Eric Frank Russell
DER KUNDSCHAFTER (Legwork) (aus „Ullstein Science Fiction Stories 53“)
Soweit man andromedische Den...
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Eric Frank Russell
DER KUNDSCHAFTER (Legwork) (aus „Ullstein Science Fiction Stories 53“)
Soweit man andromedische Denkformen überhaupt mit unseren Schriftzeichen ausdrücken kann, lautete sein Name Hara-sha Vanash. Seine schrecklichste Eigenschaft war seine Arroganz. Schrecklich deswegen, weil sie durchaus berechtigt war. Seine Überlegenheit war auf fünfzig feindlichen Welten auf die Probe gestellt worden und hatte sich als unbesiegbar erwiesen. Das größte Kapital, das ein lebendiges Wesen besitzen kann, ist seine schöpferische Erfindungsgabe. Das ist seine Energiequelle, sein Kraftzentrum. Doch für Vanash war der Geist seines Gegners dessen schwacher Punkt, ein Materialfehler in der Rüstung, ein Werkzeug, dessen man sich bedienen konnte. Doch auch Vanash waren Grenzen gesetzt. Er konnte keine Gehirne seiner eigenen Spezies beeinflussen, da diese sich mit ebenbürtigen Kräften widersetzten. Er konnte auch nicht viel mit Lebensformen anfangen, die geistlos dahinvegetierten. Doch wenn eine fremde Art denken und schöpferisch tätig sein konnte, war das sozusagen ein Fressen für ihn.
Vanash war ein vierundzwanzigkarätiger Hypno. Setzte man ihm ein denkendes Wesen in eine Reichweite bis zu einer Meile, so konnte er es im Nu davon überzeugen, daß schwarz weiß, Recht Unrecht, die Sonne grün und blau gesprenkelt und der Kilometerstein der Kaiser von Äthiopien sei. Alles, was er suggerierte, blieb hängen, wenn er nicht seine Meinung änderte, daß es jetzt nicht so, sondern wieder anders sei. Selbst wenn der gesunde Menschenverstand sich dagegen sträubte — das Opfer legte darauf eidesstattliche Versicherung ab, schwor auf die Bibel oder den Koran oder Mao Tse Tung und wurde dann abgeführt, um auf seinen Geisteszustand untersucht zu werden. Doch auch für ihn gab es eine absolute Grenze, die im gesamten Kosmos zu gelten schien: er konnte keine Lebensform dazu zwingen, sich selbst zu vernichten. An diesem kritischen Punkt wurde der Universalinstinkt des Selbsterhaltungstriebes geradezu störrisch und weigerte sich, nachzugeben. Doch konnte er in diesem Fall auf eine Ersatzlösung ausweichen. Er konnte das tun, was eine Schlange macht, wenn sie mit einem Frosch konfrontiert wird. Er konnte sein Opfer in den Glauben versetzen, es sei gelähmt und könne dem sicheren Tod nicht mehr ausweichen. Er konnte ein boozeisches Appolan nicht dazu überreden, sich selbst die Kehle zu durchschneiden; aber er konnte es dazu bringen, stillzuhalten, während er das Schneiden selbst besorgte. Ja, Harasha Vanash hatte allen Grund, sich für ein überragendes Wesen zu halten. Wenn man fünfzig Welten besucht hatte und nach Gutdünken mit ihnen umgesprungen war, konnte man zuversichtlich die einundfünfzigste heimsuchen. Die Erfahrung ist eine treue und zuverlässige Dienerin, die das Selbstbewußtsein eines Ego lange Zeit mit Nahrung versorgt, wenn man wüste Gebiete durchstreifen muß. 2
Deshalb landete er auch mit unbekümmertem Selbstvertrauen auf dem Planeten Erde. Am Tage zuvor hatte er den Planeten von oben betrachtet und mit seiner Spionagetätigkeit die üblichen Gerüchte von fliegenden Untertassen ausgelöst, obgleich sein Raumschiff einer Untertasse nicht im entferntesten ähnlich sah. Er setzte unbeobachtet in den Bergen auf, stieg aus, schickte das Schiff wieder hinauf in den kosmischen Raum, wo es mit automatischer Steuerung als stecknadelgroßer Fixstern in einem extrem weiten Orbit um den Planeten kreiste. Das kleine, kompakte Steuergerät, mit dem er das Raumschiff wieder zum Landeplatz rufen konnte, versteckte er unter ein paar Felsbrocken. Das Raumschiff war auf seinem Orbit vor irdischen Eingriffen sicher; denn es schickte keine Signale aus und befand sich weit außerhalb der Bahnen irdischer Satelliten. Und daß man es zufällig mit Teleskopen beobachten könnte, schien gleichermaßen ausgeschlossen. Falls die Irdischen aber das Raumschiff tatsächlich entdecken sollten, konnten sie trotzdem nichts dagegen unternehmen, weil ihre Raumkapseln in den allerersten Kinderschuhen steckten — sozusagen auf Steinzeitniveau. Sie hätten den extremen Orbit nie erreichen, sondern nur staunen und bekümmert in die Zukunft schauen können. Vanashs erste Erkundigungen hatten ihm nicht viel Aufschluß über die Gestalt und das Verhalten der herrschenden Lebensformen gegeben. Dafür war er von dem Planeten noch zu weit entfernt gewesen. Alles, was er zunächst wissen wollte, war die Antwort auf die Frage, ob es sich überhaupt lohnte, diesen Planeten näher zu erkunden, und ob die am höchsten entwickelte Lebensform geistige Kräfte besaß, die sich ausbeuten ließen. Es dauerte keine ganze Erdumdrehung, bis er herausfand, daß er hier ein besonders ergiebiges Betätigungsfeld entdeckt hatte. Eine Welt, die man unbedingt für eine spätere Konfiszierung durch Andromeda vormerken sollte. 3
Die physische Beschaffenheit dieser zukünftigen Sklaven spielte vorerst keine Rolle. Seine äußere Erscheinung war völlig fremdartig nach den Begriffen dieser Welt. Er hätte sich nicht im Gesichtskreis ihrer Bewohner bewegen können, ohne sofort eine Panik auszulösen. Aber es würde keine Panik geben. Obgleich es mindestens ein Dutzend physische Abweichungen zwischen ihnen gab, würde er sie in dieser Hinsicht sogar eher angenehm berühren. Sie würden nämlich nie seine wahre Gestalt zu Gesicht bekommen — nur seine imaginäre. Er konnte sich nämlich in jeden und alles verwandeln — in der Einbildung der Irdischen, wohlgemerkt. Deshalb war es auch seine erste Aufgabe, sich eine Dutzendgestalt zu verschaffen, die in einer Menge unbeachtet unterging. Er mußte sein imaginäres Aussehen — sein geistiges Image im wortwörtlichsten Sinne — festlegen und allen anderen geistigen Wesen, denen er begegnete, so einprägen, daß sie sich daran erinnerten. Und zwar so lange, bis er sich dazu entschloß, dieses imaginäre Aussehen wieder zu ändern. Auch die Verständigung würde kein Problem darstellen. Er konnte ja Gedanken lesen, die Fragen und Antworten selbst bestimmen und projizieren, wobei der Geist des anderen, der ihm Rede und Antwort stehen mußte, das Beiwerk und die Ausdrucksformen selbst mitlieferte. Falls sie sich durch Lautzeichen miteinander verständigten oder durch mechanische Zeichen — durch ausdrucksvolles Wedeln mit dem Schwanz zum Beispiel — würde er das Problem auf die gleiche Weise lösen. Er projizierte seine Botschaft in den Geist seines Gesprächspartners, worauf dieser sie in Lautzeichen oder Schwanzwedeln übersetzte. Er verließ den Landeplatz und setzte sich in Bewegung — auf eine stark befahrene Straße zu, die er während des Landeanflugs genau beobachtet hatte. Eine Staffel Düsenjäger zog Kondensstreifen über den Horizont. Er blieb eine Weile stehen, um den Flug dieser 4
primitiven Maschinen zu beobachten. Er betrachtete sie nicht ohne Wohlwollen. Auf der Suche nach Sklaven auf anderen Welten hatte er sich immer darüber geärgert, daß sie zu stupide waren, um brauchbare Arbeit zu leisten. Das stand hier nicht zu befürchten. Er bewegte sich weiter, nur mit einem winzigen Kompaß ausgerüstet, den er zu seiner Orientierung brauchte, wenn er zu seinem Lande- und Startplatz zurückkehren wollte. Er trug weder Gepäck noch Waffen bei sich. Es war nicht nötig, sich mit todbringenden Werkzeugen abzuschleppen. Logischerweise waren die Waffen an Ort und Stelle die geeignetsten Abwehrmittel gegen Angriffe mit ihnen. Falls er eine Waffe verwenden mußte, brauchte er nur dem Nächstbesten den geistigen Befehl zu geben, ihm seine Waffe auszuhändigen. Er würde sie ihm geradezu aufdrängen und sich noch bedanken. So einfach war das. Er hatte es dutzendemale ausprobiert, und es hatte immer funktioniert. Neben der Straße befand sich eine kleine Tankstelle mit vier Zapfsäulen. Hinter einem dichten Gebüsch verborgen, das ungefähr fünfzig Meter davon entfernt war, beobachtete Vanash, was sich dort abspielte. Hm — Zweifüßler, ihm nicht ganz unähnlich, aber mit halbstarren Gliedern und viel mehr Haaren. Einer dieser Zweifüßler bediente die Zapfsäulen, ein anderer saß in einem Wagen. Den Zweifüßler im Wagen konnte er nicht genau erkennen — nur dessen Kopf und Schultern. Der Zweifüßler an der Pumpe trug eine Mütze aus schimmerndem Material, mit einem Metallabzeichen. Der Anzug glich einer Uniform und hatte eine rote Aufschrift auf dem Rücken. Beide Wesen waren als Identitäts-Vorlagen nicht geeignet. Das eine verfügte über ein zu geringes Detailwissen, das andere war zu sehr spezialisiert. Einzelwesen in Uniform nahmen in der Regel Befehle entgegen, hatten ein fest umrissenes Aufgabengebiet und lenkten unangenehme Aufmerksamkeit oder Fragen auf sich, wenn sie an Örtlichkeiten auftauchten, wo sie nichts zu suchen hatten. 5
Besser, sich ein Individuum auszusuchen, das sich nach Belieben überall frei bewegen und zeigen konnte. Der Wagen fuhr wieder los. Das Exemplar mit der Mütze wischte sich die Hände an einem Lappen ab und blickte die Straße hinunter. Vanash blieb auf seinem Beobachtungsposten. Nach ein paar Minuten hielt ein weiterer Wagen. Dieser hatte eine Antenne auf dem Dach und enthielt zwei Individuen, die gleich gekleidet waren — Schirmmützen, Metallknöpfe und -abzeichen. Sie hatten scharfe Falten im Gesicht, harte Augen und ein autoritäres Gehabe. Ungeeignet, überlegte Vanash — viel zu auffällig. Einer der Polizisten — nicht ahnend, daß er beobachtet wurde — fragte den Tankwart: »Ist Ihnen irgend etwas Besonderes aufgefallen, Joe?« »Gar nichts. Bei mir läuft alles ruhig und normal.« Der Streifenwagen setzte seine Patrouillenfahrt fort. Joe verschwand im Tankstellengebäude. Vanash nahm eine Aromanuß aus der kleinen Packung und kaute darauf herum, während er seinen Gedanken nachhing. Die Zweifüßler hier waren also Mundredner, auf Sprechverbindung angewiesen und unfähig, Gedanken zu übertragen. Schablonendenker. Das waren Marionetten für einen Hypno, der sie beliebig nach seiner Pfeife tanzen lassen konnte. Trotzdem waren ihre Autos, ihre Düsenflugzeuge und ihre primitiven Raumkapseln der Beweis, daß sie auch gelegentlich Geistesblitze hatten — geistige Fünkchen sozusagen. Nach andromedanischer Theorie war die seltene Gabe des Genies das einzige, was einem Andromeder gefährlich werden konnte. Denn nur die geistige Genialität konnte seine Existenz entdecken, seinen Operationen folgen und ihn identifizieren. Das war eine logisch wohlfundierte Annahme — wenn man kosmische Kategorien zu Grunde legte. Alles, was die andro6
medische Kultur ausmachte, war durch zahllose Inspirationsschübe Wirklichkeit geworden, die jahrhundertelang aus dem Nichts gekommen waren — so unerklärlich, wie Inspirationen eben zu sein pflegen. Aber Inspirationen — oder Geistesblitze — entstehen spontan und aus eigenem Willen. Man kann sie nicht nach Belieben herstellen, und wäre die Nachfrage noch so groß. Jede Spezies konnte sich die Haare raufen, weil sich einfach kein fruchtbarer Gedanke einstellen wollte, und mußte eben wie jede andere darauf warten, bis sie an der Reihe war. Doch leider hatte diese wohlfundierte Theorie einen Webfehler. Denn kein Neuling, der zum erstenmal mit einer fremden Kultur in Berührung kommt, kann sie lückenlos überschauen, sie restlos mit genialer Einfühlungsgabe erfassen oder ergründen. Wer konnte zum Beispiel von vornherein annehmen, daß die örtliche Lebensform aus einer Ansammlung von chronischen Neurotikern bestand? Oder daß diese Spezies — eben aus diesem Grund — nie Zeit dazu hatte, auf Inspirationen zu warten? Vanash wußte nicht — und konnte auch nicht vermuten — daß es auf der Erde eine ermüdend weitschweifige, schablonenhafte und in der Regel nicht besonders geschätzte Ersatzlösung für geniale Eingebungen gab. Diese Methode war langwierig, mühsam, zermürbend, schweißtreibend und alles andere als spektakulär — aber sie war brauchbar, immer einsatzfähig und nicht ohne Erfolg. Man hatte viele Bezeichnungen für diese Methode: Fleiß, Anstrengung, Leistung, Eifer, Phantasie und Erfindungsgabe oder schlicht und einfach Arbeit. Wer hatte auch schon von so etwas im Kosmos gehört? Vanash wenigstens nicht, und auch keiner von seinen Artgenossen. Er wartete also hinter seinem Busch, bis schließlich ein un7
auffälliges Individuum aus seinem Wagen stieg, sich bereitwillig von allen Seiten darbot und dabei jede Einzelheit seines Gesichts, Gehabes und seiner Kleidung preisgab. Dieses Exemplar schien nicht gebunden oder unersetzbar und konnte offenbar auf jeder belebten Straße massenhaft beobachtet werden. Vanash fotografierte dieses Exemplar im Geiste von allen Seiten, nahm dessen Steckbrief sozusagen geistig zur Kenntnis und war mit sich zufrieden. Fünf Meilen von der Tankstelle entfernt lag im Norden eine Kleinstadt, vierzig Meilen weiter eine Großstadt. Er hatte sie beide beim Landemanöver gut beobachten können und dabei beschlossen, die Kleinstadt als Übungsplatz zu wählen, ehe er die Großstadt besuchen würde. Jetzt hätte er kühn aus seinem Versteck hervortreten und sein Original dazu zwingen können, ihn zu jedem beliebigen Ort zu transportieren. Diese Idee war verlockend, aber nicht ungefährlich. Ehe er mit der Bestandaufnahme dieses Planeten fertig war, würden dessen Lebensformen Dinge erleben, die sie sich nicht erklären konnten. Und es war klüger, das erste unerklärbare »Wunder« nicht in der Nähe des Ortes anzusiedeln, wo das Rendezvous mit seinem Raumschiff stattfinden mußte. Das Individuum mit der schimmernden Mütze redete dann vielleicht zu lang und zu ausführlich von einem Kunden, der einen Doppelgänger als Anhalter mitgenommen hatte. Und diese erstaunliche Laune des Zufalls erführe dann eine Bestätigung durch das Opfer selbst, das von einem Anhalter berichtete, der ihm wie sein eigenes Spiegelbild vorgekommen sei. Informationen dieser Art, wenn in genügender Anzahl gesammelt, konnten ein geistiges Feld aufladen, einen Inspirationsblitz auslösen und so die schreckliche Wahrheit ans Licht bringen. Vanash ließ also den Kunden weiterfahren und wartete, bis Joe wieder in dem Tankstellengebäude verschwunden war. 8
