Howard Duff �
Trail der Drei �
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Howard Duff �
Trail der Drei �
Gide Wells sieht die Ranch, er sieht die Mauern um diese Ranch, alles Felsblöcke, die man zu einer fast zwei Meter hohen Mauer aufgetürmt hat. Damals waren noch die Indianer die Herren des Landes, und Old Rimrock kann eine Menge Geschichten von ihnen erzählen. In dieser Mauer ist jetzt das Tor offen. Durch das große Tor reitet Gide Wells auf die Ranch seines harten Vaters. Er sieht Licht im Schlafzimmer des Alten, und er bemüht sich, einigermaßen gerade im Sattel zu sitzen. Er schafft es kaum, er bleibt immer noch krumm wie ein Flitzbogen, obwohl er meint, gerade zu hocken. Er sieht in der Tür des Hausanbaus, der den Küchenteil aufnimmt, die kleine und krummbeinige Gestalt. Er sieht den silbergrauen Bart, und er weiß, daß neben diesem Anbau der alte John Abbot, der Vormann, seine beiden Zimmer hat. John Abbot steht schon eine ganze Zeit am Fenster und blickt auf den Hügel, über den der Weg aus der Stadt kommt. Und er wartet, der alte und ergraute Mann, der das Herz eines Löwen besitzt, wenn es auch ein müdes Herz ist, das manchmal gar nicht mehr will. »Da kommt er«, sagt John heiser. »Verdammt, er kommt spät. Als wenn er im Schritt geritten ist. Und er hängt ja schief im Sattel, verdammt.« John reißt an seinem dichten Bart und hastet aus der Tür in den Hof. Sein flüchtiger Blick streift das Haupthaus, aber er sieht das Licht im Schlafzimmer nur schwach brennen, der Alte schläft sicher schon. John Abbot rennt über den Hof und greift dem Falben Gides in die Zügel. Er starrt Gide an und sieht in einer Sekunde ge-
nug, um fast das Pferd vor Schreck freizugeben. »Gide«, sagt er leise. »Was, zum Teufel, hat es gegeben? Junge, unter welche Herde bist du geraten? Kannst du gehen? Steig ab, aber mach leise. Wenn der alte Drachen es merkt, ist der Teufel los. Leise, Gide, leise.« »John, ich war ein Narr«, sagt Gide bitter und sackt in die Knie, als er vom Pferd herunter ist. Er will wieder aufstehen, aber er schafft es nicht mehr. »John, ich war ein dickschädliger Narr. Ich bin zu Annabell gegangen, und sie sagte mir gleich, daß Jingo und Atlanta kommen würden. Ich wollte meinen Mut vor mir selber beweisen und trank noch ein zweites Glas. Und dann kamen die Halunken herein. Sie stellten mir eine Falle, und ich mußte mich mit ihnen und Dayton Beach prügeln.« »Oh, verdammt«, jammert der Alte leise. »Du hast noch die nächsten Prügel vor dir. Wenn der Alte hört, daß du bei Annabell gewesen bist, explodiert er. Hast du sie wenigstens auch getroffen?« »Alle drei lagen flach«, sagt Gide bitter. »Aber es waren zuviel Hunde für einen einsamen Hasen. Sie standen einer nach dem anderen auf, und sie machten es ziemlich rauh. Ich konnte es nicht schaffen. John, was machen wir?« »Die Zigarren für Rimrock?« fragt John heiser. »Ich kann einfach sagen, du schläfst noch, oder ich habe dich weggeschickt. Aber wo hast du seine Zigarren?« »Ich habe sie nicht«, antwortet Gide Wells. »Und mir ist es auch gleich, was er denkt und ob er brüllt. Ich brauche ein Bett, John.« »Nun, es wird die Hölle werden«, ächzt der Alte bitter. »Damals war es so mit deinem Bruder und heute bist du zu Annabell gegangen. Er wird es hören, und der Teufel wird dich holen. Ah, es ist ein Elend mit seinem dicken Schädel. Los,
komm, ich bringe dich ins Haus.« Er hebt ihn auf, und Gide Wells taumelt auf die Tür des Hauses zu. Leise geht der alte John Abbot mit ihm durch den Flur, aber da geht schon die Tür eines Zimmers auf, und Lichtschein fällt aus der Tür in den Flur. Rechts sind drei Zimmer, für jeden Wells eins. Und der alte Rimrock hat das letzte Zimmer verschlossen. In diesem Zimmer wohnte einmal sein Sohn Rimrock. Und der. alte Mann, so sagt man, hätte die Tür dieses Zimmers seit zehn Jahren nicht mehr geöffnet. Es soll alles noch so sein, wie es war, als Rimrock verschwand. In der Tür des zweiten Zimmers taucht Macolm Wells auf. Er ist in Unterhosen, und sein Hemd ist zerknittert. Der Zweitälteste Wells ist groß und hager, er zieht das eine Bein leicht nach, und sein Haar ist kraus. Auch er sieht hart aus, aber der Zug um seine Mundwinkel ist bitter. Dieser Macolm Wells ist nach einer Verletzung nur noch ein halber Mann. »Gide«, sagt er erschrocken und leise, als er Gides zerschlagenes Gesicht sieht. »Gide, wie siehst du aus, Bruder? Wer hat dich so verprügelt?« Er humpelt hinaus und faßt seinen jüngeren Bruder hart am Arm. Dabei blickt er auf die Treppe in das Obergeschoß und hält lauschend den Kopf schief. »Drei wilde Affen«, erwidert Gide leise und keuchend. »Bruder, komm zu mir herein, aber sei leise. Wenn Old Rimrock aufwacht, dann wird es bitter.« »Der Teufel soll dich holen, du junger Narr«, knurrt Macolm und macht die Tür zu Gides Zimmer auf. »Geh nur hinein. Und dann pack aus. John, eine Flasche Whisky, ich werde ihm die Beulen damit einreiben.« Er hilft, Gide ins Bett zu bringen, macht dann die Lampe an
und hockt sich auf den Bettrand. Und Gide, der bald darauf mit reinem Whisky abgewaschen wird, erzählt keuchend die bittere Geschichte der Prügelei. »Du hast dich wie ein Narr benommen«, sagt Macolm düster. »Dieses Rudel hat den Teufel im Leib, und du hättest dir sagen müssen, wie es ausgehen wird. Wenn Rimrock es hört, wird er so wild, wie er niemals war. Er wird dich noch einmal verprügeln.« »Dann gehe ich auch weg«, antwortet Gide finster. »Ich denke, ich kann nichts dafür. Und ich bin ein Wells. Ich brauche mich nicht verprügeln zu lassen, verdammt.« Er schläft bald darauf erschöpft ein, und sein Bruder geht wieder in sein Zimmer zurück. Nur der alte John Abbot steht noch eine Weile reglos auf dem Vorbau des Hauses und sieht in die Nacht hinaus. »Eines Tages muß ich es ihnen sagen«, murmelt der alte Mann vor sich hin. »Sie werden Hilfe brauchen. Und es wird nur einen Mann geben, der hier helfen kann. Warum ist Old Rimrock nur so ein Narr? Und Anne Wells…« Er denkt an die stille und weißhaarige Frau, die niemals mit ihrem Mann über ihren ältesten Sohn zu sprechen wagt. Sie ist still und beugt sich seinem harten Willen, aber Gott allein mag wissen, wie schwer es für die Mutter von Rimrock, Archivale Wells, ist, alles in sich hineinzufressen. Eines Tages wird sie sicher aufwachen und auch etwas sagen. Die Ranch schläft, und der alte John Abbot schlurft über den Hof. Er ist alt und grau auf dieser Ranch geworden. Und er denkt sich, daß er der einzige Mann ist, der etwas über jenen Rimrock weiß, der sein Pferd nahm und verschwand. »Wenn nur Old Rimrock keinen Fehler macht«, sagt der alte John düster. »Er ist ein Löwe. Und sicher weiß er nicht, daß er schon zu alt ist, um noch beißen zu können. Wollte Gott, er ist
zahm, aber er wird es niemals sein. Ah, es ist ein Elend.« Er schlurft in sein Zimmer und legt sich auch hin. * Old Rimrock wacht mit dem ersten Hahnenschrei auf. Er steigt aus dem Bett und blickt auf die geschlossene Tür zum Zimmer seiner Frau Anne Wells hin. Die Tür ist zu, denn er schnarcht und sie kann das nicht haben. Er steht auf, ein großer und schwerer Mann mit einem eisgrauen Bart und buschigen Augenbrauen. Seine breite Gestalt taucht am Fenster auf. Er stößt den Flügel ganz auf und blickt über sein Reich. Und er atmet tief und gewaltig, daß sich der Brustkasten dehnt und sein Bart weht. »Ah«, sagt er. Und es hört sich an, als wenn ein Riese grollt. »Ah, was für ein Morgen. Und was für ein Tag. Brennen werden wir. Und wenn dieser alte Teufel Rod Kingstone nicht bald seine Herde aus der Nähe meiner Weide bringt, dann werde ich ihnen Feuer unter dem Hintern machen.« Unten kommt Macolm heraus. Der Alte tritt hinter die Gardine und sieht seinem zweiten Sohn nach, der zum Waschtrog geht. »Sieht blaß aus, der Junge«, sagt er schnaufend. »Denkt, er ist kein Mann mehr mit seinem steifen Bein. Ah, alles Einbildung. Ich werde ihn etwas mehr anspannen müssen. Und der Kleine, wo ist der Bengel wieder? Das ist eine gute Zucht.« Er blickt auf die Tür zum Nebenzimmer. »Schweigt«, sagt er bissig und grollend. »Redet nicht mehr als drei Worte mit mir. Und alles nur wegen dem Bengel. Ist weggelaufen. Soll er doch, hielt ihn nicht. Wer seinem Vater nicht gehorcht, den soll der Teufel holen. Ah, Rimrock, sie trägt es mir nach. Zehn Jahre lang. Das war noch ein Mann. Der kam auf mich heraus und
nicht auf ihre stille Art. Wer sagt mir, daß ich nicht an ihn den ken soll? Sind jetzt zehn Jahre her. Und es war auch so ein prächtiger Morgen.« Er steht hinter der Gardine und starrt auf den Hof. Und er denkt an jenen Morgen vor zehn Jahren, als Rimrock nicht auf dem Hof war und John herumredete wie ein altes Waschweib. Als er erfuhr, daß sein Ältester sich in Annabell Kingstone verliebt hatte. Eine Kingstone und ein Wells. Brummend wie ein Bär schüttelt er den Kopf und stampft dann durch das Zimmer. »Sieht ja gut aus«, sagt er knurrend an der Tür. »Zu gut sieht sie aus. Und Rimrock, dieser Narr, der einmal die Ranch bekommen hätte, der wollte sie mir als Kuckucksei ins Nest legen, das hätte dem alten Wolf Rod so passen können. Seine Tochter und mein Sohn. Und eine Kingstone Wells-Ranch. Beide Namen zusammen. Ah, ich bin doch kein Idiot.« Nach dieser Feststellung sieht er sich um, denn die Tür nebenan im Flur öffnet sich. Seine Frau kommt heraus. »Mann, du bist mit dem linken Fuß aufgestanden«, sagt sie herb. »Das machen nur deine Gedanken.« »Kümmer dich nur nicht um meine Gedanken, Frau«, erwidert er bissig. »Hier bestimme ich und damit fertig.« »Bestimme nur nicht zuviel«, sagt sie und geht an ihm vorbei. »Du könntest Gide auch noch wegjagen. Und dann gehe ich gleich mit.« Er starrt ihr sprachlos nach, stampft die Treppe nach unten und macht die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf. Er blickt auf den Schreibtisch, den Schrank, macht ein Fach auf und noch eins, aber er findet verdammt keine Zigarren, wie er laut bemerkt. »Vergessen, was?« schnarrt er grimmig. »Natürlich vergessen. Oder hat er sie in der Küche?«
Er macht die Tür auf, und als er brüllt, wackeln die Fenster. »Frau, sind meine Zigarren in der Küche?« »Hier sind keine«, antwortet Anne Wells und macht die Küchentür wieder zu. »Muß das schon am frühen Morgen sein.« »Ja, es muß«, brummt er und sieht, wie die Haustür aufgeht und John Abbot hereinkommt. »Boß, deine Zigarren«, sagt Abbot ruhig und schämt sich nicht, daß er schrecklich lügt. »Gide hat die Dinger zerdrückt. Und nur drei sind noch ganz. Hier sind sie.« Und er zieht die drei Zigarren heraus, die die letzten aus der Kiste sind, die ihm Old Rimrock vor drei Monaten zum Geburtstag schenkte. Es macht ihm nichts aus, daß er keine hat. »Na gut, dann soll er neue holen«, brummelt Old Rimrock. »Sag ihm, er soll in einer halben Stunde bei mir sein, ich muß auch neues Papier haben. Wo steckt er?« »Er ist ganz früh aufgestanden und zum Fluß geritten«, lügt Abbot sanft. »Sicher kommt er gleich wieder, Boß.« Der Alte nickt. Abbot schleicht nach draußen und wischt den blanken Schweiß von der Stirn. »Puuh«, sagt Abbot grämlich. »Wie oft werde ich auf dieser Ranch noch lügen müssen. Was mache ich bloß, er will ihn sehen. Und er wird auf die Beulen starren und vor Wut an die Decke springen. Was mache ich bloß?« Er hockt sich am Küchenanbau auf die Bank und kratzt sich am Kopf. Und innen geht Rimrock stampfend auf die letzte Tür links hinten los. Dort ist die Küche, und er hat Durst auf einen Schluck Kaffee. Old Rimrock muß an der dritten Tür rechts vorbei und starrt auf den Boden. Er bleibt stehen, die Zigarre fällt aus seinem Mund, der weit aufsteht und landet auf dem Boden. »Was ist denn das?« fragt Old Rimrock ganz leise und bückt sich schnaufend. »Das ist doch Blut? Und am Türbalken ist
auch ein wenig. Da hat jemand hingefaßt. Und der Teufel soll mich holen, wenn das nicht…« Er hebt die Zigarre auf und schließt die Augen zu einem schmalen Spalt. Dann greift er nach dem Türdrücker, lehnt sich an die Tür, und sein Ohr berührt die Türfüllung. Ganz langsam macht der alte Löwe dieTür auf und sieht auf seinen Sohn, der auf der Seite liegt und fest schläft. Und noch langsamer macht Old Rimrock die Tür wieder zu. Die Zigarre steht waagerecht in seinem Mund, seine Augen blinzeln ein wenig, und nur die beiden Adern an Hals und Stirn schwellen an. Und dann geht der alte Löwe los. Er geht ganz ruhig, aber er wird gleich brüllen. Er geht ganz friedlich auf den Vorbau und sieht den sich am Kopf kratzenden John Abbot auf der Bank am Küchenanbau sitzen. »John, mein Guter«, sagt er freundlich. »Da ist noch etwas, komm doch mal her.« John Abbot sieht ihn an und steht langsam auf. Er fühlt, wie sich ihm die Haare im Nacken und auf dem Kopf zu sträuben beginnen. Diesen Ton kennt er. Er greift nach seinem Hut, denn er hat das Gefühl, die Haare drücken den Hut hoch. »Well, Boß«, sagt er heiser. »Rimrock, du kannst sagen, was immer du willst, aber…« »Du gibst zu, du hast gelogen, was?« brüllt da der Alte los. »Weggeritten, als es graute. Zum Fluß geritten. Im Traum vielleicht, du Lügenbeutel. In seinem Zimmer liegt er und pennt. Und sein Gesicht sieht aus, als wenn eine Dampfwalze darüber hinweggegangen ist. Macolm!« Macolm Wells kommt aus der Tür, bleibt ruckhaft stehen und starrt seinen Vater nur an. »Und jetzt wollen wir uns den Wunderknaben mal ansehen«, sagt der Alte grollend. »Kommt nur beide mit. Ein Wells, und
er ist verprügelt worden. Kommt nur mit.« Er geht stampfend vor ihnen her und schleudert seine Zigarre im Bogen auf den Hof. Dann marschiert er durch den Gang bis in den hinteren Flur und reißt dieTür mit einem Ruck auf. Langsam geht er zum Bett, schleudert die Decke von Gide auf den Boden, und Gide bewegt sich lahm und ächzend. Gide Wells macht die Augen auf, blinzelt schwach und sagt heiser: »Laß mich nur etwas größer sein, dann schaffe ich sie alle drei.« »Ein Wells ist verprügelt worden«, brüllt der alte Löwe los. »Das ist mehr, als ich vertragen kann. Wer hatte dir gesagt, daß du dich verprügeln lassen mußtest? Ah, dieser junge Narr. Und sie belügen mich alle. Sie hängen zusammen wie Kletten und belügen mich, als wenn ich ein Idiot bin. Raus damit, wo ist es passiert, und wer war es? Willst du auch lügen? Dann soll dich die Ranch nicht mehr sehen, das sage ich. Wenn du lügst, kannst du gleich verschwinden!« Gide sieht den die Augen rollenden und sich die Haare kratzenden John Abbot an. Er richtet sich langsam und mit zusammengebissenen Zähnen, auf. Beinahe wird ihm schwarz vor Augen, aber er schafft es. »Ich lüge nicht«, sagt Gide fest. »Ich bin zerschlagen, und ich lüge trotzdem nicht. Das solltest du wissen. Nimm lieber gleich einen Stuhl, du wirst ihn brauchen, Dad.« »Ah, Stuhl«, faucht der Alte. »Dann ist es stark. Los, mach deinen Mund auf, ich warte!« Gide beginnt zu erzählen, und der Alte dreht sich scharf um, als die Rede auf Annabell Kingstones Saloon kommt. Er krampft seine Hände um die Fensterbank und starrt auf den Garten. Aber er sagt nichts. Er zieht nur leicht die Schultern hoch und den Kopf ein.
Es sieht aus, als wenn den alten Mann etwas in den Rücken trifft. Und sein Schweigen dauert fort, als Gide fertig ist. Gide Wells wartet, John wartet, und Macolm ist blaß geworden. In der Tür taucht Anne Wells auf und bleibt stehen. Rimrock Wells starrt Gide an. Es ist ein durchdringender Blick, der zu seiner Frau weiter wandert. »Ich bin also nicht mehr groß genug«, sagt der Alte auf einmal leise und nicht lauter als ein Hauch. »Ich bin hier nur noch eine Randfigur, die nichts zu sagen hat und sich alles gefallen lassen muß. Gide, du bist das letzte Mal bei dieser Saloonlady gewesen, hast du verstanden? Das letzte Mal, oder ich werde dich…« »Mann«, mischt sich da Anne ein. »Sag es nur nicht. Du hast schon einmal alles zertreten. Und wenn du es wieder machst, dann… dann…« »Du bist nicht gefragt, Frau«, sagt Old Rimrock bissig und sehr scharf. »Geht zu dieser Lady in den Bau, geht einfach zu ihr hin und rennt mitten in eine Falle. Gide, sie steckt mit den Burschen unter einer Decke.« »Das ist nicht wahr«, erwidert Gide heftig. »Das kannst du nicht sagen, Dad. Sie denkt immer noch an Rimrock, und…« »Ich will den Namen nicht hören!« brüllt ihn der Alte an. Und sein Gesicht färbt sich rot. »Ich will nicht, daß ihn jemand nennt! Du kennst nicht alles, und ich traue weder einer Kingstone noch einem Kingstone. Ich traue ihnen nicht mal so weit, wie ich sie sehen kann. Hast du das begriffen? Sohn, du bleibst im Bett. Das ist vorläufig alles.« Er dreht sich scharf um und packt John Abbot am Kragen. »Das sage ich dir«, grollt er, »du wirst immer für meine Söhne lügen, du verdammter Narr. Aber tu es nur nicht zu oft, John. Ich werde noch mal wild deshalb. Die Mannschaft wird brennen, das ist ein Befehl. Und du leitest die Arbeit.«
Er stemmt die Hände in die Seiten und sieht ihnen nach. Und er sieht seine Frau so hart an, daß sie auch hinausgeht und die Tür hinter sich schließt. Aber, sie bleibt draußen stehen. Old Rimrock Wells bleibt eine halbe Minute stehen, dreht sich dann um und packt Gide an den Schultern. Er legt ihn hin, und in seinen Augen ist ein kleines Lächeln, als er ihm die Decke bis zum Kinn zieht. Gide starrt ihn an und begreift ihn in dieser Sekunde nicht. Der alte Mann war niemals anders, als hart und rauh zu seinen Söhnen. Und jetzt deckt er ihn zu, das ist unbegreiflich für Gide. »Well«, sagt der Alte. »Gide, hast du sie nach – nach Rimrock gefragt?« »Nach…«, stottert Gide verwirrt. »Aber… aber, Dad, ich denke…« »Ihr denkt alle an ihn, ich auch«, sagt der Alte leise. »Hat sie etwas gewußt?« »Nichts«, erwidert Gide leise. »Dad, sie weiß nichts von ihm. Niemand weiß etwas. Ich habe keine Erinnerung an Rimrock. Und sicher würde ich ihn nicht erkennen, wenn ich ihm aus Zufall begegnen würde! Dad, wo mag er sein?« Das Gesicht des alten Mannes ist eine Minute wie zerfallen. Er hat eine leise Hoffnung gehabt, dieser alte und zornige Mann, eine Hoffnung, die er immer mit sich herumgetragen hat. Und er war zu stolz und eigensinnig, um selbst seiner Frau etwas davon zu sagen. Ein alter und verbissener Mann. »Niemand weiß etwas«, sagt Old Rimrock leise. »Kernen Und ich dachte schon… Gide, ich fresse die Prügel nicht. Das war verdammt zu unfair! Ich schlucke das niemals.« »Dad, du kannst doch nicht…«, stottert Gide heiser. »Er hat lauter Schießer, über die Hälfte seiner Mannschaft ist rauhbeinig. Und unsere Leute sind alt. Dad, nicht losbrechen, ich habe
gesehen, wie unfair die Halunken sind. Dad, mach nichts, was gefährlich ist.« »Ich mache schon keinen Fehler«, sagt der Alte grimmig. »Es gibt immer eine Art, mit den Burschen fertig zu werden. Jetzt kannst du schlafen, Junge.« Er streicht ihm über das schwarze Haar und geht langsam hinaus. Und draußen trifft er auf seine Frau. Sie steht blaß an der Wand. Er sieht sie kurz an und geht stampfend und murrend weiter. »Rimrock«, sagt sie gepreßt hinter ihm. »Warum gibst du es nicht vor mir zu? Ist dir der Junge mehr wert als deine Frau? Rimrock…« »Ich brauche niemanden, ich werde immer allein fertig«, sagt der alte und zornige Mann bitter. »Wenn ich einen Fehler mache, stehe ich auch dafür ein, hast du das noch immer nicht begriffen? Rimrock ist gegangen, und ich habe ihn weggetrieben. Laß mich nur in Ruhe, ich will keine langen Reden, Frau.« Er geht nach oben und schließt sich in seinem Arbeitszimmer ein. Eine Weile sitzt er still, dann geht er auf und ab, und Anne Wells steht im Flur und lauscht den Tritten. »Mein Gott«, sagt sie ängstlich. »Er ist hart und unbeugsam. Er hat wieder etwas. Er schließt sich sonst niemals ein.« Er ißt nicht sein Frühstück, er sieht die Mannschaft reiten und lächelt grimmig. Und dann macht er seinen Schrank auf und holt den Gurt mit den beiden alten Revolvern heraus. Dann tritt er vor den Spiegel und beißt wütend die Lippen zusammen. »Ich bin das Oberhaupt der Wells Sippe«, sagt er bitter. »Und ich werde mit allem allein fertig. Das walte Gott.« Der Vormittag ist fast vorbei, als er aus dem Haus geht und sein Pferd selber sattelt. Er holt es aus dem Corral, nimmt dazu sein Lasso. Die beiden Eisen an seinen Schenkeln bewe-
gen sich dabei. Hinter dem Buschbestand auf dem Kamm des nächsten Hügels, dreihundert Schritte entfernt, läßt der alte John Abbot sein Glas sinken und dreht sich um. »Macolm«, sagt er heiser und verstört. »Ich habe es geahnt. Dieser alte Dickschädel. Er holt sein Pferd und hat seine beiden Eisen um. Was jetzt?« »Da haben wir es«, erwidert Macolm Wells bitter. »Er wird in die Stadt reiten. Und er wird Rod Kingstone begegnen. Und dann wird er schießen. Für Rod reicht sein Revolver, aber was wird, wenn Jingo oder Atlanta bei Kingstone sind? Kingstone reitet niemals ohne sie.« »Dann bin ich auch noch da«, brummt der alte John. »Nimm deinen Revolver, Macolm. Du bist nicht sehr schnell, aber vielleicht genügt es, wenn wir überraschend kommen. Hoffentlich sucht er sich nicht Annabells Saloon dazu aus, fertig bekommt er das.« Er schüttelt grimmig den Kopf und sieht unten Rimrock Wells aufsitzen. Rimrock starrt zum Vorbau und sieht dort seine Frau stehen. »Rimrock, was hast du vor?« fragt Anne Wells ängstlich. »Mann, so rede doch, wo willst du denn hin?« »Ich werde mit allem allein fertig«, brummt der alte Löwe grollend. »Kümmer dich bloß nicht um mich, das hast du seit zehn Jahren nicht mehr getan.« Er verzieht bitter das Gesicht und reitet an. Und die Frau ringt die Hände und sieht den schwarzen Hengst losfegen. Der Hengst ist sechzehn Jahre alt und läuft trotzdem noch fast jedem anderen Pferd auf und davon. Old Rimrock prescht los und zieht sich den Hut in die Stirn. Er spürt den Reitwind im Gesicht, und die Hutkrempe biegt sich. Er lacht dröhnend in den scharfen Wind hinein. »Ah«, sagt er grollend lachend. »Ich bekomme dich schon,
du alter Ziegenbart. Und ich werde dich ein für allemal von diesem Land bringen. Noch kann ich kämpfen. Und ich bin groß genug, mich nicht hinter einem Dutzend rauher Burschen zu verstecken. Ah, ich komme, warte nur, Rod Kingstone.« Weder die Stute von Macolm Wells, noch der Wallach von John Abbot schaffen es, den Abstand einzuhalten. »Er reitet wie der alte Manitu selber«, brummt John giftig. »Macolm, los, sieh zu, daß du ihm nachkommst, ich schaffe das nicht mit meinem Gaul. Hat er etwa gerochen, daß ich aufpassen würde? Zuzutrauen ist dem alten Burschen das.« »Nun gut«, sagt Macolm bitter. »Ich versuche es. Aber beklage dich nicht, wenn du mich bald nicht mehr siehst.« Er beugt sich vor, gibt der Stute die Sporen und die wird schneller und schneller. Auch der Abstand von Macolm Wells und John Abbot vergrößert sich jetzt rasch. Der Wallach fällt immer mehr zurück, und der alte Rimrock jagt wie der Leibhaftige auf die Brücke über den Long Creek zu. Die Hufe des Hengstes poltern dröhnend, als der Hengst über die Bohlen fegt. Dann ist er drüben und jagt auf die Stadt zu. Er sieht sie nach kaum anderthalb Stunden vor sich liegen und biegt scharf nach Units. Und in dieser Sekunde, als der alte Mann angejagt kommt, kneift ein anderer Mann die Augenlider zusammen und sein rotes Haar wird sichtbar, als er den Hut zurückschiebt. Dayton Beach treibt sein Pferd aus dem tiefen Hang herauf hinter das Frachtschuppenende der Reno Frachtgesellschaft und starrt auf die Staubfahne hinter dem Hengst. »Sieh einer an«, sagt Dayton Beach flach. »Es gibt nur einen Hengst und nur einen alten Burschen, der wie ein Indianer reitet. Da kommt der alte Wells. Und der Narr ist allein.« Er kaut an seinem Holzstück, das er die meiste Zeit zwischen den Zähnen hat und sieht hinter dem Schuppen durch auf die
