Titanic Von Sebastian Fischer
Der Ozean. Endliche Weiten trüben Wassers. Ölteppiche wohin man schaut. Nun, zu Beginn de...
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Titanic Von Sebastian Fischer
Der Ozean. Endliche Weiten trüben Wassers. Ölteppiche wohin man schaut. Nun, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war das anders. Damals war das Meer noch blau und von unglaublicher Schönheit. Es strahlte Magie, Gefahr und Romantik gleichermaßen aus. Passend dazu wurden irgendwann die Ozeanriesen erfunden. Schiffe unglaublichen Ausmaßes. Hunderte von Metern lang, mit einem Luxus ausgestattet, der so manchem König den puren Neid ins Gesicht getrieben hätte. Gold, Silber, Edelsteine, edle Hölzer, feinstes Porzellan, Seide. Es waren Prunkschlösser auf See. Eines dieser Prachtschiffe war die im Jahre 1911 von der irischen Reederei Harland & Wolff fertiggestellte RMS Titanic. Ihre Jungfernfahrt trat sie am 10. April 1912 um 12 Uhr 15 an. An Bord waren zweitausendundzweihundert Personen. Lediglich einhundertundfünfundneunzig davon gehörten der dekadenten ersten Klasse an. Der Kapitän des Schiffes war der berühmte Edward J. Smith. Einer der besten und teuersten der damaligen Welt. Ungeachtet der Tatsache, daß Kapitän Smith zuvor bereits das Schwesterschiff der Titanic, die RMS Olympic, beinahe zu Schrott gefahren hatte, indem er mit der HMS Hawk kollidiert war, vertraute man ihm das Schiff an; aus welchen Gründen auch immer. Es sollte seine letzte Fahrt auf der Nordatlantikroute werden, bevor er sich zur Ruhe setzte. Nun ja, das mit dem Ruhestand war so eine Sache... Alle waren wahnsinnig aufgeregt, stellte die Titanic doch die Wiederherstellung der Vorherrschaft an Ozeanriesen des britischen Imperiums dar. Sie war ein Statussymbol. Endlich hatte man den Amerikanern mal wieder zeigen können, wer die größten und besten Schiffe baut. Wenigstens für eine gewisse Zeit. Die Titanic war das beste Schiff. Einfach das Allerbeste. Und die Krönung war: Das Schiff war praktisch unsinkbar. Das jedenfalls sagte der Konstrukteur des Dampfers, Thomas Andrews. Die Presse machte damals einfach ein „unsinkbar“ daraus. Nun, um es gleich vorweg zu nehmen: Das war etwas vorlaut, denn das Scheißding ist blubbblubbblubb abgesoffen, und zwar auf ihrer Jungfernfahrt. Tja, das muß eine herbe Enttäuschung gewesen sein. In den fünf Tagen ihrer Reise spielten sich aber noch einige erzählenswerte Kleinigkeiten auf der Titanic ab.
10. April 1912
„Vollgas!“, schrie Kapitän Smith. Er war volltrunken. „Vollgas?“, wunderte sich Murdoch, der erste Offizier. Smith hatte zwei sehr aufreizende junge Damen in seinen Armen, die er pausenlos abknutschte. Die beiden versuchten stets, seinem Atem auszuweichen, der stark nach Whiskey roch. „Nun machen Sie schon, Murdoch!“, fuhr er ihn an und fuchtelte dabei mit dem Finger vor Mudochs Nase herum. Murdoch zuckte mit den Achseln und tat wie ihm geheißen war. Kurz darauf, schrien einige Gäste an Deck entsetzt auf, weil das Schiff drauf und dran war gegen ein anderes Schiff zu donnern, die New York. „Ausweichen!“, schrie Murdoch. „Ausgleichen?“, fragte Smith, „Stimmt. Mein Pegel ist gesunken.