Dann verließ er sein Versteck, ging eine halbe Meile an der Straße entlang nach Norden, blieb stehen und blickte nach Süden. Der erste Wagen, der herangebraust kam, wurde von einem Vertreter gelenkt, der nie — aber wirklich nie — einen Anhalter mitnahm. Er hatte schon von zu viel Fällen gehört, wo der Anhalter den Fahrer überfallen und beraubt hatte — wenn nicht Schlimmeres. Und soweit er es verhindern konnte, sollte Derartiges ihm nicht widerfahren. Leute, die am Straßenrand standen und Däumchen zeigten, konnten seinetwegen daran lutschen oder kauen, bis sie Wurzeln schlugen. Er hielt an und nahm Vanash mit, ohne sich im geringsten Rechenschaft darüber zu geben, weshalb er es tat. Er wußte nur, daß er in einem Moment der Gedankenlosigkeit einen Grundsatz seines Lebens über den Haufen warf und ein Individuum in seinen Wagen steigen ließ, das wie ein Leichenbestatter aussah — so traurig, fahl und vom Lebenskampf mitgenommen kam ihm sein Anhalter vor. »Wollen Sie noch weit?« fragte der Handelsvertreter, während er sich darüber ärgerte, daß seine Prinzipien nicht so stark waren, wie er geglaubt hatte. »In die nächste Stadt«, erwiderte Vanash. Der andere glaubte wenigstens, sein Mitfahrer habe das gesagt, hörte ihn ganz deutlich diesen Satz sprechen und würde jeden Eid darauf ablegen, daß er diese Antwort vernommen habe. Vanash las auch gleich noch den Namen dieser Stadt in den Gedanken des Fahrers und suggerierte ihm den Nachsatz ein: »Nach Northwood.« »Wohin denn dort?« »Ist mir egal. Es ist nur ein kleiner Ort. Sie können mich absetzen, wo es Ihnen am besten paßt.« Der Fahrer brummte zustimmend und bot sich nicht zu weiterer 9
Konversation an. Seine Gedanken waren aufgescheucht, verwundert über seine ungewöhnliche Nächstenliebe. In Northwood hielt er an einer beliebigen Stelle. »Weit genug?« »Vielen Dank«, Vanash stieg aus, »wirklich nett von Ihnen.« »Keine Ursache.« Der Handelsvertreter fuhr weiter, unberaubt und unbelästigt. Vanash sah dem Wagen nach, dann galt sein Interesse Northwood. Northwood war wirklich nichts Bedeutendes. Eine lange Hauptstraße und zwei kurze Nebenstraßen mit Läden. Ein Personenund ein Güterbahnhof. Vier mittelgroße Industriebetriebe. Drei Banken, eine Post, ein Spritzenhaus, ein Rathaus, ein Gerichtsgebäude. Er schätzte die Bevölkerung auf fünftausend Einwohner. Ein Drittel davon arbeitete bestimmt in der Landwirtschaft. Er schlenderte die Hauptstraße hinunter und wurde von den Einheimischen vollkommen ignoriert, obwohl er ihnen fast auf die Füße trat. Dieses Phänomen überraschte ihn kaum. Er hatte das schon so oft auf anderen Welten erlebt, daß ihn diese Erfahrung inzwischen fast langweilte. Nur ein Hund, der ihm über den Weg laufen wollte, besann sich plötzlich anders, kläffte jaulend, kniff den Schwanz ein und rannte davon. Keiner beachtete den Hund, noch Vanash. Die erste Lektion kleinstädtischer Erziehung wurde ihm in einem Geschäft zuteil. Er war neugierig, wie die Kunden hier zu dem kamen, was sie haben wollten, und folgte ein paar Irdischen über die Schwelle. Sie verwendeten ein Tauschmittel, das aus gedrucktem Papier und geprägten Metallstücken bestand. Das bedeutete also, er konnte zeitraubende Umwege und Unbequemlichkeiten einfach 10
dadurch vermeiden, indem er sich in den Besitz einer größeren Menge dieses Tauschmittels setzte. Er begab sich zu einem Supermarkt und gewann dort eine ziemlich genaue Vorstellung von der Höhe des Geldwertes und seiner Kaufkraft. Dann besorgte er sich eine kleine Summe Geld, und zwar klugerweise über einen Mittelsmann. Diese Technik war viel einfacher, als es selbst zu tun und sich der Gefahr, entdeckt zu werden, auszusetzen. Während er unauffällig an der Seite stand, konzentrierte er seine Gedanken auf eine plumpe, mütterliche Person, die offensichtlich ein gewisses Ansehen genoß. Sie reagierte auf seine Gedankenimpulse, indem sie einer Frau neben ihr, die gerade Salatköpfe prüfte, die Geldbörse stahl. Dann schmuggelte sie ihre Beute aus dem Supermarkt, warf sie, ohne sie überhaupt zu betrachten, auf ein unbebautes Grundstück, ging nach Hause, dachte darüber nach, was sie getan hatte, und griff sich entgeistert an den Kopf. Vanash hob die Geldbörse auf und stellte fest, daß sie zweiundvierzig Dollar enthielt. Vanash ging mit der Beute in eine Cafeteria und verschwendete einen Teil davon für eine ausgedehnte Mahlzeit. Auf telepathische Weise hätte er diese Mahlzeit auch umsonst bekommen können; doch mit dieser Methode hätte er nur ungläubige Blicke auf sich gelenkt und unerwünschte Publicity getrieben, die wiederum Inspirationsfunken hätte auslösen können. Seinem Geschmacksempfinden nach war ein Teil der Speisen geradezu ekelerregend, anderes wieder genießbar. Bis er wußte, was und wo er speisen konnte, würde er sich zufriedenstellend ernähren können. Noch nicht zufriedenstellend gelöst war jedoch das Problem der Nachtruhe. Denn er brauchte den Schlaf zur Regeneration genauso wie niedrigere Formen des Lebens und mußte deshalb einen 11
geeigneten Platz dafür finden. Eine Übernachtung in einer Scheune oder auf dem Feld war nicht standesgemäß. Wenn die Sklaven auf Seide schlafen, nimmt der Herr nicht mit Stroh vorlieb. Es dauerte eine Weile, bis er durch eigene Beobachtung und einige Fragen an Passanten — natürlich telepathisch suggerierte Fragen — herausgefunden hatte, daß für diesen Zweck ein Hotel oder eine Pension zur Auswahl standen. Das Hotel schien ihm weniger geeignet. Zu öffentlich — zu sehr seine Tarnung gefährdend. In einem Hotel hatte er wenig Gelegenheit, er selbst zu sein und sich gehenzulassen, was für seine Erholung wichtig war. Aber in einer Pension für Dauergäste war er davor sicher, von Stubenmädchen oder Etagenkellnern mit Hauptschlüsseln überrascht zu werden. Dort konnte er seinen Geist frei schweifen lassen, mußte ihn nicht dauernd strapazieren, durfte schlafen und in Ruhe und Zurückgezogenheit Pläne schmieden. Er fand eine passende Pension ohne große Schwierigkeit. Eine pausbäckige Wirtin mit vier Warzen im Gesicht zeigte ihm seine zukünftige Bleibe, kassierte zwölf Dollar im voraus, weil er kein Gepäck dabeihatte, und fragte nach seinen Personalien. Er stellte sich als William Jones vor, der geschäftlich eine Woche in der Stadt bleiben müsse, und bestand darauf, nicht gestört zu werden. Im Gegenzug pries die Wirtin ihre Herberge als Palast des Friedens für alleinreisende Herren an. Falls es einem der Gäste einfallen sollte, ein Mädchen aufs Zimmer zu nehmen, müsse er sich auf der Stelle woanders umsehen. Er versicherte ihr, er denke nicht im Traum an so etwas — was der Wahrheit entsprach. Denn Intimitäten mit Irdischen waren undenkbar und als Vorstellung ein Alptraum. So zog sich denn die Wirtin befriedigt zurück. Er saß auf dem Bettrand und dachte nach. Auch hier wäre es einfach gewesen, die Wirtin zu bezahlen, ohne ihr in Wirklichkeit 12
einen Cent auszuhändigen. Er hätte ihr diese Überzeugung einsuggerieren können. Aber später hätte sie dann beim Kassensturz festgestellt, daß ihr zwölf Dollar fehlten, und sich wahrscheinlich mächtig aufgeregt. Falls er länger hier wohnte, würde sich dieser Vorgang wiederholen, bis sie schließlich dahinterkam, daß ihre Verluste genau seinem Mietzins entsprachen. Und das wäre selbst für einen Idioten auf die Dauer unerträglich gewesen. Er hätte natürlich auch das Geld für die Miete von einem anderen stehlen können. Diese Taktik hatte ebenfalls ihre Nachteile. Wenn es sich herumsprach, daß ein Dieb in der Stadt sein Unwesen trieb, war er gezwungen, seine imaginäre Identität zu wechseln. Er hatte keine Skrupel, sich ein Opfer als Geldlieferanten zu suchen oder seine Identität zu wechseln, sobald das notwendig wurde. Aber er hatte keine Lust, sich laufend wegen Nichtigkeiten einer Metamorphose zu unterwerfen. Wenn er sich zu sehr von irdischen Bedingungen in seiner Handlungsweise bestimmen ließ, bedeutete das, daß diese Fremdlinge ihm ihren Willen aufzwangen. Sein Ego ließ so etwas nicht zu. Trotzdem mußte er sich einer fundamentalen Prämisse irdischer Verhältnisse stellen und die notwendigen Konsequenzen auf sich nehmen. In dieser Welt brauchte man Geld, wenn man reibungslos vorankommen und ärgerlichen Komplikationen ausweichen wollte. Deshalb stand er vor der Alternative, sich einen ausreichenden Vorrat von echter Valuta zuzulegen oder ständig die Illusion zu erzeugen, er besitze es, ohne es wirklich zu haben. Man brauchte keine überragende Intelligenz dazu, einzusehen, welche Alternative die bequemste war. In anderen Welten waren die Lebensformen so primitiv und geistig träge gewesen, daß er ziemlich rasch einen Überschlag machen konnte, was sie als zukünftige Feinde und schließlich als Sklaven wert sein würden. Hier war die Situation erheblich kompli13
zierter und verlangte eine eingehende und detaillierte Studie. Seiner Schätzung nach würde er hier ziemlich lange bleiben und sich einen Geldvorrat zulegen müssen, der größer war, als der durchschnittliche Bürger hier mit sich in der Tasche herumschleppte. Und wenn dieser Vorrat erschöpft war, mußte er sich Nachschub besorgen. Am folgenden Tag verwendete er eine gewisse Zeit darauf, festzustellen, wo der Geldstrom sich in genügender Quantität staute. Sobald er sich über den Kreislauf des Geldes Klarheit verschafft hatte, studierte er die Quellen noch eingehender. Im Jargon der Unterwelt ausgedrückt — er baldowerte eine Bank aus. Der Mann, der sich durch den Korridor bewegte, wog zweihundertfünfzig Pfund, besaß mehrere Kinne und einen beträchtlichen Vorrat an Speck. Auf den ersten Blick schien er ein Vielfraß zu sein, der mangelhafte geistige Veranlagung physisch kompensierte. Doch der erste Blick täuscht oft. Mindestens ein halbes Dutzend solcher korpulenter Persönlichkeiten waren in früheren Jahren Weltmeister im Ringen gewesen. Edward G. Rider gehörte nicht in diese Kategorie — nicht ganz. Aber wenn er herausgefordert wurde, konnte er doch eine Menge Leute aufs Kreuz legen, ehe sie begriffen hatten, daß sie sich in einen Zweikampf eingelassen hatten. Er blieb vor einer Tür mit Milchglasscheibe stehen, auf der in Großbuchstaben zu lesen war: US SCHATZAMT — ERMITTLUNGEN. Er klopfte mit seinen schusterhammergroßen Knöcheln gegen die Scheibe, trat ein, ohne eine Antwort abgewartet zu haben, und nahm Platz — ebenfalls ohne Aufforderung. Das schmalgesichtige Individuum hinter dem Schreibtisch drückte milden Tadel aus. »Eddie, ich habe eine undurchsichtige Sache für dich.« »Hast du mir schon mal einen einfachen Fall anvertraut? Was ist es diesmal?« Er schneuzte sich. »Geldfälscher?« 14
»Bankraub.« Rider zog die Stirn kraus. »Ich dachte, unser Arbeitsgebiet beschränke sich auf Falschgeld und Devisenvergehen. Seit wann haben wir mit Geld zu tun, das echt ist und gestohlen wird? Das fällt doch in den Aufgabenbereich der Polizei.« »Die Polizei kommt mit dieser Sache nicht mehr weiter.« »Wenn die Bank bei der Regierung rückversichert ist, können sie Bundespolizei anfordern.« »Sie ist nicht bundesrückversichert. Wir haben freiwillig Hilfe angeboten. Du bist derjenige, der freiwillig hilft.« »Warum ich?« Der Schmalgesichtige holte tief Luft und erklärte ohne Pause: »Jemand hat die First Bank of Northwood um 25 000 Dollar erleichtert — und niemand weiß, wie es passiert ist. Captain Harrison von der Polizei in Northwood ist aus dem Häuschen. Seiner Ansicht nach hat jemand endlich erreicht, was niemand zuvor jemals gelungen ist — das perfekte Verbrechen.« »Das sagt jeder, der das Handtuch werfen muß.« Rider schüttelte den Kopf. »Wieso wurden wir in den Fall hineingezogen?« »Captain Harrison stellte bei der Tatortbesichtigung fest, daß die Beute unter anderem aus vierzig neuen Einhundert-Dollar-Scheinen bestand, die durchgehend numeriert waren. Diese Nummern sind bekannt. Die der anderen Geldscheine nicht. Er rief uns an, gab uns die Nummern durch und erwartet jetzt von uns, daß wir Nachforschungen anstellen, sobald einer dieser Scheine im Zahlungsverkehr auftaucht. Embleton nahm das Gespräch entgegen und bekam Interesse an der Theorie von wegen perfektes Verbrechen.« 15
»So?« »Er sprach die Sache mit mir durch. Wir stimmten dahingehend überein, daß ein Verbrecher, der nach Gutdünken Banknoten abzweigen kann, genauso gefährlich für die Allgemeinheit ist wie ein Falschmünzer.« »Ich verstehe«, meinte Rider mit Zweifel in der Stimme. »Dann trug ich die Sache auf höchster Ebene vor. Ballantyne selbst hat entschieden, daß wir berechtigt sind, hier einzugreifen. Es könnte hier eine Entwicklung eingeleitet worden sein, die größere Kreise zieht. Meine Wahl fiel auf dich. Die ganze Abteilung wird ruhiger arbeiten können, wenn du nicht mit deinen Latschen Größe achtundvierzig durch die Gänge trampelst.« Er zog sich ein paar Unterlagen heran und griff nach einem Schreibgerät. »Fahr nach Northwood und hilf Chief Harrison schön bei der Arbeit.« »Jetzt sofort?« »Gründe vorhanden, warum es erst morgen oder nächste Woche sein soll?« »Ich muß heute abend Babysitter spielen.« »Eine unverschämt lahme Ausrede.« »Die Ausrede ist nicht lahm«, erwiderte Rider, »das Baby ist sogar sehr aufgeweckt und munter.« »Pfui — du solltest dich schämen. Schließlich bist du noch nicht lange verheiratet. Zu Hause wartet eine süße und ahnungslose Frau auf dich.« »Die ahnungslose Frau ist ja das Baby«, meinte Rider. »Ich habe ihr ahnungslos und feierlich versprochen, daß ich mich nicht von ihrem Bett ent —« »... und ich habe Harrison und Ballantyne versprochen, daß du 16
