Vampire in New York Roman von Ken Roycroft
Der Chevrolet Caprice glitt durch das trübe Licht der Außenlampen der Disco...
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Vampire in New York Roman von Ken Roycroft
Der Chevrolet Caprice glitt durch das trübe Licht der Außenlampen der Disco und kam in einer freien Bucht neben einer chromblitzenden Harley zum Stehen. Der Fahrer der schweren Maschine saß noch im Sattel, hatte den wummernden Bass seiner Maschine gerade erst abgestellt. Er blickte auf, als der Chevy neben ihm hielt. Unter seinem schwarzen Haarschopf blitzten blaue Augen. Er blickte Michelle, der schwarzhaarigen Schönheit auf dem Beifahrersitz, direkt in die Augen. »Der gehört mir!«, murmelte sie.
Und das Wichtigste von allem - seine Augen. Sie waren so blau wie das karibische Meer an einem Tag voller Sonne. Das war die Liebe auf den ersten ein römischer Feldherr - oder ein Blick. Gladiator - oder beides auf einmal. Er trug eine schwere Biker-Jacke »O mein Gott!«, stieß Michelle hervor. »Der ist ja so was von heiß!« aus schwarzem Leder, dazu ein TShirt, Jeans und Biker-Boots, alles in Sie brauchte nicht zu befürchten, Schwarz. Besonders cool fand sie die dass Kevin und seine Kumpels im Wagen etwas mitbekamen. Die Nietenhandschuhe. . . Boombox, das Wertvollste an der »Michelle!«, röhrte Kevin vom ehemaligen Cop-Kutsche, ließ die Fahrersitz herüber und riss sie aus Karosserie erzittern. ihren Gedanken. »Hey, Baby, deine Meinung ist gefragt! Du bist das -das Kevin, der unumstrittende Anführer der Clique, und Mungo, sein Dings - das - äh - wie heißt das noch Nebenmann, hatten sich für »Pier mal. . .« 66«, die Lagerhallen-Disco im »Zünglein an der Waage, du Hafengebiet am Hudson entschieden. Arsch!«, schrie Porco vom Rücksitz. Nach hinten gewandt, überbrüllten sie »Mann, bist du bescheuert! Weißt nicht die dröhnende Musik, oder das, was sie mal. . . « dafür hielten, um sich gegen Porco, Ein Blick des Anführers genügte, Shaker und Rafo durchzusetzen. Denn und er verstummte. Kevin, der Michelles bislang größter jetzt, als sie da waren, wollten Porco und Rafo auf einmal nach Hoboken, Fehler war, beugte sich über das Lenkrad ins »Lump Light«. Shaker grölte nach und drehte den Kopf nach rechts. dem »CC«, unten am Fulton Fish »Du bist doch auch fürs Pier 66«, brüllte er los, »oder . . .« Market. Er verstummte, erstarrte. Michelle beachtete ihn nicht einmal, Michelle kurbelte die Fensterscheibe versunken wie sie war. runter, um besser sehen zu können. »He!«, schrie er, und seine Stimme Vielleicht hatten die Glitzerperlen der überschlug sich. »Was gaffst du den Regentropfen dem Gladiator ja blaue Augen gezaubert, die er gar nicht hatte. Arsch da an?« Bei dem Dröhnen aus dem Wagen Als Michelle noch immer nicht verzog er kurz das Gesicht. Es war wohl nicht gerade seine Lieblingsmusik. reagierte, stieß er einen Wutschrei aus Michelle lächelte bedauernd. und sprang aus dem Wagen. Kevin Schließlich konnte sie nichts für den stürmte um die Motorhaube herum. Lärm. Die letzte Distanz überwand er, indem Doch immerhin erwiderte er ihren er die flache Hand aufs Blech patschte Blick. und über den rechten Kotflügel flankte. Michelle fragte sich, wie sie sich Sie schätzte ihn ab. Absolut hart, unerbittlich, von eisernen mit diesem Kotzbrocken überhaupt jemals hatte abgeben können. EiferGrundsätzen erfüllt - eben megacool. Michelle glaubte zu träumen. Der Typ war das absolut Süßeste, was sie seit langem gesehen hatte. Mit seinem hinreißenden Gesicht sah er aus wie
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süchtiger Trottel. Sein schwarzes Kapuzen-Shirt spannte sich über riesige Muskelwülsten. Vielleicht war
das der Grund. Sein Body war einfach klasse. Breitbeinig baute Kevin sich auf. »Ich hab meine schnellen Schuhe an. Die Harley, hinter der der Ich werde mich schon nicht mit denen Schwarzhaarige stand, würde kein prügeln.« Hindernis sein. Michelle atmete erleichtert auf und wandte sich um. »Verpiss dich, Biker-Boy!«, bellte Kevin hatte das Gespräch Kevin. »Ich bin nicht dein Eigentum!«, zähneknirschend und mit wachsender schrie Michelle von hinten erbost. »Ich Wut verfolgt. Jetzt platzte ihm der bin es nie gewesen, und jetzt bin ichs Kragen. Er stieß einen heiseren erst recht nicht mehr!« Schrei aus. Das war das Kommando, und seine Sie stieß die Tür auf und lief auf die Leute schwärmten aus. Harley zu. Wie haltsuchend erfasste »Lauf weg!«, rief Bruce. »Ich komm sie den Lederhocker des Soziussitzes, nach.« als würde der schon ihr gehören. Michelle gehorchte. Sie spürte, dass Die vier anderen schälten sich aus sie sich auf ihn verlassen konnte. Wenn dem Chevy - lauernd und auf dem er die Schwachköpfe abgeschüttelt Sprung. Vergessen war die Disco-Dis- hatte, würde er zu ihr kommen, da kussion, nur Kevins Kommando muss- war sie sicher. Und wenn er doch was te jetzt noch kommen. Dann würden abbekam, würde sie seine Wunden sie sich den Biker-Boy zur Brust versorgen - so liebevoll wie sie nur nehmen. konnte . . . »Keinen Streit«, sagte der HarleyFahrer, wobei er erst Michelle, dann Kevin und schließlich wieder Michelle Kaum war Michelle in der Tür ansah. verschwunden, sprang Kevin los. Mit »Da hast du Recht«, sagte Michelle. vorgestreckten Armen hechtete er »Kommst du?« Sie zeigte auf den.Ein- über das Motorrad auf seinen Gegner zu. gang zur Disco. »Jetzt bist du dran, du Arsch!«, »Klar.« Ihr Traummann nickte. schrie er mit sich überschlagender »Bestell schon mal einen Drink fürStimme. mich. Ich komme gleich nach.« »Wird gemacht. Ich heiße Michelle— Bruce schüttelte den Kopf. Er tat es falls du nach mir fragen musst.« beinahe bedächtig, und er überzeugte sich aus den Augenwinkeln heraus, »Bruce«, erwiderte er. Sie lächelte verliebt. »Lass dich bloß dass .das Mädchen wirklich im nicht mit denen ein«, sagte sie mit einer Eingang der Disco verschwunden war. Kopfbewegung auf Kevin und die Was hier ablaufen würde, musste sie anderen. »Keine Sorge«, antwortete Bruce. nicht miterleben. 5
ders anzustrengen. Nicht, dass er diese Kerle aus Versehen abhängte. Er sauste durch die Gasse zwischen den stand er da, während Kevin auf ihn parkenden Autos und erreichte den zusegelte wie ein Grizzly, der das Zaun aus Stahlgeflecht, der das Fliegen gelernt hatte. Gelände zum Fluss hin begrenzte. Bruce wich nicht mal zurück. Wie gelangweilt hob er die Arme und blockte Dort erstreckte sich die schrundige den Angreifer ab. Landschaft einer Baustelle. Für Kevin war es, als würde er ohne Die Typen beim Chevy waren noch Fahrwerk auf Betonschwellen zu benommen. Deshalb sahen sie aufsetzen. Er heulte vor Schmerzen, Bruce nicht, als er über den während er noch an seinem Gegner mannshohen Zaun sprang - mühelos in herunterrutschte. die Luft steigend. Bruce war unter dem Anprall nur Den S-Draht auf der Zaunkrone leicht ins Wanken geraten. berührte er nicht einmal. Keine der Unerschütterlich wie eine messerscharfen kleinen Klingen wurde amerikanische Eiche stand er da, und ihm gefährlich. rechtzeitig packte er den Ex-Freund Er landete in einem Sandhaufen auf der schönen Michelle, ehe dieser zu der anderen Seite und wartete Boden stürzen und sich wehtun gespannt, wie sie das Hindernis konnte. überwinden würden. Das Katz-undKevins Kerle sperrten den Mund Maus-Spiel konnte beginnen. Und diese auf, als der gerade mal 180 cm große Trottel glaubten immer noch, sie seien und bestenfalls durchtrainiert wirkende die Katze. Schwarzhaarige ihren Anführer Breitbeinig, die Arme vor der Brust hochhob wie einen schlaffen Sack. verschränkt, blieb Bruce auf dem Und noch bevor sie sich von dem Sandhaufen stehen. Seine Silhouette Schock erholen konnten, flog der auf zeichnete sich vor dem Hintergrund ab sie zu. wie ein Denkmal. Zu schnell für jede Reaktion. Teilweise wurde auf der Baustelle Mit ungeheurer Wucht wurde gearbeitet, die Nacht durch, dort, wo Kevin gegen sie geschleudert, sodass Scheinwerferlicht grelle Lichtinseln in sie gegen den Chevy geschmettert der Dunkelheit erzeugte. Motoren wurden. brummten, Maschinen gaben mahlende Bruce grinste und wirbelte herum. und knirschende Geräusche von sich. Die Sache fing an, ihm Spaß zu Das Gelände war zwischen zwei machen. Und Michelle am Ende als ehemaligen Piers aufgeschüttet Beute für sich zu haben, war auch eine Kevin und seine Meute rappelten lohnende Aussicht. Die Kleine war ja sich auf. Hektisch starrten sie umher, richtig verrückt nach ihm. Er hätte schrien sich an, verpassten sich Stöße blind sein müssen, um das nicht spitz und Hiebe. zu kriegen. sie ihren Dann entdeckten »Du Arsch!«, brüllte Kevin. »Ich reiß schwarzgekleideten Widersacher. dir die Eier ab und stopf sie dir ins Kevin war es, der ihn zuerst erblickte. Maul!« Er stieß einen Schrei nach Rache aus, Bruce trabte los, ohne sich besonzeigte auf den Sandhaufen. Er ließ den Muskelprotz kommen. Seelenruhig und beinahe unbeteiligt
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»Da ist die verdammte Ratte! Ich brech ihm alle Knochen!« Er wollte losstürmen. Porco, ein Riese mit spiegelblankem Glatzkopf, hielt ihn zurück. »Nicht so schnell, Mann! Pass auf, oder willst du Draht fressen, eh?« Er wies auf den Zaun und brach in gehässiges Lachen aus. Die anderen wagten es nicht mitzulachen, denn Kevin zog den Kopf zwischen die Schultern und drehte sich langsam um - offenbar schnaubend vor Wut, und auch Porco verstummte schnell wieder. Diesmal beratschlagten sie nur kurz, dann rannten sie los und waren im
Es waren ineinander verschachtelte Betonkästen für Ladenpassagen in den unteren und Büros und Nobelwohnungen in den oberen Etagen. Bruce hatte geahnt und auch gehofft, dass sie einen Zugang zur Baustelle kannten. Die Frage, wie er den Zaun überwunden hatte, kam in ihren Köpfen nicht mehr vor. Er trat aus dem Schatten unter einer nächsten Moment hinter einer Galerie hervor. leerstehenden Lagerhalle Er tat ihnen den Gefallen - er, die verschwunden, die genauso aussah wie Katze, die die Mäuse-Macht lockte. die Disco-Halle. Nur die Leuchtschrift »Sucht ihr etwa mich, Jungs?«, rief fehlte. er lässig. Und sie grinsten, als sie ihn sahen, denn sie hielten sich für eine * Übermacht. Kein Wunder, denn er stand mit bloßen Händen da. »Ich kauf mir die Sau!«, brüllte
Sie kamen lauernd und langsam, in breiter Front. Kevin ging in der Mitte geduckt und wie auf dem Sprung. Er war stolzer Besitzer einer riesigen Colt Government aus Edelstahl, und er hielt
sie beidhändig senkrecht, wie er es im Kino gesehen hatte. »Ich leg ihn um!«, knirschte er. »Ich
knall die feige Ratte ab!« »Yeah«, antwortete Porco wölfisch grinsend. »Der Knabe ist totes Fleisch!« Sie
erreichten
den
künftigen
Parkplatz, der größtenteils planiert und an einigen Stellen auch schon gepflastert war. Den Blick auf den Hudson River versperrte der Baukomplex.
Porco und übernahm die Angriffsspitze. Mit seinem Baseballschläger und Kevins Pistole und den gut gerüsteten Kumpanen hinter sich fühlte er sich wie Schwarzenegger. Er ahmte sogar Arnies Bewegungen nach. Er packte seine ganze Energie in die Muskeln. Er ließ den Baseballschläger sausen und wirbeln, während er auf Bruce losging. Die anderen schlossen bis auf drei Yard auf, feuerten ihn an. »Schlag ihm die Birne runter!« »Mach den Scheißkerl fertig!« »Zermahl ihm die Knochen!« Sie bildeten einen sprungbereiten Halbkreis. Bruce ließ den Kerl kommen und 7
steckte die ersten Hiebe ein, blockte sie nur ab. Porco steigerte sich, schlug heftiger und schneller zu. Die anderen brüllten voller Freude. »Los, Mann, brich ihm die Knochen!« »Knack seine Birne!« »Hau ihm die Eier platt!« Doch der Glatzkopf kam ins Grübeln. So gewaltig er mit dem Baseballschläger auch hinlangte, bei seinem Gegner zeigten die kraftvoll
Rohbaues. Aus Porcos Zappeln wurde ein hilfloses Schlenkern von Armen und Beinen, und er lag fast waagerecht in der Luft, so rasend schnell verschwand Bruce mit ihm. Kevin überwand die Verblüffung als
Erster. »Den Kerl kaufen wir uns!«, schrie er. Schließlich konnte er sich als Anführer keine Schwäche leisten. Und so übernahm er erneut die Führung, die silbern blitzende Pistole erhoben. geführten Hiebe keine nennenswerte Er beging jedoch nicht den Fehler, Wirkung. Bruce in die dunkle Bauhöhle zu »Du verfluchter Arsch!«, schrie Porco folgen. und holte zu einem tiefen, sensenden Gemeinsam mit Mungo, Shaker und Hieb aus. Verdammt, wenn alles nichts Rafo umrundete Kevin den Rohbau. nützte, musste es doch gelingen, dem Sie erreichten den helleren Platz auf Bastard die Beine unter dem Leib der anderen Seite. Weiter rechts wurde wegzusäbeln! ein tieferliegendes Betonfundament Mit voller Wucht zog er durch. gegossen. Dort strahlte Doch plötzlich schnellte die Linke Scheinwerferlicht, und die jungen des Schwarzgekleideten vor, packte Schläger fühlten sich etwas sicherer. den Baseballschläger, riss ihn Porco Hier im Licht war das, was sie eben aus der Hand und schleuderte ihn weg. gesehen zu haben glaubten, viel Die Rechte krallte Bruce um den Hals leichter zu verharmlosen. des Glatzkopfs und hob ihn hoch. Da segelte etwas aus einem der Währenddessen flog der oberen Stockwerke herab. Baseballschläger in hohem Bogen Kevin und die anderen prallten wie davon und zerschmetterte eine frisch gegen eine unsichtbare Wand. eingesetzte Fensterscheibe im vierten Es war Porcos massiger Leib, der da Stock. geflogen kam. Mit ausgebreiteten Porco zappelte mit allem, was er Armen und Beinen sah er aus wie ein hatte, wie ein Ferkel in der Keulzange. Turmspringer im Schwimmbad. Doch er kam nicht frei. Die Faust des Doch nur für einen Moment. Bis zum zunehmend unheimlichen Gegners war Aufprall. wie aus Stahl. Kevin und seine Getreuen zogen die Dann setzte sich Bruce in Köpfe ein und schlossen die Augen vor Bewegung, und Kevin und die anderen Entsetzen. Porcos Landung war eine standen wie versteinert, als sie ihren Geräuschmischung aus Bersten, riesenhaften kahlen Kumpel wie eine Knacken und Klatschen. Einige der Stoffpuppe mit dem Betonpflastersteine, auf denen er Schwarzgekleideten davonsausen gelandet war, waren zersplittert und sahen - hinein ins tiefe Dunkel des sein Blut sickerte in die Ritzen. 8
Seinen Kumpeln blieb keine Zeit, ihren Schock zu überwinden. Denn der Aufschlag des Glatzkopfs war noch nicht verklungen, da kam
Bruce bereits aus dem dunklen Erdgeschoss des Rohbaues hervor. Er lächelte bösartig, als er auf die Meute zuging. Das und das Wissen um den Tod ihres Freundes stachelte sie zu blinder Wut an, verdrängte jeden Gedanken an Gefahr.
des, ließ sein Rohr auf den Schädel seines Gegners niedersausen. Doch der packte mit beiden Händen die Faust seines Angreifers und schmetterte ihm das eigene Eisenrohr zweimal ins Gesicht. Nasenbein und benachbarte Knochenpartien brachen, Mungo, Shaker und Rafo gingen und Blut sprudelte hervor. Dann drückte Bruce so fest zu, dass gleichzeitig auf den Kerl los. Shakers Hand- und Kevin überwachte die Aktion aus man geringer Entfernung mit seiner Colt Fingerknochen bersten hörte! Government. Shaker brüllte und wankte Knapp vor dem Bau versuchten die rückwärts. Das Rohr hatte er fallen gelassen, konnte es mit seinen drei, Bruce in die Zange zu nehmen. »Du hast unseren Kumpel zerquetschten Fingern nicht mehr umgebracht, du Sau!«, schrie Mungo, halten. ein Kleiderschrank mit fettigem »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, schrie schwarzem Langhaar. Er ließ eine Kevin, wich seinem taumelden schwere Kette über seinem Kopf sausen Gefährten tänzelnd aus und wie der Marlboro-Mann das Lasso. Er versuchte, den Schwarzgekleideten kam von rechts. unter Feuer zu nehmen. Shaker kam mit einem armdicken Doch nun war die Nummer drei zur Gusseisenrohr aus der Mitte, Rafo von Stelle - Rafo, ein Mann für zwei. Er links, und schrie: »Du sollst krepieren! sah aus wie einer, der Sumo-Ringer Krepieren sollst du!« werden wollte. Asiate war er schon, Bruce kreiselte, um sie auf Distanz und über zwei Zentner Lebendgewicht zu halten. Den Kettenschwinger brachte er auch auf die Waage. Den erwischte er mit sausendem Fuß in der Zentner, der ihm noch fehlte, glich er Körpermitte. durch Wut aus - und durch einen Vorschlaghammer. Mungo verlor die Kette und flog mit Als er auf Bruce loswalzte, sah das einem Schrei aus dem Halbkreis weg. große Werkzeug in seinen dicken Doch die Kette behielt ihren Patschhänden aus wie ein BabySchwung bei und klatschte Bruce ins Spielzeug. Gesicht. Der Hammer sauste auf und ab und Sein Kopf wirbelte herum, doch als von einer Seite zur anderen, während er zurückschnellte, war nur ein kleiner Bruce auswich. Der Hammer Riss in seiner Wange zu sehen. beeindruckte ihn doch ein wenig. So Shaker, schon siegesgewiss wegen ein Hieb mit diesem mehrere Kilo des scheinbaren Erfolges seines Freunschweren Eisenklumpen konnte ganz 9
schön was an ihm zerschmettern - ganz sensatz zur Stelle war und ihn packte. Krachend prallte der Langhaarige abgesehen von dem Schmerz, der auch auf das Stahlgerüst des Auslegerkrans, nicht sein musste. und die Wucht des Aufpralls flocht ihn Bruce fintete mit blitzschnellen Sibuchstäblich hinein. desteps nach links und rechts, um Drüben bei den Trucks war keine dann scheinbar die Mitte als RückMenschenseele mehr zu sehen. New zugsweg zu wählen. Exakt dorthin zischte der Hammer - Yorker wussten aus Erfahrung, wann es ratsam war, nichts zu sehen, nichts ins Leere jedoch. Bruce war erneut nach links zu hören und nichts zu sagen. Kevin feuerte jetzt. Sein Gesicht war geschnellt. Rafo schrie. Durch seinen verzerrt, als er Kugel um Kugel aus eigenen Schwung wurde er nach vorn dem Lauf jagte. gerissen, vorbei an seinem Gegner. »Ich leg dich um, du Arsch!«, schrie Der Vorschlaghammer hieb einen er mit sich vor Panik überschlagender Krater in den plattgewalzten Stimme. »Ich leg dich um - ich leg dich Sandboden. um . . .!« Doch mit jedem Schuss wuchs seine Im selben Augenblick explodierten *
Bruces Hieb in Rafos feistem Rücken,
Fassungslosigkeit.
