbsterhaltungstrieb ließ nicht zu, sich einfach hinzulegen und den Hungertod zu sterben. Welche Richtung sollte er einschlagen? Immer geradeaus, sagte er sich. Dann machte er sich auf den Weg. + Die Sonne brannte unbarmherzig auf ihn nieder. Wie lange er schon unterwegs war, wusste er nicht. Hunger und Durst trieben ihn immer wieder vorwärts. Die rotglühende Wüste kam ihm so lang wie das Universum vor. Sie wollte kein Ende nehmen. Die Sonne laugte ihn aus. Seine Beine wurden immer schwerer. Er schleifte sie wie lästige Anhängsel hinter sich her.
Plötzlich konnte er den einen Fuß nicht mehr vor den anderen setzen. Aber was war das. Er sank ein, immer schneller, immer tiefer. Er versuchte verzweifelt, aus dem Treibsand herauszukommen, aber vergebens. Durch seine heftigen Bewegungen sank er nur noch tiefer ein. Erst steckte Mike bis zu den Oberschenkeln im Sand, dann bis zu den Hüften und dann bis zur Brust. Sollte er so sterben? Es wäre vielleicht sogar ein gnädiger Tod. Wie sollte er hier in der Wüste überhaupt überleben. Es gab keine Nahrungsmittel oder Wasser. Jetzt schaute nur noch der Kopf heraus. Mike sah nun keine Möglichkeit mehr dieser Situation zu entkommen. Dann war auch der Kopf verschwunden. + Sie wandten sich dem schrecklichen Bild ab. "Wer kann das sein, James?", fragte McClish. James Corton standen Tränen in den Augen und er brachte nur ein einziges Wort über seine rissigen Lippen. "Cathy". "Oh mein Gott. Wer kann nur so grausam sein? !" Poul Henly schüttelte den Kopf und ein bitterer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. "Woran hast du sie erkannt? Es kann doch auch jemand anders sein.", sagte John skeptisch.
-13"Sie ist es. Ich habe ihre weiße Strickjacke erkannt." Sie kamen überein, sofort die Polizei zu verständigen und machten sich nun schnell auf den Weg ins Dorf zurück. Dort gab es einen Polizisten, der am Marktplatz wohnte und für Recht und Ordnung sorgte. Gewöhnlich hatte er nicht viel zu tun. Es passierte eigentlich nichts im ruhigen Eastbourne, außer ein paar Schlägereien in Wirtschaften, die betrunkene Gäste bei Meinungsverschiedenheiten anfingen. Meist junge Männer. Die drei Fischer beeilten sich, das Haus des Polizisten zu erreichen. Sie hatten schnell den Ortseingang passiert und rannten zum Marktplatz. Aber so schnell, wie sie es sich dachten, sollten sie ihr Ziel nicht erreichen. Sie bogen gerade zum Marktplatz ein, als es passierte. Plötzlich stieß John McClish einen markerschütternden Schrei aus und brach wie von Blitz gefällt zusammen. Poul Henly und James Corton, die McClish ein wenig vorausgeeilt waren, warfen die Köpfe herum. Was sie sahen erfüllte sie mit Grauen.
McClish lag mit dem Gesicht auf dem groben Kopfsteinpflaster. Zwischen seinen Schulterblättern ragte eine riesige Streitaxt hervor, die ihm die Wirbelsäule zerschmettert hatte. Corton und Henly schauten sich betroffen an und eilten zu dem tödlich Getroffenen. "Da ist nichts mehr zu machen. Verdammt", konnte Poul Henly nicht mehr an sich halten. "Zuerst meine Tochter und jetzt John. Wenn ich den Kerl, der das getan hat erwische, wird er dafür zahlen, das schwöre ich dir." James Corton blickte sich geduckt und zähneknirschend in der schwach beleuchteten Umgebung um. Es brannten nur vereinzelt ein paar Straßenlampen, die den Marktplatz nicht sonderlich erhellten. Er konnte nichts entdecken. Aber irgendwo musste der Täter noch stecken. Die beiden Fischer liefen geduckt zu einer unbeleuchteten Hauswand und beobachteten den Marktplatz.
-14Durch den entsetzlichen Schrei waren einige Bewohner von Eastbourne aufgewacht. In manchen Häusern wurden Lichter hinter den dunklen Fensterscheiben angemacht. Mancher schaute hinter dem Glas hinaus, um zu sehen, woher der Lärm kam. Lautstark wurde über die nächtliche Ruhestörung, die es sonst in diesem Ort nicht gab, geflucht. Die Menschen, welche die Leiche sahen, zuckten vom Fenster zurück und löschten schnell das Licht. Der Anblick war ihnen nicht ganz geheuer. Gegenüber dem Platz, an dem Corton und Henly sich befanden, traten drei Gestalten vorsichtig aus dem Dunkel. Eine Straßenlampe warf ihr schwaches Licht auf die Ankommenden. James Corton kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Er traute seinen Augen nicht, als er sah, was dort stand. Grauenhafte Kreaturen waren in den Lichtkreis der Lampe getreten. Sie hielten Äxte und Schwerter in den Klauen. Es waren Ausgeburten der Hölle. Zwei Echsen und ein Spinnenmonster standen dort und blickten sich um. Die Augen der Geschöpfe blitzten in dem düsteren Licht und ließen sie noch
furchterregender erscheinen. James Corton und Poul Henly fielen die Unterkiefer herab. Sie glaubten zu träumen. So etwas gab es doch nicht. Im aufgeklärten zwanzigsten Jahrhundert war kein Platz für Monster mehr. "Poul, ich glaube ich spinne. Siehst du dasselbe wie ich?", fragte James Corton verunsichert. "Ich sehe dasselbe, James", erwiderte Henly. "Jetzt weiß ich, wer Cathy und John ermordet hat. Sie stehen vor uns." James Corton hatte die Stimme gesenkt und ein bösartiger Unterton war aus seinen Worten zu entnehmen. Corton sprang auf. Mit einem Schrei der Verzweiflung rannte er Fäuste schwingend auf die Geschöpfe der Finsternis zu. Er wollte das rächen, was ihm diese Teufelsgestalten angetan hatten. ‚Cathy’, fieberten seine Gedanken.
-15Er stürzte sich auf die Gestalt, die ihm am nächsten war. Eine Echse. Verwundert blickte sie ihn an und hob schnell den Schwertarm. Bevor Corton sie auch nur berührte, schloss der Tod ihn in die Arme. Das Schwert traf sicher sein Ziel. Es spaltete Corton vom Schädel bis zum Bauch in zwei Hälften. Der Körper brach zuckend zusammen und rührte sich nicht mehr. Die Echse zog das blutbesudelte Schwert aus der gespalteten Leiche und wischte es an den Kleidern des Toten ab. Als Poul Henly das sah verließen ihn seine Sinne. Eine wohltuende Ohnmacht nahm ihn gefangen. Er bekam nicht mehr mit, wie die Kreaturen zu ihm herüberkamen, ihn vom Boden aufhoben und mit in die dunkle Nacht schleppten. Da erschallte plötzlich eine Stimme. "Halt, stehen bleiben, oder ich schieße." Phil Tanna stürmte mit entsicherter Dienstwaffe aus seinem Haus. Der Polizist hatte den Lärm im Schlaf registriert und wie so viele andere Einwohner auch aus dem Fenster gesehen. Als er die Leiche John McClishs sah, hielt ihn nichts mehr in seinem Haus. Er hetzte, nur mit einem Schlafanzug bekleidet, auf die Straße. In der Rechten hielt er seine Waffe und sah gerade noch, wie ein Schatten hinter einer Hauswand verschwand. Er rief
eine Warnung hinter den vermeintlichen Tätern her und nahm dann die Verfolgung auf. Der 45 jährige Polizist war schlank und durchtrainiert, hatte volles blondes Haar und ein symphatisches Gesicht mit einer geraden Nase und Lachfältchen unter den Augen. Er war nicht verheiratet und wohnte allein in dem großen Haus, in dem auch sein Büro untergebracht war. Er erreichte die Hausecke, hinter der die Gestalten verschwunden waren und blickte vorsichtig in die Gasse, die an den Marktplatz angrenzte. Als er nichts verdächtiges wahrnahm rannte er weiter. Er suchte die ganze Gegend ab. Die Täter mussten noch hier sein. Er suchte zwei Stunden lang. Vergebens. Die Söldner der höllischen Armee waren spurlos verschwunden.
-16Er schlug die Augen auf. Ich bin tot, waren seine ersten Gedanken. Aber das konnte nicht stimmen, denn alle seine Glieder taten ihm weh. Er hatte in einer äußerst unbequemen Lage lange Zeit auf dem Boden gelegen. Mike schaute sich um. Es war etwas düster, aber er konnte seine Umgebung ausreichend erkennen. Er saß in einer Sandhöhle. Eine Höhle im Innern der Wüste. Er war durch die Decke gefallen, an der Innenwand, die etwas schräg verlief, heruntergerutscht und verkrümmt liegengeblieben. Das der Sand durchlässig war, konnte er sich nicht erklären, denn sonst hätte die Decke einstürzen müssen, wenn sie nicht aus fester Substanz bestand. Umständlich erhob er sich aus der unbequemen Haltung und blickte sich um. Die Höhle lag in einem Dämmerlicht. Es war nicht erkennbar, woher das Licht stammte, aber es war eine große Hilfe. In der Dunkelheit hätte er sich nicht zurechtgefunden und wäre bis zürn bitteren Ende in den Gängen der Höhle umhergeirrt. Er ging nun langsam den Gang nach rechts entlang. Die Höhle verbreiterte sich nach fünfzig Schritten erheblich. Sie erweiterte sich zu einem Raum, in dem der Tunnel endete. Als er hineintrat erblickte er einen reglosen Körper auf dem Boden. Mike blieb wie vom Donner gerührt stehen. Vor ihm lag ein gefesselter Mensch. Er war nur mit einem Lendenschurz
bekleidet. Es hatte den Anschein, dass er tot war. Mike betrachtete sich die Gestalt genauer. Es war ein Mann, der da lag. Er war bewusstlos. Mike wankte entkräftet auf ihn zu. Der Mann war von kräftiger Statur und schulterlange, blonde Haare umrahmten edle Gesichtszüge. Er erinnerte ihn an eine sagenumwobene Heldengestalt. Vergleichbar mit Odysseus oder Herakles. Mike versuchte ihn wachzurütteln. Nach fünf Minuten hatte er es dann endlich geschafft. Der Fremde schlug die Augen auf und sah sich verwundert um. „Wer bist du? Wie heißt du?“, fragte er.
-17Es war eine fremde Sprache, in welcher der Andere Mike ansprach, aber trotzdem konnte er sie verstehen. "Ich heiße Mike, Mike Skinner und wer bist du?" Aber auch der Fremde konnte Mike verstehen, ohne die Sprache je vorher gehört zu haben. "Ich bin Lavos, der Sohn von Antaris, dem Herrscher über Borra, dem ewigen Land unter der Doppelsonne von Salon, der Welt im Dreigestirn. Man hat mir eine Falle gestellt und mich gefangengenommen. Die Skorrs sind hinterhältige Bestien. Sie haben mich hinterrücks niedergeschlagen, als ich campierte." Mike konnte sich unter dem Begriff 'Skorrs' nichts vorstellen und stellte eine diesbezügliche Frage. „Die Skorrs sind die Feinde unseres Volkes. Sie stehen unter der Herrschaft eines Magiers, der die Welt erobern will. Die Länder Mykor, Tharais, Lekon und Etor hat er schon unterjocht. Niros wird ihm auch bald unterliegen. Borra aber wird ihm standhalten. Die Skorrs werden das Volk meines Vaters nicht so leicht “
besiegen können. Sie werden sich die Zähne an uns ausbeißen, uns, den Quos , umriss Lavos abschließend die Lage, in die Mike geraten war. Inzwischen hatte Mike Lavos von den Fesseln befreit. "Sag', wo kommst du her?", wollte Lavos nun wissen. Deine Kleidung ist mir fremd. Niemand den ich kenne, trägt so etwas." "Ich komme aus einem weit entfernten Land, dass du nicht kennst. Ich
wanderte durch diese Wüste und habe mich verirrt", schwindelte Mike, um sich nicht dem Misstrauen Lavos' auszusetzen, wenn er die Wahrheit erzählt hätte. Die unglaubliche Wahrheit. Plötzlich war da ein Stampfen zu vernehmen. "Das sind ihre Wachhunde", sagte Lavos. "Ganz schöne Brocken, wenn sie solchen Lärm machen", erwiderte Mike. Aus dem hinteren Teil der Höhle tauchten riesige Gestalten auf. Die Kreaturen sahen wie Gorillas aus, die den Höhlengang versperrten. Ihre Gebisse strahlten durch das Halbdunkel der Sandhöhle, sodass Mike die schlimmsten Befürchtungen bekam. Die Wächter der Skorrs kamen immer näher. Lavos schaute sich aufmerksam um.
- 18 -
Hinter Lavos und Mike war eine Sandwand. Sie waren den gorillaartigen
Ungetümen hilflos ausgeliefert. Sie standen ihnen waffenlos gegenüber. Es waren vier Kreaturen, die sich wie auf ein Kommando hin auf sie stürzten. Dann ging es drunter und drüber. + Die Bestien stürmten heran und wollten sie beide zerfleischen. Da! Plötzlich brach durch die Decke eine Schar vermummter Gestalten. Sie trugen Schwerter und nadelspitze Dolche mit langen Klingen. Die Gestalten stürzten sich mit lautem Geschrei auf die Gorillas und stachen auf sie ein. Einer der Vermummten schlug mit dem Schwert den rechten Arm eines Gorillas mit einem Hieb ab. Das Wesen brüllte laut auf. Das Blut schoss stoßweise aus der fürchterlichen Wunde. Es gab einen kurzen aber erbitterten Kampf. Die Bestien wurden alle niedergemacht. Einzelne Gliedmaßen lagen herum und die Sandwände waren blutbespritzt. Es war kein schöner Anblick. Die Körper zuckten noch im Tod, obwohl sie sehr verstümmelt waren. Es waren keine Verluste auf der Seite der Vermummten auszumachen. Sie standen nun in Siegerpose über den Resten der Kreaturen. In der Zeit des Kampfes hatten sich Mike und Lavos dicht an die Wand gepresst, um dort Schutz zu finden. Die Gestalten rissen sich die Kopfbedeckungen herunter und kamen freudestrahlend auf sie zugerannt. "Vardis!", kam der erstaunte Ausruf aus Lavos' ausgedörrter Kehle. "Das war wohl in letzter Sekunde, was?", erwiderte Vardis. Ich habe schon an keine Rettung mehr geglaubt. Wie habt ihr mich bloß gefunden?", fragte Lavos. "Das ist schnell erzählt. Als du zu den Skorrs reiten wolltest, bin ich dir, auf Anweisung deines Vaters, mit ein paar Kriegern gefolgt. Wir fanden deinen Lagerplatz verlassen vor. Die Skorrs haben aber zum Glück Spuren hinterlassen, die vom Wind nicht verweht wurden. Sie führten uns hierher. Mit ein wenig Glück haben wir dich noch rechtzeitig gefunden", erklärte Vardis freudig. "Und jetzt nichts wie weg von hier", sagte Lavos mit Stentorstimme.
-19Keiner hatte bisher auf Mike geachtet. Er wurde einfach mitgenommen, ohne dass jemand eine Frage gestellt hätte. Die Gruppe stürmte den Gang
entlang. Sie kamen an eine Kreuzung mit fünf abzweigenden Tunneln. Zwei führten geradeaus und eine zeigte in Richtung Oberfläche. Die anderen beiden führten in die unbekannte Tiefe des Wüsteinnern. Sie liefen den Weg nach oben. Bis jetzt war ihnen niemand begegnet. Sie hofften, dass es so blieb und sie unbeschadet die Oberfläche erreichten. Der Tunnel führte auf eine steile Treppe. Diese endete in einer Tür, hinter der eine Abdeckplatte die Sandhöhle mit der Oberwelt verband. Es waren noch zwanzig Stufen bis in die Freiheit. Aber soweit sollten sie erst gar nicht kommen, denn plötzlich öffnete sich die Tür und dreizehn makabre Wesen kamen die Stufen nach unten gelaufen. Es waren Skorrs. Sicher eine Patrouille, die nach ihrem Gefangenen sehen wollte. Sie kamen rasch näher. Ein Warnschrei gellte durch die enge Höhle und ließ die beherzten Helden im Schritt erstarren. Mike verschlug es die Sprache, als er die Skorrs sah. Es waren schwarze Skelette mit rotglühenden Augenhöhlen, die sie bösartig anstarrten. Die Totenschädel schienen dabei höhnisch zu grinsen. Der Schlund der Hölle schien sich geöffnet zu haben. Die Skorrs waren mit großen Schwertern bewaffnet. Lavos und Mike hatten inzwischen ein Schwert bekommen. Damit fühlten sie sich schon viel sicherer. Obwohl Mike so etwas zum erstenmal in der Hand hielt, konnte er sich damit geschickt zur Wehr setzen, als die Skorrs auf sie eindrangen. Sie kämpften wie die Berserker. Vardis konnte dem ersten Angreifer auf anhieb den Schädel vom Rumpf abtrennen. Aber das nützte nicht viel. Der kahle Schädel rollte zwar einige Stufen nach unten, wurde dann aber abrupt gestoppt und wie von unsichtbaren Fäden wieder zum Skeletttorso gezogen, wo er wieder seinen alten Platz einnahm. Vardis' zweiter Hieb zeigte Erfolg. Er spaltete den Schädel und das Gerippe zerrieselte im selben Moment zu feinem Staub. Mike erkannte, dass diese Geschöpfe nur durch das Spalten ihrer Schädel zu vernichten waren.
-20Aber die Männer schafften es. Sie hatten sich die Skorrs vom Leib gehalten. Sie
waren alle zu Staub vergangen. Es gab aber auch Tote auf ihrer Seite zu beklagen. Zwei wagemutige Krieger hatten sich in die Meute der Gegner geworfen, um einen Vorteil für die anderen herauszuholen. Die beiden Krieger schlugen eine Bresche, so dass die Skorrs nicht mehr vereint zuschlagen konnten. So mussten sie einzeln kämpfen, was ihnen zum Nachteil gereichte. Nun war der Weg frei und sie liefen an die Oberfläche der roten Wüste. Der Letzte schloss die Bodenklappe hinter sich zu. Sie rannten auf eine Gebüschgruppe zu, hinter der, nach Vardis' Aussage, die Pferde standen. Es waren sechs Pferde, die dort standen. Lavos und Mike bekamen die Tiere der beiden Toten. Reiten war für Mike keine Schwierigkeit, da er als Kind Reitstunden genommen hatte. Sie stiegen auf und ritten davon, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Sie folgten der Fährte, die Vardis und seine Gefährten hinterlassen hatten. + Das Telefon rasselte. Er drehte sich herum und zog die Bettdecke weit über den Kopf. Als das Telefon nach einiger Zeit immer noch läutete, schob er mürrisch die Decke beiseite und blickte mit schmalen Augen zum Wecker. "Viertel vor sechs. Eine Frechheit mich schon so früh aus den Federn zu werfen." Er hob den Hörer ab und meldete sich mit verschlafener Stimme. "Roger Nelson. Ja bitte?" "Hallo Roger. Schon ausgeschlafen, oder habe ich sie geweckt?", fragte sein Gesprächspartner mit einem ironischen "Unterton. Roger murmelte nur etwas unverständliches in den Hörer. "Wie ich ihrem brummen entnehmen kann sind sie schon hellwach und schäumen über vor Tatendrang. Da kann ich ihnen helfen. Kommen sie umgehend ins Büro.
-21Es liegt ein wichtiger Fall vor, den sie übernehmen werden." "Gut. In einer halben Stunde bin ich da." Damit hängte er den Hörer lautstark in die Gabel des Apparates. Der Anrufer war Oberinspektor Wilson. Wenn er so
früh anrief, musste es ein wirklich dringender Fall sein. Aber waren nicht alle Fälle, die er bekam, dringend? Er warf die Bettdecke beiseite und erhob sich. Er ging in das Bad und machte sich fertig. Roger Nelson war ein stattlicher Mann. 1,90m groß, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Er hatte dunkelblonde Haare und ein sympathisches Gesicht. Für seine dreißig Jahre hatte er ein zu jungenhaftes Gesicht. Er war seit zehn Jahren bei Scottland Yard und hatte sich bei besonders schwierigen Fällen sehr hervorgetan. Er wurde um seinen scharfen Sinn für die Wahrheit von seinen Kollegen beneidet. Aber alle waren sie ihm freundlich gesonnen. Er hatte Fälle gelöst, die andere schon zu den Akten gelegt hatten. Ohne Zweifel war er der Spitzenmann von Scottland Yard. Er war sich dessen zwar bewusst, aber er bildete sich darauf nichts ein. Die Fälle, die er bearbeitete, waren besonders heikel und gefährlich. Bei seinem letzten Abenteuer war er noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Das war aber nicht immer so. Nachdem er fertig angezogen war, trank er nur eine Tasse kalte Milch und machte sich dann auf den Weg. Roger wohnte in einem Mietshaus am Rande Londons. Es war ein ruhiger Platz in dem sonst verkehrsreichen London. Er wollte gerade zur Haustür hinausgehen, als die Zeitung durch den Briefschlitz geworfen wurde. Er hob sie auf und wollte sie schon beiseite legen, als sein Blick zufällig auf einen kleinen Bericht auf der Vorderseite fiel. ‚Passagierflugzeug spurlos verschwunden!’ Das interessierte ihn und er las ihn sich schnell durch. Als er geendet hatte legte er die Zeitung achselzuckend auf den Wohnzimmertisch. Er konnte nicht ahnen, dass er sehr bald schon damit zu tun haben würde. Roger stieg die Treppe hinab und setzte sich in seinen grünen Alfa Romeo.
-22 Er fuhr los. Um diese Zeit war noch nicht so viel Verkehr auf den Straßen. Das würde sich aber noch sehr stark ändern. Nach fünfzehn Minuten hatte er sein Ziel erreicht. Roger fuhr auf den Hinterhof eines unscheinbaren Bachsteinhauses, in der Nähe des Trafalgar Square, in dem niemand eine Abteilung des Scottland Yard vermuten würde.
Er stieg aus, schloss die Tür seines Autos ab und betrat durch die Hintertür das alte Gebäude. Er gelangte in einen schmalen Hausflur, auf den rechts und links jeweils fünf Türen mündeten. Am Ende des Ganges führte eine morsch wirkende Holztreppe zum ersten Stockwerk. Im ganzen besaß das Haus drei Stockwerke. Sie waren alle über diese Treppe zu erreichen. Bei jedem Schritt ächzten und knarrten die Stufen unter seinem Gewicht. Roger ging bis zum dritten Stockwerk hinauf. Als er die Tür öffnete, welche die Treppe von den Räumlichkeiten trennte, umfing ihn sofort eine andere Welt. Eine Welt für sich. Der Flur, den er jetzt betrat, war mit grauem Teppichboden ausgelegt und blitzsauber. Von ihm aus führten sechs Türen in andere Bereiche der Etage. Roger ging zielstrebig auf die letzte Tür auf der rechten Seite zu und öffnete sie. "Guten Morgen Roger. Schön, dass sie schon da sind", begrüßte ihn der Oberinspektor mit einem Lächeln. "Guten Morgen, Sir. Ich hoffe, dass sie mir jetzt nicht sagen, Jack the Ripper treibe wieder sein Unwesen und ich müsse ihn zur Strecke bringen." Wilson wurde augenblicklich ernst und sah ihn sorgenvoll an. "Es ist schlimmer, Roger." Roger Nelsons Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er starrte den Oberinspektor erwartungsvoll an. "Erzählen sie, Sir. Was ist geschehen?" "Letzte Nacht sind drei grauenhafte Morde geschehen. Die Leichen wurden verstümmelt aufgefunden. Der Leiche einer jungen Frau waren Brust und Bauch aufgerissen worden. Den Kopf fand man zweihundert Meter entfernt in einem Gebüsch hängend. Die beiden anderen Leichen, zwei Männer, waren mit Äxten und Schwertern erschlagen worden.
-23Der eine von ihnen hatte eine Streitaxt unbekannter Art und Herkunft zwischen den Schulterblättern. Der andere war vom Kopf bis zum Bauch aufgespalten worden. Die Tatwaffe wurde nicht aufgefunden. Die Mörder sind entflohen. Was sagen sie dazu, Roger?" "Mir fehlen die Worte, Sir. Das ist ja schrecklich." "Sie sagen es. Diese Morde sind in Eastbourne letzte Nacht geschehen. Seit Hundertfünfzig Jahren war dort kein Kord mehr passiert. Es ist ein friedlicher Ort
und nur Fischer und Händler leben dort. Es ist unvorstellbar, was diese Morde bezwecken sollten. Die Toten sind weder reich, noch mit irgendwelchen Leuten verfeindet. Zeugenaussagen nach zu urteilen sind etwa drei dunkle Gestalten, mit altertümlichen Waffen in den Händen, über den Marktplatz gerannt. Die Gestalten wurden als groß und plump beschrieben. Näher waren sie nicht erkannt worden. Seit diesem Zeitpunkt wird ein Mann vermisst. Poul Henly. Als er in der Nacht nicht nach Hause kam, gab seine Frau sofort eine Vermisstenanzeige auf. Es ist das Schlimmste zu befürchten." "Ist in der Nähe des Ortes eine Irrenanstalt oder ein Sanatorium? Vielleicht sind ein paar Geisteskranke ausgebrochen und liefen Amok." "Nein Roger, daran haben wir auch schon gedacht. Aber die nächste Anstalt liegt neunzig Kilometer von dort entfernt. Und außerdem. Woher sollten sie die altertümlichen Waffen haben?" "Aber wenn diese Theorie nicht stimmt, wer kann es sonst gewesen sein und welcher Zweck steckt dahinter?" "Das herauszufinden Roger, ist ihre Aufgabe. Ihr Auftrag lautet folgendermaßen: Klären sie die Morde in und um Eastbourne auf und verhindern sie das erneute Zuschlagen der Täter. Machen sie die Täter ausfindig und überführen sie diese. Tja Roger, dann machen sie sich auf die Socken. In dem Umschlag hier sind noch einige Informationen über den Fall." Mit diesen Worten überreichte ihm Oberinspektor Wilson einen braunen Umschlag DIN A3« "Sie werden bis nach Brighton mit dem Zug fahren und dort ihr Hauptquartier einrichten.
-24Dann mieten sie sich ein Auto und beginnen ihre Arbeit in Eastbourne. Viel Erfolg", wünschte ihm Wilson und drückte ihm herzlich die Hand zum Abschied. "Danke Sir. Ich werde ihn gebrauchen können und werde mein bestes tun!" Roger drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür. "Ach ja, Roger." "Ja, Sir?" "Ich hatte vergessen, ihnen etwas zu sagen." Roger blickte ihn erwartungsvoll an. "Sie werden diesen Fall nicht allein bearbeiten. Ihr Freund Thambuda wird sie unterstützen. Sie werden ihn am Bahnhof treffen." "Danke Sir. Ich freue mich, wieder einmal mit ihm zusammenarbeiten zu können."
Thambuda war ein sympathischer Farbiger, der seit seiner Geburt in England lebte und sich bei Scottland Yard ausgezeichnet hatte. Darum war er auch in die Spezialabteilung eingereiht worden. Roger Nelson verließ das Gebäude auf dem selben Weg, auf dem er es betreten hatte. Er fuhr nach Hause, um seine Koffer zu packen. Es war inzwischen nach neun Uhr und die Straßen schon erheblich belebter als vorhin, als er zum Hauptquartier der Spezialabteilung gefahren war. Roger brauchte eine Dreiviertelstunde bis nach Hause. Nach einem Unfall war die Hauptstraße gesperrt und er musste eine Umleitung fahren, die ihn viel Zeit kostete. Zu Hause packte er einen Koffer mit dem Nötigsten. Roger verstaute auch seine 38 Blacksmith, die er schon so oft hatte benutzen müssen. Es ließ sich in diesem Beruf eben nicht vermeiden. Er war schon bei manchen Fällen nur knapp mit dem Leben davongekommen. Meistens hatte er es mit Schwerverbrechern, Irren, oder superintelligenten Bestien in Menschengestalt zu tun. Bei diesem Fall aber sollte er es nicht so leicht haben. Es konnte durchaus sein, das Roger Nelson sich an diesem Fall die Zähne ausbiss, denn mit Kreaturen der Hölle hatte er es noch nicht zu tun gehabt.
-25 Die Stunden vergingen und die Doppelsonne neigte sich langsam dem Horizont entgegen, als sie die erste Rast einlegten. Es wurde kein Lagerfeuer angezündet, um sich nicht zu verraten. Die Skorrs hatten mit Sicherheit Kundschafter losgeschickt sie zu suchen und zur Strecke zu bringen. Mike hatte während des Rittes Trockenfleisch und Wasser bekommen, um sich zu stärken. Es hatte ihm sichtbar wohlgetan. Mike fühlte sich nun wieder kräftiger und voller Mut, denn jetzt war er nicht mehr allein. "Es sind noch zwei Tagesritte, dann sind wir in Sicherheit. Kurz nachdem du fortgeritten warst, erhielten wir eine Botschaft der Skorrs. Sie forderten uns auf aufzugeben, oder sie wollten einen Feldzug gegen die Stadt des Herrschers unternehmen. Sie haben schon die westliche Region Borras bis knapp vor die Tore Xush, unserer Hauptstadt, eingenommen. Sie liegen vor den Stadttoren und warten auf irgend etwas. Wahrscheinlich auf den endgültigen Befehl zum Angriff, den ihr Magier geben wird. Sie werden es schaffen die Stadt im Sturm zu nehmen,
aber nicht die Burg. Wir müssen also versuchen, unerkannt in die Festung zu gelangen", erklärte Vardis seinen Plan für ihr weiteres Vorgehen. Lavos schaute erstaunt auf, nachdem er die schreckliche Nachricht aus Vardis' Mund gehört hatte. "Wir müssen es schaffen, sie aufzuhalten. Wie können wir das aber erreichen?" "Es hat sich herausgestellt, dass der Magier die Skorrs aus dem finstersten Bereich der Schattenwelt gerufen hat. Wenn wir den Magier vernichten, werden auch seine Höllenheere verschwinden. Xush können wir nur mit unseren Waffen beistehen, eine andere Möglichkeit scheint es nicht zu geben", sagte Vardis. Niemand hatte sich bisher weiter um Mike gekümmert. Vardis musterte ihn nun eingehend. "Wer bist du und woher kommst du?", fragte er gespannt. Jetzt konnte er nicht mehr drum herum reden. Einmal musste er die Wahrheit ja doch sagen. Zu lügen hasste er zutiefst. "Ich heiße Mike Skinner und komme aus einer anderen Dimension, von einer anderen Welt.