diesen Fall mit deiner üblichen elefantenartigen Tüchtigkeit lösen wirst! Möchtest du nun deinen Posten behalten oder in Zukunft mit Babysitting dein Geld verdienen? Ruf deine Frau an und erkläre ihr, daß die Pflicht zuerst kommt.« »Wenn es sein muß«, Rider stiefelte zur Tür und warf sie hinter sich zu. Dann trabte er mürrisch den Korridor hinunter, betrat die nächste Telefonzelle, steckte Münzen in den Schlitz und brauchte zweiundzwanzig Minuten, um seiner Frau zu erklären, daß die Pflicht Vorrang hat. Chief Harrison war groß, hager und mürrisch. Er sagte: »Warum soll ich mir überhaupt die Mühe geben, Ihnen den Hergang genau zu erklären? Beweise aus erster Hand sind besser als aus zweiter. Wir haben den Tatzeugen hier. Ich ließ ihn extra kommen, als ich hörte, Sie kämen nach Northwood.« Er drückte einen Knopf auf der Rufanlage. »Schicken Sie Ashcroft zu mir!« »Was ist er von Beruf?« »Chefkassier bei der Bank, und ein verstörter Mensch.« Er wartete, bis der Zeuge ins Zimmer trat, und stellte die beiden Männer einander vor. »Dieser Herr ist ein Mitarbeiter des Bundesschatzamtes und heißt Rider. Er möchte Ihre Aussage selbst hören.« Ashcroft setzte sich und rieb sich müde die Schläfen. Er war in den Sechzigern, weißhaarig und dezent-elegant gekleidet. Rider klassifizierte ihn als genau, manchmal pingelig, aber solide. Der Typ, der oft als Stütze des Gemeinwohls gepriesen wird. »Das ist jetzt das einundzwanzigste Mal, daß ich die Geschichte wiederhole«, klagte Ashcroft, »und jedesmal kommt mir die Wiederholung verrückter vor. Mein Kopf drehte sich wie ein Spinnrad. Ich kann einfach keine plausible Erklärung...« »Machen Sie sich deshalb keine Gedanken«, beruhigte Rider ihn. 17
»Sie berichten mir nur die Fakten — die Gedanken machen wir uns dann schon.« »Also — jede Woche stellen wir die Lohngelder für die DakinGlasfabrik zusammen. Die Summe schwankt zwischen zwanzig- und fünfundzwanzigtausend Dollar. Am Tage vorher schickt uns die Fabrik einen Boten mit einer Aufstellung, auf der die verlangte Summe mengenmäßig nach Noten verschiedenen Wertes aufgeschlüsselt ist. Wir stellen dann die Gelder in der gewünschten Sortierung bereit.« »Und dann?« »Dann läßt die Fabrik das Bargeld abholen. Sie schickt einen Kassenboten zu uns in die Bank, der von zwei bewaffneten Werkspolizisten begleitet wird. Punkt elf betritt er unsere Schalterhalle. Bisher ist er noch nie früher als zehn vor elf oder später als zehn nach elf bei uns eingetroffen.« »Sie kennen den Kassenboten persönlich?« »Die Fabrik beschäftigt dafür zwei Männer, Mr. Swain und Mr. Letheren. Beide sind ermächtigt, das Geld abzuholen. Sie lösen sich von Zeit zu Zeit ab. Oder der eine springt ein, wenn der andere auf Urlaub, krank oder zu sehr beschäftigt ist. Beide sind mir seit Jahren gut bekannt.« »Schön — fahren Sie mit der Schilderung des Hergangs fort.« »Wenn der Kassenbote bei mir am Schalter eintrifft, hat er einen Lederkoffer bei sich. Den Schlüssel zum Schloß dieses Koffers trägt er in der Tasche. Er sperrt das Schloß des Koffers auf und reicht ihn mir über den Schalter. Ich sortiere die Geldbündel ein, und zwar so, daß er die Mengen nachprüfen kann. Dann reiche ich ihm den gefüllten Koffer wieder über den Schalter und lege ihm eine Empfangsbestätigung vor. Er schließt den Koffer, versperrt das 18
Schloß, steckt den Schlüssel in die Tasche, unterschreibt die Quittung und verläßt die Bank. So war es immer, und so sollte es sich auch weiterhin abspielen.« »Scheint mir ein bißchen fahrlässig, wenn der gleiche Mann den Geldkoffer und den Schlüssel bei sich trägt.« Chief Harrison mischte sich ein: »Wir haben diesen Punkt zufriedenstellend geklärt. Einer der Wächter hat den Schlüssel. Er übergibt ihn dem Boten, sobald sie sich in der Bank befinden. Wenn er sie verläßt, nimmt der Wächter den Schlüssel wieder an sich.« Ashcroft wischte sich nervös über den Mund und fuhr fort: »Am vergangenen Freitag hatten wir fünfundzwanzigtausendeinhundertzweiundachtzig Dollar für die Firma Dakin bereitgelegt. Mr. Letheren kam mit seinem Koffer in die Bank. Das war genau um zehn Uhr dreißig.« »Woher wissen Sie das so genau?« fragte Rider scharf. »Blickten Sie auf Ihre Uhr? Was veranlaßte Sie dazu?« »Ich blickte auf die Uhr, weil ich mich wunderte — Mr. Letheren kam ja fast eine halbe Stunde früher als sonst.« »Und es war genau zehn Uhr dreißig? Sie sind sich da absolut sicher?« »Ich bin mir absolut sicher«, erwiderte Ashcroft, als sei die Uhrzeit das einzige Normale bei der ganzen Affäre. »Mr. Letheren kam zu meinem Schalter und reichte mir den Koffer. Ich begrüßte ihn und machte eine belanglose Bemerkung, weil er diesmal so früh kam.« »Und seine Antwort?« »Ich kann mich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern. Ich hatte keine Ursache, mir seine Antwort einzuprägen. Außerdem war ich mit dem Einfüllen der Banknoten beschäftigt.« Er dachte 19
angestrengt nach. »Ach ja — er machte eine Anspielung auf ein Sprichwort. Besser zu früh als zu spät.« »Was geschah dann?« »Ich reichte ihm den Koffer zurück und schob die Empfangsbestätigung über den Schalter. Er verschloß den Koffer, unterschrieb die Quittung und ging.« »Das war alles?« »Das dicke Ende kommt noch«, mischte sich Chief Harrison ein. Er nickte Ashcroft aufmunternd zu: »Schildern Sie ihm den zweiten Akt!« »Um fünf Minuten vor elf«, fuhr der Zeuge fort und schüttelte dabei leicht den Kopf, als könne er seine eigene Geschichte nicht glauben, »kam Mr. Letheren in die Bank zurück, stellte den Koffer auf meinen Schalter und sah mich erwartungsvoll an. Deshalb fragte ich ihn: >Ist etwas nicht in Ordnung, Mr. Letheren?< Er antwortete: >Was soll denn nicht in Ordnung sein?<« Ashcroft fuhr sich nervös an den Hals. Rider beruhigte ihn: »Lassen Sie sich ruhig Zeit. Ich möchte Ihre Unterhaltung mit dem Kassenboten so genau wie möglich wiedergegeben haben.« Ashcroft riß sich zusammen. »Ich versicherte ihm, es könne bestimmt kein Fehler unterlaufen sein, weil wir das Geld dreimal nachgezählt hätten. Er zeigte sodann etwas Ungeduld und meinte, es sei ihm egal, ob das Geld fünfmal oder fünfzigmal nachgezählt worden sei; wenn ich es ihm nur übergäbe, damit er so rasch wie möglich wieder zurück in die Fabrik fahren könne.« »Das warf Sie von den Socken, wie?« meinte Rider mit einem grimmigen Lächeln. »Ich war wie vom Donner gerührt. Zuerst glaubte ich, es sollte ein Witz sein. Aber Letheren ist eigentlich gar nicht der Typ für so 20
etwas. Ich erklärte, ich hätte ihm das Geld doch schon vor einer halben Stunde übergeben. Er erwiderte, ob ich heute morgen nicht ganz bei Trost sei. Also rief ich Jackson zum Schalter, einen meiner Stellvertreter. Er bestätigte meine Angaben. Er hatte selbst gesehen, wie ich den Koffer mit dem Geld füllte.« »Hat er auch beobachtet, wie Letheren mit dem Geldkoffer aus der Bank ging?« »Jawohl, Sir. Das hat er ebenfalls bestätigt.« »Was hat Mr. Letheren darauf geantwortet?« »Er verlangte sofort den Direktor zu sprechen. Ich führte ihn in Mr. Olsens Büro. Eine Minute später wollte Mr. Olsen die Quittung sehen. Ich holte sie aus der Ablage und mußte feststellen, daß die Unterschrift fehlte.« »Keine Unterschrift?« »Ja — ich kann das einfach nicht begreifen. Ich sah ja selbst, wie er die Quittung unterschrieb. Trotzdem war nicht die Andeutung eines Schriftzuges zu erkennen — nichts!« Er erschauerte, fuhr dann fort: »Mr. Letheren bestand darauf, daß Mr. Olsen mich nicht länger ausfragen solle. Die Polizei solle mich verhören. Man verständigte sie. Ich wurde solange in Mr. Olsens Büro festgehalten.« Rider dachte über die letzten Angaben nach. »Hm — haben die gleichen Wächter Letheren begleitet, als er zum zweitenmal in die Bank kam?« »Ich habe keine Ahnung. Ich habe sie bei beiden Gelegenheiten nicht gesehen.« »Wollen Sie damit sagen, daß er allein kam?« »Für die Bankangestellten sind die Wächter nicht immer zu erkennen«, mischte sich Chief Harrison ein. »Das geschieht aus 21
Sicherheitsgründen. Sie werden das verstehen. Ich habe die Begleitpersonen bereits vernommen.« »Und?« »Die Wächter halten sich absichtlich an keinen festen Plan, um einen möglichen Raubüberfall von vornherein zu erschweren. Manchmal begleiten sie den Kassenboten bis zum Schalter. Manchmal warten beide vor dem Eingang der Bank auf ihren Schützling und beobachten inzwischen die Straße. Manchmal bleibt einer von ihnen im Wagen, während der andere in der Vorhalle auf und ab geht.« »Die beiden sind natürlich bewaffnet.« »Selbstverständlich.« Harrison warf Rider einen vielsagenden Blick zu. »Beide Wächter schwören, daß sie am vergangenen Freitag Letheren nur ein einziges Mal zur Bank begleitet hätten — und zwar um fünf Minuten vor elf.« »Aber er war bereits um zehn Uhr dreißig zum erstenmal bei mir am Schalter!« protestierte Ashcroft. »Letheren bestreitet das«, murmelte Harrison. »Auch die Wächter streiten das ab.« »Haben die Wächter ausgesagt, daß sie tatsächlich das Gebäude der Bank betreten haben?« fragte Rider, um noch mehr Widersprüche in den Aussagen zu finden. »Sie betraten die Bank nicht sofort. Sie blieben vor dem Haupteingang stehen, bis das ungewöhnlich lange Ausbleiben von Mr. Letheren sie stutzig machte. Deshalb gingen sie dann doch in das Gebäude, die Waffen entsichert und schußbereit. Ashcroft konnte die beiden Wächter tatsächlich nicht gesehen haben, weil er zu dieser Zeit bereits in Olsens Büro Rede und Antwort stehen mußte.« 22
»Nun — Sie hören ja, wie die Angaben sich widersprechen«, bemerkte Rider und sah den unglücklichen Ashcroft mit einem durchbohrenden Blick an. »Sie behaupten, Letheren habe das Geld um zehn Uhr dreißig in Empfang genommen. Er streitet das ab. Somit steht Aussage gegen Aussage. Wie erklären Sie sich das?« »Sie glauben mir also nicht — wie?« erwiderte Ashcroft niedergeschlagen. »Ich behaupte nicht, daß ich Ihnen nicht glaube. Ich behalte mir mein Urteil vor. Wir müssen uns lediglich mit zwei widersprüchlichen Aussagen befassen. Daraus folgert noch lange nicht, daß einer der beiden Zeugen ein Lügner und deshalb tatverdächtig ist. Einer von Ihnen kann ja im guten Glauben Dinge behaupten, die objektiv falsch sind.« »Meinen Sie mich damit?« »Könnte sein. Sie sind nicht unfehlbar. Keiner von uns ist unfehlbar.« Rider beugte sich vor und betonte jedes Wort: »Nehmen wir einmal an, Ihre Aussage ist im wesentlichen richtig. Wenn Sie also die Wahrheit gesagt haben, wurden die bereitliegenden Banknoten um zehn Uhr dreißig abgeholt. Wenn Letheren die Wahrheit sagt, hat nicht er, sondern jemand anders das Geld kassiert. Was folgert daraus? Was ich eben sagte: jemand anders hat das Geld abgeholt. Wenn diese Folgerung stimmt, haben Sie sich also geirrt.« »Ich habe mich bestimmt nicht geirrt«, protestierte Ashcroft. »Ich weiß doch, was ich gesehen habe. Ich sah Letheren und niemand anders. Wenn man meine Angabe bestreitet, unterstellt man mir, daß ich meinen eigenen Augen nicht mehr trauen kann.« »Das haben Sie uns bereits eingestanden«, meinte Rider. »Ich? Wieso?« »Sie sagten aus, Sie hätten Letheren dabei zugesehen, wie er die 23
Quittung für das Geld unterschrieb. Mit Ihren eigenen Augen haben Sie verfolgt, wie er seinen Namenszug schrieb.« Er wartete auf einen Kommentar. Er blieb aus. Deshalb ließ Rider die einzige logische Erklärung folgen: »Da die Quittung nicht unterschrieben war, können Sie also nur einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen sein, nicht wahr?« Ashcroft brütete vor sich hin. »Ich leide nicht an Sinnestäuschungen«, widersprach er bockig. »Also nicht«, konterte Rider trocken. »Wie erklären Sie sich dann die fehlende Unterschrift auf dem Kassenbeleg?« »Ich brauche das nicht zu erklären«, sagte Ashcroft mit neu erwachender Angriffslust. »Ich habe Ihnen die Tatsachen geschildert. Es ist Ihre Aufgabe, die Erklärungen dazu zu finden.« »Da haben Sie allerdings auch wieder recht«, meinte Rider. »Wir lassen uns gern belehren. Ich hoffe, Sie vermerken das nicht übel, wenn Sie immer wieder verhört werden. Und vielen Dank für Ihr persönliches Erscheinen.« »Keine Ursache — ich helfe Ihnen gern.« Er verließ das Zimmer, offensichtlich erleichtert, daß das Verhör so höflich abgelaufen war. Harrison kramte einen Zahnstocher aus seiner Brusttasche und kaute darauf herum. »Wirklich eine verzwickte Angelegenheit. Wenn das so weitergeht, werden Sie noch bereuen, daß Sie sich freiwillig bereitgefunden haben, mich zu unterstützen.« Rider blickte den Polizeichef mit halbgeschlossenen Augen an. »Ich kam gar nicht so freiwillig, wie Sie annehmen. Außerdem haben Sie ja um Unterstützung gebeten. Zwei Köpfe sind besser als einer. Hundert Köpfe können mehr Denkarbeit leisten als zehn Köpfe. Aber wenn Ihnen mein Kopf schon zuviel ist, kann ich ja wieder abreisen...« 24
»Quatsch«, widersprach Harrison. »In Krisenzeiten rutscht mir oft ein kritisches Wort heraus. Meine Lage ist schließlich viel prekärer als Ihre. Wenn jemand eine Bank ausraubt — direkt vor meiner Nase — bin ich der Dumme. Ich stehe wie ein Idiot da. Was halten Sie davon — ein Idiot als Polizeichef?« »Ich würde mich erst als Idioten bezeichnen, wenn ich meine Niederlage eingestehen müßte. Sind Sie dazu bereit?« »Um Himmels willen, nein!« »Dann bemitleiden Sie sich doch nicht selbst. Wir wollen uns auf unsere Aufgabe konzentrieren. Die Geschichte mit der Quittung ist verdammt faul — finden Sie nicht auch?« »Für mich liegt die Sache klar auf der Hand«, meinte Harrison. »Ashcroft wurde getäuscht oder mit einem Trick betrogen.« »Da liegt der Hase nicht im Pfeffer«, meinte Rider. »Nicht wie, sondern warum Ashcroft getäuscht wurde, das ist das Problem. Nehmen wir einmal an, daß beide unschuldig sind — Ashcroft wie Letheren. Dann wurde das Geld von einem Dritten erbeutet, einem Unbekannten. Ich sehe wirklich keinen plausiblen Grund dafür, warum der Schuldige seinen ganzen Plan damit verderben sollte, daß er einen leeren Kassenbeleg zurückgibt. Ein ungültiger Kassenzettel erregt doch sofort Verdacht! Um diesen Verdacht zu vermeiden, brauchte er nur Letherens Namen auf die Quittung zu schreiben. Warum hat der Täter das nicht getan?« Harrison dachte über Riders Folgerungen nach. »Vielleicht fürchtete der Täter, Ashcroft würde die Unterschrift sofort als Fälschung erkennen, ihn näher betrachten und dann Zeter und Mordio schreien.« »Wenn der Täter Letherens Aussehen täuschend nachbilden konnte, wäre er bestimmt in der Lage gewesen, auch dessen 25
