Enid Blyton Fünf Freunde Band 27
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Enid Blyton Fünf Freunde Band 27
Fünf Freunde und das versunkene Schiff scanned by unknown corrected by Chase In einer stürmischen Nacht wurde ein Schiffswrack in eine Bucht der Felseninsel gespült. Als die Fünf Freunde bei ihren Tauchgängen eine Ladung Goldbarren in dem Wrack entdecken, ist ihre Neugier geweckt... ISBN 3-570-12545-9 englische Ausgabe: »Five and the Golden Galleon«. Aus dem Englischen von Fritzi Buchholz Illustriert von Silvia Christoph 2001 C. Bertelsmann Jugendbuch Verlag
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Enid Blyton starb 1968 im Alter von 71 Jahren. Ihr Leben lang war sie eine der beliebtesten und bekanntesten englischen Autorinnen. Kaum ein anderer Schriftsteller hatte und hat einen so großen Einfluss auf das Kinderbuch wie sie. Enid Blyton liebte die Kinder in aller Welt und schrieb für sie über 600 Bücher, viele Lieder, Gedichte und Theaterstücke. Von Enid Blyton sind bei C. Bertelsmann Jugendbuch und OMNIBUS folgende Reihen erschienen: »Fünf Freunde«, »Fünf Freunde und Du«, »Rätsel«, »Die schwarze 7«, »Die verwegenen 4« und, als Sammelband, »Lissy im Internat«
Inhalt Wieder auf der Felseninsel ......................................................................4 Ein heftiger Sturm..................................................................................10 Die Goldene Galeone.............................................................................19 Ein beunruhigendes Ereignis .................................................................31 Wo sind die Goldbarren? .......................................................................40 Die Polizei schreitet ein zweites Mal ein ...............................................50 Jeffs Hütte..............................................................................................56 Ein Tunnel wird gegraben......................................................................64 Jagd auf den Schatz ...............................................................................73 Auf zur Glockenstube ............................................................................82 Unten im Brunnen..................................................................................89
Wieder auf der Felseninsel »Komm schon, Richard, bind endlich das Boot los! Hilf ihm, es rauszuschieben, Julius! Anne, du guckst noch einmal nach der Campingausrüstung und kontrollierst, ob wir nichts vergessen haben! Und du, Tim, kannst du nicht aufhören, deinem Schwanz hinterherzujagen? Er ist immer noch an derselben Stelle!« Julius lachte und rief: »Jawohl, Herr Offizier Georg!« Dabei grüßte er militärisch. »Aye, aye, Käptn!«, sagte Richard, salutierte und stand still. »Okay, Georg«, meinte Anne zustimmend und zählte zum dritten Mal die Pakete, die um sie herumstanden. »Wuff!«, kläffte Tim und stoppte abrupt sein wildes Gekreisel. Georg guckte böse und ärgerte sich über ihre Freunde, die sie auslachten. Georg konnte sehr launisch und aufbrausend sein, aber im nächsten Augenblick vor guter Laune auch gleich wieder übersprudeln. Beim Gedanken, dass sie und ihre Freunde, wie jedes Jahr, die Sommerferien zusammen verbringen würden, war sie jedenfalls sofort wieder fröhlich. Die Kinder nannten sich die Fünf Freunde – der fünfte Freund war Tim, Georgs Hund. Sie waren unzertrennlich. Die Fünf Freunde stolperten immer wieder über alle möglichen verzwickten Fälle und sie taten nichts lieber, als sie zu lösen. Auch dieses Jahr hofften sie, dass etwas Aufregendes passieren würde. Gerade jetzt dachten die Fünf Freunde daran, wie viel Spaß sie wohl auf der Felseninsel haben würden. Sie würden wie Robinson Crusoe leben und zelten – das al-4-
leine würde schon ein tolles Abenteuer werden! Georgs Eltern, Onkel Quentin und Tante Fanny, lebten in einem Haus am Meer, im Felsenhaus. Der Garten reichte bis zum Strand, an dem Georgs Ruderboot lag. »Fertig, um in See zu stechen, Käptn!«, meldete Richard feierlich. »Und wir mussten nicht einmal auf Georg warten!«, neckte Julius, der nicht lange gebraucht hatte, um das Boot von seinem Anlegeplatz loszubinden. »Ich denke, wir haben alles, Georg«, sagte Anne ernst und steckte die Liste, die sie noch einmal zur Kontrolle hervorgeholt hatte, in ihre Hosentasche. Georg lachte. »In Ordnung, ich weiß, dass ihr alle denkt, dass ich komisch bin!«, lenkte sie ein. »Keine Sorge! Wir werden auf der Felseninsel zelten! Das wird lustig.« Georg sah mit ihren kurzen lockigen Haaren, den gebräunten Beinen und blauen Shorts wie ein Junge aus. Richard, der mit seinen elf Jahren genauso alt war wie seine Kusine Georg, hatte viel Ähnlichkeit mit ihr. Beide hatten sie blaue Augen und dunkles Haar, und beide waren sie sehr lebhaft und impulsiv. Julius war dreizehn und damit der Älteste. Anne war mit ihren zehn Jahren die Jüngste. Sie und Julius waren beide blond und verhielten sich meistens vernünftiger als die beiden anderen. Der Fünfte der Fünf Freunde, Tim, war kein normaler Hund! Es wäre zwar keine gute Idee gewesen, ihn nach seiner Herkunft zu befragen, aber er war sehr intelligent und seine Spürnase war unverzichtbar. Er betete Georg an und folgte ihr wie ihr eigener Schatten. Sie wusste, dass sie sich immer auf ihren Hund verlassen konnte. -5-
»Also los jetzt! Alle schieben gemeinsam und schon sind wir auf See!« Georg war so begeistert wie ein Kapitän auf einem Piratenschiff, das gerade ein anderes Schiff kapern will. »He, Moment!«, protestierte Julius. »Nicht so hastig! Lass uns doch erst noch unsere Campingsachen an Bord bringen!« Georg wurde rot. Wieder hatte sie das Kommando an sich gerissen und dabei auch noch einen Fehler gemacht. Sie hatte sich gehen lassen und war froh, dass Julius sie von Zeit zu Zeit auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Die Kinder rannten ins Wasser und spritzten sich auf dem Weg zum Boot gegenseitig nass und lachten und kabbelten sich. An Bord des Bootes ruderten Georg und Richard gleich los. Die Felseninsel war Georgs Eigentum. Ihre Eltern hatten sie ihr geschenkt. Es war keine sehr große Insel, lediglich ein Stückchen Land, das das Meer mit seinen Strömungen vor Tausenden von Jahren vom Festland abgetrennt hatte; aber für die Kinder war es ein wundervoller Ort. Malerisch und geheimnisvoll zugleich, und er hatte alles, was man von einer Insel erwartete: eine kleine windgeschützte Bucht, die wie ein natürlicher Hafen war, einen Sandstrand, Felsen, eine Quelle mit Trinkwasser, Wiesen und hohe Bäume. Und sogar eine Burgruine, deren Mauern über das Meer emporragten, fehlte nicht. Georg ruderte und sagte im Stillen zu sich selbst, dass sie sehr glücklich war, diese Freunde und ihre eigene Insel zu haben. »Pass auf, Georgina, du träumst!«, rief Richard plötzlich. »Merkst du nicht, wie das Boot wackelt! Oder sollen wir alle erst mal ein erfrischendes Bad im Meer nehmen?« Georg warf ihrem Kusin einen vernichtenden Blick zu. -6-
Wenn es eine Sache gab, die sie hasste, dann die, dass man sie bei ihrem richtigen Namen rief oder ein Mädchen nannte. Sie wäre ja so gerne als Junge auf die Welt gekommen! Ganz anders als Anne hasste sie Nähen, Kochen und Hausarbeit. Stattdessen liebte sie wilde Spiele und beunruhigte damit sogar manches Mal ihren Kusin Richard. »Schon in Ordnung«, sagte sie verärgert und holte mit ihrem Ruder weit aus, um das Boot wieder auf seinen Kurs zurückzubringen. Mit einigen weiteren Ruderschlägen hatten sie den von der Insel geschützten Meeresarm erreicht. Julius, Richard und Georg stürzten mit Begeisterungsstürmen ins seichte Wasser und zogen das Boot an Land, um es an einem Eisenring zu vertäuen. Anne stieg endlich auch aus dem Boot und Tim wälzte sich schon im Sand und bellte glücklich. »Los, bringen wir die Sachen zum Weg«, meinte Julius. »Ich ziehe dann das Boot auf den Strand. Es sieht so aus, als bliebe das Wetter so schön, aber man weiß ja nie! Schließlich wollen wir nicht riskieren, dass das Boot gegen die Felsen geschlagen wird!« Julius hatte Recht, das Wetter war klasse. Es war noch früh am Morgen, aber die Sonne strahlte schon von einem wolkenlosen blauen Himmel herunter. »Also los jetzt! Hast du die Zelte, Ju? Richard, du nimmst die Heringe und ich trage die Luftmatratzen. Wenn das Kochgeschirr zu schwer für dich ist, Anne, dann lass es liegen. Das können wir auch später noch holen.« »Nun verbreite nicht so eine Hektik, Georg! Wir haben es ja nun wirklich nicht eilig!«, erwiderte Anne. »Wir müssen doch sowieso nochmal hierher kommen, um den Kocher und die Vorräte hinaufzubringen«, sagte -7-
Julius. Der Weg, der von der Bucht über den Berg führte und von dem man über das Meer sehen konnte, war schmal und steil. Aber die Kinder steckten voller Energie und trugen gutes Schuhwerk. Nur Tim war auf seinen vier Pfoten schneller als die anderen. Schließlich musste er ja auch nichts tragen, wie Anne feststellte. Georg plapperte unentwegt. Sie konnte einfach nichts dagegen tun – sie liebte es so, auf der Felseninsel zu zelten. Dies hier war ein Ort, an dem sie so viel singen und lachen konnte, wie sie wollte, ohne sich Sorgen zu machen, dass sie ihren Vater bei seiner wichtigen wissenschaftlichen Arbeit störte! Onkel Quentin war ziemlich streng und brauchte seine Ruhe. »Wisst ihr«, sagte sie voller Begeisterung zu den anderen, »die Felseninsel ist wirklich der perfekte Ort für uns, wenn wir ohne die lästigen Erwachsenen sein wollen. Meint ihr nicht auch?« Als sie ihren Zeltplatz erreicht hatten, eine Rasenfläche gegenüber der Burg, begannen sie mit dem Aufbau der zwei großen Zelte. Eins war für die Mädchen bestimmt und eins für die Jungs. Außerdem hatten sie auch noch ein drittes, kleineres Zelt für den Kocher und ihre Vorräte dabei. Das Essen bewahrten sie in einem Fliegenschrank auf, damit keine Insekten sich daran vergehen konnten. Als sie die Zelte aufgebaut und fest im Boden verankert hatten, ging Julius zurück zur Bucht, um das Boot von den Felsen weg an Land zu ziehen. Georg und Richard holten Wasser von der Quelle und Anne begann Essen zu machen. Sie war eine gute Köchin, und während sie mit ihren Töpfen beschäftigt war, beschlossen die anderen eine »Besichtigung des Eigentums« vorzunehmen, wie Georg stolz meinte. -8-
Es schien, dass sich seit letztem Jahr nichts verändert hatte. Einige abgerissene Äste lagen herum, was bedeutete, dass im Winter wohl heftige Stürme über die Insel gefegt waren, aber von der Burg waren keine weiteren Steine abgebröckelt. »Kommt schon, Mittagessen!«, drängelte Richard. »Ich hab einen Bärenhunger!« »Wuff!«, bellte Tim und wedelte mit seinem Schwanz zur Bestätigung. »Ich bin so hungrig wie ein Wolf«, sagte Julius. Nur Georg blieb zurück und guckte versonnen zum Horizont. Sie liebte das Meer über alles, weil es für sie Abenteuer bedeutete. »Ich bin gespannt«, murmelte sie, »ja, ich bin wirklich gespannt, ob uns dieses Mal irgendein Fall über den Weg läuft!« »Georg, das ist doch reines Wunschdenken«, ärgerte Richard sie. »Du hättest es wohl gerne, wenn dir das Meer ein pikantes Abenteuer vor die Füße spülen würde, nicht wahr? Also wirklich, du und deine überspannten Vorstellungen!« Aber Georg wollte sich nicht über seine kleine Neckerei empören. Sie hielt inne, während sie aufs Meer starrte: »Du kannst ruhig über mich lachen, wenn du willst, Richard. In Ordnung, ich weiß, dass ich einige verrückte Ideen habe – trotzdem, ich glaube, dass uns hier ein Fall erwartet! Direkt vor unseren Füßen!«
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Ein heftiger Sturm Die Kinder verbrachten die nächsten fünf Tage vergnügt und völlig ungestört von den manchmal so lästigen Erwachsenen beim Zelten auf der Felseninsel. Das Wetter blieb schön und die Fünf Freunde genossen unbeschwert die herrliche Zeit. Sobald sie morgens aufwachten, machten sie sich ein großes Frühstück mit Eiern, Schinken und getoastetem Brot. Dann begann der Tag mit vielen abwechslungsreichen Beschäftigungen. Meistens gingen sie zuerst zum Schwimmen oder suchten Muscheln am Strand, machten Wettrennen oder spielten Wasserball. Sie konnten beim Essen reden und so viel Krach machen, wie sie wollten. An den Nachmittagen fuhren sie mit dem Ruderboot hinaus oder gingen wieder baden oder sie legten sich einfach nur in die Sonne. Wenn der Abend hereinbrach, entfachten sie ihr Campingfeuer, Richard und Georg spielten auf ihrer Mundharmonika und Anne sang mit ihrer lieblichen Stimme schöne Lieder. Julius begleitete manchmal seine Schwester auf der Gitarre, und wenn die anderen eine Geschichte hören wollten, wusste er immer etwas zu erzählen. Aber das war längst nicht alles. Sie hatten noch viel mehr Spaß und langweilig wurde ihnen nie! Da gab es zum Beispiel spannende Versteckspiele, Entdeckungstouren in die verborgenen Winkel der Insel, Kartenspiele, Ratespiele und Geschicklichkeitstests. Wenn ihre Vorräte knapp wurden, stiegen die Fünf Freunde in Georgs Ruderboot und setzten zum Felsenhaus über, um für Nachschub zu sorgen. Manchmal fuhren sie ins Felsendorf, entweder mit dem Bus oder auf ihren schönen neuen Fahrrädern, die Onkel Quentin ihnen -10-
kurz zuvor geschenkt hatte. Oder sie ruderten im Boot übers Meer. Und sie liebten es, am Markttag durchs Dorf zu schlendern. Die Fünf Freunde hatten wirklich wunderbare Ferien. Und dann, am sechsten Tag, passierte etwas!