-26Durch ein Unglück wurde ich hierher verschlagen worden. Ein Zufall war es, dass ich Lavos fand." Dieser blickte ihn lächelnd an. Lavos verzieh ihm die kleine Notlüge, die er im ersten Gespräch mit ihm hatte verlauten lassen. "Nun gut. Ein wahrhaft seltsames Schicksal hat dich ereilt. Wenn du willst, kannst du bei uns bleiben. Aber stell dir das nicht so einfach vor. Du hast gesehen, mit welchen Gefahren wir kämpfen müssen. Überlege es dir gut", sagte Vardis bedenkend. "Ich glaube, es ist besser bei euch zu bleiben, denn allein bin ich den Gefahren nicht gewachsen. Allein würde ich keine zwei Tage überleben", antwortete Mike überzeugt. "So kannst du bei uns bleiben. Wir können jede helfende Hand gegen die Skorrs gebrauchen", gestand Lavos mit einem gewinnenden Lächeln. Ohne Zwischenruf wurde er als Mitstreiter anerkannt. + Zwei Wachen wechselten sich jeweils nach drei Stunden ab. Die Nacht verlief
ruhig. Als der Morgen graute brachen sie auf. Sie wollten keine Zeit verlieren. Nach fünfstündigem Ritt, unter der brütenden Hitze der Doppelsonne, kamen sie an eine Sandhügelkette. Kein Hügel war höher als sieben Meter. Nun mussten sie vorsichtig sein, denn diese Hügel wurden von den Skorrs als Verbindungstunnel zwischen den einzelnen strategischen Stützpunkten ausgebaut. Dort fanden ihre Botschafter sicher ihr nächstes Ziel. Lebenswichtige Befehle wurden durch diese Röhren gebracht. Sie stiegen ab und führten ihre Pferde an den Zügeln weiter, um keinen Lärm zu verursachen, der den Gegner auf den Plan rufen könnte. Als sie zweihundert Meter gegangen waren, hörten sie ein fernes Stöhnen, dass sich nach jedem Schritt verstärkte. Lavos wollte wieder mal allein vorausgehen und nachsehen, wer das Stöhnen verursachte. "Nein, du musst diesmal bei uns bleiben. Ich kann es nicht verantworten, dass du dich nochmals in die Gefahr begibst, von den Skorrs gefangen genommen
-27zu werden", bestimmte Vardis und seine stahlharten Muskeln spielten dabei unter seinem engen Lederwams. Es hatte den Anschein, dass Vardis den Auftrag hatte, Lavos zu hüten, wie seinen Augapfel. "Wir werden gemeinsam nachsehen." Das Geräusch verwandelte sich in entsetzliches Wimmern. Die Ursache dafür lag hinter der Hügelkette. Sie erklommen einen Hügel und blickten gespannt die andere Seite hinunter. Zwei Männer waren bei den Pferden zurückgeblieben und hielten sie an den Zügeln fest. Sie schauten den anderen aufmerksam nach. Ein erstaunter Ausruf entrang den Kehlen der tapferen Krieger. Im heißen Wüstensand lag ein alter Mann mit einem langen weißen Bart. Er hatte ein langes grünes Gewand an und eine kegelförmige Mütze auf dem ovalen Kopf. Er war es, der so erbärmlich stöhnte. Die Krieger liefen den Hügel hinunter und stellten sich im Halbkreis um den alten Mann auf. Der Alte hatte einen langen Dolch im Rücken stecken. Er würde nicht mehr lange am Leben sein, da er schon viel Blut verloren hatte. All zulange konnte der Mann auch noch nicht hier gelegen haben, weil die mörderische Hitze den Körper rasend schnell auslaugte. Vardis beugte sich hinab. Der Alte flüsterte etwas unverständliches. Die letzten Minuten hatten ihn
schon so geschwächt, dass er kaum noch sprechen konnte. Vardis beugte sich so weit nach vorn, dass sein Ohr fast den Mund des alten Mannes berührte. Nur bruchstückhaft verstand er, was der Greis sagte. "Xush's Vororte... zerstört... Skorrs... Heer von Monstern... Burg... einziger Zufluchtsort... belagert!" Mehr konnte der Fremde nicht sagen. Er riss noch einmal die Augen weit auf und fiel dann auf die Seite. Vardis erhob sich und erzählte den anderen die wenigen Worte, die der Alte noch hervorgebracht hatte, bevor er starb. Keiner konnte sich so recht einen Reim darauf machen. Mit bloßen Händen schaufelten sie ein Loch und betteten den Fremden zur letzten Ruhe. Schnell hatten sie das Grab wieder zugeschüttet. Sie begaben
-28sich wieder auf die andere Seite der Hügelkette. Als sie wieder ihre Pferde an den Zügeln führten, war ihre Aufmerksamkeit größer als je zuvor. Unterwegs rätselten sie noch eine Weile daran herum, was der Alte wohl mit seinen Worten hatte sagen wollen. Doch bald gaben sie es auf, darüber nachzudenken. Man kam zu keinem greifbaren Ergebnis. So gingen zwei, drei Stunden vorüber und es begann zu dunkeln. Sie beschlossen dreihundert Meter von der Hügelkette entfernt ihr Lager aufzuschlagen. Jederzeit konnten nämlich die Skorrs aus dem Tunnel hervorbrechen und ihr Leben bedrohen. Der Tunnel führte genau nach Xush und versorgte die dortigen Truppen mit Nachschub. Sie brannten wieder kein Lagerfeuer an. Es war gefährlicher denn je, eines anzumachen. In dieser Nacht wechselten sich die Wachen öfter ab. Sie wollten das Risiko nicht eingehen, dass die Wachen einschliefen. So konnten sie sich für kürzere Zeit voll konzentrieren. Trotzdem bemerkten sie nicht, wie sie beobachtet wurden. + Roger Nelson ließ sich von einem Taxi bis zum Bahnhof fahren. Er zahlte den Fahrer aus und betrat das Gebäude. Er wollte gerade zum Fahrkartenschalter gehen, als ihn ein Mann von der Seite ansprach. "Entschuldigen sie. Fahren sie auch nach Eastbourne?" Roger drehte verwundert den Kopf herum. Ein großgewachsener Mann stand ihm gegenüber.
Es war ein Farbiger. Er hatte kurzgeschnittene schwarze Haare. Als er Roger nun anlächelte, blitzten seine weißen Zähne wie strahlende Perlen, "Thambuda! Mit dir habe ich jetzt überhaupt nicht mehr gerechnet. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich unser Treffen hier ganz vergessen habe. Wir werden also gemeinsam den Fall bearbeiten." "Jawohl Roger. Und ich hoffe, dass wir ihn zur Zufriedenheit unseres Chefs aufklären." "Hoffen wir es. Jetzt muss ich erst mal eine Fahrkarte lösen, sonst fährt der Zug noch ohne uns ab. Übrigens, wie geht es deiner Freundin?"
-29"Ausgezeichnet. Danke der Nachfrage. Wie ich dich kenne, hat dich gestern Früh Pamela verlassen und am Abend hast du Annabelle zum Essen eingeladen", sagte Thambuda grinsend. "Stimmt, alter Junge. Bei so einer großen Auswahl von Frauen muss jede mal drankommen." Roger löste eine Fahrkarte nach Brighton. Sie hatten nur noch fünf Minuten bis zur Abfahrt. Der Zug stand auf Gleis drei. Sie hatten Glück und konnten noch ein leeres Abteil belegen. Der Zug hatte fünf Minuten Verspätung, bevor er abfuhr. Unterwegs stiegen noch einige Leute ein, die geschäftlich unterwegs waren, oder Besuche machen wollten. "Thambuda, wie werden wir vorgehen? Eastbourne ist nicht sehr groß. Das könnte einer allein von uns machen. Der andere müsste die Umgebung erkunden, Ermittlungen anstellen über plötzliche Geisteskranke, oder Amokläufer, die als Täter in Frage kommen." "Gut, das ist genau das richtige für mich. Ich werde von Hastings bis Lewes alles durchkämmen. Du kannst dich darauf verlassen." "Das glaube ich dir. Du, als alter Buschläufer, wirst das schon machen. Ich werde die Einwohner von Eastbourne unter die Lupe nehmen." Auf der Fahrt nach Brighton besprachen sie noch die Einzelheiten ihres Vorgehens, um zu einem schnellen Erfolg zu kommen. + Tom Brunner war gerade auf dem Weg ins Büro, als es geschah. Er war Bankangestellter und hatte ein anständiges Einkommen. Er war siebenunddreißig Jahre alt und lebte mit seiner Familie in einem kleinen Ort
zwischen Eastbourne und Lewes. Jeden Morgen musste er durch den Wald fahren, um nach Lewes und zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Das ist ansonsten nichts ungewöhnliches, doch heute Morgen sollte er nicht wie gewohnt zur Arbeit kommen. Heute war ein nebliger Tag. Die Sonne wollte gar nicht durchkommen, und ab und zu regnete es leicht. Tom Brunner hatte die Scheibenwischer seines Wagens eingeschaltet. Er fuhr einen 240 Mercedes. Er war mitten im Wald und bog gerade um eine Kurve, als er es sah.
- 30Ein Bündel lag mitten auf der Straße. Torn Brunner kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Beim Näherkommen erkannte er Kleidung, die anscheinend irgendjemand aus einem Auto geworfen hatte. Kurz vor dem Bündel hielt er an. Er stieg aus und ging um das Fahrzeug herum. Was er vor dem Kühler seines Autos sah, war nichts für schwache Nerven. Es war nicht nur ein Bündel Kleidung, dass dort lag. Nein, dort lag ein Mann, blutverschmiert. Das geronnene Blut schimmerte durch die nassen Stoffsachen hindurch. An der Leiche waren Bauch und Brust aufgeschlitzt und die inneren Organe fehlten. Ein Tier schien sie aufgefressen zu haben. Aber warum nur die lebenswichtigen Organe? Bei diesem Anblick drehte sich Tom Brunner der Magen um. Nervös klemmte er sich hinter das Lenkrad seines Wagens und ließ den Motor aufheulen. Er wollte so schnell wie möglich nach Lewes, um die Polizei in Brigthon zu verständigen, die für Mordfälle in diesem Gebiet zuständig war. Er konnte sich nicht vorstellen, wer solch eine Tat fertig bringen konnte. Er wusste ja nichts von den Ungetümen der Finsternis, die nur ihre Nahrungsreste auf die Straße geworfen hatten. Sie hatten köstlich gespeist und dann die Leiche Poul Henlys auf die Straße geworfen, um damit ein Auto anzuhalten. Das war ihnen auch gelungen. Tom Brunner gab Gas. Der Wagen hätte mit einem Satz nach vorn schießen müssen, doch der Mercedes bewegte sich nicht. Obwohl Brunner Vollgas gab, kam der Wagen keinen Millimeter von der Stelle. Er probierte es noch zwei Minuten, dann wollte er nachsehen, warum das Auto nicht fuhr, obwohl er merkte, dass die Maschine einwandfrei lief und die Kraft des Motors in die Reifen
übersetzt wurde. Er wandte instinktiv den Kopf und sah plötzlich eine schreckliche Fratze an der Heckscheibe. Daneben noch eine. Eine Echse und ein Spinnenmonster hielten das Auto einfach fest. Tom Brunner stellten sich die Haare zu Berge. Vom Wahnsinn gepackt riss er am Lenkrad und gab wie besessen Vollgas, aber es war zwecklos. Die beiden Kreaturen sahen sich nur kurz an und ließen dann das Fahrzeug einfach los.
-31Der Wagen schoss nach vorn. Tom Brunner konnte ihn nicht mehr unter Kontrolle bringen. Das Auto jagte über die Fahrbahn und flog förmlich darüber hinaus. Ein ohrenbetäubendes Krachen war zu hören. Zersplitternde Scheiben und kreischendes Blech, das sich wie Papier zusammen knäulte, flog durch die Luft. Der Tank des Motors war nicht beschädigt worden und explodierte zum Glück nicht. Tom Brunner aber würde die Polizei in Brighton nicht mehr verständigen können. Sein Körper war zerquetscht worden und ein langer Glassplitter war in sein Auge und dann bis in das Gehirn vorgedrungen. + Am späten Nachmittag kamen sie in Brighton an. Roger Nelson und Thambuda wollten nun ein geeignetes Quartier suchen, von wo aus sie alle Unternehmen starten wollten. Am Bahnhof stiegen sie in ein Taxi. Sie fragte den Fahrer nach einem Mittelklasse Hotel. "Ja, meine Herren. Da kann ich ihnen das 'Hotel Brighton' empfehlen. Es ist in dieser Preislage das Beste hier." "Gut. Dann fahren sie uns dorthin ", forderte ihn Roger auf. Das Taxi fuhr durch die belebten Straßen und erreichte eine Viertelstunde später das 'Hotel Brighton'. Thambuda zahlte den Fahrer aus und sie gingen durch das große Hauptportal in die Empfangshalle. Der Empfangstresen war an der gegenüberliegenden Seite. Dahinter saß der Portier. Die Halle war mit rotem Teppichboden ausgelegt und rechts und links standen einfache Sitzgruppen im Raum. Auf diese Weise wurde ein schmaler Gang vom Eingang bis zum Empfangstresen gebildet. In der Halle hielten sich nur wenige Personen auf. Zwei Männer und eine Frau
saßen je einzeln in einem Sessel und lasen in einem Magazin. Sonst war nur noch der Portier anwesend. Roger und Thambuda gingen auf den Tresen zu. Der Portier blickte auf und setzte seine Brille ab. Es war schon ein älterer Mann mit angegrautem Haar. "Was wünschen sie, meine Herren?", fragte er höflich und ein gewinnendes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht.
-32"Wir möchten zwei Zimmer mit Dusche und Bad." "Ja. Wir haben gerade noch zwei Zimmer frei. Würden sie sich bitte hier eintragen!" Der Portier schob ihnen das Gästebuch herüber und gab Roger einen Stift in die Hand. Roger und Thambuda trugen sich ein und erhielten dann ihre Zimmerschlüssel. Sie wohnten nebeneinander. Sie hatten die Zimmer 226 und 227 bekommen. In einer halben Stunde wollten sie sich wieder treffen. Rogers Raum war einfach, aber doch gemütlich eingerichtet. Couch, Tisch, Sessel, ein Schrank und in einer Ecke stand das große, weiche Bett. Roger packte seinen Koffer aus und legte seine Kleidung fein säuberlich in den Schrank. Dann ging er ins Bad und machte sich frisch. Die halbe Stunde war verstrichen und es klopfte an der Tür. Roger öffnete und Thambuda schaute ihn fragend an. "Ich bin sofort fertig. Wir werden erst einmal zwei anständige Autos mieten." "Okay Boss." Nach fünf Minuten machten sie sich dann auf den Weg. Mit einem Taxi fuhren sie zu einer Autoverleihfirma und suchten sich die beiden spritzigsten Wagen aus. Roger bekam ein 928 Turbo Porsche und Thambuda einen weißen Renault Alpine. Damit waren sie erst einmal unabhängig. Sie machten sich auf den Weg zu ihren Einsatzorten. + Sie standen frühzeitig auf, frühstückten herzhaft und brachen dann auf. Es waren noch einige Stunden zurückzulegen bis nach Xush. Da sahen sie plötzlich fernen Lichtschein und dunkle Wolken am Himmel, dort wo Xush liegen musste. "Wir kommen zu spät. Sie haben Xush schon eingenommen", meinte Lavos resignierend. "Das muss aber nicht heißen,
dass die Burg schon verloren ist", erwiderte Vardis.
-33Mike hatte sich bis zur Stunde still verhalten, aber nun hatte er eine Frage auf dem Herzen. "Gibt es einen Geheimstollen, der zur Burg führt?" "Ja, es gibt einen weiter südlich", antwortete Lavos. "Du meinst wir sollten ihn benutzen, um nicht in die Arme der Skorrs zu rennen?" "Ja, das ist vielleicht am sichersten", meinte Mike zuversichtlich. "Stimmt, das wäre der sicherste Weg", sagte Vardis mit finsterer Miene. So ritten sie in südlicher Richtung, um den Geheimstollen zu erreichen. Die kleine Gruppe bewegte sich langsam auf den Stadtrand von Xush zu. Die Stadt lag in einem Talkessel, die an einer Seite von einer steilen Felswand begrenzt wurde. Vor dieser Wand stand majestätisch die Burg von Lavos' Vater. Ringsumher war das Land Borra, wo einstmals eine atemberaubende Vegetation die Wege zierte. Mit dem Einzug der Finsteren aber war sie schlagartig verschwunden. Durch die verseuchte Atmosphäre waren die Blumen, Bäume und Gräser zugrunde gegangen. Vardis gab den Befehl zum absitzen. Eine Bodenwelle trennte sie jetzt nur noch von dem Talkessel. Sie banden die Pferde an einen verdorrten Baum und liefen geduckt an den Rand der Bodenwelle, um sich ein Bild von den Ereignissen der letzten Zeit zu machen. Sie krochen auf dem Bauch bis zum Rand, so dass sie niemand von unten her sehen konnte. Es bot sich ihnen ein fürchterlicher Anblick. Die Stadt musste ein einziges Flammenmeer gewesen sein, denn alles war verbrannt oder rußgeschwärzt. Von ihrer erhöhten Warte aus konnten sie sehen, wie die Skorrs grölend und jubelnd durch die Straßen zogen, um nach eventuellen überlebenden zu suchen. Einige Xush Bewohner hatten das Unheil überlebt, aber sie wurden aus ihren Kellern herausgezogen und grausam gemartert, das den Skorrs am meisten Freude bereitete. Sie schälten den Bewohnern langsam die Haut in Streifen vom Körper und stellten noch andere unbeschreibliche Dinge mit ihnen an.
"Sie schrecken vor nichts zurück", sagte Vardis nur dazu. "Wir müssen sehen, dass uns nicht dasselbe passiert."
-34"Lavos, wie können wir unbemerkt zu dem Geheimstollen gelangen?", fragte Mike gespannt. "Es gibt einen Weg und der führt durch die Gärten von Xush. Diese existieren jetzt aber nicht mehr. Der Weg ist nun unsicherer, als wir es gebrauchen können. Hinter jedem Erdhügel können Feinde lauern", sagte Lavos andächtig. "Wir müssen es versuchen. Es ist der Weg in die Burg. Wir werden die Dunkelheit abwarten, dann können wir das Wagnis eingehen. Solange werden wir uns in der Ruine im bleichen Tal verbergen", bestimmte Vardis ihr weiteres Vorgehen. Sie schlichen zu ihren Pferden zurück und führten sie an den Zügeln noch eine V/eile mit sich, um Lärm zu verhindern. Als sie sich einigermaßen sicher fühlten, stiegen sie auf und ritten in Richtung Ruine davon. Die Doppelsonne bewegte sich langsam zum Horizont, als sie die Ruine fast erreicht hatten. Plötzlich brach der Wüstenboden vor ihnen auf und eine mächtige Erscheinung wurde sichtbar. Ein Gigant von einem Drachen schob sich aus dem Sand hervor. Die Pferde der Männer scheuten und stellten sich auf die Hinterbeine. Mike verschlug es die Sprache. So etwas hatte er nie zuvor gesehen. Wenn, dann nur in schlechten Horrorfilmen. Der Drache war Dreißig Meter lang und fünfzehn Meter hoch. Ein riesiger Kamm zierte seinen Rücken, vom Kopf bis zum Schwänzende. Dicke Panzerplatten schützten seinen Körper ringsherum. Er brüllte laut auf und lange, sehr lange Reißzähne wurden sichtbar. Langsam schritt er auf sie zu, mit einem fortwährenden Brüllen. Die Erde erbebte bei jedem Schritt. "Wir müssen an ihm vorbei, um die Ruine zu erreichen. Wenn wir das geschafft haben, sind wir in Sicherheit", schrie Vardis trotz des Lärms seinen Gefährten zu. "Wie sollen wir das schaffen, er wird uns ständig auf den Fersen sein", meinte Lavos zweifelnd. "Dann müssen wir eben den Spieß
umdrehen. Der Jäger wird zum Gejagten."
-35Vardis schaute die anderen fragend, aber selbstsicher an. Lavos, Mike und die restlichen drei Krieger hatten ihn verstanden und nickten zustimmend. Der Drache war schon bedrohlich nahe gekommen. Die fünf Quos und der Erdling mussten schnell handeln. Vardis ritt nach rechts, seine Kameraden nach links. Die fünf Männer sollten den Drachen ablenken. Der Drache wandte sich auch den Kämpfern zu. Lieber fünf Opfer als eins, schien das Ungetüm zu denken. Vardis jagte an der Seite an ihm vorbei und riss sein Schwert aus der Scheide. Er hielt sein Pferd ruckartig an und sprang in den noch heißen Sand. Der Drache achtete gar nicht auf ihn und das wollte er ausnutzen. Vardis sprang ihn von der Seite an und krallte sich mit einer Hand an den Panzerplatten fest. Er kletterte geschickt mit Unterstützung seines Schwertes auf den Rücken der Kreatur, dass er in die Lücken zwischen die Panzerplatten schob und sich damit hochdrückte. Er kletterte weiter bis zum Hals des Tieres und klammerte sich dort fest. Der Drache hatte den lästigen Menschen endlich bemerkt und gebärdete sich nun wie wild. Er versuchte ihn abzuschütteln, doch es gelang ihm nicht. Vardis schob sich weiter vor und zog das Schwert nach vorn. Seine Kameraden blickten angsterfüllt auf die gefährliche Szene, die sich ihnen bot. Vardis hob blitzschnell das Schwert und stieß gewaltig zu. Die Muskeln schienen unter seiner Haut zu bersten. Die Klinge zerfetzte das rechte Auge der Kreatur und drang bis zum Gehirn vor. Vom Schmerz gepeinigt wurde der Drache nur noch wilder und bäumte sich kerzengerade auf. Vardis hingen die Haare wirr ins Gesicht und er drohte abzustürzen, doch er hielt sich tapfer. Das Blut spritzte literweise aus der schrecklichen Wunde. Vardis hob erneut sein blutbesudeltes Schwert und stach zu. Das zweite Auge des Ungetüms wurde von der Klinge wie Butter zerschnitten und sprang zerteilt aus der Augenhöhle heraus. Wahnsinnig vor Schmerz wusste der Drache nicht mehr was er tat. Er biss wie wild um sich. Vardis war schweißüberströmt und setzte zum Todesstoß an.
-36 Er rammte das Schwert mit voller Wucht in den verwundbaren Nacken. Der Drache kreischte noch einmal laut auf, bevor er zusammenbrach. Vardis kletterte von dem Ungetüm herunter und wischte sein blutiges Schwert im roten Sand ab. Die Anderen ritten heran und beglückwünschten ihn zu seinem Erfolg. Der Drache lag wie ein großer Fleischberg in der weiten Landschaft. Vardis ging zu seinem wartenden Pferd und stieg in einem Satz auf. Mit einem langen Blick auf den Drachen ritten die Männer weiter Richtung Ruine. "Wo kam denn so plötzlich diese Bestie her?", fragte Mike noch immer leicht verstört. "Die großen Drachen leben normalerweise in den Bergen. Seit die Skorrs ihr Unwesen treiben, stimmt die Natur nicht mehr. Die Drachen streifen nun einzeln durch die Gegend. Wenn sie am Tage in der Wüste sind, buddeln sie sich ein, um sich vor der Hitze zu schützen. Sie kommen dann in der Nacht hervor und gehen auf Jagd nach Beute." "Wie war das mit diesem hier? Es ist doch noch nicht Nacht und trotzdem kam er hervor", meinte Mike. "Er hat uns heranreiten hören und ist irritiert aus seinem Schlaf gerissen worden. Wahrscheinlich hat er sich bedroht gefühlt und uns deshalb angegriffen", sagte Vardis abschließend. Sie ritten geschwind weiter. Sie wollten die Ruine so schnell wie möglich erreichen, um solche Zwischenfälle weiterhin zu vermeiden, + Die beiden Spezialagenten von Scottland Yard trennten sich in Brighton. Roger Nelson fuhr geradewegs nach Eastbourne, um sich dort ein Bild von den Geschehnissen zu machen. Thambuda wollte zuerst zu Inspektor Corrington, der den Fall bearbeitete. Er fuhr mit seinem Renault Alpine zur Brightoner Polizeistation. Im Gebäude erkundigte er sich nach dem Inspektor. Man verwies ihn in den zweiten Stock, letzte Tür links. Er stieg die Treppe hinauf und fand Corringtons Büro auf Anhieb. Er klopfte an.
-37"Ja, bitte", bat ihn eine Stimme herein. Thambuda trat ein. Inspektor
Corrington saß hinter einem großen Schreibtisch, auf dem allerlei Papiere lagen, die er zu bearbeiten schien. Er war Ende vierzig, hatte leicht angegraute Haare und einen Bauch. Er steckte sich gerade seine Pfeife an, als Thambuda eintrat. "Guten Tag Inspektor. Mein Name ist Thambuda und ich muss sie im Fall Eastbourne dringend sprechen." "Guten Tag. Bitte nehmen sie Platz. Sind sie ein Augenzeuge oder Reporter? Wenn sie letzteres sind, habe ich ihnen nichts zu sagen", meinte Corrington knallhart. "Nein Inspektor. Ich bin keins von beiden", sagte Thambuda lächelnd. Er zog seinen Dienstausweis aus der Brusttasche seiner Jacke und reichte ihn dem Inspektor hinüber. "Ah, das konnte ich nicht wissen. Ein Kollege also. Und sie kommen wegen des Eastbourne Falles?" "Ja, ich soll mit ihnen gemeinsam den Fall lösen. Man hat mich und noch einen anderen Kollegen geschickt, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Das wurde von höchster Stelle angeordnet. Der Kollege, Roger Nelson, ist gerade nach Eastbourne gefahren, um sich dort persönlich umzusehen." "Na wunderbar. Dann lastet die Geschichte nicht nur auf meinen Schultern. Ich bin bisher kein Stück in der Sache weitergekommen. Hoffentlich ändert sich das jetzt." Nach diesen Worten diskutierten sie den Fall gründlich durch. + Um fünfzehn Uhr hatte Roger Nelson Eastbourne erreicht. Er fuhr auf den Marktplatz und parkte direkt vor dem Haus des Dorfpolizisten Phil Tanna. Er ging in das Büro des Beamten und wies sich aus. Daraufhin zeigte sich Phil Tanna hilfsbereit und zuvorkommend, was er vorher nicht sein wollte. Er hatte ihn zunächst nur mürrisch angesehen und ihn für einen neugierigen Reporter gehalten. "Entschuldigen sie, das konnte ich nicht wissen. Wie kann ich ihnen helfen?"
-38"Sie können mir die Tatorte zeigen." "Gut. Dann brauchen wir nicht weit gehen. Wir brauchen nur auf den Marktplatz zu gehen. Der zweite Tatort liegt weiter außerhalb. Eine alte Frau, die
Brennholz sammelte, hat die Leiche im Wald gefunden." Sie gingen hinaus auf den Marktplatz und Phil Tanna zeigte ihm die Stelle, an der John McClish tot aufgefunden wurde. Eine getrocknete Blutlache war noch an dem Platz zu sehen, sonst nichts. Dasselbe war auch an dem Ort zu sehen, wo James Corton gelegen hatte. "Na ja, viele Spuren haben die Täter nicht hinterlassen. Dann wollen wir uns mal im Wald umsehen", meinte Roger nach der Untersuchung der Tatorte auf dem Marktplatz von Eastbourne. Roger und der Polizist stiegen in den Porsche und fuhren in Richtung Wald. Phil Tanna wies ihm dem Weg. Eine Viertelstunde später waren sie da. In dem Gebüsch, wo die Leiche von Cathy Corton gelegen hatte waren ebenfalls nur Blutspuren zu sehen. Roger Nelson war damit nicht zufrieden. "Tja. Das hat die Brightoner Polizei auch schon gemacht, aber ohne Erfolg. Es sind keine Spuren da, die auf die Täter schließen lassen könnten", sagte der Dorfpolizist überzeugt. Roger suchte die nähere Umgebung ab. Nichts. Er suchte weiter. Nach einer Stunde fand er etwas. Zweihundert Meter vom Fundort der Leiche entfernt, hatten seine scharfen Augen Fußspuren entdeckt, die nicht von der holzsammelnden alten Frau stammen konnten. Es war ein Abdruck eines großen Tieres. So schien es auf den ersten Blick. Doch ein Tier mit einem fünfzig Zentimeter großen Fuß und drei krallenbewehrten Zehen gab es in diesem Wald nicht. Roger war erstaunt über den Fund. Auch Phil Tanna wusste nichts damit anzufangen. "Es ist neu, dass so große Tiere hier leben. Die müssen ja so groß wie Grizzlys sein", staunte Tanna. "Könnte es nicht sein, dass die Opfer von wilden Tieren getötet worden sind?", fragte Roger den Polizisten.
-39"Nach diesen Spuren zu urteilen, schon." Sie suchten noch nach weiteren Abdrücken dieser Art, fanden aber keine weiteren. Sie kehrten zu dem 928 Porsche zurück. "Wenn man den Weg weiterfährt, kommt man zum Haus von James und Cathy Corton, den Ermordeten." "Gut. Fahren wir mal hin und schauen uns dort um. Man kann ja nie wissen."
Sie waren schnell da. Phil Tanna öffnete die Hautür mit einem Spezialschlüssel. Sie durchsuchten das kleine Haus von oben bis unten. Es war nichts Verdächtiges zu entdecken. Unverrichteter Dinge fuhren sie wieder los. "Sie haben ja die Namen der Augenzeugen. Ich möchte sie alle noch einmal selbst sprechen. Ich kann doch ihr Büro benutzen?", fragte Roger nebenbei. "Natürlich. Sie können es jederzeit benutzen. Ich bin froh, wenn ich ihnen helfen kann", meinte Phil Tanna einschmeichelnd. "Wenn wir wieder im Dorf sind, benachrichtigen sie bitte alle Augenzeugen, daß sie ins Büro kommen sollen." "In Ordnung. Das wird nicht viel Arbeit machen. Es gibt nur drei Augenzeugen für das Geschehen auf dem Maktplatz." "Ich hoffe, daß wir es nicht mit wilden Tieren zutun haben, das könnte die Angelegenheit komplizieren." "Das kann nicht sein Mister Nelson." "Ach ja, richtig. Man hat eine Streitaxt aus den Schulterblättern von John McClish gezogen", berichtigte Roger sich selbst. "Aber was mag sonst dahinterstecken?" Er konnte nicht ahnen, wie schrecklich die Wirklichkeit aussah. + Von weitem schon sah man einsam die Ruine neben ein paar verdörrten Bäumen stehen. Sie ließen Vorsicht walten, als sie sich dem alten Bau näherten. Die Ruine sah aus, wie eine zerfallene Kirche aus dem Mittelalter der Erdgeschichte. Sie besaß einen Turm mit großen Löchern. Das angebaute Haus sah auch nicht besser aus. Das Dach war halb aufgerissen. Die Ruine konnte nur noch Wandersleuten Schutz gewähren. Zehn Meter vor ihr stiegen sie ab und zogen die Pferde, die sich ein wenig sträubten, zum Turm, um sie vor feindlichen Augen zu verbergen.
-40Das Tor des Turms hing windschief in den Angeln und knarrte bei jedem leichten Windstoß. Vardis ging als erster mit seinem Pferd durch die Türöffnung. Er sah sich aufmerksam um, konnte jedoch nichts Verdächtiges feststellen. Die Treppe, die den Turm hinaufführte, sah schon etwas brüchig aus. Sie würde das Gewicht
eines Menschen nicht mehr aushalten. Demnach konnte da oben niemand sein. Vardis rief die Anderen herein. Sie banden ihre Pferde an ein paar Eisenstangen, die aus der Wand wie Griffe ragten. Eine Tür verband den Turm mit dem verfallenen Haus. Langsam gingen sie darauf zu. Vorsichtig blickten sie sich, im Türrahmen stehend, in dem großen Raum um. Er war düster und bis auf einen alten und morschen Tisch mit ein paar Stühlen leer. Es war niemand zu sehen. Nach dieser Feststellung gingen sie beruhigt hinein, um sich von den Strapazen der letzten zwei Tage zu erholen. Lavos und die drei anderen Krieger legten sich zum Schlafen nieder. Vardis und Mike hielten Wache. Nachdem die anderen eingeschlafen waren, unterhielten sich Vardis und Mike noch ein wenig. "Wie sieht es eigentlich in deiner Welt aus?", fragte Vardis gespannt. "Da gibt es große viereckige Häuser. Anstatt der Pferde gibt es kleine Kabinen, in denen vier bis sechs Menschen Platz haben. Sie bewegen sich von allein überall hin, wie man Lust hat. Sie rollen auf vier Rädern und brauchen eine bestimmte Flüssigkeit, sonst funktioniert das ganze nicht. Die Menschen arbeiten von früh bis spät, damit sie Geld verdienen. Sie gönnen sich jeden Luxus, wenn sie es sich leisten können. Es gibt auch künstliche Vögel, in denen man von einem Ort zum anderen fliegen kann. Die Welt, aus der ich komme, ist deiner um viele tausend Jahre voraus", erzählte Mike andächtig, auf einen imaginären Punkt starrend. Er hatte die Beschreibung einfach formuliert, um sie Vardis einigermaßen plausibel zu machen. "So sieht es also bei dir aus. Ich würde es gern einmal sehen. Es ist bestimmt interessant, die künstlichen Vögel zu beobachten", sagte Vardis schwärmend.