Unterschrift so gut zu fälschen, daß Ashcroft sie nicht im ersten Augenblick als falsch entlarvte.« »Vielleicht hat er die Quittung nicht unterschrieben, weil er Analphabet war«, murmelte Harrison. »Ich kenne ein paar schwere Jungs, die das Lesen und Schreiben erst im Knast gelernt haben.« »Hm — das wäre auch eine Erklärung«, gestand Rider seinem Kollegen zu. »Doch vorläufig können wir nur von der Voraussetzung ausgehen, daß Ashcroft und Letheren der Tat dringend verdächtig sind. Wir müssen erst Entlastungsbeweise beibringen, ehe wir uns nach einem anderen Täter umschauen können. Ich nehme an, Sie haben bereits Material über die beiden gesammelt, nicht wahr?« »Mehr als genug!« murmelte Harrison und beugte sich über die Sprechanlage: »Schicken Sie mir die Akte herüber, die wir für den Bankraub angelegt haben!« sagte er ins Mikrofon. Fünf Minuten später raschelte er in den Papieren eines Aktenordners. »Behandeln wir Ashcroft zuerst. Wohlhabend, keine Vorstrafen, hervorragender Leumund. Kein Motiv, um plötzlich seine eigene Bank zu berauben. Jackson, der jüngere Kollege von Ashcroft, bestätigt Ashcrofts Aussage in wesentlichen Punkten. Ashcroft kann die Beute auch nirgends versteckt haben. Wir haben die Bank vom Keller bis zum Dach genau durchsucht. In dieser Zeit hat Ashcroft auch nicht einen Augenblick seinen Platz hinter dem Schalter verlassen. Wir haben nichts gefunden. Weitere Ermittlungen bestätigten nur den positiven Eindruck, den wir von Ashcroft gewonnen haben ... Ich werde Ihnen die Einzelheiten später noch zu Ihrer Information nachreichen.« »Sie sind also von Ashcrofts Unschuld überzeugt?« »Fast, aber nicht ganz«, erwiderte Harrison. »Er kann das Geld ja einem Komplicen übergeben haben, der Letheren ähnlich sah. Auf diese Weise konnte er das Geld natürlich ohne viel Aufsehen aus der Bank schmuggeln. Ich wünschte, ich könnte eine Hausdurchsuchung 26
bei ihm vornehmen lassen. Eine Banknote mit der uns bekannten Seriennummer würde seine Schuld sofort beweisen.« Harrison verzog das Gesicht. »Richter Maxon weigerte sich, den Hausdurchsuchungsbefehl zu unterschreiben. Meinte, die Gründe seien nicht ausreichend. Ich muß leider zugeben, daß Richter Maxon durchaus im Recht ist.« »Wie steht es mit dem Kassenboten der Firma Dakin?« »Letheren ist eingefleischter Junggeselle. Schon Mitte fünfzig. Möchte Ihnen nicht seinen ganzen Lebenslauf vorlesen, Rider. Ich kann Ihnen aber versichern, daß wir ihm nichts ans Zeug flicken können.« »Sind Sie sich Ihrer Sache ganz sicher?« »Gut — urteilen Sie selbst: Der Firmenwagen, den Letheren benützte, war vor seinem Büro von acht Uhr morgens bis zehn Uhr fünfunddreißig geparkt. Um diese Zeit setzte der Fahrer den Motor in Gang, um Letheren und die Wächter hinunter in die Stadt zur Bank zu fahren. Sie konnten diesen Weg unmöglich rascher als in zwanzig Minuten zurücklegen. Die Zeit reichte einfach nicht aus, um Letheren Gelegenheit zu geben, mit einem anderen Wagen zur Bank zu fahren, das Geld zu kassieren, zurück zu seiner Firma zu fahren, in den Firmenwagen umzusteigen und mit seinen Wächtern die Bank ein zweitesmal zu besuchen.« »Und die Beute hätte er inzwischen auch noch verstecken müssen.« »Richtig. — Nein, es war ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem arbeiten vierzig Büroangestellte in der Firma Dakin. Jeder von ihnen hatte im Laufe des Vormittags mit Letheren gesprochen oder mit ihm zusammengearbeitet. Daraus ergab sich ein lückenloses Alibi für Letheren von acht Uhr morgens, als er sich zur Arbeit meldete, bis um zehn Uhr fünfunddreißig — seiner Abfahrt zur Bank. Kein Staatsanwalt kann dieses Alibi erschüttern.« 27
»Damit scheidet er also als Verdächtiger aus.« Harrison kniff die Augen zusammen und nickte: »Richtig — aber inzwischen haben wir auch fünf Zeugen aufgetrieben, die schwören, ihn um zehn Uhr dreißig in der Nähe der Bank gesehen zu haben.« »Zeugen also, die wiederum die Aussagen von Ashcroft und Jackson bestätigen!« »Jawohl. Sofort nach der Meldung, die Bank sei um 25 000 Dollar erleichtert worden, ließ ich meine Leute vor dem Bankgebäude ausschwärmen. Sie wissen ja — die übliche Rumfragerei. Wir fragten jeden Passanten und jeden Anwohner der Hauptstraße und der angrenzenden Nebenstraßen. Wir fanden drei Leute, die bereit waren, vor Gericht zu schwören, sie hätten Letheren Punkt zehn Uhr dreißig die Bank betreten sehen. Sie kannten ihn nicht persönlich. Sie identifizierten Letheren nach einer Fotografie, die wir ihnen zeigten.« »Haben diese Leute auch seinen Wagen erkannt und beschrieben?« »Sie haben nicht gesehen, daß Letheren mit einem Wagen gekommen ist. Er war zu Fuß und trug den Koffer unter dem Arm. Sie wurden nur auf ihn aufmerksam, weil ein Hund zu heulen anfing und wie vom Teufel gehetzt die Straße hinunterrannte. Sie fragten sich, warum er den Hund getreten hatte.« »Sahen die Zeugen, daß er den Hund tatsächlich mit dem Fuß getreten hat?« »Nein.« Rider rieb sich nachdenklich das Doppelkinn. »Das wundert mich allerdings auch. Hunde heulen nicht ohne Grund. Sie laufen auch nicht gleich davon. Irgend etwas muß ihn getroffen oder erschreckt haben.« »Wen interessiert das jetzt!« murmelte Harrison, der schon genug 28
andere Sorgen hatte. »Meine Leute stießen auch auf einen Zeugen, der Letheren ein paar Minuten später wieder aus der Bank herauskommen sah. Wächter, die ihn begleiteten, hat er nicht bemerkt. Letheren soll dann die Straße hinuntergegangen sein, als wäre die Welt vollkommen in Ordnung. Nach fünfzig Metern nahm er ein Taxi und fuhr mit ihm davon.« »Den Fahrer des Taxis?« »Haben wir auch vernommen. Erkannte das Foto sofort. Behauptete, er habe Letheren zum Cameo Lichtspieltheater gebracht. Doch ob er in das Kino hineingegangen sei, wußte er nicht anzugeben. Ließ ihn dort aussteigen, kassierte und fuhr weiter. Wir durchsuchten das Kino, fragten das Personal — ohne Ergebnis. In der Nähe des Gebäudes befindet sich eine Bushaltestelle. Wir haben auch dort jeden Passanten und Anwohner gefragt — nichts. Ende der Spur.« »Damit waren Sie am Ende Ihres Lateins?« fragte Rider. »Nicht ganz. Ich telefonierte mit dem Schatzamt und gab die Seriennummern der Scheine durch, die uns bekannt sind. Außerdem habe ich die Fahndung in acht Bundesstaaten ausgelöst und die Beschreibung von Letheren durchgegeben. Die Jungs klappern gerade mit seinem Konterfei alle Hotels und Pensionen ab. Irgendwo muß sich der Täter ja versteckt haben, und das kann durchaus in unserer Stadt gewesen sein. Doch im Augenblick weiß ich wirklich nicht, wo ich weitersuchen soll.« Rider lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er döste eine Weile vor sich hin, während Harrison seinen Zahnstocher in einen Faserbrei verwandelte. Rider döste natürlich nicht, sondern kombinierte: »Hervorragender Leumund, Wohlstand und fehlendes Motiv sind nicht so überzeugend wie andere Zeugen, die die Aussage eines Verdächtigen 29
bestätigen. Ein Mann kann Motive haben, die uns verborgen bleiben. Er kann in eine Lage geraten, die ihn zwingt, sofort 25 000 Dollar auf den Tisch zu legen — rascher, als man auf dem üblichen Weg auftreiben kann. Vielleicht reicht die Zeit nicht aus, um Aktien, Wertpapiere und Grundbesitz in Bargeld zu verwandeln — man muß zu anderen Mitteln greifen. Nehmen wir einmal an, Ashcroft mußte binnen vierundzwanzig Stunden 25 000 Dollar Lösegeld auftreiben. Was sagen Sie dazu?« Harrison starrte Rider mit offenem Mund an. »Sie meinen, wir sollten nachprüfen, ob jemand aus der Verwandtschaft von Letheren oder Ashcroft vermißt wird?« »Entschuldigen Sie — das war nur ein Vorschlag. Ich persönlich erwarte mir nicht viel davon. Auf Entführung steht die Todesstrafe. Warum soll der Täter sein Leben für lausige 25 000 Dollar riskieren, wenn ihm die Kinder reicherer Eltern scharenweise über den Weg laufen? Er riskiert doch die gleiche Strafe für die zehnfache Summe. Auch gewinnen wir nichts dabei, wenn wir das Motiv der Tat kennen. Wir können mit dem Motiv der Tat nicht erklären, wie die Bank beraubt wurde. Und ich bezweifle, daß die Geschworenen den Täter verurteilen, wenn wir ihm zwar ein Motiv nachweisen, aber den Hergang der Tat nicht lückenlos erklären können.« »Sie haben recht«, stimmte Harrison zu, »was mich nicht daran hindern soll, Ihren Vorschlag aufzugreifen. Das kostet uns nichts. Die Verwandten beider Männer leben außerhalb dieser Stadt. Ein paar Telefonanrufe genügen, um die Kollegen um Mitarbeit zu bitten.« »Schön«, meinte Rider, »und da diese Ermittlungen nicht das Budget belasten, können Sie gleich noch klären, ob Letheren vielleicht einen Bruder hat, ein schwarzes Schaf, der seine verblüffende Ähnlichkeit mit Letheren dazu ausnützt, um seine Schulden zu bezahlen. Kann ja sein, daß Letheren das unglückliche 30
Opfer eines eineiigen Zwillingsbruders ist, der auf schiefer Bahn wandelt.« »Falls Ihre Theorie richtig sein sollte«, sagte Harrison, »ist das unschuldige Opfer selbst auf der schiefen Bahn. Er wird zum Komplicen, weil er genau wußte, wer und wie. Er macht sich schuldig, wenn er uns das verschweigt.« »Das ist eine legalistische Betrachtungsweise, Harrison. Vergessen Sie nicht das menschliche Problem. Einen Verbrecher in der Familie zu haben, ist Schande genug. Man braucht das nicht überall herumzuerzählen. Oder würden Sie sich freiwillig Ihr Nest bekleckern, wenn Sie einen Bruder hätten, dessen Vorstrafenregister länger ist als Ihr Arm? Würden Sie das jedem auf die Nase binden?« »Bestimmt nicht aus Vergnügen. Aber ich würde es tun, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.« »Die Menschen sind nicht alle so strenggläubige Puritaner, Harrison. Ich bin froh, daß nicht alle gleich denken.« Mr. Rider machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wir haben die Möglichkeiten unserer beiden Hauptverdächtigen ausgeschöpft, glaube ich. Überlegen wir uns mal, was wir tun können, wenn ein Dritter als Täter in Frage käme.« Harrison räusperte sich: »Ich habe Ihnen ja schon einige Maßnahmen aufgezählt. Die Fahndung ist ausgelöst. Gesucht wird ein Mann, dessen Äußeres sich mit Letherens Personenbeschreibung deckt.« »Ich weiß. Glauben Sie, die Fahndung wird uns weiterbringen?« »Schwer zu sagen. Der Unbekannte ist vielleicht ein Verwandlungskünstler. Falls das stimmt, sieht er jetzt vielleicht wieder ganz anders aus als in der Bank zur Tatzeit. Ist jedoch die Ähnlichkeit der beiden wirklich verblüffend groß und naturbedingt, kann die Fahndung uns weiterbringen.« 31
»Richtig. Doch wenn keine Blutsverwandtschaft der beiden vorliegt — und dieser Spur gehen Sie ja ebenfalls nach —, kann die Ähnlichkeit der beiden auch nicht natürlich sein. Das wäre mehr als ein Zufall. Einigen wir uns also auf künstliche Ähnlichkeit mittels Maske und Schminke. Was folgert daraus?« »Die Maske war hervorragend«, erwiderte Harrison. »So hervorragend, daß mehrere Zeugen dadurch getäuscht wurden. Viel zu meisterhaft, als uns lieb sein kann.« »Sie sagen es«, murmelte Rider. »Eine sehr unangenehme Meisterschaft. Ein Künstler mit dieser Fertigkeit kann sich immer wieder beliebig in Personen verwandeln, die ungefähr seine Körpergröße haben. Das bedeutet, er sieht in Wirklichkeit Letheren so unähnlich wie ich einem See-Elefanten. Wir besitzen keine natürliche Personenbeschreibung des Verwandlungskünstlers, und das ist ein schweres Handikap. Ehrlich gestanden, weiß ich im Augenblick kein Mittel, sein wahres Aussehen feststellen zu lassen.« »Ich auch nicht«, erwiderte Harrison düster. »Trotzdem bleibt uns auch hier eine Chance. Ich wette zehn zu eins, er läuft jetzt in der gleichen Gestalt herum, in der er sich vor der Tat den Leuten gezeigt hat. Er hatte ja keinen Grund dazu, sich zu verkleiden, als er die Bank ausspionierte und den Raub plante. Der Raub ging so glatt und leicht über die Bühne, daß er sorgfältig vorbereitet worden sein mußte. Dazu braucht man nicht nur Kopfarbeit, sondern auch Beinarbeit. Er muß die Bank tagelang beobachtet haben. Sonst hätte er nicht herausfinden können, wie Letheren die Lohngelder transportierte, wann er sich in der Bank einfand, wie er das Geld in Empfang nahm. Wenn der Täter nicht Gedanken lesen konnte, mußte er Letheren mehrmals beobachtet haben.« »Ich glaube nicht an Gedankenleser, Astrologen und solchen Quatsch«, sagte Harrison verbittert. 32
Rider ignorierte Harrisons Zwischenbemerkung und fuhr fort: »Daraus folgt also, daß der Täter sich schon vor dem Bankraub in der Stadt oder in der unmittelbaren Umgebung aufgehalten haben muß. Mindestens fünfzig Personen müssen ihn in dieser Zeit gesehen haben und in der Lage sein, uns eine Beschreibung von ihm zu liefern. Ihre Leute werden ihn bestimmt nicht dadurch entlarven, daß sie mit einem Foto alle Spelunken abklappern — weil der Täter gar nicht so aussieht wie auf dem Foto. Wir müssen deshalb zuerst seine Bleibe oder seinen Schlupfwinkel in der Stadt aufspüren, ehe wir wissen, wie er tatsächlich aussieht. Verstehen Sie?« »Ja — aber das ist leichter gesagt als getan«, seufzte Harrison. »Wir müssen uns eben abstrampeln, Chef, sonst kommen wir nicht weiter. Und wenn wir am Ende auch nicht weitergekommen sind als in eine Gummizelle...« Sie schwiegen beide. Harrison richtete seinen gedankenverlorenen Blick an die Decke. Rider öffnete ein paarmal den Mund, um ihn dann wieder zu schließen, weil seine Gedanken noch nicht spruchreif waren. Sie wußten beide nicht, daß sie die irdische Ersatzmethode an die Stelle der so seltenen genialen Inspiration setzten. Wenn der Blitz nicht einschlägt, muß man eben so lange Funken aus Steinen schlagen, bis das Feuerchen brennt. Schließlich entschloß sich Rider doch, laut zu denken: »Wenn der Unbekannte so überzeugend Letherens Rolle spielen konnte, muß er nicht nur wie Letheren ausgesehen haben. Er mußte gesprochen haben wie Letheren, den gleichen Gang gehabt haben, die gleiche Kleidung, die gleichen Bewegungen — ja, den gleichen Geruch!« »Er war das vollkommene Ebenbild von Letheren«, bestätigte Harrison. »Ich habe Ashcroft in dieser Hinsicht wie eine Zitrone ausgequetscht. Vom Scheitel bis zum Leberfleck war der Bursche ein hundertprozentiger Letheren.« 33
