Toter Himmel, schwarze Sonne Graham McNeill »Wer gegen Ungeheuer kämpft, sollte darauf achten, dass er nicht selbst zu ...
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Toter Himmel, schwarze Sonne Graham McNeill »Wer gegen Ungeheuer kämpft, sollte darauf achten, dass er nicht selbst zu einem wird.«
PROLOG Hammerschläge monströser Maschinen dröhnten entfernt durch die Kammer. Sie hallten tief aus der Domäne der Brutalen Bestatter, begleitet von verderblichen Schwaden stechender Dämpfe und gequälten Schreien. Höhnisch grinsende Gargyle aus gehämmertem und genietetem Eisen umringten die schwindelerregend hohe Kuppeldecke der Kammer und krönten die Spitzen unmöglich hoher, säulenartiger Kolben, die in schmierigen Dampf gehüllt waren und rhythmisch durch große, schädelumrandete Löcher am Rand auf und ab stießen. Aus einer großen Kluft im Obsidianboden wallte kochendheißer Dampf in brodelnden Hitzeschwaden und stieß auf eine Brücke aus beschlagenen Eisenplatten, die auf massiven Trägern ruhten. Sie wurde von Ketten gehalten, deren eingeölte Glieder so dick wie der Rumpf eines Menschen waren. Hunderte Meter tiefer erleuchtete ein gewundenes Band aus geschmolzenem Metall am Boden der Kluft die Szenerie. In der Kammer stank es nach Schwefeldämpfen und der sengenden Bitterkeit von gehämmertem Metall. Die Brücke führte zu einer massiven, zyklopischen Wand aus dunkel geädertem Stein mit einem großen Eisentor, das bei seiner Herstellung in einem Ozean aus Blut gehärtet worden war. Das mit scharfkantigen schwarzen Stacheln beschlagene Innentor der Festung Khalan-Ghol wurde von zwei gerüsteten Kolossen flankiert, deren polierte Eisenhaut von Millennien des Krieges vernarbt war. Das Tor führte zu den inneren Sälen des neuen Festungsherrn, und die beiden dämonengesichtigen Titanen, die mit den verdorbenen Bannern der Legio Mortis behangen waren, hoben furchterregende Waffen - fähig, ganze Städte in Schutt und Asche zu legen. Sie richteten sie auf ein Dutzend Gestalten, die es wagten, sich dem Tor zu
nähern. Die schreckliche Riesenhaftigkeit der Kammer konnte die Krieger nicht schrecken, die der ächzenden Brücke entgegenmarschierten. Der Anblick war nicht neu für sie. Tatsächlich stammte der Anführer der Gruppe aus einer weitaus älteren und monolithischeren Festung als dieser. Lord Toramino, Kriegsschmied der Iron Warriors, zog verächtlich einen Mundwinkel hoch, als er die veränderten Augen hob, um über die Läufe der Waffen auf die Titanen zu starren. Wenn dieser Mischling glaubte, eine derart vulgäre Zurschaustellung von Macht könne ihn einschüchtern, war er noch dümmer, als seine minderwertige Abstammung vermuten ließ. Vor drei Tagen hatten sie das Wächterhaus der Festung passiert, ohne von einem Krieger des Mischlings angehalten worden zu sein, obwohl Toramino seitdem Blicke aus übernatürlichen Augen auf sich ruhen spürte. Zweifellos wurden sie auch jetzt von Runenlesern der Kabale beobachtet, doch Toramino hätte das nicht gleichgültiger sein können, während er mit hoch erhobenem Haupt und auf dem Rücken verschränkten Händen weitermarschierte. Neben ihm knurrte Lord Berossus, während er beobachtete, wie sich die Waffen der Titanen auf sie richteten, und tastete nach seinen eigenen Waffen. Toramino sah Berossus an und schüttelte den Kopf über den Mangel an Zurückhaltung seines Vasallen. Keiner hier konnte sich einem Titan stellen und überleben, aber Berossus' Reflexmuster waren so fest in ihm verankert, dass keine andere Reaktion möglich war. Toramino betrat die Eisenbrücke, und das Metall zischte unter seinen gepanzerten Stiefeln und kräuselte sich wie Quecksilber, während sich seine massige gerüstete Gestalt in dem strahlenden Glanz spiegelte. Weit über zwei Meter groß, trug Lord Toramino eine Servorüstung von erlesener Qualität, die auf Olympia selbst handgefertigt und spiegelblank poliert war. Arabesken aus gehämmertem Gold und Onyxsterne zierten die Säume, und in die gesamte Oberfläche waren schreckliche Sigillen des Verderbens graviert. Ein ockerfarbener Umhang aus verwobenen Metallfäden, stärker als Adamantium, umwallte seine massige Gestalt und verdeckte teilweise das Schädelmasken-Symbol der Iron Warriors auf einem Schulterschutz. Auf dem anderen prangte das persönliche Wappen einer gepanzerten Faust über dem
schlichten Bild einer Schanze mit einer Bresche. Ein Iron Warrior aus seinem vertrauenswürdigsten Gefolge trug seinen kunstvoll gestalteten Helm, ein anderer die gestrahlte Standarte, einen achtzackigen Stern aus geschwärzten Knochen auf einem stachelbewehrten, messingumrandeten Rad, aus den Sehnen von tausend schreienden Opfern gewoben. Lange weiße Haare, zu einem straffen Pferdeschwanz zurückgebunden, reichten tief hinunter auf den Rücken, und seine strengen, patrizischen Züge waren verkniffen und eckig - sie kündeten von langen Jahren bitterer Erfahrung. Die Augen unter den buschigen Brauen schillerten golden und schwelten vor unterdrückter Wut. Als sie sich der Mauer näherten, spien die Kolben beiderseits des Tors gewaltige Ströme stinkender, öliger Gase aus. Ächzend und kreischend öffneten sich die kolossalen Schlösser, dass der Staub von der Kammerdecke rieselte. Die Titanen senkten die gewaltigen Waffen, und ihre oberen Körperhälften drehten sich auf Bronzegelenken, packten das stachelbewehrte Tor und zogen. Dampf strömte aus schnaufenden Faserbündelmuskeln, und das furchtbare Tor öffnete sich langsam. Smaragdfarbenes Licht fiel in die Kammer, während Toramino und Berossus zwischen den gewaltigen Todesmaschinen durch in das Allerheiligste des Festungsherrn schritten. Toramino erinnerte sich noch an den Ort; er war oft hergekommen, um Khalan-Ghols Vorgänger die Ehre zu erweisen - einem großen und schrecklichen Krieger, der zur finsteren Majestät eines Dämonenpatriarchen aufgestiegen war. Die Wände bestanden aus schlichtem schwarzen Stein, der mit Gold und Silber durchzogen war und trotz der von dem Terrazzoboden aus pulverisiertem Knochen aufsteigenden Hitze vor Feuchtigkeit glänzte. Fahles weißes Licht fiel aus einer Vielzahl hoher, schmaler Fenster in der Ostwand in schillernden Streifen auf den Boden, das der Kammer jegliches Leben entzog und ihren Insassen eine Todesblässe auferlegte. Zwanzig Iron Warriors hatten am anderen Ende der Kammer rings um einen polierten silberweißen Thron Haltung angenommen, auf dem ein Krieger in einer ramponierten Servorüstung saß. Es wurmte Toramino, dass er als angeblich Gleichgestellter vor den neuen Festungsherrn trat. Der Mischling war ein Bastard,
eine Promenadenmischung, und ungeeignet, das Blut von der Rüstung eines Iron Warriors zu wischen, ganz zu schweigen davon, sie in der Schlacht zu befehligen. Dieser Affront für die Ehre der Legion war beinahe mehr, als Toramino ertragen konnte, und während er zusah, wie sich der Festungsherr jetzt von seinem Thron aus miteinander verschmolzenem Eisen und Knochen erhob, spürte er in sich Hass aufsteigen wie eine giftige Flut aus Galle. Das Aussehen des Mischlings entsprach Toraminos Meinung von ihm dergestalt, dass er unrein war und nichts vom Adel der Alten Olympias hatte. Sein kurz geschnittenes schwarzes Haar saß über einem zerklüfteten, vernarbten Gesicht mit nüchternen Zügen, und seine Rüstung war verbeult und verschrammt und trug immer noch die Spuren von Kämpfen. War es dem Mischling egal, dass er gerade zwei der ältesten und edelsten Kriegsschmiede von Medrengard empfing? Dass der Kriegsschmied dieses Emporkömmlings eine derart niedere Promenadenmischung zu seinem Nachfolger ernannt haben konnte, wollte ihm nicht in den Kopf. »Lord Honsou«, sagte Toramino, während er sich zu einer Verbeugung vor dem Mischling zwang, bei der er die Hände auf dem Rücken verschränkt ließ. Sein Tonfall war förmlich, und er sprach mit leisen Zischlauten, obwohl er darauf achtete, einen spöttischen Unterton einfließen zu lassen. »Lord Toramino«, antwortete Honsou. »Ihr ehrt mich mit Eurer Anwesenheit. Und Ihr ebenfalls, Lord Berossus. Viele Jahre sind vergangen, seit Khalan Ghols Mauern unter der Wucht Eurer Schritte erbebten.« Der Boden ächzte unter dem Gewicht von Lord Berossus, einem ungeschlachten Ungeheuer aus dunklem Eisen und Bronze mit einem grinsenden Totenschädelgesicht. Doppelt so groß wie Toramino, waren die lebendigen Überreste von Kriegsschmied Berossus vor vielen tausend Jahren in den geschändeten Sarkophag eines Cybots eingeschmolzen worden. Die groteske Maschine zischte, und eine knirschende Stimme, die von einer Sprech-Einheit aus Bronze gedämpft und verzerrt wurde, sagte: »Aye, das ist wahr, obwohl ich mich besudelt fühle, weil ich mit dem Wissen innerhalb dieser Mauern stehe, dass ein Mischlingsbastard wie du ihr neuer Herrscher ist.« Seit seiner Bestattung verstärkt und ausgiebig verändert,
überragte Berossus' mechanische Gestalt die anderen Cybots seiner großartigen Kompanie, da seine Beine verstärkt und vergrößert werden waren, damit er immer schwerere und schwerere Kampfausrüstung tragen konnte. Der Oberkörper des Cybots war vernarbt und mit Löchern übersät, Zeugnisse ungezählter Belagerungen, die sich in seine Adamantiumhülle eingeprägt hatten. Ein Arm trug einen gewaltigen, kolbengetriebenen Belagerungshammer, der andere einen monströsen Bohrer, der von großkalibrigen Kanonen umringt war. Vier dicke eiserne Arme, die in Hacken, Klingen, Klauen und schweren Brecheisen endeten, wuchsen aus dem Rücken von Berossus' Sarkophag und baumelten einsatzbereit über seinem gerüsteten Panzer. Toramino sah, wie Honsou sich eine scharfe Erwiderung verkniff, und seine seelenlosen goldenen Augen funkelten vor Belustigung über Berossus' Direktheit. Honsou musste bereits wissen, was sie beide hergeführt hatte. Nur wegen einer Sache würden er und Berossus sich dazu herablassen, den Bau des Mischlings zu betreten, und er lächelte, weil er sich mühelos Honsous Verdruss darüber vorstellen konnte, teilen zu müssen, was sein ehemaliger Herr und Meister errungen hatte. »Ihr müsst Berossus verzeihen, Lord Honsou«, sagte Toramino glatt, indem er vortrat und die Hände aus-, streckte. Im Unterschied zum Rest seiner Rüstung bestanden die Panzerhandschuhe aus brutalem dunklen Eisen, das die Spuren unzähliger Kämpfe und Schlachten aufwies. Vom Geist des Gemetzels erfüllt, hatte Toramino vor langer Zeit geschworen, niemals seine Hände vom Tod zu reinigen, und seine Handschuhe waren mit dem Blut und dem Leiden von Äonen verkrustet. Als seine Panzerhandschuhe in Sicht kamen, richteten alle Iron Warriors hinter Honsou ihr Boltgewehr auf Toraminos Kopf. Der Kriegsschmied grinste und entblößte dabei Zähne aus funkelndem Silber, dann sagte er: »Ich bin gekommen, um Euch zum Sieg auf Hydra Cordatus zu gratulieren. Euer ehemaliger Herr hat einen meisterhaften Feldzug geführt. Die Mauern einer derart formidablen Festung zu schleifen, war eine wahrhaft große Tat. Und die anderen Hauptmänner, Forrix und Kroeger? Wo sind sie, auf dass ich ihnen ebenfalls Ehre erweisen kann?« »Sie sind tot«, schnauzte Honsou, und Toramino erfreute sich an dem Ärger des Mischlings über dessen Ausschluss von den
Ehren des Siegs. Er witterte das erbärmliche Verlangen des Mischlings, von ihnen akzeptiert zu werden, und steuerte den wahren Zweck ihrer Reise hierher an. »Ein Jammer«, sagte Toramino, »aber ihr Tod hat einem größeren Zweck gedient, nicht? Ihr habt die Trophäe erbeutet, die unter der Zitadelle verborgen war?« »Ein Jammer?«, wiederholte Honsou. »Ein Jammer ist nur, dass ich sie nicht eigenhändig töten konnte, obwohl ich immerhin das Vergnügen hatte, Forrix sterben zu sehen. Und ja, wir haben uns die Kriegsbeute aus der Kühlanlage unter den Bergen geholt oder wenigstens das, was die Imperialen nicht vernichtet hatten.« »Stabile Gensaat?«, hauchte Toramino, dem es nicht gelang, den Hunger aus seiner Stimme zu verbannen. »Aye«, stimmte Honsou zu. »Biologisch stabil und ohne Mutation. Und alles für den Plünderer. Das wisst Ihr, Toramino.« Lord Berossus lachte, ein körniges Rauschen von Rückkopplungs-Knistern, und sein massiger Körper beugte sich vor, als er sagte: »Halte uns nicht für Dummköpfe, Mischling. Wir wissen, dass du etwas davon für dich behalten hast. Du wärst dumm, wenn du es nicht getan hättest.« »Und wenn ich es getan hätte, was geht dich das an, Berossus?«, fauchte Honsou. »Welpe!«, brüllte der Cybot, indem er einen hallenden Schritt vortrat und die Servoarme auf seinem Rücken zum Leben erwachten. »Du wagst es, in diesem Ton mit Höhergestellten zu reden!« Bevor Honsou antworten konnte, sagte Toramino: »Lord Beressus spricht zwar unverblümt, aber auch die Wahrheit. Ich weiß, dass Ihr Gensaat für Euch behalten habt, also hört mir gut zu, Mischling: Euer ehemaliger Herr war ein verschworener Verbündeter von Berossus und mir selbst, und wir erwarten, dass Ihr als sein Nachfolger diese Eide in Ehren haltet und die Siegesbeute teilt.« Honsou schwieg lange Sekunden, dann lachte er ihnen ins Gesicht. Toramino spürte seinen Hass auf diesen unverschämten Mischling heißer denn je brennen. »Teilen?«, sagte Honsou, indem er sich umdrehte, von einem Iron Warrior hinter sich eine Axt mit breiter Klinge entgegennahm und einem anderen zunickte, der sich bückte und eine schwere eiserne Kryotruhe hinter dem Thron hochhob, während hinter
ihnen mehrere Dutzend Krieger aus Honsous großer Kompanie in den Saal marschierten. Der Iron Warrior mit der Kryotruhe hielt sie Toramino hin, während Honsou sagte: »In dieser Kryotruhe ist alles, was ich abzugeben bereit bin. Es ist mein einziges Angebot, also rate ich Euch, es zu nehmen und zu gehen.« Toraminos Augen verengten sich, als er einen ramponierten Panzerhandschuh ausstreckte, um den Deckel anzuheben, so dass Schwaden kondensierter Luft aus der Truhe wallten. Alle seine Instinkte schrien ihm zu, dass dies eine Falle sei, aber er durfte vor diesem Mischling keine Schwäche zeigen. Er öffnete das Behältnis und versteifte sich, als er sah, dass es leer war. »Soll das der jämmerliche Versuch eines Scherzes sein, Mischling?«, zischte er. »Du kehrst den Eiden deines Herrn den Rücken?« Honsou machte einen Schritt auf Toramino zu und spie auf den glänzenden Brustharnisch des Kriegsschmieds. »Ich spucke auf diese Eide wie auch auf dich«, sagte er. »Auf dich und dein idiotisches Ungeheuer. Und nein, es ist kein Scherz. Dir muss klar sein, Toramino, dass du nichts von mir bekommst. Keiner von euch. Was ich den Imperialen auf Hydra Cordatus abgenommen habe, dafür habe ich gekämpft und geblutet, und keiner von euch oder sonst jemand wird es mir abnehmen.« Toramino kochte vor Wut, zügelte sie aber. Die Muskeln in seinem Nacken spannten sich, und er versuchte, den in ihm brodelnden Zorn im Zaum zu halten. Er knurrte eine Verwünschung und nickte Berossus zu, der aufbrüllte und seinen mächtigen Belagerungshammer auf den Iron Warrior mit der Kryotruhe niedersausen ließ und ihn in einer Explosion aus Fleisch und Rüstungsteilen auslöschte. Eine leuchtende Korona elektrischer Entladung flammte auf dem Boden auf, in dem jetzt ein Krater gähnte, und blutige Materie tropfte von dem knisternden Hammer. Toramino konnte nicht glauben, dass dieser schändliche Mischling die Nerven hatte, sich vor einem wie ihm so zu verhalten, und brüllte: »Du wagst es, mich derartig zu beleidigen?« »Das tue ich, und Ihr sind mir nicht länger willkommen. Ich gestatte Euch, meine Festung zu verlassen, wie es sich für Kriegsschmiede Eures Rangs ziemt, aber Ihr werdet nie wieder
einen Fuß in diese Festung setzen, solange ich atme.« »Sich mir zu widersetzen, bedeutet Tod«, versprach Toramino. »Meine Armeen werden dieses Loch Stein für Stein und Träger für Träger einreißen, und ich werde dich an die Hautlosen verfüttern.« »Wir werden sehen«, sagte Honsou, während er seine Axt fester umklammerte. »Schick deine Armeen her, Toramino, sie werden nur den Tod vor meinen Mauern finden.« Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, machte Lord Toramino auf dem Absatz kehrt und marschierte mit seinem Gefolge und Lord Berossus dichtauf aus dem Saal. Wenn der Mischling Krieg wollte, würde Toramino ihm Krieg geben. Einen Krieg, der sogar den mächtigen Perturabo aus seinen verbitterten Grübeleien reißen würde.
TEIL I Todeseid EINS Uriel atmete weiter gleichmäßig, während er die letzten Bewegungen seiner Angriffsroutine ausführte, jede Aktion perfekt ausbalanciert und konzentriert, da Körper und Geist in absolutem Einklang handelten. Langsam und wohlüberlegt führte er die Hiebe gegen einen imaginären Feind aus, zunächst mit dem Ellbogen, dann mit der Faust, alles mit exakten, präzisen Bewegungen. Er hielt die Augen geschlossen und beendete alle Bewegungen gleichzeitig. Nach Vollendung seiner Schritte holte Uriel tief Luft, während er die Fäuste vor sich kreuzte, und atmete dann wieder aus, ohne in seiner Konzentration nachzulassen, während er die Arme geschmeidig zurück an die Seiten nahm und seine Kraft wieder in sich zentrierte. Er spürte das Potenzial der tödlichen Gewalten in den Gliedern und die Kraft in sich wachsen, und er empfand eine innere Ruhe wie schon seit vielen Wochen nicht mehr, als er die letzte der
vorgeschriebenen Bewegungen ausführte. »Fertig?«, fragte Pasanius. Uriel nickte und schüttelte seine Glieder aus, um sie zu lockern, während er geduckte Kampfhaltung annahm, die Fäuste vor sich erhoben. Sein ehemaliger Sergeant war viel größer als er, muskelbepackt und trug einen Übungschiton aus blauer Baumwolle, der Beine und Arme unbedeckt ließ. Obwohl Pasanius seinen Arm bereits vor zwei Jahren im Kampf gegen einen uralten Sternengott verloren hatte, wurden Uriels Blicke immer noch von dem glänzenden, silbrig-glatten augmetischen Arm angezogen, der das verlorene Glied ersetzt hatte. Pasanius trug seine blonden Haare dicht am Kopf anliegend, und obwohl zur Bekundung großer Wärme und viel Humor fähig, hatte er nun, da sie sich auf den Kampf vorbereiteten, eine todernste Miene angenommen. Pasanius feuerte eine rechte Gerade auf seinen Kopf ab, und Uriel wich dem Schlag mit einer Seitwärtsbewegung aus. Er lenkte Pasanius' anschließenden Hieb ab und drehte sich in ihn hinein, um seinem Gegner den Ellbogen in die Kehle zu rammen. Doch der große Mann wich geschmeidig aus, lenkte Uriels Stoß zur Seite und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Uriel duckte einen sensenartigen Hieb ab und konnte gerade noch zurückspringen, um einem kraftvollen, auf seinen Schritt gezielten Tritt auszuweichen. Trotz der blitzschnellen Reaktion traf ihn Pasanius' Ferse immer noch in der Seite, und er grunzte vor Schmerzen, als ihm die Luft wegblieb. Uriel wich dem nächsten Hieb aus und tänzelte auf den Fußballen, als sein Gegner wieder auf ihn losging. Er parierte und konterte alles, was Pasanius auf ihn abfeuerte. Der große Mann war schneller, als er aussah, und Uriel wusste, dass er nicht ewig würde vermeiden können, von ihm getroffen zu werden. Und wenn Pasanius einen sauberen Treffer landete, standen nur wenige wieder auf. Er konterte mit mörderischen Hieben, die er mit Drehungen aus Hüften und Schultern unterstützte, um sein ganzes Gewicht hinter die Schläge zu legen, während er geduckt vorrückte, um die Rippen seines Gegners mit extrem schnellen Faustschlägen einzudecken. Pasanius wich vor ihnen zurück, ohne getroffen zu werden, und Uriel setzte rasch nach und versuchte es mit einem Haken zum Kopf. Es war ein riskantes Manöver und hätte leicht
pariert werden können, doch anstatt dass Pasanius' silberglänzender Unterarm hochkam, um den Hieb zu parieren, traf Uriels Faust ungehindert die rechte Schläfe. Pasanius stolperte und fiel auf ein Knie. Helles Blut sickerte aus einer Platzwunde über dem rechten Auge. Uriel wich einen Schritt zurück, ließ die Fäuste sinken und beruhigte seine Atmung, während er verwirrt auf die Schramme in der Stirn seines ehemaligen Sergeanten starrte. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Uriel. »Was war los? Den hättest du leicht parieren können.« »Du hast mich überrumpelt«, sagte Pasanius, während er sich das bereits gerinnende Blut mit seiner fleischigen Hand abwischte. »Ich habe damit gerechnet, dass du wieder auf die Beine zielst.« Uriel ließ die letzten Sekunden ihres Übungskampfes noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren und begutachtete seine und Pasanius' Stellungen und Bewegungen. »Auf die Beine? Ich war in keiner guten Position, um deine Beine anzugreifen«, sagte Uriel. »Aus der Position musste ich eigentlich auf den Kopf zielen.« Pasanius zuckte die Achseln. »Ich habe einfach die Fäuste nicht rechtzeitig hochgenommen.« »Du hast es nicht einmal versucht, nicht einmal mit dem anderen Arm.« »Du hast gewonnen. Worüber beklagst du dich?« »Ich habe nur noch nie gesehen, dass du so eine leichte Parade vermasselst, das ist alles.« Pasanius wandte sich ab, nahm ein Handtuch vom Messinggeländer, das sich um die geodätische Aussichtskuppel zog, die Hauptmann Laskaris ihnen für Übungskämpfe und Training zugewiesen hatte. Die Schwärze des Alls füllte das Sichtfenster der Kuppel aus: Sterne breiteten sich darin aus wie Diamantstaub auf schwarzem Samt. Reflektiertes Licht von der fernen Sonne Macragge glitzerte auf den vielen Facetten der Kuppel und erfüllte die Aussichtsbucht mit einem weichen Schein geisterhaften Lichts. »Es tut mir leid, Uriel, diese ganze Situation hat mich ein wenig... aus dem Gleichgewicht gebracht«, sagte Pasanius, während er das Handtuch über seinen aug-metischen Arm drapierte. »Aus dem Orden ausgestoßen zu werden...«
»Ich weiß, Pasanius, ich weiß«, sagte Uriel, indem er sich zu seinem Sergeanten am Kuppelrand gesellte. Seine Hände krampften sich um das Geländer, als er durch das gehärtete Panzerglas auf das starrte, was dahinter lag. Der gothische klippenartige Rumpf des Transporters Calths Stolz erstreckte sich auf seinem Weg von Macragge zum Sprungpunkt Masali bis tief in die Dunkelheit des Raums und außerhalb seines Blickfelds. Uriel betrat sein Quartier, warf das Handtuch auf den geschützmetallgrauen Spind am Fußende des Betts und ging in die kleine Waschnische, die in das stählerne Schott eingelassen war. Er zog den verschwitzten Chiton aus und hängte ihn über eine verchromte Halterung, dann drehte er an dem polierten Hebel über dem gesprungenen Porzellanbecken und wartete darauf, dass es volllief. Er füllte seine hohlen Handflächen mit dem eiskalten Wasser, spritzte es sich ins Gesicht und ließ es von seinen schroffen Zügen tropfen. Uriel starrte auf das schäumende Wasser im Becken, und die Gischt erinnerte ihn an seinen letzten Morgen auf Macragge, wie er auf Gallans Felsen gekniet und den glitzernden Schaum in dem felsigen Teich am Fuße der Herafälle beobachtet hatte. Mit geschlossenen Augen stellte er sich wieder die entfernten Meere vor, wie sie wie eine Decke aus Saphiren hinter den zerklüfteten weißen Gipfeln des Gebirges im Westen schimmerten, die wiederum mit Fetzen grüner Hochgebirgsweiden gesprenkelt waren. Die untergehende Sonne warf blutrote Lichtfinger auf die Landschaft und tauchte die Berge in Gold. Es war ein Gefühl gewesen, als wolle ihm die Heimatwelt seines Ordens noch einen letzten Blick auf ihre majestätische Pracht gestatten, bevor sie ihm auf ewig verwehrt sein würde. An diese Vision klammerte er sich jede Nacht, wenn er in seinem schlichten Feldbett lag, erinnerte sich an jede Nuance der Farben, Bilder und Düfte, um sie nur ja nicht in seiner Erinnerung verblassen zu lassen. Der schale Geruch der wiederaufbereiteten Luft machte die Erinnerung nur umso eindrucksvoller, und das harsche, spartanisch möblierte Quartier, das man ihm an Bord der Stolz zugewiesen hatte, ließ ihn mit Wehmut an sein Hauptmannsquartier auf Macragge denken.
Uriel hob den Kopf und starrte in den polierten Stahlspiegel, während er zusah, wie die Wassertropfen wie Tränen über die Wangen seines Spiegelbilds rannen. Er wischte sich das letzte Wasser aus dem Gesicht, da ihn die grauen Augen seines Zwillings unter einer starken, brütenden Stirn und kurzen schwarzen Haaren beobachteten. In den Augenbrauen saßen zwei goldene Stecker, und sein Kinn war eckig und patrizisch. Sein Körper war durch längst in Vergessenheit geratene Technologie genetisch verstärkt und durch Ausbildung, Disziplin und Krieg bis an die Grenzen der Perfektion geschliffen worden und ließ gewöhnliche menschliche Soldaten, mit denen dieses riesige Sternenschiff gefüllt war, winzig erscheinen. Arme und Brust waren mit Narben übersät, aber mehr Narbengewebe, als sie alle zusammen ausmachten, befand sich über dem Magen, wo eine Nornenkönigin der Tyraniden ihn auf Tarsis Ultra beinahe tödlich verwundet hatte. Er schauderte bei der Erinnerung, dann wandte er sich vom Spiegel ab und setzte sich auf die Bettkante, während er an seinen letzten Blick auf Macragge dachte, als die Fähre vom Raumhafen am Ende des Laponistals gestartet war. Er hatte beobachtet, wie seine adoptierte Heimatwelt unter ihm schrumpfte und zu einem Flickenteppich aus glitzernden quarzreichen Bergen und ausgedehnten Ozeanen wurde, die sich bald seinen Blicken entzogen, als die Fähre die unteren Wolkenschichten erreicht hatte. Langsam war die Rundung der Welt sichtbar geworden, und mit ihr der blasse Nebel, der die Trennung zwischen dem Planeten und dem eisigen Vakuum des Alls darstellte. Voraus war die Calths Stolz ein hässliches metallisches Rechteck gewesen, der über der Nordpolargegend des Planeten im All hing. Er hatte die Hand ausgestreckt und den Panzerhandschuh auf die dicke Sichtscheibe der Fähre gelegt, während er sich fragte, ob er je wieder einen Fuß auf Macragge setzen würde. »Sieh genau hin, Hauptmann«, hatte Pasanius bedrückt gesagt, da er Uriels Blick durch die Sichtscheibe folgte. »Das sehen wir zum letzten Mal.« »Ich hoffe, du irrst dich, Pasanius«, sagte Uriel. »Ich weiß nicht, wohin unsere Reise führt, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass wir unsere Ordenswelt wiedersehen.« Pasanius zuckte die Achseln. Neben seiner riesenhaften
gerüsteten Gestalt wirkte sein ehemaliger Hauptmann fast zwergenhaft. Der verstorbene Techmarine Sevano Tomasin hatte die Rüstung nach Pasanius' Ernennung zum vollen Space Marine geschmiedet, und die Bestandteile ihrer Panzerplatten waren aus Terminator-Rüstungen ausgeschlachtet worden, die in der Schlacht irreparabel beschädigt worden waren. »Vielleicht, Hauptmann, aber ich weiß, dass ich Macragge nie wiedersehen werde.« »Was macht dich so sicher? Und du brauchst mich nicht mehr >Hauptmann< zu nennen, weißt du noch?« »Natürlich, Hauptmann, aber ich weiß einfach, dass ich nicht hierher zurückkehren werde«, erwiderte Pasanius. »Das ist so ein Gefühl.« Uriel schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass Lord Calgar uns diesen Todeseid auferlegt hätte, wenn er nicht glaubte, dass wir ihn erfüllen könnten«, sagte er. »Vielleicht dauert es viele Jahre, aber Hoffnung gibt es immer.« Uriel hatte seinen ehemaligen Sergeanten betrachtet und seine grimmige Laune sehr gut verstanden, da sein Blick auf den riesigen Schulterschutz fiel, wo einst das Symbol der Ultramarines geprangt hatte. Wie auch an seiner eigenen Rüstung waren alle Insignien der Ultramarines im Anschluss an ihre Geißelung durch eine Konklave ihrer Vorgesetzten für ihren Bruch des Codex Astartes auf Tarsis Ultra entfernt worden, und sie hatten den Marsch der Schande aus der Hera-Festung angetreten. Uriel seufzte, als er an all das dachte, was geschehen war, seit er das Schwert seines ehemaligen Hauptmanns aufgehoben und den Befehl über die Vierte Kompanie der Ultramarines übernommen hatte. Ein Übermaß an Tod und Schlachten war das Los eines Space Marines. Schlachtenbrüder, Verbündete und Freunde waren im Kampf gegen Abtrünnige, Xeno-Wesen und ganze Splitterflotten der Tyraniden gestorben. Er lehnte sich an das Schott und kehrte in Gedanken zu dem Gemetzel zurück, das die Tyraniden auf Tarsis Ultra angerichtet hatten. Er erinnerte sich immer noch ganz genau an die grässlichen Schlachten, die auf dieser eisigen Industriewelt ausgetragen worden waren. Die Wut der Invasion der außergalaktischen Räuber hatte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt. Die Schlachten auf Ichar IV - eine weitere
von den Tyraniden verheerte Welt waren furchtbar, aber die Versammlung der imperialen Streitkräfte dort war großartig gewesen, wohingegen die auf Tarsis Ultra versammelten Truppen entsetzlich in der Unterzahl waren, und nur verzweifeltes Heldentum und die Einmischung des legendären Inquisitors Kryptman hatten ihnen den Sieg gebracht. Aber der Sieg war für einen Preis errungen worden. Um den Planeten zu retten, hatte Uriel das Kommando über einen Trupp der Todeswacht des Ordo Xenos übernommen entgegen der Pflicht seinen Kriegern gegenüber und der Lehren im heiligen Buch des Primarchen, dem Codex Astartes - und sich ins Herz des tyranidischen Schwarmschiffs vorgekämpft. Nach der Rückkehr der Kompanie nach Macragge hatte Learchus, einer seiner tapfersten Sergeanten, den Hochmeistern des Ordens Uriels flagrante Verletzungen der Lehren des Codex' gemeldet. Vor dem Gericht der Gesamtheit der Ultramarines hatten Uriel und Pasanius auf ihr Recht verzichtet, sich zu verteidigen, und stattdessen das Urteil von Marneus Calgar akzeptiert, um zu verhindern, dass ihr Beispiel Schule machte. Die Strafe für so eine Ketzerei konnte nur der Tod sein, doch anstatt das Leben zweier tapferer Krieger zu verschwenden, die den Feinden des Imperators durchaus noch Verderben bringen mochten, hatte der Ordensmeister sie an einen Todeseid gebunden. Uriel konnte sich noch lebhaft an den Abend erinnern, als sie sich aus der Hera-Festung aufgemacht hatten, da sie das Urteil Lord Calgars akzeptiert und dem Orden gezeigt hatten, dass der von den Ultramarines gewählte Weg richtig war. Sie waren an den Todeseid gebunden, auf dass der Orden weiterleben mochte, wie er es immer getan hatte. Ordenspriester Clausel hatte Verse aus dem Buch der Unehre vorgelesen und den Blick abgewandt, als Uriel und Pasanius an ihm vorbei zu den Türen des Wächterhauses gegangen waren. »Uriel, Pasanius«, sagte Lord Calgar. Die beiden Space Marines blieben stehen und verbeugten sich vor ihrem ehemaligen Meister. »Der Imperator ist bei euch. Sterbt gut.« Uriel nickte, als sich die gewaltigen Türen öffneten. Er und Pasanius waren in das violette Dämmerlicht des Abends getreten. Vögel sangen, und Fackellicht flackerte auf den hohen Türmen des äußersten Festungswalls.
Bevor sich die Tür schloss, hatte Calgar noch etwas gesagt, zögernd, als sei er nicht sicher, ob er überhaupt etwas sagen solle. »Letzte Nacht hat Bibliothekar Tigurius mir etwas erzählt«, begann er, »und zwar von einer Welt, die nach dunklem Eisen riecht, auf der es große Brutfabriken für Dämonenfleisch gibt, das sich in monströsem, unnatürlichem Leben kräuselt. Tigurius hat mir erzählt, brutale Leichenbestatter - selbst Ungeheuer - würden mit Klingen und Sägen auf diese Kreaturen einhacken und blutbefleckte Gestalten herausziehen. Obwohl mehr tot als lebendig, würden diese Gestalten leben und atmen und groß und stark und wie ein finsterer Spiegel unserer eigenen Herrlichkeit sein. Ich weiß nicht, was das bedeutet, Uriel, aber das Böse darin ist offensichtlich. Sucht diesen Ort. Zerstört ihn.« »Wie Sie befehlen«, sagte Uriel, während er in die Nacht wanderte. Die bedrückende Vision von Bibliothekar Tigurius konnte überall in der Galaxis sein, und obwohl die Vorstellung, sich an einen so abscheulichen Ort zu wagen, Uriels Seele mit Beklemmung erfüllte, freute sich ein Teil von ihm auch auf die Gelegenheit, derart schändlichen Ungeheuern den Tod zu bringen. Fünf Tage waren vergangen, seit sich der Frachter aus der Umlaufbahn von Macragge gelöst hatte und unter Benutzung seiner konventionellen Plasmatriebwerke zum Sprungpunkt Masali flog. Uriel war bisher all seinen Feinden mit der Klinge begegnet und hatte sie besiegt, und doch waren er und Pasanius nun hier an Bord eines Transporters, der bis zu den Dollborden mit Regimentern der Imperialen Garde vollgestopft war, allesamt unterwegs zum Seg-mentum Obscurus und den Kriegen, die dort durch das Eindringen des Plünderers in das Imperiumsgebiet ausgebrochen waren. »Mut und Ehre«, flüsterte er verbittert, doch er bekam keine Antwort. Pasanius drückte sich die Spitze des Messers in die Mitte der Brust und bekam eine Gänsehaut. Die Haut platzte auf, Blut quoll aus dem Schnitt und lief über seine Brust, bevor es rasch gerann. Pasanius bohrte die Klinge tiefer und zog das Messer dann über den gewölbten Brustmuskel auf der linken Seite, so dass ein
langer, horizontaler Schnitt entstand. Er ignorierte den Schmerz, änderte den Schnittwinkel und zog die Klinge diagonal nach unten zum Solar Plexus, um dann auf der anderen Brustseite ein Spiegelbild der Schnitte anzulegen. Rasch ausgeführte Schlitze zwischen den tiefen Schnitten bildeten den letzten Teil des Musters, und Pasanius ließ das Messer auf das Bett fallen, um dann vor dem improvisierten Schrein am Boden auf die Knie zu sinken. Brennende Duftkerzen verbreiteten ein rauchiges Aroma und flackerten in der Brise der Wiederaufbereitungsanlagen. An ihrem Fuß lagen lange Streifen Gebetspapier zusammengerollt, die mit Pasanius' krakeliger Schrift vollgekritzelt waren. Pasanius hob einen Streifen des golden gerandeten Papiers mit blutigen Fingerspitzen auf und las die dort niedergeschriebenen Worte der Reue und der Beichte, obwohl er sie auswendig kannte. Er hob die glänzende bionische Hand, spreizte die Finger und legte sie mit der Innenseite auf seine blutige Brust, in die ein Adler mit ausgestreckten Flügeln geritzt war. Pasanius zog sich die Hand über die Brust und verschmierte das geronnene Blut über dem glänzenden Metall, während er die auf das Papier geschriebenen Beichtworte hauchte. Als er fertig war, ließ er das Papier in die flackernde Kerzenflamme sinken und beließ es dort, bis es Feuer fing. Hungrige Flammen leckten über die ganze Länge des Gebetspapiers und verzehrten gierig die niedergeschriebenen Worte, während sie ihm die Fingerspitzen schwarz versengten. Das Papier löste sich in seinen Händen auf und zerfiel in orange umrahmte Flocken, die sanft zu Boden schwebten. Der letzte Funke entglitt seiner Hand, und Pasanius hämmerte seine silberne Faust vor die Wand seines Quartiers, so dass ein tiefer Krater entstand. Er hielt sich die Hand vor das Gesicht, um den furchtbaren Schaden zu begutachten. Seine Metallfinger waren durch die Aufprallwucht geborsten und verbogen, aber Pasanius weinte bittere Tränen des Abscheus und Selbsthasses, während er beobachtete, wie seine Fingerspitzen anfingen zu schimmern und sich zu begradigen, bis nicht mehr der kleinste Kratzer zu sehen war. »Vergib mir...«, flüsterte er.
Uriel warf ein leeres Magazin aus seinem Boltgewehr aus und rammte rasch ein neues in die Waffe, als ihn ein weiterer Feind aus dem Eingang des Gebäudes voraus angriff. Er wälzte sich zur Seite, als eine Salve Laserstrahlen den Sand aufspritzen ließ, und kam neben einem Stapel leerer Munitionskisten wieder auf die Beine und in Schussposition. Mit einer so natürlichen Bewegung, dass er sie kaum noch bewusst zur Kenntnis nahm, zielte er über den Lauf des Boltgewehrs und gab einen einzigen Schuss ab, der seinem Ziel den Kopf wegsprengte. Ein anderer Schütze tauchte kurz auf der Brüstung des Hauses auf, und er korrigierte seine Zielrichtung und jagte dieser neuen Bedrohung ein Boltgeschoss in die Brust. Pasanius rannte zur Tür des Gebäudes, während Uriel in den oberen Fenstern und umliegenden Dächern nach neuen Zielen Ausschau hielt. Er entdeckte keine und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Haupteingang, dessen Tür Pasanius gerade in einer Wolke davonfliegender Splitter aus den Angeln fegte. Uriel verließ seine Deckung und rannte zu dem Gebäude, während Pasanius ihm Feuerschutz gab. Er hörte das unverkennbare Knistern von Laserschüssen und das antwortende Krachen eines Boltgewehrs. Er erreichte das Gebäude und prallte förmlich vor die Wand. Pasanius warf eine Granate durch die Tür, bevor er sich duckte, während der Explosionsdonner nach draußen hallte. »Los!«, rief Pasanius. Uriel stürzte aus seiner Deckung neben der Tür in den Eingang und die von Rauch erfüllte Hölle des Raums dahinter. Leichen lagen auf dem Boden, und von der Explosion trieben beißende Rauchschwaden durch den Raum, aber die Autosinne von Uriels Rüstung durchdrangen den Nebel mit Leichtigkeit und zeigten ihm, dass noch zwei Feinde standen. Er streckte den ersten nieder, und Pasanius erledigte den zweiten mit einem Kopfschuss. Raum für Raum, Etage für Etage, durchkämmten die beiden Ultramarines das Gebäude und töteten weitere dreißig Ziele, bevor sie es für gesichert erklärten. Seit dem Aufbrechen der Tür waren vier Minuten verstrichen. Uriel setzte seinen Helm ab und fuhr sich mit der Hand über den Schädel. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, und das trotz einer Übungseinheit, nach der auch der körperlich fitteste
menschliche Krieger nach Luft geschnappt hätte. »Vier Minuten«, sagte er. »Nicht gut. Ordenspriester Clausel hätte uns nach einer Leistung wie dieser zur Strafe eine Woche fasten lassen.« »Aye«, gab Pasanius ihm recht, der ebenfalls den Helm absetzte. »Ohne seine Vorträge aus dem Gesangbuch sind die Übungen nicht mehr das, was sie einmal waren. Wir verlieren den Biss. Ich verspüre hier nicht die Notwendigkeit, mich auszuzeichnen.« »Ich weiß, was du meinst, aber es ist eine Ehre, solche Fähigkeiten zu haben wie wir, und es ist unsere Pflicht dem Orden gegenüber, sie in bestmöglichem Zustand zu erhalten«, sagte Uriel, während er sein Boltgewehr überprüfte und das Gebet flüsterte, das den Kriegsgeist der Waffe ehrte. Beide Männer hatten Gebete gesprochen und die korrekten Ölungen und Schussriten angewandt, bevor sie die Waffen überhaupt geladen hatten. Derartige Hingabe an eine Waffe war unter den kämpfenden Männern und Frauen des Imperiums weit verbreitet, aber für einen Space Marine war sein Boltgewehr viel mehr als einfach nur eine Waffe. Es war ein göttliches Instrument des Willens des Imperators, das Mittel, das seinen Zorn über jene brachte, die dem Imperium trotzten. Trotz seiner Worte wusste Uriel, dass Pasanius wahr gesprochen hatte, als er sagte, sie verlören den Biss. Vier Minuten, um ein Gebäude dieser Größe zu sichern, war ganz erstaunlich, aber er wusste, dass sie es schneller und effizienter hätten tun können, und die Vorstellung, nicht das zu leisten, was er zu leisten imstande war, wurmte ihn. Seit seinem sechsten Lebensjahr und seinem Eintritt in die Agiselus-Kaserne war er der Beste gewesen in allem, was er angefasst hatte. Nur Learchus war ihm in seinen Leistungen gleichgekommen, und die Möglichkeit, dass er nicht so gut war, wie er sein konnte, war eine äußerst bestürzende Vorstellung. Pasanius hatte recht - ohne den beständigen Drill und die Übungen, die sie als Teil eines Ordens von Space Marines gewöhnt waren, konnte Uriel förmlich spüren, wie seine Fähigkeiten mit jedem Tag nachließen, den sie sich weiter von Macragge entfernten. »Aber«, fuhr Pasanius fort, »vielleicht brauchen wir nicht mehr die Besten zu sein, vielleicht sind wir dem Orden überhaupt nichts
mehr schuldig.« Uriels Kopf ruckte hoch, schockiert über die Idee und auch über die Leichtigkeit, mit der Pasanius sie ausgesprochen hatte. »Wovon redest du?« »Hast du immer noch das Gefühl, dass wir Space Marines des Imperators sind?«, fragte Pasanius. »Natürlich. Was sollten wir sonst sein?« »Nun ja, wir wurden ausgestoßen und entehrt und sind keine Ultramarines mehr«, fuhr Pasanius mit schwankender, unsicherer Stimme fort, während er mit leerem Blick ins All starrte. »Aber sind wir noch Space Marines? Müssen wir uns noch so drillen? Wenn wir keine Space Marines mehr sind, was sind wir dann?« Pasanius hob den Kopf und begegnete seinem Blick, und Uriel war überrascht über die Tiefe der Qual, die er darin sah. Die Seele seines ehemaligen Sergeanten lag bloß, und Uriel konnte den furchtbaren Schmerz über ihren Ausschluss aus dem Orden erkennen. Er legte Pasanius eine Hand auf den schmucklosen Schulterschutz. Uriel konnte den Schmerz seines Freundes verstehen und fühlte sich wieder schuldig, weil Pasanius die Schande teilte, die nur er und er allein hätte durchleben dürfen. »Wir werden immer Space Marines sein, mein Freund«, bestätigte Uriel. »Und was auch geschieht, wir werden weiterhin die Kampfrituale unseres Ordens befolgen. Wo wir auch sind und was wir auch tun, wir werden immer Krieger des Imperators sein.« Pasanius nickte. »Das weiß ich«, sagte er schließlich. »Aber in der Nacht plagen mich schreckliche Zweifel, und es gibt niemanden an Bord dieses Schiffes, dem ich beichten kann. Ordenspriester Clausel ist nicht hier, und ich kann nicht zum Schrein des Primarchen gehen und um Anleitung bitten.« »Du kannst mit mir reden, Pasanius, immer. Sind wir nicht Waffenbrüder, Schlachtgefährten und Freunde?« »Aye, Uriel, das werden wir auch auf ewig bleiben, aber du bist auch nur ein Verdammter neben mir. Wir sind Ausgestoßene, und deine Worte sind für mich wie Staub im Wind. Ich sehne mich nach der spirituellen Anleitung von einem, der rein und nicht mit Schande befleckt ist. Es tut mir leid.« Uriel wandte sich von seinem Freund ab und wünschte, er hätte gewusst, was er sagen sollte, aber er war kein Ordenspriester
und kannte nicht die richtigen Worte, um Pasanius den Trost zu spenden, nach dem er sich so sichtbar sehnte. Doch noch während er nach beruhigenden Worten suchte, fragte sich eine verräterische Stimme in seinem Hinterkopf, ob Pasanius nicht vielleicht recht hatte. Uriel und Pasanius gingen durch das mit Kugeln gespickte Übungsgebäude und an den verstümmelten Überresten der siebenunddreißig von Servitoren gelenkten Gegner vorbei, deren Leiber aus Plastek und Drahtgeflecht von den massereaktiven Boltgeschossen der Space Marines zerfetzt worden waren. Nachdem sie das Gebäude verlassen hatten, schritten sie durch die volle Übungshalle zu einer der vielen Kapellen auf dem Schiff. Nachdem sie ihre Schießrituale beendet hatten, verlangte ihre starre Routine nun, dem Primarchen und dem Imperator die Ehre zu erweisen. Die Lichter in der Trainingshalle verdunkelten sich ein wenig, was Uriel verriet, dass das Raumschiff kurz vor dem Eintritt in den Nachtzyklus stand, wenngleich Tag und Nacht an Bord eines Raumschiffs bedeutungslose Begriffe waren. Trotzdem hatte Kapitän Laskaris strikte Verdunkelungsphasen und Wecksignale angeordnet, damit sich die Passagiere der Calths Stolz schneller an die Bordzeit des Schiffs gewöhnten. Es war ein weit verbreitetes Phänomen, dass viele Soldaten Probleme hatten, sich an das Leben an Bord anzupassen. Die zwangsweise Klaustrophobie und die vielen anderen Entbehrungen, die das Leben auf einem Raumschiff mit sich brachten, führten zu stark vermehrten Ausbrüchen von Gewalt und Disziplinlosigkeiten. Doch die gegenwärtig im riesigen Rumpf dieses Schiffes untergebrachten Truppen stammten von Ultramar, und jene, die eine Ausbildung in den Kasernen des Reichs der Ultramarines genossen hatten, waren eine sehr viel strengere Disziplin gewöhnt, als von der Schiffsbesatzung und der Militärpolizei eingefordert wurde. Die Übungshalle war ein großer Saal mit Steinsäulen und maß volle neunzig Meter vom Sandboden bis zur Kuppeldecke und mindestens tausend von Seite zu Seite. Ein ganzes Regiment und mehr konnte hier Schießen, Nahkampf, Infiltration, Dschungelkämpfe oder auch den Albtraum der Straßenkämpfe
üben. Diese zweckbestimmten Arenen waren abgeteilte, vollständig nachgebildete Landschaften, wo viele tausend Soldaten zusätzliche Ausbildung erhielten, bevor sie ihr Zielgebiet im galaktischen Nordwesten erreichten. Viele Reihen Kampfstandarten hingen von der Decke, und große anthrazenblaue Statuen bedeutender Helden von Ultramar säumten die Wände. Buntglasfenster, die von der anderen Seite durch Lichtkugeln beleuchtet waren, stellten das Leben von Roboute Guillaume dar, während auf jeder Säule Endlosgebete auf Hoch-gothisch aus schallenden Fanfaren hallten, in die Engel aus Alabaster bliesen. »Gute Männer und Frauen«, stellte Uriel fest, während er eine Gruppe Soldaten beobachtete, die das Kämpfen mit aufgepflanztem Bajonett übten. Dennoch bemerkte Uriel, dass viele der übenden Soldaten ihnen trotz ihrer Disziplin verwirrte Blicke zuwarfen. Er wusste, dass ihre Rüstungen, die aller Insignien der Ultramarines beraubt worden waren, zweifellos für endlose Spekulationen bei den Regimentern im Schiff sorgen würden. »Aye«, nickte Pasanius. »Das 808. Macragge. Die meisten werden von Agiselus stammen.« »Dann werden sie gut kämpfen«, sagte Uriel. »Eine Schande, dass wir nicht mit ihnen üben können. Sie könnten viel lernen, und für uns wäre es eine Ehre, unsere Erfahrung weiterzugeben.« »Vielleicht«, sagte Pasanius. »Obwohl ich nicht glaube, dass ihre Offiziere es so sehen würden. Ich habe das Gefühl, dass wir für viele eine Enttäuschung sind. Ein entehrter Space Marine ist kein Held. Er ist wertlos, weniger als nichts.« Überrascht über das Gift in seinem Tonfall, drehte sich Uriel um. »Pasanius?«, sagte er. Pasanius schüttelte den Kopf, als entledige er sich eines leichten Unbehagens, und setzte ein Lächeln auf; obwohl Uriel dessen Falschheit durchschaute. »Es tut mir leid, Uriel, mein Schlaf war unruhig. Ich bin es nicht gewöhnt, so viel davon zu haben. Ich rechne immer mit einem brüllenden Ordenspriester Clausel, der zum Wecken ruft.« »Aye«, stimmte Uriel zu und zwang sich zu einem Lächeln. »Mehr als drei Stunden Schlaf pro Nacht ist Luxus. Pass auf, dass du dich nicht daran gewöhnst, mein Freund.« »Unwahrscheinlich«, sagte Pasanius trübsinnig.
Uriel kniete vor der dunklen Marmorstatue des Imperators. Das flackernde Licht vieler hundert Kerzen, das die Kapelle erfüllte, wurde hundertfach von ihrer glatten Oberfläche reflektiert. Unter dem Dach der Kapelle hing eine Schwade aus stark nach Nalholz und Sandarak duftendem Rauch, der aus den vielen Brennern aufstieg, die das Kirchenschiff säumten. Skandierende Priester mit Rosenkränzen und brennenden Kerzen in den Händen marschierten murmelnd und vor sich hin flüsternd durch die Kirche, während albinohäutige Cherubime mit flackernden goldenen Flügeln und kobaltblauen Haaren über ihnen in der Luft schwebten und lange Stücke Gebetspapier aus Spendern in ihren Bäuchen hingen. Uriel ignorierte sie, während er das drahtumwickelte Heft seines Energieschwerts beidhändig hielt und die Hände auf den goldenen Parierstangen ruhten. Das Schwert war gezogen und zeigte auf den Boden, und Uriel hatte beim Beten die Stirn auf den geschmiedeten Schädel des Knaufs gelegt. Das Schwert war das letzte Geschenk von Hauptmann Idaeus, seinem ehemaligen Mentor, und obwohl es auf Pavonis zerbrochen war - vor einer Ewigkeit, wie es ihm jetzt erschien -, hatte Uriel selbst eine neue Klinge geschmiedet, bevor er sich auf den Kreuzzug nach Tarsis Ultra und auf den Weg zu seiner schließlichen Entehrung gemacht hatte. Er fragte sich, was Idaeus wohl von seiner gegenwärtigen Situation gehalten hätte, und dankte dem Imperator, dass er nicht mehr da war, um mit anzusehen, was aus seinem Protege geworden war. Pasanius kniete mit geschlossenen Augen neben ihm, und seine Lippen bewegten sich in einem stummen Gebet. Uriel fand es schwierig, die düstere, brütende Gestalt zu ertragen, in die sich Pasanius seit ihrem Aufbruch aus der Hera-Festung verwandelt hatte. Sicher, sie waren aus dem Orden verstoßen und von ihrer Heimatwelt und ihren Schlachtenbrüdern getrennt worden, aber sie hatten noch eine Pflicht zu erledigen und einen Eid zu erfüllen, und solchen Verpflichtungen kehrte ein Space Marine niemals den Rücken, vor allem kein Ultramarine. Uriel wusste, dass Pasanius ein Krieger mit Mut und Ehre war, und hoffte nur, dass er die Charakterstärke besitzen würde, sich über seine schlechte Laune zu erheben, während er sich daran
erinnerte, auf Tarsis Ultra in einem der Hospitäler in einer Kapelle nicht unähnlich dieser gesessen zu haben und selbst von Problemen gequält zu werden. Er erinnerte sich außerdem an das wunderschöne Gesicht der Schwester eines Heilerordens, die er dort kennengelernt hatte. Schwester Joaniel Ledoyen hatte sie geheißen, und sie hatte mit einer Weisheit und Klarheit zu ihm gesprochen, die durch seinen Schmerz gedrungen war. Uriel hatte nach den Kämpfen in das Hospital zurückkehren wollen, aber beim letzten Angriff auf das Schwarmschiff war er zu schwer verletzt worden, um etwas anderes zu tun, als sich auszuruhen, während sich Apothekarius Selenus bemüht hatte, die letzten Spuren des tyranidischen Zellgifts aus seinem Blut zu tilgen. Als es ihm wieder so gut gegangen war, dass er aufstehen und sich bewegen konnte, war es bereits an der Zeit gewesen, nach Macragge aufzubrechen, und er hatte keine Zeit gehabt, ihr für ihre schlichte Freundlichkeit zu danken. Er fragte sich, was aus ihr geworden und wie es ihr nach der Tyranideninvasion ergangen war. Wo sie auch war, Uriel wünschte ihr alles Gute. Er beendete seine Gebete, stand auf und küsste seine Schwertklinge, bevor er sie in die Scheide schob. Er verbeugte sich vor der Statue des Imperators und beschrieb das Zeichen des Adlers vor der Brust, während er auf Pasanius starrte, der immer noch betete. Er runzelte die Stirn, als ihm einige seltsame Male auffielen, die über dem Nackenschutz von Pasanius' Rüstung zu erkennen waren. Hinter ihm stehend, konnte Uriel erkennen, dass die Male am Nackenansatz begannen und unter der Rüstung verschwanden. Das verkrustete Narbengewebe verriet Uriel, dass es sich um Wunden handelte, kürzlich erlittene Wunden, die infolge der Larraman-Zellen in ihrem Blut sofort verschorften. Aber wie war er an diese Wunden gekommen? Bevor Uriel ihn fragen konnte, spürte er jemanden hinter sich und drehte sich um. Einer der Priester stand vor ihm, ein junger Mann mit gehetztem Blick, der ihn in verzückter Faszination anstarrte. »Prediger«, sagte Uriel respektvoll. »Nein, noch nicht!«, quiekte der Priester, während er sich den Rosenkranz in immer engeren Schlingen um die Handgelenke wickelte. »Nein, ich bin kein Prediger. Nur ein armer Zönobit,
mein Todesengel.« Uriel konnte erkennen, dass die Handflächen des Mannes glitschig von Blut waren, und fragte sich, welchem Orden er wohl angehörte. Es gab viele Tausend anerkannte Sekten im Imperium, und dieser Mann konnte zu jeder gehören. Er betrachtete die Gewänder des Mannes auf der Suche nach einem Hinweis, aber sein dunkelblaues Skapulier und die gleichfarbige Kasel waren bis auf die silbernen Verschlussösen schmucklos. »Kann ich dir irgendwie helfen?«, hakte Uriel nach, während sich Pasanius erhob und neben ihn stellte. Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein«, gackerte er mit einem schiefen Grinsen. »Ich bin bereits tot. Der Omphalos Daemonium kommt! Ich spüre, wie er von innen aus meinem Schädel hervorbricht. Er wird mich und alle anderen für seine infernalische Maschine nehmen. Als Totbrocken für seine Esse, Fleisch für seinen Tisch und Blut für seinen Pokal.« Uriel wechselte einen Seitenblick mit Pasanius und verdrehte die Augen, da ihm aufging, dass dieser Zönobit vollkommen wahnsinnig war, ein durchaus nicht ungewöhnliches Leiden unter den fanatischeren der Anhänger des Imperators. Man ging allgemein davon aus, dass diese Bedauerlichen auf einer Ebene existierten, die dem göttlichen Imperator näher war, und ließ sie frei herumlaufen, auf dass ihr irres Gerede einen Hinweis auf den Willen des Unsterblichen Meisters der Menschheit geben mochte. »Ich danke dir für diese Worte, Prediger«, sagte Uriel, »aber wir haben unsere Andacht beendet und müssen gehen.« »Nein«, sagte der Zönobit mit Nachdruck. »Nein? Was soll das heißen?«, fragte Uriel, der langsam die Geduld mit dem verrückten Priester verlor. Wie viele der Adeptus Astartes hatten die Ultramarines eine angespannte Beziehung zu den Priestern des Ministorum. Der Glaube der Space Marines, dass der Imperator der mächtigste Sterbliche in der Galaxis, aber eben doch nur ein Sterblicher sei, war den Lehren ihres Ekklesiarchen diametral entgegengesetzt. »Kannst du ihn nicht hören, Sohn Calths? Den Zug auf den Gleisen der Blutbahnen mit seinen verhassten Waggons hinterdrein?« »Ich höre nichts«, sagte Uriel, indem er um den Zönobit herumging und zur eisernen Tür der Kapelle marschierte. »Das wirst du noch«, versprach der Mann.
Uriel drehte sich um, als eine monotone Servitor-Stimme durch die mit Neusilber überzogenen Lautsprecher-Einheiten im Schatten der Kuppeldecke knisternd verkündete: »Alle Mann auf Warp-Übergang vorbereiten. Warp-Übergang in dreißig Sekunden.« Der Zönobit lachte, und Speichelbläschen platzten in seinen Mundwinkeln, als er die zerschnittenen Unterarme über den Kopf hob. Blut rann aus den geöffneten Pulsadern und spritzte ihm ins Gesicht, bevor es ihm wie rote Tränen über die Wangen rann. Er sank auf die Knie und flüsterte: »Zu spät... der Herr der Schädel kommt.« Ein Krampf der Übelkeit überlief Uriels Rückgrat, als die letzten Worte den Mund des Zönobiten verließen, und er trat zu dem Mann in der Absicht, ihn zu schelten, weil er an diesem heiligen Ort solche Blasphemien von sich gab. Das Licht in der Kapelle trübte sich, als sich das Schiff auf den Eintritt in den Warpraum vorbereitete. Uriel zog den jungen Prediger auf die Beine. Und der Kopf des Zönobiten explodierte.
ZWEI Blut spritzte aus dem zerfetzten Halsstumpf des Zönobiten, und Uriel schob den zuckenden Leichnam angewidert beiseite, wich zurück und wischte sich die klebrige Flüssigkeit aus dem Gesicht. Der Leichnam blieb auf den Beinen und zuckte und ruderte mit den Armen, als habe er einen heftigen Anfall. Aus den Pulsadern der hektisch schlagenden Arme spritzte immer noch mehr Blut und besudelte Altar und Statue. Während er noch in entsetzter Faszination auf den irrsinnigen Tanz des Leichnams starrte, verspürte Uriel das vertraute Gefühl in seinem Primärmagen, als dieser sich umdrehte, da das Schiff in die trügerischen Strömungen des Warpraums sprang. Er hielt sich an einer der Bankreihen in der Kapelle fest, als ihn ein jähes Schwindelgefühl überkam, das Sekunden später verschwunden war, weil sein Lyman-Ohr die räumliche Verschiedenheit der Dimensionen ausglich. Der grässliche Leichnam zuckte und strampelte weiterhin und wollte nicht fallen, obwohl ihm der Kopf fehlte, und Uriel hatte die
unverkennbare Empfindung, dass Warpraum-Hexerei in der Luft lag. Die Priester in der Begleitung des Zönobiten heulten vor Entsetzen und sanken auf die Knie, und ihre vor Grauen weit aufgerissenen Münder stammelten Gebete des Schutzes und der Gnade. Einige, die aus härterem Holz geschnitzt waren, zogen Pistolen unter ihren Gewändern hervor und richteten sie auf den tanzenden Leichnam. »Nein!«, schrie Uriel, indem er sein Schwert zog und auf den grässlichen Wiedergänger zusprang. Der torkelte ihm mit ausgestreckten Armen entgegen, aber ein weit ausholender Hieb von Uriels Klinge spaltete ihn vom Schlüsselbein bis zur Hüfte, und die beiden Hälften des Mannes fielen auf den Marmorboden, zuckend, aber gnädigerweise frei von allem, was Besitz von ihm ergriffen haben mochte. »Guillaumes Blut!«, fluchte Pasanius, während er vor dem toten Zönobiten zurückwich und das Zeichen des Adlers vor seiner Brust beschrieb. »Was ist mit ihm passiert?« »Ich habe keine Ahnung«, sagte Uriel. Er kniete sich neben den Leichnam und wischte die Klinge an der Kutte des Toten ab, als plötzlich das Licht in der Kapelle zu blinken anfing. Warnsirenen und Alarmglocken drangen von draußen in die Kapelle. Uriel erhob sich geschmeidig und sagte: »Aber ich habe das Gefühl, wir werden es gleich herausfinden.« Er drehte sich um, lief zur Kapellentür und schnappte sich dabei sein Boltgewehr aus dem Waffenständer neben dem Eingang zum Andachtsraum. Pasanius nahm seinen Flammenwerfer und folgte ihm nach draußen auf den Flur, um wie angewurzelt stehen zu bleiben, als er sah, was sich jenseits der Kapellentür befand. Beide Männer standen wie versteinert da, während der Gang vor ihnen anschwoll und sich kräuselte wie in einem diabolischen Hitzeflimmern. Seine Dimensionen verzerrten sich, jenseits der drei den Menschen bekannten. »Imperator!«, hauchte Pasanius voller Entsetzen. »Das GellerFeld muss zusammengebrochen sein. Der Warpraum dringt ins Schiff ein!« »Und nur der Imperator weiß, was sonst noch«, sagte Uriel, dem aus Furcht vor dem unbekannten Grauen des Warpraums ein kalter Schauder über den Rücken lief. Ohne den Schutz des
Geller-Feldes vor den räuberischen astralen und dämonischen Wesenheiten, die sich in den Tiefen des Immateriums herumtrieben, würden diese freie Hand im Schiff haben, ätherische Ungeheuer und schattenhafte Phantome, die Menschen in Fetzen reißen konnten, bevor sie wieder im Warpraum verschwanden. »Komm mit«, rief Uriel. »Die Übungshalle. Wir müssen so viele Soldaten wie möglich sammeln, bevor es zu spät ist.« Uriel und Pasanius torkelten wie zwei Betrunkene durch den Gang, da sie sich im Angesicht dieses räumlichen Wahnsinns mühten, das Gleichgewicht zu wahren. Geschrei und Gebrüll drang von vorn zu ihnen, aber Uriel war nicht in der Lage auszumachen, wo genau vorne war, da die Geräusche rings um ihn unkontrollierbar verzerrt wurden. Boden und Decke des steinernen Gangs schienen sich verflüssigt zu haben und wirbelten umher, als löse sich ihr strukturelles Gefüge vor seinen Augen auf. Das Läuten einer Glocke ertönte, schwerfällig, langsam und traurig in einem Augenblick und blechern und scheppernd im nächsten. Mit der Wand als Orientierungshilfe, wenngleich es eine trügerische war, kämpften sich die beiden Space Marines weiter, und jeder Schritt brachte frischen Wahnsinn in ihre Umgebung. Uriel glaubte einen hohen Berg zu sehen, in Rauch gehüllt und aus dem Boden entstanden, bevor er wieder verschwand und durch ein wogendes Meer aus schnappenden Mäulern ersetzt wurde. Doch auch das verschwand wie ein Fiebertraum, sobald er es anzuschauen versuchte. Er konnte erkennen, dass Pasanius ähnliche Schwierigkeiten hatte, ungläubig blinzelte und sich die Augen rieb. Körnige Statik erfüllte Uriels Blickfeld, und ein beharrliches Summen wie von einem sich nähernden Insektenschwarm erfüllte seinen Schädel. Er schüttelte den Kopf in dem Versuch die Verzerrung abzuschütteln, ohne die Dinge zu begreifen, die er vor sich sah. »Wie weit ist es noch?«, rief Pasanius. Uriel stützte sich an einem Schott, dankbar für dessen vorübergehende Solidität, und schüttelte noch einmal den Kopf, obwohl ihm von der Bewegung übel wurde. »Wie können wir das wissen? Alles verändert sich, kaum dass ich es ansehe.« »Ich glaube, wir sind fast da«, sagte Pasanius, indem er auf
eine Stelle zeigte, wo sich der Gang zu einem marmorgefliesten Atrium verbreiterte, obwohl es gegenwärtig den Anschein hatte, als habe sich der Saal umgekehrt, da seine Kuppeldecke unter ihren Füßen wirbelte und sich seine Dimensionen vollkommen verändert hatten. Uriel nickte und schob sich vorwärts. Ein intensives und Übelkeit erregendes Schwindelgefühl packte ihn, als sie in das umgedrehte Atrium stolperten. Uriels Augen verrieten ihm, dass er den Boden überquerte, aber gleichzeitig spürte er auch, dass jeder Schritt über die leicht konkave Wölbung der umgekehrten Kuppeldecke führte. Seine bestiefelten Füße schritten über das Panzerglas der Atriumkuppel, die alles war, was sich zwischen ihm und dem Warpraum befand. Uriel schaute durch die Kuppel nach unten, und die Übelkeit in seinem Bauch explodierte förmlich nach oben. Er sank auf die Knie und übergab sich heftig auf das Glas. Eine widerliche Masse kranker Farben schäumte und wirbelte hinter dem Glas, der Stoff des Warpraums, verderblich und giftig für das Auge. Seine widerliche Böswilligkeit überstieg sein schlichtes, abscheuliches Aussehen, da es irgendeinen inneren Teil des menschlichen Geistes verletzte, der sein albtraumhaftes Potenzial nicht zu begreifen wagte. Uriel stellte fest, dass seine Blicke von einem hassenswerten Fleck im Warpraum angezogen wurden, einem widerlichen, schmutzigen Geschwür aus aschefleckigem Gelb, von dem er den Blick nicht mehr abwenden konnte. Während er das Gebilde anstarrte, veränderte sich der Warpraum, zum Leben erweckt durch die Aufmerksamkeit und die Echos von Uriels Gedanken. Schlimme, furchtbare Dinge bildeten sich aus der widerlichen Ursuppe der Schöpfung, und Uriel wusste, sollte er je erblicken, was für ein schreckliches Ding ihre hasserfüllten Tiefen gebaren, würde er wahnsinnig werden. Behandschuhte Hände packten ihn und zogen ihn hoch, und er spürte die blinde, ohnmächtige Wut des Warpraums darüber, dass ihm ein solcher Leckerbissen wie seine geistige Gesundheit verwehrt blieb. »Nicht hinsehen! Halt die Augen geschlossen!«, rief Pasanius, während er Uriel über die Kuppel zerrte. Uriel spürte seinen beharrlichen Ruf. Die Verführungen seiner Fruchtbarkeit und die Versprechungen von Macht, die ihm gehören würde, wenn er sich
ihm ergab. Seine Augen sehnten sich danach, die furchtbare Herrlichkeit des Warpraums zu schauen, doch Uriel presste sie fest zu, um seine Seele nicht an das Immaterium zu verraten. Außer Atem und angeekelt kletterten Uriel und Pasanius aus dem Atrium und krochen vor den falsche Versuchungen des Warpraums davon. Ihre Übelkeit nahm ab, je weiter sie sich entfernten. Uriel schaute auf, hustete Schleim aus, der mit Erbrochenem durchsetzt war, und sagte: »Danke, mein Freund.« Pasanius nickte und sagte: »Da. Der Eingang zur Übungshalle müsste hinter diesem Kreuzgang liegen!« »Aye, das müsste er«, gab Uriel ihm recht, während er sich mühsam aufrappelte. »Hoffen wir nur, dass er immer noch da ist.« Er stolperte durch den Kreuzgang und wandte sich dem Eingang der Übungshalle zu. »O nein...«, flüsterte er, als er sah, was vor ihm lag. Wo er den marmornen Eingang zur Übungshalle zu finden erwartet hatte, befand sich nun ein riesiges Tor aus Bronze und Stacheldraht, das in eine rechteckige Arena führte, die einen ganzen Kilometer breit und doppelt so lang war. Noch unglaublicher war, dass die Arena kein Dach hatte, sondern von einem rissigen roten Himmel bedeckt war, an dem krebsgeschwürartige, melanome Wolken standen. Was war das für ein neuer Wahnsinn? Geschrei, wahnsinnig und verrückt wie das Geheul verdammter Seelen, hallte von drinnen heraus und stach Uriel wie Glassplitter in den Kopf. Sein Magen verknotete sich vor entsetztem Ekel, als seine Sinne den überwältigenden Gestank nach frischem Blut registrierten. Die Soldaten des 808. Macragge, die sie hatten suchen wollen, waren noch da, aber wo kurz zuvor noch ein stolzes Regiment von Männern und Frauen mit der unbedingten Bereitschaft gewesen war, zum Ruhme des Imperators zu kämpfen, gab es nun nicht mehr als die schreienden, blutigen Fetzen jener, die noch nicht gestorben waren. Hunderte Soldaten wanden sich auf dem Boden und verspritzten Massen von Blut rings um sich, als kämpften sie gegen einen unterirdischen Angreifer. Fleischlose Knochenhände griffen durch den dunklen Boden und krallten und grapschten nach ihren Leibern, um sie dann unter die Oberfläche zu zerren. Uriel rannte
mit gezogenem Schwert durch das Tor und spürte, wie seine Stiefel in den weichen, lehmigen Boden einsanken und eine rote Flüssigkeit aus der mit Wasser vollgesogenen Erde quoll. Knochen und grinsende Schädel glänzten weiß durch die rote Erde, und Uriel sah, dass der Boden keineswegs mit Wasser vollgesogen war, sondern mit frisch vergossenem Blut. Ihm stockte der Atem. Wie viele mussten ihr Blut hergegeben haben, um eine derart riesige Fläche so gründlich zu durchnässen? Wie viele Arterien waren durchtrennt worden, um den schändlichen Durst dieser finsteren Erde zu stillen? Die Schreie eines Mannes ganz in der Nähe, der halb in der Erde untergetaucht war und Tränen der Qual weinte, rissen Uriel aus seinem Ekel. »Hilf mir! Um der Liebe des Imperators willen, hilf mir!«, kreischte er. Uriel schob sein Schwert in die Scheide und lief zu dem Mann, um ihm zu helfen, der flehentlich die Arme nach oben reckte. Die vom Blut glitschigen Hände des Mannes glitten von seinen Panzerhandschuhen ab, doch Uriel packte ihn an der Jacke und riss ihn vom Boden weg, um dann voller Entsetzen zurückzutaumeln, als er sah, dass der Mann unterhalb der Hüfte nur noch aus Knochen bestand und aller Muskeln und Haut sowie allen Blutes beraubt worden war. Vor seinen Augen verschlang die hungrige Erde, was noch von dem Sterbenden übrig war, da sie nicht bereit war, sich diesen Leckerbissen stehlen zu lassen. Ein Gefühl äußerster Hilflosigkeit erfüllte Uriel, während er beobachtete, wie Männer und Frauen von dem blutigen Boden verschlungen wurden. Die monströsen Geräusche, wie Knochen das Mark ausgesogen wurde, hallten von den monolithischen Seiten dieser blutigen Arena wider. »Gesegneter Imperator, nein!«, heulte Pasanius, der sich mühte, eine heulende Frau vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren. Lachende Schatten rannen wie schwarzes Quecksilber über die Wände der Arena, ein Tanz der Seelen, die in den blutroten Himmel stiegen, da das Gemetzel an Tausenden zum Ende kam. Eine jähe Stille senkte sich auf die Arena, als das letzte der hilflosen Opfer des blutigen Bodens in dessen durstige Tiefen gezerrt wurde. Kaum war der letzte Leichnam verschwunden, als ein kehliges Gurgeln aus der Mitte der Arena ertönte und Uriel
sah, wie sich langsam ein langer Streifen Steinbeton aus dem durchnässten Boden hob. Matte blutige Gleise hoben sich mit ihm, die durch die Mitte der Arena verliefen und vor gegenüberliegenden Wänden endeten. Die grässliche Stille wurde durch ein zischelndes Ächzen gestört, als seien viele tausend Stimmen in einem Albtraum gefangen und wüssten, dass es aus ihm kein Erwachen gab. »Heiliger Imperator, beschütze uns vor dem Bösen, gewähre Geist und Körper die Kraft, deine Feinde zu bekämpfen und sie mit deinem Segen zu zerschmettern«, betete Pasanius. »Zu spät«, flüsterte Uriel, der sein Schwert zog und sich bereithielt, alle neuen Monstrositäten zu bekämpfen, die der Warpraum auf sie loslassen mochte. »Wir haben versagt.« Nein... ihr habt noch gar nicht angefangen... Uriel und Pasanius fuhren herum und suchten nach dem Ursprung der Stimme. »Hast du das gehört?«, sagte Uriel. »Aye«, nickte Pasanius. »Ich glaube schon, aber es war, als... als wäre die Stimme in meinem Kopf. Etwas Grauenhaftes kommt, Uriel.« »Ich weiß. Aber was auch kommt, wir werden es mit Mut und Ehre bekämpfen.« »Mut und Ehre«, stimmte Pasanius zu, indem er die Zündflamme in der Mündung seines Werfers einschaltete. »Gehen wir«, sagte Uriel grimmig mit einem Kopfnicken zu dem tropfenden Bahnsteig in der Mitte der Arena. »Was auch kommt, wir werden ihm frontal begegnen!« Pasanius folgte seinem ehemaligen Hauptmann, und gemeinsam gingen sie über den grässlich quatschenden Boden. Als sie die Stufen erklommen, wurde schließlich auch die Ursache des zischenden Ächzens ersichtlich. Jede Schwelle, die zwischen den Gleisen lag, war ein Mosaik aus Leibern und Gliedern, die sich in äußerster Qual wanden und durch irgendeine finstere Zauberei miteinander verknotet waren. Sie schrien in einem irrsinnigen Delirium, und ihre Stimmen waren jämmerlich und herzzerreißend. Zwar kannte er keines der Gesichter, aber die Gesichtszüge verrieten Uriel, dass sie von Ultramar stammten und dass die Seelen der von diesem entsetzlichen Ort Verschlungenen immer noch litten. Die in der flüssigen Materie jedes Schläfers wogenden Augen
und Münder verliehen ihrem Leiden Ausdruck, bevor sie von Form zu Formlosigkeit gezwungen wurden, so dass eine andere Seele ihren Qualen in diesem endlosen Fegefeuer Ausdruck verleihen konnte. In Uriel wuchs der Hass angesichts solchen Grauens, und er schloss die Augen. Splitternde Kristalle alternativer Existenzebenen prallen aufeinander und klirren, lösen sich von den Wänden einer Ebene und verändern ihre Position, um in einer anderen Frequenz zu vibrieren. Echos in der Zeit ermöglichen den Ebenen, sich zu bewegen und zu verwandeln, was die Winkel der Realität verändert und das Aufschließen der Dimensionen ermöglicht, so dass sie ein Ballett aller Möglichkeiten aufführen. ... Und öffnete sie wieder, als er tief in den Knochen eine widerliche Vibration und ein ruheloses Kräuseln in der Luft spürte. Die gesplitterten Knochenstümpfe, die aus dem Boden ragten, zogen sich in die blutigen Tiefe« zurück, und die ächzenden Schläfer weinten in neuerlicher Qual. Wo die Bahngleise in den Wänden dieses riesigen Hofs verschwanden, sickerten Ströme bunter Materie aus dem Mauerwerk. Gekräuselte Spiralen aus reflektierendem Licht wanden sich aus dem Mörtel und verzerrten die Bilder dahinter wie eine verdrehte Linse. Die Mauern schienen sich zu strecken, als würden sie in einen unsichtbaren Strudel dahinter gesogen, bis nur noch ein gekräuselter Schleier aus undurchdringlicher Finsternis übrig war, ein Tunnel in den Wahnsinn umringt von schreienden Schädeln, die zu sterben ausgesandt waren. Verzerrte Gefilde, ein Universum und eine Ewigkeit voneinander getrennt, fließen zusammen, so dass sich alle Zeitpunkte auf den bronzenen Blutschienen verbinden. Auf einer Reise, die überallhin führt und nirgendwo beginnt, erhebt sich der Omphalos Daemonium aus dem Nichts zur Gestalt. Schlängelt sich aus seinem dämonischen Geburtskanal und lässt hinter sich nur öde Verwüstung und Tod zurück. Und der Omphalos Daemonium kam. Zwar hatte der Zönobit von der Macht und Kraft des Bösen des Omphalos Daemoniurhs phantasiert, doch seine Worte waren
kaum mehr als eine Andeutung der diabolischen Erhabenheit des Dings gewesen. Aus der soeben geformten Tunnelmündung raste der Omphalos Daemonium wie eine Messingdampfwalze der Endzeit und kreischte den entsetzten Space Marines entlang der Blutgleise entgegen. Riesige knöcherne Kolben trieben ihn an, und Flanken aus Stahl und Eisen hoben und senkten sich im Rhythmus immaterieller Maschinen. Blutiger Dampf leckte aus jedem verrückten, schädelgesichtigen Niet, während Räder aus gequälten Seelen den Gleisen folgten, um sich an dem Blut zu laben, das aus der toten Erde quoll. Tief im Kern der wahnsinnigen Struktur mochte einmal eine gewisse Ähnlichkeit mit einer alten Dampflokomotive bestanden haben, aber unbekannte Kräfte und verdrehte Energien hatten sie in etwas völlig anderes verwandelt. Das Dröhnen ihrer Ankunft konnte von Sinnen jenseits der jämmerlichen fünf der Menschheit bekannten wahrgenommen werden und hallte durch die Ebenen, die jenseits des Schleiers der Realität existierten und diesen schnitten. Es folgte ein Tender aus dunklem Eisen und eine schaudernde Prozession Waggons, die mit dem Blut und Unrat von Äonen verschmiert waren. Uriel wusste instinktiv, dass in diesen höllischen Waggons schon Millionen vor ihrer endgültigen Auslöschung zu den grässlichen Bestimmungsorten gefahren worden waren, die diese grauenhafte Maschine ansteuerte. Die riesige Dämonenmaschine wurde langsamer und hielt schließlich am Rand des Bahnsteigs. Uriel glaubte dröhnendes Gelächter zu hören und dann das Knirschen verdrehter Holztüren, die auf von Blut verrosteten Laufschienen quietschend aufglitten. Schwaden blutigen Dampfs zischten aus der gepanzerten Haut des Omphalos Daemonium, und boshaftes Gelächter durchfuhr sie, während sie sich kräuselten und wanden. Die Schwaden wurden dicker und verdichtete sich, während sie sich den Space Marines entgegenwanden, und Uriel sagte: »Halte dich bereit.« Die Rauchschwaden verschwanden ohne Vorwarnung, und an ihrer Stelle standen acht Gestalten da, die alle einen nichtssagenden grauen Overall und kniehohe Stiefel mit verrosteten Schnallen auf dem Schaft trugen. Jede der Gestalten war mit einem Furcht erregenden Arsenal von Messern, Haken
und Sägen am Ledergürtel bestückt. Die Gesichter waren nur den Proportionen nach menschlich. Ihnen fehlte die Haut, und die Muskeln glänzten feucht. Krude Nähte zogen sich kreuz und quer über ihre Schädel, und als sie die Köpfe drehten, wie um nach der Witterung zu jagen, sah Uriel, dass sie bis auf die vergrößerten und mit Reißzähnen bewehrten Mäuler keine Merkmale aufwiesen. Sie hatten weder Augen noch Ohren noch Nase, nur farblose Schwellungen, die sich unter ihren fleischlosen Schädeln wölbten und kräuselten. »Dämonen!«, schrie Uriel. »Abartige Scheußlichkeiten! Kommt her und sterbt durch meine Klinge!« Der Flickenteppich eines Dämonengesichts schwang zu ihm herum, und tumorartiges Gewebe in seinem Hals wölbte sich in grausigem Appetit vor. Die Kreaturen bewegten sich jedoch nicht, sondern begnügten sich damit, die beiden Space Marines zu beobachten, während eine wallende Dampfwolke aus der Seite der riesigen Dämonenmaschine quoll. Mit dem Klirren sich lösender Schlösser öffnete sich kreischend eine dicke Eisentür, und eine gigantische Gestalt betrat den Bahnsteig. Der Riese überragte sie um Kopf und Schultern und trug einen scheppernden mechanischen Anzug aus zusammengenieteten Eisenplatten und dicken Lagen vulkanisierten Gummis. Über dieser verrosteten Rüstung trug er eine verkohlte Schürze, und aus einem konischen Helm mit hochgeschobenem Visier ragte eine Krone aus geschwärzten Hörnern. Trotz der kruden Herstellungsweise und des Verfalls erkannte Uriel in der Konstruktion eine uralte Servorüstung, wie sie vor vielen Tausend Jahren von Kriegern der Legende getragen worden war. Der Gestank verkohlten Fleisches hüllte sie ein, hinzu kam ein knisternder Eindruck von verkommenem Bösen und unstillbarer Wut. Ein Schulterschutz war mit sternförmigen Nieten besetzt, auf dem anderen prangte ein Symbol uralter Bösartigkeit, an das sich beide Ultramarines aus den Tiefen des rechtschaffenen Zorns erinnerten, der ihnen Clausels tägliche Litaneien des Hasses eingeflößt hatten. Ein grinsender Schädel mit einem eisernen Visier, der einmal das Wappen einer Legion gewesen war, die vor geheiligten Urzeiten einmal für den Imperator gekämpft hatte, nun jedoch ein Symbol für niemals endende Verbitterung und Hass war. Es war ein Symbol, das nun mit den tödlichsten
Feinden des Imperiums verbunden war: Kriegern von unaussprechlicher Bosheit und Verkommenheit - den Chaos Marines. »Iron Warriors...«, zischte Uriel. »Die Verräter von Istvaan«, knurrte Pasanius. Die Gestalt trug eine lange Hippe mit Eisenschaft, deren breite, gekrümmte Klinge verrostet und mit rotbraunen Flecken gesprenkelt war. Zwei brennend gelbe Augen wie fahle, erlöschende Sonnen leuchteten unter dem Helm, als die Gestalt einen gewichtigen Schritt vortrat und die hautlosen Dämonen hinter ihr Stellung bezogen. »Tothappen füttern das neue Feuer, Blut wird von den gesichtslosen Sarcomata getrunken, und das Fleisch der Menschen wird mich begleiten«, sagte die Gestalt, deren Stimme wie verrostetes Metall klang. Sie hielt ihre gewaltige Hippe in einer geschwärzten, verbrannten Hand und winkte sie mit der anderen ungeduldig zur zischenden Dämonenmaschine. »Kommt!«, dröhnte der Riese. »Ich habe Verwendung für euch. Gehorcht mir, sonst verwandelt euch der Schlachtermann in Tothappen! Ich bin der Omphalos Daemonium, und mein Wille treibt diesen Anzug aus Fleisch an, der euch in Tothappen verwandeln wird! Jetzt kommt!« Uriel bereitete schon die Nähe dieses Chaos-Wesens Übelkeit. Konnte es wirklich glauben, dass sie sich willentlich auf etwas so Böses einließen? Diese gesichtslosen Dämonen, von denen Uriel annahm, dass sie die vom Omphalos Daemonium erwähnten Sarcomata waren, schwärmten auf dem Bahnsteig aus und zogen lange Messer mit Sägezahnklingen aus dem Gürtel. »Mut und Ehre!«, brüllte Uriel, sprang auf den nächsten der Sarcomata zu und stach nach seinem Bauch. Sein Schwert glitt mühelos durch die Kreatur, die sich in eine gackernde Säule aus rotem Dampf verwandelte. Er hielt überrascht inne und grunzte dann vor Schmerzen, als sich die Gestalt der Bestie neben ihm wieder verfestigte und ihre Klinge über seine Wange fuhr. Noch eine flitzte heran, und ihre rostige Klinge stach ihm in den Nacken. Er löste sich von der Waffe, bevor sie tiefer als einen Zentimeter eindringen konnte, und hieb nach dem neuen Angreifer. Wieder verwandelte sich dieser in Dampf, bevor die Klinge ihr Ziel erreichte, und Uriel verlor das Gleichgewicht, als eine weitere Messerklinge ihm die Wange bis auf den Knochen
aufschlitzte. »Brenne, Chaos-Abschaum!«, brüllte Pasanius und spie dem riesigen Iron Warrior einen Strahl brennenden Prometheums entgegen. Die Flammen leckten hungrig nach dem Riesen, doch kaum hatten sie ihn erfasst, als sie auch schon wieder erloschen. Das dröhnende Gelächter des Wesens hallte von den Seitenwänden der Arena wider. »Ich war über Äonen Gefangener der Flammen, und Lebendfleisch glaubt, es kann mich verbrennen!« Pasanius warf sich den Flammenwerfer über die Schulter und griff nach seiner Pistole, doch mit einer Schnelligkeit, die seine ungeschlachte Gestalt Lügen strafte, trat das Chaos-Wesen vor, legte Pasanius die geschwärzten Finger um den Hals und riss ihn von den Beinen. Uriel hieb nach den Sarcomata, die ihn umringten, aber sein Schwert traf immer nur glucksende Dampfschwaden, die dann verschwanden, um anderswo wieder aufzutauchen und ihn zu schneiden. Geronnenes Blut bedeckte sein Gesicht, und er wusste, dass er gegen diese Feinde nicht mehr lange kämpfen konnte. Er sah, wie der Riese in der verrosteten Rüstung Pasanius hochhob und ihn durch die Eisentür warf, durch die der Omphalos Daemonium ausgestiegen war, und eilte zu dem Chaos-Wesen. Er konnte nicht gegen Gegner kämpfen, die nach Belieben verschwinden konnten, aber er schwor, dass dieser Verräter aus uralter Zeit durch seine Hand sterben würde. Er hieb mit dem Schwert nach dem Iron Warrior, die Klinge in durchsichtige Flammen gehüllt, die Rüstung und Fleisch mit derselben Leichtigkeit durchschneiden konnten. Das Schwert traf seinen Feind mitten auf die Brust, doch die Klinge prallte einfach von den schweren Eisenplatten der Rüstung ab. Uriel war verblüfft, holte aber zu einem neuen Hieb aus. Bevor er zuschlagen konnte, traf ihn die Faust des Iron Warriors im Gesicht und schleuderte ihn über den Bahnsteig. Er kämpfte, um wieder zu sich zu kommen, doch die Sarcomata umringten ihn, und ihre geschwärzten Finger tasteten hungrig nach ihm. Ihre Berührung fühlte sich an wie verwestes Fleisch, in dem die Andeutung von Maden und frisch geschlüpften Larven zappelten. Ihre toten Hautmasken waren nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, und ihr Atem war wie ein Schmelzofen
für Kadaver. Sie bewegten ihre welligen Gesichter um seins, als wollten sie seine Witterung kosten, während sie ihn mit Furcht erregender Kraft am Boden hielten. »Die Sarcomata sind dir gewogen, Ultramarine«, lachte der Riese, während er über den Bahnsteig zu ihm schritt. »Sie sind verdorbene Seelen, denen Gestalt und Zweck gegeben wurde. Vielleicht spüren sie eine gewisse Verwandtschaft?« Uriel wartete auf den Tod, als einer der Sarcomata den Mund zu seinem nackten Hals herabsenkte, doch der Omphalos Daemonium hatte eine größere Bestimmung für ihn, als ihn einfach zu ermorden, und brüllte ungehalten. Die hautlosen Dämonen zischten unterwürfig, hoben Uriel vom Bahnsteig und trugen ihn zur Eisentür der gewaltigen Dämonenmaschine. Brennende Luft und der Gestank nach gekochtem Fleisch wehte daraus hervor, und als er hineingetragen wurde, wusste Uriel, dass sie wahrhaftig verdammt waren.
DREI Blut. Der Gestank danach drang ihm in die Nase, überwältigend und widerlich, und blieb ihm bitter und metallisch im Halse stecken. Seine Neuroglottis identifizierte viele Hundert verschiedene Blut-Witterungen, und der sengende Geruch nach brennendem Fleisch ließ seine Augen tränen, bevor seine Occulobe reagierte und eine Schutzmembrane über dem Auge bildete. Er blinzelte die Feuchtigkeit weg, während er sich im Griff der Sarcomata wand und sich zu orientieren versuchte. Trotz allem, was seine Augen ihm zeigten, war ihm klar, dass er sich Dinge einbilden musste, denn das Innere der Dämonenmaschine verwirrte die Sinne und beleidigte jede Vorstellung von der Realität. Es spottete jeder Geometrie und wölbte sich auf beiden Seiten unmöglich über die Grenzen des Blickfeldes hinaus: eine glühende, rot erleuchtete Höllen-Kaverne. Eine Feuerung mit breiter Tür toste und brodelte an einem Ende der Kammer, und Ketten und Flaschenzüge, jeweils mit einem gliedlosen menschlichen Torso an einem verrosteten Haken versehen, baumelten von der dunklen, tropfenden Decke herab.
