Tierproduktion Jürgen Weiß Wilhelm Pabst Karl Ernst Strack Susanne Granz
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Tierproduktion Jürgen Weiß Wilhelm Pabst Karl Ernst Strack Susanne Granz
13. überarbeitete Auflage 199 Abbildungen 199 Tabellen
Parey Verlag · Stuttgart
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Anschrift der Autoren: Dr. Jürgen Weiß Schlossäckerstr. 33 34130 Kassel Dr. Wilhelm Pabst Am Schildchen 8 36329 Romrod-Zell Karl Ernst Strack Zum Sommerbach 2 34281 Gudensberg-Deute Dr. Susanne Granz Rödenbrooksweg 2b 21503 Glinde 1.–6. Auflage (Wacker, „Bäuerliche Viehwirtschaft“) © 1939, 1963 Paul Parey Verlag, Berlin 7. Auflage (Wacker, Granz) © 1971 Paul Parey Verlag, Berlin 8.-10. Auflage (Granz) © 1978, 1982, 1985 Paul Parey Verlag, Berlin 11. Auflage (Granz, Weiß, Pabst, Strack) © 1990 Paul Parey Verlag, Berlin 12. Auflage (Weiß, Pabst, Strack, Granz) © 2000 Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin/Wien 13. Auflage © 2005 Parey Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Oswald-Hesse-Str. 50, D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: www.parey.de Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Satz: Mitterweger, Plankstadt Schrift: 8/10 Gulliver, System: Typoscript Druck und Bindung: Grafisches Zentrum Cuno, Calbe ISBN 3-8304-4140-1
Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Veterinärmedizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Kenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangen. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate – gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten – festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Vor der Anwendung bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, ist auf die in den einzelnen deutschsprachigen Ländern unterschiedlichen Zulassungen und Anwendungsbeschränkungen zu achten. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers, Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung des Verlages außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Vorwort zur 13. Auflage
Der zügige Absatz der 12. Auflage gestattete es dem Verlag und den Autoren, nach relativ kurzer Zeit eine Neuauflage herauszubringen. Dabei haben wir am bewährten Grundkonzept dieses erfolgreichen Buches festgehalten. Selbstverständlich wurden die fachlichen Inhalte dem neuesten Wissensstand entsprechend überarbeitet und neue gesetzliche Regelungen berücksichtigt. Ein Lehrbuch über Tierproduktion kann sich heute nicht auf die Abhandlung fachlicher Fakten beschränken, sondern muss dem Wertewandel in der Gesellschaft Rechnung tragen. Kriterien, wie das Wohlbefinden der Tiere, die Umweltverträglichkeit der Produktion , die Wertschätzung tierischer Erzeugnisse und die genetische Vielfalt sowie gerade in letzter Zeit verstärkt die Nahrungsmittelsicherheit sind in die Betrachtung einzubeziehen, zumal sie zum Teil bereits Eingang in gesetzliche Regelungen, aber auch in freiwillige Vereinbarungen berufsständischer Organisationen und deren Marktpartner gefunden haben und dem Tierhalter ein hohes Maß an zusätzlicher Verantwortung aufbürden. Aus diesen Gründen wurden verschiedene Qualitätssicherungssysteme in der Tierproduktion ebenso neu aufgenommen wie Aspekte der ökologischen Tierhaltung. Dem Bereich Tierernährung und Futtermittelkunde kommt für die Qualität und Sicherheit der vom Tier stammenden Lebensmittel besondere Bedeutung zu, vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Qualitätserzeugung von Futtermitteln und der gesunden Ernährung der Tiere sind deshalb besonders wichtig. Wenn auch diese Punkte hier herausgestellt werden, sollte deutlich sein, dass Tierproduktion ein Zu-
sammenwirken von Zucht, Haltung und Ernährung auf der Grundlage der anatomischen und physiologischen Gegebenheiten und unter Beachtung der ökonomischen Bedingungen ist. Wir sind bestrebt, diesen weiten Bogen zu spannen und die einzelnen Faktoren mit angemessener Gewichtung zu behandeln. Es ist uns ein besonderes Anliegen, auch schwierige Zusammenhänge klar gegliedert und in deutlicher, gut zu verstehender Sprache darzustellen. Hierbei können wir auf unsere langjährigen Erfahrungen in Unterricht, Erwachsenenbildung, Vortragstätigkeit, Beratung und Mitarbeit in Fachgremien zurückgreifen. In den Text eingefügte Fragen und Aufgaben sollen den Leser zur aktiven Mitarbeit und zur selbstständigen Beurteilung und Auswertung von Tabellen und grafischen Darstellungen anregen. Das neue und ansprechende Layout unterstützt dieses Vorhaben in besonderer Weise. Unser Dank gilt dem Verlag und hier besonders unseren Lektorinnen Dr. Ines George und Dr. Heike Degenhardt. Es ist sicher nicht immer leicht, die Vorstellungen und Ansprüche der Autoren in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen umzusetzen. Wir denken, dieses ist ihnen in hervorragender Weise geglückt. Möge auch diese Auflage eine freundliche Aufnahme finden und zu einer konstruktiven Weiterentwicklung der Wissensvermittlung auf dem Gebiet der Tierproduktion und des Verständnisses ihrer komplexen Zusammenhänge beitragen. Im Namen des Autorenteams Kassel, im Februar 2005
Dr. Jürgen Weiß
V
Inhalt
1
Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte (J. Weiß) . . . . . . . . .
2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe (S. Granz) . . . . .
2.1 2.2
Bauelemente des Tierkörpers . . . . . . . Der Stoffwechsel als Grundlage tierischer Lebensäußerungen . . . . . . . Wichtige chemische Verbindungen in Tier und Pflanze . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfachzucker (Monosaccharide) . . . . Zweifachzucker (Disaccharide) . . . . . . Vielfachzucker (Polysaccharide) . . . . . Fette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eiweißverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . Die Aminosäuren als Eiweißbausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eiweißarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mineralstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enzyme (Fermente) und Hormone . . . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Skelett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochenbildung und Knochenwachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandteile des Knochengerüsts . . . . Muskeln, Sehnen und Bänder . . . . . . . Atmungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atembewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gasaustausch ohne Lunge. . . . . . . . . . . Erkrankungen der Atmungsorgane . . Blut und Blutkreislauf . . . . . . . . . . . . . . Blutbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) . Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutplättchen (Thrombozyten) . . . . . . Herztätigkeit und Blutkreislauf . . . . . . Lymphsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Blutkrankheiten. . . . . . . . . . . Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 2.3.1
2.3.2 2.3.3
2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7 2.7.1
2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.8
1 9
2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.8.5
9 11 12 13 13 13 14 14 16 17 18 19 20 20 21 22 23 24 27 28 29 30 32 32 32 33 33 33 36 36
2.8.6 2.8.7 2.8.8 2.8.9 2.8.10 2.9 2.9.1 2.9.2 2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.3 2.10.4 2.10.5 2.10.6 2.11 2.11.1 2.11.2 2.11.3 2.11.4 2.11.5 2.12 2.12.1 2.12.2
37
Die Mundhöhle und ihre Organe . . . . Das Gebiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speiseröhre und Vormägen . . . . . . . . . Die Verdauung in den Vormägen . . . . Speicherung und Vorverdauung im Magen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verdauung im Dünndarm . . . . . . . . . . . Absorption der Nährstoffe . . . . . . . . . . Verdauung und Gärung im Dickdarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Leber als chemische Zentrale des Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Verdauungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Aufgaben der Haut . . . . . . Beispiele für Erkrankungen der Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harn- und Geschlechtsorgane . . . . . . . Nieren, Harnbildung und Harnausscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Männliche Geschlechtsorgane . . . . . . . Weibliche Geschlechtsorgane . . . . . . . Die Steuerung der Geschlechtstätigkeit durch Hormone . . . . . . . . . . . Embryonalentwicklung . . . . . . . . . . . . . Infektiös bedingte Fruchtbarkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Milchdrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung, Aufbau und Funktion der Milchdrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milchbildung und Aufrechterhaltung der Laktation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milchejektion und Milchentleerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese der Milchbestandteile . . . . . Erkrankungen der Milchdrüse . . . . . . . Abwehr von Infektionskrankheiten . . Allgemeine Abwehreinrichtungen und Resistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unspezifische Sofortabwehr und antigenspezifische Immunantwort. . .
37 38 39 40 42 43 45 45 47 49 50 50 51 53 53 54 56 57 60 62 64 64 66 67 68 70 73 73 74
VII
Inhalt 2.12.3 Immunologisches Gedächtnis und
Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
3
Vererbung (W. Pabst) . . . . . . . . . . .
82
3.1
Der entscheidende Zeitpunkt im Erbgeschehen: Die Befruchtung . . . . 82 Die chemischen Grundlagen der Vererbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Bau, Arbeitsweise und Vermehrung der Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Die Organisation innerhalb der Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Eiweißsynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Chromosomen und Gene . . . . . . . . . . 90 Die normale erbgleiche Zellteilung (Mitose). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Die Reifeteilung (Meiose) . . . . . . . . . . 92 Die Mendel’schen Gesetze als Spielregeln des Zufalls . . . . . . . . . . . . . 95 Kreuzungsversuche mit einem Merkmalspaar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Erste und zweite Kreuzung . . . . . . . . 95 Rückkreuzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Kreuzungsversuche mit zwei und mehr Merkmalspaaren . . . . . . . . . . . . 98 Ergänzungen zur Wirkung oder zur Übertragung von Erbanlagen . . . . . . . 100 Anlagenkopplung und Anlagenaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Geschlechtsbestimmung und geschlechtsgebundene Vererbung . . . . 101 Veränderungen im Erbgefüge (Mutationen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Die Vererbung tierischer Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Maßstäbe für die Veränderlichkeit (Variabilität) und Erblichkeit der Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Die Anwendung der Erkenntnisse über die Vererbung . . . . . . . . . . . . . . . 108
3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4 3.4.1
3.4.2 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6 3.7 3.8
3.9
4
Züchtung (W. Pabst) . . . . . . . . . . . . 110
4.1 4.1.1
Zuchtmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selektion auf Reinzuchtleistung . . . . Reinzucht im engeren Sinn . . . . . . . . Inzucht – ein Exkurs . . . . . . . . . . . . . . Veredlungszucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinationszucht . . . . . . . . . . . . . . . Verdrängungszucht . . . . . . . . . . . . . . . Systematische Gebrauchs-
4.1.2
VIII
110 111 111 111 111 112 112
4.2 4.2.1 4.2.2
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.4 4.4.1 4.4.2
4.4.3
4.4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5
kreuzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Formen der Gebrauchskreuzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hybridzüchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zuchtwahl (Selektion) . . . . . . . . . Auslese nach dem Äußeren – Exterieurbeschreibung . . . . . . . . . . . . Leistungsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . Die Milchleistungsprüfung . . . . . . . . . Die Melkbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . Prüfung auf Mastleistung und Schlachtkörperwert (Fleischleistungsprüfung) . . . . . . . . . . Fortpflanzungsleistung . . . . . . . . . . . . Weitere Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Prüfbullen zum Vererber . . . . . . Zuchtwertschätzung . . . . . . . . . . . . . . Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der direkte Bullenvergleich – BLUP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuchtwertschätzung für Milchleistungseigenschaften . . . . . . . . . . . . Zuchtwertschätzung auf weitere Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtzuchtwert (Gesamtindex) . . . Biotechnische Verfahren . . . . . . . . . . . Die künstliche Besamung (KB) . . . . . Embryo-Transfer (ET) . . . . . . . . . . . . . . Grundschema und Umfang . . . . . . . . Neuere Entwicklungen zum ET . . . . . Klonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genomanalyse und Gendiagnostik . . Gentransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgrundlagen der Tierproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Tierzuchtgesetz . . . . . . . . . . . . . . . Organisationen nach dem Tierzuchtgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Tierschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . Tierseuchen und -gesetzgebung . . . . Gewährleistung beim Viehkauf . . . . .
113 113 114 115 115 120 121 124
125 127 127 128 130 130 131 132 134 135 136 136 139 139 139 140 141 141 142 143 144 144 145 147 147 151
5
Grundlagen der Tierernährung (J. Weiß) . . . . . . . . . . . . . 152
5.1
Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Trockenmasse und Wasser . . . . . . . . . 153
5.1.1
Inhalt 5.1.2
5.1.3
5.1.4
5.1.5
5.1.6 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.2.7
Organische Substanz . . . . . . . . . . . . . . Rohprotein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NPN-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . Proteinstoffwechsel beim Wiederkäuer (Zusammenfassung) . . . . . . . . . Das Proteinbewertungssystem für Milchkühe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz von geschütztem Eiweiß und Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . Rohfett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rohfaser und N-freie Extraktstoffe . . Die Mineralstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Calcium und Phosphor . . . . . . . . . . . . Kalium, Natrium und Chlor . . . . . . . . Magnesium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwefel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Spurenelemente . . . . . . . . . . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettlösliche Vitamine . . . . . . . . . . . . . . Wasserlösliche Vitamine . . . . . . . . . . . Futterzusatzstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsförderer . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroorganismen (Probiotika) . . . . . Säuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enzyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Zusatzstoffe . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . Energiehaushalt und Futterbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energieumwandlung in der Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verdaulichkeit des Futters. . . . . . Energiestufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Energiebewertung bei Wiederkäuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiebewertung beim Schwein . . . Die Energiebewertung beim Geflügel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schätzung des energetischen Futterwertes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 155 155
6.6.6 6.7 6.8 6.8.1 6.8.2 6.9
Wie lässt sich die Anfangsentwicklung der Milchsäurebakterien fördern? . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Wie wird die Gärqualität beurteilt? 218 Wann und wie wird Silage verfüttert? 220 Grassilage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Maissilage, LKS und CCM . . . . . . . . . . 226 Ganzpflanzensilage aus Getreide (GPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Raps- und Zuckerrübenblattsilagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Die Heuwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Bodentrocknung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Die Unterdachtrocknung . . . . . . . . . . . 232 Beurteilung von Heu . . . . . . . . . . . . . . 234 Die Heißlufttrocknung. . . . . . . . . . . . . 234 Stroh als Futtermittel . . . . . . . . . . . . . . 236 Getreide und andere Samen . . . . . . . 237 Futtergetreide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Konservierung von Futtergetreide . . 242 Körnerleguminosen . . . . . . . . . . . . . . . 244 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Futtermittel aus der Müllerei . . . . . . 246 Nebenprodukte der Bierherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Nebenprodukte der Brennerei . . . . . . 247 Futtermittel aus der Stärkeherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Nebenerzeugnisse der Zuckerproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Futtermittel aus der Ölgewinnung . . 250 Futtermittel tierischer Herkunft . . . . 254 Mischfuttermittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Bedeutung des Mischfutters . . . . . . . 256 Futtermittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Preiswürdigkeit der Futtermittel . . . 267
156 158 160 160 162 163 165 168 169 170 170 170 171 172 172 176 177 178 179 180 181 181 182
6.3.2
6.3.3 6.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4 6.6.5
182 184 189 191 195 198
7
Rinderproduktion (W. Pabst) . . . 271
200
7.1
201
7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.3.1
Bedeutung der Rindviehhaltung (J. Weiß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zucht des Rindes (W. Pabst) . . . . . . . . Zuchtziele und Zuchtprogramme . . . Rinderrassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Milchproduktion . . . . . . . . . . . . . . Fütterung der Milchkühe (J. Weiß) . . Richtzahlen für Erhaltungs- und Leistungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungs- und wiederkäuergerechte Fütterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Die Futtermittel (J. Weiß) . . . . . . 203
6.1 6.2 6.3 6.3.1
Das Grünfutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knollen und Wurzelfrüchte . . . . . . . . Konservierte Futtermittel . . . . . . . . . . Gärfutter (Silage) . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grundlagen der Gärfutterbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 210 212 213 214
271 273 274 276 282 282 282 285
IX
Inhalt
7.3.2
7.3.3 7.3.4
7.3.5 7.4 7.4.1
7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5
7.4.6
7.4.7
7.4.8 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3
X
Fütterung der Trockensteher und Anfütterung nach dem Kalben . . . . . Rationsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . Rationsbeispiele für die Winterfütterung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Weidegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sommerstallfütterung . . . . . . . . . . . . . Futterplanung und Rationskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milchviehställe (K. E. Strack) . . . . . . . Ansprüche der Kuh an den Stall . . . . Stallbauformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milchgewinnung und Milchbehandlung (K. E. Strack) . . . . . . . . . . Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Milcherzeugung (W. Pabst) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwertung der Milch (W. Pabst) Die Aufzucht (W. Pabst) . . . . . . . . . . . Wann werden Jungrinder zum ersten Male zugelassen und Kühe wiederbelegt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was muss der Kuhhalter von der Brunst der Rinder wissen? . . . . . . . . . Wie werden trächtige Kühe behandelt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was soll der Tierhalter bei der Geburt tun und was unterlassen? . . Wie wird das Kalb während der Tränkeperiode gehalten, behandelt und gefüttert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansteckende Kälberkrankheiten . . . . Ansteckender Kälberdurchfall . . . . . . Rindergrippe-Komplex . . . . . . . . . . . . Kälberlähme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufzucht von Färsen . . . . . . . . . . . . . . Aufzuchtintensität . . . . . . . . . . . . . . . . Richtlinien und Empfehlungen für die Fütterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Managementmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufzucht und Haltung der Zuchtbullen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rindfleischproduktion (W. Pabst) . . Erzeugung und Verbrauch von Kalb- und Rindfleisch . . . . . . . . . . . . . Kälbermast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bullenmast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rassen und Kreuzungen . . . . . . . . . . . Einstellalter und -gewicht . . . . . . . . .
301 304 312 319 324
7.5.4 7.5.5
326 330 330 331
7.5.6 7.5.7 7.5.8 7.5.9
338
346 351
355
8 8.1
356 8.2
363 8.2.1 8.2.2 8.3
371 378 380 382 383 383 383 385 388
8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3
389 389 8.4.4
389 391 395 395 396
8.4.5 8.4.6
396 399 401 404 405 406 406 407 408 414 416 417 418 421 424 425
Schweineproduktion (K. E. Strack)
356
365
Wachstum und Futteraufwand . . . . . Richtzahlen für die Energie- und Nährstoffversorgung . . . . . . . . . . . . . . Rationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ochsenmast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mast weiblicher Rinder . . . . . . . . . . . . Färsenmast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mast von Altkühen . . . . . . . . . . . . . . . . Haltungsbedingungen für Jungund Mastvieh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermarktung von Mastrindern . . . . . Wirtschaftlichkeit der Rindermast . . Mutterkuhhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . Produktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . Rassen und Kreuzungen . . . . . . . . . . . Herdenmanagement . . . . . . . . . . . . . . Fütterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftlichkeit der Mutterkuhhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verbraucherwünsche und Zuchtziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweinerassen und Zuchtverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rassen im Bundesgebiet . . . . . . . . . . . Gebrauchskreuzungen und Hybridprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fleischbeschaffenheit und Stressanfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtzuchtwert und BLUP-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollergebnisse aus Erzeugerringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ferkelerzeugung . . . . . . . . . . . . . . Wann ist die Jungsau zuchtreif? . . . . Wann werden Schweine gepaart? . . Wie wird die Sau während der Trächtigkeit behandelt und gefüttert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie viel Aufsicht erfordert die Geburt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie wird die säugende Sau gefüttert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was erwarten Sau und Ferkel vom Stall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
427 428 430 430 434
436 442 446 447 451 451 451
457 461 463 468
Inhalt 8.4.7 8.4.8 8.4.9 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5 8.5.6 8.6
9
Wie werden die Ferkel bis zum Mastbeginn betreut? . . . . . . . . . . . . . . Wie werden Schweinekrankheiten verhütet und behandelt? . . . . . . . . . . Die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schweinemast . . . . . . . . . . . . . . . . Nähstoffversorgung und Fütterungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . Mast mit Trockenfutter . . . . . . . . . . . . Mast mit Beifutter, Flüssigfütterung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stall- und Haltungsfragen der Schweinemast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vermarktung der Mastschweine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufzucht der Jungsauen und Jungeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475 482 490 492 493 500 504 509 516 523 525
Geflügelproduktion (K. E. Strack) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528
9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4
Nutzungsrichtung, Typ und Rasse . . Die Eierproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . Der Legehennenstall . . . . . . . . . . . . . . Die Fütterung der Legehennen . . . . . Die Gewinnung von Qualitätseiern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kosten der Eiererzeugung . . . . . .
529 530 531 535 537 539
9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3
Junggeflügelmast . . . . . . . . . . . . . . . . . Hähnchenmast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Putenmast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Arten von Schlachtgeflügel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540 540 544 547
10
Schafproduktion (W. Pabst) . . . . 549
10.1 10.2
Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungen und Leistungsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wollleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Fleischleistung . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zuchtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . Die deutschen Schafrassen . . . . . . . . . Merinorassen (Fleischwollrassen) . . Fleischschafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialrassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fütterung, Zuchtbenutzung und Haltung der Mutterschafe . . . . . . . . . Methoden der Lämmeraufzucht . . . . Die Lämmermast . . . . . . . . . . . . . . . . . Fütterung der Zuchtlämmer . . . . . . . Die Vermarktung der Erzeugnisse der Schafhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftlichkeit der Schafhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9
549 551 551 551 552 554 554 556 556 557 559 560 562 562 563
Weiterführende Literatur . . . . . . 565 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567
XI
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Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte
Zur Erzeugung von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft oder von deren Vorstufen werden Tiere gehalten, gefüttert und gezüchtet. Dieser Prozess wird heute allgemein unter dem Begriff „Tierproduktion“ zusammengefasst. Häufig fallen dabei Nebenprodukte an, die zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet werden können (Wolle, Häute, Borsten, Federn, Knochen, Hörner usw.). Ein Nebenziel können auch Leistungen anderer Art sein wie z. B. Landschaftspflege durch Schafe und Rinder, Blütenbestäubung durch Bienen. Tierproduktion erfordert neben- oder nacheinander verschiedene Tätigkeiten, die von der Landwirtschaft oder mit Hilfe ihr verbundener Gewerbezweige, Organisationen und Institutionen auch arbeitsteilig ausgeübt werden können; die wichtigsten sind das Züchten (Tierzucht), das Füttern (Tierernährung) sowie die Unterbringung, die Pflege und die Betreuung der Tiere (Tierhaltung). Kam der Tierproduktion in der Vergangenheit in erster Linie die Aufgabe der Ernährungssicherung zu, steht in der jüngeren Vergangenheit, der Gegenwart und auch in der Zukunft die Verbesserung des Angebotes und der Produktqualität im Vordergrund, soweit dies über Zucht, Haltung und Ernährung möglich ist. Viele Faktoren, die die Angebotspalette und die Produktqualität beeinflussen, liegen allerdings nicht im Produktions- sondern im Verarbeitungsbereich (bei Fleisch z. B. vom Tiertransport bis hin zur Fleischtheke im Supermarkt oder beim Metzger). Gegenwärtig und in Zukunft gewinnen jedoch Kriterien, wie das Wohlbefinden der Tiere, die Umweltverträglichkeit der Produktion, der Erhalt der Wertschätzung tierischer Produkte und der genetischen Vielfalt sowie der Nahrungsmittelsicherheit an Bedeutung. Tierproduktion hat mit Tieren zu tun und unterscheidet sich deshalb grundlegend von anderen Produktionsbereichen (z. B. Textil- oder Stahlproduktion). Tiere sind keine Maschinen, sondern Lebewesen in der Obhut des Menschen, für die er verantwortlich ist.
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Wichtige Regeln, Gebote und Verbote stehen im Tierschutzgesetz und in Tierhaltungsverordnungen, die jeder Tierhalter kennen und beachten muss. Wer Tierproduktion betreibt, sollte Freude am Umgang mit Tieren haben. Er muss sich für ihre Lebensbedingungen interessieren und ihr Verhalten beobachten; und er muss seine Einsichten in tiergerechtes Handeln umsetzen. Gesichtspunkte einer umweltschonenden Tierproduktion betreffen die Verringerung der Veredlungsverluste, das heißt der nicht im Tierkörper bzw. in Milch und Eiern angesetzten Nährstoffe. Diese werden über den Kot und Harn der Tiere (insbesondere Stickstoff, Phosphor, Kali) oder über die Atemluft (Methan bei Wiederkäuern) ausgeschieden. Ziel ist es, die Nährstoffe wieder in den Stoffkreislauf einzubringen, was bei entsprechender Flächenausstattung möglich ist. Die Düngeverordnung greift hier reglementierend ein. Durch Maßnahmen der Zucht, Haltung und insbesondere der Fütterung wird eine Verringerung der Nährstoffausscheidungen angestrebt. Die Wertschätzung der tierischen Produkte ist für das Verbraucherverhalten von großer Bedeutung. BSE sowie Skandale illegalen Hormon- und Arzneimitteleinsatzes in Einzelfällen und andere Vorkommnisse haben dem Image von tierischen Produkten sehr geschadet. Aber gerade im Bereich der Produktion weichen die Vorstellungen der Verbraucher auch oft von der Wirklichkeit ab. Die zunehmende Entfremdung des „Durchschnittsverbrauchers“ von der landwirtschaftlichen Urproduktion führt zu Vorstellungen über Tierhaltung, die den tatsächlichen Verfahrensabläufen nicht mehr entsprechen. Als Beispiel hierfür ist die Größe der Tierbestände in der bäuerlichen Viehhaltung anzuführen. Häufig wird der Begriff „Massentierhaltung“ benutzt und negativ belegt, ohne diesen näher zu definieren. Bei den Bestandsgrößen herrschen zum Teil noch Vorstellungen, die notwendige Entwicklungspro-
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Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte
zesse in Richtung Spezialisierung und damit verbundener Bestandsaufstockung ignorieren, obwohl diese in anderen Wirtschaftszweigen durchaus akzeptiert werden.
!!! In Deutschland stammen rund 61 % der landwirtschaftlichen Verkaufserlöse aus der Tierproduktion. Im Jahr 2001 hielten etwa 3⁄4 aller landwirtschaftlichen Betriebe über 2 ha Nutzfläche Vieh. Diese starke Stellung verdankt die Viehhaltung einer tief greifenden Veränderung der Verzehrsgewohnheiten der deutschen Verbraucher. Die folgenden Daten zeigen die langfristige Entwicklung des Pro-Kopf-Verbrauches an Getreide und Fleisch. Jahr 1816 1907 1935/38 1960/61 1970/71 1980/81 1990 1997 2001/02
Abb. 1
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Verbrauch je Getreide kg ca. 250 ca. 160 110,5 79,8 66,0 67,8 70,2 74,6 85,0
Kopf und Jahr Fleisch kg ca. 14 ca. 46 55,6 59,7 79,0 100,5 100,3 (66,0)* 89,5 (62,7)* 88,9 (60,0)*
* Menschlicher Verzehr nach Schätzung des Bundesverbandes für Vieh und Fleisch: ohne Knochen, Futter, industrielle Verwertung und Verluste
In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts erreichte der Fleischverzehr mit über 100 kg ein Maximum. Parallel dazu sank der Getreideverzehr. Inzwischen ist eine Trendwende eingetreten: Der Fleischverzehr ist zurückgegangen, der Getreideverzehr hat zugenommen. Die Größenordnung des Fleischverzehrs wird allerdings dadurch verfälscht, dass dieser aus statistischen Gründen Knochen, Futter (für Heimtiere), industrielle Verwertung und Verluste mit enthält. Der Bundesverband für Vieh und Fleisch schätzt seit Ende der achtziger Jahre den menschlichen Verzehr, der etwa bei nur 2⁄3 des Fleischverbrauches liegt. Im Jahr 2002 waren die drei wichtigsten und z. T. miteinander konkurrierenden Fleischarten wie folgt am Gesamtverbrauch beteiligt: Rind- und Kalbfleisch 14 %, Schweinefleisch 60 % und Geflügelfleisch 20 %. Der Rindfleischverzehr hat sich nach dem Einbruch in Folge der BSEKrise wieder etwas erholt. Dies erfolgte zu Lasten des Schweinefleisch- und auch Geflügelfleischverzehrs. Insgesamt schwanken die Anteile jedoch von Jahr zu Jahr nur in engen Grenzen.
Selbstversorgungsgrad der Bundesrepublik Deutschland mit wichtigen Veredlungsprodukten
Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte Auch der Tierhalter steht natürlich unter wirtschaftlichen Zwängen. Obwohl der Selbstversorgungsgrad mit den wichtigsten tierischen Erzeugnissen in Deutschland nur bei Rindfleisch den Bedarf übersteigt (Abb. 1), kommt dies den Erzeugern nicht über entsprechende Preise zugute. Das Schweinefleisch, das nicht in Deutschland erzeugt wird, kommt z. B. aus Holland oder Dänemark. Es besteht also eine EU-weite Konkurrenz, im Grunde genommen jedoch sogar eine weltweite. So werden z. B. große Mengen an Geflügelprodukten aus Asien (bes. Thailand und China) und Brasilien importiert. Die Konkurrenzsituation führt über einen längeren Zeitraum zu einer Stagnation der Erzeugerpreise, die sich längerfristig an den Erzeugungskosten orientieren. Hierzu soll als Beispiel das Schweinefleisch herangezogen werden. In der Abb. 2 sind für den Zeitraum ab 1960 bis 2002 die Schweinepreise,
die der Landwirt durchschnittlich erlöste, den Preisen, die der Verbraucher für Kotelett bezahlen musste, gegenübergestellt. Während Letztere über den gesamten Zeitraum ständig angestiegen sind, war dies beim Verlauf der Schweinepreise anders. In jüngster Zeit gab es sogar Jahre (z. B. 1990 und 2002) in denen der Landwirt für seine Schweine einen durchschnittlichen Erzeugerpreis erhielt, der unter bzw. auf dem Niveau von 1960 lag! Die Kostensteigerungen, die in diesem Zeitraum eingetreten sind, mussten also über Rationalisierung der Produktion abgefangen werden, um noch etwas an der Schweineproduktion zu verdienen. Dagegen werden Kostensteigerungen in der Verarbeitungs- und Vermarktungsstufe an den Verbraucher weitergegeben. Dennoch ist die Kaufkraft der Verbraucher für tierische Erzeugnisse seit 1960 ständig gestiegen, wie aus der Abb. 2 Entwicklung der Schweinepreise beim Landwirt und der Verbraucherpreise für Kotelett
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Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte
Abb. 3 hervorgeht. Während ein Industriearbeiter 1960 noch 116 Minuten arbeiten musste, um 1 kg Schweinekotelett kaufen zu können, waren dafür in 2002 nur noch 36 Minuten erforderlich. Bei Rindfleisch und Butter sind die Differenzen noch größer, in 2002 mussten lediglich 27 % und 13 % der Arbeitszeit von 1960 für den Kauf von jeweils einem Kilogramm aufgewendet werden. Bei Milch ist die Relation ähnlich, dagegen bei Brot nicht. Hier erforderte der Kauf von 1 kg noch knapp 63 % der Arbeitszeit von 1960. Tierproduktion muss also im Rahmen wirtschaftlicher Bedingungen ausgeübt werden, die der Landwirt zum Teil hinnehmen muss und zum Teil selbst beeinflussen kann. Der Betriebsleiter muss bereit und fähig sein, Kosten und Leistungen des Betriebes und der tierischen Veredelungszweige richtig zu erfassen und in den Produktionsabschnitten kritisch zu überprüfen. Er muss sich auch immer wieder mit Änderungen der Marktlage auseinander setzen. Deshalb muss sich der Betriebsleiter bemühen, die auf
den Markt einwirkenden Kräfte und die dort geltenden Bedingungen kennenzulernen, die jeweilige Marktlage und die des eigenen Betriebes richtig einzuschätzen, diese Kenntnisse in marktgerechtes Handeln umzusetzen und sich Veränderungen am Markt elastisch und möglichst vorausschauend anzupassen. Denn: Gut verkaufen ist ebenso wichtig wie richtig erzeugen! Dies erfordert ebenso wie die ökonomischen Bedingungen bestimmte Bestandsgrößen, um Kosten sparende Investitionen tätigen und mit größeren Partien gleicher Qualität als kompetente Marktpartner auftreten zu können. Die in Deutschland vorherrschende Betriebsgrößenstruktur bei den einzelnen Nutztierzweigen ist in der Tab. 1 dargestellt. Nach der Wiedervereinigung, aber auch im Zuge der dargestellten ökonomischen Zwänge hat sich die Betriebsgrößenstruktur z. T. stark verändert. In der Milchviehhaltung sind über 50 % der Kühe in Beständen mit mehr als 50 Tieren zu finden. Rund 37 % stehen in Beständen zwischen 20–49 Kühe. Von
Abb. 3 Aufzuwendende Arbeitszeit eines Industriearbeiters für den Kauf von Nahrungsmitteln (in min/kg bzw. Liter)
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Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte den Zuchtsauen werden knapp 64 % in Beständen mit über 100 Plätzen gehalten. Knapp 59 % der Mastschweine werden in Betrieben mit mehr als 400 Plätzen gehalten. Bei Legehennen ist die Situation anders. Hier gibt es einerseits noch eine große Zahl von Kleinsthaltungen, die vorwiegend für den Eigenverbrauch produzieren (88 % aller Betriebe mit Legehennenhaltung vereinigen bei Beständen unter 49 Tieren lediglich 3,4 % der gesamten Legehennen auf sich). Bei der auf den Markt ausgerichteten Erzeugung ist dagegen der Konzentrationsprozess weit fortgeschritten. Nur 12 % der Betriebe halten 96,6 % aller Legehennen. Hier wird die Produktion überwiegend in steuerrechtlich gewerblicher Form durchgeführt. In der Masthühnerhaltung ist die Situation ähnlich. Ca. 90 % der Betriebe mit Hähnchenmast halten le-
diglich 0,3 % aller Tiere. 89 % aller Masthähnchen werden in Beständen mit über 50 000 Tieren gehalten. Qualitätssicherung | Das Image von Fleisch hat in den letzten Jahren durch verschiedene Skandale (illegaler Einsatz von Hormonen und Arzneimitteln, schadstoffbelastete Futtermittel) sowie die BSE-Krise und andere Ereignisse gelitten. Es liegt deshalb unbedingt im Interesse der Tierhalter, verloren gegangenes Vertrauen bei den Verbrauchern zurückzugewinnen und zu festigen. Hinzu kommt, dass beim Verbraucher trotz oder wegen der Globalisierung der Märkte das Bedürfnis besteht, die Herkunft der angebotenen tierischen Erzeugnisse zu kennen. Diesem Wunsch wird bereits z. T. durch Regionalmarken,
Tab. 1 Bestandgrößenstruktur in den verschiedenen Tierhaltungszweigen in Deutschland (2003) Haltungszweig
Tierbestand von – bis
% Anteil am Gesamtbestand
# Tiere je Betrieb
Milchkühe
1 – 19 20 – 49 50 – 99 100 – 299 300 und mehr
12,4 37,1 27,8 11,6 11,1 j
1 – 49 50 – 99 100 – 199 200 – 499 500 und mehr
16,6 19,8 27,8 19,4 16,4 j
1 – 199 200 – 399 400 – 999 1 000 – 1 999 2 000 und mehr
20,0 21,4 37,1 12,4 20,0 j
1 – 499 500 – 2 999 3 000 – 29 999 30 000 – 99 999 100 000 und mehr
6,0 6,7 21,2 19,1 47,0 j
1 – 24 999 25 000 – 99 999 100 000 – 199 999 200 000 und mehr
11,0 46,8 15,7 26,5
j
Zuchtsauen
Mastschweine
Legehennen
Masthühner
D
#
# 34,5 # # —
D
#
# 59,0 # # —
D
#
# 117,4 # # —
D
#
# 424,9 # #
D
#
—
4 542,6 # —
Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2003
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Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte
Herkunftszeichen (Rindfleischetikettierung) und Markenfleischprogramme entsprochen. Auch der Gesetzgeber hat inzwischen Vorschriften erlassen, die in erster Linie den Bereich Futter und Fütterung betreffen und den Tierhalter als Lebensmittelproduzenten noch stärker in die Verantwortung nehmen. Um die ganzen Maßnahmen zu bündeln, zu einem System zu komplettieren und dem Verbraucher transparent zu machen, wurde 2001 die Gesellschaft „Qualität und Sicherheit GmbH“ mit Sitz in Bonn gegründet. Neben dem Deutschen Bauernverband sind hieran die Futtermittel-, Schlacht-, Verarbeitungsindustrie sowie der Lebensmittelhandel und die CMA beteiligt. Diese haben das neue QS-Prüfzeichen geschaffen. Hierbei handelt es sich um eine Systempartnerschaft zwischen Futtermittelwirtschaft, Landwirtschaft, Schlachtunternehmen, Verarbeitern, Handel und CMA, die sämtliche Stufen zwischen Produktion und Verbrauchern umfasst. An jede Stufe werden definierte Anforderungen gestellt, die erfüllt werden müssen. Das Prüfzeichen gilt zunächst für Rind-, Kalb- und Schweinefleisch, soll kurzfristig jedoch auch auf Schaf- und Geflügelfleisch ausgedehnt werden. Für alle Stufen ist eine zuverlässige Dokumentation und Eigenkontrolle vorgeschrieben. Dies wird durch neutrale Kontrollen akkreditierter Kontrollstellen überprüft. Da alle Prozessstufen in die Überprüfung einbezogen werden, ergibt sich ein lückenloses System von Kontrollen, das vom Stall bis zur Ladentheke reicht. Welche Kriterien müssen landwirtschaftliche Betriebe erfüllen, um für das QS-System anerkannt zu werden? Futtermittel dürfen nur von Lieferanten bezogen werden, die nach den Bedingungen des Futtermittelrechts anerkannt sind. Für Grob-, Einzel- und Mischfuttermittel muss ein Kontrollplan mit definierten Kontrollen realisiert werden. Es dürfen nur Einzelfuttermittel verwendet werden, die in der Positivliste aufgeführt sind. Dies gilt auch für die Einzelkomponenten von Mischfuttermitteln. Mit einem Tierarzt muss ein Betreuungsvertrag abgeschlossen werden. Auf den Einsatz von antibiotischen Leistungsförderern wird verzichtet. Es muss ein QS-Eigenkontrollsystem dokumentiert werden, das je nach Tierart unterschiedliche Schwerpunkte hat. Der Medikamenteneinsatz im Betrieb und die
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Identifikation der behandelten Tiere muss für die Dauer der Wartezeit vollständig dokumentiert werden. Auch die Einhaltung der Tierhaltungsund Hygienegesetzgebung ist zu dokumentieren, ein Bestandsregister ist zu führen. In Verbindung mit den Schlachtbetrieben muss ein Salmonellenmonitoring durchgeführt werden. Auf den Tierhalter kommen für die umfassende Dokumentation und Kontrollen zeitliche und monetäre Aufwendungen zu, die sich in höheren Erzeugerpreisen niederschlagen müssten. Auch für die Milchproduktion ist im Jahr 2003 mit dem QM-Milch ein Programm zum Qualitätsmanagement eingeführt worden. Dieses umfasst einen Kriterienkatalog, der folgende Kriteriengruppen beinhaltet: | Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere (keine Krankheiten, ausreichender Liegeraum, gutes Stallklima, Einzeltier-Zellzahluntersuchungen), | Kennzeichnen der Tiere und Bestandsregister (gemäß Viehverkehrsverordnung), | Milchgewinnung und -lagerung (Anforderungen an Melkstand, Melkzeug und Milchkammer, gesondertes Melken der Kühe, die keine einwandfreie Milch geben), | Futter und Fütterung (Mischfutter und Einzelfuttermittel nur von Firmen bzw. Herstellern, die der Futtermittelvereinbarung beigetreten sind; ansonsten Einzelfuttermittel nur mit Unbedenklichkeitserklärung vom Hersteller; Dokumentation des Futtermittelzukaufs von anderen landwirtschaftlichen Betrieben; Unterstützung der tier- und umweltgerechten Fütterung durch Futteranalysen und Rationsberechnungen; getrennte Lagerung von Futtermitteln für verschiedene Tierarten), | Tierarzneimittel (Bestandsbuch führen, tierärztliche Anwendungs- und Abgabebelege aufbewahren; behandelte Kühe müssen beim Melken erkennbar gekennzeichnet sein; Milch behandelter Kühe muss getrennt abgeführt werden), | Umwelt ( Nährstoffvergleich gemäß Düngeverordnung). Bei den meisten Anforderungen an QS und QM handelt es sich zwar um Vorgaben, die durch gesetzliche Regelungen bereits zu erfüllen sind, die durch den Kriterienkatalog jedoch nochmals ge-
Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte bündelt und somit auch dem Verbraucher transparent gemacht werden. Einige Forderungen gehen allerdings auch darüber hinaus. Ökologische Tierhaltung | In der ökologischen Landwirtschaft stellt die Tierhaltung ein wichtiges Glied eines weitgehend geschlossenen Betriebskreislaufes dar. Deshalb sind Flächenbindung und Verzicht auf diverse außerbetriebliche Produktionsmittel (insbesondere Futtermittelzukauf) ein wesentliches Kennzeichen der ökologischen Tierhaltung, die mit der EU-Verordnung 1804/1999 erstmals einheitlich und eindeutig gesetzlich definiert worden ist. Mit der Aufstellung von Regeln im Umgang mit Nutztieren in den 8 Abschnitten des Anhanges, wird mit dieser Verordnung ein hohes Maß an Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz angestrebt. Werden Tiere zugekauft, sollen diese in erster Linie aus ökologisch wirtschaftenden Betrieben stammen und Rassen angehören, die sich für die jeweiligen Umweltbedingungen möglichst gut eignen. Bei begrenzter Verfügbarkeit sind jedoch auch Ausnahmeregelungen möglich. Die Forderung nach umfangreicher Herkunftssicherung entspricht auch der Situation in der konventionellen Tierhaltung. Ein erheblich eingeschränkter Tierverkehr zwischen Betrieben wird angestrebt, der potenzielle Nachteil z. B. hinsichtlich eines geringeren Zuchtfortschrittes wird hierbei in Kauf genommen. Die eingesetzten Futtermittel müssen in erster Linie nach den Vorgaben der Verordnung erzeugt worden sein. Es wird ausdrücklich hervorgehoben, dass das Futter eher den qualitativen Vorstellungen und Zielsetzungen der Verordnung als der Maximierung der Erzeugung dienen soll. Während einer Übergangszeit bis 2005 dürfen noch konventionelle Futtermittel in einer Größenordnung von 10 % der Trockenmasse bei Wiederkäuern (Rinder und Schafe) und 20 % bei Monogastriern (Schweine und Geflügel) zugekauft werden, wenn diese in der entsprechenden Positivliste aufgeführt sind. Die Palette der erlaubten Futtermittel ist relativ stark eingegrenzt, insbesondere bezüglich der Eiweiß liefernden Komponenten. So sind die in der konventionellen Tierhaltung bedeutendsten Proteinquellen Soja- und Rapsextraktionsschrot sowie die reinen Aminosäuren wie insbesondere Lysin und Methionin
nicht erlaubt. Die bedarfsgerechte Eiweißversorgung ist deshalb besonders problematisch. Auch andere Restriktionen können in verschiedenen Betrieben zu einer unausgewogenen Nährstoffversorgung der Nutztiere führen. Grundsätzlich muss die Tagesration für Schweine und Geflügel frisches, getrocknetes oder siliertes Grobfutter enthalten. Bei notwendigen tierärztlichen Behandlungen sollten vorzugsweise phytotherapeutische und homöopatische Methoden verwendet werden. Hinsichtlich des Einsatzes chemisch-synthetischer Arzneimittel oder Antibiotika sind strenge Restriktionen vorgesehen, die unter Umständen auch den Ausschluss einzelner so behandelter Tiere von der Vermarktung unter dem „Biolabel“ vorsehen. Die Vorgaben bezüglich der Tierhaltung haben besonders tiergerechte Haltungsverfahren zum Ziel. Das Verbot der Anbindehaltung für Rinder ist für viele Öko-Betriebe mit kleineren Beständen nach Auslaufen der Übergangsfrist 2010 sicherlich eine hohe Hürde. In der konventionellen Tierhaltung mit großen Kuhbeständen ist die Laufstallhaltung heute Standard. Nach der Verordnung zur ökologischen Tierhaltung muss allerdings allen Nutztieren ein Zugang zu einem Auslauf und/oder Weidegang ermöglicht werden. Auch die Vorgabe, dass alle Liegeflächen eingestreut sein müssen, unterscheidet die ökologische von der konventionellen Haltung, wo Flüssigmistverfahren dominieren. Die geschilderten Haltungsvorschriften garantieren jedoch allein noch nicht die geforderte Tiergerechtigkeit der Nutztierhaltung. Wie auch im konventionellen Bereich sind in der ökologischen Tierhaltung die vielfältigen Anforderungen an Management, Stallklima, Fütterung u. a. ausschlaggebend für die Realisierung der hohen Ansprüche an den Tierschutz, die sie für sich anstreben. Wenn hier auch nur einige Grundzüge der ökologischen Tierhaltung aufgezeigt werden konnten wird doch deutlich, dass nicht die Maximierung der Erzeugung im Vordergrund steht sondern vielmehr der Qualitätsproduktion – so wie sie aus dem Selbstverständnis dieser Wirtschaftsweise heraus definiert ist – Vorrang eingeräumt wird. Die Verteuerung der Produktion wird hierbei bewusst in Kauf genommen in der Erwartung, dass die Mehraufwendungen von den Ver-
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Tierproduktion für Verbraucher und Landwirte
brauchern in Form höherer Produktpreise honoriert werden. Nach Aussagen von Sundrum (2001) gelten in der ökologischen Tierhaltung die gleichen Grundsätze der Versorgungsempfehlungen und die
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gleichen Methoden der Futtermittelbewertung. Daraus ist abzuleiten, dass hinsichtlich der fachlichen Grundlagen keine Unterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Tierproduktion zu unterstellen sind.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe 2
2.1 Bauelemente des Tierkörpers
der Drüsen beteiligt sich neben dem eigentlichen Drüsengewebe auch das Bindegewebe.
!!! Als Organ bezeichnet man einen Körperteil mit ganz bestimmten Aufgaben. Wenn man ein solches Organ, beispielsweise einen Röhrenknochen, genau betrachtet, stellt man fest, dass es nicht vollständig aus dem gleichen Material besteht, hier also Knochengewebe. Sondern an den Enden des Knochens findet sich eine Auflage aus Knorpelgewebe; und der Schaft des Knochens ist von der Beinhaut überzogen, die sich aus dem so genannten Bindegewebe bildet. Das Bindegewebe ist im Körper weit verbreitet. Es verbindet, wie der Name andeutet, unterschiedliche Körperteile miteinander, beispielsweise in der Form des straffen Sehnengewebes die Muskeln mit den Knochen, oder in der Form von Bindegewebshüllen die einzelnen, aus Muskelgewebe bestehenden Fasern eines Muskels zu Faserbündeln. Eine andere Form des Bindegewebes, das lockere Bindegewebe, dient als Bett für die Blut- und Nervenbahnen und begleitet sie vom Herzen bzw. vom Rückenmark bis in die kleinsten Verästelungen. Auch in der erwähnten Beinhaut des Knochens verlaufen Blutgefäße und Nerven, wie bei einem Stoß gegen das Schienbein zu spüren ist. Im Bindegewebe unter der Schwarte oder zwischen den Därmen wird Fett eingelagert und für die Zeiten knapper Futterversorgung gespeichert. Das Bindegewebe füllt also nicht nur die Räume zwischen anderen Gewebearten aus, sondern dient gleichzeitig verschiedenen Zwecken im Interesse des gesamten Organismus. Die äußere Haut und die Schleimhäute im Verdauungskanal, in der Gebärmutter, im Naseninnern und in allen anderen Körperhöhlen bestehen aus Deckgewebe, zuweilen unterbrochen durch die Ausführungsgänge von Drüsen, etwa in der äußeren Haut durch Talgdrüsen. Am Aufbau
Es ist also zu erkennen, dass die Organe des Körpers aus Geweben aufgebaut sind, und zwar meistens aus mehreren Gewebearten. Die Gewebe ihrerseits bestehen aus kleineren, meistens nur unter dem Mikroskop sichtbaren Bauelementen, aus Zellen. Zwischen den Zellen befindet sich von den Zellen abgesonderte, sozusagen „ausgeschwitzte“ Zwischenzellsubstanz, und zwar wenig, die Zellen miteinander verbindend, beim Deckgewebe, dagegen viel beim Bindegewebe sowie beim Knorpel und Knochengewebe. Die Zellen treten in unterschiedlichen Formen auf: als Zylinder (z. B. in der Haut der Därme), als Würfel (im Deckgewebe der Drüsen und ihrer Ausführungsgänge) oder plattenförmig (im Epithel der äußeren Haut). Andere Zellarten sind spindelförmig, wie im Muskelgewebe (Abb. 4). Oder sie haben kürzere und längere Ausläufer, wie die Nervenzellen. Auch die Knochenzellen (Abb. 5) verfügen über Ausläufer, durch die sie mit den Nachbarzellen verbunden sind und über die ein Austausch von Nahrungs- und Abfallstoffen erfolgt. Der Nahrung bedürfen die Zellen zur Erfüllung verschiedener Aufgaben (Wachstum, Zellteilung, Vermehrung, Reizaufnahme, teilweise auch Reizleitung oder Bewegung). Aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung ergibt sich auch die Vielfalt der Zellformen.
? Übrigens gibt es im Tierreich verschiedentlich auch größere Zellen als die der Abb. 4 und 5, sogar eine Sorte von Zellen, die man auch ohne Mikroskop sehen kann. Welche?
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2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Abb. 4 Beispiele für Gewebeformen
Wie es im Inneren der Zellen aussieht, wird am Anfang des Kapitels 3.3 (Vererbung) beschrieben, weil die Zellen im Rahmen des Vererbungsgeschehens eine sehr wichtige Rolle spielen. Ein vorausgreifender Blick auf Abb. 46 zeigt, dass die Zellen eine ziemlich komplizierte Innenausstattung haben. Aber auch diese als Organellen bezeichneten winzigen Kraftwerke, Labors, Speicher, Leitungen
usw. innerhalb der Zellen sind noch nicht die letzten und kleinsten Bauelemente im Tierkörper. Die Organellen werden aus Molekülen aufgebaut, das heißt aus einfachen oder komplizierten Verbindungen von Atomen. Die folgenden Größen- und Gewichtsangaben vermitteln einen Eindruck davon, wie winzig trotz ihrer Kompliziertheit die kleinsten Bauelemente des Tierkörpers sind:
Übersicht 1 Knochenwürfel
1 cm Kantenlänge
Masse (Gewicht) in Gramm ca. 1,7
Mittelgroße Körperzelle (z. B. weißes Blutkörperchen)
ca. 0,001 cm Durchmesser
ca. 0,0000000008
Mittelgroßes Eiweißmolekül (z. B. Hämoglobin im roten Blutkörperchen) ca. 0,00000055 cm Durchmesser ca. 0,00000000000000000011 Es ist gewiss nicht leicht, diese sehr kleinen und sehr leichten Bauelemente zu messen und zu wiegen. Und das Rechnen mit Zahlen, die haupt-
sächlich aus Nullen bestehen, ist auch nicht bequem. Deshalb werden absolutes Atomgewicht und absolutes Molekülgewicht selten benutzt. Abb. 5 Beispiele für Zellformen
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2.2 Der Stoffwechsel als Grundlage tierischer Lebensäußerungen Üblich ist stattdessen das relative Molekulargewicht.
!!! Seit dem Jahre 1978, in dem eine internationale Abmachung über die einheitliche Benennung und Benutzung wichtiger Maßeinheiten (SI-System) in Kraft getreten ist, sollte man besser „relative Molekülmasse“ sagen. Sie drückt das Verhältnis der Molekülmasse einer bestimmten chemischen Verbindung zur atomaren Masseneinheit (ATM) aus. Diese Masseneinheit war früher das Atom Wasserstoff mit der Atommasse 1, bis man eine kleine Ungenauigkeit entdeckte. Heute ist die atomare Masseneinheit definiert als 1 ⁄ 12 der Masse eines Kohlenstoffatoms mit der Atommasse 12. Wenn also von der relativen Molekülmasse 180 des Traubenzuckers (Glukose), einer in allen tierischen und pflanzlichen Zellen vorkommenden wichtigen Verbindung, gesprochen wird, bedeutet dies, dass dieses Molekül ungefähr 180-mal so schwer ist wie ein Atom Wasserstoff. Genauer: 180 × Atommasse 12C/12 Die relative Molekülmasse der Glukose errechnet sich aus den Atommassen der am Aufbau dieses Moleküls beteiligten Atome folgendermaßen: Übersicht 2 Molekül Glukose C6H12O6
Atome 6C 12 H 6O Rel. Molekülmasse der Glukose
Atommassen 6 × 12 = 72 12 × 1 = 12 6 × 16 = 96 180
In vielen Berechnungen wird ferner der Begriff „Mol“ verwendet, die Einheit der Stoffmenge. Die Menge eines Stoffes entspricht der relativen Molekularmasse dieses Stoffes in Gramm. 1 Mol Glukose ist also eine Menge von 180 Gramm Glukose.
2.2 Der Stoffwechsel als Grundlage tierischer Lebensäußerungen Wenn Heu zu feucht eingefahren wird, erwärmt es sich von selbst in der Scheune – zuweilen so
stark, dass der ganze Stapel unter stürmischer Wärme- und Rauchentwicklung verbrennt und nur ein Häufchen Asche übrig bleibt. Wenn Gras in einen Silobehälter gebracht wird, erwärmt es sich anfangs auch. Die Wärmeentwicklung wird geringer und hört allmählich auf, wenn durch Pressen, Festtreten und Abdecken die Luftzufuhr unterbunden wird. Aus diesen Beobachtungen lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen:
!!! | |
|
|
|
In Heu, Gras und anderen Futterstoffen ist Energie gespeichert. Zur Umwandlung der gespeicherten Energie in andere Energieformen (z. B. in Wärmeenergie) ist im Regelfalle die Anwesenheit eines bestimmten Luftbestandteils notwendig. Es handelt sich um den Sauerstoff, wie durch chemische Versuche bewiesen werden kann. Das Tempo der Energieumwandlung lässt sich durch Verstärkung der Sauerstoffzufuhr beschleunigen, durch Drosselung der Sauerstoffzufuhr verlangsamen. Außer dem Sauerstoff können an der Energieumwandlung weitere Faktoren beteiligt sein, beispielsweise Wasser. Die Futtermittel werden durch das Freisetzen der in ihnen schlummernden Energie in ihrer stofflichen Natur verändert. Es findet ein Stoffwechsel statt.
Auch im Tierkörper, der zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgänge und zum Vollbringen seiner Leistungen Energie braucht, spielen sich Stoffwechselprozesse ab. Die Futtermittel als Energiequellen werden durch die Zähne mechanisch und durch die Verdauungssäfte des Magens und der Därme chemisch so weit zerkleinert und aufgeschlossen, dass dabei aus großen Molekülen immer kleinere werden. Wenn die Moleküle klein genug sind, können sie durch die feinen Poren der Darmwand hindurchbefördert und im Kanalsystem der Körperflüssigkeiten, im roten Blut und in der farblos-gelblichen Lymphe, weitertransportiert werden. Die für diesen Zerkleinerungs-, Zerlegungs- und Aufsaugungsprozess geeigneten, das heißt verdaulichen Bestandteile der Futtermittel nennen wir Nährstoffe. Unbrauchbare oder dem Angriff der Verdauungs-
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2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
säfte widerstehende Futterbestandteile bleiben im Darm und werden als Kot ausgeschieden. Das Blut sorgt über den Kreislauf für die Verteilung der Nährstoffe im Körper. Über diesen Kreislauf gelangt das Blut auch in die Lungen, wo es den eingeatmeten Sauerstoff übernimmt und zusammen mit den Nährstoffen in alle Körperorgane befördert, bis in die letzte lebende Zelle in der Schwanzspitze oder in den Afterklauen. In den Billionen von Zellen der Muskeln, der Knochen, der Haut usw. wird ein Teil der Nährstoffe mit Hilfe des Sauerstoffs langsam verbrannt. Die dabei frei werdende Energie wird für die Lebensvorgänge des Tierkörpers und seine Leistungen verwandt, beispielsweise um aus einem anderen Teil der Nährstoffe neue Zellen aufzubauen oder verbrauchte zu erneuern, um mit den Muskeln Arbeit zu leisten, um die Körpertemperatur immer auf gleicher Höhe zu halten.
!!! Die Nährstoffe sind also zum Teil Baustoffe, zum Teil Brennstoffe (Betriebsstoffe), vielfach für beides geeignet. Die bei der Verbrennung in den Zellen oder die beim Abbau verbrauchter Zellen entstehenden Abfallstoffe werden durch das Blut den Nieren und Lungen zugeführt und über den Harn bzw. über die Ausatmungsluft ausgeschieden. Atmung, Verdauung und Ausscheidung sind wichtige Vorgänge im gesamten Stoffwechselgeschehen des Tierkörpers. Wenn einer dieser Vorgänge unterbunden oder der Blutkreislauf als Vermittler der am Stoffwechsel beteiligten Faktoren unterbrochen wird, geht das Tier zugrunde. Wird einer dieser Vorgänge in geringem Grade beeinträchtigt, etwa das Atmen durch schlechte Stallluft, dann leiden auch die anderen Stoffwechselvorgänge. Das Tier lebt zwar weiter, aber seine Leistungsfähigkeit sinkt. Viele Stoffwechselvorgänge, sowohl im äußeren Stoffwechsel, der sich im Magen-Darm-Kanal abspielt, als auch im inneren Stoffwechsel, der jenseits der Darmwände in den Körpergeweben erfolgt, vollziehen sich nur in Anwesenheit von ganz bestimmten Wirkstoffen. Die meisten dieser Wirkstoffe, nämlich die so genannten Enzyme (ursprünglich und oft noch heute als Fermente bezeichnet), werden vom Tierkörper
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selbst erzeugt, beispielsweise in der Bauchspeicheldrüse oder in der Leber. Zum Teil werden die Wirkstoffe in der Form von Vitaminen mit dem Futter aufgenommen.
2.3 Wichtige chemische Verbindungen in Tier und Pflanze Stoffe mit Kohlenstoff nennt man in der Chemie organische Substanzen, weil sie hauptsächlich in den Organen von Pflanzen und Tieren vorkommen. Sie sind brennbar, wie das Beispiel des sich selbst erhitzenden und evtl. abbrennenden Heustapels deutlich gemacht hat. Die beim Verbrennungsprozess übrig bleibende Asche, also die nicht brennbare Substanz, wird auch als anorganische Substanz bezeichnet. Sie setzt sich vorwiegend aus Mineralstoffen zusammen. Die brennbaren Substanzen in Tier und Pflanze enthalten außer dem Kohlenstoff immer Sauerstoff und Wasserstoff. Je nach dem Anteil dieser Elemente unterscheiden wir u. a. Kohlenhydrate und Fette. Bei den Kohlenhydraten (Zucker, Stärke , Zellulose usw.) kommt – wie beim Wasser H2O – auf zwei Teile Wasserstoff ein Teil Sauerstoff (s. dazu das Beispiel der Glukose in Übersicht 2 am Ende des Abschnitts 2.1). Bei den Fetten ist das Verhältnis zwischen Wasserstoff und Sauerstoff weiter als 2 : 1. Sie enthalten relativ weniger Sauerstoff als Kohlenhydrate. Während Kohlenhydrate und Fette dem Tier vorwiegend als Energiequelle dienen, werden Eiweißverbindungen (Proteine) hauptsächlich als Baustoffe für die tierischen Organe und für die tierischen Leistungen (Milch, Wolle usw.) benötigt. Die überwiegend wasserunlöslichen Eiweißverbindungen werden aus den wasserlöslichen und damit transportfähigen Aminosäuren aufgebaut, die ihrerseits aus den Grundelementen C, H, O und einem bestimmten Anteil N (Nitrogen = Stickstoff) bestehen. Als Zwischenprodukte beim Aufbau oder Umbau von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen sind beispielsweise Alkohole, Aldehyde und Carbonsäuren zu nennen, als Endprodukte des Kohlenhydrat- oder Fettstoffwechsels Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2), als Endprodukte des Proteinstoffwechsels Harnstoff, Harnsäure, Hippur-
2.3 Wichtige chemische Verbindungen in Tier und Pflanze säure, Allantoin usw. Die chemischen Formeln und Besonderheiten der einen oder anderen dieser Verbindungen werden an anderer Stelle im Text ergänzt, sobald das als notwendig erscheint.
2.3.1
Kohlenhydrate
Die Pflanzen fangen in den grünen Blättern mit Hilfe der Sonnenenergie den Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid der Luft ein und bauen daraus und aus dem aus den Wurzeln aufgenommenen Wasser Zucker auf. Zucker ist löslich und lässt sich deshalb mit dem Säftestrom gut transportieren. Der wichtigste dieser Zucker ist der Traubenzucker (Glukose). Er hat in jedem Molekül 6 Kohlenstoffatome und gehört deshalb zur Untergruppe der Hexosen (nach dem griechischen Wort „hexa“ für sechs). Es gibt mehrere Schreibweisen für Glukose: Übersicht 3
Übersicht 4 Chemische Summenformel Einfachzucker (Monosaccharide) Zweifachzucker (Disaccharide) Mehrfachzucker (Oligosaccharide) Vielfachzucker (Polysaccharide)
relative Molekülmasse
C2H4O2 bis C6H12O6 60–180 C12H22O11 bis (C6H10O5)10 (C6H10O5) n
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342 ˚ bis 3000 ˚ 10 000 bis 4 Millionen
2.3.1.1 Einfachzucker (Monosaccharide) Neben den Hexosen (C6H12O6) mit 6 C-Atomen kommen im Tier und in Futtermitteln auch Pentosen (C5H10O5) mit 5 C-Atomen vor. Ein Beispiel dafür ist die Ribose, die einer der Bausteine der Nukleinsäuren in den Zellkernen und im Zytoplasma ist (s. Abschnitt 3.2). Der Traubenzucker (Glukose) ist nicht nur bei den Pflanzen, sondern auch bei den Tieren die wichtigste Transportform der Kohlenhydrate. In den Früchten findet sich ein weiterer Einfachzucker aus der Gruppe der Hexosen, der Fruchtzucker (Fruktose). Er ist ebenso wie eine weitere Hexose, die Galaktose, Bestandteil von Disacchariden. Außerdem ist der Fruchtzucker Baustein für die Fruktosane, die in jungen Gräsern einen wesentlichen (und beispielsweise für die Silierfähigkeit bedeutsamen) Anteil der Kohlenhydrate darstellen.
2.3.1.2 Zweifachzucker (Disaccharide) Nur wenige Pflanzen, wie die Zuckerrübe, verwenden die Zucker selbst als ihre Nahrungsreserve. Die meisten anderen Pflanzen fügen für diesen Zweck viele Zuckermoleküle in Ringform zusammen, unter Abspaltung von je einem Molekül Wasser an den Verbindungsstellen. So wird Stärke gebildet. Nach einem anderen Verknüpfungsverfahren werden Zuckermoleküle zu Zellulosemolekülen verbunden. Aus Zellulose baut die Pflanze anstatt eines Skeletts ihr Gerüst auf. Nach ihrer Molekülgröße lassen sich Kohlenhydrate wie folgt einteilen:
In der Regel bestehen sie aus 2 Hexosen. Wichtige Vertreter dieser Gruppe sind: Übersicht 5 Rohrzucker
(Saccharose) aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Fruktose, Milchzucker (Laktose) aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Galaktose, Malzzucker (Maltose) aus 2 Molekülen Glukose.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Der Rohrzucker (Saccharose) wird in großen Mengen aus der Zuckerrübe oder aus dem Zuckerrohr gewonnen und wird wegen seiner starken Süßkraft im Haushalt, in den Schokoladefabriken und für andere Süßwaren verwendet. Ein Teil des Zuckers bleibt in den Abfällen der Zuckerherstellung (Schnitzel, Melasse) zurück. Auch Rübenblatt und Futterrüben enthalten so viel Zucker, dass sie von allen Haussäugetieren besonders gern gefressen werden. Der Milchzucker (Laktose) ist einer der Hauptbestandteile der Milch aller Tierarten. Der Malzzucker (Maltose) entsteht im keimenden Getreidekorn durch Abbau von Stärke. Alle 3 Zweifachzucker lassen sich leicht vergären. Rohrzucker und Malzzucker spielen bei Hefezusatz eine bedeutsame Rolle in der Alkoholgewinnung. Der Milchzucker vergärt rasch unter dem Einfluss von Milchsäurebakterien und anderer Mikroorganismen, was Probleme für die Haltbarkeit unbehandelter Milch und für den Einsatz von Magermilch zum Füttern mit sich bringt.
2.3.1.3 Vielfachzucker (Polysaccharide) Sie sind neben dem Wasser der Hauptbestandteil der meisten Futterpflanzen, und zwar die Stärke als Speicherstoff und die Zellulose als Gerüstsubstanz. Sie entstehen aus dem Zusammenbau vieler Glukosemoleküle zu langen Ketten. Diese sind bei der Stärke zusammengefaltet und zusammengerollt, so dass die Stärkekörner unter dem Mikroskop rund oder oval erscheinen. (Nach der Form der Stärkekörner lässt sich beispielsweise die Stärke aus Kartoffelknollen und diejenige aus Getreidekörnern deutlich unterscheiden, Abb. 6.) Chemisch ähnlich zusammengesetzt wie die Stärke der Pflanzen ist auch das Glykogen in der Leber und in den Muskeln der Tiere, das man auch als tierische Stärke bezeichnet. Bei der Zellulose sind lange Glukoseketten zu Bündeln vereinigt, die Fibrillen genannt werden. Diese Fibrillen werden durch Lignin und „inkrustierende Stoffe“ zusammengekittet, wodurch die aus dieser Kombination aufgebauten Pflanzenzellwände fest und zäh werden. Die Festigkeit und der Verholzungsgrad von Pflanzenstängeln und anderen Gerüstelementen nehmen mit steigendem Anteil von Lignin zu. Gleichzeitig sinkt die Verwertbarkeit als Futtermittel.
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Abb. 6
Stärkekörner
Während die Blätter von den Bäumen noch einen bescheidenen Futterwert für den Wiederkäuer haben, sind die Zweige und Äste wegen ihrer starken Verholzung als Futter völlig unbrauchbar – es sei denn, dass durch geeignete chemische Verfahren in den Zellstofffabriken Lignin und Zellulose voneinander getrennt werden. Die Zellulose aus Futterstoffen mit niedrigem Lignin-Anteil, beispielsweise aus Stroh und Heu, wird vom Wiederkäuer mit Hilfe der Pansenbakterien nutzbar gemacht. (Darüber wird im Abschnitt 2.8.4 ausführlich berichtet.)
2.3.2 Fette Die Fette setzen sich zusammen aus dem dreiwertigen Alkohol Glyzerin und aus Fettsäuren. Die chemischen Formeln der Alkohole sind charakterisiert durch die so genannte Hydroxygruppe (OH). Die Fettsäuren sind eine Untergruppe der Carbonsäuren, ihre Formeln lassen sich an der so genannten Carboxygruppe (COOH) erkennen. Die einfachsten Carbonsäuren sind die Essigsäure CH2–COOH (C2) und Propionsäure CH3–CH2–COOH (C3), die sowohl bei der Gärung des Futters im Pansen als auch im Silobehälter gebildet werden. Sie gehören zu den kurzkettigen Fettsäuren, ebenso wie die auch im Pansen vorkommende Buttersäure und die Carbonsäure des folgenden Beispiels eines Fettes:
2.3 Wichtige chemische Verbindungen in Tier und Pflanze Übersicht 6 CH2O H
+
HO OC · C3H7
CH2 · COO · C3H7
CH O H
+
HO OC · C3H7
CH
CH2O H
+
HO OC · C5H11
CH2 · COO · C5H11
Glyzerin
+
2 Mol. Buttersäure 1 Mol. Capronsäure
Fett (Glyzerinester)
← ←
Je nachdem, wie viele Fettsäuren an ein Glyzerinmolekül gebunden sind, spricht man von Mono-, Di- oder Triglyzerid. An ein Glyzerinmolekül können 3 gleichartige Fettsäuren, aber auch verschiedene Fettsäuren gebunden werden. Dadurch gibt es eine große Zahl von Kombinationsmöglichkeiten. Am Aufbau einer Untersuchungsprobe Milchfett waren beispielsweise die in Tab. 2 gezeigten Fettsäuren beteiligt. Das Butterfett ist also ein sehr vielseitig zu-
· COO · C3H7
+
3 H2O
2
sammengesetztes Fettgemisch. Rund zwei Drittel der beteiligten Fettsäuren gehören zu den so genannten gesättigten Fettsäuren mit einem beachtlichen Anteil an kurzkettigen Fettsäuren (C4 bis C10). Die kurz- und mittelkettigen Fettsäuren (bis zu 16 C-Atomen) entstehen beim Wiederkäuer überwiegend durch Kettenverlängerung aus der Essigsäure, dem wichtigsten Stoffwechselprodukt der Pansenbakterien, und zwar mit Doppelschritten nach folgendem Muster:
Übersicht 7 CH3 ⋅
COOH
Essigsäure
CH3 ⋅
CH2 ⋅ CH2 ⋅ COOH
Buttersäure
CH3 ⋅
CH2 ⋅ CH2 ⋅ CH2 ⋅ CH2 ⋅ COOH
Capronsäure
CH3 ⋅
CH2 ⋅ CH2 ⋅ CH2 ⋅ CH2 ⋅ CH2 ⋅ CH2 ⋅ COOH
Caprylsäure
usw.
Tab. 2 Fettsäurenmuster im Milchfett von Kühen Anteil in %
Summenformel
Name
Kurzbezeichnung
gesättigte Fettsäuren
4 2 1 3 3 12 26 11
C3H7COOH C5H11COOH C7H15COOH C9H19COOH C11H23COOH C13H27COOH C15H31COOH C17H35COOH
Buttersäure Capronsäure Caprylsäure Caprinsäure Laurinsäure Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure
C4 C6 C8 C10 C12 C14 C16 C18
ungesättigte Fettsäuren
25 2 2
C17H33COOH C17H31COOH C17H29COOH
Ölsäure Linolsäure Linolensäure
C18 : 1 C18 : 2 C18 : 3
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andere als die oben aufgeführten Fettsäuren (darunter gesättigte und ungesättigte)
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2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Die langkettigen Fettsäuren des Butterfetts entstammen dem körpereigenen Depotfett oder dem Nahrungsfett. Die Ölsäure unterscheidet sich von der Stearinsäure dadurch, dass sie 2 Wasserstoffatome weniger hat. Das bedeutet, dass 2 Kohlenstoffatome durch eine Doppelbindung miteinander verbunden sind. Deshalb bezeichnet man die Ölsäure als einfach ungesättigte Fettsäure. Es gibt auch ungesättigte Fettsäuren mit mehreren Doppelbindungen. Von diesen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (auch Polyensäuren genannt) sind besonders wichtig: Übersicht 8 Linolsäure mit 2 Doppelbindungen
C17H31COOH, kurz C18 : 2
Arachidonsäure mit 4 Doppelbindungen
C19H31COOH, kurz C20 : 4
Es hat sich herausgestellt, dass erwachsene Tiere, von denen keine Leistung erwartet wird, fast ohne Futterfett auskommen können. Bei wachsenden sowie bei trächtigen oder milchgebenden Tieren wird dagegen die Leistung durch eine fettfreie Ernährung beeinträchtigt. Erstens hat sich gezeigt, dass die Aufnahme fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K) im Darm besser vonstatten geht, wenn das Futter etwas Fett enthält. Vor allem aber wurde festgestellt, dass die Tiere nicht in der Lage sind, die zweifach ungesättigte Linolsäure C17H31COOH selbst aufzubauen, etwa aus vorhandener Ölsäure. Die Linolsäure ist also lebensnotwendig (= essenziell) und muss in einer bestimmten Menge im Futter wachsender, milchgebender und trächtiger Tiere enthalten sein. Reichlich ist die Linolsäure im Leinsamen enthalten, aber auch im Öl der meisten Ölpflanzen. Wenn Linolsäure im Futter ist, kann sich der Tierkörper daraus die vierfach ungesättigte Arachidonsäure C19H31COOH und die + -Form der dreifach ungesättigten Linolensäure selbst herstellen.
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!!! Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Polyensäuren) sind am Aufbau der äußeren Zellmembran, aber auch von Membranen an den Organellen (Mitochondrien usw.) des Zellinneren beteiligt. Aus Arachidonsäure werden Prostaglandine gebildet, die an vielen Reaktionen im Tierkörper vermittelnd, regulierend und kontrollierend beteiligt sind. (Mehr darüber in Kap. 2.10.4.) Die Zusammensetzung der Fettgemische in tierischen Organen oder Futtermitteln wirkt sich auf ihre Beschaffenheit aus. Fette mit einem hohen Anteil an mittel- und langkettigen Fettsäuren sind fest, wie beispielsweise der Rindertalg, der zur Hälfte aus Palmitinsäure und Stearinsäure besteht. (Das gilt auch für das Fett der Kokosoder Palmkernkuchen mit überwiegenden Anteilen an Laurin- und Myristinsäuren). Fettgemische, mit einem hohen Anteil an kurzkettigen Fettsäuren, wie das Butterfett, sind relativ weich. Fettgemische mit einem großen Anteil an ungesättigten Fettsäuren sind flüssig, beispielsweise Olivenöl, Leinöl und andere Pflanzenöle, aber auch der Lebertran.
!!! Sowohl das Milchfett als auch das Reservefett im Unterhautbindegewebe werden in ihrer Zusammensetzung durch das Futterfett beeinflusst.
2.3.3
Eiweißverbindungen
Während die Pflanzen für Eiweiß Selbstversorger sind, ist das Tier auf die Proteinzufuhr aus den Pflanzen angewiesen. Wenn man das Wasser unberücksichtigt lässt, bestehen die meisten Zellen überwiegend aus Proteinen. Das gilt auch für die Enzyme und für einen Teil der Hormone. Wachstum bedeutet Vermehrung der Eiweißsubstanz. Milch und Eier als Nahrungsquelle für das Wachstum der Nachkommen enthalten einen erheblichen Anteil an Eiweiß. Dieser Nährstoff ist also von sehr großer Bedeutung für die Tiere.
2.3 Wichtige chemische Verbindungen in Tier und Pflanze 2.3.3.1 Die Aminosäuren als Eiweißbausteine Die Proteine sind aus Aminosäuren aufgebaut und werden während der Verdauung wieder in diese Bauelemente zerlegt. An der Proteinsynthese sind bis zu 20 verschiedene Aminosäuren beteiligt, deren wechselnde Kombination die Vielfalt der Proteine ausmacht. Sie sind durch eine oder mehrere Aminogruppen (NH2) charakterisiert und unterscheiden sich dadurch von anderen organischen Säuren. Wenn bei der aus der Pansengärung bekannten Essigsäure CH3COOH ein Wasserstoffatom gegen eine Aminogruppe ausgetauscht wird, ergibt sich die einfachste Aminosäure. Übersicht 9 COOH 9
Glykokoll (auch Glycin oder Aminoessigsäure genannt)
H2N – CH2 Häufig wird eine Schreibweise benutzt, welche die elektrischen Ladungen berücksichtigt, also beispielsweise für Glycin in wässriger Lösung COO ı 9 H3N f – CH2
chender Menge über das Futter zugeführt werden. Sie sind lebensnotwendig (essenziell). Es handelt sich um: Abkürzung Valin Val Leucin Leu Isoleucin Ile Threonin Thr Tryptophan Trp Methionin Met Phenylalanin Phe Lysin Lys Arginin Arg Histidin His
Methionin enthält Schwefel, ebenso wie die nicht essenzielle Aminosäure Cystein (bzw. das aus zwei Molekülen Cystein gebildete Cystin). Bei der Bewertung der Eiweißversorgung von Schweinen werden die schwefelhaltigen Aminosäuren oft zusammengefasst, weil aus Methionin-Überschüssen des Futters unzureichend vorhandenes Cystein gebildet wird. Umgekehrt allerdings kann Cystein nicht in Methionin verwandelt werden. Eine ausreichende Cystein/Cystin-Versorgung schont also den Methionin-Vorrat.
!!! Hier soll jedoch der Gesichtspunkt der elektrischen Ladung vernachlässigt werden, um die Vorgänge im Eiweißstoffwechsel nicht zusätzlich zu komplizieren. Die Umwandlung von Essigsäure in Glycin kann auch im Tierkörper durchgeführt werden, wenn genügend Essigsäure und andere Aminosäuren (zur Lieferung von NH2Gruppen) vorhanden sind. Die Aminosäure Glycin muss also nicht unbedingt im Futter enthalten sein.
!!! Auch Alanin, Asparaginsäure und einige weitere Aminosäuren können vom Tier durch die Umformung anderer Aminosäuren selbst gebildet werden. Aber bei den übrigen 10 Aminosäuren ist das nicht möglich, weil der Tierkörper die zugehörigen Vorstufen (Ketosäuren) nicht oder nicht rasch genug bereitstellen kann. Diese 10 Aminosäuren müssen also täglich in ausrei-
Futtermittel, deren Eiweiß einen ausreichenden Anteil an sämtlichen essenziellen Aminosäuren enthält, werden als biologisch vollwertig bezeichnet. Dazu gehören beispielsweise Milch und Fischmehl. Dagegen ist das Protein der Bohnen und Erbsen von geringerer Wertigkeit, vor allem, weil es zu wenig schwefelhaltige Aminosäuren (Methionin und Cystin) liefert. Beim Getreideeiweiß wirkt der Mangel an Lysin begrenzend (= limitierend). Man darf also Schweine und Hühner nicht nur mit Getreide ernähren, sondern muss die Ration durch Eiweißfuttermittel mit hoher biologischer Wertigkeit oder durch direkte Zulage der limitierenden Aminosäure ergänzen (zur Aminosäurensupplementierung s. Abschnitt 5.1.2.5).
Für die Wiederkäuer ist die Frage der Aminosäurezusammensetzung des Futtereiweißes weniger dringlich, weil die Pansenbakterien die ange-
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2
2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Längere Peptidketten werden als Polypeptide bezeichnet (bis etwa 100 Aminosäuren); die Proteine selbst bestehen aus einer noch größeren Anzahl an Aminosäuren. Sie lassen sich nach chemischen und physikalischen Gesichtspunkten in bestimmte Gruppen einteilen. Man unterscheidet: einfache Eiweißkörper (Proteine) und zusammengesetzte Eiweißkörper (Proteide).
botenen Aminosäuren des Futters in essenzielle Aminosäuren umbauen können und diese dem Wirt zufließen, sobald er im Dünndarm die abgestorbenen Bakterien und anderen Mikroben verdaut.
2.3.3.2 Eiweißarten Das mit dem Futter aufgenommene Eiweiß wird im Verdauungssystem der Tiere zur Stufe der Aminosäuren abgebaut. Das Aminosäurengemisch gelangt durch die Darmwand in das Blutund Lymphsystem und in die Zellen. Dort, vor allem in der Leber werden die Aminosäuren neu kombiniert und aus ihnen körpereigene Eiweißverbindungen aufgebaut. Der erste Syntheseschritt beim Aufbau neuer Eiweißverbindungen, die Peptidbindung, erfolgt jeweils – unter Abspaltung eines Wassermoleküls – zwischen der Carboxygruppe einer Aminosäure mit der Aminogruppe der nächsten Aminosäure zunächst zu einem Dipeptid. Sind weitere Aminosäuren beteiligt, ergeben sich Peptidketten wie die folgende sehr kurze, noch zu den Oligopeptiden gehörende (die an die C- und NAtome gebundenen H-Atome wurden der besseren Übersicht halber weggelassen):
Proteine | Zu den einfachen Eiweißkörpern gehören: 1. Gerüsteiweiße (auch Faserproteine oder fibrilläre Proteine genannt) mit paralleler Anordnung der Peptidketten, wasserunlöslich und sehr widerstandsfähig gegenüber der Einwirkung von Enzymen, also schwer verdaulich. Beispiele: Keratin (in Haaren, Horn, Wolle, Federn, Zitzenkanal), Kollagen (in Knochen und anderen Bereichen des Bindegewebes) 2. Globuläre Eiweiße (Sphäroproteine) – durch Zusammenrollen von Peptidketten in Knäuelstruktur, im allgemeinen leicht verdaulich: Albumine, wasserlöslich (z. B. in Milch, im Eiklar, in Blutserum und Getreidekörnern), Globuline, in verdünnten Salzlösungen auflösbar (z. B. Myosin des Muskels, Fibrinogen im Blut, Legumin der Erbsen und Bohnen), Gluteline
Übersicht 10
Valin
Alanin
Serin
Glycin
H3C CH3
H2N
H
O
CH
C
C
N
O
CH3
C
C
C
N
C
C
C
OH
O
CH2
CH3
N
H2
C
C
C
C
O
CH2 CH2
C H2N
N
O
O
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Asparagin
Lysin
CH2
C
C
C
C
O
CH2
H3C
S
CH2
CH2 CH2
Threonin
N
N
O
NH2 Methionin
N
OH
COOH
2.3 Wichtige chemische Verbindungen in Tier und Pflanze und Gliadine (im Klebereiweiß der Getreidekörner). Proteide | Die zusammengesetzten Eiweißkörper enthalten außer Aminosäuren auch andere, und zwar leicht abspaltbare Bestandteile (die so genannten prosthetischen Gruppen), z. B.: 1. Nukleoproteide (Verbindungen aus Eiweiß und Nukleinsäuren , z. B. Ribosomen, Nukleosomen). Diese Stoffe, insbesondere die Nukleinsäuren (Desoxyribonukleinsäure, DNS, und Ribonukleinsäure, RNS) sind ebenso wie die Adenosinphosphorsäureester (Adenosindiphosphat, ADP, Adenosintriphosphat, ATP, zyklisches Adenosinmonophosphat, cAMP) an wichtigen Lebensvorgängen beteiligt, die später im Text noch ausführlich beschrieben werden (Abschnitt 3.2, 3.3.2, 5.2.1). 2. Chromoproteide (Verbindung aus Eiweiß und Farbstoffen, z. B. Hämoglobin, Chlorophyll). 3. Glykoproteide (Verbindungen aus Eiweiß und Kohlenhydraten, z. B. in Schleimstoffen, die aus besonderen Drüsen zum Schutz der inneren Schleimhäute abgesondert werden).
2.3.4
!!! |
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Mineralstoffe
Mit jedem Liter Milch gibt die Kuh 7 Gramm Mineralstoffe ab. Das sind bei einer frischmelkenden Kuh gut 250 g täglich. Dazu kommen die Mengen an Mineralstoffen, die nach ihrem Einsatz im Stoffwechsel über Kot und Harn ausgeschieden werden. Aber auch wachsende Tiere setzen erhebliche Mineralstoffmengen im Skelett an. Bei den hohen Leistungen, die von unseren Nutztieren erwartet werden, darf ihr Mineralstoffbedarf nicht außer Acht gelassen werden. Man unterscheidet bei den Mineralstoffen die Mengenelemente Übersicht 11 Calcium Phosphor Magnesium Natrium Kalium Chlor Schwefel
und die Spurenelemente, von denen die meisten nur in sehr kleinen Mengen gebraucht werden, wie Mangan (Mn), Jod (J), Kupfer (Cu), Kobalt (Co), Zink (Zn), Molybdän (Mo), Fluor (F), Selen (Se), Nickel (Ni), Chrom (Cr). Auch das Eisen (Fe) wird zu dieser zweiten Gruppe gerechnet, obwohl von ihm ein größerer Anteil benötigt wird. Man kann die Aufgaben der Mineralstoffe im Tierkörper wie folgt zusammenfassen:
Ca P Mg Na K Cl S
Baustoff für das Skelett bzw. für die Eischale beim Geflügel (vor allem Ca, P, Mg) und wichtiger Bestandteil weiterer Körpergewebe (z. B. P und S im Muskeleiweiß). Regulierung des osmotischen Drucks in den Geweben und Körperflüssigkeiten und damit Erleichterung des Stoffaustausches zwischen den Zellen und Körperflüssigkeiten. Einstellung konstanter pH-Werte im Blut, in den Verdauungssäften und anderen Körperflüssigkeiten (Säure-Basen-Gleichgewicht). Aufbau elektrischer Ladungen an den Zellwänden der Nerven und Muskelfasern als Voraussetzung für das Funktionieren dieser Organe (Na, K). Aktiver Bestandteil von Enzymen, Vitaminen und Hormonen.
Alle hier aufgezählten Mineralstoffe sind essenziell. Der Bedarf an Mengenelementen wird in Gramm je Tier und Tag angegeben, der an Spurenelementen in Milligramm je kg Futtertrokkensubstanz. Welcher Anteil der mit dem Futter verzehrten Mineralstoffe im Darm der Tiere aufgenommen wird (Absorptionsrate), ist von mehreren Faktoren abhängig. Laktierende Tiere absorbieren mehr Mineralstoffe als nichtlaktierende, wachsende Tiere mehr als ausgewachsene. Bei reichlicher Mineralstoffversorgung sinkt in der Regel die Absorptionsrate (Abb. 7). Im Skelett befinden sich 99 % des im Körper vorhandenen Calciums, 80 % des Phosphors, 65 % des Magnesiums und 40 % des Natriums. Kalium ist hauptsächlich in den Zellen von Muskeln und anderen weichen Geweben enthalten. In den extrazellullären Körperflüssigkeiten (Blut, Lymphe) und im Schweiß finden sich relativ hohe Na-Konzentrationen.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Abb. 7 Durchschnittliche Absorptionsrate (%) in Abhängigkeit vom Lebendgewicht (Alter) der Rinder bei einigen Mineralstoffen.
Die Mineralstoffeinlagerung und -ausscheidung wird von bestimmten Hormonen und/oder Vitaminen gesteuert. Dabei ist der tierische Organismus bestrebt, im Blut einen möglichst gleich bleibenden Spiegel an den verschiedenen Mineralstoffen aufrechtzuerhalten (Homöostase). Dieses Regulationsvermögen ist zwar relativ belastbar; bei ständig unzureichender oder unharmonischer Mineralstoffversorgung können jedoch Gesundheits- und Fruchtbarkeitsstörungen auftreten.
2.3.5 Enzyme (Fermente) und Hormone
!!! Die Enzyme sind in den Pflanzen und Tieren als biologische Katalysatoren wirksam, das heißt sie beschleunigen chemische Reaktionen, die sonst bei den gegebenen Druck- und Temperaturbedingungen sehr langsam ablaufen würden. Nach ihrer chemischen Natur gehören die Enzyme zu den Proteinen oder Proteiden, werden also in den Zellen der Lebewesen fast ausschließlich oder überwiegend aus Aminosäuren (unter Peptidkettenbildung und komplizierter Zusammenfaltung) synthetisiert. Während bei den Proteinen mit Enzymwirksamkeit diese von bestimmten aktiven Zentren in den Peptidketten ausgeht, wird bei den Proteiden der katalytische Effekt von der leicht abspaltbaren prosthetischen Gruppe, also von dem aus Mineralien oder Vitaminen gebildeten Koenzym vollbracht. Die Eiweißgrundlage wird als Apoenzym bezeichnet. Man unterscheidet Enzyme nach dem Stoff, auf
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den sie spezialisiert sind. Proteasen beispielsweise spalten Eiweißverbindungen, Amylasen Stärke, Lipasen Fette. Außerdem teilt man sie nach ihrer Wirkung in bestimmte Gruppen ein: Die oben genannten Enzyme beispielsweise gehören zu der Gruppe der Hydrolasen, die C–Ound C–N-Bindungen unter Einlagerung von Wasser spalten.
!!! Hormone sind Wirkstoffe, die von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und von anderen Hormondrüsen des Tierkörpers gebildet und mit dem Blut transportiert werden. Sie entfalten ihre regulierende oder bremsende Tätigkeit schon in sehr kleinen Mengen. Die übergeordneten Hormone des Hirnanhangs kontrollieren die Tätigkeit anderer Hormondrüsen. Über die Hypophyse erfolgt auch eine Abstimmung mit dem zweiten Steuerungssystem des Tierkörpers, mit dem Nervensystem. Die Arbeitsweise der Hormone wird im Kap. 2.10.4 am Beispiel der Geschlechtshormone erläutert.
2.3.6 Vitamine Im Gegensatz zu den Enzymen und Hormonen werden die auch zur Gruppe der Wirkstoffe gehörenden Vitamine nicht in den Geweben des inneren Stoffwechsels vom Tier selbst gebildet. Sondern sie werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, über die im Kap. 5.1.4. berichtet wird, aus dem Verdauungskanal aufgenommen. Die Versorgung über das Futter spielt eine wichtige Rolle.
2.4 Das Skelett Den Namen „Vitamine“ führte der deutsche Physiologe C. Funk vor rund 80 Jahren ein. Er hielt eine Substanz, die er aus dem Silberhäutchen des Reiskorns isoliert hatte, für lebensnotwendig („Vita“ bedeutet auf lateinisch „Leben“), und er ordnete diese Substanz einer bestimmten Gruppe von stickstoffhaltigen Verbindungen zu, den Aminen. Obwohl die in den folgenden Jahrzehnten entdeckten Vitamine sehr unterschiedliche chemische Strukturen aufwiesen und sich darunter nur wenige weitere Amine befanden, wurde dieser einprägsame Name beibehalten. Man unterscheidet wasserlösliche und fettlösliche Vitamine. Gemeinsam ist allen, dass ihr Fehlen schwere Mangelkrankheiten verursacht und schon die Unterversorgung zu Gesundheitsstörungen führen kann. Die von Funk isolierte Substanz beispielsweise – heute meistens als Thiamin bezeichnet – verhindert Beriberi, eine Krankheit, die im vorigen Jahrhundert bei Ostasiaten weit verbreitet war, die sich fast ausschließlich von geschältem Reis ernährt hatten.
!!! Die Aufnahme der Vitamine aus dem Verdauungskanal kann auf zweierlei Art stattfinden: Bei den Tieren ohne Vormägen und mit nur geringer Bakterientätigkeit im Dickdarm, also bei Schweinen und Geflügel, muss die Vitaminzufuhr fast ausschließlich über das Futter erfolgen. Dagegen werden bei den Wiederkäuern die wasserlöslichen Vitamine von den Bakterien im Verdauungskanal erzeugt und stehen dem Wirt nach der Verdauung der abgestorbenen Bakterien zur Verfügung. Die fettlöslichen Vitamine dagegen werden (mit Ausnahme des Vitamins K) von Bakterien und anderen einfach organisierten Lebewesen nicht benötigt und deshalb nicht synthetisiert. Diese Vitamine oder ihre Vorstufen stammen also auch beim Wiederkäuer in der Regel aus dem Futter. Den Unterschieden im Vorkommen und im Löslichkeitsverhalten entsprechen Unterschiede in der Funktion: Die wasserlöslichen Vitamine wirken überwiegend als Koenzym von Enzymen, während die fettlöslichen Vitamine mehr an der Ausbildung und Aufrechterhaltung bestimmter Gewebestrukturen beteiligt sind.
2.4 Das Skelett Körperorgane mit gemeinsamer Aufgabenstellung vereinigen sich zu Organsystemen. Ein solches Organsystem liegt beim Skelett vor. In ihm wirken alle Knochen zusammen, um durch geeignete Konstruktionen, beispielsweise durch Säulen und Brücken, dem Körper Halt zu geben. Ohne dieses Knochengerüst wären die Fleischmassen eines 1000 kg schweren Charolaisbullen nicht vorstellbar.
!!! Das Skelett steckt auch die Grenzen für das Wachstum ab. Wenn ein Tier ausgewachsen ist, lässt sich an seinem Knochengerüst nichts mehr verbessern. Wer Nutztiere züchtet und beurteilt, muss sich bemühen, eine Art Röntgenblick zu entwickeln, um durch die Haut, durch Muskelpakete und Fettschichten hindurch das Skelett zu erkennen. Manche Knochen des Skeletts sind zu Gewölben oder Kapseln zusammengewachsen, in denen empfindliche Organe Schutz finden, etwa das Gehirn in der Schädelhöhle. Die meisten Knochen sind aber beweglich miteinander verbunden, manchmal durch Knorpeloder Bindegewebe, meistens durch Gelenke (Abb. 8). Eine mit der Beinhaut der Knochen verflochtene Schicht straffen Bindegewebes hüllt die beteiligten Knochenenden rundum ein und bildet dadurch die Gelenkkapsel. Bei vielen Gelenken werden außerdem die Knochen durch die vom einen zum anderen verlaufenden Gelenkbänder zusammengehalten. Im Inneren der Gelenke sind die Berührungsflächen der Knochen mit einer dünnen Schicht glasig durchscheinenden (= hyalinen) Knorpelgewebes versehen. Dadurch werden Stöße abgefedert. Eine von der Innenhaut der Gelenkkapsel abgesonderte Flüssigkeit, die Gelenkschmiere, schränkt die Reibung zwischen den Gleitflächen ein und ernährt außerdem die Knorpelauflage.
!!! Die Gelenke des Skeletts liefern die Drehpunkte, und die Knochen stellen die Hebel, an denen die Muskeln ansetzen, um für die Bewegung der Tiere zu sorgen.
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2
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Abb. 8 Schema eines so genannten Wechselgelenkes, bei dem eine Bewegung nur um eine Achse möglich ist – unterer Knochen aufgeschnitten
2.4.1
Knochenbildung und Knochenwachstum
!!! Während ihrer Entwicklung im Mutterleib erhalten die künftigen Kälber und Ferkel zunächst ein Skelett aus weichem und biegsamem Knorpelgewebe. Dieses Knorpelskelett wird teilweise nach der Geburt durch das knöcherne Skelett abgelöst. Diese Verknöcherung ist ein komplizierter und langwieriger Prozess, zumal die einzelnen Skelettteile gleichzeitig länger und dicker werden.
Die wichtigsten Impulse für Wachstum und Verknöcherung gehen vom blutreichen Bindegewebe an der Oberfläche des Schaftes der platzhaltenden Knorpelknochen aus. Die in dieser Zone vorhandenen Knochenbildungszellen (Osteoblasten) bilden zunächst die aus Eiweißverbindungen, vor allem aus Kollagenfasern bestehende Grundsubstanz (Zwischenzellmasse) für neues Knochengewebe aus. Später werden in diese Grundsubstanz Mineralstoffverbindungen eingebaut, vorwiegend Calciumphosphat (Mineralisation). Während dieser Vorgänge entfernen sich die Osteoblasten von den Nachbarzellen und wandeln sich in die endgültigen Knochenzellen (Osteozyten) um, die durch Ausläufer miteinander verbunden bleiben.
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Die Verknöcherung der Knochenendstücke (Epiphysen) erfolgt später als am Knochenschaft (Diaphyse) und geht von bestimmten Verknöcherungskernen aus (Abb. 8). Eine querlaufende Knorpelschicht in den Knochenenden, der so genannten Epiphysenfugenknorpel bleibt bis zum Abschluss des Längenwachstums erhalten. Erst bei älteren Tieren ist die Wachstumszone nicht mehr zu erkennen. Während des Wachstums in den äußeren Zonen der Knorpelknochen werden in ihrem Inneren durch Abbau von Knorpel- und Knochengewebe kleinere und größere Hohlräume geschaffen, die durch stehenbleibende Knochenblättchen und -bälkchen zu einem Gefüge verbunden sind, das wegen seiner Ähnlichkeit mit der Struktur von Schwämmen als Spongiosa bezeichnet wird. Dadurch werden die Knochen leichter. Sie können aber trotzdem wegen der kunstvollen Anordnung der Knochenbälkchen auch hohen Zug- und Druckkräften standhalten (Abb. 9). Ein wichtiges Element für die Statik der Knochen bilden die so genannten Speziallamellen. Das sind schraubenförmig gedrehte Fasern in der harten äußeren Schale der Knochen, in der Compacta. Sie lassen sich mit der Bewehrung im Stahlbeton vergleichen, und sie verleihen dem Knochen neben Festigkeit auch Elastizität. Bei erwachsenen Tieren spielen sich im Knochen weiterhin Aufbau-, Abbau- und Umbauprozesse ab, die durch äußere Faktoren beeinflusst wer-
2.4 Das Skelett Abb. 9 (links) Längsschnitt des Unterschenkelkopfes beim Rind mit Knochenbälkchen in Richtung der Zug- und Drucklinien
2
Abb. 10 (rechts) Lendenwirbel
den können. Zu Beginn der Laktation steigt der Ca-Bedarf der Hochleistungskühe, der zu dieser Zeit nicht mehr allein aus dem Futter gedeckt werden kann, sprunghaft an und muss durch die Mobilisierung von Ca aus den Knochen ausgeglichen werden. Ist das den Mineralhaushalt regulierende Hormon- und Vitaminsystem gestört, kann es zum gefürchteten Festliegen der Kühe kommen (auch Milchfieber oder Gebärparese genannt, s. a. Abschnitt 5.1.3.1). Die kleinen und größeren Hohlräume innerhalb der Knochen sind mit Knochenmark gefüllt. In der Jugend ist das Knochenmark bei den meisten Knochen rot; es liefert wichtige Blutbestandteile, die roten Blutkörperchen, bestimmte Arten von weißen Blutkörperchen und auch die Blutplättchen (s. 2.7.1). Beim erwachsenen Tier, bei dem lediglich die verbrauchten Blutzellen ersetzt zu werden brauchen, wird nur ein Teil der Knochen für diese Aufgabe benötigt. In den übrigen füllen sich die Hohlräume mit gelbem Knochenmark, das vorwiegend aus Fett besteht.
!!! Die ständige Erneuerung der Knochensubstanz, der An- und Abtransport von Kalksalzen, der Aufbau der roten Blutkörperchen sowie die Einlagerung und Mobilisierung von Fettreserven im Knochenmark erfordern eine gute Blutversorgung der Knochen durch ein weit verzweigtes Kanalsystem. Durch diese Verbindungen und durch seine Leistungen ist das Skelett in das gesamte vielfältige Stoffwechselgeschehen eines Tierkörpers eingegliedert. Das Skelett ist mehr als nur ein Knochengerüst.
2.4.2 Bestandteile des Knochengerüsts Aus rund 200 Knochen setzt sich das Skelett der Kuh zusammen. Die meisten dieser Knochen sowie die wichtigsten Gelenke sind in der Abb. 11 aufgeführt. Man muss ihre Namen kennen, um sich beim Beurteilen von Tieren verständlich machen zu können. Die Mehrzahl der abgebildeten Knochen gehört zum gemeinsamen Besitz aller Haussäugetiere. Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten bestehen bei folgenden Merkmalen: Schweine haben einige Brustwirbel und Rippen mehr als Rinder und Schafe. Die Kreuzwirbel sind bei ausgewachsenen Rindern in stärkerem Maße zum Kreuzbein zusammengewachsen als beim Schwein. Die größten Unterschiede zwischen Wiederkäuern und Schweinen gibt es bei den Knochen des Fußes. Aus den Unterschieden in der Zweckbestimmung unserer Nutztiere – zur Zucht, zum Schlachten oder zur Milchgewinnung – ergeben sich gewisse Unterschiede in den Anforderungen an das Skelett. Umfangreicher aber ist der Katalog der gemeinsamen und für alle Leistungen geltenden Ansprüche, zum Beispiel:
!!! Gut ausgeprägte, schräge Dornfortsätze (Abb. 10) der Brustwirbel in der Widerristregion zum Anheften kräftiger Rücken- und Schultermuskeln; | ein gut gewölbter, tiefer Brustkorb zur Unterbringung leistungsfähiger Kreislauf- und Atmungsorgane; |
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2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Abb. 11
Skelett des Rindes
ein langes und breites Becken als Ansatzpunkt für eine gute Bemuskelung der Hinterhand, die für die Fortbewegung des lebenden Tieres und für eine volle Fleischausbeute des Schlachttieres in gleichem Maß wichtig ist; | ein langes und breites Becken als Voraussetzung für eine große Euteransatzfläche bei der Milchkuh; | ein langes, breites Becken mit geräumigem Beckeneingang und Beckenausgang zur Gewährleistung eines normalen Geburtsablaufs (Abb. 12); | ein solides „Fundament“, wie die Tierzüchter sagen, aus korrekten Gliedmaßen mit weder zu stark noch zu wenig abgewinkelten, ausdrucksfähigen Gelenken und straffen, nicht erlahmenden Sehnen und Bändern (Abb. 67). |
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2.5 Muskeln, Sehnen und Bänder Zwei Muskelsysteme | Was wir am geschlachteten Tier als Fleisch bezeichnen, waren vorher seine Muskeln, mit deren Hilfe es sich bewegte. Bei Bewegungen sind meistens mehrere Muskeln beteiligt. Jeder Muskel kann nur dadurch Arbeit leisten, indem er sich zusammenzieht. Das geschieht immer dann, wenn er von einem Nerv erregt wird. Die Erregung veranlasst eine Muskelzuckung. Wenn sich ein Muskel längere Zeit verkürzen soll, müssen ihn rasch aufeinander folgende Erregungsimpulse erreichen. Die vom zentralen Nervensystem (Gehirn, Rückenmark) ausgesandten Impulse werden über Nervenzellen mit langen Fortsätzen (wie in Abb. 5 skizziert) bis zur Muskelfaser geleitet, allerdings meistens nicht in einem Stück, sondern nach dem Prinzip des Staffellaufs. Der Impuls wird, wie die Staffel, am Ende des ersten langen Fortsatzes (Neuriten) über Schaltelemente, die als Synapsen bezeichnet werden, an die kurzen Fortsätze (Dendriten) der nächsten Nervenzelle übergeben, durchläuft deren Neuriten, bis er auf die Dendriten der dritten Nervenzelle trifft und
2.5 Muskeln, Sehnen und Bänder Abb. 12 Becken des Rindes (nach Nickel/Schummer/ Seiferle); links: von oben (ohne Kreuzbein), rechts: seitliche, leicht nach oben verkantete Ansicht
so fort, bis der letzte an dieser Nervenleitung beteiligte Dendrit sich zur motorischen Endplatte an der Muskelzelle auffächert (Abb. 5).
!!! Nur die Skelettmuskeln, die für die Körperbewegung verantwortlich sind, gehorchen dem Willen, dem Gehirn. Man bezeichnet sie als willkürliche Muskeln. Dagegen handelt es sich bei den Muskeln in den Eingeweide beispielsweise in den Wänden der Därme und Blutgefäße, um unwillkürliche Muskeln. An der Steuerung und Reizung der unwillkürlichen Muskeln sind zunächst ebenfalls Gehirn und Rückenmark beteiligt. Die Reizweiterleitung in die Körperperipherie erfolgt jedoch durch das vegetative Nervensystem, das vor allem für die Arbeit der Stoffwechselvorgänge zuständig ist und manchmal vereinfachend als Eingeweidenervensystem bezeichnet wird. Es besteht aus zwei anatomisch und funktionell weitgehend getrennten Teilen, dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Die Reize des sympathischen Systems befähigen den Organismus im Allgemeinen zu aktiver Arbeit, während das parasympathische System den Körper in Zuständen der Wiederherstellung, der Ruhe und des Schlafes beeinflusst. Beide Systeme zusammen sorgen dafür, dass die Homöostase, das dynamische Gleichgewicht des Organismus, aufrechterhalten bleibt und die einzelnen Organsysteme gleichmäßig und reibungslos arbeiten können. Aufbau der Muskeln | Die beiden Typen von Muskeln unterscheiden sich auch in ihrem Auf-
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bau, wie man bei starker Vergrößerung unter dem Mikroskop erkennen kann. Das Gewebe der unwillkürlichen Muskulatur besteht aus langgestreckten, spindelförmigen Zellen (Muskelfasern) mit je einem Zellkern (s. Abb. 4). In jeder Zelle verlaufen in der Längsrichtung zahlreiche Muskelfibrillen, die dicker werden, sobald sie gereizt werden und sich zusammenziehen. Im Gegensatz zur glatten Muskulatur erhalten die Muskelzellen (Muskelfasern) der willkürlichen Skelettmuskulatur jeweils mehrere Zellkerne und wiederum zahlreiche Fibrillen. Diese Myofibrillen erscheinen unter dem Mikroskop abwechselnd hell und dunkel. Man bezeichnet deshalb das willkürliche Muskelgewebe auch als quergestreift, im Unterschied zum glatten Muskelgewebe der unwillkürlichen Muskulatur. Das Herz bildet eine Ausnahme, da sein Muskelgewebe quergestreift ist, seine Steuerung jedoch unwillkürlich erfolgt. Die Zellen der glatten Muskeln werden selten länger als 0,2 mm, während die quergestreiften Muskelfasern eine Länge von einigen Zentimetern erreichen können. Zahlreiche quergestreifte Myofibrillen sind also jeweils in einer Muskelfaser zusammengefasst, diese vereinigen sich zu größeren Faserbündeln, um schließlich den ganzen Muskel zu bilden. Die einzelnen Fasern, wie auch die Bündel und der gesamte Muskel sind von Hüllen aus Bindegewebe umgeben, in denen die Blutgefäße zur Ernährung der Muskelfasern verlaufen (Abb. 13). Sehnen und Bänder zwischen Knochen und Muskeln | Die einzelnen Muskelfasern und die Bindegewebshüllen gehen an den Enden in Sehnenfasern über, die sich zur Sehne vereinigen.
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2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Abb. 13 Aufbau eines Skelettmuskels (schematisch) in Ausschnitten unterschiedlicher Vergrößerung
Diese befestigt den Muskel am Knochen. Bänder verbinden die knorpeligen Knochenenden an den Gelenken und geben ihnen die Führung. Sie finden sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gelenkkapseln. Je nachdem, an welchen Stellen der an einem Gelenk beteiligten Knochen die Sehnen bzw. Bänder ansetzen, führt die Zusammenziehung der beteiligten Muskeln zu unterschiedlichen Ergebnissen für die Bewegung des Gelenkes. Muskeln, die eine starke Winkelung des Gelenkes bewirken, heißen Beuger. Diese Abwinkelung wird durch das Zusammenziehen der Gegenmuskeln, der so genannten Strecker, rückgängig gemacht. Auf ähnliche Weise ergänzen sich Auswärtsdreher und Einwärtsdreher, Öffner und Schließer usw. Der Sehnenanteil im Muskel richtet sich nach der Beanspruchung: Skelettmuskeln, die sich nur wenig zusammenzuziehen brauchen, die dafür aber Lasten zu tragen haben, enthalten viel Sehnengewebe. Das gilt beispielsweise für die Muskeln, welche die Verbindung zwischen Schulter-
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blatt und Brustkorb herstellen und die beim stehenden und laufenden Tier den Vorderteil des Rumpfes tragen müssen. In manchen Körperteilen wird das Gewicht von einem besonders belastbaren, elastischen Bindegewebe getragen, beispielsweise der Kopf durch das Nackenband oder die Verdauungsorgane mitsamt dem darin enthaltenen Futter durch die gelbe Bauchhaut, die als große Plane von den letzten Rippen bis zum Becken reicht. An der gelben Bauchhaut erkennt man am deutlichsten, dass die Bänder, Sehnen und der sehnige Anteil im Muskel keine aktive Arbeit wie die Muskelfasern leisten; vielmehr ist das Sehnengewebe auf Grund seiner Struktur und Zähigkeit zum passiven, unermüdlichen Widerstand gegenüber anhaltenden Zug- und Druckbeanspruchungen befähigt. Die Sehnen erzeugen keine eigenen Kräfte, sondern dulden die Übertragung der im Muskelgewebe entwickelten Kräfte. Sehnengewebe enthält nur wenige Blutgefäße. Dagegen wird Muskelgewebe gut mit Blut versorgt.
2.6
2.6 Atmungsorgane Die Atemluft gelangt zuerst in die Nase. Deren Innenraum wird durch eine Längsscheidewand in zwei Nasenhöhlen aufgeteilt (s. Abb. 18), jede Nasenhöhle zusätzlich durch je zwei Nasenmuscheln in eine Anzahl enger Gänge. Durch diese Aufteilung entsteht eine große innere, gut durchblutete Oberfläche, an der sich die vorbeistreichende Atemluft erwärmt. Die Flächen der Nasengänge sind mit einer Schleimhaut bedeckt, die Schleim absondert und damit die Atemluft anfeuchtet. Flimmerhärchen auf der Schleimhaut halten einen Teil der in der Atemluft mitgeführten Staubteilchen zurück. Im oberen Bereich der Nasenhöhlen liegen die Riechzellen, die viele schädliche Beimengungen der Luft, zum Beispiel Ammoniak aus schlechter Stallluft, wahrnehmen. Die Riechzellen der Haustiere sind viel empfindlicher als unsere eigenen. Von den Nasenhöhlen strömt die Atemluft durch die Rachenhöhle in die Luftröhre. Der Eingang zur Luftröhre kann durch den aus mehreren Knorpelstücken bestehenden Kehlkopf verschlossen werden. Das geschieht immer dann, wenn ein Futterbissen den Atemweg kreuzt, um aus der Mundhöhle in die über der Luftröhre liegende Speiseröhre geschoben zu werden. Gleichzeitig wird dabei für kurze Zeit mit Hilfe des Gaumensegels die Verbindung zwischen Nasenhöhle und Rachenhöhle für die Atemluft gesperrt (Abb. 14).
Atmungsorgane
Der Luftröhrenkanal ist durch hufeisenförmige Knorpelspangen versteift, so dass er nicht durch den Druck der benachbarten Gewebe zugeschnürt werden kann. Am unteren Ende gabelt sich die Luftröhre in zwei Äste, die sich wie ein Baum mehr und mehr in immer kleinere Äste und Zweige aufteilen. Diese Verzweigungen bezeichnet man als Bronchien (Abb. 15). Sie enden in Bläschen (Lungenalveolen) von 0,25 bis 0,50 mm Durchmesser, die in Bindegewebe eingebettet und von zahlreichen feinen Blutgefäßen umsponnen sind. Diese Blutgefäße sind die letzten und zartesten Verzweigungen (Kapillaren) der von der rechten Herzkammer kommenden Lungenarterie. Nach erfolgtem Gasaustausch vereinigen sie sich wieder zu erst feinen und dann dickeren Venen und münden schließlich als fingerstarke Lungenvene in die linke Herzvorkammer (s. a. Abb. 20). Die Wände der Lungenbläschen (Lungenalveolen) dienen also als Treffpunkt von Blut und der eingeatmeten Luft (Abb. 16). Derartige sehr dünne und dennoch nur für sehr kleine Moleküle durchlässige Häutchen nennt man Membranen. In den Alveolen ermöglichen sie den Durchtritt von Gasen oder Gasgemischen (z. B. Sauerstoff und Kohlendioxid). Dabei hält das hinter der Membran vorbeisickernde Blut einen Teil des Luftsauerstoffs fest und gibt einen Teil des bei der Verbrennung im Körper entstandenen Kohlendioxids an das Innere der Alveolen ab. Der Umfang dieses Gasaustausches wird durch folgende Untersuchungsergebnisse in Übersicht 12 charakterisiert:
Abb. 14 Kreuzung des Atem- und Speiseweges
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2
2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Abb. 15 Lungenalveolen, rechts geöffnet, links von Haargefäßen (Kapillaren) umsponnen
Übersicht 12
Sauerstoff O2 Kohlendioxid CO2
Einatmungs- Ausatmungsluft luft 21,0 % 16,5 % 0,03 % 4,0 %
Außerdem enthält die Ausatmungsluft Wasserdampf, wie man an kalten Tagen beim Anhauchen eines Fensters leicht feststellen kann.
2.6.1 Atembewegungen
Abb. 16 Lunge des Schweins (links Schema des Inneren)
28
Jeder Lungenflügel besteht aus mehreren hundert Millionen Lungenbläschen, den zugehörigen Bronchien und dem alle Teile einhüllenden Bindegewebe. Aus der Addition der vielen winzigen Innenflächen der Alveolen entsteht eine große Atemfläche von mehreren hundert m2 bei unseren größeren Haustieren. Die Lungenflügel werden von einer dünnen Haut (Serosa), dem Lungenfell, überzogen, das die Brusthöhle rippenseitig als Rippenfell überzieht. Zwischen beiden Häuten befindet sich ein wenig Flüssigkeit, die eine leichte Verschiebung zwischen den Häuten während der Atembewegungen erlaubt. Das Einatmen wird in der Ruhe vorwiegend vom Zwerchfell bewirkt, einer sehnigmuskulösen Scheidewand zwischen Brusthöhle und Bauchhöhle (Abb. 17). Das Zwerchfell ist kuppelförmig zur Lunge vorgewölbt. Ziehen sich die Muskelfasern am Rande der Kuppel zusammen, flacht sich das Zwerchfell ab, und die dahinter liegenden Verdauungsorgane werden etwas zurückgedrängt. Dadurch erweitert sich die Brusthöhle; und die elastischen Lungenalveolen, die ja mit der Außenluft in Verbindung stehen,
2.6
Atmungsorgane
2
Abb. 17 Brust- und Bauchorgane des Rindes (nach Entfernung der Mehrzahl der Rippen und der Lunge)
können dem äußeren Luftdruck nachgeben und sich ausdehnen. Die Luft strömt ein. Wenn sich anschließend die Zwerchfellmuskeln entspannen, drücken die Eingeweide die Zwerchfellkuppel wieder nach vorn. Dadurch verkleinert sich der Brustraum und infolgedessen auch der Raum jedes einzelnen Lungenbläschens. Ein Teil der Luft wird ins Freie getrieben. Je mehr sich ein Tier bewegt und anstrengt, um so mehr beteiligen sich die Zwischenrippenmuskeln und andere Muskeln der Brustregion an der Ausdehnung des Brustkorbes und der Einatmung sowie die Bauchmuskeln an der Ausatmung. Durch die Mithilfe der Brustatmung und die raschere Folge der Atemzüge kann beispielsweise ein Pferd die eingeatmete Luftmenge von 40 bis 50 Litern je Minute in der Ruhe bis auf 400 Liter bei schwerer Arbeit steigern. Auch bei tiefem Ausatmen bleibt ein Rest der Luft in der Lunge in den Lungenbläschen zurück.
Diese Restluft sorgt dafür, dass in den Wänden der Alveolen der Gasaustausch ununterbrochen stattfinden kann. Außerdem vermischt sie sich mit der einströmenden, von den Atemwegen zwar schon vorgewärmten, aber teilweise immer noch kühlen Frischluft und erwärmt diese weiter.
2.6.2 Gasaustausch ohne Lunge
? Wie eigentlich werden die in der Gebärmutter von Kühen, Schafen oder Sauen sich entwickelnden neuen Lebewesen – anfangs als Embryo, später als Fötus bezeichnet – mit Sauerstoff versorgt und von CO2 befreit? Eine Verbindung zur Außenluft haben sie bis zur Geburt nicht. Es gibt auch keine direkte Verbindung zwischen dem mütterlichen Blutkreislauf und dem der Jungen im Mutterleib.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
!!! Darauf lässt sich Folgendes antworten: Die anfangs langsam wachsende Frucht schwebt bei den Haussäugetieren in zwei mit Flüssigkeit gefüllten Blasen, die von den Hüllen, den Eihäuten, umgeben sind. Die äußere Eihaut (Chorion) schmiegt sich mit ihren Zotten in entsprechende Nischen (Krypten) der Gebärmutterschleimhaut (s. Abb. 37b): Diese Verbindung wird Mutterkuchen (Plazenta) genannt. In dieser erfolgt durch mehrere Membranen hindurch der Gasaustausch und auch der Austausch von Nähr- und Abfallstoffen, im Prinzip in etwa vergleichbar mit dem Geschehen in den Membranen der Lungenbläschen.
Das im fötalen Teil der Plazenta verzweigte Blutgefäßsystem vereinigt sich schließlich zur Nabelvene, die durch den Nabelstrang in den Fötus und dort direkt zur Leber geleitet wird. Von dort gelangt das Blut ins Herz des Fötus und wird von dort weiter verteilt, wenig in die Lungen, die ja noch keine Funktion haben. Das mit CO2 beladene Blut wird in der Nabelarterie gesammelt und dem Blutgefäßnetz im fötalen Teil der Plazenta übergeben. Das CO2 gelangt dann durch die Membranen der Plazenta hindurch in das im mütterlichen Teil der Plazenta aufgebaute Blutgefäßsystem. Alles, wie gesagt, ohne eine direkte Verbindung zwischen den beiden Blutkreisläufen. Die Durchlässigkeit der Membranen ist begrenzt. Gase und kleine Moleküle (z. B. Glukose) gehen hindurch, rote Blutkörperchen dagegen nicht.
2.6.3
Erkrankungen der Atmungsorgane
Die Atemwege sind eine relativ bequeme Eingangspforte für die Erreger bestimmter Infektionskrankheiten. Bevor dafür Beispiele genannt werden, soll zunächst etwas Allgemeines über einige wichtige Gruppen von Krankheitserregern aufgeführt werden, über Bakterien, Mykoplasmen und Viren.
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!!! Bei den Bakterien handelt es sich um meist einzellige Kleinlebewesen, die sich – bei einem Durchmesser von 1/1000 mm und weniger – gerade noch im Lichtmikroskop beobachten lassen. Neben den krankmachenden gibt es zahlreiche harmlose oder für den Stoffkreislauf der Natur unentbehrliche Bakterien, von denen in späteren Buchabschnitten noch einige vorgestellt werden. Die Bakterien vermehren sich durch einfache Teilung. Manche bilden am Ende des Wachstums widerstandsfähige Dauerformen aus, die Sporen, die ungünstige Lebensverhältnisse lange Zeit ruhend überstehen und bei einer Verbesserung der Umweltbedingungen, beispielsweise nach der Aufnahme durch ein Tier, aktiv werden. Die krankmachenden Bakterien bewegen sich teilweise mit Geißeln vorwärts; teilweise lassen sie sich über die Körperflüssigkeiten verschleppen. Ihre giftigen Ausscheidungen (Toxine) führen im befallenen Gewebe zu Entzündungen, Vernarbungen und anderen Reaktionen, manchmal zur Zerstörung.
Mykoplasmen haben im Gegensatz zu den Bakterien keine Zellwand und deshalb keine bestimmte äußere Form. Membranfilter, die Bakterien abfiltern, können daher für Mykoplasmen noch durchlässig sein. Wie die Bakterien vermehren sie sich aber durch Zellteilung.
!!! Den Viren fehlen die meisten Elemente und Aufgaben von Zellen und sie sind sehr viel kleiner als die Bakterien, deshalb nur mit Hilfe des Elektronenmikroskops wahrnehmbar. Sie können sich im Gegensatz zu den Bakterien nur in lebenden Zellen vermehren. Sobald sie in eine geeignete Wirtszelle gelangt sind, veranlassen sie diese, ihren Proteinsyntheseapparat auf das genetische Programm der Eindringlinge umzustellen, das zur Virusmehrung führt. Als Folge können die Zellen und – je nach dem Ausmaß der Infektion – ganze Zellverbände zugrunde gehen. Andere Viren bewirken das Gegenteil, nämlich eine für den tierischen Organismus unkontrollierbar werdende Zellvermehrung (Krebstumor).
2.6 Eine bekannte, von Bakterien hervorgerufene Krankheit der Atmungsorgane ist die Tuberkulose, die auch in anderen Körperorganen auftritt. Gewöhnlich werden aber, jedenfalls bei erwachsenen Rindern, die Atemwege zuerst befallen. Es kommt dann zu einem Entzündungsherd im Lungengewebe, der in vielen Fällen eingekapselt wird und verkalkt. Sind jedoch die Abwehrkräfte des Tieres wegen hoher Leistungen oder ungünstiger Haltungsbedingungen geschwächt, können sich die Erreger in anderen Organen ansiedeln. Über das Blut gelangen Tb-Bakterien auch in das Euter und in die Milch. Dadurch gefährden sie nicht nur die Kälber, sondern auch die Konsumenten nicht erhitzter Milch (Vorzugsmilch). Wenn die Tiere husten, können Krankheitserreger auch in die Stallluft befördert werden und in die Lunge der Nachbartiere geraten. Wegen der durch kranke Tiere entstehenden wirtschaftlichen Verluste, vor allem aber wegen der Ansteckungsgefahr für den Menschen, wurden in den vergangenen Jahrzehnten alle auf eine Tuberkulinprobe reagierenden Rinder ausgemerzt, so dass die Bundesrepublik Deutschland seit Anfang der 60iger Jahre praktisch tuberkulosefrei ist. Die Tuberkulose gehört jedoch auch heute noch zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen.
Atmungsorgane
Von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind die Schäden, die im Schweinestall durch die Schnüffelkrankheit (Rhinitis atrophicans) (s. Abb. 18) und die durch Mykoplasmen hervorgerufene, weit verbreitete Enzootische Ferkelpneumonie (= Lungenentzündung, oft noch als „Ferkelgrippe“ bezeichnet) entstehen. Haupterreger der Schnüffelkrankheit sind Pasteurellen, denen als Wegbereiter weitere Bakterien (Bordetellen) bei der Besiedelung der Nasenschleimhäute zu Hilfe kommen. Diese Krankheit verrät sich durch Niesen, in schlimmen Fällen durch schleimig-eitrigen oder blutigen Nasenausfluss, am Ende durch eine Verkürzung oder Verbiegung des Oberkiefers. Wenn Ferkel husten, muss mit einer beginnenden Ferkelpneumonie gerechnet werden, die je nach den Haltungsbedingungen zu mehr oder weniger starken Lungenveränderungen, auch zu Rippenfell- und Herzbeutelentzündungen, vereinzelt auch zu Todesfällen führen kann. Die von diesen Krankheiten befallenen Tiere kümmern und lassen sich nur mit hohen Kosten mästen. Im Kap. „Schweinehaltung“ wird hierzu noch mehr gesagt. Am Beispiel der Rindergrippe, einer Erkrankung der Atemwege von Kälbern, lässt sich das Zusammenwirken von Viren und Bakterien beobachten,
Abb. 18 Oberkieferquerschnitte bei Schweinen (nach Eich) Wichtigstes Hilfsmittel zur Diagnose der Schnüffelkrankheit ist ein Querschnitt durch den Oberkiefer in Höhe der ersten Backenzähne. In einer gesunden Nase (links) wird die Einatmungsluft angewärmt, und Staubteilchen werden abgefiltert. Im fortgeschrittenen Stadium der Schnüffelkrankheit schwinden die Nasenmuscheln (rechts) und die eingeatmete Luft dringt kalt und ungereinigt in die Lunge.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
das auch für viele andere Infektionskrankheiten charakteristisch ist (s. Kap. 7.4.6).
2.7 Blut und Blutkreislauf 2.7.1
Blutbestandteile
Das Blut besteht aus einer flüssigen Grundsubstanz, dem Blutplasma, und aus blutspezifischen Zellen, den Blutkörperchen, von denen drei Arten unterschieden werden. Diese haben ganz unterschiedliche Funktionen im Körper, gemeinsam ist ihnen jedoch der Ursprung. Die Urstammzellen des Knochenmarks besitzen die Fähigkeit, sich in alle Blutzelllinien zu entwickeln. Ist die Richtung dieser Zelllinien festgelegt, findet in unterschiedlichen Organen die weitere Teilung und endgültige Ausreifung zu den einzelnen Blutkörperchen statt. Eine Übersicht gibt Abb. 39, Erklärungen finden sich hier und in Kap. 2.12.
2.7.1.1 Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) Sie verleihen dem Blut die Farbe und sind am zahlreichsten vorhanden (bei den Haustieren 5 bis 15 Millionen je mm3 Blut). Es handelt sich um Scheibchen mit einer Delle in der Mitte, ohne Kern, die sich wegen ihrer Biegsamkeit noch durch sehr enge Blutkapillaren hindurch schieben lassen (Abb. 19). Ihr Durchmesser beträgt 0,004–0,008 mm. Ein wichtiger Bestandteil der roten Blutkörperchen ist das Hämoglobin. Dieses Enzym besteht, wie alle Enzyme, im Wesentlichen aus Eiweiß (Protein) und enthält als zusätzliche funktionelle Komponente den eisenhaltigen Farbstoff Hämoglobin. Durch dieses Enzym wird der Sauerstoff aus den Lungenalveolen locker gebunden, mit den Erythrozyten in die sauerstoffbedürftigen Gewebe des Tierkörpers transportiert und wieder abgegeben. Von dort übernehmen die roten Blutkörperchen Kohlendioxid zum Abtransport
Abb. 19 Schnitt durch ein Blutgefäß (schematisch)
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2.7 Blut und Blutkreislauf in die Lunge. Die Erythrozyten werden im roten Knochenmark gebildet (s. Kap. 2.4.1), ihre Lebensdauer beträgt 1 bis 5 Monate. Danach werden sie in der Milz oder Leber abgebaut. Als Ersatz muss ein Haustier in jeder Sekunde einige Millionen rote Blutkörperchen neu bilden.
2.7.1.2 Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) Sie befinden sich im Blut in geringerer Anzahl als die roten. Bei gesunden Tieren beträgt das Verhältnis zwischen beiden 1:1 000. Aber ihre Zahl kann sich rasch vermehren, innerhalb von Sekunden verdoppeln, in wenigen Stunden vervielfachen. Normalerweise halten sich nur 5 % der insgesamt vorhandenen Leukozyten im Blut auf. Der Rest wacht entweder in Leber, Lunge, Darmwänden und anderen Geweben oder steht in den Bildungsstätten (Knochenmark, Milz, Lymphknoten) als Reserve bereit. Sie werden rasch mobilisiert, sobald Krankheitserreger und andere Fremdstoffe in den Körper eindringen oder Körpergewebe verletzt worden ist. Somit stellen die Leukozyten also einen wichtigen Teil des körpereigenen Abwehrsystems dar. Sie sind auch beim normalen Abbau verbrauchter Körperzellen beteiligt (sie treten beispielsweise vermehrt in der Milch altmelkender Kühe auf, wenn das Eutergewebe zurückgebildet wird). Ihren verschiedenen Aufgaben entsprechend, gliedern sich die weißen Blutkörperchen in mehrere, nach Größe, Feinbau und Arbeitsweise zu unterscheidende Arten: Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten. Auf die Arbeitsweise dieser Zellen und ihre Kooperation im Abwehrsystem des Körpers wird in Abschnitt 2.12 näher eingegangen. Gemeinsam ist allen Leukozyten, dass sie einen Kern besitzen und aktiv zum Einsatzort gelangen. Sie lassen sich also nicht wie die roten Blutkörperchen nur vom Blut treiben, und sie können im Gegensatz zu jenen die Wände der Blutkapillaren passieren und zum Infektionsort im Gewebe wandern (Abb. 19).
2.7.1.3 Blutplättchen (Thrombozyten) Sie sind die kleinsten der geformten Blutbestandteile (Durchmesser 0,0005–0,004 mm).
Geraten sie an eine raue Oberfläche, wie sie bei der Verletzung eines Blutgefäßes entsteht, dann verändert sich ihre Plättchenform zu kugeligen Gebilden mit Ausläufern, die sich an die Wundränder anheften. Bei dieser Metamorphose werden Enzyme freigesetzt, die sich zusammen mit anderen Wirkstoffen aus dem Plasma an der Blutgerinnung beteiligen. Am Ende einer Kaskade von enzymatischen Reaktionen wird der im Plasma gelöste Eiweißstoff Fibrinogen umgewandelt in eine faserige, nicht mehr lösliche Substanz, das Fibrin. Dieses Fibrin dichtet das Blutgefäß dann mit einem faserigen Geflecht endgültig ab. Das Blut in der Wundöffnung ist geronnen. Die Blutgerinnung ist ein sehr komplizierter Vorgang. Einerseits müssen verschiedene Sicherungen eingebaut sein, damit nicht das in den Adern fließende Blut zur Unzeit gerinnt und verschleppte Blutgerinnsel zu einer Gefahr für einzelne Körperteile oder den Gesamtorganismus werden. Andererseits müssen bei der Verletzung eines Blutgefäßes die Enzym-Schlüssel die verschiedenen Sicherungsschlösser so rasch aufschließen, dass nicht inzwischen zu viel Blut herausläuft. Wenn man Blut gerinnen und stehen lässt, sammelt sich nach einiger Zeit über dem Blutkuchen, in dem die Blutkörperchen im Fasernetz des Fibrins gefangen sind, eine gelbliche Flüssigkeit, das Blutserum. Man kann sich also merken: Blutserum = Blutplasma minus Fibrin. Im Blutserum sind die zahlreichen Nährstoffe und Wirkstoffe gelöst, die vom Blut im Körper befördert werden, aber auch die nicht mehr benötigten Stoffwechselprodukte, die vom Blut zu den Ausscheidungsorganen transportiert werden.
2.7.2
Herztätigkeit und Blutkreislauf
Die Verteilung des Blutes im Körper erfolgt über ein weit verzweigtes Röhrensystem mit Hilfe einer Pumpe, dem Herzen. Das Herz ist mittels einer durchgehenden Scheidewand in eine kräftigere linke und eine schwächere rechte Hälfte geteilt. Jede Hälfte gliedert sich in einen kleineren vorderen Abschnitt, die Vorkammer (Vorhof), und eine größere Abteilung, die Herzkammer (Abb. 20). Vorkammer und Herzkammer sind jeweils durch einen verschließbaren Durchlass miteinander
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Abb. 20 Schema des Blutkreislaufs bei geöffnetem Herzen verbunden. Als Ventile wirken im Durchlass zähe Sehnenhäute, die Segelklappen, die sich öffnen, wenn Blut aus der Vorkammer in die Hauptkammer gedrückt wird, und sich schließen, wenn die Kammer voll ist. Dadurch wird erreicht, dass das Blut immer in der gleichen Richtung durch das Herz hindurch strömt. Ähnliche Ventile wie an den Eingängen der Herzkammer befinden sich auch an ihren Ausgängen, die so genannten Taschenklappen. Sie öffnen sich nur zu den wegführenden Blutgefäßen hin. Wenn sich die quergestreiften Muskelfasern der Kammerwände zusammenziehen und damit den Innenraum der Kammern verkleinern, wird das darin enthaltene Blut in die Abflussrohre, die Arterien geschleudert. Dabei sorgen die sich schließenden Taschenklappen dafür, dass kein Blut zurückebbt (Abb. 21). Die Ventile sind auch für die Herztöne verantwortlich: Der erste dumpfe Ton ist zu hören, sobald sich nach Füllen der Herzkammern die Se-
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gelklappen schießen, der zweite, helle Ton, wenn nach der Entleerung der Herzkammern die Taschenklappen zugeschlagen werden. Nach kurzer Zeit der Erholung in der Herzpause beginnt die Arbeit des Pumpwerks von neuem:
!!! Zusammenziehen der Muskulatur der Vorhöfe mit Füllung der Kammern 1 Zusammenziehen der Kammermuskulatur und Entleerung der Kammern bei gleichzeitiger Erschlaffung der Vorhofmuskulatur 1 Erschlaffung der Kammermuskulatur und Herzpause 1 neuer Herztakt – und unermüdlich immer so weiter. Das Herz einer Kuh, die – wenn es gut gegangen ist – nach 10 Jahren den Bestand verlässt, hat dann ca. eine halbe Milliarde Pulsschläge hinter sich. Aus der rechten Herzkammer strömt das Blut in die Lungenarterie. Nach dem Lungenkreislauf
2.7 Blut und Blutkreislauf
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Abb. 21 Pumpmechanismus des Herzens (schematisch). links: Zusammenziehen der Vorhofmuskulatur bei Erschlaffung der Kammermuskulatur – Segelklappen geöffnet, Taschenklappen geschlossen. rechts: Kontraktion der Kammermuskulatur bei Erschlaffung der Vorhofmuskulatur – Segelklappen geschlossen, Taschenklappen geöffnet. Jeweils links im Bild die rechte Herzhälfte, die sauerstoffarmes Blut in die Lunge pumpt. gelangt es, mit Sauerstoff angereichert, über die beiden Lungenvenen in die linke Vorkammer, dann in die linke Herzkammer und von hier in die dickste Arterie des Körpers, in die Körperschlagader (Aorta) (Abb. 20). Von ihr zweigen sofort hinter dem Herzen die Herzkranzgefäße zur Versorgung des Herzens ab. Dann wendet sich die Aorta in einem Bogen, in dem die Schlagadern für die Blutansprüche des Kopfes, des Halses und der vorderen Gliedmaßen entspringen, nach hinten, gibt unterwegs Arterien für die Verdauungsorgane und die Rumpfmuskulatur ab und gabelt sich am Ende in die Hüftschlagadern und Beckenschlagader, die sich jeweils zur Versorgung der Hintergliedmaßen weiter aufteilen.
!!! Die Arterien (Schlagadern), im Buch generell mit hellroter Farbe dargestellt, führen das sauerstoffreiche Blut vom Herzen weg, während die Venen, im Buch generell mit dunkelroter Farbe dargestellt, das „verbrauchte“ sauerstoffarme Blut wieder zum Herzen zurückführen. Nur bei der Lungenarterie und -vene verhält es sich umgekehrt. Die Erklärung hierfür ist aus der Abb. 20 zu erkennen.
Das venöse Blut sammelt sich in der Vorderen und Hinteren Hohlvene, die beide in die rechte Vorkammer münden. Wenn das Blut im Rhythmus des Herztaktes stoßweise aus der linken Kammer in die Aorta geworfen wird, fängt diese mit ihrer dicken, aber elastischen Wandung den Druck soweit auf, dass sich der Stoß in eine Welle umwandelt. Diese Pulswelle ist in den weiter entfernten Arterien, beispielsweise am Unterkiefer oder unter der Schweifrübe, noch zu spüren. In dem Maße, wie sich die Arterien immer stärker verzweigen und sich damit der Gesamtquerschnitt des Blutgefäßsystems erweitert, nehmen Blutdruck und Strömungsgeschwindigkeit immer mehr ab. Anfangs durcheilt das Blut in einer Sekunde 50 cm. In den allerletzten Verzweigungen der Haargefäße (Kapillaren) durchsickert es in der gleichen Zeit noch nicht einmal 1 mm. Das ist notwendig, damit über das Haargefäßnetz, das alle Teile des Körpers durchzieht, die umliegenden Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und von den Abfallstoffen befreit werden können. Pfortaderkreislauf | Das Blut, das sich in den Haargefäßnetzen des Magens und der Därme mit
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Nährstoffen beladen hat, fließt nicht sofort zum Herzen zurück. Sondern es sammelt sich zunächst in einer größeren Vene, der Pfortader, die zur Leber hinführt und sich dort erneut zu einem Haargefäßnetz auflöst. Die Leber ist der große Umschlagplatz und Speicher für Nährstoffe und Wirkstoffe. Außerdem ist sie neben den Kapillarnetzen der Haut und der Lungen ein Blutspeicher. Von der Leber bringen die Lebervenen wechselnde Blutmengen – je nach den Anforderungen des übrigen Körpers – in die Hintere Hohlvene und damit in den großen Körperkreislauf zurück.
2.7.3
Lymphsystem
Wer sich bei ungewohnter Arbeit Blasen an den Händen zugezogen hat und sie öffnet, findet darin eine farblose bis gelblich-weiße Flüssigkeit, die Gewebeflüssigkeit oder Lymphe. Sie unterscheidet sich vom Blut vor allem durch die Abwesenheit roter Blutkörperchen. Sie umspült die nicht unmittelbar an den Blutkapillaren liegenden Zellen und füllt Gewebelücken aus.
!!! Nach dem Stoffaustausch in den Geweben wird die Lymphe von besonderen Kapillaren aufgenommen, die sich zu immer größeren Lymphbahnen vereinigen und schließlich in den Hauptlymphgang münden. Dieser wird auch Milchbrustgang genannt, weil er durch die vom Darm kommenden Lymphgefäße, die nach der Nahrungsaufnahme Fett transportieren, ein milchiges Aussehen erhält. Er ergießt sich in der Nähe der Wirbelsäule in die Vordere Hohlvene. Damit wird die Lymphe dem Blutkreislauf wieder angeschlossen. Wie die Venen sind die Lymphgefäße Teil eines Rückflusssystems. Sie sind ebenso aufgebaut wie die Venen. Obwohl in den Lymphgefäßen und den Venen die Strömungsgeschwindigkeit wieder größer als im Kapillarbereich ist, sind die Wände wesentlich dünner als die gleichrangiger Arterien, die einem hohen Blutdruck ausgesetzt sind. Die Lymphe und das in den Venen zum Herzen zurückkehrende Blut werden vorwärts geschoben durch glatte Muskelfasern in den Gefäß-
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wänden und vor allem durch den Druck der benachbarten Skelettmuskulatur. Damit bei schwacher Muskeltätigkeit vor den Einmündungen in die Sammelröhren kein Rückstau entsteht, sind sowohl die Lymphgefäße wie die Venen mit Klappen ausgestattet, die sich nur herzwärts öffnen. Körperliche Bewegung ist also für einen geregelten Blutkreislauf sehr wichtig. An bestimmten Sammelpunkten der Lymphwege – beispielsweise in der Nähe der Ohrspeicheldrüsen, am Bug, in der Kniefalte usw. – finden sich im Bindegewebe rundliche, meist graugelblich gefärbte Kapseln, die Lymphknoten. Im Inneren dieser Kapseln muss die Lymphe durch ein engmaschiges Netz von Bindegewebszellen hindurchsickern. Dabei werden schädliche Bestandteile herausgefiltert und abgebaut (Bakterien, abgestorbene Lymphozyten, Gewebereste, Staubteilchen usw.) Bei Infektionen im Körper werden die Lymphozyten zur Zellteilung und zur Produktion von Antikörpern für die spezifische Immunantwort angeregt (s. Abschnitt 2.12.2), dabei schwellen die Lymphknoten an. Auf dem Weg von den Lymphkapillaren bis zum Milchbrustgang durchläuft jeder Tropfen Lymphe mindestens einen Lymphknoten. Als übergroßen Lymphknoten kann man die Milz ansehen. Allerdings ist sie im Gegensatz zu den übrigen Lymphknoten direkt in den Blutkreislauf eingeschaltet. Ihre Aufgabe ist die gleiche: Abfilterung von schädlichen Stoffen. Aktivierung der Immunantwort. Außerdem hilft die Milz beim Abbau verbrauchter roter Blutkörperchen und dient bei manchen Tieren, beispielsweise bei Pferden, als Blutspeicher.
2.7.4
Wichtige Blutkrankheiten
Eine bekannte Blutkrankheit ist die Leukose der Rinder, die von Viren hervorgerufen wird und durch einen schleichenden, heimtückischen Verlauf charakterisiert ist. Die Infektion erfolgt über hautengen Kontakt, iatrogene Übertragung (vom Tierarzt übertragene), z. B. durch mangelnde Desinfektion chirurgischer Geräte oder Kanülen, weniger im Mutterleib oder über die Milch, wobei die Inkubationszeit drei Monate bis mehrere Jahre betragen kann. Es werden zwei Verlaufsformen unterschieden:
2.8 1. Bei der Präleukose (persistierende Lymphozykose) findet man infizierte Tiere mit einem ungestörten Allgemeinbefinden bei voller Leistungsfähigkeit, aber mit einem veränderten Blutbild (Erhöhung der Leukozyten). Eine Präleukose kann monate- bis jahrelang bestehen. 2. Die schwerwiegende tumoröse Form tritt bei ca. 1–3 % der infizierten Tiere mit verändertem Blutbild mit der Ausbildung von leukotischen Tumoren (Lunge, Herz, Niere, Darm, Milz) auf. Eine Früherkennung ist möglich, weil sich schon wenige Wochen nach der Infektion im Blut der befallenen Tiere Antikörper bilden, die sich durch serologische Testverfahren (Immundiffusion, ELISA) nachweisen lassen. Die Krankheit ist seit 1976 anzeigepflichtig, das heißt der Kuhhalter oder der behandelnde Tierarzt muss den Amtstierarzt verständigen. Für die von diesem angeordneten Schlachtungen wird der Tierhalter aus der Seuchenkasse entschädigt. Der Amtstierarzt ist auch zuständig für die Ausstellung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen, weil Zuchtund Nutzrinder nur von Betrieben verkauft werden dürfen, die als leukoseunverdächtig anerkannt sind. Bei Milchviehbetrieben wird diese Anerkennung nach Durchführung und turnusgemäßer Wiederholung von Milchprobenanalysen erteilt. Export- und Auktionstiere sowie männliche Vererber werden mittels Einzelblutproben untersucht. Weibliche Zuchttiere aus Ammenkuhhaltung, die älter als 2 Jahre sind, werden turnusgemäß alle 2 Jahre über eine Blutprobe getestet. Blutarmut (Anämie) wird an Tieren beobachtet, bei denen sich der Anteil des Hämoglobins in den roten Blutkörperchen, häufig zugleich auch deren Zahl, vermindert hat. Oft treten gleichzeitig oder als Folge der Blutarmut noch andere Krankheitssymptome auf. Die Ursachen können verschieden sein, beispielsweise Befall mit Leberegeln, Bandwürmern oder anderen Parasiten. Eisenmangel der von den Ferkeln und Kälbern aufgenommenen Milch, schädliche Inhaltsstoffe von Kohlabfällen, Markstammkohl und Kohlrüben, die bei reichlicher Verfütterung zur Kohlanämie führen usw. Auf die wichtigsten Vorbeugeund Bekämpfungsmaßnahmen wird später eingegangen.
Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane
2.8 Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane
!!! Das wichtigste Ziel der Verdauung – das kann man stark vereinfachend sagen – besteht darin, die Nährstoffe aus dem Futter in eine Beschaffenheit zu bringen, die sich für den Transport durch die Darmwand sowie für die Weiterbeförderung in Blut und Lymphe eignet, vor allem durch die Zerlegung großer Moleküle in kleine.
2.8.1 Die Mundhöhle und ihre Organe Die erste Station der Futtermittel im Verdauungskanal ist das Maul. An der Futteraufnahme sind Lippen, Zähne und Zunge beteiligt, und zwar beim Rind die Zunge mehr als die Lippen, während es bei den Schafen umgekehrt ist. Das bedeutet in der Weidepraxis, dass die Weidepflanzen von Rindern weniger tief abgebissen werden als von Schafen und sich schneller erholen können. Die Futterbissen werden von Rindern und Schafen ohne gründliches Kauen rasch abgeschluckt, erst beim Wiederkauen wird das Futter konsequent zerkleinert. Wenn Schweine hingegen sich nicht durch Futterneid am Trog gehetzt fühlen, also bei Transponder- oder Trippelfütterung, kauen sie das Futter auch gut durch. Das Kauen erfüllt mehrere Aufgaben:
!!! Zerkleinern grober Futterteile. | Aufreißen fester Zellwände, wodurch das Zellinnere für den späteren Angriff der Verdauungssäfte aufgeschlossen wird. | Herauslösen von Geschmacksstoffen aus dem Futter, welche die Sinneszellen der Zunge reizen und zur Weitergabe entsprechender Informationen an das Zentrale Nervensystem veranlassen. Dieses stimuliert dann die Drüsen, welche die für dieses Futter benötigten Enzyme bereitstellen sollen. | Einweichen des Futters durch Speichel. |
Der Speichel wird bei Wiederkäuern ständig, bei Schweinen vorwiegend während der Futteraufnahme, aus mehreren Speicheldrüsen der Maul-
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
höhle abgesondert. Er soll das Futter u. a. gleitfähig und schlüpfrig machen. Der Speichelfluss ist von der Struktur des Futters abhängig: Bei sperrigem Langheu liefern die Speicheldrüsen der Kühe täglich bis zu 150 Liter Speichel, der allerdings zu einem großen Teil im Darm wieder resorbiert wird und in den Säftekreislauf des Körpers zurückkehrt. Trotzdem ist schon an diesem Beispiel zu erkennen, wie wichtig ein reichliches Tränken der Haustiere ist. Bei den Wiederkäuern enthält der Speichel Bikarbonate (vor allem Natriumbikarbonat NaHCO3), die einem Absinken des ph-Wertes, also der Gefahr einer Säuerung des Panseninhaltes, entgegenwirken. Wenn bei der Verwendung kraftfutterreicher und raufutterarmer Tagesrationen das Futter nur wenig Struktur besitzt und deshalb zu wenig Speichel abgesondert wird, sinkt der pHWert im Pansen und dessen Bakterienflora verändert sich in ungünstiger Weise. Deshalb muss ein Mindestanteil grobstrukturierten Futters in der Ration von Kühen enthalten sein. Enzyme sind im Speichel unserer Haustiere nicht enthalten, mit Ausnahme von etwas Ptyalin für die Stärkeverdauung beim Schwein. (In diesem Punkte ähnelt das Schwein dem Menschen, der nach längerem Kauen einer Brotrinde feststellen kann, dass sie süß zu schmecken beginnt.)
2.8.2
Das Gebiss
Jeder Zahn steckt mit seiner Wurzel in einer entsprechenden Grube des Kiefers, im Zahnfach.
(Die Backenzähne haben teilweise drei Wurzeln.) Den herausragenden Teil des Zahnes nennt man Krone. Im Innern jeder Zahnwurzel befindet sich eine Höhle, die mit Bindegewebe ausgefüllt ist und Blut- und Nervenbahnen für die Versorgung des Zahnes enthält. Der größte Teil des Zahnes besteht aus dem festen, knochenähnlichen Zahnbein (Dentin). Die Wurzel ist mit echter Knochenmasse, mit dem so genannten Zahnzement überzogen, die Krone mit dem glasartigen, spröden Schmelz (Abb. 22). Die Oberfläche der Krone ist bei den Schweinen höckerig. In den Oberflächen der Backenzähne bei Wiederkäuern erkennt man faltige Vertiefungen, die aus Zahnbein bestehen (Abb. 22). Dagegen sind die Leisten, die herausragen und sich beim Kauen weniger abnutzen, aus dem härteren Zahnschmelz aufgebaut. Diese Oberflächengestaltung der Zahnkrone verbessert ihre mahlende Wirkung. Die Zähne werden nach Form und Funktion in Schneidezähne, Eck- oder Hakenzähne und Backenzähne unterteilt. Da bei den Wiederkäuern die unteren Hakenzähne die gleiche Form wie die Schneidezähne aufweisen, werden bei ihnen die in der Mitte stehenden „Schneidezähne“ als Zangen bezeichnet, die dann folgenden als innere und äußere Mittelzähne sowie Eckzähne. Im Oberkiefer besitzen sie anstatt der Schneidezähne eine verhornte Platte. Bei wachsenden Tieren bis zu fünf Jahren lässt sich das Alter daran erkennen, wie weit das Milchgebiss durch bleibende Zähne ersetzt worden ist (Abb. 23). Bei Abb. 22 Aufbau von Rinderzähnen (schematisch) links: Längsschnitt eines Schneidezahns (im Unterkiefer) Mitte: Längsschnitt eines jungen Backenzahns (Der Pfeil markiert das Zahnniveau nach Abnutzung) rechts: Kaufläche des gleichen Zahns nach mehrjähriger Abnutzung
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2.8
Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane Die drüsenlose Schleimhaut der Speiseröhre setzt sich bei den Schweinen bis in den Magen hinein fort. Bei den „mehrhöhligen“ Wiederkäuern hat sich dieser Abschnitt zu großen Säcken ausgestülpt, zu den Vormägen. Bei diesen Vormägen unterscheiden wir (Abb. 24):
!!! den großräumigen, in zwei Säcke unterteilten Pansen, | die Haube, nach ihrer netzförmigen Oberflächenstruktur auch Netzmagen genannt, | den Blättermagen, auch Buchmagen oder Psalter genannt. Diese Bezeichnungen orientieren sich alle an dem inneren, aus dichtgedrängten, rauen Blättern bestehenden Aufbau dieses Vormagens. |
Abb. 23 Gebisse von Rindern frühreifen Schafen werden die Zangen des Milchgebisses mit 12 Monaten durch bleibende ersetzt, bei den spätreifen Schafen mit 11/2 Jahren, beim Rind mit 11/2 bis 2 Jahren. Die doppelte Zeit wird ungefähr gebraucht, bis sämtliche Zähne des Milchgebisses ersetzt sind. Schweine beider Geschlechter verfügen zwischen den Schneide- und Backenzähnen über Hakenzähne, die bei den Ebern zu Hauern ausgewachsen sind. Die meisten Schweine haben im Oberkiefer, viele auch im Unterkiefer, 7 statt 6 Backenzähne je Kieferhälfte. Daraus ergeben sich folgende Zahnformeln:
Erst hinter dem Blättermagen kommt der eigentliche Drüsenmagen, der Labmagen, der dem Magen der „einhöhligen“ Schweine entspricht. Das abgeschluckte, grob gekaute Futter gelangt bei den Wiederkäuern zuerst in den gemeinsamen Vorhof von Pansen und Haube, der auch Schleudermagen genannt wird, und wird dann durch die regelmäßigen Hauben- und Pansenbewegungen dem vorhandenen Inhalt zugemischt. In einem Zyklus von jeweils einer halben Minute ziehen sich nacheinander die Haube zweimal,
Übersicht 13 Schweine Rinder und Schafe
2.8.3
Backen6–7 6–7 6 6
Haken1 1 – 1
Schneide3 3 3 3 – – 3 3
Speiseröhre und Vormägen
Nach dem Kauen und Einspeicheln werden die Futterbissen abgeschluckt. Der Schluckakt ist ein komplizierter Vorgang, an dem zahlreiche Muskeln beteiligt sind, die durch ein besonderes Schluckzentrum im Hirnstamm (an der Verbindungsstelle zwischen Rückenmark und Gehirn) so gesteuert werden, dass die Bissen nicht irrtümlich in die Luftröhre geraten (s. auch Abb. 14) und dass sie auch gegen die Schwerkraft bis zum Magen weitergeschoben werden (bei gesenktem Kopf verläuft ja die Speiseröhre bergan).
Haken1 1 – 1
Backenzähne 6–7 6–7 6 6
Oberkiefer Unterkiefer Oberkiefer Unterkiefer
dann der Schleudermagen und die beiden Säcke des Pansens zusammen und entspannen sich wieder. Durch diese Kontraktionen werden die Futtermassen innerhalb des Pansen-HaubenRaumes hin- und hergeschwenkt, kleinere Portionen auch „geschleudert“. Dabei wird das Flüssige vom Faserigen abgeschieden, und dadurch bildet sich im Pansen eine gewisse Schichtung heraus: unten Flüssigkeit, darüber die Faserschicht und oben Gas. Eine halbe bis eine ganze Stunde nach der Futteraufnahme beginnt das Wiederkauen: Kleine Futterportionen (beim Rind je 80 bis 120g) werden
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Abb. 24 Magensystem des Rindes von rechts (nach Nickel/Schummer/Seiferle) in das Maul zurückbefördert, jetzt gründlich gekaut und jeweils nach einer halben bis dreiviertel Minute wieder abgeschluckt. Ab und zu wird eine Pause eingelegt. In insgesamt 5 bis 8 Stunden kauen Kühe 40 bis 60 kg pro Tag wieder. Dazu legen sie sich am liebsten nieder. Der Wiederkauakt wird durch eine Einatmung bei geschlossener Stimmritze eingeleitet. Dadurch entsteht in der benachbarten Speiseröhre ein Unterdruck. Gleichzeitig öffnet sich der Vormageneingang, und es ergießt sich ein Teil des Schleudermageninhalts in die Speiseröhre. Durch rückwärts gerichtete peristaltische Wellen der glatten Muskulatur der Speiseröhre wird diese Futterportion, unterstützt durch eine Ausatmungsbewegung, in die Mundhöhle befördert. Es handelt sich also beim Wiederkauen um einen komplizierten Vorgang, mit dessen Steuerung ein eigenes Zentrum im Hirnstamm beschäftigt ist. Die Kälber beginnen mit dem Wiederkauen, sobald sie (am besten schon wenige Tage nach der Geburt) Gelegenheit zur Aufnahme fester Nahrung haben. Das wiedergekaute Futter wird in den PansenHauben-Raum zurückbefördert. Es kann deshalb noch öfter wiedergekaut werden – so lange, bis der Inhalt so weit zerkleinert ist, dass er in kleinen Schüben durch die Hauben-Psalter-Öffnung in den Blättermagen entleert werden kann. Diese Öffnung ist eng und verschließt sich selbsttätig, wenn grobes Futter passieren will. In den Blättern des Psalters wird der hereinkommenden Futtersuppe vor allem Wasser entzogen und ohne langen Aufenthalt gelangt der verbleibende Futterbrei in den Labmagen.
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Das Tränkwasser wird überwiegend von Pansen und Haube festgehalten, je nach den Feuchtigkeitsbedürfnissen in diesen Kammern. Überschüssiges Wasser läuft in der so genannten Schlundrinne durch die Haube gleich in den Psalter. Hier setzt sich diese Rinne als Psalterrinne bis zum Labmagen hin fort. Beim Kalb faltet sich die Rinne während des Schluckaktes zu einer geschlossenen Röhre zusammen, so dass die Milch unmittelbar in den Labmagen gelangt. Die Entwicklung der Vormägen beim Kalb hängt stark von seiner Ernährung ab. Nach der Geburt nimmt der Labmagen etwa 60 % des Volumens des gesamten Magensystems ein, beim erwachsenen Rind nur noch 7–8 %. Umgekehrt ist der Pansen anfangs sehr klein. Später beansprucht er rund 80 % des Rauminhalts des Magensystems. Bei reiner Milchernährung verzögert sich die Entwicklung des Pansenumfangs und seiner Muskulatur sowie die Ausbildung der für die Resorption der Nährstoffe wichtigen Pansenzotten. Durch frühzeitige Beifutteraufnahme (Kraftfutter und Grobfutter) wird sie gefördert.
2.8.4
Die Verdauung in den Vormägen
Was geschieht während des viele Stunden, oft Tage dauernden Aufenthaltes im Pansen und in der Haube mit dem Futter? Es kommt zu ähnlichen Vorgängen wie in einem Silobehälter, zu einer Gärung, die ausgelöst wird durch die im Pansen bzw. im Futter vorhandenen Bakterien. Diese finden in Pansen und Haube gute Bedingungen für eine rasche Vermehrung vor: genügend Flüssigkeit mit pH 6 bis 7,5, eine Temperatur von 39 bis 40 °C und ständige Nahrungszufuhr. Außerdem leben hier winzige kleine Wimpertierchen aus der Klasse der Protozoen (früher auch „Infusoren“ genannt), die hauptsächlich über Kontakte der heranwachsenden Kälber mit älteren Kälbern oder Kühen vermittelt werden.
!!! Durch die Bakterientätigkeit entstehen als Gärungsprodukte bestimmte organische Säuren mit niedrigem Molekülgewicht, vor allem Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure, die im Gegensatz zu hochmolekularen Fettsäuren
2.8 (wie z. B. die in Tab. 2 erwähnte Stearinsäure) wasserlöslich sind. Diese niedrigmolekularen Fettsäuren werden auch als flüchtige Fettsäuren bezeichnet, weil ihre Moleküle teilweise schon bei Temperaturen weit unter dem Siedepunkt in den gasförmigen Zustand übergehen und dabei einen unangenehmen, stechenden oder ranzigen Geruch entwickeln, wie er dem Landwirt auch aus Futtersilagen von mäßiger Qualität entgegenkommt. Welche der verschiedenen Bakterienarten und welche Gärungsprodukte überwiegen, hängt von der Art der Fütterung ab: eine hauptsächlich aus grob strukturiertem, das heißt stängeligem, zellulosereichem Futter (Gras, Heu) bestehende Ration erfordert eine stärkere Einspeichelung als eine kraftfutterreiche Ration. Je mehr Speichel und mit ihm Bikarbonate abgesondert werden, umso höher wird der pH-Wert in den Vormägen. Dabei fühlen sich die Zellulose spaltenden Bakterien wohl. Es entsteht als Gärungsprodukt vorwiegend Essigsäure CH3COOH (oft kurz C2 genannt) Bei stärke- oder zuckerreichen Rationen (aus Getreide und Trockenschnitzeln) bleibt der Speichelfluss schwächer und der pH-Wert in den Vormägen niedriger. Dabei erhöht sich der Anteil der Bakterien, die vorwiegend
Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane Sobald beim Kalb mit der Aufnahme festen Futters das Wiederkauen und die Gärvorgänge einsetzen, wird durch den Einfluss der kurzkettigen Fettsäuren, neben den oben genannten auch die Buttersäure C3H7COOH (Kurzbezeichnung C4), das Wachstum der Pansenschleimhaut und der Pansenzotten gefördert. Pansenzotten sind zapfenförmige Ausstülpungen des Pansenepithels, wodurch die Oberfläche der inneren Pansenschleimhaut bis zum Siebenfachen vergrößert werden kann. Durch diese Zotten werden die Gärungsprodukte der Pansenbakterien absorbiert und vom Blut zur Leber und zum Euter transportiert. Sie tragen wesentlich zur Energieversorgung des Wiederkäuers bei. Aus täglich 4–6 Litern dieser kurzkettigen Fettsäuren stammen 60–75 % der im inneren Stoffwechsel einer Kuh benötigten Energie. Eine besondere Bedeutung hat die Essigsäure als Ausgangspunkt für die Milchfettsynthese, wie aus Abb. 25 erkennbar wird.
? Welche Art von Rationen verbessert demnach den Milchfettgehalt, welche senkt ihn? Welches Dilemma ergibt sich für die Rationsgestaltung, wenn nicht nur ein hoher Milchfettgehalt, sondern auch viel Milch angestrebt wird? (Diese Fragen werden in Abschnitt 7.3 ausführlich behandelt.)
Propionsäure C2H5COOH (Kurzbezeichnung C3) erzeugen. Der Anteil der Essigsäure erzeugenden Bakterien vermindert sich, und die in den übrigen Rationsbestandteilen enthaltenen Nährstoffe werden schlechter ausgenutzt. Wird durch sehr stärke- oder zuckerreiches Futter der pH-Wert des Panseninhalts unter pH 5,5 gesenkt, verändert sich die Bakterienflora weiter. Es entwickelt sich eine starke Milchsäuregärung (CH3·CHOH·COOH), die den pH-Wert in den krankhaften Bereich (unter pH 5) drückt. Diese, auch unter dem Namen Azidose bekannte Pansenübersäuerung schädigt die Pansenschleimhaut, lähmt die Pansenbewegungen und kann zu Leber- und Kreislaufschäden führen. Zur Aufrechterhaltung des Wohlbefindens der Kühe und ihrer Leistungen ist es also notwendig, keine einseitigen, sondern ausgewogene Rationen zu verabreichen, die nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig strukturiertes Futter mit Zellulose enthalten.
Wie bei jeder Gärung entstehen auch bei derjenigen im Pansen/Hauben-Raum Gase, vor allem Kohlendioxid CO2 und Methan CH4. Diese werden
Abb. 25 Abhängigkeit des Milchfettgehaltes vom C2 : C3-Verhältnis im Pansen (nach Kaufmann)
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im Rhythmus der Pansenbewegungen über die Speiseröhre (CO2, CH4) und über die Atemluft (CO2) abgegeben. Wenn von Kühen große Mengen Grünfutter (Klee) hastig heruntergefressen werden, bildet sich auf der Oberfläche des Panseninhalts Schaum, der das Entweichen der Gase behindert und zum Aufblähen der Tiere führt. Diesem gefährlichen Vorgang kann dadurch vorgebeugt werden, dass vorher trockenes Futter verabreicht wird.
!!! Das während der Gärung entweichende Methangas enthält noch beträchtliche Mengen Energie, die dem Stoffwechsel der Wiederkäuer also verloren gehen. Diese Verluste sind der Preis für die von den Pansenbakterien erbrachten Leistungen, von denen die wichtigste, die Aufschließung der sonst unverwertbaren Zellulose und anderer Zellwandbestandteile bereits genannt worden ist. Nachfolgend sind weitere, für die Wiederkäuerernährung wichtige Stoffwechselleistungen der Bakterien aufgeführt. Wie alle Lebewesen bauen sie ihren Zellleib aus Aminosäuren auf. Diese entnehmen sie u. a. den Eiweißverbindungen des Futters. Außerdem verwenden sie aber auch andere stickstoffhaltige Verbindungen, die so genannten NPN-Verbindungen (Nicht-Protein-Nitrogen), die unsere Haussäugetiere nicht direkt für die eigene Proteinsynthese verwerten können. Diese NPN-Verbindungen, zu denen Säureamide wie Asparagin und Glutamin aus jungen, wachsenden Pflanzen sowie Harnstoff, Nitrat, Betain, usw. gehören, werden von Bakterien in Bakterieneiweiß umgewandelt. Wenn die Bakterien und die von ihnen lebenden Protozoen mit der Futtersuppe durch den Psalter in den Labmagen gelangen, in dem die dort ausgeschiedene Salzsäure für niedrige pH-Werte sorgt, sterben diese Kleinlebewesen massenhaft und können anschließend selbst verdaut werden. Auf diesem Wege werden also die NPN-Verbindungen für den Wiederkäuer nutzbar gemacht. Bakterien- und Protozoeneiweiß hat – und das ist ihre dritte Leistung – eine bessere Qualität als Pflanzeneiweiß, so dass dieses durch die Pansenumsetzung gewissermaßen „veredelt“ wird. (Mehr dazu in 5.1.2.3)
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Die vierte Leistung der Pansenbakterien besteht darin, dass sie wasserlösliche Vitamine aufbauen, die den Nichtwiederkäuern mit dem Futter zugeführt werden müssen. Wenn die Bakterien verdaut werden, kommen diese Vitamine dem Wirtstier zugute.
2.8.5
Speicherung und Vorverdauung im Magen
Die Mägen der einhöhligen Tiere, beispielsweise der Schweine, dienen in erster Linie als Vorratsspeicher. Sie stapeln das aus der Speiseröhre kommende Futter und geben es portionsweise in regelmäßigen Zeitabständen durch den so genannten Magenpförtner (Abb. 24) an den Dünndarm weiter, in dem die wichtigsten Verdauungsvorgänge ablaufen. Die Muskelfasern in den Magenwänden verursachen nur geringe Magenbewegungen, so dass der Inhalt des Magens nur wenig gemischt wird – mit Ausnahme des dem Magenausgang benachbarten Teiles. Beim Labmagen der Wiederkäuer ist die Speicherfunktion des Magens weniger ausgeprägt, da schon von der Hauben-Psalter-Öffnung her für eine geregelte Weiterbeförderung des Futters gesorgt wird. Deshalb ist das Fassungsvermögen des Labmagens im Verhältnis zu den Vormägen bescheiden. Seine gesamte Innenfläche ist mit einer echten Drüsenschleimhaut ausgestattet, die auch im Schweinemagen den überwiegenden Teil der Oberfläche auskleidet. Wie schon erwähnt wurde, gibt es jedoch am Mageneingang des Schweines Bezirke mit einer drüsenlosen Schleimhaut. Hier wird mit der chemischen Spaltung leicht verdaulicher Kohlenhydrate, besonders der Stärke, begonnen. Dies geschieht vorwiegend mit Hilfe von Enzymen, die im Futter selbst enthalten sind, beispielsweise der Diastase aus Getreidekörnern. Dieses Enzym wandelt beim Keimungsvorgang (im Saatacker oder auch in der Brauerei) Stärke in Zucker um und entfaltet im Magen der Schweine die gleiche Wirksamkeit, die bei dieser Tierart noch zusätzlich durch das im Speichel enthaltene Enzym Ptyalin unterstützt wird. Dieser Abbauprozess wird allerdings bald unterbrochen, dann nämlich, wenn das Futter in den
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Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane
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Abb. 26 Übersicht über die Stufen der Eiweißverdauung Drüsenbereich des Magens gelangt und in zunehmendem Maße den Einwirkungen des sauren Magensaftes unterliegt. Der Magensaft besteht aus Salzsäure und Pepsin. Die Salzsäure sorgt für niedrige pH-Werte, welche die Voraussetzung für die Aktivierung des Pepsins aus einer unwirksamen Vorstufe, dem Pepsinogen, sind (Abb. 26). Das Pepsin beginnt mit der Spaltung der Eiweißverbindungen (beste Wirkung bei etwa pH 2). Der Magensaft von Kälbern und anderen Neugeborenen enthält vorzugsweise das Labferment (Chymosin), welches den Hauptbestandteil des Milcheiweißes, das Kasein, zum Gerinnen bringt. Dieses Enzym benötigt nicht so niedrige pHWerte wie das Pepsin und ist am wirkungsvollsten im schwach sauren Bereich (bei pH 4–5). Auch bei erwachsenen Wiederkäuern ist die Reaktion im Labmagen nicht ganz so sauer wie bei den Schweinen oder gar bei den Fleischfressern. Trotzdem reicht pH 2–4 aus, um den größten Teil der Bakterien abzutöten und die von ihnen ausgelösten Gärungsvorgänge zu stoppen. Durch die Magensäure werden auch viele krank machende Bakterien unschädlich gemacht. Die Selbstverdauung des Magens, dessen Wände auch aus Eiweiß bestehen, wird durch den Schleim der Magenschleimhaut verhindert.
2.8.6 Verdauung im Dünndarm An den Magen schließt sich als erster Abschnitt des Dünndarms der Zwölffingerdarm an. Der
Leerdarm und Hüftdarm folgen. Die einzelnen Darmabschnitte hängen beweglich an einer Fortsetzung des Bauchfells, am Gekröse, über das die Därme mit Blut- und Lymphgefäßen sowie Nervenbahnen versorgt werden. Der Dünndarm hat einen engeren Durchmesser als der dann folgende Dickdarm. Außerdem ist der Fruchtbrei in ihm dünnflüssiger.
!!! Das Innere des Dünndarms ist mit zahlreichen Drüsen besetzt, die den Darmsaft absondern. Dieser enthält neben verschiedenen Enzymen auch Bikarbonate, welche die vom Magen mitgebrachte Säure binden. Dadurch wird – bei den Wiederkäuern langsamer, bei den Tieren mit einhöhligem Magen rasch – der pH-Wert des Futterbreis auf über 6 erhöht. Bei neutraler oder leicht alkalischer Reaktion können die hier ablaufenden Enzyme am besten wirken. Außer den Darmdrüsen entleeren auch die beiden größten Drüsen des Körpers, die Leber und die Bauchspeicheldrüse (Pankreas), ihre Säfte in den Dünndarm. Und zwar wird von der Leber die Gallenflüssigkeit ausgeschieden, von der Bauchspeicheldrüse ein vielseitiger Fächer von Enzymen sowie Bikarbonate zur Neutralisierung. Diese verschiedenen Komponenten wirken nach dem Prinzip der Arbeitsteilung zusammen. Fettverdauung | Die Galle wird bei Wiederkäuern und Schweinen vorübergehend in der Gal-
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lenblase gespeichert, eingedickt und bei Bedarf in den Zwölffingerdarm abgegeben. Sie sorgt für eine stabile Emulsion der Futterfette. Im Allgemeinen haben Gemische aus Fett und Wasser das Bestreben, sich wieder zu entmischen, wie das bei unbehandelter, nicht fetthomogenisierter Milch zu beobachten ist, die bekanntlich aufrahmt. Die Galle unterdrückt diesen Vorgang und bewirkt so eine gleichmäßige Verteilung des Fettes in allerfeinste Tröpfchen, so dass nunmehr die fettspaltenden Enzyme (Lipasen) aus der Bauchspeicheldrüse imstande sind, die Fette so weit abzubauen, dass deren Spaltprodukte (sowohl Di- und Monoglyzeride als auch freie Fettsäuren und Glyzerin) von der Darmwand resorbiert werden können. (Sehr kleine Fetttröpfchen gelangen teilweise auch ungespalten durch die Darmwand.) Eiweißverdauung | Damit war im Magen durch das Pepsin begonnen worden. Aber bei den Eiweißverbindungen handelt es sich teilweise um sehr große Moleküle, die nicht in einem einzigen Arbeitsgang gespalten werden. Die Eiweißspaltung erfolgt stufenweise – mit Hilfe von Enzymen, die an verschiedenen Stellen des Verdauungskanals zugeführt werden. Abb. 26 zeigt in vereinfachter Darstellung wichtige Stufen und Enzyme dieses Abbauprozesses bis hin zu den Aminosäuren. In der Regel geben die zuständigen Drüsen (Magendrüsen bzw. Bauchspeicheldrüse) unwirksame Vorstufen der Enzyme, so genannte Proenzyme, ab, die von anderen Enzymen aktiviert werden und nun erst ihre spaltende Tätigkeit ausüben können. Die Aktivierung kann auch durch bestimmte Ionen erfolgen (beispielsweise bei Pepsinogen durch H+ und CI–). Sobald unter der Einwirkung der Enteropeptidase (Abb. 26. 1), die aus den Dünndarmdrüsen stammt, genügend Trypsinogen in Trypsin verwandelt worden ist, wirkt dieses Enzym selbstaktivierend, und zwar auf seine eigene Vorstufe (Abb. 26. 2) sowie auf das Chymotrypsinogen (Abb. 26. 3) und auf die Procarboxypeptidasen (Abb. 26. 4). Kohlenhydratverdauung | Wir erinnern uns, dass die Kohlenhydratverdauung im Magen bei saurer Reaktion aufhörte. Im Dünndarm herrscht ein für Ptyalin und andere Diastasen freundli-
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cheres Milieu, und der Stärkeabbau kann, kräftig unterstützt durch die Amylasen aus der Bauchspeicheldrüse, fortgesetzt werden bis zur Maltose (Malzzucker), einem Zweifachzucker. Dieser ist, wie andere noch in der Nahrung enthaltene Zweifachzucker (Disaccharide), beispielsweise Rohrzucker aus Zuckerrüben und Milchzucker, zwar schon wasserlöslich. Aber die Zweifachzucker werden trotzdem in Einfachzucker zerlegt, weil der innere Stoffwechsel (Intermediärstoffwechsel) in der Leber, in den Muskelzellen usw. auf diese Einfachzucker eingestellt ist. Diese Spaltung bewirken teilweise Carbohydrasen aus der Bauchspeicheldrüse, überwiegend aber Enzyme in den Epithelzellen der Darmwand. Maltose wird in zwei Moleküle Glukose (Traubenzucker) zerlegt, Rohrzucker (Saccharose) in Glukose und Fruktose, Milchzucker (Laktose) in Glukose und Galaktose. Angesichts dieser Mengenverhältnisse wird es verständlich, dass von den verschiedenen Einfachzuckern die Glukose die wichtigste Rolle im Intermediärstoffwechsel spielt. Der beschriebene Weg der Kohlenhydratverdauung ist für die Monogastrier vorherrschend, während bei den Wiederkäuern der größte Anteil der Kohlenhydrate schon im Pansen durch Mikroorganismen zerlegt wird. (s. Kap. 2.8.4). Hierbei werden die Kohlenhydrate über die Stufe der Einfachzucker hinaus zu den kurzkettigen Fettsäuren abgebaut. Wird im Intermediärstoffwechsel der Wiederkäuer Glukose benötigt, muss diese zunächst wieder neu synthetisiert werden (Glukoneogenese), wozu u. a. die Propionsäure der Grundstoff ist. Allerdings sind die Wiederkäuer in der Lage, die durch Mikrobentätigkeit im Pansen entstandenen kurzkettigen Fettsäuren (Essigsäure, Buttersäure) für den Energiebedarf im Intermediärstoffwechsel einzusetzen, es wird also nicht so viel Blutglukose benötigt (s. auch Kap. 5.2).
!!! Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nach einer gewissen Vorverdauung durch den Magen die wichtigsten Spaltungsvorgänge von den aus der Bauchspeicheldrüse stammenden Enzymen bewirkt werden. Dagegen können die Enzyme des Darmsaftes mit den ursprünglichen
2.8 Futterbestandteilen wenig anfangen; sie spalten die von den anderen Enzymen hinterlassenen Zwischenstufen zu Ende.
2.8.7
Absorption der Nährstoffe
Um möglichst viele der durch die Verdauungsvorgänge aufgeschlossenen Nährstoffe aus dem von der Darmmuskulatur vorbeigeschobenen Futterbreies aufnehmen zu können, ist die Oberfläche der Darmschleimhaut, die die Nährstoffe absorbiert, stark vergrößert. Diesem Zweck dienen die Falten des Darmes, vor allem die zahlreichen zapfenförmigen Ausstülpungen der Darmschleimhaut, die Darmzotten. Sie stehen dicht gedrängt beieinander. Mit Hilfe ihrer glatten Muskelfasern tauchen sie abwechselnd in den Speisebrei ein und ziehen sich mit Nahrungsbestandteilen wieder zurück. Man spricht vom Zottenpumpwerk. Die obere Zellschicht der Zotten hat außerdem allerfeinste Ausstülpungen, die Mikrozotten, die zusammen einen Bürstensaum bilden, an dem die Nahrungsteilchen festgehalten werden. Durch die drei genannten Gebilde und Vorgänge wird die absorbierende Oberfläche außerordentlich vergrößert (Abb. 27). In jeder Darmzotte befindet sich in der Mitte ein Lymphgefäß mit dazu gehörigem Kapillarsystem, das in die Oberflächenzellen hineinreicht. Selbstverständlich entwickelt sich auch zwischen den Blut zuführenden Arterien und den Blut abführenden Venen ein verzweigtes Kapillargefäßnetz innerhalb der Zotten, begleitet von Endigungen des unwillkürlichen Nervensystems. Durch die Lymphgefäße wird das Fett abtransportiert, das schon in den Wandzellen der Zotten wieder aus langkettigen Fettsäuren und Monoglyzeriden resynthetisiert und mittels Einschluss in größere Lipoproteine (so genannte Chylomikronen) in seine geeignete Transportform gebracht worden ist. Die Lymphgefäße der Darmwände vereinigen sich im Milchbrustgang, und über ihn gelangt das Fett über die Vordere Hohlvene in den Blutkreislauf (s. auch Abschnitt 2.7.3). Mit dessen Hilfe wird das Fett zu Organen mit ständigem Energieanspruch (Herz, Niere usw.) gebracht, oder zum fettspeichernden Gewebe, teilweise auch in die Leber. Aminosäuren,
Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane Zucker und niedrigmolekulare Fettsäuren (bis C10) sammeln sich in den Kapillaren der Zottenvenen, die sich schließlich zur Pfortader vereinigen. Dadurch gelangen diese Nährstoffe zusammen mit wasserlöslichen Vitaminen und Mineralstoffen zuerst in die Leber (Abb. 20).
2.8.8 Verdauung und Gärung im Dickdarm Was vom Futter noch nicht in eine absorbierbare Form überführt wurde oder den Zotten entwischte, wird zum Dickdarm weitergeschoben. Dieser besteht aus Blinddarm, Grimmdarm und Mastdarm. Während der Futterbrei verhältnismäßig rasch durch den Dünndarm gelangt, geht es im Dickdarm nur langsam weiter. Die Futterteile, die in die sackartige Ausstülpung des Blinddarms geschoben werden, müssen durch den Eingang auch wieder heraus. Der nachfolgende Grimmdarm ist durch taschenartige Ausstülpungen (Poschen) stark gegliedert. Er ist der längste Abschnitt des Dickdarms und bei Wiederkäuern und Schweinen spiralig zusammengerollt.
!!! Die in diesem Darmabschnitt vorhandenen Bakterien setzen bei den Wiederkäuern erneut Gärungsprozesse in Gang, in schwächerem Umfang auch im Dickdarm der Schweine. Die bei der Vergärung der Zellulose entstehenden Stoffwechselprodukte der Bakterien (Essigsäure usw.) werden vorzugsweise im Grimmdarm absorbiert; ebenfalls die Nährstoffe aus abgestorbenen Bakterienleibern, sofern sie von den aus dem Dünndarm mitgebrachten oder von den Bakterien ausgeschiedenen Enzymen noch verdaut werden können. Von der Dickdarmschleimhaut werden jedenfalls keine Enzyme beigesteuert. Deshalb sind die Verdauungsprozesse hier auch nicht so ergiebig wie in den Vormägen der Wiederkäuer und ein beträchtlicher Anteil der abgestorbenen Bakterien samt der in ihnen enthaltenen Nährstoffe und Vitamine wird mit dem Kot ausgeschieden und geht somit dem Wirtstier verloren. Die Schleimhautzellen des Dickdarms verfügen zwar auch über einen Saum von Mikrozotten,
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Abb. 27
Dünndarmschleimhaut in Ausschnitten unterschiedlicher Vergrößerung
aber die großen zapfenförmigen Zotten und das Zottenpumpwerk fehlen. Auch aus diesem Grunde ist die absorbierende Wirkung des Dickdarms geringer als die des Dünndarms. Wichtig ist der Dickdarm bei allen Tieren für die Rückgewinnung von Wasser und der darin gelösten Mineralstoffe. Die eingedickten, unverdaulichen Reste des Futterbreies werden durch eine beträchtliche Schleimabsonderung aus den Becherzellen der Dickdarmschleimhaut gleitfähig erhalten und zusammen mit Enzymen und
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Bakterien sowie Gärungs- und Fäulnisprodukten über den kurzen Mastdarm ausgeschieden. Der After ist mit einem Schließmuskel aus quergestreifter Muskulatur umgeben. Die Abgabe des Kotes erfolgt als Willensakt.
!!! Zusammenfassend lässt sich über die Verdauungsvorgänge bei den wichtigsten Futterbestandteilen Folgendes feststellen: Die Wiederkäuer besitzen in den Vormägen und im Dick-
2.8 darm Gärkammern, in denen mit Hilfe von Bakterien die Futterzellulose aufgeschlossen und in Form der Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure und als Stoffwechselprodukte der Bakterien für das Wirtstier energetisch nutzbar gemacht wird. Beim Schwein nehmen die Gärungsvorgänge im Dickdarm nur einen bescheidenen Umfang ein. Dieses Haustier kann deshalb mit zellulosereichem Futter wenig anfangen. Von den Bakterien der körpereigenen Gärkammern der Wiederkäuer werden einfache stickstoffhaltige Verbindungen, die für Schweine unverwertbar sind, in Eiweiß umgewandelt. Eiweiß wird von allen Haustieren in der gleichen Form verdaut, das heißt bis zu den Aminosäuren abgebaut. Diese werden vorzugsweise im Dünndarm absorbiert. Die Energie für ihre Tätigkeit entnehmen die Bakterien zu einem erheblichen Teil den im Futter enthaltenen leicht verdaulichen Kohlenhydraten (Stärke, Zucker). Die Energiemengen in den nach außen entweichenden Gärungsgasen gehen verloren. Deshalb werden Stärke und Zucker von den Schweinen mit Hilfe ihres tiereigenen enzymatischen Verdauungsweges besser ausgenutzt als von den Wiederkäuern via mikrobiellem Abbau.
Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane
2.8.9
Die Leber als chemische Zentrale des Körpers
Die Leber ist die größte Drüse des Körpers. Sie besteht aus Hunderttausenden von kleineren Einheiten, den Leberläppchen, die durch Bindegewebe voneinander abgegrenzt sind. Innerhalb der Leberläppchen sind die Zellen so angeordnet, dass sich unter dem Mikroskop strahlenförmig von innen nach außen gerichtete Stränge aus mehreren Zellreihen erkennen lassen, die so genannten Leberzellbälkchen (Abb. 28). Das Blut der Pfortader wird über ihre im Bindegewebe verlaufenden Äste in ein stark verzweigtes System von Kapillaren geleitet, welche die Leberzellbälkchen umspinnen und am Ende in die Zentralvenen münden, die in der Mitte der säulenförmigen Leberläppchen zu sehen sind. Parallel zum Kapillarsystem der Pfortader verlaufen die feinsten Verzweigungen der Leberarterien, über welche die Sauerstoffversorgung der Leberzellen erfolgt; denn die Pfortader stellt ja eine der letzten Stationen im Körperkreislauf dar und enthält nur noch relativ wenig Sauerstoff. In entgegengesetzter Richtung sickert aus feinsten Anfängen die Galle in besonderen Kapillaren, die von jeweils zwei Leberzellbälkchen eingeschlos-
Abb. 28 Leberläppchen (schematisch) – links aufgeschnitten
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sen werden, zur Peripherie der Leberläppchen und sammelt sich in den abführenden Gallengängen des Bindegewebes. Zwischen den Leberläppchen finden sich also nebeneinander die feinen Röhrchen von drei verschiedenen Kanalsystemen (Abb. 28). Die Leber hat viele Aufgaben und ist eines der unentbehrlichsten Körperorgane. Die folgenden Aufgaben wurden bereits genannt:
!!! Blutspeicher, | Abwrackplatz für verbrauchte rote Blutkörperchen, | Bildungsstätte der für die Fettverdauung bedeutsamen Galle, Speicher für Nährstoffe und Vitamine Ergänzend ist zu bemerken, dass die Galle neben Wasser, Schleim, Salzen, Cholesterin vor allem Gallensäuren und Gallenfarbstoffe enthält. Die Gallensäuren sind für die Förderung der Fettverdauung zuständig und werden größtenteils, nachdem sie den Transport der Fettspaltungsprodukte durch die Darmwand erleichtert haben, zur erneuten Verwendung über die Pfortader in die Leber gebracht. Die Gallenfarbstoffe (Bilirubin und Biliverdin) dagegen, die u. a. Eisen aus dem Abbau verbrauchter Erythrozyten enthalten, werden mit dem Kot ausgeschieden, der dadurch seine charakteristische Farbe erhält. |
Die Speicherfunktion der Leber ist besonders augenfällig beim Zucker, der über die Pfortader von den Darmwänden herangeführt wird. Die Leberzellen fügen zahlreiche Glukose-Moleküle zu Stärke-Molekülen zusammen und lagern diese ein. Diese tierische Stärke nennt man Glykogen. Bei Bedarf wird das Glykogen der Leber wieder zu Glukose abgebaut und diese dann zu den Muskelzellen und anderen Verbrauchsorten transportiert.
!!! Durch das Wechselspiel von Speicherung und Mobilisierung bleibt der Gehalt an Zucker im Blut, der so genannte Blutzuckerspiegel, ziemlich gleich, bei den Wiederkäuern beispielsweise bei 0,05 %. Dieses Wechselspiel wird von
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Hormonen gesteuert, deren Wirkung eng aufeinander abgestimmt ist. Sie werden von bestimmten Hormondrüsen gebildet und über das Blut zum jeweiligen Zielorgan gebracht. Bei der Einstellung des Blutzuckerspiegels sind vor allem zwei Hormone aus den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse beteiligt, das Insulin und das Glukagon, außerdem noch Hormone aus der Schilddrüse, aus der Nebennierenrinde und aus dem Hirnanhang. Das Insulin sorgt für die Speicherung von überschüssigem Zucker als Glykogen. Glukagon sorgt für die Umwandlung von Glykogen zu Glukose, wenn der Blutzuckerspiegel zu sinken droht. Die Leber ist auch an der Regulierung anderer Hormone mitbeteiligt. Von zahlreichen Hormonen werden Überschüsse in der Leber abgebaut. Die über die Pfortader herangeführten Aminosäuren werden zum Teil von der Leber über das Blut in die Muskeln und anderen Bedarfsorte weitergeleitet. Zum größten Teil werden sie aber schon in der Leber zu körpereigenen Proteinverbindungen zusammengesetzt. Vor allem die im Blutplasma schwimmenden wichtigsten Eiweißverbindungen (Globulin, Fibrinogen und Albumine) werden in der Leber aufgebaut. Die Speichermöglichkeiten für Eiweißverbindungen und Aminosäuren in der Leber sind bescheiden. Wenn die Glykogenspeicher der Leber voll sind und weiterhin überschüssige Zuckermengen vom Darm ankommen, sorgt die Leber für eine Umwandlung des Zuckers in Fett, das in den Fettdepots unter der Haut, zwischen den Eingeweiden und zwischen den Muskeln eingelagert wird. Solche überschüssigen und zu Fett zu verarbeiteten Zuckermengen können aus der Spaltung überzähliger Aminosäuren oder aus den von den Pansenwänden angelieferten Stoffwechselprodukten der Bakterien stammen (zu den biochemischen Zusammensetzungen s. auch Abschnitt 5.2.1).
!!! Die Leber bemüht sich also, Gleichgewichtsstörungen zwischen den verschiedenen Nährstoffen, die von einer unausgewogenen Fütterung verursacht werden, nach Möglichkeit aufzufangen.
2.8 Beim Abbau von Eiweißverbindungen in der Leber, beispielsweise von Hämoglobin aus den roten Blutkörperchen, entstehen neben Zucker auch Kohlendioxid und als stickstoffhaltiger Rest das Ammoniak NH3. Kohlendioxid und Ammoniak werden in der Leber zu Harnstoff oder Harnsäure zusammengebaut und an die Niere zum Ausfiltern weitergereicht. Auch bei der Entgiftung anderer schädlicher Zwischen- und Abbauprodukte des Stoffwechsels sowie von körperfremden Substanzen (z. B. Arzneimittelrückständen) wirken Leber und Niere zusammen.
2.8.10 Erkrankungen der Verdauungsorgane Um der Rentabilität willen werden von allen Haustieren hohe Leistungen gefordert. Diese können sie nur vollbringen, wenn sie gesund sind. Gesundheit bedeutet für die Verdauungsorgane, dass die biochemischen und biophysikalischen Vorgänge im Verdauungssystem, deren kompliziertes Ineinandergreifen in den vorausgegangenen Abschnitten dieses Buches beschrieben wurde, störungsfrei ablaufen. Auf Störungen im Verdauungssystem lassen folgende Beobachtungen schließen: Appetitlosigkeit – Abmagerung und struppiges Fell bei guter Fresslust – Erbrechen bei Schweinen, Geflügel oder Saugkälbern – ungewöhnlicher Speichelfluss – Aussetzen des Wiederkauens, Fehlen von Pansenbewegungen und Aufblähen des Bauches bei Wiederkäuern – Verstopfung oder Durchfall bei allen Tieren. Welche Ursachen diese Erscheinungen ausgelöst haben, muss von Fall zu Fall ergründet werden. Durchfälle beispielsweise können die Folge sein von Fütterungsfehlern (etwa durch zu viel Rübenblatt in der Ration oder übermäßige Aufnahme von Kraftfutter bei z. B. defektem Futterautomat), von Infektionskrankheiten (Kälberund Ferkelruhr, Kälberlähme, Milzbrand, Schweinepest, usw.), von Vergiftungen (durch Hahnenfuß, Düngemittel, unsachgemäß verabreichte Medikamente, Rattenbekämpfungsmittel), von tierischen Parasiten (Leberegel, Magen- und Darmwürmer usw.). Werden also Durchfälle beobachtet, muss man sich fragen, ob sie allein oder in Verbindung mit anderen Krankheitserscheinungen auftreten (außer den oben genann-
Bau und Arbeitsweise der Verdauungsorgane ten vielleicht Fieber, Krämpfe, Zittern oder andere Symptome). Landwirte mit langer Lebenserfahrung, scharfer Beobachtungsgabe und gutem Gedächtnis werden Krankheiten, die sie schon einmal im Stall erlebt haben, bei erneutem Auftreten wiedererkennen. Jüngere Landwirte müssen diese Erfahrung erst erwerben. Meistens wird ein Tierarzt hinzugezogen werden müssen, zumal verschiedene Infektionskrankheiten mit Symptomen an den Verdauungsorganen zu den anzeigepflichtigen Seuchen zählen (Schweinepest, Milzbrand, Salmonellose der Rinder). Wenn das Entweichen der Gärungsgase behindert ist und Wiederkäuer aufblähen (Tympanie), muss der Landwirt bis zum Eintreffen des Tierarztes erste Hilfe leisten können. Hat sich nach Aufnahme von angewelktem, verdorbenem, gefrorenem Futter oder von zu kaltem Wasser der Vormageneingang verlegt und deshalb, unter starker Vorwölbung des oberen Teils der linken Flanke mehr Gas als normal angesammelt, wird das Tier vorn hochgestellt und die Pansenregion an der linken Körperseite energisch massiert. Oder es wird zur Anregung des Rülpsens ein Strohseil ins Maul eingelegt. Führt diese Methode nicht zum Entweichen der Gase, empfiehlt sich die Einführung eines Schlundrohres oder einer Nasenschlundsonde. Diese Geräte sind eigens für die Behandlung beim Aufblähen konstruiert. Weitere Maßnahmen wie der Pansenstich sollten dem Tierarzt vorbehalten bleiben. Wenn sich nach dem Verfüttern (Beweiden) von jungem Klee oder von anderen Leguminosen eine schaumige Gärung entwickelt hat, wobei die Gärungsgase vom Schleim des zähflüssig gewordenen Panseninhalts festgehalten werden, helfen Schlundrohr und Trokar nicht. Hier besteht die erste Hilfe in der Eingabe von Antiblähmitteln, die den Schaum niederschlagen sollen. Wenn sie in der Stallapotheke nicht vorhanden sind, kann man es mit Schweineschmalz oder anderen Fetten bzw. mit Milch versuchen.
!!! Das Aufblähen der Wiederkäuer ist ein Beispiel für jene große Gruppe von Erkrankungen der Verdauungsorgane, die sich bei richtiger Fütterung und Haltung vermeiden lassen. Deshalb sollten sich die Landwirte vor allem um vorbeu-
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe gende Maßnahmen bemühen, denn im Allgemeinen ist Vorbeugen billiger als Heilen. Auf längere Sicht dürfte das sogar für die erheblichen Aufwendungen an Geld und Zeit gelten, die notwendig sind, wenn man die Lebensbedingungen für die Endoparasiten erschweren will: Trockenlegung nasser Weideflächen; Umzäunung offener Wassergräben, um Weidetieren den Zugang zu verwehren; Aufstellung von Weidenpumpen; Betonieren ständiger Schweine-, Schaf- und Kälberfressplätze. Die Jahr für Jahr in bestimmten Weidegebieten entstehenden wirtschaftlichen Verluste durch Endoparasiten gehen in die Millionen. Magen- und Darmwürmer werden durch mikroskopische Analysen von Kotproben nachgewiesen, Leberegel außerdem durch die Untersuchung der Leber geschlachteter Tiere. Wo die Trockenlegung nasser Weiden wegen fehlender Vorflut oder aus anderen Gründen nicht möglich ist, müssen die Parasiten regelmäßig nach einem Programm bekämpft werden, das sich am Entwicklungskreislauf der im Kot gefundenen Erreger richtet.
2.9 Die Haut 2.9.1
Aufbau und Aufgaben der Haut
Die Haut baut sich aus drei Schichten auf: aus Oberhaut, Lederhaut und Unterhautbindegewebe. In der Oberhaut kann man unter dem Mikroskop zwei Lagen von Zellen erkennen. Die oberste Lage, die Hornhaut, besteht aus verhornten, eingetrockneten, abgestorbenen Zellen, die als Schüppchen abgerieben und abgestoßen werden. Diese Zellen werden laufend ersetzt durch Nachschub aus der darunter liegenden Keimschicht, in der sich ständig Zellen teilen, vergrößern und wieder teilen. Die Keimschicht wird über zapfenförmige und mit Blutkapillaren gut ausgestattete Ausbuchtungen der Lederhaut, die Lederhautpapillen, ernährt. Das Kapillarsystem der Lederhaut versorgt auch die aus dieser Schicht sprossenden Fell- und Wollhaare und die sich hier ebenfalls befindlichen Schweiß- und Talgdrüsen. Ferner dienen die Kapillaren der Lederhaut als Blutspeicher (Abb. 29).
Abb. 29 Aufbau der Haut – rechts Hornhaut und Keimschicht abgetragen
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2.9 Die Haut Diese Aufgabe der Blutspeicherung ist eng mit einer weiteren Funktion der Haut verbunden, mit der Wärmeregulierung. An warmen Tagen erweitern sich die Blutkapillaren der Lederhaut und nehmen mehr Blut auf, so dass überschüssige Wärme, wie sie beim arbeitenden bzw. hochleistenden Tier entsteht, abgeleitet werden kann. An kalten Tagen ziehen sich die Kapillaren der Haut hingegen zusammen, die Wärmeableitung wird dadurch verringert. Pferde können wie Menschen schwitzen. Dabei verdunstet die von den Schweißdrüsen abgesonderte Flüssigkeit und entzieht der Haut Wärme. (Ein ähnlicher Abkühlungserfolg wird von den anderen Haustieren, die über wenig Schweißdrüsen verfügen, dadurch erzielt, dass sie die Ausatmung beschleunigen, also hecheln, und dabei mehr Wasser über die Atemluft verdunsten.) In kalten Regionen und Jahreszeiten wird der Wärmeschutz hauptsächlich vom Haarkleid bewirkt, genauer gesagt, von der zwischen den Haaren eingeschlossenen Luft. Dieser Effekt kann durch Aufrichtung der Haare verstärkt werden. Dafür sorgen Muskeln, die ansetzen an einer den Haarschaft einhüllenden und in der Haarwurzel endenden Röhre, am Haarbalg. Aus Anhängseln der Haarbälge, nämlich den Talgdrüsen, stammt ein Sekret, mit dem Haut und Haare eingefettet und dadurch mit einem wasser- und bakterienabweisenden Schutzfilm überzogen werden. Außerdem bewahrt der Talg die Haut vor Austrocknung und erhält sie geschmeidig. Das lockere Bindegewebe der Unterhaut dient zur Einlagerung von Fettreserven. Bei den Tieren mit schwacher Behaarung, etwa beim Schwein, übernimmt diese Fettschicht die Aufgabe, den Körper vor unerwünschter Abkühlung zu bewahren. Die Unterhaut bildet außerdem ein elastisches Polster zum Schutz der tiefer liegenden Muskeln, Sehnen und Knochen vor Stößen und anderen mechanischen Einwirkungen. Die äußere Haut geht an den Körperöffnungen über in die inneren Schleimhäute. An einigen Stellen des Körpers endigt die Haut in auffallenden Gebilden, an den Gliedmaßen in den Hufen oder Klauen, am Kopf der Wiederkäuer in den Hörnern. Bei diesen Organen ist die äußere Hornschicht sehr dick und hart, und die Lederhaut ist besonders gut durchblutet und mit Ner-
ven versorgt. Hierauf ist Rücksicht zu nehmen, wenn Kühen die Klauen geschnitten bzw. Kälber enthornt werden.
2.9.2
Beispiele für Erkrankungen der Haut
2
Bei der Tierbeurteilung wird auf eine elastische, gut verschiebbare, gut durchblutete Haut sowie auf ein (vom Talg) glänzendes, dichtes Haarkleid besonders geachtet. Von einer so charakterisierten gesunden Haut erwartet man, dass sie ihren vielfältigen Aufgaben gerecht wird. Das ist nur möglich, wenn die einzelnen Schichten der Haut und die verschiedenen Hilfsorgane, die Haare und die Hautdrüsen, ungestört zusammenarbeiten können. Verdreckte Hautpartien mit verstopften Drüsenöffnungen und entzündeter Haut können ihren Beitrag zur Erhaltung der Produktionsfähigkeit der Tiere nicht leisten. Deshalb wird empfohlen, Kühe in Anbindehaltung während der Stallperiode regelmäßig zu putzen. Das hat den praktischen Nebeneffekt, dass man auch aufmerksam auf eingeschleppte Krankheiten wird. Kühe im Laufstall sollten durch Bürstmaschinen die Möglichkeit erhalten, ihr Bedürfnis nach Scheuern, auch oben auf dem Rücken und am Schwanzansatz, zu befriedigen. Die Räude kann bei allen Haustieren auftreten. Sie wird durch verschiedene Arten von Milben hervorgerufen, 0,2 bis 0,5 mm großen spinnenähnlichen Parasiten, die durch ihr Saugen bei den Tieren einen starken Juckreiz hervorrufen. Die Grabmilben (der Sarkoptesräude) graben sogar Gänge in die Haut. Es bilden sich Schuppen, Borken, Krusten. Das Haar fällt aus. Wenn nichts unternommen wird, kann sich die Krankheit über den ganzen Körper ausbreiten und die Stallnachbarn befallen. Die ständige Unruhe führt zu Gewichtsabnahme, Leistungsabfall, in einzelnen Fällen zum Tode. Am verbreitetsten tritt sie bei Schweinen auf, denn für die als Grind, Schorf und Ruß bezeichneten Hautkrankheiten sind meistens auch die Räudemilben verantwortlich. Die Krankheit kann durch Abwaschen der befallenen Hautpartien mit geeigneten, vom Tierarzt vorgeschriebenen Räudemitteln bekämpft werden, bei Schweinen und Schafen durch ein entsprechend präpariertes Bad. Bei allen Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen und deren Milch
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
als Lebensmittel in den Verkehr gebracht wird, muss nach der Behandlung die entsprechende Wartezeit für Fleisch bzw. Milch eingehalten werden. Ställe, Putzzeug und anderes bei den Tieren benutztes Gerät sind zu desinfizieren (mit einer höheren Konzentration des am Tier verwendeten Insektizids oder mit 2-%iger Natronlauge). Allerdings werden dadurch die Milbeneier in der Regel nicht abgetötet. Die aus ihnen ausschlüpfenden Larven machen nach 7 oder 14 Tagen (je nach Milbenart) eine erneute Behandlung notwendig. Auch Zecken, Fliegen und Bremsen werden mit Insektiziden bekämpft. Sie verursachen zwar im Allgemeinen keine Hautschäden, können aber Krankheitserreger übertragen und wirken sich nachteilig auf Wohlbefinden, Futteraufnahme und Leistungen der Tiere aus. Bei allen Insektiziden gegen äußere Parasiten (Ektoparasiten) ist zu berücksichtigen, dass die Wirksamkeit dieser Präparate sehr unterschiedlich ist, dass häufiger Gebrauch des gleichen Mittels die Entwicklung resistenter Insektenstämme fördern kann und dass viele Mittel Rückstände im Fleisch von Schlachttieren und in der Milch hinterlassen. Deshalb sind oft lange Wartezeiten zu beachten. Viele Mittel sind nicht für die Behandlung milchgebender Kühe zugelassen. Die Beratung über die geeigneten Präparate erfolgt durch den Tierarzt. Die Kälber- oder Glatzflechte (Trichophytie) wird durch Pilze (Trichophyton-Arten) verursacht, deren Sporen auf der Oberhaut auskeimen, in die Haarfollikel und Haare einwachsen, so dass die betroffenen Haare abbrechen. Die Haut reagiert mit entzündlichen Prozessen, gefolgt von starker Schuppen- und Krustenbildung, die sich zu den bekannten markstückgroßen ineinander fließenden Flecken auswachsen. Bevorzugte Stellen sind der Kopf- und Halsbereich bei den 1–2jährigen Rindern, bei jungen Kälbern auch die Partie um die Maulöffnung. Nach 5–6 Monaten tritt häufig auch ohne Behandlung eine Spontanheilung ein. Da die Pilzerkrankung jedoch auch auf den Menschen übertragbar ist und dann teilweise recht langwierige Behandlungen notwendig werden. ist in Beständen mit starkem Befall eine Therapie der Tiere angezeigt (Antimykotika zur äußerlichen Anwendung und/oder Impfung der Tiere mit einer Trichophytie-Vakzine).
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Die Maul- und Klauenseuche ist eine hochinfektiöse, anzeigepflichtige Viruserkrankung, die alle Klauentiere befallen kann. Diese Krankheit wird durch eine sehr kurze Inkubationszeit (Zeit zwischen der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome) und durch eine rasche Seuchenausbreitung charakterisiert. Sie wird von Viren hervorgerufen, von denen zur Zeit 7 Unterarten bekannt sind (in Mitteleuropa überwiegend Typen O, C und A). An den Eintrittspforten der Viren, vor allem an der Zungen- und Maulschleimhaut sowie an den Klauen, bilden sich Blasen, die nach wenigen Tagen platzen. Wegen der damit verbundenen Schmerzen fressen die Tiere nur wenig. Euterentzündungen, Entartung des Herzmuskels und Fruchtbarkeitsstörungen können dem akuten Krankheitsgeschehen folgen. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit erkrankten Tieren, aber auch indirekt durch von infizierten Tieren stammenden Lebensmitteln, Futtermitteln oder Transportgeräten, oder auch auf dem Luftweg. Die Maul- und Klauenseuche verursachte noch vor 25 Jahren große wirtschaftliche Verluste, 1966 wurden in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern die jährliche Schutzimpfung aller über vier Monate alten Rinder gesetzlich vorgeschrieben. Da es aber trotz der jährlichen Schutzimpfung immer wieder zu sporadisch auftretenden MKS-Ausbrüchen gekommen ist, wurde die MKS-Verordnung europaweit seit Anfang 1992 geändert. Schutzimpfungen sind nun grundsätzlich verboten, können jedoch zur akuten Seuchenbekämpfung als Notmaßnahme zeitlich und örtlich begrenzt als Gebietsimpfung angeordnet werden. Durch den Abbau der innereuropäischen Grenzen und den umfangreichen internationalen Tierhandel auf der einen Seite, und durch Verschleppung des Erregers durch Personenverkehr oder durch illegale Einfuhr von Lebensmitteln auf der anderen Seite, ist das MKS-Risiko in Mitteleuropa jedoch wieder angestiegen. Bei den ersten Verdachtsmomenten muss die zuständige Behörde (Amtstierarzt oder Gemeindeverwaltung) informiert werden. Vom Amtstierarzt werden die notwendigen Maßnahmen, wie Tötung und unschädliche Beseitigung der Tiere, öffentliche Bekanntmachung des Seuchenausbruches, Erstellung von Schutzmaßnahmen für den Be-
2.10 Harn- und Geschlechtsorgane trieb bzw. Standort, Schutzregeln für den Sperrbezirk und das Beobachtungsgebiet, Schutzregeln bei Ausbruchsverdacht sowie Desinfektionsmaßregeln und Tiertransport angeordnet und überwacht.
2 2.10 Harn- und Geschlechtsorgane Die Harn- und Geschlechtsorgane entwickeln sich in enger Nachbarschaft aus dem mittleren Keimblatt, die Endabschnitte ihres jeweiligen Gangsystems auch aus dem äußeren Keimblatt. Während die Harnorgane für exkretorische (harnbeseitigende) Aufgaben zuständig sind, dienen die nach Geschlechtern unterschiedlich aufgebauten Geschlechtsorgane der Fortpflanzung.
Abb. 30 Flächenschnitt durch die Nierenmitte beim Schwein (nach Nickel/Schummer/Seiferle) A = Bindegewebskapsel B = Rindenschicht C = Markschicht a = Harnleiter b = Nierenbecken 1 = Nierenarterie und Nierenvene
2.10.1
fäßknäueln, um die sich kapselartig die Anfänge der Harnknäuel herumstülpen. Die Kapseln nennt man Nierenkörperchen (Nephron), von denen das Schwein z. B. etwa zwei Millionen besitzt. In ihnen wird das Blut zu Primärharn gefiltert. Diese Flüssigkeit entspricht dem Blutplasma ohne Eiweißverbindungen und Zellen (Die Serumproteine und auch die Blutkörperchen sind zu groß für die winzigen Poren der Blutgefäßknäuel). Die abführenden Harn- oder Nierenkanälchen haben zahlreiche Windungen und anschließend eine lange Haarnadelkurve, die so genannte Henle-Schleife, die ins Nierenmark hinein- und wieder herausführt (Abb. 31). Um die Nierenkanälchen schlängeln sich die aus den Nierenkörperchen heraustretenden Blutkapillaren herum und entziehen dem in den Kanälchen vorbeisickernden Primärharn wieder den größten Teil des Wassers, außerdem Zucker, Aminosäuren und andere brauchbare Stoffe. So kommt es, dass nur 1–2 % des Primärharns (bei reichlicher Wasserzufuhr bis 5 %) schließlich die Niere als endgültigen Harn verlassen. Für diese Rückgewinnung wird viel Energie gebraucht (während die Nieren nur etwa 1/200 des Körpergewichts einnehmen, verbrauchen sie doch 1/12 der gesamten Energie). Im endgültigen Harn der Säugetiere sind als wichtigste Stoffwechselprodukte Harnstoff (NH2)2CO, Hippursäure und Allantoin enthalten,
Nieren, Harnbildung und Harnausscheidung
Aufgabe der Nieren sind die Beseitigung körpereigener harnpflichtiger Stoffe und körperfremder Substanzen aus dem Blut sowie die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes des Körpers. Die beiden Nieren liegen, im Fettgewebe eingebettet, zwischen Zwerchfell und Lendenwirbelsäule in unmittelbarer Nähe der zentralen Blutgefäße des Körpers, der Aorta und der Hinteren Hohlvene. Dadurch wird ein ständiger großer Blutzufluss zu den Nieren gewährleistet. Die von der Aorta abzweigenden Nierenarterien dringen an der eingebuchteten Innenseite der Nieren ein. An der gleichen Stelle kommt die Nierenvene mit dem von den verschiedenen Stoffwechselendprodukten befreiten Blut heraus, ferner der Harnleiter, der die aus dem Blut herausgefilterten Stoffe abführt. Im Inneren der Niere lassen sich drei Bereiche unterscheiden: Hinter der Einund Ausmündung der erwähnten Kanäle das Nierenbecken, ein Hohlraum, in dem sich der Harn aus den einzelnen Nierenabteilungen sammelt, dahinter die graubraune, gestreifte Markschicht und außen die braunrote Rindenschicht von meistens körniger Struktur (Abb. 30). In der Rindenschicht enden die letzten und feinsten Verzweigungen der Nierenarterien in Blutge-
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe Abb. 31 Schema einer Ausscheidungseinheit
bei den Vögeln die Harnsäure. Außerdem geben die Nieren über den Harn wechselnde Mengen von Mineralstoffen ab. Dadurch tragen sie dazu bei, dass sich im Blut das Gleichgewicht zwischen Säuren und Basen nicht verschiebt und ständig ein pH-Wert von 7,4 aufrechterhalten wird. Da die Nieren auch körperfremde Substanzen aus dem Blut filtern, werden Schlachtproben dieses Organs zum Nachweis von z. B. Arzneimittelrückständen verwendet. Nach dem Rückgewinnungsabschnitt vereinigen sich die Nierenkanälchen zu Sammelröhren und münden in das Nierenbecken. Von hier gelangt der Harn über den zu jeder Niere gehörenden Harnleiter in die gemeinsame Harnblase. Hier wird der Harn gesammelt und von Zeit zu Zeit über die Harnröhre, die mit den Geschlechtsorganen verbunden ist, ausgeschieden. Dies geschieht willentlich. Bei den Vögeln wird der Harn
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in den Mastdarm entleert und mit dem Kot gemeinsam durch die Kloake hinausbefördert.
2.10.2 Männliche Geschlechtsorgane Zu den männlichen Geschlechtsorganen (Abb. 32) gehören die beiden Keimdrüsen (Hoden, Testes) mit den ableitenden Samenwegen und Anhangsdrüsen sowie das Paarungsorgan (Glied, Rute oder Penis). Die Hoden wandern mit ihren Versorgungsleitungen bei männlichen Kälbern noch vor der Geburt, bei Ferkeln oft erst nach der Geburt, in eine Ausstülpung der Bauchwand, in den Hodensack. Bei den Binnenebern ist ein Hoden unterwegs (manchmal auch beide) stecken geblieben. Derartige Tiere dürfen nicht für Zuchtzwecke aufgezogen werden, da es sich bei diesem Mangel vermutlich um einen erblichen Defekt handelt.
2.10 Harn- und Geschlechtsorgane Durch die hormonellen Veränderungen nach der operativen Entfernung der Hoden (Kastration) ändern sich Verhalten und Wachstum der Tiere. Bei kastrierten Eberferkeln beispielsweise entwickelt sich nicht der typische Ebergeruch. Werden männliche Schweine gemästet, bei deren Kastration nur ein Hoden entfernt wurde, ist das Fleisch häufig ungenießbar. Das Innere der Hoden ist in zahlreiche Läppchen aufgeteilt, in denen die Hodenkanälchen liegen (Abb. 32). Mit beginnender Geschlechtsreife – und ab dann kontinuierlich – verwandeln sich hier die Ursamenzellen in mehreren Schritten in die charakteristischen Samenzellen (Spermien), die aus Kopf, Mittelstück und Schwanz bestehen (s. Abb. 5). Diese gelangen dann in einen (je nach Tierart) 20 bis 90 m langen gewundenen Kanal, in den Nebenhoden (Epididymis). Hier erwerben die Spermien die Befruchtungsfähigkeit und werden bis zum Deckakt gespeichert. Während der Paarung werden die Samenzellen durch die Aktivität der glatten Muskelfasern in der Wand des Nebenhodens und des nachfolgenden
Samenleiters bis in die Harnröhre und in den anschließenden Penis befördert. Auf diesem Wege wird ihnen das Sekret der Prostata und der anderen Anhangsdrüsen (Ampullendrüsen, Samenblase und Bulbourethraldrüse) beigemischt. Dieses Sekret besteht aus Wasser, Schleim, Eiweißverbindungen, Fetten, Zucker und Mineralstoffen und verbessert die Beweglichkeit der Spermien. Diese Mischung aus Drüsensekret und Samenzellen bezeichnet man als Ejakulat. Bei Bullen und Schafböcken, bei denen der Begattungsvorgang weniger als eine Minute dauert, wird wenig Sekret beigemischt, und ein Ejakulat liefert nur wenige ml Samen (Bulle: 2–8 ml, Schafbock 0,7–2 ml). Die Eber mit ihrem länger andauernden Begattungsakt liefern ein wasserreiches Ejakulat (150–400 ml, je nach Alter der Tiere und Häufigkeit des Deckaktes). Von allen Haustierarten werden jeweils mehrere Milliarden Spermien bei der Paarung ausgeschieden. Die Harnröhre, der gemeinsame Ausführungsgang für Urin und Samen, wird von den Schwellkörpern umgeben. Das sind Kammern, in denen
Abb. 32 Schema der männlichen Geschlechtsorgane beim Rind
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
bei geschlechtlicher Erregung Blut gestaut wird. Dadurch streckt sich der Penis, der bei Bullen, Böcken und Ebern in der Ruhestellung S-förmig gekrümmt ist, und kann dann den Samen in die Scheide oder Gebärmuter der weiblichen Tiere befördern.
2.10.3 Weibliche Geschlechtsorgane In der Nähe der Nieren liegen die weiblichen Keimdrüsen, die beiden Eierstöcke (Ovarien). Ihnen schmiegen sich die Öffnungstrichter der zugehörigen Eileiter an, die zur Gebärmutter (Uterus) führen. Diese Organe werden zusammengehalten durch das breite Mutterband, das von der Wirbelsäule herunterreicht. Die Gebärmutter ist über die Scheide (Vagina) mit der Außenwelt verbunden. Man unterscheidet bei der Gebärmutter zwei Gebärmutterhörner, den paarig angelegten Eileitern entsprechend, und den Gebär-
mutterkörper. Dieser verengt sich dann zu einem von kräftigen Muskeln umgebenen Kanal, dem Gebärmutterhals (Zervix), der durch den Gebärmuttermund abgeschlossen wird. Dieser öffnet sich nur während der Paarung und zur Geburt. Hinter dem Gebärmuttermund beginnt die Scheide (bis zur Einmündung der Harnröhre). Dann folgt der Scheidenvorhof und außen die Scham (Vulva) (Abb. 33). Follikelreifung, Ovulation und Befruchtung | Von den vielen tausend schon im weiblichen Fötus angelegten Ureizellen eines Eierstockes gelangen nur wenige zur vollen Reife. Für diesen Zweck bilden sich mit jedem Zyklus im Inneren des Eierstocks Hohlräume aus, die mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt sind. Das sind die Follikel. An ihrer Innenseite entwickelt sich jeweils eine Ureizelle zu einem reifen Ei. Während dieser Phase beult der von innen drückende Fol-
Abb. 33 Schema der weiblichen Geschlechtsorgane und des Euters beim Rind
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2.10 Harn- und Geschlechtsorgane likel die Oberfläche des Eierstockes auf. Sobald sich in seinem Inneren das Ei von seiner Basis gelöst hat, platzt die Follikelwand, und das Ei wird in den Trichter des Eileiters gespült. Diesen Vorgang nennt man Follikelsprung (Ovulation). Wird dieses Ei nicht befruchtet, entwickeln sich nach einer Ruhepause andere Follikel weiter und nach 3–4 Wochen – je nach Tierart – platzt der nächste. Bei den Sauen und anderen mehrgebärenden Tieren verlassen zur gleichen Zeit mehrere reife Eier die Eierstöcke. In der leer gewordenen Follikelhöhle entwickelt sich nach der Ovulation eine hormonproduzierende Drüse, der so genannte Gelbkörper (Corpus luteum), der beim Rind Walnussgröße erreicht. Dieser Gelbkörper sorgt unter anderem dafür, dass während der Trächtigkeit keine weiteren Follikel reif werden. Wird die Eizelle nicht befruchtet, bildet sich der Gelbkörper innerhalb zweier Wochen zurück. Das in den Eileiter gelangte Ei wird dort durch Zusammenziehen (Kontraktionen) der Eileitermuskulatur langsam weiterbefördert. Wenn es hier nicht innerhalb von 10 bis 20 Stunden befruchtet wird, geht es zugrunde. Die Spermien müssen also durch die Gebärmutter bis in den Eileiter kommen, was vorwiegend durch Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur während der Paarung bewirkt wird. Sobald ein Spermium in die Eizelle eingedrungen ist, handelt es sich um ein befruchtetes Ei. Die Vorgänge, die während und nach der Ovulation im Zellinneren stattfinden (meiotische Teilung der Chromosomen), werden in Kap. 3.3.5 detailliert beschrieben. Das im Eileiter befruchtete Ei erreicht, unter mehrfachen Zellteilungen, seinen künftigen Einbettungsplatz in einem der Uterushörner, bei der Kuh nach 3–5 Tagen. Bei der Sau sind natürlich mehrere Eier beteiligt, die sich meistens in beiden Uterushörnern einrichten.
? Woher „wissen“ die Eierstöcke, wann sie mit der Follikelreifung beginnen, sie abstoppen oder mit ihr fortfahren sollten? Wie kommt es, dass die weiblichen Tiere nur zu der Zeit des Follikelsprungs paarungswillig (= brünstig) sind?
2.10.4 Die Steuerung der Geschlechtstätigkeit durch Hormone Wie viele andere Lebensäußerungen wird auch die Reifung und Tätigkeit der Geschlechtsorgane durch Hormone gesteuert. Diese übernehmen als chemische Botenstoffe die Informationsübertragung bei der Regulierung von Organfunktionen und Stoffwechselvorgängen. Sie werden in bestimmten Hormondrüsen (endokrinen Drüsen) gebildet und bei Bedarf ins Blut sezerniert, um so ihr Zielorgan, entweder eine andere Hormondrüse oder ein nicht endokrines Gewebe, z. B. Leber, Muskulatur, zu erreichen. Die Hormondrüsen ihrerseits werden von einem übergeordneten Zentrum gesteuert, von der Hypophyse, die eng mit einer benachbarten Verbindungsstelle zum zentralen Nervensystem zusammenarbeitet, mit dem Hypothalamus, der ein Teil des Zwischenhirns ist. Dieser empfängt auf Nervenbahnen Informationen von den Verarbeitungsbezirken des Gehirns für Sinnesreize. Es ist beispielsweise bekannt. dass die Paarungsbereitschaft bei Mutterschafen durch die abnehmende Tageslänge im Spätsommer angeregt wird. Im Hypothalamus werden so genannte Releaser (Freisetzungshormone) gebildet, von denen das GnRH (Gonadotropin-releasing hormone) für das Sexualgeschehen in beiden Geschlechtern zuständig ist. GnRH, das häufig auch noch als LHRH (Luteinizing hormone-releasing hormone) oder aber als Gonadoliberin bezeichnet wird, veranlasst den Vorderlappen der Hypophyse, die beiden gonadotropen Hormone, nämlich FSH (follikelstimulierendes Hormon oder Follitropin) und LH (luteinisierendes Hormon oder Lutropin) zu produzieren und ins Blut abzugeben (Abb. 34 und 35).
!!! FSH und LH leiten die Fortpflanzungsperiode ein. Sie geben in den männlichen und weiblichen Keimdrüsen (Gonaden) den Anstoß zur Vergrößerung dieser Organe und zur Ausbildung von reifen Keimzellen. Außerdem regen sie in bestimmten Bezirken der Keimdrüsen die Bildung der eigentlichen Geschlechtshormone an, die dann die weitere Entwicklung in den Geschlechtsorganen steuern.
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2
2
Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
+
-
Spermienbildung
Leydigzellen
Follikelreifung
Gelbkörper
-
männliches Anhang- sekundäre weibliches Sexualdrüsen männliche Sexualverhalten Geschlechts- verhalten (Libido) merkmale (Brunst)
+-
Ovulation
Wachstum MilchMilchbildung Ejektion Aufrechterhaltung der Laktation sekundäre weibliche Geschlechtsmerkmale
Wachstum und Sekretion von Vorbereitung der Uterinmilch Uterusschleimaus den haut Uterusdrüsen
-
Abb. 34 Hormonelles Steuerungssystem der Geschlechtstätigkeit. Nähere Erläuterungen dazu unter Einbeziehung weiterer Hormone anderer Hormondrüsen im Text (Kap. 2.10.4, 2.11.1–2.11.3). GnRH = Gonadotropin-releasing hormone; TRH = Thyrotropin-releasing hormone, wirkt stimulierend auf PRL; Dopamin, wirkt unterdrückend (inhibierend) auf PRL; FSH = follikelstimulierendes Hormon; LH = luteinisierendes Hormon; PRL = Prolaktin; OT = Oxytozin, im Hypothalamus gebildet, im Hypophysenhinterlappen gespeichert; T = Testosteron; E2 = Östradiol; P4 = Progesteron; PGF2 § = Prostaglandin F2 §
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2.10 Harn- und Geschlechtsorgane
2
Abb. 35 Schematische Übersicht über den Eierstockzyklus – ohne Befruchtung Die Hoden produzieren hauptsächlich große Mengen männlicher Sexualhormone (Androgene), jedoch auch kleine Mengen weiblicher Geschlechtshormone (Östrogene). Umgekehrt bilden die Eierstöcke außer Östrogenen auch kleine Mengen von Androgenen. Androgene, von denen das wichtigste das Testosteron ist, und Östrogene, von denen das Östradiol die Hauptrolle spielt, sind chemisch nahe miteinander verwandt. Sie gehören wie das Progesteron zur Gruppe der Steroide und werden im Körper aus der Vorstufe Cholesterin gebildet. Wenn wegen krankhafter Störungen des Hormonsystems weder Testosteron noch Östradiol überwiegen, bedeutet das für das betreffende Individuum meistens Zwitterbildung und Unfruchtbarkeit.
!!! Von den Aktivitäten des Testosterons sind zu nennen: | vor der Geschlechtsreife Wachstum und mit zunehmender Geschlechtsreife endgültige
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|
| |
Ausprägung primärer Geschlechtsmerkmale (Penis und Anhangdrüsen), Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale (z. B. Stiernacken und kurze, dicke Hörner der Bullen im Gegensatz zu den schlanken, geschwungenen Hörnern der Kühe), Einwirkung auf den Stoffwechsel (z. B. verstärkter Eiweißansatz bei Bullen und Ebern im Vergleich zu den entsprechenden Kastraten), neben FSH Mitwirkung bei der Spermienreifung, Aufrechterhaltung des Geschlechtstriebes (Libido).
Der auffallendste Unterschied der Geschlechtstätigkeit zeigt sich im Sexualverhalten: Männliche Tiere sind in der Regel nach der Reifezeit (Pubertät) ständig paarungsbereit, von leichten umweltbedingten Schwankungen abgesehen (Jahreszeit, Fütterung, Beanspruchung). Weibliche Tiere unterliegen einem zyklischen Geschehen
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
mit regelmäßigen Brunstpausen zwischen den Ovulationszeitpunkten.
!!! Dies kommt durch das zeitlich aufeinander abgestimmte Zusammenwirken der beiden Hypophysenhormone LH und FSH sowie des Östradiols aus dem Follikel und des Progesterons aus dem Gelbkörper zustande (Abb. 35). Östradiol sorgt ferner: | für die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, vor allem zusammen mit Progesteron und mit dem noch zu besprechenden Prolaktin, für Wachstum und Vorbereitung der Milchdrüse, | für eine Vermehrung der Fettdepots im allgemeinen Stoffwechsel, | für die Vorbereitung der Gebärmutter auf die Ernährung und Einbettung des befruchteten Eies (gemeinsam mit Progesteron). Erfolgt keine Befruchtung, bildet sich im Rahmen des Zyklusgeschehens die Uterusschleimhaut wieder zurück. Im Falle der Befruchtung verhindert Progesteron aus dem Gelbkörper weitere Ovulationen (Abb. 34) und unterbindet Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur, damit die Frucht nicht vorzeitig abgestoßen wird (bei vielen Tierarten – jedoch nicht beim Schwein – übernimmt später die Plazenta die Produktion von Progesteron). Eine steigende Konzentration von Progesteron im Blutplasma verhindert über verschiedene Zwischenschritte in Hypothalamus und Hypophyse die weitere Sekretion von Gonadotropinen aus der Hypophyse, so dass es zu keiner neuen Follikelreifung und Ovulation kommt. Das geregelte Ineinandergreifen der Aktionen der verschiedenen Hormone ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem es zu negativen und positiven Rückkopplungseffekten (Feedback) im Rahmen eines Regelkreises kommt (Abb. 34). Steigende Konzentrationen von Testosteron im Blut bewirken z. B. eine Drosselung des ReleasingHormons GnRH im Hypothalamus, es wird weniger LH aus der Hypophyse sezerniert, was dazu führt, dass die Leydig-Zellen im Hoden weniger Testosteron produzieren. Ähnliche Feedback-Mechanismen, die sowohl am Hypothalamus als
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auch an der Hypophyse wirken können, sind auch für die anderen Hormone bekannt. Beim Östradiol gibt es neben dem negativen Feedback auch eine positive Rückkopplung auf den Hypothalamus, der dafür sorgt, dass genügend LH für die Ovulation zur Verfügung steht. Neben den hier vorgestellten wichtigsten Hormonen sind noch eine Reihe weiterer Hormone und Faktoren an der Regulation der Geschlechtstätigkeit beteiligt; die genauen Zusammenhänge müssen teilweise noch erforscht werden. Als Beispiel seien hier aufgezählt: die Peptidhormone Inhibin und Aktivin aus den Gonaden, die die Sekretion von FSH beeinflussen, die Neuropeptide (z. B. endogene Opioide, Galanin, Substance P) und die Neurotransmitter (z. B. Dopamin) aus dem Zentralen Nervensystem. An der Rückbildung des Gelbkörpers nach unterbliebener Befruchtung ist das Prostaglandin PGF2 § beteiligt, vermutlich auch Oxytozin. Prostaglandine wurden zuerst in der Prostata männlicher Tiere entdeckt; sie kommen aber auch in vielen anderen Geweben vor und entfalten ihre Wirkung im engeren Umkreis ihres Bildungsortes. Sie zählen zu den so genannten Gewebshormonen, die lokal entweder auf die Bildungszelle selbst („autokrin“) oder auf benachbarte Zellen („parakrin“) wirken. Am Ende der Trächtigkeit bremsen Prostaglandine die weitere Produktion von Progesteron und ermöglichen damit die Einleitung der Geburtswehen.
2.10.5 Embryonalentwicklung Bis zur endgültigen Einnistung (Implantation) in der Gebärmutter vergehen noch einige Wochen, bei der Sau 1–2, bei der Kuh 3–4. Bis dahin hat sich die Frucht, ernährt durch die von der Schleimhaut der Gebärmutter abgesonderte Uterinmilch, zum Embryo vergrößert und entwickelt. Das heißt, im Anschluss an zahlreiche Zellteilungen erfolgte auch eine Differenzierung von Zellgruppen zu Vorstufen der Körperorgane; und es entfalteten sich die Embryonalhüllen (Eihäute): zuerst innen Amnion und außen Chorion, später die Allantois zwischen beiden, die unter Ausbildung von Höhlen mit den beiden anderen Häuten zum Allantoamnion und Allantochorion verschmilzt. Abb. 36 zeigt eine Mo-
2.10 Harn- und Geschlechtsorgane Abb. 36 Schema der Fruchthüllenbildung beim SäugerEmbryo (nach Zietschmann)
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mentaufnahme aus diesem Entwicklungsabschnitt. Die Allantois dehnt sich bei Wiederkäuern und Schweinen nicht vollständig bis zum Rücken des Embryos aus, so dass sich bei diesen Tieren nur ein Hohlraum befindet, die Amnionhöhle (Abb. 37a), von der der Embryo vollständig umschlossen ist. Während der anschließenden Einnistungsphase spielen die von der äußeren Fruchthülle, vom Allantochorion, herausgestülpten Chorionzotten
die Hauptrolle. Wie schon in Abschnitt 2.6.2 erwähnt wurde, halten sie sich in Vertiefungen (Krypten) der Gebärmutter fest und stellen einen intensiven Kontakt zur Gebärmutterschleimhaut her, ohne mit ihr zusammenzuwachsen. Diese Begegnungszone heißt Mutterkuchen (Plazenta) und übernimmt, anstelle der Uterinmilch, in steigendem Maße die Versorgung der Frucht. Wenn alle wichtigen Organsysteme angelegt sind, beim Rind nach ca. 6 Wochen, ist die Em-
Abb. 37a Plazentation des Rindes (Rinderfötus ca. 12 Wochen alt) (aus Rüsse/Sinowatz, 1991) 1 = Amnionhöhle; 2 = Allantoishöhle (hellrot); 3 = Chorion (dunkelrot); 4 = Dottersack; 5 = Uteruswand; 6 = Allantochorion; 7 = Allantoamnion; 8 = Amniochorion; 9 = Nabelschnur; 10 = Plazentom, bestehend aus maternaler Karunkel und fötalen Kotyledonen
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Abb. 37b Knopfförmiges Plazentom des Rindes (maternale Karunkel, grau; fötale Kotyledonen, rot)
bryonalperiode beendet, das entstehende Lebewesen wird nun als Fötus. bezeichnet. Bei dem 12 Wochen alten Rinderfötus in Abb. 37a sind die Gliedmaßen schon deutlich zu erkennen. Die Plazenta kann sehr verschiedene Formen annehmen: Bei Schweinen sind zahlreiche kleine Zotten über das ganze Chorion verstreut. Bei Wiederkäuern vereinigen sich die fötalen Zotten (hier Kotyledonen genannt) und die mütterlichen Karunkeln gruppenweise in bestimmten Bezirken zu Plazentomen, deren charakterische Form in Abb. 37b zu erkennen ist.
2.10.6
Infektiös bedingte Fruchtbarkeitsstörungen
Bei den Störungen der Fruchtbarkeit muss man zwischen den ansteckenden, also durch Infektion verursachten, und den nicht ansteckenden unterscheiden. In den letzten Jahrzehnten sind dank energischer Bekämpfungsmaßnahmen, teilweise auch dank der künstlichen Besamung, die seuchenhaften Fruchtbarkeitsstörungen bei den Rindern in der Bundesrepublik zurückgegangen. Dagegen breiten sich die nicht ansteckenden Fruchtbarkeitsstörungen noch aus. In weiten Bereichen unseres Landes werden die Herdbuchkühe im Durchschnitt nicht älter als fünf Jahre. Viele Kühe scheiden vor ihrer Höchstleistung aus den Betrieben aus, weil sie nicht wieder trächtig geworden sind. Häufige Symptome sind unregelmäßige oder ausgebliebene Brunst, Umrindern oder Dauerbrunst. Dafür sind u. a. Fehlsteuerungen und Unstimmigkeiten im Hormonsystem
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verantwortlich, die sich zum Teil auf Fütterungsund Haltungsfehler zurückführen lassen. Von diesen Ursachen wird noch zu sprechen sein (s. 7.3.1.2, 7.4.2). Eine hierzulande selten gewordene, aber wegen ihrer wirtschaftlichen Konsequenzen und wegen der Übertragungsgefahr auf den Menschen weiterhin zu fürchtende und deshalb anzeigepflichtige Seuche ist die Brucellose (Bang’sche Krankheit). Diese von Bakterien aus der Gattung der Brucellen hervorgerufene Krankheit wird dadurch charakterisiert, dass trächtige Kühe, Sauen oder Schafe, Ziegen in der zweiten Trächtigkeitshälfte verwerfen. Wegen des Zurückbleibens der Nachgeburt und wegen der Gebärmutterentzündung kommt es häufig zur Unfruchtbarkeit und niedriger Milchleistung. Wurden die Tiere geheilt und wieder gedeckt, dann verläuft die nächste Trächtigkeit im Allgemeinen normal. Diese Tiere, infiziert und wieder genesen, werden zu Dauerausscheidern, die die Erreger mit der Milch und mit dem Harn ausscheiden, so dass die neu hinzukommenden Jahrgänge von Färsen, Jungsauen oder Jährlingen wieder verwerfen. Dadurch summieren sich in einem chronisch verseuchten Bestand die wirtschaftlichen Schäden. Die Krankheit kann auch beim Deckakt übertragen werden und bei männlichen Tieren zu schmerzhaften Hodenschwellungen sowie zur Unfruchtbarkeit führen. Durch sorglosen Umgang mit den vorzeitig abgegangenen Früchten (Föten) und Fruchthüllen, durch das Deckgeschäft, oder durch Kontakte auf benachbarten Weiden kann die Krankheit weiterverbreitet werden. Gegenwärtig werden zur Erhalten der Seuchenfreiheit in regelmäßigen Zeitabständen aus der gelieferten Milch Proben entnommen und untersucht. Werden dabei Brucellen gefunden, leiten die Amtstierärzte in den verdächtigen Beständen Blutuntersuchungen ein. Bei der Ammenkuhhaltung wird durch regelmäßig angeordnete Blutproben aller über zwei Jahre alten Zuchttiere im Abstand von zwei Jahren die Seuchenfreiheit überprüft. In der Schaf- und Ziegenhaltung werden derzeit in Deutschland 5 % des Gesamtzuchttierbestandes (weibliche Zuchttiere und Zuchtböcke) über jährliche Blutproben untersucht. Dabei wird die Auswahl des Betriebes und die Anzahl der Tiere von den Veterinärämtern bestimmt.
2.10 Harn- und Geschlechtsorgane Die anzeigenpflichtige Trichomonadenseuche unterscheidet sich von der Brucellose dadurch, dass sie nur beim Rind auftritt und schon in der ersten Trächtigkeitshälfte zum Verkalben führt. Der Erreger (Trichomonas fetus) gehört zu den Flagellaten (Einzeller mit einer oder mehreren Geißeln). Die Infektion weiblicher Rinder erfolgt über den Deckakt oder bei der Besamung mit infiziertem Sperma. Nach vaginaler Infektion vermehren sich die Erreger auf der Scheidenschleimhaut. Von dort aus erfolgt die Besiedlung des Uterus. Die Symptome und der Verlauf einer Trichomonadeninfektion hängen von der individuellen natürlichen Resistenz und der spezifischen Immunität des Tieres (s. auch Kap. 2.12) ab. Sie können mit einer eitrigen Scheidenentzündung (Vulvovaginitis), Aborten zwischen der 7. und 14. Trächtigkeitswoche, eitriger Gebärmutterentzündung (Pyometra) und Sterilität einhergehen. Wenn sich Fälle von Umrindern in Herden mit Deckbulleneinsatz häufen, sollte zur Prüfung des Trichomonadenverdachts ein Tierarzt hinzugezogen werden. Beim Bullen findet man den Erreger vor allem in der Schleimhaut des Penis und der benachbarten Abschnitte des Präputiums (Penisvorhaut). Die anzeigenpflichtige Vibrionenseuche des Rindes (Campylobacteriosis genitalis) ist eine weltweit verbreitete bakterielle Infektion der Geschlechtsorgane. Aufgrund ihres klinischen Verlaufs werden zwei Formen unterschieden. Zu nennen ist zum einen die enzootische Sterilität als Folge einer Deck- oder Besamungsinfektion (gehäuftes Umrindern, verlängerte Brunstintervalle) und zum anderen sporadisch auftretende Aborte (4. bis 6. Trächtigkeitsmonat), die als Einzelinfektion kein Risiko zur seuchenartigen Ausbreitung darstellen. Da der Erreger im tiefgefrorenen Sperma nicht abgetötet wird, kann eine Infektion auch nach künstlicher Befruchtung auftreten. Bei weiblichen Tieren ist die Campylobacteriosis zwar günstig zu beurteilen, die gebildete Immunität hält jedoch nur kurzfristig. Eine effektive Unterbrechung der Infektionskette ist daher nur durch die Besamung mit Sperma von erregernegativen Bullen erfolgversprechend. Dies setzt eine sorgfältige Überwachung sämtlicher Vatertiere auf den Besamungsstationen voraus. Der Bläschenausschlag bei Rindern wird verursacht durch BHV1 (Bovines Herpes-Virus Typ 1).
Diese anzeigepflichtige Seuche tritt in mehreren Formen auf. Entweder als IBR (Infektiöse Bovine Rhinotracheitis), das heißt Flotzmaul, Nase und Luftröhre entzünden sich, in schweren Fällen auch die Lunge. Oder als IPV (Infektiöse Pustuläre Vulvovaginitis). Hierbei bilden sich an den äußeren Geschlechtsorganen Bläschen, die eitern, platzen und zu Geschwüren führen können. Die meisten Tiere überstehen diese Krankheitsformen, aber sie bleiben noch sehr lange ansteckungsfähig. Noch 4–8 Wochen nach der Genesung können Kühe verkalben. Wegen der erheblichen wirtschaftlichen Verluste und wegen der in letzter Zeit auf dem Zucht- und Exportmarkt immer stärker werdenden Nachfrage nach BHV1-freien Tieren bzw. von Tieren aus BHV1-freien Beständen wird allen Rinderhaltern dringend empfohlen, sich an einem Bestandssanierungsprogramm zu beteiligen. Dieses ist in der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 vom 3.11.04 sowie in den jeweiligen Richtlinien der einzelnen Bundesländer zur Umsetzung der BHV1-Verordnung geregelt. Bei Rindern, die sich mit dem Feldvirus BHV1 auseinandergesetzt und die Krankheit überstanden haben, lassen sich durch blutserologische Untersuchungen Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des BHV1 nachweisen. Ein BHV1-freies Tier muss dementsprechend gE-negativ sein und/oder aus einem BHV1-freien Bestand stammen. Der Bestand ist dann BHV1-frei, wenn keine klinischen Erscheinungen der Erkrankung vorliegen und sämtliche über 9 Monate alten Rinder bei einer zweimaligen blutserologischen Untersuchung im Abstand von 5–7 Monaten gE-negativ sind. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Tierbestand auch als BHV1-frei bezeichnet werden, wenn die Tiere mit einem konventionellen Impfstoff und/oder mit einem Markerimpfstoff (der gEfreie Antikörper hinterlässt) geimpft worden sind. Der Status der BHV1-Freiheit eines Rinderbestandes wird danach durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen (alle über 24 Monate alte Zuchtrinder und -bullen im Abstand von maximal 12 Monaten) überwacht. Über die im Einzelfall jeweils sinnvollste Art der Bestandssanierung können sich die Tierhalter von ihrem Hoftierarzt, dem Amtstierarzt, den Landwirtschaftskammern bzw. Landesämtern sowie den Zuchtverbänden und Besamungsstationen beraten lassen.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Im Falle eines Krankheitsausbruchs durch den anzeigepflichtigen BHV1-Erreger können nach der genannten BHV1-Verordnung neben der Sperre des betroffenen Betriebes und der eventuellen Tötung betroffener Rinder auch Sperrbezirke eingerichtet werden, in denen sowohl die Impfung des gesamten Bestandes mit dem Markerimpfstoff angeordnet als auch restriktive Regeln für den Tierverkehr aufgestellt werden können.
!!! Zum Bekämpfungsplan bei allen Deckinfektionen gehören: | Vorsicht beim Zukauf aus unbekannten Beständen, | mehrwöchige isolierte Aufstallung (Quarantäne) zugekaufter Tiere, | Isolierung der eigenen verwerfenden Muttertiere, | gründliche Reinigung und Desinfektion des Standplatzes, des Geräts und der Hände, | penible Beachtung der tierärztlichen Vorschriften.
2.11 Die Milchdrüse Die Milchdrüse als gemeinsames Merkmal aller Säugetiere dient der Milchbildung für die Ernährung der Jungtiere nach der Geburt. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte haben der steigende Bedarf nach Milch als Lebensmittel und die wirtschaftlichen Erfordernisse für eine gesteigerte Milchleistung je Kuh dazu geführt, dass insbesondere das Rind und dessen Euterausformung und Stoffwechselleistung durch ausgewählte Zuchtverfahren so verändert wurden, wie wir sie von den heutigen Hochleistungskühen der intensiven Milchviehhaltung kennen. Daher wird im folgenden Kapitel das Rindereuter exemplarisch für alle Milchdrüsen dargestellt sowie auf physiologisch relevante Zusammenhänge zur Melktechnik hingewiesen (zum technischen Teil der Milchgewinnung s. auch Kap. 7.3.3).
2.11.1 Entwicklung, Aufbau und Funktion der Milchdrüse Die grobe Anatomie der Milchdrüse unserer Haussäugetiere variiert beträchtlich, die mikroskopische Struktur der funktionellen Einheiten
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ist hingegen sehr ähnlich. Das Euter des Rindes besteht aus vier Milchdrüsenkomplexen (Vierteln) mit je einem Drüsenkörper und einer Zitze. Schafe, Ziegen und Pferde besitzen jeweils nur zwei Hälften, die Gesäugeleiste der Sauen weist ca. 10–18 Milchdrüsenkomplexe auf (Zuchtselektion: mind. 7 pro Körperseite). Euterentwicklung (Mammogenese) | Bei der Geburt besitzen Kuhkälber bereits ein Euter mit vier getrennten Drüsenkomplexen und dem Ligament, mit Zitzen und Drüsenzisternen. Aber die milchbildenden und abführenden Teile sind noch wenig entwickelt. Nach dem Eintritt in die Geschlechtsreife, das heißt durch die zyklische Hormonausschüttung der Eierstöcke, beginnt ein rascheres Wachstum des Milchdrüsengewebes, wobei es sich hierbei vorwiegend um die Ausbildung der Milchgänge handelt. Der größte Teil des eigentlichen milchproduzierenden Gewebes wird erst im Verlauf der ersten Trächtigkeit angelegt und weiter differenziert. Während jeder weiteren Trächtigkeit findet ein erneuter intensiver Ab- und Aufbau von Eutergewebe statt. Außer den Eierstockhormonen (Östrogen und Progesteron) sind auch Prolaktin aus der Hypophyse (s. auch Abb. 34) und verschiedene andere Hormone (plazentäres Laktogen, Wachstumshormon, IGF-1) für den Auf- und Umbau der Milchdrüse verantwortlich. Aufbau und Funktion | Das Euter im Ganzen und die einzelnen Viertel werden von Häuten aus elastischem oder sehnigem Bindegewebe zusammengehalten, die mit der gelben Bauchhaut verbunden sind. Während die beiden Euterhälften durch ein bindegewebiges Aufhängeband (Ligament) völlig voneinander getrennt sind, ist die Trennung zwischen dem seitengleichen Vorderund Hinterviertel nicht so eindeutig zu erkennen. Jeder der vier Milchdrüsenkomplexe ist jedoch funktionell eigenständig. Auch im Innern der Drüsenkörper bildet ein Gerüst aus Bindegewebe die Grundstruktur. In ihm verlaufen die versorgenden Blut- und Lymphgefäße sowie die Nervenleitungen. In dem Bindegewebsgerüst der Euterviertel wird mit fortschreitender Trächtigkeit ein ausgedehntes System mit einer Vielzahl an Drüsenbläschen (Alveolen) aufgebaut, in deren Epithelzellen die Milchbildung stattfindet (Abb. 38). Diese Alveolen werden von Blutkapillaren, den letzten Ver-
2.11 zweigungen der in das Euter hineinführenden Arterien, umsponnen. Das aus dem Kapillarsystem der Alveolen abgeführte Blut sammelt sich in den Venen, deren Netz außen durch die Euterhaut hindurch schimmert, und die unter dem Bauch als so genannte „Milchadern“ deutlich sichtbar und fühlbar sind. Für die Bildung von einem Liter Milch müssen ca. 500 Liter Blut mit den für die Synthese der Milchbestandteile notwendigen Baustoffen durch das Euter fließen. Nicht nur die absolute Blutmenge spielt dabei eine Rolle, sondern auch die Fließgeschwindigkeit, da für den Nährstoffaustausch in den Kapillaren ausreichende Zeit benötigt wird.
Die Milchdrüse
Besonders ausgebildete Korbzellen, so genannte Myoepithelzellen, die die Milchalveolen netzartig umspannen, ziehen sich unter bestimmten Bedingungen zusammen und pressen so die im Hohlraum der Alveolen gespeicherte Milch in das gemeinsame Milchkanälchen einer Gruppe von Alveolen, die zusammen ein Drüsenläppchen bilden. Die Milchkanäle mehrerer Drüsenläppchen vereinigen sich zu größeren Milchgängen, die schließlich in einer Kammer münden, der Milchzisterne, die sich in einen Drüsenteil und einen Zitzenteil gliedert. Die Zitzenzisterne ist über den ca. 8–12 mm langen Zitzenkanal mit der Außenwelt verbunden (Abb. 38).
Abb. 38 Schematischer Aufbau des Euters beim Rind (aus: Efficient milking, 2001, mit freundlicher Genehmigung von DeLaval International AB, Schweden)
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Die Einschnürung zwischen beiden Zisternenteilen, der Fürstenbergsche Venenring, enthält glatte Muskelfasern, die ebenso wie die glatten Muskelfasern der Milchkanäle und -gänge den Milchfluss regulieren. Die aufgeraute Struktur am Übergang zwischen Zitzenzisterne und Zitzenkanal wird als Fürstenbergsche Rosette bezeichnet, die möglicherweise Bedeutung für die lokale Immunabwehr des Euters hat. Der Zitzenkanal ist mit einem verhornenden Plattenepithel versehen, das zwischen den Melkungen Keratin zum Schutz gegen Bakterien produziert. Die Zitzenkanalmündung wird durch einen Schließmuskel kontrolliert, dessen Widerstand durch den Saug- oder Melkakt überwunden werden muss. Zwischen den Melkungen ist der Zitzenkanal verschlossen und stellt damit eine Barriere gegen das Eindringen von Infektionserregern in das Euter dar. Die zwischen dem Saugen der Kälber oder den Melkungen fortlaufend gebildete Milch wird zunächst im Alveolarlumen und in den kleinsten Milchkanälchen, mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur letzten Melkung dann auch in den größeren Milchgängen und den beiden Zisternenteilen gespeichert. Kurz vor der nächsten Melkung liegen ca. 20 % der vorhandenen Milch im Zisternenbereich und 80 % der Milch im Alveolarbereich vor. Allerdings gibt es hier große spezies- und tierindividuelle Unterschiede, und Melkintervall und Laktationsstadium spielen ebenfalls eine Rolle. Dieser Sachverhalt ist wichtig für die Melkroutine und die Milchentleerung (s. Kap. 2.11.3).
2.11.2 Milchbildung und Aufrechterhaltung der Laktation Während des Aufbaus der Milchdrüse gegen Ende der Trächtigkeit produzieren die Alveolen schon etwas kolostrumähnliches Sekret; die eigentliche Milchsynthese und -sekretion setzt bei den Wiederkäuern und beim Schwein jedoch erst pünktlich mit der Geburt ein. Für diese Präzisionsleistung ist das Zusammenspiel einer Reihe von Hormonen verantwortlich. Prolaktin (aus der Hypophyse) und Glukokortikoide (aus der Nebennierenrinde) setzen die Milchbildung in den Alveolen in Gang. Diesen Vorgang nennt man Laktogenese. Diese Hormone können je-
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doch erst dann wirksam werden, wenn 2–4 Tage vor der Geburt der Trächtigkeitsgelbkörper abgebaut wird (Luteolyse) und damit der Blutspiegel für Progesteron stark absinkt. Davor sorgt Progesteron – zumindest gegen Ende der Trächtigkeit – dafür, dass die Empfindlichkeit der Alveolen für Glukokortikoide herabgesetzt ist; dies verhindert die vorzeitige Milchsekretion. Für die Aufrechterhaltung der Laktation (Galaktopoese) sind vor allem das hypophysäre Wachstumshormon (STH), die Schilddrüsenhormone (Thyroxin und Triiodthyronin) und das Pankreashormon Insulin zu nennen. Sie sind der Motor für die Stoffwechselleistung und sichern die notwendige Nährstoffverteilung zwischen Milchdrüse und den übrigen Geweben. Das „Milchbildungshormon“ Prolaktin spielt hingegen beim Rind für das Aufrechterhalten der Laktation, wenn sie erst einmal in Gang gekommen ist, keine allzu große Rolle mehr. Der Verlauf der Laktation und der Zeitpunkt für das Versiegen der Milch vor der nächsten Kalbung ist ursprünglich an die Nährstoffbedürfnisse des mit Milch zu versorgenden vorherigen Kalbes und an das fötale Wachstum des neuen Kalbes angepasst. Bei erfolgreicher Wiederbelegung geht die Milchleistung mit fortschreitender Trächtigkeit deutlich zurück, während bei Kühen, die nicht wieder trächtig werden, die Laktationskurve langsamer abfällt. Die hormonellen Zusammenhänge hierfür sind noch nicht vollständig geklärt, entgegen früherer Diskussionen ist Progesteron des Trächtigkeitsgelbkörpers jedoch für die Verringerung der Milchmenge nicht direkt verantwortlich. Die züchterischen und fütterungstechnischen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Laktationskurve werden in Kap. 4 und 7.3 ausführlicher dargestellt. Zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen muss das Euter regelmäßig entleert werden, um die Laktation in Gang zu halten. Im Laufe eines Tages erfolgt die Milchbildung ständig, wenn auch nicht mit gleicher Stärke. Wenn die Milchzisterne und die Milchgänge nach dem Melken leer sind, geht die Milchsekretion rascher vonstatten als gegen Ende der Zwischenmelkzeit. Denn in dem Maße, in dem sich in den Hohlräumen des Drüsengewebes Milch ansammelt, verstärkt sich der Druck in den Alveolen und Milchgängen. Gleichzeitig wird der
2.11 Blutfluss zum Drüsengewebe und damit die Nährstoffzufuhr vermindert. Das führt dazu, dass die Milchbildung aufhört. Neuere Forschung vermutet zusätzlich lokale Faktoren (z. B. ein Protein „Feedback inhibitor of lactation“, FIL), die von den Alveolarepithelzellen selbst gebildet werden und bei steigender Konzentration hemmend auf die Milchbildung wirken. Wird hingegen durch häufigeres Entleeren des Euters dieser Faktor mit der Milch entfernt, setzt sich die Milchsynthese fort. Die genannten Zusammenhänge erklären auch, warum durch häufigeres als das übliche zweimalig tägliche Melken mehr Milch pro Zeiteinheit gewonnen werden kann. Große Milchviehbetriebe mit entsprechendem Personalbestand können sich diese Tatsache mit 3–4 Melkschichten pro Tag zunutze machen. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz automatischer Melksysteme, bei denen die Kühe im Schnitt 2–4 × pro Tag gemolken werden – je nach gewähltem Managementverfahren. Sinkt die tägliche Milchleistung wegen einer Erkrankung oder wegen Fütterungsmängeln ab, dann erreicht sie nach Beseitigung der Ursache für den Milchabfall nicht wieder die alte Höhe; denn ein Teil der „arbeitslos“ gewordenen Alveolen wurde inzwischen abgebaut und nicht mehr ersetzt. In der Zeit zwischen Trockenstellen und nächster Kalbung wird wieder neues, und vermutlich mehr Drüsengewebe gebildet und das Euter auf die nächste Laktation vorbereitet. Diese beginnt jedenfalls auf einem höheren Niveau, und die höchste Milchleistung wird erst bei der 4. bis 6. Laktation erzielt. Dann fällt sie allmählich wieder ab. Die oben genannten Auswirkungen des Druckanstiegs und der verminderten Blutzufuhr auf die Milchsekretion helfen auch beim Trockenstellen eutergesunder Kühe, die noch relativ hohe Milchleistungen haben. Man stellt sie mit einem Mal trocken. Die nach dem letzten Melken noch gebildete und nicht mehr entleerte Milch wird vom Euter resorbiert.