Main Street. Vor dem Old-Indian-Saloon stehen drei Pferde mit dem Brand der Kingstone-Ranch. In der Mitte steht Rod Kingstones Pferd, rechts das von Atlanta und links das von Jingo. »Nun ja, also ist es jetzt soweit«, sagt Dayton Beach. »Das dachte ich mir schon. Und damit hat auch Rod Kingstone gerechnet. Wie genau der alte Bursche die Wells-Sippe kennt, was? Sieh einer an, da kommt der alte Löwe selber. Und er ist ein Narr.« Er treibt sein Pferd langsam hinter dem Zaun her, kommt in die enge und schlauchförmige Lücke zwischen den beiden Frachtschuppen. Der Hof ist verlassen, kein Frachtwagen ist zu sehen. Guide Marsh, der Besitzer der Linie, ist mit seiner Frau und seinen Wagen nach Sacramento unterwegs, und die Station ist verlassen. »Dieser Narr«, sagt Dayton Beach zischend. »Was wird sein, wenn der alte Rod so verrückt ist und sich mit dem Büffel Wells schießen will? Mein Gott, der Alte soll schnell sein, aber sicher ist Wells noch schneller. Und wer bezahlt mich dann weiter?« Der Revolverkiller greift mit einer behutsamen Bewegung nach seinem Karabiner. Er zieht ihn aus dem Scabbard, duckt sich und steigt ab. Das Schloß klickt leise, als er den Unterbügel bewegt und die Patrone in die Kammer springt. Der Lauf schimmert mattblau, und seine Hand umkrampft den Karabinerschaft heftig. Langsam schleicht Dayton Beach auf den hölzernen Vorbau des Hauses zu, sieht das Fenster über dem Dach des Vorbaus offenstehen und holt sein Pferd genau unter das Dach. Dort stellt er es hin, klettert mit der Gewandtheit einer Katze an dem einen Stützpfosten des Daches hoch und kriecht über das
Teerdach an das Fenster heran. Der Revolverkiller schiebt seine Hand durch den Spalt, löst den Bindfaden, der die Krampe hält und schwingt sich in den Raum. Er läuft durch das Zimmer, reißt die Tür zum nächsten auf und stürmt in den Gang. Dann sieht er durch das Flurfenster auf die Straße und stellt den Karabiner an die Wand. Drüben reitet der alte Rimrock Wells langsam auf den OldIndian-Saloon zu. Die Männer und die Frauen sehen von dem alten Mann, der langsam die Straße heruntergeritten kommt, auf den Saloon und die drei Pferde. Der alte Mann sieht starr geradeaus. Für den Augenblick vor der Entscheidung, die er selber haben will, fühlt er sich plötzlich jung. Er ist auf einen Schlag in die Zeit seiner alten Kämpfe zurückversetzt. Und er denkt, daß er immer noch ein Kämpfer ist. Rimrock Wells sieht nur nach vorn, wie er es immer getan hat in seinem langen Leben, wenn es Kampf und Ärger gab. Er sieht auch jetzt nach vorn mit dem Mut eines Mannes, der eine Entscheidung haben will und diese Entscheidung selber herbeiführt. »Ich werde es dieser ganzen Stadt zeigen«, sagt der alte Rimrock bitter. »Ich werde ihnen zeigen, was es heißt, einen Wells mit drei Mann zu verprügeln, als wenn er ein Schuft und ein Aussätziger ist. Dies ist eine Lektion, die Rod Kingstone haben muß, ehe er ganz wahnsinnig wird. Und er wird sie bekommen. Auf keine andere, als die rauhe Art.« Er hält vor dem Store von Jefferson Davis an. Ein großer, wenn auch alter Mann mit einem dichten silbergrauen Bart, zwei harten Augen und einem festen Mund. Er trägt Cowboystiefel, eine Lederweste und seine gelbgrauen Hosen dazu. Er steigt ab, bindet den schwarzen Hengst an
und schiebt den Hut nach hinten. Irgend jemand sagt heiser in die eintretende Stille hinein: »Jetzt gibt es Ärger. Der alte Löwe kommt ganz allein. Und das sagt genug. Er will kämpfen!« Rimrock Wells geht los. Er geht mitten auf der Straße und steuert den Old-Indian-Saloon an. Dort steht Archer Nully vor der Schwingtür und weicht langsam samt den Flügeln nach innen zurück. Und Nully hört die grollende und nicht mehr salbungsvolle Stimme des alten Rod Kingstone sagen: »Tochter, du bist von meinem Fleisch und Blut. Dieser verdammte Wells-Junge ist dir immer noch nicht aus dem Kopf. Ich sage dir, es wird bald niemanden mehr geben, der Wells heißt. Ich habe all die Jahre geschwiegen und mich geduckt. Und jetzt bin ich groß genug, größer als es Rimrock Wells jemals war.« Annabell Kingstone steht hinter dem Tresen und lehnt am Flaschenregal. Und sie sagt mit blitzenden Augen fauchend: »Gib deinen Affen die Befehle und laß sie tanzen, diese Taugenichtse und Revolverschießer. Aber vergiß niemals, daß mir fast die Hälfte der Ranch gehört. Ich will mit dir nichts zu tun haben, gar nichts, solange du tust, was ich sage. Aber laß deine Burschen hier heraus. Du hast mir nichts zu sagen, Vater, gar nichts mehr. Du hast dich selber zu dem gemacht, was du heute bist. Soll ich da noch Achtung vor dir haben?« Der alte Rod, ein schlanker, gebeugt gehender Mann mit düsteren Augen, denkt: Ich hasse Rimrock wie die Pest. Und vielleicht fürchte ich mich auch so vor ihm wie vor einer Krankheit. Ich liebe meine Revolverburschen nicht, aber ich will endlich wissen, wer groß genug ist, Rimrock zu übertrumpfen. Ich weiß, wie schmutzig dieses Spiel werden kann. Ich habe nicht viel Gefallen daran,
aber ich habe einfach keine Wahl, als mich mit Revolverschießern zu umgeben. Tochter, du hast recht, aber weißt du, wie es ist, wenn ein Mann immer im Schatten eines anderen leben muß. Weißt du, wie es ist, wenn dieser Rimrock die Faust nimmt und zuschlägt? Das weißt du nicht, aber ich habe das erfahren müssen. Und seit dieser Sekunde hasse ich ihn und seine Söhne. Archer Nully sagt krächzend: »Mr. Kingstone! Draußen kommt Rimrock Wells!« In diesem Augenblick wird es Rod Kingstone zuerst kalt und dann heiß. Er steht völlig erstarrt vor dem Tresen. »Boß«, sagt Manuel Atlanta heiser, »Boß, das ist eine leichte Sache, das ist ganz einfach. Er wird seinen Kampf bekommen. Und es wird der letzte Kampf in seinem Leben sein.« Rod hört ihn sprechen, aber er blickt nicht hin. Er sieht auf seine Tochter. Sie sieht ihn an, groß, weit und offen. Und sie müßte nicht seine Tochter sein, wenn sie nicht wüßte, was der alte Mann, den sie den alten Wolf nennen, jetzt denkt. »Nun?« fragt Annabell gepreßt. »Nun, Vater? Du brauchst nichts zu tun, als nur den Finger zu heben und deine Wölfe besorgen jede Arbeit. Sie werden ja bezahlt. Heb doch den Finger, Vater, es ist doch leicht für dich. Oder bist du irgendwo doch noch anständig?« »Nur ruhig, Boß«, sagt Silver Jingo sacht. »Er wird dir nicht gefährlich werden können. Er wird…« »Rod«, sagte jemand auf dem Vorbau, nachdem die harten und stampfenden Schritte verstummt sind. »Rod, jetzt komm heraus. Aber sicher brauchst du deine Leibwache, was? Versteck dich nur hinter ihnen, ich schieße mich auch mit drei Burschen, wenn es sein muß. Komm nur heraus, du wirst mit deinen Leuten kommen, ich kenne dich doch. Das war schon
immer deine Art. Komm nur, ich kenne deine Art, den Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Ich warte eine Minute, Rod. Bist du dann nicht auf dem Gehsteig, komme ich herein!« Einige Sekunden schwankt er, aber dann gibt er sich einen Ruck, sieht seine beiden Revolvermänner an und sagt salbungsvoll, mit jener erzwungenen Ruhe, die alles überdeckt: »Das ist mein Kampf, Atlanta, Jingo. Ich werde jetzt auf die Straße gehen. Ihr könnt zusehen, aber das ist auch alles, was ihr könnt.« »Boß«, sagt Atlanta erschrocken. »Boß, er soll schnell sein. Und wenn er dich erwischt?« »Dann erwischt ihn«, sagt Rod Kingstone mit seltsamer Ruhe. »Dann werde ich tot sein und ihr braucht euch keine Gedanken mehr zu machen, wie ein Befehl von mir aussieht. Erwischt ihn, wenn ich falle, denn dann hat er angefangen. Und niemand kann euch verdenken, daß ihr schießen werdet. Aber so sicher bin ich nicht, daß er mich schlagen kann.« Er dreht sich hart um, und seine Tochter sagt verächtlich hinter dem Tresen: »Das paßt zu dir, Dad. Verlierst du, soll er auch verlieren und nicht den Triumph haben. Was seid ihr beide nur für Narren? Wie die ersten Menschen, die mit Knüppeln aufeinander losgingen. Nur, daß es jetzt Revolver sind, die etwas bereinigen sollen. Man sollte euch beide…« Sie weiß genau, daß kein Mann etwas dabei finden wird, wenn einer der Revolvermänner zieht, falls der Alte fällt. Und sie beginnt zu ahnen, daß Rod Kingstone viele Jahre geübt hat. »Ich gehe, und ihr kommt nach«, sagt Rod Kingstone heiser, »Rimrock, ich komme heraus, und ich kämpfe allein. Hast du gehört? Geh auf die Straße.« »Ich habe dich gehört«, sagt Rimrock Wells kalt. »Aber ich denke, du hast noch eine Karte im Armel stekken. Was werden
deine Schießer tun, wenn du umfällst?« Rod Kingstone geht auf die Tür zu und hält sich an ihr fest. Er blickt über sie hinweg auf Rimrock, der auf der untersten Treppenstufe steht und ihn abwägend ansieht. »Solltest du, wie es immer war, mehr Glück haben«, sagt Rod Kingstone bitter, »dann wirst du vielleicht in den Revolver eines der Männer sehen müssen. Und ich sage dir, daß es so ehrlich sein wird, daß sie dich anrufen werden, einer nach dem anderen. Bist du damit zufrieden?« »Das wußte ich«, sagt Rimrock kühl und langsam. »Kein Sieg für mich, der nicht meine Niederlage wird, was? So siehst du aus, Rod. Nun gut, solange sie rufen und warten, ist es richtig. So leicht falle ich nicht um.« Er dreht sich um und zeigt Rod Kingstone seinen breiten Rücken. Und Rod denkt in diesem Moment an Dayton Beach. Einen Augenblick stockt Kingstones Fuß. Der alte Wolf denkt an die Warnung, die er Dayton gab, ehe sie sich trennten. »Paß auf, Dayton«, sagt Rod Kingstone. »Ich kenne den alten Wells. Wenn er wütend genug ist, kommt er selber. Und es ist deine Sache, ihn mir vom Hals zu halten. Halt ihn mir vom Hals, aber mach es nicht zu gemein.« Dayton, wo steckt er? fragt sich Kingstone verstört. Ich habe nicht geahnt, daß er mich auf diese Art fordern würde und dachte, er käme mit seiner Mannschaft. Wenn dieser Narr sich einmischt, dann muß ich ihn auch noch decken. Er sieht sich vorsichtig um, aber er sieht die Luke neben dem Fenster im Frachtwagenkontor nicht. Dazu ist die Luke zu klein und der Gewehrlauf nur ein Punkt, nicht größer als ein Stecknadelkopf auf der Entfernung. Rod Kingstone bricht der kalte Schweiß aus, obwohl er sich zur Ruhe zwingen will. Auf einmal begreift der alte Mann, daß sein Haß fast zu weit gediehen ist und weiß, daß es jetzt nur
noch ein Vorwärts, aber kein Zurück mehr gibt. »Unruhig, Rod?« fragt Rimrock Wells grollend, als er Kingstones Unruhe sieht. »Wovor hast du Angst? Ich sehe es dir an, aber niemand weiß so gut wie du, wer hier schuldig ist! Du wolltest es doch so haben? Jetzt sieh zu, wie du damit fertig wirst, Rod. Diese Sache ist zu alt. Und niemand ist so lumpig bis zu diesem Tag gewesen, gleich drei Mann auf einen Jungen zu hetzen.« »Das habe ich niemandem befohlen«, erwidert Rod Kingstone und sieht sich kurz um. »Rimrock, du hast von Anbeginn immer die Macht gehabt. Und jetzt sieht es anders aus. Wir haben getauscht. Das ist deine Medizin, die du nicht schlucken willst, weil sie für deinen Stolz zu bitter schmeckt.« »Wie genau du das weißt«, sagt Rimrock Wells grimmig. »Rod, du bist listig wie ein Fuchs, aber einmal fängt sich auch ein Fuchs in der eigenen Falle. Damit du es nur weißt, mein Freund.« Sie gehen beide auseinander und drehen sich nach fünfzehn Schritten um. Rod Kingstone starrt noch immer nach allen Seiten und sucht nach Dayton Beach. Und er verdammt den Augenblick, in dem er Dayton einen Befehl gab. »Das ist weit genug, Freund Rod«, sagt der alte Löwe. »Ich stehe hier richtig. Aber wenn du willst, dann geh noch ein Stück näher oder weiter. Ganz, wie es dir paßt.« Die Ruhe, mit der er das sagt, ist schrecklich. Und dann blickt er kurz zur Seite, denn er sieht Annabell auf dem Vorbau auftauchen. Er sieht ihr grünes Kleid und ihre schlanke Figur. »Madam«, sagt Rimrock kehlig und tief. »Dies ist nichts für eine Lady. Ich wollte, Sie wären vernünftig genug, das einzusehen.« »Ihr Narren«, sagt sie zischend. »Wells, Sie sind ein genauso
großer Narr wie Rod. Ich sage euch, es wird nichts als Blut und Tränen geben. Wie alt seid ihr, daß ihr euch wie Narren benehmen müßt?« »Tochter, halt den Mund«, faucht Rod Kingstone sie an. »Wir sind nicht zu alt, einen Revolver abzufeuern. Und es ist besser so, als wenn es anders wäre. Einmal ein Ende und damit hat es sich. Geh hinein.« »Ich bleibe draußen«, sagt sie bitter. »Beide alt und beide zu närrisch, um miteinander zu reden. Nur über den Lauf eines Revolvers hinweg. Das ist die einzige Sprache, die ihr versteht. Sie ist euch angeboren, aber gestern ist nicht mehr heute. Laßt es sein.« »Nie!« rufen beide zugleich und das ist das erstemal, daß sie gemeinsam einer Meinung in ihrem Leben sind. »Fertig«, sagt Rimrock Wells gallig. »Rod, jetzt kannst du es haben.« Er stellt sich breitbeinig hin und senkt langsam beide Hände, bis die dicht über den Kolben der Revolver hängen. Zwei alte Männer, und beide haben die Hände dicht über den Eisen in der Schwebe. »Fertig«, sagt nun auch Rod und dreht sich leicht, denn er trägt nur einen Colt tief rechts an der Hüfte. »Ich werde nicht an…« Er zuckt leicht mit der Hand, aber Rimrock Wells hält die Hände still und fällt nicht auf den Trick herein. Und dann zuckt Rod Kingstones Hand noch einmal, fällt auf den Kolben des Revolvers und da zieht Rimrock Wells. Er ist alt, aber er ist für Rod immer noch zu schnell. Seine Eisen fliegen aus den Halftern, und der Kampf, der ein halbes Menschenalter nicht ausgetragen wurde, beginnt ohne lange Einleitung. Sie ziehen beide, Rimrock etwas schneller und gleich beide Eisen völlig gleichmäßig.
Rod Kingstone hat geübt und muß nun sehen, daß der alte Löwe immer noch schneller ist. Er sieht die Eisen hochkommen, und Rimrock Wells läßt den Hammer des linken Colts eine Sekunde früher los. Die Kugel faucht haarscharf an Rod Kingstones linkem Bein vorbei und reißt eine lange Furche durch den Staub. Und dann überstürzen sich zwei Dinge zur selben Zeit. In die Main Street jagt ein Reiter hinein und brüllt gellend. Und hinter der Luke neben dem Fenster im Gang, sieht Dayton Beach über den Lauf seines Karabiners. »Ich halte ihn dir vom Hals. Er schießt zu schnell für dich«, sagt Dayton und hört den wilden Schrei aufkommen. Dieser Schrei hat seine Wirkung auf die beiden alten und verbohrten Männer auf der Straße, aber er hat keine Wirkung auf Dayton Beach. Dayton Beach sieht, wie Rimrock Wells sich dreht und trotzdem sein Ziel nicht aus den Augen läßt. Er sieht schattenhaft, daß Rod Kingstone den Kopf hochnimmt und die Straße hinaufblickt. Und genau in diesem Augenblick, als Rimrock Wells den Hammer des rechten Colts losläßt, schießt auch Dayton Beach. Die Leute auf der Straße sehen, wie Rimrock Wells herumgeschleudert wird und dann lang in den Staub kracht, zugleich aber sehen sie auch, daß er schießt. Die Kugel reißt Rod Kingstone den Hut vom Kopf, und da erst schießt Kingstone. Er feuert, aber die Kugel schwirrt einen Yard über Rimrock Wells hinweg die Straße hoch. Rimrock Wells ist bei Bewußtsein, als er auf die Straße kracht. Er fühlt nichts, obwohl er ganz klar ist. Er sieht Macolm angefegt kommen und seinen Colt herausreißen. Und er will sich bewegen, aber seine Glieder gehorchen ihm nicht. Er bekommt nicht einmal den Arm hoch.
Und in seinem Rücken ist alles taub. Er sieht seinen Sohn angejagt kommen, sieht, wie Macolm sich duckt und den Colt auf den Frachtwagenbau richtet. Macolm schießt, sieht die Gewehrmündung. Und dann spuckt der Karabiner Feuer, sein Pferd wiehert einmal und stellt sich jäh hoch. Dann bricht der Gaul zusammen. Ein anderer Mann würde herunterspringen können, aber er kann sich nur fallen lassen. »Zu langsam«, sagt Macolm Wells, als er stürzt und der Karabiner zum drittenmal brüllt. Die Kugel trifft ihn, und dann begräbt ihn das Pferd. Er spürt nichts mehr als die schwarze Wolke der Ohnmacht. Er will reden, jener Mann, der sein Vater ist. Er will schreien, aber es wird nur ein gestammelter Laut daraus. Seine Stimme gehorcht ihm nicht mehr, das erkennt er plötzlich. Mein Rückgrat, denkt der alte Mann voller Entsetzen. Der Halunke hat von hinten geschossen und mein Rückgrat getroffen! Ich bin gelähmt. Er macht aus Furcht vor einem weiteren Leben, das ihn in einem Bett sehen wird, die Augen zu. Er hört die Stimme ganz weit weg, aber er hört sie. »Dad, ich bin mit dir fertig«, sagt Annabell totenblaß. »Das ist schuftig. Wer ist der Halunke, der für dich diese schmutzige Arbeit tat? Ah, warum kannst du nie anständig sein?« Sie läuft auf die Straße. Und sie sieht einen Augenblick das graue Gesicht ihres Vaters, der entsetzt auf die Straße starrt und nichts zu begreifen scheint. »Das wollte ich nicht«, sagt Rod Kingstone. »Ich weiß nicht, wer auf ihn und seinen Sohn geschossen hat. Verdammt, wo ist der Schuft? Wer hat sich da eingemischt?« Und als er das sagt, hat er seine Angst schon überwunden und denkt bereits daran, daß es jetzt entschieden ist. Er geht
hastig los und sieht auf Rimrock Wells hinab, der mühsam und kaum verständlich sagt: »Das hast du gut hinbekommen, du Schuft. Sieh nicht nach mir, kümmer dich um meinen Jungen.« Rod Kingstone geht weiter. Er sieht mit einem Blick, daß Rimrock Wells ein kranker Mann sein wird und ihm nicht mehr gefährlich werden kann. Und langsam wandelt sich das Gefühl, gewonnen zu haben, sogar in eine Art Befriedigung. Hinter dem Frachtwagenkontor rast der Braune mit Dayton Beach davon. Niemand sieht ihn verschwinden, keiner blickt in diese Richtung, denn alles starrt nur auf die Straße. Dort nehmen Jingo und Atlanta ihre Pferde und schleifen die tote Stute weg. Und Atlanta sagt zu Jingo: »Dayton, keiner sonst. Er hat die Nerven behalten, und er ist schlau genug, sich für die Zeit eine Rückversicherung zu suchen. Verdammt, das war nichts als ein unglücklicher Zufall mit Macolm. Sein Bein, er würde sonst aus dem Sattel gekommen sein.« Der Doc rennt auf seinen hageren Beinen zu Macolm, als Rimrock abwinkt und die Hand kaum um Zentimeter bewegen kann. »Was ist, Morgan?« fragt Kingstone heiser. »Was ist mit Rimrock? Los, Mann, red doch.« »Für dich gibt es doch nur eine richtigte Antwort«, erwidert Morgan Slinger bitter. »Aber sie ist noch nicht richtig, Rod. Er lebt noch. Und wenn alles innen heil ist, dann wird er vielleicht hundert Jahre alt werden. Bist du jetzt zufrieden? Annabell, Leute, faßt an, holt eine Tür, wir können Macolm nicht tragen. Es sieht schlimm genug aus mit ihm.« Annabell Kingstone ist kreideweiß und schluckt schwer. Dann sagt sie tonlos: »Bringt ihn zu mir in den Saloon. Bringt ihn nur hin, dort
kann er bleiben. Doc, ist es schlimm mit Macolm?« »Dazu muß ich ihn erst richtig untersuchen«, murmelt der Doc. »Es sieht aus, als wenn er innerlich alles gebrochen hat. Wenn er durchkommt, wird es Monate dauern. Und er wird vielleicht besser…« Er schweigt, und Annabell geht zu Rimrock Wells. Der liegt still und sieht sie an. Und er sagt auf seine seltsam verzerrte Art: »Einen Wagen. Holt einen Wagen und dann fahrt mich auf die Ranch. In dieser Stadt bleibe ich nicht mehr. Was ist mit Macolm?« Vielleicht wird die Wahrheit ihn umbringen, denkt Annabell Kingstone bitter. »Der Doc sagt, es sieht schlecht aus«, sagt sie leise. »Was ist, warum können Sie nicht aufstehen?« »Ich weiß nicht«, murmelt der alte Mann. »Es wird wohl mein Rückgrat sein. Nun ist alles zu Ende, ich fühle es.« Und in dieser Minute packt ihn die wilde Verzweiflung und läßt ihn ahnen, daß es jetzt aus mit ihm und der großen Ranch ist. Er kann sie nicht halten und es gibt keinen Mann, der die Mannschaft führen wird. Plötzlich fallen ihm die zweitausend Rinder Kingstones ein, die dicht an seiner Westseite stehen. Und er weiß, daß man sie nur kurz zu treiben braucht, dann werden sie auf seinem Land sein. Ich kann nichts tun, als mich wie ein Igel zusammenrollen, sagt sich der alte Mann bitter. In einem offenen Kampf würden wir verlieren, weil niemand die Mannschaft führen kann. John ist zu alt und Gide zu jung und noch einige Tage krank. Er sieht den Doc kommen und blickt auf die Männer, die seinen Sohn auf einer Tür wegschaffen. Sie tragen ihn in den OldIndian-Saloon. Und über die Straße kommt Rod Kingstone auf ihn zu.
»Ich habe das nicht gewollt«, sagt der ziegenbärtige Kingstone salbungsvoll. »Du hast deinen Kampf haben wollen und ihn bekommen. Und das Ende erlebst du jetzt. Ich gab keinen Befehl, dich niederzuschießen, Rimrock, aber jetzt hat sich das Blatt gewendet. Ich werde mir genug Land nehmen, hast du verstanden?« »Tu nur immer, was du tun mußt«, erwidert der alte Rimrock bitter. »Aber schluck nicht zuviel, Wolf, du könntest an einem zu großen Bissen ersticken. Ist das deutlich?« »Du bist fertig«, knurrt Kingstone giftig. »Ich habe ein halbes Leben auf diesen Augenblick gewartet. Und du weißt selber ganz gut, wie fertig du bist. Du kannst gar nichts mehr tun, denn niemand ist da, der dir helfen wird und der euch führt. Was ist mit seinem Rücken, Doc?« Morgan Slinger, der Doc, richtet sich langsam auf und sagt mit Eiseskälte: »Der Schuft, der von hinten auf ihn schoß, hat sein Rückgrat getroffen. Und wenn es kein Wunder gibt, dann wird er zeit seines Lebens nicht mehr gehen können. Bist du jetzt zufrieden, Rod?« Rod Kingstone dreht sich schweigend ab und geht weg. Er sieht seine Männer an und blickt die Main Street hoch. Dort kommt John Abbot angeritten und hat die Hand am Kolben seines Revolvers. Er kommt zu spät, der alte Vormann. Und sein Blick trifft Rod Kingstone. Atlanta beobachtet den Alten mißtrauisch, und Jingo hat sein übliches Grinsen aufgesetzt. Sie starren ihn an wie zwei Wölfe, die ein Wild in einer Falle haben und es vertilgen wollen. »Was willst du hier, du krummbeiniger Zwerg?« fragt Silver Jingo zischend. »Dies war ein Kampf, und ihr habt verloren. Und jetzt kannst du deinen Boß nehmen und verschwinden.
Ich will von euch keinen Mann mehr in dieser Stadt sehen. Die Stores sind für euch geschlossen, und die Saloons werden keinen Whisky mehr an euch ausschenken. Ich sage, versucht es, dann erlebt ihr den nächsten Krieg.« »Rod, seit wann redet ein Mann für seinen Boß?« fragt John Abbot kalt und verschränkt dann die Hände auf dem Sattelhorn. »Ist das jetzt bei dir so, daß du nichts mehr zu sagen hast?« »Du warst schon immer ziemlich frech«, faucht ihn Kingstone grimmig an. »Dich geht es nichts an, was ich tun werde und was meine Männer tun. Er hat nur das gesagt, was ich auch für richtig halte. Jetzt ist alles anders. Und ihr werdet in diese Stadt nicht mehr kommen. Sehen wir euch hier, wird es eine Schießerei geben. Wenn ihr Macolm holen wollt, dann tut es, aber nur mit zwei Mann und einem Wagen. Dies ist ein Befehl.« John Abbot sieht ihn an und schweigt. Er reitet dicht an Kingstone heran und sagt dann knapp: »Du bist jetzt groß, Rod. Und eines Tages wirst du so klein sein, daß du gar nicht mehr zu sehen bist. Das ist ein Versprechen. Warte nur ab, du Narr.« Kingstone starrt ihn an und flucht heiser, als Abbot scharf an ihm vorbeireitet und neben Rimrock Wells anhält. Neben dem alten Rimrock sind einige Männer, die ihn vorsichtig aufhelfen und wegtragen. Und John Abbot geht neben ihm her und hat den Hut in der Hand. Es dauert keine Minute, dann sind die Männer im Old-Indian-Saloon. * John Abbot steht mit kantigem und bleichem Gesicht neben dem Tisch, auf den sie Old Rimrock gelegt haben.