Mit
quellenden
stierte er auf den und der aufrecht stehende Augen unheimlichen Gegner, der lächelnd Hammerstiel bohrte sich in seinen Bauch, trat aus dem Rücken wieder aus. auf ihn zukam und von den 45er Doch bevor der Schmerz sich ausbreiten Geschossen nur leicht geschüttelt konnte, wurde Rafo angehoben, als hätte ihn der in der Nähe stehende
Auslegerkran ruckartig an den Haken genommen. Kevins Augen weiteten sich, als er sah, wie der Schwarzgekleidete den 2-Zentner-Mann anhob und durch die Luft schleuderte. Rafo flog in hohem Bogen, ähnlich wie zuvor Porco. Er
landete im sich drehenden Maul eines riesigen Betonmischer-Trucks, der in zwanzig Yards Entfernung darauf wartete, von der Förderpumpe
wurde. Mehr Wirkung erzielten die
Projektile nicht. Der Schlagbolzen klickte ins Leere. Kevin war wie gelähmt, und das Grauen überfiel ihn, als Bruce ihm die nutzlose Pistole wegwischte und ihn in die Arme schloss und ihn fest an sich zog. Das Letzte, was er dachte, war, dass die Zähne des Schwarzgekleideten
irgendwie falsch waren. Dann war da nur noch Schmerz, der sich von seinem Hals
über
den
ganzen
Körper
ausbreitete. angezapft zu werden. Und dann nur noch Schwärze . .. »Da . . . das .. . das darf doch nicht. . .«, stammelte Kevin. Bevor er sich von dem Schock erholen konnte, machte Bruce kurzen Prozess mit den beiden schwer Angeschlagenen. Mungo hatte sich eben wieder aufMichelle sah die Ratten auf der Bassgerappelt, als Bruce mit einem Rie- box. Die beiden fetten, haarigen Nager 10
mussten ein Pärchen sein, denn sie tanzten. Ihnen gefiel das Dröhnen und Vibrieren der Box-Oberfläche. Der Gothic-Bass ließ sie auf und ab
hoppeln, ihr Fell sträubte sich dabei, und ihre Schwänze peitschten den wenn man es gerade erst in Gebrauch Boxfilz im Takt. genommen hatte. Michelle erschauerte und schüttelte Im »Pier 66«, dieser sicher nur sich. Sie schob sich durch das Gedränge vorübergehend angesagten Hallenvor den Boxen und hoffte, Bruce Disco, war lediglich das Notwendigste endlich wiederzusehen. Sie fühlte sich renoviert worden. Über den wie in einem Traum, wie eine Lichtanlagen in etwas mehr als Kopf Schlafwandlerin. Vor lauter höhe gähnten dreißig Fuß bis. zum Schwärmerei hatte sie es noch nicht Wellblechdach in totaler Finsternis einmal geschafft, ihm den wie eine Kathedrale bei Nacht, in den versprochenen Drink zu besorgen. lichtlosen Jahrhunderten der Vergangenheit. Der Junge war der Hit, einfach überirdisch schön und absolut sweet. »Hey!«, sagte Michelle schließlich Michelle konnte ihr Glück kaum und gab ihrer Stimme den bewährten fassen. Eben noch von Ratten und Klang von Samt und Seide. »Es gibt Scheißkerlen umgeben - und jetzt das! Liebe auf den ersten Blick. Habe ich Sie gelangte in die Nähe der Bar, Recht?« aber es war einfach kein Bruce lächelte nur. Durchkommen. In Sechserreihe wurde
auf Drinks gewartet.
Sie nickte glücklich. Statt etwas zu sagen, umfasste sie seine schmalen Michelle war ratlos, und während Hüften, stellte sich auf die sie noch überlegte, was sie tun sollte, Zehenspitzen und küsste ihn auf den stand er plötzlich vor ihr. Mund. Ihr Traumboy, -ihr Zauberprinz - er Es war ein heißer, leidenschaftlicher war einfach da, als hätte sie gerade Kuss, nur ein Hinweis, mehr sollte es einen Frosch geküsst. nicht sein. Ein Hinweis auf das, was Sie konnten sich nur ansehen, mitten noch kommen würde. Und sie löste in diesem Meer aus Menschenleibern, sich sofort wieder von ihm. die sich zu einer düsterMichelles Lächeln war sanft und voller melancholischen Melodie wanden und Wärme, als sie ihn ansah. Munter bogen. plapperte sie drauflos, ohne zu merken, Hinter Bruce, ein paar Schritte dass Bruce eigentlich gar nichts von entfernt, tanzten die Ratten auf der sich erzählte. Box. Mehrere Stunden vergingen. Es war eine heruntergekommene »Ich fürchte«, meinte sie schließlich, Umgebung, obwohl die Einrichtung
neu war. Nicht ungewöhnlich für New York. So manches in der 8-MillionenStadt sah auch dann schon alt aus,
»ich muss jetzt nach Hause. Mein Daddy ist streng, und ich bin erst
siebzehn. Sehen wir uns morgen Abend wieder?« 11
»Hier?« »Klar.«
»Okay.« * Es regnete. Michelle bezahlte den Taxifahrer und lief zum Hauseingang. Obwohl sie nur den Bürgersteig, den
betonierten ehemaligen Vorgarten und die sechs Stufen zum Vordach hinter sich bringen musste, war sie klitschnass, als sie ankam. Sie schüttelte sich. Wie ein Hund,
und ihre Umgebung heute auch noch ganz schön übel. Ratten und Kakerlaken stellten den größten Teil der Einwohnerschaft, gefolgt von Hunden, Katzen und Papageienvögeln. Erst dann kamen die die nicht davor Menschen, zurückschreckten, in 70 bis 100 Jahre alten Bruchbuden ohne Klimaanlage zu hausen.
Michelle schloss auf, knipste das 5Minuten-Licht an und schloss wieder ab. Obwohl sie keine Menschenseele sehen konnte, beherzigte sie die bevor er sich zu Herrchen wagt, dachte Warnung ihres Dads und legte den sie. Oben in der Wohnung brannte Licht. Weg nach oben im Laufschritt Dad war also zu Hause. Sie hatte zurück, vorbei an den vollgekritzelten gehofft, dass er Überstunden machen Wänden des Korridors und des musste, aber das war mal wieder Treppenhauses, die knarrenden und nichts. Ausgerechnet heute hatte Deausgetretenen Treppenstufen hinauf. tective Lieutenant Rob Killroy Zeit Es gab genügend Ecken und Winkel, fürs Privatleben - Zeit, seine Pflichten in denen finstere Zeitgenossen lauern als allein erziehender Vater zu erfüllen. konnten. Ausgerechnet heute, am Tag ihrer Tapeten und Putz hatten die Gerüche großen Liebe! all der zurückliegenden Jahrzehnte Die Schlussleuchten des Taxis aufgesogen und dünsteten sie an erzeugten einen roten Schleier und einem feuchtwarmen Tag wie diesem wurden dann vom Regen verschluckt. wieder aus. Jedes dieser Häuser hatte In der Straße war es nahezu seinen Eigengeruch, der darauf stockdunkel. Die Straßenlampen waren beruhte, was in den Küchen gekocht, abgeschaltet, weil die Stadt mal gebrutzelt und geschmort worden war. wieder pleite war und sparen musste. Michelle vermisste ihre Mutter nicht. Das bisschen Licht aus den Vor fünf Jahren war sie bei einem Wohnungsfenstern reichte nicht, um Autounfall gestorben - alkoholisiert. die Bürgersteige und die Fahrbahn zu Alkoholikerin, die sie gewesen war, erhellen. hatte sie ihrem Mann eine früh puberSo sah es aus in der West 48th tierende Tochter und einen total Street, mitten in Manhattan. Früher heruntergekommenen Haushalt hatte das Viertel mal »Hell's Kitchen« hinterlassen. geheißen, und es hatte zu den übelsten Michelle schloss die Wohnungstür Gegenden von ganz New York gehört. auf. Michelle konnte das nicht beurteilen, Natürlich hatte Dad einen Hauaber sie fand die Achtundvierzigste fen Geld für Haushälterinnen und 12
nem braunen Haar und den grünen Augen. »Ich war in einer Disco«, antwortete Michelle und verdrehte genervt die Augen. »Es ist gerade mal elf, und ich habe keinen Alkohol, keinen Tabak und keine Drogen gekauft.« Er saß im Living-room, in seinem »Darfst du auch gar nicht, weil du Lieblingssessel, und schlief vor dem noch nicht volljährig bist.« eingeschalteten Fernseher. »Deshalb hab ichs ja auch nicht getan«, erwiderte Michelle gereizt. Michelles Herz machte einen Freu»Was willst du also? Ich halte mich an denhüpfer. Sie nahm die Schuhe in deine Anweisungen, und du meckerst die Hand und schlich auf Zehenspitzen über den Teppich. Wenn es ihr ge- trotzdem rum. Merkst du gar nicht, wie lang, ihr Zimmer zu erreichen, ohne sehr du damit nervst?« dass er aufwachte, war ihr Abend Er überhörte es. »Mit wem warst du gerettet. Dann konnte sie die Zeit in der Disco? Wieder mit deinen halb bis zum Einschlafen damit verbringen, kriminellen Freunden? Mit diesem Kean Bruce zu denken. An den süßen, vin und seinen Strolchen?« tollen Bruce . . . »Nein, war ich nicht!«, entgegnete Die Stimme ihres Vaters stoppte sie Michelle triumphierend. »Und ich bin nur mit dem Taxi gefahren. Keine noch vor der Tür zu ihrem Zimmer. Subway, kein Bus. Alles wie du gesagt »Aha!« hast.« Es klang wie ein Donnerschlag. »Dafür kriegst du auch das Geld von Früher, als sie noch klein gewesen mir.« war, hatte ihr sein Bass Angst »Und ich verwende es dafür!«, rief gemacht. Auch jetzt erschrak sie noch, zuckte sie zusammen wie eine Michelle erbost. »Kannst du mir mal ertappte Sünderin. sagen, was du eigentlich willst? Hast Mit einem zornigen Ruck drehte sie du mal von Vätern gehört, die ihre Töchter loben, wenn sie alles richtig sich um. gemacht haben?« »Was soll das?«, fauchte sie. »Ich Ihm verschlug es die Sprache, und er habe sah erschrocken aus, wie er sie nichts Unrechtes getan.« anstarrte. »Warum giftest du dann?« Michelle knallte die Tür hinter sich »Weil du wieder diesen Ton drauf hast! Dein verdammtes >Aha< klingt, zu und warf sich aufs Bett. Robert Killroy stand frustriert vor als hättest du mich erwischt, wie ich der geschlossenen Tür zum Zimmer gerade eine Ladenkasse aufbre che.« »Blödsinn«, sagte Rob Killroy. »Also seiner Tochter. War es denn so falsch, sich Sorgen zu machen? Er fragte sich, sag schon - was war los?« wann er den Draht zu Michelle verloren Er war 40 Jahre alt, kräftig und hatte. durchtrainiert. Er trug seine HausDas Mädchen barg den Kopf zwiklamotten, leichte Jeans und ein weißes T-Shirt. Das Letztere bilde- schen den Armen und schluchzte in die te einen starken Kontrast zu 14 seiNachhilfe-Lehrerinnen ausgeben müssen. Trotzdem nahm sie es ihm übel, dass er noch immer keine Wohnung in einer Besseren Gegend gefunden hatte.
bunte Tagesdecke. Dauernd war es dasselbe verdammte Elend mit dem Kerl. Er verstand einfach nicht, was für sie wichtig war. Sie hätte laut aufheulen können. Aber etwas Merkwürdiges geschah. Sie zwang sich, an Bruce zu denken, und allein das wirkte beruhigend. Ja, je intensiver sie an ihn dachte, desto ruhiger wurde sie. Sie schuf sich einen Tagtraum von ihm, wie sie gemeinsam bei Sonnenaufgang am Strand von Brighton Beach entlangwanderten. Das Rauschen der Brandung war die Begleitmusik zu ihren Küssen. Schon bald hatte Michelle ihren eifersüchtigen Dad völlig vergessen.
Immer wenn er gute Laune hatte, war sie zur Stelle, um sie ihm zu verderben. Er fragte sich, ob sie ihn wittern konnte. Denn
sie
ließ
einfach
keine
Gelegenheit aus, um ihn mit spitzen Bemerkungen zu traktieren. Dabei war ihr Anblick eigentlich erfreulich. Ein elegantes schwarzes Kostüm trug sie heute. Es war oben kurz und unten
kurz. Dazwischen, in der Mitte, herrschte vor allem Enge. Sie stellte den Typ Vamp dar, der * Männer im wahrsten Wortsinn um den Verstand bringen konnte. MenschlichDer Hochgeschwindigkeits-Aufzug gab männliche Schwächen waren eines ihrer vielen Spezialgebiete. Wenn sie wollte, saugende und zischende Geräusche von sich, während er Bruce in die Höhe katapultierte. Das Licht in dem mit
Holz und Messing ausgekleideten Fahrstuhl war gedämpft, verlieh den edlen Materialien einen warmen Farbton. Mehr als 900 Fuß waren es bis zum 85. Stockwerk. Der Expresslift brauchte dafür 55 Sekunden. Den Rausch der Geschwindigkeit senkrecht statt waagerecht, wie in einem schnellen Auto, zu erleben,
gab Bruce jedesmal von neuem einen Kick. Selbst die schnellsten Autos waren langweilig dagegen. Kaum hatte er den Fahrstuhl verlassen
gedämpft der Chefetage betreten, tauchte Katrina
illuminierte
und
die
Eingangshalle
Stein vor ihm auf. Wie hätte es auch anders sein sollen!
machte sie jeden Kerl zu einem hirn-
und willenlosen Trottel, bevor sie ihn vernaschte. Ja, verdammt, sie war schon eine rechte Naschkatze. Aber innerlich bestand sie aus Gift und Galle, auch davon war Bruce überzeugt. Und sie war ihm eine Spur zu schlau, zu durchtrieben, zu gerissen. »O, Monsieur Bruce, mon ami«, tönte sie vollendet süßlich, während sie aus einem der Korridore in die MarmorMahagoni-Eleganz der Halle geschwebt kam. »Unser junger Herr Vizepräsident gibt sich tatsächlich mal wieder die Ehre.« Das war es, genau das. Ein multipler Giftpfeil zur Begrüßung. So was hatte sie perfekt drauf. Erst andeuten, dass sie viel gebildeter war als er. Dann der unverblümte Hinweis, dass er sich ih15
rer Meinung nach zu selten blicken ließ. »Die Sehnsucht nach dir hat mich nicht losgelassen«, konterte Bruce. »Ich bin nur deinetwegen hier. Wann wirst du mich endlich erhören, schöne
Katrina?« Sie lachte bissig. »Wenn auch nur eines deiner Worte ehrlich gemeint wäre, wäre das ein glücklicher Tag, denn dann könnte ich dich abservieren und zukünftig
auf
deinen
Anblick
verzichten.« Bruce tat überrascht. »Komm, Baby, wir passen prima zusammen.« Katrina lächelte - so, wie sie ihre Yuppie-Beute vor dem Zubeißen anlächelte. Sie war wirklich unglaublich schön. Ihre hellbraune Hautfarbe, ihre Größe von einsfünfundsiebzig, die schlanke Statur und das schwarze Haar waren so vollkommen aufeinander abgestimmt, als hätte einer der alten Meister ihr Bild entworfen und dann zum Leben erweckt. Am faszinierendsten aber waren ihre Augen. Dunkelbraun, fast schwarz waren sie - und so groß, dass sich niemand ihrem Bann entziehen konnte. »O Bruce«, seufzte sie theatralisch, streckte langsam die Hand aus und strich mit einem Fingernagel an seinem Hals entlang. »So süß du bist und du bist sehr süß -, so weit unter mir ist auch dein Niveau. Mit dir kann man sich einfach nicht zivilisiert unterhalten.« »Vorsicht!«, knurrte er. »Treibs nicht zu weit.« »Ruhig. Komm, wir gehen eine viertel Stunde in mein Büro, ich werde dir tief in die Augen sehen und es dir er-
klären. Du wirst sehen, ich kann dich
überzeugen.« Ihr Lächeln nahm einen hochmütigen Zug an. »Wenn du jemals in meinem Kopf
rumpfuschst, verarbeite ich dich zu Konfetti!« Seine Zähne blitzten. »Ach, Brucie, du würdest es gar nicht merken.« Sie strich um ihn herum und verließ den Raum. Bruce zwang sich zur Ruhe. Katrina war eine hoch talentierte Intrigantin, und mit ihrer Ausstrahlung lullte sie jeden Gegner ein - wenn es darauf an-
kam sicherlich auch ihn, den Stellvertreter des Barons. Im Aufenthaltsraum hingen nur wenige Vampire herum. Einige saßen stumm und starr da, einige redeten
miteinander. Bruce entdeckte Thomas Waughn, seinen afroamerikanischen Kumpel, der sich an einen abseits stehenden Tisch zurückgezogen hatte. Thomas hatte einen Drink vor sich stehen, ein Glas gut angewärmtes Blut, und er rauchte Zigaretten - wahrscheinlich Kette, wie immer. Eine Angewohnheit, von der er noch immer nicht losgekommen war. Er liebte das gefährliche Nikotin und die übrigen Giftstoffe im Tabak. Was Menschen tötete, konnte für Vampire nur gut sein sagte Thomas. Er erblickte Bruce und hob erfreut die Hand. Bruce setzte sich ihm gegenüber. Thomas war so was wie ein Freund für ihn. Gemeinsam hatten sie so manchen Zug durch die Gemeinde unternommen. Als Bruce zum 16
zweiten Mann in der Organisation
aufgestiegen war, hatte sich an seiner guten Beziehung zu Thomas nichts
geändert. Für Bruce spielte es keine Rolle, dass der als völlig unbedeutend galt.
Thomas beeindruckte vor allem durch sein Äußeres. Er war eins-achtzig groß und kräftig gebaut. Er trug ein Muskelshirt,
dazu
Jeans
und
Springerstiefel. Sein schwarzer Ledermantel hing neben ihm über der Stuhllehne. Bruce erzählte von der Begegnung mit Katrina. »Ignoriere sie!« Thomas winkte ab und steckte sich eine neue Zigarette an. »Der Stellvertreter des Barons bist du, nicht sie. Was die an Gift versprüht, müsste dir doch am Arsch vorbeigehen.« »Tut es auch«, erwiderte Bruce nicht ganz wahrheitsgemäß. Er hasste es,
sich unterlegen zu fühlen. »Und außerdem«, fügte Thomas hinzu, »kannst du dir was drauf einbilden, dass sie überhaupt mit dir spricht. Mit mir redet sie nicht mal. Mich beachtet dieses eingebildete Miststück überhaupt nicht.« Bruce lachte. »Hey, dann muss ich mich ja geehrt fühlen!« »So ist es«, bekräftigte Thomas. »Genau so ist es.« Bruce beugte sich vor. »Soll ich dir was verraten?« »Na klar, Mann.« Thomas' Augen nahmen ein intensiveres Grün an. Für Neuigkeiten war er immer zu haben. »Ich habe da einen kleinen Imbiss
kennen gelernt. ..« Er machte eine bedeutsame Pause. »Die Sorte, nach der man sich alle zehn Finger leckt. Morgen Abend treffe ich sie wieder. Die Kleine heißt Michelle und ist total verknallt in mich.« Thomas verdrehte hingerissen die Augen. »Mach mich bloß nicht neidisch, Mann. Wird Zeit, dass wir beide mal wieder zusammen was aufreißen gehen.«
»Daraus wird was«, versprach Bruce. Bruce! Bitte komm jetzt in mein Büro. Der Baron! Bruce nickte Thomas zu und eilte los. Der Weg durch den Korridor war nur kurz. Er durchquerte das Vorzimmer des mächtigsten Wesens von New York und betrat jenen Raum, in den nur wenige Auserwählte vorgelassen wurden. Das Büro seines Herrn war eine schwach beleuchtete Dunkelzone aus
Mahagoni und Messing mit einer Einrichtungs-Mixtur aus Vergangenheit und Gegenwart. Zwischen Regalen mit ledergebundenen Büchern, einem mit schnörkeligen Drechseleien verzierten Schreibtisch und einem Stehpult mit
Tintenfass und Federkiel leuchteten Computer-Bildschirme, summten Laserdrucker, Farbscanner und Faxgeräte. Allein drei Monitore waren mit Webcams ausgestattet. Kradoc konnte zu jeder Zeit Videokonferenzen mit seinen Geschäftsfreunden und Verbündeten
in allen Teilen der Welt abhalten. Der Baron blickte hinter seinem Stehpult auf. Ein Lächeln glitt über seine Züge, als er Bruce erblickte. Boris Baron von Kradoc erzeugte eine starke Wirkung, ohne auch nur ein Wort sagen zu müssen. Sein Erscheinungsbild, seine Aura flößte Respekt ein, und nicht zuletzt spiegelte es seine außergewöhnliche Persönlichkeit. 17
Ein Fremder hätte es dennoch nicht für möglich gehalten, dass dies der mächtigste Mann von New York war. Der Baron von Kradoc trug die Kleidung des 18. Jahrhunderts - einen weinroten Gehrock mit Perlmuttknöpfen, ein weißes Rüschenhemd und blitzblank polierte Schnallenschuhe zu schwarzen Kniebundhosen und weißen Seidenstrümpfen. Der Baron war von schlanker Statur, und er hatte schulterlanges schwarzes Haar, von silbergrauen Strähnen durchsetzt. Bei seinen Mitarbeitern und Helfern genoss von Kradoc uneingeschränkte Autorität, und wehe dem, der diese Autorität anzweifelte. Bruce war nicht zimperlich, wenn er glaubte, Schaden von seinem Herrn abwenden zu müssen. Ja, der Baron regierte sein Imperium mit eiserner Hand.