2.11.3
Milchejektion und Milchentleerung
Wie in Kapitel 2.11.1 genannt, befindet sich die vor dem Melken vorhandene Milch zu einem
Die Milchdrüse
kleinen Anteil im Zisternenbereich, zum größeren Anteil im Alveolarbereich. Während die Zisternenmilch direkt ermolken werden kann, nachdem der Widerstand des Zitzenschließmuskels überwunden wurde, steht die Alveolarmilch nicht sofort zur Verfügung. Sie muss zunächst in die Zisterne gelangen, um für die Melkmaschine zugänglich zu sein. Dieser Vorgang, der mit einem heftigen Einschießen der Milch in die Zisterne einher geht, wird Milchejektion genannt. Die Milchejektion wird durch den unbewusst ablaufenden neurohormonalen Milchejektionsreflex ausgelöst. Die vorbereitende Massage des Euters und insbesondere der Zitzenspitze durch das Kalb, den Melker („Anrüsten“) oder die Melkmaschine stimuliert Nervenrezeptoren in der Zitzenhaut. Der taktile Reiz wird über das Rückenmark an das Gehirn weitergegeben. Das Hormon Oxytozin (OT), im Hypothalamus gebildet und im Hypophysenhinterlappen gespeichert (s. auch Abb. 34), wird daraufhin freigesetzt und gelangt über den Blutweg zum Euter. Oxytozin, auch als Wehenhormon bekannt (es bewirkt die Kontraktion der Uterusmuskulatur unter der Geburt), sorgt während der Milchejektion dafür, dass sich die Korbzellen der Alveolen und die glatten Muskelfasern der kleinen Milchgänge zusammenziehen. Auf diese Weise wird die Milch in die größeren Gänge und in die Zisterne gedrückt, die Milch „schießt“ ein, was an den deutlich prallen Zitzen zu erkennen ist. Die Zeit zwischen Stimulationsbeginn und Einschießen der Milch beträgt ca. 60–90 Sek., kann jedoch auch länger dauern, wenn gegen Ende der Laktation oder bei kurzen Melkintervallen die Alveolen mit weniger Milch gefüllt sind. Oxytozin ist zwar in ausreichender Menge vorhanden, aber die Kontraktion der Myoepithelzellen ist verzögert. Für die Melkroutine bedeutet eine gute Vorstimulation bessere Melkzeughaftung, höherer Milchfluss mit kürzerer Melkzeit und geringerem Nachgemelk. Ob diese durch die Melkerhand oder durch die Melkmaschine erfolgt, ist von zweitrangiger Bedeutung. Wesentlich ist, dass die Milchejektion stattgefunden hat, ehe die direkt gewinnbare Zisternenmilch abgemolken ist, da es sonst schon zu Melkbeginn zum Blindmelken mit seinen unerwünschten Folgeerscheinungen kommen kann (Zitzenbelastung, verringerter
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Milchfluss, größerer Restmilchanteil). Andererseits darf nicht zu viel Zeit zwischen Anrüsten und Ansetzen der Melkbecher verstreichen. In diesem Fall ist die erste Milchejektion schon erfolgt, ehe die Zisternenmilch abgemolken wurde und es steht nicht genügend Platz für die nachströmende Alveolarfraktion bereit. Ein Teil der Alveolen verbleibt halbgefüllt, was ihre Kontraktion bei der nächsten Milchejektion erschwert und den Melkprozess verzögert. Um das Euter vollständig zu entleeren, ist eine kontinuierliche Oxytozinfreisetzung über die gesamte Melkdauer notwendig, was durch die fortlaufende Stimulation der rhythmisch pulsierenden Melkzeuge gewährleistet wird. Es gibt also keine zeitliche Begrenzung per se für die Melkbereitschaft der Kuh. Eine gewisse Milchmenge (Residualmilch) verbleibt jedoch immer im Euter. Wenn der Milchfluss beendet ist, sollte das Melkzeug konsequent abgenommen werden. Werden die Kühe vor und während dem Melken erschreckt oder misshandelt, dann „ziehen sie die Milch auf“. Adrenalin bewirkt peripher ein Zusammenziehen der abführenden Milchgänge, so dass der Milchabfluss unterbrochen wird. Wie die Hemmung der Oxytozinfreisetzung im Gehirn und damit das Ausbleiben der Milchejektion beeinflusst wird, ist noch nicht vollständig geklärt. Wesentlich für die praktische Milchviehhaltung ist jedoch, sämtliche Stressmomente während des Melkens zu vermeiden, um einen vollständigen Milchentzug zu gewährleisten. Fremde Umgebung, Stress durch den Geburtsvorgang, Rangkämpfe in der Herde können insbesondere bei Färsen zur so genannten Milchblockade führen. Diese lässt sich in einem Teil der Fälle durch eine zeitlich begrenzte Oxytozininjektion vor dem Melken beheben. Da jedoch durch einen längerfristigen Oxytozineinsatz die Empfindlichkeit der Myoepithelzellen auf das tiereigene Oxytozin herabgesetzt wird, kommt es zur „Gewöhnung“ des Eutergewebes, und nach Absetzen des Präparates ist die spontan gewinnbare Milchmenge deutlich verringert. Deshalb sollte der Einsatz von Oxytozin sorgfältig überdacht und auf Einzelfälle beschränkt bleiben.
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2.11.4
Synthese der Milchbestandteile
In der Zusammensetzung der Milch gibt es von Tierart zu Tierart erhebliche Unterschiede (Tab. 3). Auch beim einzelnen Tier verändert sich der Anteil der verschiedenen Inhaltsstoffe der Milch im Lauf der Laktation, manchmal sogar – mit unerwünschten Auswirkungen auf die Kälber oder Ferkel – im Lauf eines Tages.
!!! Die Biestmilch (das Kolostrum) ist bei allen Tieren ärmer an Wasser und reicher an Eiweißstoffen, Salzen und Vitaminen. Von den Eiweißverbindungen sind besonders wichtig die Globuline, welche Abwehrstoffe (Antikörper) gegen die von der Mutter überwundenen Krankheiten enthalten. Diese Globuline können während der ersten Lebensstunden unverdaut durch die Darmwand der Neugeborenen hindurch ins Blut gelangen und bewirken damit eine passive Immunisierung des neuen Lebewesens. Jedes Neugeborene hat Anspruch auf diese erste Milch, und zwar so früh wie möglich – spätestens aber nach dem Abgehen der Nachgeburt. 4–5 Tage nach der Geburt hat die Milch wieder ihre „normale“ tierartspezifische Zusammensetzung. (Mehr über die Immunisierung und andere Fragen des Abwehrsystems im Kap. 2.12.) Die Zusammensetzung der reifen Milch unterscheidet sich erheblich von der des Blutplasmas. Einige Komponenten – wie das Kasein und der Milchzucker – kommen nur in der Milch vor. Sie werden in den Epithelzellen des Milchdrüsengewebes aus geeigneten Vorläuferbausteinen des Blutes synthetisiert, während andere Komponenten, z. B. Immunglobuline, unverändert aus dem Blut in die Milch überführt werden. Die Milcheiweißfraktion besteht zu 80 % aus verschiedenen Kaseinen ( § , g , ‹ , + -Kasein) und zu 20 % aus Molkeproteinen. Die Kaseine werden, wie oben erwähnt, in den Drüsenepithelzellen synthetisiert. Der größte Teil der Kaseine liegt als so genannte Mizellenform vor, in der Kasein mit verschiedenen Ionen (Calcium, Phosphat, Magnesium, Zitrat) kolloidal verbunden ist. Von den Molkeproteinen werden § -Laktalbumin und g -Laktoglobulin im Alveolarepithel selbst
2.11
Die Milchdrüse
Tab. 3 Milchzusammensetzung bei verschiedenen Haustieren in %
Wasser
Rind
Rind Biestmilch (8–10 Std. nach der Geburt)
Schaf
Schwein
87,1
74,5
81,7
79–81
Fett
4,0
3,6
7,0
Eiweiß
3,4
17,6
6,0
6,2
2,7 0,7
4,0 13,6
4,5 1,5
4,7 1,5
Milchzucker
4,8
2,7
4,4
5,0
Mineralstoffe
0,7
1,6
0,9
0,9
davon
Kasein Albumin + Globulin
aufgebaut, möglicherweise auch Laktoferrin und Transferrin, während die Immunglobuline und Serumalbumin direkt aus dem Blutplasma übernommen werden. Zur Synthese der milchspezifischen Proteine in den Drüsenepithelzellen müssen die essentiellen Aminosäuren aus dem Blutplasma bereitgestellt werden. Aber auch der Bedarf an den übrigen Aminosäuren wird überwiegend aus dem Blut gedeckt, obwohl eine de-novo-Synthese in den Alveolarepithelzellen möglich ist. Der Milchzucker (Laktose) wird im Drüsenepithel aus Glukose und Galaktose zusammengesetzt. Die Glukose stammt aus dem Blutplasma, Galaktose wird in den Epithelzellen aus Glukose umgebildet. Hierfür und für die Zusammenkopplung der beiden Moleküle zu Laktose werden verschiedene Enzyme und u. a. das oben genannte § -Laktalbumin benötigt. Bei der Milchfettsynthese gibt es zwischen den Schweinen und den Wiederkäuern erhebliche Unterschiede, die in der Verschiedenartigkeit des jeweiligen Verdauungssystems begründet sind. Das Fett der Sauenmilch besteht überwiegend aus mittel- und langkettigen Fettsäuren, das heißt aus Fettsäuren mit 16 und mehr Kohlenstoff-Atomen, die nach dem Abbau von Nahrungs- und körpereigenem Depotfett unverändert zum Aufbau des Milchfettes weiter verwendet werden. Bei den Wiederkäuern besteht das Milchfett zur Hälfte aus kurzen und mittellangen Fettsäuren
2
7–9
(C4 bis C16), zur anderen Hälfte aus langkettigen Fettsäuren ( n C18). Ca. 40 % der Fettsäuren sind ungesättigt (s. auch Tab. 2, Kap. 2.3.2). Die langkettigen Fettsäuren stammen auch hier – wie beim Monogastrier – aus dem Abbau von Nahrungs- oder körpereigenem Depotfett. Sie werden ebenfalls als Triglyzeride in deren Transportform (Chylomikron) mit dem Blut in das Milchdrüsengewebe überführt, dort wieder in freie Fettsäuren gespalten und stehen danach für die Milchfettbildung zur Verfügung. Die kurzkettigen Fettsäuren werden jedoch in den Drüsenepithelzellen selbst synthetisiert (De-novo-Synthese). Das notwendige Vorprodukt dazu ist die bei der Pansen- und Dickdarmgärung entstehende Essigsäure. Nachdem die vorhandenen Fettsäuren mit Glyzerin zu Triglyzeriden verestert worden sind, werden diese in Fettkügelchen zusammengefasst und ins Alveolarlumen abgeben. Wie auch an anderer Stelle erwähnt, ist die Zusammensetzung des Milchfetts von verschiedenen Faktoren wie z. B. der Fütterung und dem Laktationsstadium abhängig. Bei Störungen der Pansentätigkeit, wie sie beispielsweise im Frühjahr beim Weideauftrieb oder bei anderen Futterumstellungen auftreten, sinkt deshalb der Milchfettgehalt ab. Während der Weideperiode nimmt der Anteil langkettiger, ungesättigter Fettsäuren (Öl-, Linol- und Linolensäuren aus Gräserlipiden) zu, was das Butterfett weicher macht. Zu Beginn der Laktation, wenn verstärkt
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Depotfett abgebaut und zur Energiebereitstellung verwendet wird, kann der Milchfettgehalt vorübergehend deutlich erhöht sein, mit höherem Anteil an langkettigen Fettsäuren. Mineralstoffe, Salze und Vitamine werden vom Blut via Drüsenepithelzellen ins Alveolarlumen transportiert. Von den Hauptbestandteilen der Milch variiert der Gehalt an Milchzucker aus physiologischer Sicht am wenigsten. Der Proteingehalt und insbesondere der Fettgehalt in der Milch sind hingegen stärkeren Schwankungen unterworfen, bedingt durch Rasse, Laktationsstadium, Milchleistungsniveau und Fütterung.
2.11.5
Erkrankungen der Milchdrüse
Die Mastitis (Euterentzündung) wird als die teuerste Krankheit des Betriebszweigs Milchviehhaltung angesehen. Sie vermindert die Milchleistung, erfordert Mehrarbeit und Behandlungskosten, verkürzt die Nutzungsdauer der Kühe, beeinträchtigt die Milchqualität, verursacht Störungen der Käseproduktion und führt bei Überschreitung der in der Milchgüteverordnung festgelegten Grenzen für den Gehalt an Keimen und somatischen Zellen je kg Milch zu einer Senkung des Milchauszahlungspreises (s. Kap. 7.3.5). Als Krankheitserreger gelten vor allem Staphylokokken und Streptokokken, aber auch andere Bakterien oder Mykoplasmen, Viren, Hefen, Pilze. Sie lassen sich u. a. anhand ihres Vorkommens im Tiermilieu in drei Klassen einteilen, die bei der Auswahl geeigneter Bekämpfungsstrategien verwendet werden: in kuh- oder euterassoziierte und umweltassoziierte Mastitiserreger sowie in Hautkeime (Tab. 4). In den letzten Jahren hat sich das Keimspektrum von den früher hauptsächlich verantwortlichen euterassoziierten Mastitiserregern etwas mehr zu den umweltassoziierten Erregern verschoben. Das mag auf verbesserter Melktechnik, Zitzendesinfektion nach dem Melken und verbreitetes Trockenstellen mit antibiotischen Präparaten beruhen, die den kuhassoziierten Keimen weniger Raum lassen. Andererseits nehmen Laufstallhaltungen zu, was bei unsachgemäßem Management zu größeren Hygieneproblemen und Zitzenverletzungen führen kann.
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Ob es zur Infektion kommt und welchen Verlauf die Faktorenkrankheit Mastitis nimmt, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Neben dem eigentlichen Erregerdruck spielen auch die genetische Veranlagung der Kühe (Beschaffenheit des Hautgewebes als äußere Schutzbarriere, Euter- und Zitzenform, Länge und Verschluss des Strichkanals usw.) und äußere, die Immunabwehr herabsetzende Bedingungen (z. B. Euterverletzungen, Schwächung durch Durchfälle und Stoffwechselstörungen, Fütterungsfehler, Stress durch sehr hohe Milchleistung) eine wesentliche Rolle. Besonders nachteilig – wie oben erwähnt – wirkt sich unhygienische oder nachlässige Melkarbeit mit unzureichend gewarteten Melkanlagen aus. Für die Diagnose der Mastitis eines Euterviertels ist der gleichzeitige Nachweis von Mastitiserregern und das Vorliegen von Entzündungserscheinungen erforderlich. Man unterscheidet 1. die klinische Mastitis, die sich in akuter, subakuter oder chronischer Form äußert, mit äußerlich klar erkennbaren Entzündungserscheinungen und/oder nur Sekretveränderungen, 2. die subklinische Mastitis, ohne äußere Symptome (keine Entzündung und keine sichtbar veränderte Milch). Die verschiedenen Ausprägungen (subklinisch/ klinisch) und Verlaufsformen (akut/subakut/ chronisch) können dabei während einer Erkrankung fließend ineinander übergehen. Aus einer nicht oder erfolglos behandelten akuten Euterentzündung ebenso wie aus einer subklinischen Form der Mastitis kann sich die chronische Mastitis entwickeln. Bei akuten Entzündungen kommt es zur Rötung, vermehrter Wärme und schmerzhafter Schwellung einzelner Euterviertel, vielfach verbunden mit Fieber, Schüttelfrost und anderen schweren Störungen des Allgemeinbefindens. Die Milch des erkrankten Viertels ist stark verändert (wässrig, eitrig, flockig, blutig, teilweise kein Milchcharakter mehr), die Milchmenge geht stark zurück. Teile des oder das gesamte Drüsengewebe eines Viertels werden zerstört, die Kuh wird häufig dreistrichig. Abszesse und Blutvergiftungen können folgen. Als Beispiel für diese akute Form ist die Pyogenesmastitis (auch als Holstein’sche Euterseuche
2.11
Die Milchdrüse
Tab. 4 Einteilung der häufigsten Mastitiserreger des Rindes (mod. nach Krömker, 2004) Mastitiserreger
Reservoir, Vorkommen
Übertragung auf die Zitze
ansteckend (kontagiös), euterassoziiert
Streptokokken (z. B. Streptococcus agalactiae 1 Gelber Galt, Streptococcus dysgalactiae) Staphylococcus aureus
infiziertes Milchdrüsengewebe, Zitzenverletzungen
beim Melken (Melkerhände, Zitzengummis, Milch, Fliegen)
| Identifizierung infizierter Tiere durch Kontrolle von Euter und ermolkener Milch | Verbesserung der Melkhygiene Tragen von Melkhandschuhen | Regelmäßige Wartung der Melkanlage und Auswechseln der Zitzengummis | Zwischendesinfektion der Melkzeuge | Zitzendesinfektion (Dippen bzw. Sprayen) nach dem Melken | Trockenstellen mit Antibiotika | wo möglich – separate Haltung und Melken kranker Kühe | Merzen therapieresistenter Tiere
umweltassoziiert
Streptococcus uberis Enterokokken koliforme Keime (E. coli, Klebsiella, Enterobacter) Corynebakterien
Umwelt (Kot, Stroheinstreu, Sägespäne, Futter)
jederzeit im Liegebereich in unhygienischen Melkständen durch Spritzwasser
| Senken des Erregerdrucks (Optimierung der Stall- und Boxenhygiene) | Steigerung der Abwehrkraft (Vermeidung subklinischer Stoffwechselstörungen, regelmäßige Klauenpflege) | Verbesserung der Zitzenreinigung und der Zitzenkondition | Tiergerechte, hygienische Aufstallung zur Vermeidung von Zitzenverletzungen
Hautkeime
koagulasenegative Staphylokokken
äußere Haut inkl. Strichkanal
jederzeit im Liegebereich
| Verbesserung der Zitzenkondition | Zitzenpflege (Dippen bzw. Sprayen) nach dem Melken | Optimierung der Zitzengummipassform und der Pulsierungseinstellungen
oder Sommermastitis bekannt) zu erwähnen (Erreger: Actinomyces pyogenes). Sie kann in betroffenen Gebieten enzootisch (seuchenhaft) auftreten, vorzugsweise in den Sommermonaten auf der Weide während der Hauptflugzeit der Kopffliege, die als Überträger für den Erreger fungiert. Betroffen sind vorwiegend trockenstehende Kühe und Jungrinder. Eine andere mit teilweise dramatischen Allgemeinstörungen verbundene Euterentzündung wird durch den Umweltkeim Escherichia coli ausgelöst.
vorbeugende Maßnahmen
Subakute Mastitiden weisen keine äußeren Entzündungserscheinungen auf, aber die Milch ist flockig, der Zellgehalt erhöht. Bei subklinischen Mastitiden sind keine äußeren Entzündungserscheinungen und keine makroskopischen Veränderungen (z. B. Flocken) in der Milch zu erkennen. Die chemische Zusammensetzung der Milch ist jedoch verändert (z. B. Laktose verringert, pH-Wert und elektrische Leitfähigkeit erhöht), die Zellzahlen sind erhöht, die Milchleistung ist verringert.
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Ein typischer Vertreter für diese Verlaufsform ist Staphylococcus aureus. Dieser Erreger kapselt sich nach akuter Infektion im Eutergewebe ab und ist damit einer Behandlung kaum zugänglich. Typisch sind die knotigen oder strangartigen Verhärtungen des Drüsengewebes, die lokal oder diffus über das ganze Euterviertel verteilt sind. Die Tiere mit dieser Mastitisform fallen durch konstant erhöhte Zellzahlen auf. Nach einer Zeit der äußerlichen Ruhe werden die Erreger bei Stresssituationen (Klauenschneiden, Weideaustrieb) wieder aktiv und mit der Milch ausgeschieden. Subklinische Euterentzündungen bilden heute das Hauptproblem für die Eutergesundheit. Sie treten viel häufiger auf als akute Krankheitsfälle, sind maßgeblich an der Erregerverschleppung in der Herde beteiligt und tragen zu einem erheblichen Teil zur Milchminderleistung der Herde und damit zum ökonomischen Verlust in der Milchviehhaltung bei. Wie werden subklinische Euterentzündungen erkannt? Während einer bakteriellen Euterentzündung, allerdings auch durch andere (mechanische, thermische oder chemische) Reizungen verursacht, werden im Milchdrüsengewebe verschiedene Prozesse in Gang gesetzt, die u. a. zu einer spezifischen Verschiebung des Ionenhaushalts (z. B. Na+, K+, Cl-) führt. Dies lässt sich in der Milch durch erhöhten pH-Wert oder erhöhte elektrische Leitfähigkeit nachweisen. Die körpereigene Krankheitsabwehr ist u. a. durch eine Zunahme körpereigener (somatischer) Immunzellen gekennzeichnet (s. auch Kap. 2.12), die sich ebenfalls in Milch messen lassen. Milch gesunder Euterviertel weist einen Gehalt an somatischen Zellen von deutlich unter 100 000/ml auf, die sich auf Lymphozyten (ca. 10–30 %), Makrophagen (ca. 60–80 %), neutrophile Granulozyten (ca. 1–10 %) und Epithelzellen (ca. 0–5 %) verteilen. Bei einer Euterinfektion steigt der Milchzellgehalt an, es können mehrere Millionen/ml erreicht werden. Der größte Teil dieses Zuwachses ist auf die explosionsartige Zunahme der neutrophilen Granulozyten zurückzuführen, die eine wichtige Rolle bei der Sofortabwehr gegen Infektionserreger einnehmen (s. auch Kap. 2.12). Allerdings können auch andere Situationen (z. B. Stress bei Futterumstellungen, unterschiedliche Melkintervalle) zu erhöhten Milchzellzahlen
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führen. Die Interpretation der Messwerte ist also nicht immer ganz eindeutig, aber ein guter Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. Im Verdachtsfall oder durch regelmäßige Stichproben von Viertelgemelksproben kann der Landwirt selbst so genannte Orientierungstests anwenden, z. B. Indikatorpapier (Messung des Milch-pH-Wertes) oder California-Mastitis-Test (CMT, Schalmtest), der eine grobe Aussage über den Milchzellgehalt gibt. Die automatischen Melksysteme verwenden derzeit die bei jeder Melkung gemessene elektrische Leitfähigkeit der Milch als Parameter, um auf Euterprobleme aufmerksam zu machen. Ein weiterer Anhaltspunkt zur Einkreisung der betroffenen Tiere stellen die monatlichen Ergebnisprotokolle der Landeskontrollverbände dar, in denen alle Kühe, die mehr als 200 000 somatische Zellen je ml Milch im Gesamtgemelk aufweisen, extra kenntlich gemacht sind, um die Landwirte auf eventuell vorliegende Bestandsprobleme aufmerksam zu machen. Wird in der Anlieferungsmilch (Tankmilchprobe) einer Herde der von der Milchgüteverordnung festgelegte Grenzwert von 400 000 Zellen je ml überschritten, ist allerdings mit einem beträchtlichen Anteil chronisch oder subklinisch euterkranker Kühe im Bestand zu rechnen und schnelles Handeln geboten. Wird dieser Wert in einem Zeitraum von 3 Monaten nicht verringert, darf diese Milch nicht mehr in den Verkehr gebracht werden (s. Kap. 7.3.5). Im Übrigen muss beim Anstieg der Zellgehalte – auch ohne Auftreten klinischer Mastitiden – mit deutlichen Milchleistungseinbußen gerechnet werden. Zur Bestandssanierung sind Einzeluntersuchungen der Kühe erforderlich. Diese werden u. a. von Mitarbeitern des Eutergesundheitsdienstes durchgeführt, die es in allen Bundesländern gibt. Es werden Viertelgemelksproben zur bakteriologischen Untersuchung mit Antibiogramm gezogen, um das Erregerspektrum in der Herde sowie darauf ausgerichtete geeignete Präparate zur Behandlung zu ermitteln. Anhand dieser Untersuchungsergebnisse können die notwendigen Behandlungs- und Vorbeugungsmaßnahmen getroffen werden (s. auch Tab. 4). Es muss u. a. entschieden werden, welche Tiere noch behandlungswürdig sind, welche gemerzt werden sollen, welche Kühe während der Laktation oder
2.12 Abwehr von Infektionskrankheiten während der – möglicherweise vorgezogenen – Trockenstehphase behandelt werden sollen. Die Milch der akut erkrankten Kühe darf nicht an die Molkerei geliefert oder ab Hof verkauft werden. Das gilt auch für Milch, die während der Behandlung mit Medikamenten ermolken wird sowie für die sich nach der Behandlung anschließenden Wartezeit, die vom Einsatz des jeweils verwendeten Medikaments abhängig ist. Dieses Verbot soll dafür sorgen, dass keine AntibiotikaRückstände in die Milch gelangen, die zu erheblichen Produktionsverlusten in der Molkerei führen und überdies die Gesundheit der Verbraucher gefährden können. Werden dennoch mit dem so genannten „Hemmstofftest“ AntibiotikaRückstände in der Milch nachgewiesen, werden die Tierhalter für den betreffenden Monat mit einem Milchgeldabzug von z. Zt. 5 Cent/kg bestraft. Bei der Bekämpfung der Euterkrankheiten spielen vorbeugende Maßnahmen – auf das jeweilige Erregerspektrum ausgerichtet – eine entscheidende Rolle (Tab. 4). Wegen der zunehmenden Resistenzentwicklung einiger, an der Mastitisentstehung beteiligter Bakterienstämme gegen Penicillin und andere antibiotische Medikamente ist es notwendig, die Mastitits-Problematik als einen ganzheitlichen Komplex zu betrachten. Weitere Optimierung des Herdenmanagements und der Melksysteme sowie die stärkere Berücksichtigung des Einzelzuchtwertes „Eutergesundheit“ für die Zuchttierselektion bei Zuchtprogrammen sind hier vordringlich zu nennen. Und zur Vorbeugung gegen Färsenmastitiden sollte es als selbstverständlich gelten, keine „Hemmstoff“-Milch oder Milch von „Zellzahlmillionärinnen“ an Kälber während der Aufzuchtperiode zu verfüttern. In der Sauenhaltung sind gesundheitliche Störungen, bei denen Bakterien verschiedener Gattungen neben Mastitis auch Gebärmutterentzündungen (Metritis) und Milchmangel (Agalaktie) verursachen, verbreitet. Mehr über diesen so genannten MMA-Komplex (Mastitis-Metritis-Agalaktie) im Abschnitt Ferkelerzeugung (Kap. 8.4.8)
2.12 Abwehr von Infektionskrankheiten Unsere Haustiere verfügen über ein hochentwickeltes, gestaffeltes Abwehrsystem. Seine verschiedenen Stufen werden zwar nacheinander wirksam oder mobilisiert; aber es kommt zwischen ihnen im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit den Erregern zu einer engen Zusammenarbeit. Diese starke Verflechtung der Abwehreinrichtungen, aber auch der Umstand, dass viele Erkenntnisse zu diesem Thema erst in den letzten Jahren gewonnen worden sind, haben dazu geführt, dass manche der dabei verwendeten Begriffe noch unterschiedlich definiert werden oder wieder verschwinden.
2.12.1
Allgemeine Abwehreinrichtungen und Resistenz
Mit einer Art erster Barriere versuchen die Haustiere, das Eindringen von Krankheitserregern zu verhindern:
!!! Die Schranke der äußeren Haut, die in unverletztem Zustand von den meisten Krankheitserregern nicht überwunden werden kann. Die Milchsäure und andere Fettsäuren aus Talg- und Schweißdrüsen töten Keime ab. | Die Aktivitäten der Schleimhäute der Atemwege und anderer Körperein- und -ausgänge: Schleim, Speichel, Tränen und Urin schwemmen Keime heraus; die Flimmerhärchen auf den Epithelzellen, Husten und Niesen helfen mit. | Sehnenscheiden, Bindegewebshüllen von Muskeln und andere Scheidewände hemmen mechanisch die Fortbewegung der Keime, die dann von Lysozymen und anderen bakterientötenden Enzymen vernichtet werden können. | Die Salzsäure des Magens tötet das Gros der durch die Speiseröhre eindringenden Keime ab. |
Diese wichtigen, im Erbgut verankerten Bestandteile der natürlichen Widerstandskraft der Tiere
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
sind ein Teil der unten noch weiter behandelten unspezifischen, angeborenen Immunität. Unter Resistenz hingegen versteht man heute die ebenfalls genetisch bedingte Unempfindlichkeit von Individuen, Rassen oder Arten gegenüber ganz bestimmten Infektionserregern oder Giften (Toxinen). Beispiele: Fliegenmaden sind – im Gegensatz zum Menschen – resistent gegen das Gift der Fliegenpilze. Kühe sind, ohne sich wehren zu müssen, unempfindlich gegen die Erreger zahlreicher Schweinekrankheiten (Rotlauf, Dysenterie, Schweinepest usw.), während sie bei anderen Infektionen (Tollwut, Aujeszky-Krankheit, Maulund Klauenseuche usw.) durchaus gemeinsam mit den im gleichen Stall gehaltenen Schweinen und weiteren Tierarten erkranken können. Zahlreiche Bakterienstämme haben im Laufe der letzten Jahrzehnte eine vererbbare Resistenz gegen Penicillin und verschiedene andere Antibiotika entwickelt, teilweise durch Auslese, teilweise durch eine komplizierte Technik der Übertragung von Resistenzfaktoren von einem Bakterium auf andere. Was geschieht, wenn die allgemeinen Abwehreinrichtungen den Einbruch von Infektionserregern nicht verhindern können, beispielsweise wenn die Haut verletzt ist und tiefere Gewebeschichten zugänglich werden? – Oder wenn die Schleimhaut der Atemwege durch schlechte Stallluft vorgeschädigt und nicht mehr genügend funktionstüchtig ist? In solchen Fällen kommt es meist zu Entzündungsvorgängen (Rötung durch stärkere Durchblutung, Schwellung durch erhöhte Durchlässigkeit der Gefäßwände, Schmerz, Temperaturanstieg usw.). Diese Symptome sind die Begleiterscheinungen des Organismus bei der Abwehr von Infektionen oder physikalischen Verletzungen des Gewebes. Der Sinn der Entzündung besteht jedoch darin, die verschiedenen Bestandteile des Immunsystems zu aktivieren bzw. an den Entzündungsort zu transportieren. Es werden, etwa beim Gerinnen des Blutes oder beim programmierten Zelltod körpereigener Zellen (Apoptosis), aber auch durch die eingedrungenen Infektionserreger selbst, chemische Substanzen freigesetzt, welche die gerade vorbeikommenden oder in benachbarten Lymphknoten wartenden Leukozyten alarmieren bzw. anlocken (Chemotaxis).
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2.12.2
Unspezifische Sofortabwehr und antigenspezifische Immunantwort
!!! Bei den nun einsetzenden Verteidigungsanstrengungen kann man eine unspezifische Sofortabwehr (unspezifische, angeborene Immunität), die gegen alles Fremde oder (z. B. nach dem Zelltod) „Fremdgewordene“ gerichtet ist, unterscheiden von der spezifischen, erworbenen (adaptierten) Immunantwort, die gezielt auf den erkannten Eindringling abgestellt ist, aber eine mehrstündige Anlaufzeit benötigt. Beide Systeme arbeiten eng miteinander. Eine Übersicht über die beteiligten Zelltypen (Untergruppen der Leukozyten) gibt die Abb. 39. Unspezifische Sofortabwehr | Sie wird getragen von großen und kleinen Fresszellen (Phagozyten), deren Aufgabe es ist, eingedrungene Mikroorganismen (Bakterien, Viren usw.) und körpereigene Gewebe- und Zelltrümmer mittels Phagozytose unschädlich zu machen. Sie rekrutieren sich aus zwei Untergruppen der Leukozyten, den Monozyten und den Granulozyten (s. auch Abb. 39): 1. Monozyten des Blutes bzw. aus diesen durch Reifungsvorgänge entstehende Makrophagen, die mit dem Blut zu ihren Einsatzstellen in den jeweiligen Geweben geführt werden, sowie die in verschiedenen Geweben sesshaften Makrophagen, wie z. B. Histiozyten im Bindegewebe oder Kupffer-Sternzellen in den Lebergängen. Die Lebenszeit der Makrophagen kann mehrere Monate bis Jahre betragen. 2. Neutrophile Granulozyten des Blutes. Wie die Makrophagen sind auch diese in der Lage, aus den Blutkapillaren in das betroffene Gewebe überzutreten. Sie sind in der Regel die ersten Zellen, die bei der Sofortabwehr in Aktion treten. (Die eosinophilen und basophilen Granulozyten sind an der Immunabwehr von Infektionen mit Würmern und anderen Parasiten bzw. an allergischen Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt.) Was passiert während der Phagozytose? Dringen Bakterien in ein Gewebe ein, werden die neutro-
2.12 Abwehr von Infektionskrankheiten
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Abb. 39 Einteilung der sich aus den Urstammzellen des Knochenmarks entwickelnden Blutzellarten CD4, CD8 : Kurzform für Proteine (cluster of differentiation), die die T-Lymphozyten an ihrer Oberfläche als Hilfsrezeptoren tragen und die zu ihrer funktionellen Unterscheidung herangezogen werden.
philen Granulozyten durch chemische Fremdstoffe oder durch Komplementfaktoren zum Ort des Geschehens gelockt (Chemotaxis). Die Oberfläche der Eindringlinge ist im Optimalfall schon durch körpereigene Proteine (Komplement) markiert worden und stellt damit eine attraktive „Beute“ für die Fresszellen dar, die das Bakterium sodann umschließen und mit zelleigenen Enzymen verdauen. Der gesamte Vorgang geht mit den o. g. typischen Entzündungssymptomen und Eiterbildung (Anhäufung von toten Zellen, auch
Granulozyten, verdautem Material und Flüssigkeit) einher. Innerhalb kurzer Zeit kann die Zahl der neutrophilen Granulozyten um ein Vielfaches zunehmen; ihre chemische Abwehrkraft erlahmt jedoch rasch und ihre Lebenszeit ist auf wenige Stunden bis Tage begrenzt. Danach sind es die mobilen und sesshaften Makrophagen, die die Phagozytosearbeit fortsetzen. Diese Zellen verarbeiten einen Teil des fremden Materials zur „Präsentation“ für die antigenspezifisch arbeitenden Lymphozyten auf. (Abb. 40: 1a–d).
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Abb. 40 Zusammenarbeit zwischen Phagozytose und Immunantwort (Erläuterungen im Text) Die Wirksamkeit der Sofortabwehr hängt vor allem von der Keimdichte ab, das heißt von der Menge der hereinflutenden Infektionserreger, aber auch von der Art der Erreger. Manche haben Abwehreinrichtungen gegen die Phagozytose entwickelt und widerstehen den Fresszellen. Deshalb alarmieren schon die ersten Granulozyten und Makrophagen, die sich mit den Eindringlingen auseinandergesetzt haben, das Hauptheer der Lymphozyten, die vor allem in den Lymphknoten und in der Milz stationiert sind. Für die Verständigung der einzelnen Immunzellen untereinander spielen verschiedene Signalstoffe (z. B. verschiedene Proteinfraktionen des Komplementsystems und die Cytokine) eine wichtige Rolle. Spezifische Immunantwort durch Lymphozyten | Sie wird charakterisiert einerseits durch spezifische Antikörper, die zu einer selektiven Immunreaktion mit dem entsprechenden Antigen befähigt sind sowie andererseits durch die entsprechenden sensibilisierten Zelltypen, die die Antikörper nach Bedarf produzieren (BLymphozyten) bzw. die für die Regulation der Immunantwort zuständig sind (T-Lymphozyten).
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Es gibt unter der Vielzahl wartender Lymphozyten einige „kompetente“ Lymphozyten, die auf ihrer Oberfläche genau diejenigen Anheftungspunkte (Rezeptoren) haben, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zu dem jeweiligen, gerade zu bekämpfenden Antigen passen und dieses binden können. Als Antigene bezeichnet man körperfremde große Moleküle, die bestimmte Oberflächenstrukturen eingedrungener Mikroorganismen oder deren Toxine sein können, und die eine spezifische Immunantwort mit Hilfe von Antikörpern auslösen. Antikörper sind große Eiweißmoleküle, die als „Adaptor“ zwischen jeweils einem spezifischen Antigen und den körpereigenen Immunzellen fungieren. Sie sitzen entweder als „membranständige“ Antikörper auf der Zelloberfläche der B-Lymphozyten oder liegen als freie Antikörper in Blut und Lymphe vor. Die aus dem Knochenmark stammenden Vorläufer der T-Lymphozyten (Abb. 39 und 41) reifen in der Thymus-Drüse, die sich bei jungen Tieren vor dem Herz befindet und sich im unteren Teil des Halses bis zum Kehlkopf hinzieht. (Später bildet sich diese Drüse zurück, und nach der Ge-
2.12 Abwehr von Infektionskrankheiten schlechtsreife findet man nur noch Reste davon.) Die Vorläufer der B-Lymphozyten reifen bei den Vögeln in der Bursa heran, einer nahe der Kloake sitzenden Drüse. Bei Säugetieren erfolgt die Reifung wahrscheinlich schon im Knochenmark (engl. bone marrow) und in der fötalen Leber.
!!! Als Antigen-Rezeptoren der kompetenten BLymphozyten betätigen sich Antikörper, die auf der äußeren Zellmembran sitzen und deshalb „membrangebundene Antikörper“ genannt werden. Sie können „ihr“ Antigen zwar ohne weiteres erkennen und festhalten, aber vor dem nächsten Schritt müssen sie auf die Botschaft eines T-Helferlymphozyten warten (T-Helferzellen sind eine Untergruppe der T-Lymphozyten) (Abb. 40: 2c)
Für die kompetenten T-Lymphozyten ist ein anderer Weg vorgezeichnet, um „ihr“ Antigen zu erkennen. Sie besitzen einen eigenen spezifischen T-Zellrezeptor für die Antigen-Erkennung. Darüber hinaus fungieren so genannte CD-Proteine als Hilfsrezeptoren, diese werden auch zur funktionellen Unterscheidung der einzelnen TLymphozyten herangezogen (s. Abb. 39). Den T-Zellen müssen gleichzeitig mit ihrem Antigen Moleküle einer bestimmte Klasse von körpereigenen Eiweißverbindungen „präsentiert“ werden, die für die Prüfung der Gewebeverträglichkeit zuständig sind, nämlich die so genannten MHC-Proteine (englisch: Major Histocompatibility Complex = Haupt-Gewebeverträglichkeits-Komplex). Diejenigen der Klasse I befinden sich auf der Oberfläche fast aller Körperzellen mit Zellkern, die der Klasse II vor allem auf der Oberfläche von Makrophagen und B-Lymphozyten. Wenn sich nun angelockte T-Helferzellen einem Makrophagen nähern, der gerade ein Bakterium verdaut und Bruchstücke davon an seiner Oberfläche abgelegt hat, nehmen ihre Rezeptoren sowohl das als Antigen wirksame Bakterienbruchstück als auch MHC-Proteine der Klasse II wahr (Abb. 40:2a). Durch diesen Kontakt werden sie angeregt, sich zu vermehren und einen Klon von völlig identischen Spezialzellen zu bilden (Abb. 40:2b). Außerdem senden sie Signalstoffe (Cyto-
kine) aus, die die kompetenten B-Lymphozyten, die das gleiche Antigen erkannt haben wie die THelferzellen, nunmehr dazu veranlassen, sich ebenfalls zu vermehren. Sie bilden einen Klon identischer, auf dieses eine Antigen spezialisierter Plasmazellen (Abb. 41 und Abb. 40:3a). Diese haben ihrerseits die Aufgabe, eine Vielzahl freier Antikörper zu produzieren und sie in Blut und Lymphe zu entlassen. Struktur von Antikörpern | Die im Blut zirkulierenden Antikörper gehören zur Eiweißgruppe der Globuline. Man nennt sie deshalb auch Immunglobuline, abgekürzt IgA, IgD, IgE, IgG und IgM. Diese Klassen der Immunglobuline unterscheiden sich im Aufbau ihrer Moleküle, durch ihren Anteil im Blut und im Schwerpunkt ihrer Abwehrleistung. Das IgM ist das größte Molekül (relative Molekülmasse über 900 000) und wird von den Plasmazellen zuerst produziert. Wenn bei einem besonders virulenten (= infektionstüchtigen) Eindringling die Bedrohung anhält, gehen die Plasmazellen zur verstärkten Abgabe von IgG über, das beispielsweise beim Rind mit 85–90 % den Hauptanteil am Gesamtglobulin liefert, während der Anteil von IgM meistens unter 10 % bleibt. IgA wird vor allem an Gewebeoberflächen, besonders an der Schleimhaut des Darms, gefunden. In Abb. 42 wird ein stark vereinfachtes, schematisches Modell eines IgG-Moleküls wiedergegeben. Es hat die Gestalt eines Y und besteht aus vier Aminosäureketten, zwei schweren und zwei leichten, die durch Schwefelverbindungen (Disulfidbrücken) zusammengehalten werden. Der größte Teil der Ketten ist bei allen IgG-Molekülen gleich aufgebaut (der konstante Teil), hier finden sich Regionen, die als Bindungsstelle für Makrophagen und Komplementproteine dienen. Die beiden Enden der Arme des Y besitzen variable Abschnitte, die als Bindungsstelle für je zwei identische, spezifische Antigene fungieren. Diese Abschnitte unterscheiden sich also von Immunglobulin zu Immunglobulin in der Aminosäurenstruktur. Weil es in der Umwelt des Haustieres Tausende verschiedener Arten von Mikroben und anderen Antigenen gibt, werden mit Hilfe der großen Variabilität der Y-Endabschnitte schon während der Embryonalentwicklung die Vorstufen für Millio-
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
Abb. 41
Lymphozyten vom Knochenmark bis zur Immunantwort (nach Jungermann-Möhler, modifiziert)
nen verschiedener Antigen-Rezeptoren bereitgestellt. Dieses ist die wichtigste Voraussetzung für die erregerspezifische Immunantwort. Funktion der Antikörper | Besonders die großen IgM-Moleküle, die zehn Antigenbindungsstellen besitzen, verkleben mikrobielle Krankheitserreger und machen sie dadurch unbeweglich. Andere Antikörper binden Antigene von giftigem Charakter, also die von manchen Mikroben ausgeschiedenen Toxine, und vermindern deren Schädlichkeit für den Körper.
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!!! Die Vernichtung der Erreger selbst erfolgt hauptsächlich auf anderen Wegen: Durch den Kontakt zwischen Antigen und Antikörper entstehen Antigen-Antikörper-Komplexe (Abb. 40:4), für die Makrophagen besondere Rezeptoren besitzen. Sie umschließen die Komplexe und verdauen Freund und Feind gemeinsam. Auf diese Art wird also die Tätigkeit der Makrophagen wirkungsvoller.
2.12 Abwehr von Infektionskrankheiten
!!!
Abb. 42 Strukturschema eines Antikörpers Durch Antigen-Antikörper-Komplexe wird außerdem das so genannte Komplementsystem mobilisiert. Dieses besteht aus ca. 20 Eiweißkomponenten (neun Hauptfaktoren und mehrere Unterfaktoren), die aus der Leber stammen und die nach dem Kontakt mit Antigenen nacheinander in der Art einer Kettenreaktion aktiviert werden. Ein Protein aus den letzten Stufen dieser Komplementeiweiße greift die Zellwand der Bakterien an. Durch die dabei entstehenden Löcher läuft Zellinhalt aus, die Bakterien sterben ab. Dieser Vorgang wird als Lyse bezeichnet. Eine andere Funktion des Komplementsystems besteht darin, Makrophagen zum Infektions- bzw. Entzündungsort zu locken (Chemotaxis). Haben sich Komplementfaktoren an den Erreger angelagert, man spricht hierbei von Opsonierung, können die Makrophagen mit ihren Rezeptoren für Teile des Komplementsystems die Eindringlinge besser erkennen. Auch auf diese Weise wird die Arbeit der Phagozyten effektiver gemacht.
!!! Es kann zusammengefasst werden: Der von den Lymphozyten gesteuerte Prozess der Immunabwehr mündet also am Ende wieder in eine Phagozytose. Aufgabe der T-Lymphozyten | Die wichtigste Funktion der T-Helferzellen wurde schon erwähnt. Aber was tun die anderen T-Zellgruppen?
Wenn Viren es geschafft haben, aus der Körperflüssigkeit heraus- und in Körperzellen hineinzuschlüpfen, könne ihnen die von Plasmazellen produzierten Antikörper nichts mehr anhaben. Die virusinfizierten Zellen beginnen nun, statt der körpereigenen Eiweiße Virusproteine zu produzieren. Teile hiervon werden auf der Oberfläche der befallenen Zellen zusammen mit zelleigenen MHC-Strukturen der Klasse I abgelegt. Diese können von T-Killerzellen mit deren spezifischen T-Zellrezeptoren als Virusantigen wahrgenommen werden. Nach Kontakt mit dem MHC-Antigen-Komplex scheiden die T-Killerzellen Zellgifte (Zytotoxine) aus, weshalb sie auch zytotoxische T-Zellen genannt werden. Die Zytotoxine der T-Killerzellen zerstören die infizierten Körperzellen mitsamt den eingedrungenen Viren und verhindern somit deren weitere Vermehrung.
Zytotoxische T-Zellen sollen auch bei der Zerstörung von Krebszellen mitwirken. Außerdem sorgen sie für das Abstoßen körperfremder Gewebe, was Organverpflanzungen bei Menschen erschwert. Die so genannten Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), eine weitere Art der Lymphozyten, haben ähnliche Funktionen bei der Ausschaltung von virusbefallenen oder Tumorzellen wie die zytotoxischen T-Lymphozyten. Ihre Art der Antigenerkennung ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Sie benötigen, im Gegensatz zu den genannten T-Killerzellen, weder den T-Zelltypischen Rezeptor noch MHC-Proteine zum Auffinden ihrer Zielzellen. Somit werden sie derzeit eher der unspezifischen Immunabwehr zugerechnet. Nebenbei: Die AIDS-Viren, die Erreger der bisher nicht heilbaren Immunschwäche, lähmen gezielt die Aktivität der T-Helferzellen und blockieren dadurch die Produktion von Antikörpern. Eine ähnliche Blockade der Immunantwort erfolgt auch auf physiologischem Weg. Wahrscheinlich sind nicht spezielle T-Suppressorzellen dafür verantwortlich, sondern die schon erwähnten T-Helfer- bzw. T-Killerzellen, die je nach Bedarf unterschiedliche Zytokine ausschütten und damit die Antikörperproduktion der BZellen stimulieren oder inhibieren. Dies ist wich-
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Aufbau und Arbeitsweise tierischer Organe
tig, um die Immunreaktion nach erfolgreicher Ausschaltung der Erreger zu beenden. Auf diese Weise werden die Instrumente der Immunabwehr vermutlich daran gehindert, im Eifer des Gefechts auch gesunde Körperzellen und -gewebe zu attackieren. Dass das nicht immer gelingt, zeigen Autoimmunkrankheiten wie z. B. der Jugenddiabetes (Typ 1) oder die Multiple Sklerose. Wie die Regulation der Immunantwort im Einzelnen verläuft, wird auch in den kommenden Jahren noch Thema intensiver Forschungsarbeit sein.
2.12.3
Immunologisches Gedächtnis und Immunisierung
!!! Sobald durch den Kontakt mit Antigenen B- und T-Lymphozyten stimuliert werden, veranlassen sie, außer den schon besprochenen Maßnahmen, auch die Bildung von B- und T-Gedächtniszellen, einer Spezialsorte von Lymphozyten mit langer Lebensdauer (die normalen Lymphozyten leben nur 1–5 Tage). Diese Gedächtniszellen sorgen dafür, dass bei einem späteren Einbruch des gleichen Erregers die Immunantwort schneller und intensiver erfolgt, so dass bei dem Tier die Krankheitssymptome in leichterer Form auftreten als beim ersten Mal, oder gar nicht mehr. Es ist eine bekannte Erfahrung, dass man manche Infektionskrankheiten (wie die Masern) nur einmal durchstehen muss und dann eine lebenslange Immunität besitzt. Leider hält bei vielen anderen Erregern die Immunität nur einige Jahre, manchmal nur einige Wochen an. Das liegt daran, dass manche Erreger häufig neue Oberflächenstrukturen entwickeln, so dass die Antigen-Rezeptoren der bei früheren Infektionen gebildeten Gedächtniszellen getäuscht werden. Besonders „erfolgreich“ in diesem Sinne sind Grippe-Viren. Immunisierung durch Mutter-Kind-Beziehung und durch Impfung | Wie im Abschnitt 2.6.2 erläutert wurde, können bei den landwirtschaftlich genutzten Säugetieren nur kleine Moleküle die Membranen der Plazenta durchdringen. Das bedeutet, dass die meisten Krankheitserreger, die im Blut der Mutter transportiert werden, nicht in
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den Fötus gelangen. (Ausnahmen z. B: Brucellen, sehr kleine Viren.) Beim Menschen und bei anderen Primaten ist dagegen die Plazenta durchlässiger, und sowohl ein Teil der Erreger als auch die von der Mutter gebildeten Antikörper erreichen den Fötus. Während neugeborene Kinder also über einen beachtlichen Vorrat an Antikörpern (IgA) verfügen, den ihnen die Mütter mitgeben, kommen Kälber und Ferkel mit relativ wenigen Antikörpern zur Welt.
!!! Damit sie nicht sofort den aus der Stallumwelt auf sie eindringenden Krankheitskeimen erliegen, liefern ihnen die Muttertiere die Antikörper gegen die Krankheiten, mit denen sie sich selbst auseinander gesetzt haben, mit der Biest- oder Kolostralmilch nach (Kuh: vorwiegend IgG, Sau: neben IgG auch beachtliche Mengen IgA). Es ist also sehr wichtig, dass die neugeborenen Kälber, Ferkel und Lämmer möglichst sofort nach der Geburt die erste Kolostralmilch erhalten, und nicht erst 6–8 Stunden später. Das Kolostrum muss deshalb so frühzeitig aufgenommen werden, weil einerseits die Immunglobulin-Konzentration in der Kolostralmilch schon wenige Stunden nach der Geburt deutlich abnimmt und andererseits die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut der Kälber und Ferkel für die großen Immunglobulinmoleküle spätestens 12 Stunden nach der ersten Nahrungsaufnahme (des Kolostrums) rasch zurückgeht und am zweiten Lebenstag meistens ganz aufhört. Im übrigen wirkt das Saugen der erstgeborenen Ferkel stimulierend auf den schnelleren Verlauf der Geburt der nachfolgenden Wurfgeschwister, weil das beim Saugakt von den Sauen sezernierte Hormon Oxytozin ebenfalls für die Wehentätigkeit zuständig ist.
In der Regel enthält die Kolostralmilch älterer Kühe bzw. Sauen ein größeres Sortiment an Antikörpern als die Biestmilch junger Muttertiere. Es kann also sinnvoll sein, Kolostralmilchüberschüsse alter Kühe einzufrieren und damit die Kälber von sehr jungen oder von Problemkühen zu versorgen. Es ist ebenfalls möglich, spezifische Antikörper gegen bestimmte Infektionserreger des Verdau-
2.12 Abwehr von Infektionskrankheiten ungstraktes (E. coli, Rota-Virus, TGE-Virus) oral zu verabreichen, so dass sie ohne weitere Passage direkt am Ort des Krankheitsgeschehens vorliegen und wirken können.
!!! Diese verschiedenen, bisher beschriebenen Wege der so genannten passiven Immunisierung bieten als Vorteil einen sofort wirksamen Schutz. Als Nachteil muss angesehen werden, dass die von der Mutter oder von anderen Spendern übernommenen Antikörper innerhalb weniger Wochen manchmal Tagen, im Körper der Empfänger abgebaut werden, dass also der Schutz nicht lange vorhält. Um diesem Nachteil entgegenzuwirken, bemüht man sich, jungen Tieren beim Aufbau der eigenen Immunabwehr durch die aktive Immunisierung zu helfen. Dabei wird das zu schüt-
zende Tier mit einer Vakzine geimpft, die abgetötete oder geschwächte Bakterien oder Viren bzw. stark verdünnte Erregertoxine enthält. Dadurch wird das geimpfte Tier zur Bildung eigener Antikörper und Gedächtnis-Lymphozyten angeregt. Dafür wird einige Zeit gebraucht (10–14 Tage). Vielfach wird diese Impfung nach einer gewissen Zeit wiederholt, um die Immunantwort zu verstärken oder zeitlich zu verlängern. Gegen manche hartnäckige Ferkelleiden (z. B. Coli-Durchfall) gibt es kombinierte Impfprogramme, die beide Wege der Immunisierung nutzen: Impfung der Muttersau während der Trächtigkeit zur Anreicherung des Kolostrums mit Antikörpern und Impfung der Ferkel im Alter von 5–10 Tagen zum Aufbau der eigenen Immunabwehr.
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Vererbung
Kinder sind den Eltern ähnlich. Das halten wir für selbstverständlich. Erstaunt sind wir nur dann, wenn eine Kuh ein Kalb mit zwei Köpfen zur Welt bringt. Dabei hätten wir eher Grund, über den normalen Ablauf der Vererbung zu staunen und uns darüber zu wundern, dass es nicht öfter zu Pannen kommt. Da ist z. B. zu bedenken, dass sich die wichtigsten Vorgänge für das Erbgeschehen in einem unvorstellbar kleinen Raum abspielen müssen. Der gesamte, überaus wichtige Beitrag eines Bullen als Vererber ist in einer winzigen Samenzelle enthalten, die so klein ist, dass Milliarden davon in einen Fingerhut passen. Wenn man einen tieferen Einblick in das Wesen der Vererbung gewinnen will, muss man sich also um die Vorgänge im Bereich der Geschlechtszellen und anderer Zellen kümmern. Wir beginnen mit Verlauf und Bedeutung der Befruchtung.
Abb. 43 Schema der Befruchtung
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3.1 Der entscheidende Zeitpunkt im Erbgeschehen: Die Befruchtung Eine reife Eizelle gilt als befruchtet, sobald Kopf, Hals und Mittelstück eines Samenfadens in sie eingedrungen sind. Die Geißel des Spermiums bleibt häufig, nicht immer, draußen; und es wird auch kein weiterer Samenfaden mehr hereingelassen. Der Kopf der eingedrungenen Samenzelle, also der Samenkern und der Eikern nähern sich und verschmelzen miteinander. Das bedeutet, dass die in den Zellkernen übermittelten Erbinformationen von beiden Eltern zusammenkommen (Abb. 43). Man kann die Erbinformationen vergleichen mit den Bauzeichnungen und mit den Terminplänen für ein neues Wohnviertel. Wenn Leerlauf vermieden und Termine eingehalten werden sollen,
3.2 müssen alle auszuführenden Arbeiten sorgfältig aufeinander abgestimmt sein. Ebenso müssen in der befruchteten Eizelle und in dem sich daraus entwickelnden neuen Lebewesen die ersten Zellteilungen, die Ausbildung des Verdauungskanals, das Verlegen von Blut- und Nervenbahnen und alles andere so planmäßig und zeitgerecht erfolgen, dass der Geburtstermin des Kalbes nach 280 Tagen eingehalten werden kann und dass zu dieser Zeit jedes Organ seinen Platz hat und richtig funktioniert. Nun kann man fragen: Gibt es keinen Streit, wenn sowohl der Samenkern wie auch der Eikern je einen vollständigen Satz Bauzeichnungen und Terminpläne mitbringen? Wenn man die Eizelle eines Kamels und die Samenzelle eines Rinderbullen zusammenbringt, entbrennt der Streit zwischen den von beiden Seiten mitgebrachten Bauplänen sehr rasch, spätestens dann, wenn über die Frage des Magensystems entschieden werden soll; denn die Kamele haben keinen Blättermagen, obwohl sie auch Wiederkäuer sind. Weichen die beiderseitigen Baupläne in so wichtigen Einzelheiten voneinander ab, dann geht die befruchtete Eizelle frühzeitig zugrunde. Wird die Milchkuh eines amerikanischen Farmers von einem Bisonbullen gedeckt, dann stimmen die Bau- und Terminpläne von beiden Seiten so weit überein, dass ein Kalb ausgetragen wird und sich zu einem ruhigen und genügsamen Arbeitstier entwickelt. Aber dieser Artbastard bleibt meistens ebenso unfruchtbar wie die Paarungsergebnisse zwischen Eseln und Pferden.
!!! Vereinigen sich der Samenkern eines Fleckviehstieres und der Eikern einer schwarzbunten Kuh, so ist die Übereinstimmung der beiderseitigen Bau- und Terminpläne fast vollständig. Die zwischen den beiden Rassen bestehenden Unterschiede sind für die Lebens- und Vermehrungsfähigkeit des neuen Lebewesens im Allgemeinen belanglos. Ob das Kalb rot- oder schwarzgefleckt wird, hat für seine Lebensfähigkeit ebenso wenig Bedeutung wie die Tapetenfarbe für den Gebrauchswert einer Wohnung. Während aber die Bau- und Terminpläne für das neue Wohnviertel die Frage der Tapetenfarbe ausklammern und die Auswahl den neuen Mie-
Die chemischen Grundlagen der Vererbung tern überlassen, wird die Haut- und Haarfarbe des künftigen Kalbes im gleichen Zeitpunkt festgelegt, in dem auch alle übrigen Entscheidungen für das neue Lebewesen fallen, soweit sie von Erbinformationen abhängig sind – im Augenblick der Befruchtung.
Ob in den Punkten, in denen die Baupläne der Eiund Samenkerne voneinander abweichen, etwa bei der Haarfarbe, sich der mütterliche oder väterliche Vorschlag durchsetzt, oder ob es zu einem Kompromiss kommt, das wird nach Regeln entschieden, von denen wir einige, die Mendelschen Gesetze, noch kennen lernen werden.
3.2 Die chemischen Grundlagen der Vererbung Damit alle am Bau eines neuen Wohnviertels Beteiligten wissen, welche Teilaufgaben im Gesamtvorhaben und wann sie diese zu erfüllen haben, werden im zentralen Ingenieurbüro Duplikate und Matrizen von den entscheidenden Plänen hergestellt. Doppel oder Duplikate sehen genauso aus wie die Originale, während auf den Matrizen der Ursprungstext in Spiegelschrift steht. Damit diese Anweisungen auch von allen Empfängern gelesen und verstanden werden können, benutzt man einen allgemeinverbindlichen Code, der aus den 26 Buchstaben des Alphabets, aus den Zahlen von 0 bis 9 und einigen weiteren Zeichen besteht. Aus der einen befruchteten Eizelle entwickelt sich während der Trächtigkeit ein Zellenstaat mit Billionen von Zellen. Bis dahin haben sich also viele Male Zellen teilen, vergrößern und wieder teilen müssen. Und immer wieder wurden vor der Zellteilung im Zellkern Duplikate von sämtlichen Erbinformationen – und zwar sowohl der väterlichen als auch der mütterlichen Vorschläge – hergestellt und je ein vollständiger Satz der väterlichen und mütterlichen Bau- und Zeitpläne an die Tochterzellen weitergegeben. Mit Ausnahme der Samenzellen und der unbefruchteten Eizellen besitzen sämtliche Zellen eines Tierkörpers in ihrem Zellkern je einen vollständigen väterlichen und mütterlichen Satz der Erbinformationen.
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Vererbung
!!! Als Material für die Originalaufzeichnung der Erbinformationen und für ihre Duplikate verwenden alle Tiere die Desoxyribonukleinsäure (abgekürzt DNS oder DNA). Als Matrizen werden die Moleküle der Ribonukleinsäure (abgekürzt RNS bzw. RNA) benutzt. Diese beiden Säuren sind die wichtigsten Vertreter der Gruppe der Kern- oder Nukleinsäuren (Zellkern = Nukleus). Die Nukleinsäuren sind große Moleküle, die aus vielen Bauelementen vom gleichen Typ, aus den so genannten Nukleotiden, aufgebaut sind. Jedes Nukleotid besteht aus einem Molekül Phosphorsäure, aus einem Molekül eines Einfachzuckers und aus einer organischen stickstoffhaltigen Base. Die Nukleotide der DNS unterscheiden sich von denen der RNS im Zucker: Die RNS enthält, wie aus dem Namen ersichtlich ist, Ribose (C5H10O5), während die DNS als Zucker die Desoxyribose (C5H10O4) aufweist, die ein Sauerstoffatom weniger hat. Zunächst interessiert uns nun der Aufbau der DNS. Bei ihr stehen als organische Basen für die Nukleotide zur Verfügung: Übersicht 14 Abkürzung Adenin Guanin Cytosin Thymin
Symbol A G C T
Nach den von Watson und Crick im Jahre 1953 veröffentlichten und inzwischen allgemein übernommenen Modellvorstellungen sind jeweils 2 DNS-Moleküle in einem Doppelstrang miteinander verbunden, ähnlich dem Bauprinzip einer Strickleiter. Die Stränge bilden sich aus Tausenden von Nukleotiden, wobei die Zucker benachbarter Nukleotide durch den Phosphatanteil der Nukleotide stabil miteinander verknotet sind. Die Basenanteile der Nukleotide sind über Wasserstoffbrücken mit den Basenanteilen der Nukleotide des Gegenstranges verbunden, so quasi die „Stege“ der Strickleiter bildend. Der Doppelstrang ist außerdem spiralig gedreht. Die Struk-
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tur der DNS wird deshalb als Doppelwendel (Doppelhelix) bezeichnet. Das Bauprinzip der DNS sollen die nachstehenden weiteren Symbole und ihre Verknüpfung verdeutlichen (Abb. 44). Links ist die „Strickleiter“ ausgebreitet, rechts im gewendelten Zustand. Bei der letzteren wird zugleich die Symbolik bzw. Kurzschreibweise von Windung zu Windung immer mehr vereinfacht. denn auf den Strängen bleibt die alternative Folge von Phosphat- und Zuckermolekülen immer gleich, während die Basen der „Stege“ ständig variieren und dadurch die charakteristische Struktur des betreffenden DNS-Abschnittes bestimmen.
!!! Aus dem Schema ist zu erkennen, dass es zwischen den 4 Basen bestimmte Partnerschaften gibt. Wegen ihrer chemischen Struktur verbindet sich die Base Guanin nur mit der Base Cytosin des anderen Holmes. Adenin nur mit Thymin. Man sagt auch: Guanin und Cytosin bzw. Adenin und Thymin ergänzen sich, sie sind komplementär. Das hat eine große Bedeutung bei der Verdoppelung der DNS vor der Zellteilung. Dann wird durch die Einwirkung spezieller Enzyme ein bestimmter Abschnitt der Doppelhelix entspiralisiert. Die Wasserstoffbrücken zwischen den komplementären Basen werden aufgelöst, und der Doppelstrang beginnt, sich zu öffnen und auseinander zu spreizen. Die jetzt partnerlos werdenden Basen fangen sich aus den vom Zellstoffwechsel bereitgestellten, ungebundenen Nukleotiden die passenden Partner von neuem ein. Diese verknüpfen sich über ihre Phosphatmoleküle, und es entsteht ein neuer DNS-Strang (Abb. 45). Auch an dem anderen, durch die Öffnung der Doppelwendel reaktionsfähig gewordenen Strang werden freie Nukleotide an die partnerlosen Basen angeheftet, und es bildet sich hier ebenfalls ein neuer DNS-Strang. Am Ende dieser Operation sind zwei DNS-Doppelstränge vorhanden, die ebenso aufgebaut sind wie vorher der eine. Bei den neu gebildeten Doppelwendeln stammt also jeweils ein Strang von der alten „Strickleiter“, der andere wurde neu synthetisiert.
3.2
Die chemischen Grundlagen der Vererbung
Abb. 44 Molekülaufbau der DNSDoppelwendel (Doppelhelix)
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Bei Lebewesen mit sehr langen DNS-Doppelsträngen, also auch bei den Haustieren, öffnen sie sich bei der Verdoppelungsaktion nicht nur an einer Stelle, sondern an vielen gleichzeitig. Dadurch wird dieser Vorgang sehr beschleunigt. Die Verknüpfung der Teilstücke zum kompletten DNS-Doppelstrang erfolgt mit Hilfe spezieller Enzyme, der Ligasen. Die beiden Duplikate der DNS-Doppelwendel werden bei der Kern- und Zellteilung auf die beiden Tochterkerne verteilt. Dadurch werden die gesamten Erbinformationen, die in den DNS-Molekülen des Zellkerns gespeichert sind, auf die beiden Tochterkerne übertragen.
!!! Jeweils drei benachbarte Nukleotide der DNSStränge bilden eine Untereinheit, ein so genanntes Triplett, das sich durch seine Basenfolge von anderen Tripletts unterscheidet, z. B. CGA, CGG, GGT. Insgesamt sind aus den vier Basen A, D, G und T 64 Kombinationen möglich. Sie dienen als Schlüssel (Code) für die 20 Aminosäuren tierischer Zellen sowie für einige spezielle Zwecke, beispielsweise als Startsignal oder Stoppzeichen. Bevor wir uns damit beschäftigen, wie und wo die mit Hilfe dieses Codes in den DNS-Strängen gespeicherten Bauanweisungen in eine Handlung umgesetzt werden, wollen wir uns ansehen, wie die Zellen im Elektronenmikroskop aussehen.
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Vererbung grenzt. Im Zellinneren, dem der bezeichnende Name „Protoplasma“ gegeben wurde, spielen Eiweißverbindungen (= Proteine) eine entscheidende Rolle.
!!! In der aus flüssigen und festen Elementen gemischten und dadurch gallertartig wirkenden Grundsubstanz des Zellplasmas lassen sich neben dem Zellkern weitere eigentümliche Strukturen mit bestimmten Aufgaben unterscheiden, vor allem ein weit verzweigtes Lamellensystem, das durch Röhrchen miteinander verbundene Hohlräume bildet und als Endoplasmatisches Retikulum (ER) bezeichnet wird, sowie räumlich begrenzte, teilweise kompakte Gebilde von charakteristischer Form, die so genannten Organellen (Abb. 46).
Abb. 45 Herstellung eines Duplikats der DNSDoppelwendel
3.3 Bau, Arbeitsweise und Vermehrung der Zellen 3.3.1 Die Organisation innerhalb der Zelle Trotz aller Unterschiede in der Größe und Form tierischer Zellen (s. Abb. 5) lassen sich bei ihnen gemeinsame Bauelemente erkennen. Nach außen werden sie durch eine semipermeable, das heißt beschränkt durchlässige Membran abge-
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Man kann Endoplasmatisches Retikulum mit „Netzstruktur im Plasma“ übersetzen. Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, die notwendigen Stofftransporte innerhalb der Zellen sowie zu den Membranen zu erleichtern, die ihrerseits für eine gezielte und gefilterte Stoffaufnahme und -abgabe zuständig sind. Das Kanalsystem ist veränderlich und kann sich neuen Ansprüchen – besonders während des Wachstums und der Zellteilung – anpassen. Es gibt zwei Formen des ER, das raue (granuläre) und das glatte. Das glatte ER wird reichlich in Leberzellen gefunden und vermehrt sich dort stark bei Belastungen, beispielsweise durch wochenlange Aufnahme von Arzneimitteln oder Giften. Es wird deshalb angenommen, dass im glatten ER Entgiftungsreaktionen ablaufen. Auch am Fettstoffwechsel der Zellen soll das glatte ER beteiligt sein, z. B. in den resorbierenden Epithelzellen des Darms. Das granuläre ER verdankt seine raue Oberflächenstruktur Tausenden, in manchen Zellen auch Millionen von Körnchen, die einen Durchmesser von rund 20 nm (= 0,0002 mm) haben und als Ribosomen bezeichnet werden. Außerdem gibt es so genannte „freie“ Ribosomen, die ohne Anlehnung an das ER mitten im Zellplasma liegen, oft gruppenweise zu Polysomen verbunden. Die Ribosomen enthalten als Hauptbestandteil Ribonukleinsäure (RNS) und spielen eine wichtige Rolle
3.3 Bau, Arbeitsweise und Vermehrung der Zellen
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Abb. 46 Schema einer tierischen Zelle (kurz vor der Zellteilung) bei der Eiweißsynthese; das heißt hier werden Eiweißverbindungen aus Aminosäuren zusammengeknüpft, und zwar nach den Bauplänen, die – wie wir schon wissen – in den DNS-Molekülen des Zellkerns aufgezeichnet sind. Wie gelangen diese Anweisungen vom Zellkern in die Ribosomen? Mit der Antwort beschäftigen wir uns in Abschnitt 3.3.2. Die bohnenförmigen Mitochondrien gehören wie die Ribosomen zu den Organellen des Zellplasmas. Aber sie sind mehr als hundertmal größer als jene und verfügen über eine große innere Oberfläche. Die Mitochondrien dienen hauptsächlich der Umwandlung und Bereitstellung von Energie. Sie sind in allen Zellen zu finden, in denen Arbeit geleistet wird, beispielsweise in der Geißel der Spermien, in den Wandzellen der Nierenkanälchen, wo für die Rückgewinnung von noch verwendungsfähigen Stoffen aus dem Primärharn viel Energie gebraucht wird, und natürlich in den Muskelzellen, besonders reichlich in Herzmuskelzellen. Mit den komplizierten chemischen Reaktionen in diesen „Kraftwerken“ der Zellen werden wir uns in Abschnitt 5.2 befassen.
Die Golgi-Apparate, eine weitere Gruppe von Organellen, sehen aus wie niedrige Stapel von Eierkuchen, von deren Rändern sich kleine Brösel ablösen. Was als „Eierkuchen“ erscheint, sind flache Zisternen, die in Verbindung stehen mit dem Endoplasmatischen Retikulum. Von dort erhalten sie Vorstufen von Sekreten, die in den Zisternen der Golgi-Apparate synthetisiert werden. Mit Hilfe von sich abschnürenden Bläschen (der „Brösel“) werden diese Sekrete abgesondert und zu den Poren der äußeren Zellmembran transportiert, um ausgeschieden zu werden. Es ist verständlich, dass besonders Drüsenzellen, wie die des Pankreas, reichlich mit Golgi-Apparaten bestückt sind. Aber auch an der Synthese von Schleimstoffen, Augenlinsenmaterial, Kollagen im Knorpel usw., vor allem am Aufbau der Zellmembran sind sie beteiligt. Die Lysosomen werden vor allem dann aktiv, wenn die Zelle geschädigt wird oder altert. Dann werden aus den Lysosomen Enzyme entlassen, die bis dahin unter Sicherheitsverwahrung standen und die nun für den Abbau von zelleigenen Eiweißverbindungen sorgen. Besonders reichlich
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Vererbung
sind Lysosomen in Leberzellen vertreten, zu deren Aufgaben Abbauvorgänge gehören, beispielsweise das Verschrotten alt gewordener roter Blutkörperchen. Die Zentralkörperchen (Zentriolen) bestehen aus jeweils 9 Dreiergruppen von Röhrchen (Mikrotubuli), die sich zu einem Hohlzylinder formieren. Die meisten Zellen enthalten zwei Zentriolen, deren Achsen senkrecht zueinander stehen. Sie treten während der Zellteilung in Aktion, wovon noch zu sprechen sein wird. Außerdem sind sie am Aufbau von Zilien (Wimpern im Flimmerepithel der Atemwege) und von Geißeln (der Spermien) beteiligt.
(Transfer- oder Transport-RNS). Die t-RNSStränge sind am kürzesten und enthalten nur ungefähr 80 Nukleotide. Die r-RNS wird im Kernkörperchen (Nucleolus) angereichert; hier werden aus r-RNS und vorhandenen Proteinen die Vorstufen der Ribosomen aufgebaut. Als kleinere und größere Untereinheit der Ribosomen verlassen diese Vorstufen den Zellkern und vereinigen sich erst am Beginn ihrer Tätigkeit – mit Hilfe von Mg-Ionen – an der m-RNS, um sich nach Abschluss ihrer Aufgabe wieder zu trennen. Die Fäden der m-RNS wandern also auch aus dem Zellkern in das Zellplasma und treffen an den Ribosomen auf Moleküle der t-RNS.
!!! 3.3.2
Eiweißsynthese
Wir hatten am Anfang des Abschnitts 3.2 den Zellkern während der Verdopplungsphase der DNS-Stränge kennen gelernt, die dazu dient, während einer Kern- und Zellteilung die in den DNS-Molekülen gespeicherten Erbinformationen auf die Tochterkerne zu übertragen. In den Pausen zwischen den Zellteilungen bleibt die DNSDoppelwendel nicht dauernd geschlossen, sondern sie öffnet sich abschnittsweise. An den zeitweilig unbesetzten Basen einer der beiden Stränge formiert sich aus ungebundenen Nukleotiden des Kernsaftes, die als Zucker Ribose enthalten, ein einfacher Strang der Ribonukleinsäure (RNS). Die Basenfolge auf diesem ist komplementär zu der des betreffenden DNS-Stranges. Das heißt z. B.: einem Triplett CCT auf dem DNS-Strang entspricht ein Triplett GGA auf dem RNS-Strang, das hier Codon heißt. (Dabei gibt es eine Besonderheit: Anstelle von Thymin ist die Base Uracil der RNS komplementär zur Base Adenin der DNS.) Durch diesen Vorgang, der als Transkription (= Umschreibung) bezeichnet wird, entsteht also praktisch eine Matrize für einen bestimmten Abschnitt des DNS-Originals. Für derartige Matrizenfäden ist die Kurzbezeichnung m-RNS üblich, wobei „m“ für „messenger“ steht, was auf deutsch Bote bedeutet. Man kann die m-RNS also Boten-RNS oder Matrizen-RNS benennen. An anderen Abschnitten des DNS-Doppelstranges werden zwei weitere Typen von RNS gebildet, die r-RNS (ribosomale RNS) und die t-RNS
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Diese t-RNS-Mokeküle des Zellplasmas haben in ihrem Schlepptau jeweils eine von 20 Aminosäuren und suchen auf der Boten-RNS nach dem Codon für „ihre“ Aminosäure. Hat die tRNS diesen Platz mit dem Codewort gefunden, liefert sie ihre Aminosäure ab und sucht sich im Aminosäurenvorrat der Zelle ein neues Molekül „ihrer“ Aminosäure. Die abgeladene Aminosäure ist inzwischen am Ribosom mit der schon vorher von einer anderen t-RNS abgelieferten „passenden“ Aminosäure und mit der nächsten, von der m-RNS angeforderten Aminosäure über Peptidbindungen verknüpft worden. Auf diese Art entsteht, während der gleitenden Kontakte von Ribosom und m-RNS, im gleichen Schritt eine Peptidkette, also der Teil einer Eiweißverbindung. Durch die Vermittlung der Matrize der Boten-RNS reihen sich in der Peptidkette die Aminosäuren in der Kombinationsfolge aneinander, wie sie in der Original-Erbinformation der Kern-DNS aufgeschrieben ist. Man fasst diese Vorgänge auch unter der Bezeichnung Translation (= Übersetzung) zusammen. Denn die t-RNS vermittelt den Übergang von der „Basensprache“ in die „Aminosäuresprache“. Zu diesem Zweck trägt die t-RNS an der Kontaktstelle zur m-RNS das sog. Anticodon für ihre Aminosäure, das komplementär zum betreffenden Codon der m-RNS ist. Weil dieses Codon seinerseits komplementär zum Basentriplett auf dem abgelesenen Strang der DNS ist, ergibt sich, dass das Anticodon der t-RNS und das ent-
3.3 Bau, Arbeitsweise und Vermehrung der Zellen
3
Abb. 47 Synthese des Anfangs einer Peptidkette aus den Aminosäuren Methionin, Leucin, Valin, Tryptophan, Lysin, Valin, Leucin, Serin, Prolin, Valin, Leucin ... (vereinfachte schematische Darstellung)
sprechende Basentriplett auf dem von der mRNS abgelesenen Strang der DNS identisch sind, beispielsweise bei der Aminosäure Prolin der Abb. 47. Sie weichen nur insoweit voneinander ab, wie die Base Thymin der DNS beteiligt ist, der auf der RNS die Base Uracil entspricht. (Beispiele in der Abb. 47 Valin und die Start-Aminosäure Methionin.) Weil der genetische Code für die Aminosäuren zuerst bei der m-RNS entschlüsselt wurde, ist es üblich, den Code-Katalog der m-RNS zugrunde zu legen. Von ihm kann man auf den DNS-Code zurückschließen.
? Eine Aufgabe für angehende Code-Knacker: Wie heißen Anticodon und Basen-Triplett auf dem codogenen Strang der DNS für folgende Codons: CAU (Histiden), UUU (Phenylalanin), ACA (Threonin), GGC (Glycin), UGU (Cystein), GCC (Alanin) und AAG (Lysin)? Dadurch, dass nicht nur ein Ribosom, sondern ein ganzes Polysom, das heißt. eine Gruppe von einem Dutzend und mehr Ribosomen, den Kontakt zur selben m-RNS aufnimmt und Peptidketten nach dem gleichen Muster produziert, wird
der Vorgang der Proteinsynthese stark beschleunigt. Man schätzt, dass für die Aneinanderreihung von 300–500 Aminosäuren zu einem Polypeptid mittlerer Größe (rel. Molekülmasse 30 000–50 000) durch die Aktivität von 12–20 Ribosomen 10–20 Sekunden gebraucht werden. Die „freien“ Ribosomen im Zellplasma synthetisieren vorwiegend Eiweißverbindungen, die in der Zelle selbst gebraucht werden, während die an den Kanälen des ER postierten Ribosomen Exportproteine herstellen, die über das Kanalsystem zur äußeren Zellmembran und nach draußen geleitet werden. (Im Abschnitt 2.4.1 haben wir in der Kollagenbildung durch die Osteoblasten bereits einen derartigen Vorgang besprochen.)
!!! Ein sehr wichtiger Teil der Proteinsynthese an den Ribosomen ist der Aufbau von Enzymen (Fermenten), die Stoffwechselprozesse von jeweils ganz bestimmter Art in Gang setzen oder halten. Viele der bisher entdeckten Fermente bestehen aus der an den Ribosomen zusammengeknüpften Eiweißgrundlage, dem so genannten Apoenzym, und der speziellen Wirk-
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Vererbung gruppe, dem Coenzym. Beim Hämoglobin, das auch als Enzym wirksam ist, stellt das Eisen das Coferment. Bei vielen anderen Fermenten wirken Vitamine als Coenzym. Apoferment und Coferment sind nur gemeinsam wirksam.
? Lösung der Aufgabe: Aminosäure: His Phe Thr Gly Cys Ala Lys DNS–Triplett GTA AAA TGT CCG ACA CGG TTC Codon CAU UUU ACA GGC UGU GCC AAG Anticodon GUA AAA UGU CCG ACA CGG UUC Aber hatten wir nicht für Lysin schon ein anderes Codon, nämlich AAA? Richtig. Für Lysin gibt es zwei Codons, für manche Aminosäuren sogar 4 oder 6. Nur Methionin begnügt sich mit einem Codon. Die anderen haben sich so ausgebreitet, weil bei 3 Basen 64 Kombinationsmöglichkeiten bestehen, die für 20 Aminosäuren mehr als ausreichen.
3.3.3 Chromosomen und Gene Als Bewahrer des Erbgutes ist uns die Desoxyribonukleinsäure schon vertraut. Bei den Viren und Bakterien enthält eine einzige, lange, verdrehte und zusammengefaltete DNS-Strickleiter die gesamte Erbinformation, das ganze Genom, wie die Vererbungsforscher (die Genetiker) auch sagen. Bei den höheren Organismen mit einem viel größeren Bedarf an Erbinformationen würde die DNS-Leitung zu lang werden. Deshalb ist sie in mehrere Portionen aufgeteilt, und jede Teilportion wird in einem Chromosom untergebracht, zusammen mit Histonen und anderen Eiweißverbindungen, die der Stabilisierung der DNS-Struktur dienen und weitere Hilfsfunktionen haben. Der Name Chromosom rührt daher, dass sich die Nukleinsäuren in den Chromosomen mit basischen Farbstoffen verbinden und sich während der Zellteilung im Lichtmikroskop sichtbar machen lassen. Während dieses Stadiums sind die DNS-Leitern sehr stark zusammengeknäuelt und verdichtet, wie aus der Abb. 48 ersichtlich ist. Das bedeutet natürlich auch, dass während der Zellteilung keine Erbinformationen abgelesen werden können und die Eiweißsynthese an den Ribosomen unterbrochen wird. Da sich in jeder Körperzelle ein väterlicher und ein mütterlicher Satz von Erbinformationen befinden, ist es klar, dass auch die Chromosomen
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Abb. 48 Chromosom aus zwei Chromatiden, von denen sich die rechte noch zusammendreht und verdichtet, während die linke die maximale Spiralisierung bereits erreicht hat (nach Ude und Koch) nur in gerader Anzahl angetroffen werden. So hat beispielsweise das Rind insgesamt 60 Chromosomen (= 30 Chromosomenpaare) und das Schwein 40 Chromosomen (= 20 Chromosomenpaare). Jede Tierart hat einen nur für sie charakteristischen Chromosomensatz (der Mensch 46). Der Ausdruck „Chromosomenpaar“ weist darauf hin, dass sich jeweils ein Chromosom vom Vater und das entsprechende (= homologe) Chromosom von der Mutter äußerlich gleichen.
!!! Nur ein Chromosomenpaar, nämlich das für die Geschlechtsausprägung zuständige, sieht in den Körperzellen männlicher Haussäugetiere verschieden aus.
Sie haben ein x- und ein y-Chromosom, während Kühe, Sauen, Stuten usw. über zwei x-Chromosomen verfügen. Bei den Hühnern und anderen Vögeln ist es gerade umgekehrt. Dort haben also die Hähne in ihren Körperzellen ein xx-Chromosomenpaar und die Hennen das xy-Chromosomenpaar. Das Genom als Gesamtheit aller auf den Chromosomen vorhandenen Erbinformationen lernten wir zu Beginn des Kapitels kennen. Über die Beschäftigung mit isolierten Erbanlagen gelangen
3.3 Bau, Arbeitsweise und Vermehrung der Zellen wir zum einzelnen Gen, dem Urheber für die Bezeichnung der Vererbungsforschung als Genetik.
ren Ergebnisse in der Gentechnik ihre praktische Anwendung finden (vgl. Kap. 3.9 und Kap. 4.3).
!!! Als Gen bezeichnet man allgemein einen bestimmten Abschnitt eines Chromosoms, der als zentrales biochemisches Zentrum angesehen werden kann und eine Eigenschaft im Organismus beeinflusst. Wo genau die Gene auf den Chromosomen sitzen, man nennt diese Stellen die Genorte, wird auch bei Haustieren immer weiter aufgeklärt, vor allem durch Kreuzungsversuche (vgl. Kap. 3.5.1) und in jüngerer Zeit durch molekulargenetische Methoden (vgl. Kap. 4.3.1). Seit langem ist auch bekannt, dass die Gene wie Perlen auf einer Kette angeordnet sind.
Da die Chromosomen in den Körperzellen jeweils doppelt vorhanden sind, muss dies auch für die Gene zutreffen. Derartig paarig vorhandene (= homologe Gene) nennt man Allele. Befinden sich mehrere davon an einem Genort, so heißen sie multiple Allele. Die Ausprägung von Merkmalen wird von den Genen bestimmt. Sie stehen daher auch im Mittelpunkt weltweiter Forschungsaktivitäten, de-
3.3.4 Die normale erbgleiche Zellteilung (Mitose) Wachstum tierischer und pflanzlicher Organismen ist abhängig von der Vermehrung der Zellen. Diesem außerordentlich wichtigen Prozess wollen wir uns nun zuwenden. Betrachten wir dazu nochmals Abb. 46. Der dort dargestellte Zellkern bereitet sich gerade auf eine Zellteilung vor, das heißt die Verdoppelung der DNS-Doppelwendel und damit eine Verdoppelung der Chromosomen hat schon stattgefunden. Die in jeder Beziehung identischen, also auch erbgleichen Tochterchromosomen – man nennt sie Chromatiden – liegen mit den in ihnen enthaltenen Tochter-DNS-Strängen noch nebeneinander (Abb. 49a), durch das so genannte Zentromer zusammengehalten. Inzwischen verdoppeln sich im Zellplasma die Zentralkörperchen; die Tochterzentriolen streben auseinander und zu den Polen der Zelle hin. Dann lösen sich die Kernmembran und das Kernkörperchen auf (Abb. 49b). Die aus je 2 Chromatiden bestehenden Chromosomen rollen sich
Abb. 49 Schema der normalen Zellteilung (Mitose)
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Vererbung
schraubenförmig zusammen und werden dadurch kürzer und kompakter (Abb. 48). Gleichzeitig versammeln sie sich in der Äquatorialebene, die zwischen den beiden Polen liegt und senkrecht zu den von den Polen ausgehenden Fasern verläuft (Abb. 49c). Die Entwicklung dieser Fasern zur Polspindel wird von den Zentralkörperchen veranlasst, die dabei auch die Verbindung zum Zentromer der Chromosomen aufnehmen. Diese teilt sich dann, und die Chromatiden werden getrennt (Abb. 49d). Dann verkürzen sich die Spindelfasern, und die beiden Chromatiden eines Chromosoms werden in entgegengesetzter Richtung auseinander gezogen. Auf diese Art werden auch die anderen Chromosomen geteilt, das heißt ihre Chromatiden verteilt (Abb. 49e). Dann schnürt sich in der Äquatorialebene die Zelle ein. Das Zellplasma wird nach beiden Seiten verteilt; und es wird eine neue Zellmembran ausgebildet. Der Spindelapparat schrumpft zum Zentriolenpaar zusammen. Das Kanalsystem des ER wird in den beiden Tochterzellen neu eingerichtet. Auch Kernmembran und Kernkörperchen werden wieder gebildet (Abb. 49f). Die Chromatiden entknäueln sich, und in ihnen nehmen die DNS-Doppelstränge mit den Duplikaten der Bauund Zeitpläne ihre übliche Tätigkeit in den Pausen zwischen den Zellteilungen auf, nämlich RNS-Matrizen mit den Betriebsanweisungen zu den Ribosomen zu schicken sowie r-RNS und tRNS bereitzustellen.
!!! Die durch die Kernteilungsvorgänge mit den gleichen Erbinformationen ausgestatteten beiden Tochterzellen arbeiten nun nach den gleichen Prinzipien wie die Mutterzelle vor der Teilung.
3.3.5 Die Reifeteilung (Meiose) Nach unzähligen Zellteilungen sind aus befruchteten Eiern Ferkel geworden und die Ferkel zu jungen Ebern oder Sauen herangewachsen. Seit dem 3. oder 4. Monat haben sich in ihren Keimdrüsen (im Hoden bzw. Eierstock) aus den Urgeschlechtszellen befruchtungsfähige Samenzellen bzw. Eizellen gebildet. Diesen Vorgang bezeich-
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net man als Reifung, er ist von großer Bedeutung. Die Urgeschlechtszellen haben wie alle Körperzellen den doppelten Chromosomensatz, bei Läufern also je 40 Chromosomen. Andererseits wissen wir, dass der Samenkern und der Eikern zu ihrer Vereinigung während der Befruchtung nur einen einfachen Chromosomensatz, beim Schwein also je 20 Chromosomen mitbringen. Wenn das nicht so wäre, würde sich bei jeder neuen Generation der Chromosomensatz verdoppeln und bald keinen Platz mehr in den Kernen finden.
!!! Demnach muss während der Entwicklung von den Urgeschlechtszellen zu den reifen Samenund Eizellen eine Halbierung des doppelten Chromosomensatzes stattfinden; und jede reife Geschlechtszelle hat nur einen einfachen Chromosomensatz. Ferner werden bei der Geschlechtszellenreifung die Vorbedingungen für neue Kombinationen der Erbanlagen (Gene) in den Nachkommen und damit für einen der wichtigsten Ansatzpunkte züchterischer Bemühungen geschaffen.
Welcher Zusammenhang hier besteht, werden wir gleich sehen. Dabei werden wir uns aber zur Vereinfachung mit den nur 4 Chromosomen eines primitiv organisierten Lebewesens, etwa eines Fadenwurms, begnügen. Die Körperzellen und die Urgeschlechtszellen des geschlechtsreif werdenden Tieres enthalten einen väterlichen Chromosomensatz von 2 Chromosomen (in Abb. 50 schwarz) und einen mütterlichen Chromosomensatz (in der Abb. grau). Von den beiden Chromosomen eines einfachen Chromosomensatzes ist das eine lang, das andere kurz. Wir befassen uns zunächst mit der Reifung der Samenzellen: Die Teilung der Ursamenzellen wird wie jede andere Zellteilung eingeleitet durch eine Verdoppelung der DNS-Doppelwendel, was im Mikroskop als Längsteilung der Chromosomen in je 2 Chromatiden sichtbar wird. Der nächste Schritt ist neu: Die einander entsprechenden (= homologen) Chromosomen, genauer gesagt: Chromatidenpaare, eines vom Vater und eines von der Mutter, streben aufeinander zu und legen sich aneinander. Das bedeu-
3.3 Bau, Arbeitsweise und Vermehrung der Zellen
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Abb. 50 Reifung der Geschlechtszellen (Meiose)
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Vererbung
tet, dass dann 4 Chromatiden zusammen sind. Man spricht von Vierergruppen oder Tetraden. (Was während dieser so genannten Konjugation geschieht, besprechen wir später in Kap. 3.5.1.) Dann weichen die homologen Chromatidenpaare wieder auseinander. Sie hatten sich inzwischen wieder verkürzt und lassen sich von den durch die Zentralkörperchen gebildeten Polspindeln zu den Polen der Zelle ziehen. Das ist die 1. Reifeteilung, auch Reduktionsteilung genannt, weil die Tochterkerne nur die Hälfte der vorhandenen Chromosomen mitbekommen. Zwar erhalten die Tochterkerne von jedem Chromatidenpaar ein Exemplar. Ob dieses aber vom mütterlichen Chromosomensatz stammt oder vom väterlichen, bleibt dem Zufall überlassen. In unserer Abbildung geht das lange Chromosom vom Vater und das kurze von der Mutter zum westlichen Pol, das lange von der Mutter und das kurze vom Vater zum östlichen Pol. In einer benachbarten Ursamenzelle kann die Aufteilung bei der 1. Reifeteilung aber auch so erfolgen, dass beide väterlichen Chromosomen zum Westpol gehen und beide mütterlichen Chromosomen zum Ostpol. Im nächsten Schritt, in der 2. Reifeteilung, werden die Ergebnisse der Längsteilung der Chromosomen, also die Chromatiden, aufgeteilt, so dass nun die Vorsamenzellen entstehen, die tatsächlich nur einen einfachen Chromosomensatz besitzen. Aus der Vorsamenzelle entwickelt sich durch einige technische Ergänzungsschritte das Spermium. Bei den verschiedenen Teilungen ist das Plasma der Ursamenzelle größtenteils verbraucht worden. Von den Zentriolen wird eines im Hals (Mittelstück) verstaut, das andere bei der Bildung der Geißel verwendet, der Kopf des Spermiums nimmt den Zellkern auf. Aber die Köpfe der Spermien haben nicht alle den gleichen Kern. Die beiden ersten Spermien in der Abb. 50 haben sowohl Erbinformationen von der Mutter wie auch vom Vater. Aber der dritte Samenfaden hat nur väterliche Gene, der vierte nur Gene von der Mutter. Bei einem einfachen Chromosomensatz von nur 2 Chromosomen gibt es also 4 verschiedene Sorten von Spermien, bei den 3 Chromosomen der Heuschrecke 23 = 8 Kombinationsmöglichkeiten,
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bei den 4 Chromosomen der Taufliege 24 = 16 Kombinationen, bei den 20 Chromosomen des Schweines 220, also unvorstellbar viele Kombinationen. Je mehr Chromosomen beteiligt sind, um so seltener wird dabei der Fall, dass die Spermien ausschließlich väterliche oder mütterliche Gene enthalten. Bei 2 Chromosomen waren das 2 von 4 Spermien, also 50 %, bei 4 Chromosomen sind es 2 von 16 Kombinationen, also 13 %, bei 8 Chromosomen weniger als 1 %. Die Entwicklung von einer Ureizelle bis zum befruchtungsfähigen Ei verläuft im Wesentlichen mit den gleichen Teilungs- und Reifungsschritten wie bei der Samenzellenreifung. Nur wird bei der 1. Reifeteilung das gesamte Plasma auf die eine Tochterzelle übertragen. Die andere enthält nur Chromosomen, und nach der nächsten Teilung gehen ihre beiden kümmerlichen Töchter zugrunde. Ebenso wird bei der 2. Reifeteilung verfahren, auch hier stirbt eine Tochter ohne Plasma ab. Diese drei sehr kurzlebigen Zellen werden als Polzellen bezeichnet. Diese Maßnahme erweist sich als recht zweckmäßig, weil sich später das befruchtete Ei auf seiner tagelangen Reise in die Gebärmutter im Wesentlichen selbst ernähren und außerdem noch die Energie für die ersten, unterwegs stattfindenden Zellteilungen aufbringen muss. Auch bei der 1. Reifeteilung der Ureizellen entscheidet der Zufall, wie väterliche und mütterliche Chromosomen auf die Tochterzellen verteilt werden und welche Kombinationen das Plasma erhält. Nehmen wir an, das überlebende Ei habe bei der Verteilung nur väterliche Chromosomen erhalten (weil es sich in der Regel um einen anderen Vater handelt als bei den Samenzellen, sind die Chromosomen punktiert gezeichnet). Und nehmen wir weiter an, das Ei werde von dem an der zweiten Stelle stehenden Spermium befruchtet; dann würden sich in der befruchteten Eizelle und später in sämtlichen Zellen des daraus hervorgehenden neuen Lebewesens nur Erbinformationen von Großvater und Großmutter väterlicherseits sowie des Großvaters mütterlicherseits befinden, von der Großmutter mütterlicherseits wären keine Gene dabei. Halten wir von den besprochenen Reifungsvorgängen und von den Überlegungen über die Kombinationsmöglichkeiten Folgendes fest:
3.4 Die Mendel’schen Gesetze als Spielregeln des Zufalls
!!! Das mit der Befruchtung entstehende neue Lebewesen bekommt einen einfachen Chromosomensatz vom Vater und einen einfachen Chromosomensatz von der Mutter, also jeweils ein homologes Chromosom von beiden Seiten. Aber von welchem Großelternteil dieses Chromosom jeweils stammt, das ist Zufall. Es ist durchaus möglich, dass ein Großelternteil an die Enkel überhaupt nichts zu vererben hat. Zwar wird dieser Fall – wenn man das gesamte Erbgut betrachtet – mit zunehmender Chromosomenzahl immer seltener und ist bei 30 Chromosomenpaaren eines Rindes sehr, sehr selten. Aber für ein einzelnes Chromosom und für die darauf verankerten Gene ist die Chance, bei der Reifeteilung der Eier weitergereicht zu werden, genauso groß wie die, verloren zu gehen, also 50 : 50. Es wäre schade, wenn das unberücksichtigte Chromosom gerade dasjenige war, auf dem die Erbinformationen für den hohen Milcheiweißgehalt niedergelegt waren.
3.4 Die Mendel’schen Gesetze als Spielregeln des Zufalls Fast alles, was wir in den bisherigen Abschnitten über die Vererbung besprochen haben, war noch nicht bekannt, als der Augustinerpater Gregor Mendel (1822–1884) in seinem Klostergarten in Brünn Erbsenrassen miteinander kreuzte, die sich in ihrer Blütenfarbe und anderen Merkmalen unterschieden, und dabei die nach ihm benannten Erbgesetze fand. Mehrere Jahrzehnte lang kümmerte sich niemand um diese Ergebnisse; sie wurden erst am Anfang des 20. Jahrhunderts neu entdeckt und durch eine dann einsetzende rege Forschungstätigkeit erweitert. Auch bei Tieren wurden gezielte Kreuzungsversuche unternommen, obwohl es hier wegen der begrenzten Nachkommenzahl viel schwieriger als bei Pflanzen ist, eindeutige Ergebnisse zu gewinnen. Über die Bedeutung der Anzahl der Nachkommen für Gesetzmäßigkeiten von der Art der 2. Mendel’schen Regel kann jeder sich mit Hilfe eines (regelmäßigen!) Würfels selbst orientieren:
Wer nur zwölfmal würfelt, kann dabei unter Umständen die 6 fünfmal und öfter würfeln oder auch überhaupt nicht, obwohl die 6 in einem Sechstel aller Versuche, also zweimal zu erwarten wäre. Wenn man 1 200mal würfelt, dann ist die 6 vielleicht 195mal oder 208mal dabei, auf jeden Fall jetzt aber in fast einem Sechstel aller Fälle. Je öfter man würfelt, desto mehr stimmt nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen das tatsächliche Ergebnis mit dem erwarteten überein.
3.4.1
Kreuzungsversuche mit einem Merkmalspaar
3.4.1.1 Erste und zweite Kreuzung Wenn man schwarze Spanier-Hähne und hellfarbige Spanier-Hennen miteinander paart, sehen die Söhne und Töchter alle gesprenkelt aus. Man bezeichnet sie als Blaue Andalusier (Abb. 51). Paart man einen schwarzbunten Bullen aus einer seit vielen Generationen reingezüchteten Hochzuchtherde mit einer rotbunten Kuh, dann sehen die Angehörigen der 1. Nachkommengeneration alle schwarzbunt aus (Abb. 51). Wenn wir diese beiden Kreuzungsversuche miteinander vergleichen, entdecken wir eine Gemeinsamkeit und einen Unterschied. Das Gemeinsame lässt sich wie folgt formulieren: Werden zwei Lebewesen miteinander gekreuzt, die sich nur in einem bestimmten Merkmal unterscheiden, dann sind die Nachkommen der 1. Generation unter sich gleich. Es gibt aber zwei Möglichkeiten – und darin besteht der Unterschied zwischen den beiden Kreuzungen: Im zweiten Fall hat sich im Erscheinungsbild – im Phänotyp – der eine Elternteil durchgesetzt. Das Schwarz der Schwarzbunten unterdrückt das Rot der Rotbunten. Die Genetiker sagen: Dieses spezielle Schwarz ist deckend (= dominant) über Rot, und dieses Rot ist weichend (= rezessiv) gegenüber Schwarz. Man nennt das dominant-rezessive oder einfach dominante Vererbung. Dabei ist es üblich, die dominanten Anlagen mit großen Buchstaben (z. B. A/AA), die rezessiven mit kleinen zu kennzeichnen (a/aa), wie es schon Gregor Mendel tat. Im ersten Beispiel der Hühner konnte sich Schwarz nicht gegenüber Hellfarbig durchsetzen. Es kommt zu einem Kompromiss. Die Nachkom-
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3
3
Vererbung Abb. 51 Zwischenelterlicher (intermediärer) Erbgang (oben) und dominant-rezessiver Erbgang (unten)
men sehen weder wie der eine Elternteil noch wie der andere aus. Sie bleiben im Erscheinungsbild auf einer mittleren Linie. Man spricht hier von zwischenelterlicher (= intermediärer) Vererbung. Sind die Blauen Andalusier eine neue Rasse? Wenn man diese Frage beantworten will, muss man die Angehörigen der 1. Nachkommengeneration, die man auch 1. Filialgeneration oder kurz F1 nennt, miteinander paaren. Das führt bei den Blauen Andalusiern zu folgendem Ergebnis: Abb. 52. Dieses Ergebnis weckt die Neugier: Was wird bei einer Paarung der Kreuzungsprodukte von Schwarzbunt und Rotbunt herauskommen? Abb. 53 zeigt das Ergebnis. Es lässt sich nicht bezweifeln: Der äußere Schein trügt. Die äußerlich schwarzbunten Tiere der 1.
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Kreuzungsgeneration sehen zwar genauso aus wie ihr Vater; aber im Erbgut (= Genotyp) gleichen sie ihm beim Merkmal Haarfarbe nicht. Sie haben die Anlage für das unterdrückte Rot noch in den Erbinformationen sämtlicher Körperzellen und der Urgeschlechtszellen. Je nachdem, wie es der Zufall bei der 1. Reifeteilung will, geben sie in ihren Keimzellen das Gen für Schwarz (A) oder für Rot (a) weiter. Trifft eine Samenzelle mit A auf eine Eizelle mit A oder a, sieht das Paarungsprodukt schwarzbunt aus. Trifft eine Keimzelle mit a auf einen Partner mit a – und das ist im Durchschnitt bei 25 % aller Paarungen der F1Generation der Fall – dann sieht das Kalb rotbunt aus wie die Großmutter. Die Tiere mit gleicher Erbinformation für die Farbe, also AA (schwarzbunt aussehend) oder aa
3.4 Die Mendel’schen Gesetze als Spielregeln des Zufalls Abb. 52 Paarung der F1-Bastarde bei intermediärem Erbgang
3
(rotbunt aussehend) werden als reinerbig = homozygot bezeichnet. Die Tiere mit unterschiedlicher Erbinformation für ein Merkmal, also Aa oder aA (schwarzbunt aussehend) werden mischerbig = heterozygot genannt. Von den drei schwarzbunten Kälbern der 2. Nachkommengeneration (der 2. Filialgeneration oder F2) ist also eines homozygot für Schwarz, und zwei sind heterozygot. Wenn wir den Genotyp betrachten, erfolgt hier ebenso eine Aufspaltung im Verhältnis von 1 : 2 : 1 wie bei den Angehörigen der F2 der Andalusierhühner, wo die Aufspaltung in diesem Verhältnis auch im äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp) sichtbar wird. Die Blauen Andalusier sind keine neue Rasse und können es nie werden,
weil bei ihrer Paarung wie bei allen Paarungen der F1 immer wieder Aufspaltungen aufträten.
!!! Als Ergebnis der beschriebenen Versuche wollen wir festhalten: | Man muss zwischen Erscheinungsbild (Phänotyp) und Erbbild (Genotyp) unterscheiden. Nur bei Merkmalen, die intermediär vererbt werden, kann vom Phänotyp ohne weiteres auf den Genotyp geschlossen werden. Es ist deshalb auch notwendig, die nach der Abb. 51 formulierte Regel folgendermaßen einzuschränken. | Werden zwei Lebewesen miteinander gekreuzt, die sich in einem bestimmten Merk-
Abb. 53 Dominant-rezessiver Erbgang
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3
Vererbung mal unterscheiden und die bei diesem Merkmal reinerbig (homozygot) sind, dann sind alle Angehörigen der 1. Nachkommengeneration unter sich gleich. Das ist die 1. Mendel’sche Regel (Uniformitätsgesetz). | Werden Angehörige dieser 1. Nachkommengeneration miteinander gepaart, dann findet in der 2. Nachkommengeneration eine Aufspaltung statt. Je größer die Zahl der Nachkommen ist, um so näher kommt die Aufspaltung dem Zahlenverhältnis 1 /4 : 2/4 : 1/4. Das ist die 2. Mendel’sche Regel (Spaltungsgesetz).
Wegen der geringen Nachkommenzahl sind allerdings derartige Rückkreuzungsversuche bei Rindern sehr schwierig. Weil sie in der Praxis gar nicht durchgeführt werden, wird selbst in schwarzbunten Herden, die schon lange im Herdbuch dieser Rasse sind, hin und wieder ein rotbuntes Kalb geboren. Beim Meerschweinchen, bei der Maus oder bei der Taufliege, die als „Haustier“ der Genetiker bezeichnet wird, lassen sich wegen der vielen Nachkommen Rückkreuzungsversuche viel leichter durchführen. diese haben zu wichtigen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Vererbung beigetragen.
3.4.2 3.4.1.2 Rückkreuzung Um zu erkennen, ob ein dominant vererbtes Merkmal bei einem Kreuzungstier reinerbig oder mischerbig vertreten ist, bedient man sich des Hilfsmittels der Rückkreuzung. Das heißt: Es werden die F2-Kreuzungstiere mit dem Großelternteil gepaart, der das rezessive Merkmal hat und dafür bestimmt reinerbig ist. Wenn die schwarzbunten Tiere der F2 mit der Großmutter gepaart werden, gibt es folgende Möglichkeiten (s. Abb. 54). Treten als Ergebnis dieser Rückkreuzung nur schwarzbunte Kälber auf, dann ist anzunehmen, dass das schwarzbunte Kreuzungsprodukt reinerbig war (Abb. 54 links). Treten dagegen schwarzbunte und rotbunte Kälber im Verhältnis 50 : 50 auf, dann war das schwarzbunte Kreuzungstier mischerbig (Abb. 54 rechts).
Abb. 54
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Rückkreuzung
Kreuzungsversuche mit zwei und mehr Merkmalspaaren
Wir haben uns bisher nur mit dem Fall beschäftigt, dass sich die für Kreuzungen herangezogenen Tiere nur in einem Merkmal unterscheiden. Meistens sind sie aber in mehreren oder vielen Merkmalen verschieden. Betrachten wir zunächst den Erbgang, wenn sich die Ausgangsrassen in zwei Merkmalen unterscheiden: Es soll ein einfarbig rotes Rind (Angler) mit einem schwarzbunten Rind gekreuzt werden. Beide weichen erstens in der Farbe voneinander ab; und dabei ist Schwarz (A) dominant über Rot (a). Zweitens differieren sie in der Farbverteilung über das Fell; und dabei ist einfarbig (B) dominant über gescheckt (b). Bei zwei dominant-rezessiven Merkmalspaaren spalten die Angehörigen der F2-Generation beim Phänotyp im Verhältnis 9 : 3 : 3 : 1 auf. Betrach-
3.4 Die Mendel’schen Gesetze als Spielregeln des Zufalls ten wir den Genotyp für jedes Merkmal für sich, dann erhalten wir für AA : Aa : aa ein Zahlenverhältnis von 4 : 8 : 4 und für bb : Bb : BB ebenfalls 4 : 8 : 4. Das entspricht dem uns schon bekannten Zahlenverhältnis von 1/4 : 2/4 : 1/4 für Aufspaltungen. Besonders interessant sind in der Abb. 55 die Tiere der Diagonale von links oben nach rechts unten: Sie sind homozygot. Davon entsprechen die Enkel in der zweiten und dritten Reihe den
reinerbigen Großeltern. Aber die Tiere in der ersten Reihe AABB und in der letzten Reihe aabb stellen etwas Neues dar. Eindeutig ist der Fall bei aabb; hier sind nur rezessive Gene zusammengekommen, und dieses rotbunte Tier kann ohne Zweifel als Begründer einer neuen Rasse gelten. Bei dem einfarbig schwarzen Tier in der ersten Reihe mit der Erbinformation AABB wird die Aussage dadurch beeinträchtigt, dass ein Phänotyp noch achtmal, aber heterozygot vertreten
Abb. 55 Kreuzung mit zwei Merkmalspaaren
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3
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Vererbung
ist. Es müsste also erst durch Rückkreuzung herausgefunden werden, welcher der neun einfarbig schwarzen Enkel nun der reinerbige ist – beim Rind eine sehr mühsame, kostspielige und kaum durchführbare Aufgabe. Mit Erbsen ist das leichter möglich. Mendel fand dabei, ohne über die chemischen Vorgänge im Zellkern und über die Reifungsteilungen etwas zu wissen, seine 3. Regel (Unabhängigkeitsgesetz):
!!! Werden Lebewesen miteinander gekreuzt, die sich in mehreren Merkmalen unterscheiden, dann werden die einzelnen Erbanlagen unabhängig voneinander vererbt. Diese Regel ist in vereinfachter Form als „Gesetz von der freien Kombination der Gene“ bekannt. Sie liefert ein Modell dafür, wie neue Rassen und neue Arten entstehen können.
3.5 Ergänzungen zur Wirkung oder zur Übertragung von Erbanlagen Spätere Genetiker haben das System von Mendel durch viele zusätzliche Erkenntnisse angereichert, erweitert und teilweise auch eingeschränkt. Davon kann hier aus Platzgründen nur einiges behandelt werden. Bei manchen Kreuzungsversuchen wurde beobachtet, dass sich die Angehörigen der F1 bei bestimmten Merkmalen weder intermediär noch eindeutig dominant verhielten, sondern nur einem Elternteil stärker zuneigten. So weisen beispielsweise die F1-Küken aus der Paarung von weißen und schwarzen Wyandotte-Hühnern in ihrem schwarzen Federkleid einzelne weiße Federn auf, oder ihr Schwarz hat einen hellen Schimmer. Ein solches Verhalten bezeichnet man als unvollständige Dominanz. Das bedeutet u. a., dass sich in der F2 die Heterozygoten teilweise von den Homozygoten unterscheiden lassen. Wenn die Heterozygoten in bestimmten Merkmalen beide homozygoten Eltern übertreffen, spricht man von Überdominanz.
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3.5.1 Anlagenkopplung und Anlagenaustausch Mendel demonstrierte das Unabhängigkeitsgesetz glücklicherweise an Merkmalen, bei denen man später feststellte, dass die entsprechenden Gene auf verschiedenen Chromosomen sitzen. Hätte Mendel Merkmale verwendet, deren Gene im gleichen Chromosom liegen, hätte er die Unabhängigkeitsregel schwer finden und beweisen können;
!!! denn bei der Reifeteilung der Keimzellen werden ganze Chromosomen verteilt und neu kombiniert, nicht einzelne Gene. Die verschiedenen Gene eines Chromosoms bilden also eine Vererbungsgemeinschaft; sie sind aneinander gekoppelt. Bewiesen wurde die Anlagenkopplung durch den amerikanischen Genetiker Morgan und seine Mitarbeiter, die bei der Taufliege mehrere hundert erblich verankerte Merkmale beobachteten und dabei feststellten, dass es 4 Kopplungsgruppen gab. Das waren ebenso viele, wie die verwendete Taufliegenart Chromosomen in ihren Keimzellen besitzt. Bei einer anderen Fliegenart mit 6 Chromosomenpaaren fanden sich 6 Kopplungsgruppen. Auch wenn durch die Anlagenkopplung die Kombinationsmöglichkeiten der Gene beschränkt werden, gibt es deren immer noch genug, vor allem bei größerer Chromosomenzahl. Bei 4 Kopplungsgruppen einer Taufliege können in der F2Generation 34 = 81 verschiedene Genotypen auftreten, bei den Schweinen mit 320 schon über 1 Milliarde verschiedene Genotypen und bei den Rindern eine astronomische Zahl. Bei den Kreuzungsversuchen mit der Taufliege im Institut Morgans traten öfter Zahlenverhältnisse auf, die weder den Erwartungen aufgrund des Unabhängigkeitsgesetzes entsprachen, noch bei vollständiger Kopplung der Gene erwartet werden konnten. Morgan stellte zur Deutung dieser zunächst unerklärlichen Erscheinungen eine Hypothese auf. Es gelang ihm auch, durch entsprechende Versuche den Beweis für seine Vermutung zu erbringen.
3.5 Ergänzungen zur Wirkung oder zur Übertragung von Erbanlagen
!!! Während der so genannten Tetradenbildung, also beim Aneinanderlegen der homologen Chromosomen vor der 1. Reifeteilung, findet ein Austausch von Teilen der nebeneinander liegenden Chromatiden statt, etwa nach folgendem Muster, wie in Abb. 56 gezeigt.
Durch diesen Anlagenaustausch (= Crossing over) werden die auf den abgetrennten Teilstücken der Chromosomen liegenden Gene aus einer Kopplungsgruppe gelöst und in die Kopplungsgruppe des homologen Chromosoms aufgenommen. Auf diese Weise wird die Zahl der durch die Kopplungsgruppen begrenzten Kombinationsmöglichkeiten wieder stark vergrößert. Morgans Hypothese erwies sich in einer weiteren Richtung als sehr fruchtbar, wie aus den folgenden Überlegungen zu ersehen ist: Liegen zwei Gene auf dem Chromosom sehr dicht nebeneinander, dann werden sie selten durch den Anlagentausch getrennt. Liegen sie aber an den entgegengesetzten Enden des Chromosoms, werden sie oft getrennt. Aus der Häufigkeit der Trennung von zwei Genen kann man also Rückschlüsse ziehen auf den Abstand zwischen ihren Standorten auf dem Chromosom und daraus Chromosomenkarten erstellen. Erstmalig gelang das bei der Taufliege, später auch für einzelne Chromosomen für Haustierarten (s. Kap. 3.3.3).
3.5.2
Geschlechtsbestimmung und geschlechtsgebundene Vererbung
Im Gegensatz zu allen anderen Chromosomenpaaren sind in den Körperzellen männlicher Säugetiere (bzw. weiblicher Vögel) die für die Geschlechtsausprägung zuständigen beiden Chromosomen nicht gleich. Wie bei den Haussäugetieren während der Befruchtung das Geschlecht und das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Nachkommen festgelegt werden, lässt sich aus dem Schema in Abb. 57 erkennen. Durch diese chromosomengebundene Geschlechtsbestimmung wird also erreicht, dass das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Tieren im Durchschnitt bei 50 : 50 liegt. Es gibt leichte Abweichungen von diesem Verhältnis. Beim Menschen kommen z. B. auf 50 Mädchen 53 Knabengeburten.
!!! Die Geschlechtschromosomen enthalten neben den für die Geschlechtsausprägung verantwortlichen Anlagen noch weitere Gene. Man bezeichnet diese Erbanlagen die zusammen mit dem Geschlecht vererbt werden, als geschlechtsgebundene Erbfaktoren. Aus der Beobachtung von Erbkrankheiten, die ausschließlich oder überwiegend beim männlichen Geschlecht auftreten (Bluterkrankheit beim Menschen und beim Hund, Rotgrünblindheit usw.), ergaben sich auch die ersten Hinweise auf die Kopplung der Erbanlagen. Eine praktische Anwendung für die Erkenntnisse über die Anlagen-Kopplung fand sich in der Hühnerhaltung: Es gibt einige geschlechtsgebundene Farbfaktoren, beispielsweise bei den Rebhuhnfarbigen Italienern oder bei den Rhodeländern, die es erlauben, mühelos aus den Eintagsküken die in der Farbe abweichenden Hähnchen herauszusortieren. Man spricht hier von Kennhühnern.
Abb. 56 Beispiel eines Anlagenaustausches (Crossing over)
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3
3
Vererbung Abb. 57 Geschlechtsvererbung
3.6 Veränderungen im Erbgefüge (Mutationen) Wenn reinrassige Dackel miteinander gepaart werden, sind ihre Welpen Dackel und deren Nachkommen auch wieder Dackel. Wir gehen also davon aus, dass das Erbgut von einer Generation auf die andere unverändert weitergegeben wird. Andererseits wissen wir, dass nicht nur die Schäferhunde, sondern auch die Dackel von den Wölfen abstammen. Wenn wir im Stammbaum der Dackel weit genug zurückgehen, müssen wir irgendwann auf Vorfahren stoßen die nicht dackelbeinig waren. Aber woher kommt die Anlage für Dackelbeinigkeit? Etwa durch Mangelernährung? Sicher nicht. Seit vielen Generationen werden den für die Zucht bestimmten Schaflämmern die Schwänze kupiert. Trotzdem werden alle Lämmer immer wieder mit langen Schwänzen geboren.
!!! Im Laufe des Lebens erworbene Eigenschaften werden nicht vererbt. Dackelbeinigkeit, Pigmentlosigkeit und andere Abweichungen von der Norm, die sich als erblich erweisen, sind auf Veränderungen der Erbanlagen, Mutationen genannt, zurückzuführen. Das über die Keimzellen vermittelte Erbgut ist zwar sehr stabil, aber es bleibt nicht für alle Ewigkeit in der gleichen Form erhalten. Sondern dann und wann ändern sich einzelne Gene oder Gengruppen. Dabei gibt es Unterschiede. Manche Gene mutieren leichter als andere. So stellt sich der Albinismus, das heißt das erblich verankerte Unvermögen, im Haar und in der Haut Farbpigmente
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auszubilden, bei vielen Säugetierarten – und zwar relativ häufig – ein, die Dackelbeinigkeit ist seltener: Nach dem ersten Auftreten eines dackelbeinigen Schafes am Ende des 18. Jahrhunderts in Nordamerika vergingen 150 Jahre, bis in Norwegen diese Mutation erneut beobachtet wurde. Die meisten Mutationen folgen dem rezessiven Erbgang und werden deshalb zunächst nicht bemerkt. Sie treten erst dann in Erscheinung, wenn zufällig zwei Partner mit dem gleichen mutierten Gen zusammenkommen und das neue Merkmal nach der Unabhängigkeit herausmendelt.
!!! Viele Mutationen sind für den Träger belanglos, beispielsweise die „Trauerformen“ der Weide, Buche und anderer Bäume. Oft sind die Mutationen nachteilig, und die betreffenden Individuen werden in der Natur ausgemerzt. Pigmentlose, also weiß aussehende Hasen beispielsweise fallen so auf, dass sie rasch ein Opfer von Raubtieren werden. Bei den Haustieren entscheidet der Mensch, welche Tiere zur Zucht verwendet werden und welche nicht, so dass Tiere mit mutierten Genen erhalten bleiben und sogar zum Ahnherrn einer neuen Rasse werden können. Manche Mutationen erwiesen sich als nützlich für den Menschen, beispielsweise die Erbänderung, die bei Legehühnern den Brutinstinkt zurückdrängte, bei wildlebenden Hühnern wäre die Mutation dagegen verhängnisvoll. Bei manchen Mutationen ist das Schicksal des Trägers davon abhängig, ob er das mutierte Gen von beiden Eltern, also homozygot, oder nur von einem Elternteil, das heißt heterozygot, erhalten hat. Bei den Kerries, einer in Irland gehaltenen
3.7 Die Vererbung tierischer Leistungen Rinderrasse, treten Tiere mit kurzen Beinen, aber sehr guter Bemuskelung auf, die Dexter-Rinder. Wenn man Dexter-Rinder untereinander paart, haben ein Viertel der Kälber normale Beine (Kerry-Typ) und die Hälfte kurze Beine (DexterTyp); das restliche Viertel der Kälber wird vorzeitig geboren und ist nicht lebensfähig. Das sind die so genannten Bulldogkälber, die auch bei anderen Fleischrindern (Hereford, Angus, Charolais) beobachtet worden sind. Heterozygot sind die Dexter also lebensfähig und bringen sogar einen wirtschaftlichen Vorteil, homozygot gehen sie vorzeitig zugrunde und sind nicht lebensfähig.
!!! Gene, die den Tod eines Lebewesens vor der Geschlechtsreife verursachen, werden als Letalfaktoren bezeichnet. Man macht sie beim Rind für viele Fälle von embryonalem Fruchttod verantwortlich. Haarlosigkeit bei neugeborenen Kälbern oder Afterverschluss, auch bei Ferkeln auftretend, sind weitere Beispiele für die Wirkungsweise todbringender Erbfaktoren. Vom Menschen soll ein ähnlicher Fall erwähnt werden, weil er zugleich einen Einblick in die Wirkungsweise der Gene vermittelt: Unter der Bevölkerung Zentralafrikas ist die Sichelzellenanämie verbreitet (den Namen hat diese Krankheit von der sichelartigen Form eines Teiles der roten Blutkörperchen). Die Kinder, bei denen das entsprechende Gen homozygot auftritt, sind nicht lebensfähig und sterben früh. Die Heterozygoten wachsen heran und leiden mehr oder weniger an anämischen Erscheinungen. Aber sie erkranken seltener als Menschen mit ausschließlich normalen, runden Erythrozyten an Malaria; oder die Krankheit verläuft bei ihnen milder. Obwohl diese Mutation in reinerbiger Form zum Tode führt, bringt sie den Mischerbigen einen Vorteil und begünstigt sie unter bestimmten Bedingungen gegenüber den Trägern normaler, runder Erythrozyten. Von den letzteren unterscheiden sich die Sichelzellenträger nur dadurch, dass im Molekülaufbau des aus 574 Aminosäuren bestehenden Hämoglobins an einer einzigen Stelle die Aminosäure Glutaminsäure durch die Aminosäure Valin ersetzt worden ist. Ein einziges von vielen Millionen Tripletts der Desoxyribonukleinsäure im Zellkern hat sich verändert.
Außer den Genmutationen, auch Punktmutationen genannt, von denen wir einige Beispiele kennengelernt haben, gibt es auch Chromosomenmutationen und Genommutationen. Chromosomenmutationen betreffen eine größere Anzahl von Genen, die im gleichen Chromosom sitzen, und gehen oft auf Pannen während des Anlagenaustausches vor der Reifeteilung zurück. Das heißt: Während des Crossing over können Chromosomenbruchstücke abhanden kommen oder umgekehrt wieder anwachsen. Bei Genommutationen verändert sich der Gesamtbestand an Chromosomen. Wenn von den beiden Keimzellen, die sich während der Befruchtung vereinigen, die eine den normalen, einfachen Chromosomensatz besitzt, während die andere – wegen unterbliebener Reduktionsteilung – über den doppelten Chromosomensatz verfügt, haben die Körperzellen des neues Lebewesens den dreifachen Chromosomensatz, sie sind triploid. Ist bei beiden Keimzellen die Reduktionsteilung unterblieben, entsteht ein Individuum mit dem vierfachen Chromosomensatz, es ist tetraploid (der Tetraroggen hat 28 Chromosomen, normaler Roggen 14). In der Pflanzenzüchtung spielt die Vergrößerung des Chromosomenbestandes (= Polyploidie) eine größere Rolle, seitdem man weiß, dass durch Röntgenstrahlen, ultraviolettes Licht und bestimmte Gifte (z. B. das Colchizin aus der Herbstzeitlose) die Chromosomenteilung beeinflusst werden kann. Beim Haustier sind entsprechende Versuche zuerst beim Kaninchen bekannt geworden.
3.7 Die Vererbung tierischer Leistungen Wenn man eine Angus-Kuh und eine Schwarzbunte nebeneinander grasen lässt und die Gemelke beider wiegt, wird man rasch feststellen, dass es erbliche Unterschiede im Milchleistungsvermögen geben muss. Das wird auch durch die Leistungsunterschiede zwischen verwandten Individuen aufeinander folgender Generationen bestätigt. Andererseits unterliegen die erbrachten Leistungen in hohem Maße auch den Umwelteinflüssen. „Umwelt“ wird in diesem Zusammenhang sehr weit gefasst. Bei der Milchmenge rechnet man
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3
3
Vererbung
dazu u. a. die Fütterung, die Melktechnik, die Stallverhältnisse, die Pflege, aber auch viele Lebensumstände des Tieres (Alter, Krankheiten, Abkalbemonat usw.). Im Gegensatz zu Haarfarbe, Behornung, Blutgruppe und anderen alternativ, das heißt nach dem Entweder-oder-Prinzip auftretenden so genannten qualitativen Merkmalen gehören Milchmenge, Milcheiweiß- und -fettgehalt, Tageszunahme und Futterverwertung in der Mast, Eierzahl und Eigewicht usw. zu den zähl- und messbaren, also quantitativen oder Mengenmerkmalen. Die tierischen Leistungen basieren auf einer großen Zahl von Genen und sind von zahlreichen Umwelteinflüssen abhängig.
!!! Die Gestaltung der Umweltbedingungen kann der Leistung förderlich oder abträglich sein. Ihre Auswirkungen können sich also summieren oder gegenseitig aufheben. Selten wird ein Tier – selbst bei großen Bemühungen des Tierhalters – nur fördernden Bedingungen ausgesetzt sein; und selten wird ein Tier nur hemmenden Bedingungen unterworfen sein. die meisten Tiere unterliegen mittleren Umweltbedingungen bzw. einigen fördernden und einigen hemmenden Einflüssen. Verteilt man die Angehörigen einer Population, das heißt alle Tiere der gleichen Haustierart eines Zuchtverbandes, einer Rasse oder einer bestimmten Landschaft, nach ihrer Leistung auf eine Anzahl Leistungs-
klassen und trägt den Anteil der verschiedenen Leistungsklassen an der Gesamtpopulation in eine graphische Darstellung ein, dann ergibt die Verbindungslinie zwischen den Häufigkeiten der einzelnen Leistungsklassen eine glockenförmige Kurve. Diese bezeichnet man als Normalverteilung, manchmal auch – nach dem Mathematiker Gauß – als Gauß’sche Wahrscheinlichkeitskurve. Im abgebildeten Beispiel (Abb. 58) sind die ersten Laktationen von 21 814 hessischen schwarzbunten Färsen nach der Leistungshöhe sortiert. Die Kühe standen in Betrieben mit sehr unterschiedlichen äußeren Bedingungen. Die Kurve ist also sehr stark geprägt durch den Einfluss von Umweltfaktoren. Es stellt sich die Frage, wie weit auch genetische Unterschiede verantwortlich waren. Wie viele Gene sich auf die Milchleistung auswirken, ist unbekannt. Bestimmt sind es viele. Das bedeutet, dass der Einfluss des einzelnen Gens gegenüber dem Gesamtbeitrag aller an der Milchleistung beteiligten Gene zurücktritt und damit auch die Frage, welchem Erbgang es folgt. Um sich über die Vererbungssituation bei quantitativen Merkmalen (mit einer großen Zahl von Genen) zu orientieren und Ansatzpunkte für Zuchtmaßnahmen zu finden, behilft man sich u. a. mit Rechenmodellen. Bei dem folgenden sehr stark vereinfachten Beispiel nehmen wir Abb. 58 Häufigkeitsverteilung von 21 814 Erstlaktationen schwarzbunter Jungkühe in Hessen (K. Kuwan, VIT 20004)
104
3.7 Die Vererbung tierischer Leistungen men wir an, es gäbe 6 Gene (ABCDEF), von denen jedes in heterozygoter Form (Aa usw.) 400 kg und in homozygoter Form (AA usw.) 800 kg zusätzlich zu den 1 000 kg eines Wildrindes zu produzieren erlaubte. Wir unterstellen also zweitens, dass sich die beteiligten Genpaare nach dem intermediären Erbgang vererben. Dann könnten von den verschiedenen Genkombinationen die in Spalte 3 aufgeführten Milchmengen erwartet werden. Übersicht 15 Genkombination
Zahl Milch-kg der Kühe je Kuh
aabbccddeeff Aabbccddeeff aaBbccddeeff aabbCcddeeff aabbccDdeeff aabbccddEeff aabbccddeeFf aAbbccddeeff aabBccddeeff aabbcCddeeff aabbccdDeeff aabbccddeEff aabbccddeefF
1
1 000
12
1 400
j # # # # D # # # # # —
AaBbccddeeff
usw.
66
1 800
AaBbCcddeeff
usw.
220
2 200
AaBbCcDdeeff
usw.
495
2 600
AaBbCcDdEeff
usw.
792
3 000
AaBbCcDdEeFf
usw.
924
3 400
AABbCcDdEeFf
usw.
792
3 800
AABBCcDdEeFf
usw.
495
4 200
AABBCCDdEeFf
usw.
220
4 600
AABBCCDDEeFf
usw.
66
5 000
AABBCCDDEEFf
usw.
12
5 400
1
5 800
AABBCCDDEEFF
Wir stellen zunächst fest, dass schon bei nur 6 Genpaaren die mögliche Zahl der Genkombinationen so groß wird, dass man, wenn man sie – wie oben begonnen – untereinander schreiben wollte, dafür fast 100 Seiten brauchen würde.
Übertragen wir die Rechenergebnisse in ein Diagramm, erkennen wir, dass hier ebenso wie bei der Summe der Umweltfaktoren die Flügelklassen nur selten vorkommen und sich das Gros der Population in der Mitte drängt (Abb. 59). Das ist ebenso wie beim Spiel mit Würfeln, obwohl die entsprechende Aufgabe mathematisch etwas anders zu formulieren wäre. Bei der Benutzung von 2 Würfeln fallen 2 oder 12 Augen wesentlich seltener als 6, 7 oder 8 Augen, weil 2 Augen nur durch die Kombination 1 + 1 möglich, 7 Augen dagegen durch die mit gleich großer Wahrscheinlichkeit auftretenden Kombinationen 1 + 6, 2 + 5, 3 + 4, 4 + 3, 5 + 2, 6 + 1 möglich sind. Alle diese Kombinationen addieren sich zu 7 Augen. Auch bei unserem Rechenbeispiel mit 6 Genpaaren bei intermediärem Erbgang kommt es zu einer Addition der Wirkungen der einzelnen Gene. Man spricht deshalb bei einem Erbgang nach diesem Muster von additiver Genwirkung. Bei vielen Mengenmerkmalen wird von den Genetikern so lange ein intermediärer Erbgang unterstellt, bis man Beweise für einen andersgearteten Erbgang hat. Ob statt 6 zwölf oder 120 Genpaare zur additiven Genwirkung beitragen, spielt dann keine große Rolle mehr. Stets wird man es mit einer Normalverteilung zu tun haben. Diese Kurvenform gilt – das wollen wir festhalten – bei vielen tierischen Leistungen sowohl für die Umwelt wie auch für das Erbgut. Andere Verteilungsmuster erhält man durch manche Umwelteinflüsse, aber auch durch nicht-additive Genwirkungen, wie sie beispielsweise durch Dominanzverhältnisse bei einem wesentlichen Teil der Genpaare hervorgerufen werden. Auf diese nicht-additiven Genwirkungen kommen wir später zurück. Statistische Erhebungen über eine Population, wie sie die jährlichen Ergebnisse eines Milchkontrollverbandes darstellen, liefern in der Regel ein Gemenge aus Erb- und Umweltwirkungen. Es ist schwierig, den Einfluss des Erbgutes von dem der Umwelt zu trennen. Manchmal bietet eine Population, etwa das Einzugsgebiet einer Molkerei, das Bild einer Normalverteilung, obwohl sie nur als Summenkurve von genotypisch verschiedenen Teilpopulationen zustande kommt. Ein Beispiel dafür zeigt die Abbildung von Fettgehaltsbestimmungen in einer
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3
3
Vererbung
Abb. 59 Unterschiede des Leistungstyps durch additive Genwirkung (bei 6 Genpaaren)
Population, die zur Hälfe aus Rotbunten und zur anderen Hälfte aus Anglern besteht (Abb. 60).
3.8 Maßstäbe für die Veränderlichkeit (Variabilität) und Erblichkeit der Merkmale Bevor wir auf die Frage eingehen, wie man Umwelt- und Erbgutwirkungen voneinander unterscheiden kann, wollen wir einige der dabei verwendeten Begriffe kennenlernen: Die zahlenmäßig stärkste Gruppe in der Mitte einer Normalverteilung stellt den Mittelwert. Alle Abwei-
chungen vom Mittelwert bezeichnet man als Varianten (Plus- und Minusvarianten), die Gesamtheit der Unterschiede im Erscheinungsbild (Phänotyp) für ein Merkmal als Variation. Ein Teil der Variation ist umweltbedingt; das sind die so genannten Modifikationen. Den Abstand zwischen den Flügeln einer Variation links außen und rechts außen nennt man Variations- und Schwankungsbreite. Der Abstand zwischen dem Mittelwert und den Wendepunkten der Kurve heißt Streuung mit dem Zeichen * (Sigma) oder Standardabweichung mit dem Zeichen s. Von Streuung spricht man, wenn alle Individuen einer Population erfasst wurden, von Standardabweichung, wenn es Abb. 60 Populationskurve als Summe der Variationskurven von Teilpopulationen
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3.8
Maßstäbe für die Veränderlichkeit (Variabilität) und Erblichkeit der Merkmale
Abb. 61 Streuung der Rückenspeckdicke bei mastgeprüften Schweinen
3
sich nur um eine Stichprobe handelte. Bei der Stichprobe der hessischen Kühe (Abb. 58) war der Mittelwert 7 267 kg und die Standardabweichen ±1 493 kg. Die Rückenspeckdichte der Stichprobe nach Abb. 61 betrug 2,3 cm ±0, 30 cm. Die Streuung (bzw. Standardabweichung) ist das am meisten verwendete Maß für die Variation. Innerhalb eines Bereiches von ±1 s befinden sich bei einer Normalverteilung 68,3 % aller Werte (in der Abb. 61 schraffiert) innerhalb von ±2 s 95,5 %. Das Quadrat der Standardabweichung (s2) bezeichnet man als Varianz. Die Isolierung des erblichen Anteiles der Variation ist vergleichsweise einfach bei Pflanzen, die Selbstbefruchter sind. Wenn man alle Körner einer Weizenprobe nach dem Gewicht sortiert und zählt, dann die kleinsten und größten in zwei Töpfen mit gleicher Boden- und Nährstoffausstattung aussät, während der Blüte jede Fremdbestäubung verhindert und die Körnerernte aus den beiden Töpfen für sich sortiert und zählt, bestehen zwei Möglichkeiten: Unterscheiden sich die Ergebnisse der beiden Töpfe, gibt es also unter der Nachkommenschaft der kleinen Körner mehr kleine Körner als unter der Nachkommenschaft der großen Körner, dann handelte es sich bei unserer Weizenprobe um ein Sortengemisch. Es gab also innerhalb der Population genetische Unterschiede. Gleichen sich die Ergebnisse der beiden Töpfe, gibt es also unter den Nachkommen der kleinen Körner ebenso viele große Kör-
ner wie unter der Nachkommenschaft der großen Körner, dann wissen wir, dass es sich bei unserer Weizenprobe um eine „reine Linie“ handelte, um ein genetisch einheitliches Material. Die vorhandenen Größenunterschiede bei den Körnern sind dann ausschließlich auf Umweltwirkungen (Standort in der Ähre usw.) zurückzuführen und als Modifikationen anzusehen. Bei Tieren ist es viel schwerer, die Unterschiede zwischen ihren Leistungen in einen erblichen und einen umweltbedingten Anteil zu spalten. Eine nur selten realisierbare Möglichkeit wäre die frühzeitige Trennung eineiiger Zwillinge (Abb. 62), die das gleich Erbgut haben, und ihre Haltung unter verschiedenen Umweltbedingungen für Prüfungstiere (z. B. in Mastprüfungsanstalten), so dass die genetisch bedingten Unterschiede in den tierischen Leistungen deutlicher hervortreten können.
!!! Die wichtigste Methode zur Schätzung des Erblichkeitsanteils stützt sich auf den Leistungsvergleich zwischen nahe verwandten und nicht verwandten Tieren einer Population; denn die phänotypische Ähnlichkeit zwischen Verwandten wird um so geringer, je stärker ein Leistungsmerkmal auf Umweltreize reagiert. Die mit dieser Schätzmethode errechnete Erblichkeitsziffer (Heritabilität, abgekürzt h2) kann Werte
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Vererbung zwischen 0 (keine genetischen Unterschiede) und 1 (keine umweltbedingten Unterschiede) einnehmen. Es ist klar, dass die in Prüfungsanstalten mit vereinheitlichten Umweltbedingungen gewonnenen Heritabilitätsziffern höher sind als die aus Praxisuntersuchungen beschafften Werte für das gleiche Leistungsmerkmal. Heritabilitätsziffern dürfen also nicht als Konstanten missverstanden werden.
!!!
Abb. 62 Eineiige Zwillinge unter gleichen Umweltbedingungen (Foto: Wagenbach)
Bei Merkmalen mit niedrigem Erblichkeitsanteil ist es schwer, in der Zucht voranzukommen, weil man vom Phänotyp der Zuchttiere, also von den bei ihnen beobachteten Merkmalen und Leistungen, nur eine undeutliche Aussage über den Zuchtwert der betreffenden Tiere erwarten kann. Bei Merkmalen mit hohem Erblichkeitsanteil können rascher Zuchtfortschritte erreicht werden.
Übersicht 16 Heritabilität
niedrig (bis 0,2)
Heritabilität
mittel (0,2 bis 0,4)
Heritabilität
hoch (über 0,4)
Zahl der geborenen und aufgezogenen Ferkel Fruchtbarkeit beim Rind Mehrlingsgeburten beim Schaf Jährliche Milchmenge und Fettmenge der Kuh Tageszunahmen in der Rinder- und Schweinemast, Futterverwertung der Schweine Fettgehalt und Eiweißgehalt der Milch Geburtsgewicht des Kalbes Körperlänge beim Schwein Rückenspeckdicke und Lendenmuskelfläche Eigewicht
3.9 Die Anwendung der Erkenntnisse über die Vererbung Seit mehr als 10 000 Jahren begleiten Haustiere den Menschen. Aber erst seit wenigen hundert Jahren bemüht er sich, ihre Leistungen über das Niveau der Wildtiere zu heben, und zwar gleichzeitig durch eine Verbesserung der Umweltbedingungen, besonders der Fütterung, und der züchterischen Maßnahmen. Dabei wurde viel erreicht, wofür uns heute die Genetik Erklärungen liefert. Sie steuert auch neue Methoden bei, mit
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denen Leistungsgrenzen weit hinausgeschoben werden. Mehr Wissen dazu vermittelt Kap. 4.3. Davor werden allerdings in Kap. 4.1 die Zuchtmethoden erörtert. Mit Blick darauf erscheint es zweckmäßig, die bisher besprochenen Erkenntnisse über die Vererbung zusammenzufassen und ihre Bedeutung für die praktische Zucht zu würdigen.
3.9
Die Anwendung der Erkenntnisse über die Vererbung
!!! 1. Die Vererbung beruht auf der Übertragung des genetischen Materials von einer Generation zur nächsten mit Hilfe der Keimzellen. 2. Das genetische Material wird von Nukleinsäuren gestellt, deren Reaktionen zwei wichtige biologische Vorgänge ermöglichen: a) Zellteilung (über die Verdoppelung der DNS-Doppelwendel und der Chromosomen) b) Zellwachstum (durch Übermittlung der Baupläne für Eiweißmoleküle an die Ribosomen mit Hilfe der Boten-RNS) 3. Durch Zellteilung und Zellwachstum entwickelt sich aus der befruchteten Eizelle nach den Anweisungen des genetischen Materials (des Genotyps) – und in der Reaktion mit den Umweltbedingungen – ein Phänotyp, der dem der Vorfahren in vielen Merkmalen gleicht, in anderen ähnlich ist. 4. Bei den Merkmalen, bei denen sich die Erbinformationen der Vorfahren unterscheiden, erfolgt die Verteilung der Gene auf eine zahlreiche Nachkommenschaft nach den Mendel’schen Regeln, auf den einzelnen Nachkommen aber nach dem Zufall. 5. Die Merkmale, in denen sich die Angehörigen einer Art nicht gleichen, sind auf Mutationen zurückzuführen. Sie sind die Quelle für die Entstehung neuer Merkmalskombinationen und neuer Rassen. Noch öfter sind sie aber die Ursache für Erbkrankheiten, Leistungsverfall und Tod. 6. Die Ausnutzung der Erkenntnisse über die Vererbung für den züchterischen Fortschritt wird durch folgende Umstände erschwert: a) Maßgebend für die Vererbung ist der Genotyp. Bekannt ist dem Züchter zunächst nur der Phänotyp. b) Rückschlüsse vom Phänotyp auf den Genotyp werden umso unsicherer, je kleiner die Nachkommenzahl eines Elternpaares ist,
je größer die Zahl der Gene für ein Merkmal oder eine Leistung ist, je größer der Anteil nicht-additiver Genwirkungen ist, je stärker der Einfluss der Umweltfaktoren ist. c) Probepaarungen und Rückkreuzungen zur Entschlüsselung des Genotyps sind bei den großen Haustieren kostspielig und langwierig. d) Oft richten sich die züchterischen Bemühungen nicht nur auf die Verbesserung einer, sondern mehrerer Leistungseigenschaften. Dadurch wird die Detektivarbeit zur Aufklärung des Genotyps noch mühsamer. e) Beeinflusst ein Gen gleichzeitig mehrere Merkmale des Phänotyps oder liegt Genkopplung vor, werden Fortschritte bei einem Merkmal möglicherweise mit Nachteilen bei einem anderen Merkmal erkauft. f) Die Bestandserhaltung schränkt z. B. beim Rind die Selektionsschärfe auf der weiblichen Seite ein. Der Phänotyp männlicher Tiere liefert aber keine Aussage über wichtige tierische Leistungen (Fruchtbarkeit, Milchmenge, Fettgehalt usw.). 7. Dennoch kommt man züchterisch voran durch a) Konzentration auf die wirtschaftlich wichtigsten Merkmale. b) Einsatz biotechnischer Methoden (KB und ET) zur Erhöhung der Nachkommenzahl bzw. Geschwisterzahl. c) Einrichtung möglichst exakter Prüfungen für die Zuchttiere selbst oder für Verwandte (Nachkommen, Geschwister) d) Auswertung der Prüfungsergebnisse für die Zuchtwertschätzungen mit der EDV.
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3
4
Züchtung
Als Züchten bezeichnet man die planmäßige Auslese und Paarung von Haustieren. Dabei wird ein ganz bestimmtes Zuchtziel angestrebt. Das Zuchtziel charakterisiert wichtige Merkmale des Phänotyps (z. B. Körperlänge, Widerristhöhe, Schinkenform, Zitzenzahl usw.) und visiert die erwünschten Leistungen an (z. B. 9 000 kg Milch pro Jahr bei Kühen – 25 aufgezogene Ferkel jährlich bei Sauen). Unter den verfügbaren fortpflanzungsfähigen Tieren werden diejenigen für die Weiterzucht ausgelesen, die bei ihrer Nachzucht eine Annäherung an das Zuchtziel versprechen. Für die Auswahl der Zuchttiere werden auch die Begriffe „Zuchtwahl“ oder „Selektion“ verwandt. Das Zuchtziel kann sich der einzelne Züchter setzen. Heute wird es im Allgemeinen von den Zusammenschlüssen der Züchter, den Züchtervereinigungen aufgestellt.
!!! Die Züchtervereinigungen betreuen in der Regel eine bestimmte Rasse. Paarungen innerhalb der gleichen Rasse bezeichnet man als Reinzucht. Paarungen von Angehörigen verschiedener Rassen als Kreuzung. Die Individuen einer Rasse haben eine Anzahl wichtiger Merkmale gemeinsam, in denen sie sich von anderen Rassen der gleichen Art unterscheiden. In der Praxis ist allerdings die Abgrenzung der Rassen zuweilen schwierig. Zur Abgrenzung verschiedener Zuchtrichtungen innerhalb einer Art werden deshalb außer der Rasse im Bedarfsfalle weitere Begriffe verwendet: Schläge sind größere und Linien kleinere Unterabteilungen innerhalb einer Rasse. Es gab beispielsweise innerhalb der Rasse des Warmblutpferdes die Schläge der Holsteiner, Oldenburger, Hannoveraner mit unterschiedlichen Zuchtzielen. (Seit 1966 ist das Zuchtziel vereinheitlicht.) Der Typ vereinigt Tiere der gleichen Leistungsrichtung, beim Rind beispielsweise Milchtyp,
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Masttyp, Muskeltyp. Das kann innerhalb einer Rasse oder eines Schlags geschehen, aber auch über die Rassengrenzen hinweg, wie beim Zweinutzungstyp (Milch-Fleisch) der Rinder. In Kapitel 3.7 haben wir auch schon den Begriff Population kennengelernt, der heute in der Tierzucht vielfach verwendet wird. Die Population stellt eine Gemeinschaft von Individuen dar, die ein geographisch zusammenhängendes Gebiet bewohnen, sich in gleicher Weise vermehren und denselben erblichen Schwankungen sowie gleicher Selektionswirkung unterworfen sind. Es kann sich also um eine Rasse handeln oder auch um die Tiere im Bereich einer Züchtervereinigung.
4.1 Zuchtmethoden Traditionell unterscheidet man hierbei zwischen Reinzucht und Kreuzung und meint damit die Zucht innerhalb bzw. zwischen Rassen. Den genetischen Gegebenheiten entsprechen neuere Einteilungen aber besser, die sich am Zweck einer Zuchtmethode orientieren. Danach stellt sich die Selektion in einer Population, in der während einer begrenzten Zeit Tiere einer anderen Population eingesetzt waren (z. B. Red Holsteins bei deutschen Rotbunten), eher als eine Form der Reinzucht dar, denn als Kreuzung. Wir wollen deshalb nachfolgend auch von Veredelungszucht sprechen und nicht von Veredelungskreuzung sowie von Kombinations- und Verdrängungszucht, etc. Den genannten Zuchtmethoden sind die systematischen Gebrauchskreuzungen entgegenzustellen. Dabei werden Tiere aus verschiedenen Populationen gepaart, um Gebrauchstiere zu erstellen, mit denen nicht weitergezüchtet wird.
4.1
Zuchtmethoden
4.1.1 Selektion auf Reinzuchtleistung
4.1.1.2 Inzucht – ein Exkurs
4.1.1.1 Reinzucht im engeren Sinn
Wenn ausschließlich Tiere der gleichen Rasse miteinander gepaart werden und die Rasse keinen oder wenig Zuzug von außen erhält, bleibt es nicht aus, dass verwandte Tiere miteinander Nachkommen erzeugen. Man spricht dann von Inzucht. Die Paarung der engsten Verwandten (Großeltern und Eltern mit den Söhnen oder Töchtern bzw. diese untereinander) wird als Inzest bezeichnet. Inzucht kann also als ein auf Reinzuchtleistung ausgerichtetes Paarungsverfahren eingeordnet werden. Zur Inzucht kann es ungewollt kommen. Sie ist aber auch wiederholt bewusst eingesetzt worden, um raschere Züchtungsfortschritte zu erreichen.
Die Reinzucht ist die am weitesten verbreitete Zuchtmethode, der die meisten Rassen ihre Entstehung verdanken. Wenn das Zuchtziel einer Rasse für längere Zeit gleich bleibt und die Leistungsanforderungen nicht grundsätzlich verändert, sondern nur aufgestockt werden, dann wird allmählich die Population in sich ausgeglichener – vorausgesetzt, dass alle dem Zuchtziel nicht entsprechenden Individuen von der Zucht ausgeschlossen werden.
!!! Die Reinzucht ist unentbehrlich, um den Marktwünschen nach einheitlicher Qualität der Veredelungsprodukte zu entsprechen und um eine rationelle Verarbeitung zu gewährleisten (eine Molkerei verarbeitet nicht gern heute Milch mit 3 % und morgen mit 5 % Fett). Das Bestreben zu einer größeren Ausgeglichenheit der Tiere einer Rasse und zur Vereinheitlichung ihrer Leistungsäußerungen kann allerdings in Widerstreit geraten zur Notwendigkeit, innerhalb einer Population eine gewisse Vielfalt der Gene zu erhalten. Denn die Verbraucherwünsche oder die Produktionstechnik können sich wandeln und eine Änderung der Zuchtziele erzwingen. Mit der aufgezeigten Schwierigkeit haben vor allem kleine Populationen zu kämpfen, wenn sie geschlossen gehalten werden. Das bekannteste Beispiel für eine geschlossene Zucht sind die einseitig auf die Anforderungen des Rennsports gezüchteten englischen Vollblüter. Sie bestehen nur aus Nachkommen der Pferde, die bis zur Schließung des Stutbuches im Jahre 1793 eingetragen waren, und für sie gilt heute noch das gleiche Zuchtziel wie damals. Aber bei den Rassen der Rinder, Schweine und Schafe haben sich die Zuchtziele wiederholt geändert. Für das Überleben einer Rasse kommt es darauf an, über welche Genreserven und über welche Elastizität sie verfügt.
!!! Durch Inzucht können vorteilhafte Erbanlagen zusammengeführt, das heißt homozygot im Erbgut einer Familie befestigt werden. Dies geschieht allerdings auch mit nachteiligen Genen. Die Inzucht erhöht also das Risiko der Verbreitung von Erbkrankheiten – sofern nicht streng selektiert wird. Inzucht und harte Auslese unter den Nachkommen der Inzuchtpaarungen gehören also zusammen. Leider unterbleibt in vielen Fällen diese scharfe Auslese wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Verluste. Dann folgt einer Inzuchtperiode gewöhnlich eine Welle von Erbkrankheiten und Konstitutionsmängeln, wie das teilweise in der Schweinezucht nach der Umzüchtung auf das Fleischschwein zu beobachten war. Das Schwein ist besonders anfällig für Inzuchtdepressionen, die als Folge des erhöhten Homozygotiegrades bzw. verminderten Heterozygotiegrades angesehen werden. Sie äußern sich hauptsächlich in geringerer Fruchtbarkeit der Sauen und verminderter Vitalität (Lebenskraft, Gesundheit) der Ferkel, weniger im Schlachtwert der Mastschweine.
4.1.1.3 Veredlungszucht Wenn Züchter mit dem eigenen Zuchterfolg unzufrieden sind und schnellere Fortschritte oder ein höheres Niveau des Zuchtstandes in ver-
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Züchtung
wandten Populationen entdecken, rufen sie nach „Blutauffrischung“. Sie meinen damit die dosierte Einfuhr von Genen anderer Populationen in die eigene, verbunden mit der Absicht, die guten Eigenschaften der vorhandenen Population zu erhalten. Die hannoversche Warmblutzucht mit dem begrenzten Einsatz der Vollblüter stellt hierfür ein gelungenes Beispiel dar. Schon erwähnt wurde die Rotbuntzucht, bei der man sich bemüht, den traditionellen Typ des Zweinutzungsrindes durch den begrenzten Einsatz von Red-Holsteins aus den USA zu „veredeln“. Diese Zuchtstrategie ist inzwischen zur Kombinationszucht weiterentwickelt worden, weil sich der Anteil der Veredlungsprodukte laufend weiter erhöht.
4.1.1.4 Kombinationszucht Dabei sollen die wertvollen Eigenschaften der vorhandenen Rasse erhalten bleiben und mit nützlichen Merkmalen einer oder mehrerer anderer Rassen kombiniert werden. Beim deutschen Merinofleischschaf beispielsweise steuerten die Merinos die gute Wollqualität bei, englische und französische Fleischschafe das gute Fleischbildungsvermögen. Überhaupt sind die meisten unserer Haustierrassen durch Kombinationszucht entstanden.
!!! Bei dieser Methode kommt es entscheidend darauf an, dass nur die Tiere zur Zucht verwendet werden, die dem angestrebten Kombinationstyp entsprechen. Über diese scharfe Selektion, häufig auch über eine mäßige Inzucht, wird weitergearbeitet, bis alle Nachkommen die gewünschte Anlagenkombination in sich vereinigen und eine neue Rasse vorgestellt werden kann. Bis dahin muss der Züchter viele Rückschläge einstecken und Schwierigkeiten überwinden. Dreißig Jahre dauerte es, bis in Texas aus Shorthorns und indischen Zeburindern das Santa-Gertrudis-Rind gezüchtet wurde, das die Widerstandsfähigkeit der indischen Rinder gegen tropische Krankheiten und Parasiten mit der Fleischwüchsigkeit der Shorthorns vereinte und das heute im Süden der USA sowie in Lateinamerika weit verbreitet ist.
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Die bekanntesten Beispiele von Kombinationszuchten sind in Deutschland das Deutsche Angus (aus den englischen Aberdeen Angus und deutschen Zweinutzungsrassen), die Uckermärker (aus Fleckvieh und Charolais) und das Schwarzbunte Milchrind SMR der ehemaligen DDR (aus Deutschen Schwarzbunten, Holstein Friesian und Jersey). Auch die Deutschen Schwarzbunten bzw. das Braunvieh moderner Prägung sind hier zu nennen. Allerdings geht die Entwicklung bei diesen Rassen inzwischen in eine Verdrängungszucht über.
4.1.1.5 Verdrängungszucht Sie wird dann angewandt, wenn eine vorhandene Rasse wegen des Fehlens entsprechender Gene nicht auf ein neues Zuchtziel umgezüchtet werden kann oder wenn bei seltenem Vorkommen der gewünschten Gene in der Population die Umzüchtung zu lange dauern würde. Dabei wird in der Regel so vorgegangen, dass über mehrere Generationen hinweg ausschließlich Vatertiere der fremden Rasse mit dem erwünschten Genbestand verwendet werden. Von den „Kreuzungsprodukten“ werden also nur die weiblichen zur Zucht eingesetzt. Nach 6 Generationen ist in der Population nur noch 1,6 % des Genbestandes der ursprünglichen Rasse vorhanden. Sie ist „verdrängt“ worden, und die Umzüchtung gilt dann im Allgemeinen als abgeschlossen. Auf diese Weise haben aus der Schweiz eingeführte Simmentaler Bullen im vorigen Jahrhundert die Genbestände der vorhandenen Landrassen in Süddeutschland größtenteils verdrängt und reine Fleckviehzuchtgebiete entstehen lassen. Ein weiteres Beispiel: Mit Hilfe weniger Karakulschafe aus Turkestan wandelten einige Farmer Südwestafrikas ihre einheimischen Landschafe in Karakulschafe um. Heute sind Millionen dieser Schafe die Grundlage für das wichtigste Produktionsgebiet von Persianerpelzen.
!!! Mit dieser Zuchtmethode wird das angestrebte Ziel nur dann voll erreicht, wenn die Umweltbedingungen den Ansprüchen der Verdrängungsrasse angepasst sind oder werden. Oft verlangt die Verdrängungsrasse mehr und besseres Fut-
4.1 ter, und wenn sie dies nicht erhält, sind ihre Leistungen unbefriedigender als die der verdrängten Rasse. Wenn die Verdrängungsrasse anfälliger gegen Krankheiten und Parasiten des neuen Standorts ist, kann die Umzüchtung sogar misslingen. Alle bisher dargestellten Zuchtmethoden nutzen die additiv-genetische Varianz innerhalb Populationen (vgl. Kap. 3.7), weshalb sie der Selektion auf Reinzuchtleistung zugeordnet wurden. Innerhalb von Populationen können jedoch auch nicht-additiv genetische Effekte in die Zucht eingehen. Die Selektion ist dann auf die Kreuzungsleistung ausgerichtet.
4.1.2 Systematische Gebrauchskreuzungen Bei den Gebrauchskreuzungen sollen durch Paarung von Angehörigen verschiedener Rassen Endprodukte, z. B. für die Fleischerzeugung erstellt werden. Sie gehen nicht in die weitere Zucht ein. Mit Hilfe der Gebrauchskreuzungen können nicht nur additive Geneffekte, sondern auch die gelegentlich vorhandenen Heterosiseffekte genutzt werden. Sie liegen dann vor, wenn in einem Merkmal, z. B. der täglichen Zunahme von Masttieren, die F1-Tiere den Durchschnitt der Leistungen beider Eltern (z. B. Tageszunahme der einen Rasse 900 g, der anderen 1100 g, der F1 1050 g, – nicht 1000 g, wie erwartet), manchmal auch die Leistungen beider Eltern (also etwa 1150 g im hier benutzten Beispiel) übertreffen. Eine solche Überlegenheit von F1-Kreuzungstieren wird nicht-additiven Genwirkungen (Dominanz verschiedenen Grades oder Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Genpaaren) zugeschrieben.
!!! Heterosiseffekte können um so eher erhofft werden, je einheitlicher (homozygoter) die Genstruktur innerhalb der Ausgangspopulationen und je größer zugleich der Unterschied zwischen den beteiligten Populationen ist, so dass ein hohes Maß an Heterozygotie bei der F1 auftritt.
Zuchtmethoden
Interessant sind Heterosiseffekte besonders bei Merkmalen, die – wie Anzahl und Vitalität von Ferkeln – wegen ihrer niedrigen Heritabilität kaum oder nur langsam durch Reinzucht gesteigert werden können und die oft von den bei konsequenter Reinzucht in kleinen Populationen auftretenden Inzuchtdepressionen hart getroffen werden. Aus der Kreuzung genetisch weit auseinander liegender, an Lebensschwäche leidender Inzuchtlinien kann also unter Umständen eine auffallend vitale F1 entstehen. Bei Kreuzungsmodellen, bei denen die Heterozygotie nicht erst bei der Paarung hergestellt wird, sondern schon bei den Ausgangspopulationen besteht, sind Heterosiseffekte kaum zu erwarten.
4.1.2.1 Einfache Formen der Gebrauchskreuzung Die im letzten Satz genannten Bedingungen treffen vor allem für Einfachgebrauchskreuzungen zur Verbesserung der Fleischleistung zu. Als Beispiel kann die Besamung schwarzbunter Kühe mit Sperma fleischwüchsiger Vaterrassen wie Charolais, Piemonteser oder Fleckvieh dienen. Heterosiseffekte in den Merkmalen der Fleischleistung sind hierbei also nicht zu erwarten. Sie können aber eintreten in den Vitalitätseigenschaften der Kreuzungsnachkommen. Das findet seine praktische Nutzanwendung in Mehrrassenkreuzungs-Programmen, in denen die Einfachgebrauchskreuzungen als Eltern eingesetzt sind. Das nachstehende Schema der Dreirassenkreuzung aus der deutschen Fleischrinderzucht (Abb. 63) stellt hierfür ein praktisches Beispiel dar. Anstelle der Charolais wurden auch Gelbvieh- oder Fleckviehbullen eingesetzt.
!!! Angus
X F1
Schwarzbunt X
Charolais
Wegen der größeren Zahl von Rinderrassen, die gleichzeitig gehalten werden müssen, kann diese Form der Gebrauchskreuzung nur in größeren Beständen realisiert werden, oder dann, wenn eine Arbeitsteilung erfolgt, wie z. B. in der Schaf-
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4
Züchtung
Abb. 63 Kälber verschiedener Kreuzungsstufen bei Dreirassenkreuzung zucht Großbritanniens. Die Gebirgsfarmer mit großen Grünlandflächen halten die reinen Ausgangsrassen und verkaufen Mutterschafe an Farmer der niedrigeren Vorberge, wo sie mit Böcken fruchtbarer Langwollrassen gekreuzt werden. Die weiblichen F1-Tiere aus diesen Kreuzungen werden an die Ackerbaubetriebe der Ebenen abgegeben und dort mit Fleischschafböcken zur Erzeugung wüchsiger Mastlämmer gepaart.
4.1.2.2 Hybridzüchtung Für Mehrrassenkreuzungen von drei oder vier Ausgangsrassen finden sich in der deutschen Schweinezucht mehrere Beispiele. Meistens werden die Endprodukte dieser Kreuzungsprodukte aber als Hybridschweine bezeichnet.
!!! Der Übergang von einfachen Gebrauchskreuzungsformen zur Hybridzucht erfolgt dann, wenn nicht mehr wie im Anfang beliebige Angehörige der Ausgangsrassen miteinander gepaart werden. Sondern es werden nun aus den Ausgangsrassen systematisch diejenigen Linien herausgesucht, die in Probepaarungen (so genannten Passerpaarungen) über die Leistung der Kreuzungsnachkommen ihre spezielle Kombinationseignung bewiesen haben und diese auch in späteren Testkreuzungen nach dem gleichen Schema bestätigen.
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Diese Methode – die Linienkreuzung – wurde zuerst in der Hybridhühnerzüchtung entwickelt und löste dort weitgehend die Hybridzucht mit Inzuchtlinien ab. Sie ist zwar theoretisch die konsequenteste Methode und hat sich auch bei der Hybridmaiszüchtung gut bewährt. Bei den Hühnern (und erst recht bei den Schweinen) erwies sie sich aber wegen der zum Erreichen hoher Homozygotiegrade benötigten langen Zeit und wegen erheblicher Inzuchtschäden als zu kostspielig. Auf die Besprechung weiterer Hybridzuchtmethoden (rückgreifende Selektion und reziproke, rückgreifende Selektion), mit deren Hilfe vorwiegend nicht-additive Genwirkungen, auch Überdominanzerscheinungen, systematisch aufgespürt und nutzbar gemacht werden sollen, wird hier verzichtet. Denn der einzelne Landwirt kann ohnehin den hohen Kapitalaufwand aller Hybridmethoden nicht verkraften. Auf die organisatorischen Probleme der Hybridzucht wird in den Abschnitten Schweine- und Hühnerhaltung eingegangen. Die Erfolgsaussichten der Suche nach Heterosiseffekten sind ungewiss. Sicherer und für den Gesamtnutzen der Hybridzüchtung (aber auch der einfachen Gebrauchskreuzung) oft wichtiger sind die Positions- oder Stellungseffekte, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Leistungsschwerpunkte der beteiligten Zuchtlinien ausgenutzt werden. So werden beispielsweise Linien mit mittlerer Mast- und Schlachtleistung, aber hoher Fruchtbarkeit als Sauenlinien eingesetzt, während die Eberlinien hohe Mastleistung und Fleischfülle in das Kreuzungsprogramm einbringen sollen und dann auch aus wenigen fruchtbaren Populationen stammen dürfen. Das bedeutet, dass man sich bei der Selektion innerhalb der Zuchtlinien jeweils auf wenige Merkmale konzentrieren kann, während in der Reinzucht alle wirtschaftlich wichtigen Merkmale gleichzeitig berücksichtigt und verbessert werden müssen. (Hier werden immer mehr Generationen, also längere Zeiträume gebraucht, wenn die Zahl der Merkmale in den Zuchtprogrammen zunimmt.) Stellungseffekte müssen vor allem dort beachtet werden, wo sich Leistungsmerkmale im Erbgang gegenseitig behindern. Derartige negative Beziehungen (= Korrelationen) bestehen zwischen der
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Fruchtbarkeit (Legeleistung) und dem Fleischwachstum von Hühnern. Wie werden bei der Erzeugung von Masthybriden die Aufgaben auf Hahn- und Hennenlinien verteilt?
? Weitere Fragen zum Wiederholen und zum Nachdenken über die Zuchtmethoden: Welche Argumente sprechen für Reinzucht, gegen Kreuzungszucht und umgekehrt? Beim Milchvieh? Bei Mastrindern? Bei Schweinen? Bei Schafen? Bei Pferden?
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Die wichtigste Voraussetzung für den züchterischen Fortschritt ist die Auswahl der besten Zuchttiere zur Erzeugung der nächsten Generation. Dabei können und müssen um so höhere Ansprüche gestellt werden, je weniger Zuchttiere zur Bestandserhaltung benötigt werden und je mehr Nachkommen von einem Zuchttier zu erwarten sind. Bei männlichen Zuchttieren wird deshalb im Allgemeinen stärker gesiebt als bei der weiblichen Nachzucht für den eigenen Bedarf. Man spricht in diesem Zusammenhang von Selektionsschärfe (Selektionsintensität). Wer in der Zucht vorankommen will, muss aber auch die weiblichen Tiere so streng wie möglich auslesen. Diese Forderung ist schwer zu verwirklichen, wenn die Kühe nach wenigen Kälbern wieder den Stall verlassen und fast jedes Kuhkalb für die Bestandsergänzung (Remontierung) gebraucht wird. Deshalb sollten bei der Zuchtwahl im eigenen Betrieb Fruchtbarkeit und Langlebigkeit der Kühe mitberücksichtigt werden, auch wenn die Heritabilität dieser Merkmale verhältnismäßig niedrig ist. Und es sollte durch die Verbesserung der Umweltbedingungen, insbesondere durch sorgfältige Beobachtung und positive Beeinflussung des Fruchtbarkeitsgeschehens sowie durch biotechnische Maßnahmen (künstliche Besamung, Embryo-Transfer), dafür gesorgt werden, dass der Betrieb weniger Nachwuchs für die Bestandsergänzung braucht und diesen schärfer selektieren kann.
!!! Der Zuchterfolg hängt aber nicht nur von der Selektionsintensität ab. Man muss auch sicher sein können, dass die für die Zucht ausgewählten Tiere in ihrem Leistungsvermögen richtig eingeschätzt werden. Grundlage dafür sind heute die Ergebnisse der Zuchtwertschätzungen. Je genauer man sie ermitteln kann, um so sicherer lässt sich die Zuchtwahl vornehmen. Die Genauigkeit der Zuchtwertschätzung ist bei Eigenschaften mit hoher Heritabilität größer als bei solchen mit niedrigem Erblichkeitsgrad. Wichtig zu wissen ist auch, dass der Zuchterfolg in einem Merkmal umso geringer ist, je mehr Merkmale bei der Selektion berücksichtigt werden. Selektiert man z. B in einer Rinderrasse nur auf Milchleistung, so kommt man dabei schneller voran als bei Rassen, die gleichzeitig noch eine Verbesserung der Bemuskelung anstreben. Daraus ergibt sich auch, dass man bei der Zuchtwahl die wirtschaftlich wichtigsten Merkmale vorrangig berücksichtigen muss.
4.2.1 Auslese nach dem Äußeren – Exterieurbeschreibung Bei den wichtigsten Haustierarten erfolgt heute die Zuchtwahl vorwiegend nach Leistung. Trotzdem bleibt die Beurteilung des Äußeren unentbehrlich, insbesondere bei Merkmalen, die sich durch Leistungsprüfungen schwer oder gar nicht erfassen lassen, diese aber beeinflussen können. Dabei richtet sich das Augenmerk traditionell auf die Bewertung von Typ und Form. Im Typ wird der Gesamteindruck eines Tieres erfasst unter Berücksichtigung der Nutzungsrichtung, des Geschlechts und der Harmonie im Körperbau. Deutlich unterscheiden sich beim Rind Milchtyp (Stoffumsatztyp) und Masttyp (Stoffansatztyp). Charakteristische Vertreter des muskelarmen Milchtyps sind die Jerseys und die Guernseys mit schmalem, edlem Kopf, langem Hals, langer, flacher Brust und schrägen, weit nach hinten reichenden Rippen (Abb. 64). Der Masttyp mit ausgeprägter Bemuskelung und z. T. starkem Fettansatz wird u. a. von den Rassen Aberdeen Angus und Hereford verkörpert. Sie haben einen kurzen, teilweise groben Kopf, einen gedrunge-
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Züchtung
Abb. 65 Masttyp: Hereford (Foto: Pitt) Abb. 64 Milchtyp: Jersey-Kuh Celina 60451951 (Foto: Keleki)
nen Hals, eine tiefe Brust und steile, fast senkrechte Rippen (Abb. 65). Dazwischen stehen Mischtypen, zu denen die in Deutschland überwiegend verbreiteten Zweinutzungsrassen (vgl. Kap. 7.2.2) zählen. Ihre Zuchtziele sind auf hohe Milch- und gute Fleischleistung ausgerichtet. Die Formbeurteilung bezieht sich auf die einzelnen Körperteile, die mit direkten oder indirekten Leistungen zusammenhängen. Dazu zählen beispielsweise Kieferabnormitäten und Mängel an den Gliedmaßen. Erstere behindern die Futteraufnahme, letztere die Fortbewegung. Zu nennen sind z. B. zu stark gespreizte Klauen, die zu Zwischenklauenwülsten (Limax) und zu Entzündungen im Klauenspalt neigen, zu steile Sprunggelenke, die zur spastischen Parese (Krämpfe im Hinterbein) führen können, und weiche („durchtrittige“) Fesseln, die eine ungleichmäßige Abnutzung der Klauen bewirken. Ein spitzer, „grätiger“ Rücken, eine eingesunkene Lendenpartie (in der Tierzüchtersprache „Nierendruck“), ein kurzes und/oder stark abgedachtes Becken usw. liefern Hinweise auf eine schwache Bemuskelung. Dagegen versprechen eine breite Schulter- und Rückenpartie, ein langes und breites Becken sowie eine lange und volle Keule einen guten Fleischansatz (verbunden mit mehr oder weniger Fett). Ein breites. langes Becken ist auch Voraussetzung für ein volumiges, weit nach vorn und hinten reichendes Euter, Wird das Fundament gesondert bewertet, gehört ein Teil der eben besprochenen Kriterien hierher (s. auch Kap. 2.4.2).
116
In der Selektion der Milchrinder kommt schließlich der Euterbeurteilung besondere Bedeutung zu, wobei die Gewichtung im Einzelnen vom Zuchtziel der Rassen abhängt, wie wir noch sehen werden. Die wachsende Verflechtung der Rinderzucht durch internationalen Austausch von Zuchttieren, Samen und Embryonen führte in jüngster Zeit dazu, dass in der Beurteilung der Rinder neue Wege beschritten und die Systeme angenähert wurden, um die Ergebnisse besser vergleichen zu können. Dabei gibt es in Einzelheiten Unterschiede zwischen den Rasseblöcken Schwarzbunt/Rotbunt, Braunvieh und Fleckvieh. Dem interessierten Leser wird daher empfohlen, die bei den Züchtervereinigungen erhältlichen Bewertungsbögen anzufordern und im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Rassen zu vergleichen. Gemeinsam ist allen neuen Systemen die Abkehr von den traditionellen Bewertungen hin zu „linearen Beschreibungen“ der Merkmale, in der Regel auf einer Skala von 1 bis 9. In Abb. 67 ist dazu beispielhaft der Inhalt des Bewertungsbogens des Deutschen Holsteinverbandes für Nachzuchten von Schwarzbunt-/Rotbuntbullen wiedergegeben. Daraus wird deutlich, dass bei der linearen Beschreibung gleichsam ein Bild des Tieres in den einzelnen Merkmalen gezeichnet wird, und zwar wertfrei, von einem biologischen Extrem zum anderen. Demzufolge muss die höchste Punktzahl nicht mit der besten Merkmalsausprägung einhergehen. Am Beispiel der Strichlänge des Euters wird dies deutlich: 9 Punkte werden für sehr lange Striche gegeben, die jedoch bekanntlich uner-
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) wünscht sind. Anders die Trachten: Sie sollten möglichst hoch sein, 9 Punkte entsprechen hier dem Optimum (Merkmal 8). Die lineare Beschreibung stellt also zunächst keine Einzelbewertung der Merkmalsausprägung dar. Sie bleibt z. B. dem Züchter vorbehalten, wenn er die Besamungsbullen für seine Herde auswählt und dann das Ergebnis der Nachzuchtbeschreibung mit den Verhältnissen in seiner Herde vergleicht. Lineare Beschreibungen galten zunächst den Bullennachzuchten (vgl. Abb. 66). Sie werden zunehmend aber auch bei Einzelkühen (Bullenmütter) angewendet. Auch hierbei unterscheiden sich die Rasseblöcke in Einzelheiten. Züchterisch wertvolle Kühe werden aber nicht nur linear beschrieben, sondern anschließend in Hauptmerkmalen bewertet. Hauptmerkmale sind beim Fleckvieh Rahmen,
Bemuskelung, Fundament und Euter. Die Bewertungsskala reicht wieder von 1–9, wobei 9 in diesem Fall das Optimum darstellt. Bei den Deutschen Holsteins wird für jede Kuh eine Gesamtnote gebildet. Darin enthalten sind die vier Merkmalskomplexe Milchtyp, Körper, Fundament und Euter, die jeweils auf einer Skala von 65 bis 99 Punkten beurteilt und im Verhältnis 15 : 20 : 25 : 40 % gewichtet werden. Im Pedigree einer Kuh finden wir dann z. B. eine Darstellung wie 3/86 – 80 – 90 – 78/83. Die Kuh wurde in der 3. Laktation bewertet. Was sagen die genannten Zahlen? Aufgrund ihrer Gesamtnote 83 gilt die Kuh als „gut“ (80–84), „sehr gute“ Kühe sind solche mit 85–95 Punkten, ab 90 Punkten werden sie mit dem Prädikat „exzellent“ belegt. Kühe mit weniger als 80 Punkten sind „befriedigend“ bis „mangelhaft“.
Abb. 66 Runduminformation zum Bullen Lancelot: Abstammung, Nachzuchtbewertung und Zuchtwerte (Quelle: OHG, 2004)
117
4
4
Züchtung Abb. 67 Merkmale und Noten im „linearen System“ der Deutschen Holsteins (Quelle: DHV)
118
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Abb. 67
(Fortsetzung)
4
119
4
Züchtung Abb. 67
4.2.2
Leistungsprüfungen
Grundlage für die Auslese nach Leistung sind zuverlässige Leistungsprüfungen. Man unterscheidet nach dem Ort, an dem die Prüfungstiere während der Kontrollperiode gehalten werden, Stationsprüfungen (in eigens für diesen Zweck vom Staat oder von Züchterorganisationen eingerichteten Untersuchungsställen) und Feldprüfungen (in den Betrieben der Tierhalter). Ein Beispiel für Stationsprüfungen: die Ermittlung der Mast- und Schlachtleistung von Schweinen in Mastprüfungsanstalten (MPA). Das bekannteste Beispiel für eine Feldprüfung: die Milchleistungskontrolle. Vorteile der Stationsprüfungen gegenüber den Feldprüfungen:
120
(Fortsetzung)
!!! Sie vereinheitlichen die Umweltbedingungen, erlauben die Messung einer größeren Zahl von Merkmalen, auch schwer erfassbarer, und erhöhen die Zuverlässigkeit der Prüfungsergebnisse sowie die Sicherheit der darauf aufbauenden Zuchtwertschätzung. Aber: Die Stationsprüfungen verursachen höhere Kosten als die Feldprüfung. Deshalb ist die Prüfungskapazität zumeist begrenzt. Darunter kann die Selektionsschärfe leiden. Außerdem weisen die Stationen meist bessere Umweltbedingungen auf als die praktischen Betriebe. Die in Stationen erzielten Ergebnisse lassen sich dann in der Praxis nicht immer wiederholen. Es kann sogar vorkommen, dass sich die Rangfolge von Prüftieren ändert, wenn sie unter verschiedenen Umwelten
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) geprüft werden. Als Ursache dafür kommen Genotyp-Umwelt-Interaktionen in Betracht, von denen man dann spricht, wenn Genotypen auf verschiedene Umwelteinflüsse unterschiedlich reagieren. Stationsprüfungen können aber auch als Härteprüfungen ausgelegt sein, z. B. bei der Eigenleistungsprüfung von Bullen. Dann sind die Züchter ungern bereit, ihre Zuchttiere der Stationsprüfung unterziehen zu lassen. Durch die Leistungsprüfung wird zunächst in dem Falle die Eigenleistung der Prüfungstiere vermittelt. Oft sind aber die Prüfungstiere nur Mittel zum Zweck: Da man das von einem Bullen vererbte Milchleistungspotenzial nicht an ihm selbst messen kann, werden mit Hilfe der Nachkommenprüfung die Leistungen seiner Töchter festgestellt und daraus sein Zuchtwert abgeleitet. Bei der Vollgeschwisterprüfung von Schweinen in der MPA werden die Prüfungstiere selbst nicht zur Zucht verwendet, sondern zur Feststellung des Schlachtkörperwertes geschlachtet. Die Ergebnisse dienen dann der Schätzung des Zuchtwertes ihres aus dem gleichen Wurf stammenden und zur Zucht vorgesehenen Bruders. Dieser Bruder ist also der eigentliche Prüfungskandidat – die Tierzüchter nennen ihn „Proband“. Dagegen müssen sich die lediglich zur Prüfung benutzten Tiere, z. B. Bullentöchter, die nach der 1. Laktation ausgemerzt werden, oder die geschlachteten Geschwister des Jungebers mit der Bezeichnung „Informant“ begnügen.
? Dem aufmerksamen Leser wird es ein leichtes sein, selbst zu definieren, was eine Halbgeschwisterprüfung ist. Wie sicher sind – beim Vergleich mit der Vollgeschwisterprüfung – Aussagen über den Zuchtwert eines Jungebers, die aus einer Halbgeschwisterprüfung abgeleitet wurden?
Wir erkennen, dass das Ergebnis einer Zuchtwertschätzung (s. Kap. 4.2.3) nicht nur von der Art und Zuverlässigkeit der Leistungsprüfung abhängig ist, sondern auch von den Verwandtschaftsverhältnissen zwischen dem Probanden und den Informanten sowie von deren Zahl.
4.2.2.1 Die Milchleistungsprüfung
!!! Die Milchleistungsprüfung (MLP) wird in allen Bundesländern Deutschlands von den Landeskontrollverbänden (vgl. Kap. 4.4) nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt. Sie sind in der Verordnung über Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung beim Rind festgelegt und beruhen auf Vereinbarungen des Weltverbandes für Leistungsprüfungen ICAR. Dabei ist vorgeschrieben, dass alle Kühe eines Bestandes, welcher der Kontrolle angeschlossen ist, geprüft werden müssen. Melkverfahren und Melkzeiten dürfen am Prüfungstag nicht anders sein als sonst im Betrieb üblich. Es müssen für jede Kuh mindestens die Milchmenge, der Fettgehalt und der Eiweißgehalt bestimmt und daraus die Fett- und Eiweißmenge errechnet werden. Auch die Zahl der Prüfungen in einem Jahr ist gesetzlich geregelt. Standardmethode ist eine mindestens elfmalige Kontrolle im Abstand von ca. 30 Tagen. Die Ergebnisse der MLP sind durch Überprüfung, wie z. B. durch Bestandsnachkontrollen, abzusichern. Gültig ist bei Abweichungen das Ergebnis der Nachkontrollen. Am Beispiel der Bullenmutter Berlind (s. Tab. 7) wollen wir nun verfolgen, was aus den Feststellungen an den Prüfungstagen abzuleiten ist. Nehmen wir dafür zunächst an, Berlind wurde nach ihrer Kalbung (4. Oktober) am 9. Oktober (PM 1), am 12. November (PM 2) sowie am 11. Dezember (PM 3) in der MLP mit folgenden Ergebnissen geprüft: 09.10. 34 kg – 4,3 % – 3,3 % 12.11. 40 kg – 4,2 % – 3,3 % 11.12. 30 kg – 4,3 % – 3,4 % Nach der in Deutschland hierfür einheitlich angewendeten Mitteldatumsmethode errechnen sich aus diesen Feststellungen für die beiden Prüfungsintervalle die nachstehenden Ergebnisse: Erster 22 Tage × 34 kg = 748 kg Milch, 748 × Zeitraum: 4,3/100 = 32,2 kg Fett, 748 × 3,3/100 = 24,7 kg Eiweiß Zweiter 31,5 Tage × 40 kg = 1260 kg Milch, Zeitraum: 1260 × 4,2/100 = 52,9 kg Fett 1260 × 3,3/100 = 41,6 kg Eiweiß
121
4
4
Züchtung
Die dargestellten Zahlen lassen sich anhand der Grundlagen der Mitteldatumsmethode überprüfen. Dazu muss zunächst für jedes Probemelken (PM) der Prüfungszeitraum (Z) errechnet werden. Er ergibt sich, wenn man zur Hälfte der Melktage zwischen dem vorherigen Probemelken (PM 1 bis PM 2) die Hälfte der Melktage des nachfolgenden Probemelkens (PM 2 bis PM 3) addiert. Die so erhaltene Tagessumme des Prüfungszeitraums wird mit der Leistung am Prüfungstag multipliziert und ergibt so die Leistung im Prüfungszeitraum. Im dargestellten Beispiel muss allerdings beim ersten Prüfungszeitraum (halber Abstand zwischen PM 1 und PM 2 = 17 Tage) auch noch der Kalbetermin mit fünf Tagen bis zum 1. PM berücksichtigt werden. Die für die einzelnen Prüfungszeiträume ermittelten Leistungen werden mit den Ergebnissen der übrigen Perioden des Kontrolljahres am 30. September (Ende des Kontrolljahres) addiert zu beispielsweise 9175 kg Milch, 386 kg Fett und 307 kg Eiweiß. Daraus errechnen sich durchschnittliche Fett- bzw. Eiweißgehalte der Milch von 4,21 bzw. 3.35 %.
Das Ergebnis 9175–4,21–386–3,35–307 stellt die Leistung im Prüfungsjahr und somit die Jahresleistung dar. Berlind befand sich während der gesamten 365 Tage des Kontrolljahres in der Prüfung. Sie zählt somit zur Kategorie der A-Kühe, zu der auch alle Färsen gehören, die in den beiden ersten Monaten des Prüfungsjahres kalbten. Alle anderen teiljährig geprüften Kühe sind B-Kühe. Als Lebensleistung bezeichnet man die Leistung vom Tage nach dem ersten Kalben bis zum Ende des letzten abgeschlossenen Prüfungsjahres bzw. bis zum Tag des Abganges einer Kuh. Da Berlind mehr als zweimal kalbte, kann für sie durch Umrechnung auf 365 Tage eine mittlere Jahresleistung errechnet werden, allerdings nur zum Ende eines Kontrolljahres oder bei ihrem Abgang. Im Katalog finden wir Berlind dann mit folgender Formel wieder: 3/2,6 – 12240 – 4,09 – 501 – 3,72 – 456. Das bedeutet, dass von ihr drei Kälber geboren wurden und 2,6 Jahresabschlüsse vorliegen mit der angegebenen Durchschnittsleistung (gelegentlich werden in Katalogen bei den Inhaltsstoffen zuerst die Mengen und dann die Prozente angegeben).
Tab. 5 Leistungsentwicklung verschiedener Rassen 2003 zu 1993 (Herdbuchkühe, A und B) Rasse
Jahr
Anzahl Kühe
Milch kg
Fett %
Fett kg
Eiweiß %
Eiweiß kg
ZKZ *
Schwarzbunt
93 03
1 355 297 1 492 045
6 547 8 210
4,38 4,13
285 340
3,39 3,41
220 280
391 400
Fleckvieh
93 03
610 505 636 451
5 623 6 586
4,12 4,13
232 272
3,49 3,52
196 232
382 396
Rotbunt
93 03
185 219 153 465
6 473 7 589
4,23 4,22
274 321
3,37 3,40
218 259
382 395
Braunvieh
93 03
168 628 156 009
5 899 6 850
4,14 4,22
244 289
3,52 3,60
208 247
397 415
Gelbvieh
93 03
13 395 5 946
4 938 5 600
4,13 4,16
204 233
3,53 3,53
174 198
390 405
Rotvieh
93 03
14 613 11 155
6 009 7 343
5,09 4,79
306 352
3,64 3,65
219 268
382 385
Vorderwälder
93 03
5 409 4 491
4 956 5 430
4,06 4,17
201 226
3,32 3,35
165 182
378 388
Jersey
93 03
2 375 2 077
4 405 5 360
6,25 5,86
275 314
4,14 4,07
182 218
381 387
* Zwischenkalbezeit, alle MLP-Kühe
122
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Vom Landeskontrollverband wird die Jahresleistung der Berlind mit den Leistungen der übrigen ganzjährig kontrollierten Kühe des Betriebes – den Stallgefährtinnen – zum Stalldurchschnitt zusammengezogen. Über weitere Zusammenfassungen gelangt man zu den regionalen und schließlich auf Bundesebene zu den Rassedurchschnitten (Tab. 5).
? Diese Tabelle enthält eine Anregung für Neugierige: Wie hoch lag bei den Hauptrassen im Durchschnitt die Leistung bezogen auf die Fettund Eiweißmenge im Jahre 1993 und zehn Jahre später? Um wie viel % wurde diese Leistung absolut und relativ in den zehn Jahren gesteigert? Aus züchterischer Sicht kommen Einsatzleistung, Laktationsleistung und 305-Tage-Leistung besondere Bedeutung zu. Als Einsatzleistung bezeichnen wir bei einer Jungkuh die tägliche Durchschnittsleistung, die sich aus ihren ersten drei Kontrollen ergibt. Sie umfasst etwa die ersten 100 Tage einer Laktation und kann daher Grundlage für eine frühzeitige Selektion sein. Die Laktationsleistung beinhaltet die Leistung einer Kuh vom ersten Tag nach dem Kalben bis zum Trockenstellen. Da die Zeitpunkte für die Wiederbelegung einer Kuh und das Trockenstellen in starkem Maße vom Betriebsleiter bestimmt sein können, eignet sich die Laktationsleistung in erster Linie für die innerbetriebliche Selektion. Den Einfluss unterschiedlicher Trockenstellzeitpunkte kann man aber ausschalten, wenn man die Laktationsleistung zeitlich begrenzt. Das ist bei der 305-Tage-Leistung der Fall. Sie läuft bis zum Ende der Laktation, mindestens bis zum 250., längstens bis zum 305. Laktationstag. Züchterisch hat die 305-Tage-Leistung die größte Aussagefähigkeit. Daher bildet sie auch die Grundlage für die Zuchtwertschätzung der Bullen und Kühe. Dennoch werden auch hierbei Kühe bevorzugt, die später trächtig werden, es sei denn, man berücksichtigt auch die Zwischenkalbezeit. Die 305-Tage-Laktation wird unter Angabe der Ordnungszahl der Laktation auch als Referenzlaktation bezeichnet. Sie erhöht sich bis zur dritten Laktation. Nach der fünften Laktation fällt sie wieder ab.
Die bisherigen Darstellungen betreffen die klassischen Merkmale der Milchleistungsprüfung, Milchmenge sowie Fett und Eiweiß. Der technische Fortschritt ermöglicht darüber hinausgehende Untersuchungen der Milch. Dabei haben die Feststellungen des somatischen Zellgehaltes jeder Kuh und des Milchharnstoffgehaltes besondere Bedeutung erlangt. (vgl. Kap. 4.5.2). In Organisation und Durchführung der Milchleistungsprüfung ist nach jahrzehntelanger Gleichmäßigkeit Bewegung gekommen. Eine weiterentwickelte Technik (automatische Milchmengenmessungen und Melksysteme), bessere Rechenverfahren, aber auch zunehmender Kostendruck und wachsende Bestandsgrößen sind dafür verantwortlich. Vor allem Kostengründe führten schon vor Jahrzehnten in Schleswig-Holstein zur B-Kontrolle. Dabei nimmt der Tierhalter die Proben selbst und nicht, wie bei der A-Kontrolle, der Angestellte des Kontrollverbandes. Neuere Methoden unterscheiden sich im zeitlichen Abstand zwischen den Probemelken (PM), z. B. 3, 4 oder 6 Wochen, in der Häufigkeit der Probenahme je Probemelken (bei jeder oder bei ausgewählten Melkzeiten) und in der Zahl der registrierten Gemelke je Kontrolltag. Im letztgenannten Punkt ist vor allem aus Kostengründen ein Trend zur alternierenden, der T-Kontrolle festzustellen, bei der am Kontrolltag von jeder Kuh nur noch ein Gemelk erfasst und daraus die Milchprobe gezogen wird. Um Schwankungen zwischen Abend- und Morgengemelk zu berücksichtigen, wird im monatlichen Wechsel eines der beiden Gemelke beprobt. Tab. 6 lässt weitere Einzelheiten erkennen. Im Kontrolljahr 2003 entfielen in Deutschland 45 % der Kühe in der MLP auf die klassische Methode A 42 (zwei Gemelke je PM im Abstand von 4 Wochen durch Kontrollverband), gefolgt von 26 % B 42. Der Anteil der alternierenden Verfahren (A- plus B-Kontrollen) lag bei 23,5 %. Handliche elektronische Geräte zur Datenerfassung (Handhelds) und elektronische Prüfungsgeräte, wie der vor allem in Bayern eingesetzte LactoCorder, werden künftig auch die Milchleistungsprüfung mehr und mehr automatisieren und damit die Datenqualität noch weiter erhöhen.
123
4
4
Züchtung
Tab. 6 Verfahren der Milchleistungsprüfung in Deutschland im Jahr 2003 (Anteil der Kühe in %) A-Verfahren AS/AL
AT/AM
45,0
17,4
B-Verfahren Ł 62,4
BS/BL
BT/BM
26,0
11,6
T-Verfahren Ł 37,6
AT
BT
16,3
7,2
Ł 23,5
S = anteiliges Probenvolumen M = elektronische Milchmengenerfassung L = konstantes Probenvolumen
4.2.2.2 Die Melkbarkeitsprüfung Eine gute Milchkuh soll nicht nur viel Milch bilden, sondern sie auch rasch hergeben. Das ist notwendig wegen der relativ kurzen Wirkungsdauer des Melkhormons Oxytozin, aber auch zur Rationalisierung der Melkarbeit, besonders in Melkständen. Deshalb wird die Euternote der Exterieurbeurteilung ergänzt durch objektiv feststellbare Messwerte:
!!! |
Die Milchflussgeschwindigkeit (Milchflussintensität), gemessen als durchschnittliches Minutengemelk in kg/min, | die Verteilung der Gesamtmilchmenge auf Vorderviertel und Hinterviertel (Hälftenverteilung in %), | das Nachgemelk (nach Absetzen der Maschine von Hand ermolkene cm3).
Die Prüfungen werden nach einer Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (ADR) im Bundesgebiet einheitlich durchgeführt, und zwar für die Nachkommenprüfung in der ersten, für die Eigenleistungsprüfung in der ersten bis vierten Laktation, jeweils zwischen dem 50. und 180. Laktationstag, also bei hohen Tagesgemelken. Werden mehr als 300 cm3 Nachgemelk gefunden oder liegt die Gemelksmenge unter 5 kg, ist die Prüfung ungültig. Da die Melkgeschwindigkeit außer von der Erbanlage (Heritabilität zwischen 0,2 und 0,6) auch vom Druck im Euter, das heißt von der Milchmenge abhängig ist, wird mit Hilfe von Korrekturfaktoren das durchschnittliche Minutengemelk auf den 100. Laktationstag (früher auf ein Standardgemelk von 10 kg) umgerechnet. Eine Korrektur ist auch vorzunehmen, wenn Milch-
124
mengenmessgeräte benutzt werden, welche die Melkarbeit beeinflussen (z. B. Milkoskop). Grundsätzlich sollen die Bedingungen aber ansonsten vom üblichen Melkvorgang nicht abweichen. Die Melkbarkeitsprüfung von Einzelkühen in ihrer klassischen Form verliert heute an Bedeutung, weil die modernen Leistungsrassen in diesem Merkmal ein ausreichendes Niveau erreicht haben. Für Bullenmütter und Bullennachzuchten bleibt die Prüfung jedoch unverzichtbar um Minusvarianten auszuschalten. Andererseits eröffnet z. B. der LactoCorder (Abb. 68) als elektronisches Milchmengenmessgerät die Möglichkeit, Milchflusskurven der Kühe zu erfassen und damit das Milchabgabeverhalten wesentlich genauer zu beurteilen. Auch kann zwischen Vor-, Haupt- und Nachgemelk unterschieden werden. Beim Hauptgemelk sind drei Phasen zu erkennen: Einem steilen Anstieg zu
Abb. 68 Elektronik in der Milchleistungsprüfung; der LactoCorder misst Milchfluss und Melkverhalten (Foto: HVL)
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Beginn folgt die Plateauphase mit dem Milchstrom aus allen Vierteln, an die sich die Abstiegsphase anschließt. Diese Erfassungstechnik schafft zugleich die Möglichkeit dafür, den LactoCorder auch einzusetzen um Faktoren zu kontrollieren, die über die Melkarbeit oder die Melktechnik das Melkverhalten der Kühe beeinflussen.
4.2.2.3 Prüfung auf Mastleistung und Schlachtkörperwert (Fleischleistungsprüfung) Fleischrinder, aber auch Zweinutzungsrinder sollen eine gute Fleischleistung bringen. Sie kann im Feld und auf einer Station geprüft werden, in Eigenleistung des Probanden und/oder als Prüfung von Verwandten (Informanten wie Halbgeschwister, Nachkommen). Bei der Eigenleistungsprüfung im Feld, die als Mindestvoraussetzung für die Zuchtwertschätzung von Bullen auf Fleischleistung gesetzlich vorgeschrieben ist, wird die tägliche Zunahme erfasst und die Bemuskelung von Keule, Rücken und Schulter be-
wertet. Umfang und Ergebnisse der Eigenleistungsfeldprüfung für ausgewählte Rassen sind in Tab. 7 dargestellt. Zur Errechnung der täglichen Zunahmen wird vom Körpergewicht ein rassespezifisches Standardgewicht abgezogen. Die Zahlen liefern auch Anhaltspunkte über die Mastleistung einzelner Rassen. Das Merkmal „Tageszunahme“ wird unterschiedlich ermittelt: Bei der Eigenleistungsprüfung im Feld aus der täglichen Gewichtszunahme bis zum Prüfungsende (z. B. Körung) unter Berücksichtigung des Geburtsgewichtes, bei der Eigenleistungsprüfung auf Station als „tägliche Gewichtszunahme im Prüfungszeitraum“ (mindestens 120 Tage bei Fleischrindern, mindestens 180 Tage bei Zweinutzungsrindern), bei der Nachkommenprüfung auf Station als „Nettogewichtszunahme“ (Zweihälftengewicht nach dem Schlachten, geteilt durch die Anzahl der Lebenstage). Auch die Feststellung des Fleischansatzes ist von der Prüfungsart abhängig. Bei allen Eigenleistungsprüfungen sowie bei Geschwister- oder Nachkommenprüfungen im Feld wird die Be-
Tab. 7 Anzahl, Durchschnittsgewichte, Alter und Tageszunahmen von Jungbullen (bei der Körung) nach Rassen 2003 (ADR) Rasse (Stand.-Geb.-Gew., kg)
Anzahl
Alter (Tage)
Gewicht (kg)
errechnete tägl. Zunahme (kg)
Gelbvieh (42)
54
429
643
–
Fleckvieh (40)
1 672
426
623
1 345
Holstein-Rbt (38)
255
450
588
–
Holstein-Sbt (38)
149
436
556
1 190
Braunvieh (38)
469
590
718
1 134
Vorderwälder (35)
108
461
544
1 117
Hinterwälder (25)
143
454
513
1 067
Charolais (44)
444
406
611
1 415
Fleischfleckvieh (43)
354
409
615
–
Deutsche Angus (35)
241
421
555
1 248
Limousin (39)
437
430
553
–
Hereford (36)
43
430
572
–
Galloway (30)
47
681
484
707
Highland (25)
12
699
466
652
125
4
4
Züchtung einem wichtigen Aufzuchtabschnitt erlaubt, als dies in ununterbrochener Einzeltierhaltung in Züchterställen möglich wäre, | die ELP die Möglichkeit eröffnet, die Konstitution der Zuchtbullenanwärter zu testen, | die Prüfungskapazität der Stationen besser ausgenutzt wird (für die NKP werden Gruppen aus jeweils 10–12 Söhnen des Probanden gemästet), | die ELP bei der Fleischleistung der Rinder gleichzeitig kostengünstiger und züchterisch wirkungsvoller ist.
Abb. 69 Moderne Technik ermöglicht die Messung der Futteraufnahme in der Fleischleistungsprüfung (Foto: Quanz) muskelung von Keule, Rücken, Schulter am lebenden Tier bei Prüfungsende bewertet, z. B. mit höchstens 9 Punkten. Bei Nachkommenprüfungen auf Station wird die Handelsklasseneinstufung oder der Fleischanteil nach dem Schlachten zugrunde gelegt. Für die Fleischleistungsprüfung stehen in der Bundesrepublik Deutschland 15 Prüfstationen mit ca. 2 000 Prüfplätzen zur Verfügung (Abb. 69). Vier davon befinden sich in Baden-Württemberg, drei in Bayern, die übrigen in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Die Mehrzahl der Stationen dient der Eigenleistungsprüfung, wobei in der Mitte und im Norden die Rassen Schwarzbunt und Rotbunt und im Süden das Fleckvieh dominieren. In den vier Stationen mit Nachkommenprüfung herrscht Fleckvieh vor, daneben mehrere Fleischrinderrassen in Reinzucht oder als Kreuzungen. Auch wenn sich die Zahl der Prüfplätze etwa hälftig auf Eigenleistungsprüfung und Nachkommenprüfung verteilt, ist doch der mögliche Nutzen der ELP größer, weil
!!! die Eigenleistungsprüfung eine frühere Aussage über die Mastleistung (Tageszunahme, evtl. auch Futterverwertung) des Probanden zulässt als die NKP, | die ELP – wegen der einheitlichen Umweltbedingungen – einen besseren Vergleich der für die Zucht vorgesehenen Jungbullen in |
126
Der Schlachtkörperwert allerdings ist in der Nachkommen- oder Geschwisterprüfung – bei der Schlachtung – besser zu erfassen. Bei der ELP wird die Schlachtkörperbeurteilung (Bewertung von Bemuskelung und Verfettungsgrad nach einem von der DLG entwickelten Punkte-Schema) am lebenden Tier vorgenommen. Zwischen den Prüfstationen gibt es erhebliche Unterschiede in den Durchführungsbestimmungen, wobei die Verordnung über Leistungsprüfung und die Zuchtwertfeststellung bei Rindern die Mindestanforderungen definiert. Die Unterschiede betreffen u. a. das Anlieferungsalter, den Prüfungsabschnitt und die Prüfdauer, aber auch die Fütterung und das Haltungssystem. Kritisch zu bewerten ist auch die Nutzung der Ergebnisse aus der Prüfung in der Zuchtarbeit. Oftmals dienen sie lediglich der Kontrolle der Züchtung. Von den süddeutschen Bundesländern ausgehend gewinnt als Fleischleistungsprüfung die Nachkommenprüfung im Feld an Bedeutung. Dabei werden unterschiedliche Wege beschritten. Beim bayerischen System einer ungelenkten Feldprüfung werden die benötigten Daten der Nachkommen der Probanden, soweit sie als Masttiere genutzt werden, bei der Schlachtung erfasst (z. B. Datum der Schlachtung, Schlachtgewicht, Handelsklasse). Die Tiere werden anhand ihrer Ohrmarken identifiziert. Von den Schlachthöfen werden die erhobenen Daten an die Auswertungsstelle übermittelt. Tab. 8 zeigt Umfang und Ergebnisse dieser Prüfung im Jahr 2003 in Bayern. In Baden-Württemberg überstellt man die Prüfungstiere zur Mast in ausgewählte Betriebe, die
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Tab. 8 Ergebnisse der ungelenkten Nachkommen-Prüfung aus Bayern 2003 (ADR) Rasse
Anzahl
Alter (Monate)
SchlachtNettoHandelsklasse Fettklasse gewicht (kg) zunahme (g) (Punkte) (Punkte)
Fleckvieh Gelbvieh BvxBlonde Braunvieh Holstein SBT Holstein Rbt
232 175 1 500 1 722 14 775 2 501 444
18,8 19,6 18,0 19,6 20,3 19,9
386 376 394 373 348 365
der Rindermastkontrolle angeschlossen sind. Hier werden die benötigten Daten ermittelt und festgehalten, wobei auch Zwischenwiegungen möglich sind (gelenkte Feldprüfung). Voraussetzung für diese Methode sind u. a. gut entwickelte Kälbermärkte. Anhaltspunkte über die Mastleistung einzelner Rassen liefern die Ergebnisse der Körungen. Zur Errechnung der täglichen Zunahmen wird vom Körpergewicht ein rassespezifisches Standardgeburtsgewicht abgezogen (Tab. 7).
? Wer rechnet sich in Tab. 7 die noch fehlenden Zahlen selbst aus und trägt sie in die Spalte 5 ein?
4.2.2.4 Fortpflanzungsleistung Für den Erfolg der Tierhaltung ist die Fortpflanzungsleistung von ausschlaggebender Bedeutung. Ob ein Kalb ohne Hilfe oder mit Kaiserschnitt geboren wird, ob es überlebt oder kurz nach der Geburt verendet, ist für die Wirtschaftlichkeit der Rinderproduktion ebenso bedeutsam, wie die Befruchtungsfähigkeit eines Bullen, die regelmäßige jährliche Kalbung einer Kuh und die Dauer ihrer Nutzung. Alle genannten Merkmale sind der Reproduktionsleistung zuzuordnen, die in die Bereiche Geburtsverlauf und Kalbevorgang sowie Fruchtbarkeit und Langlebigkeit zusammengefasst werden können. Dabei lässt sich in Abhängigkeit vom Bezugstier auch zwischen männlicher und weiblicher Fruchtbarkeit unterscheiden. Tierzuchtrechtlich schreibt die Verordnung über Leistungsprüfungen und Zuchtwertstellung beim
670 637 723 628 568 606
3,67 3,43 3,28 2,80 2,01 2,42
2,62 2,30 2,55 2,82 2,63 2,71
Rind vom 6. Juni 2000 vor, dass der Komplex Zuchtleistung über die Non-Return-Rate (NRR 90), bei Mutterkuhherden über das Erstkalbealter, die Zwischenkalbezeit und die Zahl geborener Kälber zu ermitteln ist. Die NRR bezeichnet den Anteil von Kühen, der innerhalb einer Frist (hier 90 Tage) nach der Erstbesamung nicht wieder zur Besamung angemeldet worden ist. Die NRR wird für die männliche Fruchtbarkeit über den Befruchtungserfolg bei den weiblichen Nachkommen des Bullen festgestellt. Die Erfassung dieser Kriterien erfolgt bei den Bullen z. T. indirekt, indem die Besamungsstationen das Deckverhalten der Bullen und die Spermaqualität prüfen. Die Daten für die Non-Return-Rate der Kühe liefern die Organisationen für Milchleistungsprüfungen zusammen mit den Meldungen über Geburtsverlauf und Verbleib der Kälber. Der Verlauf der Kalbungen wird in vier Klassen erfasst: 0 = keine Angaben vorhanden, 1 = ohne Hilfe oder ein Helfer, 2 = leichte Hilfe, 2 oder mehr Personen oder mechanische Hilfsmittel, 3 = schwere Geburt, tierärztliche Hilfe ohne Operation, 4 = Kaiserschnitt.
4.2.2.5 Weitere Merkmale In der Nutztierzucht spielen traditionell die auf Ertrag ausgerichteten Merkmale aufgrund ihres ökonomischen Gewichts die größte Rolle. Das gilt für die Milchleistung der Wiederkäuer ebenso wie für die Fleischleistung bei diesen und anderen Nutztierarten, aber auch für die Legeleistung des Geflügels sowie die Wollleistung der Schafe. Zunehmend gewinnen aber die eher auf Kostensenkung abzielenden Kriterien an Bedeutung, vor allem in der Rinderzucht, wo nach genauen
127
4
4
Züchtung
Berechnungen z. B. die Nutzungsdauer in ihrem wirtschaftlichen Wert an zweiter Stelle hinter der Milchleistung rangiert. Die Nutzungsdauer zählt zusammen mit vielen weiteren Kriterien zur Gruppe der funktionalen Merkmale, die beim Rind folgenden Bereichen zugeordnet werden können: Gesundheit, Fruchtbarkeit, Kalbeverlauf, Futterverwertung und Melkbarkeit. Häufig können die funktionalen Merkmale nicht direkt erfasst werden. Man muss dann einen Umweg über leichter zu ermittelnde Hilfskriterien wählen. Beispiele dafür haben wir schon kennen gelernt. So sind einige Merkmale aus der Exterieurbeurteilung (vgl. Kap. 4.2.1) geeignet als Hilfsmerkmal für Krankheiten zu dienen. Über die Non-Return-Rate lassen sich Aussagen zur Fruchtbarkeit ebenso ableiten wie über bestimmte Klauenmaße zur Nutzungsdauer (vgl. hierzu auch Tab. 11). Eine weitere Besonderheit funktionaler Merkmale besteht darin, dass viele von ihnen in einem ungünstigen Zusammenhang (Korrelation) zu den Leistungsmerkmalen stehen. Durch allei-
nige Selektion auf die Milchleistungseigenschaften können daher keine Verbesserungen in den ökonomisch bedeutsamen funktionalen Merkmalen erzielt werden. An dieser Stelle setzen daher auch Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen moderner Zuchtprogramme an.
4.2.2.6 Vom Prüfbullen zum Vererber Zuchttiere sollen sich vom Durchschnitt der Rasse durch überlegene Leistungen abheben. Das gilt besonders für Vatertiere, die über die künstliche Besamung breit eingesetzt werden. Bis das möglich ist, muss z. B. ein Jungbulle – nennen wir ihn Primus – im Rahmen moderner Zuchtprogramme ein umfangreiches System an Prüfungen durchlaufen, und wir wollen ihn dabei begleiten. Schon vor dem Ankauf von Primus für den ersten Besamungseinsatz kann sich der Käufer anhand der im Auktionskatalog abgedruckten Daten aus der Zuchtbescheinigung vorinformieren. Ein Beispiel für einen Fleckviehbullen enthält Tab. 9.
Tab. 9 Abstammungsgitter im Auktionskatalog eines Fleckviehzuchtverbandes PRIMUS ET 037259856 geb. 31.3.2003 Besitzer: T.R.
Züchter: derselbe
POLDI 10/00184248 PB 17 6 % 50T 139 91 114 113 (112) 145
POSTNER 02/00054440 PB 06 6 % MW 106 99 % +352 +27 +0,19 +5 –0,13 FW 92 97 % 98 92 86 ND 91 99 %
62T 6319 MW 131 90 % +1452
268 +57
4,25 –0,07
217 +40
3,41 –0,17 ELSA 09.13089666 EY
G 126 87 % ZZ 102 84 % M 110 84 % FW 94 83 % 104 93 75 ND 103 56 % K 97/106 T 97/114 99 % 78 %
4/4,1 10496 MW 126 80 % +1204
BERLIND 09.31983846 EY 02 / 8 8 7 8 146 220 M 2(LC) 2,0 ZKZ 2/381 (0)
MALF 10/00026857 PB 17 MW 116 99 % +480 +23 +0,04 +23 +0,09 FW 116 98 % 120 98 100 ND 102 99 %
3/2,6 12240 MW 127 59 % +1058
501 +47
4,09 –0,12
G 125 59 % ZZ 97 50 % M 110 49 % Zeichenerklärung (s. auch Tab. 11 und 12) MW = Zuchtwert Milch FW = Zuchtwert Fleisch ZZ = Zuchtwert Zellzahl K = Kalbeverlauf
128
456 +36
3,72 –0,09
412 +43
3,92 –0,17
369 +35
3,52 –0,11
BESSI 09.17116941 +4/3,7 6639 MW 106 63 % +210 G M ND T
= = = =
291 +10
4,38 +0,01
Gesamtzuchtwert Zuchtwert Melkbarkeit Zuchtwert Nutzungsdauer Totgeburtenrate
224 +7
3,37 –0,03
4.2 Die Zuchtwahl (Selektion) Am Anfang des Prüfungssystems stand für Primus, der aus gezielter Paarung über ET hervorging, die Eigenleistungsprüfung auf Fleischleistung, die er als Feldprüfung (Zunahme bis zur Körung) mit einem Ergebnis von 1 354 g je Tag ablegte, womit er 70 g über dem Vergleichsdurchschnitt lag. Mit diesem guten Ergebnis hat Primus eine wesentliche Voraussetzung für die Zuchtzulassung erfüllt. Die damit verbundene Bewertung von Bemuskelung und Exterieur besteht Primus ebenfalls. Sein vorgeschätzter Zuchtwert (aus den Zuchtwerten von Vater und Mutter vorberechnet) beträgt + 1 255+52+38 – MW (Milchwert): 129. Primus wird zum Verkauf freigegeben und gelangt schließlich in den Besitz einer Besamungsstation. Überprüfung des Gesundheitszustandes (Deckseuchen!) und der Besamungstauglichkeit (Libido, Spermaqualität etc.) schließen sich an, bis Primus zum so genannten Testbullen wird. Anhand einer festgelegten Zahl von Töchterleistungen – z. B. 50 – muss Primus nun beweisen, was in ihm steckt. Seine Töchter sind als seine Nachkommen Informanten für ihn als Probanden. Wenn man Primus hier einer NKP unterwirft, lässt man sich von folgenden Überlegungen leiten: Welchen Informationswert die an Verwandten gewonnenen Prüfungsergebnisse für den Probanden haben, hängt vor allem vom Verwandtschaftsverhältnis ab. Dieses wird durch den Verwandtschaftskoeffizienten ausgedrückt. Er beträgt zwischen ihm und seinen Eltern Berlind und Poldi sowie zu seinen Söhnen und Töchtern jeweils 0,5, ebenso zu seinen Vollgeschwistern, dagegen 0,25 zu seinen Halbgeschwistern. Bereits zwei Töchterleistungen des Primus liefern eine bessere Information (beispielsweise über seine Milchleistungsvererbung) als die Leistungen seiner Mutter. Je mehr Töchter des Primus in die Nachkommenprüfung einbezogen werden, umso genauer lässt sich sein Zuchtwert schätzen. Bis Primus’ Zuchtwerte für die Milchleistungseigenschaften aus der Nachkommenschaftsprüfung vorliegen, sind seit dem Ankauf durch die Besamungsstation mindestens 4 Jahre vergangen. Diese lange Wartezeit stellt ein Problem dar, für das es zwei alternative Lösungen gibt, die Wartebullenhaltung und die Spermalangzeitlagerung. Im ersten Fall wartet Primus auf das Ein-
treffen der Ergebnisse aus der NKP, entweder an der Besamungsstation oder in Ausleihe bei Bullenhaltungsvereinen oder Einzelzüchtern. Bei Langzeitlagerung wird von jedem Testbullen im Anschluss an die Samengewinnung für den Prüfungseinsatz ein großer Samenvorrat eingefroren. Je nach Umfang des gewünschten Vorrates und der Fruchtbarkeitseigenschaften des Bullen benötigt man hierfür 8–15 Monate. Anschließend erfolgt die Schlachtung des Bullen. Beide Verfahren, die natürlich auch kombiniert werden können, haben Vor- und Nachteile. Wartebullen können vorzeitig für die weitere Spermagewinnung ausfallen. Dann steht kein Sperma für den späteren Einsatz zur Verfügung. Bei Spermalangzeitlagerung werden die Bullen schon in jungen Jahren geschlachtet. Erbmängel (z. B. Limax, spastische Parese) könnten dadurch verborgen bleiben. Am Ende der Wartezeit liegen von den Prüfbullen-Töchtern aus der ersten Laktation Informationen vor über Milchmenge, Fettgehalt und Fettmenge sowie über Eiweißgehalt und Eiweißmenge – ferner die Ergebnisse der Nachzuchtbewertungen und Melkbarkeitsprüfungen sowie Aufzeichnungen zum Geburtsverlauf. In einem Teil der Prüfprogramme, wie z. B. beim Fleckvieh, sind auch Ergebnisse zur Veranlagung des Prüfbullen in der Fleischleistung vorhanden, vorwiegend aus der Feldprüfung der Töchter und Söhne. Die genannten Daten dienen nun der Zuchtwertschätzung des Bullen und der Entscheidung, ob er ausselektiert oder für den unbeschränkten Besamungseinsatz als geprüfter Bulle freigegeben wird. Nach den bisherigen Erfahrungen erweisen sich nur rund 20 % der Testbullen als wertvolle Vererber. Da außerdem ein Teil der Prüfbullen während der Wartezeit ausfällt, müssen im Durchschnitt 8 – 9 Jungbullen für die Nachkommenprüfung bereitgestellt werden, um 5 Jahre später einen dem Zuchtfortschritt förderlichen guten Vererber einsetzen zu können. Die ausgemusterten Bullen werden geschlachtet bzw. ihr Sperma vernichtet. Zweifellos keine billige Methode.
129
4
4
Züchtung
4.3 Zuchtwertschätzung Beim Studium der Angaben in der Tab. 9 können wir uns fragen, ob eigentlich Poldi der züchterisch wertvollere Fleckvieh-Bulle war oder sein Vater Postner. Uns interessiert also der Wert eines Tieres, den es für die Zucht besitzt, und zwar deshalb, weil der Fortschritt eines planmäßigen Zuchtprogrammes auf der Paarung der züchterisch wertvollsten Tiere zur Erzeugung der nächsten Zuchttiergeneration aufbaut. Mit bestimmten Einschränkungen lässt sich aus den Zahlen +1452 +57 –0,07 +40 –0,17 für Primus, bzw. +352 +27 – 0,19 +5 – 0,13 für Postner eine Überlegenheit des Sohnes gegenüber dem Vater ableiten. Die dargelegten Zahlen sind also Ausdruck des Zuchtwertes der Bullen in den Merkmalen der Milchleistungseigenschaften. Der Zuchtwert gibt also den erblichen Einfluss eines Tieres wieder. Ihn zu ermitteln ist Ziel der Zuchtwertschätzungen. Dazu müssen genetische und umweltbedingte Einflüsse voneinander getrennt werden. Bei dem genetischen Anteil geht es im einfachen Fall um die additiv-genetischen Effekte, die im Mittel an die Nachkommen weitergegeben werden. Zuchtwertschätzungen gibt es für alle Nutztierarten und heute sogar auch schon bei anderen Haustieren wie z. B. Hunden. Über Zuchtwertschätzungen bei Schwein und Schaf und auch über die vom Gesetzgeber festgelegten Anforderungen an die Zuchtwerte wird in den Abschnitten zu diesen Tierarten berichtet.
4.3.1
ZW = b (E–VG) Dabei ist: ZW = der geschätzte Zuchtwert b = der Regressionskoeffizient des Zuchtwertes auf die Information (E–VG) E = die Eigenleistung der Kuh VG = der Vergleichswert
Dabei stellt b den Wichtungsfaktor dar und (E – VG) die Abweichung, hier also die Differenz zwischen der Leistung des zuchtwertgeschätzten Tieres und dem Vergleichswert. Den Vergleichswert bilden hier die korrigierten Leistungen der gleichzeitig laktierenden Kühe. Man spricht daher vom Zeitgefährtinnenvergleich. Für die Zuchtwertschätzung der Bullen kam der Töchter-Populations-Vergleich (TPV) zur Anwendung, nach der Formel: Übersicht 18 T–VG n+k Dabei ist: n T ZW =
= Anzahl der Töchter = durchschnittliche Töcherleistung (305-Tage-Leistung der 1. Laktation) VG = Vergleichswert
Durch k wird die Heritabilität (h2) der betreffenden Leistung nach folgender Formel berücksichtigt: 4–h2 k= 2 h
Begriffe
!!! Allgemein stellt der Zuchtwert einen Schätzwert dar für den erblichen Einfluss eines Tieres auf seine Nachkommen. Er kann berechnet werden, indem zunächst die so genannte Abweichung ermittelt und diese mit einem genetischen Wichtungsfaktor multipliziert wird. Als Formel dargestellt ergibt sich der Zuchtwert z. B. für die Milchleistung einer Kuh:
130
Übersicht 17
Der Zuchtwert kann in absoluten Zahlen angegeben sein, als Abweichung vom Durchschnitt vergleichbarer Tiere oder als Relativzahl mit einem Mittelwert von z. B. 100. In diesem Fall lassen Werte über 100 positive Erwartungen von der Vererbungskraft aufkommen, Werte unter 100 dagegen negative. Ähnliches ist auch aus den Vorzeichen der absoluten Zahlenangaben abzuleiten, allerdings nicht immer. Hier ist also Vorsicht geboten, wie wir später noch sehen werden. Weshalb bezeichnen wir „VG“ in der vorstehenden Formel als „Vergleichswert“ und sprechen von „Vergleichstieren“ und nicht einfach vom
4.3 Zuchtwertschätzung Verbands- oder Populationsdurchschnitt? Weil das Prüfungstier einer Vielzahl von Umwelteinflüssen unterworfen ist, die nur ausnahmsweise den durchschnittlichen Umweltbedingungen für die Population entsprechen werden. Ein wesentlicher Teil der Zuchtwertschätzung besteht also aus Rechnungen, mit deren Hilfe die „erfassbaren Umwelteinflüsse“ dingfest gemacht und ausgeschaltet werden. An dieser Stelle dürfte inzwischen klar geworden sein, dass es sich bei den errechneten Zuchtwerten um Schätzwerte handelt und nicht um den „wahren“ Zuchtwert. Die Übereinstimmung zwischen beiden hängt u. a. von der Qualität der Leistungsprüfungen und der Art der Informationsquelle ab. So wird der Milchzuchtwert eines Bullen umso genauer geschätzt, je mehr Töchterleistungen diesem Wert zugrunde liegen. Ebenso wird der auf dem Ergebnis der Stationsprüfung aufbauende Zuchtwert für die Mastleistung eines Ebers durch die höhere Heritabilität einen größeren Wert annehmen als bei Prüfung des Merkmales unter den sehr weit streuenden Feldbedingungen. Anknüpfend an die Darlegungen zur Vererbung tierischer Leistungen sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Zuchtwertschätzung auf den „allgemeinen“ Zuchtwert abzielt, der auf additiven Genwirkungen beruht und zu unterscheiden ist von „speziellen“ Zuchtwerten, die von nicht-additiven Genwirkungen herrühren. Spezielle Zuchtwerte lassen sich nicht vorausberechnen.
4.3.2 Der direkte Bullenvergleich – BLUP Zeitgefährtinnenvergleich und Töchter-Populations-Vergleich gehören heute der Vergangenheit an. Sie wurden ersetzt durch die BLUP-Methode (best linear unbiased prediction = beste lineare unverzerrte Schätzung), auch „direkter Bullenvergleich (dBV)“ genannt. Die BLUP-Methode vermag Umwelt und Genetik im statistischen Sinne genauer zu trennen als alle anderen Verfahren der Vergangenheit. Sie wird daher in der Zuchtwertschätzung aller Nutztiere angewandt.
!!! Auch bei BLUP wird ein Vergleichswert errechnet. Dabei erfolgt jedoch die Korrektur der systematischen Umwelteffekte genauer. In zwei Punkten unterscheidet sich der dBV aber hauptsächlich von den bisherigen Methoden: Zum einen werden alle Tiere an einem gleichen genetischen Niveau dadurch gemessen, dass genetische Unterschiede, die zwischen den Vergleichsgruppen bestehen, auch innerhalb eines Jahres herausgerechnet werden können. Zum anderen ermöglicht BLUP die Ausschaltung des genetischen Trends.
4 Durch den Zuchtfortschritt entwickelt sich jede Population weiter, sie folgt dem genetischen Trend. Dieser führt zu Niveauunterschieden zwischen Zuchtwerten aus verschiedenen Jahrgängen. Erst BLUP ermöglicht den direkten Vergleich der Zuchtwerte von Bullen aus verschiedenen Jahrgängen. Nun wird auch verständlich, warum die in Kap. 4.2.3 angestellten Vergleiche zwischen Vätern und Söhnen dort zunächst eingeschränkt werden mussten. Die Einführung der BLUP-Methode brachte für die Zuchtwertschätzung viele Verbesserungen, aber keinen Stillstand. Durch die ständig wachsenden Kapazitäten der EDV-Anlagen lassen sich auch immer kompliziertere mathematische Modelle lösen. Dazu zählt auch das „Tiermodell“. Dieses Modell der BLUP-Zuchtwertschätzung ermöglicht die uneingeschränkte Nutzung der verfügbaren Informationen aller Verwandten im Gegensatz zum „Vater-Modell“, welches auf den Leistungen der Töchter aufbaut. Mit dem Tiermodell lässt sich die Genauigkeit der Zuchtwertschätzung vor allem bei den Kühen deutlich steigern. Bei Bullen verbessert sich die Zuchtwertschätzung, weil das Anpaarungsniveau korrekt berücksichtigt wird. Außerdem lassen sich Zuchtwerte auch für Bullen schätzen, die (noch) keine Töchter aufweisen – eine interessante Möglichkeit, z. B. für Importbullen. Gerade die frühzeitig, oft nur aufgrund weniger Töchterleistungen geschätzten Zuchtwerte können noch stärkere Schwankungen aufweisen. Zuchtwerte, auch die nach noch so komplexen Modellen geschätzten, sind keine Konstanten. Sie
131
4
Züchtung
werden aber umso genauer, je mehr Informationen in die Schätzungen einfließen. Dabei können sie sich in jeder Richtung verändern – auch vom Positiven zum Negativen!
4.3.3
Zuchtwertschätzung für Milchleistungseigenschaften
Die aktuell von den Rechenstellen veröffentlichten Zuchtwerte für die Milchleistungseigenschaften sind nach dem Tiermodell geschätzt. Gemäß einer Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter ist dabei als Zielgröße des Zuchtwertes der Durchschnitt der ersten drei Laktationen festgelegt. Dabei wenden die Zuchtwertschätzstellen in Verden und Grub (vgl. Kap. 4.3.6) seit 1998 ein neues Schätzmodell an, das so genannte Testtags-Tiermodell. Testtags-Tiermodell | Darin werden die einzelnen Kontrolltagsergebnisse zur Zuchtwertschätzung herangezogen und nicht mehr die zusammengefassten Laktationsleistungen. Das hat vor allem den Vorteil, dass die Fehler vermieden werden, die zwangsläufig entstehen, wenn aus den einzelnen Kontrollergebnissen Laktationsleistungen mit festen Grenzen (z. B. 305 Tage) errechnet werden. Dazu müssen beispielsweise Ergebnisse, die wegen frühzeitig abgebrochener oder nicht beendeter Laktation fehlen, hochgerechnet werden. Die große Kapazität moderner Rechenanlagen gestattet es nunmehr, dass auch bei größeren Populationen jedes Probemelkergebnis einzeln analysiert wird und in die Zuchtwertschätzung eingeht. Das hat auch zur Folge, dass die Zuchtwerte früher vorliegen, im Extremfall genügen schon die Ergebnisse eines Probemelkens, und dass die Bedeutung der Vorfahrenzuchtwerte (Pedigreezuchtwert) abnimmt. Ein weiterer Vorteil des Testtags-Tiermodells besteht darin, dass die Vergleichsgruppe von den am Kontrolltag geprüften Kühen gebildet wird. Dadurch wird den zeitlichen Einflüssen optimal Rechnung getragen. Außerdem erlaubt das Testtags-Tiermodell eine sehr flexible Anpassung an die zunehmende Vielfalt der Methoden der Milchleistungsprüfung (vgl. Kap. 4.2.2.1). Trotz dieser und weiterer Vorteile gibt es aber auch Nachteile. So muss z. B. der Verlauf der Lakta-
132
tionsleistung in Form einer Laktationskurve berücksichtigt werden, da Leistungen an verschiedenen Tagen im Laktationsverlauf unterschiedliches Gewicht besitzen. Für diese Laktationskurven müssen eigene Rechenmodelle eingebaut werden. Im Jahre 2003 führte das VIT in Verden als erstes Rechenzentrum die Zuchtwertschätzung als „Random-Regression-Testtags-Tiermodell (RRTTM)“ ein. Auch hierbei handelt es sich, wie aus der Bezeichnung ersichtlich, um ein TesttagsTiermodell, bei dem aber neben den fixen auch „zufällige“ Regressionen für die Zufallseffekte im Modell enthalten sind. Im Endeffekt ist es dadurch möglich, den Zuchtwert eines Bullen nicht nur als mittlere Leistung seiner Töchter zu schätzen, sondern zugleich auch die „Persistenz“, das heißt den Verlauf der Laktationskurve. Einflussfaktoren | Auch die neuen komplexen Schätzmodelle beinhalten das Grundanliegen aller Zuchtwertschätzungen, nämlich die Bereinigung der phänotypischen Leistungen von den darin enthaltenen systematischen Einflüssen. Dazu zählen die klassischen Umweltfaktoren wie Kalbejahr und -monat (vgl. Tab.10). Region und Betriebsniveau, aber auch andere eher biologisch begründeten Effekte wie Laktationsnummer (zur Abhängigkeit der Milchleistung zur Laktationsnummer s. 2.9.7), Kalbealter, Zwischenkalbezeit und evtl. Rasse. Auch die gelegentlich anzutreffenden Unterschiede in der Melkfrequenz (dreioder mehrmaliges Melken im Vergleich zum zweimaligen Melken als Standardverfahren) werden berücksichtigt. Darstellung der Zuchtwerte | Im Abstammungsgitter (vgl. Tab. 9) sind Zuchtwerte sowohl bei den Bullen als auch bei den Kühen wiedergegeben. So finden wir bei „Berlind“, der Mutter des Bullen „Primus“ ET die Werte: 2,6/ + 1 058 + 47 – 0,12 + 36 – 0,09 Bei diesen Zahlenangaben handelt es sich um die so genannten Naturalzuchtwerte der Kuh in den Merkmalen Milchmenge, Fettmenge, Fettgehalt, Eiweißmenge und Eiweißgehalt. In die Schätzung gingen 2,6 Laktationen ein. Beim Bullenvater „Poldi“ lauten die entsprechenden Vergleichszahlen: + 1 452 + 57 – 0,07 + 40 – 0,17
4.3 Zuchtwertschätzung Tab. 10 Einfluss der Kalbezeit auf die 305-Tage-Leistung schwarzbunter Jungkühe (1. Laktation) in Schleswig-Holstein Kalbemonat
Anteil Kalbungen %
durchschnittliche Jahresleistung Milch Fett Fett Eiweiß kg % kg %
Eiweiß kg
Dez. 01
6,9
7 338
4,03
296
3,33
244
Januar 02
6,8
7 216
4,02
290
3,33
240
Februar 02
6,6
7 003
4,03
282
3,34
234
März 02
5,7
6 970
4,06
283
3,36
234
April 02
3,8
6 900
4,07
281
3,36
232
Mai 02
4,2
6 840
4,12
282
3,39
232
Juni 02
5,7
6 799
4,09
278
3,40
231
Juli 02
9,8
6 855
4,17
286
3,41
234
August 02
13,3
6 893
4,19
289
3,42
236
Sept. 02
14,5
7 083
4,19
297
3,42
242
Oktober 02
12,6
7 167
4,13
296
3,39
243
Nov. 02
10,1
7 298
4,08
298
3,37
246
Bei den Vorfahreninformationen des Pedigrees finden wir aber auch Angaben wie MW 131, ZZ 102, FW 94. Auch das sind Zuchtwerte, nämlich so genannte Relativzuchtwerte für Milch (MW oder RZM), Fleisch (FW oder RZF) und Zuchtleistung. Zur Erklärung kommen wir zurück auf die Grundlagen der Zuchtwertschätzung und die dort gegebenen Erläuterungen zur Vergleichsbasis. Grundsätzlich ist es dabei unerheblich, ob die Basis den aktuellen Stand der Population wiedergibt (z. B. den jüngsten Testbullenjahrgang) und von Jahr zu Jahr aktualisiert wird – gleitende Basis – oder ob das Basisjahr schon weiter zurückliegt und vielleicht über einen längeren Zeitraum unverändert bleibt – fixe Basis. Beide Systeme führen zur selben Rangierung der Bullen nach dem Zuchtwert. Sie unterscheiden sich aber in den absoluten Zahlen für den Zuchtwert und eventuell in den Vorzeichen. Bei den Zuchtwerten, denen eine gleitende (aktuelle) Basis zugrunde liegt, lässt sich am Vorzeichen ablesen, ob es sich um positive oder negative Vererber handelt. Das Ausmaß der Über- bzw. Unterlegenheit wird durch die Höhe des Zahlenwertes unmittelbar deutlich. Demgegenüber hat die fixe Basis geradezu den
4
Zweck, die Ergebnisse der Zuchtwertschätzung möglichst „positiv“ auszudrücken. Je weiter das Basisjahr gegenüber der aktuellen Population zurückliegt, um so mehr vermindert sich die Zahl von Zuchtwerten mit negativen Vorzeichen, umso höher wird gleichzeitig der Anteil von Zuchtwerten, die zwar ein positives Vorzeichen führen, die aber, gemessen am aktuellen genetischen Niveau der Population, als negative Werte einzustufen sind. Um Unklarheiten zu vermeiden, hat der deutsche Gesetzgeber festgelegt, den Relativzuchtwerten eine gleitende und damit aktuelle Basis zugrunde zu legen. Beim Relativzuchtwert Milch (RZM bzw. MW) ist das üblicherweise der Durchschnitt der letzten drei aktuellen BesamungsTestbullenjahrgänge mit vollständiger Töchterinformation. Diese Basis ist auf einen Mittelwert von 100 und eine genetische Streuung von 12 Punkten (wahre Zuchtwerte) standardisiert. Sie wird einmal jährlich um ein Jahr verschoben. Bei den Naturalzuchtwerten (Milch-kg, Fett-kg usw.) folgen die deutschen Schätzstellen einer Empfehlung von INTERBULL (vgl. Kap. 4.3.6) und definieren die Basis als den mittleren Zuchtwert aller Kühe der jeweiligen Rasse eines mehrere
133
4
Züchtung
Jahre zurückliegenden Geburtsjahrgangs. Diese Basis wird alle fünf Jahre um fünf Jahre verschoben. Die nächste Anpassung erfolgt im Jahr 2005 auf Kühe des Geburtsjahrganges 2000.
weichung von 12 Punkten veröffentlicht. Letzteres gilt auch für den Index „Fleischwert“. In ihm sind die erwähnten Naturalzuchtwerte nach ihrer ökonomischen Bedeutung im Verhältnis 60 : 20 : 20 gewichtet zusammengefasst.
4.3.4 Zuchtwertschätzung auf weitere Merkmale
Zuchtwert Zellzahl | Er dient indirekt der Zucht auf Eutergesundheit, da die Mastitisanfälligkeit als Alternative kaum zu erfassen ist. Der Zuchtwert Zellzahl wird in Veröffentlichungen einheitlich als Relativzuchtwert dargestellt mit einem Mittel von 100. Bullen mit erwünschten Eigenschaften (niedrige Zellzahl) weisen dabei durch Transformation der Schätzwerte Zahlen über 100 auf und vice versa. Für die Zuchtwertschätzung selbst gibt es aber unterschiedliche Verfahren. Bei den Milchrassen werden die Zellzahlergebnisse aus der Milchleistungsprüfung in Punkte transformiert (somatic cell score, SCS) und nach der Zuchtwertschätzung wieder retransformiert, damit sich die Werte mit denen anderer Rassen vergleichen lassen.
Die Zuchtziele der Rinderrassen sind nicht nur auf Milchleistungsmerkmale ausgerichtet. Vielmehr finden sich je nach Nutzungsrichtung zahlreiche weitere Merkmale darin wieder, die auch im Rahmen der Zuchtwertschätzungen berücksichtigt und als Teilzuchtwerte zu einem Gesamtzuchtwert (vgl. Kap. 4.3.5) zusammengefasst werden. Derartige Teilzuchtwerte werden neben der Milchleistung geschätzt für Fleischleistung (Zweinutzungsrassen), Zellzahl, Exterieur, Zuchtleistung und Nutzungsdauer. Auch wenn nicht alle Teilzuchtwerte nach so komplexen Methoden geschätzt werden, wie die im vorherigen Kapitel dargestellten Milchleistungszuchtwerte, bleiben die Grundlagen doch gleich. Stets müssen die Umwelteinflüsse von den genetischen Effekten mit Hilfe mathematisch statistischer Methoden getrennt werden. Zuchtwertschätzung Fleischleistung | Der Bedeutung der Fleischleistung in der Nutzungsrichtung entsprechend werden vor allem für die in Süddeutschland dominierenden Rassen Fleckvieh, Gelbvieh, Pinzgauer und andere Zuchtwertschätzungen für den Fleischwert durchgeführt. Seit 2002 erfolgen die Auswertungen länderübergreifend gemeinsam mit Österreich. Die Daten der Zuchtwertschätzungen kommen aus den in Kapitel 4.2.2.3 dargestellten Stations- und Feldprüfungen. Sie beziehen sich auf die tägliche Zunahme, die Handelsklasse und den Fleischanteil (Bemuskelungsnote, Ausschlachtung), die unter Berücksichtigung ihres ökonomischen Gewichtes im Zuchtziel und der Beziehungen untereinander in die Zuchtwertschätzung einfließen. Die Zuchtwertschätzung selbst erfolgt nach dem BLUP-Verfahren anhand eines Mehrmerkmal-Tiermodells. Zielgrößen sind die naturalen Zuchtwerte für Nettozunahme, Fleischanteil und Handelsklasse. Sie werden als Relativzahlen mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardab-
134
Zuchtwert Exterieur | Ihm liegen die Ergebnisse der linearen Beschreibungen (vgl. Kap 4.2.1) zugrunde. Sie werden bei den Milchrassen zu vier Indizes zusammengefasst, nämlich Milchtyp, Körper, Fundament und Euter. Danach bilden sie den Zuchtwert Exterieur (RZE), in dem die Indizes mit der Gewichtung 0,15 für Milchtyp, 0,20 für Körper, 0,25 für Fundament und 0,40 für Euter eingehen. Bei den Zweinutzungsrassen werden die Zuchtwerte für die Merkmalskomplexe Rahmen, Bemuskelung, Fundament und Euter ermittelt, dazu eine Reihe weiterer Zuchtwerte für Merkmale der linearen Beschreibungen. In Veröffentlichungen finden wir die Exterieurzuchtwerte als Relativzuchtwerte, standardisiert auf ein Mittel von 100 und eine Standardabweichung von 12 wieder. Üblich und sehr anschaulich ist aber auch die Darstellung in Balkendiagrammen, bei denen die züchterisch erwünschten Bereiche gelegentlich besonders gekennzeichnet sind (vgl. Abb. 64). Zuchtwert Zuchtleistung | Darin eingeschlossen sind die Merkmale Kalbeverlauf, Kälberverluste (Totgeburtenrate), Fruchtbarkeit (Non-Return-Rate 90) und Nutzungsdauer. Da die ersten drei Merkmalsbereiche genetisch sowohl vom
4.3 Zuchtwertschätzung Vater wie auch von der Mutter bestimmt sind, werden dafür die väterliche (paternale) und die mütterliche (maternale) Komponente geschätzt. Im Relativzuchtwert Zuchtleistung (RZZ) werden sie dann mit der Zuchtwertschätzung für Nutzungsdauer unter Berücksichtigung ihrer ökonomischen Bedeutung und ihrer genetischen Beziehungen untereinander zusammengefasst.
4.3.5
Gesamtzuchtwert (Gesamtindex)
Wir haben gesehen, wie die Zuchtwerte der einzelnen Merkmale ermittelt werden. Nach welchem dieser Zuchtwerte soll nun der Käufer einen Jungbullen für den Deckeinsatz auswählen oder die Besamungsorganisation ihre Vererber für das Zuchtprogramm? Für diese Entscheidungen hilft die Indextheorie der Tierzucht. Sie besagt, dass der größte züchterische Fortschritt in geldlicher Hinsicht erreicht wird, wenn die Zuchttiere nach ihrem Gesamtindex, das heißt, nach ihrem Gesamtzuchtwert selektiert werden, in dem die Teilzuchtwerte zusammengefasst sind. Dabei müssen die genetischen Beziehungen
(Korrelationen) zwischen den Teilzuchtwerten und ihr relatives ökonomisches Gewicht berücksichtigt werden. Die Vorgehensweise hier entspricht also derjenigen, die wir schon bei den zusammengesetzten Teilzuchtwerten (Zuchtleistung, Nutzungsdauer, Exterieur) kennenlernten. Tab. 11 fasst dieses Geschehen nochmals zusammen. Es wird deutlich, dass die Ergebnisse der Leistungsprüfungen und Bewertungen in bis zu sechs Einzelzuchtwerte (RZM, RZF...RZZ) einmünden können. Sie unterscheiden sich nicht nur in den Merkmalen, sondern, wie schon dargestellt, auch in den Schätzmodellen. Um sie besser vergleichen zu können, werden sie als Relativzuchtwerte dargestellt und auf eine Standardabweichung von 12 vereinheitlicht. Die bei der Berechnung der Gesamtzuchtwerte verwendeten Teilzuchtwerte sowie Gewichtungsfaktoren sind zeit- und populationsabhängig. In ihnen spiegeln sich die Zuchtziele der einzelnen Rassen wider. Daher unterscheiden sich auch die relativen Gewichte der Teilzuchtwerte im Gesamtzuchtwert zwischen den Rassen, und sie müssen von Zeit zu Zeit angepasst werden. (Tab. 12).
Tab. 11 Zuchtwertteile und Leistungsmerkmale für den Gesamtzuchtwert Zuchtwertteil
Relativzuchtwert (RZ ...)
Leistungsmerkmal
Hilfsmerkmale
Milchleistung
RZM
Fettmenge Eiweißmenge
–
Fleischleistung*
RZF
Gewichtszunahme Fleischanteil
tgl. Zunahme Futteraufnahme Nettogewichtszunahme Bemuskelungsnote Verfettungsgrad Handelsklasse
Zuchtleistung
RZZ**
Fruchtbarkeit – paternal – maternal
NRR %
Kalbeverlauf (incl. Kälberverluste)
Geburtsverlaufsklassen Totgeburtenrate
Äußere Erscheinung
RZE
Benotung Exterieur
lineare Beschreibung zzgl. Hauptmerkmale
Eutergesundheit
RZS
somat. Zellgehalt
Gesamtzellzahl
Nutzungsdauer (ND)
RZN**
Verbleiberate (60/48 Monate)
funktionale ND (Erstkalbung bis Ausscheiden)
* nicht bei Milchrassen ** werden z. T. zusammengefasst
135
4
4
Züchtung
Tab. 12 Relative Gewichtung der Zuchtwertteile im Gesamtzuchtwert (RZG) Zuchtwertteile
Gewichtung (%) DHV FLV
Milchleistung
(RZM)
50
39,3
Nutzungsdauer
(RZN)
25
13,7
Exterieur
(RZE)
15
5,6*
Eutergesundheit
(RZS)
5
8,9
Zuchtleistung
(RZZ)
Fleischleistung
(RZF)
5 –
15,9 16,4
* Persistenz (1,8) + Melkbarkeit (3,8) So wertvoll die Maßzahl des Gesamtzuchtwertes auch ist, so sollte sie doch nie alleinige Entscheidungsgrundlage für den Tierhalter sein. Auch sollte man sich nicht auf starre Untergrenzen festlegen. Es lohnt sich daher, alle Angaben zu einem Bullen im Verkaufskatalog einer Besamungsstation zu studieren (vgl. Abb. 66). Gelegentlich finden sich in derartigen Katalogen auch Hinweise zur genetischen Veranlagung von Bullen in Bezug auf bestimmte Erbkrankheiten. So kennzeichnen die Buchstaben BL bzw. CV genetisch positive Bullen in den Erbfehlern BLAD bzw. CVM (vgl. Kap. 4.4.3). Die Methoden für derartige Feststellungen entstammen der Molekulargenetik, auf der auch die markergestützte Selektion (vgl. Kap. 4.4.3.1) aufbaut, die künftig verstärkt in die Tierzucht Eingang finden und die Zuchtwertschätzung ergänzen wird. In Deutschland ist die Feststellung der Zuchtwerte bei den Nutztierarten Rind, Schwein, Pferd, Schaf, Ziege eine staatliche Aufgabe, deren Grundzüge in den entsprechenden Verordnungen über Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen geregelt und in den Fachkapiteln dieses Buches dargestellt sind. Der oftmals breit gestreute und internationale Austausch von Samen und Embryonen hat die Zuchtwertschätzung beim Rind fachlich und organisatorisch besonders vorangetrieben. In Deutschland sind heute nur noch zwei Einrichtungen damit beauftragt, die Zuchtwerte für Bullen und Kühe zu schätzen, nämlich die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Tierzucht in Grub
136
und die Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung w.V. VIT in Verden. Die bayerische Anstalt ist zuständig für die Rassen Fleckvieh, Gelbvieh, Braunvieh und Wäldervieh. Vor allem beim Fleckvieh erfolgt die Zuchtwertschätzung gemeinsam mit anderen Staaten, z. B. Österreich und Schweiz. Das VIT ist Schätzstelle für die Holsteinrassen, Rotvieh und Jersey. Beide Einrichtungen veröffentlichen ihre Ergebnisse regelmäßig zusammen mit Verfahrensbeschreibungen, die erkennen lassen, dass in den Schätzmodellen viele Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche Unterschiede bestehen. Zu den Veröffentlichungen zählen auch Ranglisten der Bullen (Top-Listen), die schließlich auch in derartige Reihungen auf internationaler Ebene einmünden. Dazu zählen vor allem die Top-Listen von INTERBULL, einer internationalen Zuchtwertschätzstelle in Uppsala, deren Spezialauftrag es ist, die Länderzuchtwerte von Bullen für den internationalen Einsatz vergleichbar zu machen.
4.4 Biotechnische Verfahren Zu den biotechnischen Verfahren zählen fortpflanzungsbiologische Maßnahmen wie künstliche Besamung (KB) und Embryo-Transfer (ET), aber auch gentechnische Methoden. In der modernen Tierzucht werden zwar beide oft kombiniert eingesetzt, wir sollten sie dennoch nicht gleichsetzen und schon gar nicht miteinander verwechseln.
4.4.1
Die künstliche Besamung (KB)
Etwa 78 % der Milchkühe und Färsen im Bundesgebiet werden gegenwärtig besamt. Vor 10 Jahren waren es noch 95 %. Diese Entwicklung hängt mit Strukturveränderungen zusammen, die den Natursprung in den Betrieben vor allem aus Managementgründen begünstigen. Unbestreitbar bleiben jedoch die Vorzüge der Besamung und ihre Möglichkeiten, z. B. für den Zuchtfortschritt. Letztere lassen sich wie folgt zusammenfassen:
4.4 Biotechnische Verfahren
!!! |
|
|
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|
|
|
|
|
Das Risiko der Einschleppung von Infektionskrankheiten ist geringer als beim natürlichen Deckakt. (Das betrifft vor allem Geschlechtskrankheiten, wie die Trichomonadenseuche.) Es werden weniger Vatertiere als beim natürlichen Sprung gebraucht. Deshalb kann schärfer selektiert werden. Die Bullen können lange zur Zucht benutzt werden, durch die Methode des Tiefgefrierens (des Samens) auch noch nach ihrem Tod. Vor dem Masseneinsatz eines Besamungsbullen können die Ergebnisse von Leistungsprüfungen abgewartet werden. Wegen der größeren Zahl der Nachkommen in der KB sind die Zuchtwertschätzungen zuverlässiger als beim Natursprung. Durch den konzentrierten Einsatz überragender Vererber lassen sich in verhältnismäßig kurzer Zeit Leistungsrückstände in zurückgebliebenen Zuchtgebieten und Betrieben aufholen. Samenportionen lassen sich billiger transportieren als Bullen. Die Kostenersparnis wirkt sich besonders beim internationalen Spermahandel (Holstein Friesian) aus. Der Samenaustausch zwischen weit auseinanderliegenden Zuchtgebieten kann Inzuchtdepressionen, die aus der großen Vermehrungsrate mancher Besamungsbullen drohen, in Grenzen halten. Der überregionale Samenaustausch erlaubt es dem Hochzüchter, sich für seine überdurchschnittlichen Kühe (besonders für Bullenmütter) passende Samenspender auszusuchen.
Der Besamungserfolg wird im Allgemeinen durch die so genannte Non-Return-Rate gemessen. Das ist der Prozentsatz der Kühe (mit Färsen), bei dem innerhalb der ersten 60 bis 90 Tage (neuerdings auch häufiger der 57. Tag) nach der ersten Besamung keine weitere durchgeführt wurde. Diese Ziffer liegt in der alten Bundesrepublik seit Jahrzehnten bei 70 %, in den neuen Bundesländern bei etwa 55 %. Das tatsächliche Befruchtungsergebnis – also der Anteil der Erstbesamungsträchtigkeiten – liegt
um 5–10 % niedriger, weil manche nicht trächtig gewordenen Tiere (wegen Krankheit, Verkauf, Übersehen der Brunst usw.) nicht innerhalb der 60–90 Tage nachbesamt wurden. Sinkt der Anteil der Erstbesamungsträchtigkeiten unter 60 % – was der Betriebsleiter natürlich nur feststellen kann, wenn auf den Bestandskarten alle Besamungen eingetragen werden –, wird es Zeit, nach den Ursachen zu forschen (Fütterungsverhältnisse, Stallhygiene, Brunstbeobachtung usw.). Auch die Verwendung von Stallübersichtstafeln ist zu empfehlen, die bei den Besamungsorganisationen erhältlich sind. Häufen sich in einem Bestand Missbildungen an den Kälbern, Totgeburten und offensichtliche Erbkrankheiten, müssen die zuständigen Besamungsorganisationen informiert werden. Zu den gesetzlichen Bestimmungen zählen Auflagen über die von den Stationen zu führenden Aufzeichnungen und zu erstattenden statistischen Meldungen; je mehr sich die KB ausbreitet, umso wichtiger wird die KB-Statistik als Quelle von Informationen, die aus den amtlichen Viehzählungen nicht zu gewinnen sind.
? Welchen Hinweis liefert die Tabelle 13 beispielsweise über den Anteil der verschiedenen Rinderrassen am Kuhbestand der Bundesrepublik, über den Umfang der aktiven Zuchtpopulation (gleichzeitig KB und MLP) und – nachdem die fehlenden Daten in Spalte 3 ausgerechnet worden sind – über die Kontrolldichte bei den Besamungskühen der einzelnen Rassen? Warum wurden 2003 weniger Erstbesamungen durchgeführt als 1993?
Anders als beim Rind gewinnt die Besamung beim Schwein laufend an Bedeutung. Ein entscheidender Grund dafür ist der Wunsch nach konzentrierten Abferkelzeiten als Voraussetzung für gezielte Managementmaßnahmen in der Ferkelerzeugung. Nach Angaben des ZDS betrug die Zahl der Besamungen im Jahr 2003 in Deutschland 5 456 518. Der Anteil der Eigenbestandsbesamungen lag bei 96,8 %, der der Techniker und Tierärzte also nur bei 3,2 %. Den Besamungsanteil (Anteil Würfe aus KB) schätzt der ZDS auf 85 %.
