Lesenswerte Beiträge aus Zeitschriften und Büchern für politisch Interessierte
Herausgegeben von Herbert Lilge
Neville...
9 downloads
254 Views
241KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Lesenswerte Beiträge aus Zeitschriften und Büchern für politisch Interessierte
Herausgegeben von Herbert Lilge
Neville Brown Der Treibhauseffekt: eine Weltweite Herausforderung Manfred Horn Energiepolitik im Zeichen einer einer möglichen Klimakatastrophe
zum nachdenken Neue Folge Nr. 25 2
-1-
Das ,,Europaarchiv", die Halbmonats-Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, erscheint im Verlag für Internationale Politik in Bonn. Für die Abdruckerlaubnis der hier veröffentlichten beiden Beiträge, erschienen in Heft 7 und 8/1989, ist zu danken. Umwelt und Klima sind kein nationales, sondern ein globales Problem. Der Treibhauseffekt - die Befürchtung gefährlicher Klimaveränderungen und das Ozonloch - die Reduzierung der zum Schutz des Lebens unerläßlichen Ozonschicht dominieren diese spezifische Diskussion. Im Elfenbeinturm der Experten gibt es sie schon lange. In das Licht eines allgemeinen öffentlichen und damit des politischen Interesses rückte sie jedoch erst in jüngerer und jüngster Zeit.
-2-
Editorial Den Weg der ökologischen und gesellschaftlichen Verantwortung angesichts einer weltweiten Herausforderung müssen Wissenschaft und Politik gemeinsam gehen. Was an sich schon schwer genug ist und beim vorliegenden Thema des Treibhauseffektes besonders schwer. Denn beide sprechen keine gemeinsame Sprache. Der Wissenschaftler sucht, um ein ebenso treffsicheres wie erhellendes Bonmot zu übernehmen, die Wahrheit, der Politiker aber die Mehrheit. Ihre Stilmittel sind also grundverschieden. Es dürfte schwerfallen, den seriösen, sich jeglichen Einflüssen entziehenden Wissenschaftler in Verbindung zu bringen mit Sachlichkeitsverlust, Apodiktik, ideologisierender Übertreibung und schnellfüßiger Schuldzuweisung. Das bleibt, auf den ökologischen Streit schlechthin bezogen, in der Regel dem Politiker überlasen. Daß es auch ohne Erosion der Vernunft geht, das beweisen die Autoren Neville Brown und Manfred Horn, deren Beiträge in einer Synthese von globaler Weitsicht und detaillierter Konkretheit sich sinnvoll ergänzen. Um den Treibhauseffekt rankt sich gegenwärtig und das ist das Dilemma - mehr Fatalistisches als ,,Wahrheit". Über Gewißheit, Zeitpunkt, Ausmaß und Konsequenzen gibt es nichts außer einer Fülle von Mutmaßungen. Über das eigene Regelvermögen des Erdklimas weiß man wenig. Die präsentierten Szenarios arbeiten mit ungesicherten Grundannahmen. ,,Man darf's der Öffentlichkeit gar nicht sagen", so der renommierte Klimaforscher Hartmut Grassl im ,,Kursbuch" (Heft 96, 1989), wie simpel man auf dem Sektor (des Versuchs der Berechnung des Treibhauseffektes) vorgeht."
-3-
Das Ungeklärte und Spekulative dominiert. Glaubt der eine Wissenschaftler (im selben ,,Kursbuch"), daß bei gleichbleibender Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoff am Ende des 21. Jahrhunderts eine Reduktion des Ozons um sechs Prozent eintreten werde, so die Erwartung eines anderen, bis zum Jahre 2025 werde ein Ozonschwund von 25 Prozent erfolgen. Aus dem Munde eines respektablen Wissenschaftlers wie James Lovelock ist das Eingeständnis zu hören: ,,Bislang wissen wir noch nicht mit Sicherheit, ob die tropischen Regenwälder für die gegenwärtige Ökologie unseres Planeten lebenswichtig sind" (,,Kursbuch"). Gerade die Kohle fördernden Industriestaaten fordern mit Nachdruck den Schutz der Regenwälder, ohne aber, und das gilt wohl auch für die Bundesrepublik, Konsequenzen für die eigene Kohle als großen Mitverursacher des Treibhauseffektes durch den Ausstoß von Kohlendioxyd zu ziehen. Zu diesen Widersprüchen gesellt sich die vornehmlich in der Bundesrepublik wachsende Inakzeptanz der Kernenergie, zu der es auf absehbare Zeit als wirtschaftlicher und sauberer Energieträger keine Alternative gibt, und die starke Überschätzung der erneuerbaren oder regenerativen Energien (Sonne, Wasser, Wind, Biomasse), deren wirtschaftlich ausschöpfbares und wettbewerbsfähiges Potential allenfalls von ergänzender, nicht aber zentraler Bedeutung sein kann. Also Stoff in Fülle zum Nachdenken in ,,zum nachdenken". H. L.
-4-
zum nachdenken Lesenswerte Beiträge aus Zeitschriften und Büchern für politisch interessierte Bürger als Hilfe zur eigenen Urteilsbildung. Die Schriftenreihe ,,zum nachdenken" erscheint in 3-4 Ausgaben im Jahr als Eigenpublikation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Rheinbahnstraße 2, Postfach 32 20, 65022 Wiesbaden. Die Schrift wird auch als Klassensatz kostenlos abgegeben.
Herausgeber (verantwortlich): Herbert Lilge, Richard-Wagner-Straße 4, 65193 Wiesbaden Druck: Druck- und Verlagshaus Chmielorz GmbH, Ostring 13, 65205 Wiesbaden-Nordenstadt ISSN 0044-5487 / Erscheinungsdatum: November 1989
-5-
Neville Brown Der Treibhauseffekt: eine weltweite Herausforderung Neville Brown, Professor für Internationale Sicherheit an der Universität Birmingham. Der Beitrag erscheint gleichzeitig in The World Today, der Zeitschrift des Royal Institute for International Affairs, London.
Die von Menschen verursachten klimatischen Veränderungen sind nicht gerade ein glänzendes Beispiel für die Verständigung innerhalb der Wissenschaft noch für die Verständigung zwischen ihr und der Öffentlichkeit im allgemeinen. Spätestens seit 1861 finden sich in der wissenschaftlichen Literatur Hinweise darauf, was heute als ,,Treibhauseffekt" bezeichnet wird:(1) die Eigenheit bestimmter, durch die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen und andere wirtschaftliche Aktivitäten entstehender Gase, die von der Erdoberfläche abstrahlende Energie stark zu absorbieren. Um etwa 1978 waren die meisten Fachleute davon überzeugt, daß die so geförderte Erwärmung jeder natürlichen Neigung zur Abkühlung Zuwiderlaufen würde. Dennoch errang dieses Thema erst 1988 mehr allgemeines Interesse; die Reaktion war jedoch auch zu diesem Zeitpunkt teilweise auf die dramatischere Verschlechterung eines parallel laufenden Problems zurückzuführen. Gemeint ist die Verringerung der Ozonschicht in der Stratosphäre, die viel zum Schutz des Lebens auf der Erde vor den kurzwelligen Strahlen aus dem Weltraum beiträgt, durch das künstliche Gas Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW). Die ,,Treibhausgase" haben eben diesen Effekt, weil ihre charakteristische Absorptionsbandbreite - im Spektrum Elektromagnetischer Wellenlängen - nahe an der Höchstemission der von der Erde ausgehenden Strahlen liegt, die hauptsächlich von der Oberflächentemperatur abhängen. Im
(1)
S. B. Idso, What if increases in atmospheric CO2 have an inverse greenbouse effect?, in: Journal of Climatology, Nr. 4/1984, S. 399-409.
-6-
Augenblick verursacht Kohlendioxyd (CO2) 60 Prozent des Treibhauseffekts, Methan etwa 30 Prozent. Die anderen Treibhausgase sind, in absteigender Folge nach ihrer gegenwärtigen Bedeutung, FCKWs, Stickoxyde und das Ozon in geringer Höhe. Unglücklicherweise begann die Meßüberwachung dieser Gase und des Methans ernsthaft erst in den siebziger Jahren. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß die Kohlendioxyde während des nächsten halben Jahrhunderts verhältnismäßig an Bedeutung verlieren werden, wahrscheinlich auf etwa 45 Prozent.(2 Der erste Indikator, der fast immer auf Tendenzen in der Klimaveränderung herangezogen wird, ist die mittlere Lufttemperatur auf Meereshöhe. Global ist jede Veränderung im Temperaturunterschied zwischen dem Äquator und jedem der beiden Pole von höchster Bedeutung. Für den Südpol ist ein genauer Vergleich der Temperatur auf Meereshöhe nicht zu ziehen, da es sich sozusagen um ein Plateau aus Fels und Eis von vier oder fünf Kilometern Höhe handelt. Zur Zeit ist der Nordpol im tiefsten Winter im Mittel 68 Grad Celsius kälter als der Äquator, im Hochsommer 32 Grad. Jede Verringerung in diesem Gefälle verlangsamt mit großer Wahrscheinlichkeit die Zirkulation der Atmosphäre, die von diesem ,,thermischen Antrieb" abhängt. HISTORISCHE PARALLELEN Die Vorhersage von Auswirkungen gegebener klimatischer Veränderungen auf unsere Umwelt ist ein Fach, das noch in den Kinderschuhen steckt.(3) Bis genauere und relevantere Analysen vorliegen, erlaubt die Geschichte einige anschauliche Andeutungen. Im großen und ganzen können in der jüngsten geologischen Geschichte Veränderungen von zehn und mehr Grad über Tausende von Jahren hinweg als in (2) R. E. Dickinson und R. J. Ciccrone, Future global warming from atmospheric trace gases, In: Nature, Nr. 319, 19.1.1986, S. l10-117. (3) vgl. z.B. Martin L. Parry et al., Climate impact analysis in cold regions, in: Nordia, Februar 1984, S. 67-79.