Ich kann mich wehren. Ich weiß, wie ich mit solchen Typen fertig werde. Sind doch nur Menschen, das sind doch keine Gegner. Überflüssige Worte waren für den Baron das Maß aller Zeitverschwendung. Sicherlich spielte Zeit, gemessen an den persönlichen Kriterien, eine völlig untergeordnete Rolle, schließlich hatte er alle Zeit der Welt, doch zu seinem Leidwesen hatte sein Tag nur zwölf Stunden, wenn überhaupt. Boris Baron von Kradoc war in der Öffentlichkeit völlig unbekannt. Nichtsdestoweniger war er der Kopf
eines Wirtschafts-imperiums, das dutzende maßgeblichen Konzerne und Firmen, aber auch städtische und bundesstaatliche Behörden kontrollierte oder zumindest beeinflusste. Durch seine Macht über Führungspersonen der politischen Parteien beeinflusste Kradoc außerdem Entscheidungen auf der parlamentarischen Ebene. New York. In New York City und im Großraum Kradoc nickte seinem jungen New York gab es praktisch keinen Stellvertreter zu und kam hinter dem Lebensbereich mehr, der nicht direkt Stehpult hervor. oder indirekt dem Baron unterworfen »Es gibt Schwierigkeiten«, sagte er war. ohne jede Einleitung, wie es seine Art Er machte eine Handbewegurig, mit war. »Zwei Vampirjäger sind in der der er Bruce entließ. Es war alles Stadt. Morris Fletcher und John Le gesagt. grand. Die beiden waren daran beBruce deutete eine knappe Verteiligt, als der ehemalige Herrscher beugung an und verließ den Raum ... von New Orleans vernichtet wurde. Halte dich von ihnen fern. Ich habe dafür gesorgt, dass sie es bald ziemlich eilig * haben werden, in den Süden zurückzukehren.« »Ja, Herr." Bruce lächelte, nickte, Der schwarze Pontiac Trans-Am sagte aber nichts weiter. Denn der Ba- glitt in die heruntergekommene Seitenron kannte alle Gegenargumente, die straße wie ein Panther auf dem sein Stellvertreter in einem solchen Sprung. Hinter den anthrazit getönten Fall im Repertoire hatte. Scheiben der bulligen Limousine war 18
trotz des gleißenden Sonnenlichts niemand zu erkennen. Unter der flachen, tief nach vorn geneigten Motorhaube wummerte der das werden wir tun.« Er war ein Wagen den Anschein, über ein eigenes untersetzter Weißer mit breitem Leben voller ungeheurer Kraft zu ver- Nacken und kurz geschorenem dunkelblondem Haar. Er beugte sich fügen. vor und zeigte gleich darauf nach Zerlumpte Gestalten ergriffen die vorn. »Das übernächste Haus ist es. Flucht. In Schwärmen flohen sie von Das mit dem Schutthaufen vor dem den Treppenstufen vor den HauseinEingang.« gängen, und wie pelziges Gewimmel »He!«, entgegnete Legrand, ein schlüpften sie in die dunkel gähnenden Fensterhöhlen der Keller und Erdgehellhäutiger Kreole aus dem schosse. vornehmen Garden District von New Im Handumdrehen war nichts Orleans. »Kannst du mir mal sagen, wo sie hier keinen Schutt vor der Hütte Menschenähnliches mehr zu sehen. haben?« Die Straße sah aus, als wäre Har»Das übernächste Haus«, wiederholte lem in einem der letzten Kriege von Invasionstruppen heimgesucht und Fletcher gereizt. Legrand ließ den Pontiac langsam nie wieder aufgebaut worden. Selbst der Sonnenschein vermochte dem ausrollen. Während er auf die Bremse und den Zündschlüssel Anblick nichts Anheimelndes zu ge trat ben. herumdrehte, spähte er bereits nach »Mon dieu!«, rief John Legrand, rechts. Der Achtzylinder erstarb mit der Fahrer des Pontiac, und schüttelte einem Blubbern, und die Karosserie sich vor Abscheu. »Mein Gott! schüttelte sich. Dagegen sind unsere BruchbudenDas Haus stammte aus den Viertel in den Bayous ja noble zwanziger oder dreißiger Jahren und war drei Stockwerke hoch, mit dem Wohngebiete!« »Sei nicht unfair«, sagte Morris Flet- damals üblichen Souterrain und der cher vom Beifahrersitz her. »Harlem breiten Steintreppe zum Eingang. hat sich ganz schön rausgemacht, seit Praktisch standen nur noch die Wände. wir das letzte Mal hier waren. Alles auf Türen, Fensterscheiben und einmal können sie ja auch nicht schaf- Fensterrahmen fehlten. fen.« Das Dach war größtenteils »Als Erstes sollten sie diese Schweineeingestürzt, und die Fenster- und ställe platt machen«, entgegnete LeTüröffnungen des ehemaligen grand grimmig. »Die wissen doch ge- Halbkellers lagen unter fest nau, dass in den Drecklöchern nichts getrampeltem Schutt begraben. als Ratten, Kakerlaken und Vampire Unkraut wucherte auf den Hügeln aus hausen. Hier könnte man anfangen, Erde, Müll und Mörtel, vermischt mit die ganze verdammte Brut auszulöZiegelstein- und Asphaltbrocken und schen.« verfaulten Holzteilen aus dem Haus. »All right«, sagte Fletcher. »Genau Das von Staub überzogene Unkraut 5,7-Liter-Achtzylinder und gab dem
19
Einzigen, die je den Herrscher, den vermochte das viele herumliegende Zeug nicht zu verbergen: leere Bierdo- mächtigen Vampir im Hintergrund, sen, Einmalspritzen und Crack-Phio- erwischt hatten. Die beiden Männer stiegen aus, len. »Gefällt mir nicht«, murmelte öffneten den Kofferraum und legten Legrand. »Da ist ja wirklich alles ihre Ausrüstung an. Es störte sie nicht, zugeschüttet. Jedes verdammte Loch.« dabei aus den Schattenlöchern der »Kein Hindernis für einen Vampir.« Ruinenhöhlen beobachtet zu werden. »Was du nicht sagst.« Der Kreole Im Gegenteil, wenn sich ihre überlegte kurz. »Bevor wir uns den Anwesenheit herumsprach, war das nur Kerl schnappen...« gut für ihre Strategie. »Vielleicht ist er nicht allein«, fiel Die Cops waren kein Problem. Auch Fletcher ihm ins Wort. »Du kennst die sie hatten einflussreiche Freunde. Information: Legrand und Fletcher stiegen in ihre »Es ist nicht auszuschließen, dass Rüstungen aus schwarzem Leder. Im Zingaro befreundeten Vampiren in gesamten Oberkörperbereich und an seinem Keller Unterschlupf gewährte« anderen wichtigen Stellen war das »Bevor wir uns den Kerl schnappen«, setzte Legrand geduldig
Leder mit Stahlplatten unterfüttert. Insbesondere traf das auch für den
von neuem an, »will ich wissen, wie es Halsschutz zu, der wie ein hoher hinter dem Haus aussieht.« schwarzer Stehkragen aussah. »Würde mich auch interessieren«, Das Koppel war mit verschiedenen sagte Fletcher spöttisch, um seinen
Futteralen und Holstern bestückt. Die
Partner wissen zu lassen, dass auch er in der Lage war, taktische Notwendigkeiten zu erkennen. Legrand brummte lediglich. In Gedanken war er bereits bei den möglichen Varianten des Zugriffs. Zingaro war schlau. Ein Unterführer in der Organisation der New Yorker Vampire. Als Refugium für die Stunden des Tageslichts hatte er sich dieses Ruinen- und Trümmergewölbe ausgesucht. Das hatten die Kundschafter hier in Harlem, dem Schwarzenviertel Manhattans, nach langen BeschattungsAktionen herausgefunden. Legrand und Fletcher, die beiden Vampir Jäger aus New Orleans, hatten große Erfolge vorzuweisen. Niemand, der noch lebte, konnte so viele Hits vorweisen wie sie. Und sie waren die 20
schweren Semi-Automatiks steckten in Schnellziehholstern. Griffbereit vor diesen schweren Waffen befanden sich Reservemagazine, die Explosivgeschosse enthielten. Links an der Hüfte trugen die Vampir Jäger ihre
Machete in einer ultra-gleitfähigen Scheide aus Hartleder. In kleinen Lederhülsen auf dem
Brustpanzer steckten die hölzernen Pflockgeschosse für die High-TechArmbrüste. Der Kofferraum des Pontiac enthielt
ein umfangreiches Arsenal an weiteren Waffen, Granaten, Geräten und Werkzeugen. Hochgerüstet wie bei jedem Einsatz, machten sich Legrand und Fletcher
auf den Weg. Sie erklommen die stinkenden Hügel vor der Ruine. Legrand zog die Pistole und ging
als Erster Eingangsloch
auf zu.
das Der
dunkle Gestank
verstärkte sich. In der Sonnenhitze
schwitzte das Gemäuer die übelsten Duftnoten aus. Fletcher folgte seinem Partner mit
drei Yards Abstand, nach allen Seiten sichernd. Wie Legrand hielt er die Armbrust in der Linken und hatte zusätzlich die Automatik gezogen. Der Kreole nickte Fletcher zu und trat in den dunklen Eingang, wo ihn der Gestank umhüllte wie ein erstickendes Tuch. Das Weiße von Augen erschien plötzlich vor Legrand in der Dunkelheit, ein ganzer Halbkreis davon. »Hi, Bruder«, sagte eines der Augenpaare. »Was für ein Spiel spielt ihr? Krieg oder was?« Der Rest des Halbkreises lachte glucksend. Sechs zottige Kerle. Der ganze Verein unterschied sich
se Bude ausgesucht hatte. Aus dem Inneren des Hauses gab es keinen Zugang zum Souterrain. Die einstigen Türen vorn und hinten waren so zugeschüttet wie die Fenster. Legrand überlegte nicht lange. »Wir machen es an der Rückseite«, sagte er. »Da haben wir die besten Deckungsmöglichkeiten.« Fletcher nickte und stellte keine Fragen. Er wusste, was sein Partner vorhatte. Die Auswahl an Alternativen war ohnehin geschrumpft. Fletcher bezog Posten im Hinterhof und untersuchte vorsorglich die gegenüberliegende Ruine. In der Tat boten die verwitterten Fenstersimse im gestanksmäßig nicht von der Erdgeschoss gute Deckung. Umgebung. Legrand kehrte mit einem Schnell»Oder was«, antwortete Legrand feuergewehr und einer schwarzen geduldig. »Und jetzt geht nach Hause. Kiste zurück. Gemeinsam gingen die beiden Männer in Stellung. Ihr dürft nämlich nicht mitspielen.« Während der Kreole das SchnellAllein aus dem Klang seiner Worte folgerten sie, dass er meinte, was er feuergewehr vorbereitete, benutzte sein sagte. untersetzter Kollege die Machete, um Die Augenpaare verschwanden. Es die Kiste aufzuhebein. Schlanke raschelte
und
scharrte
in
der
penetrant dünstenden Dunkelheit. Dann kehrte Ruhe ein, als sie in Richtung Rückseite des Hauses verschwunden waren. Die Vampirjäger folgten ihnen bis auf den Hinterhof und sahen sich kurz um. Es stimmte. Alles war zugeschüttet wie nach einem zehn Jahre zurückliegenden Bombentreffer. Sie kehrten ins Haus zurück und klopften den Fußboden ab. Beton. Zingaro hatte gewusst, warum er sich die-
schwarze
Flugkörper
von halber
Armlänge waren darin gestapelt. Gewehrgranaten. Fletcher nahm eine heraus, und die Stabilisierungsflossen entfalteten sich. Er drückte sie wieder zusammen, um das Projektil in die Abschussvorrichtung des Gewehrs zu stecken. Legrand schob den Vorderschaft auf die rohen Mauersteine der früheren Fensterbank und richtete die raketenähnliche Spitze der Granate auf 21
den Schutthügel, der die Hintertür
che Weise vor wie sein Partner. Sie
zum Souterrain versperrte. Fletcher
mussten nicht mehr reden. Sie waren
löste bereits die nächste Granate aus der Kiste. »Achtung«, sagte Legrand und zog durch. Es gab einen dumpfen Knall und der Gewehrkolben hieb ihm in die Schulter. Sofort zog der Kreole den Kopf ein. Sein Partner folgte seinem Beispiel. Drüben schlug die Granate in das obere Drittel des Schutthaufens ein und detonierte. Es krachte ohrenbetäubend. Erde, Steinbrocken und Holzteile flogen hoch und sausten nach allen Seiten davon. Auch in die Deckung der Vampirjäger.
ein eingespieltes Team. Ihr Grundsatz war es,stets mit dem Schlimmsten zu rechnen. Wenn dieser Typ namens Zingaro also kein Einzelgänger war, hatte er unter Umständen eine ganze Horde von Anhängern um sich geschart. Die Vampirjäger verloren keine Zeit. Ab jetzt mussten sie schnell sein,
ungeheuer schnell, denn es war ziemlich sicher, dass sie das »Zielobjekt«geweckt hatten.
Mit zwei Yards Abstand stürmten Legrand und Fletcher über die Über ihre gekrümmten Rücken hinweg Trümmerlandschaft des Hinterhofs. prasselte der Dreck. Der Kreole überwand den Krater als Erster. Das grellweiße Lichtrohr des Noch bevor es still wurde, hielt Zielscheinwerfers stach in einen Nebel Legrand seinem Partner das Gewehr aus Staub, der die Finsternis im Keller zum Nachladen hin. Die zweite ausfüllte. Granate jagte er in den deutlich kleiner Legrand sprang durch die Türgewordenen Hügel, dessen Spitze sich
öffnung. Aus der Bewegung heraus
in einen Krater verwandelt hatte. Wieder krachte es, und der Schutt flog in hohem Bogen.
warf er sich nach links. Fletchers Zielscheinwerfer folgte ihm. Doch es gab keine Attacke auf die Türöffnung, auf die Stelle, an der Legrand vor einer Zehntelsekunde aufgetaucht war. Es raschelte ein wenig im Dunkeln. Der Kreole kannte das. So hörten
Legrand ließ eine dritte Granate
folgen. Dann spähten die beiden Männer
hinüber. Der Krater war flach geworden, und
dahinter gähnte das leere, dunkle Rechteck der Tür. »Geschafft!«, stieß Fletcher triumphierend hervor. »Das reicht für eine ganze Kompanie zum Reinspazieren.« Legrand nickte nur. Er schnappte sich die Armbrust, lud sie mit einem Pflockgeschoss und schaltete den Zielscheinwerfer und das
sich Rattenschwänze auf trockenem
Boden an, wenn die Viecher durch die Gegend wuselten. Ansonsten rührte
sich überhaupt nichts. Während Fletcher langsam zum Eingang hin vordrang, hatte Legrand sich aufgerichtet. Seine Muskeln standen unter Hochspannung. Er richtete den Zielscheinwerfer nach oben, suchte die Kellerdecke ab. Laserzielgerät ein. In die linke Hand nahm er die Machete. Wenn Zingaro irgendwo dort oben Fletcher bereitete sich auf die glei- hing, würde er jeden Moment angrei22
fen. Vampire, die aus der Fledermausperspektive angriffen, hielten
Es war nur ein leises Rascheln. Stoff auf Stoff. sich für originell. Weil sie glaubten, Das Bett! Sterbliche damit besonders stark zu »Aufpassen!«, brüllte Fletcher. Sein erschrecken. Scheinwerferstrahl flog herum. Legrand konnte darüber nur Legrand tat das Einzige, was er grinsen. Ihm war es egal, ob ihn ein angesichts der Schnelligkeit des Blutsauger von oben, von unten, von vorn oder von hinten anflog. Die
Vampirs tun konnte, der unter dem Bett hervorkam. Er ließ sich fallen -
Jungs kriegten ihren Pflock so oder so. Mit der High-Tech-Armbrust war Zielen das reinste Kinderspiel. Die Kellerdecke war leer. Fletcher erreichte die Türöffnung und machte zwei schnelle Schritte ins Innere. Beide Lichtröhren glitten jetzt über den Fußboden, kreuzten sich, trennten sich, fanden sich wieder. Im nächsten Moment trafen sie sich auf dem gemeinsamen Ziel. Ein Bett. Nur die morbidesten Vampire schliefen tatsächlich auch heute noch in einem Sarg. Die meisten hielten sich eben nicht für die Leichen, die sie waren. Ratten balgten sich darauf, durch nichts zu beirren. Ihnen gehörte die Welt - besonders der dunkle Teil davon, und das galt besonders hier in New York. Legrand war nach rechts von der Türöffnung weg gewichen. Legrand nickte ihm zu. Das wenige Tageslicht, das hereinfiel, reichte ihnen zur Verständigung. Zingaro schien doch ein Einzelgänger zu sein. Legrand drehte sich langsam nach links, ließ den Zielscheinwerfer mit seiner Blickrichtung wandern. Sein Partner suchte in der entgegengesetzten Richtung. Legrands Scheinwerfer hatte eben die zur Straße gerichtete Kellerwand erreicht, als das Geräusch einsetzte.
so blitzartig, wie es ihn die Erfahrung gelehrt hatte. Fauchend und grollend sauste es schwarz über ihn hinweg. Ein wütender Laut entfuhr dem Vampir, als er ins Leere vorstieß. Im selben Moment feuerte Fletcher seine Armbrust ab und warf sich zur Seite. Der Bolzen traf den Vampir im Flug, von oben, knapp unterhalb des Schlüsselbeins. Die ungeheure trieb das Durchschlagskraft daumendicke Holzprojektil tief in den Brustkorb hinein. Legrand federte auf die Beine, riss die Armbrust hoch. Der Lichtstrahl und der Laserzielpunkt trafen den Vampir voll ins bleiche Gesicht. Die Bestie brüllte, dass es den Männern durch Mark und Bein ging. Legrand ließ Zielgerät und Scheinwerfer abwärtsrucken. Der rote Punkt erglühte auf der Brust des Schwarzgekleideten, über dem Herzen. Für den winzigen Bruchteil einer Sekunde war die verzerrte Fratze des Vampirs zu sehen, seine zwischen den blutleeren Lippen hervorwachsenden Reißzähne, die sich schweflig verfärbenden Augen und die kreideweiße Gesichtshaut. Die langen schwarzen Haare wehten hoch, als er sich zum Sprung duckte. Der Laserpunkt stimmte. Legrand zog durch. Die ungeheure Wucht des Einschus-
24
ses ließ den Vampir erbeben. Ein Schauer durchlief ihn. Ungläubig stierte er an sich hinab. In wilder, tobsüchtiger Hast griff er in die Einschusswunde und versuchte, Michelle gehörte zu den wenigen Leuten, die das Nummernschild kannten. Noch bevor er ausstieg, wusste sie deshalb, dass ihr Daddy überraschend nach Hause kam. Es war später Nachmittag, und er hatte erst um 20 Uhr Dienstschluss. Doch Legrand ließ die Armbrust fallen, packte den Griff der Machete Da hätte sie endlich mal Zeit gehabt, mit beiden Händen und sprang auf den sich ihren Tagträumen von Bruce zu Vampir zu, der verzweifelt an dem widmen - und was passierte? Schon Pflock zerrte. wieder wurde sie gestört. Und von Der sensende Hieb des Kreolen wem? Natürlich von Daddy dem trennte den Kopf des Vampirs so Großen. perfekt vom Rumpf, dass er direkt Auf dem Herd brutzelte French Toast neben dessen Körper zu Boden fiel. in zwei Pfannen - Weißbrot, in
den
Pflock
zu
fassen
und
herauszuziehen. Noch sträubte er sich mit aller Macht gegen sein Ende. Und noch hatte er eine Chance. Er brüllte, dass die Mauern der Ruine erbebten.
Nun war auch Fletcher zur Stelle,
flüssiges Ei getaucht. Sie hatte mal
und gemeinsam packten die beiden
wieder einen richtigen Heißhunger
Vampirjäger die rasch verwesende Leiche und schleuderten sie durch die Türöffnung. Legrand warf den Kopf hinterher. Beide Körperteile des Vampirs wurden vom Sonnenlicht erfasst und verglühten mit einer explosionsartigen Stichflamme. Als die Glut in sich zusammensank, wurde Zingaros Asche ein Teil der Schutthügel zwischen den Ruinen von Harlem .. .
darauf, und wie sie sich kannte, würde sie eine Riesenportion verschlingen. Glücklicherweise hatte sie nie Probleme mit ihrer Linie gehabt. Robert Killroy stürmte die Treppe herauf
und
enterte
auch
seine
Wohnung im Sturmschritt. »Du kannst in meinem Zimmer nachsehen«, sagte Michelle und wendete seelenruhig ihre sich bräunenden Leckerbissen in den Pfannen. »Ich habe keine fremden Männer mitgebracht.« Killroy drehte einen Küchenstuhl um und setzte sich rittlings darauf.
»Denk nicht immer nur Schlechtes von Vor dem Haus hielt ein Dienstwagen des NYPD an. Michelle sah ihn durchs Küchenfenster. Es war die Zivilversion eines Lincoln Town Car, dunkelblau, und durch nichts als ein Fahrzeug der Kriminalabteilung des Reviers Midtown South zu erkennen.
mir«, sagte er und steckte sich eine
Zigarette an. »Weshalb bist du dann hier?«, entgegnete
Michelle,
ohne
mit
dem
Schalten und Walten am Herd aufzuhören. »Etwa nicht zur Kontrolle?« 25
»Ich habe unangenehme Neuigkeiten.« Michelle, hörte nur halb hin, weil Dads Neuigkeiten meist unangenehm waren. Meist handelte es sich um böse Sachen, die Mädchen in Michelles Alter im
Verbrechenspfuhl
New
York
drückte seine Zigarette in den Aschenbecher. »Sagt dir das was?« Sie starrte ihn an. »Wie hast du das rausgekriegt? Oder hab ichs dir aus Versehen verraten?« »Was?«
»Dass ich gestern Abend da war.«
widerfahren waren.
Hob Killroy schüttelte den Kopf und »Was ist mit deinem Dienstpartner?«, griff nach dem Zuckerstreuer. »Du hast fragte sie. von irgendeiner Disco geredet, und »Was soll sein? Der sitzt unten im du hast abgestritten, dass du mit Wagen, am Funkgerät.« Kevin dort warst.« »Vielleicht hat er Appetit auf French »Ja und?«, erwiderte sie trotzig. Toast. Willst du ihn nicht raufrufen?« »Stimmt ja auch.« »Wir sind im Dienst, Michelle.« »Kevin ist immer noch da - nicht in »Trotzdem kommst du zur der Disco, sondern auf der Baustelle Kontrolle?« Sie schaufelte die nebenan.« goldbraunen Ergebnisse ihrer Kochkunst »Was geht mich das an? Wenn ihm auf einen Teller. die Arbeit auf dem Bau gefällt »Ich komme vom Einsatz«, sagte ihr meinetwegen.« Michelle übernahm den Dad nach einem Lungenzug. Er ließ den Zuckerstreuer von ihrem Dad und Rauch beim Sprechen durch die Nase
häufte eine Serie flacher Kristallkegel
ausströmen. »Tatortermittlung. Willst du auf ihren Toast. wissen, wo?« »Nein.« Michelle brachte zwei leere »Weißt du, was Moniereisen sind?« Teller, Besteck und die Zuckerdose mit Michelle zuckte mit den Schultern. und setzte sich ihrem Vater gegenüber. »Eisenstäbe, die in Formen gebogen Alles in ihr sträubte sich, jetzt eine der werden, zur Bewehrung von Bauteilen üblichen Horrorgeschichten zu hören. aus Beton«, erklärte Hob Killroy und Sie wollte an Bruce denken, nur an begann zu essen. »Kevin steckt auf Bruce und an niemanden sonst. genau achtzehn solcher Stäbe, Seufzend fügte sie hinzu: senkrecht aufragend. Er muss aus »Aber ich nehme an, du wirst es mir ziemlicher Höhe und mit ziemlicher trotzdem sagen.« Wucht darauf gefallen sein, denn die »Exakt.« Er zog sich einen leeren Stäbe ragen einen Meter aus dem Teller heran und lud sich heißen, fertigen Beton-Fundament, und sie duftenden French Toasts auf. »Es ist 26 eine Baustelle, neben einer Disco.« Michelle verdrehte die Augen. »Natürlich eine Disco, die ich kenne.« Sie beugte sich vor und rief ihm eine Tatsache in Erinnerung: »Dad, ich kenne jede Disco in New York und Umgebung.« »Pier 66«, sagte er unbeirrt und
haben ihn vollständig durchbohrt.« Michelles Selbstbewusstsein zerfaserte. »Mein Gott!«, hauchte sie.