137
4
4
Züchtung
Tab. 13 Zahl der Erstbesamungen (EB) 2003 beim Rind nach Rassen sowie Beteiligung an der Milchleistungsprüfung (MLP) Rasse
EB der MLP angeschlossen abs. %
Holstein-Sbt
2 150 056
2 032 882
94,5
Holstein-Rbt
363 467
280 123
–
14 546
15 984
–
Fleckvieh
1 765 299
907 784
–
Gelbvieh
10 689
6 675
–
Vorderwälder
10 423
6 590
63,2
221 880
196 603
88,6
Rotvieh/Angler
Braunvieh Sonstige Zw. Summe Limousin
23 299
146 251
–
4 559 659
3 592 938
78,8
61 403
Weiß-blaue Belgier
80 043
Charolais
24 567
Blonde d’Aquitaine
15 212
Fleckvieh Fleisch
8 587
Angus
9 929
Sonst. Fleischrinder Insgesamt
10 553 4 769 953
sieren auf tatsächlichen oder vermeintlichen Unterschieden in physikalischen oder chemischen Eigenschaften zwischen dem x- und y-Chromosom. Die Vorteile einer erfolgreichen Spermatrennung liegen auf der Hand. Sie ließen es z. B. zu, dass in Milchkuhherden auf Bestellung von Mastbetrieben nur männliche Kälber und für die Bestandsergänzung von den besten Kühen nur weibliche Kälber geboren würden. Trotz weltweiter Bemühungen erreichte in der Vergangenheit keines der erfolgreich erscheinenden Verfahren letztlich die Praxisreife. Der Durchbruch könnte jetzt aber einer in den USA entwickelten Methode gelingen, der so genannten Laser-Flowzytometrie (vgl. Abb. 70). Dabei werden die Chromosomen der Spermien mit einem fluoreszierenden Farbstoff eingefärbt und können dann mittels einer speziellen Lasertechnik voneinander getrennt werden, weil die „weiblichen“ Spermien (X-Chromosom) eine stärkere Leuchtkraft besitzen als die „männlichen“ (Y-Chromosom). Das Verfahren, über welches inzwischen auch in Europa gesextes Sperma bestimmter Bullen angeboten wird, leidet noch unter einigen Nachteilen. So eignen sich nicht alle Bullen für die Spermientrennung. Auch liegen die Befruchtungsraten von gesextem Sperma
Die Besamung beim Schwein hat damit die Bedeutung dieser Maßnahme beim Rind erreicht, obwohl es z.Zt. noch kein dauerhaftes Konservierungsverfahren für Ebersperma gibt. Andererseits erleichtert die relativ einfache Übertragungstechnik des Frischspermas die Anwendung der künstlichen Besamung in der Praxis. Neue Verdünner werden die Haltbarkeit des Frischspermas auf vier bis fünf Tage verlängern und damit der Schweinebesamung weiteren Auftrieb geben. In der Pferdebesamung ist die Tiefgefrierung des Spermas möglich. Allerdings werden bisher damit weniger gute Ergebnisse erzielt. Auch bei anderen Haustieren wird die künstliche Besamung praktiziert, so vor allem bei Schafen. Spermatrennung | Im Umfeld der künstlichen Besamung tauchen immer wieder Meldungen über Erfolge bei der geschlechtsspezifischen Spermasortierung auf. Die Ansätze dazu sind so alt wie die künstliche Besamung selbst und ba-
138
Abb. 70 So funktioniert das Sperma-Sexing
4.4 Biotechnische Verfahren unter denen des ungesexten. Lizenzgebühren und Verfahrenskosten erhöhen den Preis von gesextem Sperma. Es ist zu erwarten, dass durch weitere Verbesserungen in der Technologie der Spermientrennung in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein erheblicher Teil der Kühe mit gesextem Sperma besamt werden kann. Damit ließen sich der züchterische Fortschritt beschleunigen und die Wirtschaftlichkeit der Milcherzeugung erheblich steigern.
4.4.2
Embryo-Transfer (ET)
4.4.2.1 Grundschema und Umfang Die künstliche Besamung bietet uns die Möglichkeit, den großen Spermavorrat effektiver zu nutzen, den ein Vatertier im Laufe seines Lebens erzeugt. Weitgehend ungenutzt blieben dagegen bis vor wenigen Jahren die von weiblichen Tieren angelegten Eizellen. Ihre Zahl kann z. B. bei einer Kuh mehrere Tausend betragen, aus denen im Durchschnitt aber nur ca. vier Kälber hervorgehen. Durch Übertragung (Transfer) von befruchteten Eizellen (Embryonen) eines Spendertieres auf Empfängertiere können auch Eizellen stärker als in der Natur üblich genutzt werden. Das Verfahren des Embryo-Transfers läuft in mehreren Schritten ab, die sorgsam aufeinander abgestimmt sein müssen. Unter den Kühen mit ungestörter Fruchtbarkeit werden zunächst die Spenderkühe ausgewählt und mit Hormonen behandelt, die ihre Ovulationsrate (Abstoßungsrate von Eizellen) erhöhen (Superovulation). Mit beginnender Brunst der ersten Eier erfolgt die Besamung, zumeist mehrfach an aufeinander folgenden Tagen. Ca. 7–8 Tage nach der Befruchtung werden die Embryonen mit Hilfe eines Katheters (unblutiges Verfahren) ausgespült. Jeweils einer der für die Weiterentwicklung geeigneten Embryos wird danach in die Gebärmutter eines Empfängertieres übertragen, das sich im gleichen Zyklusstadium befinden muss wie die Spenderkuh. Dieses Empfängertier trägt dann den Embryo aus. Trotz mancher Anfangserfolge erreichte die neue Technik den entscheidenden Durchbruch erst, nachdem es gelungen war, die Embryonen einzufrieren und nach ihrem Auftauen mit guten
Trächtigkeitsergebnissen auf die Empfängertiere zu übertragen. Heute werden weltweit mehr als eine halbe Million Übertragungen vorgenommen mit Steigerungsraten von ca. 20 %. In Europa führend ist Frankreich, gefolgt von den Niederlanden und Deutschland. Etwa 2/3 des ET entfällt in Europa auf Holstein Friesian und Red Holsteins. 1997 wurden in Deutschland 3796 Spendertiere gespült und 23 955 transfertaugliche Embryonen gewonnen. Übertragen wurden 11 101 frische und 9 273 gefroren gelagerte Embryonen. Diese Zahlen sprechen für sich. Daran ändert auch der inzwischen eingetretene Rückgang nichts, der auch darauf zurückzuführen ist, dass die Erfolgsraten des ET z. T. unter denen der künstlichen Besamung liegen: Von 5 geeigneten Spenderkühen können ca. 3 mit durchschnittlich 7–9 Eizellen gespült werden; übertragungsfähig sind davon durchschnittlich 5–6 Embryonen. Die Transferergebnisse liegen bei etwa 60 %. Somit werden ca. 40 % der gewonnenen Eizellen der Spenderkuh von den Empfängertieren ausgetragen. Zahlreiche Zuchtprogramme fußen auf planmäßigen ET. Dabei wurden die anfänglich hohen Kosten auch durch Verbesserungen im organisatorischen Bereich gesenkt. Beispiele dafür sind die bessere Auswahl der Spenderkühe, die Verlagerung der Spülungen von Kliniken auf die Höfe, die Verkürzung des Generationsintervalles (ET bei Färsen). Für planmäßige Zuchtprogramme, die Embryotransfer einschließen, hat sich die Kurzbezeichnung MOET (Multiple Ovulation Embryo Transfer) eingeführt. Die ersten MOET-Zuchtprogramme in der Bundesrepublik richteten das Osnabrücker Herdbuch (Schwarzbunte), der Anglerzuchtverband (Rotvieh) und der Zuchtverband für Rotbunte in Baden-Württemberg ein.
4.4.2.2 Neuere Entwicklungen zum ET Die erfolgreiche Nutzung von Embryotransfer in der Zucht wurde unterstützt durch ständige erfolgreiche Weiterentwicklungen des Verfahrens. Schon erwähnt wurde die Tiefgefrierung von Embryonen. Die ursprünglichen Schwierigkeiten beim Auftauen überwand das so genannte OneStep-Verfahren, bei dem aufgetaute Embryonen, dem aufgetauten Sperma vergleichbar, sofort auf die Trägertiere übertragen werden können. Eine
139
4
4
Züchtung
wesentliche Kostenverminderung hat die Bestimmung des Geschlechts der Embryonen mit sich gebracht (Embryo-Sexen), die unter maßgeblicher Beteiligung der Rinderproduktion Niedersachsen (RPN) zu hoher Treffsicherheit (96 %) gelangte. Ein weiterer Fortschritt wurde von der RPN inzwischen dadurch realisiert, dass die Geschlechtsdiagnose mittels spezieller Technik auch bei aufgetauten vorher gefrorenen Embryonen gelingt. So kann mancher eingefrorene Embryo letztlich doch noch den Weg in ein Empfängertier finden und zu einem wertvollen Kuhkalb heranwachsen. In ähnlicher Weise, nämlich durch Erhöhung der Reproduktionsrate, wirkt sich auch die heute mögliche mikrochirurgische Teilung von Embryonen (Embryo-Splitting) aus. Eine Alternative zum klassischen ET ist das IVP/ OPU-Verfahren (IVP = „In-vitro-Produktion“; OPU = Ovum-pick-up), bei dem von den weiblichen Tieren unbefruchtete Eizellen gewonnen werden. Die Folgeschritte Reifung der Eizellen, Befruchtung und Embryokultivierung laufen dann im Labor ab. Das erfordert hohen Aufwand. Dennoch steht das Verfahren vor seiner Praxiseinführung, seitdem es gelungen ist, die Gewinnung der Eizellen zu vereinfachen. Dazu werden die Eierstöcke von Kühen oder Färsen punktiert und unreife Eizellen direkt mit Hilfe von Ultraschall abgesaugt. Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Kälber aus derartigen In-vitro-Embryonen geboren. Für das Verfahren müssen die Spendertiere nicht hormonell behandelt werden. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Eizellen grundsätzlich von allen weiblichen Tieren gewonnen werden können, also auch von Kälbern oder verendeten Kühen (Spitzentiere, Genreserve). Allerdings werden bei einem OPU-Termin weniger transfertaugliche Embryonen gewonnen als bei ET. Es ist also fraglich, ob das Verfahren dem ET insgesamt wesentliche neue Impulse geben kann.
4.4.2.3 Klonen Seit jeher schenken Tierzüchter genetisch identischen Individuen große Aufmerksamkeit. Früher mussten sie sich dafür auf die wenigen aus der geschlechtlichen Fortpflanzung hervorgegange-
140
nen eineiigen Zwillinge beschränken. Einen Schritt in die Unabhängigkeit davon stellt die schon erwähnte mikrochirurgische Teilung von Embryonen dar. Es ist aber bisher nicht möglich, denselben Embryo oder seine Hälften nochmals zu teilen. Will man sich also in der Tierzucht den Traum von einer größeren Anzahl identischer Individuen realisieren, so ist ein anderer Weg einzuschlagen, nämlich z. B. das Klonen. Ein Klon – das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Ast oder Zweig – bezeichnet eine Gruppe von erbgleichen, also genetisch identischen Individuen, die durch ungeschlechtliche Vermehrung aus ein und derselben Zelle entstanden. Erste erfolgreiche Klonierungen gelangen bei Rind und Schaf Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dabei umfasste der bislang größte Klon neun erbgleiche Bullen. Sie waren das Ergebnis von Embryoklonierungen mittels Kerntransfer. Wie Abb. 71 zeigt, wird dazu ein Embryo der gewünschten Paarung (Spenderembryo) zerlegt. Je eine Zelle wird dann in eine vorher präparierte Empfänger-Eizelle eingepflanzt und durch Elektrofusion mit dieser vereinigt. Nach einer mehrtägigen Kultivierung werden die neuen Embryonen auf Empfängertiere übertragen. Anfang 1997 löste das Klonschaf „Dolly“ eine breite öffentliche Diskussion um das Klonen aus. Erstmals war es hier nämlich gelungen, ein geklontes Tier aus einer somatischen Zelle, der Euterzelle eines Mutterschafes, zu erzeugen. Damit war der Beweis erbracht, dass auch aus einer ausdifferenzierten Säugerzelle neues Leben entstehen kann. Anfängliche Zweifel an Dollys Entstehungsgeschichte werden seither durch immer neue Berichte verschiedener Forscherteams über ähnliche Ergebnisse, sowohl beim Schaf als auch bei anderen Tierarten, ausgeräumt.
!!! Trotzdem ist das Klonen noch weit davon entfernt in Routine für die Tierzucht angewendet zu werden. In Bezug auf den züchterischen Wert ist auch zu bedenken, dass die Methode zur genetischen Gleichheit führt, erfolgreiche Züchtung benötigt aber Vielfalt, das heißt Variabilität.
4.4 Biotechnische Verfahren
4
Abb. 71
Nach diesem Schema läuft das Klonieren ab (Foto: BFZE)
4.4.3 Gentechnik Unter Gentechnik versteht man molekulargenetische Methoden zur gezielten Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen. Sie können ohne Eingriff in das Genom von Nutztieren auf die Identifizierung von Genen, bzw. genetischen Markersequenzen ausgerichtet sein. Sie können aber auch auf die Übertragung (Transfer) von Genen innerhalb der Art oder über die Artgrenzen hinweg abzielen. Dazu muss in das Genom eingegriffen werden.
4.4.3.1 Genomanalyse und Gendiagnostik Die Analyse des Genoms landwirtschaftlicher Nutztiere zielt darauf ab, Gene und Genkomplexe in ihrer Struktur und Funktion zu erfassen. Umzusetzen sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse in der Gendiagnostik. Sie erlauben es, einzelne Genvarianten unabhängig von der Merkmalsausprägung sicher und schnell zu erkennen. Gendiagnostik kann damit zu einer Verbesserung der Zuchtmethoden beitragen.
Erste praktische Beispiele für eine sinnvoll genutzte Gendiagnostik finden sich in der molekularen Analyse von monogen bedingten Erbfehlern. Bekannteste Beispiele sind sicherlich bei Rindern BLAD und MHS (Maligne Hyperthermie Syndrom) beim Schwein (vgl. Kap. 8.2.3). BLAD ist eine genetisch bedingte Immunschwäche (Bovine-Leukozyten-Adhäsions-Defizienz), die aber nur im reinerbigen Zustand erkennbar ist. Reinerbig veranlagte Kälber erkranken leicht an Infektionen und verenden häufig in den ersten sechs Wochen. Die Krankheit tritt vor allem bei Holstein-Friesians auf. Merkmalsträger werden in den Zuchtunterlagen mit den Buchstaben „BL“ gekennzeichnet. Gendiagnostisch festzustellen sind auch verschiedene Milchproteinvarianten beim Rind (Kappa-Casein). Ein weiteres Anwendungsgebiet ist schließlich auch die Abstammungs- und Identitätssicherung. Identifizierung von Genen/Genorten | Wirtschaftlich wichtige Genorte – im Englischen spricht man von „quantitative trait loci“ und
141
4
Züchtung
führt hierfür die Kurzbezeichnung QTL ein – lassen sich in verschiedener Weise identifizieren. Beim ersten Weg sucht man direkt nach dem Gen und seinen Varianten, das für ein bestimmtes Merkmal verantwortlich ist (Kandidatenansatz). Davon zu unterscheiden ist der Markeransatz, bei dem man nach „Markern“, das heißt Genombereichen sucht, die eng mit dem jeweiligen QTL gekoppelt sind. Beide Methoden werden erfolgreich in der Nutztierzucht angewandt und haben z. B. dazu geführt, dass die für wichtige Milchproteine (Kappa-Casein, Beta-Casein, Alpha- und Beta-Laktoglobulin u. a.) entscheidenden Gene bei vielen Tieren identifiziert werden konnten. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für eine züchterische Bearbeitung von QTL’s in Ansätzen erreicht. Um hierbei weiterzukommen werden möglichst vollständige Markerkarten, das heißt verfügbare genetische Marker für das gesamte Genom benötigt. Die Wissenschaft bedient sich dabei eng verwandter Tiere, so genannter informativer Familien. Viele Projekte sind dazu auch international eingerichtet um QTL’s zu kartieren, und es gibt dabei eine Reihe von Erfolgen, besonders beim Rind. Dort sind schon viele QTL’s mit signifikantem Einfluss auf die Milchleistungsmerkmale kartiert worden, so auch im Rahmen eines deutschen Projektes, „Genom-Analyse beim Rind“. Es wurde 1996 von der organisierten Rinderzucht unter Leitung der ADR eingerichtet. Die Anwendung dieser Ergebnisse in der Zucht lässt eine weitere Steigerung des Zuchtfortschrittes vor allem dadurch erwarten, dass die Selektionsgenauigkeit bzw. Selektionsintensität erhöht oder das Generationsintervall verkürzt werden kann. Markergestützte Selektion (MGS) | Wenn besondere QTL identifiziert sind, können die in der Nähe gelegenen Marker den Selektionsmerkmalen vergleichbar züchterisch bearbeitet werden. Die Marker haben gegenüber den traditionellen Merkmalen den Vorteil, dass sie nicht von äußeren Effekten wie Geschlecht, Alter, Umwelt und auch nicht von der Merkmalsausprägung abhängen. Für die MGS sind zwei Verfahren in die bisherigen Zuchtansätze beim Rind eingeflossen. Das erste setzt direkt bei der Selektion der künftigen Testbullen an. Dazu müssen diese, ihre Väter und deren Töchter gentypisiert werden. Man
142
nimmt dazu an, dass eines der beiden Markerallele des Bullenvaters dem anderen überlegen ist. Findet man diese Annahme bei den Töchtern des Bullenvaters bestätigt, können die Testbullen mit dem positiven Markerallel des Bullenvaters selektiert werden. Der zweite Ansatz stützt sich auf die schon erwähnten informativen Familien mit festgestellten QTL-Effekten. Für die Vorselektion der Kandidatenbullen wird angenommen, dass das positive väterliche Markerallel nicht nur dem negativen überlegen ist, sondern auch dem mütterlichen und umgekehrt. Dann erfolgt die Vorselektion zum einen durch Auswahl der günstigen Genotypen unter den Nachkommen von Bullenvätern mit dem positiven Markerallel und zum anderen durch Selektion gegen ungünstige Markergenotypen unter den Nachkommen von Bullenvätern mit dem negativen Markerallel.
4.4.3.2 Gentransfer Wenn ein Gen also ein spezifischer Abschnitt der DNS (vgl. Kap. 3.2) aus einer Zelle in die DNA anderer Organismen eingeschleust wird. bezeichnet man dies als Gentransfer. Dieser Prozess der genetischen Veränderung wurde zunächst zur Erzeugung von Biopharmaka von Menschen angewendet. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Herstellung von Insulin durch gentechnisch veränderte Bakterien. Gentransfer kann sich auf die Änderung von Körperzellen beziehen. Betrifft er dagegen die Keimbahn, entstehen Individuen, die das Transgen in jeder Zelle aufweisen, es also als transgene Tiere auch vererben. Das ist auch der Grund dafür, dass Gentransfer in die Keimbahn züchterisch interessanter ist. Ohne hier auf die einzelnen Schritte und Methoden eines Gentransfers einzugehen, sollten dessen Ziele skizziert werden. Beim Milchrind sind es im Wesentlichen drei, nämlich die Steigerung der Krankheitsresistenz, das „Gene Pharming“ und die Erzeugung von Kühen mit spezifischen Eigenschaften, wie z. B. besonders geschätzten Milchproteinen. Letzteres wäre ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz, weil die benötigte Menge an dem benötigten Protein mit weniger Kühen zu erzeugen wäre. Unter Gene Pharming versteht man die Erzeugung von Biopharmaka mittels der Milchdrüse
4.4 Biotechnische Verfahren von Säugern. Es ist inzwischen eine ernsthafte Alternative zur konventionellen Herstellung spezifischer Proteine, insbesondere für Therapiezwecke beim Menschen geworden. Das liegt vor allem daran, dass die Fremdproteine in großen Mengen und durch das Melken leicht erzeugt werden können. Außerdem treten keine Verunreinigungen durch Krankheitserreger oder Blutbestandteile auf.
4.4.4 Chancen und Risiken Wir haben bisher erfahren, dass die fortpflanzungsbiologischen Verfahren Besamung und Embryotransfer wichtige Bestandteile der modernen Tierzucht geworden sind. Die mit dem Embryotransfer verbundenen neuen Techniken bis hin zum Klonen sind dabei inzwischen integriert oder stehen an der Schwelle zur Anwendung. Der Nutzen dieser Technik liegt im schnelleren züchterischen Fortschritt, im Tierschutz (Vermeidung von Tiertransporten), in der geringeren Gefahr, Krankheiten zu übertragen und in der Bewahrung der genetischen Vielfalt. Die genannten Methoden stellen keine Eingriffe in die Evolution dar. Für Mensch und Tier entstehen keine direkten Risiken. Allenfalls kann es bedingt durch den Zuchtfortschritt indirekt zu Gesundheitsschäden, Fruchtbarkeitsstörungen und Produktveränderungen kommen. Das lässt sich aber durch Kontrolle aller Maßnahmen vermeiden und darf den neuen Techniken nicht angelastet werden. Trotzdem gibt es kaum ein Thema, das in der Öffentlichkeit so intensiv und kontrovers diskutiert wird wie die Biotechnik. Das hängt nicht zuletzt auch mit unklaren Vorstellungen und unterschwelligen Ängsten zusammen. So weisen Kritiker der neuen Techniken gerne darauf hin, dass ihre Anwendung beim Menschen gegen ethische Prinzipien verstößt. Hier sollte man klar trennen und entgegensetzen, dass solche Argumente für alle Methoden der Tierzucht gelten könnten und damit jeglicher Fortschritt gestoppt würde. Zu einer ähnlichen Einschätzung führt auch die Abwägung von Chancen und Risiken bei der Genomanalyse und der Gendiagnostik. Beides sind, wie wir gesehen haben, beschreibende Arbeitsrichtungen, die zum besseren Verständnis von
Vererbungsvorgängen bei den Nutztieren führen. Damit können Fehlentwicklungen in der Zucht vermieden und erblich bedingte Defekte ausgeschlossen werden, wie die erfolgreichen Beispiele von BLAD und MHS zeigen. Viel komplizierter und teurer ist es, solche Gene zu identifizieren, die mit Leistungsmerkmalen bei landwirtschaftlichen Nutztieren verbunden sind. Aber auch dieser Weg ist durch mehrere weltweit laufende Projekte vorgezeichnet.
!!! Unter dem zunehmenden Kostendruck zukünftiger Zuchtprogramme ist zu erwarten, dass die markergestützte Selektion darin ihren Platz finden wird. Wie alle züchterischen Verbesserungen kann auch gerade sie einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Umweltbelastungen leisten und die Kosten der Erzeugung lebensnotwendiger Nahrungsmittel vermindern.
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Der Austausch von Erbinformationen zwischen Lebewesen als dem Kern der modernen Gentechnik spielt in der Nutztierzucht dagegen bisher nur eine untergeordnete Rolle. Das liegt. z. T. an den damit verbundenen immensen Kosten und an den beachtlichen Schwierigkeiten, gentechnische Eingriffe zum Erfolg zu bringen. Die z. T. sehr gefühlsbetonte Diskussion um Chancen und Risiken der neuen Technik konzentriert sich daher auch stärker auf die Pflanzenzucht (z. B. gentechnische Veränderung bei Sojabohne, Mais, Raps, Zuckerrüben). Hier kommt erschwerend hinzu, dass mit dem Anbau solcher gentechnisch modifizierter Pflanzen die entsprechenden Gene in die Umwelt freigesetzt werden und über Insekten oder Wind eventuell auf andere Pflanzen übertragen werden können. Dagegen ist die Akzeptanz gegenüber Medikamenten, die mittels gentechnischer Mikroorganismen erzeugt werden, relativ hoch. Im Mittelpunkt der ethischen Diskussion stehen Befürchtungen, dass gentechnische Eingriffe und gentechnische Tests auch bei Menschen angewendet werden könnten. Aus diesem Grund sind in Deutschland Manipulationen am menschlichen Embryo durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Weitere Rechtsvorschriften, wie das Gentechnikgesetz, das Saatgutverkehrsgesetz,
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Aus Weiß, J., W. Pabst, K. E. Strack, S. Ganz: Tierproduktion (ISBN 978-3830-4410-1) © Parey Verlag 2005 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
4
Züchtung
die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung und die Novel-Food-Verordnung der EU zielen darauf ab, dem Verbraucher ein Höchstmaß an Schutz bzw. Information zu gewähren, die Gefahren der Gentechnik für die Umwelt zu minimieren und gleichzeitig den wissenschaftlichen Fortschritt auf diesem Gebiet nicht auszuschließen.
4.5 Rechtsgrundlagen der Tierproduktion Wie in vielen anderen Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens nimmt der Staat auch Einfluss auf die Tierproduktion und auf die Vermarktung tierischer Erzeugnisse. Wichtige Bestimmungen dazu werden bei den hauptsächlich betroffenen Tierarten erwähnt.
4.5.1 Das Tierzuchtgesetz Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das deutsche Tierzuchtrecht durch Anpassung an das EU-Recht grundlegend geändert. Seit dieser Zeit ist die Tierzucht rechtlich deutlich liberalisiert und EU-weit harmonisiert. Gleichzeitig hat sich die züchterische Verantwortung vom Staat zu den privaten Trägern, wie den Züchtervereinigungen und Besamungsorganisationen verlagert.
!!! Das zuletzt im Jahr 1998 novellierte Tierzuchtgesetz hat den Zweck, „im züchterischen Bereich die tierische Erzeugung so zu fördern, dass 1. die Leistungsfähigkeit der Tiere unter Berücksichtigung der Vitalität erhalten und verbessert wird, 2. die Wirtschaftlichkeit der tierischen Erzeugung verbessert wird, 3. die von den Tieren gewonnenen Erzeugnisse den an sie gestellten qualitativen Anforderungen entsprechen und 4. eine genetische Vielfalt erhalten wird.“ Das Gesetz verpflichtet den Staat, die Tierzucht „auch durch Bereitstellung öffentlicher Mittel“
144
zu fördern, insbesondere durch die Beteiligung an den Leistungsprüfungen. Weitere zentrale Aufgaben des Staates sind die Feststellung der Zuchtwerte sowie die Anerkennung und Überwachung von Zuchtorganisationen, Besamungsstationen und Embryotransfer-Stationen. Anbieten und Abgeben | Den Dreh- und Angelpunkt des neuen Gesetzes bildet § 3 mit seinen Vorschriften zum „Anbieten und Abgeben“ von Zuchttieren, Samen, Eizellen und Embryonen:
!!! Ein Zuchttier darf zur Erzeugung von Nachkommen nur abgegeben werden, wenn es von einer Zucht- oder Herkunftsbescheinigung begleitet ist. | Samen, Eizellen und Embryonen müssen nachweislich von einem Zuchttier stammen und dürfen an Zwischenstationen nur abgegeben werden, wenn sie von einer Zuchtbzw. Herkunftsbescheinigung begleitet sind. |
Zucht- und Herkunftsbescheinigungen sind Urkunden mit Angaben zur Abstammung und zu den Leistungen (§2). Samen darf innerhalb der Bundesrepublik nur dann abgegeben werden, wenn eine amtliche Erlaubnis erteilt wurde. Voraussetzung dafür ist u. a., dass „der Zuchtwert des Spendertieres über dem durchschnittlichen Zuchtwert vergleichbarer Tiere liegt“ (§10). Die Verwendung von Zuchttieren in den Herkunftsbeständen unterliegt also keinen gesetzlichen Regelungen, sofern Landesrecht dem nicht entgegensteht. Die Bestimmungen bürden dem Tierhalter und Käufer von Zuchttieren eine Mitverantwortung auf. Die Selektionsentscheidung trifft nicht eine (staatliche) Körkommission, sondern der Abnehmer von Zuchtprodukten. Er ist gut beraten, sich dabei wenigstens der Informationen in den Zuchtbescheinigungen zu bedienen. Diese zu erstellen mit allen wichtigen Nachweisen über Abstammung und Leistungen der Zuchttiere ist gesetzlich gesichertes Privileg der Züchtervereinigungen, denen damit eine große Verantwortung übertragen wird. Der staatliche Einfluss auf die Tierzucht kommt besonders in der Besamungserlaubnis zum Ausdruck. Sie gilt bundesweit und kann von der
4.5 Behörde nur erteilt werden, wenn der Zuchtwert des Spendertieres über dem durchschnittlichen Zuchtwert vergleichbarer Tiere liegt. Diese Zuchtwerte festzustellen und zu veröffentlichen ist Aufgabe des Staates.
4.5.2
Organisationen nach dem Tierzuchtgesetz
Wir haben schon erfahren, dass im Tierzuchtrecht Regelungen über Zuchtorganisationen, Besamungsstationen und Embryotransfereinrichtungen enthalten sind, womit die Bedeutung dieser Organisationen für die Tierzucht unterstrichen wird. Einen vergleichbaren Stellenwert besitzen die Landeskontrollverbände mit der Milchleistungsprüfung als dritte Säule der Tierzucht, auch wenn die im Tierzuchtgesetz nur indirekt verankert sind. Die Züchtervereinigungen | Sie sind als freiwillige Zusammenschlüsse von Züchtern entstanden und betreuen eine oder mehrere Rassen einer Region. Im Einzelnen sorgen Züchtervereinigungen für die Kennzeichnung der Kälber, Ferkel, Fohlen usw. (durch Ohrmarken, Tätowieren oder Brandzeichen) und für die Registrierung im Herdbuch zunächst bei der Mutter. Die eigene Aufnahme ins Herdbuch bzw. Stutbuch wird vorgenommen, wenn die Mindestanforderungen des Verbandes erfüllt sind. Dabei werden auch Körpermaße und Bewertungsergebnisse registriert. Im Laufe des Lebens erfolgen Eintragungen über die Nachzucht, die Leistungen, Auszeichnungen auf Schauen und Ausstellungen, sowie über den Grund des Ausscheidens. Züchtervereinigungen verfolgen ein Zuchtziel und sind berechtigt, Zuchtbescheinigungen auszustellen. Die Züchtervereinigungen regeln ferner den Verkauf von Zuchttieren und beraten ihre Mitglieder in Zuchtfragen. Sie führen auch Ausstellungen und Prämierungen durch. Die Züchtervereinigungen vertreten auch die Belange der Züchter gegenüber anderen Organisationen und Behörden. Sie haben sich z. T. zu Rasse-Dachverbänden (Deutscher Holstein-Verband, Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzüchter) zusammengeschlossen und in Bonn mit der ADT (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tier-
Rechtsgrundlagen der Tierproduktion
züchter) eine Dachorganisation eingerichtet. In einer ihrer Untergruppen, der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter – ADR sind die Rinderzuchtverbände, die Besamungsorganisationen und die Landeskontrollverbände zusammengeschlossen (die meisten Tabellen der vorausgegangenen Kapitel entstammen dem Jahresbericht dieser Arbeitsgemeinschaft). Züchtervereinigungen unterliegen der staatlichen Überwachung und müssen ebenso wie die Zuchtunternehmen nach dem Tierzuchtgesetz anerkannt sein. Zuchtunternehmen sind nach dem Tierzuchtrecht Zusammenschlüsse mit einem Kreuzungsprogramm zur Züchtung auf Kombinationseignung von Zuchtlinien in einem oder mehreren Betrieben. Züchtervereinigungen und Zuchtunternehmen sind im Tierzuchtrecht unter dem Begriff Zuchtorganisationen zusammengefasst. Die Anerkennung von Zuchtorganisationen setzt u. a. Zuchtprogramme voraus, welche die tierische Erzeugung fördern. Durch EURecht ist vorgeschrieben, dass Zuchtorganisationen zur Registrierung aller Zuchttiere aus dem EU-Raum auf Antrag verpflichtet sind, wenn sie von einer Zuchtbescheinigung bzw. Herkunftsbescheinigung begleitet sind. Die Zuchtorganisationen können jedoch Selektionsstufen einrichten und diese mit Mindestanforderungen an Leistungen und Exterieur belegen. Die Besamungsorganisationen | Sie können als zweite wichtige Säule des Zuchtfortschrittes neben den Züchtervereinigungen angesehen werden, traditionell beim Rind, zunehmend aber auch bei Schwein und Pferd. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass sich Züchtervereinigungen und Besamungsorganisationen immer häufiger zu einer Einheit zusammenschließen. Beim Rind werden z. Z. in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 4,8 Mio. Erstbesamungen von 26 KB-Organisationen durchgeführt, beim Schwein 5,4 Mio. Erstbesamungen von 18 Stationen. Einige KB-Organisationen widmen sich auch dem Embryotransfer. Die größte Station mit nahezu 600 000 Erstbesamungen je Jahr befindet sich in Neustadt/Aisch, Bayern. Besamungsstationen | Der Betrieb von Besamungsstationen bedarf der behördlichen Erlaubnis. Sie setzt voraus, dass nur Sperma angeboten
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und abgegeben wird, das eindeutig identifiziert, seuchenhygienisch unbedenklich und nach dem Einsatz zurückzuverfolgen ist. Besamungsstationen müssen sich am Zuchtprogramm einer anerkannten Züchtervereinigung beteiligen und auf Anforderung auch Samen anderer Stationen an Tierhalter ausliefern. Tierhalter dürfen im eigenen Bestand Samen einsetzen (Eigenbestandsbesamer), wenn sie dafür durch einen Lehrgang qualifiziert sind. Dieser berechtigt auch zur Gewinnung von Samen im eigenen Bestand, wenn der Betrieb die baulichen Voraussetzungen erfüllt. Das Anbieten und Abgeben von Sperma ist in diesem Fall untersagt. Embryotransfereinrichtungen | Die in Kapitel 4.4.2 dargestellte Bedeutung des Embryotransfers für die Rinderzucht ist die Ursache dafür, dass sich dazu auch Bestimmungen im Tierzuchtgesetz finden. Das betrifft, wie wir schon erfuhren, sowohl das „Anbieten und Abgeben“ von Eizellen und Embryonen wie auch die Vorschrift nach §14, wonach Embryotransfereinrichtungen nur mit behördlicher Erlaubnis betrieben werden dürfen. Die Erlaubnis wird erteilt, wenn bestimmte bauliche und personelle Voraussetzungen erfüllt sind. Damit soll vor allem sichergestellt werden, dass die Maßnahme des Embryotransfers allen tierseuchenrechtlichen Anforderungen genügen. Die Landeskontrollverbände | Sie gingen aus den früheren Milchkontrollvereinen hervor, von denen die ersten am Ende des 19. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und im Allgäu gegründet wurden. Heute sind die 16 Verbände die zentralen Organisationen für das Prüfungswesen bei Milchleistung, Milchqualität und Eutergesundheit. Viele von ihnen sind darüber hinaus aktiv in der Beratung und der Wirtschaftlichkeitskontrolle von Milcherzeugung und Schweinehaltung. Ihre Mitglieder werden mit umfassenden Ergebnissen aus der Leistungsprüfung, der Zuchtwertschätzung und der Wirtschaftlichkeitskontrolle versorgt. Zu den neueren, sehr attraktiven Serviceleistungen zählt die Bestimmung der Zellzahl in der Milch der Einzelkuh als Maßstab für die Gesundheit der Euter (Mastitis) und des Milchharnstoffes zur Kontrolle einer leistungsangepassten Fütterung.
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Darüber sollte jedoch nicht die umfassende Leistung der Kontrollverbände vergessen werden, die sie durch ihre Arbeit als zentrale Organisation für Tierkennzeichnung und Datenerhebung erbringen. Der Erfolg aller Zuchtmaßnahmen setzt voraus, dass die Tiere unverwechselbar gekennzeichnet und registriert werden, dass die Daten aus den Leistungsprüfungen, aber auch die Ergebnisse, z. B. über Abkalbungen, Geburtsverlauf und Melkbarkeit erfasst und alle diese Daten gespeichert und verfügbar gehalten werden. Die Erfahrungen in der Tierkennzeichnung und Datenregistrierung waren Grundlage für die Übertragung von Aufgaben gemäß Viehverkehrsverordnung auf die Landeskontrollverbände durch die Landesbehörden seit 1995. Die Zuständigkeiten betreffen die Kennzeichnung der Rinder, der Schweine sowie der Schafe und Ziegen und die Mitwirkung in der zentralen Datenbank HI-Tier, die 1998 zunächst für Rinder und im Jahr 2003 für Schweine in München eingerichtet wurde. Die Landeskontrollverbände sind damit bedeutsame Organisationen bei der Bekämpfung von Tierseuchen in der EU, aber auch im Hinblick auf die EU-weiten Prämienregelungen und deren Kontrollen. Eine weitere wichtige Aufgabe der LKVs besteht in der Überwachung der Qualität der Anlieferungsmilch. Gesetzliche Grundlage hierfür ist in Deutschland die Milch-Güte-Verordnung (vgl. Kap. 7.3.5) zusammen mit der Milchverordnung, mit der die EU-weit gültigen Bestimmungen in deutsches Recht umgesetzt wurden. Dabei ermittelte Daten stellen zugleich die Grundlage für die Bezahlung der Milch dar. Verordnungen nach dem Tierzuchtgesetz | In nationalen Verordnungen sind Einzelmaßnahmen geregelt, für die in einem Gesetz nur der Rahmen geschaffen werden kann. So gibt es Verordnungen des Bundes zu Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen bei allen im Tierzuchtgesetz erfassten Tierarten (Rind, Schwein, Schaf, Pferd, Ziege). Auch die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnungen spezielle Länderregelungen zu schaffen. Welche Behörden für die Ausführung und Überwachung des Tierschutzgesetzes und seiner Verordnungen zuständig sind, bestimmen die Landesregierungen.
4.5
4.5.3
Das Tierschutzgesetz
Im Jahre 2002 hat der Tierschutzgedanke in Deutschland Eingang in das Grundgesetz gefunden. Das beweist den wachsenden Stellenwert des Tierschutzes in unserer Gesellschaft. Dem trägt auch das Tierschutzgesetz Rechnung, das 1987 grundlegend und seither mehrfach in Einzelheiten novelliert wurde. „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Dieser im §1 des Gesetzes formulierte Grundsatz muss auch für jeden Tierproduzenten eine Selbstverständlichkeit sein. Damit dient er in der Regel auch seinen eigenen Interessen, weil im Allgemeinen nur von Tieren, die sich wohl fühlen, hohe und dauerhafte Leistungen erwartet werden können.
!!! § 2 des Gesetzes enthält mit der Tierhaltungsnorm die zentrale Forderung des Gesetzes für Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren. „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, 1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, 2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Schäden zugefügt werden, 3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“ Das für Landwirtschaft zuständige Bundesministerium wird in § 2 ermächtigt, Vorschriften über Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren zu erlassen und Anforderungen zu stellen, beispielsweise an Lichtverhältnisse, Lufttemperatur, Frischluftzufuhr usw. in Räumen und Käfigen oder an die Beschaffenheit von Anbinde- und Fütterungseinrichtungen. Ein Ergebnis dieser Ermächtigung ist die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aus dem Jahr 2001 mit allgemeinen Bestimmungen für alle Nutztierarten und spezi-
Rechtsgrundlagen der Tierproduktion
ellen Regelungen für Kälber und Legehennen. Bei den einzelnen Tierarten finden sich dazu weitere Erläuterungen. Die Vorschriften zur Haltung der Nutztiere wurden ergänzt durch Verordnungen zum Sachkundenachweis für Tierhalter und zum tierschutzgerechten Transport von Tieren. Sie betreffen die eingangs unter Ziffer 3 zu § 2 zitierten Forderungen und sind auch für die landwirtschaftlichen Tierhaltungen bindend. Nach § 4 des Gesetzes dürfen Wirbeltiere (also auch landw. Nutztiere) nur unter Betäubung getötet werden (Ausnahme bei Notschlachtung). Für schmerzhafte Eingriffe, die nur von Tierärzten vorgenommen werden dürfen, ist ebenfalls Betäubung vorgeschrieben. Ausnahmen: Beim Kastrieren von unter 4 Wochen alten männlichen Rindern, Schweinen, Ziegen und Schafen, beim Kürzen des Schwanzes von unter vier Tage alten Ferkeln sowie von unter acht Tage alten Lämmern; für das Enthornen von unter sechs Wochen alten Kälbern. Durch Rechtsverordnungen können bestimmte Verfahren für die genannten Eingriffe vorgeschrieben und Anforderungen an die Personen, die sie durchführen, gestellt werden. Für Tierzüchter verdient schließlich § 11b besondere Aufmerksamkeit. Er verbietet die Zucht von Wirbeltieren, wenn damit zu rechnen ist, dass die Zuchtprodukte erbliche Schäden aufweisen, die mit Schmerzen oder Leiden verbunden sind (Qualzuchten).
4.5.4 Tierseuchen und -gesetzgebung Diese Gesetzgebung soll die Einschleppung von Seuchen aus dem Ausland und die Ausbreitung im Inland verhindern. Diesem Ziele dienen Untersuchungen an den Grenzübergängen und die Anzeigepflicht für Tierseuchen, der alle viehhaltenden Betriebe, die frei praktizierenden Tierärzte und Personen unterliegen, die berufsmäßig mit Tierbeständen zu tun haben. Anzeigepflichtig ist bereits der Seuchenverdacht. Die Amtstierärzte sorgen für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und überwachen die Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen beim Ausbruch von Seuchen. Sie wachen im übrigen auch darüber, dass die Vorschriften des Tierschutzgesetzes eingehalten werden.
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Das Tierseuchengesetz benennt die folgenden Seuchen, von denen mehrere auch für den Menschen gefährlich sind, als anzeigepflichtig: Bei mehreren Tieren: Maul- und Klauenseuche, Milzbrand, Tollwut, Brucellose, Rauschbrand, Blauzungenkrankheit, Rifttalfieber, Stomatitis vesicularis. Rind: Tuberkulose, Lungenseuche, Rinderpest, Leukose, Salmonellose, Trichomonadenseuche, Vibrionenseuche, Bovine-Herpesvirus-Typ-1-Infektion (BHV 1), Lumpy-skin-Krankheit, Spongiforme Rinderencephalopathie (BSE), Schwein: Schweinepest, ansteckende Schweinelähme, afrikanische Schweinepest, Aujeszky’sche Krankheit, vesikuläre Schweinekrankheit Huhn: Hühnerpest, Newcastle-Krankheit, Psittakose, Pockenseuche, Pest, Traber-Krankheit Schaf/ Ziege: (Scrapie), Pferd: Rotz, Beschälseuche, afrikanische Pferdepest, ansteckende Blutarmut der Einhufer, Enzephalomyelitis Für eine weitere Gruppe von ansteckenden Tierkrankheiten, die nicht direkt durch staatliche Maßnahmen bekämpft werden, besteht eine Meldepflicht nur für Tierärzte und Untersuchungsanstalten. Zu diesen Krankheiten zählen u. a. Maedi und Listeriose (Schaf), Q-Fieber und Paratuberkulose (Rind), Rhinitis atrophicans (Schwein), Mucosal disease und Tuberkulose (Geflügel). Ein Teil der anzeigepflichtigen Seuchen ist dank der Tierseuchengesetzgebung in Deutschland seit längerer Zeit nicht mehr oder noch nie aufgetreten, wegen des EU-Rechtes aber trotzdem in das Tierseuchengesetz aufgenommen worden. Die Krankheiten, die noch vorkommen, werden z. T. an anderer Stelle besprochen. Grundsätzlich sollte zu diesem wichtigen Bereich der Tierproduktion aber die spezielle Fachliteratur studiert werden. Auch die aid-Broschüren (z. B. 1046/ 1998) vermitteln umfangreiche Informationen. Die Maul- und Klauenseuche | Die Krankheit wird durch ein Virus hervorgerufen, das in zahlreichen Varianten vorkommt. Es wird vor allem mit dem Speichel und der Milch ausgeschieden und kann durch Mensch und Tier weitergetragen
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werden. Die Krankheit verläuft schnell als fieberhafte Erkrankung der Wiederkäuer und Schweine. Sie verbreitet sich rasch über größere Gebiete und hat hohe Erkrankungsraten zur Folge. Die Krankheit ist auch auf den Menschen übertragbar. Sie verursacht in ihren Verbreitungsgebieten große wirtschaftliche Verluste. Das Krankheitsbild bei Wiederkäuern – bei Schafen und Ziegen sind die Symptome weniger stark ausgeprägt – beginnt mit Fieber, die Tiere fangen an zu speicheln. An der Innenfläche der Lippen, am Zahnfleisch, am zahnlosen Rand des Oberkiefers und an den Rändern der Zunge erscheinen Blasen, ebenfalls an Klauen und Zitzen. Beim Schwein sind vorwiegend die Klauen, seltener die Rüsselscheibe oder die Maulschleimhaut befallen. Saugferkel verenden plötzlich, ohne Krankheitserscheinungen. Blasen treten besonders am Gesäuge der Sau auf. Die Bewegungen der Tiere sind von Schmerzen geprägt, die durch Blasen am Kronrand, deren Klauen und dem Zwischenklauenspalt hervorgerufen werden. Ferkel, Kälber und Mastschweine können, vor allem zu Beginn der Seuche, an akuten Herzschäden verenden, ohne dass die typischen Krankheitserscheinungen auftreten. In der Bundesrepublik Deutschland wurden bis 1991 Schutzimpfungen durchgeführt. Es kam nur noch zu gelegentlichen Seuchenausbrüchen. Seite 1992 durfte in der Europäischen Gemeinschaft – „von Notimpfungen“ abgesehen – nicht mehr gegen Maul- und Klauenseuche geimpft werden. Die Bekämpfungsstrategie basierte auf dem Konzept des „Stamping Out“, das heißt infizierte und verdächtige Klauentierbestände werden getötet. Die im Jahr 2001 vor allem in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden aufgetretenen großen MKS-Seuchenzüge mit Tausenden von verbrannten Tierkörpern haben die EU-Kommission zu einer Abkehr von der strikten Nicht-Impfpolitik bewogen. Die geänderte Strategie wird durch neu entwickelte Testverfahren unterstützt, mit deren Hilfe zwischen geimpften und infizierten Tieren unterschieden werden kann. Weitere Informationen über MKS enthält das aid-Heft 1321/1998. Spongiforme Rinderenzephalopathie | Die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) ist eine langsam voranschreitende und schließlich zum
4.5 Tode führende Erkrankung des zentralen Nervensystems der erwachsenen Rinder. Die Krankheit zählt wie auch die Traber-Krankheit = Scrapie der Schafe und die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) des Menschen zu den Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSE). Die BSE wurde erstmals im November 1986 im Vereinigten Königreich nachgewiesen und hat sich seither von dort in zahlreiche andere EU-Staaten ausgebreitet. Der erste Fall eines in Deutschland geborenen Rindes wurde Ende 2000 festgestellt. Im selben Jahr folgten noch sechs weitere Fälle, dann in den Folgejahren bis 2004 185, 106, 54 und 65. Das Verhältnis der positiven Befunde zur Gesamtzahl aller BSE-Untersuchungen erreichte mit 0,0035 im Jahr 2002 den bislang höchsten Wert. Als mögliche Ursache der BSE galt lange Zeit Tiermehl aus Großbritannien, das dort unter unzureichender Erhitzung aus an Scrapie erkrankten Schafen hergestellt und an Rinder verfüttert worden war. Neuere Analysen deuten darauf hin, dass die in Fettschmelzen angefallenen Tierfette und deren Einsatz in Milchaustauschern auch als Ursache der Erkrankung anzusehen sind. Die Anfälligkeit hängt aber auch von der genetischen Disposition der Tiere ab. Durch intensive Bekämpfungsmaßnahmen in Großbritannien und der gesamten EU wird seit Mitte der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts einer Weiterverbreitung der Krankheit massiv und inzwischen erfolgreich entgegengewirkt. Zu den Maßnahmen zählen die Keulung der betroffenen Tierbestände bzw. der Kohortentiere sowie das generelle Verfütterungsverbot für tierische Proteine und Fette – die Verfütterung von tierischen Proteinen an Wiederkäuer war bereits seit 1994 verboten. Außerdem werden die Gehirne der über 30 Monate (in Deutschland 24 Monate) alten Schlachtrinder untersucht und das so genannte Risikomaterial (vgl. Kap. 7.5.10) beseitigt. Schließlich sind auch die umfangreichen Kennzeichnungs- und Registrierungsmaßnahmen aller lebenden Rinder in der EU durch die Kennzeichnungsverordnung 820/97 EWG (vgl. auch Kap. 6.7) zu nennen. Die verheerenden Folgen der Ausbreitung der BSE für den Verzehr von Rindfleisch führten zu umfangreichen Forschungsaktivitäten, die in Deutschland unter strengsten Sicherheitsbestim-
Rechtsgrundlagen der Tierproduktion
mungen auf der Insel Riehm konzentriert sind. Seither werden von dort grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zu Ursachen und Verbreitung der Erkrankung ebenso sehnsüchtig erwartet wie der Durchbruch bei der Entwicklung von erfolgreichen Lebendtiertests. Die Tollwut | Sie wird von Viren verursacht, die durch Bisse, durch Zecken oder auch durch einfache Berührung von Tier zu Tier oder auf den Menschen übertragen werden und sich vor allem im Nervensystem, im Speichel und im Blut vermehren. Die Ausbreitung der Seuche erfolgt hauptsächlich durch Füchse, Katzen und Hunde, über anderes Wild sowie über Weidevieh. Befallene Tiere werden unruhig, verschmähen das normale Futter und fressen dafür Steine, Holz und dergleichen. Rinder blähen leicht auf; Hunde beißen zu, ohne durch Knurren zu warnen. Wildund Haustiere werden gegenüber dem Menschen aggressiv. Nach diesem so genannten Erregungsstadium folgen Lähmungen des Unterkiefers, der Gliedmaßen, taumelnder Gang, bis die Tiere bewegungsunfähig werden und unter Krämpfen verenden. Die wichtigsten Maßnahmen beim Tollwutverdacht sind: Einsperren der verdächtigen Tiere, ohne sie zu berühren, sofortige Meldung bei der Gemeindeverwaltung und beim Amtstierarzt, peinliche Beachtung aller Vorschriften. Kinder sollten eindringlich davor gewarnt werden, kranke Wildtiere zu streicheln oder Kadaver anzufassen, die sie beim Spielen finden. Wo es zu Berührungen gekommen ist, muss die betreffende Person geimpft werden. In Tollwutbezirken empfiehlt sich die vorbeugende Impfung von Weidevieh. Der Milzbrand | Er wird von Bakterien hervorgerufen, die langlebige Dauerformen (Sporen) bilden, so dass die Ansteckungsgefahr noch jahrelang nach dem Verenden eines milzbrandkranken Tieres auf einer Weide oder in einem Stalle besteht. Deshalb dürfen milzbrandverdächtige Tiere auch nicht geschlachtet werden. Kadaverbeseitigung, Desinfektion des Stalles und der Geräte sowie Entseuchung der Kleidung des Pflegepersonals müssen nach den Anweisungen des Amtstierarztes erfolgen. Die Krankheit kann bei allen Haussäugetieren, auch beim Menschen,
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auftreten. Häufig beginnt sie mit hohem Fieber, Anschwellung von Zunge und Rachen, Atemnot, Blut in Kot und Harn. Die Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) | Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts lag der Schwerpunkt dieser Verordnung darin, den Verkehr mit Vieh aus seuchenhygienischer Sicht durch Vorschriften über den Transport von Tieren beim Handel, bei Ausstellungen und bei der Schlachtung zu regeln. Inzwischen enthält die VO außerdem Bestimmungen von weitreichender Bedeutung zur Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere und deren Registrierung in zentralen Datenbanken. Auf die diesbezüglichen Aufgaben der Landeskontrollverbände wurde bereits hingewiesen (vgl. Kap. 4.5.2). Mit der Ausweitung der Regelungen wurden Vorschriften der EU in deutsches Recht umgesetzt, aber auch Regelungen ergriffen, die das durch BSE geschwundene Vertrauen der Verbraucher in den unbedenklichen Verzehr von Rindfleisch zurückzugewinnen suchen. Die umfassenden Regelungen betreffen daher auch den Rindersektor. Nach der VO müssen alle Rinder in jedem Ohr mit einer gelben Plastikohrmarke gekennzeichnet sein, auf der die individuelle Tiernummer angegeben ist. Sie ist nach einem EU-einheitlichen System aufgebaut und lässt in Verbindung mit den in der Datenbank gespeicherten Daten den Herkunftsbetrieb des Tieres erkennen (vgl. aid 1392/1989 und 1408/ 1999). In jedem EU-Mitgliedstaat muss eine Datenbank – die deutsche Datenbank Hl-Tier befindet sich in München – eingerichtet sein, in der zu Rindern alle Daten gespeichert und verfügbar gehalten werden, die zur Bekämpfung von Seuchen und zur Gewinnung von Prämien benötigt werden. Ferner dürfen Rinder nur aus Betrieben abgegeben werden, wenn sie von einem Rinderpass begleitet sind. Seit einer weiteren Novelle der Verordnung im Jahr 2002 müssen auch Schweine sowie Schafe und Ziegen mit einer Plastikohrmarke gekennzeichnet sein, die den Herkunftsbetrieb erkennen lässt. Die Schweinebestände und die Verbringungen von Schweinen müssen an die Datenbank in München gemeldet und dort registriert werden (vgl. aid 1493/2003). EU-Bestim-
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mungen lassen erwarten, dass für Schafe ab 2005 den Rindern vergleichbare Kennzeichnungs-, Melde- und Registrierungspflichten eingeführt werden müssen. Der Erfolg der Seuchenbekämpfung | Er hängt entscheidend davon ab, dass bei verdächtigen Erscheinungen in den Tierbeständen sofort ein Tierarzt hinzugezogen wird, der feststellt, ob eine anzeigepflichtige Seuche vorliegt, und der im Seuchenfall die ersten Verhaltensregeln bis zum Eintreffen des Amtstierarztes gibt. Verantwortungslos und unkollegial wäre es, den Ausbruch einer Seuche verheimlichen zu wollen. Die wirtschaftlichen Verluste können dann große Ausmaße annehmen, während bei frühzeitigem Erkennen eines Seuchenausbruches und konsequenter Durchführung der vom Amtstierarzt angeordneten Schutzmaßnahmen der wirtschaftliche Schaden für den Tierhalter klein bleibt oder vollständig ausgeglichen wird. Für Tiere, die auf Anordnung des Amtstierarztes getötet werden, ferner bei Schäden, die nach amtlich angeordneten Impfungen auftreten, und in weiteren, vom Tierseuchengesetz festgelegten Fällen werden Entschädigungen gezahlt, die mit staatlicher Unterstützung von den Tierseuchenkassen geleistet werden. Dafür werden von der Gesamtheit der Tierhalter Umlagen aufgebracht, welche die Tierseuchenkassen verwalten. Für größere Seuchenzüge werden Rücklagen (nach Tierarten getrennt) angelegt. Die Beiträge sind nach Art und Zahl der Tiere eines Bestandes gestaffelt, berücksichtigen aber auch besondere Risiken. Bei Massentierhaltung, das heißt bei Schweinemastbetrieben mit über 1 250 Stallplätzen, bei Legehennenbetrieben mit über 20 000 Stallplätzen bzw. bei Masthühnerbetrieben mit mehr als 30 000 Plätzen werden die Entschädigungen um 20 % des Verkehrswertes gekürzt. Die Tierseuchenkassen sind auch an der Finanzierung der Tiergesundheitsdienste beteiligt. Sie haben die weitgefasste Aufgabe, die Gesundheit der Nutztierbestände zu erhalten und zu fördern. Besonders zu erwähnen sind z. B. der Rindergesundheitsdienst, dessen Tätigkeit vor allem auf die Bereiche Fruchtbarkeit, Eutergesundheit und Kälberkrankheiten gerichtet ist; ferner der Schweinegesundheitsdienst sowie der Geflügel-
4.5 gesundheitsdienst. Die Tiergesundheitsdienste stehen allen Landwirten auf Anforderung beratend zur Verfügung.
4.5.5 Gewährleistung beim Viehkauf Seit Anfang des Jahres 2002 unterliegt die Gewährleistung beim Kauf und Verkauf von Nutzund Zuchtvieh grundsätzlich den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts. Das ergibt sich aus der Neufassung von § 434 des BGB, mit der der deutsche Gesetzgeber den Viehhandel aus seiner bis dahin gültigen Sonderstellung entließ und ihn in das für Gebrauchsgüter gültige wesentlich weiter gefasste Gewährleistungsrecht einschloss. Das Sonderrecht gründete sich auf die „Kaiserliche Verordnung betreffend die Hauptmängel und Gewährfristen für Viehhandel von 1899“. Dabei haftete der Verkäufer nur für so genannte Hauptmängel und dies auch nur innerhalb sehr kurzer Gewährleistungsfristen. Die neuen Gewährleistungsbestimmungen leiten sich aus der EU-Verkaufsgüterkaufrichtlinie ab und haben inzwischen allgemeinen Eingang in das Kauf- und Verkaufsgeschehen gefunden. Danach hat der Verbraucher grundsätzlich das Recht, bei einer mangelhaften Sache die Nacherfüllung zu verlangen, das heißt, die Mängelbeseitigung oder Ersatzlieferung oder Rücktritt vom Vertrag bzw. Minderung des Kaufpreises. Die Verjährung von Ansprüchen bei mangelhafter Lieferung tritt erst nach zwei Jahren ein (statt
Rechtsgrundlagen der Tierproduktion
sechs Monate) und die Beweislast wird umgekehrt. Tritt nämlich innerhalb von sechs Monaten seit „Gefahrübergang“ ein Mangel auf, wird unterstellt, dass dieser Mangel bereits beim Übergang vorlag. Durch das neue Gewährschaftsrecht haben sich die Spielregeln beim Handel von Tieren entscheidend geändert. Stand ehemals die Wandlung (Geld zurück/Tier zurück) in der Gewährleistung im Vordergrund, ist es jetzt die Kaufpreisminderung. Demgegenüber spielt die „Nacherfüllung“ (Ausbesserung eines Mangels oder Wiederherstellung des mangelfreien Zustandes) aufgrund der Besonderheiten des Tierhandels keine Rolle. Ein Sachmangel liegt nach dem neuen Recht vor, wenn sich die Sache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder sie nicht die Eigenschaften aufweist, die der Käufer aufgrund öffentlicher Äußerungen des Verkäufers (Werbung, Kennzeichnung) erwarten kann. Weil es schwierig ist, die zu erwartenden Gebrauchseigenschaften von Tieren klar zu definieren, hat sich in der Praxis des Viehhandels eingebürgert, die Beschaffenheit in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festzulegen. Deshalb ist der Käufer gut beraten dort nachzulesen, für welche Eigenschaften der Tiere der Verkäufer gerade stehen will, z. B. bezüglich Alter und Gewicht der Tiere, Zuchttauglichkeit und Gesundheitsstatus (Impfung). Oft finden sich weitere besondere Hinweise dieser Art in den Lieferscheinen oder Auftragsbestätigungen zu speziellen Lieferungen.
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Grundlagen der Tierernährung
Wem das Züchten nicht liegt, der kann sich leistungsfähige Tiere kaufen. Aber füttern muss jeder Tierhalter selbst. Er muss deshalb die Ernährungsansprüche seiner Tiere kennen. Außerdem muss er die Futtermittel beurteilen können und wissen, wie sie zu kostengünstigen Rationen zusammengestellt werden. Denn die Aufwendungen für Futtergewinnung, Futterkonservierung und Futterzukauf stellen den wichtigsten Kostenfaktor in der Tierhaltung dar. Wir erinnern uns aus den Abschnitten 2.2 und 2.8, dass die Tiere bei der Verdauung den Futtermitteln die Nährstoffe entnehmen. Diese werden entweder als Baustoffe verwandt – für das eigene Wachstum, für das Kalb im Mutterleib, für die Milchsynthese usw. – oder als energiespendende Betriebsstoffe verbrannt, um jene Leistungen zu ermöglichen. Beim Energiestoffwechsel können sich die organischen (= kohlenstoffhaltigen) Bestandteile der Futtermittel gegenseitig vertreten; beim Baustoffwechsel ist das nur teilweise möglich. Vielmehr werden für viele Aufbau- und Umbauprozesse ganz spezielle Stoffe gebraucht, die durch andere, selbst ähnliche Stoffe nicht ersetzt werden können. Solche unentbehrlichen Nahrungsstoffe bezeichnet man als essenziell, das heißt als lebensnotwendig.
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung Wenn man sich über die Zusammensetzung eines Futtermittels informieren will, schickt man eine Durchschnittsprobe zur Analyse an die zuständige Landwirtschaftliche Untersuchungsanstalt (LUFA). Das Untersuchungsergebnis ist umso zuverlässiger, je sorgfältiger die Probenahme durchgeführt wurde. In der Regel werden Futtermittel heute per Tanklastzug lose angeliefert. Soll nun beispiels-
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weise eine Lieferung Sojaextraktionsschrot untersucht werden, muss folgendermaßen vorgegangen werden: Die Probenahme erfolgt während des Ausblasens und zwar durch mindestens vier Entnahmen a` ca. 1 kg aus dem jeweils abgekoppelten Schlauch oder am Blasrohrende. Mit der Probenahme sollte erst nach ca. zwei Minuten Ausblaszeit begonnen werden und sie sollte bis spätestens zwei Minuten vor Beendigung der Entleerung abgeschlossen sein. Aus den vier Einzelproben wird durch Mischen eine Durchschnittsprobe erstellt. Hiervon werden ca. 0,5 kg an die Untersuchungsanstalt geschickt. Von dort erhält man ein Untersuchungszeugnis, das für Sojaextraktionsschrot etwa wie folgt aussehen kann: Übersicht 19 Rohwasser Rohfaser Rohprotein Rohasche Rohfett N-freie Extraktstoffe (NfE)
11,5 % 9,6 % 39,6 % 6,7 % 1,2 % 31,4 %
? Es fällt auf, dass die meisten Bestandteile dieser Futtermittelanalyse mit der Vorsilbe „Roh“ beginnen. Weshalb? Ferner fragt man sich, warum dieses Sojaschrot nicht Stärke und Zucker enthält. Oder doch? Wo könnten sie versteckt sein? Welche weiteren Rätsel gibt dieser Analysenbefund noch auf?
!!! Derartige Untersuchungen werden nach der Weender Futtermittelanalyse durchgeführt, die bereits im Jahr 1860 in der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Weende bei Göttingen von den Professoren Henneberg und Stohmann entwickelt wurde und auf der das gesamte System unserer Fütterungslehre aufgebaut ist.
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung Der Analysengang wird nach folgendem Schema durchgeführt: Übersicht 20 Futtermittel Trockensubstanz Rohasche
Rohprotein
Rohwasser
organische Substanz Rohfett
Rohfaser
N-freie Extraktstoffe
Die Bezeichnungen der im Rahmen der Weender Analyse ermittelten Futtermittelbestandteile entsprechen nicht den in der Tierernährung gebräuchlichen Nährstoffbezeichnungen. Wie diese einander zuzuordnen sind und wie die Ergebnisse der Weender Analyse hinsichtlich des Nährwertes von Futtermitteln zu interpretieren sind, soll im Folgenden besprochen werden.
5.1.1
Trockenmasse und Wasser
Im ersten Schritt der Futtermittelanalyse wird die Frischmasse nach Trockensubstanz- und Wassergehalt getrennt. Im Analysenattest wird die Trockensubstanz in % angegeben. Meistens wird dieser Begriff jedoch in Verbindung mit einer Gewichtseinheit (z. B. kg) gebraucht, so dass in der Regel die Bezeichnung „Trockenmasse“ zu benutzen ist.
!!! Frischmasse wird mit FM und Trockenmasse mit TM abgekürzt.
Die Trocknung des Futtermittels erfolgt bei 105 °C über eine definierte Zeitspanne. Dabei entweichen Wasser, aber auch andere flüchtige Stoffe wie Ammoniak, Alkohole und niedere Fettsäuren. Obwohl letztere bei den meisten Futtermitteln mengenmäßig nicht stark ins Gewicht fallen, ist es dennoch exakter, den verdampften Anteil des Futtermittels (= FM – TM) als Rohwasser zu bezeichnen.
Das Wasser ist ein lebensnotwendiger Bestandteil einer Futterration – aber er sättigt kaum. Das Sättigungsgefühl wird bei den Tieren erst nach der Aufnahme einer bestimmten Menge an Futtertrockenmasse erreicht. Dazu sind beispielsweise bei Kühen je nach Größe, Alter, Trächtigkeitsstadium, Milchleistung usw. zwischen 12 und 24 kg Trockenmasse pro Tag nötig, das heißt 2–3,5 kg je 100 kg Lebendgewicht (LG). Ähnliche Ansprüche bezüglich der TM-Menge des Futters, bezogen auf das Lebendgewicht, stellen Sauen, Mutterschafe und der weibliche Nachwuchs dieser Tierarten. Bei der Beurteilung der Futtermittel und bei der Zusammenstellung der täglichen Futterration muss also auch auf den Gehalt an Trockenmasse geachtet werden. Das Wasser ist ein unentbehrlicher Baustein für alle tierischen Zellen. Es ist das allgemeine Lösungs- und Transportmittel. Außerdem hilft Wasser bei der Wärmeregulierung. Der Wasserbedarf richtet sich nach dem Alter (Ferkel beispielsweise bestehen zu 4/5 aus Wasser), nach der Außentemperatur, (bei laktierenden Kühen oder Sauen), nach der Milchmenge und nach dem Wassergehalt des Futters. Deshalb sollte den Tieren das Wasser nicht zugeteilt, sondern zur freien Aufnahme angeboten werden. Selbsttränken erleichtern also eine bedarfsgerechte Versorgung und sind arbeitssparend (Abb. 72). Außerdem haben die Tiere dann die Gelegenheit, öfter kleinere Portionen Flüssigkeit aufzunehmen, beispielsweise auch während des Futterverzehrs. In Ställen ohne Selbsttränke wird das Wasser in der Regel vor dem Füttern verabreicht.
!!! Man rechnet mit einem täglichen Wasserbedarf von 4–6 Liter je kg Futtertrockenmasse bei Rindern und 2–3 Liter je kg Futtertrockenmasse bei Schweinen, Schafen und Hühnern. Insbesondere in der Rindviehfütterung spielt deshalb der Wassergehalt der verabreichten Futtermittel eine erhebliche Rolle. Erhält eine Milchkuh z. B. 80 kg Gras täglich, so sind darin ca. 65 kg Wasser enthalten. Besteht die Ration jedoch im Extremfall nur aus 10 kg Heu und 6 kg Kraftfutter, so werden mit dieser Ration lediglich gut 2 kg Wasser zugeführt.
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Grundlagen der Tierernährung
Abb. 72 Trogtränke für Milchkühe (Foto: Weiß) Übersicht 21 Größenordnung des täglichen Wasserbedarfs je Tier: Saugferkel 0,1–0,7 l Absetzferkel 0,7–3,5 l Mastschweine 3–10 l Zuchtsauen tragend 10–20 l säugend 25– über 40 l Kälber 8–20 l Rinder und Mastbullen 20–40 l Milchkühe 50–140 l
Besonders bei hohen Temperaturen steigt der Wasserbedarf stark an. So können säugende Sauen bei zu 50 l und Hochleistungskühe bis zu 180 l täglich aufnehmen. Um eine optimale Wasserversorgung sicherzustellen und gleichzeitig Wasserverluste zu minimieren, sind die Wahl des geeigneten Tränkesystems, die Einbauhöhen und die Durchflussmengen der Tränkebehälter von Bedeutung. Besonders bei der Laufstallhaltung von Milchkühen ist der Standort der Tränkebe-
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cken wichtig. Da die Kuh über 30 % ihres täglichen Wasserbedarfs nach dem Melken aufnimmt, müssen Tränken im Austriebsbereich des Melkstandes installiert sein. Aber nicht nur die quantitative Versorgung, sondern auch die Wasserqualität spielt eine große Rolle. Grundsätzlich gilt, dass an das Tränkwasser für Tiere dieselben Anforderungen wie an das menschliche Trinkwasser gestellt werden müssen. Dies bedeutet hygienische Unbedenklichkeit (Freiheit von Krankheitserregern und Fäkalkeimen) und Freiheit von schädlichen chemischen Substanzen. Die Anforderungen sind in der Trinkwasserverordnung festgelegt. Besonders dort, wo die Tränken nicht direkt an die allgemeine Wasserversorgung des öffentlichen Versorgungsnetzes angeschlossen sind, muss die Eignung durch entsprechende Untersuchungen nachgewiesen werden. Bei Vorratsbehältern ist darauf zu achten, dass bei Wärme- und Lichteinfall keine Keime oder sogar Algen wachsen. Gras, Klee, Getreide und andere Futtermittel, die für die Winterfütterung getrocknet werden, sollen dabei so viel Wasser abgeben, dass sie haltbar werden. Das ist bei den meisten wirtschaftseigenen Futtermitteln bei unter 15 % Restwasser, also über 85 % Trockensubstanz, der Fall. Beim Trocknen des Getreides, das man für die Winterfütterung selbst einlagert, sollte man aber bis unter 14 % weiter trocknen, besonders, wenn das Getreide in Silos und ähnlichen Behältern hoch geschüttet wird. Vom Futtermittelgesetz werden der Mischfutterindustrie und dem Handel höchstens 14 % Restwasser im Mischfutter erlaubt, bei Trockenmilcherzeugnissen sogar nur 7 % und bei Mineralfutter lediglich 5 % Feuchtigkeit. Die Schwellenwerte für das Restwasser wurden bei den letztgenannten Produkten so niedrig angesetzt, weil sie Wasser aus der Luft aufnehmen, also hygroskopisch sind.
!!! Wenn zu viel Feuchtigkeit im Heu oder Getreide geblieben ist, haben Bakterien und Schimmelpilze günstige Entwicklungsbedingungen. Manche bilden giftige Stoffwechselprodukte (Pilztoxine). Verschimmeltes Heu oder wegen des Besatzes mit Pilzsporen muffig riechendes Ge-
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung treide müssen als verdorben angesehen werden. Sie können bei der Verfütterung zu Verdauungs- und Fruchtbarkeitsstörungen, manchmal auch zu Vergiftungen führen. Eine Leistungsminderung ist häufig.
5.1.2 Organische Substanz Durch Verbrennen wird die Futtertrockensubstanz bei der Weender Analyse weiter aufgeschlüsselt (Veraschung bei 550 °C). Der unbrennbare Rest ist die Rohasche, auf deren Bestandteile später ausführlich eingegangen wird. Die Differenz zwischen Trockensubstanz und Rohasche wird als organische Substanz bezeichnet. Diese enthält verschiedene Nährstoffgruppen, die mit chemischen Untersuchungsmethoden analysiert werden.
5.1.2.1 Rohprotein Das Rohprotein wird über den analysierten Stickstoffgehalt der organischen Substanz berechnet. Aus anderen Untersuchungen weiß man, dass der N-Gehalt der meisten Eiweißkörper etwa 16 % beträgt. Deshalb berechnet man den Proteingehalt im Futter dadurch, dass man die gefundene Stickstoffmenge mit 100 dem Faktor = 6,25 multipliziert. 16 Da in manchen Futtermitteln auch Stickstoff enthalten ist, der nicht aus Eiweiß stammt (NPNVerbindungen, vgl. Kapitel 2.8.4), wird der so berechnete Wert als Rohprotein verzeichnet.
!!! Der Rohproteingehalt ist für die Ernährung der Tiere nur von beschränktem Informationswert. Für Tiere mit einhöhligem Magensystem (Monogastrier) ist die biologische Wertigkeit des Proteins von entscheidender Bedeutung. Hierfür muss die Weender Analyse durch eine weitergehende Untersuchung auf die wichtigsten essenziellen Aminosäuren ergänzt werden. In der Schweineernährung soll das Rohprotein z. B. mindestens 5 % Lysin, 3 % Methionin + Cystin, 3 % Threonin und 1 % Tryptophan enthalten. In der Wiederkäuerernährung reicht die Kennt-
nis des Rohproteingehaltes der Futtermittel zur Beurteilung ihrer Proteinversorgung ebenfalls nicht aus. Aufgrund der Besonderheiten des Proteinstoffwechsels bei dieser Tierart ist die Abbaubarkeit des Rohproteins der Futtermittel im Pansen durch Mikroorganismen von besonderer Bedeutung. Nur das unabgebaute Futterrohprotein dient direkt der Proteinversorgung der Tiere, während aus dem abgebauten Futtereiweiß Bakterienprotein gebildet wird. Dieses ist allerdings die Hauptversorgungsquelle der Wiederkäuer. Für den Futterbau stellt der Rohproteingehalt einen wichtigen Maßstab für die Qualitätsbeurteilung dar.
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5.1.2.2 NPN-Verbindungen Die Untersuchungsmethode der Weender Analyse, die sich zur Ermittlung des Rohproteingehaltes am Stickstoffanteil der Futtermittel orientiert, bringt es mit sich, dass dabei auch N-Verbindungen erfasst werden, die keinen Eiweißcharakter haben. Die wichtigste Gruppe dieser Nichteiweißverbindungen stellen die Säureamide dar, zu denen u. a. Asparagin und Glutamin gehören. Es handelt sich um Zwischenprodukte beim Proteinaufbau und Proteinabbau in den Pflanzen. Deshalb sind die Amide vor allem in jungen, wachsenden Pflanzen und – infolge des Eiweißabbaues – im Gärfutter enthalten. Ebenso wie die Kulturpflanzen sind auch die Pansenbakterien fähig, Säureamide in Aminosäuren umzuwandeln. Unter bestimmten Bedingungen ist es dem Wiederkäuer auch möglich, einen Teil seines Eiweißbedarfes aus Futtermitteln zu decken, die mit industriell hergestelltem Harnstoff angereichert sind. Harnstoff ist das bekannteste Amid.
? Dazu eine knifflige Aufgabe: Im Gegensatz zum Futterprotein liefert der Harnstoff keine Energie. Das muss bei der Rationsberechnung und beim Preisvergleich berücksichtigt werden. Soll 1 kg Sojaschrot (aus ungeschälter Saat) mit 44 % Protein durch Harnstoff ersetzt werden, braucht man 1 kg Weizenschrot (mit 12 % Rohprotein)
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Grundlagen der Tierernährung zum Energieausgleich. Wie viel g Harnstoff (mit 46 % N) werden dann benötigt, um einen gleichwertigen (äquivalenten) Ersatz für das Sojaprotein zu bekommen?
Schweine und Geflügel können die Amide und die übrigen NPN-Verbindungen nicht verwerten. Aber die wichtigsten Eiweißquellen für diese Tiere (Extraktionsschrote, Kleien, Getreide usw.) enthalten kaum Amide. Werden Grünfutter, Gärfutter, Rübenblatt und Futterrüben eingesetzt, darf man das Rohprotein der Tabellen nicht voll anrechnen. Zu den NPN-Verbindungen gehört auch Nitrat, das sich bei übertrieben hoher Stickstoffdüngung und ungünstigen Witterungsbedingungen, besonders im Herbst, in manchen Zwischenfruchtfutterpflanzen, aber auch im Gras, anreichern kann. Nitratgehalte von mehr als 0,5 % der TM gelten als bedenklich, weil dann die Gefahr besteht, dass die Pansenbakterien, besonders bei unzureichender Energieversorgung, die Reduktion von Nitrat zu Nitrit und von Nitrit zu Ammoniak nicht mehr schaffen und Nitrit ins Blut gelangt, wo es das Hämoglobin in das funktionsunfähige Methämoglobin umwandelt. Auf diese Art erkrankte Kühe leiden unter Atemnot (Warum?). Maulatmen, Speicheln und bräunliche Verfärbung der Scheidenschleimhaut sind weitere Symptome (im Kap. 6.1 Grünfutter kommen wir auf dieses Thema zurück).
5.1.2.3 Proteinstoffwechsel beim Wiederkäuer (Zusammenfassung) Aus den Besonderheiten des Vormagensystems ergeben sich viele Unterschiede zwischen Wiederkäuern und Monogastriern. Das gilt, wie aus verschiedenen, schon besprochenen Einzelheiten abgeleitet werden kann, auch für das Futtereiweiß. Im folgenden Überblick (und mit Hilfe der Abb. 73) sollen die Einzelheiten zusammengefasst und durch einige weitere Aspekte ergänzt werden. Dann können auch die Möglichkeiten und Grenzen für den Einsatz von Futterharnstoff und geschütztem Protein besser beurteilt werden.
!!! Das in den Futtermitteln enthaltene Rohprotein wird von den Pansenbakterien in unterschiedlichem Maße angegriffen, Ackerbohneneiweiß z. B. stärker als das Eiweiß aus Sojaschrot. In der DLG-Futterwerttabelle (7. Auflage, 1997) wird für die einzelnen Futtermittel jeweils das unabgebaute Rohprotein (UDP) in % des Rohproteins ausgewiesen, z. B. für Ackerbohnen 15 % und für Sojaextraktionsschrot 30 %. | Die Bakterien bauen Futtereiweiß und NPNVerbindungen arbeitsteilig bis zu Aminosäuren und Ammoniak ab und bauen daraus Bakterieneiweiß auf. Auch die tierischen Einzeller im Pansen beteiligten sich am Aufbau von Mikrobenprotein. Wenn die Bedürfnisse |
Abb. 73 Schematische Darstellung der Proteinumsetzung im Pansen
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5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung
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der Mikroben an Mineralstoffen und Spurenelementen gedeckt werden, kann man im Mittel je kg verdaulicher organischer Substanz mit 156 g Mikrobenprotein bzw. 10,1 g je MJ ME rechnen. Das bedeutet, dass die Syntheseleistung der Mikroben entscheidend von der Energieversorgung und damit auch vom Futteraufnahmevermögen der Wirtstiere abhängt. Sobald die Mikroben in den Labmagen und Dünndarm gelangen, wird ihr Protein, gemeinsam mit dem unabgebauten Futterprotein von den wiederkäuereigenen eiweißspaltenden Enzymen (aus Magensaft, Pankreas und Darmdrüsen) bis zur Stufe der Aminosäuren abgebaut und absorbiert. Das Mikrobenprotein ist von hoher biologischer Wertigkeit und enthält mehr essenzielle Aminosäuren als das übliche Wiederkäuerfutter. Wenn man von Spitzenleistungen absieht, gewährleistet das Mikrobenprotein bei ausreichender Energieversorgung eine optimale Versorgung des Euters und der am Wachstum und Eiweißansatz beteiligten Gewebe mit essenziellen Aminosäuren. Enthält die Ration etwa 13–15 % Rohprotein in der Futter-TM, wird das beim mikrobiellen Abbau entstehende Ammoniak größtenteils in Mikrobenprotein umgewandelt. Weist die Futter-TM mehr Rohprotein auf, entstehen Ammoniaküberschüsse, die über die Pfortader in die Leber gelangen und durch Umwandlung in Harnstoff entgiftet werden. (Dasselbe geschieht mit NH3, das beim routinemäßigen Abbau von Gewebeeiweiß oder beim Abbau überzähliger Aminosäuren in der Leber freigesetzt wird.) Der Harnstoff wird auf dem Blutwege in die Niere transportiert und über den Harn ausgeschieden. Über den Pfad Blut–Euter wird ein Teil auch über die Milch ausgeschieden. Bleibt der Rohproteingehalt der Futter-TM unter 13 %, wird weniger Harnstoff über die Niere ausgeschieden und der Harnstoff entweder direkt oder über den Speichel in den Pansen zurückgeleitet, wo er zur Stickstoffversorgung der Pansenbakterien beiträgt. Dank dieses Pansen-Leber-Kreislaufs des
Stickstoffs geht der Wiederkäuer bei niedrigen Leistungen sparsam mit dem Futterprotein um (ruminohepatischer Kreislauf). | Soll bei hohen Sojaschrotpreisen ein Teil des Futterproteins durch Futterharnstoff ersetzt werden, muss man die Pansenbakterien durch eine Übergangsperiode (von mindestens einer Woche) allmählich an das harnstoffhaltige Futter gewöhnen und für eine gute Energiezufuhr (aus stärkereichen Futtermitteln) sorgen. Werden diese Vorsichtsmaßnahmen nicht beachtet, kann es zu einer stoßweisen Freisetzung von Ammoniak und – bei über 80mg NH3 pro 100ml Pansensaft – zur Ammoniakvergiftung kommen. Diese äußert sich durch Unruhe, Durchfall, Blähen, verminderte Wiederkautätigkeit, Gleichgewichtsstörungen usw. (Durch Einflößen von 3–4 Liter 5 %igem Haushaltsessig kann eine Besserung erzielt werden.) | Der Harnstoffeinsatz muss exakt dosiert und in der Gesamtration gleichmäßig verteilt werden. Wenn man von einem Stickstoffgehalt des Harnstoffs von 46 % ausgeht, können 100 g Harnstoff 46 × 6,25 (Faktor aus der Weender Analyse), also 288 g Rohprotein vertreten. Um die 440 g Rohprotein von 1 kg Sojaschrot zu ersetzen, sind 1 kg Weizen (mit 120 g Rohprotein) und 111 g Harnstoff notwendig (Lösung der Aufgabe aus dem vorigen Abschnitt). | Ob der Einsatz von Harnstoff sinnvoll ist, hängt in erster Linie von der Zusammensetzung der Futterration, der Leistungshöhe der Milchkühe und vom Alter bzw. Gewicht der Masttiere ab. Besteht die Ration aus Futtermitteln mit hoher Proteinabbaurate (z. B. Grassilage) wird im Pansen ohnehin viel Stickstoff freigesetzt. Eine zusätzliche Harnstoffgabe wäre in diesem Fall nicht angebracht. Dagegen kann der Harnstoffeinsatz zu Rationen mit geringerer Proteinabbaurate (z. B. Silomais) wo evtl. Stickstoff im Pansen fehlt, durchaus sinnvoll sein. Die verabreichte Harnstoffmenge sollte allerdings 100 g je Kuh und Tag nicht wesentlich überschreiten. An Mastbullen ab ca. 350 kg Lebendgewicht kann Harnstoff in der Größenordnung
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Grundlagen der Tierernährung von 100–150 g je Tier und Tag (in Abhängigkeit vom Gewicht) verabreicht werden, womit etwa ein Drittel des Rohproteinbedarfes abgedeckt wird. Bei Kühen mit höheren Milchleistungen (über 20–25 Liter) wird der N-Bedarf der Mikroorganismen im Pansen durch das abbaubare Futter-N mehr als gedeckt. Dies trifft auch bei der Intensivmast von Bullen unter 350 kg Lebendgewicht zu. In diesen Fällen ist der Einsatz von Futterharnstoff nicht vertretbar. | Wird bei höheren Milchleistungen und begrenzter Futteraufnahme der Rohproteingehalt der Futter-TM auf 16 oder gar 19 % erhöht, wird dadurch keine Steigerung der Mikrobeneiweißerzeugung erreicht, weil diese nur proportional mit einer Steigerung der Energiezufuhr wächst. Die Futterproteinzulagen werden also in zunehmendem Maße zur Bildung von nicht benötigtem Ammoniak verschwendet, mit der Gefahr einer Überbelastung der Leber. | Lediglich der Futterproteinanteil, der dem Zugriff der Pansenbakterien entgeht, führt nach der Steigerung des Rohproteinanteils in der Futter-TM je nach UDP-Anteil der Futterkomponenten zu einer gewissen Erhöhung des Anteils an nutzbarem Protein im Dünndarm.
5.1.2.4 Das Proteinbewertungssystem für Milchkühe Aus der Kenntnis über den Proteinstoffwechsel beim Wiederkäuer wird deutlich, dass das Rohprotein kein so geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Proteinversorgung der Milchkühe ist – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der relativ stark gestiegenen Milchleistungen. Das von der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) 1997 eingeführte Proteinbewertungssystem basiert deshalb auf den beiden Kriterien „nutzbares Rohprotein (nXP)“ und „ruminale Stickstoffbilanz (RNB)“. Als nutzbares Protein wird diejenige Rohproteinmenge bezeichnet, die in den Dünndarm gelangt und somit für die Proteinversorgung der Kühe unter Berücksichtigung der Absorbierbarkeit und Verwertung der absorbierten Aminosäuren zur
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Verfügung steht. Diese Größe setzt sich aus dem unabgebauten Futterrohprotein (UDP) und dem Mikrobenprotein (MP) zusammen. Unabgebautes Futterprotein (UDP) | Der Anteil bzw. die Menge an UDP kann in Abhängigkeit von der Proteinquelle erheblich schwanken. Es ist schwierig, die Menge an UDP für einzelne Futtermittel zu bestimmen. Von der Methodik her werden zwei Verfahren angewendet: Bestimmung in vivo, das heißt an Kühen mit Dünndarmfisteln bzw. in sacco, das heißt Einlegen von mit Futterproben gefüllten Kunststoffsäckchen in den Pansen. Die mit diesen Methoden erzielten Ergebnisse sind bezüglich der absoluten Zahlen nicht miteinander vergleichbar. Das deutsche System basiert auf In-vivo-Untersuchungen. Die UDP-Werte können bei ein und demselben Futtermittel erheblich schwanken. Dies trifft z. B. insbesondere bei solchen Futtermitteln zu, die während des Herstellungsprozesses erhitzt wurden (z. B. „Toasten“ bei Extraktionsschroten). Aber auch die Verweildauer des Futters im Pansen, die als Passagerate bezeichnet und auf die im Kapitel Milchviehfütterung näher eingegangen wird, hat einen erheblichen Einfluss auf die Abbaubarkeit. Mit steigendem Leistungsniveau und entsprechend höherer Futteraufnahme der Milchkühe nimmt die Passagerate zu. Als Folge wird ein geringerer Anteil der Nährstoffe durch die Mikroorganismen im Pansen abgebaut, was einen Anstieg auch des UDP-Anteils der Futtermittel nach sich zieht. Die UDP-Anteile werden in der DLG-Tabelle futtermittelspezifisch angegeben. Die geschilderte mögliche Schwankungsbreite bei ein und demselben Futtermittel rechtfertigen allerdings lediglich Angaben in 5 %-Stufen. Der UDP-Anteil am Rohprotein schwankt je nach Futtermittel zwischen 10 und 55 %. Bei den wichtigsten Eiweißfuttermitteln Raps- und Sojaextraktionsschrot beträgt er 30 %. Der UDP-Anteil eines Futtermittels wird wie folgt berechnet: (100 – Abbaubarkeit in %) × Rohproteingehalt in g/kg TM = UDP in g/kg TM 100 Mikrobenprotein (MP) | Die Synthese von Mikrobenprotein hängt eng mit der aufgenomme-
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung nen Energiemenge zusammen, vorausgesetzt, dass die Versorgung mit entsprechenden Ausgangssubstanzen (insbesondere Schwefel, Phosphor und Stickstoff) sichergestellt ist. Ausgehend von den Untersuchungen in Braunschweig-Völkenrode und Dummersdorf/Rostock berechnet sich – bezogen auf die Zufuhr an umsetzbarer Energie (ME) bzw. verdaulicher organischer Substanz (DOS) – eine mittlere Proteinsynthese (MP) von 10,1g MP je MJ ME bzw. 156 g MP je kg DOS. Zu beachten ist, dass Energie in Form von Fett, unabgebauten Kohlenhydraten und auch unabgebautem Rohprotein keinen positiven Einfluss auf die mikrobielle Proteinsynthese im Pansen hat. Dies wird bei der Schätzung der Menge an nutzbarem Protein am Duodenun berücksichtigt. Nutzbares Rohprotein am Duodenum (nXP) | Zur Schätzung der Menge an nXP sind verschiedene Gleichungen abgeleitet worden. Neben den Kriterien Rohprotein und UDP wird hierbei die Zufuhr an fermentierbarer Energie in Form der verdaulichen organischen Substanz (DOS) sowie der Zusammenhang zwischen der mikrobiellen Proteinsynthese und dem Umfang des Futterproteinabbaues berücksichtigt. Die GfE geht bei der Berechnung der Werte für das nutzbare Rohprotein aus den Einzelfuttermitteln von folgender Schätzformel aus: nXP = (187,7 – [115,4(UDP/XP)]) DOS + 1,03 UDP. Da insbesondere für Grobfuttermittel oft nur der Energiegehalt, nicht aber der DOS-Gehalt bekannt ist, kann alternativ auch folgende Schätzformel verwendet werden: nXP = (11,93 – [6,82(UDP/XP)]) ME + 1,03 UDP. Ruminale Stickstoffbilanz (RNB) | Das nutzbare Rohprotein allein reicht als Information für eine bedarfsgerechte Proteinversorgung der Kühe nicht aus. Vielmehr muss parallel dazu bilanziert werden, ob im Pansen genügend Stickstoff aus dem Futterrohprotein zur Verfügung steht, um eine optimale Pansenfermentation einschließlich der mikrobiellen Proteinsynthese sicherzustellen (ruminale Stickstoffbilanz = RNB). Neben einer auf Basis der genannten Schätzgleichungen errechneten Menge an nXP liefert jedes Futtermittel einen positiven oder negativen Bei-
trag zur ruminalen N-Bilanz. Diese errechnet sich nach folgender Gleichung: RNB = (XP – nXP)/6,25. In der Ration bezieht sich die Beurteilung der RNB jedoch nicht nur darauf, eine negative RNB zu vermeiden. Im Hinblick auf Belastungen von Tier und Umwelt sollten auch zu hohe Überschüsse an ruminal verfügbarem N vermieden werden. Beispiel für die Berechnung des Proteinwertes von Futtermitteln: Grassilage Energie: 10,62 MJ ME/kg TM Rohprotein: 158 g XP/kg TM Abbaubarkeit: 85 % 1. Berechnung des UDP-Anteils: UDP = ([100 – 85] × 158)/100 = 24 g/kg TM 2. Berechnung des nXP-Gehaltes: nXP = (11,93 – [6,82(24/158)]) × 10,62 + 1,03 × 24 = 140 g/kg TM 3. Berechnung der RNB RNB = (158 – 140)/6,25 = 2,9 g/kg TM Bei einem Energiegehalt von 10,62 MJ ME (entsprechend 6,41 MJ NEL) und einem Rohproteingehalt von 158 g in der Trockenmasse weist diese Grassilagequalität einen nXP-Wert von 140 g und einen RNB-Wert von 2,9 g bezogen auf die Trockenmasse auf. Maissilage Energie: 11.06 MJ ME/kg TM Rohprotein: 80 g XP/kg TM Abbaubarkeit: 75 % 1. Berechnung des UDP-Anteils: UDP = ([100 – 75] × 80)/100 = 20 g/kg TM 2. Berechnung des nXP-Gehaltes: nXP = (11,93 – [6,82(20/80)]) × 11,06 + 1,03 × 20 = 134 g/kg TM 3. Berechnung der RNB: RNB = (80 – 134)/6,25 = –8,6 g/kg TM Maissilage mit einem Energiegehalt von 11,06 MJ ME (entsprechend 6,71 MJ NEL) und einem Rohproteingehalt von 80 g in der Trockenmasse hat einen nXP-Wert von 134 g und einen RNB-Wert von –8,6 g in der Trockenmasse.
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5.1.2.5 Einsatz von geschütztem Eiweiß und Aminosäuren Bei Milchkühen mit sehr hoher Leistung kann es unter Umständen sinnvoll sein, die Menge des in den Dünndarm gelangenden unabgebauten Futterproteins dadurch zu erhöhen, dass so genanntes „geschütztes Eiweiß“ eingesetzt wird. Hierbei handelt es sich um Eiweißfuttermittel (insbesondere Raps- und Sojaextraktionsschrot), die durch gezielte technische Behandlung vor dem bakteriellen Abbau im Pansen geschützt werden. Dieser Schutz darf natürlich nicht hundertprozentig sein, da ansonsten die Gefahr besteht, dass das geschützte Protein auch im Dünndarm unverdaulich ist. Die Proteinabbaurate bei geschützten Futtermitteln wird bis auf 35 % herabgesetzt, das heißt der UDP-Anteil liegt bei 65 %. Die Schutzwirkung wird z. B. durch Behandlung mit Formaldehyd, Ligninsulfonaten oder gezielter hydrothermischer Behandlung erzielt. Ein anderer Weg, eine Verbesserung der Eiweißversorgung im Dünndarm zu erreichen, wird durch Verfütterung von „geschütztem Methionin“ beschritten, eine Aminosäure, die wahrscheinlich beim Wiederkäuer erstlimitierend ist. Zu beachten ist allerdings, dass geschütztes Eiweiß im Pansen weder Stickstoff noch Energie liefert. Dies ist bei der Zusammensetzung der Futterration entsprechend zu berücksichtigen. Der Einsatz von geschütztem Eiweiß bzw. geschütztem Methionin ist aus Sicht der Theorie des Proteinstoffwechsels beim Wiederkäuer eine sinnvolle Maßnahme. Wegen der einzuhaltenden Grenzen einer wiederkäuergerechten Fütterung reichen die leicht fermentierbaren Kohlenhydrate der Ration nicht mehr für eine ausreichende Mikrobenproteinsynthese aus. Aus Gründen der bereits ausführlich dargestellten vielfältigen Einflussfaktoren auf die Eiweißversorgung der Kühe ist der Erfolg des Einsatzes von geschütztem Eiweiß zwar nicht immer sofort über noch höhere Milchleistungen sichtbar. Im Hinblick auf Gesundheit und Fruchtbarkeit der Kühe ist eine leistungsgerechte Proteinversorgung jedoch auch durch Maßnahmen des Einsatzes geschützter Nährstoffe gerechtfertigt. Die speziellen Fütterungsbedingungen im Einzelbetrieb müssen jedoch berücksichtigt werden. Grundlage des Einsatzes sollte stets eine möglichst realistische
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Rationsplanung unter Berücksichtigung des UDP-Anteils am Rohproteingehalt der Gesamtration sein. Ein positiver Einfluss auf Milchleistung und Inhaltsstoffe (insbesondere Eiweiß) ist unter sonst optimalen Ernährungsbedingungen am ehesten bei Hochleistungskühen zu erwarten, deren Grobfutterration ausschließlich aus Grasprodukten in Kombination mit Getreide als Kraftfutter besteht. Ansonsten ist der Verbesserung der Energieversorgung bei Hochleistungskühen Vorrang einzuräumen. Ein wichtiger Gesichtspunkt für den Einsatz von geschütztem Protein ist auch die damit mögliche Reduzierung der Rohproteinmenge im Futter, was zu einer Verringerung der N-Ausscheidung führt. Dies ist aus ökologischer Sicht sehr interessant. Der Einsatz von Aminosäuren in der Schweinefütterung ist heute praxisreif und weit verbreitet. Dies trifft für die Aminosäuren Lysin und Methionin generell, für Threonin und Tryptophan teilweise zu und hängt in erster Linie von den Preisen ab, die für die letztgenannten Aminosäuren noch relativ hoch sind. Zielsetzung des Aminosäureeinsatzes bei Monogastriern ist es, die Versorgung mit den essenziellen Aminosäuren bei einem möglichst niedrigen Rohproteingehalt in der Futterration sicherzustellen. Dadurch wird eine Verringerung der N-Ausscheidung mit entsprechender Entlastung des Stoffwechsels erreicht. Dies führt auch zu verringerten Ammoniakgehalten in der Stallluft. Alle genannten Faktoren wirken sich positiv auf die Tierleistungen aus. Bei einer solchen Fütterungsstrategie muss allerdings darauf geachtet werden, dass die aus ernährungsphysiologischer Sicht erforderliche Relation dieser Aminosäuren in der Futtermischung eingehalten wird. Bezogen auf Lysin sollten die übrigen genannten Aminosäuren etwa in folgender Relation stehen: Lysin : Methionin + Cystin : Threonin : Tryptophan = 1 : 0,6 : 0,6 : 0,2 In der Ferkelaufzucht sollte der Threoninanteil bei 0,65 und der Tryptophananteil bei 0,25 liegen.
5.1.2.6 Rohfett Bei der Weender Analyse wird der Rohfettgehalt durch Extraktion mit Petrolether nach Salzsäure-
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung Aufschluss bestimmt. Da sich neben dem Futterfett auch einige Vitamine, Wachse, Harze, Farbstoffe usw. im Ether-Extrakt befinden, muss die Bezeichnung Rohfett verwendet werden. In den meisten Futtermitteln ist der Fettanteil bescheiden. In Futtermischungen für Schweine und Geflügel werden in getreidereichen Eigenmischungen häufig Soja- oder Rapsöl zur Staubbindung zugesetzt. Da das Depotfett durch die Zusammensetzung des Futterfettes sehr stark beeinflusst wird, sind besonders dem Einsatz von Ölen in der Schweinemast enge Grenzen gesetzt. Es besteht die Gefahr, dass bei höherem Ölzusatz die Konsistenz des Schweinespecks weich wird, was hinsichtlich der Herstellung und Haltbarkeit von Dauerwaren negativ zu bewerten ist. Eine Begrenzung auf 1–1,5 % Sojaöl bzw. 2–3 % Rapsöl in Futtermischungen auf Getreide/Sojaschrot-Basis (bei CCM nur 0,5 %) ist deshalb einzuhalten. In der Futterration von Milchkühen spielt der Rohfettgehalt eine besondere Rolle. Milchkühe vertragen höhere Fettmengen im Futter schlecht. Diese führen zu Störungen der Mikrobentätigkeit im Pansen und zwar insbesondere die der zellulosespaltenden Bakterien. Die Folge ist ein Rückgang der Futteraufnahme und eine Senkung der Milchinhaltsstoffe, insbesondere des Fettgehaltes. Aus diesen Gründen ist eine Begrenzung des Rohfettgehaltes auf 4–5 % in der Trockenmasse der Gesamtration notwendig, das sind 800– 1000 g je Kuh und Tag. Allerdings wird auch die Beschaffenheit des Milchfettes von dem in den Futtermitteln enthaltenen Fett beeinflusst, wie bereits im Abschnitt 2.3.2 erläutert wurde. Enthält die Futterration einen höheren Anteil an Maissilage, Heu, Getreide–Ganzpflanzensilage und/oder Kraftfutter mit hohen Anteilen Kokosund Palmkernkuchen, dann wird die Butter härter und bröckelig. In der folgenden Tabelle 14 ist der Einfluss einiger Futtermittel auf die Beschaffenheit der Butter aufgeführt. Gras- und Kleesilagen bewirken eine mittlere Streichfähigkeit. Winterbutter ist in der Regel härter als Sommerbutter. Durch Einfrosten von Sommerrahm, der dem Winterrahm zugesetzt wird, oder durch neue Butterungsverfahren wurde bisher versucht, diese Nachteile auszugleichen. Trotz optimierter Techniken haben
Tab. 14 Einfluss des Futters auf die Streichfähigkeit der Butter günstig
nachteilig
Weidegras
rohfaserreiches Heu, Stroh
Grünfutter
Maissilage
Treber
Getreide – Ganzpflanzensilage
Sojabohnen
Kokoskuchen
Rapssaat
Palmkernkuchen
Sonnenblumensaat
Roggenschrot
Leinsaat
Weizenschrot
Körnermais
Bohnenschrot
Molkereien jedoch zunehmend Schwierigkeiten, auch im Winter jederzeit eine gute Streichfähigkeit der Butter sicherzustellen. In einigen Regionen Deutschlands wird deshalb eine gezielte Zufütterung von Fetten mit hohen Anteilen an langkettigen, ungesättigten Fettsäuren (150–400 g ungesättigte Fettsäuren – bevorzugt Ölsäure – je Tier und Tag, z. B. über Rapssaat oder Rapskuchen) an die Milchkühe von den Molkereien besonders honoriert. Ein in den letzten Jahren entwickeltes Messverfahren (Penetrationsmessung) ermöglicht eine preiswerte und schnelle Routinebestimmung der Butterungseigenschaften in der Anlieferungsmilch und somit eine Einbeziehung dieses Kriteriums in die Bezahlung. Geschützte Fette | Insbesondere auch um die Energieversorgung hochleistender Kühe zu verbessern, hat man immer wieder nach Möglichkeiten des zusätzlichen Fetteinsatzes in der Fütterung gesucht. Die normal zusammengesetzten Futterfette werden im Pansen in ihre Bestandteile Glyzerin und Fettsäuren gespalten; letztere behindern die Tätigkeit und das Wachstum der Pansenmikroorganismen, insbesondere der zellulosespaltenden Bakterien. Dadurch werden die Rohfaserverdaulichkeit und somit die Futteraufnahme und der Milchfettgehalt negativ beeinflusst. Will man dennoch Futterfette in größerem Umfang bei Milchkühen einsetzen, muss man diese vor dem Abbau im Pansen schützen.
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In vollfetten Ölsamen wie Sojabohne oder Raps, aber auch Ölkuchen (insbesondere aus Raps) ist das Fett durch die pflanzliche Zellwand eingeschlossen und wird nur sehr langsam freigesetzt. Diese zellgebundenen Fette sind von Natur aus geschützt. Durch Verseifung (Calciumseifen), Härtung („kristalline“ Fette) oder Umhüllung mit geschütztem Eiweiß (vgl. 5.1.2.4) werden verschiedene Formen von pansenstabilen Fetten für Futterzwecke hergestellt. Solche Fette können in der Größenordnung von 0,4–1,0 kg je Kuh und Tag eingesetzt werden. In Versuchen wurde ein Anstieg der täglichen Milchleistung, ein höherer Milchfett- und ein geringerer Milcheiweißgehalt festgestellt. Die täglich erzeugte Menge an Milcheiweiß war dabei gleich.
ernährung ist eine weitergehende stoffliche Differenzierung durch die Bestimmung des Stärkeund Zuckergehaltes hinsichtlich der Einstufung des Energiewertes eines Futtermittels notwendig. In der Wiederkäuerernährung interessiert besonders bei hohen Leistungen der Milchkühe die genauere Zusammensetzung der Kohlenhydratfraktionen (Rohfaser + N-freie Extraktstoffe). Hierfür wird besonders in den USA eine Erweiterung der Weender Analyse nach der Methode von van Soest angewendet. Dieses Verfahren wird in der Abb. 74 im Vergleich zur Weender
5.1.2.7 Rohfaser und N-freie Extraktstoffe Bei der Weender Analyse wird der in Säuren und Laugen unlösliche fett-, stickstoff- und aschefreie Rückstand der Futterprobe als Rohfaser bezeichnet. Diese enthält vor allem Zellulose und Lignin (Holzstoff) sowie andere Bauelemente der Zellwände. Diese Stoffe werden zusammengefasst als Faserstoffe, Gerüstsubstanzen oder Zellwandbestandteile bezeichnet. Ihr Anteil ist besonders hoch in Stängeln und anderen verholzten Pflanzenteilen. In der Fütterung nimmt diese Gruppe eine Sonderstellung ein. In der Wiederkäuerernährung ist die „Rohfaser“ ein unverzichtbarer Bestandteil der Futterration. Alle Tiere mit einhöhligem Magensystem können dagegen Rohfasern nicht verdauen, ein gewisser Anteil als „Ballast“ (z. B. bei Zuchtsauen) ist jedoch erwünscht. Die Rohfaserbestimmung im Rahmen der Weender Analyse hat allerdings den Nachteil, dass ein Teil der Gerüstsubstanzen beim Kochen mit verdünnter Säure und Lauge in Lösung geht und deshalb nicht mitbestimmt wird. Die Gruppe der N-freien Extraktstoffe (NfE) wird rechnerisch als Differenz zwischen organischer Substanz und Rohprotein-, Rohfett- und Rohfasergehalt ermittelt. Sie besteht überwiegend aus Stärke, Zucker, Pektinen, Hemizellulosen und anderen Kohlenhydraten wie insbesondere auch noch aus den löslichen Anteilen an Zellulose, Pentosanen und Lignin. Diese Stoffgruppe ist als Energielieferant für das Tier von besonderer Bedeutung. Insbesondere in der Schweine- und Geflügel-
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Abb. 74 Erweiterte Futteranalyse nach van Soest (nach Kirchgeßner)
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung Analyse dargestellt. Hierbei wird zwischen der nichtfaserigen Kohlenhydratfraktion (NFC) und den Gerüstsubstanzen (NDF) differenziert. Der NFC-Gehalt errechnet sich als organischer Rest nach Abzug des analysierten NDF-Gehaltes. Bei NFC handelt es sich um Zellinhaltsstoffe (insbesondere Stärke, Zucker, Pektine u. a.), während NDF die Zellwandbestandteile Hemizellulose, Zellulose und Lignin umfasst. Aus dem NDF-Anteil wird durch Kochen mit schwefelsaurer Detergenzienlösung die ADF analysiert, die Zellulose und Lignin beinhaltet. Diese erweiterte Futteranalyse bringt zwar viel mehr Informationen, ihre Anwendung in der praktischen Fütterung ist bei uns jedoch nicht ohne weiteres möglich. Die Ableitung der Verdaulichkeit der Rohnährstoffe und energetischen Kenngrößen, die über Jahrzehnte in aufwändigen Tierversuchen erarbeitet wurden, basiert auf der Rohfaserbestimmung nach der Weender Analyse. Dies trifft auch für die Charakterisierung der Strukturwirksamkeit von Rationen zu („RohfaserRegel“). Für die Maßstäbe nach der van Soest-Methode (NFC, NDF und ADF) müssen noch entsprechende Kenngrößen, die für unsere Fütterungsbedingungen zutreffen, erarbeitet werden. Zur besseren Kohlenhydratversorgung von Hochleistungskühen gewinnt auch in der Milchviehfütterung der Komplex „hochverdauliche Kohlenhydrate“, das sind insbesondere Stärke und Zucker, an Bedeutung. Hier geht es nicht nur um die Menge, sondern auch um die Abbaubarkeit und die Abbaugeschwindigkeit im Pansen. Zucker wird sehr schnell mikrobiell abgebaut. Bei der Stärke ist ähnlich wie beim Protein die Abbaubarkeit je nach Futtermittel recht unterschiedlich. Insbesondere die Maisstärke zeichnet sich durch eine geringere Abbaurate aus, so dass größere Mengen in den Dünndarm gelangen, wo sie wie bei Monogastriern enzymatisch verdaut werden. Bei den Kohlenhydraten werden in unserem Fütterungssystem deshalb heute die Kenngrößen Rohfaser – beständige Stärke – pansenverfügbare Kohlenhydrate (Zucker plus unbeständige Stärke) verwendet. Kommen wir zurück auf die Sojaextraktionsschrot-Analyse und fragen, welchen Wert die Futtermitteluntersuchung nach der Weender Analyse für den praktischen Landwirt und für
den Wissenschaftler hat. Wenn der erfahrene Landwirt das Untersuchungszeugnis über das Sojaschrot erhält, interessiert er sich besonders für den Rohproteingehalt, weil er dieses Futter an Mastschweine zur Proteinergänzung verfüttern will. Er weiß, dass es sich bei 39,6 % Rohprotein um keine gute Qualität handelt. In der DLGFutterwerttabelle wird Sojaschrot aus ungeschälter Saat mit 44,9 % angegeben. Auch fällt ihm der überhöhte Rohfasergehalt auf, der laut DLG-Tabelle bei nur 6,6 % liegt. Es ist in diesem Fall also zu vermuten, dass dem Sojaschrot rohfaserreiche, proteinarme Sojaschalen beigemischt worden sind, was den Futterwert mindert und einen normalen Preis nicht rechtfertigt.
!!! Besonders aufschlussreich sind für den praktischen Landwirt Untersuchungen von Heu, Silage und anderen wirtschaftseigenen Futtermitteln, weil die Gehalte der darin enthaltenen Nährstoffen je nach Boden, Witterung, Düngung, Schnittzeit usw. stark von den Mittelwerten der Futterwerttabellen abweichen können und diese Futtermittel in großen Mengen erzeugt und verfüttert werden. Für den Wissenschaftler ist die Weender Analyse der Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen, um die einzelnen Rohnährstoffe mit kostspieligen Methoden in ihre Unterbestandteile zu zerlegen und einen noch genaueren Einblick in die Zusammensetzung der Futtermittel zu gewinnen. Trotz einiger Mängel bleibt die Weender Analyse auch in Zukunft wegen ihrer relativ einfachen Handhabung, mäßigen Kosten, internationalen Verbreitung und guten Wiederholbarkeit ein sehr wichtiges Hilfsmittel, auf das im Übrigen unser ganzes System der Fütterungslehre aufgebaut ist.
5.1.3 Die Mineralstoffe Bei der Weender Analyse wird durch Veraschung der Futtertrockensubstanz bei 550 °C die Rohasche bestimmt. Sie enthält neben den vom Tierkörper benötigten Mineralstoffen auch Sand, der als HCl-unlösliche Asche noch gesondert ermittelt werden kann. Diese ist in der Tierernährung
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Grundlagen der Tierernährung
keinesfalls erwünscht. In manchen Futtermitteln, die je nach Werbungsverfahren mehr oder weniger stark mit Erde in Berührung kommen können, sind häufig beträchtliche, den Futterwert einschränkende Verschmutzungen enthalten (z. B. Rübenblattsilagen, aber auch Zwischenfruchtsilagen und nasse Grassilagen). Die für die bedarfsgerechte Versorgung der Tiere notwendigen Mineralstoffe werden aus der Rohasche über zusätzliche Analysemethoden bestimmt. (vgl. 2.3.4). Der natürliche (= native) Gehalt der Futtermittel an den einzelnen Mineralstoffen ist sehr unterschiedlich. Unter unseren Fütterungsbedingungen sind die Elemente Kalium, Chlor und Schwefel reichlich in den Futtermitteln vorhanden, so dass sie bei der Mineralstoffergänzung unserer Nutztiere unberücksichtigt bleiben können. In der Tabelle 15 wurden einige wichtige Futtermittel hinsichtlich ihrer Gehalte an Calcium, Phosphor und Natrium eingestuft. Tab. 15 Futtermittel mit besonders hohen oder niedrigen Mineralstoffgehalten (+ = hoch, – = niedrig, o = mittel) Futtermittel
Calcium
Phosphor
Natrium
Maissilage
–
–
–
Stroh
o
–
–
Rüben
–
–
+
Rübenblatt
+
–
+
Pressschnitzel
+
–
+
Melasseschnitzel
+
–
+
Stoppelrüben
+
+
+
Raps, Grünfutter
+
+
o
Ackerbohnen
–
+
–
Biertreber
o
+
–
Getreide
–
o
–
Kleien
–
+
–
Gras und Graskonserven
+
o
–
Rapsschrot
+
+
–
Sojaschrot
–
+
–
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Selbst innerhalb einer Pflanzenart kann der Mineralstoffgehalt sehr verschieden sein; er hängt insbesondere ab von Bodenart, Jahreswitterung, Düngung, Vegetationsstadium und Futtergewinnung. Beispielsweise kann eine starke Kalidüngung (durch Jauche oder Gülle) auf tonarmen Weideböden die Aufnahme von Magnesium und einigen anderen Mineralstoffen durch die Weidegräser behindern. Ein so herbeigeführter Mg-Mangel im Futter oder eine verschlechterte Mg-Absorption aus dem Futter (z. B. infolge von Kalium- und Proteinüberschüssen bei gleichzeitigem Rohfaser- und Strukturfuttermangel zu Beginn der Weideperiode) können bei Kühen die Weidetetanie auslösen. Sie lässt sich an unsicherem Gang, Fressunlust, Nervosität und Muskelzittern erkennen und führt in ungünstigen Fällen unter Krämpfen zum Tode. Gefährdet sind vorzugsweise ältere Kühe. Das Beispiel der Weidetetanie weist auf Erscheinungen hin, welche die ordnungsgemäße Mineralstoffversorgung der Tiere zu einer schwierigen Aufgabe machen:
!!! 1. Nicht nur ein Zuwenig, sondern auch ein Zuviel an bestimmten Mineralstoffen kann nachteilig sein. Weitere Beispiele: Über Fruchtbarkeitsstörungen beim Rind wird sowohl wegen zu knapper als auch wegen zu reichlicher P-Versorgung berichtet. Vergiftungserscheinungen sind vor allem bei einer Überdosierung von Fluor, Molybdän oder Selen bekannt geworden. Zuweilen treten auch Vergiftungen durch eine überhöhte Zufuhr von Kupfer auf, gegen die besonders Schaflämmer der Texelrasse empfindlich sind. 2. Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich nicht nur die Aufnahme (Absorption) mancher Mineralstoffe durch die Darmwand, sondern vermindert sich auch die Fähigkeit der Tiere zur Mobilisierung von Mineralstoffen aus dem Skelett. 3. Zwischen verschiedenen Mineralstoffen bestehen Wechselbeziehungen, die zuweilen zu einem ausgesprochenen Antagonismus führen, wenn das Übergewicht eines Mineralstoffes die Aufnahme oder Verwertung anderer behindert. Derartige Wechselwirkungen
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung gibt es beispielsweise zwischen Schwefel oder Molybdän und Kupfer, zwischen Calcium und Zink usw. Am besten erforscht sind sie beim Calcium und Phosphor. Die Mineralstoffversorgung kann über die mit der Futterration zugeführten und dem Bedarf der Tiere entsprechenden Mineralstoffmengen beurteilt werden. Hierfür sind einmal relativ aufwändige Untersuchungen der verschiedenen Futtermittel notwendig. Zum anderen bleibt die Verwertung der Mineralstoffe im Tierkörper unberücksichtigt. Aus diesen Gründen wird immer wieder versucht, durch bestimmte Untersuchungen am Tier Rückschlüsse auf die Versorgungssituation zu ziehen. Die im Kapitel 2.3.4 angesprochenen Regulationsmechanismen (besonders die Homöostase) lassen erkennen, dass Blutuntersuchungen wenig aussagefähig sind (Ausnahme anorganischer P). Na-Mangel kann relativ sicher über Harn- oder Speichelanalysen festgestellt werden. Zur Beurteilung der Ca-Versorgung kann die Kotwasser-Analyse herangezogen werden.
5.1.3.1 Calcium und Phosphor Nach der Kolostralperiode werden von der Kuh mit jedem Liter Milch konstant 1,25 g Ca und 1,0 g P ausgeschieden. Bei der Schlachtkörperanalyse von Rindern wurden Gehalte von 11 g Ca und 5,8 g P je kg Körpergewicht ermittelt. Das nicht im Skelett eingebaute Ca ist an mehreren, regelmäßig oder häufig ablaufenden Lebensvorgängen beteiligt (an der Aktivierung verschiedener Enzyme, an der Kontraktion von Muskeln, an der Blutgerinnung usw.). Phosphor ist der Mineralstoff, der im Tierkörper am vielfältigsten eingesetzt wird. Eine entscheidende Rolle spielt er im Energiehaushalt (s. 5.2.1).
!!! Um den laufenden Ansprüchen des intermediären Stoffwechsels an Calcium nachkommen zu können, ist der tierische Organismus bestrebt, ständig im Blutplasma eine bestimmte Menge an Ca bereitzustellen und nach Entnahmen wieder zu ergänzen, also den Ca-Blutspiegel möglichst konstant zu halten. Beispielsweise bei
Milchkühen zwischen 9 und 11 mg Ca je 100 ml Blutplasma. Diesem Ziel dient ein Regulationssystem, an dem mehrere Hormone beteiligt sind, das Calcitonin aus der Schilddrüse, das Parathormon aus den Nebenschilddrüsen und eine besonders wirksame Form des Vitamins D3. Beim Phosphor-Blutspiegel ist der Normalbereich etwas breiter, auch altersabhängig, von 7–9 mg P/100 ml Blutplasma bei Jungrindern bis zu 4–7 mg P/100 ml bei erwachsenen Kühen. Wenn der Ca-Blutspiegel zu sinken beginnt, beispielsweise bei Einsetzen der Laktation nach dem Abkalben, wird die Produktion von Parathormon in den Nebenschilddrüsen angekurbelt. Dieses Hormon gelangt dann auf dem Blutwege auch in die Nieren und aktiviert dort Vitamin D3, das auf dem Wege von den Syntheseorten in der Haut oder aus dem Futter bereits in der Leber eine Umformung erfahren hat. Dieses aktivierte D3 (1.25-Dihydroxycalciferol, abgekürzt 1,25 DHC) fördert in der Darmwand die Bereitschaft eines Ca-bindenden Proteins, um die Ca-Aufnahme aus dem Darm zu erleichtern. Außerdem mobilisiert das aktivierte D3, zusammen mit dem Parathormon, aus dem Skelett Calcium und – wegen der engen Verbindung von Ca und P im Knochen – auch Phosphor. Wird durch Ca-Überschüsse des Futters der CaBlutspiegel erhöht, sondert die Nebenschilddrüse kein Parathormon mehr ab. Stattdessen gibt nun die Schilddrüse das Calcitonin ab, das für die Einlagerung der Ca-Überschüsse im Skelett sorgt. Außerdem wird weniger Ca aus dem Darm absorbiert und mehr über den Kot ausgeschieden.
!!! Bei der Regulierung des P-Stoffwechsels gibt es Parallelen zum Ca-Stoffwechsel: Sinkende P-Blutspiegel regen ebenfalls die Aktivierung von Vitamin D3 zu 1,25 DHC und die Anreicherung dieses Wirkstoffs in der Darmwand an, wodurch die P-Absorption verbessert wird. Die Mobilisierung von P aus dem Skelett wurde schon erwähnt. Bei Pferden, Schweinen und auch bei Kälbern (mit noch nicht entwickeltem Pansen) sind die Nieren stärker an der Regulation beteiligt. Bei knapper P-Versorgung
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Grundlagen der Tierernährung wird die P-Ausscheidung gedrosselt, bei überhöhtem Blutspiegel gesteigert. Bei Wiederkäuern kann der P-Gehalt des Speichels sehr verschieden sein, was zur Regulation des P-Blutspiegels beiträgt.
Seit langem ist aus praktischen Fütterungsversuchen bekannt, dass Vitamin-D-Zulagen das Wachstum und die Mineralisierung der Knochen fördern. Wie das geschieht, ist immer noch rätselhaft und mit der oben besprochenen Mobilisierung von Ca und P aus dem Skelett durch aktiviertes Vitamin D3 schwer zu vereinbaren. Vielleicht sind beim Einbau von Ca und P in den Knochen andere Vitamin-D-Stoffwechselformen (Metabolite) beteiligt. Vom Calcitonin darf man bei dieser Aufgabe nicht zu viel erwarten, denn dieses Hormon gleicht, wie das Parathormon, rasch kurzfristige Störungen des Ca- und P-Stoffwechsels aus, während das 1,25 DHC eine gewisse Anlaufzeit braucht und für die mittelfristige Regulation wichtig ist. Bei lange andauernder Unterversorgung mit Ca oder P bzw. mit beiden Elementen kommt es zur Knochenweiche (Rachitis bei wachsenden und Osteomalazie bei erwachsenen Tieren). Das Ca : P-Verhältnis in der Futterration ergibt sich in der Regel aus der dem Bedarf angepassten Versorgung mit diesen beiden Elementen. Wird von diesen Empfehlungen abgewichen bzw. kommen Futtermittel mit besonders hohem Gehalt an einem der beiden Mineralstoffe zum Einsatz, verengt oder erweitert sich das Verhältnis. Dies hat für die Verwertung dieser Elemente eine gewisse Bedeutung. Hierbei bestehen allerdings Unterschiede zwischen monogastrischen Tieren und Wiederkäuern. Beim Schwein gilt ein Ca : P-Verhältnis im Futter von 1,3–1,5 : 1 als optimal. Bei bedarfsgerechter absoluter Mengenversorgung in der Futterration kann ein gewisser Schwankungsbereich, der allerdings die Grenzen von 1 : 1 bis 2 : 1 nicht unter- oder überschreiten soll, toleriert werden. Ein extremes Ca : P-Verhältnis kann sich z. B. dahingehend auswirken, dass der Überschuss von einem der beiden Mineralstoffe wegen der Ausfällung von Calciumphosphaten zu Absorptionsminderungen bei dem andern Mineralstoff führt.
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Beim Wiederkäuer spielt das Ca : P-Verhältnis im Futter dagegen eine untergeordnete Rolle. Das Ca : P-Verhältnis im Darm wird hier nämlich nicht nur über die Futtergehalte, sondern insbesondere auch durch den mit dem Speichel in den Pansen zurückgeführten P beeinflusst (nach neueren Untersuchungen bei der Milchkuh täglich 50–60 g!). Hinzu kommt, dass wegen des noch niedrigen pH-Wertes im ersten Drittel des Dünndarms eine Ausfällung von Calciumphosphaten nicht zu erwarten ist. Wenn die Futterration für beide Elemente bedarfsdeckende Mengen enthält, dürfte auch bei futtermittelbedingten Calciumüberschüssen in der praktischen Fütterung kaum ein Verhältnis von G 3–4 : 1 überschritten werden.
!!! Besonders hohe Anforderungen an das Anpassungsvermögen der Kühe werden in den ersten Tagen nach dem Abkalben gestellt, wenn der Ca- und P-Bedarf mit der einsetzenden Laktation sprunghaft ansteigt. Bei manchen, besonders älteren Kühen fällt dann der Ca-Blutspiegel – in selteneren Fällen der P-Blutspiegel – stark ab, und es kommt zu den Erscheinungen der Gebärlähmung (auch Gebärparese, Milch- oder Kalbefieber genannt): Muskelschwäche, Benommenheit, ungleichmäßige Atmung und niedriger Puls, in schweren Fällen Festliegen und Bewusstlosigkeit. Reichliche Ca-Zufuhr während der Hochträchtigkeit kann nicht als Vorbeugungsmaßnahme angesehen werden. Im Gegenteil wird dadurch der Ausbruch dieser Stoffwechselentgleisung eher gefördert. Besonders anfällig sind Kühe, die zum Ende der Laktation und während der Trockenzeit verfettet sind. Während der letzten Wochen vor dem Abkalben sollte daher eher eine niedrige Ca-Versorgung angestrebt werden. Wichtig ist dabei eine ausreichende MgVersorgung. Nach neueren Untersuchungen spielt weniger das Calcium als vielmehr die Elektrolytenbalance in der Ration eine Rolle. Diese wird als „Kationen-Anionen-Balance im Futter“ (Dietary Cation-Anion-Balance = DCAB) in Milliäquivalent (meq) ausgedrückt. Es hat sich gezeigt, dass für die Berechnung der DCAB bei trockenstehenden Kühen die Berücksichtigung der Kationen Na und K sowie der Anionen Cl
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung und S ausreicht. Die Berechnung erfolgt nach der Gleichung: DCAB (meq/kg TM) = (435 × % Na + 256 × % K) – (282 × % Cl + 623 × % S) In die Berechnung gehen die Mineralstoffgehalte der jeweiligen Futter auf TM-Basis ein. In den letzten drei Wochen vor dem Abkalben wird eine saure Reaktion der Futterration angestrebt. Die Kationen Na und K wirken alkalisch, die Anionen Chlor und Schwefel dagegen sauer. Es muss also eine negative DCAB angestrebt werden. Für eine wirksame Milchfieberprophylaxe sollen die Werte zwischen –100 bis –150 meq/kg TM in der Gesamtration liegen. Dies ist in vielen Fällen nicht allein durch Rationsumstellung zu erreichen (Grassilage hat in der Regel sehr hohe K-Gehalte). Zusätzlich werden dann so genannte „saure Salze“ (z. B. Magnesiumsulfat, Ammoniumsulfat, Calciumsulfat, Calciumchlorid) eingesetzt, die allerdings von den Kühen nicht gerne gefressen werden. Die negative Elektrolyten-Balance hat eine milde metabolische Säuerung zur Folge, Diese regt die Nebenschilddrüse schon vor dem Abkalben zur Bildung des Parathormons an und fördert somit die Ca-Freisetzung aus dem Skelett. Außerdem wird die Ca-Absorption aus dem Darm verbessert. Die negative Kationen-Anionen-Balance darf sich allerdings ausschließlich auf die letzten drei Wochen vor dem Abkalben erstrecken, danach muss diese wiederum positiv sein, um Pansenazidose und eine damit zusammenhängende Übersäuerung des Blutes zu vermeiden.
!!! Zusätzlich können tierärztliche Maßnahmen, wie Vitamin D3-Spritzen (7–3 Tage vor dem Geburtstermin) und/oder Verabreichung spezieller Ca-Präparate um den Geburtstermin herum, dieser gefährlichen Stoffwechselstörung vorbeugen. Weil die Krankheit eine erbliche Komponente hat, sollte man Kühe, die öfter an Gebärlähmung erkranken, von der Nachzuchtgewinnung ausschließen. Auch in der Zuchtsauenfütterung kommt der Elektrolytenbalance zur Prophylaxe der MMAProbleme eine gewisse Bedeutung zu. Der An-
satzpunkt ist hier jedoch nicht die Ca-Mobilisation, sondern die Verhinderung von Harnwegsinfektionen, die insbesondere dann auftreten können, wenn die Schleimhäute der Harnblase durch Harngries-Kristalle („Kalkharnen“) gereizt und geschädigt werden. Die Erreger von Harnwegsinfektionen können sich dann viel leichter an der Harnblasenwand anheften und entzündliche Infektionen hervorrufen. Diese können nach dem Abferkeln Keimquelle für eine Gebärmutterentzündung sein und damit die MMA-Problematik hervorrufen. Zielsetzung der Elektrolytenbalance bei Sauen ist es, den Harn der Tiere anzusäuern. Während die Mineralstoffe Calcium, Magnesium, Kalium und Natrium den Harn-pH ansteigen lassen, bewirken Phosphor, Chloride und schwefelhaltige Aminiosäuren wie Methionin und Cystin eher einen sauren pH-Wert. Wirkungsvollste Maßnahme zur gezielten Beeinflussung der Elektrolytenbalance ist die Verhinderung einer Überversorgung mit den alkalisch wirkenden Mineralien Ca, Mg, K und Na. Außerdem ist es besonders wichtig, für eine ausreichende Trinkwasseraufnahme der Sauen zu sorgen (vgl. 5.1.1). Der pHWert des Harns kann relativ einfach mit entsprechenden Teststreifen bestimmt werden. Er sollte unter pH 7,0 liegen. Neben dem mengenmäßigen Gehalt an einzelnen Mineralstoffen ist deren Bindungsform für die Verwertung von Bedeutung. Viele Feldfutterpflanzen, insbesondere Rüben, enthalten Ca in der Form des wasserunlöslichen Calciumoxalates. Mit Hilfe der Pansen- und Darmbakterien wird aber im Bedarfsfall mehr als die Hälfte des vorhandenen Calciumoxalates der Futtermittel für die Wiederkäuer nutzbar gemacht. Auch die Schweine verwerten diese Ca-Form in einem gewissen Umfange. Alle Samen und Früchte, also Getreidekörner, Abfälle der Müllerei und der Ölherstellung usw., sind phosphorreich. In diesen Futtermitteln ist überwiegend Phytinphosphor enthalten, eine für Schweine und Geflügel schwer aufschließbare organische Bindungsform, deren Ausnutzung von der Mitlieferung entsprechender Enzyme (Phytasen) in den Futtermitteln und vom Ca : P-Verhältnis abhängt. Die Verwertung des P wie auch der anderen Mineralstoffe wurde bei uns bisher nicht futtermittelspezifisch, sondern bei den Versorgungs-
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Grundlagen der Tierernährung
empfehlungen pauschal – bezogen auf übliche Futterrationen – berücksichtigt. Die Rationsberechnung erfolgte mit Brutto-Phosphor (GesamtPhosphor). Wegen der Unsicherheiten bei der Verwertung des in den verschiedenen Futtermitteln vorhandenen Phosphors wurde mit entsprechend hohen Sicherheitszuschlägen gearbeitet. Der vom Schwein nicht verwertete Phosphor wird über den Kot wieder ausgeschieden und verursacht entsprechend hohe P-Gehalte in der Gülle. Dies ist aus Umweltgründen (Gefahr der Eutrophierung der Gewässer) jedoch nicht erwünscht, weshalb die P-Ausbringung auf die landwirtschaftliche Nutzfläche in der Düngeverordnung begrenzt wird. Um den Bedarf der Tiere exakter abzudecken und Überschüsse zu verringern, ist ein genaueres PBewertungssystem erforderlich. Die GfE hat 1997 hierfür den verdaulichen Phosphor (vP) eingeführt, da dieser in enger Beziehung zur P-Verwertung steht. Durch differenziertere Einstufung der Futtermittel ist mit dem neuen Bewertungssystem eine genaue, auf den Bedarf der Schweine abgestimmte Versorgung zu erreichen. In der Tab. 16 sind die nach jetzigen Kenntnisstand zu unterstellenden Verdaulichkeiten für ausgewählte Schweinefuttermittel aufgeführt. Diese Liste muss durch entsprechende Forschung weiter vervollständigt und präzisiert werden. Die Bedeutung des neuen Bewertungssystems „verdaulicher Phosphor“ geht aus folgenden Beispielen hervor: Der P-Gehalt von Körnermais beträgt 4/5 desjenigen von Weizen, der vP-Gehalt dagegen nur 1/5. Der P-Gehalt von Weizenfuttermehl ist 2,2-mal so hoch wie der von Weizen, der vP-Gehalt ist jedoch nahezu gleich groß. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Verwertung des Phytinphosphors in erster Linie vom Gehalt der Futtermittel an dem Enzym Phytase abhängig ist. Schweine und Geflügel können dieses Enzym nicht selbst produzieren. Mikrobielle Phytase steht heute als Futterzusatzstoff zur Verfügung und kann den Futtermischungen zugesetzt werden. Damit kann die Verdaulichkeit des Phosphors aus pflanzlichen Futtermitteln entscheidend verbessert werden. Man geht heute davon aus, dass mit einer entsprechenden Dosierung, die sich nach den verwendeten Futtermitteln richten muss, die Verdaulichkeit des Phosphors einheitlich auf 65 % verbessert wird.
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Tab. 16 Verdaulichkeit des Gesamt-Phosphors in ausgewählten Futtermitteln (aus DLG-Information 1/1999) Futtermittel
P-Verdaulichkeit in %
Leinsamenextraktionsschrot, Melasseschnitzel, Rüben
10
Körnermais
15
Maisfuttermehl, Maiskleberfutter
20
Hafer, Weizenkleberfutter
25
Kleien, Weizenfuttermehl, Rabsextraktionsschrot
30
Ackerbohnen, Sojabohnen, Sojaextraktionsschrot
35
Rapssaat
40
Erbsen, Gerste
45
CCM, Grünmehle, Kartoffeln, 50 Lupinen, Roggen, Triticale, Bierhefe Weizen
65
Kartoffeleiweiß, Dicalciumphosphat
70
Fleischknochenmehl, Molkeprodukte, Mono-Dicalciumphosphat
80
Fischmehl
85
Milch, Monocalciumphosphat
90
Mononatriumphosphat, Orthophosphorsäure
95
Auch die Versorgungsempfehlungen auf der Basis vP liegen vor, so dass dieses neue Bewertungssystem in der Praxis angewendet werden kann. Ein Handikap besteht noch darin, dass bei Mischfuttermitteln vom Gesetzgeber nach wie vor die Deklaration des Bruttophosphorgehaltes gefordert wird. Bei Anwendung des Systems „verdaulicher Phosphor“ muss auch die Calciumversorgung neu eingestellt werden. Die GfE gibt hierzu an, dass das Verhältnis Ca : vP im Bereich von 2,5 : 1 bis 3 : 1 liegen soll.
5.1.3.2 Kalium, Natrium und Chlor An den Membranen tierischer Zellen werden unter Energieaufwand mit Hilfe so genannter Io-
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung nenpumpen K- und Na-Ionen so verteilt, dass sich innerhalb der Zellen vorwiegend K-Ionen und außerhalb der Zellen in der Körperflüssigkeit hauptsächlich Na-Ionen aufhalten. Durch diese Konzentrationsunterschiede zwischen draußen und drinnen und durch den Antagonismus von Kalium und Natrium werden an den Zellwänden elektrische Potenziale aufgebaut, die bei Erregungsvorgängen vorübergehend umgepolt werden. Hierdurch wird eine rasche Weiterleitung von Erregungen aus den Augen und anderen Sinnesorganen in das Gehirn und das Rückenmark sowie umgekehrt eine rasche Weiterleitung der Befehle vom zentralen Nervensystem in die Muskelfasern erreicht. Die Anreicherung des Natriums in Lymphe und Blutserum bewirkt auch, dass Na und das ihm folgende Chlor in diesen Körperflüssigkeiten die mengenmäßig am stärksten vertretenen mineralischen Elemente darstellen. Sie sind von besonderer Bedeutung für den Wasserhaushalt des Körpers, für die Aufrechterhaltung des osmotischen Druckes und für die Stabilhaltung des pHWertes. Na ist auch als Transporthelfer bei der Absorption von Glucose, Aminosäuren und P aus dem Dünndarm beteiligt. Natrium- und in geringem Maße auch Kaliumbikarbonat im Speichel sorgen für dessen alkalische Reaktion (einen hohen pH-Wert). Bei Wiederkäuern werden z. B. große Mengen an Speichel gebildet. Die damit in den Pansen gelangenden Bikarbonate neutralisieren die dort entstehenden Säuren, eine für die Bakterienaktivität wichtige Voraussetzung. Im Magen einhöhliger Tiere bzw. im Labmagen der Wiederkäuer ist Chlor Bestandteil des sauren Magensaftes. Kalium ist in allen pflanzlichen Futtermitteln reichlich enthalten. Mangelerscheinungen sind nicht zu befürchten, eher gesundheitliche Nachteile durch ein Zuviel (Durchfälle, Krämpfe, Störungen der Herzleistungen). Auf negative Auswirkungen eines Kaliumüberschusses wurde bereits bei der Weidetetanie und der Gebärparese der Milchkühe hingewiesen. Dagegen sind mit Ausnahme der Futtermittel tierischer Herkunft und der Rüben fast alle Futtermittel natriumarm. Deshalb gehen die meisten Tiere sparsam mit Natrium im Körper um. Aber die Na-Ausscheidung über die Milch bleibt auch bei Na-armer Ernährung gleich. Mit jedem Liter Milch wird ein
halbes Gramm Na ausgeschieden. Na-Mangel ist auch mit eine Ursache für Fruchtbarkeitsstörungen. Deshalb muss man Milchkühe während des ganzen Jahres, vor allem auch während des sommerlichen Weideganges, mit Natriumchlorid (Viehsalz) versorgen, beispielsweise mit Hilfe von Lecksteinen. Durch die Beigabe von Viehsalz beim Einsilieren von Gras lässt sich die Futteraufnahme der Grassilage verbessern. Bei Wiederkäuern kann über die Futtermittel eine deutliche Kalium-Überversorgung, die über eine erhöhte Harnausscheidung reguliert wird, auftreten. Dies führt nicht, wie früher häufig angenommen wurde, zwangsläufig auch zu einer erhöhten Ausscheidung von Natrium. Es besteht deshalb keine Notwendigkeit, in diesem Fall mit einer über den Bedarf hinausgehenden Na-Versorgung zu reagieren. Seitdem in Schweinerationen kaum noch Fischmehl zugemischt wird, muss auch bei Schweinen mehr auf die Na-Versorgung geachtet werden. Werden jedoch stark gesalzene Fischmehle, Küchenabfälle aus Restaurants oder Molke in größerem Umfang zugefüttert, kann die Na-Zufuhr für die Schweine zu hoch werden. In solchen Fällen muss eine zusätzliche Na-Versorgung (z. B. über Mineralfutter) unbedingt vermieden werden (es gibt hierfür Spezialmineralfutter ohne Na). Außerdem muss für eine reichliche Wasseraufnahme (am besten Selbsttränken) gesorgt werden, damit die Tiere die Na-Überschüsse über die Nieren ausspülen können.
5.1.3.3 Magnesium Dieses Element ist im Tierkörper an zahlreichen enzymatischen Reaktionen beteiligt, beispielsweise an der Übertragung von Phosphatgruppen im Energiehaushalt der Zellen, ferner an der Biosynthese von DNS und RNS. Bei der Peptidsynthese an den Ribosomen wirkt es mit, auch an der Erregungsübertragung zwischen Nerv und Muskel. Im Gegensatz zu Ca und P können beim Mg die im Skelett deponierten Mengen kaum, außer bei sehr jungen Tieren, zur Überbrückung vorübergehender Engpässe in der Mg-Versorgung mobilisiert werden. Auf die Behinderung der Mg-Absorption durch K-Überschüsse und durch ein unausgeglichenes Eiweiß-Energie-Verhältnis
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Grundlagen der Tierernährung
wurde schon hingewiesen. Nach Abb. 7 wird von allen Mengenelementen das Magnesium aus dem Futter am schlechtesten ausgenutzt. Diese Faktoren führen dazu, dass das Grobfutter der Wiederkäuer nicht immer deren Mg-Ansprüche deckt, obwohl Magnesium der entscheidende Baustein des Chlorophylls und damit in allen grünen Pflanzenteilen enthalten ist. (Das Chlorophyll-Molekül ist so ähnlich aufgebaut wie das Hämoglobin. Während hier das Eisen eine zentrale Stellung einnimmt, ist es dort das Mg.) Besonders zu Beginn des Weideganges ist für Milchkühe eine erhöhte Magnesium-Ergänzung des Futters notwendig, da in dieser Phase die Verwertung des Magnesiums aus dem Weidegras häufig verringert ist. Spezielle, in dieser Zeitspanne einzusetzende Mineralfutter zur TetanieProphylaxe enthalten ca. 12 % Mg, während normalerweise die Mineralfutter ca. 2–3 % Mg enthalten. Bei Schweinen und Geflügel decken die üblichen Futtermittel im Allgemeinen den MgBedarf.
herumwühlen, wobei sie ihren Eisenbedarf decken können. Besonders verhängnisvoll ist der Eisenmangel der Muttermilch für Saugferkel, die durch den Zuchtfortschritt auf rasches Wachstum programmiert sind. Deshalb muss während der ersten Lebenstage ein Ausgleich geschaffen werden. Es gibt Eisenpräparate, die als Spritze verabreicht werden. Das ist die sicherste Methode. Bei dem meist billigeren Verfahren der Verfütterung von Eisenpräparaten muss sichergestellt sein, dass die Ferkel rasch eine genügende Menge aufnehmen (Eisenfumarat u. ähnl.). Mastkälber werden vielfach absichtlich Fe-arm ernährt, um dem Verbraucherwunsch nach „weißem“ Fleisch zu entsprechen. Um diese Methode nicht in eine Eisen-Mangelernährung ausufern zu lassen, fordert der Gesetzgeber in Milchaustauschern für Kälber bis zu einem Gewicht von 70 kg mindestens 30 mg Fe, bezogen auf 88 % Trockensubstanz.
5.1.3.4 Schwefel
Es eröffnet die Reihe der Spurenelemente, die in sehr kleinen Mengen benötigt werden und die bei einer Überdosierung gefährlich werden können. Cu ist an der Bildung der roten Blutkörperchen beteiligt und stellt das Co-Ferment verschiedener Enzyme. Cu-Mangel äußert sich als Blutarmut – trotz ausreichender Eisenversorgung –, durch unterschiedliche Färbung und Entwicklung der Haare, durch einen unsicheren Gang der Hintergliedmaßen und durch Fruchtbarkeitsstörungen. Die Kupfergehalte in den wirtschaftseigenen Futtermitteln reichen für die Versorgung nicht aus, eine Ergänzung insbesondere über Mineralfutter ist deshalb erforderlich, wenn nicht – wie z. B. bei Schweinen möglich – Alleinfuttermittel eingesetzt werden. Bei wachsenden Schweinen war es allgemein üblich, Kupfer (und auch Zink) über den ernährungsphysiologischen Bedarf hinaus in höheren Dosierungen zu verabreichen, da hiermit eine wachstumsfördernde und insbesondere bei Ferkeln auch eine durchfallhemmende Wirkung erzielt wird. Diese zugeführten Mengen, die weit über den Bedarf der Tiere hinausgehen, werden weitgehend wieder ausgeschieden und finden sich in dem Exkrementen, also beim Schwein
Er ist Bestandteil der Aminosäuren Methionin und Cystin und deshalb in zahlreichen Eiweißverbindungen des Tierkörpers enthalten, besonders in Haaren, Federn, Hufen und Klauen. Wenn das Futter genügend Eiweiß liefert, wird über die darin enthaltenen schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin + Cystein im Allgemeinen auch die notwendige Schwefelzufuhr sichergestellt.
5.1.3.5 Eisen Dieses kommt in den Farbstoffen des Blutes (Hämoglobin) und der Muskeln (Myoglobin) vor und ist für die Sauerstoffübertragung unentbehrlich. Außerdem ist Eisen das Co-Ferment mehrerer Enzyme. Fast alle Futtermittel mit Ausnahme der Muttermilch enthalten genügend Eisen. Deshalb sind Eisenmangelzustände (eine Spielart der Anämie) bei älteren oder erwachsenen Tieren kaum zu beobachten. Der Eisenmangel der Muttermilch wirkt sich bei Wildtieren nicht nachteilig aus, weil die Jungen langsamer wachsen als die von Haustieren und weil sie schon nach wenigen Tagen an den Grasspitzen herumknabbern oder – wie die Frischlinge der Wildscheine – im Boden
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5.1.3.6 Kupfer
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung überwiegend in der Gülle, wieder. So enthält Schweinegülle im Vergleich zu Rindergülle etwa die 6,9fache Menge an Kupfer und 3,2fache Menge an Zink. Letztendlich reichern sich diese Schwermetalle über die organische Düngung im Boden an. Da Kupfer jedoch auch in der Leber gespeichert wird, hat der Gesetzgeber schon vor längerer Zeit die zulässigen Höchstgehalte im Mastschweinefutter gesenkt. Die Anreicherung dieser Schwermetalle in den Böden wird vom Gesetzgeber als aktuelles Problem angesehen. Um negativen Auswirkungen auf die Umwelt – hier insbesondere den Boden – vorzubeugen, wurden die bisher zulässigen Höchstgehalte für Cu (und auch für Zn) mit der EU-Verordnung Nr. 1334/03 ab Januar 2004 nochmals erheblich abgesenkt. Alleinfutter für Ferkel bis zur 12. Woche dürfen max. 170 mg/kg, für Zuchtsauen und Mastschweine nur noch max. 25 mg/ kg Alleinfutter enthalten, die nativen Gehalte eingerechnet. Für Kälber und auch – wie bereits erwähnt – bei Schafen beträgt der zulässige Höchstgehalt 15 mg/kg Alleinfutter, für Milchkühe, Jungrinder und Mastbullen 35 mg. Damit liegen die zulässigen Höchstgehalte immer noch über dem ernährungsphysiologischen Bedarf, der bei Schweinen mit 5 mg/kg TM und bei Rindern mit 8 mg/kg TM angegeben wird. Mit diesen gesetzlichen Regelungen soll eine deutliche Absenkung der Cu-Gehalte in der Gülle erreicht werden. Z. Zt. gilt noch der in der Abfall- und Klärschlammverordnung festgelegte Höchstgehalt von 800 mg Kupfer je kg Gülletrockenmasse. Es ist damit zu rechnen, dass in einer geplanten Bioabfallverordnung ein erheblich niedrigerer Wert angestrebt wird.
5.1.3.7 Weitere Spurenelemente Kobalt | Es ist Bestandteil des Vitamin B12 und muss auch im Futter der Wiederkäuer enthalten sein, damit die Pansen- und Dickdarmbakterien dieses Vitamin aufbauen können. Die dafür benötigten Mengen sind sehr klein, der Bedarf wird mit 0,1 mg je kg TM angegeben. In den für die Rinderfütterung gebräuchlichen Futtermitteln reicht der native Kobaltgehalt häufig nicht aus. Eine Ergänzung über das Mineralfutter, das bei Tagesgaben von 100 g je Tier 10 mg Co/kg enthalten sollte, ist deshalb notwendig. Den Schweinen
und dem Geflügel muss das Vitamin B12 direkt gegeben werden. Eine zusätzliche Kobaltgabe ist hier nicht nötig. Mangan | Es ist notwendig für die Mineralisierung des Skeletts sowie für die Entwicklung und Funktion der Geschlechtsorgane. Infolgedessen treten bei Mn-Mangel Auftreibungen und Krümmungen an Gliedmaßenknochen bzw. verzögerte Geschlechtsreife oder schwache Brunst auf. Für alle Ferkelfutter und sämtliche Geflügelmischfutter nach Normtyp ist Mangan Pflichtbestandteil. In der Rinderfütterung sind besonders alle Mais-Futtermittel als Mn-arm einzustufen. Mineralfutter für Rinder sollte deshalb 1000 mg Mn/kg enthalten. Zink | Es wird für das Wirksamwerden vieler Enzyme benötigt und ist Bestandteil des Hormons Insulin. Ihm kommt eine große Bedeutung bei der Zellbildung und Wundheilung zu. Zinkmangel ist als Parakeratose vor allem von Schweinen und Rindern bei hohem Getreideanteil in den Rationen bekannt. Dabei entzünden sich die Schleimhäute in Nase und Maul. Es beginnen auch auf der übrigen Haut Verhornungsprozesse, beim Rind vorzugsweise am Euter. Eine Optimierung der Zn-Versorgung – insbesondere über die besser absorbierbaren organischen Zinkverbindungen (z. B. Zn-Methionin) – soll positive Auswirkungen hinsichtlich der Verringerung der somatischen Zellzahlen sowie der Klauenqualität bei Milchkühen haben. Wegen der Behinderung der Zn-Absorption durch Überschüsse von Ca, Mg oder P steigt in solchen Fällen der ZnBedarf an. Wie bei Kupfer traf auch bei Zink die Situation zu, dass dieses Spurenelement in sehr hohen Dosierungen eingesetzt wurde, um evtl. Sondereffekte, z. B. hinsichtlich Durchfallprophylaxe bei Ferkeln oder bei Milchkühen zur Mastitisprophylaxe und zur Verbesserung der Klauenqualität zu erreichen. Auch dieses Schwermetall reichert sich über die Gülle im Boden an, weshalb mit der bereits genannten EU-Verordnung auch die zulässigen Höchstgehalte für Zink seit Januar 2004 generell für alle Tierarten auf 150 mg/kg Alleinfutter (Ausnahme Milchaustauschfuttermittel mit 200 mg/kg) festgesetzt wurden. Auch hier liegt der ernährungsphysiologisch begründete
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Bedarf mit 20–50 mg/kg TM erheblich niedriger. Da die nativen Zinkgehalte in den Futtermitteln für die Bedarfdeckung nicht ausreichen, müssen die Allein- und Ergänzungsfuttermittel entsprechend auch mit Zink ausgestattet sein. Die Abfall- und Klärschlammverordnung schreibt für Zink Höchstgehalte von 2 000 bzw. 2 500 mg je kg Gülletrockenmasse vor. Wie bei Kupfer werden auch hier niedrigere Grenzwerte angestrebt. Bei Zink ist allerdings zu beachten, dass die Einträge in die Gülle nicht allein über das Futter kommen. Besonders über Tierarzneimittel, aber auch über Einstreu, verzinkte Stalleinrichtungen kann dieses Schwermetall in die Gülle gelangen. Selen | Selen ist Bestandteil des antioxidativen Enzyms Glutathionperoxidase. Selenmangel äußert sich hauptsächlich als Leber- oder Muskelschwund (Dystrophie). Auch bestimmte Formen von „Weißfleischigkeit“ bei Kälbern werden auf Se-Defizite zurückgeführt. Ein Mangel erhöht u. a. bei Milchkühen das Risiko von Euterentzündungen (erhöhte Zellzahlgehalte in der Milch). Eine ausreichende Selenversorgung führt zu SeKonzentrationen im Blut von G 0,7 mg/l. Da alle pflanzlichen Futtermittel bei uns relativ arm an Selen sind, ist eine entsprechende Se-Ergänzung der Futterration in jedem Fall erforderlich. Die wirksame und die toxische Dosis liegen bei Selen allerdings relativ nahe beieinander. Zur Bedarfsdeckung sollten etwa 0,15–0,25 mg Se in der Futter-TM enthalten sein. Der futtermittelrechtlich zulässige Höchstgehalt darf 0,5 mg/kg lufttrockenes Futter (88 % TM) betragen. Die Selenversorgung ist auch im Zusammenhang mit einer ausreichenden Vitamin-E-Versorgung zu sehen. Jod | Es ist ein unentbehrlicher Bestandteil des Hormons Thyroxin aus der Schilddrüse. Jodmangel macht sich in erster Linie durch eine Vergrößerung der Schilddrüse (Kropfbildung) bemerkbar. Dies ist besonders bei Kälbern und Lämmern zu beobachten, während bei Ferkeln Hautverdickungen und Haarausfall auftreten. Jodmangel führt auch zu Beeinträchtigungen des Wachstums (frühzeitiger Fettansatz) und der Entwicklung der Geschlechtsorgane. Der Jodgehalt in wirtschaftseigenen Futtermitteln schwankt sehr. Da Jod vor allem im Meerwasser vorkommt, sind Futtermittel in Küstenregionen jodreicher als
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solche aus dem Binnen- und Bergland. Um Mängeln vorzubeugen, sollten die Futtermischungen bzw. Futterrationen mit Jod ergänzt werden. Molybdän, Chrom, Nickel, Silicium, Vanadium, Zinn | Diese Elemente gelten ebenfalls als essenziell, weil sie im Tierkörper für ganz bestimmte Reaktionen, vor allem als Aktivator oder Bestandteil von Enzymen, gebraucht werden. In der Liste der zugelassenen Zusatzstoffe der futtermittelrechtlichen Vorschriften sind nur Molybdän-Verbindungen für Rinder und Schafe aufgeführt. Daraus kann man ableiten, dass es bei den anderen Elementen dieser Gruppe kaum zu Defiziten kommt.
5.1.4 Vitamine Jahrtausendelang wurden Seefahrer vom Zahnausfall und schlimmeren Erscheinungen des Skorbuts heimgesucht, bis man herausfand, dass Zwiebeln oder Zitronen, zur üblichen Getreideund Fleischkost gereicht, diese Krankheit zu heilen vermochten. Und es dauerte noch einmal Jahrhunderte, bis vor einigen Jahrzehnten die heilende Wundersubstanz in den Zitronen entdeckt wurde: Das Vitamin C (= Ascorbinsäure). Inzwischen kennt man etwa zwei Dutzend Stoffe, die sich trotz unterschiedlicher chemischer Strukturen darin gleichen, dass sie lebensnotwendig sind (vgl. 2.3.6) und dass sie von den Tieren aus dem Darmkanal aufgenommen werden müssen. Sie können also in der Regel von den Zellen und Geweben des Tierkörpers nicht synthetisiert werden. Zu den Ausnahmen von dieser Regel gehört das schon erwähnte Vitamin C. Es kann von den meisten Tieren selbst aufgebaut werden, und zwar bei den Haussäugetieren in der Leber, bei den Vögeln in der Niere. Nur den Menschen, Affen und einigen anderen Tieren fehlen für diese Synthese Enzyme, und für die hat die Ascorbinsäure Vitamincharakter. Manchmal reicht auch bei den Haustieren die Eigensynthese von Ascorbinsäure nicht aus, besonders in sehr trockenen Jahren.
5.1.4.1 Fettlösliche Vitamine Vitamin A | Dieses Vitamin ist am Sehvorgang beteiligt, vor allem während der Dämmerung
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung und nachts. Ferner fördert dieses Vitamin das Jugendwachstum, wobei besonders das Knochenwachstum beeinflusst wird. Eine weitere wichtige Aufgabe dieses Vitamins besteht darin, die Haut leistungsfähig zu erhalten (deshalb auch die Bezeichnung „Epithelschutzvitamin“). Das gilt vor allem für die inneren, schleimabsondernden Häute, die bei Vitamin-A-Mangel austrocknen und dann das Eindringen von Krankheitserregern nicht mehr verhindern können. Diesem Tatbestand ist es zuzuschreiben, dass Spätwinterferkel besonders unter Ferkelpneumonie zu leiden haben, denn in dieser Jahreszeit sind bei den meisten Sauen die Reserven an diesem Vitamin verbraucht. Aus dem gleichen Grunde gibt es dann auch mehr Frühaborte (embryonaler Fruchttod) oder Totgeburten; denn die vom AMangel ausgelösten Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut stören die Ernährung der Frucht, wenn sie nicht schon vorher die Befruchtung unterbinden. Auch Nachgeburtsverhaltung, schlechte Spermaqualität und andere Beeinträchtigungen der Geschlechtsfunktionen sind zum Teil auf die vom Vitamin-A-Mangel ausgelösten Veränderungen der Schleimhäute zurückzuführen. Das Vitamin A kommt im Pflanzenreich nicht vor. Die Tiere bauen es auf aus Vorstufen, die chemisch zur Gruppe der Carotine gehören und die reichlich in allen grünen Pflanzenteilen enthalten sind. Deshalb bestehen bei den Wiederkäuern während des Weideganges oder auch während der Grünfütterung im Stall keine Versorgungsschwierigkeiten. Aber bei der Futterkonservierung werden unter dem Einfluss von Licht, Wärme und Luftsauerstoff die Carotine abgebaut. Der Umfang der Carotinzerstörung nimmt in folgender Reihenfolge zu: Grüntrocknung – Frischsilage – Anwelksilage – Heu. Der Carotinabbau geht nach der Einlagerung weiter. Deshalb hat Heu im Frühjahr kaum noch Carotin. Im Silobehälter wird der Carotinabbau gebremst; er setzt erneut ein nach dem Öffnen des Silos zur Futterentnahme.
!!! Bei den meisten natürlichen Futtermitteln stellt das ß-Carotin den nach Menge und Wirksamkeit wichtigsten Vertreter dieser Stoffgruppe. Bei der Umwandlung der Carotine in das Vita-
min A in der Darmwand und Leber ist das ß-Carotin am ergiebigsten. Nach neueren Untersuchungen wird dem ß-Carotin im Brunstgeschehen eine eigene Bedeutung zuerkannt. An ß-Carotin arm ernährten Färsen wurden trotz ausreichender Vitamin-A-Versorgung vermehrt Entartungserscheinungen an den Eierstöcken beobachtet und ungünstige Besamungsergebnisse registriert. Die Frage des Umwandlungserfolgs des Carotins in Vitamin A, der u. a. von der P-, Eiweiß- und Vitamin-E-Zufuhr beeinflusst wird, ist auch von praktischer Bedeutung. Während der Grünfutterzeit des Sommers lagern die Wiederkäuer Vitamin-A-Speicher in der Leber ein, die sich – je nach der Länge der Grünfütterungsperiode – vor oder nach Weihnachten erschöpfen. Im restlichen Teil des Winters entwickelt sich in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Ration ein mehr oder weniger großes Vitamin-A-Defizit, das durch vitaminierte Mineralfutter ausgeglichen werden muss. Diese enthalten Vitamin A, das nach internationalen Einheiten (I.E.) gemessen wird, während das in den pflanzlichen Futtermitteln enthaltene Carotin nach Gewichtseinheiten bestimmt wird. 1 mg Carotin entspricht beim Rind 200 bis 500 I.E. Vitamin A, im Mittel etwa 400 I.E.
? Dazu eine Aufgabe für Leser, die keine Scheu vor kniffligen Berechnungen haben: Reichen die Carotin-Mengen im Grobfutter und die Vitaminierung des Mineralfutters der nachstehenden Winterration aus, um den Vitamin-A-Bedarf von Milchkühen zu decken? (Dieser beträgt je nach Leistung zwischen 100 und 200 I.E. Vit. A bzw. Carotin-Äquivalente je kg Lebendgewicht.) 3 kg Heu mit 3 mg Carotin/kg 20 kg Grassilage mit 20 mg Carotin/kg + je nach Leistung 3–8 kg Milchleistungsfutter (nur Spuren von Carotin) + 100 g Mineralfutter, vitaminisiert (mit 500 000 I.E. Vitamin A/kg).
Ein Teil des Futtercarotins geht direkt in die Leber oder in die tierischen Produkte über. Das
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kann man am Milchfett (Butter) oder im Dotter von Hühnereiern auch sehen. Denn die Carotine sind gleichzeitig auch Farbstoffe. Der verminderte Carotingehalt von Futterkonserven ist der wichtigste Grund für die blasse Farbe der Winterbutter im Vergleich zur Weidebutter. Ebenso wie von den Eiererzeugern durch Fütterungsmaßnahmen (Paprika, Platamais usw.) die Eidotterfarbe gepflegt wird, kann es bei steigenden Verbraucheransprüchen und zunehmendem Wettbewerb auf den Märkten für Milchprodukte auch für die Milcherzeugung notwendig werden, der Farbe der Butter und anderer Milcherzeugnisse mehr Aufmerksamkeit zu schenken und damit gleichzeitig den Vitamin-A-Gehalt dieser Produkte zu verbessern. Das kann durch Fütterungsmaßnahmen und durch Einfrieren von Rahm während der Weidezeit (zur Beimischung in die Winterbutter) geschehen. Bei den Schweinen, in deren Rationen das Grünfutter nur einen bescheidenen Anteil einnimmt, muss Vitamin A über die entsprechenden Mischfuttertypen ergänzt werden. Da sich Vitamin A in der Leber anreichert, hat der Gesetzgeber für alle Masttiere einen Höchstgehalt an Vitamin A festgelegt (13 500 I.E. je kg lufttrockenes Futter mit 88 % TM). Damit soll verhindert werden, dass beim Verzehr der Leber von Schlachttieren eventuelle gesundheitliche Schäden auftreten können. Unabhängig vom Vitamin A wirkt ß-Carotin fördernd auf die Funktionsfähigkeit der Ovarien und auf die Fruchtbarkeit. Es findet eine Anreicherung des ß-Carotins in den Tertiärfollikeln und in den Gelbkörpern statt; die Progesteronsynthese wird gefördert. Eine tägliche Zufütterung von 150–300 mg ß-Carotin in dem Zeitraum zwei bis drei Wochen vor der Geburt bis zur erfolgreichen Besamung (9. Trächtigkeitswoche) soll sich positiv auf die Fruchtbarkeit (Besamungserfolg, Wurfgröße beim Schwein) auswirken.
? Wer die oben gestellte Aufgabe richtig gerechnet hat, wird zu dem Ergebnis gekommen sein, dass diese Ration – mit einer Vitamin-A-Wirksamkeit von rund 214 000 I.E. (aus Vit. A und Carotin zusammen) – den entsprechenden Bedarf von Milchkühen auch bei höheren Leistungen reichlich deckt. Wird dagegen Maissilage
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eingesetzt, die nur 3 mg Carotin/kg enthält, ergibt sich eine wesentlich knappere Versorgungssituation.
Vitamin-D | Es regelt den Stoffwechsel von Calcium und Phosphor, indem es sowohl die Absorption aus dem Darm fördert, als auch die Ausscheidung über die Niere reguliert. Es fördert das Wachstum, insbesondere die Entwicklung des Skeletts, indem die Einlagerung von Ca und P gesteuert wird. Vitamin D ist auch daran beteiligt, die Austauschrate dieser Mineralstoffe im Skelett zu verbessern. Vitamin-D-Mangel äußert sich ähnlich wie Caoder P-Mangel, nämlich bei wachsenden Tieren als Knochenweiche (Rachitis), die zur Verformung der Gliedmaßen und zu steifem Gang führt. Bei erwachsenen Tieren kann ein Mangel – insbesondere bei Milchkühen mit hoher Leistung – zur Osteomalazie führen, die darauf beruht, dass den Knochen zu viel Calcium entzogen wird und dadurch die Stabilität abnimmt. Auch Schwierigkeiten beim Kükenschlupf und dünnschalige Eier können durch Vitamin-D-Mangel verursacht sein.
!!! Die Versorgung mit Vitamin D kann über 2 Vorstufen erfolgen, über das Ergosterin aus grünen Pflanzen oder über das Dehydrocholesterin in der Haut der Tiere. Beide Vorstufen werden durch die ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes aktiviert. Ergosterin wird in Vitamin D2 und Dehydrocholesterin in Vitamin D3 überführt. Das geschieht allerdings nur im Sommer; denn im Winter erreichen die kurzwelligen (ultravioletten) Strahlen bei niedrigem Sonnenstand nicht mehr die Erdoberfläche. Im Winter kann auch durch Auslauf oder Offenstallhaltung keine eigene Vitamin-D3-Bildung bei den Tieren erreicht werden. Deshalb sind Wintermilch und Wintereier relativ arm an Vitamin D. Die Vitamin-D2-Bildung aus Ergosterin erfolgt in der Hauptsache erst nach dem Schnitt der grünen Pflanzen und zwar umso intensiver, je später geschnitten wird und je länger der Trock-
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung nungsprozess dauert. Eine derartige Heuqualität ist aber wegen der fortgeschrittenen Verholzung, wegen des damit verbundenen geringen Nährwertes und wegen der weitgehenden Carotinzerstörung unerwünscht. Deshalb ist in einem fortschrittlichen Betrieb die Vitamin-D-Versorgung aus dem wirtschaftseigenen Futter im Winter praktisch ohne Bedeutung. Da außerdem das Speichervermögen des Tierkörpers für die beiden D-Vitamine relativ beschränkt ist – und überdies bei wichtigen tierischen Leistungen, vor allem bei der Milch- und Eierproduktion, das D2 weniger wirksam ist als das D3 – wird im Allgemeinen eine geregelte D3-Zufuhr über vitaminierte Mineralfutter angestrebt, bei Tieren ohne Auslauf auch im Sommer. Das Futtermittelgesetz gibt im Rahmen der Normtypen für zahlreiche Misch- und Mineralfutter Mindestgehalte an Vitamin D3 vor, in den Richtlinien über Zusatzstoffe aber auch Höchstgehalte. Denn es hat sich gezeigt, dass es bei krasser Überdosierung von Vitamin D zu unerwünschten Kalkablagerungen in den Nieren, in Blutgefäßen und Gelenken kommen kann.
!!! Vitamin E (Tocopherol) Dieses hat im Tierkörper wesentlich mehr Aufgaben, als aus seinem ursprünglichen Namen „Fruchtbarkeitsvitamin“ zu erkennen ist. Es beeinflusst die Zellatmung und den Nukleinsäurenstoffwechsel. Ferner wird vom Vitamin E die Abwehrbereitschaft des Tierkörpers gegen Infektionserreger gefördert, vor allem die Befähigung weißer Blutkörperchen zur Phagozytose. Vitamin-E-Mangel führt zu Störungen im Wachstum der Herz- und Skelettmuskeln. Fruchtbarkeitsstörungen durch E-Mangel sind von Schweinen (Absterben befruchteter Eier, Totgeburten) und vom Geflügel (verringerte Schlupffähigkeit) bekannt. Vitamin E wirkt der Fettzersetzung durch Oxidation entgegen. Es wird deshalb zur Gruppe der so genannten Antioxidanzien gerechnet, die heute auch synthetisch hergestellt und fettreichen Futtermitteln zugesetzt werden. Die Schutzwirkung des Vitamins E erstreckt sich auch auf Fettbegleiter, beispielsweise andere fettlösliche Vitamine. Wenn die Ration reichlich Vitamin E enthält, geht das Tier sparsamer mit
Vitamin A um. Eine höhere Vitamin-E-Aufnahme über das Futter führt auch zu einer erhöhten Vitamin-E-Konzentration im Schweinespeck. Dies kann für die Erhaltung der Schweinefleischqualität interessant sein. Die wirksame Dosierung liegt allerdings ca. 10-mal höher als der physiologische Bedarf. Wenn eine Erhöhung der Immunantwort und Infektabwehr erreicht werden soll, muss bei Schweinen eine Vitamin-E-Dosierung gewählt werden, die etwa beim 20fachen des normalen Bedarfs (zur Vermeidung eines Mangels) liegt. Die wichtigste Quelle für Vitamin E sind die grünen Pflanzen, aber auch Getreidekörner, insbesondere Mais und Weizen. Ebenso wie Carotin wird es bei der Heugewinnung und während der Lagerung durch den Zutritt des Luftsauerstoffs weitgehend zerstört. Dies trifft auch bei der Feuchtkonservierung von Getreide mit Propionsäure zu. In der Silage, im Trockengrün und in Getreidekörnern bleibt ein großer Teil der ursprünglichen Menge an Vitamin E erhalten. Da Silagen ein wesentlicher Rationsbestandteil in der Winterfütterung der Wiederkäuer sind und überdies Tocopherolüberschüsse aus der Weidebzw. Grünfutterzeit teilweise im Hautgewebe, in Nebennieren und anderen Organen gespeichert werden können, sind bei diesen Tieren VitaminE-Mängelzustände selten. Mit über den Bedarf hinausgehenden Vitamin-E-Gaben (ca. 1000 mg/ Tier und Tag) wird bei Milchkühen ein erhöhter Membranschutz angestrebt, der sich günstig auf die Eutergesundheit und somit auf den Zellzahlgehalt der Milch auswirken soll. Bei Schweinen und Kälbern kann durch fettreiche Rationen oder durch Verfütterung von Auswuchsgetreide (beim Keimen wird das Vitamin E des Getreidekorns abgebaut) ein höherer Bedarf auftreten. Bei Zusatz von Pflanzenöl in Schweinefuttermischungen sollte je 1 % Ölzusatz die Vitamin-E-Dosierung der Futtermischung um 5 mg/kg angehoben werden. Futtermischungen für alle Tierarten wird Vitamin E zugesetzt. Die Höhe ist der jeweiligen Deklaration zu entnehmen. Vitamin K | Es ist unentbehrlich für die Bildung eines Fermentes, das an der Blutgerinnung beteiligt ist. Vitamin-K-Mangel führt deshalb bei
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Küken und Hennen zu langwierigen Blutungen. Derartigen Erscheinungen kann durch ein Grünmehlzusatz von 2–3 % in der Tagesration im Allgemeinen vorgebeugt werden, weil grüne Pflanzenteile über ausreichende Mengen dieses Vitamins verfügen. Bei Pferden, Rindern und Schweinen treten Mängel an Vitamin K nicht auf, weil es von den Colibakterien im Darm dieser Tiere in genügender Menge bereitgestellt wird. Bei Absatzferkeln, die strohlos z. B. in Flatdecks gehalten werden, sollte eine zusätzliche Vitamin-K-Ergänzung von 0,15 mg je kg Alleinfutter vorgenommen werden. Bei Sulfonamidbehandlung ist dies sogar lebensnotwendig!
5.1.4.2 Wasserlösliche Vitamine Neben der Ascorbinsäure (Vitamin C), die nur unter extremen Bedingungen für Haustiere Vitamincharakter erhält, gehören zu den wasserlöslichen Vitaminen vor allem die der B-Gruppe, für die sich teilweise noch keine einheitliche Bezeichnung durchgesetzt hat (die Nummerierung bewährte sich nicht sonderlich). Wegen der leichten Wasserlöslichkeit werden diese Vitamine – im Gegensatz zu den fettlöslichen – im Tierkörper kaum gespeichert und müssen in der Tagesration von Kälbern, Lämmern, Schweinen aller Alterklassen und Geflügel bedarfsgerecht enthalten sein. Die Wiederkäuer und Pferde versorgen sich, wie schon erwähnt, über die von Pansen- oder Dickdarmbakterien synthetisierten Vitamine. Bei sehr hohen Leistungen, strukturfutterarmer bzw. zucker- und stärkereicher Fütterung kann allerdings diese bakterielle Synthese nicht mehr zur vollen Bedarfsdeckung ausreichen. Dies trifft vor allem auf Thiamin (B1) und Niacin zu. Störungen der Thiamin-Versorgung können insbesondere durch Pansenübersäuerung ausgelöst werden und führen zu relativ spontan auftretenden Erkrankungen wie insbesondere Hirnrindennekrose (besonders bei Mastbullen). Diese Erkrankung äußert sich u. a. in Futterverweigerung, Zähneknirschen, Ataxie, Muskelzittern und Koma und kann eine hohe Mortalitätsrate zur Folge haben. Da die ungünstigen Säureverhältnisse im Pansen zur Zerstörung des Vitamins führen, sind Thiamingaben über das Futter wirkungslos. Die wichtigste Vorbeugungsmaß-
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nahme besteht darin, eine wiederkäugerechte Fütterung sicherzustellen. Bei Milchkühen ist das B-Vitamin Niacin von großer Bedeutung. Besonders in der katabolen Stoffwechsellage nach dem Abkalben, wo in größerem Umfang Körperfett mobilisiert wird und die Ketokörperkonzentration im Blut ansteigt, wirken sich hohe Niacingaben in der Größenordnung von 6 g je Kuh und Tag günstig aus. Die Körperfettmobilisation wird vermindert, ebenso wie die Konzentration freier Fettsäuren im Plasma und der Leberfettgehalt. Nach Flachowsky kann Niacin über eine erhöhte Glukosemobilisierung aus der Leber und verminderter Buttersäure- sowie erhöhter Propionatkonzentration im Pansensaft ebenfalls einen Beitrag zur Acetonämieprophylaxe leisten. Weiterhin wird von einer erhöhten mikrobiellen Proteinsynthese berichtet. Bei mäßiger Unterversorgung der Schweine mit wasserlöslichen Vitaminen sind äußere Symptome zunächst nicht zu bemerken. Aber die Leistungen (Tageszunahmen usw.) gehen zurück, was natürlich auch andere Ursachen haben kann. Bei länger dauernder Unterversorgung treten Krankheitserscheinungen nach Tab. 17 in unterschiedlicher Deutlichkeit und Schwere auf. Am häufigsten sind Defizite beim Vitamin B12, die auch vom Kobaltmangel in der Nahrung herrühren können. Mischfutter für Ferkel und Geflügel nach Normtyp müssen Mindestmengen an B12 enthalten. (Für die Mineralfutter für Rinder ist Kobalt Pflichtbestandteil.) Ferner ist die Zufuhr von Pantothensäure, Pyridoxin und vor allem von Riboflavin öfter unzureichend. Für Geflügelmischfutter nach Normtyp werden Mindestmengen an Riboflavin vorgeschrieben. Im Gegensatz zum Menschen, der die Thiamin enthaltende Aleuronschicht der Getreidekörner verschmäht und als Kleie in den Futtertrog wandern lässt, sind (bei hohen Getreideanteilen in den Rationen) B1-Mangelerscheinungen selten, ebenfalls beim Niacin. Weitere wasserlösliche Vitamine, wie diejenigen der Folsäure-Gruppe, Biotin (auch Vit. H genannt) und Inosit, geraten gelegentlich in einseitigen Geflügelrationen unter die Bedarfsgrenze. Aber nur im Mischfutter für Truthühnerküken ist vom Gesetzgeber ein Zusatz von Biotin vorgeschrieben. Cholin, das eine wichtige Rolle im
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung Tab. 17 Wirkungsweise, Mangelsymptome und Bedarf der wasserlöslichen Vitamine bei Schweinen Name(n)
Wirkung im Stoffwechsel
Symptome bei Mangel
Gehaltsempfehlungen je kg Alleinfutter
Thiamin (Aneurin oder Vit. B1)
Das Coenzym Thiaminpyrophosphat katalysiert Reaktionen in zentralen Schaltstellen des inneren Stoffwechsels, z. B. Abbau von Brenztraubensäure zu aktivierter Essigsäure
Anhäufung von Milchsäure und Ketosäuren im Gewebe – Krämpfe, Lähmungen, Ödeme, Durchfall
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Riboflavin (Laktoflavin oder Vit. B2)
Coenzym der Flavinenzyme, die in der Zellatmung (zur Energiefreisetzung) für Wasserstofftransport sorgen
bei Schweinen Hautentzün- 3 mg dungen und Augenkrankheiten, bei Küken Durchfall, Bein- und Flügellähmung
Niacin (Nikotinsäure oder -amid)
Bestandteil wasserstoffüber- Durchfall, Hautentzünduntragender Coenzyme zur gen, bei Geflügel außerdem Energiegewinnung: Niacinschlechte Befiederung adenindinucleotid (NAD), Niacinadenindinucleotidphosphat (NADP)
Pantothensäure
Bestandteil des Coenzyms A mit Schlüsselfunktion im Kohlenhydrat-, Fett- und Aminosäurenstoffwechsel
schorfige Hautentzündun10 mg gen, Dickdarmentzündung und -geschwüre, Bewegungsstörungen der Hinterbeine von Schweinen („Paradeschritt“)
Pyridoxin (Vit. B6)
Wichtigstes Coenzym im Eiweißstoffwechsel (Aminogruppenübertragung usw.), auch an Fett- und Glykogenstoffwechsel beteiligt
Anämie, Bewegungsstörungen und Krämpfe
Ferkel 3,2 mg Mastschwein 15 mg Zuchtsau 11 mg
Cyanocobalamin (Vit. B12)
Übertragung von Methylgruppen, auch am Aufbau des DNS beteiligt
Bewegungsstörungen der Hinterhand beim Schwein, schlechter Schlupf und Nierenschäden bei Geflügel
Ferkel 2 ? g Mastschwein 10 ? g Zuchtsau 15 ? g
Fettstoffwechsel und bei der Reizübertragung im Nervensystem spielt, wird in relativ großen Mengen benötigt (Mastschweine und Sauen etwa 700 mg je kg Futter, Ferkel, Küken und Legehennen fast das Doppelte). Davon kann der Tierkörper bei einem ausreichenden Futterangebot an Methionin, Folsäure und Vitamin B12 den größten Teil selbst synthetisieren. Außerdem ist Cholin in Eiweißfuttermitteln reichlich enthalten.
Ferkel 25 mg Mastschwein 15 mg Zuchtsau 11 mg
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Natürliche Quellen für die B-Vitamine sind Hefe (allerdings ohne B12) und Fischpresssaft, zum Teil auch Fischmehl, Molkepulver, Trockengrün, Kleie und Nebenprodukte der Ölgewinnung.
5.1.5
Futterzusatzstoffe
Futterzusatzstoffe werden den Futtermischungen aus verschiedenen Gründen in definierten
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Grundlagen der Tierernährung
Mengen zugesetzt. Der wichtigste Grund ist der, die Futtermischungen aus ernährungsphysiologischer Sicht zu ergänzen. Hierzu dienen die Spurenelemente und Vitamine. Es gibt noch andere Zielsetzungen, wie z. B. das Aussehen, den Geruch und Geschmack, die Konsistenz oder Haltbarkeit zu beeinflussen und die technologischen Eigenschaften zu verbessern. Zusatzstoffe unterliegen strengen futtermittelrechtlichen Regelungen, die im Kapitel Futtermittelrecht ausführlich behandelt werden. Bei der Besprechung der Spurenelemente wurde insbesondere bei Kupfer, Zink und Selen auf zulässige Höchstgehalte hingewiesen. Dies ist z. B. ein wesentlicher Aspekt der rechtlichen Regelungen bei Futterzusatzstoffen. Im Folgenden wird auf die Zusatzstoffgruppen, die einen leistungsfördernden Effekt haben und deshalb für den Tierhalter von Interesse sind, etwas ausführlicher eingegangen. Dies sind die antibiotischen Leistungsförderer, die organischen Säuren, Mikroorganismen (Probiotika) und Enzyme. In jüngster Zeit sind auch Substanzen aus der Gruppe der aroma- und appetitanregenden Stoffe auf dem Markt, die leistungsfördernd wirken. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei den leistungsfördernden Zusatzstoffen eine Gruppe nicht aufgeführt ist, nämlich Hormone. Dies hat einen einfachen Grund:
!!! Der Einsatz von Hormonen zur Leistungsförderung in der Tiermast ist EU-weit verboten!
5.1.5.1 Leistungsförderer Leistungsförderer sind Futterzusatzstoffe mit antibiotischer Wirkung, die dem Futter in kleinsten Mengen (Größenordnung 5–60 mg je kg Futter) beigemischt werden können. Antibiotika sind Stoffwechselprodukte bestimmter Pilze, die das Wachstum oder die Vermehrung anderer Mikroorganismen, vor allem von Bakterien, hemmen oder unterbinden. Ebenso wie bei Menschen werden auch bei den Tieren verschiedene, durch derartige Kleinlebewesen verursachte Infektionskrankheiten mit Hilfe von Antibiotika bekämpft. Die Antibiotika haben somit einerseits eine große Bedeutung als Medikament in der
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Hand des Tierarztes. Andererseits wurde bereits vor mehr als 40 Jahren herausgefunden, dass bestimmte Antibiotika, die in sehr niedriger Dosierung dem Futter zugesetzt wurden, das Wachstum und die Futterverwertung in der Mast verbesserten. Im Gegensatz zu den als Arzneimitteln eingesetzten Antibiotika werden die „Fütterungsantibiotika“ in so genannter nutritiver Dosierung (= 1⁄100 der therapeutischen Dosierung) dem Futter beigemischt. In dieser niedrigen Dosierung bewirken sie eine Stabilisierung der natürlich vorkommenden Organismen im Darmkanal der Tiere. Die positive Wirkung auf die Darmflora bezieht sich auf die richtige Verteilung der einzelnen Keimarten in die für sie typischen Darmabschnitte sowie auf eine Verbesserung der biochemischen Leistung der Darmflora. Das Eindringen von krankmachenden Keimen wird verhindert und die Bildung von Toxinen (Giftstoffen) verringert. Insgesamt wird der mikrobielle Abbau von Nährstoffen wie Glukose, Fett und Protein reduziert. Es entstehen weniger Protein-Abbauprodukte wie Ammoniak und biogene Amine, die den Organismus der Tiere belasten. Dies führt zu einer höheren Energie- und Nährstoffverfügbarkeit und besseren Nährstoffdurchlässigkeit der Darmwand. Der Gesundheitsstatus der Tiere wird verbessert. Dies alles wirkt sich in einer entsprechenden Leistungsverbesserung (Tageszunahmen und Futterverwertung) aus. Für die Zulassung ist Voraussetzung, dass diese Substanzen weder in der Humanmedizin noch in der Tiermedizin eingesetzt werden. Sie werden kaum aus dem Darm absorbiert, so dass es nicht zu einer Rückstandsbildung im Fleisch kommen kann. Deshalb sind auch keine Wartezeiten (= Zeitraum zwischen der letzten Verabreichung und Schlachtung) erforderlich. Die Futtermittelverordnung legt im einzelnen fest, welche Mindest- und Höchstmengen der einzelnen Leistungsförderer den verschiedenen Mischfuttermitteln zugesetzt werden dürfen. In Ergänzungs- und Mineralfuttermitteln sind höhere Dosierungen vorgesehen, damit in Kombination mit Getreide oder anderen Einzelfuttermitteln die wirksame Dosierung in der Gesamtmischung erreicht wird. Eine Kombination mehrere antibiotischer Leistungsförderer in einem Mischfuttermittel ist nicht erlaubt.
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung In den letzten Jahren wird der Antibiotikaeinsatz bei Mensch und Tier generell wegen verstärkt auftretender Resistenzprobleme kritisch gesehen. Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes (evtl. Resistenzproblematik) und der fehlenden Akzeptanz bei den Verbrauchern (Gleichsetzung der Leistungsförderer mit Arzneimitteln) wurden seit 1997 insgesamt sieben antibiotische und chemobiotische Leistungsförderer verboten. Z. Zt. sind noch vier Substanzen zugelassen, die ab Ende 2005 ebenfalls verboten werden. Dies sind Avilamycin (Maxus) (für Ferkel, Mastschweine, Masthühner und Puten), Flavophospholipol (Flavomycin) (für Legehennen, Puten, Masthühner, Ferkel, Mastschweine, Kälber und Mastrinder), Monensin-Natrium (für Mastrinder) und Salinomycin-Natrium (für Ferkel und Mastschweine).
!!! Außer den antibiotischen Leistungsförderern gibt es neuerdings eine andere Variante, die als Wachstumsförderer bezeichnet wird. Hier ist bisher ein Produkt firmenspezifisch zugelassen. Es handelt sich um die Substanz Kalium-Diformiat, ein Salz der Ameisensäure (Formi TM LHS) und ist für den Einsatz bei Ferkeln und Mastschweinen vorgesehen. Wenn ein Produkt in der Gruppe der Leistungsförderer zugelassen wird, müssen der Zulassungsbehörde u. a. gesicherte Versuchsergebnisse über einen positiven Einfluss auf Wachstum und Futterverwertung bei den betroffenen Tierkategorien vorgelegt werden.
5.1.5.2 Mikroorganismen (Probiotika)
!!! In der Zusatzstoffliste der Futtermittelverordnung sind hier vier Präparate unbegrenzt zugelassen. Dreiundzwanzig weitere haben eine begrenzte Zulassung, das heißt sie müssen der Zulassungsbehörde noch weitere Unterlagen vorlegen, um eine unbegrenzte Zulassung zu erwirken.
Bei dieser Zusatzstoffgruppe handelt es sich um lebensfähige Mikroorganismen, die dem Tier über das Futter zugeführt werden. Entscheidend für ihre Wirksamkeit ist, dass sie im lebensfähigen Zustand den Dünndarm erreichen. Dies setzt voraus, dass sie vor der Magensäure und vor Hitzeeinwirkung bei der Mischfutterherstellung geschützt werden. Probiotika sollen regulierend und stabilisierend auf die Darmflora einwirken. Die Besiedelung des Darmtraktes mit Mikroorganismen (Darmflora) besteht zu über 90 % aus Milchsäurebakterien und flüchtige Fettsäuren bildende Stäbchenbakterien (Laktobazillen, Enterokokken). Die Begleitund Restflora besteht hauptsächlich aus Staphylokokken, Clostridien, Colibakterien und anderen negativ wirkenden Keimen. Bei einem gesunden Tier befinden sich die verschiedenen Keimarten der Darmflora in einem Gleichgewicht, Eubiose genannt. Treten im Verdauungskanal Störungen auf, verändert sich die Darmflora-Zusammensetzung zugunsten der Rest- oder Begleitflora, was besonders in den vorderen Dünndarmabschnitten eine Erhöhung der Belastung für das Tier bedeutet. Die Folgen sind geringeres Wachstum, schlechtere Futterverwertung und damit eine geringere Gesamtleistung. Starke Verschiebungen der Flora führen zu Durchfällen mit dem Risiko von Tierverlusten. Da besonders Jungtiere über einen relativ labilen Aufbau der Darmflora verfügen, können insbesondere während der Säuge- und Aufzuchtphase bereits geringfügige Veränderungen der Umweltbelastungen in Form von Futterwechsel, Umstallung, schlechte Klima- und Stallverhältnisse oder medikamentöse Behandlung zu einem Ungleichgewicht in der Darmflora führen. Durch die Verabreichung von Probiotika kann aufgrund ihrer antagonistischen Eigenschaften das Eindringen, die Anheftung und Vermehrung potenzieller Krankheitserreger an der Darmschleimhaut verhindert werden. Dies wird erreicht, indem die über das Futter zugeführten Keime entweder die Bindungsstellen der Darmschleimhaut besetzen oder in der Schleimschicht einen wirksamen Biofilm als Infektionsbarriere aufbauen. Hinzu kommt die Bildung von Milchsäure und flüchtigen Fettsäuren, die sich insbesondere hemmend auf die Entwicklung krankmachender Keime auswirken.
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Grundlagen der Tierernährung
!!! Der Einsatz von Probiotika führt somit in erster Linie zu einer Prophylaxe gegenüber MagenDarm-Erkrankungen. Daraus kann entsprechend eine Leistungssteigerung im Bezug auf verbesserte Tageszunahmen und Futterverwertung resultieren. Dieser Effekt wird eher zu erwarten sein, je ungünstiger die Umweltbedingungen für das Tier und je labiler der Aufbau der Darmflora ist (besonders Säuge- und Aufzuchtsphase). Im Vergleich zu antibiotischen Leistungsförderern, die direkt auf ungünstige Darmkeime einwirken, entfalten die Probiotika ihre Wirkung auf indirektem Wege. Durch Stärkung der positiven Darmflora werden ungünstige Darmkeime verdrängt. Dies erklärt auch, warum ihre Wirkung nicht spontan, sondern erst nach einem längeren Zeitraum der Verfütterung erwartet werden kann. Dabei besteht eine wesentliche Voraussetzung zur Erzielung der gewünschten Wirkungseffekte darin, dass dem Tier relativ hohe Keimzahlen von einigen Hunderttausend bis Millionen je Gramm Futter in einem noch lebensfähigen Zustand kontinuierlich zugeführt werden.
5.1.5.3 Säuren Um feuchte Futtermittel vor dem mikrobiellen Verderb zu schützen, werden organische Säuren als Konservierungsstoffe eingesetzt. Dieser Konservierungseffekt wird übrigens bei der Gärfutterbereitung seit eh und je genutzt, wobei hier in erster Linie Milchsäure im Laufe des Vergärungsprozesses im Futterstock gebildet wird. Erst in jüngerer Zeit wird der Einsatz von Säuren auch im Hinblick auf eine leistungsfördernde Wirkung betrachtet. Säuren sind als Konservierungsstoffe futtermittelrechtlich zugelassen und können sogar vom Landwirt direkt bezogen und eingesetzt werden. Insgesamt sind in der Futtermittelverordnung 47 Produkte aufgeführt. Von den hauptsächlich verwendeten Säuren sind Ameisensäure, Propionsäure und Essigsäure flüssig, während Zitronensäure und Fumarsäure in Pulverform vorliegen. Von der Ameisensäure und Propionsäure werden auch Salze eingesetzt (Formiate, Propionate), die dann ebenfalls in Pulverform vorliegen. Die flüssige Ameisensäure, deren Handhabung auf
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Grund der hohen Korrosivität problematisch ist, wird auch als Ameisensäureadsorbat in Pulverform angeboten. Die Dosierung der organischen Säuren liegt in einem Bereich von 0,6 bis über 2 %, je nach Säureart und Anwendungsbereich. Einige Säurepräparate enthalten Kombinationen verschiedener organischer Säuren mit der anorganischen Ortho-Phosphorsäure. Diese werden mit einer Dosierung von nur 0,3 % eingesetzt. Die in der Fütterung verwendeten organischen Säuren werden auch im Verdauungstrakt oder im intermediären Stoffwechsel der Tiere normalerweise gebildet, so dass sie als natürliche Produkte anzusehen sind. Wie ist die positive Wirkung von Säurezusätzen zum Futter aus ernährungsphysiologischer Sicht zu erklären? Hier sind drei Wirkungsbereiche zu nennen: Das Futter, der Magen-Darm-Trakt und der Intermediärstoffwechsel. Im Futter führt der Säureeinsatz zu verringerten Keimzahlen und herabgesetzter Stoffwechseltätigkeit von Mikroorganismen (Verhinderung von Toxinbildung). Dies trifft insbesondere bei nicht lagerfähigem Futter (über 12,5–14 % Feuchtigkeitsgehalt) sowie auch für Flüssigfutter in Fütterungsanlagen ohne Spülsystem zu. Dieser konservierende Effekt kann bereits einen wesentlichen Einfluss auf Leistung und Gesundheit der Tiere haben. Besonders effektiv ist die Säurewirkung auf die Magenfunktion bei Jungtieren. Es ist bekannt, dass die Salzsäure-Produktion im Magen in den ersten Lebenswochen für eine störungsfreie Verdauung nicht ausreicht. Dadurch wird das Wirkungsoptimum des Enzyms Pepsin zur Proteinspaltung ebenso wenig erreicht wie eine wirksame Bakterienschranke gegen die mit dem Futter aufgenommenen Keime mit der Folge einer Vermehrung von unerwünschten Keimen in den vorderen Darmabschnitten. Die Zufuhr von Säuren über das Futter kann sich positiv in Richtung pH-Wert-Absenkung im Magen auswirken. Dadurch werden die Verdauungsvorgänge insgesamt günstig beeinflusst und eine zu starke Bakterienentwicklung verhindert. Dies führt nicht nur zu verbesserter Wachstumsleistung, sondern auch zu einer Verringerung der Durchfallhäufigkeit (Coli-Durchfälle). Beim Einsatz von organischen Säuren deuten sich auch Effekte im Intermediärstoffwechsel der
5.1 Bestandteile der Futtermittel und ihre Funktionen in der Tierernährung Tiere in Richtung Verbesserung der Verwertung der umsetzbaren Energie für den Ansatz und die Stickstoffverwertung an. Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass die mit dem Futter zugeführten organischen Säuren im Stoffwechsel auch entsprechend energetisch genutzt werden.
!!! Insgesamt lässt sich zum Komplex Säureeinsatz festhalten, dass über den Konservierungseffekt der Futtermischungen hinaus Effekte im MagenDarm-Trakt zu erwarten sind, die sich insbesondere während der kritischen Phase der Aufzuchtfütterung positiv auf Wachstum und Gesundheit der Tiere auswirken.
5.1.5.4 Enzyme Die Bedeutung der Enzyme wurde bereits in den Abschnitten 2.3.5, 2.8.5 und 2.8.6 erläutert. Sie spielen eine zentrale Rolle bei allen Aufbau- und Abbauvorgängen im Stoffwechsel. Sie sind maßgeblich an der Umsetzung der Nahrung im tierischen Organismus beteiligt. In jüngster Zeit besteht die Möglichkeit, Enzyme außerhalb des Nutztieres aus verschiedenen Mikroorganismen (Pilze oder Bakterien) gezielt herzustellen, und sie dem Futter zuzusetzen. Hierbei sind zwei Ansatzpunkte denkbar. Einmal bietet sich der Zusatz solcher Enzyme an, die aus bestimmten Gründen vom Tier selbst noch nicht in ausreichender Menge produziert werden, also besonders in der Aufzuchtphase. Ein anderes Anwendungsgebiet besteht im Zusatz von solchen Enzymen, die vom Tier selbst nicht produziert werden können. Damit wird dem Tier ermöglicht, ansonsten unverdauliche Nahrungsbestandteile aufzuschließen und nutzbar zu machen. Ein Beispiel hierfür wurde bereits im Abschnitt 5.1.3.1 angeführt, nämlich der Zusatz von mikrobieller Phytase zur Erhöhung der Phosphorverdaulichkeit in Futtermischungen für Schweine. Eine weitere Stoffgruppe, die von Monogastriern (Tiere mit einhöhligem Magensystem) nicht verwertet werden kann, sind die Nichtstärke-Polysaccharide (NSP). Hierunter fallen Zellulose, Beta-Glukan, Pentosane, Pektine u. a. Diese sind in einzelnen Futtermitteln in unterschiedlicher Größenordnung enthalten, im Roggen z. B. mehr als im
Weizen. Enzymzusätze zu NSP-reichen Futtermitteln kann die Kohlenhydratverdaulichkeit und damit die Energieverwertung verbessern. Auch kann dann der Anteil an Futtermitteln mit hohen NSP-Gehalten in den Futtermischungen entsprechend erhöht werden. In der Futtermittelverordnung sind zur Zeit 63 Produkte zugelassen. Allein diese Zahl verdeutlicht, dass dieser Zusatzstoffgruppe in Zukunft große Bedeutung zukommen wird.
5.1.5.5 Sonstige Zusatzstoffe Die Zusatzstoffliste der Futtermittelverordnung umfasst über die bisher behandelten Substanzen hinaus noch ein breites Spektrum weiterer Zusatzstoffe. Antioxidanzien verzögern die Oxidation von Fetten und fettlöslichen Vitaminen. Sie spielen bei der Stabilisierung von Futterfetten und fettreichen Mischfuttermitteln eine Rolle. U.a. sind in dieser Gruppe auch Ascorbinsäure (Vitamin C) und Tocopherole (Vitamin E) eingeordnet. Aroma- und appetitanregende Stoffe finden besonders in Ferkel- und Kälberfutter Verwendung. In neuerer Zeit werden Substanzen aus dieser Gruppe auch als wachstumsfördernde Zusatzstoffe eingesetzt. Durch erhöhte Ausschüttung der Verdauungssekrete, insbesondere Magensaft, Gallenflüssigkeit und den Säften der Bauchspeicheldrüse soll die Verdauung der Tiere stimuliert werden. Dies kann sich positiv auf Tageszunahmen und Futterverwertung auswirken. In der Gruppe Bindemittel, Fließhilfsstoffe und Gerinnungsstoffe finden sich auch Substanzen wie Bentonit-Montmorillonit, Diatomeenerde u. a., denen z. T. eine absorbierende Wirkung insbesondere gegenüber den im Darm entstehenden Eiweißabbauprodukten (Ammoniak und andere stickstoffhaltige Stoffe) zugeschrieben wird. Damit soll das Tier „entlastet“ werden und auch die Ammoniakkonzentration in der Stallluft verringert werden. Die Zulassung dieser Substanzen in dieser Gruppe bezieht sich allerdings nicht auf diese spezifischen Eigenschaften. Emulgatoren (Sojalecithin u. a.) sorgen für eine gleichmäßige Verteilung der Fetttröpfchen in Wasser oder Magermilch und verbessern dadurch die Verdaulichkeit der Nahrungsfette. Sie werden vor allem Milchaustauschern zugesetzt,
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5
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Grundlagen der Tierernährung
damit die hier verwendeten pflanzlichen und tierischen Fette annähernd ebenso gut vom Kalb verwertet werden können wie das Milchfett. In dieser Gruppe findet sich auch das 1,2-Propandiol (Propylenglycol). Diese Substanz wird zur Vorbeugung gegen Stoffwechselstörungen bei Milchkühen wie z. B. Acetonämie eingesetzt. Diesen Zusatzstoff kann der Tierhalter direkt verwenden. Die vorgeschriebene max. Einsatzmenge von 12 g je kg lufttrockene Substanz (88 % T) muss eingehalten werden. Dies entspricht bei einer Trockenmasseaufnahme der Kühe von 20 kg einer Tagesmenge von ca. 250 g Propylenglycol je Tier. Eine gleichmäßige Einmischung in das Futter ist aus futtermittelrechtlicher Sicht erforderlich. Die Gruppe färbende Stoffe einschließlich Pigmente enthält u. a. Carotinoide und Xanthophylle, die z. B. Legehennenfutter beigemischt werden, um die Farbe des Eidotters den Verbraucherwünschen entsprechend „einzustellen“. Kokzidiostatika sind Medikamente, die zur Bekämpfung der Erreger der Roten Kükenruhr (Kokzidiose) in das Aufzuchtfutter der Küken und Junghennen bis zur Legereife beigemischt werden. Bei Schlachtgeflügel muss Futter mit derartigen Medikamenten spätestens 3 bzw. 5 Tage vor dem Schlachten abgesetzt werden (vgl. hierzu auch 5.1.5).
5.1.6
Zusammenfassung
Die Tabelle 18 fasst zusammen, welche wichtigen Nährstoffe und Wirkstoffe in den verschiedenen Fraktionen der Weender Analyse enthalten oder versteckt sind. Dabei werden außerdem die essenziellen Stoffe hervorgehoben, die häufig auch in vielseitig zusammengesetzten Rationen in zu geringer Menge vorhanden sind und ergänzt werden müssen. In einseitigen Rationen kommt es zu Mängeln an weiteren Nähr- oder Wirkstoffen. Wie groß der Bedarf der Tiere ist, wurde von der Wissenschaft bei vielen Bau- und Wirkstoffen herausgefunden. Bei Vitaminen wurden Bedarfsangaben bereits mitgeteilt. Weitere Informationen werden in späteren Abschnitten folgen.
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!!! Für die Energieversorgung der Tiere stehen mehrere Stoffgruppen zur Verfügung, die sich bei dieser Aufgabe gegenseitig vertreten können. Das Eiweiß ist in erster Linie Baustoff; Überschüsse werden zur Energiegewinnung herangezogen oder in Speicherfett umgewandelt. Auch aus überschüssigen Kohlenhydraten wird Depotfett gebildet. Dieses stellt also die wichtigste Energiereserve des Körpers dar, die in Zeiten starker Energieanforderungen mobilisiert werden kann. Daneben gibt es im Glykogen der Leber und der Muskeln kleinere Energiespeicher zum Ausgleich der Schwankungen im Energieanspruch zwischen Ruhe und Arbeit, zwischen Tag und Nacht sowie von Tag zu Tag.
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung Während der tägliche Bedarf an einzelnen Nähr-, Mineral- und Wirkstoffen in g (Gramm), mg (Milligramm oder tausendstel Gramm) und ? g (Mikrogramm oder millionstel Gramm) angegeben wird, bemisst man die Anforderungen an Energie nach Energiebewertungssystemen. Man braucht einen gemeinsamen Nenner, weil sich die Energieträger gegenseitig vertreten können, ebenso wie im Haushalt als Energiequellen entweder Holz, Kohle, Öl oder Gas verwendet werden können. Welcher dieser Energiespender bevorzugt eingesetzt wird, hängt vor allem davon ab, wie viel Energieeinheiten er liefert und wie viel eine Energieeinheit kostet. Wie im Haushalt gilt das auch in der Fütterung der Tiere. In Kohle, Öl usw. ist chemische Energie gespeichert, die bei der Verbrennung Wärme liefert. Da sich auch andere Erscheinungsformen der Energie, wie die elektrische und atomare Energie, in Wärme umwandeln lassen, kann man das Wärmebildungsvermögen von Energiespendern zur Energiemessung benutzen. Gemessen wird die Verbrennungswärme der Stoffe im Calorimeter, einer Brennkammer mit einer Sauerstoffatmosphäre, die von einem nach außen gut isolierten Wassermantel umgeben wird. Dessen Erwärmung während der Verbrennung kann außen abgelesen werden.
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung Tab. 18 Hauptbestandteile der Futtermittel Weender Analyse
Energiespender
unentbehrliche Bau- u. Wirkstoffe
davon oft unzureichend im Futter der Wiederkäuer
Rohwasser
–
Wasser
Rohasche
–
Mineralstoffe
der Schweine und des Geflügels Grünfutter, Nasssilagen Saftfutter
Calcium
Calcium
Natrium
Spurenelemente Rohprotein (N × 6,25)
Eiweiß
essenzielle Aminosäuren
Vitamine B-Komplex Fermente Fett
verd. Phosphor
Futterphosphate
Spurenelemente
Mineralfutter
Lysin Methionin Threonin
Futtermittel tierischer Herkunft Trockenhefe Sojaschrot reine Aminosäuren Sojaschrot, Rapsschrot, Biertreber, Maiskleber, Palmkern- und Kokoskuchen
B2, B6, B12 Fischpresssaft, TrockenPantothensäure hefe, Molkenpulver, Mineralfutter
Linolsäure Vitamin A
Leinsamen, Sojaöl Carotin
Carotin
Vitamin D
Vitamin D
Vitamin A + D
Mineralfutter
Vitamin E
Vitamin E
Vitamin E
Grünfutter, Grassilage, Grünmehl, Getreide, Mineralfutter
g -Carotin
Rohfaser
Zellulose
N-freie Extraktstoffe
Stärke Zucker Hemizellulose Pentosane Zellulose
Leguminosen, Rübenschnitzel, Futterkalk Viehsalz, Rüben
unabgebautes, darmverfügbares Protein (UDP)
Rohfett
besonders enthalten in folgenden Futtermitteln
Grünfutter, Grassilage Grünmehle
(Rohfaser-Minimum beim Weidebei Wiederkäuern) gang, in kraftfutterreichen Gesamtrationen
beständige Stärke
Heu Grassilage GPS Pressschnitzelsilage Getreide Körnerleguminosen Futterrüben Kartoffeln, -pülpe Pressschnitzelsilage Maisprodukte
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Grundlagen der Tierernährung
Während bis vor einigen Jahren die Energie in der Maßeinheit Kalorie (cal) gemessen wurde, wird heute allgemein die international gültige Einheit Joule verwendet. Die beiden Maßeinheiten stehen in folgendem Verhältnis zueinander: Übersicht 22 1 cal = 4,186 J (Joule) 1 000 cal (1 kcal) = 4,186 kJ (Kilojoule) 1 Million cal = 4,186 MJ (Megajoule)
Dafür muss die in Nährstoffen gespeicherte Energie in geeigneter Weise umgeformt werden. Das geschieht in den Zellen des Tierkörpers. Möglich ist das jedoch nur für den Teil der Nährstoffe, der aus dem Futter bis in die tierischen Zellen gelangt. Bei Überlegungen und Berechnungen zum Energiehaushalt der Tiere müssen also auch verschiedene „Energieverluste“ berücksichtigt werden. Damit sind Energieformen gemeint, die für das Tier nicht nutzbar sind.
5.2.1 Energieumwandlung in der Zelle Wie viel Wärme durch eine vollständige Verbrennung von Futternährstoffen gewonnen werden könnte, lässt ein Vergleich mit der Wärmebildung einiger technischer Brennstoffe erkennen. (Tab. 19).
!!! Die bei vollständiger Verbrennung frei werdende Energiemenge wird in der Tierernährung als Bruttoenergie bezeichnet. Im Tierkörper wird jedoch nur ein Teil der in den Nährstoffen gespeicherten Energie für die Wärmebildung gebraucht. Mehr Energie wird benötigt für die Arbeit (des Herzens, der Muskeln und anderer Organe) sowie für Wachstum, Milchbildung und andere Syntheseleistungen.
Tab. 19 Bruttoenergie Brennstoffe
einiger
Nährstoffe
in einem Gramm
Kiloka- Kilolorien joule
Essigsäure
3,5
14,6
3,6
15,0
Glukose
3,7
15,6
Rohr-/Rübenzucker
4,0
16,6
Stärke, Zellulose
4,18
17,5
Propionsäure
5,0
20,9
Eiweiß
5,7
23,8
7,0
29,2
9,5
37,7
13,2
55,2
Holz
Steinkohle Erdnussöl Methan
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und
Wenn die Glukose mit dem Hauptstrom der Nährstoffe durch die Pfortader in die Leber gelangt, gibt es für sie mehrere Verwendungsmöglichkeiten: Sie kann bei milchgebenden Tieren ins Milchdrüsengewebe weitergeleitet und dort in Milchzucker (Laktose) transformiert werden. Für diese einfache stoffliche Umwandlung wird bei optimalen Reaktionsbedingungen in den Milchdrüsenzellen wenig Energie gebraucht. Von 100 Joule Energie aus Glukose findet man bis zu 96 Joule in der Laktose wieder. Der bestmögliche Wirkungsgrad dieser Reaktion beträgt also 96 %. Einen ähnlich günstigen Wirkungsgrad hat die Umwandlung von Glukose zu Glykogen. Wird dagegen überschüssige Glukose in Körperfett umgewandelt, ist der Wirkungsgrad deutlich ungünstiger. 100 Joule der Glukose reichen beispielsweise nur für eine Energiespeicherung von 80 Joule in der Palmitinsäure (C15H31COOH), einer in allen Körperfettarten reichlich enthaltenen Fettsäure. Arbeitsteilung zwischen Zellplasma und Mitochondrien | Wie groß ist der Wirkungsgrad, wenn mit Hilfe der Glukose Arbeit geleistet werden soll? Etwa beim Transport der Glukose und anderer Nährstoffe durch die Darmwand und im Blut oder bei Kontraktionen von Muskelzellen? Für diese Zwecke muss die Glukose zunächst abgebaut werden. Der erste Teil dieses Prozesses, die so genannte Glykolyse, findet im Zellplasma statt und liefert aus 1 Mol Glukose 2 Mol Pyruvat. Man kann auch sagen, aus einem C6-Grundkörper entstehen zwei C3-Grundkörper. Die weiteren Abbauvorgänge werden in den Mitochondrien abgewickelt. Diese sind für ihre Aufgaben mit einer komplizierten Innenarchitektur
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung (s. Abb. 44) und mit einem breiten Fächer von Enzymen ausgestattet, die von den inneren Membranen abgegeben werden. In der Abb. 75 wird auf die räumliche Aufgliederung und auf die Namen der meisten Enzyme verzichtet, um die Zwischen- und Endprodukte des Abbau- und Umwandlungsprozesses deutlich hervortreten zu lassen. Außerdem wird nur der Weg eines der beiden Pyruvat-Moleküle verfolgt. Mit dem zweiten geschieht aber das Gleiche.
!!! Zitronensäurezyklus (Citratzyklus) und Atmungskette Zunächst wird Pyruvat aus dem Zellplasma durch die äußere Mitochondrienmembran nach innen transportiert und zu aktivierter Essigsäure, einem C2-Körper, abgebaut. Diese verbindet sich mit einem C4-Körper, der Oxalessigsäure (Oxalacetat), zur Zitronensäure (C6) und wird dadurch in ein Abbausystem eingefädelt, das nach diesem ersten Glied benannt wird, in den Zitronensäurezyklus. Die Zitronensäure (Citrat) wird über mehrere Stufen bis zur Oxalessigsäure (C4) abgebaut, die dann die Initialzündung für die nächste Runde in dieser Arena liefert, für den Abbau eines weiteren Moleküls aktivierter Essigsäure. Was ist der Sinn dieses Geschehens? An verschiedenen Stationen des Zitronensäurezyklus werden Wasserstoff und Elektronen (negativ geladene Ionen) auf die oxidierte Form von Redox-Enzymen übertragen, auf NAD (Niacinadenindinucleotid) oder FAD (Flavinadenindinucleotid), die ihrerseits Wasserstoff und Elektronen an ein hintereinander geschaltetes System von Redox-Enzymen weiterreichen. Diese oxidieren das jeweils vorausgeschaltete Enzym und werden dabei selbst reduziert. Am Ende dieser Kette, die wegen ihres Bedarfs an Sauerstoff Atmungskette heißt, erfolgt die Elektronenübertragung auf den Sauerstoff, der sich mit Wasserstoff zu Wasser verbindet. Adenosintriphosphat als Energie-Chip | Einige dieser Redox-Enzyme sind in der Abb. 75 eingezeichnet, und zwar diejenigen, bei denen gerade ein Teil der von NADH (im Wasserstoff oder in Elektronen) übertragenen Energie dazu benutzt wird, einen Phosphatrest an das Molekül einer bestimmten Nukleinsäure, des Adenosindiphos-
phats (ADP) abzulagern. Dabei entsteht Adenosintriphosphat (ATP), das im Bedarfsfall das aufgenommene dritte Phosphat leicht wieder abgibt und dabei die gespeicherte Energie für energieverbrauchende Reaktionen in den Zellen freisetzt, beispielsweise für Kontraktionen von Muskelzellen. Man kann diese Aufgabe der Mitochondrien mit der des Geldwechselns vergleichen, wobei unhandliche, beispielsweise für Automaten ungeeignete Hunderteuroscheine in gängige, überall verwendbare Euromünzen umgetauscht werden: „Energieriesen“ wie 1 Mol (= 180 g) Glukose, das über 1,8 Millionen Joule speichert, werden zu „Energiekleingeld“. 1 Mol ATP kann bei günstigen Reaktionsbedingungen bis zu 35 kJ bereitstellen.
? Wer die Abb. 75 sorgfältig studiert hat, kann jetzt selbst ausrechnen, wie groß der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Glukose zu ATP ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zunächst Energie aus ATP gebraucht wird, um den Prozess der Glykolyse in Gang zu setzen. Zur Rückgewinnung dieses „Vorschusses“ muss von der späteren Energieausbeute ein erheblicher Anteil abgezweigt werden. Jedes Mol NADH kann 3 Mol ATP liefern. (Auch das im Zellplasma bei der Glykolyse gebildete NADH wird zur Oxidation in die zuständigen Abteilungen im Inneren der Mitochondrien transportiert.) FADH bringt 2 Mol ATP, und das beim Abbau von aktivierter Bernsteinsäure gebildete GTP (Guanosintriphosphat) hat ebensoviel Energie wie 1 Mol ATP. Wie groß ist die Gesamtausbeute an ATP und ATP-Äquivalenten? Wie viel Energie geht demnach bei dieser Umwandlung von Glukose verloren? Eine zweite Aufgabe (zur Wiederholung): In die leeren Kästchen der Abb. 75 können die an der betreffenden Reaktion beteiligten wasserlöslichen Vitamine eingetragen werden. Glukoseabbau bei Sauerstoffmangel | Wenn von der Muskulatur eine rasche Steigerung der Arbeitsleistung gefordert wird – z. B. beim Start eines 100-m-Läufers oder bei der Fluchtreaktion eines Tieres –, hinkt die Sauerstoffversorgung der Muskelzellen und ihrer Mitochondrien anfangs hinterher. Deshalb kann nicht genug Glu-
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Grundlagen der Tierernährung
Abb. 75 Schema der Energie- und Stoffumwandlung in der Zelle FMN/FAD/FADH Flavinenzyme GTP Guanosintriphosphat GDP Guanosindiphosphat Niacinadenindinucleotid: NAD – oxidierte Form – NAD+ NADH – reduzierte Form – NADH + H+
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5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung kose (bzw. Glykogen) über Citratzyklus und Atmungskette oxidiert werden. Im sauerstoffarmen Muskel wird nun der Abbauweg der Glukose beim Pyruvat umgelenkt und landet mit der Bildung von Laktat (Milchsäure) in einer Sackgasse. Die Energieausbeute von 2 Mol ATP je Mol abgebauter Glukose ist sehr gering; aber sie ist sofort verfügbar und hilft die Zeit überbrücken, bis Herz und Lunge auf volle Touren kommen. Wenn der Körper wieder zur Ruhe kommt, wird die gespeicherte Milchsäure, die übrigens für die jedermann bekannte Erscheinung des Muskelkaters verantwortlich ist, über Pyruvat (mit einem Wirkungsgrad von 70–80 %) in Glukose zurückverwandelt oder über Pyruvat und aktivierte Essigsäure dem Citratzyklus zugeleitet, zur Energieversorgung des Ruhestoffwechsels. Besonders der Herzmuskel beteiligt sich an der Milchsäureverwertung. ATP-Bildung aus Fett und Eiweiß | Wenn die Kohlenhydratzufuhr über die Futterration nicht für die Deckung des akuten Energiebedarfs der Tiere ausreicht, werden Fett und/oder Eiweiß dazu herangezogen. Für diesen Zweck müssen sich im Zellplasma zunächst die Fette durch hydrolytische Spaltung des Glyzerins entledigen und die Aminosäuren durch Desaminierung (oder Transaminierung) ihre Aminogruppe abkoppeln. Das Glyzerin, als Alkohol nahe verwandt mit den Kohlenhydraten, wird in den Abbauweg der Glykose eingeschleust. Es liefert ebenso Energie wie die Fettsäuren, deren Abbau jedoch innerhalb der Mitochondrien stattfindet, und zwar mittels der ß-Oxidation bis zur Stufe der Essigsäure, die dann über die aktivierte Essigsäure in den Citratzyklus eingefädelt werden kann. Das Gleiche geschieht mit Essig- und Buttersäure aus der Pansen- oder Dickdarmgärung. Die überzähligen Aminogruppen dagegen können nicht zur Energiegewinnung herangezogen werden, sondern werden unter Energieverbrauch in Harnstoff umgewandelt, der über den Urin den Körper verlässt. Die Kohlenstoffgerüste der Aminosäuren werden an verschiedenen Stationen des Citratzyklus eingefädelt, teilweise schon vorher beim Pyruvat oder bei der aktivierten Essigsäure. Wegen der Abkürzungen wird auf 2.3.3 verwiesen. Dort noch nicht erwähnt wurden: Tyr (Tyrosin), Pro (Prolin) und Glu (Glutamin).
? Energieausbeute bei der ATP-Bildung (mit Lösung der Aufgaben). Die leeren Vitamin-Kästchen sind bei NAD/NADH mit „Niacin“ zu besetzen, bei FAD/FADH und FMN mit „Vit.-B2“, bei Acetyl-CoA mit „Pantothensäure“, bei der Aminogruppenübertragung „Vit.-B6“, beim Abbau von Pyruvat zu Acetyl-CoA und beim Abbau von § -Ketoglutarat zu Succinyl-CoA „Vit.-B1“. Der Energiegewinn der Glykose beträgt 8 Mol ATP (– 1 – 1 + 2 × 1 + 2 × 3 + 2 × 1). Der Abbau von Pyruvat zu Actyl-CoA bringt 2 × 3 = 6 Mol ATP, der Citratzyklus 2 × 12 ATP. Insgesamt können aus 1 Mol Glukose (2 816kJ) 38 Mol ATP mit je 35, also 1 330 kJ frei verfügbare Energie gebildet werden. Der Wirkungsgrad der Umwandlung von Glukose zu ATP unter Standardbedingungen beträgt also 47 %, der Energieverlust 53 %. Bei Fettsäuren ist der Wirkungsgrad mit 45 % annähernd ebenso hoch, bei den kurzkettigen Fettsäuren aus dem Pansen mit 40–42 % etwas niedriger. Beim Eiweiß beträgt die Energieausbeute bei der Umwandlung in ATP je nach Aminosäurenzusammensetzung des Proteins zwischen 28 und 35 %. Weshalb so wenig? Erstens enthält der über den Harn ausgeschiedene Harnstoff selbst noch Energie (10,6 kJ je g). Zweitens wird bei der Desaminierung Energie verbraucht (2 ATP je Aminogruppe). Drittens können die Skelettmuskelzellen kein ATP aus Aminosäurenabbau gewinnen; sondern für diesen Zweck müssen die Aminosäuren erst in die Leber geschafft werden.
!!! Es muss noch geklärt werden, wo die bei der Umwandlung in ATP „verschwundene“ Energie geblieben ist; denn eigentlich dürfte nach dem „Gesetz von der Erhaltung der Energie“ keine Energie verloren gehen. Die Antwort fällt gerade dem Landwirt leicht, weil in seinem Beruf – im Gegensatz zu vielen anderen – noch viel körperliche Arbeit geleistet werden muss, trotz des Maschineneinsatzes. Die Redewendung „sich warm arbeiten“ weist darauf hin dass bei der Bereitstellung von ATP für die Arbeitsleistung der Muskeln und für andere Leistungen Wärme entsteht. Wärme, die nicht mehr in
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Grundlagen der Tierernährung andere Erscheinungsformen von Energie verwandelt werden kann, während die im ATP gespeicherte chemische Energie für vielerlei energiebedürftige Aufgaben im Tierkörper eingesetzt werden kann und deshalb auch mehrfach als „frei verfügbare Energie“ bezeichnet worden ist. Die bei der Umwandlung der Nährstoffe anfallende Abfallwärme muss, weil davon nur wenig für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur gebraucht wird, nach außen abgegeben werden. Das erfordert an heißen Tagen (beim Schwitzen) sogar einen zusätzlichen Energieaufwand.
Die Mitochondrien als Umschlagplatz für Zwischenprodukte des Stoffwechsels | Wenn überschüssige Kohlenhydrate oder Eiweiß in Körperfett umgewandelt werden sollen, ist zunächst ein Abbau über Pyruvat bis zur aktivierten Essigsäure nötig, die dann ins Zellplasma zur Synthese von Fettsäuren befördert wird. Soll bei knapper Energiezufuhr oder beim Hungern Muskeleiweiß zur Auffüllung des Blutzuckerspiegels herangezogen werden, wird für den Abbau der Kohlenstoffskelette etlicher Aminosäuren auch der Citratzyklus gebraucht. Dadurch soll genügend Oxalessigsäure bereitgestellt werden, die in Pyruvat verwandelt wird. Daraus erfolgt dann der Aufbau der Glukose (in der so genannten Glukoneogenese) in umgekehrter Richtung wie die Glykolyse. Auch die Propionsäure aus der Pansengärung wird über Oxalessigsäure und Pyruvat in den Zellstoffwechsel eingeschleust. Sie vor allem hält bei Wiederkäuern die Glukoneogenese in Gang und dient damit der Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels (für die Bildung von Milchzucker, die Ernährung des zentralen Nervensystems usw.). Wenn bei unzureichender Energieversorgung von Wiederkäuern die Propionsäureabgabe aus dem Pansen stark nachlässt, kann das zur Ketose, einer ernsten Stoffwechselerkrankung, führen (s. 7.3.1.2). Noch ein Beispiel für Biosynthesen aus Zwischenprodukten des Citratzyklus: Aus aktivierter Bernsteinsäure und der Aminosäure Glycin wird das Häm gebildet, der Farbstoff des Hämoglobins in den roten Blutkörperchen und der Cytochrome in der Atmungskette
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Zusammenfassung | Unser Einblick in den Energiehaushalt der Zelle lässt noch viele Fragen offen und verhilft uns auch nicht direkt zu einem Maßstab für die Futterbewertung. Aber er liefert immerhin wichtige Vorkenntnisse für das Verständnis der Methoden zur praktischen Futterbewertung:
!!! 1. Der Stoffumsatz im Tierkörper ist mit einem mehr oder weniger großen Energieverbrauch verbunden, wenig bei der Umwandlung sehr ähnlicher Stoffe (wie Glukose zu Laktose), viel bei komplizierten, über viele Stufen laufenden Abbau-, Umbau- und Aufbauprozessen und bei Arbeitsleistungen. Das heißt: Die Höhe des Energieverbrauchs richtet sich nach dem Verwendungszweck der Energie. 2. Bei dem im Verdauungskanal aus dem Futter herausgelösten und über die Darmwand in den inneren Stoffwechsel gelangten Nährstoffen liegt die Energie in chemisch gebundener Form vor. Sie kann für die Arbeit und viele andere Leistungen des Tierkörpers nicht unmittelbar genutzt werden. Sondern die Nährstoffe müssen so umgeformt werden, dass die in ihnen gespeicherte Energie auf bestimmte Phosphorverbindungen (vor allem ATP) übertragen werden kann. Dabei entstehen ATP und andere energiereiche Verbindungen. 3. Die bei dieser Umwandlung anfallende Wärme kann nicht mehr in andere Energieformen umgewechselt werden und ist ziemlich wertlos. 4. Die Energieausbeute, mit anderen Worten das Verhältnis zwischen Abfallwärme und frei verfügbarer Energie (im ATP), ist am besten beim Einsatz von Glukose, nicht viel ungünstiger bei der Verwendung von Fett bzw. kurzkettigen Fettsäuren (aus der Pansengärung), aber deutlich schlechter bei Einsatz von Eiweiß. 5. Daraus folgt, weil Eiweiß der teuerste Nährstoff ist, dass es möglichst nur in den für die Bildung bzw. den Ersatz von Muskel-, Enzym-, Milch-, Eiereiweiß usw. nötigen Mengen und Qualitäten zugeführt werden sollte, also für überwiegend stoffliche Zwecke. Für die Verwendung als Energielieferant ist Eiweiß zu schade.
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung
5.2.2 Die Verdaulichkeit des Futters Die Tiere können nur von dem Teil des Futters leben, der verdaut wird. Was im Futter unverdaulich ist, wird mit dem Kot ausgeschieden. Der Kot enthält noch viel Energie, wie in jenen waldlosen Trockengebieten der Welt demonstriert wird, wo man Kamel- oder Kuhfladen von der Sonne trocknen lässt und dann als Brennstoff zum Kochen des Essens verwendet. Man könnte den getrockneten Kot auch in ein Calorimeter geben und seinen Brennwert bestimmen, um folgende Rechnung durchführen zu können:
!!! Futter-Energie minus Kot-Energie = verdauliche Energie Verdauungskoeffizienten | Bei den üblichen Verdaulichkeitsbestimmungen im Tierversuch geht man nicht so summarisch vor, sondern bestimmt mit Hilfe der Weender Analyse den Anteil der einzelnen Nährstoffe im Futter und im Kot. Daraus werden Verdaulichkeitskoeffizienten errechnet, die man im Bedarfsfalle auch zur Berechnung der verdaulichen Energie benutzen kann. Bei den Verdauungsversuchen werden beispielsweise vier bis fünf Hammel über mehrere Wochen mit abgewogenen Mengen Wiesenheu (1. Schnitt, Beginn bis Mitte der Blüte) ernährt. Der Kot wird aufgefangen und ebenfalls gewogen. Wenn in der täglich aufgenommenen Heuration (von beispielsweise 2 kg) 580 g Rohfaser und in der täglich eingesammelten Kotmenge 220 g Rohfaser gefunden werden, müssen 580–220 × 100 = 62 % 580 der im Heu vorhandenen Rohfaser im Verdauungstrakt absorbiert worden sein. 62 % ist der Verdauungskoeffizient (oder Verdauungsquotient) für die Rohfaser dieser Heuqualität. Die gleichen Bestimmungen und Berechnungen werden auch für die übrigen Rohnährstoffe ausgeführt. Am Ende wird – je nach dem Anteil der verdaulichen Nährstoffe – ein durchschnittlicher Verdauungskoeffizient für die gesamte organische Substanz errechnet. Bei dem hier verwendeten Heu kann die Verdaulichkeit der organischen Substanz etwa 61 % betragen.
Die Verdauungskoeffizienten werden in der Regel an der Tierart ermittelt, für die sie angewendet werden sollen. Am Rind wäre dies allerdings mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Hier bedient man sich des „kleinen“ Wiederkäuers Schaf (Hammel) quasi als Modelltier. Die Verdauungswerte sind keine konstanten Größen, sondern streng genommen immer nur für die untersuchte Futterpartie zutreffend. Sie können zusätzlich durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Hierzu gehören einmal genetisch bedingte Unterschiede hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Verdauung beim Einzeltier (individuelle Schwankungen). Diese dürften um so größer sein, je weniger eine Rasse bzw. Population durchgezüchtet ist. Bei Legehennen werden die Unterschiede geringer sein als beispielsweise bei den Rindern. Zum anderen beeinflusst die Höhe der täglichen Futterzuteilung (satt oder restriktiv) sowie die Bearbeitung der Futtermittel (Zerkleinerungsgrad) das Verdauungsergebnis. Eine gewisse Schwankungsbreite der Einzelergebnisse ist deshalb unvermeidbar. Durch das Zusammenfügen vieler Ergebnisse aus Verdauungsversuchen und möglichst enge Eingrenzung der geprüften Futterqualitäten (z. B. bei Wiesenheu vier Qualitäten nach dem Vegetationsstadium, vgl. Tab. 20) wurden durch die Dokumentationsstelle der Universität Hohenheim, die weit über 1 Mio. Dateneinheiten gespeichert hat, repräsentative Durchschnittswerte bereitgestellt. Die DLG versucht z. Zt. eine moderne Datenbank für Futtermittel aufzubauen. Die Tab. 20 soll am Beispiel von Grassilage verdeutlichen, welche großen Schwankungen die Verdaulichkeit der organischen Substanz in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium beim Schnitt, aber auch von der Jahreszeit aufweist. Von diesem Beispiel kann demnach abgeleitet werden:
!!! Die Verdaulichkeit eines Futtermittels hängt sehr eng mit dessen Rohfasergehalt zusammen. Je höher dieser ist, desto schlechter verdaulich wird das Futter. Die Verdaulichkeit nimmt ebenfalls mit fortschreitender Vegetation ab (2. und folgende Aufwüchse). Auf den ebenfalls in der Tabelle aufgeführten Energiegehalt kommen wir später zurück, wenn wir die Energiebewertungs-
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Grundlagen der Tierernährung
Tab. 20 Verdaulichkeit und Energiegehalt von Grassilage (Grünland, 2–3 Nutzungen, grasreich, obergrasbetont) Vegetationsstadium beim Schnitt
Rohfaser in der TM
Verdaulichkeit der organischen Substanz
NEL in der TM
1. Aufwuchs Beginn Ähren-/Rispenschieben
22,1 %
79 %
6,69 MJ
volles Ähren-/Rispenschieben
26,4 %
71 %
5,89 MJ
Beginn der Blüte
29,9 %
70 %
5,76 MJ
Mitte bis Ende der Blüte
33,4 %
67 %
5,38 MJ
unter 4 Wochen
21,9 %
72 %
5,98 MJ
4 – 6 Wochen
26,0 %
70 %
5,68 MJ
7 – 9 Wochen
29,3 %
68 %
5,46 MJ
2. und folgende Aufwüchse
systeme kennengelernt haben. Weitere Informationen zu dieser Grassilage finden sich in der Tab. 31. Die Tagesration einer frischmelken Hochleistungskuh sollte zu mindestens 80 % verdaulich sein. Es ist klar, dass man dieser Forderung mit Grassilage aus blühenden oder überständigen Gräsern nicht entsprechen kann. Beim Schwein sind die Verdauungskoeffizienten des Grünfutters und der daraus gewonnenen Futterkonserven wesentlich niedriger als bei den Wiederkäuern. Trockengrün von jungem Weidegras ist bei Wiederkäuern zu etwa 75 % verdaulich, beim Schwein nur zu ca. 52 %. Die niedertragenden Sauen mit den niedrigsten Ansprüchen verlangen in der Tagesration eine Verdaulichkeit der organischen Substanz von etwa 60 %. Heu gehört also mit Recht nicht in den Schweinestall (mit Ausnahme geringfügiger Mengen als Ballast). Bei Weizen beträgt die Verdaulichkeit der organischen Substanz bei Wiederkäuern 89 % und beim Schwein sogar 90 %. Rohfaserarme, gut verdauliche Futtermittel werden von den Schweinen noch etwas besser verwertet als von den Wiederkäuern. Mastschweine und säugende Zuchtsauen benötigen eine Futterration, deren organische Substanz zu 80–84 % verdaulich ist.
190
In-vitro-Methoden | Für bestimmte Untersuchungen, besonders im Routinebetrieb, sind relativ aufwändige Tierversuche (= In-vivo-Methoden) nicht vertretbar. Es hat deshalb nicht an Versuchen gefehlt, Methoden zu entwickeln, bei denen Teile der im Verdauungstrakt der Tiere stattfindenden Vorgänge im Reagenzglas (= in vitro) nachvollzogen werden können. Solche Methoden sind besonders für die Futterwertbestimmung beim Wiederkäuer interessant, da die hier eingesetzten Futterqualitäten in weiten Grenzen schwanken können, so dass die Verwendung von Tabellenwerten problematisch ist. Da bei dieser Tierart die im Vormagen angesiedelten Mikroorganismen entscheidend für das Ausmaß der Verdauung der Futtermittel verantwortlich sind, liegt es nahe, die Vorgänge im Pansen zu simulieren. Hierbei wird eine Futterprobe mit Pansensaft, der von einem unter festgelegten Bedingungen gefütterten Spendertier (Rind oder Schaf) über eine Pansenfistel (= verschließbare operativ angebrachte Öffnung) entnommen wird, vergoren. Bei der Pansensaft-Vergärung müssen die Bedingungen im Vormagensystem, insbesondere Futterzerkleinerung und Temperatur, möglichst exakt nachvollzogen werden. Nach einer bestimmten Zeit wird dann der unvergärbare Futterrest herausgefiltert, gewogen und getrocknet. Durch Gewichtsvergleich mit der ur-
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung sprünglich eingewogenen Futtermenge kann dann der verdaute Anteil errechnet werden. Diese Methode wurde als Hohenheimer-Futterwert-Test (HFT), der heute bei uns am weitesten verbreitet ist, weiterentwickelt. Beim HFT wird nicht mehr der Substanzverlust des Futtermittels direkt gemessen, sondern das Gasvolumen, das während der Einwirkungszeit des Pansensaftes entsteht. Auch im Vormagensystem der Tiere werden regelmäßig Gase gebildet, die vorwiegend aus Kohlendioxid und Methan bestehen (vgl. 2.8.4). Die Gasbildung (Gb) ist ein sicherer Maßstab für das Ausmaß der mikrobiellen Umsetzungen und somit für die Verdaulichkeit des Futtermittels. Werden neben der Gasbildung auch die Rohnährstoffgehalte nach der Weender Analyse ermittelt, kann der energetische Futterwert über entsprechende Regressionsgleichungen mit sehr hoher Genauigkeit geschätzt werden. Der HFT ist die heute bei uns am häufigsten angewendete Invitro-Methode zur Bestimmung des energetischen Futterwertes für Wiederkäuer. Heute besteht auch die Möglichkeit, Pansensaft durch bestimmte Enzyme zu ersetzen. Hierbei handelt es sich um handelsübliche Cellulase-Präparate. Nach einer definierten Einwirkungszeit auf die Futtermittelprobe wird der unlösbare Anteil bestimmt und nach einer Aschebestimmung als Gehalt an enzymlöslicher organischer Substanz (ELOS) berechnet. Manche Verfahren weisen auch die enzymunlösliche organische Substanz (EULOS) aus. Alle In-vitro-Verfahren müssen am Tierversuch geeicht werden. Über entsprechende Korrekturfaktoren sind dann relativ gute Näherungswerte der am Tier gemessenen Werte zu erreichen. Die enzymatischen Methoden haben den Vorteil, dass die Präparate im Handel erhältlich sind und die Methoden auch bei Futtermitteln angewendet werden können, die antibiotische Leistungsförderer enthalten (Rindermastfutter). Die Gewinnung von Pansensaft für den HFT über fistulierte Tiere wird heute aus tierschutzrechtlichen Gründen kritisch gesehen.
die bei vollständiger Verbrennung frei werdende Energiemenge bezeichnet. Was ist nun Nettoenergie? Das ist jener Rest der Bruttoenergie eines Futtermittels oder einer Futterration, der nach Abzug aller Energieverluste dem Tier verbleibt und von ihm für seine Leistungen verwendet werden kann. Die wichtigsten dieser Leistungen enthält die nachstehende Aufstellung: Übersicht 23 Erhaltungsfunktionen:
1. Aufrechterhaltung der ständigen Herz-, Atmungs-, Nieren-, Nerven-, Drüsentätigkeit und anderer lebensnotwendiger Stoffwechselvorgänge 2. Ersatz der verbrauchten Stoffe (Oberhaut, Haare, Hufe, Federn, Enzyme, rote Blutkörperchen usw.) 3. Wärmeregulation bei extremen Temperaturen Produktions- 1. Arbeit (Ziehen, Reiten, usw.) leistungen: 2. Wachstum 3. Speicherung (Mast) 4. Trächtigkeit 5. Milchbildung 6. Eierproduktion 7. Wolle
!!! Bei den energieverbrauchenden Leistungen des Tierkörpers unterscheiden wir also zwischen den eigentlichen, wirtschaftlich verwertbaren Leistungen und jenen, die jedes lebende Tier um seiner selbst willen erbringen muss und die für seine Gesunderhaltung notwendig sind. Diese Erhaltungsfunktionen sind aber zugleich die Voraussetzung für die Bereitschaft und die Fähigkeit, wirtschaftlich verwertbare Produkte zu liefern. Zuerst muss das Futter den Erhaltungsbedarf der Tiere decken. Nur wenn darüber hinaus noch Futter gereicht wird, können die Energieüberschüsse zur Produktion von Fleisch, Milch usw. benutzt werden.
? 5.2.3
Energiestufen
Von der Brutto- zur Nettoenergie | Am Anfang des Kap. 5.2 wurde als Bruttoenergie des Futters
Eine Scherzfrage zwischendurch: Ist es möglich, dass aus Nettoenergie wieder Bruttoenergie wird? Antwort: Ja, wenn das Kalb die Milch der
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Grundlagen der Tierernährung Kuh säuft. Die in 1 kg Milch mit 4 % Fett enthaltene Energie von rund 3 100 kJ ist für die Kuh Nettoenergie, für das Kalb aber Bruttoenergie.
Ein Teil der Leistungen ist in dem Schema durch den Druck hervorgehoben. Bei diesen Leistungen besteht nicht nur ein Anspruch an Energie, sondern auch ein Eiweißbedarf; denn es wird Eiweiß ersetzt oder angesetzt. Der Anteil der eiweißbedürftigen Funktionen ist bei den Produktionsleistungen größer als bei der Erhaltung. Diese Erkenntnis schlägt sich in den Fütterungsempfehlungen für die verschiedenen Tierarten und Produktionsrichtungen nieder, die wir noch kennenlernen werden. Im Leistungsfutter muss der Eiweißanteil wesentlich höher sein als im Erhaltungsfutter. Für die meisten Erhaltungsfunktionen sowie für die Arbeitsleistung und die Fettspeicherung braucht teures Eiweiß nicht zur Verfügung gestellt zu werden. Dafür genügen die billigen Kohlenhydrate als Energiequellen. Energieverluste und Energiestufen | Wenn von der Bruttoenergie des Futters die Kotenergie abgezogen wird, erhält man rechnerisch die verdauliche Energie (für Bruttoenergie hat sich international die Bezeichnung „gross energy“, abgekürzt GE, und für die verdauliche Energie DE = „digestible energy“ eingebürgert). Die mit dem Kot ausgeschiedene Energie stellt nicht die einzige Verlustquelle dar. Mit weiteren Energieverlusten hatten wir schon im Abschnitt 5.2.1 zu tun. Da gibt es die Energieverluste über den Harn, wenn Harnstoff und andere energiehaltige Stoffwechselschlacken ausgeschieden werden. In viel größerer Menge entstehen aber bei Wiederkäuern Energieverluste durch die Abgabe von Gärungsgasen über den Schlund (aus der Pansengärung), in geringerem Umfang über den After (aus der Dickdarmgärung). Als Gärungsgas bildet sich hauptsächlich Methan mit einem sehr hohen Energiewert (13,2 kcal = 55 kJ je g). Die täglich erzeugte Menge an Methan beträgt bei Kühen 200–400 g, bei Mastrindern 70–150 g und bei Schafen 10–30 g.
192
!!! Wenn man von der Bruttoenergie des Futters die Energieverluste über Kot, Harn und Methan abzieht, erhält man die so genannte umsetzbare Energie. Dieses ist die Höchstmenge an Energie, die von den Tieren im inneren Stoffwechsel zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensfunktionen und für vom Menschen nutzbare Leistungen umgesetzt werden kann. Sie wird auch als „metabolizable energy“, abgekürzt ME, bezeichnet. Bei diesen Umsetzungen ergeben sich weitere Energieverluste dadurch, dass nur ein Teil der in den absorbierten Nährstoffen (Glukose, Fettsäuren, Aminosäuren usw.) eingeschlossenen Energie in die Speicherform des ATP überführt und nach Bedarf bei energieverbrauchenden Prozessen freigesetzt werden kann.
!!! Der Rest der potenziellen (möglichen) Energie der absorbierten Nährstoffe fällt als Wärmeenergie an, die in diesem Zusammenhang meistens als thermische Energie bezeichnet wird. Ein Teil dieser thermischen Energie kann in kalter Umgebung (bei Rindern je nach Leistung unter 5 bis 0 °C, bei Sauen unter 12–8 °C) genutzt werden und verhindert dann die zusätzliche Verbrennung von Nährstoffen zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Sonst hat die thermische Energie aber, wie früher schon ausgeführt wurde, den Charakter von Abfallwärme (wie die Reibungswärme in den Motoren) und muss über die Haut nach außen abgegeben werden. Ein Teil der thermischen Energie entstammt der für die Kau-, Verdauungs- und Transportarbeit aufgewendeten Energie und ist von der Beschaffenheit der Futtermittel abhängig. Außerdem variiert die thermische Energie nach der Tierart (bei Schwein und Geflügel niedriger als bei Wiederkäuern) und nach der Nutzungsrichtung (bei der Milchbildung geringer als beim Fettansatz). An dem höheren Anfall an thermischer Energie beim Wiederkäuer sind auch die Mikroorganismen des Pansen beteiligt, und zwar besonders durch die bei der Pansengärung entstehende Fermentationswärme.
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung
!!! Daraus folgt, dass die Nettoenergie eines bestimmten Futtermittels von Tierart zu Tierart verschieden ist und sich innerhalb einer Tierart nach der Nutzungsrichtung unterscheidet. Um die Größenordnung der Energieverluste sichtbar zu machen, wird in der Abb. 76 der tägliche Energieumsatz einer 650 kg schweren Milchkuh mit einer täglichen Milchleistung von 15 kg ECM (das heißt energiekorrigierte Milch: 4 % Fett- und 3,4 % Eiweißgehalt) bei leistungsgerechter Fütterung, also ohne Körpergewichtsänderungen, dargestellt. Zählt man auch den Erhaltungsbedarf zum „unproduktiven“ Anteil, werden letztlich nur ca. 19 % der Bruttoenergie der Futterration in Milchleistung umgesetzt. Wer das Schema genau betrachtet, dem wird auffallen, dass einige Zahlen den Zusatz „circa“ (= ungefähr) haben, andere nicht, und dass die Einrahmungslinien der Kästchen nicht immer gleich aussehen. Wie steht es also um die Genauigkeit
Abb. 76
der Bestimmung und Abgrenzung der verschiedenen Energieformen? Wie man die Kotenergie ermitteln kann, wurde schon erörtert. Wie mit teuren Apparaten und kostspieligen, auch zeitaufwändigen Untersuchungen die Menge der gasförmigen Ausscheidungen bestimmt und die umsetzbare Energie berechnet werden kann, wollen wir hier nicht behandeln. Aber es geht, und zwar genau. Das Gleiche gilt, wenn man vom anderen Ende her die in den Produkten enthaltene Energie bestimmt. Natürlich geht das leichter bei Milch und Eiern als bei der Ermittlung der im täglichen Zuwachs junger Mastschweine oder -rinder enthaltenen Energie.
? Warum? Eine Frage zum Nachdenken, auf die wir noch zurückkommen.
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Mit umständlichen Untersuchungen und Berechnungen gelingt auch das.
Schema der Energieverluste bei der Milchproduktion
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Grundlagen der Tierernährung
Problematik der Bestimmung des Erhaltungsbedarfs | Unscharf bleibt die Abgrenzung zwischen thermischer Energie und Nettoenergie für Erhaltung. Die beim oben stehenden Schema benutzten und in späteren Abschnitten des Buches aufgeführten Angaben für den Erhaltungsbedarf der Tiere stellen nur Annäherungswerte dar, die vom so genannten Grundumsatz abgeleitet worden sind. Das ist der Energieumsatz fastender Tiere bei völliger Ruhe in einem Raum mit mittlerer Temperatur. Hier werden schon die Schwierigkeiten deutlich: Hungrige Tiere sind unruhig. Wiederkäuer darf man mit Rücksicht auf ihre Gesundheit nicht so lange hungern lassen, bis der Verdauungskanal leer und die Auswirkung der letzten Futteraufnahme vor dem Fasten nicht mehr spürbar ist. Trotzdem wurde von Kleiber entdeckt, dass der Grundumsatz verschieden schwerer Tiere nach folgender Formel, also mit einer logarithmischen Rechnung, ermittelt werden kann: Täglicher Energieverbrauch im Grundumsatz (kJ) = 293 × Lebendgewicht in kg 3⁄4. Die 3⁄4-Potenz des Körpergewichts wird auch als metabolische Körpergröße bezeichnet. Diese Formel bedeutet, dass große Tiere pro kg ihres Körpergewichtes weniger Erhaltungsenergie verbrauchen als kleine Tiere, und zwar in einer berechenbaren Größenordnung. Beim Erhaltungsbedarf kommt zu diesem Minimalbedarf noch der für die Futteraufnahme, Verdauungsarbeit, leichte Muskeltätigkeit und Wärmeregulation erforderliche Energiebedarf hinzu. Da diese Faktoren keine feststehenden Größen sind, wird der Erhaltungsbedarf immer eine gewisse Schwankungsbreite aufweisen. Zum Schluss die Antwort auf die gestellte Frage.
!!! Die Zunahme wachsender Tiere besteht aus unterschiedlichen Anteilen Wasser, Eiweiß und Fett. Wegen des verschiedenen Brennwertes von Eiweiß und Fett muss man versuchen, die unterschiedliche Zusammensetzung des Zuwachses herauszubekommen, entweder durch Ausschlachtung und Gewebezerlegung eines Teils der jeweiligen Versuchstiere oder durch Bestimmung der Kohlenstoff- und Stickstoffbilanzen an den lebenden Tieren, wofür die Erfas-
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sung der gasförmigen Ausscheidungen notwendig ist, wie bei der Ermittlung der umsetzbaren Energie. Energiebewertungssysteme | Die energetische Futterbewertung ist ein wesentlicher Grundpfeiler der Tierernährung und deshalb seit nahezu hundert Jahren ein intensives Arbeitsgebiet der Tierernährungsforschung. Die energetische Futterbewertung hat die möglichst exakte Vorhersage der aus den Futtermitteln zu erwartenden tierischen Leistung zum Ziel. Die in den einzelnen Energiestufen auftretenden Verluste müssen deshalb möglichst exakt quantifiziert werden. Umgekehrt muss aber auch für eine konkrete tierische Leistung die erforderliche Menge an Futterenergie berechnet werden können. Futterbewertung und Bedarfsermittlung müssen deshalb eng miteinander verknüpft sein. Auf welcher Energiestufe das Bewertungssystem aufgebaut wird, hängt besonders davon ab, welche Energieverluste in erster Linie durch die verschiedenen Futtermittel selbst und welche durch die unterschiedlichen Produktionsrichtungen der Tiere verursacht werden. Die bis zur Stufe der umsetzbaren Energie (ME) auftretenden Verluste sind in erster Linie futtermittelbedingt, während die bei der Umsetzung zur Nettoenergie auftretenden Verluste stark durch die Produktionsrichtung (Eiweiß, Fett, Milch u. a.) beeinflusst werden. Aus diesen Gründen basieren heute die meisten für die landwirtschaftlichen Nutztiere angewendeten Futterbewertungssysteme auf der Energiestufe „ME“. Die unterschiedliche Verwertung der ME für die einzelnen Teilbereiche der Leistung wird über die Bedarfsangaben berücksichtigt. Die Energiebewertung bei der Milchproduktion stellt hier eine Ausnahme dar, denn sie erfolgt auf der Stufe der Nettoenergie. Dies ist darauf zurückzuführen, dass hier die Produktionsrichtung relativ eindeutig festliegt, während z. B. im Bereich der Rindermast sehr unterschiedliche Formen (Bullenmast, Ochsenmast, Färsenmast) sowie Intensitäten (Intensivmast, Wirtschaftsmast, Vor- und Endmast usw.) praktiziert werden. Dies trifft auch für die Schweinehaltung zu, wo tragende und säugende Zuchtsauen, Ferkel, Läufer und Mastschweine mit sehr unterschiedlichen
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung Tab. 21 Energiestufen und ihre Anwendung als Bewertungssysteme Energiestufe
Bezeichnung
Einheit
Anwendung
Bruttoenergie
GE
MJ
Menschen, Fische
Verdauliche Energie
DE
MJ
Kaninchen, Hunde, Katzen
Umsetzbare Energie
ME
MJ
Schweine, Geflügel, Rindermast, Rinderaufzucht, Schafe, Pferde
Nettoenergie Nettoenergie – Laktation
NEL
MJ
Milchkühe, Milchschafe, Ziegen
Produktionszielen gefüttert werden. Eine Übersicht über die z. Zt. angewendeten Energiebewertungssysteme findet sich in der Tab. 21.
5.2.4
Die Energiebewertung bei Wiederkäuern
Bis zum Jahr 1982 wurde bei der Berechnung von Futterrationen für alle Nutzungsrichtungen der Wiederkäuer das von dem Leipziger Professor Oskar Kellner Anfang dieses Jahrhunderts entwickelte Stärkeeinheiten-System (STE) benutzt. Dieses Bewertungssystem wurde bei Milchkühen 1982 durch die NEL und bei Mast- und Aufzuchtrindern sowie bei Schafen 1997 durch die ME abgelöst. Grundlage der Energiebewertung beim Wiederkäuer sind aufwändige Respirationsversuche, die für eine routinemäßige Bewertung der Futtermittel nicht praktikabel sind. Aus den grundle-
genden Respirationsversuchen, die über jahrzehnte am Oskar-Kellner-Institut in Rostock durchgeführt worden sind, wurde eine entsprechende Regressionsgleichung abgeleitet, mit deren Hilfe die umsetzbare Energie (ME) aus den verdaulichen Rohnährstoffen berechnet werden kann. 1997 wurde diese auf Basis des Datenmaterials von 92 verschiedenen Futterrationen korrigiert.
!!! Die ME ist – wie aus dem Abschnitt 5.2.3 und der Abb. 76 hervorgeht – eine Zwischenstufe bei der Berechnung der NEL. Sie ist somit sowohl für die Mast und Aufzucht als auch für die Milcherzeugung gültig. Zur Berechnung der Bruttoenergie und der umsetzbaren Energie (ME) werden folgende Regressionsgleichungen angewendet:
Übersicht 24 Bruttoenergie – GE (MJ/kg) =
Umsetzbare Energie – ME (MJ/kg) =
Nährstoff (g/kg) Rohprotein + Rohfett + Rohfaser + NfE verdauliches Rohfett + verdauliche Rohfaser + (verd. organische Substanz – verd. Rohfett – verd. Rohfaser) + Rohprotein
Die Bruttoenergie wird aus der Summe der organischen Nährstoffe nach der Weender-Analyse unter Berücksichtigung der entsprechenden Verwertungsfaktoren berechnet.
Faktor × 0,0239 × 0,0398 × 0,0201 × 0,0175 × 0,0312 × 0,0136 × 0,0147 × 0,00234
Zur Berechnung der umsetzbaren Energie wird das verdauliche Rohfett, die verdauliche Rohfaser, der „Rest verdauliche organische Substanz“ und das Rohprotein herangezogen, mit den ent-
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Grundlagen der Tierernährung
sprechenden Verwertungsfaktoren multipliziert und addiert. Bei dem „Rest verdauliche organische Substanz“ handelt es sich um die verdauliche organische Substanz abzüglich des verdaulichen Rohfettes und der verdaulichen Rohfaser. Beim Protein beschränkt sich die Berechnung auf das Rohprotein, da dessen Verdaulichkeit kaum durch die Futtermittel beeinflusst wird.
!!! Von der umsetzbaren Energie wird die Nettoenergie-Laktation (NEL) mit Hilfe folgender Formel abgeleitet: NEL (MJ/kg) = 0,6 (1 + 0,004 [q – 57]) × ME (MJ/kg) Es wird von einer mittleren Verwertung der umsetzbaren Energie von 60 % (0,6) ausgegangen.
Diese hängt von der Zusammensetzung der Futterration ab und wird in der Formel durch q (= Umsetzbarkeit der Energie) charakterisiert. Zur Berechnung wird die umsetzbare Energie des Futtermittels ins Verhältnis zur Bruttoenergie nach der Formel q=
ME × 100 gesetzt. GE
Die für die Berechnung benötigten Daten (Rohnährstoffe für die GE und Verdaulichkeiten für die ME) können aus der DLG-Futterwerttabelle entnommen werden. Zunächst wird am Beispiel einer Grassilage (1. Aufwuchs, Beginn Ähren-/ Rispenschieben – s. Tab. 31) die ganze Berechnung durchgeführt und kann vom Leser nachvollzogen werden (Übersicht 25).
Übersicht 25 Informationen der Futteranalyse und der DLG-Tabelle zu Grassilage: Rohnährstoffgehalte je kg TM: 892 g organische Substanz (OS), 165 g Rohprotein, 44 g Rohfett, 221 g Rohfaser, 462 g NfE Verdaulichkeiten: OS 79 %, Rohfett 64 %, Rohfaser 82 %. 1. Schritt: Berechnung der Bruttoenergie (GE) 1 kg Grassilage – TM liefert Rohprotein 165 g + Rohfett 44 g + Rohfaser 221 g + NfE 462 g
Faktor ×0,0239 × 0,0398 × 0,0201 × 0,0175
GE (MJ/kg) = 3,94 = 1,75 = 4,44 = 8,06 18,19 MJ/kg
2. Schritt: Berechnung der umsetzbaren Energie (ME) 1 kg Grassilage – TM liefert verdauliches Rohfett 28,2 g + verdauliche Rohfaser 181,2 g + verd. OS – verd. Rohfett – verd. Rohfaser 495,3 g + Rohprotein 165 g
Faktor × 0,0312 × 0,0136 × 0,00147 × 0,00234
ME (MJ/kg) = 0,88 = 2,46 = 7,28 = 0,39 11,01 MJ/kg
3. Schritt: Berechnung der Umsetzbarkeit (q) ME 11,01 q= × 100 = × 100 = 60,5 GE 18,19 4. Schritt: Berechnung der Nettoenergie Laktation (NEL) NEL = 0,6 · (1 + 0,004 [60,5 – 57]) · 11,01 MJ/kg
Die Grassilage enthält in 1 kg Trockenmasse 11,01 MJ ME bzw. 6,70 MJ NEL. Wie im Kapitel Futtermittel zu sehen sein wird, handelt es sich
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= 6,70 MJ/kg
hierbei um eine sehr gute Qualität (früher Schnitt, niedriger Rohfaseranteil, hohe Verdaulichkeit).