-7-
kritischem Maße anormal angesehen werden. Sie können grundlegende Veränderungen in den Lebensumständen unserer menschlichen und vormenschlichen Vorfahren verursacht haben infolge der dadurch ausgelösten Verlagerung der Klimazonen in Richtung der Pole oder von den Polen weg. In der niedergeschriebenen Geschichte der Menschheit haben Schwankungen von ein oder zwei Grad in einem Zeitraum von mehreren hundert Jahren die Geschicke einzelner Gesellschaften oder Gemeinwesen sichtbar beeinflußt. Graduelle Schwankungen nach oben waren für gewöhnlich günstig. Jegliche Schwankungen nach unten oder zu scharfe Veränderungen in jegliche Richtung scheinen ganz allgemein nachteilige Auswirkungen gehabt zu haben. Beispielsweise entstanden die Reiche der Römer und der Han vor dem Hintergrund eines langanhaltenden Erwärmungstrends, obwohl dieser nur schrittweise und unstet vor sich ging. Dann, einige Jahrhunderte später, im christlichen Zeitalter, stabilisierte sich die Temperatur oder kühlte ab. Zwischen 900 vor Christus und 1300 nach gab es einen mittleren Temperaturanstieg von einem Grad, zumindest in Amerika und Europa. Etwa 10 000 Wikinger siedelten in der ersten Hälfte dieser Phase auf Grönland. In der zweiten Hälfte wurden Hunderte von Städten in Westeuropa gegründet, ebenso große Mönchsorden. Die Scholastik blühte, desgleichen die gotische Architektur. Zur gleichen Zeit hatte die Thule- Kultur der Eskimos in einer sehr weit nördlich gelegenen arktischen Region ihr Zentrum und dehnte sich auf Kosten ihrer Nachbarn aus.(4) Dies korreliert ebenfalls mit regionaler Erwärmung. Es folgten fünf Jahrhunderte einer allgemeinen Abkühlung. Die Wikinger-Kolonien auf Grönland starben 1450 eines einsamen Todes. Zur gleichen Zeit schrumpften auch die landwirtschaftlich nutzbaren Gebiete im Herzland der Wikinger, Skandinavien.(5) Die Regenfälle in China, die die städtischen Abwassersysteme überschwemmten und so den von Ratten übertragenen ,,Schwarzen Tod" verursachten, der von dort aus über Eurasien hinwegging (1348-50), markierte den Beginn eines (4) Jens P. Hart et al., The mummies of Oilakitsoq, in: National Geographic, Februar 1985, S.190-207 (5) M. L. Parry, Agriculture, Settlement and Climatic Change, in: Sources de la Géographie Historique en Belgique, Nr.25- 27, April 1979
-8-
parallel verlaufenden Wandels in Ostasien. Der Trend verstärkte sich im späten 16. Jahrhundert und trug vielleicht dazu bei, daß in Nordeuropa die Renaissance nicht ihre volle Kraft entfaltete. Es wurde die ,,kleine Eiszeit", die die holländischen Maler von Winterlandschaften mit Ehrfurcht und Stolz darstellten und die in zahlreichen anderen zeitgenössischen Quellen festgehalten ist. Der Tiefpunkt kam in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, einer Zeit wirtschaftlicher Malaise und sozialer Spannungen in Europa, deren extremster Ausdruck die durch Kartoffelfäule verursachte Hungersnot in Irland war. Zur gleichen Zeit war im fernen Japan der Bevölkerungszuwachs des späten 17. Jahrhunderts zurückgegangen, da die Kindersterblichkeit infolge der immer größeren Armut in den agrarischen Grenznutzenbereichen stark zunahm. Während dieser fünf Jahrhunderte fiel die Temperatur in den mittleren Breitengraden rasch um einige Grade. Dann folgte in dem Jahrhundert seit 1840 ein Anstieg um ein Grad. Möglicherweise hat diese Verbesserung dazu beigetragen, daß die Mitte des 19. Jahrhunderts (nach der Aufhebung der Getreidegesetze im Jahr 1846) zum ,,goldenen Zeitalter" der britischen Landwirtschaft wurde. Zugleich schritt die weiße Besiedelung der Gebiete, die zu den Kernländern der Supermächte wurden, stetig fort. Dann, zwischen 1940 und 1970, fielen die Temperaturen erneut. Der mittlere weltweite Rückgang betrug 0,3 Grad, in der nördlichen Hemisphäre eher mehr. Eine damit verbundene Verlagerung des südlichen Randes der Sahara in Richtung Äquator zog rasch die Sahelzone in Westafrika in Mitleidenschaft. Gleichzeitig wurde das Wetter auf der Welt, nach dem Urteil vieler Experten, spürbar launischer. Die Monsungebiete im südlichen Asien schienen dafür besonders anfällig. UNTERSCHIEDLICHE AUSWIRKUNGEN Gleichviel haben sich klimatische Veränderungen im Laufe von Jahrhunderten nicht oft als Hauptbestimmungsfaktor für die Veränderungen der Zivilisation herausgestellt. Tatsächlich sind Art und Richtung klimatischer Einflüsse nicht immer leicht
-9-
auszumachen, so zum Beispiel, weshalb die große Expansion der Wikinger sich über den Umschwung von zögernder Abkühlung zu ziemlich heftiger Erwärmung fortsetzte. Darüber hinaus waren die Auswirkungen tendenziell in ländlichen Grenznutzengebieten am klarsten erkennbar, die jedoch selbst zu den besten Zeiten kaum oberhalb des Elends lagen. Außerdem korrelieren mittlere Temperaturtrends überhaupt nicht schön mit anderen klimatischen Indikatoren: Eis, Gesamtniederschlag, Unberechenbarkeit und so weiter. Dennoch kann man wohl mit Sicherheit sagen, daß heutzutage eine lokale Temperaturveränderung von mehr als einem Grad während mehrerer Jahrzehnte mit einiger Wahrscheinlichkeit soziale und politische Auswirkungen hat. Weiterhin werden jegliche Instabilitäten um so schlimmer sein, da die Veränderungen geographisch ungleich verteilt sein werden. Für diese Ungleichgewichte gibt es mehrere Gründe. Einer ist, daß die Hauptklimazonen dazu neigen, sich in Richtung der Pole zu verlagern und umgekehrt, wenn die mittlere Temperatur ansteigt. Ein zweiter ist, daß Temperaturtrends von hemisphärischem oder globalem Charakter mit großer Wahrscheinlichkeit im Bereich der Pole sehr viel stärker auftreten. Dies geschieht hauptsächlich wegen der hohen Reflexion von Eis und Schnee, besonders wenn die Sonne in einem niedrigen Winkel steht. In der Regel werden etwa 90 Prozent des indirekten Sonnenlichts von den polaren Eiskappen abgestrahlt. Daher verstärken sich Ausdehnung oder Schrumpfung der Eiskappen beziehungsweise Schneefelder tendenziell selbst. Dieser Grundsatz gilt besonders für die arktischen Gletscher und die breiten Eisflächen im Meer der westlichen Antarktis. Was den jüngsten globalen Trend angeht, so stieg die mittlere Lufttemperatur auf der Erdoberfläche in den siebziger Jahren um 0,25 Grad an. Parallel dazu ging der Bereich der Eisgebiete im Meer an beiden Polen um etwa zwei Millionen Quadratkilometer zurück. Seither hat sich die Erwärmung fortgesetzt und, wie es scheint, beschleunigt. Die vier wärmsten Jahre zwischen 1860 und 1987 waren die Jahre 1980, 1981, 1983 und 1987. Dies letzte Jahr war das wärmste von allen. 1986 sagte James H. Hansen vom Goddard Institut für Weltraumforschung für die neunziger Jahre einen Anstieg von 0,3 bis 0,5 Grad voraus, mit
- 10 -
weiteren raschen Zunahmen in den darauffolgenden Jahren.(6) Der durchschnittliche Anteil der Kohlendioxyde in der Atmosphäre ist von etwa 280 Teilen pro Million (ppm) im Jahr 1750 auf 3l5 ppm im Jahr 1958 und 335 im Jahr 1980 sowie knapp über 350 im Jahr 1988 angestiegen. Diese Entwicklung zusammen mit dem Trend für andere Treibhausgase ergibt in der Hochrechnung eine ziemlich rasche Beschleunigung des Anstiegs von heute an. Der Hauptbezugspunkt für die Einschätzung der klimatischen Auswirkungen war früher einfach der Zeitpunkt, an dem die Verdoppelung allein des Kohlendioxydanteils erreicht wurde. Heutzutage muß man eine Verdoppelung des Anteils der ,,Kohlendioxydäquivalente"' eine gewichtete Addition aller Treibhausgase, als Grundlage nehmen. Einfache Hochrechnungen zeigen, daß dieser Punkt irgendwann zwischen den Jahren 2030 und 2050 überschritten werden wird. Durch Hochrechnungen im Computer hat sich auch ein einigermaßen stabiler wissenschaftlicher Konsens über die folgenden Annahmen herausgebildet: Das Äquivalent einer Verdoppelung des CO2 würde während der Zeit dieser Zunahme einen mittleren Temperaturanstieg von zwei oder drei Grad bedeuten. Ein weiteres Grad etwa würde in den nächsten 30 oder 40 Jahren festgestellt werden, selbst wenn es zu keiner weiteren Zunahme der Treibhausgase käme.(7) Darüber hinaus scheinen die verschiedenen Programme weitgehend darüber übereinzustimmen, wie sich ein solcher durchschnittlicher Anstieg auf die Breitengrade verteilen würde. Es wäre kaum ein Grad in der Nähe des Äquators, jedoch bis zu fünf Grad im Bereich der Pole. Wie bereits angedeutet, eine Auswirkung solcher Veränderungen ist eine starke Verminderung der thermischen Ströme, die das planetarische Windsystem unterstützen. Eine auf diese Weise geschwächte atmosphärische Zirkulation würde häufig jenen Küstenregionen, die gewöhnlich maritimen Winden ausgesetzt sind, noch mehr Nässe bescheren. Umgekehrt würden die bereits (6)