“ Kapitän Smith ging zum Rauchsalon und benätzte seine Kehle mit einem edlen Scotch. Das Schiff steuerte volle Fahrt voraus nach Cherbough, wo noch einige Gäste zusteigen sollten. Unter ihnen befand sich Mrs. Molly Brown, deren Mann einst auf Gold gestoßen war. Molly war nicht nur ihr Spitzname, sondern auch Ausdruck ihrer Körperfülle. Die ansonsten eher spießige Gesellschaft der ersten Klasse, regte das heitere Gemüt der neureichen Amerikanerin stets zum Lachen an. Sie war hocherfreut als sie feststellte, daß nicht alle Briten an Bord steifärschig waren, denn Kapitän Smith war ihr bereits kurz nach dem Auslaufen der Titanic begegnet. Er war, wie sollte es anders sein, sturzbesoffen und scherzte ein wenig mit Molly. „Hallo, schönes Kind, wie heißt Du denn, mein Schatz?“, lallte Smith. „Mein Name ist Molly. Sie sind der Kapitän dieses Schiffes, wenn ich mich nicht irre?“, sagte Molly lächelnd. „Genau.“, sagte Smith und lehnte sich gegen ein Geländer, „Ganz alleine hier?“ „Das bin ich, ja.“, lachte Molly, „Sagen Sie mal, sollte der Kapitän denn das Schiff nicht nüchtern steuern?“
„Ich bin nüchtern.“, bekräftigte Smith schwankend, „Das liegt an diesem blöden Kahn hier. Das schaukelt derart, daß man meinen könnte, alle Passagiere seien betrunken. Nun, vielleicht sind das manche auch... Ist ja auch völlig egal.“ „Nun, mein Lieber, ich bin es nicht.“, sagte Molly. „Sind was nicht?“ „Betrunken.“ „Tja, das sagen Sie mir, mein liebes Kind.“, säuselte Smith, „Aber wer kann mir denn garantieren, daß Sie es tatsächlich nicht sind?“ „Ich glaube, Käpt’n, daß diese Unterhaltung zu nichts führt.“, sagte Molly und lachte herzlich, „Außerdem ist der Treppenaufgang der ersten Klasse wohl nicht der richtige Ort für eine solche Konversation.“ „Dann lassen Sie uns die Unterhaltung doch in meinem Quartier weiterführen.“, schlug er grinsend vor. „Ich glaube, das verschieben wir lieber, mein Guter. Lassen Sie es mich wissen,wenn Sie sich wieder besser fühlen.“, sagte Molly und ging den Aufgang runter in Richtung Speisesaal. „Aber mir geht’s doch gut!“, rief ihr Smith undeutlich hinterher. Er drehte sich daraufhin um und schlängelte enttäuscht davon. Ansonsten verlief der erste Tag der Reise des Schiffes eher ereignislos. Die Passagiere richteten sich ein, flanierten auf den Decks, aßen etwas oder betrugen sich heiter in einem der zahlreichen Salons, Bäder oder Sporteinrichtungen. Lediglich ein paar Eiswarnungen waren auf der Brücke eingegangen.
11. April 1912
Der reichste Mann an Bord der Titanic war der Millionär John Jakob Astor. Er war zur damaligen Zeit verantwortlich für einen kleinen Skandal. Er war verheiratet mit Madeleine Astor, einem kleinen, häßlichen, achzehnjährigen Mädchen. Maddie, wie er sie liebevoll nannte, war bereits im fünften Monat schwanger. Ihr Alter allein war nicht Grund des Skandals, sondern die Tatsache, daß John Jakob bereits einen Sohn aus einer vorangegangenen Ehe hatte, der älter war als seine jetzige Mutter. Ein weiterer Passagier war
der Mienenkönig Benjamin Guggenheim, ein amerikanischer reicher Schnösel und Weiberheld. Er reiste mit seinem Diener Victor Giglio und seinem Chauffeur René Pernot. Astor und Guggenheim trafen sich an diesem Tag im Rauchsalon. „Guten Tag.“, sagte Guggenheim, „Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Benjamin Guggenheim.“ „John Astor. Sehr erfreut.“, erwiderte er. „Nehmen wir einen Drink?“, fragte Guggenheim. „Sicher.“, sagte Astor. Sie nahmen nicht nur einen, sondern mehrere Drinks. Irgendwann war die Stimmung für Guggenheims Anliegen gelockert genug. „Ich habe verdammt noch mal schon den ganzen Tag versucht, eine dieser kleinen Schlampen vom Service aufzureißen, aber die Weiber auf diesem Schiff sind zäher als andere auf anderen Schiffen.