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung Bei Grassilage handelt es sich um ein Grobfuttermittel. Als weiteres Beispiel für die Berechnung der ME und NEL wird Weizen als Kraftfuttermittel gewählt. Wie bei der Grassilage erfolgt auch hier die Berechnung in 1 kg Trockenmasse. Selbstverständlich kann die Berechnung
auch in der Frischmasse (88 % TM) erfolgen, die Rohnährstoffgehalte müssen dann entsprechend umgerechnet werden. Auf Basis der Trockenmasse ist allerdings eine bessere Vergleichbarkeit verschiedener Futtermittel gegeben (Übersicht 26).
Übersicht 26 Informationen der Futteranalyse und der DLG-Tabelle zu Weizen: Rohnährstoffgehalte je kg TM: 981 g organische Substanz (OS), 138 g Rohprotein, 20 g Rohfett, 29 g Rohfaser, 794 g NfE Verdaulichkeiten: OS 89 %, Rohfett 78 %, Rohfaser 41 %. 1. Schritt: Berechnung der Bruttoenergie (GE) 1 kg Weizen – TM liefert Faktor GE (MJ/kg) > 0,0239 Rohprotein 138 g = 3,30 > 0,0398 + Rohfett 20 g = 0,80 > 0,0201 + Rohfaser 29 g = 0,58 > 0,0175 + NfE 794 g = 13,90 18,58 MJ/kg 2. Schritt: Berechnung der umsetzbaren Energie (ME) 1 kg Weizen – TM liefert Faktor ME (MJ/kg) > 0,0312 verdauliches Rohfett 15,6 g = 0,49 > 0,0136 + verdauliche Rohfaser 11,9 g = 0,16 > 0,0147 + verd. OS – verd. Rohfett – verd. Rohfaser 845,6 g = 12,43 > 0,00234 + Rohprotein 138 g = 0,32 13,40 MJ/kg 3. Schritt: Berechnung der Umsetzbarkeit (q) ME 13,40 q= × 100 = × 100 = 72 GE 18,58 4. Schritt: Berechnung der Nettoenergie Laktation (NEL) NEL = 0,6·[1 + 0,004 (72 – 57)]·13,40 MJ/kg
Der Weizen enthält in 1 kg Trockenmasse 13,40 MJ ME und 8,52 MJ NEL. Bei nahezu gleichem Bruttoenergiegehalt wie in der Grassilage sind dies 22 % mehr umsetzbare Energie und 27 % mehr Nettoenergie.
= 8,52 MJ/kg
Bei der NEL wirkt sich selbstverständlich der höhere ME-Gehalt des Weizens positiv aus. Hinzu kommt die höhere Umsetzbarkeit von knapp 12 %-Punkten.
? Welche Faktoren bewirken diese Differenzen? Beim Vergleich der beiden Berechnungen fallen viele Unterschiede auf. Bei der umsetzbaren Energie fällt besonders der bedeutend höhere Anteil an verdaulicher organischer Substanz des Weizens ins Gewicht. Insgesamt kann in diesem Zusammenhang festgestellt werden, dass die Verdaulichkeit der Rohnährstoffe einen sehr hohen Einfluss auf die umsetzbare Energie haben.
Nach der hier durchgeführten Berechnungsmethode können für alle Futtermittel, für die die erforderlichen Informationen vorliegen, die MEund NEL-Gehalte berechnet werden. Dabei ist die Information über die Rohnährstoffgehalte mittels der Weender-Analyse relativ einfach zu bekommen. Schwieriger ist es dagegen, die Verdaulichkeiten für die betreffenden Nährstoffe zu erfahren. Diese müssen über entsprechende Tierversuche ermittelt werden. In der DLG-Futter-
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Grundlagen der Tierernährung
werttabelle sind umfassende Informationen zu zahlreichen Futtermitteln enthalten, u. a. selbstverständlich auch die ME- und NEL-Gehalte. Mit den Werten für die einzelnen Futtermittel können dann Futterrationen und -mischungen berechnet und mit dem Bedarf der Tiere verglichen werden. Kommen wir zurück auf die Tab. 20. Wir hatten bereits festgehalten, dass die Verdaulichkeit eines Futtermittels von der Höhe seines Rohfasergehaltes abhängt. Betrachtet man den NEL-Gehalt, so ist ebenfalls ein enger Zusammenhang zur Verdaulichkeit festzustellen. Dies ist nicht verwunderlich, da das Energiebewertungssystem ja von den verdaulichen Nährstoffen ausgeht. Der Energiegehalt erlaubt deshalb Rückschlüsse auf die Verdaulichkeit eines Futtermittels.
!!! Da in den gängigen Futterwerttabellen keine Verdaulichkeitswerte angegeben sind und diese bei Rationsberechnungen auch nicht berücksichtigt werden, ist die „Energiekonzentration“ (MJ NEL/kg TM) der geeignetste Maßstab zur Beurteilung der Qualität eines Futtermittels und einer Futterration.
5.2.5
Energiebewertung beim Schwein
Bis zum Jahr 1984 wurde in der Schweinefütterung der Energiemaßstab GN (= Gesamtnährstoff), der im Jahr 1925 vom Göttinger Tierernährungsprofessor Lehmann eingeführt worden war, angewendet. Seitdem ist das Energiebewertungssystem auf der Basis der umsetzbaren Energie (ME) gültig. Die ME wird in Joule bzw. Megajoule (= 1 000 000 Joule), abgekürzt MJ gemessen. Von den Wissenschaftlern wurde die Bewertung auf der Stufe der umsetzbaren Energie (vgl. Abb. 76) deshalb gewählt, weil alle bis zu dieser Stufe auftretenden Energieverluste futtermittelbedingt sind. Die bis zur Stufe der Nettoenergie auftretenden Verluste sind in ihrer Höhe vor allem von der Leistungsrichtung (Aufzucht, Mast, güste, tragende und laktierende Sauen u. a.) und der Leistungshöhe abhängig. Diese unterschiedlichen Wärmeverluste werden bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt. Der auf der Stufe der
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umsetzbaren Energie ermittelte energetische Futterwert ist also z. B. für niedertragende Sauen ebenso zutreffend wie für Absatzferkel. Der Berechnungsgang für den ME-Gehalt eines Futtermittels geht aus dem folgenden Schema hervor: Übersicht 27 1. Schritt: Bestimmung der Rohnährstoffe 2. Schritt: Rohnährstoffe × Verdaulichkeit H verdauliche Nährstoffe 3. Schritt: verdauliche Nährstoffe × Verwertungsfaktoren H Umsetzbare Energie (ME) mit Korrekturen für – Gehalte über 10 % an bakteriell fermentierbarer Substanz – BFS – Zucker bei Gehalten über 8 % in der Trockenmasse
Grundlage der ME sind die Rohnährstoffe, die chemisch ermittelt werden, und deren Verdaulichkeit, die auf der Basis von Tierversuchen in der DLG-Tabelle zusammengefasst sind (erster und zweiter Schritt). Die im dritten Schritt zu berücksichtigenden Verwertungsfaktoren für die verdaulichen Nährstoffe wurden in Tierversuchen durch Regressionsanalyse zwischen verdaulichen Nährstoffen und der am Tier bestimmten ME ermittelt und beziehen sich auf die Futtertrockenmasse: Übersicht 28 0,0210 × verdauliches Rohprotein
in g/kg
0,0374 × verdauliches Rohfett
in g/kg
0,0144 × verdauliche Rohfaser
in g/kg
0,0171 × verdauliche NfE
in g/kg
Beim Vergleich der Verwertungsfaktoren fällt auf, dass in Relation zu den NfE bei Protein von einer um 23 % und bei Fett von einer um 119 % höheren Verwertung auszugehen ist. Bei dem so berechneten ME-Gehalt muss gegebenenfalls in zweierlei Hinsicht eine Korrektur vorgenommen werden:
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung 1. Wenn der Gehalt an bakteriell fermentierbarer Substanz (BFS) des zu berechnenden Futtermittels über 10 % liegt. Die BFS wird aus der Summe der verdaulichen Rohfaser und der verdaulichen NfE abzüglich des Gehaltes an Stärke und Zucker berechnet und ist in der DLG-Tabelle gesondert ausgewiesen. Bei der Korrektur wird nur der über 10 % (100 g je kg TM) hinausgehende Anteil berücksichtigt und mit dem Verwertungsfaktor 0,0068 multipliziert. Auf die Bedeutung der BFS wird später noch ausführlicher eingegangen. 2. Wenn das Futtermittel einen Zuckergehalt über 8 % in der TM aufweist. Damit wird dem um ca. 8 % geringeren Brennwert des Zuckers im Vergleich zur Stärke Rechnung getragen. Der Energieabzug berechnet sich aus dem
Produkt von Zuckergehalt und Korrekturfaktor 0,0014. In der Tab. 22 wird die ME-Berechnung für die beiden Futtermittel Gerste und Melasseschnitzel im Einzelnen aufgeführt. Bei der Gerste liegen sowohl Zucker als auch der BFS-Gehalt unterhalb der eine Korrektur erfordernden Grenzwerte. Bei Melasseschnitzel stellt sich die ME-Berechnung dagegen etwas komplizierter dar, da sowohl der Zuckergehalt über der 8 %-Marke als auch der BFS-Gehalt um 402 g über der 100 g-Grenze liegen. Die Zuckerkorrektur beträgt – 0,29 MJ ME, die BFS-Korrektur –2,73 MJ ME, was einem Energieabzug von 23 % entspricht. Diese Größenordnung verdeutlich, dass auf diese Korrekturen nicht verzichtet werden
5 Tab. 22 Berechnung der umsetzbaren Energie (ME) (nach DLG-Tabelle) 1
2
Analyse g je kg TM
Verdaulichkeit in % (Tabelle)
119
76
Rohfett
25
48
Rohfaser
68
19
NfE
754
90
Zucker
(20)
BFS – 100
–
Rohnährstoff
1·2 100 Verdauliche Rohnährstoffe g je kg TM 3=
4
5 = 3·4
Umrechnungsfaktoren
Umsetzbare Energie ME MJ je kg TM
Futtermittel: Gerste Rohprotein
90
0,0210
1,89
12
0,0374
+ 0,45
13
0,0144
+ 0,19
679
0,0171
+ 11,61
–
–
0,0014
–0
–
–
0,0068
–0
14,14 (TM = 88 %) je kg Frischmasse = 12,44 MJ ME Futtermittel: Melasseschnitzel Rohprotein
112
45
50
0,0210
1,06
7
46
3
0,0374
+ 0,12
Rohfaser
156
83
129
0,0144
+ 1,86
NfE
647
90
582
0,0171
+ 9,96
Zucker
210
–
–
0,0014
– 0,29
BFS – 100
402
–
–
0,0068
– 2,73
Rohfett
9,98 (TM =90 %) je kg Frischmasse = 8,98 MJ ME
199
5
Grundlagen der Tierernährung
kann, wenn das Leistungsvermögen der Futtermittel in der Schweinefütterung richtig vorausgeschätzt werden soll. Bakteriell fermentierbare Substanz | Bei der Berechnung der ME wird von der verdaulichen Energie ausgegangen. Diese wird aus der Differenz der aufgenommenen Gesamtenergie und der über den Kot ausgeschiedenen Energie berechnet. In der Abbildung 77 wird dies mit Hilfe eines Schemas veranschaulicht. Die Summe der sechs Stränge im Magen abzüglich des Kotstranges wird demnach als verdauliche Energie bewertet. Dies ist auch für die Nährstoffe Zucker, Stärke, Protein und Fett, die enzymatisch verdaut werden, korrekt. Für die zum Teil in der NfEFraktion sowie in der Rohfaser enthaltenen Gerüstsubstanzen (Zellulose, Hemizellulose, Pentosane u. a.), die der bakteriellen Verdauung im Dickdarm unterliegen, stimmt dies jedoch nicht. Bei dieser Verdauung entstehen nicht nur die flüchtigen Fettsäuren (Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure), die auch vom Schwein energetisch genutzt werden, sondern auch erhebliche Energieverluste in Form von Methan, Gärungswärme und Folgewärme. Durch die BFS-Korrektur wird dieser Vorgang mengenmäßig berücksichtigt, wie bei der ME-Berechnung für Melasseschnitzel gezeigt. Zu beachten ist, dass diese Korrektur erst bei BFS-Gehalten über 100 g/kg TM angewendet wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass alle Tierversuche zur Ermittlung der energetischen Verwertung von Futtermitteln auf der Basis von Gerste als Energieträger durchgeführt wurden, deren BFS-Gehalt bei 90 g/kg TM liegt.
Abb. 77
200
Insgesamt sind ca. 45 % der in der DLG-Futterwerttabelle für Schweine aufgeführten Futtermittel von der BFS-Korrektur betroffen. In der Tab. 23 wird eine Mischungsberechnung für Mastschweine nach den Kriterien Trockensubstanz, Rohprotein und ME durchgeführt. Der Energiegehalt beträgt 12,57 MJ ME je kg Mischung. Bei einem Mastniveau von 700 g Tageszunahme benötigt ein 50 kg schweres Schwein täglich 24,89 MJ ME, ein 90 kg schweres Schwein 33,99 MJ ME. Ersteres muss 1,98 kg (= 24,89 : 12,57), letzteres 2,70 kg (= 33,99 : 12,57) von dieser Futtermischung aufnehmen um leistungsgerecht mit Energie versorgt zu werden.
5.2.6 Die Energiebewertung beim Geflügel Für das Geflügel werden die Bedarfsnormen und Energiewerte für Futtermittel im Bewertungssystem „umsetzbare Energie“ (ME) angegeben. Der wichtigste Grund dafür ist die Tatsache, dass beim Geflügel die Exkremente aus dem Darm und der Harnblase gemeinsam über die Kloake ausgeschieden werden. Eine Trennung von Kot und Harn und damit eine Bestimmung von Verdauungskoeffizienten beim Geflügel wäre nur mit einer schwierigen, das Wohlbefinden der Versuchstiere und damit auch die Untersuchungsergebnisse beeinträchtigenden Methode möglich.
!!! Deshalb werden in Untersuchungen zur Bestimmung des Energiewertes der Futtermittel beim
Schema zur Verwertung der bakteriell fermentierbaren Substanz (BFS) (Menke, 1984)
5.2 Energiehaushalt und Futterbewertung Tab. 23 Futtermischungsberechnung für Mastschweine Futtermittel
Mischungsanteil
1 kg Futter enthält
1 kg Mischung enthält
%
TM g
Rohprotein g
ME MJ
TM g
Rohprotein g
ME MJ
Gerste
47
880
105
12,44
414
49
5,85
Weizen
30
876
119
13,75
263
36
4,13
Sojaschrot
20
870
448
12,97
174
90
2,59
3
950
–
–
29
–
–
880
175
12,57
Mineralfutter Summe
100
Geflügel die Energieverluste über Kot oder Harn gemeinsam ermittelt und die erhaltene Differenz zwischen Bruttoenergie und ExkrementeEnergie als umsetzbare Energie in der Futterwerttabelle ausgewiesen. Die ME wird im Einheitensystem MJ angegeben. Die Anwendung erfolgt ebenfalls bei den Bedarfsnormen: Bei 70 % Legeleistung hat eine Legehenne (von ca. 1,8 kg Lebendgewicht) einen täglichen Energiebedarf von 1,30 MJ. Bei 90 % Legeleistung werden 1,42 MJ benötigt. Bei einem Energiegehalt des Legehennenalleinfutters von 11 MJ ME je kg muss eine Legehenne zur Deckung dieses Energiebedarfes im ersten Fall täglich 118 g, im zweiten Fall 129 g Futter aufnehmen.
5.2.7
Schätzung des energetischen Futterwertes
Bei der Energiebewertung von Futtermitteln handelt es sich in gewisser Weise immer um Schätzungen im Sinne einer Leistungsvorher-
sage, mit Ausnahme der direkten Prüfung im Verdauungsversuch. Für Grobfuttermittel muss selbst bei Verwendung von Verdauungskoeffizienten aus der Futterwerttabelle stets mindestens eine komplette Weender Analyse durchgeführt werden. Noch komplizierter wird es bei Mischfuttermitteln, bei denen weder die exakte prozentuale Komponentenzusammensetzung noch die Qualität der verwendeten Komponenten bekannt ist. Für die praktische Fütterung ist es deshalb von Interesse, über vereinfachte, auf wenige Analysenwerte gestützte Schätzverfahren eine ausreichend genaue Aussage über den energetischen Futterwert zu bekommen. Entsprechende Schätzformeln für Misch- und Grobfuttermittel wurden von der GfE verabschiedet und werden bei Bedarf aktualisiert. Die Gleichungen zur Schätzung des energetischen Futterwertes bei Mischfuttermitteln sind vom Gesetzgeber in die Futtermittelverordnung übernommen worden und dienen der Energiekontrolle im Rahmen der amtlichen Futtermittelüberwachung, wenn seitens der Mischfutterhersteller Energiegehalte deklariert werden:
Übersicht 29 1. Milchleistungsfutter: NEL in MJ/kg = g Rohprotein + g Rohfett + g Rohfaser + g NfE – g Rohasche + 3,81
× ml Gasbildung in 200 mg Futter × g Rohfett × g Rohfaser × ml Gasbildung in 200 mg Futter × g Rohfaser
× × × × ×
0,0001329 0,0001601 0,0000135 0,0000631 0,0000487
201
5
5
Grundlagen der Tierernährung 2. Sonstige Wiederkäuer – Mischfutter: ME in MJ/kg = g Rohprotein × 0,0126 + g Rohfaser × 0,0225 × 0,0112 + g NfE × 0,0003975 + g Rohasche × g Rohfett – g Rohasche × g Rohfaser × 0,0001993 + % Cellulaselöslichkeit × % Cellulaselöslichkeit × 0,0002449 – 0,15 3. Schweinealleinfutter: ME in MJ/kg = g Rohprotein × 0,0223 + g Rohfett × 0,0341 + g Stärke × 0,017 × 0,0168 + g Zucker + g organischer Rest* × 0,0074 – g Rohfaser × 0,0109 * (Organischer Rest = Organische Substanz – Rohprotein, Rohfett, Stärke, Zucker und Rohfaser) 4. Geflügelmischfutter: ME in MJ/kg = g Rohprotein × 0,01551 + g Rohfett × 0,03431 + g Stärke × 0,01669 + g Gesamtzucker × 0,01301
Zur Schätzung des energetischen Futterwertes bei Grobfuttermitteln wurden 1997 seitens der GfE Gleichungen auf Basis von Rohnährstoffen, der Cellulasemethode und des Gasbildungstests (HFT) für die Futterarten Frischgras, Grassilage, Heu, Frischmais und Maissilage veröffentlicht. Von den LUFAen werden z.Zt. überwiegend die relativ preisgünstigen Schätzgleichungen auf Basis von Rohnährstoffen angewendet. Im Folgenden werden diese für Grassilage und Maissilage aufgeführt. Bei Grassilage gelten die Schätzgleichungen nicht für Aufwüchse mit später 1. Nutzung bei insgesamt nur 1 bis 2 Nutzungen. Übersicht 30 Schätzgleichung für Grassilage auf Basis von Rohnährstoffen (ME in MJ/kg TM, Rohnährstoffe in g/kg TM) 1. Schnitt:
202
ME = 13,99 – Rohfaser + Rohprotein – Rohasche
× 0,01193 × 0,00393 × 0,01177
Folgeschnitte: ME = 12,91 – Rohfaser × 0,01003 + Rohprotein × 0,00689 – Rohasche × 0,01553 Schätzgleichung für Maissilage auf Basis von Rohnährstoffen (ME in MJ/kg TM, Rohnährstoffe in g/kg TM) ME = 14,03 – Rohfaser × 0,01386 – Rohasche × 0,01018
Die Schätzgleichungen berechnen jeweils den ME-Gehalt. Eine Umrechnung auf NEL erfolgt nach folgender Formel: Übersicht 31 Umrechnung von ME- auf NEL-Werte nach der Methode von Weißbach et al. 1996 (NEL und ME in MJ/kg TM, Rohasche in g/kg TM) Grassilage: NEL = ME (0,48 + 10,37 ME/[1000 – Rohasche]) Maissilage: NEL = ME (0,45 + 13,40 ME/[1000 – Rohasche])
6
Die Futtermittel
In der täglichen Fütterungspraxis wird heute zwischen drei Kategorien von Futtermittelgruppen unterschieden: Grobfutter – Saftfutter – Kraftfutter. Als Unterscheidungsmerkmale dienen die Energiekonzentration in der Trockenmasse, der Wassergehalt sowie die Strukturwirksamkeit. Zum Grobfutter gehören alle Futtermittel aus ganzen Pflanzen, die frisch, siliert oder getrocknet sind sowie Cobs und Stroh. Sie weisen mittlere, z. T. niedrige Energiegehalte in der Trockenmasse auf und zeichnen sich durch eine hohe Strukturwirksamkeit aus. Als Kraftfutter werden energie- und proteinbetonte Einzelfuttermittel und industriell hergestellte Mischfuttermittel bezeichnet. Hierzu zählen alle einmischbaren Komponenten mit einem Wassergehalt X 45 % und einem Energiegehalt G 7 MJ NEL/kg TM, also neben den lufttrockenen Kraftfuttermitteln (12 % Wassergehalt) auch Feuchtgetreide, Sodagrain, CCM, Melasse und Trockengrün. Abweichend von der Energiedefinition werden hier auch die Mineralfutter zugeordnet. Kraftfuttermittel haben praktisch keinen Strukturwert. Wegen ihrer hohen Energiekonzentration können diese Futtermittel auch Transportkosten über weitere Entfernungen tragen. Da die Mehrzahl von ihnen außerdem eine gute Lagerfähigkeit besitzt, sind sie für den Handel gut geeignet; und sie gelangen in mehr oder weniger großen Mengen als Zukauf- oder Handelsfuttermittel auf die Vieh haltenden Betriebe. Eine Zwischenstellung nehmen energiereiche Saftfutter ein, die von der Energiekonzentration her eher dem Kraftfutter entsprechen, jedoch wegen ihres relativ hohen Wassergehaltes ( G 45 %) wie Grobfutter gehandhabt werden müssen. Wenn sie nicht frisch verfüttert werden, müssen sie konserviert (in der Regel siliert) werden und die Futtervorlage erfolgt wie bei Grobfutter. Hierzu zählen Rüben, Wurzeln, Knollen, Biertreber, Pressschnitzel, Zitrus- und Apfeltres-
ter, Maisnebenprodukte, Schlempe, LKS, Molke, Magermilch, Vollmilch u. a.). Der Strukturwert der Saftfuttermittel liegt zwischen dem von Kraft- und Grobfutter. Eine der wichtigsten Aufgaben für den Tierhalter ist es, Grobfutter, Saftfutter und Kraftfutter so zu kombinieren, dass die erblich verankerte Leistungsfähigkeit der Tiere ausgeschöpft, ihr Verdauungssystem dabei gesund erhalten wird und die Futterkosten je Leistungseinheit möglichst niedrig bleiben. Aber auch innerhalb der Gruppen Kraftfutter, energiereiches Saftfutter oder Grobfutter gibt es große Unterschiede im Futterwert und in den Kosten der einzelnen Futtermittel, auf die bei der Auswahl der Rationspartner geachtet werden muss. Bei der Beurteilung der Futtermittel sollte man sich vor allem über die folgenden Gesichtspunkte orientieren:
!!!
|
|
|
|
|
|
|
Wie viel Energie in MJ (NEL, MER oder MES) liefert das Futter? Welche lebensnotwendigen (essenziellen) Stoffe (Protein bzw. Aminosäuren, Mineralstoffe, Vitamine) enthält es reichlich? Welche fehlen völlig? Wie gern nehmen die Tiere das Futter auf? Welche Inhaltsstoffe sind bedenklich oder gesundheitsschädlich und zwingen zu Mengenbegrenzungen? Welche über den Nährstoffgehalt hinausgehenden Wirkungen sind von dem Futtermittel zu erwarten (Beeinflussung der Milchinhaltsstoffe, der Fettqualität, diätetische Wirkung, spezielle Wirkstoffe wie g -Carotin usw.)? Welche technischen Probleme bieten Ernte, Konservierung und Fütterungstechnik? Wie steht es um die Preiswürdigkeit des Futtermittels?
203
6
6
Die Futtermittel folgt in NEL (für Milchkühe), MER (für Aufzuchtund Mastrinder, Schafe) und ggf. MES (für Schweine). Die Energie- und Nährstoffgehalte werden für die Grob- und Saftfuttermittel in der Trockenmasse, für die Kraftfuttermittel in der „lufttrockenen Substanz“ (= 88 % TM) angegeben. Bevor die einzelnen Futtermittel besprochen werden, soll mit der Abb. 78 ein Überblick des Futterverbrauchs in Deutschland nach den Herkünften der Futtermittel gegeben werden. Da man die Futtermittel nicht mit ihren absoluten Werten addieren und somit vergleichen kann, wird als „gemeinsamer Nenner“ für diese Statistik die Getreideeinheit gewählt. Auf dieser Basis entfällt der Löwenanteil des Futterverbrauches in der Landwirtschaft auf Grobfutter (in der Statistik unter Rau- und Saftfutter geführt). Danach folgt das inländische Getreide, so dass Grobfutter plus inländisches Getreide 78,7 % des gesamten Verbrauches ausmachen. Der Anteil ausländischer Futtermittel beträgt lediglich 10,9 %. Differenziert man den Futterverbrauch in Deutschland nach Grobfutter plus Einzelfuttermittel sowie nach Mischfutter, so entfällt auf Letzteres ein Anteil von 26 %. Daraus ist abzuleiten, dass fast
Bei der folgenden Übersicht über die wichtigsten Futtermittel werden die aus den landwirtschaftlichen Betrieben stammenden Futterstoffe sowie die von jedem Betriebsleiter ohne Schwierigkeiten zu beschaffenden Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie bevorzugt behandelt. Die übrigen, hauptsächlich von der Mischfutterindustrie bezogenen und für den praktischen Landwirt kaum zugänglichen Futterrohstoffe können nur gestreift werden. In den folgenden Tabellen über den Futterwert der verschiedenen Futtermittelgruppen werden jeweils wichtige Kriterien der Weender-Analyse angegeben. Dies tritt in den meisten Fällen auch für Rohprotein zu. Rohprotein charakterisiert Futtermittelgruppen, ist ein wichtiges Merkmal für den Futterbau (Nutzungs- und Düngungsintensität) und Rationskriterium für Schweine, Geflügel sowie z. Zt. auch noch für Aufzucht- und Mastrinder und Schafe. Für die typischen in der Schweinefütterung eingesetzten Futtermittel werden zusätzlich zum Rohproteingehalt die wichtigsten Aminosäuren angegeben. Für Milchkühe gelten die Maßstäbe nutzbares Rohprotein (nXP) sowie ruminale Stickstoffbilanz (RNB) (vgl. 5.1.2.4). Die Angabe der Energiegehalte er-
ausländische Futtermittel Andere Kraftfuttermittel inl. Herkunft
2,2 % 10,9 %
8,2 %
Sonstige: Hackfrüchte Milch
35,2 % 43,5 %
Inlandgetreide Rauh- und Saftfutter (einschl. Stroh)
204
Abb. 78 Futterverbrauch in Deutschland nach Herkünften (Mengen in 1 000 t Getreideeinheiten) Quelle: MischfutterTabellarium 2004
6.1 Das Grünfutter 3⁄4
des verbrauchten Futters vom Landwirt direkt erzeugt oder als Einzelfuttermittel zugekauft wird. Damit kommt ihm eine hohe Verantwortung nicht nur im Bezug auf den Futterwert für die Tiere, sondern auch auf die Sicherheit der vom Tier stammenden Lebensmittel zu. Dies ist in den neueren futtermittelrechtlichen Vorschriften, auf die später näher eingegangen wird, auch gesetzlich fixiert.
6.1 Das Grünfutter
!!! Grünfutter ist das natürliche Futter für alle Haussäugetiere. Wenn es beim Weidegang vom Vieh selbst geerntet wird, ist es auch das billigste Futter. Selbst wenn es gemäht und zur Fütterung in den Stall gefahren werden muss, ist Grünfutter meistens noch billiger als andere Futtermittel, weil es frisch – im Gegensatz zu konserviertem Futter – ohne kostensteigernde Verluste verwertet werden kann. Diese Gründe sprechen dafür, die Grünfutterperiode so lange wie möglich auszudehnen. Wie hoch der Anteil der verschiedenen Inhaltsstoffe in einem Grünfutter und damit sein Futterwert ist, hängt ab von der Pflanzenart bzw. (bei Gemischen) der botanischen Zusammensetzung, von Vegetationsstadium und Schnittzeitpunkt, von Standort und Jahreszeit, von Jahreswitterung und Düngung. Über die wesentlichen Unterschiede zwischen verschiedenen Pflanzenarten
und über den Faktor Vegetationsstadium kann man sich anhand von Futtermitteltabellen orientieren. Bei Grünland wird heute nicht mehr zwischen Wiese und Weide unterschieden, weil die Übergänge zwischen diesen Nutzungsformen fließend sind. In den Futterwerttabellen findet sich die allgemeine Bezeichnung „Grünlandaufwuchs“. Eine weitergehende Differenzierung erfolgt hinsichtlich der Nutzungshäufigkeit (zwischen 4 und mehr bis 1–2) und der Bestandszusammensetzung (grasreich bzw. klee- und kräuterreich). Grasreiches Grünland wird noch weitergehend in untergras- und obergrasbetontes unterschieden. In der Tab. 24 ist der Futterwert von Grünlandaufwuchs, klee- und kräuterreich, 1. Nutzung in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium beim Schnitt aufgeführt. Der Gehalt an Nährstoffen wird hier bezogen auf die Trockenmasse angegeben. Die Bezugsgröße ist zwar für manchen Praktiker noch fremd, bietet jedoch die einzige Möglichkeit des Vergleichs verschiedener Futtermittelqualitäten bei unterschiedlichen TM-Gehalten. Mit der Formel Nährstoffgehalt Gehalt je kg TM × % TM = je kg FM 100 kann relativ schnell auf den Nährstoffgehalt in der Frischmasse (FM) umgerechnet werden.
!!! Der Nährstoffgehalt in der Futtertrockenmasse nimmt mit fortschreitender Vegetation ab. Warum macht sich dies bei Umrechnung auf
Tab. 24 Vegetationsstadium und Futterwert (mit Aufgabe) Grünland, 2–3 Nutzungen klee- und kräuterreich 1. Aufwuchs
1 kg Trockenmasse enthält
1 kg Frischmasse enthält
Rohfaser g
nXP g
RNB g
NEL MJ
TM %
Rohfaser g
nXP g
RNB g
NEL MJ
Beginn Ähren-/Rispenschieben
188
153
+5
7,03
16
30
24
0,8
1,12
volles Ähren-/Rispenschieben
229
145
+4
6,50
18
...
...
...
...
Beginn der Blüte
262
141
+6
6,18
20
...
...
...
...
Mitte bis Ende der Blüte
300
132
+5
5,17
22
...
...
...
...
205
6
6
Die Futtermittel Frischmasse kaum bemerkbar? Wie ist die Entwicklung des Milcherzeugungswertes nach nutzbarem Rohprotein und Energie zu beurteilen (für die Erzeugung von 1 kg Milch werden 85 g nutzbares Rohprotein und 3,3 MJ NEL benötigt)? Wie ist die jeweilige RNB zu beurteilen? Für welche Leistungen reicht die Energiekonzentration der verschiedenen Stadien des Grünlandaufwuchses aus (30-Liter-Kühe benötigen eine Energiekonzentration von etwa 6,9 MJ NEL/ kg TM, während 10-Liter-Kühe mit ca. 5 MJ NEL/ kg TM auskommen)? Wie viel Gras müsste bei alleiniger Verfütterung die 30-Liter-Kuh täglich aufnehmen, um im Ernährungsgleichgewicht zu bleiben? Wird sie das tun?
Die Tab. 25 greift aus der Vielzahl der Grünfutterpflanzen einige häufig verfütterte Arten heraus und vergleicht sie im gleichen frühen Vegetationsstadium. Die Tab. 26 lässt erkennen, wie regionale Besonderheiten den Mineralstoffgehalt von Grünlandaufwüchsen (hier in Form von Grassilagen) beeinflussen können. Die Betrachtung der Mineralstoffgehalte in der Tab. 25 verdeutlicht sehr große Unterschiede zwischen verschiedenen Pflanzenarten. Leguminosen (Klee, Luzerne) und Kreuzblütler (Raps) sind sehr calciumreich. Dies trifft in etwas abgemilderter Form auch für Gemenge mit diesen Arten zu. Gräser haben dagegen einen mittleren Ca-Gehalt, der allerdings in der Regel dem Bedarf
? Zu den bereits nach Tab. 24 aufgeworfenen Fragen gesellen sich weitere, etwa folgende: Wie unterscheiden sich die verschiedenen Gruppen von Grünfutterpflanzen im Gehalt an Rohprotein, nXP, RNB und Energie? Wäre es möglich oder sinnvoll, die oben aufgeführten Futtermittel als Alleinfutter zu verabreichen? Wären derartige Rationen wiederkäuergerecht? (Bei Milchkühen gilt ein Rohfasergehalt von 18–22 % in der Futtertrockenmasse als optimal.) Wie wirken sich Gemenge aus verschiedenen Grünfutterpflanzen aus? Wie ist der Mineralstoffgehalt dieser Grünfutterarten zu beurteilen? (Vom Grobfutter der Kühe wird ein Beitrag von etwa 5 g Ca, 3 g P, 2 g Mg und 1,5 g Na je kg TM erwartet.) Lösung der Aufgabe nach Tab. 24: 1 kg FM des Grünlandaufwuchses enthält: Rohfaser g volles Ähren-/Rispenschieben 41 Beginn der Blüte 52 Mitte bis Ende der Blüte 66 2. 1 kg TM des Grünlandaufwuchses reicht für kg Milch nach Beginn Ähren-/Rispenschieben volles Ähren-/Rispenschieben Beginn der Blüte Mitte bis Ende der Blüte
nXP g 26 28 29 nXP 1,8 1,7 1,7 1,6
RNB g 0,7 1,2 1,1 NEL 2,1 2,0 1,9 1,6
NEL MJ 1,17 1,24 1,14
Tab. 25 Futterwert verschiedener Grünfutterpflanzen im gleichen Vegetationsstadium Grünfutter 1. Aufwuchs vor der Blüte
TM %
1 kg Trockenmasse enthält RohRohnXP RNB protein faser g g g g
MER
NEL
Ca
P
Mg
Na
MJ
MJ
g
g
g
g
Knaulgras
22
171
252
143
+4
10,66
6,42
6,3
2,7
1,6
1,5
Welsches Weidelgras
18
168
219
145
+4
10,60
6,41
6,5
3,4
1,4
1,2
Luzerne
17
193
238
141
+8
10,21
6,13
18,9
3,0
3,2
0,5
Rotklee
16
193
213
152
+7
10,68
6,44
16,2
2,9
3,6
0,4
Klee-Grasgemenge
17
178
223
143
+6
10,52
6,34
13,4
3,2
1,3
–
Futterraps
11
194
133
157
+6
11,30
7,00
19,9
4,2
2,9
2,6
206
6.1 Das Grünfutter Tab. 26 Mineralstoffgehalte in Grassilagen (1. Schnitt) verschiedener Regionen (nach DLG-Merkblatt 290) Gehalte in g/kg TM Mg Na
Region
Ca
P
Schleswig-Holstein/Weser-Ems
4,9
4,2
2,0
2,3
31,5
Nordrhein-Westfalen
6,0
3,9
1,8
1,8
31,3
Hessen/Rheinland-Pfalz
6,4
3,7
2,2
1,0
27,7
Brandenburg
6,3
3,7
1,8
1,0
19,7
Thüringen
7,8
2,7
2,0
0,6
25,7
Allgäu
7,1
4,3
2,5
0,5
32,0
Schwäb. Alb
9,9
3,7
2,1
0,4
29,3
Niederbayern
6,2
3,8
2,4
0,7
30,1
Unterfranken
7,4
3,5
2,6
0,8
28,2
der Kühe entspricht. Ein Blick auf die Tab. 26 zeigt, dass die Ca-Gehalte im Grünlandaufwuchs – hier als Silage – auch größeren Schwankungen unterworfen sind. In Regionen mit intensiver Grünlandwirtschaft wie Schleswig-Holstein und Weser-Ems sind die Ca-Gehalte vergleichsweise niedrig. In anderen Regionen wie z. B. der Schwäbischen Alb sind diese verhältnismäßig hoch. Dies hängt in erster Linie mit der Zusammensetzung der Grünlandnarbe zusammen: Besteht diese überwiegend nur aus Gras oder sind höhere Anteile an Kräutern und Leguminosen enthalten? Die unterschiedliche Zusammensetzung der Grasnarbe hängt nicht allein von der Topographie und den Bodenverhältnissen, sondern besonders auch von der Nutzungs- und Düngungsintensität ab. Beim Phosphor sind die Schwankungen nicht ganz so groß. Von den Futterpflanzen fällt der Raps, von den Regionen das Allgäu und wiederum Schleswig-Holstein und Weser-Ems mit relativ hohen Gehalten auf. Die P-Gehalte korrespondieren in erster Linie mit dem Rohproteingehalt des Futters und dieser ist wiederum von der Stickstoffdüngung und einer hohen Nutzungsintensität abhängig. Beim Magnesium schwanken die Gehalte weniger. Der Natrium-Gehalt liegt in den meisten Fällen sehr niedrig. Neben Futterraps weisen insbesondere weidelgrasreiche Grünlandaufwüchse höhere Werte auf.
K
In der Tab. 26 sind auch die Kalium-Gehalte aufgeführt. Bei diesem Mineralstoff geht es nicht um die Frage, ob der Bedarf der Tiere gedeckt wird, sondern eher darum, ob die Gehalte noch tolerabel sind. Werte unter 30 g/kg TM sind vorteilhaft (vgl. 5.1.3.2). Dem Leser ist beim Durchdenken der Tabellen dieses Abschnittes sicher vieles auf- und eingefallen. Wir wollen versuchen, diese Denkergebnisse, angereichert durch weitere praktische Erfahrungen, jetzt zusammenzufassen:
!!! Anfangs entwickeln die Pflanzen ihren Assimilationsapparat, die wasser- und eiweißreichen Blätter. Später strecken sie sich zur Blütenbildung und verstärken den Stängelanteil, der hauptsächlich aus Rohfaser besteht. | Mit fortschreitender Vegetation erhöhen sich also Trockenmasse- und Rohfasergehalt; die Anteile an Wasser und Rohprotein sinken. | Die Vergrößerung des Stängel- (= Rohfaser) Anteils führt zu einer Verschlechterung der Verdaulichkeit der organischen Substanz. Deshalb bewirkt der steigende TM-Gehalt des Futters in diesem Falle keine Zunahme des Energiewertes in der FM. | Bezieht man die Gehaltsangaben auf 1 kg Trockenmasse, werden die Tendenzen beim Eiweiß- und Energiegehalt mit fortschreiten|
207
6
6
Die Futtermittel
|
|
|
|
|
208
der Vegetation deutlich sichtbar: Die Nährstoffkonzentration nimmt stark ab, bei der Energie stärker als bei nXP. Früh genutztes Gras erfüllt die Ansprüche der Kuh an die Energiekonzentration des Futters auch bei hohen Leistungen. Die RNB-Gehalte sind jedoch stark positiv, woraus entsprechend hohe NH3-Überschüsse im Pansen resultieren (RNB-Werte bis 50 g in der Gesamtration werden noch als tolerabel angesehen). Bei sehr später Nutzung reicht die Nährstoffkonzentration nur noch für geringe Leistungen. Trotz der hohen Energiekonzentration in früh genutztem Grünfutter ist dieses als alleinige Futterbasis für Hochleistungskühe nicht geeignet. Zur Deckung des Energiebedarfs müsste eine 30-Liter-Kuh 120 kg junges Grünfutter aufnehmen. Das schafft sie allerdings nicht! Auf die Gründe wird im Kapitel Milchviehfütterung eingegangen. Die meisten Grünfutterpflanzen liefern vor der Blüte zwar genügend Rohprotein. Dieses wird jedoch zu 85 % im Pansen abgebaut. Der Energiegehalt des Grases reicht nicht aus, um den daraus entstehenden Ammoniak in Bakterieneiweiß umzuwandeln. Es verbleibt ein relativ hoher RNB-Wert. Aus diesem Grund ist der Milcherzeugungswert nach nXP auch bei jungem Gras stets niedriger als derjenige nach NEL. Mit fortschreitender Vegetation gleichen sich die Werte etwas an. Nur in wenigen Fällen (insbesondere düngungsextensives Grünland, Grünroggen und Grünhafer) wird die RNB negativ, das heißt das im Pansen aus dem Rohprotein freigesetzte Ammoniak reicht für die auf Basis des Energiegehaltes mögliche Mikrobenproteinbildung nicht mehr aus. Bei der Betrachtung der aufgezeigten Zusammenhänge wird der Vorteil des neuen Proteinbewertungssystems für Milchkühe deutlich: Hohe Rohproteingehalte im Futter nutzen der Kuh wenig, wenn die Abbaurate dieses Proteins sehr hoch ist (entsprechend gering ist der UDP-Anteil) und die mikrobielle Proteinsynthese auf Grund des NEL-
Gehaltes begrenzt ist. Andererseits sollte die Düngungsintensität nicht so gering sein (oder deren Nutzungszeitpunkt so spät), dass die RNB in den negativen Bereich kommt. In diesem Fall müsste das Grünfutter bei der Rationsgestaltung für Milchkühe mit anderen Eiweißträgern ergänzt werden. | Stängelarme Grünfutter, wie Rübenblatt und Sommerraps, sind schon wegen ihres niedrigen Gehaltes an strukturwirksamer Rohfaser als Alleinfutter ungeeignet. | Beide Futtermittel sind gleichzeitig typische Vertreter der botanischen Arten, die wegen des Gehaltes an unangenehmen Inhaltsstoffen (Saponine bei den Rüben, Senfölglykoside bei den Kreuzblütlern) das Regulationsvermögen der Tiere belasten sowie den Milchgeschmack beeinträchtigen und deshalb nur einen Teil der Ration bilden dürfen (Rübenblatt und Futterraps täglich höchstens 40 kg; Senf, Markstammkohl, Kohlabfälle usw. bis maximal 30 kg). Auch bei den übrigen Arten finden sich genügend Gründe, die eine Alleinfütterung als bedenklich und die Kombination mit anderen Arten als zweckmäßig erscheinen lassen. Beim Dauergrünland handelt es sich bereits um Pflanzengesellschaften mit mehr oder weniger vielen Arten (auch Kräutern und Leguminosen). Beim Ackerfutterbau entscheidet der Landwirt, ob Gemenge oder Reinsaaten ausgesät werden. Aus Gründen der Ertragssicherheit und der Tierphysiologie sind Gemenge vorzuziehen, weil sie gestatten, die Mängel eines Gemengepartners mit Hilfe eines anderen auszugleichen. So ist beispielsweise bei Kleegrasgemischen mit höherem Grasanteil die Gefahr des Blähens geringer als bei reinen Kleebeständen. Im übrigen werden Mängel eines einseitigen Futters durch entsprechende Zusammensetzung der Tagesration ausgeglichen (z. B. Maissilage zu eiweißreichem Grünfutter). Eine Bemerkung zu den natürlichen Gemengen des Grünlandes: Besonders die Leser aus Hügelund Berglandschaften werden bei der Beobachtung der Grünlandflächen ihres Betriebes und der ihrer Dorfnachbarn große Unterschiede feststellen können. Berg- und Talweiden, trockene
6.1 Das Grünfutter und nasse Lagen, kalkreiche und kalkarme Standorte, Süd- und Nordhänge usw. weichen voneinander nicht nur in der botanischen Zusammensetzung, sondern auch im Vegetationsstand zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. So blühen und verholzen beispielsweise Knaulgras und Wiesenfuchsschwanz 4–6 Wochen früher als Wiesenschwingel oder Lieschgras. Grünlandleguminosen haben oft eine zögernde Anfangsentwicklung und am gleichen Kalendertag einen größeren Blattanteil als etwa Obergräser. Ohne in die Einzelheiten gehen zu müssen, kann man schlussfolgern:
!!! Sommerfutterplan und Schnittzeitpunkt für die Futterkonservierung dürfen sich keinesfalls nach dem Kalender, sondern müssen sich nach der Zusammensetzung des Pflanzenbestandes und dessen Vegetationsstadium richten.
Die Fragen bezüglich der Mineralstoffe im Grünfutter lassen sich wie folgt zusammenfassend beantworten:
!!! Der Ca-Gehalt schwankt in Abhängigkeit von der Pflanzenart erheblich. Leguminosen und Kreuzblütler sind sehr calciumreich. Die Gehalte im Grünlandaufwuchs schwanken daher in erster Linie in Abhängigkeit von der botanischen Zusammensetzung der Grünlandnarbe. Bei düngungs- und nutzungsintensiver Grünlandbewirtschaftung sind die Ca-Gehalte z. T. knapp bedarfsdeckend. Leguminosen- und kräuterreiche Grünlandaufwüchse weisen dagegen weit über den Bedarf hinausgehende Ca-Gehalte auf. | Der P-Gehalt des Futters lässt sich direkt über die Phosphat-Düngung beeinflussen. Er korreliert auch mit dem Rohproteingehalt des Grünlandaufwuchses. Hohe Düngungs- und Nutzungsintensitäten führen deshalb nicht nur zu hohen Rohprotein- sondern auch P-Gehalten. In den meisten Fällen wird der P-Bedarf der Tiere über das Grünfutter gedeckt. | Die Mg-Gehalte der meisten Grünfutterpflanzen sind einigermaßen bedarfsdeckend. |
Unter bestimmten Bedingungen muss jedoch wegen schlechter Verwertung mit Defiziten gerechnet werden (vgl. 5.1.6.3). | Die Na-Versorgung wird nur ausnahmsweise durch Grünfutter gesichert (Rübenblatt, Markstammkohl, Futterraps). Von den Grünlandaufwüchsen weisen nur weidelgrasreiche etwas höhere Natriumgehalte auf. Meistens muss Na durch Zufütterung von Viehsalz ergänzt werden. | Die Übernahme von Tabellen-Mittelwerten für die Futterplanung im eigenen Betrieb ist problematisch, weil mit großen Abweichungen von den Mittelwerten gerechnet werden muss. Eine sichere Information über die Mineralstoffgehalte vermitteln gezielte LUFAAnalysen. Sobald Grünfutter geschnitten worden ist, beginnen darin chemische und physikalische Prozesse, die zu Änderungen bei manchen Inhaltsstoffen und zu Nährstoffverlusten führen. Das gilt nicht nur für das zur Konservierung, sondern auch für das zur Stallfütterung bestimmte Grüngut. Verlustarm ist die Stallfütterung von Grünfutter nur dann, wenn frisch gefüttert wird, das heißt wenn man täglich neues Grünfutter holt und jede Erwärmung des Futters unterbindet. Die größte Aufnahme von Grünfutter durch das Vieh lässt sich erzielen, wenn vor jeder Mahlzeit, also zweimal täglich, gemäht wird. Bei Grünfutter – und besonders bei Herbstzwischenfrüchten – muss unbedingt auch auf den Nitratgehalt geachtet werden. Besonders nach trockenen Sommern kann es im Herbst bei Abkühlung und dem Einsetzen reichlicher Niederschlagsmengen zu einer starken Nitratanreicherung in den Grünpflanzen kommen (s. 5.1.2.2). Gelangt das im Pansen aus Nitrat bakteriell abgebaute Nitrit in die Blutbahn der Tiere, können Vergiftungserscheinungen auftreten, indem dort der Sauerstofftransport unterbunden wird. Appetitlosigkeit und verstärkter Speichelfluss sind erste Anzeichen. Tritt Muskelzittern, Atemnot und schließlich Blaufärbung der Schleimhäute auf, ist die höchste Alarmstufe erreicht, denn das Leben dieser Tiere ist bedroht! Vorbeugen ist deshalb unbedingt erforderlich, die wichtigste Maßnahme besteht in der Untersuchung der Fut-
209
6
6
Die Futtermittel
termittel auf ihren Nitratgehalt bei einer LUFA. Der mengenmäßige Futtereinsatz muss dann so gesteuert werden, dass ein tägliches Nitratangebot von 40–50 g in der Ration nicht überschritten wird. Bei einem Untersuchungsergebnis von z. B. 15 g Nitrat/kg TM dürfen also max. 2,7–3,3 kg Futter-TM entsprechend ca. 25–30 kg Grünfutter verfüttert werden. Neben dieser strikten mengenmäßigen Begrenzung sind zusätzliche Fütterungsmaßnahmen, wie ausreichendes Strukturfutterangebot und eine zusätzliche Energieversorgung über leicht fermentierbare Kohlenhydrate (1–2 kg Getreide) zu ergreifen. Das Grünfutter darf sich nicht erwärmen, da es sonst bereits im Futter zu einem stärkeren Umbau von Nitrat zu dem um ein Vielfaches giftigeren Nitrit kommt. Vorbeugend ist durch pflanzenbauliche Maßnahmen (Sortenwahl, Saatzeit, reduzierte NDüngung, optimaler Schnittzeitpunkt) die Gefahr zu hoher Nitratgehalte im Futter zu verringern. Auf die in diesem Kapitel angeschnittenen Fragen, auch auf die bisher nicht beantworteten, werden wir bei der Behandlung der Fütterung der verschiedenen Tierarten zurückkommen.
6.2 Knollen und Wurzelfrüchte Kartoffeln, Zuckerrüben und Möhren werden in der Regel zum Verkauf angebaut. Man kann sie aber auch verfüttern. Die übrigen Hackfrüchte (Massenrüben, Gehaltsrüben, Steck- oder Kohlrüben, Stoppel- oder Wasserrüben) dienen nur als Futter. Hackfrüchte zählen zu den Saftfuttermitteln. Für sie gelten folgende Gesichtspunkte:
!!! 1. Die Nährstofferträge je ha sind höher als bei Getreide, Feldfutter und Dauergrünland. Ein Ertrag von 70 000–90 000 MJ NEL je ha ist bei mittleren Boden- und Klimaverhältnissen normal; bei Zuckerrüben sind unter günstigen Anbaubedingungen auch mehr als 100 000 MJ NEL je ha möglich. 2. Die Nährstoffe liegen überwiegend in der Form leichtverdaulicher Kohlenhydrate (Stärke und Zucker) vor. 3. Der Gehalt an Rohfaser, aber auch an Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen (Ausnahme: Kalium) ist niedrig.
210
4. Wegen ihres mehr oder weniger süßen Geschmacks werden die Hackfrüchte von allen Tierarten gern gefressen. 5. Wegen ihrer hohen Verdaulichkeit passieren Hackfrüchte relativ rasch den Verdauungskanal. Bei der Verfütterung großer Mengen wirken sie leicht abführend. Dieser Effekt wird durch anhaftenden Schmutz verstärkt. 6. Wegen ihres hohen Wassergehaltes ist die Lagerfähigkeit begrenzt. Sofort nach der Einlagerung beginnen die Atmungsverluste, deren Höhe von der Temperatur, von der Luftfeuchtigkeit sowie vom Bakterien- und Pilzbefall abhängig ist. Welche Folgerungen zieht der Landwirt aus diesen Tatsachen? Die Gesichtspunkte 1, 2 und 4 legen ihm nahe, den Einsatz der Hackfrüchte in der Fütterung zu verstärken. Die Gesichtspunkte 3 und 5 begrenzen aber den Anteil der Hackfrüchte in der Tagesration; und der Punkt 6 verkürzt die Fütterungsperioden: Bis Weihnachten sollten die zur Fütterung vorgesehenen Zuckerrüben verbraucht sein, bis Ostern die eingemieteten Kartoffeln und Futterrüben. In den letzten Jahrzehnten ist der Einsatz von Hackfrüchten in der Fütterung ständig zurückgegangen. Dabei hat sicherlich auch die aus Punkt 6 abzuleitende Notwendigkeit, einen Teil der Hackfruchternte konservieren zu müssen, eine Rolle gespielt. Hinzu kamen weitere arbeitswirtschaftliche Erwägungen, da Anbau und Ernte sowie Verfütterung nicht so einfach und kostengünstig zu mechanisieren waren. Zuckerrüben werden heute nur bei Überschreiten der Kontingente in guten Erntejahren verfüttert. In frischem Zustand sind sie allerdings nur wenige Monate haltbar. Besteht die Möglichkeit, sie durch Heißlufttrocknung als Vollschnitzel haltbar zu machen, können sie sinnvoll in Schweinefuttermischungen verwertet werden. In frischer Form können sie sowohl an Schweine als auch an Rinder verfüttert werden. Ihr Futterwert ist in der Tab. 27 aufgeführt. Wegen des hohen Zuckergehaltes werden sie von Rindern weniger gut verwertet als von Schweinen. Problematisch ist besonders für die Schweinefütterung eine befriedigende Reinigung und Zerkleinerung (am besten durch Musen). In der Mast können ab
6.2
Knollen und Wurzelfrüchte
Tab. 27 Futterwert verschiedener Knollen und Wurzelfrüchte Futtermittel
TM %
Rohprotein g
Roh- Zucker faser g g
Zuckerrüben
23
62
54
Kartoffeln, roh
22
96
Kartoffeln, gedämpft
22
94
1 kg Trockenmasse enthält nXP RNB MER NEL MES
Ca
P
Mg
Na
g
g
MJ
MJ
MJ
g
g
g
g
696
152
–14
12,56
8,01
13,00
2,3
1,5
1,6
0,95
27
31
162
–11
13,08
8,44
14,41
0,4
2,5
1,4
0,55
29
–
15,04
0,8
2,8
–
–
Futterrüben: Massenrübe
12
89
69
537
150
–10
11,96
7,60
12,17 2,5
2,5
2,5
3,31
Gehaltsrübe
15
77
64
614
149
–12
11,96
7,57
13,07
2,4
1,8
4,08
40 bis 105 kg Lebendgewicht 1,5–4,5 kg, bei Zuchtsauen 4 kg täglich verfüttert werden. Rübenanbauende Milchviehbetriebe verfügen meistens noch über einen Schnitzler mit vorgeschaltetem Reinigungsaggregat, so dass hier 10–15 kg Zuckerrüben je Kuh und Tag – allerdings bei langsamer Gewöhnung und in Abhängigkeit von der Gesamtration (Zuckergehalt!) – verwertet werden können. In der Rindermast können Zuckerrübenmengen in der Größenordnung zwischen 2,5 und 5,0 kg je 100 kg Lebendgewicht in der Tagesration eingesetzt werden. Spezielle Futter-Kartoffeln (mit hohem Stärkegehalt) werden heute nur noch selten angebaut. Dies kann evtl. dort interessant sein, wo über Heißlufttrocknung eine günstige Konservierung möglich ist. Kartoffelschrot ist ein sehr energiereiches Futtermittel, vergleichbar mit Weizen oder Körnermais und kann in Mastmischungen bis zu 50 % eingesetzt werden. In der Regel sind Restkartoffeln (nicht verkaufsfähige Speisekartoffeln, Sortierreste von Pflanzkartoffeln) zu verwerten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Sorten einen wesentlich niedrigeren Stärkeanteil und Energiewert haben. Obwohl durch Dämpfen der Stärkeaufschluss und die Futterverwertung bei Schweinen verbessert werden, lohnt sich dieser Aufwand (incl. Silieren) bei einer „Resteverwertung“ nicht (wo gibt es noch Dämpfanlage und Kartoffelsilos?). Verschiedene Versuche haben gezeigt, dass Kartoffeln auch in roher Form an Schweine verfüttert werden können. Wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass sie gesäubert und zerkleinert
2,7
(gemust) werden. Infolge der schlechteren Verwertung der Rohstärke ist mit einem geringeren Energiegehalt zu rechnen (vgl. Tab. 27). Eine Beschränkung der Einsatzmenge auf 20–25 % des Tagesverzehrs (bezogen auf TM) führt zu etwa gleichen Mastergebnissen wie eine normale Getreide-/Sojaextraktionsschrot-Mischung. Wiederkäuer verwerten rohe Kartoffeln gut, wenn die Gesamtration genügend Strukturfutter enthält und langsam angefüttert wird. An Milchkühe können 10–15 kg, an Mastrinder bis zu 3,5 kg/100 kg Lebendgewicht in der Tagesration verabreicht werden. Auf die Gefahr der Schlundverstopfung bei der Verfütterung unzerkleinerter Kartoffeln muss jedoch hingewiesen werden. Kartoffeln sollten nicht auf den blanken Trog, sondern immer auf das Grobfutter vorgelegt werden. Wenn Kartoffeln längere Zeit dem Licht ausgesetzt sind, werden sie grün. Dabei bildet sich Solanin, ein auch für Tiere giftiger Stoff. Besonders viel Solanin enthalten Kartoffelkeime, die auf keinen Fall verfüttert werden dürfen. Futterrüben werden von Betrieben, die hohe Milchleistungen von ihren Kühen erwarten, nach wie vor gern eingesetzt. Sie haben – bezogen auf die Trockensubstanz – einen hohen Energiegehalt (Tab. 27) und werden von den Kühen sehr gern gefressen. Die weit verbreitete Ansicht, dass sie noch zusätzlich zur Grobfutterration verzehrt werden, ist jedoch nicht haltbar. Nach mehreren Untersuchungen ist damit zu rechnen, dass 1 kg Futterrüben-TM ca. 0,3–0,4 kg Grobfutter-TM aus der Ration verdrängt. Neben der guten Schmack-
211
6
6
Die Futtermittel
haftigkeit besteht eine weitere Besonderheit bei der Verfütterung von Futterrüben darin, dass die Milchinhaltsstoffe – insbesondere der Eiweißgehalt – positiv beeinflusst werden. Auch als Grundfutter für niedertragende Sauen haben sich Futterrüben bewährt, und zwar in der Größenordnung von 7–9 kg je Tier und Tag anstelle von 1,2 kg Kraftfutter. Massenrüben oder Gehaltsrüben? Das ist eine interessante Frage für Diskussionen mit vielen Argumenten. Hier soll nur erwähnt werden, dass bei den Massenrüben (mit nur 0,92 MJ NEL/kg) eine größere Menge Wasser nach Hause transportiert werden muss als bei den Gehaltsrüben (mit 1,17 MJ NEL/kg). Aber die Massenrüben lassen sich ganz verfüttern, während die härteren Gehaltsrüben vor dem Füttern geschnitten werden müssen. Auf jeden Fall genügen für den oben genannten Zweck als Nachtisch schon kleinere Rübenanteile in der Ration. (In Zuckerrübenbetrieben reichen dafür oft die auf Zwischenstreifen und Vorgewenden zu erntenden Futterrübenmengen.) Mit Rücksicht auf unangenehme Inhaltsstoffe (Betain in Massenrüben und anderen Beta-Rüben, schwefelhaltige Glukoside in Steckrüben und Wasserrüben), aber auch wegen des hohen Zuckergehaltes (bei Gehaltsrüben ca. 60 % der Futter-TM) sollte der Rübenanteil in der Tagesration von Kühen nicht über 4 kg TM hinausgehen, also 35–40 kg Massenrüben, 25–30 kg bei anderen Rüben). Außerdem sollte, um Geschmacksbeeinträchtigungen der Milch zu vermeiden, nach dem Prinzip verfahren werden: Erst melken, dann füttern! Um die Rüben hinsichtlich Einlagerung und Futtervorlage attraktiver zu machen, wurden in den letzten Jahren technische Verfahren zur Einsilierung in Kombination mit Silomais entwickelt. Bei dieser Mischsilage wird die Relation von einem Teil Rüben zu drei Teilen Maissilage empfohlen. Die Rüben werden zuvor gerodet und mit einem Schnitzelgerät in dünnen Schichten während der Maissilierung eingebracht. Wichtig ist eine intensive Säuberung der Rüben. Da diese siliert werden, sind kleinere, dabei entstehende Verletzungen unproblematisch. Bei sachgemäßer Durchführung zeichnet sich eine solche Silage durch beste Gärqualität (hoher Milchsäuregehalt bedingt durch den hohen Zuckergehalt der Rü-
212
ben) und hohen Energiegehalt aus. Es wurde auch ein Verfahren zur alleinigen Silierung der Rübe entwickelt und zwar unter Einbeziehung des Rübenblattes und mit Zugabe von saftbindenden Trockenstoffen (Trockenschnitzel und Stroh). Zur vollständigen Bindung des Gärsaftes müssen 5 % Stroh und 10–12 % Trockenschnitzel, jeweils bezogen auf die Frischmasse, zugesetzt werden. Sie müssen in dünnen Schichten zwischen das Rüben-/Blatt-Gemisch gestreut werden. Dieses Verfahren setzt den Einsatz eines speziellen Rodeschnitzlers voraus, in der Praxis hat es sich allerdings bisher nicht in größerem Umfang durchgesetzt.
6.3 Konservierte Futtermittel In unserer geographischen Breite ist mit 180–220 Winterfuttertagen zu rechnen, für die während der grünen Jahreszeit Futterkonserven gewonnen werden müssen. Ausreichende Vorräte sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Fütterung. Wo zu Ostern Scheunen und Silos leer sind und deshalb die Milchleistungen sinken, ist die Rendite für das ganze Jahr gefährdet. Bei Grünfütterung bzw. Weidegang im Sommer dienen Futterkonserven folgenden Aufgaben:
!!! Überbrückung von Trockenzeiten, | Ersatz beim Ausfall von Feldfutterflächen (z. B. ausgewinterter Klee), | Ausgleich von Qualitätsmängeln oder Einseitigkeiten des Hauptfutters (beispielsweise Heu zur Behebung des Rohfasermangels der ganz jungen Weide oder Maissilage) | zum Abbau der positiven RNB von Grünfutter/Weide bzw. zur Stabilisierung solcher Rationen. |
Konservierte Futtermittel sind – bezogen auf die Energieeinheit – immer teurer als frische. Zum einen verursacht die Konservierung selbst Maschinen-, Gebäude- und Arbeitskosten, zum anderen ist sie stets mit Nährstoffverlusten verbunden. Deshalb beschränkt sich der Einsatz von konserviertem Futter in der Regel auf die Winterfütterung sowie auf die genannten Überbrückungs- und Ausgleichsfunktionen im Sommer.
6.3 Manche Milchviehhalter sind jedoch schon dazu übergegangen, bei fehlendem Weidegang auch in der Sommerfütterung ausschließlich konservierte Futtermittel einzusetzen. Dies hat den Vorteil, dass die Tiere aus qualitativer Sicht immer ein relativ einheitliches Futter bekommen. Andererseits wird von konservierten Futtermitteln in der Regel weniger Trockenmasse verzehrt als von frischem Grünfutter. Es gibt sicher noch andere Gründe, die dafür oder dagegen sprechen. Eine solche Frage kann nur für den Einzelbetrieb entschieden werden. Bei den Konservierungsverfahren unterscheidet man natürliche Trocknung (Heu), künstliche oder Heißlufttrocknung (Trockengrün) und Einsäuerung (Silierung). Diese Methoden differieren in der Technik, in den Kosten und in der Qualität der Konservierungsprodukte. Für alle Konservierungsmethoden gilt jedoch, dass die Futterkonserven niemals besser sein können als das Ausgangsmaterial. In Abhängigkeit vom Konservierungsverfahren treten mehr oder weniger hohe Verluste auf, wie in der Abb. 79 gezeigt wird. Verluste entstehen zunächst einmal durch die Futterwerbung auf dem Feld (insbesondere Atmungs- und Bröckelverluste). Je länger die Feldphase dauert, das heißt je langsamer das Futter trocknet oder je
Konservierte Futtermittel
niedriger der Feuchtegehalt beim Einfahren sein soll, desto höher sind die Werbungsverluste. Bei der Einsilierung, aber auch noch nach der Heueinlagerung treten Konservierungs- bzw. Lagerungsverluste durch mikrobielle Vorgänge, die später noch im Einzelnen besprochen werden, auf. Aus der Abb. 79 ist ersichtlich, dass bei direkter Einsilierung frisch geschnittenen Grünfutters wenig Werbungs- aber hohe Konservierungsverluste auftreten. Bei Bodenheu sind dagegen hohe Werbungsverluste einzukalkulieren, während die Lagerungsverluste hier wesentlich geringer sind. Aus dem Trend der Gesamtverluste lässt sich ablesen, dass bei der Futterkonservierung mit Nährstoffverlusten in der Größenordnung zwischen 15 bis über 40 % zu rechnen ist (Ausnahme Trockengrün).
6.3.1
Gärfutter (Silage)
Früher war die Heutrocknung die wichtigste Konservierungsmethode. Heute nimmt die Gärfutterbereitung (Silierung) in vielen Betrieben den ersten Rang ein. Eine Fülle verschiedener Techniken, Silobauformen und Zusatzeinrichtungen wurde entwickelt, von denen einige mit hohen Anschaffungs- und/oder Unterhaltungskosten verbunden sind. Es ist deshalb schwierig, sich
Abb. 79 Nährstoffverluste von Konservierungsverfahren (Zimmer, 1986)
213
6
6
Die Futtermittel
in dem Gewirr der teilweise einander widersprechenden Meinungen und Vorschläge immer zurechtzufinden. Nicht jede technische Neuerung bringt auch einen Vorteil hinsichtlich der Futterqualität bzw. des Geldbeutels des Betriebes. Für den Tierhalter ist es deshalb wichtig, seine Einflussmöglichkeiten auf die Gärfutterqualität zu kennen und richtig anzuwenden.
6.3.1.1 Die Grundlagen der Gärfutterbereitung Gärfutter hat einen noch ziemlich hohen Wassergehalt. Wie kommt es, dass es sich trotzdem lange hält? Der Verderb feuchten, organischen Materials wird hauptsächlich durch Kleinlebewesen (= Mikroorganismen), vor allem durch Bakterien, Pilze und Hefen bewirkt, die sich unter günstigen Bedingungen (Wärme, Feuchtigkeit, reichliches Angebot von Nähr- und Wirkstoffen) rasch vermehren. In der Abb. 80 sind die wichtigsten an diesen Vorgängen beteiligten Mikroorganismen aufgeführt. Ihre Lebensbedingungen sind von der An- bzw. Abwesenheit von Sauerstoff sowie vom pH-Wert abhängig. Wird frisch geerntetes Grünfutter einfach auf einen Haufen geworfen, sorgen die sauerstoffliebenden Fäulnisbakterien für einen raschen Verderb des Futters. Bei der vom Menschen gelenkten Konservierung im gefüllten Silo wird die Aktivität der anaeroben Mikroorganismen, und hier insbesondere die der Milchsäurebakterien, gefördert. Von der Pansengärung ist uns bekannt, dass die Bakterien saure Stoffwechselprodukte aus-
scheiden, wodurch im Futter eine Neigung zu sinkenden pH-Werten ausgelöst wird.
!!! Im gefüllten Silo sinkt mit zunehmender Tätigkeit der Kleinlebewesen innerhalb weniger Tage der pH-Wert rasch ab. Dabei werden die weniger säureverträglichen Mikroorganismen durch jene verdrängt, die auch mit niedrigeren pHWerten zurechtkommen. Zu den Letzteren gehören vor allem Milchsäurebildner. Zuletzt beschneiden diese durch ihre Säureproduktion auch sich selbst die Lebensmöglichkeiten und gehen in Massen zugrunde. Das Futter wird bei 4,5 bis 3,5 pH keimarm und bleibt in diesem Zustand lange haltbar, sofern nicht durch Mängel der Gärbehälter- und Siliertechnik die pHWerte wieder angehoben werden. Von allen am Futter haftenden Mikroorganismen können vor allem die Milchsäurebildner als vorteilhaft für die Gewinnung einer guten Silage angesehen werden. Die Buttersäurebildner, hauptsächlich Bakterien aus der Gattung der Clostridien, sind zweifellos die unangenehmste Konkurrenz für die Milchsäurebildner. Sie vertragen im Vergleich zur Mehrzahl der übrigen Gärfutterschädlinge noch relativ niedrige pH-Werte und ernähren sich teilweise von Milchsäure, wodurch dem notwendigen raschen Absinken des pHWertes entgegengearbeitet wird. Ähnlich wirken die basischen Abbauprodukte, die aus der von dieser Bakteriengruppe stark betriebenen Eiweißzersetzung stammen. Abb. 80 Lebensbedingungen und Aktivität von Mikroorganismen im Gärfutter
214
6.3 In Molkereien sind Clostridiensporen in der Milch als Verursacher von Spätblähungen im Käse und Geschmacksbeeinträchtigungen verschiedener Milchprodukte gefürchtet. Clostridien gelangen aus dem Erdboden durch Verschmutzung des Grünfutters in die Silage und mit ihr in den Futtertrog. Die mit der Silage aufgenommenen Clostridien werden im Kot wieder ausgeschieden. An das Euter und darüber eventuell wieder in die Milch gelangen sie durch Verschmutzung mit Kot, mit Silage oder sogar über die Luft. Wichtigste Vorbeugemaßnahme ist die Vermeidung von Futterverschmutzungen beim Silieren durch richtige Gründlandpflege (dichte Grasnarbe, Abschleppen, Walzen) und Einhalten einer Mindestschnitthöhe von 5–7 cm. Es gibt auch spezielle Siliermittel zur Verhinderung der Vermehrung von Clostridien in Silagen (s. 6.3.1.3). Die Essigsäurebildner entwickeln sich im Gegensatz zu den Buttersäurebakterien am Beginn der Gärung, solange noch Luft vorhanden ist, sehr rasch, besonders in nassem Futter. Deshalb, aber auch, weil eine Untergruppe der Milchsäurebildner als Nebenprodukt Essigsäure ausscheidet, gibt es kein Gärfutter ohne Essigsäure. Ein gewisser Gehalt an Essigsäure in der Silage ist erwünscht, da diese Säure hefe- und schimmelhemmend wirkt. Dadurch erhöht sich die Lagerstabilität der Silage. Größere Mengen, die sich durch scharfen und stechenden Geruch der Silage bemerkbar machen, sind unerwünscht. Die Verzögerung der pH-Wert-Absenkung durch die eiweißzersetzenden Buttersäurebakterien schafft günstige Lebensbedingungen für die Essigsäurebakterien. Die Fäulniserreger vergären vorwiegend Eiweiß. Obwohl sie sehr säureempfindlich und luftbedürftig sind, sich also durch eine sachgemäße Siliertechnik gut bekämpfen lassen, verursachen sie in der landwirtschaftlichen Praxis große Nährstoffverluste durch den Verderb der Randschicht in Freigärhaufen bei unterlassener oder unzureichender, noch Luft durchlassender Abdeckung. Derartige schwarzgefärbte und unangenehm riechende Fäulnisschichten enthalten giftige Stoffwechselprodukte aus der Eiweißzersetzung, die dem Vieh die Futteraufnahme verleiden; sie werden deshalb nicht auf den Futtertisch gebracht.
Konservierte Futtermittel
Die Schimmelpilze sind zwar säureverträglich, aber empfindlich gegen Sauerstoffmangel. Zur Schimmelbildung neigt stark angewelkte und zu wenig verdichtete Silage, wenn nach dem Öffnen des Silos Luft eindringt. Typische Schimmelpilze in Silagen sind Penicillium- und Aspergillusarten. In Gras- und Maissilagen ist Penicillium roqueforti der dominierende Schimmelpilz. Besonders auffällig ist er in Maissilagen, in denen häufig blau-grüne, kugelförmige Schimmelnester zu finden sind. Diese treten verteilt über die gesamte Anschnittsfläche auf. In Grassilagen breiten sie sich eher in horizontaler Lage in Form einer weißlich-grau gefärbten Schicht aus. Monascus ruba ist durch rote Verfärbungen der Silage erkennbar, während Aspergillus fumigatus vornehmlich in den Randschichten gefunden wird, wo eher Luft eindringt. Die Farbe kann zwischen blau-grün bis hin zu grau variieren. Verschimmelte Silage ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit entsprechenden Toxinen (Pilzgifte) kontaminiert. Solche Silagen dürfen keinesfalls mehr verfüttert werden. Hefen sind ebenfalls säureverträglich und zum größten Teil aerob. Beim Silierprozess vermehren sie sich so lange, bis keine Luft mehr im Silo vorhanden ist. Wenn nach dem Öffnen des Silos und durch die Entnahme wieder Luft in das Futter gelangt, kann es durch die Tätigkeit von Hefen zu neuen, stürmischen Gärungen mit Erwärmung des Futters und hohen Nährstoffverlusten kommen. Davon sind besonders solche Silagen betroffen, die sehr trockensubstanzreich und nicht ausreichend verdichtet sind und höhere Restzucker- und Milchsäuregehalte haben. Warm gewordene Silagen werden von den Tieren bedeutend schlechter gefressen, das heißt die Futteraufnahme geht erheblich zurück. Aus den Informationen über die Lebensweise der Gärfutterschädlinge lassen sich Grundsätze zu ihrer Bekämpfung ableiten. Der Wichtigste kann in folgender Empfehlung zur Silagebereitung zusammengefasst werden:
!!! Luft schnellstens aus dem Silostock entfernen und für dauerhaften Luftabschluss sorgen!
215
6
6
Die Futtermittel
6.3.1.2 Wie lässt sich die Luft rasch aus dem Futterstapel entfernen? Für fast alle Silobauformen gelten folgende Erfahrungen und Grundsätze:
!!! 1. Grünland oder Feldgras früh genug schneiden (im Schossen der bestandsbildenden Gräser)! 2. Siliergut nicht zu stark anwelken (TM-Gehalt X 40 %) 3. Rasches Befüllen innerhalb von 1 – max. 3 Tagen! Wo in Familienbetrieben die Schlagkraft nicht ausreicht, muss sie durch Lohnunternehmen oder durch Siliergemeinschaften verstärkt werden. 4. Zerkleinern des Siliergutes mit Kurzschnittladewagen oder Exakthäckslern (je trockener, je kürzer). 5. Das Futter während des Füllens gut verteilen und in Flachsilos mit Schlepper oder Raupe festwalzen (Abb. 81 und 82). Bei der notwendigen raschen Befüllung des Silos muss ständig ein Walzschlepper mit mindestens 2,5 t Achslast und schmaler Bereifung (2 bar Reifendruck, keine Zwillingsreifen) im Einsatz sein. Die Verdichtung sollte auf 200–250 kg TM/cbm erfolgen (je t Siliergut 2–3 Minuten walzen, optimale Walzgeschwindigkeit 2 km/Stunde, bis 1 Stunde nachwalzen). 6. Die Oberfläche des Futters sorgfältig mit geeigneter Silofolie (UV-stabilisiert) abdecken
und mit Silonetzen, Planen, Sandschicht und/ oder Autoreifen gleichmäßig beschweren. (Vermeiden des „Luftpumpeffektes“ einer flatternden Folie!) 7. Folien vor Mäuse- und Krähenfraß (Silomais!) schützen und die Dichtigkeit regelmäßig kontrollieren. In Betonsilos muss für einen säurefesten Innenanstrich gesorgt werden, der regelmäßig zu erneuern ist. Hierfür gibt es im Fachhandel geeignete Silolacke. Die bei der Verarbeitung vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln sind unbedingt zu beachten! Lebensnotwendig ist es, vor dem Betreten eines gefüllten Silobehälters eine Lichtprobe, beispielsweise mittels einer an einem Strick heruntergelassenen Sturmlaterne, durchzuführen. Die in Gärfutterbehältern, besonders in überdachten Grubensilos, herrschende Kohlendioxid-Atmosphäre kann zum Erstickungstod führen, wie leider immer wieder durch Unfälle bewiesen wird. Bevor jemand in einen Silobehälter hineinsteigt, sollte er sich vergewissern, dass eine zweite Person anwesend ist, die notfalls Hilfe herbeiholen kann.
6.3.1.3 Wie lässt sich die Anfangsentwicklung der Milchsäurebakterien fördern? Es gibt leicht- und schwervergärbare Futterpflanzen. Diese Einteilung bezieht sich auf bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe, die die Lebensbedingungen für die Milchsäurebakterien negativ (basisch wirkende Bestandteile wie insbesondere Rohprotein) oder positiv (Zucker) beeinflusAbb. 81 Verteilen und Festfahren des Siliergutes mit dem Raddrucklader führt zu bestem Siliererfolg (Foto: Weiß)
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6.3
Konservierte Futtermittel
Abb. 82 Hervorragend verdichtete Silage (links Gras-, rechts Maissilage) mit vorbildlichen Anschnittsflächen (Foto: Weiß)
sen. Die basisch wirkenden Bestandteile werden als Pufferkapazität (PK) analytisch bestimmt. Das Verhältnis zwischen Zucker- und Pufferkapazität wird als Z/PK-Quotient erfasst. Dieser ist eine geeignete Größe zur Einschätzung des biologischen Säuerungsvermögens von Futterpflanzen. Der Siliererfolg ist außerdem vom Trockenmassegehalt des Siliergutes abhängig. Beide Faktoren (Z/PKQuotient und TM-Gehalt in %) werden im Vergärbarkeitskoeffizient (VK) zusammengefasst. Ist dieser größer als 45, kann eine weitestgehend stabile Gärung erwartet werden. Silomais mit einem hohen Zucker- und niedrigen Rohproteingehalt (VK 58) gehört z. B. zu den leicht vergärbaren Futterpflanzen. Luzerne hat dagegen einen geringeren Zuckergehalt bei sehr hohem Rohproteingehalt (VK 27) und gehört deshalb ebenso wie Rotklee (VK 33) zu den schwer vergärbaren Futterpflanzen. Von den Gräsern ist besonders das Weidelgras mit relativ hohen Zuckergehalten leicht vergärbar (VK 47, angewelkt 62), während andere Gräser erst nach dem Anwelken eine so hohe Zuckerkonzentration erlangen, dass eine gute Vergärung sichergestellt ist (von VK 33 auf 48). Das Anwelken | Das Anwelken von Gras ist ein wichtiges Element der Siliertechnik, wodurch eine Verbesserung des Gärverlaufes und der Gärfutterqualität erreicht wird. Die Auswirkungen des Anwelkens lassen sich wie folgt zusammenfassen:
!!! 1. Erhöhung der Nährstoff- (einschließlich Zucker-)Konzentration im Zellsaft und dadurch Förderung der Milchsäurebakterien. 2. Verstärkung des osmotischen Drucks und dadurch Behinderung der Entwicklung der Buttersäurebildner. 3. Verringerung des Eiweißabbaus. 4. Verminderung der Summe der Nährstoffverluste (kürzerer Gärverlauf und weniger Zeit für Gärgasentwicklung – kein Sickersaft) trotz höherer Feldverluste. 5. Rascherer Abschluss der Gärungsvorgänge und Stabilisierung der Silage bei einem höheren pH-Niveau (dem so genannten „kritischen pH-Wert“). Abhängigkeit des kritischen pH-Wertes vom TM-Gehalt (nach DLG-Schlüssel)
6. Verbesserung der Gärqualität 7. Bessere Futteraufnahme 8. Höherer Futterwert
217
6
6
Die Futtermittel
Um das Anwelken, das in 1 bis max. 2 Tagen abgeschlossen sein soll, zu beschleunigen, muss das Gras nach dem Mähen umgehend gezettet werden. Halmgutaufbereiter beschleunigen die Wasserabgabe. Die Geräte zum Zetten, Schwaden und Aufnehmen dürfen nicht zu tief eingestellt werden (mind. 4 cm Abstand zum Boden), um eine Verschmutzung des Siliergutes zu vermeiden. Das Anwelken darf allerdings nicht zu weit getrieben werden, denn es ist schwierig, stark angewelktes Futter rasch und intensiv genug zu verdichten. Der optimale Bereich liegt in der Größenordnung von 30–40 % TM. Woher weiß der Praktiker in der Silierkampagne, dass sein Futter diesen Anwelkgrad erreicht hat? Dies kann mittels der Wringprobe abgeschätzt werden: Bei feuchtem Futter einen Ball formen und danach pressen. Ab ca. 30 % einen Strang formen und einmal kräftig wringen (nicht nachfassen!): Übersicht 32 Saftaustritt TM-Gehalt Starker Saftaustritt schon bei leichtem Händedruck X 20 % Starker Saftaustritt bei kräftigem Händedruck 25 % Beim Wringen Saftaustritt zwischen den Fingern, Hände werden nass 30 % Beim Wringen kein Saftaustritt zwischen den Fingern, Hände werden noch feucht 35 % Nach dem Wringen glänzen die Hände noch 40 % Nach dem Wringen nur noch schwaches Feuchtegefühl auf den Händen 45 % Hände bleiben vollständig trocken G 45 % Siliermittel | Bei ungünstigen Gärbedingungen (sehr eiweißreiche Futterarten, anhaltende Schlechtwetterperiode ohne Möglichkeit zum Vorwelken) wird versucht, die Gärvorgänge durch Siliermittel günstig zu beeinflussen. Aber nicht nur für diese „Notfälle“ werden heute Siliermittel eingesetzt. Neue Erkenntnisse und Entwicklungen haben zu einer wesentlichen Erweiterung des Anwendungsspektrums von Silier-
218
mitteln geführt. Ein wesentlicher Fortschritt ist auch dadurch erreicht worden, dass die DLG ein Gütezeichen für Siliermittel entwickelt hat und somit die Wirksamkeit – zweckorientiert nach den Wirkungsrichtungen und Anwendungsbereichen – geprüft wird. In der Tab. 28 sind die fünf Gruppen nach der Wirkungsrichtung sowie für die jeweiligen Anwendungsbereiche aufgeführt. Außerdem sind Angaben über den geeigneten Siliermitteltyp, den Effekt sowie die Anzahl der Produkte mit DLG-Gütezeichen enthalten. Die Produktnamen werden von der DLG veröffentlicht. Relativ neu ist die Gruppe 4 mit der Wirkungsrichtung „Sonderwirkungen“. Die hier einzuordnenden Produkte beeinflussen neben dem Gärverlauf auch den Futterwert. Auswertungen der Versuche und Untersuchungen, die der Anerkennung durch die DLG zugrunde liegen, haben zu folgenden Ergebnissen geführt: | Steigerung der Verdaulichkeit des Futters um 2–5 % | Erhöhung der Energiedichte um 0,1–0,3 MJ NEL/kg TM | Erhöhung der Futteraufnahme um 0,5–1,5 kg TM/Tier und Tag | Steigerung der Milchleistung um bis zu 1,2 kg/ Tier und Tag | Steigerung der Mastleistung um bis zu 85 g/ Tier und Tag | Verlängerung der Lagerstabilität im Stall um 1–4 Tage. Bei Anwendung dieser Siliermittel geht es also darum, gute Silage noch besser zu machen. Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Siliermitteln ist ihre richtige Anwendung. Dies betrifft die Wahl des Produktes, die gleichmäßige Verteilung im Futter und die richtige Dosierung. Spezielle technische Vorrichtungen sind hierfür erforderlich.
6.3.1.4 Wie wird die Gärqualität beurteilt? Der Futterwert von Silagen ist am sichersten über eine Untersuchung bei einer LUFA festzustellen. Hierfür müssen rechtzeitig vor Beginn der Verfütterung Proben gezogen werden, was bei Fahrsilos mit Hilfe eines geeigneten Probeste-
6.3
Konservierte Futtermittel
Tab. 28 Siliermittel mit DLG-Gütezeichen Wirkungsrichtung Anwendungsbereiche
Geeigneter Siliermitteltyp /Effekt/ Produkte mit DLG-Gütezeichen (Stand 4/2004)
Gruppe 1: Verbesserung des Gärverlaufs 1a für schwer silierbares Futter Kennzeichen: Zuckergehalt X 1,5 % in der FM TM –Gehalt X 20 %
Säuren und ihre Salze, spezifische Verbindungen. Effekt: Sicherstellung und Optimierung des Gärverlaufs 5 Produkte anerkannt
1b für mittelschwer silierbares Futter Kennzeichen: Zuckergehalt 1,5-3 % in der FM TM – Gehalt 20-25 %
Säuren etc. wie bei 1a, Milchsäurebakterien, Enzyme Effekt: Sicherstellung und Optimierung des Gärverlaufs 42 Produkte anerkannt
1c für leicht silierbares Futter Kennzeichen: Zuckergehalt G 3 % in der FM TM – Gehalt G 30 %
Milchsäurebakterien, Enzyme Effekt: Optimierung des Gärverlaufs 35 Produkte anerkannt
Gruppe 2: Verbesserung der Haltbarkeit unter Lufteinfluss Silomais und Maiskolbenprodukte G 25 % TM angewelktes Gras oder Leguminosen, GPS, Feuchtgetreide u. -mais, feuchte Leguminosensaat
Spezifisch pilzhemmende Mittel Effekt: Unterbindung der Entwicklung von Hefen und Schimmel 14 Produkte anerkannt
Gruppe 3: Reduzierung von Gärsaftablauf Kennzeichen des Futters: niedriger Gehalt an Trockenmasse
Absorbierende oder strukturerhaltende Mittel Noch kein Produkt mit DLG-Gütezeichen
Gruppe 4: Sonderwirkungen (Sonderwirkungen können nur in Verbindungen mit der Prüfung nach Gruppe 1, 2 oder 3 attestiert werden.) 4a Förderung der Futter- bzw. Nährstoffaufnahme aus den behandelten Silagen
Milchsäurebakterien, Salze 23 Produkte anerkannt
4b Verbesserung der Verdaulichkeit der behandelten Silagen
Milchsäurebakterien, Enzyme 20 Produkte anerkannt
4c Verbesserung der Milchleistung bzw. Mastleistung
Milchsäurebakterien, Enzyme 19 Produkte für Milchleistung 15 Produkte für Mastleistung anerkannt
Gruppe 5 5a Verhinderung der Vermehrung von Clostridien in der behandelten Silage
chers ohne große Schwierigkeiten möglich ist (Abb. 83). Darüber hinaus ist natürlich von Bedeutung, wie die Konservierung gelungen ist. Es besteht die Möglichkeit, die Gärqualität nach dem DLG-Schlüssel (1997) auf der Basis der chemischen Untersuchung im Labor durchführen zu
Salze 3 Produkte anerkannt
lassen. Hierbei werden Buttersäuregehalt, Ammoniakanteil, pH-Wert und Essigsäuregehalt bestimmt und die Ergebnisse einzeln mit Punktzahlen bewertet. Aus der Gesamtpunktzahl wird ein zusammenfassendes Urteil abgeleitet (5 Noten von sehr gut bis sehr schlecht). Schimmelbe-
219
6
6
Die Futtermittel weise auf die Säurebildung und damit Stabilität der Silage. Diese ist im starken Maße vom TMGehalt der Silage abhängig. Zweifelsfrei erkannte Mängel bei den aufgeführten Beurteilungskriterien führen zu Punktabzügen, die zum Schluss addiert werden und zu einer Gesamtnote zwischen 1 bis 5 führen. Für die Sinnenprüfung von Maissilage wird ein eigener DLG-Schlüssel angewendet (Tab. 30).
6.3.1.5 Wann und wie wird Silage verfüttert?
Abb. 83 Entnahme einer Silageprobe mit Hilfe des Probestechers (Foto: Weiß)
fall kann analytisch nicht erfasst werden. Wenn dieser nach Aussehen oder Geruch feststellbar ist, werden entsprechende Korrekturen am Beurteilungsergebnis vorgenommen und zwar je nach Befall bis zum Ergebnis „nicht zur Verfütterung geeignet“. Eine einfachere und kostengünstigere Methode ist die Sinnenprüfung. Für Grassilage wird diese nach dem in der Tab. 29 dargestellten neuen DLG-Bewertungsschema durchgeführt, das als Beurteilungskriterien Geruch, Farbe und Gefüge der Silage heranzieht. Über den Geruch sollen Fehlgärungen, Erwärmung, Hefen- und Schimmelbildung geprüft werden. Mit der Beurteilung der Farbe sollen Witterungseinflüsse beim Anwelken, Fehlgärungen oder Schimmel beurteilt werden. Aufschluss über eventuelle mikrobielle Zersetzung der Pflanzenteile und Schimmel gibt das Gefüge. Zusätzlich zur Sinnenprüfung gibt die Ermittlung des pH-Wertes, die allerdings meistens im Labor erfolgen muss, wertvolle Hin-
220
Die Hauptgärung mit rascher Absenkung des pHWertes dauert 3–8 Tage. Danach werden noch mehrere Wochen für Reifungsvorgänge benötigt, so dass mit der Fütterung 4–6 Wochen nach dem Einsilieren begonnen werden kann. Wenn die Abdeckung des Silos entfernt und ein Gärfutterstapel angebrochen ist, muss zügig gefüttert werden, um den Wettlauf mit der jetzt eindringenden Luft und den dadurch ausgelösten Nachgärungen zu gewinnen. Hierfür ist ein wöchentlicher Vorschub von mindestens 1,5 m im Winter und 2,5 m im Sommer erforderlich. Nacherwärmung kann vor allem bei Silagen mit hohen Trockenmassegehalten auftreten, insbesondere wenn diese noch Restzucker sowie viel Milchsäure bei wenig Essigsäure enthalten (z. B. teigreife Maissilage, stark angewelkte Grassilage). Sie werden vor allem von Hefen verursacht. Nacherwärmung liegt vor, wenn die Temperatur im Silostock 10 °C und mehr über der Außentemperatur liegt. Begünstigt wird sie durch schleppendes Befüllen und unzureichende Verdichtung schon beim Einsilieren, da sich dann die Hefen sehr stark vermehren können. Durch Luftzutritt, beschädigte Abdeckfolien, poröse Behälterwände, durch hohe Außentemperaturen und durch unzweckmäßige Entnahmemethoden (z. B. Aufreißen des Futterstocks mit der Hand oder Frontladergaben, zu große Anschnittflächen, zu geringe Entnahmemengen usw.) werden säureresistente Hefen, Bakterien und Pilze wieder aktiv und setzen vornehmlich Restzucker und Milchsäure um. Dadurch steigt nicht nur die Temperatur, sondern auch der pH-Wert in den betroffenen Silagen an. Beide Faktoren bilden dann beste Bedingungen für Buttersäure- und
6.3
Konservierte Futtermittel
Tab. 29 DLG-Schlüssel für die Sinnenprüfung von Grassilage Prüfungskriterium/Ausprägung
Punkte für Qualitätsabzug
1. Geruch überprüfen Buttersäure (Geruch nach Schweiß, ranziger Butter)
Essigsäure (stechender, beißender Geruch nach Essig)
Erwärmung (Röstgeruch)
Hefen (mostartiger, gäriger Geruch)
Schimmel (muffiger Geruch)
nicht wahrnehmbar
0
schwach, erst nach Fingerprobe (Reiben) wahrnehmbar
2
auch ohne Fingerprobe schwach wahrnehmbar
3
aus ca. 1 m Entfernung deutlich wahrnehmbar
5
schon aus einiger Entfernung stark wahrnehmbar, fäkalartig
7
nicht wahrnehmbar
0
schwach wahrnehmbar
1
deutlich wahrnehmbar
2
stark wahrnehmbar, unangenehm stechend
4
nicht wahrnehmbar
0
schwacher Röstgeruch, angenehm
1
deutlicher Röstgeruch, leicht rauchig
2
starker Röstgeruch, brandig, unangenehm
4
nicht wahrnehmbar
0
schwach wahrnehmbar
1
deutlich wahrnehmbar
2
stark wahrnehmbar, gärig
4
nicht wahrnehmbar
0
schwach wahrnehmbar
3
deutlich wahrnehmbar
5
stark wahrnehmbar
7
normale Farbe
0
bräunlicher als normal
1
deutlich gebräunt
2
stark gebräunt
4
normale Farbe
0
gelblicher als normal
1
deutlich ausgeblichen
2
stark ausgeblichen
4
Giftgrün durch starke Buttersäuregärung
7
sichtbarer Schimmelbefall: Silage nicht verfüttern
7
6
2. Farbe prüfen Bräunung
Vergilbung
sonstige Beobachtungen
221
6
Die Futtermittel
Tab. 29 (Fortsetzung) Prüfungskriterium/Ausprägung
Punkte für Qualitätsabzug
3. Gefüge prüfen Pflanzenteile nicht angegriffen
0
Pflanzenteile nur an Schnittstellen leicht angegriffen
1
Blätter deutlich angegriffen, schmierig
2
Blätter und Halme stark angegriffen, verrottet, mistartig
4
4. pH-Wert prüfen*) TM-Gehalt in % pH-Wert
bis 20
21 – 30
31 – 45
G 45
X 4,2
X 4,4
X 4,6
X 4,8
0
4,2
4,4
4,6
4,8
1
4,6
4,8
5,0
5,2
2
5,0
5,2
5,4
5,6
3
5,4
5,6
5,8
6,0
4
G 5,4
G 5,6
G 5,8
G 6,0
5
*) Die Silagebeurteilung ist auch ohne Bestimmung des pH-Wertes möglich. Zur Beurteilung der Gärqualität werden die Punkte für Qualitätsabzug addiert: Summe Punkte für Qualitätsabzug ohne pH-Wert
222
Note
Urteil
mit pH-Wert
0–1
0–2
1
sehr gut
2–3
3–5
2
gut
4–5
6–8
3
verbesserungsbedürftig
6–8
9–11
4
schlecht
G 8
G 11
5
sehr schlecht
6.3
Konservierte Futtermittel
Tab. 30 DLG-Schlüssel für die Sinnenprüfung von Maissilage Prüfungskriterium/Ausprägung
Punkte für Qualitätsabzug
1. Geruch überprüfen angenehm säuerlich, aromatisch, brotartig
0
leicht alkoholisch oder leichter Essigsäuregeruch
1
stark alkoholischer oder Röstgeruch
3
muffig oder leichter Buttersäuregeruch
5
widerlich, Fäulnisgeruch, jauchig
7
dem Ausgangsmaterial ähnliche Farbe
0
Farbe wenige verändert
1
Farbe stark verändert
2
unverändert (wie das Ausgangsmaterial)
0
leicht angegriffen, Pflanzenteile mürbe
1
stark angegriffen, schmierig, schleimig
2
verrottet
4
sichtbarer Schimmelbefall: Silage nicht verfüttern
7
2. Farbe prüfen
3. Gefüge prüfen
6
4. Schimmel
Zur Beurteilung der Maissilage werden die Punkte für Qualitätsabzug addiert: Summe Punkte für Qualitätsabzug
Note
Urteil
0–1
1
sehr gut
2–3
2
gut
4–5
3
verbesserungsbedürftig
6–8
4
schlecht
G 8
5
sehr schlecht
Essigsäurebakterien, aber insbesondere für Schimmelpilze und Fäulnisbakterien, die zu einem völligen Verderb der Silage führen können.
!!! Jede Erwärmung kostet Nährstoffe, verringert die Futteraufnahme, kann zum Verderb der Silage führen und muss unbedingt vermieden werden: | durch optimale Verdichtung beim Einsilieren
durch Einsatz geeigneter Entnahmegeräte, die die Anschnittsflächen nicht auflockern (vgl. Abb. 82) | durch ausreichenden Vorschub im Fahrsilo: 1,5 m pro Woche im Winter, bis zu 2,5 m im Sommer, | durch Erhöhung des Vorschubes, wenn Nacherwärmungen auftreten | durch Verfütterung von trockenen Silagen in der kalten Jahreszeit |
223
6
Die Futtermittel durch 10–20 cm dicke Anschnittscheiben bei täglicher Obenentnahme im Hochsilo | durch luftdichtes Verschließen der Entnahmeluke unmittelbar nach jeder Entnahme bei der Verwendung von Untenfräsen in Hochsilos, notfalls im Sommer durch nachträgliche Flächenbehandlung mit Propionsäure | Randpartien von Silage nicht an Milchkühe verfüttern | bei starker Nacherwärmung u.U. Umsilierung des gesamten Silos. |
Der spezifische Geruch der Silagen, besonders der weniger gut gelungenen, beeinträchtigt Geruch und Geschmack der Milch, und zwar auf den folgenden Wegen: Silage 1 Stallluft 1 Milch, Silage 1 Atemluft 1 Lunge 1 Blutbahn 1 Euter 1 Milch, Silage 1 Verdauungskanal 1 Blutbahn 1 Euter 1 Milch. Wenn im Melkstand gemolken oder die Milch über Rohrleitungen in die Milchkühleinrichtung befördert wird, kommt die Milch kaum mit der Stallluft in Berührung und wird durch Weg 1 weniger geschädigt. Den Geschmacksbeeinträchtigungen über die Wege 2 und 3 lässt sich durch folgende Maßnahmen vorbeugen:
!!! Gärfutter nicht im Stall lagern oder auftauen. | Gärfutter erst nach dem Melken in den Stall bringen und füttern. | Gärfutterreste rechtzeitig vor dem nächsten Melken aus Futtertrögen entfernen und den Stall lüften. |
Die aus der Silage (nach dem Melken) aufgenommenen unangenehmen Aromastoffe werden im Körper größtenteils bis zum nächsten Melken abgebaut. Bei nur schwach (und angenehm) riechenden, gut gelungenen Grassilagen, die keine Nachgärungserscheinungen zeigen, ist in der Winterstallhaltung eine mehrtägige Lagerung geschlossener Siloblöcke auf dem Futtertisch möglich und üblich. Wenn sie sich aber erwärmen, muss das als Signal zur Abkürzung der Zwischenlagerung verstanden werden.
224
6.3.1.6 Grassilage Grassilage bildet in vielen Betrieben die Grundlage der Winterfütterung im Rindviehstall. Der Futterwert verschiedener Grassilagequalitäten ist in der Tab. 31 zusammengestellt. Jung geschnittene Grassilage mit einem Rohfasergehalt bis zu 25 % in der TM weist mit 6,0–6,7 MJ NEL eine hohe Energiekonzentration auf. In spät geschnittener Silage geht der Nährstoffgehalt dagegen stark zurück. Grassilage von 2. und folgenden Aufwüchsen hat einen geringeren energetischen Futterwert, da die Verdaulichkeit der organischen Substanz abnimmt. Zu beachten ist allerdings auch der Rohaschegehalt. Dieser ist häufig bei jung geschnittenen Silagen wegen Verschmutzung überhöht, was nicht nur zu einer Verschlechterung der Gärqualität, sondern auch zu einer Minderung des Futterwertes führt. Der Schnittzeitpunkt von Grassilage ist nicht nur im Zusammenhang mit dem Nährstoffgehalt von Bedeutung, sondern beeinflusst auch den mengenmäßigen Silageverzehr. Je niedriger der Rohfasergehalt ist, desto mehr Grassilage-Trockenmasse wird von den Kühen aufgenommen. In Fütterungsversuchen betrug z. B. die tägliche TM-Aufnahme 11,2 kg bei Grassilage mit 26 % Rohfaser und 8,9 kg bei Grassilage mit 33 % Rohfaser in der TM. Die Kraftfuttergabe lag in beiden Fällen bei 6 kg je Kuh und Tag. Bei jung geschnittener Grassilage wird die Futteraufnahme auch besonders davon beeinflusst, ob das Ausgangsmaterial angewelkt wurde oder nicht. In verschiedenen Versuchen wurde ein Anstieg des Verzehrs an Grassilage von 70–120 g TM je Prozentpunkt TM-Anstieg festgestellt. Daraus lässt sich ableiten, dass Kühe von Anwelksilage (über 35 % TM) etwa 15–20 % mehr Trockenmasse als von Nasssilage fressen. Allerdings sollte das Anwelken aus den früher beschriebenen Gründen nicht zu weit getrieben werden (nicht über 40 % TM). Anwelksilage ist ein hervorragendes Strukturfutter und als alleiniges Grobfutter in der Milchvieh- und Jungrinderfütterung geeignet. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die mechanische Zerkleinerung ebenfalls eine Rolle bei der Futteraufnahme spielt. Kurzhäckselung des Ausgangsmaterials ermöglicht nicht nur eine höhere Verdichtung – und damit eine bessere
6.3
Konservierte Futtermittel
Tab. 31 Futterwert von Grassilagen (Grünland, 2–3 Nutzungen, grasreich, obergrasbetont) Grassilage Rohasche g
Rohprotein g
1 kg Trockenmasse enthält RohnXP RNB MER faser g g g MJ
NEL
MES
MJ
MJ
Beginn Ähren-/Rispenschieben
108
165
221
145
+3
11,09
6,69
7,06
volles Ähren-/Rispenschieben
107
148
264
132
+3
9,91
5,89
Beginn der Blüte
104
130
299
128
0
9,73
5,76
Mitte bis Ende der Blüte
103
110
334
119
–1
9,20
5,38
unter 4 Wochen
119
175
219
135
+6
10,04
5,98
4 – 6 Wochen
113
157
260
130
+4
9,62
5,68
7 – 9 Wochen
112
141
293
124
+3
9,30
5,46
1. Aufwuchs
6,74
2. und folgende Aufwüchse
Gärqualität –, sondern führt auch zu höherer Grassilageaufnahme. In Versuchen lag der Trockenmasseverzehr aus kurzgehäckselter Grassilage bei einem Anwelkgrad von 35 % TM um rund 1 kg, bei höherem Anwelkgrad (47 % TM) sogar um über 2 kg Trockenmasse je Kuh und Tag höher. Offenbar kann solche Silage von den Kühen besser und schneller wiedergekaut werden (lange Grassilage ist relativ „zäh“). Diese Versuche haben außerdem gezeigt, dass solche kurzgehäckselte Silage keinen negativen
Einfluss auf den Milchfettgehalt – ein wichtiger Indikator für die Strukturwirksamkeit eines Futtermittels – hatte. Insofern sind derartige Silagen auch „wiederkäuergerecht“. Auf die Mineralstoffgehalte in Grassilagen wurde bereits im Abschnitt 6.1 eingegangen und regionale Unterschiede in der Tab. 26 aufgezeigt. In diesem Zusammenhang wurde bereits darauf hingewiesen, dass in der betriebseigenen Silage auch der Ca- und P-Gehalt untersucht werden sollte.
Abb. 84 Vorratsfütterung erfordert beste Grobfutterqualität
225
6
6
Die Futtermittel
!!! Kenndaten einer guten Grassilage Merkmale Optimalbereich Futterwertparameter TM-Gehalt % 35–40 Rohasche % in der TM X 10 Sandgehalt % in der TM X 3 Rohprotein % in der TM 16–18 Rohfaser % in der TM 22–25 Energie MJ NEL/kg TM n 6,4 Gärqualität: pH-Wert: bei 20–30 % TM-Gehalt X 4,4 bei 30–45 % TM-Gehalt X 4,6 bei über 45 % TM-Gehalt X 4,8 Buttersäure % in der TM X 0,3 Essigsäure % in der TM 2,0–3,5 Ammoniakgehalt (NH3) % des Gesamt-N X 10 Häcksellänge cm 3–4 Lagerdichte kg TM/m3 200–230 Sinnenprüfung: Geruch: frei von Buttersäuregeruch, aromatisch bis brotartig, angenehm säuerlich (nicht stechend) Gefüge: Blätter und Stängel sollen erhalten und nicht angegriffen, verschimmelt oder verschmutzt sein Farbe: dem Ausgangsmaterial entsprechend bei insgesamt leichter Bräunung
6.3.1.7 Maissilage, LKS und CCM Silomais ist die wichtigste Ackerfutterpflanze, seine Anbaufläche ist größer als die aller anderen Feldfutterpflanzen und Futterhackfrüchte zusammen. Der Futterwert hängt sehr stark vom Reifestadium ab, wie aus der Tab. 32 ersichtlich ist. Danach wird der höchste Energiegehalt mit 6,7 MJ NEL/kg TM gegen Ende der Teigreife erreicht. Der Kolbenanteil, der für den Futterwert entscheidend verantwortlich ist, liegt dann bei ca. 55 %. Daraus resultiert ein Stärkegehalt von rund 35 % i.d.TM. In früheren Vegetationsstadien und bei geringerem Kolbenanteil ist der Energiegehalt niedriger. Dieser korreliert allerdings nicht immer mit dem Stärkegehalt, sondern hängt auch
226
von den Nährstoffgehalten und deren Verdaulichkeit in der Restpflanze ab (z. B. in der Milchreife). Dennoch ist aus der Tab. 32 abzuleiten, dass der quantitative Energiegehalt der Maissilage in erster Linie durch die Stärkemenge bestimmt wird. Maisstärke hat jedoch für den Wiederkäuer auch aus qualitativer Sicht eine große Bedeutung. Auf Grund ihrer besonderen Struktur und Korngröße wird sie im Pansen nicht so schnell und auch nicht vollständig abgebaut. Dies ist besonders für hochleistende Kühe von Vorteil, da einmal durch den langsameren Stärkeabbau der pH-Wert im Pansen weniger intensiv abfällt und zum anderen ein hoher Anteil an Stärke unabgebaut den Pansen passiert und im Dünndarm enzymatisch zu Glukose verdaut wird. Damit ist die Stärke aus Mais „wiederkäuerfreundlicher“ als z. B. die aus Getreide. Die erhöhte Glukosebereitstellung aus der Stärkeverdauung im Dünndarm führt zu einer wesentlichen Stoffwechselentlastung der Hochleistungskuh. Allerdings verfügt der Wiederkäuer nur über eine begrenzte enzymatische Verdauungskapazität für Stärke im Dünndarm. Die Grenzen werden heute mit 1–1,5 kg Stärke je Kuh und Tag angenommen. Die Beständigkeit der Maisstärke ist vom Reifegrad des Maiskorns abhängig. Während zu Beginn der Teigreife noch der größte Anteil im Pansen mikrobiell verdaut wird, geht dieser mit zunehmender Reife zurück und die enzymatische Verdauung im Dünndarm gewinnt an Bedeutung. Je reifer das Korn wird, je größer wird die Gefahr, dass dann auch Stärkeverluste über die Ausscheidung im Kot zunehmen können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Maiskörner unbedingt vollständig zu zerkleinern bzw. zu zermahlen, um den Verdauungsenzymen eine möglichst große Angriffsfläche zu bieten. Konkrete Zahlenangaben zur Beständigkeit der Stärke in verschiedenen Maissilagen stehen z. Zt. nicht zur Verfügung. Hier sind mehrere Einflussfaktoren zu berücksichtigen bis hin zu den Maissorten. Als Anhaltswert für die Beständigkeit wird z.Zt. der Stärkegehalt in der Trockenmasse angenommen, wobei die obere Grenze auf 30 % festgesetzt ist. Bei einer Maissilage, Beginn der Teigreife, mittlerer Kolbenanteil mit 20,3 % Stärke i.d.TM wäre danach eine Beständigkeit von 20 %, bei einer Maissilage Ende der Teigreife, hoher Kolbenan-
6.3
Konservierte Futtermittel
Tab. 32 Futterwert von Maissilagen, LKS und CCM Futtermittel TM %
Rohasche g
1 kg Trockenmasse enthält RohRohStärke nXP RNB MER protein faser g g g g g MJ
NEL MES MJ
MJ
Maissilage (Kolbenanteil = KA) in der Milchreife KA mittel (25–35 %)
21
59
93
233
131
129 –6
10,12 6,03
KA hoch ( G 35 %)
23
55
93
208
219
134 –7
10,70 6,45
Beginn der Teigreife KA mittel (35–45 %)
27
52
88
212
203
131 –7
10,51 6,31 9,05
KA hoch ( G 45 %)
29
51
87
186
268
133 –7
10,80 6,52
Ende der Teigreife KA mittel (45–55 %)
35
45
81
201
286
131 –8
10,70 6,45
KA hoch ( G 45 %)
38
43
80
177
345
135 –9
11,06 6,71
Lieschkolbenschrotsilage 50 (LKS)
25
89
143
391
146 –9
11,97 7,37 11,82
Corn-Cob-Mix (CCM)
21
105
52
634
159 –9
12,89 8,08 14,92
60
teil (34,5 % Stärke i.d.TM) eine solche von 30 % zu unterstellen. Nach neueren Erkenntnissen soll jedoch die Maisstärke in durchgegorenen Maissilagen eine höhere Abbaubarkeit haben als bisher angenommen. Vermutlich liegt die Stärkebeständigkeit nur bei max. 15 %. Der Unterschied zu frischem Mais wird mit der Auflösung des EndospermProteins während der Fermentation bei der Silierung begründet, so dass die Stärke für die Mikroorganismen im Pansen besser angreifbar wird. Bei dem Reifestadium „Ende der Teigreife“, das aus Gründen des energetischen Futterwertes angestrebt werden muss, werden allerdings hohe Anforderungen an die Erntetechnik gestellt, um eine einwandfreie Dichtlagerung und Vergärung einerseits sowie eine möglichst vollständige Zerkleinerung der Körner andererseits sicherzustellen. Dies ist nur dadurch zu erreichen, dass die Maispflanze bei der Ernte so kurz wie möglich gehäckselt wird. Je trockener der Mais ist, desto kürzer muss die Häcksellänge sein. In der Teigreife muss diese zwischen 4 und 6 mm liegen. Da die heutigen Maissorten stärker ausreifen, ist auch besonders auf die vollständige Zerkleinerung der
Maiskörner zu achten. Ganze Körner und Körnerbruchstücke werden nicht bzw. unvollständig verdaut, was relativ leicht im Kot der Tiere nachzuweisen ist. Dadurch können Energieverluste in der Größenordnung bis zu 10 % entstehen. Eine zusätzliche Nachzerkleinerung der Maiskörner über spezielle technische Einrichtungen (Cornkräcker) ist besonders bei TM-Gehalten über 30 % notwendig. Damit erhöht sich einerseits der Energiebedarf beim Häckseln, andererseits können damit Energieverluste in der Größenordnung von 8 bis 11 % verhindert werden. Durch die Häckselung der teigreifen Maissilage auf 4–6 mm wird die relativ hohe Strukturwirksamkeit in der Fütterung nicht negativ beeinflusst, so dass Maissilage mit relativ hohen Rationsanteilen in der Rindviehfütterung eingesetzt werden kann. Maissilagen haben einen geringen Rohproteingehalt. Wegen ihrer hohen Energiegehalte und der dadurch möglichen hohen bakteriellen Proteinbildung im Pansen sind die nXP-Werte entsprechend hoch. Hierfür kann jedoch nicht genügend Stickstoff aus dem Rohprotein bereitgestellt werden, so dass alle Maissilagen eine negative RNB aufweisen.
227
6
6
Die Futtermittel
Tab. 33 Mineralstoffgehalte in Maissilagen, LKS und CCM (Angaben in g/kg TM) Futtermittel
Ca
P
Mg Na
K
Maissilage – in der Milchreife
4,6 3,0 1,6 0,9 13,0
– Beginn der Teigreife 3,9 2,6 2,3 0,4 13,0 – Ende der Teigreife
2,6 2,4 1,6 0,3 14,0
Lieschkolbenschrotsilage (LKS)
1,0 3,2 1,4 0,4
4,0
Corn-Cob-Mix (CCM) 0,3 3,2 1,2 0,2
3,9
Wie aus der Tabelle 33 hervorgeht, ist Maissilage insgesamt relativ mineralstoffarm. Dies trifft besonders für Ca und Na zu. Auch die K-Gehalte sind besonders im Vergleich zu Grassilage niedrig, was allerdings positiv zu bewerten ist. Bei den Spurenelementen ist insbesondere auf den niedrigen Mangan-Gehalt hinzuweisen. Maissilage ist allerdings sehr arm an g -Carotin, was bei der Milchviehfütterung zu berücksichtigen ist. Insgesamt gesehen ist Maissilage ein relativ einseitiges Energiefuttermittel. Wenn dies bei der Rationsgestaltung berücksichtigt wird, kann Maissilage erfolgreich in der Milchvieh-, Bullenmast- und Jungrinderfütterung mit hohen bzw. sehr hohen Rationsanteilen eingesetzt werden. Um die Energiekonzentration in der Maissilage noch zu erhöhen, kann die Schnitthöhe beim Häckseln verändert werden. Man spricht von Hochschnittsilage, wenn die Stoppellänge 40–50 cm beträgt. Im Vergleich zu einem normalen Schnitt (Tiefschnittsilage) kann damit die Energiekonzentration um bis zu 0,2 MJ NEL/kg TM und der Stärkegehalt um nahezu 30 g/kg TM erhöht werden. Ein noch weitergehendes Verfahren ist die Pflück-Häcksel-Silage. Hier werden jeweils zwei Einzugseinheiten eines vier- oder sechsreihigen Maishäckslers gegen Pflückeinheiten ausgetauscht, so dass wahlweise zu zwei Pflückreihen (nur Kolben) zwei, drei oder vier zusätzliche Maisreihen hinzugehäckselt werden. Je nach der Relation Pflückreihen zu Häckselreihen kann die Energiekonzentration in dieser Pflück-Häckselsilage um bis zu 10 % erhöht werden. Das Problem sowohl bei der Hochschnittsilage als auch bei der Pflück-Häckselsilage besteht
228
darin, dass die verbleibenden Restpflanzen bzw. Stoppeln zerkleinert und eingearbeitet werden müssen. Ob diese Verfahren für einen Betrieb sinnvoll sind, hängt u. a. davon ab, ob auf die relativ gute Strukturwirksamkeit einer Tiefschnittsilage verzichtet werden kann und diese Silagen vorwiegend zur Energieaufwertung der Ration eingesetzt werden. Noch energiekonzentriertere Futtermittel ergeben sich, wenn ausschließlich die Maiskolben geerntet, verarbeitet und einsiliert werden. Lieschkolbenschrotsilage (LKS) besteht im Wesentlichen aus dem kompletten Maiskolben (100 % Körner, 100 % Spindel) sowie den ihn umschließenden Hüllblättern (Lieschen). Der Futterwert ist aus der Tab. 32 zu entnehmen. Durch Absieben der rohfaserreichen Bestandteile (insbesondere Lieschblätter und Stängelanteile) entsteht das so genannte Maiskolbenschrot mit entsprechend geringerem Rohfasergehalt und höherer Energiedichte. Bei einem anderen Ernteverfahren wird von vorneherein nur ein Korn-Spindel-Gemisch (Corncob-Mix) gewonnen, das aus den Maiskörnern und einem gewissen Spindelanteil besteht. Da dieses Futter in erster Linie in der Schweinefütterung verwendet wird, strebt man heute einen möglichst niedrigen Spindelanteil von max. 30 % an. Einmal ist der Futterwert der Spindel relativ gering, zum anderen ist die Keimbelastung deutlich höher als im Korn, und es können Probleme mit Nacherwärmung und Schimmelbildung auftreten. Bei guter CCM-Qualität liegt der Rohfasergehalt bei 4–5 % in der TM. Dieser ist neben dem TMGehalt wertbestimmend, so dass beide Kriterien zur richtigen Einschätzung des Futterwertes vor Beginn der Verfütterung untersucht werden sollten. Der Energiegehalt für Schweine wird nach der von Roth-Maier und Kirchgessner entwickelten Schätzformel berechnet:
!!! MES (MJ/kg TM) = 16,03 + 0,0062 % TM – 0,299 % Rohfaser i.d.TM. Gutes CCM kann in der Schweinefütterung als alleinige Energiekomponente eingesetzt werden. In der Sauenfütterung ist die Einsatzmenge bei tragenden Sauen auf 1,4–1, 8 kg je Tier und Tag zu beschränken, um Verfettung zu vermeiden.
6.3 Große Bedeutung hinsichtlich der Masteignung von CCM kommt auch der Schrotfeinheit zu. Diese sollte so eingestellt werden, dass etwa 80 % des CCM eine Partikelgröße von X 2 mm, jedoch max. 55 % X als 1 mm aufweist. Für die Qualitätsbeurteilung von CCM-Silagen kann der pH-Wert herangezogen werden. Bei guter Qualität soll dieser Bereich von 3,8–4,2 pH liegen. Lieschkolbenschrotsilage, aber auch CCM kann auch an Milchkühe und Mastbullen verfüttert werden. Hier hat es Kraftfuttercharakter und muss leistungsbezogen zugeteilt werden. Dies ist bei getrennter Futtervorlage kaum, bei Einsatz eines Futtermischwagens jedoch gut realisierbar. Die Einsatzmenge in der Milchviehfütterung richtet sich nach der Zusammensetzung der Gesamtration, die bei Einsatz von Maisprodukten höchstens 30 % Stärke und Zucker in der Trockenmasse enthalten sollte.
!!! Kenndaten einer guten Maissilage Merkmale Optimalbereich TM-Gehalt % 30–35 (38)* Stärke % in der TM G 32 Rohfaser % in der TM X 20 Rohasche % in der TM X 4,5 Energie MJ NEL/kg TM G 6,5 Milchsäure % in der FM 1,5–2,5 Essigsäure % in der FM 0,3–0,5 Häcksellänge mm 6–8 Einsatz eines Korncrackers Lagerdichte kg TM/m3 G 250 Sinnenprüfung: Geruch: angenehm säuerlich, aromatisch, brotartig Farbe, Gefüge: dem Ausgangsmaterial entsprechend * bei sehr hohem Kolbenanteil
6.3.1.8 Ganzpflanzensilage aus Getreide (GPS) Obwohl es sich bei Maissilage auch um eine Ganzpflanzensilage handelt, wird diese Bezeichnung für ein Verfahren benutzt, bei dem die ganze oberirdische Getreidepflanze geerntet und siliert wird. Vorwiegend werden hierfür Wintergerste und Winterweizen verwendet. Die Ernte
Konservierte Futtermittel
erfolgt in der Teigreife der Körner, ca. 2–3 Wochen vor der Kornreife. Der TM-Gehalt der Gesamtpflanze liegt dann bei 35–40 %. Der Futterwert ist aus der Tab. 34 ersichtlich. Dieser wird sehr stark vom Korn-Stroh-Verhältnis des Erntegutes beeinflusst. Hohe Körnererträge sind deshalb wünschenswert, damit ein Kornanteil von 50–60 % in der Silage erreicht wird. Bei gegebenem Kornertrag kann dieser durch die Stoppelhöhe verändert werden. Man kann damit rechnen, dass je 10 cm höhere Stoppel die Energiekonzentration um 0,2–0,3 MJ NEL/kg TM ansteigt. Eine Stoppelhöhe von mindestens 30 cm sollte angestrebt werden, damit ein Rohfasergehalt von 20–22 % nicht überschritten wird. Damit wird der Strohanteil mit einer durchschnittlichen Energiekonzentration von 3,5 MJ NEL auf ein Maß reduziert, dass in der GPS auch deutlich höhere NEL-Gehalte, als in der Tab. 34 ausgewiesen, erzielt werden können. Für die Gewinnung von GPS ist eine spezielle Erntetechnik erforderlich. Wichtig ist eine kurze Häckselung (theoretische Häcksellänge 4 mm), wobei die Halmknoten zerstört, die ganzen Halme aufgeschlitzt und die Körner vollständig zerkleinert werden. Hierzu müssen Exakthäcksler mit speziellem Schneidwerk und Korncracker eingesetzt werden. Die Silierung im Fahrsilo muss sehr sorgfältig erfolgen. Der Zusatz von Siliermitteln auf Basis von Milchsäurebakterien und Enzymen ist zur Verbesserung der Gärqualität und des Futterwertes sinnvoll. Aufgrund des relativ hohen Rohfasergehaltes ist GPS vorwiegend in der Milchviehfütterung einzusetzen. Trotz der sehr kurzen Häckselung zeichnet sich GPS durch eine hohe Strukturwirksamkeit aus.
!!! Bei Stoppelhöhen von mind. 30 cm können Rohfasergehalte unter 22 % i.d.TM und Energiegehalte in der Größenordnung um 5,8 MJ NEL/kg TM erzielt werden. Der TM-Gehalt von GPS sollte zwischen 40 bis 50 % liegen.
6.3.1.9 Raps- und Zuckerrübenblattsilagen Herbstzwischenfrüchte werden in erster Linie frisch verfüttert. Bei reichlichem Wachstum bietet sich jedoch eine frühzeitige Konservierung
229
6
6
Die Futtermittel
Tab. 34 Futterwert von Ganzpflanzensilagen aus Getreide (GPS) Futtermittel
1 kg Trockenmasse enthält RohRoh- Stär- nXP RNB protein faser ke g g g g g
MER
NEL
%
Rohasche g
MJ
MJ
Körneranteil ca. 33 %
30
75
95
284
150
115
–3
8,79
5,10
Körneranteil ca. 50 %
45
59
97
227
268
124
–4
9,58
5,65
Körneranteil ca. 33 %
30
77
95
291
166
112
–3
8,59
4,97
Körneranteil ca. 50 %
45
60
93
227
279
118
–4
9,29
5,45
TM
GPS aus Gerste in der Teigreife
GPS aus Weizen in der Teigreife
an, um diese nicht ganz unproblematischen Futtermittel ohne Zeitdruck sinnvoll in die Rationen einbeziehen zu können. Bei Zuckerrübenblättern ist die Silierung seit jeher üblich. In der Tab. 35 ist der Futterwert der wichtigsten Silagen zusammengestellt. Für die Qualität dieser „Nasssilagen“ ist der Verschmutzungsgrad von ausschlaggebender Bedeutung. Der Einsatz dieser Silagen kann sowohl in der Milchvieh- als auch in der Jungrinder- und Mastrinderfütterung erfolgen. Insbesondere wegen fehlender Struktur, aber auch wegen spezifischer negativer Inhaltsstoffe (vgl. 6.1) und unausgeglichenem Nährstoffverhältnis ist eine Rationierung in der Tagesration erforderlich. Rapssilage wird in der Größenordnung von 10–15 kg je Tier und Tag, Zuckerrübenblattsilage um 25 kg je Kuh und
Tag bzw. 25–35 kg je Mastbulle und Tag eingesetzt. Bei der Gewinnung dieser Silagen tritt ein gemeinsames, schwerwiegendes Problem auf: Der Sickersaft. Die austretende Sickersaftmenge ist hauptsächlich vom TM-Gehalt des Futters abhängig. Beträgt der TM-Gehalt des Frischgutes 10 %, ist je dt Silage mit 80 Liter Sickersaft zu rechnen, bei 15 % mit 45 Liter. Erst bei TM-Gehalten über 30 % tritt kein Sickersaft mehr aus. Deshalb ist bei der Silierung von Herbstzwischenfrüchten und Zuckerrübenblättern in jedem Fall für die Ableitung des Sickersaftes in dichte Sammelbehälter zu sorgen. Zur Verwertung (es sind N, K2O und P2O5 enthalten) bzw. Beseitigung kann der Sickersaft breitflächig verteilt auf Ackerland, Feldgras und Grünland ausgebracht werden.
Tab. 35 Futterwert von Raps- und Zuckerrübenblattsilagen Futtermittel
%
Rohasche g
1 kg Trockenmasse enthält RohRoh- nXP RNB MER protein faser g g g g MJ
vor der Blüte
12
173
169
155
143
+4
10,83 6,65
in der Blüte
13
171
172
202
138
+5
10,37 6,29
nach der Blüte
14
167
168
264
125
+7
9,38
5,56
sauber
16
171
149
159
130
+3
9,71
5,86
verschmutzt
18
278
137
141
115
+4
8,47
5,10
TM
NEL MJ
Futterrapssilage
Zuckerrübenblattsilage
230
6.3 Wegen seines hohen Gehaltes an organischen Säuren und freien Säuren stellt der Silosickersaft eine große Gefahr für oberirdische Gewässer und für das Grundwasser dar. Die Einleitung von Silosickersaft in Oberflächengewässer oder ins Grundwasser ist deshalb gesetzlich verboten und wird streng überwacht. Auch für unverschuldete Einleitung haftet der Einleiter. Es muss deshalb im Einzelbetrieb abgewogen werden, ob der erforderliche Aufwand für die schadlose Beseitigung des Silosickersaftes lohnt oder ob auf eine Konservierung verzichtet werden muss.
6.3.2
Die Heuwerbung
Je ungünstiger die Struktur anderer Grobfutterarten in der Tagesration ist, desto wichtiger wird eine Mindestmenge an Heu, um eine wiederkäuergerechte Ernährung der Milchkühe und Jungrinder zu gewährleisten. Denn das Heu, lang oder nur grob gehäckselt, fördert den Speichelfluss, regt die Pansenbewegungen an und liefert die Rohfaser, die für eine nutzbringende Arbeit der Pansenbakterien und für das Wiederkauen notwendig ist. Fütterungsversuche haben gezeigt, dass mit Rationen aus Grassilage, Maissilage und Heu um bis zu 1 kg höhere Grobfutter-TM-Aufnahmen erreicht wurden als mit reinen Grassilage/Maissilage-Rationen. Je höher die Milchleistung einer Kuh ist, um so wichtiger werden neben der Strukturwirksamkeit des Heues auch seine Nährstoffkonzentration (MJ NEL/kg TM)
Konservierte Futtermittel
sowie sein Eiweiß- und Mineralstoffgehalt. Der Futterwert von Heu ist ebenso wie der von Silage in erster Linie vom Schnittzeitpunkt abhängig (Tab. 36). Gute Heuqualitäten mit einer Energiekonzentration über 5,7 MJ NEL/kg TM sind aber nicht leicht zu gewinnen.
6.3.2.1 Bodentrocknung Besonders in Regionen und Jahren mit günstigen Wachstumsbedingungen für das Grünland, das heißt mit hohen Niederschlägen, stehen wenige Heuwettertage zur Verfügung, in denen ohne große Verluste das Gras von Sonne und Wind getrocknet werden kann. Trocknendes Grünfutter, das in eine Schlechtwetterperiode gerät und acht oder mehr Tage draußen liegt, verliert 60% und mehr seines Energiewertes. Auch bei guten Wetterbedingungen – wenn also nach 3–4 sonnigen, warmen Tagen bodengetrocknetes Heu eingefahren werden kann – muss mit mindestens 20% Energieverlust gerechnet werden. Man unterscheidet:
!!! Atmungsverluste nach dem Schnitt, so lange noch nicht alle Zellen abgestorben sind. Diese Verluste sind um so niedriger, je rascher das Futter trocknet. | Bröckelverluste durch die mechanische Bearbeitung. Sie nehmen zu, je trockener das Futter wird und treffen vor allem die eiweißreichen Blätter von Kleearten und Kräutern. |
Tab. 36 Futterwert von Heu (Grünland, 2–3 Nutzungen, grasreich, obergrasbetont) Heu TM
1 kg Trockenmasse enthält RohRoh- nXP RNB protein faser g g g g
%
Rohasche g
MER
NEL
MJ
MJ
volles Ähren-/Rispenschieben
86
78
106
294
121
–2
9,11
5,32
Beginn der Blüte
86
78
94
324
115
–3
8,55
4,93
Mitte bis Ende der Blüte
86
77
91
356
108
–3
7,99
4,55
unter 4 Wochen
86
96
151
251
135
+3
9,66
5,71
4–6 Wochen
86
95
133
284
125
+1
9,05
5,28
7–9 Wochen
86
97
124
312
116
+1
8,30
4,76
1. Aufwuchs
2. und folgende Aufwüchse
231
6
6
Die Futtermittel Auswaschungsverluste, besonders an Mineralstoffen, wenn das trockene Futter nach dem Zelltod Regen abbekommt. | Gärungsverluste durch die Tätigkeit von Kleinlebewesen, vor allem im Haufen, auf Reutern und in der Scheune. Diese Bakterientätigkeit ist in einem gewissen Umfange kaum vermeidbar, aber besonders bedenklich, wenn sich das Futter hierbei erwärmt und sich womöglich in der Scheune selbst entzündet. |
Von allen Verlusten wird am stärksten der leichtlösliche und leichtverdauliche Teil der Nähr- und Wirkstoffe betroffen. Es kommt also weniger zu sichtbaren und wägbaren Verlusten an Masse und Trockensubstanz als vielmehr zu einer äußerlich unsichtbaren erheblichen Minderung der Verdaulichkeit und damit zur Senkung des Energiewertes des Heus, sowie zu einer ebenfalls im Allgemeinen unsichtbaren und nur durch Analysen nachweisbaren Verminderung der wertvollen Inhaltsstoffe. Wie lassen sich diese Verluste auf ein tragbares Maß begrenzen?
!!! 1. Nicht alles auf eine Karte setzen, sondern die Heuernte zeitlich auseinanderziehen, wobei Unterschiede im Vegetationsstadium zu berücksichtigen sind! (Von Fuchsschwanz oder Knaulgras beherrschte Bestände können unter mittleren Klimabedingungen schon in der letzten Maiwoche gemäht werden; Wiesenschwingelbestände haben notfalls Zeit bis zur zweiten Junihälfte.) Am besten gelingt die zeitliche Staffelung, wenn ein Teil der Futterüberschüsse nach Erreichen der Siloreife ab Mitte Mai zu Grassilage verarbeitet wird und der zweite Aufwuchs auf diesen Flächen in der arbeitsruhigen Zeit Ende Juni/Anfang Juli getrocknet werden kann. 2. Nur mähen, wenn aufgrund des Wetterberichtes mindestens zwei Schönwettertage zu erwarten sind! (In manchen Jahren regnet es so beständig, dass sich kaum Lücken für die Heuwerbung ergeben. Dann muss man sich von vornherein stärker auf die Silierung, notfalls als Feuchtsilage, einstellen.)
232
3. Intensive Vortrocknung, das heißt bis zum erreichen des TM-Gehaltes von 60 % das Futter viel bewegen, um den Zelltod rasch herbeizuführen! Beim Mähen also den Mähschwad durch Zetten auflockern, evtl. die Stängel durch Quetschen aufreißen und am gleichen Tage noch zweimal wenden! Am zweiten Tage nach Bedarf wenden (siehe auch Punkt 5)! 4. Die Wiederaufnahme von Feuchtigkeit während der Nacht verhindern durch Einschwaden am Spätnachmittag! 5. Während der Nachtrocknung (unter 40 % Wassergehalt) Maschinen nur noch sparsam verwenden, um die Bröckelverluste zu reduzieren! Die Nachtrocknung kann bei rasch trocknenden Gräsern im Schwad oder im Haufen erfolgen. Besser ist die Nachtrocknung auf Reutern. (Bei einigen Reuterarten kann das Futter schon nach dem Mähen aufgehängt werden.) Am besten ist die Nachtrocknung in der Scheune mit Hilfe der Unterdachtrocknung bzw. im Heuturm. Langsam trocknende Futterarten (Klee, Luzerne) sollten grundsätzlich nicht auf dem Boden nachgetrocknet werden. 6. Die Nachtrocknung bis zu einem Wassergehalt von 15 % mit Hilfe von Hygrometer (zur Messung der relativen Luftfeuchte) und Heusonde (zur Messung der Temperatur) steuern und kontrollieren! Woran merkt man, dass ein Antrocknungsgrad von etwa 40 % Wassergehalt (= 60 % TM) erreicht ist? Dann sind die Blätter schon fast trocken, beginnen zu rascheln und lassen sich teilweise mit den Fingern zerbröseln. Die Stängel sind innen noch feucht. Das Futter lässt sich wieder mit der Gabel stechen, was zwischen 40 und 70 % Wassergehalt schwierig ist. Die Lagerfähigkeit, also ein Wassergehalt von 15 %, ist erreicht, wenn das Heu nicht mehr schwitzt.
6.3.2.2 Die Unterdachtrocknung Wer im Winter nur noch 1–2 kg Heu je Kuh und Tag füttern will, wird in Jahren und Regionen mit mäßigen Niederschlägen – bei Berücksichtigung des obenstehenden Maßnahmenkatalogs – meis-
6.3 tens die paar Schönwettertage für die Bodentrocknung seiner wenigen Schwaden Heu haben. Aber je höher der Grünlandanteil eines Betriebes und die Niederschlagsumme in der Vegetationszeit sind, was ja beides miteinander zusammenhängt, und je höher der Heuanteil in den Winterrationen sein soll (z. B. wegen der Käsereitauglichkeit der Milch), um so dringender wird die Einrichtung einer Unterdachtrocknung. Es ist kein Zufall, dass solche Anlagen gerade im niederschlagsreichen Voralpengebiet sehr verbreitet sind. Mit der Unterdachtrocknung ist man nicht nur etwas weniger vom Wetter abhängig, sondern man kann auch die Nährstoffverluste, die bei der Bodentrocknung mit 30–40 % anzusetzen sind, auf eine Größenordnung von 15–20 % reduzieren (vgl. Abb. 79). Im Verhältnis zu ihrem Nutzen und im Vergleich zu anderen technischen Einrichtungen auf dem Bauernhof ist die Unterdachtrocknung eine relativ preiswerte Investition, zumal sparsame und geschickte Landwirte nur das Gebläse sowie Hygrometer und Heusonde zu kaufen brauchen und das Luftverteilungssystem nach den Hinweisen der Gebläsefirma selbst einbauen können. Bei den Gebläsen, die auch Lüfter genannt werden, gibt es zahlreiche DLG-geprüfte Fabrikate. Dabei sollte man diese von vornherein eine oder zwei Nummern größer nehmen; denn es könnte sein, dass man nach einiger Zeit das Heu häckseln oder Hochdruckballen belüften will. Der Widerstand, den das nachzutrocknende Futter der vom Lüfter bewirkten Luftströmung entgegensetzt (Strömungswiderstand), hängt außer von der Struktur des Futters auch von seiner Feuchtigkeit ab, ferner von der Einlagerungsmethode und von der Stapelhöhe. Der Lüfter soll große Luftmengen durch das Futter drücken. Denn je nach dem Feuchtigkeitsgehalt und der Temperatur der durchgeblasenen Luft nimmt sie nur 1–3 g Wasser je m3 aus dem Futter mit. 40 Liter Wasser müssen bei einer Einfahrfeuchte von 40 % noch entzogen werden, um 100 kg trockenes Heu zu erhalten. Das ist zwar wenig im Vergleich zu den 320 kg Wasser, die das gleiche Futter noch beim Schnitt (bei 80 % Wassergehalt) hatte. Aber die letzten Feuchtigkeitsprozente sind am schwersten aus dem Futter herauszubringen. Anfangs ist selbst mit Luft von 85 % Luftfeuchtigkeit
Konservierte Futtermittel
noch ein Trocknungserfolg zu erzielen; am Ende wird Luft von weniger als 65 % Luftfeuchtigkeit gebraucht, mit der auch an schönen Tagen nur zwischen 9 und 19 Uhr gerechnet werden kann. Bei nicht angewärmter Luft erwartet man in der Regel von einem Lüfter pro Sekunde einen Luftdurchsatz von 0,1–0,12m3 Luft je m2 Grundfläche der Nachtrocknungsanlage, bei einer Grundfläche von 8 × 11 m also 10 m3 je Sekunde. Nach der Anordnung des Luftverteilungssystems unterscheidet man verschiedene Typen von Heubelüftungen. Am häufigsten sind Rostanlagen – mit und ohne Hauptkanal –, ohne und mit Ziehstöpseln, die bei hohen Futterstöcken den Weg der Luft nach oben unterstützen sollen. Weniger häufig sind die Heutürme mit senkrechtem, zentralem Belüftungsschacht, von dem aus die Luft mehr in horizontaler Richtung durch das Futter gedrückt wird, und mit voller Mechanisierung der Einlagerung und Entnahme. Bei allen Anlagen müssen die Grundfläche und die Seitenwände (zumindest im unteren Bereich) dicht sein, damit die Luft nicht unkontrolliert entweichen kann. In Regionen mit großem Heubedarf, beispielsweise im Umkreis von Emmentaler-Käsereien (mit Gärfutterverbot), und in Zeiten hoher Luftfeuchtigkeit (nachts) wird versucht, den Trocknungsprozess bei den vorgenannten Anlagen durch Luftanwärmegeräte vor dem Lüfter zu beschleunigen. Dabei wird die Temperatur der Luft um 5–10 °C erhöht und ihre Aufnahmefähigkeit für Wasser verbessert. Handhabung der Unterdachtrocknung | Ziel dieses Trocknungsverfahrens ist die Qualitätsverbesserung der Heugewinnung verbunden mit arbeitswirtschaftlichen Vorteilen. Das Trockengut muss locker und sehr gleichmäßig auf der Anlage verteilt werden, damit die Luft überall den gleichen Widerstand findet. Beim Verteilen von Hand sind aufgelegte Plattformen unentbehrlich, beim Abladen mit Zangen Prallbretter oder Rutschen, beim Fördern mit Gebläsen geeignete Verteiler. Voraussetzungen für den Einsatz automatischer Verteiler ist eine möglichst einheitliche Struktur und Feuchtigkeit des Futters. Struktur und Feuchtigkeit bestimmen auch die Schütthöhe: Langheu 2 m, gehäckseltes Heu 1,5 m; Futter von über 40 % Feuchte 1 m. Sobald
233
6
6
Die Futtermittel
die untere Schicht kaum noch Kondenswasser in den Abschaltpausen abgibt, kann neues Nachtrocknungsgut eingebracht werden. Um nicht unter Zeitdruck zu gelangen, sollte die Anlage so bemessen sein, dass eine 2-m-Schicht etwa ein Drittel des Heuschnittes aufnehmen kann. Das Lüften sollte so gesteuert werden, dass auch bei Anlagen ohne Vorwärmgeräte jede Schicht innerhalb 5–7 Tagen trocken ist. Der Lüfter wird bereits während des Abladens und Verteilens angestellt und muss bei Futter über 30 % Feuchte am ersten Tag ununterbrochen laufen. Später richtet sich der Einsatz des Gebläses nach der relativen Luftfeuchtigkeit, die mit Hilfe des Hygrometers bestimmt wird. Bei regnerischem Wetter und hoher Luftfeuchte muss täglich mehrmals eine Stunde lang das Gebläse zum Kühlen des Stapels laufen. Sobald die Temperatur im Stapel 35 °C erreicht, muss der Lüfter eingeschaltet werden. Höhere Temperaturen bringen zu hohe Verdaulichkeits- und Nährstoffverluste. Bei Erhitzung über 65 °C droht Brandgefahr, und man muss die Feuerwehr verständigen. Die Belüftung von Pressballen bringt zusätzliche Probleme, besonders bei Hochdruckballen. Auch wenn die Ballen vorschriftsmäßig im Kreuzverband gestapelt werden, nimmt die Luft ihren Weg hauptsächlich durch die Ballenfugen; und die Wasserverdunstung erfolgt zuerst am Ballenrand. Die Feuchte aus dem Ballenkern dringt in den Belüftungspausen in die schon trockenen Ballenrandschichten, kann also nur in einem mehrstufigen und damit langwierigen Diffusions- und Verdunstungsprozess abgeführt werden. Trotzdem muss die Trocknung auch hier innerhalb einer Woche abgeschlossen sein, weil die Ballenkerne sonst verschimmeln und verderben. Der Luftumsatz und damit der Stromverbrauch sind größer als bei ungepresstem Langheu. Für die Belüftung von Pressballen wird empfohlen:
!!! Stärkere Vortrocknung auf dem Felde (bis 30 % Feuchte); | möglichst kleine, würfelförmige Ballen zur Vergrößerung der Gesamtoberfläche; | Stapelung im Kreuzverbund; |
234
niedrigere Schichthöhe (1,5 m) als bei Langheu; | Einlagerung so, dass die Schnittflächen gegen die Luftrichtung weisen. |
Angesichts der Erfahrungen mit Hochdruckballen ist zu erwarten, dass es schwer sein wird, für Großballen geeignete Methoden zur Unterdachtrocknung zu finden. Bisher wird für ihre Einlagerung ein TM-Gehalt von mindestens 78–80 % gefordert. Großballen können zur Selbstfütterung in passend zugeschnittenen Raufen verwendet werden. Für die Futtervorlage im Stall wurden Abroll- und Auflösegeräte entwickelt.
6.3.2.3 Beurteilung von Heu Bei der Heubeurteilung wird von der besten Futterqualität ausgegangen. Für die verschiedenen Mängel, die bei der Heugewinnung auftreten können, werden Abzüge vorgenommen. Gut geworbenes Heu hat eine hellgrüne bis dunkelgrüne Farbe. Es riecht aromatisch, weder muffig noch brandig und hat keinen Fremdgeruch. Die Blattanteile sollen noch dem Ausgangsmaterial entsprechen. In der Tab. 37 ist der DLG-Schlüssel (1998) für die Sinnenprüfung von Heu aufgeführt, der eine überschlägige Einschätzung der Wertminderung durch die Heuwerbung erlaubt. Der Futterwert selbst ist nur über eine LUFAAnalyse zu erfahren. Der besondere Wert einer Sinnenprüfung liegt jedoch in der Beurteilung der hygienischen Beschaffenheit des Heues, die bei der chemischen Futterwertbestimmung nicht erfasst wird. Heu, das schimmelig, muffig oder gar faulig riecht, ist von der Verfütterung auszuschließen!
6.3.3 Die Heißlufttrocknung Bei richtiger Handhabung ist die Trocknung von Grünfutter, Hackfrüchten usw. in Trommeln mit Hilfe von heißer Luft (über 500 °C) die Konservierungsmethode mit den niedrigsten Futterverlusten – leider aber auch die teuerste. Zur Amortisation der hohen Anschaffungskosten werden mindestens 2 000 Betriebsstunden im Jahr für erforderlich gehalten. Wegen des hohen Futterflächenbedarfs zur Gewährleistung dieser
6.3
Konservierte Futtermittel
Tab. 37 DLG – Schlüssel für die Sinnenprüfung von Heu Kriterium/Ausprägung Farbe Prüfung auf Niederschlagsund Hitzeeinwirkungen
Geruch Prüfung auf Schimmelbefall oder Hitzeeinwirkung
Punkte für Qualitätsabzug einwandfreie grüne Farbe
0
ausgeblichen oder stark gebräunt
2
stark ausgeblichen oder stark gebräunt
5
sichtbarer Schimmelbefall
7
einwandfreier, aromatischer Heugeruch
0
fad oder schwach brandig oder Fremdgeruch
2
muffig, dumpf oder stärker brandig
5
stark muffig oder stark brandig
7
Struktur weich (Blätter vorhanden) Prüfung auf unzweckmäßige blattarm (Blätter überwiegend vorhanden) mechanische Behandlung sehr blattarm (Blätter nur teilweise vorhanden) fast nur Stängel, strohartig
0 3 6 9
Zur Beurteilung der Trocknung werden die Punkte für Qualitätsabzug addiert: Summe Punkte für Qualitätsabzug
Note
Urteil
0–1
1
sehr gut
2–3
2
gut
4–5
3
verbesserungsbedürftig
6–8
4
schlecht
G 8
5
sehr schlecht
Mindestbetriebsstundenzahl und wegen des hohen Kapitalanspruchs haben sich nur überbetriebliche Organisationsformen gehalten, die von der EU allerdings auch erheblich subventioniert werden. Den wichtigsten Einzelposten in der Kostenkalkulation stellen mit über 50 % des gesamten Trocknungsaufwandes die Energiekosten dar. Denn es werden rund 8 kJ verbrannt (an Öl), um 1 kJ an Futterenergie zu konservieren (wenn bei der Heißlufttrocknung von 5 % Futterenergieverlusten ausgegangen wird – gegenüber 20 % bei der Silierung). Bei einem Wassergehalt des Grüngutes um 80 % muss mit einem Verbrauch von 30–40 Litern Heizöl je dt Trockengrün gerechnet werden. Die Möglichkeiten, durch Vortrocknen des Grünfutters und/oder Erhöhung der Temperatur im Trockner Energiekosten zu sparen, sind
6
begrenzt, weil dadurch die Verdaulichkeit der organischen Substanz und die Nährstoffkonzentration gesenkt werden. Ursprünglich wurden in den Anlagen hauptsächlich Grünmehl (gehäckselt und nach dem Trocknen gemahlen) oder Pellets (mit einem Durchmesser von 5–20 mm) hergestellt. Die neueren Anlagen produzieren vielfach Cobs (Länge 20–30 mm, Durchmesser 15–35 mm), wobei das Trockengut vor dem Pressen nicht mehr gemahlen wird. Oder das Trockengut wird ungemahlen mit Hilfe von Kolben- oder Strangpressen zu Briketts (Durchmesser 50–100 mm) verdichtet. Die Strukturwirksamkeit ist bei den Pellets gering, bei den Cobs kaum, aber bei den Briketts deutlich besser. Es ist in Versuchen gelungen, Kühe mit Briketts als Alleinfutter zu ernähren (allerdings durch Vermehrung der Zahl der täglichen
235
6
Die Futtermittel
Mahlzeiten). Voraussetzung ist eine geschickte Bedienung der Anlage, um die Briketts weder zerbröseln noch zu hart werden lassen.
!!! Sinnvoll ist nur die Trocknung sehr jungen, blatt- und eiweißreichen Grünfutters, das weniger als 24 % Rohfaser enthält und nach der Trocknung mindestens 5,5 ML NEL/kg (bzw. 6,0 MJ NEL/kg TM) liefert. Trockengrün muss dem Kraftfutter näher stehen als dem Heu. Als Heuersatz wäre es zu teuer. Wo die Trockengrüngewinnung in das Mähweidesystem eingebaut ist, braucht sie also von allen Nutzungs- und Konservierungsarten das jüngste Futter. Hierfür eignen sich nur Flächen mit vielschnittverträglichen und düngerdankbaren Futtergräsern oder -Leguminosen. Zweifellos ist Trockengrün ein hochwertiges und vielseitig verwendbares Futtermittel. Es ist Bestandteil vieler Mischfutter, auch derjenigen für Schweine und Geflügel; denn es ist eine sehr wichtige Vitaminquelle. In der Fütterung der Milchkühe hat es eine große Bedeutung als Lieferant von g -Carotin, das für einen zweitgerechten Follikelsprung sorgt. Deshalb schreibt das Futtermittelgesetz für Grünmehle nach Normtyp einen Carotingehalt von mindestens 0,01 % (100 mg je kg) vor. Außerdem sollen Grünmehle nach Normtyp mindestens 15 % Rohprotein enthalten, Klee- und Luzernegrünmehl mindestens 17 % Rohprotein. Die Grünmehle im Mischfutter werden meistens importiert.
6.4 Stroh als Futtermittel Stroh dient in der Regel nur in „Notzeiten“ als Futtermittel, z. B. wenn wegen Trockenheit zu wenig Gras und Mais gewachsen sind. Dann interessiert allerdings auch nicht so sehr sein ohnehin sehr geringer Futterwert, sondern vielmehr die Strukturwirksamkeit. Das ist auch der Grund dafür, dass heute vielfach in Rationen für Hochleistungskühe geringe Strohmengen einbezogen werden, was über den Futtermischwagen auch sehr gut zu bewerkstelligen ist. Damit können kraftfutterreiche Ratio-
236
nen, aber auch Rationen mit sehr jungem Futter vom Grünland oder aus dem Zwischenfruchtanbau noch „wiederkäuergerecht“ gestaltet werden. Der Energiebeitrag von Stroh ist mit 2,8–3,0 MJ NEL/kg sehr bescheiden. Dies trifft auch für Rohprotein und Mineralstoffe zu. Wegen seiner geringen Verdaulichkeit verbleibt Stroh relativ lange im Pansen und beeinträchtigt somit die Futteraufnahme von Kühen. Für altmelke und trockenstehende Kühe kann dies allerdings genutzt werden, wenn z. B. nur relativ hochwertige Grobfuttermittel (gute Grassilage, Maissilage) zur Verfügung stehen. Mit Stroh wird die Energiekonzentration verringert und das Pansenvolumen kann voll ausgenutzt werden, was sich auf die Futteraufnahmekapazität nach dem Abkalben günstig auswirkt. In der intensiven Bullenmast auf Maissilagebasis kann der Einsatz von geringen Strohmengen physiologisch nützlich sein, insbesondere wenn die Maissilage feuchter ist und die Gefahr besteht, dass sie im Futtermischwagen noch weitergehend zerkleinert wird. Auch wenn dadurch die Energiekonzentration in der TM der Futtermischung etwas geringer ist, wird dies durch eine erhöhte Futteraufnahme mehr als wettgemacht. Seit Jahrzehnten wird versucht, durch geeignete Aufschlussmethoden den Lignin-Zellulose-Komplex aufzulockern und dadurch die Verdaulichkeit, somit auch den Energiewert des Strohs zu verbessern. Von diesen Methoden sind gegenwärtig die Folgenden praxisreif: 1. Strohaufschluss mit Natronlauge: Dabei wird das durch eine Spezialmaschine zerkleinerte Stroh mit 9 Liter einer 33 %igen Natronlauge je dt Stroh besprüht und innig vermischt. Damit sich die für den Aufschluss erforderliche Reaktionswärme entwickeln kann, soll der behandelte Strohhäckselhaufen mindestens 3 m hoch und von isolierenden Strohballen umgeben sein. 5–10 Tage später kann das Laugenstroh verfüttert werden. 2. Strohaufschluss mit Ammoniak: Auf einer starken Bodenfolie werden Hochdruckballen gestapelt und mit einer Deckfolie gasdicht abgedeckt. Dann wird durch Dosierlanzen Ammoniak (3 kg/100 kg Stroh) in den Stapel geleitet. Eine halbe Stunde später werden die Rohrlanzen entfernt und die Löcher in der Fo-
6.5 Getreide und andere Samen lie gut verklebt. Nach rund 8 Wochen kann der Stapel geöffnet und das Stroh verfüttert werden. Die Verdaulichkeit wird um 10–15 % verbessert. Bei NaOH-Stroh wird der Energiewert auf 3,7–3,9 MJ NEL/kg angehoben, bei NH3-Stroh auf 3,5–3,7 MJ NEL/kg. Interessanter ist jedoch, dass aufgeschlossenes Stroh in größeren Mengen verzehrt wird als unbehandeltes. Damit wird der Effekt der pH-Wert-Stabilisierung in kraftfutterreichen Rationen deutlich erhöht. In der Praxis hat sich der Strohaufschluss nicht durchgesetzt. Die Verfahren erfordern für die Bereitstellung entsprechender Spezialeinrichtungen einen nicht unbeträchtlichen Kapitaleinsatz, der sich nicht amortisiert, wenn nur in Notsituationen von diesen Verfahren Gebrauch gemacht wird.
6.5 Getreide und andere Samen Die Samen der Blütenpflanzen enthalten stets den mit Enzymen und anderen Eiweißverbindungen angereicherten Keimling (Embryo) und die aus Zellulose und anderen Gerüstsubstanzen bestehende Samenschale. Unter dieser äußeren Hülle, die oft durch eine Fruchtschale verstärkt ist, kann sich eine besondere Eiweißschicht befinden (wie die Aleuronschicht beim Getreidekorn). Vielfach besitzen die Samen außerdem ein mehr oder weniger umfangreiches Nährgewebe (Endosperm) aus Stärke und anderen Kohlenhydraten (z. B. beim Getreide) oder aus Fett (z. B. bei Raps, Lein und anderen Ölsaaten). Dank dieser Ausstattung spielen die Samen in der menschlichen und tierischen Ernährung eine große Rolle (Abb. 85).
6.5.1
Abb. 85 Längsschnitt durch ein Getreidekorn
? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede zwischen den verschiedenen Getreidearten können aus den Tab. 38 und 39 abgeleitet werden? Wie ist die biologische Wertigkeit des Eiweißes zu beurteilen, wenn das Rohprotein in der Schweineernährung 5 % Lysin, 3 % Methionin und Cystin, 3 % Threonin und 1 % Tryptophan enthalten soll? Welche Bedeutung kommt dem Mineralstoffgehalt zu und welche Besonderheit ist beim Phosphor zu beobachten?
Als gemeinsame Vorzüge der Getreidekörner können festgehalten werden:
!!! |
Futtergetreide
Rund zwei Drittel der Getreideernte werden in der Bundesrepublik als Futter verbraucht. 34 % davon wird über Mischfutter verarbeitet, 65 % direkt als Einzelfuttermittel in den landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Hiervon werden 95 % in den tierhaltenden Betrieben selbst erzeugt.
| |
|
|
Hohe Verdaulichkeit und hohe Energiegehalte (beim Hafer wegen des Spelzanteils etwas niedriger), für alle Tierarten und für weite Transporte geeignet, bei 12–14 % Wassergehalt lagerfähig, gute Quelle zur Versorgung von Schweinen und Geflügel mit B-Vitaminen (Ausnahme B12), teilweise auch mit Vitamin E, gute Schmackhaftigkeit (eingeschränkt bei Roggen).
237
6
6
Die Futtermittel
Tab. 38 Nährstoff-, Aminosäuren- und Energiegehalte von Getreidekörnern (88 % TM) Getreideart
1000 g Futtermittel enthalten Lysin Meth.+ Threo- TrypCyst. nin tophan g g g g
nXP
RNB
g
Zucker g
g
g
MJ
MJ
99
393
14
4,4
4,9
3,7
1,4
148
–7,0
6,13
10,10
11,22
50
528
23
4,0
4,3
3,7
1,2
143
–5,3
7,11
11,30
12,62
18
26
594
28
3,4
4,6
3,5
1,5
150
–4,4
7,49
11,78
13,79
16
25
568
55
3,7
3,9
3,4
1,2
143
–7,0
7,47
11,71
13,46
Rohprotein g
Rohfett g
Rohfaser g
Hafer
108
46
Gerste
110
24
Weizen
121
Roggen
99
Stärke
NEL
MER
MES MJ
Triticale
128
16
26
587
35
4,1
5,2
4,0
1,4
146
–2,6
7,32
11,55
13,60
Mais
93
40
23
612
17
2,7
3,9
3,4
0,6
148
–8,8
7,38
11,70
14,09
Tab. 39 Mineralstoffgehalte der Getreidearten Getreideart
Mineralstoffgehalte in g je kg Ca P Mg Na
Hafer
1,1
3,1
1,8
0,3
Gerste
0,6
3,6
1,4
0,7
Roggen
0,8
2,9
1,3
0,2
Weizen
0,7
3,3
1,5
0,2
Mais
0,4
2,9
1,7
0,2
Gemeinsame Schwächen der Getreidekörner:
!!! Eiweißanteil nach der Menge und – bei Schweinen und Geflügel – auch nach der Qualität nicht für hohe Leistungen ausreichend, | zu wenig Vitamin A und D bzw. deren Vorstufen, | Mineralstoffangebot meistens nicht dem Bedarf entsprechend, schlechte Verwertbarkeit des Phosphors. |
Getreidekörner sind arm an Calcium und Natrium, jedoch reich an Magnesium und Phosphor. 60–70 % des in den Getreidekörnern enthaltenen Phosphors ist an Phytinsäure gebunden (vgl. 5.1.6.1). Wiederkäuer können den so gebundenen Phosphor verwerten, da die Pansenbakterien genügend Phytasen zur Spaltung dieser chemischen Verbindung besitzen. Schweine verfügen nicht über dieses Enzym und sind deshalb zur Verwertung des Phytin-Phosphors auf die mit den Getreidekörnern gelieferte native Phytase
238
angewiesen. Die Verdaulichkeit des Phosphors ist mit 15 % bei Körnermais am niedrigsten und mit 65 % bei Weizen am höchsten. Heute besteht die Möglichkeit, den Futtermischungen mikrobielle Phytase zuzusetzen und damit die P-Verdaulichkeit zu erhöhen (vgl. 5.1.5.4) Der Rohproteingehalt in den Getreidekörnern kann in weiten Grenzen schwanken. Daran sind zahlreiche Umweltfaktoren beteiligt, aber auch Sortenunterschiede, so dass sich auf züchterischem Wege der Eiweißgehalt und auch der Anteil der essenziellen Aminosäuren verbessern lässt. Durch eine Steigerung der N-Düngung, insbesondere durch eine gezielte N-Spätdüngung, lassen sich schon kurzfristig der Eiweißgehalt im Futtergetreide und der Eiweißertrag je ha erhöhen. Dabei wird allerdings, wie Versuche mit Wintergerste gezeigt haben, der Lysin-Anteil im Getreidekorn nicht im gleichen Maße erhöht, das heißt sein relativer Anteil am Gesamteiweiß sinkt. Der Gehalt an den schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin/Cystin sowie an Threonin ist in Relation zu Lysin hoch. Das Verhältnis liegt bei etwa 1 : 1 : 1, in der Gesamtmischung für Schweine soll dieses 1 : 0,6 : 0,6 betragen. Der wichtigste Nährstoff im Getreide ist die Stärke mit einem Anteil zwischen 39 % (Hafer) und 61 % (Körnermais). Dieser hohe Stärkegehalt kennzeichnet Getreide als energiereiches, hochverdauliches Futter. Die Kohlenhydratfraktion enthält außer Stärke und Zucker auch einen gewissen Anteil weiterer Kohlenhydrate, wie Zellulose, Beta-Glucan, Pentosane, Pektine u. a. Diese werden als „Nichtstärke-Polysaccharide (NSP)“ bezeichnet und können im Verdauungstrakt der Monogastrier nicht oder nicht vollständig ver-
6.5 Getreide und andere Samen daut werden, da die hierfür erforderlichen Verdauungsenzyme nicht gebildet werden. Besonders die Pentosane wirken quellend, wodurch der Futtertransport durch den Verdauungstrakt verlangsamt wird. Sind diese Nichtstärke-Polysaccharide in höheren Anteilen enthalten, wie z. B. im Roggen, kann es zu Verdauungsstörungen, Verschlechterung der Nährstoffverwertung und Leistungsminderung kommen, so dass eine mengenmäßige Begrenzung dieser Komponenten in der Fütterung notwendig ist. Besonders bei Jungtieren, deren Verdauungssystem noch wenig angepasst ist, wirken sich diese Futtermittel in größeren Mengen entsprechend negativ aus. Durch die Entwicklung spezifischer, auf die Komponenten abgestimmte Enzyme, die den Futtermischungen zugesetzt werden, sollen die Verdauung dieser NSP verbessert und die genannten Negativwirkungen kompensiert werden (vgl. 5.1.5.4). Am vielseitigsten und auch mit hohen Mischungsanteilen (bei allen Nutztieren) einsetzbar sind Gerste und Weizen. Die Verwendungsmöglichkeiten für Hafer werden bei Mastschweinen, säugenden Sauen und Geflügel durch den relativ hohen Rohfaseranteil und der daraus resultierenden geringeren Energiedichte begrenzt. Andererseits hat Hafer in der Aufzucht aller Haustierarten einen wichtigen Platz, wozu u. a. sein höherer Anteil an essenziellen Fettsäuren beiträgt. Wichtig ist allerdings, dass der Hafer von guter hygienischer Beschaffenheit ist. Häufig wird der Wassergehalt des Hafers bei der Ernte unterschätzt (wegen der Bespelzung „raschelt“ Hafer fast immer!). Die Folge kann ein mehr oder weniger starker Schimmelpilzbefall sein, der Gesundheits- und Fruchtbarkeitsstörungen verursachen kann. Auch Mais hat einen vergleichsweise hohen Fettgehalt. Deshalb wird er in den letzten vier Wochen vor dem Schlachten bei Masttieren nur zurückhaltend eingesetzt, um das Speicherfett nicht zu weich werden zu lassen. Eine umgekehrte Wirkung wird dem Roggen zugeschrieben; aber bei ihm bremst der bittere Geschmack, der allerdings bei den modernen Hybridsorten nicht mehr so ausgeprägt ist, den Futterverzehr und der relativ hohe NSP-Anteil die Einsatzmenge. Der Roggenanteil in Schweinemastrationen soll 30–40 % in der Vor- und Anfangsmast und 50 % in der Endmast nicht überschreiten. In
der Ferkelfütterung sollte bis 15 kg Lebendgewicht auf den Roggeneinsatz verzichtet werden. Danach sollen 15 % in der Futtermischung nicht überschritten werden. Bei Sauen liegt die empfohlene Höchstgrenze bei 25 %. Für den Roggeneinsatz in der Ferkel- und Sauenfütterung muss allerdings sichergestellt sein, dass dieser kein Mutterkorn enthält. Hierauf wird im Folgenden näher eingegangen. Bei Geflügel führt der hohe Anteil an NSP zur erhöhten Viskosität des Darminhaltes und schmierigem Kot. Roggen kann deshalb nur in Kombination mit NSP-spaltenden Enzymen eingesetzt werden und zwar bis zu 20 % bei Legehennen und 5 % in der Endmast von Hähnchen. Bei Wiederkäuern gelten in erster Linie die allgemein gültigen Begrenzungen hinsichtlich der Gehalte an pansenverfügbarer Stärke in der Gesamtration. In Kraftfuttermischungen für Milchkühe, Aufzucht- und Mastrinder können Roggenanteile bis zu 40 % eingesetzt werden. Bei höheren Kraftfuttergaben sollte eine Tagesgabe von 4 kg Roggen je Tier nicht überschritten werden. Triticale ist eine neuere Getreidezüchtung, die die bescheideneren Standortansprüche des Roggens mit den günstigeren Qualitätseigenschaften des Weizens kombinieren soll. Der Energiegehalt ähnelt dem des Weizens, der Rohproteingehalt ist höher als in allen anderen Getreidearten. Triticale ist bei allen Tierarten gut einzusetzen, in der Schweinefütterung sollte eine Mengenbegrenzung bis auf 50 % der Mischung eingehalten werden. Vor dem Verfüttern an Wiederkäuer werden Getreidekörner in der Regel gequetscht. Für Schweine müssen sie geschrotet werden, allerdings nicht zu mehlig, weil sonst Magengeschwüre drohen. Es sollen nur max. 25 % des Schrotes durch ein 1-mm-Sieb gehen. Für Ferkel wird Getreide manchmal „aufgeschlossen“, das heißt unter Druck mit Wasserdampf behandelt. Damit kann die Verdaulichkeit der Stärke erhöht werden. Hühner erhalten bei der kombinierten Fütterung einen Teil der Getreideration als ganzes Korn. Um Verdauungsstörungen zu vermeiden, verfüttert man Getreide nicht unmittelbar nach der Ernte, sondern lässt es mindestens vier Wochen ablagern. Keimungsvorgänge vor der Ernte vermindern den Nährwert (Auswuchsgetreide).
239
6
6
Die Futtermittel
Getreidelagerung | Wichtig ist auch eine ordnungsgemäße Lagerung des Getreides. Vor der Einlagerung ist mindestens eine so genannte „Schwarzreinigung“ vorzusehen. Hierbei wird das Getreide auf mechanischem Wege von Schwarzbesatz wie pilzgeschädigte, verdorbene Körner incl. Mutterkorn, Staub und sonstige feste Bestandteile befreit. Grundsätzlich ist zu beachten: Ausputzgetreide und Getreidereinigungsabfälle dürfen nicht verfüttert werden! Die Silos und Lagerräume müssen gründlich gereinigt werden. Die Auswahl der Lagerräume sollte sorgfältig erfolgen. Fugenfreie Böden und Wände sind unbedingte Voraussetzungen. Die Kondenswasserbildung muss vermieden werden, Getreide darf nicht an ungedämmten Außenwänden, Stützpfeilern und Wasserleitungen gelagert werden. Kornkäfer, Milben und andere so genannte Vorratsschädlinge sind vor der Einlagerung zu bekämpfen. Für die Anwendung chemischer Mittel sind jedoch teilweise spezielle Genehmigungen erforderlich. Hier sollte die Beratung des Pflanzenschutzdienstes in Anspruch genommen werden. Es darf nur lagerfähiges Getreide (entweder unter 14 % Wassergehalt oder anders konserviert) eingelagert werden. Während der Lagerung sind regelmäßige Kontrollen des Getreides notwendig. Diese beziehen sich insbesondere auf die Temperatur im Getreidestapel (Verwendung von Stockthermometern oder elektronischen Temperaturmessgeräten). Wasserdampfentwicklung in der Nähe von Getreide muss vermieden werden. Es sollte dafür gesorgt sein, dass zum Entfernen von Feuchtigkeit aus dem Getreidestapel die Möglichkeit der Belüftung durch Gebläse oder Umlauf besteht. Besondere Bedeutung ist der hygienischen Beschaffenheit des Getreides beizumessen. Diese wird bestimmt durch: | den Grad der Verunreinigung mit Schmutz, Staub, Schadnagerexkrementen u.ä. | den Befall mit Vorratsschädlingen wie Motten, Käfern, Milben und ihren Exkrementen | den Besatz mit Pilzen (Schwärzepilze, Schimmelpilze, Hefepilze) und Bakterien bzw. Pilzund Bakterientoxinen. Pilztoxine | Mängel in der hygienischen Beschaffenheit entstehen nicht erst bei der Lagerung. Bereits auf dem Halm kann Getreide mit
240
Fusarien oder Mutterkorn befallen sein. Durch Pilzbefall auf dem Feld oder im Lager können Toxine gebildet werden. Wichtige, im Getreide vorkommende Pilze, die von ihnen gebildeten Toxine und deren mögliche Wirkung auf Gesundheit und Fruchtbarkeit sind in der Tab. 40 dargestellt. Bei den Pilztoxinen muss zwischen Feldpilzen und Lagerpilzen unterschieden werden. Feldpilze bilden bereits vor der Getreideernte Toxine. Die wichtigsten sind Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon (ZEA). In ungünstigen Jahren kann also das geerntete Getreide bereits mit diesen Toxinen belastet sein. Der Gesetzgeber hat für diese Toxine Orientierungswerte für kritische Konzentrationen herausgegeben. Diese beziehen sich auf die jeweilige Tagesration der aufgeführten Tierart bzw. Tierkategorie (Tab. 41). Lagerpilze treten erst bei unsachgemäßer Lagerung auf, das heißt wenn Getreide zu feucht eingelagert wird. Dann kann auch Ochratoxin gebildet werden. Dieses geht in die tierischen Gewebe über, gelangt so in die Nahrungskette und stellt deshalb auch eine Gefährdung des Menschen dar. Im Gegensatz zu Feldpilzen können Lagerpilze jedoch in jedem Fall vermieden werden. Von allen Pilzgiften ist bisher Mutterkorn als Einziges futtermittelrechtlich als unerwünschter Stoff eingeordnet. Für Getreide ist ein Höchstgehalt von 1 g/kg festgelegt. Anders als für die Pilztoxine DON und ZEA, für die lediglich Orientierungswerte vorliegen, gilt für mutterkornhaltiges Getreide das Verschneidungsverbot, wenn der Höchstgehalt überschritten ist. Solche Partien dürfen demnach nicht mehr verfüttert werden und müssen entsorgt werden. Bei Mutterkorn handelt es sich um das verfestigte Mycel eines Schlauchpilzes mit dunkler bis schwarzvioletter Farbe. Mutterkorn enthält giftige Alkaloide, die bei Mensch und Tier Gesundheitsschädigungen hervorrufen. Mutterkorn tritt bei Roggen, Triticale, aber auch bei Weizen auf. Anders als bei Futtermitteln hat der Gesetzgeber inzwischen bei Lebensmitteln Höchstmengen für Fusarientoxine festgelegt. Für Getreide und Maiserzeugnisse betragen diese für DON 0,5 mg und für ZEA 0,05 mg/kg. Für Brot, Backwaren und Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder liegen sie noch bedeutend niedriger.
6.5 Getreide und andere Samen Tab. 40 Praxisrelevante Pilzgifte und deren mögliche Wirkungen beim landwirtschaftlichen Nutztier ( DLGInformation 2/1998) Pilzgift
Wirkungen/Krankheitserscheinungen
A) Von Feldpilzen gebildet: Trichothecene (Deoxynivalenol, Nivalenol u. a.) (von Fusarien gebildet)
Sauen: Verferkeln, Milchmangel, Umrauschen Sauen, Eber, Ferkel, Mastschweine: Erbrechen, blutiger Durchfall, Futterverweigerung, reduzierte Zunahmen, Schädigung der Blutbildung, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen Geflügel: geringere Futteraufnahme, geringeres Wachstum Rinder: Rückgang der Futteraufnahme
Zearalenon (F2-Toxin) (von Fusarien gebildet)
Sauen: Schaum- und Gesäugeschwellung, Scheiden- und Enddarmvorfall, Eierstockzysten, Veränderungen der Gebärmutter, Dauerbrunst, Scheinträchtigkeit, unregelmäßige Brunstintervalle, kleine Würfe Ferkel: geringe Gewichte, „Grätscher“ Mastschweine: Brunstähnliches Verhalten
Alkaloide (von Mutterkornpilzen gebildet)
Sauen: Milchmangel, Umrauschen, Dauersterilität, Gebärmutterentzündung Ferkel: Kümmerer, Totgeburten, kleine Würfe, Ferkel verhungern, abgestorbene Ohren und Schwänze Geflügel: Futteraufnahme und Legeleistung beeinträchtig Milchkühe: geringere Milchleistung Mastrinder: geringere Futteraufnahme Allgemein: Durchblutungsstörungen, Krampfzustände
B) von Lagerpilzen (Aspergillen/Penicillien) gebildet: Ochratoxin
Sauen, Eber, Ferkel, Mastschweine: Nierenschäden, Durst, Wachstumsstörungen, Durchfälle, Leberschäden, Immunschwäche
Ab wann erntefrisches Getreide verfüttern | In den ersten Tagen und Wochen nach dem Mähdrusch vollzieht sich in den Getreidekörnern ein Nachreifeprozess. Durch Entquellung der kolloiden Kornbestandteile wird Wasser abgegeben:
Das Getreide „schwitzt“. Dieser Prozess tritt auch ein, wenn das Getreide vom Wassergehalt her lagerfähig ist ( X 14 %). Außerdem ist zum Zeitpunkt der Ernte und unmittelbar danach die Enzymaktivität in den Kör-
241
6
6
Die Futtermittel
Tab. 41 Orientierungswerte für kritische Konzentrationen von Deoxynivalenol und Zearalenon im Futter von Schwein, Rind und Huhn (mg/kg Futter; bei 88 % Trockensubstanz) (BML 2000) Tierart bzw. Tierkategorie
Deoxynivalenol
Zearalenon
präpubertäre weibliche Zuchtschweine
1,0
0,05
Mastschweine und Zuchtsauen
1,0
0,25
präruminierend (Kälber)
2,0
0,25
weibliches Aufzuchtrind/Milchkuh
5,0
0,50
Mastrind
5,0
–*
Huhn (Legehühner, Masthühner)
5,0
–*
Schwein
Rind
* nach derzeitigem Wissensstand keine Orientierungswerte erforderlich
nern gering und steigt erst später wieder an. Dies äußert sich bei einigen Getreidearten in einer stark verminderten Keimfähigkeit während der Phase der Nachreife. Getreide, das sich noch im Schwitzprozess befindet, kann zu Verdauungsstörungen bei den Tieren führen. Besonders empfindlich sollen diesbezüglich Schweine und Pferde sein. Von den Getreidearten ist insbesondere bei erntefrischem Roggen mit erheblichen gesundheitlichen Störungen und Leistungseinbußen zu rechnen. Neuere Versuche an Ferkeln ergaben eine deutlich stärkere mikrobielle Aktivität im Magen und Dünndarm der Tiere mit der Folge entsprechender Verdauungsstörungen. Aufgrund der ungünstigen Erfahrungen bei der Verfütterung von Frischgetreide sollte man dieses möglichst erst nach vierwöchiger Lagerzeit verfüttern. Die geschilderten biologischen Vorgänge in den Getreidekörnern unterstreichen die Notwendigkeit, das Getreide nach der Ernte zu belüften, damit möglichst rasch eine Abkühlung erreicht und das Schwitzwasser abgeführt wird. Mit Propionsäure konserviertes Getreide kann unmittelbar verfüttert werden. Bei Konservierung mit Harnstoff ist eine mehrwöchige Wartezeit erforderlich. Wird das Getreide mit Ätznatron behandelt (Sodagrain) sollte eine Wartezeit von etwa 10 Tagen eingehalten werden.
242
6.5.2
Konservierung von Futtergetreide
Nur selten hat Mähdruschgetreide schon bei der Ernte den für die Lagerfähigkeit erforderlichen niedrigen Wassergehalt von 12–14 %. Beim Körnermais immer, bei den anderen Getreidearten für einen großen Teil der Ernte, stellt sich also die Frage, wie das noch zu feuchte Getreide vor dem Verschimmeln bewahrt werden kann. Es gibt folgende Konservierungsverfahren, die sich zum Teil auch miteinander kombinieren lassen: 1. Der Entzug des Wassers durch Trocknung ist das älteste und am weitesten verbreitete Verfahren. Es hat den Vorteil, dass auf diese Weise lagerfähig gewordenes Getreide noch für Mahlzwecke verkauft werden kann. Man unterscheidet die Belüftungstrocknung mit kalter oder leicht vorgewärmter Luft in Flachbehältern (für größere Mengen schon relativ trockenen Getreides), die Warmluft-Satztrocknung, bei der bis zu 70 °C warme Luft durch das in Flach- oder Hochbehältern untergebrachte feuchte Getreide geblasen wird, und die Durchlauftrocknung, bei der das Getreide auf Bändern oder anderen Transporteinrichtungen kontinuierlich durch den Trockner hindurchbefördert wird. Auch die Satztrockner benötigen leistungsfähige Förderanlagen, damit nach der Trocknung der ersten Partie die nächste Füllung in den/die Behälter gebracht werden kann. Sowohl bei der Satztrock-
6.5 Getreide und andere Samen nung wie bei der Durchlauftrocknung muss das Trockengut anschließend zurückgekühlt werden. 2. Die Getreidekühlung hat das Ziel, die sehr temperaturabhängige Atmungs- und Mikrobentätigkeit im feuchten Getreide durch Herunterkühlen zu unterbinden. Zwischen Kornfeuchte, Korntemperatur und Lagerfähigkeit bestehen enge Beziehungen. Bei niedrigen Korntemperaturen ist auch Getreide mit einer gewissen Restfeuchte für einige Zeit lagerfähig. Wenn die Kornfeuchte unter 18 % liegt, kann man die Kühlung, mit der auch ein bescheidener Trocknungseffekt verbunden ist, mit Hilfe von Niederdruckgebläsen verwirklichen, die kühle Nacht- und Morgenluft über ein Kanalsystem (auch über Belüftungsroste oder Kunststoffschläuche) durch das Getreide blasen. Voraussetzung dafür ist eine Temperaturdifferenz zwischen Korn- und Außenwärme von mindestens 5 °C. Auf jeden Fall braucht man auf dem Getreidespeicher Thermometer (zur Messung der Korntemperatur im Stapelinneren besondere Stichthermometer), um die Temperatur überwachen zu können und um rechtzeitig – vor Wiedererwärmung – den Stapel erneut zu kühlen. Bei höheren Feuchtigkeitsprozenten muss die Luft auf technischem Wege, das heißt durch spezielle, ziemlich kostspielige Kühlaggregate auf 4–6 °C herunter gekühlt werden. Unmittelbar nach der Einlagerung muss das Kühlgerät mindestens 36 Stunden lang laufen, damit die Kälte bis zum Mehlkörper durchdringt. Derartige Kühlaggregate werden häufig von Lohntrocknern und Genossenschaften als Puffer benutzt, um bei stoßweisem Anfall von Feuchtgetreide überbeanspruchte Trocknungsanlagen zu entlasten und den Verderb durch Kühlen so lange zurückzuhalten, bis die Trocknung wieder aufnahmefähig ist. 3. Die Konservierung durch Luftabschluss stellt bei steigenden Energie- und Trocknungskosten eine interessante Alternative dar. Dafür eignen sich gasdichte Behälter, in die unzerkleinertes Getreide mit Feuchtegehalten bis zu 25 % eingelagert werden kann. Es wird konserviert durch Kohlendioxid, das bei der Atmung des Getreides und der Mikroorganismen entsteht. Bei feuchterem Getreide kommt es auch zu einer leichten Milchsäureentwicklung, der pH-Wert liegt zwischen 4,5 und 5. Zum Verfüttern wird das aus dem Silo entnommene Getreide zerkleinert (z. B.
mit Hammermühlen) und mit dem Zukauffutter gemischt. Es besteht auch die Möglichkeit, Feuchtgetreide zu schroten und in Fahrsilos einzulagern. Für den Konservierungserfolg ist die optimale Verdichtung des Futters von entscheidender Bedeutung. Durch intensives Festwalzen werden Lagerdichten um 1 000 kg/m3 erreicht. Bei Feuchtegehalten im Getreide unter 20 % funktioniert dieses Verfahren sehr sicher, bei höheren Feuchtegehalten sollte zur Sicherung des Konservierungserfolges ein Säurezusatz (z. B. Propionsäure) erfolgen. Bei einem anderen Verfahren wird erntefeuchtes Getreide vermahlen und in einer Anteigstation mit Wasser zu einem pumpfähigen Brei vermischt. Bei einer Einlagerungsfeuchte von 50–55 % findet eine intensive Milchsäuregärung mit entsprechender pH-Wert-Absenkung bis auf 3,8 statt. Dies ist einerseits eine gute Voraussetzung für eine sichere Konservierung, andererseits sind damit jedoch relativ hohe Silierverluste von über 5 % verbunden. Dieses Verfahren hat eine gewisse Verbreitung bei CCM (vgl. 6.3.1.7) gefunden. 4. Die chemische Konservierung mit Säuren beruht auf der Abtötung bzw. Inaktivierung der dem Getreide anhaftenden Mikroorganismen sowie der Enzyme im Getreidekorn. Hierfür werden in der Regel Propionsäure oder deren Salze, daneben aber auch Ameisensäure, Sorbinsäure und Essigsäure eingesetzt. Möglichst jedes Getreidekorn sollte vollständig benetzt werden, was nur mit Hilfe eines speziellen Dosiergerätes zu erreichen ist. Die erforderliche Aufwandmenge hängt vom Feuchtegehalt des Getreides sowie von der vorgesehenen Lagerdauer ab und wird vom Hersteller angegeben. Hat das Getreide beispielsweise einen Feuchtegehalt von 20 %, wird mit 0,8 l Propionsäure/dt Feuchtgetreide eine Lagerfähigkeit von 6–12 Monaten erreicht. Das so behandelte Getreide kann wie trockenes Getreide eingelagert werden. Aufgrund der hohen Korrosivität der Propionsäure ist die Lagerung in Metallsilos ausgeschlossen, Beton muss entsprechend geschützt werden. Von den Tieren wird die Propionsäure bei vorschriftsmäßiger Dosierung gut vertragen und energetisch genutzt. Im Pansen der Wiederkäuer ist sie ohnehin vorhanden.
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6
6
Die Futtermittel
5. Bei der Konservierung mit Harnstoff wird erntefrisches Getreide mit Feuchtegehalten zwischen 20 und 30 % mit 2–2,5 % Futterharnstoff gut vermischt. Unter Einwirkung des Ferments Urease und von Wasser wird der Harnstoff enzymatisch zerlegt und Ammoniak freigesetzt. Ammoniak hat eine ausgeprägte fungizide (gegen Hefen und Schimmelpilze) sowie eine gewisse bakterienabtötende bzw. bakterienhemmende Wirkung. Durch die Erhöhung des pH-Wertes auf 8–9 entsteht ein zusätzlicher konservierender Effekt. Wichtig für das Funktionieren dieses Verfahrens ist eine Mindestfeuchte des Getreides von 18 %, eine gleichmäßige Zudosierung des Harnstoffs (z. B. über Dosiereinrichtungen an einer Förderschnecke) sowie eine lose Abdeckung des Getreidestapels mit Folie, um ein Entweichen des Ammoniaks zu verhindern. Harnstoff ist z. Zt. als Einzelfuttermittel für Rinder, Schafe und Ziegen mit Pansenfunktion zugelassen und kann deshalb zur Getreidekonservierung für diese Tierarten verwendet werden. 6. Durch Behandlung feuchter Getreidepartien mit Natronlauge wird ebenfalls ein konservierender Effekt erzielt. Dieses Verfahren (Sodagrain) wird bei Milchkühen in Verbindung mit dem Einsatz von Futtermischwagen praktiziert. Dazu werden 3,5–4 % Ätznatron und 300 l Wasser je Tonne Getreide intensiv vermischt. Dabei erwärmt sich das Getreide und muss vor der Verfütterung mindestens 2, besser 8 bis 10 Tage lagern. Der Umgang mit Ätznatron erfordert unbedingt entsprechende Schutzvorrichtungen, um jeden Hautkontakt zu vermeiden. Das Getreide wird durch diese Behandlung „aufgeschlossen“, das heißt es ist fast schalenlos und kann als ganzes Korn verfüttert werden. Als besonderer Vorteil dieses Verfahrens werden der hohe pH-Wert (ca. 11) und der langsamere Stärkeabbau im Pansen angeführt. Nachteile sind die relativ aufwändige Aufbereitung, die erhöhte Wasseraufnahme der Tiere wegen der hohen Na-Zufuhr, die vollständige Zerstörung des Vitamin E und eine leicht verminderte Verdaulichkeit der organischen Substanz. Da Ätznatron futtermittelrechtlich für Rinder nicht zugelassen ist, ist derartig behandeltes Getreide nicht verkehrsfähig.
244
6.5.3 Körnerleguminosen In der EU ist der Bedarf an Eiweißfuttermitteln sehr groß. Nur einen geringen Anteil davon erzeugen die europäischen Landwirte selbst. Andererseits werden beim Getreide Überschüsse produziert, die nur unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel auf dem Weltmarkt abgesetzt werden können. Aus diesen Gründen wird der Anbau von Körnerleguminosen (Ackerbohnen, Erbsen, Süßlupinen) gefördert. Die Anbaufläche ist deshalb in den letzten Jahren erheblich angestiegen, so dass heimische Körnerleguminosen wieder in größerem Umfang verfüttert werden. Ihre Eignung als Futtermittel ist in erster Linie von ihrer hygienischen Beschaffenheit abhängig. Durch eine sorgfältige Trocknung sofort nach der Ernte ist ein Feuchtegehalt der Samen von max. 12 % sicherzustellen oder eine ordnungsgemäße Konservierung (vgl. 6.5.2) vorzunehmen. Anderenfalls kommt es sehr schnell zu Schimmelbildung mit den bei Getreide beschriebenen Problemen. Der Futterwert der wichtigsten Körnerleguminosen ist in der Tab. 42 für Wiederkäuer und Schweine aufgeführt. Der Energiegehalt entspricht in etwa dem von Getreide, der Rohproteingehalt ist dagegen zwei- bis dreimal höher, so dass diese Futtermittel zur Eiweißergänzung von Grobfutterrationen oder in Kraftfuttermischungen dienen. Der mengenmäßige Einsatz wird neben der Energie- und Proteinversorgung insbesondere bei Schwein und Geflügel durch den Gehalt an negativ wirkenden Inhaltsstoffen (sog. antinutritive Faktoren), wie insbesondere Tannine und Alkaloide (Bitterstoffe) begrenzt. Das Aminosäuremuster des Proteins von Körnerleguminosen weist Defizite bei den schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystin auf. Dies wird mit der Abb. 86 verdeutlicht, in der die für Schweine essenziellen Aminosäuren im Verhältnis zu Lysin dargestellt sind. Methionin + Cystin liegen erheblich unter dem Sollwert von 0,6 (entsprechend 60 % des Lysingehaltes). Hinzu kommt, dass die Verdaulichkeit gerade dieser Aminosäuren im Vergleich zu denen aus Sojaextraktionsschrot bedeutend geringer ist. Futtermischungen mit hohen Anteilen an Erbsen, Ackerbohnen oder Lupinen müssen für Schweine und Geflügel mit Methionin ergänzt werden.
6.6 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie Tab. 42 Futterwert von Körnerleguminosen (88 % TM) Futtermittel Lysin
1000 g Futtermittel enthalten Threo- Trypto- nXP RNB Stärke Zucker NEL nin phan g g g g g g MJ
Rohprotein g
g
Meth.+ Cyst. g
Ackerbohnen
262
16,8
5,3
9,5
2,2
142
15,0
362
35
7,58
12,00 12,66
Erbsen
228
16,0
5,7
8,7
2,2
164
8,8
418
58
7,51
11,80 13,63
Süßlupinen (blau)
293
14,6
6,8
10,3
2,6
187
16,7
89
48
7,84
12,49 12,57
In der Schweinemast können bis zu 40 % Erbsen, 15–25 % Ackerbohnen bzw. 20 % Süßlupinen in die Futtermischungen genommen werden. Zuchtsauenalleinfutter kann bis zu 25 % Erbsen, 15–20 % Ackerbohnen bzw. Süßlupinen enthalten. In Legehennenfutter ist der Einsatz von Ackerbohnen bis zu 10 % und von Erbsen bis zu 30 % bzw. Lupinen bis zu 20 % möglich. In der Bullenmast können Tagesmengen von 2–2,5 kg Körnerleguminosen verabreicht werden. In der Milchviehfütterung können bis zu 4 kg Erbsen oder Ackerbohnen bzw. 2,5 kg Süßlupinen je Tier und Tag verfüttert werden. Hier ist allerdings zu beachten, dass die Abbaubarkeit des Rohproteins aus Körnerleguminosen mit 85 % bei Erbsen und
MER
MES
MJ
MJ
Ackerbohnen bzw. 80 % bei Lupinen sehr hoch ist. Daraus resultieren entsprechend niedrige nXPGehalte, was ihre Einsatzmöglichkeiten zur Proteinergänzung in Rationen für hohe Milchleistungen begrenzt. Durch hydrothermische Behandlung kann die Abbaubarkeit des Rohproteins auf eine Größenordnung von 70 % und mehr verringert werden.
6
6.6 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie Der größte Teil der für die menschliche Ernährung angebauten pflanzlichen Erzeugnisse wird
Abb. 86 Aminosäuremuster einiger Eiweißfuttermittel (Lysin = 1)
245
6
Die Futtermittel
nicht direkt verzehrt, sondern vorher in Mühlen, Zuckerfabriken usw. verarbeitet und veredelt. Dabei wird den agrarischen Rohstoffen meistens nur ein Nährstoff (Stärke, Zucker oder Fett) entnommen; und es bleiben Nebenprodukte übrig, die als Futtermittel verwertet werden müssen. In diesen Nebenerzeugnissen erfolgt in der Regel eine Anreicherung des Eiweißes und der Rohfaser. Je nachdem, wie groß der Anteil dieser Nährstoffe am Beginn war, ist der Futterwert von Nebenprodukten sehr unterschiedlich. Der Futterwert wird auch von der Ergiebigkeit der Verarbeitungstechnologie beeinflusst, die einerseits vom technischen Fortschritt abhängig ist und sich andererseits an veränderte Verbraucheransprüche anpassen muss. Das bedeutet, dass ein unterschiedlich großer Anteil der eigentlich für das Hauptprodukt bestimmten Nährstoffe im Nebenprodukt zurückbleiben kann. Viele dieser Futtermittel sind einseitig zusammengesetzt, bei manchen ist die Einsatzmöglichkeit wegen negativ wirkender Inhaltsstoffe begrenzt. Wer das Kraftfutter selbst mischen und dabei industrielle Nebenprodukte verwenden will, muss sich also mit diesen Futtermitteln auskennen.
Keime gesondert gewonnen und verkauft. Bei den Nachprodukten der Weizenvermahlung haben folgende Qualitäten besondere Bedeutung, deren Futterwert in der Tab. 43 aufgeführt ist. Bei Roggennachprodukten gibt es die gleichen Abstufungen; nur sind hier die Höchstgrenzen für Rohfaser etwas niedriger und die Energiewerte entsprechend höher. Mit steigendem Stärkegehalt erhöhen sich die Verdaulichkeit der organischen Substanz und der Energiewert. Deshalb werden die Nachmehle und Futtermehle bevorzugt in der Schweinemast eingesetzt. Die Kleien werden hauptsächlich an Wiederkäuer und tragende Sauen verfüttert. Wenn Hafer zu Haferflocken und Gerste zu Graupen verarbeitet werden, dann fallen beim Schälen rohfaserreiche Produkte von geringem bis mäßigem Futterwert an (Haferspelzen, Haferschälkleie, Gerstenschälkleie). Die beim zweiten und wiederholten Schälen des Mehlkörpers entstehenden Hafer- oder Gerstenfuttermehle haben einen hohen Futterwert, sind aber wegen der kleinen Mengen kaum von Bedeutung. Die Haferflocken werden teilweise den Ferkelstartern und anderen Aufzuchtfuttermitteln zugesetzt.
6.6.1 Futtermittel aus der Müllerei
6.6.2
Bei der Verarbeitung von Getreide zu Mehl, Grieß, Flocken usw. bleiben Nachprodukte übrig, deren Futterwert sich im Wesentlichen nach dem Ausmahlungsgrad richtet. Bei der Herstellung feiner, sehr weißer Mehlqualitäten enthalten die Nachprodukte neben den äußeren Eiweiß- und rohfaserreichen Aleuron- und Schalenschichten noch einen erheblichen Anteil an Stärke aus dem Mehlkörper. In manchen Mühlen werden die
Auf den verschiedenen Stufen des Herstellungsprozesses von Bier fallen nacheinander Malzkeime, Treber und Bierhefe als Nebenprodukte an. Malzkeime enthalten relativ viel Zucker (ca. 14 % in der TM) und sind deshalb hygroskopisch. Ein niedriger Wassergehalt (max. 13 %) ist für ihre Haltbarkeit wichtig. Wegen des relativ hohen
Nebenprodukte der Bierherstellung
Tab. 43 Futterwert von Nachprodukten aus der Weizenvermahlung (88 % TM) Futtermittel Rohfaser g
Stärke RohLysin protein g g g
1000 g Futtermittel enthalten Meth. + Threo- nXP RNB Cyst. nin g g g g
NEL
MER
MES
P
MJ
MJ
MJ
g
Weizennachmehl
29
457
170
7,0
6,8
5,8
156
1,8
7,51
11,90 14,24
5,4
Weizenfuttermehl
46
330
167
7,4
5,7
6,2
152
2,6
7,20
11,55 12,50
7,6
Weizengrießkleie
84
209
155
6,5
5,7
5,0
133
3,5
5,95
9,83 10,34
8,2
118
137
141
5,9
4,9
4,9
123
2,6
5,16
8,73
Weizenkleie
246
8,33 10,6
6.6 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie Rohfasergehaltes (ca. 14–15 %) ist ihr Energiegehalt jedoch nur bescheiden (besonders für Schweine). Sie sind allerdings relativ eiweißreich, weil sie mind. 23 % Rohprotein enthalten. Sie eignen sich bevorzugt für Wiederkäuer, wo sie mit 10–20 % in der Kraftfuttermischung eingesetzt werden können. Bei Schweinen bestehen wegen des Rohfasergehaltes und der mäßigen Verdaulichkeit nur begrenzte Verwendungsmöglichkeiten (5–10 % in der Mischung). Biertreber sind aus dem gleichen Grunde noch weniger für den Schweinestall geeignet (nur für niedertragende Sauen) und werden hauptsächlich an Wiederkäuer verfüttert, wo sie der Gruppe der Saftfuttermittel zuzuordnen sind. Wegen ihres hohen Wassergehaltes (78–80 %) halten sie sich allerdings nur sehr kurze Zeit. Für einen erfolgreichen Einsatz in Rindviehrationen ist deshalb eine ordnungsgemäße Silierung notwendig. Gute Biertrebersilage zeichnet sich durch eine überdurchschnittliche Energiekonzentration (6,66 MJ NEL bzw. 11,22 MJ MER/kg TM), sowie einen relativ hohen Rohproteingehalt (ca. 25 % in der TM) aus. Die Abbaurate des Biertreberproteins im Pansen ist mit 60 % relativ niedrig, entsprechend hoch ist der UDP-Anteil und der Gehalt an nXP (185 g/kg TM). Einsatzmengen bis zu 15 kg je Kuh und Tag bzw. 4 kg/100 kg Lebendgewicht in der Bullenmast sind bei ausgewogener Rationsgestaltung möglich. Bierhefe besteht überwiegend aus Eiweiß hoher biologischer Wertigkeit und hoher Verdaulichkeit. Außerdem enthält sie in reichem Maße Vitamine der B-Gruppe und eignet sich zur Verfütterung an alle Tierarten. Bei 15 % TM (= eingedickt) liefert 1 kg Bierhefe 79 g Rohprotein und 1,14 MJ NEL bzw. 1,86 MJ MER bzw. 2,08 MES/kg. In der Schweinefütterung ist sie besonders günstig bei Flüssigfütterung zu verwerten. In der Rinderfütterung ist sie je nach TM-Gehalt mit 10–20 Litern je Tier und Tag einzusetzen. Wenn sie nicht konserviert wird – z. B. durch Propionsäurezusatz –, verdirbt sie allerdings sehr rasch.
6.6.3
Nebenprodukte der Brennerei
Einige hundert größere Betriebe in Deutschland haben aufgrund einer staatlichen Konzession das Recht, Getreide oder Kartoffeln in betriebseige-
nen Brennereien zu Alkohol zu verarbeiten. Der dabei entstehende Rückstand, die Schlempe, enthält neben der Hefe alle nicht vergärbaren Stoffe des Ausgangsmaterials, vor allem das Eiweiß, das von hoher biologischer Wertigkeit ist. Der UDP-Anteil des Rohproteins liegt je nach Ausgangsmaterial zwischen 30 % (Kartoffelschlempe) und 45 % (Maisschlempe). Hieraus und aus dem relativ hohen Rohprotein- und sehr hohem Energiegehalt resultiert ein recht hoher Gehalt an nXP (200–250 g/kg TM) bei einer RNB zwischen +10 bis +20 g. Die Verdaulichkeit der organischen Substanz ist für Wiederkäuer sehr hoch, der Energiegehalt liegt zwischen 7,5–8,5 MJ NEL bzw. 12,0–13,0 MJ MER/kg TM. Bei Schweinen ist die Verdaulichkeit niedriger, der Energiegehalt liegt zwischen 10,8–12,3 MJ MES. Schlempe enthält ebenfalls in ansehnlicher Menge B-Vitamine. Schlempe ist bei Wassergehalten von 92–96 % wenig haltbar und muss noch heiß (50–60 °C) in die Futtertröge geleitet werden, und zwar bis zu 60 Liter täglich an Kühe mit mittleren Leistungen und ältere Mastrinder. Werden Höchstleistungen im Kuhstall und hohe Tageszunahmen von Mastbullen erwartet, müssen die Schlempemengen reduziert werden. In der Aufzucht und in der Fütterung hochtragender Tiere sollte die Schlempe nicht verwendet werden. Selten wird die Schlempe mehr als 1⁄4 oder 1 ⁄ 3 des täglichen Nährstoffbedarfs abdecken. Bei der Rationsgestaltung muss vor allem auf genügend Heu zur Erhaltung der Wiederkäuerfunktionen geachtet werden.
6.6.4
Futtermittel aus der Stärkeherstellung
Kartoffelpülpe fällt als Futtermittel bei der Stärkegewinnung aus Kartoffeln an. Sie enthält die Zellwandbestandteile des Ausgangsmaterials und je nach Gewinnungsverfahren auch noch unterschiedliche Stärkeanteile (250–400 g/kg TM). Pülpe ist sehr wasserreich. Ein Teil des Wassers wird in der Regel abgepresst, wodurch der Trockensubstanzgehalt auf 15–25 % angehoben wird. Frische Pülpe ist leicht verderblich. Sie kann siliert oder getrocknet werden. Kartoffelpülpe ist in erster Linie ein Futtermittel für Wiederkäuer. Bei einem Rohfasergehalt von 20–22 % in der TM
247
6
6
Die Futtermittel
liegt die Energiekonzentration bei 6,8 MJ NEL bzw. 11,2 MJ MER/kg TM. An Milchkühe sollte die maximale Tagesgabe bei 2 kg Trockenmasse liegen. An Mastrinder werden höhere Gaben verfüttert, im Mastabschnitt ab 400 kg Lebendgewicht 20–25 kg frische Pülpe je Tier und Tag. Maiskleberfutter fällt bei der Stärkegewinnung aus Mais an, der in diesem Zweig der Ernährungsindustrie der wichtigste Rohstoff geworden ist. Diese Futtermittel werden mit der Bezeichnung „corn gluten feed“ in großen Mengen aus den USA importiert. Maiskleberfutter eignet sich gut als Eiweißkomponente in Milchvieh-, Kälberund Rindermastfutter. Beim Einsatz im Schweinestall muss berücksichtigt werden, dass es, wie andere Nachprodukte auch, wenig Lysin enthält. Vor allem besteht beim Mais und seinen Nachprodukten ein großes Defizit bei der essenziellen Aminosäure Tryptophan. In Schweinemischungen wird der Anteil Maiskleberfutter deshalb auf 5–10 % begrenzt. Bei Maiskleberfutter werden unterschiedliche Qualitäten gehandelt. Es gibt vier Proteinstufen, der eiweißreiche Typ mit ca. 50 % Rohprotein i.d.TM ist sehr selten. Häufig vorkommende Qualitäten enthalten 26 bzw. 22 % Rohprotein i.d.TM, daneben auch noch 20–23 % Stärke. Die Abbaurate des Rohproteins liegt mit 75 % relativ niedrig. Dies betrifft auch die Stärke, so dass diese Futtermittel besonders für die Milchviehfütterung günstig zu beurteilen sind. Ein anderes, sehr hochwertiges Nebenerzeugnis der Maisstärkeproduktion ist Maiskleber mit über 60 % Rohprotein je kg. Für Wiederkäuer ist der UDP-Anteil mit 50 % sehr hoch, was zu nXP-Gehalten von 434 g/kg führt. Maiskleberprotein enthält auch relativ hohe Mengen der Aminosäure Isoleucin, die in der Ernährung der Hochleistungskuh neben Methionin/Cystin von Bedeutung sein kann. In der Schweine- und Geflügelfütterung wird Maiskleber als Eiweißkomponente eingesetzt, wenn aus bestimmten Gründen z. B. Sojaextraktionsschrot nicht verwendet werden darf (z. B. in der ökologischen Nutztierfütterung).
6.6.5
Nebenerzeugnisse der Zuckerproduktion
Sie umfassen verschiedene Arten von Schnitzeln und die Melasse. Die ausgelaugten Schnitzel kön-
248
nen in den Betrieben in der Nähe von Zuckerfabriken frisch (als Nassschnitzel) verfüttert oder (als Pressschnitzel) einsiliert werden. Der größte Teil wird derzeit noch in der Zuckerfabrik getrocknet und von den Landwirten als Trockenschnitzel verwendet. Dem bei der Diffusion gewonnenen Rohsaft wird Kalkmilch zugesetzt, um damit Eiweiß, Mineralstoffe und andere Beimengungen auszufällen. Die überschüssige Kalkmilch verbindet sich mit dem Zucker. Aus dieser Bindung wird der Zucker dadurch befreit, dass in der so genannten Saturation Kohlendioxid eingeleitet wird und sich mit dem Kalk verbindet. Der Zucker geht wieder in Lösung und kann in den anschließenden Filterpressen von den mit Hilfe des Kalks ausgefällten Bestandteilen, vom so genannten Scheideschlamm, getrennt werden. Dieser ist neuerdings (leider) unter der Bezeichnung „Carbonatationskalk“ futtermittelrechtlich als Einzelfuttermittel zugelassen. Somit besteht für die Zuckerfabriken die Möglichkeit, dieses Abfallprodukt an die Schnitzel anzutrocknen (in der Regel in Kombination mit Melasse) und – entsprechend deklariert – als Futtermittel in den Verkehr zu bringen. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist eine solche „Mischung“ abzulehnen. Einerseits erhöht der Carbonatationskalk den Rohaschegehalt der Schnitzel und „verdünnt“ somit den Energiegehalt. Zum anderen erhöht er den ohnehin schon sehr hohen Calciumgehalt der Schnitzel. Wenn aus der Zuckerlösung durch Eindampfen, Filtrieren und Zentrifugieren keine nennenswerte Zuckerausbeute mehr zu erwarten ist, wird der restliche Sirup, als Melasse bezeichnet, direkt oder indirekt der Fütterung zugeführt. Nur ein kleiner Teil der Melasseproduktion geht (beispielsweise als Siliermittel oder als Komponente in der totalen Mischration – TMR) direkt in die Fütterung. Eine Zugabe von ca. 1 kg Melasse je Kuh und Tag in den Futtermischwagen verklebt die feinen Partikel (z. B. Getreideschrot) mit dem faserreichen Grobfutter. Damit kann eine Entmischung des TMR und das „Sortieren“ der Milchkühe im Trog verhindert werden. Mit der zähflüssigen, klebrigen Melasse lässt sich allerdings nicht leicht umgehen. Deshalb wird ein großer Teil des Melasseanfalls an die Trockenschnitzel angetrocknet. Ein weiterer Teil der Melasse wird in der Mischfutterherstellung verwendet, um
6.6 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie Melasseschnitzel werden in der Milchviehfütterung als Ausgleichskraftfutter eingesetzt, sie sind aber auch eine bedeutende Komponente im Milchleistungsfutter. In der Schweinefütterung werden gerne Trockenschnitzel verwendet (wenn sie zu haben sind), und zwar als Futterkomponente für tragende Sauen. (Wegen ihres relativ hohen Quellvermögens vermitteln sie ein gutes Sättigungsgefühl). Pressschnitzelsilage gibt es erst seit 1979. Dieses Futter ist sozusagen ein Kind der zweiten Ölkrise. Um eine Alternative zur Trocknung der Diffusionsschnitzel zu erproben, die bis dahin in den Zuckerfabriken rund ein Drittel der technischen Energiezufuhr beansprucht hatte, boten die Fabriken diese Schnitzel den Landwirten der Umgebung an. Den Schnitzeln wurde zuvor auf mechanischem Wege die Hälfte des Wasser abgepresst. Inzwischen sind Pressschnitzel weit verbreitet und bei Milchviehhaltern und Bullenmästern ein beliebtes Saftfuttermittel. Pressschnitzel haben 20–26 % TM und kommen mit einer Temperatur von 50–60 °C auf dem Bauernhof an. Ein rasch verderbendes Material, wenn es nicht innerhalb eines Tages siliert wird. Nach den bisherigen Erfahrungen kann eine gute Pressschnitzelsilage gewonnen und später gut verwertet werden, wenn | zügig gefüllt, notfalls (bei höherem TM-Gehalt) verdichtet sowie gut und rechtzeitig (noch bei über 45 °C) abgedeckt wird (Heißvergärung),
staubende Mischungspartner zu binden, oder sie dient auch als Bindemittel für gepresstes Mischfutter (Pellets). Der Futterwert der Melasse und der Trockenschnitzel beruht auf ihrem Gehalt an Zucker und anderen Kohlenhydraten. Der Rohproteingehalt ist niedrig und liegt außerdem – besonders bei der Melasse – in Form von nichteiweißartigen Stickstoffverbindungen vor (NPN). Die Mineralstoffzusammensetzung ist einseitig: Die Melasse enthält viel Kalium, und die Trockenschnitzel haben viel Ca bei wenig P, allerdings, wie die Rübenprodukte, einen guten Na-Gehalt. Darauf kann man sich aber nicht immer verlassen; denn neue Untersuchungen haben ergeben, dass der Na-Gehalt der Schnitzel sehr verschieden sein kann. Bei den Pressschnitzeln wurden sogar auffallend niedrige Natriumwerte gefunden (Tab. 44). Trockenschnitzel und die verschiedenen Formen der Melasseschnitzel werden bevorzugt bei Wiederkäuern, aber auch bei Schweinen eingesetzt, wobei der im Vergleich zu Getreide niedrigere Eiweiß- und Energiegehalt bei der Rationsberechnung zu berücksichtigen ist. Bei Milchkühen werden die Grenzen für die Schnitzelfütterung vom Gesamtanteil an leicht fermentierbaren Kohlenhydraten (Stärke und Zucker) in der Trockenmasse der Gesamtration bestimmt. Die Zuckergehalte der Futtermittel aus der Zuckerfabrikation sind in der Tab. 44 aufgeführt.
Tab. 44 Futterwert von Nachprodukten aus der Zuckerfabrikation Futtermittel TM g
Zucker Rohasche g g
1000 g Futtermittel enthalten RohRoh- nXP RNB NEL MER protein faser g g g g MJ MJ
MES
Ca
P
Mg
Na
MJ
g
g
g
g
Trockenschnitzel
900
61
49
89
185
137
– 7,2 6,69
10,74
8,13 8,9
0,9
2,3
2,2
Melasseschnitzel, zuckerarm
890
118
64
96
151
139
– 7,1 6,58
10,52
8,10 8,1
0,8
3,3
2,3
Melasseschnitzel
910
183
74
115
143
149
– 5,5 6,93
11,00
9,50 7,9
0,8
3,2
2,2
Melasseschnitzel, zuckerreich
900
221
77
113
129
146
– 5,4 6,78
10,80
9,40 6,7
0,7
4,7
2,2
Pressschnitzelsilage 220
7
16
24
46
35
– 1,5 1,63
2,61
1,80 2,2
0,3
0,2
0,5
Melasse
770
484
81
105
0
123
– 3,1 6,07
9,46 10,23 4,2
0,2
5,7
0,2
ZR-Schnitzel (Vollschnitzel)
900
602
40
48
49
131
–13,5 7,14
11,22 11,44 6,0
0,9
2,3
1,4
249
6
6
Die Futtermittel
ein Wärmestau vermieden wird (durch max. 2 m Stapelhöhe im Flachsilo bzw. max. 3 m Durchmesser im Hochsilo) | die Silage erst nach ausreichender Abkühlung (nach 5–6 Wochen) entnommen wird (Vorschub mindestens 1 m im Winter, 2 m im Sommer) und eine glatte Anschnittfläche erhalten bleibt. Besonders bei Pressschnitzeln hat sich in den letzten Jahren das Verfahren der Schlauchsilierung bewährt. Der Kernpunkt des Verfahrens besteht darin, dass mit einer Silopresse das Futter in einen Folienschlauch gepresst und dabei aktiv verdichtet wird. Über ein Band wird das Siliergut der Silierpresse zugeführt. Zur aktiven Verdichtung existiert ein spezielles System zur Pressdruckregulierung. Das Material kann je nach Maschinentyp in Siloschläuche mit verschiedenen Durchmessern und Längen gepresst werden. Die verwendete Schwarz/Weiss-Polyäthylenfolie hat je nach Schlauchdurchmesser eine Stärke zwischen ca. 200 und 240 ? m. Die Siloschläuche haben je nach Maschinentyp einen Durchmesser von 2,40–3,00 m und bis zu 75 m Länge. Je nach Futtermenge und Lagerungsort können die Schläuche entsprechend gekürzt werden. Anfang und Ende der Schläuche werden mit Spezialverschlüssen, einem Reißverschluss ähnlich, verschlossen oder einfach zugebunden und mit Sand bedeckt. Der Pressdruck der Siliermaschine muss je nach einzulagerndem Siliergut eingestellt werden und wird über beidseits an der Maschine angebrachte Bremstrommeln gesteuert. Die Leistung der bei uns eingesetzten Maschinen liegt bei ca. 60 t Pressschnitzel je Stunde. Bei Pressschnitzeln hat sich ein Schlauchdurchmessen von 2,40 m bewährt, um auch bei kleineren Mengen gute Silierbedingungen zu erreichen. Bei dieser Schlauchgröße können je lfd. Meter 3– 3,5 t Pressschnitzel in den Schlauch gefüllt werden. Damit die Gärgase entweichen können, sind im Siloschlauch Ventile anzubringen, die aber unbedingt nach Abschluss der Gärgasbildung zu schließen sind. Die Entnahme des eingelagerten Futters ist mit allen gebräuchlichen Entnahmegeräten möglich. Pressschnitzelsilage ist ein hervorragendes Milchviehfutter. Sie enthält hohe Anteile an Gerüstsubstanzen (Zellulose, Hemizellulose, Pektine u. a.), die hochverdaulich sind (7,4 MJ NEL/kg |
250
TM) und im Pansen langsam fermentiert werden. Pressschnitzelsilage wird in Mengen bis zu 15 kg je Kuh und Tag verfüttert. Bei der Verarbeitung von Zuckerrüben fallen gereinigte Rübenbruchstücke (Rübenspitzen und Rübenköpfe) und Teile von Rübenblättern an, die als „Rübenkleinteile“ von den Zuckerfabriken in den Verkehr gebracht werden. Es handelt sich um ein feuchtes Produkt mit ca. 15 % Trockenmasse, das zur Haltbarmachung siliert werden muss. In einem Verdauungsversuch wurde ein Energiegehalt von 6,3 MJ NEL/kg TM ermittelt. Das Produkt enthielt in der Trockenmasse 10 % Rohasche, 11 % Rohprotein und 14 % Rohfaser. Entscheidend für den Futterwert ist der Rohaschegehalt, der bei über 5 % deklariert werden muss.
6.6.6
Futtermittel aus der Ölgewinnung
Von allen Nebenerzeugnissen der Ernährungsindustrie haben die bei der Gewinnung von Speiseölen anfallenden Nachprodukte die größte Bedeutung für die Fütterung. Über den Verbrauch an Ölkuchen und -schroten in Deutschland im Wirtschaftsjahr 2001/02 informiert die Abb. 87. Der größte Teil dieser Ölkuchen und insbesondere -schrote kommen aus der Ölsaatenverarbeitung der deutschen Ölmühlen. Die Ölsaaten stammen zu 35 % aus heimischer Erzeugung (überwiegend Rapssaat, etwas Sonnenblumen) und 65 % aus Sojabohnen. (Soja ist mit über 50 % an der Weltproduktion aller Ölsaaten beteiligt.) Der Großteil der Ölschrote wird über die Mischfutterindustrie verarbeitet (78 % des Gesamtverbrauches). 22 % wird in den tierhaltenden Betrieben direkt verfüttert (hauptsächlich Sojaschrot). Der Futterwert der wichtigsten Produkte dieser Futtermittelgruppe ist in der Tab. 45 aufgeführt. Nach dem Verfahren der Ölgewinnung werden zwei Gruppen von Nachprodukten unterschieden: Ölkuchen/Expeller und Extraktionsschrote. Wenn hydraulische Pressen benutzt werden (selten noch in Übersee), bleiben plattenförmige Ölkuchen mit relativ hohen Restfettgehalten (bis 12 %) übrig. Eine Verbesserung der Ölausbeute brachten die kontinuierlich arbeitenden Expellerpressen, die nach der Art eines Fleischwolfs die Ölsaat weiter schieben und dabei auspressen.
6.6 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie
Sonstige Palmkerne
1,3 % 7,9 %
Sonnenblumen 2,4 %
Rapssamen 23,5 % Sojabohnen
64,9 %
Abb. 87 Verbrauch an Ölkuchen und -schrote aus Ölsaaten In den Expellern befinden sich 4–8 % Fett. Die beste Fett- bzw. Ölausbeute wird erzielt mit Hilfe des heute am weitesten verbreiteten und besonders für fettärmere Ölsaaten (z. B. Sojabohnen) unentbehrlichen Extraktionsverfahrens. Dabei wird mit Lösungsmitteln, vor allem mit reinem Benzin, das Öl aus den zuvor zerkleinerten Samen bis auf einen Rest von 1–3 % herausgelöst (extrahiert). Nach diesem Vorgang wird das Lösungsmittel aus dem Schrot durch Zuführen von Wasserdampf („Toasten“) wieder entfernt. Als Endprodukt entstehen die Extraktionsschrote, überwiegend sind Soja- und Rapsextraktionsschrot im Handel. Bei der Kaltpressung von Raps werden bei uns kontinuierlich arbeitende Schneckenpressen eingesetzt. Aus diesem Prozess fallen die Rapskuchen an, die noch einen erheblichen Fettgehalt haben (12–18 %). Ölkuchen können bei Milchkühen zu einem leichten Anstieg des Milchfettgehaltes führen. Weil das Restöl in der Pflanzenzelle gebunden ist, ist eine bessere Pansenverträglichkeit gegeben. Dennoch muss auf die Toleranzschwelle der Kühe für Fett und an die bei höheren Fettanteilen in der Tagesration ansteigende Ketosegefahr gedacht werden (s. 5. 1.2.5). In der Schweinefütterung werden selten Ölkuchen eingesetzt. Vom
Futterwert her ist Rapskuchen am ehesten geeignet. Hier muss evtl. ebenfalls der hohe Fettgehalt beachtet werden, um eine zu weiche Konsistenz des Schweinespeckes zu vermeiden (s. 5.1.2.5). Allerdings führen in der Regel andere, noch zu besprechende Faktoren bei Futtermitteln aus Rapssaat in der Schweinefütterung zu Begrenzungen. Der Energiegehalt dieser Futtermittel hängt außer vom Fettgehalt entscheidend davon ab, ob die Rohstoffe vor der Verarbeitung enthülst bzw. geschält werden. Bei dünnschaligen Samen (Sojabohnen, Raps, Lein), die in der Regel ungeschält extrahiert werden, wird der Energiewert vom Schalenanteil beeinflusst. In der Schweine- und Geflügelfütterung hat jedoch z. B. Sojaschrot aus geschälter Saat (so genanntes High-ProteinSchrot) eine gewisse Bedeutung erlangt. Bei Sonnenblumen wird der Energiegehalt bei nicht geschälter Saat sehr stark gedrückt, auch noch bei teilgeschälter Saat. Zur Qualitätsbeurteilung von Ölschroten ist deshalb besonders auf den Rohfasergehalt zu achten, der in der Größenordnung der in der Tab. 45 aufgeführten Gehalte liegen sollte. Bei Sojaschrotuntersuchungen fallen immer wieder Partien mit zu hohen Rohfaser- und/ oder zu geringen Rohproteingehalten auf. Dies kann u.U. auf Beimischung von Sojaschalen oder z. B. Maiskleberfutter bzw. anderen gelb gefärbten Produkten zurückgeführt werden. Wenn der selbstmischende Landwirt Sojaschrot kauft, muss er darauf achten, dass die deklarierten Gehalte auch seinen Qualitätsvorstellungen entsprechen. Skepsis ist gegenüber Billigangeboten angebracht und durch eine Untersuchung bei einer LUFA (z. B. auf Rohprotein und Rohfaser) auszuräumen. Die Nachprodukte aus der Ölgewinnung unterscheiden sich auch hinsichtlich ihres Proteingehaltes z. T. erheblich. Für den Wiederkäuer ist der nXP-Gehalt von besonderer Bedeutung, der neben dem Energiegehalt von dem Anteil an unabgebautem Protein (UDP) bestimmt wird (s. 5.1.2.4). Mit einem UDP-Anteil am Rohprotein von 25 % liegt Sonnenblumenschrot im unteren Bereich, während Kokos- und Palmkernschrot mit 50 % sehr hoch liegen. Bei dem Letztgenannten schlägt sich dies auch in einer nahezu ausgeglichenen ruminalen Stickstoffbilanz (RNB) nieder.
251
6
6
Die Futtermittel
Tab. 45 Futterwert von Nachprodukten aus der Ölgewinnung Futtermittel TM g
1 000 g Futtermittel enthalten RohRoh- Roh- Lysin Meth.+ Threo- Trypro- nXP RNB protein fett faser Cyst. nin phan g g g g g g g g g
NEL
MER
MES
Ca
P
MJ
MJ
MJ
g
g
Extraktionsschrote: Sojaschrot – aus geschälter Saat
890
491
12
35
30,5
14,3
19,2
6,7
288
32,0
7,65
12,22 14,43 3,0
7,1
– aus ungeschälter Saat
880
451
12
57
28,0
13,1
17,6
5,9
253
31,2
7,59
12,10 13,04 3,0
6,4
Rapsschrot
890
349
31
127
19,9
16,6
15,9
4,9
206
23,0
6,40
10,50
9,89 6,6
10,8
Sonnenblumenschrot (aus teilgeschälter Saat)
900
341
22
201
11,3
13,4
12,0
3,9
174
27,0
5,42
9,22 10,79 4,0
10,7
Leinschrot
890
343
24
92
12,8
12,7
14,7
5,6
206
21,4
6,53
10,72 10,45 4,5
9,5
Kokosschrot
900
214
24
145
5,0
8,0
3,3
200
1,8
6,80
10,99
9,09 1,7
6,9
Palmkernschrot
890
167
19
177
6,0
6,5
5,8
2,4
165
0
6,02
9,97
7,28 2,9
7,2
Rapskuchen*)
900
310
150
117
19,5
16,3
14,3
4,2
184
20,7
7,76
12,63 13,70 7,0
13,1
Kokoskuchen (4–8 % Fett)
900
206
61
134
5,2
6,2
7,1
1,7
200
0,9
6,92
11,25 10,01 1,8
6,0
Palmkernkuchen (4–8 % Fett)
910
188
66
154
6,1
6,4
5,7
1,7
177
1,8
6,80
11,16 9,19
6,5
6,9
Kuchen/Expeller:
2,4
* aus Kaltpressung
Soja- und Rapsextraktionsschrot nehmen mit 30 % eine Zwischenstellung ein. In der Schweine- und Geflügelernährung spielt die Aminosäurenzusammensetzung des Rohproteins eine größere Rolle. Für die beiden wichtigsten Proteinergänzer Sojaschrot aus ungeschälter Saat und Rapsschrot ist der jeweilige prozentuale Anteil der vier wichtigsten Aminosäuren am Rohprotein in der Abb. 88 im Vergleich zu Getreide und den Anforderungen in der Futtermischung dargestellt. Sojaschrotprotein zeichnet sich durch einen besonders hohen Lysingehalt, Rapsprotein durch besonders hohe Anteile an Methionin/Cystin und Threonin aus. Getreideprotein weist allerdings ebenfalls relativ hohe Methionin/Cystingehalte auf, die ebenso wie die Threonin- und Tryptophangehalte den Sollwerten gut entsprechen. Im Mineralstoffgehalt gibt es Parallelen zum Getreide: Meist niedrige Ca-Werte, hohe P-Gehalte (ebenfalls mit größeren Anteilen Phytin-P), unbefriedigende Na-Gehalte, aber mit höheren Anteilen an Mg sowie an Spurenelementen als beim Getreide. Beim Einsatz im Schweinestall
252
verstärken Ölschrote das in der Getreidemast ohnehin bestehende Ungleichgewicht zu Ungunsten des Ca. In der Wiederkäuerfütterung können sie Ca-reiche Komponenten entsprechend ergänzen. Futtermittel aus der Ölgewinnung enthalten z. T. schädliche (antinutritive) Inhaltsstoffe, die bereits in den Samen enthalten sind und sich in den Nebenprodukten z. T. anreichern. Im Sojaschrot handelt es sich um Substanzen, die die Wirksamkeit des Verdauungsenzyms Trypsin hemmen. Um diese auszuschalten, muss das Sojaschrot dampferhitzt (getoastet) werden. Durch das Toasten wird außerdem das Enzym Urease, das Harnstoff rasch in Ammoniak umwandelt, inaktiviert und der Geschmack durch Abbau von Bitterstoffen verbessert. Der Gesetzgeber schreibt diese Erhitzung vor und überprüft dies u. a. an der noch vorhandenen Ureaseaktivität, die einen Wert von 0,4 nicht überschreiten darf. Im Raps sind insbesondere Glucosinolate enthalten, die den Futterverzehr und die Schilddrüsenfunktion negativ beeinflussen. Die Pflanzenzüchtung hat sich mit Erfolg bemüht, nach der Erucasäure, die
6.6 Nebenerzeugnisse der Ernährungsindustrie
6
Abb. 88 Aminosäuremuster von Soja- und Rapsextraktionsschrot im Vergleich zu Gerste und Weizen den Herzmuskel schädigt, auch die Glukosinolate im Raps zu minimieren (00-Sorten). Aus Sicht der Tierernährung liegt der noch zu tolerierende Glucosinolatgehalt im Rapsextraktionsschrot bei 10 ? mol/g. Eine Begrenzung in der Futterration soll den Anteil antinutritiver Substanzen minimieren. Der maximale Rapsextraktionsschrotanteil in Mischungen für Mastschweine hängt vom Glucosinolatgehalt ab, der 1,5 ? mol/g Alleinfutter nicht überschreiten soll. Danach wäre ein Mischanteil bis zu 15 % Rapsextraktionsschrot möglich, wenn der Glucosinolatgehalt im Rapsextraktionsschrot X 10 ? mol/g ist. Bei Ferkeln ist der Einsatz aus Geschmacksgründen, aber auch wegen der relativ niedrigen Energiekonzentration, gering. Laktierende Sauen sollen kein Rapsextraktionsschrot erhalten. Dies wird auch für Legehennen empfohlen, da u. a. das ebenfalls im Raps enthaltene Sinapin bei
bestimmten Hennenlinien, die braunschalige Eier legen, zu einem fischigen Geruch und Geschmack der Eier führen kann. Bei ausgewachsenen Wiederkäuern ergibt sich auf Grund der heute aktuellen Glucosinolatgehalte keine Begrenzung der Rapsextraktionsschrotmenge in der Tagesration. Die Einsatzmengen werden deshalb ausschließlich nach ernährungsphysiologischen Kriterien, wie insbesondere der erforderlichen Eiweißergänzung sowie dem Energiegehalt, bestimmt. Bei dem in Leinsaat enthaltenen cyanogenen Glykosiden soll es sich nicht um Linamarin, sondern um Linostatin und Neolinostatin handeln. Daraus würden nur unbedeutende Mengen an Blausäure freigesetzt, die der Organismus rasch entgiftet. Leinsaatprodukte werden gern in der Kälberaufzucht eingesetzt. Die in ihnen enthaltenen Schleimstoffe sollen empfindliche Schleim-
253
6
Die Futtermittel
häute schützen und beim Ausheilen von Entzündungen im Verdauungskanal helfen. An Schadstoffen, die erst während der Lagerung auftreten, sind insbesondere die Mykotoxine zu nennen, und zwar in erster Linie das Aflatoxin. Die Fusarien, die dieses krebserregende Toxin bilden, kommen unter tropischen und subtropischen Klimaten vor. Besonders anfällig sind Erdnussund Baumwollprodukte. Da Aflatoxin futtermittelrechtlich sehr streng reglementiert ist (in Milchleistungsfutter dürfen höchstens 0,005 mg/ kg enthalten sein), werden solche Produkte bei uns nicht mehr eingesetzt. Aber auch bei Kokosund Palmkernprodukten muss eine sorgfältige Kontrolle der eingeführten Partien erfolgen.
6.7 Futtermittel tierischer Herkunft Futtermittel tierischer Herkunft weisen in der Regel hohe Proteingehalte mit einem für die Tiere bedarfsgerechten Aminosäuremuster auf. Zu Zeiten als reine Aminosäuren für die Tierernährung noch nicht zur Verfügung standen, hatten sie für die Verbesserung der Eiweißqualität in Futtermischungen für Schweine und Geflügel eine große Bedeutung. Für Jungtiere trifft dies auch heute noch zu. Auch die Mineralstoffe liegen in günstigem Verhältnis und guter Verwertbarkeit – wenn auch je nach Produkt in unterschiedlicher Menge – vor. Als unmittelbare Folge des ersten, am 24. November 2000 amtlich registrierten BSE-Falles in Deutschland, das bis zu diesem Tag als „BSE-frei“ galt, wurde das Verfütterungsverbotsgesetz für tierische Proteine und Fette erlassen. Die Verfütterung von Proteinen wurde wenig später auch von der EU verboten. Das Verfütterungsverbot von tierischen Fetten galt und gilt dagegen bis heute ausschließlich in Deutschland. Mit diesem Verbot entfallen eine Reihe von Futtermitteln tierischer Herkunft, die z. B. in früheren Auflagen dieses Buches in diesem Abschnitt behandelt wurden. Es sind dies Futtermittel aus Schlachtnebenprodukten (Fleischfuttermehle, Fleischknochenmehl, Blutmehl, Geflügelschlachtabfälle, Federmehl hydrolisiert), Tiermehl und Tierfett.
254
Verboten war lediglich bereits seit 1994 die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer, was allerdings auch vor diesem Zeitpunkt nicht üblich war. Das radikale Verbot erfolgte u. a. auch deshalb, weil bei der Mischfutterherstellung eine Übertragung von Spuren tierischer Proteine auf Wiederkäuerfutter nie ganz vollständig ausgeschlossen werden konnte, wenn die Futtermittel für Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen) in gleichen Produktionsanlagen und Förderwegen hergestellt wurden wie die für Schweine und Geflügel. Das Verfütterungsverbot für Fischmehl wurde damit begründet, dass eine Verschleppung von z. B. Tiermehl in Fischmehl auf den unterschiedlichen Umschlags- und Transportwegen nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte und eine zuverlässige Analysemethode zur Differenzierung zwischen Fischmehl und anderen tierischen Bestandteilen nicht zur Verfügung stand. Für Fischmehl wurden zum Stichtag 1. September 2003 neue Vorschriften erlassen, die bestimmte Auflagen zur Erzeugung, Verarbeitung, den Transport sowie die Nutzung in den landwirtschaftlichen Tierhaltungen vorsehen. Nebenprodukte aus der Verarbeitung von Milch | Milchprodukte hängen in ihrer Wertschätzung als Futtermittel erheblich von den Preisen ab. Mit steigenden Vollmilchpreisen erlebten die Methoden der vollmilchsparenden Kälberaufzucht einen großen Aufschwung. Aber auch bei sehr guten Milchpreisen ist die kuhwarm verfütterte Vollmilch (einschließlich der Biestmilch) in der ersten Lebenswoche unentbehrlich für das Kalb. Die Molkereien gewinnen aus einem mehr oder weniger großen Teil der Anlieferungsmilch durch Zentrifugieren den Rahm, der später zu Butter und Fettkäse verarbeitet wird. Beim Zentrifugieren werden der Milch das Fett und die fettlöslichen Vitamine entzogen. Die zurückbleibende Magermilch enthält also noch das biologisch vollwertige Eiweiß, den Milchzucker, die Mineralstoffe und die wasserlöslichen Vitamine. Sie wird heute meistens getrocknet und teilweise der menschlichen Ernährung zugeleitet oder an die Hersteller von Milchaustauschern verkauft (Abb. 89). Seit der Milchkontingentierung wird auch Magermilch überwiegend für die Herstel-
6.7
Futtermittel tierischer Herkunft
Abb. 89 Wichtige Lebens- und Futtermittel aus Milch lung von Lebensmitteln verwendet. Somit steht immer weniger Magermilch bzw. Magermilchpulver für Fütterungszwecke zur Verfügung. Bei der Verarbeitung des Rahms zu Butter fällt die Buttermilch an, die im Futterwert ebenso wie die Magermilch zu beurteilen ist. Für die Käsebereitung wird das Kasein, der mengenmäßig bedeutendste Anteil des Milcheiweißes, gebraucht. (Außerdem enthält Käse einen mehr oder weniger großen Anteil des Milchfettes.) Die beiden übrigen Eiweißbestandteile der Milch, Albumin und Globulin, ferner der Milchzucker und der größte Teil der Mineralstoffe und wasserlöslichen Vitamine verbleiben in der Molke. Diese stellt also ein interessantes Futtermittel für die Schweinemast dar, wenn sie nicht weit gefahren werden muss, und wird besonders von Mästern mit Flüssigfütterung eingesetzt. Da die Molkereien die Molke nicht mehr in das öffentliche Entsorgungssystem einleiten dürfen, geben sie dieses Restprodukt ganz oder fast kostenlos ab. Versuche, die Molke (z. B. als Erfrischungsgetränk) direkt der menschlichen Ernährung zuzuführen, brachten bisher wenig Erfolg. In manchen Molkereien wird der Molke ein Teil des Wassers entzogen („Molke, eingedickt“), was den Transport erleichtert. Wird aus der Molke Milchzucker gewonnen (für Kindernährmittel, Nährsubstrate zur Antibiotika-Produktion usw.), bleibt teilentzuckertes Molkepulver übrig (Normtyp mind. 18 % Rohprotein und 30 % Lak-
tose). Wird der Milchzucker fast vollständig entnommen und das Wasser bis auf 12 % verdampft, erhält man getrocknetes Molkeneiweiß (Normtyp mind. 70 % Rohprotein). Diese Produkte sind ziemlich teuer und werden vorwiegend in Milchaustauschern verwendet. Je nachdem, welche Art Käse bereitet wird, fällt süße oder saure Molke an. Die süße Molke entsteht bei der Labkäsebereitung (Emmentaler und andere Hartkäse, Tilsiter und andere Schnittkäse, Camembert und andere Weichkäse). Bei dieser Käsereimethode bringt man mit Hilfe von Lab die Milch zum Gerinnen. Bei der Sauermilchkäserei lässt man die Milch durch die in ihr enthaltenen Milchsäurebakterien sauer werden und produziert Quark bzw. aus diesem Harzer und ähnliche Käsearten. Fischmehl | Futtermittelrechtlich wird Fischmehl definiert als durch Verarbeitung gewonnenes tierisches Eiweiß von Meerestieren, ausgenommen Meeressäugetiere. Fischmehl kann relativ große Qualitätsunterschiede aufweisen. Dies hat u. a. folgende Gründe: | Verarbeitung ganzer Fische oder von Abfällen der Fischkonservenindustrie, | Unterschiede in der Zusammensetzung der Fänge (fette oder magere, grätenarme oder grätenreiche Fische; in Küstennähe auch Beifang aus Muscheln, Seesternen, Krebsen usw.), | Verarbeitung auf Fabrikschiffen oder an Land,
255
6
6
Die Futtermittel
Zugabe von Natriumchlorid (zur Bremsung des Verderbs) oder nicht, | Unterschiede im Verarbeitungsverfahren (Lufttrocknung, Dampftrocknung, Heißlufttrocknung), | besondere Gewinnung des Fischöls oder Belassen desselben in den Tieren. |
Fischmehle zeichnen sich durch eine sehr gute Eiweißqualität (verfügbares Lysin sowie Methionin + Cystein) und hohe Eiweißverdaulichkeit aus. In der Tab. 46 sind die Futterwerte zweier gängiger Fischmehlqualitäten aufgeführt. Inzwischen werden auch Fischmehle mit noch höheren Proteingehalten angeboten. Der Gesetzgeber schreibt in diesem Zusammenhang vor, dass solche Qualitäten als „proteinreich“ bezeichnet werden können, wenn das Fischmehl mehr als 75 % Rohprotein in der TM enthält. An die Verwendung von Fischmehl und Futtermitteln, die Fischmehl enthalten, an Nichtwiederkäuer sind vom Gesetzgeber erhebliche Bedingungen geknüpft. So darf Fischmehl nur im Zuge zugelassener Verarbeitungsbetriebe hergestellt werden. Futtermittel, die Fischmehl enthalten, dürfen nur in Betrieben hergestellt werden, die keine Futtermittel für Wiederkäuer erzeugen. Die Betriebe müssen von der zuständigen Behörde zugelassen sein. Die in den Handel gebrachten Futtermittel, die Fischmehl enthalten, müssen deutlich sichtbare folgende Kennzeichnung haben: „Enthält Fischmehl – Darf nicht an Wiederkäuer verfüttert werden“. Selbstmischende Landwirte, die Futtermischungen aus Futtermitteln, die Fischmehl enthalten, herstellen, sind von der Zulassungspflicht ausgenommen, wenn sie bei der zuständigen Behörde registriert sind, ausschließlich Nichtwiederkäuer halten, die Futtermischungen nur im eigenen Betrieb einsetzen und für die Mischungsherstellung
nur Futtermittel mit weniger als 50 % Rohprotein verwenden.
6.8 Mischfuttermittel 6.8.1
Bedeutung des Mischfutters
Es gibt kein Futtermittel, das bei alleiniger Verfütterung allen Ansprüchen unserer Hochleistungstiere entspricht; noch nicht einmal die Weide. Deshalb werden mehrere Futtermittel in der täglichen Fütterung so kombiniert, dass sie sich gegenseitig ergänzen und vereint dem Ziel einer preiswürdigen und leistungsgerechten Gesamtration möglichst nahe kommen. Hierbei spielen Zukauffuttermittel eine immer größere Rolle. Rund 5 Milliarden e gibt die deutsche Landwirtschaft für diesen größten Ausgabeposten unter den Betriebsaufwendungen aus. 85 % davon sind Mischfutter, der Rest Einzelfuttermittel. Im Kalenderjahr 2002 wurden in Deutschland 19,7 Millionen Tonnen Mischfutter hergestellt. Über den mengenmäßigen Anteil der einzelnen Tierarten an der Gesamtherstellung informiert die Abb. 90. Der Verbrauch an Milchleistungsfutter je Kuh ist regional sehr unterschiedlich. Insbesondere im süddeutschen Raum werden in erheblichem Umfang auch Einzelfuttermittel für Milchvieh eingesetzt. Auch der Verbrauch an Schweinemischfutter ist regional unterschiedlich hoch. Eine wesentliche Ursache liegt in der örtlich unterschiedlichen Versorgungslage bei Getreide. Bei Geflügel sind die regionalen Unterschiede am geringsten. Auch ist bei dieser Tierart der Mischfutteranteil im Verhältnis zum Gesamtfutterbedarf am größten. Gründe, die für den Einsatz von Mischfuttermittel im landwirtschaftlichen Betrieb sprechen, sind u. a.:
Tab. 46 Futterwert von Fischmehl für Schweine Futtermittel
1000 g Futtermittel enthalten Lysin Meth.+ Threo- TryptoCyst. nin phan g g g g
MES
Ca
P
g
RohRohprotein fett g g
MJ
g
g
Fischmehl Typ 64
900
640
55
49,0
24,2
27,9
7,1
14,11 55,0
30,0
Fischmehl Typ 60
900
600
70
44,0
20,8
24,4
6,6
13,49 47,0
26,6
TM
256
6.8 Mischfuttermittel Bessere Mischgenauigkeit der großen Anlagen gegenüber den hofeigenen und dadurch weniger Dosierungsfehler. | Förderung durch den Gesetzgeber, z. B. durch die Bestimmung, dass Zusatzstoffe, Vormischungen und Halbfabrikate nur an „anerkannte Hersteller von Mischfuttermitteln“ abgegeben werden dürfen. (Landwirte, die diese Anerkennung erwerben wollen, müssen Auflagen erfüllen, die mit Kosten verbunden sind.) | Das Angebot von Ergänzungsfuttermitteln (Eiweißkonzentrate, Mineralfutter u. a.), die mit Eiweiß, Aminosäuren, Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen und Wirkstoffen angereichert sind, um dem Landwirt die Zumischung des eigenen Getreides zu vereinfachen. |
Rinder inkl. Kälber
34,4 %
Sonstige
3,0 %
Geflügel
25,4 %
Schweine
37,2 %
Quelle: Mischfutter-Tabellarium 2004
Abb. 90 Herstellung von Mischfutter in Deutschland nach Tierarten
!!! | |
| |
|
|
Eine den Wettbewerb fördernde Betriebsstruktur der Mischfutterindustrie. Der vom Wettbewerb auf die Mischfutterindustrie ausgeübt Zwang, sich ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Tierernährung anzueignen und in der Form verbesserter Produkte an die landwirtschaftliche Praxis weiterzugeben. Die von verschiedenen Institutionen ausgeübte Qualitätskontrolle. Die Spezialkenntnisse und Erfahrungen vieler Mischfutterhersteller beim Rohstoffeinkauf (Herkünfte und Qualitäten, Markt- und Erntebedingungen, Labors, Terminhandel) und beim Fütterungseinsatz (über angeschlossene Versuchsställe oder -betriebe). Durch die Größe der Anlagen und durch die Automation mehr Möglichkeiten, bedarfsund kostenoptimierte Mischungen aus geeigneten Komponenten herzustellen. Das dem wissenschaftlichen Fortschritt entsprechende, aber auch gehäufte Käuferwünsche berücksichtigende breite Sortiment von Mischfutter für alle Tierarten sowie für die verschiedenen Produktionsverfahren und Altersgruppen bei diesen Tierarten.
Durch den starken Rückgang der Getreidepreise wird dieses vermehrt in der Fütterung eingesetzt. In den letzten Jahren sind jeweils 62–63 % des verbrauchten Getreides verfüttert worden (knapp 24 Mio. Tonnen), davon rund 34 % über Mischfutter, 65 % über hofeigenen Getreideeinsatz und lediglich 1 % über Direktzukauf. Der Einsatz von Getreide als Einzelkomponente im landwirtschaftlichen Betrieb wird auch durch die technischen Möglichkeiten gefördert (Zuteilmöglichkeiten von zwei oder mehr Komponenten bei Transponderanlagen, Einsatz von Futtermischwagen -TMR-). Der Getreideanteil im Mischfutter ist in den letzten zehn Jahren von 24,4 auf 42,9 % angestiegen.
6.8.2 Futtermittelrecht Die Anfänge des Futtermittelrechts gehen auf die 20er Jahre zurück, als eine erste Welle spezialisierter Mischfutterbetriebe gegründet wurde. Damals sollten die (landwirtschaftlichen) Käufer vor Fälschungen und Täuschungen geschützt werden. Diesem Zweck dient das Futtermittelgesetz in der Fassung vom 4. September 2000 auch noch. Außerdem strebt es die Förderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Nutztiere an und will für eine an den Anforderungen des Lebensmittelrechts orientierte Produktion qualita-
257
6
6
Die Futtermittel
tiv hochwertiger tierischer Nahrungsmittel sorgen. Schließlich mussten bzw. müssen im Zuge der erforderlichen Harmonisierung der futtermittelrechtlichen Vorschriften die von der EU erlassenen Richtlinien in das nationale Futtermittelrecht übernommen werden (z. B. Zusatzstoffrichtlinie, Richtlinie über unerwünschte Stoffe sowie über Einzel- und Mischfuttermittel). Dieser umfassenden Zielsetzung entsprechend, regelt das Futtermittelgesetz über die Futtermittelverordnung (FMV) in der Fassung vom 23. November 2000 nicht nur den Handelsverkehr mit Mischfutter, sondern auch seine Herstellung, ferner die Einzelfuttermittel, die Zulassung und Verwendung von Zusatzstoffen, die Toleranzgrenzen für unerwünschte Stoffe, das Verbot unerwünschter Rohstoffe usw. Die Einhaltung des Gesetzes wird nicht nur bei Industrie und Handel, sondern auch beim Landwirt überwacht. Er ist voll in die Verantwortung für die Qualität der tierischen Produkte einbezogen. Straf- und Bußgeldvorschriften warnen vor Verstößen. Die nationalen Vorschriften werden allerdings mehr und mehr durch EU-weite Verordnungen abgelöst. Die z.Zt. bedeutendste ist die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002. Hiermit werden allgemeine Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit festgelegt. Auf den ersten Blick mag der Eindruck entstehen, dass hiervon Futtermittel nicht betroffen sind. Ein genaueres Studium dieser Verordnung verdeutlicht jedoch, dass der Futtermittelbereich hier voll integriert ist. Die grundlegende Neuausrichtung der EU-Politik im Bereich Lebensmittelsicherheit versteht die Futtermittel als Teil der Lebensmittelkette. Daraus resultiert auch die Konsequenz, auf nationaler Ebene Lebensmittel und Futtermittel in einem gemeinsamen Gesetzeswerk („Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch“) zusammenzuführen. Für den Tierhalter bringt die genannte Verordnung schon jetzt erhebliche Verpflichtungen, da diese z. B. auch die Erzeuger, die Futtermittel zur Verfütterung in ihrem Betrieb erzeugen, verarbeiten oder lagern zu den „Futtermittelunter-
258
nehmen“ zählt. Somit ist jeder Tierhalter auch „Futtermittelunternehmer“. Diese sind dafür verantwortlich, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in den ihrer Kontrolle unterstehenden Futtermittelunternehmen erfüllt werden. Eine weitere Verpflichtung erwächst dem Tierhalter durch die Verordnung, nämlich die „Rückverfolgbarkeit“. Darunter wird die Möglichkeit verstanden, ein Lebensmittel oder Futtermittel, ein der Lebensmittelgewinnung dienendes Tier oder ein Stoff, der dazu bestimmt ist oder von dem erwartet werden kann, dass er in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wird, durch alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen zu verfolgen. Einzelfuttermittel | Die Futtermittelverordnung unterscheidet zulassungsbedürftige und nicht zulassungsbedürftige Einzelfuttermittel. Folgende Einzelfuttermittel unterliegen der Zulassungspflicht durch den Gesetzgeber: 1. Proteinerzeugnisse aus Mikroorganismen 2. Aminosäuren und ihre Salze sowie analoge Erzeugnisse 2.1 Aminosäure und ihre Salze 2.2 Hydroxyanaloge von Methionin und ihre Salze 3. Nichtproteinhaltige Stickstoffverbindungen (NPN-Verbindungen) 3.1 Harnstoff und seine Derivate sowie Ammoniumsalz 3.2 Andere NPN-Verbindungen. Die nicht zulassungsbedürftigen Einzelfuttermittel sind nach folgenden Merkmalen aufgeführt und bezeichnet: | Herkunft des Erzeugnisses/Nebenerzeugnisses, z. B. pflanzlich, tierisch, mineralisch; | verwendeter Teil des Erzeugnisses/Nebenerzeugnisses, z. B. ganzes Erzeugnis, Samen, Knollen, Knochen; | Verfahren, dem das Erzeugnis/Nebenerzeugnis unterzogen wurde, z. B. Enthülsen, Extraktion, Erhitzung, und/oder das entstehende Erzeugnis/Nebenerzeugnis, z. B. Flocken, Kleie, Trester, Fett; | Reifegrad des Erzeugnisses/Nebenerzeugnisses, und/oder die Qualität des Erzeugnisses/ Nebenerzeugnisses, z. B. „glucosinolatarm“, „fettreich“, „zuckerarm“.
6.8 Mischfuttermittel Die Liste ist in zwölf Kapitel untergliedert: 1. Getreidekörner, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 2. Ölsaaten, Ölfrüchte, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 3. Körnerleguminosen, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 4. Knollen, Wurzeln, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 5. andere Samen und Früchte, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 6. Grünfutter und Rauhfutter 7. andere Pflanzen, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 8. Milcherzeugnisse 9. Erzeugnisse von Landtieren 10. Fische, andere Meerestiere, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse 11. Mineralstoffe 12. Verschiedenes. In den einzelnen Kapiteln sind die Futtermittel nach folgenden Kriterien aufgeführt: Bezeichnung, Beschreibung und anzugebende Inhaltsstoffe. Qualitätsanforderungen mit Mindest- oder Höchstgehalten bei einzelnen Inhaltsstoffen – wie früher beim Normtyp – sind nicht mehr vorgesehen. Im Zuge der BSE-Krise geriet der Futtermittelbereich stark in die Kritik. Diese betraf insbesondere die nicht zulassungsbedürftigen Einzelfuttermittel. Hierzu ist anzumerken, dass das deutsche Futtermittelrecht bis zum Jahr 1997 eine generelle Zulassungspflicht für alle Einzelfuttermittel beinhaltete. Im Rahmen der Harmonisierung des Futtermittelrechts auf EU-Ebene wurde sie abgeschafft. Diese Situation wurde nun als Mangel angesehen, und es gab Bestrebungen, alle Einzelfuttermittel, die in der Fütterung eingesetzt werden dürfen, zu listen. Als Initiative der betroffenen Wirtschaft wurde dies durch die Normenkommission für Einzelfuttermittel beim Zentralverband der Deutschen Landwirtschaft in Angriff genommen. Die erste Ausgabe einer Positivliste für Einzelfuttermittel erschien 2002. Diese hat zwar keinen rechtlichen Charakter. Sie wird jedoch von der betroffenen Mischfutterindustrie als verbindlich anerkannt und auch die wichtigsten Qualitätssicherungsprogramme in der Tierproduktion haben hinsichtlich der er-
laubten Futtermittel die Positivliste zur Grundlage. Als Leitlinie für die Aufnahme eines Futtermittels in die Liste dienen insbesondere folgende vier Kriterien: 1. Es muss ein erkennbarerer Futterwert nachgewiesen sein, der sich nicht nur auf den Energie- und Nährstoffgehalt beziehen darf. 2. Die Unbedenklichkeit für die Gesundheit von Mensch und Tier muss gewährleistet sein. 3. Das Futtermittel muss eine erkennbare Bedeutung am Markt haben. 4. Die Verwendung muss rechtlich zulässig sein. Die Gliederung entspricht den in der Futtermittelverordnung festgelegten Kapiteln, die bereits genannt wurden. Zusätzlich wurde noch als 13. Kapitel die Gruppe Lebensmittel, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse aufgenommen. Die Aufnahme eines Futtermittels in die Positivliste ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, die von den Herstellern bzw. Vertreibern erfüllt werden müssen. Einmal ist eine eindeutige Bezeichnung der Herkunft und Beschreibung der Eigenschaften des Futtermittels vorzulegen. Hierfür müssen Verfahrenswege eindeutig beschrieben werden, wobei auch alle verwendeten Hilfsstoffe wie auch die Verarbeitungswege und mögliche Risiken offen gelegt werden müssen. Wenn Futtermittel gleicher oder ähnlicher Herkunft mit unterschiedlichen Bezeichnungen gehandelt werden, müssen klare, analytisch nachvollziehbare Differenzierungsmerkmale festgelegt sein. In welcher Form diese in der Positivliste aufgeführt sind, wird in der Tab. 47 am Beispiel der Nebenerzeugnisse der Weizenverarbeitung Weizennachmehl, Weizenfuttermehl, Weizengrießkleie und Weizenkleie gezeigt. Unterscheidungsmerkmal ist hier eindeutig der Stärkegehalt, der in der genannten Reihenfolge der Produkte abnimmt. Die sich daraus ableitenden Anforderungen gelten als absolut einzuhaltende Kriterien, die für die Zulässigkeit des jeweiligen Futtermittels verbindlich sind. Die zur Kennzeichnung des Futterwertes erforderlichen anzugebenden Inhaltsstoffe sind futtermittelspezifisch aufgeführt. Zur Risikoabschätzung sind gegebenenfalls Angaben zum Herstellungsprozess erforderlich. In der aktuellen Positivliste ist dies in den letzten beiden Spalten aufgeführt. Hiernach sind drei
259
6
6
Die Futtermittel
Tab. 47 Beispiel aus der Positivliste für Einzelfuttermittel Nummer
Benennung Beschreibung
Differenzierungsmerkmale (in v.H.)