International Herald Tribune, 12.6.1986. vgl. z. B. Dickinson und Ciccrone, a.a.O. sowie den Aufsatz von M. V. Ingram vom Meteorological Office, Carbon Dioxide and Climatic Models, vorgelegt am 7.7.1988 auf dem Sommertreffen der Royal Meteorological Society an der University of East Anglia (7)
- 11 -
trockeneren kontinentalen Gebiete noch trockener werden. Gleichzeitig könnte die Thermik weniger dazu beitragen, unberechenbare Tendenzen auszugleichen; eine Folge wären zahlreichere ,,Ausbrüche" nicht jahreszeitgemäßer Wetterlagen innerhalb bestimmter Temperaturzonen sowie die offenere Wanderung der tropischen Wirbelstürme, die Hurrikane, Taifune und Zyklone. Hinzu kommt, daß nur geringe Zunahmen (vielleicht nur Bruchteile von Graden) in der Temperatur tropischer Meere die Zahl solcher Störungen wahrscheinlich erheblich erhöhen und ihre saisonale Streuung erweitern. Eine weitere Folge wäre eine Verlagerung des subtropischen Gürtels von Hochdruckzonen in Richtung der Pole, was eine Abnahme der Regenfälle zwischen dem 25. und 35. Breitengrad mit sich brächte. Dies könnte wiederum die Schwierigkeiten bei der Lösung der beiden kritischen regionalen Konflikte erschweren: des Konflikts zwischen den Israelis und den Palästinensern und den Konflikt rund um Südafrika. FORTBESTEHENDE UNSICHERHEITEN Sicher scheint, daß die verschiedensten Fragen weiter auf Klärung warten werden, zum Teil bis mächtigere Computer entwickelt werden. Die Modelluntersuchungen über die Auswirkungen von Veränderungen in der Luftfeuchtigkeit und der Wolkendecke auf verschiedenen Höhen muß noch sehr viel besser ausgefeilt werden. Ebenso zeigen die verfügbaren Modelle für Zirkulation hinsichtlich der Unterschiede in den Auswirkungen globaler Erwärmung entlang der Längengrade sehr verschiedene Ergebnisse. Die sich daraus ergebenden Unsicherheiten wirken sich besonders auf die gemäßigten Breitengrade aus. Wird sich das Wetter in Westeuropa stärker ändern als das im amerikanischen Getreidegürtel und so weiter? Wie werden die Niederschläge genau verteilt sein? Welche Unterschiede auch immer auftreten, sie rühren letztlich von der Komplexität der atmosphärischen interregionalen Zirkulation her, eine Charakteristik, die sich besonders in langzeitlichen Korrelationen äußert, die als ,,Fernzusammenhänge" (teleconnections) bekannt sind.
- 12 -
Bemerkenswert ist unter ihnen die südliche Oszillation, das heißt, die Tendenz des Luftdrucks in einer breiten Zone rund um Darwin, sich umgekehrt zu derjenigen einer anderen breiten Zone in der Gegend von Tahiti zu verhalten. Außerdem steht dieser ganze Mechanismus in enger Verbindung mit El Niñio, der erwärmenden Beeinflussung des kalten Meeresstroms bei Peru. Darüber hinaus zeigen sich Verbindungen mit den Wassertemperaturen im westlichen Bereich des mittleren Pazifik, eines der Meeresgebiete, in dem ein Anstieg von auch nur einem halben Grad bereits eine entscheidende Zunahme in konvektiver Niederschlagsaktivität oder der Entstehung von Taifunen in der darüberliegenden Atmosphäre auslösen. Der dadurch lokal stärker anfallende Niederschlag kann denjenigen im südostasiatischen Monsun verringern. Es ist zu hoffen, daß das Internationale Raumfahrtjahr (ISY), das 1992 stattfinden soll, den Fortschritt hin zu einem umfassenden Verständnis solcher ,,Fernzusammenhänge" beschleunigt. Die Gründungskonferenz des ISY fand im August 1987 auf Hawaii statt. Bis April 1988 haben sich 16 Nationen und die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) zur Teilnahme gemeldet. Ein zentrales Thema wird eine ,,Mission Planet Erde" sein, ein integriertes Programm standardisierter Beobachtungen, hauptsächlich zur Einschätzung der Belastung, die die Menschheit auf die Umwelt ausübt. Es steht ebenfalls zu hoffen, daß das ISY einige der recht kritischen Unsicherheitsmargen, die noch immer im Bereich des weltweiten klimatischen Verhaltens bestehen, beseitigen kann. Herausragend darunter ist die Frage: Was genau sind die Auswirkungen von all den Kohlendioxyden, die durch die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen (Erdgas, Öl, Kohle, Braunkohle, Pech und nicht zuletzt Holz) entstehen, und was geschieht mit ihnen? Zwischen 1958 und 1980 hätten 85 Milliarden Tonnen CO2 anfallen müssen. Es sind bisher jedoch nur etwa 50 Milliarden Tonnen (zusätzlich zum natürlich entstandenen) auch tatsächlich in der Atmosphäre verblieben. Dieses Rätsel aufzulösen wird besonders wichtig sein für die Vorhersage, wie sich der Treibhauseffekt auf längere Sicht, in den nächsten 50 bis 100 Jahren, entwickelt. Zur Zeit gibt es rund 700 Milliarden Tonnen atmosphärisches CO2. Etwa die gleiche Menge ist in lebenden
- 13 -
Pflanzen verschlossen, eine weitere Milliarde Tonnen steckt in Tieren. Gleichzeitig werden nicht weniger als 35 000 Milliarden Tonnen in den Ozeanen vermutet, einige Prozent schlicht in Form gelöster Gase, der Rest jedoch in Karbonaten und Bikarbonaten. Diese Verteilung birgt einige Fragen. Was geschieht mit all dem Kohlendioxyd, das durch Rodung freigesetzt wird? Haben große Entwaldungen in Europa die Erwärmung im Mittelalter verursacht? Was ist mit der bevorstehenden Beinahe-Auslöschung der Regenwälder, die jetzt wohl zu erwarten ist? Wann wird dieser umwälzende Wandel effektiv abgeschlossen sein? Wird er sich auch direkt auf den globalen Wasserzyklus auswirken? Wie rasch können die Meere das zusätzliche CO2 absorbieren? Welche Rolle werden die Karbonate und Bikarbonate dabei spielen? Welche Schwelleneffekte können entstehen? Was ist mit den anderen Treibhausgasen? Könnte ein stärkeres Bewußtsein für all diese Variablen zu dem Schluß führen, daß die Treibhauserwärmung rascher vorangehen wird als der gegenwärtige Konsens vorhersagt, obwohl bereits diese Vorhersage fünf- oder zehnmal raschere Entwicklungen annimmt, als es sie je in der Geschichte gegeben hat? Ein Teil des Problems ist, daß es noch einige Jahre dauern wird, bis man über den Massetransport erwärmten Wassers in den Meeren genug weiß.(8) Komplizierend kommt hinzu, daß, bis zu einem gewissen Punkt, das Vorhandensein von zusätzlichem CO2 in der Luft das Wachstum bestimmter Pflanzen fördert. Darunter befinden sich die Hauptgetreidesorten und Kartoffeln, ebenso jedoch verschiedene Unkräuter.
(8)
S. G. H. Philander, General circulation models of the ocean, in: Howard Cattle (Hrsg.), Atmospheric and oceanic variability, Bracknell: Royal Meteorological Society, 1987, S. 105-116.
- 14 -
NATÜRLICHE FAKTOREN Es gibt weiterhin bestimmte natürliche Tendenzen, einige davon sind schwer vorherzusagen, die das Eintreten des ,,Treibhauseffekts" entweder begünstigen oder verzögern. Darunter befinden sich Veränderungen in der Neigung der Erde und ihrem Orbit, die sich zyklisch über Zehntausende von Jahren erstrecken. Die Korrelation zwischen diesen und den klimatischen Veränderungen wurde schon vor einem Jahrhundert erstmals erörtert. Aber seit eine gründliche Überprüfung der Fakten (die über 600 000 Jahre zurückgehen) in den ersten vier Jahrzehnten dieses Jahrhunderts von dem serbischen Wissenschaftler Milutin Milankowic vorgenommen wurde, haben die meisten Interessierten akzeptiert, daß der zusammengefaßte natürliche Trend, in jüngster Zeit und für die nächsten Jahrhunderte, auf eine Abkühlung gerichtet ist. Dies geschieht aufgrund der Ausweitung der Eisfelder, da die Temperatur unterschiede zwischen Sommer und Winter abnehmen. Die hier gewonnene Erkenntnis ist, daß kühlere Sommer ein geringeres Abschmelzen in hohen Breitengraden bedeuten, während entsprechend in wärmeren Wintern mehr Schnee fällt. Es besteht kein Zweifel, daß der von Milankowic festgestellte Trend das ,,Treibhaus" für einige Zeit überdeckte. Es besteht außerdem kein Zweifel, daß auch Asche aus vulkanischen Explosionen in den frühen achtziger Jahren zu diesem Überdecken beitrug, indem sie die Sonneneinstrahlung verminderte. Besonders im Jahr 1982 gab es einige Eruptionen, deren stärkste, die des El Chichun in Mexiko, in sehr große Höhen vorstieß. Es ist möglich, daß weitverbreitete dauerhafte vulkanische Aktivität den Rückgang der Temperaturen um 1300 beschleunigt hat. Noch vor kurzem zögerten Klimaforscher in China zu akzeptieren, daß das derzeitige Problem eine Erwärmung der Atmosphäre und nicht eine Abkühlung sei. Einige von ihnen erklärten, daß zunehmende vulkanische Aktivität seit etwa 1960 sichergestellt habe, daß eine Abkühlung das Hauptproblem bleibe.(9) (Ein Zyniker könnte vermuten, daß diese Erklärung dazu beitragen (9)
Vgl. das Papier von Ku Qun in: Abstracts of the conference on the variability of the atmospher on time scales of a month to several years, Bracknell: Royal Meteorological Society, 1986, S.77.