Er und Pasanius wurden an verstreuten Bergen menschlicher Gliedmaßen höher als ein Kampfpanzer vorbeigezerrt, deren Fleisch verwest war und stank. Zwei der Sacromata lösten sich von Uriel, hoben einen kopflosen Rumpf auf und warfen ihn in die Feuerung. Sie fütterten die Dämonenmaschine mit Fleisch und Blut, und ihr rülpsender Schornstein spie zu Asche verbrannte Leichen in die Luft. Der Riese in der Rüstung eines Iron Warriors schleifte Pasanius hinter sich her, und der bärenstarke Sergeant war vollkommen hilflos gegen diese Macht. »Nein!«, rief Uriel, als der Omphalos Daemonium seine Hippe fallen ließ und Pasanius mühelos mit einer Hand hochhob, während er mit der anderen nach einem leeren Haken griff. Der eiserne Riese nahm keine Notiz von ihm und rammte den verrosteten Haken in die Rückenplatte von Pasanius' Rüstung, was diesem ein Grunzen des Schmerzes entlockte. Uriel wehrte sich noch heftiger, als er einen leeren Haken neben Pasanius hängen sah, doch die Sarcomata hielten ihn fest, und er konnte sich nicht aus ihrem Griff befreien. Fleischige Hände hoben ihn hoch, und er knirschte mit den Zähnen, um nicht aufzuschreien, als er ebenfalls aufgehängt wurde und die Spitze durch die Rüstung und in seinen Rücken drang. Die Sarcomata zischten und zogen sich zurück, während sich die klumpigen Gewächse unter ihrem bloßen Fleisch in monströsem Hunger kräuselten. Das Scheppern mächtiger Kolben hallte durch das unmögliche Gebilde, zischende Hähne sonderten stinkende Wolken aus öligem Dampf ab und in eisenvergitterten Öfen flackerten blaue und grüne Flammen auf. Das Ächzen und Knacken geschmolzenen Metalls vermischte sich mit der kichernden Häme der Sarcomata, und Uriel konnte sich keine vollständigere Vision der Hölle vorstellen. Der Omphalos Daemonium beobachtete ihre vergebliche Gegenwehr, dann trat er vor und schloss einen schwarzen Panzerhandschuh um Uriels Kinn. Uriel konnte die Asche auf den Fingern und den Gestank nach gekochtem Fleisch darunter schmecken. Das Wesen... war es ein Iron Warrior oder eine dämonische Wesenheit in der Haut von einem? Uriel wusste es nicht, und als es sich vorbeugte und ihm seinen Atem wie Luft aus einem exhumierten Grab ins Gesicht blies, trat er zu, doch
sein Stiefel prallte harmlos von dem uralten Brustharnisch ab. »Du verschwendest deine Energie, Ultramarine. Es liegt weder in deiner Macht noch in deinem Schicksal, mich zu vernichten. Spar dir deine Kraft für die Welt aus Eisen. Du wirst sie brauchen.« »Geh weg von mir, du Scheusal«, rief Uriel, während er sich trotz der feurigen Schmerzen von dem Haken in seinem Rücken gegen den Griff seines Häschers wehrte. »Widerstand ist zwecklos«, sagte der Omphalos Daemonium. »Ich befahre die Blutgleise zwischen den Realitäten schon seit ungezählten Äonen, und dort werden alle Dinge offenbar. Was gewesen ist, was ist und alles, was vielleicht noch kommt. Ich habe Leben ausgelöscht, die noch gar nicht geboren waren, ungeschriebene Geschichte verändert und Wege bereist, die kein anderer je beschreiten wird. Und du glaubst, du könntest dich meinem Willen widersetzen?« »Der Imperator steht uns bei, auch wenn wir in der Finsternis wandeln...«, begann Pasanius. Der Omphalos Daemonium verpasste Pasanius einen Schlag ans Kinn, der den Sergeant unkontrolliert an seinem Haken herumschwingen ließ und ihm ein schmerzerfülltes Zischen entlockte, als sich der Haken tiefer in seinen Rücken bohrte. »Gebete an deinen Leichnam von einem Gott bedeuten hier nichts. Seine Macht hat diese Welt verlassen, und jetzt ist nichts mehr von ihm übrig.« »Du lügst«, schnauzte Uriel. »Die Macht des Imperators währet ewiglich.« »Ewiglich?«, fauchte der Omphalos Daemonium. »Du wärst gut beraten, solche Worte nicht so leichtfertig zu benutzen, bevor du nicht selbst so eine Zeitspanne erlebt hast, gefangen, hilflos, und über alle Maßen gemartert.« Die gelben Augen des Omphalos Daemonium brannten sich in Uriels, und er sah den bodenlosen Zorn und Wahnsinn darin. Was diese bösartige Intelligenz auch war, die sich in diese alte Servorüstung eingenistet hatte, sie war ganz eindeutig wahnsinnig. Die soeben erwähnten Martern hatten sie offenbar in einen bodenlosen Abgrund getrieben. »Was bist du?«, sagte Uriel schließlich. »Was hast du mit uns vor?« Der Omphalos Daemonium ließ ihn los und wandte sich von ihm
ab, während sie Sarcomata weitere Körperteile einsammelten, zur Feuerung trugen und Arme, Beine und Köpfe in die Flammen warfen. »Das ist einstweilen unwichtig«, sagte er, indem er an einer dicken Kette zog, die neben der Feuerung hing, und einen verrosteten Hebel mit einem dicken, gummiüberzogenen Griff herunterdrückte. »Wichtig ist nur, dass ihr hier seid und wir zu diesem Zeitpunkt unserer Reise demselben Weg folgen.« Uriel spürte, wie der unmögliche Raum erbebte, als der Hebel ganz heruntergedrückt wurde, und die Eisentür, durch die sie hereingetragen worden waren, schloss sich mit dem Kreischen gequälten Metalls. Schmerzen loderten in seinem Rücken auf, als sich der Haken zwischen seinen Rippen drehte und sich die gewaltige Dämonenmaschine in Bewegung setzte. Kadaver an anderen Haken schwangen an ihren baumelnden Ketten hin und her, und Uriel spürte die vertraute Übelkeit im Bauch, die das Eindringen in den Warpraum verursachte. War diese infernalische Maschine irgendwie in der Lage, die Strömungen des Warpraums zu durchqueren? War es ihr so gelungen, Calths Stolz in den trügerischen Untiefen des Immateriums abzufangen? Er wusste, dass es besser war, nicht zu lange über solche Dinge nachzudenken. Das Stellen solcher Fragen führte auf den Weg der Abweichung, also genau zu dem, was sie zu diesem Schicksal verurteilt hatte. Die Übelkeit wurde stärker, und er knirschte mit den Zähnen. Der Omphalos Daemonium wandte sich von seinen Arbeiten ab und holte sich seine Hippe wieder, während die Sarcomata die Feuerung weiter mit Leichen fütterten. »Wohin bringst du uns?«, zischte Pasanius durch zusammengebissene Zähne. »Wohin ihr müsst«, sagte der Riese. »Ich weiß von eurem Todeseid und was euch hergeführt hat. Der Herr der Schädel hat mehr Kunstfertigkeit an sich als nur die Kunst des Todes.« »Du bist ein Dämon!«, knurrte Uriel. »Du bist ein Scheusal, und ich werde deine Vernichtung erleben.« »Dein Schädel wird vor dem Thron des Blutgottes liegen, bevor das passiert, Space Marine. Ich habe bereits gesehen, wie du stirbst. Willst du wissen, wie?« »Die Worte eines Dämons sind gelogen!«, rief Pasanius. »Ich glaube nichts von dem, was du sagst.«
Der Omphalos Daemonium wirbelte seine Hippe herum, und die Klinge zuckte über Pasanius' Hals. Blut quoll aus einem flachen Schnitt in der Kehle des Sergeanten. »Du suchst den Tod, Ultramarine, und ich würde deine Seele mit Freuden zerfetzen. Ich würde dir das Fleisch von den Knochen reißen und deinen Leib mit deinen Eingeweiden bekränzen, aber dein Tod wird sehr viel schlimmer sein, als ich ihn je herbeiführen könnte. Dein Schädel wird mit einem Platz in einem der Knochenberge im Blickfeld des Blutgottes geehrt.« Noch ein Schaudern, intensiver, durchlief die Kammer, und Uriel hatte das Gefühl, ihm würden rotglühende Spieße in den Kopf gestoßen. »Ihr solltet mich ehren, denn ihr reist auf eine Art, wie es schon seit Äonen kein Sterblicher mehr gewagt hat.« Der Omphalos Daemonium hob die Arme zur Decke und lachte. »Wir reisen auf den Blutgleisen. Das Blutherz und die Daemonculaba warten!« Und die Dämonenmaschine raste in Gefilde jenseits der Existenz. Uriel schrie. Raum faltete sich, die Strömungen des Warpraums verschwanden, die Arena, die Dämonenmaschine, die Feuerung, Pasanius. Alles verschwand, wurde weggerissen, da sich alles ringsumher umstülpte und zu bedeutungslosen Begriffen wurde. Er spürte, wie er gleichzeitig in Milliarden Splitter explodierte, in sich implodierte und zu einer Singularität hohler Existenz zusammengepresst wurde. Gesichter schwebten vor ihm, wenngleich er als dichter Ball aus Nichts und zersplitterte Seele nicht wusste, wie er sie erkannte. Welten und Leute, Leute und Welten blitzten in nahtlos verschwommenem Strom vorbei, und doch war jedes einzelne Bild so klar, als habe er es in allen Einzelheiten untersucht. Die Zeit verlangsamte sich und raste doch dahin, wie aus weiter Ferne war das Splittern von Kristallen zu hören, als geborstene Realitäten knirschten und bebten wie tektonische Platten. Er sah, wie sich die Dämonenmaschine durch die Spalten zwischen den Dimensionen schraubte und einem Weg folgte, der sich durch die wandernden Glasscherben der Realität wand. Sie
existierte außerhalb von allem und reiste in den Splittern des Nullraums zwischen allem, was war, und allem, was je sein mochte. Er sah Welten unter erstickenden Rauchglocken, Leute im Wachkoma, die von einem banalen Tag zum anderen schlurften, grau und tot und nicht einmal mit dem Bewusstsein, angesichts der Frustration in ihrem sinnlosen Leben laut zu schreien. Welten, wo gewundene Zahlen auf Berge der Unwahrscheinlichkeit fielen, bevor sie in geschmolzenen Strömen von Algorithmen in ein Meer ganzer Zahlen flossen. Einen Augenblick später waren sie verschwunden, einer Welt voller Berge und Meere gewichen, weiß, marmorn und golden. Flammen tosten und züngelten über jede Oberfläche, und die Welt brannte, ihre Bewohner Asche im Wind, da alles Leben ausgelöscht wurde. Uriel, obwohl er nicht mehr sicher wusste, wer das überhaupt war, sah mit wachsendem Grauen, dass er diese Welt kannte. Er sah die HeraFestung zerstört, ihre einst so stolzen Mauern geborsten, den Tempel der Besserung, nicht mehr als eine zerschmetterte Ruine. Dämonen machten sich im Schrein des Primarchen zu schaffen, nagten an seinen heiligen Knochen und schändeten seinen heiligen Leichnam. Er weinte über diese Schändlichkeit, wütend über seine Hilflosigkeit und unfähig, Vergeltung über jene zu bringen, die solches Verderben über Macragge gebracht hatten. Schwarze heulende Dinge näherten sich der Dämonenmaschine, unsichtbare, dahinschlängelnde Hüter des Nichts, die sich durch die Spalten wanden, um zu ihnen zu gelangen. Die Dämonenmaschine war seit Millennien auf den Blutgleisen unterwegs und wusste, dass diese blinden Wächter keine Bedrohung für ihre erschreckende Macht darstellten. Diese HüterKreaturen nährten sich von den Seelen jener unwissenden Narren, die zufällig in dieses Gefilde vorstießen, Wahnsinnigen, die vergessene Überlieferungen und verbotene Magie studierten, um die Tore zwischen den Dimensionen aufzuschließen. Sterbliche, die es wagten, in Gefilde zu reisen, die nicht für Seelen bestimmt waren, wurden verschlungen und in noch mehr der dunklen Würmer verwandelt. Die Blutgleise trugen die Dämonenmaschine fort von den zahnlosen, suchenden Mündern der Wächter-Kreaturen, und ihre Bosheit und Macht verbrannte all jene, die ihr zu nahe kamen.
Uhrwerk-Welten, vom Bösen eroberte Welten, Welten elementaren Wahnsinns, Welten des Chaos, Welten des Irrsinns und Welten der Blitze. Alles war da. Jede Aktion, die ein neues Gefilde der Möglichkeiten schuf, konnte hier gefunden werden, und Uriel spürte, wie ihn das Wissen über solche Dinge erfüllte, während er blutend und wund am Haken hing. Der Klebstoff, der seinen zerbrechlichen Verstand zusammenhielt, begann sich aufzulösen, das furchtbare Wissen um die Bedeutungslosigkeit des Seins und die Sinnlosigkeit des Handelns zerrte an seinem Bewusstsein dessen, was er war, und er klammerte sich verzweifelt an seine Identität. Er war Uriel Ventris. Er war ein Krieger des Imperators. Er hatte geschworen, Sein Reich zu verteidigen, solange er lebte. Er war ein Space Marine. Sein Wille war stärker, seine Entschlossenheit größer als die jedes anderen sterblichen Menschen. Er befand sich im Bauch der Bestie, und er würde gegen ihren verderblichen Einfluss ankämpfen. Er war... wer...? Seine Existenz flackerte, und trotz : des Schutzes der Dämonenmaschine wusste er, dass ihn der Wahnsinn einhüllte, der Besitz vom Verstand der ignoranten Narren ergriff, welche solche Orte aufsuchten. Er mühte sich verzweifelt, sein Wesen zusammenzuhalten, da sich Scherben seines Lebens von ihm lösten, um sofort neue Realitäten in diesem Furcht erregenden Multiversum zu erschaffen. Visionen von Potenzial und ungeschriebenen Vergangenheiten trieben an Uriels Augen vorbei, und er keuchte, als er alternative Historien... an seinen Augen vorbeigleiten sah. Er sah sich als runzligen Alten, Er sah sich als jungen Mann, Auf einem schlichten Feldbett liegen und Aber einen, der kein Space Von trauernden Familienmitgliedern umgeben. Marine mehr war. Er war ein hagerer Da war sein Sohn, dunkelhaarig wie er, muskulöser Bauer, der auf den aber größer und mit dem Aussehen eines Kriegers. Höhlenfeldern seiner Heimatwelt Calth Uriel schwoll das Herz vor Stolz und Bedauern.
arbeitete. Seine Züge waren weich und Stolz auf seinen Sohn, und Bedauern, voll Bedauern darüber, dass diese Vision von seinem Leben nie sein würde... dass diese Vision von seinem Leben nie sein würde... Beide verblassten, obwohl er sich danach sehnte, mehr davon zu sehen und die Konsequenzen seines Lebens zu erfahren, nachdem er den nicht beschrittenen Weg bereist hatte. Doch es sollte nicht sein, und andere Visionen drangen auf ihn ein. Pavonis. Schwarze Knochenstraße. Tarsis Ultra. Medrengard? Was war das? Namen von Orten oder Leuten? Erinnerungen oder Erfindungen? War er an diesen Orten gewesen? Stammte er von ihnen? Waren sie seine Freunde? Er konnte die Bedeutung jeder einzelnen Silbe schmecken, aber keine sagte ihm etwas, obwohl er wusste, dass er sie eigentlich hätte wiedererkennen müssen. Außer... außer einem Namen, dem nicht das subtile Aroma des Wiedererkennens anhaftete. Der nach dunklem Eisen schmeckte, nach Asche und brennendem Öl stank, und nach dem Hämmern riesiger Bergrammen und den Kolben höllischer Maschinen klang. Diese Welt, diese Wirklichkeit war ihm fremd. Warum sollte sie dann jetzt in sein zerbrechendes Bewusstsein eindringen? Sie schwoll in seiner Wahrnehmung an, wuchs und füllte aus,, was von seinem Verstand noch übrig war, bevor auch sie verschwand und sein Verstand nach innen einbrach. Nichts ergab mehr einen Sinn. Alles... löste sich auf in einen Morast aus Information. Er konnte sich an nichts Kohärentes mehr klammern, spürte, wie seine Gedanken verschwommen, weicher wurden und davonliefen wie hundert Nebenflüsse von tausend Strömen, die alle in einem Meer des Vergessens mündeten, und er begrüßte es in dem Wissen, dass damit dieser schreiende Wahnsinn in seinem Kopf ein Ende haben würde. Eine Ewigkeit oder ein Augenblick verstrich, obwohl er nicht sagen konnte, was Zeit war - jetzt ein bedeutungsloser Begriff ohne Sinn und Bezug. Eine Stimme ertönte inmitten des Wahnsinns, und der Rest von Uriel Ventris griff danach wie ein Ertrinkender nach einer
Rettungsleine. »Keine Angst, Ultramarine«, sagte sie. »Diese Reise ist wie alles sterbliche Leben.« Die Dämonenmaschine raste wieder in das Reich der Existenz. »Sie endet...« Uriel schnappte nach Luft, seine Herzen hämmerten, als wollten sie ihm die Brust sprengen, und das Blut toste durch seine Adern. Über sein Gesicht zogen sich rote Streifen, die ihm aus Augen und Nase rannen. Er hatte sich auf die Zunge gebissen und einen kupfrigen Geschmack im Mund. Er spie aus und roch den Gestank von Abgasen und Industrie. Er blieb lange Augenblicke still liegen, in denen er sich zusammenzureimen versuchte, wo er war. Über ihm war unendliches Weiß, ohne Tiefe oder Maßstab, und er blinzelte, während er sich das geronnene Blut vom Gesicht wischte. Er sah die Hand vor seinem Gesicht, und sofort überkam ihn ein Schwindelgefühl. Er hatte plötzlich den Eindruck zu fallen und schrie auf, während er rings um sich nach einem Halt tastete. Seine Hände schlossen sich um eine Schicht feiner Metallspäne, und sein Schwindelgefühl verschwand, als ihm klar wurde, dass er auf dem Rücken lag und in einen Himmel schaute - einen toten Himmel ohne jedes Merkmal, leer und ohne eine einzige Wolke oder einen Fleck, der die grauenhafte Leere auflockerte. Alles tat ihm weh, seine Muskeln waren erschöpft, und er verspürte einen sengenden Schmerz im Rücken, wo der Haken in sein Fleisch eingedrungen war. Seine Gedanken überschlugen sich und stolperten übereinander, da er sich zusammenzureimen versuchte, was gerade passiert war. Er stützte sich auf die Arme und richtete sich auf. Pasanius lag neben ihm und übergab sich auf den metallischen Boden. Das Gesicht seines Freundes war verhärmt und eingefallen, als habe sich das Gewicht dieser Welt auf seine Schultern gelegt. »Steht auf«, knirschte eine Stimme hinter ihnen, und eine Flut von Erinnerungen erfüllte Uriels Schädel. Dämon. Dämonenmaschine. Er mühte sich aufzustehen, aber sein Körper stellte sich noch auf seine Rückkehr in den Zustand der Existenz ein, und er schaffte es nur auf die Knie. Vor ihnen stand der Omphalos Daemonium, gigantisch und
monströs in seiner uralten geschwärzten Servorüstung. Hinter ihrem Häscher befand sich ein schimmerndes unmögliches Rechteck aus brodelndem roten Licht, ein Tor zurück ins Innere der Dämonenmaschine. Er trug seine Hippe und stand knöcheltief in der pulverigen Schicht der Metallspäne auf dem Boden. Ihre Waffen, Uriels Schwert und Boltgewehr, sowie Pasanius' Flammenwerfer und Pistole, lehnten an den Felsen neben ihm. Weiße Reflexionen des toten Himmels glitzerten auf seinen Schulterschützern, und Uriel hatte den Eindruck, als strahle der grinsende Schädel hinter dem Visier noch mehr Böswilligkeit aus als zuvor. »Ihr müsst euren Gleichgewichtssinn rasch wiederfinden, Ultramarines«, sagte das Dämonenwesen mit einem hallenden Glucksen. »Die Deliriumgespenster werden den hämmernden Schlag eurer Herzen hören, und solche Happen wie ihr bleiben nicht lange unbemerkt.« »Die was?«, brachte Uriel schließlich hervor. »Ungeheuer«, sagte der Riese. »Ungeheuer?«, wiederholte Uriel. Er biss die Zähne zusammen und schaffte es schließlich, sich zu erheben. Pasanius rappelte sich ebenfalls auf und stellte sich neben ihn. Sein Gesicht war aschfahl, aber wütend. »Die Haut von Mördern, die von den Brutalen Bestattern auf entweihte Rahmen genäht und mit den wahnsinnigen Seelen jener gefüllt wird, die durch ihre Hände gestorben sind«, erklärte der Omphalos Daemonium. »Sie jagen in diesen Bergen, und ihr werdet sie an den Schreien der Verdammten hinter euch erkennen.« »Wo sind wir?«, sagte Pasanius. »Wohin hast du uns gebracht?« »Das hier ist Medrengard, die Welt bitteren Eisens«, sagte der Omphalos Daemonium, während er auf etwas hinter den beiden Space Marines zeigte. »Die Domäne des Dämonenprimarchen Perturabo. Könnt ihr seine Ausstrahlung nicht in der Luft spüren? Die Boshaftigkeit eines Wesens, das einst mit Göttern gewandelt ist und nun unter dem Reich leben muss, das er früher einmal beschritten hat. Seht diese Aschewelt und verzweifelt!« Uriel wandte sich dorthin, wohin der Omphalos Daemonium zeigte, und die Luft blieb ihm im Halse stecken, als er die Trostlosigkeit seiner Umgebung sah. Sie standen auf einem hohen felsigen Plateau über einem
weitläufigen grauen Hinterland von äußerster Erbärmlichkeit. Weit unter ihnen in der bedrückenden Steppe lag eine Welt des Todes. Uriel hatte geglaubt, die glühendheiße Kaverne der Dämonenmaschine sei eine Vision der Hölle, aber sie war nicht mehr als ein Vorspiel zu dieser die Seele zerstörenden Trostlosigkeit gewesen. Riesige Weiten industriellen Kernlandes bedeckten die Oberfläche dieser Welt, die stählernen Skelette von Fabriken, Berge von Kohle und rötlicher Schlacke und riesige rauchende Schlote. Von Raffinerien stiegen Flammen auf, und das Klopfen gewaltiger Hämmer und das scheppernde Kreischen von Eisen auf Stein war noch aus vielen hundert Kilometern Entfernung zu hören. Uriel hatte schon verschmutzte Makropolwelten gesehen, Planeten mit einer Milliarden-Bevölkerung, die unablässig in dreckigem Smog und auf verrußten Todeswelten schuftete, aber verglichen mit Medrengard waren das Gartenparadiese. Er war sogar schon auf Waffenschmieden der Adeptus Mechanicus gewesen, den heiligen Domänen der Priester des Maschinengottes. Der Maßstab ihrer Infrastruktur hatte ihn in ehrfürchtiges Staunen versetzt, wie sie die gesamte Oberfläche mit kolossalen Manufakturen und kathedralenartigen Schmieden ausfüllten, aber die gewaltigste dieser Welten war verglichen mit Medrengard nur eine Dorfschmiede. Flüsse aus geschmolzenem Metall wanden sich wie Lavakanäle, und jeder hohe Turm und Schlot war in Wolken aus tödlichen Dämpfen gehüllt. Ein ausgedehntes dunkles Gebirge überragte alles, nackter schwarzer Fels, wo nie etwas gelebt hatte und nie etwas leben würde. Die Berggipfel schienen den Himmel anzukratzen und waren ein Dutzend Mal höher als der höchste Berg auf Macragge. Uriel spürte, wie ihm das Blut gefror, als sein Blick über die erschreckenden Höhen der gewaltigen Bergkegel wanderte und er Schwaden giftigen schwarzen Rauches dahinter sah, die sich unmöglich hoch in den Himmel schraubten. Seltsame Türme ragten jenseits der Gipfel auf, und Uriel wusste mit schrecklicher Gewissheit, dass irgendeine Albtraumstadt verborgen und brütend in den tiefen, dunklen Tälern dieses grässlichen Gebirges lag. Eine Stadt, wo sich Mauern und Festungen auf dem Boden ausbreiteten und entfernte Kuppeln auf dem Fels wuchsen wie Pilze nach dem Regen. Es war ein
abscheulicher, vom Tod umringter Außenposten des Bösen, der zu recht von allen Lebewesen verabscheut wurde. Angelaufene Spitztürme und fleckige Mauern, unkrautüberwucherte Zinnen und leere Hallen waren von hinkenden, schlurfenden Geistern in Lumpen erfüllt, die blind dem hassenswerten Willen des diabolischen Meisters der Stadt gehorchten: dem Dämonenprimarchen Perturabo, dem Herrn und Meister der Iron Warriors. »Dieser Hass...«, flüsterte Uriel. »So viel Hass und Verbitterung.« »Ja«, sagte der Omphalos Daemonium. »Stellt euch all die Verbitterung vor, die ich in euch rieche - vergiftet und stark geworden durch rachsüchtiges Brüten, dann ist das immer noch nur ein Bruchteil davon, wie sehr ein lebendiger Gott hassen kann.« Uriel schloss die Augen, um diese Albtraumvision zu verdrängen. Ihm war klar, dass auch nur ein einziger Schritt in Richtung dieser furchtbaren Stadt gleichbedeutend damit war zu sterben, aber ihre gigantische Unermesslichkeit war für immer in sein Bewusstsein eingebrannt, so dass nichts sie je wieder entfernen konnte. Die Vergeblichkeit der Existenz im Angesicht dieses namenlosen Grauens war beinahe nicht zu ertragen, und er hob den Blick zum toten Himmel, dessen seelenvernichtende Leere Perturabos entsetzlicher Stadt immer noch vorzuziehen war. Die geisterhaft schwarzen Schwaden trieben durch die Luft, und er sah, dass sie zu dem einzigen Ding unterwegs waren, das die Leere befleckte. Eine riesige schwarze Sonne, deren Oberfläche so dunkel war, dass ihre Dunkelheit nicht einfach nur die Abwesenheit von Licht und Farbe war, sondern ihre rußigen Tiefen Leben und Seele aus dieser Welt sogen. Pasanius weinte über ihr entsetzliches, zermalmendes Gewicht, und Uriel war nicht überrascht, als er feststellte, dass er beim Anblick solch einer Widernatürlichkeit ebenfalls Tränen vergoss. »Der Imperator beschütze uns«, flüsterte er. »Das ist...« »Aye«, sagte der Omphalos Daemonium. »Das ist der Ort, den ihr das Auge des Schreckens nennt.« »Warum...?«, keuchte Uriel, indem er sich vom Anblick der morbiden Sonne losriss. »Warum hier?« »Dies ist das Ende eurer Reise. Der Ort, wo ihr euren Eid
erfüllen werdet.« »Das verstehe ich nicht.« »Das spielt keine Rolle. Was ihr zerstören wollt, die Daemonculaba, sind auf dieser Welt, abgeschottet in der Finsternis, weit weg von den Blicken der Menschen in einer großen Festung aus Irrsinn und Verzweiflung.« »Warum solltest du uns hierher bringen?«, wollte Uriel wissen, der ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung wiederfand. »Warum sollte uns eine Kreatur des Chaos helfen wollen?« Der Omphalos Daemonium lachte sein dröhnendes, misstönendes Gelächter und sagte: »Weil ihr tun sollt, was ich will, Uriel Ventris.« »Niemals!«, schnauzte Uriel. »Wir würden eher sterben, als einer Bestie wie dir zu helfen.« »Vielleicht«, gab ihm der riesige Krieger recht. »Aber seid ihr auch bereit, alles zu opfern, für dessen Schutz ihr gekämpft hat, um euch mir zu widersetzen? Alles, was ihr geopfert, und jeder, den zu retten ihr geblutet habt, wird in einem Meer von Blut hinweggespült, wenn ihr es tut.« »Du lügst«, fauchte Pasanius. »Dumme Happen. Was brauche ich Lügen? Der Architekt des Schicksals hat Lügen genug für dieses Universum. Der Herr der Schädel verlangt keine derartigen Täuschungen. Ich weiß, was ihr gesehen habt, als wir die Blutgleise befahren haben: Eure Welt stand in Flammen, und euer Volk war tot, Asche im Wind, da sie zu Tode verbrannte.« Der Omphalos Daemonium machte einen gewichtigen Schritt auf sie zu, die Hippe gesenkt, so dass sie auf Uriels Brust zielte. »Ich kann dafür sorgen, dass es dazu kommt«, versprach er. »All die abgesplitterten Zukünfte, die ihr gesehen habt, können gebildet werden, und ich kann dafür sorgen, dass eure kostbare Heimat schreiend in den Flammen stirbt. Glaubt ihr das?« Uriel starrte in die leprösen gelben Augen des Dämons und wusste mit absoluter Gewissheit, dass er die Dinge vollbringen konnte, von denen er sprach - Macragge zerstört. Ultramar gestorben... »Ja, ich glaube dir«, sagte er schließlich. »Was sollen wir tun?« »Uriel!«, rief Pasanius. »Ich glaube nicht, dass wir eine Wahl haben, mein Freund«, sagte Uriel zögernd.
»Überleg dir, was du sagst«, erwiderte Pasanius ungläubig. »Was dieses verwünschte Ding von uns will, kann nur zum Bösen sein. Wer weiß, was wir entfesseln, wenn wir tun, was es von uns will?« »Das weiß ich, Pasanius, aber was können wir sonst tun? Willst du Ultramar zerstört sehen? Die Hera-Festung in Ruinen?« »Nein, natürlich nicht, aber...« »Nein, Pasanius«, sagte Uriel gemessen. »Vertrau mir. Du musst mir vertrauen. Vertraust du mir?« »Du weißt, dass es so ist«, protestierte Pasanius. »Ich vertraue dir mit meinem Leben, aber dies ist Wahnsinn!« »Dann vertrau mir auch jetzt«, drängte Uriel. Pasanius öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber als er den Ausdruck in Uriels Augen sah, nickte er nur kurz. »Also gut«, sagte er. »Gut«, schwelgte der Omphalos Daemonium in ihrer Niederlage. »Sehr weit von hier gibt es eine Festung, hoch im Südteil des Gebirges, und ihr Herr hat etwas tief in seinem geheimsten Gewölbe, das mir gehört. Ihr werdet es für mich holen.« »Was ist es denn?«, fragte Uriel. »Es ist das Blutherz, und ihr braucht nicht mehr zu wissen, als dass es mir kostbar ist.« »Wie sieht es aus? Wie werden wir es erkennen?« Der Omphalos Daemonium gluckste. »Ihr werdet es wissen, wenn ihr es seht.« »Warum brauchst du uns dafür?«, wollte Pasanius wissen. »Wenn es so verdammt wichtig ist, warum holst du es dir dann nicht selbst?« Der Omphalos Daemonium schwieg einen Moment und sagte dann: »Ich habe euch damit gesehen, und es ist eure Bestimmung, es zu tun. Das reicht.« Uriel nickte und hörte einen entfernten schrillen Schrei. Der Omphalos Daemonium hörte das Geräusch ebenfalls. Er neigte den Kopf, wandte sich ab und marschierte zu dem Rechteck aus rotem Licht zurück, das in die Dämonenmaschine und zu den zischenden Sarcomata führte. Als er das schimmernde Portal erreichte, sagte er: »Die Deliriumgespenster kommen. Sie hören das Schlagen eurer Herzen, und ihr Hunger zerrt an ihnen. Es wäre klug, sich nicht
von ihnen finden zu lassen.« »Warte!«, sagte Uriel, doch der Omphalos Daemonium trat durch das Portal, und er musste hilflos mit ansehen, wie es verblasste und von dem Plateau verschwand und ihren dämonischen Häscher mitnahm. Ein bleiernes Gewicht der Verzweiflung legte sich auf Uriels Seele, als der Omphalos Daemonium verschwand, und er sank auf die Knie, während er die Schreie hörte, die wie ein kreischender Chor von Luftschutzsirenen klangen. Er schaute in den toten Himmel und sah eine Schar hybrider, geflügelter... Wesen, die sich ihnen mit rhythmischen Flügelschlägen aus der Richtung des Gebirges näherten. »Was ist das...?«, sagte Pasanius, der ebenfalls in den Himmel blinzelte. »Das sind die Deliriumgespenster«, sagte Uriel, während er zu dem Felsen eilte, um seine Waffen zu holen. »Was machen wir jetzt?«, sagte Pasanius, wobei er sich die Pistole ins Gürtelhalfter schob und den Flammenwerfer über die Schulter warf. »Wir fliehen«, sagte Uriel, während die irre kreischende Schar immer näher kam.
VIER Schwarze Gestalten vor dem weißen Himmel kreischten, als sie sich aus den Höhen des Gebirges herabschwangen und den beiden Space Marines näherten. Die Deliriumgespenster erfüllten die Luft mit dem Geheul Sterbender, und Uriel konnte ihre Qualen in jedem Ton hören. Er sah sich auf dem Plateau nach offensichtlichen Verstecken um. Zwar hasste er die Vorstellung einer Flucht, aber ihm war klar, dass der Omphalos Daemonium nicht gelogen hatte, als er ihnen verriet, dass es klug sein würde, sich von diesen Kreaturen nicht finden zu lassen. »Uriel«, sagte Pasanius, während er schräg nach oben auf einen schmalen Hohlweg höher im Berg zeigte. »Da oben! Ich glaube nicht, dass sie da hineinkommen.« »Können wir das schaffen?« »Das lässt sich nur auf eine Weise herausfinden«, sagte
Pasanius und setzte sich in Bewegung. Uriel schnallte sich sein Schwert um und lief Pasanius hinterher. In der giftigen Atmosphäre atmete er schnell und angestrengt, und sein Rücken fühlte sich an, als stehe er in Flammen, aber er verdrängte die Schmerzen, als er die Böschung erreichte und Pasanius hinterherkletterte. Die Böschung war uneben und bestand aus verstaubten Eisenspänen, Kohleklumpen und verdrehter Schlacke. Pasanius' erstaunliche Kraft ermöglichte ihm, die Böschung zu erklimmen, wenn auch unter großen Schwierigkeiten, aber Uriel fand auf dem losen Geröll keinen Halt, und je mehr er sich bemühte, desto weiter rutschte er zurück. Kreischendes Geheul obszönen Hungers ertönte hinter ihm, und er riskierte einen Blick über die Schulter, als sich das erste der Deliriumgespenster von oben auf ihn stürzte. »Uriel!«, rief Pasanius von einem Sims über ihm. »Nach links!« Er wälzte sich nach links, als die Kreatur aus dem Himmel herabstieß, und angeschweißte Eisenkrallen an den Flügeln zerkratzten den Boden, wo eben noch sein Kopf gewesen war. Er trat zu, und das Wesen rutschte die Böschung hinunter. Seine fleischigen Flügel schlugen wütend, als es sich wieder aufrichtete. Seine Gestalt entsprach der eines großen, im Meer lebenden Mantarochens und bestand aus einem externen Skelett aus Eisenstreben, auf das ein Flickwerk aus wallender Menschenhaut genäht war. Schreiende Gesichter wölbten sich unter der ledrigen Haut, und ein o-förmiger Mund mit vielen Hundert spitzen Zähnen klaffte darin. Weitere drei Kreaturen stießen von oben herab, deren Kiefer sich über die gesamte Oberfläche ihrer Haut erstreckten, und wallende Flügel wurden ausgebreitet, um ihren Sturzflug abzubremsen, als sie auf Uriel prallten. Das von Uriel nach unten gestoßene Wesen sprang mit einem misstönenden Heulen in die Luft, während er mit den Bestien rang, die ihn bedrängten, da ihre Zähne an seiner Rüstung nagten. Pasanius schoss auf das fliegende Deliriumgespenst, aber sein Boltgeschoss durchschlug die Haut, bevor sie explodierte, und es änderte den Kurs und flog höher die Böschung empor, um ihn mit ohrenbetäubendem Gekreisch anzugreifen. Uriel packte die schmierige Haut eines der angreifenden Ungeheuer, zerrte es von seiner Rüstung und sah gepeinigte Gesichter unter der sich wölbenden Haut, die nach ihm tasteten.
Er schlug mit der Faust auf eines dieser Mäuler, und sein Panzerhandschuh zerfetzte die straffe Haut, während ein Hitzeschwall von oben über ihn wusch und er Pasanius rufen hörte: »Geh zurück!« Die Bestie wehrte sich in seinem Griff, während die anderen nach ihm schnappten und bissen. Er zwang seine andere Hand durch die Wunde, die er geschlagen hatte, während er sich die Böschung hinunterwälzte und so die anderen loswurde. Er packte die flatternde Haut auf beiden Seiten und riss sie von dem Eisenrahmen, wobei er spürte, wie die darin gefangenen Seelen etwas über ihre Freilassung brüllten. Flackernde Lichter und Freudenschreie drangen aus der sterbenden Bestie, als sich die letzte Seele aus ihr löste, und Uriel hielt plötzlich nur noch einen unbelebten Haufen zerfetzter Haut und Metall in den Händen. Er warf die Überreste beiseite, während sich noch mehr von den Kreaturen auf ihn stürzten. Uriel zog sein Schwert und durchschlug mit der Energieklinge die Haut des nächsten Deliriumgespensts. Ein hysterisches Gekreisch der Freiheit drang aus seinem Maul, bevor es zusammenbrach. Die letzte Bestie sprang ihn an, und er warf sich vorwärts, rollte sich ab und landete einen hoch geführten Hieb mit der Klinge, der das Ungeheuer zerteilte, während es über ihn wegflog. Er hörte noch einen Schrei, der von Freiheit kündete, und sah einen leblosen Haufen Eisenstreben mit brennenden Hautfetzen weiter oben auf der Böschung liegen. Pasanius hatte seinen Flammenwerfer aktiviert und versprühte Flammenstrahlen in die Luft, um die anderen Kreaturen daran zu hindern, ihnen zu nahe zu kommen. »Komm hoch!«, rief Pasanius. »Ich weiß nicht, wie lange ich sie damit noch abhalten kann!« Uriel schob sein Schwert in die Scheide, bückte sich und löste zwei Eisenstreben aus dem Leichnam des nächsten Ungeheuers, bevor er sich wieder an das Erklimmen der rutschigen Böschung machte. Indem er die Eisenstangen wie primitive Felshaken tief in das lose Geröll trieb, gelang es Uriel, die Böschung ohne größere Schwierigkeiten zu erklimmen, während Pasanius die Deliriumgespenster mit seinem Flammenwerfer in Schach hielt. Schließlich erreichte er den Sims und wälzte sich auf den Rücken, als die Deliriumgespenster wieder näher rückten. Er zog
sein Schwert und schlug das erste entzwei, wobei er eine grimmige Befriedigung verspürte, als er vor dessen Auflösung seinen dankbaren Schrei hörte. Andere verbrannten im Feuer, und kindliches Gelächter löste sich aus ihrer brennenden Haut, wenn sie starben. Die beiden Space Marines tasteten sich langsam rückwärts zur Zuflucht des Hohlwegs, wobei sie die kreischenden, herabstürzenden Bestien töteten, wenn sie ihnen zu nah kamen. Obwohl sie viele Dutzend von ihnen töteten, sah Uriel doch, wie sich Hunderte mehr um die Bergspitzen versammelten, und ihm war klar, dass sie so gut wie tot waren, wenn sie nicht bald Deckung fanden. Sie konnten nicht hoffen, solche Massen ewig in Schach zu halten. Der Hohlweg lag hinter ihnen, und Uriel sah, dass er sich weiter und tiefer in den Berg zog. Scharen von Deliriumgespenstern sanken tiefer, und Uriel betete, dass sie nicht in der Lage sein würden, ihnen zu folgen. »Ich kann nicht erkennen, wohin der Hohlweg führt!«, sagte er. »Es spielt keine Rolle, oder?«, erwiderte Pasanius, der aus vielen kleinen Kratzern seitlich am Kopf blutete. »Uns bleibt keine andere Wahl.« »Gib ihnen noch einen ordentlichen Strahl, dann folge mir hinein!« Pasanius nickte, rief »Los!« und sandte den kreischenden Ungeheuern einen Strahl der flammenden Flüssigkeit entgegen. Uriel eilte in den Hohlweg, dessen schmale Basaltwände glasig, schwarz und reflektierend waren. Sie kratzten über seine Schulterschützer und schnitten Furchen in den Lack, und Uriel flüsterte ein Gebet, in dem er den Kriegsgeist der Rüstung um Verzeihung für diese achtlose Behandlung bat. Pasanius zog sich in den engen Hohlweg zurück und musste sich seitlich hineinzwängen, und Uriel hatte kurz die schreckliche Vision, wie die beiden hier in der Falle saßen und darauf warteten, von diesen schändlichen Kreaturen getötet zu werden. »Verdammt, das ist eng«, grunzte Pasanius stoisch. Frustriertes Gekreisch war zu hören, und Uriel sah Dutzende der monströsen Bestien über den schmalen Streifen Himmel am Eingang des Hohlwegs wegfliegen. Er drang tiefer in den gewundenen Gang vor, der sich aufwärtsneigte, und die Entfernung zwischen ihnen und dem freien Himmel verringerte
sich mit jedem Schritt. »Uns geht der Platz aus!«, rief er nach hinten, als von oben ein verzweifeltes Scharren von Krallen und das Klirren von Metall auf Stein ertönte. Zischende Bestien zwängten sich mit wild schlagenden Flügeln in den Hohlweg, und ihr Gekreisch war ohrenbetäubend in der Enge. Das Geheul wilden Hungers und Sehnens entrang sich den Leibern, und Uriel stach mit seinem Schwert aufwärts und spießte das erste Deliriumgespenst auf seiner Klinge auf. Noch mehr zwängten sich in den Spalt und klirrten scheppernd aneinander, während sie zu ihrer Beute gelangen wollten. Nicht in der Lage, in dieser Enge seinen Flammenwerter einzusetzen, riss Pasanius ihnen unter wütendem Gebrüll mit bloßen Händen die Haut von den Eisenrahmen. Uriel stieß und hieb blindlings in die Höhe, von totem Fleisch umgeben, während scharfe Zähne nach seinem Gesicht schnappten. Das Geräusch reißender Haut vermischte sich mit ihren Schmerzlauten und dem unpassenden Freudengelächter der Seelen, wenn sie beim Tod einer Bestie ihrer schrecklichen Qual entflohen. »Immer weiter!«, rief Pasanius in einer kurzen Pause zwischen den wütenden Angriffen. »Ich weiß nicht, was vor uns liegt«, antwortete Uriel. »Es kann nicht schlimmer sein als das hier!« Uriel musste ihm recht geben und tastete sich weiter vorwärts, während er sich verkrustetes Blut von der Stirn wischte und verzweifelt nach einer Stelle Ausschau hielt, die ihnen besseren Schutz gewähren würde. Die Deliriumgespenster kreisten weiter über dem Hohlweg und warteten geduldig auf die nächste Gelegenheit zum Angriff. Der Hohlweg schlängelte sich weiter, und jeder Schritt führte sie tiefer in den Berg, bis er schließlich nach unten abknickte und auf einen schmalen Pfad führte, der am Rand einer steilen Klippe verlief. Auf der einen Seite des Pfads fiel die Felswand viele hundert Meter tief ab, und an seinem Ende konnte Uriel eine schmale Höhle erkennen, deren Eingang von einem Wald aus langen, in den Fels getriebenen Eisenstacheln umgeben war. »Voraus ist eine Höhle«, sagte Uriel. »Sieht ganz so aus, als hätte sie schon jemand benutzt, um sich vor diesen Biestern zu verstecken.«
»Woran erkennst du das?« »Der Höhleneingang ist von eisernen Stacheln umgeben. Ich glaube nicht, dass sich diese Bestien dem Eingang nähern können, ohne sich die Flügel zu ruinieren.« »Das schreit förmlich nach der Frage...« »Wer hat sie dort angebracht?«, beendete Uriel. Pasanius schaute zum Himmel, als er die Deliriumgespenster gegen den Felsen klirren und ihre schrillen Schreie näher kommen hörte, da sie tiefer gingen, um erneut anzugreifen. »Wir werden wohl dorthin rennen müssen«, sagte Uriel. »Das schaffen wir nie«, stellte Pasanius fest. »Sie würden sich auf uns stürzen, bevor wir auch nur halb drüben wären.« »Glaubst du, das wüsste ich nicht?«, schnauzte Uriel. »Aber wir müssen es versuchen.« Uriel biss sich auf die Lippe, als er sich fragte, wie weit sie wohl kommen würden, bis die Ungeheuer sie erwischten. Einige mochten sie abwehren können, aber nicht alle, und selbst wenn die Ungeheuer sie nicht direkt töten konnten, würde es doch ein Leichtes für sie sein, sie vom Pfad zu stoßen. Und der Absturz aus dieser Höhe würde tödlich sein, selbst für jemanden, der so unverwüstlich wie ein Space Marine war. Eines der Ungeheuer flog über sie hinweg. Sein blinder Hunger war hassenswert und vollkommen fremdartig. »Warte...«, sagte Uriel, da sich eine Erinnerung an die Oberfläche seines Verstandes quälte. »Was denn?« »Als der Omphalos Daemonium von diesen Kreaturen gesprochen hat, da hat er doch etwas darüber gesagt, wie sie jagen, etwas über unsere Herzen und dass wir nicht lange unbemerkt blieben.« »Und?« »Und so jagen sie uns, sie können unseren Herzschlag hören.« Pasanius schwieg einen Moment, bevor er sagte: »Dann nehmen wir ihnen, was sie brauchen, um uns zu jagen.« »Du erinnerst dich noch an die Mantras, mit denen wir die Susan-Membran aktivieren können?« »Aye, obwohl es schön Jahrzehnte her ist, seit ich sie zuletzt rezitieren musste.« »Ich weiß, aber wir sollten sie wohl besser richtig hinbekommen«, sagte Uriel. »Ich will nicht auf halbem Weg über
den Pfad ins Koma fallen.« Pasanius nickte, während Uriel langsam zum Rand des Hohlwegs kroch. Die Deliriumgespenster waren hoch über ihnen, aber immer noch zu nah für sie, um hoffen zu können, die Höhleneinmündung unbehelligt zu erreichen. Uriel wandte sich an Pasanius und sagte: »Geh los, wenn ich gehe. Langsam, aber nicht zu langsam. Ich will nicht, dass du unterwegs stirbst.« »Ich werde mich bemühen«, erwiderte Pasanius trocken. Uriel schloss die Augen und rezitierte die Verse, die ihm Apothekarius Selenus beigebracht hatte, welche die hormonelle Aktivierung der Susan-Membran in Gang setzten, einem während seiner Verwandlung in einen Space Marine in das Gewebe seines Gehirns implantierten Organs. Er holte tief Luft, regulierte seine Atmung und zwang seinen Herzschlag, sich zu verlangsamen. Was er tat, war äußerst gefährlich und erforderte normalerweise viele Stunden der Mediation und der richtigen Gebete, aber ihnen fehlte die Zeit für derartige Vorbereitungen. Uriel spürte, wie sich die rhythmischen Schläge der Herzen in seiner Brust verlangsamten. Vierzig Schläge in der Minute, dreißig, zwanzig, zehn... Er hörte, wie Pasanius dieselben Mantras wiederholte. Ihm war klar, dass sie loslaufen und die Höhle erreichen mussten, bevor das Organ vollständig aktiviert wurde, denn dann würden ihre Herzen vollkommen stillstehen und sie in eine Art komatösen Winterschlaf fallen. Drei Schläge pro Minute... zwei... Uriel erhob sich. Sein Blickfeld war an den Rändern grau, und seine Glieder fühlten sich bleischwer an. Er nickte Pasanius zu, verließ die vorübergehende Deckung des Hohlwegs und hastete so schnell den Pfad zur Höhle entlang, wie er sich traute. Pasanius folgte ihm. Die durchdringenden Schreie der dämonischen Furien über ihm störten ihn in seiner Konzentration, und eiskalter Schweiß rann ihm über das blasse Gesicht. Beide Space Marines hielten sich auf ihrem Weg über den Pfad dicht an der Felswand. Die geflügelten Bestien stießen tiefer zu ihnen herab, und ihr Kreischen hallte von der Felswand wider, als sie verwirrt kreisten und wieder höher stiegen, da sie sie nicht ausmachen konnten. Sie hatten die Höhle fast erreicht, und immer noch flatterten die
Scharen über ihnen ziellos in der Luft umher. Zwei der Deliriumgespenster flogen geräuschvoll an Uriel vorbei und landeten mit einem Kratzen von Klauen vor ihnen auf dem Weg. Ihre Schreie waren leise und widerlich, als sie sich langsam drehten, da ihre sich kräuselnden Häute ihr Jagdwild auszumachen versuchten. Uriel wurde langsamer, als er sich an den Ungeheuern vorbeischlich, während er sich alle Mühe gab, seinen Körper in dem Limbus zwischen Leben und selbstinduziertem Koma zu halten. Er stolperte, und sein Stiefel streifte eine Klaue der Bestie... Er erstarrte. Doch über welche anderen Sinne die Bestie auch verfügen mochte, sie registrierte die Berührung nicht und ignorierte ihn. Uriel schlich sich an dem Ungeheuer vorbei. Die zweite Bestie erhob sich wieder in die Luft, als er sich dem Ende des Pfads näherte, und... Ein Herzschlag... Das Deliriumgespenst fuhr mitten in der Luft herum und gab ein ohrenbetäubendes Kreischen von sich, als es den donnernden Schlag seines Herzens hörte. Die Scharen über ihnen beendeten ihr verwirrtes Kreisen und stießen einhellig und mit triumphierendem Gekreisch auf sie herab. »Lauf!«, rief Uriel, der alle Täuschung aufgab und zur Höhleneinmündung rannte. Er duckte sich unter den ersten Stachel und wand sich zwischen den anderen durch, um den Eingang zu erreichen, taumelte hinein und schnappte nach Luft. Seine Brust war ein tobendes Inferno, als seine Herzen in wenigen Augenblicken von einem buchstäblichen Stillstand zu ihrem normalen Rhythmus beschleunigten. Er drang weiter in die stygische Dunkelheit der Höhle vor und ließ sich auf die Knie sinken, während er darum kämpfte, seine inneren Organe zu stabilisieren und sich zu zwingen versuchte, nicht in einen Schlaf zu fallen, aus dem er nicht mehr erwachen würde. Pasanius wich in die Höhle zurück, während sein Werfer einen Strahl brennenden Prometheums spie. Die Deliriumgespenster flatterten geräuschvoll vor dem Höhleneingang umher und schrien ihre Wut darüber, dass ihnen ihre Beute entkommen war, heraus. Mehrere setzten zum Angriff
an, doch ihnen gelang lediglich, sich auf den scharfen Stacheln aufzuspießen, die den Eingang schützten. Ihre Leiber wurden zerrissen, und ihre zerfetzten Häute und eisernen Rahmen fielen die Klippe hinunter, als sie starben. Uriel stieß einen rasselnden Seufzer aus, da er wusste, wie nah sie dem Tod gekommen waren. »Pasanius, ist alles in Ordnung?«, keuchte er. »So eben«, keuchte Pasanius. »Beim Thron, das will ich nie wieder tun müssen. Ich hatte ein Gefühl, als würde ich sterben.« Uriel nickte und zog sich an den Wänden der Höhle auf die Beine. Sein zurückkehrendes Sehvermögen drang mühelos durch das Dunkel der Höhle, und er sah, dass sie sich in einem langen, gewölbten Tunnel befanden, der in den Fels gehauen worden war, doch von wem oder was, das konnte er nicht sagen. »Na, wenigstens sind wir für den Augenblick sicher«, sagte Uriel. »Da wäre ich nicht so sicher«, erwiderte Pasanius, indem er mit dem Stiefel gegen einen gespaltenen menschlichen Schädel trat, der auf dem Boden lag. Die beiden Space Marines gingen vorsichtig durch den Tunnel, und das kreischende Geheul der Deliriumgespenster verlor sich, je tiefer sie in den Berg eindrangen. Ihre verbesserte Sicht verstärkte den Schein der zischenden Zündflamme von Pasanius' Werfer dergestalt, dass sie durch die vollkommene Finsternis marschierten, als sei ihr Weg durch Lichtkugeln beleuchtet. »Was glaubst du, wer diese Tunnel angelegt hat?«, fragte Pasanius mit Blick auf die Spuren der Spitzhacken und Bohrer im Fels. »Ich habe keine Ahnung«, sagte Uriel. »Vielleicht Sklaven oder die Bevölkerung dieser Welt, bevor sie vom Chaos übernommen wurde?« »Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir so weit gereist sind«, sagte Pasanius. »Glaubst du wirklich, dass dies Medrengard ist? Können wir wirklich im Auge des Schreckens sein?« »Du hast die finstere Stadt jenseits der Berge gesehen. Kannst du daran zweifeln, dass darin einer der gefallenen Primarchen haust?«
Pasanius beschrieb das Zeichen des Adlers vor der Brust, um alles Böse abzuwehren, das sogar mit dem bloßen Gedanken an solche Dinge verbunden war. »Wohl nicht. Ich habe das Böse wie Gift in den Knochen gespürt, aber so weit gekommen zu sein... das ist doch eigentlich unmöglich.« »Wenn das hier wirklich das Auge ist, dann ist nichts unmöglich«, sagte Uriel. »Ich war immer der Meinung, die Geschichten von Welten, die von Dämonen und den Mächten des Verderbens übernommen worden seien, wären nur düstere Legenden, überzogene Geschichten, um die Arglosen zum Gehorsam zu ängstigen.« »Ich wollte, es wäre so«, erwiderte Uriel. »Aber neben der Vernichtung dieser Daemonculaba, die Bibliothekar Tigurius in seiner Vision gesehen hat, sind wir meiner Ansicht nach auch hierher geschickt worden, um die Festigkeit unseres Glaubens zu prüfen.« »Und sind wir bereits durchgefallen?«, murmelte Pasanius. »Mit einem Dämon zu schachern...« »Ich weiß, ich habe unsere Seele aufs Spiel gesetzt, mein Freund«, sagte Uriel. »Und das tut mir sehr leid. Aber ich habe keine andere Wahl gesehen, als den Omphalos Daemonium glauben zu machen, wir würden tun, was er verlangt.« »Dann hast du nicht vor, ihm sein Blutherz zu holen, was immer das sein mag?« »Natürlich nicht«, sagte Uriel entsetzt. »Wenn wir es finden, will ich das widerliche Ding in tausend Stücke zerschmettern!« »Dem Imperator sei Dank!«, hauchte Pasanius. Uriel blieb abrupt stehen. »Hast du gedacht, ich würde mich den Begierden eines Dämons fügen?« »Nein, aber wenn man bedenkt, wie wir hier gelandet sind und womit er gedroht hat...« »Gegen den Codex Astartes zu handeln, ist eine Sache, aber sich mit Dämonen einzulassen eine ganze andere«, schnauzte Uriel. »Aber wir sind von unserem Orden ausgestoßen und aus dem Antlitz des Imperators verbannt worden und sitzen wahrscheinlich auf ewig im Auge des Schreckens fest«, sagte Pasanius. »Ich kann schon sehen, warum du gedacht haben könntest, es wäre vielleicht eine Möglichkeit.« »Wirklich?«, wollte Uriel wütend wissen. »Dann sei bitte so gut
und erkläre es mir.« Pasanius begegnete Uriels Blick nicht, als er sagte: »Nun ja, wahrscheinlich ist das Blutherz irgendein dämonisches Artefakt, das einen Feind des Omphalos Daemonium hier im Auge ins Verderben stürzen soll. Könnten wir in diesem Fall nicht das Werk des Imperators tun, wenn wir es seinem gegenwärtigen Besitzer stehlen?« Uriel schüttelte den Kopf. »Nein. Dieser Weg ist Wahnsinn und der erste Schritt, alles zu verraten, wofür wir als Space Marines stehen. Durch solche Schritte werden Menschen verdammt, Pasanius, weil die Ketzerei jedes Mal durch eine halbwegs vernünftige Rechtfertigung entschuldigt wird, bis die Seele unwiderruflich schwarz und geschrumpft ist. Jetzt, wo wir keinem Orden mehr angehören, könnte man sagen, wir sind nur noch uns selbst verantwortlich, aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Was auch aus uns wird, im Herzen werden wir immer Krieger des Imperators sein. Das habe ich dir schon einmal gesagt, mein Freund. Zweifelst du immer noch an deinem Mut und deiner Ehre?« »Nein, es ist nur so, dass...«, begann Pasanius. »Was?« »Nichts«, fuhr er schließlich fort. »Du hast recht, und es tut mir leid, so etwas auch nur gedacht zu haben.« Uriel schaute seinem Freund in die Augen. »Erinnerst du dich an die Geschichte des alten Philosophen von Calth, der die Frage gestellt hat, wenn ein Stalaktit in einer Höhle herunterfiele, ob er ein Geräusch verursachte, wenn niemand da wäre, es zu hören?« »Aye«, nickte Pasanius. »Das habe ich nie richtig begriffen.« »Ich auch nicht, wenigstens nicht bis jetzt«, sagte Uriel. »Wir sind zwar ins Exil geschickt worden, aber wir haben noch unsere Ehre, und obwohl der Orden sehr wahrscheinlich nie von unseren Taten hören wird, werden wir bis zu unserem Tod weiter gegen die Feinde des Imperators kämpfen. Richtig?« »Richtig«, stimmte Pasanius ihm zu, indem er Uriel mit der Hand auf den Schulterschutz schlug. »Und deswegen warst du Hauptmann und ich nur Sergeant. Du weißt immer das Richtige zu sagen.« Uriel grinste. »Das sehe ich anders. Ich meine, sieh uns doch an, Zehntausende Lichtjahre von Macragge entfernt und gefangen in einer Höhle irgendwo im Auge des Schreckens...«
»... die voller Leichen ist«, beendete Pasanius den Satz. Uriel drehte sich einmal im Kreis und sah, dass Pasanius recht hatte. Der Tunnel hatte sich in eine kuppelförmige Höhle mit rauen Wänden und einer ganzen Reihe schattiger Gänge verbreitert, die daraus abzweigten. Die Überreste eines lange erloschenen Feuers füllten eine tiefe Feuergrube in der Mitte der Höhle aus, und durch einen Rauchabzug in der Decke fiel ein dünner Lichtstrahl. Skelette lagen überall verstreut auf dem Höhlenboden, gespreizt und zerschmettert, die Knochen verstaubt und gebrochen. »Thron! Was ist hier passiert?«, flüsterte Uriel, indem er die Feuergrube umkreiste und sich neben ein in Lumpen gehülltes Skelett kniete. »Das sieht so aus, als wären sie angegriffen worden, während sie eine Mahlzeit zubereiteten«, sagte Pasanius, der mit dem silbernen Arm in den Überresten des Feuers herumstocherte. »In der Feuergrube sind noch Töpfe.« Uriel nickte und untersuchte die Knochen vor sich, wobei er sich fragte, wem sie gehört hatten und welche bösartige Wendung des Schicksals ihren Besitzer zu so einem Tod verurteilt hatte. »Wer das hier getan hat, war unglaublich stark«, sagte Uriel. »Die Knochen sind sauber gebrochen.« »Aye, und dem hier wurde der Kopf von den Schultern gerissen.« »Iron Warriors?«, fragte Uriel. »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Pasanius. »Dieser Angriff hatte etwas Wahnsinniges an sich. Sieh dir die Flecke an den Wänden an. Das ist Blut, das aus Arterien gespritzt ist. Wer das hier getan hat, war in einer Art Raserei und hat seinen Opfern in Sekunden die Kehle zerfetzt und sie in Stücke gerissen. Sie hatten nicht einmal die Zeit, sich zu bewaffnen.« Uriel ging durch die Höhle zu Pasanius und schritt über die Knochen der Toten hinweg, als ihm etwas Metallisches auffiel, das halb vergraben im Staub lag. Er bückte sich, um es aufzuheben, und seine Finger schlossen sich um ein primitives Messer mit dickem Griff und langer, flexibler Klinge. Er drehte sich zu den Leichen um, und ihm kam eine Übelkeit erregende Erkenntnis. »Ihnen wurde die Haut abgezogen«, sagte er. »Was?« »Den Leichen«, sagte Uriel, indem er das Messer in die Höhe
hielt. »Ihnen wurde die Haut abgezogen. Sie wurden getötet, und dann haben die Mörder sie gehäutet.« Pasanius fluchte. »Ist denn das Böse auf dieser Welt ohne Ende?« Uriel zerbrach die Klinge des Häutungsmessers und schleuderte es von sich, so dass die Bruchstücke von der Felswand der Höhle abprallten. Welche Bestie würde ihre Beute tief in den Berg verfolgen und sie dann mit solcher Schnelligkeit und Raserei angreifen, um sich dann die Zeit zu nehmen, sie zu häuten? Er hoffte, sie würden es nicht herausfinden, aber ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube verriet ihm, dass es durchaus wahrscheinlich war, däss sie bereits in ihr Revier gestolpert waren. »Wir können jetzt nichts mehr für sie tun, wer immer sie auch waren«, sagte er. »Nein«, stimmte Pasanius zu. »Wohin jetzt?« Uriel durchquerte die Höhle, wobei er vor jeder Abzweigung stehen blieb, um sie zu untersuchen, weil er hoffte, auf irgendeinen Hinweis zu stoßen, der ihnen verraten würde, welche Richtung die meiste Hoffnung auf einen Ausweg bot. »In diesen Gang hier führen Spuren«, sagte er, während er niederkniete und den Boden des Mittelgangs untersuchte. »Sogar ziemlich viele.« Pasanius gesellte sich zu ihm und zeichnete die Umrisslinie eines riesigen Fußabdrucks im Staub nach. Es ließ sich nicht sagen, wie alt er war, aber trotz seiner Größe bestand kein Zweifel daran, dass er menschlich war. »Glaubst du, der Gang hier könnte zum Bau der Ungeheuer führen und wir sollten ihn meiden?« »Nein, ich glaube, er könnte zu einem Weg aus diesen Tunneln führen«, sagte Uriel. »Ich wusste, dass du das sagen würdest«, seufzte Pasanius. Uriel und Pasanius folgten dem Gang, der sich viele Kilometer durch das Gebirge schlängelte, bis sie vollkommen die Orientierung verloren hatten und nicht mehr wussten, in welche Richtung sie gingen. Als der Boden felsiger wurde, verschwanden die Spuren, und Uriel wusste, dass sie sich hoffnungslos verirrt hatten.
Doch als ihnen gerade der Gedanke kam, sie könnten nie wieder zur Oberfläche zurückfinden - an und für sich kein unattraktiver Gedanke -, spürte er etwas in der Luft. Einen Hauch von Bewegung, einen schwachen Luftzug auf der Haut. Er hob die Hand und forderte Pasanius zum Schweigen auf, als dieser den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Gerade oberhalb der Hörschwelle konnte er ein leises Grollen hören wie ein entferntes Knistern von weißem Rauschen. Obwohl es seiner gesamten Konzentration bedurfte, folgte er einem gewundenen Weg durch die Tunnel, wobei er ab und zu umkehren und einen anderen Weg wählen musste, da er dem Geräusch nachging. Je lauter es wurde, desto sicherer wurde er, und eine Stunde, nachdem er das Geräusch zum ersten Mal wahrgenommen hatte, sah er einen hellen Streifen weißen Himmels voraus. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal dankbar sein würde, diesen Himmel wiederzusehen«, sagte Uriel. »Ich auch nicht, aber er ist besser als die verwünschte Dunkelheit.« Uriel nickte, und sie traten aus dem Tunnel und blinzelten in das ewige Tageslicht von Medrengard. Als sie den Tunnel verließen, sah Uriel die Ursache des Geräuschs, dem sie gefolgt waren. »Guillaumes Fluch!«, fluchte Pasanius. Viele Kilometer voraus überragte eine Befestigung aus düsterem Wahnsinn das Gebirge, die aller Vernunft trotzte. Ihre steilen Türme und mächtigen Bollwerke wanden sich in den Himmel, und ihr gewaltiges Tor war eine fauchende Leere. Die Mauern bestanden aus dunklem, blutfleckigem Gestein, das mit unnatürlichen Farben durchzogen war, die nicht hätten existieren dürfen und sich in die Netzhaut brannten. Blitze zuckten zwischen den Türmen hin und her, und das Scheppern großer Maschinen und Motoren hallte wie Donner von den Mauern wider. Säulen aus Rauch und Feuer sprangen von den Mauern, wo Explosionen aufblühten und große Brocken aus schwarzem Gestein aus der kolossalen Festung gesprengt wurden. Das entfernte Grollen von Artilleriegeschützen donnerte und hallte, und sie sahen grelle Mündungsblitze von unzähligen großen Haubitzen und Belagerungsgeschützen, die von den zerklüfteten Felsen weiter unten auf die Festung feuerten.
Das urtümliche Kampfgebrüll vieler Tausender, Zehntausender Krieger - vielleicht sogar noch mehr - wurden ihnen vom Wind zusammen mit dem Geruch von verbranntem Eisen und Krieg von der entfernten Schlacht zugetragen. Wolken aus Asche und Rauch von den Brandherden, welche die Festung umgaben, flackerten und zuckten unter der Wucht der Belagerung, und Uriel spürte, wie sich seine Seele im Angesicht solcher Brutalität verfinsterte. Nichts konnte diese Festung erreichen und überleben. Aber genau das mussten sie schaffen.
TEIL II Unter einer schwarzen Sonne FÜNF Ein Strahl ultrahoch erhitzter Luft schoss zwischen den Stümpfen der Zinnen durch, schleuderte Honsou von den Beinen und verdampfte die obere Hälfte eines seiner Iron Warriors. Er wälzte sich zur Seite, als die rauchenden Beine neben ihm kollabierten, dann sprang er auf, beugte sich über die ramponierten Reste der Festungsmauer und schwenkte seine gewaltige Streitaxt. »Lass es sein, Berossus, du musst dir schon mehr Mühe geben!«, schrie er. Von weiter unten aus dem finsteren Gebirge hallte das metallische Husten massierten Artilleriebeschusses empor und hämmerte die tiefer gelegenen Bollwerke von Khalan-Ghol in Trümmer. Er hörte die Schreie der Sterbenden, aber Honsou achtete nicht darauf. Das waren nur Sklaven und jene, die zu schlimm verletzt waren, um in den Fleischlagern gehäutet zu werden, und es gab noch viel mehr von ihnen, die entbehrlich waren. Er wischte sich Staub von der Rüstung, während mehr Iron Warriors vorwärtsmarschierten, um die Bresche zu stopfen, die der verirrte Schuss in den oberen Bereich seiner Festung gesprengt hatte. Es war ein Glückstreffer gewesen, und Honsou spürte den Kitzel des Adrenalins, das wegen des Beinahe-Treffers
in seinen Adern kreiste. Seit der Belagerung auf Hydra Cordatus sehnte er sich nach dem Feuer und dem Donner der Schlacht. Die Kämpfe auf Perdictor II nach seiner Rückkehr ins Auge des Schreckens waren oberflächlich und unbefriedigend gewesen, da die Krieger des Plünderers seinen Voraustruppen nicht das Wasser reichen konnten. Doch nun griffen ihn seine »Kollegen« an, die anderen Kriegsschmiede, und dies war gewiss eine Schlacht, die diesen Namen auch verdiente. Wieder war er gezwungen, jenen seine Fähigkeiten zu beweisen, die ihn für nicht besser hielten als die imperialen Hunde, gegen die sie den Langen Krieg ausfochten. Bei dem Gedanken, dass sie ihn immer noch nicht als ihresgleichen betrachteten, obwohl ihn sein Vorgänger zum Kriegsschmied ernannt hatte, stieg ihm die Galle hoch. »Lord Berossus geht sehr gründlich vor«, sagte Obax Zakayo, dessen knirschende, von Statik unterlegte Stimme Honsou aus seinen verbitterten Grübeleien riss. »Die unteren Bollwerke werden bald nur noch Staub und Knochen sein.« Honsou wandte sich an seinen Unterführer, einen massigen, breitschultrigen Iron Warrior mit gelben und schwarzen Sternen auf den Platten seiner verbeulten Servorüstung. Jedes Gelenk gab ein zischendes Pfeifen von sich und leckte bei jedem Schritt stinkende schwarze Flüssigkeiten und Dampfwolken. Wie Honsou trug er eine furchterregende Streitaxt, aber außerdem noch eine knisternde Energiepeitsche, die sich am Ende einer auf seinem Rücken angebrachten mechanischen Klaue wand. »Wenn Berossus glaubt, er kann irgendwas dadurch erreichen, dass er solche Spreu tötet, ist er noch dümmer, als ich gedacht habe«, spottete Honsou, während er sich mit seinem glänzend schwarzen augmetischen Arm grauen Staub vom Visier wischte. Sein ehemaliger Herr hatte ihm den mechanischen Arm geschenkt, nachdem ihm der mittlerweile tote Kastellan von Hydra Cordatus seinen eigenen vom Körper getrennt hatte. Früher hatte er Kortrish gehört, einem mächtigen Kämpen aus uralten Zeiten, und somit war er ein greifbares Zeichen der Gunst seines Herrn. »Was ihm an Phantasie fehlt, macht er durch Entschlossenheit wert«, sagte Honsous persönlicher Kämpe, ein hochgewachsener, schlanker Krieger in einer Servorüstung so dunkel und lichtschluckend, dass er sich wie flüssiger Schatten bewegte.
Seine Stimme klang geisterhaft monoton, und sein Gesicht war eine krabbelnde Masse aus bio-organischen Schaltkreisen, die wie feuriges Quecksilber unter seiner toten Haut herliefen und seinen Augen einen leblosen silbernen Glanz verliehen. »Berossus ist unwichtig, Onyx. Er wird die unteren Bollwerke in Schutt und Asche legen und nicht in der Lage sein, seine Artillerie weiter nach oben zu verlagern. Nein, Toramino ist derjenige, den wir im Auge behalten müssen«, erwiderte Honsou, indem er sich von der Brustwehr abwandte, während das Krachen neuer Explosionen und das Gebrüll anstürmender Krieger von unten heraufhallten. »Zugegeben«, sagte Onyx, während lange Bronzekrallen aus seinen grauen Händen ausfuhren. »Soll ich ihn vernichten?« Honsou hatte schon einige der grässlichsten Dinge in dieser Galaxis gesehen - da er viele von ihnen selbst begangen hatte -, doch Onyx' unheilvolle Ausstrahlung beunruhigte sogar ihn. Der Iron Warrior, wenn er überhaupt noch als solcher bezeichnet werden konnte, war eine gemiedene Gestalt, denn sein dämonischer Teil machte ihn selbst unter seinen eigenen Kriegern zu einem Ausgestoßenen. Zwar behauptete sich seine menschliche Seite in der symbiotischen Beziehung mit dem an seinen Körper gebundenen Dämon, aber seine diabolische Ausstrahlung war unverkennbar. »Nein«, sagte Honsou. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Ich werde dieses Ungeziefer zuerst vor meinen Mauern brechen. Berossus kann ich leicht besiegen, aber ich will, dass Toramino sieht, wie dieser Mischling hier ihn besiegt, damit er weiß, dass der Kriegsschmied gut daran getan hat, mich zu seinem Nachfolger zu ernennen. Dann kannst du ihn töten.« »Wie Ihr wollt«, sagte Onyx, der von einem kaum wahrnehmbaren Dunst der Macht umgeben war. Als die Kreatur in Honsous Dienste getreten war, weil er der Herr von Khalan Ghol war, hatte sie ihm als Zeichen ihrer unbedingten Gefolgschaftstreue ihren wahren Namen genannt, den Honsou aber nicht aussprechen konnte, also hatte er sich für die beste Annäherung an den Teil entschieden, den er noch verstanden hatte: Onyx. Honsou hatte selbst miterlebt, wie tödlich Onyx sein konnte, wenn sein im Warpraum geborener Teil an die Oberfläche kam und er das volle Grauen seines Dämons entfesselte.
Onyx war sein dunkler Schatten, sein Beschützer, und er konnte sich keine Kreatur vorstellen, die einen besseren Kämpen und Leibwächter abgeben würde. »Aber Berossus ist stolz«, sagte Obax Zakayo, »und man sollte ihn nicht unterschätzen. Er hat große Kraft und viele Krieger in seiner großen Kompanie.« »Sollen sie kommen«, sagte Honsou. »Das tun sie bereits«, stellte Obax Zakayo mit einer Geste über die Mauer fest. Honsous Blick folgte der Richtung, in die Obax Zakayos Panzerhandschuh zeigte, und grinste in wilder Vorfreude. Zehntausende Soldaten schwärmten über die rauchende, mit Kratern übersäte Hölle der unteren Bollwerke und schrien wie Bestien, während sie die wenigen ramponierten Überlebenden des Beschusses abschlachteten. Ihre Opfer flehten um Gnade, aber die Angreifer erwiesen ihnen keine, und das Gemetzel fand in einem wahrhaft großen Maßstab statt. Banner mit Berossus' Wappen wurden gehisst, dazu heilige Standarten in der blutigen Erde aufgepflanzt, welche die Herrlichkeit des Chaos in ihren rohsten, viszeralsten Aspekten zeigten. Minuten später waren die Entleibungsgestelle errichtet, und die noch lebenden Soldaten wurden vor den Mauern rituell abgeschlachtet, um jene zu verspotten, die von oben zusahen. »Das sieht Berossus ähnlich«, spottete Honsou kopfschüttelnd, während er zusah, wie weiteren hundert schreienden Soldaten die Eingeweide aus dem Bauch gezerrt und um sich drehende Trommelvorrichtungen gewickelt wurden. »Was?«, fragte Obax Zakayo. »Er hat nicht mal so viel Verstand, ein paar Gefangene am Leben zu lassen, um seine ehrenwerte Gnade zu zeigen.« »Ich habe schon mit Lord Forrix an der Seite von Lord Berossus gekämpft«, sagte Obax Zakayo wehmütig, »und ich weiß, dass diese Eigenschaft nicht mehr in ihm steckt.« »Du weißt das, und ich weiß das, Zakayo, aber wenn Berossus auch nur einen Rest Verstand hätte, würde er versuchen, die Soldaten von Khalan-Ghol vom Gegenteil zu überzeugen.« »Warum?« »Wenn unsere Soldaten dazu bewegt werden könnten zu glauben, dass Berossus gnädig mit ihnen verfährt, könnte ihnen der Gedanke kommen, sich zu ergeben«, antwortete Onyx. »Aber
da sie wissen, dass sie lediglich ein grässlicher Tod erwartet, sollte man sie lebendig fangen, kämpfen sie nur umso verbissener.« »Wenn man eine Festung erobern will, muss man die Männer darin zerbrechen, nicht die Mauern. Und wenn man eine Belagerungsarmee zerbrechen will, muss man ihre Krieger so zermürben, dass sie eher die Waffen gegen sich selbst richten als auch nur noch einen Schritt weitergehen würden«, sagte Honsou. »Wir müssen in jedem von Berossus' Soldaten das Gefühl wecken, dass er unter der Mündung einer unserer Kanonen steht. Dass er nichts weiter als Futter für unsere Kanonen ist.« Obax Zakayo nickte verstehend und sagte: »Das können wir. Meine Geschütze werden das Gelände vor den Mauern mit zerfetztem Fleisch bedecken, und über die Felsen werden Wasserfälle aus ihrem Blut fließen.« »In den Warpraum damit, Zakayo, solange sie sterben!«, fauchte Honsou zufrieden darüber, den in Obax Zakayo schwelenden Funken der Furcht wieder aufflackern zu sehen. »Sonst bist du beim nächsten Mal da unten bei dem Abschaum. Seit du diese für meine Schmelzen bestimmten Sklaven an die verdammten Abtrünnigen verloren hast, sind deine Versprechungen so wertlos wie der Dreck, den ich von meinen Stiefeln kratze.« »Ich werde Euch nicht noch einmal enttäuschen, Milord«, versprach Obax Zakayo. »Nein, das wirst du nicht«, sagte Honsou. »Denk einfach daran, dass Forrix nicht mehr dein Herr ist, das bin ich, und ich weiß, dass du ein echter Protege von ihm bist. Er war vielleicht schon so abgestumpft, dass er deine mangelnde Weitsicht geduldet hat, aber glaube ja nicht, dass ich das auch tue.« Dergestalt zurechtgewiesen, richtete Obax Zakayo den Blick wieder auf das Gemetzel unten. »Was wird Berossus jetzt tun, wo er die unteren Bollwerke erobert hat?«, fragte er. »Er wird die Dämonenmaschinen schicken«, sagte Honsou. Als sei dies das Stichwort gewesen, tauchten plötzlich die monströsen Silhouetten vieler Dutzend spinnenbeiniger Kriegsmaschinen und scheppernder Cybots auf, die inmitten der Rauchsäulen und brennenden Trümmer vorrückten. Berossus' dämonische Kriegsmaschinen schritten durch die zertrümmerten Bollwerke, arbeiteten sich durch die Leichenfelder und kletterten
über die Felsen zum ramponierten Hang, der zur nächsten Festungsebene führte. »Wie vorausgesagt«, sagte Onyx, der den Vormarsch der dämonischen Maschinen ebenfalls beobachtete. Honsou nickte und lauschte dem heulenden Gekreisch der Furcht einflößenden Kriegsmaschinen, das zur nächsten Verteidigungsebene emporscholl, da Hunderte der klauenbewehrten und schnappenden Ungeheuer ihre stachelige Fülle zu den Verteidigern über ihnen schleppten. Die nächste Schanze befand sich gut fünfhundert Meter oberhalb der unteren Bollwerke, viele Ebenen unter der Stelle, wo Honsou und seine Unterführer standen und zusahen, aber die Dämonenmaschinen würden nicht lange brauchen, um die Verteidiger zu erreichen. Diese schossen auf die kletternden Maschinen, die jedoch nichts aufhalten konnte. Der Artilleriebeschuss von unten wurde mit donnerndem Crescendo fortgesetzt, und die ersten Salven explodierten in der Felswand zwischen den Verteidigern und den kletternden Dämonenmaschinen. Felsbrocken so groß wie Panzerfahrzeuge kollerten den Abhang hinunter und walzten eine Reihe von Cybots zu abgeflachten Metallklumpen platt, während das Artilleriefeuer anhielt, da sich die Kanoniere langsam auf ihre Ziele einschossen. »Jetzt?«, fragte Obax Zakayo. Honsou schüttelte den Kopf. »Nein, die Cybots sollen ruhig noch näher kommen.« Obax Zakayo nickte und sah zu, wie die ersten spinnenartigen Dämonenmaschinen die nächste Ebene erreichten. Ihre gewaltigen klauenbewehrten Scheren packten Soldaten und rissen sie auseinander. Sie heulten beim Töten, da sie das Gemetzel genossen, und warfen die Leichen hinter sich in den Abgrund. »Jetzt«, sagte Honsou. Obax Zakayo nickte und sprach ein einzelnes Wort in die KomEinheit seiner Servorüstung. Honsou beobachtete mit Genuss, wie der Boden auf Höhe der Bollwerke unter ihm zitterte und bebte, als sei ein Erdbeben ausgebrochen. Riesige klaffende Spalten öffneten sich quer durch die Bollwerke und spalteten den Fels mit einem hohlen Krachen, das dem Geschützdonner gleichkam. Rauch und Flammen brachen aus den Spalten hervor, als der Boden unter der
gesamten vorderen Hälfte der Bollwerke absackte und splitterte. Mit einem ächzenden Knirschen explodierten Millionen Tonnen Felsgestein, lösten sich von der Seite Khalan-Ghols und stürzten die Felswand hinunter. Tausende von Khalan-Ghols Soldaten wurden schreiend in den Tod gerissen, aber die Lawine aus Geröll und Trümmern fegte außerdem alle Dämonenmaschinen vom Hang und zerquetschte sie unter der unaufhaltsamen Gesteinsflut. Hunderte wurden unter dem Berg begraben. Ihr kreischendes Gebrüll hallte aus dem Gestein, als die mystischen Bindungen rissen und die Dämonen darin aus ihren eisernen Gefäßen gefegt wurden. Honsou lachte, als er sah, wie sich die Cybots und viele tausend Feindsoldaten unter ihnen zur Flucht wandten, obwohl sie keine Möglichkeit mehr hatten, dem Erdrutsch zu entkommen. Die Gesteinsflut fegte über sie hinweg und prasselte die Hänge hinunter, die zu erobern sie gekämpft und geblutet hatten. Das Poltern knirschenden Gesteins verhallte langsam, ebenso wie das Tosen und Krachen der Geschütze, da Berossus erkannt hatte, dass der Beschuss ohne Sturmangriff tatsächlich eine Verschwendung war. Honsou wandte sich von der Massenvernichtung ab, die er entfesselt hatte. Jetzt würde Berossus wissen, dass ihm ein echter Kampf bevorstand. Der unwandelbare Himmel und die statische Sonne machten es unmöglich, das Verstreichen der Zeit an ihrer Umgebung festzumachen, und der interne Chronometer auf Uriels Visier zeigte eine ständig fluktuierende Zeit an, die er schließlich ausschaltete. Ganz sicher waren Tage verstrichen, aber wie viele, war ein Rätsel. Er hatte gehört, dass im Auge des Schreckens die Zeit anders ablief, und dachte sich, dass derartige Affronts gegen die Naturgesetze wohl keine Überraschung sein sollten. »Imperator, ich hasse diesen Ort«, sagte Pasanius, während er sich über einen Haufen verbogenen Eisens arbeitete, das aus dem Felsgestein des Bergs ragte. »Hier gibt es nichts, was natürlich wäre.« »Nein«, gab Uriel ihm recht, der trotz der Bemühungen seiner Rüstung, seine Körperausscheidungen zu Trinkwasser und
Nährpasten wiederaufzubereiten, müde und hungrig war. »Das ist ein Ödland des Todes. Nichts könnte hier leben.« »Ich glaube, hier lebt etwas«, sagte Pasanius mit einem Blick auf die finsteren Berggipfel ringsumher. »Ich weiß nur nicht, was oder ob ich es überhaupt herausfinden will.« »Wovon redest du?« »Hast du es nicht gespürt? Dass wir beobachtet werden? Verfolgt?« »Nein«, sagte Uriel, beschämt darüber, dass ihm sein Gefahreninstinkt abhanden gekommen zu sein schien. »Hast du irgendwas gesehen?« Pasanius schüttelte den Kopf. »Nichts mit Gewissheit, nein, aber ich glaube eigentlich ständig, dass ich irgendwas sehen kann, ich weiß nur nicht, was.« »Irgendwas? Was für eine Art Irgendwas?« »Ich bin nicht sicher. Es ist wie ein Huschen im Augenwinkel, das verschwindet, sobald ich es anschauen will«, sagte Pasanius düster. »Etwas Rotes...« »Das ist dieser Ort«, sagte Uriel. »Die Höhle des Feindes wird versuchen, deine Sinne in die Irre zu führen und zu täuschen. Wir müssen stark im Glauben sein und seiner bösen Zauberei widerstehen.« Pasanius schüttelte den Kopf. »Nein, es hat nichts mit dem Feind zu tun, sondern lebt hier. Ich glaube, es ist das, was die Leute in der Höhle getötet hat.« »Was die Leute in der Höhle getötet und gehäutet hat, war böse und ein Feind alles Lebendigen. Sollen sie kommen, was sie auch sind, sie werden nur den Tod finden.« »Aye«, stimmte Pasanius zu, während sie weiterkletterten. »Tod.« Die belagerte Festung war einstweilen nicht zu sehen, da der Weg aus den Tunneln sie tiefer in die felsigen Rinnen und Spalten des Gebirges führte. Der weiße Himmel strahlte auf sie nieder, greller als die grellste Sonne, und Uriel achtete darauf, nicht nach oben in die einförmige Leere zu schauen. Einmal glaubte er einen Blick auf die roten Dinger zu erhaschen, von denen Pasanius behauptete, dass sie ihnen folgten, doch sie trotzten jedem seiner Versuche, sie richtig in Atigenschein zu nehmen. Schließlich gab er auf, nicht in der Lage, sie auszumachen, und konzentrierte sich einfach nur darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Die harsche metallische Schicht auf dem Boden knirschte unter den Stiefeln, und ab und zu sahen sie vergitterte Abluftschächte im Fels, die heißen Dampf ausspien, der nach bearbeitetem Metall roch. Die Luftschächte verschwanden im Berg, und ihre Dunkelheit war sogar für die verstärkte Sicht der Space Marines undurchdringlich. Uriel sah rauchende Schlote viele hundert Meter über ihnen, viele tausend klobige Schornsteine, die den Kamm wie große Masten säumten und ätzende Dämpfe in die Atmosphäre bliesen. Doch wie viel schwarze Abfallprodukte auch in die Luft gespien wurden, der tote Himmel über ihnen war immer leer und bedrückend. Über den Bergspitzen vor ihnen konnte Uriel etwas sehen, das wie aufgeblähte Luftschiffe aussah. Sie schwebten irgendwo voraus über den Bergen, und aus ihren Bäuchen hingen lange Kabel herab, doch ob diese sie einfach am Boden verankerten oder sie als eine Art Sperrballon nutzbar machten, konnte Uriel nicht sagen. Vielleicht sollten sie ja die Deliriumgespenster von einer bisher noch unsichtbaren Anlage fernhalten. Während ihr müder Marsch durch die stinkende Bergluft anhielt, passierten die beiden Space Marines einen Steinbruch, an dem die Seite einer der gigantischen Schlote bloßlag. Rötlich-braune Flecken quollen aus den Gelenken zwischen den massiven, rundlichen Segmenten, aus denen der Schlot bestand, und das Gestein strahlte eine mörderische Hitze in pulsierenden Wellen aus. »Was glaubst du, wohin der führt?«, sagte Uriel. »Das weiß ich nicht. Vielleicht gibt es eine Manufaktur unter dem Berg.« Uriel nickte und fragte sich, welche diabolischen Produkte unter ihren Füßen wohl erzeugt wurden. Starben gerade Männer und Frauen bei der Herstellung von Waffen, Rüstungen und Nachschub für die Kriegsmaschinerie der gefürchteten ChaosLegionen? Es wurmte ihn, dass er nichts dagegen unternehmen konnte, aber welche Wahl hatten sie? Die heilige Aufgabe des ihnen von Marneus Calgar auferlegten Todeseides hatte Vorrang vor allem anderen. Die dämonischen Gebärkreaturen... diese Daemonculaba befanden sich in der belagerten Festung, die sie gesehen hatten, als sie aus der Dunkelheit der Tunnel unter dem Gebirge gekrochen waren, und nichts konnte Uriel daran hindern,
diesen verfluchten Ort zu erreichen. Uriel und Pasanius erklommen einen zerklüfteten, sägeblattartigen Kamm, dessen Seiten steil und geriffelt waren, als sei eine riesige Planierraupe mit Räumschaufel darüber hinweggefahren. Eine schwarze Senke aus gesplittertem Gestein und Eisen mit einem Durchmesser von vielen tausend Metern fiel auf der anderen Seite steil nach unten, und eiserne Säulen und verbogene Träger ragten wie Krallenfinger aus dem Berg. Die Senke schien ein perfekter Kreis zu sein, obwohl es schwer einzuschätzen war, denn Sandkörner und Eisenspäne wirbelten in heulenden Strudeln über dem kreisrunden Tal umher. Ein schmaler Spalt aus weißem Himmel war gerade noch am anderen Ende der Senke zu sehen, doch Uriels gesamte Aufmerksamkeit war auf die Mitte der Senke gerichtet. »Im Namen des Imperators...«, hauchte Uriel angewidert. Eine riesige Gitterplattform füllte die Mitte der Senke aus. Zusammengeklumpte Staubschichten bedeckten die Oberfläche, und durch die perforierte Oberfläche tropften geleeartige Rinnsale aus Fett und Innereien. Große Stangen ragten aus der Plattform, die von bebenden Ankern aus Stahl an Ort und Stelle gehalten wurde, die sangen, da der unnatürliche Wind hindurchpfiff. Zwischen den Stangen waren wallende Segel aus Haut über Holzrahmen gespannt, auf dass die windgepeitschten Partikel sie von allen Rückständen ihrer ehemaligen Besitzer freigeben mochten. Monströse entartete Geschöpfe, die Gummimasken mit runden Augengläsern und geriffelten Schläuchen trugen, welche zu Tanks auf ihrem Rücken führten, kratzten die aufgespannten Häute mit langen hellebardenartigen Werkzeugen ab. Sie schwankten in einem seltsam verdrehten, mutierten Gang über die Plattform und gurgelten einander monotone Befehle zu. »Was geht da vor?«, sagte Pasanius, den der sich ihm bietende Anblick entsetzte. »Es sieht so aus, als würden sie Häute gerben und sauber kratzen«, sagte Uriel. »Aber die Häute wovon?«, sagte Pasanius. »Es können keine Menschenhäute sein, dafür sind sie zu groß.« »Mir ist völlig egal, was es für Häute sind«, knurrte Uriel, indem er sich auf den Weg den rutschigen Hang zur Plattform hinunter machte und sein Schwert mit dem goldenen Heft zog. »Damit ist
es jetzt vorbei.« Pasanius nahm seinen Flammenwerfer und prüfte den Brennstoffstand, während er Uriel folgte. Wenn die mutierten Kreaturen sie zur Kenntnis nahmen, ließen sie es sich nicht anmerken. Der heulende Wind und der entfernte Geschützdonner übertönten die Geräusche ihrer Annäherung. Doch was ihnen an Aufmerksamkeit fehlte, machten sie durch gründlichen Eifer wett, da sie ihre Hellebarden immer wieder der Länge nach über die wehenden Häute zogen, um sie von allem zu befreien, was der peitschende Wind übrig gelassen hatte. Uriel erblickte eine steinerne Treppe, die zur Plattform führte, und folgte ihr hinauf, indem er mehrere Stufen auf einmal nahm, während sich seine Wut immer mehr steigerte. Der erste Mutant starb mit einem erstickten Kreischen auf Uriels Schwertspitze, der zweite fiel ohne einen Laut, da Uriel ihn mit einem Schlag enthauptete. Sich mittlerweile der Angreifer in ihrer Mitte bewusst, sprengten die verbliebenen Mutanten auseinander. Eine Flammenwand verbrannte weitere, deren Geschrei in Schmerzgeheul überging, als die trikotartige Gummikleidung auf ihrem verderbten Fleisch schmolz. Das Gemetzel war nach wenigen Augenblicken vorbei, da die verwachsenen Mutanten der Kraft und der Wildheit der Adeptus Astertes nichts entgegenzusetzen hatten. Die meisten wandten sich zur Flucht, aber vor Uriels Zorn gab es kein Entrinnen. Als die letzte mutierte Kreatur unter seiner Klinge fiel, holte Uriel tief Luft. Das Niedermetzeln dieser widerwärtigen Geschöpfe hatte ihm außerordentliche Freude bereitet. Was für abscheuliche Bestien sie im Leben gewesen sein mochten, jetzt waren sie nur noch totes Fleisch. Er drehte sich um, als Pasanius sagte: »Uriel, sieh doch...« Er zeigte auf die nächste Haut. Uriel spürte, wie sich sein Herz in der Brust zusammenkrampfte, als er die toten Züge einen Menschen über der riesigen Hautfläche sah. Beinahe jenseits allen Wiedererkennens gedehnt, aber eben doch unverkennbar die Züge eines Menschen. »Heiliges Blut. Aber wie kann ein Mensch so riesig werden?«, sagte Pasanius. Uriel schüttelte den Kopf. »Nicht auf natürliche Weise.« »Aber warum?«
»Die Wege des Feindes sind unergründlich«, sagte Uriel. »Und das bleibt auch besser so.« »Was sollen wir machen?« Uriel drehte sich einmal im Kreis und sah Reihe um Reihe von Gesichtern auf den Häuten - tote schlaffe Züge von Männern und Frauen, die auf ihn herabstarrten, als sei er Untersuchungsgegenstand im Operationssaal eines Anatomen. »Verbrenn sie«, sagte er. »Verbrenn sie alle.«
SECHS Mit dem Gestank von verbranntem Fleisch in der Nase verließen Uriel und Pasanius die Senke im Fels und überließen die schwelenden Überreste dem peitschenden Wind und den Aasfressern, wie diese auf Medrengard auch aussehen mochten. Durch die Tötung der Mutantenwesen gestärkt und von neuer Entschlossenheit erfüllt, war ihr Schritt rasch und energisch, aber als sie den schmalen Einschnitt im Fels passierten und den Aufstieg der abgenutzten, in das Gestein gemeißelten Stufen begannen, hatte sich das Bleigewicht der Dämonenwelt schon wieder auf sie gelegt. Uriel warf einen Blick zurück auf die brennenden Häute und spürte, wie sein Hass auf das, was man diesen Leuten angetan hatte, ebenso hell loderte. Er wusste, dass ihn das Bild der Züge des Gehäuteten sein Leben lang verfolgen würde, und fühlte sich an das Grauen der Fleischskulptur erinnert, die der hassenswerte Xeno-Chirurg unter dem Anwesen von Kasimir de Valtos auf Pavonis erschaffen hatte. Durch seine bloße Anwesenheit hier fühlte er sich vergiftet, als verhärte sich seine Seele oder werde ihm aus dem Leib gesogen, um das tote Gestein unter seinen Füßen zu nähren, so dass er selbst weniger würde. Die Leere Medrengards höhlte ihn aus und reduzierte ihn zu einer bloßen Hülle seiner selbst. »Was wird bleiben«, flüsterte er, »wenn diese Welt mir auch das Letzte raubt?« Für ihn war nicht zu übersehen, dass Pasanius ebenso empfand. Seine Wangen waren eingefallen und die Augen glasig, während er die gewundene Treppe erklomm. In diesem Augenblick stolperte Pasanius, und sein silberner Arm streckte sich, um den
Sturz abzufangen, aber im letzten Moment riss sein Freund den Arm zurück und fiel so auf die Knie. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Uriel. »Aye«, nickte Pasanius. »Ist nur schwierig, sich zu konzentrieren, ohne einen Feind, den man bekämpfen kann.« »Keine Sorge, mein Freund«, sagte Uriel. »Sobald wir diese Festung erreichen, werden wir ganz sicher reichlich Feinde haben. Wenn es stimmt, was uns der Omphalos Daemonium erzählt hat, werden wir sie im Überfluss haben.« »Glaubst du, ein Dämon des Herrn der Schädel ist fähig, die Wahrheit zu sagen?« »Das weiß ich nicht mit Sicherheit«, sagte Uriel aufrichtig, »aber ich glaube, Dämonen hüllen nur in Lügen, was sie müssen, und umgeben einen Kern von Wahrheit mit Schleiern der Täuschung. Ein Teil von dem, was er uns erzählt hat, stimmt, davon bin ich überzeugt, aber welcher Teil das ist... wer weiß?« »Was tun wir also?«, fragte Pasanius. »Was wir können, mein Freund«, sagte Uriel. »Wir werden mit Mut und Ehre handeln und hoffen, dass das reicht.« »Es wird reichen müssen«, sagte Pasanius. »Mehr haben wir nämlich nicht mehr.« Der Marsch durch die Berge schien kein Ende zu nehmen, und der Weg durch die geschwärzte felsige Einöde ließ mit jedem Schritt ihren Mut sinken. Sie sahen mehr von den Dampf absondernden Abluftgittern, und der stechende Geruch der großen Schlote war ihr ständiger Begleiter, als sie sich dem Gipfel eines weiteren Felszackens näherten. Je weiter sie kamen, desto mehr Tod sahen sie. Gebleichte Knochen lagen überall zwischen den Felsen verstreut, doch Uriel konnte nicht ergründen, wie sie hergekommen waren. Kein Fetzen Fleisch hing noch an den Knochen, aber es ließ sich unmöglich sagen, ob sie von Aasfressern abgenagt oder das Fleisch abgekocht worden war. Giftige Wolken aus Smog und Asche hielten sich dicht über dem Boden. Sie lauerten in Felsspalten wie Raubtiere mit Fangarmen aus Dampf, die durch die Luft trieben wie unterseeische Pflanzenwedel. Uriel nahm kurz den Helm ab, um einen Klumpen brackigen Speichel auszuspeien, dessen Substanz schwarz und klebrig war.
Sein verstärkter Metabolismus versetzte ihn in die Lage, derartige Gifte in der Luft zu überleben, aber das machte sie nicht weniger unangenehm. Mehrfach waren sie gezwungen, zischende Bäche aus geschmolzenem Metall zu überqueren, die durch breite Abzugsgräben zu den Schmelzhütten und Schmieden in den Ebenen flossen. Die Hitze stieg an, und große Geysire aus kochendheißem Dampf und glühender Asche schossen aus Abzugsschächten und Rissen im Fels. Ohne ihre gesegnete Servorüstung und genetisch veränderte Physiologie hätten Uriel und Pasanius den Marsch nicht überleben können. Wieder meinte Uriel die rötlichen Dinger zu erblicken, von denen Pasanius glaubte, dass sie ihnen folgten, aber jedes Mal verschwanden sie einfach im Fels und blieben unsichtbar. Scharen der Deliriumgespenster kreisten hoch am Himmel, und Uriel hatte den Verdacht, dass sie nur die Hitze der lavaheißen Metallströme und die Geysire aus kochendem Wasser in Schach hielten. Als er eine zickzackförmige Spalte im Boden passierte, brach plötzlich eine zischende Säule einer kochenden Flüssigkeit daraus hervor. Dampf wallte rings um ihn auf und blendete ihn, und er stolperte davon, während ein Hagel von Gegenständen rings um ihn zu Boden fiel. Hustend und spuckend spürte er, wie die Hitze ihm die Speiseröhre verbrannte. Er wischte sich Flüssigkeit vom Visier und sah einen Knochenregen auf den Berg fallen, die durch die sprühenden Geysire von irgendwo tief unter der Erde hoch in die Luft geschleudert worden waren. »Tja, zumindest wissen wir jetzt, woher die Knochen stammen«, sagte Pasanius. Die seltsamen Objekte, die Uriel vor der Entdeckung der Häutungsplattform am Himmel gesehen hatte, kamen wieder in Sicht, als sie sich der Spitze näherten, aufgequollene, ledrige, ballonartige Körper in der Luft, von denen Kabel herabhingen und die über etwas jenseits des Kamms aus schwarzem Gestein schwebten. Nun, da sie näher heran waren, konnte Uriel erkennen, dass seine anfängliche Annahme, es handle sich um eine Art von primitiven Sperrballons, richtig war. Dutzende hingen vor ihnen in der Luft, ihre Oberfläche ein Flickenteppich aus ungleichmäßigem Stoff, und nach allem, was sie bisher auf Medrengard gesehen hatten, wollte Uriel nicht so angestrengt darüber nachdenken, aus welchem Material die Hülle bestand.