»Wie ist denn das passiert?« »Wir
wissen
es
noch
nicht«,
antwortete ihr Dad. »Bislang haben wir keine verwertbaren Spuren am Tatort gefunden, und die Obduktionen sind noch nicht abgeschlossen.«
»Obduktionen?« »Ja, richtig. Kevin ist nicht die einzige Leiche, die wir uns ansehen mussten.« »Nein?«
»Nein. So einen 2-Zentner-Mann haben unsere Beamten aus einem Betonmischer gezogen. Den Holzstiel eines
Vorschlaghammers
in
nigen, der das getan hatte, nicht in die Arme gelaufen war, als er vor der Meute weggerannt war ...
den
Eingeweiden.« »Bafo!«, wisperte Michelle entsetzt.
*
»Aha«, sagte ihr Dad mit der Im Deskroom des Polizeireviers Midbekannten Betonung. »Dann noch so town South herrschte Hochbetrieb. ein Schwergewicht. Mit Glatze. Der Der hohe Tresen aus polierter Eiche hat einen Kopfsprung auf Betonsteine nahm die ganze Länge des gemacht.« saalähnlichen Raums ein. Die »Porco!« Michelle schrie es fast. uniformierten Sergeants und Officers »Es geht noch weiter«, sagte Killroy hinter dem Tresen blickten wie von grimmig. »So ein Stiernackentyp.« einem Thron herab auf Huren, »Shaker!« Strichjungen, Zuhälter, Dealer, Junkies »Herzerfrischende Namen haben sie, und ein paar aggressive Obdachlose. deine Leute.« In Minutenabständen lieferten »Das sind nicht meine Leute, das ist Streifencops schellenklirrenden Kevins Clique.« Nachschub, das Strandgut des Abends, »Aha. Ich habe noch einen die menschlichen Ratten und Langhaarigen zu bieten, der wurde in einKakerlaken aus den Nachtschatten Stahlgerüst geflochten.« New Yorks. »Mungo.« Michelle kannte fast jeden der Cops, Killroy schob sich den letzten Bissen man begrüßte sich mit »Hallo!«, in den Mund. »Fehlt noch jemand? Handschlag, Schulterklopfen oder Oder haben wir jetzt alle? Ich meine, einem freundlichen »Na, Daddy könnte ja sein, dass noch einer in besuchen?« Michelle bemerkte die frischen Beton getaucht wurde, nach anerkennenden und beeindruckten guter alter Mafia-Art.« Blicke, die ihrem neuen Freund Michelle stopfte sich den Mund mit galten. Glühend heißer Stolz erfüllte French Toast voll. Sie wollte einfach sie. nicht mehr reden. Gewiss, es war Bruce zeigte sich mit ihr, sogar hier. tragisch und schrecklich, was mit Das bedeutete, sie war für ihn mehr Kevin und den anderen passiert war. als nur ein Abenteuer. Obwohl sie Aber letzten Endes ging sie das versessen darauf war, mit ihm zu überhaupt nichts mehr an. Dad hatte schlafen, wusste sie es jedoch zu Kevin ohnehin immer als halb würdigen, dass er es nicht gleich in kriminell bezeichnet. Nun war er also einer dunklen Ecke der Disco mit ihr so geendet, wie es ihm zustand. getrieben hatte. Sie war nur froh, dass Bruce demjeUnd er schien eine
romantische 27
Ader zu haben, denn er war sofort
mit nerve!« Rob Killroy erschien in
einverstanden gewesen, das »Pier 66«
der offenen Tür. Als er Bruce
zu verlassen und in den abendlichen Straßen Manhattans mit Michelle spazieren zu gehen. Auch gegen ihren altmodischen Wunsch, ihn ihrem Vater vorzustellen, hatte er nichts einzu wenden gehabt.
betrachtete, nahm sein prüfender Blick einen wohlwollenden Ausdruck an, und seine Gesichtszüge entspannten sich. »Aha!«, erwiderte Bruce und lachte. Michelle boxte ihm in die Seite. »Dad«, sagte sie, »das ist Bruce. Bruce, das ist mein Dad.« Der ältere und der jüngere Mann schüttelten sich die Hand. »Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Rob Killroy. »Ich freue mich auch«, erwiderte Bruce. Michelle kam aus dem Staunen nicht heraus. Daddy schien an ihrem neuen Freund tatsächlich nichts auszusetzen zu haben, denn sonst hätte sie die Zeichen erkannt. Versteckte Anspielungen, bissige Bemerkungen, feindselige Blicke - sie kannte das ganze Repertoire. Sie setzten sich nicht erst. Rob Killroy entschuldigte sich damit, dass er Überstunden machen müsse und ungeheuer viel zu tun habe. Michelle hatte Bruce bereits erzählt, dass es um den Mordfall Kevin und Co. ging. »Kannten Sie Kevin?«, fragte Killroy irgendwann beim Smalltalk. »Kennen kann man's nicht nennen«, erwiderte Bruce. »Ich habe diese Typen nur kurz gesehen. Als Michelle mir dann sagte, dieser Kevin sei ihr Ex-Freund . . . «, er entschuldigte sich mit einem Seitenblick zu ihr, »also da habe ich mich schon sehr gewundert. Eine so hübsche junge Frau wie Michelle hat es doch nicht nötig, sich mit so einer
Michelle führte ihn in den ersten
Stock des Reviergebäudes, wo sich die Büros der Detective Division befanden, der Kriminalabteilung »Daddys Reich«, wie sie es nannte. Bruce war ja so total cool, noch viel cooler als sie gedacht hatte. Die Neuigkeit, dass Kevin und seine Kerle, vor denen er gestern Abend weggelaufen war, heute Morgen massakriert
aufgefunden
worden
waren, war ihm nicht mehr als ein beiläufiges Nicken wert. Dass ihr Dad den Fall bearbeitete, hatte Bruce aber immerhin das steile Aufrichten einer Augenbraue entlockt. Der Weg führte nicht etwa durch einen lauten Squadroom, sondern zu einem Büro mit Vorzimmer, am Ende des Korridors. »Robert A. Killroy,
Detective Lieutenant«, stand auf dem Türschild. Das Vorzimmer war leer, die Tür zum verqualmten Büro des Abteilungsleiters stand offen. »Dad ist hier der Boss«, erklärte Michelle. »Über ihm steht nur noch Captain Dougal, der Revierleiter.« Sie blickte zu ihrem starken Bruce auf
und schmiegte sich im Gehen an ihn. »Aha«, sagte er. »Sag nicht >Aha< - bitte!« »Warum nicht?« Eine Stimme aus dem Zigarettenqualm antwortete. »Weil ich sie schon dauernd da28
Kanalratte abzugeben. Sorry, weil er jetzt tot ist, aber…« »Da hörst du's, Michelle!«, rief Killroy erfreut. »Endlich hörst du mal, dass ich mit meiner Meinung nicht gleich bewundernd an. »Du hast sehr allein dastehe.« In seinen Augen, in seinem ganzen Gesicht war viel Erfahrung, stimmts? Dabei bist du doch bestimmt zwanzig Jahre jünger abzulesen, dass Bruce bei ihm auf einen Schlag hundert neue als Dad.« »Nicht alles ist eine Frage des Anerkennungspunkte gesammelt hatte. »Ja«, antwortete Michelle sanft und Alters.« Bruces ebenmäßiges Gesicht nutzte die Gelegenheit, sich erneut an blieb unbewegt. Bruce zu schmiegen, diesmal »Aber in meinem Zimmer kann ich sozusagen im Licht des väterlichen machen, was ich will«, trumpfte Wohlwollens. Michelle auf. »Wir wollen Sie nicht länger bei
der Arbeit stören, Sir«, entschied Bruce und punktete damit von Neuem. Detective Lieutenant Rob Killroy gab seiner Tochter mit einem Blick zu verstehen, dass er angenehm überrascht war. Er blickte seinen Besuchern zufrieden lächelnd nach.
»Sicher«, erwiderte Bruce. »Nur
nicht mit mir.« Michelle starrte ihn an. Ihr lag auf der Zunge, dass sie sonst nur mit dem kleinen Finger zu winken brauchte, damit die Boys hinter ihr her dackelten. Allerdings hatte sie noch keinen mit nach Hause genommen, auch Kevin nicht. Aber bei dem hätte ihr Dad sowieso einen Tobsuchtsanfall bekommen. Und nun dies. Ausgerechnet der Liebste und Süßeste, dem sie sich anbot, wollte nicht. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte sie schließlich. »Ich zeigs dir«, antwortete Bruce kurz angebunden. Er winkte sie mit sich, zu seiner Harley, die auf der anderen Straßenseite stand. Erneut verspürte Michelle unbändigen Stolz. Auf dem Sozius der
Michelle hatte endlich einmal das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben. »Du hast Daddy schwer beeindruckt«, sagte sie, als sie mit Bruce draußen vor dem Reviergebäude stand. Er nickte. Die ankommenden und die abfahrenden Streifenwagen schienen ihn mehr zu interessieren. »Er muss bestimmt sehr lange arbeiten«, sagte Michelle und legte den Arm um die Hüfte ihres Liebsten. »Da könnten wir zu mir nach Hause gehen bulligen Maschine mitzufahren, an und.. .« Bruces starken und breiten Rücken »Nein«, unterbrach Bruce sie rau. geschmiegt, die Arme um seine Taille »Das wäre unfair gegenüber deinem Vater. Er ist ein Mann von Prinzipien. geschlungen - das war einfach das Größte, was sie jemals erlebt hatte. Das muss man respektieren.« Er fuhr mit ihr die Eighth Avenue Michelle sah ihn forschend und zu-
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hinauf, von der 35th Street, wo sich
sie zum Bett, legte sie vorsichtig ab. Bruce zog seine Lederjacke aus und in die er nach rechts einbog. beugte sich über sie. Seine Küsse Michelle war noch nie in einem Hotel wanderten von ihrem Mund zu ihrem gewesen, und eins wie dieses hatte sie Hals. noch nicht mal im Fernsehen oder im Ein kurzer Schmerz durchzuckte sie, Kino gesehen. Die Lobby war das als er sie ein wenig zu stürmisch absolut Coolste, mit all den schrillen küsste, dann brandete eine nie Designermöbeln und der Treppe, die gekannte Ekstase über sie hinweg . . . ins Nichts führte. Besonders stark fand Michelle aber das Personal - alles ultrajunge Leute, das Polizeirevier befand, bis zur 46th,
in elegante schwarze Anzüge oder Kostüme gekleidet. Überall standen
sie herum, auf dem Sprung, und waren
Bruce bemerkte den Verfolger, gleich nachdem er Michelle zu Hause Mund aufmachte, um einen Wunsch zu abgesetzt hatte. Ein Pontiac TransAm, schwarz wie die Nacht. äußern. Er war aus der 48. Straße in die So verhielt es sich auch bei Bruce, als er einen schlanken Afro- zehnte Avenue eingebogen, Richtung amerikaner nach einem übrig Manhattan Süd, und sie waren ihm sofort aufgefallen. Dabei stellten sie gebliebenen Zimmer fragte. Es war es sehr geschickt an. Sie hatten ihren eine Sache von ein paar Minuten und gegenüber der ein paar Dollarnoten, die diskret ihren Wagen schräg Einmündung geparkt, an der Besitzer wechselten, und Bruce hatte Bordsteinkante der Zehnten. das Zimmer. Als das Licht gerade einmal günstig Es befand sich im achten Stock. Ein mit Blattgold getäfelter Fahrstuhl war, sah Bruce ihre Gesichter durch brachte sie hinauf, und Michelle stockte das Anthrazit der Windschutzscheibe der Atem, als sie das breite Bett und wie auf einem Röntgenbild. Ein den eleganten Rest der Einrichtung Weißer auf dem Beifahrersitz, ein sah. hellhäutiger Farbiger hinter dem Am tollsten aber war die Wand am Lenkrad. Kopfende des Betts. Sie wurde Es war viel los, und so hielten sie es vollständig von einem riesigen für unauffällig, sich in den fließenden goldgerahmten Gemälde-Reprint Verkehr einzufädeln, nachdem die eingenommen. Es zeigte den Mann Ampel in der Südrichtung auf Grün mit dem Goldhelm, leuchtend in seinen umgesprungen war. Farben, vor einem vollständig Bruce tuckerte gemächlich dahin schwarzen Hintergrund. und beobachtete die Verfolger in den Mit strahlenden Augen nahm sie beiden Spiegeln der Harley. Sie hielten ihren Geliebten in die Arme, schmiegte ihren Abstand. Fünf, sechs sich zärtlich an ihn. Fahrzeuglängen, manchmal mehr. Sanft hob er sie hoch und trug Bruce gab sich keine Mühe, ihnen zu sofort mit größter Freundlichkeit zur Stelle, wenn ein Gast auch nur den
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entwischen, obwohl er es gekonnt hätte. Schon vorhin beim Abbiegen hatte er gewusst, mit wem er es zu tun hatte. Es waren die beiden Vampirjäger, vor denen der Baron ihn gewarnt hatte. Legrand und Fletcher aus New Orleans. Ihr erstes Opfer hatten sie bereits gefunden, seinen Leutnant oben in Harlem. Bruce war überzeugt, dass sie ihn jetzt noch nicht angreifen wollten. Legrand
und
Fletcher
waren
erfahrene Männer. Sie wussten, dass es der helle Wahnsinn war, einen Vampir in der Zeit anzugreifen, in der er hellwach war und all seine Macht entfalten konnte - nachts. Vampirjäger erledigten ihre Feinde vorzugweise bei Tageslicht, bei vernichtendem Sonnenschein, wenn die Vampire schon alle Konzentration dafür aufbringen mussten, um überhaupt wach zu sein. Legrand und Fletcher gingen ein enormes Risiko ein, ihn, Bruce, in den Nachtstunden zu beschatten. Sie wollten seine bevorzugten Aufenthaltsorte herausfinden und vor allem seinen derzeitigen Unterschlupf. Das würde ihnen die Möglichkeit geben, ihn tagsüber aufzuscheuchen und in die Sonne zu treiben - so, wie sie es mit Zingaro, diesem Versager, gemacht hatten. Sie schienen überzeugt, dass er sie nicht bemerkt hatte. Und sie rechneten wohl damit, dass er über kurz oder lang seine Bleibe aufsuchen würde. Es ging bereits auf zwei Uhr morgens zu. Michelle
war
sehr
anhänglich
gewesen. Umso froher war er, dass Killroy noch nicht zu Hause gewesen war, als er seine Tochter zu Hause
abgeliefert
hatte. Nicht nur er hatte den Detective Lieutenant beeindruckt, es war auch
umgekehrt so. Die Vampirjäger mussten sich seinen Respekt erst noch verdienen. Bruce beschloss, den Spieß umzudrehen. Auf der Kreuzung 30th Street bog er nach links ab. Etwa in der Mitte des Straßenzugs befand sich ein großer Parkplatz, an dessen Rückseite eine Großgarage gebaut war. Drei Etagen unter der Erde, fünf Stockwerke darüber. Unten in den Betongewölben konnten diese Typen aus New Orleans durchaus ein VampirVersteck vermuten. Das Gelände war nahezu dunkel. Nur eine kleine Reihe von Mastleuchten erhellten den Fahrstreifen zur Garageneinfahrt. Bevor er auf den Parkplatz einbog, vergewisserte sich Bruce, dass seine Verfolger den Anschluss nicht verpasst hatten. Eben wischte das Scheinwerferlicht ihres Pontiac über die Kreuzungsmitte und pendelte sich in die 30. Straße ein. Bruce gab Gas. Mit voller Power raste er die Rampen der Stockwerke hoch und erreichte das Dach. Er ließ die Harley bis an die Kante rollten und bockte sie auf. Als er abstieg und bis an den Dachrand ging, sah er den Pontiac. Die schwarze Limousine der Vampirjäger glitt auf die Garage zu. »Kommt nur, kommt nur«, murmelte er und grinste. Dann beobachtete Bruce, wie Flet-
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cher und Legrand Garageneinfahrt
kurz vor der stoppten.
Leider
stiegen sie sofort aus und gingen mit schussbereiten Armbrüsten auf das Tor zu. Verdammt, dachte Bruce. Na, dann eben anders . . . Er hob die Harley hoch, stemmte sie über den Kopf, trat an die Dachkante, zielte - und warf. Die Harley sauste abwärts, drehte sich einmal und krachte auf das Dach der schwarzen Limousine nieder. Bruce sah die Vampirjäger, wie sie vor Schreck zusammenzuckten, herumwirbelten - und sahen, was geschah. Sie schafften es gerade noch, sich hinter die flache Seitenmauer der Einfahrt zu werfen. Eine Stichflamme schoß aus der aufprallenden Harley. Das Krachen und Bersten von Stahl und Blech wurde zum Donnern. Allein die Aufschlagswucht der Maschine machte den Pontiac platt wie ein Brett. Doch die brüllende Explosion vereinte beide Fortbewegungs mittel zu einem sich biegenden und brechenden Materialgewirr inmitten eines Feuerballs, der sich von grellweißer Glut im Kern bis zu dunkelrot züngelnden Flammen am Rand auswuchs. Darüber formte sich ein schwarzer Rauchpilz, der immer fetter wurde und dem Nachthimmel entgegen strebte. »Und Gott sprach, es werde Licht«, murmelte er zufrieden. Der Flammenschein erreichte sein Gesicht, als er lächelte. Und die Vampirjäger sahen ihn. »Da ist er!«, rief Legrand. 32
»Wir müssen ihn uns schnappen!«, entschied Fletcher. Augenblicklich stürmten sie los, in die Einfahrt. Bruce wandte sich ab. In gemächlichem Trott lief er zur Mitte des Daches, wo sich ein Betonklotz von noch einmal Stockwerkshöhe befand. Fahrstuhlaggregate und Beund Entlüftungsanlagen waren darin untergebracht. Bruce sprang auf das Dach des
Betongehäuses und wartete. Er dachte nicht daran, sich zu verstecken. Er forderte seine Jäger zum Kampf, und sie ließen sich fordern. Sie tun genau das, was sie eigentlich nicht tun wollten, dachte er. Was sie nicht hätten tun sollten. Er grinste breit, war voll auf den Kampf eingestellt. Sie haben noch nicht kapiert, wer hier der Jäger und wer die Beute ist, ging es ihm durch den Sinn. ihre Zuerst fächerten Zielscheinwerfer aus dem Dunkel der Auffahrtsrampe, begleitet von den glutroten Stäben der Laserzielgeräte. Legrand und Fletcher hielten Abstand, als sie sich näherten. Bruce stellte sich in Positur. Sie begreifen noch immer nicht, welchen Fehler sie begehen, dachte er. Sie haben nicht die leiseste Ahnung, mit wem sie es zu tun haben. Diese Typen sind zu sehr von sich überzeugt! Bruce ließ sich von den Zielscheinwerfern erfassen. Sie blendeten ihn. Trotzdem wartete er geduldig, bis sich die beiden roten Laserpunkte gemeinsam auf seine Brust hefteten - genau in Herzhöhe. Er wartete auch noch die nächste Tausendstelsekunde ab, in der sich die
Zeigefinger der beiden Sterblichen krümmen würden. Und in diesem Moment, in dem ihre Zeigefinger nicht mehr zurückkonnten, zuckte er abwärts. Fletcher war inzwischen wieder auf Die Pflöcke zischten über ihn hinweg wie zwei kleine die Beine gekommen und hatte seine Überschallbomber. Machete gezogen, stand aber noch Bruce ließ den selbst ernannten taktierend da. Vampirjägern keine Zeit zum Nachladen Der Vampir fauchte und stürzte sich mit ausgebreiteten Armen aus seinen der Armbrüste und keine Zeit zum Gegner. Er wurde von einem Hieb Ziehen der Pistolen. Er sprang, überwand gut zehn empfangen, dem er unmöglich ausweiYards, und rammte den Stiernackigen chen konnte. zu Boden. Fletchers Schädel krachte Aber das hatte er auch gar nicht vor. auf den rauen Beton. Die Klinge fraß sich schmerzhaft in seine Seite. Gleichzeitig durchbrachen Benommen, aber noch nicht beseine Finger die Rippen des Menschen, wusstlos, blieb er liegen und stöhnte und keuchte verzweifelt, während er fanden das Herz und schlossen sich zur versuchte, wieder klar im Kopf zu Faust. werden. Noch während Morris Fletcher Bruce ließ von ihm ab. sterbend zu Boden sank, begann sich Im selben Augenblick schnellte die Wunde des Vampirs zu schließen. Legrand auf ihn zu. Der Kreole stieß
Sie war wesentlich weniger tief, als
einen wilden Angriffschrei aus und traf dem Vampir mit einem perfekten Karatetritt. Bruce taumelte zurück. der Triumphierend setzte Vampirjäger nach, doch Bruce war nicht wirklich angeschlagen und konterte aus dem Taumeln heraus. Wieder trat Legrand zu. Doch wo vorher noch sein Gegner gewesen war, befand sich nun nur noch Luft. Der Vampir war in einer gemächlich anmutenden Bewegung blitzschnell zur Seite gewichen. Nun schoss seine
man es nach der kräftigen Statur des Vampirjägers hätte vermuten sollen. Bruce ließ Fletchers Herz zu Boden fallen und leckte sich mit der Zunge das Blut von der Hand, während er wartete, bis er wieder vollständig intakt war. Dann nahm er den Weg über ein paar Nachbardächer, um sich zur Ruhe zu begeben. Bis nach South Ferry, wo sich eine seiner Buden befand, war es für ihn nicht weit. . . John Legrand zog sich schmerzerfüllt über die Kante des Hand vor und umschloss Legrands Daches. Es war schon ein Knöchel, stoppte jede Bewegung. unverschämtes Glück, dass er die Bruce grinste dem Vampirjäger breit Fahnenstange an der Außenmauer ins Gesicht. hatte fassen können. Er hatte gedacht, Und schleuderte ihn dann in einem sein Arm würde ihm aus der Schulter hohen Bogen über die Kannte des gerissen, aber er hatte sich hochziehen Daches! können. 33
Für Minuten war er zu keiner Regung fähig gewesen, hatte er sich
einfach nicht zugetraut, vorsichtig zurückzuklettern. Aber er lebte noch. Es würde eine Revanche geben. Er würde seinen Partner rächen .. .
laufen. Kollegen hatten einen Job in den Sand gesetzt und schwebten nun in Lebensgefahr. Eine Situation vermutlich, in die jeder Cop jeden Tag geraten konnte, zu jeder Stunde und Minute. Deshalb gab es dieses ungeschriebene Gesetz. Bei »10 - 13« ist alles andere Nebensache. Es gilt nur noch, den oder die Kollegen herauszuhauen, und wenn es das eigene Leben kostet. Zusammen mit mehr als einem Dutzend Streifenwagen und neutralen Dienstwagen jagte Killroy auf das Javits Center zu. Blaue Holzbarrieren mit der Aufschrift »POLICE LINE - DO NOT CROSS« sperrte die Straße zur Twelfth Avenue und zum Ufer des Hudson River hin ab. Ein Rudel Streifenwagen mit kreisenden Rotlichtern stand bereits vor der Absperrung. Im Pulk der Heranjagenden trat Killroy auf die Bremse, und nach dem Chor der kreischenden Reifen sprang
Robert Killroy gähnte über das Lenkrad seines Dienstwagens hinweg. Es war drei Uhr morgens, und er hatte nur noch den einen Wunsch: zu Hause in den Sessel sinken, ein Bier und zwei Zigaretten zur Entspannung und dann ins Bett fallen und auf der Stelle wie ein Toter schlafen. Im nächsten Moment verfluchte er seine Entscheidung, das Funkgerät nicht ausgeschaltet zu haben. »Zehn - dreizehn!«, rief die Beamtin in der Funkzentrale. »Zehn - dreizehn auf Position Twelfth Avenue, 39th Street, Nordseite Javits Center. Wer ist in der Nähe? Ich wiederhole - zehn dreizehn . . .« Detective Lieutenant Killroy er ins Freie und lief auf die schüttelte die Müdigkeit ab und
Absperrung zu. Hinter ihm und den
meldete sich.
ebenfalls rennenden Kollegen wuchs
»Position 40th Street«, sagte er
das Rotlicht zu einem Meer aus
knapp. »Bin unterwegs.« Dann öffnete er das Fenster, knallte das Magnet-Rotlicht aufs Dach, schaltete die Sirene ein und jagte los. Für ihn war es nur ein Katzensprung bis zur Straße an der
kreisförmigen Wellen an. Es zeigte sich, dass Killroy der ranghöchste Beamte am Ort des Geschehens war. Ein breitschultriger Police Sergeant namens John Eady informierte die zur
Nordseite
Verstärkung herbei Geeilten über den
des
»Jacob
K.