»Und wie steht es mit dem Geldkoffer?« fragte Rider. »Der Geldkoffer?« Harrisons Gesicht wurde lang und länger. »Verdammt — da haben wir es. Das habe ich glatt übersehen!« »Vielleicht haben Sie nichts übersehen, weil es nichts zu sehen gab. Aber trotzdem müssen wir diesen Punkt klären.« »Sofort«, murmelte Harrison, nahm den Hörer ab und wählte. »Mr. Ashcroft«, sprach er dann in die Muschel, »wir haben noch eine Frage an Sie. Es handelt sich um den Geldkoffer — war es der gleiche Koffer, der von den Angestellten der Dakin-Fabrik sonst immer verwendet wurde?« Rider konnte die Antwort klar und deutlich verstehen: »Nein, Mr. Harrison, es handelte sich um einen anderen Koffer. Der Koffer war ganz neu.« »Wie bitte?« Harrisons Gesicht lief purpurrot an. »Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?« »Sie haben mich nicht danach gefragt — deswegen. Ich habe auch nicht daran gedacht. Ich hatte keine Ahnung, daß dieser Umstand wichtig sei.« »Was wichtig ist oder unwichtig, müssen Sie schon mir überlassen!« wetterte Harrison und warf Rider einen Märtyrerblick zu. »Nun, bleiben wir mal bei diesem Koffer. Ich muß genau wissen, ob der Koffer das Fabrikat-Modell war, das Dakin verwendet, oder sich in Einzelheiten von Dakins Koffer unterschied!« »Nein, Sir, es gab Unterschiede. Der Koffer sah dem Koffer der Fabrik zwar sehr ähnlich — hatte das gleiche Schloß, die gleiche Farbe, die gleiche Form. Aber er war größer, Sir — etwas länger und etwa drei Zentimeter tiefer. Ich wunderte mich, warum die Firma einen neuen Koffer gekauft hatte, als ich das Geld einsortierte. Ich dachte mir, wahrscheinlich sollten jetzt Mr. Letheren und Mr. Swain jeder einen eigenen Koffer haben. Und deshalb ...« 34
»... haben Sie noch andere Dinge an dem Koffer bemerkt, die zu seiner Identifizierung dienen könnten? Fabrikmarke? Monogramm?« »Nein. Ich habe den Koffer nicht so genau betrachtet. Ich ahnte ja nicht, was...« Die Stimme wurde mitten im Satz unterbrochen, als Harrison wütend den Hörer auf die Gabel knallte. Dann funkelte er Rider an: »Manchmal beneide ich eine Abortfrau um ihren Posten. Sie prägt sich wenigstens genau die Leute ein, die das Zahlen oder ihre gute Kinderstube vergessen.« Er blickte zur Tür. »Wer drückt sich denn jetzt schon wieder vor meiner Tür herum?« Eine Stimme rief draußen: »Kastner, Sir!« »Herein mit Ihnen!« Detektiv Kastner gehorchte. Der Mann war adrett gekleidet und machte den Eindruck eines ausgekochten Ermittlers, der wußte, wie man aus einem Sumpf voller Verleumdungen brauchbare Indizien fischt. »Jim«, gab Harrison seine Anweisungen, »fahren Sie sofort in die Dakin-Fabrik und leihen Sie sich den Geldkoffer der Firma aus, mit dem die wöchentlichen Lohngelder geholt werden. Damit klappern Sie sämtliche Lederwarenhandlungen ab und fragen, ob ein ähnliches Modell innerhalb der letzten vier Wochen verkauft wurde. Dann gehen Sie zu den in Frage kommenden Käufern, lassen sich den gekauften Koffer zeigen und erkundigen sich, wo sein Besitzer am vergangenen Freitag um zehn Uhr dreißig vormittags gewesen ist. Verstanden?« »Jawohl, Sir.« »Rufen Sie mich sofort an, wenn Sie auf etwas Brauchbares stoßen.« Nachdem Kastner Harrisons Büro wieder verlassen hatte, wendete 35
sich der Chef der Polizei wieder Rider zu: »Der Geldkoffer wurde offenbar nur gekauft, um Ashcroft damit zu täuschen. Folglich muß er erst vor kurzem in dieser Stadt besorgt worden sein. Wenn die Umfrage bei den Geschäften am Ort zu keinem Ergebnis führt, werden wir den Kreis unserer Ermittlungen erweitern.« »Ich stimme Ihrer Maßnahme hundertprozentig zu«, sagte Rider. »Inzwischen werde ich noch andere Schritte unternehmen, die uns vielleicht weiterführen können.« »Zum Beispiel?« »Wozu haben wir denn unsere technischen Hilfsmittel, wenn wir schon im technischen Zeitalter leben! Wir haben Verbrecherkarteien, Computer, Fernschreiber — einen riesigen Apparat. Wenn wir ihn haben, sollten wir ihn auch gründlich ausnützen — nicht wahr? « »Sicher — wenn Sie mir sagen, was Sie eigentlich vorhaben!« brummelte Harrison. Rider lehnte sich zurück, daß der Stuhl unter seiner Last stöhnte: »Ein Bankraub, der so glatt, sauber und leise über die Bühne geht wie dieser, fordert geradezu eine Wiederholung heraus. Vielleicht war dieser Bankraub bereits eine Wiederholung. Auf jeden Fall wird der Täter nicht das letztemal eine Bank beraubt haben.« »Und?« »Wir haben eine Personenbeschreibung, die nichts taugt«, murmelte Rider, »aber wir haben auch eine Beschreibung seiner Arbeitsmethode, und die ist zuverlässig.« »Ja, da haben Sie recht.« »Wir geben also einen allgemeinen Steckbrief heraus — Größe, Gewicht, Haarfarbe, Augen, Typ. Mehr nicht. Dazu eine Beschreibung seiner Arbeitsmethode — nicht mehr als fünfhundert Worte.« 36
»Und dann?« »Wir haben sechstausendzweihundertundachtzig Banken in unserem Land. Wir lassen unseren Steckbrief in Washington vervielfältigen und an die Banken verteilen. Dann werden wir rasch genug herausfinden, ob ähnliche Delikte bereits vorgekommen sind. Oder vielleicht wartet ein Kollege von Ihnen nur darauf, diesen Steckbrief in die Hand zu bekommen, weil bei ihm ebenfalls ein Doppelgänger die Banksafes leerte. Wir tauschen Informationen aus und lösen damit vielleicht beide Fälle.« »Möglich, daß der Bursche schon in der Verbrecherkartei in Washington erfaßt ist«, meinte Harrison. »Richtig«, stimmte Rider zu. »Wenn er bereits ein Ding auf die gleiche Art gedreht hat wie hier, liegt bestimmt eine Karteikarte im Archiv. In Washington brauchen sie nur die Daten in die Maschine zu füttern und die gespeicherten Informationen abzufragen. Dann haben wir ihn im Nu. Denn der Computer erkennt ihn an seiner Arbeitsmethode, dem modus operandi. Den kennen wir ja bereits. Uns fehlt nur die Personenbeschreibung.« »Hoffen wir das Beste«, meinte Harrison. Rider nahm den Hörer ab. »Verbinden Sie mich mit dem Schatzamt, Washington, Nebenstelle 417, Mr. O'Keefe«, sprach er in die Muschel. Während der nächsten vierundzwanzig Stunden lief der narrensichere, pedantisch-gründliche, stumpfsinnig-bürokratische Apparat irdischer Fahndung auf vollen Touren. Technisch perfekt, wenn auch nicht genial, steuerte er stur wie eine Dampfwalze auf sein Ziel los. Polizeibeamte gingen durch die Straßen, fragten Ladenbesitzer, Gastwirte, Hotelportiers, Polizeispitzel, Ganoven — jeden, der irgendeine brauchbare Information zur Lösung dieses Falles beisteuern konnte. Kriminalbeamte in Zivil klapperten die 37
Wohnungen und Häuser verdächtiger Persotete, das Gesicht des Burschen sei ihm irgendwie bekannt vorgekommen. Weiß aber nicht mehr, woher. Ist sich aber sicher, daß er ihn schon zwei- oder dreimal gesehen hat.« »Also ein Besucher, der irgendwo auf dem Land oder in einer anderen Stadt wohnt.« »So sieht's aus, Chef.« »Das kann ein Radius von hundert Meilen sein — vielleicht sogar mehr«, murrte Harrison. »Wer hat ihn am besten und am längsten zu Gesicht bekommen?« »Hilda Cassidy.« »Bring sie her — aber rasch!« »Ist schon da. Sie wartet draußen.« »Gute Arbeit, Jim«, lobte Harrison. »Sie soll sich mal bei mir vorstellen!« Kastner holte die Frau aus dem Vorzimmer herein. Harrison fragte sie aus und erhielt eine bis ins einzelne gehende Beschreibung des Verdächtigen, der den Geldkoffer gekauft hatte. »Noch mehr Routinearbeit«, klagte Harrison, als Miss Cassidy mit ihrer Geschichte zu Ende war. »Unsere Jungs müssen die ganze Ochsentour noch einmal machen, nur diesmal mit dem Bild von diesem Burschen in der Tasche.« Rider meldete sich zu Wort: »Wenn der Verdächtige nicht aus dieser Stadt stammt, müssen wir die Nachbarbezirke um Amtshilfe bitten.« »Natürlich.« »Vielleicht können wir ihnen die Arbeit bedeutend erleichtern — sofern Miss Cassidy zur Mitarbeit bereit ist.« 38
»Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht«, versicherte sie. »Was schwebt Ihnen vor?« fragte Harrison. »Wir werden Roger King um Mithilfe bitten.« »Wer ist das?« »Zeichner. Nebenbei blendender Karikaturist.« Rider wendete sich an das Mädchen: »Können Sie morgen früh für eine Stunde hierherkommen?« »Wenn die Chefin es erlaubt.« »Dafür werde ich schon sorgen«, mischte sich Harrison ein. »Schön«, meinte Rider. »Sie kommen also hierher. Mr. King wird Ihnen eine Reihe von Fotos vorlegen. Sehen Sie sich die Bilder genau an und wählen Sie diejenigen aus, die in gewisser Weise dem Mann gleichen, der den Koffer gekauft hat. Mr. King wird dann eine Skizze anfertigen, die alle markanten Einzelheiten in einem Bild vereinigt — ein Kinn von diesem Foto, die Nase von jenem und so weiter. Trauen Sie sich das zu?« »Selbstverständlich!« sagte die Verkäuferin lächelnd. »Sol Bergmann, der den Burschen schon mal früher gesehen hat, wird uns dabei bestimmt auch helfen«, meinte Kastner. »Großartig — schleppen Sie ihn auch hierher!« befahl Rider. Kastner und das Mädchen zogen wieder ab. Rider blickte Harrison an: »Kennen Sie einen Drucker in der Stadt, der uns innerhalb weniger Stunden die Skizze vervielfältigen kann?« »Das läßt sich machen.« »Schön!« Rider deutete auf das Telefon. »Kann ich die Spesenrechnung noch ein bißchen hinaufschrauben?« 39
»Meinetwegen telefonieren Sie so lange, bis der Stadtkämmerer einen Herzschlag bekommt, wenn er die Rechnung sieht«, murmelte Harrison. »Wenn Sie Ihre lyrischen Anwandlungen loswerden wollen, gehe ich inzwischen hinaus.« »Keine Angst — die Pflicht geht vor.« Er nahm den Hörer und befahl der Vermittlung: »Geben Sie mir das Schatzamt in Washington, Roger King, Apparat 338.« Die von King angefertigte Zeichnung mit genauer Personenbeschreibung ging an alle Polizeidienststellen hinaus. Ein paar Minuten nach der Durchgabe der Fahndungsmeldung läutete in Harrisons Büro das Telefon. »Hier ist die State Police, Sergeant Wilkins am Apparat. Ich kenne den Mann, den Sie suchen. Er wohnt in meinem Bezirk.« »Wie heißt er?« »William Jones. Er besitzt eine Baumschule an der Route Nummer 4, ein paar Fahrstunden von Ihrer Stadt entfernt. Er ist zwar ein schmächtiger Typ und stiller Einzelgänger, aber bei uns liegt nichts gegen ihn vor. Meiner Meinung nach ist er zu pessimistisch veranlagt, aber bestimmt nicht kriminell. Soll ich ihn festnehmen lassen?« »Handelt es sich bestimmt um denselben Mann?« »Es ist der Mann, den Sie auf der Skizze abgebildet haben. Das ist alles, was ich weiß. Ich bin in diesem Beruf so lange wie Sie, Harrison, und irre mich bei Gesichtern nie.« »Okay — wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie ihn zum Verhör hierherbringen würden.« »Werde ich tun.« Harrison legte auf und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. 40
»Hm«, brummelte er, »ein Varietekünstler wäre mir lieber. Eine Baumschule auf dem Land paßt absolut nicht zu einem Mann, der kaltblütig und gerissen eine Bank ausnimmt.« Rider nickte zustimmend. »Sie haben recht. Aber trotzdem muß er erst erklären, weshalb er sich vor dem Bank-Job einen Geldkoffer gekauft hat.« Das Telefon läutete. Ein Polizeibeamter war am Apparat. »Patrolman Clinton, Sir — ich habe eben die Skizze des Gesuchten einer gewissen Mrs. Bastico vorgelegt. Sie besitzt eine Pension in der Stevens Street 157. Sie schwört, der Mann sei William Jones, der zehn Tage bei ihr gewohnt hat. Er kam ohne Gepäck zu ihr, hat sich aber später einen Koffer gekauft. Am Samstag vormittag hat er sein Zimmer aufgegeben. Er hat vier Tage Miete zuviel bezahlt, verschwand, ohne ein Wort zu sagen, und ist inzwischen nicht mehr hier aufgetaucht.« »Sie bleiben, wo Sie sind, Clinton. Wir kommen sofort zu Ihnen.« Rider und Harrison nickten sich zu, stürmten aus dem Büro und fuhren zu der angegebenen Adresse. Mrs. Bastico empfing sie. an der Tür ihrer Pension. »Ich hatte noch nie die Polizei in meinem Haus«, erklärte sie. »Nicht ein einziges Mal seit zwanzig Jahren.« »Jeder muß mal anfangen«, erklärte Harrison. »Dadurch gewinnt Ihr Haus doch nur an Seriosität. — Erzählen Sie mir lieber, was Sie über diesen Mr. Jones wissen.« »Nicht viel«, antwortete Mrs. Bastico naserümpfend. »Er blieb immer für sich. Und ich kümmere mich nie um die Angelegenheiten der Mieter, die die Hausordnung einhalten.« »Hat er nicht gesagt, woher er kommt, was er hier will und wohin er verreisen wollte?« 41
»Nein. Er bezahlte im voraus, nannte mir seinen Namen, erklärte, er habe geschäftlich in der Stadt zu tun — das war alles. Jeden Morgen ging er aus und kam abends vor acht Uhr wieder nach Hause. Er trank nicht, brachte keine Mädchen mit — kurz, er benahm sich sehr anständig.« »Empfing er Besucher?« fragte Harrison und zog Letherens Foto aus der Brusttasche. »Diesen Herrn vielleicht?« »Ein Polizist hat mir dieses Foto gestern schon einmal gezeigt. Ich kenne diesen Mann nicht. Ich habe kein einziges Mal beobachtet, daß sich Mr. Jones mit einem unserer Mieter unterhielt.« »Hm«, brummelte Harrison enttäuscht. »Dürfen wir mal sein Zimmer besichtigen?« Sie durchsuchten das Zimmer so gründlich wie möglich. Sie zogen das Bett ab, rückten die Möbel von den Wänden, rollten den Teppich auf, schraubten sogar den Abfluß auf und klopften Fußboden und Wände ab. Patrolman Clinton war es, der eine Entdeckung machte. In der Ritze zwischen zwei Dielenbrettern entdeckte er ein durchsichtiges rosa Papier und unter dem Waschständer zwei eigenartige aromatisch duftende Kerne, die wie besonders rund und lang gewachsene Mandeln aussahen. Sonst war hier nichts zu finden, was Aufschluß auf den Bewohner gegeben hätte. So verabschiedeten sich die Polizeibeamten wieder und schickten die Fundstücke per Eilboten an das Landeskriminalamt. Drei Stunden später wurde William Jones in Harrisons Büro geführt. Jones ignorierte Rider und überschüttete Harrison schon an der Tür mit Vorwürfen: »Was fällt Ihnen ein, mich verhaften zu lassen? Ich habe nichts verbrochen!« »Dann brauchen Sie sich auch nicht zu beschweren«, erwiderte Harrison ebenso grob. »Wo waren Sie am vergangenen Freitag?« 42