»Schaff mich auf die Ranch«, sagt Rimrock leise. »John, einen Wagen. Wie geht es Macolm, kann er mit?« »Das ist unmöglich«, sagt Morgan Slinger scharf. »Rimrock, das würde sein Tod sein. Laß ihn hier, du kannst auf Stroh liegen, dann geht es vielleicht. Aber du wirst denken, daß der Wagen direkt durch die Hölle fährt.« »Für mich ist überall nur die Hölle«, antwortet Old Rimrock. »Egal, wie es kommt, aber ich will auf meine Ranch. Doc, werde ich tot sein, ehe ich ankomme?« »Vielleicht, aber ich glaube es nicht«, erwidert der Doc heiser. »Woher einen Wagen…« »Ich gebe meinen«, sagt Annabell Kingstone leise und tritt vor. »Rimrock, es tut mir schrecklich leid. Und ich habe damit nichts zu tun. Ich bin mit meinem Vater fertig. Nehmen Sie meinen Wagen an?« Der alte Mann schweigt eine Weile und blickt sie an. Und dann nickt er langsam und schwerfällig. Er spricht nicht mehr, als sie ihn tragen, auf den Wagen bringen und Annabell neben John Abbot auf den Bock steigt. Der alte Mann liegt auf einer dicken Strohlage. Er ist verbunden und beißt die Zähne zusammen, denn der Schmerz ist fürchterlich, der in seinem Rücken wütet. Und er denkt, daß es vielleicht gut ist. Alles würde tot sein in ihm, wenn sein Rückgrat ganz und gar hin wäre. Und so hat er doch noch die aufkommende Hoffnung, daß dort, wo Schmerz ist, auch noch Heilung sein kann. Dann rumpelt der Wagen über die Brücke, und an der anderen Seite hält John Abbot den Wagen an. »Rimrock, kannst du noch?« fragt er leise. »Rimrock, du hältst das vielleicht nicht durch.« »Ich – ich halte durch«, sagt er stockend. »Lady, es ist schlimm für einen alten Mann, seine Fehler einzugestehen,
aber ich möchte es tun, ehe es vielleicht zu spät ist. Madam, die Sache damals – ich war im Unrecht. Ich habe Sie für eine Kingstone gehalten, aber Sie kommen auf Ihire Mutter heraus. Sie war ein gute Frau und hatte immer meine Achtung! Ich entschuldige mich für damals.« John Abbot erstarrt, als er seinen Boß reden hört. Er denkt, daß er nicht richtig gehört hat und weiß doch, daß es die Wahrheit ist. Aber ehe er etwas sagen kann, hat der alte Rimrock die Augen geschlossen und sagt nichts mehr. Er sagt nichts mehr, bis sie die Ranch erreichen. Und dort ist er ohnmächtig. Er wird es auch bleiben, mehr als achtundvierzig Stunden. Für eine alte und weißhaarige Frau ist dieser Tag voller Not und Schmerz. Sie geht in ihr Zimmer und bleibt eine Weile allein. Und als sie dann herunterkommt und sich neben das Bett ihres Mannes setzt, sieht niemand, wie hart und voller Tränen dieser Tag für sie ist. »Madam«, sagt John Abbot in der Tür, und sie zuckt zusammen, denn sie hat ihn nicht gehört. »Madam, Gide weiß noch nichts, und…« »Laß den Jungen schlafen, John«, murmelt Anne Wells leise. »Ist es schlimm mit Macolm?« »Es sieht so aus, aber der Doc hat Hoffnung«, murmelt John Abbot leise. »Es war ein Schurkenstreich, wie ihn nur Kingstone sich ausdenken konnte. Madam, ich möchte nichts tun, ohne Ihre Zustimmung zu haben. Ich kann die Weide mit meinen Männern nicht halten. Diese Mannschaft braucht einen Führer, einen harten Mann.« Gide Wells kommt herein und wird steif. Er sieht noch immer schlimm aus. Er kann schlecht gehen und ist noch immer halb entzwei. »Was ist das?« fragt er. »John, was ist mit Dad, was ist pas-
siert? Red, John, was ist geschehen?« »Setz dich nur hin«, sagt John bitter und drückt ihn in den Lehnstuhl. »Yeah, Junge, er wollte es so haben, und jetzt hat er es wirklich. Es ist…« Er erzählt ihm alles, was er gehört und was danach kam. Und Gide Wells wird kreidebleich. »John, wir werden es ihnen geben«, sagt Gide keuchend. »Wir werden diesen alten Wolf in die Wüste schicken und seine Gunner mit dazu. Man sagt, es sei Dayton Beach gewesen?« »Es gibt niemanden, der ihn gesehen hat«, antwortet Abbot grimmig. »Kein Beweis, Junge. Und kämpfen? Wer soll führen, wer ist von uns schnell genug, auf die Revolverschießer loszugehen? Mit den Fäusten, Junge, da schaffen wir es. Aber ein Revolvermann prügelt sich nicht, weil seine Hände sein einziges Kapital sind. No, Junge, keinen Krieg.« »Du – du willst kneifen?« fragt Gide. »Du bist der Vormann, und dein Boß wurde in den Rücken geschossen. Ich werde allein kämpfen. Und niemand hält mich auf.« John Abbot sagt grimmig: »Macolm wird vielleicht sterben, dein Vater ist vielleicht immer an ein Bett gefesselt. Und du junger Narr willst kämpfen, wo es nichts mehr zu kämpfen gibt? Meinst du, ich würde nicht lieber Kingstone die Pest an den Hals schicken, als hier untätig zu sitzen? Ich bin bereit, für diese Ranch zu sterben. Aber nicht eher, als bis es einen Sinn hat. Du bist zu jung und nicht hart genug. Es kann Tote geben, und dann wird dir schlecht werden.« »Mein Gott, John«, sagt die Lady hastig. »Dort liegt Rimrock und ihr streitet euch. Gide, wenn du kämpfst, dann wirst du sterben. Und ich werde nichts mehr auf dieser Welt haben, außer einem lahmen und im Sterben liegenden Sohn und einem kranken Mann. Willst du so unvernünftig sein?«
»Ich kann nicht alles schlucken, Mutter«, erwidert Gide heiser. »John redet, als ob es Hilfe gibt, als wenn wir eines Tages diesem Kingstone eine Lektion erteilen können. Und du willst nicht, daß ich kämpfe. Was soll daraus werden, wenn wir alles laufen lassen.« John Abbot geht an ihnen vorbei zum Fenster. Er stützt die Arme auf das Fensterbrett und sagt: »Madam, es gibt jemanden, der mächtig stolz ist. Und dieser Jemand ist die bitterste Medizin für Kingstone und sein Revolverrudel. Ich weiß nicht, wo sein Stolz endet und wo er sich zu erinnern beginnen wird, daß er ein Wells ist. Dieser Mann ist Rimrock Wells und dein Bruder, Junge.« »John«, sagt die Lady verstört. »John, was redest du da? Warum sprichst du von Rimrock, der verschollen ist? Die ganzen Jahre bist du taub und sagst niemals etwas über ihn. Und jetzt machst du einer alten Frau Hoffnung.« »John«, sagt Gide schnaufend. »Was weißt du von Rimrock?« »Vor zwei Jahren traf ich auf dem Trail nach Oregon einen Frachtwagenfahrer. Der Mann kam aus Fort Klamath, und er erfuhr natürlich, welche Mannschaft das war. Der Bursche sagt mir, ob diese Ranch vielleicht auch Rimrock Wells gehörte. Und ich sagte, natürlich sei das so, der Alte käme nach.« »Und?« fragt Anne Wells schwach. »Nun ja«, murmelt John heiser. »Er meinte Rimrock Wells den Jüngeren. Ich habe dem Jungen beigebracht, wie man reitet, ich brachte ihm bei, wie man tricksen kann und schneller schießen, als ein anderer Mann. Und ich dachte, er würde sich vielleicht an mich erinnern. Da habe ich geschrieben, Madam.« Anna Wells fragt: »John, hast du eine Antwort bekommen?« »Ja, Madam«, sagt der alte und krummbeinige Vormann ganz leise. »Ich bekam eine Antwort. Er hat eine ziemlich große Ranch, aber er ist kaum zu Hause. Die Ranch liegt am
Rand des Tordan Valleys, aber er läßt sie von einem Partner verwalten.« »Oh, mein Gott«, sagt Anne und schlägt die Hände vor das Gesicht. »Und du hast nichts gesagt, John. Wie konntest du mir das antun?« »Ich – ich wollte ja immer«, sagt der Vormann. »Aber ich traute mich nicht wegen Old Rimrock. Der hätte mich zum Teufel gejagt und Sie, Madam, Sie würden sicher nicht auf der Ranch geblieben sein. Rimrock schrieb mir, er würde schon eines Tages kommen, aber bis dahin sei es noch lange. Yeah, der letzte Brief kam vor einem Vierteljahr. Da war er in Pocatello. Und er schrieb, die Stadt sei mächtig wild und er trüge einen Orden. Nachtmarshal war er damals. Einmal schrieb er aus Montana und einmal aus Oregon.« »Du verdammter alter Narr«, keucht Gide heiser. »Warum hast du nur nichts gesagt? Das werde ich niemals verstehen.« »Rimrock wollte das so«, murmelt der alte John. »Er hat geschrieben, daß es für dich sicher ganz gut und prächtig sei, eine Mutter zu haben. Und du bist ja nun gerade achtzehn geworden. Rimrock meinte, er hätte seine Mutter immer gebrauchen können, aber wenn ich es sagte, würde sie sicher zu ihm kommen und dann wärest du allein. Das wollte er nicht, er wollte keinen Unfrieden. Wenn du es nicht glaubst, dann kannst du es ja selber lesen.« »John, kann ich seine Briefe lesen?« fragt Anne Wells gepreßt. »Du hast recht, und er hat es gewußt.« Gide Wells würgt es in der Kehle, und die Tür klappt leicht hinter dem krummbeinigen und verschwiegenen John Abbot. Es dauert nicht lange, dann kommt er wieder, hält ein paar Briefe in der Hand. Er gibt sie Anne Wells und winkt Gide hinaus. »Laß sie nur allein mit den Briefen«, sagt John Abbot im Flur
leise. »Er hat immer mächtig an seiner Mutter und an dem alten Dickschädel gehangen. Und ich fürchte, er ist nur deshalb so ruhelos geworden, denn früher war er ein wenig anders. Wenn Kingstone frech wird, dann wirst du reiten müssen, Junge.« »Ich?« fragt Gide heiser. »Meinst du, er kommt sonst?« brummt der alte John. »Der hat einen Kopf, der ist noch dicker, als der von deinem alten Dad. Der kommt nur, wenn du ihn holst, das weiß ich. Rimrock setzt seinen Fuß nicht mehr auf dieses Land, das ihm der Alte verboten hat. Ich bin alt und kann nicht reiten, aber du bist sein Bruder und dir wird er folgen, das hoffe ich. Traust du dir das zu?« Gide Wells grinst pötzlich, und seine Augen blitzen. »Sicher, das traue ich mir schon zu«, sagt er langsam. »Wenn es sein muß, reite ich gleich los, John. Und ich werde schon durchkommen.« »Vergiß nur nicht, daß in der Gegend des Paradise Valley genug Gesindel herumläuft. Erinner dich an Dayton Beach, den hat sich Kingstone auch dort weggeholt«, sagt John warnend. »Nun, ich werde dir einige Ratschläge geben. Du bist noch verdammt jung, aber schaffen kannst du es. Geh jetzt zu deiner Mutter, ich habe noch mit der Mannschaft zu tun. Los, mach schon, ich werde bei dieser Geschichte sicher noch einmal jung.« Er grinst über sein ganzes, faltiges Gesicht und rennt fast aus dem Haus. Draußen holt er sich einige Leute zusammen, teilt sie ein und die Männer jagen auf die Weide hinaus. Dort wird man die Herde zusammentreiben und auf den Trail über die Westweide auf die Ranchhügel bringen. Einige Männer reiten in den beginnenden Abend hinein und postieren sich auf der Hochweide im Westen der Wells-Ranch.
Diese Männer brauchen nicht lange zu warten, dann sehen sie das, was John Abbot vorausgesehen hat. Reiter tauchen aus dem Süden auf, sichern und kommen über die Weide geritten. Es werden immer mehr, die im beginnenden Mondschein auf der Wells-Weide auftauchen und dann kommen die Rinder. Matt Gulch, einer der Reiter der Wells-Mannschaft, beobachtet den Aufmarsch der Kingstone Herde, die der alte Rod auf die Weide seines Nachbarn treiben läßt. Er sieht, wie die Männer die Weidehütte besetzen und im weiten Bogen die Herde sichern. Matt Gulch und Ben Smith reiten zurück. * John Abbot sitzt auf der Treppe und spricht gerade mit Mark Fairman, einem Stellvertreter, als die beiden Reiter die Ranch erreichen. »Nun, Matt?« fragt er Gulch trocken. »Er hat es also so gemacht, wie ich es mir gedacht habe. Wie stark ist er?« »Fast vierzig Mann«, antwortet Gulch bitter. »Durch den Paß sind wir noch gekommen, aber ich denke, er wird ihn schließen. Wo bleibt unsere Herde?« »Sie kommt von Norden«, sagt John langsam und nickt vor sich hin. »Vierzig Mann, dann sind auf seiner Ranch keine zehn Leute mehr. Aber es wäre Selbstmord, die Ranch anzugreifen. Sicher hat er die schlimmsten Schießer gerade dort und wartet auf uns. Ich werde ihm den Gefallen nicht tun. Noch nicht.« »Hör zu, John«, brummt Mark Fairman. »Wenn er Krieg macht, dann machen wir auch welchen. Wir schaffen es sicher, ihm seine Ranch zu nehmen. Und daraus läßt sich eine präch-
tige Falle für ihn machen. Ich denke, er wird ahnungslos mit seinen anderen Reitern zurückkommen und genau in die Falle reiten.« »Dazu ist er. zu klug«, erwidert Abbot träge. »Wir haben Zeit. Wir haben schrecklich viel Zeit, und das wird ihn verrückt machen. Nur immer ruhig, Leute.« Der Doc kommt eine Stunde später und hält mit seinem Wagen vor dem Haupthaus an. »Macolm?« fragt Anne Wells leise und krampft die Hände um die Vorbaubrüstung. »Morgan, wie geht es ihm?« »Besser, als ich dachte«, erklärt der Doc. »Jetzt ist sein steifes Bein noch mal gebrochen. Und einige Rippen sind auch hin. Er wird vier bis acht Wochen liegen müssen, aber er wird leben. Madam, kann ich reinkommen?« Sie tritt schweigend zurück, und in diesem Augenblick kommt Gide Wells aus der Tür des Hauses. Er prallt fast auf den Doc, hat einen Packen in der Hand, und der Doc zieht die Augenbrauen hoch. »Ihr habt die Herde an die Ranch gebracht und Gide will weg«, sagt Morgen Slinger knapp. »Es ist nicht meine Sache, Gide, aber ich traf unterwegs sechs Kingstone Reiter. Sie hatten zwei prächtige Sägen dabei und meinten, ich würde nachher durch die Furt fahren müssen und einen kleinen Umweg von sechs Meilen machen. Sie haben die Brückenhölzer durchsägt, und die Brücke schwimmt sicher schon im Long Creek.« John Abbot dreht sich scharf herum und starrt den Doc aus schmalen Augen an. Gide Wells flucht heiser und verzieht das Gesicht bitter. »Was ist das?« fragt Abbot heiser. »Verdammt, es gibt nur eine Furt weiter im Norden, und die ist ziemlich tief. Die andere liegt schon auf Kingstones Ranch. Die verdammten Halunken wollen uns zwingen, Kingstones
Furt widerrechtlich zu benutzen, dann haben sie einen prächtigen Grund, mit der Schießerei anzufangen.« »Vielleicht«, sagt der Doc knapp. »Beach war dabei. Er meinte, ihr solltet nur kommen, die andere Seite des Rivers gehöre niemandem. Und der Weg zur Stadt könnte über ein Dutzend Kingstone Leute weggehen.« Er geht ins Haus, und John Abbot sagt bitter »Sie wollen nicht, daß wir in die Stadt kommen. Das ist der ganze Grund. Und ich wette, daß sie die Brücke genau bis zur Hafte abgebrochen haben, die uns nicht mehr gehört. Gide, komm mit, du hast nicht viel Zeit.« Gide Wells verabschiedet sich von seiner Mutter und geht dann hinter Abbot her über den Hof auf den Corral zu. »Du nimmst den Hengst von Old Rimrock und dein Pferd, Junge«, erklärt John heiser. »Zwei Sättel und zwei Pferde. Halt dich nirgendwo in einer Stadt auf. Für vier Tage hast du Proviant, also müßtest du es schaffen können. Trag deinen Revolver unter der Jacke, sobald du in das Paradise Valley kommst. Laß dich in nichts ein, du bist noch lange nicht schnell genug für einen rauhen Burschen. Gide, bring ihn mit, was auch kommt.« »Ich werde es schaffen«, erwidert Gide langsam. Er steigt in den Sattel und nimmt den Hengst Old Rimrocks an die Longe. Er winkt seiner Mutter zu, und sein bartloses und noch nicht ganz reifes Gesicht drückt Zuversicht aus, obwohl er weiß, wie gefährlich der Weg nach Jordan Valley werden kann. John Abbot hebt leicht die Hand und sieht dem Jungen nach, der losreitet und sich nicht umblickt. Die Männer der Crew sehen den Jungen verschwinden und fragen Abbot, wohin er reitet. »Nur so, er kommt schon wieder«, sagt Abbot kühl. »Er
macht einen kleinen Ausflug, das ist alles.« Er geht auf den Vorbau und sieht die ängstlichen Augen vonAnne Wells. »John, er ist groß genug, aber er hat keine Erfahrung«, sagt sie gepreßt. »Und wenn ich ihn jetzt auch noch verliere?« »Der kommt durch«, erwidert Abbot fest. »Er hat einen Sack voll Ratschläge bei sich. Und dumm ist er nicht. Vielleicht ist er noch kein Kämpfer, aber ich bin sicher, er ist hart und schnell genug, seinen Weg zu gehen. Madam, ich hätte einen der Männer geschickt, aber ich weiß nicht, was Rimrock dann tun wird.« »Ja, ich weiß«, sagt sie herb und geht ins Haus zurück. Gide Wells verschwindet mit seinen Pferden in der Unendlichkeit des Landes. Und er läßt nichts zurück, als die heimliche Hoffnung eines alten Vormannes und die Sorgen seiner Mutter. * Gide hat die Wüste umgangen, ist auch dem Paradise Valley ausgewichen. Gide Wells denkt an den großen Bruder und ist nun vier Tage unterwegs. Es ist nicht mehr weit bis Jordan Valley. Nach einer halben Stunde sieht er die Lichter der Stadt. Ein Hügel senkt sich vor ihm, die ersten Häuser tauchen auf. In dieser Stadt ist immer Leben bis weit nach Mitternacht. Reiter kommen, Cowboys von den umliegenden Ranchen nehmen hier ihre Drinks. Drüben sieht Gide das Sheriff-Office. Der Sheriff, dessen Orden blinkt, steht unter der Laterne. Langsam reitet Gide Wells die Straße hoch, kommt an einen Saloon vorbei, aus dem das Gefiedel der Geigen herausdringt.