Der Belagerungslärm war jetzt nicht mehr so weit entfernt, und das Donnern der Artillerie kam mit jedem Schritt näher. »Wer auch immer versucht, diese Festung einzunehmen, ist in der Tat entschlossen, in seinem erstaunlichen Munitionsverbrauch nicht nachzulassen«, sagte Uriel, als er den nächsten Felsgrat erklomm. Seine Panzerhandschuhe waren ramponiert und vernarbt, da die messerscharfen Felszacken von Medrengard bei jedem Handgriff an ihnen rissen. Pasanius nickte schwer atmend, während er Uriel folgte. Der massige ehemalige Sergeant setzte seinen Helm ab und spie den Geschmack dieser Welt aus. »Ja, ich glaube, wir sind nicht die Einzigen, sie sich für dieses Blutherz interessieren.« »Glaubst du, der Belagerer ist hinter dem Blutherz her?« »Ich weiß es nicht, aber es wäre sicher eine Erklärung. Wie du gesagt hast, er ist entschlossen.« »Die Armeen der Dunklen Mächte führen zu ihrem Vergnügen Krieg gegeneinander. Das muss nichts bedeuten.« »Richtig, aber was ich von Bibliothekar Tigurius über die Iron Warriors erfahren habe, weckt in mir die Überzeugung, dass sie von Verbitterung und Böswilligkeit verzehrt werden und nicht dazu neigen, kapriziösen Launen nachzugeben. Wer diese Festung angreift, tut das nicht nur zu seinem Vergnügen.« »Du könntest recht haben«, stimmte Uriel zu. »Komm weiter, es gibt nur einen Weg, es herauszufinden. Der Gipfel ist nah.« Sie setzten sich wieder in Bewegung, und nach weiterem vielleicht einstündigem Klettern durch stinkende Dampfschwaden und noch mehr Knochenfelder erreichten sie den Gipfel. Uriel hatte damit gerechnet, dass der Boden dahinter steil zur Ebene abfallen werde, doch stattdessen erstreckte er sich zu einem ebenen geröllübersäten Plateau aus gezackten Felsspitzen und gewundenen Spalten, aus denen gelblicher Nebel quoll. Einer der aufgeblähten Ballons stand beinahe direkt über ihnen, und Uriel sah jetzt, dass die herabhängenden Kabel mit Dornen versehen und so dick wie der Oberschenkel eines Menschen waren und Furchen in den grauen Metallstaub des Bodens kratzten, da sie hin und her trieben. »Hör doch«, sagte Uriel und ließ sich auf ein Knie sinken. Pasanius blieb stumm, neigte den Kopf und lauschte auf das, was Uriel gehört hatte. Zwischen dem tiefen Donnern des Artilleriebeschusses und dem
Gehämmer der entfernten Schmieden war ein pulsierendes mechanisches Geräusch, wie es zum Beispiel eine Reihe von Generatoren erzeugt haben würde. Zwar war es schwierig, ein bestimmtes Geräusch aus dem allgegenwärtigen Hintergrundlärm Medrengards herauszuhören, aber Uriel war sicher, dass es von vorn kam und ganz nah war. »Wofür hältst du das?«, fragte er. »Maschinen vielleicht?«, schlug Pasanius vor. »Vielleicht«, nickte Uriel. »Vielleicht etwas, das wir stehlen können.« »Genau mein Gedanke«, grinste Uriel, während er sich aufrichtete, vorsichtig durch die wallenden Bänke aus stinkendem Nebel schlich und sich dabei eng an die hohen Felsnadeln schmiegte. Die Geräusche wurden lauter, als sie sich näherten, und als sich die Smogwolken teilten, sah Uriel auch ihren Ursprung. Ein ausgedehnter Komplex aus Wellblechgebäuden, jedes so groß wie ein großes Lagerhaus, bedeckte das Plateau. Er war von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben, der oben in einem Wald von Eisenstacheln endete. Ausgetrocknete Leichen hingen an dicken Holzpflöcken entlang des Zauns, deren Glieder in unnatürlichem Winkel um die Holme verdreht waren. Aschefarbene Rauchsäulen quollen aus einem Gebäude aus schwarzen Ziegeln nahe der Mitte des Lagers, und ein leises Stöhnen lag in der Luft. Die Felsen waren mit einem schmierigen, fettigen Rückstand überzogen, und Uriel nahm einen widerlichen Gestank wahr, der ihn an verdorbenes Fleisch erinnerte. »Dieser Ort stinkt nach Tod«, flüsterte er. In der Mitte des Lagers reckte sich ein hoher gepanzerter Turm in den Himmel. Dicke Eisenträger und Ankerkabel stützten eine monströse Konstruktion, die dem Kopf einer gigantischen Dämonenkreatur ähnelte. Flammen sprühten aus Augen und Nüstern, und der klaffende Mund war mit langen Geschützläufen gefüllt. Zwei Bunker bewachten den Eingang des Lagers, deren Spitzdächer mit Stacheln versehen waren. Uriel sah das Glitzern schwerer Geschütze durch die Schießscharten und wusste, dass sie die einander überlappenden Schussfelder beider Bunker durchqueren mussten, wenn sie sich diesem Todeslager nähern wollten. Jenseits des Stacheldrahtzauns konnte Uriel Krieger in
eisengrauer Rüstung erkennen, die in dem Lager patrouillierten, und er spürte, wie sein Hass hochgespült wurde. »Iron Warriors!«, zischte Pasanius. »Iron Warriors«, wiederholte Uriel, wobei er das Heft seines Schwerts fester umklammerte. Verräter. Widernatürliche Scheußlichkeiten. Chaos Marines... gab es einen Feind, der schändlicher war? Diese Krieger wollten alles verderben, woran Uriel glaubte, und die Vernichtung des Reichs des Imperators herbeiführen. Jede Faser seiner Seele schrie nach Vergeltung. »Was ist das hier?«, fragte Pasanius, als die Türen eines der Lagerhäuser aufschwangen und eine Schar der schlurfenden Mutantenwesen herauskam, die sie auf der Häutungsplattform getötet hatten. Ihnen folgte eine jämmerliche Masse Menschen, gesenkten Hauptes und in sackartige fleischfarbene Gewänder gehüllt. »Eine Art Gefängnis?«, mutmaßte Uriel, während die Mutanten die Gefangenen zu den Toren des Lagers trieben. Waren alle diese Gebäude mit Gefangenen gefüllt? Der große Dämonenkopf auf dem Turm drehte sich auf knirschenden Zahnrädern der hundert Mann starken Kolonne zu, und gewaltige Feuerstrahlen schossen aus seinen Augen. Eine donnernde Stimme dröhnte aus seinem Mund in einer Sprache, die Uriel nicht verstand, deren Klang aber krampfartige Schmerzen in seinen Muskeln und Gelenken auslöste, als halle das Geräusch in den finstersten Nischen seines Verstandes wider. Die Gefangenen marschierten durch das Lager, wobei die Mutanten mit knisternden Stöcken nach ihnen stießen und mit Knüppeln mit eiserner Spitze auf sie einschlugen. Die Iron Warriors marschierten vor der Kolonne und trugen dabei scheußlich pervertierte Bolt-gewehre vor der Brust. Bei ihrer Annäherung öffnete sich kreischend das Tor, und die daran hängenden Leichen bebten und wackelten in einer grotesken Imitation von Leben. »Wohin bringen sie sie?«, fragte sich Uriel. »Oh, Imperator, nein«, flüsterte Pasanius. »Sie bringen sie...« »Zur Plattform, um sie lebendig zu häuten...«, beendete Uriel den Satz, als er sah, dass die Gefangenen gar nicht in sackartige Gewänder gehüllt, sondern allesamt vollständig nackt den Elementen ausgesetzt waren. Ihre Haut hing ihnen in riesigen
Falten vom Leib, durch irgendeine unbekannte Methode über alle normalen Proportionen hinaus gedehnt. Hautlappen hingen von ausgemergelten Armen, Brustkörben, Beinen und Hinterbacken. Männer und Frauen hielten Lagen um Lagen ihrer gedehnten Haut an sich gepresst, um nicht darüber zu stolpern, und hängende Bäuche und schlaffe Brüste hingen wie leere Säcke aus getrocknetem Leder an ihren abgemagerten Leibern. »Sie bringen sie zur Häutungsplattform. Nein, nein...«, sagte Uriel. »Aber warum?« »Spielt das eine Rolle?«, fauchte Pasanius, indem er seinen Flammenwerfer fester umklammerte und der silberne Finger über dem Zündknopf schwebte. »Wir können dieses Grauen nicht ungestraft andauern lassen!« Uriel nickte, da sein Hass auf die Iron Warriors neue Höhen erreichte, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben. Diese Kolonne anzugreifen wäre Selbstmord. Sie befanden sich direkt vor den Bunkern und dem Geschützturm, von den drei Iron Warriors ganz zu schweigen. Aber solch einen Affront gegen die Menschheit ungestraft lassen? Diesen Verrätern zu gestatten, diese Menschen abzuschlachten wie Vieh? Pasanius hatte recht, so viel Böses durfte nicht bestehen bleiben. Er konnte rechtschaffenen Zorn in Pasanius' Augen erkennen, aber auch noch etwas anderes, etwas Finstereres. Uriel sah das Licht eines Eiferers in den Augen seines Schlachtbruders, das Licht von einem, der mit einem Todeswunsch in den Kampf zieht, wo das Überleben unwichtig ist. Steckte mehr hinter Pasanius' Verlangen zu kämpfen als die offensichtlichen, auf Menschlichkeit beruhenden Gründe? Uriel kam es so vor, aber die Fragen stellten sich erst, wenn oder falls sie die nächsten paar Minuten überlebten. Uriel zog sein Schwert und legte den Daumen auf die Aktivierungsrune. Er legte die Hand auf Pasanius' Schulterschutz und sagte: »Wenn wir nicht überleben, dann war es mir eine Ehre, dich meinen Freund zu nennen.« Pasanius nickte, antwortete aber nicht, da er den Blick nicht von der sich nähernden Kolonne aus Sklaven, Mutanten und Iron Warriors nahm. Seine Augen verengten sich plötzlich, und er deutete mit einem
Kopfnicken auf eine Stelle hinter Uriel. »Was im Namen des Imperators hat das zu bedeuten?« Uriel drehte sich um und sah eine Reihe von Gestalten, die sich verstohlen zwischen den hohen Felsnadeln rings um das Lager bewegten. »Sind das die Wesen, die uns durch die Berge gefolgt sind?« »Nein«, sagte Pasanius. »Das glaube ich nicht. Sie sehen aus wie...« »Space Marines!«, hauchte Uriel, als er sah, wie sich zwei Gestalten in grüner Servorüstung hinter einer Gruppe von Felsblöcken erhoben und mit Raketenwerfern auf das Lager zielten. Die Iron Warriors der Eskorte hatten die Gestalten über ihnen noch nicht bemerkt, und Uriel ging mit wilder Begeisterung auf, dass es sich um einen Überfall handeln musste! Zwei Raketen zischten aus den Waffen der Space Marines und rasten dem linken Bunker entgegen, trafen den Beton und hüllten ihn in eine grelle Explosion aus Feuer und Rauch. Von irgendwo hoch über Uriel und Pasanius hämmerte ein zweites Paar Kondensstreifen gegen den anderen Bunker, der ebenfalls in einer feurigen Explosion verschwand. Gefangene schrien, und Iron Warriors brüllten den Mutantentreibern Befehle zu, während nun mehr Krieger in Servorüstung aus ihren Verstecken auftauchten, da die Falle zugeschnappt war. Boltgeschosse sprengten eine Bahn durch die Gefangenen, und Blut und Geschrei erfüllten die Luft, als sie starben. Weitere Raketen zischten los und trafen die Bunker, und Uriel hörte das Bersten von Mauerwerk, das infolge der Explosionen einstürzte. »Los!«, rief Uriel, indem er sein Schwert aktivierte und aus seiner Deckung der panischen Kolonne der Gefangenen entgegenstürmte. Pasanius war dicht hinter ihm, da am Ende seiner Waffe eine blaue Zündflamme zum Leben erwacht war. Uriel sah, wie ein Iron Warrior einen Gefangenen mit dem Gewehrkolben niederstreckte, und wählte ihn zum Angriffsziel. Der Krieger überragte Uriel um Kopf und Schultern, und seine Rüstung war mit Stacheln besetzt und mit unreinen Symbolen bemalt. Zwei gebogene, gewundene Hörner sprossen aus seinem Helm, und er trug ein brutales Schwert mit kreischenden Sägezähnen. Er fuhr herum, als er Uriels wilden Ansturm hörte, und hob die Waffe, doch es war bereits zu spät. Uriels Schwert
fuhr durch den Brustharnisch des Iron Warriors, so dass schwarzes Blut spritzte und der Iron Warrior vor Schmerzen brüllte. Pasanius hüllte einen zweiten Iron Warrior mit mechanischen Scherklauen anstelle von Händen in einen Feuerstrahl, und eine Explosion fegte durch die Gefangenen, als ein mit Treibstoff gefüllter Tank auf dem Rücken des Chaos Marines explodierte. Uriel hörte das Krachen von Boltgewehren von oben und sah Dutzende von Kriegern in unterschiedlich gefärbten Servorüstungen aus ihrer Deckung stürmen. Er wich behände aus, als der Iron Warrior sein Schwert in plumpem Bogen schwang, um ihn zu enthaupten, und hieb ihm das Schwert in die Flanke, das eine ganze Handspanne tief in seine Rüstung eindrang. Mehr Raketen jagten aus den Felsen heran, trafen den Dämonenkopf und schleuderten ihn zurück. Dicke Kabelverankerungen rissen und peitschten umher, während der Dämonenturm brüllte. Großkalibrige Geschosse fegten aus seinem Mund, sprengten große Furchen in den Boden und trafen Freund und Feind gleichermaßen, da sie ziellos durch das Lager fegten. Die Mutanten in ihren Gummi-Anzügen prügelten die Gefangenen ins Lager zurück, so dass das Blut spritzte und die erbärmlichen Sklaven jämmerlich schrien. Der Iron Warrior brüllte vor Wut, trat vor und rammte Uriel die Faust vor die Brust. Seine Kraft war phänomenal, auch für einen, der durch genetische Veränderungen stärker gemacht worden war, und Uriel wurde zurückgeschleudert und rutschte durch die Asche, während der Angreifer sein Schwert zu einem beidhändigen Todeshieb erhob. Uriel zog seine Pistole und feuerte zwei Schüsse ab, die von der Rüstung des Iron Warriors abprallten. »Jetzt stirbst du, Abtrünniger!«, brüllte der Verräter. Uriel wälzte sich zur Seite, als das kreischende Schwert heruntersauste und nur den Boden traf, während er dem Iron Warrior vor die Kniescheibe trat. Er brüllte bei dem Tritt und legte seine ganze Kraft hinein, und er spürte, wie die Rüstung seines Feindes barst und das Knie zersplitterte. Der Iron Warrior heulte und fiel zu Boden. Uriel gab ihm keine Gelegenheit, sich zu erholen, sondern sprang auf und stieß ihm sein Schwert in die Brust.
Der Krieger packte seinen Hals und lachte kehlig, und Uriel spürte die immense Kraft in dem Griff. Er drehte die Klinge, und Blut spritzte auf seine Hände, als die Wunde weiter aufriss. Der Griff des Iron Warriors um seinen Hals verstärkte sich, und er hörte ein Gelenk in seinem Nackenschutz knacken, als sein sterbender Feind versuchte, das Leben aus ihm herauszuwürgen. Uriel rammte seinem Gegner wieder und wieder die Faust seitlich gegen den Helm und hämmerte auf dessen Schädel ein, bis der Griff des Iron Warriors endlich erschlaffte. Uriel taumelte von dem toten Iron Warrior weg und sah die Space Marines durch das offene Tor ins Lager stürmen. Die Bunker waren nur noch rauchende Trümmer und von innen Schlachthäuser. Der Dämonenturm schoss auf die Reihen der angreifenden Space Marines, und einige fielen, aber die meisten rappelten sich wieder auf und warfen sich in jede verfügbare Deckung. Mutanten flohen vor dem Zorn der Angreifer, wurden aber ohne Gnade niedergemacht, mit dem Schwert zerhackt oder mit Panzerhandschuhen totgeschlagen. Der Beschuss aus dem Turm setzte den Angreifern heftig zu, und als sein feuriger Blick über das Plateau schweifte, hatte Uriel das widerliche Gefühl, dass er ihn sah, dass er ihn sah und wiedererkannte... Ein Krieger in nachtschwarzer Servorüstung sprang von einer Felsnadel auf einer Seite des Lagers. Ein Feuerstrahl zuckte aus seinem Rücken, und Uriel sah, dass der Krieger einen Sprungtornister trug. Rauch und Flammen fegten aus den Düsen und beförderten den Krieger durch die Luft, bis er auf dem Kopf des Dämonenturms, landete. Flammen schossen aus seinen Augen, und der Turm erbebte heftig, doch ob dies eine Reaktion auf die Landung des Space Marines oder Ausdruck der Wut des Dämons war, ließ sich unmöglich sagen. Der Krieger hieb mit Klauen nach dem Dämonenschädel, die in Blitze gehüllt waren. Knisternde Bögen aus blauer Energie flackerten, wo er traf, bevor er sich einhändig von der Seite des Kopfes schwang und dabei etwas daran befestigte. Der Turm erbebte heftig, als wolle er den Angreifer abschütteln, aber der dunkel gerüstete Krieger trieb seine Energieklauen in den Dämonenschädel und hielt sich fest. Er schwang um den Turm herum und hieb nach den dicken Kabeln, die ihn hielten, bevor er die Füße gegen eine Wange stemmte und sich abstieß. Seine
Sprungdüsen feuerten, als die Melterbombe explodierte, die er am Dämonenkopf angebracht hatte, und er flog vor der Druckwelle der Explosion davon, welche die Spitze des Turms in einer pilzförmigen Wolke aus weißglühender Energie verdampfte. Mit einem kreischenden Tosen schwankte der Turm trunken, und die wenigen verbliebenen Verankerungskabel sirrten laut, als sie sich strafften, bevor sie mit dem Knall eines Gewehrschusses rissen. Der Turm kippte majestätisch und krachte durch das Wellblechdach des nächsten Lagerhauses, wobei Wolken aus Rauch und Staub aufgewirbelt wurden. Vereinzelt ertönten noch Schüsse aus dem Lager, da die letzten Mutanten zusammengetrieben und getötet wurden, und Uriel stieß einen tiefen Seufzer aus, als er sah, dass der Kampf vorbei war. Er zog sein Schwert aus der Brust des Leichnams vor sich, und als er sich umschaute, sah er einen Iron Warrior auf den Knien, dem das Blut über den Brustharnisch lief, während Pasanius mit seinem eigenen Kettenschwert nach ihm schlug. Der Iron Warrior hatte beide Arme verloren, und der Inhalt seines Bauchs lag auf dem dunklen Boden. Der Kampfgeist war längst aus dem Iron Warrior gewichen, doch Pasanius war immer noch nicht mit ihm fertig. Ein Trupp Space Marines hatte den letzten Iron Warrior umzingelt und ihn ohne Gnade erschossen. Ihre Boltgeschosse waren durch Löcher in seiner zerfetzten Rüstung gedrungen und in seinem Körper explodiert. Erst jetzt, wo der Kampf vorbei war, achtete Uriel wirklich auf die Rüstungen der Space Marines, mit denen er gekämpft hatte. Nicht mehr als zwei oder drei ähnelten sich in Farbe und Konstruktion, und jede wies Spuren schwerer Kämpfe auf, die hastig und mit unzureichenden Mitteln geflickt und repariert worden waren. Fast alle trugen unterschiedliche Ordenssymbole auf den Schulterschützern, und viele hatten sie mit gezackten roten Schrägen übermalt. Jammernde Sklaven hockten in ihren Hautfalten oder hielten einander in ihrem Elend umschlungen. Uriel lief zu Pasanius, der damit fortfuhr, den gefallenen Iron Warrior in Stücke zu hacken. »Pasanius!«, rief Uriel. Er hielt Pasanius' Arm fest, als der zu einem neuen Schlag ausholte. »Pasanius, er ist tot!«
Pasanius' Kopf fuhr herum, und seine Augen funkelten vor Wut. Einen kurzen Moment befürchtete Uriel, etwas Schreckliches habe von seinem Freund Besitz ergriffen, dann verließ ihn die Mordlust, und er ließ die Waffe des Iron Warriors fallen und stieß einen tiefen, schaudernden Seufzer aus. Sein Gesicht war aschfahl ob der von ihm entfesselten Zerstörungswut, als er auf die Knie sank. »Die Wut deines Kameraden steht ihm gut«, sagte eine Stimme hinter Uriel, und als er sich umdrehte, sah er den Krieger in der schwarzen Rüstung vor sich, der den Turm zerstört hatte. Seine Rüstung war weit weg von dem üblichen strahlenden Glanz der Servorüstung eines Space Marines und mit Beulen, Kratzern und Flicken übersät. Heißer Dampf entwich aus den Mündungen seines Sprungtornisters, und ein weißes Symbol - irgendein Raubvogel - war mit einem gezackten roten Kreuz übermalt worden. Sein Helm trug ein ähnliches Symbol auf dem Visier. »Ihr tötet die Iron Warriors beide gut«, sagte er. Uriel betrachtete diesen Space Marine von oben bis unten, bevor er antwortete, und nahm eine selbstsichere, beinahe arrogante Haltung an ihm zur Kenntnis. »Ich bin Uriel Ventris von den Ultramarines, und das hier ist Pasanius Lysane. Wer bist du?« Der Krieger ließ die Energieklauen an seinen Panzerhandschuhen wieder in die Scheide zurückgleiten und löste dann die Vakuumverschlüsse an seinem Nackenschutz. Er setzte seinen Helm ab und nahm einen tiefen Zug von der stinkenden Luft Medrengards, bevor er antwortete. »Ich bin Ardaric Vaanes, ehemals von der Raven Guard«, sagte er, indem er sich mit der Hand über den Kopf strich. Vaanes' Haare waren lang und dunkel und zu einer straffen Skalplocke zusammengebunden. Seine Züge waren kantig und blass, die violetten Augen saßen tief in den Höhlen und waren zusammengekniffen. Die Wangen waren vernarbt, und auf der Stirn über dem linken Auge hatte er drei runde Narben, die aussahen, als stammten sie von Steckern für langen Dienst, die entfernt worden waren. »Ehemals?«, fragte Uriel wachsam. »Aye, ehemals«, sagte Vaanes, indem er vortrat und Uriel die Hand anbot. Uriel beäugte die dargebotene Hand und sagte: »Ihr seid
Abtrünnige.« Vaanes hielt die Hand noch einen Augenblick länger ausgestreckt, bevor er akzeptierte, dass Uriel sie nicht nehmen würde, und ließ sie dann sinken. Er nickte. »Manche nennen uns so, ja.« Pasanius stellte sich neben Uriel und sagte: »Andere nennen euch Verräter.« Vaanes' Augen verengten sich. »Vielleicht, aber nur einmal.« Die drei Space Marines starrten einander noch ein paar lange Sekunden schweigend an, bevor Vaanes die Achseln zuckte und an ihnen vorbei in das zerstörte Lager marschierte. »Warte«, sagte Uriel, indem er sich umdrehte und dem Abtrünnigen folgte. »Ich verstehe das nicht. Wie kommt es, dass ihr alle hier seid?« »Das, Uriel Ventris, ist eine lange Geschichte«, erwiderte Vaanes, während sie durch das Tor in das brennende Lager schritten. »Aber wir sollten jetzt diesen Ort vernichten und bald von hier verschwinden. Die Hautlosen sind nah, und der Geruch des Todes wird sie rasch hierherlocken.« »Was ist mit all diesen Leuten?«, fragte Pasanius mit einer Geste, die all die weinenden Gefangenen innerhalb und außerhalb des Lagers einschloss. »Was soll mit ihnen sein?« »Wie schaffen wir sie von hier weg?« »Gar nicht.« »Gar nicht?«, schnauzte Uriel. »Warum seid ihr dann überhaupt gekommen, sie zu retten?« »Sie zu retten?«, sagte Vaanes und zeigte dabei auf seine Krieger, die damit begonnen hatten, sich methodisch von Lagerhaus zu Lagerhaus zu arbeiten und Sprengladungen anzubringen. »Wir sind nicht gekommen, um sie zu retten, wir sind gekommen, um das Lager zu zerstören, mehr nicht. Diese Leute bedeuten mir nichts.« »Wie kannst du das sagen? Sieh sie dir an!« »Wenn du sie retten willst, wünsche ich dir viel Glück dabei, Uriel Ventris. Du wirst es brauchen.« »Verdammt Vaanes, hast du keine Ehre?« »Keine nennenswerte, nein«, schnauzte Vaanes. »Sieh sie dir doch an, diese kostbaren Leute, die du retten willst. Sie sind wertlos. Die meisten überleben ohnehin nicht, bis sie die
Häutungsschlucht erreichen, und die es doch schaffen, wünschen sich schnell, sie wären auch gestorben.« »Aber ihr könnt sie doch nicht einfach im Stich lassen«, hakte Uriel nach. »Wir können und wir werden.« »Was ist das hier überhaupt?«, fragte Pasanius. »Ein Gefängnis? Ein Todeslager?« Vaanes schüttelte den Kopf. »Nein, nichts so Normales. Es ist viel schlimmer.« »Was ist es dann?« Vaanes packte die Griffe der Rolltüren des nächsten Lagerhauses, zog sie auseinander und sagte: »Warum findet ihr das nicht selbst heraus?« Uriel wechselte einen Blick mit Pasanius, während Ardaric Vaanes ihnen bedeutete, das Gebäude zu betreten. Ein durchdringender Gestank nach menschlichem Unrat drang nach draußen, vermischt mit dem Geruch nach verwestem Fleisch und Verzweiflung. Brennende Lampen flackerten, und ein leises Schluchzen drang mit dem Gestank ebenfalls nach draußen. Uriel betrat das Gebäude, und seine Augen gewöhnten sich rasch an die Düsternis darin. Von innen erwies sich das Lagerhaus als automatisierte Fabrikanlage. Eisenträger mit baumelnden Ketten und schweren Flaschenzugmechanismen an geölten Laufrollen zogen sich durch die gesamte Länge. Drahtkäfige auf erhöhten Plattformen befanden sich in der linken Gebäudehälfte, und jeder Käfig war mit einer Masse blassen Fleisches gefüllt. Unter dem Dach hingen prall gefüllte Mastsäcke, von denen gurgelnde Rohre und Schläuche nach unten führten. Ein Trog, der nach menschlichen Fäkalien roch, verlief unter den Käfigen, und quoll über von summenden Insekten, die sich davon ernährten. Uriel hielt sich Mund und Nase zu, da sogar seine Systeme Mühe hatten, ihn vor dem entsetzlichen Gestank zu bewahren. Seine Stiefel hallten auf dem Gitterboden, als er sich dem ersten Käfig näherte. Ein nackter Mann befand sich darin, obwohl man ihn kaum so bezeichnen konnte. Sein Körper war immens, aufgebläht und schwabblig, und seine Haut hatte die Farbe und Struktur von Galle, ihr haftete ein grässlicher feuchter Glanz an. Verrostete Klammern hielten seinen Kiefer geöffnet, während geriffelte Schläuche in grotesken peristaltischen Bewegungen pulsierten, da
eine Mischung aus Nährstoffen, Nahrung und Wachstumshormonen in ihn hineingepumpt wurde, während ein anderer Schlauch die ausgeschiedenen Fäkalien abtransportierte. Farbige Drähte und augmetische Stöpsel steckten in der Haut seiner herabhängenden Brust, die zweifellos seinen Herzschlag regulierten und das Herzversagen verhinderten, das seine Körperfülle ansonsten schon vor langer Zeit herbeigeführt hätte. Seine Glieder waren dicke, teigige, graue Fleischklumpen, die durch enge Drahtschlingen gefesselt und somit unbeweglich waren, und seine Züge verloren sich in der aufgequollenen Weite seines Schädels, während die Augen von einem Verstand kündeten, der schon vor langer Zeit Zuflucht im Wahnsinn gesucht hatte. Uriel empfand eine immense Traurigkeit und gleichzeitig ein Grauen ob der Leiden dieses Mannes - was für eine Art Ungeheuer konnte dies einem menschlichen Wesen antun? Er ging weiter zum nächsten Käfig und wurde dort mit einem ähnlichen Anblick konfrontiert. Diesmal war es eine nackte Frau, deren Leib ebenfalls aufgebläht war. Der Bauch war vernarbt und verheert infolge von etwas, das nach wiederholten und unnötigen Operationen aussah. Anders als beim Insassen des vorigen Käfigs kündeten ihre Augen von einem Rest geistiger Klarheit und sprachen sehr beredt zu Uriel von ihrer Qual. Er wandte sich ab, entsetzt über dieses Grauen, und sah, dass sich Hunderte dieser Käfige in der abgedunkelten Hölle befanden. Unbeschreiblich abgestoßen, aber irgendwie doch von einem Drang getrieben, der Sache auf den Grund zu gehen, durchquerte er den Raum, um festzustellen, was auf der anderen Seite des Gebäudes lag. Mehr Käfige nahmen die rechte Seite des Gebäudes in Beschlag, aber diese waren schmaler und von Individuen belegt, die wie die armen Kerle aussahen, welche Uriel einmal auf einer Makropolwelt gesehen hatte, als sie von der Agrarwelt abgeschnitten worden war, von der sie ihre Nahrung bezog. Hungernde Männer und Frauen hingen an Eisenhaken und waren an Maschinen angeschlossen, die sie in einem höllischen Limbus zwischen Leben und Tod hielten, während ihnen von zischenden Pumpen und industriellen Bewässerungsanlagen das Fett abgesaugt wurde. Die Haut hing ihnen locker und in eitrigen Schichten am ausgemergelten Leib. Uriel kannte jetzt das Schicksal derjenigen
in den Käfigen hinter ihm. Sie wurden künstlich gemästet, damit sich die Haut zu obszönen Proportionen dehnte, und dann extrem schnell ihrer Körperfülle beraubt, so dass man ihnen danach sehr viel mehr frische Haut abziehen konnte. Aber warum? Warum gab sich jemand solche Mühe, derartige Mengen menschlicher Haut zu ernten? Uriel fiel keine Antwort ein, und er spürte, wie angesichts der Not dieser Gefangenen alles verzehrendes Mitleid in ihm aufstieg. »Siehst du?«, sagte Ardaric Vaanes, der plötzlich hinter ihm stand. »Du kannst nichts für sie tun. Diese... Geschöpfe zu befreien, ist sinnlos, und ihr Tod wird eine gesegnete Erleichterung sein.« »Heiliger Imperator«, flüsterte Uriel. »Welchen Zweck erfüllt diese Grausamkeit?« Vaanes zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht. Die Iron Warriors haben in den letzten paar Monaten Dutzende dieser Lager in den Bergen errichtet. Sie sind für die Iron Warriors wichtig, also zerstöre ich sie. Das >Warum< spielt keine Rolle.« »Sind alle Gebäude wie dieses?«, fragte Pasanius, dessen Miene seinen Kummer verriet. »Aye«, bestätigte Vaanes. »Wir haben bereits zwei dieser Lager zerstört, und sie waren alle wie dieses. Wir müssen es jetzt zerstören, denn wenn wir es nicht tun, kommen die Hautlosen, und dann gibt es ein Gemetzel, wie ihr es euch nicht vorstellen könnt.« »Das verstehe ich nicht«, sagte Uriel. »Die Hautlosen? Was ist das?« »Bestien aus den schlimmsten Albträumen«, sagte Vaanes. »Sie sind die Bastarde der Iron Warriors, Abtreibungen, denen Leben gegeben wurde und die den Vivisektorien der Brutalen Bestatter entfliehen konnten, um durch die Berge zu streifen. Sie sind zahlreich, und wir sind nur wenige. Jetzt kommt, es wird Zeit, dass wir verschwinden.« Uriel nickte müde, ohne Vaanes noch richtig zuzuhören, und folgte dem Abtrünnigen zurück in die Überreste des Lagers. Benommen registrierte er die Größenordnung des Lagers: zwei Dutzend der lagerhausartigen Gebäude, jedes eine düstere Hölle für alle, die dort gehalten wurden. So sehr er es auch hasste, es zuzugeben, aber Vaanes hatte recht - je eher diese Anlage und
alles darin zerstört wurde, desto besser. Ein Space Marine in der grauen Rüstung eines Ordens, den Uriel nicht kannte, trabte zu Vaanes und sagte: »Sie sind da. Bruder Svoljard hat gerade ihre Witterung aufgenommen!« »Wie weit?«, fragte Vaanes, während er sich den Helm aufsetzte und den Rest seiner Krieger über den Kom rief. »Nah, vielleicht drei- oder vierhundert Meter«, antwortete der Krieger. »Sie haben sich gegen den Wind angeschlichen.« »Verdammt, sie lernen«, zischte Vaanes. »Alle Mann raus. Nach Süden in die Berge und jeder auf eigene Faust zurück zur Zuflucht.« »Was ist los?«, fragte Uriel. »Die Hautlosen«, sagte Vaanes.
SIEBEN Durch die Dringlichkeit im Tonfall des Abtrünnigen aufgeschreckt, folgte Uriel ihm rasch durch das Lager, als die ersten Ladungen mit hohlem Krachen explodierten. Es regnete Trümmer und Fleischfetzen, als eine der menschlichen Hautbatterien hochging und die Gefangenen von ihren Qualen erlöst wurden. Weitere Ladungen explodierten, und noch mehr der infernalischen Gebäude fielen in sich zusammen. Uriel betete, dass die Seelen darin ihnen verzeihen und den Weg zur Seite des Imperators finden mochten. Flammen und Rauch wallten aus den brennenden Trümmern, als das Lager systematisch zerstört wurde, und die Space Marines liefen der Sicherheit der Berge entgegen. Uriel und Pasanius folgten Ardaric Vaanes und seinen Abtrünnigen nach Süden und weg vom Lager, als Uriel plötzlich einen irren Chor heulender Stimmen aus den Bergen rechts und links neben ihnen hörte. Der Atem blieb ihm im Halse stecken, und sein Schritt verlangsamte sich beim Anblick der Hautlosen, die mit verdrehtem, irgendwie schiefem Gang aus den Bergen zum brennenden Lager schlurften. Sie waren riesenhaft und ein wildes Durcheinander von Anatomien, ein Karneval des Grotesken, und jeder sah anders aus. Massig gebaut und extrem groß, waren sie
aufgequollen und glänzten rot und nass, und die wellige Form ihrer entblößten Muskulatur war vollkommen unproportional zum Körper. Uriel sah, dass abgesehen von ihrer Massigkeit und der fehlenden Haut jeder auch noch auf andere albtraumhafte Weise entstellt war und den Resten vom Tisch eines irren BildhauerChirurgen ähnelte. Hier war eine Kreatur mit zwei Köpfen, die am Kieferknochen zusammengewachsen waren, mit einem Quartett vom grauen Star getrübter Augen, die zu einem verunstalteten Augapfel zusammengelaufen waren. Ein anderer hatte einen monströsen fötalen Zwilling aus dem Bauch geboren, und verschrumpelte, metastasierte Arme hielten sich krampfhaft an seinem Elternteil fest. Wieder ein anderer schlurfte unter Einsatz kolbenartiger Arme bergab, da die Beine zu wenig mehr als Greifklauen verkümmert waren. Ein Trio von Bestien, die vielleicht auf irgendeine Art miteinander verwandt waren, hatten eine Entstellung gemeinsam, da alle drei in flatternde Lagen ledriger Haut gehüllt waren. Ihre Schädel waren geschwollen und verlängert und mit langen Reißzähnen bestückt, und überall am Körper brachen Hornkämme aus ihnen hervor. Aber herausragend aus der Flut der brüllenden Schreckensgestalten, die dem Lager entgegenstürmten, war eine riesige Bestie, die sie anführte. Größer und breiter als alle anderen, kauerte der Klumpen von einem Kopf tief zwischen den Schultern. Wenngleich ein ganzes Stück von Uriel entfernt, wiesen die hautlosen Züge das unverkennbare Funkeln räuberischer Intelligenz auf, und die Vorstellung, dass so ein Geschöpf auch nur einen Funken Ich-Bewusstsein haben könnte, stieß Uriel über alle Maßen ab. »Kommt schon, Ultramarines«, rief Vaanes. »Wir haben keine Zeit, die Ungeheuer anzugaffen!« Uriel ignorierte Vaanes und starrte die Kreaturen an, wie sie ungeachtet der Stacheln, die sich in ihre rötlichnassen Leiber bohrten, den Stacheldrahtzaun niederwalzten. Waren sie schmerzunempfindlich? »Was sind das für Bestien?«, sagte er. »Das sagte ich bereits«, rief Vaanes zurück. »Komm schon! Da unten gibt es genug Fleisch, um sie eine Weile zu beschäftigen, aber wenn sie sich satt gegessen haben, werden sie versuchen,
uns zu jagen. Wenn du jetzt nicht kommst, lassen wir dich für sie hier.« Uriel starrte weiterhin mit morbider Faszination auf das gruselige Spektakel, das sich unter ihnen abspielte, und beobachtete, wie sich die Hautlosen durch die Ruinen der Lagerhäuser arbeiteten, die massiven Träger wie Streichhölzer beiseitewarfen und das verbrannte Fleisch darin fraßen. Grässliche Geräusche von knackenden Knochen und reißendem Fleisch erklangen von unten, als die Hautlosen über die Gefangenen herfielen, die sich beim Angriff der Abtrünnigen außerhalb des Lagers befunden hatten. Die meisten starben in den ersten Augenblicken des Angriffs, da sie von den Hautlosen in wilder Raserei in Stücke gerissen wurden. Andere wurden lebendig verschlungen, und Glieder und Fleischfetzen flogen durch die Luft, da die Ungeheuer um jeden Happen kämpften. Ihr furchtbares Hungergebrüll hallte durch die Berge. Pasanius fasste ihn am Arm und sagte: »Wir müssen gehen, Uriel!« »Wir lassen sie sterben«, sagte Uriel finster. »Wir haben sie im Stich gelassen. Wir hätten sie ebenso gut selbst töten können.« »Wir hätten sie nicht retten können, aber wir können sie rächen.« »Wie?«, sagte Uriel. »Indem wir weiterleben«, antwortete Pasanius. Uriel nickte, wandte sich von dem grausigen Spektakel unter ihnen ab und verschloss die Ohren vor dem Brüllen und Schmatzen und dem orgiastischen Freudengeheul, während er spürte, wie ein Teil seines Herzens kälter und härter wurde, als er diese Leute ihrem Schicksal überließ. Khalan-Ghol stand in Flammen. Ihre Zinnen lagen in Trümmern, und ihre Bollwerke waren von dem unablässigen Beschuss zu Staub zermalmt worden. Quadratkilometer brannten im Feuer von Berossus' Bombardement, aber es betraf dennoch nur einen winzigen Bruchteil der Festung. Unnatürliche Finsternis hüllte die Festung ein, schwarze Wolken aus von Blitzen durchzogenem schwarzen Rauch hingen tief und verdeckten das tote Weiß des Himmels im Umkreis von vielen Kilometern. Endlose, mit
Stacheldraht gesicherte Gräben umgaben den verdunkelten Berggipfel, und neu anlegte Schanzen, Bunker, Geschütznester und Türme, deren mächtige Kanonen Honsous Festung unter ohrenbetäubendem Krachen mit Granaten beschossen, überzogen die Landschaft mit einem stroboskopartigen roten Blitzgewitter. Manufakturen waren in der Ebene errichtet worden, und das hämmernde Scheppern der Industrie lag wie ein beständiger Refrain in der Luft. Orange leuchtende Fabriken spien einen steten Strom neuer Granaten, Geschütze und Kriegsmaterialien aus, und Honsou wusste, dass ihre Produktionsraten die besten Imperiumswelten beschämt hätten. Er sah die riesigen Silhouetten von Titanen am Horizont, deren diabolische Formen alles ringsumher winzig wirken ließen. Sie konnten einstweilen kaum etwas tun, außer als Geschützplattformen zu dienen, da die Leviathane die Berghänge Khalan-Ghols erst erklimmen würden, wenn die gewaltige Rampe fertig war, die Berossus bauen ließ. Er und ein handverlesener Kader seiner besten Krieger kletterten die zerklüfteten Hänge zu den unter ihnen in Stellung gegangenen Truppen hinunter. Honsou glitt an einem Haufen herabgestürzten Gerölls hinab. Aus den Spalten zwischen den Felsblöcken ragten verrottete Skelettarme, aber ob sie seinen Kriegern oder seinen Feinden gehörten, konnte er nicht sagen und es interessierte ihn auch nicht. Berossus war zumindest sehr gründlich vorgegangen. Die unteren Bollwerke waren nicht mehr da, zerschossen, bis es so war, als habe es sie nie gegeben, und der äußere Festungsring war unter seinem Ansturm gefallen. Zehntausende waren bereits in der Schlacht gestorben, aber Berossus war nicht so dumm gewesen, bis zu diesem Zeitpunkt seine besten Krieger einzusetzen. Kanonenfutter, Sklaven und Pack in Diensten des Chaos hatten seine Mauern bestürmt, um mit Feuer und Stahl zurückgeworfen zu werden. Im Verein mit den Soldaten aus Toraminos großer Kompanie verfügten die beiden Kriegsschmiede über genügend Soldaten, um die Mauern Khalan-Ghols letzten Endes zu überwinden. Es war lediglich eine Frage der Zeit. Zeit, die Honsou ihnen nicht geben würde. »Berossus ist ein Narr«, hatte er gesagt, als er den Plan durchgesprochen hatte, der ihn jetzt vorsichtig auf die
Postenketten der am weitesten vorgezogenen Gräben des Feindes vorrücken ließ. »Wir werden den Kampf zu ihm tragen.« »Vor die Mauern?«, fragte Obax Zakayo. »Aye«, erwiderte Honsou. »Ins Herz seiner Armee.« »Wahnsinn«, sagte Zakayo. »Genau«, grinste Honsou. »Und aus diesem Grund wird Berossus auch nicht damit rechnen. Du kennst Berossus! Für ihn sind Belagerungen nur eine Frage der Logistik. Als ehemaliger Vasall von Forrix hätte ich gedacht, du wüsstest das zu schätzen, Zakayo.« »Das tue ich auch, aber den Schutz unserer Mauern zu verlassen...« »Berossus ist ein Sklave der Mechanik einer Belagerung. Diese Aktion führt zu jenem Ergebnis - so denkt er. Er lässt sich viel zu sehr durch die großen Traditionen der Schlacht aus uralten Zeiten einengen, um über die Reinheit eines Sturmangriffs hinauszudenken und mit dem Unerwarteten zu rechnen.« »Seine Methode hat noch nie versagt«, stellte Obax Zakayo fest. »Er hat auch noch nicht gegen mich gekämpft«, sagte Honsou. Die Gräben voraus waren vom Schein der in Ölfässern brennenden Feuer erhellt, und das Klirren der Grabschaufeln und Grollen der Raum-Maschinen wurde praktisch vom Geschützdonner übertönt. »Onyx«, flüsterte Honsou, wobei er seine Streitaxt mit der schwarzen Klinge zückte. »Los.« Onyx nickte, ein fließender Schatten und praktisch unsichtbar in der Dunkelheit, der bäuchlings zur Grabenlinie glitt. Seine Umrisse verschwammen und vermischten sich mit der Nacht. Obax Zakayo sagte: »Wenn er entdeckt wird, werden wir hier alle sterben.« »Dann sterben wir eben«, knurrte Honsou. »Jetzt sei still, sonst töte ich dich persönlich.« Dergestalt zurechtgewiesen, sagte Obax Zakayo nichts mehr. Plötzlich waren gurgelnde Schreie und das Klirren von Klingen von vorn zu hören. Honsou sah einen Geysir aus Blut über den Grabenrand spritzen und wusste, dass es jetzt sicher war, sich zu nähern. Er kroch zu der Stelle, wo Onyx ein Loch in den Stacheldraht geschnitten hatte, und sprang in den Graben. Ein, zwei Dutzend
Leichen lagen darin und in einem angrenzenden Unterstand. Im Feuerschein ölig glänzendes Blut bedeckte die Wände und sickerte durch die gut verlegten Laufbretter. Jeder Leichnam lag in einem unnatürlichen Winkel da, als sei ihm jeder Knochen im Leib gebrochen worden. Alle hatten eine lange Wunde mitten im Rücken, wo ihnen die Wirbelsäule herausgerissen worden war. Onyx selbst stand reglos mitten im Graben und fuhr langsam Bronzekrallen in das graue Fleisch seiner Hände ein, während das silberne Feuer seiner Adern noch heller brannte als sonst. Der Dämon in ihm schwelgte in dem Gemetzel und gestattete dem menschlichen Teil in ihm, wieder an die Oberfläche zurückzukehren. »Gute Arbeit«, sagte Honsou, als seine Iron Warriors in den Graben sprangen, ausschwärmten und ihren Zugang sicherten. Er rannte zum Verbindungsgraben im hinteren Bereich dieser breiteren Stelle und lugte vorsichtig um die Ecke. Wie erwartet, konnte er nur ein Stück weit hineinsehen, da der Graben nach dem üblichen Zickzack-Muster angelegt war. Ein Stück weiter sah er Soldaten in roter Uniform und Sklaven. »Hast du keine Phantasie, Berossus?«, grinste er in sich hinein. »Du machst es mir zu leicht.« Er wandte sich ab und versammelte seine Krieger um sich. »Es ist Zeit. Wir fangen an, und vergesst nicht, so weit die Leute hier wissen, sind wir Berossus treu ergeben. Lasst bei niemandem Zweifel daran aufkommen.« Seine Krieger nickten, und mit Honsou an der Spitze machten sie sich auf den Weg durch den Verbindungsgraben. Sie marschierten auf die selbstsichere, mühelose Art der Krieger, die wussten, dass sie ihresgleichen suchten, und alle Arbeiter von Berossus, seien es Menschen oder Mutanten, erniedrigten sich vor ihnen, als sie vorbeikamen. Sie passierten Unterstände voller verdrehter Mutantenwesen, die sich um Schreine der Finsteren Götter versammelt hatten, und ihr Gemurmel wurde von Zauberern in goldenen Roben beaufsichtigt. Niemand hielt sie an, niemand hatte einen Grund dazu, vielmehr war es eine Ehre, wenn uralte Krieger des Chaos vorbeikamen. Honsou sah helle Bogenlampen auf barocken Eisentürmen hängen, die sich in die Nacht reckten und mit allen möglichen blutigen Trophäen behangen waren. Singende Gruppen berobter Gestalten umringten sie.
Honsou blieb stehen und fragte: »Zakayo, was sind das für Türme? Das sieht nicht nach etwas aus, das Berossus tun würde.« »Das kann ich auch nicht sagen«, erwiderte Obax Zakayo. »Ich habe dergleichen noch nie gesehen.« »Sie wollen die Mauern Khalan-Ghols mit Zauberei zum Einsturz bringen«, sagte Onyx. »Die Türme sind von mystischer Energie durchdrungen. Ich kann sie spüren, und der Dämon in mir suhlt sich darin.« »Was?«, zischte Honsou, der plötzlich aufmerkte. »Ist ihre Magie stark genug, um die Kabale und das Blutherz zu überwinden?« »Nein«, sagte Onyx. »Nicht einmal annähernd. Hier baut sich viel Macht auf, aber das Blutherz existiert bereits eine Ewigkeit, und keine Macht, die von einem Sterblichen gebändigt werden kann, ist in der Lage, es zu überwinden.« Honsou nickte, überzeugt, dass die magischen Abwehrvorrichtungen seiner Festung halten würden. Er schaute auf die Türme. »Das riecht nach Toramino«, sagte er. »Berossus hätte nicht daran gedacht.« »Aye«, pflichtete ihm Obax Zakayo bei. »Lord Toramino ist schlau.« »Das ist er, aber ich werde den Tod dieses arroganten Schweins erleben, bevor er Khalan-Ghol einnimmt, Zauberei hin oder her.« Honsou und seine Krieger passierten die Türme und erreichten ohne Zwischenfall das Ende der Grabenlinie, wobei sie Berossus' schwitzende, schwer arbeitende Armee bei ihren Bemühungen beobachteten, die Festung einzunehmen. Mit Granaten beladene Kettenfahrzeuge rumpelten hinter hohen Erdwällen vorbei, und Honsou sah sich gezwungen, Bewunderung für die gründliche und vollständige Art der Belagerungsmaßnahmen aufzubringen. Sogar Forrix wäre stolz gewesen. Aus einer Eisenraffinerie schossen Feuerwolken in die Höhe. Das Dröhnen von Vlanufakturen, die Sprengstoffe herstellten, und das Hämmern der Schmieden erfüllte die Ebene. Millionen Männer arbeiteten daran, ihn zu Fall zu bringen. Munition und Granaten mit Messinghülsen wurden in gepanzerten Magazinen gelagert, und auf ihrem Weg daran vorbei, machte Obax Zakayo einen Abstecher in jedes und legte eine Sprengladung aus dem Spender auf seinem Rücken. Honsou wusste, dass Obax Zakayo aller
Wahrscheinlichkeit nach eine Belastung war, den alten Methoden seines ehemaligen Herrn zu sehr verhaftet, um zu Honsous Kader von Unterführern zu gehören, aber niemand kannte sich besser mit Sprengstoffen aus als er. Und ihm haftete eine Grausamkeit an, die Honsous Sinn für Verwüstung ansprach. Je weiter sie sich von den Gräben der Front entfernten, desto größer wurde das Risiko der Entdeckung. Er sah robust konstruierte Kasernenbunker und riesige Artilleriegruben, die offensichtlich von Iron Warriors angelegt worden waren, und hörte irrsinniges Gebrüll, das nur bedeuten konnte, dass die Käfiggruben der Cybots nah waren. »Es ist töricht weiterzugehen, Milord, wir sollten uns jetzt zurückziehen«, sagte Obax Zakayo. »Wir haben genug Sprengstoff gelegt, um Berossus auf Monate lahmzulegen.« »Nein, noch nicht«, sagte Honsou, den ein Gefühl waghalsiger Unbekümmertheit vorantrieb, als er ein vertrautes Banner auf einem gepanzerten Pavillon im Wind flattern sah. Es stand im Schatten eines der kolossalen Titanen hinter einem Wald aus Stacheldraht und einer versetzt angelegten Reihe von Bunkern. »Nicht, wenn wir Gelegenheit haben, Lord Berossus selbst ein persönlicheres Geschenk zu machen.« Obax Zakayo sah das Banner und sagte: »Götter des Chaos, das kann nicht Euer Ernst sein!« »Du weißt, dass es mein Ernst ist, Zakayo«, sagte Honsou. »Ich scherze nie, wenn es ums Töten geht.« Sieben Meter tief in den Fels gegraben, waren die Seiten der Artilleriegrube mit mindestens zwei Meter dickem Stahlbeton verstärkt worden. Eine geneigte Brustwehr, dazu gedacht, feindlichen Artilleriebeschuss abzulenken, zog sich über die Scharte, durch die das gewaltige Belagerungsgeschütz feuerte. Honsou wusste, dass keines seiner Artilleriegeschütze so weit reichte und solch eine Anlage vollkommen unnötig war, aber es sah Berossus ähnlich, sie trotzdem zu bauen. Der Bronzelauf der riesigen Kanone zeichnete sich vor den wogenden Wolken am Himmel ab. Große Zauber des Verderbens waren eingraviert, und außerdem war er mit dicken Ketten aus entweihtem Eisen behangen. Das Geschütz stand am Fuß seiner
Neigung auf Schienen, so dass es nach jedem Schuss in die Feuerposition zurückrollen konnte. Das gewaltige Geschütz war von hundert menschlichen Soldaten umringt, die es bewachten. Honsou und seine Krieger marschierten dreist zur Artilleriegrube und forderten die Soldaten förmlich heraus, sie doch anzuhalten. Zwar präsentierten er und seine Krieger stolz das Wappen der Iron Warriors, aber den Soldaten würde sehr bald klar werden, dass sie nicht hierher gehörten, und dann würden sie Alarm geben. Honsou sah, dass sie bereits die Blicke auf sich zogen, ging aber weiter und setzte noch eins drauf, als ein Iron Warrior mit massiv aufgerüsteten Armen und Kopf aus der Artilleriegrube kletterte. Rote Lichter blinkten an seinem Helm, der mit Entfernungsmessern und Cogitatoren ausgerüstet war, und Honsou wusste, dass dies einer von Berossus' Chirumeks war. Mehr Maschine als Mensch, betrachtete ihn dieser Anwender der schwarzen Künste der Technologie von oben bis unten, bevor eine große, auf seinem Rücken befestigte Kanone auf einem zischenden Verankerungsarm herumschwenkte und auf sie zielte. Onyx ließ ihm keine Gelegenheit, mit der Waffe zu schießen, sondern sprang mit der Geschwindigkeit einer zustoßenden Schlange vor. Seine Umrisse verschwammen und wurden ölig und undeutlich. Ein Aufblitzen von Bronzekrallen und ein Reißen von Fleisch, und der Chirumek brach zusammen, während der dämonische Symbiont seine Wirbelsäule in die Höhe hielt. »Beeilt euch!«, rief Honsou, während er zur Artilleriegrube rannte, da alle Hoffnung auf eine Täuschung dahin war. Er sprang in die Grube und schoss mit seinem Boltgewehr auf alles, was sich darin bewegte. Lader-Sklaven starben im Kugelhagel, von den Sprenggeschossen zerfetzt, und Chirumeks warfen sich in Deckung, als die Iron Warriors ihm folgten. Geschrei und Warnrufe kamen von den menschlichen Soldaten, doch im anschließenden Geschosshagel verstummten die meisten sehr schnell. Honsou wusste, dass sie nicht viel Zeit hatten, und rief: »Zakayo, komm hierher!« Der ungeschlachte Riese kletterte in die Grube, während Honsou und seine Krieger den Rest der Geschützmannschaft abschlachteten. Die riesige Kanone zischte und rumpelte und schwelgte in dem Blutvergießen rings um sie, und er konnte den dämonischen Drang zu töten spüren, der in ihr gebunden war.
Obax Zakayo kletterte auf den Sitz des Kanoniers und machte sich an den Bronzehebeln zu schaffen. Honsou musste über die Ironie des Augenblicks lachen, als er ebenfalls die Leiter zum Sitz des Kanoniers erklomm, da das Geschütz ein Bassgrollen von sich gab und der Lauf sich von Khalan-Ghol zu Berossus' Pavillon drehte. Der ächzende Lauf senkte sich gleichzeitig, bis er buchstäblich in der Horizontalen war. Boltgewehrschüsse krachten an den Seiten der Artilleriegrube, und die Iron Warriors aus Berossus' großer Kompanie strömten aus ihren Kasernen, um gemeinsam mit ihren menschlichen Hilfstruppen einen Gegenangriff zu starten. »Geht das nicht schneller?«, schnauzte Honsou. »Eigentlich nicht, nein!«, rief Obax Zakayo, der an dicken Hebeln und schweren Ketten am Verschluss des Geschützes zog. Honsou beugte sich über das Geländer der Geschützplattform und rief seinen Kriegern zu. »Macht euch bereit, die Kanone nachzuladen, sobald wir schießen! Ich will ein paar Schüsse abgeben, bevor wir uns ab setzen!« Vier Krieger lösten sich aus dem Verteidigungsring in der Grube und zogen an den Ketten des Flaschenzugs, der durch ein großes Eisenportal im Boden der Artilleriegrube zum gepanzerten Magazin darunter führte. Binnen Sekunden öffnete sich das eiserne Tor mit lautem Quietschen, und eine enorme Granate tauchte auf. Vor Anstrengung grunzend, bugsierten sie die Granate auf den Wagen, der sie zum Geschütz bringen würde. Es war extrem gefährlich, das Tor zum Magazin beim Schießen geöffnet zu lassen, aber Honsou dachte sich, da es nicht ihre Kanone sei, spiele es keine Rolle, ob sie in die Luft gesprengt würde oder nicht. »Feuerbereit!«, rief Obax Zakayo. Honsou zielte mit dem Fadenkreuz und lachte, als er das Dach von Berossus' Pavillon und das schwarz-goldene Wappen auf seinem Banner sah. »Feuer!«, rief er, und Obax Zakayo riss an der Abzugskette. Honsou schwankte, als der gewaltige Rückschlag der Waffe ihn beinahe von der Plattform schleuderte, und das Krachen des Schusses ließ ihn kurzzeitig taub werden. Dichter, stechender Qualm wehte aus dem Lauf, und das riesige Geschütz kreischte vor Freude. Der dämonische Verschluss öffnete sich von allein,
und seine Iron Warriors beförderten die nächste Granate über die Schienen in die Waffe. Während sie die nächste Granate aus dem Magazin holten, sah Honsou, dass der erste Schuss unheimlich genau gewesen war. Berossus' Banner existierte nicht mehr: Die Explosion hatte es völlig zerstört. Der oberste Teil des Pavillons war verschwunden, und von der oberen Hälfte waren nur noch unregelmäßige Trümmer übrig. Schutt rieselte herab, und die brennenden Trümmer lösten weitere Explosionen aus. Die Kanone gab den zweiten Schuss ab. Diesmal war er vorbereitet, und dennoch brachte ihn der Rückschlag aus dem Gleichgewicht. Wieder verschwand der Pavillon hinter einer Flammenwand, als die zweite Granate explodierte. Die nächste Granate wurde geladen, aber als der Verschluss klirrend zuschlug, spürte Honsou, wie den Boden ein Beben durchfuhr, dem rasch ein zweites folgte. Er schaute in die Düsternis und sah einen gewaltigen Schatten, der sich auf sie zubewegte. Mit einem Schauder der Furcht erkannte er, dass es sich um einen Titan handelte. Der Erdboden bebte unter seinem Tritt, den Schritten eines zornigen Kriegsgottes, der gekommen war, um sie zu zerstören. »Beeil dich!«, rief er Obax Zakayo zu. »Noch ein Schuss, dann wird es Zeit zu verschwinden!« Obax Zakayo warf bei jedem hallenden Schritt des sich nähernden Titans einen furchterfüllten Blick in diese Richtung, nickte aber. Wieder feuerte die gewaltige Dämonenkanone, und diesmal traf sie den Kasernenblock neben dem Pavillon und verwandelte ihn in rauchende Trümmer. »Alles absetzen!«, schrie Honsou, indem er vom Geschütz sprang und zu den Leitern rannte, die aus der Artilleriegrube führten. Honsou zwängte im Vorbeilaufen das Tor zum Magazin auf und warf eine Handvoll Granaten hinein. Er sprang zur Leiter, als ein riesiger Schatten auf die Artilleriegrube fiel. Er schaute hoch und sah den massiven krallenbewehrten Fuß des Titanen, der sich auf ihn herabsenkte. Er huschte die Leiter empor und wälzte sich beiseite, als der Fuß herunterkam, das Dämonengeschütz in einem Augenblick auslöschte und ihn um weniger als einen Meter verfehlte. Er sprang auf, noch immer benommen von der Erschütterung des aufsetzenden Titanenfußes, als die von ihm in das Magazin
geworfenen Granaten explodierten. Der Boden bebte, und gewaltige Geysire aus Flammen und Rauch schossen in die Höhe, als viele hundert Tonnen Artilleriemunition in einer beängstigend starken Detonation hochgingen. Honsou wurde in die Höhe gehoben und vom Luftdruck über hundert Meter weit durch die Luft geschleudert, bis er gegen einen Erdwall prallte und in einen Haufen ausgegrabener Erde fiel. Er rappelte sich hustend und schwankend auf und betrachtete seine Umgebung. Er drehte sich um, als er ein Ächzen hörte, und sah den Titan, der das Geschütz zerstört hatte, trunken schwanken, da die Explosion des Magazins eines seiner Beine vom Knie an abwärts zerstört hatte. Funken und Plasmafeuer leckten aus durchtrennten Leitungen und Kabeln. Dann kippte die gewaltige Dämonenmaschine ganz langsam um, während ihre kolbengetriebenen Arme verzweifelt ruderten, um das Gleichgewicht zu halten. Er wandte sich lachend ab, während bestürzte Soldaten und entsetzte Iron Warriors mit ansahen, wie eine ihrer mächtigsten Dämonenmaschinen vor ihren Augen zerstört wurde. Die Erde bebte, als der Titan auf den Boden schlug und auseinanderbrach, doch Honsou war bereits auf dem Rückweg nach Khalan-Ghol. Er wusste nicht, was aus dem Rest seiner Krieger geworden war, vertraute aber darauf, dass sie erfahren und einfallsreich genug waren, um es in dem allgemeinen Durcheinander auch auf sich allein gestellt zurück nach Khalan-Ghol zu schaffen. Eine dunkle Gestalt löste sich neben ihm aus dem Rauch, und er erkannte die schlangenartige Gestalt von Onyx. Die Krallen des dämonischen Symbionten waren ausgefahren und blutig, und das glitzernde Feuer in seinen Augen hatte einen tödlichen Glanz. Er hatte gut gejagt. »Ein erfolgreicher Ausflug«, sagte Onyx in einer für ihn typischen Untertreibung. »Aye«, gab Honsou ihm recht. »Er war nicht schlecht. Gar nicht schlecht.« Die Zuflucht, die Ardaric Vaanes erwähnt hatte, befand sich abseits in einem schattigen Tal mit Blick auf die Ebene vor der gewaltigen, in dunkle Wolken und Explosionen gehüllten Festung.
Der Lärm der Schlacht drang zu ihnen empor, und Uriel konnte einen gewaltigen Feuerschein tief im Lager der Belagerer ausmachen. Ihre Flucht vor den Hautlosen war eine Hals über Kopf improvisierte Aneinanderreihung von falschen Spuren und Schleifen gewesen, um die Bestien davon abzuhalten, sich auf ihre Spur zu setzen. Uriel konnte einfach die Geräusche nicht abschütteln, welche die Hautlosen beim Fressen der Gefangenen verursacht hatten, war aber überrascht, wie wenig es ihn jetzt noch störte. Vielleicht hatte Vaanes recht; man hätte ohnehin nichts für diese armen Unglücklichen tun können, und der Tod war das Beste für sie. Die Abtrünnigen hatten sich aufgeteilt, sobald sie das Todeslager verlassen hatten, und kehrten nun allein und in Zweiergruppen zu ihrer Basis zurück, indem sie Berghänge hinunterkletterten oder von unten aufstiegen. »Unsere Zuflucht«, sagte Vaanes mit einer Geste auf eine Reihe verfallener Bunker und Blockhäuser hinter teilweise zugeschütteten Gräben und verrosteten Lagen von Stacheldraht, die baufällig waren und ganz eindeutig schon bessere Zeiten erlebt hatten. Doch Uriels geübtes Auge konnte erkennen, dass es andere Abwehranlagen gab. Kaum sichtbare Geschütznester deckten die Zugänge ab, und er bezweifelte, dass sich jemand unbemerkt nähern konnte. »Was war das hier?«, fragte Pasanius. Vaanes zuckte die Achseln. »Ein altes Munitionsdepot, eine Kaserne, ein Übungsgelände? Wer weiß? Ich weiß nur, dass die Gegend hier verlassen war, als wir darauf gestoßen sind, und niemand je in ihre Nähe gekommen ist. Das reicht mir.« Uriel nickte, während sie einen Graben über eine improvisierte Brücke aus Eisenplatten überquerten. Vaanes ging mit ihnen zum Blockhaus jenseits der Bunker. Pasanius beugte sich nah zu Uriel und flüsterte: »Was machen wir? Diese Space Marines sind Abtrünnige! Sollen wir uns in den Augen des Imperators noch mehr verdammen?« »Ich weiß«, sagte Uriel bitter, »aber welche andere Wahl haben wir?« »Wir können allein weitermachen.« »Aye, und das werden wir vielleicht auch, aber sie sind länger hier als wir, und vielleicht lernen wir etwas über diese Welt und ihre Gefahren.«
Pasanius wirkte nicht überzeugt, sagte aber nichts mehr, da sie die Panzertüren des Blockhauses erreichten. Welcher Mechanismus sie früher einmal geöffnet und geschlossen haben mochte, er funktionierte offensichtlich nicht mehr, und Vaanes riss sie mit brutaler Kraft auf, bevor er drinnen verschwand und ihnen bedeutete, ihm zu folgen. Uriel duckte sich ins Blockhaus, das von innen durch mehrere ins Dach gebohrte Löcher überraschend gut beleuchtet war. Strahlen des toten weißen Lichts sammelten sich auf dem Betonboden und wurden von den abblätternden Flakbrettwänden reflektiert. »Mir ist klar, dass es hier etwas luxuriöser ist, als ihr das als Ultramarines gewöhnt seid, aber im Moment kommt es für uns alle einer Heimat noch am nächsten«, grinste Vaanes, während er vor ihnen in den Hauptraum des Blockhauses ging. Licht strömte durch die Schießscharten herein, und Uriel sah, dass der Raum voll war von denselben Space Marines, die zuvor das Lager angegriffen hatten. Die meisten waren mit dem Reinigen ihrer Waffen oder der Reparatur ihrer Rüstung beschäftigt, und Uriel war schockiert über die große Zahl verschiedener Ordenssymbole, die er hier versammelt sah. Howling Griffons, White Consuls, Wolf Brothers, Crimson Fists und viele andere, die er nicht kannte. Aber die größte Überraschung waren die beiden Gestalten, die in einer Ecke des Raums saßen und Lasergewehre reinigten. Sie trugen die ramponierte Drillichhose und die zerrissene Uniformjacke der Imperialen Garde und schauten auf, als Uriel und Pasanius eintraten. Beide Männer waren so verdreckt und zerzaust, dass sich unmöglich sagen ließ, welchem Regiment sie einmal angehört hatten, aber beide Mienen kündeten von müder, aber stolzer Courage. »Zwei neue Krieger für unseren Trupp!«, rief Vaanes, bevor er sich vor eine Wand hockte und seinen Helm absetzte. Uriel enthielt sich eines Kommentars zu dieser Aussage, da sich der schlankere der beiden Gardisten erhob und zu Uriel hinkte. Seine Haut war blass und sah krank, fleckig und aufgequollen aus. Die Augen waren blutunterlaufen. Der Mann streckte eine zittrige Hand aus und sagte: »Oberstleutnant Mikhail Leonid vom 383. Joura-Dragoner.« »Uriel Ventris, und das ist Pasanius Lysane.«
»Was sind Sie für Space Marines?«, fragte Leonid, indem er ein Husten unterdrückte. »Ich sehe keine Ordenssymbole.« »Wir sind Ultramarines«, erwiderte Uriel. »Von unserem Orden ausgesandt, um einen Todeseid zu erfüllen.« Leonid zuckte die Achseln. »Ein besserer Grund, um hier zu sein, als ihn die meisten haben.« »Vielleicht«, nickte Uriel. »Und wie kommt es, dass ein Oberst der Imperialen Garde hier ist?« »Das«, sagte Leonid, »ist eine lange Geschichte...«
ACHT Leonid und Sergeant Ellard, der zurückhaltende Kamerad des Obersten, verbrachten die nächsten neunzig Minuten damit, Uriel und Pasanius zu schildern, wie sie als Sklaven auf der trostlosen Dämonenwelt Medrengard gelandet waren, und sie begannen mit dem verheerenden Angriff der Iron Warriors auf die Welt Hydra Cordatus kurz vor der Invasion des Vernichters durch das Tor von Cadia. Er berichtete von Wochen ständigen Granatbeschusses, von Panzern und Titanen und vom tödlichen Krebsgeschwür des Verrats, das sich unter den Männern und Frauen seines Regiments ausgebreitet habe. Doch mehr als darüber sprach er von nobler Courage, von einem Krieger namens Eshara, einem Space Marine der Imperial Fists, und dem Opfer, das er und seine Männer vor dem Tor des Verabschieders gebracht hatten. Uriel spürte, wie grimmiger Stolz in ihm aufwallte bei dem Gedanken, wie sich dieser edle Krieger einer hoffnungslosen Übermacht gestellt hatte, und er wünschte, er hätte diesen tapferen Helden gekannt. Aber letzten Endes ging die Geschichte nicht gut aus. Die Iron Warriors hatten die Zitadelle schließlich eingenommen, bevor die imperialen Verstärkungen eintreffen konnten, und Leonid weinte, als er das brutale Gemetzel beschrieb, das nach ihrem endgültigen Fall stattgefunden hatte. »Es war ein Albtraum«, sagte Leonid. »Sie waren gnadenlos.« »Die Iron Warriors dienen den Mächten des Verderbens«, sagte Uriel. »Sie kennen die Bedeutung des Wortes >Gnade< nicht.« »Hauptmann Eshara hat uns etwas Zeit erkauft, aber es war nicht genug. Die Höhle unter der Zitadelle war zu groß und es gab
zu viel Gensaat, die vernichtet werden musste. Wir...« »Augenblick«, unterbrach Uriel. »Gensaat? Unter Ihrer Zitadelle wurde die Gensaat von Space Marines aufbewahrt?« »Ja«, nickte Leonid. »Ein Magos der Adeptus Mechanicus hat mir verraten, dass die Höhle einer der wenigen Orte in der Galaxis war, wo sie gelagert werden konnte. Der Kriegsschmied Honsou hat sie gestohlen und zusammen mit den Sklaven, die er am Ende der Schlacht für seine Schmieden gemacht hat, auf diese Welt gebracht.« »Wer ist Honsou?«, fragte Pasanius. »Er ist der Kriegsfürst, der in der Festung lebt, die ihr gesehen habt, als wir in dieses Tal gekommen sind«, sagte Ardaric Vaanes. »Es ist also die Festung dieses Honsou, die belagert wird?«, fragte Uriel, ohne sein Interesse verhehlen zu können. »Ja«, bestätigte Vaanes, der zu ihnen kam, um sich der Unterhaltung anzuschließen, und sich auf den Boden hockte. »Warum seid ihr so interessiert an Honsou?« »Wir müssen in diese Festung.« Vaanes lachte. »Dann seid ihr wahrhaftig hier, um euren Todeseid zu erfüllen. Warum müsst ihr in Honsous Festung?« Uriel stutzte, da er nicht wusste, wie weit er Vaanes trauen konnte, erkannte aber, dass ihm keine Wahl blieb, und sagte: »Der Imperator hat unserem Oberstem Bibliothekar eine Vision geschickt, eine Vision von Medrengard und von aufgeblähten dämonischen Gebärkreaturen, die Damonculaba genannt werden und verderbte, entartete Space Marines gebären. Wir sind hier, um sie zu vernichten, und ich glaube, dass uns mehr als bloßer Zufall hierhergeführt hat.« »Inwiefern?«, fragte Vaahes. »Kann es Zufall sein, dass dieser Honsou mit Gensaat für diese Daemonculaba zurückgekehrt ist und wir davon durch einen Mann erfahren, der dort war und gesehen hat, wie er sie geraubt hat?« Vaanes betrachtete Ellard und Leonid von oben bis unten. »Ich hatte mich schon gefragt, warum ich sie nicht mit den anderen Sklaven im Omphalos Daemonium habe sterben lassen. Vielleicht hat noch etwas anderes als Neugier meine Hand geführt.« Uriel fuhr zusammen. »Du weißt vom Omphalos Daemonium?« »Natürlich«, sagte Vaanes. »Nur wenige auf Medrengard tun das nicht. Woher wisst ihr davon?«
»Er hat uns hergebracht«, sagte Pasanius. »Er ist beim Übergang ins Immaterium in unserem Schiff aufgetaucht, hat alle an Bord getötet und uns dann hierhergebracht.« »Ihr seid freiwillig im Omphalos Daemonium gereist?«, sagte Vaanes entsetzt. »Natürlich nicht«, fauchte Uriel. »Seine dämonischen Kreaturen haben uns überwältigt.« »Die Sarcomata...«, nickte Vaanes. »Aye, und dann hat uns der eiserne Riese in der Dämonenmaschine hierher gebracht.« »Der eiserne Riese?«, fragte Leonid. »Der Schlachtermann?« »Schlachtermann? Nein, er hat gesagt, er trage nur die Gestalt des Schlachtermanns und es sei der Wille des Omphalos Daemonium, der befehle.« »Dann ist der Dämon frei!«, hauchte Vaanes. »Was ist er überhaupt?«, fragte Uriel. »Das weiß niemand mit Sicherheit«, begann ein blasshäutiger Space Marine von hohem Alter, der eine dunkelrote und knochenfarbene Rüstung mit einem Rabenkopf auf dem Schulterschutz trug. »Aber es gibt reichlich Geschichten, o ja, reichlich Geschichten.« »Und hättest du auch die Güte, ein paar davon zu erzählen?«, fragte Vaanes ungehalten. »Ich war gerade im Begriff«, knurrte der Space Marine, »wenn du mich gelassen hättest.« Der Space Marine wandte sich an Uriel und sagte: »Ich bin Seraphys von den Blood Raven und habe meinem Orden in den Jahren vor meiner Entehrung als Bibliothekar gedient. Eine der größten Triebkräfte meines Ordens ist die Suche nach dunklem Wissen und verbotener Kunde, und in den Millennien unserer Existenz haben wir viel entdeckt und alles an Bord unserer Ordensfestung gesammelt.« »Dein Orden wusste vom Omphalos Daemonium?« »In der Tat. Tatsächlich war er sogar ein für viele unserer Geheimnismeister ein Gegenstand besonderen Interesses. Im Laufe der Jahrhunderte habe ich viel über diese dämonische Wesenheit gelesen, und obwohl ich glaube, dass vieles davon falsch war, gibt es doch auch einiges, das ich für wahr halte. Es heißt, er war einmal ein uralter, mächtiger Dämonenprinz, ein Diener des Blutgottes, der nur für das Gemetzel lebte. Die
Schädel, die er vor seinem finsteren Meister aufstapelte, waren Legion, aber immer wurde er von einem Geschöpf übertroffen, von einem der am höchsten in der Gunst des Blutgottes stehenden Avatare, einem Dämon namens Blutherz. Man sagte, dieser Dämon sei so furchtbar, dass er die Macht habe, Blutstürme zu beschwören und seinen Opfern das Blut zu entziehen, ohne eine Klinge an sie legen zu müssen.« Uriel und Pasanius erlebten beide den Schreck des Wiedererkennens, als Seraphys fortfuhr. »Dieser Avatar war ein Dämon von tödlicher Kunstfertigkeit, der sich eine Rüstung schmiedete, in die er all seine Böswilligkeit, seinen Hass und seine Schläue einfließen ließ, so dass sich seine Feinde sogar durch ihre eigenen Hiebe selbst niederstrecken würden.« »Was ist aus diesen Dämonen geworden?«, sagte Uriel. Seraphys rückte näher, da er sich langsam für seine Geschichte erwärmte. »Manche sagen, sie hätten eine große Schlacht ausgetragen, die das Gewebe des Universums zerrissen und seine Trümmer über das Firmament verstreut hätte, woraus Galaxien und Planeten entstanden seien. Andere sagen, der Avatar des Blutgottes hätte den Omphalos Daemonium überlistet und in das feurige Herz einer mächtigen Dämonenmaschine in Diensten der Iron Warriors gesperrt, aus der schließlich der schreckliche Streitwagen des Schlachtermanns geworden sei - um in ewiger Qual nach Rache zu dürsten.« »Wie kommt es dann, dass er frei ist?« »Ja nun, das verraten die alten Legenden nicht«, sagte Seraphys traurig. »Ich glaube, ich weiß es vielleicht«, sagte Leonid. »Sie?«, sagte Seraphys. »Woher sollte ein bescheidener Gardist von solchen Dingen wissen?« Leonid ignorierte den herablassenden Tonfall des Blood Raven. »Vielleicht, weil wir bei unserer Befreiung aus der Gefangenschaft durch Ardaric Vaanes und seine Krieger den Schlachtermann überwunden und in die Feuerung der Dämonenmaschine getrieben haben. Wir dachten, wir hätten ihn vernichtet.« »Aber dadurch bekam lediglich der Dämon in der Feuerung Gelegenheit, vom Körper des Schlachtermanns Besitz zu ergreifen«, sagte Vaanes. »Weiß jemand, was aus dem Rivalen des Omphalos Daemonium geworden ist?«, fragte Sergeant Ellard zögernd.
»Über dessen letztendliches Schicksal habe ich nichts gelesen«, sagte Seraphys. »Warum?« »Weil ich glaube, dass ich ihn gesehen habe.« »Was? Wann?«, fragte Leonid. »Auf Hydra Cordatus«, erklärte Ellard. »Herr Oberst, erinnern Sie sich noch an die Geschichten, die plötzlich kursierten, als die Mori-Bastion fiel?« »Ja«, nickte Leonid. »Irres Zeug, Phantastereien über einen riesigen Krieger, der alles in der Bastion getötet hätte, und zwar allein mit seiner Stimme und einem Wirbelwind, der... sich von Blut nährte.« Mittlerweile hatte sich eine beachtliche Menge versammelt, um sich die Geschichten anzuhören, und die Synchronizität dieser Enthüllungen blieb keinem verborgen. Ellard nickte. »Ich habe es auch gesehen, aber... ich habe nichts gesagt. Ich dachte, sie würden mich einsperren, wenn ich sagte, was ich gesehen hatte.« »Spannen Sie uns nicht auf die Folter, Sergeant, was ist mit ihm passiert?«, wollte Vaanes wissen. »Das weiß ich nicht mit Sicherheit«, sagte Ellard, »aber nachdem er Bibliothekar Corwin getötet hatte, öffnete er eine Art... eine Art Portal, glaube ich. Ich weiß es nicht genau. Es war ein schwarzes Ding, in das er trat und verschwand. Danach habe ich ihn nicht wiedergesehen.« Vaanes erhob sich und sagte: »Ich glaube, ihr bringt Ärger, Uriel Ventris von den Ultramarines. Dies ist eine tödliche Welt, aber wir können hier überleben. Wir stehlen uns, was wir brauchen, von den Iron Warriors, und sie versuchen uns dafür zu jagen. Es ist ein nettes Spiel, aber ich glaube, eure Ankunft auf Medrengard hat dieses Spiel gerade gestört.« »Dann ist das ja vielleicht eine gute Sache«, stellte Uriel fest. »Ich würde nicht darauf wetten«, mahnte Vaanes. Pasanius saß allein auf den Felsen vor dem Blockhaus, so müde wie noch nie. Er war wach seit... Tagen, Wochen? Er konnte es nicht sagen, wusste aber, dass es eine lange Zeit war. Der Hammel über ihm war immer noch so verdammt weiß, und wie jemand auf so einer Welt leben konnte, wo es keine Veränderungen gab, um das Verstreichen der Zeit festzuhalten,
überstieg sein Begriffsvermögen. Die erdrückende Monotonie so einer trostlosen Aussicht weckte in ihm das Bedürfnis zu weinen. Er streckte die Arme aus und hielt sich beide Hände vors Gesicht. Sein linker Handschuh war zerkratzt und verbeult, durch das beständige Klettern über messerscharfe Felsen ruiniert, aber der rechte war makellos wie an dem Tag, als ihm der künstliche Unterarm an seinen Ellbogen angepasst worden war. Bisher war es ihm gelungen, seinen Schlachtenbrüdern seine einzigartige Fähigkeit der Selbstreparatur zu verheimlichen, aber er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis seine wunderbaren Kräfte ans Tageslicht kommen würden. Pasanius schlug mit der Faust auf den Boden, rammte einen pulvrigen Krater in den Fels und zerschmetterte dabei seine Finger, dann sah er angewidert zu, wie sie sich wieder ausbeulten und ganz wurden. Die Scham, dieses Böse vor seinen Brüdern verheimlichen zu müssen, war beinahe nicht zu ertragen gewesen, und die Vorstellung, Uriel zu enttäuschen, entsetzte ihn. Aber sich zu einer solchen Schwäche zu bekennen, war eine ebenso große Schande, und die mit seinem Geheimnis verbundene Schuld hatte ein Loch in sein Herz gerissen, das er nicht stopfen konnte. Für ihn bestand kein Zweifel, dass er unter der Oberfläche von Pavonis im Kampf gegen den uralten, als Nachtbringer bekannten Sternengott verflucht worden war. Er erinnerte sich noch an die schmerzliche Kälte des Sensenhiebs, der ihm den Arm abgetrennt hatte, an das Kribbeln toten Fleisches, wo sich zuvor lebendiges Gewebe befunden hatte. War es möglich, dass durch die Waffe des Nachtbringers eine Verderbnis auf ihn übertragen worden war und ihn mit dieser schrecklichen Krankheit angesteckt hatte? Die Adepten von Pavonis hatten ihm sehr rasch einen Ersatzarm zur Verfügung gestellt, den besten, den ihre Welt herstellen konnte, und Techmarine Harkus und Apothekarius Selenus hatten ihm den Arm angesetzt. Ihm hatte die Idee eines künstlichen Arms nie sonderlich behagt, aber erst im Zuge der Kämpfe an Bord der Tod der Tugend war ihm der Verdacht gekommen, dass mit seinem neuen Arm etwas nicht stimmte. Was hatte er verbrochen, um so bestraft zu werden? Warum wurde er mit so einem Gebrechen geschlagen? Er wusste es nicht, aber als er seinen Brustharnisch ablegte und das Messer zückte, schwor er, dass er dafür mit Blut bezahlen würde.
Uriels Lider waren bleischwer, und er versuchte zu schlafen. Im Blockhaus gab es zumindest einige Stellen, die nicht im ewigen Licht des toten Himmels lagen, wo man Dunkelheit und Schlaf suchen konnte. Doch er wollte sich nicht einstellen, und die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich und bildeten ein wirres Durcheinander. Uriel war jetzt sicher, dass hinter seiner Suche mehr steckte, als er ursprünglich gedacht hatte. Es hätte ihn nicht überraschen dürfen zu erfahren, dass das Blutherz mehr war als nur ein Artefakt, dass die Pläne von Dämonen niemals geradeheraus und direkt waren. Waren er und Pasanius Teil einer komplizierten Vergeltung, die der Omphalos Daemonium für seinen uralten Rivalen plante? Wer konnte das wissen, aber Uriel schwor, dass er sich nicht auf so eine Weise benutzen lassen würde. Finstere Pläne waren geschmiedet worden, und ein Zusammenfluss von Ereignissen hatte ihn hierhergeführt. Trotz aller Gefahren ringsumher spürte er auf einer instinktiven Ebene, dass durch ihn der Willen des Imperators geschah. Warum fühlte er sich dann aber so leer, so hohl? Uriel hatte in den Schriften vieler Heiliger des Imperiums gelesen und in unzähligen, mit leidenschaftlicher Rhetorik aus der Kanzel vorgetragenen Predigten gehört, dass die Kraft des Imperators wie ein Feuer sei, das heißer als die heißeste Sonne brenne. Doch Uriel spürte kein derartiges Feuer, kein Licht in seiner Brust, und er hatte sich noch nie so allein gefühlt. In den Predigten waren Helden immer leuchtende Beispiele der Tugend: reinen Herzens und frei von Zweifeln und Selbsterhöhung. Angesichts solcher Qualitäten war ihm klar, dass er kein Held war. Vielmehr war er ein Ausgestoßener, dem sogar der Name seines Ordens verwehrt blieb und der sich mit Abtrünnigen und Verrätern im Auge des Schreckens wiedergefunden hatte. Wo war hier das helle Licht des Imperators in ihm? Er veränderte seine Position und versuchte es sich auf dem harten Betonboden bequemer zu machen, so dass er sich ausruhen und dann weiter zur Festung vordringen konnte. Er wusste, dass seine Aussichten, die Reise zur Festung Honsous zu überleben, minimal waren, aber vielleicht gab es eine Möglichkeit, diese Abtrünnigen zu bewegen, sich ihnen anzuschließen. Aller
Wahrscheinlichkeit nach würden sie alle sterben, aber wer würde derart wertlose Exemplare wie sie eigentlich vermissen? Als er sich umdrehte, sah er die Silhouette eines Space Marines in der Tür und richtete sich zu sitzender Haltung auf, als Ardaric Vaanes eintrat und sich Uriel gegenüber mit dem Rücken zur Wand setzte. Spärliches Licht fiel durch die Tür, und ein feiner Staubnebel lag in der Luft, wo Vaanes' Schritte ihn aufgewirbelt hatten. Die beiden Space Marines saßen lange Minuten schweigend da. »Warum bist du hier, Ventris?«, sagte Vaanes schließlich. »Das habe ich dir bereits gesagt. Wir sind hier, um die Daemonculaba zu vernichten.« Vaanes nickte. »Aye, das hast du gesagt, aber da ist noch mehr, nicht wahr?« »Wie meinst du das?« »Ich habe gesehen, wie ihr zwei Ultramarines euch angesehen habt, als Seraphys das Blutherz erwähnte. Der Name sagt euch etwas, oder nicht?« »Vielleicht. Und wenn?« »Wie ich schon sagte, ich glaube, ihr bringt Ärger, aber ich kann mich noch nicht entscheiden, ob es Ärger ist, mit dem ich etwas zu tun haben will.« »Sollte ich dir vertrauen, Vaanes?« »Wahrscheinlich nicht«, räumte Vaanes mit einem Lächeln ein. »Und noch etwas. Mir ist aufgefallen, dass du sehr bewusst vor einer Erklärung zurückgescheut bist, warum sich der Omphalos Daemonium solche Mühe gegeben hat, euch herzubringen.« »Er ist ein Dämon, wer kann sagen, welche Motive er hatte?«, sagte Uriel, dem es widerstrebte, von dem Pakt zu erzählen, auch wenn es ein falscher Pakt war, den er mit dem Omphalos Daemonium geschlossen hatte. »Wie praktisch«, sagte Vaanes trocken. »Aber ich will trotzdem eine Antwort.« »Ich kann dir keine geben.« »Nun gut, dann behalte deine Geheimnisse für dich, Ventris, aber ich will, dass ihr verschwindet, sobald ihr euch ausgeruht habt.« Uriel erhob sich, ging durch den Raum und setzte sich neben Vaanes. »Ich weiß, du hast keinen Grund dazu, aber vertrau mir. Ich
weiß, wir sind alle im Namen des Imperators hier - zu viel geschieht, als dass es bloßer Zufall sein könnte. Komm mit uns, wir könnten deine Hilfe brauchen. Deine Männer kämpften gut, und gemeinsam können wir unsere Ehre wiederherstellen.« »Unsere Ehre wiederherstellen?«, sagte Vaanes. »Ich hatte keine Ehre zu verlieren, was glaubst du, warum ich hier bin und nicht bei den Schlachtenbrüdern meines Ordens?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte Uriel. »Warum nicht? Sag es mir.« Vaanes schüttelte den Kopf. »Nein. Du und ich, wir sind nicht genug befreundet, um diese Schande zu teilen. Es muss reichen, wenn ich sage, dass wir euch nicht begleiten werden. Es ist ein Selbstmordkommando.« »Sprichst du für alle hier?«, wollte Uriel wissen. »Mehr oder weniger.« »Und du würdest einem Bruder, der deine Kraft braucht, den Rücken kehren?« »Ja«, sagte Vaanes. »Das würde ich.« Plötzlich wütend, erhob sich Uriel und schnauzte: »Ich hätte nichts anderes von einem verfluchten Abtrünnigen erwarten sollen.« »Vergiss nicht«, lachte Vaanes, während er ebenfalls aufstand und sich zum Gehen wandte, »dass du auch ein Abtrünniger bist. Du bist kein Soldat des Imperators mehr, und es wird Zeit, dass dir das klar wird.« Uriel öffnete den Mund zu einer Antwort, sagte aber nichts, als ihm eine Zeile aus der letzten Predigt einfiel, die er Ordenspriester Clausel vor dem Besserungstempel hatte halten hören. Leise flüsterte er diese Zeile, während Vaanes den Raum verließ: »Er muss seiner Seele ein weißes Gewand überstreifen, auf dass er in den Schmutz hinabsteigen und kämpfen, aber doch als Heiliger sterben kann.« Uriel erwachte schlagartig, erschrocken und desorientiert. Er hatte nicht mitbekommen, dass er eingeschlafen war, und seine Umgebung vermittelte ihm ein eigenartiges Gefühl der Verlagerung, während er sich den Schlaf aus den Augen blinzelte. Er richtete sich auf, wiederholte ein Dankgebet für den neuen Tag und spürte, wie sein Verstand sich konzentrierte, als der Cataleptische Knoten in seinem Gehirn wieder alle seine
kognitiven Funktionen weckte. Der Cataleptische Knoten ermöglichte einem Space Marine, gleichzeitig zu schlafen und dabei wach zu bleiben, indem er den Tagesrhythmus des Schlafens und die Reaktion seines Körpers auf Schlafmangel beeinflusste und Regionen des Gehirns nacheinander »abschaltete«. Dieser Vorgang konnte den normalen Schlaf nicht vollständig ersetzen, gestattete einem Space Marine aber, seine Umgebung auch in Ruhephasen wahrzunehmen. Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf und verließ den schattigen Raum, wobei ihm der Geruch von heißer Nahrung in die Nase stieg und ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er betrat den Hauptraum des Blockhauses. Dasselbe leblose Licht fiel durch die Schießscharten, und Gruppen von Space Marines hatten sich um ein Feuer versammelt, über dem ein großer Kessel mit einem dicklichen, grützeartigen Brei blubberte. Er sah bestenfalls nach schlechtem Essen aus, aber im Augenblick kam er ihm so erstrebenswert vor wie das zarteste Stück gebratenes Wildschwein. Mehrere Gestalten lagen in der Kammer, ruhende Space Marines sowie Leonid und Ellard, die unter einer Schießscharte schliefen und dabei ihr Gewehr als Kopfkissen benutzten. »Ich würde >guten Morgen< sagen, aber das ist keine Wendung, die ich auf dieser Welt wirklich benutzen kann«, sagte Ardaric Vaanes, während er etwas von dem Brei in eine primitive Metallschale löffelte und Uriel reichte. »Es ist nicht viel, nur ein paar gestohlene und verlängerte Proviant-Rationen.« »Es reicht vollkommen. Danke«, sagte Uriel. Er nahm die Schale und setzte sich damit neben Pasanius, der zum Gruß nickte, während er sich den grauen Brei in den Mund schaufelte. »Macht ihr euch keine Sorgen, dass man den Rauch des Feuers sehen könnte?« »Auf Medrengard? Nein, aufsteigender Rauch ist nichts Ungewöhnliches auf diesem Planeten.« »Nein, wohl nicht«, sagte Uriel zwischen zwei Bissen. Der Brei war dünn, und er schmeckte verwässerte Nährstoffe. Die Grütze reichte kaum aus, um die Leute nicht verhungern zu lassen, geschweige denn sie zu sättigen. Immerhin hatte sie aber mehr Geschmack als die wiederaufbereitete Paste, mit der seine Rüstung ihn versorgte.