- 15 -
könnte, Chinas extrem verschwenderische Verbrennung von Kohle zu entschuldigen.(10)) In der Regel lassen selbst vulkanische Explosionen in großen Höhen tatsächlich nicht viel Staub für länger als ein oder zwei Jahre zurück. Daneben ist die Annahme, daß wir uns in einem Zeitalter des Vulkanismus befinden, wahrscheinlich alles andere als richtig. Die Beobachtungen zeigen, daß die Vulkane nach ein paar großen Eruptionen für gewöhnlich wieder über Jahrzehnte ruhig bleiben. Vom interstellaren Raum weiß man, daß er von dünn gestreuter dunkler Materie durchflutet ist. Daher ist es wahrscheinlich, daß das Sonnensystem periodisch durch etwas dichtere Ansammlungen dieses Materials treibt, was die Strahlung verringert, die auf jeden seiner Planeten einwirkt. Dies könnte leicht auch Auswirkungen auf so epochale klimatische Veränderungen wie den Beginn der Eiszeit des Pleistozän vor einer Million Jahren oder der Trockenheit in den ostafrikanischen Ebenen im Pliozän zehn Millionen Jahre zuvor gehabt haben. Jede Episode beeinflußte auf ihre Weise die Evolution. Gleichviel wird dieser Faktor während des nächsten Jahrhunderts kaum irgend etwas stark beeinflussen. Ein weiterer Einflußfaktor, mit dem man rechnen muß, sind anscheinend willkürliche Fluktuationen in der Strahlungsenergie der Sonne, die mehr oder weniger unabhängig vom Zyklus der Sonnenflecken auftreten können. Seltsamerweise sind in diesem Falle keine Vorhersagen möglich, weil wir zu weit in die Zukunft sehen müssen. Veränderungen im Fluß der aus dem inneren Schmelzofen der Sonne kommenden gewichts- und masselosen Partikel, die wir als Neutronen kennen, zeigen Veränderungen in der Hitze dieses Ofens an; sie werden auf der Erde fast augenblicklich wahrgenommen, weil sie mit erstaunlicher Leichtigkeit durch nahezu alle Materie dringen. Jedoch benötigen die dazugehörigen Energiephotonen Hunderttausende von Jahren, um durch die Oberfläche der Sonne zu brechen und von dort abzustrahlen. Man kann daher lediglich sagen: Es ist aufgrund früherer Erfahrungen unwahrscheinlich, daß wir im nächsten Jahrhundert eine generelle Veränderung im Niveau der Sonnenenergie erleben, die ausreichen würde, um in irgendeiner (10)
Vaclav Smil, The Bad Earth, London 1984, S. 116 f.
- 16 -
Weise auf das ,,Treibhaus" einzuwirken - trotz der Tatsache, daß die Sonnenstrahlung in jüngster Zeit etwas geringer geworden ist. Es bleibt der Eindruck, daß der Treibhauseffekt in den neunziger Jahren einen guten Teil weniger effektiv überdeckt oder verzögert werden wird, als dies in der jüngsten Vergangenheit der Fall war. Wenn dies so ist, wird es tatsächlich zu einem plötzlichen Temperaturanstieg kommen, ganz so wie die Vorhersage des Goddard Instituts für Weltraumforschung aufzeigt (siehe oben). Darüber hinaus werden die Auswirkungen einen frühen Höhepunkt etwa 1991/92 haben, einer Zeit großer Aktivität der Sonnenflecken. Die Zusammenhänge zwischen der Aktivität der Sonnenflecken und dem Wetter auf der Erde sind immer komplex und problematisch. Dies liegt zum Teil darin begründet, daß Sonnenflecken zwar ein Ausdruck der zyklischen Zunahme von Sonnenaktivität sind, die Oberfläche jedes einzelnen jedoch relativ kühl und dunkel ist, wobei ein Sonnenfleck im Grunde ein Wirbel aufsteigenden und sich ausdehnenden Gases ist. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß der Höhepunkt ihrer Aktivität 1991/92 die Temperaturen auf der Erdoberfläche zeitweilig etwas rascher steigen lassen wird, während dadurch gleichzeitig das Auftreten sowohl von sengenden Dürren als auch übermäßig nassen Jahreszeiten zunimmt. VERÄNDERUNGEN DER MEERESHÖHE Die Entwicklungen werden dafür sorgen, daß klimatische Veränderungen weit oben auf der planetarischen Tagesordnung stehen. Dem muß noch die aus dieser Entwicklung folgende Bedrohung durch einen Anstieg der Mittleren Meereshöhe (MSL) hinzugefügt werden, wenn das Eis schmilzt und das Wasser der Meere sich bei höheren Temperaturen ausdehnt. Komplizierend ist hier, daß der Koeffizient der Ausdehnung durch Erwärmung des Wassers sich mit zunehmender Temperatur dramatisch erhöht. Er beträgt 0,53 Teilchen pro 10 000 je Grad zwischen 5 und 10 Grad, jedoch 3,02 Teilchen zwischen 20 und 40 Grad. Daher könnte der Ausdehnungseffekt jeglicher Erwärmung um so größer sein, je weniger gleichmäßig diese Erwärmung verteilt ist. Unsicherheiten über solche Entwicklungen müssen unter den gegebenen
- 17 -
Treibhausbedingungen denen über das Ausmaß der Eisschmelze hinzugefügt werden. Ein Anstieg des MSL von 25 bis zu 40 Zentimetern scheint zwischen 1985 und 2025 möglich, worauf ein ebenso großer Zuwachs bis 2060 folgen könnte.(11) Demnach wird dieser Trend sich zunehmend beschleunigen, wenn (beim Ausbleiben von Korrekturmaßnahmen) der Treibhauseffekt insgesamt an Tempo zunimmt. In einigen Küstengebieten wird der Trend entweder behindert oder verstärkt werden durch isostatische Verlagerungen der betreffenden Landmasse, jeweils nach oben oder nach unten. So sinkt die südöstliche Küste Englands gegenwärtig mit einer Rate von 20 Zentimetern in 40 Jahren. Ein Nettoanstieg der Mittleren Meereshöhe um einen halben Meter oder mehr würde für gewöhnlich eine unheilvolle Zusatzbelastung auf Küstenschutzsysteme ausüben, die die niedrigliegenden und dichtbesiedelten Küstenregionen schützen. Ein Anstieg von zwei Metern etwa würde drastische Neubaumaßnahmen erfordern. Die Tendenz zu unberechenbareren Wetterlagen würde zwingend die Gefahren verstärken. GEGENSTRATEGIEN 1987 hat das World Resources Institut in Washington Hochrechnungen der Temperaturveränderungen infolge des ,,Treibhauses" veröffentlicht, wobei jede Hochrechnung an eine andere Gegenstrategie geknüpft ist. Im Szenario des ,,langsamen Zuwachses" wurden ,,starke globale Anstrengungen" in dieser Richtung über die gesamte Periode hinweg bis zum Jahr 2075 zugrunde gelegt. Die Nutzung von Energie würde weiterhin zunehmend effizienter werden, der durchschnittliche Gewinn läge bei 1,4 Prozent pro Jahr. Sowohl der Kernkraft als auch der Solarenergie werden hohe Priorität eingeräumt, während die Förderung von Kohle (deren Verbrennung immer eine große Menge von Kohlendioxyd freisetzt) (11)
John S. Hoffmann, Estimates of future sea level rises, in: Michael C. Barth und James G. Titus (Hrsg.), Greenhouse effect and sea level rise, New York 1984, S. 79103.