Und dann ist er vor dem Office. »Hallo, Sheriff, ich suche einen Mann, der Rimrock Wells heißt. Und ich würde gern wissen, wo ich ihn finden kann?« »Hallo«, sagt Sheriff Luke Rayton erstaunt. »Junge, es sieht aus, als wenn du nicht aus dieser Gegend stammst. Du scheinst weit geritten zu sein. Nun, wenn du Rimrock Wells suchst, dann geh nur in den Saloon dort drüben. Er ist dort.« * Rimrock steht mit Clyde Clifton an der Theke. Er blickt zur Tür, als sie aufgeht, starrt Gide an und beißt vor Überraschung seine Zigarre glatt durch. In seinen eisgrauen Augen taucht jäh ein kleiner Funke auf, und dann tritt sein Stiefel auf die Zigarre am Boden. Gide Wells schluckt schwer, starrt seinen großen Bruder an und sagt heiser: »Ich – ich bin vier Tage geritten, Rimrock. Ich denke, du bist mein ›Bruder‹.« »Großer Gott, der kleine Gide«, sagt Rimrock und packt ihn hart an beiden Schultern. »Junge, welche Freude. Hat er dich auch…« Gide Wells sieht aus keinen zwanzig Zentimetern Entfernung in die eisgrauen Augen seines großen Bruders. »Bruder«, sagt er leise. »Bruder, es sieht schlimm aus. Es sieht ziemlich schlimm aus. John hat mich losgeschickt. Dad hat mich nicht weggejagt, er weiß nicht, daß ich gekommen bin. Er wird mich nie wegjagen können, denn er wird niemals wieder einen Schritt machen.« Aus dem dunkelbraunen und harten Gesicht des großen Rimrock Wells weicht langsam alle Farbe. Er dreht Gide mit einem Ruck der nächsten Lampe zu, blickt in sein Gesicht und
sagt gallenbitter »Jemand hat dich zerschlagen, ich sehe es. Komm zu einem Tisch. Clyde, hol einen starken Kaffee von Jim.« Sie kommen beide zu einem Tisch, der in einer Ecke steht, und Rimrock drückt Gide auf einen Stuhl. »Was ist passiert?« fragt der dunkle Mann. »Gide, John würde niemals gesagt hahen, wo ich bin. Was also ist los?« »Rod Kingstone hat Dad in den Rücken schießen lassen, und Macolm kam unter sein Pferd. Er wird Monate nicht sein Bett verlassen können. Rimrock, Dad ist gelähmt.« »Nein«, sagt Rimrock und wird bleich. »Old Rimrock soll nicht mehr gehen können? Erzähl! Hallo, Clyde, setz dich hin, ich habe schlimme Nachrichten.« Clyde angelt sich lässig einen Stuhl, setzt sich umgekehrt auf ihn und stützt die Arme auf. Gide Wells erzählt leise, und Clyde sieht starr Rimrock an. Rimrock Wells stellt keine Fragen. Er spricht erst, als er die ganze Geschichte kennt und beißt einen Augenblick hart die Zähne aufeinander. »Ich habe einmal geschworen«, sagt Rimrock Wells düster. »Ich habe einmal gesagt, ich werde nicht mehr zurückkehren, ehe Dad nicht die Ranch einem von euch gegeben hat. Well, Mutter hat mich noch niemals um etwas umsonst gebeten. Clyde, ich mache einen kleinen Ritt.« »Sicher«, murmelt Clifton träge, »wir beide…« * Rimrock Wells reitet mit seinem Bruder und Clyde Clifton drei volle Tage. Er reitet mitten durch die Black Rock Wüste, kürzt den Weg ab. Es ist der Trail der drei Männer, der in den frühen Morgen an den Long Creek führt. Dort setzt der alte Ben Yermo seit zwan-
zig Jahren Männer und Wagen auf seiner Fähre über den Fluß. Es hat seit drei Tagen geregnet, was vom Himmel herunterkommen konnte. Der alte Ben Yermo sieht die Männer aus dem leichten Morgendunst auftauchen. Sie kommen auf die Fähre zu, auf der der Wagen von Pritch Goddard gerade festgekeilt wird. Yermo kneift die Augen zusammen und sieht Gide Wells kommen. Er kennt Gide, denn bis nach Reno sind es von hier keine vierzig Meilen mehr. »Ist noch Platz auf der Fähre?« fragt Rimrock heiser und sieht aus staubüberpudertem Gesicht auf den Alten hinab. »Sechs Pferde, mein Freund.« »Also doch«, sagt Yermo brummend. Er sieht Cliftons Eisen und von diesen auf Rimrocks. »Es ist wahr, was sie erzählen. Gide, es ist eine schlechte Zeit und die Leute, die aus der Stadt kamen, sagten, du wärest weggeritten. Und sicher würdest du einige Revolverhelden mitbringen.« »Heh!« ruft Goddard. »Ben, ich habe nicht viel Zeit, was ist jetzt?« »Ich komme gleich«, antwortet Yermo heiser und fährt dann leiser fort. »Dich kenne ich doch, Mister. Es ist lange her, aber ich habe dich schon mal gesehen. Wenn ich nur wüßte, wo es war?« »Ich kam zweimal mit der Herde weiter westlich über die Furt«, sagt Rimrock und lächelt knapp. »Als ich zuletzt kam, war dein Bart noch grau und nicht weiß, Ben. Es ist jetzt genau zehn Jahre her, fast auf den Tag. Ich gab dir einen Golddollar, weil es Nacht war.« Ben Yermo starrt ihn an, läßt vor Schreck sein Quirrholz fallen, mit dem er die Fähre sonst zieht und sagt, verstört zu Rimrock hochsehend: »Rimrock Wells, alle guten Geister. Damals warst du weicher
im Gesicht, jetzt ist es fast zu hart. Wo hatte ich meine Augen, ich hätte es an den Eisen sehen müssen. Mein Gott, Junge, sind es wirklich schon zehn Jahre? Und jetzt wirst du dem alten Wolf die Zähne ziehen, was?« »Vielleicht«, antwortet Rimrock sanft. »Fährst du, oder soll ich zur Furt reiten? Das wäre ein Umweg.« »Rauf mit euch«, brummt Ben Yermo. »Wenn ich nicht mit euch über den Fluß komme und dem Wagen dazu, dann taugt meine alte Fähre nichts mehr. Teufel, jetzt möchte ich in Reno sein.« Er grinst breit und hebt sein Quirrholz wieder auf. Die Fähre ist bald am anderen Ufer. Rimrock greift in die Brusttasche seiner schwarzen Lederweste und wirft Ben blitzschnell einen Dollar zu. »Vergiß nicht, einen von Kingstones Affen zu grüßen, wenn du einen hier siehst«, sagt er trocken. »Vielleicht laufen sie bald zum Nordpol, und deine Fähre bekommt mehr Arbeit, als sie vertragen kann.« Er reißt seine beiden Pferde herum und prescht Gide und Clyde nach. Rimrock Wells reitet schnell, und sein Gesicht wird härter und kantiger, je weiter er sich dem Gebiet der Ranch nähert. Es ist fast Mittag, als Rimrock scharf nach links abbiegt und Gide ihn erstaunt anblickt. »Wo willst du hin?« fragt Gide heiser. »Rimrock, da geht es nicht zur Ranch, da geht es nach Reno.« »Sicher, ich weiß«, sagt Rimrock knapp. »Ich sah dort vom jemanden reiten. Und wenn ich mich nicht irre, kam der Mann von Jacksons Ranch. Es ist besser, man weiß vorher, was es gibt. Clyde, hier entlang, dann packen wir ihn vor dem River und der Furt. Er muß über den River, und ich werde ihn ein wenig fragen, was es in der Stadt gibt.«
Er treibt seine beiden Pferde an, jagt los und Clyde folgt ihm dichtauf. Nicht lange darauf sehen sie vor sich das Tal, die Krümmung des Rivers und die Sandbank. Der Mann im Fluß treibt sein Pferd das diesseitige Ufer hoch und hält an, als er die drei Reiter sieht. »Gide, wer ist das?« fragt Rimrock kurz, ehe sie den Mann erreichen. »Gehört er zu Kingstone?« »Jackson-Ranch«, murmelt Gide. »Das ist Art Lepsom, sein Bronchobuster. Er kommt sicher von der Ranch und will in das Pferdecamp am Blue Mountain. Du kannst mit ihm reden.« Rimrock Wells bringt seine Pferde vor Lepsom zum Halt und sagt, während er an den Hut tippt: »Mister, ich hätte einige Fragen. Sie kosten dich nichts, als die Wahrheit. Willst du sie mir beantworten?« Lepsom nickt Gide zu, dann starrt er Rimrock an, und sein Blick wird wachsam und hell. »Ich fresse meinen Hut, wenn Gide nicht seinen großen Bruder geholt hat«, sagt er heiser. »Well, dann frag nur, Wells. Mich interessiert euer Ärger nicht, unsere Ranch liegt zu weit weg. In der Stadt haust ein Revolverrudel in dem Palast von Kingstones Tochter. Der Sheriff ist im Süden. Annabell hat keine Chance, die Burschen loszuwerden. Kingstones andere Reiter sind auf der Westweide und halten den Paß besetzt, es kommt niemand hin, den sie nicht haben wollen. John Abbot hat vorgestern den Wagen in die Stadt geschickt, aber sie haben ihn nur bis an den Fluß gebracht.« »Und die Brücke?« fragt Rimrock hart. »Was wurde mit dem Wagen, Lepsom?« »Die Brücke hat Kingstone abbrechen lassen, wo euer Land aufhört«, sagt Lepsom kurz. »Jim Brand und Tucker Monroe fuhren den Wagen. Jemand hat die Pferde erschossen und Brand eine Kugel in der Schulter verpaßt. Monroe hat einen
Schuß in das Bein bekommen. Und der Wagen ist später in den River gerollt. Daß es von allein geschah, glaubt keiner.« »Das sind Neuigkeiten«, murmelt Rimrock grimmig und sieht den wilden Zorn in Gides Augen. »Vielen Dank, Lepsom. Hast du gehört, was Macolm und Old Wells machen?« »Macolm liegt ganz in Gips, und Old Rimrock soll wenigstens wieder reden können«, erwidert Lepsom. »Das ist alles, was ich weiß. Ich muß nach meinem Pferderudel sehen, Wells. Nun, seht zu, daß ihr nicht in einen Hinterhalt reitet. Kingstone hat anscheinend irgend etwas vor. Man sagt, er will die Ranch angreifen.« »Dieser Narr, soll er es nur tun«, meint Rimrock gallig. »Nun, er muß verrückt sein, anders ist es nicht möglich. Bye, Lepsom!« Lepsom reitet weiter, und Rimrock sieht eine Zeit starr vor sich hin. Er hält auf seinem schwarzen Renner und weder Gide noch Clyde stören ihn in seinen Gedanken. »Nun ja«, sagt Rimrock und furcht leicht die Augenbrauen. »Gide, kannst du noch? Junge, du bist wie ein guter und prächtiger Mann geritten. Keine Klage, kein Murren. Gut so, Gide, ich bin stolz auf dich. Und unser alter Löwe wird es sicher auch sein.« Er sieht Gide aus seinen eisgrauen Augen ernst an, und Gide wird vor Verlegenheit leicht rot. Der Junge fühlt, daß ihn der große Bruder nicht nur loben will, sondern daß er ihm auch zeigt, daß er wirklich eine Menge wert in Rimrocks Augen ist. Rimrock Wells sieht über die Hügel, und Gide bemerkt den Blick, der in die Richtung der Heimat geht. Vielleicht ist es schwer für Rimrock Wells, nicht gleich auf die Ranch zu reiten. Aber sicherlich hat Rimrock seine guten Gründe. »Wir sind drei Männer«, sagt der große und schwarzhaarige Rimrock. »Gide, du trägst jetzt deinen Revolver offen. Und ich
denke, ich habe dir in den letzten Tagen zeigen können, wie man schneller ist. Du schaffst es jetzt, einen guten Schießer, zu erwischen, ehe er dich treffen kann. Behalt den Colt vor dem Bauch. Dies ist die beste Stellung für einen Mann, der nur mit einem Eisen arbeiten will. Dadurch wirst du schneller. Wir reiten in die Stadt.« »In die Stadt?« fragt Gide erstaunt. »Um alles in der Welt, Bruder, was willst du dort?« »Dieser Dayton Beach ist der gefährlichste Mann des Rudels«, sagt Rimrock. »Wir werden Dayton Beach und die anderen Burschen, die im Saloon von Annabell sind, ein wenig in die Enge treiben. Und du wirst der Mann sein, der sie herausfordert. Dich erwartet jetzt die erste Aufgabe. Ich denke, sie wird leicht sein, wenn es auch schwer aussieht. Paßt beide auf…« Rimrock Wells hockt vorgebeugt im Sattel und spricht auf seinen Bruder und Clyde ein. Clyde beginnt immer schärfer und gefährlicher zu grinsen und sagt zischend: »Rimrock, jemand wird etwas zu spüren bekommen. Gide, was meinst du?« »Ich wäre darauf niemals gekommen«, sagt Gide Wells heiser. »Rimrock, das ist einfach und doch schlimm genug für den alten Wolf.« Rimrock Wells lächelt seltsam, als sie anreiten und durch den River jagen. Nicht lange darauf sehen sie von einem der weiten Hügel aus die Stadt in der Ferne liegen. Sie sehen weit hinten, genau zwischen zwei Tälern hindurch, den Lake Tahoe schimmern. »Gide, sieh auf deine Uhr. Jetzt ist es knapp ein Uhr. Ich gebe dir Zeit bis ein Uhr und fünfzehn Minuten. Dann reitest du in die Main Street ein. Keine Sorge, wir sind zur richtigen Zeit da.«
Er blickt scharf nach rechts und sieht den Bogen des Long Creek vor sich. Links liegt die Stadt, aus den Schornsteinen ringeln sich die dünnen Rauchfahnen, und Rimrock erkennt durch sein Glas deutlich die trägen und faulen Männer, die auf den Vorbauten der Häuser lehnen. »Sie ist still, die Stadt«, murmelt Rimrock Wells träge. »Aber sie wird nicht mehr lange in ihrer sanften Ruhe bleiben. Gide, nimm den Weg rechts herum und sei nicht zu schnell. Reite mit der Uhr in der Hand, wenn es nicht anders geht. Bis dahin, Bruder.« »Bis dahin«, antwortet Gide Wells und reitet an. Er ist stolz auf seinen Bruder und reitet im Bogen auf den jenseitigen Hügel. Er verschwindet hinter dem Kamm, umrundet die Stadt und nähert sich ihr von der anderen Seite. Gide Wells sieht nach etwa zwölf Minuten die Häuser vor sich auftauchen. Er sieht die Schuppen der Frachtwagengesellschaft, die Esse der Schmiede rauchen und da blickt der erste Mann zu ihm hin. John Freeman, der Storebesitzer, der seinen Lehnstuhl auf den Vorbau geschoben hat, sieht den schwarzen Hengst des alten Wells. Er kneift die Augen zusammen, richtet sich jäh auf und starrt auf Gide, als wenn er einen Geist erblickt. »Der kleine Gide«, sagt John Freeman heiser und springt auf. »Marlow, heraus mit dir. Da kommt Gide Wells und hat einen Colt umgeschnallt.« Er ruft es laut und drüben, auf der anderen Straßenseite, stehen blitzschnell zwei, drei Männer auf. Jesse Marlow, der Verkäufer Freemans, stürzt aus der Tür. »Weiß der Junge denn nicht, daß Dayton Beach mit vier Mann im Old-Indian-Saloon steckt und nur darauf wartet, daß einer von den Wells-Leuten in die Stadt schleicht?« fragt er entgeistert. »Heh, Gide, dreh um, Junge. Dayton Beach ist im
Saloon und…« Die Türen der Häuser gehen auf, Männer treten auf die Gehsteige und Frauen sehen aus den Fenstern. Der Junge ist allein in einer Stadt, die jede Wette abgeben wird, daß Gide Wells in einer halben Stunde tot sein wird, wenn er etwas versucht. »Hallo, Marlow, Freeman«, sagt Gide lässig und lüftet seinen Hut. »Ich weiß, dieses Stinktier Dayton Beach ist hier. Ich bin ziemlich wild darauf, ihm zu zeigen, wie groß er ist. Und ich denke, es wird gleich keinen Beach mehr geben.« »Er – er ist verrückt«, stottert Marlow erbleichend. »Das kann er doch nicht im Ernst sagen? Beach schießt viel zu schnell für ihn.« Der Junge tut so, als wenn er ihn nicht hört und reitet, starr auf den Old-Indian-Saloon blickend, weiter. Der Saloon ist keine hundert Schritte vor ihm, und die Rufe der Männer gellen über die Straße hinweg. Der Schmied taucht auf, Guide Marsh, der Frachtwageninhaber rennt auf den Vorbau und reißt den Mund auf. Und die Rufe sind laut genug, um bis auf den Vorbau des Old-Indian zu reichen. Dort liegt Spencer Grashoper, ein kleiner und krummbeiniger Mister, im Schaukelstuhl. Grashoper schaukelt dösend. Dann macht er langsam die Augen auf, und seine abstehenden und großen Ohren fangen die Worte auf. Spencer Grashoper sieht über die Bretter des Vorbaus. Und dann öffnet sich sein Mund weit, er starrt erschrocken auf den Reiter, der auf den Vorbau zugeritten kommt. Gide ist noch vierzig Schritte entfernt, sieht die Männer laufen und den Doc ankommen. Der Doc rennt über die Straße in die Bahn des Pferdes hinein und greift Gide in die Zügel. »Bist du wahnsinnig?« keucht der Doc heiser. »Dreh um, solange du noch einen Funken Verstand hast. Mein Gott, du hast
ja einen Revolver mit. Und Beach wartet nur auf einen von euch! Da, Grashoper steht auf. Junge, du bist schon tot und weißt es noch nicht.« »Wo ist dieser Skunk?« fragt Gide laut und der Doc läßt vor Entsetzen die Zügel fahren. »Hat er sich verkrochen, als er mich kommen sah? Heraus mit dem Kerl auf die Straße. Ich werde ihm seine Bezahlung geben.« Er reitet an dem sprachlos verwirrten Doc vorbei und greift an seinen Revolver. Drüben starrt ihn Spencer an und reißt erstaunt die Augen auf, als Gide auf ihn zureitet. »Was starrst du so, Schießer?« brüllt Gide laut und allen Leuten steigen die Haare zu Berge. »Hol ihn raus, diesen Angeber. Beweg dich, du Affe, los, hol ihn, oder ich mache dir Beine!« »Was?« fragt Spencer ungläubig. »Was bin ich und was ist Dayton? Bist du verrückt, Bengel? Du bist viel zu klein, um einen Revolverkampf austragen zu können. Scher dich weg, oder du wirst es erleben, wie Erde drücken kann.« »Jetzt ist es genug, du Ochsenfrosch«, sagt Gide rauh und reißt mit einem Ruck seinen Colt heraus. »Bring ihn heraus, ich werde dich schon auf den Weg schicken. Da hast du es.« Spencer steht am Geländer des Vorbaus und sieht den Colt auftauchen. Er begreift nicht, daß der Junge wirklich einen Kampf haben will und starrt nur auf das Eisen. Und dann sieht er die Feuerwolke aufrasen, die Kugel schmettert vor seinem linken Stiefel in die Vorbaubohlen, und Spencer macht einen Satz. »Gehst du jetzt?« fragt Gide kalt. Er hält achtzehn Schritte vor Spencer an, und der Lauf seines Revolvers deutet auf Spencers Kopf. »Versuch nur zu ziehen, Spencer, und du hast ein Loch irgendwo. Hol ihn raus.« Spencer dreht sich vorsichtig um und wagt nicht, zu seinem rechten Colt zu greifen, den er tief an der Hüfte trägt. Er weiß
genau, daß er keine Chance hat, denn der Junge hat den Revolver schon in der Hand und wird abdrücken, wenn er sich bewegt. »Du Narr«, sagt Spencer wild und starrt auf die Schramme in den Bohlen, die die Kugel gerissen hat. »Du verdammter Narr, jetzt hast du angefangen und nun sieh zu, wie du fertig wirst. Er schießt mir vor die Stiefel, als wenn er ein Gunner ist und sich einen Spaß leisten kann. Warte einen Augenblick, ich hole ihn dir gleich. Mach schon dein Testament.« Er geht auf die Schwingtür zu. Das Echo des einen Schusses ist durch die Häuserzeilen gelaufen und hat verschiedene Wirkungen. Auf ihrem Sofa richtet sich Annabell Kingstone auf und lauscht dem Grollen des Schusses nach. Dann tritt sie an das Fenster, blickt auf die Straße und sieht Gide mit dem Revolver in der Hand auf seinem Pferd sitzen. »Er hat geschossen«, sagt sie besorgt. »Ich muß runter, Dayton wird ihn…« Sie läuft in den Flur, aber sie kommt für Dayton Beach zu spät. Dayton Beach hockt rittlings auf einem Stuhl, als draußen Spencer zu fluchen beginnt. Und dann knallt es, der Stuhl fliegt zurück und Dayton ist mit seiner üblichen Katzengewandtheit hoch. Er starrt kurz zum Tresen, winkt Randy Saines, der am Tresen steht, und Randy streckt langsam seine Hand aus. »Sam, gib mir deine Schrotflinte«, sagt Saines scharf. »Heraus mit ihr, aber sei vorsichtig.« Der Keeper stellt schweigend sein Glas weg, an dem er gerade geputzt hat, langt unter den Tresen und gibt Saines die Schrotflinte mit dem Kolben voran. »So ist es richtig«, sagt Saines grinsend und sieht Brad Mer-
chants mit Dayton Beach und Paolo Higgins auf die Schwingtür zuhasten. »Steh nur still, Sam, ich passe hier drin schon auf. Spencer, was ist?« Spencer hat beide Hände an den Türflügeln und stößt die Tür auf. Er prallt fast auf Dayton, flucht heiser und sagt grollend: »Gide Wells ist draußen, Dayton. Und er hat mir auf die verdammt rauhe Art vor die Stiefel geschossen. Er will sich mit dir schießen und sagt, du bist ein Skunk.« Dayton Beach bleibt mit einem Ruck stehen und zieht seine linke Augenbraue hoch. Sein längliches Gesicht mit den vorstehenden Schneidezähnen bleibt ausdruckslos, als er langsam sagt: »So, ich bin ein Skunk. Nun gut, ich gehe raus. Und kommt nur mit, das ist einen Spaß wert, Freunde. Dieser Narr, dieser junge.« Er sieht sich nach Randy Saines um, und der tritt an das linke Fenster. Das Walzenklavier, an den Paolo Higgins den Trompeten-Dixi eingestellt hat, jammert weiter und Higgins drückt den Hebel auf die Nullstellung. Jammernd verklingt die Melodie. Drei Reiter der Jackson-Ranch stehen auf. Dayton Beach schiebt seine Kreuzgurte ein Stück weiter nach vorn, lächelt trügerisch und gefährlich und tritt an die Tür. »Steck nur dein Eisen weg, Junge«, sagt er und sieht Gide schon neben dem Pferd stehen. »Du hast gesagt, ich bin ein Skunk, willst du das wiederholen?« »Komm nur heraus, Stinktier«, erwidert Gide grimmig, und als er Daytons längliches Killergesicht erblickt, braucht er keine künstlicheWut mehr. Er wird von ganz allein jäh von dem wilden Zorn erfaßt. »Nun gut, ich komme«, sagt Dayton flach. »Bist du sicher, daß dies eine Forderung ist? Beschwere dich später nicht.«
»Ich werde dich dorthin schicken, wo es schön heiß in einem Kessel ist, Heckenschießer«, sagt Gide. »Komm schon. Und die Straße wartet auch. Du wirst sie ganz nah sehen.« Dayton gibt der Tür einen Stoß, tritt heraus und in diesem Augenblick läuft Annabell Kingstone aus der Tür in den Saloon. »Dayton, halt«, sagt sie erregt. »Der Junge hat keine Chance, das ist glatter Mord.« »Nur immer ruhig, Madam«, grinst Brad Merchants breit. »Der Wells-Junge will es so. Er hat Dayton beschimpft und ihn gefordert. Niemand hält diesen Kampf noch auf. Kommen Sie nur raus, es gibt sicher etwas zu sehen.« Sie sieht vollerAbscheu auf Saines, der am offenen Fenster steht und sie kurz anblickt. Dann sieht Saines wieder auf die Straße und sagt zu Dayton: »Der Narr ist wirklich allein gekommen. Dayton, ich passe auf.« Die Männer drängen aus der Tür, sehen, wie Gide Wells dem Rappen einen leichten Schlag mit der flachen Hand gibt und das Pferd wandert an den Haltebalken. Dayton Beach geht langsam, beide Hände in der Nähe seiner Eisen, über den Vorbau und bleibt an der Treppe stehen. Gide Wells ist keine zwanzig Schritte von ihm entfernt und hat den Colt im Halfer vor der Gürtelschnalle. Dayton starrt auf den seltsamen Sitz des Eisens und beginnt spöttisch zu grinsen. Hinter Dayton kommen Higgins und Merchant aus der Tür und stellen sich rechts auf. Annabell Kingstone hastet mit den drei Reitern der Jackson-Ranch nach links, und der Keeper geht ihr langsam nach. Über die Straße legt sich die gespenstische Stille, die vor jedem offenen Kampf einzutreten pflegt. Aus dem Eingang des
Hauses von Schneider Wriggle rennt der sechsjährige Adam Wriggle an seinem Vater vorbei, und der Alte reißt ihn heftig zurück. »Dayton, komm nur da runter«, sagt jetzt Gide Wells kalt und starrt den Killer grimmig an. »Wenn ich dich treffe, fällst du zu tief. Los, komm auf die Straße, wenn du nicht zu feige bist. Aber sicher bist du feiger als ein Schakal.« Dayton zuckt mit den Lidern. Und das ist das Zeichen, daß er jetzt wütend wird. »Ich schieße dich mittendurch, du Narr«, sagt er keuchend. »Willst du schießen, oder willst du mich beschimpfen? Es ist gut, ich komme.« Er hört Annabell bitter seufzen und geht die sechs Stufen runter. Seine Stiefel berühren den Staub, und Annabell Kingstone sagt: »Gide, warum mußt du immer ein Narr sein. Du hast keine Chance gegen ihn, er ist viel zu schnell, um dir eine zu lassen. Gide, gib diesen verrückten Kampf auf.« Und in diesem Augenblick, in dem sie das sagt, öffnet sich in ihrem Saloon leise die Hintertür. Zu leise für Randy Saines, der aus dem Fenster starrt und den Schaft der Schrotflinte umklammert hält. Clyde Clifton, der schlaksige Texaner, lächelt auf seine Art, als er dicht hinter Saines ist und sich räuspert. Saines zuckt zusammen, wendet sich dann halb um und blickt in die lächelnden und trügerischen Augen Clydes hinein. »Leise«, sagt Clyde. »Ganz leise, Mister. Ich kann auch laut werden, aber dann sind es diese Revolver. Und nun dreh dich weiter um. Ich rate dir, es langsam zu tun und die Schrotflinte weit vom Körper abzuhalten. Dreh dich nur um, es geschieht dir nichts, wenn du friedlich bist.«
Saines sieht die beiden dunklen Löcher in den Mündungen der Revolver und schluckt heftig. Sein Adamsapfel tanzt hoch und runter, und seine rechte Hand streckt die Schrotflinte nach außen. Clyde Clifton geht ruhig auf ihn zu, stößt dann seine Eisen vorwärts und sagt zischend: »Stell die Flinte an die Wand, aber so, daß sie nicht umfallen kann. Stell sie nur an die Wand.« »Wer bist du?« fragt Saines gepreßt. »Was mischst du dich ein und…« Der Druck des linken Eisens schwindet, dann klatscht das Halfterleder leicht, und Clyde nimmt ihm die Schrotflinte aus der Hand. »Jetzt kannst du dich wieder umdrehen, ich will nämlich auch noch aus diesem Fenster blicken«, sagt Clyde freundlich. »Nur keine Schrotflinte, mein Freund, ich kann das nicht haben. Well, dreh dich jetzt um.« Er gibt Saines einen leichten Stoß vor die linke Schulter, und Saines wendet sich dem Fenster zu. Clyde betrachtet eine Sekunde den Kolben der Schrotflinte, packt Saines, dessen linke Hand sich langsam und verstohlen dem Halfter nähern will, am Kragen, und seine schlanken Finger drücken zu. Randy Saines stößt einen schwachen und heiseren Laut aus, dann explodiert scheinbar sein Kopf. Saines sieht das Fenster tanzen, die Straße zu einer Wellenlinie werden und dann wird es dunkel um ihn, obwohl die Sonne draußen prächtig scheint. »Du bist so müde, du kleiner Möchtegern und Kannicht«, sagt Clyde und läßt Saines langsam an der Wand herabrutschen. »Da sitzt du herrlich. Fast so prächtig, wie in einem Stuhl, wie?« Er nimmt Saines die Eisen weg, legt sie auf den nächsten Stuhl und schiebt den Stuhl blitzschnell, aber geräuschlos un-
ter den Tisch. Dann packt er Saines am Kragen, zieht ihn ruhig bis an den Tresen und steckt ihn in den Besenschrank in der Ecke. Draußen fragt Dayton Beach zischend: »Bin ich jetzt weit genug, Kleiner?« Clyde Clifton huscht an die Wand, in seiner Hosentasche klirren die Sporen leicht aneinander, und dann hat er die Schrotflinte unter dem Arm. Er sieht nach, ob sie geladen ist, klappt die Läufe wieder zu und tritt neben die Tür. »Nun ja«, sagt der blonde Mann grinsend. »Es ist immer gut, wenn man etwas eher im Flur ist und die Tür ein wenig offensteht. Dann sieht man gleich, wer zu einem Rudel gehört, was? Wo bleibt Rimrock?« Er sieht vorsichtig über die Türflügel hinweg, und sein Blick bleibt auf Gide liegen, der mitten auf der Straße steht und Dayton Beach starr beobachtet. »Dayton, jemand hat dich gesehen«, sagt Gide pulvertrocken und Dayton zuckt zusammen. »Jemand hat dich in Marshs Bau schleichen sehen, und du hattest einen Karabiner in der Hand. Das war dein Fehler, und deshalb bin ich hier, du Rückenschießer. Du warst nicht schlau genug.« »Es war…«, sagt Dayton und bricht gleich darauf ab, denn um ein Haar verspricht er sich und sagt, daß niemand dort war, als er schoß. »Zum Teufel, dafür wirst du bezahlen, Gide. Das schlucke ich nicht. Zieh endlich, damit es ein Ende hat. Ich werde dich noch ein Stück weiter schicken als deinen Bruder und den Alten.« Gide Wells wird blaß und beißt die Zähne aufeinander. Seine Hand bewegt sich langsam. Dayton spreizt die Hände fächerförmig. »Dayton, das ist Mord«, keucht Annabell Kingstone hart. »Wenn du das machst, dann…«
Sie schweigt, und ihre Augen sehen über Dayton Beach hinweg. Annabell Kingstone sieht jemanden kommen. Sie sieht ihn aus der Tür des Centrai-Stores treten und langsam auf die Straße wandern. Der Mann ist groß und breit. Er hat eine schwarze Tuchhose an, trägt ein rotes Halstuch und auch seine Weste ist schwarz. In seinem Gurt stecken zwei Eisen mit den Kolben nach vorn. Annabell Kingstone schließt die Augen, macht sie dann entsetzt wieder auf und vollendet ihren angefangenen Satz mit ganz anderen Worten, als sie ihn beenden wollte. »… dann wirst du tot sein.« Dayton Beach sieht ihren Blick über ihn hinweggehen und ruckt kurz mit dem Kopf. Er sieht jetzt auch, daß Gide Wells an ihm vorbeiblickt und erstarrt. Hinter ihm sagt jemand mit einer eiskalten und so schneidenden Stimme, daß einige Leute zu frieren beginnen: »Dayton, ich bin hier. Und du wirst niemals mehr auf einen Wells schießen können, wenn ich mit dir fertig bin. Gide, weg, auf die andere Seite. Clyde.« Die Schwingtür bekommt einen gewaltigen Stoß, fliegt krachend zurück, und Clyde Clifton ist mit einem Satz draußen. »Steht still!« sagt er peitschend und laut zu Merchant und seinen beiden Partnern. »Ich blase euch bis an die Wolken, wenn sich einer bewegt! Das ist Daytons Kampf. Mischt euch nur nicht ein, sonst braucht ihr keinen Doc mehr.« Higgins erstarrt, seine Augen flakkern leicht, und dann sagt der Barbier Fred Stokton schrill und gellend in die Stille hinein: »Rimrock – der wilde Rimrock Wells! Dayton, du bist tot!« »Ich bin hier«, sagt Rimrock mit seiner klirrenden Stimme schneidend. »Dayton, hier ist ein Wells. Und du kannst auf ihn schießen. Du wirst es müssen, du Heckenschütze, oder ich
zwinge dich auf meine Art, es zu tun.« Er hat die Hände nicht an den Eisen, sondern über der Brust verschränkt und wartet. Und kein Mann weiß genauer, als Rimrock Wells, daß dieser Killer vor ihm jetzt Angst hat und keinen offenen Kampf führen wird. Irgendeinen Trick wird Beach anwenden, denn sicher hat er genug von Rimrock Wells gehört. Und da geschieht es auch schon. Dayton Beach wacht blitzschnell aus seiner scheinbaren Erstarrung auf und wirbelt herum. Er zieht in der Drehung, seine beiden Eisen fliegen aus den Halftern und der Staub wallt um ihn hoch. Und dann frieren plötzlich fast alle Zuschauer dieses Kampfes, denn Rimrock Wells lacht. Er lacht schallend los und seine Hände bewegen sich so rasend schnell, daß es wie ein Blitz aussieht, der durch die Luft zuckt. »Bluffer«, sagt Rimrock. Niemand sieht, wie schnell seine Eisen in den Händen sind. Keiner sieht, wie schnell er ist und jeder erkennt nur die beiden blendenden Feuerlanzen, die aufrasen und auf Dayton Beach zufegen. Der Donner der beiden schweren Navycolts fegt grollend über die Straße hinweg. Dayton Beach brüllt gellend auf. Er dreht sich, irgendwohin fliegen seine Eisen und landen in dem hochpuffenden Staub. Der Killer schreit, als wenn er am Spieß steckt und fällt zu Boden. »Er ist ein feiger Skunk«, sagt Rimrock, und seine Hände haben kein Eisen mehr zwischen den Fingern. »Doc, er braucht dich und deine Arbeit, aber er wird nicht viel von dir haben. Ich hatte versprochen, daß er niemals mehr auf einen Wells schießen würde, ganz gleich, ob von vorn oder von hinten. Er taugt jetzt nicht einmal mehr für ein Gewehr. Und er wird ar-
beiten müssen wie ein Cowpuncher, wenn er leben will.« Dayton liegt leichenblaß im Staub der Straße und hat die Arme ausgebreitet. Sie starren alle auf seine Hände, und Higgins krümmt sich ächzend zusammen. Merchant und Spencer Grashoper sind blaß und strecken langsam die Arme in die Höhe, als Clyde Clifton trocken sagt: »Dies war die erste Vorstellung, Freunde. So groß war Dayton wirklich.« Gide hastet über die Straße. Der Doc rennt kreidebleich zu Dayton, sieht Rimrock Wells wie einen düsteren und drohenden Schatten über sich aufragen, und die Sonne wirft den Schatten des wilden Rimrock über den am Boden liegenden Rückenschießer. »Du hast seine Hände für einen Revolver unbrauchbar gemacht«, sagt der Doc heiser. »Das heilt erst in Wochen, und dann wird er immer noch langsamer sein, als er es war, ehe er mit seinen Revolvern auf die Leute losging. Rimrock, das ist hart.« »Ich halte nichts davon, jemanden zu erschießen«, erwidert Rimrock finster. »Es bleibt Mord, wenn es nicht Notwehr ist. Und dieser Mann ist ein Mörder. Jedes Gericht würde ihn einsperren und zum Tod durch den Strang verurteilen. Er kann gehen, wohin er will, aber er wird weit gehen müssen, wenn ich ihm nicht wieder begegnen soll. Dies war der erste Giftzahn eines alten Wolfs. Und ich habe ihm den ausgezogen auf meine Art. Nein, ich halte nichts davon, jemanden umzubringen.« Er sieht den Doc starr an, und der sagt bitten »Vielleicht hättest du ihn umgebracht, wenn du deinen Bruder und Old Rimrock sehen würdest. Ich bin gar nicht sicher, Runrock.« Rimrock geht zum Vorbau. Dort stehen die drei Burschen
Daytons mit erhobenen Händen vor der Schrotflinte, und Gide ist gerade dabei, sie zu entwaffnen. Rimrock Wells geht mit singenden Sporen und einem düsteren und gefährlichen Lächeln auf die Männer zu und packt Spencer am Kragen. Spencer wird noch blasser. »Du weißt, wer ich bin«, sagt Rimrock kalt und scharf. »Ich war drei Jahre Marshal in genug wilden Städten. Und dein Gesicht ist mir irgendwo begegnet. Es wird mir einfallen, Mann. Dieses Gesicht vergißt man nicht, wenn man es einmal gesehen hat. Jetzt mach den Mund auf und rede. Wer hat meinen Vater in den Rücken geschossen? Antworte.« »Ich weiß es nicht«, sagt Spencer und fühlt, wie die harte Hand Rimrocks ihm das Hemd zusammendreht. »Ich war in Burns, als du Nachtmarshal warst. Keiner von uns weiß, wer auf deinen Vater geschossen hat, das ist die Wahrheit. Mann, du drehst mir die Luft ab. Ich sagte doch die Wahrheit. Von uns weiß keiner etwas, wirklich nicht.« »Also in Bums war es«, sagt Rimrock kühl und stößt Spencer gegen die Hauswand. »Well, jetzt fällt es mir wieder ein. Du warst damals auch bei einem rauhen Rancher im Sattel. Immer bringt das kein Glück, mein Freund. Und schon gar nicht hier. Nun gut, wenn keiner etwas weiß…« Es zeigt sich, wie schnell die Meinung in einer Stadt umschlagen kann, wenn jemand da ist, der sich durchzusetzen vermag. Jetzt kommen die Leute, die sonst vor Angst vor Dayton Beach und seinem Rudel sich duckten, heran, und der Schmied sagt grollend: »Darauf haben wir gewartet, Rimrock. Well, du wirst sie schon hinschicken, wo sie hingehören.« Der Barbier hat noch immer seinen Schaumteller in der Hand und drängt auf den Vorbau.