Javits
Convention Center«. Was dort, vor Stand der Dinge. dem riesigen Areal des Glaspalasts »Was wir haben, ist eine verdammte ablief, war geeignet, jedem Cop eine Geiselnahme. Ein Scheingeschäft Gänsehaut zu bereiten. 34 10-13 war der Funkcode für »Polizeibeamte in Gefahr«. Irgendwas war aus dem Ruder ge-
mit Waffendealern ist geplatzt. Genau da drüben, im Bereich der
Service-Zufahrten.« Er zeigte auf den riesigen Parkplatz des Glaspalastes.
Willkommen,
du, der du weißt, dass wir, die Menschen, nicht das beherrschende Volk auf der Erde sind. Ich bin Morpheus - der Herr der Albträume. Meinen Wünschen gehorchen
Autoren und Redakteure. Nach langem Warten, vielen Gerüchten und unzähligen Spekulationen hältst du nun endlich das erste Heft von VAMPIRE - Imperium der Finsternis in den Händen. Ich
hoffe, du hast deinen Spaß, findest es spannend und hast - vielleicht - ein paar Albträume. Dann sei willkommen in meinem Reich. Diese Seite ist für dich und andere wie dich. Sterbliche, denen bewusst ist, dass es
mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als man in der Schule lernt. Hier sollen Leserbriefe, Fan-Zeichnungen und vieles mehr, was du uns zuschickst, abgedruckt werden. Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Also sei fleißig! Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass wir nichts zur Serie verraten konnten und wollten. Ich habe darauf bestanden. Wenn man zu viel verrät, dann geht automatisch
ein Teil der Spannung verloren, Überraschungen sind keine mehr und rote Fäden werden zu früh entwirrt. Ich finde so was schrecklich! Da zumindest ich - und ich weiß, dass viele andere es auch machen - die Leserseite zuerst lesen, werde ich auch hier nichts über den aktuellen Roman verraten. Dafür aber über den nächsten. Denn da erfährt Killroy endlich etwas mehr über seine Gegner, denn der erfahrene Vampirjäger Mirco Rubik wird zu seinem Partner und Kampfgenossen. Ich wünsche (un)angenehme Träume
Der größte Teil der Fläche war leer. Nur in der Nähe der Service-Tore standen ein paar Autos im Schein der
Führung, Sir. Federführend war die gemeinsame FBI-NYPD-Ermittlungsgruppe Organisiertes Verbrechen« Außenlampen. Sie gehörten dem Sergeant Eady hob ratlos die Personal, das auch nachts arbeiten mus- Schultern. »Bei den Geiseln handelt es ste. Und ein dunkelgrüner Dodge sich um zwei Cops und zwei FBIVoyager, der den Waffenschiebern Agenten.« gehörte. »Na, toll«, sagte Killroy. »Haben wir Kontakt?«. Mit Musterstücken. Ware aus dem »Nein, Sir«, antwortete der ehemaligen Ostblock. Schnellfeuergewehre, Maschinenpistolen, Raketen- Sergeant. »Den Teil des Jobs behält werfer, Panzerfäuste. Die rechtsrasich der FBI vor.« dikalen Kampfgruppen in den Berg»Es wird immer besser«, sagte gallig. Mit einer wäldern des amerikanischen Westens Killroy galten als hochinteressierte und zahArmbewegung deutete er auf die lungskräftige Kunden. anwachsende Schar von Cops und das »Die Geiseln sind vier Undercover- Gewimmel der Streifenwagen. Ermittler«, fuhr Sergeant Eady fort. »Weshalb lassen wir dann unsere »Eine Frau, drei Männer. Einer von Armee aufmarschieren?« ihnen angeschossen, schwer verletzt, »Zur Verstärkung, Sir.« Der kann nicht geborgen werden. Drei Sergeant verzog gequält das Gesicht. Gangster - aber hier gehts wohl kaum »Befehl von Captain Dougal - auf um Mehrheitsverhältnisse. Einer sitzt als Anweisung von One Police Plaza.« Späher im Pförtnerhäuschen. Der l, Police Plaza war die Adresse des kontrolliert alles. Keiner kommt ran, NYPD-Hauptquartiers. ohne gesehen zu werden. Die beiden Rob Killroy bekam Bauchanderen sitzen mit den Geiseln in der schmerzen. Da lag ein Polizeibeamter Catering-Einfahrt.« in seinem Blut, und drei weitere konnten Killroy sah sich kurz um, während der jeden Moment eine Kugel kassieren Sergeant sprach. Rettungswagen waren und die Zuständigen taten so, als eingetroffen. Mittlerweile wimmelte es würden sie was tun. von uniformierten Cops. Auch etliche »Schickt der FBI jemanden raus?«, Beamte der Street Crime Units, in Zivil, erkundigte sich Killroy. »Oder machen waren eingetroffen. die es von der Federal Plaza aus Die Ungeduld der Kollegen war vielleicht als Videokonferenz mit den spürbar, leise Flüche waren zu hören. Gangstern? Vom Büro aus?« »Warum wurden wir nicht vorher Die Cops um Killroy herum lachten. informiert?«, fragte Killroy. FBI-Agenten standen bei ihnen nicht »Wir befinden uns hier im an der Spitze der Beliebtheitsskala. Zu Zuständigkeitsbereich von Midtown viele von der angeblichen Elite der South. Ich leite die Kriminalabteilung, Nation ließen ihren Elite-Dünkel zu und ich weiß von nichts. Weshalb ist das sehr raushängen. Vor allem gegenüber so?« den Cops, die sie als Fußvolk »Der Einsatz lief unter betrachteten. »Sie schicken ein Team«, erklärte FBI36
Sergeant Eady. »Mit einem Psychologen an der Spitze, der auf Gespräche mit Geiselnehmern spezialisiert ist. Solange das Team nicht eingetroffen ist, sollen wir nichts
Während Eady die gewünschte MPi holen ließ, checkte Killroy seine Beretta durch. Magazin bis zur Halskrause geladen, eine Patrone in der Kammer. Noch. Gesamtkapazität 19 Schuss. Mit der »Wie lange hält der angeschossene MPi hatte er noch mal die vierfache Kollege durch?«, fragte er. »Darüber haben wir keine Feuerkraft. Informationen, Sir.« Ein Police Officer kam mit dem »Wo ist das FBI-Team? Noch an der gewünschten Gerät herbeigelaufen. Federal Plaza oder schon unterwegs?« Killroy prüfte es ebenfalls durch und »Die Verbindung läuft über Captain marschierte los. Dougal, Sir. Ich habe keine direkten Hinter ihm hielten sie den Atem an. Informationen.« Sergeant Eady war grau im Gesicht. Killroy reichte es. Endgültig. Wahrscheinlich dachte er an das nächste Funkgespräch mit dem »All right«, knurrte er. »Ich bin Captain. dieser Psycho-Arsch vom FBI.« Detective Lieutenant Rob Killroy »Sir?«, rief der Sergeant entgeistert. Das Gemurmel der Cops verstummte. dachte an die Geiseln. An nichts anderes. Alle starrten den Detective Das Pförtnerhaus an der CateringLieutenant an. In ihren Blicken lag Bewunderung. Robert Killroy war einer, Einfahrt war ein kleiner Glaskasten im Stil des Gesamtkomplexes - eckig und der nicht lange fackelte. Ein Vorbild. Und er war einer der ihren, ein kantig, mit nur wenigen sichtbaren Frontschwein, kein Schreibtischstratege. Verstrebungen. Killroy erreichte die parkenden »Geben Sie mir eine Fahrzeuge und ging an ihnen vorbei. Maschinenpistole«, sagte Killroy. »Mit Laser und zwei Doppelmagazinen.« Er marschierte schnell und »Was wollen Sie denn damit?«, zielstrebig, wie jemand, der seinen entfuhr es dem Sergeant. Termin unbedingt einhalten will. Die Killroy grinste. »Damit überzeugt Maschinenpistole trug er am man Geiselnehmer, dass sie das Falsche Schulterriemen, hielt rechts an der tun.« Etwas milder fügte er hinzu: »Ich Hüfte die Hand drauf. Die Zufahrtsrampe führte links gehe rein, als Psycho-Quatscher vom FBI-Team - falls der Typ im neben dem Pförtnerhaus in den Pförtnerhaus hier anfragen sollte.« Bauch des Kongresszentrums. Sergeant Eady wollte etwas Irgendwo da unten, außerhalb des einwenden, aber ein Blick Killroys ließ Sichtwinkels, mussten sich die Bastarde ihn stumm bleiben. verschanzt haben ...
unternehmen.«
Killroy spürte, wie ihm die Adern schwollen. Aber er beherrschte sich.
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'Der Typ, der den Pförtner ersetzte, war ein bärtiger Latino, vom Aussehen her der typische Konterrevolutionär aus den Dschungeln von El Salvador oder Panama, direkt dem Fernsehen entsprungen. Er sah jemanden zielstrebig auf sich zu marschieren und bekam Stielaugen. Zusätzlich stellte sich bei ihm Maulsperre ein, als er sich hinter dem Schreibtisch hochschraubte. Seine Schrecksekunde dauerte an. Die
Ein Kugelhagel empfing ihn. Das Hämmern der dazugehörigen Waffe dröhnte durch das Tiefgeschoss. Knapp über ihm prasselten die Geschosse auf das Stahlblech der zuschwingenden Tür. Querschläger jaulten davon. Killroy landete auf einer Plattform, von der eine Treppe nach unten führte. Er rutschte ein Stück, dann sah er den Schießer - um die Spanne eines Atemzugs früher, als der Mann ihn erfasste. Der Kerl stand unten vor der Treppe, breitbeinig, die Waffe im Schulteranschlag. Blitzschnell kippte der Detective Lieutenant die Waffe nach unten ab und zog durch! Der Rückstoß rüttelte wie wild, die MPi schien sich in Killroys Fäusten buchstäblich aufzubäumen. Aber seine Kraft und seine eiserne Entschlossenheit siegten. Den Gangster mähte es von den Füßen. Killroy schob sich weiter vor, hatte nun das volle Blickfeld und zog den Kolben der Maschinenpistole an die Schulter. Eine Stimme schrillte in den Nachhall der Schüsse. »Schluss jetzt! Schluss mit der Ballerei, oder die Schlampe stirbt!«, stieß der Geiselnehmer kreischend hervor. Es sollte überlegen klingen, die Lage beherrschend, aber es hörte sich eher an wie das Gezeter eines Wahnsinnigen. »Sie ist FBI-Agentin, die Schöne! So was lasst ihr doch nicht einfach sterben, oder? Das gibt einen Wirbel, sage ich euch!«
Gedanken standen buchstäblich auf seiner Stirn geschrieben. Wie, zum Teufel, konnte einer hier einfach anspaziert kommen, wo doch Verhandeln angesagt war? Killroy erreichte die Tür des Pförtnerhäuschens und trat sie ein. Glasscherben klirrten und schepperten. Er sprang durch den Scherbenregen wie ein Tiger durch den brennenden Reifen. Der Revolutionär zuckte zusammen, erwachte aus seiner Schreckensstarre, riss seine MPi vom Schreibtisch hoch, und . .. Killroy feuerte mit seiner eigenen MPi aus der Hüfte. Zwei Dreiergruppen. Die sechs Geschosse wirbelten den Portier herum und zurück. Er klatschte gegen die Wand und rutschte langsam, wie in Zeitlupe, daran herunter, eine rote, schmierige Spur an der weiß verputzten Mauer hinterlassend. Killroy beeilte sich und sprintete los. Auf dem Weg zur Innentür schaltete er das Laserzielgerät ein. Er riss die Tür auf. Die MPi in der Linken, vorgereckt, katapultierte er Die Agentin war blond und in der sich in flachem Sprung über die Schwelle. Tat ausgesprochen hübsch. 38
Der Geiselnehmer, ein weiterer Latino, hatte von hinten den Arm um sie
gelegt. Seine Pranke quetschte besitzergreifend ihre rechte Brust. In der rechten Hand hielt er eine Glock, deren Mündung er der Frau ins Ohr gesteckt hatte. Er stand mit ihr auf der Laderampe, nur ein paar Yards vom Fuß der Treppe entfernt. Weiter hinten hockten zwei gefesselte Beamte, ebenfalls in Zivil. Der Verwundete lag unterhalb der
pers bewegte sich nicht, ebenso wenig wie sein Zeigefinger in der Lage gewesen war, sich noch zu krümmen. Die Waffe in ihrem Ohr hielt ein Mann, der bereits tot war. Die Agentin wartete, bis Killroy bei ihr war und die klobige Kanone
Treppe in seinem Blut. Er war nicht
vorsichtig
von
ihrem
Gehörgang
versorgt worden und hatte bereits das Bewusstsein verloren. »Du machst einen schweren Fehler, Arschloch!«, sagte Killroy kalt. »Auf Geiseln wird keine Rücksicht genommen. Also - Kanone weg, oder ich lege dich um!« Während er sprach, ließ er den roten Laserpunkt an der Betondecke entlangwandern, die Glasfront der Catering-Annahmestelle hinunter und von hinten auf den Kopf des Geiselnehmers. Ohne die Ziellage der Waffe auch nur um einen Millimeterbruchteil zu verändern, schaltete er auf Einzelfeuer um. Der pennygroße Zielpunkt ließ das schwarze Haar des Mannes rot erglühen - knapp über dem linken Ohr. »Keine Zeit für Witze!", kreischte der Geiselnehmer. »Was soll der Scheiß, du verdammter Idiot. Du denkst wohl.. .«
entfernte. Dann versetzte er dem stehenden Toten einen Stoß. Die Leiche kippte um. Killroy nickte den gefesselten Kollegen zu, die ihn mit großen Augen anstarrten. »Danke«, sagte die FBI-Agentin tonlos. »Sie haben mir das Leben . . .« Killroy beachtete sie nicht. Er schaltete sein Walkie-talkie auf Senden und sprach hinein. »Sergeant Eady?« »Ja, Sir.« »Schicken Sie einen Rettungswagen, und zwar schnellstens.« »Wird gemacht, Sir.« »Ist der FBI-Psychologe da?« »Noch nicht, Sir. Soll aber jeden Moment eintreffen.« »Gut. Wenn er dann irgendwann mal eintrifft, soll er sich um eine Agentin seines Vereins kümmern. Ihr Name ist. . .« Er sah die bleiche Blonde zum ersten Mal an. »Rachel Shapiro«, sagte sie. Killroy hatte kein Interesse daran, »Rachel Shapiro«, wiederholte was der Kerl über seine Gedanken Killroy. »Sie wäre fast gestorben, und mutmaßte - er zog durch! jetzt leidet sie unter Dankzwang.« Die Agentin war blass und stumm, Er ging einfach weg, ohne die und sie blieb es, als der Kopf ihres Bezwingers direkt neben ihr fassungslosen Blicke zu beachten. auseinanderflog. Der Rest seines KörEr wollte nur noch nach Hause zu 39
seinem Lieblingssessel, seinem Ent-
Ermittlungsbehörden von New York aufmerksam werden. Ich habe viel Zeit nungs-Zigaretten. und Geld in dich investiert. Sollte das Draußen heulte eine Kolonne von eine Verschwendung gewesen sein, Rettungswagen heran, gefolgt von der weil du dein Temperament nicht zügeln kannst, wäre ich sehr ganzen Armee uniformierter Cops. ungehalten.« Als Killroy in seinen Wagen stieg, »Ja, Herr«, murmelte Bruce war das FBI-Team immer noch nicht kleinlaut. Er hofft, seinen Boss nie da... wieder so zu enttäuschen, schon um * seiner selbst willen. Noch schlimmer allerdings war, dass der Baron unzufrieden mit ihm war. »Sie haben mich rufen lassen«, sagte Kradoc nickte. »Es wird eine Menge Bruce, als er sich dem Baron Arbeit kosten, diese Sache zu gegenüber gesetzt hatte und dieser vertuschen«, fügte er hinzu. »Wir nicht sofort etwas sagte. können es uns einfach nicht leisten, Kradoc nickte nur. Er nahm die dass die Sterblichen auf uns Zeitungen, die er neben sich auf dem aufmerksam werden und uns Tisch gestapelt hatte, breitete sie womöglich Knüppel zwischen die Beine fächerförmig auseinander und drehte werfen. Einzelne Vampirjäger sind schon sie so, dass Bruce die Schlagzeilen auf lästig genug. Wenn sie alle uns jagen den Titelseiten lesen konnte. Worte wie würden, wären sie ein ernst zu »Blutbad«, »Massenmord« und nehmendes Hindernis. Du weißt das.« »Banden-Massaker« prangten da in »Es wird nicht wieder vorkommen«, fettem Schwarz oder Rot. sagte Bruce. »Wenn dir nach so etwas zu Mute Er verzichtete darauf, den Tod der ist«, sagte der Baron, streng, »dann Vampirjäger zu erwähnen. Es hätte stell es bitte etwas dezenter an. Das sich angehört, als wollte er sich spannungs-Bier und seinen Entspan-
hast du bislang ja auch beherzigt. Wieso ist dir dieser Ausrutscher
rechtfertigen wie ein kleiner Junge, der nicht nur Äpfel geklaut, sondern
passiert?« auch einer alten Frau über die Straße Bruce hatte erwartet, zu seinem geholfen hatte. Erfolg gegen die Vampirjäger befragt zu werden. Stattdessen nun diese lästige * Geschichte mit dem dämlichen Kevin
und seiner Meute. »Diese Burschen brauchten eine Lektion«, antwortete er lahm. »Sie
haben mich herausgefordert.« »Na und?« Der Baron sah seinen
Debbie machte ein Gesicht, als hätte sie gerade die Nachricht bekommen, dass ihr Gehalt um zwanzig Prozent gekürzt werden würde. Rob
Killroy
blieb
vor
dem
Schreibtisch seiner Sekretärin stehen. Lektion hättest du ihnen auch so erteilen »Was ist los?«, fragte er. können, dass nicht gleich »Katastrophe?« sämtliche Stellvertreter kalt in die Augen. »Die
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»Dicke Luft«, antwortete die elegante Schwarzhaarige und schüttelte beide Hände, als hätte sie die Fingerspitzen aus Versehen in kochendes Wasser getaucht. »Der Captain will Sie sehen, Sir, und zwar sofort.« »Das kann er haben«, knurrte Killroy. »Der kommt mir gerade richtig. Ich habe schlecht geschlafen und brauche mindestens eine Woche Urlaub. Wenn er mir dumm kommt, schmeiße ich ihm die Klamotten vor die Füße und mache Urlaub für immer.« »Zeigen Sie es ihm«, feuerte Debbie ihn an. »Gehen Sie schon, ich halte hier die Stellung.« Killroy nickte grimmig und machte auf dem Absatz kehrt. Jennifer, die Vorzimmerdame des
mächtigkeit übertrifft alles bisher Dagewesene.« »Nein, ist mir nicht klar«, entgegne-te Killroy. »Stört es die Gentlemen von der Federal Plaza, dass ihre Agentin Rachel Shapiro und der schwer verletzte Kollege noch am Leben sind? Ist es das, was du mir sagen willst?« »Nicht ich«, schäumte Dougal. »Ich wahrhaftig nicht, Hob. Was du gemacht hast, war eine Glanzleistung. Aber darum geht es nicht.« »Sondern?« »Um die Zusammenarbeit von NYPD und FBI.« »Auf höchster Ebene.« »Richtig.« Der Captain nickte. Revierleiters, winkte ihn mit schadenfroher Miene durch. Killroy »Genau das ist der Punkt. Beide bedauerte es, dass Schadenfreude
Behörden legen größten Wert darauf,
nicht strafbar war. Sonst hätte dieser Gesichtsausdruck für Jennifer zumindest disziplinarische Folgen gehabt -wenn sie nicht sogar gefeuert worden wäre. Captain Fachtna W. Dougal verdankte den Vornamen seinen irischen Ahnen. Auch die hagere, asketisch wirkende Statur schien er von ihnen geerbt zu haben. »Setz dich!«, bellte Dougal. »Guten Abend, Fachtna«, sagte Killroy mit spöttischer Höflichkeit und ließ sich auf dem Besucherstuhl nieder. »Falls du irgendwas verwechselst - wir sind hier nicht im Ausbildungs-Camp der Marines.« »Lass die Witze«, fuhr Dougal ihn an. Zornig beugte er sich vor. »Ist dir klar, dass der FBI uns in der Luft zerreißen wird? Deine Eigen-
dass
die
menarbeit
Regeln
dieser
Zusam-
peinlich
genau
befolgt
werden. Wer federführend ist - ob die Feds oder wir -, lässt sich nun mal nicht ins Handwerk pfuschen.« »Und das nennt man dann Zusammenarbeit?«, erwiderte Killroy bissig. »Du weißt genau, was es wirklich
41
ist,
Fachtna.