“, sagte Guggenheim. „Wissen Sie, Guggi, es gibt mehr im Leben als das Verlangen nach einer Frau.“, sagte Astor und versuchte dabei zwanghaft, seine Augen offen zu halten. „Na, Sie haben ja auch leicht reden, Johnny.“, sagte Guggenheim mit einem weinerlichen Unterton in der Stimme, „Mit so einer kleinen Konkubine würde mir die Überfahrt auch etwas leichter fallen.“ „Das ist aber keine Konkubine, Guggi, das ist meine Frau.“, sagte Astor, „Außerdem ist sie im fünften Monat schwanger und daher nackt nicht besonders ansehnlich... Im Moment jedenfalls.“ „Dennoch.“, sagte Guggenheim, „Wären Sie denn dazu bereit, mir ihre Kleine mal für eine Nacht auszuleihen?“ „Wie bitte?“, fragte Astor entsetzt. Er konnte seine Augen jetzt wieder öffnen. „Ach, ich bitte Sie!“, sagte Guggenheim und zuckte dabei mit den Achseln, „Sie sind doch auch kein Kind von Traurigkeit. Oder wollen Sie mir etwa erzählen, daß Sie Ihre Frau damals nicht mit Maddie betrogen haben?“ „Was hat denn das damit zu tun?“, fragte Astor, während das Entsetzen auf seinem Gesicht es sich richtig gemütlich machte. „Na, wo haben Sie die Kleine denn her?“, fragte Guggenheim. „Hmpf.“, machte Astor. Sein Kiefer öffnete sich ruckartig. „Sie wollen mir doch wohl nicht den Bären aufbinden, die Kleine wäre freiwillig bei Ihnen?“, sagte Guggenheim, „Na? Was ist? Was hat sie gekostet?“
Astor traute seinen Ohren nicht. Er blickte über seine Schultern, um sich zu vergewissern, daß man sie nicht belauschte. Das blanke Entsetzen, das eben noch sein Gesicht zierte, wich nackter Angst. Mit einemmal wurde er kreidebleich. „Sind Sie noch zu retten?“, sagte Astor schroff und packte Guggenheim am Arm. Er riß seine Augen auf und begann zu zittern. Er konnte sich nur noch nicht entscheiden, ob er das aus Angst, Abscheu, Ekel oder Verlegenheit tat. „Was denn?“, fragte Guggenheim erstaunt. „Das ist so ziemlich das widerwärtigste, was mir jemals zu Ohren gekommen ist.“, sagte Astor empört, während er Guggenheims Arm losließ. Nicht aber etwa deswegen, weil er keine Lust mehr dazu gehabt hätte, sich an Guggis Arms festzukrallen, sondern weil ein Bediensteter die beiden wirklich seltsam ansah, „Sie sind, mit Verlaub, ein Schwein, Guggenheim. Ts. Das reimt sich sogar. Ich möchte Sie doch bitten, mich auf der weiteren Reise nicht mehr zu belästigen. Wie Sie sicher wissen, bin ich ein äußerst einflußreicher Mann. Und es wäre mir ein wahres Vergnügen, mich Ihrer zu entledigen.“ „Einflußreich? Das kann man wohl sagen.“, lachte Guggenheim. Astor stapfte aus dem Salon. Er verlangte, den Kapitän zu sprechen, dieser war aber nicht auffindbar. er wandte sich daher an Murdoch und verlangte, man möge doch bitte dafür Sorge tragen, daß ihm dieser widerliche Guggenheim nicht mehr zu nahe käme. Dem wurde entsprochen. Auch dieser Tag verlief ansonsten recht ereignislos. Lediglich ein paar Eiswarnungen gingen ein.
12. April 1912
Benny Guggenheim wurde langsam unruhig. Keine der Damen an Bord des Dampfers war geneigt, seinen Annäherungsversuchen zu entsprechen. Er buhlte und buhlte, aber alles was er zu hören bekam, war schallendes Gelächter. Als er abends auf dem Promenadendeck spazierte, stieß er in einer unachtsamen Sekunde mit Molly Brown zusammen. „Oh, ich bitte um Verzeihung.“, sagte Guggenheim. „Aber das macht doch nichts... Es ist ja nichts passiert. Ich lebe noch.“, erwiderte Molly.