»Hast du noch mal über das nachgedacht, was ich dich gefragt habe?«, sagte Uriel, als er zu Ende gegessen hatte und die Schale neben sich stellte. »Das habe ich«, nickte Vaanes. »Und?« »Du machst mich neugierig, Ventris. Hinter dir steckt viel mehr, als offensichtlich ist, aber ich will verdammt sein, wenn ich weiß, was. Du sagst, ihr seid hier, um einen Todeseid zu erfüllen, und ich glaube dir. Aber da ist noch etwas, das du nicht sagst, und ich fürchte, das wird uns allen den Tod bringen.« »Du hast recht«, sagte Uriel, dem klar wurde, dass er keine andere Wahl hatte, als diesen Abtrünnigen die Wahrheit zu sagen. »Da ist noch mehr, und ich werde euch alles erzählen. Versammle draußen die Krieger, dann spreche ich zu euch allen.« Vaanes' Augen verengten sich ob des Ansinnens, Uriel direkt zu seinen Männern sprechen zu lassen, aber ihm ging auf, dass er es ihm nicht verweigern konnte. »Nun gut. Hören wir uns an, was du zu sagen hast.« Uriel nickte und folgte Vaanes und seinen Männern in die unbewegte Luft und die blendenden Strahlen der schwarzen Sonne. Space Marines verließen das Blockhaus und wurden von ihren Posten auf den Gipfeln rund um den Bunkerkomplex abberufen. Gähnend und blinzelnd traten auch Leonid und Ellard in die grelle Helligkeit des Tals, das Lasergewehr locker auf der Schulter. Als sich der Trupp der abtrünnigen Krieger vollständig versammelt hatte, gut dreißig Space Marines verschiedener Orden, sagte Vaanes: »Du hast das Wort, Ventris.« Uriel holte tief Luft, während Pasanius flüsterte: »Bist du sicher, dass das klug ist?« »Wir haben keine Wahl, mein Freund«, erwiderte Uriel. »Wir müssen es auf diese Art machen.« Pasanius zuckte die Achseln, und Uriel trat in die Mitte des Kreises der Space Marines und fing mit starker und klarer Stimme an zu reden. »Ich bin Uriel Ventris und war vor Kurzem ein Hauptmann der Ultramarines. Ich habe die Vierte Kompanie befehligt, und Pasanius war mein dienstältester Sergeant. Wir wurden aus unserem Orden ausgestoßen, weil wir dem Codex Astartes zuwidergehandelt haben, und für unsere Brüder sind wir keine Ultramarines mehr.«
Uriel marschierte in dem Kreis auf und ab und hob die Stimme. »Wir sind keine Ultramarines mehr, aber wir sind immer noch Space Marines, Krieger des Imperators, und das werden wir bis zu unserem Todestag bleiben. Genau wie du, du und du!« Bei seinen letzten Worten zeigte Uriel mit der Faust auf Space Marines in dem Kreis. »Ich weiß nicht, warum ihr hier seid, welche Umstände euch aus euren Orden vertrieben und an diesen Ort geführt haben, und ich brauche es auch gar nicht zu wissen. Aber ich biete euch eine Gelegenheit, Eure Ehre zurückzugewinnen und zu beweisen, dass ihr wahre und entschlossene Krieger seid.« »Was verlangst du von uns?«, sagte ein massiger Space Marine in den Farben der Crimson Fists, dessen ramponierter Schädel vernarbt und kahl rasiert war. »Wie heißt du, Bruder?« »Kyama Shae«, sagte die Crimson Fist. »Ich verlange von euch, dass ihr euch uns und unserer Aufgabe anschließt, Bruder Shae«, sagte Uriel. »Wir wollen in Honsous Festung eindringen und die Daemonculaba vernichten. Einige von euch wissen das bereits, aber da ist noch mehr. Der Omphalos Daemonium, der Dämon, der uns hierhergebracht hat, hatte einen Grund dafür. Er hat uns vom Blutherz erzählt und uns gesagt, es befinde sich in den geheimen Gewölben von Honsous Festung.« Ein Murmeln überraschten Entsetzens durchlief den Kreis, als Uriel fortfuhr: »Der Dämon hat uns beauftragt, ihm das Blutherz zu beschaffen, und wir haben zugestimmt.« »Verräter!«, zischte ein White Consul. »Ihr verkehrt mit Dämonen!« Pasanius sprang auf und rief: »Niemals! Wenn du das noch mal sagst, bringe ich dich um!« Uriel trat zwischen die beiden Space Marines und sagte: »Wir haben zugestimmt, weil unseren Heimatwelten mit Vernichtung gedroht wurde, Bruder, aber hab keine Angst, wir haben nicht die Absicht, uns an die Vereinbarung zu halten. Wenn ich dieses Blutherz in der Festung finde, werde ich es zerstören. Ihr habt mein Wort darauf.« »Wie können wir dir trauen?«, fragte Vaanes. »Ich kann euch nur mein Wort anbieten, Vaanes, aber denkt über Folgendes nach: Der Kriegsfürst Honsou ist kürzlich von
einem Feldzug zurückgekehrt und hat gestohlene Gensaat mitgebracht. Was glaubt ihr, wofür er sie benutzt? Was glaubt ihr, wie die Daemonculaba diese neugeborenen Abartigkeiten produzieren? Mit genug Gensaat kann Honsou Hunderte, vielleicht sogar Tausende neuer Krieger für seine Armeen erschaffen. Bald werden sie kommen und euch vernichten. Das wisst ihr, warum also nicht jetzt zuschlagen, bevor sie dazu in der Lage sind?« Uriel sah, dass seine Worte zu den versammelten Space Marines durchdrangen, und setzte nach. »Ihr sagt, in allem, was ihr tut, steckt das oberste Anliegen, den Iron Warriors zu schaden, und was würde ihnen mehr schaden, als wenn ihre neusten Krieger vernichtet würden, bevor sie kämpfen können? Zumindest können wir den Iron Warriors solchen Kummer bereiten, dass sie uns nicht so bald vergessen werden. Wenn wir dabei sterben sollten, tun wir es wenigstens mit unserer Ehre!« »Was nützt einem Ehre, wenn man tot ist?«, fragte Vaanes. »Tod und Ehre«, sagte Uriel. »Wenn der eine das andere mit sich bringt, dann ist es ein guter Tod.« »Du hast leicht reden, Ventris.« Uriel schüttelte den Kopf. »Nein, Vaanes, habe ich nicht. Glaubst du, ich will sterben? Das will ich nicht. Ich will lange leben und meinen Feinden noch viele Jahre Tod und Zerstörung bringen, aber wenn ich sterben muss, kann ich mir kein besseres Ende vorstellen als im Kampf für eine gute Sache neben Schlachtenbrüdern.« »Für eine gute Sache? Wen interessiert das?«, schnauzte Vaanes. »Wenn wir bei deinem Selbstmordkommando sterben, was spielt dann all das noch für eine Rolle? Wer wird überhaupt von deiner kostbaren Ehre wissen?« »Ich«, sagte Uriel leise. »Und das reicht vollkommen.« Stille trat ein, und Uriel sah, dass die abtrünnigen Space Marines hin- und hergerissen waren zwischen dem Status Quo ihrer gegenwärtigen Existenz und dieser Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Er konnte noch nicht sagen, wofür sie sich letzten Endes entscheiden würden. Gerade als er glaubte, keiner werde auf das Angebot reagieren, das er ihnen gemacht hatte, erhoben sich Oberst Leonid und Sergeant Ellard und gingen durch den Kreis zu ihm. Leonid salutierte vor ihm und sagte: »Wir werden mit Ihnen kämpfen, Hauptmann Ventris. Wir sterben ohnehin, und wenn wir
Iron Warriors töten können, bevor das passiert, dann umso besser.« Uriel lächelte und schüttelte Leonid die Hand. »Sie sind ein tapferer Mann, Oberst.« »Vielleicht«, sagte Leonid, »oder ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat.« »Jedenfalls danke ich Ihnen beiden«, sagte Uriel, während Bruder Seraphys ebenfalls vortrat, um sich ihnen anzuschließen. »Ich komme mit euch, Uriel«, sagte Seraphys. »Wenn ich mehr über die Machenschaften der Mächte des Verderbens erfahren kann, dann kann das nur gut sein.« Uriel nickte dankend, als zunächst noch ein Space Marine und dann noch weitere vortraten und zu ihm kamen. Sie kamen allein und in Zweiergruppen, bis alle abtrünnigen Space Marines bis auf Ardaric Vaanes bei Uriel und Pasanius standen. Der ehemalige Space Marine der Raven Guard lachte in sich hinein und sagte: »Du kannst mit Worten umgehen, Ventris, das muss ich dir lassen.« »Schließ dich uns an, Vaanes!«, drängte Uriel. »Ergreif die Gelegenheit zur Ehre. Denk daran, wer du bist und wofür du geschaffen wurdest!« Vaanes erhob sich und näherte sich Uriel. »Das weiß ich sehr wohl, Ventris.« »Dann schließ dich uns an!« Der Abtrünnige seufzte und ließ den Blick über den baufälligen Bunkerkomplex wandern, den er Heim genannt hatte, und über die Space Marines, die jetzt bei Uriel standen. »Also gut, ich helfe euch dabei, in die Festung zu gelangen, aber ich lasse mich nicht töten, um euch dabei zu helfen, euren Todeseid zu erfüllen. Solange das klar ist...« »Es ist klar«, versicherte ihm Uriel. Vaanes grinste plötzlich und schüttelte den Kopf. »Verdammt, ich wusste doch, dass du Ärger bringst...«
NEUN Von einem neuen Gefühl der Bestimmung erfüllt, packte der Kriegertrupp Waffen und Ausrüstung zusammen und bereitete sich darauf vor, die Zuflucht zu verlassen. Uriel säuberte seine
Rüstung, so gut er konnte, und kniete nieder, um seiner Ausrüstung zu danken, dann legte er sein Gewehr und sein Schwert vor sich hin und bat sie, ihm dabei zu helfen, das Werk des Imperators zu verrichten. Pasanius füllte seinen Flammenwerfer mit dem Rest seines Prometheums, und obwohl es ihn schmerzte, wusste er doch, dass er ihn bald würde zurücklassen müssen. Eine Waffe ohne Munition war keine Waffe mehr. Schließlich waren die Krieger so weit, und Uriel führte die zusammengewürfelte Truppe der Space Marines stolz von den zerfallenden Bunkern zur Einmündung in das schattige Tal. Ardaric Vaanes marschierte neben ihm und sagte: »Dir ist klar, dass du uns wahrscheinlich alle in den Tod führst?« »Das ist durchaus eine Möglichkeit«, räumte Uriel ein. »Gut. Ich wollte mich nur vergewissern, dass du das einsiehst.« Der Himmel verdunkelte sich, als sie schließlich das Ende des Tals erreichten, eine unnatürliche Dunkelheit, die auf niedrige, bedrohliche Rauchwolken zurückzuführen war. Uriel fragte sich kurz, ob es so etwas wie Wetter auf Medrengard gab, verwarf die Überlegung dann aber. Wozu brauchten die Iron Warriors Wetter? Hier wuchs nichts oder brauchte Bewässerung vom Himmel. Voraus lag ihr eigentlicher Bestimmungsort, und nun, da Uriel die Festung tatsächlich klar sehen konnte, begriff er Vaanes' Versicherung, der Versuch die Abwehranlagen so eines Bauwerks zu überwinden, sei ein Selbstmordkommando . Honsous Festung war eine albtraumhaft schwarze Zacke vor dem Himmel. Pechschwarze Türme aus dunklem, blutfleckigem Stein bohrten sich in Wolken aus Asche, in denen düstere Blitze zuckten. Die Türme und gewölbten Hallen der Festung waren von vernarbten Bollwerken umringt, deren Mauern Hunderte von Metern hoch waren. Die oberen Ebenen standen unberührt von der Belagerungsarmee unten, aber die unteren Ebenen waren eine mit Kratern übersäte Hölle aus Flammen und Krieg. Ein Nebel aus mächtigen Energien umgab die Festung, als sei sie nicht vollkommen wirklich. Uriel musste sich brennende Feuchtigkeit aus den Augen blinzeln, wenn er zu lange auf diese aberwitzige Architektur schaute. Die Welt selbst hallte im Gedröhn mächtiger Maschinen wider, und das rhythmische Trommeln der Hämmer klang wie der Schlag eines monströsen mechanischen Herzens. Wie ein bösartiger Pilz
hatten sich die Armeen von Honsous Angreifern in unregelmäßigen Umfassungslinien rings um die Festung ausgebreitet, und Zugangswege schlängelten sich im Zickzack durch die tieferen Ausläufer der Festung und endeten in schwer befestigten Parallelen, die mit gewaltigen Bunkern und Schanzen bestückt waren. Auf der Festung erblühten beständige Explosionen, und die Ebene vor ihr flackerte und blitzte im ununterbrochenen Mündungsfeuer monströser Kanonen und Haubitzen. Eine riesige Rampe war im Bau, die schweren Panzern und Titanen Zugang zu den oberen Ebenen der Festung geben würde, und Uriel konnte erkennen, dass es in der Ebene von Millionen Kriegern wimmelte. Ausgedehnte Lager und ganze Städte waren errichtet worden, um diese Soldaten unterzubringen, und wie sie durch so viele Feinde gelangen wollten, um die Festung zu ergreifen, war ihm schleierhaft. »Kommen dir Bedenken?«, fragte Vaanes. »Nein«, sagte Uriel. »Sicher?« »Ich bin sicher, Vaanes. Wir können es schaffen. Es wird nicht leicht, aber wir können es schaffen.« Vaanes wirkte nicht überzeugt, zeigte aber auf eine Stelle, wo das Plateau schmaler und zu einer beinahe vertikalen Schere im Fels wurde, die einen Pfad die Flanke des Bergs hinunter ausbildete. »Das ist der Weg nach unten, und er führt in die Ebene. Er ist steil, sehr steil, und ein Fehltritt bedeutet den Tod.« »Wie sollen wir da hinunterkommen?«, hauchte Leonid. »Sehr vorsichtig«, sagte Vaanes. »Also fallt nicht.« »Für Sie ist es kein Problem«, sagte Ellard. »Wenn Sie abstürzen, haben Sie einen Sprungtornister.« »Was? Soll ich unsere Anwesenheit hier aller Welt verkünden?«, erwiderte Vaanes. Uriel folgte dem Abtrünnigen und wurde von einem Schwindelanfall erfasst, als er den Weg sah, den sie nehmen mussten. Die Ebene lag viele tausend Meter unter ihnen, und dampfende Wasserfälle aus geschmolzenem Metall plätscherten durch Basaltkanäle zu den orange leuchtenden Seen unten. »Man muss mit dem Gesicht zum Felsen herabsteigen«, erklärte Vaanes, indem er den Weg betrat, der kaum einen halben Meter
breit war, und die Finger in Spalten im Fels bohrte, um Halt zu gewinnen. Vorsichtig folgte er dem Weg, an die Felswand gelehnt, indem er seitwärts daran entlang nach unten glitt. Uriel ging als Nächster. Er verlagerte sein Gesicht weiter nach vorn in dem Wissen, dass ein kleiner Ausrutscher bereits ausreichen würde, ihn viele tausend Meter tief abstürzen zu lassen. Kalter Wind peitschte ihn, und er spürte das Hämmern seiner Herzschläge in der Brust. Er folgte Vaanes Beispiel und machte sich dieselben Handgriffe zunutze, wo er nur konnte. Nach ein paar Stunden schmerzten seine Muskeln und brannten seine Finger vor Erschöpfung, und sie hatten nicht einmal die Hälfte des Wegs geschafft. Sein Atem kam in kurzen, harten Stößen, und er musste sich extrem beherrschen, um nicht nach unten zu schauen. Hand über Hand folgte Hand über Hand, und ein schlurfender Schritt zur Seite folgte dem nächsten, bis sie eine Stelle erreichten, wo der Hang abflachte und es möglich war, ein kurzes Stück direkt abwärtszuklettern. Während Uriel nach unten zu einem schmalen Sims kletterte, spannte und entspannte er die Finger. Seine Panzerhandschuhe waren an vielen Stellen aufgerissen und beinahe unnütz. Seine Arme waren Bleigewichte, und er hoffte, die Kraft zu haben, es bis zum Boden zu schaffen. Mit etwas mehr Bewegungsspielraum auf dem Sims drehte er sich vorsichtig um und betrachtete den beängstigenden Maßstab der Belagerung unter sich. Was war überhaupt der Anlass dieser Belagerung? Irgendein mörderischer Konflikt, oder steckte ein anderer, finstererer Zweck hinter dem Gemetzel, das dort stattfand? Wussten die Angreifer vom Blutherz und den Daemonculaba? Es spielte wohl keine Rolle, warum die Anhänger der Dunklen Mächte Krieg gegeneinander führten. Je mehr sie einander töteten, desto weniger blieben übrig, um das Reich des Imperators anzugreifen. Ein Schreckensschrei von oben riss ihn aus seinen Grübeleien, und als er nach oben schaute, sah er eine Steinlawine mit Oberst Leonid den Hang hinuntersausen, der vor Entsetzen über seinen Absturz schrie. Uriel drückte sich flach gegen die Felswand und lehnte sich gefährlich weit auf die Seite, um Leonid zu fangen, als er an ihm vorbeisegelte.
Seine Finger schlossen sich um Leonids Uniformjacke, und er biss die Zähne zusammen, und seine andere Hand krampfte sich fester um den Felsen, als das Gewicht des Obersten drohte, sie beide vom Sims zu reißen. Unter normalen Umständen hätte Uriel keine Mühe gehabt, Leonid auf diese Weise zu fangen, aber halb aus dem Gleichgewicht und am äußersten Rand eines bröckelnden Felsvorsprungs spürte er nun, wie er von der Klippe gezogen wurde, da seine schmerzenden Finger langsam den Halt verloren. »Ich kann mich nicht halten!«, rief er. Der Sims bröckelte am Rand, und Dreck und Geröll kollerte abwärts in Richtung Ebene. »Nicht loslassen!«, schrie Leonid. »Bitte!« Uriel kämpfte darum, ihn weiter festzuhalten, wusste aber, dass er es nicht konnte. Sollte er Leonid einfach loslassen? Die Anwesenheit Leonids würde ihr Unternehmen gewiss weder so noch so beeinflussen. Er war ein normaler Mensch unter Space Marines, was konnte er ihnen schon nützen? Doch bevor er loslassen konnte, spürte er, wie sich eine Hand um seinen Schulterschutz legte und ihn zurückzog. Über ihm hatte Sergeant Ellard seine Rüstung gepackt und mühte sich, ihn zurückzuziehen. Uriel war zu schwer, als dass er ihn hätte festhalten können, aber Ellard war ziemlich kräftig, und er hielt Uriel so lange fest, dass dieser zu einem besseren Handgriff mit sicherem Halt wechseln konnte. Zentimeter für Zentimeter schob sich Uriel auf den festeren Boden des Simses zurück und konnte dann Leonid absetzen. Der Oberst hyperventilierte, und sein Gesicht war blass vor Schock und Grauen. »Sie sind jetzt in Sicherheit, Mikhail«, sagte Uriel, wobei er den Obersten absichtlich mit dem Vornamen anredete. Leonid atmete tief und angestrengt und hielt den Blick krampfhaft von dem Abgrund hinter sich abgewendet. Er zitterte, sagte aber dennoch: »Danke.« Uriel antwortete nicht, sondern schaute nach oben und sah einen atemlosen Sergeant Ellard scheinbar mit den Fingernägeln an der Felswand kleben. Uriel nickte dem Mann respektvoll zu, der das Nicken erwiderte. »Herr Oberst, können Sie weitergehen?«, fragte Ellard. »Aye...«, keuchte Leonid. »Ich bin gleich wieder so weit, lassen sie mich noch ein, zwei Minuten verschnaufen.«
Die drei warteten noch ein wenig, bevor sie weiterkletterten, Uriel an der Spitze und Ellard am Ende. Die Schritte des Obersten waren zunächst zögerlich und unsicher, aber schließlich kehrte sein Selbstvertrauen zurück, und er kam gut voran. Der Weg den Berg hinunter verschwamm zu einer schmerzhaften Aneinanderreihung ständig wiederkehrender Muster: Traversen über erschreckend schmale Felsnadeln und tiefe Abgründe neben gesplitterten Vorsprüngen. Uriel ging weiter bergab, eng gegen den Fels gepresst, bis er ein Klopfen auf der Schulter spürte. Als er sich umschaute, sah er, dass sie den Fuß der Schere im Fels erreicht hatten und sie sich auf einem breiten, geröllübersäten Hang aus Asche und Eisentrümmern befanden. Eine aufgewühlte Masse geborstener Erde zog sich mit sanfter Neigung zur Ebene weiter unten. Der Kriegertrupp war versammelt, nach der Kletterpartie außer Atem, und als Uriel nach oben schaute und sah, dass auch Leonid und Ellard sich dem Ende näherten, stieg seine Bewunderung für ihre Ausdauer und ihren Mut ebenso in neue Höhen wie seine Scham bei dem Gedanken, auch nur in Erwägung gezogen zu haben, Leonid in den Tod stürzen zu lassen. Ardaric Vaanes kam zu ihm und sagte: »Also habt ihr es auch geschafft.« »Du hattest recht«, sagte Uriel. »Das war nicht leicht.« »Nein, aber wir sind alle da. Was nun?« Das war eine sehr gute Frage. Sie waren immer noch viele Kilometer von der Festung entfernt, und Uriel konnte nicht einmal ansatzweise raten, wie viele Feindsoldaten zwischen ihnen und den tiefsten Ebenen der Festung standen. Er starrte auf die Ebene unter sich und sah unzählige Arbeitsmannschaften und Erdräummaschinen, die Hunderte Tonnen Erde bewegten, um die Rampe zu bauen, die zur Festung führte. Ein zischender See aus geschmolzenem Metall sammelte sich am Fuß des Hangs und tauchte alles in einen höllischen orangen Schein, und das Rumpeln der Maschinen und fluchende Stimmen trieben von den Baustellen nach oben. »Wir können unmöglich einfach durch so viele Soldaten marschieren. Selbst wenn die meisten nur Menschen sind.« »Ich weiß«, erwiderte Uriel mit Blick auf die riesigen Räummaschinen. »Aber vielleicht brauchen wir das gar nicht.«
Die Hitze, die der geschmolzene See abstrahlte, war erstickend. Stinkende Dämpfe entwichen aus ihm und machten jeden Atemzug heiß und schmerzhaft. Uriel schlich um einen hohen Haufen aufgestapelter Stahlplatten und wartete darauf, dass die letzte Arbeitsmannschaft vorbeimarschierte, deren Mitglieder am Hals durch stachelbewehrte Kragen aneinandergekettet waren und schmutzige Lumpen trugen. Diener der Iron Warriors in Ganzkörper-Vakuumanzügen gurgelten den Sklaven Befehle zu und schlugen und peitschten sie nach Belieben. Das Rumpeln schwerer Raupenschlepper und das Donnern des Geschützfeuers verschluckte alle Geräusche, welche die Space Marines bei ihrem Anmarsch durch die tiefer gelegenen Hänge verursachten, und die durch die Rauchwolken hervorgerufene Düsternis half ihnen ebenfalls, den Bauplatz unbeobachtet zu erreichen. Die riesigen Maschinen waren größer als die größten Superschweren Panzer, die Uriel kannte. Sie bestanden aus einem Führerhaus auf einer gewaltigen, mit Ketten versehenen Zugmaschine und einem gigantischen Container auf Rädern mit dem Durchmesser von drei ausgewachsenen Männern. Mit unzähligen Tonnen Erde und Gestein beladen, fuhren sie gemächlich die Rampe empor, luden ihre Fracht ab und fuhren dann wieder zurück, um die nächste Ladung zu holen. Millionen Tonnen waren bereits verarbeitet worden, doch die Rampe hatte nicht einmal die Hälfte des Wegs zu den oberen Ebenen der Festung überbrückt. Uriel sah zu, wie drei der Transporter wieder zurück zum Fuß der Rampe fuhren, und wandte sich an Pasanius. »Sie kommen«, flüsterte er in die Kom-Einheit seiner Rüstung. »Ich sehe sie«, bestätigte Vaanes. Auf der anderen Seite des Bauplatzes sah Uriel Vaanes jetzt an der Seite der Rampe emporklettern, um Höhe zu gewinnen und seinen Sprungtornister besser einsetzen zu können. Andere Space Marines warteten nur auf den Angriffsbefehl. Der erste Transporter vollendete seine weite Kehre und verschwand im Rauch, um mehr Erde zu holen, und Uriel biss sich in nervöser Erwartung auf die Lippe. »Der zweite ist fast da«, sagte Pasanius, und Uriel hörte die Vorfreude in der Stimme des ehemaligen Sergeanten. »Aye«, nickte er. »Bereit?« »Bereiter geht's nicht.«
»In solchen Momenten wünschte ich, Idaeus wäre noch da«, sagte Uriel. Pasanius grinste und sagte: »Dieser Angriff wäre ganz nach seinem Geschmack.« »Was? Hoffnungslos unterlegen und ohne Rückhalt durch den Codex Astartes?« »Genau«, sagte Pasanius mit einem Nicken zur Rampe. »Der letzte ist unten.« Uriel richtete den Blick auf den Transporter, da dieser einen weiten Bogen am Fuß der Rampe fuhr und sich die gewaltige Zugmaschine der Festung zuwandte. Als sie die Ebene erreicht hatte, der riesige Container aber noch auf der Schräge war, erhob er sich und rief, »Los! Los!«, über Kom, um dann ins Freie zu laufen. Einzelne Sklavengruppen starrten sie an, als sie zu der riesigen Maschine rannten, achteten aber ansonsten gar nicht auf sie. Aus der Nähe betrachtet war der Transporter sogar noch größer, als es aus der Ferne den Anschein hatte: volle neunzig Meter lang und aus verbeulten Eisenplatten und Bronzeträgern konstruiert. Die Räder waren massiv und wühlten tiefe Furchen in den Boden. Zum Glück fuhr er noch langsam genug, um ihn einholen zu können, und Uriel sprang mit einem Satz auf die Eisenleiter, die nach oben ins Führerhaus führte. Space Marines trabten neben dem Transporter her, sprangen auf die Trittbretter und kletterten an den unregelmäßigen Seiten des Hängers empor. Uriel erklomm rasch die Leiter zur Plattform neben der Fahrerkabine, dann hörte er ein lautes Krachen, als etwas auf dem Kabinendach landete. Metall riss, und er hörte Geschrei. Er kletterte weiter. Über ihm flog die Tür auf, und ein Wesen in einem Vakuumanzug und einem Ledergeschirr tauchte aus dem Führerhaus auf. Raue, statische Triller der Furcht drangen aus einer kupfernen Gesichtsplatte, als es Uriel erblickte, doch der ließ ihm keine Zeit zu einer Reaktion, sondern griff nach oben und packte das Geschirr. Es versuchte eine Pistole zu ziehen, aber Uriel zog mit kräftigem Ruck, so dass es aus der Kabine und nach unten auf den Boden fiel. Kyama Shae, der Space Marine der Crimson Fists, der auf dem Trittbrett mitfuhr, schoss dem Mutanten in den Kopf, und die Gruppe der in diesem Teil der Rampe versammelten Sklaven
jubelte, als er es tat. Uriel kletterte die Leiter empor und schwang sich kampfbereit in die Fahrerkabine, sah aber, dass bereits alles erledigt war: Noch zwei weitere, ebenfalls in schwarze Vakuumanzüge gehüllte Wesen der Art, wie Uriel es gerade zu Boden geworfen hatte, lagen tot auf ihren Klappsitzen, von Ardaric Vaanes' Energieklauen vom Hals bis zum Schritt aufgerissen. Der Abtrünnige saß unbeholfen vor einer Leiste mit Kontrollen, und sein Sprungtornister füllte beinahe die Kabine aus. Er kämpfte mit einem Durcheinander aus Hebeln und einem riesigen Rad unter einem großen Riss im stählernen Dach und sagte: »Weißt du, wie man dieses Ding fährt?« »Nein«, sagte Uriel. »Aber wie schwer kann das sein?« »Das werden wir gleich herausfinden«, sagte Vaanes. Uriel wischte mit der Hand über die blutverschmierte Windschutzscheibe und schaute durch sie auf das hintere Ende der beiden Schlepper vor ihnen. »Fahr einfach geradeaus, und versuch an den beiden vor uns so lange wie möglich dranzubleiben.« Vaanes nickte, zu beschäftigt damit, sich mit der Steuerung vertraut zu machen. Uriel überließ ihn sich selbst und schwang sich nach draußen auf die Plattform neben der Kabine. Die Space Marines des Trupps liefen über die Trittbretter zu den Leitern an den Seiten und im Heck des Hängers und kletterten daran empor, um sich in dem leeren Container zu verstecken. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie ohne größeres Entdeckungsrisiko tatsächlich nah herankommen konnten, kletterte Uriel wieder zurück ins Führerhaus und zerrte die Leichen der Mutanten nach draußen. Er schleuderte sie zu Boden, und die Sklaven, die ihnen am nächsten waren, fielen über sie her und rissen sie mit hemmungsloser Selbstvergessenheit in Stücke. »So schwierig ist es gar nicht«, sagte Vaanes, als Uriel die Tür hinter sich schloss. »Nein?« »Nein, ein Rhino ist schwerer zu steuern als dieses Ding hier. Es ist nur ein wenig größer.« »Nur ein wenig«, stimmte Uriel zu. Er überließ Vaanes der Steuerung und starrte durch die schmutzige Windschutzscheibe auf die Szenerie, und der Maßstab der hier stattfindenden Schlacht raubte ihm den Atem.
Sie passierten riesige Artilleriegruben und gewaltige Geschütze, die um vieles größer waren als die schwersten Kanonen der Imperialen Garde und der Festung panzergroße Granaten entgegenschleuderten. Hohe, mit Leichen behangene Türme und stachelige Bunker waren über das ganze Lager verteilt, und eine gigantische Infrastruktur hatte sich gebildet, um bei der gewaltigen Anstrengung zu helfen, Honsous Festung einzunehmen. Finstere Wunder und monströse Anblicke begegneten ihnen an jeder Ecke, die ungezählten Schrecken einer Dämonenwelt im Krieg. Die Schlepper fuhren über leichenbehangene Straßen und schädelgepflasterte Plätze, wo nackte Irre große mit Eingeweiden behangene Götzenbilder und eiserne Säulen umtanzten, die vor Energie knisterten. Sie sahen, wie Mutanten verkrüppelte Sklaven in blubbernde Seen aus geschmolzenem Metall warfen und dabei lachten, und Uriel wandte sich ab. Er konnte sie nicht alle retten, also würde er keinen retten. Es verletzte seine Seele, derartige Gräueltaten ungestraft zu lassen, aber er glaubte langsam, dass Vaanes recht hatte - es war besser, sie sterben zu lassen, als bei dem Versuch, sie zu retten, selbst zu sterben und zu scheitern. Während der Schlepper die Entfernung zwischen dem Rand des Lagers und den Belagerungslinien überwand, fuhren sie über große Eisenbrücken, die tiefe Gräben überquerten, durch Kilometer von Stacheldraht und um tiefe Gruben mit schreienden mechanischen Ungeheuern herum. Schatten von großen, krallenbewehrten Gliedern tanzten im Feuerschein, und Uriel verspürte einen Schauder der Furcht beim Gedanken daran, solche Dämonenmaschinen auch nur zu erblicken. Die Hitze im Führerhaus war bedrückend, aber aus Angst vor Entdeckung wagte er nicht, die Tür zu öffnen. Bisher war es ihnen gelungen, den Schleppern zu folgen, aber sobald sich der führende Schlepper von der Festung abkehrte, würde die Täuschung auffliegen. Die Schlepper rollten weiter durch das Lager der Iron Warriors, durch riesige Barackenstädte voller rot gekleideter Soldaten und in Ölfässern brennenden Feuern. Soldaten stimmten Lobgesänge auf ihre Herren an und schossen in die Luft, während sie um die Flammen tanzten. »Das sind die Krieger von Lord Berossus«, sagte Vaanes, indem er auf eine schwarz-goldene Standarte zeigte, die am Rande des
Lagers gehisst war. »Und wer ist das? Ein Rivale Honsous?« »Sollte man meinen. Er ist Anführer einer großen Kompanie der Iron Warriors und ein Vasall von Lord Toramino, einem der mächtigsten Kriegsfürsten überhaupt.« »Woher weißt du das alles?«, fragte Uriel. »Wir haben hin und wieder Gefangene genommen«, erwiderte Vaanes, »und sind nicht davor zurückgescheut, sie zu verhören. Wenn Berossus hier ist, kann Toramino auch nicht weit sein. Aus welchem Grund sie Honsous Festung auch belagern, es muss ein ziemlich guter Grund sein.« »Vielleicht wissen sie, was Honsou von Hydra Cordatus mitgebracht hat, und wollen einen Anteil von der Kriegsbeute.« »Gensaat? Ja, das wäre eine Erklärung.« »Das dürfen wir nicht zulassen.« Vaanes lachte. »Wir sind nur dreißig Krieger, und du willst, dass wir diese Welt umkrempeln.« »Warum nicht?«, sagte Uriel. »Wir sind Space Marines des Imperators. Wir können alles schaffen, was wir uns vornehmen.« »Ich weiß nicht warum, weil ich deinetwegen wahrscheinlich sterbe, aber ich mag dich, Uriel Ventris. Du hast einen absurden Sinn dafür, das Unmögliche zu versuchen, das gefällt mir.« Uriel richtete den Blick wieder nach draußen, erfreut über das Kompliment, als der führende Schlepper eine breite Kreuzung erreichte und eine weite Kurve zu einer riesigen Abraumhalde fuhr. »Verdammt, sie kehren um«, fluchte Vaanes, der dasselbe sah. »Wir sind noch zu weit weg, um es zu Fuß zu schaffen«, sagte Uriel. »Vor uns sind noch ganze Regimenter.« »Was meinst du?« »Gib Gas!«, sagte Uriel. »Fahr direkt zur Festung, und wir machen alles nieder, was uns in die Quere kommt. Wir fahren sie über den Haufen oder erschießen sie, aber bring uns so nah an die Festung heran, wie du kannst.« »Ich versuch's!«, rief Vaanes, indem er einen Gang höher schaltete und Gas gab. »Wir werden nicht weit kommen, bevor es Ärger gibt, also mach dich bereit, mir Feuerschutz zu geben.« Uriel nickte und verließ die Fahrerkabine. Er rief die anderen Space Marines über Kom und unterrichtete sie über die Situation. Bestätigungen huschten über sein Visier, und Uriel machte
Schwert und Boltgewehr bereit, während der Schlepper der Kreuzung entgegenrumpelte. Die für die Schlepper gedachte Straße war eindeutig zu sehen und bog nach links ab, doch anstatt langsamer zu werden, um der Kurve zu folgen, erhöhte das Vehikel die Geschwindigkeit und raste geradeaus weiter, wobei es wie wild zu bocken anfing, als es auf einen Untergrund wechselte, der nicht für ein derart schweres Fahrzeug geeignet war. Schreie und Alarmrufe ertönten hinter ihnen, da Zelte, Lagerhäuser und Fertighütten unter ihren Ketten plattgewalzt wurden. Rot uniformierte Soldaten, Sklaven und Mutanten sprengten vor ihnen auseinander, und jene, die nicht schnell genug waren, wurden überrollt und zerquetscht. Schüsse prallten von den Seiten des Schleppers ab, aber sie waren sporadisch und ungenau gezielt, und Uriel wusste, dass sie sich wegen derart kleinkalibriger Waffen keine Sorgen zu machen brauchten. Sie würden erst dann Grund zur Sorge haben, wenn weiter vor ihnen stationierte Einheiten über die Situation informiert wurden. Und natürlich sah er kurz darauf Geschützmannschaften vor sich, die statische Waffenplattformen mit Geschützen herumschwenkten, welche ihr Fahrzeug in Fetzen schießen würden. »Krieger, zum Angriff!«, rief er über Kom. Space Marines, die auf diesen Befehl gewartet hatten, erhoben sich hinter der Wandung des Hängers und eröffneten das Feuer. Boltgeschosse beharkten die Schützen und rissen ihre Kanonen in Stücke. Der Schlepper raste in die Grabenlinien und pflügte eine tiefe Furche, während er auf dem weicheren Boden langsamer wurde. Brüllende Soldaten sprangen in die Gräben, doch dort fanden sie keine Zuflucht, da das gewaltige Gewicht des Schleppers die Gräben einstürzen ließ und viele Männer unter Tonnen von Erde und Geröll begrub. Uriel sah ohne Mitgefühl zu und genoss die Zerstörung, die sie anrichteten. Er schoss mit seiner Waffe auf die Soldaten und brüllte den anderen Space Marines Aufmunterungen zu, während sie den Feind töteten. Er schaute gerade rechtzeitig auf, um einen grellen Lichtblitz zu sehen, und fuhr zusammen, als eine gewaltige Explosion den Boden neben ihnen erschütterte. Der Schlepper schwankte, und
einen Moment war Uriel sicher, er werde umkippen. Aber der Imperator war mit ihnen, und der Schlepper richtete sich wieder auf und krachte mit markerschütternder Wucht wieder auf den Boden. Uriel kam wieder hoch und sah mehrere Artilleriegeschütze mit gesenkten Läufen auf sie zielen. Wieder explodierte eine Granate dicht neben ihnen und überschüttete den Schlepper mit Trümmern, Erde und Rauch. Die Kanoniere schossen sich ein, wie viele ihrer eigenen Leute sie auch dabei töteten, und Uriel wusste, dass ihnen bestenfalls noch Sekunden blieben, bevor eines der Geschütze sie in Atome zerlegen würde. »Alles abspringen!«, rief er. »Sofort!« Nachdem der Schlepper zweimal so knapp verfehlt worden war, brauchte keiner der Space Marines eine Extra-Einladung. Sie kletterten über die Wandung des Hängers und sprangen ab. Uriel sah, wie Pasanius landete und sich abrollte, und riss die Tür des Führerhauses auf. »Vaanes! Komm, beeil dich!«, überschrie er das Knattern der Schüsse und die Explosionen. »Spring ab!«, antwortete Vaanes. »Ich bin gleich hinter dir!« Uriel nickte und sprang von der Plattform neben dem Führerhaus. Er schlug schwer auf, rollte sich ab und prallte auf ein Dutzend Soldaten. Einen Herzschlag später war er auf den Beinen, schlug mit dem Schwert um sich und rannte dem Berg entgegen. Schüsse wirbelten Staub rings um ihn auf und prallten von seiner Rüstung ab, während er einfach weiterlief. Er sah Ardaric Vaanes aus dem Führerhaus springen, als eine Granate aus einer der Kanonen schließlich den Schlepper traf. Die Zugmaschine verschwand hinter einer Flammenwand, und das Wrack pflügte noch ein paar Sekunden weiter, bevor es einen Stacheldrahtzaun durchbrach und mit der Gewalt einer Bombenladung explodierte. Folge-Explosionen schlossen sich an, als Treibstofftanks und Granaten hochgingen. Uriel ging auf, dass Vaanes die letzten paar Sekunden genutzt haben musste, um den Schlepper auf ein empfindliches Ziel zu lenken, bevor er abgesprungen war. Die Erde bebte, als Granaten durch die Luft flogen und brennender Treibstoff in alle Richtungen spritzte. Feindliche Soldaten duckten sich und liefen in dem Mahlstrom aus explodierenden Granaten und sengenden Flammenwänden in Deckung, doch Uriel und die Space Marines rannten weiter.
Voraus sah er den Fuß des Berges, wo Berossus' Ingenieure riesige Führungsschienen für eine Seilbahn verlegt hatten, die in die höheren Regionen führten. Ein riesiger Waggon, der von Eisenführungen gehalten wurde, kroch den Berg empor und brachte viele hundert Soldaten der Iron Warriors zur weiter oben tobenden Schlacht. Tausende Soldaten ballten sich am Fuß des Bergs und warteten darauf, nach oben gebracht zu werden und sich dem Angriff anzuschließen. Explosionen und Schüsse waren nichts Neues für sie, und sie hatten die heranstürmenden Space Marines hinter sich noch gar nicht bemerkt. Uriel sah Pasanius und Vaanes voraus und rief sie über Kom. »Der Bahnsteig rechts!«, rief er. »Da kommt gerade ein leerer Waggon nach unten. Den müssen wir nehmen!« »Ich sehe ihn«, erwiderte Vaanes. Die Space Marines des Kriegertrupps fuhren wie ein Güterzug zwischen die arglosen Soldaten und mähten in den ersten Sekunden ihres Angriffs Dutzende nieder. Mit grimmiger Entschlossenheit kämpften sie sich hauend, stechend und schlagend in einer Orgie des Blutvergießens vorwärts. Von Schlächtern in ihrer Mitte überrascht, kämpften die Soldaten darum, ihnen aus dem Weg zu gehen, und es dauerte nicht lange, bis Uriel freie Bahn zum Bahnsteig hatte. Vaanes war vor ihm da und hatte ihnen bereits einen Weg zu der einlaufenden Seilbahn geschlagen. Uriel nahm mehrere Stufen auf einmal, als er die Treppe zum Bahnsteig emporlief. Ein Schulterblick zeigte ihm, dass der Rest der Krieger hinter ihm war und sich geduckt hielt, um den auf sie gezielten Schüssen ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Die Seilbahn dockte mit gewaltigem Scheppern und Krachen am Bahnsteig an und hatte es kaum getan, als die Space Marines auch schon über sie herfielen. Der Waggon war leer bis auf eine grauhäutige Servitor-Kreatur, die mit den Mechanismen der Steuerung verschmolzen war und deren einzige Funktion darin zu bestehen schien, an den Hebeln zu ziehen, welche die Bahn bergauf oder bergab fahren ließ. Uriel, Pasanius und Kyama Shae gingen zum Rand des Bahnsteigs und schossen auf die heranstürmenden Feindsoldaten, die jetzt langsam den Mut wiederfanden. »Ventris!«, rief Vaanes. »Beeil dich, die Bahn fährt los!«
Uriel schlug seinen beiden Begleitern auf den Schulterschutz, bevor er zurück zur Seilbahn lief. Knirschende Zahnräder und schnaufende Motoren hoben sie bereits in die Höhe, aber sie war schwerfällig, und Uriel schwang sich an Bord, bevor sie weiter als einen Meter gestiegen war. Er drehte sich zu Pasanius um, packte seinen silbernen Arm und zog ihn hinauf, wobei er mit einiger Überraschung zur Kenntnis nahm, dass er vollkommen makellos war und nicht einen Kratzer hatte. Wie konnte das sein, wenn seine eigenen Panzerhandschuhe so zerkratzt und ramponiert waren, dass sie praktisch nutzlos waren? Pasanius eilte an ihm vorbei und ging hinter den Führungsschienen in Schussposition, während Uriel auch noch Kyama Shae an Bord der Seilbahn half. Kugeln prallten von den Seiten des Waggons ab, doch nach einigen Sekunden stetiger Beschleunigung waren sie außer Reichweite der Waffen des Feindes. Uriel warf noch einen Blick auf Pasanius, bevor er wieder auf den Berg vor ihnen schaute. Schwarze, rauchige Wolken hüllten die höher gelegenen Hänge ein, und in der Dunkelheit flackerten Blitze und Explosionen von der über ihnen tobenden Schlacht. »Tja, wir sind da«, sagte ein atemloser Vaanes. Uriel drehte sich zum rasch kleiner werdenden Bahnsteig unter ihnen um, während sie in die Wolken aufstiegen und von Dunkelheit verschluckt wurden. »Hierher zu kommen, war der leichte Teil«, sagte Uriel. »Jetzt müssen wir die Festung stürmen.«
ZEHN »Es hat den Anschein, als sei Euer Versuch, Lord Berossus durch die Beschießung seines Pavillons zu verärgern, ein voller Erfolg gewesen«, sagte Obax Zakayo unnötigerweise, als eine weitere Granatsalve in die Mauern einschlug. Wolken aus Flammen und Rauch rasten himmelwärts, und Honsou lachte, da inmitten der Trümmer auch Leiber nach unten regneten. Staub hüllte sie ein, Trümmerstücke polterten die gepflasterten Brustwehre entlang nach unten und Honsou hustete, als er einen Mundvoll Asche verschluckte. Vielleicht war es töricht, sich so nah bei der Front aufzuhalten, aber er war dem scharfen Ende einer
Schlacht noch nicht so fern, dass er den Kanonendonner in den Ohren nicht genossen hätte. »Ja, so sieht es aus. Er ist so berechenbar, dass es einem beinahe den Spaß raubt, ihn zu zerquetschen.« »Aber, Milord, er ist nur noch Tage davon entfernt, die inneren Wälle von Khalan-Ghol zu durchbrechen«, sagte Onyx, der seitlich versetzt etwas hinter Honsou stand. »Wie kann das zu unserem Vorteil sein?« »Weil er nach meiner Pfeife tanzt, Onyx, nicht nach seiner eigenen. Bring einen Feind dazu, dass er auf deine Vorgaben reagiert, und er ist so gut wie verloren. Ich habe ihn fast genau da, wo ich ihn haben will. Aber Toramino... mit Toramino ist es nicht so einfach. Vor ihm müssen wir uns vorsehen. Ich weiß nicht, was er tut.« »Unsere Seher haben nichts Bemerkenswertes hinsichtlich Toramino herausgefunden«, sagte Obax Zakayo. »Anscheinend wartet er und schont einfach seine Krieger, während Berossus seine Männer gegen unsere Mauern anrennen und sterben lässt.« »Ich weiß, und genau das beunruhigt mich«, schnauzte Honsou mit einer Geste auf das Gemetzel, das auf den Mauern unter ihnen stattfand. »Toramino ist viel zu schlau, um uns einfach so seine Männer entgegenzuwerfen. Er weiß, dass Berossus keine anderen Taktiken beherrscht, und wartet auf seinen Augenblick zum Zuschlagen. Den müssen wir voraussehen und ihm zuvorkommen. Sonst sind wir verloren.« Onyx beugte sich über die Brüstung und ließ den Blick seiner funkelnden Silberaugen nach rechts und links von der Stelle wandern, wo er, Honsou und Obax Zakayo standen. Iron Warriors standen bereit, die Brustwehr zu verteidigen, sollten die Bollwerke unter ihnen fallen, was, wenn er die Stärke des Angriffs richtig einschätzte, absolut wahrscheinlich war. »Wir sind dem Kampfgeschehen zu nah«, sagte er. Honsou schüttelte den Kopf. »Nein, ich muss hier sein.« »Ich kann Euch vor der Klinge eines Attentäters oder der Kugel eines Mörders schützen«, sagte Onyx, »aber von einer Artilleriegranate kann ich nicht dasselbe behaupten. Eine Ewigkeit der Marter erwartet meine Essenz, sollte ich zulassen, dass Ihr sterbt, während Ihr unter meinem Schutz steht.« »Warum sollte mich deine ewige Marter kümmern?« »Sie würde Euch nicht kümmern, Ihr wärt tot.«
Darüber dachte Honsou einen Moment nach und sagte dann: »Da könntest du recht haben, Onyx.« Der dämonische Symbiont nickte respektvoll, während mehr jaulende Granaten unter ihnen an den Mauern explodierten. Honsou wandte sich ab, zufrieden, dass das Bollwerk hier so sicher war, wie er es sich nur wünschen konnte. Die Krieger, die er ausgewählt hatte, ihn in Berossus' Lager zu begleiten, befehligten diesen Abschnitt der Mauern, und es gab keine besseren in seiner großen Kompanie. Er hatte einen Schritt gemacht, als ihn ein Aufblitzen dunklen Vorauswissens innehalten ließ, und er brüllte: »Alles runter!« Ob durch schieres Glück oder großes Geschick, das würde Honsou nie erfahren, aber eine Granatsalve aus den Geschützen unten traf den Rand der Brustwehr, auf der er mit seinen Kriegern stand, und fegte wie mit einem vernichtenden Hammerschlag die Stützen für das Gestein weg. Honsou rappelte sich auf und rannte verzweifelt der Sicherheit der Promenade hinter der Brustwehr entgegen, doch es war bereits zu spät. Mit dem knirschenden Krachen berstenden Gesteins wurden er und viele Hundert seiner besten Krieger in einer Lawine aus Trümmern und zerschmettertem Gestein nach unten geschwemmt. Das Auftauchen aus dem Rauch war wie eine Wiedergeburt in der Hölle, überlegte Uriel. Zuerst war er enttäuscht gewesen, ihren Bestimmungsort nicht sehen zu können, doch als sie die dunklen Wolken in den Bergen passiert hatten und ihn zum ersten Mal aus der Nähe sahen, wünschte er sich rasch, ihn wieder aus den Augen zu verlieren. Honsous in den toten Himmel ragende Festung war das Wirklichkeit gewordene Hirngespinst eines Irren. Stein war so auf Stein gelegt worden, dass jeder Winkel auf eine unterschwellige Art falsch war und den Sinnen auf einer tief liegenden, instinktiven Ebene Gewalt antat. Ihre dunklen, geäderten Mauern ragten mit ihren spiralförmigen, in Blitzen gehüllten Zinnen und Türmen allen Gesetzen der Perspektive zum Trotz in schwindelnde Höhen. Klingen und Stacheln ragten aus ihrem gleißenden Gefüge, und ein schwarzer Regen ergoss sich wie Blut aus den Stellen, wo sie von Artilleriegranaten getroffen worden
war. Schnell fließende Bäche aus geschmolzenem Metall rannen aus Abzugsgräben den Berg hinunter wie Lavaströme aus einem ausgebrochenen Vulkan. Geschütze feuerten aus Portalen, die wie Dämonenvisagen aussahen, und brennendes Dämonenblut ergoss sich aus riesigen Eisenkesseln auf die schreienden Soldaten weiter unten. Flammen tanzten über die Brustwehre und in die Massen der kämpfenden Soldaten. Tod und Zerstörung schlichen an diesem Tag über das Schlachtfeld, und sie machten fette Beute. Zehntausende Soldaten füllten die mit Trümmern übersäten Weiten der Festung und kämpften sich einen verwüsteten, von Geröll bedeckten Hang empor, der früher ein Bollwerk gewesen war. Explosionen schleuderten Leichname durch die Luft, da vergrabene Minen Hunderte in den Tod sprengten, und die monströsen Gestalten zweier Titanen kämpften inmitten der Trümmer und Flammen und zerquetschten Menschen und Maschinen unter ihren riesigen Füßen. Uriel und die Space Marines beobachteten das entsetzliche Wüten der Schlacht über ihnen, als sich die Seilbahn dem oberen Bahnsteig näherte und kreischend abbremste, um sie abzuladen und den Rückweg den Berg hinunter zu beginnen. »Der Imperator beschütze uns«, hauchte Vaanes. »So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen.« »Ich weiß...«, stimmte Uriel zu und zog sein Schwert, als die Seilbahn den Bahnsteig erreichte und sich quietschend die Bronzetür öffnete. »Wie können wir hoffen, das zu überleben?« Uriel wandte sich Vaanes zu und sagte: »Denk daran, was ich dir gesagt habe: Tod und Ehre. Wenn der eine das andere mit sich bringt, ist es ein guter Tod.« »Nein...«, zischte Vaanes. »Kein Tod ist gut. Nicht so wie hier.« Keiner der Space Marines bewegte sich, da sie angesichts des furchtbaren und überwältigenden Spektakels eines Krieges in einer Größenordnung, wie ihn nur wenige je erlebt hatten, beinahe ehrfürchtige Scheu empfanden. Uriel wurde klar, dass er sie in Bewegung setzen musste, bevor das Ausmaß dieser Schlacht und der Impuls der Selbsterhaltung das neu geweckte Ehrgefühl und Pflichtbewusstsein überwinden würden, das er in ihnen geweckt hatte. Er wurde gerettet, als Pasanius rief: »Los, vorwärts, bewegt
euch! Alles raus!« Tief verankerte Reflexe übernahmen, und die Space Marines eilten rasch aus der Seilbahn, die ganze Zeit von einem brüllenden Pasanius angestachelt. Nur Uriel und Ardaric Vaanes blieben an Bord. »Komm«, sagte Uriel. »Es gibt Arbeit.« Vaanes sagte nichts, nickte aber und folgte Uriel aus dem Seilbahnwagen auf den Bahnsteig, während er seine knisternden Energieklauen aus den Panzerhandschuhen ausfuhr. »Was hast du vor?«, rief Uriel. »Seilbahnen halten einander im Gleichgewicht«, erklärte Vaanes, indem er die Krallen sauber durch die dicken Kabel zog, welche die Seilbahn hielten. Der Bahnsteig ächzte, und die Kabel rissen mit einem metallischen Sirren. Die Seilbahn kippte langsam weg und fiel dann durch den Rauch nach unten. Das Geräusch kreischenden Metalls und orange Funkenschauer folgten ihr nach unten. »Hier kommt eine ganze Weile niemand mehr nach oben«, sagte Vaanes. »Schlau«, sagte Uriel. Sie eilten zu ihren Kameraden, die sich in einer Nische im Fels unter einem überhängenden Bollwerk versammelt hatten, von wo sie die Schlacht aus relativer Sicherheit beobachten konnten. Raketen und Granaten flogen hin und her, und der Lärm der Explosionen und Geschütze war ohrenbetäubend. Der Berg erzitterte unter den Schritten der Titanen, die beide in völliger Selbstvergessenheit aufeinander einschlugen. Grimassenhafte Dämonenköpfe prallten zusammen, und gewaltige Klingen zerfetzten die Panzerung des anderen, während peitschende Stachelschwänze ganze Abschnitte der Mauer zum Einsturz brachten. »Und jetzt?«, rief Pasanius, der Mühe hatte, sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen. »Jetzt müssen wir rein!«, sagte Uriel. »Du meinst, wir schließen uns dem Angriff an?«, fragte Vaanes. »Unmöglich!« »Welche Wahl haben wir?«, brüllte Uriel zurück. »Wir können machen, dass wir von diesem Berg verschwinden! Ich habe dir gesagt, ich würde dir helfen reinzukommen, Ventris, aber ich habe dir auch gesagt, dass ich mich für deinen Todeseid
nicht töten lasse!« »Verdammt, Vaanes, wir sind jetzt hier! Wir müssen weiter!« Vaanes wollte gerade antworten, als eine Granatsalve über sie hinwegrauschte und den Rand des überhängenden Bollwerks direkt über ihnen traf. Staub und Trümmer regneten auf sie herab, und Felsbrocken polterten die Hänge hinab, als sich das Bollwerk mit berstendem Krachen vom Berg löste. »Achtung!«, schrie Uriel, als das Bollwerk abkippte und ihnen in einem Erdrutsch aus Geröll und geborstenen Felsbrocken entgegenstürzte. Honsou spürte, wie Felsbrocken gegen ihn prallten, als er fiel, und drohten, ihn völlig zu zermalmen. Er überschlug sich, und seine Sinneseindrücke waren ein kaleidoskopisches Durcheinander aus Lärm und Licht. Der Aufprall raubte ihm den Atem, aber er konnte sich gerade noch zur Seite wälzen, als riesige, panzergroße Felsbrocken rings um ihn aufschlugen. Erstickende Wolken aus schwarzem Staub und Rauch wallten auf, doch wenngleich er sich nach dem Sturz ziemlich zerschlagen fühlte, schien er weder Knochenbrüche noch innere Verletzungen davongetragen zu haben. »Onyx!«, rief er heiser. »Zakayo!« »Hier!«, hustete Zakayo. »Ich lebe noch!« »Ich auch«, sagte Onyx, »aber ich brauche Hilfe.« Honsou wankte zu der Stelle, wo sein Kämpe lag, der beinahe vollständig unter einem Haufen Gesteinsbrocken begraben war, aus denen verbogenen Eisenstangen ragten. Onyx' Rumpf und Beine waren unter einer Trümmermenge begraben, die sogar einen Krieger in einer ServoRüstung zerquetscht hätte, doch der Körper des dämonischen Symbionten war von immateriellen Energien durchdrungen, und er war gegen solche Dinge gefeit. Honsou packte ein Trümmerstück und versuchte die gewaltige Masse zu bewegen, doch es war selbst für jemanden wie ihn zu schwer. Obax Zakayo kam ihm zu Hilfe, und die zischenden mechanischen Arme, die aus dem Rückenteil seiner Rüstung sprossen, umklammerten die Eisenstangen. Iron Warriors rappelten sich langsam aus dem Geröll auf, und jene, die nicht von herabfallenden Trümmerstücken zermalmt oder beim Einsturz des Bollwerks sonstwie getötet worden waren, packten ebenfalls mit an, um Onyx zu befreien.
Honsou machte Platz und sah sich um, während grelle Nachbilder der Schlacht über sein Visier zuckten. Er schüttelte den Kopf, um sein Blickfeld zu klären und eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, wo sie nach dem Absturz aus der Festung gelandet waren. Der Zweikampf der beiden Titanen nicht weit entfernt hatte weitere Trümmer herabregnen lassen, und Honsou sah, dass sie wenig Mühe haben würden, wieder zurück in die Festung zu gelangen. Der glückliche Artillerietreffer hatte einen Teil der Mauer unter dem Bollwerk einstürzen lassen, wodurch sich ein Hang gebildet hatte, der direkt zu den Mauern führte. Natürlich nur, wenn sie lange genug überlebten, dachte er, als er verschwommene Gestalten durch die wirbelnden Wolken aus Staub und Rauch kommen sah. Uriel riss sich den Helm ab, dessen Visier gesprungen und nutzlos war. Die Drucksiegel, die ihn mit seinem Nackenschutz verbanden, waren irreparabel zerstört. Er murmelte ein Abschiedsgebet für den Geist des Helms und legte ihn auf den Boden. Ohne seine Autosinne konnte er nur verschwommene Umrisse im Rauch der herabgestürzten Trümmer erkennen, aber nachdem er sich ein paar Staubkörnchen aus den Augen geblinzelt hatte, sah er, dass der Imperator sie erneut gesegnet hatte. »Da!«, rief er, indem er auf einen großen Spalt in der Seite der Festung zeigte, wo das Bollwerk gelandet war. Ein steiler, aber begehbarer Hang aus Gesteinstrümmern und Stahlbetonbrocken führte aufwärts zur Brustwehr. Uriel wusste, dass sie nie eine bessere Gelegenheit bekommen würden, in die Festung einzudringen. Er ging seinen Kriegern voran und sah plötzlich undeutliche Gestalten in Servorüstung, die sich ebenfalls aufrappelten. Zuerst nahm er an, dass es sich um die Space Marines seines Trupps handelte, doch als sich der Staub langsam legte, erkannte er, dass er sich geirrt hatte. Es waren Iron Warriors. Honsou sah einen Space Marine aus dem Rauch treten, dessen
blaue Rüstung staubbedeckt und ramponiert war. Sein Herz tat einen Sprung, als der Krieger ein Knurren von sich gab und eine schimmernde Klinge zückte. Einer der Krieger des Falschen Imperators? Hier? Seine Überraschung hätte ihn beinahe das Leben gekostet, als die Klinge seinem Hals entgegenzuckte, und er konnte sie gerade noch mit seiner Axt parieren und dem anschließenden Rückhandschlag durch einen Sprung nach hinten ausweichen. Seine Axt kreischte, als seine Kriegerseele zum Leben erwachte, und Honsou sah, dass die blaue Rüstung des angreifenden Kriegers keine Insignien und Rangabzeichen aufwies. Ein Abtrünniger? Ein Söldner? War das Toraminos Werk? Hatte er den Abschaum der Abtrünnigen, die in den Bergen herumschlichen hinter sich geschart? Doch ihm blieb keine Zeit mehr, über die Herkunft des Kriegers nachzudenken, da dessen Klinge wieder nach ihm stach. »Iron Warriors!«, bellte er. »Zu mir!« Uriel hieb wieder nach dem Iron Warrior, doch jeder seiner Schläge wurde von einer riesigen Streitaxt mit einer glänzenden, schwarz gezähnten Klinge pariert. Sein Gegner rief seinen Kriegern etwas zu, und weitere Gestalten schälten sich aus dem Staub, Schwerter und Äxte erhoben, während die Mündungsblitze schießender Boltgewehre den Staubnebel erleuchteten. »Imperator, führe meine Klinge!«, rief er, als er wiederum angriff. »Der hat hier keine Macht«, erwiderte der Iron Warrior, der nun die Axt wirbeln ließ und zum Gegenangriff überging. Uriel wich zur Seite aus und beschrieb einen Bogen mit dem Schwert, um seinen Gegner zu enthaupten, doch der war nicht mehr da, sondern wälzte sich unter dem Schlag durch und schwang die Axt gegen Uriels Rücken. Uriel warf sich flach auf den Boden, und die kreischende Axtklinge verfehlte seine Rüstung nur um Zentimeter. Er wälzte sich weiter zur Seite, als die Axt hinuntersauste und bei ihrem Aufprall den Boden erzittern ließ. Uriel landete einen Tritt, der den Iron Warrior auf die Knie sinken ließ, und ließ einen Schwerthieb in weitem Bogen zum Kopf folgen. Die Spitze seiner Klinge traf den Helm des Iron Warriors und ließ ihn den Hang hinunterpoltern. Er rappelte sich
wieder auf, da sich mehr Space Marines in das Getümmel im Schatten der kämpfenden Titanen stürzten. Neben der Gewalt des Zweikampfs dieser Teufelsmaschinen wirkte dieser bescheiden, aber er war nichtsdestoweniger ebenso brutal und gnadenlos. Es kam zu heftigen Feuergefechten und Nahkämpfen, Boltgewehre krachten und Schreie der Wut und der Schmerzen ertönten, als Sprenggeschosse Rüstungen bersten ließen und Klingen in Fleisch eindrangen. Er holte mit dem Schwert aus, um einen Iron Warrior zu erstechen, aber eine peitschende Energieschnur zuckte vor und legte sich um seinen Arm. Unerträgliche Schmerzen zuckten durch seinen Arm, und er konnte gerade noch sein Schwert festhalten. Uriel sank auf die Knie, als ein riesiger, breitschultriger Iron Warrior näher kam, aus dessen Schultern gewaltige mechanische Arme ragten. Die Energiepeitsche war an einer weiteren Zusatzklaue angebracht. »Du wagst es, den Herrn von Khalan-Ghol anzugreifen! Du wirst sterben!«, brüllte der Krieger mit hässlicher, knisternder Stimme. Ein Flammenstrahl raste durch das Schlachtfeld, und Uriel roch plötzlich verbranntes Fleisch. Wieder bebte die Erde, und ein gigantischer Fuß krachte keine drei Meter von Uriel entfernt auf den Boden und hinterließ einen tiefen Krater. Er sah den gewaltigen Titan vor ihnen aufragen, während er gegen die entsetzlichen Schmerzen ankämpfte, die in Wellen von der Energiepeitsche ausgingen. Während der Arm mit der Peitsche ihn mit den ihm zugefügten Schmerzen lähmte, zückten die freien Hände des ungeschlachten Iron Warriors eine krude, brutale, aber zweifellos wirkungsvolle Kettenstreitaxt. »Obax Zakayo!«, schrie eine Stimme, doch Uriel konnte unter Einwirkung der durch seine Nervenbahnen tobenden Schmerzen nicht erkennen, wer gerufen hatte. Schüsse trafen die Rüstung des Iron Warriors, der daraufhin mit seiner Axt nach einem unsichtbaren Ziel hieb. »Du?«, lachte der Iron Warrior. »Du warst schon einmal unter meiner Klinge und bist entkommen, Sklave. Das wird dir nicht noch einmal gelingen.« Seine Aufmerksamkeit war einen kurzen Augenblick von Uriel abgelenkt, und mehr war nicht nötig. Er riss sein Schwert hoch und durchtrennte die Energiepeitsche. Die Schmerzen hörten sofort auf, und er konnte die durch sie hervorgerufene Lähmung abschütteln. Uriel sprang auf und sah, dass es Oberst Leonid und
Sergeant Ellard waren, die den Iron Warrior angriffen. Laserstrahlen trafen seinen klobigen Leib, aber seine entartete Servorüstung konnte derartigen Kleinigkeiten mühelos widerstehen, und er brüllte auf und hieb mit seiner Axt nach Leonid. Der Oberst sprang zurück, stolperte auf dem lockeren Geröll und fiel zu Boden. Obax Zakayo setzte nach, um ihm den Rest zu geben, doch Ellard sprang auf den Iron Warrior und bearbeitete dessen Kopf mit den Fäusten. Ellard war ein großer, massiger Mann, aber neben dem Iron Warrior war er ein Kind, und Obax Zakayo riss ihn sich von den Schultern und schleuderte ihn weg. Uriel sprang vor und hämmerte dem Iron Warrior das Schwert über die Schultern. Die Klinge knisterte, als sie die Keramitplatten der Rüstung durchschnitt, löste sich aber wieder, bevor sie mit Fleisch in Berührung kam. Obax Zakayo schwang seine Axt in brutalem Bogen nach Uriels Körpermitte, aber die Klinge traf ihn nicht, denn in diesem Augenblick bebte die Erde und barst. Geschmolzenes Metall quoll aus den Rissen, als die donnernden Schritte der kämpfenden Titanen schließlich den Berg spalteten. Weißglühendes Metall spritzte zischend auf das Gestein und reduzierte es binnen Sekunden zu Schlacke. Uriel stolperte von dem sich verbreiternden Erdspalt weg und schob sein Schwert in die Scheide, als er sah, dass für seinen Gegner kein Weg über die Kluft aus flüssigem Metall zu ihm führte. Wallende Wolken aus bitterem Rauch erhoben sich von dem Strom aus geschmolzenem Metall, und Uriel wich vor der unerträglichen Hitze zurück. Leonid und Ellard kletterten über die Felsen und gesellten sich zu ihm. »Hier spricht Uriel Ventris!«, rief er in der Hoffnung, dass sein Kehlkopfmikrofon noch funktionierte. »Falls mich jemand hören kann, versucht jetzt die Bresche über uns zu erreichen!« Boltgewehre krachten hinter ihnen, und der Explosionsdonner übertönte seinen Befehl beinahe, doch als er durch die blendenden Wolken aus Dampf und Rauch kletterte, konnte er die schattenhaften Gestalten des Kriegertrupps erkennen, die rasch zu ihm eilten. Die Bresche war über ihnen, kaum dreißig Meter entfernt, und die geröllübersäten Hänge der Festung waren wie ein Leuchtfeuer, das ihn weitertrieb.
Sie hatten es geschafft. Sie hatten einen Weg in die Festung gefunden. Blut blendete ihn, und ein knirschendes statisches Rauschen erfüllte seine Sinne. Honsou setzte seinen Helm ab, warf ihn wütend beiseite und wischte sich Blut aus den Augen. Heiße Dampfschwaden trieben ihm Schweißrinnsale über das Gesicht, und er richtete sich auf, als der Schlachtendonner wieder mit aller Gewalt über ihn hereinbrach. »Was im Namen der Finsteren Götter geht hier eigentlich vor?«, rief er, ohne jemanden direkt anzusprechen. »Milord!«, erwiderte Obax Zakayo, der sich vorsichtig über die Felsen zu ihm vortastete. Flüssigkeit und Blut tropften von seiner Rüstung, und seine Energiepeitsche sprühte knisternde Funken, wo sie durchtrennt worden war. »Die...« »Abtrünnige!«, brüllte Honsou. »Ist das alles, was Toramino zu bieten hat?« »Aye, Abtrünnige«, stimmte Obax Zakayo zu. »Abtrünnige und entlaufene Sklaven, sie...« »Es war falsch von mir, ihn zu fürchten, Obax Zakayo«, sagte Honsou, der sich langsam wieder etwas beruhigte. »Sind sie alle tot?« »Nein, Milord. Der Berg ist aufgerissen, und wir wurden getrennt.« Honsou merkte auf. »Wo sind sie also?« »Das versuche ich Euch ja zu sagen. Sie sind durch unsere Linien gebrochen und zur Bresche gestürmt!« »Verdammt!«, fluchte Honsou. »Warum im Namen des Chaos stehst du dann noch hier herum?« »Milord, ein Strom aus geschmolzenem Metall trennt uns. Einstweilen führt kein Weg auf die andere Seite.« »Für dich vielleicht nicht«, höhnte Honsou, während er sich auf den Weg zu seinem immer noch gefangenen Kämpen machte. »Onyx!« Iron Warriors mühten sich immer noch mit den Trümmern ab, unter denen der Symbiont begraben war, aber als sie die Wut und Dringlichkeit in der Stimme ihres Herrn hörten, verdoppelten sie ihre Bemühungen noch einmal. Binnen Minuten hatten sie so viel Geröll abgetragen, dass Onyx sich daraus befreien konnte.
Geschmeidig und biegsam, war ihm nicht anzumerken, dass er beinahe zermalmt worden war, als Onyx graziös zu Honsou ging. Seine schwarze Rüstung wies keinen Kratzer auf, und Honsou sah Onyx' Dämonenkräfte direkt unter seiner silbrigen Haut lauern. In seinen Augen funkelten Totenlichter, als Honsou auf die Bresche zeigte. »Finde die Abtrünnigen«, befahl er Onyx. »Finde sie und bringe sie zu mir.« Das Dämonenwesen nickte und machte sich auf den Weg die Berghänge empor. Die zerstörten Überreste dieses Teils der Brustwehre waren wie ausgestorben, und der Kampflärm klang hier oben gedämpft. Uriel zog sich mithilfe einiger aus den Trümmern ragender Eisenstangen über die zerklüftete Gesteinsklippe und sprang auf der Suche nach drohenden Gefahren sofort auf, ohne jedoch welche zu entdecken. Die brütende Aura der Festung hüllte ihn immer noch ein, aber er hielt einstweilen den Blick von der monströsen Geometrie abgewandt, da er sich umdrehte und dem Rest seiner Streitmacht auf die Brustwehr half. Die Mauern zogen sich um den Berg, gerundet und verwinkelt und scheinbar wahllos, und Horden von Menschen und Mutanten schossen von den umkämpften Brustwehren in die Massen der Angreifer unter ihnen. Viele tausend Krieger kämpften in der Bresche und sahen von hier oben aus wie eine große Schlange, die sich wand und zuckte, während sie sich Meter um Meter den Geröllhang emporschob. Pasanius und Vaanes kletterten hinauf, denen Leonid und Ellard sowie der Rest des Kriegertrupps folgten. Uriel konnte es kaum glauben. Sie waren innerhalb der Festungsmauern! »Beim Thron!«, hauchte Pasanius. »Das war blutige Arbeit!« »Sie ist noch nicht vorbei«, warnte Uriel, während er sich umdrehte und seine Umgebung eingehender in Augenschein nahm. Eine Reihe großer Torbogen führte tiefer in die Festung, jeder von ihnen so groß wie ein Titan und von grotesken Schnitzereien umringt, die sich im Felsen wanden, als forme sich die unruhige Materie der Felsblöcke vor ihren Augen beständig neu. »Wo entlang?«, fragte Vaanes, als es der letzte Space Marine
auf die Brustwehr geschafft hatte. »Ich weiß es nicht«, gestand Uriel. »Ich kann keinen Unterschied erkennen, wonach man eine Wahl treffen könnte.« »Dann haben wir nichts zu verlieren, welchen Weg wir auch nehmen«, stellte Vaanes fest und schritt dem mittleren Torbogen entgegen. »Das stimmt wohl«, sagte Uriel, obwohl ihm ein unbestimmtes Gefühl sagte, dass an diesem Torbogen durchaus etwas anders war. Er konnte nicht sagen, was, aber da er keine bessere Idee hatte, welchen sie nehmen sollten, folgte er Vaanes. Die Space Marines schlossen sich mit den Boltgewehren im Anschlag an. Vaanes wartete vor dem Torbogen auf sie, und als Uriel unter seiner stygischen Unermesslichkeit durchging, beschrieb er das Zeichen des Adlers vor der Brust, als er ein entferntes Hämmern hörte wie vom langsamen Schlag eines schlafenden Ungeheuers. »Wir sind wieder im Bauch der Bestie, Uriel«, sagte Pasanius. Die blaue Zündflamme seines Werfers bewirkte, dass ihre Züge reliefartig hervortraten und die Gravuren auf den Innenseiten des Torbogens über das Gestein zu tanzen schienen. »Ich weiß«, nickte Uriel und betete dabei stumm, dass der weiße Umhang, den er über seine Seele gestreift hatte, ihn vor den bösen Dingen schützen würde, auf die sie im Herzen der feindlichen Festung ganz sicher stoßen würden. Onyx schwang sich auf die zerstörte Brustwehr und ließ langsam die Bronzekrallen aus dem Fleisch seiner Hände gleiten. Seine silbernen Augen suchten die Umgebung nach Spuren der Abtrünnigen ab, aber sie waren nirgendwo zu sehen. Mit schattenhaften Bewegungen witterte Onyx, und die silbernen Adern unter seiner Haut leuchteten heller, als er die dämonische Energie in sich kanalisierte, um die Eindringlinge aufzuspüren. Seine Sicht wechselte auf Gefilde jenseits des Erfahrungshorizonts der Sterblichen, wo das, was sich bereits ereignet hatte, gesehen werden konnte, indem man den Echos in der Luft lauschte. Er beobachtete, wie schattenhafte Gestalten auf ähnliche Weise auf die zerstörte Brustwehr kletterten, wie er es getan hatte: viele Krieger, die von einem geführt wurden, dessen Seele vor Zielstrebigkeit hell leuchtete, und von einem anderen, dessen Seele verwittert und tot war.
Wie aus wirbelnden Rauchpartikeln geformt, waren ihre Gestalten ätherisch und immateriell, aber Onyx konnte sie so klar erkennen, als sei er hier gewesen und habe ihre Ankunft beobachtet. Sie waren hierhergekommen, aber bereits vor mehreren Minuten, und ihre geisterhaften Echos verließen die Brustwehr und wandten sich in die Richtung der riesenhaften Portale, die in den Berg gemeißelt waren. Onyx beobachtete, wie die Schattengestalten von der flüsternden Finsternis der Torbögen verschluckt wurden, und fuhr seine Krallen wieder ein. Er musste einen anderen Weg in die Festung nehmen, um die Eindringlinge zu jagen, denn wenn Khalan-Ghol sie in die Irrwitzportale gelockt hatte, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie bereits tot waren.
ELF Uriel wusste, dass er den Weg durch den dunklen Torbogen niemals vergessen würde. Das Gefühl, von jedem Quadratzentimeter der Wand ausspioniert zu werden, war unerträglich, und er war sicher, flüsternde Stimmen gerade oberhalb der Schwelle seines Hörvermögens wahrnehmen zu können. Ihre Worte, wenn es sich denn um welche handelte, waren unverständlich, aber auf irgendeiner instinktiven Ebene wusste Uriel, dass sie von schändlichen, furchtbaren Dingen redeten. ... Unehre, Schande und Versagen... Das zumindest glaubte er ertragen zu können, nachdem er bereits in Anwesenheit des Nachtbringers die schrecklichsten nur vorstellbaren Dinge gesehen hatte, aber dennoch... Die dämmrige Finsternis schien unendlich zu sein, und Uriel verlor rasch jedes Gefühl dafür, wie lange sie bereits durch diesen verfluchten Tunnel marschierten. ... er endet niemals, er geht weiter und immer weiter... »Imperator! Hört das denn nie auf?«, knurrte Vaanes, während sie immer tiefer in die niemals endende Finsternis vordrangen. »Ich weiß«, sagte Uriel. »Ich habe langsam das Gefühl, dass wir hier nicht auf normalen Wegen wandeln. Wir können auf nichts vertrauen, nicht einmal auf die Eindrücke unserer Sinne.« »Wie sollen wir dann finden, was wir suchen?«
...das werdet ihr nicht... »Wir werden darauf vertrauen müssen, dass der Imperator uns den Weg zeigt«, sagte Uriel durch Vaanes' beständige Fragen irritiert. Vaanes schüttelte aufgebracht den Kopf. »Ich wusste, ich hätte mich niemals auf dieses Unternehmen einlassen dürfen. Es war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.« ... ja, zum Scheitern verurteilt, nur der Tod wartet... »Warum bist du dann mitgekommen?«, schnauzte Uriel, während er zu dem ehemaligen Mitglied der Raven Guard herumfuhr, da ihm langsam der Geduldsfaden riss. ... er hasst dich und will dich verraten... »Ich kann mich nicht erinnern«, fauchte Vaanes, dessen Gesicht nur Zentimeter von Uriels entfernt war. »Vielleicht weil ich dachte, du hättest eine bessere Vorstellung, wie du hier reinkommen und finden könntest, weswegen wir hier sind!« ... das hat er nicht, er wird euch alle in den Tod führen... »Verdammt, Vaanes, warum musst du mich immer unterminieren?«, sagte Uriel, der leises maliziöses Gelächter hörte, während das Geflüster der Wände immer lauter wurde. »Auf jedem Schritt dieses Weges hast du nichts anderes getan, als uns zu sagen, dass wir zu einem Metzgergang angetreten sind. Das mag stimmen, aber wir sind Space Marines, die auf einer Dämonenwelt festsitzen, und es ist unsere heilige Pflicht, die Feinde der Menschheit zu bekämpfen, wo wir sie treffen.« ... nicht mehr. Gebt auf, ihr seid wertlos... »Verstehst du denn nicht? Wir sind keine Space Marines«, brüllte Vaanes, in dessen Augen das reflektierte blaue Licht des Tunnels funkelte. »Jetzt nicht mehr. Wir sind alle Ausgestoßene, von unseren Orden verstoßen und verbannt. Wir schulden jetzt weder ihnen noch dem Imperator irgendwas. Und ich habe es langsam satt, deiner frömmelnden Stimme dabei zuzuhören, wie sie mir sagt, was ich tun sollte.« ... ja, töte ihn, was bedeutet er dir eigentlich...? Uriel schüttelte den Kopf, während Vaanes ihm mit dem Panzerhandschuh auf den Schulterschutz klatschte und sagte: »Wo ist dein Ordensabzeichen, Ventris? Ich sehe es nicht, sieht es sonst jemand?« »Was ist mit dir passiert, Vaanes?«, fragte Uriel, wobei er zornig die Hand von seiner Schulter abschüttelte und den
Schwertknauf umklammerte. »Warum bist du so negativ?« ... weil er keine Ehre hat, er hat den Tod verdient...! »Weil ich mich einmal zu oft in Situationen wie diese habe drängen lassen«, zischte Vaanes. »Und ich habe geschworen, ich würde niemandem blindlings in den Tod folgen. Ich will verdammt sein, aber ich habe mir wieder etwas vormachen lassen.« Uriel zog sein Schwert, da seine Wut überkochte, als er wieder das leise Wispern der Wände hörte und sich die Worte und Gefühle dahinter in seinen Verstand schlängelten. ... mehr, sag mehr, sprich alle deine geheimen Zweifel und Ängste und Enttäuschungen aus... Die Stimmen nisteten sich in seinem Kopf ein und legten sich auf seine Zunge, und die Worte wollten gesprochen werden, nur um ihrer Böswilligkeit und Gehässigkeit willen. Uriel hielt sich die Ohren zu, während sich ein gewisses Maß an Verständnis an dem Nebel der Verbitterung vorbeizwängte, der sein Bewusstsein erfüllte. Die Stimmen erfüllten seinen Kopf, lauter jetzt, da ihre Täuschung aufgedeckt worden war. Uriel stolperte und streckte die Hand aus, um sich abzustützen. Seine Hand streifte die Wand, deren wellige Substanz nass und flüssig war. Er sank auf die Knie und schrie: »Verschwindet aus meinem Kopf!« ... nein, du bist wertlos, du bist unbedeutend, du bist unwesentlich, du bist vergessen... »Uriel? Ist alles in Ordnung? Was ist los?«, rief Pasanius, der zu ihm gelaufen kam. Vaanes wich kopfschüttelnd vor Uriel zurück und presste vor Schmerzen die Hände an die Schläfen. »Was geht hier vor?«, rief er, als das Stimmengewirr an Lautstärke zunahm und den Tunnel erfüllte. ... töten, das ist so ein freundliches Wort...es ist der einzige Weg... »Hört nicht auf sie!«, rief Uriel. »Verschließt euch vor ihnen!« Die anderen Space Marines spürten jetzt ebenfalls die volle Kraft der irren Stimmen und ließen die Waffen fallen, als der Drang, sie gegen sich selbst zu richten, unerträglich wurde. Ein Schuss ertönte, und ein Mitglied ihres Kriegertrupps, ein Schicksalsadler, fiel nach vorn, da sein Kopf nur noch wenig mehr war als eine verkohlte blutige Schale, aus der bei seinem Sturz Hirn und Knochensplitter rieselten. Uriel warf seine Waffe weg, als seine Armmuskeln als Reaktion
auf die Stimmen in seinem Kopf zu zucken anfingen, und kämpfte gegen ihr Drängen an. ... es ist hoffnungslos, kämpfen hat keinen Sinn, nichts kann gegen die Erhabenheit des Chaos bestehen... Er kniff die Augen zu und wiederholte die Litaneien des Hasses, wie Ordenspriester Clausel sie immer von seiner Kanzel gepredigt hatte. Katechismen des Hasses und die Riten des Abscheus, die er in den Diensten des Ordo Xenos gelernt hatte. ... es ist sinnlos, sich dem Unvermeidlichen zu widersetzen. Komm zu uns! Gib nach und töte dich... Uriel kämpfte gegen den Drang an, sich hinzulegen und nachzugeben. Er rief sich vergangene Triumphe ins Gedächtnis, als der Sieg noch eine konkrete Bedeutung gehabt hatte und mit der Niederlage des schrecklichen Feindes tatsächlich etwas Bedeutungsvolles erreicht worden war. Er stellte sich den großen Sieg auf Tarsis Ultra vor, die Niederlage von Kasimir de Valtos und die Gefangennahme des Alpha-Psionikers auf Epsilon Regalis. Mit jedem erinnerten Sieg ließ die Kraft der Stimmen nach, da die von ihnen hervorgerufene Verzweiflung durch das starke Gefühl des Selbstwerts und der Bestimmung in Schach gehalten wurde. Er kam schwankend wieder auf die Beine, als er sah, wie Pasanius den Prometheum-Tank von der Werfer-Einheit löste und eine Splittergranate aus dem Spender an seinem Gürtel in seine Hand fallen ließ. »Nein!«, rief Uriel und trat ihm die Granate aus der Hand. Pasanius erhob sich zu voller Größe, das Gesicht wutverzerrt, während ihm Tränen über die Wangen liefen. »Warum?«, rief er. »Warum willst du mich nicht sterben lassen? Ich habe den Tod verdient!« ... das hat er! Lass ihn sterben, du hasst ihn ohnehin...! »Nein!«, keuchte Uriel, der sich immer noch mit aller Kraft gegen die tödliche Kraft der Stimmen wehrte. »Du musst dagegen ankämpfen!« »Ich kann nicht!«, jammerte Pasanius, indem er seinen silbernen Arm hob und vor sich hielt. »Siehst du es denn nicht? Ich muss sterben.« Uriel packte seinen Freund bei den Schultern, als plötzlich wieder ein Schuss durch den Tunnel hallte und der nächste Krieger der Selbstmord-Verlockung der Stimmen nachgab. »Weißt du noch, wie du diesen Arm bekommen hast?«, rief
Uriel. »Du hast geholfen, die Welt Pavonis zu retten. Du hast vor einem Sternengott gestanden und ihm getrotzt. Du bist ein Held, Pasanius! Ihr seid alle Helden! Ihr seid die größten Krieger, die diese Galaxis je gesehen hat! Ihr seid stärker, mutiger und einfallsreicher als jeder sterbliche Mensch!« ... nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein... Uriel ließ Pasanius los, ging von Krieger zu Krieger und redete mit ihnen, wobei seine Stimme immer lauter wurde, da er sich für das Thema erwärmte. »Vergesst nicht, wer ihr seid!«, übertönte er das furiose Geflüster. »Ihr seid Space Marines. Krieger des Imperators der Menschheit, und ihr kämpft gegen die Dunklen Mächte, wo immer ihr ihnen begegnet. Ihr seid stark und stolz, und ihr seid Krieger. Ihr kämpft seit Jahrhunderten, und eure Ehre ist euer Leben, lasst sie euch von niemandem streitig machen!« Er zog sein Schwert und aktivierte die Klinge, um die sich der Schimmer feuriger Energie legte, um sie dann hoch über den Kopf zu heben. »Jeder Feind, den wir töten, ist von Bedeutung!«, rief Uriel, der mit jedem Wort auf die Tunnelwände einschlug. »Jede Schlacht, die wir gewinnen, ist von Bedeutung. Wir sind von Bedeutung! Denkt an jede ausgetragene Schlacht, an jeden besiegten Feind, an jede errungene Ehre. Sie stehen für alles, dem zu dienen wir erschaffen wurden. Erinnert euch an sie alle, dann haben die Stimmen keine Macht mehr über euch!« Die schlangengleichen Schnitzereien in den Wänden kreischten vor Enttäuschung und zogen sich vor Uriels leuchtender Klinge tief in das Gestein zurück, da seine Worte ihre Maskeraden beendeten. Ein neues Geräusch kam auf, welches das verhasste Flüstern bannte: Stimmen, die zu Ehren der großen Siege des Imperiums erhoben wurden. Die Erstürmung Corinths, der Eisenkäfig, die Phönixinsel, die Befreiung Vogens, Armageddon, der Fall von Sharendus, die Schlacht von Macragge... und viele mehr wurden gegen die schändliche Versuchung der Stimmen ins Feld geführt, und die Wände wurden immer dunkler und solider, je lauter die Stimmen der Krieger ertönten. Uriel hätte über diesen Triumph beinahe geweint, als die Dunkelheit der Wände zurückwich, die illusorische Natur des
Tunnels offenbar und der sanft leuchtende Ausgang vor ihnen enthüllt wurde. Das seelenlose Licht Medrengards erfüllte den Tunnel, und obwohl es nichts anderes als Tod und Leere verhieß, freute sich Uriel, es zu sehen. »Hier entlang!«, rief Uriel. Er hob sein Boltgewehr auf, bevor er erschöpft zum Tunnelausgang wankte. Der Kriegertrupp sammelte die Waffen auf und folgte ihm aus dem höllischen Schlund des Wahnsinns. Nachdem sie die Tunnel der Verzweiflung einmal hinter sich gelassen hatten, sah Uriel, dass sie überhaupt nicht tief in die Mauern der Festung eingedrungen waren. Der Iron Warrior mit der Energiepeitsche hatte die Festung Khalan-Ghol genannt, und während Uriel einen letzten wachsamen Blick auf das hungrige Maul des soeben verlassenen Tunnels warf, fragte er sich, ob der Festung dieser Namen gegeben worden war oder sie ihn selbst angenommen hatte. Eine starke Böswilligkeit durchdrang alles, die Aura eines uralten Bewusstseins, das sogar in den Felsen und im Mörtel dieser Anlage lauerte. Die Space Marines, Oberst Leonid und Sergeant Ellard flohen aus der Dunkelheit des Bergs und schüttelten die letzten Überreste des Bösen ab, dem sie im Tunnel begegnet waren. Der Weg führte sie auf einen hohen Sims und ans Ende einer langen schwarzen Wendeltreppe aus Stein mit Blick auf den Wahnsinn des Innenraums von Honsous Festung. Türme, Manufakturen und dunkel überwölbte Kreuzgänge rangen um Platz inmitten hoher Statuen und stachelbewehrter Schanzen. Dunkel gedeckte Dächer und irrsinnige Bauwerke, deren Architektur nicht-euklidischen Geometrien folgte, die im Auge schmerzten und die Sinne vergewaltigten, waren in die zerklüftete, feindselige Baulandschaft der Festung gezwängt, und gewundene Galgen-Alleen wanden sich auf unmögliche Weise zwischen ihnen durch. Ein fahles smaragdgrünes Licht hielt Hof über allem, durchdrungen von den widerlich orangefarbenen Streifen der Feuer, die in Schmelzöfen und melancholischen Tempeln brannten. Ströme flüssigen Metalls rannen in Basalttrögen durch die Festung, und die reflektierte Hitze bedeckte alles mit Tropfen metallisch glänzenden Kondenswassers.
Kupferne, grünspanbedeckte Gargyle spien Dampfwolken, und hohe, krumme Türme aus schwarzem Ziegelstein bliesen erstickende Giftwolken aus riesigen kolbengetriebenen Kraftwerken in die Atmosphäre. Graue Gestalten schlurften durch die Stadt, und dunkle, sich dahinschlängelnde Wesen glitten wie Schatten durch die albtraumhaften Straßen der Festung zum Herzen des Bergs, wo ein hoch aufragender Turm aus Eisen stand, dessen Dimensionen immens und unmöglich waren. Er durchbohrte die Wolken am Himmel, und eine wirbelnde Masse aus blutergussfarbenen, dampfartigen Energien umkreiste seine höchste Spitze. Viele Tausend Schießscharten waren in den Turm geschnitten, dessen Fuß hinter den sich vor ihm ballenden Schmelzöfen verborgen war. Uriel wusste, dass der Herr dieses entsetzlichen Ortes in diesem furchtbaren Turm wohnen musste, und erkannte mit absoluter Gewissheit, dass dies ihr endgültiger Bestimmungsort war. Scharen von Deliriumgespenstern umschwirrten den schrecklichen Turm, und ihre heiseren Schreie hallten merkwürdig von seinen hohen Zinnen und namenlosen Kammern wider. Hohe Gipfel des schwarzen Gebirges überragten sie, und obwohl es ihnen vorgekommen war, als seien sie viele Kilometer durch das Gestein des Bergs gewandert, war der Schlachtenlärm noch ganz nah, als hätten sie nur eine geringe Entfernung zurückgelegt. »Wie kann das sein?«, sagte Vaanes, der Uriels Gedanken erriet. »Ich weiß es nicht«, erwiderte Uriel. »Wir können nicht darauf vertrauen, dass unsere Sinne an diesem finsteren Ort nicht an jeder Ecke getäuscht werden.« »Uriel, hör zu, was ich in dem Tunnel gesagt habe...« »Es spielt keine Rolle. Es waren die Stimmen, sie sind in uns eingedrungen und haben uns diese Dinge sagen lassen.« Vaanes schüttelte den Kopf. »Was waren sie? Dämonen? Geister?« »Das weiß ich nicht, aber wir haben sie besiegt, Vaanes.« »Du hast sie besiegt. Du hast durchschaut, was sie uns antun wollten. Ich hätte beinahe nachgegeben... ich wollte es.« »Aber du hattest die Kraft, sie zu besiegen«, sagte Uriel. »Die kam aus dir, ich habe dich nur an sie erinnert.« »Vielleicht«, sagte Vaanes in einem seltenen Augenblick des Eingeständnisses. »Aber ich bin schwach, Ventris, ich bin jetzt
seit vielen Dekaden kein Space Marine des Imperators mehr, und ich glaube nicht, dass ich die Kraft habe, wieder einer zu werden.« »Ich glaube, du irrst dich«, sagte Uriel, indem er Vaanes die Hand mitten auf den Brustharnisch legte. »Du hast Herz, und ich sehe Mut und Ehre in dir, Vaanes. Du hast nur vergessen, wer du wirklich bist.« Vaanes nickte knapp und zog sich ohne eine Antwort von seiner Hand zurück. Uriel hoffte, dass es ihm gelungen war, das ehemalige Mitglied der Raven Guard von seinem Wert zu überzeugen. Dieser höllische Ort würde sie alle bis an die Grenzen ihres Mutes treiben, jede Schwachstelle in ihrer Rüstung finden und sie zerstören, wenn sie es zuließen. Er suchte Blickkontakt mit Pasanius, doch sein Freund schaute rasch weg und wandte Uriel den Rücken zu. »Pasanius«, sagte Uriel. »Bist du zum Weitermarsch bereit?« Der Sergeant nickte. »Aye, wer weiß, was uns durch diese Tunnel folgt. Je eher wir verschwinden, desto besser.« Uriel hielt Pasanius auf, als dieser Anstalten machte, sich zu entfernen. »Ist alles in Ordnung, mein Freund?« »Natürlich«, erwiderte Pasanius kurz angebunden, indem er sich an Uriel vorbeischob und zu der unebenen Wendeltreppe ging. Die Stufen waren glatt und glasartig, und sie würden sie vorsichtig beschreiten müssen, wenn sie nicht ausrutschen und sich den Hals brechen wollten. Pasanius ging voran, die Space Marines und die beiden Soldaten der Imperialen Garde folgten vorsichtig und einzeln. Die klirrenden Werkstätten der Festung spien Flammen und Rauch. Das Dröhnen der Schläge panzergroßer Hämmer hallte von den geschwärzten Mauern der fensterlosen Gebäude wider. Doch über allem hing das bleierne Gewicht der Aura des Eisenturms, dessen tote Schießscharten-Blicke die Seele durch seine bloße Existenz zermalmten. Während sie in die Festung hinabstiegen, sah Uriel seltsame Wesen aus Licht, die sich zwischen den riesigen Gebäuden bewegten, elegante Geschöpfe auf goldenen Stelzenbeinen, die leuchtende Streifen aus bernsteinfarbenem Feuer hinter sich herzogen. Zwischen ihnen hingen bizarre Kutschen, die mit grellem Licht und einem wirbelnden Gitterwerk aus Zahnrädern und Kolben gefüllt waren. Eine Prozession dieser Wesen zog
durch die Festung, aber sie verloren sie in dem unlogischen Straßengewirr bald aus den Augen. Riesige Planierraupen nach Art des von ihnen gekaperten Schleppers tuckerten die breiteren Straßen entlang, rot und hassenswert, mit hohen, mit achtzackigen Sternen behangenen Fahnenstangen und Hängern aus Eisen. Blut schwappte aus den Hängern, so dass die Raupen einen schmutzigen roten Strom hinter sich zurückließen, während sie von den Kämpfen an der Mauer zum Turm in der Mitte der Festung fuhren. Verdrehte Gliedmaßen ragten aus den Hängern hervor und zappelten hin und her, da die Leichen darin durchgeschüttelt wurden. Aus der Größe und Muskelmasse der sich bewegenden Leichen ging hervor, dass es sich um Iron Warriors handelte. »Wohin bringen sie sie?«, sagte Leonid. »Vielleicht zur Bestattung«, mutmaßte Uriel. »Ich glaube nicht, dass den Iron Warriors viel daran liegt, die Toten zu ehren.« »Ich auch nicht, aber warum sollten die Gefallenen sonst in die Festung zurückgebracht werden?« »Wer weiß, aber ich habe das Gefühl, dass wir es bald herausfinden«, sagte Vaanes düster. »Wenn es mit unserer Aufgabe zu tun hat, dann hast du sicher recht«, sagte Uriel, während sie weiter der Treppe in die Festung folgten. Die Steinstufen reflektierten das Licht von den purpurfarbenen Wolken über dem Eisenturm, und Uriel fragte sich, welche finsteren Praktiken und Pläne in seinen kalten Tiefen wohl ausgeheckt wurden. Die Treppe schraubte sich an der Bergklippe entlang nach unten und verbreiterte sich dabei, bis sie vor einem knochengeflaggten Platz endete, auf dem in regelmäßigen Abständen eiserne Hinrichtungspfosten standen. An drei der Pfosten hingen ausgetrocknete Leichen, die Haut eingefallen und fleckig. Uriel ignorierte sie und starrte vielmehr auf die dunkle Masse hämmernder Gebäude und gewundener Straßen, die zum Turm führten. Der smaragdgrüne Schein, der das Innere des Bergs von oben durchdrang, war nun, da sie das Ende der Treppe erreicht hatten, noch stärker, obwohl von seinem Ursprung nichts zu sehen war. Die Manufakturen ragten vor ihnen in die Höhe, und der Lärm stampfender Kolben, zischender Ventile und klirrender Hämmer war allgegenwärtig. Es roch nach Asche und heißem Metall.
»Gehen wir«, sagte Uriel, mehr um sich selbst zur Aktion anzustacheln, denn um einen Befehl zu geben. Er marschierte mit dem Boltgewehr im Anschlag los, und die Space Marines des Kriegertrupps folgten dichtauf. Sie hatten instinktiv eine Abwehrformation gebildet und Leonid und Ellard in die Mitte genommen, während alle Waffenmündungen nach außen wiesen. Eine Seelenkälte erfüllte jeden Krieger, als sie in die bösen Schatten Khalan-Ghols traten, die Kälte eines Eintauchens in das schwarze Wasser eines unterirdischen Sees, der noch nie die wärmende Berührung einer Sonne verspürt hatte. Uriel schauderte und hatte ein Gefühl, als ruhten die Blicke aus tausend Augen auf ihm, doch er konnte nichts sehen, und niemand bewegte sich in ihrer Nähe. »Wo sind all die Leute, die wir von oben gesehen haben?«, fragte Vaanes. »Das habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Pasanius. »Von oben sah es so aus, als sei die Festung stark bewohnt.« »Vielleicht verstecken sie sich vor uns«, erwiderte Ellard. »Oder vielleicht sah sie auch nur bewohnt aus«, mutmaßte Uriel, während er wachsame Blicke überallhin warf und ständig Andeutungen von Bewegung im Schatten sah. »Dieser Ort hier narrt unsere Sinne und versucht uns mit Illusionen und Trugbildern in die Irre zu führen. Denkt daran, was im Tunnel passiert ist.« Die Straßen und schmalen Gassen von Khalan-Ghol wanden sich wahllos hierhin und dorthin, bis Uriel nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, in welche Richtung sie gingen. Er wünschte, er hätte seinen Helm noch gehabt, war aber nicht einmal sicher, ob dessen Auspex hier von Nutzen gewesen wäre. Er konnte den Eisenturm in den engen Straßen nicht mehr sehen und musste darauf vertrauen, dass seine Instinkte sie zu ihm führten. Hohe Schatten tanzten über die Mauern und die Seiten der schwarzen Ziegelgebäude, als wollten sie sie durch die Festung hetzen. Die Dunkelheit legte sich um sie, und Uriel stellte fest, dass er absurd dankbar für die flüchtigen Blicke auf ein Stück weißen Himmel über ihnen war. Er konnte die Kraft der schwarzen Sonne über sich spüren, hielt aber den Blick abgewendet aus Furcht vor dem Wahnsinn, den sie in ihren rußigen Tiefen versprach.