-41"Ich würde mich freuen, sie dir zu zeigen. Es gibt aber keinen Weg mehr zurück", sagte Mike verbittert. "Nun, wir werden sehen", meinte Vardis geheimnisvoll. Plötzlich zuckte Mike zusammen. Er hatte ein Geräusch gehört. Er wandte schnell den Kopf zum Fenster und stieß einen erstaunten Schrei aus. Vardis warf ebenfalls den Kopf herum und sah, wie ein Augenpaar hinter der Mauer verschwand. Sie konnten
nicht wissen, dass diese Augen sie schon letzte Nacht beobachtet hatten. Durch den Schrei waren die anderen aufgewacht und sahen verwirrt zu Vardis und Mike hinüber. "Da ist jemand", war Mikes Ausruf. Lavos und die restlichen Krieger sprangen auf und rissen ihre Schwerter aus den Scheiden. Vardis ging langsam, mit erhobenem Schwert, zur Tür. Da flog der Rest der ehemaligen Tür mit lautem Krach nach innen und brach aus den rostigen Angeln. Eine Horde schauerlicher Gestalten stürmte in den Raum. Jetzt verstand Vardis, was der Alte hinter der Hügelkette gemeint hatte. Da kamen sie. Die Monster, von denen der Alte gesprochen hatte. Es waren fürchterliche Kreaturen, die jeder Beschreibung trotzten. Die zum Teil schuppigen Echsen auf zwei Beinen, wie die grünen Schleimmonster mit spitzen Ohren und ausgebrannten Augenhöhlen, oder die werwolfsähnlichen Gestalten, mit blanken Wolfsschädeln als Kopf, stürmten auf sie ein. Es waren auch noch andere Kreaturen darunter, deren Beschreibung wegen ihrer Abscheulichkeit unmöglich ist. Mike gefror das Blut in den Adern. Die Skorrs hatten Verbündete bekommen, wie der Alte schon angedeutet hatte. Mike parierte den Schlag eines Monsters mit Bravour und ging selbst zum Angriff über. Er drängte es in eine Ecke und setzte zum vernichtenden Schlag an. Da ließ es sich einfach fallen und rollte sich in seine Beine. Mike stürzte. Das Monster drehte den Spieß um und wollte gerade zustechen, als plötzlich ein anderes Schwert genau zwischen den Augen des Scheusals herausdrang.
-42 Vardis hatte eines der Bestien vernichtet, bevor er Mike in dieser Situation gesehen hatte. Er war schnell einen Schritt vorgesprungen und hatte das Monster in den breiigen Kopf gestochen. Ein dankbarer Blick traf Vardis. Der lächelte Mike ermutigend zu, bevor er auch wieder gefordert wurde. Jetzt waren es nur noch sieben Kreaturen von fünfzehn. Ein Krieger kämpfte mit zweien gleichzeitig. Die Finsternis kannte keine Fairness. Die eine Bestie stellte ihm ein Bein. Der Krieger schlug der Länge nach hin. Sofort waren sie über ihm und trennten ihm mit einem Schlag den Kopf vom Rumpf. Sie wandten sich ab und stürmten auf einen anderen mutigen Kämpfer zu. Vardis, Lavos und Mike konnten sich ihrer Gegner entledigen,
Die Monster waren keine guten Schwertkämpfer. Ihre Stärke war die Masse. Sie überrollten einfach alles zahlenmäßig. Mike und die anderen hatten es geschafft, sie zu vernichten. Lavos und die beiden anderen Krieger schlugen von hinten auf sie ein. Da hatten die Monster keine Chance mehr. Sie waren alle zu schwarzem Staub vergangen. "Wir müssen jetzt noch viel vorsichtiger sein, als je zuvor, da sie überall stecken können. Wir haben noch einmal Glück gehabt. Hoffentlich bleibt das so. Sie waren zwar in der Überzahl gewesen, konnten aber dafür nicht gut mit dem Schwert umgehen", sagte Vardis zu dem kleinen Sieg, den sie errungen hatten. "Jetzt wird der Weg zur Burg noch schwieriger", meinte Lavos bedrückt. "Wir sind jetzt nur noch fünf. Vielleicht ist es besser so, dass wir wenige sind. Umso weniger fallen wir auf. Das wird uns zum Vorteil gereichen", äußerte sich Mike. "Es ist schon dunkel. Wir müssen nun aufbrechen", gab Vardis den Anstoß zu dem gewagten Unternehmen. + Sie hatten die Situation besprochen, in der sie waren. Inspektor Corrington hatte Thambuda alles erzählt, was er über den Fall wusste und Spekulationen darüber angestellt.
-43"Ach ja. Da ist noch eine Sache. Heute Morgen ist zwischen Eastbourne und Lewes ein schwerer Unfall passiert. Der Fahrer ist tot." "Wer war der Fahrer des Wagens?" "Ein gewisser Tom Brunner. Er war Bankangestellter und fuhr gerade zur Arbeit. Da ist noch etwas merkwürdiges." "Das wäre?" "Auf der Straße lag eine Leiche, der die Organe fehlten." "Haben sie herausgefunden wer das war? Vielleicht gib es eine Verbindung zu unserem Fall." "Bestimmt. Der Mann war Poul Henly. Seine Frau hatte schon eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Er hat in Eastbourne gewohnt."
"Ja, wenn man das bedenkt, kommt man zu dem Schluss, dass die Täter Richtung Lewes gezogen sind. Am besten sie verstärken die Einheit in Lewes aufgrund des Verdachtes, dass die Täter dorthin kommen." "Natürlich. Das wird wohl das Klügste sein." Thambuda erhob sich. "Vielen Dank für das informative Gespräch, Inspektor Corrington. Ich werde mich noch in der Gegend um Lewes umsehen. Auf Wiedersehen." "Auf Wiedersehen und viel Erfolg", wünschte ihm der Inspektor noch. + Eastbourne. Roger Nelson saß hinter dem massiven Schreibtisch und verhörte die Augenzeugen der brutalen Morde. "Misses Brown, was haben sie also gesehen? Beschreiben sie es genau!" Ja, ich sagte es schon Mister Tanna. Durch den Schrei bin ich aufgewacht und habe aus dem Fenster gesehen. Ich sah drei große Schatten um die Ecke eines Hauses biegen. Das ist alles." "Können sie die Schatten näher beschreiben?" "Nun ja. Es waren drei große, massige Gestalten. Sie hatten, glaub ich, Schwerter und Äxte in den großen Händen und trugen einen schlaffen Körper davon. Sonst habe ich nichts gesehen." "Danke. Sie können jetzt gehen."
-44Als Misses Brown draußen war sagte Roger: "Bei allen dreien war es dasselbe. Alle sahen diese massigen Gestalten, mit Schwertern und Äxten bewaffnet und einen schlaffen Körper mit sich schleppend." Viel war es nicht, was er erfahren hatte. Es war auch nicht mit den Abdrücken im Wald in Verbindung zu bringen. Schwierig war auch, einen weiteren Ansatzpunkt zur Lösung zu finden. Roger verabschiedete sich von Phil Tanna und machte sich auf den Weg zurück nach Brighton. In dem Porsche ging es sehr schnell. Um achtzehn Uhr war er wieder im Hotel. Thambuda war noch nicht zurück. Roger Nelson lag auf seinem Bett und dachte über diese mysteriöse Sache nach. Die Stunden vergingen. Roger legte sich in Gedanken sein weiteres Vorgehen zurecht. Inzwischen war es dreiundzwanzig Uhr. Roger war ein wenig eingenickt, als es an der Tür mächtig krachte. Roger war sofort hellwach. Er sprang auf und lief schnell zur Tür. Als er sie aufriss, fiel ein
Körper vor seine Füße. Das schwache Licht der kleinen Tischlampe reichte nicht aus, um klar zu erkennen, wer da vor ihm lag. Er knipste die Deckenleuchte an und fuhr erschrocken zusammen. Vor ihm lag ein blutüberströmter Mann, der keuchend nach Luft rang. "Thambuda! Was ist mit dir geschehen?" Thambuda konnte ihm nicht antworten. Er war einfach zu schwach dazu. Blutüberströmt lag er da, mit geschwollenen Augen. Roger Nelson zog seinen Kollegen besorgt in den Raum hinein und legte ihn auf die Couch neben dem großen verhangenen Fenster. Roger holte Verbandszeug und Desinfektionsmittel aus dem Bad und versorgte seinen Freund notdürftig. Niemand schien Thambuda nach seinem Erlebnis begegnet zu sein, sonst hätte man ihn bestimmt schon in ein Krankenhaus gebracht. Roger rief das nächste Krankenhaus an und bestellte einen Krankenwagen für einen dringenden Fall. Zehn Minuten später war er da. Thambuda wurde in das East Side Hospital abtransportiert. Roger begleitete ihn, besorgt um seinen Zustand. Es sah schlimm aus.
-45Die Ankunft des Krankenwagens war nicht unbemerkt beblieben und die Bewohner des Hotels hatten neugierig bei dem Abtransport dabeigestanden. 'Hoffentlich kommt er durch. Er musste etwas schreckliches erlebt haben, dass er in einem solchen Zustand in das Hotel zurückkam.' Roger hoffte, dass Thambuda sich noch mitteilen konnte. + Es war stockfinster, als sie sich auf ihre Pferde schwangen und langsam zur Nordseite von Xush ritten. Unterwegs begegnete ihnen niemand. Alles blieb ruhig. Die Skorrs und die Monster schienen sich zurückgezogen zu haben. Aber das war sehr vorteilhaft für sie. Sie kamen nach zwei Stunden zu der Bodenwelle, die das Tal von der Wüste trennte, "Wir müssen jetzt, ohne die geringsten Geräusche zu verursachen, unsere Pferde verstecken und dann in die ehemaligen Gärten gelangen", übernahm Lavos nun das Kommando. In einer alten Holzhütte, die an der steilen Felswand, zweihundert Meter in der
Wüste, vor der Bodenwelle stand, verbargen sie ihre Pferde. Die Holzhütte war ein Überbleibsel aus der Zeit, als noch Äcker bestellt und Saat gepflanzt worden sind. Sie stand nun etwas in der Wüste, die früher fruchtbar gewesen war. Sie banden ihre Pferde an und schlichen leise an den Rand der Bodenwelle. Sie starrten hinunter zu dem Weg, den sie gehen mussten und waren über den Anblick erstaunt. Am Rand der Stadt dehnten sich die unheimlich anzuschauenden Gärten aus. Da, wo früher Gräser wuchsen, gab es jetzt nur noch feuerroten Wüstensand. Büsche und Blumen waren verschwunden. Es standen nur noch entlaubte, kahle und versteinerte Bäume, die ihre Zweige klagend in den düsteren Himmel reckten, vereinzelt herum. Es war ein betrübender Anblick. Das Leben war aus diesen Gärten gesogen worden. Niemand war von hier aus in der Stadt zu sehen. Sie schien ebenfalls ausgestorben zu sein. Die Skorrs waren weit und breit nicht zu sehen. "Wir sollten uns nicht täuschen lassen. Sie sind bestimmt gar nicht so weit entfernt, wie wir denken sollen.
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Hoffen wie das beste", sagte Vardis mit ernster Miene. Langsam, in gebeugter Haltung, schlichen sie den Abhang hinunter. Nach vierhundert Metern erreichten sie die ersten versteinerten Bäume. Sie liefen immer den Rücken den Bäumen zugewandt, um sich von hinten vor lauernden Feinden zu schützen. Das war in lebensgefährlichen Situationen eine wichtige Taktik zum überleben. Die Dunkelheit ließ sie nur als Schemen erscheinen. Die Gärten waren aneinandergereiht. Es trennten sie nur kleine morsche Zäune voneinander. So schien es ein einziger großer rechteckiger Garten gewesen zu sein. Sie hatten etwa die Hälfte geschafft, als es geschah. Aus dem weichen Boden schossen in Sekundenschnelle lianenartige Pflanzen hervor. Sie erreichten eine Größe von etwa drei Metern und leuchteten von innen heraus, so dass die nähere Umgebung in diffuses Licht getaucht wurde. Die bunten Farben der Schlingpflanzen schillerten auf ihren Gesichtern und spiegelten sich darauf wieder. Sie wuchsen wie im Zeitraffertempo. Rasend schnell hatten sie ihre volle
Größe erreicht. Im Durchmesser waren die Lianen am unteren Ende fünfzig Zentimeter dick und verjüngten sich nach oben hin in eine dünne bewegliche Spitze. Die Oberfläche der Pflanzen war mit zehn Zentimeter langen Dornen bestückt. Die langen Gewächse ragten wie Tentakel auf sie zu. Es war ein regelrechter Urwald, der sie umgab. Ein Todesdschungel. Die tentakelgleichen Pflanzenstränge legten sich blitzschnell um ihre Körper. Die Männer waren so überrascht, dass sie keine Zeit gefunden hatten ihre Schwerter zu benutzen. Die Gewächse schüttelten sie wahrhaft durch. Eben ging alles noch rasend schnell, doch plötzlich nahmen sich die Pflanzen Zeit. Langsam hoben sie ihre Opfer in die Höhe, um sie dort in aller Ruhe zu zerquetschen. Sie zappelten und strampelten, aber es half alles nichts mehr. Einen der Krieger erreichte das Schicksal zuerst. Die Pflanze hatte im Herzschlagrhythmus zugepresst. Die Dornen waren immer tiefer in das Fleisch des Mannes gedrungen und hatten ihm schlimme Wunden zugefügt.
-47Der Krieger schrie furchtbar. Das Blut spritzte an der dornigen Liane herunter. Wahnsinnige Schmerzen musste er ertragen. Aber lange brauchte er nicht auf die Erlösung zu warten. Der Krieger schrie noch verzweifelt, doch plötzlich platzte sein Kopf, wie unter einem ungeheueren Druck. Gehirnfetzen flogen durch die Luft und klatschten den Anderen ins Gesicht. Angewidert schlossen sie die Augen. Die Liane ließ den toten Körper einfach auf den Boden fallen, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Die Pflanze musste ein Gas im Herzschlagrhythmus in den Körper gepumpt haben. Unter dem hohen Innendruck war der Kopf des Opfers geplatzt. Ihnen würde das gleiche Schicksal in ein paar Sekunden bevorstehen. Die Dornen waren schon tief in ihr Fleisch gedrungen. Die Pflanzen fingen gerade an, das Gas einzupumpen. Plötzlich zischte es zwei, drei, vier mal und die dornigen Lianen neigten sich bedrohlich zur Seite, kippten noch weiter und brachen schließlich ganz ab. Die vier Kämpfer rollten sich überschlagend aus den Tentakeln und landeten weich auf dem roten Wüstensand. Sie waren etwas benommen und ihre Wunden bluteten heftig. Sie mussten
sie schnellstens verbinden. Schwankend standen sie wieder auf und sahen, was geschehen war. Ein Mann stand da mit einem riesigen Breitschwert in der rechten Hand. Er war knapp zwei Meter groß und fast ebenso breit. Eine schwarze Haarmähne zierte seinen Kopf. Er trug ein braunes Lederwams und eine graugrüne Reptilienhauthose. Seine Füße hatte er in großen Stulpenstiefeln stecken. Ein wahrer Hüne stand vor ihnen. Seine Muskeln spielten, als er leichtfüssig auf sie zuging. Sein Bizeps schwoll an, als er den Arm zum Gruß hob. Mike glaubte einen Fußball zu sehen. + Thambuda lag unter einem Sauerstoffzelt. Ein Piepton ließ die Geschwindigkeit seines Pulses erkennen. Neben dem Krankenbett saß Roger Nelson auf einem Stuhl. Seit zwei Stunden saß er schon hier und hoffte, dass Thambuda aufwachte und ihm das wichtigste berichten könne. Jetzt war es ein Uhr nachts.
-48Plötzlich schlug er die Augen langsam auf. Der hohe Blutverlust machte sich noch stark bemerkbar. Roger sprang auf, als er Thambudas Reaktion sah. "Thambuda, kannst du mich hören?" Der Farbige erkannte ihn und nickte leicht mit dem Kopf. Er hatte einen dicken Kopfverband, der ihn bei dieser Bewegung schon behinderte. "Schaffst du es zu erzählen, was passiert ist?" Thambuda bewegte die Lippen, doch kein Ton kam hervor. Er probierte es noch einmal und da klappte es. "Wald von Lewes... ich gesucht... ein Schatten... mich von hinten... niedergeschlagen... wegen des Unfalls... gesucht." Schwach drangen die Worte an Rogers Ohr. Mehr konnte Thambuda ihm nicht mitteilen. Durch die Schwäche fielen ihm die Augen zu und er schlief sofort ein. Roger eilte aus dem Zimmer. Mit dem Porsche fuhr er zum Polizeirevier. Er wollte nun unbedingt Inspektor Corrington sprechen. Er musste Thambuda eine Information gegeben haben, die äußerst wichtig war und mit Lewes zu tun hatte. Roger wurde sofort zu Corrington durchgelassen, der diese Nacht Dienst hatte. "Mister Thambuda hat mir schon von
ihnen erzählt. Hoffentlich haben sie Erfolg." "Ja, sicher. Haben sie Thambuda eine Information gegeben, die mit Lewes zu tun hatte?" "Ja, das hatte ich. Kurz vor Lewes, im Wald, war ein Unfall geschehen und eine Leiche gefunden worden." Corrington schilderte ihm den Fall genau. "Das hatte ich ihm auch erzählt. Er meinte ich solle eine Einheit nach Lewes schicken, um dem zufälligen Auftauchen der Täter vorzubeugen. Aber warum fragen sie danach? Zu dieser Stunde." "Ganz einfach. Mister Thambuda liegt schwerverletzt im East Side Hospital. Er erzählte von ein paar schattenhaften Gestalten, die ihn niedergeschlagen haben." "Das ist ja furchtbar. Ich werde sofort zu ihm fahren. Vielleicht sagt er noch etwas wichtiges."
-49"Tun sie das, Inspektor." Roger Nelson verabschiedete sich und fuhr mit seinem Auto in Richtung Lewes. Um zwei Uhr erreichte er das nächtliche Lewes. Der Ort war so groß wie Eastbourne. Es gab hier viele Bauernhöfe. Corringtons Polizisten waren in der ganzen Ortschaft verteilt. Bisher war nichts passiert. Zum Glück. Roger wies sich dem Befehlshabenden aus. Er konnte sich nun sofort frei im Dorf bewegen, ohne angehalten zu werden. Er war froh, nicht zu spät gekommen zu sein. Wenn Thambudas Theorie stimmte, musste in dieser Nacht etwas geschehen. Roger streifte, wie sein Kollege zuvor, durch die Nacht. Er durchkämmte den ganzen Ort und fing mit seiner Suche dann im Wald an. Die Zeit verging und es passierte nichts. Roger war ein Stück in den Wald gegangen, als er ein Geräusch vernahm. 'Ein Tier, oder die Täter? ', fragte er sich selbst in Gedanken. Er zog seinen Revolver und entsicherte ihn. Das Geräusch kam näher. Es knackten die Äste unter einem schweren Gewicht. Roger versteckte sich hinter einem dicken Baum und wartete ab, was weiter geschah. Das knacken war jetzt ganz nah. Roger war eine einzig gespannte Aufmerksamkeit. Da war die Gestalt auch schon hinter ihm. Instinktiv hatte
Roger gemerkt, dass da jemand hinter ihm stand und wirbelte, sich duckend, herum. Ein Gegenstand sauste auf ihn herab. Roger erkannte es noch rechtzeitig und warf sich zur Seite. Gleichzeitig feuerte er einen Schuss auf die Gestalt ab. Sein Gegner taumelte und fiel dann zu Boden. Die längliche Waffe entfiel seinen Händen. Das knackende Geräusch von vorhin war jetzt neben ihm. Er hatte es in der Gefahr gar nicht bemerkt. Er warf den Kopf herum und erkannte drei weitere Gegner, die in der Dunkelheit nicht zu identifizieren waren. Sie wollten ihm den Garaus machen. Roger wollte wieder schießen, doch er reagierte zu langsam. Das Schwert sauste herab. Er rollte sich noch geistesgegenwärtig herum. Das Schwert streifte ihn am Oberschenkel und brachte ihm eine tiefe Wunde bei.
-50Weiter kamen seine Gegner auch nicht. Männer stürzten durch den Wald und feuerten auf die Gestalten, die den verzweifelt kämpfenden Roger Nelson auf dem Waldboden bedrängten. Erschrocken fuhren sie zusammen und ergriffen die Flucht. Die Polizisten erreichten Roger. Einige kümmerten sich um ihn und verbanden seine stark blutende Wunde am linken Oberschenkel. Die anderen zwanzig Polizisten nahmen die Verfolgung auf. Eine halbe Stunde suchten sie die Umgebung ab. Erfolglos kehrten sie nach Lewes zurück. Man hatte Roger in den Ort zurückgetragen und er wurde gefragt, was geschehen war. Er tat ihnen den Gefallen und erzählte, was er gesehen hatte. Er wusste bisher immer noch soviel wie vorher. Er war kein Stück weiter gekommen. Ein Streifenwagen fuhr ihn nach Brighton in das East Side Hospital. Dort wurde er sofort behandelt und in ein Bett verfrachtet. Vier Tage sollte er dort verbringen. Nachdem er das Krankenzimmer bezogen hatte erkundigte er sich nach dem Befinden seines Kollegen. "Es geht ihm schon etwas besser. Er ist jetzt schon etwas länger wach und kann schon Brei essen." "Das ist wenigstens eine gute Nachricht. Wenn bisher auch alles schief gegangen ist, sind wir doch wieder zusammen. Auch wenn es im Hospital ist", meinte Roger mit einem traurigen Lächeln. +
"Wer bist du?", fragte Lavos mit schwerer Zunge. "Ich heiße Kartos. Ich komme aus Inos, einer kleinen Stadt weit im Süden des Landes Etor. Ich bin ein Wanderer und kam zufällig hier vorbei. Ich sah, wie die Mörderpflanzen euer Leben bedrohten. Mit dem Schwert schlug ich mir eine Schneise durch die Lianen und kappte die Stängel der Höllengewächse", erläuterte der Fremde. "Ist dir unterwegs niemand begegnet? Kein Skorr?", fragte Vardis. "Mir ist schon lange niemand mehr begegnet. Wer sind die Skorrs?" Sie standen auf einer kleinen Lichtung, die Kartos geschlagen hatte, als er sie befreite. Inzwischen hatten sie ihre Wunden versorgt. Sie erklärten ihm die Situation, in der sie sich befanden.
-51"Wenn ich euch helfen kann, will ich es gerne tun. Ich werde euch auf eurem Weg begleiten und euch sicher nützlich sein. Ich werde helfen, wenn das Schicksal der Menschen davon abhängt", stellte sich Kartos zur Verfügung. Sie hatten einen neuen Freund gefunden, einer der kräftig zulangen konnte, wenn es sein musste. Sie holten sich ihre Schwerter wieder und machten sich erneut auf den Weg. Sie schlugen sich einen Gang durch die Gewächse. Die Tentakel schlugen nach ihnen, aber sie parierten diese Schläge gekonnt mit ihren scharfen Schwertern. Sie kamen gut voran. Es waren jetzt nur noch wenige Meter, dann hatten sie es geschafft. Sie waren unbeschadet durch den Todesdschungel gelangt. Ein eigenartiges Geräusch erfüllte mit einem Mal die Luft. Sie schauten gespannt zurück und sahen, wie die Pflanzen blitzschnell schrumpften und in dem Wüstensand verschwanden. So schnell, wie sie gekommen waren, verschluckte sie der Erdboden wieder. "Hinter den Felsen liegt der Geheimgang. Wir müssen erst den Stein davor wegrollen", sagte Lavos. Sie schlichen zu der Felswand und stemmten sich gegen den Felsklotz, der den Zugang versperrte. "Wir dürfen keinen Lärm verursachen, um nicht noch im letzten Moment erwischt zu werden", meinte Vardis sichtlich nervös. Mit einiger Anstrengung schafften sie es endlich, den Stein zur Seite zu bewegen. Lavos ging als erster in die flimmernde Dunkelheit. Die anderen folgten
nach. Kartos, Mike und Vardis schoben den Fels hinter ihnen wieder vor den Eingang. Sie wollten keine Spuren zurücklassen, um nicht den Skorrs die Lage der Höhle zu verraten, dass diese die Burg in einem Streich erobern konnten. Die Höhle war mannshoch und von einem leichten grünen Schimmer erfüllt, der von den Wänden herrührte. Das Licht kam aus kleinen grünen Steinen, die an der Decke und den Wänden hingen. "Das sieht ja phantastisch aus", sagte Mike bewundernd. "Die Berge enthalten alle das grüne Mineral Axas. Es ist sehr wertvoll", erklärte Lavos, ging aber nicht weiter darauf ein.
-52"Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir den Geheimstollen verlassen, da wir nicht wissen, was in der Zwischenzeit in der Burg passiert ist." Sie schritten ohne viel zu Reden den Gang entlang. Nach fünfhundert Metern machte die Höhle einen Knick nach links und führte dann begrab. Einige hundert Meter weiter war der Stollen zuende. Sie erblickten eine Wand, die gemauert war. Sie musste ein Teil von der Burg sein. Lavos ging an die rechte Seite der Mauer und drückte auf einen Stein an der Wand. "Vorsicht, nur nichts übereilen", ermahnte Vardis. Langsam schob sich ein Teil der Wand zur Seite. Es entstand ein schmaler Spalt, durch den gerade ein Mensch hindurchpasste. Vardis ging zu dem Spalt. Er nahm sein Schwert zur Hand und blickte vorsichtig durch die entstandene Öffnung. Er sah einen langen Korridor, der mit vielen an den Wänden stehenden Säulen geziert wurde. Die Öffnung war zwischen zwei Säulen entstanden und so nicht gleich von innen zu sehen. Es war niemand auf dem Gang, so dass sie es wagen konnten, den Stollen zu verlassen. Sie betraten den Korridor mit gezückten Schwertern, um vor jeder Gefahr gewappnet zu sein. Sie stellten sich immer wieder die frage, ob die Skorrs schon in die Burg eingefallen waren oder nicht. Bald würden sie es erfahren. Auch wenn sie hier waren, würden die Männer nicht aufgeben und nach einer Lösung des Problems suchen. Lavos drückte erneut auf einen kleinen Stein, der am Sockel hinter einer Säule hervorragte. Die Wand schob sich wieder in ihre Ausgangsstellung zurück. Es war nicht mehr zu erkennen, dass da eben noch der Eingang zu einer Höhle
gewesen war. Der Korridor wurde auf der einen Seite, wie auf der anderen, von einer großen Tür begrenzt. Lavos wies ihnen den Weg. Sie wandten sich nach links und gingen aufmerksam auf die mit Ornamenten verzierte Tür zu. Es war bisher niemand zu sehen gewesen, was sich aber schlagartig ändern konnte. Sie erreichten die Tür. Vardis drückte die Klinke herunter und zog die Tür einen Spalt breit auf.
-53-
Er sah einen großen Saal mit einem Thron, der auf einem erhöhten Podest
stand. Er wusste nun genau, wo er sich befand. Schließlich war er ein enger Vertrauter des Herrschers und kannte die meisten Gänge und Korridore. Auf dem Thron saß einsam eine Gestalt. "Antaris", rief Vardis erleichtert. Die Gestalt blickte auf. "Vardis", antwortete sie ihm mit einem Seufzen. Nun ließ er jede Vorsicht ungeachtet und rannte zum Thron hinüber. Die anderen sahen sich verwundert an. Als sie den Herrscher sahen, folgten sie Vardis. Vor dem Thron ließ sich Vardis ergeben nieder. "Vardis, es ist einiges geschehen. Borra und die Hauptstadt Xush sind völlig in gegnerischer Hand. Nur noch die Burg dient als letzter Zufluchtsort vor dem Grauen, dass vor den Toren steht. Die Skorrs und ihr Magier versuchen auch diese zu vernichten. Hier in der Burg sind noch dreihundert Frauen, Kinder und Krieger, die alles in ihren Kräften stehende tun, die Skorrs und ihre Helfer abzuwehren. Sie werden aber nicht mehr lange die Stellung halten können. Das Heer wird uns zahlenmäßig einfach überrollen", erzählte Antaris trauererfüllt. In der Zwischenzeit waren die anderen bei dem Thron eingetroffen und hatten aufmerksam zugehört. "Vater, gibt es denn keine Möglichkeit mehr, noch einmal alles zum Guten zu wenden?", fragte Lavos hoffnungsvoll. "Ja, es gibt noch eine. Nur noch eine. Aber sie ist zu schwierig. Man kann es nicht schaffen, bevor die Skorrs die Burg eingenommen haben", sagte Antaris resignierend. "Sag uns, was es ist", forderte Lavos nun. "Also gut. Im Land Niros gibt es angeblich eine Höhle, die in einem Gebirgszug liegen soll. In ihr soll die Macht des Guten verborgen sein. Dort soll ein Gegenstand sein, der das Böse vollständig vernichten kann. Es gibt aber ein paar Probleme ihn zu beschaffen. Erstens ist es nur eine Legende. Ich weiß nicht, ob sie auf Wahrheit beruht. Zweitens sind die Skorrs eine große Gefahr, die überall lauern kann. Drittens ist der Weg sehr gefährlich.
-54Er führt durch fremde Gebiete. Ihr wisst nicht, was euch dort erwartet. Viertens soll es einen Wächter geben, der den Gegenstand hütet, wie seinen Augapfel.
Niemand soll es bisher geschafft haben, ihn zu besiegen. Er ist ein riesiger Minotaur, halb Mensch, halb Stier. Er besitzt riesige Kräfte und ist scheinbar unbesiegbar. Es ist unwahrscheinlich, dass ihr es schafft." "Lass uns gehen, Vater. Wir werden es schaffen, das verspreche ich dir. Wir holen den Gegenstand und werden Borra aus den Klauen der Skorrs befreien", wollte Lavos seinem Vater Hoffnung machen. "Wir werden wahrscheinlich sterben. Aber wenn es sein muss, kämpfen wir bis zum bitteren Ende. Dieser Tod ist dem Volk der Quos würdig. Kampflos zu sterben wäre eine Schande", sagte Antaris stolz. "Lass uns gehen Antaris. Es ist die letzte Chance, auch wenn sie noch so klein zu scheinen mag", meinte Vardis überzeugend. Antaris blickte eine Weile zum Boden und richtete dann seinen Blick auf die mutigen Männer. "Nun gut. Ihr sollt gehen und versuchen den Gegenstand zu holen. Wir können versuchen das Schicksal zu ändern." In diesem Augenblick trat jemand durch eine Tür, die sich rechts hinter dem Thron befand. "Schwester?", stieß Lavos erstaunt hervor. Eine Frau, nicht älter als fünfundzwanzig Jahre, kam mit weitausgestreckten Armen auf ihn zugerannt. Lavos umschlang sie und drückte sie fest an sich. "Ich glaubte schon nicht mehr daran, dich je wiederzusehen", flüsterte sie erleichtert. "Ich hatte noch einmal Glück, dank Vardis' Hilfe." Mike glaubte, ein Engel stünde vor ihm. Sie war ausgesprochen schön. Schwarze Haare flossen auf ihre Schultern herab. Eine kleine Krone zierte ihr edles Haupt. Sie trug ein knöchellanges, enganliegendes weißes Kleid. Sie löste sich nun von Lavos und sah sich nach seinen Gefährten um. Ihr Blick blieb an Mike hängen. Mike hätte sie am liebsten in die Arme geschlossen und sie geküsst.
-5 5 Für einen Augenblick war ein Leuchten in ihren Augen zu sehen. Plötzlich wandte sie sich ab und ging zum Herrscher. Sie setzte sich auf die Lehne des Throns und legte ihren Arm um die Schultern von Antaris. Antaris selbst hatte schon graue Haare und er trug eine große Krone auf dem Kopf. Er war in ein Seidengewand,
das mit Gold durchsetzt war, umhüllt. "Wir werden uns einen Tag lang hier ausruhen. Dann machen wir uns auf den Weg", bestimmte Vardis ihr weiteres Vorgehen. "Wo wollt ihr hin? Ihr habt da draußen keine Überlebenschancen mehr", kamen die Worte hastig über die Lippen der schönen Frau. "Wir müssen gehen Ilara. Es ist die letzte Möglichkeit Borra noch einmal den Händen der Skorrs zu entreißen", sagte Lavos bestimmt. "Dann tut, was ihr nicht lassen könnt", meinte sie schließlich nach einer kleinen Sprechpause. "Kommt. Wir wollen uns nun ausruhen. Ich zeige euch eure Quartiere", sprach Lavos und ging ihnen voran. Die ganze Zeit hatte Mike nur Blicke für Ilara gehabt. Sie erinnerte ihn sehr an seine geliebte Ellen, an die er wegen der Gefahren gar nicht mehr gedacht hatte. Er hatte im Augenblick der Begegnung sein Herz an sie verloren. + Seit zwei Tagen lag er nun schon im Krankenhaus. Es war zehn Uhr, als ihn Inspektor Corrington besuchte. "Guten Morgen Mister Nelson. Wie geht es ihnen heute?" "Mir geht es schon viel besser, danke. Ich hoffe, dass ich heute noch das Hospital verlassen kann. Inspektor, was ist aus dem Kerl geworden, der mich umbringen wollte?" "Als die Polizisten die Leiche untersuchen wollten, fanden sie nur grauen Staub und ein blankes Schwert. Beides wurde ins Labor gebracht." "Wie lautet das Ergebnis, Inspektor?" "Der Staub besteht aus einer organischen Substanz, die nicht analysiert werden konnte. Das Schwert wurde ebenso gründlich untersucht. Verschiedene
-5 6 Tests ergaben, dass es mehr als Zwölftausend Jahre alt ist und aus unbekanntem Metall hergestellt wurde."