»Na so was!«, rief Julius an diesem Morgen aus, als er aus dem Zelt auftauchte, das er sich mit Richard teilte. »Na so was, guckt euch mal den Himmel an! Das Wetter scheint sich zu ändern!« Georg, die gerade von der Quelle zurückkehrte, an der sie ihr Gesicht gewaschen hatte, blickte auch zum Himmel und stimmte ihm sofort zu. »Ja«, sagte sie. »Siehst du diese dicken schwarzen Wolken im Westen? Und die aufgehende Sonne ist so rot wie ein Hummer!« »Roter Himmel am Morgen ist des Schäfers Warnung!«, -11-
orakelte Richard. »Du hast Recht«, murmelte Georg nachdenklich. »Und der Wind frischt auf. Es würde mich nicht wundern, wenn uns das noch vor dem Abend einen ganz schönen Sturm beschert.« Anne stöhnte. »Stürme sind niemals›schön‹!«/ protestierte sie. »Ich meine, wir sollten packen und geradewegs zum Felsenhaus zurückkehren, Georg. Erinnere dich, dass wir Tante Fanny und Onkel Quentin das Versprechen gegeben haben, dass wir nach Hause kommen, wenn das Wetter umschlägt.« »Ach, das haben sie nur verlangt, weil sie sich euren Eltern gegenüber dazu verpflichtet fühlten!«, beharrte Georg, die ihre Insel nicht verlassen wollte. »Wie auch immer, im Moment ist es noch schön und die Sonne scheint, also lasst uns warten, bis es regnet und kälter wird, bevor wir daran denken zurückzukehren. Schließlich ist es nicht weit zum Festland, oder Tim?«, sagte sie und wandte sich ihrem Hund zu. Von Tim konnte sie meistens freudige Zustimmung erwarten. »Wuff!«, antwortete Tim und wedelte mit dem Schwanz. Tatsächlich würde Georg lieber durch einen Sturm von der Außenwelt abgeschnitten auf ihrer Insel bleiben, als im Felsenhaus eingesperrt zu sein, wo sie immer still sein mussten, weil sie ihren Vater bei der Arbeit stören könnten! Onkel Quentin war ein berühmter Wissenschaftler. Georg liebte und bewunderte ihn, aber manchmal dachte sie, dass es schon eine Plage war, so einen Vater zu haben! »Georg hat Recht!«, sagte Richard vergnügt. »Lasst uns das Beste aus dem schönen Wetter machen, solange es noch da ist! Wer ist für ein Wetttauchen? Der Gewinner erhält die schönste von all unseren gesammelten -12-
Muscheln!« Georg war von Richards Vorschlag begeistert, Julius ließ sich schnell überreden und deshalb musste auch Anne mitmachen. So begann alles. Denn wenn die Kinder an diesem Tag beschlossen hätten, zum Festland zurückzukehren, hätten sie niemals das aufregende Abenteuer erlebt, das ihnen der Sturm herbei wehte! Am späten Morgen, als die Kinder genügend Wettrennen geschwommen hatten, bemerkten sie, dass die Sonne gerade hinter einer Wand von dicken schwarzen Wolken verschwand. Auf einmal schien sich der Himmel zu öffnen und ein heftiger Regen prasselte auf die Insel und die Fünf Freunde. Georg, Julius, Richard, Anne und Tim rannten so schnell ihre Beine sie tragen konnten zurück zu ihrem Zeltplatz. »Schnell!«, schrie Georg. »Baut die Zelte ab und tragt alles in die Burg unter das Dach!« »Oh, so ein Mist!«, schimpfte Julius verärgert, während er einen Hering herauszog. »Es ist mein Fehler. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass wir zurückkehren. Und nun ist es zu spät!« »Du hast ja Recht, alter Junge«, sagte Richard und zeigte in Richtung Felsenhaus. »Guck dir das an! Man kann nicht mal mehr Land sehen!« Es regnete nun noch stärker, der Wind heulte und drohte das kleine Zelt mit den Vorräten wegzuwehen. Anne stopfte sie schnell in eine große Tasche. Die drei anderen versuchten die nassen Zeltbahnen zusammenzulegen, die gegen ihre Beine schlugen. »Gott sei Dank, dass wir unsere Badesachen anha-13-
ben!«, keuchte Julius. »Das ist ja das reinste Duschbad! Bei diesem Wetter würde ich nicht mal einen Hund vor die Tür schicken, nicht wahr Tim?« Tim, der Regen hasste, rannte schon zur Burgruine und bellte so laut er konnte. Endlich waren sie alle fünf im Schutz der dicken Mauern. »Na so was, ein richtig heftiger Wetterumschwung, der Wind war wirklich eisig!«, sagte Richard. »Ich friere! Wollen wir nicht ein Feuer machen?« »Prima!«, stimmte Georg zu. »Gut, dass wir vorsorglich waren und einen Stoß trockenes Feuerholz hier drin gelagert haben!« Die Kinder trockneten sich gründlich ab und zogen sich Wollpullover an. Als ihnen wohlig und warm war, das Feuer lustig brannte und sie Annes heiße Würstchen und Bohnen in Tomatensoße gegessen hatten, genossen sie es, einfach nur dazusitzen und dem tosenden Sturm zuzusehen. Es war eines der wildesten Gewitter, die sie je erlebt hatten. Fast schien es, als ob die ganze Welt in dieser Nacht untergehen wollte. Als sie sich auf der Seite der Steilküste in den verfallenen Torbogen der Burg stellten, konnten sie nicht nur das Meer, sondern auch den Himmel sehen. Die Aussicht war faszinierend. Donnergrollen dröhnte vom dunklen Himmel und das Meer sah ebenso dunkel und gefährlich aus. Die Burg und die Fünf Freunde standen dort oben über dem schäumenden Meer; hohe Wellen schmetterten gegen die Klippe, als wollten sie sich die Insel einverleiben. »Oh, ist das nicht Furcht erregend?«, sagte mit zitternder Stimme und käsebleichem Gesicht Anne, die sich gar nicht wohl in ihrer Haut fühlte. »Das wilde Wasser und die Blitze!« -14-
»Schließ die Augen, wenn du Angst hast!«, riet ihr Georg ziemlich ungeduldig. »Du weißt ganz genau, dass du hier nicht in Gefahr bist, Anne!« »Wir können jetzt unmöglich mit dem Boot rausfahren«, sagte Julius düster. »Wie gut, dass ich es auf den Strand gezogen habe! Ich hoffe nur, dass es nicht weggespült wird.« »Es ist an einem sicheren Ort«, entschied Georg. »Und glücklicherweise habe ich heute Morgen daran gedacht das Boot mit einer Persenning abzudecken. Wir können also sicher sein, dass wir es wieder finden.« »Aber Tante Fanny und Onkel Quentin werden sich solche Sorgen machen!«, sagte Anne. »Sie malen sich sicher alle möglichen schrecklichen Dinge aus, die uns passiert sein könnten.« »Nein, das werden sie nicht«, erwiderte Georg. »Sie wissen, dass wir klug genug sind, in der Burg unterzukriechen. Also um Himmels willen, hör auf mit diesem Theater!« Inzwischen wurde der Sturm schlimmer. Abends tobte er immer noch und sogar mitten in der Nacht konnten die Kinder ihn hören, wie er wütend über ihnen heulte und wie das Meer wie ein böses, wildes Tier grollte. Sie lagen in ihren Schlafsäcken auf einem ausgebreiteten Segeltuch und waren froh, dass die dicken Burgmauern sie schützten. Auch das Dach war, dank Onkel Quentins Einsatz, absolut wasserdicht. Plötzlich ließ sie ein gewaltiges Krachen hochschrecken. Das Meer toste erneut gegen die Klippe und dem Geräusch der brechenden Wellen folgte ein so lauter Knall, dass man hätte denken können, die Burg stürze ein. Georg, Julius, Richard und Anne schlüpften aus ihren Schlafsäcken. -15-
Tim bellte. Das Geräusch war draußen immer noch zu hören, allerdings hatte es sich in eine ganze Serie merkwürdiger Schläge verändert. »Was geht da bloß vor sich?«, flüsterte Anne. Sie war blass und drückte sich näher an ihren großen Bruder, so als hoffte sie, dass er sie vor allen unbekannten Gefahren beschützen würde. »Es klingt so, als breche die Burg zusammen!« »Nein, nein«, beruhigte Julius sie. »Es ist alles in Ordnung! Die Burg steht schon viele hundert Jahre hier und wie du siehst, stehen die Mauern ganz fest.« »Da draußen ist irgend was los!«, sagte Georg und ging auf den Torbogen zu. Richard folgte seiner Kusine. Die beiden marschierten in den Regen und guckten angestrengt in die Dunkel heit. Nach kurzer Zeit stellten sie fest, dass ein Teil der Klippe unter ihnen von den gewaltigen Wellen weggerissen und ins Meer gespült worden war – das also waren die eigenartigen Geräusche gewesen, die die Kinder gehört hatten. Wind und Wellen donnerten so stark gegen die Klippe, dass Georg spürte, wie der Boden bebte! »Ein Erdbeben!«, schrie sie. »Das ist doch die Höhe!« Natürlich war es nicht wirklich ein Erdbeben, aber das Tosen der rauen See und die unter ihren Füßen wegbröckelnde Klippe lösten ein ähnliches Gefühl aus, wie man es wohl bei einem Erdbeben haben würde. »Was für ein Glück, dass dein Vater diese Stützen in die Burgruine eingelassen hat!«, sagte Richard. »Ich sage dir, diese alten Steinmauern stehen fester als die Felsen am Fuß der Klippe. Herrje, guck dir diese Wellen an! Was für ein Schauspiel!« Es war ein großartiges, Ehrfurcht gebietendes Spektakel. Eine hohe Welle nach der nächsten brach sich an Land. Eine Flutwelle krachte ge-16-
gen die Klippe. Das Wasser schoss in eine unglaubliche Höhe und die Gischt verteilte sich in der Luft. Und dann, ganz plötzlich, war alles vorbei. Die Wellen wurden flacher, der starke Wind legte sich und der Gewittersturm war vorüber! Aber als die vier Kinder und Tim wieder in ihren Schlafsäcken lagen, hatten sie Probleme einzuschlafen. Sie lagen da und lauschten dem nachlassenden Regen. Und als sie endlich einschliefen, dämmerte es schon. Am Morgen war der Sturm des vorhergegangenen Tages endgültig vorbei. Anne war die Erste, die die Burg verließ. Sie stieß einen Freudenschrei aus und erzählte den anderen: »Oh, der Himmel ist so blau, als wenn ihn gerade jemand gewaschen hätte und die Sonne scheint wieder!« »Lasst uns mit dem Ruderboot zu deinen Eltern fahren und ihnen erzählen, dass wir alles heil überstanden haben«, schlug Julius vor. »Dann stocken wir unsere Vorräte auf und…« »Und kommen wieder zurück, um unsere Zelte wieder aufzubauen«, beendete Georg seinen Satz. »Ja, in Ordnung. Aber zuerst müssen wir um die Insel gehen, um zu sehen, was der Sturm sonst noch alles zerstört hat.« Die Inspektionsrunde der Kinder dauerte nicht lange. Sie fanden zwei komplett entwurzelte Bäume und viele abgebrochene Äste. Aber im Großen und Ganzen hatte die Insel den Sturm besser überstanden, als sie vermutet hatten. Offenbar hatte die Klippe am stärksten unter dem Sturm gelitten. Als sie auf der Klippe standen, verlor Georg fast das Gleichgewicht, um besser auf die Felsen unter ihnen sehen zu können. »Vorsicht!«, rief Julius. »Geh nicht so dicht an die Kan-17-
te, Georg! Das ist gefährlich. Denk an die Felsenabbrüche von letzter Nacht.« »Ju, ich glaube, ich sehe etwas! Dort unten!« »Wo?«, fragte Richard interessiert und reckte den Hals, um es selbst zu sehen. Einige Kieselsteine rollten unter seinen Schuhen hervor und hinab in die Tiefe. Julius hielt seinen Bruder zurück und zog auch Georg von der Kante fort. »Das reicht jetzt!«, sagte er bestimmt. »Ich möchte euch beide nicht als Futter für die Fische dort unten enden sehen!« »Oh, Julius!«, sagte Georg aufgeregt. »Ich habe wirklich etwas gesehen, weißt du. Etwas wirklich ganz Ungewöhnliches!« »Was denn?« »Etwas Langes, Schwarzes auf dem Meeresboden! Es hat sich nicht bewegt und es lag ganz nah an diesem großen Felsen! Du weißt schon, was ich meine! Da, wo das Wasser ganz ruhig und sehr tief ist!« »Wir wissen nicht, was du meinst!«, unterbrach Richard sie ungläubig. »Das Wasser ist dort tief, also konntest du unmöglich etwas auf dem Grund sehen!« »Das ist es ja gerade!«, sagte Georg. »Das hat mich ja auch so überrascht! Dieses schwarze Etwas, das ich gesehen habe, sah wie ein gesunkenes Schiff aus. Wie ein Wrack!«
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Die Goldene Galeone »Ach, komm schon, Georg! Davon müssten wir doch etwas gehört haben. In den letzten Jahren war aber nie von einem Schiffsuntergang hier in der Gegend die Rede. Deine blühende Phantasie geht mal wieder mit dir durch!«, sagte Richard mit einem Lächeln. »Nein, tut sie nicht!«, protestierte Georg. »Ich bin mir sicher, dass ich es gesehen habe. Ich habe das Gerippe eines Schiffs gesehen! Vielleicht war es auch ein toter Wal.« »Ein toter Wal würde im Wasser treiben«, bemerkte Julius. »Gut, dann muss es ein Schiff sein.« »Aber wie konntest du das bei dieser Wassertiefe erkennen?«, erwiderte Richard beharrlich. Georg dachte einen Augenblick nach. »Es stimmt, dass das Wasser dort tief ist«, sagte sie endlich. »Aber das war vor dem Sturm! Ich weiß sehr genau, wie das Meer um meine Insel herum beschaffen ist, aber nach all diesen gewaltigen Wellen von gestern und der abgebröckelten Klippe hat sich vielleicht der Meeresgrund verändert. Ich nehme an, dass eine Menge Schlick und Steine von den Felsen in das tiefe Wasser gespült wurden.« Die Augen der anderen Kinder begannen zu leuchten. »Ja«, sagte Julius, »du könntest Recht haben. Die stürmische See könnte das Wrack vom Schlick befreit haben, der es unten gehalten hat.« »Wir müssen auf der Stelle herausfinden, ob das stimmt oder ob sich Georg alles nur eingebildet hat«, ergänzte -19-
Richard. Georg machte ein böses Gesicht. »Wenn du mir nicht glaubst, dann geh und guck nach!«, sagte sie beleidigt. Dann lächelte sie wieder. »Ja, das ist überhaupt die Idee! Lasst uns das Boot nehmen und zu dem großen flachen Felsen rudern. Wenn wir erst mal da draußen sind, sollten wir es leicht erkennen können!« Die Jungs machten sich bereits auf den Weg zum steilen Pfad, der zur kleinen Bucht hinunterführte. Georg holte die beiden schnell ein und Anne, deren blonde Haare im Wind wehten, eilte ihnen nach. Tim, der die Chance eines wilden Rennens sah, sprang um sein Frauchen herum und bellte. Man hätte glauben können, dass er wusste, dass den Fünf Freunden ein neues Abenteuer bevorstand. Genau wie Georg und Julius vermutet hatten, war das sorgfältig am Strand vertäute und mit einer Persenning abgedeckte Ruderboot nicht von den Wellen weggespült worden. Die Kinder zogen es über den Strand ins Wasser. Als alle im Boot waren, ruderten Richard und Georg um die Insel. Die Kinder wurden immer nervöser, je näher sie zu dem flachen Felsen kamen. Bald waren sie am Fuß der hohen Klippe und sie konnten sehen, welcher Teil der Klippe abgebröckelt war. Der flache Felsen war etwas weiter draußen, aber mit dem Boot brauchten sie nicht lange, um ihn zu erreichen. Georg und Richard hörten auf zu rudern und lehnten sich über Bord, um in die Tiefe des Meeres zu gucken. Aber die See war zu unruhig und all die kleinen Wellen, die um den großen Felsen schwappten, blockierten die Sicht in die Tiefe. »Oh, wie ärgerlich! Von ganz oben hatte ich einen besseren Blick«, rief Georg enttäuscht. -20-
»Ich dachte mir schon, dass das passieren wird«, sagte Julius. »Deshalb habe ich eine von unseren Luftmatratzen mitgenommen, und zwar die mit dem Guckloch.« »Spitze!«, schrie Georg. »Her damit!« Im Handumdrehen hatten sie die Matratze aufgeblasen und aufs Wasser gelegt. Mit einem Seil hatten sie sie vom Boot aus gesichert. Georg lag flach auf der Matratze, guckte durch das Loch und gab einen Freudenschrei von sich. »Ein Wrack! Ja, es ist ein Wrack!« Sie hatte Recht gehabt! Unter ihnen lag ein Schiffsrumpf, der bewies, dass sie sich nicht irgend was ausgedacht hatte. Richard, Anne und Julius waren ungeduldig. Auch sie wollten unbedingt auf die Matratze, um einen Blick unter die Wasseroberfläche zu werfen. Nun waren sie sicher, dass Georg Recht hatte! Sie konnten alle die Form des versunkenen Schiffs erkennen, das in Seitenlage auf dem Meeresgrund ruhte. »Wie eigenartig!«, sagte Julius. »Habt ihr bemerkt, wie das Boot aussieht? Da kann ich mir überhaupt keinen Reim drauf machen.« »So etwas habe ich noch nie gesehen«, erwiderte Richard verwundert. »Das Schiff wirkt wie eine moderne Jacht, die als eins dieser alten spanischen Schiffe getarnt wurde. Wie nannte man die noch? Karavelle oder so!« »Ja, genau!«, stimmte Anne zu, weil sie sich an eine der Illustrationen in ihrem Bilderwörterbuch zu Hause erinnerte. »Das war eine Art Galeone, die die spanischen Könige zum Goldtransport nutzten.« »Ehrenwort!«, murmelte Julius. »Wenn wir nicht alle dasselbe gesehen hätten, wäre ich überzeugt, dass ich -21-
Gespenster sehe, nicht wahr Georg!« Georg strich sich mit den Fingern durch das Haar. Sie war voller Begeisterung über ihre Entdeckung und ihre Augen leuchteten wie zwei Weihnachtssterne. Sie sagte zu sich selbst, dass ihr gutes Gespür sie auf den richtigen Weg geführt hatte. Die Fünf Freunde würden wieder ein Abenteuer erleben! Hier, vor ihren Füßen, war es – obwohl es natürlich einige Meter unter der Wasseroberfläche lag! »Hört mal!«, schrie Georg. »Wisst ihr eigentlich, was wir vorhaben?« »Natürlich! Sofort dieses Wrack erkunden!«, antwortete Richard. »Richtig! Du und Anne, ihr habt die Taucherbrillen, und Julius und ich haben die Tauchanzüge und Sauerstoffflaschen. Wenn wir jemals eine Gelegenheit hatten, sie zu benutzen, dann jetzt! Was für ein Glück, dass wir sie immer im Boot lagern!« Während sie sprach, öffnete Georg einen kleinen Spind im Bug ihres Ruderbootes. Sie holte die Tauchsachen heraus und verteilte sie. Schnell zog sie ihre Schwimmflossen über und die Gurte, die die Sauerstoffflasche auf ihrem Rücken hielten. Anne half ihr die Laschen festzuziehen. Richard und Anne waren gerade dabei, ihre Tauchermasken aufzusetzen, als Georg und Julius sie davon abhielten. »Wartet mal!«, sagte Georg. »Wir sollten nicht alle auf einmal runtergehen. Ich glaube sowieso, dass das Wrack zu tief liegt, als dass einer von uns ohne Sauerstoffflasche tauchen könnte.« »Das denke ich auch«, stimmte Julius zu. »Und ich möchte nicht, dass Anne taucht. Sie ist zu jung. Richard, wenn du willst, kannst du nachher meine Ausrüstung -22-