»Das ist leicht zu beantworten«, erwiderte Jones zornig. »Ich war in Smoky Falls, um mir Ersatzteile für einen Traktor zu besorgen.« »Smoky Falls ist achtzig Meilen von hier entfernt.« »Wirklich? Aber nicht weit weg von meiner Wohnung. Das einzige Depot für Ersatzteile in meiner Nachbarschaft.« »Wie lange waren Sie in Smoky Falls?« »Seit zehn Uhr vormittags. Um drei Uhr fuhr ich wieder weg.« »Sie brauchten also fünf Stunden dazu, um ein paar Ersatzteile zu kaufen?« »Ich bummelte ein bißchen herum. Kaufte auch Lebensmittel ein. Aß zu Mittag und trank ein paar Gläschen.« »Also müssen Sie ja eine Menge Zeugen haben, die bereit sind, Ihre Anwesenheit in Smoky Falls zu beeiden — wie?« »Natürlich habe ich Zeugen«, erwiderte Jones mit aufreizender Bestimmtheit. Harrison drückte auf die Taste seiner Sprechanlagen: »Bringen Sie mal Mrs. Bastico, Miss Cassidy und Sol Bergman hierher!« Dann wandte er sich wieder Jones zu: »Berichten Sie mir mal ganz genau, wo Sie sich in Smoky Falls überall aufgehalten haben. Ich brauche auch die Namen der Zeugen, die das beschwören können.« Harrison machte sich Notizen, als Jones seinen Einkaufsbummel in allen Einzelheiten schilderte. Anschließend rief Harrison die Polizei in Smoky Falls an, gab ihnen die Stichworte durch und bat um Nachprüfung. Jones hörte gelassen zu. Er schien weder Furcht noch Unsicherheit zu verraten. »Kann ich jetzt wieder gehen?« fragte er. »Ich habe noch eine Menge zu erledigen.« »Ich ebenfalls«, knurrte Harrison. »Wo haben Sie den Geldkoffer versteckt?« 43
»Was für einen Geldkoffer?« »Die Geldkoffer, die Sie am Donnerstag nachmittag gekauft haben!« Jones lief dunkelrot an. »He — was wollen Sie mir da anhängen! Ich habe keinen Geldkoffer gekauft! Weshalb auch? Ich brauche keinen!« »Wollen Sie vielleicht auch leugnen, daß Sie sich nicht in einer Pension in der Stevens Street versteckt haben?« »Versteckt? Wieso! Ich kenne diese Pension gar nicht! Ich übernachte nie in der Stadt!« Zwanzig Minuten lang ging dieses Tauziehen hin und her. Jones behauptete stur wie ein Maultier, daß er den ganzen Donnerstag über in seiner Baumschule gearbeitet hatte. Auch während der fraglichen zehn Tage war er kaum aus dem Haus oder seinem Garten herausgekommen. Er hatte weder von einer Mrs. Bastico gehört noch hatte er Lust, die Dame kennenzulernen. Er hatte keinen Koffer gekauft, und seinetwegen könnten sie sein Haus auf den Kopf stellen. Wenn sie dort einen Koffer fänden, dann hätte die Polizei selbst ihn dort versteckt. Sie könnten auch unter seinen Bäumen nachgraben — wenn sie ihm den Schaden ersetzten. Ein Polizist steckte den Kopf durch den Türspalt: »Die Zeugen sind hier, Chef!« »Okay — wir machen eine Gegenüberstellung!« Zehn Minuten später stand Jones in einer Reihe mit vier Polizisten und einem halben Dutzend Passanten von der Straße. Sol Bergman, Hilda Cassidy und Mrs. Bastico deuteten zur gleichen Zeit auf Jones, als sie den Männern gegenübergestellt wurden. »Das ist er!« rief Mrs. Bastico. »Kein Zweifel!« bestätigte die Verkäuferin, Miss Cassidy. 44
»Er und kein anderer«, murmelte Sol Bergman. »Komplett verrückt!« rief Jones, der keine Ahnung hatte, was überhaupt gespielt wurde. Nachdem die Zeugen noch einmal versichert hatten, ein Irrtum sei vollkommen ausgeschlossen, sperrte man Jones in eine Zelle. Nach vierundzwanzig Stunden lag der Bericht aus Smoky Falls vor. Nicht weniger als zweiunddreißig Zeugen konnten beeiden, daß sie Jones in der Zeit von zehn Uhr vormittag bis drei Uhr nachmittag in Smoky Falls gesehen hatten. Sein Alibi war lückenlos. Auch auf der Strecke von seinem Haus bis zur Stadt war er von Zeugen beobachtet worden. Dasselbe traf für die Zeit zu, als Jones angeblich bei Mrs. Bastico in der Pension gewohnt haben sollte. Der Briefträger, der Milchmann und Kunden hatten eidesstattliche Erklärungen abgegeben, daß sie Jones in den fraglichen zehn Tagen in seiner Baumschule angetroffen hatten. Die Hausdurchsuchung brachte ebenfalls negative Ergebnisse — keinen Geldkoffer und kein Geld, das aus der Bank von Northwood stammte. »Damit sind wir am Ende!« knurrte Harrison. »Ich muß ihn wieder freilassen und mich tausendmal bei ihm entschuldigen! So einen blödsinnigen, verrückten, hirnverbrannten Fall habe ich in meinem Leben noch nie gehabt! Doppelgänger, die verschwinden! Zeugen, die Personen doppelt sehen — oder dort, wo sie gar nicht waren! Idiotisch!« Rider massierte sich nachdenklich das Doppelkinn. »Vielleicht sollten wir diesem eigenartigen Phänomen nachgehen, Harrison. Wir wollen uns Jones noch einmal vornehmen, ehe wir ihn ziehenlassen.« Jones trat heute lange nicht mehr so forsch auf wie am vergangenen Tag. Die Nacht in der Zelle hatte ihn zermürbt. Er war zu jeder Mithilfe bereit, wenn man ihn nur wieder freiließ. »Es tut uns leid, daß wir Ihnen so viele Unannehmlichkeiten machen, Mr. Jones«, sagte Rider katzenfreundlich. »Das ließ sich 45
leider nicht vermeiden. Wir müssen uns nämlich mit einem verflixt komplizierten Fall herumschlagen, Mr. Jones.« Er beugte sich vor und sah Jones beschwörend an. »Ist es Ihnen in letzter Zeit vielleicht aufgefallen, daß man Sie mit einer anderen Person verwechselte?« Jones dachte nach, zappelte dann nervös mit dem rechten Bein. »Das ist mir tatsächlich passiert - vor zwei Wochen erst!« Er berichtete über den Vorfall. Er war mit seinem Wagen in Northwood gewesen, als ihn jemand anhielt. Er kannte den Mann gar nicht, aber der hatte steif und fest behauptet, er hätte ihn als Anhalter mitgenommen. Idiotisch, hatte Jones gemeint — er wäre doch mit seinem eigenen Wagen hier, könnte also gar nicht als Anhalter in die Stadt gekommen sein. »Das hat Ihnen wohl der Mann, der Sie angeblich mitgenommen hatte, nicht abgenommen, wie?« fragte Rider. Jones schüttelte den Kopf: »Er führte mich zu seinem Wagen, der auf der anderen Seite der Straße parkte. Er deutete darauf und rief: >Wollen Sie vielleicht abstreiten, daß ich Sie mit diesem Wagen hierhergebracht habe?< Natürlich stritt ich es ab und ging achselzuckend wieder zu meinem Wagen hinüber. Ich dachte, er wollte mich auf den Arm nehmen. Vielleicht war er auch nicht ganz richtig im Kopf.« »Das ist sehr wichtig, Mr. Jones«, sagte Rider. »Wichtiger, als Sie ahnen. Können Sie uns vielleicht eine Beschreibung dieses Mannes geben, der Ihrer Meinung nach — äh — nicht ganz richtig im Kopf war?« Jones runzelte die Stirn. »Ungefähr vierzig Jahre alt, gut gekleidet, sicheres Auftreten, Vertretertyp. Auf dem Rücksitz seines Wagens lagen eine Menge Broschüren und Kartons mit Lackbüchsen.« 46
»Aha — und was für einen Wagen fuhr der Mann?« »Einen Flash, neuestes Modell. Zweifarbenlackierung — grün und schwarzes Dach. Radio und Weißwandreifen. Die Zulassungsnummer habe ich mir natürlich nicht gemerkt.« Zehn Minuten später schickte Harrison wieder seine Leute los: »Klappert alle Tapezierer- und Farbengeschäfte ab! Der Mann scheint Vertreter für Farben zu sein.« Nachdem Jones wieder nach Hause entlassen worden war, kam der erste Anruf aus einem Revier: »Der Mann, den Sie suchen, ist in der Lackbranche gut bekannt. Er heißt Burge Kimmelman und ist Bezirksvertreter für Acme Paint & Varnish. Wo er sich im Augenblick aufhält, läßt sich leider nicht feststellen. Da müssen Sie schon bei seinem Arbeitgeber nachfragen!« »Vielen Dank!« rief Harrison in die Muschel und wählte darauf die Nummer der Acme Paint. Man versprach Harrison, Kimmelman am Abend in seinem Hotel zu verständigen, damit er am nächsten Tag in Northwood eine Aussage machen konnte. Harrison legte den Hörer wieder auf. Verbittert und enttäuscht meinte er: »Das geht ins Uferlose. Kaum haben wir einen Verdächtigen gefunden, verwandelt er sich in eine andere Person, die wieder mit dritten Personen verwechselt wird und so fort. Das entwickelt sich ja wie eine geometrische Reihe. Und die kann so lange werden, daß wir in einem Jahr noch hier sitzen und Zeugen vernehmen.« »Vielleicht — vielleicht auch nicht«, erwiderte Rider gelassen. »Irgendwann stoßen wir schon auf den richtigen — oder auf einen Zufall, der uns weiterhilft. Die Mühlen der Menschen mahlen langsam, aber sie malen sehr klein.« Siebenhundert Meilen weiter westlich war auch ein Mann bei der Arbeit, der sich die Hacken ablaufen mußte, um das fehlende Genie 47
zu ersetzen. Routinearbeit ist eine schreckliche Sache, wenn man ihr auch noch seinen Idealismus aufopfern muß. Dieser Mann, von dem wir sprechen, hieß Arthur Pilchard. Er wohnte in einer Mansarde, aß regelmäßig in einer Stehbierhalle, rauchte vierzig Zigaretten am Tag und wollte seit zwanzig Jahren den großen amerikanischen Bestseller schreiben — nur kam er leider nie dazu. Er war Reporter und arbeitete für die letzte Seite, auf der die Abfälle aus den Papierkörben der Weltpresse sensationell aufbereitet wurden. Er ging gerade am Tisch des Lokalredakteurs vorbei, als dieser ihm einen Fetzen Papier zuschob. »Los, Pilchard — schon wieder ein Verrückter, der fliegende Untertassen gesichtet hat. Hier ist die Adresse!« Pilchard fuhr zu dem Haus, das auf dem Zettel notiert war. Ein junger, intelligent aussehender Mann öffnete ihm. »Sind Sie George Lamothe? »Bin ich«, bestätigte der junge Mann. »Ich komme von der Zeitung Call. Sie haben angerufen, Sie hätten eine fliegende Untertasse gesehen. Stimmt das?« Lamothe schnitt eine Grimasse. »Ich habe nicht behauptet, es handle sich um eine fliegende Untertasse. Ich habe das Objekt genau beschrieben und nur behauptet, es sei kein Naturphänomen!« »Ich glaube es Ihnen gern. Und wo haben Sie dieses Objekt gesehen?« »In der vergangenen Nacht. Und in der Nacht davor.« »Hier über der Stadt?« 48
»Nein — aber es ist von hier aus sichtbar.« »Ich habe es nicht beobachtet. Soweit ich weiß, sind Sie der einzige, der es bisher gesehen hat. Wie können Sie sich das erklären?« »Mit dem bloßen Auge kann man es auch kaum erkennen. Dazu braucht man ein Teleskop.« »Aha — ein selbstgebasteltes?« »Ja, ein Acht-Zoll-Teleskop.« »Na — dazu braucht man Spezialkenntnisse und Idealismus, um so etwas selbst zu basteln. Darf ich Ihr Teleskop mal sehen?« Lamothe zögerte kurz, sagte dann: »Also gut, kommen Sie mit!« Er führte seinen Besucher in den Speicher hinauf, wo ein Teleskop auf einem Stativ unter einer Dachluke stand. »Ein hübsches Ding — und Sie haben das Objekt tatsächlich durch Ihr Teleskop beobachtet, wie?« »Ja, zwei Nächte lang. Ich hoffe, ich werde es auch diese Nacht sehen können.« »Haben Sie eine Ahnung, um was es sich handeln könnte?« »Das ist eine Frage, die wohl keiner leicht beantworten kann«, erwiderte Lamothe vorsichtig. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß es auf einer Satellitenbahn um die Erde kreist, die außerhalb unserer üblichen Reichweite liegt. Ich will damit sagen, daß wir mit unseren Raketen nicht bis dorthin kommen. Das Objekt ist kugelförmig und scheint ein künstlicher Raumkörper aus Metall zu sein.« »Haben Sie ein Foto von diesem Objekt?« »Leider nicht. Die Geräte dafür sind für mich unerschwinglich.« »Vielleicht kann einer unserer Kameraleute Ihnen aushelfen.« 49
»Möglich — wenn er die geeigneten Geräte dafür hat«, stimmte Lamothe zu. Pilchard stellte noch zwanzig Fragen und beendete dann das Interview mit der etwas skeptischen Bemerkung: »Was Sie beobachtet haben, können andere Leute mit ihren Teleskopen ebenfalls beobachten. Die Welt ist voller Teleskope, und manche sind so groß, daß eine Lokomotive durch ihr Objektiv hindurchfahren könnte. Weshalb hat außer Ihnen noch niemand dieses künstliche Objekt am Himmel entdeckt? Können Sie sich das erklären?« Lamothe lächelte und erwiderte: »Nicht jeder, der ein Teleskop besitzt, beobachtet damit vierundzwanzig Stunden lang den Himmel. Und selbst wenn es jemand tut, weil das sein Beruf ist, beschränkt er sich meistens auf ein bestimmtes Gebiet — auf eine Sternengruppe zum Beispiel, oder einen bestimmten Bereich des Himmels. Außerdem verbreiten sich Neuigkeiten immer erst dann, wenn man sie unter die Leute bringt. Einer muß damit den Anfang machen. Deshalb habe ich die Redaktion des Call benachrichtigt.« »Da haben Sie recht!« stimmt Pilchard zu und rieb sich insgeheim die Hände, weil er mindestens zwanzig Zeilen auf der letzten Seite unterbringen konnte. »Außerdem«, fuhr Lamothe fort, »haben andere das Objekt im Raum auch beobachtet. Ich habe drei Freunde vorgestern nacht angerufen, die Astronomie ebenfalls als Hobby betreiben. Sie bestätigten, daß sie das Raumobjekt beobachten konnten. Inzwischen wurden auch Observatorien in größeren Städten davon verständigt. Ich selbst habe bereits einen ausführlichen Bericht per Eilboten an die Raumfahrtbehörde abgeschickt und eine Fachzeitschrift verständigt.« »Olala!« Pilchard juckten bereits die Sohlen. »Da muß ich mich aber beeilen, daß ich in die Redaktion zurückkomme, ehe eine andere Zeitung den Bericht bringt.« 50