Das ist sonderbar. Der Fall gibt immer größere Rätsel auf. Ich habe meinen Gegner erschossen. Ein Schwert und ein wenig Staub bleiben von ihm übrig. Sind sie sonst schon irgendwie weitergekommen?" "Nein, wir konnten bisher nichts herausfinden. Seit dem Zwischenfall in Lewes, ist nichts weiter passiert. Die Täter scheinen sich irgendwo verkrochen zu haben." "Dann müssen wir sie eben aufstöbern." "Es wird schon alles in dieser Richtung getan. Zwei Hundertschaften suchen die ganze Gegend um Lewes und Eastbourne ab. Bisher hat man noch nichts gefunden, außer ein paar seltsamen Spuren. Sie scheinen von großen Tieren zu stammen. Die Spuren sind aber unbekannt. Die Gattung Tier, die solche Abdrücke hinterlässt, kennt die Menschheit noch nicht." "Dann können wir uns ja noch auf etwas gefasst machen", meinte Roger ironisch. Der Inspektor verabschiedete sich und verließ das Zimmer schnellen Schrittes. + Die Monster waren nicht mehr im Gebiet um Lewes oder Eastbourne. Sie waren weiter nach Westen gewandert. Nachts gingen sie unerkannt in Richtung Brighton. Tagsüber hatten sie sich im Wald versteckt und sich Nahrung beschafft. Sie hatten Wild gejagt und gefangen. Kaninchen und Rehe hatten sie mit Haut und Haaren verschlungen. Während Roger Nelson noch das Bett hütete, waren sie nur noch sieben Kilometer vor der Stadtgrenze von Brighton. Es waren jetzt nur noch sechs Kreaturen, die den Tag im Wald verbrachten, um in der Nacht den Rest der Strecke zurückzulegen und dann ihr Ziel zu erreichen. Am Abend machten sich die Monster auf den Weg. Ungesehen erreichten sie nach drei Stunden die ersten Häuser. Im Außenbezirk der Stadt war um zweiundzwanzig Uhr nicht mehr viel los. Auf dem Weg begegneten ihnen zwei Pärchen. Es waren junge Leute Anfang zwanzig.
-57Sie trugen dicke Pullover und blue Jeans. Im Oktober
war es ja abends nicht mehr so warm. Als sie die vier Twens erreichten, machten die sich einen Spaß über ihr Aussehen. "Hey, wie sehen die denn aus? Wollt ihr uns nicht mitnehmen zu der Party? Wo steigt die eigentlich?", fragte ein junger Bursche. Die anderen jungen Leute fielen grölend in die Frage ihres Sprechers ein und lachten laut auf. Als die Monster ihnen nicht antworteten und nur mit erhobenen Äxten und Schwertern auf sie zukamen, wurde ihnen die Situation doch unheimlich. Den Vieren war das Lachen vergangen. Die Monster stürmten auf sie zu. Zwei Meter trennten sie noch von einander. Die Menschen standen wie versteinert da. Erst als es zu spät war, wich der Bann von ihnen. Die Schwerter schwebten eine Sekunde drohend über ihren Häuptern, dann sausten sie herab. Nur ein dumpfes Gurgeln kam über die Lippen der vier Opfer, die nicht mal mehr zum Schreien kamen. Alles ging blitzschnell. Die Schwerter spalteten die Körper. Das Blut spritzte meterweit über den dunklen Asphalt. Die Organe und Därme quollen aus den riesigen Wunden, welche die Kreaturen ihnen zugefügt hatten. Die Opfer lagen verstümmelt auf der Straße. Niemand in den umliegenden Villen mit den großen Gärten, hatte irgendetwas von der blutigen Tat mitbekommen. Unbekümmert gingen die Wesen weiter in Richtung Stadtmitte. Sie liefen durch dunkle Nebenstraßen, die um diese Zeit nicht mehr belebt waren. Ungesehen erreichten sie ein altes Haus, das weit ab von dem Rummel der Innenstadt im Viertel der Altstadt stand. Es war schon blatternarbig und schien altersschwach unter der Last der Jahre, die es hier stand, neben anderen Häusern derselben Bauart. Der graue Verputz bröckelte überall ab. Wind und Wetter leisteten ganze Arbeit. Die Monster standen vor der hölzernen Eingangstür. Sie blieben davor stehen, als warteten sie auf etwas bestimmtes. Eine Minute später wurde die Tür leise geöffnet und ein Mann mittleren Alters streckte den Kopf heraus.
-58Der Mann öffnete die Tür vollends und ließ die Monster eintreten. Als sie drin waren, schaute sich der Mann noch einmal aufmerksam auf der Straße um und verschloss dann die Tür sorgfältig.
Er war fünfundvierzig Jahre alt, klein und etwas untersetzt. Er hatte volles schwarzes Haar und ein interessantes Gesicht. Die gerade Nase stach regelrecht hervor. Die Augen wurden von buschigen Augenbrauen begrenzt. Die Mundwinkel verzogen sich boshaft, als er die Monster in dem diffusen Licht der Deckenlampe im Hausflur betrachtete. "Ich habe schon auf euch gewartet. Ihr hattet einen langen Weg zurückzulegen, doch endlich seid ihr hier. Ihr werdet mir helfen die verabscheuungswürdige Menschheit niederzuwerfen und den Thron der Macht zu besteigen. Lange genug habe ich auf diese Stunde gewartet", sagte der Mann mit grimmiger Miene. + Um zweiundzwanzig Uhr hielt Roger es nicht mehr im Krankenhaus aus. Die Wunde am Bein war schon nicht mehr so schlimm. Roger fühlte sich fit und war voller Tatendrang. Er stieg aus dem Bett und zog sich seine Kleidung an, die im Schrank hing. Um sein linkes Bein war ein weißer Verband gelegt, der ihn ein wenig in der Bewegung behinderte. Er ging zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Der Gang war leer und nur von zwei Deckenlampen erhellt. Niemand war in der Nähe. Roger schlich den Korridor entlang, ohne Geräusche zu verursachen. Er stieg die Treppe zum Parterre hinab und erreichte die Empfangshalle. Der Nachportier saß hinter einer Glasscheibe und sah ihn verwundert an. "Hat man sie denn schon entlassen? Ich denke sie dürfen erst morgen das Krankenhaus verlassen. So hat es mir der Stationsarzt gesagt." "Nein, aber ich muss dringend etwas erledigen." "So spät in der Nacht?" "Ja. Bitte sagen sie Doktor Dawson, dass ich auf meine Verantwortung das Krankenhaus verlassen habe. Ich glaube nicht, dass die Wunde noch einmal aufplatzt und ich verbluten werde."
-59"Gut, ich werde es Doktor Dawson bestellen." Schnellen Schrittes verließ Roger Nelson das East Side Hospital. Mit einem Taxi fuhr er zum 'Brighton Hotel' und suchte sein Zimmer auf. Er ging erst einmal unter die Dusche und zog sich dann frische Kleidung an. Einen blauen Pullover und eine braune Hose. Er ging
zum Telefon und rief das Polizei Headquaters an und verlangte Inspektor Corrington. "Inspektor Corrington ist nicht da. Er musste dringend weg. In der Tortle Street wurden vier Leichen aufgefunden." "Vielen Dank für die Auskunft." Da gab es nichts mehr zu überlegen. Er stieg die Treppe hinab und setzte sich in den Porsche, den ein Polizeibeamter von Lewes nach Brighton zurückgebracht hatte. Die Schlüssel hatte man ihm im Krankenhaus gegeben. Er fuhr in einem wahnsinnigen Tempo zur Tortle Street und hielt neben den Streifenwagen der Polizei an. Er stieg aus und ging zu der Menschentraube, welche die Polizisten auseinander trieb. "Hier können sie nicht hin. Die Straße ist gesperrt", sagte ein Polizist zu ihm, bevor er überhaupt fünf Schritte getan hatte. Roger zeigte ihm seinen Dienstausweis und fragte nach Inspektor Corrington. Der Polizist gab ihm nun bereitwillig Auskunft. Roger sah den Inspektor und ging zielstrebig auf ihn zu. "Guten Abend Mister Nelson. Ich freue mich, sie schon zu sehen. Sie kommen im rechten Augenblick." "Was ist denn passiert, Inspektor?" "Es wurden hier vier junge Leute grausam ermordet. Sie wurden regelrecht zerhackt. Es ist genauso wie in Eastbourne und Lewes." Rogers Gehirn lief auf Hochtouren. Er verknüpfte die Ereignisse geschickt miteinander. "Ich sehe jetzt schon klarer", meinte er. "Die Morde begannen in Eastbourne und zogen sich über Lewes bis nach Brighton. Die Täter hinterließen auffällig eine Spur, die durch grauenhafte Morde gekennzeichnet ist. Die Täter hatten Brighton als Ziel.
-60Aber der Grund für ihr Handeln ist noch unklar. Wo verstecken sie sich jetzt? Das ist die Frage." "Kommen sie mit Mister Nelson. Ich will ihnen etwas zeigen." Roger folgte dem Inspektor. Die Menschentraube von Schaulustigen hatte sich bereits aufgelöst und Roger konnte erkennen, was dort auf der Strasse zu sehen war. Die
meisten übergaben sich bei dem Anblick, der sich ihnen bot. Roger sah die vier zerstückelten Leichen auf dem blutigen Asphalt liegen. Auch ihm wurde es flau in der Magengegend, obwohl er schon viel gesehen hatte, das schrecklich genug war. Überall lagen die Organe halb angenagt herum, die aus den Leibern herausgerissen waren. + Lavos führte sie durch lange Korridore, Gänge, Wendeltreppen und durch große Säle hinab. Nach zwanzig Minuten erreichten sie endlich ihre Unterkünfte. Jeder erhielt einen eigenen Schlafraum. Mike sah seit langer Zeit, zum ersten mal wieder ein Bett. Es war zwei Meter breit und drei Meter lang und mit einem Baldachin überspannt. Der Raum selbst sah aus wie in einem Museum. Alte Möbel, Vorhänge und Antiquare Lampen zierten ihn. Er war sehr geschmackvoll eingerichtet. Mike kleidete sich aus und legte sich auf das weiche Bett. Es war eine Wohltat, nach so langer Zeit wieder unbesorgt schlafen zu dürfen. Bevor ihn die Müdigkeit übermannte, weilten seine Gedanken noch bei Ilara. Es verging eine Stunde, bevor er endlich einschlief. Er hatte einen ruhigen und erholsamen Schlaf. Der Morgen graute, als er aufwachte. Er fühlte sich wie neugeboren. Die Doppelsonne strahlte in das Zimmer. Mike ging in den Waschraum. Das kühle Wasser war traumhaft, es war weich wie Samt und streichelte sein Gesicht. Seine Kleider waren zerfetzt und er suchte in einem Schrank nach neuen. Er fand ein Lederwams und eine stabile Lederfellhose mit reichlichen Verzierungen. Es befanden sich auch ein paar Kniestiefel, mit Kaninchenfell gefüttert, darunter. Die Sachen passten ihm wie angegossen.
-61Unerwartet klopfte es an der Tür. "Ja", bat er den Besucher hinein. Lavos trat lächelnd ein. "Ich möchte dich zum Morgenmahl abholen", sagte er. "Ich bin gleich soweit." "Du hast die Sachen also gefunden. Im Schrank liegen immer welche für einen Notfall bereit", erklärte Lavos.
Sie holten noch die anderen Krieger ab und gingen dann zum Speisesaal. Eine lange Tafel erstreckte sich in den großen Raum. Sie war mit gebratenem Geflügel, knusprigem Brot und Kelchen mit Wein bedeckt. Kurz nachdem sie sich hingesetzt hatten, kam Antaris durch eine reichverzierte Tür. Ihm folgte seine Tochter Ilara. Der Herrscher nahm am Ende der Tafel platz. Ilara setzte sich neben Mike. Sein Herz schlug schneller, als er sie an seiner Seite spürte. Sie langten alle kräftig zu. Das Essen schmeckte hervorragend. "Fabelhaft", sagte Mike nach dem Mahl. "Der Tisch ist nur bescheiden gedeckt", meinte Antaris entschuldigend. "Normalerweise ist der Tisch reichlicher gedeckt, mit ein paar Spezialitäten", erklärte Lavos schmunzelnd. Kartos hatte Unmengen von Fleisch gegessen, was bei seinem Körperbau nicht verwunderlich war. Heute Abend werden wir aufbrechen und versuchen, unbeschadet den Gegenstand des Guten zu erobern", sagte Vardis bestimmt und hob seinen Kelch. Lavos wandte sich zu Mike um und sagte:"Laß dir die Burg zeigen. Es ist sicher sehr interessant für dich. Ilara wird dich bestimmt gern führen." Mike drehte den Kopf und blickte Ilara erwartungsvoll an. Sie nickte nur und erhob sich. Sie ging durch eine Tür und Mike folgte ihr wie ein Schatten. Die Tür schloß sich wieder leise hinter ihnen. "Hast du es bemerkt, Vater? Ilara ist verliebt." "Ich habe es bemerkt." + Im Norden des Kontinents auf der Welt Salon stand die Burg des Magiers, der seine
-62Macht über alle Länder ausdehnen wollte. Auf der Insel des Todes lebte er seit unzähligen Jahrhunderten. Die Burg stand mitten auf der Insel, am Rand des Gebirges, das die ganze Insel durchzog. Er hatte schwarze Magie angewandt und den Höllenfürst selbst um Hilfe gebeten. Der Satan war ihm erschienen und hatte ihm aus der Hölle die Skorrs mitgebracht. Tausende der Kreaturen waren rund um die Burg kampfbereit materialisiert. Einige Zeit, während große Siege für die Skorrs verzeichnet wurden, ging es dem Zauberer nicht schnell
genug und er rief den Satan noch einmal herbei. Dieser gewährte ihm eine Abordnung von Bestien aus der Vorhölle, Monster mit schrecklichem Aussehen, roboterhafter Gefügigkeit und ohne Skrupel. Mit ihnen wollte er nun Borra, den Machtblock auf dem Kontinent, einnehmen und endgültig Alleinherrscher über Salon werden. Die anderen Länder wie Mykor, Niros, Lekon, Etor oder Tharais waren in einem Handstreich zu nehmen, was zum Teil auch schon geschehen war. Mit Hilfe der Hölle war alles zu schaffen. + Am nächsten Morgen besuchte Roger erst einmal seinen Kollegen Thambuda im Krankenhaus. Ihm ging es schon viel besser und würde bestimmt in einer Woche entlassen werden. Roger berichtete ihm die Ereignisse, die sich in der Zwischenzeit ereignet hatten. Thambuda hörte aufmerksam zu. Roger wünschte ihm noch gute Besserung und verließ dann das Krankenhaus. Niemand sprach ihn wegen seiner selbstangeordneten Entlassung von letzter Nacht an. Er als Polizist musste selbst wissen, was für ihn das Beste war. Roger fuhr zum Polizeirevier. Inspektor Corrington erwartete ihn schon. "Ich wollte mir einmal das Schwert ansehen, das von meinem Gegner übriggeblieben ist", sagte Roger. "Natürlich. Kommen sie mit." Sie gingen in den Keller. Ein Raum barg allerlei Gegenstände, die mit schwierigen Fällen zu tun hatten. Auch das Schwert lag in einem Karton auf einem kleinen Tisch. Roger ging darauf zu und nahm das Schwert in die Hand. Es war ziemlich schwer. Die Klinge war etwa einen Meter lang.
-63Ein breiter Griff mit Einrifflungen war am unteren Ende angebracht. Roger wog es in der Hand und betrachtete es genau. "Und es ist kein irdisches Metall?" "Nein. Es scheint von einem anderen Planeten zu stammen", sagte Corrington scherzhaft. Er konnte nicht wissen, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Roger konnte nichts außergewöhnliches an dem Schwert feststellen. Er legte es zurück in den Karton. "Ich werde mich jetzt in der Gegend umsehen, wo die
Leichen gestern gefunden wurden", sagte Roger. "Gut, tun sie das. Ich werde vom Büro aus die Suchaktion der Streifenwagen leiten." Roger verabschiedete sich und fuhr dann mit dem Auto zur Tortle Street. Nur einige Blutlachen zeugten noch von der nächtlichen Tat. Er parkte am Straßenrand und stieg aus. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Die Täter konnten überall und nirgends sein. Hier war die Wohngegend der reichen Geschäftsleute. Überall standen Villen mit riesigen Gärten. Die Häuser waren hinter den Büschen und Bäumen gar nicht wahrzunehmen. Er klingelte beim nächststehenden Anwesen und befragte die Bewohner. Es kam nichts dabei heraus. Er probierte es noch bei fünf weiteren Häusern und gab dann das Unternehmen auf. Ein einsamer Spaziergänger hatte letzte Nacht die Leichen gefunden.. Auch er konnte keine weiteren Informationen geben. Roger tappte weiterhin im Dunkeln. Da kam ihm ein Gedanke. Vielleicht lag das Geheimnis zur Aufklärung in der Nähe von Eastbourne. Er machte sich unverzüglich auf den Weg. Mit dem Porsche 928 war er in zwei Stunden am Ziel. Um die Mittagszeit waren die meisten Einwohner von Eastbourne auf dem Markt. Roger fuhr in Richtung Wald. Er fuhr den Weg am Wald entlang bis zum Fundort von Cathy Cortons Leiche. Er stieg aus und schloss den Wagen ab. Aufmerksam ging er in den Wald hinein. Er hoffte hier irgendetwas zu finden, dass ihn weiterbrachte. Hier hatte das Unheil seinen Anfang genommen.
-64Hier begannen die Morde, die bis nach Brighton führten. Hier, in diesem Wald musste es einen Hinweis geben. Vielleicht waren ein paar Waldarbeiter durch irgend ein Erlebnis dem Wahnsinn verfallen und liefen jetzt Amok. Rogers Gedanken drehten sich im Kreis. Er stapfte in den Wald und passierte ein paar Lichtungen auf welchen allerdings nichts Verdächtiges zu sehen war. Nach einer Dreiviertelstunde entdeckte er dann doch etwas. Er erreichte gerade wieder eine Lichtung, als er den Blick flüchtig über die Baumstämme wandern ließ. An der gegenüberliegenden Seite glänzte etwas metallisch an einem Baumstamm. Roger ging darauf zu. Als er es erreichte,
entdeckte er eine Art metallischen Stab, der aus dem Baum ragte. Roger untersuchte ihn genauer. Der Stab war zwanzig Zentimeter lang und hatte einen Durchmesser von zwei Zentimetern. Roger betastete ihn und hob erstaunt die Augenbrauen. Der Stab war warm. Roger fragte sich, was für einen Sinn dieser Stab im Baum hatte. Er zog und zerrte daran, doch er bekam ihn nicht heraus. Dann probierte er es anders. Mit aller Kraft drückte er den Stab in den Baum. Es ging sogar leichter als Roger gedacht hatte. Im ersten Moment geschah überhaupt nichts. Doch dann glaubte er zu träumen. Ein Teil der Baumrinde der alten Eiche kippte nach außen weg und gab ein dunkles Loch frei. Der Eingang war etwa zwei Meter hoch und einen Meter breit. Roger überschritt die Schwelle in eine neue Welt. Der Baum war innen zum Teil ausgehöhlt und eine steile Wendeltreppe führte in eine unbestimmte Tiefe. Er machte einen Schritt hinein und sofort knallte die Rinde wieder vor die Öffnung und verschloss, sie hermetisch. Mit einem solchen Verlauf hatte er nicht gerechnet. Entsetzt sprang er zurück und versuchte sie wieder zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. Die Baumhöhle war nicht stockfinster, wie er es erwartet hatte. Sie lag in einem Dämmerlicht, das von unsichtbaren Lichtquellen erzeugt wurde. Das Licht schien einfach da zu sein, ohne eine Energiequelle zu benötigen. Roger stieg langsam die steile Erdtreppe hinab, auf Gefahr eingestellt.
-65 Er erreichte das Ende der Treppe nach fünf Minuten. Er war mindestens zwanzig Meter unter der Erdoberfläche sein. Die Treppe mündete in einen langen Höhlengang, der an den Wänden von großen Wurzeln durchzogen war. Roger ging den Tunnel entlang. Rechts und links bogen nach dreißig Metern zwei weitere Gänge ab. Roger blieb aber auf dem Hauptweg. Er passierte eine dunkle Nische ohne hineinzuschauen. Das wurde ihm zum Verhängnis. Ein harter Gegenstand knallte plötzlich auf seinen Schädel. Ihm wurde schwarz vor Augen und er brach lautlos zusammen. +
Sie zeigte ihm die Burg vom Dach bis zum Kellergewölbe. Gerade waren sie in den Verliesen. Mike sah altmodische Marterwerkzeuge und Eisenringe an den Wänden. Ihn überlief ein Schauer. Ilara lächelte ihn an und sagte: "Das alles wird schon lange nicht mehr benutzt." "Wen solltet ihr auch noch foltern? Die Feinde sind bekannt, auch ihre Handlungsweisen", sagte Mike ebenfalls lächelnd. Sie blickte ihn erwartungsvoll an und Mike konnte nicht mehr an sich halten. Er umarmte sie und küsste sie zärtlich. Ilara erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich. "Ich liebe dich Ilara. Vom ersten Augenblick an." "Ich dich auch, Mike." Sie standen eine Weile engumschlungen da und sagten kein Wort. Dann löste sich Ilara von ihm und schaute ihn weinerlich an. "Müsst ihr wirklich weggehen? Bleib du doch wenigstens hier." "Das geht nicht. Ich muß mitgehen, da Vardis und Lavos mich gerettet haben. Jetzt muß ich ihnen helfen und damit eurem Land." "Dann werde ich dich wahrscheinlich nie wiedersehen. Das Unternehmen ist viel zu gefährlich." "Das muss ich riskieren. Ich werde lernen müssen, in dieser Welt zu leben. Das gehört wohl zu meinem Schicksal." Am Tag zuvor hatte Mike mit Antaris und Ilara über seine Herkunft gesprochen. Sie wusste über seine Erlebnisse Bescheid und bedauerte es sehr.
-66"Wenn ich wiederkomme, werden wir zusammenbleiben, das verspreche ich dir." Sie blickte ihn traurig an. "So soll es sein, Liebster." Sie gingen wieder hinauf zu den anderen. Selbstsicher sagte Mike zu Antaris: "Wir lieben uns und wollen zusammenbleiben, wenn die Reise beendet ist." "Wenn Ilara es so will, natürlich." "Ich will, Vater", sagte sie ohne zu zögern. "Herzlichen Glückwunsch", ertönte es aus dem Hintergrund. Es waren Lavos, Vardis und Kartos. Sie strahlten über das ganze Gesicht. +
Eine Scheibe zersprang klirrend. Donald Crower war sofort hellwach. Da war doch jemand. Die Einbrecher gingen seiner Meinung nach nicht sehr leise zu Werke. Donald warf die Bettdecke zur Seite und stieg leise aus dem Bett. Crower war Anfang fünfzig. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der eine hohe gesellschaftliche Position innehatte. Er lebte in einer supermodernen Villa am Rande von Brighton. Er hatte volles, leicht angegrautes Haar und einen kleinen Bauch, der von dem gesunden Essen seiner Köchin stammte. Nur im Pyjama ging er zur Kommode und öffnete eine Schublade. Er entnahm ihr einen kleinen handlichen Damenrevolver, den er für den Notfall dort aufbewahrte. Unten im Erdgeschoss tat sich etwas. Crower öffnete langsam die Schlafzimmertür und schlich über den Korridor zur Treppe. Er blieb dort stehen und spähte hinab. Durch die Dunkelheit konnte er jedoch nichts erkennen. Er entschloss sich den Einbrechern das Handwerk zu legen. Vorsichtig stieg er die Holztreppe hinab. Im Wohnzimmer waren die Geräusche am stärksten. Nervös, die Waffe im Anschlag, drückte er die Klinke der Wohnzimmertür herab und drückte sie blitzschnell nach innen. "Hände hoch, oder ich schieße!", sagte er mit fester Stimme. Es war nicht das erste mal, dass er Einbrecher in seinem Haus stellte.
-67Aber solche wie diese hatte er noch nie gesehen. Glühende Augen starrten ihn boshaft an. Seine Hand zuckte zum Lichtschalter und betätigte ihn. Das Licht flammte grell auf. Donald Crower glaubte noch schlecht zu träumen, als er die Gestalten sah. Es waren zwei Echsenmonster und ein Schleimungetüm. In ihren Klauen hielten sie scharfe, metallglänzende Waffen. Die Bestien kamen knurrend auf ihn zu. Donald Crower stand da wie versteinert. Vor Schreck hatte er den Revolver fallen lassen. Endlich konnte er sich aus der Erstarrung lösen. Schreiend warf er sich herum und stürmte, dem Wahnsinn nahe, die Treppe hinauf. Er hastete in sein Schlafzimmer und warf die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Er drehte den Schlüssel zitternd einmal herum und schob schnell die schwere Kommode
unter größten körperlichen Anstrengungen davor. Gehetzt blickte er sich um. Was konnte er tun? Das Telefon! Auf dem Nachttisch stand das Zweittelefon. Er stürzte darauf zu und hob hastig den Hörer ab. Er hielt ihn an sein Ohr und wollte schon die Nummer der Polizei wählen, als er innehielt. Aus dem Hörer war kein Freizeichen zu vernehmen. Die Teufel hatten die Leitung unterbrochen. Verzweifelt blickte er zur Tür. Laut krachte es davor und im Nu flogen große Holzsplitter in den Raum. Donald Crower verkroch sich in die hinterste Ecke. 'Das Fenster', gellte es durch sein Bewusstsein. Sofort sprang er zum Fenster und riss es auf. Mit den Händen konnte er das Abflussrohr der Dachrinne erreichen und daran herabklettern. Dazu kam er aber nicht mehr. Hinter ihm flog die Tür in tausend Splittern in den Schlafraum und die drei Ungetüme schoben die Kommode mit Leichtigkeit zur Seite. Sie stürmten mit erhobenen Schwertern und Äxten auf ihn zu. Schnell krallte sich Donald Crower an das Abflussrohr. Plötzlich packte ihn eine grüne Schuppenhand an dem rechten Fußgelenk und zerrte daran. Crower bekam große Augen. Von draußen war eine Kreatur heraufgeklettert und hatte ihm somit den Fluchtweg abgeschnitten. Er hatte also vier Gegner.
- 68Er versuchte sie abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht. Inzwischen waren die anderen Monster herangekommen. Brüllend hob das Echsenmonster, das ihm am nächsten war, das Breitschwert und ließ es durch die Luft zischen. Ein Schrei brach noch aus Donald Crowers Kehle hervor, dann war es vorbei. Das Schwert spaltete seinen Kopf horizontal in Augenhöhe und die Schädeldecke flog im hohen Bogen in den Garten hinaus. Blut spritzte an die Weiße Hauswand und lief daran hinab. Der tote Körper rutschte immer mehr auf der Fensterbank hinaus und kippte langsam über. Die Nerven zuckten noch ein letztes Mal. Donald Crower fiel aus dem ersten Stock genau auf seinen großen
Freisitz, der an den Garten grenzte. In einer verkrümmten Haltung blieb er dort liegen. Die Monster verschwanden wieder auf unheimliche Weise. Niemand hatte sie kommen sehen, niemand sah sie gehen. Die Villa lag wieder in tiefster Stille. Die Nachbarn hatten nichts von den Ereignissen mitbekommen. Das nächste Haus lag siebenhundert Meter von hier entfernt. + Der Abend dämmerte. Sie saßen alle noch einmal zu einer letzten Besprechung zusammen in der großen Bibliothek. In den Büchern waren viele Mythen und Legenden von seltsamen Ereignissen verzeichnet. Auch die Legende von dem zauberkräftigen Gegenstand war in einem der Bücher niedergeschrieben worden. "Ich möchte euch noch etwas vorlesen, bevor ihr aufbrecht. Hier in diesem Buch wird noch einmal auf etwas hingewiesen, was mir wichtig erscheint. Da heißt es: 'Durch die Kraft des Himmels erstarkt es zur vollen Blüte. Wer es in der Hand hält, ist vor dunklen Mächten sicher und kann sie restlos vernichten. Nur in der Hand eines guten Menschen ist es wirksam. Hütet euch aber vor dem Minotaur. Er ist eine Ausgeburt der Hölle. Er hat die Aufgabe die Höhle zu bewachen, so dass sie niemand betreten und den Gegenstand an sich bringen kann. Im Hochgebirge von Niros ist sie zu finden. Hinter der schmalen Schlucht und den runden Felsen liegt die ewige Höhle. Die Seelen der Unglücklichen haften an den Wänden. Seid mit ihnen.' " "Was hat das wohl zu bedeuten?", fragte Lavos nachdenklich.
-69"Ich weiß es nicht. Ihr müsst es selbst herausfinden." "Wo liegt Niros?", fragte Mike gespannt. "Es liegt im Nordwesten und ist sechs Tagesritte von hier entfernt", gab Vardis Auskunft. "Wir werden viel Proviant benötigen, bei Kartos' Körpergröße", meinte Lavos lächelnd und blickte zu dem Hünen hinüber. Kartos lächelte verschmitzt. "Wir werden auf viele Proben gestellt werden. Aber wir müssen sie bestehen, wenn wir Borra retten wollen", sagte Vardis und die anderen stimmten dem zu.
In der Zwischenzeit war es dunkel geworden und sie kamen überein nun aufzubrechen. Sie gingen in ihre Zimmer und packten ihre Sachen, alles Notwendige, das sie für solch eine Expedition benötigten. Decken waren das wichtigste im Gepäck und natürlich der Proviant, der aus getrocknetem Fleisch und Wasser bestand. Sie gingen gemeinsam in den Gang mit den Säulen. Sie verabschiedeten sich von Antaris mit herzlichem Händedruck. Ilara umschlang Mike und küsste ihn unentwegt. Er löste ihre Arme mit sanfter Gewalt von seinem Hals. Tränen schimmerten in ihren Augen. "Ich komme wieder, Ilara", versprach Mike und zwinkerte ihr mit den Augen zu. Lavos hatte wieder auf den Stein, der den Mechanismus auslöste, gedrückt. Der Zugang zu dem Geheimgang öffnete sich knirschend. Sie gingen hintereinander hinein. "Viel Glück", hörten sie Antaris noch rufen, dann hatte sich der Eingang wieder verschlossen. Es dauerte nicht lange, da hatten sie den Tunnel durchquert. Die Männer schoben den Felsen zur Seite und vergewisserten sich, daß niemand in der Nähe war. Geduckt liefen sie ein paar Schritte hinaus. Der Felsen wurde wieder vor den Eingang gerollt. Sie mussten nun wieder durch die Gärten, aber sie waren jetzt vorbereitet. Langsam gingen sie weiter. Als sie den ersten Schritt in einen der Gärten taten, sprossen die Mörderpflanzen, wie auf ein stilles Kommando hin, aus dem trockenen Boden. Vor ihnen lag wieder ein Wald von dornigen Lianen.