haben.« Falls Anne enttäuscht war, zeigte sie es nicht. Sie war ein vernünftiges Mädchen, das ihrem älteren Bruder gehorchte. Sie stieß nur einen kleinen Seufzer aus. Georg, die ungeduldig war und endlich runtergehen wollte, tauchte als Erste. Einen Augenblick nach ihr stieg Julius ins Wasser. Sie hatten beschlossen, dass sie für den Anfang nur um das Wrack schwimmen und es von außen begutachten wollten. Über ihnen versuchten Richard, Anne und Tim, ihren Bewegungen zu folgen. Kusin und Kusine schwammen langsam in die Tiefe und erreichten bald das Wrack. Aus der Nähe sah es nicht mehr so beeindruckend aus, aber doch sehr merkwürdig. Georg und Julius waren etwas verdutzt. Kein Zweifel, dachte Georg, das ist ganz sicher eine moderne Jacht. Julius hatte ähnliche Gedanken. »Dieses Boot kann noch nicht lange gesunken sein. Das Messing und die Chromteile sind durch das Liegen im Meerwasser natürlich stumpf geworden und der Rumpf ist mit Muscheln und Seegras überwuchert, aber die Schicht von Rankenfußkrebsen und Kraut ist nicht so dick, wie sie bei einem alten Schiff eigentlich sein müsste. Wie sonderbar!« Was die beiden Kinder am meisten überraschte, war die Tatsache, dass dieses merkwürdige Boot sie trotz seiner ursprünglichen Form und seiner modernen Ausstattung an diese alten Galeonen erinnerte. Mit solchen Schiffen ließen die spanischen Könige Gold und Silber aus Amerika herbeischaffen. Das Wrack hatte ein sehr hohes Vorschiff, das kunstvoll verziert war, und um den Rumpf lief eine Reling, die mit Figuren und Schnörkeln überzogen war, die hier nun wirklich völlig fehl am Platz wirkten. -23-
Das Wrack war ein wirklich außergewöhnliches Schiff. Wo mochte es hergekommen und wann gesunken sein? Sie konnten sich darauf keinen Reim machen. Georg schwamm auf ein Messingschild zu, das halb -24-
verdeckt von Seegrasbüscheln war, entfernte das Kraut, und sah den Namen der geheimnisvollen Jacht. Julius heftete sich an die Fersen seiner Kusine und las die Wörter über ihre Schulter hinweg. Das Boot hieß Goldene Galeone. Georg drehte sich um und deutete zur Wasseroberfläche über ihnen. Mit ein paar Flossenschlägen tauchten sie wieder auf und schwammen zu Richard, Anne und Tim zurück. »Und?«, fragte Richard ungeduldig. »Nun«, begann Georg und nahm ihre Maske ab, »das Wrack ist ein Rätsel! Wir wissen nicht, was drin sein könnte. Aber die Außenwand…« »Was ist mit der Außenwand?«, hakte Richard nach, als sie zögerte. Julius fuhr fort und beschrieb, was sie gesehen hatten. Die Goldene Galeone gehörte zu der Sorte ungewöhnlicher Schiffe, die aus zwei verschiedenen Stilrichtungen gezimmert wurden. Die Kinder konnten es kaum erwarten zu erfahren, warum es so merkwürdig aussah. »Nun müssen wir herausfinden, was in der Jacht ist!«, sagte Georg und setzte ihre Tauchermaske auf. »Ich tauche wieder runter! Kommst du mit, Richard?« Wie sie es verabredet hatten, lieh Richard sich die Ausrüstung von seinem Bruder aus, auch wenn Julius nicht allzu glücklich darüber war. Während ihrer Schnellerkundung hatte er bemerkt, dass das Wrack, obwohl es auf einer Sandbank ruhte, sehr dicht an der Kante zum vermutlich sehr tiefen Wasser lag. Er fragte sich, ob sie sicher sein konnten, dass keine Gefahr drohte, dass das Schiff von der Sandbank rutschte. -25-
»Hört mal, ich denke, ihr beiden solltet auf keinen Fall alleine ins Wrack hineintauchen«, sagte er. »Versprecht mir, dass ihr auf eurem Tauchgang lediglich einen Blick auf das Deck werft. Danach werde ich noch einmal runtergehen.« Widerwillig stimmten Georg und Richard zu. Georg tauchte ins Wasser ab und Richard folgte ihr. Dieses Mal ließ Georg sich geschickt auf das Deck des Schiffes fallen, das in einem schrägen Winkel dalag. Während sie sich an der Reling festhielten, bewegten sie sich vorsichtig vorwärts. Es stellte sich heraus, dass die Planken unter ihren Füßen glatt und glitschig waren. Es war kein angenehmes Gefühl und die beiden verzogen angewidert ihre Gesichter. Über ihnen schwammen Schwärme von kleinen Fischen. Schon bald erreichten sie eine offene Luke, hinter der sich ein dunkler Raum verbarg. Georg schwamm hinein und hatte ganz und gar ihr Versprechen vergessen, unter keinen Umständen ins Wrack hineinzutauchen. Richard wollte sie daran erinnern, konnte sich aber natürlich kein Gehör verschaffen. So eilte er hinter ihr her und versuchte ihr in Zeichensprache klarzumachen, dass sie vorsichtig sein sollte. Aber gerade, als Richard seine Hand auf Georgs Schulter legte, begann das Wrack sich unter ihren Füßen zu bewegen. Die Jacht geriet aus dem Gleichgewicht und schien ein Stück näher zum Abgrund zu rutschen. Würde sie umkippen und die beiden Kinder mit in die Tiefe reißen? Richard und Georg klammerten sich so fest sie konnten an das Schott. Georg begriff in einem Augenblick, was sie tun mussten, um sich zu retten. Sie griff nach Richards Handgelenk und zog ihn mit einem kräftigen Ruck wieder aus der Öffnung. -26-
Als sie aus dem Wrack heraus waren, strampelten sie wild um sich, um schnell nach oben zu schwimmen und das Deck hinter sich zu lassen. Es verließ sie nicht das äußerst mulmige Gefühl, dass sie beinahe einen ganz furchtbaren Unfall gehabt hätten, und sie versuchten nun so schnell wie möglich an die Wasseroberfläche zu gelangen. Sie flüchteten vor der wirbelnden Meeresströmung, die das Schiff möglicherweise ins tiefe Wasser ziehen würde. »Julius! Anne!«, schrie Georg, als sie sich die Tauchermaske vom Gesicht riss und sich auf den großen flachen Felsen neben dem Ruderboot zog. »Oh, was für ein furchtbares Pech! Wir konnten die Goldene Galeone nicht weiter erkunden! Wir werden nie erfahren, was es mit ihr auf sich hat! Es bleibt ein Geheimnis, weil sie zurück ins tiefe Wasser sinkt.« Richard, der längst nicht so aufgeregt war wie die anderen, guckte in aller Ruhe in die Tiefe des Meeres unter ihnen. »Deine lebhafte Phantasie geht wie immer mit dir durch, Georg«, sagte er. »Natürlich hat sich das Wrack bewegt, aber es ist nicht tiefer gesunken. Es ist immer noch da und es sieht so aus, als ob es dort liegen bleibt.« »Es sieht so aus, als ob es dort liegen bleibt? Woher willst du das eigentlich wissen?«, fragte Julius besorgt. »Ich hätte euch beiden niemals erlauben dürfen, dass ihr runtertaucht. Gib mir meine Tauchausrüstung, Richard. Ich werde noch einmal hinuntergehen. Ich muss es selbst sehen.« »Ich komme mit dir!«, beschloss Georg. Sie war sogleich wieder guter Dinge, als sie sah, dass das Wrack immer noch an derselben Stelle lag. »Seid vorsichtig!«, bat Anne, der die ganze Angele-27-
genheit ziemlich unheimlich vorkam. »Wuff! Wuff!«, bellte Tim missbilligend. Er hasste es, Georg im Wasser verschwinden zu sehen. Er konnte ihr nicht folgen, und das hieß, dass er sie nicht beschützen konnte. Vorsichtig tauchten die beiden ab. Julius hatte darauf bestanden, als Erster zu gehen, und Georg, die sonst oft die Kinder anführte, gab nach. Sie wusste, dass Onkel Quentin von Julius als Ältestem erwartete, dass er sich um die Sicherheit der drei anderen kümmerte. Als Julius das Wrack erreichte, war er zufrieden und erleichtert, dass es nicht nur näher an den Abgrund gerutscht war, sondern sich zugleich gedreht hatte. Nun steckte es nämlich zwischen einigen Felsen fest, die es beinahe aufrecht hielten. Eine sichere Position, die weiteres Abrutschen verhindern würde. Jetzt konnten sie in das Wrack der Jacht tauchen, um es zu erkunden. Julius’ Sorgen verflogen und er erforschte interessiert das Deck. Georg glitt hinein. Zuerst konnte sie nichts sehen, dann erhellte aber ein schwaches Licht von oben eine lange Gangway am Ende der Leiter. Sie schwamm langsam hinunter. Georg hatte vorsichtshalber eine wasserdichte Taschenlampe mitgenommen. Und da es nicht hell genug war, als sie am Fuß der Leiter angekommen war, knipste sie die Lampe an. Einige faszinierende Entdeckungen taten sich vor ihr auf. Die Goldene Galeone entpuppte sich als eine großartige moderne Jacht, die sehr luxuriös ausgestattet war. Georg bewunderte den eleganten Salon, die komfortablen Kabinen, die Küche – aber da war noch eine Tür, die sich nicht öffnen ließ. Was konnte sich in dieser Kabine verbergen? Sie drückte vergeblich. Die Tür gab nicht nach. Sie -28-
dachte, dass sie verschlossen war und nicht einfach nur blockiert. Das muss ich Julius erzählen, dachte sie. Sie machte sich zurück auf den Weg zum Deck, um nach ihrem Kusin zu sehen, aber als sie den Salon durchquerte, sah sie ihn, wie er sich in aller Ruhe die Schallplatten ansah, die noch in der bordeigenen Musiktruhe lagerten. Sie signalisierte ihm, ihr zu folgen. Als sie die verschlossene Tür erreichten, kämpften beide mit dem Schloss. Julius zog schließlich sein Messer aus dem Gürtel seines Tauchanzugs und bohrte die Spitze geschickt in das Schlüsselloch. Er drehte es nach rechts und nach links, und zu seiner Überraschung gab es schon bald nach. Er hatte nicht erwartet, so schnell erfolgreich zu sein! Julius und Georg fanden sich in einer Kabine wieder, die größer als die anderen war. Vielleicht hatte sie ja dem Kapitän des Schiffs gehört! Drei schwere Holzkisten standen übereinander gestapelt in einer Ecke. Merkwürdiges Mobiliar für eine Kapitänskabine! Julius schwamm zu den Kisten rüber. Die Deckel waren zugenagelt, aber das Meerwasser hatte die Bretter an einigen Stellen morsch werden lassen. Julius dachte, dass der beste Weg sie zu öffnen ein paar Tritte waren! Also stampfte er ein paar Mal kräftig mit dem Fuß gegen die faulen Bretter. Wieder war er erfolgreicher, als er zu hoffen gewagt hatte. Die Seitenwand der untersten Kiste gab plötzlich nach und die beiden anderen, die jetzt nicht mehr gestützt wurden, brachen ebenfalls zusammen. Ihr Inhalt fiel auf den Boden. Georg und Julius starrten mit aufgerissenen Augen auf den Fund vor ihren Füßen. -29-
Es waren Stangen aus Gold – Goldbarren, alle gelb und glänzend, und kaum stumpf geworden, trotz der langen Zeit, die sie auf dem Meeresboden gelegen haben mussten!
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Ein beunruhigendes Ereignis Nachdem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatten, tauschten Georg und Julius neugierige Blicke aus. Wo in aller Welt kam das Gold her? Wem gehörte es? Wieso war es an Bord der gesunkenen Jacht? Das waren so viele Fragen und sie wussten nicht auf eine einzige davon die Antwort! Georg bückte sich, um einen der Barren aufzuheben. Es war ein seltsames Gefühl, etwas in den Händen zu halten, das so wertvoll war. Während sie sich zu Julius umdrehte, hielt sie noch immer den Goldbarren in den Händen und signalisierte ihm, dass sie wieder nach oben an die Wasseroberfläche zurückkehren sollten. Sie dachte, dass es besser wäre, mit Richard und Anne über den Fund zu reden. Julius nickte. So verließen die beiden das Zimmer. Georg hielt noch immer den Goldbarren fest. Sie war gerade dabei, die Leiter, die aufs Deck führte, hinaufzusteigen, als plötzlich ein Schatten vor ihr vorbeiglitt. In dem schwachen Licht, das von oben herabschimmerte, sah Georg, dass es sich um einen großen, langen Fisch handelte. Es könnte ein großer Aal sein, dachte sie und ein Schaudern lief ihr über den Rücken. Der Gedanke, dass so ein glitschiger, schlangenartiger Aal sie streifen könnte, gefiel ihr gar nicht, und so dachte sie daran, dass sie ihn verscheuchen würde. Sie knipste ihre wasserdichte Taschenlampe an und zielte mit dem Strahl auf den Fisch. Aber weit gefehlt! Der Aal oder was immer es war, ließ sich nicht vom Lichtstrahl abschrecken, sondern hielt direkt auf Georg zu! Und sie sah zu ihrem Entsetzen, dass es kein Aal war. Es war ein Hai! -31-
Offenbar war er noch ziemlich jung, aber wenn er gereizt worden war, konnte auch er für Menschen gefährlich werden. Dies war jedenfalls kein angenehmer Besucher, denn er schien ziemlich aggressiv zu sein. Geblendet von der Taschenlampe, schwamm der Fisch zur Quelle des Lichts, so als wollte er die Lampe angreifen. Der Hai stieß Georg fast um, obwohl sie zurückschreckte. Julius hatte den großen Fisch auch bemerkt und ihm war sofort klar, dass sie in Gefahr schwebten. Die wenigen Haie, die bei der Felseninsel auftauchten, waren normalerweise sehr scheu und schwammen sofort weg, wenn sie auf Taucher trafen; aber was die beiden sahen, war unglaublich. Dieser Hai machte eine abrupte Drehung und hielt wieder auf Georg zu. Sein kleines Maul, voller scharfer spitzer Zähne, war geöffnet und bereit zuzubeißen. Georg war so geistesgegenwärtig, dass sie ihre Taschenlampe fallen ließ, die daraufhin sofort ausging. Aber nun konnte sie nicht sehen, aus welcher Richtung der Fisch kam. In diesem Moment packte Julius ihre Knöchel, zog sie weg und Georg fiel nach hinten – gerade noch rechtzeitig. Der Hai schoss, durch seinen eigenen Schwung getragen, über sie hinweg. Würde er zurückkehren? Georg und Julius schwammen zur Leiter, die aufs Deck führte, aber sie hatten sie noch nicht erreicht, als der Hai wieder auf sie zukam, diesmal durch die Gangway. Es war ein schrecklicher Augenblick. Angriff ist die beste Verteidigung, dachte Georg und entschied, dass sie alles tun wollte, um den Hai zu verjagen. Sie begann mit ihren Armen und Flossen das Wasser aufzuwirbeln und Julius, der ahnte, was seine Kusine -32-
vorhatte, machte es ihr gleich. Das unerwartete Geräusch und das unruhige Wasser überraschten den Hai.
Er schwamm einen Bogen seitwärts und nach dem er einen kurzen Moment gezögert hatte – den Kindern kam es wie Stunden vor – schoss er über ihre Köpfe hinweg und verschwand. Georg und Julius würden denselben Weg wie der Hai nehmen müssen, um das Wrack zu verlassen. »Ich hoffe nur, dass er oben nicht auf uns wartet«, dachte Julius. Aber Georg, die mehr als ihr Kusin über das Meer und seine Lebewesen wusste, war klar, dass ein verschreckter Fisch schnell den Gefahrenbereich verlässt und so gut wie nie an einen solchen Ort zurückkehrt. Deshalb hatte sie auch keine Angst, als sie wieder oben an Deck waren. Und einige Minuten später waren sie und Julius wieder in Sicherheit bei Richard und Anne. -33-
Als Tim sein kleines Frauchen auftauchen sah, sprang er vor Freude herum und wäre beinahe über Bord gegangen. Georg zog ihre Taucherbrille vom Gesicht und ihr Hund leckte ihr liebevoll die Wangen. »Um Himmels willen, Georg! Du siehst so blass aus!«, rief Anne. »Ist dir kalt?« »Nein, ich bin nur müde«, sagte Georg. »Drei Tauchgänge an einem Tag…« »Und mit einer Menge Aufregung!«, beendete Julius ihren Satz. »Wir haben einen Schatz entdeckt und wären beinahe von einem Hai gefressen worden.« Richard lachte, weil er dachte, dass sein Bruder Witze riss; deshalb wollte er auch einen loslassen. »Ja«, sagte er, »und während ihr dort unten wart, haben Anne und ich einen Hai verspeist und auf der Insel einen Schatz versteckt.« »Du bist ja so doof!«, seufzte Georg matt, denn sie war wirklich müde. »Julius hat dir die Wahrheit gesagt. Ich wollte gerade einen Goldbarren mitnehmen, um ihn euch zu zeigen, als mich dieser Hai attackierte. Ich musste den Barren fallen lassen, um mich zu verteidigen. Und dann habe ich in dem ganzen Durcheinander auch noch meine Taschenlampe verloren!« Sie grinste Julius an. »Na danke, Ju! Wenn du nicht gewesen wärst, hätte der Hai ein leckeres Mittagessen gekriegt!« Richards Lachen erstarb und Anne gab einen Schrei von sich. Als verstehe er, was sie sagten, sprang Tim auf den flachen Felsen und legte sich ausgestreckt hin – die Pfoten lagen von ihm abgespreizt und den Kopf legte er auf die Seite. Man hätte wirklich meinen können, dass er wusste, dass er die Einzelheiten einer aufregenden Geschichte hörte. Als Georg ihr Abenteuer zu Ende erzählt hatte, schrie -34-
Anne: »Oh, wir müssen sofort zum Felsenhaus zurückkehren und Onkel Quentin alles berichten! Der wird uns weiterhelfen. Ich bin mir ganz sicher, dass er weiß, was zu tun ist.« »Ja«, sagte Julius. »Er wird bestimmt wissen, an wen wir uns wenden müssen, um den Besitzer des Goldes zu finden.« Georg war enttäuscht, weil sie den Goldbarren, den sie mit raufbringen wollte, zurücklassen musste, aber sie hoffte, dass dies nicht das Ende des Abenteuers für sie und ihre Freunde war. »Wenn bloß nicht dieser widerliche Hai gewesen wäre, dann hätte ich Beweismaterial gehabt«, dachte sie, als sie zum Festland zurückruderten. Als sie die Küste erreicht hatten, vertäuten die Kinder das Boot und rannten zum Felsenhaus. Tante Fanny stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie die Fünf Freunde entdeckte. »Hallo, ihr Lieben! Bin ich froh, euch zu sehen! Ich habe mir wirklich Sorgen um euch gemacht. Ab in die Küche und macht euch einen Kakao. Ein Kuchen ist auch gerade fertig geworden.« Doch so sehr Georg Kakao und den Kuchen ihrer Mutter liebte, entschied sie, dass sie zuerst die Neuigkeiten loswerden musste. »Wo ist Vater?«, fragte sie. »Wir müssen ihm sofort etwas erzählen – und dir auch!« »Dein Vater ist heute sehr beschäftigt, Georg, mein Liebling. Eine wichtige Arbeit muss fertiggestellt werden. Er hat sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen und möchte den ganzen Tag nicht gestört werden. Und ich muss einige wirklich sehr wichtige Besorgungen -35-