»Du bist älter, aber schneller geworden, Rimrock«, sagt er heiser. »Mann, Dayton hatte nicht die Spur einer Chance. Das habe ich noch niemals gesehen.« »Dann jetzt«, sagt Rimrock kalt. »Ich muß sagen, auf einmal habt ihr alle Mut wie die Löwen. Was werdet ihr machen, wenn Rod doch gewinnt? Dann verkriecht ihr euch wieder?« Er sagt es leicht und spottend und sieht Gide an. »Worman«, sagt er zum Schmied. »Du hast einen prächtigen Planwagen auf dem Hof stehen und stecktest gerade ein Rad auf. Wem gehört der Wagen?« »Das ist Rods Wagen, ich hatte einen Reifen aufzuziehen.« »Nun gut, dann sind sicher auch die Pferde bei dir im Stall«, erwidert Rimrock Wells sanft. »Sei freundlich und spann an, ich brauche die Pferde und d en Wagen gleich.« Der Schmied starrt ihn an, als wenn er sich verhört hat. Die Männer Kingstones sehen verstört auf den ruhig lächelnden Rimrock Wells. »Mach schnell«, sagt Rimrock trocken. »Das ist kein Spaß, ich brauche den Wagen wirklich. Und es ist prächtig, daß er Rod gehört, besser konnte es gar nicht sein.« Der Schmied geht eilig davon und schüttelt den Kopf. Niemand begreift, was Rimrock Wells vorhaben mag. Aber, so sicher wie die Sonne am Himmel steht, sie werden es erleben. Jetzt sehen sie nur, wie Annabell Kingstone an der Wand ihres Saloons lehnt und immer noch blaß ist. Sie sieht prächtig trotz dieser Blässe aus. Ihre Augen sehen unverwandt auf Rimrock. Der dreht sich leicht, macht zwei Schritte und zieht langsam den Hut. Und in dieser Minute ist ihm, als wenn er nicht zehn Jahre, sondern nur zehnTage fort gewesen ist. Er sieht sie an, das alte und blitzende Lächeln taucht auf seinem Gesicht auf und verändert es. Er sieht plötzlich nicht mehr hart, sondern ein wenig
zufrieden aus, als er sie anblickt. Ihre Augen tauchen ineinander. Er bleibt dicht vor ihr stehen. »Dies ist der beste und prächtigste Augenblick seit langer Zeit«, sagt Rimrock sanft. »Und ich denke, wir haben uns eine Menge zu erzählen. Annabell, du hast dich verändert, aber du siehst einfach prächtig aus.« »Und du«, antwortet sie leise. »Rimrock, deine Haare sind an den Schläfen schon grau. Und du siehst mich an, wie es damals war.« Sie streckt langsam die Hand aus und berührt sacht seinen Arm. »Rimrock, ich gehe hinein«, sagt sie. »Und wenn du einige Minuten Zeit hättest…« »Viel mehr«, sagt er. »Und du weißt es.« Er dreht sich um, als sie geht und blickt die Menge an, die sich angesammelt hat. Er sieht Frauen und Kinder, er sieht einige der Männer und der Frauen, die mit ihm zusammen in derselben Schulklasse waren. Und der ruhige Ausdruck bleibt in seinem Gesicht, als er spricht: »Leute, Freunde«, sagte er ruhig. »Ich sehe eine ganze Menge bekannter Gesichter. Ich sage euch gleich, daß ich keinen Ärger in dieser Stadt machen will. Sie wird ruhig bleiben, was auch immer auf der Weide geschieht. Denkt daran, daß es ein Wells war, der die meisten Leute in diese Stadt holte, der ihnen auch Geld gab, und der immer gerecht war. Ich möchte nicht drohen, aber ich sage es hier und nur einmal, wer immer es sein wird, der sein Pferd nimmt und zur Kronen-Ranch reitet, ich werde ihn zu finden wissen. Und dann wird es ihm sicher schlechtergehen, als diesem Revolverkiller, den sie dort hinten wegtragen. Kein Mann reitet zu Kingstone. Und wer es trotzdem macht und ihn warnen will, der soll an Dayton Beach denken. Das ist alles, Freunde.«
Als er im Saloon verschwindet, in den Clyde Clifton mit Gide die drei Revolverschwinger gebracht hat, sehen sich draußen zwei Männer an. Der eine ist Gehilfe in dem anderen Saloon der Stadt und hat von Rod Kingstone manches Trinkgeld bekommen. Der andere ist bei der Frachtwagengesellschaft angestellt und kennt James Kingstone gut. »Was meinst du, Joe?« fragt der eine heiser und sieht verstohlen auf den Saloon. »Ich denke, man kann Rod nicht so einfach in sein Unglück rennen lassen?« »Nicht mit mir«, sagt sein Freund stockend. »Dieser Rimrock macht alles wahr, was er verspricht. Und ich möchte nicht für den Rest meines Lebens ein Krüppel sein. Dies allein ist einige Gedanken wert.« Und so kommt es, daß kein Mann die Stadt verläßt und auf die achtzehn Meilen entfernte Kronen-Ranch reitet. Rod Kingstone bleibt ohne eine Warnung. Rimrock Wells sieht Clyde Clifton kurz an. Dann wandert sein Blick weiter zu den vier Männern, von denen Saines nach Luft ringt und heftig auf den engen Schrank flucht. »Gide, vergiß die Stricke nicht«, sagt Rimrock knapp. »Außer den beiden da, bindet die anderen zusammen. Ich habe noch eine kleine Unterredung.« Er sieht sich forschend um, und der Keeper sagt heiser: »Mr. Wells, die Chefin ist nebenan, durch diese Tür.« Rimrock verschwindet durch die Tür, sieht den langen Gang und die Treppe nach oben. An der Wand, dicht bei der Treppe, lehnt Annabell Kingstone. Er geht ruhig auf sie zu, streckt seine Arme aus, und sie läßt sich an seine Brust fallen. Er streicht sacht über ihr blondes Haar, als sie leise zu schluchzen beginnt. »Wenn du mich haben willst, wird es keinen Fleck auf dieser
Welt geben, an den ich dir nicht folgen werde«, sagt sie und schlingt die Arme um seinen Nacken. »Ich habe gewartet und gewartet. Und die Tage nahmen kein Ende, wie meine Sehnsucht auch kein Ende haben wird, niemals.« Er sieht den sanften Schwung ihrer Lippen und beugt sich langsam hinab. »Genug«, sagt er heiser. »Es ist schon fast zuviel. Wenn man Jahre Zeit hat zu denken, Annabell, dann kommt alles zu gewaltig auf einen zu. Wo ist Macolm, ich muß ihn sehen.« Sie geht vor ihm her, und er sieht ihren gerafften Rock und die sanfte Neigung ihrer Schultern. Und er weiß genau, daß es immer dies gewesen ist, wonach seine Gedanken in den vergangenen Jahren suchten. Dies und nichts anderes. Oben dreht sie sich um und sieht ihn mit ihren leuchtenden Augen an. Er zieht sie sanft an sich, geht die Treppe hoch und hebt sie über die Schwelle eines Zimmers, auf das sie deutet. Rimrock sieht nicht viel von seinem Bruder. Er sieht den Verband am Kopf, die braunen Augen Macolms und den Gipspanzer. Macolm hat die Augen offen und versucht matt, die Hand zu heben. »Das Fenster«, sagt Macolm leise. »Bruder, ich habe dich reden gehört. Und ich wollte, ich hätte aufstehen können, um aus dem Fenster zu sehen, wie du Dayton auf die Straße schicktest. Rimrock, ich werde wieder gesund werden. Und dann wollen wir zusammen ein Stück reiten, jeden Tag. Du siehst aus wie Dad, als er jung war. Auf dem Bild in der Halle, weißt du?« Rimrock drückt kräftig die dargebotene Hand. »Nur ruhig, Bruder«, sagt er. »Ich bringe das alles schon in Ordnung. Und vielleicht brauche ich nicht einmal lange. Du wirst wieder reiten können und neben mir sein. Geht es dir besser?«
»Viel besser«, sagt Macolm leise. »Daß du gekommen bist, Rimrock. John war einmal hier, gleich, nachdem ich im Gips steckte und er sagte, er ließe dich holen. Dad weiß nichts. Du bleibst doch?« »Wenn er mich haben will«, murmelt Rimrock. »Er hat einen harten Kopf, aber ich hoffe es trotzdem. Kann ich etwas für dich tun?« »Meinen Revolver«, sagt Macolm leise. »Ich habe Dayton einige Male im Zimmer gehabt. Er kam nur, um mich zu beschimpfen. Und wenn noch einmal einer der Kerle kommt, werde ich ihn in den Revolver sehen lassen. So kräftig ist meine Hand noch, daß sie einen Colt halten kann.« Rimrock sieht Annabell an, und die holt Macolms Colt aus dem Nebenzimmer. Rimrock sieht ihn nach, legt ihn dann griffbereit neben Macolm und verläßt ihn kurze Zeit darauf. Er geht nach unten und sieht die vier Revolverschwinger kühl an. Spencer und Merchant sind nicht gebunden und sehen ihn verstört und mißtrauisch an. Er dreht sich leicht, sieht über die Flügel der Schwingtür hinweg auf die Straße und sagt pulvertrocken: »Und jetzt wollen wir eine kleine Spazierfahrt machen, Spencer, du kannst sogar selber fahren. Sag nur, ich bin nicht freundlich.« »Mann, was hast du jetzt wieder vor?« knurrt Spencer bitter. »Ist es nicht genug, daß wir keine Waffen mehr haben? Was soll das werden?« »Gide, hol den Wagen herüber«, sagt Rimrock kühl. »Ich kümmere mich um Dayton, Er wird sicher noch beim Doc sein und ziemlich jammern, denke ich.« Er geht aus der Tür, draußen stehen die Leute noch immer, und er geht wie ein König durch die schmale Gasse, die sich vor ihm öffnet. Schräg gegenüber ist das Haus des Doc. Rim-
rock geht auf den Vorbau, drückt die Tür auf und hört innen Dayton Beach jammernd sagen: »Nicht so fest, Doc, ich halte es nicht aus. Nicht so fest, mein Arm.« Rimrock Wells öffnet die nächste Tür. Dayton liegt auf dem Ledersofa, und die eine Hand ist verbunden. Die Holzschienen sehen aus dem Verband heraus, und Slinger zieht gerade die Binde an der anderen Hand straff. Als die Sporen Rimrocks rasseln, dreht sich der Doc halb um und kneift die Augen zusammen. In Daytons rotem Gesicht verschwindet die Farbe. Er wird schmutziggrau bis an den Haaransatz und sagt schrill: »Ich bin verwundet, ich kann nicht mehr kämpfen. Doc, du mußt mich schützen. Dieser Teufel nimmt mich mit, ich ahne es.« »Du ahnst ganz richtig«, erwidert Rimrock kalt. »Ich werde mit dir eine Spazierfahrt machen. Und an ihrem Ende wirst du in einem Loch stecken, aus dem du ohne Hilfe nicht mehr heraus kannst. Ich habe noch einige Fragen an dich, Killer. Und ich denke, du wirst eines Tages froh sein, wenn du antworten darfst. Doc, ich nehme ihn mit.« »Tu nur immer, was du willst«, murmelt der Doc. »Fertig, Dayton.« »Nein – nein«, keucht Dayton und starrt Rimrock ängstlich an. »Du bringst mich um, ich weiß das. Ich will in der Stadt bleiben.« »Raus«, sagt Rimrock scharf und geht um den Tisch, daß Beach ausweichen muß und auf die offene Tür zurennt. »Auf die Straße, Mörder. Und wenn du weglaufen willst, dann wird dein Bein sicher auch einige Wochen brauchen, bis es heilt. Ich hebe dich auf, bis der Sheriff hier ist. Es dauert noch drei Tage, dann ist es soweit. Und ich verspreche dir, daß du alles haben
wirst, was du verdienst.« Er packt ihn hart an der Schulter, und Daytons Gesicht ist kalkblaß, als sie auf die Straße kommen. Gerade fährt Gide den Wagen vor, und Dayton bleibt stehen. »Weiter, Schießer«, sagt Rimrock kühl. »Du brauchst nicht zu reiten, du wirst sogar fahren. Vorwärts, ich habe nicht viel Zeit.« Dayton Beach geht los und bleibt am Wagen stehen. »Gide, hilf ihm hinauf«, sagt Rimrock knapp. »Clyde, schick Spencer heraus, ich habe eine Arbeit für ihn.« Es dauert keine Minute, dann kommt Spencer Grashoper heraus und bleibt abwartend stehen. Rimrock deutet auf das erste Pferd mit dem Kronenbrand, das neben den anderen am Haltebalken steht. »Hol es her«, sagt er ruhig. »Faßt du nicht die Zügel sondern den Karabiner an, wird es dir leid tun. Und versuch erst gar nicht aufzusitzen. Das ist ein Befehl.« »Sie werden dich jagen«, sagt Spencer gallenbitter. »Er hat vierzig Reiter und…« »Tu, was ich dir sage«, faucht Rimrock scharf, und Spencer zuckt wie unter einem Peitschenhieb zusammen. »Nimm den Gaul, er gehört doch wohl Merchant, was? Und dann holst du deinen. Los, nun mach schon!« Spencer holt die beiden Pferde und muß sie hinten an den Wagen binden. Er verzieht bitter das Gesicht, als seine Partner aus der Saloontür kommen und Merchant auf den Bock steigen muß. Higgins und Saines haben es schwer, auf den Wagen zu kommen. Ihre Hände sind gefesselt, und Gide muß ihnen helfen. Clyde bleibt am Wagen stehen und hält seine beiden Revolver in der Hand. Rimrock Wells verschwindet in der Gasse neben dem Saloon und kommt im Sattel des schwarzen Hengstes wieder. Er hat
die anderen Pferde an der Longe, treibt sie hinter den Wagen und steigt dann noch einmal auf den Vorbau. Dort steht Annabell Kingstone. Sie sagt leise: »Paß nur gut auf, Rimrock. Ich würde es nicht ertragen, wenn dir etwas passiert. Sehe ich dich bald?« »Sicher, Darling«, erwidert Rimrock sanft und zieht sie einen Augenblick an sich. »Wenn Old Rod kommt, dann bestell ihm einen Gruß von mir. Er hat bis morgen mittag Zeit, auf die Wells-Ranch zu kommen. Aber ich denke, er wird dazu nicht den Mut aufbringen können. Bis bald.« Er dreht sich knapp um, der Keeper reicht ihm die Waffen der vier Revolverschwinger und Rimrock geht zu Spencer. Er stößt die Patronen aus den Colts, sie fallen in den Staub der Straße, und dann reicht er Spencer den Gurt. »Auf den Wagen«, sagt er ruhig. »Setz dich auf den Bock und nimm die Zügel. Gide, du nimmst unsere Pferde an die Longen. Hinauf, Merchant, du auch.« Er schwingt sich neben die Männer auf den Bock. Der Wagen rollt an, innen prallt Dayton hart durch den Ruck gegen die Kastenwand und jammert: »Meine Hand – ich halte es nicht aus.« »Halt den Mund, Dayton, du bist nicht gefragt«, sagt Clyde Clifton eisig. Er reitet genau hinter dem Wagen und hat die Plane aufgezogen. Und er hat seinen Colt in der Hand. Der Wagen rumpelt nach Süden aus der Stadt, aber er fährt nur bis hinter die Hügel, dann sagt Rimrock Wells scharf: »Spencer, wende den Wagen und fahre durch das Tal wieder nach Norden. Einen Bogen um die Stadt, mein Freund.« Spencer starrt ihn verwirrt an, sieht jedoch den Revolver und fährt los. Sie bleiben stets aus der Sicht der Stadt und Spencer wird immer unruhiger, als sie eine Stunde fast fahren und Wells nicht spricht. Er schielt Merchant an, aber der zuckt
schweigend die Schultern und ist genauso verwirrt wie Spencer. »Nun, dort vorn werden wir halten«, sagt Rimrock, als der steile Hügel vor ihnen hochwächst. »Wir bleiben hinter dem Hügel. Spencer, wieviel Mann habt ihr an der Furt postiert?« Spencer fragt: »Was willst du an der Furt? Dort ist niemand, sie sind alle an der alten Brücke und können von dort aus sehen, wenn sich jemand der Furt nähert. Was soll das?« »Ist doch einer von euch an der Furt, wirst du deine Lügen bezahlen«, sagt Rimrock scharf. »Überleg es dir gut, du hast noch drei Minuten Zeit.« »Ich weiß nichts anderes«, erwidert Spencer. »Es müßte Zufall sein, wenn einer dort ist. Sie sind sechs Mann an der Brücke und passen auf. Verdammt, sage nur, du willst…« »Ich will gar nichts, aber deine Partner dort wollen etwas«, sagt Rimrock grimmig. »Sie haben eine Brücke zersägt, die uns gehört und lassen niemanden von der Ranch über den Fluß. Well, wir werden das ändern. Das ist weit genug, halt an.« Spencer zieht die Zügel an, und Clyde Clifton steigt mit seinem glatten und kühlen Lächeln in den Wagen. Er hat zwei Riemenenden in der Hand, macht blitzschnell eine Schlinge um Spencers Beine und zieht den Riemen unter der Sitzbank durch. Spencer flucht, als er die Beine nicht mehr bewegen kann und fragt wild: »Soll ich so fahren, Mister?« »Genau«, grinst Clyde. »Ich werde im Wagen sein und mit Gide genau in eurem Rücken. Und ich habe eine Schrotflinte bei mir, das vergeßt nicht. Schreit ihr, wird sie losgehen. Nur immer ruhig. Merchant, deine Stiefel nach hinten.« Merchant wird auf die gleiche Art angebunden und knurrt bitter vor sich hin. Rimrock Wells nimmt Spencer die Zügel ab,
Clyde verknotet Dayton und den beiden anderen KingstoneBurschen mit den Halstüchern die Münder und grinst sie breit an, als sie unter den Tüchern brummen. »Wir fahren jetzt nach rechts auf den Weg«, sagt Rimrock Wells kalt. »Gide, binde die Pferde bei der Baumgruppe dort rechts an. Und dann auf den Kasten. Nimm deinen Karabiner mit, ich denke, wir erwischen sie ohne großen Ärger. Spencer, ich werde hinter dir sein. Und wenn du auch nur mit einer Wimper zuckst, erlebst du etwas. Das gleiche gilt für Merchant.« »Das ist wieder ein verdammter Trick«, keucht Spencer wütend. »Ich sage dir, sie werden es merken und…« »Sie werden fragen«, sagt Rimrock Wells. »Und du wirst antworten, daß ihr einen kleinen Umweg gemacht habt, um zu sehen, was es hier gibt. Sag ihnen, in der Stadt sei alles ruhig. Nicht mehr und nicht weniger. Aber warne sie nicht durch einen Blick oder eine Handbewegung. Es könnte dich alles kosten, wovon du lebst. Ist das deutlich genug?« »Du schaffst es nicht«, keucht Spencer bitter. »Ihr seid in unseren Rücken, und ich kann gar nichts tun. Verdammt, der Teufel soll dich holen, Rimrock.« »Das ist ein frommer Wunsch«, sagt Rimrock kalt. »Mann, es könnte schlimm werden, versucht ihr etwas. Nur immer grinsen, das ist die einzige Art, die euch retten kann. Ich sage dir, zwingt mich nicht zu schießen, ich treffe immer, wohin ich will. Es würde bitter für deine Partner, vielleicht zu bitter. Hast du das verstanden?« »Ich habe genug von deinen Revolvern gesehen«, murmelt Merchant düster. »Spencer, muß er schießen, dann haben wir es auf dem Gewissen. Und so rauh ich bin, ich mache das nicht mit. Keine Warnung, ich sage es dir.« »Ach, verdammt«, sagt Grashoper gallig »Ich wurde bezahlt,
und jetzt muß ich für Rod Kingstones Geld weiter nichts sein, als ein kleiner und dreckiger Verräter. Ich weiß nicht, was bitterer sein kein, zum Teufel.« Rimrock steigt langsam nach hinten, der Wagen fährt, von Spencer Grashoper gelenkt, bis an die Bäume. Hier steigt das Tal an, und auf dem Kamm läuft der alte Trailweg auf die Brücke zu. Gide Wells treibt die Pferde an die Bäume, ist in wenigen Minuten fertig und springt in den Kasten. Er hat sein Gewehr bei sich, sieht Dayton scharf an und hockt sich hin. Spencer blickt sich vorsichtig um und sieht, daß Rimrock Wells seine beiden Revolver gezogen hat. »Nun gut, du hast uns«, sagt er düster. »Vielleicht denkst du, ich bin ein Lump, daß ich meine Partner verrate. Aber ich will nicht, daß Blut fließt. Dies ist der einzige Grund, Wells. Ich kämpfe immer für Lohn, das kann auch eineAngewohnheit sein. Und ich habe noch niemals meinen jeweiligen Boß verraten! Denke, was immer du willst.« »Ich weiß«, nickt Rimrock bitter. »Ihr verkauft eure Revolver und fragt nicht erst, was Recht und was Gesetz ist. Ihr wollt nur Geld sehen, harte Dollar. Vielleicht denkst du mal darüber nach, was schmutziger ist, Spencer.« Er schweigt, und Spencer starrt verbissen auf die Bäume am Weg. Der Wagen überwindet die letzte Steigung, kommt dann auf den Weg und der grobe Schotter, der den Weg bedeckt, knirscht unter den breiten Radreifen des Wagens. Langsam gewinnt der Wagen die Höhe, der Weg senkt sich und dann kommt das tiefeingeschnittene Tal, durch das der Long Creek sich schlängelt. Überall Büsche, Bäume und eine satte Weide. Tief unten, etwa sechshundert Schritte entfernt, die Brücke. Die abgesägten Baumstämme ragen wie Geisterfinger in die Luft. Die Bretter fehlen auf der einen Seite, und nur die Stein-
auffahrt aus einem Felsbankett, das mit Schotter bedeckt ist, hat an der einen Seite einige Bretter. An den Brettern und den beiden Bäumen neben ihnen stehen sechs Pferde. Ein Mann hockt auf dem Geländer, starrt nach Norden und sieht über die Hügel auf die Wells-Seite des Flusses. Vor der Bretterwand flackert ein kleines Feuer, ein Kessel hängt an einer Stange über dem Dreibein, und Wasserdampf steigt aus ihm. Links neben der Wand hegen zwei Männer auf dem Rücken im Gras, der eine hebt den Kopf und sagt etwas. Seine Hand deutet auf den Wagen, hinter den Brettern regt es sich, und noch zwei andere kommen zum Vorschein. Sie blicken dem ankommenden Wagen entgegen und Rimrock, der zwischen Spencer und Merchant hindurchblickt, drückt seine beiden Revolver nach vorn. »Knall mit der Peitsche, Spencer«, sagt er zischend. »Knall ein paarmal, und Merchant, du kannst deinen Hut schwenken. Keine falsche Bewegung, kein Ruf.« Spencer flucht bitter, greift dann jedoch nach der Peitsche und knallt mit ihr über die Pferde hinweg. Merchant schwenkt seinen Hut und der eine Mann auf dem Geländer erwidert den Gruß. Sie stehen jetzt alle auf bis auf den einen Mann, der etwas in den Kessel schüttet und mit dem Löffel umrührt. Das ist ein reguläres Camp, geschützt von Brettern gegen Wind und Regen. Zwei Zeltplanen und sechs Männer. Sie haben Sicht bis auf einige hundert Schritte nach allen Seiten. Und sicher würden sie hinter den Stümpfen der Brücke Deckimg gegen jeden Angriff finden, gute Deckung. Und diese Männer, die Winston Salem, ein Halbblut, führt, sehen den Wagen, die beiden Pferde hinter ihm und die dazugehörigen Männer auf dem Bock des Covered. Sie winken Merchant und Spencer zu, und Merchant winkt voller Ver-
zweiflung zurück, denn der Revolver ist über seinem Gurt mit der Mündung in seinem Rücken. Budd Earp, ein Schießer aus Minoka City, den sich Rod Kingstone geholt hat, ist vom Geländer der zerstörten Brücke abgesessen und tritt zu seinen Partnern. Sie stehen alle fast in einer Reihe und Steven Haibock, der dritte Mann des Rudels, der zwei Revolver trägt, tritt vor. »Heh, Spencer«, sagt Haibock laut in das Rollen und Knattern der Räder hinein. »Sonny, welcher Wind bläst euch hierher?Wie sieht es in der Stadt aus, alles in Ordnung?« »Los, alles in Ordnung, rede«, zischt Rimrock Wells und drückt den rechten Revolver hart nach vorn. »Antworte, aber vergiß nicht zu grinsen.« »Hölle«, ächzt Spencer Grashoper heiser und wird dann lauter. »Steven, ein prächtiger Tag, was? In der Stadt ist alles ruhig. Wir wollten einen kleinen Umweg machen. Mal sehen, wie es bei euch so aussieht. Noch keiner dagewesen?« Er ist noch dreißig Schritte entfernt und denkt nach, was er tun könnte. Aber er kann nichts tun, das weiß er deutlich. Und er sieht, wie Budd Earp noch einen Schritt macht und jetzt vier Meter vor den anderen steht. »Niemanden gesehen«, sagt Earp heiser. »Sonny, es ist direkt langweilig. Nun, neulich war es anders, als diese Narren versuchten, über die Furt zu kommen. Es war eine Spielerei, ihnen die Pferde vor dem Wagen abzuschießen. Und dann haben wir sie laufen lassen und ein wenig auf ihre Beine gezielt. Sie rannten wie die Hasen weg, es war ein mächtiger Spaß. Getroffen haben wir sie irgendwo, aber nicht richtig. Du hättest dabei sein müssen, sage ich.« Oh, verflucht, denkt Merchant entsetzt. Dieser Narr, er redet und weiß nicht, daß Wells alles hören kann. Der wird mächtig wütend sein, schätze ich.