Zwar erregten füllige Damen ihn nicht besonders, aber aufgrund seines nun schon tagelang andauerten Enzugs beschloß Guggenheim hinsichtlich der Frauen, die es zu becircen galt keine Unterschiede mehr zu machen. „Also, ich muß sagen, das ist ja wirklich ein bezaubernd schönes Kleid, Gnädigste!“, säuselte er. „Danke, Herr...“ „Guggenheim, Gnädigste, Benjamin Guggenheim. Aber bitte nennen Sie mich Benny.“, bat er. „Soll mir recht sein, Benny.“, sagte Molly und grinste, „Mein Name ist Molly Brown.“ „Ein schöner Name, wenn ich das sagen darf.“, sagte Guggenheim, „Er paßt zu Ihnen. Ein schönes Kleid, ein schöner Name... Was würde man da anderes erwarten als eine schöne Gestalt, die beides präsentiert.“ „Na, Sie sind mir ja einer! Sie Charmeur!“, sagte Molly und tat so als hätte sie das unsägliche Geschwafel in Verlegenheit gebracht. „Oh bitte! Keine falsche Bescheidenheit, meine Liebe. Sie sind bestimmt das entzückendste Geschöpf an Bord dieses Stahlkolosses.“, sagte Guggenheim. Er sang es fast. „Meine Güte, Benny! Was führen Sie im Schilde?“, fragte Molly und zeigte sich dabei entsetzt, „Man könnte meinen, Sie seien auf der Suche nach einem Abenteuer.“ „Abenteuer?“, fragte Guggenheim zurück. Auch er übte sich in der Kunst des Schauspielerns, was ihm aber gräßlich mißlang. Das was er als Entsetzen zum Ausdruck zu bringen versuchte, sah mehr nach einer Magenverstimmung aus, aufgrund derer sich Guggi gerade in die Hosen geschissen hatte, „Sie tun mit unrecht, Molly.“ „Nun, Benny, ich komme nicht umhin zu bemerken, daß Sie etwas im Schilde führen.“, sagte Molly grinsend, „Korrigieren Sie mich ruhig, wenn ich mich irre, aber Ihr laienhafter Versuch, unschuldig zu wirken ist mehr als peinlich. Ich schlage vor, Sie beschränken sich darauf, die Wahrheit zu sagen und ehrlich zu mir zu sein. Ich schätze en offenes Wort mehr als verlogene Schmeicheleien.“ Damit hatte Guggenheim nun wirklich nicht gerechnet. Diese Frau besaß doch tatsächlich die Frechheit, seinem Charme zu widerstehen. Auch diese fette Ulknudel gab nicht nach, sie warf sich ihm nicht zu Füßen. Guggenheim bekam feuchte Hände. Sollte er denn gar keinen Spaß mehr haben auf dieser Reise? „Nun, ähm... na ja, wenn Sie... ich meine... vielleicht....“, stammelte er. „Wie ich sehe, schaffen Sie es nicht einmal, mit einer Frau ein normales Gespräch zu führen. Sie können ohne Ihre Heuchelei keiner Frau in die Augen sehen. Sie sind ein armer Hund, Benny.“, sagte Molly und grinste immer noch, diesmal jedoch hämisch. „Sie meinen, ich sollte...“, stotterte Guggenheim weiter.
„Mir offen und ehrlich sagen, was Sie wollen, ja.“, sagte Molly. „Ich will, ich meine ich würde gerne... ich möchte...“, er kam aus dem Stottern nicht mehr raus. „Soll ich das für Sie machen?“, fragte Molly. „Oh bitte, ja!“, sagte Guggenheim erleichtert. „Wollen Sie ficken?“, fragte Molly. „Hmpf, gnh, glg...“, Guggenheim brachte keinen anständigen Satz mehr zusammen. „Na?“ „Ja! Ja doch! Will ich!“, sagte Guggenheim lechzend. Er riß seine Augen auf. Er sah sein Leiden schwinden. „Pffh. Aber ich nicht, Du Schlappschwanz!“, sagte Molly schroff. Doch gleich darauf begann sie wieder zu grinsen. Hämisch. Benny Guggenheim stand regungslos da. Er konnte es nicht fassen. Beide standen auf dem Promenadendeck und schwiegen. Molly grinste und Guggenheim stand mit aufgerissenem Mund neben ihr und gaffte sie an. Nach einigen Minuten unterbrach jemand die Stille. „Molly! Molly, mein süßes Kind! Wo warst Du denn den ganzen Tag? Ich hab‘ Dich schon überall gesucht.“, lallte Kapitän Smith aus der Ferne. Er kam langsam angewankt. „Hallo, Käpm!“, sagte Molly, schlug die Hacken zusammen, salutierte und grinste. „Sie grinsen ja schon wieder so schelmisch, meine Liebe. Was haben Sie denn wieder angestellt?“, fragte Smith. „Was heißt hier schon wieder? Kennen wir uns denn schon so lange, daß Sie mir ansehen, was ich den ganzen Tag tue?“, fragte sie. „Es war nur eine naheliegende Vermutung. Außerdem grinsen Sie ja ohnehin den ganzen Tag. Aus welchen Gründen auch immer... Is‘ mir auch scheißegal.“, sagte Smith säuselnd, er drehte sich zu Guggenheim um, „Und was suchen Sie hier, Sie Schwerenöter?“ Guggenheim bemühte sich redlich, seinen Mund wieder zuzumachen, was ihm aber nicht vollständig gelang. „Was’n mit dem los?“, fragte er Molly. „Der kostet seine geistige Umnachtung aus.“, antwortete sie. „Wie sieht’s aus, meine Liebe, haben Sie Lust auf einen Drink?“, fragte Smith.