1.09.03
Weizennachmehl
Nebenerzeugnis, das bei der Herstellung von Mehl aus gereinigtem Weizen anfällt und im Wesentlichen aus Teilen des Mehlkörpers, Schalenteilen und wenigen sonstigen Kornbestandteilen besteht
Stärke mind. 44
Stärke Rohfaser
1.09.04
Weizenfuttermehl
Nebenerzeugnis, das bei der Herstellung von Mehl aus gereinigtem Weizen anfällt und das überwiegend aus Teilen des Mehlkörpers und im Übrigen aus Schalenanteilen und wenigen sonstigen Kornbestandteilen besteht
Stärke mind. 34
Stärke Rohfaser
1.09.05
Weizengrießkleie
Nebenerzeugnis, das bei der Herstellung von Mehl oder Flocken aus gereinigtem Weizen anfällt und das überwiegend aus Teilen der Schale und im Übrigen aus Kornbestandteilen, die vom Mehlkörper nicht so weitgehend befreit sind wie bei der Weizenkleie, besteht
Stärke mind. 17
Rohprotein Rohfaser
1.09.06
Weizenkleie Nebenerzeugnis, das bei der Herstellung von Mehl aus gereinigtem Weizen anfällt und das überwiegend aus Teilen der Schale und im Übrigen aus sonstigen Kornbestandteilen besteht, die vom Mehlkörper weitgehend befreit sind
Gruppen von Futtermitteln zu unterscheiden: „Zusätzliche Angaben zum Herstellungsprozess derzeit nicht erforderlich“, „Zusatzinformationen erforderlich“ und „Datenblatt erforderlich“. Das Datenblatt soll die Produktbezeichnung, Informationen zum Herstellungsprozess, Angaben zur
260
AnforAngaben zur derungen Kennzeich(in v.H.) nung (anzugebende Inhaltsstoffe)
Rohprotein Rohfaser
Verwendung von Hilfs- und Zuschlagsstoffen, Informationen zur Zusammensetzung, Angaben zur Haltbarkeit und Lagerung, Sicherheitshinweise sowie Hinweise auf kritische Inhaltsstoffe enthalten. Diese Angaben müssen Bestandteil einer regelmäßigen Qualitätsüberwachung sein
6.8 Mischfuttermittel und sind somit für den Futtermittelverwender Garant für die Sicherheit dieses Futtermittels. Damit wird deutlich, dass die Hersteller und Vertreiber von Einzelfuttermitteln eine hohe Verantwortung auch für die Sicherheit von Mischfutter haben.
!!! Gilt die Positivliste nur für Handelsfuttermittel? Beim genauen Studium der Einzelfuttermittelgruppen wird klar, dass auch die so genannten wirtschaftseigenen Futtermittel Bestandteil der Positivliste sind. Einmal sind dies Getreidekörner und Samen von Leguminosen oder anderen Früchten (z. B. Raps), zum anderen jedoch auch Grobfuttermittel, Grünfutter sowie Wurzeln und Knollen. Hierfür gelten im Prinzip dieselben Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen wie für Handelsfuttermittel. Problembereiche sind hier in erster Linie im Bereich der Konservierung zu sehen. Nicht ordnungsgemäß konservierte Futtermittel können z. B. mit Pilztoxinen kontaminiert und somit für die Verfütterung ungeeignet sein. Dies trifft nicht nur für Körner und Samen, sondern auch für Silagen und Heu zu.
Mischfutter | Für Mischfuttermittel gibt die Futtermittelverordnung eine detaillierte Typenliste vor. Aus der Bezeichnung der Mischfuttermittel wird erkennbar, für welche Tierart bzw. Tierkategorie (z. B. Aufzuchtkalb, Mastkalb, Milchkuh, Mastrinder) es eingesetzt wird und ob es sich um ein Alleinfutter, ein Ergänzungsfutter oder ein Mineralfutter handelt. Alleinfuttermittel, vorzugsweise für Schweine und Geflügel angeboten, sollen sämtliche Nahrungsbedürfnisse der betreffenden Altersgruppe bzw. der Tiere eines bestimmten Produktionsverfahrens decken. Ergänzungsfuttermittel sind hauptsächlich für Wiederkäuer und Pferde bestimmt, haben aber auch in der Schweinefütterung einen wichtigen Platz. Sie sollen Defizite des hofeigenen Grobfutters und/oder Getreides bei wichtigen Inhaltsstoffen ausgleichen. Mineralfuttermittel dienen der Mineralstoff-, Spurenelement-, Vitamin- und evtl. der Aminosäureergänzung von Futterrationen. Es können auch andere Zusatzstoffe zugesetzt werden, wie
z. B. Leistungsförderer, Probiotika, Säuren und Enzyme, differenziert nach Tierart und Produktionsrichtung (z. B. Ferkelaufzucht, Schweinemast, Bullenmast). In der Mischfutterliste sind bei den einzelnen Typen auch die Anforderungen an den Normtyp in Form von Mindest- und Höchstgehalten aufgeführt. Hierfür ist in der Tab. 48 als Beispiel das Ergänzungsfutter I für Mastschweine aufgeführt. Die in Spalte 3 als Mindestgehalte aufgeführten Inhalts- und Zusatzstoffe müssen verbindlich eingehalten werden, wenn ein Hersteller ein Mischfutter als Normtyp kennzeichnet. Tut er dies nicht, muss er die in der Verordnung jeweils vorgeschriebenen Inhaltsstoffe deklarieren (Spalte 4). Normtypfutter haben sich allerdings in der Praxis nicht durchgesetzt. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte weniger in den Inhaltsstoff-Anforderungen als vielmehr in der Latitüden-Regelung der Futtermittelverordnung liegen.
6
? Hierzu ein Beispiel: Ein Ergänzungsfutter I für Mastschweine mit 24 % deklariertem Rohproteingehalt wird futtermittelrechtlich nicht beanstandet, wenn der analysierte Rohproteingehalt in einer Spanne von 22–28 % liegt. Die zulässige Abweichung (Gesamttoleranz) vom deklarierten Wert darf nämlich bei Rohproteingehalten über 20 % zur unterschreitenden Seite hin 2 % absolut und zur überschreitenden Seite hin 4 % betragen. Wird dieses Futter jedoch als Normtyp in den Verkehr gebracht, so würde der deklarierte Rohproteingehalt von 24 % gerade dem geforderten Mindestgehalt entsprechen. In diesem Fall kann bei einer Abweichung vom Deklarationswert lediglich der Analysenspielraum berücksichtigt werden. Dieser beträgt in diesem Rohproteinbereich ±2,5 % relativ. Beim Normtyp dürfte der analysierte Wert daher 23,4 % nicht unterschreiten.
Da die Normtypen von den Mischfutterherstellern nicht genutzt werden, hat die Normenkommission für Mischfutter auch die einzelnen Qualitätskriterien nicht mehr aktualisiert. Die Konsequenz daraus ist, dass die Normtypen wohl noch eine ordnungspolitische Funktion haben, die in
261
6
Die Futtermittel
Tab. 48 Beispiel aus der Typenliste für Mischfuttermittel Nr.
Bezeichnung
Normtyp a) Inhaltsstoffe in % b) Zusatzstoffe je kg c) umsetzbare Energie je kg
anzugebende Inhaltsstoffe
Hinweise für die sachgerechte Verwendung
1
2
3
4
5
2.11
Ergänzungsfuttermittel 1 für Mastschweine
a)
Lysin Rohprotein Rohfett Rohfaser Stärke* Gesamtzucker* Calcium Phosphor Natrium
Bis 50 % der Tagesration verfüttern
Lysin
mind.
1,45
Lysin im Rohprotein Rohprotein Rohfett Rohfaser Calcium Phosphor Natrium
mind.
6
max. max. mind. mind. mind.
24 bis 27 12 7 2,1 0,75 0,35
mind. mind. mind. mind.
40 mg 200 mg 8 000 I.E. 1 000 I.E.
b) Kupfer Zink Vitamin A Vitamin D
* entbehrlich bei Angabe der umsetzbaren Energie (ME)
der Futtermittelverordnung bei den einzelnen Mischfuttern aufgeführten Inhalts- und Zusatzstoffe jedoch oftmals nicht mehr dem neuesten Stand entsprechen. Kennzeichnung von Mischfuttermitteln | In diesem Zusammenhang sind die Hinweise für die sachgerechte Verwendung der verschiedenen Mischfuttertypen besonders wichtig. Diese geben an, in welchem Verhältnis z. B. ein Ergänzungsfutter mit Getreide verschnitten werden soll oder mit wie viel Prozent der Tagesration es höchstens verfüttert werden darf usw. Bei vielen Ergänzungsfuttermitteln orientiert sich die Einsatzmenge an den Zusatzstoffdosierungen, die in Ergänzungsfuttermitteln höher als in Alleinfuttermitteln sein dürfen, in der Gesamtration jedoch den zugelassenen Höchstwert für Alleinfuttermittel auf keinen Fall überschreiten dürfen. Für den richtigen Einsatz von Ergänzungsfuttermitteln ist also der Tierhalter selbst verantwortlich! Zur Kennzeichnung von Mischfutter gehört seit dem 1. 7. 2004 auch die Angabe der enthaltenen Einzelfuttermittel in % und zwar in absteigender Reihenfolge ihrer Gewichtsanteile. Abweichun-
262
gen von bis zu 15 % vom angegebenen Gehalt des jeweiligen Einzelfuttermittels sind unter bestimmten Bedingungen möglich. Die genaue prozentuale Zusammensetzung des vom Tierhalter gekauften Mischfuttermittels kann er bei seinem Lieferanten anfordern. Diese so genannte „offene Deklaration“ war besonders im Zuge der BSEKrise von Kritikern gefordert worden. Die Angaben der Einzelfuttermittel bzw. der entsprechenden Futtermittelgruppen war allerdings schon immer vorgeschrieben, zwar nicht mit den jeweiligen %-Angaben, jedoch in der Reihenfolge ihrer Gewichtsanteile. Kennzeichnung gentechnisch veränderter Futtermittel | Futtermittel , die aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) bestehen oder solche enthalten unterlagen bisher dem Zulassungsverfahren gemäß der Richtlinie 90/220/ EWG des Rates vom 23. 4. 1990 und der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.3.2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt. Für Futtermittel, die aus GVO hergestellt sind, bestand bisher kein Zulassungsverfahren. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003
6.8 Mischfuttermittel des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel wird nunmehr für Futtermittel, die aus GVO bestehen, diese enthalten oder daraus hergestellt werden, ein einheitliches gemeinschaftliches Zulassungsverfahren festgelegt, das folgende Anforderungen stellt. Danach dürfen solche Futtermittel | keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt haben, | die Anwender nicht irreführen, | den Verbraucher nicht dadurch schädigen oder irreführen, dass die spezifischen Merkmale der tierischen Erzeugnisse beeinträchtigt werden, | sich von den Futtermitteln, die sie ersetzen sollen, nicht so stark unterscheiden, dass ihr normaler Verzehr Ernährungsmängel für Mensch oder Tier mit sich brächte. Futtermittel, die aus einem oder mehreren zuvor bereits zugelassenen GVOs bestehen oder aus solchen GVOs hergestellte Bestandteile enthält, müssen nicht nochmals getrennt zugelassen werden. Derzeit sind in Europa acht gentechnisch veränderte Pflanzenlinien als Futtermittel zugelassen. Es handelt sich dabei um eine Sojabohnensorte (Roundup-Ready), vier Mais- und drei Rapslinien, die verschiedene Herbizid- und Insektizidresistenzen aufweisen. Die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel ist in der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 vom 22.09.2003 geregelt. Danach müssen ab April 2004 Lebensmittel und Futtermittel einschließlich aller Zusatzstoffe, die aus gentechnisch veränderten Bestandteilen bestehen, entsprechend gekennzeichnet werden. Dies gilt auch für solche Futterbestandteile, die keinen Nachweis von GVO bzw. der Herstellung aus GVO mehr zulassen (z. B. Sojaöl). Die Kennzeichnung erfolgt durch einen Vermerk „Dieses Produkt enthält (Bezeichnung des Organismus/Organismen), genetisch verändert“ Da z. B. in den Haupterzeugerländern für Sojabohnen schon ein großer Teil der Anbauflächen mit gentechnisch verändertem Saatgut bestellt werden ( für 2004 wird die Fläche in den USA auf 85 %, in Kanada auf 70 %, in Argentinien auf 100 %
und in Brasilien auf 40 % geschätzt), werden die meisten Mischfuttermittel eine derartige Kennzeichnung haben. Bei Mais wird die Fläche auf 45 % in den USA, 30 % in Kanada und 40 % in Argentinien, bei Raps auf 70 % in den USA und 65 % in Kanada geschätzt. Zudem werden heutzutage auch Vitamine, Enzyme und andere Zusatzstoffe zunehmend mittels gentechnisch veränderter Organismen hergestellt, was ebenfalls eine entsprechende Kennzeichnung des Mischfutters erforderlich macht. Die Kennzeichnungsvorschriften gelten nicht für Spuren von GVO, die zufällig oder technisch unvermeidbar in ansonsten gentechnisch unveränderte Produkte gelangt sind. Für diese Ausnahme gelten die Grenzwerte von 0,9 % für zugelassene und 0,5 % für nicht zugelassene, aber wissenschaftlich positiv beurteilte GVO. Übrigens müssen tierische Lebensmittel, die von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, derzeit nicht gekennzeichnet werden. Regelungen für Zusatzstoffe | Wie der Name sagt, werden diese Stoffe den Futtermischungen in definierter Form und Menge zugesetzt. Vor dem Einsatz ist ein aufwendiges Zulassungsverfahren zu durchlaufen, dessen Bedingungen im Einzelnen durch die Verordnung (EG) Nr. 1831/ 2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung EU-einheitlich festgelegt sind. Im Futtermittelrecht hat der Gesetzgeber die Zielsetzungen des Einsatzes von Zusatzstoffen formuliert: „Der Futtermittelzusatzstoff darf | sich nicht schädlich auf die Gesundheit von Tier und Mensch oder auf die Umwelt auswirken; | nicht in einer Weise dargeboten werden, die den Anwender irreführen kann; | keinen Nachteil für den Verbrauch durch die Beeinträchtigung der Beschaffenheit der tierischen Erzeugnisse mit sich bringen und darf ihn bezüglich der Beschaffenheit der tierischen Erzeugnisse nicht irreführen. Der Futtermittelzusatzstoff muss mindestens eines der nachstehenden Merkmale aufweisen:
263
6
6 | | | | |
|
Die Futtermittel die Beschaffenheit des Futtermittels positiv beeinflussen; die Beschaffenheit der tierischen Erzeugnisse positiv beeinflussen; den Ernährungsbedarf der Tiere decken; die ökologischen Folgen der Tierporduktion positiv beeinflussen; die Leistung oder das Wohlbefinden der Tiere, insbesondere durch Einwirkung auf die Magen- und Darmflora oder die Verdaulichkeit der Futtermittel positiv beeinflussen oder eine kokzidiostatische oder histomonostatische Wirkung haben.“
Im Einzelnen sind in der Futtermittelverordnung alle zugelassenen Zusatzstoffe aufgeführt und zwar nach folgenden 15 Gruppen geordnet: 1. Leistungsförderer 2. Antioxidanzien 3. aroma- und appetitanregende Stoffe 4. Bindemittel, Fließhilfsstoffe und Gerinnungshilfsstoffe 5. Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungsund Geliermittel 6. färbende Stoffe einschließlich Pigmente 7. Zusatzstoffe zur Verhütung von Histomoniasis und Kokzidiose 8. Konservierungsstoffe 9. Säureregulatoren 10. Spurenelemente 11. Vitamine, Provitamine und ähnlich wirkende Stoffe, die chemisch eindeutig beschrieben sind 12. wasserbindende Stoffe 13. Enzyme 14. Mikroorganismen 15. Radionuklid-Bindemittel. Zugelassene Zusatzstoffe sollen sich positiv auf die Leistung der Tiere auswirken bzw. die Beschaffenheit der Futtermittel verbessern. Besonders wichtig ist auch der Nachweis, dass der Einsatz nicht zu unerwünschten Rückständen in den Nahrungsmitteln führt. Die Anwendung von Zusatzstoffen darf sich nicht schädlich auf die Gesundheit von Mensch und Tier auswirken. Hierzu sind umfangreiche pharmakologische und toxikologische Untersuchungen durchzuführen.
264
Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die Forderung, dass Zusatzstoffe nicht zur Verhütung oder Heilung von Tierkrankheiten eingesetzt werden dürfen. Hierzu gibt es allerdings zwei Ausnahmen, nämlich Zusatzstoffe zum Vorbeugen gegen die Kokzidiose bei Geflügel und die Schwarzkopfkrankheit (Histomoniasis) bei Puten. Die Prüfung auf Umweltverträglichkeit bezieht sich auf das Verhalten der Zusatzstoffe bzw. deren Abbauprodukte in Boden, Wasser und Pflanzen. Die Zulassung bestimmter Zusatzstoffe ist mit einer Reihe von Vorschriften verbunden, die ebenfalls aus der Futtermittelverordnung hervorgehen. Sie beziehen sich auf den Verwendungszweck, das heißt bei welcher Tierart oder Tierkategorie (z. B. bei Ferkel, Schwein) und bis zu welchem Höchstalter die Verfütterung erlaubt ist. Außerdem sind Angaben zu Mindest- und Höchstgehalten vorgeschrieben, um einerseits Wirksamkeit und andererseits Rückstandsfreiheit zu gewährleisten. Bei einigen wenigen Zusatzstoffen sind auch Wartezeiten festgelegt. Hierbei handelt es sich um die Zeitspanne zwischen letzter Verfütterung und Schlachtung der Tiere oder andere Gewinnung von tierischen Lebensmitteln. Für die meisten Zusatzstoffe sind Abgabebeschränkungen vorgeschrieben, das heißt diese dürfen nur an Vormischbetriebe abgegeben werden, die dann entsprechende Vormischungen für anerkannte Hersteller von Mischfuttermittel bereitstellen. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass für Mischfutter mit Zusatzstoffen bestimmte Kennzeichnungsvorschriften, wie z. B. Höchstalter der Tiere oder Wartezeiten vorgeschrieben sind. Für die Einhaltung dieser Vorschriften ist der Tierhalter verantwortlich. Ergänzungsfuttermittel (z. B. Eiweißkonzentrat, Mineralfutter) dürfen einen höheren Gehalt an Zusatzstoffen haben als für Alleinfutter festgesetzt ist. Somit ist sichergestellt, dass in der Tagesration (z. B. Ergänzungsfutter plus Getreide, CCM u. a.) auch die optimale Dosierung der einzelnen Zusatzstoffe erreicht werden kann. Andererseits muss in der Gesamtration die jeweils zulässige Dosierung eingehalten werden. Der Mischfutterhersteller muss deshalb klare Anweisungen hinsichtlich der sachgerechten Verwendung des Ergänzungsfutters auf
6.8 Mischfuttermittel dem Sackanhänger bzw. den Begleitpapieren formulieren. Wird bei einem Mineralfutter z. B. vorgeschrieben, dass dieses nur bis maximal 2 % in der Gesamtration eingesetzt darf, trägt der Tierhalter für die Umsetzung die alleinige Verantwortung. Regelung für unerwünschte Stoffe | Hierbei handelt es sich um Stoffe, die in Futtermitteln enthalten sein können und sich in bestimmten Konzentrationen schädlich auf die Tiergesundheit bzw. hinsichtlich Rückstandsbelastung der vom Tier gewonnenen Lebensmittel auswirken. Sie kommen häufig in der Umwelt vor (man spricht von „ubiquitär“) oder werden über den Boden aufgenommen ( man spricht von „geogen“) . Man kann also nicht in jedem Fall verhindern, dass unerwünschte Stoffe in Futtermitteln enthalten sind. Um jedoch negative Einflüsse auszuschließen, hat der Gesetzgeber für die einzelnen Stoffe Höchstgehalte festgelegt. Diese sind für Einzelfuttermittel und Futtermischungen vorgesehen. Bis vor kurzem konnten Einzelfuttermittel, in denen Höchstgehalte überschritten waren, durch Vermischen mit geringer belasteten Futtermitteln verschnitten und somit ein Verdünnungseffekt genutzt werden. Seit dem 10. 12. 2003 gilt die gesetzliche Regelung des Verschneidungsverbots, das heißt Einzelfuttermittel, die Höchstwerte an unerwünschten Stoffen überschreiten, dürfen nicht mehr verfüttert werden. Dies gilt völlig unabhängig davon, mit wie viel Prozent dieses Futtermittel eventuell in die Futtermischung gekommen wäre. Es wird allerdings die Möglichkeit eingeräumt, das Futtermittel einer geeigneten Behandlung zur Verminderung oder Entfernung (Reinigung) oder zur Inaktivierung (Dekontamination) des unerwünschten Stoffes zu unterziehen, wenn danach der Höchstgehalt unterschritten wird. Unerwünschte Stoffe sind u. a. Aflatoxin B1, Blausäure, Senföl, Mutterkorn, einige Schwermetalle (Arsen, Blei, Cadmium, Fluor, Quecksilber) und chlorierte Kohlenwasserstoffe wie DDT, Lindan, Aldrin, Endrin, Heptachlor, Heptachlorepoxid, HCB (Hexachlorbenzol), HCH (Hexachlorcyclohexan) sowie seit 1998 auch Dioxin. Durch Änderung des Futtermittelgesetzes Ende Juni 1998 wurde diese Gruppe um die Schäd-
lingsbekämpfungsmittel erweitert. Die bisher nur für Lebensmittel geltenden Höchstgehalte sind nunmehr auch für Futtermittel verbindlich. Werden Höchstgehalte bei einzelnen Substanzen überschritten, dürfen die betroffenen Futtermittel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Die Verschärfung gilt u. a. auch für importierte Futtermittel. Verbotene Stoffe | Hierbei handelt es sich um Stoffe, von denen allgemein eine Gefährdung für Tiere oder die Lebensmittelqualität ausgeht. Diese dürfen nicht als Futtermittel in den Verkehr gebracht und nicht verfüttert werden. Beispiele sind Kot, Lederabfälle oder gebeiztes Saatgut. Dieses Fütterungsverbot bezieht sich auf alle Tierarten. Unter die verbotenen Stoffe fallen aber auch Abfälle aus Restaurationsbetrieben, die als solche bei ihrer Be- oder Verarbeitung nicht einem Verfahren unterworfen wurden, durch das Tierseuchenerreger abgetötet werden. Ausgenommen sind Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs, die aufgrund ihres Frischegrades als für den menschlichen Verzehr ungeeignet angesehen werden. Auch Verpackungen oder Verpackungsteile, die aus der Verwendung von Erzeugnissen der Agrar- und Ernährungswirtschaft stammen (z. B. aus Maisstärke) dürfen nicht verfüttert werden. Nicht in diese Rubrik fallen die tierischen Eiweißfuttermittel, deren Verfütterung im Rahmen des Verfütterungsverbotsgesetzes und der entsprechenden Verordnung verboten sind. Auch an der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Tierverkehr sind Fütterungs- und Verwertungsverbote festgelegt. So ist das Verfüttern von Speiseabfällen an Klauentiere verboten. Die zuständige Behörde kann bis zum 31. Okt. 2006 Ausnahmen für das Verfüttern an Schweine genehmigen, sofern die Speiseabfälle vor dem Verfüttern in einer in ausreichender Entfernung von einem Betrieb mit Klauentierhaltung gelegenen Erhitzungsanlage einem von der zuständigen Behörde zugelassenen Erhitzungsverfahren unterworfen worden sind, durch das Tierseuchenerreger abgetötet werden. Diätfuttermittel | Das Futtermittelgesetz sieht auch Regelungen für Diätfuttermittel vor. Diese sind definiert als „Mischfuttermittel, die dazu
265
6
6
Die Futtermittel
bestimmt sind, den besonderen Ernährungsbedarf von Tieren zu decken, bei denen insbesondere Verdauungs-, Resorptions- und Stoffwechselstörungen vorliegen oder zu erwarten sind“. Das Verzeichnis der für Diätfuttermittel festgesetzten Verwendungszwecke umfasst folgende Kriterien: Besonderer Ernährungszweck, wesentliche ernährungsphysiologische Merkmale, Tierart oder Tierkategorie, anzugebende Inhaltsstoffe, Energiegehalte, Hinweise zur Zusammensetzung (Einzelfuttermittel, Zusatzstoffe), empfohlene Fütterungsdauer, Angaben in der Gebrauchsanweisung bzw. sonstige Angaben. Von den achtunddreißig aufgeführten Verwendungszwecken entfallen neunzehn auf die Tierarten Hunde und/oder Katzen. Für Ferkel und Schweine ist z. B. ein Diätfuttermittel zur Stabilisierung der physiologischen Verdauung, für Kälber, Ferkel, Lämmer, Ziegenlämmer und Fohlen eines zur Stabilisierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes vorgesehen. Diätfuttermittel für Wiederkäuer dienen z. B. dem besonderen Ernährungszweck der Verringerung der Gefahr der Acidose, der Ketose/Acetonämie (Milchkühe und Milchschafe) sowie des Milchfiebers (Milchkühe). Futtermittelkontrolle | „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – dieser Ausspruch Lenins trifft auch für den Futtermittelmarkt zu. Zum einen muss die Einhaltung der futtermittelrechtlichen Vorschriften überwacht werden. Hierfür ist die amtliche Futtermittelkontrolle zuständig, die von entsprechenden Dienststellen der Länderbehörden beim Hersteller, Handel und Tierhalter durchgeführt wird. Die Ergebnisse dieser Kontrolle dürfen jedoch nicht veröffentlicht werden, so dass der Landwirt auch keine Information über die Zuverlässigkeit der verschiedenen Mischfutterhersteller erhält. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber nicht alle für den Tierhalter interessanten Kriterien geregelt hat und deshalb auch nicht kontrolliert. Dies trifft insbesondere für die Deklaration des Energiegehaltes bei Rinderfutter zu. Ein Interesse an zusätzlichen Qualitätskontrollen müsste demnach bestehen. Es hat deshalb auch nie an Bemühungen gefehlt, zusätzliche Kontrolleinrichtungen zu schaffen. Die älteste und heute noch funktionierende Institution ist das DLG-Gütezeichen. Im Rahmen dieser freiwilligen Kontrolle wird die Mischfutterpro-
266
duktion der Mitgliedsfirmen stichprobenartig kontrolliert, wobei auch Proben direkt beim Landwirt gezogen werden. Die Untersuchungsergebnisse werden unter Namensnennung der Firma veröffentlicht. Über diese Kontrolle der Richtigkeit der Deklaration hinaus müssen von den Mitgliedsfirmen besondere Qualitätsanforderungen bei den einzelnen Mischfuttertypen eingehalten werden (DLG-Standards). Für die so produzierten und kontrollierten Futter dürfen die Firmen das DLG-Gütezeichen führen. Im Jahr 1990 wurde der Verein Futtermitteltest (VFT) gegründet. Träger dieser Einrichtung sind der Deutsche Bauernverband, die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft, der Verband der Landwirtschaftskammern, Landesbauernverbände, Landwirtschaftskammern und einzelne Erzeugerorganisationen. Der VFT verfolgt den Zweck, die Qualität der Mischfutter objektiv zu prüfen und zu bewerten, die landwirtschaftlichen Tierhalter über die Qualität der Mischfutter zu unterrichten und den Marktwettbewerb der Anbieter verstärkt auf Qualitätserzeugung zu lenken. Hierfür werden Bewertungsschemata nach anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen unter Berücksichtigung praktischer und politischer Vorgaben erarbeitet. Die angebotenen Mischfutter werden in landwirtschaftlichen Betrieben oder in den Herstellerwerken beprobt und in anerkannten Labors untersucht. Die Befunde für die einzelnen Bewertungskriterien sowie der Qualität insgesamt werden bewertet, die ermittelten Ergebnisse mit Nennung der Firmen und Marken vergleichend veröffentlicht sowie kommentiert. Dies erfolgt regionsbezogen, um auch regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Neben den geschilderten Kontrollmaßnahmen werden – allerdings regional und umfangmäßig sehr begrenzt – Futterwertleistungsprüfungen durchgeführt. Im Rahmen solcher Prüfungen wird die Qualität von Futtermischungen direkt an der tierischen Leistung gemessen. Dies ist am leichtesten bei Legehennen möglich, schwieriger bei Mastschweinen und unmöglich bei Milchkühen. Für die Prüfung von Milchleistungsfutter wird deshalb das Schaf als Modelltier zur Bestimmung der Verdaulichkeit und des Energiewertes der Mischfuttermittel verwendet (Hammeltest). Diese Art der Prüfung heißt deshalb Futterwertprüfung.
6.9 Preiswürdigkeit der Futtermittel Preise auf den Futtermittelmärkten informieren. Dabei können zwei verschiedene Handels- und Preisebenen unterschieden werden: 1. Großhandelsabgabepreise, die beispielsweise in den Notierungen von Getreide- und Produktenbörsen zu finden sind (Hamburg, Hannover, Frankfurt, Mannheim usw.). 2. Futtermittel-Verbraucherpreise, manchmal auch als „Abgabepreise an die Landwirtschaft“ bezeichnet.
!!! Die Mischfutterliste der FMV sieht für Kälber, Milchkühe und Mastrinder insgesamt 15, für Schweine 17 und für Hühner 12 Typen vor. Für Schafe und Pferde sind es jeweils 4. Es sind auch Mischfuttertypen für Ziegen, Enten, Truthühner und Forellen aufgeführt. Bei der Besprechung der Fütterung in den einzelnen Nutztierzweigen werden jeweils die wichtigsten Mischfuttertypen und ihre aus ernährungsphysiologischer Sicht erforderlichen Gehalte an Inhaltsstoffen, Zusatzstoffen und Energie aufgeführt.
6.9 Preiswürdigkeit der Futtermittel Bei der Beurteilung der Nebenprodukte der Ernährungsindustrie wurde bei manchen behauptet, sie seien billig oder teuer. Stimmt das? Wie kann man vor dem Einkauf die Preise von Futtermitteln miteinander vergleichen? Wie kann man hinterher feststellen, ob man preisgünstig eingekauft hat? Die Preise für Futtermittel schwanken (unter dem Einfluss der Ernteergebnisse) von Jahr zu Jahr, aber, je nach dem Umfang von Angebot und Nachfrage, auch von Jahreszeit zu Jahreszeit und von Woche zu Woche, bei Einzelfuttermitteln stärker, bei Mischfuttermitteln schwächer. Von überregionalen Fachzeitschriften und von Wochenblättern werden Marktberichte veröffentlicht, die über das Geschehen und die jeweiligen
In der Regel sind also die Großhandelsabgabepreise nicht die Preise, die beim Schweinemäster oder Milcherzeuger in die Kalkulation eingehen. Denn bis die Ware auf dem Hof angekommen ist, wird sie teurer durch Transportkosten, durch Handelsspanne und durch die Mehrwertsteuer (MwSt.). Der Endpreis ist auch abhängig von der gekauften Menge, ein Grund für die große Schwankungsbreite der Verbraucherpreise. Ein Preisvergleich muss deshalb stets auf der gleichen Preisebene vorgenommen werden. Dazu kommen andere Unterschiede, die den Vergleich erschweren: unterschiedliche Qualitäten, gesackte Ware oder lose Lieferung usw. Am einfachsten lässt sich ein Preisvergleich zwischen ähnlichen Futtermitteln durchführen. Dabei konzentriert man sich auf die Preisunterschiede für den wichtigsten Wertfaktor und vernachlässigt alle anderen. Das heißt, man kalkuliert so, als ob nur der wichtigste Faktor Geld kostet und alle anderen Wertfaktoren gratis wären. Wir vergleichen beispielsweise Gerste, Triticale, Mais und Weizen (Energiegehalte s. Tab. 38):
Übersicht 33
e/dt
NEL
MER
MES
MJ/kg
MJ/kg
MJ/kg
e je
e je
10 MJ NEL 10 MJ MER
e je 10 MJ MES
Gerste
11,00
7,1
11,3
12,6
0,15
0,10
0,09
Triticale
10,00
7,3
11,6
13,6
0,14
0,09
0,07
Mais
16,50
7,4
11,7
14,1
0,22
0,14
0,11
Weizen
12,00
7,5
11,8
13,8
0,16
0,10
0,09
Der Preisvergleich bei den Rechenbeispielen erfolgt nach folgender Formel: e je kg Futter × 100 e je Energieeinheit = Energiegehalt je kg Futter
Bei diesem Preisvergleich wird die MER benutzt, wenn das Futter für Mastrinder oder Schafe bestimmt ist, die NEL für Milchviehfutter und die MES für Schweinefutter, jeweils in 10 MJ-Einhei-
267
6
6
Die Futtermittel
ten. Bei allen Energiemaßstäben ist Triticale immer am preiswürdigsten, während Mais am teuersten ist. Da bei dieser Vorgehensweise, die als einfache Divisionsmethode bezeichnet wird, lediglich ein Nährstoff berücksichtigt werden kann, ist diese für Vergleiche eines größeren Futtermittelspektrums mit stark abweichenden Nährstoffgehalten ungeeignet. Die Preiswürdigkeit wird deshalb mit EDV-Programmen berechnet, die auf der Methode Löhr basieren. Hierbei werden beim Wiederkäuer die Energie und das Rohprotein (XP) bzw. das nutzbare Rohprotein (nXP) und beim Schwein die Energie und das Lysin als wertbestimmende Inhaltsstoffe berücksichtigt. Ein Beispiel eines solchen Preiswürdigkeitsvergleichs findet sich in Tab. 49. Als Vergleichsfuttermittel wird Weizen als typisches Energiefuttermittel und Sojaschrot als typisches Eiweißfuttermittel verwendet. Für die Bewertung eines Futtermittels muss dann errechnet werden, wie viel kg Weizen und Sojaschrot gebraucht (oder eingespart) werden, um jeweils 100 kg dieses Futtermittels zu ersetzen (Austauschmethode). Für Milch- und Jungvieh erfolgt dies auf Basis der NEL- und nXP-Gehalte, für Rindermast und Schafe auf Basis der MERund XP-Gehalte und für Schweine auf Basis der
MES- und Lysin-Gehalte. Die notwendigen Austauschmengen an Gerste und Sojaschrot werden dann mit dem entsprechenden Preis bewertet und auf diese Weise der Futtervergleichswert ermittelt. In der Tab. 49 ist dieser für eine Anzahl von Futtermitteln bei verschiedenen Preisen für Weizen und Sojaschrot aufgeführt. Mit dieser Darstellung soll der Einfluss des Preises der Energiekomponente einerseits und der Proteinkomponente andererseits verdeutlicht werden. Getreide und Melasseschnitzel reagieren weniger auf Sojaschrotpreise als auf unterschiedliche Weizenpreise. Die Körnerleguminosen reagieren sowohl auf den Sojaschrot- als auf den Weizenpreis. Sie sind gleichermaßen als Protein- und Energielieferanten einzustufen. Rapsextraktionsschrot reagiert dagegen wiederum kaum auf unterschiedliche Weizenpreise. Die ermittelten Futtervergleichswerte müssen dann mit den Verbraucherpreisen der betroffenen Futtermittel verglichen werden, um deren Preiswürdigkeit zu beurteilen. Aber auch diese Austauschmethode berücksichtigt noch nicht alle möglichen Bewertungskriterien für Futtermittel. In der Tab. 49 sind einige Futtermittel besonders preisgünstig. Bei der Beschreibung dieser Futtermittel in den einzelnen Abschnitten dieses Kapitels wurde aber z. B.
Tab. 49 Preiswürdigkeit der Einzelfuttermittel nach der Austauschmethode Tierart: Kriterien:
Milch- u. Jungvieh nXP und. NEL
Rindermast u. Schafe XP und. MER
Schweine Lysin und. MES
E/dt
E/dt
E/dt
bei Preisen für Weizen
12,00
12,00
10,00
12,00
12,00
10,00
12,00
12,00
10,00
Sojaschrot
28,00
22,00
22,00
28,00
22,00
22,00
28,00
22,00
22,00
darf kosten Gerste
11,80
11,63
9,80
11,21
11,36
9,38
11,61
11,39
9,62
Triticale
11,93
11,84
9,92
12,28
12,14
10,20
12,45
12,25
10,33
Roggen
11,17
11,49
9,38
10,94
11,35
9,21
12,07
11,96
10,04
Mais
11,99
11,93
9,98
10,65
11,17
8,99
11,73
11,92
9,82
Melasseschnitzel
11,60
11,27
9,60
10,09
10,55
8,51
10,51
9,69
8,57
Ackerbohnen
15,22
14,06
12,43
18,95
16,39
15,22
20,11
16,84
16,03
Erbsen
14,10
13,31
11,57
16,87
15,03
13,65
20,19
17,24
16,17
Lupinen, blau
17,41
15,71
14,13
19,59
17,12
15,77
18,74
15,93
14,99
Rapsextr.schrot
22,71
17,99
17,87
22,34
17,89
17,63
20,43
16,19
16,08
268
6.9 Preiswürdigkeit der Futtermittel darauf hingewiesen, dass die Einsatzmenge je Tier und Tag aus bestimmten Gründen begrenzt werden muss. Andererseits ist z. B. dem Mais, wegen der höheren Beständigkeit der Stärke in der Milchviehfütterung, eine gewisse Sonderwirkung zuzuschreiben. Solche Einflussfaktoren können nur im Rahmen von EDV-gestützten Optimierungsprogrammen für Futtermischungen berücksichtigt werden. Diese werden heute routinemäßig in der Mischfutterindustrie angewendet. In Tab. 50 ist eine Futtervergleichswert-Berechnung für Erbsen auf Basis eines Mischungsvergleiches für ein Alleinfutter für Mastschweine dargestellt. Die Mischungen sind hinsichtlich der Energiegehalte und aller Inhaltsstoffe nahezu gleich gehalten. Aus den Mischungszusammen-
setzungen wird ersichtlich, dass die Komponentenanteile sich mit höheren Erbsenanteilen verschieben. Bei einem Erbsenanteil von 20 % geht nicht nur der Sojaschrotanteil, sondern auch der Weizenanteil erheblich zurück. Dafür muss die Aminosäure Methionin ergänzt werden. Der Vergleichswert für Erbsen beträgt hier 15,80 e/dt, in der Tab. 49 wurde er dagegen mit 17,24 e errechnet. Die wichtigsten Gründe für eine geringere Bewertung in der Mischung sind die Verdrängung des relativ billigen Energieträgers Weizen sowie der in Relation zum Lysingehalt ungünstigere Methioningehalt. In der Milchviehfütterung werden so genannte energiereiche Saftfutter eingesetzt, die vom Nährstoffgehalt eher dem Kraftfutter, von der Handhabung jedoch eher dem Grundfutter zuzu-
Tab. 50 Futtervergleichswert – Berechnung für Erbsen in einem Alleinfutter für Mastschweine Futtermittel
Preis E/dt
Vergleichsmischung
Mischanteile in % Mischung I
Mischung II
Erbsen
?
–
15
20
Weizen
12,–
43
40
32
Gerste
11,–
34
27
32
Sojaschrot
22,–
19,5
14,5
12,5
Mineralfutter
60,–
2,5
2,5
2,5
L-Lysin
215,–
0,118
0,05
0,04
DL-Methionin
403,–
–
–
0,02
65,–
1
1
1
Rapsöl
Vergleichspreis Erbsen
e/dt e/dt e/dt
Inhaltsstoffe
Soll
ME (MJ/kg)
13,4
13,4
13,4
13,4
Rohprotein (%)
17,5
17,5
17,5
17,5
Lysin (%)
0,94
0,94
0,94
0,94
Meth./Cyst. (%)
0,56
0,59
0,57
0,56
Threonin (%)
0,56
0,61
0,62
0,62
Ca (%)
0,69
0,68
0,66
0,66
P (%)
0,51
0,51
0,51
0,51
Kosten der Mischung ohne Erbsen Differenz
15,59
13,22
12,43
–
2,37
3,16
–
15,80
15,80
269
6
6
Die Futtermittel
ordnen sind. Hier ist die Beurteilung der Preiswürdigkeit schwierig und realistisch nur über den in der Tab. 51 dargestellten Rationskostenvergleich darstellbar. Als Beispielfuttermittel wurde die Biertrebersilage gewählt. Um möglichst alle Einflüsse bis hin zur Kraftfutter- und Mineralfutterergänzung erfassen zu können, wurde ein relativ hohes Leistungsniveau von 30 Liter gewählt. In der Ration mit Biertrebersilage wird Weizen und Sojaschrot eingespart. Dies hat eine etwas geringere Grobfutterverdrängung zur Folge. Aus der Differenzrechnung ergibt sich der Vergleichswert für Biertrebersilage. Der Preis für frische Biertreber errechnet sich dann unter Berücksichtigung der Silierverluste (im Beispiel
20 %) durch Multiplikation mit dem Faktor 0,8. Außerdem sind noch Kosten für die Silofolie (zum Abdecken) berücksichtigt. Der errechnete Futtervergleichswert berücksichtigt nicht eventuelle Silokosten und eventuell höhere Arbeitskosten für die Futtervorlage. Wenn dagegen in Großbetrieben Biertreber ständig frisch verfüttert werden kann oder wenn die Silierverluste geringer sind, ist der Futtervergleichswert entsprechend höher. Dieses Beispiel soll dazu anregen, nach diesem Prinzip selbst betriebsspezifische Berechnungen anzustellen. Bei den heute verfügbaren Rationsberechnungsprogrammen für Milchvieh ist dies relativ einfach möglich.
Tab. 51 Futtervergleichswert – Berechnung für Biertrebersilage in Milchviehrationen – Leistungsniveau 30 kg
E/dt
Futtermittel
Ration ohne Biertreber kg E
Ration mit Biertreber kg E
Grassilage
(35 % TM)
4,60
13
0,60
14
0,64
Maissilage
(35 % TM)
3,40
23
0,78
24
0,82
Biertrebersilage
(26 % TM)
?
–
–
8
?
Weizen
12,–
4,8
0,53
3,1
0,37
Sojaschrot
26,–
2,7
0,70
2,0
0,52
Mineralfutter
50,–
0,30
0,15
0,27
0,14
Rationskosten
2,76
2,49
Differenz = Vergleichwert für 8 kg Biertrebersilage
0,27
= 1 dt Biertrebersilage
3,38
= 1 dt Biertreber, frisch (bei 20 % Silierverlusten und 0,06 e Silofolienkosten)
2,64
270
7
7.1
Rinderproduktion
Bedeutung der Rindviehhaltung
Seit 8 000 Jahren dient das Rind dem Menschen und hat sich zu seinem wichtigsten Haustier entwickelt. Diese Stellung verdankt es seinen vielfältigen Leistungen: Wie andere Wiederkäuer setzt es Pflanzen, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind, in schmackhaftes Fleisch um. Im Vergleich zu den anderen Wiederkäuern erzeugt das Rind aber mehr und leichter melkbare Milch, liefert ein haltbares Leder und kann außerdem zur Arbeit eingesetzt werden. Besonders wichtig ist das Rind für die bäuerlichen Betriebe, was in den durchschnittlichen Bestandsgrößen zum Ausdruck kommt: 37 % der Milchkühe in Deutschland stehen in Beständen von 20–49 und 28 % in Beständen zwischen 50 und 99 Kühen. Bestandsentwicklung und Marktleistung | In Tabelle 52 wird bei Daten über den Gesamtrinderbestand und die Zahl der Milchkühe jeweils die Dezemberzählung zugrunde gelegt. (Bei der Junizählung sind die Jungvieh- und damit auch
die Gesamtrinderbestände um einige hunderttausend Köpfe höher.) Die Bedeutung der Milch- und Schlachtrinderverkäufe für die Einnahmen der Landwirtschaft wird aus der Tabelle 53 erkennbar.
? Was lässt sich (nach Errechnen der fehlenden Daten) über die Entwicklung der Milchkuhbestände im Vergleich zu der bei der Gesamtrinderzahl sagen? Welche Verschiebung zwischen den Nutzungsrichtungen des Rindes spiegelt sich darin? Wie haben sich die Milchleistungen der Durchschnittskuh entwickelt? Wie ist die Rind- und Kalbfleischproduktion zu interpretieren? Der Rinderbestand hatte 1991 einen Höchststand erreicht und ist in den letzten 11 Jahren um 14 % zurückgegangen. Damit liegt er nur noch knapp 10 % über dem Vorkriegsniveau. Die Anzahl der Milchkühe ist von 1991 bis 2002 mit 18,5 % noch stärker reduziert worden. Sie liegt nunmehr 22 % unter dem Vorkriegsniveau und hat den niedrigsten Stand überhaupt erreicht. Der Anteil der
Tab. 52 Entwicklung der Rinderbestände und -leistungen in Deutschland Deutsches Reich Früheres Bundesgebiet 1935/38 1969/71 1980 1990 Rinder (1000 Stück) davon Milchkühe (1000 Stück) Milchkühe in % aller Rinder
Deutschland 1991 2002
12 186
13 983
15 069
14 541
16 207
13 988
5 977
5 608
5 469
4 770
5 365
4 373
.....
.....
.....
.....
.....
49
Milcherzeugung (1000 t)
15 019
21 859
24 779
23 672
29 063
27 874
Milchleistung je Kuh (kg)
2 513
.....
.....
.....
.....
.....
Rindfleischerzeugung (1000 t)
580
1 216
1 497
1 624
2 195
1 329
Kalbfleischerzeugung (1000 t)
127
75
78
51
79
54
Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2003
271
7
7
Rinderproduktion
Tab. 53 Verkaufserlöse aus Produkten der Rinderhaltung in Deutschland Produkt
Verkaufserlöse in Millionen E
in % sämtlicher Verkaufserlöse der Landwirtschaft 1985/87*) 1995/97 2002
1985/87*)
1995/97
2002
Schlachtrinder
4 567
3 336
2 414
16,6
11,1
8,1
Schlachtkälber
401
261
165
1,5
0,9
0,6
7628
8 055
8 634
27,7
26,7
28,9
12 596
11 652
11 213
45,8
38,7
37,6
Milch zusammen )
* 1985/87 = früheres Bundesgebiet Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2003 Kühe am Gesamtrinderbestand (3. Zeile der Tab. 52) verringerte sich von 49 über 40, 36, 33 auf 31 %. Der rapide Rückgang der Milchkuhzahlen hängt mit der 1984 eingeführten Milchkontingentierung zusammen. Da der Gesamtrinderbestand nicht in dem Maße reduziert wurde, bedeutet dies eine Verschiebung zugunsten der Fleischerzeugung. Die Milcherzeugung wurde bis zum Zeitpunkt der Milchkontingentierung und nach der Wiedervereinigung gesteigert und hat sich seit 1995 auf ein Niveau um die 27,7 Mio. t eingependelt. Dabei war der Milchkuhbestand ständig rückläufig, wobei der „Bruch“ in der Statistik durch Umstellung von den Daten des früheren Bundesgebietes auf Gesamtdeutschland nach der Wiedervereinigung am 3. 10. 1990 zu beachten ist. In der Leistungsentwicklung je Durchschnittskuh ist allerdings eine kontinuierliche Steigerung festzustellen, die ebenfalls ein Grund für die Reduzierung des Milchkuhbestandes ist (über 3898, 4531, 4963, 5417 auf 6374 kg je Kuh und Jahr). Die Entwicklung der Rindfleischerzeugung erreichte 1991 ihren Höhepunkt. Dieser kam durch Zunahmen der Schlachtungen bei allen Tierkategorien (Bullen, Kühe und Färsen) zustande und ist im Zusammenhang mit der Reduzierung der Rinderbestände in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung zu erklären. In 2002 ist die Erzeugung jedoch um fast 40 % zurückgegangen und nähert sich dem Wert von 1969/71. Dies hat seinen Grund in einem Rückgang der Verbrauchsentwicklung seit Anfang der neunziger Jahre, der wohl in erster Linie im Zusammenhang mit dem BSE-Geschehen, aber auch mit der allgemeinen Tendenz beim Fleischverzehr zu se-
272
hen ist (s. 7.5.1). Im Schlachtgewichtsaufkommen halten sich Färsen- und Kuhschlachtungen in etwa die Waage mit Bullen- und Ochsenschlachtungen. Während sich die Verkaufserlöse für Produkte der Rinderhaltung bis Mitte der achtziger Jahre stark erhöht haben, ist seitdem ein gewisser Rückgang festzustellen. Dies spiegelt sich auch im prozentualen Anteil an den gesamten Verkaufserlösen der Landwirtschaft wider. In den neunziger Jahren ist dieser allerdings auf unter 40 % zurückgegangen und folgte damit dem allgemeinen Trend bei tierischen Erzeugnissen. Neben der Preisentwicklung ist im Rinderbereich insbesondere auch die absolute Verringerung der Rindfleischerzeugung hierfür verantwortlich. Die Milcherzeugung steht mit einem Anteil von knapp 29 % nach wie vor an erster Stelle bei den tierischen Erzeugnissen, während die Rindfleischerzeugung mit 8 % weit hinter der Schweinefleischerzeugung liegt, die mit knapp 17 % an den Verkaufserlösen beteiligt ist. Die gute Position der Milchproduktion als Einnahmequelle ist in erster Linie auch eine Folge des im Vergleich zu anderen Produktpreisen guten Milchauszahlungspreises in den Jahren nach der Milchkontingentierung. Z. Zt. sind diese allerdings rückläufig, was durch die EU-Agrarreform in Zukunft noch verstärkt werden dürfte. Produktionsformen | Die meisten Rinder der Bundesrepublik werden in Milchvieh-Ergänzungsbetrieben und Milch-Mast-Betrieben gehalten. Im Milchvieh-Ergänzungsbetrieb werden die Milchkühe aus den anfallenden weiblichen Kälbern selbst gezogen. Der Milch-Mast-
7.2 Zucht des Rindes Betrieb hält außerdem die Bullenkälber zur Mast. Als sich selbst ergänzende Rindermastbetriebe können Betriebe mit Mutterkuhhaltung angesehen werden, die ihre Kühe nicht melken, sondern die Kälber saugen lassen (die Kuhkälber zur Bestandsergänzung, die Bullenkälber zur Mast bestimmt). Diesen sich selbst ergänzenden Betriebsformen stehen die folgenden arbeitsteiligen Typen gegenüber: Abmelkbetriebe und Durchhaltebetriebe ziehen nicht selbst auf, sondern kaufen tragende Färsen oder Jungkühe aus Milch-Aufzucht-Betrieben oder Färsenaufzuchtbetrieben. Der Abmelkbetrieb behält die Kühe nur eine Laktation und verkauft sie zum Schlachten, wenn sie abgemolken sind. Der Durchhaltebetrieb lässt die Kühe decken und verkauft die Kuhkälber an den Färsenaufzuchtbetrieb bzw. die Bullenkälber an den Bullenmastbetrieb, die beide keine eigenen Kühe halten. Ferner sind einige Misch- und Übergangsformen zu nennen, beispielsweise Rindermast-MilchBetriebe, die zu den selbsterzeugten Bullenkälbern noch weitere hinzukaufen und der Bullenmast den Vorrang vor der Milchproduktion einräumen. Bei der Ammenkuhhaltung werden im
Gegensatz zur sonst ähnlichen Mutterkuhhaltung noch fremde Kälber zugekauft und von den Kühen zusammen mit den eigenen gesäugt.
7.2 Zucht des Rindes Wie andere landwirtschaftliche Nutztiere sollen die Rinder dem Betriebsleiter helfen, das Betriebseinkommen zu verbessern, was durch Steigerung der Einnahmen je Tier und/oder durch Senkung der Kosten geschehen kann. Die organisierte Zucht setzt überwiegend beim ersten Punkt an, genauer gesagt, bei der Leistungssteigerung, denn die Einnahmen werden außer von der Leistungsmenge auch noch vom Preis bestimmt. Vielfach sind aber Leistungssteigerung und Kostensenkung miteinander verbunden, wie aus der Abbildung 91 zu erkennen ist.
!!! Um die wesentlichen Zusammenhänge deutlich zu machen, wird die Kostenstruktur der Milcherzeugung stark vereinfacht. Gegen die hier benutzten Annahmen und Unterstellungen lässt sich vieles einwenden. Was zum Beispiel? (Wir
Abb. 91 Modellkalkulation der Erzeugungskosten je kg Milch (mit 4 % Fett). Die „sonstigen Kosten“ umfassen die Aufwendungen für Gebäude, Maschinen, Strom, Tierarzt, Deckgeld, Kontrollgebühren usw. Es wird unterstellt, dass die Verkaufserlöse für die Schlachtkuh und die nüchternen Kälber die Kosten für die Bestandsergänzung decken.
273
7
7
Rinderproduktion werden später darauf zurückkommen [vgl. Kap. 7.3.4]). Zunächst interessieren folgende Fragen: Welche Auswirkungen hat unter sonst gleichen Bedingungen (gleiches Lebendgewicht, gleiche Nutzungsdauer, gleiches Erstabkalbealter usw.) eine Steigerung der Jahresmilcherzeugung je Kuh auf die Zusammensetzung und Gesamtsumme der Kosten? Welche Vermutungen können aus dem Kurvenverlauf über die Kostenentwicklung bei weiteren Steigerungen der Jahresleistung angestellt werden? Gibt es auch in der Rindermast eine ähnliche Kostendegression je Leistungseinheit (kg Fleisch)?
Für die weitere Diskussion züchterischer Fragen beim Rind kann es nützlich sein, einige Kapitel aus früheren Teilen des Buches noch einmal durchzulesen; denn die grundsätzlichen Fragen der Vererbung und Züchtung wurden im Allgemeinen am Beispiel des Rindes erläutert und können hier nicht wiederholt werden (die Vererbung von Mengenleistungen 3.7, die Heritabilität 3.8, Selektionsschärfe, Typ, Ein- und Zweinutzungsrassen 4.2.1, Leistungsprüfungen 4.2.2, die Zuchtwertschätzungen 4.2.3, die künstliche Besamung und der Embryotransfer 4.3).
7.2.1
Zuchtziele und Zuchtprogramme
Züchterische Entscheidungen wirken in die Zukunft hinein; ihre Auswirkungen sind folglich nicht mit Sicherheit vorhersehbar. Kein Züchter weiß heute, mit welchen Preisen und Kosten er in 5 oder 10 Jahren zu rechnen hat. Aber heute muss er entscheiden, ob er seine Kühe mit Sperma des Bullen Nero oder des Bullen Max besamen lässt. Dabei muss er sich gleichzeitig überlegen, ob er die Milchmenge in seiner Herde für ausreichend, aber den Eiweißgehalt für verbesserungsbedürftig hält, oder umgekehrt, ob er sich mehr von der Verbesserung der Euterform oder mehr von einer Vergrößerung der Fleischfülle verspricht, ob ihm mehr an einer Verminderung der Zahl der Schwergeburten oder mehr an höheren Tageszunahmen liegt, ob ihm eine rasche gute Melkbarkeit wichtiger erscheint als eine Senkung der Mastitisanfälligkeit, usw.
274
? Welche weiteren Merkmale sind von den Erbanlagen mitbestimmt und züchterisch beeinflussbar?
Grundfragen bei der Aufstellung von Zuchtzielen | Die gerade aufgeworfenen Fragen sind zu beantworten, wenn die Zucht auf betrieblicher Ebene geplant werden soll. Wenn die in Zuchtverbänden für die Zucht Verantwortlichen die Fortentwicklung ihrer Rassen planen, also die Zuchtziele abstecken, sind sie mit noch größeren Schwierigkeiten konfrontiert. Man erwartet von ihnen, dass die Rassen unter den künftig herrschenden ökonomischen Bedingungen möglichst den maximalen Gewinn bringen, dass die Interessen der Züchter möglichst umfassend berücksichtigt werden und dass den strukturellen und genetischen Gegebenheiten Rechnung getragen wird. Davon ausgehend stellen sich ihnen u. a. folgende Grundfragen: 1. Zucht auf biologische Leistungen und/oder Wirtschaftlichkeit? 2. Gewichtung der Milchleistungsmerkmale im Verhältnis zu den anderen Leistungsblöcken. 3. Zucht auf Höchstleistungen oder auf Lebensleistungen? 4. Steigerung der Fettmenge, der Eiweißmenge oder der Jahresmilchleistung? Wie schwierig es ist, diese Fragen für die Zuchtplanung zu beantworten, können wir an wenigen zu beachtenden Grundsätzen erkennen:
!!! Der erreichbare Zuchtfortschritt in einem Merkmal ist umso geringer, je mehr Merkmale unter sonst gleichen Bedingungen in der Selektion zu berücksichtigen sind (vgl. Kap. 4.2). | Zwischen verschiedenen Merkmalen bestehen unerwünschte negative genetische Beziehungen (Merkmalsantagonismus). Beispiel: Milchmenge zu Milchinhaltsstoffen. | Zwischen anderen Merkmalen bestehen positive genetische Beziehungen, die aber ebenfalls unerwünscht sein können; das ist z. B. bei den Mengenmerkmalen der Milchleis|
7.2 Zucht des Rindes tungseigenschaften der Fall. Die positive Korrelation führt dazu, dass die Fett- und Eiweißmenge nicht gesteigert werden können, ohne gleichzeitig die Milchmenge zu erhöhen. | Anatomische Grenzen engen gelegentlich die Zucht ein. Beispiel: Unvereinbarkeit zwischen einem großen geräumigen Euter und einer vollbemuskelten Innenkeule. | Die ökonomische Gewichtung der Einzelmerkmale ist häufig unbekannt, insbesondere hinsichtlich der künftigen Gegebenheiten. | Die Kosten für Zuchtprogramme steigen mit den Anforderungen im Zuchtziel; sie lassen sich aber nur tragen, wenn sie auf eine breite Züchterschaft umzulegen sind. Um den skizzierten Schwierigkeiten wenigstens zum Teil zu begegnen, sind die Züchtervereinigungen bemüht, ihre Zuchtprogramme zu optimieren und den Selektionsentscheidungen einen möglichst umfassenden Selektionsindex (Gesamtzuchtwert, vgl. Kap. 4.2.3.4) zugrunde zu legen. Grundzüge eines Zuchtprogrammes | Abbildung 92 verdeutlicht, wie sich ein klassisches Besamungszuchtprogramm beim Rind aufbaut.
Dabei müssen die wesentlichen Schritte – Leistungsprüfung in der „aktiven“ Population – Feststellung der Zuchtwerte – Prüfung der Jungbullen – Selektion der Bullenmütter und Bullenväter – gezielte Paarung – sorgfältig aufeinander abgestimmt sein. Grundvoraussetzung für ein effektives Zuchtprogramm ist eine möglichst große „aktive“ Zuchtpopulation (Kühe in Leistungsprüfung und künstlicher Besamung).
? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Steigerung der Kontrolldichte (vgl. Kap. 4.2.2)? Mit Hilfe von Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen werden die Kühe und die in der künstlichen Besamung eingesetzten Bullen genetisch bewertet. Die im Herdbuch eingetragenen Kühe bilden die Basis für die Bullenmütterselektion. Die endgültige Auswahl dafür erfolgt meist jedoch erst nach der dritten Kalbung. Besondere Sorgfalt wird, wie in Kap. 4.2 schon dargelegt, der Auswahl der Bullenväter gewidmet, steuert doch die männliche Seite (Bullenväter, Kuhväter) den überwiegenden Teil zum Zuchtfortschritt bei. Zuchtwertschätzungen anhand der Nachkommensleistungen (je nach Rasse für die Bereiche
Abb. 92 Zuchtprogramm, schematisch
275
7
7
Rinderproduktion
Milch, Fleisch, Fruchtbarkeit, Eutergesundheit und Nutzungsdauer) und die Nachzuchtbewertungen ermöglichen eine Rangierung der Prüfbullen. Die besten hiervon sollten als Väter der nächsten Jungbullengeneration ausgewählt und dazu mit den Bullenmüttern gezielt gepaart werden. Gut organisierte Zuchtprogramme lassen einen durchschnittlichen Zuchtfortschritt von 2–3 % je Jahr erwarten, sofern man nicht auf Fremdpopulationen zurückgreift. Höhere Fortschrittsraten sind aber auch ohne „Einkreuzung“ durch verschiedene Maßnahmen möglich. Dazu zählen auf der Bullenseite eine möglichst optimale Anpassung des Besamungsverhältnisses zwischen geprüften Vererbern und Prüfbullen an die Gegebenheiten der Population (Faustzahl: 70 : 30), Verbesserungen der Zuchtwertschätzungen und Verkürzungen des Generationsintervalls. Der Beitrag der weiblichen Seite zum Zuchtfortschritt lässt sich erhöhen, wenn in Nukleusherden die darin eingeschlossenen Elitekühe oder Erstkalbskühe über Embryotransfer noch stärker genutzt werden (MOET-Zuchtprogramme, vgl. Kap. 4.3.2). Nach Modellrechnungen lassen sich auch beim Rind Zuchtstrukturen erreichen wie sie aus der Geflügel- und Schweinezucht bekannt sind, wenn das Zuchtniveau von Nukleusherden über acht bis zehn weibliche Nachkommen pro Kuh vermehrt werden könnte. Dafür müssen aber noch erhebliche Verbesserungen in den biotechnischen Maßnahmen, vor allem beim Spermasexen, ET bzw. OPU (vgl. Kap.4.3.1 und 4.3.2) verwirklicht werden. Daneben kommt es darauf an, die Molekulargenetik und die Informationstechnologie synchron zur Biotechnologie weiter zu entwickeln und mit biotechnischen Maßnahmen sinnvoll zu vernetzen, damit die in Kap. 4.3.1 beschriebene markergestützte Vorauswahl zwischen einer ausreichend großen Zahl von Vollbrüdern möglich wird. Kreuzungszucht | Sie spielt für die Rindfleischerzeugung eine große Rolle, worauf in Kap. 4.1.2.1 schon hingewiesen wurde. Ein sehr bekanntes Beispiel für die Milcherzeugung ist das in der ehemaligen DDR gezüchtete schwarzbunte Milchrind SMR. Es entstammte einer Kombinationszucht zwischen Schwarzbunten und Jersey.
276
Die starke Spezialisierung der Holsteinzucht führt in den USA und von dort auch in Europa zu immer intensiveren Ansätzen einer Kreuzungszucht. Ziel ist vorrangig die Verbesserung von Nutzungsdauer und Fruchtbarkeit, Merkmalskomplexe also, die wegen ihrer geringen Erblichkeit in Reinzuchtprogrammen nur langfristig zu verbessern sind. Die Kreuzungszucht stellt dazu eine Alternative dar. Besonders große Erfolge verspricht durch Heterosiseffekte die F1-Generation, z. B. zwischen Holsteins und Jersey. Andere geeignete Kreuzungspartner sind Braunvieh, Schwedisches Rot-Weiß-Vieh, aber auch Fleckvieh. Allerdings ist dabei mit einem Rückgang der Milchleistung gegenüber Holsteins zu rechnen. Eine andere Schwierigkeit ergibt sich für die Weiterzucht mit der F1. Bei Rückkreuzung sind Aufspaltungseffekte zu Lasten des in der F1 erreichten Fortschritts zu erwarten. Als Alternative wird u. a. eine 3-Rassen-Rotationskreuzung – Holstein (H), Jersey (J), Rot-Weiß-Vieh (RW) – empfohlen. Hierbei wird die F1 (H × J) mit der dritten Rasse (RW) angepaart, die F2 (H × J × RW) wieder mit Holstein. Danach wechseln sich in jeder Generation Rot-Weiß-Vieh – bzw. Jerseyund Holstein-Vererber ab. Derartige Zuchtprogramme, die auch in der Schweinezucht bestehen, stellen hohe Anforderungen an das Zuchtmanagement und lassen sich nur in viehstarken Betrieben ohne enge Kooperation mit Verbänden durchführen.
7.2.2
Rinderrassen
Unterscheidung der Rinderrassen | Schon in den Namen der meisten Rinderrassen in der Bundesrepublik kommt zum Ausdruck, dass bei ihrer Unterscheidung die Farbe eine wichtige Rolle spielt. Dadurch lassen sie sich gut charakterisieren: Die Deutschen Schwarzbunten (Abb. 94), das durchgehend grau bis dunkelbraun gefärbte Braunvieh (Abb. 95), die einheitlich rotbraun bis rot gefärbten Rotvieh- und Anglerrinder (Abb. 93), das einfarbig gelbe bis gelbbraune Gelbvieh (Abb. 100), wie die Pinzgauer (kastanienbraun mit Bauchblesse und Rückenblesse). Auch die Einnutzungsrassen, die sich schon durch ihren Typ deutlich vom Gros der Zweinutzungsrassen abheben, lassen sich durch die Farbe
7.2 Zucht des Rindes
Abb. 93 Angler-Kuh, Säule 2533110 (Foto: Rossen)
Abb. 94 Frisiankuh, Estin 61039401, Farbrichtung Schwarzbunt (Foto: Keleki)
zusätzlich kennzeichnen: die zierlichen, fast wildfarbenen Jerseys (gelbbraun bis schwarzbraun) (Abb. 64), die einfarbig schwarzen oder roten und überdies hornlosen Angusrinder (Abb. 101), das rotbraune Limousin (Abb. 103) und die durchgehend weißen bis cremefarbenen Charolais (Abb. 102). Schon diese Aufzählung zeigt, dass die Farbe allein zur Unterscheidung der Rassen nicht ausreicht. Verwechslungen sind z. B. auch möglich zwischen Rotbunten, Fleckvieh (gelb- bis rotgescheckt) und Vorderwäldern.
den Daten nachgetragen. (Kleine Differenzen zu den Rechenergebnissen – bei Tab. 7 – können vernachlässigt werden.) Ergänzung zu Tab. 7: Gv. 1382 g, Rb. 1217 g Flfl. 1403 g. Lim. 1244g, Her. 1251g. Ergänzung zu Tab. 13: Fl. 51,4, Rb. 77,1, Gv. 64,0. Aus Tab. 5 ist zu entnehmen, dass sich die Züchter aller dort genannten Rassen bemüht haben, die Leistungen zu steigern, ohne dass dadurch die bestehenden Unterschiede zwischen den Durchschnittsleistungen ausgeglichen wurden. Bei der Bewertung dieser Leistungssteigerungen ist auch der starke Umwelteinfluss zu berücksichtigen. Der Leistungsvergleich in einem Merkmal sagt noch nichts über die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Rassen aus. Hierzu müssen alle
Nutzungsrichtung und Leistungsvergleich | Beim Rassenvergleich helfen uns die Tab. 5, 7 und 13 (aus Abschnitt 4). Da sie mit Aufgaben verbunden waren, werden zunächst die fehlen-
Abb. 95 Braunvieh-Kuh Urmel 093237199 (Foto: Keleki)
277
7
7
Rinderproduktion
Abb. 96 Hinterwälder-Milchkuh im Schwarzwaldgebiet; auch in Mutterkuhhaltung anzutreffen (Foto: Maus)
Abb. 97
Abb. 98 Friesiankuh Taiga 663043539 Farbrichtung Rotbunt (Foto: Keleki)
Abb. 99 Fleckenviehkuh Lanette 0661429605 (Foto: Keleki)
Abb. 100 Gelbvieh-Kuh Nulla 7349887 (Foto: Rittler)
Abb. 101 Deutscher Angus-Bulle Pilot; hochdekorierter Vertreter der roten Farbrichtung (Foto: Grünhaupt)
278
Vorderwälder-Milchkuh (Foto: Brodauf)
7.2 Zucht des Rindes
Abb. 102 Charolais-Bulle Edgar 74/247618 (Foto: Grünhaupt)
Abb. 103 Limousin-Bulle Las Vegas DE 06 650 95780 (Foto: Grünhaupt) (4.2.2.3) mit heranzieht, kann man erkennen, bei welchen Zweinutzungsrassen der Schwerpunkt auf der Milch (milchbetonte Zweinutzungsrassen) oder auf dem Fleisch (Milch-Fleisch-Rassen) liegt. Das Fleckvieh mit einem ausgewogenen Verhältnis von Milch- und Fleischleistung kann als besonders typische Zweinutzungsrasse angesehen werden. Das nachstehende Schema vermittelt einen Anhaltspunkt über den gegenwärtigen Standort der Rassen mit großer Verbreitung im System der Nutzungsrichtungen.
Abb. 104 Galloway-Bulle Quilin 03-44311221 (Foto: Galloway-Verband) wirtschaftlich wichtigen Merkmale in die Bewertung einfließen. Wenn man die Gewichtsangaben aus der nachstehenden Tabelle 54 und aus der Tabelle 8
In diesem System verschiebt sich die Position der Zweinutzungsrinder durch die laufenden Zuchtprogramme stärker in Richtung Milch, bedingt vor allem durch die Einkreuzung von HolsteinFriesians, Red Holsteins und Brown Swiss vorwiegend aus den USA und Kanada bei den Schwarzbunten, den Rotbunten und dem Braun-
Übersicht 34 Einnutzungsrinder
Zweinutzungsrinder
Einnutzungsrinder
Milch
milchbetont
fleischbetont
Fleisch
Jersey
Schwarzbunte
Pinzgauer
Fleischfleckvieh
Rotbunte
Gelbvieh
Angler
Limousin
Rotvieh
Charolais
Hereford
Braunvieh Fleckvieh
279
7
7
Rinderproduktion
Tab. 54 Verbreitungsgebiet der Rinderrassen sowie Größen und Gewichte ausgewachsener Kühe Rasse
Gebiet
Gewicht (kg)
Jersey
verstreut
Hinterwälder
südl. Schwarzwald
320–400
118–123
Angler (Rotvieh)
Angeln, Inseln im Harz, in Hessen, Rhld.-Pfalz, Westfalen
600–650
138–140
Dt. Holsteins
Norden, Mitte, Süden
650–750
Braunvieh
Alpenvorland (Allgäu)
600–700
140–150
Vorderwälder
Schwarzwald
550–620
128–135
G 400
Kreuzhöhe (cm) 128–130
G 140
Fleckvieh
Hessen, Süddeutschland
750–800
140–145
Gelbvieh
Franken
700–800
140–145
Dt. Angus
verstreut, haupts. Norden
550–700
128–135
Dt. Charolais
verstreut, haupts. Norden u. Mitte
800–900
136–142
Blonde d’Aquitaine
verstreut
700–800
138–142
Salers
vorwiegend Osten
650–700
140–144
Limousin
verstreut, haupts. Westen
650–750
133–138
Galloway
verstreut, Nord, Mitte
120–125
124–128
vieh. Darin ist auch der in Deutschland inzwischen erfolgte Zusammenschluss der Schwarzund Rotbunten zum Block der Deutschen Holsteins begründet. Bei den Mastrassen ist zwischen den im kleineren Rahmen stehenden und früh verfettenden eigentlichen Mastrassen (Hereford, Aberdeen-Angus usw.) und den großwüchsigen spätreifen Fleischrassen (Charolais, weiß-blaue Belgier, Chianina usw.) zu unterscheiden. Bei DeutschAngus wurde aber mit Hilfe der Einkreuzung von Schwarzbunten und anderen Zweinutzungsrassen der Rahmen und die Fleischwüchsigkeit dieser ursprünglich aus Großbritannien importierten Rasse verbessert. In jüngster Zeit erweitert sich das Rassenspektrum noch um die Gruppe der Extensiv- oder Robustrinder. Beispiele dafür sind die aus Schottland stammenden Galloways (Abb. 104) und Schottischen Hochlandrinder (Highlands, Abb. 141) (vgl. auch Kap. 7.6.5) sowie das Welsh Black aus Wales. Verbreitung der Rinderrassen | Während der ersten Nachkriegsjahrzehnte fanden, teilweise
280
begünstigt durch die Einführung der künstlichen Besamung, erhebliche Verschiebungen in der Rassenzusammensetzung statt, vor allem im mittleren Teil des Bundesgebietes. Über die gegenwärtige Verbreitung der Rassen unterrichtet die Tab. 54. Abbildung 105 gibt ergänzend dazu die Rassenanteile am Milchkuhbestand nach einer Schätzung der ADR an.
? Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus diesem Vergleich der Rassenanteile zu der Aufteilung der Erstbesamungen nach Rassen in Tab. 12, Kap. 4.3.1 ableiten?
Die Ausdehnung der heute weit verbreiteten Rassen auf Kosten der anderen lässt sich teilweise auf die große Streubreite in den Erbanlagen und auf die damit verbundene gute Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Haltungsbedingungen und an veränderte Verbraucherwünsche zurückführen.
7.2 Zucht des Rindes Abb. 105 Verteilung der Rassen im Bundesgebiet im Jahr 2000 in % (nach Schätzungen der ADR)
Schwarzbunt
45,9 %
Sonstige
2,5 %
Fleisch- 13,5 % rinder
Braunvieh
4,9 %
Rotbunt Fleckvieh
Deshalb bemühen sich die Zuchtverbände der vom Wettbewerb bedrängten Rassen um die Aufrechterhaltung alter oder die Anknüpfung neuer Verbindungen zu großen Zuchtgebieten der gleichen Rasse im Ausland, um durch den Austausch von Zuchttieren der Isolierung und der Einengung des Genpotenzials zu entgehen. Die Südostecke Bayerns bei Traunstein mit den Zuchtställen der Pinzgauer ist Teil eines größeren Zuchtgebietes in den benachbarten österreichischen Landschaften. Das Braunviehzuchtgebiet im Allgäu setzt sich in der Schweiz fort. Die lokal konzentrierten Rotviehzüchtervereinigungen arbeiten nach einem einheitlichen Zuchtprogramm und kooperieren mit den Rotviehzuchten in Dänemark, Schweden (Schwedisches Rot-Weiß-Vieh) und Finnland (Ayrshire). Dennoch sind einzelne Rassen ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Private und staatliche Programme versuchen, dieser Entwicklung einer kulturellen Verarmung, die vor allem auch mit dem Verlust wertvoller Gene verbunden ist, dadurch entgegenzuwirken, dass Restpopulationen erhalten oder Genbanken eingerichtet werden. Beispiele dafür sind die Murnau-Werdenfelser, die Pinzgauer (beide Bayern), die Hinterwälder (Baden-Württemberg), das Rote Höhenvieh (Abb. 106), sowie das Glanvieh (Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen).
7,8 % 25,4 %
nicht nur die Bemühungen, bestehende Rassen zu erhalten, tragen zur Vielfalt bei. Der Abbau der Handelsschranken und der gesetzlichen Hürden, vor allem im vereinten Europa, beschert uns gegenwärtig eine neue Rassenvielfalt. Schon erwähnt wurde die Gruppe der Robustrinder, zu denen auch Salers aus Frankreich und Luing aus England zählen. Neue Mast- bzw. Fleischrassen aus dem Ausland sind in Deutschland u. a. Chianina aus Italien, Hereford aus England und selbst Zebus aus Afrika. Wasserbüffel aus Südeuropa und Yaks aus
Abb. 106 Fanni 63038086 eine typgerechte, in Mutterkuhhaltung genutzte Vertreterin des Roten Höhenrinds in Hessen
281
7
7
Rinderproduktion
dem Himalaya finden derzeit als „Grünlandnutzer“ Liebhaber.
7.3 Die Milchproduktion Nach der Modellkalkulation der Abb. 91 wird die Rentabilität der Milcherzeugung und damit das Einkommen des Milchproduzenten am stärksten von der Höhe der jährlichen Milchleistung der Kuh beeinflusst. Wenn Tiere hoher und niedriger Leistung im gleichen Stall stehen, verursacht jede Kuh fast die gleichen Aufwendungen für Arbeit, Gebäude, Geräte, Strom, Deckgeld, Tierarzt, Kontroll- und Verbandsbeiträge sowie Erhaltungsfutter. Diese Kosten belasten bei niedriger Milchleistung den einzelnen Liter Milch wesentlich stärker als bei hoher Milchleistung. Die Kostendegression ist zwar bei einer Steigerung der Milchleistung im niedrigen Leistungsbereich besonders ausgeprägt, sie bleibt jedoch – wenn auch etwas abgeflacht – im hohen Leistungsbereich bestehen. Wie die Leistungsergebnisse aus der Tab. 52 verdeutlichen, befinden sich viele Milchviehhalter noch auf einem Leistungsniveau, bei dem durch weitere Leistungssteigerungen erhebliche Gewinnreserven durch Kostendegression zu mobilisieren sind. Hinsichtlich der optimalen Leistungshöhe je Kuh und Jahr lassen sich kaum allgemeinverbindliche Angaben machen. Diese hängt entscheidend davon ab, inwieweit der einzelne Betrieb auf den genetischen Leistungsfortschritt mit entsprechender Verbesserung der Umweltbedingungen zu reagieren in der Lage ist. Hierzu gehörten insbesondere die gesamte Fütterung und das Herdenmanagement. Die Grenze einer sinnvollen Leistungssteigerung ist dann erreicht, wenn die jeweils erforderlichen Umweltbedingungen nicht mehr erfüllt werden können. Dies führt mit Sicherheit zu Gesundheits- und Fruchtbarkeitsstörungen sowie Leistungsdepressionen (Milchinhaltsstoffe, Milchmenge) im gesamten Milchviehbestand, wodurch die Rentabilität geschmälert wird und unter Umständen sogar in Frage gestellt ist.
282
7.3.1
Fütterung der Milchkühe
7.3.1.1 Richtzahlen für Erhaltungs- und Leistungsbedarf Bei der Energie- und Nährstoffversorgung der Milchkühe unterscheidet man zwischen Erhaltungs- und Leistungsbedarf. Der Erhaltungsbedarf ergibt sich aus der Energie- bzw. Nährstoffmenge, die ein Tier benötigt, um die lebensnotwendigen Stoffwechselprozesse aufrechtzuerhalten. Er ist in erster Linie vom Körpergewicht abhängig. Bei den Mineralstoffen Calcium und Phosphor ist jedoch nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht das Körpergewicht, sondern die Futteraufnahme zugrunde zu legen. In diesem Fall wird nicht mehr der Begriff „Erhaltungsbedarf“, sondern der Begriff „unvermeidliche Verluste“ benutzt. Für die Rationsberechnung ist demnach wichtig, das Körpergewicht der Kühe sowie die Futteraufnahme zu kennen. (In Betrieben ohne große Viehwaage können zur Bestimmung des Körpergewichtes für Futterberechnungen auch Viehmessbänder herangezogen werden, mit denen man Körperlänge und Brustumfang misst. Mit Hilfe dieser Messwerte kann man in den zugehörigen Tabellen das ungefähre Körpergewicht ablesen. Gewisse Hinweise können auch aus den Gewichten der Schlachtkühe abgeleitet werden, wenn diese nicht zu stark „abgemolken“ waren.) Auf die Abschätzung der Futteraufnahme wird in einem späteren Abschnitt ausführlich eingegangen. Gewisse Richtwerte finden sich in der Tabelle 57. Diese beziehen sich auf Kühe ab dem 60. Laktationstag. Man kann davon ausgehen, dass die Futteraufnahme, die nach dem Abkalben nur langsam ansteigt, sich bis zu diesem Zeitpunkt wieder normalisiert hat. Der Leistungsbedarf wird hauptsächlich durch die Höhe der Milchleistung sowie durch die Milchinhaltsstoffe (Fett und Eiweiß) bestimmt. Dabei hat der Milchfettgehalt den stärksten Einfluss. Wegen seines eigenen hohen Energiewertes verbraucht er über die Hälfte der Energie des Leistungsfutters. Außerdem erhöht sich mit dem Fettgehalt in der Regel auch der Eiweißgehalt und dessen Energieanspruch. In den Tabellen 55 und 56 ist der Erhaltungsund Leistungsbedarf auf Basis der Versorgungs-
7.3 Die Milchproduktion Tab. 55 Täglicher Erhaltungsbedarf von Kühen Lebendgewicht
NEL
Calcium
Phosphor
Magnesium
Natrium
kg
nutzbares Rohprotein (nXP) g
MJ
g
g
g
g
450
370
28,6
–
–
500
390
31,0
–
–
10
6
550
410
33,3
–
–
11
7
600
430
35,5
–
–
12
8
650
450
37,7
–
–
13
9
700
470
39,9
–
–
14
10
750
490
42,0
–
–
15
11
je kg TM-Aufnahme
–
–
2,0
1,43
–
–
9
5
Tab. 56 Leistungsbedarf je kg Milch Milchfettgehalt %
Milcheiweißgehalt %
nutzbares Rohprotein (nXP) g
NEL
Ca
P
Mg
Na
MJ
g
g
g
g
3,5
3,1
j
4,0
3,3
#
4,5
3,5
5,0
3,7 3,2
81
3,4
85
3,6
89
3,8
93
empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) zusammengestellt. Die GfE hat die Bedarfsnormen im Jahr 2001 dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand angepasst. Dies betrifft einmal den Energiebedarf für die Milchbildung. Hier wurde berücksichtigt, dass die Verdaulichkeit der Energie mit steigendem Ernährungsniveau abnimmt. Deshalb müssten in Abhängigkeit vom Leistungsniveau entsprechende Zuschläge zu den Bedarfsnormen vorgesehen werden. Weil dies jedoch in der praktischen Milchviehfütterung schlecht umzusetzen wäre, hat man sich entschieden, einen Zuschlag
#
7 # # # #
# D 2,5 #
1,43
0,6
0,6
# # # # —
unabhängig von der Leistungshöhe vorzunehmen. Die dadurch entstehenden Abweichungen zu den exakt berechneten Werten sind nur gering. Bei den Versorgungsempfehlungen für Protein wurden die Richtzahlen für den Erhaltungsbedarf etwas erhöht. Mit Hilfe der Tabellen 55 und 56 kann jeder Milcherzeuger den Bedarf für die verschiedenen Leistungsgruppen in seiner Herde berechnen, gestaffelt nach dem durchschnittlichen Gewicht seiner Kühe und nach seinem Bestandsdurchschnitt bei den Milchinhaltsstoffen. Für die Berechnung des Ca- und P-Bedarfs wird allerdings
283
7
Rinderproduktion
noch die Futteraufnahme in kg TM je Kuh und Tag benötigt. Die Berechnung erfolgt dann nach folgenden Formeln: Ca-Bedarf = (kg Milch × 2,5 g) + (kg TM × 2,0 g) P-Bedarf (kg Milch × 1,43 g) + (kg TM × 1,43 g). Die Angaben der Tabelle 57 beziehen sich auf Milch mit einem Gehalt von 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß sowie einer durchschnittlichen TMAufnahme. Für die Rationsberechnung werden bei abweichenden Milchinhaltsstoffen die entsprechenden Werte aus der Tabelle 56 genommen. Will man nun Milchleistungen mit unterschiedlichen Fett- und Eiweißgehalten miteinander vergleichen, wird auf die „Standardmilch“ mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß umgerechnet. Dies erfolgt auf der Basis des Energiegehaltes von Fett und Eiweiß, deshalb wird die „Standardmilch“ als Energiekorrigierte Milch (ECM) bezeichnet. Die Berechnung erfolgt nach folgender Formel:
ECM = (0,38 × Fett [%] + 0,21 × Eiweiß [%] + 1,05)/ 3,28. Bei den Bedarfsangaben der Tabelle 57 wurde bewusst auf die Angaben von Dezimalstellen verzichtet, um nicht eine Genauigkeit vorzutäuschen, die letztendlich nicht gegeben ist.
? Die Angaben in der Tab. 57 ermöglichen auch die Berechnung der erforderlichen Energie- und Nährstoffgehalte in einem kg Trockenmasse. Wie hoch muss der Eiweiß- und Mineralstoffgehalt je kg TM bei einer Milchleistung von 15 kg und 30 kg sein?
Die Bedarfszahlen bieten weiter die Möglichkeit, den Gesamtaufwand an Energie für die Erzeugung von 1 kg Milch (einschl. des Erhaltungsbedarfs sowie des Bedarfs für eine 60-tägige Trockenstehphase) bei unterschiedlicher Jahresmilchleistung zu errechnen:
Tab. 57 Täglicher Gesamtbedarf einer Kuh mit 650 kg Lebendgewicht sowie 4,0 % Milchfett- und 3,4 % Milcheiweißgehalt durchschnittl. Futteraufnahme* kg TM/Tag
Nutzbares Rohprotein g
NEL
Ca
P
Mg
Na
MJ
g
g
g
g
+ 10 kg Milch
12,5
1 300
71
50
32
19
15
+ 15 kg Milch
14,5
1 725
87
67
42
22
18
+ 20 kg Milch
16,5
2 150
104
83
52
25
21
+ 25 kg Milch
18,0
2 575
120
99
61
28
24
+ 30 kg Milch
19,5
3 000
137
114
71
31
27
+ 35 kg Milch
21,5
3 425
153
131
81
34
30
+ 40 kg Milch
23,5
3 850
170
147
91
37
33
Erhaltungsbedarf
+ 45 kg Milch
25,0
4 275
186
163
100
40
36
+ 50 kg Milch
26,5
4 700
203
178
109
43
39
6. bis 4. Woche vor dem Kalben (680 kg LG)
10–11
1 135
52
40
25
16
12
3. Woche bis zum Kalben (720 kg LG)
9,0
1 230
58
40
25
16
12
Trockenperiode
* ab 60. Laktationstag
284
7.3 Die Milchproduktion Übersicht 35 Jährliche Milchleistung (mit 4 % Fett) in kg:
5 000
6 000
7 000
8 000
9 000
Leistungs- und Energiebedarf je kg Milch in MJ NEL:
6,1
5,6
5,3
5,0
4,8
Diese Berechnung macht deutlich, dass eine Hochleistungskuh je Liter erzeugte Milch erheblich weniger Nährstoffe benötigt als eine milcharme Kuh. Im höheren Leistungsbereich verringert sich allerdings der Vorsprung. Betrachtet man die Milchproduktion unter dem Gesichtspunkt der optimalen Energieverwertung, so ist es sinnvoller, eine bestimmte Milchmenge mit Hochleistungskühen als mit mehreren milcharmen Kühen zu erzeugen.
7.3.1.2 Leistungs- und wiederkäuergerechte Fütterung Die Hochleistungskuh braucht erheblich weniger Gesamtfutter (Erhaltungs- und Leistungsfutter) für die Erzeugung von 1 kg Milch als die milcharme Kuh. Allerdings stellt sie höhere Ansprüche an die Nährstoffversorgung und damit an die Rationsgestaltung. Von den Nähr-, Mineral- und Wirkstoffen ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Energieversorgung betroffen, da diese in hohem Maße von dem beschränkten Futteraufnahmevermögen der Kuh abhängig ist. Die grundsätzlichen Zusammenhänge sollen anhand der Tab. 58 aufgezeigt werden. Im unteren Teil ist die Energiekonzentration in der Trockenmasse (TM) einiger Grob- und Kraftfuttermittel aufgeführt. Ein Vergleich der einzelnen Futtermittel beider Gruppen verdeutlicht, dass die Energiekonzentration in qualitativ guten Grobfuttermitteln gegenüber der in Kraftfuttermitteln keine so sehr großen Unterschiede aufweist. Bei Rohprotein und Mineralstoffen ist die Situation dagegen völlig anders, so dass in diesen Fällen durch den Einsatz spezieller Eiweiß- bzw. Mineralfuttermittel die erforderlichen Gehalte in der Ration exakt eingestellt werden können.
? Wie hoch muss die tägliche Futteraufnahme in kg TM einer 50-Liter-Kuh sein, um noch eine
leistungs- und wiederkäuergerechte Gesamtration sicherstellen zu können? Die entsprechenden Rechenergebnisse können in der Tabelle 58 ergänzt werden.
Eine Grobfutterration, deren Trockenmasse z. B. jeweils zu 50 % aus Gras- und Maissilage besteht, weist eine durchschnittliche Energiekonzentration von 6,0–6,4 MJ NEL je kg TM auf. Bei Kraftfutter können im Durchschnitt 7,9–8,2 MJ NEL je kg TM angenommen werden. Stellt man nun eine Ration für Hochleistungskühe zusammen, so wird man versuchen müssen, so viel Kraftfutter wie möglich einzusetzen. Die Grenze liegt allerdings bei der Menge, die noch eine wiederkäuergerechte Gesamtration sicherstellt. Als Richtwert gilt, dass sich die Trockenmasse der Gesamtration jeweils zu 50 % aus Grob- und Kraftfutter zusammensetzen sollte. Im Extremfall und bei günstiger Fütterungstechnik kann diese Relation auf 40 zu 60 erweitert werden. Aus den unterschiedlichen Gehalten der beiden Futtermittelgruppen errechnet sich bei den angegebenen TM-Verhältnissen eine maximal erreichbare Energiekonzentration in der Gesamtration von 7,0–7,3 MJ NEL je kg TM. Aus dem oberen Teil der Tab. 58 geht hervor, dass die notwendige Energiekonzentration in erster Linie vom Verzehr an Trockenmasse abhängig ist. Bei 20 Liter Tagesleistung reicht bereits eine Futteraufnahme von 16 kg TM für eine realisierbare Energiekonzentration aus. Bei einer höheren Futteraufnahme kann das GrobfutterKraftfutterverhältnis der Gesamtration zugunsten des Grobfutters verschoben werden. Eine 30-Liter-Kuh muss dagegen mind. 20 kg, eine 40-Liter-Kuh sogar mind. 24 kg TM fressen, damit die notwendige Energiekonzentration bei gleichzeitiger Einhaltung des erforderlichen Mindestanteils an Grobfutter-TM in der Gesamtration noch erreicht werden kann.
285
7
7
Rinderproduktion
Tab. 58 Zusammenhang zwischen Futteraufnahme und Energiekonzentration (MJ NEL/kg TM) in der Milchviehfütterung
Bedarf MJ NEL/Kuh und Tag (650 kg LG, Milch mit 4 % Fett)
Milchleistung kg/Tag 40
20
30
104
137
tägliche Futteraufnahme in kg TM
170
50 ........
erforderliche Energiekonzentration in MJ NEL je kg Futter-TM
15
6,9
16
6,5
17
6,1
18 19
7,2
20
6,9
21
6,5
22 23
7,4
24
7,1
25
6,8
26
........
27
........
28
........
29
........
Energiekonzentration (MJ/NEL/kg TM) einiger Futtermittel Gras
6,2 – 7,0
Melasseschnitzel
7,6
Rüben
7,6
Gerste
8,1
Heu
4,6 – 5,3
Weizen
8,5
Grassilage
5,4 – 6,7
Körnermais
8,4
Maissilage
6,3 – 6,7
MLF Est. 3
7,6
Pressschnitzelsilage
7,4
MLF Est. 4
8,1
Biertrebersilage
6,7
max. mögliche Energiekonzentration in der Gesamtration 7,0 – 7,3 MJ NEL je kg TM Die in der Tab. 58 durchgeführten Berechnungen zeigen, dass der Futteraufnahme in Form des Trockenmasseverzehrs die Schlüsselposition hinsichtlich einer leistungsgerechten Energieversorgung von Hochleistungskühen zukommt. Es ist deshalb wichtig, sich mit den Einflussfaktoren
286
auf die Futteraufnahme näher auseinander zu setzen.
? Zur Lösung der Aufgabe in der Tab. 58 muss der Energiebedarf für Erhaltung aus der Tab. 56
7.3 Die Milchproduktion sowie für die Leistung aus der Tab. 57 abgelesen werden. (Erhaltungsbedarf für 650 kg LG = 37,7 MJ, Leistungsbedarf für 50 kg Milch = 50 × 3,3 = 165 MJ). Insgesamt beträgt der Energiebedarf für 50 kg Milchleistung/Tag = 50 × 203 MJ NEL. Bei 26 kg TM-Aufnahme errechnet sich eine erforderliche Energiekonzentration von 7,8 MJ, bei 27 kg von 7,5 MJ und bei 28 kg von 7,3 MJ NEL/kg TM. Die 50-Liter-Kuh muss demnach über 28 kg Trockenmasse täglich verzehren, um ihren Energiebedarf zu decken.
Ein weiteres Beispiel soll den begrenzenden Faktor „Futteraufnahmevermögen“ verdeutlichen und zu Überlegungen hierüber Anlass geben (Abb. 107). Es wurde eine gleiche Trockenmasseaufnahme aus Grobfutter von 13 kg mit unterschiedlichen Futtermitteln bzw. Futterqualitäten bei Grassilage unterstellt. Diese finden sich in den Tab. 31, 32 und 42. In einem Fall reicht die Grundration nach Energie für 11 Liter Milch (Abb. links), im anderen Fall für 16 Liter Milch (Abb. rechts).
? Ist die Grenze des Futteraufnahmevermögens in beiden Fällen erreicht oder evtl. sogar bereits
Abb. 107
überschritten? Wie kann man höhere Milchleistungen „erfüttern“? Zunächst wollen wir festhalten, dass bei den oben beschriebenen und bebilderten Grundrationen die Energiekonzentration bei 5,5 (Abb. links) bzw. 6,8 MJ NEL/kg TM (Abb. rechts) liegt. Verdauungsvorgänge und Futteraufnahme | Der besseren Verständlichkeit wegen wurde bei den oben diskutierten Verschiebungen in der Zusammensetzung der Ration unterstellt, dass sich dadurch die Verweildauer des Futters im Vormagensystem, die so genannte Passagegeschwindigkeit, nicht verändert. Tatsächlich wird aber die Ration links mit rohfaserreicheren Futtermitteln öfter wiedergekaut werden müssen und die Vormägen nicht so rasch durchlaufen wie die verdaulichere Ration rechts. (Der NEL-Gehalt in der TM ist hierfür ein wichtiges Indiz, da die Verdaulichkeit der Nährstoffe bei der NEL-Bewertung berücksichtigt wird.) Das bedeutet auch, dass eine Kuh, deren Pansenvolumen für die Ration links gerade ausreicht, von einem Futter der Zusammensetzung rechts bei unrationierter Fütterung mehr als 13 kg TM an einem Tag aufnehmen und verwerten könnte. Die Futteraufnahme ist außer von der Passagegeschwindigkeit noch
Unterschiedliche Grundrationen bei gleicher Trockenmasseaufnahme
287
7
7
Rinderproduktion
von weiteren Faktoren abhängig, wie z. B. vom Laktationsstadium und vom Körpergewicht. Von besonderer Bedeutung ist die Verdaulichkeit der Grobfuttermittel, die an der Energiekonzentration gemessen wird (vgl. 5.2.4) und bei den praxisüblichen Grobfuttermitteln häufig sehr unterschiedlich ist. Bei Grasprodukten hängt diese in erster Linie vom Schnittzeitpunkt ab (vgl. 6.1, 6.3.1.6 und 6.3.2). Aus Untersuchungen von Rohr kann abgeleitet werden, dass bei Grassilagen im Bereich von 25 bis 33 % Rohfaser in der Trockensubstanz je Prozent Rohfaseranstieg die Futteraufnahme um 0,3 kg Trockenmasse abnimmt. Die Zusammenhänge zwischen Grobfutterqualität und Futteraufnahme sowie der daraus resultierenden Milcherzeugung aus Grobfutter gehen aus der Abb. 108 hervor. Die Differenz in der Futteraufnahme zwischen schlechten (5,2 MJ NEL/ kg TM) und sehr guten Grobfutterqualitäten (6,8 MJ NEL/kg TM) liegt in einer Größenordnung von 5 kg TM. Die höhere TM-Aufnahme einerseits und der gleichzeitig höhere NEL-Gehalt in der Trockenmasse führen zu einem überproportionalen Anstieg der möglichen Milcherzeugung aus solchen
Abb. 108
288
Grobfutterrationen in der Größenordnung von über 15 Liter.
!!! Anhand der Abb. 108 kann auch die Frage zur Abb. 107 beantwortet werden: Die unterstellten Grobfutterqualitäten sind sehr unterschiedlich. Bei der Ration aus Heu und Grassilage (mittlere Qualität) mit einem durchschnittlichen NEL-Gehalt in der TM von 5,5 MJ dürfte die unterstellte TM-Aufnahme von 13 kg zu hoch sein. Eine Größenordnung von 11,5 kg wäre hier realistischer. Dagegen wird die Futteraufnahme bei der Ration mit sehr guter Gras- und Maissilage und der sehr energiereichen Pressschnitzelsilage sehr viel höher als 13 kg TM sein. Sie kann mit knapp 16 kg angenommen werden. Die Unterstellung einer gleich hohen Grobfutteraufnahme unabhängig von der Rationszusammensetzung nach Futterart und -qualität ist falsch! Um höhere Milchleistungen zu erfüttern, muss die Grobfutterration durch Zugabe von Kraftfutter, das rohfaserarm und deshalb leicht verdaulich und energiereich ist, ergänzt werden.
Grobfutterqualität, Trockenmasseaufnahme sowie Milcherzeugung aus Grobfutter
7.3 Die Milchproduktion Durch Kraftfutterzulage wird die Verdaulichkeit, Energie- und Nährstoffkonzentration sowie Passagegeschwindigkeit der Gesamtration erhöht. Auf diese Weise kann eine leistungsgerechte Fütterung sichergestellt werden. Für die Höhe der Kraftfutterzulage gilt es allerdings Grenzen einzuhalten, denn auch eine Hochleistungskuh bleibt ein Wiederkäuer und muss entsprechend ernährt werden. In der Abb. 109 wurden die in der Abb. 107 aufgeführten beiden Rationen durch entsprechende Kraftfuttergaben soweit ergänzt, dass die Wiederkau- und Pansenfunktion wahrscheinlich noch nicht ernsthaft gefährdet sind. Zuvor wurde allerdings die Grobfuttermenge der aufgrund der Energiekonzentration zu erwartenden Futteraufnahme angepasst (vgl. Lösung der Aufgabe zur Abb. 107). Eine weitere Steigerung der Kraftfuttermenge in der Ration würde die Grenzen einer wiederkäuergerechten Fütterung überschreiten, was sich z. B. relativ schnell im Absinken der Milchfettgehalte bemerkbar macht.
!!! Der Milchfettgehalt ist ein empfindlicher Maßstab für das ordnungsgemäße Funktionieren des Vormagensystems.
Abb. 109
Futterstruktur | Einige Probleme der wiederkäuergerechten Fütterung wurden bereits früher angesprochen (s. 2.8.1 und 2.8.4). Es wurde auch schon erwähnt (s. 6.1), dass ein Rohfaseranteil von 18–22 % der TM für optimal gehalten wird. Wichtig ist aber auch, welche Struktur die Rohfaserlieferanten haben. Durch das Mahlen von Heu oder Stroh bleibt zwar der Rohfasergehalt der Gleiche wie bei lang belassenem oder nur grob gehäckseltem Material; aber die physikalische Struktur ist so stark verändert, dass der angestrebte Einfluss auf die Speichelsekretion ausbleibt. Deshalb wird zusätzlich gefordert, dass 2⁄3 der Rohfaser in der TM der Gesamtration „strukturiert“ sein soll. Um hierüber genauere Berechnungen im Rahmen der Rationsplanung vornehmen zu können, werden konkrete Informationen zur Strukturwirksamkeit der einzelnen Futtermittel benötigt. Grundsätzlich soll über die Futterstruktur der Speichelfluss beeinflusst werden, da dieser in erster Linie den pH-Wert im Pansen steuert. Maßgebend hierfür ist die vom Tier aufzuwendende Fress- und Wiederkauzeit. Kauzeitmessungen sind deshalb Grundlage für die Bewertung der Strukturwirksamkeit eines Futtermittels. In neueren Versuchen des belgischen For-
Futteraufnahmevermögen und Leistung
289
7
7
Rinderproduktion
scherteams um De Brabander wurde z. B. eine mittlere tägliche Fresszeit von 4 3⁄4 Stunden und eine Wiederkauzeit von 8 1⁄4 Stunden gemessen. Die Gesamtkauzeit, bezogen auf 1 kg Futtertrockenmasse, schwankte zwischen 24 Minuten bei Kartoffeln und 158 Minuten bei Stroh. Die Kauzeit hängt in erster Linie vom Rohfasergehalt und der physikalischen Form der Futtermittel ab. Die bei uns z. Zt. noch gebräuchliche Bewertung der strukturierten Rohfaser wurde aus Versuchen zur Vorhersage der Grobfutteraufnahme abgeleitet, die in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Rostocker Tierernährungsinstitut durchgeführt worden sind. Die daraus abgeleiteten Faktoren für die Strukturwirksamkeit sind als Orientierungswerte anzusehen, die u. a. auch neueren Entwicklungen anzupassen sind. Als Beispiel sei hier die Maissilage genannt, für die nach den Rostocker Versuchen ein Strukturfaktor von 1,0 abgeleitet wurde. Für unsere heutigen körnerreichen Maissilagen musste dieser niedriger eingestuft werden. Auch existieren für dieses Bewertungskonzept keine konkreten Bedarfsangaben, sondern die bereits genannten Orientierungswerte zum Gehalt der Ration an Rohfaser und strukturierter Rohfaser. Diese haben sich zwar in der Fütterungspraxis bewährt, bieten jedoch für die Feineinstellung von Hochleistungsrationen nicht die erwünschte Genauigkeit. Der von de Brabander entwickelte Strukturwert (SW) basiert auf exakten Kauzeitmessungen für viele bei uns gebräuchliche Futtermittel. Außerdem wurden in entsprechenden Fütterungsversuchen weitere Struktureffekte bestimmt, insbesondere der kritische Grobfutteranteil in Rationen. Als Kennzeichen eines Strukturmangels wurde u. a. der Rückgang von Milchfettgehalt, Futteraufnahme und Milchleistung herangezogen. Aus den Untersuchungsergebnissen wurden futtermittelspezifische Berechnungsformeln abgeleitet. Bei Grobfuttermitteln geht der analysierte Rohfasergehalt, der mit entsprechenden Faktoren gewichtet wird, in die Berechnung ein. Somit kann der Strukturwert speziell für eine bestimmte Futterqualität festgelegt werden. Bei Kraftfuttermitteln werden außer der Rohfaser die beständige Stärke sowie die leicht fermentierbaren Kohlenhydrate bei der Berechnung des SW berücksichtigt. So wird z. B. Körnermais und
290
Melasseschnitzeln noch ein positiver, Weizen und Gerste ein negativer Strukturwert zugeordnet. Der Strukturwert ist eine dimensionslose Relativzahl. Er bezieht sich grundsätzlich auf 1 kg TM. Für dieses Bewertungssystem werden auch Angaben über einen Mindest-Strukturwert je kg TM der Gesamtration gemacht. Diese sind sehr detailliert nach Milchleistung und Fettgehalt in der Größenordnung von 0,88 bis 1,24 gestaffelt. Für unsere Fütterungsbedingungen wird vorerst ein SW von 1,1–1,2 empfohlen. Da mit diesem Verfahren in der Praxis noch wenig Erfahrungen vorliegen, sollten vorerst beide Systeme parallel angewandt werden. In der Tabelle 59 wurden sowohl die Strukturfaktoren als auch die Strukturwerte für gängige Futtermittel zusammengestellt. Ein direkter Vergleich der Zahlen ist nicht möglich. Setzt man den Strukturwert von Heu gleich 1 und die anderen Werte der Grobfuttermittel dazu in Relation, so sind die Unterschiede zwischen den beiden Systemen – bis auf Ganzpflanzensilage – nicht so gravierend. Im Gegensatz zur strukturierten Rohfaser werden allerdings die Saftfuttermittel beim Strukturwert relativ hoch eingeordnet. Neu ist auch, dass den Kraftfuttermitteln ein Strukturwert – entweder positiv oder negativ- zugeordnet wird.
!!! Wichtige Erkenntnisse aus den Untersuchungen zum Strukturwert sollen hier als allgemeingültige Aussagen zusammengefasst werden: Bei Frischgras, Grassilagen und Heu ist der physiologische Reifegrad des Aufwuchses entscheidend. Die Häcksellänge hat keine Bedeutung für die Strukturwirksamkeit, so lange ein Wert von 20 mm nicht unterschritten wird. Auch der Trockenmassegehalt der Silagen ist hierfür von untergeordneter Bedeutung. Der anzustrebende Bereich von 30–40 % TM wird aus Gründen einer guten Silierung sowie einer hohen Futteraufnahme empfohlen. Bei Maissilage hat die Häcksellänge wohl einen Einfluss auf die Strukturwirksamkeit. Die kritische Grenze ist hier eine theoretische Häcksellänge von 6 mm. Liegt diese darunter, werden Abschläge im Strukturwert vorgenommen, liegt sie darüber, Zuschläge. Diese Vorgehensweise
7.3 Die Milchproduktion Tab. 59 Strukturbewertung von Futtermitteln Futtermittel
Strukturfaktor1)
Strukturwert2)
Stroh
1,2
4,30
Heu
1,0
3,50
Ganzpflanzensilage
0,9–0,7
1,94
Grassilage
Maissilage3)
G 50 % TM
1,0
50–35 % TM
0,9–0,8
35–25 % TM
0,7–0,6
25–15 % TM
0,5–0,4
G 30 % TM
0,7
30–25 % TM
0,6
25–20 % TM
0,5
Rapssilage
D 2,68–3,55 — j
D 1,57–2,02 —
1,67 j #
1,85 D (0,2)
1,19
#
1,00
Stoppelrübensilage #
Zuckerrübensilage #
Biertrebersilage Pressschnitzelsilage
j
—
1,05
Futterrüben
–
1,05
Kartoffeln
–
0,70
CCM
–
0,50
Rapsextraktschrot
–
0,30
Sojaextraktschrot
–
0,20
Ackerbohnen
–
0,12
Erbsen
–
0,08
Melasseschnitzel
–
0,16
Maiskörner
–
0,22
Gerste
–
–0,06
Weizen
–
–0,15
1)
2) 3)
7
Der Faktor 1,0 bedeutet z. B., dass die in diesem Futtermittel enthaltene Rohfaser zu 100 % strukturwirksam ist Nach de Brabander, die Zahlen beziehen sich jeweils auf 1 kg TM SW bei 6 mm Häcksellänge. Bei Häcksellängen X 6 mm erfolgen Abschläge und G 6 mm Zuschläge von 2 % je mm Häcksellänge beim Strukturwert.
291
7
Rinderproduktion Die empfohlenen Orientierungswerte, jeweils auf 1 kg TM der Gesamtration bezogen, sind in der Tabelle 60 aufgeführt. Sie berücksichtigen mit ihren Maximalwerten die Verhinderung einer möglichen Pansenübersäuerung (Vermeidung einer klinischen und subklinischen Acidose). Außerdem soll mit den aufgeführten Spannen eine optimale mikrobielle Proteinsynthese sowie auch eine maximale Futteraufnahme sichergestellt werden. Während die Stärke- und Zuckergehalte der meisten Futtermittel in den Futterwerttabellen aufgeführt sind, ist dies bei der beständigen Stärke noch nicht der Fall. Die z. Zt. umfangreichsten Informationen hierzu findet man in der DLG-Information 2/2001 (Stärke- und Kohlenhydratversorgung der Milchkuh). Von den Grobfuttermitteln wird der Maissilage die höchste Stärkebeständigkeit zugeschrieben (vgl. 6.3.1.7). Auch bei den gängigen Kraftfuttermitteln trifft dies für die Maisprodukte zu (Maiskörner 42 %, CCM 30 %, Maiskleberfutter 21 %). Ackerbohnen und Erbsen liegen mit 20 und 24 % im Mittelfeld, während den Getreidearten jeweils 15 % Stärkebeständigkeit zugeordnet wird.
steht im Widerspruch zu den Voraussetzungen für eine optimale Verdichtung der Silagen. Je nach den betriebsspezifischen technischen Voraussetzungen sollte der letztere Gesichtspunkt Vorrang haben. Wichtig ist, dass die Maissilage nicht noch nachträglich im Futtermischwagen vermust wird. Als weitere wichtige Erkenntnis ist auf die Beurteilung der energiereichen Saftfuttermittel hinzuweisen. Nach diesen Untersuchungen sind sie hinsichtlich der Strukturwirksamkeit als neutral einzuordnen. So liegen z. B. Biertreber, Pressschnitzel und auch Futterrüben mit einem Strukturwert von 1,0 und 1,05 je kg TM fast am empfohlenen Wert von 1,1 je kg TM für die Gesamtration.
Kohlenhydratversorgung | Im Zusammenhang mit einer leistungs- und wiederkäuergerechten Fütterung sind neben der Rohfaser und deren Strukturwirksamkeit auch die Kohlenhydrate Zucker und Stärke sowie die beständige Stärke mit einzubeziehen.
Tab. 60 Empfehlungen zur Versorgung der Milchkühe mit Kohlenhydraten in der Gesamtration in Abhängigkeit von Leistungsniveau und Laktationsstand (DLG-Information 2/2001) Herdenleistung kg/Tier
6 000
8 000
10 000
32
37
42
a) frischmelkende Kuhgruppe abgedeckte Milchleistung* kg/Kuh und Tag min.
max.
min.
max.
75
min.
max.
Zucker
g/kg TM
75
75
XZ+XS-bXS
g/kg TM
100
250
125
250
150
250
bXS
g/kg TM
10
60
20
60
30
60
b) altmelkende Kuhgruppe abgedeckte Milchleistung* kg/Kuh und Tag
19 min.
Zucker
g/kg TM
XZ+XS-bXS
g/kg TM
bXS
g/kg TM
max.
min.
75 75
*) XS = Stärke; XZ = Zucker; bXS = beständige Stärke
292
22
175 30
25 max.
min.
75 75
200 30
max. 75
75
225 30
7.3 Die Milchproduktion Futteraufnahmevermögen | In der Milchviehfütterung ergibt sich folgender Zielkonflikt, der bereits bei der Abb. 25 angesprochen und bisher nicht beantwortet wurde: | Hohe Milchfettgehalte erfordern eine wiederkäuergerechte, also eine raufutterreiche Fütterung. | Hohe Milcheiweißgehalte und Milchmengen erfordern eine energiereiche, also eine kraftfutterreiche Fütterung. Beide Forderungen miteinander zu vereinen, ist besonders während des ersten Drittels der Laktation, wenn die höchsten Tagesleistungen erreicht werden, schwierig. Hier kommt dem Futteraufnahmevermögen der Kühe besondere Bedeutung zu, wie auch bereits in der Tabelle 58 aufgezeigt wurde. Es ist einleuchtend, dass bei hoher Futteraufnahme die beiden Forderungen leichter zu erfüllen sind als bei niedriger. In diesem Zusammenhang spielt auch das Exterieur der Kühe eine Rolle. Ein großer Rahmen, langer Rücken und weit gewölbte Rippen sind wichtige anatomische Voraussetzungen für ein großes Pansenvolumen sowie für eine hohe Futteraufnahme. In der Regel haben diese Kühe auch ein höheres Körpergewicht. Der damit verbundene größere Erhaltungsfutterbedarf sollte allerdings nicht überbewertet werden. Eine 550 kg schwere Kuh hat gegenüber einer 650 kg schweren Kuh einen höheren Energiebedarf, der einem Milcherzeugungswert von 1,4 kg entspricht. Der Effekt einer höheren Futteraufnahme der schwereren Kuh ist wesentlich positiver zu bewerten als der mögliche Spareffekt in dieser Größenordnung bei einer leichteren Kuh. Daneben spielt das Alter eine gewisse Rolle: Junge und sehr alte Kühe nehmen weniger Futter auf als Kühe mittleren Alters. In diesem Zusammenhang muss das Augenmerk auch auf die Rinderaufzucht gelenkt werden. Sollen Jungkühe bei hohen Einsatzleistungen genügend Futter fressen, müssen sie sich während der Aufzucht gut entwickelt haben (s. 7.4.7). Hohe Außentemperaturen, aber auch andere Witterungseinflusse senken die Futteraufnahme beim Weidegang. Aber auch bei Stallhaltung wirken sich hohe Temperaturen sehr ungünstig auf die Futteraufnahme aus. Die Installation von Ventilatoren im Stall zur Erhöhung der Luft-
durchgangsrate bringt den Kühen Abkühlung mit der Folge, dass sie mehr fressen. Bei ein und derselben Kuh wird die Futteraufnahme nicht nur von der schon diskutierten Zusammensetzung der Ration beeinflusst, sondern auch von der Schmackhaftigkeit einzelner Futtermittel. Auch das Leistungsstadium beeinflusst die Futteraufnahme erheblich. Hochleistende Kühe fressen mehr als altmelke. Das Futteraufnahmevermögen hängt nicht nur von der Kuh selbst ab (Körpergewicht, Entwicklungs- und Leistungsstadium), sondern auch von fütterungstechnischen Maßnahmen (häufigere Futtervorlage, Vorratsfütterung, Vielseitigkeit der Ration, Trockenmassegehalt der Futtermittel, Tier-Fressplatz-Verhältnis u. a.) ab. Nur bei Futter von einwandfreier hygienischer Beschaffenheit (besonders sehr gut vergorene Silagen, keine Futtererwärmung) kann mit optimaler Futteraufnahme gerechnet werden. Hierfür spielt auch eine ausreichende Wasserversorgung eine wesentliche Rolle (vgl. 5.1.1).
!!! Hohe Milchleistungen können auf die Dauer nur von Kühen mit großem Futteraufnahmevermögen erwartet werden. Wenn eine Kuh fünf Wochen nach dem Kalben 40 kg Milch gibt, muss sie bei optimaler Zusammensetzung der Ration mindestens 24 kg TM täglich verzehren, damit Nährstoffaufnahme einerseits und Nährstoffverbrauch und -ausgabe andererseits im Gleichgewicht bleiben. Eine 50-Liter-Kuh muss sogar mindestens 28 kg TM aufnehmen, damit eine noch wiederkäuergerecht zu erfütternde Energiekonzentration von 7,3 MJ NEL/kg TM erreicht werden kann. Kühe, die bei diesen Leistungen weniger Futter verzehren, schmelzen Körperreserven ein und verlieren an Gewicht, was nur für eine begrenzte Zeit möglich und gesundheitlich z. T. bedenklich ist.
Mobilisierung von Energie aus Körperfett | Ein Abbau von Körpersubstanz nach dem Abkalben ist bei Hochleistungskühen unvermeidlich, da die Milchleistung schneller als die tägliche Futteraufnahme ansteigt. Daraus resultiert insbesondere ein Energiedefizit zu Laktationsbeginn. Der Körpersubstanzabbau erfolgt überwiegend
293
7
7
Rinderproduktion
aus den Körperfettreserven, wovon täglich ca. 500–800 g mobilisiert werden. Der dadurch erzielte Energiegewinn entspricht etwa einem Milcherzeugungswert von 4–6 Liter pro Tag. Um abgebautes Körperfett im Stoffwechsel energetisch nutzen zu können, wird Glukose benötigt. Diese sorgt dafür, das genügend Oxalessigsäure für den Zitronensäurezyklus zur Verfügung gestellt wird (vgl. Abb. 75). Wenn die Kühe allerdings vor dem Abkalben stark verfettet sind, kommt es nach dem Abkalben zum Einschmelzen der Fettspeicher. Solche Kühe nehmen zudem relativ wenig Futter und damit auch Energie auf. Andererseits verlassen über die Milch ständig große Mengen an Laktose den Körper. Der Laktosegehalt der Milch ist mit ca. 4,7 % relativ konstant, bei 30 Liter Milchleistung fließen somit täglich 1,4 kg Laktose ab, was in etwa auch der Glukosemenge entspricht. Es kommt zu einem Glukosemangel, wodurch der Abbau von aktivierter Essigsäure über den Zitronensäurezyklus (Mangel an Oxalessigsäure) blockiert wird. Dadurch kann die Oxidation der Fettsäuren nicht vollständig erfolgen und es kommt vermehrt zur Bildung von Ketonkörper (Acetessigsäure, g Hydroxybuttersäure, Aceton). Die Anhäufung dieser Stoffwechselzwischenprodukte führt zum Krankheitsbild der Ketose (auch Acetonämie oder Acetonurie genannt). Das Aceton wird über die Haut, den Harn und die Milch ausgeschieden, aber auch über die Atemluft, was vom Kuhhalter an einem ungewöhnlichen (süßlichen, obstartigen) Geruch festgestellt werden kann (Nachweis von Ketokörpern durch besondere Ketose-Teststreifen, die in Milch oder Urin gehalten werden). Verdauungsstörungen, nachlassender Futterverzehr und rascher Rückgang der Milchleistung und sehr hohe Milchfettgehalte sind weitere Symptome dieser Krankheit, die auch durch zu hohe Fettgehalte im Futter und durch buttersäurereiche Silage ausgelöst werden kann. Die Maßnahmen des Tierarztes müssen also durch eine Futterumstellung (Rohfettgehalt der Ration überprüfen, Energieversorgung verbessern, bedenkliche Silagen weglassen) unterstützt werden. Bei besonders ketosegefährdeten Kühen hat sich eine vorbeugende Verabreichung von täglich 200–250 g Propylenglykol (im Futtermittelrecht „1,2-Propandiol“) bewährt (s. 5.1.5.5).
294
!!! Ein starker Abbau von Körperfett am Laktationsbeginn ist ein Zeichen für eine energetische Unterversorgung der Tiere. In diesem Fall ist mit dem Auftreten von Fruchtbarkeitsstörungen zu rechnen, die sich in Form folgender Symptome äußern können: stille Brunst, Umrindern, verzögerte Gebärmutterrückbildung und Scheidenkatarrhe. Solange frisch laktierende Kühe an Gewicht verlieren, ist es daher schwer, sie wieder tragend zu bekommen. In dieser Situation ist in der Regel auch ein stärkerer Abfall des Milcheiweißgehaltes festzustellen, der über das als normal anzusehende Maß des Absinkens der Milchinhaltsstoffe zu Laktationsbeginn hinausgeht (Abb. 110) und die 3 %-Marke unterschreitet. Diesem Rückgang des Milcheiweißgehaltes kann auch nicht dadurch begegnet werden, dass bei unzureichender Energieversorgung am Laktationsbeginn versucht wird, durch eine Eiweißüberfütterung wenigstens die Eiweißversorgung sicherzustellen. Denn die Hauptquelle für die Eiweißversorgung der Kuh ist das Bakterienprotein, dessen Produktion aber von der Energieversorgung der Bakterien abhängig ist (s. 5.1.2.4). Der Eiweißüberschuss bei unzureichender Energieversorgung bleibt weitgehend wirkungslos. Im Gegenteil, durch eine vermehrte Ammoniakanflutung im Pansen wird letztendlich die Leber, die ohnehin durch den verstärkten Fettabbau strapaziert wird, zusätzlich belastet und geschädigt. Die Möglichkeit zur Verbesserung der Eiweißversorgung besteht allerdings darin, in der Ration verstärkt Proteinkomponenten mit geringer Abbaubarkeit einzusetzen (s. 5.1.2.4). Der höhere UDP-Anteil verbessert die nXP-Anflutung im Dünndarm, ohne dass es zu einer erhöhten Ammoniakbelastung kommt. Eine optimale Energieversorgung führt deshalb auch zu einer verbesserten Eiweißversorgung. Dadurch wird die Fruchtbarkeit verbessert, was beispielsweise am Rückgang von Zyklusstörungen und an besseren Besamungsergebnissen erkennbar wird.
!!! Zweifellos lässt sich bei Hochleistungskühen trotz aller Bemühungen des Tierhalters ein ge-
7.3 Die Milchproduktion
Abb. 110 Veränderungen von Milchleistung und Inhaltsstoffen im Verlauf der Laktation (174 Kühe) (nach Huth, 1994) wisser Gewichtsverlust nach dem Abkalben nicht verhindern. Kühe mit einer guten Körperkondition sind in der Lage, im ersten Laktationsdrittel etwa 30–50 kg Körpermasse in Form von Fett ohne gesundheitliche Schäden zu mobilisieren. Aber sicher gibt es mehr Kühe, denen durch eine zu pauschal gehandhabte Fütterung die Mobilisierung von Körperfett aufgezwungen wird und die bei leistungsgerechter Fütterung durchaus im Ernährungsgleichgewicht gehalten werden könnten. Wesentliche Voraussetzung für eine derartige leistungsbezogene Fütterung sind in kleinen Herden die individuelle Kraftfutterzuteilung und in größeren Herden die Einteilung in Leistungsgruppen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Laktationskurve: Problematisch sind Kühe, die innerhalb der ersten 10 Wochen nach dem Abkalben sehr viel Milch geben und wegen der hohen Tagesleistungen (über 35–40 Liter) nicht bedarfsgerecht zu füttern sind. Erwünscht
sind dagegen Kühe, die gute Tagesleistungen lange durchhalten, was sich grafisch in einer flachen Laktationskurve niederschlägt (Abb. 111), und die deshalb leichter leistungsgerecht ernährt werden können. Beurteilung der Körperkondition | Die beschriebenen Probleme der energetischen Nutzung von Körperfett bei Milchkühen zeigen einen gewissen Teufelskreis auf: Aus Mangel an Glukose bleibt der Körperfettabbau unvollständig, es kommt zu einer Anhäufung von Ketokörpern. Diese führen zuerst zu einer deutlich reduzierten Futteraufnahme. In der Folge steht dann zu wenig Propionsäure aus der Pansenfermentation für die Glukosebildung zur Verfügung. Um den Energiemangel zu kompensieren, wird wiederum vermehrt Körperfett abgebaut, was die Anhäufung von Ketokörpern im Stoffwechsel weiter verstärkt. Einem optimalen Ernährungszustand der Kuh in allen Leistungsphasen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu (fit aber nicht fett!). Die-
295
7
7
Rinderproduktion
Abb. 111
Typen von Laktationskurven bei gleicher Laktationsleistung
ser soll zwar über eine bedarfsgerechte Rationsgestaltung jeweils sichergestellt werden. Aber besonders im letzten Laktationsdrittel und in der Trockenstehphase kann es hier zu Problemen in Richtung Überversorgung kommen, wenn die tatsächliche Futteraufnahme höher ist als bei der Rationsberechnung unterstellt wurde. Es ist deshalb wichtig, den Ernährungszustand an den Kühen selbst zu beurteilen und diesen über die Einstufung der Körperkondition in einem Punktesystem zu bewerten (body-conditioning-scoring-BCS). In den entsprechenden Laktationsstadien (frisch abgekalbt, frühe, mittlere und späte Laktation sowie trockenstehend) erfolgt eine Benotung der Kühe, die sich in erster Linie an der Fettgewebeauflage auf den Hüft- und Sitzbeinhöckern sowie über dem breiten Beckenband bezieht (Tab. 61). Die Einstufung erstreckt sich über die Note eins (abgemagert) bis zur Note fünf (verfettet.). Bezogen auf die verschiedenen Leistungsphasen wird im Kalbezeitraum ein BCS-Mittelwert von
296
Tab. 61 Beurteilung Milchkühen
der
Körperkondition
von
Bonitur- Kondition note
Merkmale
1
abgemagert
tiefe Einsenkungen der Schwanzfalte, straffe Haut, starkes Hervortreten aller Knochen
2
mager
Schwanzfalte abgesenkt, keine Fettauflage sichtbar
3
mäßig bis gut
Schwanzfalte schwach bis leicht gefüllt, Fetteinlagerungen tastbar
4
sehr gut
Schwanzfalte ganz mit Fett gefüllt, Fetteinlagerungen sichtbar
5
verfettet
Schwanzfalte aufgebläht, dicke Fettwülste sichtbar.
7.3 Die Milchproduktion 3,5 als optimal angesehen, der in der frühen Laktation bis auf 3,0 abfallen kann. Danach sollte er sich wieder bis zum Trockenstellen bei 3,5 stabilisieren. Man kann die Körperkondition auch über die direkte Messung der Rückenfettdicke (z. B. über Ultraschall) bestimmen. Als optimaler Wert gilt eine Rückenfettdicke von 20 mm, die einem Körperfettgehalt von ca. 120 kg entspricht. Die Benotung der Körperkondition und der Bezug zum Laktationsstadium ermöglicht es, problematische Ernährungsphasen sichtbar zu machen und die Rationsgestaltung entsprechend anzupassen. Für die Umgruppierung von Kühen bei Leistungsgruppen muss neben der Milchleistung unbedingt auch die Körperkondition als Entscheidungskriterium mit herangezogen werden. Es ist also in jedem Fall wichtig, sich mit diesem Bewertungssystem näher zu befassen, seine Anwendung zu üben und das Auge zu „eichen“! Fressverhalten und Fütterungstechnik | Das Fressverhalten der Kühe kann man am besten dann beobachten, wenn sie sich ihr Futter selbst wählen können. Beim Weidegang nehmen die Kühe ihr Tagesquantum in 4–5 Grasmahlzeiten auf. Wenn sie im Stall bei zwei Mahlzeiten freien Zugang zu Rauh- und Saftfutter haben, entscheiden sie sich morgens, also nach einer längeren Pause seit der letzten Mahlzeit, zuerst für Heu.
Nachmittags, nach einem kürzeren Abstand seit der letzten Mahlzeit und vor Beginn der längeren Pause, drehen sie die Reihenfolge um und beenden den Tag mit Heu. Bei rationierter Fütterung im Anbindestall mit täglich zweimaliger Vorlage spielt deshalb die Reihenfolge der Futtervorlage eine Rolle: Heu, Saftfutter, Kraftfutter bzw. abends Saftfutter, Kraftfutter, Heu. Heute wird allerdings überwiegend die ständige Vorlage von Grobfutter praktiziert, um möglichst hohe Futteraufnahmen und stabile Pansenverhältnisse zu erzielen. Auf die Bedeutung der Futterqualität in Bezug auf die Verdaulichkeit und Passagerate wurde bereits ausführlich eingegangen. Aber auch der Futterqualität aus hygienischer Sicht kommt eine besondere Bedeutung zu. Einwandfrei vergorene Silage, gut geworbenes Heu und einwandfreies Getreide und/oder Mischfutter sind Voraussetzung für hohe Futteraufnahmen. Hinzu kommt die Futtervorlage: Grundsätzlich sollen die Kühe ständig Grobfutter zur freien Aufnahme zur Verfügung haben. Bei Trogfütterung muss ein Futterrest von 5–10 % in Kauf genommen und einmal täglich der Trog gesäubert werden. Bei Vorratsfütterung muss das Futter mehrmals täglich nachgeschoben werden. Ein häufiger Futterwechsel wirkt sich negativ auf die Futteraufnahme aus. Wie die Abbildung 112 zeigt, verursacht das Kraftfutter erhebliche pH-Wert-Absenkungen im
Abb. 112 Auswirkungen unterschiedlicher Fütterungshäufigkeit auf das pH-Niveau in den Vormägen (nach Kaufmann)
297
7
7
Rinderproduktion
Pansen. Kraftfutter führt wegen der hohen Verdaulichkeit und wegen des relativ hohen Anteils leichtfermentierbarer Kohlenhydrate (besonders Stärke und Zucker) immer zu kurzfristiger Übersäuerung im Pansen mit negativen Auswirkungen auf die Aktivität der zellulosespaltenden Bakterien, auf die Passagegeschwindigkeit und auf die Futteraufnahme. Im Extremfall sinkt der pH-Wert bei unkontrollierter Kraftfutteraufnahme auf ein Niveau, das das Leben der Mikroorganismen im Pansen unmöglich macht. Der Tierarzt spricht dann von einer Pansenacidose, die für die Kühe lebensgefährlich ist. Häufiger als dieser Extremfall ist allerdings die subklinische Acidose, bei der der pH-Wert nur noch eine eingeschränkte Bakterientätigkeit erlaubt. Um diese Auswirkungen möglichst gering zu halten, soll das Kraftfutter nur in kleinen Mengen von maximal 2–3 kg je Gabe, verabreicht werden. Das bedeutet jedoch, dass Hochleistungskühe ihre Kraftfuttermenge pro Tag in mehr als zwei Gaben zugeteilt bekommen müssen. Diese fütterungstechnische Maßnahme wird als biologische Fütterung bezeichnet. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Gehalt an leichtlöslichen Kohlenhydraten in der Gesamtration (= Stärke- und Zuckerverträglichkeit, siehe Kohlenhydratversorgung Tab. 60). Unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse werden heute folgende Kenngrößen bei der Rationsplanung berücksichtigt: | Gesamt-Zucker (XZ) | Stärke (XS) | beständige Stärke (bXS) | unbeständige Stärke (XS – bXS) | Zucker plus unbeständige Stärke (XZ+XSbXS). Um noch eine pansenverträgliche Fütterung der Kühe sicherzustellen, sollen bei XZ max. 75 g je kg TM und bei den so genannten leicht fermentierbaren Kohlenhydraten XZ+XS-bXS max. 250 g je kg TM der Gesamtration eingehalten werden. Für bXS gilt ein Orientierungsbereich von 10 bis 60 g je kg TM. Dieser ist weniger pansenphysiologisch als vielmehr ernährungsphysiologisch im hohen Leistungsbereich begründet. Bei automatischer Kraftfutterzuteilung – Abruffütterung – (Transponder, Responder) kann ins-
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besondere in Laufställen eine biologische Fütterung relativ einfach verwirklicht werden. Hierbei handelt es sich um zentrale, computergesteuerte Futterstationen, an denen sich die Kühe die ihnen zustehende Kraftfutterration zu beliebigen Zeitpunkten in kleinen Teilportionen abholen können. Sehr vorteilhaft sind Anlagen, die die Dosierung von zwei oder sogar drei verschiedenen Komponenten ermöglichen. Frischlaktierende Kühe können dann zusätzlich ein spezielles Milchleistungsfutter (z. B. mit geschützten Komponenten oder/und speziellen Futterzusätzen) zugeteilt bekommen. Auch die separate Verabreichung eines mineralstoffreichen Ergänzungsfutters als so genanntes Kilofutter ist so technisch realisierbar. Am ungünstigsten sind dagegen die fütterungstechnischen Bedingungen in Ställen mit Selbstfütterung am Fahrsilo und ausschließlicher Kraftfutterfütterung im Melkstand. Die Pelletierung des Kraftfutters hat ebenso wie das Quetschen des Getreides keinen Effekt hinsichtlich „Strukturwirkung“. Der Vorteil besteht in der Staubbindung bzw. -verhinderung und beeinflusst die Fresslust positiv. Gequetschtes Getreide wird im Pansen langsamer als geschrotetes abgebaut, was einer zu schnellen pH-Wert-Senkung entgegenwirkt. Die Grobfuttervorlage wird in vielen Ställen noch so gehandhabt, dass die mit einem Siloblockschneider entnommenen Blöcke auf dem Futtertisch für mehrere Tage bevorratet werden und die Silage von Hand in den Trog verteilt wird. Diese Methode ist nicht nur relativ arbeitsaufwändig, sondern kann auch dazu führen, dass sich die Silage in den Blöcken erwärmt, nachgärt und eventuell sogar verschimmelt. Je nach den herrschenden stallklimatischen Verhältnissen nimmt die Stallluft Silagegeruch und die Silage Stallgeruch an. Dies alles ist für die Futteraufnahme negativ zu beurteilen. Günstiger ist der Einsatz von Blockschneidern mit Verteileinrichtung oder Futterverteilwagen zu beurteilen. Damit kann die Silage täglich oder noch besser zweimal täglich frisch vorgelegt werden. Wenn im Futterverteilwagen verschiedene Silagen übereinander geschichtet werden, findet beim Verteilvorgang bereits ein gewisser Mischeffekt statt. Eine weitere technische Entwicklung
7.3 Die Milchproduktion in der Futtervorlage ist der Futtermischwagen (s. Abb. 113). Wie der Name sagt, können hier mehrere Futterkomponenten gemischt und dann im Trog vorgelegt werden. Der Einsatz von Futtermischwagen hat eigentlich zur Zielsetzung, die gesamte Ration der Kuh zu mischen und dann vorzulegen, worauf später ausführlicher eingegangen wird. Wenn auch der Einsatz von Futtermischwagen z. Zt. bei uns deutlich zunimmt, haben sich auch andere Futtervorlagetechniken behauptet bzw. wurden weiterentwickelt. Dazu gehört die Selbstfütterung am Fahrsilo und der Einsatz von fahrbaren Fressgittern auf dem Futtertisch. Bei beiden Systemen handelt es sich quasi um eine Vorratsfütterung, die sich vorrangig für Betriebe mit einfachen Grundrationen (Grassilage, Maissilage) eignet. Als wesentliche Vorteile dieser Systeme wird der geringe Zeitaufwand für das Füttern der Kühe sowie Einsparungen bei den Baukosten – insbesondere bei Stallerweiterungen im Zuge von Bestandsaufstockungen – angeführt. Bei der Selbstfütterung am Fahrsilo lassen sich auch bei den Maschinenkosten Einsparungen realisieren. Letzteres trifft beim fahrbaren Fressgitter nicht zu, da außer dem Gitter mit Zahnradantrieb (Weelink-System) oder mit hydraulischem Antrieb (Lollerup Smedeland) auch ein Blockschneider vorhanden sein muss, um die Siloblöcke auf Vorrat auf den Futtertisch zu bringen. Bei der Selbstfütterung am Fahrsilo schieben die Kühe das Fressgitter selbst nach. Der Abstand zum Silostock wird zwischen 60 und 90 cm so eingestellt, dass die Kühe mit „langem Hals“ fressen. Dies trifft auch beim fahrbaren Fressgitter zu, das allerdings per Knopfdruck zweimal täglich näher an das Futter herangefahren werden muss. Bei dieser Art der Vorratsfütterung kann das Tier-Fressplatz-Verhältnis 2,5–3 : 1 betragen. Dem Vorteil der Arbeitszeit- und Baukosteneinsparung stehen auch gewisse Nachteile entgegen. Bei der Selbstfütterung am Fahrsilo sind dies unter anderem ein höherer Gülleanfall wegen Regenwassers, eine eventuelle Verschmutzung der Euter (wenn die Kühe sich draußen hinlegen), Klauenprobleme wegen weiter Wege, Witterungseinflüsse (insbesondere Regen), Abdrängen schwächerer Kühe (insbesondere Färsen) sowie eventuelle Überversorgung altmelkender Kühe. Einige dieser Nachteile können auch für
die Vorratsfütterung im Stall zutreffen. Hinzu kommt hier noch die eventuelle Beeinflussung der Futterqualität, wenn die Silageblöcke mehrere Tage im Stall stehen. Besonders wichtig ist es deshalb, Silagen von einwandfreier Qualität zu gewinnen, die auch aufgrund eines optimalen pH-Wertes stabil sind. Wenn zusätzlich auch energiereiches Saftfutter wie Biertreber- und Pressschnitzelsilagen verfüttert werden sollen, können diese schichtweise mit einsiliert werden. Total-Mischration (TMR) | Bei der Beschreibung wichtiger Futtervorlagetechniken wurde bereits der Futtermischwagen erwähnt (s. Abb. 113). Dieser ermöglicht es, die komplette Futterration der Kühe zu mischen und dann vorzulegen. Hierauf bezieht sich der Begriff TMR, der aus dem amerikanischen Sprachgebrauch kommt und eine Abkürzung für total mixed ration ist. Bei der TMR werden Grob-, Ausgleichs- und Leistungsfutterkomponenten zusammengebracht, die von den Kühen bei Vorlage in der Gesamtmischung nicht mehr selektiert werden können. Unter TMR-Bedingungen wird ein stets gleich intensiv fermentierbares Rationsgemisch aufge-
7
Abb. 113
Futtermischwagen (Foto: Merz)
299
7
Rinderproduktion
nommen, was zu einer weitgehenden Stabilisierung des pH-Milieus im Pansen führt (biologische Fütterung). Dies hat einen positiven Effekt auf die Futteraufnahme, der umso günstiger ist, je schlechter vorher die Futtervorlage und je größer die Unterschiede im Energiegehalt der eingesetzten Komponenten waren. Dagegen wird bei qualitativ hochwertigen Grobfuttermitteln und vorherigem Kraftfuttereinsatz über Responder in dieser Beziehung kaum ein Effekt durch TMR zu erwarten sein. Allerdings kann der Kraftfutteranteil der Gesamtration im Vergleich zum getrennten Angebot von Grob- und Kraftfutter ohne Beeinträchtigung des Pansenstoffwechsels gesteigert werden. Somit ist die TMR besonders für hochleistende Kühe mit höchsten Ansprüchen an die Energiekonzentration in der Futtertrockenmasse geeignet. Wichtig ist allerdings, dass es beim Mischvorgang nicht zu einer zu starken Nachzerkleinerung der Grobfutterkomponenten kommt, da sonst ihre Strukturwirksamkeit deutlich vermindert wird. Diese lässt sich mit Hilfe einer so genannten Schüttelbox kontrollieren. Mit dieser wird über drei Siebfraktionen der Gewichtsanteil verschiedener Partikelgrößenklassen nach einem definierten Schüttelvorgang gemessen. Die Strukturwirksamkeit einer TMR wird als ausreichend angesehen, wenn im Obersieb (Futterpartikelgröße G 1,9 cm) 6–10 %, im Mittelsieb (Futterpartikelgröße X 1,9 cm bis G 0,8 cm) 30–50 % und im Untersieb (Futterpartikelgröße X 0,8 cm) 40–60 % der Einwaage verbleiben. Der Einsatz von Nebenprodukten aus der Lebensmittelherstellung wie z. B. Pülpe, Pressschnitzel, Biertreber, Apfeltrester kann über die TMR hervorragend umgesetzt werden. Während die tägliche Kraftfuttermenge jeder Kuh bei getrennter Fütterung fest vorgegeben wird, steuert sie die Kraftfutteraufnahme bei TMR über die Menge des gefressenen Futtergemisches selbst. Die TMR bringt wesentliche Arbeitserleichterungen durch den Wegfall von aufwändiger Handarbeit bei der Futtervorlage. Bei Neubaumaßnahmen können die Kraftfutterabrufstationen eingespart werden und das Tier-Fressplatz-Verhältnis kann evtl. weiter als 1 : 1 sein. Aus arbeitswirtschaftlicher Sicht muss allerdings beachtet werden, dass täglich gemischt werden muss und sich so vielfach die Routinearbeiten erhöhen. Hierbei ergeben sich zudem eine Reihe
300
möglicher Fehlerquellen, eine Wägeeinrichtung ist für ein korrektes Mischen zwingend erforderlich. Die Anschaffungskosten sind z. T. hoch und die Wirtschaftlichkeit hängt in erster Linie von der Bestandsgröße ab. Futtermischwagen können jedoch auch überbetrieblich oder über Lohnunternehmen eingesetzt werden, was zu einer deutlichen Kostenentlastung führt. Ein wesentlicher Diskussionspunkt beim Einsatz der TMR ist die Frage nach der Notwendigkeit, Leistungsgruppen zu bilden. Hierbei stehen in erster Linie physiologische Überlegungen im Vordergrund, besonders unter dem Aspekt einer leistungsangepassten Energie- und Nährstoffversorgung. Aus dieser Sicht werden mindestens zwei Leistungsgruppen für laktierende Kühe gefordert und zwar eine für die frischmelkenden und eine für die altmelkenden Tiere. Zusätzlich sind trockenstehende Kühe in einer gesonderten Gruppe zu halten und mindestens drei Wochen vor dem Abkalben in eine besondere „Transitfütterungsgruppe“ einzugliedern. Bei den relativ kleinen Bestandsgrößen der alten Bundesländer sind diese Bedingungen in der Regel nicht zu erfüllen. Als Kompromiss wird vielfach eine Teilaufwertung der Grundration z. B. für 20–25 kg Tagesleistung über den Futtermischwagen vorgenommen und höhere Leistungen durch individuelle Kraftfutterzuteilung am Responder oder im Melkstand ausgefüttert. Es liegen jedoch auch positive Erfahrungen mit nur einer Leistungsgruppe vor. Hier ist eine gewisse Abflachung der Laktationskurve zu verzeichnen, bei weniger ausgeprägtem Laktationsgipfel im ersten Laktationsdrittel verläuft die Milchleistung im zweiten und dritten Laktationsdrittel insgesamt auf einem höheren Niveau. Bei einer hohen Herdenleistung verringert sich so die Gefahr der Unterfütterung zu Laktationsbeginn und der Überfütterung zum Laktationsende hin. Liegen die Herdenleistungen höher als 7 500 bis 8 000 kg je Kuh und Jahr und differieren die Einzeltierleistungen innerhalb der Herde nur in engen Grenzen, ist die TMR-Fütterung mit nur einer Leistungsgruppe möglich. Im Trockenstehbereich sind allerdings die zwei genannten Gruppen unbedingt erforderlich: Da im Gegensatz zur getrennten Kraftfutterfütterung, bei der die Tagesgaben nach dem Abkalben langsam gesteigert werden können, bei TMR
7.3 Die Milchproduktion gleich die komplette Leistungsmischung gefüttert wird, ist eine sorgfältige Anfütterung der Trockensteher während der letzten drei Wochen vor dem Abkalben besonders wichtig. Aus ökonomischer Sicht ist die Bildung von Leistungsgruppen in jedem Fall sinnvoll, da in der mittleren und besonders in der unteren Leistungsgruppe kostengünstigere Futtermittel (sowohl Grob- als auch Kraftfutterkomponenten) eingesetzt werden können, wodurch die Futterkosten deutlich zu senken sind. |
!!! Die TMR bedeutet aus physiologischer Sicht eine optimale Umsetzung der „biologischen“ Fütterung von Milchkühen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die weitgehende Vermeidung größerer pH-Wert-Schwankungen im Pansen. Dadurch wird auch das harmonische Zusammenwirken der Mikroorganismen im Pansen gefördert. Hieraus kann allerdings nicht von vornherein abgeleitet werden, dass durch diese Form der Fütterung das Wiederkauverhalten, die Pansenpufferung und der Fermentationsablauf tatsächlich nachhaltig verbessert werden, da diese beim Wiederkäuer primär tagesrhythmische physiologische Verläufe zeigen. Hierzu bedarf es weiterer Forschungen und Erfahrungen. Insofern ist die TMR als eine von mehreren Varianten möglicher Fütterungstechniken und Vorlagesysteme im Milchviehstall einzuordnen. Zusammenfassung wichtiger Anforderungen an eine leistungs- und wiederkäuergerechte Fütterung: | Hochleistungskühe während der ganzen Laktation entsprechend ihrem Bedarf mit Futterenergie versorgen, das heißt am Laktationsbeginn Gewichtsverluste und in der zweiten Laktationshälfte und während der Trockenstehphase Überfütterung möglichst vermeiden! | Zur Gewährleistung einer leistungsgerechten Fütterung den Kühen das Kraftfutter ihrer Leistung entsprechend individuell zuteilen oder die Herde in Leistungsgruppen einteilen. | Täglich mindestens 40–50 % der Futtertrockenmasse über Grobfuttermittel bzw. 0,4 kg strukturierte Rohfaser je 100 kg Lebend-
|
|
|
|
|
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gewicht bzw. ca. 11–12 % strukturierte Rohfaser in der Trockenmasse der Gesamtration anbieten, um die Speichersekretion zu fördern und dadurch ein pH-Niveau im Pansen aufrechtzuerhalten, das den dort für die Kuh arbeitenden Bakterien bekömmlich ist! Bei der Rechnung mit dem Strukturwert (SW) einen Wert von 1,2 je kg TM möglichst nicht unterschreiten. Beim Rohfasergehalt der Ration möglichst 18 % nicht unterschreiten, um für ein optimales Verhältnis von Essigsäure zu Propionsäure (3 : 1) zu sorgen und damit die Voraussetzung für eine ungestörte Milchfettsynthese zu schaffen. Den Gehalt an pansenverfügbaren Kohlenhydraten in der Ration begrenzen und zwar Zucker auf max. 75 g/kg TM und XZ + XS – bXS auf max. 250 g/kg TM. Einen Rohfettgehalt von 800 g je Kuh und Tag nicht wesentlich überschreiten. Höhere Gehalte sind insbesondere bei Einsatz von geschützten Fetten (vgl. 5.1.5.5) möglich. Die Versorgung mit darmverfügbarem Eiweiß, Mineralstoffen und Vitaminen den Richtwerten entsprechend sicherstellen, auf keinen Fall zu wenig, aber möglichst auch nicht wesentlich mehr! Qualitativ gutes Grobfutter ständig zur freien Aufnahme anbieten, einen Futterrest von ca. 5 % täglich in Kauf nehmen. Wenn das Leistungsfutter nicht über Responder oder TMR angeboten werden kann, müssen Tagesgaben über 6 kg auf mehr als zwei Mahlzeiten aufgeteilt werden. Die Wasserversorgung über geeignete Selbsttränken sicherstellen!
7.3.1.3 Fütterung der Trockensteher und Anfütterung nach dem Kalben Hochtragende Kühe sollen vor dem Abkalben 50–60 Tage trocken stehen. Sie brauchen diese Zeit, um ein lebenstüchtiges Kalb in der Gebärmutter heranwachsen zu lassen, um etwaige Gewichtsverluste aus der vorausgegangenen Laktation auszugleichen, um das eigene Wachstum
301
7
7
Rinderproduktion
fortsetzen zu können (da die meisten Kühe noch jung sind) und um sich auf die mit dem Abkalben verbundenen Anstrengungen sowie auf die gleichzeitigen Änderungen im Hormon- und Stoffwechselgeschehen einzustellen. Viele Untersuchungen und auch Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die Fütterung in der Trockenstehphase einen enormen Einfluss auf die Gesundheit und Fruchtbarkeit, aber auch auf die Futteraufnahme und Leistung der frisch laktierenden Kühe hat. Die wichtigsten Zielsetzungen in dieser Zeit sind die Vermeidung einer Verfettung der Tiere sowie einer Mineralstoff- und hier insbesondere einer Calcium- und Kaliumüberversorgung. Werden die Kühe in diesem Zeitraum mit Energie überversorgt (was wegen des relativ geringen Bedarfs leicht möglich ist), kommt es zu einer übermäßigen Fetteinlagerung unter die Haut sowie im Bauch- und Brustraum, aber auch in die einzelnen Organe, besonders in Leber, Nieren und Herz. Dies führt zu einer Volumenabnahme des Bauchraumes, einer Funktionseinschränkung der genannten Organe sowie zu einer Beeinträchtigung der hormonellen Leistungsfähigkeit (insbesondere Insulin- und Parathormonmangel). Besonders schwerwiegend ist die dabei auftretende Verfettung der Leber, die sich im Verlauf des nach dem Abkalben einsetzenden „Fettmobilisationssyndroms“ weiter verstärkt. Dies führt zu erheblichen Gesundheitsstörungen, die Fürll wie folgt zusammenfasst:
Deshalb gilt für die Trockenzeit die gleiche Regel wie für die Laktationsfütterung. Grundsätzlich nur dem tatsächlichen Bedarf entsprechend füttern! Für Kühe im normalen Ernährungszustand genügt im Allgemeinen eine Ration, die den Nährstoffbedarf für Erhaltung plus 4–6 kg Milch deckt. Diese besteht in der Regel ausschließlich aus Grobfuttermitteln mittlerer Energiekonzentration, um die Kühe an hohe Grobfutteraufnahmen zu gewöhnen. Besonders energiereiche Grobfuttermittel, wie teigreife Maissilage, müssen von der Verfütterung ausgeschlossen bzw. mengenmäßig begrenzt werden. In den letzten vier Wochen der Trächtigkeit setzt ein intensives Wachstum des Kalbes, bei gleichzeitigem Rückgang der Futteraufnahme, ein. Hinzu kommt, dass die Pansenschleimhaut sich während der relativ energiearmen Fütterung in der auslaufenden Laktation und im ersten Teil der Trockenstehzeit stark zurückgebildet hat, was auch durchaus erwünscht ist. Um die im Zuge der Futterrationsumstellung zu Laktationsbeginn gebildeten größeren Säuremengen auch absorbieren zu können, muss die Pansenschleimhaut rechtzeitig wieder aufgebaut werden. Es dauert etwa vier bis sechs Wochen, ehe die Pansenzotten wieder ihre maximale Ausbildung und damit Leistungsfähigkeit erreicht haben. Dies geht einher mit der Notwendigkeit, die Mikroorganismenflora im Pansen wieder an kraftfutterreiche Rationen zu gewöhnen. Es ist deshalb erforderlich, die Trockensteher in den letzten drei bis vier Wochen vor dem Abkalben gesondert zu
Übersicht 36 Störungen der Leberfunktion und ihre Folgen gestörte Leberfunktion
klinische Störungen
– eingeschränkter Energiestoffwechsel,
Ketose, weitere Leberverfettung,
reduzierte Östrogeninaktivierung
Fruchtbarkeitsstörungen
– verminderte Vitamin-D3-Aktivierung
Milchfieber
– eingeschränkte Synthesen
gesteigerte Anfälligkeit für Infektionen
302
(besonders von Albumin), geringere
(Mastitiden, Puerperalstörungen,
Antikörperbildung sowie deutlich
Klauenerkrankungen, Pneumonien u. a.),
reduzierte Endotoxinneutralisation
für Klauenrehe sowie für Labmagenverlagerungen
7.3 Die Milchproduktion füttern. Bei den amerikanischen Fütterungsstrategien wird dieser Abschnitt als Transit-Fütterung bezeichnet, wobei zusätzlich noch eine negative Kationen-Anionen-Balance angestrebt wird (vgl. 5.3.1.1). Rationsvorschläge für trockenstehende Kühe sind in der Tab. 62 aufgeführt, wobei zwischen normaler und Transit-Fütterung unterschieden wird. Die Pfeile sollen darauf hinweisen, dass die Rationsumstellung nicht abrupt, sondern gleitend erfolgen soll. Als Futtermittel eignen sich besonders Grasanwelksilage, Heu und Stroh. Maissilage muss wegen ihres hohen Energiegehaltes mengenmäßig begrenzt werden. Im Sommer ist bis drei bis vier Wochen vor der Kalbung Weidegang möglich. Ungeeignet sind Klee und Luzerne (zu hohe Calciumgehalte), Nasssilagen sowie schlecht vergorene buttersäurehaltige und schimmelige Silagen. Bei der Mineralstoffversorgung soll insbesondere die Calciumversorgung den Bedarf nicht übersteigen. Da Heu und Grassilage in der Regel einen ausreichenden Calciumgehalt aufweisen, ist eine zusätzliche Versorgung über das Mineralfutter zu vermeiden. In GPS und Mais fehlt dagegen Calcium, so dass auf Basis der Rationsberech-
nung jeweils entschieden werden muss, ob ein calciumfreies oder -armes Mineralfutter gewählt werden muss. Der Spurenelement- und Vitaminbedarf muss über eine entsprechende Ausstattung des Mineralfutters, das mit 100 g je Kuh und Tag eingesetzt wird, abgedeckt werden. Bei Rationen, die viel Stroh, GPS und auch Maissilage enthalten, ist besonders auch auf eine zusätzliche g -Carotinversorgung zu achten. Als Kraftfutter in der Transit-Fütterung ist bei proteinreichem Grobfutter (Heu, Grassilage) Getreide geeignet, bei proteinarmer Grobfutterration (GPS, Stroh, Maissilage, wenig Grassilage) muss ein Milchleistungsfutter mit 18 % Rohprotein , Energiestufe 3, verwendet werden. Dieses sollte auch einen höheren Getreideanteil haben, um dem Pansen genügend leichtfermentierbare Kohlenhydrate zuzuführen und die Anpassungsvorgänge (Mikroorganismenflora, Pansenzottenwachstum) zu optimieren. Ein solches Kraftfutter kann auch in Form einer Eigenmischung aus 72 % Getreide, 24 % Sojaschrot und 4 % Mineralfutter hergestellt werden. Der Anfütterung der Kühe nach dem Abkalben mit Kraftfutter ist besondere Aufmerksamkeit zu
Tab. 62 Rationsvorschläge für die Fütterung trockenstehender Kühe Futtermittel
Tagesration, kg normal
Transit
3,0
3,0
Ration 1 Heu, Mitte bis Ende der Blüte
17,0
——— 1
12,0
Stroh
1,5
——— 1
–
Weizen
–
——— 1
3,0
Mineralfutter (ohne Ca + P)
0,1
Grassilage grasreich, 2. Nutzung (35 % TM)
0,1
Ration 2 Grassilage, grasreich, 2. Nutzung (35 % TM)
16,0
——— 1
13,0
Maissilage, Ende Teigreife, KA mittel (35 % TM)
8,0
——— 1
7,0
Stroh
2,5
——— 1
–
Milchleistungsfutter 18/3
–
——— 1
3,0
Mineralfutter (ohne Ca + P)
0,1
0,1
——— 1 bedeutet ansteigend bzw. abfallend
303
7
7
Rinderproduktion
widmen. Auch wenn die Kühe bereits in den ersten Tagen hohe Milchleistungen haben, muss hinsichtlich der Kraftfuttergabe eher Zurückhaltung geübt werden, da in dieser Phase auch die Grobfutterannahme verringert ist. Diese steigt nach dem Abkalben nur langsam an und erreicht ihre volle Höhe erst nach ca. 10 Wochen. In dieser Zeit beseht daher verstärkt die Gefahr einer Pansenübersäuerung (Acidose). Ein niedriger Fettgehalt bei der ersten Kontrolle, häufig mit einem hohen Eiweißgehalt gekoppelt, ist ein Zeichen einer zu schnellen Steigerung der Kraftfuttergabe. Da die Folge einer Pansenübersäuerung jedoch wiederum eine Verringerung der Futterannahme ist, tut man der Kuh damit keinen Gefallen. Die Anfütterung kann nach folgendem Schema erfolgen: Übersicht 37 Laktationswoche 1. 2. 3. 4. 5.
max. tägliche Kraftfuttermenge Kuh 6 kg 8 kg 10 kg 11 kg 12 kg
Färse 5 kg 6 kg 8 kg 9 kg 10 kg
Erst ab der 6. Laktationswoche erfolgt die Einstellung auf die der Leistung entsprechende Kraftfuttermenge. Da Färsen (= Kühe in der 1. Laktation) generell weniger Grobfutter aufnehmen, muss auch die Kraftfuttergabe entsprechend niedriger sein. Die langsame Steigerung der Kraftfuttermengen sichert auch bei verringerter Gesamtfutteraufnahme in der Anfangsphase eine wiederkäuergerechte Ration für die Kuh. Im Übrigen muss die Fütterung hinsichtlich Futterqualität und Fütterungstechnik in dieser Phase besonders sorgfältig durchgeführt werden, um die Aufnahme von Grobfutter zu fördern.
nem Futterplan ausgerechnet hat, wie viel Grobfutter den einzelnen Tiergruppen täglich zur Verfügung steht, kann über Monate die gleiche Tagesration durchhalten (Konstanz der Fütterung). Dazu ist es notwendig, zur Kontrolle der Ration sowie bei jedem Futterwechsel die verabreichten Futtermengen nachzuwiegen. Relativ leicht möglich ist dies bei Heu, Kraftfutter und allen Futtermitteln, die mittels Schubkarren auf dem Futtertisch verteilt werden oder in Ballenform vorliegen. In diesem Fall können die einzelnen Behälter bzw. deren Inhalt gewogen werden. Schwieriger ist es, wenn z. B. Silage mit Wagen oder blockweise auf Vorrat in den Stall gebracht werden. Auch in diesen Fällen sollte man die Gewichtsfeststellung versuchen, z. B. mit Hilfe einer Fuhrmannswaage oder durch Ausmessen des Raumgewichtes. Seit einigen Jahren werden besonders von der Fütterungsberatung verstärkt transportable Raddruckwaagen eingesetzt. (Abb. 114), mit deren Hilfe ganze Schlepper bzw. Lade- oder Futtermischwagen gewogen werden können. Die ermittelten Futtermengen müssen dann durch die Anzahl der Tage, für die das Futter reicht, sowie durch die Anzahl der davon fressenden Tiere geteilt werden, um auf die durchschnittliche Tagesration eines Tieres zu kommen. Von den gewogenen Futterpartien müssen Proben gezogen und auf den TM-Gehalt untersucht werden, um die allein interessierende Trockenmasseaufnahme berechnen zu können. Die Rationsbeispiele auf den folgenden Seiten gehen vom Erhaltungsbedarf einer 650 kg schweren Kuh aus, deren Milchfettgehalt 4 % und
7.3.1.4 Rationsgestaltung Im Winter ist die Fütterung verhältnismäßig einfach, wenn man nicht mehr Vieh als Futter hat und dieses richtig einteilt. Wer die Futtervorräte am Beginn des Winters ausgemessen und in ei-
304
Abb. 114 Einsatz einer transportablen Raddruckwaage zur Gewichtsfeststellung eines Siloblocks (Foto: Wagenbach)
7.3 Die Milchproduktion Milcheiweißgehalt 3,4 % beträgt. Bei Milchleistungen von 20–25 kg wird eine Futteraufnahme von 16–18 kg TM unterstellt. Bei niedrigen Leistungen wird mit einer TM-Aufnahme von 12–15 kg, bei hohen Leistungen mit 18–20 kg TM gerechnet. Zunächst wird das Prinzip einer kompletten Rationsberechnung ausführlich dargestellt. Auch wenn heute Rationsberechnungen in der Regel mittels des Computers durchgeführt werden, ist es besonders wichtig, die fachlichen Zusammenhänge zu kennen, denn der Computer ist lediglich ein Hilfsmittel und seine Rechenergebnisse können nur so gut sein, wie die fachliche Bedienung durch den Anwender dies ermöglicht! Die Rationsberechnung erfolgt nach folgenden Kriterien, die im einzelnen im Kapitel 5.1 und 5.2 besprochen worden sind und hier noch einmal mit ihren Abkürzungen genannt werden: Übersicht 38 Trockenmasse Nettoenergie Laktation nutzbares Rohprotein Ruminale Stickstoffbilanz Rohfaser Rohfett Calcium Phosphor Magnesium Natrium
1
——— ——— ——— ———
——— ——— ——— ———
1 1
1
1
1
1
1
TM NEL nXP RNB
Ca P Mg Na
Ein Beispiel einer Rationsberechnung für eine 25-Liter-Kuh ist in der Tab. 63 dargestellt. Im oberen Teil der Tabelle sind Grob- und Kraftfuttermittel aufgeführt, die für die Berechnungen zugrunde gelegt wurden. Die Berechnung der Ration erfolgt in drei Stufen: Grobfutterration – Ausgleichsfutterration – Leistungsfutterration. Zuerst wird die Grobfutterration hinsichtlich ihres Energie-, Nähr- und Mineralstoffgehaltes durchgerechnet. Dann wird für nXP und NEL nach Abzug des Erhaltungsbedarfs der Milcherzeugungswert ermittelt. Außerdem wird die RNB berechnet. Diese gibt Auskunft darüber, ob in der Ration in Relation zur Energie Stickstoff (gleich Rohprotein) fehlt (die RNB ist negativ) oder im Überschuss vorhanden ist (die RNB ist positiv). In
der zweiten Stufe der Rationsgestaltung wird eine entsprechende Ausgleichsration berechnet. Als erster Schritt wird die RNB ausgeglichen. Wenn diese negativ ist, muss ein Futtermittel mit positivem RNB-Wert (z. B. Sojaextraktionsschrot, Rapsextraktionsschrot) eingesetzt werden, im anderen Fall ein solches mit negativem RNBWert (z. B. alle Getreidearten, Melasseschnitzel). Im Beispiel enthält die Grobfutterration eine RNB von –36,1 g. Der Ausgleich erfolgt mit Sojaschrot, das einen RNB-Wert von +31,2 g/kg aufweist. Die notwendige Einsatzmenge errechnet sich dadurch, dass der Fehlbedarf durch den RNB-Wert von 1 kg Sojaschrot dividiert wird: 36,1 : 31,2 = 1,2. Die negative RNB der Grobfutterration muss mit 1,2 kg Sojaschrot ausgeglichen werden. Diese Menge wird in die Rationsberechnung eingesetzt, hinsichtlich der Energie sowie aller Nähr- und Mineralstoffe durchgerechnet und mit den Ergebnissen der Grobfutterration addiert. Dann kann der Milcherzeugungswert der ausgeglichenen Grobfutterration berechnet werden. Dieser ist dann Ausgangspunkt für den Ausgleich bei den Mineralstoffen im Schritt zwei. Der Bedarf wird den Mineralstoffgehalten, die sich aus den Futterkomponenten errechnen, gegenübergestellt und ein eventueller Fehlbedarf festgestellt. Aus dem Defizit bei den einzelnen Mineralstoffen kann der geeignete Mineralfuttertyp abgeleitet werden. Im Beispiel besteht ein Fehlbedarf bei den Elementen Calcium und Natrium. Bei Einsatz von 100 g Mineralfutter – eine praxisübliche Größenordnung – müssen in 1 kg 50 g bzw. 5 % Calcium und 130 g bzw. 13 % Natrium enthalten sein. Somit kann die komplette Ausgleichsfutterration berechnet und mit den Gehalten der Grobfutterration addiert werden. Da ein Leistungsfutter sich immer dadurch auszeichnet, dass es hinsichtlich sämtlicher Nährund Mineralstoffe den jeweiligen Bedarf für die erzielbare Mehrleistung harmonisch deckt, ergeben sich eigentlich in der dritten Stufe der Rationsberechnung keine Verschiebungen mehr.
!!! Die Leistungsfuttermenge muss die Differenz zwischen Milcherzeugungswert der ausgeglichenen Grobfutterration und der tatsächlichen Leistung der Tiere abdecken.
305
7
7
Rinderproduktion
Tab. 63 Beispiel einer Rationsberechnung für eine 25-Liter-Kuh (650 kg LG, Milch mit 4 % Fett und 3,4 % Eiweiß) Futter
TM
nXP
RNB
NEL
Rohfett g
Ca
P
Mg
Na
g
Rohfaser g
kg
g
g
g
g
g
g
Heu, 2. Aufw., 4–6 Wo.
0,86
108
1,7
4,54
237
28
4,6
2,8
1,9
0,7
Grassilage, 1. Aufw., grasreich
0,35
51
1,1
2,34
77
15
2,2
1,5
0,7
0,4
Maissilage, Ende Teigr. KA mi Sojaextraktionsschrot
0,35
46
–2,8
2,26
70
11
1,2
0,9
0,6
0
0,88
253
31,2
7,59
59
13
3,0
6,4
2,8
0
Milchleistungsfutter (MLF) 18/3
0,88
160
3,3
6,7
115
35
8,0
4,0
2,0
2,0
Mineralfutter
0,95
–
–
–
–
–
40,0
–
–
140,0
216
3,4
9,1
474
56
9,2
5,6
3,8
1,4
1 kg Futter liefert
I Grobfutterration 2 kg Heu
1,7
15 kg Grassilage (35 % TM)
5,3
765
16,5
35,1
1 155
225
33,0
22,5
10,5
6,0
20 kg Maissilage (35 % TM)
7,0
920 –56,0
45,2
1 400
220
24,0
18,0
12,0
0
14,0
1 901 –36,1
89,4
3 029
501
66
46
26
7
Grobfutterration enthält Abzug für Erhaltung Rest reicht für kg Milch
450
37,7
1 451
51,7
17,1
15,7
II Ausgleichsfutterration 1. Proteinausgleich Dieser richtet sich nach der RNB (–36,1 g). 1 kg Sojaextraktionsschrot hat eine RNB von 31,2 g notwendige Ausgleichsmenge: 36,1 : 31,2 = 1,2 kg Sojaschrot 1,2 kg Sojaextraktionsschrot Grob- und Ausgleichsfutterration enthalten
1,1
304
37,4
9,1
71
16
3,6
15,1
1 755
1,3
60,8
3 100
517
70
54
30
7
75
47
24
20
5
0
0
13
reicht für kg Milch
20,6
18,4
Mineralstoffbedarf Fehlbedarf 1
2. Mineralstoffausgleich
7,7
3,4
0
Bei Einsatz von 100 g Mineralfutter muss dieses 5 % Ca und 13 % Na enthalten 0,1 kg Mineralfutter Grob- und Ausgleichsfutterration enthalten
0,1
–
–
–
–
–
5
0
0
13
15,2
1 755
1,3
60,8
3 100
517
75
54
30
20
24
20
reicht für kg Milch
20,6
18,4
Bedarf 1
75
47
III Leistungsfutterration 3,3 kg MLF 18/3 Gesamtration enthält (ohne Erhaltungsbedarf) reicht für kg Milch
306
2,9
528
10,9
22,1
380
116
26,4
13,2
18,1
2 283
12,2
82,9
3 480
633
101
67
37
27
99
62
28
24
26,9
25,1
Bedarf 1
6,6
6,6
7.3 Die Milchproduktion Im Beispiel müssen für die 25-Liter-Kuh 3,3 kg Milchleistungsfutter 18/3 mit 18 % Rohprotein, 160 g nXP, Energiestufe 3 eingesetzt werden. Der etwas geringere Milcherzeugungswert nach nXP (–0,15 kg) in Relation zur Energie wird durch den „Vorsprung“ in der ausgeglichenen Grobfutterration (+2,2 kg) kompensiert. Mit dieser Menge werden die Gehalte der Leistungsfutterration berechnet und mit denen der Grob- und Ausgleichsfutterration addiert. Die nXP-, NEL- und Mineralstoffgehalte der Gesamtration müssen nunmehr selbstverständlich den Bedarf für 25 Liter Milchleistung abdecken.
? Wie sind die übrigen Kriterien der Gesamtration zu beurteilen: | TM-Aufnahme | RNB | Rohfasergehalt | Rohfettgehalt | Kohlenhydratversorgung? Die Gesamtration enthält 18 kg Trockenmasse. Für eine 650 kg schwere Kuh mit einer Milchleistung von 25 Liter ist dieser Wert, der 2,8 % des Lebendgewichtes beträgt, noch nicht zu hoch (siehe auch Tab. 57). Mit 12 g ist die RNB leicht positiv. Dies ist durchaus erwünscht, um jederzeit ein auch im zeitlichen Tagesablauf ausreichendes N-Angebot im Pansen sicherzustellen. Im Allgemeinen werden RNB-Werte bis 50 als normal, 50–100 g als noch tolerierbar angesehen. Bei Rationen mit viel Maissilage in der Grobfutterration und Sojaschrot als Proteinkomponente ist der RNB-Wert jedoch meistens relativ niedrig, wobei beim Milcherzeugungswert nach nXP dagegen ein gewisser Überhang besteht. Die Gesamtration enthält rund 3,5 kg
Rohfaser. In Relation zur TM-Gehalt der Ration entspricht dies einem Wert von 19 %. Die „Rohfaserregel“ wird also eingehalten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Strukturwirksamkeit ausreicht. Wie der Anteil an strukturwirksamer Rohfaser berechnet wird, geht aus der Tab. 64 hervor. Die Grobfutterration enthält 3,029 kg Rohfaser bzw. 2,633 kg strukturierte Rohfaser in 14 kg Trockenmasse. Dies entspricht 21,6 % Rohfaser bzw. 18,8 % strukturierte Rohfaser. Leistungsfutter enthält zwar Rohfaser, diese hat jedoch keine Strukturwirksamkeit. So berechnet man den Gehalt an strukturierter Rohfaser in der Gesamt-Trockenmasse der Ration: 25 kg Milchleistung: Grobfutteraufnahme 14 kg, darin enthalten 18,8 % = 2,6 kg strukturierte Rohfaser, umgerechnet auf die Gesamt-TM-Aufnahme von 18,1 kg entspricht dies 14,4 % strukturierte Rohfaser. Der Strukturwert (SW) beträgt 1,8 je kg TM der Gesamtration (s. Tab. 65) und liegt damit noch weit über der Empfehlung von 1,1–1,2.
!!! Das Ergebnis der Berechnung zeigt, dass die Ration mit 14,4 % strukturierter Rohfaser als wiederkäuergerecht einzustufen ist und die Leistungsfuttergabe weiter gesteigert werden kann, so dass auch höhere Milchleistungen noch erfüttert werden können. Auch die Beurteilung der Ration nach dem Strukturwert bestätigt diese Einschätzung. Der Rohfettgehalt liegt mit 633 g weit unter der 800-g-Marke, so dass auch diesbezüglich keine Probleme auftreten können.
Tab. 64 Berechnung des Anteils an strukturierter Rohfaser Grobfutterration enthält Strukturstrukturierte faktor Rohfaser kg
TM kg
Rohfaser kg
2 kg Heu
1,7
0,474
1,0
0,474
15 kg Grassilage
5,3
1,155
0,9
1,039
20 kg Maissilage
7,0
1,400
0,8
1,120
14,0
3,029
–
2,633
gesamt
307
7
7
Rinderproduktion
Tab. 65 Berechnung des Strukturwertes (SW) der Gesamtration TM kg
SW je kg TM
kg TM × SW
2 kg Heu
1,7
3,43
5,83
15 kg Grassilage
5,3
2,67
14,15
20 kg Maissilage
7,0
1,71
11,97
1,2 kg Sojaschrot
1,1
0,20
0,22
3,3 kg MLF
2,9
0,10
0,29
0,1 kg Mineralfutter
–
–
–
18,1
–
32,46
Gesamtration
32,46 : 18,1 kg TM = 1,8 SW je kg TM Für die Beurteilung der Kohlenhydratversorgung sind noch zusätzliche Informationen erforderlich. In der Tab. 66 sind für die verwendeten Futtermittel die Gehalte an Stärke, beständiger Stärke und Zucker jeweils auf 1 kg TM sowie auf die Gesamtration bezogen angegeben. Heu enthält keine dieser Kohlenhydrate, Grassilage lediglich Zucker. Maissilage enthält überwiegend Stärke und davon ist ein beträchtlicher Anteil als pansenstabil einzukalkulieren. Die Beständigkeit der Sojaschrotstärke ist gering, für Milchleistungsfutter wurde eine mittlere Beständigkeit unterstellt. Zur Beurteilung müssen die jeweiligen Gehalte der Gesamtration auf 1 kg Trockenmasse bezo-
gen werden. Beurteilungskriterien sind die beständige Stärke, die direkt aus der Tabelle ablesbar ist und mit 37 g/kg TM für eine 25-Liter-Kuh völlig ausreichend ist. Das zweite Beurteilungskriterium, nämlich die pansenverfügbaren Kohlenhydrate erfordern noch eine weitere Rechnung: Stärke minus beständige Stärke plus Zucker, für unsere Ration ergibt das einen Wert von 139 g je kg Trockenmasse. Dieser Wert liegt noch weit vom maximal zu tolerierenden Gehalt (250 g je kg TM) entfernt. Auch aus dieser Sicht ist die Ration durchaus als wiederkäuergerecht einzustufen. Beurteilung der Spurenelement- und Vitaminversorgung | Bei dem Rationsberechnungsbeispiel fehlt die Berücksichtigung der Spurenelement- und Vitaminversorgung. Selbstverständlich kann man auch diese berechnen. Hierzu müssen allerdings die Gehalte in den Futtermitteln bekannt sein, um diese dem Bedarf gegenüberzustellen. Spurenelement- und Vitaminuntersuchungen sind jedoch sehr teuer und benötigen längere Zeit als die normale Futterwertuntersuchung. Im Verhältnis zum Nutzen wäre der Aufwand zu hoch. Bei diesen Mikronährstoffen verzichtet man deshalb auf eine exakte Bilanzierung und arbeitet mit gewissen Sicherheitszuschlägen, wobei die Gehaltsschwankungen in den Grobfuttermitteln und auch die Haltungsbedingungen schon mit in die Überlegungen hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung einbezogen werden (s. 5.1.3.7).
Tab. 66 Berechnung der Kohlenhydratversorgung Futterration Stärke g
Gehalte in 1 kg TM beständige Zucker Stärke g g
Gehalte in der Ration Stärke beständige Zucker g Stärke g g
2 kg Heu
–
–
–
–
–
–
15 kg Grassilage
–
–
30
–
–
159
20 kg Maissilage
286
82
15
2002
574
105
1,2 kg Sojaschrot
69
7
108
76
8
119
115
31
95
450
90
276
Gehalte in 18,1 kg TM 1
2528
672
659
Gehalte in 1 kg TM 1
140
37
36
3,3 kg MLF
308
7.3 Die Milchproduktion Tab. 67 Empfehlungen zur Spurenelementversorgung von Milchkühen Zink Zn Bedarf (mg/kg Futter-TM) empfohlene Gehalte (mg/kg Mineralfutter bei einer Tagesgabe von 100 g je Tier)
Mangan Mn
Kupfer Cu
Jod J
Selen Se
Kobalt Co
0,5
0,15
0,1
50
50
10
3 000
1 000
700
In der Tab. 67 sind Empfehlungen zur Spurenelementversorgung von Milchkühen zusammengefasst. Der Bedarf wird auf die Trockenmasse bezogen, so dass bei bekannter Grobfutteraufnahme die notwendige Versorgungsmenge kalkuliert werden kann. Nimmt man Selen als Beispiel, so beträgt der Bedarf bei 12 kg GrobfutterTM-Aufnahme 1,8 mg. Es ist bekannt, dass im Grobfutter nur sehr geringe Mengen an Selen enthalten sind, die bei der Versorgungsberechnung zu vernachlässigen sind. Die Ergänzung der Grobfutterration erfolgt – wie bei den Mengenelementen – über das Mineralfutter. Deshalb sind in der Tab. 67 die empfohlenen Gehalte in diesem Futtertyp angegeben, die auf eine Tagesgabe von 100 g je Kuh ausgerichtet sind. Bei Selen sind dies 20 mg je kg Mineralfutter. Mit einer Tagesgabe von 100 g werden damit 2 mg je Kuh zugeführt und der Bedarf gedeckt. Hierbei wird – wie auch bei allen anderen Nähr- und Mineralstoffen – davon ausgegangen, dass das Leistungsfutter den für die entsprechende Mehrleistung notwendigen Bedarf abdeckt. 1 kg Leistungsfut-
50
20
10
ter muss demnach einen Selengehalt von 0,15 × 0,88 (entspricht 88 % TM-Gehalt) = 0,13 mg Selen haben. Dieses Prinzip der Versorgung ist auf die übrigen Spurenelemente übertragbar. Bei den Gehaltsempfehlungen für das Mineralfutter wurde allerdings schon berücksichtigt, dass die Grobfuttermittel gewisse native Gehalte aufweisen und nicht bei allen Elementen der Bedarf komplett über das Mineralfutter gedeckt werden muss. Wichtig ist jedoch, dass auch tatsächlich Mineralfutter in der Rationsgestaltung eingesetzt wird. Dies trifft auch für die Vitaminversorgung zu, wobei hier allerdings einige Einschränkungen gemacht werden können. Bei Grünfütterung (Weide oder Stallfütterung) ist eine Zusatzversorgung mit den Vitaminen A und E nicht notwendig. Bei konservierten Futtermitteln (Heu, Silagen) wird eine zusätzliche Vitamin A- und EVersorgung empfohlen. Eine Zusatzversorgung mit Vitamin D ist nur bei Stallhaltung erforderlich, da hier der Einfluss von ultraviolettem Licht
Tab. 68 Empfehlungen zur zusätzlichen Vitaminversorgung von Milchkühen
Vitamin A ß-Carotin Vitamin D3 Vitamin E Niacin 1)
2)
3)
Zusatzempfehlungen je Kuh und Tag
empfohlene Gehalte je kg Mineralfutter Milchleistungsfutter
65.000–120.000 I.E.
600.000 I.E.
8.000 I.E.
50.000 I.E.
800 I.E.
1)
150–300 mg
6.500–8.000 I.E. 100–200 mg
2)
1.000 mg
10 mg
3)
6.000 mg
bei g -Carotin-armen Rationen zur Sicherung der Fruchtbarkeit im Zeitraum ca. 14 Tage vor dem Abkalben bis zur 9. Trächtigkeitswoche. Es gibt Hinweise, dass eine Tagesgabe von 1 000 mg je Tier die Zahl der Mastitisfälle und die somatische Zellzahl in der Milch verringern kann. nur für Kühe mit über 30 Liter Tagesleistung zu empfehlen.
309
7
7
Rinderproduktion
zur D3-Synthese in der Haut fehlt (s. 5.1.4). In der Tab. 68 sind die Zusatz-Empfehlungen sowie die empfohlenen Gehalte im Mineral- und Leistungsfutter aufgeführt. ß-Carotin und Niacin müssen nur unter besonderen Bedingungen ergänzt werden. Besonders arm an ß-Carotin sind Maissilage, Heu und Futterrüben. Eine zusätzliche Ergänzung von Niacin ist nur bei hochleistenden Kühen mit Tagesleistungen über 30 Liter angebracht.
!!! Für die Spurenelement- und Vitaminergänzung der Grobfutterration hat das Mineralfutter eine hervorragende Bedeutung. Die Gehalte je kg Mineralfutter richten sich dabei nach der im Fütterungshinweis angegebenen Tagesgabe je Tier. Diese sollte eingehalten werden, um eine Über- oder Unterversorgung der Kühe zu vermeiden. Grobfutterverdrängung | Eine Kuh, die 20 Liter Milch gibt, kann mehr Grobfutter fressen als eine solche mit 35 Liter Milchleistung. Dies ist eigentlich ganz selbstverständlich, weil die 20-LiterKuh weniger Kraftfutter erhält als die 35-LiterKuh und bei begrenztem Futteraufnahmevermögen entsprechend mehr Grobfutter verzehren
kann. Das bedeutet jedoch, dass jede Kuh in Abhängigkeit von der ihr zugeteilten Kraftfuttermenge unterschiedlich viel Grobfutter frisst. Geht man von der maximal möglichen Grobfutteraufnahme, die ohne bzw. bei nur geringfügiger Kraftfuttergabe erreicht wird, aus, so findet mit zunehmender Kraftfuttermenge eine Grobfutterverdrängung statt. Diese Zusammenhänge sind in der Abb.115 für zwei Grobfutterrationen dargestellt, die sich in ihrer Energiekonzentration voneinander unterscheiden. Von der energiereicheren Grobfutterration wird zwar mit zunehmender Kraftfutteraufnahme relativ mehr Grobfuttertrockenmasse verdrängt, die absolute Grobfutter-TM-Aufnahme liegt aber stets höher als bei der Ration mit geringerer Energiekonzentration. Über den in der Abb. 115 dargestellten Bereich der Kraftfutteraufnahme von 0–15 kg, wobei der letztere Wert allerdings schon extrem hoch ist, werden insgesamt 4,5 bzw. 3,5 kg Grobfuttertrockenmasse aus der Gesamtration verdrängt. Soll eine Ration nicht für Einzelkühe oder Leistungsgruppen, sondern für den ganzen Milchviehbestand berechnet werden, wie dies heute beim Einsatz entsprechender EDV-Rechenprogramme üblich ist, wählt man den in der Tab. 69 dargestellten Weg:
Grobfutter-TM-Aufnahme in kg
14
13
12
11
10
9
8
310
6,2 MJ NEL/kg TM 5,8 MJ NEL/kg TM
0
1
2
3
4
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Kraftfutteraufnahme in kg
Abb. 115 Grobfutterverdrängung bei unterschiedlicher Energiekonzentration in der Grobfutter-Trockenmasse
7.3 Die Milchproduktion Tab. 69 Rationsberechnung mit Berücksichtigung der Grobfutterverdrängung Grobfutterration
4 kg Heu, 1. Schnitt, M.-E. Blüte 30 kg Grassilage, klee- und kräuterreich, 1.N., volles Ährenschieben (35 % TM) 0,1 kg Mineralfutter (0 % Ca, 4 % P, 18 % Na )
Grobfutteraufnahme
13,9 kg TM
Energiekonzentration
6,2 MJ NEL/kg TM
MEW
nach nXP 16 kg, nach NEL 15 kg
RNB
+22 g
Leistungsfutterzuteilung (je kg 170 g nXP, ESt. 3) Milchleistung, kg
Kraftfutter, kg
Grobfutter-TM-Aufnahme, kg
17
1,0
13,9
19
2,0
13,9
21
3,0
13,8
23
4,1
13,7
25
5,3
13,5
27
6,6
13,2
29
7,9
12,8
31
9,4
12,3
33
10,9
11,7
? Warum müssen bei der Milchleistungssteigerung von 17 auf 19 Liter 1,0 kg Kraftfutter (entsprechend 1 kg = 2,0 Liter MEW) von 29 auf 31 Liter jedoch 1,5 kg (entsprechend 1 kg = 1,33 Liter MEW) zugeteilt werden?
7
teraufnahme in Abhängigkeit von der leistungsbedingten Kraftfuttermenge wird nach folgender Schätzformel (DLG) berechnet, aus der auch die wesentlichen Einflussfaktoren hervorgehen: Übersicht 39
1. Es wird von der maximalen, aufgrund der Energiekonzentration möglichen Grobfutteraufnahme ausgegangen (vgl. Abb. 115). 2. Dazu kommen die für die Ausgleichsfütterung vorgesehenen Mengen an Einzelkomponenten und Mineralfutter. 3. Es wird eine Leistungsfutter-Zuteilliste unter Berücksichtigung der Energiestufe des Kraftfutters erstellt, die in Abhängigkeit von der Milchleistung die notwendige Kraftfuttermenge unter Berücksichtigung der Grobfutterverdrängung angibt. Die mögliche Grobfut-
0,006 W + 0,19 E2,16 – 0,026 KT2 Grobfutteraufnahme in kg TM/Tag Lebendmasse in kg Energiekonzentration des Grobfutters in MJ NEL/kg TM KT = Kraftfuttermenge in kg TM/Tag ITGf ITGF W E
= = = =
4. Unterschreitet der Rohfasergehalt bestimmte Grenzen (z. B. 11 % strukturierte Rohfaser in der TM der Gesamtration), endet die Kraftfutterzuteilliste.
311
7
Rinderproduktion
Auf den ersten Blick mag das Vorgehen, bei der Rationsberechnung eine leistungsabhängige Grobfutterverdrängung zu berücksichtigen, theoretisch erscheinen, da ja nicht jeder Kuh eine gesonderte Grobfutterration zugewogen wird. In der Praxis werden jedoch die Grobfuttermittel – mit Ausnahme der energiereichen Saftfutter wie Rüben, Pressschnitzelsilage, Biertrebersilage u. a. – zur freien Aufnahme angeboten. In diesem Fall ist es schon von großer Bedeutung, die Leistungsfutterzuteilung an der tatsächlich aus dem Grobfutter erzielbaren Milchleistung auszurichten. Die genannten energiereichen Saftfutter bleiben bei der Berechnung der Grobfutterverdrängung unberücksichtigt, da sie wie das Kraftfutter selbst zur Grobfutterverdrängung beitragen. Bei diese Methode muss das Kraftfutter nicht nur den leistungsbedingten Mehrbedarf an Nährstoffen liefern, sondern auch das durch die verringerte Grobfutteraufnahme bedingte Nährstoffdefizit ausgleichen. Die Relation Leistungsfuttermenge zu Milchleistung wird deshalb mit fortschreitender Leistungshöhe immer enger. Dies sagt nichts über eine verringerte Nährstoffausnutzung des Kraftfutters bei höheren Mengen aus.
!!! Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ermöglicht auch die Beantwortung der Frage aus der Tab. 69. Die 19-Liter-Kuh frisst noch ebenso viel Grobfutter wie die 17-Liter-Kuh. Der Mehrbedarf für 2 Liter Milch in Höhe von 6,6 MJ NEL wird mit rund 1,0 kg Leistungsfutter gedeckt (6,6 : 6,7). Die 31-Liter-Kuh frisst dagegen 0,5 kg Grobfutter-TM weniger als die 29-Liter-Kuh. Dies entspricht einem Energiewert von 3,1 MJ (0,5 × 6,2 MJ NEL/kg TM). Hinzu kommt der Energiebedarf für 2 Liter Milch in Höhe von 6,6 MJ NEL, so dass über Leistungsfutter insgesamt 9,7 MJ NEL abgedeckt werden müssen. Dafür ist eine Leistungsfuttermenge von 1,5 kg notwendig (9,7 : 6,7). Die bei der Berechnung auftretenden geringfügigen Differenzen erklären sich dadurch, dass die in den Spalten „Kraftfutter“ und „Grobfutteraufnahme“ aufgeführten Zahlen jeweils bereits auf- oder abgerundet worden sind.
312
7.3.1.5 Rationsbeispiele für die Winterfütterung In der Winterfütterung werden konservierte Grobfuttermittel eingesetzt. Die Grobfutterart und -qualität schwankt von Betrieb zu Betrieb. Die Rationsgestaltung muss sich deshalb an den vorhandenen Grobfuttermitteln und deren analysierte Futterwertkriterien orientieren. Die wichtigsten Grobfuttermittel für die Winterfütterung, die auch in den folgenden Rationsbeispielen eingesetzt werden, finden sich in den Tab. 31–36. Als Ausgleichsfutter werden überwiegend Einzelfuttermittel eingesetzt, die entweder im eigenen Betrieb erzeugt worden sind (meistens Getreide, eventuell Körnerleguminosen) oder zugekauft werden (z. B. Melasseschnitzel, Soja- und Rapsextraktionsschrot). Die Angaben zum Futterwert sind aus den Tab. 38, 39, 42, 43, 44 und 45 zu entnehmen. Leistungsfutter | Diese werden als industriell hergestellte Milchleistungsfutter zugekauft oder als Eigenmischung im Betrieb selbst hergestellt. In der Tab. 70 sind die in der Futtermittelverordnung vorgesehenen Milchleistungsfuttertypen mit ihren wesentlichen Inhaltsstoffen zusammengestellt. Für ausgeglichene Grobfutterrationen wird der Typ II verwendet, der in der Regel 18 % Rohprotein und 6,7 MJ NEL (Energiestufe 3) je kg enthält. Der Typ I wird dann eingesetzt, wenn es sich um sehr eiweißreiche Grobfutterrationen handelt und ein Ausgleich mit Einzelkomponenten nicht oder nicht vollständig vorgenommen werden kann. Dies kann besonders bei ausschließlicher Grassilagefütterung oder bei Weidegang bzw. Grünfütterung der Fall sein. Der Typ III ist zum Verschneiden mit Getreide oder anderen Energiefuttermitteln (z. B. Melasseschnitzel) gedacht, in der Regel im Verhältnis 50 : 50. Beim Zukauf von Milchleistungsfutter ist jedoch immer auf die Deklaration und den Fütterungshinweis zu achten. Auf der futtermittelrechtlich vorgeschriebenen Deklaration fehlen allerdings einige Angaben, die für die Rationsberechnung bzw. für die Rationsbeurteilung erforderlich sind. In erster Linie ist hier die Angabe des nutzbaren Rohproteins (nXP) und der RNB-Wert zu nennen. Deklariert (und
7.3 Die Milchproduktion Tab. 70 Inhaltsstoffempfehlungen für Milchleistungsfutter*) Energiestufe
NEL MJ/kg
Rohprotein %
Rohfett
Ca
P
Mg
Na
%
%
%
%
%
Milchleistungsfutter I zu eiweißreichen Grundrationen
2 3 4
6,2 6,7 n 7,0
max. 15
max. 5
0,66 0,70 0,75
0,41 0,43 0,45
0,2 0,2 0,2
0,15 0,15 0,15
Milchleistungsfutter II zu ausgeglichenen Grundrationen
2 3 4
6,2 6,7 n 7,0
16 bis 20
max. 5
0,66 0,70 0,75
0,41 0,43 0,45
0,2 0,2 0,2
0,15 0,15 0,15
Milchleistungsfutter III zum Verschneiden mit Getreide
2 3
6,2 6,7
21 bis 25
max. 8 1,4
0,6
0,3
0,3
Ausgleichsfutter
2 3
6,2 6,7
min. 35
*) In jedem Fall die deklarierten Inhaltsstoffe beachten! Die Gehalte an nutzbarem Rohprotein (nXP) und RNB sowie Stärke (XS), beständige Stärke (bXS) und Zucker (XZ) jeweils beim Hersteller erfragen! somit auch kontrolliert) wird z. Zt. der Rohproteingehalt. Für nXP gibt es noch keine analytische Kontrollmöglichkeit, weshalb die Deklaration nicht vorgeschrieben werden kann. Die Mischfutterhersteller geben jedoch die Gehalte bekannt. In einem normalen Milchleistungsfutter (MLF) 18/3 liegt der nXP-Gehalt bei 155 oder 160 g, die RNB bei 4 oder 3 g je kg Futter. Bei Spezialfutter (in den folgenden Rationsbeispielen mit 18/3 s bezeichnet), werden Proteinkomponenten mit besonders geringer Abbaurate verwendet, so dass bei deutlich erhöhtem UDP-Anteil nXP-Gehalte von 170 oder sogar von 175 g mit RNB-Werten von 2 bzw. 1 g/kg erreicht werden. Für die Rationsbeurteilung ist auch die Kenntnis über die Gehalte der Milchleistungsfutter an Kohlenhydraten wichtig, wie unter 7.3.1.4 dargestellt wurde. Um diese für die Gesamtration berechnen zu können, sind also Informationen über Gehalte an Zucker, Stärke und beständige Stärke erforderlich. Auch diese Angaben gehen aus der Deklaration von Milchleistungsfutter nicht hervor, so dass hier ebenfalls eine Zusatzinformation von den Herstellern verlangt werden muss. Bei dem gängigen Milchleistungsfutter des Typs II liegt der Stärke-/Zuckergehalt in einer Größenordnung zwischen 20–25 % , bei speziellem Futter mit höheren Getreideanteilen (z. B auch Körnermais) jedoch auch deutlich höher. Eine gezielte
Information zu der gekauften Mischfutterpartie ist unbedingt erforderlich. Die Mineralisierung entspricht dem Bedarf entsprechend dem MEW nach Energie. Beim Typ III ist die Mineralstoffausstattung höher, um die diesbezüglichen Defizite des Getreides auszugleichen. Drei Beispiele für Eigenmischungen von Milchleistungsfutter sind in der Tabelle 71 aufgeführt. Bei hauptsächlicher Verwendung von Getreide sowie Soja- und Rapsextraktionsschrot liegt der Energiegehalt bei 7,2 MJ je kg, der nXP-Gehalt bei 170 g mit RNB-Werten von 3 bzw. 4 g/kg. Die Gehalte an Stärke/Zucker liegen mit rund 46 % sehr hoch, die Rohfasergehalte entsprechend niedriger. Bei Einsatz von Melasseschnitzeln sind die Gehalte an Energie, Protein und Stärke etwas niedriger, an Zucker und Rohfaser höher. Aus den Mischungsbeispielen wird auch deutlich, dass der Gehalt an beständiger Stärke in erster Linie durch den Einsatz von Körnermais beeinflusst wird. Eine ausreichende Mineralisierung wird durch Einsatz eines Ca-reichen Mineralfutters erreicht. Wegen des relativ hohen P-Gehaltes von Getreide ist der Ergänzungsbedarf nur gering und mit einem P-Gehalt des Mineralfutters von 2 % zu erfüllen. Zur Spurenelement- und Vitaminausstattung wird auf die Tab. 67 und 68 verwiesen. Während industrielles Milchleistungsfutter pelletiert wird, sind Eigenmischungen mehlförmig.
313
7
7
Rinderproduktion
Tab. 71 Beispiele für Eigenmischungen von Milchleistungsfutter Mischung
1
Weizen
40,5 % 39,5 % 20 %
Gerste
33 %
–
17,5 %
Mais
–
29 %
20 %
Melasseschnitzel
–
–
15 %
Sojaextraktionsschrot
24 %
14 %
15 %
Rapsextraktionsschrot
–
15 %
10 %
Mineralfutter (22 % Ca, 2 % P, 5 % Na)
2
3%
3
3%
2,5 %
Gehalt je kg Mischung: NEL (MJ)
7,2
7,2
7,1
Rohprotein (g)
193
191
182
nXP (g)
170
170
166
RNB (g)
4
3
3
41
43
61
464
460
404
Zucker (g)
40
43
62
best. Stärke (g)
63
110
83
Rohfaser (g) Stärke/Zucker(g) davon
Ca (g)
7,7
8,3
7,8
P (g)
4,6
5,3
4,5
Na (g)
1,6
1,7
1,6
tungsgrenze einer Ration ist in der Regel dann gegeben, wenn der Anteil an strukturierter Rohfaser den Grenzwert von 11 % i. d. TM der Gesamtration unterschreitet. In der Tab. 72 wird der Einfluss unterschiedlicher Grassilagequalitäten bei einer Basismenge von 10 kg Maissilage dargestellt. Die Ration 1 mit sehr guter Grassilagequalität (16,5 % Rohprotein, 6,7 MJ NEL/kg TM) wird mit 0,5 kg Sojaschrot, 0,5 kg Weizen, sowie mit 100 g Mineralfutter ergänzt. Diese ausgeglichene Grobfutterration reicht für eine Milchleistung von 22 Liter. Als Leistungsfutter werden bis zu 8 kg der Eigenmischung 2 (s. Tab. 71) eingesetzt. Damit kann ein Leistungsniveau von 36 Liter abgedeckt werden. Bei mittlerer Grassilagequalität (Ration 2) wird die Grobfutterration lediglich mit 100 g Mineralfutter ergänzt. Ein Ausgleich des um 2 Liter höheren MEW nach nXP durch Getreide ist wegen der bereits leicht negativen RNB nicht sinnvoll. Mit 5 kg Eigenmischung 2 und 5 kg MLF 18/3 s reicht die Ration 2a für 30 Litern Milchleistung. Bei mäßiger Grassilagequalität (Ration 3) muss ein Proteinausgleich in Form von 1,2 kg Sojaschrot erfolgen, es ergibt sich bei leicht negativer RNB ein Überhang beim MEW nach nXP für 3 Liter. Auch diese Ration wird mit 100 g Mineralfutter ergänzt. Als Leistungsfutter werden 4 kg der Eigenmischung 2 und 5 kg MLF 18/3 eingesetzt. Mit dieser Ration kann ein Leistungsniveau bis 27 Liter abgedeckt werden.
? Es ist deshalb besonders wichtig, das verwendete Getreide nur zu quetschen oder grob zu schroten (6–8-mm-Sieb bei Hammermühle). Dadurch sind die Mischungen nicht so staubig und der Stärkeabbau im Pansen erfolgt evtl. etwas langsamer. Zur Staubbindung können auch 1–2 % Soja- oder Rapsöl eingesetzt werden. Rationsbeispiele | Für die Berechnung der folgenden Rationsbeispiele wurde das Berechnungsprogramm MiFuBo 2001 (Autor: Bonsels, Melsungen) in der Excel-Version 1.2 verwendet. Es wurden jeweils zwei Varianten dargestellt: Einmal die ausgeglichene Grobfutterration, zum anderen die Ration mit der maximal möglichen Leistungsfuttermenge, die bei den Rationsnummern jeweils mit a bezeichnet wird. Die Leis-
314
Warum wird zu der relativ rohproteinreichen Grassilage der Ration 1 Sojaschrot ergänzt? Bei den Mineralstoffen ergibt sich – bis auf Natrium – ein relativ geringer Ergänzungsbedarf. Ist es sinnvoll, die Menge zu verringern (z. B. zu halbieren)? Gibt es für die Wahl des Leistungsfutters besondere Gründe? Wie sind die unterschiedlichen Milcherzeugungswerte der Rationen zu beurteilen? Die Auswirkungen unterschiedlicher Maissilageanteile in Kombination zu Grassilage werden in der Tab. 73 dargestellt. Es wurde eine gute Maissilage mit 6,45 MJ NEL/kg TM zu einer mittleren Grassilagequalität (5,89 MJ NEL/kg TM) gewählt. Die Rationen 4 – 6 unterscheiden sich durch einen unterschiedlichen Eiweißergänzungsbedarf,
7.3 Die Milchproduktion Tab. 72 Rationen mit unterschiedlichen Grassilagequalitäten Rationsnummer Grassilage – grasreich, 1.N. (35 % TM)
1
1a
2
2a
3
3a
sehr gute Qualität
kg
34
29
–
–
–
–
mittlere Qualität
kg
–
–
28
22
–
–
mäßige Qualität
kg
–
–
–
–
24
18
Maissilage. E.d.Teigr. (35 % TM) KA mittel
kg
10
10
10
10
10
10
Mineralfutter 11 % Ca, 3 % P, 9 % Na
kg
0,1
0,1
0,1
0,1
0,1
0,1
Sojaschrot
kg
0,5
0,5
–
–
1,2
1,2
Weizen
kg
0,5
0,5
Eigenmischung 2
kg
–
8
–
5
–
4
Milchleistungsfutter 18/3
kg
–
–
–
–
–
5
Milchleistungsfutter 18/3 s
kg
–
–
–
5
–
–
MEW nach NEL
kg
22
36
13
30
12
27
nach nXP
kg
23
36
15
32
15
30
RNB
g
21
45
–1
25
–1
35
pKH / kg TM
g
80
185
59
164
91
179
bXS / kg TM
g
20
54
22
39
23
43
der in den Rationen 4 und 5 über 0,5 und 1,2 kg Sojaschrot und in der Ration 6 über 1 kg Sojaund 1,4 kg Rapsschrot abgedeckt wird. Wenn die Grassilage in der Ration überwiegt, genügt zum Mineralstoffausgleich ein Ca-armes und P-freies Mineralfutter. Bei zunehmenden Maissilageanteilen wird ein Ca- und Na-reiches Mineralfutter benötigt, wovon in der Ration 6 eine größere Menge (150 g) eingesetzt werden muss. Höhere Leistungen werden mit Milchleistungsfutter abgedeckt (4a–6a).
? Welche hauptsächlichen Unterschiede sind zwischen diesen ausgeglichenen Grobfutterrationen und denen der Tab. 72 festzustellen? Unterschiedliche Maissilagequalitäten haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Rationsgestaltung (Tab. 74). Die mäßige Maissilage hat einen NEL-Gehalt von 6,3 MJ, die sehr gute einen solchen von 6,7 MJ in der TM. Bei der Kombination mäßiger Maissilage mit Grassilage (Ration 7)
ergibt sich ein Proteinausgleichsbedarf, der mit 0,9 kg Sojaschrot abgedeckt wird, während bei sehr guter Maissilage 1,4 kg Sojaschrot notwendig sind (Ration 8). Der MEW der ausgeglichenen Rationen unterscheidet sich um 4 Liter. Die Leistungsfütterung wird mit einem MLF 18/3 durchgeführt.
? Ist es sinnvoll, in den Rationen 7 und 8 (Tab. 74) den MEW nach NEL und nXP exakt auszugleichen?
Wenn auch bei uns Grassilage und Maissilage als Grobfuttermittel in den Milchviehbetrieben eindeutig überwiegen, werden in manchen Betrieben auch andere Grobfuttermittel eingesetzt. In der Tab. 75 ist je eine Ration mit Kleegrassilage (Nr. 9), Zuckerrübenblattsilage (Nr. 10) und Futterrüben (Nr. 11) aufgeführt. Als Rationspartner wurden Heu, Weizen-Ganzpflanzensilage (GPS) bzw. Grassilage gewählt.
315
7
7
Rinderproduktion
Tab. 73 Rationen mit unterschiedlichen Maissilageanteilen Maissilageanteil an Grobfutter-TM Rationsnummer
34 %
50 %
68 %
4
4a
5
5a
6
6a
Grassilage grasreich, 1.N. (35 % TM) mittlere Qualität
kg
25
22
20
18
13
11
Maissilage Ende Teigr. (35 % TM) KA mittel
kg
13
11
20
18
27
24
6 % Ca, 0 % P, 8 % Na
kg
0,1
0,1
–
–
–
–
1 % Ca, 3 % P, 12 % Na
kg
–
–
0,1
0,1
0,15
0,15
Sojaschrot
kg
0,5
0,5
1,2
1,2
1,0
1,0
Rapsschrot
kg
–
–
–
–
1,4
1,4
Weizen
kg
0,5
0,5
–
–
–
–
18/3
kg
–
–
–
8,0
–
7,0
18/3 s
kg
–
8,5
–
–
–
–
nach NEL
kg
15
29
18
30
20
31
nach nXP
kg
17
31
20
31
23
33
RNB
g
1
30
1
30
0
30
pKH / kg TM
g
95
159
115
151
147
168
bXS / kg TM
g
30
44
39
35
48
42
Mineralfutter
Milchleistungsfutter MEW
Tab. 74 Rationen mit unterschiedlichen Maissilagequalitäten Rationsnummer
7
7a
8
8a
Grassilage grasreich, 1.N. (35 % TM) mittlere Qualität
kg
19
17
20
18
Maissilage
Beg. d. Teigr. (27 % TM) KA mittel
kg
25
22
–
–
Ende d. Teigr. (38 % TM) KA hoch
kg
–
–
19
17
15 % Ca, 1 % P, 11 % Na
kg
0,1
0,1
–
–
23 % Ca, 4 % P, 13 %Na
kg
–
–
0,1
0,1
kg
0,9
0,9
1,4
1,4
18/3
kg
–
–
–
7,0
18/3 s
kg
–
5,5
–
–
kg
–
2,0
–
–
nach NEL
kg
15
28
19
31
nach nXP
kg
18
31
21
32
RNB
g
0
22
0
27
pKH / kg TM
g
94
163
132
159
bXS / kg TM
g
20
41
49
43
Mineralfutter
Sojaschrot Milchleistungsfutter
Eigenmischung 2 MEW
316
7.3 Die Milchproduktion Tab. 75 Rationen mit Kleegrassilage, Zuckerrübenblattsilage und Futterrüben Rationsnummer
9
9a
10
10a
11
11a
Kleegrassilage, 1. N. (35 % TM) Beg. Blüte
kg
25
20
–
–
–
–
Grassilage, grasr., 1. N. (35 % TM) mittlere Qualität
kg
–
–
10
9
19
16
Heu, 1. Schnitt, M. – E. Blüte
kg
5
4
–
–
4
3,5
ZR-Blattsilage, sauber (16 % TM)
kg
–
–
26
24
–
–
Gehaltsrüben, sauber (15 % TM)
kg
–
–
–
–
30
30
Weizen – GPS, i.d.Teigr. (45 % TM)
kg
–
–
10
10
–
–
Mineralfutter
0 % Ca, 7 % P, 7 % Na
kg
0,1
0,1
–
–
–
–
0 % Ca, 0 % P, 0 %Na
kg
–
–
0,1
0,1
–
–
24 % Ca, 4 % P, 0 % Na
kg
–
–
–
–
0,1
0,1
Weizen
kg
2,5
2,5
–
–
–
–
Sojaschrot
kg
–
–
–
–
1,3
1,3
Maiskörner
kg
–
–
–
–
–
1,5
Milchleistungsfutter 18/3 s
kg
–
8,5
–
5,0
–
6,0
MEW nach NEL
kg
18
31
10
19
20
32
nach nXP
kg
19
32
13
19
21
32
RNB
g
18
29
7
19
3
29
pKH / kg TM
g
88
161
103
146
189
221
bXS / kg TM
g
14
36
10
26
0
36
3,08
1,89
1,60
1,16
2,25
1,54
SW / kg TM
? Welche Besonderheiten sind bei diesen Rationen hinsichtlich der Ausgleichsfütterung und der Leistungsgrenzen festzustellen?
In der Tab. 76 ist ein Beispiel für TMR-Rationen dargestellt und zwar ausgerichtet auf ein Leistungsniveau von 32 und 25 Liter. Es handelt sich hier um sehr vielseitige Mischungen. Die Vorgehensweise orientiert sich zwar auch an der Rationsberechnung für das Einzeltier. Entscheidend sind letztendlich jedoch die Energie- und Nährstoffgehalte in der Trockenmasse der Gesamtmischung. Die ausgewiesenen Gehalte der TMR für die Hochleistungsgruppe entsprechen den Anforderungen. Die in der letzten Zeile angegebene er-
forderliche TM-Aufnahme je Kuh und Tag ist zur Abdeckung des Bedarfs für das in der ersten Zeile angegebene Leistungsniveau erforderlich. Die Mischung für die Hochleistungsgruppe ist allerdings hinsichtlich der NEL-Konzentration und der strukturierten Rohfaser im Grenzbereich. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass höher leistende Kühe entsprechend mehr fressen. Bei einer Futteraufnahme von z. B. 24 kg TM reicht die Ration für knapp 43 Liter Milch. Die zur Erstellung der Gesamtmischung erforderlichen Futtermengen ergeben sich aus der Multiplikation der aufgeführten Futtermengen je Tier mit der Kuhzahl. Diese Mengen müssen dann möglichst exakt in den Futtermischwagen eingegeben und gemischt werden.
317
7
7
Rinderproduktion
Tab. 76 TMR-Rationsbeispiele (Futtermengen je Tier und Tag) Leistungsniveau (Liter) Rationsnummer
32 12
25 13
Grassilage, mittel
(35 % TM)
kg
13
18
Maissilage, KA mittel
(35 % TM)
kg
13
18
Heu, 1. Schnitt, mittel
kg
1,5
0,5
CCM
(60 % TM)
kg
4
–
Biertrebersilage
(26 % TM)
kg
5
4
Pressschnitzelsilage
(22 % TM)
kg
6
4
Weizen
kg
2,4
1,5
Sojaextraktionsschrot
kg
1,6
0,6
Rapsextraktionsschrot
kg
1,5
1,5
Mineralfutter 20 % Ca, 3 % P, 10 % Na
kg
0,25
0,15
Gehalte in der TMR
TM-Gehalt
%
43
38
je kg TM
NEL
MJ
7,0
6,6
nXP
g
162
151
RNB
g
23
12
pKH
g
194
135
bXS
g
42
36
struktur. Rohfaser
%
11
14
SW
1,55
erforderliche TM-Aufnahme je Tier und Tag
kg
20,5
1,88 18,3
? Beantwortung der Fragen zu den Tabellen 72 bis 75. Tab. 72. Wegen der hohen Abbaubarkeit des Rohproteins der Grassilage ist die Versorgung der Kühe mit darmverfügbarem Protein nicht optimal. Es empfiehlt sich deshalb eine Ergänzung mit Soja- und Rapsschrot als langsam abbaubare Proteinquelle, die die nXP-Versorgung verbessert. Insbesondere wenn man die Natriumversorgung über Viehsalz vornehmen würde, könnte man auch mit geringeren Mineralfuttergaben auskommen. Zur Absicherung der Spurenelement- und Vitaminergänzung müssten die Gehalte im Mineralfutter entsprechend höher sein. Unter Praxisbedingungen wird allerdings eine Gabe von 100 g als gut zu handha-
318
bende Zuteilmenge angesehen. Bei geringeren Mengen mit entsprechend höherer Konzentration sind leichter Zuteilungsungenauigkeiten und somit Versorgungsfehler möglich. Als Leistungsfutter zu grassilagereichen Rationen sind getreidereiche Mischungen besonders gut geeignet. Damit werden leicht fermentierbare Kohlenhydrate in Form von Stärke zugeführt, die die Tätigkeit der Mikroorganismen im Pansen unterstützen. Damit kann einmal das freigesetzte Ammoniak aus dem Rohprotein der Grassilage von den Bakterien für die eigene Proteinsynthese genutzt werden und zum anderen die mikrobielle Verdauung der zellulosereichen Grassilageration beschleunigt und verbessert werden. Bei schlechteren Grassilagequalitäten,
7.3 Die Milchproduktion die eine entsprechend geringere Grobfutterleistung erbringen und insgesamt höhere Leistungsfuttergaben erfordern, wird ein Teil über Milchleistungsfutter abgedeckt. Die verschiedenen Milcherzeugungswerte der Leistungsrationen sind in erster Linie auf unterschiedliche Futteraufnahmen zurückzuführen, die auf die qualitätsbedingten Differenzen in der Energiekonzentration beruhen. In der Ration 1 werden bei einem NEL-Gehalt von 6,7 MJ/kg TM 15,4 kg TM-Aufnahme unterstellt. Bei der Ration 2 liegt der NEL-Gehalt bei 5,9, bei der Ration 3 bei 5,4 MJ. Auf dieser Basis werden Futteraufnahmen von 13,3 und 11,9 kg TM zugrunde gelegt. Über die Leistungsfütterung sind die daraus resultierenden unterschiedlichen Milcherzeugungswerte nicht auszugleichen. Tab. 73. Bei Einsatz energiereicher Maissilage zu mittlerer Grassilage ergibt sich stets ein Eiweißergänzungsbedarf. Bei größeren Maissilageanteilen führt dies zu einem hohen MEW der ausgeglichenen Rationen. Damit besteht die Gefahr, dass Kühe mit geringerer Leistung entweder überfüttert oder bei Kürzung der Sojaschrotgabe mit Eiweiß unterversorgt werden. Tab. 74. Die Ausgleichsfütterung orientiert sich in erster Linie an der RNB. Wegen des hohen Energiegehaltes der Maissilage und der relativ geringen Abbaubarkeit des Rohproteins aus Sojaschrot ergibt sich in der Ausgleichsration ein Überhang im MEW nach nXP. Durch Verringerung der Sojaschrotgabe kann man diesen reduzieren, wobei allerdings die RNB einen negativen Wert annimmt. Da die Kuh in der Lage ist, über den ruminohepatischen Kreislauf eine gewisse N-Menge zurückzugewinnen (s. 5.1.2.3), könnte eine negative N-Bilanz bis zu ca. –10 g in Kauf genommen werden. Da Leistungsfutter immer eine positive RNB hat, wird diese bei höheren Leistungen wieder ausgeglichen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob man unbedingt an die untere Grenze der Proteinversorgung gehen sollte. Mit einer ausgeglichenen RNB ist man auf alle Fälle auf der sicheren Seite. Tab. 75. Die Ration 9 hat einen erheblichen Rohproteinüberschuss, der mit Getreide auszugleichen ist. Da Kleegras und Heu sehr Ca-reich, dagegen relativ P-arm sind, wird ein Ca-freies, jedoch P-reicheres Mineralfutter eingesetzt. Der
gute Strukturwert der Grobfutterration erlaubt den Einsatz hoher Kraftfuttermengen, so dass in der Leistungsration 31 Liter MEW erreicht werden. Die Ration 10 ist bei den gewählten Grobfutterkomponenten im Energie-Eiweiß-Verhältnis ausgeglichen, Zuckerrübenblattsilage ist sehr reich an Ca und Na, Grassilage und GPS auch an P, so dass alle drei Mengenelemente für den (allerdings recht niedrigen) MEW der Grobfutterration ausreichen. Strukturträger in der Ration sind nur Grassilage und GPS, so dass mit 5 kg Leistungsfutter bereits die Leistungsgrenze dieser Ration erreicht ist, das heißt das Rohfaserminimum unterschritten wird. Der Einsatz von Futterrüben in Kombination mit Grassilage und Heu erfordert eine relativ hohe Eiweißergänzung und führt zu einem hohen MEW der ausgeglichenen Grobfutterration. Mit 7,5 kg Kraftfutter wird die Leistungsgrenze erreicht (das heißt der Anteil an strukturierter Rohfaser unterschreitet die 11 %-Marke). Mit dieser Ration (11a) wird jedoch ein sehr hohes Milchleistungsniveau erreicht. Deshalb sollte ein Teil des Kraftfutters aus Körnermais bestehen, da die übrigen Rationskomponenten arm an beständiger Stärke sind.
7.3.1.6 Der Weidegang Der Weidegang wird allgemein als idealer Fütterungsabschnitt in der Milchviehhaltung angesehen. Dies bezieht sich einmal auf die sehr günstigen Futterkosten, zum anderen aber auch auf die als besonders tiergerecht eingestufte Haltung. Aber einfach ist die Sommerfütterung nicht. Während in der Winterfutterplanung mit festen Größen bei den Futtervorräten und -qualitäten gerechnet werden kann, sind zu Beginn der Vegetationsperiode die zu erwartenden Flächenerträge ungewiss, weil sie in erster Linie von der Witterung abhängen und nur teilweise durch Düngung, Nutzung und andere Maßnahmen des Landwirts zu beeinflussen sind. Der Sommerfutterplan, der auf den Erfahrungen zurückliegender Jahre mit normalem, durchschnittlichem Wetter fußt, muss vom Betriebsleiter flexibel gehandhabt werden, um auch bei ungünstigen Witterungsperioden ein ausreichendes Futterangebot bereithalten zu können.
319
7
7
Rinderproduktion
Die richtige Weidennutzung hängt im Wesentlichen von zwei Kriterien ab: Der Nutzungshäufigkeit und dem Nutzungstermin. Bei Weidegang auf günstigen Standorten sind 6–7, in ungünstigen Lagen 5-6 Nutzungen empfehlenswert. Nach einem Heu- oder Silageschnitt ist eine längere Wachstumszeit erforderlich, so dass in diesem Fall eine Nutzung weniger möglich ist. Nutzungshäufigkeit und Nutzungstermin hängen eng miteinander zusammen. Bei früher Nutzung des 1. Aufwuchses Anfang Mai sind zwar die Trockenmasseerträge je Nutzung etwas geringer, die nächste Nutzung kann jedoch bereits nach 2–3 Wochen erfolgen. Wird der erste Aufwuchs erst spät abgeweidet (7 bzw. 14 Tage später), verzögert sich der Nachwuchs und die Weidereife der folgenden Nutzung wird erst nach 3–4 bzw. 4–5 Wochen erreicht. Aber nicht nur die Nutzungshäufigkeit, sondern auch der Futterwert des Weideaufwuchses wird durch den Nutzungstermin beeinflusst.
? Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Tab. 77 ableiten? Welche Probleme werden erkennbar?
Der energetische Futterwert von Weidegras variiert in Abhängigkeit vom Wachstumsstadium und von der Vegetationsperiode. Sehr junge Weide (Gräser im Schossen) hat mit 7,38 MJ NEL die höchste Energiekonzentration. Diese nimmt mit zunehmendem Alter ab, während der Rohfasergehalt zu- und der Rohproteingehalt abnehmen. Der in der Tab. 77 aufgeführte Futterwert von Weideaufwuchs bezieht sich auf die Intensivweide, die durch vier und mehr Nutzungen gekennzeichnet und grasreich ist, wobei die Untergräser dominieren. Bei düngungsextensiven Weiden, die obergrasreicher bzw. klee- und kräuterreicher sind, liegen die den Futterwert bestimmenden Kriterien im Trend etwas niedriger, an den grundsätzlichen Zusammenhängen ändert sich jedoch nichts Wesentliches. Hinsichtlich der Bewertung der Proteinversorgung auf der Weide verdeutlicht die Tab. 77, dass die Abbaurate des Rohproteins im Weidegras sehr hoch und somit die UDP-Gehalte sehr niedrig sind. Im sehr jungen, proteinreichen Aufwuchs liegen diese lediglich bei 10 %, im älteren Gras bei 15 %. Dagegen haben Weideaufwüchse eine positive RNB, das heißt es wird im Pansen mehr Stickstoff freigesetzt, als aufgrund des NELGehaltes in Bakterieneiweiß umgesetzt werden kann. Diese Faktoren müssen berücksichtigt wer-
Tab. 77 Futterwert von Weideaufwuchs in Abhängigkeit von Wachstumsstadium und der Vegetationsperiode Gehalte je kg Trockenmasse Weide intensiv Wachstumsstadium
TM
Rohprotein g
UDP
nXP
RNB
NEL
%
Rohfaser g
%
g
g
MJ
im Schossen
16
172
235
10
157
+ 12
7,38
Beginn Ähren-Rispenschieben
17
204
225
10
151
+ 12
6,99
volles Ähren-Rispenschieben
18
231
207
15
151
+ 9
6,58
Beginn der Blüte
22
261
187
15
144
+ 7
6,30
unter 4 Wochen
16
207
235
10
143
+ 15
6,30
4–6 Wochen
18
229
213
15
144
+ 11
6,09
7–9 Wochen
20
266
190
15
138
+ 8
5,92
1. Aufwuchs
2. und folgende Aufwüchse
320
7.3 Die Milchproduktion den. Besonders bei hochleistenden Kühen ist es nicht leicht, unter diesen Bedingungen eine leistungsgerechte nXP-Versorgung sicherzustellen und eine zu hohe RNB zu vermeiden.
!!! Die Tabelle 77 verdeutlicht: Der Energiegehalt im Weideaufwuchs ist für Grobfuttermittel generell als sehr hoch einzustufen. Dennoch sind die Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter und auch von der Vegetationszeit recht gravierend. Problematisch ist die hohe Abbaubarkeit des Rohproteins im Pansen, so dass trotz hoher Rohproteingehalte der Weide die bedarfsgerechte Proteinversorgung der Kühe besonders beachtet werden muss. Als Ergänzungsfutter sind solche geeignet, die einen hohen Anteil leicht fermentierbarer Kohlenhydrate enthalten, um die Pansenbakterien in die Lage zu versetzen, möglichst viel des freigesetzten Ammoniaks zu binden. Bei höheren Leistungen müssen Kraftfutter mit hohen nXP-Gehalten eingesetzt werden. Übergangsfütterung | Jeder rasche Futterwechsel stört das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten von Kleinlebewesen im Pansen und beansprucht das Regulationsvermögen der tierischen Organe erheblich, was u. a. an Schwankungen im Milchfettgehalt oder in der Mengenleistung erkennbar wird. Deshalb erfordert jede Futterumstellung beim Wiederkäuer äußerste Sorgfalt, die in einem allmählichen Austausch der neuen gegen die bisherigen Grobfuttermittel über einen Zeitraum von ca. drei Wochen bestehen muss. Nur durch einen fließenden Übergang stellt sich ohne größere Störungen ein neues Gleichgewicht zwischen den Pansenorganismen ein. Bei zu krassem Übergang treten Verdauungsstörungen in Form von Durchfällen auf. Es kommt bei verringerter Futteraufnahme zu Einbrüchen bei den Milchinhaltsstoffen, insbesondere beim Milchfettgehalt und auch bei der Milchleistung. Die Winterfutterration besteht vorwiegend aus Silagen, die einen relativ hohen Trockensubstanzgehalt haben, sowie Heu. Junges Gras hat dagegen einen sehr geringen Trockensubstanzgehalt zwischen 16 und 18 %, wie aus der Tab. 77 ersichtlich ist. Für die Vorbereitung auf den Wei-
degang ist es deshalb erforderlich, den jungen Weideaufwuchs langsam in die Ration einzubeziehen. Aus Gründen der Optimierung der Weideführung sollte der Austrieb in einem sehr frühen Wachstumsstadium erfolgen. In der Tab. 78 sind Rationsbeispiele für die Übergangsfütterung aufgeführt: Die Ration 14 entspricht der 1. Anfütterungsphase, die Ration 15 stellt eine weitergehende Umstellungsphase dar. Diese Rationen sind nur beispielhaft zu interpretieren, denn die Futteraufnahme auf der Weide ist kaum zu quantifizieren. Andererseits vermitteln die Berechnungen eine Orientierung hinsichtlich der Beurteilung der Energie- und Proteinversorgung der Kühe. Die Grobfutterrationen weisen einen Übergang an nXP und eine positive RNB aus. Als Ausgleichsfutter bieten sich deshalb Weizen und Melasseschnitzel an, die eine negative RNB haben. Nach Ausgleich hinsichtlich des MilcherzeuTab. 78 Rationsbeispiele für Milchkühe mit Weidegang Ration
14
15
16
17
18
13
25
–
–
–
Grobfutterration Weide, sehr jung
kg
Weide, jung
kg
–
–
56
–
–
Weide, mittel
kg
–
–
–
67
84
Grassilage (35 % TM)
kg
23
19
8
–
–
Maissilage, teigreif
kg
12
12
8
9
–
MEW nach NEL
kg
16
18
20
19
19
nach nXP
kg
17
19
21
21
22
RNB
g
14
34
100
Weizen
kg
2
–
–
2
–
Melasseschnitzel
kg
–
2
–
2
4
Mineralfutter (10/2/10)
kg
0,1
0,1
0,1
0,1
0,1
108 135
Ausgleichsration
MEW nach NEL
kg
20
22
20
27
27
nach nXP
kg
21
22
21
27
28
RNB
g
5
24
100
63
113
321
7
7
Rinderproduktion
gungswertes nach NEL und nXP verbleibt eine positive RNB. Diese ist nicht weiter zu reduzieren, von der Größenordnung her jedoch tolerierbar. In der Praxis wird die notwendige Übergangsfütterung dadurch realisiert, dass die Kühe in den ersten Tagen stundenweise und danach ca. 14 Tage lang nur tagsüber weiden. Dabei fressen die Kühe vor und nach der Weide im Stall die Winterration. Durch Anpassung der Futtermenge im Stall sowie der Weidedauer wird die Futteraufnahme auf der Weide gesteigert (Ration 16). Weideleistung | Die Rationen 17 und 18 stellen die Situation bei vollem Weidegang dar. Wenn möglich, wird eine Basismenge an Maissilage auch während des Sommers gefüttert. Dies wirkt sich unter anderem positiv auf die RNB aus. Bei ausschließlichem Weidegang ist diese mit 134 g/ Tag sehr hoch und wird auch bei einer Ausgleichsfütterung mit 4 kg Melasseschnitzel nicht entscheidend gesenkt. Die hier aufgeführten Rationsbeispiele stellen lediglich Orientierungsgrößen dar. Die Milcherzeugung auf der Weide wird im Grunde wesentlich über die verabreichte Kraftfuttermenge gesteuert. Wird hier zu viel des Guten getan, kann das Milcherzeugungspotenzial der Weide nicht ausgeschöpft werden. Tab. 79 gibt eine Orientierung über die mögliche Futteraufnahme und die daraus resultierende Milchleistung auf der Weide. In der besten Zeit können bis zu 20 Liter erwartet werden. Im Verlauf der Vegetationsperiode geht die Leistung dann aus den bereits genannten Gründen zurück. Entscheidend ist eine optimale Weideführung von Anfang an. Es muss immer im relativ günstigsten Wachstumsstadium geweidet werden, der Auf-
wuchs sollte eine Höhe von 15–17 cm nicht überschreiten. Dennoch sind der zu erfütternden Milchleistung auf der Weide Grenzen gesetzt. Hier ergibt sich ein gewisser Teufelskreis. Trotz der hohen Verdaulichkeit des Weidegrases bleibt die Futteraufnahme begrenzt – wohl hauptsächlich durch den hohen Wassergehalt bedingt. Andererseits erfolgt wegen der relativ geringen Differenz in der Energiekonzentration von Weidegras und Kraftfutter eine sehr hohe Grobfutterverdrängung, wenn höhere Kraftfuttergaben verabreicht werden. Dadurch kann das Energieangebot kaum über ein Niveau für 30 Liter Milcherzeugung angehoben werden. Die Grenze liegt bei etwa 5–6 kg Kraftfutter je Kuh und Tag. Die Rationen 17 und 18 in der Tab. 79 reichen jeweils für 27 Liter. Mit zusätzlich 2 kg eines nXP-reichen Leistungsfutters (175 g nXP/kg) sind solche Rationen ausgereizt. Bezüglich der Mineralstoffergänzung sind besonders zwei Punkte zu beachten. Einmal wird mit der Weide ein hoher Milcherzeugungswert erreicht, der auch mineralstoffmäßig abgedeckt werden muss. Zum anderen werden als Kraftfutter häufig (wie auch in der Tab. 79) Einzelkomponenten eingesetzt, so dass die Mineralstoffversorgung gesondert über ein Mineralfutter erfolgen muss. Dennoch ist der Fehlbedarf nicht sehr hoch und bezieht sich insbesondere auf Calcium und Natrium. Ein Mineralfuttertyp mit ca. 10 % Ca, 2 % P und 10 % Na ist ausreichend. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang jedoch noch auf die Gefahr der Weidetetanie. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine Magnesium-Mangelerkrankung – trotz rechnerisch ausreichenden
Tab. 79 Futteraufnahme und Milchleistung auf der Weide (kg TM bzw. Liter je Kuh und Tag) Monat
322
weidereifer Aufwuchs Grasaufnahme mögliche kg Milchleistung TM Liter
älterer Aufwuchs Grasaufnahme mögliche kg Milchleistung TM Liter
Mai/Juni
13–16
18–20
11–12
12–14
Juli
12–14
14–16
10–11
9–11
August
11–13
12–14
10–11
7–9
September
10–12
9–11
9–10
5–7
Oktober
9–11
7–9
8–9
3–5
7.3 Die Milchproduktion Magnesiumangebotes. Die Ursachen liegen in einer abrupten Futterumstellung, die zu verminderter Futteraufnahme und Verdauungsstörungen (Durchfall) führt. Hinzu kommt ein evtl. Eiweißüberschuss sowie eine relativ hohe Kaliumbelastung. Alle diese Faktoren bewirken eine verringerte Magnesium-Absorption aus dem Futter, mit der Folge von Mangelsymptomen. Vorbeugemaßnahmen bestehen in einer langsamen Futterumstellung, Ergänzung der Ration mit Rohfaser und Energie. Zusätzliche Belastungen der Tiere, wie Unruhe in der Herde, sollten vermieden werden. Auf eine ausgewogene Düngung (keine N- und K-Überdüngung) sollte geachtet werden. Ein Spezialmineralfutter mit erhöhten Magnesiumgehalten (8–12 %) sollte zur Prophylaxe angeboten werden. Gewöhnlich enthalten Mineralfutter ca. 3 % Magnesium, was unter normalen Bedingungen auch durchaus ausreichend ist. Nutzungsformen | Bei der Umtriebsweide ist die Weidefläche in einzelne Koppeln unterteilt. Diese werden während der Vegetationsperiode mehrmals nacheinander für Beweidung oder Mahd genutzt. Je Koppel weiden die Kühe in der Regel 3–4 Tage, deshalb darf die Wuchshöhe beim Auftrieb möglichst nicht über ca. 15 cm liegen. Bei dieser Weidedauer beträgt der Flächenbedarf je Kuh etwa 250–350 m2. Hierbei wird eine abnehmende Futteraufnahme vom ersten bis letzten Weidetag auf einer Koppel in Kauf genommen. Im Mai/Juni beträgt die Wachstumszeit zwischen zwei Nutzungen etwa 2 bis 3 Wochen. Sie verlängert sich zum Spätsommer und Herbst hin auf 4 bis 6 Wochen. Bei dieser Nutzungsform werden 8–12 Koppeln benötigt, um jeweils die notwendige Ruhezeit der Koppeln auch im Herbst sicherzustellen. Der gute Futterwuchs im Frühjahr und Frühsommer ermöglicht bzw. erfordert die Nutzung einiger Koppeln für die Winterfuttergewinnung. Die intensivste Form der Weidenutzung stellt die Portionsweide dar. Dabei wird auf den Koppeln der Umtriebsweide mit Hilfe des Elektrozaunes ein- oder zweimal täglich eine neue Futterfläche zugeteilt, und zwar je nach Aufwuchs 80–120 m2 je Kuh und Tag. Dadurch wird eine relativ gleichbleibende Futteraufnahme bei geringen Weideverlusten erreicht. Diese Form der Weidenut-
zung erfordert allerdings einen hohen Arbeitszeitaufwand. Bei hoher Besatzdichte steht vor allem in nassen Witterungsperioden die Gefahr der Narbenverletzung. Die Mähstandweide ist eine neuere Nutzungsform, die anfangs als „Intensivstandweide“ und heute in Süddeutschland auch als „Kurzrasenweide“ bezeichnet worden ist bzw. wird. Diese ist durch folgende Kriterien gekennzeichnet: 1. Die gesamte Grünlandfläche wird laufend beweidet, ein konsequenter Wechsel zwischen Fresszeiten und Ruhezeiten durch Unterkopplung findet nicht statt. 2. Auf der gesamten Weidefläche wird im dreiwöchentlichen Rhythmus die Stickstoffdüngung durchgeführt. Die N-Menge wird wie bei Umtriebsweidenutzung bemessen. 3. Die Mähflächen werden im Verlauf der Weideperiode entsprechend dem Grasaufwuchs durch Elektrozaun von der jeweils benötigten Weidefläche abgetrennt. 4. Die durchschnittliche Aufwuchshöhe der Grasnarbe liegt mit 8–10 cm deutlich unter einer weidereifen Umtriebskoppel. 5. Eine Nachmahd wird nur gelegentlich auf begrenzten Teilen der Standweide durchgeführt, damit das Gras der abgemähten Geilstellen nach Abtrocknung vom Vieh verzehrt werden kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass durch entsprechende Einstellung der Schnitthöhe (8–10 cm) ein „Verschmieren“ der Kuhfladen ausgeschlossen wird. 6. Die Erweiterung der Weidefläche bei nachlassendem Graswachstum erfolgt durch Hinzunahme der gemähten Flächen ab Juni bzw. Juli/August. Gegenüber der Umtriebsweide benötigt die Mähstandweide niedrige Zaun- und Unterhaltungskosten sowie einen geringeren Arbeitszeitbedarf für Düngung und Weidepflege. Die Weidetiere sind ruhiger und die Weidenarbe wird dichter und trittfester. Dadurch ist weniger Aufwand für Unkrautbekämpfung und Narbenverbesserung notwendig. Diese Form der Grünlandnutzung kann allerdings nur an Standorten erfolgreich betrieben werden, die nicht austrocknungsgefährdet sind und die leistungsfähigen Gräsern, wie Deutsches Weidegras, Wiesenrispe,
323
7
7
Rinderproduktion Abb. 116 Weidegang ist auf hofnahen Flächen gut zu realisieren (Foto: Weiß)
Knaulgras, die einen häufigen Verbiss vertragen, gute Wachstumsbedingungen bieten.
!!! Die erfolgreiche Weidenutzung erfordert eine gleichmäßige Bereitstellung von ausreichenden Mengen energiereichen Aufwuchses während der ganzen Vegetationsperiode. Eine frühe und häufige Nutzung ist hierfür Voraussetzung. Um eine höchstmögliche Futteraufnahme zu erreichen, ist außer einer hohen Energiekonzentration im Aufwuchs eine ausreichende Weideflächenzuteilung (80–120 m2/Tag) erforderlich, wobei ein Weiderest von ca. 25 % in Kauf zu nehmen ist. Außerdem ist die Kraftfuttermenge je Kuh und Tag zu begrenzen und zwar je nach Leistung und Vegetationsstadium auf höchstens 6 kg. Trotz der relativ hohen Rohproteingehalte ist die Versorgung mit darmverfügbarem Protein besonders zu beachten. Als Leistungsfutter eignen sich in erster Linie stärkereiche Futtermittel sowie gegebenenfalls solche mit hohen nXP-Gehalten. Bei der Mineralstoffversorgung ist besonders zu Beginn des Weideganges zur Vermeidung der Weidetetanie auf eine ausreichende Magnesiumversorgung zu achten.
7.3.1.7 Sommerstallfütterung Wenn Milchkühe während des Sommers ausschließlich im Stall gehalten werden, sparen sie
324
im Vergleich zu den Weidekühen die Zeit und die Energie für das Abreißen des Futters. Trotzdem nehmen diese Tiere mengenmäßig nicht mehr Grünfutter auf als Weidetiere. Im Gegenteil muss man wohl sogar davon ausgehen, dass die Grünfutteraufnahme im Stall wegen der fehlenden Möglichkeit des Selektierens bzw. „Botanisierens“ sogar etwas verringert ist. Wird gar nur einmal am Tag Grünfutter geholt, besteht die Gefahr, dass sich das Futter im Laufe des Tages im Haufen erwärmt, was dann zu einem erheblichen Rückgang der Futteraufnahme führt. Deshalb ist das täglich zweimalige Grünfutterholen eine wichtige fütterungstechnische Maßnahme zur Sicherstellung einer befriedigenden Futteraufnahme. Der Futterwert der Ackerfutterpflanzen, die in der Sommerstallfütterung eingesetzt werden, unterliegt in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium ebenso großen Schwankungen wie Weidegras. Das in der Tab. 80 dargestellte RotkleeGrasgemenge schwankt vom frühen bis zum späten Wachstumsstadium im NEL-Gehalt von 6,73 über 6,34, 5,84 bis 5,70 MJ je kg TM und im Rohproteingehalt von 210 über 178, 155 bis 134 g je kg TM. In der Tab. 80 sind die Milcherzeugungswerte für die einzelnen Stadien aufgeführt, wobei im Stadium „vor der Knospe“ keine volle Ration unterstellt werden kann. Über alle Wachstumsstadien bleibt der Vorsprung im Milcherzeugungswert nach nXP von ca. 3 Liter gleich, bei allerdings abnehmender RNB. Realistischer ist es
7.3 Die Milchproduktion Tab. 80 Einfluss des Vegetationsstadiums auf den Milcherzeugungswert von Rotklee – Grasgemenge Vegetationsstadium
mögliche Futteraufnahme kg FM kg TM
Milcherzeugungswert*) (Liter) nach nXP NEL
RNB g
vor der Knospe
(15 % TM)
50
7,5
8,2
3,9
68
in der Knospe
(17 % TM)
85
14,5
18,9
16,4
83
Beginn bis Mitte der Blüte
(20 % TM)
65
13,0
14,8
11,6
49
Ende der Blüte
(24 % TM)
50
12,0
13,0
9,3
8
14,0
16,8
14,9
53
12,7
13,9
11,1
38
in Kombination mit Heu in der Knospe
62 + 4 kg Heu
Beginn bis Mitte Blüte
55 + 2 kg Heu
)
* abzügl. Erhaltungsbedarf wohl, zu diesem Grünfutter noch Heu als Strukturfutter zu geben, was im zweiten Teil der Tabelle ausgewiesen ist. Im Vegetationsstadium „in der Knospe“ kann damit eine höhere TM-Aufnahme unterstellt werden, was zu einem höheren Milcherzeugungswert führt. Dies trifft für das Vegetationsstadium „Beginn bis Mitte der Blüte“ nicht zu. Insgesamt dürfte der Strukturgehalt dieser Rationen dadurch jedoch verbessert werden, so dass auch Kraftfutterzulagen zur Erzielung höherer Leistungen möglich werden. Soll während der gesamten Vegetationszeit Grünfutter eingesetzt werden, muss durch präzise Futterplanung ein gleichmäßiges Grobfutterangebot sichergestellt werden. Bei der Futtergewinnung vom Acker unterscheidet man den überjährigen und den mehrjährigen Ackerfutterbau. Für den überjährigen Anbau eignet sich z. B. diploides und tetraploides Welsches Weidelgras. Das Erstgenannte wird bevorzugt als Mischungspartner zu Rotklee eingesetzt, während das Letztgenannte in Reinsaat angebaut wird. Beim mehrjährigen Ackerfutterbau werden z. B. Weidelgrasmischungen, auch unter Einbeziehung von Wiesenschwingel und Wiesenlieschgras in Reinsaat oder Mischungen mit Klee oder Luzerne angebaut. Je nach Region sollten die speziellen Sorten- und Mischungsempfehlungen der zuständigen Beratungsstellen berücksichtigt werden.
Um mehr Konstanz in die Sommerstallfütterung zu bekommen, bietet sich die Kombination von Grünfutter mit Silage und/oder Heu an. Besonders geeignet ist hierfür stets eine gute Maissilage. Damit keine Nachgärungen stattfinden, sind einmal alle siliertechnischen Möglichkeiten für eine optimale Konservierung auszuschöpfen. Außerdem ist der Querschnitt des Silos (Breite und Höhe) so zu wählen, dass bei den vorgesehenen Verfütterungsmengen ein ausreichender Vorschub erreicht wird (2–3 m/Woche). Da die aufgenommenen Futtermengen bei der Sommerstallfütterung besser kontrollierbar sind, kann eine genauere Rationsplanung als bei Weidegang erfolgen, vorausgesetzt der Futterwert des Ackerfutters wird dem Vegetationsstadium entsprechend realistisch eingeschätzt. Die Leistungsfütterung ist bezüglich der Kraftfutterart und -menge ähnlich wie bei der Weidefütterung zu gestalten. Hinsichtlich der Mineralstoffergänzung ist besonders zu beachten, dass Leguminosen sehr viel Calcium enthalten und deshalb in erster Linie Phosphor und besonders Natrium in der Grobfutterration durch entsprechende Mineralfuttertypen ergänzt werden müssen (hinsichtlich der Futterwerte s. Tab. 25) Die schwierige Futterplanung der Sommerfütterung im Stall oder bei Weidegang veranlassen viele Betriebe, zur ganzjährigen Silagefütterung überzugehen. Hierfür sind in erster Linie arbeits-
325
7
7
Rinderproduktion
wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend, aber auch die Nutzung technischer Einrichtungen wie Responder oder Futtermischwagen. Besonders Betriebe mit größeren Kuhbeständen in Laufstallhaltung bevorzugen dieses System. Ein gewisser Vorteil wird auch darin gesehen, dass die Grobfuttersituation hier wesentlich stabiler als bei Grünfütterung ist. Andererseits werden durch die notwendige Futterkonservierung Nährstoffverluste und höhere Maschinenkosten in Kauf genommen. Auch steigen die Anforderungen an die Futterkonservierung, um in der warmen Jahreszeit eine stabile Silage zur Verfügung zu haben. Es gibt sicherlich noch andere Gründe, die für oder gegen die ganzjährige Silagefütterung sprechen. Letztendlich muss jedoch die Entscheidung auf die Situation des Einzelbetriebes ausgerichtet sein.
7.3.1.8 Futterplanung und Rationskontrolle Eine erfolgreiche Milchviehfütterung erfordert die Kenntnis der ernährungsphysiologischen Grundlagen in der praktischen Fütterung. Unter Praxisbedingungen und im Sinne einer Erfolgskontrolle bzw. Schwachstellsuche sind Einzelmaßnahmen von der Futtererzeugung bis hin zur Betriebszweigkontrolle als Gesamtkonzept zu sehen. In Abb. 117 ist dieses dargestellt, wobei die wesentlichen Einzelkriterien zugeordnet wurden. Die Rationsberechnung, auf die in den vorangegangenen Abschnitten ausführlich eingegangen worden ist, steht im Mittelpunkt. Wichtig ist, dass die berechneten Futterrationen auch von den verfügbaren Futtermengen her über den vorgesehenen Zeitraum im Betrieb umsetzbar sind. Um dies sicherzustellen, ist eine Futterplanung erforderlich, die sowohl die Menge der verschiedenen Futtermittel als auch deren Qualität berücksichtigen muss. Bei den Rationsberechnungen wird von gewissen Unterstellungen ausgegangen. Diese betreffen insbesondere die Futteraufnahme aber z. B. auch die Strukturwirksamkeit. Deshalb muss stets eine Rationskontrolle erfolgen, denn die Tiere selbst signalisieren durch Reaktion und Verhalten, ob eine Ration „stimmt“ oder Schwachstellen aufweist.
326
Abb. 117 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Milchviehfütterung Die Betriebszweigkontrolle schließlich soll den Erfolg über das Wirtschaftsjahr nachweisen, Veränderungen gegenüber den Vorjahren erklären, den Vergleich mit anderen Betrieben ermöglichen (z. B. in Arbeitskreisen oder Beratungsringen) und schließlich eventuelle Reserven in der Produktion aufzeigen. Die in der Abb. 117 aufgeführten Einzelkriterien wurden zum größten Teil bereits besprochen, so dass ihre Interpretation Anlass geben soll, das Gelernte zu wiederholen und in den Gesamtzusammenhang einzuordnen. Im Folgenden soll etwas ausführlicher auf den Futterverteilplan sowie auf die Rationskontrolle eingegangen werden.
7.3 Die Milchproduktion Futterverteilplan | Vor Beginn der Winterfütterung ist es erforderlich, sich einen Überblick über die verfügbaren Futtervorräte zu verschaffen und sich zu überlegen, wie diese im Rindviehbestand eingesetzt werden sollen. Dabei haben immer die Milchkühe den Vorrang, das heißt die qualitativ besten Grobfuttermittel werden für sie reserviert. Als Kalkulationsdaten für den Futterverteilplan werden die mittlere Grobfutter-TM-Aufnahme je Tier und Tag sowie die Raumgewichte der verschiedenen Grobfuttermittel benötigt. Hierzu finden sich einige Angaben in der Tab. 81. Wenn klar ist, wie viele Kühe, Kälber und Jungrinder in der Winterfütterungsperiode durchschnittlich versorgt werden müssen und welche Futtermengen zur Verfügung stehen, kann man den Futterverteilplan auf Basis der geplanten Rationen erstellen, wie dies in der Tab. 82 beispielhaft für einen 60-Kuh-Betrieb mit Nachzucht dargestellt ist. Wenn Bedarf und Futtervorräte übereinstimmen, können die geplanten Rationen umgesetzt werden. Bei den Vorräten sollte ein Überschuss in
Tab. 81 Kalkulationsdaten für den Futterverteilplan Mittlere Grobfutter-TM-Aufnahme je Tier und Tag Milchkühe (650 kg LG)
13 kg
Kälber (100 kg LG)
1 kg
Jungvieh X 1 Jahr
3–4 kg
Jungvieh 1–2 Jahre
6–7 kg
Jungvieh G 2 Jahre
8–9 kg
Raumgewichte verschiedener Grobfuttermittel dt/m3 Heu, lose Grassilage
Rapssilage
1,0–1,3 X 35 % TM
7,0
G 35 % TM
5,0–6,0 10,0
Rübenblattsilage
9,0
Maissilage
6,5
GPS
4,0
Futterrüben
7,0
der Größenordnung von 10–15 % vorhanden sein, um unvermeidbare Futterverluste zu berücksichtigen. Rationskontrolle | Die Rationskontrolle bezieht sich auf subjektive und objektive Kriterien. Bei den subjektiven handelt es sich um die Beurteilung bestimmter Merkmale und Verhaltensweisen der Kühe, die durch Tierbeobachtung herausgefunden werden müssen. Hierzu gehört die Beurteilung der Körperkondition nach dem BCS-System, das im Abschnitt 7.3.1.2 ausführlich besprochen wurde. Auch die Kotkonsistenz ist ein in diesem Zusammenhang wichtiges Merkmal, um insbesondere die Struktur der Ration zu beurteilen. Ist der Kot weich bis dünn, kann dies die Folge einer zu reichlichen Kraftfutterversorgung oder einer strukturschwachen Grobfutterration sein. Sind im Kot Fasern oder Körner erkennbar, ist dies ein Zeichen von mangelhafter Verdauung. Körner im Kot können auch auf unzureichende Aufbereitung des Futters (z. B. Zerkleinerung der Körner in Maissilage) zurückzuführen sein. Am Geruch können oft unverdaute Stärke oder Protein erkannt werden. Zu fester Kot weist dagegen auf eine sehr strukturreiche Futterration mit entsprechend geringem Milcherzeugungspotenzial hin. Auch die Klauengesundheit ist ein wichtiges Kriterium zur Rationskontrolle. Weiche Klauen, Risse in der Klauenwand und Klauengeschwüre sind häufig Folgen einer durch zu stärkereiche und strukturarme Ration verursachten Pansenazidose. In diesen Fällen darf sich die Fehlersuche nicht nur auf die aktuelle Ration beschränken, sondern muss zurückliegende Fütterungsphasen mit einbeziehen. Auch eine zu eiweißreiche Fütterung begünstigt das Auftreten von Klauenproblemen (besonders Anfälligkeit für Sohlengeschwüre). Grundsätzlich sollte man bei Klauenproblemen immer daran denken, dass Kühe, die schlecht laufen können, auch weniger fressen! Ist die Fütterung überhaupt wiederkäuergerecht? Um dies festzustellen, sollte nicht erst auf die z. T. schon genannten mehr oder weniger gravierenden gesundheitlichen Störungen gewartet werden. Ein gutes Kriterium ist die Beurteilung der Wiederkautätigkeit. Normalerweise fressen Kühe am Tag etwa 7 Stunden und kauen 10–13 Stunden wieder. Im ruhenden Zustand müssen
327
7
7
Rinderproduktion
Tab. 82 Futterverteilplan für einen 60-Kuh-Betrieb einschließlich Nachzucht 1.) Bedarf an Grobfutter-TM für Kühe und Jungvieh Tierkategorie Futtermittel TM-Bedarf je Tier und Tag kg
Anzahl Tiere
TM-Bedarf je Bestand u. Tag dt
Futtertage
TM-Bedarf insges. dt
Kühe
Heu
0,9
60
0,54
200
108
Grassilage 1
8
60
4,8
200
960
Maissilage
5
60
3,0
200
600
3
60
1,8
165
297
Heu
0,9
30
0,27
180
49
Grassilage 1
0,5
30
0,15
180
27
Grassilage 2
3,0
28
0,84
180
151
Maissilage
2,0
28
0,56
180
100
Grassilage 2
5,0
14
0,70
150
105
Maissilage
3,0
14
0,42
150
63
Maissilage* Kälber
Jungvieh X 2 Jahre Jungvieh G 2 Jahre
)
Summe Bedarf davon
2 460
Heu
157
Grassilage 1
987
Grassilage 2
294
Maissilage
1 060
)
* als Beifütterung zur Weide 2.) Futtervorräte im Betrieb Futtermittel
Siloraum m3
Raumgewicht dt/m3
Gewicht in dt
TM-Gehalt %
TM-Vorrat in dt
Heu (Hochdruckballen)
110
1,7
187
86
161
Grassilage 1
460
6,0
2.760
40
1.104
Grassilage 2
140
7,0
980
30
294
Maissilage
570
6,5
3.705
33
1.223
Summe Vorräte 2.782 = % v. Bedarf 113 %
50–75 % der Kühe wiederkauen. Dabei sollten etwa 50 Kauschläge je Minute erfolgen. Während die bisher genannten Merkmale mehr oder weniger subjektiv festgestellt und beurteilt werden, handelt es sich bei den objektiven Kriterien zur Rationskontrolle um messbare Daten.
328
Dazu gehört z. B. die Körpertemperatur (normal 38,2 °C), die Atemfrequenz (normal 16–28 Atemzüge/Minute) und die Pulszahl (normal 40–60 Schläge/Minute). Messbar ist auch der Futterverzehr – beim Kraftfutter sicherlich leichter als bei Grobfutter. Wenn z. B. die zugeteilte Kraftfutter-
7.3 Die Milchproduktion menge am Responder nicht abgerufen worden ist, muss dies als Signal verstanden werden, die Kuh näher zu beobachten. Bei Grobfutter sind Probewägungen durchzuführen (s. 7.3.1.4). Zu beurteilen ist insbesondere, ob ständig Grobfutter zur freien Aufnahme vorliegt und nicht etwa auf „blanken Trog“ gefüttert wird. Futterreste in der Größenordnung um 5 % müssen in Kauf genommen werden. Die im Rahmen der Milchkontrolle ermittelten Leistungsdaten sind eine ständige Informationsquelle und Managementhilfe. Erste Hinweise geben aber auch die täglich im Bestand ermolkene Milchmenge sowie die Inhaltsstoffgehalte im Rahmen der Molkereiuntersuchungen. Bei der Beurteilung von Abweichungen im Milcheiweißgehalt während des Laktationsverlaufes von Einzelkühen sollte die genetische Veranlagung berücksichtigt werden. Deshalb wird vom Durchschnittswert der Laktation ausgegangen. Liegen die Ergebnisse der Milchleistungsprüfung zu Laktationsbeginn um mehr als 0,3 bis 0,4 % unter dem Durchschnittswert, ist auf eine energetische Unterversorgung zu schließen. Steigen die MLPWerte zum Laktationsende hin um mehr als 0,3–0,4 % über den Durchschnittswert an, liegt eine energetische Überversorgung vor. Übersteigt der Milchfettgehalt zu Laktationsbeginn die 5 %-Grenze, ist dies ein Zeichen verstärkten Körperfettabbaues mit der Gefahr von Acetonämie. Auch der Milchfett : Eiweiß-Quotient er-
laubt Hinweise auf mögliche Stoffwechselstörungen. Ein Quotient über 1,5 (z. B. 4,9 % Fett, 2,9 % Eiweiß = 1,7) weist auf Acetonämie hin, einer unter 1,2 (z. B. 3,6 % Fett, 3,2 % Eiweiß = 1,1) auf Acidosegefahr. Der Milchharnstoffgehalt ist ein guter Indikator, um die Proteinversorgung zu beurteilen. Der Normalbereich wird mit 150–300 mg/Liter Milch angegeben. Sehr hohe Harnstoffgehalte bei normalem Milcheiweißgehalt weisen auf eine Proteinüberversorgung hin, hohe Harnstoffgehalte in Verbindung mit niedrigen Milcheiweißgehalten auf eine energetische Unterversorgung bei ausreichender oder auch reichlicher Proteinversorgung. Auch die Wasserversorgung der Kühe ist in die Kontrolle einzubeziehen. Die Kühe saufen im Durchschnitt 18–25 Liter Wasser in der Minute, deshalb sind Tränkewannen und Tröge den Selbsttränken vorzuziehen. Sind Selbsttränken installiert, muss im Hinblick auf das Trinkverhalten eine ausreichende Durchflussmenge sichergestellt und laufend kontrolliert werden. Die Tränken müssen täglich gereinigt werden, weshalb Kipptränken besonders geeignet sind.