unten im Dorf machen. Ich bin mir sicher, dass eure Geschichte noch ein bisschen warten kann. Bis heute Abend!« Furchtbar enttäuscht sahen Georg, Julius, Richard und Anne Tante Fanny nach, wie sie ins Felsendorf ging. Also würden sie geduldig warten müssen. Der köstliche Kuchen mit seiner Füllung aus Himbeermarmelade war ein kleiner Trost. Onkel Quentin war dermaßen in seine Arbeit versunken, dass er an diesem Abend zu spät zum Abendbrot kam. Als er das Zimmer betrat, begannen die Kinder sofort, ihm und Tante Fanny ihr Abenteuer zu erzählen. Onkel Quentin lauschte aufmerksam. »Also das ist interessant!«, rief er. »Die Goldene Galeone sagt ihr? Der Name erinnert mich an irgendwas was war es doch bloß? Ach, ja! Jetzt erinnere ich mich! Das ist der Name der Jacht, die vor etwa zwei Jahren in den Nachrichten war.« »Ja, ich erinnere mich auch«, sagte Tante Fanny. »Es war ein sehr merkwürdiges Boot, extra für einen noch merkwürdigeren Amerikaner gebaut. Sein Name war Herr Wilson. Er wollte eine Jacht mit all ihren modernen Bequemlichkeiten, die aber wie eine alte spanische Galeone aussehen sollte!« Sie lachte und fügte hinzu: »Tatsächlich erinnere ich mich sehr gut an diese Nachrichtensendung. Es war vollkommen lächerlich! Ein verrückter Typ und sein seltsames Boot!« »Tante Fanny, war Herr Wilson ein Goldbarrenhändler?«, fragte Anne geradeheraus. Tante Fanny lachte wieder. »Ein Goldbarrenhändler? Um Gottes willen, nein! Solche Geschäfte macht die Bank von England, weißt du, aber keine Privatleute. Und falls du glaubst, dass Herr Wilson das Gold auf sein Boot -36-
geschmuggelt hat: So etwas hätte er niemals tun müssen. Er war schon Millionär.« »Aber wo kommen diese Goldbarren dann her?«, fragte Julius. »Eine Sekunde, mein Junge!«, sagte sein Onkel, der angestrengt nachdachte. »Wenn ich mich richtig entsinne, wurde die Jacht gestohlen, als sie in der Nähe des Felsendorfes geankert hatte. Herr Wilson verbrachte jedes Jahr hier seinen Urlaub. Und zu dieser Zeit war er mit seinen Gästen an Land.« Richard guckte überrascht. »Meine Güte«, rief er. »Wer würde denn so eine Jacht stehlen wollen? Damit kommt man doch keine fünf Seemeilen weit. So ein Boot fällt doch sofort auf!« »Ja, natürlich. Aber es war ein sehr schnelles Boot und die Gangster, die es gestohlen hatten, wollten so schnell wie möglich weg.« »Warum?«, fragte Georg. »Weil sie gerade eine Bank ausgeraubt hatten«, erklärte Onkel Quentin. »Sie brachten die Goldbarren an Bord und flüchteten mit der Goldenen Galeone. Das Boot machte an diesem Tag seinem Namen alle Ehre!« »Und den Rest kann ich mir denken«, sagte Georg. »Die Jacht sank – vielleicht weil die Bankräuber überhaupt keine Ahnung hatten, wie sie mit dem Boot umgehen mussten? Und deshalb ging es mit ihnen und dem Gold an Bord unter.« »Gut kombiniert«, erwiderte ihr Vater. »Die Jacht geriet in einen ähnlich starken Sturm, wie wir ihn gestern hatten. Aber die Gangster entkamen im Rettungsboot. Sie wurden aus dem Meer gerettet und von da ins Gefängnis geschickt. Drei waren es. Und sie hießen, ja ich erinnere -37-
mich – ihre Namen lauteten Blatter, Farley und Sanderson. Sie haben niemals zugegeben, die Goldbarren gestohlen zu haben – alles was sie zugaben, war, dass sie die Jacht genommen hatten, und sie bestanden darauf, dass sie sie nur zum Spaß ausgeliehen hätten. Tatsache ist, dass man ihnen den Bankraub nicht nach weisen konnte. Kaum festgenommen, waren sie auch schon wieder auf freiem Fuß.« »Sie sind gleich wieder entlassen worden«, unterbrach Tante Fanny. »Ich las etwas darüber erst neulich in der Zeitung.« »Aber ich verstehe nicht, warum niemand versucht hat, die Jacht zu bergen«, sagte Georg. »Immerhin liegt doch die wertvolle Beute darin.« »Nun, es gab einige Versuche«, antwortete Onkel Quentin. »Aber wie wir nun sehen, machten die Gangster sehr vage Angaben, wo genau die Jacht unterging. Ihr habt die Goldene Galeone ziemlich nah an Land gefunden, wohingegen alle dachten, dass sie weit draußen im Meer unterging.« Georg sprang auf. »Die Bankräuber verschwiegen mit Absicht, wo sie Schiffbruch erlitten hatten!«, schrie Georg. »Und zwar erstens, weil nach der Entdeckung des Goldes alle Barren beschlagnahmt worden wären, und zweitens, weil sie vielleicht geplant hatten, nach ihrer Freilassung zurückzukehren, um es zu holen und zu behalten.« »Ja, genau das denke ich auch«, sagte Onkel Quentin. »Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Behörden so schnell wie möglich Bescheid bekommen. Ich werde mit der Polizeistation telefonieren. Die Polizei wird wissen, was zu tun ist.« Es war schon ziemlich spät, aber die schläfrige Stimme, -38-
die Onkel Quentins Anruf beantwortete, klang plötzlich sehr wach, nachdem der Polizist die aufregenden Neuigkeiten gehört hatte. Nach einem kurzen Gespräch legte Onkel Quentin schmunzelnd auf. »Sie machen sich startklar!«, sagte er. »Aber ich denke nicht, dass sie schon heute Nacht tauchen. Nun, Kinder, es ist Zeit schlafen zu gehen. Und Glückwunsch! Ihr habt eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht!«
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Wo sind die Goldbarren? Diese Nacht schlief Georg schlecht. Sie träumte von Schätzen, Bankräubern und Haien! In der Morgendämmerung stand sie auf und nervte Anne, Julius und Richard, die gerne ausgeschlafen hätten. »Kommt schon! Beeilt euch! Ich bin sicher, dass sie uns brauchen, damit wir ihnen zeigen, wo das Wrack liegt.« Aber es dauerte fast bis drei Uhr nachmittags, ehe ein Polizist eintraf. Mit ihm kamen ein Inspektor und zwei Taucher. Der Inspektor nahm die Aussagen von Julius und Georg auf und bat dann die Kinder ihn zur Stelle, wo das Wrack lag, zu begleiten. Julius und Richard schoben Georgs Ruderboot ins Wasser; das Schnellboot der Küstenwache, das die Polizei benutzte, nahm es ins Schlepptau. Die Kinder fühlten sich blendend! Georg wäre nur zu gerne mit den Froschmännern hinuntergetaucht. Haie würden vom Krach des SchnellbootMotors bestimmt verjagt werden, sodass nichts zu befürchten wäre. Aber Inspektor Bond wollte nichts davon hören. Julius steuerte das Ruderboot zum flachen Felsen. Und als sie da waren, mussten die Fünf Freunde sich mit Zugucken begnügen, was ihnen ganz und gar nicht gefiel! Sie sahen, wie die beiden Froschmänner das Boot der Küstenwache verließen und unter der Wasseroberfläche verschwanden. Nach einer kurzen Weile – Georg kam es allerdings wie Jahre vor – tauchten die Männer schon wieder auf. »Die kommen jetzt hoch, um die Metallbehälter zu holen, die die Polizei mitgebracht hat, um die Goldbarren zu bergen«, sagte Georg zuversichtlich. Aber da lag sie falsch. Inspektor Bond, der im Boot der -40-
Küstenwache saß, rief den Fünf Freunden zu: »Also Kinder! Ihr müsst geträumt haben! Da unten ist kein einziger Goldbarren! Das habt ihr euch alles ausgedacht, nicht wahr? Es wäre jetzt an der Zeit, dass ihr die Angelegenheit aufklärt.« Für einen Moment kamen die Kinder aus dem Staunen nicht raus. »Sie meinen, Sie haben die Goldene Galeone nicht gefunden?«, fragte Georg, als sie endlich ihre Fassung wieder gefunden hatte. »Oh doch! Das Wrack liegt genau dort, wo ihr gesagt habt, es ist ja wirklich nicht zu übersehen! Und obwohl unsere Froschmänner einige lose Planken gesehen haben, die von solchen Kisten stammen könnten, die ihr erwähnt habt, ist da unten kein einziges Körnchen Gold zu finden.« Die Kinder waren bestürzt. Sie fuhren alle gemeinsam zur Felseninsel und versuchten den Fall zu lösen. Julius und Georg schworen, dass die Geschichte mit den Goldbarren stimmte. Und die Froschmänner versicherten dem Inspektor, dass sie nichts gefunden hatten – nicht einmal den einen Goldbarren, den Georg in der Gangway verloren hatte. Es war ganz offensichtlich, was passiert war! Die Bankräuber hatten ihre Strafe abgesessen, und kaum waren sie aus dem Gefängnis entlassen, waren sie schneller als die Polizei gewesen und hatten ihre Beute wieder ergattert. Kurze Zeit später verließen die Polizisten auf dem Boot der Küstenwache die Insel und ließen die Fünf Freunde enttäuscht zurück. »Sie wollen Nachforschungen anstellen«, seufzte Julius. »Aber was wird dabei schon rauskommen? Die Bankräuber sind mit der wertvollen Beute doch schon -41-
längst über alle Berge.« »Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Georg. »Die Goldbarren waren bis gestern noch im Wrack, also sind sie erst vor kurzem entfernt worden. Sie sind schwer und umständlich zu bergen und lassen sich nicht ohne weiteres transportieren!« »Wenn die Gangster einen Lieferwagen bereit gestellt haben, dann wäre das doch gar kein Problem für sie«, bemerkte Richard. »Der Inspektor hat über Funk ans Festland durchgegeben, dass seine Männer Straßensperren auf den Hauptstraßen errichten sollen«, erinnerte Anne ihre Freunde. »Aber vielleicht ist es schon zu spät«, sagte Julius. »Ach, wir können ja sowieso nichts tun. Also vergessen wir es. Die Sonne scheint! Warum setzen wir nicht einfach unsere Campingferien auf der Felseninsel fort?« Nach einem köstlichen Picknick, dass Tante Fanny für sie vorbereitet hatte, schaltete Richard sein Taschenradio ein und hörte die Nachrichten an. Der Nachrichtensprecher erwähnte das Verschwinden der Goldbarren. »Kein verdächtiges Fahrzeug hat versucht, die Polizeikontrollpunkte auf den Hauptstraßen zu passieren«, sagte der Sprecher. »Es besteht die Möglichkeit, dass die Bankräuber die Region schon verlassen haben, bevor die Straßensperren errichtet wurden. Gründliche Nachforschungen der Polizei haben allerdings ergeben, dass in den letzten vierundzwanzig Stunden im Felsendorf und in den umliegenden Gemeinden kein verdächtiges Fahrzeug gesehen wurde.« Georg sprang auf. »Seht ihr? Meine Vermutung war richtig! Die Gangster haben die Goldbarren wieder, aber sie haben sie bis jetzt -42-
noch nicht weggebracht. Sie dachten, es hätte keine Eile. Sie konnten ja nicht wissen, dass wir die Beute entdeckt und alles der Polizei erzählt haben. Wahrscheinlich sitzen sie hier irgendwo in der Nähe mit ihrem Gold und ärgern sich über sich selbst, dass sie es nicht früher weggebracht haben!« »Meinst du wirklich, dass die Bankräuber ganz in der Nähe sind?«, fragte Julius. Georgs Vermutung war doch eine Überlegung wert. Georg lehnte sich gegen den Felsen und verschränkte die Arme. »Ich bin mir sicher, dass sie hier sind!«, antwortete sie. »Blatter, Farley und Sanderson müssen irgendwo in der Nähe des Felsendorfes untergetaucht sein. Und nun warten sie darauf, dass die Polizei ihre Straßenkontrollen einstellt, damit sie sich mit dem Gold davonmachen können. Aber wir werden sie daran hin dern! Dies ist ein Fall für die Fünf Freunde! Wir müssen diese Bankräuber finden und dafür sorgen, dass sie wieder eingesperrt werden!« Julius, Richard und Anne fanden die Idee gut. Tim schien ebenfalls damit einverstanden zu sein. Aber die Tage vergingen und weder die Polizei noch die Fünf Freunde schienen auch nur einen Schritt näher an die drei Männer heranzukommen. Die meiste Zeit verbrachten die Kinder damit, auf ihren neuen Fahrrädern die Gegend zu erkunden, immer in Alarmbereitschaft, falls ihnen etwas Merkwürdiges über den Weg laufen sollte. Aber nichts passierte, absolut gar nichts! Sie fanden nicht mal den Hauch einer Spur. Nachmittags kehrten sie zurück ins Felsendorf, müde und enttäuscht, weil sie zugeben mussten, dass sie nicht weiterkamen. Sie fuhren zum Zelten wieder auf die Insel. -43-
Eines Abends saßen die Fünf Freunde nach dem Abendbrot noch um ihr Lagerfeuer. Es war eine wunderbare warme Sommernacht. Anne guckte versonnen hinauf in den Himmel. »Die Sterne sehen gerade wie glitzernde Diamanten auf einem Stück Samt aus«, seufzte sie. »Auch wenn es etwas albern klingt, ist es so, oder?« »Wuff!«, bellte Tim. Er hegte gerade großes Interesse für einen Igel, der seinen Abendspaziergang machte. Richard spielte leise auf seiner Mundharmonika und Julius zupfte seine Gitarre. Georg war die Einzige, die offenbar nicht einverstanden war mit dem friedlichen Abend. In ihrem Innern brodelte es vor Ärger. »Das ist das erste Mal, dass wir so lange Zeit ohne den geringsten Fortschritt versuchen einen Fall zu lösen«, platzte es plötzlich aus ihr heraus. »Aber ich gebe nicht auf! Morgen fangen wir aufs Neue an. Wir werden besonders aufmerksam die ganze Gegend durchkämmen! Wir müssen die Leute befragen. Vielleicht hat irgendjemand in der letzten Zeit Fremde gesehen. Und wir müssen alle Plätze suchen, die als Versteck für einen Schatz in Frage kommen.« Wenig später verschwanden die Kinder in ihren Zelten. Tim lag, wie jeden Abend, neben seinem Frauchen und bald schliefen sie ein. Es musste nach Mitternacht sein, als Georg durch Tims Knurren aufwachte. Sie schlief noch fast, also legte sie ihre Hand auf den Kopf den Hundes, damit er sich beruhigte. »Seht!«, sagte sie und lauschte. Sie konnte Männerstimmen hören. Julius und Richard, dachte sie zuerst.
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Aber nein, das waren nicht ihre Kusins, die sich unterhielten! Sie stand vorsichtig auf und verließ mit Tim das Zelt. -45-
Draußen blieb sie starr vor Schreck stehen. Zwei Männer hatten gerade den steilen Pfad vom Strand herauf erklommen. Nur der helle Mondschein zeigte ihnen den Weg. Kieselsteine knirschten unter ihren Füßen. Sie fühlten sich offenbar unbeobachtet. Wie üblich reagierte Georg ohne zu zögern: »Hallo! Sie da, hören Sie!«, rief sie mit fester Stimme. »Es ist Ihnen nicht gestattet, dieses Land zu betreten! Diese Insel ist Privateigentum!« In ihrem Pyjama sah sie wie ein Junge aus. Einer der Männer rief: »Hör dir an, was der Bursche gesagt hat, Harry! Auf dieser Insel sind Leute! Wenn ich das gewusst hätte…!« »Ja – das bringt unsere Pläne durcheinander, nicht wahr?«, brummte der andere außer Atem. Von den Stimmen geweckt, kamen auch Richard und Julius, gefolgt von Anne, aus ihren Zelten. Der Mann, der zuerst gesprochen hatte, stutzte, als er plötzlich die Schar Kinder vor sich sah. »Guck dir das an! Nichts weiter als ein Haufen Kinder, die hier zelten! Die tun uns nichts!« Die beiden Fremden gingen langsam auf dem Weg weiter, ohne auch nur die geringste Notiz davon zu nehmen, was Georg gesagt hatte! Sie war empört über deren Dreistigkeit. »Ich befehle Ihnen, die Insel sofort zu verlassen!«, sagte sie. »Oder ich hetze meinen Hund auf Sie!« Die zwei Männer – erst jetzt konnte sie sehen, was für derbe Gesellen das waren – guckten sich an und brachen in Gelächter aus. »Hast du so was schon mal erlebt?«, grölte der Größere. »Hör dir bloß mal an, wie dieser Winzling das Ge-46-
setzbuch spielt! Halt die Luft an, Kleiner!« Es war Julius’ Aufgabe einzuschreiten. »Diese Insel gehört meiner Kusine Georg«, sagte er und zeigte auf Georg. »Es ist ihr Eigentum, das sie unbefugt betreten!« Was danach passierte, ging so schnell, dass die Kinder sich daran später nur noch als an eine Art schrecklichen Alptraum erinnerten. Der Mann, der sich Harry nannte, stieß Julius mit dem Handrücken zur Seite. Dann griff er Georg grob ums Handgelenk. »So, du bist also ein Mädchen, ja? Dann hör mir mal gut zu, meine Süße! Ich gebe hier die Befehle und nie mand anders, ist das klar? Du wirst den Mund halten, sonst passiert was!« Georg brauchte Tim nicht um Hilfe zu rufen. Mit einem Satz sprang er auf den fremden Mann und grub die Zähne in seinen Unterarm. Harry heulte auf, konnte aber Tims Kiefer auseinander drücken, um sich zu befreien. Dann griff er das Halsband des Hundes und band ihn blitzschnell an dem Stamm eines Baums fest. Der arme Tim konnte sich kaum noch bewegen. »Sie brutaler Kerl!«, schrie Georg aufgebracht und stürzte auf Harry zu. Der andere Mann aber hielt sie fest. Er nahm ein weiteres Seil aus der Tasche und fesselte sie an denselben Baum, an dem Tim winselte. Harry versperrte Julius, Richard und Anne den Weg, die ihrer Kusine zu Hilfe kommen wollten. Er fing Julius und fesselte ihn im Handumdrehen. Sein Komplize machte dasselbe mit Richard, ohne auf Annes Fäuste zu achten, die auf seinen Rücken einhämmerten. -47-
Die Jungs kämpften, aber das nützte ihnen nichts. Die Männer waren zu stark für sie. Zu guter Letzt fingen sie Anne und wickelten sie in ein Stück Persenning, bis sie wie eine Mumie verpackt war. Dann legten sie sie auf den Boden neben ihre Brüder. »Komm, Jim. Lass uns gehen!«, sagte Harry zu seinem Begleiter. »Das waren alle. Wir wollen Albert nicht im Boot warten lassen. Wir nehmen das Gold und verschwinden dann!« Georg hüpfte hilflos und wütend auf und ab, so gut sie es mit den Fesseln konnte. Das Gold! Also waren diese Männer zwei der Bankräuber. Die Gangster, die die Goldbarren gestohlen hatten! Und die ganze Zeit waren die Goldbarren auf meiner Insel versteckt, dachte sie. Oh nein! Das ist doch wirklich die Höhe. Sie beobachtete, wie Harry und Jim in die Ruine gingen. Sie mussten das Gold in einem der Keller aufbewahrt haben. Überall hatten sie geguckt, aber nicht in der Burg! Die Fünf Freunde waren zwar nicht geknebelt, aber schreien hätte nichts geholfen. Georg sah auf Tim hinab. Der arme Hund war so fest an den Baum gebunden, dass er nur noch leise hecheln konnte. Sein Halsband wird ihn strangulieren, dachte Georg. Das ist grauenvoll! Wenn ich doch bloß eine Hand frei bekommen würde. Verzweifelt begann sie ihre gefesselten Handgelenke an der rauen Baumrinde zu scheuern. Sie riss sich die Haut auf, machte aber weiter. Jede Minute zählte! Die Jungs blieben ruhig. Anne weinte leise. Es war nichts zu hören, außer Tims heiserem Atmen, dem Rauschen des Meers und den Geräuschen der Tiere der Nacht. Und dann stieß Georg plötzlich einen Schrei aus! -48-
Sie hatte es geschafft, das Seil durchzuscheuern, und eine Hand war nun frei!