Es
ist
das
alte schrift zitiere, Fachtna? Wenn die Anweisung eines Vorgesetzten gegen geltendes Recht verstößt, ist der Untergebene nicht verpflichtet....« Und sie können uns nicht leiden, weil »Lass den Quatsch!«, schnitt ihm der wir mindestens genauso gut sind wie Captain das Wort ab. »Ich mache es sie.« kurz. Die Ermittlungen im Mordfall »Rob, mein Gott. . .« Dougal wusste >Kevin und weitere< werden eingestellt. nicht weiter. »Reiß dich in Zukunft Punkt.« wenigstens ein bisschen zusammen.« »Ist nicht wahr!«, staunte Killroy. »Verstehe.« Killroy nickte »Darf man fragen, warum?« gleichmütig. »Zusammenreißen - das »Ausnahmsweise. Die Staatsheißt, Verwundete verbluten und anwaltschaft ist der Meinung, dass es Konkurrenzdenken. Unsereiner kann die Schnösel vom FBI nicht leiden, weil sie sich für was Besseres halten.
Geiseln erschießen lassen und erst
sich
danach eingreifen.« »Himmel noch mal!«, stöhnte der Captain. »Willst du denn nicht verstehen?« »Nein«, antwortete Killroy schroff. »Ich weigere mich, Schwachsinn verstehen zu wollen. Meinetwegen kannst du mich deswegen vom Dienst suspendieren. Aber verlass dich drauf, dass ich mich bei der Presse ausweinen werden.« Captain Dougal seufzte tief, wie in ein grausame Schicksal ergeben. »Apropos Presse«, sagte er. »Hast du
rivalisierender Banden handelt. Wir, die Polizei, sollen nicht Zeit und Kräfte verschwenden, indem wir versuchen,
die Schlagzeilen über diese Kevin-
Leute gesehen?« »Ich habe sogar die Berichte gelesen. Was ist damit?« Dougal atmete tief durch. »Vielleicht muss ich dich ab jetzt vorsichtig fragen:
Bist du bereit, eine dienstliche Anweisung anzunehmen und dich daran zu halten?« »Grundsätzlich ja«, antwortete Killroy. Dougal hieb mit der Faust auf den Schreibtisch. »Einschränkungen gibt
es nicht, Rob. Ist das klar?« Killroy stieß die Luft durch die Nase aus. »Willst du, dass ich die Dienstvor-
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um eine
Auseinandersetzung
da mitzumischen. Wenn die Typen
sich gegenseitig abräumen, kann uns das nur recht sein.« »Okay«, brummte Killroy. Dougal starrte ihn an. »Was? Ist das alles?« Killroy stand auf und wandte sich zum Gehen. »Ich lerne dazu, Fachtna. Was sie uns früher auf der Akademie beigebracht haben, ist Steinzeit. Heutzutage wartet man, bis die bösen Jungs alles umgelegt haben, was es umzulegen gibt, und dann schnappt man sie - eventuell.« »Robert!«, rief der Captain ihm nach. »Ich warne dich! Ich weiß genau, dass du auf eigene Faust weitermachen willst. Aber das wird Konsequenzen haben - verdammt ernste Konsequenzen! Darauf kannst du Gift nehmen.« Killroy hörte nur die Hälfte, denn er war schon draußen. Er knallte die Tür zum Vorzimmer zu, so dass Jennifer erschrocken zusammenzuckte. *
Es war kurz vor Mitternacht, als sie die Disco verließen. Bruce hatte sein Motorrad diesmal auf dem Parkplatz vor dem »Pier 66« abgestellt. Dass es eine andere Maschine war, ein Renner und keine Shopper, hatte Michelle nur flüchtig interessiert. Sie wusste, dass er mehr Geld besaß, als man aus seinem Rocker-Aussehen hätte schließen können - viel mehr. Michelle interessierte nur das Eine. Er wusste es, noch bevor sie
Autos aufragte. Sie löste sich von Bruce und lief zu der ersten Reihe, um durch eine der schmalen Gassen zwischen den Wagen blicken zu können. »Komm!«, rief Bruce. »Du musst nach Hause. Sonst bekomme ich Ärger mit deinem Dad.« Die Tatsache, dass er nicht mehr
vorhatte, mit ihr ins Hotel zu fahren, den Arm um seine Taille schlang. wurde ihr nicht einmal bewusst, so Sie wollte so schnell wie möglich empört war sie, als sie sich zu ihm wieder in dieses Hotelzimmer umdrehte. oder an einen anderen Ort, wo sie »Bruce, um Himmels willen, da ihn lieben konnte. Sie war so werden wehrlose Leute misshandelt. vollkommen verrückt nach ihm, Zwei oder drei, die am Boden liegen, dass die Welt keine Rolle mehr für und eine ganze Bande prügelt auf sie sie spielte. ein!« Bruce hatte die Maschine nahe »So was passiert jede Nacht«, entder beleuchteten Zufahrt abgestellt. gegnete Bruce gelangweilt. »Da kann Plötzlich, als sie schon in man nichts machen.« Sichtweite des Motorrads waren, »Ich vielleicht nicht!«, rief hörten sie Schreie. Michelle aufgeregt. »Aber du - ich Michelle erschrak, blieb stehen.
Bruce tat ihr den Gefallen, ebenfalls stehen zu bleiben. Die Schreie kamen aus einer dunkleren Ecke abseits der Zufahrt. Dumpfe Laute von Schlägen oder Tritten waren zu hören. Die Schreie schrumpften zu einem kläglichen Wimmern. »Mein Gott!«, rief Michelle entsetzt. Sie schlug die Hand vor den Mund. »Das hört sich ja furchtbar an!« »Na und?«, sagte Bruce. »Uns geht es jedenfalls nichts an.« Michelle überhörte es. »Das kommt von da drüben«, sagte sie und zeigte auf die Backsteinmauer, die hinter zwei Reihen parkender
meine,
wenn
wir
zusammen
hingehen, und die merken, dass sie beobachtet werden - ich meine, dann hören sie vielleicht auf.« Das Wimmern hielt an. Ebenso die dumpfen Laute der Schläge und Tritte. Michelle blickte erneut hinüber, und dann drehte sie sich abermals zu Bruce um. »Bruce, bitte!«, rief sie flehentlich. »Die bringen sie um, wenn wir nichts tun!« »Okay, meinetwegen«, brummte Bruce, obwohl er nicht die geringste Lust hatte, sich schon wieder mit Typen wie Kevin und Co. anzulegen. Aber
er
wollte
Michelle
nicht
gänzlich vor den Kopf stoßen. 43
ab, fuhren herum - und wichen zurück an die Wand. Ungläubig stierten sie auf das Bild, das sich ihnen bot. schon morgen - oder übermorgen. Er schob sich an ihr vorbei, die Gasse Der Rothaarige hing dort im Griff des großen schwarz gekleideten zwischen den Autos entlang. »Du wartest hier. Wenn ich in fünf Minuten Mannes - wie eine aufgeblasene Gummipuppe. nicht zurück bin, rufst du die Polizei, Eine Puppe, die mit den Armen okay?« Das Wimmern wurde lauter. Vor der ruderte und mit den Beinen um sich trat. Ohne Chance. knapp mannshohen Mauer war das »Mann, Fergus!«, rief einer der Neun Standlicht eines Autos eingeschaltet. In dem schwachen Licht herrschte an der Mauer. »Das darf doch nicht wütendes, verbissenes Gewühl. wahr sein! Das gibt's doch nicht!« Drei Jungen in Jeans und T-Shirts Die Jungen am Boden erkannten ihre krümmten sich am Boden. Chance, rappelten sich stöhnend auf Zehn Kerle traten und schlugen auf und hasteten wankend davon, ohne sie ein. sich umzudrehen. »Hey!«, sagte Bruce und verharrte Fergus würgte. »Tut - doch was!«, neben dem Kotflügel des Wagens mit quetschte er mühsam hervor. dem Standlicht. »Verdammt, steht doch nicht da - wie Sie beachteten ihn nicht, machten die Blödmänner! weiter mit der Misshandlung der Der Größte seiner Freunde, ein Wehrlosen und taten, als hätten sie ihn breitschultriger Kerl mit kurz nicht gehört. geschorenem blondem Haar, stieß Bruce nickte Michelle beruhigend sich von der Mauer ab. Er schien der zu. Dann verließ er ihr Blickfeld, Anführer zu sein, denn seine Art sich näherte sich dem Knäuel der Treter zu bewegen, drückte Machtgefühl und Prügler und fischte sich eine n aus. Und jetzt musste er beweisen, heraus. dass es ihm zustand. Der Typ hatte struppige »He, Buddy«, sagte er zu Bruce. karmesinrote Haare. Vielleicht wollte »Lass Fergus runter, oder es passiert er in einem Werbespot für irischen was.« Whiskey mitmachen. »Genau«, erwiderte Bruce ruhig. Bruce packte ihn im Nacken, hob »Genau was?«, fragte der ihn hoch, trat zwei Schritte zurück Breitschultrige begriffsstutzig. Auch und ließ ihn am ausgestreckten Arm seine Kumpane kapierten nicht. zappeln. »Die zweite Möglichkeit trifft zu«, Im ersten Moment war der Junge erklärte Bruce geduldig. »Es passiert noch still vor Schock, doch gleich was. Und zwar dies . . .!« Schließlich hatte er noch etwas mit ihr vor. Nicht heute Abend, aber vielleicht
darauf kreischte er los wie Spanferkel, das man aus Versehen
ein
lebend auf den Spieß gesteckt hatte. Die Kerle ließen von ihren Opfern 44
Der Breitschultrige bekam nicht
einmal mit, dass es sein Kumpel Fergus war, der ihm um die Ohren gehauen wurde. Die ungeheure Wucht des Schlags
hob den Anführer der Horde von den Füßen und schleuderte ihn mehrere
Yards weit zurück. Es hörte sich an wie Theaterdonner, als er auf der Motorhaube eines Wagens landete.
»Ja«, hörte Michelle sich antworten. »Vielen Dank. Fährst du mich jetzt Bruce bremste die Kreiselbewegung seines menschlichen Schlag- nach Hause?« instruments, indem er ihm die flache linke Hand in die Hüfte stieß. Ein kurzer Ruck genügte, und Fergus sauste horizontal auf die gaffende
*
Restmeute zu. Drei von ihnen stürzten zu Boden, als sie unfreiwillig versuchten, ihren Kumpel aufzufangen. Dann setzte das Verstehen ein. Gegen diesen Gegner hatten sie keine Chance. Schreiend ergriffen sie die Flucht,
rannten zur Straße hin. Es sah aus, als würde jedem von ihnen ein persönlicher Teufel im Nacken sitzen. Michelle starrte ihnen verwirrt nach, als sie an ihr vorbeistürmten. Sie hatte nichts sehen können und fragte sich, warum diese Typen wie in Panik flohen. Wer war Bruce, dass sie solche Angst vor ihm hatten? Aber sie brachte es nicht fertig, ihn zu fragen, ihn um eine Erklärung zu bitten. Sie hatte Angst vor der Antwort, denn ein vager Verdacht keimte in ihr auf. Bruce war nicht der nette Kerl, für den sie ihn gehalten hatte. Zumindest im Augenblick nicht. Vielleicht sah es morgen schon anders aus. Aber für den heutigen Tag hatte sie einfach genug von ihm. »Zufrieden?«, sagte er und wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab, als er wieder vor ihr stand.
Sie hockten auf dem Bürgersteig, zusammengekauert, wie, um sich gegenseitig Schutz und Wärme zu spenden. Ein zehnköpfiger Haufen Elend in der Lichtglocke einer Straßenlampe. Rob Killroy trat überrascht auf die Bremse. Er war überzeugt, schon alles gesehen zu haben, was ein Polizistenauge sehen konnte. Aber eine derart verängstigte Streetgang war ihm noch nicht untergekommen. Zumal er sie kannte. Bullfrog und seine Kumpane gehörten zu dem Brutalsten, was nachts durch die Straßen von Manhattan streifte. Killroy hielt an der Bordsteinkante und stieg aus. Acht von den zehn Burschen erwachten aus ihrem Elend und sprangen auf. Ohne sich um ihren Anführer und den Rothaarigen zu kümmern, liefen sie weg, vorbei an der Einfahrt zur Disco. Der Detective Lieutenant beugte sich über die beiden Zurückgebliebenen. Bullfrog, der mit richtigem Namen Carl Young hieß, war noch nie so übel zugerichtet gewesen. Fergus sah auch nicht viel besser aus. Killroy schüttelte die beiden. Sie schrien auf, hoben abwehrend die 45
Hände und versuchten panikartig, von ihm wegzukriechen. »In dem Schneckentempo könnt ihr mir gar nicht entwischen«, sagte der Cop. »Ich bins. Verdammt, so viel Respekt habt ihr ja noch nie vor mir
gehabt.« Sie
erkannten
ihn,
und
vor
Erleichterung sanken sie buchstäblich in sich zusammen. »Mann, Lieutenant! Das glauben Sie nicht!« Bullfrog schob sich mit dem Rücken am Mauerende hoch und hielt erschöpft
inne.
»Was
uns
eben
passiert ist, das glauben Sie echt nicht!« Er wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und verschmierte das Blut zu einer breiten, streifigen Bahn. Fergus rutschte neben seinen Anführer und lehnte sich an ihn wie an den großen Beschützer. »Da - da wollte - mich einer am - am ausgestreckten Arm verhungern lassen!«, stotterte der Rothaarige vorwurfsvoll, als würde den Kriminalbeamten die meiste Schuld an dem Vorfall treffen. Killroy runzelte die Stirn. Die beiden sahen aus wie durch die Mangel gedreht, rein äußerlich. Aber auch ihre Straßenköter-Psyche schien einen gehörigen Knacks abbekommen zu haben. Es gab also keinen Grund, über sie zu grinsen. Etwas Ernstes musste mit ihnen passiert sein - noch dazu in der Nähe der Disco »Pier 66«. Killroys Kriminalisten-Instinkt meldete sich. Diese Jungs hatten etwas erlebt, was ihn interessierte. Mindestens das. Er setzte sich neben Bullfrog auf den Mauersims, spendierte den beiden Zigaretten und steckte sich selbst eine an.
»Los, Carl, erzähl!«, forderte er den Anführer der Gang auf. Bullfrog räusperte sich, spuckte Blut und straffte seine Haltung. Es geschah selten, dass er mit seinem richtigen Vornamen angeredet wurde - und wenn, dann fühlte er sich wie ein ganzer Mann. So wie jetzt. »Es stimmt, was Fergus sagt«, begann er und inhalierte einen Zug aus seiner blutbefleckten Zigarette. »Wir hatten drei Typen in Arbeit, die unsere Girls angemacht hatten ...« Killroy nickte. Er kannte Kerle wie Bullfrog, kannte ihr Denken. Für sie waren die Girls Eigentum, an dem sich andere gefälligst nicht zu vergreifen hatten. Der Detective Lieutenant horchte auf, als er von dem Mann mit der schwarzen Lederjacke und den Nietenhandschuhen hörte, der Kräfte wie ein Stier haben musste. Und dann, als Bullfrog die Freundin dieses Supertyps beschrieb, war Killroy endgültig von den Socken. Michelle! Seine Tochter und ihr neuer Schwarm. Bruce! Er war sich ziemlich sicher. In dieser Gegend war ein Rocker-Outfit eher ungewöhnlich. »Habt ihr den Jungen vorher schon mal gesehen?«, fragte Killroy, nachdem Bullfrog und Fergus mit dem Erzählen fertig waren. Beide verneinten. »Aber«, rief Fergus aufgeregt, »es kann nur dieser Hurensohn sein, von dem man neuerdings so Einiges hört. So was wie ein Gangsterboss soll er sein - brutaler als alles, was man je mitgekriegt hat.« »Wir habens ja erlebt«, sagte Bull-
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frog. »Am eigenen Leib haben wirs zu spüren gekriegt.« Er schnippte die Kippe in den Rinnstein und sah den
Kriminalbeamten an. »Mann, Lieutenant, wenn Sie den Strolch erwischen, dann haben Sie unsere Stadt von 'ner echten Plage befreit.« Rob Killroy lächelte und richtete sich auf. »Ich werde sehen, was sich machen lässt«, versprach er. Und er fragte sich, wie es hatte passieren können, dass er sich so gewaltig in einem Menschen getäuscht
ten. Im Übrigen - vergiss nicht meine Anweisung. Der Mordfall Kevin ist zu den Akten gelegt worden.« »Klar.« Killroy nickte dem Captain zu und schob sich an ihm vorbei. »Robert!«, rief Dougal ihm nach. »Was willst du eigentlich noch hier?« hatte. Er hatte diesen Bruce für Killroy grinste, und er antwortete, sympathisch gehalten, für einen ohne sich umzudrehen: »Hab meine ordentlichen Kerl. Nichts davon Kreditkarte im Schreibtisch stimmte. vergessen.« Er stieg in seinen Dienstwagen. Statt Dougal wusste, dass er keine bessere nach Hause, fuhr er noch einmal in die Antwort kriegen würde. Deshalb gab 35. Straße. er es auf und stieg in seinen Kaum dass er den Wagen auf dem Privatwagen. Innenhof abgestellt hatte, spuckte die In seinem Büro setzte sich Killroy Hintertür des Gebäudes einen an den Computer und loggte sich Uniformierten aus. Die Statur des mittels seines persönlichen Passwortes Mannes war unverwechselbar, groß und in die zentralen Rechner ein - erst NYhager. Die Goldverzierungen an seinem SIS, das New York State Information Mützenschirm funkelten im Schein der Center in Albany, dann NCIC, das Außenlampen. National Crime Information Center »Fachtna!«, stöhnte Killroy. des FBI-Hauptquartiers in Washington, »Gut, dass ich dich noch treffe!«, rief D.C. Captain Dougal. »Also - es ist mir Weder in der zentralen Datenbank gelungen, die Sache mit der des Bundesstaates New York noch in Geiselnahme beim FBI auszubügeln. der für die gesamten USA zuständigen Man betrachtet die Angelegenheit als FBI-Datensammlung wurde er fündig. erledigt, weil man wohlwollend zur Alle möglichen Fahndungsfotos Kenntnis nimmt, dass du den beiden ploppten auf den Bildschirm, alle Agenten das Leben gerettet hast.« wiesen entsprechend seiner »Mir kommen die Tränen«, erwiderte eingegebenen Personenbeschreibung Killroy. »So viel Wohlwollen hab ich ja natürlich große Ähnlichkeit zu Bruce nun wirklich nicht erwartet. Mein auf, aber er selbst war nicht darunter. Gott, was für edle Menschen haben sie Killroy ging den umgekehrten Weg doch beim FBI.« und schickte eine Fahndung nach »Menschenskind, Rob!« Dougal Bruce auf die Reise ins polizeiliche schüttelte tadelnd den Kopf. »Das ist Datennetz. Innerhalb von weniger als ja nun wirklich kein Grund zum Spotzehn Sekunden würde jede Dienststel47
le in den USA, in Kanada und in Mexiko »Um die Nachbarn nicht in ihrer elektronischen Mailbox die aufzuwecken - und deinen Vater auch Beschreibung des mutmaßlichen nicht.« neuen New Yorker Gangsterbosses »Der ist noch nicht zu Hause.« vorfinden. »Du kennst meine Meinung zu dem Als Anweisung hatte Killroy Thema.« eingegeben: »Verdächtiger ist vorläufig Michelle löste sich von seinem Arm. festzunehmen«, und als Zusatz: Sie konnte ihre Enttäuschung nur »Achtung! Verdächtiger wurde als schwer verbergen. äußerst gefährlich beschrieben!«. »Sehen wir uns morgen?«, fragte sie. Eine Rückmeldung, geschweige denn »Okay, in der Disco«, antwortete er. eine Erfolgsmeldung würde er so »Morgen Abend.« schnell nicht bekommen, da war er »Können wir uns nicht mal tagsüber sicher. Aber er hatte getan, was getan treffen?« Michelle sah ihn mit großen werden musste. Und es war längst keine Augen an. »Ich meine -nachmittags, Frage von dienstlichen Anweisungen wenn ich von der High School. . .« mehr, die ein weltfremder Captain ihm »Nein«, fiel ihr Bruce ins Wort. zu erteilen versuchte. Michelle blinzelte verwirrt. »Aber Denn ab sofort war er, Detective warum denn nicht? Arbeitest du im Lieutenant Robert Killroy, persönlich
Schichtdienst? Oder was für einen
betroffen. Deshalb hatte er auch die nächste Aufgabe klar umrissen vor Augen. Michelles Rettung. Er musste sie vor dem Verderben bewahren.
komischen Job hast du?« »Ich hab ganz einfach viel zu tun«, erwiderte er genervt. »Es geht erst abends - okay?« Michelle schmollte. »Okay, okay. Man wird ja wohl mal fragen dürfen. Meine Freundinnen wissen alles über die Boys, mit denen sie gehen. Und ich * weiß gar nichts über dich - außer, dass es bei uns Liebe auf den ersten Blick Vor dem Haus an der 48. Straße brachte war.« Bruce das Motorrad zum Stehen und »Aha!« Bruce lachte rauh. stellte den Motor ab. Die Maschine
»Bitte! Nicht >Aha< sagen!«
wummerte noch einmal unregelmäßig, schnaufte und verschluckte sich und verstummte dann ganz. Michaile sprang vom Sozius. Wie eine verliebte Katze hängte sie sich an Bruces Arm und blickte zu ihm auf. »Willst du nicht doch mit raufkommen?«, schnurrte sie. »Lieber
nicht«,
antwortete
geistesabwesend. »Warum hast du dann den Motor
abgestellt?« 48
»Sonst noch was?«, entgegnete er gereizt. »Du willst also vor deinen Freundinnen mit mir prahlen. Ist es
das?« Sie senkte den Kopf. »Nicht so, wie du vielleicht denkst. Ich bin doch nur stolz auf dich - auf dein Aussehen, auf deine Kraft.« Sie lächelte und sah ihn er wieder an. »Den Typen vorhin hast du ganz schön Angst eingejagt. Wie machst du das bloß? Ich meine - Kevin
und seinen Freunden ist so leicht auch keiner weggelaufen. Wie wars bei denen? Bist du denen wirklich weggelaufen?« »Du fragst zu viel«, knurrte er. »Das macht hässlich.« »Wirklich?« Michelle lachte. »Das
glaubst du doch selbst nicht! Frauen haben schon immer Fragen gestellt. Das zieht sich durch
»Bist du da, Michelle?« Es war Dad, der da rief. Sie stöhnte und gähnte. »Ja, bin ich. Lass mich schlafen.« »Kann ich reinkommen?« »Muss das sein?« »Ja.« »Warum? Dad, bitte! Du hast mich
die
Menschheitsgeschichte wie ein roter Faden. Vom Hässlichwerden wird aber nichts berichtet.« »Ach! Lernt ihr das in der Schule?« »Na, klar.« Er nickte und startete die Maschine. »Bis morgen Abend.« Bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr er davon. Michelle sah ihm nach und beschloss, es positiv zu sehen. In weniger als 24 Stunden würden sie sich wiedersehen. Damit konnte sie nun wirklich zufrieden sein. Sie redete es sich ein, und sie ahnte nicht, dass das nächste Treffen mit Bruce zugleich das Letzte sein würde.