-70Die Tentakel schlugen nach ihnen. Die Männer aber wichen geschickt aus und schlugen sie mit ihren scharfen Schwertern ab. Sie ließen die Pflanzen schnell hinter sich. Unbeschadet erreichten sie den Rand der Bodenwelle und schlichen zielstrebig zur Hütte weiter. Es war nicht weiter schlimm, dass die Pferde längere Zeit allein waren. In der Hütte gab es genug Hafer, den die Quos immer bereitlegten, der einige Wochen reichen würde. Nach Bedarf bedienten sich die Pferde selbst. Mike und die anderen erreichten die Hütte. Die Skorrs hatten sie anscheinend noch nicht entdeckt. Alles war noch unberührt. Sie führten die Tiere an den Zügeln hinaus. Das Pferd des Kriegers, der
sie vorher begleitet hatte, ließen sie zurück. Es wäre nur Ballast für sie gewesen. Nach zwei Kilometern wagten sie es aufzusitzen und ritten in eine Ungewisse Zukunft. + Sein Schädel dröhnte, als er aus der Ohnmacht erwachte. Es dauerte etwas, bis Roger Nelson wieder wusste, was geschehen war. Er wollte sich erheben, doch es gelang ihm nicht. Mit starken Seilen waren seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Ebenso waren seine Füße gefesselt. Er konnte sich nicht bewegen. Die Fesseln schnitten in sein Fleisch und unterbrachen die Blutzirkulation. Er bemühte sich sofort, die Fesseln zu lockern und zu lösen. Während dieser Arbeit schaute er sich seine Umgebung näher an. Eine Halle umgab ihn. Sie bestand aus wurzeldurchzogener Erde. Eine Fackel brannte an der gegenüberliegenden Wand und rußte ein wenig. Ein Durchlass befand sich, von ihm aus gesehen an der rechten Seite, der in eine unbekannte Tiefe führte. Verbissen arbeitete er an den Fesseln weiter. Eine Stunde verging, dann hatte er es geschafft. Er hatte die Stricke so weit gedreht, dass er sie nun von den Händen streifen konnte. Schnell hatte er auch seine Füße befreit. Roger massierte sich seine Gelenke, damit das Blut wieder ungehindert fließen konnte.
-71Seine Waffe hatte man ihm abgenommen. Er konnte sich jetzt nur noch auf seine Körperkräfte verlassen. Roger schritt durch die Öffnung und ging vorsichtig den dunklen Gang entlang. In einem Abstand von etwa fünfzig Metern war jeweils eine brennende Fackel an der Wand angebracht. Er passierte viele abzweigende Tunnel, aber er blieb trotzdem auf dem Weg, den er von Anfang an gegangen war. Nach zwanzig Minuten erreichte er einen Durchlass, der ihn in einen sonderbaren Raum führte. Roger ging fasziniert hinein. Er glaubte zu träumen, als er diesen Raum betrachtete. Er war etwa fünfzig Quadratmeter groß und zwei Meter hoch. Ein kleiner Tisch stand in der Mitte, auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag. Es schien schon sehr alt zu sein. Die Schrift konnte Roger jedenfalls nicht entziffern. An der
gegenüberliegenden Wand war ein großer Kreis aufgemalt, der im Durchmesser etwa zwei Meter betrug. Er reichte vom Boden bis fast unter die Decke. Seltsame Zeichen waren darin zu erkennen. Symbole, die Roger Nelson nie zuvor gesehen hatte. Interessiert trat er näher heran und untersuchte die Wand genauer. Er konnte nichts weiter erkennen, als ein paar Kerben in der Erdwand. "Gefällt ihnen wohl, was?", fragte plötzlich eine unsymphatische Stimme. Roger wirbelte herum. "Nur ruhig junger Freund. Bleiben sie da stehen, sonst blase ich ihnen eine Kugel in den Kopf. Das wollen sie doch bestimmt nicht", sagte er höhnisch. Roger blieb ruckartig stehen und fasste sein Gegenüber scharf ins Auge. Der Mann, der ihn mit einem Gewehr bedrohte, war klein und etwas untersetzt. Er war mittleren Alters, hatte volles schwarzes Haar und eine gerade Nase, die scharf aus dem Gesicht hervorstach. "Es ist ihr Pech, dass sie diesen Ort entdeckt haben. Sie werden es jedenfalls niemandem mehr sagen können." "Wer sind sie und was soll das alles hier?", fragte Roger mit nervösem Blick. Er musste einen günstigen Augenblick abwarten. Wenn sein Gegner eine Sekunde lang unaufmerksam war, konnte sich die Situation von Grund auf ändern. Solange musste Roger mit ihm reden und dadurch Zeit gewinnen.
-72"Mein Name ist Xovel. Ich bin Pole und lebe schon lange in England. Sie stehen hier im Zentrum meiner vor kurzem errungener Macht. Durch schwarze Magie habe ich diese unterirdische Welt geschenkt bekommen. Von hier aus kamen meine ersten Helfer zu mir und übergaben mir diese Machtstätte. Ich werde mit meinen Freunden zusammen die ganze Welt mir Untertan machen." "Warum wollen sie das?" "Ich will Herrscher über die gesamte Welt werden. Meine Freunde werden mir dabei helfen", sagte Xovel und der Irrsinn flackerte in seinen Augen. "Das ist doch Wahnsinn. So ein Unternehmen wird ihnen nie gelingen. Wollen sie etwa unschuldige Menschen wegen ihrem Machthunger umbringen?" "Das interessiert mich nicht. Meine Freunde werden das für mich schon
erledigen." "Sie reden dauernd von ihren Freunden. Wer sind eigentlich diese Freunde, die ihnen den Weg zur Macht ebnen wollen?" "Ich habe sie aus einer anderen Dimension geholt. Sie sind sehr folgsam und führen jeden Befehl aus, den ich ihnen gebe." Xovel drehte leicht den Kopf, ohne Roger aus den Augen zu lassen. "Arr'n tses orguh tne!", rief er nach hinten. Plötzlich wurden Schritte laut. Eine plumpe Gestalt schob sich durch die Tunnelöffnung. Roger bekam große Augen. Er glaubte wieder zu träumen. Ein Schleimmonster blickte ihn aus leeren Augenhöhlen an und ein dumpfes Knurren kam aus seiner Kehle. Die schleimüberzogene Pranke hielt eine schwere Streitaxt. "Jetzt geht mir ein Licht auf. Ihre unheimlichen Freunde haben die Menschen umgebracht." "Stimmt. Es war aber keine Absicht gewesen. Die Leute waren ihnen nur in die Quere gekommen, als sie auf dem Weg zu meinem Haus waren. Unterwegs haben sie auch etwas Nahrung gebraucht. Leider sind nur sechs Geschöpfe bei mir angekommen. Bei Lewes hat man eines vernichtet", sagte Xovel bedauernd. Roger wusste nun alles, konnte aber nichts dagegen tun. Abwarten hieß es.
-73Er kannte jetzt die Täter und den Hintermann, der für die Morde verantwortlich war. Mit einem zischenden Laut schickte Xovel das Ungetüm wieder fort. "Tragen ihre Freunde eigentlich immer solche Masken, oder nur wenn sie unter andere Menschen kommen", fragte Roger spöttisch, als er sich wieder nach dem grausigen Anblick gefangen hatte. "Wollen sie mich beleidigen?" Das Gewehr ruckte etwas höher. "Die Geschöpfe sind echt. Ich habe sie aus einer anderen Welt hier hergeholt. Aber was soll ich mich hier mit ihnen streiten. Sie leben ja doch nicht mehr lange zu leben", sagte Xovel grinsend. "Wie schaffen sie denn eigentlich die Tierchen hierher?", fragte Roger herausfordernd. "Mit Hilfe eines Dämons kann ich die Barriere zwischen den Dimensionen niederreißen."
"Wie heißt denn ihr sogenannter Dämon?" Roger kam es sehr spaßig vor. Er konnte sowieso nichts tun. Xovel passte auf wie ein Luchs. Er hielt alles für ein großes Schauspiel, dass hier über die Bühne ging. Monster, andere Dimensionen, das gab es doch alles nicht. "Der Dämon heißt Ahresversus. Das wird ihnen aber nichts sagen." Da bot sich Roger die Gelegenheit, an die er schon nicht mehr geglaubt hatte. Xovel hatte sich immer mehr in seine Ausführungen hineingesteigert. Er fing an wild herum zu gestikulieren. Für ein paar Sekunden zeigte das Gewehr nicht mehr auf Roger Nelson. Dieser erkannte sofort seine Chance und sprang wie von der Sehne geschnellt auf seinen Gegner zu. Xovel hielt erschrocken inne und wollte sein Gewehr hochreißen, aber es gelang ihm nicht mehr. Roger war schon heran und packte es blitzschnell. Nun hielten beide fest das Gewehr umklammert und zerrten wild daran. Sie rangen keuchend miteinander und es schien sich ein Erfolg für Roger abzuzeichnen. Der kleine Xovel konnte nichts gegen die Kraft Rogers ausrichten. Xovel sah das ein und schubste Roger samt dem Gewehr von sich. Roger konnte nicht mehr bremsen
-74 und würde wohl mit dem Rücken gegen die Wand mit dem seltsamen Kreis knallen. Das Erwartete trat aber nicht ein. "Sakorr nurgh torrk!", schrie Xovel noch, dann hatte Roger die Wand erreicht, Er war darauf gefasst die harte Erde mit den Wurzeln im Rücken zu spüren, aber er wartete vergebens. Roger traf genau die Stelle an der Wand, wo der Kreis aufgezeichnet war. Die Zeichen fingen zu glühen an und verschwammen plötzlich. Verschwommen waren auch die Umrisse des Kreises zu sehen. Dieser Teil der Erdwand flimmerte eigenartig. Roger konnte das alles aber nicht sehen. Er berührte die Wand mit dem Rücken und spürte keinen Widerstand. Er tauchte in den Kreis ein und verschwand gänzlich in der Wand. Noch das Gewehr in der Hand stürzte er der Länge nach rückwärts in den magischen Kreis. Eben hatte er noch Xovel gesehen und nun sah er nur noch leere Schwärze um sich auftürmen. Er fiel hart hin und sein Kopf knallte auf einen spitzen Gegenstand. Roger Nelson verlor sofort das Bewusstsein.
In der Höhle aber stand Xovel grinsend vor dem Kreis und klopfte mit der flachen Hand auf den harten Untergrund. Mit ein paar Worten hatte er das Tor wieder verschlossen. + Am Morgen des nächsten Tages besuchte Inspektor Corrington Thambuda in dem East Side Hospital. Er brachte ihm die neueste Zeitung mit. "Guten Morgen Mister Thambuda. Wie geht es ihnen?" "Ich fühle mich ausgezeichnet. Danke der Nachfrage. Haben sie extra für mich die Zeitung mitgebracht?" "Ja, das habe ich. Schauen sie sich mal die Titelseite an." Er reichte Thambuda die Zeitung. In großen Lettern stand da geschrieben: 'Bestialischer Mord an einem erfolgreichen Geschäftsmann. Die Polizei steht erneut vor einem Rätsel.' Thambuda erhob erstaunt die Augenbrauen. "Es ist schon wieder ein Mord passiert. Jetzt sind es insgesamt zehn Morde. Wir müssen unbedingt so schnell wie möglich etwas dagegen unternehmen."
-75"Ja, bloß was?", fragte Corrington ratlos. Er wusste nicht, was er noch hätte unternehmen können, außer der Verstärkung der Streifenwagen. "Hat sich Roger Nelson schon bei ihnen gemeldet?", wollte Thambuda wissen. "Nein, ich habe ihn seit vorletzter Nacht nicht mehr gesehen. Ich glaube er wollte sich noch mal in Eastbourne umsehen", antwortete der Inspektor bedauernd. "Wenn er sich so lange nicht meldet, hat er eine Spur, die er bis zu Ende verfolgt. Ich glaube, jetzt wird jeder Mann gebraucht. Ich kann unter diesen Umständen nicht länger hier liegen bleiben." "Das können sie doch noch nicht. Ihre Wunde ... " "Ich fühle mich ausgezeichnet Inspektor. Ich könnte Bäume ausreißen", fiel Thambuda ihm ins Wort. "Ich glaube sie können eine helfende Hand mehr nicht abweisen." "Natürlich nicht, aber sie machen das auf ihre eigene Verantwortung. Ihr Freund hat vor zwei Tagen genau dasselbe getan. Jetzt ist er überfällig. Seien sie
auf der Hut. Wir wissen nicht, was da draußen auf uns lauert." "Machen sie sich keine Sorgen. Erklären sie lieber Doktor Dawson, dass ich leider das Hospital verlassen muss." Thambuda schaute ihn grinsend an. Inspektor Corrington machte ein betroffenes Gesicht und verabschiedete sich dann. Er verließ das Krankenzimmer wie ein begossener Pudel. + Roger Nelson wachte benommen auf. Sein Schädel dröhnte schrecklich. Er fasste sich an den Hinterkopf. Getrocknetes Blut war an der Stelle zu spüren, wo er aufgeschlagen war. Er blickte sich um. Er lag in einer Felshöhle. Er wusste nicht, wie er hierher geraten war. Zehn Meter von ihm entfernt war der Ausgang. Von dort kam genügend Licht herein, um alles zu erkennen. Die Höhle war etwa drei Meter hoch. Roger lag am Ende des Tunnels. Die Wand vor ihm wies den selben Kreis auf, wie der Raum in dem Erdlabyrinth unter dem Wald, Roger erhob sich. Mit den Händen tastete er das Gestein ab, aber er konnte nichts verdächtiges feststellen.
-76Seine Gedanken überschlugen sich. Roger Nelson konnte mit der ganzen Situation, in der er steckte, nichts anfangen. Er wollte erst einmal die Höhle verlassen und dann sehen, wie es weiterging. Roger tat zwei Schritte, als er gegen etwas stieß. Ein Gegenstand schepperte über den steinigen Boden. Der Beamte erkannte das Gewehr, das er dem wahnsinnigen Xovel entrissen hatte. Er hob es auf und ging dann weiter zum Ausgang. Er schritt ins Tageslicht hinaus und staunte maßlos über den Anblick, der sich ihm bot. Roger Nelson stand auf einem fünfzig Meter hohen Plateau. Links, rechts und über sich erblickte er nur Felsen. Er stand mitten in einem Gebirgszug. Vor ihm erstreckte sich eine scheinbar endlose Wüste aus rotem Sand, Roger Nelson blickte zum Himmel hinauf und erstarrte. Eine Doppelsonne strahlte ihm voll ins Gesicht. Er konnte nicht glauben, was er sah. Das gab es doch nicht. Er war doch im Wald von Eastbourne gewesen und jetzt stand er hier. Sein Verstand weigerte sich das zu glauben. Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie langsam wieder. Die Umgebung hatte sich aber nicht verändert. Da sah
er plötzlich, zweihundert Meter unter sich, achtzehn Gestalten. Es blinkte und blitzte in ihren Händen. Sie hielten Schwerter und Äxte in den Klauen. Roger erkannte die Gestalten als die Helfer des verrückten Xovel. Er hielt das Gewehr schussbereit in beiden Händen. Schon einmal hatte er eines dieser Geschöpfe erledigt. Das war im Wald von Lewes gewesen. Als er sie sah, zweifelte er nicht mehr an der Echtheit der Monster, die direkt auf ihn zukletterten. 'Ich muss mich verstecken, sonst ist es aus. Gegen diese Horde komme ich nicht an', fieberten seine Gedanken. Geduckt lief er zwischen den Felsen entlang nach links. Nach dreißig Schritten hielt er an und kauerte sich hinter einen Felsklotz. Roger wollte sehen, was die Kreaturen vorhatten. + Die Stunden vergingen. Die Landesgrenze von Borra hatten die vier Krieger längst überschritten, als der Tag graute. Am Morgen suchten sie sich einen Lagerplatz.
-77Hinter einer Sanddüne, geschützt von einigen vertrockneten Büschen, fanden sie den geeigneten Ort zum rasten und den Tag ungesehen zu verbringen. Sie ritten nur nachts, da die Dunkelheit sie mehr schützte, als das Licht der Doppelsonne. Die Hitze belastete Mike gar nicht so, wie er es vermutet hatte. Den Pferden machte es ebenfalls nichts aus. Sie schienen daran gewöhnt zu sein. Auf diese Weise kamen sie zwei Tage voran, als es plötzlich vor ihnen in der Ferne glänzte und funkelte. Dort vor ihnen in der Dunkelheit in einem kleinen Tal lag eine Stadt. Sie schien nur aus Gold und Diamanten zu bestehen. "Wie heißt diese Stadt?", fragte Lavos. "Ich kenne sie nicht." "Das ist die goldene Stadt Thara. Ihre Einwohner sind friedliebend und sehr gastfreundlich", berichtete der erfahrene Vardis. "Aber ich sehe niemand." "Ich ahne schlimmes, Lavos." Sie ritten durch das Stadttor und blickten sich um. Es war kein Mensch zu sehen. Die Straßen schienen wie ausgestorben. Vorsichtig ritten sie in die Richtung, wo sich das Zentrum befinden musste. "Sehen wir einmal nach, was in den Häusern steckt. Vielleicht sind die
Einwohner dort", machte Mike den Vorschlag. "Gut, sehen wir nach", stimmte Vardis zu. Sie stiegen ab und gingen gespannt zu einem Haus. Es war groß und spitzgieblig, wie im chinesischen Baustil. Alles war reichlich verziert. Die Tür war nur angelehnt. Kartos tippte sie an und sie öffnete sich vollständig. Kartos trat kampfbereit als erster ein. Seine Schultern passten kaum durch die Türöffnung. Ein erstaunter Ausruf entrang seiner rauen Kehle. "Was ist?", wollte Lavos wissen. "Seht selbst das ungeheuerliche." Vardis, Lavos und Mike folgten Kartos Worten und traten in den düsteren Raum, hinter der goldenen Tür. Es war schrecklich anzusehen. Bei diesem Anblick drehte sich Mike der Magen um. Der Raum barg sieben Leichen von Bewohnern der Stadt. Sie sahen scheußlich aus. Die Haut war mit schwammigen Pestbeulen übersät. Die Leiber waren aufgequollen wie ein Hefeteig. Alle Körper zeigten Risse, die das angefaulte Fleisch sehen ließen.
-78
"Wie konnte das nur geschehen?" Mike war bestürzt über den Fund.
"Sie müssen etwas grauenvolles erlebt haben. Hoffen wir, das wir hier heil herauskommen und nicht den armen Teufeln Gesellschaft leisten werden", meinte Kartos mit trockenem Humor. Plötzlich quietschte etwas. Da! Die Eingangstür flog mit lautem Krach zu. Die vier Männer stürzten heran und zerrten an ihr, aber sie gab nicht einen Millimeter nach. "Schöne Aussichten", bemerkte Mike. "Mal sehen, was das Haus noch an Überraschungen zu bieten hat." Sodann gingen sie in den Raum zurück und öffneten die Tür zum Nebenzimmer. Sie traten langsam in den neuen Raum ein. Es war stockfinster. Mit ihren Blicken tasteten sie die Wände ab. Sie suchten ein Fenster. An der gegenüberliegenden Wand war eins, mit einem dunklen Samtvorhang verhangen. Lavos entdeckte es zuerst und schritt darauf zu. "Jetzt wollen wir erst einmal Licht in die Sache bringen!', sagte er Scherzhaft. Die anderen warteten in der Nähe der Tür. Er war schon fast auf der anderen Seite des Raumes, als es geschah. Die Tür flog ebenfalls mit lautem Krach zu. In den Wänden knirschte und krabbelte es, als wenn kleine Beine an ihnen entlang laufen würden. Dann sahen sie es Schemenhaft. Sie hatten sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt und sahen das Grauen hervorschleichen. Sie brachen aus den Wänden hervor. Der goldene Verputz bröckelte lautstark ab und der tausendfache Tod strömte herein. Millionen faustgroßer Spinnen stürmten auf sie zu. Ihnen verschlug es die Sprache. "Sie sind alle sehr giftig. Kein Wunder, dass die ehemaligen Bewohner so scheußlich aussehen. Sie müssen große Mengen Gift verabreicht bekommen haben", meinte Vardis erschauernd. "Wir sitzen in der Falle. Es gibt keine Möglichkeit alle Spinnen zu vernichten. Wenn wir die Hälfte getötet haben, sind unsere Kräfte erlahmt. Dann wird uns die andere Hälfte zerfetzen", sah Mike ihre Chancen schwinden.
-79"Doch, es gibt eine", sagte Kartos zuversichtlich. Jetzt waren die Spinnen heran. Die Helden traten und schlugen mit den Schwertern und ihren Stiefeln nach ihnen. Sie konnten sich nur mit großer Mühe die Tiere vom Leib
halten. Die Minuten vergingen wie zähes Blei. Um sie herum türmte sich schon ein kleiner Berg von zerquetschten Leibern auf. Aber es kamen immer mehr aus den Wänden. Kartos murmelte ein paar unverständliche Worte vor sich hin und plötzlich zuckte eine lange Feuerzunge aus der Spitze seines Schwertes. Sie traf die vorderen Spinnen und entzündete sie. Die Ereignisse nahmen ihren Lauf. Das Feuer breitete sich unter den Spinnen aus. Eine Kreatur steckte die andere an. Somit wurden innerhalb kurzer Zeit alle Spinnen vernichtet. Der Raum selbst wurde von dem Feuer nicht berührt. Auch er wurde, wie die Helden, nicht angesenkt. Vardis, Lavos und Mike blickten erstaunt auf Kartos. Der grinste nur und sagte:"In letzter Sekunde der rettende Einfall." "Was ist das für ein Schwert?", fragte Lavos. "Das Schwert habe ich von einem Magier, den ich vor einiger Zeit durch Glück besiegen konnte. Es ist das Flammenschwert des Otox. Ein besonderer Spruch lässt einen Feuerstrahl aus der Spitze hervorbrechen, der nur den Gegner vernichtet, die Umgebung aber unversehrt lässt. Es funktioniert aber nur, wenn ich selbst in großer Gefahr schwebe. Sonst hat der Spruch keine Wirkung." "Sehr beeindruckend", meinte Mike und schaute prüfend auf Kartos Schwert, das sich in nichts von anderen unterschied. "Lasst uns nun versuchen schnell hier heraus zu kommen", forderte Vardis die anderen auf. Der Fußboden sah verheerend aus. Überall lagen verkohlte Spinnenleiber. Vardis riss den Vorhang vollends herunter, der während des Kampfes sehr gelitten hatte. Kartos schlug das Fenster ein und sie stiegen hindurch. Kurze Zeit später erreichten sie ihre Pferde, schwangen sich auf und ritten, so schnell es ging, zum Stadttor. Zweihundert Meter bevor sie es erreichten, schloss es sich langsam.
-80Es war ein Wettlauf mit der Zeit. Noch hundert Meter. Das Tor war zur Hälfte geschlossen. Sie spornten ihre Pferde zu Höchstleistungen an. Nun waren es noch ein paar Meter. Das Tor war nur noch zwei Meter breit geöffnet. Lavos schaffte es als erster, dann Kartos und Vardis.
Mike schaffte es nicht mehr. Das Tor hatte sich geschlossen. + "Wo ist Mike?", fragte Lavos, sich wild umblickend. "Er war eben noch hinter uns gewesen." "Dann hat er es nicht mehr geschafft. Die Tore haben ihn in der goldenen Stadt eingeschlossen", spekulierte Kartos. Angespannt warteten sie auf ein Lebenszeichen ihres Gefährten. Die Stadt war unter die Fänge des bösen Magiers geraten, der sie mit ekelhaften Kleintieren erobert hat. Sie hofften aber dennoch, dass Mike lebend aus der goldenen Stadt entkam. + Roger Nelson wartete gespannt hinter dem großen Felsklotz. Mit unbeweglicher Miene verfolgte er jede Bewegung der Monster. Er konnte es immer noch nicht glauben, was er hier sah. Doch er fand sich damit ab, dass es Dinge gab, von denen er bisher nichts gewusst hatte. Die Monster gingen zur Höhle, aus der er gekommen war. Hintereinander verschwanden die Wesen darin. Roger wartete noch eine halbe Minute, dann folgte er ihnen. Er kroch hinter dem Felsen hervor und schlich schnell zum Höhleneingang. Das Gewehr im Anschlag schaute er aufmerksam um die Ecke. Wieder sah er etwas, was er nicht begreifen konnte. Die Wand mit dem Kreis flimmerte und die Zeichen, die darauf gezeichnet waren, verschwammen vor seinen Augen. Die Monster verschwanden in der Wand, wie hinter einer dichten Nebelwand. Jetzt begriff Roger, wie er hierher verschlagen wurde. Er war durch die Wand gekommen. Er hatte den selben Weg, wie die Monster genommen, nur in die andere Richtung. Da gab es also einen Weg zurück! Roger wollte nicht in dieser trostlosen Welt verhungern. Nachdem die letzten Kreaturen durch die Wand getreten waren, hetzte er auf den Kreis zu.
-81Noch war das flimmern vorhanden. Roger rannte so schnell er konnte. Er hatte ihn fast erreicht, da waren die Zeichen wieder klar und deutlich zu erkennen. Roger knallte mit voller Wucht gegen die harte Felswand. + Die Wesen traten
aus dem Kreis wie Geistererscheinungen. Xovel hatte sie schon auf der anderen Seite erwartet. "Seid willkommen, meine lieben Freude. Wie ich sehe, hat mir euer Meister achtzehn Verbündete geschickt. Ahresversus konnte anscheinend nicht mehr von euch herbeischaffen. Aber sicher werden beim nächsten Übergang mehr herüberkommen. Euer Magier braucht im Moment nicht so viel Verstärkung. Davon kann ich nur Vorteile ziehen", sagte Xovel freudestrahlend. Die Monster standen unbeweglich da, wie Roboter, die auf einen Befehl warteten, Ihre Augen aber blitzten vor Mordgier. "Wenn es dunkel geworden ist, macht ihr euch auf den Weg. Ihr macht die Umgebung unsicher und tötet jeden, der euch in die Arme läuft. Passt aber auf, dass ihr nicht gesehen werdet, wenn ihr die sogenannten Menschen umbringt." Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging den unterirdischen Gang entlang, bis zur Treppe, die zur Oberfläche führte. Er trat aus dem Baum hervor und ging schnellen Schrittes, im hellen Licht der Sonne, zu dem nahen Waldweg, auf dem er seinen alten Fiat geparkt hatte. Xovel fuhr auf dem unbefestigten Weg aus dem Wald hinaus. Er beeilte sich, so schnell wie möglich nach Brighton zu kommen. Er hatte heute noch viel vor. Der nächste gezielte Mord musste vorbereitet werden. Es musste alles klappen. Seine Helfer durften nicht unverrichteter Dinge zurückkehren, wenn er sie an den Ort der neuen Bluttat geschickt hatte. Xovel musste auch noch Nahrung für die sechs Wesen in seinem Haus besorgen. Aus der Zoohandlung in Brighton musste er dreißig Kaninchen mitbringen, um die Bestien zu befriedigen. Gewöhnlich arbeitete er um diese Zeit noch. Er war sozusagen Hausmeister in
- 82einer Schuhfabrik und verdiente dabei ganz gut. Seit einigen Tagen war er aber krank geschrieben. Xovel hatte im Moment andere Sachen zu tun, als zu arbeiten. Ein hämisches Grinsen verzog seine Mundwinkel, kurz bevor er in
Brighton ankam. + Roger Nelson stand wieder auf dem Plateau vor der seltsamen Höhle mit dem magischen Kreis. Er überlegte sein weiteres Vorgehen. Er konnte hier nicht solange warten, bis wieder ein Trupp Monster das Tor benutzte. Bis dahin wäre er bestimmt schon längst verhungert und verdurstet. Keine Wolke war am Himmel zu sehen. Unbarmherzig knallte die Hitze auf die Erde nieder. Es gab nur eine Möglichkeit. Er musste Nahrung suchen. Roger blickte sich in der Runde um. In die Wüste konnte er nicht gehen. Also blieb ihm nur die Wahl zwischen links und rechts. Er konnte nur im Gebirge bleiben. Hier fand er noch einigermaßen Schutz vor der Hitze und eventuellen Gegnern. Roger Nelson entschied sich für links. Er machte sich auf den Weg, kletterte über Felsen und umging kleine Schluchten. Nach einiger Zeit wurde der Durst unerträglich. Er musste sich erst einmal im Schatten eines Felsvorsprungs ausruhen. Er schaute zum Himmel auf und fluchte laut über seine missliche Situation. So hatte er sich den Auftrag, den er auszuführen hatte, nicht vorgestellt. Er war in eine andere Welt gedrängt worden, ohne je an eine solche geglaubt zu haben. War es ein Streich des Schicksals? Roger hoffte, dass er, wenn er Nahrung finden würde, wieder zur Höhle zurückkehren konnte. Er wollte dann warten, bis das Tor in seine Welt wieder geöffnet wurde. Die Hoffnung war klein, aber er klammerte sich an sie, wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Ein Mann wie er gab so schnell nicht auf. Plötzlich war ein Zischen zu hören. Er warf den Kopf herum und starrte hinauf. Eine kleine dunkle Wolke näherte sich ihm. Sie verursachte das Zischen, das er hörte. Roger sprang auf und hielt das Gewehr schussbereit auf die Wolke, was seiner Ansicht nach schwachsinnig war. Wolken konnte man nicht erschießen.
- 83Auch wenn sie zischte und auf ihn zuschwebte. Trotzdem war er sich seiner Sache nicht sicher. Drei Meter über ihm hielt die Wolke abrupt an. "Nimm diese Waffe herunter, sie würde dir doch nichts nützen", erschallte eine mächtige Stimme. "Ich bin Ahresversus." +
Roger senkte das Gewehr leicht. "Was willst du von mir?", fragte er mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. "Ich bin gekommen, um dir dein weiteres Schicksal zu erklären", sagte die Stimme. "Du bist der Dämon, der mit Xovel unter einer Decke steckt. Zeige dich, ich will dich sehen", forderte ihn Roger auf. "Ich kann mich dir nicht zeigen. Mein Anblick würde zu deinem sofortigen Tod führen. Ich habe dir etwas mitzuteilen." Die Stimme hielt einen Moment inne. "Dann beginne." "Du hast dich für unsere Pläne interessiert und sie erfahren. Du wolltest sie sogar vereiteln. Durch Zufall hast du den Raum mit dem Dimensionstor entdeckt, Da du zuviel weißt, wollte Xovel dich umbringen. Das gelang ihm aber nicht. Er ist ein Schwachsinniger, der Macht anstrebt. Ich konnte nur mit ihm in Kontakt treten, weil er der Gegenpol auf der Erde zu unserem großen Magier hier auf Salon ist. Xovel konnte dich durch Glück auf Salon schleusen. Du bist der irdischen Strafe entgangen, aber hier erwartet dich eine weit schlimmere. Du hoffst auf eine Rückkehr durch das Tor. Ich muss dich enttäuschen. Jedes Lebewesen kann nur einmal das Tor benutzen. Beim zweiten Mal funktioniert es nicht mehr. Das Tor ist in gewisser Hinsicht eine Einbahnstraße in zwei Richtungen." Rogers Mundwinkel fielen nach diesen Worten herab. Er hatte nicht mit einer solchen Darstellung der Dinge gerechnet. Angst packte ihn. "Das darf nicht wahr sein", sagte er stockend. "Doch, es ist wahr", antwortete ihm die Stimme von Ahresversus.
-84"Du wirst in dieser Welt deine Strafe bekommen. Du wirst auf Schritt und Tritt Angst um dein Leben haben müssen. Hinter jedem Felsklotz, oder jeder Düne kann der Tod auf dich lauern. Du wirst kaum noch Schlaf finden und deine Kräfte verlieren. Dann werde ich wiederkommen und dich abholen." "Wohin willst du mich dann bringen?", fragte Roger Nelson automatisch. "In die Hölle. Du wirst dir darunter etwas vorstellen können, aber es entspricht nicht der Wirklichkeit. Die Hölle ist schlimmer, als sich
menschliche Gehirne ausmalen können. Du wirst dir noch wünschen, von Xovel erschossen worden zu sein." Roger schaute verdutzt drein. Er konnte diesen Worten nichts entgegnen. Die Sache nahm ihn doch mehr mit, als er sich selber eingestehen wollte. Ahresversus sagte nichts mehr. Die Wolke stieg wieder in die Höhe und zog schnell davon. Ein paar Augenblicke später, war sie nicht mehr zu sehen. Roger Nelson war wieder allein. Er machte sich über das, was der Dämon gesagt hatte, Gedanken. Er kam zu dem Schluss, auf der Hut zu sein und sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Er glaubte diesem Dämon alles, was er erzählt hatte, auch wenn es schwer fiel. Aufmerksam setzte er seinen Weg fort. Er kletterte über Felsen und manchmal stolperte er über Steine, die auf dem Weg lagen, er aber nicht gesehen hatte. Roger stürzte dann schwer hin und schlug sich dabei die Knie blutig. Der Durst quälte ihn immer mehr. Nach einigen Stunden glaubte er eine Fata Morgana zu sehen. Ein paar Dutzend Schritte von ihm entfernt schlängelte sich ein kleiner Bach den Berg hinunter. Roger lief los. Er hoffte, dass der Bach echt war. Er wurde nicht enttäuscht. Roger hielt den Kopf in das erfrischende Nass und trank gierig. Er war der Verzweiflung schon nahe gewesen. Endlich hatte er seinen Durst stillen können. Lächelnd saß er am Bachrand und schaute in das fließende Wasser. "Die erste Etappe habe ich überstanden. Wenn es so weitergeht, kann ich zufrieden sein." Gestärkt ging er weiter, einem unbekannten Ziel entgegen.