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Die Polizei schreitet ein zweites Mal ein Georg streckte ihren Arm nach unten. Sie konnte Tim fast erreichen. Langsam zog sie den Knoten des Seils hinter dem Stamm zu sich hinauf und öffnete ihn. Tim fiel aufs Gras und versuchte keuchend und hechelnd wieder zu Atem zu kommen. Plötzlich hörte Georg Schritte – die Gangster kehrten zurück. »Seht, Tim!«, sagte Georg zu ihrem Hund, der tapfer versuchte wieder auf seine vier Beine zu kommen. »Nicht bewegen!« Sie zitterte vor Angst, weil sie dachte, die beiden Männer würden nur zurückkommen, um den armen Tim zu erledigen. Aber Harry und Jim hatten die Kinder und Tim schon vergessen. Sie gingen achtlos an ihnen vorbei und trugen dabei einen schweren Metallbehälter den Weg zum Strand hinab. »Sie werden zurückkommen«, flüsterte Richard. »Da müssen noch mindestens zwei weitere Behälter mit Gold sein!« Er hatte Recht. Dieses Mal stapfte Albert statt Harry achtlos an den Fünf Freunden vorbei. Jim hatte ihn einmal Sanderson genannt, deshalb wussten die vier Kinder, dass sie richtig vermutet hatten: Diese Männer waren die Bankräuber. Endlich hatten sie alle Behälter an Bord des Bootes gebracht, das vermutlich unten in der Bucht auf sie wartete. Bald hörten die Kinder Rudergeräusche. Offensichtlich wollten die Gangster möglichst unauffällig von der Insel verschwinden und benutzten deshalb kein Motorboot. -50-
Georg befreite sich schnell von den restlichen Fesseln, dann nahm sie ihr Taschenmesser und befreite auch ihre Kusins und ihre Kusine. »Schnell!«, flüsterte sie. »Los beeilt euch! Wir folgen ihnen!« »Im Pyjama?«, fragte Anne skeptisch. Sie fand nicht, dass das vernünftig war. »Wen kümmert’s?«, erwiderte Richard. »Sie sehen wie Trainingsanzüge aus. Aber wir sollten uns wenigstens unsere Turnschuhe anziehen!« Wenig später schoben Richard und Julius das Ruderboot aufs Wasser, während Georg einen feuchten Umschlag um Tims Hals legte. »Braver Hund! Ich werde es ihnen heimzahlen!«, murmelte Georg. Anne, die sehr gute Augen hatte, entdeckte das Boot der Gangster. »Rudert schneller!«, feuerte Georg die Jungs an. Sie saß an der Ruderpinne, Tim hockte neben ihr und starrte auch aufs Festland. Ihr Blick war die ganze Zeit auf das andere Boot gerichtet und währenddessen trieb sie ihre Kusins mit leiser Stimme an. »Schneller, aber rudert so leise es geht! Wir wollen schließlich nicht, dass diese Gauner merken, dass sie verfolgt werden.« Als die Männer angekommen waren, dauerte es eine Weile, bis sie ihre Metallbehälter abgeladen hatten. Das gab den Fünf Freunden etwas Zeit, um weiter unten an der Küste unbemerkt anzulegen. »Und was machen wir jetzt?«, fragte sich Julius. »Wir können doch nicht direkt diese brutalen Kerle angreifen – also?« -51-
»Lasst uns ein Stück näher an sie ranschleichen«, entschied Georg. »Die haben bestimmt ein Auto in der Nähe. Wir müssen uns bloß das Kennzeichen notieren…« Sie verhielten sich ruhig und schlichen an der Straße entlang, die parallel zum Strand verlief. Tim dachte gar nicht mehr an seine arme, wunde Kehle und folgte Georg ebenfalls ganz still. Nach wenigen Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Da stand ein Lieferwagen auf der Straße. Die Bankräuber räumten gerade die kostbare und schwere Fracht in den Wagen. »Mist!«, flüsterte Richard. »Wir kommen zu spät! Ich wollte ihnen die Luft aus den Reifen lassen. Dann hätten wir…« »Jetzt haben wir keine Zeit zum Schwatzen!«, unterbrach Georg. »Wir müssen die Polizei rufen – schnell!« Die Gangster schlössen die Türen des Lieferwagens. Dann stiegen sie ein und starteten den Motor. Der Lieferwagen setzte sich in Bewegung und fuhr in Richtung Norden davon. Die Kinder rannten so schnell ihre Beine sie trugen. Sie wussten, dass an der nächsten Ecke ein Tea Room war. Als sie das Cafe ganz außer Atem erreicht hatten, holten sie mit lautem Rufen die Besitzerin aus dem Bett. Sie hatte zunächst Schwierigkeiten zu verstehen, was die Kinder wollten. »Ein Te – tele – fo – Telefon!«, flehte Julius sie japsend an. Endlich erreichten die Kinder das Polizeirevier und Inspektor Bond gab wieder den Befehl zum Einsatz. Es sah ganz danach aus, als ob die Kinder für den Rest der Nacht um ihren wohlverdienten Schlaf kommen -52-
würden. Anne schlug vor, dass sie sofort zum Felsenhaus gehen sollten. »Wir werden uns sehr viel besser fühlen, wenn wir anständige Kleider tragen – und dann können wir zum Polizeirevier gehen, um zu sehen, was passiert!« »Hervorragend!«, willigte Georg ein. »Das ist ein guter Vorschlag!« Anne errötete über das Kompliment. Das kam wirklich nicht sehr häufig vor, dass Georg sie lobte. Der Himmel wurde heller, als die Fünf Freunde das Polizeirevier erreichten. Bald würde es dämmern. Die Kinder fragten den Dienst habenden Wachtmeister, ob sie dort auf Neuigkeiten warten könnten. Tim ging es inzwischen besser. Er schien wieder bereit zu sein, die Jagd auf die drei Gauner aufzunehmen. Plötzlich klingelte das Telefon. Es war Inspektor Bond. Er berichtete, dass die Männer bereits an einer Straßensperre verhaftet worden waren und er sie persönlich vorbeibringen würde. Er war erfreut darüber, dass die Fünf Freunde in der Polizeistation waren. So würde es sofort eine Gegenüberstellung zwischen den Kindern und den Männern geben. »Aber das verstehe ich nicht!« sagte Georg überrascht, als der Wachtmeister ihr erzählte, was der Inspektor gesagt hatte. »Warum braucht der Inspektor uns für eine Gegenüberstellung mit den Gangstern? Ich dachte, dass das Gold, das sie in ihrem Lieferwagen transportieren, Beweis genug ist, dass sie schuldig sind! Er kann sie doch gleich festsetzen.« »Ach, das ist der Punkt«, seufzte der Wachtmeister. »Offenbar ist das Gold nicht gefunden worden!« Diese unerwartete Aussage traf die Kinder wie ein Blitz. Zu ihrer Bestürzung bestätigte Inspektor Bond die -53-
verblüffenden Neuigkeiten, als er kurze Zeit später in Begleitung von Blatter, Farley und Sanderson eintraf. Allen drei Männern lag ein spöttisches Grinsen auf den Lippen. »Ich würde ja gerne glauben, was ihr Kinder am Telefon gesagt habt«, sagte der Inspektor, »aber ich muss Beweise liefern! Diese Burschen sind sicherlich die Männer, die wir verdächtigen, die Bank vor über zwei Jahren überfallen zu haben, aber wir haben keine Beweise. Wir haben keinen einzigen Goldbarren in ihrem Lieferwagen gefunden.« »Und Sie haben kein Recht, uns ohne Grund festzuhalten!«, höhnte Harry Blatter. »Wir haben unsere Zeit im Gefängnis abgesessen. Dafür, dass wir uns die Goldene Galeone ausgeliehen hatten! Und heute Nacht haben wir nur einen kleinen Ausflug entlang der Küste gemacht. Einen Spaziergang an der Luft sozusagen. Das ist gut für die Gesundheit. Es ist doch verständlich, dass man nach einem Gefängnisaufenthalt Bedürfnis nach frischer Luft hat, oder?« Georg war sprachlos und wankte. Richard und Julius waren ebenfalls wütend und sogar Anne war so bestürzt wie nie zuvor. Der Inspektor und die anderen Polizisten wirkten sehr enttäuscht. Aber die Gangster fühlten sich wie Könige. Es war nichts zu machen und die Polizei musste sie gehen lassen. Triumphierend zogen sie ab, während die Fünf Freunde deprimiert zur Felseninsel zurückkehrten. Dem Gesetz nach war die Aussage der drei Männer genauso viel Wert wie die der Kinder. Und es gab keine Zeugen, die die Aussage der Kinder bestätigen konnten. Somit waren der Polizei die Hände gebunden. Aber Georg wollte noch nicht aufgeben! -54-
Sie saßen an ihrer Zeltstelle in der warmen Sonne, und während sie ein kräftigendes Frühstück, bestehend aus Rührei und gebratenem Speck, aßen, sagte Georg: »Wir haben doch nicht geträumt! Das Gold kann nicht weit weg sein. Die Gangster müssen es ein zweites Mal versteckt haben. Allerdings dieses Mal auf dem Festland. Also müssen wir auf dem Festland suchen, die Leute befragen und die ganze Gegend durchkämmen. Und wir werden es am Ende finden. Denn was sie Tim angetan haben, werde ich ihnen heimzahlen.« Dann machten sich die Fünf Freunde wieder hartnäckig an ihre Ermittlungen. So schnell gaben sie nicht auf! Julius breitete die Landkarte aus, auf der er das Gebiet zwischen der Küste und der Stelle markiert hatte, an der die Polizei die Gangster in ihrem Lieferwagen angehalten hatte. »Dort müssen wir suchen«, bemerkte Richard. »Und das Versteck muss ziemlich groß sein.« Jeden Morgen ruderten die Fünf Freunde zum Festland, stiegen auf ihre Fahrräder und fuhren all die Straßen und Wege um das Felsendorf herum ab. Sie suchten in der ganzen Gegend und hielten Ausschau nach Plätzen, an denen möglicherweise die vermissten Goldbarren versteckt worden waren. »Wir müssen uns beeilen«, sagte Georg. »Blatter und seine Freunde können jederzeit auftauchen. Und ich habe auch schon eine Idee, wie wir der Polizei glaubhaft versichern können, dass wir uns nicht die ganze Geschichte ausgedacht haben. Ich möchte so schnell wie möglich beweisen, dass wir nicht gelogen haben!«
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Jeffs Hütte Georg hatte gehofft, dass Tim die Fährte der Gangster aufnehmen würde. Aber obwohl er jeden Zentimeter der Gegend, die sie absuchten, durchschnüffelte, hatten sie noch nichts gefunden. Und sie hatten alle möglichen Orte abgesucht. Alte Gebäude, verlassene Scheunen, Hütten in den Feldern, Höhlen in den Felsen an der Küste. Es war sehr entmutigend. Als sie an einem Tag im Schatten der Bäume am Rand eines kleinen Wäldchens für ein Picknick Rast machten, rief Anne plötzlich: »Oh, guckt nur, dort ist Jeff! Wir laden ihn zum Picknick ein! Der arme Jeff! Ich glaube nicht, dass er oft die Möglichkeit hat, ein so gutes Mahl wie das von Tante Fanny zu essen!« Jeff war ein einfacher Bursche, der alleine in einer Hütte im Wald lebte. Niemand wusste genau, wie alt er war, und die Bewohner des Felsendorfes nannten ihn liebevoll den »dummen Jeff«. Er lebte vom Geld, das er bei Gelegenheitsarbeiten verdiente. Jeff war ehrlich, hilfsbereit und ein guter Handwerker. Jeder im Dorf mochte ihn. Anne war ebenfalls ein großer Freund von ihm. Wann immer sie ihm begegnete, gab sie ihm ein paar Süßigkeiten oder einen Keks, weil sie wusste, dass er gerne Leckereien aß. »Hallo, Jeff!«, grüßte sie freundlich. »Komm doch und iss mit uns!« Jeff kam herüber, lächelte sie alle an und setzte sich vor die Tischdecke, die sie auf dem Gras ausgebreitet hatten. Sie war mit jeder Menge Köstlichkeiten gedeckt: Würstchen im Schlafrock, gebratene Hühnerschenkel, -56-
Tomaten, Obst und Pfefferkuchen mit Ingwer. Tante Fanny hatte wirklich ein herrliches Mittagessen für die Kinder eingepackt! In ihrer mütterlichen Art füllte Anne einen Teller und reichte ihn Jeff. »Ggut, ggut!«, sagte Jeff, der immer stotterte. Er lächelte und langte kräftig zu. Julius und Richard schmunzelten. Und sogar Georg entspannte sich und konnte für einen Moment vergessen, dass sie mit ihrer Suche nach den Goldbarren kein Stück weitergekommen waren. Tim sprang um den Jungen herum und wedelte mit seinem Schwanz. Und Jeff, der gut mit dem Hund umgehen konnte, kraulte ihm seinen Kopf. »Na, Jeff, und was treibst du so dieser Tage?«, erkundigte sich Richard. »Iich inmache so ddies und ddas«, antwortete der Junge. »Uund vviel verdienen ttu ich aauch!« »Oh, wie wundervoll!«, freute sich Anne lächelnd. »Dann bist du ja jetzt ein reicher Mann, oder Jeff? Was ist das für eine phantastische Arbeit, mit der man so schnell reich wird?« Die Augen des Jungen strahlten. »Oh, jja! Schnell rreich!« Er senkte seine Stimme und fügte in einem vertraulichen Ton hinzu: »Ich hab eieinen Schschatz in inmeiner Hütte vversteckt!« Julius, Richard und Anne lächelten und taten so, als ob sie ihm glauben würden. Aber Georg lächelte nicht. Sie guckte ihn kritisch an. Angenommen, einfach nur angenommen, dass er die Wahrheit sagte? Die Kinder waren mit ihrem Mittagessen fertig und während Anne das Geschirr einpackte und Julius die Tischdecke ausschüttelte, stand Georg plötzlich auf. -57-
»Jeff«, sagte sie, »du hast uns doch eben erzählt, dass du einen Schatz in deiner Hütte versteckst. Würdest du ihn uns zeigen?« In den Augen des Jungen zeigte sich Argwohn. Und Georg, die es sah, beruhigte ihn sofort. »Du kennst uns doch, Jeff! Du weißt, dass wir deine Freunde sind und wir dich niemals überfallen würden. Aber ich bin so schrecklich neugierig!« Anne bemerkte sofort, was ihre Kusine vorhatte, und fiel mit ein: »Oh ja, Jeff! Ich würde auch zu gerne deinen Schatz sehen! So was sieht man nicht alle Tage! Willst du ihn uns nicht zeigen?« Sie nahm die Hand des Jungen und führte ihn zum Wald. Jeff lachte schüchtern und ging mit ihr mit. Georg, Julius, Richard und Tim folgten ihnen. Jeffs Hütte stand in der Mitte einer kleinen Lichtung. Früher war sie eine Holzfällerhütte gewesen und sie war aus dicken Baumstämmen gezimmert. Jeff stieß die Tür auf und bat die Kinder stolz herein. Georg fühlte, wie ihr Puls raste. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie den versteckten Goldbarren auf der Spur waren – und ihr Gefühl trog sie nicht! »Uund jjetzt«, kündigte Jeff mit stolzgeschwellter Brust an. »Uund jjetzt zzeige ich euch mmeinen Sch-Schatz!« Er ging in die Ecke der Hütte hinüber, in der ein Stapel Feuerholz lag. Er schob ihn zur Seite und beförderte eine eingedellte Dose hervor, die er hinter dem Stapel versteckt hatte. Er nahm sie in beide Hände und stellte sie triumphierend vor seine Besucher, dann steckte er seine Hand hinein. Was für ein aufregender Moment. Die Kinder hielten die Luft an. In dieser großen Dose hätte leicht ein Goldbarren Platz gehabt. -58-
»Hhier!« Stolz brachte Jeff einen kupferfarbenen Türgriff, ein altes Feuerzeug, zwei vergoldete Knöpfe einer Uniform und einen bunten Glasstöpsel einer altmodischen Flasche zum Vorschein. Die Kinder waren schwer enttäuscht. Weil sie um nichts in der Welt die Gefühle des armen Jeff verletzten wollten, erzählten sie ihm, was für tolle »Schätze« er hätte. Dann verabschiedeten sie sich schnell.