!!! Die Rationsberechnung bildet die Grundlage für eine leistungs- und wiederkäuergerechte Milchviehfütterung. Unsicherheiten können hinsichtlich individueller Unterschiede bei der Futteraufnahme, Verdaulichkeit der Futtermittel sowie
Abb. 118 Nur bei reichlicher Futtervorlage – verbunden mit häufigerem „Anschieben“ – wird eine maximale Futteraufnahme der Kühe erreicht (Foto: Weiß)
329
7
7
Rinderproduktion Verträglichkeit höherer Kraftfuttergaben auftreten. Diese müssen im Rahmen der Rationskontrolle über Tierbeobachtung (Körperkondition, Kotkonsistenz, Klauengesundheit, Wiederkauverhalten u. a.) sowie messbare Kriterien (Leistungsdaten wie insbesondere Milchmengen und Milchinhaltsstoffe, Milchharnstoffgehalt, Futterverzehr, aber auch allgemeine Daten wie Körpertemperatur, Atemfrequenz und Pulszahl) beurteilt werden. Treten bei den genannten Kriterien Abweichungen von den Normalwerten auf, muss eine Korrektur der berechneten Futterration vorgenommen werden.
7.3.2 Milchviehställe Den größten Teil ihres Lebens verbringen bei uns die Kühe im Stall. Das bedeutet, dass die Gesundheit der Tiere und damit indirekt ihre Leistungen sehr erheblich von den Stallverhältnissen beeinflusst werden. Außerdem dienen die Ställe und Nebengebäude als Arbeitsstätte; und die Arbeitsproduktivität hängt entscheidend von der baulichen Anordnung und den technischen Einrichtungen der Gebäude ab. Wenn Gebäude errichtet, erweitert und ausgestattet werden, müssen außer den Ansprüchen der Tiere und den arbeitswirtschaftlichen Erfordernissen zahlreiche gesetzliche Bestimmungen – in neuerer Zeit verstärkt unter Gesichtspunkten der Umweltsicherung und des Tierschutzes – beachtet werden. Oft verteuern diese Auflagen das ohnehin kostspielige Bauen und zwingen zur Ausschöpfung aller realistischen Möglichkeiten der Kostensenkung (neue Bauweisen, Selbsthilfe, sorgfältige Planung der Finanzierung usw.). Der Verringerung möglicher künftiger Kosten dient die Forderung, Neubauten so anzulegen, dass sie sich erweitern oder bei Aufgabe der Milchproduktion für andere Zwecke verwenden lassen.
!!! Von einem Milchviehstall werden also folgende Eigenschaften erwartet: | arbeitssparend und tiergerecht, | umweltfreundlich und preiswert, | wandlungs- und erweiterungsfähig.
330
Diese teilweise einander widersprechenden Forderungen lassen sich selbstverständlich nicht alle gleichzeitig in vollkommener Weise erfüllen. Sondern es müssen in der Praxis Schwerpunkte gesetzt, aber auch Kompromisse geschlossen werden. So lassen sich hohe Durchschnittsleistungen bei geringer Arbeitszeit nur mit entsprechender Technik erreichen, die jedoch ihren Preis hat.
7.3.2.1 Ansprüche der Kuh an den Stall Der Stall soll die Kühe vor Witterungsunbilden schützen und die Schwankungen der Außentemperatur abschwächen, ohne den Zutritt von Luft und Licht zu stark zu behindern. Weil durch den intensiven Stoffwechsel der Hochleistungskühe viel thermische Energie in Form von Körperwärme erzeugt wird, vertragen sie niedrige Temperaturen besser als hohe. Am wohlsten fühlen sie sich innerhalb eines Temperaturbereichs von 5 bis 20 °C. Wenn die Temperatur 25 °C überschreitet (und die Luft durch eine hohe Wasserverdunstungsrate schwül wird), beginnen Fresslust und Milchleistung zu sinken. Bei niedrigen Temperaturen unter 5–0 °C steigt der Energieverbrauch je Leistungseinheit an, weil dann zur Aufrechterhaltung einer gleichmäßigen Körpertemperatur zusätzlich Energie benötigt wird. Innerhalb geschlossener Räume muss ein geregelter Luftaustausch erfolgen, um einerseits die notwendigen Mengen an Luftsauerstoff zuzuführen und andererseits schädliche Gase abzuleiten, die entweder – wie das Kohlendioxid – ausgeatmet oder – wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff – von Kot und Harn abgegeben werden. Durch das Ausatmen – im Sommer bis zu 30 l Wasser je Kuh täglich – durch Schwitzen und durch Verdunsten von Wasser aus Futter, Kot und Harn erhöht sich auch der Wasserdampfgehalt der Luft. Die Tiere fühlen sich bei 60 – 80 % relativer Luftfeuchtigkeit am wohlsten. Überschüssiger Wasserdampf muss ebenfalls durch den Luftaustausch abgeleitet werden. Selbst Trauf-First-Lüftungen reichen im Sommer nicht aus, um das Luftvolumen 60–100-mal in der Stunde auszutauschen. Um genügend frische Luft in den Stall zu bekommen, müssen ganze Stallwände zu öffnen sein oder dies kann auch durch Ventilatoren erreicht werden, die gleich-
7.3 Die Milchproduktion mäßig verteilt über den Liegeboxen angebracht werden sollten. In diesem Bereich ist bei vielen Stallsystemen die Luft am schlechtesten. Weiterhin ist es sehr wichtig, den Tieren Kühlung zu verschaffen. Einer Luftgeschwindigkeit von 2,5 m/sec schreibt man eine Kühlwirkung für das Tier von fast 6 °C zu. Durch frische Luft wird auch die Wiederkautätigkeit angeregt und eventuell anfallendes Schwitzwasser, das sich unter den Kühen gebildet hat, wird nach dem Verlassen der Box schnell getrocknet. Es ist keine Frage, „Ventilatoren ja oder nein“, es ist lediglich eine Frage, ob die Ventilatoren mit oder ohne Befeuchtungsmöglichkeiten ausgestattet sein sollten. Zur Klärung bedarf es noch praktischer Untersuchungen. Die Entfernung von Wasserdampf und Ammoniak dient auch der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gebäude. Licht brauchen die Tiere, um sich in der Stallumwelt richtig bewegen zu können und es ist notwendig für die Ausschüttung wichtiger Hormone. Licht wird auch benötigt, um eine sachgemäße Arbeit zu leisten und die Tiere gut beobachten zu können. Aus diesen verschiedenen Gründen ist eine tageslichtdurchlässige Fläche von mindestens 5 % der Stallgrundfläche zu fordern. Zur Steigerung der Futteraufnahme und Milchleistung können Lichtprogramme beitragen, wie internationale Versuche zeigen. Hierbei sollte die Beleuchtungsdauer 16–18 und die Dunkelphase 6–8 Stunden betragen. In Kopfhöhe der liegenden Kühe sollte eine Beleuchtungsstärke von mind. 200 Lux erreicht werden. Hierfür eignen sich in Laufställen Natriumdampf-Hochdrucklampen und in Anbindeställen in max. 2,50 bis 3,00 m Höhe aufgehängte Leuchtstoffröhren.
7.3.2.2 Stallbauformen Man kann die Kuhställe nach dem Gesichtspunkt der Bewegungsfreiheit der Tiere in Anbinde- und Laufställe einteilen, nach dem Umfang des Witterungsschutzes in Kalt- und Warmställe oder nach dem Entmistungsverfahren in Festmistund Flüssigmistställe. Am gebräuchlichsten ist die Unterteilung nach Anbindeställe und Laufställe, obwohl es Übergangs- und Mischformen gibt, die versuchen, die gravierendsten Nachteile der Anbindeställe zu beseitigen.
Anbindeställe findet man in der Regel in Altgebäuden bei Beständen von max. 35 – 40 Kühen als Kurzstand. Die Tiere haben hier die Möglichkeit, ständig Futter aufzunehmen. Der Krippenboden liegt 12 – 15 cm über der Standfläche und wird durch eine ca. 20 cm hohe, nachgebende, meist aus Gummi bestehende Krippenrückwand abgeschlossen. Der Kurzstand ist mit Kotstufe bei Festmist oder mit Gitterrost bei Flüssigmist ausgeführt. Hierbei ist es wichtig, dass Standfläche und Gitterrost eine kantenlose Ebene bilden. Die Standlänge sollte mind. 170 cm und die Standbreite die doppelte Schulterbreite der Kuh betragen. Geeignete Anbindevorrichtungen sind Mehrgelenkshalsrahmen mit Bodenzugfeder oder Gleitbandanbindungen mit Kunststoffrollen. Damit die Kühe den im Kopfbereich für die Liegephase und für das Aufstehen gewonnenen Freiraum nicht dazu benutzen, um auf der Liegefläche abzukoten, werden sie beim Stehen und Fressen durch mechanische Vorrichtungen – Schulterstützen, Nackenriegel usw. – daran gehindert, sich mehr als zur Futteraufnahme nötig, nach vorn zu drängen. Den Anbindeställen nahe steht der Schwenkboxenstall (Ryholm-System), weil hier kein besonderer Melkstand vorhanden ist. Hier werden die Kühe nur bequemer gemolken, weil sie durch Trennbügel, die um Stützen in der Mitte des Standes schwenkbar sind, in eine Fischgrätenstellung gebracht werden. Sie werden (ähnlich der Lösung beim Fangboxenstall) durch Nackenriegel vorn und Absperrseil hinten am Verlassen der Box gehindert. Weder bei den Anbinde- noch bei den Laufställen lassen sich die Fressboxenställe einordnen, bei denen ebenso wie bei den herkömmlichen Anbindeställen Fress- und Liegebereich vereinigt sind. Aber die Tiere werden nicht angebunden und gehen zum Melken in den Melkstand. Bei dem System mit offenen Fressboxen können sich die Kühe auch außerhalb der Melkzeiten frei im Stall bewegen. Beim System geschlossener Fressboxen (auch Fang- oder Sperrboxen genannt) werden die Kühe nur zum Melken freigelassen. In der übrigen Zeit werden sie durch Nackenbügel vorn und Fang- oder Absperrbügel hinten in den Boxen festgehalten. Vielfach sind die Fressboxenställe aus ehemaligen Anbindeställen entstanden, was mit tragba-
331
7
7
Rinderproduktion
ren Aufwendungen möglich war und erlaubte, die Anschaffungskosten für den Melkstand besser zu verkraften. Bei den Tiefstreuställen unterscheidet man zwischen dem Einraum- und dem Zweiraumtiefstreustall. Wie der Name schon sagt, wird bei der ersten Stallform der gesamte Tierbereich eingestreut und es muss dafür gesorgt werden, dass Fress- und Tränkebereich mit der wachsenden Mistmatratze angehoben werden können. Ebenfalls einen hohen Strohbedarf (5–10 kg je Kuh und Tag) hat der Zweiraumtiefstreustall mit getrenntem Liege- und Fressbereich. Die Liegefläche sollte 4,5 m2 nicht unterschreiten. Die Tiere erreichen über Stufen (25–30 cm Stufenhöhe, 35–60 cm Stufenbreite) den planbefestigten oder mit Spalten ausgelegten Fressbereich. Die Entmistung erfolgt je nach Fressplatzausführung durch Schlepper mit Schiebeschild oder stationärer Technik (Schrapper) bzw. durch ein Güllesystem. Eine besondere Form stellt der Tretmiststall dar, der vereinzelt bei Umbau in grossräumigen Altgebäuden eingerichtet, aber nur selten als Neubau konzipiert wird. Das Gefälle im Liegebereich richtet sich nach dessen Tiefe und es gilt die Faustregel: 1 % je m Liegeflächentiefe + 1 %, wobei eine Tiefe von 7 m nicht überschritten werden sollte. 10 % Gefälle wird als äußerste Grenze angegeben. In größeren Beständen ist es sinnvoll, durch den recht hohen Strohbedarf von 4–6 kg je Tier und Tag das Einstreuen zu automatisieren. Wird das Stroh vom Futtertisch aus in den Liegebereich geblasen, so muss durch die erhebliche Staubentwicklung selbst im Offenstall mit Gesundheitsproblemen gerechnet werden. Diesbezüglich ist es besser, mit einer „aufgehängten Einstreumaschine“ zu arbeiten, die sich über dem Liegebereich an Schienen fortbewegt. Durch das Gefälle wird der Mist von den Tieren nach unten befördert. Die Entmistung erfolgt am besten mit dem Schlepper mit Schiebeschild am Heck oder am Frontlader, da der ungleichmäßig anfallende Dung die stationäre Entmistungstechnik auch ungleich belastet. Selbst bei nicht mittig angeordnetem Anhängepunkt des Zugseiles muss mit einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Lebensdauer gerechnet werden. Bei diesem System können die höheren Arbeitskosten durch die etwas geringeren Baukosten z. T. ausgeglichen werden, doch es
332
bleiben die Kosten für Strohbergung, Transport usw. Liegeboxenlaufställe haben sich bewährt und sind als tiergerechte und arbeitssparende Stallform die Regel beim Neubau. Man unterscheidet Liegeboxenställe mit Laufhof, geschlossene Liegeboxenställe mit Innenfütterung und Offenfrontställe mit außen liegendem Futtertisch (Abb. 119 und 120). Weil die Baukosten gesenkt werden müssen (möglichst unter 5000 e je Kuhplatz), sollten Liege-, Fress- und Laufbereich möglichst einfach ausgeführt sein, ohne dass jedoch auf den notwendigen Kuhkomfort verzichtet wird. Hier bieten sich vor allem die Kaltställe an. So reicht ein regenabweisendes und schattenspendendes Dach mit Seitenteilen aus, die den Windschutz gewährleisten. Dies kann durch Wände mit unterschiedlicher Luftzuführung (Öffnungen im Traufbereich oder durch senkrechte Schlitze sogenannte Spaceboardlüftung) aber auch einfach durch Windschutznetze an Trauf- und Giebelwänden erreicht werden. Um ein Einfrieren der Wasserleitungen bei tiefen Temperaturen im Winter zu verhindern, muss die Möglichkeit des Beheizens gegeben sein. Der Liegeboxenlaufstall mit Laufhof bietet folgende Vorteile: Intensivere Gebäudenutzung, größere Beweglichkeit der Tiere, stärkerer Abrieb der Klauen, weniger Gliedmaßen- und Euterverletzungen, weniger Arbeitsaufwand. Von Nachteil sind die erschwerte Gesundheitskontrolle, die schwierige Fixierung zur Behandlung, Rangordnungskämpfe und Verdrängung mancher Kühe vom Fressplatz. Die auf dem Laufhof mögliche Selbstfütterung an Fahrsilos und Heuraufen ist nicht so vorteilhaft, wie ursprünglich erhofft wurde, und außerdem ist es fraglich, ob die Hochleistungskuh die notwendige Futtermenge mit der richtigen Zusammensetzung zu sich nimmt. Daher hat heute der Boxenlaufstall mit Laufhof kaum noch eine Bedeutung beim Neubau. Der geschlossene Liegeboxenstall mit Innenfütterung hat sich bei Beständen ab 40 Tieren durchgesetzt. Die Zahl der Tiere und die Lage der Gebäude haben einen erheblichen Einfluss auf die Stallform. Im Laufe der Jahre haben sich – auch aus Kostengründen – immer wieder Veränderungen bei den Bauausführungen ergeben. So
7.3 Die Milchproduktion
Abb. 119
Doppel-dreireihiger Liegeboxenlaufstall mit 162 Kuhplätzen (nach Aid, 3372)
geht z. T. auch der Trend über den Kalt-Laufstall hinaus zum einseitigen Offenstall mit Außenfütterung. Der Boxenlaufstall gliedert sich in die drei Bereiche: Liege-, Fress-/Lauf- und Melkbereich. Liegebereich | Die Liegeboxen müssen trocken, warm und weich sein. Diese Bedingungen er-
füllen auf Dauer nur wenige Liegepolstervarianten, so dass der Ruhebedarf von mind. 10, besser 12–14 Stunden nur selten erreicht wird. Während dieser Liegeperiode sollten mind. 50 % der Tiere wiederkauen. Hier wird – gegenüber dem Stehen – ca. 1⁄4 mehr Blut durch das Euter gepumpt, was die Milchbildung in dieser Zeit erhöht.
Abb. 120 Umgebauter Offenfrontstall mit außen liegendem Futtertisch (Foto: Weiß)
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7
7
Rinderproduktion
Abb. 121
Bewegungsablauf beim Aufstehen (nach Schnitzer)
Zu dem notwendigen Komfort bei den Boxen zählt auch, dass Aufstehen und Hinlegen ohne Verletzungen der Gelenke und Euter möglich sein müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es das hohe Körpergewicht den Kühen unmöglich macht, sich so elegant hinzulegen und aufzustehen wie etwa eine Katze. Beim Hinlegen werden von der Kuh zuerst die Vorderfußwurzelgelenke (Karpalgelenke) eingeknickt, und ihr Vorderteil senkt sich auf die Vordermittelfüße herunter. Dann werden die Hinterbeine zur Seite nach vorn genommen, und die Hinterhand der Kuh plumpst einfach herunter. Wenn Holme und Streben der Standabgrenzung zu weit nach hinten und/oder unten reichen, dann kann es Verletzungen geben. Auch Euterquetschungen sind nicht selten. Beim Aufstehen reicht die Muskelkraft allein nicht aus, um den schweren Rumpf direkt hochzustemmen. Sondern ein weit ausholender Schwung von Hals und Kopf hilft, die Hinterhand hochzuheben, ja quasi hoch zu schaukeln. Für diesen Bewegungsablauf braucht die Kuh Platz, vor allem in der Längsrichtung. Bei Boxen mit freiem Kopfraum sollte die Liegefläche mind. 2,50 m lang sein, wandständige Buchten müssen so reichlich dimensioniert sein
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(2,70 m lang und 1,20 m breit), dass auch großrahmige Kühe genügend Platz für den Kopfschwung haben. Die Ermittlung der der Milchviehherde entsprechenden Boxenmaße kann mit Hilfe folgender Formeln erfolgen (vgl. Abb. 122): Boxenlänge (m) = 0,922 × schräge Rumpflänge (m) + 0,3 m, Boxenbreite (m) = 0,85 × Widerristhöhe (m) Bei den Liegeboxen unterscheidet man zwischen Hoch- und Tiefboxen. Bei den Hochboxen sind die Matratzen wegen ihrem höheren Federungskomfort den Gummimatten vorzuziehen. Für die Tiefbox kommt als Einstreu Stroh, Sägespäne, ein Gemisch aus beiden oder eine aus Mist aufgebaute Matratze in Frage. Eine Alternative ist ein mit Wasser befeuchtetes Kalk-Stroh-Gemisch (Beispiel: 1 500 kg Kalk + 150 kg Stroh + ca. 300 l Wasser). Die in Amerika am meisten eingesetzte Einstreu ist Sand. Dies ist optimal, da er keinen guten Bakteriennährboden darstellt. Allerdings ist sein Einsatz nur bei planbefestigten Laufflächen möglich, nicht jedoch bei Spaltenböden, da er sich in den Güllekanälen absetzt. Die Tiefbox hat zwei Hauptnachteile gegenüber der Hochbox. Sie muss täglich 2 × gereinigt und
7.3 Die Milchproduktion Abb. 122 Maße zur Berechnung der Liegeboxengröße
neu eingestreut werden. Wenn dies nicht gemacht wird, bildet sich ein Belag, der ein guter Nährboden für Bakterien darstellt und es kann dann zu Euterinfektionen kommen. Die Tiefbox ist durch eine 12 cm hohe Schwelle vom Laufgang abgegrenzt. Bei dieser optimalen Schwellenhöhe treten die Kühe kaum noch rückwärts in die Box, aber sie können mit dem hinteren Teil des Beckens über der Schwelle liegen, wodurch die Box besser sauber gehalten wird. Wenn sich die Kühe nicht nur vereinzelt, sondern häufig auf die Lauffläche legen und die Annahme der Box verweigern, muss nach den Ursachen gesucht werden. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, ob die Liegefläche weich und trocken, der Freiraum zum Schwungholen beim Aufstehen groß genug und der Nackenriegel richtig angeordnet ist. Außerdem muss eine ausreichende Luftbewegung im Kopfbereich stattfinden. Lauf-/Fressbereich | Liegeboxenställe gibt es sowohl mit Festmistverfahren (Entmistung der planbefestigten Mistgänge durch Flachschieber, Frontlader oder Heckschild am Schlepper) wie mit Flüssigmistverfahren (Teilspaltenboden). Die Laufgänge müssen so breit sein, dass zwei Kühe gut aneinander vorbei kommen. Die Laufflächen sollten so beschaffen sein, dass die Tiere nicht rutschen und die Klauen nicht beschädigt werden. Bei der Neueinrichtung von Spaltenböden sollten Flächenspalten (mit 8 cm Balkenbreite und max. 3,5 cm Schlitzweite) anstelle von
Einzelbalken vorgesehen und völlig eben und absatzlos verlegt werden. Scharfe Grate müssen abgeschliffen werden. Durch Installation eines absperrbaren Fressgitters, an dem für jede Kuh ein Fressplatz von 70 – 80 cm Breite vorgesehen werden sollte, lässt sich auch dann eine leistungsgerechte Fütterung durchführen, wenn verschiedene Silagen getrennt vorgelegt werden. Die Siloblöcke können auf dem Futtertisch, der etwa 5 m breit sein sollte, beiderseits platziert werden. Die Verteilung erfolgt dann von Hand. Es kann aber auch mit speziellen Futterverteil- und -mischwagen gefüttert werden. Ein ständiger Zugang zum Futter ist vorteilhaft und außerdem ist bei Vorratsfütterung ein Tier : Fressplatz-Verhältnis von 1,2 : 1 möglich. Optimal im Laufstall ist derzeit die Kraftfutterzuteilung über Abrufstationen, bei der die Kühe den ganzen Tag über ihre leistungsbezogene Kraftfutterration in kleinen Mengen selbst abholen. Hierbei ist eine Futterstation für 25 – 30 Kühe vorzusehen. Die Kraftfutterzuteilung kann auch über einen Futtermischwagen erfolgen, bei dem die Grobfutterkomponenten und das Kraftfutter zu einer einheitlichen Ration, der Totalmischration (TMR) gemischt werden. Aus wirtschaftlichen Gründen verlangt diese recht teure Technik nach größeren Beständen, in denen es auch leichter ist, Leistungsgruppen zu bilden. Auch durch Betriebsgemeinschaften lassen sich die Kosten senken.
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Rinderproduktion
Der Wasserbedarf einer Milchkuh hängt besonders von der Milchleistung und der Umgebungstemperatur ab. Die Größenordnung des täglichen Wasserbedarfs liegt bei 50–100 l je Kuh und kann bei Hochleistungskühen im Sommer bis auf 180 l ansteigen. Das bedeutet, dass das Tier ständigen Zugang zu einwandfreiem Wasser mit Trinkwasserqualität haben muss. Bei Beckentränken ist eine Durchflussleistung von 7–8 l/ min und bei Trogtränken von ca. 20 l/min zu fordern. Für jeweils 25 Tiere ist eine Tränke vorzusehen, aber mindestens 2 je Kuhgruppe, damit auch rangniedere Tiere jederzeit saufen können. Die Tränken sind so zu positionieren, dass die Kühe aus dem Melkstand kommend, ihren großen Wasserbedarf ( G 30 % des Tagesbedarfes) sofort decken können und dass auch der Weg zwischen Futtertisch und Tränke nicht zu groß ist (max. 15 m). Weiterhin darf es nicht zu Behinderungen kommen, es muss ausreichend Platz um die Tränke herum sein. Die ideale Tränkehöhe beträt 80 cm. Da Trogtränken relativ anfällig für Verschmutzungen sind, sollten kippbare Trogtränken eingesetzt werden, die leicht zu reinigen sind und wo die Tiere ihr natürliches Trinkverhalten ausführen können (Abb. 123). Um ein Einfrieren der Tränken zu verhindern, sind beheizbare Trogtränken zu empfehlen. Die Bedeutung einer optimalen Wasserversorgung zeigt sich auch darin, dass Versuche durchgeführt werden, den Tieren schon im Melkstand
Wasser anzubieten. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Die Abkalbebucht wird von vielen Landwirten als absolute Notwendigkeit betrachtet, denn die Kuh braucht einen ausreichend großen Platz für ein störungsfreies Abkalben. Geeignet hierfür ist eine ca. 10 m2 große saubere, trockene und gut eingestreute Bucht mit weicher und trittsicherer Liegefläche (Abb. 124). Weiterhin sollte – um den Umstellungsstress gering zu halten – möglichst der Sichtkontakt zur Herde gewährleistet sein. Gute Beleuchtung und gutes Stallklima sind eine Selbstverständlichkeit. Die Buchten müssen regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden, um den Keimdruck in Grenzen zu halten. Dies bereitet dann Probleme, wenn es sich um ein kontinuierliches Belegen von Gruppenbuchten (3 – 6 Tiere) handelt. Dann empfiehlt es sich, mindestens 2 Abkalbebuchten einzurichten, damit ein Wechsel der Belegung möglich ist. Auf keinen Fall sollten kranke Kühe in der Abkalbebucht untergebracht werden. Bei der Planung sind bei 100 Kühen und gleichmäßiger Abkalbung über das Jahr ca. 4 Abkalbeplätze vorzusehen. Pflegemaßnahmen im Stall | Nach einer auch heute noch gültigen Verordnung zum Milchgesetz (aus den Jahren 1930/31) sollen die Wände des Kuhstalles, wenn sie nicht abwaschbar sind, einen jährlich zu erneuernden Kalkanstrich haben. Ferner sollen „das Reinigen des Stalles, die Abb. 123 Kippbare Trogtränken sind tiergerecht und leicht zu reinigen (Foto: Weiß)
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7.3 Die Milchproduktion Abb. 124 Abkalbebucht (Foto: Strack)
Entfernung des Dungs, die Erneuerung der Streu und das Putzen der Kühe regelmäßig erfolgen“. Der Begriff „regelmäßig“ muss bei den verschiedenen Stallbauformen unterschiedlich ausgelegt werden. Auch ist es heute bei den großen Tierbeständen nicht mehr möglich, die Kühe regelmäßig zu putzen. Scheuerbalken mit Bürste an geeigneten Plätzen im Laufstall werden von den Tieren gern angenommen und erlauben es den Kühen, selbst etwas für die Hautpflege des Rückens zu tun. Fliegenbekämpfung | Fliegen im Stall beunruhigen die Tiere. Das kann den Futterverzehr und damit die Leistung senken. Außerdem können die Fliegen Krankheiten übertragen und das Abheilen von Wunden verzögern. Die Bekämpfung wird durch die rasche Generationsfolge der Fliegen und – bei manchen Entmistungsformen – die Unzugänglichkeit der Brutplätze erschwert. Deshalb richtet sich die Bekämpfung (mit Hilfe von Sprühverfahren oder von insektizidhaltigen Anstrichen) vorzugsweise auf die Ruheplätze der Fliegen, beispielsweise an den Wänden unterhalb der Fenster. Bei der Mehrzahl der verwendeten Präparate dürfen die Tiere selbst, das Futter und die Futterkrippen mit Anbindevorrichtung nicht in die Behandlung einbezogen werden, weil von den Tieren aufgenommene Insektizide zu Rückständen in der Milch führen können. Auch Melkanlagen dürfen nicht besprüht werden.
Klauenpflege | Zu wenig abgenutzte, ungepflegte oder falsch beschnittene Klauen können zur Verformung, Entzündung und Vereiterung der Klauen, zu Schwierigkeiten beim Aufstehen und bei anderen Bewegungsabläufen, am Ende zur Beeinträchtigung der Futteraufnahme und Leistung führen. In Betrieben mit Weidegang erfolgt die Klauenpflege früh genug (3 – 4 Wochen) vor dem Austreiben. Der Umgang mit den herkömmlichen Geräten des Klauenpflegebestecks (Hammer, Stemmeisen, Stoßmesser, Rinnmesser usw.) kann in Lehrgängen an Lehr- und Versuchsanstalten für Viehhaltung erlernt werden. Durch elektrisch angetriebene Schleifgeräte und durch Fixierung der Kühe im Klauenpflegestand (bzw. einer Schwenkbühne am Frontlader) wird die Arbeit erleichtert. Beim Gebrauch rotierender Klauenpflegegeräte muss eine Schutzbrille getragen werden. Wer diese Arbeit nicht selbst verrichten will, kann auf einen professionellen Klauenschneider zurückgreifen. Neben dem Schneiden der Klauen ist es auch häufig notwendig, die infektiösen Klauenerkrankungen einzudämmen, die durch ständige Feuchtigkeit und Schmutz im Laufbereich gefördert werden. Daher sind Desinfektionsmaßnahmen angesagt, die sehr einfach durch Klauenbäder durchgeführt werden können. Außerdem soll es hierdurch zu einer Verbesserung der Klauenhornqualität kommen.
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Rinderproduktion
Enthornen | Um Verletzung der Tierpfleger, aber auch der Tiere untereinander zu vermeiden, werden die Tiere enthornt. Dies kann bis zum Alter von 14 Tagen mit Hilfe eines Ätzstiftes erfolgen. Wird jedoch nicht sorgfältig gearbeitet, kommt es leicht zu Verätzungen oder Stummelhörnern. Günstiger ist der Einsatz eines elektrischen Brenngerätes, das aber – ohne Betäubung – nur bei unter 6 Wochen alten Kälbern eingesetzt werden darf. Falls noch Kühe zu enthornen sind, muss das Absägen der Hörner unter örtlicher Betäubung durch den Tierarzt erfolgen.
7.3.3
Milchgewinnung und Milchbehandlung
Die Milch aus gesunden Eutern ist ein unentbehrliches, vielseitiges, wohlschmeckendes und bekömmliches Nahrungsmittel. Aber sie ist auch ein sehr empfindlicher und leicht verderbender Rohstoff. Qualitätsverluste auf dem langen Weg vom Euter bis zum Verbraucher zu verhindern, ist keine leichte, aber eine notwendige Aufgabe. Diesem Ziel muss sich auch der Milcherzeuger, der erste in einer langen Kette von Menschen, die mit der Milch zu tun haben, verpflichtet fühlen. Das Melken | Mit Hilfe des Melkens soll dem Euter auf schonende Art ein möglichst großer Anteil der bis zur Melkzeit gebildeten Milch entzogen werden. Das sollte in möglichst kurzer Zeit geschehen, zumal das Melken etwa die Hälfte der Stallarbeitszeit beansprucht. Die Melkmaschine, die anfangs die Melkarbeit eher erleichterte als abkürzte, wurde inzwischen – unter Beibehaltung einiger technischer Grundelemente – in immer kompliziertere Melksysteme eingebaut, die noch euterschonender arbeiten und bei beträchtlichem Kapitalaufwand auch große Möglichkeiten zur Arbeitsersparnis bieten. Es wird hier auf Angaben darüber verzichtet, wie viele Melkzeuge ein Melker jeweils bei den verschiedenen Systemen (Fischgräten-, Tandem-, Side-by-Side-Melkstand, Melkkarussell) (Abb. 125) bedienen kann, denn diese Angaben können nur Durchschnittswerte sein. Erstens sind die Kühe verschieden und zweitens auch die Menschen.
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Der Fischgrätenmelkstand ist ein Gruppenmelkstand, bei der die längstmelkende Kuh die Aufenthaltsdauer der Gruppe bestimmt. Daher ist bei entsprechenden Beständen zur Verringerung der Melkzeiten die Bildung von Leistungsgruppen sinnvoll. Bei dem recht teuren Tandemmelkstand können Kühe mit kurzen und langen Melkzeiten gleichzeitig gemolken werden, da der Austrieb aus dem Melkstand unabhängig voneinander erfolgt. Das hat aber auch zur Folge, dass kein gleich bleibender Arbeitsablauf für den Melker möglich ist und eine Zusatzbelastung entsteht. Die Bedeutung dieses Melksystems ist bei Neubauten rückläufig. Der Side-by-Side-Melkstand wird wegen seines geringsten Platzbedarfes häufig bei Umbauten eingesetzt. Die Tiere stehen dicht nebeneinander. Das Melkzeug kann durch die Hinterbeine relativ sicher angesetzt werden bei allerdings ungünstiger Körperhaltung des Melkers. Die Abmessungen der folgenden Melkstände können bei den verschiedenen Firmen abweichen. Das Melkkarussell eignet sich besonders für größere Bestände, auch wenn die Industrie mittlerweile kleinere Anlagen anbietet. Neben der unterschiedlichen Größe (12–32 Tiere je Melkdurchgang) können auch die Tiere wie beim Fischgräten- oder Side-by-Side-System angeordnet sein oder aber der Melker hat seinen Platz im Innenraum oder im Außenbereich des Melkkarussells. Für ein kontinuierliches Melken ist allerdings ein reibungsloser Zutrieb der Kühe zum Melkstand Voraussetzung. Daher sollten Warteräume so groß bemessen werden, dass diese Platz für jeweils eine komplette Leistungsgruppe bieten. An dieser Stelle soll auch auf das Irische Melksystem hingewiesen werden, bei der die Technik auf hoch verlegte Milchleitungen abgestimmt ist. Der Einsatz ist bei allen erwähnten Melkständen möglich und nicht nur bei den Swing-overMelkständen, bei denen die Melkzeuge von einer Melkstandseite zur anderen hinübergeschwenkt werden. Die Anforderungen an den Melkenden sind größer geworden. Früher – beim Handmelken – wurden vor allem seine Muskeln und Sehnen beansprucht, heute in erster Linie sein Gehirn
7.3 Die Milchproduktion
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Abb. 125
Verschiedene Melkstandsysteme: a b c d
2×4 Fischgrätenmelkstand 2×3 Tandemmelkstand 2×4 Side-by-Side Melkstand 12-Melkkarussell (Fischgrätenbuchten)
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7
Rinderproduktion
(seine Beobachtungsgabe für tierische Äußerungen, sein Gedächtnis, seine Wendigkeit, sein Organisationstalent und sein technisches Verständnis). Wenn sich ein Melkender mehr Melkzeuge zutraut, als er nach seinen Fähigkeiten bewältigen kann, leiden die Kühe darunter, besonders deren Euter. Wenn Kühe melkunwillig werden, wenn Strichspitzen verhärten, wenn sich Striche rot oder bläulich verfärben, wenn sich Euterviertel entzünden und womöglich veröden, hat der Melkende meistens Anlass zur Selbstkritik. Es ist auch notwendig, dass sich Melkende mit den Vorschriften der Milch-Hygiene-Verordnung vertraut machen. Dort wird gefordert, dass die Melkpersonen saubere, waschbare Oberbekleidung tragen, sich vor dem Melken Hände und Unterarme mit Wasser und Handreinigungsmittel säubern und diese nach Bedarf wiederholen. Weiterhin muss das Euter sauber sein und die ersten Milchstrahlen aus jeder Zitze dürfen nicht in ein Melkgefäß gemolken werden, sondern sind zur Prüfung der Milchbeschaffenheit zu benutzen. Kühe, die keine einwandfreie Milch geben, sind gesondert und nach den anderen zu melken. Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen und aus den im praktischen Umfang mit Melkmaschinen gewonnenen Erfahrungen ergibt sich folgender Ablauf bei den Routinearbeiten:
!!! Probemelken (Abmelken des ersten Strahls zur Kontrolle der Beschaffenheit der Milch in ein Vormelkgefäß mit schwarzer Prüfplatte, um veränderte, flockige Milch von der Ablieferung auszuschließen und die betreffenden Kühe gesondert zu behandeln). | Euterreinigung und Anrüsten (durch Dusche oder feuchtes Tuch – Abtrocknen der Zitzen durch Einwegtuch – Massieren der Zitzenkuppen zur Stimulation). | Melkzeug ansetzen, sobald die Zitzen prall werden, wenn also die „Milch einschießt“ (in der Regel ca. 60 sec nach Beginn der Eutervorbereitung). | nach dem Hauptmelken, wenn nötig, das Nachmelken mit Maschine zur Gewinnung der letzten, fettreichsten Milch (durch Belastung des Milchsammelstücks, evtl. Ausmelk|
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griffe), aber unter Vermeidung von Lufteinbrüchen in das Melkzeug. | nach Euterkontrolle (durch Zisternengriff) den Milchhahn schließen und 5–7 Sekunden später alle vier Becher gleichzeitig abnehmen. | Zitzen desinfizieren mit einem hautschonenden Mittel (Zitzentauchen bzw. Dippen). Dazu kommen als Nebenarbeiten bei Melkstandssystemen das Vorbereiten des Melkstands, Ein- und Austreiben der Kühe, bei allen Melksystemen Gesundheits- und Brunstkontrolle der Kühe, Überwachen, Spülen, Reinigen und Warten der Melkanlage, Vorbereitung und Reinigen des Milchtanks und der Kühleinrichtung. Das Vorbereiten – das Anrüsten der Kühe – ist notwendig und unstrittig, aber beim Nachmelken gehen die Meinungen auseinander. Immer mehr Betriebe verzichten auf das Nachmelken, und zwar nicht nur aus arbeitswirtschaftlichen Gründen, sondern auch weil sie der Meinung sind, dass erst der Gewöhnungseffekt in vielen Fällen das Nachmelken erforderlich macht. Außerdem kann dann das Nachmelken bei einer Kuh Ursache für das Blindmelken der nächsten sein, das bedeutet, dass dann das Euter durch das fortgesetzte Pulsieren an den Strichen nach versiegtem Milchfluss strapaziert bzw. geschädigt wird. Es ist also sehr wichtig, dass sich der Melkende – um eine vollständige Euterentleerung ohne Nachmelken zu erreichen – besonders um den richtigen Abstand zwischen dem Anrüsten und dem Ansetzen des Melkzeugs und um die Verhinderung des Blindmelkens bemüht. Technische Lösungen wollen ihm dabei helfen, beispielsweise durch optische Signale, die das Ende des Milchflusses (bei unter 200 g Milchentzug je Minute) anzeigen (Milchflussanzeiger), oder durch Abschaltautomaten, die am Milchflussende den Pulsator auf Entlastungstakt umschalten. (Hierzu kann der Melkende den Pulsator zum Nachmelken wieder einschalten.) Für nachgemelksfreie Kühe wurden Abnahmeautomaten entwickelt, durch die am Milchflussende auch das Vakuum im Milchschlauch abgesperrt und das Melkzeug vom Euter abgezogen wird. Bei milchflussgesteuerten Anlagen sollen sich Vakuum und Pulsierung an den Milchfluss anpassen.
7.3 Die Milchproduktion Bei den auf dem Markt befindlichen neueren Entwicklungen geht es grundsätzlich um verbesserte Melkzeuge, die für günstigere Bedingungen am Euter sorgen. Durch neu konstruierte Sammelstücke (Trennung von Milch und Luft, periodische Belüftung, verbesserte Pulsatoren) oder durch ventilgesteuerten periodischen Lufteinlass in die Schaugläser (Biomilker) bekommt man die Vakuumverhältnisse im Melkzeug besser in den Griff und wirkt dem Milchrückfluss entgegen. Bei dem System des kontinuierlichen Milchentzuges wird auf Pulsatoren, Zweiraumbecher und Milchsammelstücke verzichtet, was die Verschleppung von Mastitis-Erregern in das Euter während des Melkakts verhindern soll. Bei herkömmlichen Melkmaschinen kann durch Fehler beim Pulsieren (Rückschwingen von Milchtropfen bei Vakuumschwankungen bzw. beim Wechsel von der Entlastungs- zur Saugphase sowie durch ungleichmäßiges Abnehmen der Melkbecher) das Infektionsrisiko vergrößert werden. Doch bei sachverständigem und überlegtem Einsatz lässt sich auch mit den älteren Melkeinrichtungen eine hygienisch einwandfreie Milchqualität gewinnen und die Eutergesundheit erhalten. Dazu gehört neben den schon erwähnten Bemühungen beim Melken die vorschriftsmäßige Reinigung sowie regelmäßige Kontrolle und Wartung der Melkanlage. Überprüfungen von Melkmaschinen haben gezeigt, dass es in vielen Betrieben Fehler gibt, die sich beseitigen lassen:
!!! |
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zu schwache Leistung der Vakuumpumpe durch Überalterung oder Überlastung (z. B. nach Aufstockung des Kuhbestandes und Vermehrung der Zahl der Melkzeuge); abgenutzte oder falsch eingestellte Pulsatoren; zu kleine oder durch Schmutz verengte Querschnitte der Rohrleitungen; energie- und vakuumzehrende, das Festsetzen von Milchrückständen begünstigende lange, steile, winkelige Milchleitungen; zu alte oder nicht passende Zitzengummis; spröde Milchschläuche; verschmutzte Regelventile; zu kleine Milchsammelstücke usw.
Die Handstimulation, die besonders bei größeren Beständen nur selten ausreichend durchgeführt wird, lässt sich durch mechanische Verfahren ersetzen. Die automatische Vorstimulation beruht auf Vakuumveränderungen oder auf Pulszahlerhöhungen. Die Nachgemelke sind hierbei nur leicht höher als bei der intensiven Handstimulation. Jahrelange Entwicklungsarbeit war notwendig, um nun den Melkroboter in der Praxis einsetzen zu können (Abb. 126). Die Sensortechnik macht es möglich, die Zitzen zu orten und entweder die Zitzenbecher einzeln oder aber gemeinsam anzusetzen. Unterstützt werden kann dieser Vorgang durch die im Steuerrechner gespeicherten Zitzenpositionen. Damit konnte auch der letzte Teil des Melkvorganges automatisiert und der Arbeitszeitbedarf verringert werden. Der EU-Richtlinie, die besagt, dass vor dem Melken die Milch auf Abweichungen zu überprüfen ist, wird durch die computergesteuerte Gesundheitsüberwachung mit Hilfe von speziellen Sensoren durch Feststellung der Milchtemperatur und der elektrischen Leitfähigkeit nachgekommen. Ob man sich für eine Einboxen- oder Mehrboxenanlage entscheidet, hängt von der Bestandsgröße ab: Übersicht 40 Veranschlagte Kapazitätsgrenzen automatischer Melksysteme (nach Dirk Hömberg und Helmut Hoffman, Freising-Weihenstephan) Einboxenanlage Mehrboxenanlage 1 An- 2 An- 3 An- 2 Bo- 3 Bo- 4 Bolage lagen lagen xen xen xen Maximale Kuhzahl des Betriebes 60
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180
90
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160
Für die Kostenreduzierung ist es entscheidend, dass die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Anlage mit der Herdengröße übereinstimmt, das heißt dass sie voll ausgelastet ist. Dennoch ist durch die hohen Anschaffungskosten und die begrenzte Melkkapazität eine Wirtschaftlichkeit noch nicht gegeben bzw. zumindest sehr fraglich. Am ehesten kommt der Melkroboter in Betrieben mit ca. 60 Kühen in Betracht, zumal hier die größten Arbeitszeiteinsparungen zu erwarten
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Rinderproduktion Abb. 126 Der Melkroboter macht unabhängig von Melkzeiten (Foto: Strack)
sind. Mit einer Milchleistungssteigerung kann nur gerechnet werden, wenn es über geeignete Managementmaßnahmen (z.B. Lockfutter, geregelter Tierverkehr, richtige Anwendung der Software) gelingt, möglichst regelmäßige Melkintervalle zu gewährleisten. Ein Problem tritt bei vielen Melksystemen auf. Wie Untersuchungen zeigen, sind viele Melkstände zu laut. Um Stress für Mensch und Tier zu vermeiden, sollte beim Melken der Geräuschpegel von 65 bis 70 dB (A) nicht überschritten werden, das bedeutet, dass sich zwei Personen in der Melkergrube noch normal unterhalten können. Als besondere Lärmquellen stellten sich die Pulsatoren, die Milchpumpe, die Abnahmeautomatik und die Melkzeug-Zwischenspülung heraus. Absolute Lärmspitzen wurden jedoch beim Gruppenwechsel der Kühe gemessen. Reinigung und Desinfektion der Melkmaschine | Sofort nach dem Melken der letzten Kuh werden Melkzeuge, Milchleitungen und andere mit der Milch in Berührung kommende Teile mit kaltem Leitungswasser vorgespült, um Milchreste zu entfernen, bevor sie antrocknen. Dann erfolgt mit Hilfe von Spezialbürsten die Hauptreinigung mit warmem Wasser (von mindestens 40 °C) zur Entfernung von Fett und Schmutz und das Desinfizieren zur Abtötung von Bakterien und anderen Keimen. Reinigen und Desinfizieren werden meistens durch die Ver-
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wendung kombinierter Mittel zu einem Arbeitsgang vereinigt. (Es ist zu empfehlen, von der DLG geprüfte Mittel zu verwenden.) Damit keine Rückstände der Reinigungs- und Desinfektionsmittel in die Milch gelangen, wird anschließend mit Leitungswasser nachgespült, das natürlich keimfrei sein muss. In Betrieben mit Rohrmelkanlage oder Melkstand wird das Reinigen und Desinfizieren heute in der Regel durch Spülautomaten erledigt. Auf pünktlichen Wechsel von alkalischen und sauren Mitteln achten! Sobald die milchführenden Gummischläuche unelastisch oder rau werden, das heißt nach etwa 6 Monaten, sind sie auszuwechseln. Zusätzlich zur täglichen Reinigung soll das Melkzeug einmal in der Woche gründlich gereinigt werden, wozu es in alle Einzelteile zerlegt werden muss. Alle nicht von Milch durchflossenen, aber trotzdem verschmutzenden Funktionsteile (Pulsatoren, Vakuumleitungen, Ventile usw.) müssen in regelmäßigen Zeitabständen, etwa vierteljährlich, gereinigt und kontrolliert werden. Einmal im Jahr sollte der Kundendienst des Melkmaschinenlieferanten zur Überprüfung der gesamten Melkanlage (in Gegenwart des Milcherzeugers) herangezogen werden. Kühlung der Milch | Weshalb muss die Milch gekühlt werden? Auch bei sehr sauberer Milchgewinnung lässt es sich nicht völlig vermeiden, dass Keime in die Milch gelangen.
7.3 Die Milchproduktion
Abb. 127
Anforderungen an Rohrmelkanlagen (nach Weber – ergänzt)
!!! Wird die Milch nicht abgekühlt, dann verdoppelt sich die Zahl der Keime durch einfache Zellteilung alle 1 – 2 Stunden, so dass die Abendmilch beim Abholen am nächsten Morgen schon etliche Millionen Bakterien je cm3 enthalten kann. Wird sie nicht abgeholt, kann sie einen halben Tag später schon sauer sein. Wird die Temperatur der Milch auf 15 bis 10 °C gesenkt, lässt die Vermehrung der Bakterien nach. Bei 4 °C hört sie fast auf. Die Kühlung ist umso wirksamer, je rascher niedrige Temperaturen erreicht werden.
Das Kühlsystem muss sehr leistungsfähig sein, damit die gemolkene Milch schon möglichst schnell – mindestens nach 3 Stunden, noch besser nach 2 Stunden – auf 4 °C herunter gekühlt werden kann. Dies ist wichtig, wenn der Abtransport nur jeden 2. Tag erfolgt, was häufig der Fall ist. Bei täglicher Abholung genügt eine Kühltemperatur von 6 °C. Den eingebauten Thermometern sollte man nicht blindlings vertrauen, sondern zuweilen
selbst mit einem Thermometer die Temperatur im Behälter überprüfen, spätestens dann, wenn die Keimzahlen plötzlich ohne erkennbaren Grund enorm ansteigen. Am zweckmäßigsten misst man die Temperatur beim Einfließen des zweiten Gemelks in den Kühlbehälter. Dann zeigt sich, was die Kühlanlage leistet. Mischmilch sollte möglichst nicht wärmer als 12 °C werden. Für diese Anforderungen reichen Kühlvorrichtungen, die nur kaltes Leitungswasser benutzen, meistens nicht aus. Sie eignen sich allenfalls zur Vorkühlung, vorausgesetzt, dass die Wasserpreise niedrig sind. Zur Kühlung der Milch werden also in der Regel Aggregate benutzt, die künstliche Kälte mit Hilfe elektrischen Stroms erzeugen. Vor der Umstellung oder Neueinrichtung des Kühlsystems sollte sich der Milcherzeuger bei seiner Molkerei erkundigen, welche Pläne dort hinsichtlich der Milcherfassung bestehen. Wenn sie beispielsweise beabsichtigt, die Milch in absehbarer Zeit nur noch jeden zweiten Tag abholen zu lassen, wird die doppelte Kühl- und Lagerkapazität benötigt. Man rechnet in Erwartung dieser Entwicklung heute meistens mit 50–60 Liter Milchstapelkapazität je Kuh.
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Rinderproduktion
Man unterscheidet zwei verschiedene Kühlsysteme: Beim indirekten oder Eiswassersystem wird vom Kühlaggregat vor dem Melken Eiswasser erzeugt und gespeichert, das nach dem Eintreffen der Milch mittels einer Umwälzpumpe in den aus Doppelwänden gebildeten Mantel der Lagerbehälter (Wannen, Tanks, Hofbehälter) geleitet wird. Zur Bildung des Eiswassers zwischen den Melkzeiten kann teilweise billiger Nachtstrom benutzt werden. Das Eiswassersystem bietet deutliche Vorteile beim Weidemelken. In den Betrieben, die das nicht brauchen, setzt sich immer mehr die Direktkühlung durch. Beim Direktsystem wird das Kühlelement, der so genannte Verdampfer, direkt in die Milch eingeführt und beginnt dann mit der Kühlung. Eine vorherige Kältespeicherung ist nicht möglich. Dieses System wird vor allem bei den Tauchkühlern verwendet. Bei Wannen und Tanks mit Direktkühlung ist der Kühlkörper in den Boden, gelegentlich auch in die Seitenwände eingebaut. Die Kühlung wird eingeschaltet, sobald ungefähr 1 /10 des Gemelks eingelaufen ist. Bei diesem Kühlsystem werden hohe Stromanschlusswerte benötigt, der Stromverbrauch ist etwas niedriger als beim indirekten System, auch der Investitionsbedarf. Bei allen Kühlmethoden ist es notwendig, dass die Milch in bestimmten Zeitabständen umgerührt wird, damit nicht Teile der Milch vereisen
und andere warm bleiben. Außerdem soll die Milch auslüften und nicht aufrahmen. Das Umrühren wird durch Rührwerke besorgt, die sich teilweise selbsttätig ein- und ausschalten. Das Rühren soll langsam erfolgen, damit die Fettkügelchen der Milch nicht zerstört werden. Nach der Leerung der Kühl- und Lagerbehälter ist eine sofortige Reinigung nach den gleichen Grundsätzen wie beim Melkgeschirr notwendig, also mit Vorspülen, Reinigen, Desinfizieren und Nachspülen. Für Kühltanks (über 800 Liter Fassungsvermögen) gibt es automatische Spülgeräte. Damit die der Milch entzogene Wärme den Milchraum verlassen kann, ist in der Nähe des Kühlaggregates ein Fenster oder eine Abluftöffnung anzubringen. Der Milchraum enthält in der Regel auch Aufbewahrungsmöglichkeiten für Milchgeschirr und Melkgerät sowie einen elektrischen Heißwasserspeicher für die Bereitstellung warmen Wassers. Besser und auch heute üblich werden Wärmetauscher eingesetzt, mit deren Hilfe die Abwärme aus der Kühlung zur Erwärmung von Brauchwasser (für Euterbrause, Reinigung des Melkgeschirrs und der Lagerbehälter usw.) sinnvoll genutzt wird. Nach Meinung der Experten lohnt sich die Wärmerückgewinnung für Betriebe mit mehr als 30 Kühen. Das dabei angewandte Prinzip wird aus Abb. 128 erkennbar. Abb. 128 Milchkühlung mit Wärmerückgewinnung zur Warmwasserbereitung (nach Ael)
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7.3 Die Milchproduktion Das Kühlmittel im Verdampfer nimmt während der Abkühlung der Milch deren Wärme auf und verdampft dabei. Dieser Dampf wird vom Verdichter abgesaugt, zusammengepresst und weiter erwärmt. Diese Wärme gibt der Kühlmitteldampf im Wasserspeicher an die Umgebung, das heißt an das kalte Frischwasser, ab; und dabei wird das Kühlmittel wieder flüssig. Im Drosselventil wird der im Verdampfer aufgebaute Druck reduziert; und der Kreislauf des Kühlmittels beginnt von neuem. Der Milchraum darf zwar keine unmittelbare Verbindung zum Stall haben, soll aber doch dicht daneben liegen, damit die Rohre von Absaugleitungen gerade und direkt geführt werden können. Die Milchsammeltankwagen müssen problemlos an den Milchraum heranfahren können. Wände, Decken und Fußböden sind (durch Zementestrich, Kachelung, wasserfesten Anstrich usw.) so auszuführen, dass sich der Raum mit wenig Arbeitsaufwand blitzsauber halten lässt und jederzeit einem Besucher gezeigt werden kann (Abb. 129). Milchbehandlung bis zum Verbraucher | Bald nach der Ankunft der Tanksammelwagen in der Molkerei wird die Milch wärmebehandelt und oft auch homogenisiert. Die Wärmebehandlung soll krankmachende (pathogene) Keime abtöten. Zwar spielen Tuberkulose- und Brucellose-Erreger heute keine Rolle mehr. Aber Coli-Bakterien, Salmonellen, Listerien, Coxiellen usw. können in der Rohmilch vorkommen, B-Streptokokken, Stahylococcus aureus und Yersinia enterocolitica sogar häufig. Die Wärmebehandlung ist gesetzlich vorgeschrieben. Dafür sind mehrere Methoden
Abb. 129
Milchkammer (Foto: Wagenbach)
zugelassen. Am stärksten verbreitet sind das Pasteurisieren, bei der die Milch je nach Verfahren zwischen 62 °C und 85 °C erhitzt wird und die Ultrahocherhitzung mit einer Behandlung für min. 1 Sekunde bei 135 °C–150 °C. Bei ultrahocherhitzter Milch – als H-Milch im Handel, mindestens 6 Wochen haltbar – wird manchmal Kochgeschmack festgestellt. Der Anteil an hitzeempfindlichen B-Vitaminen kann etwas vermindert sein, auch die Verfügbarkeit des Lysins. Durch die Pasteurisierung wird der Ernährungswert der Milch nicht beeinträchtigt. Die Verdaulichkeit des Eiweißes wird sogar im Vergleich zur Rohmilch etwas verbessert. Nur auf zwei Wegen gelangt Rohmilch ohne Wärmebehandlung zum Endverbraucher: als Vorzugsmilch oder beim Ab-Hof-Verkauf. Die Erzeuger von Vorzugsmilch unterliegen häufigen Kontrollen durch die Amtstierärzte, und ihre Milch muss wesentlich höhere Hygieneanforderungen erfüllen als die an Molkereien abgelieferte Milch. Im Vergleich zur Vorkriegszeit ist der Absatz an Vorzugsmilch stark zurückgegangen. Der Ab-Hof-Verkauf von Rohmilch ist seit 1973 durch die Hygiene-VO für Milch-ab-Hof-Abgabe gesetzlich geregelt, zuletzt durch die Verordnung über Hygiene- und Qualitätsanforderungen an Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis (Milchverordnung) vom 24. April 1995. Hierbei müssen u. a. folgende Punkte erfüllt sein: Der bei der Kreisbehörde (Kreisveterinäramt) gemeldete Betrieb wird von den Amtstierärzten überwacht. Die Bedingungen der Güteklasse I müssen erfüllt sein, die vorhandenen Räumlichkeiten müssen die Gewinnung einer hygienisch einwandfreien Milch ermöglichen. Menschen, die mit der Milch umgehen, müssen gesund sein und der Rinderbestand muss frei sein von Leukose, TBC und Brucellose und auch von Krankheiten, die auf Menschen übertragbar sind. Weiterhin muss an der Abgabestelle der Milch ein gut lesbarer Hinweis angebracht werden, dass Rohmilch verkauft wird und diese vor dem Verzehr abgekocht werden muss. Beim Homogenisieren wird die Milch mit hohem Druck durch enge Düsen gepresst. Dabei werden die Fettkügelchen so weit zerkleinert, dass sie nicht mehr aufrahmen. Durch dieses Verfahren wird die Gesamtoberfläche der Fettkügelchen vergrößert, und die Milch erhält einen
345
7
7
Rinderproduktion
„vollmundigen“ Geschmack. Nach dem Homogenisieren sind die Fettkügelchen der Milch ungefähr ebenso groß wie die der Frauenmilch; es wird deshalb angenommen, dass die homogenisierte Milch bekömmlicher für Säuglinge ist. Vielleicht hat das Homogenisieren auch Nachteile. Aber für die in diesem Zusammenhang geäußerten Vermutungen konnten bisher keine Beweise erbracht werden. Sobald Molkereien die Konsummilch in Fertigpackungen an den Handel abgeben, müssen diese ein Haltbarkeitsdatum tragen. Bei Vorzugsmilch muss folgender Hinweis gegeben werden: „Rohmilch – verbrauchen bis..., aufbewahren bei höchstens + 8 °C“, wobei das späteste Verbrauchsdatum eine Frist von 96 Stunden nach der Gewinnung nicht überschreiten darf.
7.3.4
Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Milcherzeugung
Was der Landwirt an der Milchproduktion verdient, hängt vom Unterschied zwischen den Erzeugungskosten und dem erzielten Ertrag ab. Der Ertrag wird in besonders starkem Maße vom Auszahlungspreis der Milch bestimmt. Die Erzeugungskosten sind in jedem Betrieb anders; sie können innerhalb gewisser Grenzen beeinflusst werden. Bei niedrigem Milchpreis müssen zur Gewinnerzielung die Milchleistungen der Kühe hoch und die Erzeugungskosten gering sein. Das gilt verstärkt, wenn die einzelbetriebliche Erzeugungsmenge durch Quotenregelung begrenzt ist oder nur zu ungünstigen ökonomischen Bedingungen ausgeweitet werden kann. Aus Abb. 91 ist ersichtlich, wie stark sich die Jahresmilchleistung der Kuh auf die Erzeugungskosten je Liter Milch auswirkt. Da die Milcherzeugung mit hohen, vom Produktionsumfang unabhängigen Festkosten belastet ist, werden diese Zusammenhänge noch deutlicher, wenn auch dieser Kostenblock einbezogen, also eine Vollkostenrechnung erstellt wird. Dabei ist es schwierig, alle Kosten exakt zuzuteilen. Dies trifft z. B. für die Bewertung des Lohnanspruches im Familienbetrieb zu, aber auch für Gebäudekosten (Stall, Futterbergeräume, Güllebehälter u. a.) sowie Maschinenkosten für die Innenwirtschaft und den Futterbau, wenn außer der Milch-
346
viehhaltung noch andere Produktionszweige (z. B. auch Jungrinderaufzucht, Bullenmast) bestehen. Deshalb sind Modellkalkulationen nur begrenzt aussagefähig. Kostenkontrolle und -analyse sind aber notwendig und die Voraussetzung, um Verlustquellen zu verstopfen und die Rentabilität bei gegebenen Preisen zu verbessern. Dafür kann man sich einer Teilkostenrechnung bedienen, z. B. bis zum Deckungsbeitrag, der Differenz zwischen Marktleistung und variablen Kosten. Dieser Ansatz lag bis zur Jahrhundertwende den meisten Modellen in der Bundesrepublik Deutschland zugrunde. Damit begnügt man sich in neueren Auswertungen nicht mehr. Vielmehr verfolgen sie das Ziel der Vollkostenrechnung und stützen sich dabei auf einen von einer Arbeitsgruppe der DLG erarbeiteten Leitfaden. In die neue Vollkostenrechnung fließen neben den tatsächlichen Kosten Bewertungen der im Eigentum befindlichen Faktoren Boden, Kapital und Lieferrechte sowie der nicht entlohnten Familienarbeitskräfte ein. Bei den Kosten wird zwischen direkt zuteilbaren Kosten, den Direktkosten, und den Gemeinkosten unterschieden. Zu ersteren zählen in der Milcherzeugung beispielsweise das verfütterte Milchleistungsfutter, die Tierarztkosten und die Medikamente. Im Einzelnen gibt es hierzu eine verbindliche Liste, um die Betriebe vergleichbar zu machen. Das gilt analog für die Gemeinkosten, zu denen beispielsweise die Maschinenunterhaltung zählt. Auch die Gemeinkosten werden in funktionale Kostenblöcke zusammengefasst, um die Betriebsvergleiche zu erleichtern. Weitere Einzelheiten sind Tab. 83 zu entnehmen. Mehr dazu ist nachzulesen im Leitfaden der DLG „Die neue Betriebszweigabrechnung“, Arbeiten der DLG Band 197. Aber auch der Deckungsbeitrag hat noch nicht völlig ausgedient. Er wird nach wie vor noch in der Planungsrechnung für die Zukunft eingesetzt, wobei für Mengen (Naturalerträge, tierische Leistungen) und Preise künftige Erwartungswerte eingehen. Damit besteht eine deutliche Trennung zwischen zukunftsorientierter Planungsrechnung bis zum Deckungsbeitrag und der „rückwärts orientierten“ Kontrolle über die Betriebszweigauswertung. Die Milcherzeugung unterliegt in der EU voraussichtlich noch bis 2015 einer Mengenbegren-
7.3 Die Milchproduktion Tab. 83 Aufbau der Vollkostenrechnung Begriff
Inhalt
+ Leistung
Verkauf Tiere, Milcheinnahmen, Naturalentnahmen, öffentliche Direktzahlungen, innerbetriebliche Verrechnungen, Bestandsveränderungen
– Direktkosten
Tierzukauf, Tierarzt, Besamung, Kraftfutter, Grundfutter mit Vollkosten berechnet, innerbetriebliche Verrechnungen, Zinsansatz Viehkapital
= Direktkostenfreie Leistung
Differenz aus Leistung und Direktkosten
Gemeinkosten mit: – Arbeitserledigungskosten
Löhne und Lohnansatz, Lohnarbeit und Maschinenmiete Innenwirtschaft, Maschinenunterhaltung und -abschreibung Innenwirtschaft, Kosten Pkw, Strom, Zinsansatz Maschinenkapital
– Kosten für Lieferrechte
Quotenpacht, Kosten Milchüberlieferung, Zinsansatz eigene Quote
– Gebäudekosten
Unterhaltung und Abschreibung Gebäude, Zinsansatz Gebäudekapital
– Sonstige Kosten
Betriebssteuern und Versicherungen, Buchführung, Beratung, Büro, sonstiger Betriebsaufwand
= Kalkulatorisches Betriebszweigergebnis
Differenz aus Direktkostenfreie Leistung und Gemeinkosten
7 zung, die in Deutschland als einzelbetriebliche Quote gehandhabt wird. Ist die Quote nicht zu verändern, kommt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht darauf an, je Liter Quotenmilch den höchsten Gewinn zu erzielen. Dann stellt sich für viele Betriebe z. B. die Frage, ob es für sie günstiger ist, ihr Kontingent mit wenigen Kühen hoher Leistung oder mit mehreren Kühen mittlerer Leistung zu erfüllen. Gegenwärtig und voraussichtlich auch noch in den nächsten Jahren stellt sich die Situation jedoch anders dar. Die Quoten beziehen sich auf die Fettmenge und sind handelbar. Die Milchpreise tendieren nach unten. Bei diesen Rahmenbedingungen kommt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht auf den höchsten Gewinn je Kuh an. In vielen Betrieben wird die Erzeugung dann durch die Zahl der Stallplätze begrenzt. Die optimale Verwertung des Stallplatzes bestimmt die Rentabilität der Milchviehhaltung. Auch dabei gibt es spezifische einzelbetriebliche Fragestellungen, z. B. ob es sinnvoll ist, die Quoten mit hohen Milchmengen oder mit hohen Fettgehalten zu er-
füllen, oder ob Zukauf von Quoten sinnvoll sein kann. Auch derartige Fragen können letztlich nur im Einzelbetrieb beantwortet werden. Nachfolgend sollen dazu jedoch einige betriebswirtschaftliche Zusammenhänge dargestellt werden. Tab. 84 zeigt eine Vollkostenrechnung für die Milcherzeugung. Die z. T. zusammengefassten Daten aus dem Rinderreport der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein für das Jahr 2002/03 beziehen sich auf 333 nach den neuen Empfehlungen ausgewertete Betriebe, mit überdurchschnittlichen Strukturen und Marktgegebenheiten. In dieser Gruppe bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den 25 % erfolgreichen und 25 % abfallenden Betrieben. Bei der Leistung je Kuh und je kg energiekorrigierte Milch (ECM) entfallen fast 90 % auf den Milchverkauf. Die restlichen 13 % stammen aus den Erlösen von Altkühen und Kälbern (einschl. versetzte Kälber), öffentlichen Direktzahlungen (Prämien), sonstigen Einnahmen und Bestandsveränderungen (vgl. Tab. 83).
347
7
Rinderproduktion
Tab. 84 Ergebnis der Vollkostenermittlung der Milchproduktion in Schleswig-Holstein 2002/2003 (sortiert nach dem kalkulatorischen Betriebszweigergebnis je kg produzierter Milch) Kalkulatorisches Betriebszweigergebnis
Cent/kg ECM
Durchnitt 2002/03
+ 25 % erfolgreiche Betriebe
– 25 % abfallende Betriebe
Betriebe
St.
333
83
83
Kühe je Betrieb
St.
81,6
94,6
65,8
Milchleistung
kg ECM
7 760
8 285
7 210
Fett
%
4,19
4,17
4,23
Eiweiß
%
3,43
3,45
3,42
Milchpreis
Ct./kg
32,1
32,1
32,0
Kraftfutter (E3)
dt
Kraftfutter
g je kg ECM
Grobfutterleistung
kg
Umtriebsrate
%
geb. Kälber je Kuh
St.
21,9
23,5
20,0
291
297
277
3098
3283
2954
41,3
39,1
40,2
1,11
1,11
1,10
30,42
30,97
29,93
4,54
4,35
4,62
34,96
35,32
5,11
4,51
Kostenaufstellung in Cent je kg produzierter Milch (ECM) Milcherlös Nebenerlöse, Sonstiges, Bestandsveränderungen Leistung gesamt Bestandsergänzung Futterkosten davon
34,55 5,53
11,93
10,09
Kraftfutter
4,84
4,92
12,95 4,72
Grobfutter
7,09
5,98
8,23
Tierarzt, Medikamente
0,97
0,94
1,02
Besamung, Zucht
0,45
0,43
0,45
Sonstige Direktkosten
1,60
2,29
1,75
Direktkosten
20,06
18,26
21,70
Direktkostenfreie Leistung
14,90
17,06
12,84
Arbeitserledigung
7,37
6,10
8,79
davon für
Arbeit
4,85
3,89
5,98
Maschinenkosten
1,28
0,99
1,62
Strom, Sonstiges
1,24
1,22
1,19
3,63
3,29
4,07 2,27
Lieferrechte davon für
1,89
1,53
Gebäudekosten
1,71
1,38
2,08
Sonstige Kosten
0,33
0,28
0,39
Gemeinkosten
12,98
10,95
15,28
Produktionskosten
33,04
29,21
36,98
7,60
6,51
8,94
Gewinn des Betriebszweiges
9,52
12,62
6,51
Kalkulatorisches Betriebszweigergebnis
1,92
6,11
–2,43
davon
Quotenpacht
Faktorkosten
Quelle: Tierreport 2003, Rinderspezialberatung Schleswig-Holstein
348
7.3 Die Milchproduktion Zu den Direktkosten zählen die Kosten der Bestandsergänzung (Zukauf und versetzte Färsen), die Futtermittelzukäufe, der Grobfutteraufwand (zu Vollkosten), die Gesundheits- und Zuchtkosten, die sonstigen Direktkosten sowie ein Zinssatz für das Viehkapital. Die direktkostenfreie Leistung (DKfL) betrug durchschnittlich 14,90 Ct. je kg Milch. In der Tabelle folgen die errechneten Kosten für Arbeit, Lieferrechte, Gebäude und sonstige Gemeinkosten. Über die Summe der Gemeinkosten und der Direktkosten gelangt man zu den Produktionskosten oder Vollkosten, hier 33,04 Ct. je kg Milch. Aus der Differenz zwischen Leistung und Produktionskosten errechnet sich das kalkulatorische Betriebszweigergebnis von im Beispiel 1,92 Ct. je kg Milch. Beim Vergleich der in Tab. 84 dargestellten Ergebnisse für die 25 % erfolgreichen und die 25 % weniger erfolgreichen Betriebe erhebt sich folgende Frage: Welche Schlussfolgerungen lassen sich in Bezug auf die Ursachen der Ergebnisunterschiede im kalkulatorischen Betriebszweigergebnis ziehen? 1. Die beträchtliche Überlegenheit der erfolgreichen Betriebe von 8,54 Ct. je kg ECM ist nicht auf Unterschiede im Milchpreis zurückzuführen. 2. Im Bereich der Leistungen weisen die erfolgreichen Betriebe einen Vorsprung von fast 1 100 kg Milch auf, der sich in einem um 1,04 Ct. höheren Milcherlös niederschlägt und in Verbindung mit der besseren Milchleistung den Hauptgrund für die finanzielle Leistungsüberlegenheit darstellt. Die mittlere Milchleistung ist positiv mit der Bestandsgröße korreliert. 3. Bei den Direktkosten kommt eine weitere deutliche Überlegenheit von 3,44 Ct. zugunsten der erfolgreichen Betriebe hinzu. Wichtigster Grund dafür sind die erheblich niedrigeren Grobfutterkosten. 4. Einen ökonomischen Vorteil von 2,69 Ct. je kg Milch erzielen die erfolgreichen Betriebe außerdem im Bereich der Arbeitswirtschaft. Hier kommen die höhere Milchleistung und die größeren Bestände zur Wirkung.
günstiger als die weniger erfolgreichen Betriebe. Damit liegen letztere deutlich über dem Niveau von ca. 30 Ct., das unter den verschärften Bedingungen des Weltmarktes als Obergrenze angesehen wird. Das für diese Betriebe errechnete kalkulatorische Betriebszweigergebnis von -2,43 Ct./kg Milch reicht also nicht aus um die volle Entlohnung der Faktorkosten zu gewährleisten. Der schon erwähnte Zusammenhang zwischen Betriebserfolg und Niveau der Milchleistung lässt sich anhand der in Abb. 130 grafisch dargestellten Auswertungsergebnisse des Rinderreports noch genauer analysieren. Auf der Kostenseite führen die höheren Milchleistungen in jedem Fall zur Degression. Das gilt selbst noch für Milchleistungen über 9 000 kg je Kuh. Etwa 57 % der Gemeinkosten entfallen auf die Kosten der Arbeitserledigung. Da diese mit steigender Leistung tendenziell abnehmen, verringern sich auch die Gemeinkosten, zumal dies bei den meisten übrigen darin enthaltenen Kostenarten ebenfalls geschieht. Die monetären Leistungen zeigen einen schwach negativen Zusammenhang zur Höhe der Milchleistung. Das liegt vor allem an einem niedrigeren Fettgehalt bei den hohen Milchleistungen, aber auch an höheren Kraftfutterkosten in diesen Gruppen. Dennoch wird auch beim kalkulatorischen Betriebzweigergebnis der ökonomische Vorteil höherer Milchleistungen deutlich. Angesichts der dargestellten Vorteile hoher Leistungen für das wirtschaftliche Ergebnis der Milcherzeugung mag die Frage aufkommen, welche Strategie der Leistungssteigerung sinnvoll ist – Erhöhung der Milchmenge, der Inhaltsstoffe oder beides in Kombination? Antworten liefern die in Tab. 85 zusammengestellten Zahlen der Kalkulationen für einen Modellbetrieb (IST-Situation). Dabei sind neben der exemplarischen ISTSituation drei alternative Strategien dargestellt: 1. Ausschließliche Steigerung der Milchmenge bei gleichen Gehaltswerten für Inhaltsstoffe wie in der IST-Situation; 2. Ausschließliche Steigerung der Gehaltswerte; 3. Gleichgewichtige Steigerung von Milchmenge und Gehaltswerten.
Aus den skizzierten Gründen erzeugen die erfolgreichen Betriebe das kg Milch zu Produktionskosten von 29,21 Ct. und damit um 7,77 Ct.
Bei allen drei Varianten wird zwischen Fettgehalt und Eiweißgehalt eine Korrelation von 0,25 angenommen, das heißt der Eiweißgehalt erhöht
349
7
7
Rinderproduktion
Abb. 130
Zusammenhang zwischen Milchleistung und Erzeugungskosten/Betriebszweigerfolg
Tab. 85 Auswirkungen unterschiedlicher Strategien auf die Wirtschaftlichkeit der Milcherzeugung (nach Missfeld und Bräutigam 2003) Strategiebezeichnung Steigerung, Fett + Eiweißmenge (%) Relation Menge: Inhaltsstoffe (%)
IST-Situation Strategie 1 Strategie 2 Strategie 3 15 15 15 100:0 0:100 50:50
Variante I: Eiweißgehalt steigt um 0,25 %, falls Fettgehalt um 1 % ansteigt Milchleistung
kg
7 000
Fettgehalt
%
Eiweißgehalt
%
Fettmenge
kg/Kuh
266
306
328
317
Eiweißmenge
kg/Kuh
231
266
244
254
Summe Fett- und Eiweißmenge kg/Kuh
497
572
572
572
400 000
400 000
345 304
371 885
3,80 3,30
8 050 3,80 3,30
7 000 4,68 3,49
Lieferb. Milchmenge
kg
Anzahl Kühe
Stück
57,14
49,69
49,33
Milchpreis
Ct/kg
30,33
30,33
33,60
Milcherlös gesamt Futterkosten ges. Betrieb Futterkostenfreie Milcherlöse Differenz Strategie 1
350
e/Betrieb e/Betrieb E/Betrieb E/Betrieb
7 507 4,22 3,39
49,54 31,89
121 300
121 300
116 022
118 576
25 143
23 354
22 839
23 235
96 157
97 946
93 183
95 341
0
–4 763
–2 605
7.3 Die Milchproduktion sich um 0,25 %, wenn der Fettgehalt um 1 % steigt. Die Futterkosten wurden mit einem Optimierungsprogramm errechnet, in dem u. a. die tägliche Milchmenge, die Gehalte an Inhaltsstoffen sowie Nummer und Dauer der Laktation als Variable berücksichtigt sind. Die Zahlen der Tabelle zeigen zunächst, dass die Quote bei den drei Strategien mit nahezu gleicher Kuhzahl erfüllt wird. Gemessen an den futterkostenfreien Milcherlösen, dem hier verwendeten Erfolgskriterium, führt Strategie 1, also die ausschließliche Erhöhung der Milchmenge je Kuh, zum besten Ergebnis. In Verbindung mit diesen Betrachtungen stellen sich folgende Fragen: 1. Welche Vorteile ergeben sich daraus, dass die drei Strategien zu nahezu gleichen Kuhzahlen führen? 2. Wie verändert sich das Rechenergebnis bei einer Korrelation zwischen Fett- und Eiweißgehalt von 0,5 statt 0,25? 3. Welche Auswirkungen haben Veränderungen der Preisrelation zwischen Fett und Eiweiß zugunsten von Eiweiß oder ein negativer Grundpreis der Molkerei für die fett- und eiweißfreie Milch? Eine sich an die bisherigen Rechnungen anschließende Überlegung betrifft die Erhöhung der Milchleistung je Kuh bei ausgeschöpfter MilchReferenzmenge. Dann lässt sich die erforderliche Leistungssteigerung durch Erwerb von zusätzlicher Quote realisieren oder durch Verringerung des Kuhbestandes. Die erste Alternative ist vorzuziehen, wenn Quoten zu betriebswirtschaftlich günstigen Preisen erworben und die Voraussetzungen für die Finanzierung gegeben sind. Andernfalls sollte die Leistung zu Lasten der Bestandsgröße gesteigert werden, was insbesondere arbeitswirtschaftlich Vorteile bringt. Beantwortung der Fragen Der Vorteil aus der gleichen Kuhzahl in den drei Strategien besteht darin, dass die Faktoransprüche für Arbeit und Gebäude gleich sind und deshalb in den Berechnungen unberücksichtigt bleiben können. Eine engere Korrelation zwischen Fett- und Eiweißgehalt verändert die Rangfolge der drei Strategien im wirtschaftlichen Ergebnis nicht. Der Vorteil von Strategie 1 über 2 vermindert sich aber von 4 763 e je Kuh bzw. 1,2 Ct. je
kg Referenzmenge auf 2 000 e bzw. 0,5 Ct. Eine relative Verbesserung der Eiweißbezahlung, wie sie für die Zukunft zu erwarten ist, gegenüber den Annahmen im Modell führt zu einer zusätzlichen Vorzüglichkeit der Milchmengensteigerung. Im Gegensatz dazu begünstigt ein negativer Milchgrundpreis die Strategie mit höheren Inhaltsstoffen, da die „Restmilch“ mit einem Abschlag versehen wird, obwohl sie ebenfalls Futterkosten verursacht. Auch künftig werden sich die Milcherzeuger den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen müssen. Dabei kommt dem immer weiter absinkenden Milchpreis besondere Bedeutung zu. Die Betriebszweigauswertung bietet als Vollkostenrechnung verbesserte Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten. Aber auch hierbei müssen die Ergebnisse richtig verstanden werden. In vielen Betrieben stehen „unter dem Strich“ negative Werte beim kalkulatorischen Betriebszweigergebnis. Dann wurden also die angesetzten Lohnkosten für die Familienarbeit, die Pachten für die Eigentumsflächen, die Zinsen für die eigenen Milchquoten und für das Kapital nicht erwirtschaftet. Wenn das auch für den Gesamtbetrieb zutrifft, muss sich aber nicht sofort die Frage nach der Betriebsaufgabe und anderen Erwerbsquellen stellen. Es ist durchaus möglich, die kalkulatorischen Kosten für kürzere Zeiträume nicht zu erwirtschaften, das darf jedoch kein Dauerzustand sein. Über Jahre hinweg muss eine ausreichend hohe Kapitalbildung als Unternehmensziel Nummer eins gewährleistet sein.
7.3.5 Verwertung der Milch Der Milchauszahlungspreis | Er richtet sich nach der Qualität der den Molkereien angelieferten Rohmilch. Den Rahmen dafür gibt die Verordnung über die Güteprüfung und Bezahlung der Anlieferungsmilch (Milch-Güteverordnung) zusammen mit der Milchverordnung i.d.F. vom 20. Juli 2000 vor. Mit der Milchverordnung wird die EU-Milchhygienerichtlinie 92/46/EWG mit Hygienevorschriften für die Herstellung und Vermarktung von Rohmilch, wärmebehandelter Milch und Erzeugnissen auf Milchbasis in deutsches Recht umgesetzt. Die in der Richtlinie für den gesamten EU-Raum gültigen Qualitätskriterien sind damit auch in Deutschland anzuwenden.
351
7
7
Rinderproduktion
Die Milchverordnung regelt das Gewinnen, Behandeln und Inverkehrbringen von Rohmilch einschließlich Vorzugsmilch und das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen wärmebehandelter Milch und Erzeugnissen auf Milchbasis. So werden z. B. für den Erzeugerbetrieb ins Einzelne gehende Anforderungen an den Tierbestand, den Betrieb selbst, das Melken, das Behandeln der Milch, die Stallarbeit im Betrieb wie auch an die damit befassten Personen gestellt (s. Kap. 7.3.3). Für Verarbeiter und Handel gelten ebenfalls sehr weitreichende Bestimmungen. In Tabelle 86 sind die nach Milch-Güteverordnung vorgeschriebenen Untersuchungsmerkmale und weitere gesetzliche Anforderungen an die Qualität von Rohmilch dargestellt. Daraus ist abzulesen, dass die Anlieferungsmilch jedes Milcherzeugers stichprobenartig auf insgesamt sechs Gütemerkmale hin untersucht werden muss (vgl. Abb. 131), wobei bestimmte Mindestprobezahlen einzuhalten sind.
!!! Die Bezahlung der Milch erfolgt nach Anlieferungsmenge und Qualität der Milch. Die Grenzwerte für die Beurteilung der Milch sind ebenfalls in der Tabelle dargestellt. Werden diese auch nach dreimonatiger Anpassungszeit nicht eingehalten, darf die Milch nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Molkereien/Verarbeiter können für Milch mit weniger als 50 000 Keimen/ml und 300 000 Zellen/ml einen Zuschlag zahlen (S-Klasse), sofern die Milch im aktuellen Monat keine Hemmstoffe aufwies und kein Verdacht auf Wasserzusatz bestand. Der Keimgehalt ist ein Maß für die Sauberkeit der Milch. Sie kommt bei gesunden Kühen normalerweise keimfrei aus dem Euter. Keimbelastungen sind daher eine Folge von Fehlern bei der Gewinnung von Milch oder bei ihrer Lagerung (Kühlung). Auf die Bedeutung der somatischen Zellen (Zellgehalt) für die Mastitis-Diagnose und auf die Vorschriften bei der Behandlung euterkranker Kühe mit Antibiotika wurde bereits eingegangen (2.10.10). Wenn gegen diese Vorschriften verstoßen und während bzw. nach Abschluss der Antibiotikabehandlung ohne Einhaltung der entsprechenden Wartezeiten (meistens 5 Tage, jedoch beim Tierarzt nachfragen!) Milch in die Molkerei geliefert wird, zeigt sich beim Hemmstofftest
352
Abb. 131 Milchannahme (links) und geeichte Probenahmeeinrichtung (rechts) garantieren eine repräsentative Milchbeprobung (Foto: Lohrey) eine positive Reaktion. Die Konsequenz ist in dem bereffenden Monat ein sehr empfindlicher Preisabzug. In der nachstehenden Berechnung wird ein Beispiel für den Aufbau des Milchauszahlungspreises von der Molkerei gegeben. Der Mengenzuschlag ist fakultativ, ebenso die Umlage gemäß § 22 Milch- und Fettgesetz (zur Förderung des Milchabsatzes). Obligatorisch ist der CMA-Abzug. Übersicht 41 Aufbau des Auszahlungspreises von Milch mit 4,2 % Fett und 3.3 % Eiweiß, 12 000 Keime je cm3, 186 000 somatische Zellen je cm3, Hemmstofftest negativ, Gefrierpunkt –0,523 °C. Cent/kg Preis für Standardmilch (3,7 % Fett, 3,4 % Eiweiß) 29,20 Zuschlag für 0,4 Fetteinheiten über 3,7 je 3,25 Cent + 1,30 Abzug für 0,1 Eiweißeinheiten unter 3,4 je 5,00 Cent – 0,50 Zwischensumme 30,00 Zuschlag für S-Klasse 0,80 30,80 9 % MwSt. (Mehrwertsteuer) 2,77 33,57 Mengenzuschlag gemäß Staffel 0,75 34,32 Abzug Milchumlage – 0,10 34,22 Abzug CMA-Beitrag – 0,12 34,10
7.3 Die Milchproduktion Tab. 86 Mindestanforderungen an die Qualität der Anlieferungsmilch und Preisabschläge nach Milch-Güteverordnung Merkmal
Mindestuntersuchungszahl je Monat
gesetzliche Anforderung
Abzug vom Milchgeld bei Überschreitung
Fettgehalt
3
–
–
Eiweißgehalt
3
–
–
bakt. Beschaffenheit (Keimzahl/ml)
2
bis 100 000* G 100 000
mind. 2 Ct./kg Milch nicht verkehrsfähig1)
Gehalt som. Zellen je ml
2
bis 400 000** G 400 000
mind. 1 Ct./kg Milch nicht verkehrsfähig1)
Hemmstoffe
2
keine positives Testergebnis
5 Ct./kg***
Gefrierpunkt
1
X –0,515 1)
* Geometrisches Mittel der letzten 2 Monate ** Geometrisches Mittel der letzten 3 Monate *** Abzug im Monat je positives Testergebnis Die EU-Milchmarktordnung | Im Jahr 1968 wurden mit der Einführung des gemeinsamen Agrarmarktes die früheren nationalen Maßnahmen auf den Märkten für Agrarprodukte abgelöst durch die gemeinsame Agrarpolitik mit einheitlichen EU-Marktordnungen. Zu ihren Zielen gehörten u. a. Förderung des Warenaustausches zwischen den Partnerländern, Stabilisierung der Märkte, Sicherung der Versorgung, angemessene Verbraucherpreise und eine angemessene Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Diesen Zielen dienten verschiedene EUInstrumente, bei der Milchmarktordnung u. a.
!!! Außenschutz durch einen gemeinsamen Zolltarif und bewegliche Abschöpfungen, um Billigeinfuhren auf das Preisniveau innerhalb der Gemeinschaft anzuheben; | Festsetzung einheitlicher Richtpreise innerhalb der Gemeinschaft; | Preisstützungsmaßnahmen durch Interventionskäufe des gemeinsam finanzierten Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL); |
Milch nicht verkehrsfähig1)
| |
Wenn Frist überschritten
gemeinsame Vorratshaltung; Beihilfen für Exporte von Überschüssen zu niedrigen Weltmarktpreisen.
7
Weitere zentrale Elemente der EU-Milchmarktordnung waren und sind z. T. noch immer der EU-Richtpreis, der Interventionspreis, die Interventionskäufe, die Garantiemengenregelung und die Beihilfen. Der EU-Richtpreis bezeichnet den als wünschenswert angesehenen durchschnittlichen Erzeugermilchpreis innerhalb der EU. Der Richtpreis lässt als Durchschnittspreis regionale Preisunterschiede zwischen Molkereien wie auch überregional zwischen Mitgliedsstaaten zu. Zur Preisstabilisierung im Falle von Überschreitungen dienen die Interventionspreise für die beiden Schlüsselprodukte Butter und Magermilchpulver. Werden die jährlich neu festgesetzten Interventionspreise unterschritten, kaufen die dem EAGFL angeschlossenen Vorratsstellen Butter oder Magermilchpulver von den Molkereien an. Begünstigt durch dieses System klafften Erzeugung und der langsamer wachsende Konsum immer weiter auseinander. Als Gegenmaß-
353
7
Rinderproduktion
nahmen wurden 1977 zunächst die später wieder abgeschaffte Mitverantwortungsabgabe beschlossen. 1984 dann die Garantiemengenregelung für Milch (Milchquotenregelung) eingeführt, die im Jahr 2000 in die Zusatzabgabeverordnung (ZAV) einmündete. Bei Überschreiten der jedem EU-Mitgliedsland zugeteilten nationalen Referenzmenge müssen die Milcherzeuger für jeden Liter Milch über die Quote hinaus eine Sonderabgabe, „Superabgabe“ bezahlen. Mit dieser Maßnahme konnten die Erzeugerpreise bei stabilisierten Märkten für Milch und Milcherzeugnisse zunächst verbessert werden. Auch gelang es, die Stützungsmaßnahmen von anfangs etwa 6 Mrd. e in 1989 über 3 Mrd. in 1997 auf 2,3 Mrd. an der Jahrtausendwende zurückzuführen. Trotzdem verharrte der Selbstversorgungsgrad bei Kuhmilch in der EU bei 120 % und mehr. Das wiederum drückt die Erzeugerpreise, zumal die zu viel erzeugte Milch in der EU wegen der WTO-Vereinbarungen (World Trade Organisation) nicht mehr unbegrenzt zu subventionierten Preisen auf den Weltmärkten untergebracht werden kann. Auf die EU entfallen nach der Zahlen des Jahres 2002 mit ca. 122 Mio. t etwa 20 % der Weltmilch – und 24 % der Weltkuhmilcherzeugung. Etwa 20 % davon muss in Form von Butter, Käse, Milchpulver etc. in Drittländer exportiert werden. Mit Blick auf die geplante Osterweiterung beschloss die EU-Kommission im Rahmen der Agenda 2000 den Interventionspreis für Butter und Magermilch um 15 % zu senken und den Milchgeldausfall durch eine Kuhprämie zumindest teilweise auszugleichen. Schon 2003 griffen die Agrarminister der EU zu noch einschneidenderen Reformen der gemeinsamen Agrarpolitik. Beginnend von April 2004 werden die Interventionspreise in mehreren Einzelschritten um 25 % für Butter und um 15 % für Magermilchpulver verringert. Das läuft je nach Marktkonstellation auf Senkungen der Marktstützungsmaßnahmen im Umfang von 22–26 % hinaus. Zur Abschwächung der Einschnitte sind leichte Quotenerhöhungen vorgesehen, vor allem aber für die Milcherzeugerbeihilfen, die in der Endstufe 3,55 Cent je kg Milchquote, und damit gerade die Hälfte der Preissenkung ausmachen. Die Beihilfen werden „entkoppelt“, sie sind also nicht mehr an den Verkauf von Milch gebunden.
354
Mit Einführung der Quotenbörse für den Handel von Milchlieferrechten im Jahr 2000 wurde der Milchmarkt deutlich flexibilisiert. In Deutschland können seither an 23 Verkaufsstellen jeweils zum 1.4., 1.7. und 30. 10. eines jeden Jahres Quoten ge- und verkauft werden. Im ersten Börsenjahr variierte der Quotenpreis zwischen 0,20 e/kg in Schleswig-Holstein und 0,74 e/kg in Mittelfranken. Wer auf dieser Grundlage Referenzmenge aufstocken möchte, muss bei einer Milchleistung von 8 000 kg je Kuh und Jahr demnach je nach Region zwischen 1 600 und 5 920 e pro Kuh investieren. Da die Milchquotenregelung 2014/ 2015 auslaufen soll, muss diese Investitionssumme z. B. beim Erwerb im Jahre 2005 in neun bis zehn Jahren ohne Restwert abgeschrieben werden. Dadurch verteuert sich die Milchproduktion um 0,02 bis 0,08 Euro je kg. Verwertungsrichtungen | Neben den Auswirkungen der allgemeinen Marktpolitik spürt der einzelne Betrieb bei seinem Auszahlungspreis auch die besondere Marktlage seiner Molkerei. Wichtig ist dabei vor allem die Frage, welche Verkaufsprodukte im Warenkorb der Molkerei vorherrschen. In Kap. 6.7 wurden die Hauptverwertungsmöglichkeiten für die wichtigsten Inhaltsstoffe der Milch genannt (Butter, Käse) und die bei Teilverwertung anfallenden Futtermittel erwähnt. Die Letzteren bringen, wenn sie nicht (wie Magermilchpulver) durch die Marktordnungspolitik gestützt werden, eine ungünstige Verwertung, während jahrelang bestimmte Frischprodukte (z. B. Joghurt, Milchmischgetränke usw.) und Dauermilcherzeugnisse (z. B. Kondensmilch) eine günstigere Verwertung erzielen konnten. Diese Milcherzeugnisse werden allerdings wie die verschiedenen Sorten Konsummilch (Standard mit min. 3,5 % Fett, „teilentrahmt“ max. 1,8 % Fett, „entrahmt“ max. 0,3 % Fett) nur lose und indirekt durch das Marktordnungssystem geschützt und unterliegen im Wesentlichen dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage. Wenn, wie das beispielsweise bei der H-Milch (für kurze Zeit auf 140–150 °C hocherhitzt) der Fall war, die Produktionskapazitäten der Nachfrage vorauseilen, kann es zum Preisverfall kommen, und die Verwertung kann ungünstiger werden als etwa die Butterproduktion, die über lange Zeit zur Gruppe der mäßigen Verwertungsmöglichkeiten zählte.
7.4 Die Aufzucht Durch Spezialisierung und Zusammenarbeit in der Produktion sowie durch gemeinsame Vermarktung versuchen die Zusammenschlüsse von mehreren oder vielen Molkereien, die Unsicherheiten des Marktgeschehens aufzufangen und für ihre Lieferanten die Auszahlungspreise zu stabilisieren. Seit der Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts kam es zu teilweise starken Verschiebungen in der Verbrauchernachfrage. Der Absatz von Sahne, Joghurt, Milchmischgetränken und H-Milch dehnte sich – auf Kosten der Konsummilchsorten – kräftig aus. Wie sich die Nachfrage nach den Hauptprodukten der Verwertung von Fett und Eiweiß entwickelte, zeigt die Abb. 132. Seit den Jahren (1962/63) mit dem höchsten Butterverbrauch in der Bundesrepublik ging der Butterkonsum/Kopf zunächst deutlich zurück, stieg dann aber gegen Ende der 80er Jahre wieder an bis auf 8,3 kg im Jahre 1987. Von diesem Niveau fiel er jedoch seither wieder um mehr als 1,5 kg zurück. Der Käseverbrauch zeigt dagegen über den ganzen Zeitraum einen kontinuierlichen Anstieg. Trotzdem liegt der verbutterte Anteil der Anlieferungsmilch noch immer über 50 %. In den meisten übrigen EU-Ländern verläuft die Entwicklung der Butter- und Käsenachfrage ähnlich wie bei uns, z. T. aber auf ganz anderem Niveau (Deutschland rangiert nach Frankreich im Pro-Kopf-Verbrauch von Butter an 2. Stelle und
liegt damit etwa um das Doppelte über dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden sowie um das Vierfache über Dänemark. Der Käseverbrauch in Deutschland liegt über dem EU-Durchschnitt und erhöht sich überproportional stark). Im Mittel der EU werden jeweils etwa 33 % der Anlieferungsmilch zu Butter bzw. Käse verarbeitet. Die Vergleichzahlen für Deutschland betragen 31 % bei Butter und 27 % bei Käse. Beim Vergleich dieser Daten mit dem Pro-KopfVerbrauch (Abb. 132) ist zu berücksichtigen, dass der Butter höchstens 16 % Wasser belassen werden dürfen, während die Käsesorten je nach Herstellungsart und Fettgehalt zwischen 30 und 80 % Wasser enthalten können. (Für 1 kg Käse wird also in der Regel weniger Milch gebraucht als für 1 kg Butter.) Für den zulässigen Wassergehalt gibt es gesetzliche Vorschriften, ebenso für die Bezeichnungen der Käsegruppen (Hart-, Schnitt-, Weichkäse usw.) und für die Fettgehaltsstufen (von „mager“ mit weniger als 10 % Fett über verschiedene Zwischenstufen, wie „halbfett“ mit mindestens 20 % Fett, bis zur „Doppelrahmstufe“ mit mindestens 60 % Fett).
7
7.4 Die Aufzucht Jede Kuh sollte jährlich ein Kalb bringen. Das ist erstens notwendig zur regelmäßigen Erneuerung der Laktation, zweitens zur Bestandsergänzung, drittens zur Bereitstellung von mastfähigen
Abb. 132 Entwicklung des ProKopf-Verbrauches an Butter und Käse (nach ZMP)
355
7
Rinderproduktion
Jungrindern bzw. Zuchtvieh. Der Geldwert des Kalbes kann außerdem einen wichtigen Posten in der Ertrags-Aufwandsrechnung der Milcherzeugung darstellen. Für das Gros der Kühe bedeutet diese Forderung eine durchschnittliche Zwischenkalbezeit (= Zeitabstand zwischen zwei Abkalbungen) von 12 Monaten (350–380 Tagen). Sie sollte verknüpft sein mit einer möglichst langen Nutzungsdauer bei hoher Leistung sowie mit niedrigen Verlusten bei der Geburt der Kälber und ihrer Aufzucht. Aus den Zahlen in den Tab. 5 und 10 erfahren wir, dass die Wirklichkeit in vielen Kontrollbetrieben anders aussieht. Dafür sind vor allem Fruchtbarkeitsstörungen und Fehler in der Aufzucht verantwortlich zu machen. Kenntnisse in diesem Bereich sind also besonders wichtig. Bei höheren Milchleistungen muss eine etwas längere Zwischenkalbezeit in Kauf genommen werden (bis zu 400 Tage). Dies ist in erster Linie auf die kaum vermeidbare negative Energiebilanz nach dem Abkalben zurückzuführen, die eine etwas längere Rastzeit erforderlich macht. Andererseits ist der Laktationsverlauf bei solchen Hochleistungskühen so, dass damit in der Regel keine verlängerte Trockenstehzeit verbunden ist.
7.4.1 Wann werden Jungrinder zum ersten Male zugelassen und Kühe wiederbelegt? Zwar werden weibliche Rinder mit 6–10 Monaten geschlechtsreif, und es tritt in diesem Alter die erste Brunst auf, aber zuchtreif sind sie dann noch nicht. Werden sie zu früh belegt, leidet ihre eigene Entwicklung und unter Umständen auch die des Kalbes. Als zuchtreif sieht man im Allgemeinen die weiblichen Rinder an, wenn sie zwei Drittel des Endgewichtes erreicht haben, das heißt bei den in Mitteleuropa gehaltenen Rassen mit 15–25 Monaten, je nach der Intensität der Aufzuchtfütterung. Die Bedeutung des Lebendgewichtes beim Abkalben zeigen Untersuchungsergebnisse von Färsen, die beim Abkalben ein Gewicht von 520 kg hatten und in der ersten Laktation ca. 800 kg mehr Milch brachten als solche mit einem Gewicht von nur 420 kg. In den meisten Betrieben kalben die Färsen eher im Alter von 30 als von 24 Monaten. Um dies zu
356
ändern, muss insbesondere die Aufzucht intensiviert werden, damit das für die Erstbelegung entscheidende Körpergewicht erreicht wird. Es sollte je nach Rasse im Alter von 15 Monaten 350 bis 400 kg und damit 50 % des Endgewichtes betragen. Der monatliche Zuwachs beträgt in diesem Alter etwa 25 kg. Bei der Planung des Abkalbetermins können auch wirtschaftliche und organisatorische Überlegungen eine Rolle spielen, insbesondere bei konzentrierter Kalbesaison der Milchherde. Erfolgt die Erstkalbung mit 2 1⁄4 bis 2 1⁄2 Jahren, werden die Kälber in Zeiten geboren, in denen man nicht darauf eingestellt ist; außerdem bereitet die Eingliederung der Färsen in die Kuhherde Schwierigkeiten. Gegen die Alternative des Erstkalbealters von 36 Monaten sprechen nicht nur wirtschaftliche sondern auch biologische Gründe. Die damit verbundene Erstbelegung mit 27 Monaten ist meist zu spät und führt wegen verfetteter Eierstöcke zu geringeren Trächtigkeitsraten. Nahezu alle Gründe sprechen also dafür, ein Erstkalbealter von 24 Monaten und somit eine Erstbelegung mit 15 Monaten anzustreben, auch wenn dies in vielen Betrieben nur allmählich zu erreichen sein dürfte. Aus dem frühen Erstkalbealter ergeben sich auch Vorteile für die Zahl der im Betrieb zu haltenden weiblichen Tiere bei vorgegebener Remontierungsrate und für den züchterischen Fortschritt. Die Frage nach konzentrierter oder kontinuierlicher Abkalbung muss also betriebsspezifisch beantwortet werden. Insgesamt begünstigen die Gesichtspunkte einer gleichmäßigen Auslastung der verfügbaren Arbeitskapazitäten, einer besseren Ausnutzung der Stallkapazität und einer kontinuierlichen Belieferung der Märkte, eine gleichmäßige Verteilung der Abkalbung über das ganze Jahr. Ganzjährige Stallhaltung unterstützt diese Entwicklung. Dagegen sprechen die genannten biologischen Gründe, die Möglichkeiten des besseren Aufzuchtmanagements, ein evtl. saisonabhängiger Milchpreis und die Weidenutzung.
7.4.2
Was muss der Kuhhalter von der Brunst der Rinder wissen?
Während bei wildlebenden Tieren und bei einem Teil der Haustiere die Brunst nur in bestimmten Jahreszeiten erfolgt, tritt sie bei geschlechtsrei-
7.4 Die Aufzucht fen und nicht trächtigen Hausrindern ungefähr alle drei Wochen auf. Beim Brunstzyklus, das heißt beim Zeitabstand von einer Brunstperiode zur nächsten, gibt es Unterschiede zwischen den Kühen, ebenso in der Brunstdauer (normal 15–25 Stunden). Mehrjährigen amerikanischen Untersuchungen zufolge variierte die Zykluslänge von weniger als 18 bis zu 36 Tagen. Fast jede zweite Kuh lag außerhalb des Normalbereichs von 20 bis 23 Tagen. Die Brunstdauer (Duldungsphase) betrug im Durchschnitt 7,3 Stunden bei Holsteins und 8,8 bei Jerseys. Die Bandbreite reichte von 33 Minuten bis 35 Stunden. Brunstsymptome | Um zum richtigen Zeitpunkt zu belegen bzw. zu besamen, ist es notwendig, den Beginn der Brunst möglichst genau festzustellen. Dabei kann man sich an den Brunstsymptomen orientieren, die in Tabelle 87 zusammengestellt sind. Es wird dabei zwischen Vor-, Haupt- oder Hoch- und Nachbrunst unterschieden. Die in der Tabelle angegebenen Zeiten und auch die Ausprägung der primären und se-
Tab. 87
Brunstsymptome
Zyklus
18.–20.Tag
Brunst
Vorbrunst
kundären Brunstanzeichen können großen individuellen Schwankungen unterliegen. Das hängt mit hormonellen Einflüssen, aber auch mit Umwelteffekten zusammen. In Laufställen sind die Symptome besser ausgeprägt und damit zu erkennen als in Anbindehaltungen. Rutschfeste Böden führen zu stärkeren Aktivitäten, ebenso gesunde Klauen. Bei Kühen in Hochleistungsherden muss mit verkürzten sichtbaren Brunstanzeichen gerechnet werden. Zur Brunstbeobachtung genügt nicht ein flüchtiger Blick über die Kühe. Der Betreuer der Tiere muss sich mindestens dreimal täglich genügend Zeit für einen Brunstkontrollgang nehmen, und zwar vorzugsweise während der Ruhezeiten der Kühe. Da die Brunstzeichen nicht bei allen Tieren auftreten, manche Kühe sogar ausgesprochen „still“ rindern, ist es für den an guten Befruchtungsergebnissen interessierten Kuhhalter wichtig, die Brunsteigenheiten seiner Tiere im Gedächtnis zu behalten oder besser in einem Brunstkalender aufzuschreiben. Noch hilfreicher und vor allem in größeren Herden unverzichtbar sind EDV-Programme, wie
7 21.Tag
1.Tag
Hauptbrunst Erregungsphase Duldungsphase 4 8 12 16 20
Nachbrunst 24 28
32 Std.
6–10 Std. vor Brunstbeginn
Symptome 1. Annähern u. Beriechen anderer Tiere 2. Beginnt andere Tiere zu bespringen 3. Scheide rötet sich, wird feucht, Scham schwillt, Unruhe 4. Hält Milch zurück
Vorgang am Eierstock Reifung der Eiblase
Besamungszeitpunkt
1. Brüllt, brummt 2. »Steht« beim Bespringen durch andere Tiere 3. Versucht wieder andere zu bespringen 4. Aufgeregt und empfindsam 5. Hebt den Schwanz 6. Biegt den Rücken beim Probieren durch 7. Frißt weniger als normal 8. Klarer, dünner Schleim an Schwanzunters. u. Sitzbeinh.
Gereifte Eiblase
Gut
Beste Zeit zur Besamung
1. »Steht« nicht mehr 2. Bleibt noch in der Nähe anderer Tiere 3. Schleimt stark, zäher Schleim
Eiblasensprung
Gut
357
7
Rinderproduktion
Kuhplaner oder Herdenmanagement-Programme. Sie können auf dem hofeigenen PC installiert oder als Angebot von Beratungsunternehmen (z. B. den Landeskontrollverbänden) in Anspruch genommen werden. Diese Hilfen sinnvoll genutzt, ist eine rechtzeitige und spezielle Brunstkontrolle keine Schwierigkeit. Bei angebundenen Kühen ist die Brunsterkennung schwieriger als bei den in Laufställen oder Ausläufen gehaltenen, weil gegenseitiges Bespringen und auffällige Kontaktaufnahme nicht möglich sind. Hier muss der Tierhalter besonders auf Veränderungen an den Geschlechtsorganen achten. Die Duldungsbereitschaft kann er durch Druck auf den Lendenteil des Rückens testen. Bei unklaren Fällen muss man das brünstige Tier oder ein anderes losbinden und die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme bieten (Abprobieren). Optimaler Besamungszeitpunkt | Der Ei- oder Follikelsprung erfolgt bei den meisten Kühen erst nach dem Abklingen der äußeren Brunstzeichen.
!!! Deshalb sollten der Deckakt oder die künstliche Besamung erst im letzten Drittel der Brunst (10–20 Stunden nach Beginn) durchgeführt werden. Das ist in der Regel zugleich die Zeit, in der die Kühe am besten stehen. Wird früher oder später gedeckt, sind die Befruchtungsergebnisse ungünstiger, und man muss mit Nachrindern rechnen. In mehreren Untersuchungsreihen wurde festgestellt, dass rund 15 % der Kühe zum falschen Zeitpunkt besamt werden, meistens zu früh. Für den optimalen Besamungszeitpunkt gilt es also den Brunstbeginn möglichst genau einzuschätzen. Zu sehen ist er nicht. Er kann nur rückwirkend aus den Brunstsymptomen abgeleitet werden. Wenn die besten Befruchtungsergebnisse also erst im letzten Drittel der Brunst erzielt werden, kann die für die Bedeckung früher oft propagierte Morgens-abends-Regel – Bedeckung am Abend, wenn die Brunst am Morgen erstmals beobachtet wurde – nicht immer optimal sein. Über 70 % der Kühe beginnen nachts mit der Brunst, was bei größeren Beobachtungszeiträumen aber erst morgens festgestellt wird.
358
Die darauf scheinbar folgerichtig abends erfolgende Belegung kommt im Hinblick auf den Eisprung zu spät. Erfahrene Besamer beschränken sich bei der Besamung daher zunehmend auf einen Besamungstermin im Laufe des Vormittags. Brunstnachweis | Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Brunst durch spezielle Messgeräte oder Untersuchungen nachzuweisen. Bekannt sind Geräte zur Leitfähigkeitsmessung des Scheidenschleimes und der Milch-Progesteron-Test, der sich auf Schwankungen des Progesterongehaltes in der Milch in Abhängigkeit von der Eierstockfunktion stützt. Die erhöhten Bewegungsaktivitäten der Kühe in der Brunst nutzt man bei entsprechenden Geräten, die am Hals (Transponder) oder Fuß (Pedometer) befestigt sein können. Aus den USA stammen die so genannten KAMARBrunstmesser, das sind Farbpatronen, die auf die Schwanzwurzel der Kühe aufgeklebt werden, beim Bespringen durch andere Kühe zerplatzen und dabei auf der brünstigen Kuh einen Farbfleck hinterlassen. Die genannten Methoden können vor allem in größeren Herden mit knapper Arbeitskapazität wertvolle Hilfe leisten um die Brunst festzustellen, die sorgfältige Brunstbeobachtung durch den Menschen können sie nicht ersetzen. Brunstsynchronisation | Neben den genannten technischen Methoden finden mehr und mehr auch biotechnische Verfahren Eingang in die Praxis um das Fruchtbarkeitsgeschehen zu verbessern. Dazu zählen zum einen Hormongaben, die Defizite der Kühe ausgleichen können und, eine kurze Anwendung vorausgesetzt, keine Risiken in sich bergen. In Großbetrieben und in Verbindung mit Embryotransfer (vgl. Kap. 4.4.2) wird die Brunst mehrerer Kühe durch Verabreichung des Hormons Prostaglandin zeitlich angeglichen, das heißt synchronisiert. Das erleichtert die auf wenige Tage konzentrierbare Brunstbeobachtung und ermöglicht die Belegung der synchronisierten Kühe in einem engen, vorhersehbaren Zeitraum. Noch weitgehender ist die Ovulationssynchronisation, auch Ovsynch-Programm genannt. Hierbei lässt sich die Besamung punktgenau planen, weil der Eisprung mittels gezielter Hormongaben zeitlich exakt ausgelöst werden kann. Das
7.4 Die Aufzucht Ovsynch-Programm ist aber nur dann erfolgreich, wenn die betreffenden Herden gesund sind und in der Fruchtbarkeit keine Bestandsprobleme vorliegen. Mit Hilfe von Brunst- und Ovulationssynchronisation lassen sich also unter bestimmten Voraussetzungen Fruchtbarkeitsdefizite ausgleichen. Diesbezüglich züchterische Ansätze, also Selektion von Kühen mit hoher Leistung und guter Leistung und guter Fruchtbarkeit, werden dadurch aber unterlaufen. Deckbulle oder Besamung? | Dies ist angesichts der größer werdenden Herden und bei Fruchtbarkeitsproblemen eine immer häufiger gestellte Frage. Die Antwort kann im Allgemeinen nur zugunsten der Besamung ausfallen, in Einzelbetrieben gelegentlich aber auch einmal anders. Aber eigentlich immer nur dann, wenn es erhebliche Defizite in der Brunsterkennung gibt, die mit anderen schon beschriebenen Methoden nicht ausgeglichen werden können. Zu bedenken ist: Der gut ausgesuchte Deckbulle ist im Durchschnitt züchterisch nicht besser als der sorgfältig selektierte Testbulle in der Besamung. An den positiven, anhand vieler Töchter geprüften Vererber kann er nicht heranreichen. Zudem ist er zu Beginn seines Einsatzes ein unbeschriebenes Blatt hinsichtlich des Geburtsverlaufes seiner Nachkommen und bezüglich seines Charakters (Unfallgefahr!). In jedem Fall ist davon abzuraten ausschließlich auf den Deckbullen zu setzen. Der durch Leistungsabfall oder durch Schwergeburten mögliche Ausfall eines oder mehrerer Jahrgänge in der Nachzucht kann durch evtl. verbesserte Trächtigkeitsraten nicht gerechtfertigt werden. Das vielfältige Angebot der Besamungsstationen schließt das Risiko der Einseitigkeit aus und bietet die beste Gewähr für einen gesicherten Fortschritt zu vertretbaren Kosten. Trächtigkeitsnachweis | Bleibt die nächste Brunst aus, besteht nicht in jedem Falle eine Garantie für die begonnene Trächtigkeit. Man rechnet damit, dass jeder vierte Embryo innerhalb der ersten 78 Wochen abstirbt (= embryonaler Frühtod). Stirbt der Embryo innerhalb der ersten beiden Wochen, wird er resorbiert und die Kuh kann am 21. Tag nach der Besamung wieder brünstig werden. Bei späterem Absterben dauert
die Resorption länger. Manchmal trocknet die Frucht auch ein (Mumifizierung), oder sie wird, meistens unbemerkt, abgestoßen. Entsprechend lange muss auf eine neue Brunst gewartet werden. Eine Wiederholung des Progesterontests 20–22 Tage nach der Besamung erlaubt bei niedriger Progesteron-Konzentration eine klare Aussage über Nichtträchtigkeit, bei hohem ProgesteronSpiegel eine weniger abgesicherte Aussage über den Beginn der Trächtigkeit. Aber 6–8 Wochen nach dem Decktermin können erfahrene Tierärzte, Besamungstechniker oder Tierpfleger durch den Mastdarm Veränderungen an der Gebärmutter feststellen, die auf eine Trächtigkeit schließen lassen. Schon ab dem 30. Tag lässt sich beim Rind eine Trächtigkeit mit Ultraschallgeräten (Scanner) sicher feststellen. Diese Technik kann auch helfen, die Funktion der Eierstöcke zu überprüfen. Sichere Diagnosen setzen jedoch genügend Erfahrung im Umgang mit den Geräten voraus. Während die Trächtigkeitsdiagnose mittels Scanner in der Sauenhaltung immer mehr zur Routine und z. B. durch Besamungsstationen angeboten wird, kommt sie in der Rinderhaltung erst zögerlich in Gang. Hohe Geräte- und Betreuungskosten und die vergleichsweise kleinen Kuhherden liefern dafür die Gründe. Wiederbelegung nach dem Abkalben | Bei einer angestrebten Zwischenkalbezeit von ca. 365 Tagen muss die Konzeption spätestens ca. 85 Tage nach der Geburt erreicht werden. Bei gesunden Kühen mit ungestörtem Geburtsverlauf kommt es schon 14 Tage nach der Geburt zu einer Brunst, die aber meist übersehen wird, da die Symptome noch schwach auftreten. Wir wollen diese Brunst deshalb auch nicht mitzählen. Die Gebärmutter benötigt 3–4 Wochen, um sich zurückzubilden. Auch dann ist sie aber meistens noch nicht für eine neue Trächtigkeit bereit (Tab. 88). Deshalb wird die Brunst, die um den 36. Tag nach dem Abkalben auftritt, im Allgemeinen übergangen. Sie sollte trotzdem registriert werden. Denn bei Kühen, die bis zum Ende der 6. Woche nach dem Abkalben nicht die erste neue Brunst gezeigt haben, stimmt etwas nicht, und sie sollten dem Tierarzt vorgestellt werden.
359
7
7
Rinderproduktion
Tab. 88 Länge der Rastzeit und Besamungserfolg (nach Untersuchungen der Cornell Univ., Ithaca NY) Erstbesamung ... Tage nach dem Abkalben
Zahl der Kühe
% davon befruchtet
Besamungsindex (Zahl der Besamungen je Trächtigkeit)
bis 50
26
37
2,5
51–60
24
67
1,7
61–90
50
70
1,6
91 und mehr
50
76
1,5
!!! Als optimal ist für die meisten Kühe eine Belegung zur zweiten Brunst zu empfehlen. Damit ist eine biologische Rastzeit (= Zeit zwischen Kalbung und erster Besamung/Belegung) von 50–60 Tagen gewährleistet. Von der Rastzeit zu unterscheiden ist die Güstzeit, die Zeit zwischen Kalbung und Befruchtung. Sie wird auch Serviceperiode genannt und sollte 85–115 Tage nicht überschreiten.
Bei Spitzenkühen mit erheblichen Gewichtsverlusten am Anfang der Laktation wird man notgedrungen eine längere Rastzeit hinnehmen und mit dem Wiederbelegen bis zur Wiederherstellung des Ernährungsgleichgewichts warten müssen. Fruchtbarkeitsstörungen bei Kühen | In der Milchleistungskontrolle werden die Betriebsleiter auch nach den Abgangsursachen der ausscheidenden Kühe gefragt. Nur bei rund 4 % der abgegebenen Kühe ist dafür ihr Alter maßgebend, bei 8–10 % die zu geringe Leistung. Störungen der Fruchtbarkeit sind dagegen eine der häufigsten, in den alten Bundesländern seit Jahren die häufigste Abgangsursache. Etwa 22–27 % der Abgänge entfallen hierauf. In den neuen Bundesländern liegt die Vergleichszahl für Sterilität bei nur ca. 10 %. Wie könnte dieser Unterschied erklärt werden? Oft werden hohe Milchleistungen für die Fruchtbarkeitsstörungen verantwortlich gemacht. Dazu eine Auswertung aus dem VIT (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung), Verden, wo die im Berichtsjahr 2003 aus der Kontrolle ausgeschiedenen Kühe nach dem Milchleistungsni-
360
veau der betreffenden Betriebe sortiert wurden (Tab. 89). Der Auswertung liegen insgesamt 1,74 Mio Kühe in MLP-Betrieben zugrunde. Die Zahl der abgegangenen Kühe beträgt mehr als 620 000. Die Auswertung kann den negativen Einfluss hoher Milchleistungen auf die Fruchtbarkeit nicht mehr so eindeutig belegen wie in früheren Jahren. Das lässt darauf schließen, dass den biologischen Gegebenheiten durch ein gutes Fruchtbarkeitsmanagement entgegengewirkt werden kann. Aus einer anderen Auswertung des VIT können die Beziehungen zwischen Milchleistungsniveau und durchschnittlichem Besamungsindex abgeleitet werden (Tab. 90). Wir erkennen hieraus, dass einzelne Merkmale der Fruchtbarkeit, wie Besamungsindex, Erstbesamungserfolg und NonReturn-Rate durchaus in negativer Beziehung zur Höhe der Milchleistung stehen. Höchste Herdenleistungen werden in der Regel jedoch nur bei bestem Management erreicht, was sich auch auf die Fruchtbarkeit positiv auswirken kann. Weitere Faktoren, welche die Fruchtbarkeit beeinflussen, sind Abb. 133 zu entnehmen.
!!! Die Unterschiede in den Abgangsfrequenzen zwischen neuen und alten Bundesländern dürften wesentlich auf eine intensivere Selektion in den alten und ein besseres Fruchtbarkeitsmanagement (wegen der großen Herden) in den neuen Ländern zurückzuführen sein. Mit steigendem Milchleistungsniveau wird der durchschnittliche Besamungsindex höher. Das heißt, der Anteil der umrindernden und einer Wiederholung der Besamung bedürfenden Kühe
7.4 Die Aufzucht Tab. 89 Abgänge von Kontrollkühen (in %) in Abhängigkeit vom Herdenniveau (Milch-kg) (nach VIT, 2003) X 5499
5500–6499
6500–7499
7500–8499
G 8500
gesamt
20,6
12,5
7,5
7,4
12,8
10,1
Alter
1,8
1,8
1,3
1,4
1,4
1,4
geringe Leistung
4,4
4,3
5,4
6,5
5,7
5,7
Unfruchtbarkeit
18,1
19,0
19,2
19,2
20,3
19,5
6,8
7,8
10,7
10,5
8,5
9,5
12,5
14,2
16,8
17,4
18,2
17,0
Melkbarkeit
0,9
1,2
1,6
2,2
2,5
2,0
Gliedmaßenerkrankg.
5,0
7,5
10,6
11,5
10,6
10,4
Stoffwechselkrankh.
1,4
2,8
3,8
4,7
4,6
4,2
28,5
28,9
23,0
19,4
15,4
20,2
27 251
54 527
138 393
210 825
196 937
627 733
Abgangsursache verkauft zur Zucht
sonst. Krankheiten Euterkrankheiten
Sonstige gesamt (absolut)
Tab. 90 Beziehungen zwischen Milchleistungsniveau der Herde und Besamungsindex (nach RLN) Anzahl der Beobachtungen
Jahresmilchleistung der Durchschnittskuh in kg
durchschnittlicher Besamungsindex der Herde
bis 4 000
1,48
122 733
4 001–4 600
1,52
359 133
4 601–5 200
1,55
566 942
5 201–5 800
1,57
474 836
5 801–6 400
1,61
215 658
6 401–7 000
1,65
über 7 000
1,69
32 731
66 816
nimmt zu. Bei Kühen mit hoher Milchleistung haben Betriebsleiter und Tierbetreuer mehr Mühe, sie wieder tragend zu bekommen, als bei niedriger Milchleistung. Eine der häufigsten Ursachen für gestörte Fruchtbarkeit ist die „stille Brunst“. Dabei laufen zwar die Zyklen der Eierstöcke regulär ab, dennoch ist in der Follikelphase trotz nachfolgender Ovulation keine Brunst zu beobachten. Dieses Bild tritt bei bestimmten Kühen auch wiederholt auf und trägt dann zu erfolglosen Belegungen bei. Als Ursache für die stille Brunst gelten Fehlsteuerungen
7
im Hormonsystem mit erblichem Hintergrund, aber auch Umwelteffekte wie Haltungsform und Fütterung. Auf Fehlfunktionen im Hormonsystem werden auch andere Zyklusstörungen, wie z. B. das schon erwähnte Umrindern, Brunstlosigkeit, Langbrunst und Zystenbildung zurückgeführt. Von solchermaßen veranlagten Kühen sollte man die Nachzucht ausselektieren (Zysten entstehen im Eierstock aus Eiblasen, in denen die Eizelle abgestorben ist; sie haben einen Durchmesser von über 2 cm). Auch die Fütterung ist an Zyklusstörungen beteiligt, etwa Carotinmangel, Protein- und Energieüberschuss (s. 7.3.1.2) oder ein Überangebot an
361
7
Rinderproduktion Abb. 133 Ursachen für Fruchtbarkeitsstörungen (nach Hahn)
pflanzlichen Östrogenen (aus Weißklee und anderen Futterleguminosen). Zysten werden, sofern sie früh genug entdeckt werden, vom Tierarzt mit Hormonspritzen beseitigt. Am häufigsten treten sie nach dem Abkalben auf. Auch aus diesem Grund ist eine tierärztliche Kontrolle um den 40. Tag nach dem Abkalben empfehlenswert. Tierärztlichen Rat braucht man auch bei Entzündungen der Geschlechtsorgane (Genitalkatarrhe). Sie sind oft die Folge von Schwergeburten oder unsachgemäßer, unhygienischer Geburtshilfe sowie von Nachgeburtsverhalten. Wir werden deshalb in Abschnitt 7.4.4 darauf zurückkommen. Hier soll aber darauf hingewiesen werden, dass bei diesen Gebärmutter- und Scheidenentzündungen Fütterungseinflüsse mitbeteiligt sein können (z. B. zu viel Kalium und zu wenig Natrium bei „Güllekatarrh“).
!!! In früheren Abschnitten ist mehrfach (5.1.3, 5.1.4, 7.3.1.2) auf den Zusammenhang zwischen Fütterungsmängeln und Fruchtbarkeitsstörungen hingewiesen worden. Aber auch dort, wo das nicht ausdrücklich gesagt wurde – bei der Vorbereitungsfütterung, bei
362
Trockenstehern und/oder bei Extremrationen, bei krassem Eiweißmangel oder -überschuss, bei unsachgemäßem Harnstoffeinsatz, bei zu viel und bei zu wenig Phosphor –, und bei vielen anderen Abweichungen von einer harmonischen ausgeglichenen Fütterung wird das empfindliche hormonelle Steuerungssystem der Kühe verunsichert, oder es entgleist. Dann wird die Fruchtbarkeit beeinträchtigt, oft vor allen anderen Lebensäußerungen und Leistungen der Tiere. Fruchtbarkeitskontrolle bei Zuchtbullen | Diese ist ebenso wichtig wie bei den weiblichen Tieren, wie auch im Schema der Abb. 133 angedeutet wird. Auf den Besamungsstationen werden die Bullen laufend von den Stationsärzten überwacht, und es werden Samenuntersuchungen durchgeführt. Bei im Natursprung eingesetzten Bullen muss die Initiative vom Bullenhalter ausgehen. Eine tierärztliche Untersuchung ist spätestens dann notwendig, wenn normal beanspruchte Bullen deckunlustig werden oder sich die Fälle von Umrindern häufen. Für jeden Bullenhalter sollte es selbstverständlich sein, das Deckregister sorgfältig zu führen.
7.4 Die Aufzucht Es wurde schon erwähnt, dass in den Betrieben die Haltung von Zuchtbullen wieder zugenommen hat. Damit gewinnt die tierärztliche Untersuchung auch auf eventuelle Deckseuchen wieder an Bedeutung.
7.4.3 Wie werden trächtige Kühe behandelt? Die Trächtigkeitsdauer beträgt bei Schwarzbunten und Rotbunten im Durchschnitt 280 Tage, bei Fleckvieh, Gelbvieh und Braunvieh im Mittel 288 Tage. Einzelne Kühe tragen bis zu zwei Wochen kürzer oder länger. Bullenkälber brauchen 1–2 Tage mehr als Kuhkälber. Wegen der relativ langsamen Anfangsentwicklung der Frucht sind während der ersten Monate keine Futterzulagen notwendig. Aber man muss auf die Qualität des Futters achten: Es darf nicht angefroren oder schimmelig sein, und es darf nicht aus Fehlgärungen stammen. Ferner darf es nicht abführend wirken. Im 6. Trächtigkeitsmonat kann auch der Tierhalter die Bewegungen des Kalbes in der rechten Flanke der Mutter (vor der Kniefalte) spüren, besonders dann, wenn sie vor dem Füttern kaltes Wasser aufnimmt. Nunmehr beschleunigt sich das Wachstum des Fötus. Die Tageszunahmen überschreiten 100 g. Bis zum Ende des 7. Monats erreicht das Gewicht des Kalbes etwa 10 kg. Während dieser Zeit und anschließend bis zur Geburt sollten trächtige Kühe vor Stößen und Drängeleien geschützt werden. Gesundheitsfürsorge | Sie gewinnt im letzten Teil der Trächtigkeit besondere Bedeutung, bei Kühen, vor allem aber auch bei Färsen. In dieser Zeit müssen die Ernährung der jetzt besonders intensiv wachsenden Frucht – 500 g täglich und darüber in den letzten Tagen der Trächtigkeit – gesichert, das Gewebe und Funktionen im Bereich von Gebärmutter, Eierstöcken, Muttermund, Scheide und Vulva auf die Geburt vorbereitet und das Euter von der Laktation auf die Trockenstehphase umstrukturiert werden. Bei Färsen kommen der Aufbau des Euters, die beginnende Milchsekretion und das eigene Wachstum hinzu. Diese Leistungen, oft noch durch zusätzliche Erschwernisse, wie Umstallungen und Tiertransporte belastet, sind mit hohen Anforderungen an den Stoffwechsel, einzelner Organsys-
teme und an die Krankheitsabwehr verbunden. Deshalb können Leistungsminderungen, Eutererkrankungen, Fruchtbarkeitsstörungen und Kälberverluste nur niedrig gehalten werden, wenn umfassende Vorbeugemaßnahmen ergriffen werden. Sie müssen auf die Gesundheit des Fötus ebenso ausgerichtet sein wie auf das trächtige Muttertier. Wichtig sind vor allem: | Der Trächtigkeitsphase angepasste Energie-, Nährstoff- und Mineralstoffversorgung und Futterhygiene. | Fachgerechtes Trockenstellen in Verbindung mit regelmäßiger Euterkontrolle. | Bekämpfung von Genitalinfektionen. | Gesundheitsüberwachung der Trockensteher – das tägliche Melken entfällt! | Rechtzeitiges Umstallen in den Abkalbebereich. Für die Kuh sind zusätzlich von Bedeutung: | Prophylaxe gegen Mastitis und Gebärparese | Richtige Standplatzgestaltung und Klauenpflege | Systematische Reinigung und Desinfektion im Kalbe- und Trockensteherbereich Bei der Energie- und Nährstoffversorgung ist zu berücksichtigen, dass die Kühe im letzten Drittel der Trächtigkeit erheblich an Gewicht zunehmen, bedingt durch Vergrößerung und Vermehrung von Zellen besonders aktiver Gewebe (Gebärmuttermuskulatur etc.) sowie durch die Zunahme von Fettgewebe und Wasser, bei Färsen und Jungkühen auch durch das eigene Wachstum. Die vom Kalb verursachte Platzverminderung im Bauchraum schränkt das Futteraufnahmevermögen ein. Im geburtsnahen Zeitraum kommen geringerer Appetit und reduzierte Futteraufnahme hinzu. gleichzeitig erhöhen sich, verursacht ebenfalls durch die räumliche Ausdehnung der Gebärmutter und ihres Inhaltes, Herz- und Atemfrequenz. Es braucht kaum betont zu werden, dass sich die hier skizzierten Vorgänge noch wesentlich deutlicher vollziehen, wenn das Muttertier Zwillinge trägt. Trockenstellen | Sechs bis acht Wochen vor dem voraussichtlichen Abkalbetermin müssen die Kühe, unabhängig von der täglichen Milchmenge, trockengestellt werden. An diesem be-
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Rinderproduktion
währten Grundsatz sollte festgehalten werden, auch wenn sich neuere wissenschaftliche Untersuchungen, vornehmlich aus den USA, mit kürzeren Trockenstehphasen bis hin zum „Durchmelken“ beschäftigen. Erste Ergebnisse signalisieren zwar günstige Auswirkungen bei der Körperkondition und daraus folgend bei der Milchleistung. Noch weitgehend offen sind aber die Effekte verkürzter Trockenstehzeiten auf das nachfolgende Fruchtbarkeitsgeschehen. Über die Methode des schnellen Trockenstellens bei völlig eutergesunden Kühen wurde in Kap. 2.10.7 schon berichtet. Als eutergesund können im Allgemeinen Kuhbestände angesehen werden, deren Zellzahlen der Anlieferungsmilch unter 150 000 bleiben. Bei höheren Bestands-Zellzahlen ist schon mit einzelnen, zumindest subklinisch euterkranken Kühen zu rechnen. Dann sollte bei jeder Kuh vor dem geplanten Trockenstellen eine Überprüfung aller Striche erfolgen. Die tägliche Kontrolle mit dem Schalm-Test – hierbei verändert sich die Milch fadenziehend oder schlierig, wenn erhöhte Zellzahlen vorliegen – reicht dafür nicht aus. Vielmehr sind gezielte Untersuchungen, z. B. durch den Eutergesundheitsdienst vorzunehmen. Die Methode des abrupten, schlagartigen Trockenstellens hat den Vorteil, dass die Rückbildung des Euters nicht immer wieder durch Anrüsten und Ausmelken gestört wird. Das Verfahren stellt deshalb auch für Hochleistungskühe
die Methode der Wahl dar. Das früher übliche tägliche Einmalmelken (Überspringen von Melkzeiten über zwei bis vier Tage) kann nur für Problemkühe in Betracht kommen. Beim Trockenstellen schwillt innerhalb der nächsten drei bis vier Tage das Euter deutlich an, und es kommt zu einem Milchstau. Der damit verbundene Innendruck bewirkt, dass die Drüsenzellen keine Milch mehr produzieren und in das Euter abgeben können. Die im Euter angestaute Milch wird wieder vom Körper resorbiert. Ab dem fünften bis sechsten Tag nach dem letzten Melken bildet sich die Milchdrüse zurück. Beim Trockenstellen muss die Fütterung dem geringeren Bedarf angepasst werden (vgl. Kap. 7.3.1.1). Die Nährstoffversorgung der Kühe wird auf ein Niveau von Erhaltung +5–8 kg Milch vermindert, keinesfalls jedoch die Wasserversorgung. Eine weitere Reduzierung der Energieversorgung, z. B. bei verfetteten Kühen, darf nicht vorgenommen werden, weil dadurch eine Acetonämie (s. 7.3.1.2) provoziert werden kann, der über die Schädigung der Leber auch Fruchtbarkeitsstörungen nach dem Abkalben folgen können. Etwa drei Wochen vor der Kalbung muss die Energiekonzentration wieder erhöht werden, um einem zu starken Abbau der Körperkondition entgegenzuwirken. Nach dem letzten gründlichen Ausmelken, spätestens fünf Tage nach Beginn des Trockenstellens, werden die Zitzenkuppen gereinigt und
Abb. 134 Trockenstellen mit System – eine wichtige Voraussetzung zur Vermeidung von Mastitis (Werkfoto Boehringer)
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7.4 Die Aufzucht desinfiziert. In Betrieben mit einem höheren Anteil euterkranker Kühe sollten als Vorsorgemaßnahme alle Kühe auf allen Eutervierteln mit einem langwirkenden Antibiotikum (Trockensteller) trockengestellt werden (vgl. Abb. 134). In eutergesunden Herden empfiehlt es sich, zur Verringerung des Medikamenteneinsatzes die Behandlung auf alle euterinfizierten Kühe zu beschränken. Grundsätzlich unzulässig ist es nach der neuen Gesetzgebung Antibiotika zur generellen Prophylaxe einzusetzen, also dann, wenn die Tiere im Bestand aktuell nicht von einer Infektion bedroht werden. Einen antibiotikafreien Schutz vor Neuinfektionen versprechen neu entwickelte interne Zitzenversiegeler. Dabei handelt es sich um spezielle, mit einer Paste gefüllte Injektoren, die wie andere Trockensteller in den Strichkanal eingeführt werden und dort einen Pfropf bilden. Dieser verhindert als mechanische Barriere das Eindringen von Bakterien. Es gibt dabei keine Wartezeiten für die Milch, doch dürfen die Präparate bisher nur bei vorher eutergesunden Kühen eingesetzt werden. Unabhängig von der Methode darf das Euter nach dem Trockenstellen nicht mehr gereizt oder angemolken werden. Wenn sich das Euter nachträglich rötet und erhitzt, sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden, ebenso, wenn sich vor oder beim Trockenstellen herausstellt, dass eine Kuh akut euterkrank ist. Solche Kühe müssen vor dem Trockenstellen gezielt mit Kurzzeitmedikamenten behandelt werden, bis die Milch wieder normal aussieht, dann werden sie mit einem Langzeitmedikament endgültig trockengestellt.
7.4.4 Was soll der Tierhalter bei der Geburt tun und was unterlassen? Vorbereitungsstadium | Wenn die Geburt naht, wird sie durch Veränderungen an der Scheide und in ihrer Umgebung angekündigt: Die Scham rötet und vergrößert sich. Ein zäher Schleimfaden hängt aus der Schamspalte heraus. Auch der Milchspiegel und das Euter schwellen an. Die Bänder zwischen Schwanzwurzel und Sitzbeinhöcker „sinken ein“, das heißt sie werden weich und nachgiebig. Die Schwanzwirbel werden be-
weglicher, und die Gelenke zwischen Kreuzbein und Becken werden aufgelockert. Dieses Vorbereitungsstadium dauert mehrere Tage, mit deutlicheren Anzeichen während der letzten 24–48 Stunden. Aber es gibt große individuelle, auch altersabhängige Unterschiede. Der Tierbetreuer dagegen möchte möglichst genau vorher wissen, wann der Geburtstermin zu erwarten ist, um die Geburt überwachen zu können. Hier hilft die Kontrolle der Körpertemperatur. Allerdings genügt einmaliges Messen nicht. Weil das Körpertemperaturprofil von Kuh zu Kuh etwas unterschiedlich ist und die Morgentemperaturen allgemein etwas unter den Abendtemperaturen liegen, müssen die Messungen schon eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin einsetzen, zweimal täglich. Eine interessante Aufgabe für Hoferben; denn dabei lernen sie auch die Unterschiede in der Vorbereitungsphase zwischen den Kühen und ihre individuellen Eigenheiten kennen. Aus der Abb. 135 ist zu erkennen, dass die Temperatur während der Vorbereitungsphase zunächst leicht ansteigt und 15–25 Stunden vor der Geburt um 0,4–0,5 °C absinkt. Wenn die Geburt nicht spätestens 11/2 Tage nach dem Temperaturabfall beginnt, muss mit Komplikationen gerechnet und ein Tierarzt hinzugezogen werden. Der Geburtsplatz soll gut eingestreut, zugfrei und ruhig sein. Außerdem muss er so viel Bewegungsraum bieten, dass eine etwaige Hilfestellung nicht behindert wird. Am besten ist es, wenn ein besonderer Abkalbestall vorhanden ist. Bei Laufstallhaltung ist er ein „Muss“, wobei Einzelboxen – 8 bis 10 m2 je Kuh – den Gruppenboxen vorzuziehen sind. Oft kalben die Kühe nachts ab, und man sollte schon am Abend das notwendige Gerät bereitstellen: mehrere Eimer, eine Waschschüssel, Seife, Handtücher, Desinfektionsmittel, jodhaltige Tinktur und zum eventuell notwendig werdenden Ziehen mehrere Geburtsstricke und die dazugehörigen Querhölzer bzw. den Geburtshelfer. Besser als Hanf- oder Sisalstricke sind die leichter zu desinfizierenden flachen Stricke aus Kunststoff oder Ketten. Sämtliches Gerät muss ausgekocht bzw. desinfiziert sein. Peinliche Sauberkeit ist auch während der Geburt unerlässlich. Notwendig ist vor allem Geduld. Wie lange eine normale Geburt dauert und in welchen Abschnit-
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Rinderproduktion
Abb. 135
Körpertemperaturen vor dem Abkalben (nach Mack)
ten sie abläuft, erfährt der Lernende am besten, wenn er Kühen zusieht, die in der Vergangenheit ohne Probleme abgekalbt haben und die ihr neues Kalb ohne Zughilfe zur Welt bringen. Öffnungsstadium | Sobald die Kuh durch starke Unruhe, durch abwechselndes Aufstehen und Niederlegen erkennen lässt, dass die Eröffnungswehen begonnen haben, wird die Scham und die nähere Umgebung einschließlich des Schwanzes mit Seife und warmem Wasser gründlich gesäubert. Diese Reinigung ist bei erneuter Verschmutzung zu wiederholen. Sonst soll man die Kuh aber in Ruhe lassen, auch dann, wenn schließlich die erste Fruchtblase, die so genannte Wasserblase, erscheint. Diese soll die Geburtswege schonend erweitern und platzt in der Regel rechtzeitig von selbst auf. Nach völliger Öffnung des Gebärmuttermundes bewirkt der Druck des Kopfes des Kalbes auf den inneren Muttermund eine Freigabe des Hormons Oxytocin aus der Hypophyse und als Folge eine Umstellung in der Art der Gebärmutterkontraktionen. Danach wird bei jeder Wehe die Gebärmutter ein Stückchen kleiner. Jetzt legen sich die Kühe auch meistens hin; und mit dem Erscheinen und dem Sprung der zweiten Fruchtblase, der Amnion- oder Schleimblase, beginnt nun die eigentliche Geburt, das Austreibungsstadium.
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Der Schleim der Amnionblase macht den Geburtsweg schlüpfrig. Austreibungsstadium | In der Schleimblase lassen sich in der Regel schon die Klauenspitzen des Kalbes erkennen; und mit den ersten Wehen nach dem Blasensprung erscheinen die Klauen in der Schamspalte. Wenn die Sohlenflächen der Klauen nach unten zeigen und hinter den auf diese Art identifizierten Vorderfüßen nach weiteren Wehen das Flotzmaul in der Scham sichtbar wird, ist ziemlich sicher, dass es sich um eine normale Vorderendlage handelt (Abb. 136). Bei diesen Voraussetzungen kann in günstigen Fällen das Kalb schon nach einer halben Stunde ausgetrieben sein. Meistens dauert es jedoch bei den Kühen 1–3 Stunden, bei Erstkalbenden auch 6–8 Stunden.
!!! Die normale Vorderendlage ist dadurch charakterisiert, dass die Vordergliedmaßen gestreckt sind und der Kopf auf den Vorderfußwurzelgelenken ruht. Der auf diese Art gebildete Keil (Abb. 137) hat schon vorher den Durchtritt des Kopfes durch das Becken der Kuh erleichtert und der Erweiterung des Hymenalrings (s. Abb. 33) zwischen Scheide und Scheidenvorhof gedient. Jetzt treibt dieser Keil auf schonende Art
7.4 Die Aufzucht rechtwinklig zur Wirbelsäule der Kuh. Die verschiedenen Phasen dieses wichtigen letzten Geburtsabschnittes zeigen die Abb. 137b–d.
Abb. 136 Die Austreibung hat begonnen (Foto: Wagenbach)
in mehreren Wehenschüben die Scham auseinander. Und schließlich wird auf dem Höhepunkt einer Wehe der Kopf ausgetrieben. Die jeweils 60–90 Sekunden dauernden Austreibungswehen werden unterstützt von kürzeren Kontraktionen der Bauchmuskulatur. Diese so genannte Bauchpresse zieht jedes Mal den Beckenboden nach vorn. Dadurch wird eine steilere Stellung des Beckens, erreicht, wie bei einem Vergleich der Abb. 137a und b zu erkennen ist, und zugleich eine Erhöhung des Beckenraumes um ca. 20 %, was vor allem für den Durchgang der Brustregion und des Beckens des Kalbes wichtig ist. (Es ist nützlich, zum Studium hier auch die Abb. 12 heranzuziehen). Bis die Brustregion des Kalbes ausgetrieben ist, bleibt seine Beckenregion noch vor dem Beckeneingang der Kuh, festgehalten durch den Widerstand, den seine stark abgewinkelten Kniegelenke am mütterlichen Beckenboden finden. Die der Austreibung der Brustregion folgenden Wehen schieben die Hüftregion des Kälberbeckens in den Beckeneingang der Kuh und (während einer Steilstellung ihrer Dammbeine durch die Bauchpresse) in den Beckenraum hinein. Die Kniegelenke befinden sich zunächst noch vor dem Beckeneingang der Kuh und werden erst im weiteren Verlauf des Kippvorganges gestreckt und nachgezogen. Wenige Sekunden später liegt das Kalb im Stroh, und zwar fast
Bei dem Kippvorgang reißt in der Regel die Nabelschnur, oder sie wird abgequetscht. Bis dahin wurde während der Wehenpausen vom Herzen des Kalbes Blut in die Plazentome (Abb. 37) des Mutterkuchens gepumpt und dort mit neuem Sauerstoff versorgt. Während der Wehen wird das Blut in das Kalb zurückgepresst. Das geschieht auch bei der letzten Austreibungswehe, so dass sich dann ein großer Teil des Plazentablutes im Kalb befindet. Geburtshilfe | Sie ist in vielen Fällen keine Hilfe, sondern der Auslöser von Schwergeburten mit allen daraus resultierenden Problemen bei Kuh und Kalb und späteren Fruchtbarkeitsstörungen. Oberstes Gebot daher: Erst beobachten, dann – wenn nötig – eingreifen. Frühestens eine Stunde nach dem Blasensprung ist über eine Geburtshilfe zu entscheiden. Wenn sich bei normaler Presswehentätigkeit kein Fortschritt in der Austreibung erkennen lässt, wird ein erfahrener Tierbetreuer nach gründlicher Wäsche und Desinfektion von Händen und Armen vorsichtig seine Hand in die Scheide einführen und sich über Größe und Lage der Frucht orientieren. Wenn der Kopf nicht im mütterlichen Becken zu finden ist, sollte ein Tierarzt verständigt werden, weil dann eine falsche Lage, Stellung oder Haltung des Kalbes vorliegen kann und berichtigt werden muss. Oder der Kopf ist zu groß, beispielsweise nach überlanger Tragezeit, und es kann notwendig werden, das Kalb durch eine Schnittentbindung zu holen. Zuständig ist der Tierarzt auch für andere unnormale Fälle (ungenügende Wehen, abgestorbene Früchte, Missbildungen usw.) und bei Gebärmutterverdrehung, die sich daran erkennen lässt, dass die Eröffnungsphase bei Kühen länger als 3 Stunden, bei Erstkalbenden länger als 8 Stunden dauert und keine Fruchtblase erscheint. Die Scheide wird zur Gebärmutter hin enger, und es können nach links oder rechts verdrehte Schleimhautfalten ertastet werden.
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7
Rinderproduktion
Abb. 137 Geburtsverlauf (nach Rüsse) a Kalb in normaler Vorderendlage am Beginn des Öffnungsstadiums – Kuh noch stehend b Kuh liegend in der Austreibungsphase – Brustregion des Kalbes noch in der Scheide und Becken des Kalbes vor dem Beckeneingang der Kuh – Beginn des Steilerstellens des Kuhbeckens c Brustregion des Kalbes ausgetrieben – Hüfte des Kalbes kurz vor Eintritt in den Beckeneingang der Kuh d Kippen des Beckens über die noch vor dem Beckenboden verharrenden, abgewinkelten Kniegelenke des Kalbes Hat sich der Tierbetreuer von der normalen Lage der Frucht überzeugt, wird aber Zughilfe dennoch für nötig erachtet, befestigt man an jeder der beiden Vorderbeine die Ketten oder Stricke mit Schleifen oberhalb der Fesselgelenke. Am Ziehen sollten sich höchstens zwei Personen beteiligen, in Gegenwart des Tierarztes und nach dessen Anweisung ausnahmsweise auch mehr.
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!!! Es soll nur gleichzeitig mit den Wehen der Kuh gezogen werden, und zwar zur selben Zeit an beiden Vorderbeinen. Wenn der Kopf und nach einer Zugpause die Brust durch die Scham austreten, sollte man einem Einreißen des Dammes dadurch vorbeugen,
7.4 Die Aufzucht dass ein Helfer fest mit beiden Händen gegen den Damm (Verbindung zwischen Scheide und After) drückt. Der Einsatz eines mechanischen Geburtshelfers erfordert viel Einfühlungsvermögen und sollte auf Ausnahmesituationen beschränkt bleiben (etwa fehlende Nachbarschaft bei abgelegenen Einzelgehöften). Wenn überhaupt, dann nur Geräte mit Kraftanzeiger, damit rechtzeitig aufgehört werden kann.
!!! Bei jeder Zughilfe muss bedacht werden, dass nach dem Austreiben der Brustregion die Zugrichtung geändert werden muss. Bis dahin erfolgt der Zug in gerader Richtung nach hinten. Nach dem Erscheinen der Brust muss zur Unterstützung des Kippvorganges zum Euter hin gezogen werden. Auch in diesem Stadium gilt: Nicht in den Wehenpausen, sondern nur gleichzeitig mit den Wehen ziehen! Bei der normalen Vorderendlage ist Hast überflüssig und riskant. Erscheinen zuerst die ausgestreckten Hintergliedmaßnahmen (Abb. 138), wobei die Afterklauen zum Rücken der Kuh ausgerichtet sind (normale Hinterendlage), dann muss das Kalb rasch herausgezogen werden, weil bei dieser Lage leicht die Nabelschnur während der Geburt abgedrückt wird und das Kalb noch in der Gebärmutter ersticken kann. Im Gegensatz zur normalen Vorderendlage wird bei der Hinterendlage nur in gerader Richtung gezogen.
!!! Bei der Geburtshilfe ist es sehr wichtig, dass jeder seine Grenzen kennt. Blinder Eifer schadet nur. Durch unsachgemäße Geburtshilfe, insbesondere durch Unsauberkeit, zu frühes Eingreifen und zu grobes Ziehen werden immer wieder Kühe infiziert oder verletzt (Scheidenriss, Gebärmutterriss usw.) und vorzeitig dem Metzger oder der Abdeckerei zugeführt. Bewertung des Geburtsverlaufs in der Zucht | Ob eine Geburt spontan vonstatten geht oder der Hilfe bedarf, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu einige Tabellen über langjährige Beobachtungen an der Bundesforschungsanstalt in Mariensee, zunächst Tab. 91 über den Unter-
Abb. 138 Hinterendlage des Kalbes in oberer Stellung (nach Steuert), im Gegensatz zur seitlichen und unteren Stellung oft auch als „normale“ Hinterendlage bezeichnet, obwohl als normal nur die Vorderendlage angesehen werden kann
schied zwischen Erstkalbung und späteren Abkalbungen. Wie jeder weiß, haben es Erstabkalbende in der Regel schwerer. Aber auch von ihnen kam ein Drittel ohne Geburtshilfe aus, und bei den älteren Kühen waren es fast zwei Drittel. Wie die Aufgliederung des gleichen Marienseer Beobachtungsmaterials nach dem Geburtsgewicht der Kälber erkennen lässt (Tab. 92), ist dieses ebenfalls von großem Einfluss auf den Geburtsverlauf. Davon abgeleitet werden Einflüsse des Geschlechts auf den Geburtsverlauf, weil Bullenkälber in der Regel schwerer als Kuhkälber sind, und der Rasse, die aber auch mit der unterschiedlichen Länge der Tragezeit zusammenhängen. Seit vielen Jahren werden von Landeskontrollverbänden Daten über den Geburtsverlauf bei den Kontrollkühen gesammelt, um sie für die Beurteilung von Besamungsbullen hinsichtlich ihres Einflusses auf die geburtsrelevanten Eigenschaften der von ihnen stammenden Kälber und auf das spätere Abkalbeverhalten ihrer Töchter benutzen zu können. Nach dem neuen Tierzuchtrecht benötigt man diese Daten bei der Zuchtwertschätzung für Reproduktionsleistung (vgl. Kap. 4.3.4). Zwingende Voraussetzung dafür
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7
Rinderproduktion
Tab. 91 Zahl der Abkalbungen und Geburtsverlauf (nach Smidt u. a.) Nummer der Abkalbung
Zahl der Beobachtungen
1.
1 486
28,9
35,7
28,9
6,5
2.
1 045
54,3
31,0
13,8
0,9
3.
712
55,3
31,8
12,1
0,8
4.
453
59,4
28,2
11,7
0,7
5.–9. Summe
Gliederung der Abkalbungen (in %) nach Kalbestufen (für leichten bis schweren Geburtsverlauf)* 1 2 3 4
636
64,8
28,0
5,3
2,9
4 332
# 47,8
32,0
17,3
2,9
* Kalbestufe: 1 = ohne menschliche und mechanische Hilfe, 2 = ein bis zwei Helfer, 3 = mehrere Helfer, 4 = tierärztliche Hilfe bzw. Operation Tab. 92 Geburtsgewicht der Kälber und Geburtsverlauf (nach Smidt, Huth und v. Schutzbar) Geburtsgewicht
Zahl der Abkalbungen
kg
Anteil der Kalbestufen in % (Abstufung wie in Tab. 91) 1
2
3
4
bis 30
296
57,8
34,8
6,4
1,0
31–35
1 050
49,5
51,5
17,1
1,9
36–40
1 497
49,9
31,0
16,4
2,7
41–45
979
45,2
33,7
18,0
3,1
46–50
361
37,9
31,9
25,2
5,0
51 u. mehr
149
36,2
28,9
24,2
10,7
4 332
# 47,8
32,0
17,3
2,9
Summe
sind möglichst exakte Aufzeichnungen über den Geburtsverlauf durch den Tierhalter. Betreuung der Kuh nach dem Abkalben | Die Tage nach dem Abkalben – das Puerperium – stellen eine kritische Phase im Fortpflanzungszyklus der Kühe dar. Hier werden die Voraussetzungen für eine gute Fruchtbarkeit oder auch für hohe wirtschaftliche Verluste durch Umrindern, Tierarztbehandlungen und Milchgeldeinbußen gelegt. Für ein richtiges Management dieser Periode ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierhalter und Tierarzt erforderlich. Nach der Geburt hört zwar die Bauchpresse auf, aber die Wehen der Gebärmutter gehen weiter und beför-
370
dern schließlich die nicht mehr benötigten Eihäute nach draußen, also die Nachgeburt. Das geschieht bei den meisten Kühen drei bis acht Stunden nach der Geburt, bei manchen dauert es bis zu 12 Stunden und länger. Wenn dann die Nachgeburt noch nicht oder nur teilweise abgegangen ist, muss der Tierarzt nach dem Rechten sehen. Das gilt auch bei Dammrissen und Scheidenverletzungen, ebenfalls beim Gebärmuttervorfall. Bis zum Eintreffen des Tierarztes wird ein derart herausgestülpter Tragsack auf ein sauberes Leintuch gelagert und wiederholt mit Wasser überschüttet. Bei normalen Geburten stehen die Kühe meistens 10–15 Minuten nach der Austreibung des
7.4 Die Aufzucht Kalbes auf und kümmern sich um dieses, das heißt lecken es ab und unterstützen seine Aufstehversuche. Ein baldiger erster Saugakt am Euter ist für beide von Vorteil, für das Kalb wegen der Antikörper in der Kolostralmilch, für die Kuh wegen der vom Saugakt ausgehenden Anregung der Oxytocinausschüttung und Förderung der Nachgeburtswehen. Im Allgemeinen wird jedoch schon die Biestmilch durch Melken gewonnen und dem Kalb aus dem Eimer angeboten, um eine Kontrolle über die aufgenommene Menge zu haben und spätere Umstellungsprobleme auf den Tränkeimer zu vermeiden. Wenn die Kühe festliegen und auch nach Stunden nicht aufstehen wollen, wird tierärztliche Hilfe benötigt. Die braucht man auch, wenn sich – wegen einer Schwergeburt, Zwillingsgeburt, mangelnder Geburtshygiene, unsachgemäß betriebener Geburtshilfe usw. – ein Genitalkatarrh einstellt. Nicht immer, aber in vielen Fällen wird man auf solche Erkrankungen aufmerksam, wenn der übliche, anfangs braunrote, nach einigen Tagen aufhellende Scheidenausfluss zwei Wochen nach der Geburt noch nicht aufgehört hat und sich womöglich in den anschließenden Wochen zu einem schleimigen, eitrigen, übelriechenden Ausfluss weiterentwickelt. teilweise begleitet von Fieber, Appetitlosigkeit und anderen Störungen des Allgemeinbefindens. Sobald der Geschlechtszyklus wieder beginnt, können Genitalkatarrhe auch eine Ursache für Umrindern sein. Bei der Behandlung von Scheiden- und Gebärmutterentzündungen durch Antibiotika ist an die jeweiligen Wartezeiten zu denken, innerhalb derer keine Milch in die Molkerei geliefert werden darf. Versorgung des Kalbes | Wenn sich eine Kuh wegen starker Erschöpfung zunächst nicht um das Kalb kümmert, muss das der Tierpfleger tun. Dazu reibt man das Kalb sorgfältig mit sauberem Stroh trocken, wenn es nach der Geburt sofort zu atmen beginnt. Anschließend wird es nach der Versorgung des Nabels und der ersten Biestmilchaufnahme in eine Kälbereinzelbucht gebracht, die vorher gründlich gesäubert, desinfiziert und frisch eingestreut wurde. Im Winter wird in vielen Betrieben während der ersten beiden Tage eine Infrarotlampe über die Einzelbox gehängt.
Wenn die Nabelschnur regelwidrig noch nicht abgerissen ist, muss das der Tierpfleger mit sauber gewaschenen und desinfizierten Händen selbst tun, und zwar eine Handbreit unter der Bauchdecke, nicht mit der Schere. Dann wird mit Zeigeund Mittelfinger vorsichtig die Nabelscheide ausgestreift und dadurch von Blutresten befreit. Anschließend wird der Nabelstumpf zwei Minuten lang in einen Becher mit jodhaltiger Tinktur eingetaucht. Diese Behandlung zur Vorbeuge vor Nabelentzündungen lässt man auch den Kälbern angedeihen, deren Nabel von selbst abgerissen ist. Fühlt man beim Ausstreifen der Nabelscheide, dass sich darin noch Gefäßstümpfe befinden, sollte der Tierarzt die Nabelversorgung übernehmen. Zu warnen ist vor einer flüchtigen und hastigen Nabelbehandlung mit unsauberen Händen. Das wäre schlimmer als gar keine Nabelpflege. Wenn das Kalb nach einer schweren Geburt nicht von selbst zu atmen beginnt und dazu auch nicht durch das Abreiben angeregt wird, dann entfernt man durch Druck auf den Nasenrücken den Schleim aus Maul und Nase, übergießt Brust und Kopf mit einem Eimer kalten Wassers und reibt das Kalb erneut trocken. Wenn diese Methode erfolglos bleibt, kann man es mit künstlicher Atmung versuchen. Dabei werden Kopf und Rücken tief gelegt und die Vordergliedmaßen 20- bis 30mal in der Minute halbkreisförmig zum Hals und zurück zu den Flanken geführt. Es gibt auch Beatmungsgeräte und atmungsfördernde Medikamente. Solange das Herz noch schlägt, können die Wiederbelebungsbemühungen Erfolg haben. Zur Vorbereitung auf den nächsten Abschnitt folgt die Tab. 93. Welche praktischen Folgerungen ergeben sich aus diesen Daten?
7.4.5
Wie wird das Kalb während der Tränkeperiode gehalten, behandelt und gefüttert?
Die Verlustquote in der Kälberaufzucht beträgt in Deutschland 12 bis 14 %. Etwa 3⁄4 aller Verluste entstehen rund um die Geburt, 1⁄4 danach. Der damit verbundene Schaden vergrößert sich noch drastisch, wenn in der Aufzuchtphase nicht optimale Umweltbedingungen herrschen, die Abwehrkräfte der Tiere gefördert sowie Fütterungs- und Haltungsfehler vermieden werden.
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7
7
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Tab. 93 Beziehungen zwischen dem Zeitpunkt der ersten Kolostrumaufnahme und dem Immunglobulingehalt im Blutserum der Kälber (nach Derenbach-Langholz-Schmidt-Kim) Ig-Klasse
Ig-A
Ig-G
Ig-M
Zeitpunkt des 1. Saugens in Stunden nach der Geburt
Zahl der Kälber
bis 3
44
101 ± 22*
580 ± 50
486 ± 38
über 3
37
65 ± 23
357 ± 52
292 ± 40
bis 3
44
1007 ± 177
5881 ± 364
6108 ± 363
über 3
37
655 ± 188
3176 ± 386
3628 ± 385
bis 3
44
110 ± 22
539 ± 43
575 ± 53
über 3
37
99 ± 23
367 ± 46
366 ± 56
Serum-Ig-Gehalt (mg/100 ml) 2 Stunden nach 1. Saugakt
24 Stunden nach 1. Saugakt
36 Stunden nach der Geburt
* Die Zahlen hinter dem ±-Zeichen stellen die Standardabweichung (als Maß für die Abweichung der Klasse) dar (s. 3.8) Besonders wichtig für das Wachstum der Kälber sind die ersten 50 Lebenstage, weil sich in dieser Zeit die Zellen noch intensiv vermehren und wichtige Organe sich vergrößern. Ziel der viermonatigen Aufzuchtperiode sind gesunde Kälber mit 130 bis 150 kg Gewicht für Färsenaufzucht oder Bullenmast bei kontinuierlichen Zunahmen von mindestens 750 g pro Tag (Kuhkälber nehmen bei gleicher Nährstoffaufnahme etwa 50 g weniger zu). Es empfiehlt sich die angegebenen Richtwerte – und das gilt nicht nur für die Tränkeperiode – durch regelmäßige Kontrollen zu überprüfen. Wenn die dafür benötigten Waagen nicht zur Verfügung stehen, können Maßbänder (Brustumfang, Kreuzbeinhöhe) helfen. Zusätzlich sollte möglichst früh mit der Beurteilung der Körperkondition (body condition scoring, vgl. 7.3.1.2) begonnnen werden. Anforderungen an den Kälberstall | „Besser kalt und trocken als warm und feucht“, nach diesem Motto sollte der Kälberstall gestaltet sein. Er soll außerhalb des Kuhstalles liegen und darf die Gesundheit der Kälber durch sein Klima (Luftbewegung, Staubgehalt, Temperatur, Luftfeuchte und Gaskonzentrationen) nicht nachteilig beeinflussen. Als behaglich können ein Wärmebereich von 12 bis 18 °C und eine relative Luftfeuchte von 60–80 % angesehen werden. Einzelboxen sind so einzurichten, dass sich die Kälber sehen, aber
372
nicht gegenseitig belecken oder besaugen können. Als Fußboden ist ein Holzrost zu empfehlen, der dem Kalb durch Stroheinstreu eine trockene und isolierende Umwelt bietet. Sammelbuchten müssen mit Fressgittern ausgestattet sein, um die Kälber nach dem Tränken festzuhalten, bis der Saugreflex erlischt. Ab einem Alter von ca. vier Wochen können Kälber auch auf Spalten gehalten werden, wenn bezüglich des Stallklimas besonders sorgfältig vorgegangen wird. Bewährt haben sich gummiummantelte Spalten, sie sind jedoch teuer. Ausgehend von den Bedürfnissen der Kälber an optimale Haltungsbedingungen haben sich in der Praxis verschiedene Varianten des Außenklimastalles als Alternative zur Stallhaltung durchgesetzt. Dabei reicht die Vielfalt der baulichen Konzepte von Iglu für Einzeltiere über Großraumiglus für Kälbergruppen (Abb. 139) und Kälberhütten bis hin zur aufwändigen auch für Umbauten von Altgebäuden geeigneten Offenfrontställen mit Gruppenhaltung der Kälber während der gesamten Aufzuchtperiode. Offenställe müssen auf drei Seiten und im First hermetisch geschlossen sein, damit keine Zugluft entstehen kann. Für größere Bestände ist zu empfehlen, Abteile für je 20 bis 25 Kälber einzurichten und diese im Rein-raus-System zu belegen. Durch ihre besondere bauliche Gestaltung, ihre Flexibilität und die einfache Art der Säuberung
7.4 Die Aufzucht Abb. 139 Großraumiglus in verschiedenen Ausführungen gewährleisten eine gesunde und artgerechte Kälberaufzucht (Foto: Weiß)
bieten Kaltställe dem Kalb in Verbindung mit einer angepassten Aufstellung (Windrichtung!) und einer Stroheinstreu unter den vorherrschenden Klimabedingungen ein optimales Mikroklima und hygienische Aufzuchtbedingungen. Probleme entstehen allenfalls bei hohen Außentemperaturen im Sommer. Die Haltung der Kälber muss im Übrigen den tierschutzrechtlichen Vorschriften der Kälberhaltungsverordnung entsprechen. Sie sind z. T auf alle Kälber bis zu sechs Monaten Alter, z. T. auf besondere Altersabschnitte ausgerichtet. Ställe müssen nach den Vorschriften so gestaltet sein, dass Gesundheitsschäden und Verhaltensstörungen vermieden werden. Dazu zählen rutschfeste und trittsichere Böden. Der Liegebereich muss trocken und sauber sein und den Kälbern ausreichend Platz bieten, damit sie ungehindert abliegen, liegen und aufstehen können. Kälber dürfen nur max. eine Stunde angebunden werden. Außerdem müssen sie Sicht- und Berührungskontakt haben. Bis zum Alter von acht Wochen können Kälber einzeln oder in Gruppen gehalten werden, danach ist nur Gruppenhaltung zugelassen. Für bis zwei Wochen alte Kälber ist Einstreu vorgeschrieben. Weitere Festlegungen betreffen den Platzbedarf (Größe von Boxen, Flächen in Gruppenbuchten, etc.), das Stallklima (Schadgaskonzentration, Temperatur, Licht, Luftfeuchte) und die Versorgungsmöglichkeiten (Tier-Fressplatz-Verhältnis, Eignung des Betreuungsperso-
nals, Fütterungsfrequenz, freier Zugang zu Trinkwasser etc.) Außerdem müssen die Tierbestände regelmäßig überprüft und hierüber Aufzeichnungen, insbesondere über Zahl und Ursache von Verlusten, angelegt und aufbewahrt werden. Behandlung und Fütterung der Kälber | Für die Aufzuchtperiode von 4 Monaten Dauer und die darin eingeschlossene 8–10-wöchige Tränkeperiode sind ergänzend folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
!!! Die Kälber werden in der Regel sofort an Tränk- oder Saugeimer gewöhnt. Nur bei niedrigen Milchleistungen (Mutterkuhhaltung) lässt man Kälber an Kühen saugen. | Gegenseitiges Belecken oder Besaugen ist durch Einzelhaltung mit Sichtkontakt oder bei Sammelbuchten durch Fressgitter, in denen die Kälber nach dem Tränken noch 15–20 Minuten verbleiben, zu verhindern. | Alle Geräte, die mit Milch oder Milchaustauschtränke in Berührung kommen, sollten täglich, besser nach jeder Mahlzeit, mit kaltem und heißem Wasser gespült werden. Besondere Sorgfalt ist bei den ersten Mahlzeiten erforderlich. | Das Kalb muss spätestens 2 bis 3 Stunden nach der Geburt die erste Kolostralmilch bekommen, und zwar so viel, wie es aufneh|
373
7
7
Rinderproduktion men will. Optimal sind eine Aufnahme von zwei Litern innerhalb der ersten halben Stunde und 15 % des Lebendgewichts an Kolostrum innerhalb der ersten 12 Lebensstunden. Dazu wird die Mutter abgemolken. Das muss zu diesem frühen Zeitpunkt geschehen, weil von Stunde zu Stunde der Gehalt an Gamma-Globulinen, die das Kalb gegen viele Krankheiten schützen, in der Milch abnimmt, vor allem aber, weil sich beim Kalb die Durchlässigkeit der Darmwände für diese Globuline verschlechtert. Teilweise schon nach 12 Stunden, verstärkt nach 24 Stunden wird das Eiweiß der Globuline zu Aminosäuren abgebaut, und dabei werden die Schutzstoffe zerstört. (s. auch 2.11.2) | Mit Kälbern, welche die erste Portion Biestmilch nicht voll aufgenommen haben, muss der Versuch nach einigen Stunden wiederholt werden, damit sie innerhalb der ersten 12 Stunden mindestens 2 Liter verzehrt haben. | Besonders kümmern muss man sich um Kälber, die wenig Initiative zum Saugen bzw. Saufen entwickeln. Für Kälber aus Färsen, Schwergeburten und Kreuzungsprogrammen trifft das in erster Linie zu. Wie die Tab. 93 lehrt, wirken sich Versäumnisse der ersten Stunde sehr nachhaltig auf den Gehalt an Immunglobulinen im Blut aus. Zur Verabreichung der ersten Biestmilchportionen haben sich Nuckelflaschen bewährt. Zu empfehlen sind auch Abkalbebuchten, in denen die Kälber bei den Kühen bleiben und sofern sie gesund und gut entwickelt sind, diese auch besaugen. | Bei Problemkälbern oder Kühen mit schlechter Qualität des Kolostrums, die mittels Kolostrometer kontrollierbar ist, kann es sinnvoll sein, Biestmilch von einer oder besser noch mehreren möglichst älteren Kühen zu verwenden (Biestmilch schützt nur gegen die im Stall heimischen, die so genannten stallspezifischen Krankheitserreger). Zu diesem Zweck wird Kolostralmilch aus dem ersten Gemelk nach dem Abkalben, bevorzugt aus den Hintervierteln eingefroren, zum Gebrauch in einem Wasserbad von 37–40 °C aufgetaut und mit 38 °C getränkt.
374
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Vor allem in Ställen, die mit Coli-Durchfällen zu tun haben, hat sich während des Winters die Verabreichung von 2 Millionen internationalen Einheiten (I.E.) Vitamin A (in wasserlöslicher Form) innerhalb der ersten beiden Lebensstunden über das Maul bewährt, beispielsweise mit Hilfe einer Saugflasche oder mittels einer sauberen nadellosen Plastikspritze. Eine spätere Vitamin-A-Gabe wirkt weniger, weil sich die Coli-Darmflora rasch entwickelt. Während der ersten 3 Tage werden die Kälber 3 × täglich mit Kolostralmilch getränkt, leichte oder schwächere Kälber auch noch einige Tage länger. Dann kann man zum 2-maligen Tränken übergehen, noch besser ist es, damit bis zum 14. Lebenstag zu warten. Mahlzeiten pünktlich einhalten und die Trinkmenge genau zumessen! Überfütterung ist eine der häufigsten Ursachen für Durchfälle in den ersten Tagen und Wochen. Die Ansäuerung der Biestmilch über Säurezusatz (Ameisensäure) hat sich als zusätzliche Maßnahme bewährt. Die Tränktemperatur ist hierbei auf 20 °C abzusenken. Die Tränke muss kuhwarm sein, weil die Milch im Labmagen gerinnen soll und das nur bei Temperaturen um 35 °C rasch genug erfolgt. Milch, die ungeronnen in den Darm gelangt, verursacht Durchfall. Die Temperaturforderung von 38 °C gilt also für die üblichen MAT-Tränken, für ungesäuerte Magermilch und mit Einschränkungen auch für Muttermilch, weil Biestmilch auch erfolgreich mit Stalltemperatur über den Nuckeleimer zur freien Aufnahme verabreicht werden kann. Bei dicksaurer Magermilch, die schon geronnen ist, genügen 20–22 °C. Bei den kleinen Milchmengen der ersten Tage besteht die Gefahr einer raschen Abkühlung. Das lässt sich durch vorheriges Ausschwenken des Tränkeimers mit heißem Wasser verhindern. Ansaure Milch (oder Magermilch) darf auf keinen Fall verfüttert werden, weil sie zu Durchfall führt. Bei der Zubereitung von Tränken aus Milchaustauschern dürfen keine Klumpen zurückbleiben, weil sie Verdauungsstörungen
7.4 Die Aufzucht
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hervorrufen können. Gebrauchsanweisungen der Lieferanten daher beachten! Milchaustauscher sind hygroskopisch, deshalb trocken lagern, und zwar nicht länger als drei Monate. Treten wegen Fütterungs- und Haltungsfehlern Durchfälle auf, muss man die Kälber mindestens eine Mahlzeit fasten lassen. Dabei erhalten sie lediglich warmen Kamillenoder Fencheltee sowie Medikamente nach tierärztlicher Vorschrift. Elektrolytverluste sind durch reine Elektrolyttränken zu ersetzen. Förderlich für die Stabilisierung des Verdauungssystems und somit auch für die Gesundheit und Gewichtsentwicklung kann sich der Einsatz von Probiotika erweisen. (vgl. 5.1.5.2). Sie sind aber keine Wunderheiler! Werden Kälber frühzeitig in einen anderen Betrieb umgestellt – nach der Tierschutztransportverordnung erst im Alter von 2 Wochen erlaubt –, wird ihnen im neuen Betrieb bei der ersten Mahlzeit nur warmes Wasser oder Tee angeboten. Bei der zweiten Mahlzeit sollen sie nicht mehr als 2 Liter Tränke erhalten (mit einer niedrigeren Konzentration als sonst üblich) und im Laufe von 3–5 Tagen die normale Tränkmenge erreichen. Ein Vitamin- und Antibiotika-Stoß am Ankunftstage, nötigenfalls ein zweiter im Laufe der ersten Woche unterstützt die Umstellung. Die fremden Kälber werden in einem gesonderten, vorher desinfizierten Stall untergebracht und erst nach einer dreiwöchigen Quarantäne-Periode mit den eigenen Kälbern vereint.
Tränkverfahren und Tränkpläne | Sie richten sich nach der Größe der Tierbestände, der Arbeitsbelastung, der Kapitalausstattung und den verfügbaren Futtermitteln. Allgemein ist ein Trend zu mehr Technik festzustellen. Dabei kommt den rechnergesteuerten Tränkautomaten in Verbindung mit artgerechter Gruppenhaltung besondere Bedeutung zu. Sie erlauben überdies eine ökonomische und physiologische Kälberaufzucht, stellen aber an die Überwachung der Tiergesundheit und der eingesetzten Technik besondere Anforderungen (vgl. Abb. 140).
Vorherrschende Methode der Kälberaufzucht ist die mit Milchaustauschfuttermitteln, die preiswert zu erzeugen, einfach zu handhaben und den Anforderungen der Kälber gut anzupassen sind. Demgegenüber spielt Vollmilch als das natürliche Kälberfutter in der Aufzucht nur noch eine untergeordnete Rolle. Sie ist in Bio-Betrieben für die Kälberaufzucht vorgeschrieben und ist gelegentlich bei drohender Milchquotenüberschreitung als Steuerungsinstrument für die Verwertung der „Übermilch“ anzutreffen. Von Interesse ist manchmal auch die risikolose Verwendung von nicht zu vermarktender Milch, z. B. Biestmilch oder Milch von Kühen mit erhöhtem Zellgehalt. Dazu zählt dagegen nicht die Milch von Kühen, die mit Antibiotika behandelt werden. Der hohe Energiegehalt der Vollmilch und ihr niedriger Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen sind neben dem wirtschaftlichen Argument Gründe für einen verhaltenen Einsatz in der Kälberaufzucht. Bei einer Tagesration von max. sechs Litern, die auf mindestens drei Mahlzeiten zu verteilen ist, sollten nicht mehr als 300 kg Milch je Kalb vertränkt werden. Zu empfehlen sind eine Säuerung mittels Ameisensäure und die Vermischung mit geeigneten Vollmilchergänzern. Tab. 94 zeigt Tränkepläne für die Standardmethode und für das Frühabsetzen unter Verwendung von Milchaustauschern bzw. Vollmilch. Milchaustauschtränke, warm | Es werden Milchaustauscher eingesetzt mit mind. 20 % Rohprotein, 1,45 % Lysin, 0,9 % Ca, 0,7 % P, max. 3 % Rohfaser, mind. 60 g Fe, 12 000 I.E. Vit. A, 1 500 I.E. Vit. D, 20 mg Vit. E und 4–15 mg Cu je kg. Der Fettgehalt dieses Futtertyps liegt zwischen 5 und 25 %. Dabei ist der Einsatz tierischer Fette seit dem Jahr 2000 verboten. Magermilchpulver kann, muss aber nicht („Nullaustauscher“) enthalten sein. Trotz Beihilferegelungen der EU sind die Nullaustauscher meist preisgünstiger. Für Kälber, die zur Ergänzung des Milchkuhbestandes vorgesehen sind, genügen die fettärmeren Milchaustauscher. Für die zur Jungrindermast bestimmten Kälber wird der Einsatz fettreicherer Kälberstarter vorgezogen. Männliche Zuchtkälber erhalten 1–3 Liter Milchtränke mehr pro Tag. Für die Kälbermast gibt es eigene Tränkpläne, weil die Mastkälber keine festen Futterstoffe aufnehmen dürfen,
375
7
7
Rinderproduktion Abb. 140 Tränkeautomaten bilden die Grundlage für eine problemlose Aufzucht von Kälbern, einzeln oder in Gruppen (Foto: Pabst)
während die oben aufgeführten Tränkepläne für Aufzuchtkälber von der Voraussetzung ausgehen, dass die Kälber von der 2.–3. Lebenswoche an gutes, zartes Heu (kein Grummet) und Kraftfutter zusätzlich aufnehmen sollen.
Für diesen Zweck wird ein Kälberaufzuchtfutter zugekauft, das folgenden Ansprüchen genügen soll: Höchstens 10 % Rohfaser und 10 % Rohasche, mindestens 18 % Rohprotein, Energiestufe 3, sowie mindestens 8 000 I.E. Vit. A und 1 000 I.E. Vit.
Tab. 94 Tränkepläne für Kälberaufzucht Lebenswoche
Standardmethode (12 Wochen Tränkperiode) Milchaus- Volltauscher milch
1
Kraftfutter
Grobfutter
Frühabsetzmethode (9 Wochen Tränkperiode) Milchaus- Volltauscher milch
Kraftfutter
(kg/Kalb und Tag)
(kg/Kalb und Tag)
3–6 kg Kolostralmilch
3–6 kg Kolostralmilch
2
6
6
0,1
6
6
0,1
3
7
6
0,3
6
6
0,3
4-6
8
6
0,4–0,7
6
6
0,6–1,0
7
7
5
0,9
6
6
1,3
8
6
5
1,0
5
1,4
9
6
5
1,2
10
6
4
1,3
11
5
4
1,5
12
2
2
1,5
ad libitum 5 ab ausrei- 3 chender Kraftfutteraufnahme
1,5 1,7 1,8 2,0
13
1,8
2,0
14–16
2,0
2,0
gesamt
376
55 kg
420 Ltr.
111 kg
90 kg TM 30 kg
300 Ltr.
140 kg
Grobfutter
ad libitum ab ausreichender Kraftfutteraufnahme
120 kg TM
7.4 Die Aufzucht D je kg. Die Kälberaufzuchtfutter der Mischfutterindustrie werden meistens gepresst (pelletiert) geliefert, wodurch ein früherer Verzehr erreicht werden kann. Zu bevorzugen sind Kälberaufzuchtfutter mit schmackhaften Komponenten. Verschiedene Hersteller bieten dazu ergänzend hochverdauliche, energiereiche Starterfutter an, die aus Getreideflocken (aufgeschlossene Stärke) und Pellets (Kälberflakes oder Müsli) bestehen. Nach ersten systematischen Vergleichsuntersuchungen können die den Produkten zugeschriebenen positiven Wirkungen in Bezug auf die Gesamtentwicklung der Kälber durch höhere Zunahmen und eine gesteigerte Futteraufnahme bestätigt werden. Ähnliche positive Effekte sind auch von der Kälber-TMR zu erwarten. Darunter ist eine Mischration aus kurzgeschnittenem Heu und einer Eigenmischung aus Getreide und Eiweißfutter zu verstehen. Die Mischung enthält etwa 15 % Heu, 1. Schnitt, 26 % Körnermais, 26 % Gerste, 27 % MLF 35/II, 3 % Mineralfutter und 3 % Melasse, Komponenten also, die im Milchviehbetrieb zumeist verfügbar sind. Praxiserfahrungen bestätigen, dass die Mischung von den Kälbern gern gefressen wird, vorausgesetzt, es wird dem gesteigerten Bedarf entsprechend genügend Trinkwasser angeboten. Sauertränke | Sie zeichnet sich durch niedrige pH-Werte (4,0–4,5) aus; den Milchaustauschpulvern werden organische Säuren zugesetzt. Sie wirken bakterienhemmend, weshalb ein Vorrat für bis zu 3 Tagen auf einmal angesetzt werden kann. Durch den Säurezusatz werden außerdem Salmonellen abgetötet und koliforme Keime so stark vermindert, dass in manchen Betrieben die von infektionsbedingten Durchfällen verursachten Kälberverluste deutlich zurückgingen (vgl. 5.1.5.3). Diese Art Durchfall darf nicht verwechselt werden mit der bei Sauertränke zu beobachtenden und damit von Warmtränke etwas abweichenden dünnbreiigeren Kotkonsistenz. Sauertränke kann den Kälbern warm (37–39 °C, ph 5,2–5,4), dann aber nur rationiert angeboten werden. Günstiger ist die Verabreichung zur freien Aufnahme als „Kalttränke“ mit 12–18 °C, ph 4,2–4,5. Damit kann Arbeit gespart und erreicht werden, dass die Kälber die Tränke weniger hastig und trotz des Ad-libitum-Angebotes nicht in zu großen Mengen aufnehmen.
In Verbindung mit einer einfachen Technik hat sich die Kälberaufzucht mit gesäuerter Tränke (auch Kolostralmilch kann vorteilhaft gesäuert eingesetzt werden) zu einem bewährten Verfahren vor allem bei Gruppenaufzucht entwickelt, bei dem die Tränke auf Vorrat in großen Behältern angerührt und den Kälbern über eine mit Saugern ausgestattete Ringleitung zur beliebigen Aufnahme angeboten wird. Größeren „Betrieben“ bringt der Wegfall der termingebundenen Tränkezeiten zusätzliche arbeitswirtschaftliche Vorteile. Weil die Tränke immer zur Verfügung steht, wird schließlich auch der Saugtrieb der Kälber besser befriedigt als bei Eimertränke, so dass nachteilige Ersatzhandlungen weniger häufig auftreten. Merke aber: Vorratstränke erfordert mehr Sorgfalt und Zeit für die Tierbeobachtung, weil schwerer festzustellen ist, ob sich alle Kälber der Tränke bedienen. Frühentwöhnung von Kälbern | Ein wesentliches Ziel der Aufzucht besteht darin die Kälber zu Wiederkäuern zu erziehen. Je schneller das gelingt, um so kostengünstiger ist die Aufzucht, weil die teuren Milchtränken durch preiswertere Festkomponenten (und Wasser) ersetzt werden. Außerdem verringert man die Durchfallgefahr, weil das Verdauungssystem dann stabiler wird. Bei der Frühentwöhnung wird die tägliche Tränke auf max. 6 Liter und 100 Gramm Milchaustauscher je Liter begrenzt (vgl. Tab. 94). Da diese Menge nicht zur Sättigung ausreicht, werden gesunde Kälber zu einer rascheren Aufnahme fester Futterstoffe veranlasst; der Pansen entwickelt sich früher als sonst. Nach 10 Lebenstagen sind im Pansen bereits zellulosespaltende Bakterien reichlich vorhanden und im intermediären Bereich Enzyme zur Verwertung von Essig- und Propionsäure nachzuweisen. Ein bis zwei Wochen später können Pansenbewegungen beobachtet werden. Sobald die Kälber 1,5 kg Kraftfutter verzehren, was in der 6. bis 8. Lebenswoche erreicht werden soll, wird die Milchtränke vollständig abgesetzt. Wasser muss ab der 2. Woche zur beliebigen Aufnahme zur Verfügung stehen. Das Kraftfutter erhalten die Kälber zur freien Aufnahme bis je Tier 2 kg täglich verzehrt werden. Die aufgenommene Heumenge soll jeweils etwas geringer sein als die Kraftfuttermenge. Das Heu kann ab der 5./6. Lebenswoche teilweise oder ganz durch teigreife
377
7
7
Rinderproduktion
Maissilage oder angewelkte Grassilage ersetzt werden. Anfangs entwickeln sich Frühentwöhnungskälber mit etwa 400–500 g tägl. Zunahme langsamer als normal getränkte Kälber. Dieser Wachstumsrückstand wird jedoch bis zum 5. Monat aufgeholt. Die Methode des Frühentwöhnens ist nur bei Gruppenhaltung der Kälber praktizierbar, da der „Futterneid“ zu einer früheren Kraftfutter- und Heuaufnahme führt. Eine Zusammenfassung der Kälber in Gruppen sollte nicht vor dem 10. Lebenstag erfolgen. Tränkeautomaten | In Betrieben, die regelmäßig 30–40 Kälber und mehr aufziehen oder sich auf Kälbermast spezialisiert haben, kommt mehr und mehr der Tränkeautomat zum Einsatz (Abb. 140). Die Automaten lassen sich mobil oder stationär nutzen und bieten neben einer elektronischen Tieridentifikation und einer tiergerechten arbeitssparenden Verabreichung der Tränke z. T. eine Vielzahl weiterer nützlicher Hilfen. Dazu zählen Dosiereinrichtungen für Medikamente, Fieberthermometer und sogar Tierwaagen. Automatische Spüleinrichtungen und Frostwächter gewährleisten hygienische Verhältnisse und Temperatursicherheit. Die Kapazität der Anlagen reicht von einer Saugstelle für 30 Kälber bis zu 100 Kälbern an vier Saugstellen. Die verfügbare Technik erlaubt dann eine tierspezifische Zumessung der Tränke. Sie wird ständig in kleinen Portionen „tiergerecht“ in der Optimaltemperatur von 40–42 °C frisch angerührt und kann aus Milchaustauschern bestehen oder zwischen diesen und Vollmilch („Übermilch“) kombiniert sein. Als weitere Vorteile sind anzusehen:
!!! | | |
| |
378
Verringerung des Arbeitszeitbedarfes auf ca. 1 Stunde je Kalb in der Aufzuchtperiode und flexiblere Futterzeiten für den Tierhalter, weitgehende Ausschaltung von tränkebedingten Verhaltensstörungen wie Fremdsaugen, Belecken und Zungenspielen; Verringerung der Futterkosten durch exakte Anpassung der Tränke- und Milchpulvermengen; Kontrolle der Tiergesundheit durch Feststellung nicht abgerufener Verzehrsmengen (nicht immer muss es am Tier liegen; verdrehte Halsbänder!).
Neue Entwicklungen kombinieren den prozessrechnergesteuerten Tränkeautomaten mit Abrufstationen für Kraftfutter. Auch damit können tiergerechte Futterportionen zugeteilt werden. Außerdem kann bei zunehmender Kraftfutteraufnahme der (teurere) Milchverzehr parallel eingeschränkt werden. Ob derartige technische Einrichtungen rentabel sind, muss im Einzelfall geprüft werden. Nach Modellrechnungen betragen die Kapitalkosten pro Kalb 35 e, wenn 30 Kälber jährlich aufgezogen werden, 10 e bei 100 Kälbern und 5 e im Falle der Aufzucht von 200 Kälbern jährlich.
7.4.6
Ansteckende Kälberkrankheiten
!!! Es gibt keinen Stall ohne Bakterien, Viren und Pilze. Die meisten von ihnen sind harmlos oder schwach virulent, das heißt von geringer Ansteckungskraft. Sorgen bereiten die Problemkeime, die für widerstandsfähige Kälber in einwandfreien Ställen und unter günstigen Hygienebedingungen ungefährlich bleiben, die aber in feuchten, unzulänglich gelüfteten oder zugigen Gebäuden und/oder bei ungünstigen Hygienebedingungen (zu späte Biestmilchgabe – Nachlässigkeit in der Reinigung der Tränkgefäße und in der Erneuerung der Einstreu – Ernährungsmängel, z. B. Vitamindefizite – Überfütterung usw.) in Krankheiten übergehen können, in die so genannten Faktorenkrankheiten. Bei ihrem Ausbruch wirken, das besagt der Name, viele Faktoren zusammen. Ein typisches Beispiel dafür ist die schon erwähnte Coli-Ruhr (infektiöser Kälberdurchfall), bereits in der ersten Lebenswoche auftretend und manchmal auch zu Bewegungsstörungen (Kälberlähme) und Gelenkentzündungen führend. Bei allen Rindern sind die Coli-Bakterien normale Darmbewohner, aber im Kälberstall können sie beim Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Umstände zu einer Geißel werden. Spezifische Infektionskrankheiten unterscheiden sich von den Faktorenkrankheiten vor allem durch die starke Ansteckungsfähigkeit (Virulenz) der betreffenden Erreger. Wenn diese in einen Stall eingeschleppt werden, erkrankt auch unter
7.4 Die Aufzucht günstigen Haltungsbedingungen ein großer Teil der Kälber. Bei der von Pneumokokken verursachten Erkrankung der Luftwege (Nasenausfluss, Husten, beschleunigte Atmung) verenden viele Kälber. Es gibt in dem vereinfachend als „Rindergrippe“ bezeichneten Formenkreis der Erkrankungen der Atemwege sowohl Faktorenkrankheiten wie spezifische Infektionskrankheiten. Zur Bekämpfung der spezifischen Infektionskrankheiten ist immer die Hilfe des Tierarztes erforderlich, während bei den Faktorenkrankheiten der Tierpfleger einen erheblichen Einfluss und beträchtliche Möglichkeiten zur Selbsthilfe hat. Erfolg und Misserfolg sind also auch von der Person des Kälberbetreuers abhängig. Die Grenzen zwischen den Faktorenkrankheiten und den spezifischen Infektionskrankheiten sind allerdings fließend, weil die rasche Generationsfolge bei Bakterien und Viren die von Mutationen ausgehenden Änderungsimpulse beim Erbgut beschleunigt und weil unter Umständen innerhalb kurzer Zeit die Virulenz mancher Mikrobenstämme schlimmer werden kann. Andererseits passt sich allmählich auch das Abwehrsystem der Rinder an.
!!! Der Grundpfeiler der Abwehr in den ersten Lebenswochen wird, wie mehrmals betont, von der frühzeitig verabreichten Biestmilch geliefert; denn das Kalb wird fast ohne Schutzstoffe geboren. Wie andere Formen der passiven Immunisierung (s. 2.11) erlischt dieser Schutz aber nach einigen Wochen. Bis dahin, also etwa bis zur 6. Woche, muss das Kalb das eigene aktive Immunsystem aufbauen. Dieses lässt sich durch die Auseinandersetzung mit harmlosen Stallerregern trainieren. Aber in der Übergangsphase von der passiven zur aktiven Abwehr sind die Kälber besonders gefährdet, vor allem durch stallfremde Erreger, weil die Mutter dagegen keine Antikörper entwickeln konnte. In dieser Übergangsperiode (3.–6. Woche) ist also besondere Vorsicht bei der Einstellung fremder Kälber geboten. Diese können als Ausscheider von fremden Erregern die eigenen Kälber infizieren, sind aber ihrerseits auch durch die Keimflora des neuen Stalles bedroht (Abb. 141).
Durch die Kolostralmilch sollen die Kälber eine Mindestausstattung mit Immunglobulinen erhalten, und zwar mindestens 5 g Immunglobulin A, 50 g Ig-G und 4,5 g Ig-M je Liter Blutserum. Bei der in Tab. 93 vorgestellten Untersuchungsserie wurden diese Blutserumwerte fast nur von Kälbern erreicht, die innerhalb 3 Stunden nach der Geburt ihre erste Kolostralmilch aufgenommen hatten. Wer zukaufen muss (z. B. Kälbermäster), kann das Spektrum der Krankheitsabwehr durch vorbeugende Impfungen gegen mögliche Infektionen erweitern. Eine andere Form der Verbesserung des Abwehrsystems ist die Impfung der hochtragenden Mutter, die dann neue Antikörper für die Kolostralmilch produziert. Diese Methode wird beispielsweise gegenüber Coli-Ruhr und Pneumokokken praktiziert. Gegen manche, nicht so häufig auftretende Infektionen helfen auch Sulfonamide und Antibiotika gut, während es unter den in jedem Stall vorkommenden Keimen insbesondere unter den Coli-Bakterien, zahlreiche gegen diese Antibiotika widerstandsfähige (resistente) Stämme gibt. Bei der Erwähnung von „Selbsthilfemöglichkeiten“ war also nicht gedacht an eine wahllose, womöglich überdosierte, „vorbeugende“ Medikamentierung mit auf dem grauen Markt erworbenen Antibiotika. Vor dieser zwar bequemen, aber kostspieligen und der Krankheitsabwehr langfristig eher schadenden Methode muss gewarnt werden. Maßnahmen zur Selbsthilfe sollten mit dem betreuenden Tierarzt abgestimmt sein und nach seiner Anleitung erfolgen. Am meisten kann sich der Eigentümer der Kälber selbst helfen durch Schaffung optimaler Haltungs- und Ernährungsbedingungen, durch Sorgfalt und Sauberkeit bei der täglichen Betreuung, durch Wachsamkeit beim Einkauf von Futtermitteln, durch Vorsicht beim Zukauf fremder Kälber, durch Aufmerksamkeit beim Füttern, Entmisten und anderen Arbeiten, durch Kontrolle des Personen- und Tierverkehrs.
? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem im Tierschutzrecht verankerten Transportverbot für Kälber im Alter von weniger als 2 Wochen im Hinblick auf den Aufbau der Immunität?
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7
7
Rinderproduktion
Abb. 141
Aufbau der Immunität beim Kalb (nach Walser)
7.4.6.1 Ansteckender Kälberdurchfall Virus- und Coli-Durchfälle | Coli-Bakterien sind nicht die einzigen Verursacher von Kälberdurchfällen, aber seit langem bekannt und gefürchtet. Andere Erreger treten entweder seltener auf, oder ihre Rolle im Krankheitsgeschehen wurde lange verkannt. Das gilt besonders für Viren. Seit einigen Jahren weiß man mehr über ihren verhängnisvollen Einfluss und über das Zusammenspiel verschiedener Erreger bei Mischinfektionen. In vielen Fällen tritt ein wässrig-gelber, teilweise heftig spritzender Durchfall schon am ersten Lebenstag auf, verursacht von Rota- oder CoronaViren, die sich im Kuhkot aufhalten und eine sehr kurze Inkubationszeit (Zeitspanne zwischen Infektion und Krankheitsausbruch) haben. Diese Viren verändern die Darmschleimhaut, stören die von unwillkürlichen Muskeln bewirkten Magen- und Darmbewegungen und schädigen oder zerstören die für die Resorption benötigten Darmzotten (2.8.7). Die aufgenommene Milch wird nun nicht mehr verdaut, sondern bietet den Coli-Bakterien aus dem Dickdarm gute Vermehrungsmöglichkeiten auch im Dünndarm. sie dringen durch die bereits geschädigte Darmschleimhaut in die Blutbahn ein, und ihre Toxine breiten sich im Körper aus. Der Durchfall enthält nun auch Blut und Darm-
380
hautfetzen und beginnt zu stinken. Viren sind also Wegbereiter für Coli-Bakterien. Von der gestörten Resorption sind auch Mineralstoffe und Wasser betroffen. Zur Regulierung des osmotischen Gleichgewichtes werden Zellwasser und Mineralstoffe aus dem Blut in den Darm abgegeben. Der Körper trocknet aus und verarmt an wichtigen Mineralstoffen, auch an Blutzucker. Wenn der Wasserverlust mehr als 10 % beträgt, was nach Tab. 95 auch äußerlich zu erkennen ist, wird der Zustand lebensgefährlich. So weit darf man es nicht kommen lassen. Deshalb spielt in der Behandlung der Virus- und Coli-Durchfälle die Verabreichung so genannter Elektrolytaustauscher eine wichtige Rolle. Futtermitttelrechtlich handelt es sich hierbei um ein Diätfuttermittel, das dem besonderen Ernährungszweck dient, den Wasser- und Elektrolythaushalt zu stabilisieren. Die Elektrolytaustauscher werden nach dem Absetzen der Milch oder MAT-Tränke nach Gebrauchsanweisung in Wasser aufgelöst und versorgen 1–3 Tage lang das Kalb mit Wasser, Elektrolyten (Natrium, Kalium, Chloride) und leicht verfügbaren Kohlenhydraten. Ab 3.–7. Tag wird allmählich wieder auf Milchaustauschertränke umgestellt und die Elektrolytlösung entsprechend gekürzt. Bei schweren Durchfällen mit hochgradiger Austrocknung muss die Elektrolytlösung vom Tierarzt intravenös verabreicht werden.
7.4 Die Aufzucht Tab. 95 Beurteilung von Flüssigkeitsverlusten (nach Tiller) Wasserverlust (bezogen auf den Wassergehalt des Körpers)
Symptome beim Kalb
bis 5 %
Klare Augen Haut und Extremitäten warm Kalb ist durstig und trinkfreudig
5–10 %
Kalb liegt meistens, Körper warm, Extremitäten kalt Geringe Harnausscheidung Appetitlosigkeit Unregelmäßiger Puls Abnehmende Reflexe
über 10 %
Eingeschränkter Kreislauf Schleimhäute kalt Extremitäten kalt, Augen eingesunken Hornhaut der Augen trocken und matt Bewusstseinsstörungen Feuchter Bereich um das Maul Untertemperatur Gerötete Schleimhaut Unregelmäßiger Atem und schwacher Puls
In Problembeständen empfiehlt sich die Durchführung eines Impfprogrammes in Absprache mit dem Hoftierarzt.
Parasiten verursacht und kann mit Sulfonamiden behandelt werden. Der beste Schutz ist eine Verbesserung der Stallhygiene.
Salmonellose (Paratyphus) | Ein von Salmonellen hervorgerufener Durchfall (anfangs dünnflüssig-schleimig-stinkend, später mit dunkelbraunen Blutspuren und weißen Flocken von Darmhautteilen) tritt vorwiegend bei 2–6 Wochen alten Kälbern auf, nach Einschleppung der Erreger durch zugekaufte Kälber oder verseuchte Futtermittel. Auch der Mensch kommt als Überträger (z. B. über Kotreste in seinen Gummistiefelprofilen) oder als Bakterienausscheider in Betracht. Die Gifte der Salmonellen schädigen außer dem Darm auch andere Körperorgane und führen beispielsweise zu inneren Blutungen oder Lähmungen. Die Bekämpfung ist schwierig und nur durch den Tierarzt möglich.
Bovine Virusdiarrhö/Mucosal disease (BVD/ MD) | Diese Viruserkrankung zählt nicht zu den klassischen Kälberkrankheiten, obwohl sie auch bei Aufzuchtkälbern zu empfindlichen Einbußen führen kann. Die Erkrankung verursacht aber bei Rindern weltweit erhebliche Ausfälle. Hauptgrund sind die vom BVD-Virus neben anderen vielfältigen Krankheitserscheinungen ausgelösten diaplazentaren Infektionen (Durchbrechen der Plazentaschranke) der Feten mit der Folge von Aborten, Missbildungen und dauerhaft infizierten Kälbern („Viremikern“). Letztere stellen als Dauerausscheider oft das eigentliche Problem dar. Denn sie infizieren, ohne selbst sichtbar am BVD-Virus zu erkranken, Kälber, Rinder und Kühe in ihrer Umgebung. Die Folge sind immunologisch geschwächte Tiere und als Konsequenz davon Rindergrippe, Durchfallerkrankungen und erhöhte Kälberverluste. Die Dauerausscheider selbst erkranken innerhalb der ersten beiden Lebensjahre an Mucosal Dis-
Kokzidiose (Rote Ruhr) | Diese Krankheit kann wegen ähnlicher Kotbeschaffenheit leicht mit Salmonellose verwechselt werden, befällt aber meistens erst Kälber bzw. Jungrinder von 10 Wochen bis 24 Monaten. Sie wird durch einzellige
381
7
7
Rinderproduktion
ease. Diese von einem dem BVD-Virus ähnlichen Virus vorgerufene Schleimhautkrankheit erwischt vorwiegend 6–20 Monate alte Jungrinder, die wegen anderer Probleme bereits geschwächt sind. Sie schädigt zunächst, begleitet von Fieber, Apathie und Appetitlosigkeit, Schleimhäute der Nase (Nasenausfluss), der Augen (Bindehautentzündung) und der Mundhöhle. Später kommen (anfangs dünnflüssige, später blutige) Durchfälle hinzu, die bei der akuten Form dieser Krankheit rasch zum Tode führen. Bei der chronischen, schleichenden Form treten noch monatelang immer neue hartnäckige Durchfälle und Fieberschübe auf. Die prophylaktische Bekämpfung der BVD/MD erfolgt einerseits durch ein ausgefeiltes Management in Bezug auf Stallhygiene, Weideführung (Tierkontakte!) und Tierzukäufe. Zum anderen steht eine effektive, zweistufige Impfung (Lebend- und Totimpfstoff) zur Verfügung, die auch Bestandteil der seit 1998 geltenden Bundesleitlinien zur Bekämpfung von BVD/MD ist.
7.4.6.2 Rindergrippe-Komplex Erkrankungen der Atmungsorgane treten vorwiegend im Winterhalbjahr auf, woraus schon zu erkennen ist, dass Entstehung und Verlauf sehr von den Haltungsbedingungen abhängig ist, vom Stallklima, von der Lüftung, von der Wärmedäm-
Abb. 142 extra)
382
mung der Liegefläche usw. Besonders gefährdet sind Zukaufkälber, die längere Transporte hinter sich haben und die einen Stall-, Futter- und Betreuerwechsel verkraften müssen. Wie beim Kälberdurchfall entwickeln sich schwere Formen der Rindergrippe meistens durch ein Zusammenspiel von Viren und Bakterien. Wie dort sind Viren die Wegbereiter für die Bakterien, insbesondere für Staphylokokken, Streptokokken, Korynebakterien und Pasteurellen. Diese verschlimmern die Krankheit und führen oft den Tod herbei. Die Abb. 142 informiert über den typischen Verlauf der Fieberkurve bei Rindergrippe und über die wichtigsten Symptome. In vielen Fällen hängt das Schicksal des Kalbes davon ab, dass schon der 1. Virusschub mit seinen wenig auffälligen Symptomen rechtzeitig erkannt wird. (Manche Kälber reagieren auch deutlicher mit leichtem Husten und Atemnot). Zu diesem Zeitpunkt kann der Tierarzt noch einiges unternehmen, mit Fütterungsarzneimitteln und Vitaminen bei leicht erkrankten Tieren und mit Sulfonamiden und Antibiotika bei schwer betroffenen Tieren. Schutzimpfungen gegen Rindergrippe haben einen Sinn, wenn die Tiere noch nicht von Viren infiziert sind. Notimpfungen erkrankter Tiere dienen lediglich der Schadensbegrenzung. Wenn eine Impfung in der Inkubationsphase erfolgt,
Verlauf der Fieberkurve und Krankheitssymptome bei Rindergrippe (nach Schrag, top agrar
7.4 Die Aufzucht kann sie der Krankheit unter Umständen erst richtig zum Ausbruch verhelfen („Impfdurchbruch“). Deshalb wird gefährdeten Betrieben empfohlen, mit der ersten Impfung bei allen 6–8 Wochen alten Kälbern bzw. Jungrindern bereits Ende August-Anfang September zu beginnen und sie nach 4–6 Wochen zu wiederholen. Die bisher entwickelten Grippeimpfstoffe schützen nur vor Viren, nicht vor den hier beteiligten Bakterien. Diese können unter ungünstigen Umweltbedingungen die Kälber auch ohne vorausgegangene Virusgrippe überwältigen. Seit 1987 tritt auch in Deutschland die BRSV-Infektion auf. Sie wird durch das „Bovine Respiratory Syncytial“ verursacht und zählt zu den bedeutsamsten virusbedingten Atemwegserkrankungen der Jungrinder. Es wird zwischen einer leichten und schweren Verlaufsform unterschieden. Letztere führt häufig zum Tod der Tiere. Durch gezielte Impfprogramme können gefährdete Betriebe am wirksamsten geschützt werden. Generell gilt auch hier und ganz besonders wie für den gesamten Komplex der Rindergrippe: „Vorbeugen ist besser als heilen! Was vorbeugend getan werden kann, wurde bereits in Kap. 7.4.5 und beim Thema „Faktorenkrankheiten“ am Beginn dieses Kapitels erörtert. Die Krankheitserscheinungen der Rindergrippe können leicht mit Symptomen der Virusseuche BHV1 (IBR/IPV) verwechselt werden (s. 2.10.10). Die exakte Unterscheidung ist nur serologisch möglich.
viele Kälber geboren werden, verstärkt sich beim Durchgang von einem Kalb zum nächsten die Virulenz der Erreger, und die letzten werden am härtesten betroffen. Dann kann die Krankheit leicht durch Lungenentzündung und Durchfall weiter verschlimmert werden. Die von Salmonellen und Coli-Bakterien verursachten Gelenkerkrankungen müssen nach den Methoden bekämpft werden, die für die jeweilige Hauptkrankheit entwickelt und bereits besprochen worden sind. Die übrigen Formen von Kälberlähme werden vom Tierarzt mit Sulfonamiden und Antibiotika behandelt. Diese Ausgaben kann man sich ersparen, wenn man den Nabel sachgemäß versorgt und den Kälbern eine kälbergerechte Liegefläche gönnt.
7.4.7 Aufzucht von Färsen Das durchschnittliche Erstkalbealter liegt in den deutschen Milchviehbetrieben bei ca. 30 Monaten. Mehr als 1/3 aller Färsen ist bei der ersten Kalbung älter als 30 Monate. Betriebszweigauswertungen der Vollkosten zeigen, dass jeder Aufzuchttag Kosten von ca. 1,5 e verursacht. Eine Verringerung des Erstkalbealters um einen Monat spart also Kosten von ca. 45 e. Mit 270 e zusätzlichen Aufzuchtkosten gar ist die Milchleistung einer Färse belastet, die nicht schon mit 24 sondern erst mit 30 Monaten kalbt. Gründe genug also die Färsenaufzucht näher zu beleuchten.
7.4.7.1 Aufzuchtintensität 7.4.6.3 Kälberlähme Wenn sich an den Gelenken von Saugkälbern Schwellungen, Wärmestau und Schmerzempfindlichkeit feststellen lassen, denen meistens eine Phase der Apathie, verringerter Fresslust und häufigen Hinlegens vorausging, spricht man von Kälberlähme. Die Ursachen können verschieden sein. Auf Kälberlähme als schweres Begleitsymptom bei manchen Fällen von Salmonellose oder Coli-Durchfall wurde schon hingewiesen. Meistens sind jedoch Korynebakterien, Staphylokokken, Streptokokken und andere Eitererreger die Urheber. Sie dringen entweder über einen unzureichend desinfizierten Nabelstumpf in den Körper ein oder über Scheuerwunden an Gelenken auf rauen Stallböden. Wenn in Betrieben
Ökonomische Beurteilung | Zwischen dem Aufwand für die Aufzucht und deren Dauer und damit auch zur Aufzuchtintensität besteht ein deutlicher Zusammenhang. Je länger die Aufzucht, um so höher werden die Kosten für Arbeit, Stallplatz, Futter usw. Vom Erstkalbealter unabhängig sind lediglich die Kosten für das Kalb und für dessen Aufzucht. Ob auch die Kosten für das Aufzuchtfutter der Färse mit der Aufzuchtdauer zunehmen, hängt von den gegebenen Bedingungen ab. Grundsätzlich kann bei geringerer Aufzuchtintensität, das heißt bei längerer Aufzuchtperiode Kraftfutter durch Grobfutter ersetzt werden. Die Aufzucht wird dadurch aber nur dann billiger, wenn die Energie im Kraftfutter deutlich teurer ist als im Grobfutter. Diese Bedingungen
383
7
7
Rinderproduktion
sind derzeit nicht gegeben und nicht zu erwarten. Außerdem wäre selbst dann zu berücksichtigen, dass eine längere Aufzuchtperiode den Erhaltungsbedarf der Färse erhöht. Eine längere Aufzuchtdauer führt also bei den in der Bundesrepublik herrschenden Klima-, Lohnund Preisverhältnissen in der Regel zu höheren Aufzuchtkosten. Diese ohnehin schon ungünstige Abhängigkeit wird noch durch eine längere Kapitalbindung verstärkt, da das in die Aufzucht investierte Kapital erst verspätet zurückfließt. In die ökonomische Betrachtung ist schließlich auch die Remontierungsrate einzubeziehen. Tab. 96 verdeutlicht den Zusammenhang zugleich unter Berücksichtigung unterschiedlicher Verlustqoten. Die Zahlen zeigen: | ein Betrieb mit einem Erstkalbealter von 29 Monaten, 15 % Kälberverlusten und einer Remontierungsrate von 40 % kann den Bestand gerade noch ohne Zukauf halten. | Erst wenn deutlich günstigere Verhältnisse erreicht werden, kann das Betriebsergebnis durch Verkauf von überzähligen Rindern (und durch Selektion) verbessert werden. Zusätzliche Berechnungen ergeben: | Unter sonst gleichen Bedingungen verringert sich die Zahl der zur Bestandergänzung benötigten Rinder um 4 %, wenn das Erstkalbealter um einen Monat sinkt.
Biologische Leistungen | In einer Durchschnittsherde sind etwa 32 % der Milchkühe Jungkühe. Bei einer biologischen Leistungsdifferenz zwischen 1. und 2. Laktation von ca. 10 % und weiteren durchschnittlichen 14 % in allen Folgelaktationen müssen Jungkühe 6 200 kg Milch geben, um eine Gesamtleistung der Herde von 7 000 kg zu ermöglichen (bei 8 000 kg Herdenleistung müssen es 7 100 kg bei den Jungkühen sein). Das schaffen sie nur, wenn sie bei der ersten Kalbung 80–85 % des Lebendgewichtes der ausgewachsenen Kühe erreicht haben. Nach Untersuchungen aus Mecklenburg-Vorpommern (Weiler et al., 1997) hatten Färsen mit einem 18Monatsgewicht von 400–420 kg eine um 500 kg höhere Milchleistung in der ersten Laktation als solche mit Gewichten bis zu 380 kg. Gleichzeitig wiesen die schwereren Kühe ein um 1,3 Monate geringeres Erstkalbealter auf. Die in Tab. 97 dargestellten Zahlen von Auswertungen aus den Niederlanden dokumentieren die Zusammenhänge noch deutlicher. Es gilt für den dort dargestellten Gewichtsbereich: Mit zunehmender Aufzuchtintensität, das heißt steigendem Gewicht am 21. Tag nach der Abkalbung (post partum – p.p.) und entsprechend früherem Erstkalbealter erhöht sich die Milchleistung sowohl in der ersten als auch in der zweiten Laktation.
Tab. 96 Einfluss von Verlusten und Remontierungsraten auf Herdenstruktur und Bestandsaufbau (nach Weber, dlz 1/2004) Variante
1 Ist
2 Verluste
3 Remontierung
4 Ziel
Kenngröße Kuhbestand, Anzahl
100
100
100
100
Totgeburten, %
7
5
7
5
Aufzuchtverluste, %
8
5
8
5
Erstkalbealter, Monate
29
29
26
25
Remontierungsrate, %
40
40
30
30
Jungrinder erforderlich
104
102
70
66
Jungrinder möglich
104
109
93
94
Bedarf/Überschuss Jungrinder
±0
+7
+ 23
+ 28
Bedarf Überschuss Färsen/Jahr
+3
384
7.4 Die Aufzucht Tab. 97 Einfluss des Körpergewichts am 21. Tag p.p. der 1. Laktation auf die Milchleistung in der 1. und 2. Laktation (van Gaasbeek, Boers, Hoogeveen, Niederlande 1996) Körpermasse 21. Tag p.p., (kg)
Anzahl Rinder Stück
Erstkalbealter Monate
Milchleistung 1. Laktation (kg)
2. Laktation (kg)
bis 420
133
27,8
5 832
6 374
421–460
122
26,2
5 961
6 879
461–520
143
24,6
6 317
7 743
über 520
135
23,9
6 593
8 038
Quelle: Schaumann-Workshop „Milcherzeugung“ 1997 Die Zahlen belegen die klare Beziehung zwischen Körpergewicht nach der Kalbung und anschließender Milchleistung sowie zwischen Körpergewicht und Erstkalbealter. Nach amerikanischen Feststellungen (van Amburgh) erreichten Holsteinfärsen mit einem Erstkalbealter von 23–24 Monaten sowohl die höchsten Laktations- wie auch Lebensleistungen von allen Färsen mit einem Erstkalbealter zwischen 21 und 27 Monaten. Ähnliches gilt auch für wichtige Parameter der Fruchtbarkeit.
7.4.7.2 Richtlinien und Empfehlungen für die Fütterung Ökonomische wie biologische Gründe sprechen also eindeutig für eine intensive Aufzucht des Jungviehs. Das schließt die zügige Anfangsentwicklung der Kälber während der Tränkephase ein. Tab. 98 erklärt, welche Konsequenzen sich daraus in Bezug auf die erforderlichen Tageszunahmen in Abhängigkeit vom angestrebten Erstkalbealter ergeben.
Es zeigt sich, dass selbst bei einem Erstkalbealter von 27 Monaten mittlere tägliche Zunahmen von ca. 740 g notwendig sind. Das setzt wegen des begrenzten Futteraufnahmevermögens im ersten Lebensjahr eine hohe Energie- und Nährstoffkonzentration im Futter voraus. Aber im zweiten Lebensjahr kann man bei guten Grobfutterqualitäten auf Kraftfutter verzichten. Werden höhere Tageszunahmen (700–750 g) und ein Erstkalbealter von 24 Monaten angestrebt, erhöht sich der Nährstoffbedarf um 10–15 %, und man kommt während der ganzen Aufzuchtperiode nicht ohne Kraftfutter aus. In der Tab. 99 sind die Richtzahlen für die Nährund Mineralstoffversorgung von Jungrindern nach den Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie zusammengestellt. Bei einem angestrebten Zunahmeniveau von 700 g liegt die erforderliche Energiekonzentration in Abhängigkeit von der Futteraufnahme zwischen 10,7 und 10,4 MJ ME/kg Trockenmasse im ersten Aufzuchtjahr. Schon hieraus ist abzuleiten, dass man Jungrinder im ersten Aufzuchtjahr nur mit
Tab. 98 Gewichtsentwicklung in der Rinderaufzucht in Abhängigkeit vom Abkalbealter* Zeitabschnitt Ende der Aufzucht
Alter (Monate) I
II
Sollgewicht (kg) I II
Tageszunahme im Zeitabschnitt (g) I II
4
4
125
125
700
700
Ende 1. Jahr
12
12
320
310
830
770
bis zum Belegen
15
18
390
420
750
630
bis zum Abkalben
24
27
600
625
780
760
*I = 24 Monate, II = 27 Monate
385
7
7
Rinderproduktion
Tab. 99 Richtzahlen für die Energie-, Protein- und Mineralstoffversorgung von Aufzuchtrindern** (Angaben je Tier und Tag) Leb. Gew. kg
TM-Aufnahme kg
MJ ME bei Tageszunahme 700 g 900 g
Rohprotein g*
Ca*
P*
Mg
Na
g
g
g
g
150
3–4
34,1
–
480
27–33
12–15
5
4
200
4–5
42,0
46,6
525–595
29–35
14–16
6
4
250
5–6
49,6
55,8
565–625
31–37
15–17
7
5
300
6–6,5
57,6
64,6
650–730
32–38
16–19
8
6
350
6,5–7
64,7
73,7
735–835
34–40
18–20
9
6
400
7–8
72,2
83,2
825–935
35–41
19–21
10
7
450
7,5–9
79,9
92,7
910–1040
37–43
21–22
10
7
500
8–9,5
87,5
101,2
1 000–1 140
38–45
23–25
11
8
550
9–10,5
95,4
110,7
1 085–1 245
39–46
25–27
12
8
103,3
120,3
1 170–1 350
40–47
26-28
13
9
600
10–11
* Der niedrige Wert gilt für 700 g, der hohe für 900 g tägl. Zunahme ** hochtragend: 38 g Ca, 30 g P, 14 g Mg, 10 g Na. 6.-4. Woche vor Kalben: zus. 260 g Rohprotein/Tag. Letzte 3 Wochen: 365 g Rohprotein/Tag bestem Grobfutter in Kombination mit Kraftfutter bedarfsgerecht ernähren kann. Im weiteren Verlauf kommt man mit Grobfutter mittlerer Qualität aus. Zur Deckung des Proteinbedarfs müssten anfangs 16 %, später um 13 % Rohprotein in der Trockenmasse der Gesamtration vorhanden sein. Der Mineralstoffbedarf wird z. T. über die in den Futtermitteln vorhandenen (= nativen) Mineralstoffmengen gedeckt. Der sich aus den Rationsberechnungen ergebende Fehlbedarf muss über geeignete Mineralfuttermittel ergänzt werden. Bei der Auswahl sowie dem mengenmäßigen Einsatz von Mineralfutter muss auch die Spurenelement- und Vitaminversorgung beachtet werden. (Gehalte je kg: mind. 3 000 mg Zink, 1 000 mg Mangan, 700 mg Kupfer, 20 mg Selen, 50 mg Jod, 10 mg Kobalt, 600 000 I.E. Vitamin A, 50 000 IE Vitamin D, 1 000 mg Vitamin E). Für eine bedarfsgerechte Fütterung kommen im ersten Lebensjahr 1,5–2 kg Kraftfutter in Betracht, dazu zur freien Aufnahme Heu und Saftfutter. Bei guter Weide kann die Kraftfuttermischung auf 1 kg Getreideschrot verringert werden, unter Beibehaltung von 50 g Mineralfutter.
386
Das gilt für Sommer- und Herbstkälber. Später geborene Kälber nehmen bei Weidegang im ersten Lebensjahr nicht genügend Gras auf. Für ihre zielgerechte Aufzucht empfiehlt sich daher die Stallhaltung. Auf einer hofnahen, tunlichst parasitenfreien Weide sollte diesen Kälbern die Möglichkeit zum Auslauf geboten werden. Besonderes Augenmerk ist bei intensiver Aufzucht dem Abschnitt zwischen drittem und neuntem Lebensmonat zu widmen, weil sich in dieser Zeit die Euteranlage ausbildet. Um Verfettungen dabei zu vermeiden, müssen eine zu reichliche Energieversorgung genauso vermieden werden wie ein Proteinmangel. Beides ist bei Weidegang schwierig abzuschätzen. Tab. 100 enthält Rationsbeispiele für die Aufzucht von Färsen im Stall. Für Betriebe mit Futtermischwagen empfiehlt sich die Verfütterung einer Total-Misch-Ration (TMR). Den sinkenden Ansprüchen der wachsenden Tiere an das Futter sollte durch eine abgestufte Fütterung Rechnung getragen werden. Zwei TMR während der gesamten Aufzucht stellen einen vernünftigen Kompromiss zwischen dem Bedarf der Tiere und dem Arbeitsaufwand für das Mischen dar. Die erste
7.4 Die Aufzucht Tab. 100 Rationsbeispiele für die Färsenaufzucht für zwei Gewichtsabschnitte Lebendgewicht (kg) Zunahme (g/Tag)
200 800
400 700
a)
b)
a)
b) 12
Grassilage, 1. N. (35 % TM), mittlere Qualität
kg
8
4
21
Maissilage, E. d. Teigr. (35 % TM), KA mittel
kg
4
–
9
Getreide
kg
–
0,75
–
–
Sojaschrot
kg
–
0,5
–
–
Milchleistungsfutter 18/3
kg
1,6
–
–
–
Mineralfutter
kg
0,1
0,15
0,05
0,05
Phase reicht von 150 bis max. 400 kg Lebendgewicht und erfordert einen Energiegehalt im Futter von 10,7 MJ ME/kg TM. Hier kann auch die TMR der Milchkühe eingesetzt werden. In der sich anschließenden Phase, die bis zum Kalben reicht, sollte der Energiegehalt 9,8 MJ ME/kg TM betragen. Eine gute Qualität des Grobfutters kann dazu führen, dass die Tiere im zweiten Lebensjahr energetisch überversorgt werden. In solchen Fällen sollte die Ration durch Stroh ergänzt werden. Ein weiterer bedeutsamer Abschnitt in der Jungtierentwicklung ist die Phase der Trächtigkeit, beim Erstkalbealter von etwa 24 Monaten also
das zweite Aufzuchtjahr. An dessen Ende sollten die Färsen, wie schon erwähnt, Gewichte von 600 kg und mehr erreicht haben. Dazu müssen sie während der Tragezeit 750–850 g täglich zunehmen. Das darf jedoch nicht in eine „Mast“ ausarten. Vielmehr muss eine zu starke Verfettung wegen der damit einhergehenden Stoffwechsel- und Fruchtbarkeitsprobleme nach der Kalbung vermieden werden. Dieser Interessenskonflikt kann nur durch Rationen mit angepasster Nährstoffdichte gelöst werden. Für den Energiegehalt bedeutet dies Verminderung auf 9,6 MJ ME je kg TM nach dem Belegen und erneute Anhebung auf 10,4 MJ ME im letzten Drittel der
Abb. 143 Für die Aufzucht von Jungrindern empfiehlt sich der Offenfrontstall (Foto: Pabst)
387
7
7
Rinderproduktion
Trächtigkeit (Fötuswachstum). Entsprechend kann der Proteingehalt zunächst auf 13 % gesenkt und 2 bis 3 Monate vor der Kalbung wieder bis auf 16 % angehoben werden. Rationen von Grassilage und Heu bzw. Grassilage und Maissilage kommen dafür in Betracht, wobei Maissilage gegebenenfalls mit Stroh, in Grünlandregionen auch durch Heu zu ergänzen bzw. auszutauschen ist. Bei allen bisher dargestellten Zusammenhängen müssen in der Färsenaufzucht die Unterschiede zwischen Rassen berücksichtigt werden (vgl. Kap. 7.2.2), die sich aus Differenzen im Wachstumsvermögen herleiten. So wachsen Fleckviehrinder anfangs verhaltener als Holsteins. Im zweiten Aufzuchtsabschnitt neigen sie eher zur Verfettung. Demzufolge sind die Anforderungen an Rohprotein und Energie zu Beginn eher höher als bei Holsteinrindern, später eher niedriger. Allerdings spielen innerhalb der Rassen auch Typfragen eine Rolle. Gerade beim Fleckvieh sind die stärker fleischbetonten Ansatztypen von den mehr milchbetonten Umsatztypen zu unterscheiden.
7.4.7.3 Besondere Managementmaßnahmen Weidehaltung | Die Aufzucht weiblicher Jungrinder auf der Weide ist für viele Grünlandstandorte sinnvoll. Für Färsen, die erst mit 18–20 Monaten gedeckt werden, kann die Weide während des Sommers ausreichen. Dann ist lediglich an die Mineralstoff- und Spurenelementergänzung über Leckschalen oder Mineralfutterbriketts sowie an die Versorgung mit Trinkwasser zu denken. Allerdings entspricht das Futterangebot auf den Weiden im Herbst meist nicht mehr dem Bedarf. Modellrechnungen zeigen, dass Jungrinder im Oktober mit 0,53 ar je Tier und Tag (bei 400 kg Körpergewicht und 600 g Tageszunahme) 5–6-mal so viel Weidefläche benötigen wie im Mai, um den Bedarf von 30–40 kg Gras täglich zu decken. Zufütterung auf der Weide oder Aufstallung bei gezielter Fütterung sind dann erforderlich. Das trifft auch und erst recht zu, wenn die Färsen schon mit 2 Jahren abkalben, also auch auf der Weide intensiv, das heißt mit 700–800 g Zunahme aufgezogen werden sollen. Hier gilt es ei-
388
nen Wachstumsknick zu vermeiden, wenn mit beginnender Trockenheit zum Herbst hin die Zunahmen bis auf 200 g absinken können. Je nach Alter und Futterangebot müssen dann täglich zwischen 15 und 30 MJ ME ergänzt werden, z. B. durch 1,5 bis 2 kg Kraftfutter oder Melasseschnitzel. Ein trockener (befestigter) Futterplatz ist anzustreben, eine ausreichende Versorgung mit einwandfreiem Wasser zu gewährleisten. Von erheblichem Einfluss auf die Zunahme ist auch die Weidequalität. Das betrifft sowohl die Pflanzenarten als auch Düngung und Weideführung. Grundsätzlich kommen Stand- wie Umtriebsweide in Betracht. Wichtig ist eine Unterbeweidung im Frühjahr mit überständigem Aufwuchs zu vermeiden. Ob Kälber und Jungrinder während des Weidegangs die erhofften Tageszunahmen erreichen, hängt auch entscheidend vom Parasitenbefall der Weiden ab. Meistens muss mit MagenDarm-Würmern, vielfach mit Leberegeln und Lungenwürmern gerechnet werden. Um die Abwehrkräfte der Kälber gegen die Invasion von Parasiten zu stärken und ernsten Schäden vorzubeugen, empfiehlt sich die Durchführung eines gezielten Bekämpfungsprogramms anhand des jeweiligen, durch regelmäßige Kotuntersuchungen (vor dem Austrieb, Ende Juni, im September) festzustellenden Invasionsstandes. (Medikamente über das Weidebeifutter – Kalkstickstoffdüngung vor dem Auftrieb und nach dem Räumen befallener Koppeln – Einzäunen von Gräben und Sumpflöchern – Trennung der Kälber von älteren Rindern – zwischengeschaltete Schnittnutzung – notfalls frühere Aufstallung.) Gegen Lungenwürmer kann man Kälber, die zum ersten Mal auf die Weide kommen, vorbeugend impfen (durch eine erste Schluckimpfung im März und eine zweite 2–3 Wochen vor dem Weideaustrieb). Kontrollmaßnahmen | Sie gehören zur intensiven Rinderaufzucht wie die optimale Kälberaufzucht und die ausreichende Futterversorgung der Tiere. Zur Gewichtskontrolle sind die Tiere jährlich mindestens zweimal zu wiegen. Stehen Waagen nicht zur Verfügung, können die engen Beziehungen zwischen Körpermaßen und Gewichten genutzt werden. Dazu misst man mittels spezieller Maßbänder z. B. den Brustumfang
7.5 und kann daraus das Gewicht ableiten. Zu beachten sind hier Besonderheiten, die auf Rasse, Erstkalbealter, Aufzuchtintensität und Körperkondition zurückgehen können. Noch genauer lässt sich die Entwicklung der Tiere einschätzen, wenn zusätzlich zur Ermittlung des Gewichts der Rahmen beurteilt wird. Dafür eignen sich neben dem Auge des geübten Tierhalters auch als Maße die Widerristhöhe und die Beckenbreite. Schließlich empfiehlt sich auch die Konditionsbeurteilung nach einem Notensystem, um die Fütterung des Jungviehs zu kontrollieren. Einzelheiten des Systems sind in Kap. 7.3.1.2 dargestellt und können bei den Beratungsorganisationen unter Berücksichtigung der zu beurteilenden Rassen nachgefragt werden. Die genannten Maßnahmen sind nicht Selbstzweck sondern Grundlage der Feinsteuerung der Aufzucht, aber auch der Selektion zwischen den Tieren. Sie muss bereits in der Anpaarungsplanung einsetzen und sich über die Kälberaufzucht bis zur Färsenaufzucht erstrecken, an deren Ende Kühe stehen sollen mit hohen Dauerleistungen, korrekten Euteranlagen und gesunden Fundamenten.
7.4.8 Aufzucht und Haltung der Zuchtbullen Zuchtbullen sollen im Alter von 12 bis 14 Monaten zuchttauglich sein. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen sie Gewichte von ca. 450 bis 510 kg bei Schwarzbunten bzw. 560 bis 620 kg bei Fleckvieh erreicht haben. Die Zucht auf Großrahmigkeit hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die erforderlichen täglichen Zunahmen von ca. 1 100 g bis 1 300 g zu erreichen sind, sofern die Entwicklung ohne Störungen verläuft. Hinsichtlich der Energieversorgung und des Bedarfes an Rohprotein können daher auch die Richtwerte für Mastbullen mit 1 200 g Tageszunahme angewendet werden (Tab. 105 u. 106). Allerdings muss vor einer überhöhten Aufzuchtintensität vor allem bei kleinrahmigen Typen gewarnt werden, da sonst mit Fruchtbarkeitsstörungen zu rechnen ist. Diese können auch durch Fehler bei der Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen begründet sein. Die Mineralstoffversorgung lässt sich mit den in Tab. 106 angegebenen
Rindfleischproduktion
Werten sicherstellen, was durch von 50 auf 100 g/Tag ansteigende Mineralfuttergaben erreicht wird. Auf ausreichende Ergänzung mit den Vitaminen A, D und E ist zu achten. Im Kälberstadium erhalten Bullenkälber täglich 1 bis 2 kg Milch mehr als Kuhkälber. Die Tränkeperiode wird zudem etwa bis zur 20. Lebenswoche verlängert. Die Kraftfuttergabe wird bis zum Ende des 1. Lebensjahres auf etwa 4 kg gesteigert. Die Bullenkäufer sind dankbar, wenn der Jungbulle bereits während der Aufzucht möglichst viele Arten Wirtschaftsfutter kennen gelernt hat und im neuen Stall genügend große Mengen Grobfutter verzehrt. Bullenkäufer sollen sich beim Züchter über die bisherigen Ernährungsgepflogenheiten für den betreffenden Bullen orientieren. Vom 8. Monat an werden die Jungbullen täglich – zuerst am Halfter, später mit der Führstange am Nasenring (Unfallverhütungsvorschriften!) – geführt, damit sie sich rechtzeitig an die Halterungsbedingungen gewöhnen. Außerdem sollen sie korrekte Gliedmaßen und Klauen behalten. Für diesen Zweck wird in der Einzelbox, in der sie untergebracht sind, der etwa 2 m tiefe Fressplatz hinter der Krippe befestigt. Nur der Liegeplatz erhält eine Einstreu. Zusätzliche Bewegung in einem befestigten Auslauf ist sehr erwünscht. Bei der Fütterung der deckenden Zuchtbullen muss vor allem auf die notwendige Eiweißzufuhr (900–1 200 g täglich) und auf Zuchtkondition geachtet werden. Das heißt, die Bullen dürfen nicht verfetten. Bei durchschnittlicher Zuchtbenutzung (anfangs 2, später 3 Kühe wöchentlich) genügen im 2. Jahr ca. 90 MJ ME, im 4. Jahr etwa 105 MJ ME pro Tag. Die Rationen sollten möglichst vielseitig zusammengesetzt sein, beispielsweise zwei Sorten Heu enthalten. Abrupte Futterumstellungen sind ebenso zu vermeiden wie Verabreichung von minderwertigen (Schimmel, Milben etc.) Futtermitteln.
7.5 Rindfleischproduktion 7.5.1
Erzeugung und Verbrauch von Kalb- und Rindfleisch
Bis ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts hinein wurde in Deutschland und auch in der gesamten EU mehr Rindfleisch verbraucht als selbst er-
389
7
7
Rinderproduktion
zeugt. Seither ist der Selbstversorgungsgrad auf Werte über 100 % angestiegen. Im Jahre 2002 erreichte er in Deutschland 136 % und in der EU immer noch 101 %. Der vom Überangebot ausgehende Preisdruck, aber auch die Auswirkungen des BSE-Geschehens haben dazu geführt, dass Rindermast nur dann günstige Perspektiven erwarten lässt, wenn sie professionell durchgeführt wird. Bullen stellen mit knapp der Hälfte aller Rinderschlachtungen in Deutschland (vgl. Tab. 101) die bedeutendste der Tierkategorien für die Rindermast dar. Für diese Vorherrschaft gibt es vor allem zwei Gründe: Der Verbraucher bevorzugt das fettarme Rindfleisch gegenüber anderen Qualitäten; daraus ergibt sich ein höherer Preis für Bullenfleisch, der in Verbindung mit dem schnelleren Wachstum der Bullen insgesamt zu einer wirtschaftlichen Überlegenheit der Bullenmast führt. Ochsenfleisch genießt aufgrund seiner meist vorzüglichen Qualität einen ausgezeichneten Ruf und fehlt in kaum einem Feinschmeckerlokal im Angebot. In den Schlachtungen schlägt sich diese Einschätzung mit einem Anteil von nur 1,5 % jedoch nicht nieder, weil das Fleisch häufig aus dem Ausland stammt. Hautsächliche Standorte der Ochsenmast sind die Küstenregionen in Norddeutschland, wo die Tiere oft über drei Weideperioden extensiv, das heißt mit durchschnittlichen Zunahmen von unter 600 g gemästet werden.
Die Kuhschlachtungen sind zum größten Teil auf die Abgänge aus der Milchviehhaltung zurückzuführen. Nur selten geht diesen Schlachtungen eine geplante Mast voraus, obwohl sie sich bei bestimmten Rassen mit hohen täglichen Zunahmen in besonderen Fällen durchaus rechnen kann. Eine geringere Verbreitung hat die Mast weiblicher Jungrinder, auch wenn fast jedes sechste Schlachttier eine Färse darstellt. Oft handelt es sich hierbei um Tiere, die ursprünglich für die Bestandsergänzung der Milchkuhherden gedacht, dann dafür aber nicht benötigt wurden oder nicht geeignet waren. Färsenfleisch wird in Spezialbetrieben auf Grünland erzeugt, das in der Milcherzeugung und für die Jungrinderaufzucht nicht mehr benötigt wird. Stehen weibliche Kreuzungskälber der mit Fleischbullen belegten Milchrassen zur Verfügung, so begünstigt dies die Färsenmast ebenso wie eine starke qualitätsorientierte Nachfrage nach Rindfleisch. Betriebe mit planmäßiger Mast von Färsen, meist in Form einer kombinierten Weide-/Stallmast, finden sich vor allem im norddeutschen Raum. In einigen Betrieben ist die Mast mit Vornutzung anzutreffen. Dabei werden die zur Mast vorgesehenen Färsen im Alter von 12–16 Monaten belegt und nach der Kalbung für 2–5 Monate zur Aufzucht des Kalbes als Mutterkuh genutzt. Danach wird die Färse ausgemästet und geschlachtet.
Tab. 101 Zusammensetzung der Rinderschlachtungen nach Kategorien, Preise für Schlachtrinder (ohne MwSt.) und mittlere Schlachtgewichte, 2003
Bullen Ochsen Kühe Färsen Summe Kälber
390
Schlachtungen von Rindern nach Kategorien
Preise in Versandschlachtereien je kg Schlachtgewicht
1000
Klasse (E)
vH
E-P (E)
Durchschnittliche Schlachtgewichte kg
1 737
44,3
R3
2,46
2,40
359
57
1,5
O
1,90
1,95
288
1 525
38,9
O3
1,60
1,57
313
603
15,4
R3
2,16
1,92
302
3,50
118
3 923 350
100 –
# aller Klassen 2,0 R2
4,19
7.5
!!! Die Bundesbürger verzehrten in den Jahren 1945/51 durchschnittlich 11,7 kg Rindfleisch. Im Jahr 1970 waren es 22 kg. Auf diesem Niveau verharrte der Verzehr dann bis Ende der 80er Jahre, obwohl sich gleichzeitig der Fleischverzehr insgesamt, vor allem zugunsten von Schweinefleisch, kräftig erhöhte. Seit Beginn der 90er Jahre geht der Verbrauch an Rind- und Kalbfleisch wieder zurück. Gegenwärtig beträgt er 12,2 kg. Die Verkaufsaussichten für Rindfleisch hängen maßgeblich von der Einkommensentwicklung der Verbraucher und vom Preisverhältnis zwischen Rind- und Schweinefleisch ab. Wenn sich der Preisabstand zwischen Rind- und Schweinefleisch vergrößert, wie das seit der Mitte der 60er Jahre der Fall war, bzw. wenn die Einkommen langsamer wachsen oder stagnieren, verlagert sich der Fleischverzehr mehr zum billigeren Schweinefleisch. Dieser für den Rindfleischverbrauch ohnehin ungünstige Trend wird seit Anfang der 1990er Jahre noch durch die BSE-Problematik (vgl. Kap. 4.5.4) verstärkt. Kurzzeitig führte sie zu einem nahezu vollständigen Verzicht auf Rindfleisch und zum Zusammenbruch der Märkte. Demgegenüber erhöhte sich die Nachfrage für Geflügelfleisch. Die Möglichkeiten, bei Mastrindern Preiserhöhungen auf den Märkten durchzusetzen, sind heute also nicht gegeben. Und der Rindermäster muss sich um Kostensenkungen bemühen und einen hohen Qualitätsstandard bei seinem Produkt anstreben. Auf die Qualitätsfragen wird noch im Abschnitt „Vermarktung“ (Kap. 7.6.7) eingegangen. Hier sollen nur anhand der Tab. 101 einige Punkte herausgegriffen werden, die für die Situation der Rindfleischproduktion in der Bundesrepublik charakteristisch sind.
Frischfleisch und Verarbeitung | Während in anderen EU-Partnerländern Rinder vorwiegend für den Frischfleischabsatz (zum Kochen, Braten und Grillen) geschlachtet werden, gelangt im Bundesgebiet nur etwas weniger als die Hälfte des anfallenden Rindfleisches als Frischfleisch in den Verkauf. Die meisten älteren Tiere und von den jüngeren die weniger begehrten Teilstücke, werden verarbeitet und zwar hauptsächlich zu Wurst.
Rindfleischproduktion
Die Qualitätsansprüche an Frischfleisch und an Verarbeitungsware sind nicht völlig identisch. Verarbeitungspartien sollen möglichst fettarm und dürfen relativ trocken sein. Vom Frischfleisch erwarten anspruchsvolle Verbraucher Zartheit und Saftigkeit, was ohne die Einlagerung von intramuskulärem Fett (auch als „Marmorierung“ bezeichnet) kaum zu realisieren ist (Abb. 150). Intermuskuläres Fett (zwischen den Muskeln), in größerer Menge kompaktes Auflagefett (im Unterhautbindegewebe) und umfangreiche Polster von Becken- und Nierenfett sind in beiden Fällen unerwünscht; denn Rindertalg, der hauptsächlich von der Mischfutterindustrie abgenommen wird, erzielt nur gedrückte Preise. Durch den großen Anteil der Verarbeitungsware ist fast jedes Schlachtrind als Rohstoff verwendbar. Deshalb sind im Bundesgebiet die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Kategorien von Schlachtrindern geringer als in den Ländern mit hohem Frischfleischanteil. Das bringt einerseits eine relativ gute Verwertung für die ausrangierten Kühe aus der Milchproduktion und hilft dort die Rentabilität zu verbessern, liefert aber andererseits wenig Anreiz, Spitzenqualitäten für den Frischfleischabsatz zu produzieren. In frischfleischorientierten Ländern werden die Färsen und Ochsen oft besser bezahlt als die Bullen. In der Bundesrepublik macht sich dieser Trend allenfalls bei der Direktvermarktung bemerkbar.
7.5.2
Kälbermast
!!! Nur noch lebensschwache Kälber werden heute „nüchtern“, das heißt während der ersten beiden Lebenswochen zum Schlachten abgegeben. Die übrigen werden, soweit sie nicht der Bestandergänzung dienen, entweder der Jungrindermast oder (mit abnehmender Tendenz) der Kälbermast zugeführt. Hohe Einstandspreise für das Kalb können vom Jungrindermäster besser verkraftet werden als vom Kälbermäster. Deshalb gehen die teureren Bullenkälber vorwiegend in die Jungbullenmast, während die Kälbermäster hauptsächlich auf Kuhkälber angewiesen sind. Diese sind zwar wesentlich (15–40 %) billiger als die männlichen Kälber,
391
7
7
Rinderproduktion aber sie entwickeln sich auch nicht so zügig wie jene. Hohe Tageszunahmen – möglichst nicht weniger als 1 200 g täglich – sind aber in Anbetracht der Preis-Kosten-Verhältnisse die wichtigste Voraussetzung für eine rentable Kälbermast (Abb. 144).
Hohe Mastendgewichte können dazu ebenfalls beitragen. Von 1960–1987 stiegen die durchschnittlichen Schlachtgewichte von 47 auf 120 kg an, wo sie seither verharren. Bei einer durchschnittlichen „Ausschlachtung“ oder Schlachtausbeute (= Verhältnis zwischen Gewicht der beiden Schlachthälften und Lebendgewicht) von 60–70 % liegen also die Mastendgewichte über 150 kg, in vielen Betrieben bei 200 kg. Trotzdem muss vom Verkaufserlös des Mastkalbes in der Regel mehr als die Hälfte für dessen Beschaffung aufgewendet werden. Hohe Kälbereinstandspreise können aber nur teilweise durch höhere Mastendgewichte aufgefangen werden, weil sich mit zunehmendem Alter der Futterverbrauch je Kilogramm Zunahme erhöht. Die Futterkosten je kg Zuwachs lassen sich senken, wenn mit fortschreitendem Alter ein wach-
Abb. 144 Eine marktgerechte Kälbermastgruppe am Haken – Braunvieh, tägliche Zunahme im Abschnitt 67 – 167 kg durchschnittlich 1 230 g, Ausschlachtung 62 %, ein Drittel in Handelsklasse U, zwei Drittel in Klasse R (Foto: Mack)
392
sender Anteil der Milchtränke durch Kraftfutter ersetzt wird. Die nach dieser Methode gefütterten Kälber sind aber beim Verbraucher weniger beliebt als die reinen Tränkekälber. Deren Fleisch ist zwar nicht zarter und saftiger als das der Kraftfutterkälber gleichen Alters; aber es ist wegen des geringeren Eisengehaltes der Milchtränke weißfleischig, während das der Kraftfutterkälber rötlich aussieht. Beim lebenden Tier wird die Fleischfarbe am Zahnfleisch und an der Augenbindehaut festgestellt. Wegen der aufgezeigten Schwierigkeiten wird Kälbermast fast nur noch von Spezialisten betrieben. Probleme bringt auch die Zuteilung der Tränke; sie ähnelt einer Gratwanderung: Erhalten die Kälber zu wenig Tränke, sind die Zunahmen und der Masterfolg unbefriedigend. Bekommen sie zu viel Tränke, treten Durchfälle auf. Dann stockt das Wachstum für einige Tage, manchmal für eine ganze Woche. Die Verträglichkeitsgrenze unterscheidet sich von Kalb zu Kalb. Aus diesem Grunde können die in Tab. 102 stehenden Tränkepläne nur als Richtwerte gelten. Die Methode A hat durch die Verteuerung der Magermilch nach Einführung der Quotenregelung wesentlich an Attraktivität verloren. Zum Auflösen des fettreichen Wirkstoffzusatzes, wofür die Bezeichnung „Aufwerter“ üblich ist, muss die Magermilch auf etwa 50 °C angewärmt werden. Bei dickgelegter Magermilch würde das schwierig. Deshalb und wegen der geringen Verzehrsbereitschaft der Kälber bei dicksaurer Magermilch wird auf das Dicklegen verzichtet. Die Aufwerter zum Ausgleich des Energie- und Vitamindefizits der Magermilch werden im Futtermittelgesetz als „Energiereiches Ergänzungsfuttermittel zur Magermilch für Mastkälber“ geführt und sollten 30–60 % Rohfett enthalten, außerdem je Kilogramm mindestens 1,5 g Mg, max. 6 g Na, 60 mg Fe, 20 000 I.E. Vit. A, 2 500 I.E. Vit. D, 40 mg Vit. E und 8–30 mg Kupfer. Häufig enthält dieser Futtertyp auch Leistungsförderer. Wie viel vom Aufwerter der Magermilchtränke zugegeben wird, richtet sich nach seinem Fettgehalt (Fütterungshinweise beachten!). Bei der Mastmethode B wird in der Regel die Mastperiode in zwei Abschnitte aufgeteilt. Im ersten Abschnitt (bis etwa 80 kg Lebendgewicht) werden Milchaustauscher I verwendet mit min-
7.5
Rindfleischproduktion
Tab. 102 Tränkprogramme für die Kälbermast Mastwoche
tägliche Tränke Liter
A Energie- und Wirkstoffzusatz (mit 50 % Fett) in g je Liter Frischmagermilch
B Milchaustauscher in g je Ltr. Wasser bis 80 kg: MAT I ab 80 kg: MAT II
C Vollmilch
1.
6
30 (50)*
80–120
2.
7
30 (50)
130 MAT I
4–6
3.
8
40 (60)
140 n.N. 1.4
6–8
4.
9
40 (60)
150 (12–15 %
8–10
5.
10
50 (70)
160 Fett)
11–13
6.
11
50 (70)
160 MAT II
13–15
7.
12
60 (80)
170 n. N. 1.5 j
8.
13
60 (80)
170 (15–18 % #
9.
14
60 (80)
180 Fett)
10.
14–15
60 (90)
190
11./12.
14–15
60 (90)
200
13./14.
15–16
60 (90)
Gesamtverbrauch von 50–160 kg
Biestmilch
# # #
D 15 # # # # —
ca. 1 000 Ltr. Magermilch 55 kg energiereiches Ergänzungsfutter (50 % Fett) oder 75 kg mit 30 % Fett*
40 kg MAT I 130 kg MAT II
ca. 1 200 kg
7
* Die in Klammern angegebenen Mengen beziehen sich auf einen Aufwerter mit nur 30 % Fett.
destens 22 % Rohprotein, 1,75 % Lysin, 0,9 % Ca, 0,7 % P, 0,13 % Mg, 10.000 I.E. Vit. A, 1250 I.E. Vit. D, 20 mg Vit. E und mind. 40 mg Eisen. Beim Fettgehalt wird vom Gesetzgeber eine weite Spanne von 12–30 % zugelassen, ebenfalls beim Kupfer (4–15 mg/kg) und beim Natrium (0,2–0,6 %). Die Milchaustauscher II für den zweiten und längeren Mastabschnitt (ab 80 kg LG) enthalten nur noch 17 % Rohprotein (davon 1,25 % Lysin) und dürfen höchstens 15 mg Kupfer/kg enthalten (die anderen Mineralstoffe wie bei MAT I, Vitamine etwas weniger). Außer 15–30 % Fett enthalten diese Austauscher für den 2. Mastabschnitt auch Maisstärke und andere Kohlenhydrate zur Energieanreicherung und Verbilligung. Bei den
Kälbern nimmt mit fortschreitendem Alter die Aktivität stärkespaltender Enzyme zu. Nach Einführung der Milchkontingente mehrten sich die Empfehlungen zum Einsatz von Vollmilch in der Kälbermast (Methode C, Tab. 102). Vergleichsuntersuchungen beweisen auch, dass mit Vollmilch gemästete Kälber ähnliche Leistungen erzielen, wie z. B. MAT-Kälber. Die Preisrelationen von Milch zu Schlachtgewicht bzw. Milch zu MAT-Tränke sprechen aber eindeutig gegen Vollmilch in der Kälbermast. Sie lohnt sich deshalb nur, wenn für „Vollmilch-Kälber“ ein deutlich höherer Marktpreis erzielt wird. Dass dies möglich ist, zeigen Markenfleischprogramme wie das „Vollmilch-Mastkalb“ in Bayern,
393
7
Rinderproduktion
bei dem ausschließlich Kälber aus der Vollmilchmast angeboten werden. Vollmilchmast zur generellen Lösung des „Übermilchproblems“ ist nicht zu empfehlen; sie kann aber zur Feinsteuerung der Milchanlieferung an die Molkereien dienen. Dabei ist im Sinne einer gleichmäßigen Fütterung eine gleichzeitige Darbietung von Vollmilch und MAT z. B. über Tränkeautomaten zu empfehlen. Im Folgenden werden allgemeine Gesichtspunkte für die Kälbermast zusammengefasst:
!!! |
|
|
|
|
|
|
|
394
Wie alle jungen Tiere haben auch die Mastkälber während der ersten Lebenswoche Anspruch auf die Biestmilch. Vor Erreichen eines Gewichtes von 50 kg sollte möglichst nicht mit der Mast begonnen werden. Nach Möglichkeit sollte man geschlossene Gruppen von Kälbern bekannter Herkunft nach der „Rein-raus-Methode“ ankaufen und mästen, anstatt durch laufende Zukäufe ständig Unruhe und Krankheiten in den Maststall zu bringen. Wenn diese Methode nicht möglich ist, sollten die Zukaufkälber zwei Wochen lang getrennt von den anderen gehalten und während dieser Zeit beobachtet werden. Nach dem Stallwechsel erhalten die Zukaufkälber als erste Mahlzeit nur 2 Liter Kamillentee oder schwarzen Tee sowie einen Vitamin-Antibiotika-Stoss. Am nächsten Tag wird vorsichtig mit dem Anfüttern begonnen, das heißt mit niedriger Tränkekonzentration. Die MAT-Tränke wird im Laufe der ersten Mastwoche allmählich gesteigert. Für Mastkälber gelten hinsichtlich Tränketemperatur, Zubereitung der Tränke usw. die gleichen Notwendigkeiten wie für Aufzuchtkälber (siehe 7.4.5). Wegen des hohen Fettgehaltes sind die Aufwertungsfutter und Milchaustauscher nur begrenzt lagerfähig. Verboten ist in der Bundesrepublik die Verabreichung von östrogen wirkenden Stoffen, die im Körper schwer abgebaut werden und nach dem Schlachten im Kalbfleisch nachgewiesen werden können (vgl. 5.1.7.2). Für die Aufstallung bis zum Alter von 9 Wochen sind Einzelboxen oder -stände in wär-
megedämmten Ställen zu empfehlen. Ab der 9. Lebenswoche ist Gruppenhaltung vorgeschrieben. Als besondere Form der Kälbermast hat sich vor allem in Norddeutschland in den letzten Jahren die so genannte Rose-Mast ´ entwickelt. Das Verfahren hat seinen Ursprung in den Niederlanden und in Dänemark und wird durch die dort bestehenden Regelungen zur Sonderprämie für Rinder begünstigt. Während dafür in Deutschland eine untere Grenze von 188,8 kg Schlachtgewicht (warm) gilt, was voraussetzt, dass alle Schlachttiere vor der Schlachtung gewogen werden, besteht in den Niederlanden eine leicht zu kontrollierende Altersgrenze von mindestens neun Monaten für die Sonderprämie. Deshalb werden auch die in Deutschland gemästeten Tiere überwiegend in den Niederlanden geschlachtet. Das typische Rose-Kalb ´ ist bei Schlachtung also etwa neun Monate alt und wiegt zwischen 320 und 380 kg lebend oder bei einer Schlachtausbeute von 52 bis 53 % zwischen 170 und 200 kg geschlachtet. Die Fleischfarbe muss heller als die von Bullenfleisch, das Fett muss weiß sein, was eine hohe Energiekonzentration in der Ration – etwa 11,5 MJ ME voraussetzt und carotinhaltiges Futter wie Grassilage ausschließt. In der Rose´ Mast ist eine hohe Futteraufnahme nötig, um die mit dem intensiven Wachstum verbundenen Anforderungen an die Eiweißversorgung von zwischen 180 g zu Beginn und etwa 1 000 g bei Mastende zu gewährleisten. Das gelingt, wenn der TM-Gehalt der Ration anfangs 50 % beträgt und später nicht unter 40 % absinkt. Bevorzugte Grobfuttermittel nach der Aufzucht sind Maissilage und GPS, als Kraftfutter können Bullenmast – oder Milchleistungsfutter eingesetzt werden. Wirtschaftlichkeitsberechnungen bescheinigen der Rose-Mast ´ selbst unter Neubausituationen eine höhere Rendite als der Bullenmast. Ob sich das Verfahren auch zukünftig rechnet, hängt wesentlich davon ab, wie sich nach dem politisch beschlossenen Wegfall der EU-Tierprämien die Preise für Kälber und für Schlachtvieh entwickeln. Abschließend muss auf die wegen immer wieder auftauchender Hormonskandale erheblichen Vorbehalte weiter Teile der Bevölkerung gegen-
7.5 über der Intensivmast von Kälbern hingewiesen werden. Für den Tierhalter muss es daher selbstverständlich sein, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen genauestens einzuhalten und sich um den Fortgang dieser Diskussion und eventuelle neue gesetzliche Vorschriften zu kümmern.