- 18 -
um fünf Prozent pro Jahr bis zum Ende dieses Jahrhunderts zurückgenommen wird. Auch die Wiederaufforstung und der Schutz des Ökosystems würde weltweit stark betont werden. Selbst wenn dann der Ausstoß an Kohlendioxyd um über die Hälfte zurückginge, betrüge der mittlere Temperaturanstieg bis 2075 noch zwischen 0,9 und 2,7 Grad, wobei die breite Spanne der Möglichkeiten damit zusammenhängt, daß das Zieldatum 90 Jahre entfernt liegt. Doch offensichtlich bedeutet der angenommene mittlere Temperaturanstieg von 1,8 Grad, daß die klimatischen Veränderungen noch immer unangenehm rasch und radikal wären.(12) Es besteht auch keine wirkliche Aussicht auf eine Drosselung der Kohleproduktion in einem so rigorosen Mäße wie hier angenommen. Zudem wäre auch die Ausweitung alternativer Energiequellen mit Problemen gepflastert, von den Vorlaufzeiten für Entwicklung und Investition bis zu grundlegenden politischen Vorbehalten. Auch können die Dinge nicht durch solch ,,technologische Patentlösungen" wie der Rückgewinnung freien Kohlendioxyds gelöst werden, das in Kraftwerken entsteht, und seine Verbringung in die Tiefen des Ozeans. Während dieses Rezept die CO2-Emission um nahezu ein Drittel verringern könnte, würde es den Strompreis um vielleicht drei Fünftel ansteigen lassen. (13) Was am Ende noch übrig bleibt, ist eine Wiederbelebung des Interesses an den ,,Grenzen 10 des Wachstums", eines der Themen, das noch vor 20 Jahren so modern war. Die Wahrscheinlichkeit dieser Entwicklung wird durch eine andere unübersehbare Realität begünstigt. Selbst wenn das Klima der Erde dazu bestimmt wäre, während dieses kommenden Jahrhunderts einigermaßen stabil zu bleiben, bleiben wir dennoch, so wie die Dinge stehen, auf dem Kurs in eine ökologische Krise; eine in ihrem Charakter mannigfaltige und im Ausmaß massive Krise. Die zunehmende Ausrottung von Pflanzen- und Tierarten (vielleicht mehrere tausend, die bis zur Jahrhundertwende ausgestorben sein werden?) ist Beweis genug dafür. (12)
Irving M. Minizer, A matter of degrees, the potential for controlling the greenhouse effect, Washington 1987, S.23 f. und Tabelle 15. (13) Fred Pearce, How to stop the greenhouse effect, in: The New Scientist, 18.9.1989, S.29 f. 11
- 19 -
Manfred Horn Energiepolitik im Zeichen einer möglichen Klimakatastrophe Dr. Manfred Horn, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin.
Der mögliche ,Treibhauseffekt" von steigenden Spurengaskonzentrationen der Atmosphäre wird von Experten seit Jahrzehnten diskutiert.(1) In den letzten Jahren ist dieses Risiko auch von einer breiten Öffentlichkeit und von der Politik wahrgenommen worden. Erste Maßnahmen zur Eindämmung der Emissionen von Fluorchlorwasserstoffen sind im Montreal-Protokoll vereinbart worden(2). Entsprechende Maßnahmen zur Verminderung der CO2- Emissionen (CO2 - Kohlendioxyd) stehen noch aus. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, den Anstieg der CO2- Konzentration in der Atmosphäre zu verringern, indem die Rodung der tropischen Regenwälder, die bisher einen Teil des Kohlenstoffgehalts der Luft absorbieren, durch Verknüpfung der Kreditzusagen an die betreffenden Entwicklungsländer mit entsprechenden Auflagen gestoppt wird. Eine solche Maßnahme reicht aber nicht aus, um das Risiko einer Klimakatastrophe auszuschalten. Dazu muß außerdem die Verfeuerung fossiler Brennstoffe, insbesondere von Kohle, weltweit vermindert werden. Hier sind aber vor allem die Industriestaaten in der Pflicht. Wenn ihre Forderung, die tropischen Regenwälder zu erhalten, nicht als neokoloniale Einmischung in die inneren Angelegenheiten der betroffenen Entwicklungsländer erscheinen soll, müssen sie zunächst einmal prüfen, welche Konsequenzen sie aufgrund der CO2- Problematik für ihre eigene Energiepolitik ziehen müssen. Als kritischen Grenzwert, bei dessen Erreichen dramatische Klimaveränderungen erwartet werden, gilt (1)
Vgl. z.B. H. D. Freyer und K. Wagner, Gestörter Kohlendioxidhaushalt der Atmosphäre. S. 40-43, in: Jahresbericht 1972 der Kernforschungsanlagen Jülich, und Karl Erik Ziemen und E K. Altenheim, The Future Burden of Industrial CO2 on the Atmosphere and the Oceans, in: Naturwissenschaft, 60. J., H. 4, 1973 (2) Text in: EA 18/1988, S. D 514 ff.
- 20 -
eine CO2- Konzentration der Atmosphäre von 400 bis 500 ppm (parts per million).(3) Von Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis heute ist die CO2Konzentration der Atmosphäre von 280 auf 350 ppm angestiegen.(4) Selbst wenn der Verbrauch fossiler Brennstoffe künftig jahresdurchschnittlich nur noch um ein bis zwei Prozent ansteigt, dürfte der kritische Konzentrationsbereich noch in der ersten Hälfte des kommenden Jahrhunderts überschritten werden.(5) Um drastische Klimaveränderungen auszuschließen, müßte ab sofort der Verbrauch von fossilen Brennstoffen reduziert werden, und zwar etwa auf ein Drittel des heutigen Verbrauchs innerhalb von 50 Jahren.(6) Da der Umfang der globalen Klimawirkungen von CO2-Emissionen, vor allem aber die regionalen Auswirkungen unsicher sind, könnten jedoch viele Staaten eine Folgenminimierungsstrategie einer Vermeidungsstrategie vorziehen. Nur wenn wirtschaftlich verkraftbare Übergangsstrategien aufgezeigt werden können, besteht die Chance, daß die notwendige Umstrukturierung der globalen Energieversorgung noch rechtzeitig vollzogen wird.
DIE ENTWICKLUNG DES GLOBALEN ENERGIEVERBRAUCHS Der weltweite kommerzielle Primärenergieverbrauch betrug im Jahre 1987 über 7,8 Mrd. t Öleinheiten (= Energiegehalt einer Tonne Öl), (3) Klaus Heinloth, Bedrohliche Eingriffe in die Atmosphäre erzwingen Weltweit Veränderungen bei Bereitstellung und Nutzung von Energie. S. 66-78, in: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (DGS) u. Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH (Hrsg.), 6. Internationales 19 Sonnenforum 1986, Tagungsbericht Band 1 (4) Vgl. Gundolf H. Kohlmeier, Zeitliche Entwicklung des globalen Kohlenstoffzyklus unter Berücksichtigung verschiedener Energie und Landnutzungsszenarien. Vortrag am 24. 9. 1988 anläßlich der Tagung ,,Eingriffe des Menschen in die Stoffkreisläufe der Natur", veranstaltet von der Evangelischen Akademie Arnoldshain (5) Vgl. auch Amory B. Lovins, L. Hunter Lovins, Florentin Krause, Wilfrid Bach, Energy Strategy for Low Climatic Risks, Berlin 1981, Tabelle 1.1., S.6 (6) Vgl. Klaus Heinloth, a.a.O., S.70
- 21 -
das entspricht gegenüber dem Wert im Jahre 1970 (5,2 Mrd. t Öleinheiten) einem Anstieg um etwa die Hälfte beziehungsweise über zwei Prozent pro Jahr. Gegenüber den sechziger Jahren ist das Verbrauchswachstum in etwa halbiert worden. Einen erheblichen Einfluß dürften hierbei die beiden Ölpreiskrisen sowie die dadurch ausgelöste allgemeine Energie-Verteuerung gehabt haben. Dies hat Anfang der achtziger Jahre zu einem Rückgang des Ölverbrauchs und im Jahr 1981 auch zu einer Stagnation des Primärenergieverbrauchs geführt. Inzwischen sind aber bei allen Energieträgern wieder kräftige Verbrauchszuwächse zu verzeichnen. Nach den Ergebnissen der meisten globalen Prognosen wird der weltweite Primärenergieverbrauch auch langfristig mehr oder weniger stark steigen. Nach der oberen Variante der letzten Prognose der Weltenergiekonferenz(7) könnte er in den kommenden Jahren bis zur Jahrhundertwende sogar wieder beschleunigt zunehmen. Danach flachen die Wachstumsraten zwar nach und nach ab, bis zum Jahr 2060 soll aber immerhin ein globaler Primärenergieverbrauch von 21 bis 33 Mrd. t Öleinheiten pro Jahr erreicht werden, das entspricht gegenüber den heutigen Werten einer Verdreifachung bzw. Vervierfachung. Eine solche Verbrauchsentwicklung würde aber schon vor diesem Zeitpunkt eine kritische CO2-Konzentration in der Atmosphäre herbeiführen. Dazu trägt auch bei, daß nach den Prognosen der Weltenergiekonferenz der Kohleverbrauch, der mit besonders großen CO2-Emissionen verbunden ist, sich bis zum Jahr 2030 gegenüber dem heutigen Stand mindestens verdoppeln soll.