geweckt.« »Ich muss mit dir reden.« »Hat das nicht bis morgen früh Zeit?« »Nein.« Er öffnete die Tür einen Spalt und blickte ins dunkle Zimmer, das nur von einer Straßenlampe geringfügig erhellt wurde. Er atmete auf und trat ein. Michelle setzte sich auf und zupfte ihr Nightshirt zurecht. »Hast du etwa gedacht, ich hätte einen Kerl im Bett?« »Sagen wir so«, erwiderte er, »ich
habe gehofft, dass es nicht so sein würde.« »Daddy, Daddy«, sagte sie schmunzelnd, nun hellwach. »Kannst du dich nicht damit abfinden, dass aus Kinderzimmern eines Tages Schlafzimmer werden?« »Fällt mir schwer«, gab er zu. * »Und mir fällt die Vorstellung Das Klopfen an der Zimmertür riss schwer, dass du auch mal jung warst.« Michelle aus wolkenweichen, sanft rosa »Ich muss kotzen, wenn ich dieses gefärbten Träumen. Argument höre.« Er nahm den Sie war mit Bruce durch eine einzigen Stuhl und setzte sich. Landschaft gewandelt, die so aussah, »Bist du deswegen reingekommen?« wie sie sich als ganz kleines Mädchen Michelle kicherte. »Um mein Zimmer nach dem ersten Religionsunterricht voll zu kotzen?« immer das Paradies vorgestellt hatte. Er machte eine abwehrende Die Sonne schien von einem strahlend Handbewegung. »Michelle, es ist kein blauen Himmel, und die Vögel Spaß.« zwitscherten . . . »Dann kann es nur das Gegenteil Das Klopfen hörte nicht auf. sein«, folgerte sie verschmitzt. »Also Michelle erwachte widerstrebend. Ernst. Oder irgendwas dazwischen?«
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»Michelle, es geht um deinen neuen Freund, diesen Bruce.« Ihre Haltung versteifte sich. Trotz grub sich in ihre Züge. »Was hast du gegen ihn?« »Eine Menge. Du wirst dich nicht mehr mit ihm treffen.« »Was?«, schrie sie. »Sag mal, spinnst du?« »Nein«, erwiderte er grob, einen Ton lauter. »Ich verbiete dir, dich mit dem Mann zu treffen. Nach ihm läuft eine Fahndung. Jeder Cop, der ihm begegnet, wird ihn festnehmen.«
musst dich damit abfinden, was aus dem Kinderzimmer wird, und du musst dich damit abfinden, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe. Punkt. Und jetzt lass mich bitte schlafen. Ich will morgen nicht zu spät zu Schule kommen.« »Wie redest du mit deinem Vater!«, brüllte er. »Ich will dich doch nur Michelle starrte ihn an. »Das ist schützen, verdammt noch mal!« nicht wahr!«, keuchte sie. »Das ist »Es fällt mir schwer, das nachzunicht dein Ernst! Das hast du vollziehen.« Er schüttelte fassungslos den Kopf gemacht! Du lässt ihn aus dem und wirkte auf einmal unendlich müde. Verkehr ziehen, damit ich ihn nicht »Ich werde dich beschützen«, mehr . ..« Wütend rang sie nach Atem. murmelte er. »Auch gegen deinen »Ich schwöre dir, ich werde ihn im Willen. Du wirst schon sehen.« Gefängnis besuchen.« Er trottete aus dem Zimmer, das »Auch wenn er ein Killer ist?« Killroy sagte es spöttisch und für ihn immer noch ein Kinderzimmer war, und ließ die Tür zufallen. kopfschüttelnd. »Ist mir egal!«, schrie Michelle. »Wenn ich will, heirate ich ihn sogar * im Gefängnis.« »Du bist verrückt«, fuhr Rob Killroy seine Tochter an. Mit einem Ruck »Wow!«, rief Michelle, klatschte in die stand er auf. »Noch bist du nicht Hände wie eine Flamenco-Tänzerin volljährig, und ich verbiete dir ganz und drehte sich vor Begeisterung im einfach jeglichen Umgang mit Kreis. diesem Kerl. Hast du mich Vor dem Fußende des Doppelbetts verstanden?« blieb sie stehen und drehte sich zu »Nein.« Bruce um, der gerade die Tür Killroy verschlug es die Sprache. verriegelte. Er hatte die Decken»Du wirst tun, was ich sage«, beleuchtung eingeschaltet. Die flüsterte er dann. »Und wenn ich dich Wandtäfelung, der Schrank und die zwingen muss.« Tür zum Bad bestanden aus braun»Wie willst du denn das anstellen?«, beigem Holzimitat. Rings um das entgegnete sie spöttisch. »Dad, du Bett war der Teppichboden kannst machen, was du willst, du abgetreten, und die dunkelbraunen 51
Kunstledersessel hatten eingerissene Ecken, aus denen sich die weiße
Schaumstoffpolsterung wölbte. Trotzdem tanzte Michelle hin und her und hörte nicht auf, in die Hände zu klatschen. »Was ist los?«, fragte Bruce, denn er verstand ihren Gefühlsüberschwang nicht. »Dieses Zimmer!«, erwiderte sie freudestrahlend, lief auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Nacken. »Begreifst du denn nicht? Es ist der amerikanische Traum! Ein Mann und eine Frau - allein auf sich gestellt - in einem
Motelzimmer
irgendwo
Sie drehte sich zu ihm um. »Was soll das heißen?«, fragte sie mit gespieltem Vorwurf. »Du bist im falschen Film«, wiederholte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Erstens sind wir nicht Bonnie und Clyde, und
zweitens sind wir nur einen Katzensprung von New York entfernt.« Mit gleitenden Schritten und geheimnisvollem Lächeln ging sie zu ihm und legte sich neben ihn. »Wenn du dich nur nicht täuschst«, gurrte sie und schob sich an den Eisenmuskeln seines Arms und seines Brustkorbs in hoch, bis sie seine Schulter erreichte.
Amerika - on the road - vor sich die grenzenlose Freiheit und nichts als die Freiheit.« Er musterte sie, als zweifelte er an ihrem Verstand. »Bist du im falschen Film?«, fragte er. »Mein Gott, Bruce!« Sie löste sich von ihm und lief zum Fenster. Dort zog sie an den Kordeln der Innenjalousie und stellte die Lamellen waagerecht. Die rot-gelbe Leuchtreklame des Motels war zu sehen. Lampen streuten ihr Licht von schlanken Masten herab. Vor den Zimmern glänzte der Lack der parkenden Autos, und auf den Straßen und dem nicht weit entfernten Highway rauschte der Verkehr. »Das ist das pralle Leben da draußen«, schwärmte Michelle weiter.
»Was die Entfernung betrifft?«, entgegnete er ungerührt. »Einmal über die George Washington Bridge und fertig. Wie soll man sich bei so was täuschen?« »Ich meine Bonnie und Clyde«, sagte Michelle und kuschelte sich mit dem ganzen Körper an ihn. »Ich meine, es könnte ja durchaus sein, dass die Polizei hinter uns her ist.« »Redest du von deinem Vater?« »Zum Beispiel«, antwortete Michelle neckend. Sie. schob sich höher und küsste ihn. Mit einiger Anstrengung holte sie seinen rechten Arm herüber und legte ihn sich auf den Rücken. Bruce lachte. »Will er, dass du Mitglied im Traditionsverein amerikanischer Jungfrauen wirst?« »Am liebsten wäre ihm, dass ich »Die Menschen sind in Bewegung, irgendwohin, irgendwoher, und immer ein Kind bliebe.« Michelle zwischendurch machen sie eine Pause, kicherte in seine Halsbeuge. um sich zu lieben - in einem Motel wie »Zu spät«, sagte Bruce. »Für ein diesem.« Kind bist du etwas weit entwickelt.« »O Mann!«, sagte Bruce. Er zog die Michelle seufzte. »Das sieht Daddy wohl auch halbwegs ein. Nein, wenn er Lederjacke aus und warf sich auf das Bett.
52
uns seine Cops hinterher hetzen würde, dann aus einem völlig anderen Grund.« Bruce horchte auf. »Nämlich?« Er dachte an die Worte des Barons, an die lästigen Vertuschungs- du denn von einem Gangster halten, der mal Schlechtes tut und mal Gutes?« maßnahmen und an die öffentliche »Das gibt es bestimmt«, erwiderte Aufmerksamkeit, die man nicht sie, hob den Kopf und sah ihm in die erregen wollte. »Daddy hält dich für einen Augen. »Kommt jetzt so was wie ein Gangster«, plapperte Michelle drauf Geständnis?« los, »für einen Killer oder so was. »Nein, damit kann ich nicht dienen. Wahrscheinlich ist das aber nur seine Was ich nicht bin, das bin ich nicht.« neueste Taktik, um mich von dir fern zu »Ich wusste es«, seufzte Michelle. halten. Er hat mir jedenfalls verboten, »Daddy traut Leuten, die er gar nicht mich weiter mit dir zu treffen. Und kennt, grundsätzlich immer das wenn ich ein folgsames Töchterchen Schlimmste zu.« wäre, würde ich nicht hier mit dir im »Liegt wohl an seinem Beruf.« Bett liegen, sondern allein zu Hause »Ja, aber er könnte es sich doch mal in meinem Kinderzimmer.« abgewöhnen. Wozu hat er eine Tochter, die ihm erzählt, wie es im »Und was tust du lieber?« »Das fragst du noch?« Michelle wirklichen Leben aussieht?« können stemmte sich auf ihm hoch und blickte »Bei Betriebsblinden auf ihn hinab, in seine himmlischen manchmal selbst die klügsten Töchter blauen Augen. »O Bruce, ich werde nicht helfen.« dich immer lieben. Weißt du das denn »Da hat du Recht.« Michelle nicht? Liebe auf den ersten Blick dauert bedachte ihren Liebsten mit einem ewig, das ist doch klar. Ein Wort von schwärmerischen Blick. »Du bringst die Dinge immer so toll auf den dir, und ich werde für immer bei dir Punkt.« Sie legte den Kopf auf seine bleiben.« »Und wenn ich nun wirklich ein Brust. Gangster bin?« Bruce strich ihr über das Haar. Es »Blödsinn!« Sie kicherte wieder. war keine ausgesprochen zärtliche »Gangster tun doch nichts Gutes. Du Geste, er tat es lediglich wie jemand, hast gestern Abend ein paar Wehrlose der etwas nachahmte, das er im Kino gerettet. Kann sein, dass du ihnen gesehen hatte. sogar das Leben gerettet hast. So was Dennoch schloss Michelle die Augen, würde doch kein Gangster tun - und um sich ganz der Nähe seines Körpers erst recht kein Killer.« und dem Streicheln seiner Sie ließ sich wieder auf ihn sinken, wundervollen Hand hinzugeben. kuschelte sich an ihn und bedeckte seine Sie hatte ja so viel vom siebten Wange mit Küssen. Himmel gelesen und gehört, und jetzt Er lag regungslos und sagte: »Das war sie mitten drin. finde ich etwas naiv. Was würdest In einer solchen vollkommenen Schön53
heit wie sie konnte niemand den siebten Michelle war nicht nach Hause Himmel erlebt haben - oder das gekommen. Paradies - oder beides zusammen. Ihre Es war nach Mitternacht, und sie war Freundinnen jedenfalls nicht, das noch immer nicht zu Hause. Er hatte wusste sie. von unterwegs ein paarmal angerufen, Dies war der größte Moment ihres aber sie meldete sich nicht. Auch ihr Lebens, und ihr Herz klopfte vor Handy war nicht zu erreichen. Aufregung. Er hatte vorsorglich ein Foto von ihr Dein Herz und mein Herz, dachte eingesteckt, denn er hatte das dumpfe sie. Wenn wir beide ganz fest Gefühl, dass er sie und ihren aneinander pressen, werden wir unser Gangsterfreund in der Disco nicht mehr gemeinsames Leben schlagen hören . . . antreffen würde. Ihr Ohr lag an seinem T-Shirt, und Nachdem er vom Revier sie horchte, um festzustellen, ob er den heimgekommen war, hatte Killroy Augenblick als genauso berauschend eine halbe Stunde zu Hause gewartet. empfand wie sie. Dann hatte er es nicht mehr Aber sie hörte nichts. ausgehalten. Sie rutschte ein bisschen mit dem Hölle und Teufel, es reichte ihm Ohr hin und her, ohne es ihn merken zu endgültig! Mit guten Worten war lassen, doch sie konnte einfach nichts seiner Tochter einfach nicht hören. beizukommen. Nach einer Weile gab es keinen Seine Nerven vibrierten, seit er von Zweifel mehr: zu Hause aufgebrochen war. Er spürte Bruce hatte keinen Herzschlag! ganz einfach, dass sie in Gefahr schwebte. Wahrscheinlich hatte sie zu dem
Mistkerl mehr Vertrauen als zu ihm, ihrem Vater. Davon konnte er Dieser Gothic-Schuppen war das reinste ausgehen. Und das bedeutete, dass sie Rattenloch. Rob Killroy rümpfte die dem Kerl davon erzählt hatte, was *
Nase und schob sich durch das
Robert Killroy von ihm hielt. Der
Gewühl der Schwarzgekleideten, die im Takt der dumpf stampfenden Bässe ihre persönliche Workout-Version absolvierten. Killroy suchte nach der Bar. Da er nicht gerade der Kleinste war, entdeckte er die blitzenden Flaschenregale sehr bald und steuerte
Mann war also gewarnt. Jetzt fehlte nur noch, dass er einem Streifen-Cop über den Weg lief und der betreffende Kollege einen Festnahme-Versuch unternahm. Dann hatte dieser Hurensohn Bruce die beste Geisel, die er sich wünschen konnte. Die Tochter eines Detective Lieutenants - des Leiters der Kriminalabteilung im Polizeirevier Midtown South! Killroy hätte sich selbst in den Hintern treten können. Innerlich fluchend näherte er sich der Bar.
darauf zu. Der Einsatz der Ellenbogen
war gefordert. Killroy wartete nur darauf, dass ihn
einer ernsthaft anrempelte. Er hatte die richtige Wut im Bauch, um dafür Quittungen zu erteilen. 54
Er hätte Michelle beschatten lassen sollen, dann hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Dann hätte er Bruce aus dem Verkehr ziehen und gleichzeitig Michelle in Sicherheit bringen können. Hätte-hätte-hätte! Einen Familienangehörigen observieren zu lassen, war eine Sache, die für einen Cop das Letzte aller Mittel war. Solche Dinge musste man anders regeln. Und wenn eine Tochter nicht parierte, war ihr Vater eben ein Versager. So einfach war das in den Augen der Kollegen. Killroy verscheuchte die Gedanken und konzentrierte sich auf seine Umgebung. Schon draußen vor dem »Pier 66« hatte er nach Bullfrog und seiner Clique Ausschau gehalten. Aber die Jungs ließen sich nicht
blicken. Verständlich, dass sie Bruce so schnell nicht wieder über den Weg laufen wollten. Killroy trug eine hüftlange braune Lederjacke über dem weißen T-Shirt, dazu Jeans und Sportschuhe. Das Gür-
Jackentasche und schob ihn auf die Art und Weise über die Theke, die deutlich macht, dass man auf Wechselgeld verzichtet. Im Zweifelsfall war es ein großzügiges Trinkgeld. Killroy zündete sich eine Zigarette an und sah der Kleinen zu, wie sie Crunch-Eis ins Glas schaufelte und die Hohlräume mit Coke aus der Zapfpistole auffüllte. »Ich suche meine Tochter«, sagte er, als sie ihm den Drink lieferte. »Hi, Daddy«, erwiderte sie und lächelte. »Sie heißt Michelle.« »Schöner Name. War mal Mode. In meiner Schulklasse gabs drei Michelles.« »Und hier, in der Disco?«
telholster mit der Beretta war unter
der Jacke nicht zu sehen. Trotz seines absolut durchschnittlichen Outfits schien man ihm an der Nasenspitze anzusehen, für
welchen Verein er arbeitete. Die Barkeeperin, die er zu sich an die Schmalseite des Tresens winkte, musterte ihn jedenfalls mit unverhohlenem Misstrauen. »Polizei?«, fragte sie. »Was soll hier laufen?« »Keine Razzia«, antwortete Killroy. Obwohl ihm die Zeit unter den Nägeln brannte, zwang er sich zur Ruhe. »Ich bin privat hier. Gib mir eine Coke, okay?« Er knisterte einen Zehner aus der 55
»Gibts auch ein paar.« Die Kleine zog die Stirn kraus. »Hör mal, Daddy, ich weiß nicht, ob ich deine Geschichte noch weiterhören will.. .« »Ich mache keine Witze«, sagte er, zog das Foto aus der Innentasche und zeigte es ihr. »Dies ist wirklich meine
'Tochter. Michelle Killroy. Sie ist in Gefahr. Der Typ, mit dem sie wahrscheinlich hier war . . .« »So ein Schönling?«, unterbrach ihn die Barkeeperin. »Blaue Augen, schwarzes Haar?« »Ja!«, rief Killroy. »Das muss er gewesen sein. Er heißt Bruce.« »Stimmt. So hat sie ihn genannt. Die beiden waren hier an der Bar, fast genau da, wo du jetzt stehst, Daddy.
Zufälle gibts, was? Dieser Bruce . . .« Sie verzog das Gesicht. »Was?«
»Wäre nicht mein Typ. Irgendwas gefiel mir nicht an dem. Zu cool vielleicht. Oder einfach zu schön. Ich
weiß nicht.« Killroy stöhnte. »Ich wollte, Michelle würde auch so denken.« Die Keeperin lachte. »Wenn alle Frauen gleich wären, würden manche
Männer nie eine abkriegen.« Killroy rang sich ein Lächeln ab. »Okay, die Frage aller Fragen«, sagte er. »Wohin die beiden wollten? Ob ich
es ist richtig ländlich. Die Adresse ist Palisades Avenue. Wenn du von Fort Lee kommst, gleich an der ersten Abzweigung rechts . . .« Rob Killroy schob einen zusätzlichen Zwanziger über den Tresen, ließ seinen Drink stehen und eilte los. Im Wagen, nachdem er losgejagt war, rief er die Funkzentrale von Midtown South und ließ sich mit den Kollegen von der Hudson County Police verbinden, drüben in New Jersey. * Noch immer lag er unter ihr. Doch Michelle hatte sich hochgestemmt. Nur langsam, wie zögernd, kroch die furchtbare Wahrheit in ihr Bewusstsein. Ihre Augen weiteten sich, wie sie auf ihn hinab sah. Sein Lächeln und sein Gesichtausdruck veränderten sich eigentlich nicht, doch in dem Maße, in dem sie das Entsetzliche zu erfassen begann, schien es ihr immer mehr wie das eines Raubtiers, dass sich über seine Beute freute. »Du hast keinen Herzschlag«, sagte sie tonlos. »Bist du tot?« »So würde ich es nicht ausdrücken«, antwortete er mit einem schiefen
Lächeln. »Aber biologisch hast du wohl Recht.« »O mein Gott!«, schluchzte Michelle. gehört habe, was sie beratschlagt »Äh - nein, eindeutig nicht«, sagte er haben?« sachlich. »Ich habe auch nichts mit der »Exakt.« Er rechnete mit einer anderen Seite zu tun. Ich bin einfach Antwort, die mit >Tut mir Leid< ich.« begann. Doch im nächsten Moment »Nein!« Tränen rannen über Michelkonnte er sein Glück kaum fassen. les Wangen. Sie dachte an ihren Vater, »Riverside Motel«, sagte die Kleine. der so sehr versucht hatte, sie zu »Das ist in Englewood Cliffs. Ich kenne beschützen. Sie dachte an seine den Laden selber, war auch schon mal väterliche Liebe, und sie hasste sich da. Ist so was wie ein Geheimtipp. Man dafür, wie ekelhaft sie zu ihm gewesen ist schnell da, von Manhattan aus, und war. 56
Doch ihre Einsicht, das spürte sie, kam zu spät - eine Ewigkeit zu spät. Noch immer lag er rücklings auf dem Bett, während Michelle langsam zur Tür zurückwich. Langsam setzte der Vampir sich auf. »Das Dumme ist, dass du mir auf die Schliche gekommen bist. Und ihr Sterblichen solltet eigentlich nie von uns erfahren…« »Ich werde niemandem etwas verraten!« Panik schwang in der Stimme des Mädchens mit. »Ich fürchte, selbst wenn ich dir das glauben könnte, was ich nicht tue, wäre es aus. Das, was ich jetzt tun werde, macht mir keinen Spaß, das kannst du mir glauben. Um ehrlich zu sein, ist es mir ziemlich egal.« Er zuckte mit den Schultern. »Nach dem Essen räumt man ja auch den Tisch ab.« Ein heiseres Grollen entrang sich seiner Kehle, als er den Mund weit öffnete. Die Reißzähne blitzten. Michelle brachte den Ansatz eines Schreies hervor. Sie wirbelte herum, raste zur Tür und hantierte hektisch am Schloss herum. Doch da war Bruce auch schon bei ihr - und grub seine Zähne tief in die Seite ihres pulsierenden Halses! Michelle versteifte sich unter ihm, wimmerte, riss den Mund auf zu einem gellenden Schrei. Doch es war ihr nicht möglich, ihn auszustoßen. Der Schmerz lahmte ihren Körper und ebenso ihre Stimmbänder. Er hatte sie gebissen, ihr die mächtigen, spitzen Fangzähne in die Halsschlagader gesenkt, und sie hörte das widerliche, Ekel erregende Saugen und Schmatzen dicht unter ihrem Ohr. Und sie erinnerte sich, diese Laute schon einmal gehört zu haben.
In jener Nacht, als Bruce sie zum ersten Mal glücklich gemacht hatte. Als sie davongeschwebt war auf einer Wolke der Glückseligkeit und Leidenschaft. Damals waren ihr diese Laute nicht widerlich erschienen und hatten auch keinen Ekel in ihr erzeugt. Doch diesmal war alles anders.