7.5.3
Bullenmast
In Deutschland bedeutet Bullenmast zumeist intensive Bullenmast auf der Grundlage von Maissilage. Dieses Mastverfahren lässt sich auch gut mit anderen Futtermitteln kombinieren, z. B. mit Grassilage, Biertrebern und Pressschnitzeln. Ehedem wichtige andere Formen der Bullenmast haben allenfalls noch regionale oder einzelbetriebliche Bedeutung. Letzteres gilt z. B. für die Mast mit Schlempe. Hierbei wird, ähnlich wie beim Einsatz von Biertrebern, Presspülpe, Pressschnitzeln oder Bierhefe ein Nebenerzeugnis der Nahrungs- und Genussmittelherstellung über den Tiermagen verwertet. Das kann ein sehr sinnvoller Ansatz sein, zumal die meisten der für die Bullenmast in Frage kommenden Nebenprodukte energiereiche, hochverdauliche Futtermittel darstellen. Er setzt aber auch voraus, dass die Futtermittel hinsichtlich des Gehaltes an Schadstoffen, speziellen Inhaltsstoffen und ihrer mikrobiellen Beschaffenheit ohne Bedenken verfüttert werden können. Außerdem muss der Futterwert bekannt sein, also von demjenigen erbracht werden, der diese Produkte „entsorgen“ will. Selbstverständlich muss auch die Preiswürdigkeit unter Berücksichtigung der Kosten für Transport, Konservierung und Mehrarbeit bei der Verfütterung beachtet werden. Ähnliches gilt auch für die Mast mit Rübenblattsilage, die bei entsprechender Silierung ein gern gefressenes Futtermittel darstellt. Zu bedenken sind aber als Besonderheiten ihr niedriger Rohfaseranteil, die fehlende Strukturwirksamkeit, die relativ geringe Energiedichte und der recht hohe Aschegehalt. Rübenblatt kann gut mit Silomais kombiniert werden. Dabei sind je nach Futteranfall sehr unterschiedliche Kombinationen möglich, die mithilfe der Richtwerte der Tab. 105 und 106 überprüft werden können. Auch die Weidemast von Bullen hat nur noch regionale Bedeutung, vor allem im norddeutschen
Rindfleischproduktion
Raum. Vielfältige Gründe sind für ihren Rückgang ausschlaggebend. Dazu zählen neue alternative Nutzungsmöglichkeiten für das Grünland (z. B. Mutterkuhhaltung, Grassilage), die Schwierigkeiten der Weidewirtschaft mit Bullen (Unfallgefahr!), aber auch die Anforderungen des Marktes an die Schlachtkörperqualität. Die gewünschten gut bemuskelten , feinfaserigen und mit einer guten Fettabdeckung versehenen Schlachtkörper sind nur von jungen, intensiv gemästeten Bullen zu erzielen. Weidemast stellt hierfür nur dann eine Alternative dar, wenn alle Erfordernisse eines umfassenden Weidemanagements erfüllt werden.
7.5.3.1 Rassen und Kreuzungen Wer Rindermast ganz oder teilweise mit zugekauften Kälbern betreibt, braucht kaufmännisches Geschick und einen guten Blick für die Tiere. Er muss ihnen schon beim Einkauf ansehen können, wie sie sich mit 400 oder 600 kg präsentieren werden. Dabei muss er die Genetik der Tiere ebenso berücksichtigen können wie deren Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand. Die in Tab. 8 dargestellten Tageszunahmen verdeutlichen schon, dass es Rassenunterschiede in der Mastfähigkeit gibt. Auch am Preisgeschehen auf den Kälbermärkten sind sie ablesbar: Fleckvieh- und Gelbviehkälber – mit Einschränkungen auch Rotbunte – sind zwischen 10 und 30 % teurer als Schwarzbunte- oder Braunviehkälber gleichen Gewichts. Es gibt auch Rassenunterschiede in der Zusammensetzung des Zuwachses: Großwüchsige, muskulöse Rinder (z. B. Charolais, Gelbvieh, Fleckvieh) verfetten später und können auf höhere Endgewichte gemästet werden als Rinder der Mastrassen (Hereford, Aberdeen Angus) oder mancher milchbetonter Zweinutzungsrassen. Aber man darf nicht übersehen, dass es sich bei den Rassendurchschnitten um Mittelwerte handelt, die eine mehr oder weniger breite Variation zudecken. Der erfahrene Bullenmäster wird die Rasse als eine nützliche Information ansehen, sich aber nicht allein darauf verlassen.
395
7
7
Rinderproduktion
!!! In vielen wissenschaftlichen Versuchen, aber auch in Auswertungen von Praxiserhebungen haben Kreuzungstiere ihre hervorragende Eignung für die Rindermast unter Beweis gestellt. Das gilt insbesondere für Kreuzungen zwischen milchbetonten Zweinutzungsrassen und großbis mittelrahmigen Vaterrassen wie Fleckvieh, Gelbvieh, Charolais, Blonde d’Aquitaine und Limousin. Sie alle zeichnen sich durch eine gute Mastfähigkeit und einen hohen Schlachtkörperwert aus. Das Ausmaß der Überlegenheit in der Wachstumskapazität beträgt etwa 10–15 % gegenüber den Zweinutzungsrassen, hängt aber auch vom Mastverfahren ab. Die volle Überlegenheit kann nur bei intensiver Mast ausgeschöpft werden.
Magervieh etwas schwerer und älter als Fresser. Es stammt vorwiegend aus den Grünlandregionen, wo es nach der Geburt einen Weidesommer verbrachte. Geschätzt werden diese Tiere vor allem für die Ausmast mit Rübenblattsilage von Ackerbaubetrieben oder mit Schlempe in Brennereibetrieben. Eine ganz andere Vergangenheit, aber ähnliche Gewichte haben schließlich die Absetzer. Sie kommen aus den Mutterkuhhaltungen (vgl. Kap. 7.6.5), wo sie sich bis zu ihrem Verkauf hauptsächlich von Muttermilch und dem Weideaufwuchs ernährten. Auch diese Tiere werden vermehrt auf speziellen Versteigerungen (Absetzermärkte) angeboten und sind dort sehr begehrt. Ihre Nutzung in der Stallmast setzt allerdings eine fachkundige Umgewöhnung voraus.
7.5.3.3 Wachstum und Futteraufwand 7.5.3.2 Einstellalter und -gewicht Spezialisierte Mastbetriebe stützen sich ganz oder zumindest teilweise auf zugekaufte Tiere. Sie sollten möglichst in einheitlichen Gruppen aus wenigen Herkunftsbetrieben gekauft werden, um das Verlustrisiko zu verringern. Die Tiere können beim Erzeuger direkt oder über den Lebendviehhandel bezogen werden. Auch Kälbermärkte der Züchtervereinigungen eignen sich dafür besonders. Dem Käufer bieten sich hierbei Auswahlmöglichkeiten unter bis zu 1 000 Tieren nach seinen innerbetrieblichen Anforderungen hinsichtlich Alter, Gewicht und Wachstumsvermögen der Tiere. Kälber werden üblicherweise im Alter von wenigen Tagen (aus Tierschutzgründen ist ein Mindestalter von 14 Tagen vorgeschrieben) oder von ca. 4–6 Wochen gehandelt. Das hat erhebliche Konsequenzen für die im Käuferstall notwendigen Vorbeugemaßnahmen gegen Verluste (vgl. 7.4.6). Gerade vor diesem Hintergrund hat sich vor allem in Süddeutschland die so genannte Fresseraufzucht entwickelt. Fresser sind hierbei Tiere im Gewicht von ca. 150–200 kg, die von spezialisierten Aufzuchtbetrieben als Kälber gekauft und nach einer ca. 4-monatigen Aufzucht wieder an Mäster verkauft werden. Kälbermärkte mit der Möglichkeit, unter einer großen Zahl von Kälbern auszuwählen, haben hierfür besondere Bedeutung erlangt. Mit 300–350 kg ist
396
Wachstumskapazität und Mastintensität | Bei der Intensivmast wird das von den Erbanlagen vorbestimmte Wachstumsvermögen eines Jungrindes, seine Wachstumskapazität durch eine optimale Ernährung von Mastbeginn an fast oder vollständig ausgeschöpft. Dabei vollzieht sich das Wachstum nach dem Modell einer S-förmigen Kurve (Abb. 145a), das heißt nach der zögernden Anfangsentwicklung mit ansteigenden Tageszunahmen und nach Erreichen von 35–45 % des Endgewichts mit wieder abnehmenden Tageszuwächsen. Der Wachstumsverlauf ändert sich, wenn zu Beginn der Mast nur verhalten gefüttert wird und höhere Zunahmen erst im Anschluss daran angestrebt werden. Die Kurve verläuft dann anfangs flacher als bei Intensivmast, steigt dann aber steiler an. Diesen Ausgleich niedriger Zunahmen in einem Abschnitt durch hohe Zunahmen in der Folgezeit nennt man kompensatorisches Wachstum. Zusammensetzung des Zuwachses | Bei Untersuchungen in der Bundesforschungsanstalt Braunschweig-Völkenrode wurde die Energiezufuhr (bei reichlicher Versorgung mit Eiweiß und anderen essenziellen Stoffen) so bemessen, dass schwarzbunte Bullen während der ganzen Mastperiode täglich 1000 g zunahmen. Mithilfe von Stoffwechseluntersuchungen und Schlachtungen während der verschiedenen Mastabschnitte
7.5
Rindfleischproduktion
Abb. 145a Mastintensität und Gewichtsentwicklung.
Abb. 145b Mittlerer täglicher Stoff- und Energieansatz bei schwarzbunten Bullen (schematisch nach Schulz-Oslage-Daenicke)
wurde die Zusammensetzung des täglichen Zuwachses bestimmt. (Dabei ging man aus von der Zunahme abzüglich Vergrößerung des Inhalts des Verdauungstraktes.) Es zeigte sich (Abb. 145b), dass sich mit fortschreitendem Alter der Fettanteil vergrößert, und zwar anfangs vorwiegend zu Lasten des Wasseranteils, später aber auch zuungunsten des Eiweiß- und Mineralstoffansatzes. Im gleichen Maße erhöhen sich der Energiewert des Zuwachses und der Nährstoffbedarf je kg Zunahme.
Für die Masttiere anderer Rassen gilt im Grunde die gleiche Gesetzmäßigkeit wie bei den Schwarzbunten der Abb. 145b. Aber unter den gleichen Bedingungen wird von Mastrassen wie Hereford und Angus das Maximum des Eiweißansatzes früher erreicht bzw. der Eiweißansatz zeitiger durch den Fettansatz überholt, von großwüchsigen Fleischrassen (Charolais, Fleckvieh) später. Unterschiede zwischen Rassen, aber auch zwischen Tieren einer Rasse bestehen ferner im gesamten Proteinansatzvermögen. Dabei markieren unter den deutschen Zweinutzungsrassen Schwarzbunte und Fleckvieh gewissermaßen die Eckpunkte, Rotbunte nehmen eine Mittelstellung ein. Auch hierfür gibt es Ergebnisse der Bundesforschungsanstalt (Tab. 103). Auch wenn sich inzwischen Veränderungen im Rassebild einstellten (z. B. Ersatz der Schwarzbunten durch Deutsche Holsteins), bleibt auch heute gültig, dass dem unterschiedlichen Muskelbildungsvermögen nur Rechnung getragen werden kann, wenn die Richtzahlen für die Nährstoffversorgung ebenfalls spezifisch auf die Rassen ausgerichtet werden (s. Kap. 7.6.4).
!!! Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Untersuchungen für die praktische Fütterung? Wie würde sich eine energiereichere Fütterung, die auf das Ziel ausgerichtet wäre, das genetische Wachstumsvermögen (1 100–1 200 g Tageszunahme) voll auszuschöpfen, auf die Zusammensetzung des Zuwachses auswirken? Welche Ergebnisse hinsichtlich Zunahme, Zusammensetzung des Zuwachses und Futterverwertung (Futterverbrauch je kg Zuwachs) hätte eine wesentlich knappere Fütterung?
397
7
7
Rinderproduktion
Tab. 103 Protein- und Fettansatz sowie StE-Aufwand je kg Zuwachs bei Intensivmast von Jungbullen der Rassen Schwarzbunte, Rotbunte und Fleckvieh (nach Daenicke, 1983) Merkmal
Schwarzbunte
Rotbunte
162–615
Fleckvieh
Mastbereich
kg
161–606
Tageszuwachs
g
1 127
1 272
1 305
Proteinansatz/Tag
g
162
192
222
+19
+37
318
270
–4
–19
3 711
3 592
–11
–14
% Fettansatz/Tag
g
332
% StE/kg Zuwachs
StE
4 188
%
Futteraufnahme und Nährstoffkonzentration | Bullen mit hoher genetischer Wachstumskapazität müssen intensiver gemästet werden als niedriger veranlagte Tiere, wenn sie den Qualitätsanforderungen des Marktes an eine große Fleischfülle und geringe Fettabdeckung bei gleichzeitig feiner Fetteinlagerung entsprechen sollen. Liegt die Mastintensität zu hoch, steigt zwar die tägliche Zunahme, aber kaum noch der Eiweißansatz, sondern die Verfettung. Bei verminderter Mastintensität sinken andererseits die Zunahmen und die Mastdauer bis zur optimalen Schlachtreife verlängert sich. Infolgedessen steigt der Anteil des unproduktiven Erhaltungsbedarfes. Das führt in der Konsequenz dazu, dass schneller wachsende Bullen trotz des höheren absoluten und relativen Energieanspruches hoher Tageszunahmen eine bessere Futterverwertung erwarten lassen als die langsamer wachsenden. Eine günstigere Futterverwertung bedeutet nicht auch automatisch niedrigere Futterkosten. Wenn von zwei Mastgruppen gleichen Gewichts die eine zur Erzielung höherer Tageszunahmen mehr Energie über die tägliche Futterration aufnehmen soll als die andere, kann das entweder durch eine höhere Aufnahme an TM bei gleicher Nährstoffkonzentration des Futters oder bei gleicher TM-Menge über eine höhere Nährstoffkonzentration erfolgen (s. auch 7.3.1.2). Der erste Weg stößt bei jungen Mastbullen rasch an Grenzen, weil die Aufnahmekapazität des Pansens (Pansenvolumen) außer vom Gewicht auch vom
398
157–602
Alter abhängig ist. 160 kg schwere Bullen sind kaum in der Lage, mehr als 4 kg TM (2,3 kg TM je 100 kg LG) an Futter aufzunehmen, 600 kg schwere Mastbullen selten mehr als 10 kg TM (= 1,6 kg TM je 100 kg LG, vgl. Tab. 104). Im mittleren Mastabschnitt kann man demnach mit rund 2 kg TM je 100 kg Lebendgewicht rechnen. In Tab. 104 sind neben den Mittelwerten mögliche Spannweiten in der Futteraufnahme ausge-
Tab. 104 Mittlere Schätzwerte und Spannweite der Futteraufnahme wachsender Mastrinder (kg TM pro Tag) Lebendmasse kg
Futteraufnahme (kg Trockenmasse/Tag) Mittelwert Spannweite
150
3,4
3,2– 3,6
200
4,6
4,3– 4,8
250
5,6
5,3– 5,9
300
6,3
5,9– 7,0
350
7,0
6,6– 8,0
400
7,6
7,0– 8,5
450
8,1
7,6– 9,1
500
8,6
8,0– 9,5
550
9,0
8,4–10,0
600
9,4
8,7–10,3
650
9,6
8,9–10,5
7.5 wiesen. Sie ergeben sich innerhalb der definierten Gewichtsabschnitte aus der Höhe der Tageszunahmen, aber auch aus anderen tierspezifischen Faktoren wie Rasse (milchbetonte Rinder nehmen mehr Futter auf als Tiere von Zweinutzungsrassen) und Geschlecht (Futteraufnahme fällt in der Reihenfolge Bulle – Ochse – Färse). Auch das Futter hat Einfluss auf den Verzehr. Steigernd wirkt sich aus: | eine hohe Verdaulichkeit bzw. Energiekonzentration des Grobfutters (Mais-, Grassilage) oder der Gesamtration, | optimale Trockensubstanzgehalte und gute Gärqualität. | ausreichende Strukturwirksamkeit der Futterration. Eine Verfettung zu Beginn der Mast verringert dagegen die Futteraufnahme am Mastende. Schließlich wirken sich auch die Haltungsbedingungen und die Fütterungstechniken aus.
!!! Hohe Zunahmen erfordern eine bessere Energieversorgung, die nicht allein über eine Steigerung der Futteraufnahme erreicht werden kann, sondern nur in Verbindung mit einer höheren Energiekonzentration der Ration. Wenn bei 1000 g Tageszunahme noch eine durchschnittliche Energiekonzentration von 9,5–10,5 MJ ME/kg TM genügen kann, muss diese bei 1 200 g Tageszunahme über 11 MJ ME/kg TM liegen. Auch hierbei sind die Rassendifferenzen zu beachten. Hohe Tageszunahmen lassen sich nur mit Hilfe eines hochwertigen Grobfutters (teigreife Maissilage mit hohem Kolbenanteil) oder eines hohen Kraftfuttereinsatzes erreichen. Alter und Mastendgewicht | Die entscheidende Antwort auf diese Fragestellung wird heute durch den Markt geliefert. Maximale Preise lassen sich nur dann erzielen, wenn das Schlachttier den Anforderungen des Marktes weitgehend gerecht wird. Der Markt für Rindfleisch erwartet Schlachttiere mit möglichst hohen Mastendgewichten und niedrigem Schlachtalter. Die Schlachtkörper sollten eine große Fleischfülle, eine mittlere Fettabdeckung, einen geringen bis mittleren Fettansatz und eine ausreichende Mar-
Rindfleischproduktion
morierung (vgl. Kap. 7.6.10) aufweisen. Aus der Diskussion zu Abb. 134b ergibt sich für den Zusammenhang zwischen Alter und Gewicht der Tiere einerseits und den Kosten der Mast andererseits:
!!! Mit zunehmendem Alter und Gewicht der Masttiere | wird täglich mehr Energie für die Erhaltung der Lebensfunktionen gebraucht, | wird bei gleich bleibender Mastintensität ein immer größerer Teil des Zuwachses in Form von Fett angesetzt und deshalb mehr Energie je kg Zunahme benötigt, | werden wegen der gebündelten Wirkung der beiden vorgenannten Tendenzen der Energieaufwand und die Futterkosten je Tag und kg immer höher sowie die Futterverwertung immer ungünstiger. Andererseits verteilen sich mit zunehmendem Alter und Ausmästungsgrad die Kosten für die Aufzucht bzw. für den Ankauf des Kalbes oder Halbmasttieres auf einen größeren Verkaufserlös und belasten das einzelne kg des Mastproduktes bzw. des Zuwachses entsprechend weniger. Aus dem Gegenspiel der Kosten für die Tiere und für das Futter, auf 1 kg Mastendprodukt oder kg Zunahme bezogen, ergeben sich je nach den Preisverhältnissen zwischen beiden Faktoren unterschiedliche Zeitpunkte für den ökonomisch zweckmäßigen Abschluss der Mast.
7.5.3.4 Richtzahlen für die Energie- und Nährstoffversorgung
!!! Um die Ziele der intensiven Bullenmast – hohe Schlachtausbeute, große Fleischfülle, geringe Verfettung des Schlachtkörpers bei gleichmäßiger Marmorierung – zu erreichen, müssen Mastintensität und Endgewicht an nachstehenden Empfehlungen orientiert werden. Schwarzbunte Bullen sollten ab etwa 45 kg Lebendgewicht bei einer mittleren täglichen Zunahme von 800 g aufgezogen und im anschließenden Gewichtsabschnitt von 150 bis 550 kg mit mittleren täglichen Zunahmen von 1 100 g gemästet
399
7
7
Rinderproduktion werden. Fleckviehbullen werden nach dem Ankauf bis zum Gewicht von etwa 175 kg mit täglichen Zunahmen von 1 000 g als Fresser aufgezogen. Anschließend erfolgt die Mast bis zum Endgewicht von 625 kg mit mittleren täglichen Zunahmen von 1 200 bis 1 300 g.
Die vorgeschlagenen täglichen Zunahmen von 1 100 g bei Schwarzbunten und 1 300 g für Fleckvieh gelten jeweils als Mittelwert für die gesamte Mastperiode. Dem natürlichen Wachstumsverlauf entsprechend weichen die Zunahmen in den einzelnen Mastabschnitten deutlich von den Mittelwerten ab. Das Maximum der Zunahmen liegt im mittleren Bereich. Vorher steigen sie kontinuierlich an. Nach dem Maximum erfolgt ein Rückgang bis Mastende. Abb. 146 verdeutlicht diese Zusammenhänge. Der anzustrebende Verlauf der täglichen Zunahmen sollte bei schwarzbunten Bullen im unteren, bei Fleckviehbullen im oberen Bereich des Kurvenbandes liegen. Bei Bullen anderer Rassen oder Kreuzungen entscheidet die Masteignung darüber, ob die täglichen Zunahmen eher im oberen oder unteren Bereich des Kurvenbandes liegen sollten. Anhaltspunkte dafür liefern die Werte der Tab. 7 und 54.
Die Empfehlungen der DLG zur Versorgung von Mastrindern (Tab. 105, 106) berücksichtigen sowohl bei Energie (umsetzbare Energie ME, s. Kap. 5.2.3) und Eiweiß (Rohprotein, XP) als auch bei Mineral- und Wirkstoffen Geschlecht, Gewicht und tägliche Zunahme der Tiere. In der Energie- und Eiweißversorgung wird zusätzlich den unterschiedlichen Ansprüchen der Milch(Schwarzbunt) und Zweinutzungsrassen (Fleckvieh) Rechnung getragen. Die in den Tabellen 105 und 106 dargelegten Empfehlungen zur Versorgung von Schwarzbunten und von Fleckviehbullen mit umsetzbarer Energie sowie mit Rohprotein sind nach der mittleren täglichen Zunahme in 200 g-Schritten gestaffelt. Zwischenwerte sind durch Interpolation zu ermitteln. Die Angaben zur Energieversorgung für die schwarzbunten Bullen sind von Tieren mit geringem HF-Anteil abgeleitet. Liegt dieser Anteil höher, werden ab einer Lebendmasse von 350 kg Abschläge empfohlen, um der geänderten Körperzusammensetzung – spätere Verfettung, höheres Wachstumspotenzial – Rechnung zu tragen. Die Tabellenwerte für die Energiemenge sollten dann also um ca. 5 % (2–4 MJ ME) je Bulle und Tag gekürzt werden.
Abb. 146 Bandbreite des Verlaufs der täglichen Zunahmen von Bullen unterschiedlicher Wachstumskapazität (Intensivmast)
400
7.5
Rindfleischproduktion
Tab. 105 Richtzahlen zur täglichen Energie- und Rohproteinversorgung von Mastbullen
ME MJ
XP g
Bei Tageszunahmen von 1 000 g 1 200 g 1 400 g müssen täglich zugeführt werden ME XP ME XP ME XP MJ g MJ g MJ g
150–200
39,4
520
44,4
590
200–250
46,0
590
51,2
650
57,1
730
250–300
52,7
650
58,6
720
65,2
800
72,8
900
300–350
59,6
710
66,4
790
74,2
880
83,1
980
350–400
66,6
760
74,5
850
83,8
960
94,7
1 080
400–450
73,7
810
83,1
920
94,4
1 040
450–500
81,1
860
92,4
980
106,1
1 130
500–550
88,9
900
102,5
1 040
150–200
50,2
730
55,5
800
200–250
55,9
780
61,3
850
64,5
900
250–300
61,3
820
66,8
900
70,3
300–350
66,4
860
72,1
930
350–400
71,4
890
77,2
400–450
76,2
910
450–500
81,7
930
Lebendmasse
kg
800 g
1 600 g ME MJ
XP g
940
75,3
1 010
75,9
980
80,9
1 050
960
81,2
1 010
86,2
1 080
82,1
980
86,3
1 030
91,3
1 110
87,5
1 000
91,4
1 050
96,3
1 080
Schwarzbunte Bullen
Fleckviehbullen
500–550
82,1
900
88,2
960
94,2
1 030
550–600
87,5
940
93,9
990
100,1
1 070
600–650
93,0
990
99,6
1 020
106,1
1 110
7.5.3.5 Rationsplanung Struktur des Mastfutters | Auch das Mastrind bleibt ein Wiederkäuer, und geeignete Fütterungsmaßnahmen zur Vorbeuge von Azidose (Übersäuerung des Pansens) oder vor dem Aufblähen und zur Gewährleistung einer ausreichenden Pansentätigkeit sind zu beachten. Im Gegensatz zur Milcherzeugung braucht bei der Mast auf die von der Essigsäure des Pansens geförderte Fettsynthese keine Rücksicht genommen zu werden. Im Gegenteil, früher Fettansatz und zu viel Fett sind unerwünscht. Bei der Pansengärung darf es in der Mast durchaus zu einer
Verschiebung im C2 : C3-Verhältnis (vgl. Abb. 25) zugunsten der Propionsäure kommen. Deshalb wird ein Rohfasergehalt von 12–15 % der FutterTM für ausreichend erachtet. Zur Aufrechterhaltung der Pansenbewegungen und des Wiederkauens soll die Hälfte dieser Rohfaser strukturiert sein. Bei einem Mastgrundfutter ohne Struktur (z. B. Rübenblatt) genügen 1–2 kg Heu täglich für diese Funktion. Teigreife Maissilage hat einen guten Struktureffekt und kann daher als alleiniges Grobfutter – die Ergänzung durch etwas Stroh hat sich bewährt – eingesetzt werden. Es muss allerdings
401
7
7
Rinderproduktion
Tab. 106 Empfehlungen zur Versorgung mit Mengenelementen (g/Tag) bei unterschiedlichen täglichen Zunahmen (g) Lebendmasse kg
150–200
Calcium
Phosphor
Magnesium
Natrium
bei täglichen Zunahmen von ... g 800
1 000
31
35
1 200
1 400
1 600
800
1 000
14
16
1 200
1 400
1 600
800
1 000
6
6
1 200
1 400
1 600
800
1000
4
4
1 200
1 400
1 600
200–250
33
36
39
16
17
19
6
7
7
5
5
5
250–300
34
39
42
46
50
16
18
20
22
23
7
8
8
8
9
5
5
6
6
6
300–350
35
39
42
47
52
17
19
21
23
24
8
8
9
9
9
5
6
6
7
7
350–400
37
41
43
48
53
18
20
22
24
25
8
9
9
10
10
6
6
7
7
7
400–450
38
41
44
50
54
19
21
22
24
26
9
9
10
10
10
6
7
7
7
7
450–500
39
43
45
50
20
22
23
25
9
10
10
11
7
7
7
8
500–550
39
43
46
51
20
22
24
26
10
10
11
11
7
7
8
8
bis 600
40
44
47
21
23
24
10
11
11
7
7
8
bis 650
41
45
48
21
23
25
11
11
11
7
8
8
darauf geachtet werden, dass nicht durch zu langes und intensives Mischen eine zusätzliche Zerkleinerung der Maissilage und damit eine Zerstörung ihrer Struktur erfolgt. Bei hohem Kraftfuttereinsatz ist eine Verteilung der Gabe auf mehr als zwei Mahlzeiten und eine Zumischung von 1,5 % Natriumbikarbonat empfehlenswert. Die gleichzeitige Verabreichung von Kraftfutter und Silage über einen Futtermischwagen ist pansenfreundlicher als getrennte Verfütterung der Rationsbestandteile. Mineralstoffversorgung | Wie aus Abb. 145b hervorgeht, liegt der Schwerpunkt des Ansatzes von Mineralstoffen in den ersten zwei Dritteln der Mastzeit. Dem ist durch Mineralfuttergaben je nach dem Gehalt des Grundfutters Rechnung zu tragen, besonders dringlich bei mineralstoffarmem Mais. Meistens sind Ca-reiche Mineralfutter angebracht, die auch Spurenelemente und die fettlöslichen Vitamine A, D und E enthalten. Mais ist besonders arm an Mangan, weshalb auf dessen Ergänzung besonders zu achten ist. Die in den Tab. 67 und 68 empfohlenen Spurenelement- und Vitamingehalte im Mineralfutter treffen auch für die Bullenmast zu. Durch kombinierten Einsatz können Nachteile verschiedener Grundfutterarten abgemildert
402
oder aufgehoben werden. So kann Rübenblattsilage gut mit Silomais verabreicht werden. Es ist dabei ratsam, beide Futterarten am gleichen Tag, am besten zu jeder Mahlzeit zu verabreichen. Jeder Futterwechsel kostet Zunahmen und verlängert die Mastdauer. Es ist deshalb auch nicht zu empfehlen, im Herbst zwischen Grünmais und Silomais hin und her zu pendeln oder die Speisekarte für Mastbullen durch gelegentliche Einlagen von Herbstzwischenfrüchten auflockern zu wollen. Ebenso wichtig wie die energetische ist auch die hygienische Seite der Fütterung. Mit zweitklassigen Grundfutterqualitäten (schimmelnd, faulend, verschmutzt) oder mit minderwertig gewordenem Kraftfutter lässt sich keine Mast von Jungbullen betreiben, denn sie verweigern dann einfach die Futteraufnahme. Das Futter sollte zur freien Aufnahme kontinuierlich angeboten werden. Einmal täglich sind Futterreste zu entfernen. Die Masttiere müssen freien Zugang zum Wasser haben; die Tränkebecken sind regelmäßig zu säubern. Auf andere Fragen der Fütterungstechnik wurde schon im Abschnitt „Struktur des Mastfutters“ eingegangen. Rationen mit Maissilage | Die Gehaltswerte der für Maissilagerationen ausgewählten Futter-
7.5 mittel sind in Tab. 107 niedergelegt. Teigreife Maissilage mit hohen Kolbenanteilen ist als das typische Mastfuttermittel anzusehen. Das gilt besonders für die Intensivmast von Fleckviehbullen. Tab. 108 enthält hierzu einen Futterplan auf der Grundlage einer freien Aufnahme von Maissilage. Auch wird vorausgesetzt, dass es dem Mäster gelingt, eine so gute Silage zu gewinnen, dass sie von den Bullen gern aufgenommen wird (s. 2.3.2.7). Für die dargestellte, auf 1 300 g Zunahme ausgerichtete Ration wurde eine sehr körnerreiche Maissilage unterstellt. Die Grobfutterergänzung kann auch durch Rindermastfutter vorgenommen werden, das ebenfalls die Versorgung mit Mineralstoffen gewährleisten muss. Dem im Verlauf der Mast abnehmenden Bedarf an Rohpro-
Rindfleischproduktion
tein kann durch Wechsel des Mischfuttertyps (RMF 20/3 anstelle von 25/3) entsprochen werden. Bei Mast von Fleckviehbullen kann das angestrebte hohe Zunahmenniveau bei häufig unbefriedigender Futteraufnahme nur erreicht werden, wenn die Energiekonzentration in der Futtertrockenmasse so hoch wie möglich ausgerichtet wird. Daraus resultieren relativ stärkereiche Rationen, wobei der Stärkequelle große Bedeutung zukommt. Stärke aus Mais wird hier im Gegensatz zu Getreidestärke nur teilweise im Pansen abgebaut und führt deshalb zu einem günstigeren pH-Wertniveau für die Mikroorganismen (vgl. 6.3.1.7). In der Endmast, wenn z. T. die Kraftfuttergaben auf bis zu 4 kg je Tier und Tag gesteigert werden, hat sich deshalb Körnermais sehr
Tab. 107 Gehalte der in den Futterplänen eingesetzten Futtermittel Futtermittel
TM
Rohprotein
Rohfaser
Umsetzbare Energie MJ/kg TM
Calcium
Phosphor
g/kg
g/kg TM
g/kg TM
g/kg TM
g/kg TM
Grassilage
350
160
260
10,0
6,0
3,7
Maissilage I
300
88
212
10,5
2,6
2,4
Maissilage II
350
83
180
11,0
2,7
2,5
Weizen
880
138
20
13,5
0,7
3,8
Sojaextraktionsschrot
880
510
67
13,7
3,4
7,3
7
Tab. 108 Futterplan für die Mast von Fleckviehbullen mit Maissilage II (35 % TM), Weizen und Sojaextraktionsschrot LM-Bereich von bis
Futterwoche
kg
Zuwachs/ TM-Auf- tägliche Futtermengen Tag nahme/ g/Tag* Maissilage Weizen Sojaschrot g kg kg kg kg
Umsetzbare Energie (ME)
Rohprotein (XP)
MJ
g
175–250
1.–10.
1 150
4,7
8
1,0
1,1
56
850
250–350
11.–21.
1 250
6,1
11,5
1,1
1,1
71
960
350–450
22.–30.
1 550
7,6
16
1,0
1,2
88
1 120
450–550
31.–40.
1 400
8,2
17
1,5
1,0
95
1 120
550–625
41.–49.
1 200
8,9
18
1,9
0,9
103
1 150
Gesamt
49
1 310
2 430
4 810
440,9
370
28 220
356 kg
* 100 bis 120 g Mineralfutter mit 25 % Ca, 4 % P, 8 % Na sind in der TM-Aufnahme brücksichtigt Quelle: DLG, 1997
403
7
Rinderproduktion qualitäten rechnen müssen oder wenig Fläche für Silomais verwenden können oder wollen (Bodenerosion!). Anstelle von Grassilage eignen sich auch Pressschnitzelsilage, Schlempe und Biertrebersilage gut als Ergänzungsfutter.
bewährt. Wenn die gleiche Kraftfuttermenge als Weizen verabreicht wird, führt dies zu einem wesentlich geringeren Grobfutterverzehr, so dass insgesamt durch diese Maßnahme kein nennenswerter Energiegewinn erzielt wird. Es fehlt deshalb auch nicht an Bemühungen, bereits in der Maissilage die Energiedichte zu erhöhen (vgl. 6.3.1.7). Dies ist einmal durch „Hochschnitt“ möglich, wenn die Stoppellänge ca. 50 cm beträgt. Ein weiteres Verfahren ist die „Pflück-Häckselsilage“. Hier werden jeweils zwei Einzugsreihen eines vier- oder sechsreihigen Maishäckslers gegen Pflückeinheiten ausgetauscht, so dass wahlweise zu zwei Pflückreihen (nur Kolben) 2, 3 oder 4 zusätzliche Maisreihen (Ganzpflanzen) hinzugehäckselt werden. Je nach der Relation Pflückreihen zu Häckselreihen kann die Energiekonzentration in dieser Pflück-Häckselsilage gegenüber normaler Maissilage um bis zu 10 % erhöht werden. Ähnliche Effekte lassen sich auch durch Beimischung von CCM oder Lieschkolbenschrot erzielen. Tab. 109 enthält eine Beispielsration für Schwarzbunte (HF-Typ) Bullen. Dabei ist eine mittlere tägliche Zunahme von 1 100 g unterstellt. Maissilage wird hierbei kombiniert mit Grassilage verabreicht, um die mögliche Bandbreite der Futtergrundlage zu zeigen. Zu empfehlen ist eine derartige Ration vor allem für Betriebe, die häufiger mit geringeren Maissilage-
7.5.4 Ochsenmast Kastrierte männliche Kälber entwickeln sich bis zu einem Gewicht von 200 kg so ähnlich wie die unkastrierten. Dann beginnt bei ihnen eine stärkere Fetteinlagerung. Das bedeutet, dass Ochsen für gleiche Gewichtszunahmen mehr Futter brauchen als Bullen, bzw. bei gleichem Futterverzehr niedrigere Tageszunahmen erzielen und stärker verfetten. Ochsen besitzen also ein Wachstumsvermögen, das zwischen Bullen und Färsen liegt (Tab. 110). Die niedrigeren Zunahmen gehen auf ein verringertes Muskelwachstum in Verbindung mit einem höheren Fettansatz zurück. Das führt zu einer vermehrten Fetteinlagerung und ist ein Teil der Erklärung dafür, dass Ochsenfleisch gemeinhin mit den Attributen saftig, feinfaserig, aromatisch und zart belegt wird. Die geringere Wachstumskapazität der Ochsen und ihr kastrationsbedingt ruhigeres Verhalten führen im Vergleich zu Bullen zu geringeren Ansprüchen an Fütterung und Haltung. Sie können
Tab. 109 Futterplan für die Mast Schwarzbunter Bullen Maissilage I, Grassilage mittel, Weizen, Sojaextraktionsschrot LM-Bereich von bis
Futter- Zuwachs/ TM-Auf- tägliche Futtermengen woche Tag nahme/ g/Tag*
kg
g
Maissilage kg
kg
Grassilage kg
Weizen kg
Umsetz- Rohprotein bare Ener(XP) gie (ME) Sojaschrot kg
MJ
g
150–250
1.–13. 1 100
4,6
4,5
4
1,6
0,4
52
710
250–350
14.–25. 1 200
6,4
7,5
6,5
1,8
0,2
70
870
350–450
26.–37. 1 150
7,7
9,5
8
2,0
84
960
450–550
38.–52. 1 000
8,7
11
9
2,5
96
1 090
Gesamt
52
2 960
2 500
1 110
2 490
730
50
27 460
330 kg
*60 bis 90 g Mineralfutter pro Tag mit 25 % Ca, 3 % P, 8 % Na sind in der TM-Aufnahme brücksichtigt Quelle: DLG, 1997
404
7.5
Rindfleischproduktion
Tab. 110 Unterschiede bei den Schlachtkörpern von Jungbullen, Ochsen und Färsen (Fleckvieh) Jungbullen
Ochsen
Färsen
Merkmal Mastendgewicht kg
633
615
482
Schlachtgewicht kg
383
364
277
1 095
976
919
Tageszunahmen (ab 200 kg) g Schlachtkörperzusammensetzung in Prozent Muskelfleisch
67,9
59,9
62,0
Fettgewebe
12,2
21,0
19,3
Knochen
14,4
14,0
14,2
Fettgewebeanteil von Teilstücken wie gewachsen in Prozent zum Braten (Roastbeef, Filet)
11,0
20,5
18,4
zum Kochen (Brust, Spannrippe)
21,7
34,6
32,8
zur Verarbeitung (Dünnungen)
24,6
40,4
38,4
meist vom Grünland sowohl in Bezug auf den Aufwuchs wie hinsichtlich der Anforderungen an die Umzäunung abgedeckt werden. In der Weidephase sind Zunahmen von etwa 600–700 g möglich, während der Stallperiode auf der Grundlage von Grassilage und Kraftfutter solche von 1 000–1 100 g bis zu Endgewichten von etwa 600 kg. Rassen mit hohem Wachstumsvermögen, wie z. B. Fleckvieh, lassen eine intensivere Ochsenmast auch mit Maissilage zu. Obwohl Ochsen in ihrer Fleischqualität den Bullen überlegen sind, reichen sie durch ihre geringeren sonstigen Leistungen in der Wirtschaftlichkeit der Mast nicht an die Bullen heran. Das könnte sich nur ändern, wenn die Verkaufspreise wenigstens 10 bis 20 % über denen der Bullen lägen. Die Zahlen der Tab. 101 zeigen für Deutschland ein anderes Bild. Das schließt nicht aus, dass unter besonderen Bedingungen, z. B. bei Direktvermarktung oder bei entsprechender Gestaltung der EU-Prämien auch Ochsen mit Gewinn zu mästen sind.
7.5.5
Mast weiblicher Rinder
Auch bei der Mast weiblicher Rinder kennen wir zahlreiche Varianten, die sich aber in drei Gruppen zusammenfassen lassen:
!!! Mast ungedeckter weiblicher Rinder etwa ab 3. Lebensmonat bis zum Alter von ca. 18 bis 22 Monaten und Endgewichten von 380 bis 500 kg (Färsen- bzw. Kalbinnenmast). | Mast weiblicher Rinder bis zu einem Alter von ca. 24 bis 30 Monaten (450–550 kg) mit einmaliger Kalbung vor der Schlachtung (Färsenvornutzung, verlängerte Färsenmast). | Mast von Altkühen Von der Jungbullenmast unterscheidet sich die Mast weiblicher Jungrinder vor allem durch folgende Vorzüge: | Weibliche Kälber kosten etwa 30 % weniger als Bullenkälber. | Färsen stellen geringere Ansprüche an Klima, Gebäude und Weideeinrichtungen. | Färsen stellen geringere Anforderungen an die Energiekonzentration im Futter und ermöglichen daher eine sinnvolle Verwertung von Grünland. | Färsenfleisch hat eine höhere Qualität als Bullenfleisch (Zartheit, Saftigkeit, Aroma). Die Mast von Färsen ist gegenüber der Mast von Bullen aber beeinträchtigt durch: | geringere Wachstumskapazität, daher erhöhte Gefahr der Verfettung, |
405
7
7
Rinderproduktion niedrigere Tageszunahmen bei gegebener Mastintensität, | höherer Energieaufwand je kg Zunahme und dadurch | höhere Futterkosten, | niedrigere Schlachterlöse je kg. |
7.5.5.1 Färsenmast Bei der Mast ungedeckter Rinder ist es wichtig, die Mast zu beenden, bevor eine über die Verarbeiterwünsche hinausgehende Fetteinlagerung zu Preisabschlägen führt. Die meisten Färsen milchbetonter Zweinutzungsrassen dürfen ein Endgewicht von 400–450 kg erreichen, die des fleischbetonten Zweinutzungstyps oder Kreuzungstiere noch bis zu 50 kg mehr. Bei durchschnittlichen Tageszunahmen von 700–800 g im 1. Jahr und 700–850 g in der Endmast werden diese Mastendgewichte von Herbstkälbern nach 17–21 Monaten im Sommer erreicht. Eine Endmast im Stall mit Winter- und Frühjahrskälbern, die beim Weideabtrieb im zweiten Jahr noch nicht schlachtreif sind, erscheint nur bei einer verhaltenen Fütterung auf ca. 350–400 g im ersten Winter auf der Basis von Grobfutter sinnvoll. Für den Energiebedarf der Färsen können die Zahlen lt. Tab. 111 zugrunde gelegt werden. Für den Eiweiß- und Mineralstoffbedarf können die Werte der Tab. 105 und 106 übernommen Tab. 111 Richtzahlen für den Energiebedarf in der Färsenmast Lebendgewicht kg
Energiebedarf bei täglichen Zunahmen von 600 g 800 g
150
32,3
36,0
200
39,6
44,3
250
46,7
52,6
300
53,6
60,8
350
60,5
69,1
400
67,3
77,5
450
74,2
86,0
500
81,0
94,5
406
werden. Die Aufnahme an Futter-TM dürfte in der Regel an der oberen Grenze der Daten dieser Tabellen liegen, weil die Mastfärsen meist älter sind als Bullen gleichen Gewichts. Die Mast vorgenutzter Färsen kann durch das zusätzliche Kalb unter besonderen Bedingungen zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen führen als die Färsenmast. Eine der Voraussetzungen ist ein möglichst geringer Preisunterschied zwischen Färsen und Kühen bei der Schlachtung, weil die vorgenutzten Färsen nach der Handelsklassenverordnung als „Kühe“ eingestuft werden. Wenn dennoch nach diesem Verfahren Rindfleisch erzeugt werden soll, ist anzustreben, die zur Vornutzung bestimmten weiblichen Rinder frühzeitig, also im Alter von 13 bis 15 Monaten mit einem Gewicht von rund 300 kg zu belegen. Werden diese Tiere so ernährt, dass sie im Durchschnitt der Trächtigkeit tägliche Zunahmen von 600 bis 700 g erreichen – wofür die Richtzahlen der Tab. 109 eine Orientierungshilfe bieten –, dient die zugeführte Futterenergie vorwiegend der Fleischbildung (einschließlich der Vergrößerung der Gebärmutter, des Wachstums der Fruchthäute und des Fötus). Es wird weniger Fett als bei gleichaltrigen ungedeckten Färsen eingelagert. Andererseits wird die Energiebilanz belastet durch den Abgang der Nachgeburt, durch die Rückbildung der Gebärmutter und durch den erhöhten Erhaltungsaufwand wegen der längeren Haltung. Die Färsenvornutzung bringt also eine noch ungünstigere Futterverwertung als die Färsenmast und muss demnach erst recht mit sehr billigem Grobfutter und wenig Kraftfutter auskommen.
7.5.5.2 Mast von Altkühen Mehr als 1/3 aller Schlachtrinder in Deutschland sind „Kühe“ (vgl. Tab. 101), von denen die Mehrzahl nach Ende ihrer Milchnutzung, das heißt oftmals mager und schlecht bemuskelt, zur Schlachtung gelangt. Zahlreiche Untersuchungen belegen aber, dass auch Kühe hochwertige Schlachtkörper liefern können. Das trifft vor allem für die Produkte der Mutterkuhhaltung und für die fleischreicheren Zweinutzungsrassen wie z. B. Fleckvieh, zu und wird durch die dafür in an-
7.5 deren Ländern (Italien, Frankreich) gezahlten hohen Preise unterstrichen. Deshalb kann die Ausmast von Altkühen durchaus wirtschaftlich interessant sein. Mastleistung und Schlachtkörperwert der Kühe werden entscheidend von Rasse, Alter bei Schlachtung und Behandlung vor der Schlachtung geprägt. Bei Endgewichten von etwa 450kg (Galloway) über 750 kg (Fleckvieh, Holstein) bis um 1 000 kg (Charolais) und mittlerer Schlachtausbeute von 50–60 % sind durchschnittliche Klassifizierungswerte von 2,7–3,7 in der Handelsklasse und im Verfettungsgrad zu erwarten (R3–O4). Der Anteil wertvoller Teilstücke schwankt je nach Rasse zwischen 58 und 62 %. Für eine wirtschaftliche Ausmast eignen sich nur klinisch gesunde Altkühe der großrahmigen Rassen, die z. B. aufgrund unzureichender Fruchtbarkeit oder Milchleistung aus der Produktion ausscheiden. Für die Ausmast müssen im Betrieb ausreichend Platz, Futtervorräte und freie Arbeitskapazität zur Verfügung stehen, möglichst im Frühjahr, um die erfahrungsgemäß höheren Schlachtviehpreise im Sommer nutzen zu können. Mastdauer und -intensität werden vom Ausgangsgewicht der Kühe und der zu erwartenden besseren Einstufung am Ende der Mast bestimmt. Je niedriger das Gewicht bei Mastbeginn um so länger kann in der Regel gemästet werden, bei Zunahmen von mindestens 1 100 g. Zeitspannen von 30 Tagen bei höherem Ausgangsgewicht bis 120 Tagen und mehr können sinnvoll sein. Der Energiegehalt der Ration sollte einer Leistung von 18–20 kg Milch entsprechen, der Rohproteingehalt der Gesamtration nicht unter 12 % der TM betragen. Ausmast auf der Weide ist ebenfalls möglich.
7.5.6 Haltungsbedingungen für Jungund Mastvieh Nach der Tränkeperiode sollen Jungvieh und Mastrinder kostengünstig gehalten werden können und wenig Arbeit verursachen. Ob Neubauten vor diesem Hintergrund gerechtfertigt sind, muss einzelbetrieblich entschieden werden. Als Alternative ist daran zu denken, die vorhandenen Gebäude zweckentsprechend einzurichten.
Rindfleischproduktion
Aufzuchtrinder werden zweckmäßigerweise so aufgestallt, wie es für sie in ihrer späteren Nutzung als Milchkühe vorgesehen ist. Das bedeutet in den meisten Fällen Außenklimastall mit Liegeboxen. Sie können als Hochboxen mit weichen Matten oder besser als eingestreute Tiefboxen ausgestaltet sein. Abhängig vom Aufstallalter müssen zwischen zwei und vier Abteile mit dem Alter angepassten Buchtenmaßen vorhanden sein. Die Maße beginnen bei 0,8 m Breite und 1,5 m Länge für vier bis sechs Monate alte Tiere. Im Alter von 18 Monaten betragen die Vergleichsgrößen 1,10 und 2,20 m. Diese Zahlen gelten bei gegenüberliegender Anordnung der Buchten, bei wandständiger Anordnung sind 20 cm mehr Länge erforderlich. Die Liegeboxen können kammförmig oder in Reihen angeordnet werden. Ausschlaggebend sind der verfügbare Platz und das Fütterungsmanagement. Geringerer Platzbedarf und TMR-Fütterung sprechen für die Kammform. Bei beiden Stallformen müssen die Tiere jederzeit Zugang zu ausreichend frischem Wasser haben. Rinder können ab einem Alter von vier Monaten in Aufzuchtställen gehalten werden. Im zweiten Halbjahr sollten sie an die Liegeboxen gewöhnt werden. Im zweiten Lebensjahr können sie, sofern notwendig, auf Vollspalten gehalten werden ohne dadurch zu Spaltenliegern zu werden. Auch für Mastbullen kommen in spezialisierten Betrieben nur noch Laufställe in Betracht. Um hierbei nicht nur den Ansprüchen der Tiere zu genügen, sondern auch hohe Zunahmen zu erzielen und den Arbeitsaufwand zu minimieren, muss dafür gesorgt werden, dass wenig Unruhe im Stall herrscht und kein Tier der Mastgruppe bei der Futteraufnahme behindert wird. Das gelingt am ehesten, wenn sich die Bullenkälber von der Aufzucht her kennen. Sobald eine Mastgruppe (von rund 10 Bullenkälbern möglichst gleichen Gewichts) zusammengesetzt worden ist, darf nachträglich kein fremdes Tier mehr eingegliedert werden. Frühzeitiges Enthornen ist notwendig. Hautparasiten, selbstverständlich auch Eingeweideschmarotzer, müssen mit entsprechenden Präparaten behandelt werden. Auch für Gruppenhaltung von Mastbullen haben sich in Laufställen Spaltenböden durchgesetzt. Eingestreute Laufställe bilden eher die Ausnahme. In Ackerbauregionen stellen eingestreute
407
7
7
Rinderproduktion
Tretmistställe jedoch eine tiergerechte Alternative dar, die trotz höherer Ansprüche an die Arbeitswirtschaft und Technisierung (Mistkette) zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der Strohbedarf ist geringer als bei Tieflaufställen mit Festmistbereitung. Der Liegeplatz wird mit Gefälle zum Fressplatz hin angelegt (5–10 %), damit die Tiere Kot und Einstreu (1–2 kg Strohhäcksel je GV und Tag) selbst zum Fressplatz befördern, wo die Entmistung erfolgt. Spaltenbodenställe (Abb. 147) können unterschiedlich ausgeprägt sein. In jedem Fall müssen sie dem Raumbedarf der Tiere gerecht werden. (vgl. Tab. 112). Gebräuchlich sind vor allem die Zwei-Flächen-Bucht mit eingestreuter Liegefläche und einem plan befestigten oder als Spaltenboden ausgebildeten Fressplatz sowie der Vollspaltenstall. In Ställen mit mehreren Mastgruppen sollten die Trennwände verstellbar sein, und es sollte ein Treibgang von nicht mehr als 80 cm Breite (um das Umdrehen der Tiere zu verhindern) hinter den Buchten vorgesehen werden. der zum Behandlungsstand, zur Waage und zur Verladerampe führt und das meistens ein- bis zweimal erforderliche Umbuchten erleichtert. Als Fressgitter eignen sich für Mastbullen vor allem einfache Nackenriegel aus Stahlrohr. Besondere Anforderungen sind an die Fertigungsqualität der Spaltenelemente zu stellen. Bewährt haben sich Doppelbalken oder Flächenelemente. Eine Besonderheit bilden teilgummierte Spaltenbodenelemente mit besonderen Vorteilen für die Stand- und Trittsicherheit der Tiere. Abschließend sei unter Bezug auf Kap. 4.5.2 daran erinnert, dass alle Aufstallungen den gesetz-
lichen Vorschriften zum Tierschutz entsprechen und die Haltungsverordnungen beachtet werden müssen. Dabei gelten für Rinder im Gegensatz zu den genaueren Anforderungen bei Kälbern eher nur die allgemeinen Tierschutzanforderungen aus der Nutztierhaltungsverordnung und aus der europäischen Übereinkunft zum Schutz von Tieren in der Landwirtschaft. Vom ökologischen Landbau fordert eine EG-Verordnung zusätzlich die Haltung der Rinder im Laufstall (Anbindung noch bis 2010 möglich) mit nicht perforierten eingestreuten Liegeflächen bei ungehindertem Zugang zu Tränken und Futterstellen, einer natürlichen Belüftung und Tageslichteinfall. Jedem Tier muss in Abhängigkeit vom Gewicht eine Mindestfläche (z. B. 6 m2 bei über 350 kg Gewicht und 1m2 pro 100 kg bei über 500 kg Gewicht) zur Verfügung stehen. Ebenso ist Weidegang unter bestimmten Voraussetzungen vorgeschrieben.
7.5.7
Vermarktung von Mastrindern
In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich mehr als 4 Millionen Rinder und Kälber zu gewerblichen Zwecken geschlachtet. Etwa drei Viertel dieser Tiere werden von Versandschlachtereien und Fleischwarenfabriken vermarktet. Abrechnungsgrundlage sind dabei Schlachtgewicht und Handelsklasse der Fleischvermarktung. Dem Absatz vom Erzeuger zum Metzger kommt also nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu, die Lebendvermarktung ist mit einem Anteil von unter einem Prozent bedeutungslos geworden. Die Vermarktung von Tieren Abb. 147 Ausgeglichene Mastgruppe im Spaltenbodenlaufstall (Werkfoto: Schmidt-Ankum)
408
7.5 Tab. 112 Raumbedarf für Jung- und Mastvieh Lebendmasse (kg) 200 bis 350 bis 600 Liegefläche pro Tier (qm)* 1,5–1,9
2,2–2,8
Liegeplatztiefe (m)
2,8–5,0
3,2–6,0
Fressplatztiefe (m)**
1,8–2,2
2,0–2,5
Fressplatzbreite pro Tier (cm)
55
70
* Die niedrigeren Werte gelten für Mastvieh und für Jungvieh mit ständiger Auslaufmöglichkeit ** Die niedrigeren Werte gelten für Fressplätze ohne Abgrenzung zur Liegefläche Quelle: ALB Hessen, 1993 im Direktverkehr zwischen Erzeuger und Endverbraucher weist demgegenüber eine positive Entwicklung auf. Schlachtbetriebe, die wöchentlich mehr als 30 Rinder schlachten, müssen ihre Preise für die amtliche Preisnotierung melden. Beim Studium dieser Marktnotierungen sollte jeder Landwirt bedenken, dass zwischen Marktpreis und AbHof-Preis beträchtliche Differenzen bestehen. Das Ausmaß des Unterschiedes hängt vor allem ab von der Entfernung vom Markt und der damit verbundenen unterschiedlichen Transportkostenbelastung sowie von dem dadurch ebenfalls beeinflussten Gewichtsverlust des Tieres bis zum Schlachten (5 % oder mehr). Es gibt auch Unterschiede in den Vermarktungskosten (Schlachthofgebühren, Provisionen für Ankäufe und Agentur, Versicherungsprämien, Löhne usw.). Auch die Metzger orientieren sich an den amtlichen Marktnotierungen und bieten in der Regel einen Preis an, der um die erwarteten Vermarktungskosten vermindert ist. Schwieriger ist der Preisvergleich dieser beiden Verkaufswege mit Abrechnungen der Versandschlachtereien, die nicht das Lebend-, sondern das Schlachtgewicht zugrunde legen. Vor der Bestimmung des Schlachtgewichtes (Warmgewicht) werden vom geschlachteten, enthäuteten und ausgeweideten Tier Kopf, Füße und männliche Geschlechtsorgane bzw. Euter ab- oder herausgeschnitten. Seit Einführung einer EU-einheitlichen Regelung am 1.1.1983 zählen zu den Abschnitten auch Schwanz, Nieren,
Rindfleischproduktion
Zwerchfell mit Zwerchfellpfeiler (Nierenzapfen) und verschiedene Fettpartien (Beckenhöhlenfett, Nierenfett, Euter- bzw. Sackfett, Halsfett). Zu den Abschnitten zählt seit Einführung der Schutzmaßnahmen vor BSE im Jahr 2000 das spezifizierte Risikomaterial (SMR). Es umfasst je nach Tierart und Alter unter anderem den Schädel einschließlich Gehirn und Augen. das Rückenmark, die Eingeweide und bei über 30 Monate alten Rindern auch die Wirbelsäule. Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft, Fleischforschung Kulmbach, kann das Risikomaterial 11–12 % des Schlachtkörpergewichts ausmachen. Handelsklassen für Schlachtrinder und Rindfleisch | Das Vieh- und Fleischgesetz von 1951 verpflichtet zusammen mit seinen Durchführungsverordnungen die Lebendviehmärkte sowie die Versandschlachtereien zur Klassifizierung und Notierung. Auf den Lebendviehmärkten werden die aufgetriebenen Tiere vor Marktbeginn durch eine aus Vertretern der Erzeuger, des Viehhandels (oder der Genossenschaften) und der Käufer zusammengesetzten Kommission geheim nach Handelsklassen eingestuft und registriert. Dabei bedienen sie sich der so genannten Fleischergriffe (Lendengriff und Kniefaltengriff zum Abtasten des Fleischansatzes, Schwanz-, Dünnungsgriff usw. zur Beurteilung der Fettauflage). Erst nach Schluss des Marktes, auf dem die Marktpartner – unabhängig von der Klassifizierung der Kommission – ihre Preise aushandeln, wird die Handelsklasseneinstufung der verkauften Tiere zur Aufstellung der Notierungsliste von der Marktverwaltung herangezogen. Dagegen erfolgt auf den Fleischmärkten die Klassifizierung unmittelbar nach dem Schlachten durch einen von der zuständigen Landesbehörde bestellten Sachverständigen. Das Ergebnis der Klassifizierung muss unverschlüsselt, unverwischbar und deutlich sichtbar auf allen Vierteln des Schlachtkörpers angebracht werden. Der zwischen Käufer und Erzeuger meist vorher vereinbarte Preis muss der für die Marktberichterstattung zuständigen amtlichen Stelle gemeldet werden (Erzeugerpreis frei Schlachtstätte je kg Schlachtgewicht, ohne Mehrwertsteuer, zuzüglich der evtl. vom Käufer übernommenen Kosten
409
7
7
Rinderproduktion
Tab. 113 Vergleich der Klassifizierungskriterien von Jungbullen zwischen Lebend- und Geschlachtetvermarktung Lebendvermarktung Gattung
Handelsklasse
Kategorie
Fleischvermarktung FleischigFettgewebekeitsklasse klasse**
Jungbullen (noch nicht ausgezahnt)
Jungbullenfleisch JB Fleisch von ausgewachsenen jungen männlichen, nichtkastrierten Tieren
Beste: Volle Bemuskelung, höchster Schlachtwert – Ausschlachtung mindestens 55 % (kalt)
A
Alle Profile konvex bis superkonvex; außergewöhnliche Muskelfülle*
E
Gute: Gute Bemuskelung – qualitativ hochwertig, aber nur 50–52 % Ausschlachtung oder mittlere Qualität bei mehr als 55 % Ausschlachtung
B
Profile insgesamt konvex, sehr gute Muskelfülle
U
Profile insgesamt geradlinig; gute Muskelfülle
R
Profile geradlinig bis konkav; geringe Muskelfülle
O
Alle Profile konkav bis sehr konkav; geringe Muskelfülle
P
Geringe: Schwächere Bemuskelung
C
1 keine bis sehr geringe Fettabdeckung
2 leicht 3 mittlere 4 starke
5 sehr starke Fettabdeckung
* Die Beschreibungen der verschiedenen Fleischigkeitsklassen werden ergänzt durch Bestimmungen über Rücken, Hüfte und Schulter ** Die Beschreibungen der Fettgewebsklassen und die ergänzenden Bestimmungen befassen sich außer mit der äußeren Fettabdeckung vor allem mit der unterschiedlichen Ablagerung von Fettgewebe in der Brusthöhle und zwischen den Rippen wie Erfassungsprovision, Transportversicherung, Transportkosten, Wiegegeld, abzüglich der Schlachtungskosten). In beiden Klassifizierungssystemen werden die Tiere nach Geschlecht und Alter bzw. Reifegrad vorsortiert und dann aufgrund ihres voraussichtlichen bzw. (auf Fleischmärkten) erkennbaren Schlachtwerts in Handelsklassen eingeteilt. Am Beispiel der wichtigsten Gruppe des Angebots, der Jungbullen, werden in der Tab. 113 die Begriffe und Kategorien für die Einstufung erläutert und beide Systeme einander gegenübergestellt. Aus Platzgründen muss auf die Wiedergabe der übrigen Einzelheiten verzichtet werden. (Ausführliche Beschreibungen der Handelsklassen finden sich in dem AID-Heft 1128/2004; s. Abb. 148).
410
Bei der Klassifizierung auf Lebendmärkten können Bullen, Ochsen, Färsen und Kühe (sowie Kälber) unterschieden und in die Handelsklassen A, B, C und D eingestuft werden. In den Marktberichten der Fachzeitschriften werden in der Regel nur die Notierungen der wichtigsten, mit einer gewissen Zahl von Tieren besetzten Klassen veröffentlicht. Für Preisdaten auf Bundesebene wird der Durchschnitt aus den Notierungen der größten Schlachtviehmärkte herangezogen. Bei der Geschlachtetvermarktung gilt seit 1983 das auf der Grundlage des EU-Schemas aufgebaute Handelsklassenschema. Es unterscheidet 7 Kategorien: Kalbfleisch, Jungrindfleisch, Jungbullenfleisch, Bullenfleisch, Ochsenfleisch, Kuhfleisch und Färsenfleisch. Nach der Fleischigkeit werden die Schlachtkörper in die Klassen von E
7.5
Abb. 148 2004
Rindfleischproduktion
Profile der Keule und Schnitt durch den Rückenmuskel (untere Reihe) nach AID-Heft 1128/
(vorzüglich) über U, R, O-P (gering) eingestuft (Tab. 113). Bei der Verfettung kennt das System die Klassen 1 (sehr gering) bis 5 (sehr stark). Das Gros der Schlachtkörper findet sich in den Fettklassen 2 und 3. Tab. 114 zeigt, wie die 2002 nach Schlachtgewicht abgerechneten Schlachtrinder eingestuft wurden. Bei der Vermarktung der Rinder ist seit dem Jahr 2000 die Etikettierung des Rindfleisches verbindlich vorgeschrieben. Grundlage ist die Verordnung 1760/2000 der EU und das darauf basierende Etikettierungsgesetz. Rindfleisch muss danach so etikettiert werden, dass die Herkunft des Fleisches bis zu seinem Ursprung (z. B. Mastbetrieb) zurückverfolgt werden kann. Ergänzende, auf eine besondere Qualität des Fleisches hinweisende Angaben (z. B. zur Rasse oder Herkunftsregion) müssen im Rahmen eines zertifizierten Etikettierungssystems ausgelobt werden. Die Maßnahmen erleichtern die Kontrolle von Tierseuchen und sollen gewährleisten, dass dem Verbraucher einwandfreies Rindfleisch zum Kauf angeboten wird. Die Einhaltung der Etikettierungsbestimmungen wird durch stichprobenartige Kontrollen im Rahmen von anerkannten Eti-
kettierungssystemen durch neutrale Kontrollstellen überwacht. Qualität von Rindfleisch | Sie wird traditionell als Produktqualität verstanden und z. B. in Bezug zu Geschmack, Aussehen und Gesundheitswert gesetzt. Die verschiedenen Skandale im Fleischsektor und der damit verbundene Vertrauensverlust der Verbraucher in die Sicherheit und Qualität von Fleischerzeugnissen haben jedoch zu einem Wertewandel geführt. Dabei tritt zunehmend die Prozessqualität in den Blickpunkt. Wichtige Faktoren sind dazu Fütterung, Umweltverträglichkeit der Erzeugung, Tierschutz und Tiergesundheit sowie Transparenz und Umweltverträglichkeit. Die Nachfrage nach Qualitätsprodukten im traditionellen Sinn hat letztlich den Erfolg der Versandschlachtereien in der Vergangenheit verursacht. Sie allein können den wechselnden Bedarf der Verarbeitungsbetriebe hinsichtlich Mengen, Teilstücken und Kategorien abdecken. Bei der Schnittführung gibt es regionale Besonderheiten. Bei Schlachttierausstellungen und bei wissenschaftlichen Untersuchungen, beispiels-
411
7
7
Rinderproduktion
Tab. 114 Anteile der Handelsklassen (2002 in %) bei den über Versandschlachtereien vermarkteten Rindern (ohne Bullen und Ochsen), ZMP 2003 Kategorie
Fleischhandelsklasse E U R
O
Jungbullen
3,5
26,5
33,2
32,2
4,8
42,1
Kühe
1,6
6,8
19,3
47,8
24,5
44,6
Färsen
2,3
15,1
36,9
38,1
7,6
11,9
Rinder ges.
2,5
16,3
27,5
40,2
14,1
98,0
weise in Mastprüfungsanstalten, erfolgt die Schnittführung einheitlich nach dem DLGSchema (Abb. 149). Bei der Einstufung der Teilstücke als wertvoll oder weniger wertvoll werden einmal Unterschiede in der Zartheit und Saftigkeit der betreffenden Muskelpartien berücksichtigt (Lenden- und Beckenmuskulatur beispielsweise zarter als Hals- oder Gliedmaßenmuskulatur), zum anderen praktische Gesichtspunkte des Zerlegens: wertvolle kompakte, sehnenarme und knochenfreie Fleischmassen an Lende und Keule, davon zum Kurzbraten und Grillen besonders begehrt aus der Lende das Filet und das Roastbeef, von der Keule die Hüfte (auch dickes Roastbeef genannt). Die übrigen Partien
Abb. 149 DLG-Schnittführung und Teilstückbezeichnung am Rinderschlachtkörper
412
gesamt P
der Keule sind zum Braten geeignet, ebenso wie Bug (Schulter) und – bei jungen Tieren – Hochrippe und Fehlrippe (auch Zungenstück genannt). Weniger wertvoll und zum Kochen bzw. zur Gulaschbereitung bestimmt: Fleisch- und Knochendünnung, Brust und Hessen mit teilweise hohem Knochen- und Sehnenanteil. Die unterschiedliche Bewertung der verschiedenen Teilstücke spiegelt sich auch in den Verbraucherpreisen, wie die Tab. 115 zeigt. Bei der Zartheit des Fleisches gibt es nicht nur Unterschiede zwischen verschiedenen Teilstücken am gleichen Tier, sondern auch die Abhängigkeit vom Alter (mit den Jahren abnehmend), vom Geschlecht (Ochsen und Färsen haben zarteres Fleisch als gleichaltrige Bullen) und von der Rasse, aber auch von der Behandlung nach dem Schlachten. Fleisch zum Kurzbraten soll länger „abgehangen“ sein als Fleisch zum Schmoren oder Braten. Kochfleisch braucht nur 3–5 Tage zu hängen. Die Saftigkeit des Fleisches wird stark von der schon erwähnten „Marmorierung“ beeinflusst. Darunter versteht man eine feine Maserung des Fleisches durch Einlagerung von kleinen Flöckchen Fettgewebe innerhalb der Muskelbündel (intramuskulär) – nicht zu verwechseln mit intermuskulärem Fett, das heißt kompakten Fettpartien zwischen verschiedenen Muskeln (Abb. 150). Leider erfolgt der Einbau des intramuskulären Fettes meistens gleichzeitig mit der Speicherung von Fett im Unterhautbindegewebe, an dem der Verarbeiter – mit Ausnahme einer dünnen, möglichst gleichmäßig über den ganzen Schlachtkörper verteilten und vor dem Austrocknen schützenden Schicht von höchstens 0,5 cm – nicht interessiert ist. Wenn dieser Fettüberzug fehlt oder zu schwach entwickelt ist, so dass die
7.5
Rindfleischproduktion
Tab. 115 Verbraucherpreis der statistisch erfassten Teilstücke Anteil am Schlachtkörper Rindfleisch zum Kochen v.d.Querrippe, wie gewachsen Rindfleisch z. Schmoren bzw. Braten, aus d. Keule, ohne Knochen
EUR je kg 1992
2002
9–11
4,74
4,89
29–33
8,37
8,55
Roastbeef
5–6
–
–
Rindfleisch, Lendenfilet
1,5–2,5
–
–
Kalbsschnitzel
–
Fleischfarbe durchscheint, sprechen die Verarbeiter von „blauen Bullen“ und bezahlen weniger. Die Fleischfarbe, die auch zur Fleischbeurteilung dient und z. B. mit dem Göfo-Gerät bestimmbar ist, wird mit dem Alter dunkler. Vorgezogen wird kräftig hell- bis mittelrotes Fleisch. Dunkles Fleisch mögen die Verarbeiter vor allem deshalb nicht, weil bei ihm häufig nach dem Schlachten der pH-Wert nicht genügend absinkt, was zu einer verminderten Haltbarkeit der daraus hergestellten Produkte führen kann (wegen zu rascher Besiedelung mit Bakterien). Hier sind die Bezeichnungen DCB (dark-cutting-beef = dunkel
Abb. 150
15,48
17,12
geschnittenes Fleisch) bzw. DFD (dark, firm, dry = dunkel, fest, trocken) gebräuchlich. PSE-Fleisch (vgl. 8.2.3) tritt dagegen selten auf. Das gegenwärtige Klassifizierungssystem erlaubt nur eine grobe Vorsortierung des Rindfleisches und berücksichtigt wichtige Qualitätskriterien nur unzureichend. Dies könnte durch Einsatz von Technik im Rahmen einer apparativen Klassifizierung analog zum Schwein (vgl. Kap. 8.5.6) verbessert werden. Technische Lösungen mittels Video-Bildanalyse stehen dafür zur Verfügung. Sie können aber die Fleischqualität im Sinne der Verbraucher ebenso wenig bestimmen, wie die derzeitige subjektive Bewertung. Außerdem sind die
Hochrippenanschnitte (9. Rippe) bei Jungbullenfleisch
413
7
7
Rinderproduktion
Geräte teuer. Ihr Einsatz in größeren Schlachtbetrieben wäre wegen der besseren Erfassung des tatsächlichen Handelswertes der Schlachtkörper für die Tierproduzenten aber zu wünschen. Preisunterschiede und Preisvergleich | Preisunterschiede zwischen verschiedenen Kategorien und Handelsklassen werden vor allem verursacht durch Unterschiede in der Fleischfülle (Gesamtgewicht der wertvollen Teilstücke), durch erwünschte und unerwünschte Fettanteile, durch das Geschlecht und durch das Alter. Ein weiterer, für die Verarbeiter sehr wichtiger Gesichtspunkt ist die Schlachtausbeute (= Ausschlachtung), die bei der Kälbermast (7.5.2) schon einmal gestreift wurde. Bei Bullen ist die Schlachtausbeute in der Regel günstiger als bei Ochsen und Färsen und bei diesen wieder besser als bei Kühen – mit großen Schwankungen von Tier zu Tier innerhalb einer Bandbreite von 45 bis 62 % des Lebendgewichtes. Für eigene Vergleiche zwischen Lebend- und Geschlachtetvermarktung kann man von folgenden Umrechnungsfaktoren ausgehen:
!!! Jungbullen Färsen Kühe
0,56–0,59 0,52–0,56 0,49–0,53
7.5.8 Wirtschaftlichkeit der Rindermast Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung in der Rindermast gelten im Allgemeinen die gleichen Grundlagen, wie sie in Kap. 7.3.4 für die Milcherzeugung erörtert worden sind. Wegen der meist geringen Bestandsgrößen und anderer strukturellen Besonderheiten führen nur wenige Mastringe oder Arbeitskreise Vollkostenrechnungen durch. Meist begnügt man sich mit Teilkostenergebnissen. Tab. 116 enthält modellhaft ein Beispiel für eine Vollkostenrechnung unter den Bedingungen des Wirtschaftsjahres 2002/03 in schleswig-holsteinischen Milchviehbetrieben mit intensiver Rindermast. Aus einer Gesamtleistung von 1 055 e und Direktkosten von 792 e resultiert eine direktkostenfreie Leistung von 2 63 e. Nach Abzug der
414
Tab. 116 Vollkosten der intensiven Rindermast in Schleswig-Holstein im Jahr 2002/2003 (128 Betriebe) in e Verkauf ges. (e je Verkaufstier)
743
Öffentliche Direktzahlungen
277
Bestandsveränderungen
34
Leistung gesamt (incl. „sonstige“)
1055
Bestandsergänzung
195
Futterkosten ges.
525
Sonstiges
72
Summe Direktkosten
263
Arbeitserledigungskosten
172
Summe Gebäudekosten
72
Kalkulatorisches Betriebszweigergebnis
7
Kosten für die Arbeitserledigung, für Gebäude und sonstiges bleibt ein kalkulatorisches Betriebszweigergebnis von 7 e je verkauftes Tier. Aus den Auswertungen geht die große Bedeutung der Futterkosten (525 e) und der Kosten der Bestandsergänzung (195 e) einerseits sowie der Prämienzahlungen anderseits hervor. Letztere betrugen einschließlich der Flächenprämien für die Futterfläche 354 e (0,60 e pro Tier und Tag). Da Prämien in diesem Umfang künftig nicht mehr zu erwarten sind, ist mit einem ähnlich positiven Gesamtergebnis nur zu rechnen, wenn alle Reserven bei den biologischen Leistungen und in der Produktionstechnik ausgeschöpft werden sowie bessere Bedingungen für die Vermarktung vorherrschen. Eine Teilkostenrechnung ohne Prämien stellen die Zahlen in Tab. 117 mit Ergebnissen des Jahres 2002/03 aus Niedersachsen dar. Beim Vergleich der Wirtschaftlichkeit der drei Verfahren sind Rassedifferenzen zu berücksichtigen, welche die Ertragszahlen untermauern. Den Schwarzbuntkälbern bis 60 kg stehen Starterkälber bzw. Fresser vorwiegend der Rassen Braunvieh, Fleckvieh und Blonde d’Aquitaine gegenüber. In der direktkostenfreien Leistung je Tier führt die Gruppe der Starterkälber mit 164 e vor den beiden anderen nahezu gleichwertigen Gruppen. Die kürzere Mastdauer der Fresser verbessert deren Ergebnis bei Bezug auf den Fut-
7.5
Rindfleischproduktion
Tab. 117 Vergleichszahlen für 3 Verfahren der Rindermast in Niedersachsen 2002/03 (e/erz. Tier1)) Kälber bis 60 kg 29
117
113
erzeugte Tiere
46
108
79
Leistung gesamt
856
1 001
988
Direktkosten (mit Grobfutter)
747
837
885
davon
Zugänge
195
338
511
Kraftfutter
201
203
165
Grobfutter
240
206
169
109
164
103
Direktkostenfreie Leistung/Futtertag (Ct.)
17,5
31,9
25,4
51
83
185
Weitere Kennzahlen
Einheit
Gewicht Zugänge
kg/St.
Zuwachs
kg/erz.Tier
626
591
490
Lebendgewicht
kg/St.
677
674
675
tgl. Zun. brutto (LG)
g/Tag
1 033
1 152
1 177
Schlachtgewicht
kg/St.
371
381
380
Ausschlachtung
%
54,9
56,5
56,3
1,29
1,52
1,51
Erlös/ kg SG
e/kg e/kg
2,35
2,70
2,69
Verluste
%
6,44
3,92
2,02
%
1,47
3,10
2,15
1,06
1,28
1,14
Erlös/kg LG
Notschlachtungen
Dkfl/Mastplatz
e e
64
Kraftfutter
dt/erz.Tier
12,18
Kraftfuttereinsatz
kg/Tag
2,01
2,30
2,38
Futterkosten
e/Tag
0,76
0,84
0,79
Futtertage
Tage/erz.Tier
Bruttospanne
2)
Fresserzukauf
Betriebe
Direktkostenfreie Leistung
1)
Kälber 60–100 kg
2)
606
117 11,79
515
93 9,92
419
erzeugte Tiere (erz. Tier) = kg Gesamtzuwachs/(Verkaufs-LG-Einkaufsgewicht) Bruttospanne = (Verkaufserlös-Kälberpreis)/Futtertage
tertag, also auch bezüglich der Arbeitszeit und gegebenenfalls der Tierprämien. Weitergehende betriebswirtschaftliche Überlegungen lassen erkennen, dass zukünftige Prämienverminderungen Mastverfahren mit höherer Intensität, also kürzerer Dauer, begünstigen.
Rindermast wird dann umso eher rentabel sein können, je mehr sich die Kosten der Bestandsergänzung durch sinkende Zukaufspreise verringern werden. Für die Zukunft der Rindermast wird es auch darauf ankommen, in welchem Umfang die Märkte im Rahmen der WTO-Verhandlungen geöffnet werden.
415
7
7
Rinderproduktion
7.5.9 Mutterkuhhaltung
!!! Weltweit ist die Mutterkuhhaltung die am weitesten verbreitete Form der Rindviehhaltung. Sie dient der ausschließlichen Fleischerzeugung, indem der Milchertrag der Kühe vom saugenden Kalb in Wachstum und somit Fleisch umgewandelt wird. Außerdem trägt die geschlachtete Kuh selbst zur Rindfleischerzeugung bei. Die Ausmast der abgesetzten Tiere ist der Mutterkuhhaltung nicht direkt zuzuordnen, sondern der Rindermast. Von der Mutterkuhhaltung ist die Ammenkuhhaltung zu unterscheiden, bei der eine Kuh gleichzeitig oder nacheinander mehrere Kälber säugt (vgl. 7.5.9.1). Ausgehend vom Ziel Fleischerzeugung werden Mutter- und Ammenkuhhaltung unabhängig von den dabei verwendeten Rassen auch als Fleischrinderhaltung bezeichnet.
Während in Ländern wie Frankreich und Großbritannien ein Viertel bis ein Drittel des Kuhbestandes auf Mutterkühe entfällt, sind es in der Bundesrepublik nur ca. 650 000 Kühe und damit etwa 13 %. Damit ist der nach jahrelangem Anstieg mit ca. 720 000 Kühen zur Jahrtausendwende erreichte Zenit zunächst überschritten. BSE-Geschehen und abnehmende Wirtschaftlichkeit leiteten vorerst die Trendwende für diese Form der Rindfleischerzeugung ein, die davor von den sich verändernden agrar- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen (Mengenbegrenzung, Extensivierung, Landschaftspflege) Auftrieb erfahren hatte. Tab. 118 zeigt die Schwerpunkte in der derzeitigen Verbreitung. Die durchschnittlichen Kuhzahlen liegen bei etwa 10 Kühen in den alten und mehr als dreimal so hoch in den neuen Bundesländern. Dort ist etwa jede vierte Kuh eine Mutter-/Ammenkuh, im alten Bundesgebiet ist es nur jede zehnte.
Tab. 118 Verbreitung der Ammen- und Mutterkuhhaltung in Deutschland (Nov. 2003) Land Schleswig-Holstein (+ HH)
Betriebe* 2 751
Kühe (in 1 000)
je Betrieb **
40,1
14,6
Anteil am Landeskuhbestand (%) 9,2
Niedersachsen (+ HB)
5 850
72,2
12,3
8,4
Nordrhein-Westfalen
6 445
63,8
9,9
13,6
Hessen
4 549
39,8
8,7
20,3
Rheinland-Pfalz
3 479
46,7
13,4
26,5
539
7,8
14,5
35,7
7 905
62,3
7,9
13,8
Bayern
10 941
63,5
5,8
4,5
ABL Gesamt
42 459
395,5
9,3
9,9
Mecklenburg-Vorpommern
1 268
66,8
52,7
26,9
Brandenburg (+ B)
1 828
92,8
50,8
34,1
Saarland Baden-Württemberg
Sachsen-Anhalt
931
24,6
26,4
14,8
Thüringen
1 488
36,3
24,4
22,6
Sachsen
2 556
37,0
14,5
15,4
NBL gesamt
8 071
258,3
32,0
23,7
Deutschland
50 530
653,8
12,9
12,8
* Mai 2003, ** Betriebe Mai zu Kühe Nov.
416
7.5
!!! Besonders geeignete Standorte der Fleischrinderhaltung sind vor allem Betriebe mit viel billigem Grundfutter und geringer Festkostenbelastung.
7.5.9.1 Produktionsverfahren
!!! Die Mutterkuhhaltung ist eine extensive Form der Rindfleischerzeugung mit vergleichsweise geringen Ansprüchen an Arbeit und Kapital für Gebäude und Maschinen. Als generell kapitalextensiv kann sie wegen des Zinsanspruches für den relativ langsamen Kapitalumschlag nicht eingestuft werden. Die Rindfleischerzeugung über Fleischrinder ist in zahlreichen Varianten anzutreffen. Sie lassen sich zu folgenden Produktionsverfahren zusammenfassen: Bei der Erzeugung von Absetzern (Abb. 151) werden die männlichen und weiblichen Kälber am Ende der Säugeperiode von den Müttern abgesetzt und danach in Spezialbetrieben gesondert gemästet. Die Säugeperiode endet in der Regel mit Ablauf der Weidesaison. Beim Absetzen
Rindfleischproduktion
sind die Tiere – sie werden gelegentlich auch als Fresser bezeichnet – je nach Rasse, Futtergrundlage und Kalbetermin sechs bis zehn Monate alt. Männliche Tiere sollten bis dahin ein Gewicht von wenigstens 250 kg, weibliche ein Gewicht von wenigstens 230 kg erreicht haben. Für reine Grünlandbetriebe stellt dieses Verfahren die Methode der Wahl dar. Schwierigkeiten bereitet die ausreichende Futterversorgung am Ende der Säugeperiode, weil hier der nachlassende Futteraufwuchs mit den wachsenden Ansprüchen der Jungtiere, vor allem bei knappen Milchleistungen der Mütter, zusammentreffen. In Ackerbaubetrieben mit Restgrünland werden häufig Mutterkuhhaltung und Rindermast kombiniert, die Absetzer werden also auch ausgemästet. Eine weitere Alternative bildet die Erzeugung von so genannten Weidemastkälbern. Voraussetzung dafür sind hohe Milchleistungen bei den Kühen und frühreife Rassen, damit die Jungtiere nach einer möglichst zehnmonatigen Säugeperiode und Zunahmen von 1 000–1 200g ohne weitere Ausmast schlachtreif sind. Dieses Verfahren, bei dem die Rasse Deutsche Angus bevorzugt eingesetzt wird, ist häufig mit Direktvermarktung verbunden. Gelegentlich ist Fleischrinderhaltung auch als Ammenkuhhaltung anzutreffen. Dabei soll die
Abb. 151 Wüchsige, gut bemuskelte Absetzer erzielen Höchstpreise auf den Auktionen (Foto: Betz)
417
7
7
Rinderproduktion
Tab. 119 Einteilung der Mutterkuhrassen (nach Golze, 1995) Großwüchsige Rassen
Charolais Blonde d’Aquitaine Fleckvieh Weiß-bl. Belgier Gelbvieh Uckermärker
Rassen im mittleren Rahmen
Robustrassen mittel- bis großrahmige
kleinrahmige
Piemonteser Limousin Angus (AA, DA) Pinzgauer Shorthorn Hereford
Luing Salers Aubrac Welsh Black
Galloway Highland Dexter Fjällrind
über die Bedürfnisse des eigenen Kalbes hinausgehende Milchleistung von Kühen der Zweinutzungsrassen durch Ansetzen zugekaufter Kälber genutzt werden. Allgemein bewährt hat sich dieses Verfahren nicht. Problematisch sind vor allem der hohe Anspruch an Stallraum, die Kälberbeschaffung zum richtigen Zeitpunkt und der erhebliche Arbeitsaufwand. Als weitere Variante ist die Mutterkuhhaltung als ganzjährige Freilandhaltung von Robustrindern anzutreffen mit speziell dafür geeigneten Rassen, wie z. B. Galloway, Highland (vgl. Abb. 153), Salers und Aubrac. Das Verfahren dient überwiegend der Nutzung von Brachflächen. Dabei werden an die Tiere besondere Anforderungen hinsichtlich Klimatoleranz und Genügsamkeit gestellt. Haltungsform und Rasse wirken sich auf den zu erwartenden Fleischertrag von der Fläche allerdings begrenzend aus. Schließlich kann auch der Verkauf von Zuchtvieh vorrangiges Ziel der Fleischrinderhaltung sein, vor allem in kleinen Betrieben. Nicht alle erzeugten Jungtiere eignen sich aber zur Zucht. Auch dieser Betriebszweig ist deshalb häufig in Kombination mit einem der vorher genannten Verfahren anzutreffen.
7.5.9.2 Rassen und Kreuzungen Wer Gespräche z. B. am Rande von Zuchtviehauktionen oder Tierschauen verfolgen kann, wird feststellen, dass kaum eine andere Frage intensiver diskutiert wird als die nach der Wahl der „richtigen“ Rasse oder Kreuzung. Das kann uns auch kaum verwundern, wenn wir erfahren, dass derzeit mehr als 30 Rassen beim Bundesverband
418
Zeburassen
Brahman Zwergzebu
Deutscher Fleischrinderzüchter und -halter (BDF) eingetragen sind. Sie lassen sich anhand ihrer Körpergröße (Rahmen) in Gruppen einteilen, wie dies in Tab. 119 geschehen ist. Gemessen am Herdbuchbestand dominiert unter den Rassen das Fleckvieh mit ca. 19 %, gefolgt von Charolais und Limousin mit je 16 % und Angus mit 14 % (vgl. Abb. 152). Rassenvielfalt und -systematik lassen schon erkennen, dass es die eine richtige Rasse wohl nicht geben kann. Vielmehr müssen Züchter die Entscheidung für eine Rasse, für einen Genotyp immer in Bezug auf einige wichtige Einflussgrößen und deren Wechselwirkungen mit den Anlagen einer Rasse wie Gewicht, Rahmen, Milchleistungsvermögen und Ansprüche der Tiere treffen. So müssen die Tiere dem Standort oder der Futtergrundlage entsprechen, denn sowohl Überals auch Unterversorgung führen z. B. zu Fruchtbarkeitsproblemen. Werden also kleinrahmige Rassen auf ertragreichen Grünlandflächen gehalten, neigen sie zur Verfettung. Großrahmige Rassen können andererseits auf kargen Standorten zunächst durch verlangsamtes Wachstum reagieren. Später kommt es auch hier zu Einschränkungen der Fruchtbarkeitsleistung. Unerwünschte Nebeneffekte betreffen auch die täglichen Zunahmen und den Verfettungsgrad mit entsprechenden Folgen für die Einstufung der Tiere. Weitere wichtige Einflussgrößen sind zusammen mit ihren Wechselwirkungen in Abb. 154 schematisch dargestellt. Sehr kontrovers diskutiert wird oft die Frage nach der Notwendigkeit von Ställen für Mutterkühe. Vertreter der Robustrassen halten dabei oft
7.5
Rindfleischproduktion
Abb. 152 Anteil der Fleischrinderrassen am Herdbuchbestand (BDF, 2003)
Stallungen für entbehrlich, fordern aber aus Tierschutzgründen natürliche Einstände und Zufütterungsmöglichkeiten. Andere plädieren für Schutzhütten, die aber so bemessen sein müssen, dass alle Tiere darin Platz finden. Wenn Ställe geplant sind, sollten es Laufställe in Form von „Außentemperatur“-Ställen (Kaltställen) sein. Einfache Feldscheunen können in Verbindung mit Laufhöfen und mobilen Einrichtungen für Fütterung und Entmistung zu billigen Laufstalllösungen führen. Für Tretmistställe und
Mehrraumlaufställe kann man sich an den Anforderungen für Milchvieh orientieren. Geringere Stoffwechselbelastungen der Kühe sowie geringere Anforderungen an die Euterhygiene geben allerdings mehr Spielraum bei Gebäudeabmessungen, Strohbedarf, Materialauswahl und Entmistungstechnik, ohne die Tiergerechtheit negativ zu beeinflussen. Unabhängig von der Ausgestaltung des Stalles ist ein Kälberschlupf vorzusehen, der den Kälbern den Zugang zu einem vom übrigen Stall abgeteilten Bereich
Abb. 153 Extensiv-intensivHighlandherde im hessischen Kaliabbaugebiet (Foto: Grünhaupt)
419
7
7
Rinderproduktion
Abb. 154 Wechselwirkungen von Rasse bzw. Genotyp, Standort- und Haltungsbedingungen sowie Produktionsziel und Betriebsform in ihrer Komplexität (nach Golze, 1995)
z. B. für die Zufütterung von Kraftfutter eröffnet. In größeren Beständen werden außerdem Fangund Behandlungseinrichtungen benötigt. Nach diesem Exkurs zur Aufstallung von Fleischrindern soll die Wahl des Genotyps noch einmal aus dem Blickwinkel Reinzucht oder Kreuzung beleuchtet werden. Dabei sind Kreuzungen verständlicherweise auszuschließen, wenn das Produktionsziel „Zuchtvieh“ heißt. Ganz so eng sollte diese Aussage allerdings nicht gesehen werden. So kann es z. B. durchaus sinnvoll sein, in einer reinrassigen, auf Fleisch-Fleckvieh aufgebauten Herde einen Fleckviehbullen aus einer Milchviehzucht einzusetzen, um damit die Milchleistung der weiblichen Nachzucht wieder anzuheben. Zur Bedeutung der Kreuzung für die Mutterkuhhaltung gelangt man schnell, wenn man sich eines der zusammengefassten Maximalziele der Mutterkuhhaltung vergegenwärtigt, das da lautet: „Große Kälber aus kleinen Kühen“. Eine solche aus wirtschaftlichen Gründen verständliche Forderung lässt sich in Reinzucht nicht realisieren. Hier ist Kreuzung, insbesondere eine Gebrauchskreuzung (vgl. Kap. 4.1.2), angesagt, und so verwundert es nicht, wenn weltweit gesehen etwa 90 % der Mutterkuhherden aus Kreuzungen
420
bestehen. Auch im Bundesgebiet beherrscht die Kreuzungszucht das Geschehen in den Produktionsherden, und viele Herden, vor allem die großen Herden im Osten, bauen auf dieser Zuchtmethode auf.
!!! Bei der Kreuzungszucht nutzt man folgende Vorteile (vgl. Kap. 4.1): | Verbesserung der Merkmale der Mastleistung und des Schlachtkörperwertes bei den Mastprodukten | Verbesserung der Merkmale der Fruchtbarkeit und der Aufzuchtleistung bei den Mutterkühen | Senkung der Kosten für den Aufbau von Betrieben, bzw. für die Bestandsergänzung | Bessere Anpassungsmöglichkeiten an sich ändernde Erfordernisse des Marktes.
Welche Kreuzung ist nun die beste? Ähnlich wie bei der Frage nach der besten Rasse kann es auch hier keine eindeutige Antwort geben. Zu groß ist die Zahl der vorhandenen Ausgangsrassen und der daraus denkbaren Kreu-
7.5 zungsmöglichkeiten. Vielschichtig auch sind die Einflussgrößen. Stark vereinfachend könnten die Empfehlungen lauten: Auf guten Standorten sollten Mutterkühe, die im Rahmen zu knapp sind oder denen es an Milch fehlt, mit Fleckviehbullen angepaart werden. Wird noch mehr Wuchs gewünscht, kann der Einsatz von Charolaisbullen in Betracht kommen. Bei ausreichendem Rahmen der Kühe kommt Anpaarung von Limousin oder Deutsche Angus in Frage, wenn fleischbetontere Schlachtkörper und/oder Frühreife gefragt sind. Das gilt insbesondere auch, wenn das Endprodukt Weidemastkalb lautet. Dagegen steigt die Vorzüglichkeit von großrahmigen Rassen wie Charolais und Fleckvieh, wenn Endprodukte erzeugt werden sollen, die sich auf hohe Mastendgewichte bei geringer Verfettung ausmästen lassen. An Kreuzungen mit Robustrassen ist dagegen zu denken, wenn karges Weideland vorrangig aus Gründen der Landschaftspflege genutzt werden soll. Für welche Kreuzung man sich letztlich auch immer entscheiden mag, ein Faktor sollte nicht außer Acht bleiben, nämlich die Erkennbarkeit der entscheidenden Ausgangsrasse am Endprodukt. Die gute Masteignung des Fleckviehs wird auch mit dem dominant weißen Kopf seiner Kreuzungsprodukte in Verbindung gebracht.
7.5.9.3 Herdenmanagement
!!! Jedes Jahr von jeder Kuh ein aufgezogenes Kalb – das ist das wichtigste allgemeine Leistungsziel einer Mutterkuhhaltung. Daran sind die Feinziele zu orientieren und danach das Herdenmanagement auszurichten. Dabei gilt eine Reihe von Grundsätzen, die schon bei Milchrindern erörtert wurde. Das betrifft z. B. die Bedeutung der intensiven Jungtieraufzucht, das frühe Erstkalbealter, die Remontierungsrate und die Fruchtbarkeit der Kühe. Grundlage für züchterische Entscheidungen sind auch bei Fleischrindern Exterieurbeurteilungen, Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen für die Merkmale mit besonderer ökonomischer Bedeutung. Es gibt aber auch Charakteristika für die
Rindfleischproduktion
Mutterkuhhaltung. So unterscheidet sie sich in der Jungtieraufzucht von der Milchkuhhaltung z. B. durch ihr breites Rassenspektrum mit stark variierender Reifeentwicklung, die markanten Abkalbeschwerpunkte, eine breit gefächerte Futtergrundlage und divergierende Produktionsziele (Absetzer, Weidekalb, Hobbyhaltung). Nachfolgend sind diese und weitere Besonderheiten näher beleuchtet. Kalbesaison | Sie sollte für eine Herde möglichst auf kurze Zeitspannen von maximal drei Monaten Dauer begrenzt sein. Für größere Herden kann die Unterteilung auf mehrere Perioden ratsam sein. Die Vorteile liegen in der Arbeitswirtschaft, der Futterversorgung und in den Versorgungsmaßnahmen zur Gesunderhaltung der Kälber. Nachteilig, vor allem für Direktvermarktung, ist das ungleiche, nur periodisch verfügbare Verkaufsprodukt. Konzentrierte Kalbeperioden müssen bei der Decksaison und dem Deckeinsatz der Bullen berücksichtigt werden. Jungen Bullen dürfen nicht mehr als zehn, älteren nicht mehr als vierzig Kühe zugeteilt werden. Die Bedeckungen müssen zum gewünschten Termin stattfinden können, was in Laufställen, bzw. auf der Weide leichter zu bewerkstelligen ist als bei Anbindehaltung. Ferner sind Überprüfungen der Trächtigkeiten (vgl. Kap. 7.4.2) zum Ende der Deckperiode, spätestens beim Weideabtrieb erforderlich. Als günstigste Kalbesaison für die Mutterkuhhaltung gilt allgemein die Winterkalbung (Dezember – Februar). Die Kalbungen können dann unter Kontrolle verlaufen, bei Weideauftrieb können die Kälber selbst schon bald Gras mitfressen. Zusätzlich profitieren sie von der „zweiten Milch“ der Kühe, die durch den Weidegang ausgelöst wird. Die Kälber können schließlich im Herbst mit hohen Gewichten abgesetzt werden und benötigen keinen Stallraum mehr. Vorsicht ist allerdings geboten bei frühreifen Rassen. Hier müssen männliche und weibliche Kälber rechtzeitig getrennt werden, damit es nicht zu unerwünschten Trächtigkeiten kommt. Frühjahrskalbungen (Februar – April) im Stall sind platz- und futtersparend, wenn im Herbst abgesetzt wird. Sie sind allerdings durch die lange Winterfutterperiode mit höheren Kälber-
421
7
7
Rinderproduktion
verlusten verbunden. Bei Kalbungen auf der Weide (Frühsommer oder Herbst) sind diese dagegen am geringsten. Beim Weideabtrieb können die Tiere aber häufig noch nicht abgesetzt werden und benötigen zusätzlichen Stallraum. Kalbung und Aufzucht | Wer meint, Mutterkühe sollten ihre Kälber ohne Aufsicht gebären, der geht ein hohes Risiko ein. Kalbung und Aufzucht sollten gleichermaßen kontrolliert werden. Zur Geburtshilfe gelten die Ausführungen in Kap. 7.4.4, wobei gerade bei Mutterkuhhaltung zu empfehlen ist, Einwirkungen auf echte Risikofälle (falsche Lage der Kälber, Schwergeburten, mangelhafte Muttereigenschaften) zu beschränken. Aufzuchtverluste zu vermeiden, ist eine zwingende Voraussetzung für den Erfolg der Mutterkuhhaltung. Dabei kommt es darauf an, eine stabile Mutter-Kind-Beziehung und eine einwandfreie Stallhygiene sicherzustellen. Dazu zählen als notwendige Maßnahmen auch die zumindest visuell vorzunehmende Kontrolle der Geburtsgewichte und der Vergleich mit dem Rassedurchschnitt, das Kennzeichnen der Kälber (Bestimmungen der Viehverkehrsverordnung beachten, vgl. Kap. 4.5.4) und gegebenenfalls das Enthornen (vgl. Kap. 7.3.2.4). Damit die Kälber die angestrebten hohen Zunahmen bis zum Absetzen erreichen, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Von den Kühen ist eine jährliche Milchleistung von ca. 2 500 kg in einer möglichst 6–8 Monate anhaltenden Laktationsperiode zu fordern. Keineswegs sollten auch vorbeugende Behandlungsmaßnahmen gegen Erkrankungen unterbleiben. Kälber aus Mutterkuhhaltungen sind nicht immer so robust, wie es die natürliche Haltung vermuten lassen könnte. Durchfälle treten hier ebenso auf, wie Entzündungen der Lunge und des Nabels. In gefährdeten Regionen muss die ungestörte Entwicklung der Kälber auch durch Parasitenbekämpfung unterstützt werden. Ob dabei Ektoparasiten wie Läuse, Haarlinge und Milben eine Rolle spielen, kann man bei Beobachtung des Wohlbefindens der Tiere feststellen. Die Schlachtkörper der Kühe und Masttiere geben erste Hinweise über Endoparasiten wie Magenund Darmwürmer, Lungenwürmer und Leberegel. Gezielte Untersuchungen von Kotproben helfen dann weiter.
422
Maßnahmen zur Bekämpfung von Weideparasiten müssen in der Mutterkuhhaltung vorbeugenden Charakter haben und vorrangig darauf ausgerichtet sein, das Infektionsrisiko und die Kontamination der Weide zu vermindern. MähStandweiden und Umtriebsweiden sind aus dieser Sicht den reinen Standweiden vorzuziehen. Weitere Hinweise hierzu finden sich in Kap. 7.4.7. Trennung der Herden und Absetzen | In Kap. 7.4.1 haben wir schon erfahren, dass weibliche Jungrinder im Alter von 6 – 10 Monaten geschlechtsreif werden. Je nach Rasse, Abkalbetermin und Futterversorgung beginnen die weiblichen Kälber aus der Mutterkuhhaltung daher zu rindern und werden von den männlichen und/ oder Altbullen besprungen. Die damit verbundene Unruhe stört das Wachstum der Tiere und des Weidelandes. Zusätzlich kann es zu Frühträchtigkeiten kommen, die allenfalls bei der Erzeugung von Weidemastkälbern zu tolerieren sind. Die Herde muss deshalb rechtzeitig in Kühe mit männlichen und solche mit weiblichen Kälbern getrennt werden. Außerdem müssen Deckbullen aus der Herde mit den weiblichen Kälbern entfernt werden. Mit dem Absetzen endet das eigentliche Produktionsverfahren der Mutterkuhhaltung. Physiologisch gesehen werden die Kühe von den Kälbern getrennt. Denn zu diesem Zeitpunkt, an dem die Kälber je nach Rasse und Herdenmanagement zwischen 7 und 10 Monaten alt sind, ernähren sie sich zumindest schon überwiegend vom Weideaufwuchs oder von der Zufütterung.
!!! Üblicherweise werden die Tiere an einem Tag abrupt abgesetzt, weil ein allmähliches Absetzen, wie es für die Tiere vorzuziehen wäre, meist nicht praktizierbar ist. Lautes Brüllen von Kühen und Kälbern begleitet die Zeit nach dem Absetzen und verringert die Futteraufnahme. Die Kühe suchen ihre Kälber. Feste Umzäunungen der Weiden bzw. stabile Aufstallungen sind hier erforderlich, um die Tiere am Ausbrechen zu hindern. Das Absetzen sollte genutzt werden, um die Gewichte der Kälber festzustellen. Während Geburts- und Jahresgewichte in starkem Maße
7.5 vom Vater des Kalbes bestimmt werden, gibt das Absetzgewicht Aufschluss über die Aufzuchtleistung der Mutter. Damit bildet es eine wichtige Selektionshilfe für die Kuhherde, bei den weiblichen Absetzern aber auch für die Bestandsergänzung. Technische Einrichtungen | Hieran stellt die Mutterkuhherde besondere Anforderungen, wenn das Produktionsverfahren mit Erfolg durchgeführt und die anfallenden Arbeiten rationell und gefahrlos erledigt werden sollen. Herdentrennung, Absetzen und tierärztliche Behandlungen benötigen geeignete Fang- und Behandlungseinrichtungen. In kleinen Herden kann dafür ein Selbstfang-Fressgitter ausreichen, sofern es von den Weideflächen her zugänglich ist. Anderenfalls sind auf der Weide Fangvorrichtungen zu schaffen. In Betracht kommen Weideschuppen, Krale, fahrbare Viehwaagen und Verladerampen für Viehtransportfahrzeuge. Bei größeren Herden sind Sortiereinrichtungen und ein Behandlungsstand unumgänglich. Um sie planmäßig nutzen zu können, müssen sie mit einem Treibgang und möglichst auch mit einer fahrbaren Großviehwaage kombiniert sein (s. Abb. 155). Je nach den Gegebenheiten im Betrieb kann es sinnvoll sein, die genannten Einrichtungen in beweglichen Ausführungen zu beschaffen, damit
Rindfleischproduktion
sie auch auf hoffernen Weiden einzusetzen sind. Der Fachhandel bietet dafür heute vielfältige Lösungen an, die sich in Ländern mit längerer Tradition der Mutterkuhhaltung bewährt haben.
!!! Bei allen Planungen darf die Versorgung der Tiere auf der Weide nicht vergessen werden. Es ist zu gewährleisten, dass ausreichend sauberes Wasser zur Verfügung steht und bei nachlassendem Weideaufwuchs und/oder knapper Milchleistung der Mutterkühe zusätzliches Futter angeboten werden kann. Für Letzteres kommen überdachte Futterwagen und Futterraufen in Betracht und, sofern die Kälber ausnahmsweise zusätzlich Kraftfutter erhalten sollen, auch dafür geeignete Spender, die aber nur für die Kälber zugänglich sein dürfen. Natürliche Wasserstellen liefern meist das beste Wasser. Sie müssen aber so gefasst sein, dass sie nicht verschmutzen und zum Hort von Parasiten werden. Mit mehr Arbeit, aber auch mit mehr Möglichkeiten, die Tiere zu kontrollieren, verbunden sind Weidefässer mit Selbsttränken und Weidepumpen. Bei ganzjähriger Weidehaltung müssen zusätzliche Anforderungen erfüllt sein. Sie ergeben sich aus den Schutz- und Versorgungsbedürfnissen der Tiere (Frost, Nässe) und aus den möglichen schädlichen Wirkungen für die Weiden (Trittschäden).
Abb. 155 Einrichtung zur speziellen Zufütterung auf Extensivweiden gehören zur Mutterkuhhaltung ebenso wie Fang- und Behandlungseinrichtungen (Foto: Pabst)
423
7
7
Rinderproduktion
7.5.9.4 Fütterung Von den Gesamtkosten der Mutterkuhhaltung entfallen ca. 30 – 40 % auf die Futterkosten. Dabei besteht ein Ziel der Mutterkuhhaltung darin, möglichst viel „billiges“ Grundfutter zu verwerten und dabei möglichst wenig Kraftfutter einzusetzen. Fütterung der Kühe | Der Energie- und Nährstoffbedarf für die Erhaltung, für eine Milchleistung in der Laktation von 2 500 kg und für die neue Trächtigkeit lässt sich bei der Mutterkuh fast ausschließlich über wirtschaftseigenes Grundfutter decken. Es muss aber in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und darf keine schlechte Qualität aufweisen oder gar verdorben sein. Über das Jahr hin ist das Fütterungsangebot dem wechselnden Nährstoffbedarf in Abhängigkeit vom Gewicht der Kühe und dem Laktationsstadium anzupassen. Die trockenstehende sowie die laktierende Kuh benötigt bis ca. 4–6 Wochen nach der Kalbung eine Ration, die für eine Milchleistung von 5–10 kg ausreicht. Erst danach ist
die Fütterung in Abhängigkeit von der Rasse auf höhere Milchmengen auszurichten. Daraus ergibt sich z. B. für eine 650 kg schwere Kuh ein Tagesbedarf von 50–56 MJ NEL und 1070–1165 g nutzbarem Rohprotein in der Trockenstehzeit und von 69 MJ NEL und 1 300 g nutzbarem Rohprotein bei 10 kg Milch täglich. Diesen Angaben liegen die in Kap. 7.3.1 für Milchkühe dargestellten Bedarfszahlen zugrunde. Für Rassen mit anderen Gewichten oder Leistungen gelten entsprechend abweichende Zahlen. Die in Tab. 120 aufgeführten Rationen zeigen beispielhaft, wie der Bedarf in der Winterfütterungsperiode gedeckt werden kann. Um dem Bedarf auch während der Sommerfütterung über das Weideland zu genügen, ist eine planmäßige Weideführung erforderlich. Anderenfalls gibt es Schwierigkeiten durch den im Verlauf des Sommers zurückgehenden Futterwuchs, mit dem auch die Energiekonzentration des Weidegrases abnimmt und den parallel dazu wachsenden Ansprüchen der Kälber. Zu empfehlen sind
Tab. 120 Winterfutterration für Mutterkühe mit unterschiedlichem Gewicht (in kg/Tag)
1
Trocken Lebendgewicht kg 450 600 Ration 2 3 4 5 6
8,0
10,0
Futter
Grassilage (35 % TM) Maissilage (29 % TM)
5,0
Heu, gut 4,0
WG-Stroh
3,5
3,0
15,0 11,0
20,0
5,0
7,0 7,0
5,0
2,5
2,5
Rübenblattsilage
8,0 3,0
4,0
4,0
8,0
4,0
5,0
8,0
5,0
1,0
Sojaschrot
0,5
Gerste
1,0
Milchleistungsfutter
424
4,0
10,0
Kraftfutter (27 % RP)
Mineralfutter
8,0
2,5
Biertrebersilage
TM-Aufnahme kg/Tag
20,0
5,0
5,0
Heu, extens.
1
in Laktation Lebendgewicht kg 450 600 Ration 2 3 4 5 6
1,5
1,5
2,0
3,5
1,0
3,5 9,3
8,4
8,2
10,9 10,1
9,0
50–70g/Tag (8–9 % Ca, 13–14 %P)
10,0 10,1 10,0 12,3 12,7 12,9 50–70g/Tag (8–9 % Ca, 13–14 % P)
7.5 ein sinnvoller Wechsel von Stand- und Umtriebsweide, sowie zwischen Mähen und Beweiden der Flächen. An den Aufwuchs anzupassen ist auch die Düngung. Besondere Aufmerksamkeit verdienen Jungkühe und junge Deckbullen. Sie haben, bedingt durch zusätzliches Wachstum, Zahnwechsel und den Deckeinsatz einen hohen Nährstoffbedarf, der gegebenenfalls durch gezielte Zufütterung gedeckt werden muss. Dabei kann es in größeren Beständen sinnvoll sein, die Jungkühe von der übrigen Herde zu trennen. Fütterung der Jungtiere | In den ersten Wochen nach der Geburt ernähren sich gesunde Kälber von der Muttermilch. Wenn sie außerdem Zugang zur Tränke und zum Futter der Kühe haben, erübrigen sich in dieser Zeit weitere Fütterungsmaßnahmen im Stall. Empfehlenswert ist anschließend die Beifütterung von Getreideschrot und sehr gutem Heu. Dadurch wird eine frühzeitige Entwicklung der Pansentätigkeit gefördert. Auf der Weide ist die zusätzliche Beifütterung in der Regel nicht erforderlich. Sie ist nur dann zu empfehlen, wenn die Milchleistung der Kühe und/oder der Weideaufwuchs nicht ausreichen, das Wachstumsvermögen der Kälber auszuschöpfen, und wenn sich die höheren Gewichte der Kälber beim Absetzen in entsprechend besseren Verkaufserlösen niederschlagen. Zur Fütterung der männlichen und weiblichen Jungrinder zur Zucht nach dem Absetzen wird auf die Ausführungen in den Kapiteln 7.4.7 und 7.4.8 verwiesen.
7.5.9.5 Wirtschaftlichkeit der Mutterkuhhaltung Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Mutterkuhhaltung zeigen im Ergebnis große Unterschiede. So erreichten extensiv wirtschaftende Betriebe in Schleswig-Holstein im Jahr 2002/03 direktkostenfreie Leistungen von 5 e je Mutterkuh bei einer Schwankungsbreite von –196 bis + 935 e. Der Mittelwert intensiv wirtschaftender Betriebe lag bei durchschnittlich 64 e und damit ebenfalls noch unter den Anforderungen an eine adäquate Arbeitsentlohnung. In den genannten Zahlen sind Prämien schon be-
Rindfleischproduktion
rücksichtigt, ohne die in den meisten Betrieben eine wirtschaftliche Mutterkuhhaltung unter den derzeitigen Marktbedingungen nicht möglich ist. Den Erfolg der Mutterkuhhaltung bestimmt aber auch, wie die vorstehend skizzierte Schwankungsbreite zeigt, eine Reihe von weiteren Einflussfaktoren. Dazu zählen an vorderster Stelle der Betriebsleiter und sein Fingerspitzengefühl für Zucht und Haltung der Tiere und für die Nutzung der örtlichen Vermarktungschancen. Von großem Einfluss ist die Betriebsform, die z. T. eine enge Verbindung zu den natürlichen Resourcen und in Bezug auf die Bewirtschaftungsintensität die eingangs genannte Tendenz aufweist, wonach sich mit steigender Nutzungsintensität das ökonomische Ergebnis verbessert. Das hängt häufig mit den niedrigen Mastendgewichten der extensiven Rassen zusammen. Klar ist auch, dass das größte Potenzial für die Wertschöpfung in der Mutterkuhhaltung in der Mast der männlichen Tiere bei ebenfalls starker Abhängigkeit von der Vermarktungsform liegt. Schließlich kommt auch den biologischen Leistungen eine hohe Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg der Mutterkuhhaltung zu. Vorrangig zu nennen sind die Fruchtbarkeit der Kühe und die Aufzuchtverluste. Beide Faktoren zusammen bestimmen die Anzahl verkaufsfähiger (oder für die eigene Ausmast verfügbarer) Absetzer. Die Fruchtbarkeit schlägt sich in der Reproduktionsrate nieder. Hierbei bedeuten z. B. 10 % Differenz, dass, bezogen auf 100 Kühe, unter Einrechnung von Aufzuchtverlusten etwa 13 Absetzer mehr oder weniger verkauft werden können. In Tab. 121 sind Ergebnisse einer Modellkalkulation für verschiedene Verfahren der Mutterkuhhaltung zusammengestellt. Als Planungsrechnung wurde hier die Teilkostenrechnung bis zum Deckungsbeitrag verwendet. Die Ergebnisse zeigen, dass bei den zugrunde liegenden Annahmen die Erzeugung von Absatzkälbern zum höchsten Deckungsbeitrag führt. Sie ist aber nicht überall zu diesen Bedingungen möglich. Die Ausmast der Absetzer sollte auf der Grundlage der Maissilage erfolgen um die Wachstumskapazität auszuschöpfen. Die Erzeugung von Milch-Mastkälbern verspricht dann eine bessere Rendite, wenn über Direktvermarktung höhere Verkaufspreise zu erzielen sind.
425
7
7
Rinderproduktion
Tab. 121 Deckungsbeiträge und Faktoransprüche je Mutterkuh bei 3 Verfahren (0,95 aufgezogene Kälber/ Kuh, 6-jährige Nutzungsdauer) Bezeichnung des Verfahrens
Absetzerverkauf Winterkalb
Alter der Jungrinder bei 8 Monate Verwertung
Erzeugung von Milchmastrindern Herbst-/ Winterkalb
Ausmast der Absetzer Herbst-/Winterkalb
10 Monate
16/20 Monate Mast mit Silomais
190/170
340/270
2,80 e
2,60 e/2,30 e
Kennzahlen der Verfahren: Verkaufsgewicht lebend
geschlachtet
ml.
280 kg
wbl.
250 kg
ml/wbl.
Preisniveau/kg Lebendgew.
ml. wbl.
2,60 e
2,10 e
je kg Schlacht- ml./wbl. gewicht (SG) Marktleistung
kg
e
kg
e
kg
e
0,16 Altkühe (1,80/kg SG)
104
187
88
158
104
187
0,475 Bullenkälber s. o.
133
346
90
252
162
421
0,315 Kuhkälber ohne Bestandsergänzung
79
166
54
151
85
196
Mutterkuhprämie
200
200
200
Marktleistung gesamt
899
761
1 004
Variable Kosten*
210
230
330
Kosten Grobfutter**
195
225
295
Dungwert°
–75
–90
–120
variable Kosten gesamt
330
365
505
Deckungsbeitrag
569
396
499
Faktoransprüche Futterflächen ha Arbeitszeit Akh *
0,75 38
0,75 51
0,85 51
Kraftfutter, Bullenhaltung, Tierarzt, Energie/Wasser, Versicherungen, Beiträge, Vermarktung, Zinsansatz ** Weide 13 Ct/10 MJ NEL, Winterfutter und Silomais 16 Ct/10 MJ NEL ° Nährstoffrücklieferung aus Wirtschaftsdünger °° Bei Milchmastrindern: Direktvermarktung
426
8
Schweineproduktion
Der wichtigste Fleischlieferant für die Deutschen ist das Schwein. Ca. 65 % unseres gesamten Fleischverbrauchs stellt das Schweinefleisch; im Jahr 2002 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 53,7 kg. Hierin sind allerdings Knochen, Abschnittfett und Tierfutter enthalten. Der tatsächliche Verzehr wird mit 38,7 kg angegeben. Der Anteil der Schweineproduktion lag bei rund 25 % des Gesamtgeldwertes der tierischen Erzeugung bzw. bei ca. 12 % des Produktionswertes der deutschen Landwirtschaft. Entwicklung der Schweineerzeugung | Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind es bäuerliche Betriebe, die sich mit der Schweineproduktion befassen. Hierbei hat die Zahl der Schweinehalter Jahr für Jahr abgenommen und lag 2001 bei ca. 86 000 (ca. 17 % weniger als 1999), die der Zuchtschweinehalter bei ca. 44 200 (ca. 18 % weniger als 1999). Der Strukturwandel von kleineren zu größeren Betriebseinheiten setzte sich weiter fort und so nahmen 2001 gegenüber 1999 die Betriebe mit 1 000 Mastschweinen und mehr um über 20 % und die Betriebe mit 100 und mehr Zuchtsauen um 7,4 % zu. Der durchschnittliche Mastschweinbestand betrug 117 Tiere, der durchschnittliche Zuchtsauenbestand 59 Tiere je Betrieb. Die größten Durchschnittsbestände sind in den neuen Bundesländern anzutreffen und ansonsten besteht ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in den alten Bundesländern. Die Bruttoeigenerzeugung an Schweinen stieg 2002 um 1,8 % gegenüber dem Vorjahr auf 40,99 Mio Stück, die Bruttoeigenerzeugung an Schweinefleisch stieg im gleichen Zeitraum um 2,8 % auf 4,02 Mio t Schlachtgewicht. Der Selbstversorgungsgrad an Schweinefleisch ist in den 15 EU-Partnerländern sehr unterschiedlich, wie Tab. 122 sehr deutlich zeigt:
Tab. 122 Selbstversorgungsgrad der EU-Länder in % (2002, vorläufig) Dänemark
528
Niederlande
250
Belgien/Luxemburg
222
Irland
159
Spanien
115
Frankreich
107
Finnland
107
Österreich
102
Schweden
92
Deutschland
91
Portugal
67
Italien
66
Großbritannien
51
Griechenland
40
Zu den Ländern, die ihren Eigenbedarf nicht selbst abdecken, zählt auch Deutschland, obwohl die Bestände und die Schweinefleischerzeugung angestiegen sind. Organisation der Schweineproduktion | Bei dem Produktionsablauf „Zucht – Ferkelerzeugung – Mast“ gibt es verschiedene Verfahren. Beim geschlossenen System verzichten die Betriebe auf jeden Zukauf von Tieren und nehmen am Zuchtfortschritt nur über das Ebersperma teil. Die Jungsauen werden aus dem eigenen Bestand selektiert. Auch im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Kreuzungszucht, insbesondere der Hybridschweinezucht entstanden neue organisatorische Abläufe. Hier wird beispielsweise in der Zuchtstufe stärker differenziert und u. a. vor der Ferkelerzeugung eine neue Produktionsstufe ein-
427
8
8
Schweineproduktion
geschoben, die Jungsauenvermehrung. Denn im Gegensatz zur Reinzucht kann der Ferkelerzeuger bei Hybridschweinen seine Jungsauen nicht mehr aus dem eigenen Nachwuchs ergänzen. Außerdem legen die Zuchtunternehmen großen Wert darauf, dass Tiertransporte zwischen den verschiedenen Produktionsstufen immer nur in einer Richtung – ohne Gegenverkehr – erfolgen. In Baden-Württemberg wird schon seit Jahren eine arbeitsteilige Haltung der Sauen praktiziert, und zwar werden die Sauen in einem Betrieb gedeckt, im zweiten verbringen sie ihre Wartezeit und im dritten ferkeln sie ab. Die fortschreitende Spezialisierung lässt sich auch an den z. T. enorm ansteigenden Bestandsgrößen ablesen. So werden vermehrt Sauenbestände von 200 und mehr Tieren aufgebaut, um die sich dann eine Person ausschließlich kümmert. Welche Vorteile ergeben sich hieraus? Größere Bestände ermöglichen optimale Arbeitsabläufe, effektiveren Kapitaleinsatz, Leistungs- und Erlössteigerung. Die Trennung der einzelnen Bereiche geht teilweise so weit, dass die Aufzucht der Ferkel z. T. noch einmal unterteilt wird (Abgabe mit ca. 8 kg Lebendgewicht an spezielle Ferkelaufzuchtbetriebe). Allerdings kehren auch Betriebe zu dem geschlossenen System zurück. Manche Mastbetriebe z. B. haben Probleme, für ihren Betrieb entsprechend große Ferkelpartien mit der gewünschten Qualität von möglichst nur einem Ferkelerzeuger zu bekommen. Ein Ziel ist es, ganze Abteile bzw. evtl. sogar den gesamten Betrieb im Rein-raus-Verfahren beschicken zu können. Es ist offensichtlich, dass bei diesen Organisationsfragen meistens auch Überlegungen mitspielen, wie die Einschleppung von Krankheiten verhindert werden kann. Überhaupt ist das Problem der Schweinegesundheit zu einem vorrangigen Thema unter Schweineproduzenten geworden.
8.1 Verbraucherwünsche und Zuchtziele Welches Schwein verlangt der Markt? Diese Frage geht vor allem den Züchter an, obwohl sein Standort unter den verschiedenen Stufen der Vermarktung am weitesten vom Endverbraucher entfernt ist. Auf dem weiten Wege von den Ver-
428
brauchern bis zum Züchter entsteht aber aus ihren wenigen, wenn auch nicht einfach zu befriedigenden Ansprüchen ein schweres Wunschpaket mit zahlreichen Forderungen, weil auf jeder Vermarktungsstufe noch einige Extrawünsche dazukommen. Die Verbraucher wünschen zum Braten, Schmoren und Grillen zartes, saftiges Fleisch mit möglichst wenig Fett und sind bereit, für die begehrten Fleischpartien – Kotelett, Filet, Schinken, Kamm und Bug – wesentlich tiefer ins Portemonnaie zu greifen als für Bauch- oder Rückenspeck. Deutsche Verbraucher kaufen aber auch gern Wurstwaren, zu denen knapp die Hälfte der Schweinefleischproduktion verarbeitet wird. In diesem Bereich gibt es ein breites Sortiment, viele Geschmacksrichtungen und zahlreiche regionale Besonderheiten bei den Rezepten und Zutaten. Aus verarbeitungstechnischen und aus geschmacklichen Gründen kann hier auf angemessene Fettanteile nicht verzichtet werden. Früher waren alle Metzger sowohl Fleischverkäufer wie Wursthersteller und waren beim Zerlegen und Verwerten der Schweine auf beide Verbrauchsrichtungen eingestellt. Inzwischen hat sich die Wurst- und Dauerwarenherstellung teilweise in Spezialbereiche verlagert, und bei vielen Ladenmetzgern mit hohem Frischfleischabsatz herrschen jetzt die an dieser Verbrauchsrichtung orientierten Interessen vor. Sie wollen also Schweine haben, bei denen die gut bezahlten Partien (Schinken, Filet, Lende, Kotelett und Kamm) einen möglichst großen, die schlecht bezahlten Stücke einen kleinen Teil des Schlachtkörpers ausmachen (Abb. 156 und 157). Außerdem kaufen sie lieber weibliche Schweine als kastrierte männliche, weil die ersteren – unter sonst gleichen Bedingungen – fleischreicher und fettärmer sind als Börge. Die Verarbeiter sind natürlich auch an fleischreichen Schweinen mit hohem Schinkenanteil interessiert. Aber dieses Fleisch soll rot und genügend fest sein, das heißt „vor dem Messer stehen“, es soll eine normale Fleischreifung erlauben, den eigenen Saft festhalten und noch Fremdwasser aufnehmen können (etwa bei der Produktion von Brühwürsten). Wichtig ist dem Verarbeiter auch eine große Schlachtausbeute. Ideal wäre das „Schwein ohne Knochen“. (Im Gegensatz zum Rind werden beim Schwein Kopf
8.1 Verbraucherwünsche und Zuchtziele
Abb. 156
Zerlegung des Schweines
und Füße bei der Bestimmung des Zweihälftengewichts am Schlachtkörper belassen, gehören als mit zur Schlachtausbeute, die bei Schwein um 80 % schwankt.) Außerdem wollen die Verarbeiter ihren Rohstoff möglichst preiswert einkaufen. Der Mäster wünscht ein Schwein, das auch bei höherem Endgewicht nicht verfettet, rasch schlachtreif wird und dazu wenig Futter braucht. Außerdem soll das Mastschwein bescheiden in seinen Ansprüchen an den Stall und die Pflege sein und wenig Arbeit verursachen. Der Ferkelerzeuger braucht Sauen, die viele Ferkel bringen, diese fürsorglich, rasch und möglichst verlustlos aufziehen und nach dem Absetzen der Ferkel unverzüglich wieder tragend werden. Für die gewünschte flotte Aufzucht ist eine gute Milchleistung der Sau unerlässlich. Außerdem soll sie robust sein und raue Haltungsbedingungen vertragen können sowie ihren Ferkeln die notwendige Vitalität (Widerstandskraft) zur
Abb. 157 Schlachthälften nach Wunsch der Ladenmetzger: wenig Rückenspeck, voller Schinken (Foto: Schön) Auseinandersetzung mit Viren, Bakterien, Milben und Würmern mitgeben. Gibt es ein Schwein, das alle diese Wünsche erfüllt? Werden die Züchter dieses Universalschwein jemals anbieten können? Während der letzten Jahrzehnte wurde von den Züchtern aus dem umfangreichen Katalog teilweise widersprüchlicher Forderungen am stärksten der Wunsch nach mehr Fleisch und weniger Fett berücksichtigt. Die Umstellung vom früheren fettreichen Mehrzweckschwein zum relativ mageren Fleischschwein erfolgte rasch. Dazu hat sicher beigetragen, dass sich hier die Interessen der Frischfleischverbraucher, der Ladenmetzger und der Mäster deckten. Der Mäster profitierte vor allem von dem niedrigen Futterverbrauch, denn Fleisch lässt sich mit weniger Futter erzeugen als Fett. Es ist schwierig bzw. unmöglich, alle Zuchtziele in einem Tier zu vereinen. Erhebliche Fort-
429
8
8
Schweineproduktion
schritte wurden bei der Futterverwertung und der Fleischleistung (Rückenmuskel- oder Kotelettfläche, Fleisch-Fett-Verhältnis) erreicht (s. Tab. 123). Jedoch wirkte sich die Forderung der Verbraucher nach immer größeren Kotelettflächen mit möglichst wenig Fett ungünstig auf die Fleischbeschaffenheit aus. Kompromisse sind also notwendig, wenn Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen zufrieden sein sollen. Auf dieses Thema „Verbraucherwünsche und Zuchtziel“ wird später noch einmal eingegangen.
!!! 1 kg Schweinespeck enthält etwa 6 % Wasser und liefert 8 600 kcal oder rund 36 Millionen Joule (36 Megajoule). 1 kg mageres Fleisch hat etwa 70 % Wasser und liefert 1 400 kcal oder knapp 6 Megajoule (MJ). Erstmals in 1996 wurden in Gesamtdeutschland die weiblichen Tiere und die Kastraten getrennt geprüft. Hierbei spielt sicherlich eine Rolle, dass die getrenntgeschlechtliche Mast eine immer größer werdende Bedeutung erlangt. Trotz kleinerer Änderungen (z. B. verschiedene Mastabschnitte, andere Futterzusammensetzung) im Laufe der Jahre kann man auf Fortschritte in den verschiedenen Leistungskriterien schließen, dafür ist der Abstand der Werte von 1996 und 2002 groß genug. Aber man kann daraus nicht ablei-
ten, wie groß der genetische Fortschritt war (Tab. 123).
8.2 Schweinerassen und Zuchtverfahren 8.2.1
Rassen im Bundesgebiet
Deutsche Landrasse (DL) | Die deutsche Landrasse ist die verbreitetste Rasse in Deutschland. Ihr Anteil am Herdbuchbestand ging allerdings in den alten Bundesländern von fast 94 % im Durchschnitt der Jahre 1965/70 auf 55 % im Jahr 1988 zurück. Durch die Erweiterung des Zuchtgebietes um die neuen Bundesländer haben sich die Zahlenverhältnisse jedoch verschoben, und zwar hat sich der Anteil an DL-Herdbuchsauen auf 70 % in 2002 erhöht (s. Tab. 126). Die Deutsche Landrasse ging aus dem Deutschen Veredelten Landschwein hervor, das während der 50er Jahre zuerst in Schleswig-Holstein, in den 60er Jahren im ganzen Bundesgebiet vom mehrseitigen Wirtschaftstyp auf den Fleischschweintyp umgezüchtet wurde, hauptsächlich durch Verdrängungskreuzung mit Hilfe von Abkömmlingen der Holländischen und Dänischen Landrasse, teilweise auch durch Kombinationskreuzung mit Ebern der Belgischen Landrasse. Der Wechsel in der Rassenbezeichnung erfolgte
Tab. 123 Leistungsentwicklung bei Herdbuchsauen der Deutschen Landrasse nach ZDS,2003 Art der Leistungsprüfung
Mastleistungsprüfung in Stationen
Merkmal
Leistungsstand 1996* Sauen Kastraten
Futterverwertung: kg Futter je kg Zuwachs
2,69
# tägl. Zunahmen in g Schlachtleistungsprüfung in Stationen
Rückenmuskelfläche, cm
889 2
Rückenspeckdicke, mm Fleisch:Fett-Verhältnis 1:
Zuchtleistungs-Prüfung (Feld)
2,70 847
2002 Sauen 2,60 914
912
45,0
49,6
45,2
25
27
23
25
0,44
0,52
0,37
22,0
23,6
aufgez. Ferkel/Sau u.Jahr
20,5
22,0
7,0
6,8
* = erstmals Gesamt-Deutschland nach Geschlechtern getrennt, Prüfungsabschnitt 30–105 kg
430
2,65
45,0
geb. Ferkel/Sau u.Jahr
Verluste
Kastraten
0,47
8.2 Schweinerassen und Zuchtverfahren und die Fruchtbarkeit erhöht werden, ohne dass sich wesentliche Kriterien des Schlachtkörpers dadurch verschlechtern (Allerdings stellte man vorübergehend eine gewisse Abflachung des Schinkens fest). Nach der Prüfung auf Stressstabilität wird nicht mehr in DLU und DLS unterschieden. Diese reinerbig, stressstabile Reinzuchtsau (DL) kann dann sehr gut bei Kreuzungen eingesetzt werden.
Abb. 158 Eber der Deutschen Landrasse (Foto: Hortz) 1969, als die Umzüchtung im Wesentlichen beendet war. Der heutige Typ der DL (Abb. 158) unterscheidet sich vom früheren Mehrzwecktyp nicht nur durch größere Länge, rascheres Wachstum, vermehrte Fleischfülle, dünnere Haut, schwächere Behaarung, sondern auch durch leichtere Schlappohren, schlankeren Kopf und feineres Fundament. Vom dänischen und englischen Bacontyp soll sich das deutsche Fleischschwein dadurch unterscheiden, dass es nicht ganz so lang ist, einen breiteren Rücken hat und dass mehr Wert auf eine volle Schulter gelegt wird. Das Fleischschwein soll also ein so genanntes „Vierschinkenschwein“ sein. Die Schlachtreife soll in der Regel mit 100–110 kg erreicht werden. Was über Fundamentschwäche, Konstitutionsmängel und Stressanfälligkeit gesagt wurde, betraf auch Tiere der DL und muss teilweise als eine Begleiterscheinung der sehr raschen Umstellung auf den Typ des Fleischschweins angesehen werden. Wie bei anderen Merkmalen gibt es aber in einer so großen Population auch bezüglich dieser Eigenschaften eine beträchtliche Schwankungsbreite und damit die Möglichkeit zur allmählichen Verbesserung der Widerstandfähigkeit, also zu einer Konsolidierung. So wurden aus der Deutschen Landrasse der Universalzuchtrichtung (DLU) seit einigen Jahren Sauen ausselektiert, die stressresistent und kreislaufstabil sind. Um züchterisch schneller voranzukommen, wurden auch Sauen und Eber aus den verschiedensten Ländern wie z. B. aus der Schweiz importiert. Durch diese neu konzipierte Deutsche Landrasse Sauenlinie (DLS) sollen die Fleischqualität verbessert
Pietrain ´ (Pi) | Diese aus Belgien stammende Rasse hat ihren Anteil am Herdbuchsauenbestand beträchtlich erhöht. Diese Schweine haben kurze Stehohren und schwärzliche oder rötlichgraue Flecken auf grauweißem Grund. Ihr Rumpf ist kurz und gedrungen. Die Schlachtreife erreichen sie bereits mit 90–95 kg. Bei dieser Rasse ist die fatale Kombination zwischen hohem Fleischanteil am Schlachtkörper sowie vollem, fleischreichem Schinken einerseits und mangelhafter Fleischbeschaffenheit sowie Stressanfälligkeiten andererseits am deutlichsten ausgeprägt. In verschiedenen früheren Untersuchungen reagierten zwischen 65 und 100 % der getesteten Pietrain´ schweine positiv auf Stressanfälligkeit. Daher eignet sich diese Rasse nur für die Gebrauchskreuzung zur Erzeugung von Mastendprodukten. Hier hat sie allerdings eine große Bedeutung, wie der hohe Anteil des Herdbuchsauenbestandes von 14,3 % im Jahr 2002 dokumentiert. Um die Nachteile dieser Rasse zu reduzieren, werden systematisch mit Hilfe des MHS-Tests (s. Kap. 8.3.1) die Tiere auf Stressresistenz untersucht und die Ergebnisse im Auktionskatalog veröffentlicht.
Abb. 159 Ein Pi´ etraineber als typischer Vertreter einer Vaterrasse (Foto: Müller)
431
8
8
Schweineproduktion
Abb. 160 Eber der Belgischen Landrasse (Foto: Hortz)
Abb. 161
Landrasse B (LB) | Bei diesen Schweinen handelt es sich um Reinzuchtnachkommen der Belgischen Landrasse. Der Herdbuchanteil ist jedoch sehr gering. Die Schweine der Landrasse B sind kürzer, breiter, gedrungener als gleichaltrige Schweine der DL und zeichnen sich durch einen besonders vollen Kugelschinken aus; aber sie sind weniger fruchtbar und weniger wüchsig als DL-Schweine, so dass sie in der Regel schon mit 90–100 kg die Schlachtreife erreichen. Die Fleischbeschaffenheit lässt zu wünschen übrig; denn Kotelett und Schinken dieser Schlachttiere haben vielfach PSE-Charakter. Durch ihre Stressanfälligkeit sind sie für die Reinzucht nicht geeignet, aber von erheblicher Bedeutung sind die LB-Eber für einfache Gebrauchskreuzungen und für Hybridprogramme.
dicke und in der Vergrößerung des Schinkenanteils überholt wurde. Die Tiere sind großwüchsig und mittellang mit dem charakteristischen Kennzeichen der Stehohren. Sie zeichnen sich durch eine gute Fruchtbarkeit, hohe Aufzuchtleistung und geringe Stressanfälligkeit aus. Ähnliche Rassen gibt es – unter der Bezeichnung „Large White“ oder „Yorkshire“ – auch in den westlichen Nachbarländern, vor allem in Großbritannien und in den Niederlanden. Sie werden bei den meisten europäischen Hybridprogrammen zur Kreuzung herangezogen. Auch das Deutsche Edelschwein eignet sich für Gebrauchskreuzungen und für die Erzeugung von Kreuzungssauen. Der Herdbuchanteil beträgt 14,7 % (2002).
Deutsches Edelschwein (DE) | Unter den deutschen Schweinezüchtern pflegen die des Edelschweins den Typ des Fleischschweins am längsten. Sie waren schon vor dem Krieg bestrebt, den Mästern ein für den Frischfleischabsatz geeignetes Schwein zu liefern, das seine Schlachtreife mit 100–110 kg erreicht. Die Entwicklung dieser früher in Ostdeutschland weit verbreiteten Rasse wurde durch die Teilung Deutschlands stark behindert, denn in den alten Bundesländern gab es nur eine kleine Zuchtregion im Oldenburgischen Ammerland und einige weitere Einzelzüchter. Die schmal gewordene Selektionsbasis dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass diese Rasse von anderen Rassen, wenn man die Mittelwerte betrachtet, in der Verringerung der Rückenspeck-
432
Edelschwein-Eber (Foto: Müller)
Duroc (Du) | Diese Rasse entstand Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA aus verschiedenen roten Rassen und ist dort weit verbreitet. Einen Rassenstandard gibt es seit 1885. Dieses Schwein ist großrahmig, einfarbig rot und gutmütig. Die Sauen weisen gute Muttereigenschaften auf und geben viel Milch. Die frohwüchsigen Tiere erreichen die Schlachtreife mit 100–110 kg. Wegen ihrer Robustheit (alle Tiere sind stressresistent) und guten Kombinationseignung werden sie in verschiedenen europäischen und auch in deutschen Hybridprogrammen eingesetzt. Hampshire (Ha) | Auch dieses in Nordamerika und England heimische Schwein ist praktisch frei von stressanfälligen Tieren und weist eine gute Fleischbeschaffenheit auf. In Kreuzungsprogram-
8.2 Schweinerassen und Zuchtverfahren men wird es mit Pietrain ´ kombiniert und für die Bereitstellung von Eberlinien benutzt. Wie Angler Sattelschweine haben die Hampshires schwarze Haare (rezessiv gegenüber dem Weiß der DL, aber dominant gegenüber dem Rot der Duroc), mit einem m.o.w. breiten weißen Sattel an Bug und Vorderbeinen. Sie unterscheiden sich von jenen aber durch ihre Stehohren. Angler Sattelschwein (As) | Dieses Schwein, das aus einem Landschlag durch Einkreuzung mit englischen und Schwäbisch-Hällischen Ebern entstanden ist, hat einen schwarzen Kopf mit Schlappohren und ein schwarzes Hinterteil, während sich die weiße Mittelpartie, der Sattel, im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr verbreiterte. Aus ihrem ursprünglichen Zuchtgebiet, der Landschaft Angeln in Schleswig-Holstein, dehnte sich diese Rasse wegen ihrer guten Fruchtbarkeit in der ersten Periode der Nachkriegszeit zunächst auf andere Gebiete aus, verlor dann aber sehr an Bedeutung, weil die dunkel pigmentierten Hautpartien von den Verarbeitern und Verbrauchern nicht geschätzt wurden und die Schlachtkörper zu viel Fett enthielten. Der Versuch, mit Hilfe der gezielten Einkreuzung von Zuchttieren der DL und des Pi-Schweines die Fleischleistung zu verbessern, ohne die gute Fruchtbarkeit zu verlieren, wurde nach unbefriedigenden Resultaten wieder aufgegeben. Aus Kreuzungen mit weißen Ebern entstehen weiße Nachkommen (Abb. 162). Schwäbisch-Hällisches Schwein (SH) | Die Ausgangstiere dieser Rasse wurden Ende des 18.
Abb. 162 Angler Sattelschwein (Foto: Verband der Züchter des Angler Sattelschweines und des Pi´ etrainschweines)
Jahrhunderts in Württemberg gehalten und in den folgenden Jahren mit verschiedenen Rassen gekreuzt. Erst 1925 begann die planmäßige Herdbuchzucht. Doch der veränderte Verbraucherwunsch nach viel Fleisch und wenig Fett bewirkte fast ein Aussterben dieser Rasse. Erst Anfang der 80er Jahre stieg wieder die Nachfrage und so wurde 1986 erneut eine Züchtervereinigung gegründet. Die Tiere sind großrahmig, widerstandsfähig und fruchtbar. Die Sauen weisen ein gutes Aufzuchtvermögen und Milchreichtum auf. In Qualitätsfleisch-Programmen werden sie eingesetzt und mit Fleischebern gekreuzt. Buntes Bentheimer Schwein (BB) | Bei dieser Rasse, die auf die europäische Landrasse zurückgeht, wurden das Angler Sattelschwein und Pie´ train-Eber eingesetzt. Seit Anfang der 60er Jahre war fast zwei Jahrzehnte lang nur noch ein Bestand in der Nähe von Bentheim in Niedersachsen vorhanden. Die mittelgroßen Tiere sind langlebig, widerstandsfähig und fruchtbar. Gelegentlich werden sie in andere Rassen eingekreuzt bzw. die Züchtung dient auch der Erhaltung der Rasse. Schwerfurter Fleischrasse (SF) | In dieser Rasse, die 1986 in der ehemaligen DDR anerkannt wurde, sind 49 % Belgische Landrasse, 26 % Pietrain ´ und 25 % Lacombe vereint. Die Tiere sind frohwüchsig, stabil und besitzen eine gute Fleischqualität. Heute werden sie als Kreuzungseber (mit Pi) in Kreuzungsprogrammen eingesetzt. Leicoma (Lc) | Die Rassenbezeichnung leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Zuchtgebiete Leipzig-Cottbus-Magdeburg ab und wird auch heute noch in den Zuchtverbänden Brandenburgs, Mecklenburgs, Sachsen-Anhalts und Thüringens gezüchtet. Der Genanteil dieser Rasse setzt sich aus 49 % Deutsche und Niederländische Landrasse, 46 % Duroc, 3 % Estnische Baconrasse und 2 % Deutsches Sattelschwein zusammen. Die Tiere sind großrahmig und besitzen eine hohe Fruchtbarkeit, gute Zunahmen und Futterverwertung bei sehr guter Fleischqualität, allerdings weisen die Schlachtkörper einen geringen Magerfleischanteil auf. Daher wird diese stressstabile Rasse als Sauenlinie in Kreuzungs-
433
8
8
Schweineproduktion
programmen eingesetzt (z. B. bei Einfachkreuzungen mit Pi-Ebern). |
Schussfolgerungen aus der Rassenübersicht | Aus der Rassenübersicht sowie aus Tabellen, Abbildungen und Text des Abschnitts 8.2 lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen: |
!!! Die Vorgängerin der heutigen Deutschen Landrasse, die Rasse des Veredelten Landschweins, konnte bis in die 50er Jahre hinein mit Recht den Anspruch erheben, bei den damaligen Markt- und Leistungsanforderungen eine Universalrasse zu sein. Das galt auch für andere Rassen. | Der Versuch, diese Position auch bei den veränderten bzw. gestiegenen Markt- und Leistungsanforderungen der folgenden Jahre zu behaupten, ist trotz großer Anpassungs- und Umstellungsbereitschaft der Züchter nicht im beabsichtigten Maße, bei manchen der früheren Universalrassen gar nicht, gelungen. | Gegenwärtig gibt es keine Universalrasse, die gleichzeitig bei allen, in Kap. 8.1 aufgelisteten Anforderungen des Marktes und der verschiedenen Produktionsstufen Spitzenleistungen zu liefern vermag. Es ist auch sehr schwer, ein solches Ziel zu realisieren. | Der wichtigste Grund für diese Tatsache ist der erst gegen Ende des Umstellungsprozesses bekannt gewordene Antagonismus zwischen Fleischfülle (besonders in der Kotelettund Schinkenausprägung) einerseits und Fleischbeschaffenheit sowie Vitalität (Stressresistenz) andererseits. Aus manchen Untersuchungsergebnissen ergeben sich auch (schwächere) negative Beziehungen der Fleischfülle zur Fruchtbarkeit und zu Mastleistungsmerkmalen. |
Von den verschiedenen, theoretisch möglichen Antworten auf dieses Dilemma sind gegenwärtig die Folgenden zu beobachten:
!!! |
434
Um den Marktanforderungen gerecht zu werden, verwenden die Mäster in hohem Umfang Ferkel aus Einfach- oder Mehrfachkreuzungen.
|
|
|
Als Väter dienen bei diesen Kreuzungen die Eber von Spezialrassen. Ihre Anteile am Zuchttierbestand haben zugenommen, vor allem die des Pi´ etrainschweines. Der stagnierende Absatz von Landrasseebern und höhere Preise für Pi´ etraineber haben viele Züchter der Landrasse bewogen, als zweites Bein einen Pi´ etrain-Zuchtschweinebestand aufzubauen und ihre Landrassezucht auf den Absatz von deckfähigen Jungsauen auszurichten. Als Vorteil dieser Gewichtsverlagerung und Arbeitsteilung wird angesehen, dass die wegen des Merkmalsgegensatzes nicht oder sehr schwer im gleichen Tier zu vereinigenden Eigenschaften aufgeteilt und entweder Eber- oder Sauenlinien zugeordnet werden, zumal sie ohnehin nicht für alle am Produktions- und Verwertungsprozess beteiligten Stufen im gleichen Maße relevant sind. Für Stressresistenz (Robustheit, Vitalität), Fleischbeschaffenheit, Fruchtbarkeit und gute Mastleistungen sollen also Sauenlinien sorgen, für Fettarmut und gute Magerfleischanteile bei der Vermarktung Eberlinien. Bei der Bewertung der verschiedenen Merkmale im Gesamtindex für die Zuchtwertschätzung werden nicht alle Rassen bzw. Regionen der gleichen Rasse nach demselben Schema behandelt, sondern die Gewichtung richtet sich nach dem Verwendungszweck als Eber- oder Sauenlinie. Haltungsbedingungen und Fütterungstechnik werden mehr oder weniger gut an die Merkmalskombinationen der verschiedenen Rassen, Linien und Kreuzungen bzw. an die daraus resultierenden unterschiedlichen Ansprüche angepasst.
8.2.2
Gebrauchskreuzungen und Hybridprogramme
Kreuzungsferkel für Mäster können aus einfachen Gebrauchskreuzungen oder aus Hybridprogrammen stammen. Selbst herstellen kann der einzelne Ferkelerzeuger oder Aufzucht-Mast-Betrieb wegen der hohen Kosten von Hybridprogrammen nur Gebrauchskreuzungen.
8.2 Schweinerassen und Zuchtverfahren Bei der einfachen Zweirassenkreuzung bedarf es dazu nur eines zweiten Ebers bzw. bei KB dessen Sperma. Von dieser Möglichkeit machen viele Ferkelerzeuger Gebrauch, die eine Muttersauenherde aus DL halten und diese für die Gewinnung von Jungsauen mit einem DL-Eber decken bzw. besamen, während sie für die Erzeugung von Mastprodukten für den Frischfleischverzehr einen LB- oder Pi-Eber benutzen. DL o × Pi + oder LB + F1 Mastprodukte Die weniger verbreitete Paarung mit einem DEEber wird evtl. dann durchgeführt, wenn die aus dieser Kreuzung hervorgehenden Mastschweine hauptsächlich in einen Verarbeitungsbetrieb mit Dauerwarenherstellung gehen. DL o × DE + F1 Mastprodukte Für die Dreirassenkreuzung (4.1.2.1 und 4.1.2.2) bedarf es schon eines höheren organisatorischen Aufwands, an dem sich in der Regel auch die Handels- und/oder Schlachtstufe bzw. Ferkelerzeugerringe mitbeteiligen, wenn nicht überhaupt die Initiative von diesen Bereichen ausgeht. Als bekanntestes Beispiel für die Dreirassenkreuzung kann das ABC-Programm in Schleswig-Holstein gelten. Es wird auch anderswo praktiziert, nach folgendem Schema: DL o × DE + F1 o × Pi + oder LB + F2 Mastprodukte Bei dieser Kreuzung wird angestrebt, mit Hilfe des DE-Ebers in der F1 fruchtbare, robuste Muttersauen zu gewinnen, die dann mit einem fleischreichen Eber zur Erzeugung vollfleischiger Mastprodukte gepaart werden. Wenn ein einzelner Betrieb dieses Programm im Alleingang realisieren will, braucht er drei verschiedene Eber bzw. ihr Sperma und 2 Sauenherden, also reichlich Stallraum und genügend Arbeitskapazität. Wenn das Programm arbeitsteilig zwischen mehreren Betrieben durchgeführt wird, kann es passieren, dass der mit der F1 erzielte Gewinn an Vitalität durch die mit dem Tierverkehr zwischen den Betrieben wachsende Ansteckungsgefahr teilweise oder ganz wieder aufgezehrt wird. Deshalb ist meistens die gesundheitliche Überwa-
chung und Beratung der beteiligten Betriebe ein wesentlicher Teil des Kreuzungsprogramms. Hybridprogramme | Die positiven Erfahrung mit Hybridmais und Hybridhühnern, die beobachteten Heterosiseffekte bei manchen einfachen Gebrauchskreuzungen von Schweinen und das Unbehagen vieler Ferkelerzeuger und Mäster über die wachsenden Probleme mit Reinzuchtschweinen weckten das Interesse für die Hybridschweinezucht, zuerst in Großbritannien und Holland, seit Ende der 60er Jahre auch in der Bundesrepublik. Die Hybridschweine von zahlreichen Zuchtunternehmen konkurrieren mit dem von deutschen Schweinezuchtverbänden und Erzeugerringen getragenen Bundeshybridzuchtprogramm (abgekürzt BHZP) – und mit dem baden-württembergischen Hybridschwein. An einem Hybridprogramm sind in der Regel folgende Produktionsstufen beteiligt:
!!! 1. Die Basiszucht mit Besamungsstation, Mastprüfungsanstalt, Sauen- und Masttestbetriebe sowie Basiszuchtbetrieben, in denen die Linien rein weitergezüchtet werden, die sich in den vorausgegangenen Kombinationsprüfungen als am besten geeignet erwiesen haben (s. Abb. 163). 2. Die Vermehrungszucht (Großelternbetriebe) stellt mit Hilfe der von den Basisbetrieben bezogenen Eber und Sauen Hybridsauen bzw. Hybrideber her. 3. Der Ferkelerzeuger (Elternbetrieb) bezieht deckfähige Jungsauen vom Großelternbetrieb und erzeugt mit Hilfe von Hybridebern (bzw. Sperma) Hybridferkel. 4. Der Mäster bringt die Hybridferkel zur Schlachtreife. Bei der Hybridzucht ist demnach der Weg vom Züchter bis zum Mäster länger, komplizierter und kostspieliger als in der Reinzucht oder einfachen Gebrauchskreuzung und sie liegt deshalb in der Hand von Zuchtunternehmen und Züchtervereinigungen. Warentest für Hybridschweine | Wie gut sind Hybridschweine wirklich? Diese Frage, die früher immer wieder hitzig diskutiert und in Fach-
435
8
8
Schweineproduktion Abb. 163 Aktivitäten der Basiszucht bei der Entwicklung eines Hybridschweins (nach AID-Broschüre 407, ergänzt)
zeitschriften häufig angeschnitten wurde, lässt sich aufgrund zahlreicher Untersuchungen folgendermaßen beantworten. Zwar können auch Hybridschweine keine Wunder vollbringen und manche hochgespannten Erwartungen (vielleicht besonders von Betriebsleitern, die mit anderen Rassen keinen Erfolg hatten) wurden nicht erfüllt. Es wäre auch falsch, würde man sein Augenmerk nur auf die Mast- und Schlachtleistung werfen, denn die meisten Hybridzuchtunternehmen wollten in erster Linie die Fruchtbarkeit der Sauen (bessere und pünktliche Rausche, mehr Ferkel, mehr Milch usw.) und die Vitalität der Ferkel (Eignung für strohlose Aufstallung, niedrige Ausfallquote in Aufzucht und Mast usw.) verbessern. Durch das Ausnutzen von Heterosiseffekten bei Merkmalen mit geringem Erblichkeitsgrad (z. B. der Fruchtbarkeit) kam es zu Leistungssteigerungen bei den Hybridschweinen und dies führte zu mehr geborenen Ferkeln je Sau und Jahr.
436
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme Aus einem hessischen Auktionskatalog sind über den Eber 502626/53 folgende Informationen zu entnehmen: Schon die Überschrift des Abstammungsnachweises gibt einige Informationen über den Eber. Dieser hat die Jungvieh-Nummer 502626/53, ist am 18.06.2003 geboren und links und rechts jeweils 7 Zitzen (7/7). Der Vater Marengo ist ein Pietrain-Eber ´ (Pi) aus Hessen (HE) und stammt von Marius und Märzrose ab. Dies sind die Großeltern des Ebers 502626/53 – väterlicherseits. Die Mutter Nadja, eine Pietrain-Sau, ´ ist mischerbig stressstabil (NP). Ihre Eltern sind Mumm – ein reinerbig stressstabiler Eber (NN) aus BadenWürttemberg (BW) und Natalie aus Hessen (HE).
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme Tab. 124 Abstammungsnachweis des Ebers 502626/53 geb. 18.06.03 – 7/7 MARENGO
NADJA
Pi 59046
HE
Pi 502626 NP 6/6
HE
10,3/10,3
MARIUS
Pi 50238
HE
MÄRZROSE
Pi 501637
HE
MUMM
Pi 61535 NN
BW
NATALI.E.
Pi 502239
HE
V.
8/ 5
190
702 –81
2,60 –0,13
95
66,9 +7,7
0,13 +0,04
67,6
9,0
52,0 +6,2
M. Pi
2/2 50946
196
706 –77
2,51 –0,03
98
63,0 +3,3
0,12 +0,05
67,1
9,0
58,1 +12,3
Die Zuchtleistung von Nadja lautet: 6/6/10,3/ 10,3 Die Sau hat bisher 6 Würfe geboren, 6 Würfe wurden kontrolliert mit # 10,3 geborenen und # 10,3 aufgezogenen Ferkeln je Wurf. Für die Nachkommen des Vaters Marengo (V) lauten die Zahlen der Mastleistung:
8/5 =
190 = 702 = 2,60 =
8 / 5 / 190 / 702 / 2,60 –81 / –0,13 Von den 8 angelieferten Tieren haben 5 die Prüfung auf Mastleistung und auf Schlachtleistung mit folgendem Durchschnittsergebnis abgeschlossen. Alter bei Mastende in Tagen (105 kg) Tägliche Zunahme in g (30–105 kg) Futterverbrauch je kg Zuwachs in kg (30–105 kg)
Die in der 2. Reihe stehenden Zahlen (–81) bzw. (–0,13) sind die Abweichungen vom gleitenden Anstaltsdurchschnitt der 80 vorher geprüften Gruppen. Hierbei ist zu beachten, dass alle über dem Durchschnitt liegenden, das heißt besseren Ergebnissen mit dem Pluszeichen (+), bei allen unter dem Durchschnitt liegenden, das heißt schlechteren Ergebnissen mit einem Minuszeichen (–) versehen sind. Die Nachkommen von Marengo hatten gegenüber den Vergleichstieren eine schlechtere Tageszunahme (702 g gegenüber 783 g) und auch eine schlechtere Futterverwertung (2,60 kg gegenüber 2,47 kg je kg Zuwachs). „Günstiger“ sind also höhere Tageszunahmen, aber niedrigere Futterverwertung. Die Zahlen für die Schlachtleistung bzw. den Schlachtkörperwert der 5 Nachkommen von Marengo lauten:
95 95 66,9 0,13 67,6 9,0 52
66,9 = = = = = =
0,13
67,6
9,0
Index 107
52
Index
+7,7 +0,04 +6,2 107 Schlachtkörperlänge in cm Rückenmuskelfläche in cm2 Fleisch-/Fettverhältnis 1 : 0,13 Fleischanteil (Bonner Formel) Punkte für Bauchqualität (BP 1–9) Fleischbeschaffenheitszahl (FBZ)
Auch diese Zahlen der 2. Reihe stellen wieder die Abweichungen vom gleitenden Anstaltsdurchschnitt dar. Die Nachkommen von Marengo hatten gegenüber den Vergleichstieren eine um 7,7cm2 höhere Rückenmuskelfläche, eine um 0,04 bessere Futterverwertung und eine um 6,2 Punkte bessere Fleischbeschaffenheitszahl. Weiterhin ist ein Index von 107 angegeben. Dieser Teilindex ergibt sich aus Futterverwertung, Fleisch-Fett-Verhältnis und Fleischbeschaffenheitszahl der Prüfungsergebnisse der 5 Nachkommen des Ebers Marengo, wobei von 100 als Ausgangsbasis ausgegangen wird. Von Nadja, der Mutter des Ebers 502626/53, wurde nur eine Gruppe geprüft. Die aufgeführten Werte und ihre Bedeutung wurden schon bei den Nachkommen des Vaters erläutert.
? Wie lauten hier die Durchschnittswerte der 80 vorher geprüften Gruppen? Außerdem wird am Auktionstag dem Katalog ein Einlageblatt beigegeben mit folgenden zusätzlichen Informationen über den Eber: I 162 798 4,4 68,6 135 I = Prämienklasse I 162 = Gewicht am Auktionstag in kg
437
8
8
Schweineproduktion
798 = Tageszunahme in g 4,4 = Rückenspeckdicke in mm 68,6 = Muskelfleischanteil 135 = Gesamtindex Was diese Zahlen bedeuten bzw. wie sie ermittelt werden, wird im folgendem Text erläutert. Eigenleistungsprüfung im Feld | Der Eber 502626/53 wurde beim Auftrieb zur Körung und Auktion gewogen und es wurde mit Hilfe des Echolotgeräts seine Rückenspeckdicke bestimmt (Abb. 164). Aus dem Gewicht und dem Lebensalter wird die tägliche Zunahme errechnet, die bei dem Eber 502626/53 im Durchschnitt 798 g betrug. Die am Körtag gemessene Rückenspeckdicke wird je nach Höhe der Abweichung von einem Standardgewicht korrigiert und ergab so bei diesem Eber 4,4 mm (beide Werte findet man im Einlegeblatt zum Auktionskatalog). Aus den Tageszunahmen und der Rückenspeckdicke wird ein Teilindex berechnet. Bei der Eigenleistungsprüfung im Feld zeigen sich bei den verschiedenen Rassen und auch zwischen Ebern und Sauen der gleichen Rasse große
Abb. 164 Messung der Rückenspeckdicke mit Echolotgerät (Werkfoto: Krautkrämer) Unterschiede in den verschiedenen Leistungskriterien (Tab. 125).
Tab. 125 Ergebnisse der Eigenleistungsprüfung der Eber und Sauen im Feld (2002), nach ZDS Rasse
Anzahl Prüftiere Eber Sauen
# Alter Tage Eber Sauen
# Gewicht kg Eber Sauen
# tägl. Zunahme g Eber Sauen
DL
1 033
42 784
204
198
135
110
662
558
Pi
17 313
1 673
221
197
136
128
669
600
LB
16
29
220
189
131
117
597
620
DE
268
3 254
203
180
137
104
673
578
Ha
14
18
233
226
147
121
634
543
SH
30
526
209
201
130
105
623
528
Du
87
204
196
194
136
109
644
563
Lc
27
2 092
186
187
136
113
731
603
DS
20
33
208
223
130
122
626
562
HaxPi
172
–
217
–
144
–
668
–
HaxDu
313
–
222
–
146
–
658
–
DExDL
28 186
–
189
–
109
–
580
–
LWxDL
34 151
–
179
–
107
–
597
–
7 303
–
185
–
107
–
579
–
Rotationskreuzung DL/DE/Lc
438
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme Tab. 126 Durchschnittsergebnisse der Zuchtleistungen nach Rassen (nach ZDS, Ausgabe 2003) Rasse
Anzahl der HerdbuchSauen
Würfe/ ZwiFerkel/Sau und Ferkel/Wurf VerSau/ schen- Jahr luste Jahr wurfzeit Tage geb. aufge- geb. aufge- % zogen zogen
1996
2002
DL
33 648
34 075
2,26
162
23,6
22,0
10,5
9,8
Pi
8 811
6 460
2,05
178
20,3
19,0
9,9
LB
365
12
2,00
183
19,9
19,4
DE
5 654
7 141
2,24
163
23,4
97
36
1,76
208
Du
265
137
2,15
Ha
293
38
SH
149
BB Lc
AS /DS
Rassenanteil in %
1996
2002
6,8
65,6
–
9,3
6,2
17,2
–
10,0
9,7
2,6
0,7
–
21,4
10,4
9,6
8,4
11,0
–
18,7
16,9
10,7
9,6
9,7
0,2
–
170
22,5
20,3
10,5
9,5
9,4
0,5
–
2,07
176
18,8
17,1
9,1
8,3
8,8
0,6
–
94
1,94
189
21,1
19,3
10,9
10,0
8,4
0,3
–
37
37
1,75
208
17,5
16,4
10,0
9,3
6,4
0,1
–
1 957
610
2,41
152
26,3
24,2
10,9
10,1
7,9
3,8
–
DL=Deutsche Landrasse, Pi = Pi´ etrain, LB= Deutsche Landrasse B, DE= Deutsches Edelschwein, AS/DS= Angler bzw. Deutsches Sattelschwein, Du = Duroc, Ha = Hampshire, SH = Schwäbisch-Hällisches Schwein, BB = Bunte Bentheimer, Lc = Leicoma Zuchtleistungsprüfung | Diese Leistungszahlen werden von Angestellten der Landeskontrollverbände erhoben, teilweise aber auch vom Züchter selbst. Ferkel mit weniger als 6 Zitzen auf einer Seite sollten nicht zur Zucht aufgestellt werden. Nach den seit 1975 geltenden Richtlinien werden als geboren nur die lebend geborenen Ferkel gezählt und die Zahl der aufgezogenen am 21. Tag bestimmt. In der Tab. 126 wurde die Zahl der geborenen bzw. aufgezogenen Ferkel nicht nur je Wurf, sondern je Sau und Jahr angegeben. Das ist die ökonomisch wichtigere Aussage. Die Fruchtbarkeit hängt nicht allein von der Zahl der Ferkel je Wurf ab, sondern lässt sich auch durch eine raschere Wurffolge, das heißt durch eine Verringerung des Abstandes zwischen den Abferkelterminen verbessern (also der Zwischenwurfzeit). Dieses Element der Fruchtbarkeitsleistung ist ebenso wie die Höhe der Ferkelverluste sehr stark durch Haltungsmaßnahmen beeinflussbar. Darauf konzentrieren sich viele Bemühungen, weil hier eher Erfolge zu erzielen sind als auf
züchterischem Wege. Die Heritabilität der Wurfgröße ist mit 0,1 sehr niedrig und erlaubt nur einen sehr langsamen Zuchtfortschritt. Mastleistungsprüfung | Seit den 60er Jahren wurden die Richtlinien für die Durchführung der Mastleistungsprüfung in mehreren Punkten geändert. Der Prüfungsabschnitt wurde von 40–110 kg auf 30–100 kg und ab 1991 auf 30–105 kg festgelegt. Anstatt Vierergruppen (2 o , 2 + ) werden Zweiergruppen (2 o ) geprüft. Früher wurde das Futter zugeteilt; jetzt wird es zur freien Aufnahme (ad libitum) aus Automaten angeboten. Das pelletierte Mischfutter ist ein Universalmastfutter, wobei je nach Nährstoffgehalt der eingesetzten Komponenten das Mischungsverhältnis variiert werden kann. Das Prüfungsfutter muss folgende Mindestanforderungen beim Nährstoffgehalt erfüllen: 88,0 % Trockensubstanz 16,0 % Rohprotein 1,0 % Lysin 0,6 % Methionin/Cystin
439
8
8
Schweineproduktion
0,6 % Threonin 0,75 % Calcium 0,55 % Phosphor 0,15 % Natrium 13,4 MJ ME/kg Soweit es die speziellen Verhältnisse in den MPA zulassen, soll die Prüfung nur noch bei Doppelbelegung oder in Großgruppen mit Abruffütterung erfolgen. Bei den einzelnen Rassen und bei den zunehmend geprüften Kreuzungen zeigen sich erhebliche Unterschiede, wie aus Tab. 127 zu erkennen ist. In der Zuchtpraxis von heute werden die MPAKapazitäten hauptsächlich durch Geschwisterprüfungen von Jungebern genutzt, die zur Zucht vorgesehen sind. Meistens handelt es sich um Halbgeschwistergruppen. Die Qualität ihrer Aussage über den Zuchtwert des Probanden ist zwar geringer als die einer Nachkommensprüfung, aber sie liegt schon bei der Körung und vor der Zuchtbenutzung vor.
Weiterhin wird die Bauchqualität beurteilt. Der Wertebereich geht von 1 – 9, wobei 9 die Höchstpunktzahl ist. Dies ist eine wichtige Größe, da ein gut durchwachsener Bauch gern als Grillfleisch genommen wird und einen wesentlich höheren Preis erzielt als ein fetter Schweinebauch. Ferner wird bei einem Querschnitt zwischen 13.und 14. Rippe (Kotelettschnitt) festgestellt, wie groß die Fläche des Großen Rückenmuskels (Musculus longissimus dorsi) ist. Die sich über der Rückenmuskelfläche befindende Fettauflage wird ins Verhältnis zur Kotelettfläche gesetzt und daraus das Fleisch : Fett-Verhältnis errechnet. Einige dieser Werte bei verschiedenen Rassen sind in der Tab. 128 zu finden.
Schlachtleistungsprüfung in Stationen | Die Messung der Rückenspeckdicke mit dem Ultraschallgerät, die bei den Eigenleistungsprüfungen am lebenden Tier erfolgen, gehören eigentlich zum Bereich der Prüfung des Schlachtwertes. Aber sie sind kein Bestandteil der Schlachtleistungsformel. Die Schlachtkörperlänge wird gemessen vom 1. Halswirbel (Atlas) bis zum Schlossknochen.
Das als Hilfsmerkmal aus den Maßen am Kotelettanschnitt errechnete Fleisch : Fett-Verhältnis hat zwar eine enge Beziehung zum Fleisch : Fett-Verhältnis am Schlachtkörper (Korrelationskoeffizient 0,7–0,8). Aber man kann daraus nicht direkt den Fleischanteil des Schlachtkörpers errechnen, denn der Schlachtkörper enthält außer Muskelfleisch und Fett auch noch Knochen, Sehnen, Schwarten usw.
? Lösung der Aufgabe: Für die Nachkommen der Mutter waren folgende Durchschnittswerte der 80 vorhergehenden Gruppen maßgebend: 783 / 2,48 / 59, 7/ 0,17 / 45, 8
!!!
Tab. 127 Ergebnisse der Mastleistungen bei der Nachkommenprüfung – 30 bis 105 kg (nach ZDS, Ausgabe 2003)
Rasse
Sauen
Kastr.
Alter bei Mastende # tägl. Zunahme (Tage) (g) Sauen Kastr. Sauen Kastr.
Pi
4 584
–
178
–
786
–
2,41
–
Anzahl Prüftiere
Futterverbrauch/kg Zuwachs (kg) Sauen Kastr.
DL
48
3 752
164
167
914
912
2,60
2,65
DE
18
950
171
161
872
945
2,49
2,58
–
162
–
951
–
2,61
DE × DL
–
Pi × DL
3 417
6
179
176
825
895
2,45
2,58
Pi × (DE × DL)
3 233
15
174
161
831
936
2,47
2,64
169
–
859
–
2,37
–
Pi × BHZP
440
1 760
425
–
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme
Abb. 165
Messungen für Schlachtleistungsprüfung
Der Fleischanteil des Schlachtkörpers kann exakt nur durch eine sehr arbeitsaufwändige totale Zerlegung aller Gewebe, teilweise unter Benutzung von Pinzetten, bestimmt werden. Diese Methode der Ermittlung des Fleischanteils dient nur Forschungszwecken und der Eichung der indirekten Methoden.
Eine dritte indirekte Methode zur Beurteilung der Fleischfülle eines Schlachtkörpers ist die Bestimmung des Anteils der wertvollen Teilstücke (Kotelett/Kamm/Schinken mit Eisbein, Bug mit Eisbein) nach der DLG-Schnittführung (Abb. 165). Auch dieses Hilfsmaß ist eng korreliert mit dem Muskelfleischanteil. Dies zeigte sich bei
Tab. 128 Ergebnisse der Schlachtleistung bei der Nachkommenprüfung – Schlachtgewicht warm: 85 kg (nach ZDS, Ausgabe 2003) Anzahl Prüftiere Rasse
Sauen
Kastr.
Pi
4 584
–
Schlachtkörperlänge (cm) Sauen Kastr. 95
Rückenmuskelfläche (cm2) Sauen Kastr.
Fleisch-Fett-Verhältnis (1:) Sauen Kastr.
–
61,8
–
0,18
–
DL
48
3 752
101
101
49,6
45,2
0,37
0,47
DE
18
950
102
100
46,2
43,0
0,35
0,45
101
–
44,2
–
0,46
–
DE × DL
1 760
Pi × DL
3 417
6
97
96
58,9
57,6
0,24
0,27
Pi × (DE × DL)
3 233
15
99
97
55,1
48,7
0,26
0,36
56,2
–
0,25
–
Pi × BHZP
425
–
–
100
–
441
8
8
Schweineproduktion
Tab. 129 Ergebnisse der Schlachtleistung bei der Nachkommenprüfung – Fortsetzung (nach ZDS, Ausgabe 2003) Anzahl Prüftiere Rasse
Sauen
Kastr.
Rückenspeckdicke (cm) Sauen Kastr.
Fleischanteil nach LPA-Formel Sauen Kastr.
Schinkenanteil (%) Sauen Kastr.
Pi
4 584
–
18
–
65,3
–
34,3
–
DL
48
3 752
23
25
58,9
56,5
32,5
31,7
DE
18
950
23
26
58,3
56,2
32,6
31,3
25
–
56,4
–
31,7
–
DE × DL
1 760
Pi × DL
3 417
6
20
21
63,4
62,5
33,5
–
Pi × (DE × DL)
3 233
15
20
24
62,0
58,5
33,3
32,8
22
–
62,4
–
33,4
–
Pi × BHZP
425
–
–
einer Überprüfung anhand einer vollständigen Zerlegung an der MPA Forchheim (1986). Folgender Zusammenhang ergab sich hier: 50 % wertvolle Teilstücke = 50,9 % Muskelfleisch 55 % wertvolle Teilstücke = 57,4 % Muskelfleisch 60 % wertvolle Teilstücke = 64,0 % Muskelfleisch Für einen reibungslosen und schnellen Ablauf der Bestimmung des Fleischanteils an den Schlachtstätten sind diese zeitaufwändigen Methoden jedoch ungeeignet. Bei der in Dänemark seit Jahren praktizierten und in der Bundesrepublik am 1.4.1987 eingeführten apparativen Bestimmung des Fleischanteils handelt es sich – wie beim Fleisch : FettVerhältnis am Kotelett – wieder um eine indirekte Methode: Die an verschiedenen Einstichstellen gemessenen Rückenspeck- und Fleischmaße werden über eine komplizierte Formel in Magerfleischprozente umgerechnet (mehr dazu in 8.5.5). Diese Rechenwerte haben eine enge Korrelation zum tatsächlichen Muskelfleischanteil am Schlachtkörper. Auf Empfehlung des Ausschusses für genetischstatistische Methoden der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde wurden die pH1- und pH24-Werte von Kotelett und Schinken mit unterschiedlichen Gewichten in einem einzigen Zahlenausdruck zusammengefasst und als Merkmal „Fleischbeschaffenheitszahl“ (FBZ) berücksichtigt. Die Nachkommen des Ebers Marengo liegen mit 52,0 unterhalb des Optimalbereiches von 60–80, aber um 6,2 Punkte besser als die Vergleichstiere.
442
Bei der intensiven Selektion auf niedrige Rückenspeckdicke wurden anfangs die Schweine übersehen, die den Speck mehr an den Seiten haben. Deshalb wird seit einigen Jahren an den Stationen auch die Seitenspeckdicke gemessen. Aus Tab. 128 und 129 lässt sich z. T. ablesen, dass die Tiere, die für überragende Fleischleistung bekannt sind (Pi,LB) hohe Werte bei der Rückenmuskelfläche und beim Magerfleischanteil aufweisen, bei entsprechend niedrigen Werten beim Fleisch-Fett-Verhältnis und beim Rückenspeck. Als Extreme hierzu sind bei den Merkmalen die Tiere von Angler Sattelschwein, Leicoma, Schwäbisch Hällischem Schwein und auch Duroc anzusehen. Der Entwicklung folgend werden nun immer mehr auch Nachkommen von Kreuzungstieren geprüft. Diese liegen bei den o.a. Werten zwischen den Extremwerten der Reinzuchttiere.
8.3.1
Fleischbeschaffenheit und Stressanfälligkeit
Für die Beurteilung der Fleischbeschaffenheit können verschiedene Messmethoden herangezogen werden. Die Messung der Farbhelligkeit wird an der Schnittfläche des Großen Rückenmuskels durch das Göfö- oder Optostar-Gerät durchgeführt. Optimal sind hier 60 – 80 Punkte. Niedrigere bzw. höhere Werte geben einen Hinweis auf Fleischqualitätsmängel.
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme Abb. 166 Fleischreifungstypen mit Hilfe der pHMessung (nach Hildebrandt)
Beim Tropfsaftverlust wird das Safthaltevermögen von Fleischproben festgestellt und der Gewichtsanteil des abtropfenden Wassers im Verhältnis zu dem Gewicht der entnommenen Fleischprobe gesetzt. Dieser Verlust sollte 24–48 Stunden nach dem Schlachten kleiner als 3 % sein. Die pH-Wert-Messungen dienen der Kontrolle des Säuerungsverhaltens des Fleisches, und hiermit können weitere, für die Fleischverarbeitung wichtige Teilaspekte der Fleischbeschaffenheit untersucht werden. Neben normal reifendem Fleisch werden folgende Fleischtypen von anormaler Beschaffenheit unterschieden:
!!! PSE-Fleisch (pale = bleich, soft = weich, exsudativ = wässrig) und DFD-Fleisch (dark = dunkel, firm = fest, dry = trocken). Wie das Schema der Abb. 166 zeigt, findet bei DFD-Fleisch (aus Mangel an verfügbaren Energiereserven in den Muskeln zum Schlachtzeitpunkt) keine oder eine nur unzureichende Fleischsäuerung statt. Dieses Fleisch bietet den Bakterien gute Lebensbedingungen, und die da-
raus hergestellten Dauerwaren halten sich schlecht. Außerdem schmeckt es unangenehm leimig. Das PSE-Fleisch, das durch einen sehr raschen Abbau der Energiereserven und eine beschleunigte Milchsäurebildung nach dem Schlachten charakterisiert wird, schrumpft in der Pfanne stärker als normales Fleisch und ist weniger zart. Diese Eigenschaften rufen aber selten Protest bei den Verbrauchern hervor, weil diese PSE-Bratstücke ja gleichzeitig mehr Fleisch und weniger Fett als früher enthalten. Mehr stören dagegen den Verarbeiter die durch Tropfwasser und erhöhte Verdunstung bewirkten Gewichtsverluste von PSE-Schweinen, die übermäßige Geleebildung bei Dosenschinken, das schon erwähnte geringe Wasseraufnahmevermögen (in der Würstchenherstellung) usw. Dieses negative Erscheinungsbild von PSEFleisch wird noch verstärkt, wenn die Tiere einen geringen intramuskulären Fettanteil aufweisen, der als Träger von Geschmacksstoffen mind. 2–2,5 % erreichen sollte. Die enge negative Korrelation mit dem Muskelfleisch hat einen Rückgang des intramuskulären Fettes bewirkt, so dass bei einer hessischen Untersuchung keine der zahlenmäßig bedeutenden Rassen und Kreuzun-
443
8
8
Schweineproduktion
gen die anzustrebenden Werte erreichte. Da jedoch diese Werte innerhalb der Rassen und Kreuzungen sehr breit streuten, ist eine Selektion bei diesem Merkmal erfolgversprechend; es muss aber berücksichtigt werden, dass negativ korrelierte Merkmale wie z. B. die Fleischfülle darunter leiden würden. Die am meisten begehrten Teilstücke sind besonders anfällig für PSE-Fleisch und somit lassen sich Qualitätsabweichungen hier auch am zuverlässigsten bestimmen. Hierzu ist es notwendig, dass der pH-Wert 45–60 Minuten (pH1) bzw. 24 Stunden nach der Tötung (pH24) am Kotelett bzw. Schinken festgestellt wird. Die Abgrenzungen der Wertebereiche findet man in Tab. 130 und in Tab. 131 sind einige Ergebnisse der Rassen bzw. Kreuzungen aufgeführt.
Eine Alternative zum pH-Wert ist die Messung der elektrischen Leitfähigkeit des Stromes im Muskel mit Hilfe von zwei parallel angeordneten Einstich-Elektroden. Die Leitfähigkeit wird erhöht durch Membranschädigung, da hierdurch die Zellflüssigkeit leichter austritt und die Beweglichkeit der Ionen im Gewebe zunimmt. Diese einfach und schnell durchzuführende Messung, die die Feststellung von PSE-Fleisch ermöglicht, sollte ebenfalls frühestens 40 Minuten nach der Schlachtung erfolgen. Bei guter Fleischbeschaffenheit liegen die 45 Minuten bzw. 24 Stunden nach der Schlachtung gemessenen Leitfähigkeitswerte (LF1 bzw. LF24) unter 5,0 mS/cm2 (milli Siemens/cm2), wie Tab. 130 ausweist. Auch der Reflexionswert, den man beim Einsatz des Klassifizierungsgerätes FOM (s. Kap. 8.5.5)
Tab. 130 Kriterien zur Beurteilung der Fleischbeschaffenheit beim Schwein Kriterium
Messverfahren
Wertebereich erwünscht
unerwünscht
Fleischhelligkeit: Optostar
photoelektrisch am Anschnitt des Rückenmuskels zwischen der 13./14. Rippe
60–80
X 40
pH-Werte in Kotelett und Schinken: pH1 im Rückenmuskel
Messung der Ansäuerung des Muskels nach 45 Minuten nach der Schlachtung zwischen 13./ 14. Rippe
5,8–6,4
X 5,6 PSEBeschaffenheit
pH24 im Rückenmuskel
Messung wie pH1 24 Stunden nach der Schlachtung
X 5,6
G 6,0 DFDBeschaffenheit
pH24 im Schinken
Messung der Ansäuerung des Muskels 24 Stunden nach der Schlachtung im Schinken
X 5,6
G 6,0 DFDBeschaffenheit
Leitfähigkeit (LF) im Kotelett und Schinken: LF1 im Rückenmuskel
Messung der elektrischen Leitfähigkeit im Muskel 45 Minuten nach der Schlachtung
X 5,0 mS/cm2
G 8,0 mS/cm2
LF24 im Rückenmuskel
Messung wie LF1 24 Stunden nach der Schlachtung
X 5,0 mS/cm2
G 8,0 mS/cm2
444
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme Tab. 131 Ergebnisse der Fleischbeschaffenheit bei der Nachkommenprüfung 2002, 30 bis 105 kg (nach ZDS, Ausgabe 2003) Rasse
Anzahl Prüftiere Sauen Kastr.
pH1–Kotelett Sauen Kastr.
LF1–Kotelett Sauen Kastr.
Optostar (Punkte) Sauen Kastr.
Pi
4 584
–
6,18
–
5,4
–
65
–
DL
48
3 752
6,38
6,46
4,2
4,3
67
71
DE
18
950
6,40
6,48
4,0
4,4
61
69
6,51
–
4,3
–
69
–
DE × DL
1 760
–
Pi × DL
3 417
6
6,33
6,43
4,2
–
69
69
Pi × (DE × DL)
3 233
15
6,39
6,2
5,4
5,4
68
66
6,26
–
4,2
–
67
–
Pi × BHZP
425
–
durch das unterschiedliche Reflexionsvermögen von Fleisch und Fett bzw. von hellem (PSE) und normalem Fleisch erhält, ermöglicht Rückschlüsse auf die Fleischqualität. Aber auch dieser Wert stabilisiert sich erst 40 Minuten nach der Tötung. An einer Verbesserung der Fleischqualitätsmängel müssen auch die Mäster und Ferkelerzeuger interessiert sein. Im gleichen Maße, wie sich die Rückenmuskelflächen und der Fleischanteil vergrößerten, nahm auch der Anteil an PSE-Schweinen zu und vermehrten sich die Verluste während der Mast, auf dem Transport und auf dem Schlachthof. Zahlreiche Einzeluntersuchungen bestätigen den Zusammenhang zwischen PSE-Fleisch und Stressanfälligkeit. Bei der Entstehung von DFD- und PSE-Fleisch sind auch Umweltfaktoren beteiligt, insbesondere die Transportbedingungen vom Mastbetrieb bis zum Schlachthof, die Länge der Ruhepause vor dem Schlachten und dieser Vorgang selbst. Aber angesichts eines relativ hohen Erblichkeitsgrades (Heritabilität für Göfowert 0,3) liegt der Schwarze Peter auch bei den Schweinezüchtern. Von diesen wurde das Problem erkannt und die Berücksichtigung der Fleischbeschaffenheit im Gesamtzuchtwert (Kap. 8.3.2) beweist, dass einer weiteren Verschlechterung von Fleischbeschaffenheit und Konstitution entgegengewirkt werden soll. Wenn man allerdings den Trend umkehren, also die Fleischmängel und die Stressanfälligkeit vermindern will, ohne das in der
Fleischfülle erreichte Niveau zu gefährden, braucht man einen langen Atem. Mit Hilfe einer Methode, bei der die Reaktion von 20 kg schweren Ferkeln während einer kurzzeitigen, genau dosierten Betäubung mit dem Präparat Halothan beobachtet und registriert wird, können stressanfällige Schweine frühzeitig aufgespürt und selektiert werden. Läufer, bei denen sich während der Einwirkungszeit des Betäubungsgases die Muskeln verkrampfen, werden als halothanpositiv, abgekürzt H(+), bezeichnet. Läufer, die mit entspannten Muskeln auf dem Behandlungstisch liegen, werden als H(–), also halothannegativ, eingestuft. Auch mit dem Kreatin-Kinase-Test (CK-Test) lässt sich die Stressstabilität feststellen. Dieser Test beruht darauf, dass die Schweine einer Belastung ausgesetzt werden. Bei stressempfindlichen Tieren kommt es zu einer Schädigung der Zellmembranen, so dass das muskelspezifische Enzym Kreatin-Kinase in die Blutbahn gelangt und dort nach ca. 24 Stunden seine höchsten Werte erreicht. Ein Unterschied des Halothan- und des CK-Tests besteht darin, dass der CK-Test zwar auch am lebenden Schwein durchgeführt werden kann, aber doch erst in einem Gewichtsabschnitt von 60–100 kg. Hinzu kommt ein entscheidender Punkt, nämlich dass man den H(–)-Tieren äußerlich nicht anmerkt, ob sie zu den wenigen reinerbigen (homozygoten) oder zu den vielen mischerbigen (heterozygoten) zählen, die noch Überträger des Stressempfindlichkeitsfaktors sein können.
445
8
8
Schweineproduktion
!!! Daher ist die Entdeckung des MHS-Gentests (Malignes Hyperthermisches Syndrom) im Jahr 1991 als großer Fortschritt zu werten. Mit diesem gendiagnostischen Verfahren können durch Untersuchungen eines Milliliters Blut oder eines erbsengroßen Gewebestückes die MHS-Genvarianten exakt dargestellt werden, so dass sich die Tiere eindeutig in MHS-negativ (NN), -positiv (PP) oder heterozygot (NP) einstufen lassen. Es entfallen damit langwierige Nachkommenprüfungen zur Unterscheidung von reinerbig und mischerbig stressstabilen Tieren. Da bei dem MHS-Test das Gen direkt am Tier selbst erfasst wird, handelt es sich um ein sofort vorliegendes Eigenleistungsergebnis, wodurch die Überlegenheit gegenüber den anderen Methoden noch größer ist. Die Mutter des Ebers 502626/53 ist also mischerbig (NP) beim Stressfaktor und es bleibt dem Zufall überlassen, welche Veranlagung weitergegeben wird.
!!! Züchterische Maßnahmen reichen allein nicht aus, um eine gute Fleischqualität zu garantieren. Zusätzlich müssen – wie bereits erwähnt – die Transport- und Schlachtbedingungen verbessert werden. Der Landwirt sollte die Schweine 6 – 8 Stunden vor dem Transport nicht mehr füttern, aber ausreichend tränken und beim Verladen dafür sorgen, dass die Tiere über griffigen Boden und rutschfeste Rampen ruhig in die Transportwagen gelangen, ohne durch Elektrotreiber und Schläge schockiert zu werden. Kranke Tiere sollten nicht verladen werden. Die übrigen Forderungen gehen das Transportund Schlachthofpersonal an: Den Transport durch Absperrgitter nach Größenklassen und Herkunft unterteilen – im Sommer nur morgens oder abends fahren –, das Fahrzeug nicht zu dicht belegen, das heißt mindestens 0,5 m2 je Schwein vorsehen, und für gute Belüftung sorgen – im Winter einstreuen – vorsichtiges Kurvenfahren, Bremsen und Rangieren, um Erbrechen vorzubeugen – Ruhe beim Abladen, Treiben und Wiegen auf dem Schlachthof bzw. in der Ver-
446
sandschlachterei. Der Mäster sollte seine Wirkungsmöglichkeiten auf diese Leute so gut wie möglich nutzen. Weitere Hinweise zu diesem Thema finden sich in der AID-Broschüre Nr. 2060 „Schweine schonend behandeln“.
8.3.2
Gesamtzuchtwert und BLUPVerfahren
Wie bei den Bullen ist auch bei den Ebern der geschätzte Gesamtzuchtwert (Index) die Grundlage für die Körung und Ausgangspunkt für die Selektion. Aus dem bereits vor dem Körtag bekannten Informationen wird ein Teilindex berechnet und im Auktionskatalog ausgedruckt. Beim Jungeber 502626/53 war dieser Teilindex 107, ermittelt aus der Futterverwertung, dem Fleisch : Fett-Verhältnis und der Fleischbeschaffenheitszahl von 5 Halbgeschwistern des oben angesprochenen Ebers. Hierbei wurden die Abweichungen gegenüber den Vergleichstieren mit entsprechenden Gewichtungsfaktoren multipliziert und in Punkte umgerechnet. Am Körtag wurden für den Jungeber die Lebenstagszunahme (798 g) und die Rückenspeckdicke (4,4mm) mit der in Abbildung 164 beschriebenen Methode ermittelt und auf ein festgesetztes Standardgewicht umgerechnet und gewichtet. Daraus ergab sich ein zweiter Teilindex, der sich dann zu einem Gesamtindex folgendermaßen aufaddiert: Übersicht 42 Vorgabe Teilindex (aufgrund Halbgeschwisterleistung, aus Futterverwertung, Fleisch : Fett-Verhältnis, Fleischbeschaffenheitszahl) Teilindex (Auktion) (aus Tageszunahme, Rückenspeckdicke) Gesamtindex
100 Punkte 7 Punkte
107 Punkte 28 Punkte
135 Punkte
Es wird auf die Angabe der Gewichtungsfaktoren verzichtet, weil diese sich nach der Anzahl der geprüften Gruppen richten und auch von Zeit zu Zeit angepasst werden, also keine festen Größen sind.
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme
? Welche wichtigen Leistungsmerkmale werden nicht in den Index einbezogen, und weshalb? Nicht berücksichtigt werden im Selektionsindex die Schlachtkörperlänge, weil sie heute nicht mehr für so wichtig gehalten wird, die Rückenmuskelfläche, weil sie mit dem Fleisch : FettVerhältnis eng korreliert ist und deshalb den Index indirekt beeinflusst – der Schinkenanteil, vielleicht weil er in der Vergangenheit überbewertet wurde oder weil er die Note für Bemuskelung noch ausreichend beeinflussen kann – die Ferkelzahl trotz ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung und trotz des Widerspruchs namhafter Experten, weil die Heritabilität zu niedrig ist. Ob sich die den Index beeinflussenden Leistungsmerkmale – auch durch die sich immer häufigere Bezahlung nach Autofom – zukünftig verändern, bleibt abzuwarten.
BLUP-Verfahren (Tiermodell) | In einigen Schweinezuchtverbänden wurde die Indexbewertung von dem in der Rinderzucht schon länger eingesetzten BLUP-Verfahren (s. Kap. 4.3.2) abgelöst. Dass dieses Verfahren erst allmählich in der Schweinezucht eingeführt wurde, lag an der zu geringen Leistungsfähigkeit der EDV. Im Gegensatz zu der Rinderzucht müssen hier eine große Anzahl verwandter Tiere mit vielen Merkmalen in kurzer Zeit (durch die schnelle Generationsfolge) verarbeitet werden. Ein Vergleich von Index- und BLUP-Zuchtwerten ist innerhalb eines begrenzten Zeitraumes nur möglich, solange der Zuchtfortschritt vernachlässigt werden kann. Hier zeigt sich aber der Vorteil durch das Tiermodell, weil der genetische Fortschritt berücksichtigt und der Zuchtwert aus zurückliegenden Generationen bei jeder ZuchtwertSchätzung angepasst wird. Es werden alle verwandtschaftlichen Informationen mit einbezogen, die Umwelteffekte werden ausgeschaltet, der Einfluss des Herkunftsbetriebes wird eliminiert und auch die störenden saisonalen Umwelteinflüsse wie der Schlachttag und Schlachtmonat innerhalb eines Jahres werden berücksichtigt. Durch dieses Verfahren wird nicht nur die Genauigkeit der Zuchtwerte erhöht, sondern es bietet auch die Möglichkeit, weitere Merkmale wie
z. B. die Reproduktions- und Vitalitätsmerkmale mit einzubeziehen.
8.3.3
Kontrollergebnisse aus Erzeugerringen
In den 60er Jahren wurden überall Mastkontrollund Ferkelerzeugerringe aufgebaut. Durch diese wurden 2001/02 fast 9 200 Ferkelerzeugerbetriebe und mehr als 7 500 Mastbetriebe beraten und fast 940 000 Sauen und über 11,7 Mio. Mastschweine kontrolliert. Während gegenüber dem Vorjahr bei den Betrieben eine Abnahme um –2.7 % bzw. –1,8 % zu verzeichnen war, nahmen die Anzahl der kontrollierten Tiere um +4,9 % bzw. +3,8 % zu. Die Hauptaufgabe dieser Ringe sind die Betreuung und Beratung der Mitglieder in Fragen der Produktionstechnik (Fütterung, Haltung, Hygiene usw.) und die Erstellung der Aufwands-Ertrags-Rechnungen zur Verbesserung der Rentabilität. Natürlich wird das anfallende Datenmaterial auch von den Verbänden, Instituten und anderen an der Schweineproduktion interessierten Einrichtungen als Informationsquelle benutzt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Ergebnisse der Tab. 132 und Tab. 133 nicht voll vergleichbar sind, da die einzelnen Kontrollringe unterschiedlich auswerten. Eine bessere Vergleichbarkeit ist natürlich bei den Ergebnissen innerhalb eines Kontrollringes gegeben.
? Diese Tabellen laden zu einem Vergleich mit den Daten der Tab. 126 und 127 ein. Weshalb sind die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Stationsprüfungen und der Ringe so groß? Zur Bewertung der Aufzuchtleistung der Ringsauen noch einige zusätzliche Daten: In 2001/ 02 wurden in Deutschland 2,53 Millionen Sauen gezählt; im gleichen Zeitraum wurden 44,3 Millionen Schweine aus einheimischer Erzeugung geschlachtet.
Die großen Unterschiede zwischen den Mastleistungsergebnissen der Anstalten und der Praxisbetriebe beruhen nicht nur darauf, dass sich die Praxis den von den Züchtern erreichten geneti-
447
8
8
Schweineproduktion
Tab. 132 Ergebnisse der biologischen Leistungsdaten in der Ferkelerzeugung 2001/02 (nach ZDS, Ausgabe 2003) Region
Betriebe
(*) Schl.-Holstein (*) Niedersachs.
Anzahl Sauen/ Betrieb
Anzahl Würfe/ Sau/Jahr
aufgez. VerluFerkel/ strate 1) 1) Sau/Jahr %
Ferkelver- Ferkelfut- Akh je kauf/kg/ ter/verk. Sau Stück Ferkel kg
223
145
2,25
20,3
16,9
27,7
36
15
1 196
119
2,22
19,6
17,3
28,5
36
17
420
130
2,26
20,1
16,8
28,4
38
16
(*) Nr.-Westfalen (*) Rhl.-Pf./Saarl.
49
75
2,12
18,4
15,8
28,4
48
28
(*) Gesamt
1 888
124
2,23
20,4
17,2
28,4
37
17
(*) Vorjahr
1 967
115
2,23
19,8
16,5
28,3
36
17
(*) Mittel 10 Jahre
2 724
83
2,13
19,0
16,2
27,5
–
–
Hessen
183
72
2,13
19,1
15,5
29,8
–
–
Bayern
3 215
59
2,11
19,6
9,0
29,4
–
–
Mecklenburg–Vorp.
39
595
2,32
21,3
14,4
–
–
–
Brandenburg
67
619
2,28
20,30
14,4
–
–
–
Sachsen-Anhalt
51
754
2,22
20,7
12,6
–
–
–
Sachsen2)
98
608
2,23
20,6
13,1
–
–
–
Thüringen2)
51
619
2,27
20,2
14,4
–
–
–
(*) = gemeinsam am Institut für Tierzuchtwissenschaften der Universität Bonn ausgewertet 1) ohne Daten aus Sachsen-Anhalt 2) Produktionskontrolle im Kalenderjahr 2001
Tab. 133 Ergebnisse der biologischen Leistungsdaten der Erzeugerringe in der Schweinemast, 2001/021) (nach ZDS, Ausgabe 2003) Region
Tiere
(*) SSB Schl.-Holstein
Mastbeginn kg
Zuwachs kg
Verluste %
tägl. Zunahme g
Futteraufw./ kg Zuwachs 1: 2,91
859 160
28
89
2,9
740
1 434 816
29
89
4,0
684
3,03
(*) AG d. Ringe Hannover
600 384
29
89
3,7
688
3,01
(*) Ringe i. Weser-Ems
544 950
28
89
2,9
715
2,91
(*) ER Westfalen
870 829
28
92
4,3
710
2,91
(*) ER Mi.-Ra.-Li
80 401
29
90
4,5
721
3,04
(*) VzF Uelzen
(*) VSR B. Kreuznach
21 200
33
84
3,7
683
2,97
(*) LKV Bad-Württemb.
373 464
30
86
2,9
684
2,93
Rheinland
430 137
30
87
3,5
703
2,97
HVL Alsfeld
281 158
30
89
3,1
695
3,00
LKV Bayern
2 195 726
30
86
2,1
699
2,95
467 376
27
90
3,8
689
3,06
Mecklenb.-Vorpommern Brandenburg
316 000
27
87
4,2
675
3,24
Sachsen-Anhalt
301 704
–
–
4,4
687
3,28
Sachsen2)
474 972
27
88
3,6
697
3,15
428 130
27
88
3,5
691
–
Thüringen
2)
(*) = gemeinsam am Institut für Tierzuchtwissenschaften der Universität Bonn ausgewertet 1) ohne Daten aus Sachsen-Anhalt 2) Produktionskontrolle im Kalenderjahr 2001
448
8.3 Leistungen des Schweins, Leistungsprüfungen und Qualitätsprobleme schen Fortschritt nicht rasch genug zunutze macht. Sondern zu den Unterschieden tragen auch die Umweltbedingungen bei, die von Praxisbetrieben nicht so günstig gestaltet werden können wie in den Stationen und außerdem sind die Mastabschnitte nicht deckungsgleich. Beim Leistungsvergleich ist weiterhin zu berücksichtigen, dass in den Anstalten alle kranken Schweine aus den Prüfungen ausscheiden, während die meisten Mäster auch wegen Krankheit in der Entwicklung zurückgebliebene Schweine behalten, die dann natürlich den Gruppendurchschnitt drücken. Der deutliche Unterschied in der Aufzuchtleistung zwischen Herdbuch- und Ringsauen weist auf erhebliche Produktionsreserven hin. Aus der Anzahl der Sauen und der Zahl der Schlachtungen errechnete sich 2002 eine Leistung der deutschen Durchschnittssau von 17,4 Schlachtschweinen. Wenn man bedenkt, dass die mehr als 50 000 Herdbuchsauen im Durchschnitt 21,3 und die Ringsauen um die 20 Ferkel im Jahr aufgezogen haben, dann sinkt die Leistung der nicht kontrollierten Tiere noch weiter ab. Weiterhin
muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den angegebenen Leistungen um Durchschnittszahlen handelt bei einer in der Regel beachtlichen Streubreite. Aber es gibt nicht nur Leistungsunterschiede zwischen den Reinzuchtsauen und den Hybridsauen, sondern auch zwischen Tieren der verschiedenen Hybridprogramme. Der Bericht aus Verden (2003) weist eine Differenz von 1,4 lebend geborenen und 0,4 abgesetzten Ferkeln bzw. 0,06 Würfe je Sau und Jahr auf (s. Tab. 134). Als Entscheidungshilfe für die Auswahl von Zucht- und Masttieren aus verschiedenen Kreuzungsprogrammen kann der Warentest von Haus Düsse herangezogen werden. Dieser Test vergleicht die wesentlichen Merkmale von 7 verschiedenen Herkünften. Zusätzlich wurde die Kundenzufriedenheit erfasst. Die Unterschiede sind durch die durchgeführte Benotung bei den Einzelmerkmalen sowie bei der Gesamtbewertung (mit evtl. Abweichungen nach oben oder unten) aus der Tab. 135 leicht ablesbar.
Tab. 134 Leistungen von Sauen verschiedener Kreuzungsprogramme (Verdener Bericht, 2003) Anzahl Beobacht. abs. rel.
Mittelwert, 2000–2003 Standardabweichung
Merkmale leb. geb. Ferkel/Wurf
leb. geb. abges. Ferkel/Sau u. Ferkel/Sau Jahr u. Jahr
Würfe/Sau u. Jahr
10,6 0,7 ***
23,1 2,7 **
19,5 2,5 n.s.
2,17 0,19 *
Kreuzungssauen (Sauenrassen)
379
7,8
–0,1a
–0,7a
–0,2
–0,03a
regionale Kreuzungsprogramme
387
8,0
–0,1a
–0,4ab
–0,2
–0,01a
BHZP
2 605
53,8
–0,2a
–0,1b
0,0
+0,03b
Camborough (PIG)
1 011
20,9
+0,3b
+0,7c
+0,2
0,00ba
Sonstige
459
9,5
Gesamt
4 841
100,0
8
Die einzelnen Werte bei den Merkmalen geben die Abweichungen von den Mittelwerten an, wobei ein Pluszeichen (+) den Mittelwert „verbessert“ und ein Minuszeichen (–) ihn „verschlechtert“ n.s. = nicht signifikant *** X = 0,1 % Irrtumswahrscheinlichkeit ** X = 1 % Irrtumswahrscheinlichkeit * X = 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit Bei Ergebnissen mit unterschiedlichen „hochgestellten Buchstaben“ konnte eine signifikant (p X 5 %) unterschiedliche Wirkung nachgewiesen werden.
449
8
Schweineproduktion
Tab. 135 Bewertung der Mastferkel-Herkünfte (Warentest Haus Düsse, 2002) Herkunft
BHZP
PIC
Hülsenberger
SNW
JSR
Dalland
UPB
Eber:
db-Eber 65
Pi´ etrain
Pi´ etrain
Pi´ etrain
Pi´ etrain
Dalland-SEber
Pi´ etrain
Sau:
db-Sau
Camborou gh 23
Euroc-Sau
Westhybrid
JSR Hybridsau
DallandHybridsau
UPB-Hybridsau
Einzelmerkmale Zunahme
gut (+)
sehr gut (–)
sehr gut (–)
befriedigend
gut
sehr gut
gut
Futteraufwand
befriedigend (+)
gut
gut
gut
gut
befriedigend (–)
sehr gut (–)
Schlachtkörperbewertung
gut (–)
gut (–)
gut (+)
gut (+)
sehr gut
befriedigend (–)
sehr gut
Stressstabilität
gut (–)
befriedigend
befriedigend
befriedigend
befriedigend
gut (+)
gut (+)
Fleischbeschaffenheit
sehr gut
gut (+)
gut (–)
sehr gut (–)
befriedigend
gut
befriedigend (+)
Zuchtleistung
befriedigend (+)
gut (–)
gut (–)
befriedigend
gut
gut (–)
befriedigend (+)
Kundenzufriedenheit
gut (–)
gut
gut
gut
gut
gut
gut (–)
gut
gut
gut
gut
gut
befriedigend (+)
gut (+)
(2,1)
(2,1)
(1,9)
(2,1)
(1,8)
(2,6)
(1,5)
ohne Zucht- gut leistung/ mit Kundenzufriedenheit (2,1)
gut
gut
gut
gut
befriedigend (+)
gut (+)
(2,1)
(1,9)
(2,1)
(1,8)
(2,5)
(1,6)
mit Zuchtgut (–) leistung/ mit Kundenzufriedenheit (2,3)
gut
gut
gut (–)
gut
befriedigend (+)
gut
(2,1)
(2,0)
(2,3)
(1,9)
(2,5)
(1,8)
mit Zuchtleistung/ ohne Kundenzufriedenheit
gut (–)
gut
gut
gut (–)
gut
befriedigend (+)
gut
(2,3)
(2,1)
(2,0)
(2,3)
(1,9)
(2,5)
(1,8)
Gesamtbewertung ohne Zuchtleistung/ ohne Kundenzufriedenheit
450
8.4
8.4 Die Ferkelerzeugung
!!! Der wirtschaftliche Erfolg des Ferkelerzeugers ist in erster Linie von der Zahl der je Sau und Jahr aufgezogenen Ferkel abhängig. Je niedriger die Ferkelzahl ist und je länger der Zeitabstand zwischen den Würfen, desto stärker wird das einzelne Ferkel mit den Festkosten der Sau (Erhaltungsfutter, Aufzuchtanteil, Gebäude- und Gerätekosten, Strom, Tierarzt, Deckgeld usw.) belastet. Alle Haltungsmaßnahmen, auch solche, die Arbeit sparen sollen, sind deshalb daraufhin zu prüfen, wie sie sich auf das Aufzuchtergebnis auswirken. Das gilt schon für die Aufzucht der Jungsau und für ihre Eingliederung in den Zuchtbetrieb.
8.4.1 Wann ist die Jungsau zuchtreif? Männliche und weibliche Zuchtläufer sollten im Alter von drei Monaten getrennt werden, weil mit 4–5 Monaten die frühreifsten weiblichen Tiere rauschen. Sie sind aber dann noch nicht zuchttauglich. Werden Jungsauen zu früh gedeckt, können Geburtsschwierigkeiten auftreten, weil das Becken noch nicht genügend entwickelt ist. Außerdem muss man dann mit kleinen Würfen rechnen. Wird mit dem Decken zu lange gewartet, besteht die Gefahr der Verfettung der Eierstöcke, was ebenfalls zu kleinen Würfen führt. Günstig ist es, wenn man die Aufzucht so lenken kann, dass die Jungsauen im Alter von ca. 180 Tagen mit einem Lebendgewicht von ca. 100 kg (bei täglichen Zunahmen von 550 bis 600 g) zum ersten Mal rauschen. Die Erstbelegung erfolgt dann am besten nach dem Durchlaufen zweier Brunstzyklen ab 220. Lebenstag und bei einem Gewicht um 130 kg, das heißt die Jungsau muss in diesem Zeitraum 650 bis 700 g zunehmen. Die Seitenspeckdicke sollte 16– 18 mm bei der Erstbelegung betragen. Es ist nachgewiesen, dass der Körperfettgehalt einen erheblichen Einfluss auf Fruchtbarkeit und Aufzuchtleistung der Sauen ausübt.
8.4.2
Die Ferkelerzeugung
Wann werden Schweine gepaart?
Absetzen der Ferkel und Decktermin | Der Ferkelerzeuger erwartet von seinen Sauen mehr als zwei Würfe je Jahr.
!!! Das lässt sich nur erreichen, wenn die Säugezeit nicht zu lange ausgedehnt wird und die Sauen unmittelbar nach dem Absetzen der Ferkel wieder belegt werden. Die Schweinehaltungsverordnung schreibt eine Mindestsäugezeit von 3 Wochen vor. Diese Zeit ist auch notwendig für die vollständige Rückbildung der Gebärmutter. Ist dies bei der Bedeckung bzw. Besamung noch nicht erreicht, muss mit weniger Ferkeln gerechnet werden. Anfang der 90er Jahre entstanden so genannte Systemferkelprogramme, bei denen der Sauenhalter die Ferkel mit ca. 8 kg LG an einen spezialisierten Betrieb abgibt, der diese dann bis ca. 30 kg LG aufzieht. Diese räumliche Trennung bietet den Vorteil, dass die Infektionsketten erfolgreich unterbrochen werden können. Dadurch werden die Medikamentenkosten verringert und die Leistungen und die Produktqualität verbessert. Außerdem ist es möglich, dem Mäster größere einheitliche Ferkelpartien zu liefern. Früh abgesetzte Ferkel werden in speziellen Ferkelställen (Flatdecks) untergebracht. Eine Verlängerung der Säugezeit bewirkt weniger Würfe und Ferkel und somit geringere direktkostenfreie Leistungen je Sau und Jahr, wie die Ergebnisse von Verden eindrucksvoll belegen (s. Tab. 136). Ein späteres Absetzen verschlechtert wegen der Verlängerung der Zwischenwurfzeit nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern kann auch bei unrationierter Fütterung und zunehmender Verfettung der Sau die Rausche und die Befruchtungsergebnisse beeinträchtigen. Bei tiergerechten Haltungs- und Ernährungsbedingungen rauschen die Sauen 4–7 Tage nach dem Absetzen. Damit die Sau pünktlich rauscht, werden alle Ferkel gleichzeitig abgesetzt und nicht etwa die kleineren bei ihr gelassen. Es hat sich bewährt, die Ferkel immer donnerstags abzusetzen, besonders in Sauenbeständen, die nicht von einem Familienangehörigen betreut werden. Dann lei-
451
8
8
Schweineproduktion
Tab. 136 Einfluss des Absetzalters der Ferkel auf die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung nach Verdener Bericht, 2003 Anzahl Beobacht. abs. rel.
Mittelwert, 2000–2003 Standardabweichung
Merkmale leb. geb. Ferkel/ Wurf
abges. Fer- Würfe/Sau kel/Sau u. u. Jahr Jahr
10,6
19,5
2,17
428
0,6
2,4
0,19
188
***
***
n.s. unter 25 Tagen
782
16,4
+0,1
28 ± 3 Tage
3 575
74,8
0,0
35 ± 3 Tage
421
8,8
–0,1
4 841
100,0
Gesamt
a
+0,1
0,02b –1,2c
+0,09
DKfL e/Sau
*** a
+0,2b 0,11c
+46a + 3b –49c
Erklärung der Tabellendarstellung: siehe Tab. 134
det die Brunstbeobachtung nicht unter dem Wochenende, und am Wochenanfang bildet die Kontrolle der Brunst und das Decken (Besamen) einen Arbeitsschwerpunkt. Wenn man dann 115 Tage weiterrechnet, sind die Geburten vorzugsweise donnerstags bis samstags zu erwarten. Diese Terminsteuerung wird vor allem bei großen Sauenbeständen praktiziert, denn durch das gruppenweise Absetzen können anfallenden Arbeiten gebündelt und auf bestimmte Tage gelegt werden. Hierzu bedarf es zunächst einer Brunststimulation, die in der Regel durch das Umstallen der Sauen in das Deckzentrum erreicht wird. Nur in „Notfällen“ sollte zu Medikamenten gegriffen werden. Dann wird 24 Stunden nach dem Absetzen ein Stutenserum-Gonadotropin-Präparat (PMSG) verabreicht und anschließend erfolgt nach einigen Tagen in Abhängigkeit von der Säugedauer durch eine Hormonspritze eine Ovulationsstimulation, wodurch eine Gleichschaltung der Eisprünge einer Sauengruppe erreicht wird. In jedem Fall räumt die Sau zum Absetzen die Abferkelbucht und wird in eine Bucht neben dem Eber gebracht – zur Stimulierung der Brunst und zur Erleichterung der Brunstkontrolle. In größeren Saubeständen wird für diesen Zweck, eine besondere Stallabteilung, das Deckzentrum, eingerichtet. Dieses wirkt sich günstig auf die Zwischenwurfzeit und damit auch auf die Anzahl der
452
aufgezogenen Ferkel je Sau und Jahr aus, was zu besseren finanziellen Leistungen führt (s. Tab. 137). Es ist sinnvoll, die Stallplätze im Deckzentrum so reichlich zu bemessen, dass die Sauen in der Regel vier Wochen hier bleiben können und erst, wenn sie drei Wochen nach dem Deckakt nicht umgerauscht haben, in den Wartestall getrieben werden. Für den Verbleib der abgesetzten Ferkel gibt es mehrere Alternativen. Bei reichlicher Ausstattung mit Abferkelbuchten können sie in der gewohnten Umgebung gelassen werden. Ist das nicht möglich, werden sie in eine besondere Ferkelaufzuchtabteilung umgesetzt. An deren Klimatisierung und Hygiene müssen um so höhere Ansprüche gestellt werden, je früher die Ferkel abgesetzt werden (s. 8.4.7). Brunst | Die Vorbrunst erstreckt sich häufig über 2 Tage und äußert sich durch Unruhe, verminderte Fresslust, Rötung und Schwellung der Scheide (bei Jungsauen deutlicher als bei vielen älteren Sauen), charakteristische Grunzlaute, Schleimausfluss und Versuche, bei anderen Sauen aufzuspringen. Die Hauptbrunst (Rausche) hält in der Regel zwei Tage an. Die Ovulationen erfolgen meistens erst am zweiten Tage der Hauptbrunst. Die Eier sind 4–10 Stunden befruchtungsfähig. Daraus folgt:
8.4
Die Ferkelerzeugung
Tab. 137 Einfluss der Haltung der zu belegenden Sauen auf die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung (nach Verdener Bericht, 2003) Anzahl Beobacht. abs. rel.
Mittelwert, 2000–2003
Merkmale leb. geb. Ferkel/ Wurf
abges. Fer- Würfe/Sau kel/Sau u. u. Jahr Jahr
10,6
19,5
2,17
428
0,6
2,4
0,19
188
Standardabweichung *
*
n.s.
*
a
Deckzentrum, Einzelhaltung
3 257
68,2
+0,1
+0,3
+0,01
+33a
Deckzentrum, Gruppenhaltung
621
13,0
–0,1b
–0,2b
+0,01
–16b
ohne Deckzentrum
900
18,8
0,0ab
–0,1b
–0,02
–17b
4 778
100,0
Gesamt
a
DKfL e/Sau
Erklärung der Tabellendarstellung: siehe Tab. 134
!!! Am günstigsten sind die Befruchtungsergebnisse, wenn die Sau 12–36 Stunden – bei verspätet einsetzender und dann oft kürzerer Rausche 8–24 Stunden – nach dem Zeitpunkt gedeckt wird, zu dem sie zum ersten Male das Bespringen durch den Eber duldet. Sie stellt sich dazu breitbeinig hin und schwingt im Rhythmus die Ohren. Die Mehrzahl der Sauen bleibt während dieser günstigsten Deckzeit auch stehen, wenn der Schweinehalter das Vorspiel des Ebers nachahmt, also mit der Faust in die Flanken oder unter den Bauch der Sau stößt, mit den Händen auf Kruppe und Rücken drückt und sich schließlich auf den Rücken der Sau setzt. Diese Kontrolle ist notwendig vor der Durchführung der künstlichen Besamung. Wie die Vollrausche mit der Bereitschaft der Sau beginnt, den Aufsprung des Ebers zu dulden, endet sie auch mit dem Erlöschen des Duldungsreflexes und geht in die 1–2-tägige Phase der Nachbrunst über. Während dieser Zeit schleimt die Scheide noch etwas. Die Sau wird aber ruhiger und frisst wieder. Schließlich sind alle Brunstsymptome verschwunden, und die Sau ist zur Normalität zurückgekehrt.
Decken und Besamen | Bei guter Brunstbeobachtung genügt ein einmaliges Decken durch einen potenten Eber. Häufig ist aber der Beginn der Hauptbrunst nicht genau bekannt. Außerdem gibt es bei der Ovulation (normal mit 15–20 Eiern gegen Ende der Rausche) und in der Dauer der Hauptbrunst auch individuelle Unterschiede zwischen den Sauen. Deshalb lassen viele Ferkelerzeuger den Eber (bzw. beim Vorhandensein mehrerer Eber einen anderen) 12 Stunden nach dem ersten Sprung noch ein zweites Mal decken.
!!! Wer sich dieser Methode bedienen will, darf einem Eber nicht mehr als 25 Sauen zuweisen. Wer außerdem noch die Deck- und Abferkelzeiten konzentrieren will, also beispielsweise bei der Rein-raus-Methode, muss mit dem Eber : Sauen-Verhältnis noch weiter heruntergehen, unter 1 : 20. Denn die Überlastung von Ebern kann eine Ursache für kleine Würfe und Umrauschen von Sauen sein. Für ältere Eber sind 3 bis höchstens 6 Deckakte in einer Woche zumutbar, für Jungeber, die noch nicht 1 Jahr alt sind, höchstens zwei.
453
8
8
Schweineproduktion
Ferkelerzeuger sollten also beim Eberwechsel den neuen Eber so rechtzeitig kaufen, dass der Alteber noch einige Monate helfen kann und dem Jungeber eine ausreichende Eingewöhnungszeit zugestanden wird. Am Beginn seiner Lehrzeit werden ihm – zur Verminderung des Risikos – zunächst ruhige, fügsame in der Größe zu ihm passende Altsauen zugeführt. Die Eberbucht sollte so geräumig sein, dass ein Vorspiel möglich ist, beispielsweise der Eber sie mit den in seinem Speichel enthaltenen spezifischen Geruchstoffen (Pheromone) stimulieren kann. Dazu braucht er auch Zeit, bis zu 20 Minuten. Wichtig ist, das ein Jungeber nicht durch Fehlversuche frustriert wird, sondern dass der erste Deckakt zum Erfolg führt. Der Tierbetreuer muss sich also die Zeit nehmen und das Decken beobachten, um bei Ungeschicklichkeiten des Ebers (z. B. Bespringen der Vorderviertel der Sau) korrigierend eingreifen zu können. Während dieser Zeit kann er außerdem das Deckdatum ins Deckregister (im handlichen Jackentaschenformat) eintragen und darin nachsehen, welche Sauen in den Abferkelstall zu bringen sind und bei welchen die Umrauschkontrolle fällig ist. Genaue Aufzeichnungen z. B. mit dem Sauenplaner sind wichtige Managementhilfen im Ferkelbetrieb. Bei richtiger Anwendung können die Schwachstellen herausgefunden und die Leistungen gesteigert werden. Für das Decken der Erstlinge und für sehr unruhige Sauen wird ein Deckstand gebraucht, möglichst nach der Sauenlänge zu verändern. Der Eber setzt hier seine Vorderbeine auf Bretter neben der Sau, die sich in der Höhe verstellen lassen. Manche älteren Eber decken auch ohne wesentliches Vorspiel, wenn z. B. der Duldungsbereitschaft der Sau mit synthetischem Eberduftspray nachgeholfen wurde. Wahrscheinlich wird ein so systematisches „Deckgeschäft“ nicht den Vorstellungen entsprechen, die der Geschäftsführer des bekanntesten Pietrain-Zuchtverban´ des den Käufern seiner Eber mit auf den Weg gibt: „... Bei dem Eber, dem Hauptprodukt der Pietrainrasse, ´ sollte man einige Kleinigkeiten beachten, wenn er den erhofften Erfolg bringen soll. Spaltenboden, dicke Gelenke und durchgelaufene Sohlen bringen ihn nicht in Hochzeitsstimmung. Es dürfte überall bei gutem Willen möglich sein, dem Eber ein Strohlager zu verschaffen. Decken soll der Eber auf rutschfestem
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Untergrund ... Er soll nicht bei praller Hitze und vollem Magen seine Pflicht verrichten müssen ...“ Wie in der Rinderzucht werden auch beim Schwein von der künstlichen Besamung wichtige Vorteile erwartet: Bessere Ausnutzung wertvoller Eber (für die Zucht), besserer Schutz vor der Einschleppung von Krankheiten, leichtere Durchführung von Kreuzungsprogrammen, Verminderung der Eberhaltungskosten (Verzicht auf Eberhaltung in kleinen Sauenbeständen; durch Nebeneinander von Eberhaltung und Besamung in Übergangsbeständen mit 30–40 Sauen, für die ein Eber nicht mehr ausreicht, zwei zu teuer werden). Erhebliche technische Schwierigkeit haben die Einführung der KB in die Schweinepraxis lange Zeit behindert, etwa die geringe Ausbeute an Samenportionen (nur 8–15 aus einem Ejakulat), Probleme der Verdünnung, Konservierung usw. Im Gegensatz zu dem Rinderbereich hat das Tiefgefrierverfahren keine Bedeutung erlangt und so wird weiterhin Frischsamen verwendet, dessen Haltbarkeit 3, höchstens 4 Tage beträgt. Die Besamungsdichte hat sich dennoch in den letzten Jahren ständig erhöht. Während der Anteil Würfe aus der künstlichen Besamung 1996 noch bei 50 % lag, hat er sich 2002 schon auf 80 % erhöht. Während in Westdeutschland der Besamungsanteil schätzungsweise von 45–80 % schwankt, werden in Ostdeutschland durch die größeren Bestände fast 100 % der Sauen besamt. Während der Samen in den vergangenen Jahren vorwiegend von speziell ausgebildeten Besamungstechnikern übertragen wurde, hat im Jahr 2002 der Anteil an Eigenbestandsbesamungen fast 97 % erreicht. Die Betriebsleiter haben sich durch Besamungslehrgänge in die Technik einweisen lassen. Für den Gebrauch durch Ferkelerzeuger wurden Einweg-Katheter zur einmaligen Benutzung und Einweg-Packungen für das Sperma aus Kunststoff entwickelt. Fruchtbarkeitsprobleme | Bei einer Verzögerung oder beim Ausbleiben der Brunst der Sauen ist in erster Linie an ungünstige Umweltbedingungen zu denken, z. B. an Fütterungsfehler. Ein zu reichliches Nährstoffangebot während der Tragezeit bewirkt eine reduzierte Futteraufnahme während der Säugeperiode, so dass es dann zu starken Gewichtsverlusten kommen
8.4 kann. Dieser nachteilige Zustand kann auch bei längerer Säugedauer und stark verwurmten Sauen eintreten. Auch mangelnde Mineral- und Vitaminversorgung sowie große Hitze können Ursache für Zyklusstörungen sein. Legen Erstlingssauen, die durch einen vollen Wurf stark strapaziert wurden eine längere Pause bis zur ersten Brunst nach dem Absetzen ein, sollte man ihnen diese Erholung auch gönnen. Zwei Tage Ruhe in einer Einzelbucht brauchen auch die übrigen Sauen. Dann aber sollten sie möglichst rasch und geschlossen rauschen und wieder trächtig werden. Außer den schon genannten Maßnahmen – Stallwechsel und Unterbringung in Seh-, Riech- und Hörweite eines Ebers – werden die Folgenden weiteren zur Stimulierung der Brunst empfohlen:
!!! |
Im Sommer Abkühlung. Schon bei Außentemperaturen über 20 °C kommt es zu Aufheizungen der Stallungen und als Folge reagieren die Sauen mit Unlust, nehmen weniger Futter auf und zehren von ihrer Körpersubstanz. Das so genannte „Sommerloch“ mit geringerer Fruchtbarkt lässt sich also nicht nur auf eine Vernachlässigung der Sauen während der Ernte zurückführen. | Direkter Kontakt zum Eber in dessen Bucht, jeweils 5 Minuten im halbtägigen Abstand, evtl. auch Kontakt zu rauschenden Sauen in einer Gruppenbucht. | Auslösen einer Stresssituation z. B. durch Futterwechsel; evtl. sogar Futterentzug, aber nicht ohne Wasserversorung oder auch durch Schaffung extremer Lichtverhältnisse (hell-dunkel).
Über den Erfolg einer Energiezulage in Form von 1 bis 1,5 kg Kraftfutter, auch als Flushing (= Energiestoß) bezeichnet, sind die Meinungen geteilt. Denn während der ersten beiden Tage nach dem Absetzen muss knapp gefüttert werden. Wenn dann am 3. Tag die Flushing-Fütterung beginnt, trifft sie bald bei den Sauen, die in die Vorbrunst eintreten, auf deren häufig nachlassenden Appetit. Am ehesten kann Flushing bei stark abgesäugten Sauen wirken und die bei diesen Sauen mögliche Verzögerungsphase etwas abkürzen. Bei Sauen, die bei der Laktation bei einem klei-
Die Ferkelerzeugung
nen Wurf kein Gewicht verloren haben, kann ein Fastentag nach dem Absetzen brunststimulierend sein. Gar nicht selten liegt nicht Brunstlosigkeit, sondern stille Brunst vor. Ein laufend geführter Brunst- und Deckkalender (das schon erwähnte Deckregister), auch mit der Sau wandernde und an der Stalltür befestigte Sauenkarten oder ein Sauenplaner erleichtern die Brunstkontrolle. In größeren Sauenbeständen hilft ein Sucheber stillbrünstige Sauen zu entdecken, wenn er seinen täglichen Rundgang entlang der Buchtenreihe der leeren und tragenden Sauen unternimmt. Häufen sich in einem Betrieb die Umrauscher, liegt die Ursache häufig beim Eber. Ob es sich um Haltungs- oder Fütterungsmängel, Überlastung, Krankheiten der Geschlechtsorgane oder der Hintergliedmaßen, mangelhafte Spermaqualität oder andere Gründe handelt, wird vielfach nicht ohne Hilfe des Tierarztes bzw. geeigneter Untersuchungsmethoden festgestellt werden können. Fehlendes oder mangelhaftes Deckvermögen fällt aber auch dem beim Deckakt anwesenden, aufmerksamen Tierbetreuer auf. Eine Übersicht über die möglichen Ursachen findet sich in Tab. 138. Wenn ein neu zugekaufter Eber nicht deckt, muss der Käufer seine Ansprüche gegenüber dem Verkäufer innerhalb der im Kaufvertrag vereinbarten Reklamationsfrist geltend machen, gewöhnlich innerhalb 6 Wochen. Wenn der Eber nicht befruchtet, beträgt die Frist 4 Monate. Über seine Rechte und Pflichten sowie über die Verfahrensweise bei diesen Beanstandungen wird der Eberkäufer durch die Auktionskataloge informiert. Jedes Umrauschen erhöht die Haltungskosten der Sau beinahe um den Verkaufspreis eines Ferkels. Sofern der Eber nicht schuld ist, können bei den Sauen Gebärmutterentzündungen (Metritis aus dem MMA-Komplex), seltener Missbildungen an den Eierstöcken oder an der Gebärmutter vorliegen. Häufiger kommt es zum Umrauschen, wenn die Sau zwar befruchtet wurde, aber die Früchte sehr früh abstarben (frühembryonaler Fruchttod). Als Ursachen kommen u. a. mit Schimmelpilzen befallenes Futter, Stress und Infektionen in Frage. Besonders kritisch sind die ersten 11–12 Tage, solange sich die Embryonen noch frei im Uterus be-
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8
8
Schweineproduktion
Tab. 138 Fehlendes oder mangelhaftes Deckvermögen (nach Bollwahn) Funktionsstörung
Ursachen
Aufsprung-Behinderung
Gelenkentzündungen, Knochen- und Knorpeldegeneration (so genannte Beinschwäche), Klauenleiden, Rückenmuskelnekrose (so genannte Bananenkrankheit).
Behinderung von Erektion und Ausschachten
Penisverletzung mit Verdickung des Schaftes, Missbildungen, Vergrößerung des Nabelbeutels mit Harnstauung, Verklebungen zwischen Penis und Präputium.
Behinderung des Einführens in die Scheide
Verlust der Penisspitze, unvollständiger Aufsprung, zu großer Eber mit Gefahr des Deckens in den Mastdarm.
Vorzeitiger Abbruch des Deckaktes
Schmerzen, körperliche Schwäche infolge Herzund Lungenkrankheiten, Blutarmut, akute Muskelerkrankung (Belastungsmyopathie).
Unvermögen, in den Gebärmutterhals abzusamen
angeborene Erektionsschwäche, krankheitsbedingte Penisverkürzung, Harnröhrenverletzungen, Missbildungen der Penisspitze.
wegen und noch nicht in der Uterusschleimhaut eingebettet sind. Falls weniger als fünf Eier befruchtet worden sind, reichen die von ihnen an den mütterlichen Organismus ausgesandten hormonellen Signale nicht aus, um eine Trächtigkeit anzuregen, und die Sau rauscht 21 Tage nach dem Belegen um. Die Embryonen werden in diesem Falle resorbiert. Das geschieht auch noch mit Früchten, die bis etwa zum 35. Tag absterben. Die Sau rauscht dann entsprechend später um. Sterben die Feten zu einem späteren Zeitpunkt ab, können sie wegen der beginnenden Knochenbildung nicht mehr resorbiert werden. Entweder werden sie dann abgestoßen (Frühabort), oder sie bleiben als Mumien bzw. verfaulende Feten bis zur normalen Geburtszeit im Uterus, sofern es außerdem noch lebende Feten gibt. Sind alle Früchte abgestorben, kommt es zu einer verlängerten Trächtigkeit. Daraus ist auch zu erkennen, dass bei der Einleitung einer normalen Geburt die von den Feten ausgesandten Signale eine wichtige Rolle spielen. Wenn es sich nicht um einen Einzelfall handelt und Aborte (Fehlgeburten), Totgeburten, mumifizierte Früchte und/oder lebensschwach geborene
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Ferkel häufig in einem Bestand beobachtet werden, muss an Infektionen gedacht werden. Es könnte sich besonders bei Frühaborten z. B. um Brucellose oder bei Spätaborten z. B. um Leptospirose oder PRRS (s. Kap. 8.4.8) handeln. Aber auch Ansteckungen können bei der Sau selbst oder bei anderen Schweinen des Bestandes Krankheitserscheinungen hervorrufen (Rotlauf, Schweinepest, Aujeszky-Seuche). Genaue Aufzeichnungen des Sauenhalters können im Verein mit Laboruntersuchungen (an Feten und Blutproben der Sau) zur Aufklärung der Ursache beitragen. Es kommt immer wieder zu Infektionen durch Parvoviren, teilweise auch durch Enteroviren oder Reoviren, die zum SMEDI-Syndrom führen, das nur die Feten, nicht die Sau trifft. (Stillbirth = Totgeburt, Mumifizierung, Embryonal Death = embryonaler Frühtod, Infertility = Unfruchtbarkeit). Welche dieser verschiedenen Erscheinungsformen im Einzelfall auftreten, hängt vor allem vom Zeitpunkt der Infektion ab. Wenn diese erst im letzten Drittel der Trächtigkeit erfolgt, wehren sich die Feten schon durch eigene Antikörper und überleben meistens. Der nächste Wurf dieser Sauen ist gewöhnlich normal – ein
8.4 Zeichen dafür, dass sie immun geworden sind und das SMEDI-Virus nun zum Stallinventar gehört. Gefährdet sind dann noch zugekaufte Sauen und der eigene Nachwuchs. Diesen kann man vorbeugend immunisieren, indem man mindestens 4 Wochen vor dem ersten Decken Dung aus dem Abferkelstall in die Jungsauenbucht bringt. Die Zukaufsauen müssen noch etwas jünger sein, damit außer den 4 Wochen noch 2 Wochen für Quarantäne und Eingewöhnung vorgeschaltet werden können. Wenn sich keine Ursachen für das Umrauschen ermitteln bzw. diese sich nicht beseitigen lassen, denkt man daran, dass die Bestandergänzung beim Schwein problemloser ist als beim Rind, und verkauft Sauen, die dreimal umrauschen, zum Schlachten. Das Gleiche gilt für Sauen, die 40 Tage nach dem Absetzen noch nicht brünstig geworden sind, ebenso für Jungsauen, die älter als 250 Tage sind und noch nicht gerauscht haben, bzw. bis zum 300. Tag nicht aufnehmen wollten.
8.4.3 Wie wird die Sau während der Trächtigkeit behandelt und gefüttert? Impfprogramme | Vorrangiges Ziel eines jeden Tierhalters ist es, seinen Bestand gesund zu erhalten. Das ist leichter gesagt als getan, zumal durch steigende Kosten und niedrige Erlöse die Bestände z. T. stark ausgeweitet werden. Damit nimmt auch der Krankheitsdruck zu und die oft beklagten zu geringen Aufzuchtergebnisse sind sicherlich auch eine Folge von gesundheitlichen Problemen bei den Tieren. Daher darf es nicht verwundern, dass immer mehr Impfprogramme im Sauenbereich durchgeführt werden, um eine gute Immunität gegen Krankheiten wie z. B. Aujeszky, Rotlauf und Parvovirose (s. Kap. 8.4.8) zu erreichen. So impften 2002/03 nach dem Verdener Bericht mehr als 80 % der Betriebe ihre Sauen gegen Mycoplasmen, knapp 28 % gegen Coli, knapp 22 % gegen Influenza und über 56 % gegen PRRS. Knapp 20 % der Betriebe impften auch ihre Ferkel gegen PRRS. Diese Mehrkosten durch den Tierarzt und Medikamente sind notwendig, um entsprechende Leistungen zu erzielen bzw. den erreichten hohen Leistungsstand zu halten.
Die Ferkelerzeugung
Trächtigkeitsdiagnose | Kommt es drei Wochen nach dem Decken zu keiner neuen Brunst, rechnet man im Allgemeinen damit, dass die Sau befruchtet wurde. Sicher ist das aber nicht, wie aus der Diskussion über stille und ausbleibende Brunst gefolgert werden kann. Eine einfache und die Sau wenig störende Methode ist der Trächtigkeitsnachweis mit Hilfe eines Ultraschallgerätes. Die von diesem ausgesandten Wellen werden von einer mit Fruchtwasser gefüllten Gebärmutter in anderer Form zurückgeworfen und aufgefangen als von einer Gebärmutter ohne Fruchtwasser. Das Echo kann hörbar oder durch elektronische Umformung als Lichtsignal sichtbar gemacht werden. Am zuverlässigsten erfolgt die Diagnose zwischen dem 30. und 65. Trächtigkeitstag, weil in dieser Zeit die größte Fruchtwassermenge vorhanden ist. Beim Progesteron-Test muss am 17. Tag nach dem Decken eine Blutprobe aus einer Ohrvene entnommen und an ein entsprechendes Labor eingesandt werden. Die Trächtigkeit lässt sich auch durch einen Östrogen-Test mit Hilfe einer zwischen dem 28. und 32. Tag aufgefangenen Harnprobe feststellen. Eine weitere, aber nicht weit verbreitete Möglichkeit zur Unterscheidung von tragenden und nichttragenden Sauen bietet die Scheidenschleimhautbiopsie. Bei der zwar aufwändigen, aber mit hoher Sicherheit ausgestatteten Methode wird ab dem 18. Tag die Anzahl der Zelllagen sowie Dicke und Aufbau der Scheidenschleimhaut beurteilt. Bei nichtträchtigen Sauen weist die Schleimhaut der Scheide 15–20 Schichten, bei trächtigen nur bis zu 3 Schichten auf. Eine Methode, die immer mehr eingesetzt wird, ist die Scannertechnik, die von 50 % der von Verden betreuten Betriebe (2002/03) eingesetzt wurde. Hiermit lässt sich bereits ab dem 22./23. Tag nach dem Belegen oder Besamen der Sau – also etwa 5 Tage früher als mit dem üblichen Echolot-Verfahren – die Trächtigkeit feststellen. Eine Wiederholung des Tests bis zum 40. Tag ergibt eine fast 100 % sichere Trächtigkeitsaussage. Dieser Zeitpunkt ist auch deshalb so wichtig, weil in dieser Zeit häufig Feten abgestoßen werden. Die Feten sind als helle Flecken auf dem Bildschirm sichtbar, so dass Fehldiagnosen beispielsweise durch eine gefüllte Harnblase ausgeschlossen werden können. Auch Ursachen für
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Schweineproduktion
eine Nichtträchtigkeit wie z. B. Eiteransammlungen im Uterus oder eine Zyste am Eierstock sind erkennbar. Nachteilig ist, dass diese sehr teuren Geräte nur einen überbetrieblichen Einsatz erlauben. Daher muss – um eine Krankheitsübertragung von Stall zu Stall zu verhindern – auf strengste Hygienemaßnahmen geachtet werden. Entwicklung der Früchte in der Gebärmutter | Kleine Würfe mit nur wenigen Ferkeln sind nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen unerwünscht. Wenn nur ein kleiner Teil der vielen von den Eierstöcken bereitgestellten Eier überleben, entwickeln sich daraus gewöhnlich überschwere Ferkel, die oft Geburtskomplikationen verursachen. Andererseits sind auch übergroße Würfe nicht erwünscht, weil dabei die Ferkel meistens unterdurchschnittliche Geburtsgewichte haben, die ihre Überlebenschancen nach der Geburt schmälern, vor allem, wenn mehr Ferkel geboren werden, als die Sau Zitzen hat. Solche übergroßen Würfe sind jedoch selten. Einige Ursachen für embryonalen Fruchttod wurden im vorigen Abschnitt erwähnt. Dazu kommt noch die folgende: Bei der Einnistung in der Gebärmutterschleimhaut gehen noch einige befruchtete Eier zugrunde, wenn die einem anderen Embryo zu nahe kommen. Da ein genügend großer Abstand zwischen den Früchten in den Gebärmutterhörnern für ihre Versorgung und damit für die Entwicklung lebensfähiger Ferkel unerlässlich ist, muss eine solche Selbstregulierung in einem gewissen Umfange als unvermeidbar hingenommen werden. Um einer darüber hinausgehenden Beschränkung der Wurfgröße entgegenzuwirken, sollten wenigstens die bekannten und teilweise schon erwähnten Möglichkeiten durch den Ferkelerzeuger genutzt werden: Richtige Eberhaltung bzw. Verwendung einwandfreien Spermas, optimale Deckzeit, Abwendung von Hitzestress, ruhiger Umgang mit den Sauen, optimale, an den Leistungszyklus angepasste Fütterung.
!!! Die übliche Tragezeit sind 114–115 Tage mit einer Schwankungsbreite von ± 6 Tagen. Anfangs entwickeln sich Eihäute, bildet sich Fruchtwasser
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und stellt sich die Gebärmutter auf die Versorgung der Früchte ein. Deren Wachstum beschleunigt sich in der zweiten Trächtigkeitshälfte, vor allem im letzten Viertel. Man unterteilt die Tragezeit deshalb in das niedertragende Stadium (1. – 12. Woche) und in die Hochträchtigkeit (13. – 16. Woche). Während der letzten Woche vergrößert sich auch das Gesäuge. Bei durchschnittlicher Wurfgröße verlassen während der Geburt 20–25 kg den Körper (Ferkel + Fruchtwasser + Nachgeburt).
Fütterung in der Tragezeit | Die Fütterung während der Trächtigkeit hat eine Schlüsselfunktion. Sie beeinflusst nicht nur Geburtsverlauf, Wurfgröße und Wurfgewicht, sondern auch die Leistungen der anschließenden Säugezeit und die nachfolgende Brunstperiode, wahrscheinlich auch die Nutzungsdauer der Sau. Daher muss sie sich in einem optimalen Ernährungszustand befinden. Dies lässt sich – eingeschränkt – mit Hilfe der Konditionsbewertung (Body condition scoring = BCS) beurteilen (Abb. 167). Hierbei werden die Noten 1 (sehr mager) bis 5 (sehr fett) vergeben. Die Note 3 entspricht einer mittleren Kondition. Bei Altsauen, die zum Abferkeln kommen, sollte dieser BCS-Wert bei 3,5, bei Jungsauen bei 4 liegen. Doch es muss jedem Sauenhalter klar sein, dass diese subjektive Betrachtung nur eine grobe Schätzung der Fettreserven sein kann. Eine genauere Methode ist das Messen der Rückenspeckdichte mit einem Ultraschallgerät, da dieser Wert mit hoher Genauigkeit den Körperfettgehalt beim Schwein widerspiegelt. Besonders Jungsauen sollten nicht so mager sein und bei dem Belegen mindestens 16 mm Seitenspeck aufweisen, um eine hohe Säugeleistung und weitere hohe Fruchtbarkeit sicherzustellen. Bei Praxisuntersuchungen in Holland wurde festgestellt, dass Jungsauen mit weniger als 12 mm Rückenspeck beim Belegen kleinere Würfe aufweisen. Während bei Altsauen 10 mm Rückenspeck nach dem Absetzen noch ausreichend zu sein scheint, waren die Sauen bei Werten über 20 mm zu mastig und es kam zu mehr Totgeburten. Auch wenn sich die Konditionsfeststellung mittels Ultraschall in der Praxis nicht durchsetzen
8.4 sollte, so darf trotzdem nicht stur nach Tabelle gefüttert werden, sondern die Fütterung muss sich nach dem Ernährungszustand der Sau richten. Aber auch die Rassen, die Herkünfte, die Haltungsformen und die gestiegenen Leistungen müssen berücksichtigt werden. Daher sind die DLG-Fütterungsempfehlungen als Orientierung anzusehen. Wer in der Ferkelproduktion erfolgreich sein will, muss folgendes beachten:
!!! |
|
|
|
|
In der Tragezeit sehr knapp mit Energie versorgte und/oder bei essenziellen Nährstoffen mangelhaft ernährte Sauen haben unausgeglichene Würfe und einen größeren Anteil lebensschwacher Ferkel. Nachteile einer zu reichlichen Energiezufuhr sind embryonaler Fruchttod – Geburtsschwierigkeiten – unzureichende Fresslust und dadurch starke Gewichtsverluste nach dem Abferkeln – zu fette Milch und als Folge Ferkeldurchfälle – Verzögerung der Brunst nach dem Absetzen. Beim Einlagern und beim Mobilisieren von Fettreserven wird ein Teil dieser Energie für die Umwandlungsvorgänge gebraucht. Sparsamer ist der direkte Umsatz von Futternährstoffen in Milch. Doch gewisse Reserven sind erforderlich, weil – bedingt durch zu geringe Futteraufnahme – die notwendige Energie aus dem Futter allein selten ausreicht. Jungsauen müssen während der Trächtigkeit ihr eigenes Wachstum fortsetzen können und sollten deshalb zusätzlich zu der durch die Entwicklung der Früchte bedingten Gewichtsvermehrung noch ca. 350 g täglich zunehmen. Eine beim Decken ca. 130 kg schwere Jungsau sollte also am Ende der Trächtigkeit rund 190 kg und nach 4-wöchiger Säugedauer ca. 160 kg wiegen. Ausgewachsene Sauen sollten nach dem Abferkeln nicht wesentlich mehr wiegen als am Beginn der Trächtigkeit. „Fit, nicht fett“ bedeutet für ältere Sauen (nach dem 3. Wurf) ein Lebendgewicht von ca. 200 kg zur Zeit des Deckens. Jung- und Altsauen müssen getrennt gefüttert werden. Denn sonst werden
Die Ferkelerzeugung
die Jungsauen weggebissen und erhalten zu wenig, während die Altsauen fett werden. | Einzelfressplätze für tragende Sauen erlauben eine gezielte Nährstoffversorgung je nach Alter, Ernährungszustand sowie Trächtigkeitsstadium und unterbinden Verletzungen durch Beißereien zwischen den Sauen. | Optimale Geburtsgewichte der Ferkel liegen über 1 300 g. Bei der Fütterung ist zu berücksichtigen, dass Sauen mit Bewegungsmöglichkeiten (Weidegang, Auslauf) einen um 5–10 % höheren Energiebedarf haben als in Ställen gehaltene Tiere, und auch bei niedriger Stalltemperatur ein Mehrbedarf besteht. Die in Tab. 139 empfohlene Energieversorgung findet Anwendung bei Einzeltierhaltung mit ca. 19 °C bzw. bei Gruppenhaltung mit ca. 14 °C. Wird dieser so genannte thermoneutrale Beeich unterschritten, so muss die Energieversorung je °C bei Einzelhaltung um 0,6 MJ ME und bei Gruppenhaltung um 0,3 MJ ME je Tier und Tag erhöht werden. Jungsauen benötigen in etwa die gleichen Energiewerte wie Altsauen, da der zusätzliche Bedarf für das eigene Wachstum dem höheren Erhaltungsbedarf der schweren „ausgewachsenen“ Sau gleichzusetzen ist.
? Aufgabe: Nehmen wir an, dass ein Ferkelerzeuger im Laufe einer längeren Periode mehrere Alleinfutter mit unterschiedlichen Nährstoffen ausprobieren will. Wie viel muss er bei niedertragenden und hochtragenden Sauen einsetzen von einem Alleinfutter mit 10,8 MJ ME je kg, wie viel von einem so genannten Kompromissfutter mit 12,2 MJ ME je kg, wenn er die DLGWerte anstrebt? Wie könnte eine hofeigene Mischung mit 11,4 MJ ME je kg für diese Sauengruppe aussehen in einem Betrieb, der über reichlich Vorräte an Wintergerste und Hafer verfügt?
Damit die Sauen ein ausreichendes Sättigungsgefühl bekommen, müssen sie – bei Einhaltung der Bedarfsnormen – möglichst viel Futter erhalten. Das lässt sich aber nur durch eine nährstoffredu-
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8
8
Schweineproduktion
Abb. 167
Konditionsbewertung der Sau
zierte Futterration mit entsprechenden Ballaststoffen erreichen. Hierfür eignen sich besonders Komponenten mit hoher Wasserhaltekapazität (WHC) wie z. B. Trockenschnitzel und Weizenkleie. Eine andere Möglichkeit, den Rohfasergehalt des Tragefutters zu erhöhen, bietet die Industrie mit hochreinen, mykotoxinfreien und
sehr quellfähigen Rohfaserkonzentraten auf der Basis rein unlöslicher Cellulose (Lignocellulose). Eine Sättigung wird auch erreicht durch ein Angebot von Stroh, Heu und anderen Ballaststoffen, wie es die Schweinehaltungsverordnung auch vorschreibt.
Tab. 139 DLG-Empfehlungen zur täglichen Energie- und Nährstoffversorgung und der Inhaltsstoffausstattung von Alleinfutter für tragende Sauen Umsetzbare Energie MJ
Rohprotein g
Lysin g
Ca g
P g
Na g
Niedertragend (1. – 12. Woche)
27
288
12
17
12
5
Hochtragend (13. – 16. Woche)
31
324
13,5
19
13,5
5,5
Inhaltsstoffe je kg
11,4
120
5
7
5
2
Futter (88 % TM)
11,8
125
5,2
7,2
5,2
1,8
Tägliche Versorgung:
niedertragend: 1. – 84. Tag hochtragend: 85. – 114. Tag
460
8.4
Die Ferkelerzeugung
Tab. 140 Empfehlungen zu den Gehalten an Spurenelementen und Vitaminen je kg Alleinfutter für tragende und säugende Sauen mit 88 % TM (DLG-Information 2/1996) Eisen
mind. 80 mg
Jodmind.
mind. 4 0001 – 8 000 IE2
Vitamin A
Vitamin B2
mind.
3 mg
mind. 500 –1 000 IE
VitaminB6
mind.
2 mg
1
2
0,5 mg
Vitamin D
Kupfer
mind. 10 mg
Vitamin E
mind. 11 mg
Vitamin B12
mind.
15 g
Mangan
mind. 20 mg
Nikotinsäure
mind. 11 mg
Biotin
mind.
100 ? g
Selen
mind. 0,2 mg
Panthothensäure
mind. 10 mg
Cholin
mind.
1,2 g
Zink
mind. 50 mg
1
= säugende Sauen 2 = tragende Sauen
Tab. 141 Hofeigene Alleinfuttermischungen für tragende Sauen (11,4 MJ ME bzw. 11,8 MJ ME je kg Futter) Futtermittel I II 11,4 MJ ME je kg
III
Mischungen IV V 11,8 MJ ME je kg
VI
Gerste
%
47,5
70,0
60,0
55,5
77,5
65,0
Hafer
%
35,0
–
–
30,0
–
–
Weizenkleie
%
–
10,0
7,5
–
–
10,0
Melasseschnitzel
%
10,0
7,5
10,0
–
Grünmehl
%
–
5,0
5,0
Sojaschrot
%
Ackerbohnen
%
–
–
15,0
–
–
–
Erbsen
%
–
–
–
–
–
15,0
Mineralfutter (23 % Ca / 7 % P / 5 % Na )
%
5,0
5,0
2,5
–
2,5
? Lösung der Aufgabe über die tägliche Futtermenge trächtiger Sauen: Von dem Alleinfutter mit 10,8 MJ ME/kg brauchen ausgewachsene Sauen 2,5 kg, später 2,9 kg, vom Alleinfutter mit 12,2 MJ ME/kg als niedertragende 2,3 kg, als hochtragende 2,6 kg. Das hat zur Folge, dass auch die anderen Nährstoffe entsprechend der Kraftfuttergabe angepasst werden müssen.
Bei Mischungen mit hohen Haferanteilen und Weizenkleie muss auf die hygienische Beschaffenheit geachtet werden. Diese Futterkomponen-
2,5
8,0
7,5
5,0
5,0
–
7,0
7,0
–
2,5
2,5
8
2,5
ten weisen häufig einen hohen Pilzbefall auf, durch den es leicht zu Fruchtbarkeitsstörungen kommen kann.
8.4.4
Wie viel Aufsicht erfordert die Geburt?
Wer Abferkelstall und Sau rechtzeitig und sachgemäß vorbereitet, wird bei der Geburt selbst weniger gebraucht. Welche Bedeutung die Fütterung während der Trächtigkeit für die Vermeidung von Schwergeburten hat, wurde bereits erörtert. Zur Vorbereitung gehören weiter die folgenden Maßnahmen:
461
8
Schweineproduktion
!!! |
|
|
|
|
462
Die in vielen Betrieben notwendige Entwurmungskur sollte spätestens 5 Tage vor dem Abferkeln durchgeführt sein (weil die Sau noch bis 4 Tage nach der Wurmkur ansteckungsfähige Wurmeier ausscheidet). Die Abferkelbucht bedarf, sobald sie von der vorigen Ferkelgruppe verlassen wurde, einer gründlichen Reinigung mit warmem Wasser und einer anschließenden Desinfektion. Dafür bietet die Industrie Hochdruckreiniger und Breitspektrum-Desinfektionsmittel an. Sobald die Bucht trocken ist, wird sie – bei entsprechender Aufstallung – mit einwandfreiem Stroh eingestreut. Wärmelampe und Ferkelkiste oder Ferkelunterschlupf werden bereitgestellt. Etwa 5 Tage vor dem Abferkeln senkt und rötet sich das Gesäuge. Die Scham beginnt sich zu vergrößern. Jetzt wird die Sau gründlich gewaschen, anschließend mit einem Räudemittel behandelt, wobei das Innere der Ohren nicht vergessen werden sollte, und in die Abferkelbucht gebracht. Bei starkem Befall mit Räudemilben erfolgt die Behandlung schon 2 Wochen vorher, um sie rechtzeitig vor dem Abferkeln wiederholen zu können. Es ist zweckmäßig, während dieser Prozedur die Sauen durch Futtervorlage abzulenken, damit sie nicht ungewollt durch Scheuern ungeborene Ferkel töten. Der Abferkelkasten innerhalb einer Abferkelbucht wird nach den Maßen der Sau so eingestellt, dass sich die Sau nicht umdrehen oder hinwerfen kann, aber andererseits das Gesäuge für die Ferkel gut erreichbar ist. Nach dem Umstallen in die Abferkelbox erhält bei der kombinierten Fütterung die Sau kein Grundfutter mehr, sondern ausschließlich Kraftfutter. In der Praxis hat es sich bewährt, schon vor der Geburt auf das Säugefutter umzustellen. Zwei bis drei Tage vor dem Abferkeln wird die Kraftfuttermenge reduziert, mit Weizenkleie (im Verhältnis 1 : 1) vermischt und durch viel Wasser zu einer Suppe verrührt. Auf die Kotbeschaffenheit achten! Verstopfungen sind in diesem Stadium häufig und besonders unerwünscht; sie begünstigen den MMA-Komplex. Wenn
Weizenkleie die Darmträgheit nicht behebt, werden zweimal täglich je 15 g Glaubersalz verabreicht. Voraussetzung für die planmäßige Durchführung dieses Fahrplans ist natürlich, dass der Decktermin bekannt ist und der voraussichtliche Abferkeltag errechnet werden kann – ein Grund mehr für sorgfältige Aufzeichnungen. Diese sind unentbehrlich für Betriebe, welche, etwa zur Entlastung des Wochenendes, die Geburt am 111. bis 113. Tag künstlich einleiten, und zwar mit Hilfe einer intramuskulären Injektion von Prostaglandin F2 § , das die Progesteron-Produktion der Sau stoppt und die hormonelle Situation so verändert, dass rund 24 Stunden später die Geburt beginnen kann. Gegen diese Methode wird u. a. eingewandt, dass danach die Milchsekretion zögernd einsetzt. Sobald bei eingestreuten Ställen sich die Sau ein Nest zu bauen versucht und unruhig wird, rückt die Geburtsstunde näher. Bei vielen Sauen schießt etwa 3–5 Stunden vor der Geburt die Milch ein, und es setzen bald danach die ersten Wehen ein. Von jetzt an braucht die Sau in erster Linie Ruhe. Am abträglichsten für den Geburtsvorgang ist nervöse Geschäftigkeit im Abferkelstall.