Dann spricht Wesson Rourke, mit seiner rostig kreischenden Stimme und deutet hinter sich. »Da unten, siehst du?« fragt Rourke grinsend. »Da liegt der Rest von dem verdammten Wells-Wagen. In den River haben wir ihn rollen lassen. Es war ein prächtiges Fest, denn wir hatten ihn ein wenig angesteckt. Und seine Plane brannte noch, als das Wasser den Wagen mitnahm und gegen die Brückenstreben krachen ließ. Dann erst brach das alte Vehikel auseinander und…« Der Mann am Feuer, Julien Hershield, sieht auf die Wagenplane. Und er denkt, warum sie wohl die Plane so lose gebunden haben mögen, daß sie fast herunterfällt, wenn der Wind richtig bläst. Hershield sieht die losen Schlaufen, sieht die Schnur hängen und dann geht die Plane hoch. Der Wagen ist genau neben den fünf Männern und hält. Und keiner der Revolverschießer ahnt, daß hinter dem verzerrt grinsenden Spencer Grashoper jemand sitzt, der mit seinem Revolver ziemlich hart drückt und leise sagt: »Halten oder ich blase dich mittendurch.« Spencer zieht die Leinen straff und sieht auf die Reste des Wagens im River. Er sieht die steinige Auffahrt, einen Platz, der vielleicht gerade ausreichend groß ist, um den Wagen zu drehen, den er lenkt. In diesem Augenblick packt Spencer eine Hand im Genick und Merchant merkt zugleich, daß der Druck des Revolvers schwindet. »Genug.« Nur das eine Wort sagt Rimrock, der wilde Rimrock Wells, fauchend. Und dann schleudert er den gewiß nicht leichten Spencer, der gar nicht gemerkt hat, daß ihm die Fußfesseln zerschnitten
worden sind, im weiten Bogen auf Budd Earp. Budd Earp reißt entsetzt die Augen auf, als Spencer auf ihn zufliegt, und im nächsten Augenblick sieht er den Mann springen. Er sieht einen Körper, ehe ihn Spencer umreißt und gegen die anderen schleudert. Von dem Kasten segelt mit einem Sprung Clyde Clifton herunter, und Gide Wells kommt ihm schnell nach. Clifton prallt auf den Weg, reißt seine Schrotflinte herum und steht im nächsten Augenblick breitbeinig auf dem steinigen Untergrund. »Hoch mit den Händen«, sagt Clyde wild und die Doppelmündung sieht die drei Männer an, die noch stehen und auf Budd Earp und Rourke starren, die Spencer umgerissen und zu Boden gebracht hat. »Streckt sie bis an die Wolken und rührt euch nicht. Die Kanone geht sonst los! Hoch.« Auf dem Bock ist ein Schatten, ein großer und schwarzer Schatten, der zwei Revolver in der Hand hat und die Beine abstößt. Dort kommt Rimrock Wells. Er kommt blitzschnell herab, sieht den Koch seinen Löffel auf den Boden fallen lassen, und sein rechter Colt fliegt hoch. Rimrock Wells schießt im Fall auf den Koch, der nach dem Colt greift. Dies ist der einzige Mann, den Clyde nicht mit seiner Schrotflinte in Schach halten kann, weil er zu weit seitlich ist. Und in den Fall Rimrocks hineinzieht der Koch seinen einen Colt halb heraus. Er sieht dann erst, daß jemand springt, und der Colt gleitet aus seinem Halfter heraus. Langsam, zu langsam wandert die Mündung hoch und Rimrock Wells' großer Navycolt geht mit einem brüllenden und fauchenden Laut los. Die Kugel faucht noch über die Köpfe der verstörten anderen fünf Männer hinweg.
Sie streicht jaulend an Haibocks Hut vorbei, und der Luftzug genügt für den Hut. Der Hut fliegt weg und der Koch, Julien Hershield, brüllt kreischend los. Er spürt, wie die Kugel seinen Unterarm entlangfährt, der Revolver wegfliegt und der glühendheiße Kugelweg seine Bahn über die Haut zieht. Sein Revolver ist fort, der Arm ist wie taub und er sieht Gide Wells. Er sieht ihn jetzt erst, den Jungen, der seinen Revolver in der Hand hat, den herumrollenden Hershield anvisiert und den Hammer fahren läßt. Peitschend hackt der 45er, die Kugel reißt die Grasnabe vor Hershields Kopf auf und Hershield bleibt jammernd dort liegen, wo er gerade lag. »Still«, sagt Gide Wells peitschend und hält den Revolver auf Hershield gerichtet. »Eine verkehrte Bewegung und du hast eine Kugel im Kopf.« Er sieht nach links auf die drei Männer am Boden. Und ehe er seine Warnung anbringen kann, sieht er, wie blitzschnell Budd Earp unter der linken Armbeuge hindurch den Colt herausbringt. Earp muß gezogen haben, als sich Spencer herumwälzte. Rimrock Wells hat die Bewegung des Gunners in einem Augenblick erkannt und handelt sofort. Er springt wieder vom Boden hoch, macht einen Doppelsatz und schlägt seinen Fuß mit aller Gewalt von oben nach unten. Der Stiefel streicht über Spencer hinweg, der sich ächzend herumrollt und noch gegen Rimrocks linkes Bein prallen will. Es ist eine kurze Bewegung, mit der Rimrock über ihn hinwegsetzt, und dann tritt er zu. Sein gestreckter Stiefel saust gegen Earps linken Ellbogen, dessen Arm wird hochgerissen und trifft auf den Revolver, den Earp in der rechten Hand hält. Blitzschnell ruckt die Mündung hoch, Earps Hammer, den er schon zurückgezogen hat, schnellt unter dem Daumen weg.
Und dann peitscht es trocken und grell auf. Spencer Grashoper, der sich mit einem kurzen Laut herumwirft und sich aufrichtet, um den linken Stiefel Rimrocks zu umklammern, ist auf den Knien, als er den Revolver seines Partners hochfliegen sieht. Er sieht aber auch, daß Rimrock dem Lauf auf die kurze Entfernung so blitzartig ausweicht, daß der Revolver auf Spencer zeigt. Und Spencer Grashoper schreit entsetzt: »Nicht – nicht schießen…« Er könnte eher eine führerlos den Berg herunterrollende Dampfwalze aufhalten. Den Hammer hält niemand mehr auf, als er auf den Patronenboden kracht und der Schuß aus der Mündung bricht. »Du Narr, du verdammter, gewalttätiger Narr«, sagt Rimrock und schlägt seinen rechten Colt gegen den Hut Earps. »Das hast du jetzt davon.« Spencer Grashoper hat beide Hände ausgestreckt, um Rimrocks Stiefel zu erfassen. Und jetzt greift er nicht mehr nach vom. Er greift sich an die Brust, wird aschfahl und Earps letzter Blick trifft Spencer, der langsam und ohne einen Laut von sich zu geben, nach vom sinkt. Die Kugel seines Partners hat ihn getroffen, ehe er sich zur Seite werfen konnte. Rimrock Wells macht einen kurzen Schritt und nagelt Rourkes rechte Hand, die den Colt ergriffen hat und ihn halb herausziehen konnte, bei diesem Schritt mit der Stiefelsohle im Gras fest. Rourke keucht zerrissen, ihm wird nicht allein übel vom Schmerz und Rimrock sagt scharf: »Das ist genug. Wer sich bewegt, hat sich selber begraben. Dieser Narr, auf mich zu schießen, als wenn ich ein Idiot bin, vor dem Revolver stehen zu bleiben. Gide, keine Rücksicht mit
diesem Burschen da. Schlag ihn nieder.« Gide Wells sieht sich um und blickt Rimrock an. Sein Mund steht noch immer so offen, wie er ihn zu der Warnung geöffnet hat. Und er sieht nichts, als den kalten und wilden Zorn in Rimrocks Augen lodern. »Aber – er hat doch…«, sagt er stockend und schluckt. »Schlag ihn nieder«, wiederholt Rimrock hart. »Der Kerl sieht nicht nur wie eine Natter aus, er ist eine. Und wenn er deinen Rücken sehen kann, jagt er dir sein Messer hinein.« Tatsächlich hat Hershield den Griff seines Messers gepackt. Und schon in dem winzigen Augenblick, in dem Gide Wells wegsieht, reißt er das breite Buckshine-Knife mit einem Ruck aus der Scheide. Gide Wells dreht sich. Und nun sieht er wirklich, daß dieser Hershield eine Natter ist. Er kann gar nichts mehr tun, als seinen Colt herunterzuschlagen. Dieser Schlag trifft Hershields Handgelenk und schleudert ihm das Messer weg. Und der nächste Hieb landet auf Hershields Kopf, und der Mann fällt um. »Er wollte stechen«, sagt Gide verwirrt. Er bückt sich, packt Hershield am Kragen und schleift ihn bis zum Wagen. Dort sitzt Merchant noch immer steif und wie gelähmt auf den Bock und stiert auf Spencer. Seine Lippen bewegen sich und er sagt keuchend und leicht verzerrt: »Earp, dieser Nam Warum nur mußte er schießen? Bewegt – euch nicht, Partner. Bewegt euch nur nicht. Das ist Rimrock Wells. Er hat Dayton glatt die Eisen aus den Händen geschossen, obwohl er später zog. Nur keinen Fehler, er schießt fünf von uns über den Jordan, ehe einer ihn treffen kann. Dieser Bursche ist das reine Gift.« »Das ist Rimrock Wells?« fragt Rourke entsetzt und starrt Rimrock an. »Ich passe, ich will nichts mehr damit zu tun ha-
ben.« Er rutscht zurück, und Rimrock tritt zwei Schritte zur Seite. Langsam bewegt sich Clyde Clifton, kommt um die Männer herum und hält seine Schrotflinte tief an der Hüfte. »Ich bin nicht ganz so schnell wie Rimrock«, sagt der schlaksige Texaner gemütlich. »Aber ich sage euch, daß ich für drei Mann von euch eine Medizin hätte, die sie nicht verdauen könnten. Hoch mit den Pfoten und umdrehen. Los, dreht euch um, aber schnell.« Gide kommt gleitend auf Rourke zu. Der hat immer noch seinen zweiten Colt heraus und schleudert ihn mit einem Schwung in den River. Es klatscht einmal, das Wasser gluckst und der Revolver ist weg. »Nimm Earp den anderen Colt, Bruder«, murmelt Rimrock kühl und tritt hinter Haibock, der mit gekrümmtem Rücken vor ihm steht. Ein Ruck, Haiborns Eisen ist aus dem Halfter und fliegt in den Fluß. Den anderen ergeht es nicht besser. Die Gurte fallen, es klatscht im Wasser und Rourke flucht bitter. Er schweigt, als ihn Clyde Clifton mit einem Ruck am Kragen erwischt und zum Wagen stößt. »Da, sieh es dir an«, sagt er wild. »Was sagst du jetzt, Schießer?« Rourke stiert aus herausquellenden Augen auf die beiden geknebelten und gefesselten Männer am Boden des Kastens. Er sieht Dayton Beach liegen und der Texaner beginnt scharf und beißend zu grinsen. Clyde Clifton sagt lächelnd: »Sechs prächtige Sitzplätze, das Billet kostet nur einen weggeworfenen Revolver. Herrschaften, aufsteigen, dies ist Joe Erskins berühmte Pferdebahn, macht in der Stunde dreizehn Meilen ohne Aufenthalt. Steigen Sie auf, Gentlemen, diese Fahrt wird Ihnen nie wieder geboten. Rauf, du Affe!«
Er packt Rourke am Kragen, schleudert ihn wie einen Sack über den Kasten und Rourke prallt innen auf ein Bein von Dayton. Dayton stößt unter seinem Halstuch einen wüsten Fluch aus. Und Rourke sieht das spöttische Gesicht des Texaners. »Ein bequemer Sitz, was?« fragt Clyde voller Spott. »Nur herauf, dies ist die Bahn, die bis zur Endstation fährt. Komm her, Kleiner, da oben ist noch viel Platz. Hopp, herauf, oder soll ich helfen?« Das kommt so drohend heraus, daß Haiborn einen entsetzten Sprung auf den Kasten macht und sich in eine Ecke kauert. Nach und nach steigen auch die anderen auf, begleitet von den wenig frommen Segenswünschen des Texaners. Rimrock Wells schickt Gide zu den Pferden. Es dauert keine drei Minuten, dann sitzt er auf seinem schwarzen Renner, sieht Merchant düster an und sagt bissig: »Fahr. Nimm die Leinen und lenk den Wagen durch die Furt. Los, worauf wartest du noch, brauchst du erst eine Einladung? Und ihr Affen da oben, wenn ihr zu tanzen versucht, dann lernt ihr mich von der rauhen Seite kennen. Dies war erst der Anfang, ärgert mich nur nicht, sonst werde ich wild.« Merchant fährt an und bringt den Wagen heil durch den Fluß. Zwar wird der Kasten etwas naß, aber die Männer stehen auf und halten sich gegenseitig. Dann sind sie drüben, und Rimrock deutet auf den Weg. »Fahr nur immer den Weg entlang«, sagt er scharf. »Ich bringe euch schon hin, wo ihr immer sein wolltet, aber ohne Ärger für meine Ranch. Weiter, ihr Narren.« Er reitet groß und finster vor dem Wagen, und Clyde Clifton ist hinter ihm. Gide hat die Pferde und sieht auf den breiten Rücken seines Bruders. Die Räder knattern, der Wagen wird jetzt schneller, und Rimrock sagt einmal nach einem Blick auf
die Uhr »Man könnte es schaffen. Und dann ist der Krieg aus. Ich denke, Rod wird es so machen, und keinen anderen Weg mehr sehen. Es fragt sich nur, wie schnell er merkt, was gespielt wird. Ich habe nicht viel Zeit. Und müde bin ich auch.« Sie reiten und fahren zwei Stunden, bis die Höhe kommt. Oben stehen drei Ulmen, und Rimrock Wells spornt jäh sein Pferd an, als er das Muhen der Herde hört. Er sieht den Mann oben zwischen den Ulmen auftauchen. Er kennt den Reiter nicht, aber der hebt seinen Karabiner und feuert gegen den Himmel. Rimrock Wells reitet weit vor dem Wagen auf die Höhe zu. Der Reiter vor ihm verschwindet, und Rimrock sieht ihn auf die Steinmauer zuhetzen, die um die Ranch im Tal läuft. Er sieht die Masse der Rinder, die Reiter kommen, und alle hinter die Mauer jagen. »Old John«, sagt er heiser. »Alter John, du bist schlau. Und du verzichtest lieber auf die Rinder, als deine Leute zu opfern. Vielleicht schießt ihr auf mich, was? Oder kennst du es noch?« Er jagt plötzlich los, steckt zwei Finger in den Mund, und die drei schrillen Pfiffe gellen in mehreren Abständen über das Tal hinweg. Die Herde lagert links, und der Hengst rast den Hang herunter. Dort, ganz unten, hinter den Schießscharten der Mauer, liegen einunddreißig Männer. Sie haben Sandsäcke in die Schießscharten gepackt und ihre Gewehre richten sich auf den Mann dort oben. Sie sehen, wie er anjagt und hören Steve Harford brüllen, als er durch das Tor fegt: »Ein Wagen und zwei Dutzend Pferde! John, was soll das sein? Sie kommen heran, wie auf einem Sonntagsritt. Macht euch fertig, sicher steckt der Wagen voller Reiter.« Der alte John Abbot hockt säbelbeinig und scharfäugig hinter der Schießscharte. Er sieht die Männer durch das Tor preschen,
absitzen und über den Hof laufen. Und der Reiter oben steht wie ein Standbild auf dem Kamm an den Bäumen. Unruhig tänzelt der prächtige Renner, und dann prescht der Reiter los. Er hängt wie ein Indianer im Sattel, zieht die Hand hoch und dann tönt es über das Muhen der Rinder hinweg. Drei scharfe Pfiffe, die sich in Abständen wiederholen. »Mein Gott«, sagt der alte John, und sein Kinn beginnt zu zittern. »Mein Gott, da ist er. So wie er reitet kein anderer Mann. Das ist er. Und er sitzt noch so im Sattel, wie ich es ihm beigebracht habe. So viele Jahre und er hat den Pfiff nicht vergessen.« Er sieht den Reiter scharf an der Herde vorbeijagen und ruft: »Nicht schießen. Das Tor auf. Macht das Tor auf. Das ist Besuch für uns. Macht das Tor auf, er ist nicht allein!« Er brüllt es laut über den Hof und springt auf. Und sie starren ihn alle an, als wenn er leicht verrückt ist. Niemand hat den alten John jemals rennen sehen. Er ging nur immer, wenn auch manchmal schnell. Und jetzt rennt er auf das Tor zu und zerrt am Riegel. »Helft doch, ihr Affen«, sagt er gurgelnd. »Na los, nun macht schon. Faßt an, ihr lahmen Burschen. Das Tor auf, da kommt wer. Heh, Glimron, Spanner, Jesse, seht mal hin, wer das ist. Ihr alten Affen, seht ihn euch an. Kennt ihr ihn nicht mehr?« Dave Glimron klettert auf die Tonne und sieht über die Mauer. Dann sperrt er den Mund auf, schleudert seinen Hui in die Luft und Jesse Murray in die Arme. Er springt und hüpft und brüllt. Die jüngeren Boys denken, daß die Alten alle vollkommen verrückt werden. Sie hauen sich auf die Schultern und werden dann wieder still. »Rimrock, da kommt Rimrock«, sagt Mike Spanner heiser und wischt sich die Nase mit dem Hemdärmel. »Das ist Rimrock. Leute, das ist doch – das ist ja Rod Kingstones Wagen.