Blechernes Gelächter wie von einem Kind sickerte aus Mauern und Schatten, und Uriel konnte erkennen, dass die Space Marines auf derartige Geräusche äußerst verstört reagierten. Er fühlte sich an die Freudenschreie der Deliriumgespenster erinnert, wenn diese starben, und fragte sich, ob ähnliche Kreaturen irgendwo in der Nähe lauerten. Es kam ihnen so vor, als marschierten sie Stunden umher, orientierungslos und von den Aberwitzigkeiten der Dämonenstadt in die Irre geführt. Uriel fand keine Stadtmerkmale, an denen er sich orientieren konnte. Der Eisenturm war hinter den hoch aufragenden Mauern der fensterlosen Schmelzhütten und dem von der schwarzen Sonne geworfenen undurchdringlichen Schatten verborgen. Schließlich gebot er einen Halt und wischte sich über sein verschwitztes Gesicht. Die Anlage der Festung folgte keiner bestimmten Ordnung oder Logik, falls etwas dergleichen überhaupt existierte. Man konnte ein und derselben Straße ein zweites Mal folgen und ganz woanders herauskommen als beim ersten Mal, und eine Umkehr führte nicht dorthin zurück, woher sie gekommen waren. Unmögliche Physik führte sie an jeder Kreuzung in die Irre, und Uriel wusste nicht, wie sie verfahren sollten. Er hockte sich hin, legte sich das Boltgewehr quer über die Oberschenkel und lehnte den Kopf an die bröckelnde Ziegelmauer des Gebäudes hinter ihm. Er konnte das Stampfen von Schwerindustrie im Gewebe des Gebäudes spüren, doch in keinem der seltsam verwinkelten Gebäude an ihrem Weg hatten sie ein Fenster oder einen Eingang gesehen, nur rauchende Schlote und dampfende Entlüftungen. »Was nun?«, fragte Vaanes. »Wir haben uns verirrt, nicht wahr?« Uriel nickte, zu müde und seelenkrank für eine Antwort. Vaanes warf sich das Boltgewehr über die Schulter, als habe er keine andere Antwort erwartet. Er schaute von einem Ende der schmalen, beengenden Straße zum anderen, deren Belag schwarz und ölig war und hier und da wie von vergossenem Prometheum in allen Regenbogenfarben schillerte. »Liegt es an mir oder wird es hier dunkler?«, fragte er. »Wie kann es dunkler werden, Vaanes?«, sagte Uriel schnippisch. »Diese verdammte schwarze Sonne geht nie unter,
sie bewegt sich nicht einmal am Himmel. Also frage ich dich, wie es dunkler werden kann.« »Das weiß ich nicht«, zischte Vaanes. »Aber es ist so. Sieh selbst!« Uriel drehte den Kopf und sah, dass Vaanes recht hatte. Kriechende flüssige Schatten glitten die Wände empor, verschluckten das Licht und verdunkelten die Oberflächen der Gebäude, an denen sie emporkletterten. Die tintenschwarzen Schatten kräuselten sich von den Mauern nach unten, breiteten sich wie Ölflecke über den Boden aus und schienen sich an den Enden der kopfsteingepflasterten Straßen aufzubäumen, um sie völlig einzuschließen. »Was geht da vor?«, keuchte Uriel, als sich die finsteren, unmöglichen Schatten vor ihnen zu albtraumhaften Flecken aus einem stinkenden schwarzen Schillern verdichteten, die sich ihnen von vorne und hinten über Straßen und Mauern näherten. Sie trieben stinkende Dampfwolken direkt aus dem Höllenschlund vor sich her, giftige Dämpfe und unbeschreibliche Verschmutzungen. Formlose Ansammlungen protoplasmischer Blasen quollen aus ihren amorphen Formen, und Uriel sah jetzt die Quelle des fahlen smaragdgrünen Scheins, der die Festung durchdrang, da sich in den abscheulichen Tiefen unzählige Augen bildeten und zurückbildeten, die in ihrem eigenen Licht leuchteten. »Was sind das für Wesen?«, rief er, als die dahingleitende Masse schmutziger, stinkender Kreaturen - oder Kreatur vorwärtsquoll. »Was spielt das für eine Rolle?«, rief Vaanes. »Tötet sie!« Boltgewehre feuerten Sprenggeschosse in die wogende Masse aus Verderbnis, die in den geleeartigen Leibern explodierten. Aus den dergestalt gesprengten Wunden wehte ein überwältigender Gestank nach chemischen und biologischen Abfallprodukten. Uriel atmete etwas von den Dämpfen ein und sank sofort auf die Knie, um sich ausgiebig zu übergeben. Nicht einmal die beachtlichen biologischen Verbesserungen eines Space Marine waren in der Lage, den widerlichen, grässlichen Gestank zu verarbeiten, den ihre Boltgewehre losgetreten hatten. Immer mehr Space Marines sanken zu Boden und würgten krampfhaft angesichts der Widerwärtigkeit dieser Wesen. »Pasanius!«, keuchte Uriel. »Setz deinen Flammenwerfer ein!«
Er konnte nicht sagen, ob sein Schlachtbruder seine Aufforderung gehört hatte, aber Sekunden später hüllte Pasanius die vorrückenden Bestien in eine Flammenwand aus seiner zischenden Waffe. Das Feuer hüllte die Bestien ein, sprang an ihnen hoch und brannte mit furchtbarer Gewalt, als enthielten diese Wesen jede dem Menschen bekannte entzündliche Substanz. Knisternder Schleim brannte mit weißer Flamme, und Pasanius richtete seinen Werfer auf die sich ihnen von hinten nähernden Schattenwesen. Mehr flüssiges Feuer spritzte, und die ohrenbetäubenden Schreie der brennenden Wesen erreichten neue Höhen. Empfindungslose Augen schmolzen, und neue bildeten sich in dem flüssigen Fleisch der Bestien, während die Flammen sie verzehrten. Das Feuer erzeugte Dämpfe, welche die Augen tränen ließen, doch obwohl es den Anschein hatte, als litten die Bestien Schmerzen, zogen sie sich nicht zurück, sondern hielten sie in der schmalen Straße gefangen. Die Hitze war intensiv, aber im Schutz ihrer Servorüstungen waren die Space Marines immun gegen die tödlichen Temperaturen. Dabei schirmten sie die beiden Gardisten so gut wie möglich vor der tödlichen Hitze ab, doch Uriel sah, dass Leonid und Ellard kurz vor dem Kollaps standen. Das Feuer hatte den schlimmsten Gestank verzehrt, und Uriel zog sich an der Wand auf die Beine. »Warum sterben sie nicht?«, fluchte Vaanes. Er hielt sein Boltgewehr bereit, und Uriel sah sein verzweifeltes Bedürfnis, damit zu schießen, doch er hielt den Finger vom Abzug fern, nachdem er gesehen hatte, wie wenig Wirkung ihre anfängliche Salve erzielt hatte. Space Marines rappelten sich auf und bildeten einen Abwehrriegel zwischen den beiden Flammenwänden an den Straßenenden. »Und warum greifen sie nicht an?«, wunderte sich Pasanius. »Bis sie in Flammen aufgegangen sind, sah es so aus, als wollten sie uns überrennen.« »Ich bin nicht sicher«, antwortete Uriel, dem ein beängstigender Verdacht kam. »Ich glaube, dass sie vielleicht niemals die Absicht hatten, uns zu töten, sondern vielleicht etwas ganz anderes bezwecken.« »Was?«, fragte Vaanes. »Vielleicht wollen sie uns nur hier festhalten«, sagte Uriel,
während er beobachtete, wie ein Krieger in einer glänzend schwarzen und silbern geäderten Servorüstung durch die lodernden Flammen marschierte, während sich die Masse der Bestien vor ihm teilte. Bronzekrallen wurden aus seinen grauhäutigen Händen ausgefahren, und in seinen Augen brannte ein seelenloses silbernes Licht. »Hab ich euch«, sagte der Krieger.
ZWÖLF »Ihr habt die Irrwitzportale überlebt«, sagte der Krieger und klang dabei leicht beeindruckt, während er sich den Space Marines näherte. Seine schwarze Rüstung mit ihren spiegelglatten Oberflächen reflektierte nicht einmal die grellen Flammen, sondern blieb völlig schwarz. Uriel sah, dass der Krieger keine Schusswaffe hatte, aber das beruhigte ihn nicht im Geringsten. Denn schließlich, wie unglaublich zuversichtlich musste ein Krieger sein, wenn er unbewaffnet vor mehr als zwei Dutzend Space Marines trat? Obwohl es eine Fehleinschätzung war, diesen Krieger als unbewaffnet zu bezeichnen, überlegte Uriel, als er die langen, funkelnden Bronzekrallen sah. »Wer bist du?«, rief er. Der Krieger lächelte, und als er antwortete, strömte mattes silbriges Licht aus seinem Mund. »Ihr habt weder die Ohren noch die Stimmbänder, um meinen Namen verstehen oder aussprechen zu können, also lernt ihr mich als Onyx kennen.« Die Space Marines richteten ihre Gewehre auf Onyx, während die knisternden Flammen langsam erloschen und mehr Schatten über die Straße glitten und sie in Dunkelheit tauchten. »Sind das deine Kreaturen?«, fragte Uriel, indem er selbst die Waffe hob. »Die Exuviae? Nein, die sind nicht mehr als der vergiftete Schmutz von Khalan-Ghol, von der Industrie produzierte Abfälle, die zu einem Idiotenleben mutiert sind. Sie suchen diese Festung heim, aber sie haben auch ihren Nutzen.« »Du tätest gut daran, uns passieren zu lassen«, knurrte Vaanes. Onyx schüttelte den Kopf. »Nein, mein Herr hat mir befohlen, euch zu ihm zu bringen.«
»Dein Herr?«, sagte Uriel. »Honsou?« »In der Tat«, sagte Onyx. Für Uriel war offensichtlich, dass sie nicht ohne Gewalt an Onyx vorbeikommen würden. Er hatte keine Ahnung, wie furchtbar der feindliche Krieger namens Onyx im Kampf Klinge gegen Klinge war, und nicht das Bedürfnis, es herauszufinden. Gelassen sagte er: »Tötet ihn.« Boltgeschosse jagten über die Straße, doch Onyx bewegte sich wie Quecksilber, ein huschender Schatten, der zwischen den Kugeln durchglitt und Pirouetten um den Geschosshagel drehte. Bronzekrallen hieben nach Uriels Bauch, und er warf sich zurück gegen die Wand und vermied es gerade noch, dass Onyx' Hieb ihm den Bauch aufschlitzte. Pasanius trat vor und trat nach Onyx, doch der schwarze Krieger wirbelte davon und rammte Pasanius den Ellbogen ins Gesicht, bevor er über ihn hinwegsprang und Ardaric Vaanes einen Sprungtritt versetzte. Kyama Shae schoss aus nächster Nähe mit dem Boltgewehr auf Onyx, aber die Geschosse prallten von der glänzenden schwarzen Rüstung ab. Onyx warf sich mit einem Satz vorwärts und rammte Shae die Faust in den Bauch. Seine Bronzekrallen fetzten durch die Rüstung der Crimson Fist und weiter aufwärts. Onyx wirbelte mit einem gequälten Knacken von Knochen von seinem Opfer davon, Shaes Wirbelsäule in der Faust. Der Space Marine sank in die Knie, und Blut schoss aus der riesigen Wunde in seinem Leib. Seine Augen starrten einen winzigen Augenblick in entsetzter Faszination auf seine Wirbelsäule in der Hand eines anderen, bevor er nach vorn kippte. Uriel fiel bei dem Anblick vor Entsetzen die Kinnlade hinunter, während die tropfende, blutige Wirbelsäule von der gläsernen Dunkelheit von Onyx' Rüstung eingehüllt wurde, dann sprang der silberäugige Mörder in die Höhe, und mehr Boltgeschosse trafen die Mauer hinter ihm. Er stieß sich von der Mauer ab, drehte sich mitten in der Luft und schlug dabei mit Krallen und Füßen zu, und jeder Hieb und Tritt drückte eine Luftröhre ein oder enthauptete einen Space Marine. Bei der Landung tauchte er seine blutverschmierten Krallen in jedes Opfer und riss ihnen mit dem furchtbaren Geräusch splitternder Knochen die Wirbelsäule heraus. Fünf Space Marines waren bereits gefallen, und es war ihnen nicht gelungen, auch
nur einen einzigen Tropfen des Blutes dieses Wesens zu vergießen. Uriel feuerte Geschosse auf Onyx ab, aber wie gut er die Bewegungen des Mörders auch antizipierte, er war immer einen Sekundenbruchteil zu langsam, um ihn zu treffen. »Der Imperator rette uns, er ist zu schnell!«, rief Vaanes. Noch ein Space Marine fiel, vom Schritt bis zum Brustbein aufgerissen, und Uriel sah, dass Onyx nicht allzu wählerisch sein würde, wie er die Wünsche seines Herrn ausführte. Der schwarz gerüstete Krieger wirbelte durch die Luft, und seine flammend silbernen Adern und Augen hinterließen Spuren darin, da er sich mit übernatürlicher Schnelligkeit bewegte. Uriel hob sein Boltgewehr, als Onyx ihn ansprang, wusste aber, dass er nicht schnell genug sein würde. Onyx' Faust traf seinen Hals, und die Krallen der äußersten Extremitäten seiner Fäuste nagelten Uriel an die Mauer hinter ihm. Sein Kopf krachte schmerzhaft gegen die Ziegel, und er spürte, wie Blut sein Haar verklebte. Er sah, dass Onyx' Mittelkralle teilweise eingefahren war, so dass sie Spitze nur die Haut an Uriels Hals kitzelte. »Wenn sich noch jemand rührt, stirbt euer Anführer!«, rief Onyx und hüllte Uriel dadurch in silbriges Licht. Die Flammen der brennenden Exuviae waren erloschen, und die erneuerten öligen Schattenbestien glitten vorwärts und bäumten sich auf amorphen Leibern auf, die jetzt den Anschein von Festigkeit erweckten. Die Überlebenden des Kriegertrupps umzingelten Onyx und Uriel und richteten die Waffen auf den Rücken des Schwarzgerüsteten. »Ich dachte, dein Herr hätte gesagt, du sollst uns zu ihm bringen«, keuchte Uriel. »Das hat er«, nickte Onyx. »Aber er hat nicht gesagt, ob tot oder lebendig.« »Er ist nicht unser Anführer«, sagte Vaanes. »Also mach weiter und töte ihn, aber du wirst ihm in den Tod folgen!« »Da bin ich anderer Ansicht«, sagte Onyx. »Ich sehe, dass seine Seele im Licht der Entschlossenheit brennt.« »Vaanes, erschieß ihn!«, rief Uriel, während er sich in Onyx' Griff wand und die Augen schloss, als rings um ihn Boltgewehre mit ohrenbetäubendem Krachen abgefeuert wurden. Er spürte, wie Onyx erbebte, als die Geschosse ihn trafen. Trotz des Krachens der Geschosse hörte er den Krieger lachen und schrie dann vor Schmerzen, als er spürte, wie Onyx' Mittelkralle aus der Haut schoss, seinen Hals durchstach und sich in die Mauer hinter
ihm bohrte. Die Kralle wurde herausgerissen, und er glitt die Wand hinunter. Blut strömte in scharlachroter Flut aus seinem Hals und seiner Rüstung, bevor die Larraman-Zellen sein Blut gerinnen ließen und die Blutung gestoppt wurde. Uriel keuchte, und der Atem kratzte im Hals, da ihm aufging, dass seine Luftröhre vollkommen durchtrennt worden war. Uriel schloss die Augen, als sein Blickfeld an den Rändern grau wurde und sein Körper nach Sauerstoff schrie, während sich seine Brust krampfhaft hob und senkte. Er kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben, da er wusste, dass er sterben würde, sobald er es verlor, und stellte die Atmung auf die dritte an sein Pulmonalsystem angeschlossene Lunge um. Seine veränderte Atmung stellte den Schließmuskel ruhig, der normalerweise Luft einholte, und er machte einen tiefen Atemzug, als die veränderte Physiologie das Kommando übernahm. Onyx übersprang den Geschosshagel und landete mit einem atavistischen Heulen der Blutgier hinter den Space Marines. Seine Krallen schwollen an und wurden zu monströsen goldenen Schwertern, und drei Space Marines wurden mit ebenso vielen Hieben zerhackt. Sein Gesicht schwoll an und kräuselte sich, schwarze Hörner drehten sich aus den Schläfen, und in seiner Gestalt wurden funkelnde Linien augmetischer Körperteile sichtbar, als die dämonische Wesenheit in Onyx vollständig die Kontrolle über seinen Körper übernahm. Seine Augen sprühten Feuer, und Uriel sah, dass die Bestie, zu der er geworden war, erpicht darauf war, ihnen mehr Schaden zuzufügen, doch bevor er den Vorsatz in die Tat umsetzen konnte, erbebte sein ganzer Körper, und das Dämonenwesen, zu dem Onyx geworden war, zog sich wieder in ihn zurück. Auch die goldenen Schwerter glitten in die Hände zurück. Vor ihren Augen wurde Onyx' ursprüngliche Gestalt wiederhergestellt. Onyx stieß einen tiefen Seufzer aus und sank auf ein Knie, doch bevor jemand aus dem Kriegertrupp seine vorübergehende Verwundbarkeit ausnutzen konnte, stimmten die welligen Gestalten der Exuviae ein Tosen wie von schwarzen Flutwellen an und stürzten sich auf sie. Uriel mühte sich, auf die Beine zu kommen, aber die blubbernden animierten Abfälle fielen über ihn her, nagelten seine Arme an den Körper und hielten ihn fest.
Matte, geistlose Augen barsten aus giftfleckiger Materie und blinzelten ihn idiotisch an, und er hörte die Rufe des Abscheus der überlebenden Space Marines, als die Exuviae sie in ihre widerlich stinkende Umarmung hüllten. Mit Onyx als Führer durch Khalan-Ghol schien sich die aberwitzige Architektur als Reaktion auf seine bloße Anwesenheit zu stabilisieren. Wo das chaotische Wesen ihrer Anlage Uriel und seine Schlachtbrüder noch auf verschlungenen Wegen in die Irre geführt hatte, erleichterte sie jetzt der dämonischen Kreatur und ihrer dahingleitenden Gefolgschaft das Vorankommen. Die Exuviae wogten in einer grotesken Kräuselbewegung über die gepflasterten Straßen und trugen ihre bewegungsunfähigen Schützlinge in ihren stinkenden flüssigen Leibern. Nur Uriel, Pasanius, Vaanes, Seraphys, Leonid, Ellard und neun weitere Space Marines hatten bis hierher überlebt, aber Uriel wusste, dass er seinem Todeseid nicht entsagen konnte, solange er noch atmete. Die verrußten Straßen der Festung blieben bald hinter ihnen zurück und wichen ihrem eigentlichen Ziel: dem Mittelpunkt der Festung, dem großen Eisenturm. Ob es ein perspektivischer Streich oder die illusionären Kräfte des Chaos waren, wusste Uriel nicht, aber er war unsagbar schockiert ob seiner schieren Gewaltigkeit. Seine Spitze entzog sich den Blicken jenseits der wallenden Purpurwolken, und es war unmöglich, ihn in seiner ganzen Breite wahrzunehmen. Gewundene, krumme Türme sprossen aus den Seiten, überhängende Schmelzöfen spien dicke Giftwolken in die Luft, geflügelte Wesen scharten sich um dunkle Horste und bösartige Blitze zuckten durch Fensterschlitze nach draußen. Eine hohe Mauer umgab den Fuß des Turms, auf deren Brustwehr es von Iron Warriors und Geschütztürmen wimmelte. Ein riesiges Tor aus schwarzem Eisen mit je einem gepanzerten Wachturm auf beiden Seiten verteidigte den Eingang in den Turm, und als Onyx sie darauf zuführte, schwang das schreckliche Portal mit einem Quietschen wie ein Schrei tödlicher Qual auf. Die Exuviae trugen sie durch das dunkle Tor, und im Gang dahinter sah Uriel kochenden Dampf aus stachelbewehrten Schießscharten in der Decke quellen. Der bedrückenden Enge des Gangs entronnen, fiel Uriel in
düsterem Staunen die Kinnlade hinunter, als er sah, dass der Turm überhaupt nicht auf dem Felsgestein des Bergs stand, sondern an vielen Hundert immensen Ketten über einer gigantischen Leere hing, die ein Spiegelbild des toten Himmels war. Jedes Kettenglied war so dick wie die Säulen der großen Halle vor dem Tempel der Besserung, und als sie zu einer Brücke getragen wurden, sah Uriel außerdem, dass der Turm auch noch viele Tausend Meter in die Tiefe reichte. »Der Imperator beschütze uns...«, hauchte Uriel. »Du verschwendest deinen Atem«, sagte Onyx. »Glaubst du, er hätte an diesem Ort auch nur die geringste Macht?« Uriel enthielt sich einer Antwort, da er nicht gewillt war, noch weiter Worte mit einem zu wechseln, der von den üblen Mächten des Immateriums berührt worden war. Eine lange Basalttafel, die von unzähligen marschierenden Füßen geglättet worden war, überbrückte die Leere und führte zu einem gewaltigen Tor, das den eigentlichen Turm durchbohrte. Bei der Überquerung der Basalttafel sah Uriel, dass es aus irgendeinem tödlichen Material bestand und zischte und geiferte, als sei es gerade aus dem Schmelzofen gekommen. Seine Ausmaße waren kolossal: Ganze Regimenter waren in der Lage, durch dieses Portal zu marschieren, und der größte Titan konnte es passieren, ohne sich ducken zu müssen. Onyx führte sie zu dem Portal, und ein kleineres, mit Nieten besetztes Nebentor gewährte ihnen Zugang ins hallende Turminnere. Uriel spürte die Macht längst vergangener Zeitalter im Turm, und seine uralte Bösartigkeit war wie ein starker Geruch in der Luft. »Khalan-Ghol«, sagte Onyx stolz. »Die Macht und Erhabenheit eines lebendigen Gottes haben geholfen, diese Festung zu errichten und ihr eine ihm genehme Form zu geben, die nicht durch irgendwelche Naturgesetze beeinträchtigt ist.« »Sie ist ein Schandfleck!«, fauchte Pasanius. »Nein«, sagte der dämonische Symbiont. »Sie ist die Zukunft.« Das Innere des Turms war nicht weniger grauenerregend als das Äußere - riesige verstaubte Säle mit Bronzestatuen, große Schmelzöfen, die Funken und orangefarbene Bäche aus Metall ausspien. Eine sengende, erstickende Hitze durchdrang den
Turm, und schwarze Flüssigkeit tropfte von den im Schatten liegenden Kuppeldecken. Uriel konnte entfernte Schreie und schwere Hammerschläge von tief unten hören, lauter und kräftiger, als er sie bisher auf Medrengard vernommen hatte. Kriechende Schatten, vielleicht noch mehr Exuviae, lauerten in den hohen Kreuzgängen, obwohl die zahlreichsten Bewohner des Turms Gestalten in schwarzer Robe zu sein schienen, die sich mit mechanischem Kreischen fortbewegten. Rote augmetische Augen begutachteten sie mit Interesse, während Onyx seine Prozession der Exuviae tiefer in den Turm führte, und klickende Messingglieder griffen mit zischendem Hunger nach ihnen. Verdrehte Zahnradsymbole im Verein mit dem achtzackigen Stern des Chaos waren in ihre Gewänder gebrannt, und gurgelnde algorithmische Stimmen klickten zwischen ihnen, da sie sich riesigen verstaubten Maschinen widmeten, deren Zweck Uriel verschlossen blieb. Als sie weitergingen, trat eine ungeschlachte BronzeKonstruktion mit stampfenden, geschmierten Kolben und einer fest verankerten Bildtafel zischend aus dem Schatten der großen Maschine und versperrte ihnen den Weg. Onyx versteifte sich, als die schwarz gewandete Kreatur in eine Lichtinsel schlurfte, und Uriel spürte, wie sich bei ihrem Anblick ein schleichendes Grauen in ihm ausbreitete. Sie bewegte sich unbeholfen auf sechs Spinnenbeinen aus genietetem Eisen, und der Leib wurde von einem ölbefleckten Exoskelett gehalten. Wo die Haut bloß lag, konnte Uriel erkennen, dass sie verwittert und tot war und sich ein Flickwerk von Nähten über erhöhte Knochenwülste zog. Der Kopf war schwer und hing tief auf den Schultern. Messingruten durchbohrten den Schädel, die von einem an den Schläfen genieteten Messingkäfig gehalten wurden. Unter der Kapuze befand sich ein widerlicher pergamentfarbener Schädel, dessen untere Hälfte aus glänzendem Metall ohne Haut bestand und dessen Augen durch surrende mechanische Linsen ersetzt worden waren. Eine Vielzahl transparenter Schläuche steckten in der Haut und zogen sich in gurgelnden Schlaufen um den Leib, und zischende Ventile ließen giftigen Dampf ab, da sich die Brust von der Anstrengung des Atmens hob und senkte. Das Wesen hob Uriel mit langen augmetischen Armen hoch, die von Skalpellen, Bohrern und Schneidbrennern starrten.
Onyx trat vor das Wesen und fuhr die Krallen aus. »Nein«, sagte er. »Die sind für den Herrn von Khalan-Ghol.« Die Bestie zischte vor Wut, ihre Klauenhände schnappten vor Enttäuschung auf und zu und ihre Bohrer surrten gefährlich dicht an Onyx' Kopf. Das Wesen machte Anstalten, Onyx aus dem Weg zu schieben, doch der schwarz gerüstete Krieger ließ sich nicht bewegen. »Ich sagte nein«, wiederholte er. »Es mag sein, dass die Brutalen Bestatter sie zu einem späteren Zeitpunkt bekommen, aber dieser Zeitpunkt ist nicht jetzt.« Das Wesen schien einen Moment darüber nachzudenken, bevor sein scheußliches Schädelgesicht nickte und es sich wieder in den Schatten der Maschine zurückzog. Onyx sah ihm nach, und während seine Aufmerksamkeit abgelenkt war, wehrte sich Uriel gegen das stinkende Gefängnis der Bestie, die ihn, Pasanius und Vaanes trug, doch vergeblich, da sie vollkommen bewegungsunfähig waren. Schließlich, als er sicher war, dass der Brutale Bestatter nicht irgendwo im Hinterhalt lauerte, fuhr Onyx die Krallen ein und führte die Exuviae mit ihren Gefangenen weiter. Uriels Frustration wuchs mit jedem dunklen Saal, den sie durchquerten, und jeder unmöglich verwinkelten Treppe, die sie erklommen oder herabstiegen, da er nicht in der Lage war, auch nur einen Muskel zu rühren. Das unerträgliche Geräusch des Hämmerns wurde lauter, je weiter sie kamen, und dasselbe smaragdgrüne Licht, das die Festung außerhalb des Turms erfüllte, wurde heller, als ihr Weg sie aus von menschlichen Händen erbauten Kammern und Gängen in eine riesige feurige Kaverne führte, die von großen, Dampf ablassenden Kolben gesäumt wurde. Eine funkelnde Silberbrücke überquerte einen großen Abgrund im Boden, aus dem Schwaden heißer Schwefeldämpfe trieben und der Geruch nach bearbeitetem Metall drang. Jenseits der Brücke befand sich eine kolossale Mauer aus dunklem, grün geädertem Stein mit einem großen Eisentor darin. Mit gezackten schwarzen Stacheln besetzt, wurde das Tor von zwei dämonengesichtigen Titanen flankiert, deren Panzerplatten von Millennien des Krieges vernarbt waren. Uriel sah mit beträchtlichem Abscheu, dass die an ihren Waffen hängenden Banner das verdammenswerte Symbol der Legio Mortis trugen.
»So seht denn das Allerheiligste der Festung Khalan-Ghol! Ihr werdet in der Tat geehrt!«, rief Onyx, während er sie über die Brücke führte. Als sie sich dem Tor näherten, entriegelte es sich mit einem hallenden Donnerschlag, der den Staub von den hohngrinsenden Gargylen unter der Decke der Kammer schüttelte, und die Titanen griffen hinter sich, um das stachelbewehrte Portal zu öffnen. Onyx führte sie hindurch, und Uriel und seine Begleiter begegneten dem Herrn Khalan-Ghols endlich von Angesicht zu Angesicht. Die Mauern innerhalb des Allerheiligsten der Festung bestanden aus schwarzen Quadersteinen, die mit Gold und Silber durchzogen waren und vor Feuchtigkeit glänzten. Zwanzig hohe Spitzbogenfenster durchlöcherten eine der Mauern, und das tote Licht des Himmels wurde als milchige Linien auf den Boden reflektiert. Von zweimal zwanzig Iron Warriors umringt, saß ein vernarbter Krieger mit schwarzen Stoppelhaaren in einer verbeulten und stark vernarbten Schlachtrüstung auf einem silberweißen Thron. Sein Gesicht war grausam und zu einer Miene ernsthaften Interesses erstarrt, An der rechten Schläfe hatte er eine lange, erst kürzlich verheilte Narbe. Hinter ihm stand der riesige Iron Warrior, der Uriel mit der Energiepeitsche außer Gefecht gesetzt hatte. »Lass die Exuviae verschwinden, Onyx«, sagte der Krieger. Onyx nickte und wandte sich den dahingleitenden Ungeheuern zu. Die silbrigen Linien in seinem Gesicht flammten hell auf, und ein Zischen drang aus seinem Mund. Uriel spürte, wie die Festigkeit der Kreaturen weniger beengend wurde, und fiel auf den Boden, da sie wieder klebriger und flüssiger wurden. Ihre Substanz zog sich von dem Licht auf dem Boden zurück und nahm wieder die schlangenartige Schattenform an. Wie geprügelte Hunde wichen sie in die dunklen Winkel des Saals zurück, bevor sie durch das große Portal außer Sicht und wieder in die beißende Dunkelheit der Festung glitten. Uriel erwog kurz, nach seinem Schwert zu greifen, doch als er aufschaute, starrte er in die Läufe von vierzig Boltgewehren, in deren Seiten obszöne Sigillen eingraviert und die mit dem
achtzackigen Stern des Chaos geschmückt waren. Die Iron Warriors nahmen ihnen die Waffen ab und bedeuteten ihnen, sich dem Krieger auf dem Thron zu nähern. Als sie dies taten, sah Uriel, dass der Krieger eine wuchtige Streitaxt auf dem Schoß liegen hatte, und erkannte in ihm den Iron Warrior, gegen den er bei seinem Aufstieg zur Bresche gekämpft hatte. Nur Zentimeter hatten gefehlt, dann hätte sein Schwert ihn enthauptet. »Ich kenne dich«, sagte der Krieger. »Du bist Honsou?«, sagte Uriel. Ein Iron Warrior trat heran und hämmerte ihm den Kolben seiner Waffe auf den Hinterkopf. Uriel sank auf ein Knie, da sich seine Kopfwunde wieder öffnete und frisches Blut auf seine Rüstung lief. Honsou nickte. »Du kennst mich, aber ich kenne dich nicht. Wie wirst du genannt?« »Durch Gewalt wirst du nichts von uns erfahren«, sagte Uriel, indem er sich wieder erhob und sich den Hinterkopf massierte. »Es ist eine einfache Frage«, sagte Honsou, während er sich mit den Fingern über die Narbe an seiner Schläfe strich. »Ich wüsste gern den Namen des Kriegers, der mir eine Narbe zugefügt hat.« »Nun gut. Ich bin Uriel Ventris, und das sind meine Krieger.« Honsou schaute an Uriel vorbei. »Du bewegst dich in merkwürdiger Gesellschaft, Uriel Ventris - Abtrünnige, Verräter und entlaufene Sklaven.« Uriel antwortete nicht, da ihm aufging, dass Honsou ihn ebenfalls für nicht mehr als einen Abtrünnigen hielt. Ohne Insignien und Rangabzeichen wies nichts darauf hin, dass er immer noch ein Krieger des wahren Imperators der Menschheit war. Seine Gedanken überschlugen sich, da er fieberhaft nach einer Möglichkeit suchte, wie er den Fehler des Verräters ausnutzen konnte, während Honsou fortfuhr: »Woher kennst du mich? Hat Toramino dir von mir erzählt?« »Wer?« »Spiel nicht den Unschuldigen vor mir«, warnte Honsou. »Du wirst feststellen, dass ich dafür keine Geduld habe. Du weißt, wer Toramino ist.« Uriel antwortete nicht, und Honsou seufzte. »Es hat keinen Sinn zu versuchen, nobel zu sein. Ich werde erfahren, was ich wissen
will. Wenn nicht jetzt, dann werden es dir die Brutalen Bestatter noch früh genug entlocken. Glaub mir, es wäre besser für dich, mir jetzt zu sagen, was ich wissen will, als unter ihren Händen zu leiden.« »Ich habe durch Toramino von dir erfahren, ja«, sagte Uriel schließlich. Honsou grinste. »Siehst du, Zakayo, Toramino ist so tief gesunken, dass er sich sogar zur Anwerbung von Söldnern hergibt. So viel zu seinen hehren Idealen der Reinheit, hm?« »In der Tat«, sagte Obax Zakayo, indem er Honsous Thron umkreiste und Leonid und Ellard mit den starken, zischenden Klauen hochhob, die sich über seine Schultern herabbeugten. Beide Männer wehrten sich in seinem Griff, hatten der Kraft des Riesen aber nichts entgegenzusetzen. »Ich sagte doch, dass ihr wieder unter meine Klingen geraten würdet, Sklaven.« »Setz sie wieder ab, Zakayo, ihr Blut ist es nicht wert, hier vergossen zu werden. Lass sie in den Schmelzhütten arbeiten.« Obax Zakayo nickte und ließ die beiden Gardisten los, blieb aber bei ihnen, und sein Verlangen, ihnen blutigen Schaden zuzufügen, war offenkundig. »Warum seid ihr innerhalb der Mauern meiner Festung, Ventris?«, sagte Honsou. »Wie du schon sagtest, wir sind Söldner«, erwiderte Uriel. »Sie sind durch die Irrwitzportale gekommen und haben versucht den Turm zu erreichen, als ich sie gefunden habe«, sagte Onyx. »Ich halte sie für Attentäter.« »Stimmt das, Ventris? Seid ihr Attentäter?« »Ich bin nur ein einfacher Soldat.« »Nein, das bist du nicht«, stellte Honsou fest. Er erhob sich von seinem Thron und ging entspannten und selbstbewussten Schrittes zu Uriel. »Ein einfacher Soldat hätte seine Krieger nicht lebend durch die Irrwitzportale gebracht und wäre auch nicht so tief in Khalan-Ghol eingedrungen.« Honsou ergriff Uriels Kinn und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, und Uriel sah, dass der Arm des Verräters ein künstliches Glied aus schwarzem Metall mit einer Oberfläche so glatt wie ein Insektenpanzer war. Seine Berührung fühlte sich widerlich auf der Haut an. »Warum seid ihr auf Medrengard?«, fragte Honsou, wobei er
Uriel in die Augen schaute. Uriel begegnete Honsous Blick, und die beiden Krieger starrten einander an und forderten sich gegenseitig heraus, den Blickkontakt als Erster abzubrechen. Uriel war ein Krieger des Imperators der Menschheit und Honsou ein Verräter, der eine gerade ein gutes Jahrhundert alt, der andere schon seit vielen Tausend Jahren auf dem Schlachtfeld zu Hause. Obwohl sie durch einen Abgrund aus Zeit und Glauben getrennt waren, sah Uriel einen Kriegergeist in Honsou und einen Kern der Verbitterung, der beunruhigend vertraut war. Ob seine Anwesenheit im Auge des Schreckens seine Sinne geschärft hatte oder er eine Form finsterer Verwandtschaft zum Herrn von Khalan-Ghol empfand, wusste er nicht, aber er sah mit Entsetzen, dass der Unterschied zwischen ihnen nicht so groß war, wie er gedacht hatte. Er sah denselben Drang, sich als den Höhergestellten ebenbürtig zu erweisen, dieselbe Frustration darüber, dass ihm durch die Blindheit anderer der rechtmäßige Platz verwehrt blieb. Ein Teil von ihm bewunderte Honsous Zielstrebigkeit bei der Verfolgung seiner Ziele. Vom Zufall der Geburt abgesehen, hätten sie nicht als Brüder gemeinsam auf dem Schlachtfeld stehen können? Hätte Uriel nicht in den Schwarzen Kreuzzügen kämpfen oder Honsou Schulter an Schulter mit anderen Space Marines Tarsis Ultra verteidigen können? Er sah das Erkennen und die Bewunderung in Honsous Gesicht und dass er sich ebenfalls ihrer gemeinsamen Abstammung bewusst war. »Wir sind auf Medrengard, um zu kämpfen«, sagte Uriel schlicht. »Das habe ich gesehen«, nickte Honsou. »Ihr habt vor meinen Mauern gut gekämpft. Ich nehme an, ich muss dir und deinen Kriegern für die Zerstörung von Berossus' Truppenaufzug danken?« »Aye«, sagte Vaanes stolz. »Ich habe die Kabel durchgeschnitten.« »Dann ist es sicher, dass ihr nicht Berossus dient, vielleicht nur Toramino...«, sagte Honsou mit Wonne. »Jedenfalls habt ihr mir einen großen Dienst erwiesen! Ohne Verstärkungen war Berossus nicht in der Lage, die Mauern einzunehmen. Ohne euch wäre
Khalan-Ghol jetzt vielleicht in seinen idiotischen Händen.« Honsou umkreiste den Kriegertrupp der Space Marines und begutachtete jeden von ihnen ausgiebig. Er blieb neben Pasanius stehen und hob seinen silbernen Arm an, um die makellose Oberfläche eingehender zu untersuchen. »Das ist ausgezeichnete Arbeit«, sagte er. »Selbst gefertigt?« »Nein«, sagte Pasanius zähneknirschend. »Die Adepten von Pavonis haben ihn für mich gemacht.« »Pavonis? Von dieser Welt habe ich noch nie gehört. Ist das eine der Welten der Mechancus?« »Nein.« Honsou lächelte. »Du hasst mich, nicht wahr?« Pasanius wandte den Kopf und starrte Honsou an. »Ich hasse dich, ja. Dich und deine ganze verräterische Sippschaft.« Honsou trat hinter Pasanius und wischte schwarzen Staub und die schmierigen Überreste der Exuviae von seiner Rüstung, um sich ihre Farbe genauer anzusehen. Er kehrte zu Uriel zurück und untersuchte auch dessen Rüstung. »Ich sehe keine Insignien«, sagte er. »Aus welchem Orden stammt ihr?« »Was spielt das hier für eine Rolle?«, sagte Uriel. »Mir gefällt die Art, wie du geantwortet hast.« »Wie habe ich denn geantwortet?« »Sehr vorsichtig«, grinste Honsou. »Soll ich dir sagen, was ich glaube?« »Würde es etwas ändern, wenn ich nein sagte?« »Eigentlich nicht. Ich halte euch für Ultramarines, obwohl ich mir kaum auszumalen wage, was für schändliche Verbrechen ein Ultramarine begehen muss, um ins Auge des Schreckens verbannt zu werden. Habt ihr euch auf dem Exerzierplatz nach links gewandt anstatt nach rechts? Vergessen, morgens eure Gebete aufzusagen?« Uriel spürte, wie sein Zorn wuchs, doch er zwang sich, nicht auf Honsous Spott zu reagieren. »Ja, wir sind Ultramarines, aber die Gründe, warum wir hier sind, spielen keine Rolle. Letzten Endes sind wir hier, um zu kämpfen.« »Ist es dann wichtig für euch, für wen ihr kämpft?« Uriel dachte über die Frage nach, bevor er antwortete. »Nicht besonders.« »Dann könnte ich Krieger wie euch brauchen«, sagte Honsou,
indem er eine Hand ausstreckte. »Ich kann euch viel mehr anbieten als Toramino oder Berossus. Wollt ihr euch mir anschließen?« Uriel starrte auf die Hand des Iron Warriors, und ein Durcheinander von Gefühlen erfüllte ihn. Er und Honsou hatten viele Qualitäten als Krieger gemeinsam, aber sie würden niemals ihre Glaubensdifferenzen überwinden können... oder doch? Ohne einen Orden, dem er zugehörig war, mochte er da nicht besser bedient sein, wenn er einen Anführer mit Mut und Weitblick fand, neben dem er kämpfen konnte? Alles, woran zu glauben ihm beigebracht worden war, und alles, was er als Space Marine gelernt hatte, kämpfte gegen die Verbitterung über ihren Ausschluss aus den Ultramarines an, und als er Honsou wieder in die Augen schaute, sah er den einzigen Weg, der ihm offen stand.
TEIL III Im Reich der Hautlosen DREIZEHN Uriel warf sich zur Seite, rammte dem Iron Warrior, der sein Schwert hielt, den Ellbogen in den Hals und fing die fallende Scheide auf, während der Verräter nach seiner eingedrückten Luftröhre tastete. Die Klinge zischte aus der Scheide, und er rief: »Ich bin ein Krieger des Imperators der Menschheit und ein Space Marine. Ich werde mich niemals deinesgleichen anschließen!« Honsou bewegte sich nicht, und Uriels Klinge zuckte seinem Hals entgegen, doch Onyx' Bronzekrallen waren zuerst da und fingen den Hieb ab, und Onyx' andere Faust traf Uriels Brust. Der Schlag raubte ihm den Atem und schleuderte ihn über den Boden aus pulverisiertem Knochen. Er ließ sein Schwert fallen und rang nach Luft, da er vorübergehend versuchte, durch seine durchtrennte Luftröhre zu atmen, bevor seine autonomen Funktionen wieder auf die dritte Lunge umschalteten. Er griff nach seinem gefallenen Schwert, doch ein bestiefelter Fuß trat auf die Klinge.
»Für wie dumm hältst du mich, Ventris?«, fauchte Honsou. »Glaubst du, ich wäre durch reines Glück zum Herrn dieser Festung aufgestiegen? Nein, ich habe es mir verdient, weil ich besser war als alle, die mir meine Herrschaft streitig machen wollten!« Honsous Stiefel kam Uriel entgegen, traf seinen Kiefer und brach den Knochen. Uriel wälzte sich vor Honsous Tritten davon, während die Iron Warriors mit erhobenen Boltgewehren auf den Kriegertrupp losgingen, als dieser Anstalten machte, Uriel zu Hilfe zu eilen. Uriel mühte sich, auf die Beine zu kommen, doch Honsou gab ihm keine Gelegenheit dazu, sondern stemmte ihm ein Knie in den Rücken und landete harte, knappe Faustschläge in die Rippen. Honsou packte Uriels Hinterkopf und schlug sein Gesicht auf den Boden. Uriel spürte, wie Nase und Wangenknochen brachen, und drehte den Kopf, um das Schlimmste zu vermeiden, aber Honsou klemmte ihm das Gesicht mit dem Ellbogen ein, während er wutentbrannt darauf einschlug. »Verdammt, du wirst dir noch wünschen, du hättest mein Angebot angenommen!«, tobte Honsou, als er sich erhob und sich Spritzer von Uriels Blut aus dem Gesicht wischte. »Ich übergebe dich den Brutalen Bestattern, und die werden dein Fleisch schänden und dir Qualen zeigen, wie du sie noch nie erlebt hast. Dein Körper wird ihre Leinwand sein, und wenn sie damit fertig sind, dich zu verstümmeln, werden sie dich zerreißen, um ihren ausgemergelten Gestalten Substanz zu verleihen.« Uriel wälzte sich auf den Rücken. Sein Mund war voller Blut, und er hustete und bespritzte seine Rüstung mit roten Flecken. Er stützte sich auf einen Ellbogen und sagte: »Ich bin Uriel Ventris von den Ultramarines, treuer Diener des gütigen Imperators der Menschheit und Feind aller verräterischen Anhänger der Mächte des Verderbens. Nichts, was du tust, kann daran etwas ändern.« Honsou knurrte, beugte sich über Uriels Brustharnisch und hämmerte ihm noch einmal die Fäuste ins Gesicht. Blut spritzte auf den Boden, während er brüllte: »Sei verdammt, wie kannst du dich mir verweigern! Du bist nichts, niemand. Dein Orden hat dich verstoßen! Du bedeutest ihm nichts. Was hast du davon, dass du ihn in Ehren hältst?« Uriels Hand schoss vor und hielt Honsous herabsausende Faust auf.
»Ich habe meine Ehre und meinen Glauben!«, fauchte er, indem er mit der anderen Faust zuschlug und Honsou von sich warf. Uriel erhob sich und wankte zu den übrigen Mitgliedern des Kriegertrupps. Die Space Marines und die beiden Gardisten bildeten einen trotzigen Kreis um ihn vor den Iron Warriors. Uriel spie Blut und Zähne und stützte sich auf Pasanius. »Einen Moment habe ich mir Sorgen um dich gemacht«, sagte Pasanius. Sein Tonfall war unbekümmert, aber selbst in seinem ramponierten Zustand entging Uriel nicht die unterschwellige Besorgnis seines Freundes. »Ich bin ein Krieger des Imperators, mein Freund«, keuchte er. »Ich würde mich niemals den Dunklen Mächten zuwenden, das weißt du.« »Das weiß ich«, stimmte Pasanius zu. »Diesen Schweinehund hast du jedenfalls getäuscht«, sagte Vaanes, der neben ihn trat und seine Energieklaue ausfuhr. »Und mich auch. Verdammt, Ventris, so werde ich nicht sterben!« »Ich auch nicht, wenn ich es verhindern kann«, sagte Uriel. Die Iron Warriors umringten sie und hatten die Bolt-gewehre auf sie angelegt, während sich Honsou erhob und das Blut aus dem Gesicht wischte. »Ich werde dafür sorgen, dass du gebrochen wirst, Ventris«, versprach er. »Ich lasse dich an die Daemonculaba verfüttern und werfe dich dann den Hautlosen vor. Mal sehen, ob du dir deine kostbaren Ideale dann immer noch bewahrst.« »Du kannst nichts tun, was meinen Glauben an den Imperator erschüttern würde«, sagte Uriel. »Glauben?«, spottete Honsou. »Was ist das anderes als hoffnungsvolles Unwissen? Die Iron Warriors hatten auch einmal ihren Glauben, doch was hat er ihnen gebracht? Sie wurden vom Imperator verraten und ins Auge des Schreckens geworfen. Wenn dir dein Glaube an den Imperator das einbringt, bist du herzlich eingeladen!« Pasanius brüllte vor Wut und sprang Honsou an, doch wieder ging Onyx dazwischen, um seinen Herrn zu beschützen, und hieb mit seinen Bronzekrallen nach Pasanius' Kehle. Für einen derart massigen Mann bewegte sich Pasanius überraschend schnell. Er lenkte Onyx' Hieb zur Seite ab und landete einen Rückhandschlag seiner massigen Faust im Gesicht des dämonischen Symbionten. Onyx brüllte und taumelte rückwärts, und silbernes Feuer
sprudelte aus seiner Platzwunde. Pasanius packte Honsous Rüstung und holte mit seiner silbernen Faust zum tödlichen Schlag aus. Doch bevor es dazu kam, schloss sich eine zupackende Klaue darum, und Obax Zakayo riss ihn zurück. Die hydraulische Klaue schloss sich um Pasanius' Unterarm, quetschte das Glied zusammen und trennte es beinahe vollständig ab. Dann schlug er mit der Vorschlaghammerfaust zu und holte Pasanius damit von den Beinen, um daraufhin seine Axt zu ziehen und ihm den Rest zu geben. Er hob die Waffe zum tödlichen Schlag, der jedoch nicht kam, da der Iron Warrior vielmehr ungläubig auf das starrte, was er vor sich sah. Mit Grausen und absoluter Verblüffung sah Uriel, wie das verbeulte und verbogene Metall von Pasanius' Arm wie flüssiges Quecksilber zerrann, bis die von Obax Zakayo angerichteten Schäden repariert und jede Beule, jeder Kratzer und jeder Makel verschwunden und der Arm wieder so makellos wie am Tag seiner Anbringung an Pasanius' Stumpf war. »Pasanius...«, hauchte Uriel. »Was... wie?« Sein Freund wälzte sich auf die Seite und versteckte seinen soeben geheilten silbernen Arm vor Uriels Blick. »Es tut mir so leid...«, weinte er. »Ich hätte...« Honsou tauchte vor Pasanius auf und zog den silbernen Arm von der Brust weg, an die er ihn presste. Er schloss seine eigenen augmetischen Finger um die silberne Perfektion von Pasanius' mechanischem Arm und schaute dann mit höhnischer Vorfreude auf sein eigenes glänzendes mechanisches Glied. »Bringt sie zu den Brutalen Bestattern und übergebt sie ihnen, aber sagt ihnen, sie sollen den hier am Leben lassen... ich will seinen Arm.« Honsou ging weiter zu Uriel, und in seinen Zügen spiegelte sich die Wut des Verratenen. »Aber übergebt Ventris den Daemonculaba, er ist nichts anderes wert. Sollen sie seinen Körper missbrauchen und sich von ihm nehmen, was sie wollen, bevor sie ihn wieder ausscheißen.« Der Weg zu den Brutalen Bestattern war ebenso mit wahnsinnigen Bildern und aberwitzigen Erscheinungen überladen wie der zum Allerheiligsten. Das Innere des Turms verspottete die
Gesetze der Natur und der Physik mit Übelkeit erregenden Perspektiven und unmöglichen Winkeln, die sich Uriels Sinne anzuerkennen weigerten. Sie stiegen Wendeltreppen hinunter, die sich in schwindelerregenden Doppelhelix-Mustern umeinanderschraubten, die schlurfende Sklaven, goldberobte Akoluthen und Iron Warriors der Schwerkraft zum Trotz über ihnen erklommen oder herabstiegen - Uriel war nicht sicher, was. Obax Zakayo, Onyx und die vierzig Iron Warriors hatten den Kriegertrupp aus Honsous Allerheiligstem zurück über die Brücke zu den hallenden Kreuzgängen des Turms eskortiert. Danach konnte Uriel nicht mehr sagen, welchen Weg ihre Häscher mit ihnen nahmen, da die chaotische Architektur des Turms alle seine Versuche vereitelte, sich den Weg einzuprägen. Zerschlagen, ohne Waffen und mit in der Niederlage gesenktem Kopf wurden die Space Marines und die beiden Gardisten durch dunkle, verstaubte Gänge gescheucht - obwohl sich Pasanius von Uriel fernhielt und auch seinem Blick auswich. Diese Passivität verletzte Uriels Ehrgefühl, aber ein Angriff auf ihre Häscher hätte zu diesem Zeitpunkt nur ihren raschen Tod zur Folge gehabt. Und er hatte zwar noch einen Todeseid zu erfüllen und lebte immer noch, aber er wusste sehr wohl, dass noch Zeit genug zum Kampf sein würde. Ihr Marsch sollte sie dorthin führen, wo die Brutalen Bestatter hausten. Uriel hatte bei der Erwähnung dieses Namens mehr als nur ein wenig Furcht gespürt und freute sich nicht auf die Aussicht, den Grund für diese Angst herauszufinden. War die Kreatur, die versucht hatte, sie Onyx beim Betreten des Turms abzunehmen, eines dieser Wesen? Uriel hatte den schrecklichen Verdacht, dass sie es nur zu bald herausfinden würden. Ihr Weg endete abrupt, als sich Obax Zakayo zögerlich einem niedrigen, rot erleuchteten Torbogen näherte, dessen Ränder von Haken, langen Nadeln und blutigen Fleischregalen mit portionierten Stücken Menschenfleisch gebildet wurden. Durch die Öffnung drangen flehentliche Schreie und das Zischen von knisterndem Fleisch, dazu der Geruch nach Blut und Verzweiflung. Etwas bewegte sich in dem leuchtenden Torbogen, eine ungeschlachte, missgebildete Kreatur. Obax Zakayo zögerte, bevor er durch den Torbogen ging, und das Klicken von Metallklauen auf Stein sowie das Echo eines
donnernden Herzschlages hallte aus dem tropfenden Gang voraus. Die Beklommenheit des Iron Warriors war offensichtlich. Onyx ließ kein derartiges Zögern erkennen und passierte die Schwelle zur Domäne der Brutalen Bestatter ohne Furcht. Uriel spürte eine stinkende Wärme, als er durch den Torbogen ging, und schaute sich nach Gründen für das Unbehagen der Iron Warriors um. Das silberne Feuer von Onyx' Augen und Adern warf einen spärlichen Schein in die Kammer, und Uriel war plötzlich dankbar für das fehlende Licht, da er makabre Hinweise auf alle möglichen grotesken Experimente an den Wänden hängen und in Glaskrügen mit einer milchigen Flüssigkeit darin sah. Der in dem Raum Anwesende, dem offenbar jeder Schritt Schmerzen bereitete, hinkte zu Obax Zakayo. Uriel sah, dass sein nackter Körper eine Melange aus Gliedern und Anhängseln von Imperator weiß wie vielen anderen Körpern war. Der Kopf war rückwärts angenäht, und künstliche Ersatzorgane aus verrostetem Kupfer ersetzten Augen und Ohren. Er stand auf Beinen, die offenbar zwei Leuten sehr unterschiedlicher Größe gehört hatten, und der Rumpf war ein Spinnennetz aus schlecht verheilten chirurgischen Nähten. Vielleicht hatte das Wesen früher einmal ein Geschlecht gehabt, doch von seinem Schritt war nichts mehr übrig, was es hätte verraten können. Die Arme des Dings baumelten in einer asymmetrischen Schlinge vor der Brust, und die Hände waren zu einem klumpigen Masse aus Fleisch und Knochen zusammengeschmolzen. »Was willst du?«, erscholl es undeutlich aus einem Mund, aus dem dicke Speichelfäden liefen. »Nicht willkommen.« »Sabatier«, sagte Onyx. »Wir bringen Opfer für deine Meister. Neues Fleisch.« Die Kreatur namens Sabatier richtete den Blick von Onyx auf den Kriegertrupp und schleppte sich unter Schmerzen zu Ardaric Vaanes. Sie reckte die verschmolzenen Fäuste nach oben, um damit über sein Gesicht zu reiben, doch Vaanes wich davor zurück, bevor ihn das entstellte Fleisch berühren konnte. »Fass mich nicht an, du Ungeheuer«, fauchte er. Sabatier kicherte - oder gurgelte, das ließ sich nur schwer sagen - und wandte sich wieder an Onyx. »Widerspenstig«, sagte Sabatier, und plötzlich sprang Vaanes vor, packte das Wesen am Hals und drehte mit lautem Knacken
von Knochen den Kopf herum. Sabatier seufzte einmal und fiel zu Boden. Obax Zakayo trat näher, packte Vaanes mit seinen mechanischen Klauen und hob ihn mit wütendem Brüllen hoch. »Und stark...«, sagte Sabatier auf dem Boden, während das Wesen sich unbeholfen aufrichtete. Der Kopf rollte haltlos auf den Schultern hin und her, und aus dem Flickwerk der Haut ragte ein scharfkantiger Knochen. Mit der fleischigen Schlinge seiner Arme wedelte es Obax Zakayo zu. »Lass ihn in Ruhe, den Meistern ist es lieber, wenn das Fleisch stark ist und nicht so schwach, wie es die Verhungerten normalerweise sind. Vielleicht hat der Widerspenstige Glück, und die Meister machen ihn so wie mich. Tot, aber nicht kalt in der Erde.« »So viel Glück sollte er wirklich haben«, sagte Obax Zakayo, indem er Vaanes wieder absetzte. »Wird er aber nicht«, sagte Sabatier, während er den Kopf hob und eine gutturale Beschwörungsformel sprach. Beim Klang seiner belegten Stimme flimmerte die Wand auf der anderen Seite des Torbogens und verschwand, und der Lärm der Schreie und hämmernden Herzschläge erfüllte die Kammer. Ein großer Eisenkäfig lag dahinter, und die Iron Warriors trieben sie mit brutalen Stößen ihrer Gewehrkolben hinein. Sobald sie und ihre Häscher im Käfig waren, schlang Sabatier die Arme um einen schwarz-gelb gestreiften Balken und zog ihn mit einiger Mühe vor die Käfigtür. Nachdem sich diese klirrend geschlossen hatte, ruckte der Käfig, und knirschendes Quietschen baute sich über ihnen auf, als uralte Mechanismen griffen und der Käfig in die Tiefen des Turms abgesenkt wurde. Uriel schaute durch den Gitterboden des Käfigs nach unten, sah aber nur einen spärlich erleuchteten Schacht aus öligen Eisenplatten. Der Boden verlor sich in der Tiefe, und Uriel sah, dass sich dieser Schacht unmöglich räumlich innerhalb des Turms befinden konnte. Die Tatsache der räumlichen Unmöglichkeit des Schachts konnte ihn nicht mehr überraschen. Vaanes stellte sich neben Uriel, während der Käfig seine Fahrt nach unten fortsetzte und dabei immer schneller wurde, bis die Metallseiten des Schachts nur noch vorbeihuschten. »Wir müssen schnell weg von hier. Mir gefallen diese Brutalen Bestatter nicht.« »Mir auch nicht«, gab Uriel ihm recht. »Was einen Iron Warrior
beunruhigt, kann nicht gut sein.« »Vielleicht kann sich dein Freund mit dem sich selbst reparierenden Arm freikämpfen. Woher hat er den nur?« »Ich wünschte, ich wüsste es...«, sagte Uriel, während der Käfig nun langsamer wurde und schließlich mit einem Ruck anhielt. Sabatier öffnete die Türen auf der anderen Käfigseite. Die Iron Warriors prügelten sie aus dem Käfig in einen sich allmählich verbreiternden Tunnel, der in den nackten Fels gehauen war. An seinem Ende befand sich ein pulsierender roter Schein, durch den ein Chor aus schreienden Stimmen, Zischen, Klirren und dem Stampfen von Maschinen drang. Doch all das wurde noch vom ohrenbetäubenden Hämmern eines Herzschlags übertönt. Der rote Schein und die grausige Kakophonie schwoll an, bis sie die kolossale Höhle dahinter betraten. »O nein...«, hauchte Uriel, als er schließlich sah, wo die Brutalen Bestatter hausten. »Was um alles in der Welt...?«, sagte Vaanes, dessen Gesicht vom diabolischen blutroten Schein der Kaverne erleuchtet war. Die andere Seite war nicht zu sehen. Geriffelte Eisenwände schraubten sich in ferne Höhen, wo dröhnende Maschinen und gewaltige Turbinen tosten und brodelten. Dicke Kabel und gewundene Rohre zogen sich an den Wänden und der gewölbten Decke entlang, und ein feiner Sprühnebel aus Körperflüssigkeiten rieselte auf den stinkenden Felsboden. Terrassenförmig gestapelte Käfige wie diejenigen, welche Uriel in dem Lager in den Bergen gesehen hatte, zogen sich die Kavernenwände entlang. Unter ihnen verliefen Tröge, und aus schweren Blasen, die an der Decke hingen, verliefen Schläuche zu ihnen nach unten. Als er in die Kaverne getrieben wurde, empfand Uriel plötzlich eine jähe Mattigkeit und Stumpfheit, als stehe er unter dem Einfluss eines extrem starken Schmerzmittels. Alles schien Farbe, Geschmack und Geruch verloren zu haben, als seien seine sinnlichen Wahrnehmungen irgendwie beeinträchtigt. Der Boden der Höhle war rau und uneben, und darauf standen überall in der Höhle verstreut wahllos Gebilde und galgenartige Strukturen, zum Teil übereinandergestapelt, zwischen denen Leichentische - manche belegt, manche nicht - verteilt waren. Vom Lärm des Fahrstuhlkäfigs angelockt, fanden schwarz berobte
Ungeheuer den Weg durch die Höhle zu ihnen, die sich auf äußerst unterschiedliche Art und Weise fortbewegten. Manche kamen auf Spinnenbeinen, andere auf langen Stelzen, während wieder andere auf stacheligen Ketten rollten. Ihre winkenden Arme waren eine eklektische Mischung aus Klingen, Krallen, Klammem, Knochensägen und surrenden Schädelbohrern. Keine zwei waren gleich, aber alle trugen die Narben massiver, selbst ausgeführter chirurgischer Eingriffe und waren abstoßend und böse. Alle trugen eine entstellte und verderbte Version des Schädelund-Zahnrad-Symbols der Adeptus Mechanicus auf der Robe, obwohl Uriel Mühe hatte, diese Abscheulichkeiten mit den Priestern des Maschinengottes in Verbindung zu bringen. Ihre Haut war tot, und sie gaben ein unverständliches Geplapper von sich, das sich wie ein beständiges Klicken anhörte und nur Kauderwelsch für Uriel war. Onyx trat in die Höhle, dicht gefolgt von Sabatier. Die Brutalen Bestatter umringten sie rasch und stachen Onyx mit Scherenarmen und Nadeln. »Ein Geschenk von Lord Honsou«, sagte der dämonische Symbiont, der die Untersuchung völlig ignorierte. Nachdem sie an seiner Dämonengestalt nichts von Wert gefunden hatten, ließen die schändlichen Chirurgen von ihm ab und näherten sich dem Kriegertrupp mit krankhafter, skelettartiger Lust in den seelenlosen Augen. Eines der albtraumhaften Ungeheuer drehte sich wieder zu Onyx um, und Uriel erkannte in ihm den Brutalen Bestatter, den sie auch schon beim Betreten des Turms gesehen hatten. Sein Mund öffnete sich, und zischende Klicklaute kamen heraus. »Dein Geschenk ist annehmbar«, übersetzte Sabatier. »Ihr könnt unoperiert gehen.« Onyx nickte, während Uriel mehr von den finsteren Wundern in der Höhle zur Kenntnis nahm. So unmittelbar und furchterregend die Gestalten der Brutalen Bestatter auch waren, Uriels Blick wurde unwiderstehlich von der Mitte der Kammer angezogen. Über einem blubbernden See aus Blut und von drei dicken Ketten und glänzenden silbernen Ahlen in Brust und Rumpf gehalten, hing ein aufgeblähter roter Dämon, uralt und geschwollen von knisternden Energien. Sein Leib war schuppig, und breite Strähnen dicker, verfilzter Haare hingen von seinem
gehörnten Schädel den Rücken hinunter. Seine gespaltenen Hufe wirbelten durch die Luft, und während er sich vergeblich gegen seine Fesseln wehrte, konnte Uriel große Wunden in seinem Rücken erkennen, wo zwei Flügel operativ entfernt worden waren. Seine Brust wogte im Rhythmus des donnernden Echos auf und ab, der die Kammer erfüllte, und Uriel wusste, dass dieser gefangene Dämon die Ursache des Geräusch sein musste. »Ihr werdet es erkennen, wenn ihr es seht...«, sagte Pasanius. »Was?« »Das hat der Omphalos Daemonium zu uns gesagt, nicht?« »Worüber?«, fragte Uriel. »Über das Blutherz«, sagte Pasanius. »Ihr werdet es erkennen, wenn ihr es seht.« Uriel schaute wieder zu dem gefesselten Dämon, und ihm ging auf, dass Pasanius recht hatte. Dies musste das Blutherz sein, das Dämonenwesen, das laut der von Seraphys erzählten Geschichte schlauer als der Omphalos Daemonium gewesen war und ihn für eine Ewigkeit der Qual an die Feuerung einer furchtbaren Dämonenmaschine gefesselt hatte. Der Blutsee war von vielen Hundert aufrecht stehenden Särgen aus schwarzem Eisen mit gurgelnden roten Schläuchen umgeben, die durch die Deckel drangen. In jedem Sarg lag ein skandierender golden berobter Zauberer, und in jedem verwitterten Leib steckten viele Dutzend Blutentnahmenadeln, über die der zischende See unter dem gefangenen Dämon mit Blut gefüllt wurde. Ein pulsierender Schlauch erhob sich aus dem See und endete in der Brust des Dämons, da das Blut der Psioniker in sein immaterielles Fleisch gezwungen wurde. Der Dämon wand sich voller Qual über dem See, und ein flimmernder Dunst psychisch toter Luft stieg vom Schädel der Warpkreatur auf und unter die Decke der Kammer. Die Qualen des Dämons ob seiner Gefangenschaft waren offensichtlich, und nun, da er sich darauf konzentrierte, konnte Uriel klar erkennen, dass dies der Grund für seine betäubten Sinne war. »Lord Honsou wünscht, dass dieser hier«, sagte Onyx, indem er auf Uriel zeigte, »an die Daemonculaba verfüttert wird. Bei diesem hier« - er zeigte auf Pasanius - »soll der silberne Arm entfernt und in sein Allerheiligstes gebracht werden. Ist das annehmbar?« Das Wesen ruckte vorwärts und hob Pasanius mit einer
zischenden Klaue hoch, die aus seiner pneumatischen BeinAnordnung spross. Eine surrende Klinge klappte aus der Armatur an seinem Handgelenk und sägte mit brutalen, effektiven Schnitten die Rüstung von Pasanius' Oberarm, so dass sein Bizeps und die Verbindungsstelle zwischen Fleisch und Metall sichtbar wurde. »Setz mich ab, Chaos-Abschaum!«, brüllte Pasanius und trat nach der verwitterten Brust des Brutalen Bestatters. Er zischte, als sei er solchen Widerstand nicht gewöhnt, und eine dicke Nadel wurde unter der Säge ausgefahren und Pasanius in die Brust gestoßen. Sekunden später hörte er auf, sich zu wehren, und das Ungeheuer reichte ihn an einen seiner chirurgischen Brüder weiter. Uriel sprang vor, als Pasanius weggetragen wurde, aber seine lethargischen Sinne machten ihn langsam, und Onyx hielt ihn mit einer Bronzeklinge im Nacken auf. »Nicht«, sagte er nur. »Sein Schicksal ist nichts verglichen mit deinem.« Uriel sagte nichts, als die Brutalen Bestatter sie umzingelten und mit ihren mechanischen Klauen aufhoben. »Ich werde dich töten«, versprach Uriel, als er trotz seiner Gegenwehr vom Boden aufgehoben wurde. »Am besten erschießt du mich jetzt, denn wenn du es nicht tust, bringe ich dich um.« »Wenn die Mächte festlegen, dass dies mein Schicksal ist, dann soll es so sein, aber ich glaube, du irrst dich. Du wirst an diesem Ort sterben, Uriel Ventris«, sagte Onyx achselzuckend, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und sich mit dem dankbar dreinschauenden Obax Zakayo wieder auf den Rückweg durch den Tunnel zum Fahrstuhlkäfig machte. Uriel wehrte sich ohne Erfolg gegen die Klauen des Brutalen Bestatters, aber seine Kraft war gewaltig, und er konnte sich nicht rühren. Dessen totes Gesicht zischte, als er seinen Körper in allen Einzelheiten untersuchte. Funkelnde Bronzearme hielten ihn fest, während Scheren und Nadeln seine Haut durchbohrten. Eine klickende Anordnung dünner Ruten mit einer Art Mundschutz aus einem Metallgeflecht am Ende fuhr aus der Kapuze des Ungeheuers aus, und der Mundschutz legte sich vor die zahnbewehrte Mundöffnung. Scharfe Klammern schnappten klickend auf und schlossen sich um den Metallkiefer des Brutalen Bestatters, so dass staubige Späne metallischer Haut durch die
Luft flogen. Der Mundschutz knisterte statisch, und dann sagte der Brutale Bestatter: »Du sollst an die Daemonculaba verfüttert werden. Eine Verschwendung von Fleisch. An dir könnten viele Operationen vorgenommen werden. Unbekanntes könnte bekannt werden. Die anderen werden reichen.« »Was habt ihr mit uns vor?«, schrie Vaanes, der sich hilflos im Griff eines großen, schwarz berobten Ungeheuers wand, das sich auf zischenden mechanischen Beinen mit verkehrt angeordneten Gelenken wie bei einem Kampfläufer fortbewegte. »Wir sind die Chirurgen des Ablebens«, sagte das Ungeheuer. »Monarchen des Königreichs der Toten. Wir werden euch zeigen, was Schmerzen bedeuten. Euch blenden und dann mit Messern aufschneiden. Uns nehmen, was wir wollen. Euer Fleisch zu unserem machen.« Die finsteren Priester aus Fleisch und Maschinen entfernten sich mit den Mitgliedern des Kriegertrupps durch die rote Kaverne in die Richtung der Experimentiertische, wobei sie sich in ihrer klickenden Maschinensprache angeregt über ihre vorgeschlagenen Operationen unterhielten. Der Brutale Bestatter, der Uriel hielt, schlug eine ganz andere Richtung ein, und sein rollender, vielbeiniger Schritt führte ihn rasch durch die Kammer. Beim Gang durch die höllische Kaverne bekam Uriel Grässliches zu Gesicht: Ketten zusammengenähter Gefangener, schreiende Wahnsinnige, deren Kopf mit Flüssigkeit vollgepumpt war, die infolge des Innendrucks durch die herausquellenden Augen gepresst wurde. Männer und Frauen, die sich über langsam röstende Feuer drehten, verbranntes Fleisch, das heruntertropfte und auf den eisernen Gitterrosten darunter zischend verdampfte. Mehr Mutanten wie Sabatier, deformiert und ohne Sinn oder Beachtung der Gesetze der Anatomie wieder zusammengenäht, kümmerten sich um die gewöhnlicheren Experimente, wobei sie sich an den Schreien ihrer Versuchspersonen erfreuten und jeden Aspekt ihres Leidens auf langen Pergamentrollen festhielten. Mehrmals waren sie zu Umwegen gezwungen, um den widerlichen roten Raupenschleppern auszuweichen, die er schon oben auf der Treppe hinunter in die Festung gesehen hatte. Sie zogen immer noch die blutschwappenden Hänger mit den Leichen der Eisenkrieger und fuhren mit ihnen durch die
Experimentierkammer einem unbekannten Ziel entgegen. Uriel verlor die Raupenschlepper aus den Augen, als der Brutale Bestatter eine lange Gitterrampe erklomm, die zur ersten Reihe der Käfige führte. Mehrere Leitungen, die an Eisenhaken hingen, folgten der Rundung der Höhlenwände, ächzende, speiende Rohre, knisternde elektrische Kabel und auch ein durchsichtiger Schlauch mit einer zähen, knorpeligen Flüssigkeit darin. Am Ende der Rampe angelangt, sah Uriel, dass die Käfige tatsächlich mit Opfern gefüllt waren, die große Ähnlichkeit mit jenen Bedauernswerten hatten, welche in dem Fleischlager in den Bergen gestorben waren. Doch so schrecklich das auch gewesen war, dies war ein Grauen, das alles überstieg, was er bisher gesehen hatte. Jede riesige aufgeblähte Kreatur in diesen Käfigen war weiblich, und ihre Leiber waren so aufgedunsen, dass sie jede Ähnlichkeit mit Menschen verloren hatten. An ihre Käfige gekettet, gurgelten und sabberten sie in sprachlosem Wahnsinn und Schmerz, da ihre Stimmbänder schon vor langer Zeit durchgeschnitten worden waren. Zwar waren sie auch durch unnatürliche Mittel aufgebläht, aber Uriel sah, dass ihre Masse nicht nur auf monströse Infusionen von Wachstumshormonen und finstere Magie zurückzuführen war. Diese riesigen weiblichen Wesen waren schwanger. Aber es waren keine normalen Schwangerschaften. In ihren geschwollenen Bäuchen wanden sich riesige Wesen von der Größe eines Space Marines... Mit angewidertem Entsetzen ging Uriel auf, dass er die Daemonculaba vor sich hatte, schändliche, furchtbare, dämonische Gebärmaschinen, aus denen neu erschaffene Chaos Marines herausgerissen wurden. In jedem Käfig steckte eines dieser grässlichen schwangeren Ungeheuer, und Uriel weinte über ihr grausiges Schicksal. Hier war das ultimative Ziel ihres Todeseids, deren Zerstörung seine Rückkehr in die Gnade des Ordens zur Folge haben würde. Er wehrte sich heftiger gegen den Griff des Brutalen Bestatters, als dieser anfing, ihm mit einer brutal wirkungsvollen Mischung aus Klingen und Plasmaschneidern die Rüstung vom Leib zu schneiden. Dies war keine behutsame Operation, und er schrie, da er bei dieser Prozedur Schnitte und Brandwunden erlitt. Scherben seiner
Rüstung klirrten zu Boden, und er weinte ob der Schändung ihres Geistes. Zuerst wurde sein Brustharnisch aufgeschnitten, dann der Nackenschutz abgerissen, schließlich seine beiden Schulterschützer entzweigebrochen, bevor sie ebenfalls weggerissen wurden. »Nicht wehren«, warnte das Ungeheuer. »Du wirst an die Daemonculaba verfüttert.« »Nimm deine dreckigen Hände von mir, Dämonengezücht!«, schrie Uriel. Das verärgerte Ungeheuer schlug Uriel mit einer massiven Faust an den Kopf, und Blut lief ihm über die Stirn, während grelle Sterne vor seinen Augen barsten. Das berobte Wesen trug ihn weiter die Reihen der Käfigbatterien entlang und drehte ihn dabei um, so dass sein Kopf herabhing und ihm das Blut in die Augen lief, während er durch den Gitterboden starrte. Unter sich sah er eine große tosende Maschine mit einem blutverschmierten Förderband, auf dem Leichname mit Schusswunden und fehlenden Gliedmaßen transportiert wurden. Große Zerkleinerer und Walzen warteten auf die Leichen der gefallenen Iron Warriors, die in der Maschine zu einer dicken Paste verarbeitet wurden, um dann durch pulsierende Rohre weiter zu den Käfigen der Daemonculaba transportiert zu werden. Uriel sah, dass dies zusammen mit der von Honsou auf Hydra Cordatus erbeuteten Gensaat die Methode der Verräter sein musste, ihre Gensaat einzusammeln und für die Wiedergeburt zu verwenden. Diese Blasphemie gegen ein derart heiliges und kostbares Symbol der Space Marines war beinahe nicht zu ertragen, und er schwor, Honsou mit bloßen Händen zu töten. Schließlich wurde er wieder aufgerichtet und erblickte weitere Brutale Bestatter, die sich an zuckenden Daemonculaba zu schaffen machten. Diesen bedauernswerten Exemplare hatte man den Bauch aufgeschnitten und auseinandergespreizt, und blassrosa Lappen fettigen Fleisches wurden mit Klammern offen gehalten, da die deformierten Mutanten panische halbwüchsige Kinder in die Gebärmuttern legten. Wo das den Daemonculaba zugeführte genetische Material an die implantierten Kinder weitergegeben würde... Die Kinder schrien die Ungeheuer an und flehten um ihr Leben oder das ihrer Mütter, aber die schwarz be-robten Ungeheuer achteten nicht darauf, sondern setzten die makabere Prozedur
fort. Uriel drehte sich im Griff seines Häschers und wehrte sich verzweifelt, als er den offenen Bauch einer Daemonculaba vor sich sah. »Nein!«, schrie er. »Nicht!« Ein zweiter Brutaler Bestatter half seinem Kollegen bei der Ovariotomie-Prozedur, und Uriel brüllte vor Wut, als er spürte, wie eine stumpfe Nadel durch den Knochenschild getrieben wurde, der die Organe in seiner Bauchhöhle schützte. Seine Gegenwehr wurde schwächer, als sich das starke Schlafmittel in seinem Körper ausbreitete und seinen extrem resistenten Stoffwechsel überwand. Er spürte, wie ihn raue Hände in die weiche, feuchte Hülle der Gebärmutter der Daemonculaba legten, und Wärme umgab ihn, als er darin eingenäht wurde. Er spürte pulsierende Organe rings um sich und das Trommeln eines zu schnell schlagenden Herzens über sich. »Du stirbst jetzt«, sagte der Brutale Bestatter. »Zu alt, um ein Iron Warrior zu werden. Gensaat bringt neues Wachstum hervor, das dich zerreißen wird. Mutiertes Wachstum mit unbekannten Resultaten. Bald wirst du in Stücke zerfallen. Und in Krügen aufbewahrt.« »Nein...«, murmelte Uriel, während er sich schwach gegen die einschläfernde Droge wehrte. »Töte dich...« Aber die Lappen des schwabbeligen Fleisches der Daemonculaba hatten sich bereits über seinem reglosen Körper geschlossen, so dass er in Dunkelheit gehüllt war. Feuchtes, gut durchblutetes Gewebe legte sich auf sein Gesicht, und er kämpfte darum, seine Hände zu. befreien, während sein Körper von einer warmen Taubheit durchdrungen wurde. Das Letzte, was Uriel hörte, bevor er das Bewusstsein verlor, war das Stechen der Nadel durch die dicke, ledrige Haut der dämonischen Gebärmutter, als diese über ihm vernäht wurde.
VIERZEHN Ardaric Vannes wehrte sich den ganzen Weg gegen den Brutalen Bestatter, obwohl es ihm nichts nützte. Seine Bronzeklauen hielten ihn sicher, und er konnte lediglich den Kopf bewegen. Der monströse Chirurg eilte auf seinen langen
Stelzenbeinen trotz der Unebenheiten des Bodens mit raumgreifenden, geschmeidigen Schritten durch die Kaverne. Er überragte die abscheulichen, hybriden Schöpfungen auf den vom Blut glitschigen Experimentiertischen, da er zu einem zweifellos gleichermaßen abscheulichen Ziel unterwegs war. »Pasanius!«, rief er. »Kannst du mich hören?« Der ehemalige Ultramarine nickte matt, und sein Kopf wackelte auf tauben Muskeln schlaff hin und her. Vaanes war klar, dass er keine Hilfe von ihm erwarten konnte, bis die Wirkung der ihm verabreichten Droge abgeklungen war. Er konnte erkennen, dass die schwarz berobten Ungeheuer mit Ausnahme von Ventris alle Space Marines an denselben Ort brachten, eine Prozession grotesker Kreaturen, die sie zu ihrem Verhängnis trugen. Pasanius hinter ihm war so gut wie bewusstlos, dann folgten Seraphys der Blood Raven und die beiden Gardisten. Die restlichen neun Mitglieder ihres Kriegertrupps waren ebenfalls noch da. Nicht zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch nach Khalan-Ghol verfluchte Vaanes Ventris, weil er sie glauben gemacht hatte, sie könnten dieses Selbstmordunternehmen zu einem erfolgreichen Ende führen. Aber noch mehr verfluchte er sich dafür, auf seine schönen Worte über Mut und Ehre hereingefallen zu sein. Vaanes gab sich keinen Illusionen hin, was seinen Mangel an Ehre betraf, und hätte nie so dumm sein dürfen, dieselbe alte, abgedroschene Lüge noch einmal zu glauben. Honsou hatte recht gehabt mit seinem Ausspruch, wohin einen die Ehre brachte. Vaanes hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, an solche Dinge zu glauben, die ihm nichts anderes eingebracht hatten als Dekaden der Wanderschaft zwischen den Sternen als entwurzelter Söldner, bis er auf diesem erbärmlichen Höllenloch eines Planeten gelandet war. Er hatte zu glauben gewagt, dass Ventris seine letzte Gelegenheit zur Wiedergutmachung sei, dass er sich durch die Ergreifung dieser einen, letzten Gelegenheit im Antlitz des Imperators reinwaschen könne. Jetzt, wo sich dieses Versprechen in heiße Luft auflöste, wusste er es besser. Er verschloss sich vor dem Geschrei und Gestöhn jener armen Unglücklichen, die unter der Gier der Brutalen Bestatter nach Wissen litten, so dass ihre jämmerlichen Schreie nicht mehr zu seinem verbitterten Herz aus Stein vordrangen. Sie waren schwach und gestatteten sich zu empfinden: Schmerzen, Reue,
Qual und Mitleid. Vaanes hatte sich schon vor langer Zeit vor diesen Gefühlen verschlossen und wusste, dass es ihn stärker gemacht hatte. »Die Starken sind am stärksten allein«, flüsterte er, da ihm die Worte wieder einfielen, die er zuerst aus dem Munde eines seiner ehemaligen Zahlmeister gehört hatte. Schließlich endete ihre Höllenreise in einer ausgedehnten, kreisrunden Arena, in der ein Dutzend verrostete Leichentische mit tiefen Ablaufrinnen für das Blut an den Längsseiten entlang der Außenwand angeordnet waren. Ein Arrangement von Eisenstangen wie das Gitterwerk für einen großen Pavillon umschloss diesen Anatomiesaal, an dem Flaschenzüge mit Fleischerhaken befestigt waren, die über jedem Tisch hingen. Große Wannen und Fässer für Blut und Abfälle standen in regelmäßigen Abständen gut erreichbar neben einem langen Trog voller dunklem Wasser. Eine verschmutzte Werkbank stand in der Mitte des Saals, auf der ein Sortiment kurzer und langer Messer, Beile, Macheten und Sägen ausgebreitet war. Die Brutalen Bestatter legten rasch jeden aus dem Kriegertrupp auf einen der Tische und sicherten ihre Gliedmaßen mit dicken Eisenklammern und schweren Bolzen. Vaanes trat aus, als die Bestie, die ihn trug, mit einem einzigen Hieb seinen Sprungtornister abtrennte und ihn dann auf den Tisch knallte. Eine Bronzekralle schlug zu, und Vaanes blinzelte Blut weg, als die Klinge ihm das Gesicht bis auf den Knochen auftrennte. Die toten Züge der Kreatur beugten sich über seine eigenen, dann zischte sie wütend etwas in ihrer knisternden unverständlichen Sprache, und er spie ihr Blut ins Auge. Die Kralle holte aus, um ihn erneut zu schlagen, aber von einem anderen Brutalen Bestatter kam ein zorniges Zischen, und der Hieb kam nicht. Stattdessen wurde er so an den Tisch gefesselt, dass er seine Energieklaue nicht ausfahren konnte. Ein berobtes Ungeheuer auf Stachelketten trug ihre Waffen zu seinem Untersuchungstisch, und zwei der Bestatter machten sich daran, sie mit eifrigem Interesse zu katalogisieren. Er zerrte an den Fesseln am Tisch, um sich zu befreien und seine Feinde zu töten. Er rechnete nicht damit, lebend entkommen zu können, aber vielleicht konnte er ein paar von diesen Ungeheuern mitnehmen, bevor er starb. Pasanius war an einen anderen Tisch gefesselt,
sein silberner Arm oberhalb der Verbindungsstelle zwischen Metall und Fleisch, so dass der Unterarm über der scharfkantigen Seite baumelte. Nachdem sie ihre Opfer dergestalt festgebunden hatten, gingen die meisten Brutalen Bestatter wieder, jeder von ihnen erpicht darauf, seine eigenen makaberen Experimente fortzusetzen. Nur zwei blieben, und Vaanes war klar, wenn es überhaupt einen Moment gab, eine Flucht zu versuchen, dann war er gekommen. Die Mutantenkreatur, die von ihrem dämonischen Häscher Sabatier genannt wurde, humpelte in den Saal und nickte zufrieden, als sie sah, dass die Space Marines gefesselt waren. »Nicht mehr so widerspenstig jetzt«, sagte Sabatier zu Vaanes. Der verunstaltete Kopf hing immer noch haltlos auf der Schulter. »Wenn ich mich befreit habe, reiße ich dir den Kopf ab. Wir werden ja sehen, ob du dann immer noch aufstehst, du verdammte Missgeburt!«, rief Vaanes. Sabatier lachte gurgelnd. »Nein. Ich sehe zu, wie du an Haken aufgehängt und abgeschlachtet wirst. Du und alle deine Kameraden.« »Verdammte Bestie. Ich bringe dich um«, schrie Vaanes, während er sich erfolglos gegen seine Fesseln wehrte. Sabatier beugte sich vor, und sein gebrochener Hals ließ seinen Kopf dabei locker hin und her schwanken. »Ich werde es genießen, dich sterben zu sehen. Zu sehen, wie du weinst und dich besudelst, wenn sie dich aufschneiden und du siehst, wie dir die Eingeweide aus dem Bauch quellen!« Vaanes hörte Leonids vertrautes Husten und drehte den Kopf, während er seiner Frustration in einem Wutausbruch Luft machte. »Halten Sie endlich das Maul!«, brüllte er. »Halten Sie das Maul oder sterben Sie einfach und hören sie auf, so einen erbärmlich Krach zu machen!« Doch Leonids Husten wurde gleich darauf vom durchdringenden Jaulen einer Motorsäge übertönt. Vaanes drehte den Kopf und sah, wie sich die Brutalen Bestatter über Pasanius beugten. Einer fuhr Stahlklammern aus, um seinen Arm festzuhalten, während der andere die kreischende Säge zum Fleisch dicht über dem Ellbogen des einstigen Ultramarines führte. Mit Grauen, aber auch morbider Faszination sah Vaanes zu, wie sich die Sägezähne in Pasanius' Arm bohrten und das Blut in
hohem Bogen durch den Operationssaal spritzte. Pasanius schrie, während der Brutale Bestatter die Säge tief in den zuckenden Arm drückte, da die Schmerzen den Nebel des Sedativums durchdrangen. Der Ton der kreischenden Säge änderte sich, und Vaanes roch verbrannte Knochen, als sie in den Oberarmknochen schnitt. Blut lief aus der Wunde auf den Boden und mit einem schauderhaften Gurgeln durch einen teilweise verstopften Abfluss in der Mitte des Saals. Vaanes hörte die beiden Gardisten vor Entsetzen über das Geschehen weinen, verdrängte sie jedoch aus seinem Bewusstsein, da er weiter die grausige Amputation beobachtete. Augenblicke später war die furchtbare Prozedur beendet, und der Brutale Bestatter, der das Glied festhielt, nahm es jetzt seinem ehemaligen Besitzer ab. Pasanius, der durch die Schmerzen wieder vollständig bei Sinnen war, drehte den Kopf, um den entsetzlichen Schaden zu betrachten, der ihm zugefügt worden war, und wenngleich die Beleuchtung an diesem grauenhaften Ort schlecht war, hätte Vaanes schwören können, den Anflug eines Lächelns im Gesicht des ehemaligen Ultramarines zu sehen. Eine funkelnde Kryotruhe wurde gebracht, aus der Schwaden kondensierter Luft wehten, als sie geöffnet wurde, und das abgetrennte Glied behutsam hineingelegt. Die Brutalen Bestatter richteten sich auf und gingen durch den Saal zum nächsten Mann auf einem Tisch: Seraphys. »Du wirst deine Männer einen nach dem anderen sterben sehen«, krächzte Sabatier. »Dann kommst du an die Reihe.« Er empfand keine Schmerzen, und das war gut. Die Luft war mild, und Kondenswasser tropfte in einem angenehm warmen Nieselregen von der Kavernendecke hoch über ihm. Uriel wusste, er hätte sich daranmachen müssen, die langen, sanft wehenden Garben der Ernte einzubringen, aber seine Glieder fühlten sich an, als fließe warmer Sirup durch seine Adern, und er brachte einfach nicht die Energie auf, sich zu bewegen. Ein Gefühl friedlicher Zufriedenheit erfüllte ihn, und er schlug die Augen auf, beobachtete die Halme über sich und wusste, dass
er sich vor seinem Vater würde verstecken müssen, wenn er nicht genügend Körbe füllte, doch seltsamerweise war es ihm egal. Der süßliche Geruch des feuchten Getreidesafts drang ihm in die Nase, und er sog den vertrauten Duft tief ein. Schließlich richtete er sich auf, massierte sich den Nacken, der beim Dösen ein wenig steif geworden war, und ließ den Kopf auf den Schultern kreisen. Die Muskeln brannten von seinen Übungen zuvor, und er wusste, er würde sie anständig dehnen müssen, wenn er schmerzhafte Krämpfe vermeiden wollte. Pastor Cantilus' Freiübungen am Ende des Tages sollten jedoch ausreichen, um derartigen Beschwerden vorzubeugen. Der weiche nasse Regen fühlte sich gut auf seiner klammen Haut an, und er dankte dem Imperator dafür, ihn mit einem so friedlichen Leben gesegnet zu haben. Calth war vielleicht nicht die aufregendste Welt, auf der man aufwachsen konnte, aber nachdem die Ausscheidungen für den Zugang zur AgiselusKaserne bevorstanden, würde er bald Gelegenheit haben zu zeigen, dass er für größere Dinge bereit war. Wenn er seine Sache gut machte... Die Ausscheidungen... Was? Er betrachtete seine Gliedmaßen und sah die muskulösen Arme eines Space Marines und nicht die drahtigen Arme des Sechsjährigen, der gerade vom Eintritt in die Kriegsakademie geträumt hatte, wo Roboute Guillaume persönlich ausgebildet worden war. Er stand auf und überragte das Getreide, das ihm damals noch so hoch vorgekommen war, um Kopf und Schultern. In schlichten hellblauen Chitons arbeiteten die Leute aus seinem Kollektiv schwer, aber zufrieden auf den unterirdischen Feldern, um die Ernte einzubringen. Das Feld füllte die Kaverne aus, folgte in sanfter Rundung der Linie der Felswände dieser unterirdischen Zuflucht. Silberne Bewässerungsmaschinen summten und besprühten das Getreide in regelmäßigen Abständen mit einem feinen Wassernebel, und Uriel lächelte, als er daran dachte, wie viele glückliche Tage er als Kind in eben dieser Kaverne mit fleißiger Arbeit verbracht hatte. Aber das war gewesen, bevor... Bevor er nach Macragge gegangen und seinen Weg begonnen hatte, ein Krieger der Adeptus Astartes zu werden. Das war lange her, und er war überrascht, wie lebendig diese Szene in seinem
Bewusstsein war, die er schon vor langer Zeit vergessen zu haben glaubte. Wie kam er also hierher, wie konnte er in der Erinnerung einer längst vergangenen Zeit stehen? Uriel folgte der Reihe der Garben zu einigen schlichten weißen Gebäuden, die in einem eleganten, symmetrischen Muster angeordnet waren. Dieses Kollektiv war seine Heimat gewesen, und der Gedanke, dorthin zurückzukehren, erfüllte ihn mit Gefühlen, die er schon vor langer Zeit unterdrückt zu haben glaubte. Es wurde dunkler, während er dorthin ging, und Uriel schauderte, als ihn eine unnatürliche Kälte überlief. »Ich würde nicht dorthin gehen«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Du akzeptierst das hier als wirklich, wenn du das tust, und du könntest niemals zurückkehren.« Uriel drehte sich um und sah einen anderen Space Marine, der denselben hellblauen Chiton trug wie die Arbeiter auf dem Feld, und er lächelte, als er ihn wiedererkannte. »Hauptmann Idaeus«, sagte er freudig. »Sie leben!« Idaeus schüttelte seinen vernarbten, haarlosen Kopf. »Nein, ich bin auf Thracia gefallen, weißt du noch, Uriel?« »Ja, ich kann mich erinnern«, nickte Uriel traurig. »Sie haben die Brücke über den Abgrund zerstört.« »Stimmt genau, das habe ich getan. Ich bin bei der Erfüllung unseres Auftrags gefallen«, fuhr Idaeus vielsagend fort. »Warum sind Sie dann hier? Obwohl ich gar nicht sicher bin, ob ich wirklich weiß, wo hier ist.« »Natürlich weißt du es. Du bist auf Calth, und zwar in der Woche, bevor du den ersten Schritt auf dem Weg gemacht hast, der dich letzten Endes hierher geführt hat«, sagte Idaeus, während er gemächlich den Weg entlangschlenderte, der von der Ansiedlung weg und zu einer der silbernen Bewässerungsmaschinen führte. Uriel trottete seinem ehemaligen Hauptmann hinterher. »Aber warum bin ich hier? Warum sind Sie hier? Und warum soll ich nicht zu den Häusern gehen?« Idaeus zuckte die Achseln. »So voller Fragen wie eh und je«, grinste er. »Ich weiß auch nicht mit Sicherheit, warum wir hier sind, schließlich ist es dein Verstand. Du hast diese Erinnerung ausgegraben und mich hergeholt.«
»Aber warum gerade hierher?« »Weil das vielleicht ein sicherer Rückzugsort ist«, mutmaßte Idaeus, indem er einen um die Hüfte gebundenen Weinschlauch hob und ausgiebig trank. Er gab Uriel den Schlauch, der ebenfalls trank und den Geschmack eines echten Calther Jahrgangs genoss. »Rückzugsort?«, sagte er, als er den Weinschlauch zurückgab. »Das verstehe ich nicht. Rückzug wovor?« »Vor dem Schmerz.« »Welchem Schmerz? Ich empfinde keinen Schmerz.« »Nicht?«, blaffte Idaeus. »Du kannst den Schmerz nicht fühlen? Den Schmerz des Versagens?« »Nein«, sagte Uriel mit einem Blick zum Himmel, da sich die dunklen Schatten von Wolken in den obersten Gefilden der Kaverne zusammenballten und böse Gedanken ihren Weg in die idyllische Szene fanden. Toter Himmel, der Geschmack von Eisen. Namenloses Grauen und Scheußlichkeiten zu schrecklich, sie zu ertragen... Ein entferntes Donnergrollen sandte ein Beben durch die Wolken, und Uriel schaute verwirrt in die Höhe. Dies gehörte nicht zu seiner Erinnerung. In den unterirdischen Höhlen von Calth gab es solche Gewitter nicht. Über ihm bildeten sich noch mehr Wolken, und er spürte eine erstickende Furcht in sich aufsteigen, als sie sich mit zunehmender Schnelligkeit und Wildheit zusammenballten. Idaeus trat näher an Uriel heran und sagte: »Du stirbst, Uriel. Sie stehlen dir das, was dich zu dem macht, der du bist... spürst du das denn nicht?« »Ich spüre gar nichts.« »Versuch es!«, drängte Idaeus. »Du musst zu dem Schmerz zurückkehren.« »Nein«, rief Uriel, als plötzlich schwerer, dunkler Regen zu fallen begann und die dicken Tropfen Schlamm aufspritzen ließen. Erdrückende, erstickende, suchende Hände in ihm, ein grauenhaftes Gefühl der Vergewaltigung... »Ich will nicht dorthin zurück!«, rief Uriel. »Du musst. Nur so kannst du dich retten.« »Ich verstehe das nicht!« »Denk nach! Hat mein Tod dich nichts gelehrt?«, sagte Idaeus, während der Regen heftiger niederprasselte und die Haut auf
seinen Knochen schmelzen ließ. »Ein Space Marine findet sich nie mit der Niederlage ab, hört nie auf zu kämpfen und kehrt seinen Schlachtenbrüdern nie den Rücken.« Der Regen hämmerte die Felder platt, und die Arbeiter rannten voller Furcht zu den Häusern. Uriel verspürte ein fast unkontrollierbares Verlangen, mit ihnen zu laufen, doch Idaeus legte ihm eine Hand auf die Brust und mühte sich, im Angesicht seiner Auflösung zu sprechen. »Nein. Der Krieger, dem ich mein Schwert geschenkt habe, würde sich nicht zurückziehen. Er würde umkehren und sich dem Schmerz stellen.« Uriel schaute an sich herab und spürte das Gewicht eines perfekt ausbalancierten Schwerts in der Hand, dessen Klinge funkelndes Silber war und dessen goldener Knauf wie eine Sonne strahlte. Sein Gewicht fühlte sich gut an, natürlich, und er schloss die Augen, als er sich daran erinnerte, wie er die Klinge in der milden Hitze einer Nacht auf Macragge geschmiedet hatte. »Was erwartet mich, wenn ich zurückkehre?«, fragte er. »Leiden und Tod«, gestand Idaeus. »Schmerz und Qual.« Uriel nickte. »Ich kann meine Freunde nicht im Stich lassen.« »Das ist mein Uriel«, lächelte Idaeus, dessen Stimme sich langsam verlor, während seine Gestalt von dem harten Regen weggeschwemmt wurde. »Aber bevor du gehst... habe ich noch ein letztes Geschenk für dich.« »Was?«, sagte Uriel, der spürte, wie seine Kontrolle über diese Phantasie nachließ und seine Wahrnehmung immer trüber wurde. Während die Vision seines Hauptmanns verblasste, glaubte Uriel ihn noch etwas sagen zu hören, eine geflüsterte Warnung, die sich wie Morgennebel auflöste... hüte dich vor der schwarzen... Sonne? Aber die Worte hatten sich aufgelöst, bevor er ihren vollständigen Sinn erfassen konnte. Uriel schlug die Augen auf, und er spürte das Brennen amniotischer Flüssigkeiten auf der Haut und hörte den Herzschlag der Daemonculaba über sich, als die Wirklichkeit wieder über ihn hereinbrach. Er brüllte vor Wut, als er tastende, nabelschnurartige Fasern in sich eindringen spürte. Sie bohrten sich durch die Buchsen in seinem Körper, über die seine Rüstung direkt mit den Organen verbunden war. Saugende Parasiten schlängelten sich in ihn und nahmen Proben von ihm.