Draußen vor der Hütte stieß Georg einen deprimierten Seufzer aus. »Eine weitere Pleite!«, sagte sie. »Ganz zu schweigen von der verlorenen Zeit.« »Ach, komm schon! Kopf hoch!«, tröstete sie Richard. »Wir müssen noch diese alten Kalköfen in Duddington erkunden. Wer weiß, vielleicht werden wir ja dort zur Abwechslung mal fündig.« Aber auch in den Kalköfen fanden sie nichts, und auch -59-
nichts in der Kirchenruine, die sie als Nächstes gründlich durchsuchten. Sie durchkämmten noch zwei weitere Tage lang die Gegend, aber auch das brachte sie nicht weiter. Am Morgen des dritten Tages gingen sie ins Dorf, um ihre Vorräte auf der Insel aufzustocken. Normalerweise trafen sie Jeff am Markttag, wenn er einigen Standbesitzern beim Aufbau ihrer Stände half oder für sie Butter und Eier verkaufte. Und heute war Markttag, aber sie konnten Jeff nirgends sehen. »Ich frage mich, ob er krank ist«, sagte Anne zu sich selbst. Sie erzählte Richard, Julius und ihrer Kusine von ihren Sorgen. Und auch sie waren verwundert, dass Jeff nicht zu sehen war. Wo konnte er sein? Er hatte noch nie am Markttag gefehlt. Anne fragte die alte Frau am Blumenstand. »Ja ja«, sagte die Verkäuferin und nickte, »ja ja, der arme Jeff ist krank! Der Doktor war schon beim ihm und hat ihm Medizin gebracht und wir bringen ihm Lebensmittel. Aber ständig können wir uns ja nun auch nicht um ihn kümmern, nicht wahr?« Anne war betroffen. Armer Jeff! Krank und ganz allein mitten im Wald! Wenn er nun ernsthaft krank wäre? Niemand würde seine Rufe hören. »Wir sollten zu ihm gehen und nachsehen, ob er irgendetwas braucht«, schlug sie vor. Georg war sofort einverstanden. »Ja, gute Idee«, erwiderte sie. »Warum sollten wir woanders hingehen? Wir finden ja sowieso nichts. Und außerdem tun wir dort jemandem auch noch etwas Gutes!« Also machten sie sich auf den Weg. Es dauerte nicht sehr lange und sie hatten die Hütte im Wald erreicht. Jeff lag auf seiner Strohmatratze, ein wenig fiebrig, aber nicht schwer krank. -60-
»Hier, Jeff!«, sagte Richard. »Wir haben dir schwarzen Johannisbeersaft und Schokolade und leckeren Kuchen mitgebracht.« »Es wird dir bei deiner Genesung helfen«, versicherte Anne. Und dann sah Anne, die kleine Hausfrau, dass das Bett des kranken Jungen in Unordnung war. »Also, Jeff«, sagte sie, »dann lass uns mal dein Bett aufschütteln. Und während wir das machen, setzt du dich auf den Hocker.« Jeff blickte besorgt in die Runde. Aber Richard bot ihm ein Stück Schokolade an und er stieg langsam aus dem Bett, um es entgegenzunehmen. Georg und Julius nutzten die Gelegenheit, um das Bettzeug in der frischen Luft auszuschütteln. »Armer alter Jeff. Er hat nicht einmal genügend Bettzeug«, sagte Julius. »Lasst uns auch noch seine Matratze umdrehen.« Die Strohmatratze lag ohne Bettgestell einfach auf dem harten, lehmigen Boden der Hütte. Aber als Georg und ihr Kusin sich bückten, um die Matratze hochzuheben, schrie Jeff aus vollem Hals und stürmte auf sie zu, um sie davon abzuhalten. »Nnein! Nnicht aanfassen!«, befahl er ihnen. »Was um Himmels willen ist denn los, alter Knabe?«, rief Richard und wehrte ihn ab. »Beruhige dich! Niemand will dir deine Matratze stehlen!« Julius und Georg hatten die Matratze schon hochgehoben. Dann erst sahen sie, was darunter lag, und sie verharrten wie gelähmt. Die Kinder konnten es kaum glauben! In den Lehmboden war unter Jeffs Bett ein Loch gebuddelt worden. Drei schwere Metallbehälter lagen nebeneinander in dem -61-
Loch. Ganz offensichtlich waren sie auf die versteckte Beute der Bankräuber gestoßen. Die Entdeckung des Schatzes verschlug Georg die Sprache und sie stammelte genauso wie Jeff. »I-Ich glaub es nicht. Das sind die G-Goldbarren von der G-Goldenen G-Galeonel« Jeff versuchte sich aus Richards Griff zu befreien und stürmte auf die Matratze, um sie wieder zurück an ihren Platz zu schieben. »Die – die nnetten M-Männer – iich hhabe versprochen, nnichts zu ssagen! Sie haben mir eine M-Menge G-Geld dafür ggegeben, ddass ich aauf ihre S-Sachen aaufpasse – wwenn sie wwiederkommen, wwerden sie inmich verprügeln, wwenn sie eerfahren, dass ihr ddie CKisten gesehen hhabt!« Die Suche war letztendlich doch noch erfolgreich gewesen. Und das, als die Fünf Freunde es am wenigsten erwartet hatten! Georg fand endlich ihre Fassung wieder. »Das ist wundervoll!«, schrie sie. »Wir haben es geschafft! Jetzt müssen wir nur noch die Polizei rufen. Dann wird die Hütte umstellt, und wenn die Gangster zurückkommen, werden sie verhaftet!«, Jeff war auf seine Matratze zurückgekehrt und lag auf ihr, als wenn er seine prächtigen Kisten verteidigen müsste! Den Fünf Freunden war das nur recht. Sie waren schon auf dem Weg zur Tür, um so schnell wie möglich zum Polizeirevier zu fahren, als Tims Bellen sie erstarren ließ. »Ich höre Stimmen«, flüsterte Julius. Aber noch bevor er seinen Satz zu Ende geflüstert hatte, öffnete sich schon die Tür und drei Männer kamen herein. Blatter, Farley und Sanderson! Die Gangster -62-
guckten wirklich wütend, als sie die erstaunten Kinder vor sich sahen. »Schon wieder diese Gören«, knurrte Farley. Georg hielt Tim zurück. Die Erinnerung an das letzte Zusammentreffen ließ sie erschaudern. Sie hatte Angst davor, was sie Tim antun könnten! Die Neuankömmlinge guckten sich in der Hütte um. Als ihr Blick auf den armen Jeff fiel, fing dieser an zu zittern. Er stöhnte entsetzlich auf. »Nein, nnein!«, schrie er und setzte sich mit einem Ruchk auf seiner Matratze auf. »Sie hhaben nichts ggesehen! Ich hhabe ihnen die Kisten nicht ggezeigt! Ich schschwöre es!«
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Ein Tunnel wird gegraben Armer Jeff! Er hatte sich selbst verraten! Und dabei hatte er unwillentlich auch die Kinder mitgerissen! Die Fünf Freunde drehten sich um und stürzten zur Tür. Ihnen war klar, dass nur noch eine Flucht sie jetzt retten könnte! Aber die drei Männer waren schneller. Mit Jeffs Hilfe, der offensichtlich so verängstigt war, dass er alles, was sie ihm sagten, machen würde, banden sie die vier Kinder schnell mit einem Seil zusammen. Und über Tim stülpten sie eine alte Wanne. Danach holten die Bankräuber mit Hilfe des verängstigten Jeff die Metallkisten aus dem Loch und trugen sie hinaus, um sie in eine Schubkarre zu legen. Es sah so aus, als ob sie die Kisten in der Schubkarre wegbringen wollten. Sie mussten irgendwo in der Nähe an der Straße einen Wagen abgestellt haben. Georg schäumte vor Wut. Dieses Versagen kurz vor ihrem Ziel konnte sie ganz schlecht ertragen. Würden sie die Kerle trotzdem noch drankriegen können? Die Gangster kamen noch ein Mal zurück, stießen Jeff in die Hütte und schlössen dann die Tür. Gleich darauf hörten sie lautes Hämmern. »Sie nageln Latten vor die Tür, damit wir nicht flüchten können«, erklärte Julius. »Und die Fenster vernageln sie auch!«, sagte Georg, als durch das einzige Fenster in der Hütte plötzlich fast kein Licht mehr einfiel. Bald war wieder Stille eingekehrt. Die Bankräuber waren verschwunden. Angst überfiel Anne, deshalb fragte sie Jeff, ob er sie und die anderen nicht losbinden könnte, aber er war zu aufgeregt, um sie zu verstehen. Er hatte -64-
sich in eine Ecke gekauert und murmelte unzusammenhängende Worte vor sich hin. Durch ihr Gezappel befreiten sich die Kinder nach einer Weile von den Fesseln. Georg stürmte zu Tim und entfernte vorsichtig die Wanne. »Das werde ich ihnen auch heimzahlen, aber gehörig!«, murmelte sie. Während Georg ihren Tim tröstete, untersuchten Julius und Richard die Tür und das Fenster, um festzustellen, ob man sie öffnen konnte. Vergeblich. Die Männer hatten ganze Arbeit geleistet. Inzwischen versuchte Anne den armen Jeff zu beruhigen. »Es ist alles in Ordnung, Jeff«, sagte sie freundlich zu ihm. »Das waren böse Männer, aber wie du siehst, haben sie dir nicht deinen Schatz weggenommen, nicht wahr? Er ist immer noch unter dem Feuerholz. Und bald wirst du dich besser fühlen. Wenn wir hier rauskommen, werden wir den Arzt bitten, dass er noch einmal nach dir schaut.« »Wenn wir hier herauskommen«, murmelte Georg, als sie zu den Jungs rüberging. »Das wird nicht so einfach sein! Diese Latten scheinen absolut fest zu sitzen. Wir werden nie und nimmer durch die Tür oder das Fenster rauskommen.« Im dämmrigen Licht der Hütte suchten die Kinder nach Werkzeug, um die Tür aufbrechen zu können. Aber alles, was sie finden konnten, war ein alter Schürhaken, der zu dünn war, um ihn als Brechstange einsetzen zu können. »So ein Mist!«, brüllte Richard und schmiss den Feuerhaken wütend auf den Boden. »Dieses Ding ist zu gar nichts zu gebrauchen!« »Warte!«, sagte Georg und hob den Schürhaken wieder auf. »Ich habe eine Idee. Wir können ihn benutzen, um die Erde unter der Tür wegzukratzen. Und wenn wir ein -65-
ausreichend großes Loch gemacht haben, können wir uns herauswinden. Gefangene flüchten immer aus dem Gefängnis, indem sie Tunnel graben. Das hab ich in Unmengen von Büchern gelesen!« »In Ordnung, lass es uns versuchen«, stimmte Julius zu. Er nahm den Schürhaken und bearbeitete den Boden unter der Tür. Es war ziemlich einfach, ein Loch in den matschigen Boden zu buddeln. Richard und Georg gruben mit ihren Händen und Anne schob die Erde, die sich angehäuft hatte, zur Seite. Plötzlich sprang Tim auf und drängte Georg weg. Dann begann er, den Boden mit seinen Vorderpfoten aufzugraben! Georg prustete vor Lachen los. »Sehr gut, Tim! Du hast ja unseren Plan blitzschnell begriffen!« »Wuff!«, bellte Tim zustimmend, ohne sein Graben zu unterbrechen. »Du bist wirklich der intelligenteste Hund auf der ganzen Welt!« »Wuff!«, bellte Tim zutiefst überzeugt und grub immer weiter. Diese komische Unterhaltung amüsierte die anderen. Die Kinder begannen zu lachen und Jeff wurde von der Heiterkeit angesteckt und lachte mit. Dann merkte Tim, dass er wohl durch sein Tun zu ihrer Erheiterung beigetragen hatte und so begann er Faxen zu machen. Für eine kurze Weile buddelte er wie verrückt, dann hielt er kurz inne, bellte, drehte sich immer wieder auf der Stelle, sprang an allen Kindern nacheinander hoch, schleckte ihnen die Gesichter ab, um dann noch wilder als zuvor zu graben. -66-
Seitdem er all die Arbeit selbst verrichtete und durch sein Graben die Kinder mit Erde »duschte«, hatten die Kinder nichts weiter zu tun, als ihm zuzusehen und zu lachen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie sich sicher, dass sie bald befreit wären! Nachdem Tim einige Minuten gegraben hatte, hörte er plötzlich auf. Er machte keine Spaße mehr! Er kam aus dem Loch gekrochen und ging unglücklich dreinschauend zu Georg. »Was ist los, Tim?«, fragte Richard. »Bist du müde? Kein Wunder! So wie du gebuddelt hast.« Georg kniete sich nieder, um den Boden im Loch zu ertasten. »Oh, nein! Er ist auf Felsen gestoßen!«, verkündete Georg. »Wir können nicht tiefer graben! Ich kann den Felsen am Boden des Lochs fühlen.« »Wir haben ja ein Glück!«, sagte Julius deprimiert. -67-
»Jetzt können wir warten, bis wir schwarz werden!« »Warte mal!«, schlug Georg vor. »Lasst uns den Tunnel genauso weitergraben. Auch wenn er für uns zu eng ist, ist er vielleicht für Tim breit genug, dass er durchkommt!« »Und was dann?«, sagte Richard. »Selbst wenn Tim rauskommt, werden wir noch hier drin sein!« »Denk doch mal nach, Richard!«, unterbrach Anne ihn. Sie hatte die Idee ihrer Kusine begriffen. »Wir werden Tim eine Nachricht mitgeben, nicht wahr Georg?« »Ja«, sagte Georg. »Ich werde ihm sagen, dass er sie sofort ins Felsenhaus bringen soll. Ich bin sicher, dass mein Vater sofort kommen wird, um uns zu retten!« Und tatsächlich, alles trat so ein, wie Georg es sich vorgestellt hatte. Der kluge Hund kroch unter der Tür hindurch. Die Nachricht hatten sie ihm an sein Halsband gebunden. Er legte die vielen Meilen zum Felsenhaus ohne Pause zurück. Tante Fanny hörte ihn bellen, öffnete sofort die Tür und nahm ihm das Stück Papier aus dem Halsband. Ihr wurde ganz mulmig zumute. Sie ging zu ihrem Ehemann, um ihm mitzuteilen, was geschehen war. Onkel Quentin rief ein weiteres Mal die Polizei an, sprang dann in sein Auto und eilte mit Tim zur Hütte, um die Gefangenen zu befreien. Die Polizei erreichte die Hütte nur einen Augenblick später als Onkel Quentin. Nach ihrer Befreiung berichteten die Kinder der Polizei von ihrem Abenteuer. Und wieder waren sie niedergeschlagen, weil ihnen im entscheidenden Moment der Schatz durch die Lappen gegangen war. Aber Inspektor Bond gratulierte ihnen. Er freute sich, dass sie die Spur der gestohlenen Goldbarren wieder aufgenommen hatten. Der Blick auf das Loch unter der Matratze, Jeffs wirre Erklärungen und die Tatsache, dass -68-
alle in der Hütte gefangen worden waren, waren genug Gründe, um ihn zu überzeugen, dass die Kinder die Wahrheit über die Goldbarren erzählt hatten. »Und nun müssen wir schnell zurück zum Felsenhaus«, sagte Onkel Quentin sehr bestimmt. »Deine Mutter macht sich große Sorgen, Georg, und ich möchte, dass sie sich wieder beruhigt.« Als sie wieder zu Hause angekommen waren, gingen sie niedergeschlagen durch den Garten. Sie wollten nicht eher zur Felseninsel zurückkehren, bis sie wussten, wie die Suche der Polizei ausging. Also aßen sie an diesem Abend im Felsenhaus und gingen danach gleich ins Bett. Als sie am nächsten Morgen um den Frühstückstisch saßen, waren sie noch immer traurig. »Ich denke«, sagte Georg seufzend, »dass dieser Fall der Erste ist, bei dem wir nicht auf Anhieb erfolgreich waren! Wir haben versagt. Ich fühle mich beim Gedanken daran furchtbar!« Das Läuten des Telefons unterbrach sie. Onkel Quentin stand auf, um den Hörer abzunehmen. Als er zurückkam sah er nicht so ernst wie sonst aus, sondern strahlte übers ganze Gesicht. »Gute Nachrichten!«, erzählte er seiner Frau und den Kindern. »Inspektor Bond hat mir gerade gesagt, dass sie das Auto der Gangster sichergestellt haben – und auch die Gangster festgenommen!« Georg sprang vor Freude auf. »Hurra! Wir haben sie doch noch gekriegt!« »Nun, ganz so war es nicht, tut mir Leid. Tatsache ist, dass Blatter und seine Kumpanen einen Unfall hatten. Sie sind mit ihrem Auto gegen einen Baum gefahren. Und im -69-
Krankenhaus hat die Polizei sie gefunden!« Richard konnte sich vor Lachen kaum halten. »Also, das geschieht ihnen recht!«, freute er sich. »Verbrechen lohnen sich nicht!« »Das sicher nicht. Aber die Bank wartet nach wie vor auf ihre Goldbarren«, fuhr Onkel Quentin fort. »Oh, nein!«, schrie Georg. »Das darf doch nicht wahr sein! Es sieht so aus, als ob wir niemals ihre Schuld beweisen könnten!« »Beruhige dich, Georg, und hör dir den Rest der Geschichte an. Farley hat es von den dreien am schlimmsten erwischt. Er fieberte und delirierte vor sich hin. Ein Polizeibeamter saß neben seinem Bett, um alles zu notieren, was er sagte. Und ohne, dass er es wollte, hat er in seinem Delirium die Wahrheit preisgegeben!« »Um Gottes willen, Onkel Quentin«, schrie Anne überrascht auf. »Was hat er gesagt?« »Als Erstes hat er zugegeben, dass er und seine Kumpane zwei Jahre zuvor wirklich die Bank ausgeraubt hatten. Das war schon mal ein toller Auftakt. Und dann, soweit der Polizeibeamte es sich aus dem unzusammenhängenden Gestammel zusammenreimen konnte, war es wie…« »Warte, Vater!«, unterbrach Georg ihn. »Mal sehen, ob ich erraten kann, was dann passiert ist! Ich denke, dass Blatter, der ja der Kopf der Bande zu sein scheint, die Bergung der Goldbarren von der Goldenen Galeone mit seinen Komplizen geplant hat. Dieser Teil des Plans ist ja gelungen, wie wir wissen! Und nun sage ich euch, was wahrscheinlich als Nächstes passierte. Aus irgendwelchen Gründen, vielleicht hatten sie mit dem Wagen eine Panne, konnten die Bankräuber ihre Beute nicht sofort mitnehmen. Also haben sie die Goldbarren für kurze Zeit -70-
in den Kellergewölben der Ruine auf der Felseninsel versteckt. Dann, als sie zurückkehren wollten, um die Barren abzuholen, mussten sie sehr vorsichtig sein, weil die Polizei, dank uns, alarmiert war!« Georg hatte »dank uns« so stolz gesagt, dass ihre Eltern lächeln mussten. »Eine überzeugende Geschichte, Georg!«, sagte ihr Vater. »Mach weiter!« »Nun denn. Zu diesem Zeitpunkt wollten sie langsam und Schritt für Schritt weiter vorgehen, um das Risiko möglichst gering zu halten. Zuerst ging ihr Plan auch auf, denn als sie das erste Mal geschnappt wurden, fand man nichts bei ihnen! Aber danach haben sie das Gold immer ein wenig weiter vom Felsendorf weggebracht. Und der letzte Transport ist ihnen ganz offensichtlich nicht so gut gelungen!« »Außer«, unterbrach Richard sie, »dass sie, wie es scheint, die Metallbehälter irgendwo anders versteckt haben, kurz bevor sie den Unfall hatten! Und das bringt uns nicht gerade weiter!« »Da stimme ich dir nicht zu«, sagte Julius. »Alles, was wir tun müssen, ist wieder auf Schatzsuche zu gehen! Und denk dran: Dieses Mal müssen wir nicht im Geringsten Angst vor den Gangstern haben!« »Stimmt!«, schrie Georg wieder gut gelaunt. »Lasst uns sofort aufbrechen!« Tante Fanny hatte gerade das Radio eingeschaltet, um die Nachrichten zu hören, als plötzlich die Stimme des Nachrichtensprechers ertönte und seine Worte fast wie ein Echo von Georg klangen. »Die Bank hat uns gebeten, die folgende Nachricht über die gestohlenen Goldbarren zu senden. Obwohl die Bankräuber sich nun in Polizeigewahrsam befinden, sind -71-
die Goldbarren noch nicht sichergestellt worden. Die Männer verweigern jegliche Aussage, wo sie die Beute versteckt haben. Für die Wiederbeschaffung des Goldes ist eine Belohnung in Höhe von fünfundzwanzigtausend Pfund ausgesetzt worden. Die Fahndung der Polizei läuft unterdessen weiter.« »Meine Güte!«, sagte Richard. »Eine Belohnung!« »Ich frage mich, ob wir schneller als die Polizei sein werden?«, sagte Anne. »Fünfundzwanzigtausend Pfund!«, wiederholte Julius nachdenklich. »Das ist eine Menge Geld.« »Und was wir damit alles machen könnten!«, sagte Georg und ihre Augen leuchteten. »Was meinst du damit, Georg?«, fragte Tante Fanny, die entsetzt war, dass sich ihre Tochter dermaßen habgierig gebärdete. »Oh, Mutter, es wäre wundervoll! Ich denke an den armen Jeff. Er lebt in so einer heruntergekommenen kleinen Hütte, wenn wir aber die Belohnung verdienen, könnten wir ihm ein richtiges kleines Häuschen kaufen. Was denkt ihr?«, wandte sie sich an die anderen. »Eine sehr gute Idee«, sagte Julius. »Brillant!«, schrie Richard. »Phantastisch!«, sagte Anne. »Wuff!«, bellte Tim am Schluss. Onkel Quentin und Tante Fanny waren sehr erfreut zu sehen, wie großzügig die Kinder waren. Wie schön wäre es, wenn sie die Belohnung verdienen würden!