Hastig notierte sich Pilchard die Rufnummern der Freunde, mit denen Lamothe gestern nacht seine Entdeckung erörtert hatte, und verabschiedete sich dann... Zwei Stunden später wurde die Nachtausgabe des Call ausgeliefert. Eine Vielzahl von Provinzblättern übernahmen die Nachricht, die über Fernschreiber von der Redaktion des Call weitergegeben wurde: RAUMSTATION IM ALL IRDISCH ODER AUSSERIRDISCH Am nächsten Morgen saßen Harrison und Rider nebeneinander am Schreibtisch und arbeiteten sich mühsam durch einen Berg von Papieren. Diese Papiere berichteten meistens nur von einer Person — oder vielmehr einer imaginären Person, die Harrison den falschen Mr. Jones nannte. Man hatte ihn in Northwood herumstreichen sehen wie einen Touristen, der sich für alles interessierte. Er hatte die Auslagen in der Hauptstraße betrachtet, war im Supermarkt gewesen, als dort eine Geldbörse gestohlen wurde, hatte in Caféterias, Gaststätten und Snackbars gegessen und Bier getrunken. Ashcroft hatte ihn beobachtet, als er eine Woche vor dem mysteriösen Bankraub Erkundigungen am Schalter eingezogen hatte. Letheren und seine beiden Geldwächter hatten ihn herumlungern sehen, als sie eine Woche zuvor die Lohngelder abgeholt hatten. Kurz — die Berichte ergaben ein lückenloses Bild, was dieser falsche Mr. Jones zehn Tage lang in der Stadt angestellt oder nicht angestellt hatte. Um sich bei dieser sauren Routinearbeit die Zeit etwas zu verkürzen, hatte Harrison ein Transistorgerät ins Büro mitgebracht. Rider, der mit geschlossenen Augen seinen letzten Bericht verdaute, wurde durch den Nachrichtensprecher aufgeschreckt, der nach den Mittagsmeldungen mit dem Kommentar schloß: 51
»Jedermann weiß, daß jemand eine künstliche Weltraumstation außerhalb unserer Satellitenbahnen um die Erde kreisen läßt. Jeder, der ein Teleskop besitzt, kann sich mit eigenen Augen davon überzeugen. Warum dementieren dann unsere Behörden immer noch hartnäckig, daß diese Weltraumstation existiert? Wenn die Russen dafür verantwortlich sind — warum erzählt man uns das nicht? Wenn wir sie selbst hinaufgeschossen haben — warum bricht man dann nicht das offizielle Schweigen? Hält man uns für Kinder, die die Wahrheit nicht wissen dürfen? Wir fordern unsere Regierungsstellen auf, endlich ihr Schweigen zu brechen. Jedes weitere Zögern ist peinlich — wenn nicht sogar unverantwortlich!« »Der Mann hat ganz recht«, brummte Harrison und blickte von seinem Papierstapel auf. »Im nächsten Krieg werden sie uns auch erst benachrichtigen, wenn wir schon alle tot sind. Es ist...« Das Klingeln des Telefons unterbrach seine weltanschaulichen Betrachtungen. »Was gibt's?« rief Harrison, nachdem er abgehoben hatte. Sein Mienenspiel hätte jeden Pantomimen begeistert. Er sah aus wie ein moderner Don Quichote, der sich in die vierte Dimension verstrickt hat. »Okay«, keuchte Harrison, nachdem er den Hörer wieder auf die Gabel gedonnert hatte. »Es wird von Minute zu Minute verrückter.« »Was ist denn jetzt schon wieder los?« erkundigte sich Rider. »Diese komischen Mandelkerne. Das Labor kann nichts damit anfangen.« »Wundert mich nicht. Allwissend sind die Experten im Labor auch wieder nicht.« »Sie wissen aber, wo die Leute sitzen, die es genau wissen müssen. Deshalb haben sie diese komischen Mandelkerne an eine 52
Firma in New York geschickt, die absolute Experten auf diesem Gebiet sind. Eben erhielten sie von dort Bescheid.« »Und?« »Gleiches Ergebnis — unbekannt und nie davon gehört. Sie haben das Zeug destilliert, analysiert und katalysiert. Ergebnis: die Bestandteile dieser Nuß sind bei uns völlig unbekannt.« Harrison schnaubte wütend. »Sie fordern uns auf, ihnen ein halbes Dutzend von diesen Kernen zuzuschicken: Vielleicht handelt es sich um einen unbekannten Samen, den sie zum Keimen bringen können. Sie wollen feststellen, was für ein Unkraut daraus entsteht!« »Die sollen uns mal...« meinte Rider. »Das ist noch nicht alles!« knurrte Harrison. »Erinnern Sie sich noch an das durchsichtige Papier, das wir in der Pension fanden? Ich dachte, es handelte sich dabei um gefärbtes Zellophan. Irrtum. Das Laboratorium behauptet, es bestünde aus Zellen und Adern und müsse ein Blütenblatt einer bei uns noch nicht bekannten Pflanze sein!« »... falls aber diese Raumstation«, berichtete der Nachrichtensprecher im Transistorradio, »zu militärischen Zwecken mißbraucht werden soll — und wie anders sollen wir uns das hartnäckige Schweigen verantwortlicher Stellen erklären? — dann...« Was dann folgte, konnte man nicht mehr verstehen, weil die Sprechanlage auf Harrisons Schreibtisch einen kräftigeren Lautsprecher besaß: »Ein Mann namens Burge Kimmelman wartet im Vorzimmer, Chef.« »Schicken Sie ihn herein!« Kimmelman nahm sehr selbstbewußt Platz. Offensichtlich war er froh, gegen Spesenersatz durch die Behörden einen Tag Urlaub machen zu können. Er schlug die Beine übereinander und erzählte seine Geschichte: 53
»Verrückteste Sache, die mir je passiert ist, Captain. Ich nehme nie Anhalter mit — aber ehe ich wußte, wie es geschah, saß der Kerl in meinem Auto...« »... wo war das?« unterbrach Rider. »In der Nähe von Seegers Tankstelle. Er wartete am Straßenrand. Ich nahm ihn mit nach Northwood, setzte ihn ab und fuhr quer durch die Stadt weiter. Ich mußte einen Kunden im nördlichen Außenbezirk besuchen. Ich halte also an, steige aus — und wer steht da am gegenüberliegenden Straßenrand? Mein Anhalter!« »Weiter!« drängte Rider. »Also gut — ich fragte ihn, wie er es geschafft habe, mich zu überholen. Und da benimmt der Bursche sich, als hätte er mich noch nie in seinem Leben gesehen! Mißverständnis und so, behauptete, er wäre mit seinem eigenen Wagen in die Stadt gekommen und so weiter.« Kimmelman zuckte hilflos die Achseln. »Eine verrückte Sache, sage ich Ihnen. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber kann mir das Ganze einfach nicht erklären. Ich wußte, daß ich den Burschen in die Stadt mitgenommen hatte — aber da stand er nun und benahm sich so überhöflich und korrekt, als verhandelte er mit einem Verrückten!« »Als sie den Mann am Straßenrand auflasen«, meldete sich Harrison zu Wort, »hat er Ihnen da nähere Angaben gemacht? Hat er von seinem Beruf oder seiner Familie erzählt? Oder hat er Angaben darüber gemacht, wo er herkam oder wie weit er an diesem Tage noch reisen wollte?« »Nicht ein Wort! Wenn Sie mich fragen — er stand da, als sei er eben vom Himmel gefallen!« »Das trifft für unseren ganzen Fall zu«, bemerkte Harrison trocken. »Unbekannte Mandelkerne und Blütenblätter als Ein54
wickelpapier, die man nicht identifizieren kann. Vom Himmel gefallen...« Harrison brach mitten im Satz ab. Er ließ den Mund offenstehen und seine Augen traten aus den Höhlen. »... trotzdem ist diese Raumstation außerhalb der Reichweite aller uns zur Verfügung stehenden Abwehrraketen. Sollte es deshalb einer Macht, die ich nicht näher bezeichnen möchte, gelungen sein...« Rider schaltete das Radio ab und wendete sich dann dem Vertreter zu. »Würden Sie vielleicht einen Moment draußen warten, Mr. Kimmelman?« Nachdem der Zeuge die Tür hinter sich geschlossen hatte, klopfte Rider seinem Kollegen auf die Schulter. »Entscheiden Sie sich, Harrison — Schlaganfall oder Klapsmühle! Wir haben keine Zeit zu verlieren!« Harrison rang nach Worten, aber er brachte es nur zu ein paar taubstummenähnlichen Gesten. Rider zuckte die Achseln und zog das Telefon zu sich heran. »O'Keefe — was wissen Sie Neues von der künstlichen Raumstation?« fragte er scheinheilig, nachdem das Gespräch nach Washington durchgestellt war. »Das fragen Sie mich? Ich wollte Sie eben anrufen, weil ich etwas Wichtiges für Sie habe. Und Sie erkundigen sich nach Raumstationen!« »Was gibt's?« »Elf von diesen Banknoten sind aufgetaucht. Die letzten beiden wurden in New York in Zahlung gegeben. Ihr Mann kommt viel herum. Und wenn er wieder eine Bank plündert, dann bestimmt im Stadtgebiet von New York!« 55
»Wahrscheinlich. Vergessen Sie Ihre Banknoten mal einen Augenblick. Was ist mit dieser Raumstation? Rauchen in Washington deswegen die Köpfe?« »Es summt wie in einem Bienenkorb. Bis jetzt wissen wir nur, daß es nicht von uns stammt. Ein Regierungsobservatorium hat das Ding bereits vor einer Woche beobachtet. Irgend jemand in der Regierung muß die Nachricht zurückgehalten haben.« »Weshalb?« »Da fragen Sie mich! Ich bin im Schatzamt, nicht bei der NASA. Weshalb interessieren Sie sich plötzlich so sehr für Raumkörper?« »Ich habe eine Idee. Sie ist so verrückt, daß Harrison neben mir lieber einen Schlaganfall bekommt, als sie auszusprechen. Der künstliche Satellit ist wahrscheinlich gar kein künstlicher Satellit, sondern ein für uns noch...« »Hören Sie mal gut zu«, fuhr O'Keefe ihm in die Parade, »ehe ich einen Wutanfall bekomme. Ich habe Sie nach Northwood geschickt, um Harrison bei der Aufklärung eines Falles zu helfen. Wenn Sie den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als Science-FictionRomane zu lesen, habe ich hier genügend Beschäftigung, um ...« »Ich verplempere nicht das Telefongeld für Ferngespräche«, unterbrach Rider, »weil es mir Spaß macht, wenn Sie einen Wutanfall bekommen. Die Sache ist viel zu ernst. Da oben im Raum fliegt ein Ding herum, von dem wir nicht wissen, wie es dorthin gekommen ist. Zur gleichen Zeit marschiert bei uns herunten ein Ding herum, das sich in Personen verwandelt, Banken ausraubt, Abfälle verstreut, die niemand identifizieren kann, Nüsse kaut, die es bei uns nicht gibt und vieles mehr. Kurz ein Ding, von dem keiner weiß, was es ist. Zwei und zwei ist vier. Sie können es sich selbst zusammenreimen, wenn Sie den Mut dazu haben!« »Eddie — sind Sie verrückt geworden?« 56
»Das wäre noch die bequemste Lösung. Ich gebe Ihnen mal alles durch, was wir bisher festgestellt haben, und Sie entscheiden dann selbst. Also hören Sie gut zu...« Rider las einen zusammenfassenden Bericht vor. »Hängen Sie sich an die Strippe. Dieser Fall übersteigt bei weitem die Kompetenz des Schatzamtes. Wenden Sie sich an das Weiße Haus. Man muß etwas unternehmen!« Als er auflegte, hatte Harrison seine Sprache wiedergefunden. »Ich kann es nicht glauben«, stöhnte er. »Wenn ich dem Bürgermeister melden muß, ein Marsbewohner habe unsere Bank um fünfundzwanzigtausend Dollar erleichtert, entläßt er mich auf der Stelle und überweist mich in eine Gummizelle.« »Haben Sie eine bessere Theorie?« »Eben nicht! Das ist ja das Verrückte!« Rider zuckte die Achseln und ließ sich mit der Acme Paint Company verbinden. Nach kurzer Verhandlung mit dem Verkaufschef hängte er wieder ein und ließ Kimmelman hereinrufen. »Wahrscheinlich werden wir Sie hier noch ein paar Tage brauchen«, eröffnete er dem Vertreter. »Ihr Arbeitgeber ist bereits verständigt. Er hat nichts dagegen einzuwenden.« »Kann mir nur recht sein«, meinte Kimmelman. »Aber da muß ich gleich ein Zimmer im Hotel bestellen. Wenn Sie mich für eine halbe Stunde entschuldigen wollen...« »Sofort«, unterbrach ihn Rider. »Ich habe nur noch eine Frage an Sie. Hat der Mann, den Sie am Straßenrand aufgelesen haben, irgendwelches Gepäck bei sich gehabt?« »Nein.« »Nicht einmal eine Reisetasche oder ein Paket?« »Er hatte nichts bei sich. Vielleicht einen Geldbeutel oder eine Brieftasche. Was er in den Taschen trug, konnte ich ja nicht sehen.« 57
In Riders Augen leuchtete es auf. »Vielen Dank — das könnte uns vielleicht weiterhelfen.« Am nächsten Morgen traf eine Wagenkolonne in Northwood ein. Aber die Wagen reihten sich so geschickt in den Verkehr ein und machten sich so unauffällig, daß die Presse es gar nicht spitz bekam, wer sich da alles im Polizeipräsidium versammelte. Man mußte den Schreibtisch aus Harrisons Büro entfernen, damit genügend Stühle für die hohen Gäste aufgestellt werden konnten. Unter den Gästen war der Präsident des Schatzamtes, der Präsident der NASA, die Chefs der Raketentruppen sämtlicher Waffengattungen, fünf Raketenexperten, drei Generäle, ein Admiral, drei Bezirksdirektoren des FBI, der Chef des militärischen Abwehrdienstes, der Chef des CIA, ihre Stäbe, Sekretäre, technische Berater, Stenografen, drei Herren vom Brain Trust des Präsidenten, zwei Astronauten, ein Radarexperte, vier Astronomen, ein halbes Dutzend Wissenschaftler aus anderen Sparten und ein ziemlich aufgeregter Gentleman, der eine Kapazität auf dem Gebiet der Insektenkunde war. Die Herren lauschten schweigend dem Bericht, teils interessiert, teils skeptisch. Harrison setzte sich nach seinem Vortrag und wartete auf den Kommentar der hohen Herren. Ein grauhaariger Gentleman, ein Mitglied vom Brain Trust des Präsidenten, räusperte sich zuerst: »Ich persönlich neige zu der Annahme, daß es sich hier um ein Lebewesen aus dem Kosmos handelt. Ich betone, ich spreche für mich selbst — nicht für den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Mir scheint, Debatten über dieses Phänomen sind überflüssig. Es wird dadurch gelöst, daß man dieses Lebewesen fängt. Das ist unser einziges Problem. Wie läßt sich das lösen?« »Nach den üblichen Methoden bestimmt nicht«, meinte einer der Herren vom FBI. »Ein Individuum, das keines ist, sondern sich nach 58
Belieben in ein anderes verwandeln kann, ist nicht leicht zu fangen. Wir brauchen bestimmte Merkmale, woran man es erkennt. Ändert es ständig seine Merkmale, fangen wir es nie.« »Selbst ein Eindringling aus dem Kosmos würde kein Geld stehlen, wenn er es nicht unbedingt brauchte«, bemerkte der Präsident der NASA lächelnd. »Oder meinen Sie vielleicht, unsere Astronauten würden statt Gesteinsproben vom Mond Banknoten mitbringen, wenn sie dadurch ihre Mission gefährden würden? Nein — wir gehen bestimmt nicht fehl in der Annahme, daß dieses kosmische Lebewesen dieses Geld für irdische Ausgaben benötigt. Doch das Geld reicht nicht ewig, wenn man es ausgibt. Ist es aufgebraucht, wird dieses unbekannte Wesen aus dem Weltall eine neue Bank ausrauben. Wenn wir daher alle Banken dieses Landes in eine Falle für kosmische Wesen verwandeln, werden wir es bestimmt fangen.« »Das ist leicht gesagt«, lachte der Chef der CIA, »aber, werter Kollege — wie wollen Sie dieses kosmische Wesen fangen, wenn es in der Gestalt Ihres besten Bankkunden auftritt?« Er grinste hinterhältig. »Wie wollen Sie zum Beispiel beweisen, daß nicht ich der gesuchte Kollege vom anderen Stern bin? Oder können Sie vielleicht das Gegenteil beweisen?« Niemand war über diesen Vergleich besonders glücklich. Sie lachten zwar, aber man hatte das Gefühl, der Chef des CIA habe sich einen makabren Scherz erlaubt. Schließlich meldete sich Rider zu Wort: »Ehrlich gesagt, ich halte es für pure Zeitverschwendung, ein Wesen zu suchen, das in der Lage ist, sich in ein beliebiges anderes Wesen zu verwandeln. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie man das bewerkstelligen könnte — leider ohne Ergebnis.« »Vielleicht gibt es eine Lösung, wenn wir wissen, welcher Verwandlungstechnik sich dieses Wesen bedient«, meinte ein Psy59