Das ist tatsächlich Kingstones Wagen. Das Tor auf und dann wollen wir ihn empfangen, was?« Sie rennen los und reißen die Torflügel ganz weit auf. Und dann tritt der alte und krummbeinige John Abbot vor und blickt die Doppelreihe seiner Reiter entlang. »Nehmt nur die Hüte ab, wenn er kommt«, sagt er heiser. »Er ist hier zu Hause und eigentlich der Boß. Nehmt sie nur ab.« Sie starren alle auf den Reiter, der vor dem offenen Tor hält und langsam über die Ranch bückt. Und dann nimmt der große Mann den Hut ab. Sie sehen sein funkelndes schwarzes Haar und den Wagen kommen. »Die Plane runter, Clyde«, sagt er heiser. »Nimm sie ab, sie sollen es alle richtig sehen. Gide, hierher, neben mich.« Er wartet, bis die Plane ab ist. Und nun sehen einunddreißig Männer die Köpfe auf dem Wagen. Sie erkennen Merchant und Earp. »Fahr«, sagt Rimrock Wells fauchend. »Da wolltet ihr doch hin. Und dort werdet ihr bleiben, bis ich mir etwas anderes einfallen lasse. Hebt Dayton hoch. Hebt ihn hoch, er soll ganz genau sehen, wo er hinkommt.« Er sieht sie grimmig an, und Dayton steht aufrecht im Wagen. Sein Gesicht ist leichenblaß. Die Männer der Wells-Ranch starren verstört auf den berüchtigtsten Schießer Rod Kingstones. »Er hat ihn«, sagt der alte John verstört und beginnt zu zählen. »Zehn Männer.« Der Wagen kommt, und Rimrock Wells hält vor dem krummbeinigen John an. Der harte Ausdruck in seinem Gesicht schwindet, und er lächelt auf einmal blitzend. »Hallo, John«, sagt er heiser und gleitet blitzschnell aus dem Sattel. »Ich denke, wir sind fertig mit diesen Burschen, was? So leer wollte ich nicht kommen. Da bin ich wieder! Hallo, ihr an-
deren!« Er geht auf John zu und der sagt stockheiser »Du verdammter Loofer! Daß du nur da bist. Und gleich mit einem Donnerschlag.« Er umarmt ihn auf seine unbeholfene Art und zieht dann sein Taschentuch, weil er sich mächtig schneuzen muß. »Nun, da wäre ich und da ist irgendwo unser alter, prächtiger Vorratskeller«, sagt Rimrock grinsend. »Leute, ihr habt sicher gedacht, der alte John ist verrückt, die Herde von der Weide zu ziehen und sich einzuigein, was? Nun, ich sage euch, es war ganz und gar richtig. Und besser hätte ich es wirklich auch nicht machen können. John, du bist immer noch verdammt schlau. Schafft diese Wölfe weg. Und laßt nur Dayton allein in den Backofen wandern. Vielleicht schmeckt euch das Brot dann nicht mehr richtig, aber er soll allein sein, mit niemandem reden und kein Licht sehen. Ich will sehen, wie lange er das aushält, ohne zu brüllen, was er getan hat.« Gide Wells sieht zum Vorbau und lächelt dann auf einmal. Er lächelt breit und fröhlich. Und dann jagt er los und springt aus dem Sattel. »Mam, da bin ich«, sagt er laut. »Ich habe jemanden mitgebracht.« Rimrock dreht sich scharf herum, und der Hut fällt aus seiner Hand zu Boden. Er geht steifbeinig und groß los, ein harter und großer Mann, der seine Mutter in der Tür stehen sieht. Sie hält sich am Türbalken fest und sieht ihn unverwandt an. Langsam kommt er die Stufen hoch, und da macht sie zwei taumelnde Schritte auf ihn zu. Er fängt sie auf, hält sie fest und fühlt, wie sie ihm über den Rücken streichelt. »Oh, Junge«, sagt die alte und weißhaarige Frau gepreßt. »Oh, mein lieber Junge. Ich bin so froh, daß du gekommen bist. Rimrock, wie sehr hast du mir gefehlt. Und deinem Vater
auch.« »Ja«, sagt Rimrock. »Ganz gewiß, Mutter. Und ihr habt mir auch gefehlt, jeden Tag. Nur immer ruhig, ich bin jetzt hier. Was macht Dad?« »Er kann sich bewegen«, sagt sie leise. »Er sagt, er kann bald gehen, aber etwas lahm wird er wohl bleiben. Der Doc hat ihn gestern untersucht und sagt, die Kugel steckt fest. Wenn alles zugewachsen ist, wird er gehen können, aber reiten, Junge, reiten…« »Schlimm, ausgerechnet für ihn«, sagt Rimrock bitter. »Ist er wach?« »Ich weiß nicht«, antwortet Anne Wells und schiebt Rimrock so weit weg, daß sie ihn richtig sehen kann. »So groß bist du geworden und so breit. Und du hast schon graue Haare, Junge.« »Das ist nicht das Alter«, murmelt Rimrock leise. »Ich hatte ein Erlebnis und es war ziemlich hart. Mutter, weiß Vater, daß ich komme?« »Er weiß nichts, er weiß gar nichts«, sagt sie. »Willst du…« »Er ist der Boß und ich will sehen, was er meint. Will er mich nicht haben, werde ich auch ohne die Mannschaft fertig. Mutter, das ist Clyde Clifton, der beste Mann, den ich jemals traf. Sein Bruder und er sind meine Partner oben in der Idaho-Ecke.« »Oh, Clyde, kommen Sie doch herauf«, sagt die Lady freundlich. »Sicher habt ihr alle Hunger.« »Guten Tag, Madam!« Rimrock blitzt ihn kurz an und geht stampfend durch den Flur. Er steigt die Treppe hoch, sieht die Tür zum Zimmer seines Vaters geschlossen und bleibt vor ihr stehen. Langsam hebt er die Hand. Und dann klopft er an. »Wer geht da so?« fragt innen der alte Mann brüchig. »Wer
klopft da so auf seine dickschädlige Art? Denkt er, ich schlafe immer? Herein, komm herein, du Narr. Und sage deinem närrischen Vater, daß er ein ziemlicher Idiot war. Komm herein, Rimrock.« Rimrock macht die Tür auf. Der alte Mann liegt im Bett und grinst mit zwinkernden Augen. Er streckt die Hand aus und zeigt auf die Bettkante. »Ehe du dich hinsetzt, dreh dich um und laß dich ansehen. Prächtig, wußte es doch. Was hast du angestellt in der Zeit?Wo kommst du her?Wenn ich Narr doch bloß aufstehen könnte.« »Da bin ich, Dad«, sagt Rimrock ruhig und hockt sich hin. Und er kann nichts mehr sagen, denn der alte und wildbärtige Mann packt ihn und zieht ihn an seine Brust. »Gut«, sagt der alte Rimrock heiser. »Das ist ein gutes Gefühl. Halte nur still, mein Sohn. Ah, das ist mein Schlag. Nur, so dickschädlig brauchtest du nicht sein. Schon gut, was ist das prächtig für einen alten Narren, seinen Sohn zu halten. Bist du noch verärgert, Rimrock? Ah, kannst sie haben, ist ein prächtiges Girl und paßt zu dir. Ich…« »Nun – nun, vielleicht läßt du mich bald los«, sagt Rimrock heiser. »Paß auf, wenn ich dich hebe, kannst du bis zum Fenster getragen werden? Draußen ist etwas, du solltest es sehen.« »Hast du was angestellt, dann will ich es sehen«, sagt der alte Mann grimmig. »Heb mich hoch, aber langsam. Ich bin schwer, mächtig schwer.« Rimrock bückt sich, hebt ihn sacht auf die Arme und trägt ihn zum Fenster. Der alte Mann blickt durch die Gardine und sagt schnaufend: »Da sitzen sie wie die Heringe nebeneinander! Und dieser Halunke Dayton ist auch dabei. Gut, prächtig, mächtig gut. Leg mich wieder hin, ich kann nicht mehr, Sohn.« Rimrock trägt ihn zurück, und der alte Mann macht die Au-
gen einen Augenblick zu. Er atmet schwer, und Rimrock faßt nach seiner Hand. Er spricht etwa eine halbe Stunde mit ihm, und der alte Mann macht dann müde die Augen zu. »Mach alles so, wie du es für richtig hältst«, sagt er leise. »Und paß auf, daß Rod nicht mehr zurückschlagen kann. Ich habe nachgedacht. Und mir scheint, als hätte er nichts davon gewußt, wer auf mich schoß. Sicher, es wird so sein. Er muß nur wissen, daß er es niemals mehr schafft und friedlich zu sein hat. Sohn, bleib fair, was du auch tust. Der Sheriff kommt bald und wird die Sache regeln. Das Vorkaufsrecht auf die Winterweide habe ich, da kann nichts passieren.« »Ich weiß«, erwidert Rimrock sacht. »Mach dir keine Sorgen, es geht alles, wie ich es haben will.« Er sieht auf seinen Vater hinab und geht dann leise hinaus. Es dauert nicht lange, dann hat er etwas gegessen, raucht eine Zigarre und geht über den Hof auf den Backofen zu. Die Tür ist geschlossen, und ein Mann der Mannschaft sitzt vor ihr. Rimrock macht die Tür auf, sieht Dayton in der Ecke hocken und ihn voller Haß anblicken. »Willst du reden?« fragt er heiser. »Nun, dir wird schon etwas einfallen, mein Freund. Du warst es, der auf Macolm und meinen Vater geschossen hat, nur du allein. Ich habe Zeit, ich kann warten. Und einmal wirst du reden.« »Scher dich zum Teufel«, sagt Dayton Beach grimmig. »Ich werde mich beschweren, wenn der Sheriff erst hier ist.« Rimrock macht die Tür wieder zu und geht hinaus. Er hockt sich neben John und Gide, die neben Clyde Clifton auf dem Vorbau sitzen. »John«, sagt er heiser. »Wenn ich Rod richtig kenne, wird er jetzt seine Herde von unserem Land treiben wollen. Ich bin
fast sicher, er macht das. Bei ihm sind immerhin noch Jingo und Atlanta. Vielleicht verläßt er sich auf diese Burschen. Wieviel Mann reichen für die Ranch hier aus?« »Zehn, mehr braucht sie nicht«, erwidert John Abbot. »Rimrock, willst du auf die Winterweide hoch?« »Das will ich«, entgegnet Rimrock Wells dunkel. »Laß den Rest der Männer satteln, wir brauchen sie nötig, wenn wir Erfolg haben sollen. Beeil dich.« Kurze Zeit später sitzen zwanzig Reiter im Sattel und Rimrock weist die anderen ein, scharf aufzupassen und sich in die Ranchmauern zurückzuziehen, sobald sich etwas regt. Dann sitzt er auf, winkt seiner Mutter zu und reitet zwischen Gide, Clyde und dem alten John vor der Mannschaft auf das Land hinaus. Es dauert nicht lange, dann sind sie am Rand der Berge, und Rimrock lenkt scharf nach rechts. »Wir müssen über den Paß«, sagt John Abbot heiser. »Rimrock, es gibt keinen anderen Weg für Reiter. Ich denke, das weißt du auch.« »Ich weiß schon, was ich mache«, erwidert Rimrock langsam. »John, es gibt doch einen Weg, aber er ist so schmal, daß immer nur ein Mann reiten kann. Du kannst nicht umdrehen, wenn du einmal auf ihm bist, sonst stürzt du glatt hundert Fuß tief ab. Wenn wir den Summit Peak erreicht haben, müssen wir durch die Needle-Schlucht. Umgehen wir sie, dann sehen wir nichts als steile Felswände. Und genau dort beginnt der Weg. Ich bin ihn einige Male geritten, wenn ich auf der Jagd war. Wir kommen aber nicht an unserer Weidehütte heraus, sondern dicht hinter dem Durchgang in das Becken, knapp hinter dem Paß. Und dort sind die Posten.« »Bist du sicher, daß es einen Weg gibt?« fragt John über-
rascht. »Ich bin dort hundertmal geritten, aber ich habe niemals ein Stück von einem Weg gesehen. Dann ist es nicht mehr weit?« »Wir sind in einer Stunde da«, meint Rimrock ruhig. »Und bis zur Dämmerung bleiben uns dann noch zwei Stunden. Das muß reichen.« Er reitet vor, sieht ein paarmal durch sein Glas zum Paß, aber sie kommen schräg von hinten auf den Paß zu und er ist sicher, daß Kingstones Männer, die den Paß sperren, die Reiter niemals gesehen haben können. Die lange Schlange seiner Männer windet sich hinter ihm durch die schmalen und steinigen Schluchten der Plumas Berge. Hier klappert ein Huf und dort schnaubt ein Pferd. Steile Kehren, schroffe Felsklippen und dann öffnet sich vor ihnen die Schlucht. Rimrock Wells reitet haargenau auf den seitlichen Spalt zu, der sich als dunkler Strich, verschwindend in der riesigen Felswand, abzeichnet. »Der Spalt, da hinein?« fragt Old John heiser. »Ich denke, er geht nicht weiter, Rimrock.« »Nur nicht denken«, erwidert Rimrock lächelnd. »Leute, der Spalt ist so schmal, daß man nicht in ihm reiten kann, weil man sonst oben anstößt. Steigt ab. Wir führen die Pferde.« Er reitet voraus, und sie sehen ihn am Beginn des Spalts, der sich nach oben zu verengt, bis er im Fels verschwindet, absitzen. Ruhig nimmt Rimrock sein Pferd an die Zügel und sieht sich nach Gide und Clyde um. »Wir sind immer noch drei Mann vorn«, sagt er und lächelt blitzend. »Drei Männer auf dem Trail. Und er wird erst zu Ende sein, wenn wir es geschafft haben. Gide, was denkst du, habe ich vor?« »Bruder«, sagt der junge Gide langsam. »Ich denke, du willst den Paß von hinten erwischen, was? Und du denkst, Rod
Kingstone kommt mit seinen Burschen die Rinder holen. Vergißt du auch die Kerle in unserer Weidehütte nicht?« »An die habe ich längst gedacht, aber du liegst richtig«, sagt Rimrock lächelnd. »Du kommst immer mit mir. Und wir passen schon auf, Clyde und ich. Vorwärts jetzt, der Weg ist schlimm für jemanden, der nicht schwindelfrei ist.« Er geht los, und schon steigt der Boden an. Gide Wels sieht nach oben. Und er sieht sofort, daß zehn Meter weiter der Spalt schon zusammenläuft. Hier kann kein Mann reiten, nur wer ein sehr kleines Pferd hat und sich bückt. Der Spalt wird bald so eng, daß die Pferde unruhig werden und zu schnauben beginnen. An seinem Grund wachsen einige dornige Büsche. Rimrock Wells weicht ihnen aus und gelangt immer höher. Schließlich hält er an, dreht sich um und sagt zu Gide: »Der Busch war einmal klein. Jetzt ist er so groß geworden, daß ich ihn erst abschneiden muß. Einen Augenblick, wir sind gleich durch.« Er zieht sein Messer, schlägt den Busch ab und schleudert die Zweige auf den Boden. Gide, der neugierig an Rimrocks Pferd vorbeisieht, erkennt den Lichtfleck weiter vorn und sieht bald darauf einen Talkessel von vielleicht dreißig Schritten Durchmesser. Langsam kommen die Männer nach, und der alte John deutet auf den schmalen Steg, der rechts sichtbar wird. »Da rauf?« fragt er heiser. »Rimrock, das ist ein Weg für Bergziegen, aber nicht für Pferde. Willst du wirklich…« »Sicher«, sagt Rimrock knapp. »Dieser Weg ist prächtig, wenn man erst hoch genug ist. Du siehst doch, daß er schon an der nächsten Kehre zu enden scheint, aber dort wird es besser, anstatt schlechter. Ich gehe vor, kommt nach.« Langsam und vorsichtig geht er zwischen den mächtigen Felsblöcken durch, die aus der Wand ausgebrochen sind und im Kessel liegen. Er zieht den Rappen hinter sich her, das Tier
schnaubt unruhig, geht aber mit. Die Männer halten den Atem an, als er an den scharfen Knick über ihnen kommt. Die Reihe steht, Rimrock zieht am Zügel des Rappen, und der macht einen kleinen Sprung. Von unten sieht es nicht ganz einfach aus, aber Rimrock, der jetzt über ihnen ist, sieht steil nach unten in den Kessel. Dies ist die gefährlichste Stelle des Stegs. »Gide, komm nach«, sagt Rimrock heiser und entschwindet mit dem Rappen hinter der Biegung ihren Blicken. Gide geht langsam hoch, zieht sein Pferd nach und sieht Rimrock wieder auftauchen. »Nimmst du die Zügel an?« Rimrock macht es, und Gide kommt gut um die Ecke. Er blickt einmal in die Tiefe und sieht dann das kleine Felsplateau, auf dem etwas Gras wächst. Dort steht der Rappe Rimrocks und grast friedlich. Vorsichtig gehen jetzt auch die anderen Männer hoch. Rimrock Wells hilft jedem um die Kante. Sie warten auf den letzten Mann, und dann sitzt Rimrock wieder auf. »Jetzt geht es einfach«, sagt er kurz. »Zwei Stellen werden noch schmal, aber niemals so wie hier. Wir haben zwei Meilen Weg vor uns. Dann kommen wir auf ein Hochplateau, das vom Paß aus nicht einzusehen ist. Dort bleibt ihr eine Weile. Ich sehe mir die Burschen am Paß an.« Er reitet voraus, und wirklich kommen sie in ein fast grünes Hochtal, in dem ein Rudel Bergrehe in wilder Flucht davonjagt und zwischen den Felsen verschwindet. Rimrock hält unter den hochstämmigen Föhren am linken Rand an und steigt ab. Ruhig bückt er sich, schnallt die Sporen ab und Gide macht es ihm nach. Auch Clyde Clifton macht die Sporen ab und Rimrock sieht John Abbot an. »Da drüben ist die rechte Paßseite und dort ist die Felskanzel. Es gibt nur diesen einen Punkt, wo Rod Kingstones Bur-
schen sitzen können, das wißt ihr. Marshal, du bleibst mit den anderen hier, bis ich zurückkomme. John, komm mit, wir gehen.« »Und wenn sie uns sehen?« fragt John Abbot heiser. »Rimrock, sie brauchen sich nur umzudrehen.« »Es sind genug Felsen da, keine Sorge«, erwidert Rimrock und lächelt blitzend. »Laß das Gewehr hier, das brauchst du nicht. Leute, seid ruhig, wir sind keine vierhundert Schritte in ihrem Rücken. Wiehern die Pferde dauernd, hören sie es.« Er sieht kurz nach seinen Revolvern, geht dann los und Gide folgt ihm mit John und Clyde. Rimrock Wells huscht um die Felsen am linken Talgrund, steigt dann hoch, bis er den Hang hinauf ist, der von Krüppelkiefern bedeckt ist. Er kauert sich hin, winkt Gide heran und der duckt sich neben ihm. Clyde Clifton hilft dem schnaufenden John Abbot hoch und der sagt leise: »Die Pest, man fühlt sich jung und einem bleibt die Luft weg. Rimrock, ist was?« »Paß mal auf und sieh vorsichtig hier neben dem Felsen herum«, sagt Rimrock grimmig. »Aber sei vorsichtig, Alter.« Er schiebt Gide etwas zurück. John Abbot kriecht auf den Knien neben ihn und steckt den Kopf um den Felsblock. John Abbot starrt nach unten und zieht den Kopf wieder zurück. »Alle Teufel«, sagt er heiser. »Da unten sitzen sie und haben ein Feuer an. Sie sehen genau auf das Becken. Und sicher würden sie jeden Mann ausmachen, der zehn Meilen weiter ist und sich dem Paß nähert. Müssen wir hier hinüber?« »Da hinten, dort sind Felsen genug als Deckung«, erwidert Rimrock knapp. »Drei Mann, genug, um den Paß zu sperren. Dann müssen mindestens sechs noch in der Hütte sein. Sie brauchen schließlich Ablösung. Nun, immer ruhig, kommt mir
nach, aber vorsichtig an den Steinen, tretet keinen los, es gibt sonst eine Lawine aus Steinen und Geröll.« Er faßt Gide bei der Hand, duckt sich und klettert hart hinter dem steilen Kamm weiter nach hinten. Zweimal blickt er vorsichtig über die Kante, dann sieht er unten die Bergföhren dichter stehen und kriecht langsam auf den nächsten Felsblock zu. Er sieht starr nach rechts, erreicht die Deckung des Felsblocks unbemerkt und winkt Gide. Langsam kriechen die drei Männer ihm nach und kauern bald darauf hinter dem Felsen. »Wir können gehen«, sagt Clyde auf seine schleppende Art. »Die Bäume decken uns. Ist es richtig, Rimrock?« »Genau«, sagt Rimrock kurz. »Wir bleiben zwischen den Bäumen und den Felsen, bis wir den Rand erreicht haben. Und dort sehe ich mich um, wie wir weiter kommen. Los, die anderen warten sicher schon. Und wenn Old Rod seine verschwundenen Männer sucht, wird er in keinen zwei Stunden hier sein. So lange braucht er, bis er seine Mannschaft von der Ranch hierher schafft.« Rimrock Wells erreicht bald den Saum des Waldes, kriecht in der Deckung der Bäume nach rechts und richtet sich dann auf. Wie ein Wall liegen einige größere Felsblöcke vor ihnen. Hinter John packt Clyde zu und reißt John zurück. »Da kommt was«, sagt der Texaner heiser. »Drei Reiter! Ah, die Ablösung. Verdammt, konnten die nicht früher kommen?« Sie ducken sich, Rimrock preßt sich neben Gide an die Blöcke und dann hört er das Schnauben ganz deutlich. Hufe klappern, jemand lacht und ein Pferd wienert kurz. Dann sieht Rimrock kurz zwischen den Felsblöcken hindurch, sieht die drei Reiter und sagt leise: »Die Ablösung, Gide. Nur ruhig, das dauert nicht lange. Es sind zu viele, ich muß warten.«
Gide sieht ihn an, der Wind, der kühl in dieser Höhe um die Felsen faucht, trägt ihnen die Worte der Männer auf dem Plateau zu und es dauert nicht lange, dann klappern wieder Hufe und die anderen drei Wächter Kingstones, die gerade abgelöst wurden, verschwinden nach unten. Rimrock liegt auf den Knien, sieht um die Ecke und grinst breit. Er winkt John, der Alte kommt heran und Clifton erscheint hinter ihm. »Ich gehe zuerst«, sagt Rimrock leise. »Sie haben ihre Pferde rechts an den einzelnen Baum gebunden. Und der Felsblock da vorn verdeckt mich, bis fast zu ihnen. Wenn sie aufstehen, können sie mich sehen, eher nicht. Langsam, Clyde, haltet die Eisen bereit und kommt mir nach, sobald ich das Zeichen gebe.« Er kriecht um die Ecke, Clyde Clifton sieht ihm nach und hört undeutlich das Gerede der drei Kingstone-Leute. Rimrock Wells erreicht den Felsblock, duckt sich und schiebt sich dann um die linke Kante. Er sieht jetzt die flachen Steine, die in guter Manneshöhe vor der Felsenkanzel liegen. Sie verdecken die drei Männer und nur der Rauch des Feuers weht nach hinten auf Rimrock zu. Langsam schiebt er den einen Colt in das Halfter, gleitet fast geräuschlos um den Block und kauert sich hinter die anderen. Er muß nach rechts um die Felsen, nimmt langsam den rechten Colt hoch und hört den einen Mann sagen: »Das zieht hier verdammt. Warum machen wir das Feuer nicht hinter den Felsen? Ron, hast du Tabak, meiner ist alle.« »Hier, nimm«, erwidert der andere. »Das ist wieder so Manners Art. Das Holz ist gleich aufgebraucht. Joe, willst du neues holen?« »Verdammt, ich werde Manner etwas erzählen«, sagt der dritte Mann. »Jeder soll so viel Holz holen, daß es für die
nächste Wache reicht. Nun gut, ich hole schon welches.« Rimrock Wells erkennt in einer Sekunde die Gefahr und richtet sich langsam auf. Rimrock weiß genau, daß der Mann bis zum Waldrand gehen wird, sieht sich um und erkennt Gide, der sich platt auf den Boden fallen läßt. Er hat ihn gesehen, aber der Kerl ihn noch nicht, denkt Rimrock. Er sieht den Mann kommen, der Bursche biegt um die Felsen und macht genau drei Schritte. Er bleibt an der Kante stehen, erstarrt und in diesem Augenblick schnellt sich Rimrock ab. Er streckt seine linke Hand aus, springt den Mann an und schlägt den rechten Colt herunter. Einen Augenblick hält er den schwankenden KingstoneMann fest, sieht, wie der Mann die Augen verdreht und hört ihn seufzen. Dann legt er ihn auf die Erde. Und Rimrock Wells macht drei lange Sätze, die ihn um die Felsen tragen. Er rennt los, seine Stiefel schleudern die Steine weg und der eine Bursche am Feuer sagt heiser »Was ist denn jetzt…« Er spricht nicht weiter, sieht Rimrock auftauchen und Rimrock springt mit einem Satz genau zwischen die Männer. Er packt den einen am Kragen, reißt ihn hoch und stößt ihn vornüber. Dann schlägt er dem anderen den Colt über den Kopf, der Mann fällt um und der andere landet halb im Feuer. Der Mann brüllt schrecklich, springt auf und Rimrock sieht die Bewegung des Mannes zum Gurt, rammt seine linke Faust heraus und schleudert den Kingstone-Reiter durch den Hieb zurück. Der Mann landet am Boden. Rimrocks Colt richtet sich auf ihn und Wells sagt schneidend: »Keine Bewegung. Streck die Hände hoch und bleib sitzen.« Hinter Rimrock knirscht das Geröll, Gide kommt mit Clyde
Clifton um die Felsen gerannt und sagt heiser »Rimrock, ich dachte, er sah mich gleich, aber er ging noch drei Schritte, ehe ihm auffiel, daß dort jemand lag. Das ist ja Talbot. Heh, Talbot, wie gefällt dir das?« Der Mann am Boden hebt den Kopf und starrt ihn bitter an. Clyde gleitet hinter ihn, reißt ihm den Colt aus dem Halfter und wirft das Eisen in die Tiefe. »Der Wells-Junge«, sagt Talbot keuchend. »Verdammt, verdammt, das hilft euch doch nichts. In der Hütte sind die anderen sicher.« »Wenn du dich da nur nicht irrst«, sagt Rimrock sanft. »Mein Freund, ich bin Rimrock Wells, wenn dir das etwas sagt. Und ich weiß sicher eine Medizin für dich und deine Partner unten. Gide, du bist schnell genug, hol die anderen. Nun, John, was sagst du jetzt?« »Ich wußte es«, sagt nun der alte John. »Rimrock, mach nur so weiter und du hast sie.« »Auf der Ranch sind zehn Mann«, sagt Rimrock nachdenklich. »Hier sind es neun, das ist fast die halbe Mannschaft Rod Kingstones. Er hat noch vierundzwanzig Männer, das ist alles.« »Verschätze dich nur nicht in Jingo und Atlanta«, schnarrt Talbot grimmig. »Uns hast du, aber was ist mit den anderen?« »Nun«, erwidert Rimrock knapp und hört Gide schon mit den anderen kommen. »Dayton ist fertig und hockt auf der Wells-Ranch im Backhaus. Mit ihm neun andere deiner Partner. Deshalb sprach ich von zehn Mann, mein Freund. Clyde, bist du fertig?« »Sicher«, sagt Clyde kühl. »Da liegen ihre Waffen und das ist alles, was wir brauchen. Was jetzt?« »Aufstehen«, sagt Rimrock zu den anderen beiden Männern, die seine Reiter herbeitragen. »Auf eure Pferde und dann wol-
len wir sehen, wie weit es reicht, um eure Partner fertig zu machen.« Die Männer starren ihn verstört an, steigen dann aber auf, und Rimrock läßt sie auf den Pferden festbinden. Er teilt acht Mann ein, die auf der Felskanzel bleiben und wendet sich an Talbot. »Wenn Rod kommt, hattet ihr ein bestimmtest Signal vereinbart?« fragt er kurz. »Es genügt, wenn er uns hier oben sieht. Das ist alles.« »Nun gut, dann werdet ihr bald wieder oben sein«, erwidert Rimrock Wells dunkel. »Vorwärts, treibt die Pferde vor euch her nach unten. Wir reiten genau auf die Hütte zu.« »Mein Gott, sie werden schießen«, keucht Talbot verstört. »Wells, nicht weiter.« »Sie werden nur euch treffen«, erwidert Rimrock kalt und eisig. »Weiter, sie sehen euch jetzt richtig. Bis zu dem Busch, dort kannst du halten.« Er reitet hinter ihnen her bis zu dem Busch, schlägt seinen Karabiner an und ruft grollend: »Kommt heraus und laßt eure Waffen in der Hütte! Ihr könnt gar nichts tun, wenn ihr nicht eure Partner erschießen wollt. Heraus mit euch, schnell, oder es wird rauh!« »Holt uns doch«, brüllt einer aus der Hütte zurück. »Verdammt, was ist das für ein übler Trick?« Sie verhandeln keine drei Minuten, dann kommen die Männer einzeln und mit erhobenen Händen aus der Hütte. Die Mannschaft Rimrocks bindet die sechs Männer mit ihren Lassos, und die Kingstone-Leute fluchen wild. »Clyde, bring mit John und noch zwei Mann die drei Burschen wieder auf die Kanzel. Gib ihnen die Waffen, aber leer und auch die Karabiner. Du weißt, was du zu tun hast, wenn Rod Kingstone kommt?«
»Sicher«, erwidert Clyde Clifton grimmig. »Soll er nur kommen, er wird nur seine Leute sehen und sonst nichts.« Rimrock Wells sieht Talbot und den beiden anderen Reitern Kingstones nach. Er läßt von seinen Männern die Herde Kingstones bis an den Ausgang des Tals treiben und reitet dann mit Gide auf John Abbot zu. »John, jage die Herde los, wenn ich dreimal schieße«, sagt er düster. »Jagt sie in die Schlucht hinein, daß sie durch den Paß rast. Rod Kingstone hat dann nur die Chance, wegzulaufen, oder überrannt zu werden. Hast zu verstanden?« »Natürlich«, erwidert John grimmig. »Und du?« »Haltet den Paß besetzt und kümmert euch nicht um mich. Ich werde mein Spiel bis zu Ende machen«, sagt Rimrock langsam. »Ich bin Rod eine Kleinigkeit schuldig. Und diese wird er bekommen. Das ist alles, John.« Er reitet auf die Felskanzel und hockt sich oben hin. Am Feuer sitzen Talbot und seine beiden Partner. Sie haben ihre Gurte um, die entladenen Karabiner bei sich und starren mit bitteren Gesichtern nach Osten. »Clyde, wir brechen auf, wenn sie drin sind, er kommt ganz sicher bald«, murmelt Rimrock und blickt nach der Sonne, die langsam tiefer sinkt. »Was kommt dort hinten?« Er starrt über das weite Land und sieht Reiter bald darauf über die Hügel herankommen. Sein Gesicht wird kantig und scharf in den Linien. Er richtet sich auf und winkt seinen acht Männern, hinter die Felsen zu gehen. Talbot starrt ihn an und sagt heiser: »Dort kommt der Boß. Und er wird uns anrufen, ehe er unten durchreitet. Was wird nun?« »Ihr werdet anworten und euch zeigen. Ihr habt nichts gesehen und nichts gehört. Das ist alles, was ihr zu sagen habt«, sagt Rimrock finster und spannt den Revolverhammer. »Tal-
bot, geh nach vorn, daß sie dich sehen können. Und denk daran, du hast einige Karabiner und Revolver im Rücken. Leute, schießt ihnen die Pferde weg, aber feuert nicht auf die Reiter. Kein Blut, solange es sich vermeiden läßt. Das ist ein Befehl!« Er kauert sich an den Felsen und wartet. Und es dauert kaum zwanzig Minuten, dann tönt von unten schon das laute Trappeln der Pferdehufe herauf. Dann wird es still und Gide sieht Rimrock an, als unten Rod Kingstone ruft: »Talbot, habt ihr etwas gesehen? Ist euch jemand vor die Gewehre gelaufen?« »Hier war keiner, Boß«, antwortet Talbot. »Was ist los?« »Wir holen die Herde zurück«, brüllt Silver Jingo von unten hoch. »Dieser Rimrock Wells ist in der Gegend und hat Dayton erwischt. War wirklich alles ruhig, John?« »Alles still«, antwortet Talbot und bewegt lahm die Hand. »Hier gab es nichts.« Unten klappern wieder Hufe, Talbot dreht sich um und starrt Rimrock verbissen an. Er sieht in die Revolver und sagt bitter: »Dafür werde ich meinen Job los, Mister. Nimm deine verdammten Revolver weg. Ich hatte jeden Augenblick das Gefühl, sie könnten losgehen.« Rimrock geht an ihm vorbei. Clyde und Gide fesseln Talbot und seine Partner blitzschnell wieder und dann sieht Rimrock weit hinten Rod Kingstone mit über zwanzig Reitern in den Canyon einbiegen. »Kommt nach vorn und duckt euch, ich fange jetzt an«, sagt er heiser und reißt seinen rechten Colt hoch. Peitschend hackt der Revolver dreimal los, und die Detonationen rollen von den Wänden zurück. Grollend das Echo der Schüsse in der Schlucht. Brüllend und noch weit entfernt im Tal hinten plötzlich knatterndes Gewehr- und Revolverfeuer. Die Rinder rasen los und die Reiter der Wells-Ranch, an der
Spitze der alte krummbeinige John Abbot, brüllen wie hundert Teufel, schießen ihre Revolver ab und sprengen hinter den Rindern her. Das Gebrüll der Rinder steigert sich zum Furioso, der Boden beginnt zu dröhnen und die Rinder brechen in breiter Front in die Schlucht vor. Eine Masse Hörner und trommelnde Hufe. So kommen sie aus der Seitenschlucht in den Canyon geschossen, und Rod Kingstone wirft bei den ersten Schüssen den Kopf herum. Er blickt zurück zum Ausgang des Passes und sieht auf die Zinne hoch oben. Und dann verzieht sich sein hageres Gesicht, und sein Bart zuckt heftig. »Das ist Rimrock Wells«, sagt er keuchend. »Mein Gott, das ist eine Falle. Zurück, aber schnell. Da, sie schießen. Die Herde kommt!« Er blickt voller Entsetzen auf die anstürmenden Rinder, die keine dreihundert Schritte entfernt sind und brüllend angerast kommen. Sein Mund öffnet sich zu einem wilden Schrei, und dann reißt er seinen Falben herum. Atlanta brüllt: »Boß, vielleicht können wir sie aufhalten. Dreht nicht um.« »Du Narr, sie sind nicht mehr aufzuhalten«, kreischt Rod Kingstone heiser zurück. »Weg hier, nur heraus. Und reitet dicht unter der rechten Wand entlang. Sie werden uns jetzt den Ausgang sperren, wie ich es wollte. Ah, warum mußte dieser verdammte Rimrock kommen?« Er prescht los und als er wegjagt, reißen auch seine Männer die Pferde herum. Hinter ihnen kommt die Herde, füllt bald die ganze Schlucht. Die Männer jagen, weit über die Hälse der Pferde gebeugt, auf den Ausgang des Canyons zu, und da kracht es von oben. Das Gehämmer der Karabiner setzt ein, unten reißen Kings-
tones Leute die Karabiner heraus und schießen zurück, aber es gibt mehr als ein Dutzend Männer, die plötzlich kopfüber aus den Sätteln fliegen, brüllend auf die Felsen klettern und die Herde aus der Staubwolke angerast kommen sehen. Rod Kingstone rast auf seinem Falben unter der Felsnase durch, feuert aus seinem Revolver nach oben und wirft sich lang auf den Pferdehals, als er durch ist. Hinter ihm kommt Manuel Atlanta herangefegt und brüllt schrill. Im nächsten Augenblick macht oben Gide Wells den Finger krumm, Atlantas Gaul steigt schrill wiehernd, und dann fliegt Manuel aus dem Sattel. Er verliert sein Gewehr, kommt hoch und rennt dann zwischen die Felsen. »Silver, nimm mich mit«, brüllt er heulend, als Silver Jingo an ihm vorbeirast. »Silver, hier!« »Ich kann nicht«, kreischt Silver Jingo voller Furcht vor den nachsetzenden Rindern und rast blindlings weiter. »Zum Teufel, was paßt er nicht auf? Ich muß meine eigene Haut retten. Nur weg hier.« Es ist ein fürchterliches Durcheinander von davonrennenden Pferden, brüllenden Männern, die in die Felsen klettern und zumeist nicht einmal einen Karabiner bei sich haben. Dann kommt die Staubwolke wie eine Explosionswolke aus dem Paß geschossen und in ihr tauchen die Rinder auf. Die Mannschaft Rod Kingstones ist in fünf Minuten durcheinander gewirbelt und Kingstone sieht sich um. Sein Gesicht verzerrt sich vor Wut und Bitterkeit, als er keine fünfzehn Reiter hinter sich sieht. Er flucht bitter. »Wo ist Atlanta?« schreit er Jingo an. »Wo steckt er, Silver?« »Zwischen den Felsen!« brüllt Jingo. »Dieser verdammte Rimrock Wells. Boß, was machen wir jetzt?« »Ich kenne seine Art, sie gleicht der von seinem Vater«,
knurrt Rod Kingstone hinter dem nächsten Hügel. Er hält jäh an und blickt zurück. Und seine Kinnmuskeln mahlen heftig. Er flucht, und die Wut schüttelt ihn. »Paß auf, er hat uns gezeigt, wie groß wir sind. Und er kommt uns nicht nach. Jetzt habe ich verspielt. Und ich muß es fressen, denn sonst geht es ganz zu Ende. Verdammt, haltet an, ihr Narren, sie kommen nicht nach.« Er sieht seine Männer kommen, einige laufen und haben ihre Gewehre verloren. Und die Herde verstreut sich vor seinen Augen, die Rinder rennen durcheinander und er weiß, daß er jetzt versuchen muß, die herumrennenden Rinder, die sicher noch bis zur Dunkelheit kreisen werden, wieder einzufangen. Im Canyon kriecht Manuel Atlanta fluchend aus den Felsen und sieht sich vorsichtig um. Dann erblickt er den Karabiner und will sich bücken, als es kracht und die Kugel den Karabiner ein Stück weiterschleudert. Er blickt sich gehetzt um, sieht oben Männer stehen und die Gewehre im Anschlag halten. »Verschwindet!« brüllt Rimrock Wells. »Los, lauf, du Schießer!« Manuel Atlanta flucht greulich, aber dann rennt er und sieht jetzt aus dem Staub noch mehr Männer der Kingstone-Mannschaft auftauchen. Sie alle laufen und fluchen wild. Es fällt kein Schuß mehr. Als sie humpelnd und bedeckt mit Staub, verziert mit Beulen und voller Kratzer, keine Meile weiter bei Rod Kingstone ankommen, fehlen sechs Mann. »Wo sind sie?« keucht Kingstone entsetzt. »Wo sind die anderen?« Er sieht sie nicht, sie kommen nicht.