„Gerne.“ „Gut. Gehen wir.“ Sie schlenderten davon. Guggenheim stand, wieder mit weit geöffnetem Mund, verlassen auf dem Promenadendeck. Molly und Kapitän Smith vergnügten sich den Rest des Abends in Mollys Quartier. Mehr geschah an diesem Tage nicht.
13. April 1912
„Käpm, wir haben wieder eine Eiswarnung erhaltung.“, sagte Murdoch besorgt. „Na und?“, sagte Smith, „Wo liegt das Problem?“ „Das Problem liegt darin, daß so ein Eisberg dem Schiff nicht besonders gut tut.“, sagte Murdoch gereizt. „Wieso?“, lallte Smith. „Weil der Scheißkahn absäuft, wenn wir gegen einen Eisberg knallen, Käpm!“, schrie Mudoch. „Ich bitte Sie, mäßigen Sie sich, Murdoch!“, brüllte Smith. Er konnte sein gleichgewicht nicht halten und fiel auf den Boden. „Was sollen wir denn jetzt Ihrer Meinung nach tun?“, fragte Murdoch. Er biß sich auf die Unterlippe. „Nun, ich würde sagen, wir sollten schleunigst an diesen Eisbergen vorbeisegeln, mein Lieber.“, lallte Smith, „Vollgas!“ „Käpt’n, wenn wir jetzt volle Fahrt voraus...“ „Vollgas! Hab‘ ich gesagt!“, unterbrach er Mudoch. Murdoch tat, was von ihm verlangt wurde.
In der Zwischenzeit waren René Pernot und Victor Giglio damit beschäftigt, die Unterhosen von John Jakob Astor zu bügeln. Benny Guggenheim hatte die ihm beiden in einem Anfall von Reue ausgeliehen, um sich für seine unziemlichen Bemerkungen im Rauchsalon zu entschuldigen. Sie sollten für die gesamte Reise ihren Dienst bei Astor tun. Guggi wies darauf hin, daß Astor sie auch behalten könnte, wenn sie gute Arbeit leisten. „Das ist entwürdigend!“, beschwerte sich Giglio und benätzte die vor ihm liegende Unterhose mit etwas Wasser. „Find‘Dich damit ab. Das ist nunmal unsere Arbeit.“, erwiderte Pernot. „Entschuldige mal, René!“; sagte Giglio empört, „Du bist der Chauffeur seiner Majestät und ich sein Leibdiener. Das hier zählt wohl kaum zu unseren Aufgaben.“ „Ich sehe das als einen Vertauensbeweis, Victor.“, sagte Pernot. „Du hast ja wohl nicht mehr alle Kekse in der Dose!“, sagte Giglio schroff. „Stell Dich nicht so an!“, entgegnete Pernot. „Ich hasse diesen Kerl.“, keifte Giglio. „Und was für einen Grund hättest Du, ihn zu hassen?“, fragte Pernot. „Allein schon wegen seiner Dekadenz, dieses junge Mädchen zu ehelichen. Das ist ja wohl ein Skandal!“, antwortete Giglio, „Außerdem kann ich Sie nicht leiden. Sie ist so ordinär.“ „Ich find‘sie eigentlich ganz nett. Nur ihre Frisur ist zum totlachen.“, sagte Pernot. Von den beiden unbemerkt, hatte inzwischen Maddie den Raum betreten, um sich zu erkundigen, ob die beiden ihre Socken schon zusammengelegt haben. Dabei hatte sie einen Teil des Gespräches mitanhören können. „Ich wüßte nicht, was Euch beide das angeht, Ihr dämlichen Froschfresser!“, fauchte Maddie. „Äh, ich bin Italiener...“, stammelte Giglio. „Halt’s Maul Spaghetti!“, keifte sie, „Wo sind meine Socken?“ Sie wurden ihr von Pernot mit gesenktem Haupt gereicht. „Glaubt ja nicht, daß Ihr hier vor übermorgen rauskommt. Es ist noch eine weitere Ladung Unterwäsche unterwegs, derer Ihr Euch annehemen dürft.“, sagte Maddie. Sie drehte sich daraufhin ruckartig um, ging hinaus und knallte die Tür zu. „Ehlende, kleine Schlampe!“, meckerte Pernot. „Ich hab’s Dir ja gesagt.“, sagte Giglio, „Dieses Miststück!“