Ketten klirrten, als zwei durch eine waagerechte Eisenstange verbundene baumelnde Haken von dem Gitterwerk heruntergelassen wurden, das diesen Anatomiesaal umgab. Mit einem stabilen Flaschenzug verbunden, wurden die schweren Haken auf den Metalltisch herabgezogen, auf dem Seraphys lag. Während einer der Brutalen Bestatter die Haken vorbereitete, schnitt der andere ihm mit geübter Leichtigkeit die Rüstung vom Körper. Zuletzt nahm er dem Space Marine den Helm ab und zückte einen schweren eisernen Hammer aus den surrenden Mechanismen seiner Arme. Bevor Seraphys mehr tun konnte, als einen Schrei auszustoßen, schlug er ihm den Hammer wiederholt auf den Schädel. Seraphys grunzte vor Schmerzen,, aber nach dem sechsten Schlag wurden seine Augen glasig, und der Kopf erschlaffte. Der Bestatter nickte seinem Kollegen zu, der die Beine des bewusstlosen Space Marines anhob und ihm mit einer schweren Klinge die Achillessehnen durchschnitt, um dann jeweils einen Haken in einen Knöchel zu bohren. Seraphys' Beine waren gespreizt, so dass die Füße weiter auseinanderstanden, als seine Schultern breit waren, und als sich der Brutale Bestatter vergewissert hatte, dass der Körper fest an den Haken hing, zog er an dem klirrenden Flaschenzug und damit Seraphys in die Höhe. »Was macht ihr da?«, rief Vaanes. »Um der Liebe des Imperators willen, tötet ihn einfach und Schluss!« »Nein«, zischte Sabatier. »Sie töten ihn nicht. Nicht, wo er so leckeres Fleisch an sich hat. Siehst du, wie sie die Arme parallel zu den Beinen halten? Dadurch haben sie leichten Zugang zum Becken und halten seine Arme aus dem Weg und in einer Stellung, die ein leichtes Entfernen erlaubt.« Sabatier kicherte gurgelnd, während er seine grausige Schilderung fortsetzte. »Wenn man Anatomie und Skelett genauer betrachtet, stellt man fest, dass ihr Menschen nicht für das Fleisch gebaut und entwickelt seid. Euer großes zentrales Becken und die breiten Schulterblätter behindern das perfekte Zuschneiden der Stücke zu sehr. Außerdem seid ihr zu mager, kein Fett. Etwas Fett, wenn auch nicht viel, ist wünschenswert, aber wenn Fleisch durchwachsen ist, wird es saftiger und geschmackvoller.«
»Fahr zur Hölle«, fluchte Vaanes, während er beobachtete, wie die Brutalen Bestatter sich über den be-wusstlosen Blood Raven beugten. Rote Rinnsale verklebten sein Gesicht, wo es aus den Teilen rann, die der Eisenhammer eingeschlagen hatte. Ein Messer mit langer Klinge machte einen tiefen Schnitt von Ohr zu Ohr durch Kehle und Luftröhre des hängenden Space Marines und durchtrennte die innere und äußere Halsschlagader. Blut spritzte aus dem Schnitt, bevor Seraphys' verbesserte Körperfunktionen begannen, das Blut gerinnen zu lassen und den Strom zu stoppen. Doch Sabatier hinkte zu ihm und verhinderte das vollständige Schließen der Wunde, indem er das verschmolzene Fleisch seiner Fäuste in den Schnitt rammte, so dass das helle arterielle Blut weiter in eine fleckige Eisentonne laufen konnte. Nicht in der Lage, den Anblick der brutalen Häme zu ertragen, die seine Häscher daraus zogen, dass sein Kamerad wie ein Tier abgeschlachtet wurde, wandte Vaanes den Kopf von der widerwärtigen Prozedur ab, als ein Brutaler Bestatter Vorbereitungen traf, seinem Opfer den Kopf abzutrennen. Vaanes hörte das groteske Geräusch, als Muskeln und Fasern durchgeschnitten wurden, und das Reißen von Haut und Sehnen, als der Brutale Bestatter Seraphys' Kopf packte und ihn dort abdrehte, wo die Wirbelsäule in den Schädel überging. Er presste die Augen fest zu und wehrte sich gegen die dicken Fesseln, die ihn reglos auf dem Tisch hielten. Sein Gesicht rötete sich, und die Adern traten hervor, als er alle Kraft einsetzte, die er hatte. »Es hat keinen Sinn, sich zu wehren, also lass es sein«, sagte Sabatier, der seine Bemühungen bemerkte. »Das macht nur das Fleisch zäher. Außerdem wird die Haut beschädigt, aber das stört keinen, schließlich kriegen wir genug davon aus den Fleischlagern in den Bergen, auch wenn ihr welche zerstört und verbrennt.« Trotz seines Grauens verspürte Vaanes plötzlich so etwas wie Interesse. »Wofür braucht ihr die Häute überhaupt?« »Um die Neugeborenen einzukleiden!«, sagte Sabatier stolz. »Die Brut der Daemonculaba wird hautlos aus den Leibern geholt. Jene, die überleben, bekommen eine neue Haut, um ihr Fleisch zu binden und sie ganz zu machen, damit sie Eisenmeister werden können.« Vaanes spürte, wie ihn angesichts dieser letzten Schändlichkeit
eine Gänsehaut überlief. Dass die Lager in den Bergen Massen von Haut produzierten, um den neugeborenen Soldaten der Iron Warriors eine zu geben, war ein Gräuel zu viel. Er öffnete die Augen, und sein Blick fiel auf Pasanius, der vielsagend mit den Augen rollte und ihm damit zu verstehen gab, dass er weiterreden solle. Einen Moment wusste er nicht, warum, dann sah er, dass es Pasanius ohne seinen Unterarm beinahe gelungen war, den kauterisierten Stumpf aus der Eisenklammer zu befreien, die das Glied an den Tisch fesselte. Er zwang sich, den Blick wieder auf den grässlichen Schlachtvorgang zu richten. »Du sagtest, den Überlebenden wird die Haut umgebunden. Was passiert mit denen, die nicht überleben?« Sabatier krächzte vor Lachen und richtete seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf Vaanes. »Neugeborene, die zu verunstaltet oder mutiert sind, werden zusammen mit dem restlichen Abfall aus Khalan-Ghol in die Berge gespült. Eure Knochen und abgezogene Haut wird ihnen bald Gesellschaft leisten.« »Die Hautlosen...«, sagte Vaanes, als er in Sabatiers kurzer Schilderung die furchtbaren roten Ungeheuer wiedererkannte, die durch die Berge streiften. »Das sind die Missgeburten...« »Ja«, zischte Sabatier. »Die meisten sterben nach ein paar Minuten, aber einige überleben.« »Dafür werdet ihr büßen«, versprach Vaanes, während er sah, dass Pasanius endlich den Armstumpf aus der Klammer befreit hatte, da die Brutalen Bestatter ihre geräuschvolle Arbeit an dem hängenden Kadaver fortsetzten. Uriel versuchte zu schreien, aber brennende Geburtsflüssigkeiten füllten seinen Mund aus, und sein Körper verkrampfte sich und zuckte, da sein geschwächtes Atmungssystem darum rang, so viel Sauerstoff wie möglich aus der Flüssigkeit in seiner Lunge zu filtern. Er trieb in dem widerlichen amniotischen Gelee in der Gebärmutter der Daemonculaba, und seine Haut brannte von durchsickernden Magenflüssigkeiten und der Bösartigkeit der Magie, die benutzt worden war, um den Frauenkörper derart zu entstellen und mutieren zu lassen.
Er wehrte sich gegen die Nähte, die ihn festhielten, und spürte seine Kraft mit jeder reißenden Naht wachsen. Seine Entschlossenheit, sich zu befreien, brannte mit weißglühender Hitze in seiner Brust, und er schlug um sich wie eine primitive Bestie und zerriss seine Fesseln, bis er frei in der Gebärmutter trieb. Uriel kratzte und biss in krause Fleischlappen und schmeckte Blut und Fettgewebe, während er sich einen Weg nach oben bahnte, und jeder Atemzug brannte wie Feuer in seiner Lunge. Ihm wurde langsam schwarz vor Augen, und seine Herzschläge hallten wie Donner in seinen Ohren, wie ein dumpfes Pochen, das ein seltsames Echo hatte, als höre er in seinem Gefängnis aus Fleisch nicht nur sein eigenes Herz schlagen. Er wand sich und trat und arbeitete sich mit den Händen immer weiter nach oben. Plötzlich fand seine rechte Hand Trockenheit, als sie die straff gespannte Haut des Daemonculaba-Bauchs durchbrach. Durch die Aussicht auf die nahe Freiheit angespornt, verdoppelte Uriel seine Anstrengungen und drückte auch die andere Hand durch den Riss, um ihn zu verbreitern. Die Haut riss an der Naht auf, und schaumige Flüssigkeit lief aus dem Bauch der Bestie auf den Gitterboden des Laufstegs. Uriel drängte mit dem Kopf aus der Daemonculaba, erbrach die widerlichen Geburtssäfte und schnappte gierig nach Luft. So abgestanden und blutgetränkt sie auch war, verglichen mit dem Bauch der Daemonculaba kam sie ihm wie die reinste Bergluft Macragges vor. Mit Drehungen und Wendungen zwängte Uriel die breiten Schultern nach draußen und benutzte die dadurch gewonnene zusätzliche Hebelwirkung, um seinen zerschundenen Leib aus der Daemonculaba zu hieven. Und in einer stinkenden Flut aus Geburtsflüssigkeiten, Blut und Eingeweiden fiel Uriel aus dem Bauch der Kreatur auf den Eisenboden. Hustend und nach Luft schnappend lag er da und hörte alarmierte Rufe in der Nähe. Als er aufschaute, sah er zwei der buckligen Mutanten in schwarzen Gummianzügen auf ihn zurennen. Sie trugen lange Hellebarden mit gekrümmter Klinge, und bei ihrem Anblick überkam Uriel kalte Wut. Er raffte sich müde auf, als sie auf ihn losgingen und mit ihren Waffen nach seinem Bauch stachen. Uriel wich der ersten Klinge aus und drehte sich zur Seite, da die zweite nach seinem Schritt
stieß. Uriel packte den Schaft der Hellebarde des ersten Mutanten, schmetterte die Faust in das gläserne Visier vor seinem Gesicht und pulverisierte den Schädel dahinter. Er drehte die Waffe rasch um und parierte mühelos einen unbeholfenen, auf seinen Kopf gezielten Schwung, um dem zweiten Mutanten dann seine eigene Klinge in den Leib und durch den Körper zu bohren. Der Mutant kreischte vor Schmerzen, und Uriel trat ihn ohne Mitleid von der Waffe herunter. Er ließ sich neben den Mutanten auf die Knie sinken und weinte und heulte in blinder Wut, während er sich zusammenkrümmte, da Zorn und Grauen ihn zu überwältigen drohten. Er spie fettige Flüssigkeit aus und hörte eine fluchende, schreiende Stimme. Uriel zwang sich, seine in ihm brodelnden Gefühle zu bezähmen, als er in der Stimme diejenige von Ardaric Vaanes erkannte. Er verstand die Worte des Abtrünnigen nicht, aber die Bitterkeit und Wut darin waren nicht zu überhören. Sein Herz verhärtete sich in rechtschaffenem Zorn, als Uriel mithilfe der langen Hellebarde auf unsichere Beine kam und den Weg in die Richtung einschlug, aus der das Geschrei erscholl.
FÜNFZEHN »Der Imperator verdamme euch alle in die Tiefen der Hölle!«, schrie Vaanes, als Seraphys' aufgeschlitzter Kadaver von den Haken am Flaschenzug genommen wurde. Jene Fleischstücke, die nicht zum Verzehr gedacht waren, wanderten in dieselben Tonnen, die von Blut überflossen, und dann wurde die klirrende Vorrichtung durch den Saal zum nächsten Space Marine geschoben. Die Brutalen Bestatter ignorierten sein Gezeter, und Sabatier lachte nur, aber ihre Aufmerksamkeit war entweder auf ihn oder ihr nächstes Opfer gerichtet. Und nur das zählte. Er riskierte einen Blick auf Pasanius und hatte Mühe, sich ein rachsüchtiges Lächeln zu verkneifen, als er sah, wie sich der ehemalige Ultramarine über den Leichentisch beugte. Mit dem Armstumpf drückte er den Bolzen aus der Klammer, die seinen anderen Arm hielt, und das Klirren der Ketten, Vaanes' Geschrei und das laute Pochen des Blutherzens übertönten mühelos das
Kreischen rostigen Metalls, als der Bolzen durch die Klammer glitt. Nachdem er seinen gesunden Arm befreit hatte, konnte er die Bolzen in den Klammern um Bauch und Beine mit Leichtigkeit lösen. Vaanes rief: »Sabatier! Die Hautlosen, was wird aus ihnen?« Sabatier, der gerade dabei war, Seraphys' Überreste wegzuschleifen, hielt inne. Seine sabbernden Züge hatten einen Ausdruck der Verärgerung angenommen. »Du stellst zu viele Fragen! Ich sollte dir die Zunge rausschneiden!« Vaanes sah, wie sich Pasanius auf dem Leichentisch aufrichtete, und rief: »Dann komm doch her und tu es, Chaos-Abschaum!«, aber der widerliche Mutantenleichnam sah jetzt, dass Pasanius frei war. Er schrie den Brutalen Bestattern eine Warnung zu, die für derart plump aussehende Wesen überraschend flink zu ihm herumfuhren. Sie kreischten in apoplektischer Wut und klangen mehr empört als sonst etwas. Sabatier duckte sich hinter die Tonne mit dem Blut, aber die Brutalen Bestatter rasten durch die Arena, und ihre Klingenarme und stampfenden Beine trugen sie mit furchterregendem Tempo. »Pasanius, pass auf!«, rief Vaanes, aber der ehemalige Sergeant hatte nicht die Absicht, den heranrasenden Ungeheuern auszuweichen. Vielmehr sprang er das nächste mit den Füßen voran an, und Vaanes hörte Metall und Knochen brechen. Das Ungeheuer schlug mit seinen surrenden Bohrern und schnappenden Klingen nach Pasanius und schnitt sich dabei in das eigene tote Fleisch. Vaanes wehrte sich wieder einmal erfolglos gegen seine Fesseln, während er den ungleichen Kampf beobachtete. Pasanius packte mit einer Hand die schwarzen Roben des Brutalen Bestatters, während dieser ihn abzuschütteln versuchte. Der ehemalige Ultramarine wechselte rasch den Griff, so dass er das Drahtgerüst zu fassen bekam, das den Kopf stützte, und rammte dem Ungeheuer die Stirn ins Gesicht. Trotz des Geschreis des Bestatters hörte Vaanes das Knirschen der Knochen. Die Spinnenbeine des Brutalen Bestatters falteten sich unter der Wucht des Schlags zusammen, und der Brutale Bestatter ging zu Boden. Pasanius ließ ihn los und kauerte sich neben ihn. Das zweite Ungeheuer versuchte nach ihm zu schnappen, doch Pasanius hielt den benommenen Bestatter zwischen sich und den
zustoßenden Klingen des anderen. Der wich jetzt zurück, um längere und tödlichere Klingen aus den Scheiden seiner Arme auszufahren, und Pasanius ergriff die Gelegenheit, um näher heranzugehen und dem Ungeheuer vor sich auf dem Boden einen krachenden Hieb zu versetzen, da es sich gerade aufzurappeln versuchte. Der Brutale Bestatter heulte vor Schmerzen, und Pasanius ergriff das bebende Instrumentarium mit den kreischenden Schneidewerkzeugen und rammte es dem Ungeheuer ins Gesicht. Abgestandene Flüssigkeiten und lange verweste Haut flogen, als die eigene Faust den Kopf des Ungeheuers in verfaulte Fetzen hackte. Vertrocknetes Fleisch und Knochen spritzten, und das Heulen verstummte, während es mit einem langen Todesröcheln nach vorn kippte. »Pasanius!«, rief Vaanes. »Befreie mich! Schnell!« Pasanius sah aus, als wolle er es allein mit dem zweiten Bestatter aufnehmen, nickte aber und wich in Richtung Vaanes zurück, während der Bestatter auf seinen langen Beinen vorsprang. Er wich dem ersten Hieb seiner Klingen aus und duckte sich unter dem zweiten weg. Sein Bein trat zu und traf den Bestatter in den Bauch, so dass sich dieser seufzend krümmte. Pasanius wälzte sich zur Seite, und die Klingen stachen in den blutigen Boden, aber Vaanes sah, dass Pasanius den Angriffen nicht mehr lange würde ausweichen können. Sabatier floh aus dem Saal, so schnell ihn seine mutierten Beine trugen. Er schrie um Hilfe, und Vaanes wusste, dass sie so gut wie tot waren, wenn Pasanius ihn nicht schnell befreien konnte. Pasanius sprang auf und stürzte sich förmlich auf die Klammern, die Vaanes an den Leichentisch fesselten. Seine Finger schlossen sich um den Bolzen einer Armklammer, als ihn ein Hieb durch die Luft schleuderte. Pasanius landete mit einem stählernen Krachen auf dem Tisch mit den Sägen und Skalpellen - und ihren Waffen, so dass Boltgewehre und auch Uriels Schwert mit dem goldenen Heft zu Boden fielen. Doch Vaanes sah, dass Pasanius sein Ziel erreicht und den Bolzen mit herausgerissen hatte, als er davongeschleudert wurde, und mit einem hasserfüllten Brüllen riss Vaanes seinen Arm frei und fuhr seine Energieklaue aus. Mit ein paar entschlossenen Hieben waren die restlichen Klammern zerhackt, und er sprang
vom Leichentisch und schrie dem Brutalen Bestatter eine Herausforderung zu, der zu Pasanius' ramponierter Gestalt unterwegs war. Doch bevor er mehr als einen Schritt in die Richtung des Ungeheuers machen konnte, schwang sich eine blutige, stinkende Gestalt auf einen leeren Leichentisch und sprang das Ungeheuer an. Die Gestalt hielt eine lange Hellebarde mit einer krummen, hakenförmigen Klinge über dem Kopf und zielte auf den Rumpf des Brutalen Bestatters. Sie landete auf dem Rücken des Ungeheuers und rammte ihm die Hellebarde in den Rücken, so dass sie in einer Flut stinkender gelber Flüssigkeiten und Gase aus der Brust wieder austrat. So schrecklich die Wunde auch war, das Ungeheuer gab keinen Laut von sich, sondern drehte sich entlang einer inneren Achse, um seinen blutverschmierten Angreifer zu vertreiben, und ließ die Hellebarde in seinem Körper stecken. »Uriel!«, rief Pasanius und warf ihm das Schwert mit dem goldenen Heft zu. Es war ein Schock für Vaanes, als ihm aufging, dass diese wilde, animalische Gestalt niemand anders als der ehemalige Ultramarine war. Ventris fing das Schwert, und die Klinge leuchtete auf, als er auf die Aktivierungsrune drückte. Ohne Worte bewegten sich Uriel und Vaanes nach links und rechts, während sich der Brutale Bestatter die Hellebarde aus dem Leib zog, beiseite warf und das gellende Kreischen eines Alarms aus den Kom-Einheiten in seinem Hals dröhnte. »Wir müssen das Ding erledigen!«, rief Vaanes. Ventris antwortete nicht, sondern schnellte vorwärts, um nach den Beinen des Bestatters zu schlagen. Der wich nach hinten aus und stach mit einem jaulenden Sägeblatt nach ihm, das länger als das längste Ausweidemesser war. Ventris tauchte darunter weg und hieb mit seinem Schwert aufwärts, so dass der Arm in einem blauen Funkenstrom durchtrennt wurde. Vaanes stürzte ebenfalls vorwärts und sprang dem Ungeheuer auf den Rücken, als es nach Uriels Hieb zurücktaumelte. Er rammte ihm die Energieklaue in den Nacken und hielt sich mit der anderen Hand fest, da das wild strampelnde Ungeheuer ihn abzuschütteln versuchte. Von der Decke hängende Haken prallten gegen ihn, aber er hielt sich eisern fest, und stach seine Klaue immer wieder in den Leib des Brutalen Bestatters.
Das Ungeheuer kreischte vor Schmerzen, und Vaanes glitt von seinem Rücken, als Ventris ihm die zuckenden Beine unter dem Leib weghieb. Vaanes wälzte sich von dem monströsen Leib weg, da dieser im Todeskampf zuckend um sich schlug, während Ventris wieder und wieder und wieder auf den ekelhaften Leichnam einstach. »Ventris!«, rief er. »Er ist tot. Komm schon, nichts wie raus hier!« Der ehemalige Ultramarine stach dem Ungeheuer noch ein letztes Mal in die Brust, während er heiser keuchte und mehr wie ein Anhänger des Blutgottes aussah, wie er sich an dem soeben von ihm angerichteten Gemetzel zu berauschen schien. »Uriel, komm schon!«, drängte Pasanius. »Wir müssen jetzt gehen. Von diesen Ungeheuern werden bald noch mehr kommen!« Ventris nickte, gesellte sich zu Vaanes und Pasanius und holte dann ihre Waffen. Der blutverschmierte Space Marine schob sein Schwert in die Scheide und warf sich das Boltgewehr um, als Leonid rief: »Wartet! Geht nicht, lasst uns nicht hier liegen!« »Warum nicht?«, fragte Vaanes. »Was?«, schnauzte Ellard verblüfft, dass diese Frage überhaupt gestellt wurde. »Weil wir sonst sterben!« »Was hätte es für einen Sinn, euch zu befreien? Ihr werdet ohnehin sterben«, sagte Vaanes, indem er sich abwandte und sich sein Gewehr holte. »Uriel!«, rief Leonid. »Sie können uns doch nicht hier zurücklassen! Bitte!« Ventris schwieg lange Sekunden, in denen sich seine Brust im Adrenalinrausch des Kampfes immer noch rasch hob und senkte. Vaanes ging an ihm vorbei, doch Ventris hielt seinen Arm fest, schaute ihm in die Augen und schüttelte langsam den Kopf. »Wir lassen niemanden zurück«, sagte er entschlossen. »Wir haben keine Zeit dafür!«, schnauzte Vaanes. »Sie werden es nicht schaffen, wir vielleicht schon!« »Ich glaube, ich habe mich in dir getäuscht, Vaanes«, sagte Uriel traurig. »Ich dachte, du hättest noch Mut und Ehre, aber dein Herz ist innerlich tot. Dieser Ort hat deine Seele zerstört.« »Wenn wir jetzt nicht gehen, sterben wir alle, Ventris, und werden von diesen Ungeheuern in blutige Fetzen geschnitten!« »Jeder, der dem Imperator dient, stirbt blutig, Vaanes«, sagte
Uriel. »Wir können nur wählen, wie und wo. Das hat jeder Krieger verdient, und ich gehe nicht ohne sie.« Ventris drehte sich um und lief wieder in die Arena, und mit Pasanius' Hilfe begann er mit der Befreiung der kläglichen Überreste ihres einstmals so stolzen Kriegertrupps. »Wenn sie euch nicht töten, folgt meiner Spur!«, rief Vaanes. »Sabatier hat irgendwas davon gesagt, dass der ganze Abfall aus Khalan-Ghol in die Berge gespült wird, also muss es einen Weg nach draußen geben!« Ventris nickte, zu beschäftigt für eine Antwort, während das Geschrei der nahenden Feinde immer lauter wurde. Mit einer letzten Verwünschung, die dem Dummkopf von einem Ultramarine galt, machte sich Vaanes in die, Tiefen der Kaverne auf. Uriel befreite Leonid und Ellard, und die hustenden Gardisten nickten ihm dankend zu, während sie sich aufrappelten und dann ihre Waffen holten. Kurz darauf hatten sie alle überlebenden Mitglieder des Kriegertrupps befreit und machten sich in die makabre Wildnis der Kaverne auf, durch die der laute Herzschlag und die Schreie von Opfern wie Verfolgern hallten und seltsame Echos erzeugten. Vaanes' Spur war nicht schwer zu verfolgen. Die Leichen getöteter Mutanten und umgestürzte Operations- tische bildeten eine deutliche Spur. Die Geräusche der Verfolger kamen immer näher, da die Mitglieder des Trupps infolge einer Mischung aus schierer körperlicher Erschöpfung und Entsetzen kurz vor dem Zusammenbruch standen. Von vorne war jetzt das Rauschen von Flüssigkeiten zu hören, und Uriel taumelte in eine große offene Schleusenkammer mit einer Vielzahl dreckverkrusteter Rutschen und Aquädukte, die entweder die Wände der Kaverne durchdrangen und von unten kamen oder von den oberen Rängen der Daemonculaba nach unten gespült wurden. Das Tosen vieler Tonnen von Exkrementen, Abfällen und totem Fleisch kam dem Pochen des Blutherzens gleich. Alles wurde in einen stinkenden See gespült, der wiederum durch eine kolossale Röhre in der Kavernenwand abgelassen wurde. Ein Wasserfall aus Unrat, Körperteilen und verwesenden
Nachgeburten ergoss sich aus der Kaverne und auch aus der Festung. Ein Ausweg... Tote Mutanten lagen in der Kammer, von Vaanes bei seiner irren Flucht in die Freiheit in Stücke gehauen, und Uriel sah, dass es nur einen Weg gab, auf dem sie diesen verfluchten Ort verlassen konnten. »Wir können hier nicht gegen sie kämpfen! In den Tunnel!«, rief er und marschierte weiter in den See, wo er bis zu den Oberschenkeln in den wogenden Abfällen versank. Er hatte keine Ahnung, wohin der breite Tunnel führte oder ob sich ihre Lage überhaupt verbessern würde, wenn sie hineinsprangen, aber es musste besser sein als das hier. Es ging langsam voran, aber als er einen Blick zurück über die Schulter warf, sah er ein Dutzend Brutale Bestatter oder mehr in die Schleusenkammer stürmen, und der Anblick ließ ihn mit neuerlicher Energie durch den Schlamm waten, während er sein Schwert in die Scheide schob. Der Kriegertrupp erreichte den wogenden, tosenden Wasserfall des Tunnels, und die Männer sprangen einer nach dem anderen in seine stinkende Düsternis. Uriel hörte das Klatschen dicker mechanischer Glieder hinter sich in der Brühe und sprang seinen Kriegern hinterher, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Tosende Brühe umschloss ihn, deren widerwärtiger Inhalt gegen ihn stieß, während er abwärtssauste. Dunkelheit und Dämmerlicht rangen miteinander, und als er unter die Oberfläche glitt, war er dankbar für die Finsternis, die das tote Grauen vor ihm verbarg, das aus dem Reich der Brutalen Bestatter gespült wurde. Das Tosen im Tunnel war ohrenbetäubend und der Absturz zu steil und das Wasser zu tief, um sich irgendwo festhalten zu können. Er kämpfte sich an die Oberfläche, schnappte nach Luft und schluckte etwas von der stinkenden, schäumenden Brühe. Das Donnern großer Pumpen und das Surren enormer Filter hallte durch die verkrusteten Wände, und Uriel spürte, wie die giftigen Abfälle auf seiner Haut brannten. Er krachte gegen die Wand des Tunnels, als dieser einen Knick machte, und verlor sein Boltgewehr, das er im Wasser entschwinden sah. Seine Finger suchten nach Halt, doch er wurde zu schnell mitgerissen, um sich irgendwo festklammern zu können. Riesige Klingen wühlten das Wasser auf und
schleuderten abgetrennte Körperteile und aufgeschlitzte Kadaver in die Luft, und Uriel trat verzweifelt um sich, um ihnen auszuweichen. Ein verrosteter Holm aus scharfem Metall fuhr neben ihm durch das Wasser, und brennende Fluten blendeten ihn, da er von der Strömung mitgerissen und unter Wasser gedrückt wurde. Als sein Kopf wieder auftauchte, sah Uriel eine gewaltige Masse des schäumenden Abwassers voraus und hörte das tosende Krachen von Wasser, das Hunderte Meter abwärtsfiel. Schroffe Archipele aus totem Fleisch und fötale Inseln hatten sich am Rande des Wasserfalls zu verwesenden Massen verbunden, und Uriel kämpfte gegen den immensen Strom des Abwassers an, um eine davon anzusteuern. Das Tosen des Wasserfalls und der Gestank verwesenden Fleisches und organischen Unrats erfüllten seine Sinne und drohte ihn zu überwältigen. Als die Strömung ihn weiterzerrte, versuchte er einen letzten verzweifelten Beinschlag und reckte dann die Hände, um nach der Masse der Körperteile vor sich zu greifen. Seine Hände schlossen sich um schwammiges, schmieriges Fleisch und bohrten sich durch die Oberfläche, und eine Masse verwester Innereien quoll ins Wasser. Tote Augen und glasige Züge starrten ihn aus den leblosen Haufen an, während sich das breiige Fleisch unter seinen Händen auflöste. Er wurde mitgerissen und herumgewirbelt und schrie auf, als er über die Kante des Wasserfalls getragen wurde. Plötzlich befand sich Uriel im freien Fall und stürzte überschlagend in die unbekannten Tiefen. Er strampelte sinnlos und brüllte trotzig in die Dunkelheit unter sich. Sollte es so enden? Im Unrat der Iron Warriors in Stücke geschmettert? Er sah einen Lichtschimmer auf der gebrochenen gläsernen Wasseroberfläche und straffte seinen Körper, um beim Eintauchen möglichst wenig Widerstand zu bieten. Er fuhr wie ein Messer ins Wasser, und die schmutzige Brühe schlug über ihm zusammen, während er in die schwarzen Tiefen schoss. Ertrunkene Leichen wirbelten in der kalten Finsternis neben ihm umher, verweste Arme legten sich um ihn und augenlose Schädel verspotteten ihn mit ihren leeren Blicken. Uriel strebte mit kräftigen Beinschlägen der Oberfläche entgegen, während die Luft heiß in seiner zusätzlichen Lunge brannte, und wehrte sich dabei gegen die Opfer der Brutalen
Bestatter, die ihn zu sich in die Tiefe zogen. Sein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, und er schnappte keuchend nach Luft. Der feuchte Geruch des rauschenden, wassergefüllten Tunnels war nach den stinkenden Tiefen durchaus willkommen. Wirbelnde Abfälle schäumten rings um ihn, und als er den Kopf schüttelte, um ihn frei zu bekommen, hörte und sah er riesige wirbelnde Metallblätter das Wasser voraus aufwühlen und die Abfälle zu einem fleischigen Morast zerhacken. Uriel kämpfte gegen die Strömung an und spie dabei Flüssigkeit aus, da er sich gegen den stärker werdenden Zug stemmte. Die großen Schraubenblätter drehten sich zu schnell, um ihnen ausweichen zu können, doch als er näher getragen wurde, sah er auch, dass die Blätter nicht ganz bis zur Decke der Kaverne reichten... War es möglich, dass sie auch nicht bis auf den Grund des Tunnels reichten? In dem Wissen, dass er nur eine Möglichkeit zu überleben hatte, holte Uriel tief Luft und tauchte in das mit Leichen und Leichenteilen angefüllte Wasser, wobei er von den Druckwellen der riesigen Klingen hin und her gewirbelt wurde, die das von Fleisch und Blut rötlich gefärbte Wasser zum Schäumen brachten. Die stampfenden Druckwellen der Schraubenblätter waren eine gewaltige Kraft, die ihn weiterzerrten, aber mit kräftigen Stößen und Schlägen schwamm Uriel tiefer zum Grund des Tunnels. Seine Lunge brannte wie Feuer, und ihm wurde langsam schwarz vor Augen, aber er sah dennoch den verdreckten Betonboden des Tunnels unter sich. Voraus verdeckte eine wirbelnde Masse von Blasen die Sicht auf die tödlichen Kanten der Schraubenblätter, und er wusste nicht, ob genug Platz war, um darunter wegzutauchen. Da er keine andere Wahl hatte, zog er sich über den Boden voran und spürte den gewaltigen Wirbel der rotierenden Schraubenblätter nahen. Er schrie auf, und ein Strom von Luftblasen entwich aus seinem Mund, als er einen brennenden Schnitt im Rücken verspürte. Instinktiv zog er sich vorwärts und schmiegte sich dabei noch enger an den Boden, um sich dann von der wenigen noch in seiner Lunge verbliebenen Luft zur Oberfläche ziehen zu lassen, als er die Schraubenblätter passiert hatte. Uriels Schwimmbewegungen wurden immer schwächer, da der Sauerstoffmangel seinen Tribut von seinem ohnehin
geschwächten Körper forderte. Und dann durchbrach sein Kopf wieder die Wasseroberfläche, und er würgte verseuchtes Wasser hoch und schnappte nach der stinkenden Luft. Die Strömung jenseits der Schraubenblätter war immer noch stark, aber er stellte fest, dass er mit ein wenig Mühe den Kopf über Wasser halten konnte. Erstaunt, dass er immer noch lebte, kreiste er im Wasser und suchte nach anderen Mitgliedern des Kriegertrupps. »Pasanius!«, rief er. »Vaanes!« Seine Stimme hallte von den tropfenden Wänden des Tunnels wider, aber er bekam keine Antwort und war der Verzweiflung nahe, da er keine Überlebenden sah. Waren alle von den Filterblättern des Tunnels zu unkenntlichen Fleischbrocken zerhackt worden? Nun, da die unmittelbare Gefahr vorbei war, fragte sich Uriel, wohin dieser Tunnel führen mochte. Er konnte es nicht mit Sicherheit wissen, hatte aber das Gefühl, schon viele Kilometer in diesen höllischen Fluten zurückgelegt zu haben. Wohin entleerte sich der Tunnel also? Noch während sich der Gedanke formte, spürte er, wie die Strömung an Kraft zunahm, und sah einen hellen Fleck weißen Lichts voraus. Wieder hörte er das tosende Rauschen eines Wasserfalls, aber diesmal gab es keine potenziell lebensrettenden Inseln im Wasser, an die er sich hätte klammern können, und Uriel wurde immer schneller der Tunneleinmündung entgegengerissen. Der weiße Himmel jenseits der Öffnung wurde rasch größer, bis er schließlich ins Freie gespült wurde. Berge ragten steil in die Höhe, und der tote Himmel breitete seine widerliche weiße Leere über die dunklen Felsen Medrengards aus, während er viele Hundert Meter über dem Boden aus Khalan-Ghol gespült wurde. Er stürzte einem widerlichen, schäumenden See voller Unrat entgegen und erhaschte auch einen Blick auf gerüstete Gestalten, die bei seinem Sturz aus dem Wasser kletterten. Der Aufprall raubte ihm den Atem, und er schluckte große Mengen der widerlichen Flüssigkeit. Uriel wirbelte in der trüben Flüssigkeit umher und versuchte Schwimmbewegungen, obwohl er keine Ahnung hatte, wo oben und unten war. Er spürte Hände auf sich und ergab sich ihnen,
und sie zogen ihn nach oben und aus dem Wasser. Er würgte und erbrach große Mengen des schaumigen, öligen Wassers, während er sich auf die Seite wälzte und ihm Hände auf den Rücken klopften. Er schaute auf und sah das schmutzige, streifige Gesicht von Ardaric Vaanes, ramponiert und blutend. »Dann habt ihr es also nach draußen geschafft?« »So gerade eben«, hustete Uriel, der sich fühlte, als habe er ein Dutzend Übungskämpfe mit Hauptmann Agemman hinter sich, dem Anführer der Ultramarine-Veteranen-Kompanie. Er richtete sich auf und spürte, wie mit jedem Atemzug ein wenig Kraft in seinen Körper zurückkehrte. Er nahm sich einen Moment Zeit, seine Umgebung zu begutachten, und sah, dass sich der tiefe See in einem steinernen Becken mit hohen Seiten am Fuß eines gleißenden Gipfels befand. Im Wasser selbst blubberten und wirbelten trügerische Strömungen. Eine Seite des Beckens war eine steile, glatte Betonwand, eine vertikale Steinplatte, aus der viele hundert Meter höher der Wasserfall in die Tiefe stürzte. Er schaute sich nach weiteren Überlebenden des Grauens von Khalan-Ghol um und spürte, wie ihn kalter Hass überkam, als er sah, dass sie die Flucht aus den Verliesen der Iron Warriors teuer zu stehen gekommen war. Ardaric Vaanes hatte ebenso überlebt wie zwei andere Space Marines, ein Wolf Brother namens Svoljard und ein White Consul, dessen Namen Uriel nicht kannte. Er stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als er Pasanius auf den nassen Felsen am Ufer des Sees sitzen sah. Seine Freude war so groß, dass es einen Moment dauerte, bis ihm aufging, dass der Arm seines ehemaligen Sergeanten über dem Ellbogen endete und sein Unterarm entfernt worden war. Der Armstumpf endete in einer verkrusteten Masse knotigen Narbengewebes, und wenngleich die Wunde schmerzhaft gewesen sein musste, ließ sich Pasanius nichts davon anmerken. »Was ist mit dem Arm passiert?«, fragte er. »Diese Ungeheuer haben ihn abgeschnitten«, sagte Pasanius. »Hat höllisch wehgetan.« Uriel musste über diese extreme Untertreibung unwillkürlich lachen. Leonid und Ellard zählten ebenfalls zu den Überlebenden, aber Uriel sah, dass Sergeant Ellard ernsthaft verwundet war: Eine furchtbare Schnittwunde zog sich über seinen Bauch. Uriel war
kein Apothekarius, aber selbst er konnte erkennen, dass die Wunde zu Ellards baldigem Tod führen würde. »Sie sind ein Überlebenskünstler, Oberst.« »Ich wäre tot, wäre Pasanius nicht gewesen«, sagte Leonid, der Ellards Kopf im Schoß hatte und auf die furchtbare Wunde seines Freundes starrte. »Aber ich glaube nicht...« Uriel nickte verständnisvoll und sagte: »Nein... aber ich bin froh, dass Sie noch leben.« Uriel schlug sich den verwundeten Sergeanten einstweilen aus dem Kopf und wandte sich an Ardaric Vaanes. »Wo sind wir? Kennst du diesen Ort?« »Aye«, sagte Vaanes, »und wir sollten uns schnell aus dem Staub machen.« »Warum?« »Weil das hier die Jagdgründe der Hautlosen sind«, sagte Vaanes mit einem Blick auf die Grate rings um den See. Uriel überlief ein Schauder der Furcht, als er an die missgestalteten rothäutigen Ungeheuer dachte, welche die erbärmlichen Insassen des Fleischlagers der Iron Warriors verschlungen hatten. »Du hast recht«, sagte er, indem er sich unsicher erhob und nach dem verschmierten Heft seines goldenen Schwerts griff. »Wir müssen von hier verschwinden.« »Zu spät«, sagte Leonid, während er auf den Kamm zeigte, der rings um das Becken verlief. »Sie sind bereits da...« Uriel folgte Leonids ausgestrecktem Zeigefinger zur Spitze des Kamms, und ihm stockte der Atem, als er die Silhouetten von vielleicht hundert Hautlosen sah, die sie umzingelt hatten.
SECHZEHN Uriel sah die Gestalten hinter den Silhouetten deutlicher hervortreten, als sie die hohen Hänge des Kamms über ihnen herabstiegen. Sie kamen rasch und kletterten trotz ihrer grässlich entstellten Gliedmaßen sehr schnell über die zerklüfteten Felsen. Breite Brustkörbe dehnten sich, als sie ihre Beute witterten, und geifernde Kiefer öffneten sich und enthüllten große gelbe Reißzähne. Schwarze Krallen glitten aus fleischigen Fingern. So schrecklich entstellt wie die Bestien, die sie beim Angriff auf
das Fleischlager gesehen hatten, waren diese Ungeheuer ein ähnliches Grauen wahnsinniger Anatomien. Glieder, die von innen nach außen gestülpt waren, pulsierende Organe, deren mutierter Wuchs durch verdrehte Exoskelette ragte, Köpfe und Brustkörbe, die durch metastasierte Knochensehnen verschmolzen waren, siamesische Zwillinge, die durch Fleischlappen zusammengehalten wurden, und einige mit extrem geschwollenen Bäuchen, welche den dämonischen Müttern ähnelten, die sie in die Welt gesetzt hatten. »Von einem Todesurteil zum nächsten«, stellte Ardaric Vaanes mürrisch fest, während er seine Energieklaue ausfuhr. »Ach, sei still, Vaanes!«, schnauzte Uriel, indem er sein Schwert zog, dessen Klinge sofort zu feurigem Leben erwachte. Die Mitglieder des Kriegertrupps, die ihre Waffen behalten hatten, zogen sie jetzt und bereiteten sich auf den Kampf vor. Es würde ein ungleicher Kampf sein, aber einer, den sie dennoch austragen würden. Leonid ließ den verwundeten Ellard liegen und hob einen spitzen Stein auf. Die Hautlosen zogen die Schlinge um sie zusammen. Ihre grotesken, geschwollenen Gliedmaßen beförderten sie rasch über den felsigen Boden des Beckens, da sie nach dem Geschmack warmen, blutigen Fleisches im Maul hungerten. Die erste Bestie klatschte in das stinkende Wasser des Sees, und das Tosen des herabstürzenden Wasserfalls war nicht laut genug, um das aus einem monströsen Appetit geborene bestialische Grunzen zu übertönen. Ihre muskulösen Arme ballten starke Fäuste, als sie sich zum Angriff bereitmachte. Uriel und die anderen bildeten einen Kreis, als die Bestien angesprungen kamen, da sie sich dem Tod wie Krieger stellten und ihm kämpfend begegnen wollten. »Ihr Fleisch...«, zischte der Hautlose, als er ihnen durch das Wasser entgegenwatete. Uriel fuhr überrascht zusammen, weil das Wesen sprechen konnte. Vaanes hatte ihm erzählt, dass diese Ungeheuer die unehelichen Geschwister der Iron Warriors seien, und bis jetzt hatte er sie für nicht mehr als gescheiterte Experimente der Brutalen Bestatter wie die Kreatur namens Sabatier gehalten. Doch als er sie nun aus der Nähe sah und nachdem er selbst in eine Daemonculaba eingenäht worden war, wusste er es besser. Er stellte sich vor, wie die Kinder in die Dämoninnen eingenäht wurden, und ihm war klar, dass so eine primitive Methode der
Züchtung von Chaos Marines zu mehr Fehlschlägen als Erfolgen führen musste. »Beim Blut des Imperators«, flüsterte Uriel, als ihn die Erkenntnis seiner Verwandtschaft mit den Hautlosen traf. Er warf einen Blick zu dem Abfluss in der Betonwand hoch über ihnen und begriff nun, wie die Anwesenheit dieser Bestien in den Bergen zu erklären war. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Hautlosen, der sich vor ihm zu seiner vollen Größe aufbäumte und eine Herausforderung brüllte. Uriel verspürte einen jähen Adrenalinstoß angesichts der Massigkeit dieses Wesens. Seine tonnenförmige Brust war kreuz und quer mit unvollkommen verpflanzten Hautfalten bedeckt, die mit Knochensplittern an seinen muskulösen Rumpf geheftet waren, auf dem ein Albtraum von einem Wasserkopf mit einer Vielzahl gelber Augen und einem verlängerten Kiefer mit stumpfen Reißzähnen thronte, die sich perfekt dazu eigneten, Uriels Knochen zu einem verdaulichen Brei zu verarbeiten. »Blut«, sagte das Ungeheuer mit einem Nicken und leckte sich die Lippen. Die anderen blieben zurück, als sich die führende Bestie näherte, und Uriel spürte, dass hier eine Rudel-Mentalität herrschte. Er trat der Bestie entgegen und hielt dabei sein Schwert mit beiden Händen vor sich. »Was hast du vor?«, fragte Pasanius. »Ich glaube, das hier ist das Alpha-Männchen dieses Rudels«, sagte Uriel. »Wenn ich es töten kann, greifen die anderen vielleicht nicht an.« »Oder sie reißen uns nur umso schneller in Stücke«, sagte Leonid. »Richtig«, räumte Uriel ein, »aber ich glaube, wir haben keine große Wahl.« »Tu, was du kannst«, sagte Vaanes, indem er seine Energieklaue wieder einfuhr. Das Ungeheuer beobachtete Uriels Annäherung und spannte die gewaltigen Muskeln in seinem Oberkörper. Er versuchte in seiner Miene zu lesen, aber die stumpfen Gesichtszüge gaben ihm keinen Hinweis auf die Gedanken dahinter. »Dann komm. Komm und hol mich, wenn du mich fressen willst!«, brüllte er.
Das Ungeheuer sprang vor, und Uriel konnte gerade noch einem wilden Schwinger ausweichen, der ihm im Fall eines Treffers den Kopf abgerissen hätte. Er duckte sich unter dem Schlag durch, wich auf die Seite des Hautlosen aus und hieb mit dem Schwert nach seinem Rücken. Die Klinge drang kaum einen Zentimeter tief ein, und Uriel spürte die Wucht des Aufpralls durch seine Arme zucken, während ihn das Entsetzen packte, dass es den tödlichen Energien seiner Waffe nicht gelungen war, das Ungeheuer in Stücke zu hacken. Bevor er sich von seiner Überraschung erholt hatte, griff das Ungeheuer wieder an, und seine dicken Fäuste knüppelten ihn nieder. Uriel fiel ins Wasser und konnte gerade noch einem krachenden Stampfen ausweichen, das einen Geysir aus brackigem Wasser aufwirbelte. »Uriel!«, rief Pasanius und machte Anstalten, ihm zu Hilfe zu eilen. »Nein!«, rief Uriel, der sich mit kräftigen Beinschlägen auf dem Rücken von dem Ungeheuer entfernte und in die aus dem Reich der Brutalen Bestatter herabstürzenden Fluten schwamm. »Wenn du mir hilfst, greifen sie alle an!« Uriel sprang aus dem schäumenden Wasserfall und stieß mit dem Schwert zum Unterleib des Hautlosen. Die Spitze der Klinge durchbohrte kaum dessen Haut, bevor sie abglitt, ohne eine weitere Wunde zu verursachen. Das Ungeheuer brüllte, hob ihn mit einer Faust hoch und biss ihm in die Seite. Uriel stieß einen Schmerzensschrei aus und drehte sich in seiner Faust, um nicht zerbissen zu werden, dann stach er mit dem Schwert zum Kopf des Ungeheuers. Die Klinge kratzte über die Augen, was dem Ungeheuer ein Schmerzgebrüll entlockte. Seine Faust zuckte und öffnete sich, und Uriel fiel aus der Hand. Er landete vor dem Hautlosen und stieß das Schwert mit wütendem Brüllen gerade nach vorn, wobei er seine ganze Kraft in den Stoß legte. Er schrie triumphierend, als die Spitze eine schwächere Stelle in der Haut des Ungeheuers durchbohrte, und trieb die Klinge sauber durch den ganzen Leib. Eine schwere Faust traf seine Schulter, und Uriel ging im Wasser in die Knie. Er spürte, wie sein Schlüsselbein brach, und ließ das Schwertheft los. Ein Blick in die blutenden Augen des Hautlosen verriet ihm, dass er ihn nicht besiegen konnte. Obwohl eine knisternde Energieklinge in seinem Leib steckte, wies nichts darauf hin, dass das Ungeheuer die
Wunde überhaupt spürte. Uriel hatte der Macht eines Sternengottes getrotzt, das Herz eines Schwarmschiffs der Tyraniden zerstört und sich der unvorstellbaren Kraft eines Psionikers gestellt, und nun würde er durch die Hände dieses Ungeheuers sterben, das mit ihm auf einer genetischen Ebene verwandt war. Seine Klauenhände griffen nach ihm, aber bevor sie sich um seinen Kopf schließen und ihn zerquetschen konnten, ertönte ein bellendes Gebrüll vom Beckenrand, und die Hautlosen, die sie umgaben, zogen sich in furchtsamem Respekt zurück. Stille trat ein, jäher Frieden, und Uriel sah, wie eine furchtbare Bestie, größer als die anderen, langsam in die mit Wasser gefüllte Senke herabstieg. Der Hautlose, gegen den Uriel gekämpft hatte, war eine gigantische, aufgeblähte Monstrosität, aber diese Bestie war noch eine andere Kategorie. Ihre Statur war kolossal und mit abnormalen Muskelmassen bedeckt, ein Kraftpaket voller urtümlicher, destruktiver Energie. Der Körper war eine glänzende Masse nasser, entblößter Muskulatur mit dicken Sehnen, deren Bewegungen man beim Gehen beobachten konnte. Wenn es bei den Hautlosen ein Alpha-Männchen gab, dann dieses. Uriel erkannte darin das Ungeheuer, das den Angriff auf das Fleischlager angeführt hatte. Der Kopf kauerte geduckt zwischen den Schultern, ein rotes Schädelgesicht mit brennenden gelben Augen. Ohne Haut wirkten die Züge tot und vollkommen ausdruckslos. Der Mund war lippenlos, und die Nase ein Schlitz in der Gesichtsmitte. Anders als viele seiner Artgenossen hatte sich dieser Hautlose noch ein gewisses Maß seiner menschlichen Gestalt bewahrt, obgleich er sogar noch massiger gebaut war als alles, was die alten Legenden über die Primarchen zu berichten wussten. Das Schlimmste war jedoch, dass Uriel einen Funken Intelligenz in seinem berechnenden Blick lauern sah. Wo den anderen seiner Art das furchtbare Wissen über ihr Schicksal und das Grauen ihrer Existenz erspart blieb, würde diese schreckliche Kreatur ganz genau wissen, wozu sie verdammt war. Das Ungeheuer kam mit einer Reihe gutturaler Brüll-und Grunzlaute in die Senke, und die Hautlosen, die sie umzingelten, wichen vor ihm zurück, der ihr Herr sein musste... der Herr der Hautlosen. Uriel schauderte, als er diese Bezeichnung prägte, und
verzog das Gesicht über ihre Angemessenheit. Es stampfte und klatschte durch das Wasser auf ihn zu und stieß die Kreatur zur Seite, in deren Bauch immer noch Uriels Schwert steckte. Es kauerte sich ins Wasser, wobei sein Kopf immer noch Meter über Uriel thronte, zog ihn auf die Beine und hob ihn zu seinen grässlichen Zügen empor. Uriel wehrte sich dagegen, aber seine Kraft übertraf selbst die eines Cybots, und er wurde festgehalten. Er wurde aus dem Wasser gehoben und dicht vor das Gesicht des Herrn der Hautlosen gehalten, und die Hautlappen rings um die Nasenöffnung flatterten, als er Uriel beschnüffelte. Eine dicke Zunge glitt aus seinem Mund, und Uriel würgte ob des Leichenatmens, als das ledrige Anhängsel über seine Gesichtshaut leckte. Bevor er etwas unternehmen konnte, ließ ihn der Herr der Hautlosen wieder ins Wasser fallen, und er grunzte vor Schmerzen, als die gesplitterten Enden seines Schlüsselbeins aneinanderrieben. Die riesige Kreatur wandte sich den Hautlosen rings um den See zu. »Noch kein Fleisch! Vielleicht sind Unerwünschte wie wir. Rieche und schmecke Fleischmutter an ihm«, sagte sie kaum verständlich und guttural. Die Hautlosen warfen den Kopf in den Nacken und stießen ein klagenden Heulen aus, das von den hohen Berggipfeln widerhallte, und Uriel konnte sich nicht entscheiden, ob der unheimliche Ruf eine Willkommensgeste oder ein verzweifeltes Mitleidsgeheul war. Im Reich der Brutalen Bestatter hallte immer noch der hämmernde Herzschlag des Blutherzens, und es stank auch immer noch nach Verzweiflung, während sich die psychische Taubheit um die Seele legte. Doch obwohl all das noch so war wie zuvor, gab es doch auch eine subtile Veränderung in der Dynamik der Kaverne. Zuerst war sie Honsou nicht aufgefallen, doch während er dem bronzebeinigen Brutalen Bestatter durch die Wege der Sterbenden folgte, fiel sie ihm in den gesenkten Schädelgesichtern von jedem der schwarz berobten Ungeheuer auf. »Ist es Euch auch aufgefallen...«, flüsterte Obax Zakayo, der in den Zügen seines Herrn las.
»Aye«, erwiderte Honsou. »Sie haben Angst, und das geschieht nicht oft.« Aber sie hatten auch guten Grund, Angst zu haben, überlegte Honsou. Gefangene, die ihnen vom Herrn Khalan-Ghols zum Zwecke der Zerstörung anvertraut worden waren, hatten zwei von ihnen getötet und waren geflohen. Offensichtlich brannten in den Brutalen Bestattern noch finstere Erinnerungen an den letzten Herrn der Festung, und Honsou stellte fest, dass ihm ihre Furcht gefiel. Sie trafen in dem Raum ein, wo die Space Marines, die Ventris folgten, angekettet worden waren. In der Mitte des Tischkreises lagen die verstümmelten Überreste zweier Bestatter, die zu kleinen grauen Stücken zerhackt worden waren. Honsou kniete sich neben den nächsten und zog den toten Arm mit einem bösartig aussehenden Bohrer daran aus der Ruine seines Kopfes. »Ich fürchte, ich könnte diesen Ventris und seinen Trupp unterschätzt haben«, sagte er. »Ihr glaubt, er könnte mehr sein als ein Söldner Toraminos?« Honsou nickte. »Ich glaube langsam, dass er vielleicht gar nichts mit Toramino zu tun hat, dass er vielleicht aus ganz eigenen Gründen hier ist.« »Aus welchen Gründen?« Honsou antwortete zunächst nicht, sondern schnippte mit den Fingern und deutete an, dass sich einer der zischenden dunklen Bestatter nähern möge. Ein großes Ungeheuer mit breiten Klingenbeinen und klickenden hydraulischen Klauen anstelle von Armen bückte sich, so dass sein Gesicht auf einer Höhe mit ihm und das funkelnde Maul nur Zentimeter von Honsou entfernt war. »Ihr habt Ventris in die Daemonculaba verpflanzt?«, fragte er. »Ja. Er wurde eingenäht wie alle anderen auch. Er dürfte eigentlich nicht mehr am Leben sein.« »Nein«, gab Honsou ihm recht. »Das dürfte er ganz eindeutig nicht. Zeig es mir.« »Was soll ich dem Herrn von Khalan-Ghol zeigen?«, zischte der Brutale Bestatter. »Zeig mir, wo ihr ihn implantiert habt«, befahl Honsou. »Jetzt gleich.« Das Ungeheuer nickte, richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und schritt dann zwischen Tonnen voll Blut und Eingeweiden zur nächsten Rampe, die zu den Käfigen der Daemonculaba führte. Honsou und Obax Zakayo folgten und
nahmen unterwegs mit Interesse den Stand einiger ungewöhnlicher Experimente in Bezug auf Schmerzen zur Kenntnis, die in ihrem Streben nach tödlichem Wissen angestellt wurden. »Bei allem gebührenden Respekt, Milord«, begann Obax Zakayo. »Ist es klug, sich mit dem Schicksal einiger Abtrünniger zu befassen? Die Armeen von Lord Berossus stehen vor den Toren Khalan-Ghols.« »Und?« »Und sie sind nur noch ein paar Tage davon entfernt, die Mauern zu durchbrechen...« »Berossus kommt nicht herein, ich habe Pläne mit ihm.« »Wollt Ihr sie vielleicht mitteilen?« »Nicht dir, nein«, sagte Honsou, als sie das Ende der Rampe erreichten. »Du musst eins begreifen, Obax Zakayo, du bist mein Diener, ein Funktionär und nicht mehr. Du hast einem Herrn gedient, der vergessen hatte, warum wir den Langen Krieg austragen, einem Herrn, der die Erinnerung an das bittere Feuer des Verrats des Falschen Imperators beinahe hat erlöschen lassen. Hast du schon vergessen, wie unsere Legion fast Stück für Stück durch seinen unachtsamen Verrat zerstört worden wäre? Hast du schon vergessen, wie er uns zu stagnieren gestattet hat, bis wir wenig mehr als Gefängnisaufseher waren? Der Falsche Imperator hat uns in dieses Schicksal getrieben und zu einer Ewigkeit der Qual im Auge verdammt. Forrix mag das vergessen haben, ich aber nicht.« »Ich habe nur gemeint...«, begann Obax Zakayo. »Ich weiß, was du gemeint hast«, schnauzte Honsou, während er an den sich in den Wehen neuen Lebens windenden Fleischmassen vorbeiging. »Glaubst du, ich wüsste nichts von deinen Bittgesuchen an Toramino und Berossus? Du hast mich verraten, Obax Zakayo. Ich weiß alles.« Obax Zakayo öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Honsou drehte sich zu ihm um und schüttelte den Kopf. »Du kannst nichts sagen. Ich kann es dir nicht verdenken. Du hast eine Gelegenheit gesehen und sie ergriffen. Aber zu glauben, jemand wie du könnte mich überlisten... ich bitte dich!« Die Servoklauen auf Obax Zakayos Schultern kamen hoch und schnappten wie die Mäuler böser mechanischer Schlangen, und der riesige Iron Warrior umklammerte seine gezähnte Axt.
Honsou lächelte und schüttelte wieder den Kopf, als zwei Brutale Bestatter hinter Obax Zakayo auftauchten. Die Axt wurde ihm aus den Händen gerissen und wie ein Zweig zerbrochen, während sich Bronzeklauen um seine mechanischen Glieder schlossen, die von knisternden, kolbengetriebenen Scheren abgeschnitten wurden. »Nein!«, rief Obax Zakayo, als er aufgehoben wurde. »Ich weiß Dinge, die Ihr wissen müsst!« »Das glaube ich nicht«, sagte Honsou. »Toramino ist nicht so dumm, dir irgendwas von Bedeutung anzuvertrauen.« Honsou nickte den beiden Brutalen Bestattern zu und sagte: »Macht mit ihm, was ihr wollt.« Er wandte sich ab, und Obax Zakayo schrie und häufte Flüche auf sein Haupt, während die Brutalen Bestatter ihn zu seinem zweifellos blutigen Schicksal abführten. Obax Zakayos Verrat war keine Überraschung für Honsou gewesen, sondern hatte sich tatsächlich als äußerst nützlich erwiesen. Bald würden Berossus und Toramino wissen, wie teuer es sie zu stehen kommen würde, einem derart schlechten Verräter vertraut zu haben. Er schlug sich Obax Zakayo aus dem Kopf, während er über den Gitterboden zu einer pfeifenden Masse tranigen, zerrissenen Fleisches ging, die von dem Wesen, das ihn hergeführt hatte, noch weiter gestochen und zerschnitten wurde. Die schmerzerfüllten Züge der Daemonculaba starrten ihn in stummem Grauen an, während ihre glasigen Augen in unaussprechlichen Schmerzen hin und her rollten. Honsou ignorierte ihr Leiden und beugte sich vor, um den aufgerissenen Bauch zu inspizieren, wo kürzlich vernähtes Fleisch brutal aufgerissen worden war. »Von innen...«, stellte Honsou fest. »Er ist selbst herausgeklettert.« Der Kopf des Brutalen Bestatters schaukelte hin und her, obwohl Honsou eindeutig seine Verwirrung ob dieser Tatsache sehen konnte. »Wie kann Ventris das geschafft haben?«, fragte Honsou. »Ich weiß nicht, die Daemonculaba hat ihn gekostet und mit Schlafmitteln vollgestopft. Es hätte nicht passieren dürfen«, krächzte der Bestatter. »Und doch ist es passiert«, sann Honsou, während er die schmierigen Hautlappen des geborstenen Bauchs der
Daemonculaba zurückschlug. Die glitschigen Innereien der großen Bestie zitterten und bebten bei seiner Berührung, und Honsou wich zurück, als die Kreatur einen heftigen Anfall bekam, die ihre gesamte Gestalt erbeben ließ. Zwar hatte sie keine eigene Stimme, aber dennoch drang ein hohes klagendes Heulen aus der zerstörten Kehle, während ein Blutstrom aus der offenen Wunde quoll. »Was passiert damit?«, wollte Honsou wissen. »Bauch ist bereit, das Gewebe abzustoßen«, erklärte der Bestatter. Mehr Blut und amniotische Flüssigkeiten strömten aus dem Bauch der Daemonculaba, und der Brutale Bestatter griff hinein und hackte mit seinen langen schwertartigen Gliedern auf das Innere ein. Zischende, gurgelnde Schläuche transportierten tote Flüssigkeiten ab, und Honsou hörte das Knacken von Knochen und das Reißen von Sehnen aus dem Körper der Daemonculaba. Der Bestatter schnitt die Wunde weiter auf, und mit einem letzten Schwall Blut und blauen und violetten Eingeweiden fiel der Abkömmling der Daemonculaba aus dem Bauch auf den Gitterboden. Er landete mit einem feuchten, fleischigen Klatschen. Muskulös und erheblich weiter gediehen als der kleine Säugling, der er bei seiner Implantation gewesen war. Honsou kniete sich neben den zitternden Neugeborenen, dessen hautloser Leib in den Nachwehen der Gewalt seiner Geburt zitterte. Obwohl er in ein mutiertes Stück Nabelschnur gewickelt war, konnte Honsou erkennen, dass diese Geburt perfekt war - kein Grund, ihn mit dem Rest der Missbildungen durch den Abfluss zu spülen. Seine Muskeln waren mit klebrigen, sauren Rückständen bedeckt, und er fing vor Schmerzen an zu weinen, als der Brutale Bestatter ihn vom Boden aufhob. »Warte«, sagte Honsou, indem er vortrat und blutigen, mit Klumpen durchsetzten Schleim vom glänzenden roten Schädel des Neugeborenen abwischte und seine hautlosen Züge von den Geburtsflüssigkeiten säuberte. Das Neugeborene hob den Kopf bei Honsous Berührung und schaute mit eindringlicher Ernsthaftigkeit in sein Gesicht. Honsou hielt den neugeborenen Chaos Marine seiner schwarzen, klauenbewehrten Hebamme hin. »Mach ihn sauber, dann kleide ihn in frische Haut«, befahl er.
»Gib ihm Obax Zakayos Rüstung, und bring ihn zu mir, wenn er so weit ist.« Der Brutale Bestatter nickte und brachte das quengelnde Neugeborene weg. Und der Herr von Khalan-Ghol lachte, als ihm aufging, dass die Götter des Chaos manchmal doch Sinn für Humor haben konnten. Ob die Manufaktur einfach aufgegeben worden und dann von den Hautlosen in Beschlag genommen worden war oder sie sie sich mit Gewalt erobert hatten, war unbekannt, aber dem Zustand der Verwahrlosung und den herumliegenden Trümmern nach zu urteilen, waren beide Erklärungen möglich. Uriel war schockiert gewesen über die Grässlichkeit der Hautlosen, die er an der Oberfläche Medrengards gesehen hatte, aber die war nichts verglichen mit dem Grauen jener, die unter ihr in der Dunkelheit blieben. Wie solche Wesen leben konnten, verblüffte Uriel, aber wenngleich er Abscheu angesichts ihrer schrecklichen Gestalten verspürte, so empfand er doch auch großes Mitleid für sie. Denn sie waren ebenfalls Opfer der Bösartigkeit der Iron Warriors. Uriel hatte keine Möglichkeit, das Verstreichen der Zeit zu messen, schätzte aber, dass vielleicht zehn oder zwölf Stunden seit ihrer Flucht aus dem Verlies von Khalan-Ghol vergangen waren. Vom Herrn der Hautlosen angeführt, hatten sie einen zermürbenden Marsch in die Höhe der Berge und einem unbekannten Ziel entgegen angetreten, obwohl sie nicht wussten, ob sie als Waffenbrüder oder Gefangene aufgenommen worden waren. Uriel und Pasanius hatten Ellards Wunde verbunden und ihn trotz Vaanes' Protest mitgenommen, der Mann sei so gut wie tot und solle zurückgelassen werden. Nachdem sie den See am Fuß der Klippen verlassen hatten, wo ihre irrsinnige Flucht aus den Tiefen Khalan-Ghols durch den Abwassertunnel geendet war, hatte Uriel gesehen, dass sie in der Tat viele Kilometer von der Festung entfernt waren. Nach vielen weiteren war der Kriegertrupp schließlich zu einer großen Spalte im Berg geführt worden, wo giftige Dampfwolken wehten und Unrathaufen aus Abfall und Knochen gesammelt waren. Sie waren in die stygische Dunkelheit des Bergs gestiegen, und der felsige Weg hatte sich schließlich zu einer Höhle verbreitert,
wo eine unterirdische Manufaktur vielleicht durch ein Erdbeben zerstört worden war. Verbogene eiserne Säulen stützten ein sich neigendes Dach mit riesigen genieteten Trägern, und Strahlen aus trübem Licht fielen durch geborstene, durch die Decke ragende Kühltürme ein und sorgten für Licht in der hallenden Kaverne. Gewundene Brücken aus verknoteten Seilen verbanden die Säulenwälder, und in die Mitte der Manufaktur war eine große Grube in den Boden gegraben oder gebohrt worden, wo etwas Unsichtbares im matten Licht funkelte und sich wand. Haufen zerschmetterter Maschinen lagen verrostet in Pfützen, und Gruppen der Hautlosen, die viele Hundert zählten und nasse, glänzend rote Leiber hatten, versammelten sich um sie. Diese Hautlosen waren die wahren Ungeheuer, so mutiert und deformiert, dass sie nicht jagen oder - in einigen Fällen - sich nicht einmal bewegen konnten. Haufenweise entstellte Leiber, verdrehte Gliedmaßen ohne Zahl und zusammengeschmolzenes Fleisch, die alle in beständigem Schmerz jammerten und heulten. »So viele...«, sagte Uriel. Bevor es zu weiteren Kommentaren kommen konnte, waren sie weiter in die Tiefen der Manufaktur geführt worden, und der Herr der Hautlosen hatte ihnen bedeutet, sich in den Schatten einer großen Walzmaschine mit Hämmern von der Größe eines Kampfpanzers zu setzen. »Ihr. Nicht bewegen.« »Warte«, sagte Uriel. »Was willst du von uns?« »Stamm muss reden. Entscheiden, ob ihr unerwünscht seid wie wir oder nur Fleisch. Wahrscheinlich töten wir euch alle«, räumte der Herr der Hautlosen ein. »Gutes Fleisch auf den Knochen und frische Haut zu tragen.« »Uns töten?«, schnauzte Vaanes. »Wenn ihr uns einfach töten wollt, warum hast du uns dann überhaupt erst hergebracht, du verdammte Missgeburt?« »Schwache von Stamm brauchen das Fleisch«, rasselte das Ungeheuer, während es Ellard mit unverhohlenem Appetit anstarrte. Der Sergeant hatte sie alle überrascht, weil er die Kletterpartie hierher überlebt hatte, aber Uriel sah, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Blut quoll durch den aus seiner zerrissenen Uniformjacke improvisierten Verband, und sein Gesicht war totenbleich. »Sie nicht jagen können, also wir ihnen bringen Fleisch.«
»Du musstet ja unbedingt fragen«, knurrte Pasanius. Vaanes zuckte die Achseln und hockte sich mit dem Rücken zu den Ultramarines auf den Boden. Dann war der Herr der Hautlosen zu seinem Stamm gegangen und hatte sie in der Gesellschaft eines Dutzends riesiger Ungeheuer zurückgelassen, jedes größer als ein Cybot und mit einem furchterregenden Arsenal spitzer Zähne und langer Krallen ausgestattet. Mittlerweile warteten sie seit Stunden in dem stinkenden Dämmerlicht, während ihre Häscher - oder Brüder debattierten, ob sie sie töten sollten oder nicht. Das Ungeheuer, gegen das Uriel in dem See gekämpft hatte, gehörte auch zu den Wächtern, obwohl es sich immer noch nicht an der in seinem Bauch steckenden Waffe zu stören schien. »Verdammt, ich wünschte, ich wüsste, was sie machen«, sagte Uriel, während er sich von den Hautlosen abwandte, die sie bewachten. »Tatsächlich?«, sagte Pasanius. »Ich bin mir da gar nicht so sicher.« »Wir können nicht hierbleiben. Wir müssen in die Festung zurück.« »In die Festung zurück?«, lachte Ardaric Vaanes. »Meinst du das ernst?« »Todernst«, nickte Uriel. »Wir haben einen Todeseid zu erfüllen, die Daemonculaba zu zerstören oder bei dem Versuch zu sterben.« »Dann werdet ihr sterben«, versprach Vaanes. »Dann sterben wir eben«, sagte Uriel. »Hast du denn nichts von dem verstanden, was ich dir gesagt habe Vaanes?« »Wage es ja nicht, mir Vorträge über Ehre und Pflicht zu halten, Ventris«, warnte Vaanes. »Ich habe genug von dem gesehen, was deine Ehre zu bieten hat. Die meisten von uns sind schon tot, und wofür?« »Kein Krieger, der für die Ehre in Diensten des Imperator sein Leben gelassen hat, ist je umsonst gestorben.« »Erspar mir deine geborgte Weisheit, Ventris«, höhnte Vaanes. »Sie steht mir bis hier oben. Wenn wir das hier überleben, gehe ich nicht wieder in die Nähe der Festung. Ich bin fertig mit deinem Heldentum und überlasse dich deinem Tod.« »Dann habe ich mich in dir getäuscht, Vaanes«, sagte Uriel.
»Ich dachte, du hättest noch Ehre in dir, aber jetzt sehe ich, dass es nicht so ist.« Vaanes ignorierte Uriel und starrte mürrisch auf die ungeschlachten, missgestalteten Bestien, die sie be wachten. Uriel wandte sich an Pasanius und sagte: »Dann sind wir auf uns allein gestellt, mein Freund.« »So scheint es«, gab Pasanius ihm zögernd recht, und Uriel sah, dass sein Freund gern gesprochen hätte - und von der furchtbaren Last eines Schuldgefühls niedergedrückt wurde. Verlegenes Schweigen lastete zwischen ihnen, da keiner wusste, wie er es brechen und sagen sollte, was gesagt werden musste. »Warum hast du mir nichts erzählt?«, sagte Uriel schließlich. »Wie sollte ich?«, schluchzte Pasanius. »Ich war verflucht. Vom Bösen berührt und verdorben!« »Wie? Wann?«, fragte Uriel. »Auf Pavonis, glaube ich.« Nun, da er sich einmal zu reden entschlossen hatte, gab es kein Halten mehr, und die Worte sprudelten in eiliger Beichte nur so aus ihm heraus. »Du weißt noch, dass ich die Prothese schon in dem Augenblick gehasst habe, als sie mir von den Leuten des Shonai-Kartells angepasst worden ist?« »Aye«, nickte Uriel, der sich noch daran erinnerte, wie Pasanius sich darüber beklagt hatte, der Arm könne nie so gut sein wie einer, der durch ein Leben des Krieges stark geworden sei. »Ich hatte ja keine Ahnung«, fuhr Pasanius fort. »Nach einer Weile hatte ich mich daran gewöhnt und wusste sogar die Kraft des Arms zu schätzen, aber nachdem wir die Orks auf der Tod der Tugend bekämpft hatten, fiel mir zum ersten Mal auf, dass etwas nicht stimmte.« Uriel erinnerte sich noch gut an den verzweifelten Kampf um die Zerstörung des von Orks und Tyraniden verseuchten Space Hulk, das ins System von Tarsis Ultra getrieben und der Vorbote der großen Schlacht gegen eine Splitterflotte von Bioschiffen aus der Schwarmflotte Leviathan gewesen war. »Was ist passiert?« »Wir haben gegen die Orks gekämpft, kurz bevor du ihren Anführer getötet hast, weißt du noch? Einer der Grünhäute hatte sich hinter mich geschlichen und hätte mich mit seiner Kettensäge beinahe geköpft.« »Ja, du hast den Hieb mit dem Arm abgewehrt.«
»Aye, das habe ich, und du hast gesehen, wie groß die Klinge war. Mein Arm hätte in Stücke gehackt werden müssen, aber das wurde er nicht. Er hatte nicht einmal einen Kratzer.« »Aber das ist unmöglich«, sagte Uriel. »Das habe ich auch gedacht, aber später, als wir uns abgesetzt haben, war er wieder so gut wie neu und hatte nicht mal einen Kratzer.« »Ich kann mich erinnern...«, flüsterte Uriel, während er Pasanius' Arm vor sich sah, als dieser nach unten griff und ihn in Sicherheit zog, während ihre Sprengladungen explodierten und das Space Hulk auseinanderrissen. »Er hat wie Silber geglänzt.« »Ich weiß, aber mir ist das erst aufgefallen, als wir wieder an Bord der Vae Victus waren und mir aufging, dass mein Arm eigentlich völlig zerstört hätte sein müssen. Ich dachte, ich hätte mir den harten Treffer vielleicht nur eingebildet, aber heute weiß ich, dass es nicht so war.« »Wie ist das möglich? Glaubst du, die Adepten von Pavonis hatten Zugriff auf irgendeine Form von Xeno-Tech?« »Nein«, sagte Pasanius kopfschüttelnd. »Die silberhäutigen Teufel, die wir unter Pavonis bekämpft haben, die Diener des Bringers der Finsternis, die konnten dasselbe. Wie hart man sie auch schlug, stach oder schoss, sie konnten immer wieder aufstehen, und ihre Körper setzten sich von selbst wieder zusammen.« »Die Necrontyr«, sagte Uriel. Pasanius nickte. »Aye, Necrontyr. Ich glaube, dass vielleicht ein Teil des Bringers der Finsternis in mich gefahren ist, als er mir den Arm abgehackt hat, etwas Verdorbenes, das gewartet und dann im Metall meines neuen Arms eine Heimat gefunden hat.« »Warum hast du nichts gesagt?«, sagte Uriel. »Es war deine Pflicht, das zu melden.« »Ich weiß«, sagte Pasanius niedergeschlagen. »Aber ich habe mich geschämt. Du kennst mich, es war immer meine Art, mich selbst um Sachen zu kümmern. So war ich schon als Junge auf Calth.« »Ich weiß, aber du hättest es Clausel trotzdem beichten müssen. Ich muss es melden, wenn wir wieder nach Macragge zurückkehren.« »Du meinst, falls wir zurückkehren«, erinnerte Pasanius ihn. »Nein«, sagte Uriel mit Nachdruck. »Wenn.«
Uriel drehte sich um, als er Schritte hinter sich hörte. Oberst Leonid stand hinter ihm, und sein Gesicht wirkte erschöpft und ausgemergelt, als er verkündete: »Sergeant Ellard ist tot.« Uriel warf einen Blick dorthin, wo der große Mensch lag, und legte Leonid eine Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, mein Freund. Er war ein feiner Mann und ein guter Soldat.« »Er hätte nicht so sterben sollen, allein in der Dunkelheit.« »Er war nicht allein«, sagte Uriel. »Am Ende waren Sie bei ihm.« »Aber es ist trotzdem nicht recht«, flüsterte Leonid. »So viel überstanden zu haben und dann so zu sterben.« »Man hat selten die Wahl in der Art seines Todes«, sagte Uriel. »Die Art, wie man lebt, macht den Krieger aus. Ich habe Ellard nicht gut gekannt, aber ich glaube, er wird einen Platz an der Seite des Imperators finden.« »Das hoffe ich«, stimmte Leonid zu. »Ach, und Sie haben sich übrigens geirrt.« »In welcher Beziehung?« »In der Beziehung, dass Sie allein nach Khalan Ghol zurückkehren müssen. Ich werde Sie begleiten.« Uriel spürte, wie seine Bewunderung für Leonid weiter anstieg, und sagte: »Sie sind ein außergewöhnlicher Mann, Oberst, und ich nehme Sie beim Wort. Obwohl Sie wissen sollten, dass Vaanes beinahe mit Sicherheit recht hat. Diese Sache wird aller Wahrscheinlichkeit nach unser Tod sein.« Leonid zuckte die Achseln. »Das stört mich nicht mehr. Ich lebe auf geborgter Zeit, seit das 383. nach Hydra Cordatus befohlen wurde, also habe ich vor, dem Tod ins Gesicht zu speien, bevor er mich holt.« Ein langsames Beifallklatschen war zu hören, und in Uriel flackerte Wut auf, als er sah, wie Vaanes sich über sie lustig machte. Der abtrünnige Marine der Raven Guard schüttelte den Kopf. »Ihr seid alle Narren«, sagte er. »Ich spreche ein Gebet für euch, wenn wir von diesen Ungeheuern nicht getötet werden.« »Sei still!«, zischte Uriel. »Ich will keine Gebete von Leuten wie dir, Vaanes. Du bist kein Space Marine mehr, du bist nicht einmal mehr ein Mensch. Du bist ein Feigling und ein Verräter!« Vaanes kam auf die Beine, und Hass flackerte in seinen violetten Augen auf, während die Energieklaue aus seinem
Panzerhandschuh ausfuhr. »Ich habe dir doch gesagt, dass mich niemand zweimal so nennt!« Bevor Blut vergossen werden konnte, fiel ein großer Schatten auf die Gruppe, als die mächtige Gestalt des Herrn der Hautlosen ins Licht trat. Eine Gruppe abscheulich deformierter Kreaturen begleitete ihn, und ein buckliges Ungeheuer, dessen Kopf mit dem Rückgrat verschmolzen war, hinkte zu Ellards Leichnam. Es tauchte eine lange Kralle in die Bauchwunde des toten Sergeanten und hob den blutigen Finger dann zum Mundschlitz. »Totfleisch«, sagte es. »Noch warm.« Der Herr der Hautlosen nickte mit seinem riesigen Kopf. »Nimm es. Fleisch für den Stamm.« »Nein!«, rief Leonid, als der Bucklige den Leichnam des Sergeanten mühelos aufhob. Pasanius streckte den einen ihm noch verbliebenen Arm aus und hielt Leonid zurück, während er zischte: »Nein, nicht. Das ist nicht mehr Ihr Freund, es ist nur die Hülle, die er getragen hat. Er ist jetzt beim Imperator, und diese Ungeheuer können ihm nichts mehr anhaben. Sie stürzen sich nur unnötig in den Tod.« »Aber sie wollen ihn fressen!« »Ich weiß«, sagte Uriel, der sich vor den sich wehrenden Mann stellte. »Aber Sie haben sich verpflichtet, uns bei unserem Todeseid zu unterstützen, und wenn Sie ihn brechen, brechen Sie ihn für uns alle.« »Was?«, stotterte Leonid. »Aye«, nickte Uriel. »Wir sind jetzt alle an dieses Unternehmen gebunden. Pasanius, ich und jetzt auch Sie.« Leonid schien das nicht ohne Widerspruch hinnehmen zu wollen, aber Uriel sah, dass ihm die Erkenntnis des Pakts, den er mit den Ultramarines eingegangen war, den Wind aus den Segeln genommen hatte. Er nickte benommen und hörte auf, sich zu wehren, als sich der Herr der Hautlosen vor ihnen aufbaute. »Ihr kommt jetzt mit«, sagte das Ungeheuer. »Wohin?«, fragte Uriel. »Zum Imperator. Er wird entscheiden, ob ihr sterbt oder nicht.«
SIEBZEHN Die Rüstung des Imperators war schmutzig und mit den
Rückständen ungezählter Millennien der Industrie befleckt, und der Adler auf seinem Brustharnisch war nur noch eine Reihe verrosteter Bronzestreifen. Schulterschützer aus gehämmertem Metall hingen von seinen mächtigen Schultern, und aus seinem Rücken ragte ein Paar heiliger Flügel aus fleckigem Metall. Über zwanzig Meter groß und von dicken Eisenketten in der großen Grube in der Mitte der Manufaktur aufrechtgehalten, war die Statue eine Schöpfung höchster Verehrung. Uriel fühlte sich wie ein Kind vor dieser kolossalen Größe, und ihm fiel wieder ein, wie er das erste Mal eine Statue des Imperators in der Basilika Konor auf Calth gesehen hatte. Wenngleich die Statue dort meisterhaft aus wunderbar geädertem Marmor aus den tiefen Brunnen Calths gehauen war, so war diese - trotz ihrer Primitivität - doch nicht weniger beeindruckend. Der Imperator der Hautlosen hing über der Schwärze der Grube, und Rüstung und Glieder bestanden aus allen möglichen Trümmern und Maschinenteilen, die bei Aufgabe der Manufaktur zurückgelassen worden waren. Mochten einige übereifrige fanatische Prediger des Ministorum es auch blasphemisch finden, dass solche abscheulichen Kreaturen so ein primitives Abbild des Imperators geschaffen hatten, Uriel fand es seltsam rührend. »Möge uns der Imperator beschützen!«, zischte Pasanius, als er die hängende Statue erblickte. »Tja, das werden wir gleich erfahren«, erwiderte Uriel, als ihm aufging, dass sein erster Eindruck richtig gewesen war, als er sich vor dieser Statue wie ein Kind gefühlt hatte. Wer wusste schon, wie lange die Hautlosen unter der Oberfläche Medrengards lebten oder welche Erinnerungen sie an die Zeit vor ihrer Abtreibung und Implantation in das Grauen der Daemonculaba hatten? Doch eines war klar - in den unschuldigen Kindern, die in die Hautlosen verwandelt worden waren, hatte eine Erinnerung überlebt, ständig und dauerhaft: die an den unsterblichen und wohlmeinenden Imperator der Menschheit. Trotz allen Grauens, das über die Hautlosen hereingebrochen war, erinnerten sie sich noch an die Liebe des Imperators, und Uriel empfand eine immense Trauer über ihr Schicksal. Auch wenn sie auf grässliche Weise verändert worden und Ungeheuer geworden waren, erinnerten sie sich immer noch an den
Imperator und hatten ein Bildnis von ihm geschaffen, auf dass es über sie wachen möge. Uriel und die anderen wurden grob zum Rand der großen Grube gestoßen, während die Hautlosen näher kamen. Uriel sah, dass es viele Hundert waren - von denen viele auf ihren mutierten Beinen, Korkenzieherknochen oder Fleischmassen, die einst Glieder gewesen waren, nicht laufen konnten und denen von ihren Brüdern geholfen wurde. »Gott-Imperator, seht sie euch an!«, sagte Vaanes. »Wie kann man solchen Wesen erlauben zu leben?« »Halt den Mund, Vaanes«, sagte Uriel traurig. »Sie sind mit dir und mir verwandt, vergiss das nicht. Das Fleisch des Imperators ist in ihnen.« »Das kann nicht dein Ernst sein«, sagte Vaanes. »Sieh sie dir doch an. Sie sind böse.« »Sind sie das? Ich bin nicht so sicher.« Eine Atmosphäre des Hungers und Selbsthasses hing über der Grube, als der Herr der Hautlosen sich umdrehte und zu voller Größe aufrichtete. Er griff nach hinten, zog Uriel vorwärts und hob ihn mühelos in die Höhe. Machtlos gegen so viel Kraft, spürte Uriel, wie er den Boden unter den Füßen verlor, da er über der bodenlosen Grube schwebte. »Mutters Fleisch an dir gerochen«, brüllte der Herr der Hautlosen. »Ihr aus Berg der Eisenmänner gespült und aus Wand gefallen. Aber ihr nicht ausseht wie wir. Warum ihr habt Haut?« Uriels Gedanken überschlugen sich, während er sich überlegte, mit welcher Antwort er verhindern konnte, in die Grube geworfen zu werden. Der Blick der gelben Augen des Ungeheuers bohrte sich in seine, und Uriel sah eine verzweifelte Sehnsucht in ihnen, ein kindliches Bedürfnis nach... wonach? »Ja!«, rief er. »Wir sind aus dem Berg der Iron Warriors gekommen, aber wir sind ihre Feinde.« »Ihr auch Unerwünschte? Nicht Freunde von Eisenmännern?« »Nein!«, schrie Uriel aus vollem Halse, damit alle Hautlosen rings um die Grube ihn hören konnten. »Wir hassen die Eisenmänner und sind gekommen, um sie zu vernichten!« »Euch schon einmal gesehen«, knurrte der Herr der Hautlosen. »Gesehen, wie ihr Eisenmänner in Bergen tötet. Wir viel Fleisch erbeutet.« »Ich weiß. Ich habe es gesehen.«
»Ihr Eisenmänner getötet?« »Ja!« »Mutters Fleisch an euch, ja?« Uriel nickte, während das Ungeheuer weiterredete. »Fleischmütter von Eisenmännern uns hässlich gemacht, aber Imperator hasst uns nicht wie Eisenmänner, er liebt uns immer noch. Eisenmänner wollen uns töten. Aber wir stark und nicht sterben, obwohl sterben gut für uns. Schmerzen hören auf, Imperator nimmt Schmerzen weg und macht uns wieder ganz.« »Nein«, sagte Uriel, der endlich wenigstens teilweise diese Kreatur begriff, die trotz ihrer gewaltigen Kraft und kolossalen Größe in ihrem monströs geschwollenen Schädel nur ein Kind war. Sie sprach mit der Schlichtheit und Klarheit eines Kindes von der Liebe des Imperators, und als Uriel ihr in die Augen sah, fand er darin ihre tödliche Sehnsucht, für ihre Abscheulichkeit Buße zu tun. »Der Imperator liebt euch«, sagte er. »Er liebt alle seine Kinder.« »Imperator spricht zu dir?«, sagte der Herr der Hautlosen. »Das tut er«, bejahte Uriel und hasste sich für diese Täuschung, begriff aber ihre Notwendigkeit. »Der Imperator hat uns geschickt, um die Eisenmänner zu vernichten und die Dae... die Fleischmütter, die euch so gemacht haben. Er hat uns zu euch geschickt, damit ihr uns helfen könnt.« Das Wesen zog ihn näher zu sich heran, und Uriel spürte, wie Argwohn und Hunger mit einem tief verwurzelten Verlangen rangen, sich an seinen Schöpfern zu rächen, an jenen, denen er seine Missbildungen zu verdanken hatte. Es beroch ihn noch einmal, und Uriel hoffte nur, dass der Gestank der Daemonculaba, der ihm im See geholfen hatte, noch stark genug an ihm haftete. Doch der Herr der Hautlosen brüllte nur gequält und holte aus, und Uriel schrie auf, als er in die Grube geworfen wurde. Uriel segelte durch die Luft, und ein Kaleidoskop aus Bildern wirbelte an ihm vorbei: entstellte Bestien, die einst Kinder gewesen waren, eine verrostete Eisenkette, silberne Platten aus gehämmertem Metall und die schwarze, bodenlose Leere der Grube. Er prallte gegen das hängende Abbild des Imperators, und
der Schlag raubte ihm den Atem. Er griff nach dem Metall, tastete nach etwas zum Festhalten und spürte, wie seine Fingernägel an Nieten abbrachen, da er an dem rauen Eisen herabglitt. Das schwarze Loch der Grube gähnte unter ihm und verhieß den Tod, doch seine Finger schlossen sich um eine Platte aus gehämmertem Eisen, die nicht ganz plan am Leib der Statue anlag. Ihre Kanten waren teilweise scharf, und er spürte, wie die Spitze seines Mittelfingers von einer dieser scharfen Kanten abgetrennt wurde. Die Platte bog sich und kreischte und löste sich von der Statue, aber sie hielt seinen Fall so lange auf, dass er sich am Bronzeadler auf dem Brustharnisch des Imperators festklammern konnte. Uriel hielt sich mit einer Hand aus Leibeskräften fest, während er über der Dunkelheit der Grube hing und dabei leicht hin und her schwang, während die Hautlosen brüllten und - jene, die dazu in der Lage waren -mit den Füßen stampften und skandierten: »Stamm! Stamm! Stamm!« Nun, da er sich besser an der Statue festhalten konnte, zog er sich an den Metallstreifen hoch, die den Adler bildeten, und schwang sich keuchend auf den Schulterschutz des Imperators. Der Herr der Hautlosen stand reglos am Rand der Grube, und Uriel hatte keine Ahnung, was er als Nächstes tun sollte. Er sah, wie die Hautlosen die Reste des Kriegertrupps ergriffen und Pasanius, Leonid, Vaanes und die anderen Space Marines zum Rand der Grube schleiften. »Nein!«, rief er, wobei er das Risiko einging, sich aufzurichten und an den riesigen Helm der schwankenden Statue zu lehnen. »Nein!« Dann geschah das Wunder. Ob es ein lange untätiger Mechanismus in der ramponierten Maschine war, die den Helm der Statue bildete - und durch Uriel Bewegungen kurzfristig noch einmal zum Leben erweckt wurde oder die Macht des Imperators, würde Uriel nie erfahren, aber in diesem Augenblick zuckte plötzlich ein strahlendes Licht aus dem primitiv gestalteten Visier. Ein tiefes Summen wie von einem arbeitenden Generator baute sich unter dem Helm auf, und die Hautlosen zogen sich voller Entsetzen vor der großen Statue zurück, da der Lichtschein greller wurde. Uriel spürte, wie das Metall des Helms heiß wurde, und obwohl er keine Ahnung hatte, was eigentlich vorging, war er
nicht gewillt, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Er rief dem Herrn der Hautlosen zu: »Siehst du! Der Imperator will, dass ihr uns helft! Gemeinsam können wir die Fleischmütter und die Eisenmänner vernichten!« Die große Bestie sank auf die Knie, den breiten Mund vor Verzückung geöffnet, während sich den Kehlen der um die Grube versammelten Hautlosen ein schreckliches Ächzen und Heulen entrang. Heiße Funken sprangen vom Metall des Helms, und Uriel ging auf, dass er rasch von der Statue herunter musste, um nicht irgendwann von dem, was für diese Vorgänge verantwortlich war, unter Strom gesetzt und getötet zu werden. Er tastete sich an den Schulterschützern des Imperators vorbei und bat dabei den Herrn der Menschheit um Vergebung für die respektlose Behandlung seines Abbilds, während er sich zur nächsten Haltekette vorarbeitete. Kaum war er auf die Kette geklettert und hatte sich von dem Helm gelöst - der jetzt in einem durchdringenden, blendenden Schein erstrahlte -, als ein lauter Donnerschlag ertönte und er in einem Gewitter aus Funken und blauen Blitzen explodierte. Die Hautlosen heulten vor Furcht, als die Ketten rissen und die Statue des Imperators in die Tiefe der Grube fiel, während die dicken Ketten in Richtung Grubenwand schwangen. Uriel schwang mit und fing einen Großteil des Schwungs mit ausgestreckten Beinen ab, so dass der Aufprall erträglich war. Uriel drehte sich jetzt an der Kette über dem bodenlosen Abgrund, die Knöchel weiß verfärbt, da er sich an den abblätternden Gliedern der Kette festhielt. So blieb er hängen, bis er wieder zu Atem gekommen war, und begann dann vorsichtig mit dem langen Aufstieg nach oben. Beim Klettern spürte er plötzlich, wie von oben an der Kette gezogen wurde. Da er nichts anderes tun konnte, wartete Uriel einfach ab, was das Schicksal für ihn bereithielt. Als er nach oben schaute, sah er die gewaltige rohe Hand des Herrn der Hautlosen nach unten greifen und ihn von der Kette pflücken. Er wurde hochgehoben und grob neben Pasanius und Ardaric Vaanes abgestellt, die ihn mit ängstlicher Scheu betrachteten. Uriel zuckte die Achseln, zu sehr außer Atem, um etwas zu sagen. Der Herr der Hautlosen kniete sich neben ihn und sagte: »Imperator liebt dich.«
»Ich glaube, dass er das vielleicht tut...«, keuchte Uriel. Der Herr der Hautlosen nickte und zeigte auf die Grube. »Ja. Du noch am Leben.« »Ja«, japste Uriel. »Du hast recht, der Imperator liebt mich. Wie er auch euch liebt.« Das Wesen nickte langsam. »Dir helfen Eisenmänner töten. Fleischmütter auch. Darf nicht noch mehr von uns geben.« »Danke...«, seufzte Uriel. »Imperator uns liebt, aber wir uns hassen«, sagte der Herr der Hautlosen gequält. »Wir nicht getan, das nicht verdient. Wollen Eisenmänner töten, aber nicht wissen, wie in den Berg kommen. Können nicht kämpfen über hohe Mauern!« Uriel straffte sich und lächelte den Herrn der Hautlosen trotz seiner Begegnung mit dem Tod an, da ihm plötzlich ein Teil ihres Marsches nach Khalan-Ghol mit einer Klarheit vor Augen stand, die gewiss auf mehr als bloße Erinnerung zurückzuführen war. »Das spielt keine Rolle«, sagte Uriel. »Ich kenne einen anderen Weg hinein.« Khalan-Ghol erbebte unter der Wut des neuerlichen Bombardements, und Granaten explodierten wie Feuerstürme auf ihren alten Mauern. Armeen schwerer Panzer und ganze Korps von Soldaten versammelten sich am Fuß der gigantischen Rampe, die zu dem Bergplateau führte, das alles war, was von den äußeren Verteidigungsanlagen der Festung noch übrig war. Zeitweilige, aber doch unglaublich robuste Schanzen und Wälle hatten die Arbeiter und Maschinen geschützt, welche die Rampe gebaut hatten, und nun, da sie fertig war, begann Berossus mit seinem letzten Angriff. Sie war ein Wunder der Konstruktions- und Ingenieurskunst und führte viele Tausend Meter den Berg empor, nachdem sie viele Kilometer vor dem felsigen Hochland ihren Anfang nahm. Mit segmentierten Eisenplatten gepflastert, rollten sie unzählige Panzer im Kielwasser zweier gewaltiger Titanen empor, deren Rüstung rot und noch tropfnass vom Blut vieler tausend Opfer waren. Mit gewaltigen Belagerungshämmern, pneumatischen Kolbenbohrern und mächtigen Kanonen ausgestattet, beförderten diese kolossalen Landschlachtschiffe außerdem die besten Krieger aus Berossus' großer Kompanie. Diese Krieger würden den
Ansturm durch die Mauern der Festung anführen und sie Stein für Stein niederreißen. Ein Tunnel mit einer gigantischen Einmündung führte ins Felsgestein der Rampe, und riesige Gleise verschwanden in der Dunkelheit, die vor dem Fuß des Bergs endeten. Große Bergbaumaschinen waren durch den Tunnel transportiert worden und bereiteten sich darauf vor, die Unterseite der Festung zu durchbrechen und sich ins Herz von Honsous Bau zu bohren. Zehntausende Soldaten warteten in der schweißtreibenden Dunkelheit des Tunnels, um die Festung von unten zu stürmen. Der Verräter Obax Zakayo hatte präzise Informationen hinsichtlich der besten Stelle für einen Durchbruch geliefert, und im Zusammenwirken mit dem Frontalangriff bedeutete das, Honsous Leben konnte nach Stunden gemessen werden. Zuversichtlich, dass die letzte Schlacht bevorstand, führte Berossus den Angriff persönlich an der Spitze eines Rudels von beinah hundert blutgierigen Cybots. Der Beginn der letzten Schlacht um Khalan-Ghol stand kurz bevor. »Wir können diesen Angriff nicht aufhalten«, sagte Onyx, der zusah, wie Berossus' Titanen ihren stetigen Aufstieg die Rampe empor zur Festung begannen. Wenngleich noch viele Kilometer vom Ende entfernt, war ihre dämonische Erhabenheit ein prächtiger Anblick. »Berossus wird uns in einem Gewitter aus Eisen und Blut hinwegfegen.« Honsou sagte nichts, aber in seinem Mundwinkel zuckte die Andeutung eines Lächelns. Er beobachtete ebenfalls die riesige Streitmacht, die gekommen war, sie zu vernichten. Viele Hundert kreischende Dämonenkrieger flogen über ihnen am Himmel Kreise, Phalanxen waffenbildender Ungeheuer, deren Fleisch unter dem Einfluss mechaorganischer Schaltkreise blubberte und brodelte. Scharen heulender, spinnengliedriger Dämonenmaschinen schepperten und ratterten die Rampe empor und spien dabei giftige Abgase. Die an ihre eisernen Leiber gefesselten höllischen Wesenheiten waren nun, da sie aus ihren Käfigen gelassen worden waren, erpicht auf ein Gemetzel. In seine verbeulte und ramponierte Servo-Rüstung gehüllt, während ein unbekümmerter Ausdruck von Schlachtenhunger
seine bleichen Züge verzerrte, und mit einem silbern glänzenden bionischen Arm anstelle desjenigen, den ihm sein früherer Herr geschenkt hatte, schien Honsou das nahende Verhängnis kaltzulassen. Das verwirrte Onyx, der aber schon lange vorher erkannt hatte, dass ihm die Gedankengänge von Khalan-Ghols jüngstem Herrscher ein Rätsel waren - der Mischling ähnelte keinem der Kriegsschmiede, denen er in seinen Äonen der Dienstbarkeit für die Herren dieser Festung gedient hatte, und verhielt sich auch ganz anders. »Ihr scheint nicht übermäßig beunruhigt zu sein«, fuhr Onyx fort. »Das bin ich auch nicht«, erwiderte Honsou, indem er sich von der geborstenen Brustwehr seines obersten Bollwerks des Turms abwandte. Ein heißer Wind wehte, der nach Asche und Metall schmeckte. Honsou holte tief Luft und wendete sich schließlich seinem Kämpen zu. »Berossus hat mich bisher noch nicht im Stich gelassen«, sagte er mit Blick auf den großen Tunnel, der in die Rampe und zweifellos unter die Festung führte. »Und ich hoffe, das wird er auch jetzt nicht tun. Nicht noch im letzten Moment.« »Das verstehe ich nicht.« »Keine Sorge, Onyx, ich weiß, deine Besorgnis gilt deiner Essenz, nicht meinem Leben, aber du brauchst es auch nicht zu verstehen. Du brauchst mir nur zu gehorchen.« »Euer Wunsch ist mir Befehl.« »Dann vertrau mir einfach«, grinste Honsou und schaute in die Tiefe, wo Rauch und knisternde Blitze sich verschworen hatten, seine eigenen Titanen und die meisterhaften Anlagen zu verhüllen, die er für Berossus vorbereitet hatte. Er starrte in den konturlosen weißen Himmel und auf die Sonne, die wie ein schwarzes Loch über ihm brannte. »Ich kämpfe beinahe ebenso lange wie Berossus und Toramino im Langen Krieg und habe meine eigenen Pläne.« »Das hoffe ich um Euretwillen«, sagte Onyx. »Selbst wenn es uns gelingt, diesen Angriff aufzuhalten, bleibt immer noch Lord Toramino. Seine Armee hat noch gar nicht in den Kampf eingegriffen.« Honsou blickte auf den Schein der Feuer und Schmelzen weit hinter denen von Berossus' Lagern, wo Toramino unsichtbar und
unerkannt wartete. Hier registrierte Onyx endlich einen Hauch von Unbehagen. »Er wartet, bis Berossus uns und seine eigenen Krieger zu Staub zermahlen hat, bevor er losmarschiert, um Khalan-Ghol einzunehmen und Herr über die Ruinen zu werden.« »Und wie wollen wir ihn daran hindern?« Honsou lachte. »Eins nach dem anderen, Onyx, eins nach dem anderen.« Das verhasste Geräusch massierten Artilleriebeschusses war gedämpft und weiter entfernt, obwohl Uriel klar war, dass es gefährlich nah sein musste, wenn sie es so tief unter den Bergen hören konnten. Staub fiel in trägen Wolken vom Tunneldach, und feine Kiesel kollerten und tanzten auf dem Boden. Die Dunkelheit war absolut, sogar seine verstärkte Sicht hatte Schwierigkeiten, das Dunkel zu durchdringen. Im Tunnel war es heiß. Und es stank durchdringend nach Tieren, obwohl es sich nicht um Tiere handelte. Sie waren menschlich oder es zumindest einmal gewesen. Viele Hundert Hautlose marschierten durch die beängstigenden Tunnel unter den Bergen, deren gewundene Route sie durch hallende Kristallkammern, aufgegebene Manufakturen und schwindelerregend steile Felsrinnen emporführte, die in den Fels gehauen waren. Ihre massigen Leiber füllten die Gänge aus, da sie Uriel und die anderen zurück nach Khalan-Ghol brachten. Sie folgten dunklen und geheimen Wegen unter den Bergen, die von allen außer ihnen vergessen worden waren, den versteckten, verlassenen Kanälen und Gängen, die sie ihrem Schicksal entgegenführten. Hinter Uriel grunzte Pasanius vor Anstrengung, dem die Amputation das Vorankommen zusätzlich erschwerte, doch wo immer er auf Probleme stieß, griff der Herr der Hautlosen hinter sich und half ihm weiter. Das riesige Wesen ging durch die Dunkelheit voran, und seine massige Gestalt füllte die Breite des Gangs mühelos aus. Wären nicht seine buckligen Schultern und der gebeugte Kopf gewesen, hätte er sich an den zahllosen herabhängenden Stalaktiten sicher den Kopf eingeschlagen. Der Herr der Hautlosen marschierte mit neuer Zielstrebigkeit,
und seine langen, federnden Schritte gaben ein furchterregendes Tempo durch die geheimen Berggänge vor. Uriel zuckte beinahe bei jedem Schritt zusammen, da er auf die schmerzlindernden Mittel seiner Rüstung verzichten musste und somit unter den ungemilderten Schmerzen in den gebrochenen Rippen und dem Schlüsselbein litt. Außerdem brannte jeder Atemzug wie Feuer in seinem einen noch funktionierenden Lungenflügel. Weiter hinten wurde Leonid von einer verdrehten Kreatur mit einem verwelkten, runzligen siamesischen Zwilling auf dem Rücken getragen, der den Oberst festhielt. Und noch weiter hinten folgten Ardaric Vaanes und seine beiden überlebenden abtrünnigen Space Marines. Als sich die Verzückung über das Erwachen des Imperators vor den Hautlosen gelegt hatte, waren die Kreaturen mit fliegenden Fahnen und der eifrigen Inbrunst eines Kreuzzugs zu Uriel übergewechselt und hatten alle mobilisiert, die jagen und kämpfen konnten. Uriel hätte über die heilige Freude weinen können, von der jeder von ihnen durchdrungen war, was die Tatsache, dass er sie getäuscht hatte, für ihn noch schwerer erträglich machte. Als er vor dem Herrn der Hautlosen auf die Beine gekommen war, hatte dieser einem aus seinem Stamm ein Zeichen gegeben, und ein anderes Ungeheuer war vorgetreten: die Bestie, gegen die er im See gekämpft hatte und in deren Leib immer noch sein Schwert steckte. »Nimm Klinge«, hatte der Herr der Hautlosen gesagt, und Uriel hatte genickt und behutsam die Hände um das Heft der Waffe geschlossen. Er hatte gezogen, mit der ganzen Kraft seiner Muskeln, da er gegen den Zugriff des um die Klinge verkrampften Fleisches ankämpfte, und die Füße fest gegen den Boden der Manufaktur gestemmt, um einen besseren Halt zu haben. Das Schwert steckte fest im Körper der Bestie, und er war gezwungen, die Klinge ein wenig zu drehen, um sie herausziehen zu können. Schließlich war sie widerstrebend aus ihrer fleischlichen Scheide geglitten. Der Hautlose hatte den Vorgang mit stoischer Ruhe über sich ergehen lassen und sich anschließend wieder seinen Brüdern angeschlossen. »Ich danke dir«, hatte Uriel gesagt. Der Hautlose hatte respektvoll genickt, und Uriel hatte gespürt, wie ein Funke der Hoffnung in seinem Herzen aufgeflackert war.