ALTERNATIVE STRATEGIEN In den letzten Jahren sind einige alternative Energiestrategien vorgeschlagen worden, mit deren Hilfe das CO2-Problem grundsätzlich gelöst oder zumindest erheblich gemildert bzw. zeitlich hinausgeschoben werden könnte. Es handelt sich dabei insbesondere um folgende Konzepte: (7)
Vgl. World Energy Conference, Jean-Romain Frisch, Future Stresses for Energy Resources, Energy Abundance: Myth or Reality? London 1986
- 22 -
- Solare Wasserstoffenergiewirtschaft, - Horizontal integrierte Energieversorgung, - Extremes Energiesparen, Starkes Energiesparen mit begrenzter Kernenergienutzung, Verminderung des Kohleeinsatzes und erhöhter Rolle des Naturgases, - Extreme Gasexpansion. Solare Wasserstoffenergiewirtschaft Die Idee, Wasserstoff mit Hilfe der Sonnenenergie in dafür günstigen Regionen zu erzeugen, in die Verbrauchszentren zu transportieren und dort fast schadstoffrei zu verbrauchen, ist sicherlich faszinierend. In absehbarer Zeit ist jedoch nicht damit zu rechnen, daß ein solches System einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung Westeuropas leisten könnte. Die Stromerzeugungskosten von solarthermischen Kraftwerken liegen heute noch in der Größenordnung von 1,20 bis 1,50 DM je kWh (Solarturmanlagen). Unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren erreichten Verbesserungen könnten nach dem heutigen Stand der Technik theoretisch bereits Stromerzeugungskosten von 50 bis 60 Pfennigen je kWh erreicht werden,(8) das wären aber immer noch wesentlich höhere Stromerzeugungskosten als von Kernkraftwerken und Steinkohlenkraftwerken. Dabei ist nicht berücksichtigt, daß Solarstrom nicht synchron mit dem Energiebedarf in Westeuropa anfällt und demzufolge zusätzliche Speicherkosten entstehen. Die Kosten von Aufwind- und Photovoltaikanlagen sind noch höher als diejenigen von Solarturmanlagen. Zu den hohen Kosten der solaren Stromerzeugung kommen bei Aufbau einer solaren Wasserstoffwirtschaft noch Kosten für die Wasserstoffgewinnung und den Wasserstofftransport hinzu. Langfristig könnte ein solches Energiesystem nur konkurrenzfähig werden, wenn technologische Durchbrüche erzielt werden und die (8)
Vgl. Ad-hoc-Ausschuß beim Bundesminister für Forschung und Technologie, Solare Wasserstoffenergiewirtschaft, Gutachten und wissenschaftliche Beiträge, Bonn, April 1988, S. 72
- 23 -
Preise der Konkurrenzenergien kräftig steigen. Wahrscheinlich wird aber der Wettbewerb zwischen Wasserstoff und konventionellen Energiesystemen in absehbarer Zeit dem Wettlauf zwischen Hase und Igel gleichen, bei dem der vergleichsweise unscheinbare Igel die konventionellen Energiesysteme - Sieger bleibt. Auch bei letzteren sind nämlich technologische Verbesserungen möglich, beispielsweise durch die Einführung von Gas-Dampf- Kombianlagen in der Stromerzeugung. Auch ist - wie gezeigt wurde - keineswegs sicher, daß die Energiepreise langfristig stark anziehen, und wenn doch, so würden wegen des hohen Verbrauchs energieintensiver Materialien (Beton und Glas usw.) zum Aufbau einer solaren Wasserstoffwirtschaft die spezifischen Investitionskosten solcher Anlagen steigen. Zum Aufbau einer solaren Wasserstoffwirtschaft müßte weltweit die Produktion energieintensiver Materialien wie Glas, Beton und Eisen mehr oder weniger stark erhöht werden. Zumindest in den ersten Aufbaujahren wird mehr Energie verbraucht als produziert, so daß der Energieverbrauch insgesamt deutlich steigen dürfte. Damit wird aber das CO2-Problem zunächst noch verschärft. Wenn es nicht gelingen sollte, die Nutzungsdauer der Solaranlagen auf mindestens 30 Jahre zu erhöhen und das Recycling der in diesen Anlagen gebundenen Rohstoffe weit über das heute übliche Maß hinaus zu steigern, könnte dieser Effekt mehrere Jahrzehnte anhalten.(9) HORIZONTAL INTEGRIERTE ENERGIEVERSORGUNG (NHIES) Die Kernforschungsanlage Jülich arbeitet am Konzept eines sogenannten ,,Neuartigen Horizontal Integrierten Dieses Konzept ist als Energiesystems (NHIES)".(10) Übergangsstrategie zu einem weltweiten Energiesystem auf Basis von Sonnen- und Kernenergie mit den Endenergieträgern Strom und (9) Vgl. Carl-Jochen Winter und Joachim Nitsch (Hrsg.), Wasserstoff als Energieträger, Technik-Systeme-Wirtschaft, Berlin usw. 1986, S. 309 ff (10) Vgl. W. Häfele, D. Martinsen, M. Walbeck: Systemanalyse einer WasserstoffEnergiewirtschaft. S. 314- 340, in: DECHEMA - Monographien, Bd. 106: Wasserstoffwirtschaft -Herausforderung für das Chemiewesen. Vorträge vom 23. Tutzing-Symposium in der DECHEMA vom 10. bis 13. März 1986.
- 24 -
Wasserstoff gedacht. Dazu sollen die fossilen Energieträger mit Hilfe von Hochtemperaturreaktoren und Schnellen Brütern hauptsächlich in Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Methan zerlegt und anschließend in unterschiedlichen Konversionsverfahren zu den nachgefragten Energieträgern verarbeitet werden, etwa zu Methanol. Dadurch könnte der Kohlenstoffgehalt des Energieumsatzes und dementsprechend auch der Umfang der CO2-Emissionen vermindert werden. Grundsätzlich wäre es sogar möglich, mit einem solchen System Emissionen von SO2, NOx (Schwefeldioxyd, Stickstoffoxyd) und CO2 völlig zu vermeiden. Auch ein solches Konzept ist in der für die Lösung des CO2Problems vorgegebenen kurzen Zeitspanne kaum realisierbar. Zum einen fehlt zumindest in der Bundesrepublik Deutschland auf absehbare Zeit die hierfür erforderliche Akzeptanz der Kernenergie. Zum anderen dürfte eine solche Strategie einen starken Energiepreisanstieg voraussetzen. Die Wirtschaftlichkeitsschwelle einer Strategie zur Veredelung fossiler Energiequellen dürfte bei 40 bis 50 Dollar je Barrel Öl liegen (Preisstand 1980). Das NHIES stellt aber höhere technische Anforderungen als eine einfache Veredelungsstrategie und dürfte daher noch größere Preissteigerungen benötigen. Zumindest bis Ende der neunziger Jahre ist eine solche Entwicklung äußerst unwahrscheinlich. Träte sie aber dennoch ein, so würden dadurch zunächst kostengünstigere Strategien begünstigt. Insbesondere könnte die Ausbeutung der Erdgasressourcen und der Aufbau von globalen Transportinfrastrukturen für Gas beschleunigt werden. Extremes Energiesparen Amory B. Lovins hat zusammen mit anderen Ökologen im Juni 1981 dem Umweltbundesamt in Berlin eine Studie vorgelegt,(11) in der nachgewiesen wird, daß der Weltenergieverbrauch bei anhaltender Wohlstandsmehrung durch Energieeinsparungen und durch effizienten Einsatz regenerativer Energien langfristig erheblich gesenkt werden könnte, und zwar auf 3,9 Mrd. t Öleinheiten im Jahre (11)
Vgl. Amory B. Lovins et al., a.a.O.
- 25 -
2030 und 2,7 Mrd. t Öleinheiten im Jahre 2080. Dazu sind keine technologischen Durchbrüche notwendig. Es würde vielmehr genügen, bei der Erneuerung des Anlagenbestandes die heute verfügbaren besten Energiespartechniken zu nutzen, deren Investitionskosten sich innerhalb ihrer Nutzungsdauer amortisieren. Außerdem begünstigen folgende Annahmen hohe Energieeinsparungen: - Die Bevölkerung der Erde soll nach dem Jahr 2030 nicht weiter zunehmen und auf einem Stand von etwa acht Milliarden Menschen verharren. - Der Trend zu einer steigenden Urbanisierung in den Entwicklungsländern wird gestoppt oder zumindest stark abgeschwächt. Allein diese Annahme führt zu einer Senkung des spezifischen Energieverbrauchs um etwa 30 Prozent.(12) - Es wird ein starker Strukturwandel zu Lasten der Güterproduktion und zugunsten von Dienstleistungen unterstellt. (Die strukturelle Energieintensität des Bruttosozialprodukts der Industrieländer soll von 1975 bis 2030 um 35 Prozent sinken.) Die Verwirklichung einer solchen Strategie mag unter technischökonomischen Gesichtspunkten möglich sein. Sie setzt aber auch grundlegende kulturelle und politische Veränderungen voraus. Umberto Colombo und Oliviero Bernardini haben dies in ihrer Studie, in der sie zu ähnlichen Schlußfolgerungen wie Lovins kommen, sehr klar formuliert: ,,In unserem Szenario nehmen wir an, daß unsere Gesellschaften schon jetzt oder bald sozial ausreichend reif sind, so daß sie ein Kontrollsystem, das auf ein dezentralisiertes Lebenskonzept angewandt wird, akzeptieren können, Ohne dies ist es schwierig sich vorzustellen, wie die Dezentralisierung von Energiesystemen und Entscheidungsfindung im allgemeinen irgend einen Erfolg oder einen Sinn haben sollte."(13)
(12)
Ebenda, S.59 f. Umberto Colombo und Oliviern Bernardin, A Low Energy Growth Scenario and the Perspectives for Western Europe. Report prepared for the Commission of the European Community. Panel on Low Energy Growth, Juli 1979, S. 153.
(13)
- 26 -
Das extrem starke Energiesparen im Lovins- Szenario würde eine weitgehend autarke Energiever-sorgung nicht nur der Entwicklungsländer, sondern auch der heute stark importabhängigen Industriestaaten ermöglichen. Eine solche Entwicklung hätte aber katastrophale finanzielle Konsequenzen für die Energieexportländer im Mittleren Osten, in Afrika, Lateinamerika und Asien. Das Welthandelsvolumen würde entsprechend dem Anteil, den der Energiehandel daran hat, um - bei dem heute niedrigen Energiepreisniveau - etwa zehn Prozent abnehmen.