-8 5 - + Vor ihm ragte das große, geschlossene Tor empor. Hinter ihm raschelte es lautstark. Mike sah sich um und erblickte eine Lawine von kleinen und großen Insekten. Das Ungeziefer bedeckte den Boden und kroch auf ihn zu. Es waren Spinnen, Maden, Würmer und anderes Getier. Alles was kreucht und fleucht, bewegte sich auf ihn zu.
Sein Pferd scheute und drohte ihn abzuwerfen, aber Mike konnte sich halten, denn er war ein erfahrener Reiter. Die Insekten rückten immer näher. Sein Pferd drehte sich nun wild im Kreis. Er konnte es nicht mehr bändigen. In diesem Augenblick erreichten die ersten Insekten die Hufe des Tieres. Eine unglaubliche Angst hatte sich im Gehirn des Pferdes eingenistet. Es stampfte kraftvoll auf die Angreifer ein und zerquetschte sie. Wo aber ein Insekt getötet wurde, traten zehn andere an dessen Stelle. Sie kreisten Mike ein. In dieser Situation kam ihm ein rettender Gedanke. In einer wahnsinnigen Geschwindigkeit stellte er sich auf den Rücken des Pferdes und stieß sich kraftvoll ab. Mit den Fingerspitzen erreichte er den Boden des Rundganges, der die ganze Stadt in einer Höhe von drei Metern an der Stadtmauer umgab. Geschickt zog er sich an dem Geländer nach oben. Hier war er erst einmal sicher. Für sein Pferd aber gab es keine Rettung mehr. So beobachtete er, was mit ihm geschah. Das Ungeziefer türmte sich zu einer lebenden Wand auf und wälzte sich auf das ängstliche Tier zu. Es wieherte herzzerreißend auf und die Augäpfel traten weit hervor. Nach einer Minuten erreichten die Insekten es. Sie schwappten wie eine Welle über es hinweg. Das Tier verschwand in einem Berg stinkenden Gewürms. "Armer Kerl", murmelte Mike traurig. Nach fünf Minuten ließen sie von dem Pferd ab und krochen wieder Richtung Stadtmitte. Was Mike nun sah, ließ ihm einen Schauer über den Rücken jagen. Auf dem zerwühlten Boden lag das bis auf die Knochen abgenagte Skelett seinen treuen Reittieres. Er wandte sich dem scheußlichen Bild ab und schaute über die Stadtmauer. Lavos, Vardis und Kartos standen in einiger Entfernung vor der Stadt und warteten gespannt auf ein Lebenszeichen von ihm. Er winkte ihnen zu und sie winkten ihm erfreut zurück.
- 86 Das Problem des Abstieges trat an ihn heran. Er kletterte auf die Zinnen und starrte in die Tiefe von fünf Metern. Plötzlich hörte er lautes Gepiepse. Er drehte sich um und sah eine Horde kaninchengroßer Ratten mit Haifischzähnen auf sich zustürmen. "Keine Angst, ihr bekommt mich schon nicht." Mit diesen V/orten stieß er sich
von der Mauer ab. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bevor er endlich den Boden berührte. Er landete weich und rollte sich geschickt ab. Zum Glück hatte er sich beim Sprung aus dieser Höhe nicht verletzt. Lavos ritt in rasendem Tempo auf ihn zu. Mike lief ihm entgegen. Lavos hielt neben ihm an und er sprang hinten auf. Sogleich ritten sie wieder zu den Wartenden zurück. Als sie die Gruppe erreicht hatten, erzählte Mike in knappen Sätzen, was sich ereignet hatte. "Das wird das ganze Unternehmen etwas behindern. Da du nun kein Pferd mehr hast, musst du mit einem von uns zusammen reiten", meinte Lavos nachdenklich. "Willst du mit mir zusammen reiten, Mike?", fragte Vardis zuvorkommend. "Ja, gerne." So ritten sie weiter dem Land Niros entgegen. + Am späten Nachmittag erreichte er Eastbourne. Thambuda fuhr gleich zum Dorfpolizisten. Er hielt auf dem altertümlichen Marktplatz an und verließ seinen Wagen. Phil Tanna war in seinem Büro. "Guten Tag, Mister Tanna", sagte Thambuda freundlich. "Guten Tag", erwiderte der Polizist den Gruß. Er blickte den Schwarzen erwartungsvoll an. "Entschuldigen sie die Störung, aber ich habe eine wichtige Frage an sie." "Nichts zu entschuldigen. Fragen sie ruhig." "Haben sie meinen Kollegen Roger Nelson gesehen?" "Nein, ich habe ihn schon ein paar Tage nicht mehr gesehen." "Seit vorgestern hat er sich nicht mehr gemeldet. Es ist anzunehmen, dass ihm etwas zugestoßen ist", erklärte Thambuda dem Polizisten. "Da kann ich ihnen leider nicht helfen. Ich weiß nicht, wo er sich aufhält." "Mmh, ja, könnten sie mir bei der Suche in der näheren Umgebung von Eastbourne helfen? Sie kennen sich hier besser aus als ich."
-87"Natürlich, das tue ich gern. Ich werde gleich mitkommen." Phil Tanna begleitete Thambuda. Sie fuhren durch die engen Straßen und suchten jeden Winkel des Ortes ab. Sie fanden aber nichts. Phil Tanna dirigierte Thambuda in Richtung Hastings. Auch in dieser Gegend war nichts zu entdecken. Sie kehrten nach Eastbourne zurück und fuhren die Straße nach Lewes, aber auch dort war
Roger Nelsons Auto nicht zu sehen. "Jetzt fällt es mir ein. Wenn, dann kann er nur im Wald bei Eastbourne sein. Da, wo die erste Leiche gefunden wurde", fiel es Phil Tanna wie Schuppen von den Augen. Thambuda wendete scharf und raste wieder denselben Weg zurück und fuhr den unbefestigten Weg zu James Cortons Haus entlang. Schnell hatten sie den Porsche entdeckt. Thambuda und Phil Tanna stiegen aus und untersuchten das Auto. Es war ordnungsgemäß verschlossen und niemand in der Nähe. "Er kann nur im Wald sein. Suchen wir ihn", meinte Thambuda. Sie gingen in den düsteren Wald und fingen mit ihrer Suche an. Die Zeit verging und sie fanden nichts von Bedeutung. Keine Spur von Roger. Es fing schon zu dunkeln an und sie machten sich resigniert auf den Weg zurück zu dem Renault, als sie es hörten. Sie standen gerade am Rande einer Lichtung, als sie das knarrende Geräusch vernahmen. Schnell verschwanden die beiden Beamten hinter einem dicken Baum und starrten gespannt in die Dunkelheit am gegenüberliegenden Rand der Lichtung. Was sie erkennen konnten, überraschte sie. Sie sahen eine riesige Gestalt aus einem Baum treten. Dann noch eine, zwei, drei Gestalten. Es wurden immer mehr. Thambuda zählte zwölf Männer. Es konnten nur Hünen sein, den Konturen nach zu urteilen. Thambuda zog seinen Revolver aus der Halfter. Die Gestalten traten auf die Lichtung hinaus. Das Tageslicht reichte gerade noch aus, um zu erkennen, wie die Wesen aussahen. Phil Tannas und Thambudas Nackenhaare sträubten sich. Sie glaubten, nicht mehr bei Verstand zu sein. Es waren die furchtbarsten Gestalten, die sie je erblickt hatten.
-88Monster standen auf der Lichtung und starrten umher. Riesige Echsengeschöpfe, Kreaturen mit Spinnenaussehen, Schleimmonster mit schmierigen Klauen und geifernden Mäulern, Krötenhafte, kriechende Höllenhunde mit glühenden Augen standen furchterregend mit Äxten und Schwertern da und stapften plötzlich los. Sie kamen direkt auf die beiden Männer zu. Thambuda löste sich zuerst wieder aus der Erstarrung. Er stieß Phil
Tanna an den Arm und bewirkte dadurch, dass auch dieser in die Wirklichkeit zurückfand. "Was sind das für Kreaturen?", flüsterte Tanna mit zitternden Kien. Seine Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Keine Ahnung. Aber ich glaube es ist das Beste jetzt zu verschwinden. Die Burschen scheinen uns gewittert zu haben." Sie drehten sich um und rannten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie rannten, was ihre Beine hergaben. Sie mussten über Baumstümpfe springen und kleine Waldbäche. Die Verfolger waren aber immer noch zu hören. Sie ließen sich nicht abschütteln. Auch wenn ihre Körper massig und unbeweglich aussahen, waren die Monster ihnen doch noch auf den Fersen. Phil Tanna rannte hinter Thambuda her. Er wandte den Kopf und schaute zurück. Die Kreaturen waren keine zehn Meter hinter ihnen. Sie schwangen ihre Waffen und rannten knurrend hinter den beiden her. Da passierte es. Phil Tanna hatte nicht ausgepasst und so stolperte er über einen knorrigen Ast. Er schlug der Länge nach hin und blieb benommen liegen. Die Monster stürmten tierisch schreiend heran. Phil Tanna raffte sich wieder auf und torkelte weiter. Da spürte er einen brennenden Schmerz an der rechten Schulter. Es brannte wie Feuer und Tanna starrte entsetzt auf seinen Arm, der neben ihm in ein Gebüsch flog. Blut spritzte aus der grauenhaften Wunde und besudelte seine Uniform und den Waldboden. Verzweifelt schrie er auf und rannte weiter. Blut schoss aus der Schulter und schwächte ihn immer mehr. Die Monster hatten ihn bald eingeholt. Eine Axt fuhr in seine Hüfte und riss sie bis zum Bauch auf. Die Därme quollen hervor und hingen aus dem zerhackten Körper heraus. Axt und Schwerthiebe prasselten auf ihn nieder. Von Phil Tanna blieb nur
-89ein blutiger Berg Fleisches übrig. Die Monster aber hetzten weiter. Da gab es noch einen Gegner. Thambuda rannte durch den Wald ohne sich umzublicken. Durch die Geräusche wusste er in etwa, was mit Phil Tanna geschehen war. Die Monster holten schnell wieder den Vorsprung auf, den Thambuda durch den Zwischenfall ausgebaut hatte. Er stolperte oftmals, fing sich aber wieder ab. Dann sah er den Waldrand. Er flog förmlich aus dem Wald heraus und auf sein Auto zu. In der Hetze fand er nicht sofort die Autoschlüssel und das Grauen saß
ihm im Nacken. Seine Verletzung machte sich wieder bemerkbar. Sein Kopf dröhnte. Die plötzliche Anstrengung tat dem Körper nicht gut. Thambuda hielt sich benommen am Dach des Renault fest und wartete die Schwindelgefühle ab. Viel Zeit hatte er jedoch nicht. Die ersten Verfolger traten aus dem Wald. Sie kamen brüllend näher. Thambuda lehnte sich mit dem Rücken an das Auto und feuerte auf sie. Die ersten drei Gestalten fielen getroffen um und zerfielen in Sekundenschnelle zu mehlfeinem Staub. In der Zwischenzeit hatte er die Autoschlüssel gefunden und die Fahrertür geöffnet. Er klemmte sich hinter das Steuer und ließ den Motor aufröhren. Da waren die Wesen heran. Ein Schwert traf mit voller Wucht auf das Dach und hinterließ eine tiefe Kerbe im Blech. Thambuda startete voll durch und raste den unbefestigten Weg hinab zum Ort. Die Kreaturen brüllten und schwangen ihre Waffen wütend in der Luft. + Sie ritten weiter dem Land Niros entgegen. Sie kamen durch fremde Landschaften, ritten an kleinen, düsteren Städten vorbei und erreichten nach drei Tagen und zwei Nächten die Landesgrenze von Niros. Es dämmerte bereits, als sie ihr Etappenziel ganz zerschlagen und müde erreichten. Weit am Horizont sahen sie das Gebirge mit dem vermeintlichen Gegenstand des Guten. "Hier werden wir rasten." Vardis sah sich prüfend um. "Wir müssen uns ausruhen, um für die letzte Etappe gestärkt zu sein. Morgen abend machen wir uns auf den Weg."
-90"Wo beginnen wir mit der Suche?", wollte Mike wissen. "Wir beginnen im Norden des Gebirges und ziehen dann nach Süden." "Weshalb, Vardis?", Lavos war auf die Antwort schon gespannt. "Nun. Es ist das Klügste im höchsten Teil des Gebirges mit der Suche anzufangen, da die Höhle bestimmt nicht im schnell erreichbaren niedrigeren Teil versteckt sein wird", erklärte Vardis überzeugend. "Du hast recht. Fangen wir also im Norden an", stimmte Lavos Vardis zu. Kartos sammelte etwas trockenes Gestrüpp, mit dem er ein kleines, unauffälliges Lagerfeuer machte. Es war nicht anzunehmen, dass die Skorrs in der Nähe lauerten.
Der Wüstensand erstreckte sich nur bis zur Landesgrenze von Niros. Niros selbst war ein blühendes Paradies. Es war anscheinend noch nicht unter der Herrschaft der Höllendiener. Exotische Pflanzen und Bäume zierten das etwas hügelige Land. Kaninchenartige Wesen wurden durch die Geräusche aufgeschreckt und rannten ängstlich davon. "Ich werde uns etwas zum Essen besorgen. Wir haben schon lange nichts anständiges zwischen die Zähne bekommen. Von gedörrtem Fleisch und Wüstenratten wird man ja nicht satt", sagte Kartos freudig und machte sich auf den Weg. Mike saß an einen Baum gelehnt und spielte lustlos mit einem kleinen Stock. Vardis trat auf ihn zu und sagte: "Du siehst traurig aus, mein Freund. Was ist mit dir?" "Es ist der Schmerz über meine verlorene Heimat. Ich vermisse sie sehr. Diese Welt hier hasse ich. Sie hat mir mein liebstes genommen." "Du hast viel durchgemacht und viel verloren. Jemand hätte es sehr schwer, dich nicht mehr hier zu wissen." "Ilara", kam es über Mikes Lippen und ein trauriger Ausdruck umgab seine Augen. Seine Gefühle waren im Widerstreit mit sich selbst. Die Gefühle in Einklang zu bringen war sehr schwierig für ihn. "Sie ist das Bindeglied zwischen dir und dieser Welt. Sie liebt dich, das wird deinen Schmerz überwinden." "Du hast recht Vardis. Die Zeit heilt alle Wunden."
-91Bei diesen Worten kam Kartos von der Jagd zurück. Lavos hatte inzwischen die Pferde versorgt. "Es hat sich gelohnt. Ich konnte zwei von ihnen den Kopf abtrennen. Es sind prächtige Burschen und bestimmt sehr schmackhaft", meinte er stolz. Die anderen schaute ihn an. Kartos hielt ihnen zwei schlaffe Körper entgegen. "Es hat sich gelohnt. In der Tat", sagte Lavos beeindruckt. Kartos zog den beiden Tieren das Fell ab und nahm sie aus. Dann spießte er sie auf zwei dickere Äste und hängte sie über das Feuer, wo er sie monoton drehte. Sie hatten in der Zwischenzeit ihre Umgebung immer aufmerksam beobachtet, denn Feinde konnten jederzeit auftauchen.
Nach einiger Wartezeit waren die Braten fertig und sie verschlangen sie mit Genuss. Nach dem Mahl legten sie sich schlafen. Kartos hielt als erster Wache. Als der Mond aufging, löste ihn Mike ab. Vardis und Lavos waren für die restliche Nacht als Wachen bestimmt. Alles verlief ruhig. + Es dämmerte allmählich. Roger Nelson war der Erschöpfung schon nahe, als er es erblickte. Am Horizont wurde ein grüner Streifen sichtbar, der sich vom Gebirge in die Wüste hinauszog, Rogers Herzschlag beschleunigte sich. Grün, das konnte bedeuten, dass dort Pflanzen wuchsen und das es somit auch Nahrung gab. Der Anblick ließ ihn ungeahnte Kraftreserven mobilisieren. Er kämpfte sich durch das Felsgestein und kam immer näher an die grüne Zone. Die Doppelsonne war gerade hinter dem Wüstenhorizont verschwunden, als er sie erreicht hatte. Eine grüne Wildnis breitete sich unter ihm aus. Das ganze Land bestand noch aus Wäldern und Wiesen. Eine unberührte Natur. Roger beeilte sich mit dem Abstieg. Er wollte so schnell wie möglich hinunter. Dort unten war die Rettung für ihn. Eine Stunde später hatte er den ersten Busch hinter sich gelassen. Er lief keuchend über eine blühende Wiese. Am Rand des nahen Waldes gab es einen Bach. Am Bachrand warf er sich nieder und trank gierig das kühle Nass. Sein Durst war gestillt, aber sein Magen knurrte um so lauter.
-92Er beschloss in dem Wald etwas essbares zu suchen. Mit entsichertem Gewehr ging er mutig weiter. Er passierte die erster Bäume und staunte über deren mächtige Stämme. Acht Männer hätten sie nicht mit ihren Armen umschließen können. Sie waren mindestens achtzig Meter hoch und ließen bei Tag durch ihre Wipfel kaum Licht hindurch. Da es sowieso fast Nacht war, konnte Roger nicht viel erkennen. Als er ein paar Meter gegangen war, sah er einen Busch mit Beeren. Er trat näher und pflückte eine. Sie hatten Ähnlichkeit mit Äpfeln, schmeckten aber anders. Vorsichtig hatte Roger gekostet. Er fand sie ausgezeichnet und sie stillte seinen Hunger. Er pflückte sich noch ein paar mehr ab, um später noch etwas zu haben. Gesättigt machte er sich wieder auf den Weg zum Bach zurück. Er wollte dort lagern und die Nacht verbringen. Roger legte sich mit den Rücken auf die blühende Wiese und hielt mit beiden Händen das Gewehr über dem Bauch fest, das er dort zur Sicherheit
griffbereit hingelegt hatte. Er hatte einen ruhigen Schlaf. Nichts hatte ihn in der Nacht angegriffen. Mit dem Gewehr fühlte er sich jeder Gefahr gewappnet. Am Morgen wachte er ausgeruht auf. Er schaute sich zuerst verwundert um, doch dann fiel ihm alles wieder ein. Roger frühstückte herzhaft. Die frischen Beeren schmeckten ausgezeichnet. Die Drohung Ahresversus schien sich nicht zu bewahrheiten. Alles war bisher ruhig verlaufen. Er hatte auch noch kein Lebewesen auf seinem Weg hierher gesehen. Roger nahm sich vor wieder dieselbe Richtung beizubehalten, die er gestern schon gegangen war. Die Doppelsonne stand noch nicht sehr hoch am Himmel, als er losging. Er durchstreifte den Wald und sah ein paar merkwürdige Tiere, die erschrocken fortrannten, als sie ihn kommen sahen. Wildschweine mit riesigen Hörnern, gazellenartige Tiere, die fünf Meter weite Sprünge machen konnten und andere seltsame Wesen sah er. Roger Nelson ließ den Wald hinter sich und kam auf eine große Wiese mit
-93schwirrenden Insekten, die um die bunten Blumen kreisten. Als er die Hälfte der Wiese überschritten hatte, sah er plötzlich einen schwarzen Punkt am Himmel, der rasend schnell größer wurde. Etwas Unbekanntes raste direkt auf ihn zu. Roger hob das Gewehr. 'Gefahr', gellte es durch sein Bewusstsein. Instinktiv duckte er sich und suchte nach einer Deckung. Die gab es aber nicht. Das Gras war nicht hoch genug, um sich zu verstecken. Dann konnte er erkennen, was da auf ihn zuflog. Ein Flugwesen aus der grauen Urzeit schien ihm entgegenzujagen. Die Fledermausflügel peitschten die Luft, dass es mächtig rauschte. Der Echsenkopf, mit dem spitzen Auswuchs am Hinterkopf, riss den Schnabel auf. Fürchterliche Zähne wurden sichtbar. Erschrocken starrte Roger auf das Wesen. Er riss das Gewehr in Position und zielte auf den stumpfbraunen Körper, der drei Meter lang war. Die Spannweite der Flügel betrug zehn Meter. Es stürzte sich auf ihn. Roger drückte ab. Die Kugel jagte aus dem Lauf der Waffe und traf zielsicher den Kopf des Ungetüms. Roger Nelson erstarrte. Die Kugel
zeigte keine Wirkung. Sie war einfach abgeprallt. Er schoss erneut. Aber auch diese Kugel prallte ab. Verzweiflung packte ihn. Das geifernde Maul war ganz dicht vor seinem Gesicht. Da ließ er sich einfach fallen. Das Flugwesen raste über ihn hinweg. Zweihundert Meter entfernt begann ein Wald. Er musste versuchen ihn zu erreichen. Keuchend hetzte er über die Wiese. Das Ungetüm griff erneut an. Roger warf sich wieder zu Boden. Aber diesmal war das fliegende Ungeheuer darauf eingestellt. Mit den Krallen der Klauenfüße schnappte es nach Roger und erwischte ihn am Rücken. Er wurde vom Boden gerissen und in die Luft gehoben. Er schwebte immer höher und höher. Er bekam es mit der Angst zu tun. Die Krallen quetschten sich in seinen Leib und hielten ihn fest. Die Schmerzen waren fürchterlich. Er glaubte, dass er nicht sehr lange den Druck, der auf ihn ausgeübt wurde, aushalten würde. Krampfhaft hielt er das Gewehr umfasst. Die Bestie krächzte auf und flog noch höher. Die Bäume unter ihm wurden immer kleiner.
-94Von hier aus war das Gebirge wieder zu sehen, auf welches das Wesen rasend schnell zuflog. Sein Kopf dröhnte. Der schnelle Aufstieg hatte ihm Kopfschmerzen verursacht. Das Gebirge hatten sie schnell erreicht. Das Gestein raste an ihm vorbei und er schloss, das Ende ahnend, die Augen. 'Wenn er mich jetzt los lässt, bin ich verloren.' Als hätte er durch seine Gedanken etwas ausgelöst, geschah es auch schon. Er merkte, wie er wie Stein in die Tiefe fiel. Er riss die Augen auf und sah die Felsen auf sich zukommen. Dann schlug er auf. Gekonnt rollte er sich ab und versuchte somit den Sturz zu mildern. Er hatte Glück gehabt. Das Ungetüm hatte ihn drei Meter über einem kleinen Felsvorsprung in einer Steilwand fallen gelassen. Roger hatte sich nichts gebrochen. Außer ein paar Abschürfungen und blauen Flecken war ihm nichts passiert. Er erhob sich unter Schmerzen und nahm dann das Gewehr an sich, das am Rande zum Abgrund lag. Der Beamte blickte sich um.
Er hoffte, dass ihn das Flugungeheuer nicht mehr angriff, denn dann war es aus. Die Kreatur ließ sich aber nicht mehr sehen. Es gab nur eines was er tun konnte. Er mussste die Steilwand hochklettern. Kleine Spalten und Löcher ermöglichten einen Aufstieg. Der Yard-Mann riss sich einen Streifen aus seiner kaputten Hose und befestigte ihn am Gewehr, dass er sich anschließend um den Hals hängte. Zwanzig Meter waren zu bewältigen. Die ersten zehn erklomm er ohne Zwischenfall. Er kletterte langsam weiter, jeden Spalt ausnutzend. Mit der rechten Hand hielt er sich in einem Loch fest und zog sich in die Höhe. Da spürte er ein scharfes Gebiss in seine Hand eindringen. Eine Ratte hatte sich festgebissen. Er zog seine Hand entsetzt zurück und versuchte sie abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht. Da schlug er sie mehrmals gegen das Gestein. Er zerschmetterte den Schädel des Tieres, das dann zum Glück seine Hand losließ und in die Tiefe stürzte. Er schaute hinterher. Die Tiefe schwindelte ihn. Er kletterte weiter und erreichte ohne weiteren Zwischenfall den Rand der Steilwand und zog sich mit letzter Kraft hoch. Erschöpft blieb er liegen und ruhte
- 95 sich ein paar Minuten aus. Er konnte sich nicht erklären, wie eine Ratte in das Gebirge kam. Sie schien im Innern der Felsen zu leben. Es gab sicher noch mehr hier oben. Er konnte sich vorstellen, daß ihnen tote Tiere als Nahrung dienten. Sicher gab es hier viele Bergtiere, die es in der Wüstengegend nicht gab. Wenn es Leben gab, dann bestimmt in den verschiedensten Erscheinungsformen. Roger Nelson machte sich wieder auf den Weg. Er hoffte auf eine menschliche Siedlung zu stoßen, da er nicht mehr zur Höhle mit dem Dimensionstor zurückfinden würde. + Den kommenden Abend besprachen sie ihr weiteres Vorgehen, wenn sie die Höhle gefunden hatten. Das dauerte eine Stunde und langsam machte sich wieder die Abenteuerlust in ihnen bemerkbar. Sie konnten es kaum erwarten, das neue Gebiet zu inspizieren. Als sie alles geklärt hatten und es zum Aufbruch ging, fiel die
Spannung von ihnen, wie eine zweite Haut. "Nun ist es soweit. Wir müssen jetzt sehr vorsichtig sein. Hinter jedem Felsen oder Baum 11 kann der Tod lauern , warnte Vardis seine Gefährten. "Auch der Tod kann uns nun nicht mehr aufhalten, so kurz vor dem Ziel. Ich habe nur Bedenken, ob wir den Minotauer überwältigen können. Das wird einige Schwierigkeiten bereiten", meinte Lavos nachdenklich. "Wir werden es schon schaffen", sagte Mike zuversichtlich. Sie machten sich auf den Weg. Langsam ritten sie in Richtung Norden zu dem gewaltigen Gebirge. Die Vegetation hatte wieder bis zum Rand des felsigen Geländes abgenommen. Das Weiterkommen wurde nun schwieriger, da es steil bergauf ging. Die Pferde wurden stark strapaziert. Es war gefährlich, sie die unwegsamen Pfade entlang zu lenken. Sie suchten Stunde um Stunde in der mondhellen Nacht. Mit angestrengtem Blick durchbohrten sie den leichten Nebel, der in den höheren Lagen vorkam. Sie hatten nichts finden können und kletterten gerade einen steilen Pfad bergab, als es geschah. Mit einem Brüllen schnellte ein riesiger Körper auf sie zu. Ein riesiger Berglöwe jagte auf sie zu. Er besaß zwei große Säbelzähne, die
-96aus dem geifernden Maul hervorstachen. Wild funkelten die Augen und die grauen Tatzen wiesen lange Krallen auf, mit denen ein Mensch zerrissen werden konnte. Die Männer wirbelten herum und blickten der Gefahr ins Auge. Die Pferde scheuten und gingen durch. Sie verschwanden hinter großen Felsen. Der Berglöwe sprang Lavos an, der durch die Wucht des Sprunges umgerissen wurde. Verzweifelt kämpfte er mit bloßen Händen gegen dieses Tier, da er nicht die Zeit gehabt hatte sein Schwert zu ziehen. Die scharfen Krallen rissen seine Haut auf und rotes Blut floss heraus. Kartos, Vardis und Mike sprangen mit gezogenen Schwertern heran und schlugen auf das Ungetüm ein. Der Berglöwe ließ von Lavos ab, der sich schnell zur Seite rollte und erschöpft liegen blieb. Das riesige Geschöpf war drei Meter lang. Es war schwierig es zu töten. Die Bestie griff erneut an. Die Zähne umschlossen Vardis' Schwert und rissen es ihm aus der Hand. Das Metall verbog sich ein wenig unter der Gewalt der starken Kiefer und das Schwert fiel klirrend zu Boden. Vardis zog seinen Dolch und
wehrte so die Angriffe ab. Inzwischen war Kartos hinter die Bestie geschlichen. Er sprang sie mit einem Satz an und jagte ihr das Schwert in den Nacken. Der Berglöwe brüllte auf. Kartos zog das Schwert wieder heraus. Er schlug erneut zu und traf den Hals, an dem die Hauptschlagader durchtrennt wurde. Das Blut spritzte durch die Luft und besudelte die Männer. Ein Hieb von Mike brachte den Berglöwen zu Fall. Ausgepumpt standen die vier Männer um das Tier herum und begutachteten es. "So einen großen Berglöwen habe ich noch nie gesehen", sagte Mike erstaunt. "Die gibt es auch nur in den höheren Ebenen. Zum Glück", sagte Kartos zufrieden auf das Tier blickend. "Suchen wir erst einmal unsere Pferde", meinte Vardis zu den anderen. Eine halbe Stunde später hatten sie diese wieder eingefangen. "Wir müssen nun weiter südlich suchen. Hier jedenfalls gibt es keine Höhle", sagte Lavos und schaute sich in der Runde um. Seine Wunden waren nicht so schlimm gewesen und er hatte sie auch gleich verbunden. Sie wollten sich erst einmal nach den Strapazen ausruhen und suchten einen
-97geeigneten Ort dafür. Sie schlugen ihr Lager in einer kleinen Schlucht auf. Sie wollten ein paar Stunden verschnaufen und ein wenig schlafen. Die Wachen wurden wieder eingeteilt. Mike war als erster an der Reihe. Die anderen legten sich erschöpft schlafen. Eine Stunde hatte er schon hinter sich gebracht, als er ein Geräusch in der Nähe vernahm. Plötzlich polterten Steine von der rechten Steilwand. Mike sprang auf und wirbelte herum. Er richtete seinen Blick auf den Rand der Felswand, konnte aber nichts erkennen. Er wandte sich ab und wollte sich schon wieder hinsetzen, als er sie sah. Ein überraschter Laut entrang seiner rauen Kehle. Durch die Geräusche waren die Krieger wach geworden. Bevor sie auch nur reagieren konnten, waren sie schon umstellt. Es waren zwölf Skorrs, die sie in Schach hielten. Es war sinnlos gegen eine so große Übermacht ohne Waffen zu kämpfen. "Tut mir leid, aber es ging alles so schnell", entschuldigte Mike sich. Er gab sich die Schuld, dass sie jetzt, so kurz vor dem Ziel, Gefangene der Skorrs waren.
Sie wurden gefesselt und auf ihre müden Pferde geschnallt. Die Skorrs saßen auf ihre knöchernen Pferde auf und ritten mit ihrer Beute in Richtung Süden des Gebirges. "Ihr werdet die Höhle zwar zu sehen bekommen, aber nichts mehr damit anfangen können. Ihr kommt nicht als Eroberer, sondern als Gefangene", sagte der Anführer der Skorrs laut lachend, dass die Knochen klappernd gegeneinander schlugen. "Was können wir jetzt noch tun, Vardis?", fragte Lavos nervös. "Wir müssen einen günstigen Moment zur Flucht abwarten", flüsterte Vardis zurück. "Hoffentlich können wir sie überwinden. Es tut mir leid, dass ich euch in eine solche Lage gebracht habe", sagte Mike traurig. "Du hast keine Schuld daran. Diesmal waren die Skorrs zu schnell für uns", widerlegte Vardis Mikes Ansicht. "Wenn es soweit ist, werde ich versuchen meine Fesseln zu sprengen ", tröstete ihn Kartos. Eine laute Stimme ertönte plötzlich.
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"Schweigt, sonst schneide ich euch die Zungen heraus. Was habt ihr
noch so kurz vor eurem Tod zu besprechen? Es ist unnütz, dass ihr euch Hoffnung auf Rettung macht", sagte der Skorr, der sie schon vorhin angesprochen hatte. Ohne weitere Worte ging es weiter nach Süden. Die Stunden vergingen. Die Zeit tropfte zäh dahin. Es wurde Abend, als sie ihr Ziel erreicht hatten. Die Doppelsonne hing schon tief am Horizont. Mike und die anderen waren zwischendurch immer einmal eingenickt. Nun aber waren sie hellwach. Sie ritten gerade auf einem Pfad in luftiger Höhe entlang, als sie es sahen. Kurz vor einer bergaufführenden Kurve gähnte ein dunkles Loch im Felsgestein. Es war die gesuchte Höhle. Sie lag so weit abgelegen, dass sie niemand so schnell fand. "Bringt sie hinein. Der Wächter wird sich schon um sie kümmern. Wir aber werden noch den südlichen Teil von Niros auskundschaften, damit unser Meister siegesgewiss hier Einzug halten kann." Die Skorrs rissen die Männer von den Pferden herunter und schleiften sie in die unbekannte Finsternis. Tief im Innern der Höhle wurden sie aneinandergebunden, mit den Rücken zueinander. Vardis mit Mike und Kartos mit Lavos. Eine Fackel hellte die Umgebung auf, die an einer Halterung an der Wand hing. Der Raum war etwa zwanzig Meter lang und zehn Meter breit. Auf den Wänden waren grauenhafte Szenen von Opferungen dargestellt. Dämonische Wesen umringten schwarze Altäre und rissen den Opfern, meistens jungen Frauen, die Herzen aus dem lebendigen Leib. Den Männern lief ein Schauer über den Rücken, als sie diese Bilder sahen. In der Mitte des Raumes war ein quadratischer Felsblock aufgestellt, auf dem ein großer samtener Kasten stand. "Das muss er sein. Da drin ist bestimmt der Gegenstand des Guten ", vermutete Lavos. "Ja, du hast recht. In dem Buch war ein Hinweis darauf. In dem Kasten ist der Gegenstand", bestätigte Vardis. "Das Problem liegt nur noch bei dem Minotaur. Wenn er hier erscheint, ist es mit uns aus", meinte Mike.