Doch seine anfängliche Erleichterung und sein Hochgefühl über diese Wendung der Ereignisse waren rasch verflogen, als er wieder mit seinen Kameraden vereint gewesen war und Ardaric Vaanes mit ihm geredet hatte. »Sie werden euch töten, wenn sie herausfinden, dass du sie belogen hast«, sagte der Abtrünnige, während sich die Hautlosen auf den Krieg vorbereitet und mit primitiven Keulen bewaffnet hatten. Die meisten benötigten jedoch keine Waffen, da sie ihre grässlichen Mutationen mit den Mitteln zum Töten versorgten. »Habe ich das?«, hatte Uriel wachsam geantwortet. »Ich tue das Werk des Imperators, und sie tun es jetzt auch.« »Die Hautlosen?«, hatte Vaanes entsetzt gefragt. »Glaubst du, der Imperator würde sich solcher Bestien bedienen? Sieh sie dir an, es sind Ungeheuer. Wie kannst du glauben, dass solche Kreaturen fähig sind, Instrumente Seines Willens zu sein? Sie sind böse!« »Sie tragen das Fleisch des Imperators in sich. Das Blut alter Helden fließt in ihren Adern, und ich werde sie nicht enttäuschen.« »Glaub nicht, dass du mich täuschen kannst, Ventris. Du bist kein Bote des Imperators, und ich kann in deinen Augen erkennen, dass du selbst das auch weißt.« »Es spielt keine Rolle mehr, was ich selbst glaube«, hatte Uriel gesagt. »Was glaubst du?« »Ich glaube, dass ich deinetwegen recht hatte.« »Was willst du damit sagen?« »Dass ich in dem Moment, als ich dich gesehen habe, schon wusste, dass du Ärger bedeutest.« Vaanes hatte die Achseln gezuckt. »Das ist jetzt egal. Sobald wir wieder an der Oberfläche sind, verlassen wir dich und deine bunte Truppe.« »Du willst uns wirklich den Rücken kehren? Nach allem, was passiert ist, all dem Blutvergießen, dem Tod und dem Schmerz? Kannst du das wirklich?« »Ich kann es, und ich werde es tun. Und wer könnte es mir verdenken? Sieh dich doch um, sieh dir diese Ungeheuer an. Sie werden bald alle tot sein, und ihr Blut wird an deinen Händen kleben. Denk darüber nach, du willst eine belagerte Festung mit einem Haufen kannibalistischer Mutanten, einem sterbenden Garde-Oberst und einem ehemaligen Sergeanten mit nur einem Arm stürmen. Ich bin ein Krieger, Ventris, schlicht und einfach,
und mir bleibt nichts mehr, außer zu überleben. Eine Rückkehr nach Khalan-Ghol wäre Wahnsinn, und ein Angriff auf diese Festung entspricht nicht meiner Vorstellung von Mut, sondern von Selbstmord.« Vaanes hatte Uriel am Arm gepackt und gesagt: »Du musst hier nicht sterben. Warum kommt ihr zwei nicht mit mir? Ihr seid gute Kämpfer, und ich könnte einen Krieger wie dich brauchen.« Uriel hatte den Arm des Abtrünnigen abgeschüttelt und gesagt: »Du bist ein guter Krieger, Ardaric Vaanes, aber ich habe mich geirrt, als ich angenommen habe, du könntest deine Ehre zurückgewinnen. Du hast Mut, aber ich bin froh, dass ich nicht noch einmal mit dir in den Kampf ziehe.« Hass war in den Augen des Abtrünnigen aufgeflackert, und seine Miene war hart wie Stein geworden. Und Vaanes war ohne ein weiteres Wort gegangen. Uriel schlug sich den Abtrünnigen aus dem Kopf, als er einen Fleck hellen Lichts voraus sah und ihm auffiel, dass der Schlachtenlärm lauter wurde. Neuerlich beflügelt, kletterte er dem Herrn der Hautlosen hinterher und trat blinzelnd in das grelle weiße Licht Medrengards. Der Lärm der um Honsous Festung tobenden Schlacht war gewaltig, und Uriel sah, dass die geheimen Wege der Hautlosen sie in das felsige Hochland unweit der Basis der Festung selbst geführt hatten. Die Ebene vor der Festung lag viele Hundert Meter unter ihnen. Hoch über ihnen waren die Bollwerke der Festung in die Feuer der Schlacht gehüllt, und Uriel sah, dass sie ins Herz des über ihnen tobenden Mahlstroms emporklettern mussten. Viele Kilometer entfernt hallte das Klirren von Spitzhacken und Schaufeln durch die heiße, von Lampen erleuchtete Enge des Stollens unter der großen Rampe. Eine breite Galerie war freigelegt worden, gut neunhundert Meter breit und mit einem sanft geneigten Boden. Ein Krieger in fleckiger Eisenrüstung sah zu, wie Hunderte von Sklaven und Aufsehern große Tieflader mit Fässern voller Sprengstoff und Treibstoff herankarrten und auf der gesamten Breite der Galerie anbrachten. Die lange Galerie war beinahe voll und mit genug Sprengstoff versehen, um den ganzen Berg einzuebnen, wusste Corias Keagh, Lord Berossus' persönlicher Meister des Wehrmaterials. Die Tunnel, die bis zur Unterseite von Khalan-Ghol reichten, waren
sein Meisterwerk. Es war harte, langsam vorangehende Arbeit gewesen, die Tausende das Leben gekostet hatte, aber es war ihm gelungen, das komplizierte Netz der Tunnel an die richtige Stelle zu führen. Es war fast eine Schande, so ein perfektes Beispiel für einen Belagerungsstollen zu sprengen. Dreißig Meter über ihm - wenn seine Berechnungen stimmten, und er hatte keinen Grund an ihnen zu zweifeln, da Obax Zakayo sehr präzise in seinem Verrat gewesen war - lagen die Katakomben der Festung, wo angeblich die Wiedergänger vergangener Herren Khalan-Ghols umherspukten. Keagh wusste, dass alle derartige Geschichten vermutlich blanker Unsinn waren, aber im Auge des Schreckens war es niemals ratsam, sich allzu offen über solche Dinge lustig zu machen. Doch diese und andere Geschichten hatten den Weg zu den vielen Tausend menschlichen Soldaten gefunden, welche die letzten Monate in den Garnisonstunneln verbracht hatten, die er in der großen Rampe angelegt hatte, und er hatte hässliches Gemurmel in Bezug auf diesen Angriff gehört. All diesen Schwarzsehern und Unkenrufern hatte er rituell die Haut abziehen lassen, aber da hatte sich bereits ein allgemeines Gefühl ängstlicher Beklommenheit breitgemacht. Trotz alledem waren alle seine Soldaten bewaffnet und bereit, den Angriff auf die Bresche in Khalan Ghols Bauch zu beginnen, und Keagh war erpicht darauf, dem Feind endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Seine Rüstung summte in der Hitze, da ihre Systeme Mühe hatten, seine Körpertemperatur zu halten. Die Hitze in den Tunneln war furchterregend - größer, als Keagh es in dieser Tiefe erwartet hätte -, aber er dachte nicht weiter darüber nach, da er zu sehr auf das Spektakel der Zerstörung fixiert war, die er bald anrichten würde. Die Bollwerke standen sämtlich in Flammen, und Gewehrfeuer und Stahl fegte in verheerenden Salven großkalibriger Granaten durch Männer und Gestein. Mobile Haubitzen fuhren im Nebel der Panzerkolonne, die sich dem Ende der Rampe näherte, und ließen Sprenggranaten auf die letzten Linien der Bollwerke niederregnen, so dass ein Wirbelsturm aus umherfliegenden rotglühenden, metallenen Splittern und Trümmerstücken
herrschte. Männer starben zu Hunderten, in verheerenden Salven zerfetzt oder durch die Flammenwände der von den sich nähernden Titanen auf die oberen Bollwerke abgefeuerten Brandgranaten verkohlt. Doch Berossus würde Khalan-Ghol nicht kampflos einnehmen, und Honsous Titanen und verschanzte Artilleriestellungen hatten sich mittlerweile eingeschossen und richteten entsetzliche Schäden in der anrollenden Kolonne an. Panzer explodierten nach Treffern der panzerbrechenden Granaten, die von oben herabregneten und mühelos die leichteren Panzerplatten auf dem Dach durchschlugen. Alle derartigen Opfer wurden von den nachrückenden Fahrzeugen ohne Gnade beiseitegefegt, so dass sie die steilen Seiten der Rampe herunterstürzten und auf den Felsen unten zerschellten. Doch wie viele Panzer von Honsous Artillerieschützen auch vernichtet wurden, die Kolonne setzte ihren erbarmungslosen Vormarsch fort. Honsou hielt sich an einem geborstenen Träger aus Stein fest und beobachtete die nahende Armee mit einer Mischung aus Hochgefühl und Furcht. Logistisch hatte Berossus die Oberhand, und er nutzte sie, um die Verteidiger der Festung - oder was noch von ihnen übrig war zu Tode zu würgen. Onyx hatte recht, mit konventionellen Mitteln konnten sie diese Armee nicht besiegen. Aber Honsou hatte nicht die Absicht, mit konventionellen Mitteln zu kämpfen. »Kommt schon, verdammt!«, schrie er in das ohrenbetäubende Crescendo des Lärms. Er mühte sich, durch den Qualm der Geschütze etwas zu erkennen, konnte aber in dem beißenden Nebel nichts sehen. Onyx schaute Honsou verwirrt an, sagte aber nichts, da mehr Granaten in der Nähe einschlugen. Pfeifende Schrapnelle prallten von den Mauern ab, und Onyx sprang vor Honsou, so dass sich mehrere plakettengroße, scharfkantige Metallstücke in sein dämonisches Fleisch bohrten, anstatt seinen Herrn zu zerfetzen. »Onyx!«, rief Honsou, indem er den dämonischen Symbionten auf die Füße zog. »Schau auf Berossus' Armee und sag mir, was du siehst!« Onyx taumelte zum Rand der Mauer und veränderte sein Sehvermögen, bis er die Gesamtheit der Schlacht klar überblicken
konnte. Feuerströme und Explosionen flackerten wie entfernte Galaxien, doch seine Augen durchdrangen das Chaos und die Verwirrung der Schlacht mit Leichtigkeit. Die führenden Elemente von Berossus' Armee hatten sich einen Weg über das Plateau gebahnt und waren kaum noch hundert Meter von der letzten Mauer entfernt, die zwischen ihnen und dem Endsieg stand. Cybots heulten voller Kampfeswut, und die Titanen schritten hinter ihnen wie Avatare von Kriegsgöttern, da ihre Waffen dröhnten wie Gebete an ihre finsteren Herren. »Berossus ist an der Mauer!«, rief Onyx. »Er wird in wenigen Augenblicken bei uns sein!« »Nein! Die Rampe!«, erwiderte Honsou. »Was passiert am Ende der Rampe!« »Ich sehe Panzer, viele Hundert Panzer«, rief der dämonische Symbiont, der vor dem donnernden Krachen des Artilleriefeuers kaum zu verstehen war. »Sie haben sich neben dem Eingang zu den Stollen am Fuß der Rampe versammelt und warten auf ihr Startsignal.« »Hervorragend«, lachte Honsou. »Ach, Berossus, du bist noch ein größerer Dummkopf, als ich gedacht habe!« Überzeugt davon, dass genau die richtige Menge Sprengstoff so platziert worden war, dass er nach oben in die Festung explodieren würde, zog sich Corias Keagh rasch von der Galerie unter Khalan-Ghol zurück und wickelte dabei ein langes isoliertes Kabel von der Servotrommel auf seinem Rücken ab. An der Trommel befestigte Scherenarme verhinderten ein Verheddern des Kabels und sorgten dafür, dass es straff und gerade blieb. »Das müsste weit genug weg sein«, murmelte er bei sich, als er in den gepanzerten Bunker ging, den er nur für diesen Augenblick konstruiert hatte. Die Scherenarme durchschnitten das Kabel und beugten sich über seine Schulter, um ihm das blanke Kupferende zu reichen. Alle Zünder waren über die Energieeinheit seiner eigenen Rüstung kalibriert worden, und er führte das Kabelende in eine Buchse in seinem Brustharnisch ein. Ein blinkendes rotes Licht auf seinem Helmvisier wurde golden und er spürte körperlich, wie die von ihm angebrachten Ladungen scharf gemacht wurden. Er öffnete einen Kanal zu seinem Herrn und Meister und sagte:
»Lord Berossus, die Ladungen unter der Festung sind an Ort und Stelle und scharf und können jederzeit zur Explosion gebracht werden.« »Dann lass sie hochgehen«, ertönte das vertraute knurrende Krächzen der Stimme seines Meisters. »Wir haben das Ende der Rampe beinahe erreicht.« Keagh hielt kurz inne, um diesen Moment seines größten Triumphs zu genießen, und ließ die dumpfe Stille des Tunnels auf sich wirken, bevor er einen Energieimpuls durch das Kabel sandte. Der ganze Berg erbebte unter der Gewalt der Explosion tief unten, da viele Tausend Tonnen Sprengstoff und Treibstoff gleichzeitig hochgingen, und eine ganze Schicht des Grundgesteins von Medrengard wurde augenblicklich in ihre Atome zerlegt. Honsou taumelte und fiel auf die Knie, als die Druckwelle durch die Festung lief. Hohe Türme, die seit Jahrtausenden standen, stürzten ein, und jeder Kämpfer wurde von den Beinen geholt. Panzer und sogar einer von Berossus' Titanen fielen von der Rampe, als die Druckwelle von unten herauffegte. Risse spalteten das Mauerwerk der Bollwerke, und Hunderte starben, als sie von den zerstörten Brustwehren stürzten. Die Hauptmauer stürzte ein, wie Papier zerrissen und an einem Dutzend Stellen infolge der gewaltigen Kräfte geborsten, die den Berg verwanden. Nachbeben grollten und erschütterten Khalan-Ghol bis in die Grundfesten, und Honsou hörte ein tiefes Antwortgebrüll, als schreie die Festung selbst vor Wut über diese Schändung. Eine Bresche war in seine Festung gesprengt worden, doch Honsou verspürte nichts als ein Hochgefühl, als die Beben nachließen, die seine Festung gepackt hatten. »Jetzt habe ich dich, Berossus!«, knurrte er. »Iron Warriors, macht euch bereit!«
TEIL IV Der Feind meines Feindes...
ACHTZEHN Corias Keagh spürte, wie das donnernde Krachen der Explosionsgewalten durch den Tunnel fegte wie das Brüllen eines erzürnten Gottes. Er stemmte sich gegen die Wand seines unterirdischen Bunkers, zuversichtlich dass sein Werk die von ihm entfesselten Gewalten überstehen würde. Das Metall der Tunnelstützen ächzte aus Protest über die Kraft der Druckwelle, aber Keagh legte schon seit Tausenden von Jahren Stollen an und brachte Festungen zum Einsturz - er verstand sich auf sein Handwerk. Erst als die Temperaturanzeige auf seinem Visier in die Höhe schnellte, ging ihm auf, dass etwas nicht in Ordnung war. Er hörte es zuerst als Rauschen ultrahoch erhitzter Luft, die vor etwas unvorstellbar Heißem durch die Tunnel gepresst wurde Plötzlich von einer schrecklichen Furcht gepackt, rannte er nach draußen in den Tunnel. Von Tunnel zu Tunnel springend, schäumte eine blitzende Wolke strahlend heller Dämpfe entlang seines Schanzwerks. Ihr folgte ein tosender, brodelnder orangefarbener Schein von geschmolzenem Metall auf dem Fuß, und Keagh hörte die Schreie der Soldaten, als der tödlich heiße Dampf ihnen das Fleisch von den Knochen brannte. Da wusste er, dass jeder der vielen tausend Männer in den Tunneln unterhalb der Rampe sterben würde. Seine Tunnel waren nicht zu den Grabstätten Khalan-Ghols durchgebrochen, sondern ganz woanders hin. Aber wie konnte das sein, wenn die Position von Keaghs Durchbruchsgalerie direkt von Obax Zakayo stammte...? In den letzten Sekunden vor seinem Tod erkannte Keagh, dass sie schrecklich getäuscht worden waren - dass alles, wofür sie gekämpft hatten, verloren war. Er wandte sich zur Flucht, doch selbst ein Iron Warrior konnte nicht vor Millionen Tonnen geschmolzenen Metalls davonlaufen, das aus den Schmelzen Khalan-Ghols in die Tunnel strömte und dabei alles vor sich zerstörte und das Material der Rampe verflüssigte. Keagh wurde in den tosenden Feuerstrom gehüllt und erlebte das Grauen der letzten paar Sekunden seines Lebens, bevor die Rüstung geschmolzen war und sein Körper verdampfte.
Uriel spürte, wie sich die immense Gewalt der unterirdischen Explosion auf die Landschaft ausbreitete, und stolperte. Er hielt sich an den spitzen Felsen von Khalan-Ghols Gipfel fest, während die Beben die Grundfesten der Welt zu erschüttern schienen. Wolken aus leuchtend orangefarbenem Dampf schossen wie Geysire aus dem Fuß des Bergs, und dann explodierte immer mehr davon aus den Kanälen, die in die ungeheure Rampe gehauen waren. »Im Namen des Imperators...«, hauchte Uriel, als er plötzlich sah, wie die Spitze der Rampe absackte und einstürzte, als werde die Erde entfernt, die sie stützte. »Ein Gegenstollen?«, rief Pasanius. »Er müsste gewaltig sein, um solchen Schaden anzurichten«, sagte Uriel kopfschüttelnd. »Imperator zornig auf Eisenmänner«, brüllte der Herr der Hautlosen. »Bestraft sie vom Himmel!« »Das tut er wirklich«, nickte Uriel, indem er einen Blick auf die Blutigen Züge des Wesens riskierte und eine immense Erleichterung darüber verspürte, dass Vaanes nicht da war und seinen eigenen Gesichtsausdruck sah. Die Abtrünnigen hatten ihnen den Rücken gekehrt und auf diese letzte Gelegenheit zur Wiedergutmachung gespien. Sie waren ohne ein weiteres Wort davonmarschiert, kaum dass sie an der Oberfläche angelangt waren. Uriel hatte ihnen nachgeschaut, und sein Herz war schwer gewesen ob ihres Verrats daran, was es bedeutete, ein Space Marine zu sein, aber auch erleichtert darüber, dass er selbst gewogen und nicht für zu leicht befunden worden war. Tatsächlich steckte viel Wahres in Vaanes' Worten. Vielleicht war es ein Selbstmordunternehmen, bei dem sie alle sterben würden. Und vielleicht war auch das schlichte Überleben etwas Erstrebenswertes, denn inwiefern ließ sich Ruhm oder Ehre aus ihrem Tod gewinnen? Aber Uriel wusste auch, dass der Tod für einen wahren Krieger des Imperators keinen Schrecken barg, nur die Furcht, dass er sterben mochte, ohne sein Werk vollendet zu haben. Der ihm von Marneus Calgar auferlegte Todeseid musste befolgt
werden, und selbst wenn sie bei diesem Unternehmen scheiterten, würden sie bei der Ergreifung der Gelegenheit sterben, die ihnen ihr Ordensmeister vor scheinbar so langer Zeit auf Macragge zur Rehabilitation gegeben hatte. Während er Vaanes und die beiden anderen Abtrünnigen entschwinden sah, wusste Uriel, dass er zwar sehr wahrscheinlich in den Tod ging, aber dennoch die bessere Wahl getroffen hatte. »Wir jetzt gegen Eisenmänner kämpfen?«, fragte der Herr der Hautlosen. »Zeig uns Weg zu ihnen!« Die ursprüngliche Wildheit im Gesicht des Herrn der Hautlosen machte Uriel noch einmal klar, wie prekär ihre Lage war. Es gab keine Garantie, dass sein Plan funktionieren würde, und er wollte sich gar nicht erst die Konsequenzen ausmalen, sollten die Hautlosen zu dem Schluss kommen, dass er nicht mehr mit der Stimme des Imperators sprach. »Bald«, sagte Uriel, indem er weiter die Felsen emporkletterte, die zur weiter oben tobenden Schlacht führten. Honsou eilte die Treppe von der hohen Zinne zur Mauer rasch hinunter, während ihm durch den Kopf ging, dass das anschwellende Hassgebrüll eine ausgezeichnete Hymne war, um zu ihr Krieg zu führen. Er, Onyx und eine Gruppe seiner besten Krieger stürmten auf eine mit Wachtürmen versehene Reihe von Brustwehren, die in einem Sägezahnmuster angeordnet und gerade erst hinter der Hauptmauer errichtet worden war. Rauch hüllte die Breschen ein, und Khalan-Ghols Haupttor hing in Trümmern, da ein Rudel berserkerhaft wütender Cybots es in Stücke geschmettert hatte. An ihrer Spitze sah Honsou Lord Berossus, dessen mechanischen Arme Krieger vor sich in Ströme von Blut tauchten. Ein wildes orgiastisches Heulen kreischte aus seinem Stimmen-Verstärker, und Honsou grinste wölfisch bei dem Gedanken, dass er Berossus nicht gestatten würde, diese Schlacht zu überleben. Wallende Wolken sengenden Dampfes und das Bersten von splitterndem Gestein jenseits der Mauerruinen verrieten ihm, dass die Spitze der großen Rampe nicht mehr existierte, da Stein und Erde unter der Last von Berossus' Panzerkolonne eingestürzt waren. Buchstäblich alles Metall in der Festung war geschmolzen
worden, und die Schmelzen hatten ständig geglüht, um zu gewährleisten, dass Berossus' Ingenieure, wenn sie von unten in die Festung einbrachen - und Honsou hatte gewusst, dass sie das tun würden -, ein großes Reservoir geschmolzenen Metalls anstechen würden und nicht die erwarteten Katakomben. Honsou wusste, dass ein Kriegsschmied, der so leichtgläubig war wie Berossus, nicht verdient hatte, weiterzuleben. Seine bloße Existenz schwächte die Iron Warriors. Geglaubt zu haben, Honsou wisse nichts von Obax Zakayos Verrat und könne ihn daher auch nicht gegen seine Zahlmeister benutzen, war lächerlich, hatte sich aber als seine Rettung erwiesen. Geschützfeuer und Explosionen erfüllten das Innere des Wachturms, als die Vorhut von Berossus' Armee durch das Tor stürmte, obwohl Honsou aufging, dass dies nun nicht mehr die Vorhut war, sondern das gesamte Heer. Jetzt war das Kräfteverhältnis ausgeglichen, und Berossus würde erfahren, was es hieß, gegen Honsou von den Iron Warriors zu kämpfen. Cybots stürmten den mit Sandsäcken gesicherten Geschützstellungen entgegen, schüttelten direkte Treffer ab und zerfetzten Männer mit unbeherrschten Salven aus ihren Waffen. Doch hinter den Geschützgruben warteten disziplinierte Gruppen von Iron Warriors, welche die gepanzerten Kampfmaschinen mit gelassener Tüchtigkeit auseinandernahmen, so dass die Zahl ihrer rauchenden Ruinen bald die der immer noch kämpfenden überstieg. Ein dunkler Schatten fiel auf die Festungsmauern, als der überlebende Titan die zerstörten Bollwerke packte und sie mit großen Schwüngen seiner kolbengetriebenen Hammerarme einriss. Hausgroße Steinblöcke fielen auf die Krieger beider Armeen und töteten jedes Mal ein Dutzend oder mehr Männer. Gewaltige Sturmrampen krachten auf die Schutthaufen nieder, und Iron Warriors mit Berossus' schwarz-goldenem Banner stürmten aus den Schulterbastionen des Titanen. »Iron Warriors!«, rief Honsou. »Jetzt ist die Zeit gekommen, diesen Bastarden zu zeigen, wer der Herr von Khalan-Ghol ist!« Seine Krieger brüllten lobhudelnd und folgten ihrem Herrn in die Hitze des Gefechts. Berossus' Iron Warriors kämpften sich schießend über die Trümmer der Bresche, und Honsou sah, dass sie Krieger mit Mut und Eisen in den Knochen waren, da Salve um Salve tödlich wirkungsvollen Geschützfeuers einen schrecklichen
Tribut von ihnen forderte und sie dennoch keinen Augenblick zögerten. Der Platz zwischen der zerstörten Mauer sowie den Bunkern und der Sägezahnmauer, die Honsou hatte errichten lassen, war eine Todeszone: Nichts konnte ihn lebend überqueren. Aber ohne eine Rückzugsmöglichkeit hatten Berossus' Iron Warriors gar keine andere Wahl, als in das Feuer von Honsous Geschützen vorzurücken, und das Gemetzel war in seiner Grausamkeit ehrfurchtgebietend. Mehr Trümmer fielen von der Hauptmauer, als sich der Titan einen Weg hineinbahnte, da seine Fracht aus Kriegern ausgestiegen war. Eine Schulterkanone sprengte einen riesigen Krater in die Mitte von Honsous Verteidigungsstellung, und Berossus' Krieger jubelten, da sie nun weiter vorstürmen konnten. Bevor der Titan noch einmal schießen konnte, wurde die Kanone in einer gewaltigen Explosion von der Schulter des Titanen gerissen, und eine Linie aus weißem Feuer legte sich auf seinen blutigen Panzer. Aus dem Rauch beiderseits des angreifenden Titans kamen zwei gleichermaßen massive Gestalten, Titanen mit dem gefürchteten Banner der Legio Mortis. Nicht länger benötigt, um das Allerheiligste Khalan-Ghols zu bewachen, schritten die beiden Furcht einflößenden Dämonenmaschinen aus den Trümmern und dem Rauch im Innern der Festung, um in den Kampf einzugreifen. Berossus' letzter Titan brüllte angesichts derart würdiger Gegner, richtete die Waffen auf die neuen Feinde und überließ es den Iron Warriors, die er getragen hatte, ihren Kampf allein auszutragen. Der Boden bebte unter den Schritten dieser mächtigen Dämonenmaschinen, und ganze Abschnitte der Mauer wurden pulverisiert, als sie mit weißglühenden Klingen und kreischenden Kettenfäusten miteinander rangen. Alle Raffinesse und Planung war jetzt bedeutungslos. Das Resultat dieses Sturmangriffs würde am Ende eines rauchenden Boltgewehrs oder auf der kreischenden Klinge eines Kettenschwerts entschieden. Iron Warriors stürmten aufeinander los, und die Schlacht löste sich in viele Einzelkämpfe zwischen brutalen Schlächtern auf. Eine grimmige Hochstimmung breitete sich in Honsous Adern aus, ein derartigen Gemetzel hatte einen ganz eigenen Kitzel. Er
hieb seine Axt durch den Arm eines Iron Warriors und wirbelte einmal auf dem Absatz herum, um ihn zu enthaupten, bevor er auf der Suche nach weiteren Feinden den rauchenden Leichnam eines Cybots übersprang. Onyx folgte ihm und tötete mit beiläufigen Hieben seiner klingenbewehrten Fäuste jeden, der es wagte, dem Herrn der Festung zu nah zu kommen. Honsou sah die ehrfurchtgebietend kraftvolle Gestalt von Berossus durch den wirbelnden Rauch und rief: »Onyx! Zu mir!« Uriel wusste, dass sie nicht viel Zeit hatten. Die Schlacht oben tobte mit der Wildheit eines Wirbelsturms, und die Schreie der Kämpfenden hallten von den hohen Gipfeln herab. Er kletterte, so schnell er konnte, aber ihr Ziel schien nicht näher zu rücken. Er wollte nicht in die Kämpfe verwickelt werden, wusste aber, dass sie den Austragungsort der Schlacht erreichen mussten, bevor zu viel Zeit verstrich. »Weiter!«, rief er. »Wir müssen uns beeilen!« Der Herr der Hautlosen brüllte: »Ihr langsam! Nicht schnell wie ich!« »Ich weiß!«, rief Uriel. »Aber wir können nicht schneller klettern!« »Wir gehen schneller!«, sagte der Herr der Hautlosen, packte Uriel am Arm und schwang ihn sich auf die Schultern, so dass er genauso getragen wurde wie Oberst Leonid. Der Boden schwang schwindelerregend unter Uriel hin und her, und er klammerte sich am feuchten, glänzenden Fleisch des Wesens fest, während es die felsigen Flanken Khalan-Ghols mit beängstigender Schnelligkeit erklomm. Als er den Kopf drehte, sah er, dass Pasanius ebenfalls aufgehoben worden war, und das Tempo ihres Aufstiegs verdoppelte sich. »Gehen jetzt schneller!«, versprach der Herr der Hautlosen. »Stamm! Weiter!« Viele Hundert der roten, hautlosen Kreaturen folgten dem Herrn der Hautlosen, und Uriel wurde urplötzlich von einem wilden Gefühl der Hingabe übermannt. Sie waren vielleicht in den Tod unterwegs, aber welch ein Ende würden sie sich bereiten! Er richtete den Blick auf den in Rauch gehüllten Gipfel der
Festung und registrierte mit einiger Verblüffung, wie anders sie jetzt aussah. Als er sie zuerst erblickt hatte, war sie ihm vollkommen uneinnehmbar vorgekommen, aus dunklem Wahnsinn und unmöglich behauenem Stein erschaffen und auf den höchsten Gipfel gepflanzt. Jetzt war kaum noch etwas von ihren unteren Bereichen übrig bis auf staubige, verwüstete Friedhöfe, und ihr höchster Turm sah aus, als könne er jeden Augenblick einstürzen. Doch nachdem er gesehen hatte, was mit der riesigen Rampe geschehen war, wusste Uriel, dass Honsou seine Festung nicht ohne einen verdammt harten Kampf fallen lassen würde. Er wusste nicht genau, was mit der Rampe passiert war, sah aber dennoch voller Staunen mit an, wie ganze Abschnitte des oberen Teils einbrachen und die Panzer und Männer, die darauf unterwegs waren, förmlich verschlungen wurden. Ströme rauchender, orangefarbener Flüssigkeit brodelten aus Rissen in den Seiten der Rampe und flossen daran herunter wie Lava aus dem Krater eines ausgebrochenen Vulkans. Ein großer See aus geschmolzenem Metall quoll aus der Einmündung des Tunnels am Fuß der Rampe und wurde mit jedem verstreichenden Augenblick größer. Hunderte von Fahrzeugen waren hier angetreten und in die Springflut der tödlichen Flüssigkeit geraten. Uriel sah Panzer in Flammen aufgehen und explodieren, wenn Treibstoff und Munition in der schrecklichen Hitze hochgingen. Panzer rasten mit laut aufheulenden Motoren in ihrer Verzweiflung ineinander, doch es gelang ihnen lediglich, eine undurchdringliche Hindernismauer aufzubauen. Es dauerte nicht lange, und eine ganze Armee von Panzerfahrzeugen war nur noch geschmolzene Schlacke, ohne dass ein einziger Schuss abgegeben worden wäre. »Nein«, flüsterte Uriel, als Honsous Festung immer näher kam. »Du wirst ganz gewiss nicht ohne Kampf untergehen.« Brocken aus Stein und Fleisch wurden himmelwärts geschleudert, als im Zuge des Kampfes der Titanen Wrackteile und Trümmer zu Boden fielen. Ein weiterer Bunker wurde dem Erdboden gleichgemacht, und Honsou wusste, dass diese Schlacht so oder so bald vorüber sein würde. Ein Iron Warrior feuerte einen Faustschlag auf seinen Kopf ab, und er tauchte darunter hinweg und schwang seine Axt in einem Rückhandhieb,
der dem Gegner die Beine unter dem Leib weghieb. Der Krieger schrie und brach zusammen, während er die Hände um die Stümpfe seiner Oberschenkel krampften, und Onyx trennte ihm im Kielwasser seines Herrn den Kopf ab. Honsou stürmte jedoch bereits weiter und Berossus entgegen, und schließlich sah der Kriegsschmied ihn kommen. »Mischling!«, röhrte der Cybot, indem er herausfordernd die Arme hochriss. Zwar war er kein Krieger aus Fleisch und Blut mehr, aber Berossus hatte nichts von der Wildheit verloren, die er im Leben an den Tag gelegt hatte, und sein bronzeschädeliger Sarkophag flammte vor diabolischer Energie. Der riesige Cybot spreizte die Beine und senkte seinen monströsen Bohrer mit dem Kranz großkalibriger Kanonen. Onyx sprang vor, als sich die Rotation der Kanonen auf Feuergeschwindigkeit beschleunigte, und hieb seine Krallen in einem Schauer sprühender Funken durch deren Läufe. Für eine derart gewaltige Maschine war Berossus immer noch unmenschlich schnell, und sein gewaltiger kolbengetriebener Belagerungshammer traf den dämonischen Symbionten und schleuderte ihn durch die Luft. »Jetzt stirbst du, Mischling!«, schrie der Cybot und holte mit dem riesigen Hammer zum nächsten Schlag aus, während er ihm einen krachenden Schritt entgegenkam. Honsou schlug nach Berossus' Sarkophag, aber die dicken mechanischen Arme, die aus seiner gepanzerten Hülle sprossen, zuckten vor und wehrten den Hieb ab, während ein kreischender Sprengbohrer seiner Brust entgegenstach. Honsou fuhr herum, und die Spitze des Bohrers jaulte über seinen Brustharnisch und kratzte seine Haut darunter an, bevor er seine Axt gegen das dicke Bein des Cybots schmetterte. Die Axt prallte von der dicken Rüstung ab, und die Aufprallwucht zuckte schockartig durch Honsous Arme. Eine weitere Explosion ließ den Boden erbeben, und Honsou wurde umgeworfen. Der riesige Cybot bewegte sich kaum, und ein großer Krallenfuß stampfte nur Zentimeter neben seinem Kopf auf. Honsou wälzte sich zwischen den gepanzerten Beinen durch, während rings um sie die Schlacht tobte und Iron Warriors sich mit grimmiger Wildheit gegenseitig massakrierten. Berossus drehte sich in der Achse seiner Hüfte, und zwei seiner augmetischen Glieder fuhren in den Boden. Honsou wälzte sich
rückwärts, und die Spitze von Berossus' Klauenarm streifte seine Rüstung und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er spürte ein Stechen im Bein und brüllte vor Schmerzen, als Berossus' Bohrerarm in seinen Oberschenkel fuhr. Die Bohrspitze riss ihm einen großen Fetzen blutigen Fleisches aus dem Bein, und Honsou sank auf ein Knie. Der Cybot trat näher, und sein Klauenarm schloss sich um Honsous Schulterschutz und hob den sich wehrenden Krieger hoch in die Luft. »Du bist mich teuer zu stehen gekommen, Köter, aber hier endet es«, fauchte Berossus. »Deine Festung gehört mir, egal, was passiert.« »Niemals!«, rief Honsou, der darum kämpfte, sich aus dem Griff seines Häschers zu befreien, aber Berossus hatte ihn fest im Griff und nicht die Absicht, ihn loszulassen. Der Cybot stach mit seinem Bohrerarm nach Honsous Gesicht. Der Herr von Khalan-Ghol riss seinen künstlichen Arm hoch und brachte ihn zwischen sein Gesicht und den Bohrer. Das Kreischen reißenden Metalls und weißglühende Späne erfüllten die Luft, als der Bohrer in das silberne Metall von Honsous Arm eindrang. Doch anstatt durch den Arm zu dringen und Honsous Schädel zu durchbohren, zerlief das Metall wie eine Flüssigkeit und setzte sich so schnell wieder zusammen, wie Berossus' Arm ihn zu zerstören versuchte. Der Cybot sah verblüfft, wie der Bohrer stotterte und in Honsous Arm verstummte. Während Honsou noch stutzte, schoss ein schwarz gerüstetes Schemen durch die Luft und sprang den Cybot an. Onyx landete ganz weit oben auf dem Panzer des Cybots elegant auf einem Knie und rammte beide ausgefahrenen Bronzekrallen nach unten in die gepanzerte Hülle. Die schreckliche Maschine brüllte vor Schmerzen, und ihre Arme zuckten und ließen Honsou auf den mit Kratern übersäten Boden fallen. Honsou wälzte sich von dem um sich schlagenden Cybot weg und hörte plötzlich ein donnerndes Krachen hinter sich, als die kopflose Gestalt von Berossus' Titan durch den letzten noch stehenden Abschnitt der Hauptmauer brach und dabei Steine und glühendes Plasma durch die Luft wirbelte. Einer von Honsous Titanen fiel mit ihm, praktisch entzweigeschnitten, und der Aufprall der beiden gepanzerten Leviathane sandte Stoßwellen durch die Erde, die beinahe der Wirkung der großen Explosion
unter der Rampe gleichkamen. Ein Aufschrei der Bestürzung erhob sich, und Honsou war klar, dass er die Sache jetzt beenden konnte. Berossus kämpfte darum, Onyx von sich zu vertreiben, und sein Klauenarm schlug und stach wiederholt nach dem dämonischen Symbionten. Honsou packte seine Axt und sprang auf, da er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, die ihm sein Kämpe verschafft hatte. Mit einem hasserfüllten Brüllen stürmte er vorwärts, während die Aufmerksamkeit des Cybots auf Onyx fixiert war, und rammte seine Axt mit aller Kraft in die jetzt ungeschützte Stelle am Bein des Cybots, wo die Rüstung am schwächsten war. Kreischend traf im Warp geschmiedeter Stahl in einer flammenden Korona aus leuchtender Energie auf uraltes und durch vergessene Technologien gestaltetes Metall. Berossus brüllte und fiel auf den Rücken, während sich Onyx mit einem geschmeidigen Satz von der kippenden Maschine löste. »Nenn mich doch noch mal Mischling, du Bastard!«, schrie Honsou, indem er vortrat und seine Axt auf den Sarkophag des Cybots niedersausen ließ. Das alte Metall barst, und Berossus heulte vor Schmerzen, als die Dämonenwaffe in seinen eisernen Leib fuhr. »Glaubst du immer noch, du bist besser als ich?«, brüllte Honsou, während er wütend auf den Leib des sterbenden Cybots einschlug. Metall und Funken flogen, da der Herr von Khalan-Ghol seinen eisernen Feind niedermetzelte. Berossus mühte sich aufzustehen, doch Honsou und Onyx gaben ihm keine Gelegenheit, wichen seinen unbeholfenen Schlägen aus und hackten ihm die sinnlos rudernden Glieder vom Leib. »Du bist nichts, Berossus, nichts! Hast du gehört?« Ein körniger Strom eines unzusammenhängenden Knisterns plärrte aus Berossus' Stimmenverstärker, und Honsou sprang auf den Sarkophag des Cybots und schrie: »Vielleicht kannst du mich durch das viele Eisen ja nicht hören.« Er reckte sich auf dem Kriegsschmied der angreifenden Armee triumphierend in die Höhe und ließ seine Axt wieder und wieder auf den grinsenden, schädelgesichtigen Sarkophag niedersausen, bis dieser endlich beim fünften Schlag auseinanderbrach. Die Kampfgeräusche verstummten, und zum ersten Mal seit Monaten kamen die Kämpfe zum Erliegen, da die Iron Warriors
innehielten, um das Drama zu beobachten, das sich vor ihren Augen abspielte. Honsou kniete auf Berossus' Sarkophag und rammte seinen makellosen silbernen Arm in den Cybot. Mit einem Grunzen und einem heftigen Ruck riss er etwas in einem Strom aus schwarzem Blut und amniotischen Flüssigkeiten heraus. Er hob den Arm und rief: »Euer Kriegsschmied ist tot!« In der Hand hielt er einen monströs geschwollenen Schädel und ein Stück tropfende Wirbelsäule, und von diesen letzten sterblichen Überresten des Kriegsschmieds Berossus baumelten durchgeschmolzene Drähte wie Adern. Die Spannung war fast greifbar, und Honsou wusste, er musste die feindlichen Krieger einschüchtern oder das Risiko eingehen, dass dieses Gemetzel eine Schlacht der gegenseitigen Zerstörung wurde. Mit einem hasserfüllten Brüllen schwang er die Wirbelsäule wie eine Keule und schlug Berossus' Schädel auf der geborstenen Eisenhülle in Stücke, die ihn bis gerade noch beherbergt hatte. »Euer Kriegsschmied ist tot!«, wiederholte er, indem er die Reste von sich schleuderte. »Aber ihr braucht nicht zu sterben! Berossus ist tot, und nach dem Recht der Eroberung biete ich jedem Krieger, der ihn will, einen Platz in meiner Armee an. Ihr habt euch als Krieger mit großem Mut erwiesen, und solche Männer brauche ich.« Niemand rührte sich, und Honsou glaubte schon, er habe einen schweren Fehler gemacht. Doch dann trat ein Krieger in einer stark modifizierten Rüstung aus brüniertem Eisen mit einem verbrannten und zerfledderten schwarz-goldenen Banner vor. Die Rüstung des Kriegers war blutig und infolge der schweren Kämpfe angesengt. Er setzte seinen gesprungenen Helm ab und zeigte ein vernarbtes Gesicht mit einer kurzen Haarsichel auf dem Kopf. »Warum sollten wir uns dir anschließen, Mischling?«, rief er. »Berossus magst du besiegt haben, aber Toramino wird dich und deine Festung vom Angesicht Medrengards auslöschen.« »Wie heißt du, Krieger?«, sagte Honsou, indem er von dem zerstörten Kadaver des Cybots sprang und zielstrebig auf den Iron Warrior zumarschierte. »Ich bin Cadaras Grendel, Waffenhauptmann von Lord Berossus.«
Honsou blieb vor dem blutverschmierten Krieger stehen und sah den Trotz in seinem Blick. »Aye«, stimmte Honsou zu, wobei er die Stimme hob, so dass alle in den Ruinen seiner Festung versammelten Krieger ihn hören konnten. »Du magst recht haben, Cadaras Grendel. Toramino hat die Waffenstärke, mich zu vernichten, das kann ich nicht bestreiten. Aber eine Frage... warum sind seine Männer noch nicht in der Schlacht?« Honsou wandte sich an alle versammelten Krieger, und er hob die Arme und unterstrich seine Worte mit Stößen seiner Axt. »Wo war Toramino, als ihr gekämpft und geblutet habt, um hierherzukommen? Ihr wisst, wer diese Festung gebaut hat, und ihr wisst, dass nur die tapfersten Krieger sie einnehmen können. Wo war Toramino, als ihr zu Hunderten gestorben seid, um diese Festung zu stürmen?« Er konnte erkennen, dass seine Worte die gewünschte Wirkung erzielten. Honsou spürte das Adrenalin heiß durch seinen Körper strömen, als er sah, dass er den Groll richtig eingeschätzt hatte, den diese tapferen Iron Warriors darüber empfinden mussten, dass sie die Drecksarbeit erledigten, während Toraminos Krieger ihnen beim Sterben zusahen. »Toramino hat euch im Regen stehen lassen und sich dabei ins Fäustchen gelacht. Selbst wenn ihr hier Erfolg gehabt hättet, glaubt ihr wirklich, ihr hättet die Früchte eures Siegs genießen können? Toramino hat euch verraten, so wie der Imperator die Iron Warriors in uralten Zeiten verraten hat. Wollt ihr euch so von ihm benutzen lassen oder seid ihr Männer aus Eisen?« »Wir sind Männer aus Eisen!«, rief Cadaras Grendel, und der Ruf wurde von seinen überlebenden Kriegern aufgenommen. »Dann schließt euch mir an!«, brüllte Honsou, indem er Grendel bei den Schulterschützern fasste. »Schließt euch mir an und rächt diesen Verrat!« Monate der Verbitterung über den Tod seiner Männer bahnten sich einen Weg in Grendels Miene, und er nickte. »Aye. Toramino wird für das hier büßen. Meine Krieger und ich unterwerfen uns Eurem Befehl!« Honsou drehte sich um und rief mit Cadras Grendel neben sich: »Eisen von innen!« »Eisen von außen!«, kam der Antwortruf von jedem Iron Warrior und ertönte danach wieder und wieder.
Und Honsou wusste, dass sie ihm gehörten. Uriel sah die beiden Titanen zusammenbrechen und hörte dann die Kampfgeräusche überraschenderweise verstummen. War Khalan-Ghol gefallen oder hatte Honsou den Ansturm abgewehrt? Das ließ sich unmöglich sagen, und sie würden es erst wissen, wenn sie oben ankamen. Ihr Aufstieg war extrem nervenaufreibend gewesen, da die Hautlosen sie in Windeseile Steilwände emporgetragen hatten, von denen Uriel geschworen hätte, sie seien unbezwingbar. Ihre Kraft war unglaublich und ihre Ausdauer phänomenal. In der jähen Stille konnte Uriel das Knistern der Flammen von den brennenden Fahrzeugen am Fuß des Bergs und gelegentliche Explosionen hören, wenn Granaten in der Hitze hochgingen. Die Infrastruktur von Berossus' Armee verbrannte, und als die Stille anhielt, nahm Uriel an, dass der Angriff gescheitert und die Festung nicht eingenommen worden war. Krieger, die sich durch eine Bresche kämpften, waren normalerweise anschließend so voller Adrenalin und Wut, dass auf einen erfolgreichen Sturmangriff immer Plünderungen und weiteres Gemetzel folgten. Aber Stille... das war Uriel neu. Der Herr der Hautlosen kletterte über eine überhängende Felsnadel und schwang seinen massigen Körper hoch und über die Lippe des Plateaus, und Uriel konnte seinen ersten Blick auf die blutigen Trümmer des letzten Angriffs werfen. »Der Imperator beschütze uns!«, hauchte Pasanius, als er sich zu Uriel gesellte. »Selbst der Sturm der Zitadelle war nichts verglichen damit...«, fügte Leonid hinzu, als die verbundenen Zwillinge ihn neben den beiden Space Marines absetzten. Die Trümmer einer vernichteten Armee lagen verstreut vor den zerstörten Überresten der Schutzmauer des Turms, der selbst nicht mehr war als scharfkantige Stümpfe aus schwarzem Stein, die aus dem Boden ragten wie verfaulte Zähne aus krankem Zahnfleisch. Brennende Panzer und Leichen waren auf dem Plateau verstreut, manche eingedrückt, andere nach Explosionen ausgehöhlt. Munition entzündete sich und explodierte, und die Überreste der Titanen brannten in strahlendem Plasma-Schein. Geschützläufe so dick wie Kühltürme lagen geborsten und
nutzlos zwischen den Trümmern, und selbst wenn jemand auf dem Schlachtfeld Wache gehalten hätte, wären sie in all dem Rauch und den Flammen dennoch vor jeder Entdeckung sicher gewesen. »Wer hat gewonnen?«, fragte Leonid. »Ich bin nicht sicher...«, sagte Pasanius, der Uriel durch die mit Leichen übersäten Trümmer folgte. Er bückte sich, um ein Boltgewehr mit seinem gesunden Arm aufzuheben, und überprüfte das Magazin, bevor er sagte: »Suchen Sie sich eine Waffe, Oberst, und sammeln Sie so viel Munition ein, wie Sie tragen können.« Leonid nickte und hob ein ramponiertes, aber funktionstüchtiges Lasergewehr auf, dazu ein paar Magazine sowie einen Brustgurt mit Granaten. Dabei fuhr ihm plötzlich ein jäher Schmerz durch die Brust, und er krümmte sich in einem Hustenanfall. Er wischte sich mit der Hand über den Mund und sah altes, mit Bröckchen durchsetztes Blut auf der Innenseite, bevor er sie an den Überresten seiner staubigen, himmelblauen Uniformjacke abwischte. Die Hautlosen liefen über das Schlachtfeld und machten sich daran, sich an den Kadavern gütlich zu tun. Sie rissen ihnen die Glieder aus dem Leib und verschlangen das noch warme Fleisch direkt vom Knochen. Der Herr der Hautlosen hob den leblosen Leichnam eines Iron Warriors hoch, riss seinen Brustharnisch ab, biss in die Brust und riss einen großen Brocken Fleisch heraus. Uriel war bestürzt, obwohl es sich um den Leichnam eines Feindes handelte, und sagte: »Nein, esst dieses Fleisch nicht.« Der Herr der Hautlosen drehte sich um, und in seinem Gesicht leuchtete ein grausiger Appetit und wilde Häme über diese Gelegenheit, sich an einem Iron Warrior gütlich zu tun. »Ist Fleisch. Frisch.« »Nein!«, sagte Uriel mit mehr Nachdruck. »Nein?«, erwiderte der Herr der Hautlosen. »Warum?« »Es ist verdorben.« Als er die Verständnislosigkeit des Wesens vor sich sah, sagte er: »Es ist schlecht.« »Nein... ist gut«, sagte der Herr der Hautlosen, indem er ihm den geöffneten Leichnam des Iron Warriors hinhielt. Der Brustkorb war durchgebissen worden, und die inneren Organe lagen bloß.
Uriel schüttelte den Kopf. »Wenn du den Imperator liebst, isst du dieses Fleisch nicht.« »Liebe den Imperator!«, bellte der Herr der Hautlosen, und Uriel zuckte zusammen, da er glaubte, die Stimme des Wesens müsse weithin zu hören gewesen sein. »Viele Iron Warriors tot«, knurrte der Herr der Hautlosen wütend. »Viel Fleisch.« »Ja, aber wir sind nicht wegen Fleisch hier«, sagte Uriel. »Wir sind hier, um Eisenmänner und Fleischmütter zu töten, nicht?« Der Herr der Hautlosen schien entschlossen zu sein, dies nicht widerspruchslos hinzunehmen, ließ dann aber mit einem wütenden Knurren den halb verzehrten Leichnam fallen und sagte: »Eisenmänner jetzt töten?« »Ja, Eisenmänner töten«, sagte Uriel, als er das Geräusch sich nähernder Maschinen aus der Festung hörte. »Aber wir müssen zuerst ins Herz der Festung eindringen.« Uriel drehte sich um, da Pasanius und Leonid mit Waffen, Munition und Granaten kamen. Pasanius streifte ein Boltgewehr von der Schulter ab und reichte es Uriel zusammen mit mehreren Magazinen. »Es wurmt mich, dass wir die Waffen des Feindes benutzen müssen«, sagte Uriel, als er ein Magazin in das Gewehr rammte. »Ich finde, es liegt eine gewisse poetische Gerechtigkeit darin, ihre eigenen Waffen gegen sie einzusetzen«, sagte Pasanius, während er die Waffe ein wenig unbeholfen lud und spannte. »Was ist das für ein Lärm?«, fragte Leonid, als auch er schließlich das rumpelnde Motorengeräusch näher kommen hörte. »Das ist unsere Eintrittskarte«, sagte Uriel, indem er auf die sie umgebenden Leichen zeigte. »Wir werden uns zwischen den toten Iron Warriors verstecken. Wir werden nah beieinanderliegen, aber wir müssen dafür sorgen, dass wir zwischen den Toten sind.« Er wandte sich an den Herrn der Hautlosen und sagte rasch: »Der Stamm soll sich zu den toten Eisenmännern legen. Verstehst du? Sich einfach zu ihnen legen.« »Zum Fleisch legen?« »Ja«, bestätigte Uriel. »Wir legen uns zu den Eisenmännern, und wenn wir wieder aufstehen, sind wir genau da, wo wir hinwollen.« Der Herr der Hautlosen nickte zögernd und ging durch die Reihen seines Stammes, während er beständig grunzte und auf
die Leichenhaufen zeigte. Als sich die Hautlosen zu den toten Chaos Marines legten, sagte Pasanius: »Du weißt, dass sie die Leichen fressen werden.« »Ja, aber wir können wenig dagegen tun.« »Die Wege des Imperators sind wahrhaft rätselhaft«, fügte Leonid hinzu. Uriel versuchte den Gedanken an die kannibalistischen Tendenzen der Hautlosen beiseitezuschieben, während sie eine Gruppe zerfetzter Iron Warriors an den Rändern eines Granattrichters ausfindig machten und sich zwischen ihre Leichen schoben. Während er den Leichnam eines Iron Warriors über sich zog, sah er ihren Weg in die Festung aus den Rauchschwaden auftauchen, die dicht über dem Boden wallten. Riesige Raupenschlepper, rot und widerwärtig und mit großen Flaggenmasten, die mit achtzackigen Sternen behangen waren, sowie eisernen Hängern im Schlepptau kamen aus dem Reich der Brutalen Bestatter gefahren. Sie kamen, die Toten einzusammeln, um sie zu zerkleinern und an die Daemonculaba zu verfüttern.
NEUNZEHN Tote Augen in einem Schädel, dessen Decke abgesprengt worden war, glotzten ihn an, blicklos und zu einem Ausdruck der Überraschung erstarrt. Wohin sich Uriel in dem mit Blut gefüllten Waggon auch wendete, er konnte den starren Augen der Toten nicht entrinnen. Er war mit dem Rest der Leichen von den Schaufeln der dämonischen Raupenschlepper aufgehoben und ohne viel Aufhebens von der ratternden Maschine in den Hänger gekippt worden, da sie ihre Aufgabe des Einsammelns der Leichen automatisch und würdelos ausführte. Leichen auf Leichen, Blut und Eingeweide, die sich im schwappenden Bodensatz sammelten, während Uriel darum kämpfte, sich an die Oberfläche zu arbeiten, um nicht im Blut der Gefallenen zu ertrinken. Er hustete rot, als er sich durch die Leichen gearbeitet hatte, und hielt aus Furcht vor Entdeckung den Kopf unterhalb der Wände des Hängers geduckt. Der heiße Blutgestank war allgegenwärtig, und glitschige Leiber
stießen gegen ihn, da der Hänger über den unebenen Boden holperte. Er wälzte sich auf den Rücken und reckte den Hals nach links und rechts, um so viel wie möglich zu erkennen, ohne den Kopf zu sehr anheben zu müssen. Er sah die zerschmetterten Überreste einer hohen Mauer vorbeigleiten, deren Trümmer mit Granateinschlägen übersät waren und aussahen, als seien sie einem Orbitalbombardement unterzogen worden. Fetter, schwarzer Rauch stieg von Scheiterhaufen auf, und Uriel hörte grölende Stimmen in weiter Ferne, die etwas zu skandieren schienen. Sie befanden sich bereits innerhalb der Mauern Khalan-Ghols und mussten jetzt nur so lange verborgen bleiben, bis diese Raupenschlepper sie in das albtraumhafte Reich der Brutalen Bestatter und der Daemonculaba brachten. Ein Kadaver tauchte aus dem Blut auf, und Uriel wollte ihn gerade wegstoßen, als er ihn anblinzelte. »Imperator! Ich dachte, du wärst eine Leiche!«, rief Uriel, als er sah, dass es Pasanius war. »Noch nicht«, grinste Pasanius und spie Blut. »Wo ist Leonid?« »Hier«, sagte eine Stimme auf der anderen Seite des Hängers. »Bei den Eiern der Hohen Senatoren, das hier ist fast noch schlimmer, als mit dem Abwasser aus der Festung gespült zu werden.« Uriel hob eine Augenbraue, und Leonid zuckte die Achseln. »Na ja, vielleicht auch nicht.« »Wenn ich recht habe, bringen sie uns genau dahin, wo wir hinwollen«, sagte Uriel. »Wir müssen es nur noch eine Weile ertragen.« »Was glauben Sie, wie lange es dauert, bis wir da sind?«, fragte Leonid, der sich beinahe vor der Antwort zu fürchten schien. Uriel schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich glaube nicht, dass sich diese Maschinen durch die Magie verwirren lassen, die diesen Ort schützt, also würde ich vermuten, nicht lange.« Leonid nickte resigniert und schloss die Augen in dem Versuch, den furchtbaren Gestank der Toten auszublenden. Die Fahrt der Raupenschlepper durch das gewundene Innere Khalan-Ghols zog sich tatsächlich vielleicht noch eine Stunde hin, in der sie durch grausige Straßen mit Opferaltaren, zwischen
dunkel gepanzerten Bunkern durch und schließlich durch das Gewirr der Manufakturen fuhren, in dem sich der Kriegertrupp so verirrt hatte. Der riesige Schatten des Portals des Eisenturms im Zentrum der Festung fiel auf sie, und kurz darauf waren sie wieder tief im Herzen von Honsous Bau. Entfernte Hammerschläge und das knirschende Getöse naher Maschinen erfüllten die Düsternis, und Uriel hörte die klickenden Schritte unsichtbarer Kreaturen, als diese an den tuckernden Raupenschleppern vorbeimarschierten. Widerliches gelbes Licht, das von flackernden Leuchtstreifen erzeugt wurde, kam und ging auf ihrer Fahrt durch breite Betontunnel. Schließlich hörte Uriel das Pochen eines monströsen Herzschlags lauter werden und wechselte einen unbehaglichen Blick mit seinen Kameraden. Der hallende Basston war ihnen nur allzu vertraut. »Das Blutherz«, sagte Pasanius. Uriel nickte, und seine Muskeln spannten sich, als er klickende und pfeifende mechanische Schritte kommen hörte. Der Raupenschlepper hielt mit einem Ruck an. Eine große Silhouette beugte sich über den Rand des Anhängers, und Uriel schloss die Augen, nachdem er die tote Haut eines Brutalen Bestatters erkannt hatte. Er blieb vollkommen reglos, als er spürte, wie Metallscheren in den Anhänger tauchten. Zischende Klauen drehten Leichen in dem mittlerweile klebrigen Blut. Leichen bewegten sich in dem Anhänger, da die Brutalen Bestatter aus irgendeinem unbekannten Grund die Toten inspizierten. Er kämpfte ein Ächzen des Abscheus nieder, als er spürte, wie sich eine Klaue um sein Bein schloss und ihn umdrehte, und er hatte Mühe, reglos zu bleiben, da sein Fleisch gedrückt und sondiert wurde. Der Brutale Bestatter klickte und pfiff in seiner unverständlichen Sprache, vermutlich im Zwiegespräch mit einem seiner schändlichen Kollegen, bevor er das Glied losließ und mit anderem Ziel davonratterte. Uriel hielt die Augen geschlossen und die Atmung sehr flach, bis sich der Raupenschlepper wieder in Bewegung setzte und sie einige Entfernung zwischen sich und die höllischen Chirurgen gelegt hatten. »Heiliger Thron«, flüsterte er, da ihm immer noch schlecht von
der Berührung durch den Brutalen Bestatter war. Ihre albtraumhafte Fahrt ging weiter in die Kammer der Schreie, wo der furchtbare Schlag des dämonischen Herzens wieder seine Sinne dämpfte. Über das Trommeln des Herzschlags hinweg hörte Uriel dennoch das jaulende Dröhnen schwerer Maschinen ebenso wie das knirschende Knacken von Knochen und das feuchte Quatschen pulverisierten Fleisches. »Macht euch bereit!«, zischte er. »Ich glaube, wir sind da!« Pasanius und Leonid nickten, während sich Uriel über den Leichenteppich schob und langsam den Kopf über den Rand des Anhängers hob. Und natürlich waren sie nicht mehr weit von der großen Zerkleinerungsmaschine entfernt, welche die toten Chaos Marines zermahlte und in genetische Materie für die Daemonculaba verwandelte. Doch wie zuvor wurde sein Blick von der Mitte der Kammer angezogen, von der massigen Gestalt des Blutherzens, jener dämonischen Kreatur, die über dem Blutsee an drei riesigen Ketten hing. Er riss sich vom Anblick des gefangenen Dämons los und sah, dass sie Teil einer großen, gewundenen Prozession roter Raupenschlepper waren, die neben der eisernen Rampe parkten, welche zu den Gitterkäfigen mit den großen dämonischen Gebärwesen führte. Ihr höllischer Zug war nur einer von einem Dutzend oder noch mehr Raupenschleppern, die sich ruckweise dem blutverschmierten Förderband näherten, das zu den klebrigen Walzen und Mahlwerken führte. Ein pulsierender Wald aus Rohren pumpte eine knorpelige rosa Masse aus der Maschine zu den Käfigen der Daemonculaba, und Uriel spürte, wie ihm die Galle hochkam angesichts dieser Blasphemie gegen das, was einst heiliges Fleisch aus dem Leib des Imperators gewesen war. Servitor-Mutanten in Vakuumanzügen auf einer erhöhten Plattform stachen an Ketten befestigte dicke Haken in die Leichen in den Anhängern und wickelten die Ketten dann mit schweren Flaschenzügen auf. Sie erledigten ihre Arbeit rasch und tüchtig und luden die Leichen auf eine Weise auf das Förderband, die von vielen Jahren der Wiederholung kündete. Neben dem Förderband sah Uriel einen kreuzförmigen Rahmen, der etwas hielt, das wie ein Gestell mit Fleisch aussah. Es war nah genug, um mit dem Blut besudelt zu werden, das aus den
Walzen spritzte. Uriel achtete nicht darauf, sondern hielt nach den schwarz berobten Ungeheuern Ausschau, die hier das Sagen hatten. Als er keines sah, richtete er sich auf und schwang sich über den Rand des Anhängers auf den nassen Boden. Er klopfte gegen den Anhänger und sagte: »Macht schon.« Pasanius gesellte sich zu ihm, entfernte Blut vom Nachlademechanismus seiner Waffe und klemmte sich das Boltgewehr zwischen die Knie, um es durchzuladen. Leonid folgte ihm, wischte sich das Blut aus den Augen und säuberte die Lüftungsschlitze seines Lasergewehrs. Die drei Krieger kauerten sich schwer atmend in den Schatten des Anhängers und säuberten sich so gut es ging vom geronnenen Blut. »Also, wir sind da«, sagte Leonid. »Was nun?« Uriel spähte um den Rand des Anhängers. »Zuerst zerstören wir diese Maschine. Wenn die Iron Warriors die Daemonculaba nicht mehr mit genetischem Material füttern können...« »Kann Honsou keine Iron Warriors mehr herstellen!«, vollendete Leonid. »Und dann gibt es auch keine neuen Hautlosen mehr«, fügte Pasanius hinzu. Uriel nickte. »Und danach stürmen wir die Rampe hinter uns und erledigen so viele Daemonculaba wie möglich, bevor die Brutalen Bestatter uns töten.« Seine Kameraden schwiegen, bis Leonid schließlich sagte: »Guter Plan.« Uriel grinste und sagte: »Freut mich, dass er Ihre Zustimmung findet.« Pasanius legte sein Boltgewehr auf den Boden, hielt Uriel die linke Hand hin und sagte: »Was auch passiert, ich bedaure nichts von dem, was uns hierhergeführt hat, Hauptmann.« Uriel nahm die Hand seines Freundes und schüttelte sie, gerührt von der schlichten Warmherzigkeit der Äußerung, und sagte: »Ich auch nicht, mein Freund. Was auch passiert, wir haben hier viel Gutes bewirkt.« »Wenn Sie mich fragen«, sagte Leonid, »wäre mir lieber, ich hätte nie von diesem verdammten Ort gehört, geschweige denn ihn aus der Nähe kennengelernt. Aber ich bin hier, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen, also worauf warten wir noch? Tun wir's.«
Uriel lud sein Boltgewehr durch und nickte. Doch bevor er noch mehr tun konnte, hörte er ein lautes bestialisches Heulen, das von einem irren Chor aus Gebrüll und Gebell beantwortet wurde, der von der Decke der Kammer widerhallte. Er lugte um die Kante des Anhängers und sah, wie sich der Herr der Hautlosen in einer Fontäne aus Blut und Gliedmaßen aus seinem Versteck erhob und einen der Mutanten-Schlächter mit bloßen Händen in Stücke riss. Die Hautlosen brachen in einer strampelnden Masse verknoteter, deformierter Gliedmaßen aus den blutgefüllten Anhängern hervor und rissen die Mutanten, welche die Zerkleinerungsmaschine bedienten, mit der Wut von Raubtieren in Stücke, die ihren Hunger und ihre Wut schon viel zu lange bezähmt hatten. Uriel sah, wie sich der gewaltige Kiefer des Herrn der Hautlosen um einen schreienden Mutanten schloss, ihn in der Hüfte durchbiss und seine Schreie für immer verstummen ließ. Die Bestie, gegen die Uriel im See gekämpft hatte, riss einem anderen Mutanten die Arme aus, bevor er sein Opfer in die Walzen der Zerkleinerungsmaschine warf. Die Hautlosen metzelten im Nu. zwei Dutzend Diener der Brutalen Bestatter nieder, und Uriel war entsetzt darüber und zugleich dankbar für ihre grimmige Wildheit. »Verdammt«, fluchte Uriel. »Damit ist das Überraschungsmoment dahin!« »Und jetzt?«, fragte Pasanius. »Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis die Brutalen Bestatter nachsehen kommen, was los ist, also beeilen wir uns. Wir haben nicht viel Zeit.« Uriel und seine beiden Kameraden brachen aus ihrer Deckung hervor und liefen zu der stampfenden Maschine, die eine potente Aura der Böswilligkeit und des Hungers ausstrahlte, da ihr finsterer Verwendungszweck sie buchstäblich mit Bösem impfte. Je eher sie zerstört wurde, desto besser, wusste Uriel, als er näher kam und sich eine stärker werdende Übelkeit in seinen Eingeweiden ausbreitete. Leonid taumelte und hustete einen Strom von Erbrochenem
aus, da sein krebsversuchter Körper die schändliche Aura der Dämonenmaschine nicht ertragen konnte. »Uriel!«, rief er, indem er ihm den Brustgurt mit Granaten hinhielt, den er den Überresten von Berossus' Armee draußen auf dem Berg abgenommen hatte. Uriel nahm die Granaten, lief zur Maschine und passierte dabei das Kreuz mit dem tropfenden Fleischgestell, dem er im Vorbeilaufen einen flüchtigen Blick gönnte. Er blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich zu ihm um, als ihm aufging, dass es gar kein Fleischgestell war. Es war Obax Zakayo. Uriel empfand nichts als Abscheu beim Anblick von Obax Zakayos verstümmeltem Körper, aber ein Teil von ihm staunte über die Grausamkeit von Wesen, die einer anderen lebenden Seele so etwas antun konnten. Der Iron Warrior - oder was noch von ihm übrig war - war an den Rahmen genagelt, und aus den Winkeln seiner verdrehten Lippen tropften dicke Speichelfäden. Durchsichtige Schläuche pumpten lebenserhaltende Chemikalien in seine verheerte Gestalt. »Guillaumes Fluch«, flüsterte Uriel, als der Iron Warrior sein zerschundenes, zerschlagenes Gesicht hob. »Ventris...«, keuchte er, während sich jähe Hoffnung in seine tränenden Augen schlich. »Töte mich, ich flehe dich an.« Uriel ignorierte Obax Zakayo, da Pasanius versuchte, die Hautlosen in eine Abwehrformation zu dirigieren, und entnahm dem Brustgurt Granate um Granate. Die Maschine dröhnte, als er sich näherte, schmutziger blauer Ölqualm quoll aus verrosteten Gittern und ein wütendes Bellen hallte aus ihren Tiefen herauf. Das nagende Gefühl in seinen Eingeweiden verstärkte sich, aber Uriel unterdrückte es und brachte die Granaten an Energieversorgungsbuchsen und Achsgelenken an und kletterte sogar auf sie, um eine in dem Wald der gurgelnden Zuführungsschläuche zu platzieren. Er arbeitete rasch, aber methodisch, und sorgte dafür, dass die Maschine durch die Explosion der Granaten völlig zerstört würde. Uriel stieg vor der Maschine und sah Leonid vor Obax Zakayo stehen. Der Oberst hatte sein Lasergewehr angelegt und zielte damit zwischen die Augen des Einsenkriegers.
»Tu es!«, weinte der gebrochene Obax Zakayo. »Tu es! Bitte! Sie verfüttern mich Stück für Stück an die Maschine und lassen mich zusehen...« Leonids Finger krampfte sich um den Abzug, doch dann ließ er ächzend die Luft entweichen und senkte die Waffe. »Nein«, sagte er. »Warum solltest du so leicht davonkommen, nachdem du so viele von meinen Soldaten zu Tode gefoltert hast? Ich glaube, mir gefällt die Vorstellung, dass du so leidest!« »Bitte!«, flehte Obax Zakayo. »Ich... ich kann euch helfen, den Mischling zu besiegen!« »Den Mischling?«, sagte Uriel. »Honsou, ich meine Honsou«, keuchte Obax Zakayo. »Ich kann euch sagen, wie ihr seinen Tod herbeiführen könnt.« »Wie?«, fragte Leonid, indem er vortrat und dem Iron Warrior den Kolben seines Lasergewehrs unter das Kinn rammte. »Sag es uns!« »Nur wenn ihr versprecht, dass ihr mich tötet«, pfiff Obax Zakayo und spie ein paar Zähne aus. »Uriel!«, rief Pasanius von den Barrikaden der Anhänger. »Ich glaube, sie kommen!« »Wir haben keine Zeit für diesen Unsinn, Verräter«, schnauzte Uriel. »Sag uns, was du weißt!« »Schwöre es, Ultramarine. Gib mir deinen Eid.« »Also gut«, nickte Uriel. »Ich schöre, ich sorge für deinen Tod, jetzt rede!« »Das Blutherz«, begann Obax Zakayo. »Das ist ein Dämon des Herrn der Schädel, und der ehemalige Meister des Mischlings hat ihn unter Khalan-Ghol eingesperrt und seine Essenz mit dem Blut von Zauberern angereichert.« »Was hat das mit Honsou zu tun?«, wollte Uriel wissen. »Weißt du denn gar nichts über deine Feinde?«, spottete Obax Zakayo. »Der Herr der Schädel ist der Fluch aller Psioniker, und das Blutherz wurde durch derart verseuchtes Blut in den Wahnsinn getrieben. Die Zauberer des Kriegsschmieds haben ihre mächtigsten Null-Magien durch den gefangenen Dämon geleitet und seine immateriellen Energien genutzt, um eine große psionische Barriere rings um die Festung zu wirken, die seit fast zehntausend Jahren kein Zauberer mehr durchbrechen konnte!« Obax Zakayo hustete und sagte: »Ich habe deinen Eid, dass du mein Leiden beendest?« ,
»Ja«, sagte Uriel. »Rede weiter.« Der Iron Warrior nickte und sagte: »Lord Toramino hat einige der mächtigsten Zauberer im Auge des Schreckens unter seiner Herrschaft, und obwohl sie über große Macht verfügen, können sie diese uralte Barriere des Blutherzens nicht durchbrechen. Vernichte die Barriere, und sie schleifen die Festung bis auf die Grundmauern!« Uriel schaute Obax Zakayo auf der Suche nach einer Lüge in die Augen, aber der Iron Warrior war über jedwede Täuschung längst hinaus, da er viel zu vertieft in sein eigenes Elend war und sich zu sehr danach sehnte zu sterben. Er spürte jetzt die lenkende Hand der Vorsehung in der Anwesenheit des Verräters, denn hier bot sich die Gelegenheit, seinen Todeseid zu erfüllen und dem Omphalos Daemonium seine Beute vorzuenthalten. »Also gut«, drängte Uriel. »Wie vernichten wir das Blutherz?« »Die Ahlen«, sagte Obax Zakayo. »Die silbernen Ahlen, die sein dämonisches Fleisch durchbohren und über dem See halten...« »Was ist mit ihnen?« »Das sind verhasste Artefakte, die aus euren heiligsten Einsiedeleien gestohlen oder jenen abgenommen wurden, die mit ihren Nachforschungen zu tief in die Mysterien des Chaos eingedrungen sind. Sie sind mehr als nur körperliche Anker. Sie binden ihn an diesen Ort. Entfernt oder zerstört sie, und seine Auflösung wird vervollständigt.« Uriel wich einen Schritt vor Obax Zakayo zurück und schaute in die Dunkelheit der Kammer über dem zischenden Blutsee, wo der gewaltige Dämon in seinem sich windenden Wahnsinn hing. Er sah drei funkelnde silberne Spitzen aus Licht, die das schuppige Fleisch durchbohrten, und jede hing an einer Kette, die im Gestein der Kammerwände verankert waren. Sein Blick folgte der Linie der Ketten vom Dämon aus, und er blinzelte, als er sah, wo die nächste verankert war. Uriel wandte sich wieder an Obax Zakayo, hob sein Boltgewehr und sagte: »Ich töte dich jetzt.« »Nein!«, sagte Leonid grimmig. »Lassen Sie mich das übernehmen. Ich schulde diesem Bastard noch einen Tod.« Uriel sah den Durst nach Vergeltung in Leonids Augen und nickte. »So sei es. Wenn er tot ist, schalten Sie die Zünder der Granaten ein und setzen Sie sich ab. Die Brutalen Bestatter kommen, also bleiben Sie in der Nähe der Hautlosen. Sie werden
versuchen, Sie zu beschützen, wenn Sie in ihrer Nähe sind, aber Sie müssen den Feind so lange wie möglich in Schach halten.« »Ich verstehe«, sagte Leonid. »Jetzt gehen sie.« Uriel nickte und lief zu Pasanius. Leonid beobachtete, wie Uriel Pasanius in aller Hast seinen Plan erklärte und die beiden Ultramarines dann die Eisenrampe emporliefen, die zu den Käfigen der Daemonculaba führten. »Also, Sklave«, zischte Obax Zakayo. »Ventris hat dir aufgetragen, mich zu töten.« Leonid hob sein Lasergewehr und schoss Obax Zakayo in den Bauch. Er roch verbranntes Fleisch und nickte zufrieden, weil der Iron Warrior Schmerzen litt, aber immer noch lebte. Obax Zakayo hob den Kopf und brüllte: »Schieß noch mal, ich bin noch nicht tot!« Leonid trat näher und spie Obax Zakayo ins Gesicht. »Nein«, sagte er gelassen. »Ein Eid wurde geschworen!«, schrie der Iron Warrior. »Ventris hat geschworen, für meinen Tod zu sorgen!« »Uriel hat sein Wort gegeben, aber ich nicht«, fauchte Leonid. »Ich will, dass du in Qualen lebst und dann unter Schmerzen stirbst, wenn diese ganze Festung hier dem Erdboden gleichgemacht wird!« Obax Zakayo weinte und verfluchte ihn, doch Leonid ignorierte sein Flehen, während er die dem Iron Warrior am nächsten angebrachte Granate entfernte und in die Brusttasche seiner Uniformjacke schob. »Wir wollen doch nicht, dass du durch einen Unfall stirbst, oder?«, sagte er. Ohne ein weiteres Wort wandte sich Leonid ab und ging. Uriel stürmte die Rampe empor und lief an den Leibern der Daemonculaba vorbei, während er sich wünschte, bei jeder innehalten und ihrem Leiden ein Ende bereiten zu können. Er wusste, dass sie bessere Aussichten hatten, ihre Qualen zu beenden, wenn sie Honsous Feinden ermöglichten, diese Aufgabe für sie zu übernehmen. Er und Pasanius liefen an der Außenwand der Kammer entlang zu einer der drei Ahlenketten, die den Leib des Blutherzens durchbohrten und den Dämon an Khalan-Ghol banden.
Wenn sie auch nur eine der Ahlen aus dem furchtbaren Dämon ziehen konnten, würde das vielleicht schon reichen... »Großer Imperator der Menschheit, gib mir die Kraft deines Willens, dies für dich zu tun«, betete er unterwegs, den Blick fest auf die Kette gerichtet, deren Lauf er vom Leib des Dämons verfolgte. Er sah, dass sie höher verankert war, als diese Ebene der dämonischen Gebärkreaturen reichte, und als sie die Stelle auf dem Laufgang direkt unter der Verankerung der Kette erreichten, hörte er, wie die Zerkleinerungsmaschine explodierte und das durch die Kammer hallende bestialische Gebrüll der Hautlosen. Diesem Lärm folgte rasch das Zischen von Laserstrahlen und das Kreischen der Brutalen Bestatter. »Wir müssen klettern«, sagte Pasanius. Uriel nickte und drehte sich zu der Schlacht unter ihnen um. Er sah viele Leichen durch die Luft fliegen und grellblaue Blitze, als die Bewohner dieses grauenhaften Ortes den Kampf gegen die Hautlosen aufnahmen. »Der Imperator wache über euch«, flüsterte Uriel, als er die Finger um die Eisenstangen eines Käfigs der Daemonculaba schloss und zu klettern anfing. Die dicke Kette war gut zehn Meter über ihm in der Wand verankert, und das matte Licht reichte aus, ihn erkennen zu lassen, dass sie mit einem Betonstopfen tief und fest in das Gestein eingebettet war. »Kannst du mir helfen?«, sagte Pasanius, als Uriel auf dem Dach des Käfigs angekommen war. Er klang so, als schäme er sich außerordentlich dafür, um Hilfe zu bitten. Uriel drehte sich peinlich berührt um, weil er bis zu diesem Augenblick nicht daran gedacht hatte, dass Pasanius mit nur einem Arm Schwierigkeiten haben könnte, die Kette zu erreichen. Er griff nach unten uns half seinem Freund zu ihm hinauf. Verrostete Streben und lange vernachlässigte Gerüste steckten unter dem Stopfen im Gestein, vermutlich von jenen dort zurückgelassen, welche die Kette überhaupt erst dort verankert hatten. Er hörte einen jämmerlichen Schrei unter sich und schaute durch das Geflecht des Käfigdachs in das weinende Gesicht der Daemonculaba. Uriel beugte sich so tief zu der gepeinigten Kreatur hinunter, wie er konnte. »Ich sorge dafür, dass deine Leiden ein Ende
haben«, versprach er. Ihre Augen schlossen sich langsam, und Uriel glaubte, ein beinahe unmerkliches Nicken ihres aufgeschwemmten Kopfes zu sehen. »In der ganzen Galaxis gibt es nicht genug Leiden, um die Iron Warriors für das büßen zu lassen, was sie hier getan haben«, sagte Pasanius mit erstickter Stimme, da seine Gefühle ihn zu überwältigen drohten. »Nein«, gab Uriel ihm recht, »das gibt es nicht, aber wir werden sie trotzdem leiden lassen.« »Aye«, bestätigte Pasanius, als sie auf das Käfigdach kletterten und sich weiter an den Seiten der dunklen Kammer nach oben vorarbeiteten, da sie jeder Armzug ihrem Ziel näher brachte. Von unten drangen weiter Kampfgeräusche zu ihnen herauf, während sie sich an den in Risse und Spalten gezwängten Gerüststangen zur Kettenverankerung hocharbeiteten. So dick wie Pasanius' Unterarm, führte sie zur Mitte der Kammer und zum Blutherzen. »Fertig?«, fragte Uriel. »Fertig«, nickte Pasanius und spie sich auf die Handfläche. Die beiden Space Marines packten die verrostete Kette und zogen mit aller Kraft, um die Ahle aus dem Körper des Blutherzens zu zerren. Leonid hatte sein Lasergewehr auf Dauerfeuer geschaltet und gab einen Feuerstoß auf die ungeschlachten Mutanten in Vakuumanzügen ab, die Deckung hinter einer Reihe blutgefüllter Tonnen nahmen. Seine Schüsse durchlöcherten die Fässer, so dass rote Bögen aus ihnen Seiten liefen. Er wusste, er hatte keinen von ihnen getötet, aber die Schüsse sorgten dafür, dass sie den Kopf unten hielten. Er hatte die Mutantenkreatur Sabatier bei den bewaffneten Sklaven der Brutalen Bestatter gesehen und verspürte das dringende Bedürfnis, dieses Ungeheuer zu durchlöchern. Verdammt, aber es war ein gutes Gefühl, wieder eine Waffe in der Hand zu haben und auf den Feind zu schießen! Das Chaos der blutigen Schlacht tobte und wogte rings um ihn, da die Hautlosen sich mit urtümlicher Wildheit gegen ihre Schöpfer wehrten, um den Ultramarines die Zeit zu verschaffen, das Blutherz herunterzuholen.
Der Herr der Hautlosen brüllte beim Töten, und seine kraftvollen Fäuste brachten dem Feind mit jedem Hieb den Tod. Ein schwarz berobtes Ungeheuer bäumte sich auf großen pneumatischen Beinen auf, die mit kreischenden Klingen bestückt waren, aber ein anderer Hautloser, ein schnatterndes Grauen aus Gliedern und Mäulern, landete auf ihm und riss ihm mit brutalem Rucken die Beine ab. Leonid wälzte sich in die Deckung der rauchenden Überreste der Zerkleinerungsmaschine, um nachzuladen, als der Brutale Bestatter zusammenbrach und sein Bezwinger ein anderes Opfer ansprang. Die gliederlose Gestalt Obax Zakayos schrie »Töte mich!« an seinem Kreuz, aber Leonid beachtete ihn nicht, da er zu sehr auf die Schlacht ringsumher konzentriert war. So wild die Hautlosen auch waren, die Brutalen Bestatter waren seit ungezählten Millennien Ausübende der Kunst des Tötens, und wenn sie sich mit einem auskannten, dann mit den Schwächen des Fleisches. Auch wenn es so widerstandsfähig war wie das der Hautlosen. Fliegende Metallscheiben durchtrennten dicke Glieder, und schwere Pfeile mit Giften, wie sie nur im Auge des Schreckens existieren konnten, stachen in hämmernde Venen und töteten ihre Opfer, bevor sie auch nur registrieren konnten, dass sie getroffen waren. Wesen starben, und auch das unablässige Feuer der Diener der Brutalen Bestatter forderte seinen Tribut, da Salve um Salve über die Hautlosen hereinbrach. Leonid erhob sich aus seiner Deckung und sah einen Brutalen Bestatter mit gewaltigen Kettenklingen anstelle von Fäusten hinter den Herrn der Hautlosen huschen, während dieser gerade den Rumpf von der mechanischen Ketten-Einheit eines anderen Bestatters riss. Leonid schwang den Lauf seiner Waffe herum und gab eine Lasersalve ab. Er hatte gut gezielt, und der Kopf des Brutalen Bestatters explodierte, während seine zuckende Gestalt hinter dem Herrn der Hautlosen zu Boden sank. Der Kopf der massigen Kreatur ruckte herum, als er den Fall hörte, und die Verwirrung über den Tod hinter ihm verwandelte sich in grimmige Freude, als er sah, wer ihn gerettet hatte. Er schlug sich mit den Fäusten auf die Brust und rief: »Jetzt du Stamm!« Als sich Leonid wieder in den Schutz der Deckung kauerte, hörte
er hinter sich die Schritte bestiefelter Füße. Er fuhr herum und riss das Lasergewehr hoch, da er ein halbes Dutzend Mutantensklaven mit Keulen und Hippen bewaffnet sah, die sich auf ihn stürzten. Eine Keule mit Eisenspitze zischte auf seinen Kopf zu, und er warf sich zurück, doch zu langsam, so dass die Spitze der Waffe seine Schläfe traf. Er ließ das Gewehr fallen und griff sich an den Kopf, während sich die Welt wild drehte und grelle Sonnen vor seinen Augen explodierten. Der Boden kam ihm entgegen, und er schlug auf den harten Beton und schloss die Augen, da er auf den tödlichen Hieb wartete. Der Schatten von etwas Heißem und Schwerem fiel auf ihn, und warmes Blut bespritzte ihn. Er öffnete die Augen, schüttelte den Kopf und bedauerte es in dem Augenblick, als er Hammerschläge der Erschütterung in seinem Schädel nachhallen spürte. Der Herr der Hautlosen stand vor ihm, den muskulösen Körper von zahlreichen langen Klingen durchbohrt und unzähligen Laserstrahlen verbrannt. Das Wesen griff nach unten, um ihm auf die Beine zu helfen, und Leonid sah die Leichen jener, die ihn hatten töten wollen. Sie sahen aus wie eine Explosion in der Sammlung eines Anatomen, eine Masse abgetrennter Glieder und aufgeplatzter Leiber. »Danke«, brachte Leonid hervor, während er sich Blut von der Schläfe wischte und sich bückte, um sein Gewehr aufzuheben. »Du Stamm«, erwiderte der Herr der Hautlosen, als sei keine andere Erklärung nötig. Ohne ein weiteres Wort stürzte sich das Wesen wieder in das Getümmel. Scharen der Hautlosen waren tot, aber die Übrigen kämpften weiter, ohne in ihrem grimmigen Wüten nachzulassen. Immer mehr Feinde strömten in die Kammer, und Leonid wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis man sie überwältigen würde. Er schaute hoch zu den Gerüsten an den Wänden der Kammer und forderte Uriel und Pasanius auf, sich zu beeilen. Die Adern an Uriels Armen traten wie Stahlseile hervor, als er an der Kette zog. Gegen das erhöhte Ende des Gerüsts vor ihnen gestemmt, mühten sich die beiden Space Marines mit der Kette ab. Uriel glitt mit einem Fuß aus und spreizte die Beine, um besseren Halt zu finden. Die stechenden Schmerzen in Brust und
Schulter setzten ihm beim Ziehen zu, aber er konzentrierte sich und nutzte sämtliche Möglichkeiten der Disziplinierung, die er in Agiselus und dem Hera-Tempel gelernt hatte, um sie zu verdrängen. »Komm schon, verdammt!«, brüllte er die Kette an, während er die wilden Kampfgeräusche hörte und wusste, dass die Hautlosen für ihn starben. Er konnte sie nicht im Stich lassen und verdoppelte seine Bemühungen. Pasanius mühte sich ebenfalls mit der Kette ab, und vor Anstrengung lief ihm der Schweiß ins Gesicht. Pasanius hatte mehr Kraft als Uriel, aber eben auch nur einen Arm, mit dem er ziehen konnte. Gemeinsam ließen sie jeden Funken Hass auf die Iron Warriors in ihre Anstrengungen einfließen. Uriel brüllte vor Schmerz und ohnmächtiger Wut, während er weiterzog. Und plötzlich spürte er, wie etwas nachgab... Mit lautem Triumphgeschrei zogen die Ultramarines noch fester, so dass die Sehnen in ihren Schultern und Armen kurz vor dem Zerreißen standen, und trieben ihre Körper an die Grenzen des Möglichen. Ohne Vorwarnung erschlaffte die Ahlenkette plötzlich, und Uriel sah einen aufflammenden Blitz aus weißem Feuer, als sich der silberne Dorn aus dem Fleisch des uralten Dämons löste. Die rot geschuppte Kreatur fiel, und silberweiße Blitze explodierten über ihrem Leib, wo ihr fallendes Gewicht die anderen beiden Ahlen herauszog. Der Dämon landete mit einem gewaltigen Klatschen in dem Blutsee, und eine rote Flutwelle wurde durch die Kammer gespült. Der Dämon verschwand unter der brodelnden Oberfläche, und Uriel spürte, wie ihn beim Anblick der zischenden roten Fluten eine Vorahnung von Unvermeidlichkeit überkam. »Wir haben es geschafft!«, rief Pasanius. »Ja«, stimmte Uriel zu, der beobachtete, wie sich die Oberfläche des Sees teilte und der gewaltige Dämon zu voller Größe erhob, während Lichtblitze um seine glänzenden roten Schuppen spielten, »aber ich frage mich langsam, ob das wirklich ein Grund zum Frohlocken ist.« Hoch oben im Eisenturm schrie Onyx plötzlich auf, als sei er
getroffen worden, sank auf die Knie und fasste sich an den Kopf, während in seinen seelenlosen silbernen Augen eine jähe Erkenntnis aufblitzte. Honsou sah die Bewegung und blickte ob dieser Unterbrechung seiner Schlachtplanung mit Cadaras Grendel gereizt auf. Dann sah er den Ausdruck äußerster Beunruhigung in Onyx' Miene. »Was ist los?«, wollte er wissen. »Das Blutherz!«, zischte der dämonische Symbiont. »Was ist damit?« »Es ist frei...«, sagte Onyx.
ZWANZIG Das Blutherz warf den gehörnten Schädel in den Nacken und brüllte in irrsinniger Qual. Sein Gebrüll der Wut und des Wahnsinns erfüllte die Kammer und hatte ein Timbre, das die Seele durchbohrte und beinahe jedem Lebewesen darin Schreie der Urangst entlockte. Der Blutsee brodelte, wo es stand, und in seinen Augen glühte ein Feuer, in dem uralte Bosheit brannte. Sein zottiger, gehörnter Kopf drehte sich, während es seine Umgebung begutachtete, als sehe es sie zum ersten Mal, und der aufgeblähte Körper sonderte dunkle Blitze ab, die in rotem Feuer explodierten. Die Haut des Blutherzens war schuppig, und dicke Strähnen zotteliger, verfilzter Haare fielen ihm tief in den Rücken. Die großen Wunden dort, wo die Brutalen Bestatter die Flügel amputiert hatten, sonderten einen roten, flüssig wirkenden Rauch ab, als sei ein Fass rote Tinte unter Wasser ausgeleert worden. Seine Brust hob und senkte sich angestrengt, und das donnernde Echo seines Herzschlags erfüllte die Kammer, als es sich den pulsierenden roten Schlauch herausriss, über den ihm das unreine Blut der Psioniker zugeführt wurde. Der Strom der Lebensflüssigkeit sprudelte in den See. »Guillaume, bewahre uns!«, hauchte Pasanius, als sich der Dämon in Bewegung setzte und zielstrebig zum Ufer marschierte. Die Funken, die seine behuften Füße auf dem Grund des Sees schlugen, ließen Geysire aus brennendem Blut in die Höhe schießen.