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Jagd auf den Schatz Die Kinder waren wieder voller Enthusiasmus, als sie Pläne für ihre Jagd auf den Schatz schmiedeten. Doch bevor sie aufbrachen, entschieden sie, vorher Jeff zu besuchen. Sie wollten sich versichern, dass es ihrem Freund inzwischen wieder besser ging und dass ihm der Tag zuvor mit seinen Aufregungen nicht zu arg zugesetzt hatte. »Wir werden selbstverständlich unseren Plan mit dem Haus für ihn auf keinen Fall erwähnen«, ermahnte Julius die anderen, als sie auf den Wald zuradelten. »Der arme Jeff wäre zu enttäuscht, wenn wir es am Ende nicht schaffen.« »Wir werden es schaffen!«, sagte Georg äußerst zuversichtlich. Als sie die Hütte erreichten, stellten sie fest, dass es Jeff um einiges besser ging. Er war aufgestanden und guckte sich seine »Schätze« an. Alle hatten ihm Geschenke mitgebracht. Richard gab ihm eine prächtige Glasmurmel, Anne hatte Bonbons für ihn dabei, Julius überreichte ihm eine Pfeife und Georg brachte ihm eine alte Uhr von Onkel Quentin, die noch ging. Jeff war begeistert! Außer sich vor Freude, begann er durch den Raum zu tanzen. Tim wurde von seiner Begeisterung angesteckt und sprang herum und bellte laut. Plötzlich hörte Tim auf sich zu drehen und ließ sich auf seine vier Pfoten zurückfallen. Das Fell in seinem Nacken sträubte sich und er knurrte leise. Dann atmete er sehr schwer und nieste. Georg lief zu ihm. Ihr Hund war stehengeblieben, weil er ein dreckiges, rotweißes Taschentuch gesehen hatte.
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»Das Taschentuch gehört Blatter!«, schrie Richard. »Ich habe gesehen, wie er sich die Stirn damit abgewischt hat, als sie die Metallbehälter aus der Hütte getragen haben!« »Ein toller Fund. Genau das haben wir gebraucht.«, sagte Georg. »Ich wette, dass Tim jetzt die Spur der Bankräuber aufnehmen kann!« »Die Spur der Bankräuber aufnehmen?«, fragte Julius. »Aber das brauchen wir doch gar nicht. Wir wissen doch, wo sie sind! Im Gefängnis!« »Du verstehst nicht«, antwortete Georg ungeduldig. »Ich habe überhaupt nicht gesagt, dass Tim die Bankräuber finden wird. Ich sagte nur, dass Tim ihre Fährte aufnehmen wird!« »Ich sehe da nun wirklich keinen Unterschied«, wandte Julius ein. »Oh, das ist sehr wohl ein Unterschied«, sagte Richard. »Denk doch mal gründlich nach! Georg meint, dass wir -74-
der Spur der Gangster von der Hütte aus folgen und damit den Ort finden werden, wo sie die Goldbarren versteckt haben.« »Wundervoll!«, jubelte Anne begeistert. »Einen Augenblick«, sagte Julius. »Habt ihr ganz vergessen, dass Blatter und seine Komplizen nicht zu Fuß geflüchtet sind? Sie fuhren mit dem Auto, mit dem sie den Unfall hatten. Wie kann Tim unter diesen Umständen ihre Spur aufnehmen?« »Wuff!«, bellte Tim nachdrücklich. »Wuff, wuff!« »Ich denke, Tim hat gerade deine Frage beantwortet!«, sagte Georg und lachte. »Er erinnert sich, dass die Gangster von hier aus zu Fuß mit einer Schubkarre losgingen. Also wird der Ort, an dem sie das gestohlene Gold in ihren Wagen luden, unser erster Anhaltspunkt sein. Und danach -« »Ist doch egal! Lasst uns keine weitere Zeit mit dieser Rederei verschwenden!«, unterbrach Richard. »Komm, Tim, alter Junge! Nimm den köstlichen Geruch dieses wundervollen Taschentuchs gut auf, aber fall uns nicht in Ohnmacht!« Tim schnüffelte an dem dreckigen Taschentuch, das sie ihm hinhielten, und dann trottete er schwanzwedelnd zur Tür. Alles, was sie zu tun hatten, war, ihm zu folgen! Sie verließen Jeff, der entzückt auf seine neuen »Schätze« starrte und eilten hoffnungsvoll dem Hund hinterher. Tim lief in einem gemächlichen Tempo, die Nase nahe über dem Boden. Er achtete darauf, dass er für seine Begleiter nicht zu schnell lief. Er folgte dem Weg durch den Wald, der nach einer Weile auf die Hauptstraße führte. Julius machte sich immer noch keine sehr großen Hoffnungen und teilte dies den anderen erneut mit. »Wir können zwar die Spuren, die der Reifen der -75-
Schubkarre hinterlassen hat, sehen, aber auf der Straße werden wir sicherlich keine Abdrücke der Wagenreifen erkennen!« »Immer mit der Ruhe!«, erwiderte Georg mit leicht gereizter Stimme. Endlich erreichte Tim die Straße. Er hob seine Nase, schnüffelte in der Luft und gab ein sehr viel versprechendes »Wuff!« von sich. Danach überquerte er die Straße und stürzte sich in das Unterholz auf der anderen Straßenseite. Was hatte diese Abweichung von der Straße zu bedeuten? Die vier Kinder guckten sich überrascht an. »Also, wer hätte das gedacht?«, sagte Richard. »Entweder hat sich der gute alte Tim geirrt oder die Gangster sind gar nicht mit dem Auto geflohen!« »Red keinen Blödsinn. Tim irrt sich niemals!«, behauptete Georg überzeugt. »Schnell!«, schrie Anne. »Hinterher! Wir müssen ihm folgen!« Die Kinder gingen dem Hund ziemlich lange hinterher. Endlich kam Tim zu einer Lichtung. »Aber ja doch, natürlich. Er führt uns zum DuddingtonBergwerk!«, riefen Georg und die drei anderen im Chor. Den Spitznamen hatte die Dorfbevölkerung der archäologischen Ausgrabungsstätte bei der Abtei von Duddington gegeben, einem Mönchskloster aus dem Mittelalter. Eine Gruppe von Archäologen hatte begonnen die Überreste der Ruine auszugraben, aber dann war das Geld ausgegangen. Ohne zu zögern lief Tim in den total verwilderten Klostergarten der verfallenen Abtei und die Kinder eilten ihm hinterher. Der Garten, der sich in der Mitte des alten Klosters -76-
befand, war wirklich in einem fürchterlichen Zustand! Die Archäologen hatten überall Erdhaufen hinterlassen und tiefe Gräben ausgehoben. Sie hatten einige mittelalterliche Grabmäler gefunden. Und nun standen die alten Steine in einer Ecke des Klosters. Tim lief zu einem der Grabsteine hinüber, immer noch die Nase auf dem Boden, und beschnüffelte ihn mit großem Interesse. »Wuff!«, bellte er und drehte sich zu Georg. »Bist du dir sicher, Tim?«, fragte sie atemlos. »Wuff!«, wiederholte Tim. Die Jungs kamen hinzu und schafften es gemeinsam, den großen, moosbewachsenen Stein anzuheben. Georg und Anne lehnten sich darüber. Sie sahen eine große Segeltuchtasche. Julius überprüfte sofort den Inhalt. »Hurra! Endlich haben wir die Goldbarren!«, schrie er. »Guckt nur! Tim schnüffelt gerade an dem nächsten Grabstein, direkt daneben«, sagte Anne. Sie fanden zwei weitere prall gefüllte Segeltaschen in den nächsten zwei Grabmälern. Zu guter Letzt hatten die Fünf Freunde also das gestohlene Gold doch noch wieder gefunden! Voller Begeisterung fassten die Kinder sich an den Händen und tanzten um die alten Grabmäler. Und Tim machte mit! »Jetzt brauchen wir nur noch Musik!«, sagte Richard gut gelaunt und holte sein kleines Radio aus der Hosentasche. Aber sie hörten keine Musik, als er das Taschenradio einschaltete! Stattdessen ertönte wieder die Stimme des Nachrichtensprechers. -77-
»Zwei der kürzlich inhaftierten Bankräuber, Blatter und Sanderson, haben es geschafft, aus dem Gefängniskrankenhaus zu flüchten. Bis jetzt hat die Polizei noch keine Spur…« »Oh, du meine Güte!«, schrie Anne und wurde blass. »Sie werden als Erstes, wenn sie frei sind, nach dem Gold sehen!« Die verschreckte Anne guckte sich so um, als rechnete sie damit, dass die beiden Bankräuber jeden Moment auftauchen könnten. Richard hatte sich vor den Taschen mit Gold aufgebaut, als ob er sie beschützen wollte. Julius, der beschlossen hatte, nicht in Panik zu verfallen, versuchte sich zu konzentrieren. Georg, deren Mut und Besonnenheit sie nur selten verließen, schwieg ebenfalls. Tim wartete ruhig und fixierte mit seinem Blick sein Frauchen. »Es gibt keinen Grund zur Panik«, begann sie endlich in ihrer gewohnten Gelassenheit zu sprechen. »Lasst uns doch mal in Ruhe die Gesamtsituation betrachten. Das Gold ist hier und dank Tim haben wir es gefunden. Und wir haben uns die Belohnung, die die Bank ausgesetzt hat, verdient! Also wollen wir doch nicht, dass die Gangster uns die Beute unter der Nase wegschnappen, wie sie es schon zweimal getan haben!« »Das ist soweit klar«, sagte Richard, »aber sie können jeden Moment hier aufkreuzen. Und wir wissen ja nun aus leidlicher Erfahrung, dass sie zu stark für uns sind. Wie sollen wir sie daran hindern, dass sie mit den Goldbarren abhauen?« »Wir müssen irgendwie«, murmelte Julius nachdenklich, »die Barren sofort verschwinden lassen.« »Aber das können wir nicht«, sagte Anne. »Es würde zu lange dauern, bis wir in Duddington sind und jemanden -78-
finden, der mit einem Wagen kommt!« »Du hast Recht«, stimmte Georg ihr zu. »Ich sehe nur eine Möglichkeit. Da das Gold zu schwer für uns ist, um es zu wegzutragen, müssen wir es hier verstecken! Und dann kommen wir später mit meinem Vater und der Polizei wieder.« »Du meinst, wir sollten es aus diesen alten Grabstätten holen?«, fragte Richard. »Gute Idee, aber wo sollen wir es verstecken?« Georg zögerte nicht eine Sekunde. »Schnell – wir schleppen die Segeltaschen zum nächsten Graben!«, sagte sie. »Wir können sie mit Erde abdecken und die Gangster werden niemals erraten, dass die Beute in ihrer unmittelbaren Nähe ist!« Alle stimmten ihr zu. »In Ordnung! An die Arbeit!«, befahl Julius. Die vier Kinder hatten bald die Taschen zu einem der tiefen Gräben rübergeschleppt. Sie schoben sie hinein. Nun mussten sie sie nur noch mit der Erde, die sich neben dem Graben häufte, zudecken. Zum Schluss kontrollierten sie, ob sie auch wirklich alle Spuren gründlich verwischt hatten. Die gesamte Aktion dauerte nur ein paar Minuten. »Wir müssen nur noch die Deckel auf die drei alten Grabmäler zurückschieben«, sagte Georg. »Dann ist wirklich nichts mehr zu sehen.« »Schnell!«, flehte Anne. »Ich mag das hier alles überhaupt nicht.« »Ich auch nicht«, gab Julius zu. »Im Radio haben sie nicht gesagt, wann genau die Gangster geflüchtet sind. Und die Stadt, in der sie im Gefängniskrankenhaus waren, ist nicht sehr weit von hier entfernt. Es würde nicht lange dauern, hierher zu kommen, wenn sie einen Wagen -79-
stehlen.« »Sie müssen sich aber unauffällig verhalten, und das könnte sie Zeit kosten«, meinte Richard. Bald waren die drei schweren Deckel wieder auf ihren Grabmälern. »Rasch zurück ins Dorf!«, sagte Georg. Und dann passierte etwas Seltsames. Im selben Moment als Georg den Weg zum Dorf einschlug und die anderen ihr folgten, versperrte Tim ihr den Weg, schnappte nach ihrem Knöchel und knurrte leise. Georg blieb erstaunt stehen. »Tim, was machst du denn da? Warum willst du mich nicht vorbeilassen? Ist irgendwas?« Tim nahm Georgs Hand in sein Maul, schloss es sanft und versuchte sie zurückzuziehen. »Tim will nicht, dass wir ins Dorf gehen«, sagte Richard überrascht. »Lasst uns sehen, was er möchte«, sagte Georg. »Sein Verhalten hat bestimmt etwas zu bedeuten.« Sobald Tim erkannt hatte, dass die Kinder sich entschlossen hatten ihm zu folgen, stürzte er los und verschwand schon bald hinter einem dicken Busch. Neugierig liefen die vier Kinder los und fanden Tim hinter dem Busch sitzend und auf sie wartend. Gleich wurde ihnen klar, warum Tim sie hierher geführt hatte. Im selben Moment hörten sie nämlich das Röhren eines Automotors. »Da kommt jemand aus dem Dorf«, sagte Julius. »Und das klingt wie eine wirklich alte Klapperkiste! Und Tim hat es vor uns gehört!« »Aber warum hat er uns von der Straße weggeführt?«, fragte Anne. »Ein Auto ist doch genau das, was wir jetzt brauchen!« -80-
»Ich bin mir sicher, dass der gute alte Tim seine Gründe hatte«, presste Georg zwischen den Lippen hervor. Richard guckte und flüsterte dann: »Ich wusste es! Es sind Blatter und Sanderson!«
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Auf zur Glockenstube »Das ist wohl der einzige Wagen, den sie auf die Schnelle auftreiben konnten, um ihre Goldbarren wegzubringen«, flüsterte Julius. »Welche Goldbarren?«, erwiderte Richard leise und platzte fast vor unterdrücktem Lachen. »Ich wette mit dir, dass sie nicht ein Krümelchen mittelalterliches Gold in diesen alten Grabmälern finden!« »Seht!«, zischte Georg. »Das ist nicht der passende Moment für dumme Scherze! Wir haben es gerade dank Tim vermieden, ihnen in die Arme zu laufen. Das wäre grauenvoll gewesen! Wenn sie feststellen, dass ihre Beute verschwunden ist, werden sie auf jeden Fall danach suchen. Und alles, was sie finden werden, sind wir, wenn wir uns nicht beeilen abzuhauen!« »Aber wo können wir einen Unterschlupf finden?«, fragte Anne ängstlich. Georg zeigte auf die Abteikapelle. »Wir verstecken uns im Glockenturm!«, schlug sie vor. »Ich denke, dort sind wir sicher. Es wäre wirklich ausgesprochenes Pech, wenn sie sich entscheiden würden, auf den Turm zu steigen.« »Was wollen wir mehr? Wir können sie von dort aus sogar beobachten«, sagte Julius. Ganz leise krochen die Fünf Freunde durch die Ruine der Abtei zur Kapelle. Sie huschten hinein und stiegen die Wendeltreppe hinauf, die zum Glockenturm führte. Die Kapelle war der einzige Gebäudeteil der Abtei, der vollständig restauriert war, und als sie am Ende der Treppe angelangt waren, sahen die Kinder eine schöne bronzene Glocke. Vorsichtig steckte Richard seinen Kopf -82-
aus einem kleinen Fenster. »Ja, ich kann sie sehen«, berichtete er den anderen. »Sie öffnen gerade den Deckel der ersten Grabstätte. Macht weiter! Hebt sie hoch! Ist ja doch alles für die Katz!« Georg und Julius konnten sich vor Lachen über Richards Witzeleien kaum halten, aber Anne war so besorgt, dass sie nicht einmal lächeln konnte. Die Gangster wurden wütend, als sie sahen, dass ihr Gold verschwunden war. Die beiden Männer hatten gerade den Deckel des ersten Steingrabmals angehoben und beugten sich über die Kante. Für einen kurzen Moment passierte überhaupt nichts. Es herrschte absolute Stille. Dann plötzlich platzten die Gangster vor Wut. Die Kinder konnten ihre Stimmen hören. »Das ist unmöglich!«, brüllte Blatter. »Das Gold kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Wenn ich denjenigen jetzt in die Finger kriegen würde, der es gestohlen hat!« »Vielleicht gucken wir ins falsche Grabmal?«, sagte Sanderson, der sich vom ersten Schock erholt hatte. Die beiden Männer arbeiteten fieberhaft und öffneten die Deckel aller anderen Grabmäler. Und jedes Mal, wenn sie einen Deckel angehoben hatten, brüllten sie so wütend, dass die arme Anne erzitterte. Letztendlich gab es für die Gangster keinen Zweifel mehr: Die Goldbarren waren wirklich verschwunden! »Beraubt! Wir wurden beraubt!«, schrie Blatter, der ganz vergessen hatte, dass er der eigentliche Dieb war. »Wer kann das bloß getan haben?« »Ich wette, dass das diese verdammten Kinder waren!«, sagte Sanderson. »Du weißt schon! Die Gören, die uns -83-
die ganze Zeit in die Quere gekommen sind! Erst haben sie es uns beinahe direkt vom Wrack weggeschnappt, dann haben sie uns den Ärger auf dieser Insel gemacht und zum Schluss sind sie uns zu Jeffs Hütte gefolgt! Das ist mir ein schöner Haufen!« »Du hast Recht. Mir fällt auch niemand anderes ein. Aber wie haben sie das Gold weggebracht?« »Ja, das ist merkwürdig. Und wenn sie die Barren gefunden hätten, dann wüsste es doch sicherlich die Polizei, oder? Dann hätte die Polizei uns in die Falle gelockt. Aber hier ist keine Polizei!« »Vielleicht wollen die Kinder den Schatz selbst behalten?«, schlug Blatter vor. »Oh, wenn ich die in die Finger kriege!« In diesem Moment wurde die Stille durch ein entsetzliches Jaulen durchbrochen. Richard war aus Versehen auf Tims Pfote getreten und der arme Hund jaulte vor Schmerz auf. Starr vor Entsetzen hielten die Kinder die Luft an. Tim winkte entschuldigend mit der Pfote, aber es war zu spät! Sein Gejaule hatte die Aufmerksamkeit der Gangster auf den Glockenturm gelenkt. »Hast du das gehört?«, fragte Sanderson. »Natürlich hab ich das gehört! Ich bin ja nicht taub! Das kam von da oben.« »Es klang wie ein Hund. Was wollen wir wetten, dass es der Hund ist, der immer bei den Kindern ist? Die kleinen Strolche verstecken sich da oben mit unserem Gold!« »Ach, komm schon! Das haben diese Gören niemals rauf gekriegt.« »Dann haben sie es in der Kapelle versteckt! Komm mit.« -84-