-99"Wir müssen versuchen, die Fesseln zu lösen. Sie sind doch fester, als ich gedacht habe. Wenn wir es geschafft haben, ist es bestimmt ein Kinderspiel, dem Minotaur mit dem Gegenstand zu begegnen", sagte Kartos hoffnungsvoll. Da vernahmen sie leises Stöhnen und gequältes Schluchzen. Verwundert blickten sich die Vier um. Es war niemand in ihrer Nähe zu sehen, der die Geräusche hätte erzeugen können. "Da seht", rief Mike laut. Sie wandten ihre Köpfe und sahen, wie dunkle Schatten über die Wände huschten und grauenhaft stöhnten. Es waren mindestens dreißig Schatten, die in dem Tunnel zum Ausgang verschwanden. "Was war das?", fragte Kartos verwundert. "Ich glaube, das sind die verfluchten Seelen der Männer, die ebenfalls, wie wir, den Gegenstand erobern wollten und an dem Minotaur scheiterten. Der Tod war aber nicht endgültig. Die Seelen der Krieger wurden an die Wände verband, bis zu dem Zeitpunkt, bis einer es schafft, den Gegenstand an sich zu nehmen", erklärte Vardis seinen Gefährten. "Woher weißt du das, Vardis", fragte Mike. "In dem Buch war das nicht beschrieben gewesen, welches Antaris uns zeigte." "In einer alten Legende, die nur mündlich überliefert wird, erzählt man es so. Wie ich gesehen habe entspricht es der Wahrheit." Nach diesem Wortwechsel machten sie sich an die Arbeit, die Seile gegen scharfe Steine zu reiben. Die Zeit verging schnell und ein Erfolg zeichnete sich ab. Die Seile wurden an den Reibestellen immer dünner, da hörten sie ein fernes Knurren, dass ständig näher kam. "Wir müssen uns beeilen, wenn wir den morgigen Tag noch erleben wollen", sagte Kartos hastig. Somit verdoppelten sie ihre Anstrengungen. Das Knurren war schon bedrohlich nahe gekommen. Und dann stand er vor ihnen. Aus einem anderen Gang, als sie gekommen waren, trat langsam ein ungeheuerliches Geschöpf hervor. Es war der Wächter des Gegenstandes.
-100Ein großer Minotaur, halb Mensch halb Stier, schritt auf sie zu. Seine
Hufe knallten auf den felsigen Untergrund. Der Minotaur war dazu bestimmt, jeden zu vernichten, der guten Willens war und in die Höhle eindrang. Stets kam er dem Befehl nach, den er vom Satan selbst bekommen hatte. Von Angst gepeitscht beschleunigten die Männer ihre Bemühungen die Fesseln zu kappen. Das Geschöpf war noch fünf Meter von ihnen entfernt, als die Seile, die Kartos und Lavos zusammenhielten, zerrissen. Schnell machte Kartos seine Fußfesseln auf und sprang in Richtung Felsblock. Auf halben Weg stellte sich ihm der Minotaur entgegen. Gekonnt rollte Kartos auf die Seite und versuchte ihn zu umgehen. Das gelang ihm aber nicht. Der eine Vorderhuf traf ihn voll in den Rücken. Durch die Wucht des Trittes flog er im weiten Bogen in eine Ecke des makabren Raumes. Schmerz durchzuckte ihn. Er quälte sich wieder auf die Beine und ging zielstrebig auf den Minotaur zu, um sich dem Kampf zu stellen. Kartos sprang vor der Kreatur hin und her, um sie zu verwirren. Das gelang ihm. Er hechtete mit einem gewaltigen Satz an den Hals des Minotaur und umschlang ihn mit beiden Armen. Das Geschöpf schrie auf und knurrte erbost. Kartos war nun im Vorteil. Er hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an den Hals des Gegners und zog ihn so langsam zu Boden. Der Minotaur versuchte sich aus dem stahlharten Griff zu befreien, doch es gelang ihm nicht auf Anhieb. Der Wächter drehte sich blitzschnell auf den Rücken und brachte so Kartos unter sich zu liegen. Der massige Körper drückte auf Kartos und drohte ihn zu zerquetschen. Mit einen mal hatte sich das Blatt wieder zugunsten des Minotaur gewendet. Kartos Gesicht lief rot an. Er versuchte den Körper von sich zu rollen, aber es ging nicht. Er sah schon den Tod nahen. In dieser Situation konnte er nichts mehr tun. Sein Schicksal war besiegelt, Da krachte es laut. Die Männer in dem Raum erstarrten, als sie den Minotaur ansahen. Er kippte zur Seite und ein roter Blutfleck breitete sich auf der Stirn des Wächters aus. Keuchend kam Kartos wieder auf die Beine und betrachtete seinen toten Gegner.
-101"Was ist geschehen?", fragte er verdutzt. Lavos hatte inzwischen die beiden anderen Kämpfer befreit und sie traten nun zu Kartos. "Wir wissen auch nicht, was geschehen ist. Nach dem Knall stürzte der
Minotaur plötzlich tot zur Seite und seine Stirn war zerschmettert", beschrieb Lavos das Geschehen aus seiner Sicht. Da trat eine Gestalt aus dem Tunnel zum Eingang heraus. Sie kam langsam auf sie zu. Die vier Kämpfer warteten gespannt, wer da kam. Ein Mann in einem dunklen Pullover und einer Hose, die in Fetzen von seinen Beinen hing, ging vorsichtig in die Mitte des Raumes. Er hielt einen langen Stab in der Hand, den Mike als ein Gewehr erkannte. Erstaunt betrachtete er den Ankömmling. "Wer sind sie?", fragte er. "Ich heiße Roger Nelson und bin Scottland Yard Beamter", antwortete ihm Roger auf Englisch. Mike war erstaunt, einen Menschen aus seiner Welt hier zu treffen. Auch Roger war überrascht einen Engländer zu sehen. Die fünf Männer unterhielten sich nun eingehend über die Ereignisse. Roger erzählte, dass er durch Zufall die Ankunft der Skorrs und ihrer Gefangenen beobachtet hatte und lange Zeit nach dem Weiterreiten der Skelette die Höhle betrachtete. Nach einiger Zeit wagte er sich hinein und sah den Kampf. Er handelte sofort und schoss den Minotaur nieder. Nachdem alles geklärt war, beschlossen sie Roger Nelson mit nach Xush zunehmen. Sie wandten sich nun dem Felsblock zu. Gespannt öffneten sie den großen Kasten. Sie waren erstaunt, als sie sahen, was darin lag. Ein flacher, runder Stein mit ausgebrochenem Rand und in Samt gebettet, bedeckte den Boden des Kastens. Unbekannte Schriftzeichen waren darauf zu erkennen. Symbole, die sie nie zuvor gesehen hatten, zierten die Oberfläche. Vorsichtig nahm Vardis ihn mit beiden Händen aus dem Behälter und betrachtete ihn genau. "Unglaublich, dass in einem solch kleinen Stein so große Macht verborgen sein soll", sagte er und steckte ihn sich in den breiten Gürtel,
- 102 "Hoffentlich stehen unsere Pferde noch draußen, sonst müssen wir den ganzen Weg zurücklaufen, das einige Schwierigkeiten bereiten würde", meinte Kartos. "Da kann ich euch beruhigen. Die Pferde laufen draußen vor der Höhle herum", sagte Roger zu seinen neuen Gefährten. Sie gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Kurz vor dem Ausgang
schlichen sie an dem Rand der Wand entlang, die mit jedem Schritt heller wurde. Dann hatten sie den Ausgang erreicht. Vardis spähte vorsichtig nach draußen. Da nichts Verdächtiges zu sehen war, trat er aus dem Halbdunkel. Die anderen folgten ihm. Ihre Pferde standen verstreut in der Umgebung herum. Sie waren nicht fortgelaufen, wie Roger Nelson es berichtet hatte. Die Skorrs hatten die Waffen der Männer achtlos neben einen Felsen geworfen, bevor diese sie in die Höhle gebracht hatten. Sie nahmen sie an sich und machten sich unverzüglich auf den langen und beschwerlichen Weg in die Heimat. Vardis setzte sich hinter Lavos auf dessen Pferd und Roger hinter Mike, mit dem er sich angeregt unterhielt. Dabei erfuhr er, dass Mike Skinner der einzige Überlebende einer Flugzeugkatastrophe war. Roger hatte in der Zeitung von dem Verschwinden eines Flugzeuges gelesen. Nun kannte er dessen Schicksal. Er wusste jetzt so viel und konnte sein Wissen nicht anwenden, um das Grauen in seiner Welt zurückzudrängen. Stetig ritten sie Xush entgegen. + Thambuda raste den Weg hinunter nach Eastbourne und dann in einem Höllentempo nach Brighton. Ihm ging vieles durch den Kopf. Er hatte den Gegner gesehen und wusste jetzt, woher sie kamen. Er hatte sich die Lichtung und den Baum genau gemerkt. Der Farbige konnte es noch nicht glauben. Monster gab es doch nicht. Jedenfalls nicht im zwanzigsten Jahrhundert, wo es Atomkraftwerke gab und die Menschen zum Mond flogen. Er musste sich erst mit der Tatsache abfinden, dass es keine menschlichen Wesen waren, welche die Umgebung zwischen Eastbourne und Brighton unsicher machten. Thambuda wusste nicht, wie viele dieser grauenhaften Kreaturen hier auf der Erde wandelten, aber er wusste, dass sie verwundbar waren.
- 103 Er konnte aber nicht wissen, dass im Moment seiner Überlegungen gerade ein Trupp Skorrs durch das Dimensionstor traten. Die Polizei musste alle Monster aufspüren und vom Erdboden vertilgen. Für solche Geschöpfe war hier kein Platz.
Um zweiundzwanzig Uhr erreichte er Brighton. Er fuhr direkt zum Polizeihauptgebäude und lief die Stufen hinauf. Thambuda stürmte in Inspektor Corringtons Büro. Abgehetzt ließ er sich auf den Stuhl vor dem großen Schreibtisch fallen. "Nanu. Was ist denn mit ihnen passiert? Sie sind ja ganz ausgepumpt", sagte der Inspektor überrascht. Thambuda holte tief Luft und erzählte dann die abendlichen Ereignisse um Eastbourne. Corrington hörte verblüfft zu und seine Mundwinkel zuckten ein wenig, als Thambuda geendet hatte. "Das ist ja unglaublich. So etwas gibt es doch nicht. Haben sie sich auch nicht getäuscht?", fragte der Inspektor skeptisch. "Ich bin mir absolut sicher. Die Typen waren echt und haben Phil Tanna in den Himmel geschickt", bekräftigte er seine Ausführungen noch einmal. "Dann müssen wir sofort etwas unternehmen. Was sollen wir tun? Was meinen sie?", fragte er Thambuda nervös mit dem Brieföffner spielend. "Wir müssen die Gegend absuchen und die Kreaturen vernichten. Hier in Brighton und in den anderen Ortschaften müssen die Streifen verstärkt werden. Wir können im Augenblick nicht mehr tun. Morgen früh werden wir uns die Lichtung mal aus der Nähe ansehen. Ich habe das komische Gefühl, das dieses ganze Theater dort seinen Anfang nahm", meinte Thambuda und wusste nicht, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. "Ja, wir werden mit zwanzig Polizisten die Lichtung abkämen und jeden Baum unter die Lupe nehmen. Irgend etwas werden wir schon finden." Inspektor Corrington griff zum Telefonhörer und veranlasste alles Notwendige, um die nächtlichen Straßen vor den Unheimlichen zu sichern. + Nacht in Eastbourne. Neun riesige Gestalten stampften aus dem Wald auf die ersten Häuser zu.
-104Sie knurrten wild und schwangen ihre scharfen Waffen zischend durch die kalte Nachtluft. Niemand bemerkte sie. Alle Einwohner schliefen, oder hielten sich noch in den Wirtschaften auf. Die Gestalten kamen am 'Roten Kahn' vorbei und blieben davor stehen. Sie
hörte laute Stimmen und Gelächter aus dem Schankraum hervorschallen. Ihr Auftrag lautete, alle menschlichen Wesen, die sie trafen, auszurotten. Eine Streitaxt krachte gegen die Eingangstür und große Holzsplitter schwirrten durch die Luft. Immer wieder knallte die Axt gegen die Tür, bis sie als solche nicht mehr zu erkennen war. Die Monster stürmten brüllend in den Schankraum. Durch den Krach waren die Männer verstummt und blickten verwundert zur Tür. Sie sahen die Tür zersplittern und die monströsen Kreaturen hereinbrechen. Geschockt starrten sie auf die Ankömmlinge und konnten sich im ersten Moment nicht von ihren Stühlen bewegen. Dann lösten sie sich von dem Anblick und rannten verzweifelt schreiend durch den Raum. Die Männer, etwa zwanzig, behinderten sich selbst. Alle wollten gleichzeitig durch die Hintertür fliehen, aber das ging nicht. Da waren die Monster heran. Sie ließen die Schwerter auf die verwirrten Fischer niederprasseln. Blut spritzte an die weißgetünchten Wände. Lachen bildeten sich auf dem Holzfußboden. Die Männer wurden wie Vieh abgeschlachtet. Die verstümmelten Leichen lagen verstreut vor dem Hinterausgang. Nur drei Besucher der Wirtschaft hatten es geschafft, aus dem Gedränge zu entkommen. Sie rannten schreiend die Gasse hinunter, dem Wahnsinn nahe. Da zischte etwas hinter ihnen her. Drei Äxte zerschmetterten ihnen die Schädel. Wie vom Blitz getroffen brachen sie zusammen. Tom Barney, der Wirt, war in die Küche geflüchtet. Er hatte ein Fleischermesser vom Haken genommen und stellte sich dem ersten Angreifer. Ein Schwert zuckte auf seinen Hals zu und er duckte sich schnell. Die Klinge wischte über ihn hinweg und blieb tief im Holz eines großen Schrankes stecken. Da sah er seine Chance, den Gegner niederzustrecken. Das Echsenmonster war noch damit beschäftigt das Schwert aus dem Holz freizubekommen, als Tom Barney zustach. Das Messer erreichte aber den schuppigen Körper nicht mehr.
-105Der Wirt sah mit großen Augen, wie blutiges Metall aus seiner Brust hervorbrach. Ohne einen Laut von sich zu geben kippte er leblos neben einen zerbrochenen Stuhl. Seine Augen waren im Tod noch weit aufgerissen und sein Mund zum Schrei geöffnet.
Die Monster verließen das Wirtshaus und gingen weiter durch die Straßen von Eastbourne. Ihnen begegneten zwei einsame Spaziergänger, die kurze Zeit später in ihrem eigenen Blut auf der Straße lagen. Da kam ein Auto um die Ecke. Es war ein Streifenwagen, der alle halbe Stunde in Eastbourne nach dem rechten sah. Der Fahrer sah die Gestalten im Lichtkreis der Scheinwerfer und bremste scharf. Das Auto hielt kurz vor den ersten Gestalten, die sofort auf die Polizisten einstürmten. Die Äxte und Schwerter krachten auf das Autodach. Beulen und Risse entstanden, durch welche die beiden Männer mit ihren Dienstwaffen auf die Monster feuerten. Der Fahrer erwischte ein Spinnenmonster, das sich von einem Moment zum anderen in Staub auflöste. Die Axt, die es in der Klaue gehalten hatte, fiel klirrend zu Boden. Ein Hieb zertrümmerte die Windschutzscheibe in Millionen Scherben. Noch zwei weitere Monster lösten sich auf, dann war das Schicksal der Beamten besiegelt. Schwerter schossen auf sie zu und zerfetzten ihre Kehlen. Die Polizisten hauchten ihr Leben aus. + In Brighton war die Nacht ruhig verlaufen. Die Monster waren nicht in Erscheinung getreten. Thambuda fuhr am frühen Morgen vom Hotel direkt zum Polizeihauptquartier. Inspektor Corrington berichtete ihm die Ereignisse in Eastbourne. "Wir müssen so schnell wie möglich einen Erfolg erringen, sonst gerät alles außer Kontrolle und die Monster werden ganz Brighton in Angst und Schrecken versetzen", meinte Thambuda nachdenklich. "Lassen sie uns sofort nach Eastbourne fahren und die Lichtung untersuchen. Hoffentlich hilft es uns weiter", sagte Corrington nervös. Sie fuhren sofort los. Eine Hundertschaft war schon nach Eastbourne gefahren
-106und wartete auf den Inspektor. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, sahen sie sich zuerst die Tatorte an. "Schrecklich. Das muss ein Ende haben. Die Bevölkerung wird Amok laufen, wenn sie das erfährt", sagte Corrington bitter.
Sie haben recht Inspektor. Suchen wir also die Lichtung ab." Thambuda wandte sich ab und ging zu seinem Wagen. Inspektor Corrington folgte ihm und sie fuhren bis zu Roger Nelsons Wagen, der immer noch verlassen am Waldrand stand. Die Polizisten warteten schon auf sie, als sie neben dem Porsche ausstiegen. Die Einsatzwagen standen auf dem unbefestigten Weg. Der Suchtrupp war mit Maschinenpistolen und Flammenwerfern ausgestattet. Sie schienen gegen jede Gefahr gewappnet zu sein. Thambuda ging ihnen voran und zeigte ihnen den Weg zu der mysteriösen Lichtung. Als sie diese erreicht hatten, schwärmten die Polizisten aus und fingen an, alles abzusuchen. Jeder Grashalm, jeder Baum und jeder Zweig wurde untersucht. Schließlich wurden sie fündig. Aus einem Baum ragte ein Metallstift hervor. Inspektor Corrington und Thambuda wurden verständigt. "Seltsames Ding. Wozu das wohl im Baum steckt?", fragte sich Corrington wie im Selbstgespräch. Thambuda sah es sich genauer an, betastete es und plötzlich schwang die Baumrinde zurück und der Eingang in das Innere wurde sichtbar. "Ich glaube, wir haben das Geheimnis der Monster bald ergründet", meinte Thambuda ernst. Vorsichtig schritt er in den Baum, mit dem Revolver in der Hand. Inspektor Corrington und zwanzig Polizisten folgten ihm mit angespannten Sinnen. Fackeln brannten an den Erdwänden und erhellten die Umgebung. Der Farbige stieg langsam die Treppe in das Unbekannte hinab. Er erreichte einen Tunnel, der auch von Fackeln erhellt wurde. Thambuda wartete, bis alle Männer unten waren, dann ging er den Tunnel entlang. Viele Gänge zweigten ab, aber sie gingen immer den Hauptweg weiter.
-107Plötzlich traten drei Monster aus einem Seitengang. Sie knurrten und sprangen die Polizisten an. Vier Beamte wurden durch Schwert und Axthiebe getötet, dann ratterten mehrere Maschinenpistolen und die Kreaturen zersetzten sich zu Staub. Vorsichtig ging der Trupp weiter. Am Ende des Tunnels trafen sie auf einen Raum, in dem auf einem Tisch
ein seltsames Buch lag und in dem an einer Wand ein großer Kreis mit fremdartigen Zeichen aufgemalt war. Die Männer durchsuchten den Raum, fanden aber nichts weiter. Thambuda untersuchte das Buch. "Inspektor, ich glaube hier in diesem Buch ist das Übel zu suchen, das man über uns geschickt hat. Jemand muss hiermit die Kreaturen der Hölle herbeigerufen haben. Hier in dem Buch ist derselbe Kreis aufgezeichnet, wie er dort auf der Wand zu sehen ist. Ich glaube, wenn wir es vernichten, kann unser Gegner keine weiteren Monster herbeiholen. Das Ritual kann dann ohne das zauberkräftige Buch nicht wiederholt werden. Das hoffe ich jedenfalls." "Ja, ich glaube sie haben recht. Wir werden es verbrennen", sagte der Inspektor und gab einem Polizisten einen Wink. Dieser kam heran und betätigte den Flammenwerfer. Das Buch fing Feuer und mit einem lauten Knall zerrissen die vergilbten Seiten und fielen als Asche zu Boden. Auch der Tisch, auf dem es gelegen hatte, verbrannte vollständig. Einige Männer wollten gerade den Kreis an der Wand vernichten, als er sich vor ihren Augen auflöste und nur noch die nackte Erdwand zu sehen war. Verwundert starrten alle auf die leere Wand. Da erschienen drei weitere Monster in der Öffnung zu dem Raum. Die Polizisten betätigten sofort die Flammenwerfer. Die Kreaturen schmolzen dahin und ein dunkler Brei blieb von ihnen auf dem Boden übrig. Unter dem Lärm, der sich jetzt erhob, stürzten die Männer zur Treppe, die zur Erdoberfläche führte. Alles erbebte und fing an zusammenzubrechen. Das ganze Tunnelsystem begann einzustürzen. Nach der Vernichtung des magischen Buches hielt nichts mehr die Höhle aufrecht. Erdbrocken fielen auf die Männer hinab und begruben die letzten von ihnen. Thambuda und Inspektor Corrington stürmten die Treppe hinauf und jagten dem Ausgang entgegen. Die Treppe zerbröckelte unter den harten Schritten der Beamten und fiel abrupt in die Tiefe.
-108Zehn Polizisten fielen mit ihr in den Tod. Ausgepumpt erreichten Thambuda, der Inspektor und drei Polizisten die Oberfläche. Hier oben auf der Lichtung waren noch die Erschütterungen zu spüren, die unten alles zerstörten. Die Rinde, welche die Öffnung im Baum verbarg flog zu und der metallene Stift verschwand nach innen. Jetzt war nichts mehr von einer Öffnung zu sehen. Alle
Anzeichen dafür waren restlos verschwunden. Die Rinde war wieder nahtlos aneinander gewachsen. Thambuda und Corrington blieben erschöpft auf dem Waldboden liegen. Das Beben verebbte allmählich. Erstaunt wurden sie von den zurückgebliebenen Beamten angestarrt, die das alles nicht verstanden, aber keine Fragen stellten. + Die Zeit verging wie im Flug. Der Abend dämmerte bereits wieder, aber sie machten keine Pause. Sie ritten in den neuen Tag hinein und achteten nicht mehr darauf, ob es hell oder dunkel war. Sie mussten so schnell wie möglich nach Xush, Es war egal, ob sie auf Feinde trafen, oder nicht. Sie hatten ja den Stein. "Hoffentlich kommen wir nicht zu spät", sagte Mike angsterfüllt. Er bangte um Ilara, in die er maßlos verliebt war. Die Zeit verging. Tag und Nacht wechselten sich ab. Mike sprach ab und zu mit Roger Nelson, um ihm einiges über ihre gegenwärtige Lage zu erklären. Roger hörte immer aufmerksam zu. Lavos fragte einmal nach dem Gewehr, das er bei sich hatte. Roger erklärte ihm in knappen Worten die Funktionsweise und zeigte ihm, dass es kein Zauber war, sondern die Technik einer anderen, moderneren Welt. Am dritten Tag überschritten sie die Landesgrenze von Borra. Schon von weitem sahen sie die Sandwälle, die als Verbindungstunnel der Skorrs dienten. Ihr Kommen war bestimmt nicht unbemerkt geblieben. Die Skorrs hatten sie sicherlich schon eine Weile beobachtet. Daran störten sie sich aber nicht. Sollten sie nur kommen.
-109Sie ritten weiter Richtung Xush, umritten Sandhügel und Mulden, als plötzlich ein Sandwall aufbrach. Aus dem Sand krochen zwanzig, dreißig Skorrs, die sich ihnen in den Weg stellten. Roger überwältigte der Anblick der schwarzen Skelette. Er hatte sie bisher nur von weitem gesehen. Die Männer ritten gelassen weiter. Diese Reaktion hatten die Skorrs nicht
erwartet. Dadurch steigerte sich ihr Hass auf die Menschen noch mehr und sie stürmten schreiend mit erhobenen Schwertern auf sie zu. Vardis zog lässig den Stein aus dem Gürtel und hielt ihn den Kreaturen der Hölle entgegen. Die Skorrs blieben wie vom Donner gerührt stehen und konnten ihren Blick nicht mehr von dem Stein lösen. Dann geschah etwas unheimliches. Aus den schwarzen Knochen trat gelber Schwefeldampf hervor. Es stank bestialisch. Unter Ächzen und Stöhnen zerschmolzen die Skorrs zu einer dunklen brodelnden Masse, die in den ausgetrockneten Boden sickerte. "Phantastisch. Der Stein hat sie restlos vernichtet. Mit seiner Hilfe können wir nun bestimmt Borra vor dem endgültigen Untergang bewahren", sagte Lavos überwältigt. "Was nützt die Vernichtung der Skorrs, wenn keiner von unserem Volk mehr lebt?", gab Vardis zu bedenken. "Darum sollten wir nicht lange reden, sondern uns wieder auf den Weg machen", sagte Mike drängend. Sie ritten nun etwas schneller als zuvor. Unterwegs begegneten ihnen noch ein paar Patrouillen der Skorrs, aber sie stellten keine Gefahr mehr für sie dar. Der Stein leistete ganze Arbeit. Ungeschoren gelangten sie in das Tal, in dem Xush lag. Die verwüstete Stadt breitete sich vor ihren Augen aus. "Wir haben Glück, sie haben die Burg noch nicht angegriffen. Wir müssen jetzt in die Burg eindringen und Antaris erreichen. Der Stein wird uns den Weg ebnen", hörten sie Vardis sagen. "Ich kann es kaum erwarten, Ilara wiederzusehen", meinte Mike ungeduldig. "Lasst uns durch das Haupttor reiten. Wir müssen uns nun nicht mehr verstecken", sagte Lavos froh gestimmt.
-110"Wir müssen trotzdem vorsichtig sein, so das wir nicht aus einem Hinterhalt überfallen werden", gab Kartos zu bedenken. Roger hielt sich aus dem Gespräch heraus und blickte sich aufmerksam um. Sie näherten sich langsam der Stadt. Sie passierten die Türme der ehemaligen glanzvollen Häuser. Aus den leeren Fenstern lugten ab und zu schaurige Gesichter hervor. Die Monster und die Skorrs hatten sich schon hier eingenistet.
Sie kamen nicht heraus, da sie die Macht des Steines spürten. Die fünf Männer ritten zum Haupttor der Burg. Bevor sie es auch nur erreichten, öffnete es sich kontinuierlich. Siegesgewiss ritten sie auf den großen Burghof und schauten sich aufmerksam um. "Seltsam. Es ist keiner da, um uns zu begrüßen", wunderte sich Lavos. "Wir werden bald wissen warum. Das Tor kann sich ja nicht von allein öffnen. Also muss hier jemand sein", sagte Vardis mit scharfem Blick in die Runde. Unruhig näherten sie sich dem Hauptgebäude und öffneten die Eingangstür. Kartos ging als erster hinein. Nach einiger Zeit ertönte seine Stimme. "Ihr könnt nachkommen. Es ist soweit alles in Ordnung." Vardis, Lavos, Mike und Roger folgten der Aufforderung. Sie durchquerten die langen Gänge und Räume und trafen Kartos. Gemeinsam erreichten sie schließlich den Thronsaal. Ein Mann saß da, ganz in Schwarz gekleidet und mit einem geflügelten Helm auf dem Kopf. "Antaris?", fragte Vardis erstaunt. "Nein. Ich bin der Große Magier Levox. Ich bin der neue Herrscher über Borra und die Länder vom Norden bis zum Süden. Niros wird demnächst den Abschluss bilden und auch mein sein", ertönte es vom Thron her. "Wo ist Ilara?", fuhr Mike den Magier an. In den Augen des Mannes blitzte es auf. "Ilara und Antaris sind im Kerker gut untergebracht", gab er kichernd Antwort. Nun konnte Mike nicht mehr an sich halten. Er stürmte auf Levox zu und wollte ihn in seiner Wut töten. Doch plötzlich fiel ein großes Netz von der Decke herab und auf Mike nieder.
-111Er verfing sich darin und verstrickte sich bei seinen wilden Bemühungen, frei zu kommen, immer mehr. "Der Grünschnabel hat Mut. Was will aber eine Maus gegen einen Löwen unternehmen?" Nun kam in die anderen Bewegung. Sie stürmten ebenfalls los. Roger legte an und schoss. Die Kugel drang dem Magier mitten zwischen die Augen. Die Wunde schloss sich aber sofort wieder und er lachte dröhnend auf. Vardis zog den Stein
aus dem Gürtel und wollte ihn Levox auf die Stirn pressen. Aber soweit kam es gar nicht. Bevor der Magier den Stein auch nur gesehen hatte, fiel erneut ein Netz herunter. Es begrub die vier Männer unter sich. Levox war Herr der Lage. Nichts konnte ihn aus der Fassung bringen. Vardis war bei dieser Aktion der Stein aus den Händen geglitten und über den Boden in eine Ecke des Raumes gerutscht. Levox ging hochmütig, aber entgegengesetzt blickend, auf den Stein zu. Er nahm ein Tuch und warf es lässig über den Gegenstand des Guten. Somit hatte er die Gefahr für sich und sein Gefolge gebannt. "So. Es wird mir ein Spaß sein, euch langsam sterben zu sehen", sagte er triumphierend. "Zuerst kommt ihr aber in den Kerker, um körperlich in richtiger Verfassung zu sein. Bei diesen Worten traten drei Skorrs und fünf Monster aus dem dunkles Hintergrund hervor und pflückten die Männer aus den Netzen. Sie wurden gefesselt und in einen Kerker geworfen. Mike fluchte lautstark, als er in das Verlies geschubst wurde. Die schwere Eisentür krachte hinter ihnen zu. + Nach ihrem Einsatz auf der Lichtung gingen die Beamten zu ihren Fahrzeugen zurück und fuhren wieder nach Brighton. Dort angekommen, unterhielten Thambuda und Inspektor Corrington sich in dessen Büro. "Ich glaube nicht, dass wir jetzt noch mehr Gegner bekommen, als wir schon gehabt haben. Das Buch und die Zeichnung waren der Schlüssel zu einem großen Geheimnis, das ein Mensch schamlos ausgenutzt hat. Nachdem wir es vernichtet haben, haben wir keinen Anhaltspunkt mehr auf den Aufenthaltsort der restlichen
- 112 Kreaturen, welche die Menschen wahllos abschlachteten. Im Moment können wir nur abwarten und hoffen, dass wir alle in den kommenden Nächten erwischen und zurück in die Hölle schicken können. Wenn wir wüssten, wer sie gerufen hat, hätten wir schon das halbe Spiel gewonnen", ließ sich Thambuda über die letzten Ereignisse aus. "Ja, sie scheinen Recht zu haben. Alles weist darauf hin, wie sie es eben erwähnt haben. Hoffen wir, dass wir alle mit der Zeit zur Strecke bringen können.