»Ein Dämon«, sagte Uriel. »Einer der Prinzen des Chaos...« »Was machen wir jetzt?«, fragte Pasanius. Uriel zog sein Schwert, als der gewaltige Dämon das Seeufer erreichte und sich zu voller Größe erhob. »Wir bereiten unsere Seele auf das Ende vor«, sagte er nur. Honsou sah, dass der Himmel rings um seine Festung in einem aktinischen blauen Licht brannte. Viele Hundert Säulen aus durchsichtigen blauen Flammen umringten Khalan-Ghol und stachen von der Ebene unter ihnen viele Kilometer in die Höhe wie Ölquellen, aus denen der kostbare Treibstoff sprudelte. Das blaue Feuer brodelte, und Honsou sah lebende Albträume in den Flammen umherwirbeln, in denen die furchtbare Kraft und die Bosheit des Warpraums enthalten war. »Was geht da vor?«, wollte er wissen. »Die Türme!«, sagte Onyx. »Türme? Welche Türme?« »Die wir bei unserem Vorstoß in Berossus' Lager gesehen haben«, sagte Onyx. »Hohe barocke Eisentürme, die mit psionischer Energie gesättigt waren. Erinnert Ihr Euch?« Honsou nickte, da er noch den beunruhigenden Anblick ihrer arkanen Geometrie und die skandierenden Gruppen golden berobter Gestalten vor Augen hatte, die sie umtanzten und mit Opferblut salbten. Nach dem Überfall hatte er sie sich aus dem Kopf geschlagen, in der Zuversicht, dass die Macht des Blutherzens ihrer Magie widerstehen würde. Er ging auf Onyx los, hob die Axt und sagte: »Du hast mir gesagt, es gäbe keine Zauberkräfte, die das Blutherz besiegen könnten!« »Und es gibt auch keine, aber es ist jetzt frei und nicht mehr an Khalan-Ghol gebunden.« »Wir sind schutzlos?«, fragte Cadaras Grendel. Onyx schüttelte den Kopf. »Nein. Die Zauberer der Festung können die Barriere eine Weile aufrechterhalten, aber ohne die Macht des Blutherzens ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich Toraminos Magie durchsetzt und uns vernichtet.« »Blut des Chaos!«, fluchte Honsou, bereits unterwegs zur großen Doppeltür, die aus seinem Allerheiligsten führte, während er seinen auserwählten Kriegern bedeutete, ihm zu folgen. »Wie
konnte der Dämon freikommen?« »Der Kriegsschmied hat das Blutherz mit drei unreinen Ahlen gebunden, und es kann nur freigekommen sein, weil sie jemand entfernt hat.« »Aber wer würde so etwas wagen?« Honsou blieb wie angewurzelt stehen, als Onyx sagte: »Ventris und sein Kriegertrupp?« »Natürlich!«, schnauzte Honsou. »Ich hätte wissen müssen, dass sich Toramino nie dazu herabgelassen hätte, Abtrünnige in seine Dienste zu holen, nur um für ihn zu kämpfen. Er und Ventris müssen die ganze Sache geplant haben! Zuerst das Blutherz befreien und uns dann mit Zauberei vernichten. Ich lasse die Eingeweide dieser Bastarde Stück für Stück an die Exuviae verfüttern.« »Dann hatte Toramino nie die Absicht, seine Armee hier kämpfen zu lassen!«, fauchte Cadaras Grendel. »Nein«, stimmte Onyx zu. »Es hat nicht den Anschein.« »Wie lange haben wir noch, bis die Barriere fällt?«, wollte Honsou wissen, während er in die Dunkelheit des Eisenturms marschierte und die Richtung zum Reich der Brutalen Bestatter einschlug. Seine Krieger folgten ihm mit geladenem Boltgewehr und gezücktem Schwert. »Das weiß ich nicht mit Sicherheit«, räumte Onyx ein, »aber lange kann es nicht dauern.« »Dann sollten wir uns besser beeilen!«, sagte Honsou. »Ich will Ventris töten, bevor Toramino Khalan-Ghol zerstört!« Uriel sprang auf die Galerie, die sich an der gesamten Kammerwand entlangzog, drückte auf die Aktivierungsrune am Heft seines Energieschwerts und wirbelte die leuchtende Klinge durch die Luft. Pasanius landete neben ihm, und gemeinsam eilten sie dem Kammerboden entgegen, während das Blutherz den See verließ und rote Flüssigkeit in grausigen Rinnsalen seinen roten Körper hinunterlief. Er überragte sie um einiges, war volle vier oder sogar fünf Meter groß, und über seine muskulöse Statur zuckten heiße Lichtstreifen, die sich unter seiner Haut entlangzogen wie feurige Adern. Es schaute auf den blutigen Boden vor sich - auf die
Leichen der Hautlosen, der Brutalen Bestatter und ihrer Diener -, und ein blutverschmiertes Grinsen spaltete das bestialische Gesicht. Die überlebenden Mutanten flohen vor seiner furchterregenden Macht, und sogar jene Brutalen Bestatter, die noch nicht von den Hautlosen getötet worden waren, wichen vor dem diabolischen Wesen in ihrer Mitte zurück. Nur die Hautlosen wichen nicht, da sie zu wenig über die grauenhafte Macht eines Dämonenprinzen wussten, um ihn zu fürchten. Sie spürten zwar seine verabscheuungswürdige Macht, aber sie hatten keine Vorstellung von der Bedrohung, die er darstellte. Der Herr der Hautlosen stand vor dem mächtigen Dämon, die Brust herausfordernd aufgeblasen, und das Blutherz betrachtete ihn mit so viel Interesse, wie ein Mensch vielleicht für eine Ameise aufbringen würde. Der Herr der Hautlosen brüllte und stürmte auf den Dämon los, doch bevor er auch nur ansatzweise einen Schlag landen konnte, fegte das Blutherz ihn mit einem beiläufigen Zucken seines Schuppenarms beiseite. Der gewaltige Anführer der Hautlosen prallte mit einem markerschütternden Krachen gegen die Höhlenwand, und Uriel wusste, dass die Aufprallwucht gereicht haben musste, um ihm jeden Knochen im Leib zu brechen. Als sie sahen, wie mühelos ihr Anführer besiegt worden war, heulten die Hautlosen und sprengten vor dem grauenhaften Dämon auseinander, um Schutz in den dunklen Nischen und Winkeln der tödlichen Kaverne zu suchen. Uriel und Pasanius beobachteten, wie sich das Blutherz von den fliehenden Hautlosen abwandte, während das gewaltige Pochen seines Herzens nun nachließ, da keine Magie mehr hineingeleitet wurde. Uriel spürte, wie seine Sinne schärfer wurden und die erstickende Taubheit jetzt, wo der Dämon frei war, wich. Leonid eilte zu ihnen und rief: »Ich dachte, er würde durch das Herausziehen der Ahlen zerstört!« »Ich auch«, erwiderte Uriel, als das Blutherz den Kopf in den Nacken warf und ein fürchterliches Brüllen von sich gab, das die Sinne überwältigte, nicht durch seine Lautstärke, sondern durch das schiere Verlustgefühl und die Wut, die darin zum Ausdruck kamen. Sein Hunger durchbohrte den Wall der Dimensionen und hallte über die riesige Kluft, die Universen trennte. Uriel und alle Lebewesen in der Kammer fielen zu Boden, bis in
den Kern ihres Wesens vom Schrei des Dämons erschüttert. »Was macht es?«, brüllte Leonid. »Das weiß nur der Imperator!«, rief Pasanius. Uriel rappelte sich auf, die Hände an den Kopf gepresst, um den monströsen Lärm des Dämonengeheuls zu mildern. Etwas im Tonfall des langen auf- und abschwellenden Schreis erzählte Uriel von Dingen, die verloren waren, und Dingen, die zurückgerufen würden. Ihm ging auf, was es war, als er einen sich windenden Klecks aus dunklem Licht in der Luft vor dem Dämon auftauchen sah. »Das war ein Ruf der Beschwörung...«, sagte er. Pasanius und Leonid musterten ihn mit seltsamem Blick, als das Gebrüll des Dämons verstummte und der brüchige Schleier der Realität mit einem grauenhaften Geräusch wie von reißendem Fleisch aufbrach. Ein schwarzes Loch in den Mauern, welche die Realitäten trennten, öffnete sich und erfüllte die Luft mit einer widerlichen Statik, als seien Millionen Aasfliegen aus irgendeiner schändlichen Seuchendimension eingeflo-gen. Furchtbares Wissen überkam Uriel, als er in das Portal starrte, das sich im Gefüge des Universums geöffnet hatte. Er sah Galaxien von Milliarden und Abermilliarden Seelen, die geerntet und dem Herrn der Schädel, dem Blutgott, zugeführt worden waren. »Imperator, sei uns gnädig«, weinte Uriel, als er spürte, wie sich jeder dieser Tode wie ein Splitter in sein Herz bohrte. Neues Leben und neue Zuversicht hatte diese Galaxien einmal erfüllt, doch nun waren alle tot, dahingemetzelt, um den Hunger des Blutgotts zu stillen... dessen schändlicher Name eine finstere Ausstrahlung in dem kupfrigen Wind war, der aus dem Portal wehte und einen Gestank von tiefstem, dunkelstem Rot mitbrachte, dessen Zweck durch nur eine einzige Rune und eine Inschrift simpler Hingabe verkörpert wurde: Blut für den Blutgott... Khorne... Khorne... Khorne ,.. Ein einziger Schrei der finsteren und blutigen Verwandtschaft, ein Pakt aus Hass und Tod. Er hallte aus dem Portal und schwoll an, so dass der Staub von der Decke geschüttelt wurde. Und da war ein Antwortgebrüll blutigen Willkommens direkt aus der Messingkehle des Blutherzens. Licht flutete aus dem Portal, als ein gerüsteter Riese in den brünierten Eisenplatten einer uralten Servorüstung in die Kammer
stapfte. Das Portal schloss sich hinter ihm, als er sich vor dem Blutherz aufbaute. Größer als ein Space Marine, war seine böse Ausstrahlung unverkennbar und seine Bösartigkeit unberechenbar. Weißes Licht, unrein und verderbt, rann wie Tropfen saurer Milch unter dem gehörnten Helm hervor, und auf dem Schulterschutz prangten Sterne, die ihn als Iron Warrior auswiesen. Der dämonische Krieger trug eine große Sägezahnklinge und eine Pistole mit goldenen Ziselierungen. Beide Waffen stanken förmlich nach den von ihnen angerichteten Gemetzeln. Stark und auf eine finstere Art großartig war dieses Ding, und Uriel wusste, dass es der vollendetste Schlächter war, den man sich vorstellen konnte. Uriel erhaschte einen Blick auf eine schlurfende Gestalt, die den Gang entlanghumpelte, der aus der Kaverne führte, und erkannte darin die widerliche Kreatur Sabatier. Kaum hatte er deren Anwesenheit registriert, als der in Eisen gehüllte Krieger seine Pistole hochriss und schoss. Das Geschoss traf Sabatier hoch im Rücken, explodierte durch seine Brust und sprengte einen riesigen Krater in seinen Leib. Sabatier grunzte und fiel vornüber, und Uriel empfand nur Bedauern, dass diese Kreatur vor ihrem Tod nicht noch mehr gelitten hatte. »Wir können nicht gegen beide kämpfen«, sagte Pasanius. »Nein«, stimmte Uriel zu, »aber vielleicht brauchen wir das auch gar nicht. Seht doch!« Die gerüstete Gestalt sank vor dem Blutherzen in die Knie, aber Uriel sah sofort, dass es sich nicht um eine simple Geste der Verehrung handelte. Der dämonische Iron Warrior legte seine Waffen nieder und hob die Arme. Ein blutroter Schein drang aus jedem Gelenk der Rüstung und badete das Blutherz in seinem Licht. »Ich kehre zu dir zurück!«, rief eine hohe Stimme unter dem Helm des gerüsteten Kriegers. Das Blutherz hob die Arme und ahmte die Pose des Kriegers nach, und Stück für Stück löste sich die eiserne Rüstung von der knienden Gestalt und schwebte dem gewaltigen Dämon entgegen. »Was macht es denn jetzt?«, sagte Leonid, dessen Tonfall nun unverhohlenes Entsetzen verriet. »O nein...«, flüsterte Uriel, als er sich an eine Geschichte
erinnerte, die ihm vor noch gar nicht allzu langer Zeit von Seraphys von den Blood Raven in den Bergen erzählt worden war. Eine Geschichte darüber, wie sich das Blutherz eine Rüstung geschmiedet habe, in die es all seine Bosheit, all seinen Hass und all seine Schläue habe einfließen lassen, eine Rüstung so voller Wut, dass sich die Feinde mit ihren eigenen Hieben auf sie niederstreckten. Es war wahrhaftig Khornes Avatar, des Bluttgottes Lieblingsschüler des Todes. Die Eisenrüstung schwebte von der Gestalt des Kriegers weg, die nun immer kleiner wurde, je mehr Teile sie verlor. Obwohl das Blutherz sehr viel größer war als der gerüstete Krieger, passte sich jedes Teil irgendwie der Gestalt des Dämons an und wechselte dabei von der Farbe Eisens zu einer dunklen und irgendwie widerlichen Messingfarbe. Beinschienen und Brustharnisch sortierten sich klirrend ein, und ungebeten sprangen die Waffen des Kriegers vom Boden auf und veränderten in der Luft die Gestalt: Aus Pistole und Schwert wurden eine ächzende Axt und eine sich windende Peitsche aus beschlagenem Leder. Zuletzt rissen unsichtbare Hände dem Krieger den Helm vom Kopf und setzten ihn auf den großen gehörnten Schädel des Blutherzens. Wo gerade noch ein furchterregender gerüsteter Riese gekniet hatte, war jetzt nur noch eine Frau, die in ihrer schmutzigen und zerrissenen himmelblauen Uniform der Imperialen Garde wie eine Streunerin aussah. »Das 383.!«, rief Leonid. »Was?« »Diese Jacke«, zeigte Leonid. »Das ist die Uniform meines Regiments!« »Das kann nicht sein«, sagte Uriel. »Hier?« »Ich kenne doch mein Regiment, verdammt«, schnauzte Leonid. »Ich werde sie holen!« »Seien Sie kein Narr«, sagte Pasanius und hielt Leonid an der Jacke fest. »Nein!«, protestierte Leonid, der sich in Pasanius' Griff wand. »Verstehen Sie denn nicht? Zusammen mit mir ist sie wahrscheinlich die letzte Überlebende des 383.! Ich muss gehen!«
»Sie werden sterben«, sagte Uriel. »Und? Ich sterbe ohnehin«, rief Leonid. »Und wenn ich mein Leben hier beenden muss, dann wenigstens mit einem anderen Jouraner. Denken Sie an Ihre eigenen Worte, Uriel! Wir sterben alle blutig, wir können nur entscheiden, wo und wann!« Uriel nickte, da er Leonids Verzweiflung nun deutlich sah, und sagte: »Lass ihn gehen.« Pasanius ließ Leonid los, und sie sahen zu, wie er zu der schwankenden Frau lief und sie aufhob, während zwei weitere dicke, gewundene Hörner mit Bronzespitze durch das Metall des Dämonenhelms stießen. Die Augen des Blutherzens leuchteten in neuerlicher Zielstrebigkeit und Bewusstheit, als es den Kopf hob, schnüffelte und in furchtbarem Appetit grinste. »Psioniker...«, brüllte es und fuhr zu den aufrecht stehenden eisernen Sarkophagen herum, die den Blutsee umgaben. Der Eisenkäfig raste abwärts in die Tiefen Khalan-Ghols, und uralte Mechanismen und Zauberkünste vereinten sich, um die Reise so schnell wie möglich zu machen, da ölige Platten aus gehämmertem Eisen mit gewaltigem Tempo an ihnen vorbeirasten. Doch Honsou wusste, dass es trotz allein nicht schnell genug war. Die mystische Barriere, die seine Festung schützte, hielt immer noch gegen Toraminos Zauberer stand, würde aber bald zusammenbrechen, wenn sie das Blutherz nicht irgendwie wieder gefügig und nutzbar machen konnten. Er und seine auserwählten Krieger, tödliche Schlächter, die nur ihm treu ergeben waren, rasten mit ihm in die Tiefen der Festung, bereit, alles zu töten, worauf sie unterwegs stießen. Onyx stand zurückgezogen in einer Ecke des Fahrstuhlkäfigs, und seine silbernen Augen und Adern wirkten matt und träge. »Was ist los mit dir?«, schnauzte Honsou, als der dämonische Symbiont ächzte. »Das Blutherz ist mächtig...«, zischte Onyx. »Und?« »Es könnte meine Essenz in einem einzigen Augenblick auslöschen«, fauchte Onyx, in dessen toten Augen ein mörderischer Glanz leuchtete. »Und wenn es mir einen Befehl gäbe, könnte ich mich ihm nicht widersetzen.« »Du meinst, es könnte dich gegen mich wenden?«, fragte
Honsou. »Ja«, nickte Onyx. »Es kennt meinen wahren Namen.« Honsou wandte sich an Cadaras Grendel und sagte: »Wenn diese Kreatur auch nur Anstalten macht, mich anzugreifen, töte sie.« »Verstanden«, sagte der Iron Warrior mit der Haarsichel, dessen vernarbte Züge sich bei der Vorstellung genüsslich aufhellten. »Ich habe noch nie zuvor jemanden getötet, der besessen war.« Honsou schaute durch den Gitterboden des Käfigs nach unten und sah nur den spärlich erleuchteten Schacht nach oben rauschen. Das Ende verlor sich in der Perspektive, aber schließlich raste ihnen das dunkle Rechteck des Schachtbodens von unten entgegen. Übelkeit ergriff ihn, als drehe sich der Magen um, als der Eisenkäfig verlangsamte und mit dem durchdringenden Kreischen uralten Metalls anhielt. Die Gittertüren öffneten sich quietschend, doch bevor Honsou hindurchtreten konnte, wurde er von einem gewaltigen Einschlag von den Beinen geholt, während er das Krachen fallenden Mauerwerks in weiter Ferne spürte, das vom entfernten Donner massierter Artillerie begleitet wurde. »Was ist jetzt?«, brüllte er, indem er sich auf die Knie erhob und das Klirren von Metall auf Stein und dazu ein sich nähernden Tosen hörte. Onyx fiel auf die Knie, schrie vor Schmerzen und griff sich mit seinen Leichenhauthänden an den Kopf. »Die Barriere ist gefallen!«, brüllte er. »Götter des Chaos, die Barriere ist gefallen!« Honsou rappelte sich auf und schaute hoch, da er die Quelle des sich nähernden Lärms auszumachen versuchte. »Alles raus aus dem Fahrstuhl!«, schrie er, hechtete in den Tunnel und rollte sich ab, da er Tausende Tonnen Gesteinstrümmer den Schacht herabfallen sah. Seine Krieger bewegten sich schnell, aber manche nicht schnell genug, und schließlich landete eine Lawine aus gewaltigen Stein- und Betonbrocken auf dem Schachtboden und drückte den Fahrstuhlkäfig platt. Schwaden aus erstickendem Staub und Rauch wallten aus den Trümmern. Der Aufprall und der ohrenbetäubende Lärm hatten Honsou desorientiert, aber er kam rasch wieder auf die Beine und sah,
dass beinahe die Hälfte seiner Krieger fehlte und von dem tödlichen Trümmerregen zermalmt worden war. Onyx stand unsicher vor ihm, die bedrohliche Gestalt von Cadaras Grendel dicht hinter sich. »Wenn die Barriere gefallen ist...«, begann Grendel. »Bedeutet das, Toramino greift an!«, vollendete Honsou. Das bloße Aussprechen der Worte vermittelte ihm ein Gefühl der Verlassenheit, da ihm klar wurde, dass dies vermutlich das Ende war. Khalan-Ghol konnte sich unmöglich gegen Toraminos Armee behaupten, und er hatte keine Pläne mehr, die er in die Tat umsetzen konnte. Nichts war mehr übrig außer Rache um des Hasses willen und Bosheit um des Trotzes willen. Wenn das alles war, was ihm noch blieb, dann sollte es eben so sein. Es würde reichen. Uriel zog Leonid in die spärliche Deckung eines der Raupenschlepper und half ihm dabei, die murmelnde Frau, die er in Sicherheit gebracht hatte, in eine sitzende Stellung aufzurichten. Freudentränen liefen dem Oberst über das Gesicht, und er wiederholte immer wieder den Namen seines Regiments. »Kommen Sie, beeilen Sie sich«, drängte Uriel in dem Bemühen, Leonid aus der Schussrichtung der mörderischen Wut des Blutherzens zu bekommen. Der gewaltige, gerüstete Dämon verlustierte sich mitten im Blutsee und riss golden berobte Zauberer aus ihren Blutspendesärgen, um mit ihnen auf zahllose schreckliche Arten zu spielen, bevor er sie mit der Axt oder seinem großen, mit Reißzähnen bewehrten Maul tötete. Der Dämon watete durch das Blut und ließ die entsetzten Zauberer sich selbst in Stücke reißen, da sie verzweifelt darum kämpften, sich aus ihren Särgen zu befreien. Nicht einer von ihnen überlebte die brutale Bosheit des Dämons, der ihren Tod inhalierte wie das Bouquet eines guten Weines. »Psioniker!«, bellte er. »Die Nahrung der Götter!« Uriel richtete seine Aufmerksamkeit auf die blasse Frau mit dem hageren Gesicht, die Leonid aus den Klauen der dämonischen Rüstung gerettet hatte. Ihre Haar war lang und strähnig und fielen ihr stellenweise aus, während ihre Züge von erlittenem
Grauen kündeten und von einem Verstand am Rande des Wahnsinns. »Alle tot, alle tot, alle tot, alle tot...«, wiederholte sie immer wieder. »Wer ist sie?«, fragte Pasanius. Leonid zog eine verrostete Hundemarke unter ihrer Jacke aus der Kragenöffnung und drehte sie, um sie im spärlichen Licht der Kammer zu inspizieren. »Das ist Leutnant Larana Utorian vom 383. Joura-Dragoner«, sagte er stolz. »Kennen Sie sie?« Leonid schüttelte den Kopf. »Nein. Ihre Marke besagt, dass sie zu Tedeskis Haufen in Bataillon A gehört hat, und er mochte es nicht, wenn sich andere Offiziere um seine Soldaten kümmerten. Er war ein Offizier der alten Schule.« »Wie im Namen des Imperators hat es sie hierher verschlagen?« »Ich weiß es nicht«, jammerte Leonid, der sie fest umarmte. »Vielleicht wollte der Gott-Imperator nicht, dass ich allein sterbe, ohne jemanden von meiner alten Heimatwelt neben mir.« Uriel nickte und wechselte einen Blick mit Pasanius, während sich seine Hand enger um sein Schwertheft krampfte. »Aye, vielleicht haben Sie recht, mein Freund. Wenn man schon sterben muss, dann mit seinen Freunden.«
Der tote weiße Himmel brannte vor magischer Energie, und Wolken aus blauem Feuer peitschten aus den geomantischen Türmen in die Höhe, die Toraminos Zauberer rings um KhalanGhol angelegt hatten. Ungeheuer mächtige Energien waren entfesselt worden, und nachdem die ewige Barriere niedergerissen war, die Honsous Festung vor den Kräften des Warpraums schützte, litt sie furchtbar unter dem immateriellen Angriff. Schwarze Blitze zuckten aus dem wolkenlosen Himmel und sprengten kolossale Felsplatten aus dem Berg. Furchterregende rote Gewitter aus weinenden Wolken, die wie Blutergüsse aussahen, hämmerten auf die wenigen verbliebenen Türme und Bollwerke mit einem mutierenden Regen ein, der
Festungsanlagen auflöste, die zehntausend Jahre unbezwinglich überdauert hatten. Große, wütende Bestien des Warpraums stießen herab und stürzten sich auf die fliegenden Kreaturen, die den obersten Turm umkreisten, um sie zu zerreißen, und ein Nebel aus magischen Energien hüllte die Schanzen und Bunker ein, die Honsou nach dem Sieg über Lord Berossus gerade erst wiederaufgebaut hatte. Und die Festung wurde auch nicht nur von magischen Kräften angegriffen, denn Toraminos große Artillerie-Batterien hatten schließlich das Feuer eröffnet und brachten dem Berg des Feindes ihres Herrn und Meisters Tod und Verderben. Viele Tausend Tonnen von Granaten regneten auf Khalan-Ghol nieder und zerschmetterten den ganzen Berg. Riesige Kolonnen mit Soldaten und eine ganze große Kompanie Iron Warriors, die von Toramino persönlich angeführt wurde, marschierten auf Khalan-Ghol, ein viele Tausend Mann starkes Heer, das sämtliche Streitkräfte des Mischlings vernichten würde, die den furiosen Angriff überlebten, der gerade über den Berg hereinbrach. Khalan-Ghols Untergang stand unmittelbar bevor. Uriel hatte wieder das Gefühl, als stülpe sich sein Magen um, und er hörte das läutende Klirren splitternden Glases, während ihn ein schreckliches Gefühl der Hilflosigkeit übermannte. Er verspürte extrem unangenehme Vibrationen tief in den Knochen, als eine Unruhe durch den Boden fuhr. Eine starke Vision von aus dem Boden ragenden, gezackten Knochenstümpfen packte ihn, und ein irrsinniges Heulen bildete sich in der Luft, durchdringend, böse und mit einem unvorstellbaren Rachedurst durchsetzt. Er blinzelte, als sich eine äußerst schmerzhafte Empfindung in seinem Schädel aufbaute, als würden ihm heiße Nadeln durch die Augäpfel gestochen. »O nein...«, flüsterte er, als ihm aufging, was geschah, und als sein Blick auf Leonids Gesicht fiel, verriet es dasselbe Wissen. »Gott-Imperator, nein«, weinte Leonid. »Nicht noch einmal, bitte nicht, nicht wieder!« »Was ist denn?«, fragte Pasanius. Bevor Uriel antworten konnte, hörten sie das Blutherz in jäher Erkenntnis aufbrüllen, und es klang wie der Ausdruck eines
unerwarteten Vergnügens. »Meine alte Nemesis...«, krächzte er, da die Luft plötzlich mit Ozon und Schwefel angereichert zu sein schien. Uriel spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte, und hielt sich an der Seite des Raupenschleppers fest, als sich der Saal der Brutalen Bestatter plötzlich... veränderte... Der Boden fühlte sich jetzt weich und lehmig an, und eine rote Flüssigkeit quoll träge nach oben, wo sein Gewicht sie aus der dunklen Erde presste. Uriel schaute auf, obwohl er wusste, was er sehen würde. Über ihm wogte ein rissiger roter Himmel mit Wolken wie Melanome, an dem Aaskreaturen kreisten und auf eine Gelegenheit zum Fressen warteten. Ein vertrautes irres Geschrei wie das Heulen der Verdammten hallte schmerzhaft, aber es war nichts verglichen mit dem Elend, das er an diesem Ort bereits gesehen hatte, und er schob es beiseite. Fleischlose knochige Hände griffen durch die dunkle Erde, und Leonid hielt die Augen fest geschlossen und klammerte sich an Larana Utorian. Gekräuselte Spiralen aus reflektierendem Licht lösten sich von den Wänden der Kammer und verzerrten das Bild des Felsens dahinter wie eine verdrehte Linse. Die Wände schienen sich zu strecken, als würden sie in einen unsichtbaren Strudel dahinter gesogen, bis nur noch ein flimmernder Schleier aus undurchdringlicher Finsternis da war, ein Tunnel in den Wahnsinn, der von schreienden Gesichtern umringt war. Eisenbahnschienen aus Messing und mit verkrustetem Blut überzogen tauchten aus den ehedem undurchdringlichen Wänden der Kammer aus, und Streifen bunter Materie quollen aus dem geborstenen Fels. Nachdem ihn keine ewige Barriere mehr davon abhielt, seinen verhassten Rivalen zu erreichen, manifestierte sich der Omphalos Daemonium innerhalb der Mauern Khalan-Ghols.
EINUNDZWANZIG Aus der Einmündung des Tunnels donnerte der Omphalos Daemonium in den Saal der Brutalen Bestatter. Das irrwitzige Gebilde des gepanzerten Leviathans war Uriel jetzt doppelt verhasst, da sich ein Verdacht bestätigte, der die ganze Zeit in
seinem Hinterkopf genagt hatte. »Er wusste es...«, fauchte er. »Wusste was?«, schrie Pasanius, um sich über das heulende Tosen der Ankunft des Omphalos Daemonium hinweg verständlich zu machen. Uriel duckte sich wieder, als die wirbelnden roten Rauchschwaden, die das Kennzeichen der Sarcomata waren, von der Vorbeifahrt der riesigen Dämonenmaschine mitgerissen wurden. Der Omphalos Daemonium hielt mit dem Geräusch kreischenden Eisens und einem metallischen Tosen vor einem neu entstandenen Bahnsteig aus blutverschmiertem Beton, und zischende Seelen entkamen seinen qualmenden Schloten in kreischenden Schmerzwellen. »Er wusste, dass wir versuchen würden, uns ihm zu widersetzen«, sagte Uriel in der ohnmächtigen Wut der Erkenntnis, dass sie benutzt worden waren. »Er wusste, dass wir versuchen würden, dass Blutherz zu vernichten.« »Warum hat er uns dann hergeschickt?« »Weil er sich nun, da die psionische Barriere nicht mehr besteht, von der Obax Zakayo gesprochen hat, in Khalan-Ghol manifestieren kann. Denk an die Geschichten, die Seraphys uns erzählt hat. Diese Dämonen sind uralte Feinde, und der Omphalos Daemonium will jetzt am Blutherzen Rache nehmen, weil es ihn in diese Dämonenmaschine gesperrt hat.« Pasanius drehte sich um, als das Blutherz aus dem roten See schritt, nachdem er alle Psioniker Honsous abgeschlachtet hatte, da ihn die Aussicht auf einen Kampf gegen seinen uralten Feind zu der dampfenden Maschine zog. Die messigene Dämonenmaschine bebte vor Kraft, und roter Nebel wand sich um ihre dicken Platten, als sich die schwere Tür ins Innere öffnete und der Schlachtermann den Bahnsteig betrat. Von den scheppernden Eisenplatten seiner Rüstung tropften schwarze, ölige Rückstände. Der dämonische Iron Warrior war noch genauso groß, wie Uriel ihn in Erinnerung hatte, und die zusätzlichen Panzerplatten, die im Laufe der Millennien an seine Rüstung geschweißt worden waren, machten seine Körperfülle nur noch beträchtlicher. Er trug immer noch seine verkohlte und geschwärzte Schürze, die steif von uraltem Blut war und nach gekochtem Fleisch und Blut stank. Eine Krone aus dunklen Hörnern spross aus seinem ramponierten Helm, und Uriel war nicht überrascht, als er sah,
dass er immer noch seine mörderische Hippe mit dem Eisenschaft trug, deren Klinge breit und von Äonen des Blutvergießens verkrustet war. Das Blutherz brüllte vor Freude, als der Schlachtermann den Saal der Brutalen Bestatter betrat. »Ist es so weit mit dir gekommen?«, brüllte er. »Dass du die Haut deines Wärters trägst?« »Das einzige Lebendfleisch, das mir geblieben ist«, bellte der Schlachtermann. »Genug der Worte. Ich reiße dein Warpselbst in Stücke.« Das Blutherz spreizte die Beine, hob seine gewaltige Axt, ließ die Peitsche knallen und brüllte dem Schlachtermann seine blutige Herausforderung zu. Dicke rote Rauchfahnen verdichteten sich rings um den riesigen Iron Warrior und wurden zu soliden Wesen aus totem Fleisch und immaterieller Energie. »Sarcomata!«, fauchte Uriel, als er die gesichtslosen Dämonenwesen sah, die sie an Bord der grauenhaften Dämonenmaschine des Omphalos Daemoniums gebracht hatten. Acht von ihnen sammelten sich um ihren dämonischen Herrn, sämtlich in graue, nichtssagende Overalls und kniehohe Stiefel mit verrosteten Beinschienen gehüllt. Sie trugen Messer, Haken und Sägen und waren dem widerlichen Schnappen ihrer Kiefer nach zu urteilen erpicht darauf, sie auch zu benutzen. Ihre abstoßenden Gesichter waren rot und roh wie die der Hautlosen, aber wo die Hautlosen noch über Eigenschaften verfügten, die - wenn auch nur rudimentär - menschlich waren, hatten die Sarcomata die Maske der Menschlichkeit gänzlich abgelegt. Ihre augenlosen Gesichter waren mit groben Nähten über dem mit Reißzähnen bewehrten Maul versehen, und ihre schmalen, suchenden Zungen sondierten immer wieder die Luft. Uriel rechnete mit einer Antwort des Blutherzens, aber Worte waren nicht Teil der Gleichung, wenn es um Dämonen des Blutgottes ging. Das Blutherz knallte wieder mit seiner Peitsche, und die Stachelspitze traf in einem Funkenstrom die Brust des Schlachtermanns. Der in Eisen gehüllte Dämon brüllte und stürzte sich von dem Bahnsteig, und das Blutherz sprang ihm entgegen. Die beiden gewaltigen Kreaturen prallten in einer flammenden Korona feuriger Warpenergien zusammen. Maschinerie ging zu Bruch, und massige Eisensäulen wurden beiseitegefegt, als die beiden mächtigen Dämonen mit einem
Hass aneinander zerrten, der bereits seit ungezählten Äonen brannte. Ohrenbetäubendes Kreischen diabolischer Waffen hallte durch die Kaverne, die unter der Gewalt ihres Kampfes erbebte. Uriel lehnte sich an den Raupenschlepper, während ihm aufging, dass nicht nur der Kampf der Dämonen diesen Ort zerstörte. Er spürte ein Bass-Dröhnen, das Wummern von Einschlägen auf Gestein, und lächelte, da er wusste, was geschah. »Honsous Festung liegt schon wieder unter Beschuss«, schrie er. Pasanius schaute ihn zweifelnd an. »Der Beschuss müsste unglaublich sein, um sich in dieser Tiefe bemerkbar zu machen.« »In der Tat«, gab Uriel ihm recht. »Toramino muss mit allem angreifen, was er hat.« Gesteinsbrocken und Maschinenteile wurden zur Seite geschleudert, als die beiden Dämonen in den Blutsee stürzten. Geysire aus brennendem Blut und Fleisch wirbelten durch die Luft, und ein widerlicher Regen ging nieder, während die Dämonen aufeinander losgingen. »Vorwärts!«, überschrie Uriel den Lärm. »Wir müssen hier raus. Toraminos Armee wird die Festung bald zerstören, und ich will eine möglichst große Entfernung zwischen uns und die beiden Dämonen legen, solange sie noch kämpfen!« »Wohin gehen wir?«, fragte Pasanius, da Trümmerstücke von den Wänden der Kammer zu Boden fielen und riesige Wolken aus Staub und Qualm aufwirbelten. »Egal, nur weg von hier«, sagte Uriel mit einem Nicken in Richtung des langen Gangs, der zu dem Fahrstuhlkäfig führte, in dem sie aus Honsous Allerheiligstem hergebracht worden waren. »Wenn der Aufzug noch funktioniert, können wir dorthin zurück, wo dieses silberäugige Dämonenwesen uns in die Festung gebracht hat.« Er kniete sich neben Leonid und sagte: »Wir gehen jetzt, Oberst. Kommen Sie.« Leonid schaute durch seine Tränen hoch, und Uriel sah, dass der Oberst am Ende war. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Gehen Sie nur. Ich bleibe mit Larana Utorian hier.« Uriel schüttelte den Kopf. »Wir werden Sie nicht hier zurücklassen. Ein Space Marine lässt niemals einen Schlachtenbruder zurück.« »Ich bin nicht Ihr Schlachtenbruder, Uriel«, hustete Leonid traurig. »Selbst wenn sie und ich hier herauskämen, könnten wir
nicht länger als ein paar Tage überleben. Der Krebs, mit dem die Mechanicus uns infiziert haben, wird jeden Tag stärker. Für uns ist es vorbei.« Uriel legte Leonid die Hand auf die Schulter, wissend, dass der Mann recht hatte, obwohl er das Gefühl des Verrats hasste, das sich auf ihn legte, als er Leonids Entscheidung akzeptierte. »Möge der Imperator mit Ihnen sein«, sagte er. Leonid schaute in Larana Utorians Gesicht und lächelte. »Ich glaube, das ist Er.« Uriel nickte und wandte sich von Leonid ab, während Pasanius sagte: »Sterben Sie wohl, Leonid. Wenn wir überleben, zünde ich eine Kerze für Ihre Seele an, auf dass sie den Heimweg finden möge.« Leonid sagte nichts, sondern hielt nur Larana Utorians ausgemergelte Gestalt und wiegte sie behutsam hin und her. In dem Wissen, dass es nichts mehr zu sagen gab, wandten sich die Ultramarines ab und rannten zum Eingang der Kaverne, da das ehemalige Reich der Brutalen Bestatter von den kämpfenden Dämonen in Trümmer gelegt wurde. Hinter ihnen hielten sich Oberst Mikhail Leonid und Leutnant Larana Utorian vom 383. Joura-Dragoner fest umschlungen und warteten auf den Tod. Pasanius zuckte zusammen, als neben ihm eine gewaltige Steinlawine herunterprasselte, ihn aus dem Gleichgewicht brachte und in pudrigen Staub hüllte. Er hustete und rief nach Uriel, da alles in Rauchwolken gehüllt war und die Sicht immer schlechter wurde. »Hier!«, rief Uriel, und Pasanius folgte der Stimme. Er stolperte über etwas auf dem Boden und rollte sich ab, dann wollte er sich auf die Arme stützen, um sich wieder zu erheben, fiel jedoch auf den Bauch, während ihm einfiel, dass ein Arm fehlte, um das Gewicht zu tragen. Er verfluchte sich für seine Dummheit und sah dann, worüber er gestolpert war. Die gurgelnde Gestalt von Sabatier zog sich mühselig und unter Schmerzen in Sicherheit, der verdrehte und deformierte Körper mit Staub und Blutergüssen bedeckt. In seinem Rücken war ein großer Krater infolge des Schusses, den die durch das Portal gekommene Person auf ihn abgegeben hatte, aber Pasanius war
nicht weiter überrascht, dass Sabatier noch lebte. Schließlich hatte er auch schon überlebt, dass Vaanes ihm das Genick wie einen trockenen Zweig gebrochen hatte. Von dieser Wunde ragte immer noch ein Knochen aus dem Hals, und Pasanius wälzte die widerwärtige Kreatur auf den Rücken, die vor Schmerz und Furcht winselte. »Jetzt bist du wohl nicht mehr so stolz, was?«, sagte Pasanius. »Lass Sabatier! Er hat niemandem etwas getan!« »Nein«, knurrte Pasanius. »Er hat nur hämisch gegrinst, als meine Freunde wie Tiere abgeschlachtet wurden!« Pasanius kniete sich auf Sabatiers Brust, und sein Gewicht reichte, um der widerlichen Kreatur alle verbliebenen Rippen zu brechen. Ein grässliches Gurgeln entrang sich Sabatiers Kehle, aber Pasanius empfand keine Reue wegen seiner Leiden. Sabatier hatte dagestanden und gelacht, als Space Marines getötet worden waren, und dafür musste dieses Unwesen sterben, das wusste Pasanius. Während er es weiterhin mit dem Knie auf dem Boden festnagelte, packte er Sabatier mit der ihm verbliebenen Hand am Hals und zog. Der Hals des Mutanten dehnte sich, und Pasanius hörte das Knacken reißender Sehnen, bevor er Sabatier endgültig den Kopf abriss. Sabatiers Mund bewegte sich immer noch, doch kein Laut kam heraus. Pasanius hatte keine Ahnung, ob er Sabatier nun getötet hatte, aber es war ihm auch egal. Es reichte, dass er zurückgeschlagen hatte. Er erhob sich und spie auf den zuckenden Leib, dann stampfte er wiederholt auf die veränderten Gliedmaßen, um die Knochen zu zermalmen, bevor er sich abwandte und den Kopf des Mutanten in Richtung Blutsee warf. Wenn Sabatier das immer noch überlebte, war zumindest nichts mehr von seinem Körper übrig, in das er zurückkehren konnte. »Was war das?«, sagte Uriel, der aus einer Staubwolke auftauchte und ihn weiter zum Tunneleingang winkte. »Nichts«, sagte Pasanius. »Nur irgendwelcher Abfall.« Leonid strich Larana Utorian über die Wange, und Tränen liefen ihm über das Gesicht, als der brennende Schmerz, der seit seiner Gefangennahme auf Hydra Cordatus sein ständiger Begleiter war,
einen weiteren krampfartigen Stoß heißen Feuers durch seinen Bauch sandte. Er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb -der Krebs hatte bereits das meiste von ihm verschlungen -, und ein Blick auf Larana Utorian verriet ihm, dass auch sie nicht mehr viel Zeit hatte. Sie waren die letzten Überlebenden des 383., und die Tatsache, dass sie zusammen sterben würden, war ihm ein großer Trost. Er dachte zurück an die Männer und Frauen seines Regiments und an das letzte Mal, als er neben ihnen gekämpft hatte, beim Fall der Zitadelle. Sie waren wunderbar gewesen. Kastellan Vauban, ein mutiger und ehrenhafter Krieger. Piet Anders, Gunnar Tedeski und Morgan Kristan. Seine Offiziersbrüder. Und vergessen durfte er auch Gardist Hawke nicht, den schlechtesten Soldaten des Regiments, dessen unerwartete Courage sie fast alle gerettet hätte. Sie waren alle tot, und bald würden Larana Utorian und er wieder bei ihnen sein. Oberst Leonid blickte auf, als er ein lautes Zischen hörte, und holte scharf Luft, als er die beiden Dämonen aus dem Blutsee schwanken sah. Beide waren ramponiert und angeschlagen, ihre Rüstungen verbogen und zerrissen, von den mächtigen Schlägen, mit denen sie einander eingedeckt hatten. Die Heftigkeit ihres Kampfes hatte einen Großteil der Kaverne verwüstet, und Teile von ihr stürzten immer noch in Lawinen aus Geröll und Trümmern ein. Das Blutherz taumelte unter einem furchtbaren Hieb des Omphalos Daemonium... des Schlachtermanns... Leonid wusste nicht einmal, ob er die Unterscheidung zwischen diesen beiden Wesen wirklich begriff oder dies überhaupt wollte, selbst wenn es eine gab. Der dämonische Iron Warrior hämmerte seine lange Hippe gegen die ungeschützte Flanke des Blutherzens und schleuderte es rückwärts in einen Stapel von Leichentischen und umherschwingenden Kadavern. Leichen und Trümmer klirrten inmitten der anhaltenden Zerstörung zu Boden, und Leonid sah, wie sich der Schlachtermann umdrehte und den Blick durch die Kammer wandern ließ. Nein, Ultramarines, ihr entkommt meiner Rache nicht so leicht... Leonid schrie auf, als er die schmutzige, hassenswerte Stimme
in seinem Kopf hörte. Die Sarcomata sollen sich in alle Ewigkeit an euren Seelen weiden! Leonid sah, wie sich die acht Dämonen, welche die Diener des Schlachtermanns waren, wieder in ihre rauchigen Aspekte verwandelten und einen Moment durch die Luft wirbelten, bevor sie Uriel und Pasanius hinterhereilten. »Nein!«, schrie Leonid in Rage. »Ihr sollt sie nicht haben!« Die Sarcomata beachteten ihn gar nicht, zu fixiert auf ihre Beute, bis er sich an ihren Hunger auf Verdorbenes erinnerte. Leonid zog den ausgefransten Kragen seiner Uniformjacke von der Haut weg und die verrostete Kante von Larana Utorians Hundemarke über ein geschwollenes Melanom, das auf seiner pulsierenden Schlagader wuchs. Verseuchtes, dreckiges Blut lief über seine Haut, sammelte sich in der Höhlung seines Schlüsselbeins und durchnässte seine Uniformjacke. Der kupfrige, unreine Geruch drang ihm in die Nase, und er rief: »Hierher, Dämonenbrut! Ihr wollt doch das hier, oder nicht?« Praktisch sobald sein verseuchtes Blut spritzte, wirbelten die rauchigen Kometen der Sarcomata in der Luft herum und rasten ihm entgegen, da sie die bösartigen Geschwülste rochen, die seinen Körper verzehrten und für sie die süßesten Leckerbissen waren. Oberst Leonid ließ sich auf den Boden sinken, zog Larana Utorian dicht an sich und griff dann in seine Brusttasche, der er einen runden, flachen Gegenstand entnahm. »Alle tot, alle tot, alle tot, alle tot...«, flüsterte Larana Utorian. »Ja«, gab Leonid ihr recht. »Das sind wir.« Roter Nebel hüllte sie ein, widerlich und feucht, und verschwand dann in einem einzigen Augenblick, nach dem die Jouraner von den krebshungrigen Sarcomata umringt waren, die mit Berührungen wie sich windende Maden über ihre geschwollenen Geschwüre strichen. Die Dämonen bissen und rissen an ihnen, und er schrie vor Schmerzen. Einen winzigen Augenblick trafen sich die Blicke der beiden 383er, und Leonid sah, wie das letzte Bruchstück ihres Verstandes nach ihm tastete. Sie lächelte ihn an und nickte.
Leonid drückte auf den Sprengknopf der Granate, die er von der Zerkleinerungsmaschine neben Obax Zakayo entfernt hatte, und löschte sie und die Sarcomata in der weißglühenden Hitze einer Melter-Explosion aus. »Hier geht's nicht raus, Ventris«, sagte Honsou, indem er sich mit gespreizten Beinen und fest umklammerter Axt vor Uriel zum Kampf aufbaute. Der Herr Khalan-Ghols und gut zwanzig Iron Warriors waren in dem Augenblick aus dem Gang gekommen, als die Ultramarines ihn erreicht hatten, und Uriel sah, dass kein Weg an ihnen vorbeiführte. Das silberäugige Dämonenwesen, das sich Onyx genannt hatte, stand abseits von den Iron Warriors, und seine Bewegungen hatten etwas Zaghaftes. Ein Iron Warrior mit dem brutalen Gesicht eines Schlächters und einer Haarsichel stand neben ihm und hatte ein riesiges Gewehr auf Onyx gerichtet, das einem Boltgewehr mit unter dem Lauf befestigten Melter ähnelte. In der Kaverne dröhnte und rumpelte es weiterhin, da die beiden Dämonen in ihr kämpften, aber hier draußen herrschte eine Stille, als halte das Universum den Atem an und warte auf den Ausgang dieses besonderen Dramas. »Es ist vorbei, Honsou«, sagte Uriel. »Deine Festung ist gefallen.« »Ich kann eine neue bauen«, antwortete Honsou achselzuckend. »Diese hier hat eigentlich sowieso nie richtig mir gehört.« »Wohl wahr, aber jetzt gehört sie Toramino«, rief Pasanius. »Ja, oder wenigstens das, was seine Zauberer und Artillerie von ihr übrig lassen, wenn die sie in Schutt und Asche gelegt haben«, sagte Honsou. Der Iron Warrior zeigte auf den hässlichen roten Himmel. »Aber sag mir, ist das auch dein Werk oder noch ein Zauber deines Herrn?« »Meines Herrn?« »Hör auf, Ventris!«, lachte Honsou. »Die Zeit für Spielchen ist längst vorbei. Toramino!« »Wir haben keinen Herrn neben Lord Calgar und dem Imperator«, sagte Uriel. »Selbst jetzt spielst du noch deine Spiele«, seufzte Honsou.
»Egal, hier und jetzt endet es.« »Aye«, stimmte Uriel zu und hob sein Schwert. »Es endet mit deinem Tod, Verräter.« »Vielleicht, aber du wirst mir einen Herzschlag später in die Hölle folgen.« Uriel schüttelte den Kopf. »Glaubst du, das wäre wichtig zwischen alledem hier? Ich werde gegen dich kämpfen und dich töten. Das reicht mir.« »Gegen mich kämpfen?«, sagte Honsou, indem er die Arme ausbreitete und seine Krieger mit der Geste ein schloss. »Glaubst du, wir tragen ein Duell aus? Meine Krieger und ich sind euch zehn zu eins überlegen! Was bringt dich auf den Gedanken, ich würde dir Gelegenheit geben, Hiebe mit mir zu wechseln?« Die Iron Warriors richteten ihre Waffen auf sie, wissend, dass hier jeden Augenblick Blut vergossen würde, aber sie warteten auf den Befehl ihres Herrn, bevor sie den Tod aus ihnen austeilten. Pasanius beugte sich zu Uriel vor und sagte: »Du nimmst die zehn auf der rechten Seite, ich die zehn auf der linken.« Uriel musste unwillkürlich grinsen und stellte sich Rücken an Rücken mit seinem alten Kameraden. »Mut und Ehre, mein Freund«, sagte Uriel. »Mut und Ehre«, wiederholte Pasanius. Die beiden Ultramarines bereiteten sich auf einen Sturmangriff vor, während die Iron Warriors ihre Waffen durchluden. Das Blutherz fiel auf die Knie, als die Hippe des Omphalos Daemonium in sein im Warpraum geborenes Fleisch eindrang und eine große Schramme riss. Dunkles Blut lief seine Rüstung hinunter, und seine Kraft ließ nach. Die Lange Zeit des Eingesperrtseins in den Tiefen Khalan-Ghols hatte ihm einen Großteil seiner diabolischen Spannkraft geraubt. Ein weiterer Schlag traf seine Brust und schleuderte ihn durch die Kammer. »Die Ewigkeit erwartet dich!«, brüllte der Omphalos Daemonium. »Eine Ewigkeit der Gefangenschaft im Feuer wird nichts gegen die Qualen sein, die du erleiden wirst!« Rauch und Trümmer fielen in einem beständigen Regen von den Wänden und zerschmetterten alles, was sich ungeschützt auf dem Kavernenboden befand.
»Du kannst mich nicht vernichten. Ich bin das Blutherz!« Der Omphalos Daemonium rannte zu ihm, und in seinen Augen brannte ein grimmiges, rachsüchtiges Feuer. Das Blutherz sprang auf und schlug mit seiner Peitsche zu. Der Schlag traf seinen Feind am Kopf und entrang ihm ein ohrenbetäubendes Schmerzgebrüll, während dunkles Blut spritzte, da der Hieb ihm ein Hörn abtrennte. Das Blutherz taumelte in der kurzen Atempause davon, die ihm sein Glückstreffer verschafft hatte. Es watete in den Blutsee zurück und spürte, wie die belebende Flüssigkeit in sein immaterielles Fleisch eindrang, so dass neue Kraft in seine Essenz einsickerte. Doch dies war schlechtes, abgestandenes Blut, das mit dem Makel der psionischen Energien verseucht war und dem die heiße Qualität fehlte, die es dringend benötigte, um seinen Feind zu besiegen. Vom Omphalos Daemonium verfolgt, brachen Erinnerungen über das Blutherz herein und schrien in seinem Schädel, obwohl es nicht mehr die geistigen Kapazitäten hatte, sie wirklich abzurufen. Der Wahnsinn, der es im Laufe seiner Gefangenschaft verzehrt hatte, beraubte ihn auch der Klarheit der Gedanken bis auf den einen, dass es Blut brauchte, Blut wollte... Blut ersehnte! Eine starke Vision von einer riesigen Festung schwamm durch die fließende Landschaft seiner Erinnerung - nein, nicht seiner Erinnerung, sondern der blutgetränkten Erinnerung des Avatars Khornes, der Kreatur, zu der die Rüstung in seiner Abwesenheit geworden war... Eine Vision von einer Schlacht neben den Iron War-riors gegen einen der Magie mächtigen Feind in gelber Rüstung - einen der Anhänger des Leichen-Gottes - und von einem heulenden Sturmwind aus Blut, der wie ein Wirbelsturm tobte und seine Essenz mit unvorstellbarer Kraft erfüllte. Etwas in dieser Erinnerung war der Schlüssel, den es brauchte, um seinen Rivalen zu besiegen und den Omphalos Daemonium zurückzutreiben in das feurige Gefängnis, in den es ihn für eine Ewigkeit eingesperrt hatte. Ein einziges Wort durchdrang den komaähnlichen Zustand des Blutherzens aus Amnesie und Wahnsinn. Blutsturm...
Der erste Schuss traf Uriel in den Bauch, als er vorstürmte, und durchschlug die verknotete Masse des Narbengewebes, das die Wunde bedeckte, welche ihm die Nornenkönigin der Tyraniden beigebracht hatte. Er war zu nah, und das Geschoss flog zu schnell, um in seinem Leib zu explodieren, aber das tat es einen Sekundenbruchteil später, nachdem es tief unten in seinem Rücken ausgetreten war, und beharkte ihn mit sengenden Splittern. Der zweite explodierte auf einem seiner wenigen noch intakten Rüstungsteile, und die heißen Splitter fegten aufwärts und zerkratzten ihm die Wange, während der dritte ein Stück in seiner Seite zu einer roten Ruine sprengte. Er taumelte, rannte dann jedoch weiter und hieb dem Iron Warrior, der auf ihn geschossen hatte, die feurige Klinge seines Schwerts durch den Hals. Pasanius wurde viermal getroffen, und seine Rüstung lenkte zwar die Mehrheit der Geschosse ab, konnte ihn aber nicht vollkommen schützen. Der ehemalige Sergeant fiel und riss dabei den Iron Warrior vor sich mit zu Boden, um ihm mit lautem Knacken das Genick zu brechen. Uriel wurde noch einmal getroffen, und er fiel auf den harten Boden. Boltgewehrschüsse krachten. Uriel hörte einen Schrei der Schmerzen und Überraschung. Gebrüll und noch mehr Schüsse. Er versuchte sich aufzuraffen und spürte einen durchdringenden Schmerz bei jeder Bewegung, während er sich fragte, warum er noch nicht tot war. Bellendes Hassgebrüll hallte überall rings um sie, das Geheul äußerster Wut und Qualen. Unter dem Gestank nach Blut und Tod konnte Uriel auch den Geruch von nassem, rohem Fleisch wahrnehmen, und ihm ging auf, was geschah. Blut spritzte aus dem zerfetzten Stumpf des Halses eines Iron Warriors, und Uriel schrie triumphierend, als er sah, wie die ramponierte, aber ungebeugte Gestalt des Herrn der Hautlosen seine grausige Trophäe in eine Ecke schleuderte, bevor er einen anderen Iron Warrior ansprang, der hektisch auf die angreifenden Ungeheuer schoss. »Eisenmänner sterben!«, brüllte er, da die Überlebenden Hautlosen über Honsous Krieger herfielen.
Der Krieger mit der Haarsichel schoss die siamesischen Zwillinge nieder, und der weißglühende Strahl seiner Waffe löschte das Wesen mit einem Zischen ultrahoch erhitzter Luft aus. Onyx wich den brutalen Hieben zweier Hautloser gewandt aus, wirbelte um sie herum und schnitt ihnen die Achillessehnen durch, während er ihren Angriffen tänzelnd auswich. Uriel sah Honsou vor dem Angriff der Hautlosen zurückweichen, und er wälzte sich auf die Seite und schwang sein Boltgewehr herum. Ihm ging auf, wie sehr ihm die Fürsorge der Rüstung fehlte, als ihm die durch die brennenden Splitter des Boltgeschosses hervorgerufenen Schmerzen im Rücken stachen. Pasanius lag mit zwei großen Austrittswunden im Rücken auf einem toten Iron Warrior. »Pasanius!«, rief Uriel. Sein ehemaliger Sergeant drehte den Kopf, und Uriel sah, dass sein Gesicht totenbleich war, die Wangen aschfahl und eingefallen. »Wag mir ja nicht zu sterben, Sergeant!«, rief Uriel, indem er sein Schwert niederlegte und das Boltgewehr in Schussposition brachte. »Aye, Hauptmann«, sagte Pasanius schwach. Rauch und die um sich schlagenden Kämpfer verschworen sich, um Uriel die Sicht zu rauben, aber schließlich bekam er Honsou dennoch ins Visier. »Jetzt stirbst du, Verräter!«, flüsterte Uriel, als er abdrückte und plötzlich Trümmer und Rauch neben ihm explodierten. Doch in dem Augenblick, bevor er Honsou aus den Augen verlor, hatte er noch gesehen, wie der Herr Khalan-Ghols zurückgeschleudert wurde, während sein Helm Keramiksplitter und einen roten Blutstrahl spie. Blutsturm... Die beiden Dämonen standen einander in den Tiefen des Blutsees gegenüber, und ihr gemeinsamer Hass stand wie etwas Greifbares zwischen ihnen. Wirbelnde Kraftströme umwehten sie, und die von beiden im Kampf verbrauchten Energien hatten sie beinahe bis zum Punkt der Auslöschung ausgelaugt. Es blieb nichts mehr zu sagen. Was hätten sich in diesem Augenblick auch zwei Wesen sagen sollen, die schon seit dem Anbeginn der Zeit Feinde waren?
Worte waren jetzt nur noch etwas für Sterbliche und solche mit einer Zukunft, um sich an sie zu erinnern. Der Omphalos Daemonium hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet, seit ihn die zufälligen Handlungen zweier Sterblicher befreit hatten, und seine Kraft war sehr viel größer. Aber das Blutherz und der Avatar Khornes waren wieder dieselbe Kreatur, und die Rüstung hatte sich am Tod einer ganzen Galaxis von Seelen genährt. Die Dämonen waren einander ebenbürtig, und keiner konnte die Vernichtung des anderen herbeiführen. Blutsturm... Das Blutherz breitete die Arme aus und entrang sich einen Schrei des Hasses, der die rote Flüssigkeit des Sees teilte und eine Flutwelle von der Mitte nach außen sandte. Ein krauser Wirbelwind rauen, roten Hungers ging von der Rüstung des Blutherzens aus und fegte durch die Kammer wie die Druckwelle einer Explosion. Ein peitschender Sturm aus hasserfüllter Energie toste durch die in Trümmern liegende Domäne der Brutalen Bestatter, schlug um sich wie ein blindes, empfindungsloses Ungeheuer und drängte den Omphalos Daemonium mit seiner unwiderstehlichen Kraft von dem Blutherz zurück. Der Blutsturm hüllte die wenigen kauernden Mutanten ein, die sich hinter den zerschmetterten Maschinen und den Trümmern der Kammer verborgen hatte. Er senste durch ihr Fleisch und sprengte sie auseinander. Der Blutsturm erfasste die verstümmelte Ruine von Obax Zakayo und beendete dessen Leiden in einer Explosion aus roten Knochen. Der Blutsturm rauschte an den aufgeblähten Gebärmuttern der Daemonculaba vorbei, die eine nach der anderen explodierten wie große, fleischige, blutgefüllte Ballons. Der Blutsturm raste einmal durch die Kammer, und ein Blutmeer wurde von dem ätherischen Taifun aufgewirbelt, während er zum Blutherz in dessen Epizentrum zurückkehrte. Der gewaltige Dämon schwoll zu ungeheuerlichen Proportionen an, und seine Waffen und Rüstung erstrahlten in kaum zu zügelnder Kraft, da der Dämon die Energien zu meistern versuchte, die er dem Ozean reifen Blutes entriss, den er kurz zuvor entfesselt hatte.
Jetzt war er bereit. Jetzt würde alles ein Ende haben.
ZWEIUNDZWANZIG Heulende rote Winde fegten durch den Saal der Brutalen Bestatter, und der harsche, metallische Blutgestank blieb Uriel im Halse stecken. Er wälzte sich auf die Seite und hob sein Schwert auf, während die Wut des Taifuns die Luft draußen durcheinanderwirbelte, die wie Peitschenschnüre in ihrer Haut schnitten. Die Iron Warriors sprangen in Deckung, als der ätherische Wirbelsturm durch die Kaverne fegte, und die Hautlosen wurden von seiner Kraft von den Beinen geholt. Der verzweifelte Kampf kam zum Erliegen, da die Kämpfer Schutz suchten oder sich an massige Felsbrocken klammerten, um nicht mitgerissen zu werden. Uriel keuchte, als ihm die Lebenskraft entzogen wurde, und fühlte sich so machtlos wie eines der schwächlichen Neugeborenen, die in den Bergen Macragges ausgesetzt wurden, um zu sterben. Doch am Rand der Kaverne war die Kraft des Blutsturms am geringsten, und so blieb ihnen das Grauen erspart, das jene ereilte, die dem Blutherzen näher waren. Pasanius grunzte vor Schmerzen, und Uriel sah, wie sich das geronnene Blut in seinem Rücken wieder verflüssigte und von dem vampirischen Sturm in die Luft gerissen wurde. Auch seine eigenen Wunden bluteten stark und fütterten den schrecklichen Dämon im Herzen der Kammer. »Nicht so...«, zischte er. »Nicht so!« Dann war es vorbei, und die jähe Stille nach der heulenden Gewalt des diabolischen Sturms hatte etwas Entnervendes an sich. Uriel stemmte sich auf die Knie hoch und schnitt eine schmerzerfüllte Grimasse, während sich auch jene rings um ihn von dem höllischen Erlebnis erholten. Die Hautlosen heulten vor Schmerzen. Ohne den Schutz einer Haut, die sie vor den schlimmsten Auswirkungen des Blutsturms schützte, sahen ihre Leiber ausgemergelt und hager aus, bleich und blutarm. Uriel zog sich an einem umgestürzten Leichentisch hoch, und
die Schmerzen seiner Schusswunden und gebrochenen Knochen waren durchdringend. Sein verbesserter Stoffwechsel hatte das Blut gerinnen lassen und bereits Narbengewebe über den Wunden gebildet, aber er war immer noch schwer angeschlagen. »Komm hoch«, drängte er Pasanius. »Hier gibt es keinen Weg nach draußen. Wir müssen einen anderen finden.« »Ich weiß nicht, ob ich es schaffe«, sagte Pasanius, doch Uriel gab ihm keine Gelegenheit, weiterzureden, sondern zog den ehemaligen Sergeant in die Höhe. Schließlich nickte Pasanius zögernd und sagte: »Schon gut, schon gut, du bist noch schlimmer als Apothekarius Selenus.« Pasanius lehnte sich an einen Trümmerhaufen, während das aus seinen Boltgewehrwunden sickernde Blut wieder gerann. Die Geräusche der in der Mitte der Kammer tobenden Schlacht hallten weiter, aber dem Gebrüll und dem Klirren der Waffen haftete eine neuerliche Wut an. Als der Blutsturm abgeflaut war, hörte Uriel grausames Gelächter, blechern und maliziös, und er verspürte ein krankes Gefühl in den Knochen, während seine Seele vor so viel Bösartigkeit zurückprallte. Durch den wirbelnden Staub und die Steinlawinen sah Uriel den furiosen Höhepunkt der Schlacht der beiden Dämonen, und der Anblick derart unglaublicher Macht raubte ihm den Atem. Das Blutherz überragte den Omphalos Daemonium jetzt, da es auf die dreifache Größe angewachsen war, und seine schiere animalische Körperlichkeit war etwas, das er so noch nicht erlebt hatte. Nicht einmal der Nachtbringer mit seiner finsteren Erhabenheit hatte ihm diese Art ehrfürchtige Scheu eingejagt. Seine albtraumhafte Ausstrahlung hatte seine Gedanken mit quälenden Visionen von seiner eigenen Düsterkeit erfüllt, aber das hier... Das hier war etwas ganz anderes. Wohin das Blutherz ging, folgte ihm der Tod. Ein roter Nebel hing ihm hinterdrein, ein blutiger Schleier, der vor Nässe glänzte, und bei jedem Schritt wirbelten seine Waffen durch die Luft und hinterließen dunkle Schlieren, welche die Wirklichkeit aufrissen. Der dämonische Iron Warrior wich davor zurück, zerschlagen und gebrochen, da ihm die Rüstung vom Leib gerissen wurde und Seim aus seinen Wunden rann. Jeder gewaltige Hieb des Blutherzens drängte ihn weiter zurück,
und mit jedem Schritt wurden seine Paraden unbeholfener. Er wich verzweifelt zur zischenden Dämonenmaschine zurück, die ihn hergebracht hatte, und aus deren kreischenden Schloten schrille Schreie der Qual drangen. Doch das Blutherz wollte sich nicht um seinen Sieg bringen lassen, und seine Peitsche zuckte vor, wickelte sich um den Arm des anderen Dämons und riss ihn in einer Fontäne schwarzen Bluts ab. Der Omphalos Daemonium fiel auf die Knie und brüllte in wütendem Trotz, doch vergeblich, da das Blutherz näher herantrat und ihm mit einem einzigen Axthieb den Kopf von den Schultern trennte. Der gerüstete Dämon brach zusammen, und eine Flut von Blut strömte aus der tödlichen Wunde. Das Blutherz reckte seine Waffen in die Höhe und stieß dabei ein dem Blutgott geltendes ohrenbetäubendes Triumphgeheul aus, das die Mauern der Kammer erbeben ließ. Dunkle Energien wirbelten aus dem vernichteten Dämon, und das Blutherz zuckte, als es von der Essenz seines alten Feindes trank, da seine Glieder unter der Einwirkung der geerbten Macht erbebten. Noch während er die Beute seines Siegs genoss, ver-blasste der rote Himmel langsam, der mit der Ankunft des Omphalos Daemonium heraufgezogen war, und die in dem verfluchten Metall der Dämonenmaschine eingesperrten schreienden Seelen heulten mit neuerlicher Kraft. Zischende Knochenkolben stampften, da die monströse Dämonenmaschine die Kraft aufbaute, um ihrem sterbenden Herrn und der einstürzenden Kaverne zu entrinnen. Dann, als seien die Schlacht und die durch seinen Sieg entfesselte schiere Kraft zu viel für das furchtbare Wesen, sank es auf die Knie, satt und von dunkler Energie überwältigt. Axt und Peitsche entglitten den Krallenhänden des Blutherzens, da es auf die Seite fiel, während sich der Glanz seiner roten Haut zu einem heißen Zinnober vertiefte und das Wesen rauchte und zischte, als sei es an einem elektrischen Schlag verendet. Mit dem Zusammenbruch der beiden Dämonen war auch das misstönende scheppernde Klirren der Dämonenwaffen verstummt und dem allgegenwärtigen Donner der Artillerie draußen gewichen. Die Schlacht innerhalb Khalan-Ghols mochte einstweilen vorbei sein, aber die von Toramino entfesselten
Gewalten hielten an. Uriel hielt den Atem an, denn er befürchtete, die geringste Bewegung könne den Dämon wieder aufspringen lassen. Doch nichts dergleichen geschah, und er stieß einen tiefen Seufzer aus, während der Herr der Hautlosen zu ihm kam und sich herunterbeugte, so dass sein Kopf auf einer Höhe mit ihm war. »Wir Eisenmänner getötet!«, sagte er. »Ja«, sagte Uriel müde. »Das haben wir.« »Imperator glücklich?« Uriel schaute sich in den Ruinen des Saals der Brutalen Bestatter um und sah, dass praktisch nichts mehr davon übrig war. Alles war in dem kataklysmischen Kampf der beiden Dämonen zerstört worden. Das hier entfesselte Grauen gab es nicht mehr, und den leidenden Opfern der bizarren Experimente war endlich der Frieden des Imperators gewährt worden. Der Blutsee war jetzt nicht mehr als ein staubiger Krater, und die Käfige der Daemonculaba waren nur noch verbogene Eisentrümmer. Von den Daemonculaba selbst waren nur noch traurige Haufen zerstörten Fleisches übrig, und Uriel spürte, wie eine große Last von ihm abfiel, als er erkannte, dass sie ihren Todeseid erfüllt hatten. Die Wesen, die Tigurius in seiner Vision gesehen und mit deren Zerstörung sie Marneus Calgar beauftragt hatte, gab es nicht mehr. »O ja«, sagte Uriel. »Der Imperator ist glücklich. Ihr habt den Imperator sehr glücklich gemacht.« Der Herr der Hautlosen richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schlug sich mit seinen gewaltigen Fäusten auf die Brust. Seine wenigen überlebenden Brüder folgten seinem Beispiel und heulten ihre Freude in den verblassenden roten Himmel. »Stamm! Stamm! Stamm!«, brüllten sie immer wieder. Uriel nickte und tat es der gewaltigen Kreatur nach, indem er sich mit den Fäusten auf die Brust hieb und aus Leibeskräften »Stamm! Stamm! Stamm!« rief. Pasanius schaute ihn merkwürdig an, aber Uriel ging zu sehr im urtümlichen Hochgefühl der Hautlosen auf, um sich daran zu stören. Als der Sprechchor verstummt war, richtete der Herr der Hautlosen seine Aufmerksamkeit wieder auf die wenigen überlebenden Iron Warriors, die sich nun nach dem Abflauen des Blutsturms wieder aufrappelten.
Der Herr der Hautlosen wandte seinen hungrigen Kopf in Uriels Richtung und fragte: »Fleisch?« Uriels Herz verhärtete sich, als er zögernd nickte. »Fleisch«, stimmte er zu. Diese Iron Warriors waren die besten aus Honsous großer Kompanie, aber selbst sie konnten der voll entfesselten Wut der Hautlosen nicht standhalten. Der Boden war mit Toten übersät, sowohl mit Iron Warriors als auch mit ihren monströsen Halbbrüdern, aber das war nur ein schwacher Vorgeschmack darauf, was nun folgte. Rüstungen wurden aufgebrochen und Glieder aus den Gelenken gerissen, als sich die Hautlosen über die noch lebenden ihrer verhassten Schöpfer hermachten. Uriel half Pasanius auf die Beine, während er mit ansah, wie das Dämonenwesen Onyx von einem Rudel der Hautlosen umzingelt wurde. Der dunkel gerüstete Krieger kämpfte mit unglaublicher Flinkheit, aber die Hautlosen ließen sich trotz ihrer Wunden, die schwächere Gegner dreimal getötet hätten, nicht beirren. Uriel hatte kein Mitleid mit Onyx, denn es war ein Wesen aus dem Warp, eine Widernatürlichkeit, und als es schließlich unter einer brüllenden Masse Hautloser zu Boden ging, wandte er sich ab. »Was machen wir nun also?«, fragte Pasanius, indem er sich an einen Trümmerhaufen aus Betonplatten lehnte und sich Staub und Blut vom Gesicht wischte. »Ich weiß es nicht«, antwortete Uriel ehrlich. »Wir haben vollbracht, was uns aufgetragen wurde. Wir haben unseren Todeseid erfüllt.« Trotz seiner offensichtlichen Schmerzen lächelte Pasanius, und die mürrische Last, die sein Freund seit den letzten Tagen auf Tarsis Ultra mit sich herumgeschleppt hatte, schien von ihm abzufallen. »Es ist schön, dich wieder lächeln zu sehen, mein Freund«, sagte Uriel. »Aye, es ist schon eine Weile her, seit mir zuletzt danach war.« »Unsere Ehre ist wiederhergestellt«, sagte Uriel. »Weißt du«, sagte Pasanius. »Ich glaube eigentlich nicht, dass wir sie je wirklich verloren hatten.« »Vielleicht nicht«, stimmte Uriel zu. »Wenn es doch nur einen
Weg gäbe, das unseren Brüdern auf Macragge zu sagen.« »Ich glaube nicht, dass sie je erfahren werden, was hier passiert ist.« »Nein, das werden sie wohl nicht«, sagte Uriel. »Aber das spielt keine Rolle. Wir wissen es, und das reicht.« »Aye, ich glaube, du hast recht, Hauptmann.« »Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nicht so anreden sollst.« »Bis jetzt nicht«, stellte Pasanius fest, »aber wir haben unseren Todeseid erfüllt, und jetzt bist du wieder mein Hauptmann.« Uriel nickte. »Das bin ich wohl.« Die beiden Krieger schüttelten sich die Hände, erfreut noch am Leben zu sein und im Genuss des Gefühls, erreicht zu haben, was sie sich vorgenommen hatten. Da spielte es auch keine Rolle, dass sie immer noch auf einer albtraumhaften Dämonenwelt viele Tausend Lichtjahre von der Heimat entfernt festsaßen. Ihr Erfolg war einfach nur dadurch gut, dass sie ihn erzielt hatten. Was jetzt auch geschah, sie hatten es geschafft. Es war vorbei. Der Herr der Hautlosen näherte sich. Sein mit Reißzähnen bewehrtes Maul war blutverschmiert. »Wir jetzt gehen?«, fragte er. »Von hier weg?« »Von hier weg?«, sagte Uriel. »Wie? Wir können nirgendwohin. Der Weg zum Fahrstuhl ist unpassierbar, und viele Hundert Tonnen Gestein haben den Abfluss verstopft. Es gibt keinen Ausweg.« Der Herr der Hautlosen bedachte ihn mit einem schiefen Blick, als könne er nicht glauben, dass Uriel so begriffsstutzig war. Er zeigte über Uriels Schulter und sagte. »Maschine von großem Eisenmann auch weg von hier!« Einen Moment war Uriel völlig verwirrt, bis sein Blick dem zeigenden Finger des Herrn der Hautlosen folgte und er die dunkle Gestalt des gepanzerten Leviathans sah, der den Schlachtermann hergebracht hatte, Die Dämonenmaschine stampfte einem der schädelumringten Tunnel entgegen, die sie erschaffen hatte, um sich in der Maschine manifestieren zu können. Die rot beleuchtete Tür in ihr Inneres stand noch offen, und obwohl die herrenlose Maschine langsam Fahrt aufnahm, blieb immer noch genug Zeit, an Bord zu gehen. »Hat großen Eisenmann hergebracht«, sagte der Herr der Hautlosen. »Bringt uns auch weg!«
Uriel wechselte einen Blick mit Pasanius. »Was meinst du?«, sagte Uriel, während die Andeutung eines Lächelns seine Mundwinkel umspielte. »Ich glaube, wohin uns das Ding auch bringt, kann es nur besser sein als hier, Hauptmann«, sagte Pasanius, indem er sich von den Felsen abstieß und sich die Wunden hielt. »Ich hoffe, du hast recht.« »Tja, entweder das, oder Toraminos Artillerie macht uns nieder.« »Gutes Argument«, stimmte Uriel zu und wandte sich an den Herrn der Hautlosen. »Versammle den Stamm. Wir gehen.« Der Herr der Hautlosen nickte, und seine massigen Schultern hoben sich bei der Bewegung. Er warf den Kopf in den Nacken und stieß ein sich steigerndes Geheul aus. Binnen Sekunden lösten sich die Hautlosen von ihrem grausigen Mahl und gesellten sich zu ihrem Anführer. Weniger als ein Dutzend von ihnen lebten noch, und Uriel war schockiert, wie wenige das Unternehmen Khalan-Ghol überlebt hatten. Ardaric Vaanes hatte recht gehabt, als er gesagt hatte, die meisten, wenn nicht alle, würden hier sterben. Uriel nickte. »Also gut, machen wir, dass wir von hier verschwinden.« Einen Moment lang glaubte Honsou, er sei tot. Als ihm dann aufging, dass er es nicht war, glaubte er, er sei erblindet. Er fühlte nur Schmerzen und hörte die dumpfen Schläge der irgendwo über ihm einschlagenden Artillerie. Er richtete sich auf, und da er ein Brennen in den Augen verspürte, löste er die Vakuumsiegel am Nackenschutz seiner Rüstung. Sie waren aufgesprengt und nutzlos, also riss er sich den Helm vom Kopf, wobei ihm aufging, dass er gar nicht blind war, sondern ihm lediglich Klumpen geronnenen Blutes die Augen verklebten. Honsou klaubte sich die Klumpen der klebrigen Materie aus dem Gesicht und spie einen Mund voll Dreck aus. Er wischte sich noch einmal das Gesicht ab, erzürnt darüber, dass er auf einem Auge immer noch nichts sehen konnte. Weiteres Sondieren erbrachte, dass es einen guten Grund dafür gab. Das Geschoss hatte einen Teil seines Kopfes pulverisiert, und seine linke Gesichtshälfte war eine blutige, verbrannte Ruine,
sein Auge eine klebrige, geschmolzene Schweinerei. Schwindel und Übelkeit erfassten ihn, aber er streckte seinen silbernen Arm aus, um sich zu stützen, und lachte kurz, als er sah, dass der Arm glatt und makellos war, und das trotz der brutalen Kämpfe, die er seit der Transplantation des Arms ausgefochten hatte. »Sei verdammt, Ventris, jetzt hast du mich schon zweimal mit meinem eigenen Blut geblendet.« Honsou richtete sich auf die Knie auf und versuchte sich die letzten Momente der Schlacht zusammenzureimen. Er erinnerte sich, Ventris gegenübergestanden zu haben, und an den verzweifelten Sturmangriff der Ultramarines, der in einem Hagel von Boltgeschossen sein Ende gefunden hatte. Oder wenigstens hätte er darin sein Ende finden müssen. Das Glück der Verdammten war mit ihnen, und sie hatten lange genug überlebt, um zwei seiner Krieger zu töten. So töricht heldenhaft ihr Sturmangriff auch gewesen war, er hatte ihnen bestenfalls Momente erkauft. Aber dann hatten die Ungeheuer angegriffen. Honsou verspürte immer noch einen Schauder des Abscheus, als er an ihre unvorstellbare Scheußlichkeit zurückdachte. Ihre Leichen lagen überall rings um ihn verstreut, und als er sich von dem Geröll befreite, unter dem seine Unterschenkel begraben waren, und sich schwankend erhob, empfand er Erstaunen darüber, das so unglaublich widerlich Kreaturen überhaupt leben konnten. Er hatte von den Hautlosen gehört, hätte sich aber nie träumen lassen, sie könnten so furchterregend und einmal sein Untergang sein. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war der Schuss, den Ventris aus seinem Boltgewehr abgegeben hatte. Er hatte gesehen, wie der Ultramarine auf seinen Kopf gezielt hatte, und sich reflexartig weggedreht. Er konnte sich noch an den Mündungsblitz erinnern und an einen grellen, brennenden Schmerz im Gesicht, dann... dann an nichts mehr bis zu diesem Moment. »Eisen von innen.«, rief er. Er bekam keine Antwort und wusste somit, dass alle Krieger tot waren, die ihn ins Reich der Brutalen Bestatter begleitet hatten. Er schlug sie sich aus dem Kopf und begutachtete bewundernd
die Zerstörung rings um sich. Von der Kammer war nichts mehr übrig. Der Kampf der Dämonen und das beständige Bombardement von Toraminos großen Batterien hatten sie in Schutt und Asche gelegt. Eine Bewegung fiel ihm ins Auge, und er hob seine Axt auf, bevor er schwankend zu der Stelle ging. Ein Iron Warrior, der unter dem halb verzehrten Kadaver eines anderen lag, stöhnte vor Schmerzen. Honsou hob den Leichnam von dem darunter begrabenen Iron Warrior und sah, dass es sein jüngster Unterführer war, Cadaras Grendel. An den Beinen war die Rüstung des Kriegers weggerissen, und große Bissen hatten ihn ein beachtliches Stück seines Oberschenkelmuskels gekostet. »Immer noch am Leben, Cadaras Grendel?«, sagte Honsou. »Aye«, erwiderte Krieger. »Ich sterbe nicht so schnell. Helft mir auf.« Honsou streckte die Hand aus und zog Cadaras Grendel in die Höhe. Der grimmgesichtige Schlächter hob seine Waffe vom Boden auf und überprüfte den Mechanismus, bevor er sagte: »Dann ist es vorbei?« Honsou zuckte die Achseln. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Aber es sieht so aus.« Cadaras Grendel nickte. »Was ist mit Toramino?« »Was soll mit ihm sein?« »Ich will ihn immer noch töten.« »Wollen wir das nicht alle?«, sagte Honsou, der durch einen großen Riss in der Seite des Bergs starrte. Aus den magischen Türmen rings um seine Festung hämmerte immer noch blaues Feuer auf sie ein. Toraminos Artillerie-Offiziere waren gründlich, überlegte Honsou, wenn sie einen Berg aufgebrochen hatten. Als er sich umdrehte, sah er einen funkelnden Haufen zuckenden Metalls neben dem Durchgang zu dem Tunnel liegen, der zum Fahrstuhlkäfig geführt hatte. Als er einen abgelegten Satz Bronzekrallen neben dem Metall liegen sah, ging er zu dem Schrotthaufen. Beim Näherkommen sah er, dass es sich nicht um schlichte Trümmer handelte, sondern um die noch lebenden Überreste seines Kämpen. Onyx lag zuckend auf dem Boden. Seine schwarze Rüstung war gesprungen und von seinem Leib gerissen. Die Ungeheuer hatten ihm die dämonische Haut vom Metall
seines Skeletts gerissen. Das immaterielle Fleisch des dämonischen Symbionten hatte einen Sprössling des Warps beherbergt, und ohne einen Körper war er aus seiner Hülle vertrieben worden. Von Honsous Kämpe war nur noch eine Sammlung lose verbundener silberner Glieder, Messingkolben und ein Bronzeschädel mit Augenhöhlen übrig, aus denen sich langsam trübendes silbriges Licht sickerte. »Bist du da drinnen, Onyx?«, fragte Honsou. »Noch«, antwortete Onyx mit einer Stimme, die kaum mehr als ein heiseres Flüstern war. »Was ist dir zugestoßen?« »Die Ungeheuer...«, zischte das Wesen, das seine Auflösung nur mit Mühe aufhalten konnte. »Sie haben mir die Haut abgezogen, so dass sich der Dämon in mir nirgendwo mehr verstecken konnte. Er ist geflohen und hat mich so zurückgelassen...« Cadaras Grendel gesellte sich zu Honsou und sagte: »Das ist das Dämonending, auf das ich achten sollte?« »Aye«, nickte Honsou. »Sieht jetzt nicht mehr nach viel aus.« »Nein, wirklich nicht«, sagte Honsou, während er sich abwandte und zur Mitte der Kammer humpelte. »Was soll ich damit machen?«, rief Cadaras Grendel ihm hinterher. »Entsorge es«, sagte Honsou mit einer verächtlichen Handbewegung. Er kletterte unter Schmerzen über die vielen Haufen aus Trümmern und Leichen, und als er das heiße Zischen von Cadaras Grendels Meltergewehr hörte, wusste er, dass Onyx nicht mehr existierte. Die Mitte der Kaverne sah wie das Epizentrum eines großen Orbitalbombardements aus. Der Boden war infolge der Schlacht, die hier getobt hatte, aufgerissen und zerfurcht. Überall lagen Leichen und Trümmer herum, die so zerschmettert waren, dass sich nicht mehr sagen ließ, was sie zu Lebzeiten gewesen waren. Eine in ihren Proportionen gigantische Servorüstung lag am Rande eines tiefen Kraters, und davor lag das Blutherz. Der Leib des gewaltigen Dämons hatte eine matte glutrote Farbe wie halb erloschene Funken, die jeden Moment wieder zum Leben angefacht werden konnten. Die Brust hob und senkte sich in gesättigter Lust, und die feurigen Streifen seiner Adern pulsierten
in neuerlichem Leben. Die neben dem Dämon liegende Axt war doppelt so groß wie Honsou, und obwohl er wusste, dass es unmöglich war, spürte er den unbestreitbaren Drang, sie aufzuheben. Seine eigene Axt grollte in seiner Hand, und er wusste, dass es die dämonische Ausstrahlung in der Waffe des Blutherzens war, die ihn ansprach. Honsou marschierte zum ruhenden Körper des Blutherzens und verpasste ihm einen Stiefeltritt an den gehörnten Schädel. »Komm hoch!«, rief er. »Du bist jetzt frei, und es sind Zauberer zu töten! Auf mit dir!« Die lavaheißen Adern des Dämons flammten auf, und seine Augen öffneten sich, in denen ein seelenloses weißes Feuer wie von sterbenden Sonnen brannte. Das Blutherz schüttelte die Sattheit im Zuge seines siegreichen Kampfes ab und richtete sich zu voller Größe auf, während die riesige Axt und die Peitsche in seine großen Krallenhände sprangen. »Das ist besser«, knurrte Honsou, als der Dämon hoch vor ihm aufragte. »Wer wagt es, mich aus meiner Blutversunkenheit zu wecken?«, blaffte der Dämon. »Ich bin Honsou. Mischling. Herr von Khalan-Ghol.« Der kolossale Dämon überragte Honsou, der jedoch keinen Schritt wich und entschlossen war, keine Furcht vor dieser Kreatur zu zeigen. »Du bist vom Warp gezeichnet«, sagte das Blutherz. »Du warst Haut für einen meiner Art.« Honsou nickte. »Ja, ich war einmal für kurze Zeit mit der Berührung eines Dämons des Chaos gesegnet.« »Ich rieche immer noch Zauberei an diesem Ort«, fauchte der Dämon. »Genau«, sagte Honsou. »Meine Feinde setzen mächtige Magie gegen mich ein und wollen meine Festung zerstören.« »Du bist der Herr dieses Ortes?« »Gegenwärtig, ja«, bestätigte Honsou. »Wo sind diese Feinde, die sich zur Benutzung übler Zauberei herabwürdigen?«, wollte der Dämon wissen. Honsou schaute durch die große Bresche in der Seite des Bergs und zeigte auf die knisternden blauen Feuer dahinter. »Da draußen«, sagte er. »Der Kriegsfürst, der das Heer befehligt, das meine Festung angreift, ist ein Zauberer, der viele Zauberkundige
in seinen Diensten hat.« »Ich werde ihn töten und seine Seele für alle Ewigkeit zerreißen«, versprach das Blutherz, drehte sich um und zwängte sich durch den Riss im Berg nach draußen. Honsou kletterte zu dem Riss im Fels und ließ den Blick über den in Rauch gehüllten Berghang schweifen, um mit unverhohlener Belustigung zuzuschauen, wie der unaufhaltsame Dämon auf die Front von Toraminos Armee traf. »Ja«, lachte er. »Mach genauso weiter...«
EPILOG Das Sanktuarium hallte von den Geistern der Toten wider, da seine Blockhäuser und Bunker verlassen waren. Natürlich hatte es hier schon so ausgesehen, als sie diesen Ort entdeckt hatten, aber jetzt wirkte alles so leer, als sei die kurze Zeit der Besetzung durch den Kriegertrupp nicht mehr als ein letztes Aufbäumen gewesen. Ardaric Vaanes wusste, dass sie nicht mehr länger bleiben konnten. Dieser Ort war in seiner Erinnerung für immer makelbehaftet. Hier hatte Ventris ihm und Vaanes' Männern seine Lügen untergeschoben. Die Lüge der Ehre. Dieselbe Lüge hatte überhaupt erst zu seiner Verbannung aus seinem Orden geführt. Dieselbe Lüge, die ihn auf diesem trostlosen, erbärmlichen Misthaufen von einer Welt beinahe das Leben gekostet hatte. Ehre... Was nützte sie einem, wenn sie einem nur Tod und Leiden einbrachte? Dreißig Krieger hatten an diesem Ort gelebt, von hier aus gegen ihre Feinde gekämpft und überlebt... immer überlebt. Bis Ventris gekommen war. Sie hatten kein großartiges Leben geführt, aber wenigstens war es ein Leben gewesen. »Du hast sie alle umgebracht, du Schwein«, zischte Vaanes, und sein Hass auf den Hauptmann der Ultramarines schwelte wie ein Feuer in seinem Herzen, während er mit seiner Energieklaue Spiralen in den Staub ritzte. Svoljard, hochgewachsen und wild in seiner grauen Wolf-
Brother-Rüstung, und Jeffar San, der stolze und hochmütige White Consul, waren alles, was von seinem Kriegertrupp übrig war, und Ardaric Vaanes wusste, dass sie von Glück sagen konnten, wenn sie die nächsten Tage überlebten. Nachdem er Ventris und dessen zusammengewürfelten Haufen von Ungeheuern und Missgeburten verlassen hatte, waren die drei durch die Berge zu ihrem Sanktuarium zurückgekehrt und hatten die rings um die Festung tobenden großen Schlachten aus der Ferne beobachtet. Das Spektakel war wunderbar gewesen, und bei dem unglaublichen Angriff die große Rampe empor hatte Vaanes unerklärlicherweise gehofft, Honsou könne sich wider alle Wahrscheinlichkeit gegen seine Gegner behaupten. Beim Kollaps der Rampe und der anschließenden Vernichtung der Armee von Berossus hatte er jubeln wollen. Doch so spektakulär dieser Akt der Zerstörung auch gewesen war, gegen das anschließende Chaos und Gemetzel war er nichts gewesen. Die strömenden Säulen aus blauem Feuer, welche die Festung umgaben, hatten gnadenlos auf sie eingehämmert und den Berg Stück für Stück zerrissen. Gewitter aus magischer Energie brachen mit unvorstellbarer Gewalt über das Gestein herein und zerschmetterten uneinnehmbare Türme im Zeitraum eines Augenzwinkerns. Vaanes hatte so etwas noch nie gesehen, und obwohl der Anblick der Zerstörung Ehrfurcht gebietend war, verspürte er doch einen Anflug von Bedauern, dass es Honsou nicht gelungen war, noch einen letzten Trick aus dem Hut zu ziehen, um Toramino zu besiegen. Dann war das Blutherz gekommen, und alles hatte sich verändert. Es war aus den Tiefen des Bergs gekommen wie ein roter Wirbelsturm des Todes und hatte alles vor sich in einer Orgie der Zerstörung vernichtet, die in ihrer Brutalität schwindelerregend war. Nichts konnte sich vor diesem Avatar der Zerstörung behaupten - keine Männer, keine Iron Warriors, keine Panzer, nicht einmal Toraminos Dämonenmaschinen. Alles, was auch nur in die Nähe des kolossalen Dämons kam, starb, wurde von seiner kreischenden Axt niedergemetzelt oder unter seiner monströsen Körperfülle zerquetscht. Das Gemetzel
hatte Tage angedauert, aber am Ende war Toraminos Armee vor dem Lieblingsavatar des Blutgotts geflohen, solange sie noch konnte, und hatte das rauchende Wrack von Khalan-Ghol dem Mischling überlassen. Honsou war immer noch der Herr von Khalan-Ghol, und obwohl es Vaanes gefreut hatte, dass der arrogante Toramino zurechtgestutzt worden war, überlief ihn ein eisiger Schauder der Beklommenheit. Er wusste, dass der Mischling ganz sicher furchtbare Rache an jenen üben würde, die ihn angegriffen hatten. Jedenfalls hätte Vaanes es an seiner Stelle getan, und nach allem, was er über Honsou wusste, hatte er den Verdacht, dass sie in dieser Beziehung nicht so verschieden waren. Das war vor einer Woche gewesen, und da ihnen nichts anderes übrig blieb, waren er, Svoljard und Jeffar San im Sanktuarium geblieben, da sie mit ihren neuen Lebensumständen zurechtzukommen versuchten. Was sollten sie tun? Wohin sollten sie gehen? Sollten sie nach einer Möglichkeit suchen, Medrengard zu verlassen, und ihr Glück wieder als Söldner versuchen? Vielleicht, aber Vaanes hatte die Vorliebe für verzweifelte Unternehmen verloren und konnte der Vorstellung nichts abgewinnen, durch die Galaxis zu ziehen und wieder für unbedeutende Tyrannen zu kämpfen. Er wurde von Schritten hinter sich aus seinen verbitterten Grübeleien gerissen. Er löschte die Spirale aus, die er in den Staub gemalt hatte, und als er sich umdrehte, sah er Svoljard in der Tür, dessen wolfsartige Züge einen grimmigen Ausdruck der Unausweichlichkeit angenommen hatten. »Was gibt es?«, fragte Vaanes. »Ärger«, sagte der Wolf Brother. Jeffar San stand im Eingang des Blockhauses, das Boltgewehr locker auf der Schulter, und hatte seine langen, schmutzigen blonden Haare zu einer Skalplocke zusammengefasst. Vom Weiß seiner Rüstung war unter dem Schmutz und Unrat, den sie von ihrem Abenteuer in Khalan-Ghol mitgebracht hatten, kaum noch etwas zu sehen, aber er strahlte immer noch eine arrogante Aura verblasster Erhabenheit aus. »Was ist los?«, schnauzte Vaanes, als er und Svoljard in das
helle, immerwährende Tageslicht traten. »Da drüben«, sagte Jeffar San, indem er auf eine Stelle zeigte, wo ein einzelnes Fahrzeug am Ende eines schattigen Tals stand. Vaanes erkannte darin einen unglaublich starken Kampfpanzer des Typs Landraider, dessen harte, eiserne Seiten mit gelben und schwarzen Streifen geschmückt und dessen obere Panzerplatten mit Stacheln eingefasst waren. Ein toter Körper lag gefesselt und mit gespreizten Gliedern auf der oberen Bedachung des Panzers. Seine Gliedmaßen waren blutig und die Darmschlingen um die dicken Stacheln des Panzers gewickelt. Gewaltige Geschütze in gepanzerten Schwalbennestern waren auf das Blockhaus gerichtet. Die Kraft dieser Waffen war enorm, wusste Vaanes, und ganz leicht in der Lage, das Blockhaus mit einem Schuss in Schutt und Asche zu legen. Warum schoss er also nicht? Honsou - denn niemand sonst würde sie hier suchen - würde keinen anderen Grund haben, hierherzukommen, als den, sie zu töten. »Warum schießt er nicht?«, zischte Svoljard, der dasselbe dachte. »Ich glaube, das finden wir gleich heraus«, sagte Vaanes mit einem Kopfnicken zu dem massigen Panzer, dessen vordere Sturmrampe gerade mit lautem Krachen auf die Felsen herabgesenkt wurde. Drei Krieger stiegen aus, alle in der Rüstung der Iron Warriors und bewaffnet. »Was soll das denn?«, sagte Vaanes, als die Iron Warriors die Sicherheit ihres Fahrzeugs verließen, über die ruinierten Gräben zu ihnen kamen und dabei einen Bogen um die scharfkantigen Überreste von Panzerfallen machten. Als sich die Iron Warriors ihnen weiter näherten, flüsterte Vaanes: »Haltet euch zum Kampf bereit, wenn ich das Zeichen gebe.« Die anderen beiden nickten, aber er sah, dass ihnen die Aussicht auf ein letztes Gefecht nicht schmeckte. Der führende Krieger setzte seinen Helm ab, und Vaanes war nicht überrascht, als er die ramponierten Züge des Mischlings darunter entdeckte. Eine Seite seines Gesichts war eine Ruine, und ein Knoten augmetischer Vorrichtungen bedeckte seinen halben Schädel, während sein fehlendes Auge durch ein blaues Juwel ersetzt worden war. Der zweite Krieger hatte das Gesicht
eines Schlächters. Die Augen waren hart und kalt, und eine stachelige Haarsichel zog sich über seine Schädelmitte. Die dritte Gestalt konnte Vaanes nicht erkennen. Honsous Körper verdeckte seine gerüstete Gestalt. »Du hast einen weiten Weg zurückgelegt, nur um uns zu töten, Honsou«, sagte Vaanes. Der Mischling lachte. »Wenn ich gekommen wäre, um euch zu töten, wärt ihr längst tot.« »Warum bist du dann hier?« »Dazu komme ich noch früh genug«, versprach Honsou. »Ihr habt mit Ventris gekämpft, nicht?« »Aye«, fauchte Vaanes. »Welchen Nutzen ich davon auch hatte.« »Das habe ich mir gedacht.« »Wovon redest du?« »Du trägst eine große Verbitterung in dir, Krieger, aber du bist ein Kämpfer, ein Überlebenskünstler.« »Und?« »Und ich brauche jetzt Männer wie dich. Die meisten aus meiner eigenen großen Kompanie sind tot, und Berossus' Männer, die mir die Treue geschworen haben, nicht sehr zahlreich. Ich habe Ventris das Angebot gemacht, sich mir anzuschließen, aber er hat es mir ins Gesicht gespien. Jetzt mache ich euch dasselbe Angebot, aber ich glaube nicht, dass ihr genauso reagieren werdet.« »Wir sollen für dich kämpfen?« »Ja.« »Für welches Ziel?« »Für Eroberung, Krieg und Blut. Und für Rache an unseren Feinden.« »Ventris...«, zischte Ardaric Vaanes. »Aye«, nickte Honsou, indem er den Iron Warrior heranwinkte, der hinter ihm gestanden hatte und sich nun an den Hals griff, um seine Helmklammern zu lösen. »Mein Kämpe ist tot«, sagte Honsou, »und ich brauche jemanden wie dich, der diesen neugeborenen Ersatz in der Kunst des Todes ausbildet.« Der Krieger nahm den Helm ab, und Vaanes stieß ein schockiertes Ächzen aus, als er sah, welches Gesicht darunter zum Vorschein kam.
Die Haut des Neugeborenen war wächsern und saß schlecht, und an Hals und Kiefer zeichneten sich grobe Nähte ab, aber die patrizischen Züge waren ebenso unverkennbar wie das Gewitterwolkengrau seiner Augen. Es war Uriel Ventris.