* Rimrock Wells reitet mit Gide und Clyde, den alten John und die halbe Mannschaft hinter sich, durch die Schlucht. »Dieser Narr, das hat er davon«, sagt er bitter und gallig. »Zwei Mann verloren, unter die Herde gekommen. Und die anderen Arme und Beine gebrochen. John, du behältst sie hier. Ich habe noch einen kleinen Ritt zu machen.« Er winkt Gide und Clyde und jagt kurz darauf los. Im weiten Bogen biegt er hinter dem Paß nach Süden, sieht nur manchmal ein Rudel von Kingstones Herde langsam durch das Badland trotten und auch das bleibt zurück. Sie reiten zu dritt nebeneinander, und Gide fragt, als es immer weiter nach Süden geht und die Dämmerung kommt: »Rimrock, wohin willst du jetzt?« »Wohin schon«, sagt Rimrock düster. »Ich sagte dir doch, wir sind immer noch mit drei Mann auf dem Trail. Ich mache alles ganz. Noch bin ich nicht fertig, kleiner Bruder. Weißt du wirklich nicht, wohin wir reiten?« Gide Wells starrt ihn an und befeuchtet seine Lippen mit der Zunge. Dann sagt er heiser: »Du willst zur Kingstone Ranch, Bruder. Mitten hinein in die Höhle des Löwen, was?« »Jetzt weißt du es«, erwidert Rimrock hart. »Das ist etwas, womit dieser alte und verbohrte Narr niemals rechnen wird. Ich denke, er hat keine vier Mann mehr auf der Ranch.« Sie sehen in der angebrochenen Nacht plötzlich die Ranch westlich des Donner Passes liegen. Unter ihnen funkeln die Lichter, jemand geht über den Hof und verschwindet im Haus. Rimrock schlägt einen Bogen. Sie starren alle drei auf die Büsche, die den sanften Hang bedecken und Rimrock steigt ab.
»Das ist weit genug«, sagt er leise und gedämpft. »Gide, er hat Posten aufgestellt, ich kann einen sehen. Siehst du das Windrad rechts? Blick auf den Turm, da ist er. Vielleicht ist es nur der eine Mann. Wir werden es sehen. Bindet die Pferde hier an, und dann wollen wir gehen. Zwischen den Büschen sieht uns niemand, wenn wir erst über den Kamm gekrochen sind.« Er bindet den Hengst an den Wachholderbaum fest und wartet auf Clyde. Der sagt grinsend: »Bruder, dies ist ein Spaß, ich dachte nicht, daß du es tun würdest. Was wird er sagen, wenn er uns sieht?« Er lacht leise und kriecht neben Gide über den Kamm hinweg. Sie sehen niemanden mehr und nur der Schatten des Mannes auf dem Wasserradturm bleibt. Der Mann raucht oben und Rimrock hört das Knarren des Rades über das Tal schallen. Langsam kriechen sie weiter, kommen durch den Garten und sind kurz darauf an der Hintertür. Langsam drückt Rimrock die Klinke runter, die Tür knarrt leicht und öffnet sich. Im Haus ist alles still, dann huscht Rimrock in den Flur, in dem eine blakende Lampe hängt und bleibt mit dem Ruck an der Wand stehen. »Ruhig«, sagt er zischelnd. »Da ist jemand. Steht still, er kommt auf den Flur zu.« Sie hören nun alle drei, daß rechts jemand kommt. Im nächsten Augenblick öffnet sich eineTür rechts, James Kingstone kommt kichernd heraus und hält eine Laterne in der rechten Hand. Er kommt aus dem Keller hoch, lacht glucksend und schwenkt in der linken Hand eine bauchige Black-and-White Flasche. »Ich finde doch Whisky«, sagt er kichernd. »Er hat sie alle weggejagt und nun ist keiner mehr da, der auf mich aufpaßt.«
Rimrock sagt ruhig: »James, mein Freund, hier bin ich und mein Revolver zeigt auf deinen Nacken. Willst du schreien?« James Kingstone, der mit Rimrock zusammen in der Schule gewesen ist und zweimal von ihm Prügel bezog, steht mit einem jähen Ruck still. Er beginnt mit den Händen zu zittern und verliert fast die Lampe und Flasche. »Rimrock«, sagt er tonlos, als er sich umwendet. »Wie – wie kommst du…« »Durch die Tür, alter Freund«, erwidert Rimrock nun grimmig. Er geht auf ihn zu, Clyde packt sofort die Flasche und die Lampe und Rimrock läßt James Kingstone in den Revolver sehen. »Wo ist das Zimmer von Rod? Los, zeig den Weg, aber schrei nicht. Ich möchte nicht schießen müssen.« »Er wird verrückt, wenn er dich sieht«, keucht Kingstone heiser. »Verdammt, das ist zuviel für ihn. Er hat hier getobt, als Mark Ridgway aus der Stadt zurückkam und sagte, du hättest Dayton erwischt. Und dann hat er alle Leute genommen und gesagt, die Ranch greifst du doch nicht an, das traust du dich nicht. Verdammt, was willst du, Rimrock?« Er macht eine Tür auf, und Rimrock sieht im Laternenschein, daß es Rod Kingstones Zimmer sein muß, in das sie kommen. »Warten, nur warten«, sagt er sacht. »James, du wirst uns Gesellschaft leisten. Warte, Clyde, sieh zu, ob die Fensterladen vorgelegt sind.« Clyde stellt die Lampe hin, sieht nach und sagt brummend: »Sie sind dicht, nur herein, der Spaß kann anfangen.« Sie gehen nacheinander in das Zimmer, setzen sich hin und James schielt auf die Flasche. Er lauscht ab und zu nach draußen. Dort geht einmal jemand über den Hof und er sagt auf Rimrocks Frage: »Das ist Mike Holt, der zweite Wächter, den er hiergelassen hat. Mann, du kannst doch nicht ewig hier sitzen und warten.
Das kann bis zum Morgen dauern. Laß mich auf das Sofa, ich bin verdammt müde.« Rimrock läßt ihn aufstehen, James Kingstone legt sich hin und schnarcht bald. Sie warten, aber draußen kommt nichts. Gide sinkt der Kopf auf die Brust und er schläft ein. Clyde deutet mit dem Revolver auf ihn und Rimrock sagt leise. »Laß ihn nur schlafen, Kingstone hat zu tun, er kommt sicher erst im Morgengrauen.« Sie hocken schweifend in dem Dämmerlicht der tiefgedrehten Lampe, und Rimrock macht die Flasche auf. Er stellt ein Glas auf den Tisch, schüttet den Whisky fast ganz aus und grinst, als er leise sagt: »Sieh es dir an, Partner. Was wird der alte Rod denken, wenn er hier hereinkommt und seinen Sohn und die Flasche sieht?« Clyde verzieht das Gesicht und grinst wild. Sie sitzen still, die Deckenlampe blakt ein wenig und Rimrock dreht den Zylinder hoch. Er reinigt den Docht, lauscht und zuckt zusammen. Sein Blick fliegt zur Pendeluhr an der Wand, und die Zeiger deuten auf wenige Minuten nach drei Uhr früh. Draußen trommeln Hufe, dann schallt die zornige und bellende Stimme des alten Rod über den Hof und Rimrock steht leise auf. Er dreht die Lampe hoch, huscht hinter den Schrank und Clyde weckt Gide auf. Der blinzelt, ist im Nu hellwach und schleicht hinter Rimrock her in den Flur. Sie lassen die Tür zum Zimmer offen, ducken sich unter der Treppe in das Obergeschoß in den dunklen Schatten und dann kommen auch schon die schweren Tritte von Männern über den Vorbau. Die Tür fliegt auf, und der alte Kingstone taucht vor Jingo und Atlanta auf. Er bleibt ruckhaft stehen, starrt auf die offene Tür und zieht die Luft ein. Lautes Schnarchen tönt aus dem Zimmer, und Rod Kingsto-
ne sagt fluchend: »Whisky und James. Holt ihn heraus, jetzt habe ich genug. Verdammt, er hat doch den Schlüssel zum Keller gefunden.« Keuchend und mit krebsrotem Gesicht geht er auf die Tür zu, reißt sie ganz auf und brüllt grimmig: »James, der Teufel soll dich holen! Was hast du in meinen Zimmern zu suchen und wo hast du den Whisky? Schmeißt ihn raus!« »Wa – was?« stottert James Kingstone und richtet sich auf dem Sofa auf. »Du, Dad?Wo ist Rimrock Wells? Er hat mich…« »Steht still«, sagt Rimrock und macht einen Satz unter der Treppe heraus. »Ich bin hier, Rod. Streck die Hände hoch, oder ich drücke ab.« Silver Jingo knickt ein, seine rechte Hand zuckt zum Halfter und Atlanta wirbelt herum. Er prallt auf Rod Kingstone, der taumelt gegen die Wand und Rimrock sieht Clyde den Colt hochreißen. Clyde Clifton feuert von der Hüfte aus. Silver Jingo dreht sich halb, dann taumelt er in die Tür hinein. Brüllend löst sich ein Schuß aus seinem Colt. Rod Kingstone schreit auf und knickt rechts ein. Er sinkt langsam an der Wand herunter und sagt schrill: »Nicht schießen – nicht schießen, ich stecke auf.« Er umklammert sein Bein und hockt keuchend am Boden, während Jingo taumelnd in das Zimmer fällt und Rimrock Atlanta zum Fenster huschen sieht. »Halt, Atlanta«, ruft Gide heiser. »Stehenbleiben, ich schieße. Verdammt, laß fallen, ich schieße.« Atlanta hat die eine Hand am Fenster und duckt sich. Er reißt den Colt herum, schießt und im selben Augenblick feuert Gide auf ihn. Atlantas Revolver kracht, die Kugel faucht durch die Tür in den Gang und Rimrock wirft sich seitlich vor Gide.
Während Rimrock gegen die Wand prallt, krümmt sich Atlanta zusammen und reißt die Gardine mit der linken Hand glatt ab. Er fällt zu Boden, verliert seinen Colt, und der Stoff deckt ihn zu. Clyde Clifton setzt mit einem Sprung durch die Tür, sein Stiefel schnellt hoch und tritt Jingo das Eisen weg. Der Colt geht los, James Kingstone packt sich heulend an das Gesäß und springt kreischend auf das Sofa. Dort rollt er wimmernd herab und bleibt auf dem Bauch am Boden liegen. Seine Hände halten das Gesäß fest. »Rimrock, genug«, sagt Rod schrill. »Ich war ein Narr, hör auf. Meine Leute kommen. Bleibt draußen, hier ist Wells, er hat mich und die anderen. Kommt nicht herein, ich liege vor seinem Revolver. Keine Schießerei mehr.« Rimrock steht an der Wand, und Gide sieht ihn erstarrt an. Er sieht Rimrocks linke Hand an die Hüfte tasten und sie kommt befleckt wieder nach oben. »Du bist der Kugel in den Weg gesprungen, Bruder«, sagt Gide verstört. »Rede keinen Unsinn«, sagt Rimrock grimmig. »Kümmer dich um den Narren dort drin. Es ist nur ein Kratzer, weiter nichts. Der wirft mich nicht um. Rod, jetzt bist du am Ende, weißt du das?« »Verdammt, ich wollte nicht so weit gehen«, sagt Rod keuchend. »Es kam von ganz allein, aber offenen Krieg wollte ich nicht.« »Ich weiß«, sagt Rimrock düster. »Dayton Beach schoß aus dem Hinterhalt und du sahst auf einmal eine Chance, alles zu bekommen. Du wußtest, daß Old Rimrock nicht mehr kämpfen konnte und die Mannschaft keinen Führer hatte. Und da dachtest du, du könntest die Weide besetzen. Einfach abwarten, vielleicht starb Old Rimrock. Und wenn er tot war, erlosch
das Verkaufsrecht auf die Weide, das ihm zusteht und niemandem sonst. Rod, ich kenne dich, du warst immer ein schlauer und hinterlistiger Fuchs. Starb Dad, hattest du das Recht, die Weide zu kaufen, ich kenne den Vertrag. Gibst du es zu?« Rod Kingstone umklammert sein Bein und sagt gallenbitter: »Warum soll ich es nicht zugeben. Yeah, ich dachte, er macht es nicht mehr lange. Und zuerst war ich verrückt genug, Dayton zum Teufel jagen zu wollen. Dieser verdammte Narr, ich hatte nichts davon gesagt, daß er auf seinen Rücken schießen sollte. Ah, mein Bein brennt wie Feuer.« »Das wollte ich wissen, mehr nicht!« erwidert Rimrock kühl. »Ich war noch lange nicht sicher, ob Dayton es war, der auf Dad und Macolm schoß. Clyde, was ist mit Jingo?« »Ich habe genug«, sagt Jingo ächzend. »Mein Job hier ist zu Ende. Ich mache Schluß. Dieses verdammte Land sieht mich nicht wieder. Du bist das reinste Gift, Mann.« »Verbindet sie, ich nehme sie mit«, sagt Rimrock langsam. »In zwei Tagen soll der Sheriff kommen. Und ihr werdet eine Weile ein Jail von innen sehen. Rod, hast du was dagegen?« Das Gesicht des Ranchers verfällt und wird blaß. Er starrt Rimrock an und weiß, daß er verloren hat. »Mach, was immer du willst«, sagt er gallig. »Und bilde dir nicht ein, daß du Annabell bekommst und mit ihr die Hälfte dieser Ranch. Verdammt, du bekommst bestimmt auch das noch fertig.« »Sicher«, erwidert Rimrock kühl. »Ihr gehört die Hälfte der Ranch. Und du kannst sie auszahlen, Rod, aber dann wirst du so arm sein, daß dir gar nichts mehr gehört. Ich werde sie bekommen, weißt du das? Wie gefällt es dir, einen Wells als Schwiegersohn zu haben?« Und als er das sagt, wird Rod Kingstone ohnmächtig und
fällt in seinem Stuhl zusammen. Clyde Clifton hebt den Kopf und lauscht. Und nun sieht auch Rimrock nach draußen in den Flur. Er zuckt zusammen, die Stiefeltritte mehrerer Männer kommen, und dann fliegt die Tür auf. Annabell Kingstone kommt herein und bleibt erschrocken stehen, als sie die Verwundeten am Boden hocken und Rimrock mit blutender Seite an der Wand lehnen sieht. Hinter ihr kommt Sheriff Godwin Marks herein und hat den Revolver in der Faust. Er sieht müde und abgespannt aus. Er hat sechs Deputies verpflichtet, die sich in den Flur drängen. »Kann man hier noch schießen?« fragt Marks bissig. »Der Teufel soll euch alle holen. Ich sperre euch alle ein, schießen sich hier. Hallo, Rod, dies ist zuviel, du kannst nicht einfach einen Krieg anfangen.« »Langsam, Godwin«, brummt Rimrock. »Werde nur nicht wild. Der, Krieg ist vorbei. Und es kam nur dadurch, daß Dayton Beach ohne einen Befehl zu haben, auf meinen Vater und Macolm schoß. Rod wollte die Winterweide haben und jetzt ist er fertig. Mach es nur nicht zu rauh.« »Ich war oben«, knurrt der Sheriff bitter. »Annabell hat mich geholt. Ich war kaum zu Hause, da kam sie zu mir und sagte, es gäbe eine schlimme Schießerei. Die Stadt war voll davon, wie du Dayton erwischt hast. Die Sache ist in Ordnung, aber was wird jetzt? Erhebst du Anklage?« »Gegen wen?« fragt Rimrock knapp. »Dayton, den kannst du haben. Und was mit Jingo und Atlanta…« »Wir verschwinden noch heute«, sagt Atlanta keuchend. »Ich will damit nichts zu tun haben. Wir verschwinden, sobald ich sitzen kann.« »Nun, wenn das so ist«, knurrt Marks. »Rod, willst du was?« »Geht zum Teufel«, sagt der alte Ziegenbart grimmig. »Ich
habe genug mit meinem Bein zu tun. Tochter, ich kann dir deinen Anteil nicht auszahlen, dann bin ich bankrott. Ich kann einfach nicht. Und…« »Well«, erwidert Annabell und tritt dicht neben Rimrock Wells. »Dann wird die Hälfte der Ranch einem Wells gehören. Jetzt weißt du es ganz genau. Ich denke, es wird keine Woche sein, dann heiße ich nicht mehr Kingstone.« »Das überlebe ich nicht«, keucht Rod Kingstone mit aschfahlem Gesicht. »Ein Wells auf meiner Ranch, das überlebe ich niemals.« Rimrock winkt Gide und Clyde. Er geht leicht humpelnd hinaus und tritt auf den Vorbau. Die Sonne kommt langsam über dem Horizont hoch, und Annabell stützt ihn leicht. »Ist es schlimm?« fragt sie ängstlich. »Rimrock, ich habe mit John gesprochen, er sagt, du hättest die ganze KingstoneMannschaft vernichten können. Warum hast du es nicht getan? Mein Gott, du bist ganz blaß.« »Es ist ja zum Teil auch deine Mannschaft, du wirst dich daran gewöhnen müssen«, antwortet Rimrock Wells sanft und sieht Gide mit den Pferden kommen. »Well, reiten wir zurück. Ich will in die Stadt und zum Doc. Und ich werde ein wenig hierbleiben, bis ich meine Rinder aus dem Idaho-Streifen hole. Die Weide hier ist wirklich groß genug. Und schließlich haben wir noch einen Teil deiner Weide, den können wir auch noch nehmen.« »Das wird Dad das Herz brechen«, erwidert sie leise. »Rimrock, ich kenne ihn!« Er steigt auf, und Clyde verbindet ihn. Die Wunde ist nicht tief, denn der Gurt hat die Kraft der Kugel gebrochen. Annabell Kingstone sieht ihn an und reitet dann neben ihm los. Clyde und Gide sehen sich argwöhnisch um, als sie den Hang raufreiten, aber auf der Ranch rührt sich keine Hand
mehr gegen sie. »Du kennst Rod nicht so gut wie ich«, sagt Rimrock, als sie auf dem Hang sind. »Ich denke nicht daran, seine Weide zu besetzen. Ich sage dir, er wird eines Tages ankommen und sie uns beiden anbieten. Du wirst bestimmt noch daran denken, ich verspreche es.« »Rimrock, jetzt schwindelst du«, sagt sie herb. »Rod wird sich eher aufhängen, als einen Fußbreit Land an einen Wells zu geben. Wollen wir wetten?« »Jede Wette«, erwidert Rimrock und grinst scharf. »Jede, ich halte sie.« Er reitet mit ihr voraus, und sie sieht ihn an. Sie sieht seine zwinkernden und lächelnden Augen. Und er sieht gar nicht mehr so hart aus, wie er es vorher war. Sie weiß, daß sie zusammengehören und hat ein wenig Furcht davor, was der alte Rimrock Wells dazu sagen wird. Aber diese Furcht verblaßt vor dem Gefühl, das ihre Liebe zu diesem Mann viele Jahre bestimmt hat. * Und der Wind flüstert in den Tälern, singt in den Hügeln seine herbsüße Melodie. Die Sonne wird noch viele Male aufgehen und niedersinken. Und es wird bald sein, daß Annabell Kingstone aus der Kirche in Reno kommt. Dann wird wieder eine Zeit vergehen und es wird kaum ein Jahr sein. Der alte Rimrock wird sogar wieder reiten können, wenn auch vorsichtig. Macolm Wells blieb das Glück treu. Er konnte sein Bein wieder bewegen, und er heiratete nach einem halben Jahr die Tochter Jacksons.
Der kleine und krummbeinige John Abbot, grinsend und sich in sein riesiges Taschentuch schneuzend, war mächtig stolz. Er stolzierte im Bratenrock und mit einem Zylinder auf seinem Borstenschädel aus der Kirche und hielt etwas auf dem Arm. Dieses Etwas war klein und brüllte kräftig in seinem Kissen. Und dann bleibt der alte John stehen, und hinter ihm halten Rimrock und Annabell Wells an. Der alte Rimrock, der mit Gide, Anne und Macolm hinter ihnen ist, brummt tief und fragt. »Ah, wer kommt denn da? Sind meine Augen blind, daß ich immer einen gelben Ziegenbart sehe und sonst nichts? Was willst du, Rod? Dies ist mein Enkelkind, verstanden?« Rod Kingstone geht auf sie zu. Er bleibt stehen und nimmt langsam seinen Kugelgießer ab. Und sein gelber Bart sträubt sich. Die Leute auf der Straße in Reno halten den Atem an, und Rod sagt bissig: »Ich will keinen Krieg deswegen, aber ich sage dir, Rimrock, dies ist auch mein Enkel. Verdammt, ich habe ihm ein Geschenk gebracht! Verdammt, laß mich meinen Enkelsohn sehen.« Er steht unbeholfen und unglücklich da und zwinkert mit den Augen. Und der Junge in seinem Kissen brüllt nicht mehr, als ihn der gelbe Bart kitzelt. »Er schreit nicht mehr«, sagt Rod und legt einen Brief auf das Kissen. »Rimrock, was sagst du jetzt? Er weiß genau, daß ich sein Großvater bin. Schließlich gehört ihm einmal die Ranch der Kingstones, wie?« »Dad«, sagt Annabell heiser und starrt auf den geöffneten Brief. »Dad, du hast uns die ganze Ranch überschrieben. Aber, James?« »James ist mit Mrs. Chicker nach Frisko gegangen und hat
einen eigenen Saloon. Da kann er trinken, bis es ihm aus den Haaren läuft«, brummt Rod. »Soll er, ich bin ganz gern allein. Aber manchmal könntet ihr mich doch besuchen. Bringt diesen Schreihals dann aber mit.« »Wir haben nachher ein kleines Fest«, sagt Rimrock Wells sacht und plinkert seinen Vater an. »Rod, ich bin sicher, du würdest dich ganz gut an der Tafel machen.« »Hmm«, erklärt Kingstone. »Wenn du meinst, Sohn?« »Sohn«, knurrt Old Rimrock. »So weit kommt das noch. Aber komm schon mit, es könnte sein, daß der Junge wieder schreit, dann kannst du ihn mit deinem Bart kitzeln, bis er ruhig ist. Das ist auch eine Arbeit.« Und die Stadt sieht sie über die Straße gehen. Vier Mann der Wells Sippe und einen, der noch zu klein ist, um zu wissen, wohin er gehört. Mitten zwischen ihnen geht Rod Kingstone. Und man sagt, dies alles hätte nur der kleinste Rimrock Wells gemacht. Man sagt auch, die beiden Alten, Kingstone und Wells, hätten sich zeit ihres Lebens nicht mehr um das Land, sondern nur noch um den Enkel und seine Nachfolger gestritten. Sie sollen manchmal nahe daran gewesen sein, sich zu prügeln. Nur manchmal, wenn Rimrock, Gide und Clyde Clifton, der alle Jahr einmal zu Besuch kam, nebeneinander ritten, dann grinsten sie sich an und sagten: »Das war ein Trail, was? Wir hatten keine Rinder, aber Pferde bei uns. Und es war ein mächtiger Spaß, Brüder.« Sicher, es war ein Spaß, aber ein sehr raunen Der Trail der Drei. ENDE