chologe vom Expertenstab. »Gibt es in dieser Richtung gewisse Anhaltspunkte?« »Leider nicht, Sir.« »Ich tippe auf Hypnose«, sagte der Psychologe. »Sie können recht haben, Sir«, erwiderte Rider, »aber beweisen läßt sich das bis jetzt nicht.« Rider schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Meines Erachtens gibt es nur eine Möglichkeit, dieses Wesen zu fangen.« »Wie?« »Dieses Wesen will sich bestimmt nicht für immer auf der Erde niederlassen. Dagegen spricht das Raumschiff im Orbit. Es wartet auf Befehle, um das Wesen wieder abzuholen, sonst bliebe es ja nicht im Orbit. Und um die Befehle dorthin zu übermitteln, braucht das Wesen einen Sender oder ein Fernsteuerungsgerät.« »Mit Peilgeräten können wir aber den Sender nicht orten, falls er Befehle hinauf zum Raumschiff funkt. Dazu ist die Zeit zu kurz!« rief der Radarexperte. »Daran habe ich auch nicht gedacht«, winkte Rider ab. »Ich gehe von unseren Zeugenaussagen aus. Alle bestätigten, daß das Wesen ohne Gepäck nach Northwood gekommen ist. Selbst eine kosmische Zivilisation ist wohl kaum in der Lage, so kleine Fernsteuerungsgeräte zu bauen, die man in der Hosentasche mit sich herumtragen kann. Besonders dann nicht, wenn man ein Raumschiff aus einem weit entfernten Orbit herunter auf die Erde manövrieren muß. Der Energieaufwand für so ein Gerät erlaubt keine Reduzierung auf ein so extrem kleines Maß.« »Sie meinen — das Wesen aus dem All hat das Gerät irgendwo versteckt?« »Höchstwahrscheinlich.« 60
»Aber dieses Gerät könnte doch überall versteckt sein. Ihre Theorie hilft uns nicht weiter!« »Im Gegenteil!« Rider las noch einmal Passagen aus Harrisons Bericht vor. »Es gibt also etwas, das dieses Wesen nicht verstecken kann, gleichgültig, was für eine Form es annimmt: sein Verhalten. Hätte es sich dazu entschlossen, sich als Elefant zu verkleiden, um wißbegierig die Welt zu betrachten, wäre es bestimmt ein überzeugender Elefant geworden — und sehr neugierig.« »Worauf wollen Sie hinaus?« erkundigte sich der Admiral. »Er benahm sich wie ein kleiner Bauernjunge, der zum erstenmal in die Stadt kommt. Northwood muß für dieses Wesen die erste Begegnung mit unserer Zivilisation gewesen sein. Und das bedeutet, daß sein Landeplatz — der logischerweise auch wieder sein Startplatz werden muß — gar nicht weit von Northwood entfernt sein kann, und zwar in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo Kimmelman dieses Wesen als Anhalter mitgenommen hat.« Man diskutierte eine halbe Stunde. Dann wurde ein Unternehmen beschlossen, dessen gigantischer Apparat eben nur auf höchster Ebene ausgelöst werden kann. Kimmelman bezeichnete die Stelle auf der Landstraße, wo er das Wesen aus dem All aufgelesen hatte, und diese Stelle wurde das Zentrum des Einsatzgebietes. Im Umkreis von zehn Meilen fragte man jeden Menschen, ob er an dem Tag, als Kimmelman den unfreiwilligen Samariter spielte, etwas Verdächtiges beobachtet hatte. Dieses Massenverhör dauerte vier Tage. Das Ergebnis waren drei Personen, die irgend etwas gesehen haben wollten, das vom Himmel fiel oder sich in umgekehrter Richtung bewegte. Diese drei Personen führte man an die Stelle, von der aus sie die »fliegende Untertasse« gesehen hatten. Man ließ sie durch einen Theodoliten den Punkt am Horizont anvisieren, wo dieses 61
merkwürdige Objekt auf- oder niedergegangen war. Sie wüßten das natürlich nicht so genau, entschuldigen sich die drei, aber sie taten ihr Bestes. Aus den Schnittpunkten der drei Visierlinien ergab sich ein längliches Dreieck, das eine Fläche von einer Quadratmeile bedeckte. Man bestimmte den Mittelpunkt des Dreiecks und erklärte das Gebiet im Umkreis von zwei Meilen als Operationszone A. Dann rückte ein ganzes Heer von Polizisten, Pionieren und Spezialeinheiten an und durchkämmte dieses Gebiet mit Spaten, Minensuchgeräten, Horchgeräten, Geigerzählern und so weiter. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit schlug der Zeiger eines Suchgerätes aus. Rider, Harrison und ein paar Generäle eilten an die Stelle, wo eine Gruppe von Polizisten und Pionieren vorsichtig Steine und Felsbrocken beiseite räumten. Dann lag das Fernsteuerungsgerät vor ihnen. Das Gerät war nicht größer als ein Autoradio. Zwölf Silberringe waren teleskopartig auf der Oberfläche ineinandergeschoben. Das mußte die Peilantenne sein. Eigenartig geformte Hebel deuteten auf Skalen, waren offensichtlich auf bestimmte Frequenzen eingestellt. Und eine Art Druckknopf in einer besonderen Farbe — offensichtlich eine Warnfarbe — löste anscheinend den Mechanismus aus. Die Experten wußten natürlich genau, was sie zu tun hatten. Sie fotografierten das Ding von allen Seiten, nahmen genau Maß, wogen und begutachteten es und versteckten es dann wieder so, wie sie es gefunden hatten. Scharfschützen mit Nachtgläsern und Spezialgewehren bezogen in getarnten Positionen Stellung. Während man die Fotografien des Fernsteuerungsgerätes entwickelte und die Meßdaten auswertete, wurden Horchgeräte zwischen der Straße und dem Versteck des 62
Zauberkastens aus dem All in die Erde eingegraben. Eine Befehlszentrale richtete sich auf einem Bauernhof im Gebirge ein. Hinter Büschen, Felsen und Bäumen lauerten Scharfschützen, die miteinander durch Funksprechgeräte Verbindung hielten. Für jeden gewöhnlichen Dieb hätte eine Straßensperre genügt. Doch für diesen Verwandlungskünstler aus dem All war das natürlich nicht ausreichend. Er hätte ja als Erzbischof von Canterbury oder Konsul aus Mexiko bestimmt freie Durchfahrt bekommen. Aber sobald ein Erzbischof es wagte, Hand an das Steuergerät zu legen... Zwei Tage später kam ein Lastwagen aus der Stadt, holte das Steuergerät ab, ersetzte es durch eine perfekte Nachbildung, die jedoch nicht in der Lage war, irgendwelche Raumschiffe aus dem Orbit abzurufen. Das Doppelgängerspiel beherrschten die Irdischen auch, wenn es sein mußte. Doch niemand spielte mit dem Druckknopf auf dem Steuergerät herum. Die Zeit dazu war noch nicht gekommen. Solange das Raumschiff dort oben um die Erde kreiste, wiegte sich der geheimnisvolle Besucher aus dem All in falscher Sicherheit. Früher oder später mußte er also in ihre Falle tappen. Die Erde hatte viel Zeit und Geduld. Die mußte sie auch aufbringen. Denn vier Monate lang näherte sich nichts Verdächtiges dem Versteck in den Bergen... Doch inzwischen wurde eine zweite Bank in Long Island beraubt. Die gleiche Technik: Kunde am Schalter, achttausend Dollar kassiert, Unterschrift (die unerklärlicherweise wieder verschwand), weg. Zur gleichen Zeit besuchte ein hoher Marineoffizier die Werftanlagen in Brooklyn und eine Theatervorführung in Greenwich Village. Ein Beamter besichtigte die technischen Einrichtungen eines Fernsehstudios im zweiundzwanzigsten Stockwerk eines Wolken63
kratzers, während er gleichzeitig im zehnten Stockwerk des gleichen Gebäudes in das Mikrofon eines Diktiergerätes sprach. Der Fremdling aus dem All hatte inzwischen so viel gelernt, daß er sich reichlich frech benahm. Er schnüffelte durch geheime Laboratorien, studierte Atomanlagen, Raketenabschußrampen, ließ sich als angeblicher Großabnehmer von Düsenflugzeugen die Planpausen zeigen und von zwei Direktoren im Werk herumführen. Es gab keine Tür, die ihm verschlossen blieb. Und doch ging auch für Harasha Vanash, den Unsichtbaren, nicht alles glatt. Selbst der Klügste macht mal einen Fehler. Vanash zahlte in einem Restaurant mit einem Hunderter, den er von einem dicken Bündel schälte. Man folgte ihm zu seinem Schlupfwinkel. Am nächsten Tag, als er seine Spionagetour fortsetzte, durchsuchten ein paar Experten sein Zimmer. Bei seiner Rückkehr mußte Vanash feststellen, daß die Beute seines letzten Bankraubes verschwunden war. Das war ärgerlich für ihn; denn er mußte seine Spionagetätigkeit ein paar Tage unterbrechen, um sich neues Geld von der Bank zu besorgen. Doch am 21. August war es soweit. Er hatte sich auf eines der hochzivilisiertesten Gebiete der Welt konzentriert und einen genauen Überblick gewonnen, was die Andromeder hier vorfinden würden. Mit diesem Material würden die Hypnos des kosmischen Reiches, das bereits zweihundert Planeten umfaßte, ohne Schwierigkeit den zweihundertundersten Planeten dazuerobern können. In der Nähe von Seegers Tankstelle stieg er aus dem Wagen und bedankte sich höflich bei dem Fahrer, der ihn bis hierher mitgenommen hatte. Dieser wunderte sich immer noch, weshalb er den Mann hierhergebracht hatte, der ihm doch gar nichts bedeutete. Kopfschüttelnd brauste er davon. 64
Inzwischen betrachtete Vanash die Umgebung. Alles schien so, wie er es verlassen hatte. Für jeden, der sich im Bereich seines telepathischen Kraftfeldes befand, sah er aus wie ein etwas behäbiger Geschäftsmann, der die Aussicht bewunderte. In der Hand trug er eine Aktentasche, die mit Skizzen und Notizen gefüllt war. Betrachtete man ihn aus größerer Entfernung, hatte er immerhin noch so viel Ähnlichkeit mit einem irdischen Zweibeiner, daß man kein zweites Mal mehr hinschaute. Doch die Polizisten und Soldaten, die hinter Büschen und Bäumen auf der Lauer lagen, betrachteten ihn aus einer Entfernung von anderthalb Meilen durch Ferngläser und Teleskope. Und durch die Okulare sahen sie, wie er wirklich aussah. Eben wie — ein Ding. Wie ein Etwas, das nicht von dieser Welt war. Sie hätten also ihn oder es auf der Stelle fangen können. Doch in Anbetracht der gewaltigen Vorbereitungen, die sie für seinen Empfang getroffen hatten, glaubten die Irdischen, sich Zeit lassen zu können. Langsam, aber desto sicherer. Dachten sie ... Vanash packte seine Aktentasche und eilte schnurstracks auf das Versteck seines Fernsteuerungsgerätes zu. Er brauchte jetzt nur noch den Druckknopf zu betätigen, sich nach Northwood zurückzubegeben, zu essen und zu schlafen und morgen wieder hierherzukommen. Das Raumschiff würde dem Leitstrahl folgen und hier landen — aber dafür brauchte es genau achtzehn Stunden und zwanzig Minuten. Vor dem Versteck schaute sich Vanash noch einmal vorsichtig um. Niemand zu sehen weit und breit. Den Himmlischen sei Dank — das Steuergerät lag noch an der alten Stelle. Er beugte sich vor und drückte auf den Knopf. Das Ergebnis war ein lautes Puff und eine Wolke von Betäubungsgas. Dieses Gas war eine Fehleinschätzung der irdischen Häscher. Sie rechneten damit, die Wirkung der Gaswolke würde den 65
Fremdling aus dem All mindestens vierundzwanzig Stunden aufs Kreuz legen. Sie hatten nicht mit dem total verschiedenen Grundumsatz des Wesens vom anderen Stern gerechnet und auch nicht mit seinem andersartigen Abwehrsystem. Das Ding hustete und rannte dann wie der Blitz davon. Fünfhundert Meter von ihm entfernt tauchten vier Männer hinter einem Felsen auf, rissen die Gewehre hoch und schrien: »Halt! Stehenbleiben!« Weitere zehn Beamte sprangen aus ihren Schützenlöchern und brüllten: »Stehenbleiben oder wir schießen!« Das Ding grinste nur und zeigte ihnen die Zunge, die es gar nicht hatte. Vanash konnte die Beamten natürlich nicht dazu zwingen, sich selbst umzubringen. Aber er konnte sie veranlassen, sich gegenseitig diesen Gefallen zu erweisen. Die vier warteten geduldig, bis er das Schußfeld passiert hatte und eröffneten dann das Feuer auf ihre zehn Kollegen. Diese hielten es genauso und ballerten auf die vier. Das Ding rannte wie der Blitz weiter. Er hätte sich auf einem Felsen räkeln und in Ruhe abwarten können, bis jeder jeden umgebracht hatte. Doch er wußte nicht, wie weit der Hinterhalt reichte. Es konnten immer noch Leute außerhalb seines hypnotischen Wirkungsbereiches lauern. Das Vernünftigste schien ihm, die Reichweite automatischer Waffen so schnell wie möglich zu verlassen, um auf der Straße einen Wagen anzuhalten, der ihn wieder in die irdische Zivilisation zurückbrachte, wo er im Meer der vielen Millionen Zweifüßler mit Leichtigkeit untertauchen konnte. Und seines Senders wieder habhaft zu werden, war auch kein unlösbares Problem — wenigstens nicht für ein Ding, das sich in den Präsidenten der Vereinigten Staaten verwandeln konnte. Vanashs Befürchtungen waren nur zu begründet. Denn rund eine Meile von ihm entfernt lag ein Beamter hinter einem Ma66
schinengewehr, dem der Ausbruch eines Bürgerkrieges dicht vor seiner Nase eine unerträgliche Herausforderung schien. Und als das glitzernde Etwas, das auf diese Entfernung betrachtet eine Zumutung war, sich durch die Reihe seiner Kollegen schlängelte, fluchte er laut, visierte durch sein Zielfernrohr und zog den Abzugshebel zurück. Trotz der großen Entfernung lag die Salve genau richtig. Sie traf Harasha Vanash im vollen Lauf. Er wurde zur Seite geschleudert, fiel nieder und erhob sich nicht mehr. Das Ding war tot. Als die Meldung von Harrison und Rider an den Generalstab und das Weiße Haus weitergegeben worden war, begab sich eine Gruppe von Experten mit dem Fernsteuerungsgerät auf einen Feldflugplatz, stellten die Trickkiste auf die Rollbahn, drückten auf den Knopf und warteten. Die Horden der Hypnos hatten eine lange, lange Geschichte. Deswegen hatten sie auch jenen hohen Stand der Technik erreicht, der sie zu Recht an die Spitze des Kosmos setzte. Geistesblitze und Funken der Eingebung hatten sich im Laufe zahlloser Jahrhunderte eingestellt und angesammelt, bis das gewaltige Potential des angehäuften Genies ihnen den Schlüssel zum Weltall verlieh. Wie viele alte Leute hatten sie für die jungen Stürmer und Dränger nur Verachtung übrig. Oder zumindest erhebliche Vorbehalte. Doch ihre Verachtung hätte sich zu Entsetzen gesteigert, hätten sie beobachten können, mit welcher methodischen Sturheit eine Horde von Spezialisten sich über ihre Raumstation hermachte. Oder mit welchen Methoden die Irdischen die Pläne für eine riesige Armada ähnlicher Raumschiffe entwarfen. Ähnliche Raumschiffe, nur viel größer. Und mit einer Menge Verbesserungen... Originaltitel: LEGWORK 67