Starkes Energiesparen bei erhöhtem Gaseinsatz Jose Goldemberg, Thomas B. Johansson, Amulya K. N. Reddy und Robert H. Williams haben im Jahr 1985 ein globales Energieszenario veröffentlicht, in dem nachgewiesen wird, daß das CO2-Problem durch eine Kombination von starkem Energiesparen, begrenztem Kernenergieeinsatz und erhöhter Gasnutzung gelöst werden kann.(14) Auch in diesem Szenario wird unterstellt, daß die heute bzw. spätestens in zehn Jahren (1995) verfügbaren energieeffizientesten Technologien soweit sich die damit erzielbaren Energieeinsparungen amortisieren - im Rahmen der üblichen Erneuerung des Anlagenbestandes eingesetzt werden. Dies würde dazu führen, daß der Endenergieverbrauch pro Kopf in den Industriestaaten von 1980 bis 2020 halbiert wird. Die Produktivität der Endenergienutzung müßte bei einer Verdoppelung des Bruttosozialprodukts im gleichen Zeitraum um jährlich 3,5 Prozent steigen, das ist ein Prozent mehr als im Zeitraum von 1973 bis 1982 erreicht wurde, in dem sich Energie drastisch verteuerte. Für die Entwicklungsländer wird unterstellt, daß das Bruttosozialprodukt im gleichen Zeitraum um das Zehnfache gesteigert werden kann. Im Jahr 2020 hätten die Entwicklungsländer dann in etwa den Wohlstand Westeuropas oder Japans in den siebziger Jahren erreicht. Der Pro-Kopf-Energieverbrauch der Entwicklungsländer, der heute (14)
Vgl. Jose Goldemberg,, Thomas B. Johanson, Amulya K. N. Reddy, Robert H. Williams, An End-use oriented Global Energy Strategy, in: Annual Review of Energy 1985, H. 10, S. 613-688
- 27 -
nur etwa ein Zehntel desjenigen der Industrieländer ausmacht, würde dennoch nur um etwa zehn Prozent steigen. Die im Vergleich zu den Industrieländern größeren spezifischen Einsparerfolge sollen vor allem dadurch erzielt werden, daß die ineffiziente Holzfeuerung durch hocheffiziente Gasöfen und Wärmepumpen ersetzt wird. Anspruchsvoll ist beispielsweise auch die Annahme, daß bis zum Jahr 2020 jeder fünfte Bewohner von Entwicklungsländern ein Auto besitzen und damit 15 000 Kilometer im Jahr fahren wird, und zwar mit einem Verbrauch von drei Litern Kraftstoff je 100 Kilometer.(15) Starke Gasexpansion Vom ,,International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA)" ist in einer Reihe von Veröffentlichungen(16) das Szenario eines beschleunigten Strukturwandels zugunsten von Erdgas skizziert worden. Ausgehend von einer historischen Analyse des Substitutionsprozesses im Energiesektor mit Hilfe einer logistischen Substitutionsfunktion kommen die Autoren dieser Szenarien zu dem Ergebnis, daß das Erdgas im nächsten Jahrhundert zu dem dominanten Energieträger werden könnte. Der globale Primärenergieverbrauch würde bei Fortsetzung des historischen Trends bis zum Jahre 2030 auf etwa 15 Mrd. t Öleinheiten knapp verdoppelt, bei voller Nutzung von Einsparmöglichkeiten (Effizienzszenario) würde er auf fast 12 Mrd. t Öleinheiten zunehmen (jeweils ohne Wasserkraft). Der Gasverbrauch nimmt in letzterem Szenario bis zum Jahr 2030 um mehr als das Dreifache zu und trägt dann fast 70 Prozent zum gesamten Primärenergieverbrauch bei; der Beitrag der Kernenergie wird auf (15)
Ebenda, S. 679 Vgl. Cesare Marchetti (IIASA), The Future of Natural Gas, A Darwinian Analysis, Draft, Presentation given at the Task Force Meeting The Methan Age, organized jointly by IIASA and the Hungarian Committee for Applied Systems Analysis, Sopron, Hungary, May 13-16, 1986; Arnulf Grübler (IIASA), Vom Erdöl zum Methanzeitalter, Gastvortrag anläßlich der Jahresversammlung der USOGAS und des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie, Zug, 20. Mai 1987 und Jesse H. Ansubel (National Academy of Engineering, Washington DC.), Arnulf Grübler (IIASA), Nebojsa Nakicenovic(IIASA), Carbon Dioxide Emissions in a Methan Economy, S.245-263, in: Climatic Change, Nr.12 (1988)
(16)
- 28 -
immerhin 10 Prozent gesteigert. Der Kohleverbrauch sinkt auf einen geringfügigen Sockel von deutlich unter 1 Mrd. t Öleinheiten, der Ölverbrauch wird auf gut 1 Mrd. t Öleinheiten reduziert.(17) Ein solches Szenario der starken Gasexpansion bei verstärkter Nutzung von Kernenergie und Einsparmöglichkeiten würde dazu führen, daß die CO2-Konzentration der Atmosphäre sich bis zum Jahre 2075 auf 450 ppm erhöht und danach leicht sinkt. Drastische Klimaveränderungen könnten somit vermieden oder zumindest verzögert werden. Eine starke Expansion der Gasversorgung bis zum Jahre 2030 wäre angesichts der günstigen Ressourcensituation des Gases(18) technisch möglich. Danach wäre eine weitere Expansion des Gases entsprechend den IIASA-Szenarien nur denkbar, wenn bis dahin der Nachweis erbracht würde, daß weit größere Gasressourcen vorhanden und wirtschaftlich gewinnbar sind als heute vermutet wird.
SCHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DIE ENERGIESTRATEGIE DER INDUSTRIESTAATEN Da sehr starke Energieeinsparungen, wie sie Goldemberg und andere vorsehen, in absehbarer Zeit wohl kaum voll durchgesetzt werden können und eine extreme Gasexpansion unwahrscheinlich ist, wird hier eine energiepolitische Strategie skizziert, die starkes Energiesparen mit erhöhter Gas- und Kernenergienutzung bei reduziertem Kohleeinsatz verbindet. Soll ein Anstieg der CO2- Konzentration der Atmosphäre auf über 480 ppm verhindert werden, so müßte der Verbrauch fossiler Energieträger von heute 6,9 Mrd. t Öleinheiten um mindestens 0,5 Mrd. t Öleinheiten reduziert werden. Die entstehende Lücke sowie künftige Bedarfssteigerungen müssen durch Energieeinsparungen, Kernenergie, Wasserkraft und Solarenergie gedeckt werden. Der Beitrag der Kernenergie könnte - legt man die optimistische (17)
Vgl. das Effizienzszenario in: Jesse H. Ansubel et al., a.a.O. Vgl. Manfred Horn. Perspektiven der Weltenergieversorgung, Analyse von Verbrauchsszenarien und Ressourcenschätzungen, München, Wien 1988, S. 49 ff.
(18)
- 29 -
Einschätzung der Kernenergiekonferenz zugrunde - von 1987 bis zum Jahre 2030 von 0,4 auf 3 Mrd. t Öleinheiten erhöht werden. Die Stromerzeugung auf Basis der Wasserkraft könnte auf 1,5 Mrd. t Öleinheiten verdreifacht und die Solarenergie könnte wohl bis zu 0,7 Mrd. t Öleinheiten genutzt werden. Insgesamt könnte bis zum Jahr 2030 bei Einhaltung des CO2-Limits allenfalls Primärenergie von 11 bis 12 Mrd. t Öleinheiten bereitgestellt werden, das ist weit weniger als der Energiebedarf, der nach den Ergebnissen der meisten Prognosen zu erwarten ist. Legt 16 man die neueste Prognose der Weltenergiekonferenz zugrunde, die in der unteren Variante den Primärenergieverbrauch für das Jahr 2020 auf weltweit 15,1 Mrd. t Öleinheiten veranschlagt, so wären zusätzliche Energieeinsparungen von etwa 4 Mrd. t Öleinheiten erforderlich. Die Schlußfolgerungen, die sich aus einem solchen Szenario für die Energiestrategie der Industriestaaten ergeben, hängen von der angestrebten Aufteilung des Energieverbrauchs nach Ländergruppen und Energieträgern ab. Würden die Industrieländer ihren Energieverbrauch in etwa auf dem heutigen Niveau stabilisieren, so könnten die Entwicklungsländer ihren Verbrauch (einschließlich nicht kommerzielle Energieträger) fast verdoppeln und die Staatshandelsländer könnten ihn noch um etwa ein Viertel erhöhen. Dies könnten durchaus realistische, wenn auch für letztere Ländergruppen nicht völlig befriedigende Zielvorgaben sein. Bei einer solchen Entwicklung würde zwar bis zum Jahr 2030 der Primärenergieverbrauch der Entwicklungsländer und der OECDLänder etwa gleich groß sein, der Unterschied im Pro- KopfEnergieverbrauch würde aber wegen des starken Bevölkerungswachstums in den Entwicklungsländern nicht entscheidend verringert. Um einen - mit dem CO2-Limit kompatiblen - höheren Energieverbrauch für die Entwicklungs- und Staatshandelsländer zu ermöglichen, müßten die westlichen Industriestaaten ihren Primärenergieverbrauch einschränken. Was den künftigen Energieträgermix angeht, so stellt sich insbesondere die Frage nach der Rolle der Kohle. Würde der Kohleverbrauch auf dem heutigen Niveau stabilisiert, so müßte, um das CO2-Limit einzuhalten, der Ölverbrauch gegenüber dem heutigen Niveau um 0,5 Mrd. t Öleinheiten reduziert und die
- 30 -
Gasnutzung müßte völlig eingestellt werden. Dies ist weder für die Industrieländer sinnvoll, noch für die Entwicklungsländer oder die Staatshandelsländer akzeptabel. Wenn die CO2-Emissionen der globalen Energieversorgung begrenzt werden sollen, ist daher in jedem Fall eine Reduktion des Kohleeinsatzes notwendig. Das Ausmaß dieser Reduktion ist abhängig vom Beitrag des Gases einerseits, der Kernenergie andererseits. Wird ein erhöhter Gaseinsatz einem forcierten Kernenergieausbau vorgezogen, dann ist eine stärkere Reduktion des Kohleeinsatzes notwendig als im umgekehrten Fall.(19) Die Gasressourcen dürften ausreichend groß sein, um eine Verdoppelung des weltweiten Gasverbrauchs bis zum Jahr 2030 zu ermöglichen. Selbst wenn der Gasverbrauch gegenüber dem heutigen Stand nur um etwa 75v. H. auf 2,8 Mrd. t Öleinheiten steigen würde, während der Ölverbrauch um 0,5 Mrd. t Öleinheiten sänke, müßte der Kohleverbrauch auf 1,2 Mrd. t halbiert werden. Eine so starke Kohlereduktion setzt aber einen erheblichen Beitrag der Staatshandelsländer hierzu voraus. Selbst wenn die restlichen Industriestaaten ihren Kohleverbrauch auf etwa ein Viertel des heutigen Wertes reduzieren und die Entwicklungsländer ihren Kohleverbrauch nur noch geringfügig steigern würden, müßten die Staatshandelsländer ihren Kohleverbrauch noch um ein Drittel vermindern. Dies setzt eine intensive und breit angelegte Kooperation der westlichen Industriestaaten mit den Staatshandelsländern voraus. Würde man den Kernenergieeinsatz - in Anlehnung an die Vorstellungen der Weltenergiekonferenz - bis zum Jahr 2030 auf 2,7 Mrd. t Öleinheiten erhöhen und den Gaseinsatz in etwa auf dem heutigen Niveau halten, so müßte der Kohleverbrauch nur noch auf (19)
Eine Strategie der Substitution von Kohle durch Gas wird vielfach mit dem Argument abgelehnt, daß dies zu höheren Methanemissionen führen würde. Dabei wird allerdings verkannt, daß auch bei der Steinkohlengewinnung erhebliche Methanemissionen entstehen (vgl. z.B. H. G. Schäfer, Zusammensetzung, Eigenschaften, Absaugung und Verwertung von Grubengas im Saarbergbau, Bergbau 12, 1988, S.550 bis 557). Dieser Gesichtspunkt dürfte daher kaum als Argument zur Aufrechterhaltung eines hohen Steinkohleanteils an der Primärenergieversorgung herangezogen werden können. Das Methan- Problem könnte aber eher noch größere Energieeinsparungen notwendig machen.