Auch an diesem Tag hatte es Benny Guggenheim alles andere als leicht. Nach weiteren erfolglosen Versuchen, sich der Damen auf dem Schiff zu nähern, schloß er sich in seinem Quartier ein und weinte. Den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch. Neben ein paar Eiswarnungen war das auch schon wieder alles, was an Erwähnenswertem an diesem Tag geschah.
14. April 1912
Am späten Abend dieses Tages passierte endlich etwas Interessantes. „Käpm! Eisberg direkt voraus!“, schrie der Ausguck Fleet. „Eisberg?“, wunderte sich Kapitän Smith, der seinen Rausch noch immer ncht auskuriert hatte, „Eis? Ei... äh... Eigentlich...“ Kapitän Smith schlurfte in den Rauchsalon, wo er sich einige doppelte Whiskeys einflößte. Plötzlich rammte die Titanic den eben gesichteten Eisberg. Fleet drehte sich zu seinem Kollegen um. „Wieviel Uhr ist es jetzt?“, fragte Fleet. „23 Uhr 40.“, antwortete er. „Hm. Na, das war’s dann wohl, denke ich.“, sagte Fleet. „Ich denke schon, ja.“, antwortete sein Kollege. „Gehen wir einen trinken?“, fragte Fleet. „Warum nicht.“, erwiderte er. Sie gingen in die Schiffsküche und betranken sich. Die Titanic begann in der Zwischenzeit zu sinken. Sie ließ sich Zeit dafür. Etwa vier Stunden. Sie hatte es wirklich nicht eilig. Irgendwann ist sie dann noch auseinandergebrochen, bevor sie sich endgültig auf den Weg nach unten begab.
Molly konnte einen der begehrten Plätze in einem Rettungsboot ergattern, während Astor im Rauchsalon ersoff. Guggenheim wurde von einem der Musiker, die sich an Deck beharrlich weigerten, mit dem Spielen aufzuhören, niedergeschlagen als er fragte, ob jemand von ihnen Lust auf ein homosexuelles Abenteuer hätte. Pernot und Giglio sind nicht ertrunken, sondern wurden zuvor von einem Berg ungewaschener Unterhosen bedeckt, der beim Zusammenstoß der Titanic mit den Eisberg auf sie stützte. Sie erstickten. Maddie blieb bei ihren angeheirateten Juwelen in ihrem Quartier und ging mit ihnen unter. Murdoch wurde von Fleet erschlagen, der ihn in seinem Vollrausch für eine Rieseratte hielt. Fleet wurde kurz darauf bewußtlos und ertrank ebenfalls. Kapitän Smith wurde zum letzten Mal im Steuerraum gesehen. Dort war er auch, allerdings nicht ganz bei Sinnen. Er lag auf dem Boden, röchelte und versuchte verzweifelt, den Ozeanriesen mit seinen emporgestreckten Füßen zu lenken. „Wenn der scheiß Ozean wenigsten aus Bier bestünde, dann würde mir das Ersaufen wenigstens Spaß machen.“, lallte er und ertrank.
© Sebastian Fischer 2000