Die zwei Männer liefen in die Kapelle. Anne zitterte am ganzen Körper. »Um Gottes willen!«, schnaufte sie. »Wir sind erledigt!« »Noch nicht!«, entgegnete Julius. »Wenn wir jetzt Ruhe bewahren, können wir ihnen vielleicht noch entkommen.« »Wie?«, fragte Richard. »Mit dem Glockenseil!« »Aber natürlich!«, schrie Richard und sauste zur Tür des Glockenturms, um sie zu verriegeln. »Wenn die Gangster hochkommen und die Tür eintreten wollen, lassen wir uns am Glockenseil herunter und hauen ab. Und in der Zeit, in der die Männer wieder runterkommen, sind wir schon längst über alle Berge!« »Scharf nachgedacht, Richard. Du hast meine Idee genau erfasst!« »Und auch noch eine richtig gute Idee, Ju!«, sagte Georg. »Anne, ich hoffe, du schaffst es auch. Jetzt müssen wir unsere Taschentücher um die Hände wickeln, damit sie nicht vom Seil aufgeschürft werden!« Aber Julius sah, dass Georg nicht dasselbe wie die anderen tat. Er wollte sie fragen, warum, aber die Ankunft der Bankräuber am Ende der Stufen hielt ihn davon ab. Tim bellte. »Macht die Tür auf!«, befahl Blatter und rüttelte an der Tür. »Ich kann euch Kinder da drin doch hören! Los, macht auf!« »Beeilt euch!«, flüsterte Georg. »Geh du zuerst, Julius, und Anne, du folgst ihm. Dann kommt Richard. Schnell! Ihr müsst Hilfe holen!« »Aber kommst du denn nicht mit uns, Georg?«, schrie Richard. Georg schüttelte den Kopf. -85-
»Nein«, sagte sie. »Tim kann nicht an einem Seil hinunterklettern, also bleibe ich bei ihm. Wir beide werden versuchen die Gangster so lange aufzuhalten, bis ihr Verstärkung schickt.« »Oh, Georg!«, schrie Anne. »Komm mit. Bitte!« »Nein, es hat keinen Sinn, mich überreden zu wollen. Beeilt euch!« Schläge hämmerten gegen die Tür. Sie war nicht sehr stabil und es war nur eine Frage der Zeit, wann es Blat ter und Sanderson gelingen würde, sie aufzubrechen. Die Geschwister hatten also keine Zeit zu verlieren! Julius nahm Georgs Arm. »Georg, dein Leben ist in Gefahr!«, sagte er. »Ich habe Tim wirklich gern, aber deine Sicherheit hat Vorrang!« Georg stieß seine Hand ziemlich grob weg. »Ich werde Tim niemals verlassen!«, wies sie ihn böse ab. »Und ich habe keine Angst vor den Gangstern! Warum machst du dir nicht lieber Gedanken um Annes Sicherheit?« Sie schubste Julius zur Öffnung im Boden des Glockenturms. Dort hing ein starkes Seil, das es dem Küster ermöglichte, vom Boden des Turmes aus die Glocke zu läuten. Sie wussten, dass jeder Moment, den sie mit dieser Diskussion verschwendeten, ihre Chancen verringerte. Also gab Julius nach. Er griff mit beiden Händen fest das Seil und glitt hinab. Natürlich ließ das die Glocke läuten! »Hilfe!«, schrie Richard entsetzt. »Der Krach wird uns verraten!« »Nein, wird er nicht!«, antwortete Georg. »Die Gangster wissen, dass wir noch immer hier sind. Sie werden denken, dass wir die Glocke läuten, um Hilfe zu holen!« -86-
Sie schubste Anne zur Öffnung. »Jetzt bist du dran, Anne! Halt dich gut am Seil fest und lass dich runtergleiten. Schließ deine Augen, wenn du Angst hast. Julius wird dich unten auffangen.« Die Glocke bimmelte in einem seltsamen Takt. Sie hatte gerade aufgehört zu läuten, als Richard, der nun an der Reihe war, durch die Öffnung verschwand. Für kurze Zeit schlug der Glockenklöppel noch einmal wild hin und her, dann erstarb das Echo. Georg guckte durch das kleine Fenster im Glockenturm und sah, wie ihre Freunde so schnell sie konnten ins Dorf liefen. Sie waren entkommen! Aber nun waren das tapfere Mädchen und ihr treuer Hund den Bankräubern ausgeliefert! Ein letzter Schlag ließ die Tür erbeben, dann flog sie auf. Als die Männer Georg und ihren Hund im Glockenturm sahen, blieben sie überrascht stehen. »Hier ist nur der eine Bursche – das eine kleine Mädchen, meine ich!«, sagte Blatter und erinnerte sich daran, dass er Georg schon einmal auf der Felseninsel verwechselt hatte. »Wo sind die drei anderen hin?« »Sie hatten kein sonderlich großes Interesse an Ihrer Gesellschaft!«, versetzte Georg kühl. »Also haben sie nicht auf Sie gewartet. Sie können ja versuchen sie noch einzuholen!« »Das reicht jetzt!«, explodierte Sanderson. Er konnte es nicht fassen. »Die Kinder sind durch dieses Loch abgehauen! Und ich dachte, dass sie lediglich die Glocke läuten, um die Dorfbewohner zu alarmieren!« Blatter sah gefährlich aus. Er ging zu Georg, die Tim zurückhielt, weil der die Gauner anspringen wollte. Aber -87-
sie hatte Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte. »Also haben du und deine kleinen Freunde unser Gold geklaut, ja?«, brüllte er. »Komm schon, du kannst es ruhig zugeben! Die anderen sind zu weit weg, um sie jetzt einzufangen, aber du bist unsere Gefangene. Und du wirst uns erzählen, wo ihr die Goldbarren versteckt habt! Du solltest dich beeilen. Wir wollen nämlich hier weg sein, bevor die Polizei eintrifft!« Georg verschränkte lediglich ihre Arme und guckte die Gangster trotzig an. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen«, erwiderte sie. »Das Gold gehört nicht Ihnen, es muss zurück in die Bank.« Tim knurrte leise und war bereit, die Feinde seines Frauchens anzufallen, sobald sie ihm den Befahl gab. Aber Blatter schien keine Angst davor zu haben. Er ging weiter auf Georg zu. Sie wusste nicht, ob der Mann bewaffnet war oder nicht. Deshalb befahl sie ihrem geliebten Hund: »Sitz, Tim! Sitz!« Sanderson, der andere Mann, lachte hässlich. »Du bist also doch vernünftig, kleines Mädchen! Dann lass uns nicht länger warten. Erzähl uns, was du weißt. Wenn nicht, dann…!« Er hatte ein Messer aus seiner Tasche gezogen und fuchtelte damit drohend herum. Georg lachte aber nur aufmüpfig. »Ich werde überhaupt nichts sagen«, entgegnete sie verächtlich. »Und wenn Sie mir die Kehle durchschneiden. Nun, dann werde ich sowieso nichts mehr sagen können, nicht wahr?«
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Unten im Brunnen Währenddessen ging Julius, Richard und Anne die Puste aus und sie verlangsamten ihr Tempo. Sie waren schon mitten im Wald, als sie merkten, dass ihnen niemand folgte. »So, wir haben’s geschafft, aber Georg ist in Gefahr!«, sagte Julius. Er war sehr besorgt. »Ihr wisst doch, dass wir sie nicht einfach in den Fängen dieser Männer lassen können!« »Nein, das dürfen wir nicht!« stimmte Richard zu. »Wir sollten zurückgehen und ihr helfen. Wir überfallen die Gangster von hinten. Es sind ja nur zwei Männer, und wenn wir sie überraschen, können wir sie vielleicht überwältigen.« »Aber wenn wir es nicht schaffen, dann sitzen wir alle im Schlamassel! Nein, ich weiß, was wir tun werden. Anne, du rennst weiter durch den Wald und holst Hilfe. Inzwischen werden Julius und ich zurück zum Glockenturm laufen.« »Und wenn ich mich verlaufe?«, sagte Anne. »Ich kenne mich in diesem Wald nicht aus.« Gerade in diesem Moment kamen zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge, die hier offenbar Brombeeren pflücken wollten, hinter einem Busch hervor. Julius rief ihnen zu. »Na, so was, ihr zwei! Würdet ihr uns helfen?« Der Junge kam lächelnd auf ihn zu. Er sah nett aus. Ihm konnte man wohl vertrauen. »Euch helfen? Ja klar, natürlich machen wir das«, sagte er. »Mein Name ist Jimmy und dies ist meine Kusine Catherine. Wie können wir euch helfen?« -89-
»Würdet ihr meine Schwester Anne zum Polizeirevier in Duddington bringen? Sie wird euch alles auf dem Weg dorthin erzählen. Wir sind in schrecklicher Eile« »In Ordnung«, willigte Jimmy ein. »Dann komm mit, Anne!« Mit einem letzten Blick auf ihre Brüder folgte Anne den zwei Kindern. »Also, nun ist es an uns, alter Knabe! Lass uns zurückgehen und Georg helfen!« Aber als die beiden gerade losrennen wollten, stießen sie beinahe mit Jeff zusammen. Er rannte mit ängstlichem Blick hin und her. »Die G-G-Glocke!«, stammelte der Junge. »Die GGlocke hat geläutet!« Richard hatte plötzlich eine brillante Idee. »Hör zu, Jeff!«, sagte er. »Die bösen Männer sind dort im Glockenturm! Sie sind dabei, Georg wehzutun. Du erinnerst dich doch an Georg? Sie hat dir die schöne Uhr geschenkt!« »Oh, ja – Ich mmag G-Georg!« »Gut. Sie ist in Gefahr. Würdest du uns helfen, sie zu retten?« »Ja, ja! J-Jeff wird helfen!« Richard hatte schon einen Plan. Er erklärte ihn schnell Jeff, der anscheinend verstand, was er tun sollte. Als die drei Jungs in Sichtweite des Glockenturms kamen, schafften Julius und Richard es, in die Kapelle zu gelangen, ohne gesehen zu werden. Dann rannte Jeff draußen um den Glockenturm herum, blieb unten stehen und rief sehr laut: »He! Da ooben! Iihr, da oben!« Blatter ging zum Fenster und guckte raus. Sanderson -90-
ließ instinktiv sein Messer sinken und drehte sich ebenfalls zum Fenster. Schnell wie der Blitz stürzte Georg von Tim gefolgt auf die Wendeltreppe zu. Auf halbem Weg nach unten traf sie auf ihre Kusins, die nach oben rannten und mit einigen Ausgrabungswerkzeugen bewaffnet waren, die sie in einer Ecke gefunden hatten. »Oh, wunderbar!«, schrie Richard, als er Georg sah. »Wir hatten gehofft, dass du es schaffst abzuhauen, wenn wir ein Ablenkungsmanöver arrangieren. Also, komm, lass uns verschwinden!« Aber die Gangster waren nur für einen Moment durch Jeffs Rufen abgelenkt. Schnell hatten sie sich wieder gefangen und rannten den Kindern hinterher! Georg und die Jungs liefen vor ihnen aus dem Turm und danach mit Jeff in den Wald. Aber die Gangster waren schnell. Eine schreckliche Verfolgungsjagd zwischen den Bäume hindurch begann. Julius, Richard und Georg versuchten alle möglichen Tricks, um ihre Verfolger abzuhängen, aber keiner funktionierte. Der verängstigte Jeff folgte ihnen wie ein Schatten. Allmählich ahnten die Kinder, dass sie stehen bleiben und sich den Bankräubern stellen mussten. Ihre verzweifelte Jagd hatte sie zurück zum Abteigarten geführt. Sie erreichten einen alten Brunnen, aus dem die Mönche früher ihr Wasser hoch holten. Richard und Julius blieben stehen und fuchtelten mit dem Spaten und der Spitzhacke herum, die sie gefunden hatten. Georg hob einen Ast auf, den sie als Knüppel einsetzen wollte. Tim knurrte und zog seine Lefzen hoch. Jeff jaulte wie eine Fabriksirene! »Hab sie!«, brüllte Blatter. Er war ein athletisch gebauter Mann und hatte keine Angst vor ein paar Kindern. Und seine Wut verdoppelte -91-
seine Stärke. Er stürzte nach vorne. Georg duckte sich, um ein Zusammenprallen zu vermeiden, und im selben Moment streckte Richard ein Bein aus und brachte den Gangster zum Stolpern. Blatter hatte so etwas nicht erwartet! Er verlor das Gleichgewicht und fiel kopfüber in den Brunnen. Die kleine alte Mauer, die den Schacht umrandete, war nur etwa einen Meter hoch. Als Julius sah, dass sie es nur noch mit einem Gangster zu tun hatten, reagierte er schnell. Er stürzte sich auf Sanderson und Tim machte es ihm gleich nach. Der Halunke setzte sich heftig zur Wehr. Er packte Julius an der Kehle und achtete dabei nicht auf Tim, der an seiner Jacke hing. Aber dann folgte Jeff dem Beispiel des Hundes. Er klammerte sich an den Arm des Gangsters, während Tim die Gelegenheit nutzte, um nach den Fersen des Mannes zu schnappen. Als auch Georg und Richard auf den Gauner losgingen, gelang es den Kindern gemeinsam, ihn in die Kette zu wickeln, die in den Brunnen hinunterführte. Sie ließen ihn lachend nach unten, damit er seinem Komplizen Gesellschaft leisten konnte. Danach hakte Richard seelenruhig die Kette aus und warf sie hinab. »Ihr solltet dankbar dafür sein, dass der Brunnen zurzeit trocken ist!«, rief er den Gangstern zu. »Wartet nur geduldig. Ich bin mir sicher, dass die Polizei sehr erfreut sein wird, euch rauszuhelfen!« Georg und ihre Kusins hatten den Kampf gewonnen! Es war ein Triumph. Nicht nur, dass sie die von den Bankräubern gestohlenen Goldbarren wieder hatten, sie sorgten auch dafür, dass die Männer wieder ins Gefängnis wanderten! Jetzt mussten sie nur noch die Gangster der Polizei und das Gold der Bank übergeben. -92-
Georg kniete auf dem Gras und küsste Tims Nase. »Braver, braver Hund!«, lobte sie ihm. »Das hast du sehr gut gemacht. Ich bin so stolz auf dich!« Julius und Richard gratulierten Jeff. »Du warst sehr tapfer, Jeff! Du hast uns sehr geholfen! Aber keine Sorge, du wirst deine Belohnung kriegen!« Er strahlte über das ganze Gesicht und kicherte, um dann vor Lachen zu brüllen. Die Kinder mussten nicht lange Wache stehen. Anne, die von Jimmy und Catherine begleitet wurde, hatte die Polizisten von Duddington so schnell es ging alarmiert. Sie hatten sich mit der Polizei von Felsendorf in Verbindung gesetzt und kamen fast gleichzeitig mit Inspektor Bond und seinen Männern in der Abtei an. Georg war sehr froh, die zwei uniformierten Gruppen zu sehen. »Danke, dass Sie gekommen sind, um uns zu helfen«, rief sie. »Und danke dir, dass du so schnell warst, Anne. Nun denn, der Spaß ist vorüber«, sagte sie grinsend zu Inspektor Bond, »aber Sie können jetzt gerne die Waren entgegennehmen!« »Welche Waren?«, fragte Inspektor Bond verblüfft. Er guckte überrascht in die Runde. »Ich dachte, wir wurden gerufen, weil wir die Bankräuber überwältigen sollen, aber…« »Aber das haben wir schon gemacht!«, unterbrach Richard ihn. »Wenn Sie ihnen die Handschellen umlegen wollen, müssen Sie sie nur noch aus dem alten Brunnen fischen!« »Und was die Goldbarren betrifft«, sagte Julius ohne die Miene zu verziehen, »die finden Sie in dem Graben da drüben!« »Gütiger Himmel!«, rief der Inspektor und es verschlug -93-
ihm den Atem. »Ihr Kinder wart wirklich sehr aktiv!« Einen Augenblick später schüttelte er ihnen die Hände. Und die anderen Polizisten taten es ihm gleich. Der letzte Ferientag war für die Fünf Freunde ganz außergewöhnlich. Da die Gangster festgenommen und die Goldbarren wieder in der Bank waren, wurde ihnen die versprochene Belohnung ausgezahlt. Sie hatten sich einige Häuser angesehen, bevor sie eines fanden, das sie für Jeff geeignet fanden. Am Morgen des besonderen Tages machten sie sich vergnügt auf, um Jeff beim Einzug in sein neues Heim behilflich zu sein. Sie holten ihn in seiner Hütte ab und brachten ihn ins Felsendorf. Ein kleines weißes Haus mit einer grünen Tür stand am Straßenrand und der Vorgarten war eine einzige Blumenpracht. Tante Fanny und Onkel Quentin hatten das Haus selbst eingerichtet. Georg nahm Jeffs Hand und führte ihn hinein und Anne forderte ihn vergnügt auf, sich im kleinen Heim umzugucken. »Dies ist dein neues Zuhause, Jeff!«, sagte Georg. »Der alte Herr Johnson, dein Nachbar, hat versprochen, für dich eine feste Arbeit zu finden. Und er wird darauf achten, dass du regelmäßig isst. Wie findest du das?« Jeff klatschte vor Freude in seine Hände. Er ging von Zimmer zu Zimmer, dankte seinen Freunden und war so glücklich, dass er nicht mal mehr stotterte. Sie verließen ihn, damit er sich in seinem neuen Zuhause einrichten konnte, stiegen auf ihre Fahrräder und radelten mit dem springenden Tim an ihrer Seite zum Felsenhaus zurück. »Morgen geht’s wieder in die Schule!«, seufzte Richard. -94-
»Die Ferien sind vorüber!« »Aber was war das für ein wundervoller Urlaub!«, erinnerte Anne ihn. »Du hast Recht, Anne!«, sagte Julius. »Unser Fall hatte einen enttäuschenden Anfang, aber dann wurde es doch noch richtig gut! Und wir haben Jeff glücklich gemacht.« »Die Fünf Freunde sind wieder spitze!«, rief Georg. »Wir sind doch richtig gute Detektive, nicht wahr, Tim?« »Wuff, wuff!«, bellte Tim.
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