- 31 -
1,8 Mrd. t Öleinheiten reduziert werden. Weder die Entwicklungsländer noch die Staatshandelsländer, die über eigene Gasressourcen verfügen, dürften jedoch bereit sein, ihre Planungen zum Ausbau der Gasversorgung wesentlich zu reduzieren. Noch schwieriger wäre es, die Entwicklungsländer zu einer Einschränkung ihres Ölverbrauchs zu bewegen, da die Infrastruktur für diesen Energieträger aufgrund seiner leichten Handhabbarkeit und Speicherbarkeit schnell und kostengünstig aufgebaut werden kann. Im wesentlichen müßten somit die westlichen Industriestaaten für eine entsprechende Einschränkung des Gas- und Ölverbrauchs sorgen. Das Schwergewicht würde dabei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beim Gas liegen. Demzufolge würde der Gasverbrauch auf einen geringfügigen Sockelbetrag vermindert werden. An seine Stelle könnte mit Hilfe der Kernenergie erzeugtes Kohlegas treten. Der dazu notwendige starke Kernenergieausbau auch in den Entwicklungs- und Staatshandelsländern - ist aber aus heutiger Sicht kaum realistisch und akzeptabel. Vermutlich wäre eine solche Strategie auch teurer als eine verstärkte Erdgasnutzung. Insgesamt erscheint daher die Strategie eines maßvollen Gas und Kernenergieausbaus bei starken Energieeinsparungen am ehesten geeignet, die CO2Emissionen, die aufgrund des Weltenergieverbrauchs entstehen, auf einem Niveau zu begrenzen, bei dem drastische Klimaveränderungen wahrscheinlich vermieden werden können.
KONSEQUENZEN FÜR DIE ENERGIEPOLITIK Wenn die Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland einen Beitrag dazu leisten soll, dramatische Klimaveränderungen aufgrund von CO2- Emissionen zu vermeiden, dann muß insbesondere der Kohleeinsatz reduziert und der Gasverbrauch erhöht werden. Die Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung nähme eher zu. Die durch Energieimporte zweifellos entstehenden Risiken können dann nicht mehr durch Importrestriktionen für einzelne Energieträger beseitigt werden. Sie können aber durch ökonomische und politische Kooperation der westlichen Industrieländer sowie
- 32 -
durch die Einbettung der energiewirtschaftlichen Handelsbeziehungen mit den Energieexportländern im Mittleren Osten bzw. mit der Sowjetunion in ein möglichst umfassendes System der internationalen Kooperation begrenzt werden. Auf nationaler Ebene kann zur Risikobegrenzung am besten durch Bevorratungsprogramme, Diversifizierung der Energieversorgung nach Energiequellen und Regionen sowie durch Sicherung einer ausreichenden Redundanz und Flexibilität der energiewirtschaftlichen Strukturen beigetragen werden. Neben das Ziel, die Sicherheit der deutschen Energieversorgung bei anhaltender Importabhängigkeit zu gewährleisten, sollte künftig zumindest gleichrangig das Ziel treten, einen Beitrag zur Begrenzung der CO2-Emissionen zu leisten. Auch dieses Ziel kann nur in internationaler Kooperation erreicht werden. Die Bundesrepublik sollte daher im Rahmen der Internationalen Energieagentur und der Europäischen Gemeinschaft auf eine entsprechende Politik hinwirken. Eine gemeinsame Energiepolitik innerhalb der EG würde das Gewicht der Europäischen Interessen in der bereits begonnenen Diskussion über die möglichen Strategien zur Begrenzung der globalen CO2- Emissionen erhöhen. Westeuropa sollte sich nicht darauf beschränken, von den Entwicklungsländern zu verlangen, daß das Abholzen der tropischen Regenwälder gestoppt wird. Vielmehr sollten auch die Industriestaaten hierzu einen Beitrag leisten, vor allem durch die Begrenzung oder Einschränkung der Kohlenutzung. Da Westeuropa heute nicht zu den Kohleproduzenten gehört, müßte eine solche Strategie am ehesten hier durchsetzbar sein. Die Energiepolitik kann es sich aufgrund der CO2- Problematik noch weniger als bisher leisten, sich ausschließlich auf den Marktmechanismus zu verlassen. Künftig kommt es vor allem darauf an, technische Optionen für die künftige solare und nukleare Energiezukunft zu schaffen bzw. zu erhalten. Hierbei kommt der Energieforschungspolitik eine hervorragende Bedeutung zu. Die Energiewirtschaftspolitik muß das Ziel der rationellen Energienutzung auch - oder gerade - bei niedrigen Ölpreisen weiterhin konsequent verfolgen. Die Entwicklungspolitik müßte die Entwicklungsländer bei entsprechenden Bemühungen stärker
- 33 -
unterstützen. Notwendig ist auch eine intensive Kooperation mit den Ostblockstaaten. Überdacht werden müssen insbesondere die Politiken hinsichtlich der Kohle, der Kernenergie, des Erdgases sowie die Steuerpolitik im Energiebereich. Sollen Klimarisiken aufgrund von CO2-Emissionen vermieden werden, so muß die internationale Energiestrategie grundlegend verändert werden, weil unter dieser Voraussetzung der künftige Anstieg des Weltenergiebedarfs nicht mehr mit Kohle gedeckt werden kann. Anstatt die Gewinnung dieses Energieträgers zu steigern, wie es derzeit noch viele Länder planen, müßte vielmehr der globale Kohleverbrauch innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch gesenkt werden. Dies wird nur möglich sein, wenn sich auch die Großmächte USA, Sowjetunion und China, die die größten Kohleproduzenten der Welt sind, an einer solchen Strategie beteiligen. Neben drastischen Einsparungen beim Kohleverbrauch ist auch eine Fortsetzung der Bemühungen um rationelle Nutzung der übrigen Energieträger sowie eine verstärkte Nutzung regenerativer Energien sowie von Erdgas und Kernenergie notwendig. Westeuropa verfügt nur über relativ geringe und darüber hinaus kostspielig zu gewinnende Kohleressourcen. Die Europäische Gemeinschaft müßte daher noch am ehesten in der Lage sein, eine entsprechende Energiepolitik zu konzipieren und gegen den Widerstand starker Einzelinteressen durchzusetzen. Eine solche Politik könnte folgende Elemente enthalten: 1. Die Nutzung von Energiesparmöglichkeiten und regenerativer Energien wird verstärkt gefördert, politische Restriktionen für den Einsatz der Kernenergie und des Erdgases werden beseitigt. 2. Subventionen für die Gewinnung fossiler Energieträger insbesondere von Steinkohle - werden so schnell wie möglich abgeschafft. 3. Eine internationale Konferenz wird eingerichtet mit dem Ziel, ein Abkommen über die Halbierung der weltweiten Kohlegewinnung bis zum Jahr 2030 und über die Einrichtung eines Fonds, aus dem die davon besonders betroffenen Länder entschädigt werden können, abzuschließen. Eine solche Konferenz dürfte allerdings kein
- 34 -
einmaliger Staatsakt, sondern ein ähnlich langwieriger Prozeß werden wie der KSZE-Prozeß. 4. Um die Reduktion der Kohlenutzung in der Sowjetunion und Osteuropa zu erleichtern und zu beschleunigen wird diesen Ländern eine umfassende Zusammenarbeit auf dem Energiesektor angeboten, und zwar insbesondere bei der rationellen Energienutzung, beim Aufbau der Gasversorgung und bei der Erhöhung der Sicherheit von Kernkraftwerken. Eine solche Kooperation könnte auch das notwendige gegeneitige Vertrauen schaffen, das eine deutliche Steigerung der Erdgasimporte Westeuropas aus der Sowjetunion ermöglichen könnte.
- 35 -