Die nächsten Nächte werden es zeigen", sagte der Inspektor. "Sie sagen es Inspektor. Abwarten heißt die Devise. In der kommenden Nacht werde ich mich mal in der Stadt umsehen." + Viele Streifenwagen fuhren durch das nächtliche Brighton. Alles lief ganz normal ab. Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Doch es fanden welche statt. Im Haus des Polen Xovel nahmen sie ihren Anfang. Xovel stieg die steile Treppe in den uralten Keller hinab. Hier unten stank es bestialisch. Er öffnete eine Tür zu einem großen Abstellraum und trat ein. Hier war der Gestank am stärksten. Die Ausdünstungen und Absonderungen der sechs Monster, die in dem Raum untergebracht waren, verpesteten die Luft. Die Kreaturen hockten auf dem Boden und verspeisten die von Xovel gebrachten Kaninchen. Dabei schmatzten und knurrten sie zufrieden. Der Pole stellte sich breitbeinig vor seine Helfer. "Meine lieben Freunde. Heute Nacht werdet ihr Angst und Schrecken in Brighton verbreiten. Ihr werdet alles kurz und klein schlagen und die verhassten Menschen grausam umbringen. Ich werde mit Vergnügen auf eure Rückkehr warten. Dann werdet ihr eine wunderbare Belohnung bekommen. Xovel schaute die Monster lachend an und wandte sich dann um. Er stieg die steile Treppe wieder hinauf und verschwand in einem großen Zimmer. Die Monster aber erhoben sich ächzend unter ihrem Gewicht und stapften aus dem alten Kellergewölbe, in dem es außer ein paar Petroleumlampen keine Beleuchtung gab. Fenster existierten nicht. Die Monster erklommen umständlich die
- 113 Treppe und gingen dann zum Hinterausgang des alten Hauses am Rande der Innenstadt. Sie verließen es durch die hölzerne Tür zum dunklen Hinterhof, überquerten ihn und gelangten auf eine menschenleere Seitengasse. Unbeobachtet schlichen sie in einen nahen Park und begaben sich dort auf die Suche nach neuen Opfern. + Das Pärchen saß auf einer Bank zwischen großen Bäumen und wuchtigen
Büschen. Es war eine romantische Gegend. In der Nähe brannte eine Laterne und spendete ein wenig Licht. Die beiden wollten es ja auch gar nicht so hell haben. Diese Ruhe und Abgeschiedenheit empfanden sie als wohltuend. Christine Tacker und Steve Norray küssten sich engumschlungen und genossen die Zeit, in der sie noch zusammenbleiben durften. Beide waren neunzehn Jahre alt. Sie kannten sich schon zwei Jahre und wollten in zwei Jahren heiraten. Steve sollte sie um dreiundzwanzig Uhr wieder Zuhause abliefern, hatten ihm ihre Eltern aufgetragen. Steve hielt sich auch daran. Christine war ein wohlerzogenes Mädchen, das anständig und ordentlich durchs Leben ging. Es war gerade zweiundzwanziguhrdreißig als es passierte. Eine Klauenhand schob sich von hinten aus dem Dickicht eines Busches und krallte sich um Steves Kehle. Er röchelte und versuchte die Klaue von seinem Hals zu zerren, aber es gelang ihm nicht. Seine Augen quollen ihm aus den Höhlen und sein Gesicht lief blau an. Christine schrie entsetzt auf und starrte auf die unheimliche Szene. Bevor sie auch nur helfen konnte, wurde sie von einer schauerlichen Gestalt, einem Schleimmonster, von der Bank gezerrt. Als sie ihren Gegner sah schrie sie nur noch lauter und der blanke Wahnsinn leuchtete in ihren Augen. Christine verlor den Verstand, als sie die restlichen Gestalten sah, die jetzt aus den Büschen traten. Dann lag sie schlaff in den Armen des Schleimmonsters. Steve Norray war unter dem Sauerstoffmangel ohnmächtig geworden. Er war die Parkbank hinuntergerutscht und von einer Spinnenkreatur, die sich mit mahlenden Kiefern über ihn beugte, aufgehoben worden. Die Geschöpfe schleppten sie zu einem Baum und hängten sie mit ihren Kleidern an ein paar starke Äste.
-114Die beiden Menschen baumelten schlaff nebeneinander in der kühlen Nachtluft. Die Monster knurrten zufrieden. Sie betrachteten ihre Opfer und hieben dann mehrmals mit ihren scharfen Waffen zu. Die Gliedmaßen der beiden wurden von ihren Körpern abgetrennt und flogen zu Boden, wo sich Blutlachen auf dem grünen Rasen ausbreiteten. Von Schmerz gepeinigt erwachten sie aus ihrer Ohnmacht und rissen den Mund zum Schrei auf, doch bevor auch nur ein Laut hervorkam, wurde auch der Kopf vom Torso geschlagen und die zerfetzten Leichenteile fielen ebenfalls zu Boden.
Die Kreaturen betrachteten ihr blutiges Werk und knurrten leise. Dann machten sie sich auf den Weg neue Opfer zu suchen. Die Nacht war noch lang. + "Ilara!", rief Mike erstaunt auf. In dem Kerker befanden sich außer ihnen auch noch Ilara und Antaris. Sie umarmten sich und Ilara und Mike küssten sich unablässig. Nach der herzlichen Begrüßung erzählten sie den beiden, was sie alles erlebt hatten. Roger wurde ihnen vorgestellt und sie hörten sich seine Geschichte an. Als er geendet hatte machte Antaris ein betroffenes Gesicht. "Das Schicksal zweier Welten liegt nun in unserer Hand. Aber wie es aussieht, werden wir es nicht mehr ändern können." "Es tut mir leid, aber man hat uns zum Schluss doch noch eine geschickte Falle gestellt. Wir können jetzt nur noch hoffen einen gnädigen Tod gewährt zu bekommen", sagte Vardis resignierend. "Unsere Tage sind gezählt. Auch ein König muss wissen, wann er verloren hat", meinte Antaris wehmütig. "Wenn ich sterben muss, dann nur mit Mike zusammen", sagte Ilara tapfer. Roger Nelson saß stumm in einer Ecke und dachte über alles nach, was er bisher erfahren hatte. Alles war so fremd und so unwirklich in seinen Augen. Er kam sich vor wie im Märchen. Er konnte auch nichts mehr für sie tun. Das Gewehr hatte man ihm abgenommen und auch
- 115 seinen Dienstrevolver. All sein Wissen nutzte ihm nun nichts mehr. Er würde die Erde nun nicht mehr retten können. Er hoffte auf seinen Kollegen Thambuda, der jetzt die Sache allein erledigen musste. Rogers Leben ging dem Ende zu. Die Tage und Nächte vergingen. In einem bestimmten Abstand bekamen sie ihr Essen von einigen Skorrs gebracht. Nach vier Tagen wurden sie aus dem Kerker geholt. Mike und Ilara gingen Arm in Arm hinter den Skorrs den Gang entlang. Die anderen folgten ihnen. Sie stiegen eiserne Wendeltreppen hinauf und liefen ihrem Tod entgegen. Nach einiger Zeit erreichten sie den Thronsaal. Levox saß triumphierend auf Antaris' Thron und lachte ihnen entgegen, dass ihnen ein Schauer über den Rücken jagte.
"Mit euch stirbt der Widerstand der ganzen Welt. Wenn ihr nicht mehr lebt, ist es ein Kinderspiel die anderen Länder zu erobern", sagte er zynisch. "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Wenn wir tot sind, wird es andere geben, die es schaffen werden, dich zu vernichten und deine Helfer aus der Hölle", meinte Lavos zuversichtlich und sah den Magier trotzig an. "Das werdet ihr aber nicht mehr erleben. Eure letzte Stunde hat geschlagen. Holt sie herbei!", gab er den Befehl an zwei Skorrs. Die beiden schritten klappernd zur Tür und öffneten sie. "Ich werde euren Tod genießen." Bei diesen Worten strömte eine Unmenge von seltsamen Ratten in den Raum. Sie waren kaninchengroß und hatten lange, spitze Reißzähne, die zum Teil vorstanden. Sie rissen die Mäuler auf und stürmten quiekend auf die sieben wehrlosen Menschen zu. Kartos, Vardis, Lavos, Mike, und Roger stellten sich vor Antaris und Ilara und gingen in Kampfstellung. "Auch der Kampf wird euch nicht mehr vor dem Tod retten können. Diese Geschöpfe werden euch bei lebendigem Leib auffressen." Sie standen da, waffenlos. Nur ihre Hände und Füße als Waffen benutzend, zerquetschten sie den ersten Angreifern die Köpfe. Eine Woge von Ratten umringte sie. Die Männer teilten kräftige Fußtritte aus. So konnten sie sich die Ratten für kurze Zeit vom Leibe halten. Die Ratten sprangen sie nun an und bissen sich an ihnen fest. Es war schwierig sie wieder loszuwerden.
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Nach einiger Zeit wurden die Bewegungen der Helden langsamer. Zahlreiche
Wunden und der Blutverlust hatten sie geschwächt. Jetzt waren sie eine leichte Beute für die Ratten. Verzweifelt schlugen sie noch um sich, ohne eine große Wirkung zu erzielen. Es schien nun dem Ende zuzugehen. Sie hatten wie die Löwen gekämpft, aber zum Schluss hatte ihnen auch das nichts mehr eingebracht. Da passierte etwas, mit dem niemand hatte rechnen können. Eine Ratte war in ihrem Kampfeifer so wild gewesen, dass sie sich auch an leblosen Material vergriff. So kam es, das sie das Tuch, welches den Stein bedeckte, hinwegzerrte. Ein vielstimmiger Aufschrei dröhnte durch den großen Saal. Die im Hintergrund stehenden Skorrs hatten zuerst den Stein erblickt. Im selben Moment zerschmolzen sie. Die Ratten begannen sich ebenfalls aufzulösen. Schwefel drang aus ihren Poren und verpestete die Luft. Sie lösten sich in Nichts auf, denn dämonisches Leben konnte nicht in offener Gegenwart des Steins existieren. Die geplagten Menschen fielen sich vor Freude um den Hals. Levox konnte seinen Zorn nicht mehr zurückhalten. Er sprang von dem Thron herunter und lief, ohne zu zögern, auf den Stein zu. Mit hassverzerrtem Gesicht hob er den Stein auf und wollte ihn durch das geschlossene Fenster werfen. Das schaffte er aber nicht mehr. Die Hand, die den Stein hielt wurde feuerrot und fing an, wie Lava zu glühen. Sie wurde flüssig und die Tropfen fielen zäh zu Boden. Der Vorgang fraß sich immer weiter in den Körper. "Wie heißt der Gegenpol in der anderen Welt?", fragte Roger Nelson schnell. Er wollte wenigstens noch wissen, wie der Wahnsinnige hieß, der die Erde sich Untertan machen wollte. "Ha, dieser Mann wird das dort schaffen, was ich hier nicht erreicht habe. Er wird deine Welt beherrschen und in meinem Namen handeln. Er heißt genauso wie ich. Durch das Seitenverkehrte Tor wurde er hinübergeschleust. Ahresversus war ihm behilflich, das Tor hierher zu öffnen. Er ist mein wahnsinniger Sohn!" Seine Schulter schmolz dahin, dann sein Oberkörper. Er wollte noch schreien, aber da fing sein Kopf an zu glühen und seine Gesichtszüge verzogen sich und tropften zu Boden. Von Levox blieb nur ein zäher Brei übrig, der sich auch noch dampfend auflöste.
-117Die grauenhaften Kreaturen auf Salon waren mit ihm vergangen. Sie hatten es doch noch geschafft. Das Grauen war von dieser Welt verbannt. Sie waren glücklich über das Ende ihrer Odyssee. Sie gingen an ein Fenster und schauten lächelnd hinaus. Sie sahen, wie das Gras spross, die Bäume und Blumen wuchsen. Das spielte sich alles innerhalb weniger Minuten ab. Ilara und Mike küssten sich. Sie waren überglücklich, dass sie nun in Frieden zusammenleben durften. Roger blickte starr aus dem Fenster. Wie ein Stromstoß ging es durch seinen Körper. "Jetzt weiß ich wie der Mann heißt, der die Monster auf die Erde schleuste. Levox sagte er heiße genauso wie er und wäre durch das seitenverkehrte Tor nach dort gelangt. Also muss man den Namen einfach nur rückwärts lesen. X0-V- E- L! Xovel heißt der Mann. Wenn ich bloß zurück könnte. Schnell wäre das Haus, in dem er wohnt, ausfindig gemacht und er selbst gestellt. Die Gefahr für die Erde wäre dadurch auch gebannt." Er schlug sich wütend auf den Oberschenkel. Mike konnte ihn verstehen. Auch er hing noch sehr an seiner Heimat. Roger ging zu dem Stein und hob ihn auf. "Mit dem Stein wäre das Grauen dort schnell besiegt", sagte er nur. Mike und Ilara traten neben ihn. "Es scheint aber keine Möglichkeit mehr zu geben, zurückzugelangen", meinte er mit trauriger Stimme und dachte in diesem Augenblick an seinen Vater. Mike drückte Ilaras Hand bei diesem Gedanken. Roger dachte ebenfalls sehr stark an die andere Welt. Stumpf blickte er auf den Stein, der plötzlich anfing gelb aufzuglühen. Mike fasste Roger an der Schulter, um ihn zu trösten, da geschah es. Alle drei waren in diesem Moment in körperlicher Verbindung. Das löste das Geschehen aus. Bunte Nebel und graue Spiralen umschwirrten sie und zogen durch die Luft. Die Farben um sie herum schlugen wilde Kapriolen. Sie konnten die reale Umgebung nicht mehr erkennen. Dann umfing sie eine wohltuende Ohnmacht. Sie merkten nicht mehr, was mit ihnen geschah. Der Platz an dem sie eben noch gestanden hatten, war augenblicklich leer und die Menschen, die in dem Thronsaal waren, schauten sich erstaunt an.
- 118 "Ihr starker Wille hat sie wieder zurückgebracht. Der Stein wirkte als Katalysator. Wir werden sie nie mehr wiedersehen," Antaris neigte den Kopf und wandte sich ab. + Der Steifenwagen fuhr durch Lewes. In der Nacht konnten die Wesen überall auftauchen. Darum hatte man auch die Streifen in Lewes verstärkt. Die beiden Polizisten in dem Wagen glaubten die Geschichte mit den Monstern nicht. In ihren Augen war das nur eine lächerliche Maskerade. George, der Fahrer des Polizeiautos, war Anfang vierzig, untersetzt und einmetersiebzig groß. Er hatte leicht angegrautes Haar und ein faltiges Gesicht, in dem die Augen listig hervorblickten. Sein Kollege war Clark, sein bester Freund. Die beiden kannten sich schon dreißig Jahre. Clark war in Georges Alter und eher hager. Er war einmeterachtzig groß und besaß eine leicht gekrümmte Adlernase. Volles schwarzes Haar lugte unter seiner Dienstmütze hervor. Sie fuhren gerade die Hauptstraße hinunter, als es begann. An einer Hausecke sahen sie, wie ein paar dunkle Gestalten einen Mann abstachen. "Los, die schnappen wir uns", sagte Clark mit grimmiger Miene. George riss den Wagen auf die rechte Seite und bremste scharf neben dem Gewimmel von Körpern. Mit schussbereiten Waffen stürzten sie aus dem Wagen auf den Tumult zu. "Halt, aufhören und Hände hoch", schrie George. Die Gestalten zeigten aber keine Reaktion und beendeten ihr blutiges Werk. Jetzt erst erkannten sie die Täter. Den beiden Polizisten stellten sich die Haare zu Berge. Acht schwarze Skelette mit blitzenden Schwertern starrten sie aus leeren Augenhöhlen an. Durch die Rippen hindurch konnten sie die nahe Hauswand erkennen. "George, ich glaub ich werde verrückt. Das gibt es doch nicht", stotterte Clark entsetzt. Sie erkannten, dass die Skelette keine Nachbildungen, oder Maskerade waren.
-119Dann feuerten sie auf die Unheimlichen. Die Welt schien Kopf zu stehen, als sie
sahen, dass die Kugeln keine Wirkung erzielten. Die Skorrs waren so nicht zu vernichten. Das wussten die beiden Beamten aber nicht. Die Projektile drangen durch die grinsenden Totenschädel und gruben sich hinter ihnen in die Hauswand. Panikerfüllt versuchten die Polizisten wieder in den Wagen zu gelangen. Sie schafften es auch und schlugen die Türen mit lautem Knall hinter sich zu. Schnell hatten sie die Sicherheitsknöpfe heruntergedrückt. George versuchte den Wagen zu starten, aber der wollte nicht sofort anspringen. Angsterfüllt sahen sie, wie die Skorrs näher kamen und die Schwerter hoben. Dann krachten sie auf das Auto nieder. Die Motorhaube flog auf und tiefe Dellen bildeten sich auf dem Dach und dem Kotflügel. Der Wagen war immer noch nicht angesprungen. Er würde es auch nicht mehr können. Zwei Skorrs hatten den Motorblock herausgerissen und auf die Straße geworfen. Die Polizisten sahen ihre Felle davonschwimmen. Da gab es keine Rettung mehr. Ohne Batterie funktionierte das Funkgerät ja auch nicht mehr. Scheiben klirrten. Die Männer spürten noch, wie harte Klingen in ihre Körper fuhren, dann waren sie tot. + Die drei Menschen schlugen die Augen auf. Sie lagen auf einer Lichtung und große Bäume standen in unmittelbarer Nähe. Der Morgen dämmerte. "Wo sind wir", fragte Mike erstaunt. "Ich weiß es nicht, Liebster", antwortete ihm Ilara. "Ich glaube, ich kann euch da weiterhelfen. Das hier ist eine Lichtung in der Nähe von Eastbourne", sagte Roger erfreut. "Wo liegt das? Ich kenne den Ort nicht", fragte Mike Roger. "Das liegt an der Südküste Englands. Brighton ist nicht weit entfernt von hier." "Mit einer solchen Wendung der Dinge hätten ich nicht gerechnet. Ilara, wir sind in meiner Welt. Wir sind auf der Erde", sagte Mike lachend. "Ich freue mich, dass du glücklich bist, Mike. Mit dir würde ich überall hingehen", meinte Ilara und klammerte sich an Mikes Arm.
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"Wir werden ungestört leben können. Niemand wird uns je wieder auseinander bringen." Mike nahm sie in seine starken Arme und küsste sie. "Kommt, wollen wir erst einmal von hier verschwinden. Ich hoffe, dass mein Wagen noch am Waldrand steht", sagte Roger hastig. Er wusste das hier in der Nähe das Quartier Xovels war. Was er nicht wusste war, dass es nicht mehr existierte. Sie gingen durch den morgendlichen Wald. Die Vögel zwitscherten und der Tau tropfte von den Blättern. Sie traten aus dem Wald und sahen Rogers Auto auf dem Weg stehen. "Was ist das?", fragte Ilara verwundert und schaute den Porsche aufmerksam an. "Das ist ein Auto. Ich erklär dir später wie es funktioniert", sagte Mike. Roger hatte die Autoschlüssel noch in der Hosentasche und holte sie jetzt hervor. Sie stiegen ein und fuhren schnell nach Brighton. Sie fuhren bis zum Hauptgebäude der Polizei. Als sie das Gebäude betraten, sah man sie neugierig an. Roger in seinen zerfetzten Sachen, Mike und Ilara in den seltsamen Kleidern, machten einen seltsamen Eindruck auf die Menschen, die sich in dem Gebäude aufhielten und sie sahen. Sie stiegen die Treppe hoch und gelangten zu Inspektor Corringtons Büro. Roger klopfte an. "Ja bitte", wurden sie hereingebeten. Roger öffnete die Tür und sie traten ein. "Roger!", rief Thambuda erstaunt, als er Roger Nelson durch die Tür kommen sah. "Mit ihnen haben wir überhaupt nicht mehr gerechnet", meinte Corrington und sah sich die Ankömmlinge an. "Wen bringst du denn da mit?", fragte Thambuda. "Das hier ist Mike Skinner und das ist seine zukünftige Frau, Ilara", zeigte Roger Nelson auf seine beiden Begleiter. "Mike ist der einzige überlebende einer Flugzeugkatastrophe, von der sie bestimmt gelesen haben. Das Flugzeug war spurlos verschwunden und nicht wieder aufgetaucht." "Wissen sie näheres darüber, Mister Nelson?" Corrington sah ihn erwartungsvoll a n.
-121"Ja. Das Flugzeug ist in eine andere Dimension gelangt, in der es zerschellte. Mike war seitdem dort und schlug sich da mit Monstern und Dämonen herum. Ich hatte es auch mit solchen Geschöpfen zu tun. Es ist nun klar, wie alles zustande kam. Ein gewisser Mister Xovel wurde vor langer Zeit hier auf diese Welt eingeschleust. Er war der Gegenpol eines Magiers auf der Welt Salon, die er erobern wollte. Gleichzeitig sollte Xovel sich die Erde Untertan machen, damit Levox, der Magier, auch später hier herrschen konnte. Durch ein Dimensionstor kamen grässliche Geschöpfe auf unsere Welt, die hier für einigen Wirbel sorgten. Das Dimensionstor liegt unter einer Lichtung bei Eastbourne, durch das auch ich in die andere Dimension verschlagen wurde. " Roger hatte sich aus dem was er gehört hatte, ein vollständiges Bild des Geschehens gemacht, dass er soeben hatte verlauten lassen. "Ja, wir haben es durch Thambuda entdeckt und vernichtet. Wir müssen also Xovel ausfindig machen und seine Monster in die Hölle zurückschicken", sagte Inspektor Corrington abschließend. "Ich werde mit Ilara nach London zurückkehren. Seit langer Zeit hat man schon nichts mehr von mir gehört", meinte Mike und schaute Ilara an. "So lange ist es nun auch nicht her. Seit dem Verschwinden des Flugzeuges sind gerade zwei Wochen vergangen", sagte der Inspektor und starrte Mike Skinner an. "Nein, ich war mindestens sechs Wochen dort", widersprach Mike. "Wie lange war ich denn weg?", wollte Roger wissen "Etwa drei Tage", antwortete ihm Thambuda. "Sehen sie, ich war auch über eine Woche auf Salon. Dafür gibt es nur eine Erklärung." "Und die wäre?", wollte Corrington wissen. "Die Zeit läuft auf Salon drei mal schneller ab als auf der Erde. Ganz einfach." Mike und Ilara verabschiedeten sich und verließen das Büro. ' Die beiden werden bestimmt glücklich werden', dachte Roger. "Ilara wird bestimmt schnell englisch lernen, denn nur Menschen, die auf Salon waren, können ihre Sprache verstehen", meinte Roger sinnierend, da Thambuda und
-122auch der Inspektor Ilara nicht hatten verstehen können, als sie sich verabschiedet hatte. Thambuda und Corrington hatten noch viele Fragen auf dem Herzen. Roger beantwortete sie alle. Jetzt konnten auch sie sich ein Bild von dem Geschehen machen. Nur eines war noch unklar. Warum war das Flugzeug verschwunden? Darauf wussten sie keine Antwort, aber vielleicht würden sie es noch von Xovel erfahren. "Ich werde sofort die Adresse des Kerls ausfindig machen lassen und dann werden wir ihn uns mal vorknöpfen. Hoffentlich sind seine Monster bei ihm, damit wir alle unter einem Hut haben", sagte der Inspektor schnell und sprang von seinem Stuhl auf und lief aus dem Büro. Zehn Minuten später hatte er die Adresse des angeblichen Polen. + Das Haus war umstellt. Da konnte keine Maus ungesehen hindurchkommen. Eine Polizeisperre hielt die Neugierigen ab. Xovel wurde aufgefordert unbewaffnet herauszukommen. Aber nichts geschah. "Inspektor, ich glaube freiwillig wird der nie da herauskommen. Ich werde mit Thambuda durch den Hintereingang eindringen und alles in Ordnung bringen", sagte Roger Nelson und sah dabei abwechselnd von Corrington auf den Farbigen. "Na gut, versuchen sie ihr Glück", entschied der Inspektor. Roger und Thambuda gingen an die Rückseite des Hauses und zogen ihre Revolver. Vorsichtig schob Roger die Tür nach innen auf, da sie nur angelehnt war. "Seltsam ruhig ist es da drin. Ich glaube nicht, das es so bleibt", meinte Thambuda angespannt. Da nichts geschah traten sie vorsichtig in den dunklen Flur. Es war niemand zu sehen. "Sehen wir erst einmal oben nach", sagte Roger leise. "Gut, du gehst voran. Ich decke uns von hinten." Sie stiegen aufmerksam die knarrende Holztreppe nach oben und verharrten, als sie das erste Stockwerk erreicht hatten. Hier trennten sie sich. Roger ging nach rechts und durchsuchte die dortigen Räume und Thambuda tat dasselbe links.
-123Sie fanden nichts und stiegen die Treppe wieder hinunter und suchten die Räume im Erdgeschoss ab. Auch da war niemand zu finden. "Die Kerle werden sich im Keller verschanzt haben. Das wird ihnen aber auch nichts helfen", sagte Roger und trat zur Kellertür, die auf den Flur mündete. Roger drückte die Klinke herunter und zog leicht daran. Erstaunt hob er die Augenbrauen, als sie nach außen schwang. Thambuda spähte die ausgetretene Steintreppe hinunter, die nur leicht erhellt wurde. Eine kleine Petroleumlampe leuchtete am Ende der Treppe von der Decke herab. In dem spärlichen Licht konnten sie aber nicht viel erkennen. "Versuchen wir unser Glück", sagte Thambuda ermutigend. Roger sagte nichts darauf und stieg die Treppe mit entsicherter Waffe hinab. Unten angekommen sahen sie einen schlecht beleuchteten Kellergang, auf den fünf Türen mündeten. "Jetzt wird es interessant. Die Typen können überall stecken", sagte Roger mit rauer Stimme. Er öffnete die erste Tür rechts. Das war nur eine kleine Abstellkammer. Thambuda öffnete die gegenüberliegende Tür. Wieder nichts. Aus dem Raum daneben waren Geräusche zu hören. "Da sind sie drin", stellte Thambuda überflüssigerweise fest. Ruckartig riss er die Tür auf und trat blitzschnell mit erhobener Dienstwaffe in die so entstandene Öffnung. Er prallte wir vor einer unsichtbaren Mauer zurück. Der bestialische Gestank ließ ihn auf der Stelle verharren. Angeekelt schaute er auf die Szene, die sich ihm bot. Roger stand neben ihm und starrte ebenso gepackt in den Raum. Ihnen gegenüber hockten sechs Monster auf dem Boden und verspeisten gerade riesige Fleischbrocken, die sie aus einem blutigen Körper herausgerissen hatten. Diese Mahlzeit hatten sie sich letzte Nacht aus dem Park mitgebracht. Sie verspeisten gerade ein junges Mädchen, das ihnen auf dem Rückweg hierher über den Weg gelaufen war. Das konnten die beiden Beamten nicht wissen. Angewidert rissen sie die Pistolen höher und drückten ab. Die Wesen knurrten bösartig, als
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sie die beiden Menschen hier eindringen sahen und griffen nach ihren Waffen, die neben ihnen lagen. Aber da trafen sie auch schon die Projektile. Roger und Thambuda hatten nur zwei Sekunden lang auf das Geschehen geblickt und dann gehandelt. Kleine Löcher zeigten sich in den missgestalteten Schädeln, dann erfolgte schon die Umwandlung. Die sechs Geschöpfe vergingen zu grauem Staub, der wie Asche auf dem Steinboden aussah. "Die erste Gefahr ist gebannt. Wir wissen aber nicht, wie viele uns noch erwarten", sagte Roger. Sie verließen den verpesteten Raum und durchsuchten die restlichen Kammern. In der letzten fanden sie endlich Xovel. Er stand gerade vor einem Tisch und starrte auf die leere Tischplatte. Eine graue Wolke schwebte über seinen Haupt. "Er unterhält sich gerade telepatisch mit seinem Freund Ahresversus, seinem Dämon", kommentierte Roger das Bild. Jetzt blickte Xovel erst auf und sah die beiden Männer näherkommen. "Hände hoch Xovel. Schicken sie die Wolke weg, sonst passiert etwas", forderte Roger hart. Er kannte Ahresversus nur zu gut. Als er auf Salon verschlagen war, hatte er ihm gedroht. "So, sie wollen nicht? Dann erzählen sie uns mal, wo die restlichen Monster untergebracht sind!", forderte er Xovel mit strengem Blick auf. "Ha, das wird ihnen auch nichts nützen. Die Erde wird doch eines Tages von den Schergen der Finsternis überlaufen werden", versicherte ihnen Xovel. "Das mag sein, aber das wird erst in ferner Zukunft geschehen, wenn überhaupt", erwiderte Thambuda dem fanatischen Mann. "Wissen sie schon, dass Levox nicht mehr lebt?", fragte ihn Roger. Als er diese Worte sprach, zuckte Xovel förmlich zusammen. Er blickte sich gehetzt um. "Machen sie keinen Unsinn. Sie können doch nicht mehr entkommen. Sagen sie uns lieber, ob sie etwas mit dem Verschwinden des Passagierflugzeuges vor zwei Woche zu tun haben?"
-125"Ja, das habe ich. Der erste Versuch das Dimensionstor zu errichten, war gescheitert und die magischen Kräfte entströmten dem Kreis. Sie zersetzten die Dimensionsvorhänge in hoher Luft und das Flugzeug verschwand daher von der Erde. Ganz einfach", erklärte er ihnen. Roger überlegte, wie er Ahresversus verbannen konnte. Blitzartig durchzuckte es ihn. Da kam ihm die Idee den Stein des Guten zu benutzen. Er zog ihn aus der Hosentasche, in den er ihn aufbewahrt hatte. Eine mächtige Stimme schrie gequält auf und dann löste sich die Wolke in nichts auf. Xovel schrie entsetzt, als er das sah. "Nein, nein, nicht." "Wo sind die Monster", fragte Thambuda eindringlich. Xovel stöhnte auf, dann sagte er es. Sie verstecken sich tagsüber in einer Scheune bei Lewes. Sie liegt einen Kilometer weiter südlich der Stadt." Dann kam der Tod. Xovels Haut löste sich von seinen Knochen und fiel vermodernd zu Boden, Fleisch und Organe folgten. Alles zerfiel schnell zu Staub. Das blanke Skelett stand noch ein paar Augenblicke aufrecht, dann fiel es klappernd um. "Er war jetzt, nach dem Tod seines Vaters, sehr verwundbar", sagte Roger, dem ein Licht aufging. "Die Kraft des Einen war von der Kraft des anderen abhängig. Mit dem Tod von Levox hatte sein dämonischer Sohn nicht mehr die Kraft, dem Stein zu widerstehen. Sein Hilfsdämon ist auch wieder in die Hölle zurückgekehrt." + Am späten Nachmittag fuhren sechs Polizeiautos und ein Porsche von Brighton nach Lewes. Schnell hatten sie die Scheune gefunden. Roger Nelson und Thambuda stiegen aus dem Porsche und betrachteten die alte Scheune, die vor ihnen aufragte, "Hoffentlich sind sie alle beisammen", äußerte sich Thambuda skeptisch. Die Polizisten umstellten das alte Gebäude mit den morschen Brettern, die als Wände dienten. Schussbereit hielten sie ihre Gewehre in den Händen. "Die beste Möglichkeit ist, das ganze in die Luft zu sprengen", sagte Roger zu Inspektor Corrington.
-126"Na ja, ich kann es verantworten", sagte er zustimmend. Roger ging zur Scheune und spähte durch die Bretterwand. Er drehte sich zu seinen Kollegen um und gab das OK Zeichen. Corrington gab die nötigen Befehle und ein paar Polizisten machten sich an die Arbeit, Dynamit zu legen. Nach fünf Minuten war alles soweit. Die Männer gingen in Deckung und Corrington betätigte die Zündung des Sprengstoffs. Eine ohrenbetäubende Detonation zerriss die ländliche Stille. Die Scheune barst auseinander. Holzsplitter flogen durch die Luft und krachten Hunderte von Metern weiter auf die Wiese, auf der die Scheune gestanden hatte. Als sich alles wieder beruhigt hatte, blickten die Beamten wieder auf und sahen mit Erstaunen, dass acht Gestalten aus den Trümmern hervorwankten. Die schwarzen Skelette kamen vor Wut schreiend auf Roger und Thambuda zugestampft. Sie schwangen ihre langen Schwerter. "Schießt auf ihre Hälse und Schädel", schrie Roger den anderen zu. Ein Kugelhagel ging auf die Skorrs nieder und zerfetzte ihre dunklen Knochen und die blanken Schädel kullerten einige Meter auf der Wiese entlang. Vor ihren Augen wurden die Skelette zu schwarzem Staub, den der Wind hinfort trug. Die Männer blickten sich aufatmend an. In den Trümmern fand man insgesamt vierzehn Schwerter und Äxte, die man sicherstellte. So mussten noch sechs weitere Monster in der Scheune gewesen sein. Sie waren froh, dass sie das Abenteuer heil überstanden hatten. Die Verletzungen, welche die beiden Beamten von Scottland Yard am Anfang ihres Auftrages erlitten hatten, spürten sie jetzt nicht mehr. Es war ihre erste Begegnung mit dem Übersinnlichen. Sie konnten aber nicht ahnen, was sie noch erwarten sollte.
ENDE
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