Diesmal verspürte sie keine Leidenschaft und glühende Lust sondern nur grausamen Schmerz und Panik. Er saugte das Blut aus ihrem Körper. Sie wusste es, und sie spürte es auch genau. Eine eisige Kälte stieg in ihr empor, sodass sie das Gefühl hatte, einzufrieren. Bruce - der Mann, den sie geliebt hatte wie keinen Menschen zuvor in
ihrem Leben! Wie konnte er ihr das antun, ihr diesen brutalen, grauenvollen Schmerz bereiten? Und der Schmerz steigerte sich noch, ging weit hinaus über das Erträgliche, und auch die eisige Kälte breitete sich in ihr weiter aus. Wo vorher das Blut pulsiert hatte, das er gierig schlürfend aus ihrem Körper sog, schien nun Eiswasser zu pulsieren. Sie bekam von ihrer Umgebung nichts mehr mit. Die Augen hatte sie zwar weit aufgerissen, aber da war nur noch Finsternis. Schwärze, Kälte und der unerträgliche Schmerz. Auch ihr leises Wimmern verklang, sie wurde stumm, wurde schlaff und
zitterte nur noch ein wenig. Es war vorbei, es war aus! 57
Das waren die letzten Gedanken, die zu denken sie imstande war. In diesem Moment passierte es .. .!
Er rutschtete an der Wand herab, und endlich verstummten die Schüsse. Killroy stürmte zu seiner Tochter hin, kniete neben ihr nieder und suchte ihren Puls. »Kleine! Nicht * schlappmachen! Ich bin ja da!«, Krachend flog die Tür auf, donnerte flüsterte er verzweifelt. Bruce in die Seite und ließ ihn Der Puls? taumeln. Michelle entglitt seinen Wo war der verdammte Puls? Armen. Erleichterung durchströmte DetecRob Killroy stürmte als Erster ins tive Lieutenant Robert Killroy. Da war Zimmer - und prallte zurück, wie von er. Schwach, aber vorhanden. einer unsichtbaren Wand gestoppt. Im nächsten Augenblick hörte er Den beiden County Cops erging es Bruces Stimme: nicht anders. Sie schnellten gleichzeitig »Scheiße!« herein und wichen nach links und rechts auseinander, die schweren Killroys Kopf ruckte herum, seine Dienstpistolen im Beidhandanschlag. Augen weiteten sich, als das Wesen, »Hände hinter den Kopf!«, brüllte das sich Bruce nannte, wieder auf die der Letzte, der den Raum betrat, noch Beine kam. bevor er die Lage registriert hatte. »Wisst ihr blöden Bullen eigentlich, Sein Partner und Killroy schwiegen wie weh das tut?« Er rollte mit den entgeistert. Mit wildem Blick stierte der Vampir Schultern. Während die beiden Cops noch ihnen entgegen. Sein leicht geöffneter gafften, sprang Michelles Vater bereits Mund gewährte einen guten Blick auf auf und stürzte sich auf den Vampir. Er seine viel zu langen Eckzähne hinter hatte jahrelang Kampfsport betrieben, blutverschmierten Lippen. Jetzt klappte auch dem Dritten die war dreimal Freistil-Meister im New Kinnlade herunter. Yorker Polizeitournier geworden, besaß Doch während Killroy noch überlegte, mehrere Schwarzgurte ... wie er an dem Ungeheuer vorbei zu Nichts von alle dem hatte ihn auf diesen Gegner vorbereitet. Nie war seiner Tochter gelangen konnte, um sie zu retten, brüllte der Cop neben ihm los. jemand so schnell gewesen wie dieses Monster. Killroy konnte tatsächlich »Feuer!« Und als seine beiden Kollegen ein paar Treffer landen, doch Bruce schien sie einfach abzuschütteln. anfingen, wieder und wieder den Dann schlug der Vampir zurück. Stecher Der Polizist glaubte, von einer ihrer schweren Pistolen Dampframme getroffen worden zu durchzuziehen, tat Killroy es ihnen sein, da flog er auch schon durch die gleich. Luft und krachte gegen die gegenüber Kugeln schlugen in Bruces Körper ein, trieben ihn zurück. Wild zuckte er liegende Wand, rutschte daran runter. Die Cops wechselten einen Blick. bei jedem Einschlag, es schien wie ein »Das gibts nicht«, sagte der blonde frenetischer Tanz. Beamte im Brustton der Überzeugung. Schließlich prallte der Vampir gegen »So was kann es gar nicht geben.« die Wand, konnte sein Körper nicht mehr weiter zurückgetrieben werden. 58
Der blonde Cop sah den Angreifer nicht einmal. Jäh zischte der wie ein
Schatten auf den Beamten zu, und sein Rammstoß schleuderte ihn gegen den
zweiten Mann. Beide stürzten, schrien, verhedderten sich, verloren ihre Pistolen. Bruce war bei ihnen, mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der sie zu Boden gegangen waren. Aus dem Knäuel von Armen und Beinen zog er den Blonden hoch, indem er ihn mit der Linken am Koppel packte. Mit der Rechten griff er ihm ins Haar, ließ sein Knie hochrucken, unter den Nacken des Mannes . . . ... und brach ihm auf diese Weise das Genick! Er schleuderte den leblosen Körper von sich wie eine Strohpuppe. Der ältere Cop, am Boden liegend,
streckte abwehrend die Hände aus. Mit geweiteten Augen sah er, dass die Einschusslöcher im Oberkörper des
Schwarzgekleideten nicht mehr vorhanden waren. Sie hatten sich einfach geschlossen. Aus den Augenwinkeln heraus sah der Beamte seine Waffe, greifbar nahe. Er streckte den Arm danach aus. Bruce bückte sich nur kurz, wie im Vorbeigehen, und hieb ihm die Faust
durch den Brustkorb. Der Mann war tot, noch bevor seine Finger den Stahl der Waffe erreichten. In diesem Moment erschien an der
Wand ein roter Punkt. * Bruce schrie vor Wut und warf sich zur Seite. Das Pflockgeschoss zischte über Bruces Schulter hinweg, zupfte sogar am Stoff des T-Shirts. Es war wie ein
Sengen, gefolgt von dem dumpfen Einschlag, mit dem sich der Pflock in die Wand bohrte.
Mit einem Anflug von Bedauern blickte Bruce auf Michelle nieder. Nach dem Ärger wegen Kevin konnte er sich Bruce spähte am Bett vorbei, zur keinen Ausrutscher mehr leisten. Aus offenen Tür. dem gleichen Grund würde er kaum Der Vampirjäger war nicht mehr zu die Erlaubnis erhalten, das Mädchen sehen. zum Vampir zu machen. Legrand! Nicht zu ändern. Wie oft muss ich den denn noch Nun zu Legrand. umbringen!, dachte Bruce grimmig. Mit einem Sprung war er draußen, Reicht einmal vom Dach schmeißen außerhalb des Lichts. heute nicht mehr aus? »Hier bin ich, Legrand!« Bruce fuhr sich mit der Zunge über Bruce sah das spitz geschliffene Holz die Lippen, um den Rest des süßen des Bolzens, wie es in seine Richtung Bluts zu kosten, das er Michelle ausschwenkte. Das glühende Rot des gesaugt hatte. Laserzielstrahls stach auf ihn zu. Und Legrand machte einen großen der Zielscheinwerfer schleuderte sein Fehler, ihn ausgerechnet in dieser grelles Lichtbündel auf ihn zu. Stunde anzugreifen. Der Abend hatte Bruce kannte das alles, und doch so gut angefangen. kam es so geballt, dass er für einen Im Gegensatz zu Killroy und den Sekundenbruchteil irritiert war. Nur Cops war der Kreole eine tödliche deshalb reagierte er um diese winzige Gefahr. Der wusste wenigstens, womit Zeitspanne zu spät, als er sich nach er sich anlegte. Hinzu kam, dass er unten sacken ließ. höher motiviert war als sonst. Er wollte Der Pflock raste auf ihn zu. Fletcher rächen, seinen Partner! Bruce schrie auf, als sich das bolzenartige Geschoss in seinen Körper bohrte. * Schmerz durchzuckte ihn. Legrand hatte die Armbrust nachMit einem wilden Ruck griff er nach geladen. dem Ende des Pflocks, der knapp unter Geduckt, die Waffe schussbereit an dem Schlüsselbein eingedrungen war. der Schulter, bewegte er sich vorsichtig Mühelos zog er ihn heraus, nach links, auf den Chevrolet zu, der konzentrierte sich auf die Wunde und vor dem Nachbarzimmer parkte. Er spürte, wie sie sich schloss. würde den Mörder seines Partners Legrand stieß einen Fluch aus, als er erwischen. sah, was geschah. Das Motelzimmer hatte nur eine Tür Diesmal riskierte er es nicht, die und nur ein Fenster. Von hier konnte Armbrust nachzuladen. Er warf sie er beides Überblicken. von sich und riss die Machete aus der Er wollte doch mal sehen, ob dieser Scheide. Bruce schneller war, als ein Bolzen Lachend ging Bruce auf ihn zu seiner Armbrust. scheinbar lässig und in aller Ruhe. 60
»Weißt du, was jetzt geschieht?«, fragte der Vampirjäger. »Du wirst sterben«, erwiderte Bruce. * schnell wie Bruce, doch irgendwie schien er instinktiv jede Bewegung des neben dem Fenster und stemmte sich Vampirs zu erahnen. Ein hartes hoch. Kampftraining lag hinter ihm. Er war In seinem augenblicklichen Zustand, gedrillt worden auf den Kampf gegen das wusste er, war er nicht im Stande, diese blutsaugenden Monster. zu kämpfen - schon gar nicht gegen Im letzten Moment, bevor die beiden jemanden, dessen Kräfte alles Gegner aufeinanderprallten, wollte Menschliche um ein Vielfaches Bruce ausweichen - und war diesmal übertrafen. zu langsam. Zwar zuckte er noch Was er nun sah, raubte ihm fast den zurück, und die Machete verfehlte Verstand. seinen Hals, doch sie hackte tief in Bruce ging auf seinen Gegner zu - seine Schulter. Und Bruce schrie auf langsam und lauernd. vor Schmerz, sackte in die Knie. Der Gegner, ein hellhäutiger Kreole, Damit hatte er nicht gerechnet. hielt eine Machete in der rechten Hand - Von dem Schmerzensschrei des nach vorn geneigt, offenbar, um Bruce Vampirs angestachelt, schlug Legrand anzuspringen und zuzuschlagen. ein weiteres Mal zu, zielte auf den Hals »Du willst mir also den Kopf des Blutsaugers, um ihn zu köpfen. abschlagen, Legrand?«, bemerkte Bruce bog den Oberkörper nach Bruce spöttisch. »Die Frage ist nur, ob hinten weg, noch immer auf den ich mir das gefallen lasse.« Knien, und die Klinge sauste an ihm Legrand erwiderte nichts mehr - mit vorbei. Der Vampir wollte nach dem einem Wutschrei griff er an. Gegner schnappen, da wischte die Und ebenso Bruce. Fauchend sprang Klinge zurück, bohrte sich in seinem er auf den Vampirjäger zu, siegesgeBauch und tief in seine Eingeweide. wiss und ohne Furcht. Wieder schrie Bruce auf. Er war diesem Sterblichen weit »Na, das tut weh, nicht wahr, du überlegen, brauchte sich vor Menschen Ungeheuer?«, schrie Legrand nicht zu fürchten. Auf dem Dach des hasserfüllt. Garagenhauses waren sie zu zweit Er drehte die Klinge herum, zog sie gewesen, und Bruce hatte trotzdem dann hoch, um Bruce die Eingeweide leichtes Spiel mit ihnen gehabt. zu zerschneiden, und Bruce schrie und Doch diesmal überschätzte er sich. schrie. Auf der Garage hatte er Fletcher und Er hatte seinen Gegner unterschätzt. Legrand überraschen können, waren sie Absolut unterschätzt. Dieser Legrand nicht auf seine Fähigkeiten vorbereitet, war stärker und schneller als jeder doch diesmal war Legrand gewappnet. Mensch, dem der Vampir je gegenüber Und er war schnell. gestanden hatte. Wenn es überhaupt Zwar war er bei weitem nicht ein Mensch war,.. so 61 Als Rob Killroy zu sich kam, hörte er Stimmen von draußen. Er lag dicht
Wenn Bruce jetzt überleben wollte, musste er den Schmerz unterdrücken und kämpfen! Killroy beobachtete das Geschehen noch immer vom Fenster aus. Die Luft blieb ihm weg, während er diesen
sich in die Büsche prasseln. »Nun, Legrand?«, rief er knurrend. »War es das?« »Noch lange nicht«, erwiderte der
Kreole und zog seine Pistole. Ungläubig beobachtete Killroy, wie harten, unerbittlichen Kampf Legrand auf Bruce feuerte. Winzige beobachtete. Explosionen blühten auf Bruces Brust Legrand riss nun die Machete aus auf. dem Körper des Vampirs, trat ihm Explosivmunition! dann heftig ins Gesicht, sodass dieser Und die Explosionen zerfetzten den nach hinten kippte, stellte Bruce einen Brustkorp des Vampirs, trieben ihn Fuß auf die Brust und hob die Klinge, zurück und rissen ihn schließlich von um dem untoten Gegner jetzt endlich den Füßen. das Haupt vom Körper zu trennen. Er wirbelte nach hinten und schlug Bruce sah die Klinge über sich aufs Pflaster. blitzen, sah, wie Legrand die Machete Und er rührte sich nicht mehr. zum letzten, finalen Hieb hob. Seine Brust war von den Explosionen furchtbar zerrissen. Was Du musst kämpfen, schoss es ihm durch den Kopf. Kämpfen, oder es ist dort lag, hatte kaum noch eine aus! Ähnlichkeit mit dem gutaussehenden Er stieß ein zorniges Fauchen aus, jungen Mann, den Killroy kennen packte den Fuß, den ihm Legrand auf gelernt hatte. die Brust gesetzt hatte, mit beiden Legrand trat langsam auf dem reglos Händen. daliegenden Bruce zu. Als er endlich vor ihm stand, richtete er die Mündung Und schleuderte Legrand von sich der Waffe auf dessen Kopf. weg. Er wusste, der Vampir war noch Der Vampirjäger wirbelte durch die Luft, mehrere Meter weit, dann prallte nicht erledigt. Er würde auch diese er hart auf das Pflaster des Hofes. schlimmen Verwundungen mit seinen Doch geschickt rollte er sich ab, kam Selbstheilungskräften überstehen. sofort wieder hoch. Ein anderer Er musste ihm den Kopf zerstören. Mensch, weniger gut trainiert und Ein Explosivgeschoss genau in die ausgebildet, hätte sich bei diesem Stirn, und der Schädel würde Aufprall alle Knochen gebrochen. zerspringen in einem Regen aus Auch Bruce kam wieder hoch. Er Knochen und Blut. fauchte wild und konzentrierte sich Sein Finger krümmte sich um den gleichzeitig darauf, die tiefen Wunden Abzug und . .. In diesem Moment riss Bruce die zu schließen, die der Vampirjäger ihm Augen auf. beigebracht hatte. Legrand erschrak, nur für den In diesem Moment schleuderte Bruchteil einer Sekunde, doch dieses Legrand die Machete. kurze Zögern entschied über Leben und Kreisend und zischend raste die Tod. mächtige Klinge durch die Luft. Bruces Bein schnellte hoch, traf die Bruce hatte damit gerechnet, duckte sich und ließ das Wurfgeschoss hinter Waffenhand des Vampirjägers mit un62
vorstellbarer Wucht und prellte ihm die Pistole aus den Fingern. Weit segelte sie durch die Luft
davon. Legrand schrie schmerzerfüllt auf und umklammerte sein Handgelenk, gebrochen von Bruces Tritt. Dann trat der Vampir ihm die Beine
und dem Vampir zu bringen. Auf allen vieren Kroch er davon, Blut und ausgeschlagene Zähne spuckend. Sein Unterkiefer war gebrochen. unter dem Körper weg, und hart schlug er auf den Boden. Als er sich wieder Legrand wurde schwarz vor Augen, erheben wollte, kam Bruce auf die aber er musste der Bestie entkommen, Knie, ein blutbesudeltes Monstrum mit wenn er überleben wollte. Er kroch schrecklich verunstaltetem Körper. weiter, immer weiter, keuchend und wimmernd vor Schmerz. Und er schlug zu - hart und unerbittlich. Nein, er wollte den Blutsauger Sein Handrücken krachte in vernichten. Er musste ihn vernichten. Legrands Gesicht. Er musste die Bestie auslöschen, um Der wurde herumgewirbelt und die vielen unschuldigen Menschen zu sackte zu Boden, rollte sich dann aber schützen, die dieses Ungeheuer sonst zur Seite, um Abstand zwischen sich ins Verderben reißen würde.
Er schaffte es, sich hochzustemmen und auf die Knie zu kommen. Und dann sah er durch einen roten
nie einen Menschen hatte schreien hören. Die Explosion zerriss den Mann, ließ ihn buchstäblich in einem Feuerball Schleier aus Schmerz, Tränen und Blut, verglühen. wie sich der Vampir langsam erhob. »Doch nur ein Mensch!«, hörte Killroy Das Monster sah einfach furchtbar den Vampir noch sagen. aus, und es war auch noch immer Er schloss die Augen vor Entsetzen. geschwächt, doch die schlimmen Als er sie wieder öffnete, war er bereit Verletzungen heilten bereits, die zur Flucht. Wunden schlössen sich langsam. Doch das Wesen, das sich Bruce Und der Vampir fauchte all seinen nannte, war in der Dunkelheit Hass und seinen Zorn hinaus. verschwunden. Ein Laut, der auch Killroy am Fenster »O Himmel«, keuchte Killroy, der durch Mark und Bein ging. Er konnte noch immer nicht fassen konnte, was einfach nicht fassen, was seine Augen geschehen war, was er mit eigenen da sahen, sein Verstand aber nicht Augen gesehen hatte. »O Himmel, steh begreifen wollte. mir bei. O Himmel, steh mir bei. . .« Legrand griff zum letzten Mittel. Es konnte nicht wahr sein. Es durfte Mit aller ihm noch verbliebenen nicht wahr sein. Es war völlig Kraft löste Legrand eine Handgranate unmöglich, was er dort eben beobachtet von seinem Gürtel und zog den hatte. Sicherungsstift. Er wandte den Kopf. Fahr zur Hölle, du verfluchte Bestie! Und sah direkt in die toten Augen Das wollte er sagen, das wollte er seiner Tochter, die ihn, weit schreien, das wollte er brüllen. aufgerissen, anzustarren schienen. Doch mit dem gebrochenem Kiefer Und da wurde ihm klar, das alles war ihm das nicht möglich. wahr war. Das alles so geschehen war, Und so drang nur ein ächzendes wie er es gesehen und beobachtet hatte. Keuchen über seine Lippen, als er die Es war die Realität gewesen. Eine Granate warf. grausame, gnadenlose, brutale Killroy hielt den Atem an, als er das Realität. Unfassbare beobachtete. Und Robert Killroy sackte in sich Bruce fing die Granate im Flug. zusammen, verbarg den Kopf unter seinen Armen und begann zu weinen »Schluss jetzt!«, knurrte er. Und dann - dann warf er die Granate wie ein Kind .. . zu Legrand zurück. * Und er tat es mit unglaublicher, schier übermenschlicher Wucht. Es war ein kühler Morgen oberhalb des Wie ein Geschoss raste die Granate Flusses, und Robert Killroy dachte auf seinen Gegner zu! daran, dass es an einem solchen Tag Das Wurfgeschoss traf Legrands wohl niemals anders sein konnte. Über Brustkorb, ließ Haut platzen, Rippen dem Hudson River lagen Nebelschwazersplittern und bohrte sich tief hinein. den, und selbst die mächtigen Legrand schrie, wie Killroy noch Stahlpfeiler der Washington Bridge 64
waren vom Trinity Cemetery, dem Friedhof oberhalb des Flussufers, nur
schemenhaft zu erkennen. Über jene Brücke hatte Michelles letzte Fahrt geführt. Und nun war sie von New Jersey
zurückgekehrt, für immer, um mit ihrer Mutter vereint zu sein. Nein, das war nicht Michelles Absicht, überlegte Killroy, während er ganz vorn ging, den Sarg seiner Tochter auf den Schultern, zusammen mit seinen besten Freunden und Kollegen. Aber so, wie es nun einmal ist, wird es ihr recht sein, neben ihrer Mutter zur Ruhe gebettet zu werden. Auf der anderen Seite des Sarges, vorn, ging Captain Fachtna W. Dougal, und es hatte einen Moment den Anschein, als würde er unter der Last zusammenbrechen. Denn es war schwere amerikanische Eiche, die Michelle Killroy in ihrer letzten Ruhestätte schützend umhüllte. Niemals wieder würde ihr ein Leid geschehen. Wie in Trance erlebte Rob Killroy das Begräbnis seiner geliebten
Sarg in die Grube gesenkt wurde. Die Worte des Priesters hallten an ihm vorbei, er kühle Wind vom Hudson ließ ihn frösteln und die Tränen auf seinen Wangen erkalten. Er spürte die stützenden Hände seiner Kollegen, und er war voll unendlicher Dankbarkeit, dass es sie gab. Sie weinten mit ihm, allen voran der Captain, denn sie schätzten ihn als einen Mann, der stets für sie da war und an sich selbst zuletzt dachte. Zum Schluss blieb Killroy allein bei seiner Tochter. Lange hielt er stummte
Zwiesprache mit ihr, wie sie dort unten lag, in der kühlen Tiefe der Erde, und er leistete seinen Schwur, ohne den er keinen Abschied von ihr nehmen konnte. »Ich werde dich rächen, Michelle«, Tochter. Sein Blick war von Tränen sagte er leise, aber mit fester Stimme. verschleiert, und er glaubte, »Ich schwöre es. Ich werde dieses zusammenbrechen zu müssen, als Monster fertig machen!« der
ENDE
Dass sein Gegner ein Vampir ist - so unglaublich
das klingt -, da ist Robert Killroy sich sicher. Doch dass er eigentlich gar nicht weiß, mit wem er sich da anlegt, dass wusste er nicht. Bis ihn der
erfahrene Vampirjäger Mirco Rubik aufsucht. Erst dann ist Michelles Vater bereit für
Killroys Rache Verpasse auf keinen Fall den nächsten Band von VAMPIRE - Imperium der Finsternis. In vierzehn
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