!!! Wenn sich die Sau aufregt, wird die Tätigkeit des Wehenhormons, des Oxytocins, durch seinen Gegenspieler, das Adrenalin aus der Nebenniere, blockiert, und die Geburt dauert länger, was einigen Ferkeln das Leben kosten kann. Deshalb sollten der Sau auch nicht die Ferkel weggenommen und in einen Korb gepackt werden. Sondern es ist besser, wenn die Ferkel, so früh sie wollen, also noch während der Geburt der Geschwister, den ersten Schluck Kolostralmilch aus dem Gesäuge herausholen und sich von der Wärmelampe trocknen lassen. Das Säugen der Ferkel ist außerdem förderlich für die Wehentätigkeit. Es gibt Sauen mit Wehenschwäche, bei denen durch eine Wehenspritze (2 cm3, notfalls 3 cm3 Oxytocin oder Hypophysin) nachgeholfen wird. Bedenklich ist es, allen Sauen wahllos eine We-
8.4 henspritze zu verpassen, weil es Nebenwirkungen geben kann (Verkrampfung der glatten Muskulatur der Geburtswege, Nachgeburtsverhaltung, Gebärmutterentzündungen). Wenn bei mehr als einem Viertel der Sauen Wehenspritzen benötigt werden, wird es Zeit, die Haltung der Sauen zu überprüfen.
!!! Bei normalen Geburten kommen die Ferkel in Abständen von 10–30 Minuten zur Welt, und die ganze Geburt dauert 3–5 Stunden. Sie ist beendet, sobald für jedes Ferkel eine Eihaut (meistens geschlossen nach dem letzten Ferkel) ausgestoßen wurde und die Sau aufsteht, Kot und Harn absetzt und Wasser oder Futter aufnimmt. Kommt es zur Verzögerungen im Geburtsverlauf (mehr als 1 Stunde Pause nach der Geburt des letzten Ferkels), kann Wehenschwäche vorliegen. Dann ist die richtige Zeit für die schon erwähnte Wehenspritze. Ursache der Verzögerung können aber auch abgestorbene Früchte, Missbildungen, falsche Lagen oder eine Abknickung der Gebärmutter sein. Um festzustellen, worum es sich handelt, ist eine innere Untersuchung erforderlich. Wer über gute Erfahrungen und über sehr schlanke Hände verfügt, kann je nach Lage der Sau die linke oder rechte Hand (mit Unterarm) in die Scheide einführen. Zuvor sind die Fingernägel kurz zu schneiden, Hand, Unterarm (und der äußere Teil der Scheide) gründlich zu waschen, zu desinfizieren und mit Öl oder einem speziellen Gleitmittel einzufetten. Gelingt es, den Geburtsweg blockierende Ferkel herauszuziehen und geht die Geburt dann normal weiter, sollte an eine Antibiotika- oder Sulfonamidgabe gegen mögliche, vom Eingriff ausgehende Infektionen gedacht werden. Kann der Ferkelerzeuger die Schwierigkeit nicht selbst beheben, wird rechtzeitig der Tierarzt verständigt. Manche Komplikationen (verdrehte Gebärmutter, überschwere Ferkel aus kleinen Würfen, zu enges Becken einer Jungsau) machen einen Kaiserschnitt erforderlich. Die ersten 24 Stunden nach der Geburt sind für Sau und Ferkel eine kritische Phase. Es ist deshalb gut, wenn der Ferkelerzeuger am ersten Tage öfter nach dem Rechten sieht. Wichtig ist,
Die Ferkelerzeugung
dass die Nachgeburt vollständig ausgestoßen wurde. Sonst sind Komplikationen die Folge. Oft wird die Nachgeburt von der Sau aufgefressen, was kein Nachteil sein muss. Andernfalls sollte sie bald beseitigt werden. Stellt sich 12 Stunden nach der Geburt und später beim Säugen viel Unruhe ein oder gibt die Sau nicht mehr in den üblichen Zeitabständen (anfangs stündlich) das Gesäuge frei, ist Milchmangel zu befürchten. Dann sollte die Temperatur der Sau rektal (im After) gemessen werden. Bei Temperaturen über 39,5 °C (Milchfieber) müssen rasch nach Anweisungen des Tierarztes die gegen den MMA-Komplex wirksamen Medikamente verabreicht werden (meistens Kombinationen aus Antibiotika und Sulfonamiden). Wenn die Sau erkennen lässt (nach holländischen Untersuchungen nur 2 % der Sauen), dass die Hakenzähne der Ferkel sie stören, dann werden diese Zähne mit einer Spezialzange abgekniffen oder besser mit einem speziellen Gerät abgeschliffen, aber ohne dabei den Kiefer zu verletzen. Das gelegentlich zu beobachtende stille Ferkelfressen durch die Sau ist meistens auf Fütterungs- und Haltungsmängel zurückzuführen. Dieser Untugend ist durch Abstellen der Ursachen zu begegnen. (Das Anlegen eines Maulkorbs ist eine zeitraubende Methode.) Wenn „bösartige“ Sauen mit Geschrei gegen ihre Ferkel wüten, was ebenfalls durch Haltungsfehler, aber auch erblich bedingt sein kann, sollte man zuerst Beruhigungsmittel verabreichen. Wenn das nicht hilft, wird man sich zum Schlachten entschließen müssen.
8.4.5 Wie wird die säugende Sau gefüttert? Die Ferkel sollen innerhalb einer Woche ihr Geburtsgewicht verdoppeln und bis zum 20. Tag das Vierfache wiegen bzw. mind. 5 kg erreicht haben, zumal die Schweinehaltungsverordnung dies bei der festgelegten Mindestsäugezeit von 3 Wochen als weitere Bedingung vorschreibt. Dementsprechend muss die Milchleistung der Sau ansteigen; und dafür ist eine sachgemäße Fütterung die Voraussetzung. Am ersten Tage nach dem Abferkeln wird wie am Tag vor der Geburt gefüttert (viel Wasser, 1–2 kg Kraftfutter). Vom 2. Tag ab wird die Kraftfuttergabe täglich
463
8
8
Schweineproduktion
gesteigert und erreicht bis zum Ende der 1. Woche die für die Ferkelzahl notwendige Menge.
? In der 3. Laktationswoche wird in der Regel der Gipfel der Milchleistung erreicht (Abb. 175). Zur Versorgung von zehn Ferkeln werden dann rund 8–10 Liter Sauenmilch gebraucht. Aufgabe: Welchen Energiewert haben nach den Tab. 3 und 19 1 Liter Kuhmilch und 1 Liter Sauenmilch? Welcher täglichen Milchmenge bei der Kuh entspricht die Leistung einer Sau, die 10 Ferkel (mit 8 l Milch) ernährt?
Die Tab. 142 enthält Versorgungsempfehlungen für eine Sau in Abhängigkeit von der Ferkelzahl. Ab der 2. Lebenswoche sollte langsam mit der Beifütterung begonnen werden, um die Ferkel frühzeitig an die Futteraufnahme zu gewöhnen. Nicht nur wegen der Kosten, sondern auch wegen der Gefahr der Verfettung mit ihren Nachteilen sollte sich die Kraftfuttervorlage nach der Ferkelzahl richten. Bei einem Energiegehalt von 13 MJ ME/kg müssen Sauen mit 10 Ferkeln 5,1 kg und solche mit 12 sogar 5,7 kg Kraftfutter aufnehmen. Noch größere Mengen müssen gefressen werden, wenn das Futter geringere Inhaltsstoffe aufweist oder die Ferkel nicht beigefüttert werden. Dies dürfte dann in vielen Fällen – vor allem bei Jungsauen – das Aufnahmevermögen übersteigen und zu einem unerwünscht hohen Abbau von Körper-
substanz führen. Um dies möglichst zu vermeiden, ist eine Energieanhebung auf 13,4 MJ ME je kg Futter anzuraten, wobei die anderen Nährstoffe ebenfalls angehoben werden müssen. Bei 10 und mehr Ferkeln wird das Futter ad libitum angeboten, es sei denn, es handelt sich um besonders großrahmige Tiere, bei denen durch das in der Regel größere Aufnahmevermögen eine Futterbegrenzung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang muss jedoch daran erinnert werden, dass der Appetit der laktierenden Sauen wesentlich von der Nährstoffversorgung während der Trächtigkeit abhängt. Versuche haben gezeigt (was jeder erfahrene Sauenhalter auch selbst schon festgestellt hat), dass während der Trächtigkeit verfettete Sauen wesentlich weniger Futter aufnehmen und die fehlende Energie für die Milchproduktion aus der Körpersubstanz entnehmen. Weiterhin wirken sich überhöhte Gewichtszunahmen durch verengte Geburtswege nachteilig auf den Geburtsverlauf aus, was ebenso wie die Verstopfung durch falsche Fütterung während der Geburtsphase den MMA-Komplex begünstigen kann (s. Kap. 8.4.4). Zudem sind fette Sauen schwerfälliger und die Erdrückungsgefahr für die Ferkel ist damit höher. Auch die Geburtsgewichte lassen sich durch eine intensivere Fütterung nur bedingt erhöhen. Doch höhere Geburtsgewichte sind erwünscht; bei einer Untersuchung zeigte sich, dass die Sterblichkeitsrate der Ferkel bei Geburtsgewichten bis in den Bereich von 1 600–1 800 g sank und erst danach wieder leicht anstieg (s. Abb. 168).
Tab. 142 DLG-Empfehlungen zur täglichen Energie- und Nährstoffversorgung und der Inhaltsstoffausstattung von Alleinfutter für säugende Sauen Umsetzbare Energie MJ
Rohprotein g
Lysin g
Ca g
P g
Na g
Futtermenge je Tag kg
Tägliche Versorgung: a) bei 10 Ferkeln
66
867
46
46
33
10
5,1
b) bei 12 Ferkeln
74
969
51
51
37
11
5,7
Inhaltsstoffe je kg Futter (88 % TM)
13,0
170
9
8,5
5,9
3,3
13,4
175
9,3
8,7
6,0
3,4
28 Tage Säugezeit: 6 Tage anfüttern, das heißt beginnend mit 1 kg bis auf 5,1 kg/Tag (10 Ferkel) bzw. 5,7 kg (12 Ferkel) steigern; 3 Tage abfüttern mit einer Verringerung von 4 auf 2 kg/Tag
464
8.4
Die Ferkelerzeugung
Abb. 168 Einfluss des mittleren Ferkelgewichtes des Wurfes auf die Mortalitätsrate bei der Geburt (nach Röhe, 1999)
Alleinfutter für laktierende Sauen kann man mit Einzelkomponenten bzw. mit Getreide und Ergänzungsfutter selber mischen oder aber kaufen. Wichtig hierbei ist jedoch, dass die Mischung mit den notwendigen Nährstoffen ausgestattet ist. Die in der Tab. 144 aufgestellten Futtermischungen erfüllen die geforderten Werte. Die Tab. 143 zeigt auch die Anforderungen, die an ein Ergänzungsfutter gestellt werden müssen, wenn dieses mit Getreide im Verhältnis 1 : 2 gemischt werden soll. Bei den 3 Ergänzungsfuttern (s. Tab. 145) müssen jedoch die Lysin-, Ca- und PWerte über den Werten liegen, wenn die DLGWerte laut Tab. 143 erreicht werden sollen. Beim eiweißreichen Ergänzungsfutter und Eiweißkonzentrat gilt dies auch für das Natrium. Fordert man in den Mischungen 13,0 MJ ME/kg, so müssen die Energiegehalte beim Ergänzungs-
futter mind. 12,7 MJ, beim eiweißreichen Ergänzungsfutter mind. 12,0 MJ und beim Eiweißkonzentrat mind. 11,8 MJ ME/kg betragen. Entsprechend höhere Werte sind notwendig, will man 13,4 MJ ME je kg Futter erreichen. Beim Mineralfutterzukauf ist darauf zu achten, dass es Vitamin B12 enthält, denn selbst durch den Einsatz von Hefe wird dieses Vitamin im Gegensatz zu den anderen B-Vitaminen nicht geliefert. Enthalten ist es in tierischen Futtermitteln, z. B. in Fischmehl. Mit dieser Eiweißkomponente lassen sich Futtermischungen optimal zusammenstellen, weil sie neben der hohen biologischen Wertigkeit viele Mineralstoffe und Vitamine enthält. Nach einem vorübergehenden Verbot darf Fischmehl wieder eingesetzt werden. Doch wird in den meisten Fällen auf einen Einsatz verzichtet, zumal es recht teuer ist und es
Tab. 143 Erforderliche Energie-, Nährstoff- und Mineralstoffgehalte im Ergänzungsfutter für säugende Sauen bei Kombination mit Getreide-Angaben je kg Futter mit 88 % TM (DLG-Information 2/1996) Empfohlene Inhaltsstoffe Ergänzungsfutter*
Inhaltsstoffe der Getreidemischung
Anforderungen an Alleinfutter für säugende Sauen
Energie
MJ ME
12,6
13,3
13,0
Lysin
g
18,5
4
9
Rohprotein
g
274
114
170
Calcium
g
25
0,6
9
Phosphor
g
12
3,5
6,5
Natrium
g
5
0,5
2
* Mischungsverhältnis von Getreide und Ergänzungsfutter im Verhältnis 2 : 1
465
8
8
Schweineproduktion
Tab. 144 Eigenmischungen für säugende Sauen (13 MJ ME bzw. 13,4 MJ ME/kg Futter) Futtermittel I II 13,0 MJ ME je kg
III
Mischungen IV V 13,4 MJ ME je kg
VI
Gerste
%
35,0
55,0
74,0
40,0
28,0
33,0
Weizen
%
41,5
20,0
–
34,0
40,5
30,0
Sojaschrot
%
20,0
20,5
20,5
20,5
16,0
17,0
Ackerbohnen
%
–
–
–
–
10,0
–
Erbsen
%
–
–
–
–
–
14,5
Sojaöl
%
–
Mineralfutter (23 % Ca / 7 % P / 5 % Na )
%
3,5
1,0
2,0
2,0
2,0
2,0
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
Tab. 145 Empfehlungen für die Inhaltsstoffgehalte der Ergänzungsfuttermittel für Zuchtschweine Ergänzungsfutter für Zuchtsauen
Eiweißreiches Ergänzungsfutter für Schweine
Lysin
%
Lysin im Rohprotein
%
Rohprotein
%
22
Rohfett
%
12
–
–
Rohfaser
%
8
–
–
Calcium
%
1,6
3,1
4,2
Phosphor
%
0,9
1,1
1,35
Natrium
%
0,5
0,45
0,6
Kupfer
mg/kg
Zink
mg/kg
Vitamin A Vitamin D
–
2,3
2,85
6,4
6,45
36
–
44
80
100
100
300
400
I.E./kg
10 000
16 000
20 000
I.E./kg
1 250
2 000
2 500
Mischungsverhältnis Ergänzungsfutter : Getreide
466
1,2
Eiweißkonz. für Schweine (Ergänzungsfutter)
1:1
1:3
1:4
8.4 auch mit anderen Eiweißfuttermitteln möglich ist, vollwertige Mischungen preiswerter zusammenzustellen. Wird aus Gründen der geringen Bestandsgröße oder aus wirtschaftlicher Sicht nur ein Alleinfutter für Trage- und Säugezeit eingesetzt, so sollte dieses 12,6 MJ ME je kg enthalten. Der Protein-, Lysin- und Mineralstoffgehalt muss dem für Laktationsfutter entsprechen. Dieses Vorgehen kann nur als Kompromiss angesehen werden, da ein solches Alleinfutter den unterschiedlichen Ansprüchen in den verschiedenen Leistungsabschnitten nicht gerecht werden kann. Damit die Sau um den Geburtstermin herum nicht zu sehr unterversorgt wird, bietet die Industrie so genannte Vorbereitungs- oder Geburtsfutter an. Durch ihre spezielle Ausstattung wie z. B. mit Säuren, hohen Gehalten an Vitaminen und Spurenelementen, quellfähigen Rohfaserkomponenten, Probiotika soll es möglich sein, den Tieren höhere Futtermengen (2 kg statt der bisher praxisüblichen 0,5 bis 1 kg) und damit mehr Energie um den Geburtstermin herum zuführen zu können, ohne dass es zu Gesundheitsproblemen (Verstopfungen usw.) kommt. Allerdings liegen diese Vorbereitungsfutter im Preis wesentlich über dem eines
Die Ferkelerzeugung
üblichen Laktationsfutters, so dass der Einsatz nur zu empfehlen ist, wenn sich die Gesundheitslage dadurch verbessert. Abb. 169 zeigt ein mögliches Fütterungsschema. Die Sauen haben während der Laktation einen sehr hohen Wasserbedarf (30–40 l täglich), der am sichersten durch Selbsttränken mit 1,5–2 Litern je Minute Durchflussrate gedeckt wird. Allerdings sollte die Sau nach der Geburt 4–5 Liter sauberes Wasser in den sauberen Trog erhalten, weil es unsicher ist, ob sie infolge der Erschöpfung genug Wasser aus der Tränke aufnimmt.
? Lösung der Aufgabe über den Energiewert von Sauen- und Kuhmilch: 1 kg Sauenmilch der Zusammensetzung der Tab. 3 hat 1 196 kcal (4 992 kJ) Bruttoenergie gegenüber 728 kcal (3 035 kJ) einer Kuhmilch von 3,7 % Fett. Eine Sau mit 8 Litern dieser Milch leistet so viel wie eine Kuh mit 13 Litern. Berücksichtigt man das unterschiedliche Lebendgewicht der beiden Tieren, entspräche erst eine Milchleistung von 40 kg einer 600 kg schweren Kuh der Leistung der 200 kg schweren Sau.
8
Abb. 169
Fütterung im Leistungszyklus einer Sau beim Einsatz von Geburtsfutter
467
8
Schweineproduktion
8.4.6
Was erwarten Sau und Ferkel vom Stall?
!!! Bei vielen Ansprüchen an den Stall sind sich Sau und Ferkel einig: Sie wollen eine saubere, trockene Liegefläche und gute, zugfreie Luft mit möglichst wenig Ammoniak ( X 10 ppm) und Kohlendioxid ( X 0,20 Vol.%). Aber die Optimalwerte bei der Luftfeuchtigkeit und in noch stärkerem Maße bei der Temperatur unterscheiden sich deutlich. Während im Abferkelstall eine Temperatur von 18–21 °C und eine Luftfeuchtigkeit von 65–70 % als optimal angesehen werden, sollten diese Werte im Ferkelnest ca. 60 % relative Luftfeuchtigkeit und zunächst über 30 °C betragen. Im Laufe der ersten 4 Wochen kann mit zunehmendem Ferkelgewicht die Temperatur auf 20–22 °C zurückgeführt werden. Ställe mit Stroheinstreu können ca. 2 °C niedriger gefahren werden, die maximalen Temperaturschwankungen am Tag sollten nicht mehr als 5 °C betragen. Anforderungen, die für das Wohl der Schweine wesentlich sind, wurden in der am 30. Mai 1988 vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erlassenen Verordnung zum Schutz von Schweinen bei Stallhaltung (Schweinehaltungsverordnung) berücksichtigt. Hierauf wird später näher eingegangen. Wegen der besonderen Temperaturansprüche muss für die Ferkel eine besondere Wärmezone eingerichtet werden. Bei Ferkelkisten (0,7–0,9 m2 Grundfläche je nach Absetzalter) und anderen Formen des Ferkelnestes werden mit Hilfe einer zusätzlichen Wärmequelle z. B. durch eine Infrarotlampe oder einen Gasstrahler oder durch eine Bodenheizung das erforderliche Kleinklima geschaffen. Allerdings ist hier die Tierbeobachtung erschwert und der Arbeitsaufwand für die Reinigung und Desinfektion erhöht. Ohne diese Ferkelkisten sind die Fußbodenheizungen den Strahlungsheizungen vorzuziehen. Insbesondere die Elektroinfrarotstrahler liefern ein schlechtes Wärmeangebot. Dies liegt an dem ungünstigen Strahlungskegel, bei dem die Temperaturen innen zu hoch sind und nach außen hin immer niedriger werden. Die Wärmestrahler haben
468
zwar niedrigere Anschaffungskosten, aber höhere Betriebskosten als die Bodenheizungen. Bei den Fußbodenheizungen werden Platten aus unterschiedlichen Materialien (Polymerbeton, Kunststoff und Aluminium) angeboten und sind als Elektrovarianten oder als Warmwasserheizungen ausgeführt. Bei den Systemen ermöglichen die entwickelten Regelungstechniken ein gleichmäßiges Wärmeangebot am Boden, das bei neugeborenen Ferkeln geringfügig über der Körpertemperatur bei 40 °C liegen sollte. Um dem hohen Wärmebedürfnis der Ferkel in der ersten Zeit Rechnung zu tragen, wird 2–3 Tage eine Strahlungsheizung über das Fußbodenwärmesystem gehängt.
!!! Ob es im Ferkelbereich behaglich ist, ob u. a. die Wärmequelle richtig eingestellt ist, lässt sich am Liegeverhalten der Ferkel erkennen. Ruhen sie lose nebeneinander, die Beine teilweise von sich gestreckt, dann fühlen sie sich wohl. Befinden sie sich jedoch am Rand der Heizplatten oder sogar daneben, dann ist es zu warm. Liegen sie allerdings in gekrümmter Haltung dicht zusammen und übereinander oder legen sie sich zur Sau, dann stimmt etwas nicht.
Damit im Winter die Raumtemperatur im Sauenbereich nicht unter 15 °C absinkt und im Sommer nicht über 25 °C ansteigt, muss der Klimatisierung schon bei der Stallbauplanung viel Aufmerksamkeit geschenkt werden (Gebäudegrundriss mehr quadratisch als im „Langhaus“-Stil – sehr gute Wärmedämmung der Wände und Decken – platzsparende Aufteilung der Stallfläche, z. B. durch diagonale Anordnung der Abferkelkästen innerhalb der Buchten – ein auf die Frischluft- und Wärmebedürfnisse in gleichem Maße abgestimmtes, funktionsgerechtes und gut zu steuerndes Lüftungssystem – usw.). Um Zugerscheinungen und Kaltluftwirbel zu vermeiden, sollten die Buchteneinfassungen geschlossen ausgeführt sein, und zwar mindestens 60 cm hoch, bei Benutzung der Abferkelbucht zur Aufzucht der abgesetzten Ferkel 80 cm hoch. Doch bei spezialisierten Ferkelerzeugerbetrieben gehört diese Aufzuchtmethode der Vergangenheit an.
8.4 Im Literaturverzeichnis des Anhangs werden zu diesem Thema mehrere Quellen angegeben. Der Leser kann sich in Verbindung mit den eigenen Erfahrungen und mit sorgfältig vorbereiteten Besichtigungsreisen eine eigene Meinung bilden und das für seine Verhältnisse (Bestandsgröße, Familien- oder Lohn-AK, Klimaregion usw.) am besten passende System aussuchen. Wer einen Stall neu errichtet oder den vorhandenen umbaut oder erweitert, will das nicht nach 3 oder 5 Jahren schon wieder tun müssen, und sollte deshalb die gründliche Planung als wichtigsten Teil seiner eigenen Bauleistung ansehen. Was mit einem Lüftungssystem los ist, erkennt man z. B. besser, wenn man den gleichen Stall einmal bei Knallhitze und ein halbes Jahr später bei Eiseskälte aufsucht, als wenn das in den problemlosen Übergangsjahreszeiten geschieht. Manche der gegenwärtig propagierten Stallbaulösungen werden nicht von allen als tiergerecht angesehen, da durch die Einengung der Bewegungsmöglichkeiten der Sau manche ihrer arttypischen Verhaltensweisen eingeschränkt bzw. verhindert werden wie z. B. Nestbau, Erkundungsverhalten, Verlassen des „Nestes“ zum Abkoten, Wühlen, Beuteschütteln, Suhlen, Wälzen, Scheuern usw. Nur zum Teil werden diese Einschränkungen durch eine Anpassung der Sau aufgefangen. Statt dessen lassen sich u. a. folgende Erscheinungen eines nicht angepassten Verhaltens beobachten: Zurückhalten des Kotes, Verstopfung, Rütteln oder Beißen an Einrichtungsgegenständen, Leerkauen, Ferkelschütteln und -beißen, Verschleudern von Tränkwasser, „Missbrauch“ von Tränkeinrichtungen zum Wasserlaufenlassen usw. Vielleicht gibt es Zusammenhänge zwischen dem Bewegungsmangel der Sauen und der auffallenden Ausbreitung des MMA-Syndroms, denn Bewegungsmangel bei der hochtragenden Sau verlängert oft die Geburt, und verlängerte Geburten erhöhen das MMA-Risiko. In diesem Zusammenhang ist auch die Nutzungsdauer der Sauen von Interesse. Es lässt sich schwer beweisen, dass die Abkürzung der Nutzungsdauer etwas mit der Einschränkung der Bewegungsfreiheit zu tun hat. Aber es muss erwähnt werden, dass die Nutzungsdauer der Sau Bedeutung für ihre Leistungen und für die Ferkelkosten hat. Wie die Kuh erreicht die Sau die
Die Ferkelerzeugung
größte Leistungsfähigkeit zwischen der 4. und 8. Laktation. Das betrifft nicht nur die Milch- und Säugeleistung, sondern auch die Ferkelzahl, vermutlich weil bei ausgewachsenen Sauen die Gebärmutter geräumiger ist und mehr befruchtete Eier aufnehmen und versorgen kann, als das bei jüngeren Sauen der Fall ist. Außerdem ist zu bedenken, dass ältere Sauen über die Milch ihre Ferkel mit mehr Antikörpern und unspezifischen Abwehrstoffen (z. B. Laktoferrin) versorgen als junge Sauen. Haltungssysteme für ferkelführende Sauen | Beim ursprünglichen Friedländer System waren Fress- und Liegebereich der Sau getrennt, das heißt sie verließ zweimal täglich zum Abkoten und Fressen die Abferkelbucht und verzehrte ihr Futter in einem Nebenraum des Stallgebäudes oder außerhalb. Diese Methode erforderte vom Viehpfleger viel Geschick und Geduld im Umgang mit den Sauen und erwies sich für viele Betriebe als zu arbeitsaufwändig. Dieses System wurde also durch die Abferkelbucht mit eingebautem Futtertrog ersetzt. Beibehalten wurde die Dreiteilung der Bucht: In der Mitte ist der 55–65 cm breite Liegebereich der Sau, auf der einen Seite der 60–80 cm breite Aufenthaltsraum der Ferkel (mit Ferkelnest, Ferkelfuttertrog und eigener Tränke) und auf der anderen Seite der schmälere (ca. 40 cm breite) Fluchtbereich der Ferkel. So ergibt sich bei dieser geraden Aufstallung der Sau für die Bucht eine Breite von 1,60–1,80 m und eine Länge von 2,40–2,50 m. An der Buchtenrückwand (mit Tür oder in voller Breite zu öffnen) befindet sich oft in einer Höhe von 25 cm ein meistens halbrunder Ferkelschutzbügel, der den Ferkeln das Durchschlüpfen vom Fluchtbereich in den Aufenthaltsbereich erlaubt und auch Vorteile beim Geburtsvorgang bietet. Die Dreiteilung der Bucht bleibt auch bei der diagonalen Ausführung des Sauenplatzes erhalten, jedoch verändern sich die Buchtenabmessungen. Die üblichen Maße betragen bei der Diagonalaufstallung 1,60–1,80 m in der Breite und 2,20–2,40 m in der Länge. Standard im Abferkelbereich ist die strohlose Aufstallung im Kastenstand mit fest eingebautem oder hochklappbarem Ferkelschutzkorb (Abb. 170). Bei den früher häufiger anzutreffenden An-
469
8
8
Schweineproduktion Abb. 170 Hochklappbarer Kastenstand bei strohloser Aufstallung
bindevorrichtungen ist die Halsanbindung inzwischen verboten (Schweinehaltungsverordnung) und für die Schultergurtanbindung besteht bei Altbauten nur noch eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2005. Durch das Hochklappen oder das seitliche Wegschwenken des Ferkelschutzkorbes kann im Liegebereich der Sau besser gereinigt und desinfiziert werden. (Bei fest eingebauten Kastenständen kann der Viehpfleger während des Säuberns der Bucht die Sau auf den Mistgang schicken, zum „Füße vertreten“ und Abkoten). Die Einrichtungen zum Hochklappen können auch oben gelassen werden, sobald die Erdrückungsgefahr nachlässt (nach der 2. Woche), oder wenn die Bucht nach dem Absetzen der Sau von den Ferkeln diesen weiter als Aufzuchtbucht dienen soll. Doch sind insbesondere die Fußböden und die Klimagestaltung in den Abferkelbuchten heute so weit spezialisiert, dass eine einphasige Ferkelaufzucht hierin nicht sinnvoll und auch zu teuer ist. Daher verwundert es auch nicht, dass die Aufzucht der abgesetzten Ferkel in der Abferkelbucht von immer weniger Betrieben durchgeführt wird. Die Tränke der Sau sollte so eingerichtet sein, dass überlaufendes Wasser entweder abgeleitet wird (bei Beckentränken neben dem Trog) oder in diesen tropft (bei Zapfentränken über dem Trog), auf jeden Fall nicht den Weg durch die Bucht nimmt. Im Aufenthalts- und Zutrittsbereich der Ferkel darf es keine offenen Jaucherinnen geben.
470
Die einstreulose Abferkelbucht | Gut eingestreute Abferkelbuchten haben zahlreiche Vorteile, vor allem für die Ferkel. Sie bedürfen aber eines arbeitsaufwändigen Festmistverfahrens und können sich als unhygienisch erweisen, wenn in größeren Sauenbeständen die notwendige gerade Mistachse nacheinander durch mehrere Stallabteile führt. Deshalb haben sich vor allem aus arbeitswirtschaftlichen Gründen viele Betriebe mit hohen Sauenzahlen auf strohlose Abferkelbuchten und Flüssigentmistung umgestellt. In solchen Ställen müssen Klimatisierung und Fußbodengestaltung besonders beachtet werden. Im Winter geht es nicht ohne ständige Heizung. Nach der Schweinehaltungsverordnung darf der Liegebereich von Zuchtschweinen nicht voll perforiert sein. Bei langen Sauen genügt schon eine 80 cm breite perforierte Fläche am Hinterende der Bucht, um sie einigermaßen trocken zu halten. Die Ferkel benutzen den nicht perforierten, mit Bodenheizung ausgestatteten Teil des Fußbodens als Liegeplatz. Vollperforierte Böden müssen nach der Schweinehaltungsverordnung bei nicht abgesetzten Ferkeln abgedeckt werden; geeignet als Auflagefläche sind hier ausreichend große Gummimatten. An die perforierte Fläche in der Abferkelbucht werden hohe Anforderungen gestellt wie z. B. Trittsicherheit, Verletzungsfreiheit, Stabilität und hohe Selbstreinigung bei max. 9 mm Schlitzweite. Unterschiedlich sind die Ansprüche bei der Wärmeleitfähigkeit. Während sie im Ferkelbereich ge-
8.4 ring sein sollte, ist dies bei der Sau umgekehrt, da es vorteilhaft ist, wenn die bei der Milchproduktion anfallende Wärme gut abgeleitet wird und ein Hitzestau vermieden wird. All diese Eigenschaften werden aber nicht von den angebotenen Materialien gleichermaßen erfüllt. So werden auch aus preislichen Gründen so genannte Systemböden angeboten, bei denen die Einzelelemente aus verschiedenen Materialien bestehen, und zwar werden für den Sauenbereich Guss- und Dreikantstahlroste und für den Bereich der Ferkel Vollkunststoffroste und kunststoffummantelte Stahlroste bevorzugt eingesetzt. Freilandhaltung von Sauen und Ferkel | Diese auch in Deutschland praktizierte Haltungsform von Sauen und Ferkeln – als Outdoor-Haltung bezeichnet – hat ihren Ursprung in England, wo immer mehr Sauen ganzjährig im Freiland erfolgreich und mit zunehmendem Umfang gehalten werden. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein von ebener, ausreichend großer Fläche (ca. 15 Sauen/ ha) mit einem leichten, wasserdurchlässigen Boden ohne scharfkantige Steine. Nach einem Jahr Schweinehaltung sollte die Fläche 3 Jahre pflanzenbaulich genutzt werden, um eine Überdüngung und Anreicherung mit Krankheitserregern zu vermeiden. Die umsetzbaren Hütten, die als Witterungsschutz dienen, sind häufig halbrund und bestehen vorwiegend aus verzinktem Blech
Die Ferkelerzeugung
und/oder wasserfest verleimtem Holz. Aus hygienischen Gründen wird auf einen Fußboden verzichtet und als Wärmedämmung erfolgt – eine der Witterung angepasste – geringere oder stärkere Einstreu. Bei der säugenden Sau wird eine wärmegedämmte, bei leeren und tragenden Sauen eine nicht wärmegedämmte Hütte für eine ganze Gruppe eingesetzt. Hochmotivierte Landwirte mit entsprechenden Spezialkenntnissen können bei dieser artgerechten Haltung hohe Tierleistungen bei geringen Investitionen, aber höherem Futteraufwand (15–20 %) erreichen. Allerdings ist die Umweltverträglichkeit dieser Haltungsform kritisch zu betrachten, da Kot und Harn nicht gleichmäßig über die Fläche verteilt werden. Um eine Übertragung von Seuchen durch Wildtiere zu vermeiden, ist ein hoher Außenzaun (1,50 m) notwendig. Es besteht auch die Möglichkeit, nur einzelne Produktionsabschnitte im Freiland durchzuführen. Haltungssystem für tragende Sauen | Da die Halsanbindung bereits verboten ist und für die Schulteranbindung nur noch eine Übergangszeit bis 31.12.2005 besteht (Neu- und Umbauten durften bereits ab 1.1.1996 nicht mehr mit dieser Anbindevorrichtung ausgestattet werden), kommt nur noch die Gruppenhaltung mit verschließbaren Einzelfressständen in Frage (Abb. 171).
Abb. 171 Tragende Sauen im Wartestall mit Einzelfressständen und Stroheinstreu
471
8
8
Schweineproduktion Abb. 172 Abrufstation in umgebauten Altgebäuden
Bei der Gruppenhaltung mit Fressliegebuchten werden die Sauen während der Fresszeiten arretiert, um ein störungsfreies Fressen zu ermöglichen und um Aggressionen zu vermeiden. Ansonsten steht ihnen ein hinter der Box sich befindender Bewegungsraum zur Verfügung und sie können auch in den Fressliegebuchten ungestört ruhen. Weiterhin ist eine gute Beobachtung und Betreuung der Tiere möglich, da die Sauen z. B. zur Behandlung arretiert werden können. Die durch den hohen Materialaufwand relativ teuere Fressliegebox sollte 60–70 cm breit und 200 cm ab Hinterkante Trog bis zur hinteren Buchtentrennwand lang sein. Der Boden kann planbefestigt sein, sollte jedoch aus arbeitswirtschaftlichen Gründen im Liegebereich teilperforiert sein, wobei sich eine feste und wärmegedämmte, 80 cm lange Fläche an den Trog anschließt. Die Größe des Wartestalles wird durch den Produktionsrhythmus (1-, 2- oder 3- Wochenrhythmus) und die vorhandene Sauenzahl bestimmt. Das System kann sowohl mit Klein- als auch mit Großgruppen gefahren werden; bei Kleingruppen (bis 8 Tiere) ist der Wartestall durch Trenngitter abgeteilt. Bei der Gruppenhaltung mit Dribbelfütterung wird auf die Fressliegebuchten verzichtet. Die Gruppen müssen sehr sorgfältig zusammengestellt werden, da alle Tiere in der Gruppe die gleiche Futtermenge erhalten. Dies wird ihnen in kleinen Mengen von 100–120g/min. über Dosiereinrichtungen vorgelegt. Die Trennwände
472
zwischen 45–50 cm breiten Fressplätzen sollten in geschlossener Form (mind. 60 cm lang, 100 cm hoch) ausgeführt sein, um eine ungestörte und ruhige Futteraufnahme zu ermöglichen. Der nach der Schweinehaltungsverordnung notwendige Teil einer planbefestigten Bodenfläche kann sich direkt an den Trog anschließen oder aber in der Buchtenmitte angeordnet sein, evtl. gewölbt. Dieses System lässt sich auch bei Flüssigfütterung anwenden, wobei jedoch die unterschiedlichen Fressgeschwindigkeiten der Sauen über die Anzahl der Fütterung je Tag ausgeglichen werden können. Eine Alternative zur Gruppenbucht mit Einzelfressständen stellt die Abruffütterung für tragende Sauen dar, die vergleichbar mit der für Milchkühe ist (Abb. 172). Dieses System hat trotz hoher Flexibilität bei der Grundrissgestaltung und hoher technischer Ausgereiftheit der Abrufstation bei Neubauten an Bedeutung verloren; sie lässt sich aber aus den genannten Gründen besonders gut in Altbauten einsetzen und hier als einfachste Möglichkeit im Tiefstall. Mit einer solchen computergesteuerten Futterstation können bis 60 Tiere versorgt werden. Eine spezielle Alternativlösung für den Wartebereich ist der Hüttenstall mit der klassischen Dreiflächenbucht. Die 1 m2 große Liegefläche – mit und ohne Einstreu – befindet sich in dem wärmegedämmten Teil der Hütte, im Fress- und Aktivitätsbereich herrscht Außenklima. Der Kot-
8.4 platz kann planbefestigt, mit oder ohne Einstreu oder aber mit Spaltenboden ausgeführt sein. Die gesetzlich vorgeschriebene feste Fläche unter der Sau ist bei großen Elementen bereits integriert, ansonsten werden 1 oder 2 nicht perforierte Elemente im Bereich der Sau verlegt. Wichtig ist eine gute Verarbeitung der Materialien. Die Fußböden dürfen weder harte Kanten und scharfe Grate aufweisen, noch glitschig sein. Treten Schürfwunden und andere Verletzungen oder Entzündungen an Zitzen, Gelenken, Klauen usw. auf, wird es höchste Zeit, sich um die Böden zu kümmern. Diese wenigen Punkte lassen schon erkennen, dass die einstreulose Haltung höhere Ansprüche an das Management stellt. Wer dabei etwas versäumt und als Folge davon beispielsweise ein Ferkel pro Sau und Jahr weniger erzeugt als bei der Einstreuhaltung vorher, kann sich kaum noch über die eingesparte Arbeitszeit freuen. Eine Variante stellt der Wartestall mit Auslauf dar, bei dem der Aktivitätsbereich aus der Bauhülle ausgelagert wird. Die kann durch einen mindestens 1,8 m breiten Laufbereich – planbefestigt oder mit Spaltenboden – oder durch eine Weidehaltung erfolgen. Diese Haltungsverfahren entsprechen der Forderung der Schweinehaltungsverordnung nach 4 Wochen Bewegung und fördern durch die unterschiedlichen Temperaturbereiche und das damit verbundene Reizklima die Konstitution und das
Die Ferkelerzeugung
Immunsystem der Sauen. Bei Auslauf ist aber auf die Gefahr von Sonnenbrand bei den Sauen zu achten und das anfallende Regenwasser ist bei der Planung des Güllebehälters zu berücksichtigen. Deckzentrum | Nach dem Verdener Bericht führten 2002/03 ca. 1⁄4 der ungefähr 1250 kontrollierten Betriebe den Natursprung durch. Findet der Deckvorgang in der Eberbucht statt, so sollte diese geräumig sein (6–7 m2) und muss – um Verletzungen beim Decken zu vermeiden – einen rutschfesten Boden besitzen. Die Eberbucht befindet sich am Kopf der Kastenstandreihe. Problemsauen werden möglichst nahe der Eberbucht untergebracht. Der Futtergang für die Sauen ist zugleich Kontrollgang für den Sucheber, so dass er die Sauen von vorne „ansprechen“ kann. Verschiedene Versuche belegen, dass eine optimale Brunststimulation vor allem durch den direkten Eberkontakt mit Schnauzenberührung erzielt wird. Die Besamung findet dann im Kastenstand statt. Jeder mit der Thematik befasste weiß, wie wichtig das Deckzentrum für den Erfolg der Ferkelproduktion ist. Daher wurden in jüngster Zeit Formen von Intensiv-Deckzentren in die Praxis eingeführt, bei der der Eberbereich so angeordnet ist, dass die Sauen direkten Eberkontakt haben (Abb. 173). Doch dieser ständige Eberkontakt ist bei den Experten nicht unumstritten, denn einige sehen hierin einen „Abnutzungseffekt“.
Abb. 173 Deckzentrum mit ständigem Eberkontakt
473
8
8
Schweineproduktion
Raumplanung bei kontinuierlichem Abferkeln und bei Gruppenabferkelung (Rein-raus-Verfahren) | Nicht nur vor einem Neubau, sondern vor jeder Aufstockung des Sauenbestandes muss sich der Betriebsleiter Gedanken über die richtige Raumaufteilung machen. Am teuersten sind die Abferkelbuchten, und niemand wird sich davon überflüssige zulegen wollen. Aber es wäre peinlich, wenn sich eine Sau zum Abferkeln anschickte, und es wäre keine Bucht frei.
!!! Vor dem Rechnen müssen einige wichtige Entscheidungen gefällt werden: In welchem Alter sollen die Ferkel abgesetzt werden? Wo bleiben sie anschließend? In der Abferkelbucht (bei der einphasigen Ferkelaufzucht)? Oder in besonderen Aufzuchtabteilen (in der zweiphasigen Aufzucht)? Sollen die Sauen, wie vor der Aufstockung, weiter kontinuierlich abferkeln? Das ist in kleineren und mittleren Sauenbeständen noch häufig anzutreffen. Oder ist es sinnvoller, die Gruppenabferkelung (mit Rein-raus-Verfahren) durchzuführen?
Wir versuchen zunächst gemeinsam, das Raumprogramm für 64 kontinuierlich abferkelnde Sauen aufzustellen, die nach 4 Wochen Säugezeit abgesetzt und bald wieder gedeckt werden, so dass sie 2,2 Würfe bringen. Vorgesehen ist die heute meistens übliche zweiphasige Ferkelaufzucht. Die Sau beansprucht den Abferkelplatz bei dem Wurf 5 Tage für das Eingewöhnen und 28 Tage für die Laktation. Dazu kommen 5 Tage für Reinigen und Desinfizieren, so dass die Abferkelbucht pro Sau 38 Tage × 2,2 = 84 Tage im Jahr gebraucht wird. Ein Abferkelplatz reicht also, wenn alles planmäßig abläuft, für 365 : 84 = 4,3 Sauen pro Jahr. Für 64 Sauen werden nach dieser Rechnung 64 : 4,3 = 15 Abferkelplätze benötigt. Weil sich aber die Sauen nicht immer, vor allem in der Brunst, planmäßig verhalten, wird eine Sicherheitsreserve von 15 % vorgesehen. Das wären also 18 Abferkelplätze. Auf die gleiche Art errechnet man auch die Plätze für die anderen Stallabteilungen: Hält sich jede Sau 35 Tage im Deckstall auf, braucht man dafür einschließlich des Sicherheitszuschlages 16 Plätze und für die 80 Tage im Wartestall ein-
Tab. 146 Raumprogramm für die Gruppenabferkelung bei einer Zwischenwurfzeit von 21 Wochen (nach Dr. Pieper, LK Weser-Ems) Absetzrhythmus
Anzahl Gruppen
Gruppengröße
produktive Sauen
Gruben je Abteil/Plätze1) Abferkelstall***
1-wöchig
3-wöchig
21* (22**)
7* (8**)
6
126
30
Deckzentrum*** 48
Wartestall*** 66
Ferkelaufzucht*** 420
8
168
40
60
88
560
12
252
560
690
11 132
7 840
16
336
80
120
176
1 120
20
420
100
150
220
1 400
12
84
24
30
48
280
16
112
32
40
20
140
2* 40
2* 50
64
24
168
48
60
96
560
36
252
72
90
144
840
4* 80
370 2/3* 460
Im Abferkel- und Wartestall sind etwa 10 % Reserveplätze sinnvoll. Im Deckzentrum zusätzlich 20 % für Jungsauen notwendig. * Sauengruppe ** Platzbedarf *** Sauenplätze
474
8.4 schließlich Reserve 36 Plätze. Bei einem Verkaufsalter von 10 Wochen (26 kg) braucht das abgesetzte Ferkel für 6 Wochen eine Aufzuchtbucht (+1 Woche für Reinigen und Desinfizieren), also 49 Tage. Der gleiche Platz kann nacheinander von 365 : 49 = 7,4 anderen Ferkeln genutzt werden. Erwartet man jährlich 20 aufgezogene Ferkel von einer Sau, benötigt man 20 : 7,4 = 2,7 Ferkelplätze je Sauenplatz. Das wären bei einem Sicherheitszuschlag von 15 % für 64 Sauen 200 Ferkelplätze. Bei z. B. einer anderen Säugezeit der Ferkel gibt es natürlich Verschiebungen im Verhältnis von Abferkelbuchten und Wartestall- bzw. Deckstallplätzen. Steigende Zuchtsauenbestände stellen höhere Forderungen an das Management. So kommt in spezialisierten Ferkelerzeugerbetrieben nur eine Gruppenabferkelung in Frage, die mit dem Reinraus-Verfahren kombiniert werden sollte. Hierdurch ergeben sich eine Reihe von Vorteilen, durch die die Produktivität der Arbeitskraft erhöht und der Betriebszweiggewinn gesteigert werden kann. Wesentliche Vorteile sind u. a. das gleichzeitige Absetzen, Belegen, Impfen und Entwurmen einer ganzen Gruppe sowie das Säubern und Desinfizieren einer ganzen Stallabteilung, wodurch Infektionsketten unterbrochen werden und der Krankheitsdruck verringert wird. Auch die bedarfsgerechte Fütterung in den einzelnen Leistungsabschnitten wird einfacher. Weiterhin lässt sich ein Wurfausgleich leichter durchführen und es können größere Ferkelpartien angeboten werden, was sich durch Mengenzuschläge finanziell positiv auswirkt. Auch bei der Gruppenabferkelung richtet sich das Raumprogramm nach der Länge der Säugezeit, der Gruppengröße und nach dem Absetzrhythmus. Welche Verhältnisse sich bei den einzelnen Plätzen in den verschiedenen Stallabteilungen ergeben, ist aus Tab. 146 zu ersehen.
8.4.7 Wie werden die Ferkel bis zum Mastbeginn betreut?
!!! Die ersten drei Tage: Je früher sich das neugeborene Ferkel seine erste Mahlzeit Kolostralmilch bei der Mutter abholt, desto besser sind
Die Ferkelerzeugung
seine Überlebenschancen. Denn der Gehalt der Sauenmilch an Antikörpern und an dem für die Infektionsabwehr auch wichtigen Vitamin A geht laufend zurück. Schon 6 Stunden nach der Geburt enthält die Biestmilch nur noch die halbe Menge an Immunglobulinen. Außerdem verschlechtert sich von Stunde zu Stunde die Fähigkeit der Darmschleimhaut der Ferkel, Antikörper zu resorbieren. Eine besondere Rolle spielt nicht nur in den ersten Stunden, sondern auch noch in den nächsten Tagen das Immunglobulin A, das im Darm selbst eine schützende Wirkung, vor allem gegenüber Coli-Bakterien, entfaltet. Normal zusammengesetzte Sauenmilch liefert fast alles, was die Ferkel anfangs brauchen. Bei qualitativ nicht ausreichender Fütterung während der Trächtigkeit kann es bei manchen Vitaminen Defizite geben. Deshalb verabreichen manche Ferkelerzeuger schon am 1. oder 2. Tag eine Vitaminspritze. Immer fehlt es in der Sauenmilch an Eisen, so dass sie nur etwa 10 % des Bedarfs liefert. Die restlichen 90 % müssen anderweitig abgedeckt werden, und zwar gibt es mehrere Möglichkeiten: Früher hatten die Ferkel Auslauf und konnten in der Erde wühlen oder ihnen wurde Erde (kein Sand) in ihrer Bucht angeboten. Es gibt auch Eisenpräparate, die den Ferkeln als Paste oder flüssig über das Maul (oral) zu verabreichen sind, wobei vielfach – je nach Präparat – die Gabe wiederholt werden muss. Standard ist die Eiseninjektion am 2. oder 3. Tag mit 200 mg verfügbarem Eisen je kg Körpergewicht, wobei die Präparate intramuskulär in die Sitzbein- oder Nackenmuskulatur gespritzt werden. Zur Vorbeuge gegen Kannibalismus erfolgt ebenfalls am 2. bis 3. Tag ein Kupieren der Schwänze. Hierbei werden diese mit einer Spezialzange gekürzt (nach der Schweinehaltungsverordnung ist nur die Kürzung um ein Drittel erlaubt). Der Stumpf des Schwanzes wird mit Jod betupft. (Jodtinktur wurde auch kurz nach der Geburt gebraucht, wenn manchen Ferkeln eine zu lange Nabelschnur auf 21/2cm Länge abgerissen werden musste.) Zu den Routinemaßnahmen der ersten Woche gehört auch das vorgeschriebene Kennzeichen der Ferkel mit einer Ohrmarke zur eindeutigen Bestimmung des Herkunftsbetriebes.
475
8
8
Schweineproduktion Abb. 174 Die stärkeren Ferkel befinden sich im Brustbereich (Foto: Wagenbach)
Saugen und Tränken | Jedes Ferkel braucht einen Strich. Während der ersten Lebenstage gibt es eine lebhafte Rangelei um die vorderen Zitzen (Abb. 174). Sobald jedes Ferkel seinen festen Platz am Gesäuge hat, verläuft das Saugen bei denjenigen Sauen ruhig, die sich stets nach der gleichen Seite hinlegen. Bei den Sauen, die unregelmäßig die Lage wechseln, werden die Ferkel irritiert und kämpfen von neuem um einen Platz. Der Viehpfleger hat selten Zeit dafür, ordnend einzugreifen. Deshalb muss er daran denken, dass abgedrängte Ferkel zur Not die Energiezufuhr aus der einen oder anderen Mahlzeit entbehren können, aber nicht die mit der Milch zugeführte Flüssigkeit. Sauberes, nicht zu kaltes Wasser sollte also schon in der ersten Woche zur Verfügung stehen, anfangs in Trögen oder Becken, die regelmäßig gesäubert werden müssen, später mit Becken- oder Zapfentränken, sobald die Ferkel kräftig und geschickt genug sind, diese Geräte selbst zu bedienen. Weil die Ferkel gern mit solchen Tränken spielen, müssen diese einen Standort haben, von dem vermantschtes Wasser nach außen abfließen kann, also am besten beim Mistgang. Wie für Kälber sind auch für Ferkel Milchaustauscher entwickelt worden (Tab. 147). Ein Sack mit Milchaustauscher sollte bereitstehen, um in Problemfällen (ständig abgedrängte Einzelferkel oder wegen Milchmangel der Sau) einen hochverdaulichen, den Ansprüchen weitgehend entsprechenden Milchersatz mit guter Schmackhaftigkeit anbieten zu können. Um das Aufzuchtrisiko zu verringern, ist es jedoch notwendig, dass die Ferkel Kolostralmilch aufnehmen.
476
Einfacher ist es für Besitzer eines größeren Sauenbestandes, wenn er verwaiste oder notleidende Ferkel auf andere Sauen mit freien Zitzenplätzen verteilen kann, die zur gleichen Zeit oder einige Tage später abferkeln. Wenn eine Sau mehr Ferkel geworfen hat, als sie Zitzen besitzt, ist zu prüfen, ob die kleinsten nicht wegen Untergewichts (unter 900 g) sowieso ausgemerzt werden müssen, denn deren Überlebenschancen sind nur sehr gering. Gibt es dann noch überzählige Ferkel, kann man die kräftigsten davon im Alter von 3–4 Tagen an eine dann abferkelnde Sau bringen. Es ist zweckmäßig, die Ammenferkel vor dem ersten Saugen an der Amme gründlich mit Stroh einzureiben, das mit dem Harn der Amme getränkt ist, damit die Neuankömmlinge den spezifischen Geruch annehmen können. Eine andere Möglichkeit besteht darin, alle Ferkel mit Alkohol einzureiben. Kastrieren | Je älter die Ferkel beim Kastrieren sind, um so riskanter und schmerzhafter ist die Prozedur für sie. Dieser Routineeingriff muss – nach der Schweinehaltungsverordnung – bis zum 7. Lebenstag durchgeführt sein; zum späteren Zeitpunkt ist dies nur mit Narkose erlaubt. Ferkel, bei denen nur einer der beiden Hoden gefunden und entfernt werden kann (Binneneber), müssen dauerhaft gekennzeichnet (beispielsweise tätowiert) werden, damit der andere Hoden später (beim Läufer) vom Tierarzt in Vollnarkose herausoperiert werden oder das Tier als Spanferkel abgegeben werden kann. Diese Maßnahmen ersparen späteren Ärger. Denn wenn Binneneber ohne Information über den Mangel
8.4
Die Ferkelerzeugung
Tab. 147 Anforderungen an Milchaustausch- und Ergänzungsfuttermittel für Saugferkel Milchaustauschfuttermittel für Ferkel
Ergänzungsfuttermittel für Saugferkel
Inhaltsstoffe % Rohprotein
mind.
24,0
22,0
Lysin
mind.
1,5
1,4
Rohfett
max.
4,0
6,0
Rohfaser
max.
1,5
3,0
Calcium
mind.
1,0
0,8
Phosphor
mind.
0,7
0,7
Natrium
mind.
0,2
0,2
Umsetzbare Energie MJ/kg
mind.
–
13,0
Zusatzstoffe je kg Eisen
mg
min
100
100
Kupfer
mg
min
20
20
Mangan
mg
mind.
30
30
Zink
mg
mind.
70
70
Vitamin A
I.E.
mind.
8 000
8 000
Vitamin D
I.E.
mind.
1 000
1 000
Vitamin B12
?g
mind.
20
20
Vitamin E
mg
mind.
20
zur Mast verkauft werden, hat der Schlachtbetrieb einen Schadenersatzanspruch gegen den Mäster und dieser gegen den Ferkelerzeuger. Nach Forschungen aus den Niederlanden soll es in den nächsten Jahren möglich sein, die Kastration der Ferkel durch eine einfache Injektion zu ersetzen. Durch diese so genannte Immunokastration wird im Alter von 10 und 18 Wochen je eine Injektion mit einem Mittel durchgeführt, durch das das Wachstum des Hodens verhindert werden soll. Die Erfolgsaussichten scheinen sehr gut zu sein, denn bei einem Test entwickelten sich bei 98 % der behandelten Eber die Hoden nicht, lediglich bei 2 % war die Behandlung erfolglos. Auch aus wirtschaftlichen Gründen scheint diese Methode der chirurgischen Kastration überlegen zu sein. Beifüttern | In der Regel steigt die Milchleistung der Sau bis zur 3. Woche an und fällt dann
allmählich wieder ab. Der Nährstoffbedarf der Ferkel steigt aber weiter an. Wird auf eine Beifütterung der Ferkel verzichtet, werden die Sauen durch die begrenzte Futteraufnahme zu stark abgesäugt und erleiden zu hohe Gewichtsverluste. Dies wirkt sich nachteilig auf die ovulierten Eizellen in der folgenden Rausche und damit auch auf die Zahl der Ferkel bei der kommenden Trächtigkeit aus. Deshalb müssen die Ferkel das, was die Muttermilch nicht bieten kann, aus dem Beifutter selbst aufnehmen (Tab. 147). Das sollten sie so früh wie möglich lernen, am besten schon in der 2., spätestens in der 3. Lebenswoche (Abb. 175). Die wichtigsten Voraussetzungen für eine frühzeitige und lohnende Beifutteraufnahme sind freies Angebot von Trinkwasser und peinliche Sauberkeit in den flachen Futtertrögen aus Holz oder glasiertem Ton, die so schwer sein müssen, dass die Ferkel sie nicht für Ballspiele zweckent-
477
8
8
Schweineproduktion Abb. 175 Deckung des Energiebedarfes von 10 Ferkeln
fremden können. Im Anfang müssen nach jeweils 3–4 Stunden, später täglich die Futterreste beseitigt und durch neues Futter ersetzt werden. Deshalb wird mit wenigen Gramm begonnen. Wenn die Ferkel schon in der 2. Woche etwas, in der 4. Woche täglich 100 g und in der 5. Woche 200–300 g/Tag verzehren, kann man zufrieden sein. (Abb. 175). Wer während der ganzen Ferkelaufzuchtperiode (Säugezeit bis Mastbeginn) immer das gleiche Ferkelaufzuchtfutter verwendet (so genannte einphasige Ferkelfütterung), hat eine einfache
Fütterungsmethode und erspart den Ferkeln Futterumstellungen. Aber mit dieser Methode werden die Ansprüche der Ferkel nicht optimal erfüllt und ihre Wachstumskapazität nicht ausgenutzt. Wenn dieses Ferkelfutter während der ganzen Zeit rohfaserarm ist (mit 3–4 % Rohfaser), fördert das zwar die frühzeitige Futteraufnahme, bringt aber Schwierigkeiten (Durchfall) nach dem Absetzen. Wird ständig ein Starter mit 6 % Rohfaser benutzt, verzögert sich die Futteraufnahme, was in der 3. und 4. Woche zu langsamerem Wachstum führen kann.
Tab. 148 Anforderungen an Ferkelaufzuchtfutter I und II – Angaben je kg Futter mit 88 % TM (DLG-Information 2/1996) Inhaltsstoffe
Ferkelaufzuchtfutter I
Ferkelaufzuchtfutter II
Energie
MJ ME/kg
13,4
13,8
13
13,4
Rohfaser
g
30
30
30
30
Lysin
g
12,1
12,4
10,7
11,0
Rohprotein
g
190
195
175
180
Lysin/100 g Rohprotein
6,4
6,1
Lysin/MJ ME
0,90
0,82
Calcium
g
9,5
9,8
8,8
9,1
Phosphor
g
7
7,2
6,5
6,7
478
8.4 Besser ist es mit 2 oder sogar 3 Futtertypen in der Ferkelaufzucht (Mehrphasenfütterung) zu arbeiten. Die Ferkel werden ab der 2. Lebenswoche mit Ergänzungsfutter für Saugferkel (Prestarter)
Tab. 149 Empfohlene Gehalte an Spurenelementen und Vitaminen je kg Ferkelfutter mit 88 % TM (DLGinformation 2/1996) Mindestgehalte Eisen
mg
100
Jod
mg
Kupfer
mg
20
Mangan
mg
30
Selen
mg
Zink
mg
Vitamin A
IE
8 000
Vitamin D
IE
1 000
Vitamin E
mg
15
Nikotinsäure
mg
25
Panthothensäure
mg
10
Vitamin B2
mg
3
Vitamin B6
mg
3
Vitamin B12
?g
20
Vitamin K3
mg
0,15
Cholin
g
1
0,15
0,25 90
Die Ferkelerzeugung
angefüttert (Tab. 147). Diese Futtermittel sind zwar teuer, aber man braucht davon nur wenig, denn ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Ferkeln das Fressen beizubringen. Dazu muss es ihnen vor allem gut schmecken. Ferner soll es bei den Ferkeln die Produktion von körpereigenen Verdauungsenzymen anregen, die für die Verwertung der pflanzlichen Stärke und des Pflanzeneiweißes notwendig sind, so dass man in der Woche des Absetzens allmählich auf ein kostengünstiges Ferkelaufzuchtfutter I übergehen kann (Tab. 148) Dies wird dann nach einigen Wochen durch das Ferkelaufzuchtfutter II ersetzt. In der Tab. 150 sind die verschiedenen Futtertypen in der Ferkelaufzucht hinsichtlich ihres zeitlichen Einsatzbereiches, ihrer Funktion und der daraus resultierenden hauptsächlichen Nährstoffzusammensetzung aufgeführt. Wichtig ist, dass der Übergang von einem zum anderen Futtertyp allmählich erfolgt. Das geschieht zweckmäßigerweise nicht durch vorheriges Mischen beider Futterarten, sondern zuerst wird unten das Ferkelaufzuchtfutter eingefüllt, darüber zur Tarnung das gewohnte Ergänzungsfutter für Saugferkel (in von Tag zu Tag abnehmender Menge) und genauso verfährt man bei der Umstellung von Ferkelaufzuchtfutter I auf II. Mit steigendem Energiegehalt der Ferkelaufzuchtfutter müssen auch die anderen Nährstoffe mit angehoben werden. Da besonders die Eiweißqualität entscheidend ist, sollte die Lysinkonzentration min. 5,3 % im Futterprotein betragen. Weiterhin ist besonders auf das Verhältnis der folgenden essenziellen Aminosäuren zu achten:
Tab. 150 Einsatz, Wirkung und Nährstoffzusammensetzung der verschiedenen Futtertypen Futtertyp
Abschnitt Lebenswoche
Funktion
Nährstoffzusammensetzung
Prestarter (Ergänzungsfutter für Saugferkel)
1 bis 3
Ersatz der Sauenmilch bzw. Ergänzung zur Sauenmilch
Zucker, Öl/Fett, Milcheiweiß, aufgeschlossene Stärke
Starter (Ferkelaufzuchtfutter I)
3 bis 6
Übergangsfutter, Training des Enzymsystems
Stärke (z. T. aufgeschlossen), tierisches* und pflanzliches Eiweiß und Öl
Aufzuchtfutter (Ferkelaufzuchtfutter II)
6 bis 12
Alleinfutter: Energie- und Nährstoffbedarfsdeckung
Stärke, pflanzliches Eiweiß, Faser, Öl
* Durch Verbot von Tiermehl u. a. sind nur wenige tierische Futtermittel einsetzbar (Milcheinweiß, z.Zt. auch wieder Fischmehl)
479
8
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Schweineproduktion
Lysin : Methionin/Cystin : Threonin : Tryptophan = 1 : 0,6 : 0,65 : 0,25 Vielfach werden diese Futtermittel mit organischen Säuren, Probiotika und/oder Enzymen ausgestattet, um Verdauungsstörungen vorzubeugen (s. Kap. 5.1.5.2/5.1.5.3/5.1.5.4). Auch ein niedriger Ca-Gehalt wirkt sich diesbezüglich günstig aus, da dadurch weniger Magensäure gebunden wird und der pH-Wert im günstigen sauren Bereich bleibt. Zu diesem Zweck ist man auch bemüht, den Rohproteingehalt niedrig zu halten, denn auch Rohprotein hat – ebenso wie Calcium – ein hohes Säurebindungsvermögen. Um dennoch den sehr hohen Aminosäurenbedarf zu decken, müssen Eiweißkomponenten mit hoher biologischer Wertigkeit und reine Aminosäuren eingesetzt werden. Durch diese proteinreduzierten Mischungen lassen sich auch die N-Ausscheidungen verringern. Absetzen | Früher brachte der Tag des Absetzens für die Ferkel viele Schwierigkeiten auf einmal: Verlust der Mutter, Wechsel des Stalles, Wechsel beim Futter und neue Gesichter. Es war kein Wunder, dass sie lange brauchten, bis sie sich erholten und wieder zuzunehmen begannen. Seitdem man den Zusammenhang zwischen derartigen Stressfaktoren und den Ferkelverlusten kennt, bemüht man sich, den Ferkeln die Umstellung in dieser Phase zu erleichtern. In der nachstehenden Zusammenfassung dieser Gesichtspunkte und Maßnahmen werden auch einige wiederholt, die schon vorher besprochen wurden:
!!! Die Kastration muss – ohne Narkose – bis zum 7. Tag erfolgt sein | beim Absetzen mit 3 Wochen sollen die Ferkel mind. 5 kg, mit 4–5 Wochen 7–10 kg Gewicht erreicht haben und dann 200–300 g Futter aufnehmen. | Die Sau wird umgebuchtet, am besten in ein spezielles Deckzentrum beim Eberplatz. Die Ferkel bleiben in der gewohnten Aufzuchtbucht zurück. | Werden auch die Ferkel umgebuchtet, haben sie Anspruch auf ein keimarmes Milieu in der Ferkelaufzuchtbucht. Diese muss also vorher
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gründlich gereinigt und desinfiziert worden sein. Vor und nach dem Absetzen erhalten die Ferkel die gleiche Sorte Futter. Dieses Futter sollte 5–6 % Rohfaser enthalten. Kein extrem rohfaserarmes Futter mehr in dieser Zeit verfüttern! Futter rationieren wegen der Gefahr des Überfressens, Säurezusatz zur Durchfallvorbeuge. Die Ferkel werden heute mit einem Lebendgewicht von 25–30 kg verkauft, was bei guter Entwicklung im Alter von 10–11 Wochen erreicht wird. Schon der Ferkelerzeuger sollte aus den teilweise auseinander gewachsenen Würfen einheitliche Mastgruppen zusammenstellen (Zahl nach Absprache mit dem Mäster). In der gewohnten Umgebung verlaufen die Auseinandersetzungen zur Herstellung der neuen Rangordnung glimpflicher ab als nach dem Transportstress im Mästerstall. Der Ferkelerzeuger sollte sich – auch im eigenen Interesse – mit dem Mäster über das Futter verständigen und mit diesem vereinbaren, dass die Ferkel vor und nach dem Umsetzen das gleiche Futter erhalten und erst allmählich auf das Mastfutter umgestellt werden. Bei Zukaufferkeln, bei denen die vorherige Fütterung nicht bekannt ist, wird am ersten Tag nur Wasser und am zweiten Tag zusätzlich 100–150 g Futter verabreicht. Dann wird die Futtermenge täglich so gesteigert, dass mit 4–5 Tagen die dem Gewicht entsprechende Futtermenge erreicht wird.
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Bei einem Absetzen mit 3 Wochen ist die Belastung für die Ferkel größer als wenn dies zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Entsprechend höher sind die Ansprüche an Kenntnisstand, Geschick und Sorgfalt des Betreuers. Die Methode des frühen Absetzens ist also kein Ausweg für Betriebe, denen schon beim späteren Absetztermin die Probleme über den Kopf wachsen. Im Alter von 3 Wochen lässt die Wirkung der über die Kolostralmilch vermittelten passiven Immunisierung stark nach, und der Aufbau eines eigenen aktiven Abwehrsystems steckt noch in
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Die Ferkelerzeugung
Abb. 176 Flat-DeckAnlage zur Ferkelaufzucht
den Anfängen. Ein Stallwechsel zu diesem Zeitpunkt birgt also besondere Gefahren und erfordert ein höheres Hygiene-Niveau, das in der Bodenhaltung nur durch die schon erwähnte Reinraus-Methode zu erzielen ist. Auch das Verlegen der Aufzuchtperiode in besondere Stalleinheiten mit Flat-Decks tendiert zum Rein-raus-System. Deshalb und wegen des hohen Investitionsbedarfs findet diese Methode hauptsächlich in Betrieben Interesse, welche die Kostendegression bei großen Beständen (über 200 Sauen) ausnutzen können. Der Spezialstall für die Aufzucht frühentwöhnter Ferkel braucht eine gut regulierbare Heizlüftung und muss in mehrere Einheiten unterteilt werden, damit das Klima nach den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen eingestellt werden kann, beim Absetzen auf 28–35 °C, später auf 22–20 °C. Problematisch ist noch die Anfeuchtung der warmen, trockenen Luft. (Die relative Luftfeuchte sollte nicht unter 40 % sinken.) Die Haltung ist einstreulos, bedarf also einer Flüssigmisteinrichtung. Die Flat-Decks haben perforierte Böden, am häufigsten aus Draht. Bei Untersuchungen in Hohenheim wurde aber festgestellt, dass Ferkel bei freier Auswahl unter mehreren Bodenmaterialien den Drahtboden am wenigsten mögen. Auf Drahtböden waren auch Klauenverletzungen am häufigsten. Am besten schnitten bei diesen Untersuchungen bestimmte Kunststoffböden ab, vor Betonspalten, Lochblech- und Gussrostböden.
Rund 30 % der Bodenfläche (am Fressplatz) werden durchgehend aus Holz-, Gummi- oder Kunststoffplatten angelegt – als Liegeplatz für die erste Zeit. Im Vergleich zu den üblichen Aufzuchtbuchten bieten Flat-Deck-Anlagen (Abb. 176) komfortablere Arbeitsbedingungen für die Tierbetreuer, im Vergleich zu Ferkelveranden erlauben sie eine bessere Übersicht über die Tiere und sind besser sauber zu halten. Die Ferkelveranda stellt eine Kombination aus – manchmal auch zum Abkoten missbrauchter – Schlafkiste und perforiertem Fress- und Liegeplatz dar; bastelfreudige Landwirte können sie selbst herstellen. Wie bereits erwähnt, müssen die Ferkel beim Umsetzen in die Flat-Decks ein Gewicht von 5 kg haben (Schweinehaltungsverordnung). Die Fütterung erfolgt nach der schon beschriebenen Methode. Um den Verzehr anzuregen, kann es anfangs vorteilhaft sein, dem Prestarter etwas Magermilchpulver (oder Milchaustauscher) und Süßstoff zuzusetzen. Nach den bisherigen Erfahrungen sind frühentwöhnte Ferkel noch im Alter von 8–10 Wochen leichter als ihre Altersgenossen aus Aufzuchtbuchten, deren normale Gewichtsentwicklung in Abb. 175 dargestellt ist. Dieser leichte Rückstand muss bei sonst gesunden Ferkeln kein Nachteil sein, denn sie holen später auf, durch das so genannte kompensatorische Wachstum. Umgekehrt erweisen sich häufig „Prahler“, specknackige, überschwere Ferkel, welche die Normalgewichte nach Abb. 175 we-
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sentlich überschreiten, während der Mast als anfälliger, früher verfettend und das Futter schlechter verwertend.
8.4.8 Wie werden Schweinekrankheiten verhütet und behandelt? Mit der Vergrößerung der Bestände sowie mit der Zunahme von Handel und Verkehr wachsen die gesundheitlichen Sorgen. Bei vielen Ferkelund Läuferkrankheiten konnte in den letzten Jahrzehnten die Ursache aufgeklärt und damit die Bekämpfung erleichtert werden: durch Eisenmangel bedingte Blutarmut (Anämie – 8.4.7), von Läusen übertragene Pockenseuche, auf Zinkmangel zurückzuführende Parakeratose (5.1.3.7), von Milben verursachte Räude (2.9.2) usw. Andererseits treten aber auch neue Krankheiten auf, gegen die teilweise noch keine Behandlungsmethoden gefunden wurde. So tauchte z. B. um die Jahreswende 1998/99 in Deutschland eine neue Krankheit auf, die PMWS (Postweaning Multisystemic Wasting Syndrome) bezeichnet wird und vorwiegend Absetzferkel und Mastschweine betrifft. Es handelt sich hier um den so genannten porcinen Circovirus Typ 2 (PCV-2), der besonders in Verbindung mit anderen Viren (z. B. PRRS) und Bakterien (z. B. APP) das Krankheitsbild verstärkt. Die Gruppe wächst stark auseinander, die Tiere kümmern, magern stark ab, sind blass, zeigen ein raues Haarkleid, haben Atemprobleme und geschwollene Lymphknoten. Solange kein Impfstoff zur Verfügung steht, müssen alle Maßnahmen daraufhin zielen, die Umweltbedingungen (Fütterung und Haltung) optimal zu gestalten und Stress zu vermeiden. Viele Betriebe und Amtstierärzte müssen sich mit der aus Holland und Belgien eingeschleppten Aujeszky’schen Krankheit auseinander setzen, gegen die es anfangs keine Behandlungsmethode gab. Sie wurde 1980 zur anzeige- und bekämpfungspflichtigen Tierseuche erklärt. Symptome bei Ferkeln: Zittern, Krämpfe, angelegte Ohren, aufgerissene Augen, Kopf im Nacken (so genannte „Sternegucker“), hohe Todesrate, bei älteren Schweinen Schläfrigkeit, Fressunlust, Speicheln, geringe Sterblichkeit, aber bei Sauen Fruchtbarkeitsstörungen. Zuerst wurde versucht, die Seuchenherde durch Keulung der Bestände
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und andere, von Amtstierärzten angeordnete und überwachte Maßnahmen einzudämmen. Wegen der großen Ausbreitung der Seuche und wegen schwerer wirtschaftlicher Verluste stellt man sich teilweise auf Impfungen um, die bei erwachsenen Schweinen eine Immunität für etwa 18 Monate aufbauen und den Ferkeln über die Biestmilch einen ca. 3 Monate dauernden Schutz verleihen. Bei vielen Krankheiten werden Diagnose und Bekämpfung dadurch erschwert, dass sich Symptome und Krankheitsablauf ändern. Manche Seuche hat sich aus einer sehr ansteckungsfähigen, akuten, mit heftigen Anfangssymptomen hereinbrechenden Form in eine weniger auffällige, nicht alle Tiere einer Gruppe treffende, aber schleichende und hartnäckige Dauerplage verwandelt. Vgl. Kapitel über Schweinepest (4.5.4). Ein ähnlicher Wechsel in den Symptomen und im Krankheitsverlauf erfolgte beim Rotlauf und wird bei der Oldenburger Schweineseuche (TGE) beobachtet. Häufig ist die Diagnose auch deshalb schwierig, weil sich die Schweine gleichzeitig oder nacheinander mit mehreren Krankheiten auseinander setzen. Wenn bei Infektionskrankheiten schon seit längerer Zeit die chronische Verlaufsform überwiegt und es nur noch selten zu Todesfällen kommt – wie bei Ferkelgrippe und Schnüffelkrankheit (2.6.3) – erlahmt bei den Schweinehaltern häufig das Problembewusstsein und die Ausdauer bei Bekämpfungs- und Vorbeugungsmaßnahmen. Am Ende werden die weiterlaufenden wirtschaftlichen Verluste (durch Kümmern, schlechte Zunahmen und ungünstige Futterverwertung) und die Ausgaben für die ständige Medikamentierung für unvermeidlich gehalten.
!!! Der Gesunderhaltung der Schweinebestände abträglich sind auch die beim Hausschwein ohnehin geringe Leistungsfähigkeit des Herzund Kreislaufsystems (2.7.2) und die mit der Umzüchtung zum Fleischschwein angestiegene Stressanfälligkeit (8.3.1), die häufigen Beinschäden usw.. Die Verbesserung der Konstitution der Schweine auf züchterischem Wege – mittelfristig durch die Hybridzüchtung, langfristig durch planmäßige Selektion in der Reinzucht, z. B. mit Hilfe des MHS-Tests, ist eine
8.4 entscheidende Aufgabe in der Gesundheitsfürsorge. Angesichts der großen Vermehrungsrate des Schweins sind die Erfolgsaussichten nicht ungünstig. Selektionsmaßnahmen sind auf jeden Fall erforderlich bei den Erkrankungen, die erblich bedingt sind: Afterlosigkeit, Binnenebrigkeit, Brüche, Zwitter, Rückenmuskelnekrose (Bananenkrankheit), Grätschen der Beine, Zitterkrankheit, Hundesitzigkeit usw. Eber und Sauen, bei deren Nachkommen diese Fehler auftreten, sind von der weiteren Zuchtverwendung auszuschließen. Wie bei den Aufzuchtkrankheiten der Kälber (7.4.6) haben auch bei denen der Ferkel die einen mehr den Charakter von Faktorenkrankheiten, die anderen mehr den von spezifischen Infektionskrankheiten (Seuchen). Die Faktorenkrankheiten haben nicht nur eine Ursache, sondern Fehler in der Fütterung und Haltung ebnen den Bakterien, Viren oder anderen Parasiten den Weg und entscheiden über Dauer und Schwere des Krankheitsverlaufs. Vorbeugende Maßnahmen sind wirksam und wichtig. Wer sich bemüht, die Umwelt für die Ferkel optimal zu gestalten, der verbessert ihre Abwehrkraft und Überlebenschancen. Durchfälle | Unter den Faktorenkrankheiten der Ferkel sind wie bei den Kälbern besonders die zu nennen, an denen verschiedene Stämme von Escherichia coli beteiligt sind. Diese Erkrankungen haben verschiedene Namen, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten und teilweise mit verschiedenen Symptomen auftreten. Aber meistens sind heftige Durchfälle dabei, verursacht durch ein von den Coli-Bakterien ausgeschiedenes Gift (Toxin). Die Ferkelruhr (Coli-Ruhr) tritt schon 12–48 Stunden nach der Geburt auf mit allgemeinen Symptomen (Mattigkeit, Frieren, raues Haar) und mit weiß- bis grünlichgelbem Durchfall. Wegen der hohen Flüssigkeitsverluste sieht die Haut faltig, wellig aus. Die Sterblichkeit ist hoch, auch das Ansteckungsrisiko für die anderen Ferkel des Wurfes. Zuweilen kommt es in der 3. Woche zu einer zweiten Welle von Coli-Erkrankungen mit Durchfall, die aber von einem größeren Teil der Ferkel überstanden werden. Häufiger und mit einer größeren Vielfalt der Symptome werden Coli-
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Erkrankungen nach dem Absetzen beobachtet (Coli-Enterotoxämie). Auffallend sind bei einem Teil der Ferkel (meistens bei den schwersten des Wurfes) geschwollene Augenlider und ähnliche Flüssigkeitsansammlungen am Nasenrücken, die Anlass für die Bezeichnung Ödemkrankheit waren. Bei der Untersuchung verendeter Ferkel findet man Ödeme auch in der Magenwand und in der Lunge. Manche der befallenen Ferkel verenden mit schrillen Schreien rasch ohne Ödeme (Coli-Toxinschock), bei manchen kommt es zu Bewegungsstörungen (Taumeln, Schwanken) oder zu Lähmungen, bei manchen ist der Durchfall besonders langwierig und schwächend (ColiEnteritis). Welche der verschiedenen Symptome den Krankheitsverlauf prägen und zum Tode führen, ist davon abhängig, welches der verschiedenen Coli-Toxine überwiegt.
!!! Der Vorbeugung vor Coli-Erkrankungen dienen viele der auf den vorausgegangenen Seiten erörterten Maßnahmen: Verdünnung der Keimflora durch sorgfältige Reinigung und Desinfektion der Abferkelbucht vor dem Abferkeln – Bekämpfung von Milchmangel oder zu später Milchabgabe der Sau – Überprüfung des Sauenfutters – kein Futterwechsel in der Säugezeit – frühzeitige und reichliche Aufnahme von Kolostralmilch – Wasser zur freien Aufnahme bereits in der 1. Woche – optimales Stallklima für die Ferkel – kein Futterwechsel nach dem Absetzen – Zusatz von organischen Säuren, Enzymen und Probiotika zum Ferkelfutter – mehrwöchiger Kontakt von Jungsauen im Deckstall zum Kot abgesetzter Altsauen, um eine Immunität aufzubauen – Wiederholung dieser Kontakte vor Beginn jeder neuen Trächtigkeit zur Wiederauffrischung der Immunität usw. Wo sich besonders hartnäckige Typen von ColiBakterien eingenistet haben, wird auch mit Medikamenten gearbeitet. Wegen der Resistenz vieler Coli-Stämme gegenüber den üblichen Antibiotika und Sulfonamiden ist es dann oft notwendig, dass der behandelnde Tierarzt vom Veterinäruntersuchungsamt einen Resistenztest durchführen lässt, um die noch ansprechenden Medikamente herauszufinden. Wenn es gelingt, aus der Vielzahl der Coli-Typen die bösartigen zu
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isolieren, kann ein angepasster Impfstoff (stallspezifische Vakzine) hergestellt werden. Es gibt auch polyvalente Vakzine (Mischimpfstoffe) mit abgeschwächten Erregern der häufigsten krankmachenden Coli-Typen, teilweise kombiniert mit den gefährlichsten Coli-Toxinen. Durch die – in der Regel – zweimalige Impfung der Sauen, vor allem der noch immunschwachen Jungsauen, soll die Antikörperbildung gefördert werden. Bei manchen Präparaten werden zusätzlich die Ferkel geimpft. Vorher ist immer eine gründliche Analyse durch Tierarzt oder/und Schweinegesundheitsdienst erforderlich. In der Praxis treten häufig Mischinfektionen mit Kokzidien auf, die zu der Gruppe der Endoparasiten zählen. Es ist aber nachgewiesen, dass auch Kokzidien allein Durchfallerkrankungen im Ferkelbereich verursachen können. Immer häufiger treten Clostridien-Infektionen auf, die bei Saugferkeln, Läufern und Mastschweinen zu Durchfallerscheinungen führen können, aber auch je nach Erregertyp und Schwere der Infektionen tödlich verlaufen. Besser als eine Behandlung ist die Prophylaxe. Guten Erfolg verspricht die Muttertierschutzimpfung in Kombination mit der E.-coliSchutzimpfung. Durchfälle vom 4. – 10. Lebenstag lassen sich meistens auf Zwergfadenwurmbefall zurückführen. (Dazu später noch mehr.) Sowohl bei dieser Ursache von Ferkeldurchfall wie bei den ColiDurchfällen zeigen die Sauen, von denen die Ferkel infiziert werden, selbst meistens keine Symptome. (Es gibt nur Zusammenhänge zwischen Gebärmutterentzündung und Coli-Ruhr.) Dagegen werden bei Ferkeldurchfällen nach dem 10. Lebenstag, die durch Schweinepest verursacht werden, auch andere Altersgruppen im Stall mitbetroffen (zur Diagnose und Bekämpfung der Schweinepest s. 4.5.4). Auch bei der Dysenterie können Schweine aller Altersgruppen erkranken. Der Schwerpunkt der Infektion liegt allerdings bei den 10–16 Wochen alten Mastschweinen und stellt für Mäster ein sehr ernstes Problem dar. Von anderen Durchfällen lässt sich die Dysenterie abgrenzen durch Blutspuren im zunächst erst hellen, später dunkelbraun und dünner werdenden, nach Ammoniak riechenden Kot. Bei chronischem Verlauf ist der Kot zementfarben mit öligem Glanz. In Zweifelsfällen kann die Diagnose unterstützt werden
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durch eine Probebehandlung mit einem vom Tierarzt verordneten Präparat (z. B. Duodegran), das den Durchfall innerhalb von 2 Tagen stoppt. Die Mehrzahl der befallenen Schweine übersteht die Krankheit, scheidet aber weiterhin die dafür verantwortlichen Bakterien aus. Manche erkranken nach einiger Zeit von neuem, weil keine Immunität ausgebildet wurde. Die Übertragung der Erreger (Bakterien der Art Treponema hyodysenteriae) erfolgt vor allem über den Kot. Schlechte Zunahme und verlängerte Mastdauer führen zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen. Es gibt wirksame Medikamente, die über das Futter oder die Tränke verabreicht werden können. Solange die Behandlung andauert, die, wenn sie Erfolg haben soll, den ganzen Bestand erfassen muss, dürfen wegen des Rückstandsrisikos keine Tiere zum Schlachten verkauft werden. Dauermedikamentierung über Medizinalfutter ist bedenklich (Resistenzbildung, Rückstandsprobleme). Zur Vorbeugung werden empfohlen: Unterteilung des Bestandes mit konsequenter, durch Desinfektionsmaßnahmen unterstützter Trennung der Abteilungen. Belegung nach der Rein-raus-Methode mindestens 2 Wochen Quarantäne für Zukaufferkel, Beschränkung des Tierzukaufs auf möglichst einen Betrieb, Abschaffung der Bodenfütterung und Tränkebecken (statt dessen Einbau von Nippeltränken), wirksame Kotentfernung usw. Wenn ein Teil der Ferkel vor und gleichzeitig mit dem Auftreten von wässrigem, grünlich-gelbem Durchfall auch erbricht, wenn die Saugferkel massenhaft verenden und die mitbetroffenen älteren Ferkel und Sauen nach 7–10 Tagen wieder gesund werden, dann handelt es sich in der Regel um einen Einbruch der TGE (Transmissible Gastro-Enteritis = übertragbare Magen-DarmEntzündung), nach der Landschaft ihres ersten Auftretens auch als Oldenburger Schweineseuche bezeichnet. Bei der typischen, sehr virulenten Form der TGE hatte sich die „Durchseuchung“ des Bestandes als brauchbare Notlösung erwiesen. Das heißt man brachte Kot befallener Schweine in die Buchten der tragenden Sauen, damit diese rasch eine Immunität aufbauen und der Kolostralmilch entsprechende Antikörper mitgeben konnten, so dass wenigstens die 3 Wochen nach Ausbruch der Seuche geborenen Ferkel gerettet wurden.
8.4 Bei der chronischen (enzootischen) Verlaufsform der TGE erkranken nicht mehr alle Ferkel; aber die Krankheit schleppt sich lange hin, unter Umständen auch über den Sommer, während in der warmen Zeit Fälle von akuter TGE nicht beobachtet wurden. Wichtig sind gegenüber allen Verlaufsformen wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung. Spätestens, wenn der Nachbar die Seuche hat, muss der Personen- und Tierverkehr in den eigenen Stall unterbunden, die Desinfektionsmatte vor der Stalltür frisch getränkt und feucht gehalten werden. Ähnliche Symptome wie die TGE weist die Epizootische Virusdiarrhö (EVD) auf, die ebenfalls durch Corona-Viren verursacht wird. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Virusdurchfällen betrifft ihre Immunität: Die gegen TGE gebildeten Antikörper sind nicht gegen EVD wirksam und umgekehrt. Um welche Art von Durchfall es sich handelt, wird in vielen Fällen nur der Tierarzt bzw. nach der Einsendung eines möglichst noch lebenden Ferkels das betreffende tierärztliche Institut entscheiden können. Wenn es sich um fütterungsoder brunstbedingte Durchfälle handelt, wird den Ferkeln für einige Tage das Kraftfutter entzogen, aber genügend Flüssigkeit (Wasser oder Kamillentee) angeboten und erst nach dem Abklingen der Symptome das bisherige Fütterungsniveau allmählich wieder angestrebt. Selbstverständlich muss auch bei infektiösen Durchfällen ständig frisches Trinkwasser angeboten werden. Wo es sich technisch einrichten lässt, ist es ratsam, jedem Liter Wasser 9 g Kochsalz und 40 g Traubenzucker zuzusetzen. Betriebe mit häufigen Durchfallproblemen greifen auf Diätfutter zurück (s. 6.8.2). Da sowohl das Rohprotein als auch die Mineralstoffe – und hier besonders das Calcium – ein starkes Säurebindungsvermögen aufweisen, bewirkt eine Reduzierung dieser Nährstoffe eine pH-Wert-Absenkung. Unterstützt wird dieser Vorgang durch den Einsatz organischer Säuren und deren Salze, die in fast allen Ferkelfuttermischungen enthalten sind. Auch ein höherer Rohfasergehalt kann Durchfälle verhindern, führt allerdings bei sehr hohen Werten (z. B. 10 %) zu einem Leistungsrückgang. Der Einsatz von Enzymen und Probiotika hat einen günstigen Einfluss auf den Stoffwechsel bzw. auf die Darmflora. Diät-
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futtermittel werden zeitlich begrenzt eingesetzt. Gebärmutterentzündung (Metritits), Gesäugeentzündung (Mastitis) und Milchmangel (Agalaktie) | Auf die Erscheinungen des MMA-Syndroms, die gemeinsam oder auch einzeln auftreten können, wurde wiederholt aufmerksam gemacht. In der Praxis gibt es dafür auch die Bezeichnungen Wochenfieber und Milchfieber. Rund 15 % der Sauen haben damit zu tun, in manchen Problembeständen bis über 70 %. Besonders unangenehm sind die Auswirkungen der Metritis auf das Fruchtbarkeitsgeschehen (8.4.2) und die Förderung der Coli-Ruhr bei Saugferkeln durch Infektionen über den teilweise eitrigen Scheidenausfluss. Die Mastitis führt manchmal zum völligen Versiegen des Milchflusses, häufiger zu Milchmangel, der aber, besonders wenn die Sau in Bauchlage verharrt und das schmerzende Gesäuge nicht freigibt, für Entwicklungsstörungen und Totalausfälle bei den Ferkeln verantwortlich ist. Als Erreger werden außer verschiedenen pathogenen Stämmen von Escherichia coli u. a. Corynebakterien, g -Streptokokken, Mikrokokken und Staphylokokken verdächtigt. Wenn während der ersten Tage nach der Geburt regelmäßig die Temperatur der Sau gemessen wird, kann man den Ausbruch dieser fieberhaften Erkrankungen frühzeitig erkennen und den Tierarzt hinzuziehen, der (wegen der Gefahr der Resistenz) mit wechselnden Medikamenten behandeln muss. Mit ihm sollte auch das betriebsspezifische Vorbeugeprogramm besprochen werden, das u. a. folgende Elemente enthalten kann:
!!! Den Jungsauen, vor allem zugekauften, im Deckstall einen längeren, ca. dreiwöchigen Kontakt zum Kot abgesetzter Altsauen ermöglichen, damit sich bei ihnen Antikörper gegen die stallspezifische Keimflora bilden können. | Maßnahmen zur Senkung der Keimdichte im Abferkelstall (Reinigung, Desinfektion). Bucht erst belegen, wenn sie trocken und warm ist. | Entfernung der Ausscheidungen der Sau von ihrem Gesäuge und Schambereich (Kotbeseitigung zweimal am Tage) und regelmäßige Erneuerung der Einstreu. |
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Auf einstreulosen Böden keinen Schmierfilm im hinteren Teil der Bucht dulden. Bei der Verwendung von Rosten und Spaltböden auf kanten- und gratlose Ausführung achten, um Gesäugeverletzungen vorzubeugen, die Eintrittspforten für Erreger sein können. Futtermittel und Ration der hochtragenden Sau überprüfen. Für das Funktionieren der Darmtätigkeit sorgen, Verstopfungen verhindern (8.4.4) Harnwegsinfektionen vorbeugen (5.1.3.1) Geburt besser überwachen, unsachgemäße Eingriffe unterlassen! Wenn Wehenschwäche die Ursache für langwierige Geburten ist, mit Oxytocin nachhelfen (8.4.4). Mit Hilfe des Tierarztes Uterusrückbildung beschleunigen, Uterusentzündungen behandeln. Sauen mit häufigem Auftreten von Mastitis zum Schlachten verkaufen. Problembeständen vom Tierarzt eine Woche vor der Geburt ein Antibiotika-Depot in der Sau anlegen lassen.
Nach Verletzungen des Gesäuges kann es in manchen Drüsenabschnitten zu Knoten, manchmal zu auffallend großen Geschwülsten kommen, zur Strahlenpilzerkrankung. Oft erfolgt Selbstheilung unter Verödung der betreffenden Zitzen; es gibt auch wirksame Medikamente. Von Sauen mit Strahlenpilz sollte keine Nachzucht aufgestellt werden, da eine erbliche Anfälligkeit angenommen wird. PRRS (porcines, reproduktives, respiratorisches Syndrom) | Diese bereits 1987 in den USA beobachtete Krankheit verbreitete sich – im Winter 1990/91 von Nordrhein-Westfalen ausgehend – auf die anderen Bundesländer. Die Übertragung der PRRS erfolgt zwar hauptsächlich durch Kontakt- und Tröpfcheninfektionen beim Tierverkehr mit infizierten Tieren, aber auch durch die Luft. Dadurch ist es schwierig, Bestände aufzubauen, die PRRS-frei sind und dies auch bleiben. Die Symptome dieser Viruskrankheit sind vielfältig und nicht leicht von anderen Krankheiten zu unterscheiden, zumal bei geschwächter Immunität vermehrt Sekundärerkrankungen auf-
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treten. Bei der Sau muss z. B. mit Spätaborten ab dem 90. Trächtigkeitstag, Totgeburten, kleinen Würfen, lebensschwachen Ferkeln, Rauscheproblemen, Fressunlust und blau-roter Verfärbung der Ohren gerechnet werden. Bei Mastschweinen treten Atemwegsinfektionen auf, wobei auch vermehrt Kümmerer, häufig entzündete Augenbindehäute und blasse Schweine auffallen. Ein PRRS-Lebendimpfstoff ist für den Einsatz von 3–18 Wochen alten Schweinen zugelassen. In Problembetrieben sollte die einmalig notwendige Impfung möglichst früh erfolgen, da diese einen mindestens 4 Monate anhaltenden Impfschutz bietet. Influenza | Bei dieser virusbedingten Atemwegserkrankung sind nicht mehr alle Tiere gleichzeitig betroffen, sondern die Infektion erfolgt schleichend. Erkrankte Tiere haben Husten, Fieber mit über 40 °C, sind kurzatmig und pumpen. Sie leiden an Appetitlosigkeit und nehmen eine hundesitzige Stellung ein. Gefährdet sind vor allem 3–4 Monate alte Mastschweine, die dann besonders schwerwiegende Schäden erleiden können, wenn es sich um Mischinfektionen handelt, das heißt wenn Sekundärerreger hinzukommen. Nach Anweisung des Tierarztes müssen den erkrankten Tieren geeignete Medikamente über mehrere Tage verabreicht werden. Auch im Sauenbereich können erhebliche Schäden durch Verferkelungen, Totgeburten, kleine Würfe, lebensschwache und kümmernde Ferkel und Kreislaufversagen entstehen. Sowohl bei Sauen als auch bei Mastschweinen ist die zweimalige Influenzaimpfung als Immunprophylaxe im Abstand von einigen Wochen anzuraten. Rückenmuskelnekrose (Bananenkrankheit) | Diese Krankheit kann sowohl bei Zuchtsauen als auch bei Mastschweinen meistens ab einem Gewicht von 50 kg auftreten. Die akute Entzündung des langen Rückenmuskels und die damit verbundene ungleiche Schwellung des Rückens führte zu der Bezeichnung „Bananenkrankheit“. Die Tiere haben Fieber mit über 40 °C, erhöhte Atemfrequenz, große Schmerzen, stehen ungern auf und gehen steif und trippelnd. Auch Todesfälle infolge Herz-Kreislauf-Versagens sind möglich. Eine gesicherte Behandlungsmöglichkeit gegen diese erblich bedingte Muskelstoffwechsel-
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krankheit gibt es bis jetzt nicht; es wird aber immer wieder auf die Verabreichung von Vitamin E und Selen in Verbindung mit entzündungshemmenden Mitteln hingewiesen. Da Belastungen für den Ausbruch entscheidend sind, ist es wichtig, jede Stresssituation zu vermeiden bzw. auf stressstabile Tiere zurückzugreifen. Ferkelgrippe (Pneumonie) und Schnüffelkrankheit (Rhinitis atrophicans) | Beide Krankheiten, auf die schon früher hingewiesen wurde, sind weit verbreitet und treten oft gemeinsam auf. Auch mit Zwergfadenwürmern und Spulwürmern gibt es eine Art „Kooperation“, denn deren Larven bahnen den Mykoplasmen und den bakteriellen Sekundärerregern der Pneumonie den Weg ins Lungengewebe. Schweine, welche die Ferkelgrippe überstanden haben, scheiden noch längere Zeit die Erreger aus, und die Krankheit wird von Bucht zu Bucht durch die beim Husten herausgeschleuderten Tröpfchen weiterverbreitet (Tröpfcheninfektion). Bei der Schnüffelkrankheit ist es ähnlich. Die in Kap. 2.6.3 beschriebenen Symptome wie Schwund der Nasenmuscheln, Schrumpfung oder Verbiegung des Oberkieferknochens (wie in der Abb. 177) treten in der Regel nur an Mastschweinen auf, die schon während der ersten Lebenstage infiziert wurden. Im Laufe der Jahre kommt es in chronisch verseuchten Beständen bei guten Haltungsbedingungen zu einer Milderung der Symptome. Dem oberflächlichen Beobachter erscheint der Bestand gesund. Er ist „durchgeseucht“, die Erreger und die Widerstandskraft der Schweine halten sich die Waage. Aber sobald ein gesundes Tier eingestellt wird, beispielsweise aus einem SPF-Bestand, fängt es nach 1–3 Wochen an zu husten, und die Ferkel einer gesunden zugekauften Sau erleben die Ferkelgrippe wieder in einer harten Form. (Bei Schnüffelkrankheit sind die Verhältnisse ähnlich. Es vergeht jedoch eine längere Zeit von der Einstellung bis zur Beobachtung deutlicher Krankheitssymptome an den Ferkeln.) Vor der Anschaffung gesunder Jungsauen sollte sich der Käufer, wenn er über die Seuchenlage in seinem Betrieb im Unklaren ist, seine Schlachtschweine am Haken ansehen. Bei fast der Hälfte aller Schlachtschweine findet man Lungenveränderungen. Auch wenn nur kleine Partien der
Abb. 177 Schnüffelkranke Schweine mit verkürztem Oberkiefer (aus Waldmann/Wendt, Lehrbuch der Schweinekrankheiten, 4. Auflage, 2004, PareyVerlag, Stuttgart) Lunge verändert sind, z. B. nur die Lungenspitzen und wie Lebergewebe aussehen, kann man in der Regel davon ausgehen, dass sich das betroffene Schwein mit der Pneumonie hat auseinandersetzen müssen. Die von der Rhinitis hervorgerufenen Veränderungen im Naseninnern sind meistens nicht so auffällig, können aber auch mit Hilfe des Fleischbeschau-Tierarztes erkannt werden.
!!! Die von der Pneumonie bewirkten Lungenveränderungen sind bei im Sommer geschlachteten Schweinen viel häufiger als bei den im Herbst und Winter geschlachteten, ein Zeichen dafür, dass die Erkrankung die im Winter und zeitigen Frühjahr geborenen Ferkel stärker mitnimmt als die Sommerferkel. Als wichtigste Maßnahme zur Milderung der wirtschaftlichen Schäden durch beide Krankheiten hat sich deshalb die Verbesserung des Stallklimas erwiesen. Ferner gibt es inzwischen Medikamente, die bei der Ferkelgrippe auch gegen die Mykoplasmen, also gegen die Primärerreger wirksam sind, während man gegen die Sekundärerreger schon seit längerem mit Präparaten angehen kann. Bei der Aufstellung des Behandlungsplans hilft der betreuende Tierarzt; für eine konsequente Durchführung des Planes, der auch den Einsatz von Spritzen oder Medizinalfuttern vorsehen kann,
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muss der Schweinehalter selbst sorgen. Auch bei der Schnüffelkrankheit werden mit dem Einsatz von Antibiotika die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen gehalten. Es gibt einen Impfstoff gegen zwei der häufigsten Erreger der Rhinitis atrophicans, gegen Bordetella bronchiseptica und Pasteurella multocida. Die Muttersauen werden 4–6 Wochen vor dem Abferkeln geimpft, wodurch die Ferkel für die ersten Lebenswochen immun werden. Später können sie sich allerdings wieder infizieren. Diese Impfung bringt noch eine endgültige Lösung des Problems; aber sie kann bei Resistenzbildungen eine Alternative zur Antibiotikabehandlung sein. APP (Actinobacillus pleuropneumoniae) | Auch hierbei handelt es sich um einen weit verbreiteten Erreger einer Lungenentzündung (früher: HPP). In chronischen Fällen sind die Krankheitszeichen (Husten, Appetitlosigkeit, verminderte Gewichtsentwicklung, schlechtere Futterverwertung, Auseinanderwachsen der Tiere) nicht klar erkennbar, in akuten Fällen treten die Krankheitserscheinungen deutlich hervor wie z. B. hohes Fieber (über 41,5 °C), Maulatmung, Hundesitzigkeit, stoßartig bellender Husten, Herz- und Kreislaufstörungen, Blaufärbung der Ohren und evtl. schaumig blutiger Ausfluss aus Maul und Nase. In schweren Fällen führt diese Krankheit zum Tod. Da die Ferkel über die Biestmilch nur bis zur 10. Lebenswoche geschützt sind, sollten in Problembeständen die Ferkel in der 6. + 10. Woche geimpft werden, da sie hierdurch den vollen Schutz über die gesamte Mastperiode erhalten. PPE (Porcine Proliferative Enteropathie) | Für diese wirtschaftlich bedeutende Darmerkrankung ist der Erreger Lawsonia intracellularis verantwortlich. Dieser Keim wächst nur in den Darmzellen und ist daher schwierig nachweisbar. Die zunehmende Ausbreitung ist im Zusammenhang mit dem Rückgang des Einsatzes von Leistungsförderern zu sehen. Bei den 4 Verlaufsformen (PHE = Porcine Hämorrhagische Enteropathie, PIA = Porcine Intestinale Adenomatose, NE = Nekrotische Enteritis, RI = Regionale Ileitis) handelt es sich um verschiedene Darmveränderungen wie z. B. Anschwellen oder Absterben der Darmschleim-
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haut, Verdickungen des Darmes bzw. der äußeren Darmmuskulatur. Da die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen in das Blut massiv erschwert wird, kommt es zu einer gravierenden Verschlechterung der Futterverwertung. Die Tiere bleiben im Wachstum zurück, zeigen blutigen Durchfall oder sterben überraschend. Eine Behandlung mit geeigneten Antibiotika ist möglich, hierbei sind jedoch die langen Wartezeiten zu beachten. Vorbeugend und zur Eindämmung der Krankheit ist auf die Hygiene beim Umtrieb und beim Tierverkehr zu achten. Außerdem sollten nur einwandfreie Futtermittel eingesetzt werden, da Stress im Darm zum Ausbruch führt. Das SPF-Verfahren | In sehr wertvollen Zuchtbeständen, für die es nach dem Abschlachten keinen Ersatz gibt, wird seit einigen Jahren versucht, mit Hilfe der mutterlosen Ferkelaufzucht gesunde Zuchttiere zu produzieren, die so genannten SPF-Ferkel (specific pathogen free = frei von speziellen Krankheitserregern). Dabei werden mit Hilfe eines Kaiserschnitts die Ferkel unter völlig sterilen Bedingungen aus der Gebärmutter herausgeholt und in einem Brutkasten aufgezogen. In der 3. und 4. Woche müssen sie sich im so genannten Adaptionsraum an eine normale Umwelt anpassen und von der Tränke auf feste Nahrung umstellen. Mit 6 Wochen werden sie in normale Schweineställe (im Aufzuchthof) eingewöhnt. Aus diesen durch Schnittentbindung gewonnenen Ferkeln werden so genannte Primärbestände (Basiszuchtbetriebe) aufgebaut. Die Ferkel der Primärsauen gelangen in Sekundärbestände (Vermehrungszuchtbetriebe) und deren Ferkel in Folgebestände (Ferkelerzeugerbetriebe). Immer erfolgt der Tierverkehr nur in einer Richtung, und zwar in tadellos gereinigten und desinfizierten Fahrzeugen von Stall zu Stall (nicht über Auktionen). Zurückgenommen werden SPF-Tiere nicht. Die bei den verschiedenen Zuchtstufen in Klammern aufgeführten Bezeichnungen weisen schon darauf hin, dass auch das Bundeshybridzuchtprogramm und das baden-württembergische Hybridprogramm mit Hilfe von SPF-Tieren aufgebaut worden sind. Man bemüht sich, den SPFStatus mindestens in den Vermehrungsbetrieben
8.4 aufrechtzuerhalten. Diesem Ziel dienen Hygienerichtlinien für die SPF-Betriebe, die Überwachung durch den Schweinegesundheitsdienst und die Möglichkeit, bei Neuinfektionen die Anerkennung als SPF-Betrieb zurückzuziehen. Die besten Voraussetzungen für die Beteiligung an SPF-Programmen haben isoliert liegende Betriebe (Aussiedlungen) mit energischen und disziplinierten Betriebsleitern, die den teilweise unbequemen, ja lästigen, aber notwendigen Empfehlungen und Auflagen des Schweinegesundheitsdienstes (Einzäunung des Schweinestalles, Umkleidezwang, Fernhaltung von Besuchern, usw.) unbeirrt nachkommen. In BadenWürttemberg, wo man die größten Erfahrungen mit einem SPF-Programm hat, betrug im Durchschnitt der ersten 10 Jahre bei über 100 000 vermittelten SPF-Ferkeln die jährliche Reinfektionsrate (Neuansteckung) bei den SPF-Betrieben 2 %. Bis zum Ferkelerzeuger und Mäster konnte der SPF-Status nicht aufrechterhalten werden.
!!! Die SPF-Programme konzentrieren sich auf das Freihalten der Bestände von Pneumonie, Schnüffelkrankheit, TGE, Dysenterie, Salmonellose, Leptospirose und Räude. SPF-Betriebe haben also auch teilweise weiter mit dem MMAKomplex und mit Coli-Erkrankungen zu tun.
Auch das nässende Ekzem (weitere Namen: Pechräude, Ferkelruß, Ferkelgrind) kann weiterhin auftreten. Diese Hauterkrankung wird (meist nach Hautverletzungen) durch Staphylokokken hervorgerufen und beginnt (zuerst mit dem Nasenrücken, dann am ganzen Körper) als feuchter, schmieriger, klebriger Hautausschlag, oft von starkem Juckreiz und von Durchfällen begleitet. Später bilden sich Borken oder bei der Heilung abblätternde Schuppen. Die Bekämpfung erfolgt durch Antibiotika (z. B. Tylosin). Mit Resistenzbildung ist zu rechnen. Der Schweinegesundheitsdienst empfiehlt den SPF-Beständen eine regelmäßige Schutzimpfung gegen Rotlauf bei Zuchtläufern (ab 12. Woche) und bei Sauen (nicht im letzten Drittel der Trächtigkeit, sondern am besten beim Absetzen). Der Rotlauf kann in mehreren Formen auftreten: Mit
Die Ferkelerzeugung
hohem Fieber als Backsteinblattern (rote bis blaurote rechteckige Hautquaddeln) oder als Blutvergiftung (rote Verfärbung an Ohren, Rüssel, Bauch und Brust – Kreislaufschäden), chronisch als Herzklappenrotlauf (mit Kreislaufstörungen) oder als Gelenkrotlauf (mit Lähmungen). An Ferkeln wird Rotlauf selten beobachtet. Der Schweinegesundheitsdienst | Diese bereits mehrfach erwähnte Einrichtung wurde in der Nachkriegszeit in allen Bundesländern eingeführt und wird von den Tierseuchenkassen mitfinanziert. Der SGD arbeitet eng mit Veterinäruntersuchungsämtern und Tiergesundheitsämtern zusammen. Auf Schweinekrankheiten und Schweinehygiene spezialisierte Tierärzte betreuen einen größeren Kreis von schweinehaltenden Betrieben, vor allem Herdbuchzüchter und Ferkelerzeuger. Sie überprüfen in regelmäßigen Abständen den Gesundheitszustand der angeschlossenen Ställe, entwerfen Hygienepläne und empfehlen Vorbeugungsmaßnahmen, helfen mit bei der Weiterbildung der Hoftierärzte und geben neue wissenschaftliche Erkenntnisse an die Praxis weiter. Es gibt heute auch private Tierärzte, die sich auf Schweine spezialisiert haben und Betriebe im Rahmen von Betreuungsverträgen produktionsbegleitend betreuen. Entwurmung | Kein Schweinehalter füttert gern Parasiten und lässt sich von ihnen die Sauenfruchtbarkeit zerstören. Deshalb gehört in gut geleiteten Betrieben die Bekämpfung der inneren (Endoparasiten) und äußeren Schmarotzer (Ektoparasiten) zu den Routinemaßnahmen. Zur Kontrolle der gegen die Würmer durchgeführten Maßnahmen, und um die Auswahl der Präparate auf die jeweilige betriebliche Verwurmung einzustellen, sind Kotuntersuchungen wenigstens einmal im Jahr erforderlich. Dabei sollten aus jeder 5. Bucht (bei allen Alters- und Nutzungsgruppen) frische Kotproben entnommen und dem Hoftierarzt zur Untersuchung übergeben bzw. dem nächsten Veterinäruntersuchungsamt zugeleitet werden. Auch die Schlachter, denen die Mastschweine verkauft werden und die unter Umständen die Därme selbst verwerten, können Hinweise geben. (Viele Lebern werden wegen Leberegel- oder Wurmbefall verworfen.)
489
8
8
Schweineproduktion
Um die von Würmern am stärksten gefährdeten Ferkel vor der Verwurmung durch Sauenkot zu schützen, sind die Entwurmung der Sau vor dem Abferkeln mit gleichzeitigem gründlichen Abwaschen zur Entfernung der auf der Haut sitzenden Eier sowie die sorgfältige Reinigung und Desinfektion der Abferkelbucht die wichtigste Etappe im Entwurmungsprogramm (8.4.4). Eine etwa erforderliche Leberegelbehandlung muss schon früher, am besten bei der leeren Sau, durchgeführt werden. Bei ständigem Weidegang muss außer mit den in Tab. 151 aufgeführten wichtigsten Wurmarten auch mit Lungenwürmern gerechnet werden, die den Regenwurm als Zwischenwirt brauchen. Für Weideschweine sind regelmäßige Wurmkuren unerlässlich. In Beständen mit Zwergfadenwurmbefall, an den beim Auftreten zwischen dem 4. und 10. Lebenstag und von kleinen, roten Quaddeln an der Bauchunterseite und an den Schenkelinnenseiten gedacht werden muss, werden durch die Entwurmungskur der Sau bei der Mehrzahl der Präparate nur die in ihrem Darm lebenden Weibchen abgetötet, aber nicht die im Gesäuge schmarotzenden Larven, die dann mit der Biestmilch auf die Ferkel übertragen werden. Hier müssen also auch die Ferkel behandelt werden, und zwar mehrere Male im Abstand von je 3 Tagen. Zugekaufte Mastferkel werden in der Regel im Vormaststall mit Entwurmungsmitteln kuriert, die gleichmäßig ins Futter eingemischt werden. Läuse sind nicht so harmlos, wie sie von vielen gehalten werden. Sie übertragen Pocken. In der Regel werden sie durch die Räudebekämpfung miterfasst (2.9.2, 8.4.4).
8.4.9
Die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung
Wer Ferkel produziert, sollte auch wissen, was sie den Betrieb kosten. Die Nachkalkulation kann genauer sein als im Kuhstall, weil die meisten zur Kalkulation benötigten Daten relativ leicht erfassbar sind, vorausgesetzt, dass die notwendigen Aufzeichnungen (Bestandsveränderungen bei der Sauenherde, Wurftag und Wurfgröße, Verbleib der Ferkel usw.) durchgeführt und in nichtspezialisierten Betrieben die Rechnungen des Tierarztes, des Futtermittelhändlers und anderer Lieferanten im notwendigen Umfang aufgeschlüsselt werden. Man sollte sich nicht damit begnügen, die in Fachzeitschriften und Büchern enthaltenen Kostenberechnungen zu studieren, sondern man sollte sie als Anregung und als Wegweiser für die eigene Kalkulation ansehen. Maßgebend sind nur die Kosten im eigenen Betrieb, von denen in der Regel die Futterkosten mehr als die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen. Die Ferkelerzeugerringe begnügen sich teilweise mit einer Teilkostenrechnung und messen den Erfolg mit Hilfe der direktkostenfreien Leistung (DkfL). Häufig berücksichtigen sie auch die disproportionalen (bedingt veränderlichen) Spezialkosten sowie die anteiligen Gemeinkosten und erreichen den Beitrag zum Betriebseinkommen (BBE). Bei der Aufstellung einer Modellkalkulation wird der Deckungsbeitrag ermittelt, der fast mit der direktkostenfreien Leistung gleichzusetzen ist (s. Kap. 7.3.4).
Tab. 151 Die wichtigsten Wurmarten beim Schwein (nach Eich) Lebensabschnitt
Rundwurmart
Ferkel
Zwergfadenwurm (Strongyloides)
Läufer Zuchtsauen/Eber
490
Länge
Tage zwischen Invasion und Eiausscheidung
4–5 mm
6
Spulwurm (Ascariden)
15–40 mm
63
Knötchenwurm (Oesophagostromum)
8–15 mm
50
Roter Magenwurm (Hyostrongylus)
5–11 mm
19–21 mm
8.4
Die Ferkelerzeugung
Tab. 152 Modellkalkulation für einen Ferkelerzeuger mit 100 Sauen in umgebauten Altgebäuden Marktleistung: 18 Ferkel zu 28 kg
58 e
e/Sau 1044
= 230 e
j
Proportionale Spezialkosten: 11,5 dt Sauenkraftfutter (20 e/dt) 6,7 dt Ferkelaufzuchtfutter (30
e/dt)
#
= 201 e
Tierarzt, Medikamente, Hygiene
60 e
Eberkosten bzw. Deckgeld
30
Energie, Wasser
# #
e 60 e
#
15 e j
D 581 # # — 463 e
Deckungsbeitrag*: Nichtproportionale Spezialkosten: Maschinen, Gerät Gebäudekosten
85 e
Anteilige Gemeinkosten (Betriebssteuern, Beiträge usw.)
20
Beitrag zum Betriebseinkommen*:
e
D 100 e —
20 e
343 e
* Erklärung der Begriffe s. Kap. 7.3.4. Es wird unterstellt, dass der Markterlös für die ausscheidende Altsau ebenso hoch ist wie der Einkaufspreis für eine deckfähige Jungsau, so dass keine Kosten für die Tierbeschaffung berechnet zu werden brauchen. In Tab. 152 wird eine Leistung von 18 aufgezogenen Ferkeln je Sau und Jahr unterstellt. Man kann natürlich fragen, wie gut die Voraussetzungen für hohe Ferkelzahlen in umgebauten Altställen sind. (Das wäre eines der Fragezeichen gegenüber der Modellkalkulation.) Diese Frage lässt sich aber aus den bisher vorliegenden Statistiken nicht klar beantworten. In der Praxis kommen hohe und niedrige Ferkelzahlen sowohl in alten wie in neuen Ställen vor. Offenbar ist der Gebäudezustand nur einer unter vielen Faktoren, die von Bedeutung für die Aufzuchtquote sind. Zweifellos ist aber eine Erhöhung der Aufzuchtrate der wichtigste Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung, wie die Tab. 153 erkennen lässt.
? Was verrät die Tabelle über die vermutlichen Ursachen für niedrige Ferkelzahlen? Wie lang ist die durchschnittliche Zwischenwurfzeit in den verschiedenen Klassen? (Freie Spalte zum Ein-
tragen.) Welche weiteren Fragen stellen sich, wenn man die Tab. 132 und 152 mit heranzieht? Bei niedriger Ferkelzahl sind zwar die Futterkosten etwas geringer als bei hoher Ferkelzahl (Säugezulage und Ferkelaufzuchtfutter abhängig von Ferkelzahl), aber der größte Teil der Sauenkosten (Erhaltungsfutter, Deckgeld, Energie, Stall usw.) ist unabhängig von der Ferkelzahl und fällt in jedem Fall an. Deshalb schlagen sich die Unterschiede in den Verkaufserlösen der verschiedenen Klassen überproportional in den direktkostenfreien Leistungen nieder. Mit der Erhöhung der Zahl der jährlich aufgezogenen Ferkel verringern sich tendenziell die Aufzuchtverluste. Stärker wirkt sich aber auf das Ergebnis die Zahl der Würfe pro Jahr aus. Bei den Betrieben der Tab. 153 war bei den Klassen mit niedriger Ferkelzahl die Zwischenwurfzeit auffallend lang (bis 16,9 Ferkeln # 190 Tage, in den anderen Klassen 178, 168 und 158 Tage), was vermutlich zu einem großen Teil durch Fruchtbarkeitsstörungen bedingt ist. Bei den Auswertungen der hessischen Kontrollringe zeigt sich sehr deutlich der Einfluss der aufgezogenen Ferkel auf
491
8
8
Schweineproduktion
Tab. 153 Der Einfluss der aufgezogenen Ferkel auf die direktkostenfreie Leistung (DkfL) und den Beitrag zum Betriebseinkommen in hessischen Ferkelerzeugerringen (HVL-Jahresbericht 2003) aufgezogene Ferkel/Sau u. Jahr
Anzahl Betriebe %
Würfe/ Sau u. Jahr
Zwischenwurfzeit Tage
Aufzuchtverluste %
Futterkosten/ Sau e
Erlös je Ferkel e
DkfL/* Sau u. Jahr e
Beitrag z. Betr. ein.* je Sau u. J. e
bis 16,9
27
1,93
–
19
162
55
359
228
17,0–18,9
25
2,06
–
15
174
55
456
303
19,0–20,9
32
2,18
–
15
173
56
526
346
über 21,0
16
2,31
–
16
177
56
637
448
* Erklärung der Begriffe s. Kap. 7.3.4.
Tab. 154 Leistungsunterschiede in der Ferkelerzeugung 2001/02 gemessen an den direktkostenfreien Leistungen der 25 % oberen und unteren Betriebe (nach ZDS, Ausgabe 2003) Mittel
obere 25 %
untere 25 %
Anzahl Betriebe
1 888
472
472
Sauen je Betrieb
124
135
105
Würfe je Sau
2,23
2,30
2,12
aufgez. Ferkel je Sau
20,4
21,8
18,5
Verluste, %
17,2
15,4
19,4
Ferkelverkauf, kg/Stück
28,4
28,7
28,4
Ferkelverkauf, e/kg Kraftfutter, dt/Sau Kraftfutter, e/Sau
2,16
2,20
11,8 221
2,09
11,7
12,0
216
227
Ferkelfutter kg,/verk. Ferkel
37
–
–
Akh je Sau
17
–
–
Direkte Kosten, e/Sau
Direkte Kosten, e/aufgez. Ferkel
Direktkostenfreie Leistungen, e/Sau*
749
742
756
37
34
41
543
716
327
* Erklärung des Begriffes s. Kap. 7.3.4.
die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung (Tab. 153). Die Differenzen werden noch größer, wenn man die guten den schlechten Betrieben gegenüberstellt. Bei den 25 % besten Betrieben der Kontrollringe von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz/Saarland wurde im Durchschnitt eine mehr als doppelt so hohe DkfL (716 e) erzielt gegenüber dem unteren Viertel, das 327 e erreicht hat (s. Tab. 154). Auch bei den kontrollierten hessischen Betrieben war eine beachtliche Differenz von 338 e festzustellen. Noch gravierender war
492
es beim BBE. Hier betrug der Unterschied sogar 404 e.
8.5 Die Schweinemast Die wichtigsten Geräte für den Schweinemäster sind Waage und Rechenstift. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Aber sie muss umso stärker beachtet werden, je härter der Wettbewerb zwischen den Schweinemästern wird. Zum Rechnen gehören Aufzeichnungen über Mastbeginn und Mastende,
8.5 Verluste, Ferkelpreis und andere Kosten. Ersparnisse im Futteraufwand je kg Zuwachs verbessern die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast ebenso wie höhere tägliche Zunahmen. Erhebliche Unterschiede bestehen auch bei den Tierverlusten (Tab. 174). Hier müssen die Tiergesundheit und die Haltungsbedingungen unbedingt verbessert werden. Für viele Mäster mit niedrigen Tageszunahmen (um 600 g) ist die Steigerung bei diesem Leistungsmerkmal ein wichtiges Ziel. Hier stecken noch erhebliche Reserven, denn die erfolgreichen Betriebe erreichen mehr als 800 g, ein Teil sogar 900 g Tageszunahme.
!!! Weshalb ist eine schnellere Mast in der Regel auch eine billigere Mast? Mit einer Abkürzung der Mastdauer sinken – unter sonst gleichen Bedingungen – die Gebäude- und Stromkosten, weil der gleiche Stall rascher neu besetzt und deshalb öfter im selben Jahr benutzt werden kann. Der Arbeitsaufwand ist bei kurzer Mast ebenfalls niedriger als bei langer Mast. Vor allem aber sinkt mit steigenden Tageszunahmen der Erhaltungsfutteranteil. Während es bei bestimmten Formen der Rindermast möglich ist, die mit der Verlängerung der Mast verbundene Erhöhung des Erhaltungsfutteranteils teilweise durch den verstärkten Einsatz billiger wirtschaftseigener Futtermittel auszugleichen, gibt es diese Möglichkeit bei der Schweinemast nicht. Schweine für den Markt zu produzieren, bedeutet Intensivmast mit Endgewichten von 110–125 kg, wobei das durchschnittliche Mastendgewicht in den deutschen Erzeugerringen bei 118 kg lag (nach ZDS, 2003). Hierbei ist der Mäster gut beraten, sich nach den Wünschen des Abnehmers zu richten.
8.5.1 Nähstoffversorgung und Fütterungsmethoden Bei der Mast soll vor allem Eiweiß gebildet und angesetzt werden. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Menge und Qualität des Eiweißes im Mastfutter. Über die Qualitätsansprüche wurde schon gesprochen (2.3.3, 5.1.2.1, 6.5.1, 6.5.3, 6.6.6, 6.7).
Die Schweinemast
Es ist wichtig, dass die Schweine die benötigten essenziellen Aminosäuren erhalten. Tierische Eiweißfuttermittel besitzen eine gute Aminosäurenzusammensetzung, aber sie sind entweder verboten (z. B. Tiermehl) oder relativ teuer (Fischmehl). Daher kommt als Eiweißkomponente vorrangig Sojaextraktionsschrot zum Einsatz, das auch eine günstige Aminosäurenzusammensetzung aufweist. Dieses kann z. T. auch durch andere Eiweißfuttermittel wie z. B. Ackerbohnen, Erbsen und Rapsextraktionsschrot ersetzt werden. Allerdings muss auf die Abdeckung der essenziellen Aminosäuren geachtet werden, da diese Futtermittel weniger essenzielle Aminosäuren insbesondere Methionin/Cystin enthalten (geringere biologische Wertigkeit). Doch lässt sich die entstehende Lücke problemlos mit Mineralfutter schließen, das mit Aminosäuren ausgestattet ist. Durch den Einsatz eines solchen Mineralfutters lässt sich auch der Rohproteingehalt der Ration reduzieren. Die Verringerung ist jedoch dadurch begrenzt, dass andere essenzielle Aminosäuren ins Minimum geraten können. Das ist auf jeden Fall zu vermeiden. Es ist auf folgendes Aminosäuren-Verhältnis zu achten: Bis 40 kg: Lysin (1,0):Methionin/Cystin (0,6): Threonin (0,65):Tryptophan (0,2) Ab 40 kg: Lysin (1,0):Methionin/Cystin (0,6): Threonin (0,6):Tryptophan (0,2) Wird der Aminosäuren-Bedarf der Schweine nicht befriedigt, geht das Wachstum langsamer vonstatten. Es kommt, wenn gleichzeitig andere Nährstoffe reichlich angeboten werden, zu einer frühzeitigen Verfettung. Daher ist auch auf die Relation Lysin (g) : Umsetzbarer Energie (MJ ME) zu achten, die sich im Verlauf der Mastperiode erweitert, und zwar im Gewichtsbereich von 28 bis 40 kg bei # 800 g tägliche Zunahme von 0,81 auf 0,52 g je MJ ME in der Endmastphase. Bei Tageszunahmen von 700 g bzw. 900 g liegen die Werte anfangs bei 0,76 bzw. 0,84 und am Ende der Mast bei 0,52 bzw. 0,53 g Lysin je MJ ME. Für die Ausnutzung des Wachstumsvermögens muss auch die Mineralstoffversorgung optimal sein.
!!! Zwischen Phosphor und Calcium ist ein Verhältnis von 1 : 1,2–1,5 bzw. bei verdaulichem Phosphor ein vP : Ca-Verhältnis von 1 : 2,5–3 (s. Tab. 155) einzuhalten.
493
8
8
Schweineproduktion
Durch die Berücksichtigung des verdaulichen Phosphors in der Mischungsberechnung kann die P-Versorgung besser an den Bedarf angepasst werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Phytin-Phosphor aus Getreideschrot, Mühlennachprodukten, Ölsaatrückständen usw. nur teilweise verwertbar ist. Eine Verbesserung lässt sich durch den Einsatz von mikrobieller Phytase erreichen. Durch eine höhere Verdaulichkeit des Phosphors kann der Gesamtgehalt im Futter abgesenkt werden, ohne die leistungsgerechte Versorgung zu gefährden.
Auch für hohe Tageszunahmen reicht ein Natrium-Gehalt von 0,15 % im Alleinfutter aus. Die Versorgung der Tiere mit Spurenelementen und Vitaminen erfolgt über ein entsprechendes Mineralfutter. Ergänzungsfutter und Eiweißkonzentrat sind ebenfalls mit diesen notwendigen Stoffen ausgestattet. Die Versorgungsempfehlungen je kg Alleinfutter für Anfangs- und Endmast findet man in Tab. 159. Versorgungsempfehlungen für die Mast | Um der ständigen Veränderung der Körperzusam-
Tab. 155 Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung für eine mittlere tägliche Zunahme von 700 g, 800 g oder 900 g im Abschnitt von 28 bis 115 kg Lebendmasse (DLG-Information 1/2002) Gewichtsabschnitt
kg
28–40
40–50
50–60
60–70
70–80
80–90
90–115
tägliche Zunahme
g/Tag
610
700
740
765
780
760
680
umsetzbare Energie (ME)
MJ/Tag
18,0
22,7
26,0
29,0
31,6
33,5
34,5
Lysin1
g/Tag
13,7
16,0
16,9
18,3
19,0
18,8
17,9
verdaulicher Phosphor (vP)
g/Tag
3,6
4,2
4,5
4,7
4,9
4,5
4,3
Lysin
g/MJ ME
0,76
0,70
0,65
0,63
0,60
0,56
0,52
verdaulicher Phosphor (vP)
g/MJ ME
0,20
0,18
0,17
0,16
0,15
0,13
0,12
LM-Zunahme # 700 g/Tag
LM-Zunahme # 800 g/Tag tägliche Zunahme
g/Tag
umsetzbare Energie (ME)
MJ/Tag
19,7
24,5
29,2
33,1
35,0
36,0
36,0
g/Tag
16,0
18,1
20,1
21,5
21,7
20,5
18,7
Lysin
1
710
800
900
960
900
850
730
verdaulicher Phosphor (vP)
g/Tag
4,1
4,7
5,3
5,7
5,5
4,9
4,5
Lysin
g/MJ ME
0,81
0,74
0,69
0,65
0,62
0,57
(0,55)*
verdaulicher Phosphor (vP)
g/MJ ME
0,21
0,19
0,18
0,17
0,16
0,13
0,12
LM-Zunahme # 900 g/Tag tägliche Zunahme
g/Tag
1 000
1 050
1 000
umsetzbare Energie (ME)
MJ/Tag
20,5
26,8
31,8
35,5
37,0
38,7
39,8
g/Tag
17,2
20,4
22,6
23,8
23,3
22,0
21,1
Lysin
1
760
900
950
850
verdaulicher Phosphor (vP)
g/Tag
4,3
5,2
5,8
6,2
6,1
5,4
5,1
Lysin
g/MJ ME
0,84
0,76
0,71
0,67
0,63
(0,60)*
(0,60)*
verdaulicher Phosphor (vP)
g/MJ ME
0,22
0,20
0,18
0,17
0,16
0,14
0,13
1
Relation von Lysin : Methionin/Cystin = 1 : 0,6 (gültig für alle Gewichtsabschnitte); Methioninanteil bei mindestens 50 %; Relation von Lysin : Threonin = 1 : 0,65 bis 40 kg LM bzw. = 1 : 0,60 über 40 kg LM). ()* Für diese Mastabschnitte der Leistungsbereiche # 800 g und # 900 g tägliche Zunahme liegen wenige Ergebnisse zum Proteinansatz vor, daher wird für die hier gekennzeichneten Lysin- : Energieverhältnisse keine weitere Absenkung vorgenommen.
494
8.5
Die Schweinemast
Tab. 156 Gehalte an Spurenelementen und Vitaminen in verschiedenen Futtertypen (DLG-Information 1/2002) Alleinfutter für Mastschweine bis 60 kg über 60 kg
Mindestgehalte je kg Kupfer
mg
5
5
Zink
mg
50
50
Mangan
mg
20
20
Selen
mg
0,20
0,20
Vitamin A
I.E.
4 000
3 000
Vitamin D
I.E.
500
375
Vitamin E
mg
11
11
Nicotinsäure
mg
20
20
Pantothensäure
mg
10
10
Vitamin B2
mg
3
3
Vitamin B6
mg
3
3
Vitamin B12
?g
10
10
Cholin*
g
0,8
0,8
* meist nativ vorhanden mensetzung (Knochen, Muskel = Fleisch, Fett) während der Mastperiode gerecht zu werden, müsste auch das Nährstoffangebot entsprechend angepasst werden. Abb. 178 zeigt den unterschiedlichen Bedarf an Energie und anderen wichtigen Nährstoffen bei durchschnittlichen 800 g Tageszunahmen während der Mastperiode. Abb. 178 Täglicher Energie-, Lysin- und v. Phosphor-Bedarf bei 800 g Tageszunahme während der Mastperiode
Während am Anfang der Mast das begrenzte Futteraufnahmevermögen nicht für die höchsten Zunahmen ausreicht, wird am Ende weniger Eiweiß und mehr Fett angesetzt und auch der Erhaltungsanteil wird mit steigendem Gewicht immer höher, so dass die höchsten Zunahmen im Bereich von 60–80 kg möglich sind (s. Abb. 180).
40
Energie (MJME)
MJME
30 20
25
10
20 g Lysin
Lysin
0
15 4
v. Phosphor 25 30
40
50
60
70
80
90 100
110 115
g. v. Phosphor je 10 MJME
2
kg Lebendgewicht 710
800 900 960 900 850
730
Tageszunahme in g
495
8
8
Schweineproduktion
Tab. 157 Empfohlene Gehaltswerte im Alleinfutter für Mastschweine bei # 800g täglicher Lebendmassezunahme (DLG-Fütterungsempfehlungen, 2002) MJ ME/kg
12,6
13,0
13,4
13,8
Vormast für alle Fütterungsverfahren ab. ca. 28 kg LM, 5,9 g Lysin/100 g Rohprotein Lysin
%
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
Gesamt-Phosphor
%
1,05 18,0 0,27
1,08 18,5 0,28
1,11 19,0 0,29
(0,48–0,58) Universalmast ab. ca. 40 kg LM 5,8 g Lysin/100 g Rohprotein
Lysin
%
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
(Gesamt-Phosphor)
%
0,96 16,5 0,25
0,99 17,0
1,02 17,5
0,26
0,26
0,99
1,02
(0,46–0,56) 2-phasige Mast
Anfangsmast Lysin
ab ca. 40 kg LM 5,8 g Lysin/100 g Rohprotein %
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
(Gesamt-Phosphor)
%
Endmast Lysin
0,96 16,5 0,25
17,0
17,5
0,26
0,26
0,83
0,86
(0,46–0,56) ab ca. 70 kg LM 5,3 g Lysin/100 g Rohprotein
%
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
(Gesamt-Phosphor)
%
0,78
0,81
14,5
15,0
0,20
0,21
15,5 0,22
16,0 0,23
(0,42–0,52) 3-phasige Mast
Anfangsmast
ab ca. 40 kg LM 5,8 g Lysin/100 g Rohprotein
Lysin
%
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
(Gesamt-Phosphor)
%
Mittelmast
0,25
0,99 17,0 0,26
1,02 17,5 0,26
(0,46–0,56) ab ca. 60 kg LM 5,4 g Lysin/100 g Rohprotein
Lysin
%
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
(Gesamt-Phosphor)
%
Endmast
0,85 15,5 0,22
0,87 16,0 0,23
(0,44–0,54) ab ca. 90 kg LM 5,0 Lysin/100 g Rohprotein
Lysin
%
Rohprotein
%
verdaulicher Phosphor
%
(Gesamt-Phosphor)
%
496
0,96 16,5
0,69 14,0 0,15 (0,38–0,48)
0,72 14,5 0,16
0,74 15,0 0,17
0,90 16,5 0,24
8.5 Höhere bzw. niedrigere Zunahmen in den verschiedenen Gewichtsabschnitten verlangen eine entsprechend angepasste Nährstoffzufuhr (Tab. 155), und hierbei ist Folgendes zu berücksichtigen:
!!! Anfangs besteht das Wachstum vorwiegend aus Eiweiß (= Fleischansatz), und es wird ein enges Eiweiß : Energie-Verhältnis im Futter benötigt. Sobald die Schweine 60 bis 80 kg wiegen, lässt der tägliche Eiweißansatz nach, und ein steigender Anteil des Zuwachses besteht aus Fett. Deshalb werden die Eiweißansprüche weitaus bescheidener. Man kann selbst durch sehr eiweißreiche Ernährung im letzten Drittel der Mastperiode keinen höheren Eiweißansatz erzwingen. Überschüssiges Eiweiß wird dann wie andere Nährstoffe in Fett umgewandelt. Bei einem Teil der Schweine wird dieser Fettansatz allerdings begrenzt durch die nachlassende Fresslust und dadurch stagnierende Zunahmen. Es wäre natürlich optimal, wenn das Angebot an Nährstoffen den Versorgungsempfehlungen gut angepasst werden könnte. Dies ist beim Einsatz eines einzigen Futters während der Mast – bei der so genannten Universalmast – nicht möglich. Wenn am Anfang der Mast die Versorgungsempfehlungen für das Rohprotein eingehalten werden, geht am Ende das Angebot weit über die Empfehlungen hinaus; wird das Futter mit einem
Die Schweinemast
mittleren Proteingehalt eingesetzt, besteht am Anfang eine Unterversorgung, bei Mastende eine Überversorgung an Rohprotein. Eine bessere Anpassung wird durch die 2-Phasenfütterung erreicht, die sich an die Vormast anschließt und von 40–70 kg (Phase I) und 70–105 kg (Phase II) reicht. Noch „günstiger“ ist die 3-Phasenmast mit dem in der Abb. 179 dargestellten Bereich I (40–60 kg), Bereich II (60–90 kg) und Bereich III (90–115 kg). Abb. 180 verdeutlicht diese bessere Annäherung an die Versorgungsempfehlungen bei der Phasenfütterung. Steuerung der Energiezufuhr | Bei Schweinen mit unvermindertem Appetit lässt sich der Trend zu steigendem Fettansatz im letzten Mastabschnitt auf zwei Wegen bremsen: entweder durch eine Verringerung der Nährstoffkonzentration des Futters oder durch eine Begrenzung der täglich zugeteilten Futtermenge. Aus praktischen Gründen wird von vielen Mästern die zweite Lösung bevorzugt. Das heißt um die Fettbildung zu drosseln, verzichten sie im letzten Mastabschnitt auf einen möglichen Teil der Tageszunahme und geben den Tieren nicht mehr so viel Futter, wie diese gern aufnehmen möchten. Das ist die rationierte Fütterung in der Endmast. Futterautomaten zur freien Aufnahme werden bei dieser Methode nicht oder nur bis zu einem Lebendgewicht von 50–60 kg benutzt. Eine rationierte Fütterung lässt sich aber auch mit entsprechenden Futterautomaten durchfüh-
Abb. 179 Mastverfahren mit den entsprechenden Mastabschnitten
497
8
8
Schweineproduktion
Abb. 180 Rohproteinaufnahme bei verschiedenen Fütterungsstrategien – schematisch (nach DLG-Fütterungsempfehlungen, 2002) ren. Bei der rationierten Automatenfütterung wird in der Regel einmal am Tag die nach Zahl und Alter der Schweine einer Mastbucht dosierte Tagesration eingefüllt. Der Nachlauf aus dem Vorratsbehälter in die Fressmulde lässt sich steuern. Teilweise müssen die Schweine durch Rütteln an entsprechenden Vorrichtungen den Nachlauf selbst bedienen. Demgegenüber erhalten bei der unbeschränkten Automatenmast die Behälter einen Vorrat von mehreren Tagen, und es wird den Schweinen ganztägig Futter angeboten. Bei der Diskussion „rationiert oder ad libitum füttern?“ wird manchmal übersehen, dass sich die einschlägigen Anstalts- und Institutsversuche auf einem hohen Leistungsniveau bewegen und dass Nachteile der Sattfütterung (z. B. schlechtere Futterverwertung durch höheren Fettansatz) vielfach erst bei sehr hohen Tageszunahmen beobachtet werden. Das Gros der Mäster hat während dieser Zeit aber wesentlich niedrigere Tageszunahmen. Die Mehrzahl dieser Betriebe muss die Tiere nicht hungern lassen. Eher wäre es wichtig für sie, die Tageszunahmen (natürlich mit Vorrang bis 80 kg) zu erhöhen und dadurch den Erhaltungsfutteranteil zu senken. Um den unterschiedlichen Nährstoffansprüchen
498
der Masttiere gerecht zu werden, gewinnt auch die getrennt geschlechtliche Mast immer mehr an Bedeutung. Hierbei spielt allerdings in Deutschland die Ebermast keine Rolle, obwohl sie seit 1.1.1993 EU-weit möglich ist. Die Unterschiede in den Mast- und Schlachtleistungen zwischen Kastraten und weiblichen Tieren sind bei der Fütterung zu berücksichtigen. Während in der Vor- und Anfangsmast die Versorgungsempfehlungen noch gleich sind, sollte in der Endmast (ab 60 kg LG) eine differenzierte Fütterung durchgeführt werden. Kastraten verfetten schneller und stärker als weibliche Tiere, so dass das höhere Futteraufnahmevermögen begrenzt und die Mast früher beendet werden muss als bei weiblichen Tieren (Tab. 158). Es ist anzuraten, ab ca. 60 kg eine rationierte Fütterung oder beim Ad-libitum-Verfahren eine energiereduzierte Ration einzusetzen, um einem erhöhten Verfettungsgrad vorzubeugen. Ansonsten würde sich die gegenüber den weiblichen Tieren ungünstigere Futterverwertung noch weiter verschlechtern. Eine bedarfsgerechte Anpassung lässt sich bei Tieren mit geringem Futteraufnahmevermögen (Pietrain ´ und dessen Kreuzungen) dadurch errei-
8.5
Die Schweinemast
Tab. 158 Rationslisten für die getrennt geschlechtliche Mast (DLG-Fütterungsempfehlungen, 2002) Mastwoche
Gewichtsabschnitt kg
tägl. Energieaufnahme ME MJ/Tag
tägl. Futtermenge* kg/Tag
Gewichtszunahmen g/Tag
1
25,0–29,0
16,6
1,3
580
2
29,0–33,5
18,5
1,45
630
3
33,5–38,5
20,5
1,6
680
4
38,5–43,5
22,5
1,75
720
5
43,5–48,5
24,7
1,90
750
6
48,5–54,0
26,9
2,05
790
7
54,0–60,0
29,1
2,25
820
Mast von Kastraten 8
60,0–66,0
31,1
2,4
850
9
66,0–72,0
32,2
2,5
860
10
72,0–78,0
33,2
2,55
860
11
78,0–83,5
34,0
2,6
830
12
83,5–89,0
34,0
2,6
790
13
89,0–94,5
34,0
2,6
750
14
94,5–99,5
34,0
2,6
700
15
99,5–104,0
34,0
2,6
650
16
104,0–108,0
34,0
2,6
600
17
108,0–112,0
34,0
2,6
570
8
Mast weiblicher Tiere 8
60,0–66,0
30,2
2,4
840
9
66,0–72,0
31,3
2,5
860
10
72,0–78,0
32,6
2,6
880
11
78,0–84,0
33,8
2,7
870
12
84,0–90,0
35,0
2,75
850
13
90,0–95,5
35,6
2,75
820
14
95,5–101,0
36,0
2,75
780
15
101,0–106,5
36,0
2,75
740
16
106,5–111,5
36,0
2,75
700
17
111,5–116,0
36,0
2,75
650
18
116,0–120,0
36,0
2,75
610
* 13,0 MJ ME/kg, Angaben auf 50 g Futter gerundet
499
8
Schweineproduktion
chen, dass die Energiekonzentration der Futtermischung angehoben wird, wobei gleichzeitig die anderen Nährstoffe mit erhöht werden müssen. Nur bei Tieren mit sehr hohem Aufnahmevermögen (z. B. Börge der DL-Rasse oder Hybriden) ist bei Ad-libitum-Fütterung eine Mischung mit geringerer Energiekonzentration (12,6 MJ ME je kg) empfehlenswert bzw. eine Rationierung in der zweiten Masthälfte erforderlich.
8.5.2
Mast mit Trockenfutter
Hierbei unterscheidet man zwischen verschiedenen Mastverfahren. Will der Landwirt nicht selbst mischen, kann er Schweinemast-Alleinfutter zukaufen, das bei ca. 70 kg Lebendgewicht vom Alleinfutter I auf Alleinfutter II umgestellt wird. Es ist darauf zu achten, dass die Mastfutter mit hohen Inhaltsstoffen ausgestattet sind, damit das Wachstumspotenzial voll ausgereizt werden kann. Sollen die Mastschweine exakt nach Bedarf gefüttert werden, bereitet das mit fortschreitender Mast immer weiter werdende Verhältnis von Eiweiß und Energie Schwierigkeiten. Man müsste eigentlich für jede Bucht in einem mit Mastgruppen verschiedenen Alters besetzten Stall eine andere Mischung haben. Das geht vor allem aus arbeitswirtschaftlichen Gründen nicht. Die eleganteste Lösung dieses Problems wurde von dem
Göttinger Professor Lehmann vorgeschlagen und zuerst in der Hackfruchtmast durchgeführt. Als DLG-Grundstandard-Methode lässt sie sich auch in der Getreidemast anwenden. Das Anfangsmastfutter (Tab. 157) wird von Woche zu Woche so weit gesteigert, bis 30–35 kg schwere Tiere davon 1,5 kg aufnehmen. Diese Menge wird bis zum Mastende beibehalten und die zusätzlich verabreichte Getreidegabe wird von 0,1 auf 1,25 kg gesteigert (Tab. 160). Durch den Einsatz des eiweißärmeren Getreides stellt sich automatisch ein immer weiteres Eiweiß : Energie-Verhältnis ein. Betriebe mit größerer Getreideernte können die Grundstandardmethode mit dem Ergänzungsfutter I (Tab. 159) durchführen. Davon werden 0,75 kg eingesetzt und von Mastbeginn an mit steigenden Mengen eigenen Getreides verschnitten. Der Getreideanteil lässt sich noch weiter steigern beim Einsatz von Eiweißkonzentrat (Tab. 159). Betriebe, die nur mit einem Mastfutter arbeiten wollen, setzen das Alleinfutter ab 35 kg ein, als Universalmastfutter. Das bedeutet allerdings, dass sie die Ferkel erst mit einem höheren Gewicht zur Mast einstallen. Trotzdem klafft dann das Nährstoffangebot und der Bedarf weit auseinander. Günstiger für eine bessere Übereinstimmung ist – wie bereits erläutert – die 2- bzw. 3-phasige Mast (s. Tab. 157).
Tab. 159 Gehalte an wertbestimmenden Bestandteilen für die Anfangsmast (AM, 40–70 kg) und Endmast (EM, ab 70 kg) nach DLG-Fütterungsempfehlungen, 2002 Ergänzungsfutter I
Ergänzungsfutter II
Mastabschnitt
AM
EM
AM
EM
Eiweißreiches Ergänzungsfutter AM EM
Getreideanteil %
50
65
65
75
78
84
Rohprotein %
21,5
21,5
26,5
25,5
36,5
34,0
Lysin %
1,55
1,60
2,05
2,10
3,15
3,10
Met + Cys %
0,8
0,7
0,9
0,8
1,2
1,1
Threonin %
0,8
0,8
1,0
0,9
1,4
1,3
Calcium %
1,5
1,8
2,1
2,4
3,2
3,8
verdaulicher P %
0,4
0,3
0,5
0,4
0,6
0,5
(0,7)
(0,8)
(0,9)
(0,9)
(1,1)
(1,0)
0,3
0,4
0,4
0,5
0,6
0,8
(Gesamt-P %) Natrium %
500
8.5
? Die Tab. 160 liefert ein Programm für die wöchentlichen Steigerungen der Tagesration. Aufgabe: Wie hoch ist der gesamte Futterverbrauch während der Mastperiode von 25–115 kg bei den verschiedenen Mastmethoden und was für eine Futterverwertung wurde hierbei zugrunde gelegt?
Nehmen die Tiere nicht die vorgesehenen Futtermengen auf (Tab. 161), so müsste das Futter eine höhere Nährstoffkonzentration enthalten, um gleiche Tageszunahmen zu erzielen. Bei einer Erhöhung der Energie auf 13,0 oder 13,4 MJ ME und natürlich gleichzeitiger entsprechender Steigerung der anderen Nährstoffe könnte die Futteraufnahme um 4 % reduziert werden. Wenn die Schweine eine günstigere Futterverwertung haben – wozu außer einer entsprechenden erb-
Die Schweinemast
lichen Veranlagung optimale Haltungs- und Hygienebedingungen beitragen –, wird das in der Regel nicht über einen niedrigeren Tagesverzehr erreicht, sondern durch höhere Tageszunahmen während der ersten 2/3 der Mastperiode und damit durch einen früheren Mastabschluss. Wer selbst mischen will, kann die Ergänzungsfuttermittel bzw. das Eiweißkonzentrat der Tab. 159 mit den angegebenen Prozentanteilen mit Getreide mischen. In Standardrationen werden bevorzugt Gerste und Weizen eingesetzt. Auch in Mastprüfungsanstalten werden den Tieren Gerste in Grenzen von 40 bis 50 % und Weizen von 35 bis 45 % angeboten. Aber auch Mais, Triticale und Roggen sind energiereich und können Gerste und Weizen ersetzen. Geringere Energiegehalte weisen Hafer, Weizenkleie und Melasseschnitzel auf und sind daher für Futtermischungen mit hoher Energieausstattung nur bedingt geeignet. Als Eiweiß-
Tab. 160 Rationsliste für die Getreidemast bei 800 g # Tageszunahmen Gewichtsbereich kg
25,0–29,0
Mastwoche
1
Tägliche Futterzuteilung je Schwein in kg* Alleinfutter Grundstan+ Getreide dard
1,3
Schweinemast Ergänzungsfutter
+ Getreide
Eiweißkonzentrat
+ Getreide
+ 0,55
0,3
+ 1,0
1,3
–
0,75
29,0–33,5
2
1,45
1,45
–
0,75
+ 0,7
0,3
+ 1,15
33,5–38,5
3
1,6
1,5
+ 0,1
0,75
+ 0,85
0,3
+ 1,3
38,5–43,5
4
1,75
1,5
+ 0,25
0,75
+ 1,0
0,3
+ 1,45
43,5–48,5
5
1,9
1,5
+ 0,4
0,75
+ 1,15
0,3
+ 1,6
48,5–54,0
6
2,05
1,5
+ 0,55
0,75
+ 1,3
0,3
+ 1,75
54,0–60,0
7
2,25
1,5
+ 0,75
0,75
+ 1,5
0,3
+ 1,95
60,0–66,0
8
2,4
1,5
+ 0,9
0,75
+ 1,65
0,3
+ 2,1
66,0–72,0
9
2,5
1,5
+ 1,0
0,75
+ 1,75
0,3
+ 2,2
72,0–78,0
10
2,6
1,5
+ 1,1
0,75
+ 1,85
0,25
+ 2,35
78,0–84,0
11
2,7
1,5
+ 1,2
0,75
+ 1,95
0,25
+ 2,45
84,0–89,5
12
2,75
1,5
+ 1,25
0,75
+ 2,0
0,25
+ 2,5
89,5–95,0
13
2,8
1,5
+ 1,3
0,75
+ 2,05
0,25
+ 2,55
95,0–100,5
14
2,8
1,5
+ 1,3
0,75
+ 2,05
0,25
+ 2,55
100,5–105,5
15
2,85
1,5
+ 1,35
0,75
+ 2,1
0,25
+ 2,6
105,5–110,5
16
2,85
1,5
+ 1,35
0,75
+ 2,1
0,25
+ 2,6
110,5–115,0
17
2,85
1,5
+ 1,35
0,75
+ 2,1
0,25
+ 2,6
8
* bis 40 kg LM 13,8 MJ ME je kg Futter * von 40–80 kg LM 13,4 MJ ME je kg Futter * von 80–115 kg LM 13,0 MJ ME je kg Futter
501
8
Schweineproduktion
Tab. 161 Futtermengenzuteilung bei # 800 g Tageszunahme (DLG-Fütterungsempfehlungen, 2002) Woche
Tage
Lebendmasse kg 28,0
tägliche Zunahme
Futter kg/ Tag
MJ ME/Tag
1 2 3
7 14 21
32,6 37,6 42,9
650 720 760
1,30 1,45 1,60
17,9 20,0 22,1
13,8 MJ ME/kg Futter
4 5 6 7 8 9
28 35 42 49 56 63
48,5 54,5 60,6 67,1 73,5 79,8
800 850 880 920 920 900
1,80 1,95 2,10 2,25 2,35 2,50
24,1 26,1 28,1 30,2 31,5 33,5
13,4 MJ ME/kg Futter
10 11 12 13 14 15 16
70 77 84 91 98 105 112
86,0 91,9 97,7 103,2 108,4 113,3 118,1
880 850 820 790 740 710 680
2,60 2,75 2,80 2,80 2,80 2,80 2,80
34,8 35,8 36,4 36,4 36,4 36,4 36,4
13,0 MJ ME/kg Futter
komponenten kommen neben Sojaextraktionsschrot auch Ackerbohnen, Erbsen und Rapsextraktionsschrot zu Einsatz. Die Futtermischung wird mit Mineralfutter und – vorwiegend zur Staubbindung – mit Soja- oder Rapsöl komplet-
tiert. Hierbei hat Rapsöl den Vorteil, dass es nur die Hälfte an Polyensäuren (ungesättigte Fettsäuren) enthält und daher mit doppelter Menge wie Sojaöl eingesetzt werden kann, ohne dass es zu einem weichen Speck kommt.
Tab. 162 Eigenmischungen für die Vormast mit 13,4 MJ ME/kg Futter (28–40 kg LM/800 g # mittlere tägl. Zunahme im Abschnitt von 28 bis 115 kg LM) Mischungen I II
III
IV
V
VI
Gerste
%
25,0
40,0
17,5
20,0
15,0
10,0
Weizen
%
48,0
32,0
34,0
46,0
37,5
27,0
Triticale
%
–
–
18,0
–
20,0
30,0
Sojaschrot
%
23,0
23,0
18,0
20,0
16,0
16,0
Ackerbohnen
%
–
–
–
–
5,0
Erbsen
%
–
–
–
10,0
–
8,0
Rapsschrot
%
–
–
–
–
Soja-/Rapsöl
%
1,0
2,0
1,5
1,0
1,5
1,0
Mineralfutter
%
3,0
3,0
3,0
3,0
3,0
3,0
8,0
7,0
–
Mineralfutter-Ausstattung: 22 % Ca – 5 % P – 5 % Na und je nach Einsatz der Eiweißkomponenten 5 – 8 % Lysin + 2 – 4 % Methionin/Cystin
502
8.5 Regelmäßige Kontrolle durch Futteruntersuchungen, z. B. mindestens auf Rohprotein- und Ca-Gehalt, ermöglichen die Beurteilung der Mischgenauigkeit und sind deshalb unerlässlich. Wegen der recht großen Nährstoffschwankungen ist es auch sinnvoll, das eigene Getreide analysie-
Die Schweinemast
ren zu lassen. Mit „NIRS“ (Nahinfrarotspektroskopie) gibt es heute eine Untersuchungsmethode, die kostengünstig und genau ist und bei der die Ergebnisse schnell vorliegen. Die Tab. 162 bis 165 enthalten Vorschläge zum Selbstmischen.
Tab. 163 Eigenmischungen für die 3-phasige Mast – Anfangsmast mit 13,4 MJ ME/kg (von 40–60 kg LM/ 800 g # mittlere tägl. Zunahme von 28–115 kg LM) Mischungen I II
III
IV
V
VI
Gerste
%
40,0
20,0
31,5
10,0
29,0
10,0
Weizen
%
35,0
38,0
40,0
30,0
46,0
31,0
Triticale
%
–
20,0
–
28,0
–
30,0
Sojaschrot
%
20,0
18,0
16,0
13,0
15,5
12,0
Ackerbohnen
%
–
–
–
– –
8,0
5,0
Erbsen
%
–
–
–
15,0
Rapsschrot
%
–
–
–
–
8,0
Soja-/Rapsöl
%
2,0
1,0
1,5
1,0
1,5
1,0
Mineralfutter
%
3,0
3,0
3,0
3,0
3,0
3,0
5,0
–
Mineralfutter-Ausstattung: 22 % Ca – 5 % P – 5 % Na und je nach Einsatz der Eiweißkomponenten 4 – 7 % Lysin + 0 – 2 % Methionin/Cystin Tab. 164 Eigenmischungen für die 3-phasige Mast – Mittelmast – mit 13 MJ ME/kg (60kg–90 kg LM/ 800g # mittlere tägl. Zunahme von 28–115 kg LM) Mischungen I II
III
IV
V
VI
Gerste
%
50,0
30,0
35,0
23,5
33,0
12,5
Weizen
%
29,5
32,0
40,0
25,0
46,0
30,0
Triticale
%
–
20,0
–
20,0
–
30,0
Sojaschrot
%
16,0
14,5
11,0
Ackerbohnen
%
–
–
10,0
Erbsen
%
–
–
Rapsschrot
%
–
–
Soja-/Rapsöl
%
2,0
1,0
1,5
1,0
1,5
1,0
Mineralfutter
%
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
8,0
12,0
8,0
–
–
8,0
–
20,0
–
8,0
–
–
5,0
–
Mineralfutter-Ausstattung: 22 % Ca – 5 % P – 5 % Na und je nach Einsatz der Eiweißkomponenten 4 % – 7 % Lysin
503
8
8
Schweineproduktion
Tab. 165 Eigenmischungen für die 3-phasige Mast – Endmast mit 13,0 MJ ME/kg (90–115 kg LM/800 g # mittlere tägl. Zunahmen von 28–115 kg LM) Mischungen I II
III
IV
V
VI
Gerste
%
75,0
75,0
55,0
72,0
47,0
63,0
Weizen
%
10,0
–
–
–
15,0
–
Triticale
%
–
10,0
22,0
–
20,0
18,0
Sojaschrot
%
12,0
12,0
5,0
5,0
5,0
6,0
Ackerbohnen
%
–
–
15,0
–
–
5,0
Erbsen
%
–
–
–
20,0
–
5,0
Rapsschrot
%
–
–
–
–
10,0
–
Soja-/Rapsöl
%
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
Mineralfutter
%
2,0
2,0
2,0
2,0
2,0
2,0
Mineralfutter-Ausstattung: 22 % Ca – 5 % P – 5 % Na und je nach Einsatz der Eiweißkomponenten 2–4 % Lysin
? Lösung der Aufgabe zu Futterverbrauch, Tageszunahme und Futterverwertung: Von dem Schweinemast-Alleinfutter I werden bis etwa 60 kg LM ca. 86 kg und während des zweiten Mastabschnittes vom Alleinfutter II ca. 187 kg benötigt; während der gesamten Mastperiode vom Grundstandard ca. 177 kg und vom Getreide ca. 96 kg; vom Schweinemast-Ergänzungsfutter ca. 89 kg und vom Getreide ca. 184 kg; vom Eiweißkonzentrat ca. 33 kg und vom Getreide ca. 240 kg. Die Futterverwertung liegt bei 3,03.
Reduzierung der N- und P-Ausscheidungen | Bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln werden Nährstoffe des Futters umgewandelt. Hierbei treten erhebliche Verluste über Kot und Harn auf, die besonders zur Umweltbelastung mit Stickstoff und Phosphor beitragen können. Daher ist es sinnvoll, die Ausscheidungen dieser Stoffe möglichst niedrig zu halten. Dies ist durch verschiedene Fütterungsmaßnahmen möglich wie z. B. Vermeidung von Futterverlusten, verbesserte Futterverwertung durch Einsatz von Futterzusatzstoffen, aber auch durch eine der Leistung gut angepasste Fütterung mit hochverdaulichen Komponenten. Die Reduzierung der N- und PAusscheidungen lässt sich recht gut durch die
504
2- und noch besser durch die 3-Phasenfütterung erreichen (Abb. 180 und Tab. 157). Eine Einteilung in 3 Mastabschnitte ist auch deshalb vorteilhaft, weil das Mastendgewicht angestiegen und der Futteraufwand in diesem Mastabschnitt durch die sich laufend verschlechternde Futterverwertung beträchtlich ist, wie aus Abb. 181 leicht zu erkennen ist. Eine Anpassung an den Bedarf ist daher besonders in diesem Mastabschnitt wirksam. Neben dieser – besonders gegenüber dem Einsatz eines Universalmastfutters – wesentlichen Verbesserung der Nährstoffanpassung lassen sich die Ausscheidungen noch weiter dadurch verringern, indem N-reduzierte Mischungen mit reinen Aminosäuren „aufgewertet“ und die geringe Verdaulichkeit des Phytinphosphors (z. B. im Getreide) durch Zusatz des Enzyms Phytase verbessert wird.
8.5.3
Mast mit Beifutter, Flüssigfütterung
Für manche Mastfuttermittel ist eine wirtschaftliche Verwertung nur in feuchter Form möglich: Hackfrüchte (Kartoffeln, Rüben), die verschiedenen Maiskörnerprodukte (Körnermaissilage, CCM, LKS), Magermilch, Molke, Schlempe u. a. Diese Futtermittel sind von ihrer Verdaulichkeit her zwar für die Schweinemast geeignet, weisen
8.5
Die Schweinemast
!!! 60 – 90 kg LM
34 %
40 – 60 kg LM 18 %
28 – 40 kg LM
12 %
90 – 115 kg LM
36 %
Abb. 181 Anteiliger Futterverbrauch in den einzelnen Gewichtsabschnitten bei einer durchschnittlichen Zunahme von 800 g (DLG-Fütterungsempfehlungen, 2002)
jedoch gewisse Schwachstellen auf. Sie sind von der Nährstoffzusammensetzung z. B. etwas einseitig und/oder sie sind von der Nährstoffkonzentration her unsicher (Küchenabfälle, Schlachtabfälle). Um auch mit solchen Futtermitteln einen guten Masterfolg zu erreichen, müssen sie mit einem geeigneten Beifutter, das die fehlenden Nähr-, Mineral- und Wirkstoffe ergänzt, kombiniert werden. Bei der Futterplanung ist darauf zu achten, dass eine einmal begonnene Mast mit den entsprechenden voluminösen Futtermitteln bis zum Mastende durchgeführt wird. Futterumstellungen bedeuten geringere Zunahmen, längere Mastdauer und schlechtere Futterverwertung. Hackfruchtmast | Die Mast mit Hackfrüchten erfordert mehr Arbeit als die mit Getreide. Auch deshalb wird die Hackfruchtmast nur noch in den Betrieben durchgeführt, die überschüssige Ware nicht anderweitig absetzen können. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass man von 1 ha Kartoffeln oder Rüben mehr Schweine mästen kann als von 1 ha Getreide.
Die Hackfrüchte sind hochverdaulich und werden gern gefressen. Aber manche lebensnotwendigen Stoffe fehlen in ihnen oder sind in zu niedrigen Anteilen enthalten. Man darf die Hackfrüchte also nicht allein füttern, sondern sie bedürfen der Ergänzung durch ein Beifutter, das die Energiekonzentration des Futters erhöht und die fehlenden Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe ergänzt. Im Abschnitt 20–30 kg werden die späteren Hackfruchtschweine ähnlich gefüttert wie die Getreidemastschweine. Allerdings ist es sinnvoll, bei der Auswahl des Kraftfutters für diese Periode schon die besonderen Ergänzungsansprüche der später vorgesehenen Hackfrucht oder Hackfruchtmischung zu berücksichtigen, damit man nach Möglichkeit das gleiche Kraftfutter als Beifutter weiter verwenden kann. Werden rohe Kartoffeln verfüttert, um Dämpfkosten und Silierverluste zu sparen (s. 6.2), muss mit einer um 10–15 % schlechteren Verwertung der Kartoffelstärke und entsprechend ungünstigeren Futterverwertung gerechnet werden. Soll die Mast trotzdem nicht länger dauern als bei der Methode mit gedämpften Kartoffeln, ist es sinnvoll, die Beifuttergabe auf 2,0 kg je Tier und Tag zu erhöhen und die rohen Kartoffeln erst nach Erreichen eines Lebendgewichtes von 45 kg einzusetzen. Zur Unterbringung größerer Kartoffelmengen ist es auch möglich, bei gedämpft silierten Kartoffeln mit 16 % Stärke die Beifuttergabe auf 1 kg täglich zu begrenzen (Tab. 166). Dazu wird aber ein eiweißreiches Beifutter gebraucht, das Schweinemast-Ergänzungsfutter I, das natürlich auch aus Einzelkomponenten hergestellt werden kann. Ähnlich wie mit rohen Kartoffeln kann man bei der Mast mit zerkleinerten rohen Zuckerrüben verfahren, wenn die Erntemengen über das Anbaukontingent hinausgehen. Die geringe Haltbarkeit der Zuckerrüben bringt es mit sich, dass Mastgruppen, mit denen beispielsweise im Laufe des Novembers eine Rübenmast angefangen wurde, mit diesem Futter nicht bis zum Mastende (Februar – März) versorgt werden können. Wenn Kartoffeln im gleichen Betrieb vorhanden
505
8
8
Schweineproduktion
sind, kann man nach einer Übergangszeit mit beiden Futtermitteln die Mast als Kartoffelmast fortsetzen. Bis 25 % der verwendeten Kartoffeln lassen sich durch gehäckseltes Zuckerrübenblatt, junges Gras, jungen Rotklee oder andere grüne Leguminosen ersetzen. Das kostet aber zusätzliche Arbeit und wird deshalb selten praktiziert. Das gilt auch für die Beimischung von Futterrüben. Als alleiniges oder überwiegendes Mastgrundfutter sind diese Futtermittel nicht zu gebrauchen. Mast mit CCM | Gewinnung, Qualitätsmerkmale und Futterwert wurden bereits in Kap. 6.3.1.7 besprochen. Es sei hier nochmals daran erinnert, dass der Futterwert insbesondere vom Rohfaser- und Trockenmasse-Gehalt abhängt. Bei CCM handelt es sich in erster Linie um einen Energielieferanten. Eiweiß, essenzielle Aminosäuren und Mineralstoffe müssen durch das Beifutter ergänzt werden. Dies ist bei trockensubstanzreicher und rohfaserarmer Silage, wie sie z. B. in Tab. 167 mit 60 % TM und 4 % Rohfaser eingesetzt wurde, mit 350 g Eiweißkonzentrat möglich. Nach der in Kap. 6.3.1.7 aufgeführten Berechnungsformel beträgt der Energiegehalt dieser Silage 9,12 MJ ME/kg, bei Ration III noch 8,02 MJ ME/kg und bei Ration IV jedoch nur 6,98 MJ ME/kg. Die genaue Zuteilung wird natürlich erleichtert, wenn man die CCM-Gabe mit 1 kg oder bei geringeren TM- und höheren Rohfasergehalten mit 1,25 kg bzw. 1,5 kg ergänzt. Hierzu eignen sich bei Ration I das Eiweißkonzentrat und bei Ration II das Ergänzungsfutter I für Schweine der Tab. 167. Für das Mischen von CCM und Ergänzungsfutter gibt es verschiedene Geräte, z. B. Schneckenmischer, bei denen eine Schnecke kontinuierlich CCM fördert und eine zweite das Ergänzungsfutter zugibt, so dass sich auf dem weiteren Förderweg ein einheitliches Gemisch bildet, das dann von Hand oder über zusätzliche Geräte (u. a. Futterdosierwagen) verteilt werden kann. Als Alternative wird ein Futterdosiermischwagen angeboten, zuerst zum Mischen und später zum Verteilen. Betriebe, die mehr als 300 Mastschweine täglich zu versorgen haben, entschließen sich in zunehmendem Maße zur Einrichtung einer Flüssigfütterungsanlage.
506
? Wie sieht der Futterzuteilungsplan (in Liter) für den Mastabschnitt 40–115 kg für eine Fließfuttermischung aus 1 kg Trockenfutter und 3,5 kg Sauermolke aus? 1 kg Sauermolke liefert bei 6,4 % TM ungefähr folgende Nährstoffe: 0,8 MJ ME, 10 g Rohprotein, 0,8 g Lysin, ferner 1,2 g Ca, 0,8 g P und 0,5 g Na. Wie muss das Trockenfutter zusammengesetzt sein, um den Mastschweinen vollwertige Rationen anbieten zu können? Zum Einsatz von CCM in der Flüssigfütterung wird folgende Frage aufgeworfen: Wie viel Wasser müssen wir jeweils 100 kg der CCM-Ergänzungsfutter-Mischungen II und IV aus Tab. 167 zugeben, wenn wir ein pumpfähiges Fließfutter mit rund 24 % TM verfüttern wollen?
Neben der Sauermolke kann auch Süßmolke als hochverdauliches Schweinemastfutter in frischem, einwandfreiem Zustand eingesetzt werden. Das vorhandene Eiweiß weist eine hohe biologische Wertigkeit auf, doch im Eiweiß-EnergieVerhältnis ist sie mit dem Getreide vergleichbar. Bei beiden Molkenarten gibt es große Schwankungen im TM- und Nährstoffgehalt. Bei umfangreicher Molkeverfütterung sind regelmäßige Kontrollen zumindest des TM-Gehaltes sehr nützlich. Man kann Molke natürlich auch in Betrieben ohne Fließfuttereinrichtung verfüttern. Dann werden Trockenfutter und Molke in getrennten Trögen oder nacheinander angeboten, das heißt, wenn das mit Molke angefeuchtete Kraftfutter gefressen ist, wird die restliche Molke zugeteilt. Bei langsamer Anfütterung im Gewichtsbereich von ca. 30 kg LG sollte die Steigerung der täglichen Molkemenge bei ca. 12 Liter (max. 15 l) in der Endmast begrenzt werden, durch die dann 0,75 kg (ca. 1 kg) Kraftfutter ersetzt werden können. Ob diese Mastmethode kostengünstig ist, hängt nicht nur vom Preis für die Molke, sondern insbesondere von den zusätzlich aufzuwendenden Transport- und Lagerkosten ab. Um die Arbeitsersparnis durch die Fließfuttertechnik vollständig ausnutzen zu können, erhalten alle Mastgruppen, unabhängig vom Alter, die gleiche Futtermischung. Das führt zu den gleichen Problemen wie bei der Verwendung von Universalmastfutter, nämlich anfangs knappe,
8.5
Die Schweinemast
Tab. 166 Rationsvorschläge für die Hackfruchtmast Gewichtsabschnitt
2,0 kg Mastalleinfutter I + rohe Kartoffeln
kg
kg
1,0 kg Ergänzungsfutter I + Kartoffeln (mit 16 % Stärke) gedämpft siliert kg
30–40
2,0 kg Mastalleinfutter I + zerkleinerte Zuckerrüben kg
1,8
40–50
0,5
3,4
50–60
1,0
4,3
1,0
60–70
2,0
5,3
2,0
70–80
3,0
6,0
2,5
80–90
3,5
6,3
3,0
90–100
4,0
6,7
4,0
100–115
4,5
7,2
4,0
Gesamtverbrauch in der Mastperiode von 25–115 kg
240 kg Alleinfutter I + 230 kg Kartoffeln
140 kg Ergänzungsfutter I + 550 kg Kartoffeln
240 kg Mastalleinfutter I + 200 kg Zuckerrüben
Tab. 167 Rationsvorschläge für die Mast mit CCM Rationen Gewichtsabschnitt
kg
I 350 g Eiweißkonzentrat + CCM (60 % TM, 4 % Rohfaser) kg
II 1,0 kg Ergänzungsfutter + CCM (60 % TM, 4 % Rohfaser) kg
III 1,25 kg Ergänzungsfutter + CCM (55 % TM, 6 % Rohfaser) kg
IV 1,5 kg Ergänzungsfutter + CCM (50 % TM, 8 % Rohfaser) kg
30–40
1,7
0,8
0,5
0,1
40–50
2,1
1,2
1,0
0,7
50–60
2,5
1,6
1,5
1,2
60–70
2,9
2,0
1,9
1,7
70–80
3,1
2,2
2,2
2,0
CCM-Menge je Tier und Tag
8
80–90
3,3
2,4
2,3
2,2
90–100
3,5
2,6
2,6
2,5
100–115
3,6
2,7
2,7
2,7
Gesamtbedarf von 30–115 kg ca.
45 kg Eiweißkonzentrat 330 kg CCM
110 kg Ergänzungsfutter 210 kg CCM
140 kg Ergänzungsfutter 200 kg CCM
170 kg Ergänzungsfutter 180 kg CCM
Inhaltsstoffe je kg:
Eiweißkonzentrat
Ergänzungsfutter
ME
MJ
11,4
12,6
12,6
12,6
Rohprotein
%
50
23
20
18
Lysin
%
3,5
1,5
1,2
1,0
Ca
%
4,5
1,7
1,4
1,2
P
%
1,5
0,8
0,7
0,6
507
8
Schweineproduktion
am Ende zu reichliche Nährstoffversorgung. Dies lässt sich etwas abmildern, wenn die Tiere in einer besonderen Stallabteilung mit Futterautomaten bis 40 kg Lebendgewicht mit eiweißreicherem Vormastfutter versorgt und erst anschlie-
ßend umgebuchtet und auf ein etwas eiweißärmeres Fließfutter umgestellt werden. Die Kraftfuttermischung für die Ergänzung der Sauermolke könnte also aus folgenden Einzelkomponenten zusammengesetzt sein:
!!! Futtermittel
TM g
24,5 % W.-Gerste
216
3,0
26
55,0 % W.-Weizen
484
7,6
18,0 % Sojaschrot
157
2,4
2,5 % Mineralstoffe (26 % Ca, 5 % P, 0 % Na, 4 % Lysin) Mischung enthält:
25 882
ME MJ
Rohpr. Lysin g g
– 13,0
Diese Kraftfuttermischung entspricht mit Ausnahme des Natriumgehaltes den Anforderungen, die an ein Universalmastfutter gestellt werden. Bei einem Einsatz von Endmastfutter (mit möglichst wenig Na, da Molke sehr natriumreich ist) wäre allerdings die Eiweißlücke zu Beginn des
Ca g
P g
Na g
0,9
0,2
0,9
0,2
66
1,8
0,4
1,8
0,1
79
5,2
0,5
1,1
0,0
–
1,0
6,5
1,2
–
171
8,9
7,6
5,0
0,3
Fließfuttereinsatzes noch größer, der Überhang am Mastende aber geringer. Für die Tagesration im Mastabschnitt von 60–70 kg LG würden sich bei Einsatz der vorangestellten Kraftfuttermischung folgende Werte ergeben:
!!! ME MJ
Rohpr. g
Lysin g
Ca g
P g
Na g
30,5
354
17,7
16
11
2,0
5,4
68
5,4
8,2
5,4
3,4
1,9 kg Kraftfutter
24,7
325
16,9
14,4
9,5
0,6
Mischung enthält:
30,1
393
22,3
22,6
14,9
4,0
Bedarf bei 60–70 kg
Nährstofflieferungen in 8,2 l Fließfutter aus: 6,8 kg Sauermolke und
? Lösung der Aufgabe zum CCM-Einsatz in der Flüssigfütterung: Wenn die CCM-Ergänzungsfutter-Mischung II der Tab. 167 „trocken“ verfüttert wird, enthalten anfangs 2,2 kg Gemisch 1,6 kg TM, am Ende 3,7 kg Gemisch 2,5 kg TM. Strebt man eine Fließfuttermischung mit 24 % TM an, müssen – wie aus Spalte 5 der Tab. 168 ersichtlich ist – anfangs 7,3 kg, am Ende 11,2 kg verfüttert werden. Wir müssen also anfangs 5,1 kg Wasser zugeben und das Fließfutter würde zu
508
5,1 kg × 100 % = ca. 70 % 7,3 kg aus zugesetztem Wasser bestehen. Am Ende wären es 7,5 kg Wasser (= ca. 67 %). Im Durchschnitt der Mastperiode wird also eine Mischung aus 31,5 % CCM-Ergänzungsfutter und 68,5 % Wasser gebraucht. 68,5 kg × 100 % = ca. 217 kg Wasser 31,5 kg Für 100 kg CCM-Ergänzungsfutter-Gemisch der Mischung IV aus der Tab.167 errechnet man nach der gleichen Art einen Wasserzusatz von 322 kg.
8.5
Die Schweinemast
Tab. 168 Futterzuteilung bei der Fließfuttermast (zugleich Aufgabenlösung) Gewichtsabschnitt
kg
Futter (13,0 MJ ME/kg) : Wasser = 1 : 2,5 (1 Liter mit 27,5 % TM und 4,0 MJ ME) täglich Liter kg
Futter (13,0 MJ ME/kg) : Wasser = 1 : 3 (1 Liter mit 24 % TM und 3,5 MJ ME) täglich Liter kg
Futter (13,0 MJ ME/kg) : Wasser = 1 : 3,5 (1 Liter mit 26 % TM und 3,7 MJ ME) täglich Liter kg
40–50
6,0
6,5
6,9
7,3
6,5
6,9
50–60
6,8
7,4
7,8
8,2
7,4
7,8
60–70
7,6
8,2
8,7
9,2
8,2
8,7
70–80
8,2
8,9
9,4
9,9
8,9
9,4
80–90
8,5
9,2
9,7
10,3
9,2
9,7
90–100
8,9
9,6
10,1
10,7
9,6
10,1
100–115
9,3
10,0
10,6
11,2
10,0
10,6
In der Regel wird das Fließfutter auf zwei Mahlzeiten verteilt, was bei der Nährstoffzufuhr den bei der Trockenfuttermast üblichen Verhältnissen entspricht. Ein darüber hinausgehender Flüssigkeitsbedarf wird durch die vorgeschriebenen Selbsttränken gedeckt. Bei der Flüssigfütterung ist es wichtig, dass die Futtermittel hygienisch einwandfrei sind, verbleibende Reste in den Rohrleitungen müssen unbedingt beim Durchmischen vor dem nächsten Füttern mit einbezogen werden. Mast mit sonstigen Futtermitteln | Hierbei handelt es sich um Abfallprodukte der Brauerei, Brennerei, Großküchen, Brot- und Süßwarenfabriken. Biertreber – frisch oder siliert – kann wegen seiner geringen Verdaulichkeit ( X 50 %) erst bei einem höheren Lebendgewicht (ca. 40 kg) und auch dann nur in geringen Mengen bis zu 3 kg bei Mastende verfüttert werden. Ein Ausgleich muss durch ein besonders energiereiches Kraftfutter erfolgen. Auch Schlempen sind für die Schweinemast wenig geeignet und daher nur begrenzt einsetzbar. Nach bayerischen Untersuchungen wurden bei Mastrationen mit 2 l Kartoffelschlempe je kg Kraftfutter die gleichen Tageszunahmen erreicht wie bei der Kontrollgruppe ohne Schlempe. Hierbei wurden ca. 25 kg Kraftfutter durch etwa 400 l Schlempe ersetzt. Höhere Mengen an Schlempe jedoch führten zu geringeren Tageszunahmen.
Wegen des relativ hohen Rohproteingehaltes kann das energiereiche Kraftfutter etwas eiweißärmer sein. Der Einsatz von Küchenabfällen ist nicht unumstritten. Daher werden hohe Anforderungen an die Behandlungsmaßnahmen vor dem Einsatz gestellt. Nicht sterilisierte Küchenabfälle waren in der Vergangenheit immer wieder Ursache von Schweinepestausbrüchen. U.a. deshalb wurde EU-weit ein Fütterungsverbot erlassen. Für Deutschland wurde eine Ausnahmeregelung bis zum 31. Oktober 2006 eingeräumt. Diese muss bei der zuständigen Veterinärbehörde beantragt werden.
8.5.4
Stall- und Haltungsfragen der Schweinemast
!!! Welchen Anforderungen muss der Maststall gerecht werden? Er soll erstens hohe Leistungen ermöglichen, zweitens billig sein und drittens wenig Arbeit verursachen. Hohe Leistungen werden nur von gesunden Tieren erbracht. Deshalb darf beim Bau neuer Ställe oder beim Umbau nicht an den Lüftungseinrichtungen, an der Wärmedämmung der Decken und Wände und an der Isolierung der Liegeplätze gespart werden. Schlecht gelüftete Ställe vermindern die Fresslust und begünstigen das Entstehen von Krankheiten. 3 m3 Luftraum je Mastschwein soll-
509
8
8
Schweineproduktion ten nicht unterschritten werden; 3,5 m3 Luft je Tier sind besser. Kalte Ställe kosten mehr Futter. Unter 16 °C sollte die Temperatur nicht absinken. Optimal sind im Anfang der Mast 23–22 °C, später 20–18 °C. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte zwischen 60 und 80 % bleiben.
Eine Publikation des Normen-Ausschusses, DIN 18910 mit dem Titel „Klima in geschlossenen Ställen“, liefert zahlreiche Richtwerte und Daten zur Stallklimatisierung. Diese Werte wurden bei der Schweinehaltungsverordnung zugrunde gelegt und bei den schädlichen Schadgaskonzentrationen wesentlich verschärft. So dürfen bei Schwefelwasserstoff nur noch 0,005 l/m3 statt 0.01 l/m3 und bei Ammoniak nur noch 0,02 l/m3 statt 0,05 l/m3 enthalten sein. Auch der Kohlendioxidgehalt wurde von 3,5 l/m3 auf 3,0 l/m3 zurückgenommen. Begründet wird die Verschärfung damit, dass der Daueraufenthalt der Tiere nicht mit dem vorübergehenden Aufenthalt des Menschen – der für die Berechnung der DINWerte maßgebend war – gleichgesetzt werden kann. Auch die Besatzdichte (Tiere je Flächeneinheit) ist in der Schweinehaltungsverordnung geregelt. Es hat sich herausgestellt, dass in Ställen mit besonderen Liegebereichen (z. B. dänische Aufstallung) diese durch eine volle Belegung besser vor Verschmutzung (durch deplatziertes Abkoten) bewahrt werden können. Andererseits wird durch räumliche Enge die Aggressivität der Schweine erhöht. Wenn rangniedere Tiere nicht ausweichen können, fühlen sich die ranghöheren erneut herausgefordert, oder es werden ruhende Schweine durch aufstehende Buchtgenossen zu stark gestört und dadurch erregt. Die Schweinehaltungsverordnung schreibt für das Halten von Schweinen in Gruppen über 30 kg folgende Bodenfläche vor: Durchschnittsgewicht kg 30–50 50–85 85–110 110–150 über 150
Bodenfläche m2/Tier 0,40 0,55 0,65 1,00 1,60
Wie kann der Mäster diesen mit zunehmendem Alter (Gewicht) wachsenden Platzanspruch er-
510
füllen? Früher wurde das durch den Einbau verschieden großer Buchten und mehrmaliges Umbuchten der Tiere versucht. Wegen der mit jedem Umbuchten verbundenen Unruhe und der daraus resultierenden ungünstigen Auswirkungen auf die Mastergebnisse wurde diese Methode wieder aufgegeben. Heute wird höchstens einmal umgebuchtet und man spricht von Vorund Hauptmast, wobei die Vormast von 28–40 kg reicht und anschließend folgt die Hauptmast. Eine Unterteilung der Mastperiode erleichtert die Anpassung an die notwendige Liegefläche. Bei der Ausdehnung der Schweinemast werden häufig die Altgebäude für die Vormast weitergenutzt. Für die Hauptmast wird unter Berücksichtigung arbeitssparender Techniken angebaut oder neu gebaut. In vielen Fällen wird jedoch das Rein-raus-Verfahren angewandt. Am Beginn der Mastperiode haben die Schweine zunächst relativ viel Platz zur Verfügung, was einerseits das Eingewöhnen erleichtert, andererseits in Ställen mit getrennten Liege- und Kotbereichen zum Verschmutzen der Liegefläche führen kann. Damit die neue Gruppe von vornherein auf dem vom Mäster vorgesehenen Platz abkotet und uriniert, bedient er sich folgender Maßnahmen:
!!! | | | |
|
Kotplatz beleuchten und beim Einbuchten der Tiere nass machen Selbsttränken am Mistgang einrichten Boden bzw. Spalten im Mistgang rau gestalten, damit die Schweine nicht rutschen Liegebereich warm halten (Buchtentrennwände mindestens im unteren Teil dicht – Wärmedämmung der Liegefläche) Trennwände im Kotbereich dagegen mit Gittern versehen, damit abkotende Tiere die Schweine der Nachbarbucht sehen können.
Die Buchtengrößen richten sich im Wesentlichen nach der Tierzahl und inwieweit eine Unterteilung der Mastperiode vorgenommen wird. In der Hauptmast sollten aber möglichst nicht mehr als 12 Tiere in einer Bucht gehalten werden, weil sich bei größerer Tierzahl die Buchtgenossen nicht mehr zuverlässig beim ersten Blick erkennen und dann immer von neuem Rangstreitig-
8.5 keiten ausbrechen, besonders bei verhaltener Fütterung. Doch durch die geringeren Baukosten, mehr Platz je Ferkel, weniger Reinigungsaufwand und bessere Strukturierung wurden Großbuchten für Gruppen bis zu 200 Tiere eingerichtet. Durch die festgestellten Nachteile (z. B. schlechtere Übersichtlichkeit, geringere tägliche Zunahmen, stärkeres Auseinanderwachsen, vermehrte Gelenksund Schulterverletzungen, höhere Managementanforderungen) geht der Trend jetzt hin zu einer Gruppengröße von 25–40 Tieren. Die Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) vom 7. Juni 1999 regelt die hygienischen Anforderungen beim Halten von Schweinen in Betrieben von 20 bis 700 Mast- oder Aufzuchtplätzen, 3 bis zu 150 Sauenplätzen oder in Gemischtbetrieben mit zusätzlich 3 bis 100 Sauenplätzen (Anlage 2). Für Betriebe mit darüber hinausgehenden Zahlen (Anlage 3) sowie im Freiland gehaltene Schweine (Anlage 5) wurden besondere Anforderungen festgelegt. So müssen bei der Anlage 2 (SchHaltHygV) die Ställe, die Räder von Fahrzeugen und auch das Schuhwerk gereinigt und desinfiziert werden können. Auch eine ordnungsgemäße Aufbewahrung verendeter Schweine muss gewährleistet sein und betriebseigene Schutzkleidung muss zur Verfügung stehen. Dung und Gülle müssen auf ausreichenden betriebseigenen Flächen bodennah ausgebracht werden oder sind bei Abgabe an andere mind. 3 bzw. 8 Wochen lang im Betrieb zu lagern. Bei den noch größeren Betrieben müssen zur seuchenhygienischen Absicherung die Stallabteile untergliedert sein, der Betrieb muss eine Einfriedung aufweisen und darf nur durch verschließbare Tore befahren oder betreten werden können. Er muss über einen ausreichend großen Quarantänestall und über einen Umkleideraum verfügen. Wer einen Stallbau plant, muss sich intensiver mit dieser Verordnung beschäftigen. Aufstallungsformen | Die Tab. 169 zeigt, in welchen Aufstallungsformen die von den Mastkontrollringen erfassten Mastschweine vorzugsweise gehalten werden und welche Veränderungen sich in den letzten 3 Jahren hierbei ergeben haben.
Die Schweinemast
Die dänische Aufstallung (Mistgangbucht) galt jahrzehntelang als optimale Lösung für Schweinemastställe und ist auch heute noch in kleineren Betrieben verbreitet. Sie ist gekennzeichnet durch einen Trog, der so lang wie der Stall ist und von keiner Tür unterbrochen wird, so dass alle Schweine gleichzeitig fressen können. Hinter dem durchgehenden Trog wird die Liegefläche durch Trennwände für die verschiedenen Mastgruppen abgeteilt (Buchtentiefe höchstens 170 cm, mindestens 140 cm). Von der Liegefläche gelangen die Tiere zum Mistgang, der 1,10– 1,40 m breit ist und der durch Schließen der Buchtentüren zum täglichen Entmisten von allen Tieren frei gemacht werden kann. Der Mistgang wird auch zum Treiben der Tiere (beim Belegen und Leeren der Bucht) benutzt. Im Vergleich zu den früher üblichen und heute noch vereinzelt anzutreffenden Einraumbuchten (tägliches Entmisten durch die Tür neben dem einzeln zu beschickenden Futtertrog) brachte die dänische Aufstallung eine erhebliche Arbeitsersparnis. Seitdem kann man die Schweinemast als einen arbeitsextensiven Betriebszweig ansprechen. Bei Beständen von mehr als 100 gleichzeitig gehaltenen Mastschweinen werden bei der dänischen Aufstallung auch in der Handarbeitsstufe (Entmistung mit Gummikarre, Eimerfütterung) während der 4–5 Monate Trockenfuttermast (von 25–115 kg) nur noch 3 AKh je Mastschwein gebraucht (bei Hackfruchtmast 50–100 % mehr). Durch mechanische Entmistungsgeräte (z. B. Seilzuganlagen, Flachschieber), die den Mist auf dem Mistgang unter den Buchtentrennwänden hinwegschieben, lässt sich die Zeit für das Entmisten weiter reduzieren. In Regionen mit günstigem Klima (Rheinland-Pfalz) wird teilweise auf Einstreu in dänischen Buchten verzichtet. Der Teilspaltenboden kann als Fortentwicklung der dänischen Aufstallung angesehen werden (Abb. 182). Beibehalten wurde der feste Liegebereich. Der Mistgang wird mit 8–10 cm breiten Betonbalken ausgeführt, zwischen denen 2 cm breite Spalten zum Durchtreten des Kotes und Abließen des Harns ausgespart werden. Ab 1.1.1995 dürfen nach der Schweinehaltungsverordnung Tiere über 30 kg nur auf Betonspaltenböden gehalten werden, wenn die Balkenbreite mind. 8 cm und die Spaltenweite bei Tieren bis
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8
8
Schweineproduktion Abb. 182 Teilspaltenbodenstall (Foto: Wagenbach)
125 kg höchstens 1,7 cm, über 125 kg höchstens 2,2 cm betragen. Abweichungen von 0,3 cm durch Fertigungsungenauigkeiten sind erlaubt. Es gibt Teilspaltenböden für leichte Einstreu mit Bereitung von Festmist, der durch den Flachschieber in flachen Kanälen unter dem Teilspaltenboden aus dem Stall gebracht wird. Weitaus häufiger und in vielen Regionen das verbreitetste Aufstallungssystem sind aber Teilspaltenböden ohne Einstreu, mit Flüssigmistbereitung (Gülle). Der Vollspaltenboden mit einem Anteil von fast 50 % der Betreibe (Tab. 169) löst das Entmistungsproblem mit dem niedrigsten Arbeitsaufwand, erfordert aber einen hohen Kapitaleinsatz. Jahrelang war diese Aufstallungsform umstritten, weil die Futterverwertung ungünstiger und die Futterkosten höher waren. Auch über höhere Tierverluste wurde berichtet. Die Ursachen lagen u. a. an einer zu hohen Belegdichte, einem zu geringen Luftraum je Mastschwein, einer mangelhaften Klimatisierung. Heute unterscheiden sich die Mastergebnisse in den Vollspaltenbetrieben der Kontrollringe nicht wesentlich von denen anderer Aufstallungsformen, sofern alle anderen Bedingungen gleich sind. Wahrscheinlich haben sich die bei diesem Verfahren gebliebenen Mäster stärker auf dessen besondere Anforderungen eingestellt: Besonders sorgfältige Lüftung und Aufrechterhaltung optimaler Stalltemperaturen; das heißt bei Temperaturen unter 20 °C wird geheizt.
512
Bei der Einrichtung neuer Vollspaltenställe werden heute meistens nicht Einzelbalken verlegt, sondern größere Flächenelemente mit Querstegen. Diese Methode ist billiger und erleichtert das Auftreten der Schweine. Im Standbereich am Futtertrog sollte die Schlitzweite nur 15 mm betragen, weil beim Streit um das Futter die Gliedmaßen der Schweine am stärksten beansprucht werden. Vielfach benutzen sie diese etwas wärmere Fläche zum Liegen und halten sie sauber. Neue Betonbalken oder Flächenelemente bringen häufig noch scharfe Grate vom Einschalen mit, weil die Mehrzahl der Hersteller keine Nachbearbeitung vornimmt. Das muss der Mäster nachholen, wenn er seinen Schweinen Beinschäden ersparen will. Dazu werden Wetzsteine, Eisenstangen oder elektrische Schleifgeräte benutzt. Obwohl bei dieser Aufstallungsform der Mistgang überflüssig geworden ist, müssen bei der Kombination des Ganzspaltenbodens mit Längströgen Vorkehrungen für das Ein- und Austreiben der Schweine geschaffen werden (durchgehender Treibgang, Außentüren für jede Bucht oder Stichgänge). Für einstreulose Ställe wird verlangt (Schweinehaltungsverordnung), dass sich die Tiere täglich mindestens eine Stunde mit geeigneten Gegenständen (Heu, Stroh, Baumrinde usw.) beschäftigen können. Hierdurch sollen Verhaltens-
8.5
Die Schweinemast
Tab. 169 Anteile verschiedener Aufstallungsarten in der Schweinemast in % (Verdener Bericht, 2003) verkaufte Mastschweine
Anzahl Betriebe 2000/01 abs. rel.
2001/02 abs. rel.
2002/03 abs. rel.
2002/03
67
4,1
73
4,6
66
4,2
637
Teilspaltenboden
503
30,6
437
27,5
389
24,6
1 058
Vollspaltenboden – Keller
290
17,6
312
19,7
334
21,1
1 817
Vollspaltenboden – Außenlager
441
26,8
398
25,1
418
26,4
2 214
mit Einstreu
Sonstige Gesamt
343
20,9
367
23,1
375
23,7
2 243
1 644
100,0
1 587
100,0
1 582
100,0
1 787
störungen, z. B. Kannibalismus, verhindert werden. Der Tieflaufstall wird selten in der Hauptmast, aber häufiger in der Vormast eingesetzt (0,6 m2 je Tier, 0,8 kg Strohverbrauch je Tier und Tag; Entmistung, möglichst durch Frontlader, am Ende der Vormastperiode). Wenn auch die Hauptmast im Tieflaufstall erfolgen soll, erhöht sich der Platzanspruch auf 1,5 m2 je Schwein und der Einstreubedarf auf 1,5 kg je Tier und Tag. Mehr regionale Bedeutung erlangen bisher die Außenklimaställe, die in unterschiedlichen Ausführungen konzipiert werden. Als Gründe für die Entscheidung für eine solche Haltung gegenüber der konventionellen Bauweise werden genannt: geringere Baukosten, geringere Energiekosten, besseres Stall- und Arbeitsklima, bessere Bedingungen für die Tiere, geringere Emissionen. Allen Varianten gemeinsam ist die freie Lüftung, die durch eine sorgfältige Standortwahl (keine Tallage, genügend Abstand zu anderen Windhindernissen) erreicht wird. Durch die notwendigen großen Lüftungsöffnungen sind zur Temperaturregulierung Windschutzvorrichtungen wie z. B. Spaceboard oder Windschutznetze erforderlich. Für das entsprechende Kleinklima im Liegebereich sorgen wärmegedämmte Kisten, Liegebetten oder Abdeckungen, ansonsten werden Festmistverfahren gewählt. Nicht bei allen Verfahren sind Liege-, Fütterungs- und Kotbereich klar strukturiert, wie an den drei aufgeführten Varianten erkennbar ist.
Beim Tiefstreustall liegt der Flächenbedarf bei 1 bis 1,25 m2 je Tier und der Strohbedarf bei ca. 1 kg je Mastschwein und Tag. Die Mistmatratze muss für die notwendige Wärme im Winter sorgen – bei Ferkeln ist besonders reichliche Einstreu notwendig –, im Sommer kann es zu hohen Belastungen durch Hitzeentwicklung kommen. Der höher liegende Fressplatz ist über Stufen erreichbar. Beim Schrägbodenstall weist der Boden ein Gefälle von 6 bis 8 % auf und es wird zwischen 0,1 bis 0,3 kg Stroh je Stallplatz und Tag benötigt. Der Mist wird durch Tieraktivität – wie beim Tretmiststall der Rinder – nach unten weggetreten. Von den 1 bis 1,25 m2 je Tier sind 0,8 m2 als Liegebereich anzusetzen. Für das Erreichen des entsprechenden Mikroklimas sind im Winter Abdeckungen mit seitlich herunterhängenden Kunststoffstreifen für den Liegebereich notwendig. Beim Kistenstall entsteht durch die wärmegedämmte Kiste mit einem Vorhang aus Kunststoff ein Mikroklima, das ausreichend hohe Temperaturen im Liegebereich gewährleistet. Damit alle Tiere hier Platz finden, sind 0,4 m2 je Mastschwein anzusetzen. Für eine Belüftung sorgt ein verstell- und verschließbarer Lüftungsschlitz in der Kistenrückwand. Wer den Neubau eines Außenklimastalles plant, sollte sich gut informieren und Ställe im Winter, aber auch besonders im Sommer bei Extremtemperaturen besichtigen.
513
8
8
Schweineproduktion
Fütterungstechnik und Buchtenform | In Tieflaufställen für die Vormast werden entweder auf einem besonderen, meistens erhöht liegenden Fressplatz Futtertröge parallel zum Futtergang eingerichtet (Längstrogsystem). Oder es werden Rundautomaten auf die Streu gestellt und jeweils nach einigen Tagen weitergesetzt. Längströge sind auch für Mistgangbuchten – mit festem Mistgang oder mit Teilspaltenböden – üblich (derartige Buchten werden manchmal auch als Kurzbuchten bezeichnet). Es gibt aber auch Teilspalten- und vor allem Vollspaltenbodenställe mit quer zum Futtergang verlaufenden Trögen, also mit Quertrögen (in so genannten Langbuchten). Bei unbeschränkter oder rationierter Automatenfütterung nehmen längs (an der Vorderwand der Buchten) oder quer (an einer seitlichen Trennwand) aufgestellte Automaten den Platz der Tröge ein. Quertröge können auch als Doppeltröge für zwei benachbarte Langbuchten ausgeformt sein, bzw. die quer aufgestellten Automaten als Doppelautomaten. (Von einem gemeinsamen Vorratsbehälter werden 2 Fressschalen gefüllt). Voraussetzung für die Quertrog- oder Doppelautomatenaufstellung ist eine halbmechanisierte Futterzuteilung (mit Hilfe von Dosierwagen) oder eine vollmechanisierte Befüllung (über Ketten, Schnecken bzw. bei Fließfutter über Rohrleitungen) mit Dosiereinrichtungen. Die Doppelautomaten werden zweckmäßigerweise nahe am Mistgang aufgestellt, um im Liegebereich am Futtergang eine Ruhezone zu schaffen. Wenn Automaten auf Podesten stehen, werden sie weitgehend vor Kot geschützt, weil Schweine kaum rückwärts eine Stufe hochsteigen.
!!! Bei den Automaten, auch Selbstfütterer genannt, gibt es in der Haltbarkeit und Funktionstüchtigkeit große Unterschiede; und es werden auch Fabrikate angeboten, bei denen erhebliche Futterverluste auftreten. Deshalb sollte der Käufer von Automaten das vielfältige Angebot sorgfältig prüfen und solche Selbstfütterer bevorzugen, die tiefe, abgeteilte Fressschalen haben sowie Nachlaufvorrichtungen, die jeweils kleine Futtermengen für die Fressschalen freigeben, aber trotzdem nicht zu Stockungen oder Ver-
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stopfungen neigen. (Pelettiertes Futter rieselt besser nach und staubt weniger als mehlförmiges.) Für die Vormast genügen Automaten mit 25 cm voneinander entfernten Fressplatzabtrennungen. Für die Hauptmast werden 30 cm Fressplatz je Schwein gebraucht.
Die üblichen Langautomaten bestehen aus einem Vorratsbehälter mit rechteckigem Querschnitt und einem rechteckigen Futtertrog (bzw. bei Doppelautomaten Futtermulden an beiden Längsseiten.) Dagegen hat der schon erwähnte Rundtrogfütterer einen runden, vollmechanisch zu füllenden Vorratsbehälter in der Mitte und darum herum einen kreisförmigen Trog für 10 und mehr Fressplätze, so dass – im Gegensatz zu den Langautomaten – alle Schweine einer Bucht gleichzeitig fressen können. Die Rundautomaten wurden vor allem für Betriebe entwickelt, die ursprünglich für die Bodenfütterung eingerichtet waren – eine Fütterungstechnik, die sich wegen der damit verbundenen Futterverschwendung nicht bewährte. Manche Rundtrogfütterer werden nur zu den Fütterungszeiten automatisch herabgelassen. In der übrigen Zeit hängen sie über den Buchten und nehmen keine Liegefläche weg. Für Rundautomaten eignen sich am besten Buchten mit fast quadratischem Grundriss. Bei rationierter Fütterung müssen nach der Schweinehaltungsverordnung alle Tiere gleichzeitig fressen können. Bei tagesrationierter Fütterung muss für jeweils 2 und bei Ad-libitumFütterung für jeweils höchstens 4 Schweine eine Fressstelle und bei Verwendung von Selbsttränken für jeweils höchstens 12 Tiere ein Tränke vorhanden sein. Gegenüber den Trockenfutterautomaten erfordern die Breifutterautomaten einen deutlich höheren Wartungs- und Überprüfungsaufwand. Hier wird von den Tieren das Futter in kleinen Portionen abgerufen und mit Wasser benetzt. Tropfwasserverluste werden hierbei vermieden, da sich der Tränkenippel innerhalb der Trogschale befindet. Der Trog sollte aus Edelstahl bestehen und eine runde Form ohne Ecken haben. Dies ist notwendig aus hygienischen Gründen, da es beim Vermischen von Futter und Wasser
8.5 leicht zu Verkrustungen in der Futterschale kommen und sich hier ein idealer Nährboden für Keime und Pilze bilden kann. Diese Breifutterautomaten sind eine kostengünstige Alternative zur Flüssigfütterung, die erst ab Beständen von 400 Mastplätzen wirtschaftlich sinnvoll ist. Bei letzterer besteht die Möglichkeit, trockene, feuchte und flüssige Futtermittel in einem Arbeitsgang zusammen zu verfüttern. Bei den Flüssigfütterungsanlagen unterscheidet man 2 verschiedene Systeme: Schrank- und Bottichanlagen. Während bei den Schrankanlagen das Futter zum Zeitpunkt des Fütterns fortlaufend in kleinen Portionen gemischt wird, erfolgt bei den Bottichanlagen die Mischung des gesamten Futters auf einmal. Beide Systeme haben Vorund Nachteile, doch durch die Einschränkung bei der Wahl der Futtermittel bei Schrankanlagen (z. B. CCM, Brot und Abfälle lassen sich nicht verarbeiten) werden heute fast ausschließlich Bottichanlagen eingesetzt. Die Größe richtet sich nach der Tierzahl und nach der Anzahl der täglichen Mahlzeiten. Beim Anmischen werden zuerst die flüssigen Komponenten (Wasser, Molke oder Magermilch) und anschließend die festen Futtermittel in den Mischbottich gegeben. Mit Hilfe eines Computers kann dieser Vorgang automatisiert werden. Das Flüssigfutter wird durch eine Pumpe über eine Ringleitung in den Stall gedrückt und den Tieren durch handgesteuerte oder pneumatische Ventile zugeteilt. Das in der Rohrleitung verbleibende Futter, das sich zwischenzeitlich entmischt, wird bei der nächsten Fütterung durch die Ringleitung wieder in den Bottich gefördert und dort homogenisiert. Eine Besonderheit der Dosierung stellt die Sensorfütterung dar. Hierbei wird das Flüssigfutter jeweils frisch vorgelegt, wenn der Trogsensor die Notwendigkeit „fühlt“. Die Anzahl der Fütterungen ist frei wählbar bei fester Futtermenge je Dosiervorgang. Bei Neuinvestitionen in Fütterungsanlagen ist unbedingt darauf zu achten, dass die Phasenfütterung praktiziert werden kann. Verhaltensweisen und Verhaltensstörungen bei Mastschweinen | Wenn Ferkel oder ältere Schweine, die sich nicht kennen, zu neuen Gruppen zusammengestellt werden, kommt es zu Kämpfen, zur Herstellung einer neuen Rangord-
Die Schweinemast
nung, wobei gelegentlich die Ohren verletzt werden. Diese Auseinandersetzungen können durch Verabreichung von Beruhigungsmitteln gemildert werden. Sobald die neue Rangordnung bestimmt ist und jedes Schwein seinen Platz im sozialen Gefüge der Gruppe kennt, wird es im Allgemeinen ruhiger, es sei denn, dass zu dichte Belegung oder unzweckmäßige Einrichtung der Bucht zu Fehlverhalten führen (auf diese Fälle wurde am Anfang dieses Kapitels schon eingegangen). Immer wieder treten Fälle von Schwanzbeißen (Kannibalismus) auf. Bei dieser, wegen ihrer Folgen am meisten gefürchteten Verhaltensstörung beginnt ein einzelnes Schwein, vorzugsweise im Alter von 15–20 Wochen, am Schwanz eines Buchtgenossen herumzuknabbern und schließlich zu beißen. Sobald Blut fließt, verstärkt sich die Aggressivität, und es beteiligen sich häufig nun auch andere Buchtgenossen an dem makabren Spiel. Durch ständiges Nachbeißen wird das Abheilen der Wunde verzögert, und es kann zu eitrigen Abszessen im Wirbelkanal kommen, zu Minderzunahmen, zu Lähmungen der Hinterhand, zur Beanstandung und zum Verwerfen des Schlachtkörpers. Als Ursachen werden genannt: mangelhaftes Stallklima; zu dichte Belegung; zu wenig Fressplätze, die Eintönigkeit strohloser Buchten, in der Spieltrieb und Erkundungsverhalten nicht befriedigt werden können (alle diese Punkte wurden in der o.g. Schweinehaltungsverordnung geregelt); Mängel der Futterzusammensetzung; Erbmängel (bei Schwanzbeißern fand man zu große Nebennieren) usw. Zur Vorbeuge werden empfohlen: Kupieren der Schwänze bereits am 1. Lebenstag, weil der Schwanzstumpf schmerzempfindlicher als die Schwanzspitze ist und das Opfer schneller aufmerksam wird; Verbesserung des Stallklimas; Einbringen von Dosen, Ketten, Scheuerbäume und andere Spielgegenstände in die Bucht; Musikberieselung; Besprühen der Schweine mit Duftstoffen usw. Was davon hilft, muss der Mäster selbst ausprobieren. Ein überall wirksames Patentrezept gibt es hier nicht. Bei Schweinen mit kupierten Schwänzen wurde beobachtet, dass sie auch das Opfer anderer Fehlhandlungen werden können, z. B. von Aftermassage, Gelenkoder Scheidenbeißen. Am „Tatort“ kommt es darauf an, den „Übeltäter“ rasch zu entdecken
515
8
8
Schweineproduktion
Abb. 183
Absatzwege und Stufen in der Schweinevermarktung (nach Bauer)
(vor und nach den Mahlzeiten) und in eine Verbannungsbucht zu bringen. Beim Opfer wird der Schwanz mit Holzteer oder einem ähnlich schlecht schmeckenden und damit abschreckenden Mittel behandelt. Mehr zum Verhalten von Schweinen kann man in der „Nutztierethologie“ von Sambraus (Verlag Paul Parey) nachlesen.
8.5.5 Die Vermarktung der Mastschweine Für die fertigen Mastschweine gibt es verschiedene Absatzwege und Verwertungsmöglichkeiten. Eine Auswahl davon findet sich in der Abb. 183. Die darin nicht besonders erwähnten Genossenschaften sind vielfältig am Marktgeschehen beteiligt. Sie können u. a. – wie der Viehhandel – die Erfassung durchführen. Sie übernehmen aber auch häufig – wie die Versandschlachtereien – die Schlachtung der Schweine und die Belieferung von Fleischmärkten mit Schweinehälften und Teilstücken. Trotz der großen regio-
516
nalen Unterschiede lassen sich folgende Entwicklungsrichtungen beobachten: 1) Der Anteil an Hausschlachtungen geht zurück. Von 100 Schlachtschweinen wird nur etwas mehr als 1 Tier zu Hause, die anderen gewerblich verwertet. 2) Von den von Versandschlachtereien und Fleischwarenfabriken geschlachteten Schweinen wurden 2002 ca. 99 % nach Schlachtgewicht und lediglich ca. 1 % nach Lebendgewicht abgerechnet. Der Anteil der von diesen Unternehmen verwerteten Schlachtschweinen lag bei ca. 82 % aller Schweineschlachtungen. 3) Die Schlachtungen werden zunehmend von den Verbraucherzentren in die Erzeugungsgebiete verlegt. Der Transport der Schlachthälften durch Lastwagen mit Kühleinrichtungen in die Ballungszentren ist billiger und risikoärmer als die Beförderung von lebenden Schweinen. Handelsklassen bei Schweinen | Bei den durch das Vieh- und Fleischgesetz festgelegten Han-
8.5
Die Schweinemast
Tab. 170 Handelsklassen bei Schweinen Lebendvermarktung
Fleischvermarktung
Klasse
Gewicht in kg
Klasse
Muskelfleischanteil
über 150 149,5–135 134,5–120
E U R
55 % und mehr 50–55 % 45–50 %
119,5–100 99,5–80
O P
40–45 % unter 40 %
M1 M2 V
vollfleischige Sauen andere Sauen Eber und Altschneider
Unterklasse
Ausbildung der fleischtragenden Körperpartien
1 2 3
hervorragend gut bis sehr gut gering
a b1 b2 j
c d
j
e f
j
g1 g2 i
D a —
D c — —
D e
79,5–60 unter 60
fette Specksauen andere Sauen Altschneider
delsklassen für die Lebendvermarktung handelt es sich im Wesentlichen um Gewichtsklassen (s. Tab. 170). Schon im Jahr 1965 wurde mit einer Verordnung über Handelsklassen für Schweinehälften die Klassifizierung für die Fleischvermarktung (Geschlachtetvermarktung) eingeführt. Das Handelsklassenschema basierte neben Gewicht und Rückenspeckdicke auf der subjektiven Ermittlung des Muskelfleischanteils durch amtlich anerkannte Klassifizierer. Da kam zwangsläufig Kritik auf, zumal die Preisunterschiede zwischen den einzelnen Handelsklassen mit 10–15 Ct/kg sehr groß waren und es bei „Grenzfällen“ sich gravierend auswirkte, ob das Tier in die bessere oder schlechtere Handelsklasse eingestuft wurde. Der Ruf nach anderen Einstufungsmöglichkeiten war daher verständlich. Schließlich trat am 1. April 1987 die neu gefasste Handelsklassenverordnung für Schweine in Kraft (s. Tab 170). Grundlage für die Einstufung ist ebenfalls der Muskelfleischanteil, der jedoch mit Hilfe objektiver Verfahren ermittelt wird. Apparative Klassifizierung | Nach der bereits erwähnten Verordnung zur Änderung handels-
klassenrechtlicher Vorschriften sind alle Betriebe zur Klassifizierung verpflichtet, die Schweineschlachtkörper nach einer gesetzlichen Handelsklasse zum Verkauf vorrätig halten, anbieten, feilhalten, liefern, verkaufen oder sonst in den Verkehr bringen. In der Bundesrepublik Deutschland wurden zunächst als Übergangslösung die beiden Klassifizierungsgeräte (FOM = Fat-O-Meater und SKG = Schlachtkörper-Klassifizierung-Gerät) und ein einfaches Handverfahren (ZP = Zwei-Punkte-Verfahren) zugelassen. Auf der Suche nach der geeignetsten Messstelle fand man jedoch heraus, dass die Seitenspeckdicke die engsten Beziehungen zum Muskelfleischanteil aufweist. Sie ist daher seit dem 1.1.1991 Grundlage für die Ermittlung des Muskelfleischanteils. Dieser wird entweder mit den zugelassenen Sonden- oder Ultraschallgeräten ermittelt und Betriebe, die durchschnittlich wöchentlich nicht mehr als 200 Schweine schlachten, dürfen das ZP-Verfahren anwenden. Wie funktionieren die verschiedenen Verfahren? Die Ermittlung des Magerfleischanteils beruht auf der sehr engen, gegenläufigen Beziehung zwischen Fett- und Fleischdicken an ganz be-
517
8
8
Schweineproduktion
Abb. 184
Messlinie im Kotelettquerschnitt
stimmten Punkten des Schlachtkörpers (s. Abb. 184). Aufgrund dieser Werte lässt sich mit Hilfe entsprechender Schätzformeln der Magerfleischanteil recht genau bestimmen. Sondengeräte erfassen die Messwerte optischelektronisch, wobei das ausgesandte Licht von Muskelfleisch und Fettgewebe mit unterschiedlicher Intensität reflektiert wird. Ultraschallgeräte senden Schallwellen einer bestimmten Frequenz aus, und das Gerät errechnet aus der unterschiedlichen Laufzeit der Schallwellen die Maße für Speck- und Muskeldicke. Mit dem ZP-Verfahren werden an der Schlachthälfte ein Speckmaß und ein Fleischmaß im Lendenbereich ermittelt (s. Abb. 185). Aufgrund dieser Werte wird dann der Muskelfleischanteil berechnet. Anschließend muss unverzüglich ein Protokoll angefertigt und der Schlachtkörper durch die Angabe der Handelsklasse oder des Prozentsatzes des Muskelfleischanteils gekennzeichnet werden. Außerdem muss spätestens 45 Minuten nach dem Stechen der Schweineschlachtkörper gewogen sein. Trotz aller Bemühungen um eine objektive Feststellung des Fleischanteils gab es immer wieder Kritik an den Verfahren. Von daher ist es zu be-
518
Abb. 185 Messstellen zur Ermittlung des Muskelfleischanteils beim ZP-Verfahren grüßen, dass mit dem Autofom ein Ultraschallgerät entwickelt wurde, das vollautomatisch und damit bedienerunabhängig klassifiziert. Hierbei werden die Tiere im laufenden Schlachtprozess nach dem Brühen – aus der Kratzmaschine kommend – auf dem Rücken durch eine Wanne gezogen, in der halbmondförmig 16 Ultraschallköpfe angebracht sind. Hiermit werden 3 000 Messwerte am Tier vollautomatisch erhoben, die zur Berechnung des Muskelfleischanteils verwendet werden. Darüber hinaus werden auch die Gewichte der wertvollen Teilstücke Lachs, Schinken schier, Schulter schier und Bauch sowie der Fleischanteil des Bauches erfasst und es lassen sich auch die Speck- und Fleischmaße des Rückens ermitteln. Der Mäster auf der Suche nach der günstigsten Verwertung | Wie bei der Vermarktung von Schlachtrindern bzw. Rindfleisch (s. 7.5.8) sind auch beim Schwein die Preise der Marktnotierung nicht identisch mit dem Nettopreis, der dem Mäster überwiesen wird. Fuhrlohn, Erfassungskosten, Provision, Absatzfondsbeitrag und Versicherung gehen immer zu Lasten des Mästers und müssen bei der innerbetrieblichen Kal-
€/100 kg geschlachtet
8.5
Abb. 186
114 112 110 108 106 104 102 110 98 96 94
Die Schweinemast
112
104 101
Metzger
Handel
Genossenschaft
Bezahlung der Schweine nach Abnehmern in Hessen (nach HVL Hessen, 2003)
kulation durch Abzug berücksichtigt werden, während die Mehrwertsteuer zu addieren ist. Wie man aus einem hessischen Abrechnungsprotokoll vom 4. März 2004 ersehen kann (Tab. 171), dient als Berechnungsgrundlage für die Bezahlung ein Magerfleischanteil von 58 % und ein Basispreis von 1,35 e je kg Schlachtgewicht. Für Abweichungen nach oben und unten gibt es gestaffelte Zu- oder Abschläge beim Magerfleisch und beim Gewicht. Damit ist eine gleitende Bezahlung gegeben. Der Normalbereich beim Gewicht liegt bei dieser Abrechnung zwischen 75 und 115 kg. Dies ist ein weiter Bereich, der bei vielen anderen Masken wesentlich enger gefasst ist. Auch die Zu- und Abschläge sind nicht einheitlich in Deutschland. (Bei einer Untersuchung der ZMP in 1997 wurden 100 verschiedene Preismasken festgestellt). Beim Abrechnungsprotokoll der Tab. 172 wurden die Tiere nach Autofom bewertet und abgerechnet. Hierbei ist es für das Erreichen der maximalen Punktzahl notwendig, beim Schinken, Lachs, Schulter und Bauch im Optimalbereich zu liegen (s. Tab. 173). Der ermittelte Gesamtindex wird dann mit dem Preisfaktor multipliziert und man erhält dann den Wert des Mastschweines. Für das aufgeführte Tier 3054 mit insgesamt 75,85 Indexpunkten ergibt sich bei dem angegebenen Preisfaktor von 1,16 e ein Betrag von 87,99 e. Gleichgültig, ob die Schweine nach FOM oder Autofom vermarktet werden, bei einem Preisvergleich zwischen verschiedenen Handelspartnern
muss sehr genau gerechnet werden und es sind auf jeden Fall die Vorkosten mit zu berücksichtigen. Bei der ersten Abrechnung (Tab. 171) wurde nur der Beitrag zum Absatzfond von 0,51 e je Tier abgezogen, bei der anderen (Tab. 172) noch zusätzlich 4,60 e an Vorkosten, die in der Abrechnung allerdings nicht aufgeführt worden sind. Ein Vergleich ist aber nur innerhalb eines Bewertungssystems durchführbar. Wer die Möglichkeit hat, seine Tiere an einen Metzger zu liefern, sollte dies tun, denn der Mäster-Metzger-Direktverkehr ist immer noch interessant, wie die z. B. in Hessen ermittelten Erlöse (Abb. 186) deutlich zeigen. Bei diesem Vermarktungsweg liegen die Vorkosten in der Regel wesentlich niedriger. Hierbei muss aber bedacht werden, dass die Metzger vielfach die Möglichkeit haben, die besten Schweine vorab aus den Buchten herauszusuchen, bevor der Rest über andere Kanäle vermarktet wird. Durch den vermehrten Bezug von Schlachthälften und Teilstücken durch die Metzger und wegen ihres relativ sinkenden Anteils am Gesamtumsatz, der sich stärker in Warenhäuser, Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte verlagert, nimmt die Direktvermarktung für die Mäster ab und auch der Direktverkauf von selbst erzeugten Fleisch- und Wurstwaren ist nur für einige wenige mit entsprechendem Kundenstamm ein interessanter Vermarktungsweg. Der Schweinezyklus und andere Preisschwankungen | Wenn man die Entwicklung der
519
8
8
Schweineproduktion
Tab. 171 Preismaske und Protokoll einer hessischen Schlachtabrechnung vom 4. 3. 2004 Basispreis: 1,35 e bei 58 % Magerfleisch Auf-/Abschläge je % Magerfleisch in Cent 42,0–53,0 : –4,0/53,1–55,9 : –4,0/56,0–57,6 : –2,0/57,7–57,9 : –1,0/58,0–63,0 : +1,0 Bei Gewichten unter 95,0 kg werden maximal 6 % Magerfleisch für die Preisberechnung benutzt. Auf-/Abschläge je kg in Cent 50,0–65,0 : –3,0/66,0–74,0 : 1,0/115,0–125,0 : –0,1/126,0–135,0 : –0,1 SchNr
Klasse
Rückennummer
MFl %
Gewicht/kg
e/kg
Preis/E
Schlachttag: 23. 02. 04 391
Schwein E
3147
64,7
97,00
1,39
134,83
392
Schwein E
3147
59,4
104,00
1,36
141,44
393
Schwein E
3147
60,6
93,60
1,37
128,23
394
Schwein E
3147
57,0
102,40
1,34
137,22
395
Schwein E
3147
58,1
103,20
1,35
139,32
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Schwein E
3147
59,6
98,20
1,36
133,55
397
Schwein E
3147
59,7
108,40
1,36
147,42
398
Schwein E
3147
61,1
98,20
1,38
135,52
400
Schwein E
3147
61,3
101,00
1,38
139,38
Summen Durchschnittswerte Absatzfond (9 Stück × 0,51)
906,00 60,2
100,67
1 236,91 1,37 –e
Nettobetrag e MwSt. 7 % + e
Rechnungsbetrag
Schweinepreise über einen längeren Zeitraum verfolgt, lassen sich folgende Preisschwankungen beobachten: a) Preisunterschiede von Woche zu Woche b) jahreszeitliche Preisschwankungen, c) zyklische Preisschwankungen. Zu Preisdifferenzen von Woche zu Woche kommt es auf den preisführenden Lebendmärkten nur dann, wenn die erste aufnehmende Hand (Viehhandel, Genossenschaften usw.) die auf dem nächsten Markt zu erwartende AngebotsNachfrage-Situation nicht völlig zutreffend vorausgeschätzt und zuviel oder zuwenig Schweine auftreibt. Eine Rücknahme von aufgetriebenen
520
e
4,59 1 232.32 86,26 1 318.58
Schweinen ist nicht möglich, sie dürfen den Schlachthof nur geschlachtet wieder verlassen. Die durch derartige Fehleinschätzungen verursachten Preisausschläge sind relativ klein. Sie sind heute kleiner als früher, weil der Anteil der vorausbestellten Schweine zugenommen hat und weil ein Teil der Vermarktungsbetriebe sowohl auf dem Lebend- wie auf dem Geschlachtetmarkt vertreten bzw. von der Lebend- auf die Fleischvermarktung übergegangen ist. (Durch Hereinnahme oder Herausziehen von Schlachthälften lassen sich kurzfristige Angebotsschwankungen ausgleichen.) Die jahreszeitlichen (saisonalen) Preisschwankungen auf dem Schlachtschweinemarkt sind
8.5
Die Schweinemast
Tab. 172 Auszug aus einem Abrechnungsprotokoll der Fleischzentrale Südwest, Crailsheim (2004) Art
Sl-Nr.
HK
Schinken
Lachs
Bauch
kg
kg
kg
Bauch Magerfleich %
Schulter
Indexpunkte
kg
Gewicht kg
Preis
Betrag
e
e
SW
3054
E
15,41
5,69
12,26
53,10
7,19
75,85
81,90
1,070
87,99
SW
3055
E
18,17
7,11
13,52
56,50
7,94
93,34
88,10
1,230
108,27
SW
3056
E
17,68
6,62
15,12
49,40
7,93
89,08
93,20
1,110
103,33
SW
3057
E
15,91
5,91
12,66
53,10
7,15
77,96
82,60
1,100
90,43
SW
3058
U
13,98
5,51
13,80
43,90
6,58
62,88
82,60
0,880
72,94
Tab. 173 Punktbewertung der Fleischzentrale Südwest GmbH, Crailsheim (2004) Grenzwerte (kg) Schinken schier
Punktzahl je kg 0–13,49 13,50–14,99 15,00–19,00 19,01–19,49 19,50–19,99 20,00–20,49 20,50–20,99 G = 21,00
2,00 2,10 2,30 2,20 2,10 2,05 1,95 1,80
G = 6,20 0–6,19
3,45 2,80
Schulter schier
alle Gewichte
1,70
Bauch-Magerfleisch
0–44,99 45,00–50,99 G = 51,00
0,50 0,80 1,00
0–80,00 G = 110,00
–1,00 –1,00
Lachs
Gewichtsgrenzen je kg
nicht mehr so ausgeprägt wie in früheren Jahren, das heißt, dass im Frühjahr die Ferkel teuer, die Schlachtschweine billig sind und im Herbst die umgekehrten Verhältnisse vorliegen. Dies lag wahrscheinlich an der verstärkten Wintermast durch entsprechende Erntevorräte und auch an der verringerten Nachfrage durch die im Spätherbst/Winter getätigten Hausschlachtungen. Doch häufig werden aus den billigen (teuren) Ferkeln die billigen (teuren) Mastschweine produziert. Der Mäster trägt also nicht, wie allgemein behauptet wird, die Last der Preisschwankungen allein, davon ist im viel stärkerem Maße der Ferkelerzeuger betroffen. Der Schweinezyklus umfasst jeweils eine längere Aufschwung- und Abschwungperiode von
insgesamt 3 oder 4 Jahren und kommt zumindest teilweise dadurch zustande, dass sich die eigentlich marktgerechten Reaktionen von Ferkelerzeugern und Mästern auf das Marktgeschehen – Entschluss zur Produktionseinschränkung bei sinkenden Preisen, Entscheidung für eine Produktionsausdehnung bei steigenden Preisen – nicht sofort, sondern erst nach 6–15 Monaten auswirken und für die dann vorliegende Marktsituation falsch sind. Auf niedrige Ferkelpreise reagieren die Ferkelerzeuger mit einer starken Einschränkung der Sauenzulassung. Das führt einerseits zu einem verminderten Schlachtschweineangebot und höheren Schlachtschweinepreisen, andererseits zu einer steigenden Tendenz bei den Ferkelpreisen. Nun verstärken die Ferkel-
521
8
8
Schweineproduktion
erzeuger die Sauenzulassung und stellen mehr weibliche Zuchtläufer bereit, als notwendig sind. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen führen zu einem überhöhten Ferkel- und Schlachtschweineangebot. Die Schlachtschweinepreise und kurz danach die Ferkelpreise brechen zusammen. Jetzt schränken die Ferkelerzeuger ihre Sauenzulassung stärker als notwendig ein und legen damit den Keim für die nächste Aufschwung- und Erhitzungsphase. Es genügen schon geringe Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage, um auf den Mastschweine- und Ferkelmärkten große Preisschwankungen hervorzurufen. Wie können Schweinemäster und Ferkelerzeuger die Auswirkungen der zyklischen Schwankungen auf den eigenen Betrieb auffangen oder mildern? Wer Mäster und Ferkelerzeuger in einer Person ist, kann sich antizyklisch verhalten, das heißt wenn allerorten bei steigenden Ferkelpreisen mehr Sauen aufgestallt werden, schränkt er die Sauenhaltung ein und dehnt sie bei sinkenden Ferkelpreisen aus. Zu einer derartigen Erzeugungspolitik gehören gute Nerven und Glück, denn der Zyklusverlauf lässt sich nicht hundertprozentig voraussagen, da er mitbeeinflusst wird von guten und schlechten Ernten, von der Entwicklung der Futterpreise, von mäßigen oder raschen Lohnsteigerungen bei den Verbrauchern (mit Auswirkungen auf die Nachfrage nach Fleisch allgemein und nach den verschiedenen Fleischarten), von agrarpolitischen Entscheidungen in anderen Bereichen (schubweise Ausweitung der Schweineproduktion nach Abschlachtungsaktionen in den Kuhställen) und von anderen Faktoren wie z. B. durch das Auftreten der Schweinepest und das damit verbundene Ausfuhrverbot. Eine andere Methode, die Stöße des Schweinezyklus abzufedern, ist die, jahraus jahrein den Schweinestall gleichmäßig auszulasten und die gleiche Menge Schweine zu produzieren. Dann hat man an hohen und niedrigen Preisen den gleichen Anteil und verwendet für die Nachkalkulation, das heißt für die rechnerische Überprüfung der Frage, ob sich die Schweinemast im eigenen Betrieb lohnt, den mehrjährigen Durchschnittspreis. Je mehr Schweinemäster und Ferkelerzeuger nach diesem Grundsatz verfahren, um so eher kann eine Einebnung der zyklischen Schwankungen erwartet werden.
522
Eine Möglichkeit, Preisrisiken für Mäster, Händler, Schlachtereien, Verarbeiter und Einzelhandel abzusichern, besteht durch die am 17. April 1998 in Hannover gestarteten Warenterminbörse, eine vollcomputerisierte Börse mit bisher insgesamt über 100 000 gehandelten Kontrakten. Besonders durch die Krisen am Fleischmarkt ist das Interesse größer geworden, sich gegen Preisschwankungen abzusichern. Als Einheit werden lebende Schweine mit einem Schlachtgewicht von insgesamt 8 000 kg und einem Muskelfleischanteil von 56 % gehandelt. Mit einem so genannten Future kann der Preis bis zu 12 Monaten im voraus abgesichert werden. Das gibt Planungssicherheit. So soll in Spitzenzeiten bis zu 40 % einer deutschen Schweine-Tagesproduktion über die Warenterminbörse gehandelt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Handel hierüber zukünftig entwickelt. Verkaufsstrategie mit Markenfleisch | Das Image des Schweinefleisches zu verbessern und den hohen Verbrauch zumindest zu sichern, ist das Ziel der ins Leben gerufenen zahlreichen Markenfleischprogramme. Das Gemeinsame besteht darin, dass das Ausgangstiermaterial klar definiert ist und eine konsequente züchterische Betreuung durchgeführt wird, so dass Schlachtkörper mit entsprechendem Muskelfleischanteil und überdurchschnittlicher Fleischbeschaffenheit kontinuierlich angeboten werden können. Hierzu ist es notwendig, dass die verschiedenen Partner (Züchter, Ferkelerzeuger, Mäster, Schlachtbetriebe, Abnehmer) zusammenarbeiten und die vertraglichen Bedingungen einhalten. So ist der Landwirt verpflichtet, die Richtlinien zur Produktion wie z. B. das Einstellen von geeignetem Tiermaterial, die vorgeschriebene Haltung und Fütterung (z. B. Einsatz und Verbot bestimmter Futterkomponenten) und die tiermedizinische Betreuung zu beachten. Weiterhin muss er seine gesamten Mastschweine an die Erzeugergemeinschaft liefern. Erreichen die Schlachtkörper die geforderten Werte beim Magerfleischanteil, beim Schlachtgewicht und bei der Fleischbeschaffenheit, so wird ein Preiszuschlag bezahlt. Damit die gewünschte Fleischqualität erreicht werden kann, müssen auch die nicht im Einflussbereich des Tierhalters liegenden Faktoren wie z. B. der Transport, der Schlacht- und Zerlegevorgang vorschriftsmäßig durchgeführt werden (s. Kap. 8.3.1).
8.5 Neben diesen Markenfleischprogrammen sind – wie der Name auch ausdrückt – räumlich begrenzte so genannte Regionalprogramme entstanden. Durch Skandale (z. B. Hormoneinsatz bei Mastkälbern, BSE) und Krankheitsausbrüche (z. B. Schweinepest) ist der Verbraucher dermaßen verunsichert, dass er schon wissen möchte, woher die Erzeugnisse kommen und wie sie produziert werden. Diesem Wunsch entsprechen diese Regionalmarken mit dem Motto: „Aus der Region – Für die Region“. Im tierischen Bereich werden Forderungen gestellt, die über die der Markenfleischprogramme hinausgehen. Als wesentlichste sind hier aufzuführen, dass die Ferkel und überwiegend das Futter aus der Region stammen müssen und dass durch den Absatz im Nahbereich nur kurze Transportwege zurückzulegen sind. Auch bei der Verarbeitung und bei der Vermarktung müssen die Produktionsrichtlinien eingehalten werden. Durch die Markenfleischprogramme und besonders durch die Regionalmarken soll das Vertrauen der Verbraucher gegenüber diesen landwirtschaftlichen Produkten ansteigen. Für den Erfolg dieser Marketingstrategien ist allerdings Voraussetzung, dass die Verbraucher bereit sein müssen, für diese Produkte einen höheren Preis zu bezahlen.
8.5.6
Die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast
Die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast hängt von den unterschiedlichen biologischen Leistungsdaten und ganz besonders von den erzielten Verkaufserlösen ab. Diese schwanken zwar in Abhängigkeit vom zyklischen Geschehen von Jahr zu Jahr, doch wenn man den Faktor Schweinezyklus dadurch ausschaltet, dass man nur Ergebnisse des gleichen Wirtschaftsjahres miteinander vergleicht, registriert man noch immer unerwartet hohe Unterschiede in den beim Verkauf erzielten Preisen je kg. Welches sind die Ursachen? Vermutlich sind hierfür Qualitätsunterschiede der Schweine und auch das unterschiedliche kaufmännische Geschick der Betriebsleiter die wichtigsten Gründe. Die Tab. 174 liefert einige Informationen über die unterschiedlichen Ergebnisse der 25 % besten und 25 % schlechtesten Betriebe am Beispiel des
Die Schweinemast
vom ZDS ausgewerteten Datenmaterials der deutschen Schweineerzeugerringe 2001/02. Die Betriebe im oberen Viertel heben sich von denen im unteren bei folgenden Merkmalen ab: Sie haben höhere tägliche Zunahmen, eine bessere Futterverwertung und geringere Futterkosten. Hinzu kommen noch die geringeren Mastverluste und die besseren Erlöse. In diesen Bereichen liegen für die schlechteren Betriebe die wichtigsten Ansatzpunkte, um in Zukunft zu besseren Ergebnissen zu kommen. Die Hauptausgabeposten für die Mäster lassen sich leicht an der Deckungsbeitragsrechnung in Tab. 175 ablesen.
? Wie verändert sich der in Tab. 175 ermittelte Deckungsbeitrag, wenn sich die Futterverwertung um 0,1 verbessert? Um wie viel muss sich der Futtermittelpreis je dt verringern, um die gleiche DB-Erhöhung zu erreichen?
Aus den Tab. 174 und 175 kann abgeleitet werden, dass die Ferkel- und Futterkosten die mit Abstand wichtigsten Ausgabeposten für den Mäster sind. Nach Tab. 175 absorbieren die Ferkelkosten etwas mehr als 2/5 und die Futterkosten fast die Hälfte der Verkaufserlöse. Unzweckmäßige Fütterung und Fehlplanungen im Ferkeleinkauf wirken sich besonders nachteilig auf den Betriebserfolg aus. Aus den Kalkulationen dieses Abschnitts ergeben sich – in Verbindung mit schon früher angestellten Überlegungen – folgende Empfehlungen:
!!! Für den einzelnen Mäster wird es weiterhin nicht nur nützlich, sondern notwendig sein, sich nach den Wünschen seiner speziellen Abnehmer zu richten und sich, wenn er die Ferkel nicht selbst erzeugt, nach einem Lieferanten mit für ihn richtigen Ferkeln umzusehen. Hierbei ist es wichtig, ein solches Schwein seinem Abnehmer anzubieten, das genau den Ansprüchen der angewandten Maske entspricht. Nur dann kann er den maximalen Preis erzielen. Gewichtsabweichungen nach unten wirken sich z. B. ganz gravierend aus. Auch auf Maskenveränderungen muss der Mäster schnell reagieren.
523
8
8
Schweineproduktion
Tab. 174 Leistungsunterschiede in der Schweinemast der deutschen Erzeugerringe 2001/02 (nach ZDS, 2003) mittlere
obere 25 %
untere 25 %
Anzahl Betriebe
2 861
716
716
Verkauf, St./Betrieb
1 673
1 712
1 539
Verkaufserlöse, e/kg Anfangsgewicht, kg
1,18
1,21
1,16
29
29
29
Endgewicht, kg
118
118
117
tägliche Zunahme, g
703
717
691
Futteraufw./kg Zuwachs, 1:
2,96
2,90
3,03
Futterkosten, e/kg Zuwachs
0,52
0,49
0,54
Verluste, %
3,7
3,0
4,4
Ferkelkosten, e/kg
2,25
2,18
2,29
DKfL, *
e/Zuwachstier e/100 kg Zuwachs
16
29
4
20
32
6
* Erklärung s. Kapitel 7.3.4
Tab. 175 Beispiel einer Deckungsbeitragsrechnung für ein Mastschwein Anfangsgewicht Mastendgewicht Ausschlachtung Schlachtgewicht Umtriebe Reinerlös je kg Schlachtgewicht Marktleistung Ferkelkosten Futterverwertung Futterverbrauch für 89 kg Zuwachs Futterkosten bei 18 e/dt Sonstige proportionale Spezialkosten Variable Kosten Deckungsbeitrag je Mastschwein Deckungsbeitrag je Mastplatz Deckungsbeitrag je Akh bei 1,5 Akh/MS Disproportionale Spezialkosten (Abschreibung u. Instandhaltung von Gebäuden u. Stalltechnik) anteilige Gemeinkosten Beitrag zum Betriebseinkommen
524
28 kg 117 kg 81 % 94,77 kg 2,3 1,47 e 139,31 e 66,00 e 1 : 2,9 258,1 kg 46,46 e 5,00 e 117,46 e
21,85 e 50,25 e 14,56 e 5,00 e 2,50 e
6,85 e
8.6 Aufzucht der Jungsauen und Jungeber
? Aufgabenlösung: Bei einer Verbesserung der Futterverwertung um 0,1 erhöht sich der DB um 1,60 e/MS; der gleiche Wert wird erst erreicht, wenn die Futterkosten um mehr als 62 Cent/dt geringer sind.
8.6 Aufzucht der Jungsauen und Jungeber
!!! Wenn Ferkel für die Ergänzung des eigenen Sauenbestandes oder für den Zuchttierabsatz ausgesucht werden, ist eine scharfe Selektion möglich, denn eine Sau hat mehr Nachkommen als eine Kuh. Diese harte Auslese ist auch notwendig, um die Mängel, die sich bei der raschen Umstellung der deutschen Schweinebestände auf das Fleischschwein eingeschlichen haben (s. 8.3.1, 8.4.8), so weit wie möglich auszumerzen, bzw. wenn Mängel mit wirtschaftlich wertvollen Merkmalen gekoppelt sind, sie auf ein noch tragbares Maß zu begrenzen. Deshalb sollte man vom 1. Wurf einer Sau keine Zuchtferkel abzweigen, sondern diesen Wurf zur
Prüfung benutzen. Von Sauen, die Ferkel mit Brüchen, Afterverschluss, Gaumenspalte, Schrumpfohr und anderen Fehlern geworfen haben, sollte man keine Ferkel zur Nachzucht aufstellen, ebenso von Sauen mit Mängeln der Bewegungsorgane und unbefriedigenden Leistungen (Wurfgröße, Milchergiebigkeit, Schlachtwert usw.). Selbstverständlich muss auch der Eber kritisch betrachtet werden. Man sollte beispielsweise von deckunlustigen Ebern keine Nachkommen für Zuchtzwecke verwenden. Die ungeeignetste Methode, Jungsauen zu gewinnen, ist diejenige, bei steigenden Ferkelpreisen in Buchten mit nicht gekennzeichneten Mastschweinen nach rauschenden Sauen zu fahnden. Besonders nachteilig ist diese Methode, wenn es sich bei den Mastschweinen um Kreuzungsprodukte handelt. Von harter Auslese kann man bei einer Selektionsschärfe von 3 : 1 sprechen, das heißt, wenn beispielsweise von 30 im Gewicht von 20–30 kg ausgewählten weiblichen Läufern nach wiederholtem Durchmustern und Prüfen während der Aufzuchtperiode schließlich die 10 besten in den Zuchtsauenbestand aufgenommen und die übrigen der Mast zugeführt werden. Die Jungsauen sollen mit 7–8 Monaten etwa 120–130 kg schwer sein. Das bedeutet Tageszunahmen von # 600 g. Dafür genügen Rationen, die zwar bei 20 kg noch die gleichen sind wie für
8 Tab. 176 Eigenmischungen mit ca. 11,8 MJ ME und 160 g Rohprotein je kg (Anteile in %) Rationsbeispiele
1
2
3
4
5
6
Gerste
41,5
45,0
55,0
60,0
45,0
40,5
Weizen
10,0
–
–
–
–
–
Hafer
20,0
28,0
10,0
10,0
17,5
25,0
Weizenkleie
–
10,0
10,0
–
–
10,0
Melasseschnitzel
10,0
–
5,0
10,0
–
Luzernegrünmehl
–
–
–
5,0
–
–
Sojaschrot
16,0
–
17,5
17,5
10,0
12,0
Eiweißkonzentrat
–
17,0
–
–
–
–
Ackerbohnen
–
–
–
–
15,0
–
Erbsen
–
–
–
–
–
10,0
Mineralfutter*
2,5
–
5,0
2,5
2,5
2,5
2,5
* 20 % Ca, 5 % P, 5 % Na
525
8
Schweineproduktion
Mastläufer, sich später aber auf ein Energieniveau einpendeln können, das um 10 % unter dem der Mastnormen (s. Tab. 155) liegt. Auch beim Gehalt an essenziellen Nährstoffen sind die Ansprüche entsprechend niedriger. Alleinfütterung der Zuchtläufer (Jungsauen) | Von den im Abschnitt „Steuerung der Energiezufuhr“ (8.5.1) diskutierten zwei Wegen zur Begrenzung des Energienachschubs wird bei Zuchtläufern vielfach der erste Weg beschritten; das heißt durch eine mehr (7–9 %) Rohfaser enthaltende und dadurch energieärmere Ration (11,8 MJ ME/kg Kraftfutter) soll den Läufern bzw. Jungsauen wenigstens das Gefühl der mechanischen Sättigung erhalten bleiben. Bei Eigenmischungen darf und soll der Anteil energieärmerer Komponenten wie Hafer, Weizenkleie, Melasseschnitzel, Grünmehl usw. höher sein als in Mastmischungen. Kombinierte Fütterung | Eine wenn auch nicht einfache Möglichkeit zur Anpassung der Energiezufuhr an die Bedürfnisse einer verhaltenen Aufzuchtfütterung ist die kombinierte Fütterung aus täglich ca. 1,5 kg Kraftfutter mit steigenden Mengen Grundfutter (Weide, junger Klee, Rübenblatt, Rüben, Silagen usw.). Die Menge und Zusammensetzung des Kraftfutters richtet sich nach der Art und Qualität des Grundfutters, z. B. eiweißarm bei Weidegang oder jungem Klee; eiweißreich, wenn das Grundfutter aus Maissilage oder Rüben besteht. Mit dem Grundfutterangebot sollte man aber warten, bis die Läufer 30–40 kg schwer sind, denn der Verdauungstrakt kann zunächst nur geringe Mengen voluminösen Grundfutters aufnehmen.
? Wie hoch sollten die Tagesgaben bei 45, 75 und 105 kg sein, wenn die Bedarfswerte der Tab. 177 zugrunde gelegt werden? Wer über eine hofnahe, gepflegte Jungsauenweide verfügt, kann diese für die Aufzucht der zwischen Februar und April geborenen Ferkel zur Nachzucht gut nutzen, weil diese den größten Teil der Zeit bis zum Decken auf der Weide verbringen können. Der Weidegang dient den Zuchtläufern zur Kräftigung der Gliedmaßen, zur Ausbildung leistungsfähiger innerer Organe und zum Training der Muskulatur. Doch findet durch die zunehmende Spezialisierung und die damit verbundenen steigenden Bestandszahlen die Alleinfütterung mit Kraftfutter immer weitere Verbreitung. Fütterung der Jungeber und Deckeber | Jungeber haben eine größere Wachstumskapazität als Börge und weibliche Schweine. Im Alter von etwa 7 Monaten sollen sie ca. 130 kg schwer sein, das bedeutet durchschnittliche Tageszunahmen ab Geburt von rund 600 g. Sollen die in den Gewichtsbereichen 30–60, 60–90 und 90–120 kg angestrebten Tageszunahmen (Tab. 177) erreicht werden, so müssen bei einer Energiekonzentration von 11,4 MJ ME/kg ca. 1,85 kg bzw. 2,4 kg bzw. 2,7 kg Kraftfutter aufgenommen werden. Bei einer Energiekonzentration von 12 MJ ME/kg verringert sich die tägliche Futtermenge in den verschiedenen Gewichtsabschnitten um jeweils 0,1 kg. Das Kraftfutter sollte wegen des hohen Eiweißansatzes bis zu einem Lebendgewicht von 90 kg 18 % Rohprotein enthalten. Das Grundfutter hat bei der Eberaufzucht keine Bedeutung, da
Tab. 177 Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung während der Jungsauenaufzucht je Tier und Tag Gewichtsbereich
Umsetzbare Energie
Rohprotein
Lysin
Ca
P
Na
kg
mittlere tägliche Zunahme (g)
(MJ)
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
30–60
600
19
280
14
13,7
9,2
1,6
60–90
700
27
330
17
16,4
11,0
2,0
90–120
500
30
280
14
17,6
11,8
2,0
526
8.6 Aufzucht der Jungsauen und Jungeber Tab. 178 Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Jung- und Deckebern pro Tier und Tag Gewichtsbereich
Umsetzbare Energie
Rohprotein
Lysin
Ca
P
Na
kg
mittlere tägliche Zunahme (g)
(MJ)
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
30–60
600
21
320
18
14,3
9,5
1,8
60–90
850
27
420
23
21,0
14,5
2,3
90–120
750
31
430
24
25,0
17,0
3,0
120–180
400
30
450
24
20
15
5
über 180
(200)
30
450
24
20
15
5
es infolge des starken Wachstums nur in geringen und den Arbeitsaufwand nicht lohnenden Mengen eingesetzt werden kann. Jung- und Alteber haben die gleichen Tagesbedarfswerte, wie Tab. 178 ausweist. Dies beruht darauf, dass der Jungeber noch entsprechend an Gewicht zunehmen soll, der Alteber aber einen höheren Bedarf für die Erhaltung und das Deckgeschäft hat. Bei intensiver Zuchtbenutzung soll dem Eber täglich 33–45 g Lysin mit einem Lysinzu -Methionin + Cystin-Verhältnis von 1 : 0,7 verabreicht werden. Wegen der hohen Ansprüche hinsichtlich dieser essenziellen Aminosäuren zur Erzielung einer ausreichenden Spermamenge mit guter Qualität – Spermien bestehen überwiegend aus Eiweiß – ist ein Einmischen von hochwertigen Eiweißkomponenten (der Einsatz
von Fischmehl war vorübergehend verboten) in das Kraftfutter anzuraten. Wird bei der Eberfütterung – wie es in der Praxis häufig anzutreffen ist – Alleinfutter für laktierende Sauen eingesetzt, so empfiehlt sich in Zeiten höchster Zuchtbeanspruchung vorübergehend täglich eine zusätzliche Gabe von 200–300 g Fischmehl oder Eiweißkonzentrat. Beim Einsatz von einwandfreiem Grundfutter (etwa 2–4 kg) erhalten Deckeber täglich zusätzlich 2 kg Zuchtsauen-Alleinfutter für laktierende Sauen, bzw. bei alleinigem Kraftfuttereinsatz ca. 3 kg mit einem Energiegehalt von 12,2 MJ ME. Diese Mengen sind als Richtwerte zu betrachten und müssen je nach Deckbeanspruchung und Zuchtkondition nach oben oder unten verändert werden.
527
8
9
Geflügelproduktion
Die im Jahr 2002 in Deutschland erzielten Verkaufserlöse bei Eiern und Geflügel betragen 1,865 Mrd. e und machen etwas mehr als 10 % der Erlöse der tierischen Erzeugung aus. Hierbei entfielen 50,7 % auf Eier und 49,3 % auf Schlachtgeflügel. Wenn von Mastgeflügel gesprochen wird, denkt man zunächst nur an Hähnchen, doch tragen auch Gänse, Enten und besonders die Puten ihren Anteil bei, wie Tab. 179 zeigt. Die Entwicklung der Geflügelhalter und Geflügelbestände verlief unterschiedlich. Während die Zahl der Halter in allen Bereichen rückläufig war, hat sich die Zahl der Legehennen in den alten und neuen Bundesländern gegenläufig entwickelt. Einer Abnahme in den alten Bundesländern steht eine Zunahme in den neuen Bundesländern gegenüber, wobei bei einer Gesamtbetrachtung eine Abnahme festzustellen ist. Nur die Zahl der Schlacht-, Masthähne und -hühner und ganz besonders die der Truthühner hat sich wesentlich erhöht. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Eiern ist in den Nachkriegsjahren ständig gestiegen und lag in den alten Bundesländern bei 285 Eiern im Jahr 1980. Doch anschließend sank dieser Wert ständig und lag 2002 nur noch bei 217 Eiern. Damit liegt Deutschland unterhalb des Mittelwertes der EU von 220 Eiern; Spitzenreiter sind die Spanier mit 266, am Ende liegen die Portugiesen mit 157. Amerikaner und Chinesen verzehren in etwa die gleiche Anzahl an Eiern wie die Spanier, die Japaner ragen mit 315 Eiern je Person deutlich heraus. Von den in 2002 ca. 17 Mrd. verzehrten Eiern werden knapp ein Viertel eingeführt, wobei Deutschland der größte Importeur in der EU an Hühnereiern ist. Es folgen mit großem Abstand Frankreich, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Der größte Exporteur in der EU ist Holland mit über 5 Mrd. Eiern. An zweiter Stelle kommt Belgien/Luxemburg mit mehr als 1,3 Mrd. Eiern, dann folgt – obwohl auch sehr viel impor-
528
tiert wird – Deutschland und das stark aufholende Spanien. Der Selbstversorgungsgrad lag 2002 in der EU bei 101 %, wobei die Niederlande mit 225 % herausragt und Deutschland mit 74 % das Schlusslicht bildet. Bei den verpackt gekauften Eiern mit Zusatzbezeichnung (meist Eier aus alternativen Haltungsformen) hat es im Jahr 2002 erstmals seit Jahren einen Absatzrückgang um ca. 5 % gegeben. Und das ist umso beachtenswerter, weil der Preisabstand zwischen Standard- und Alternativ-Eiern in 2001 und noch weiter in 2002 geschrumpft ist und im letztgenannten Jahr nur noch 7,7 Cent betrug. Der Kaufrückgang war bei den Eiern aus Bodenhaltung am stärksten. Nur Eier aus ökologischer Erzeugung konnten sich behaupten und bauten ihren Anteil bei den Alternativ-Eiern dadurch auf 5,7 % aus, weil der Kauf von verpackten Eiern mit Zusatzbezeichnung rückläufig war. Durch die Produktionsausweitung bei gleichzeitigem Nachfragerückgang ergibt sich jetzt ein kräftiger Anstieg des Selbstversorgungsgrades bei Alternativware von über 8 % gegenüber dem Vorjahr auf 83 % in 2002. Dieser Absatzrückgang gibt zu denken und es ist die Frage, ob der Absatz von Eiern aus alternativen Haltungssystemen zukünftig tatsächlich noch wesentlich gesteigert werden kann oder ob beim Verbot der Käfighaltung in Deutschland zum 1. 1. 2007 die Importe an Käfigeiern sprunghaft ansteigen. Beim Geflügel scheint es noch Absatz-Reserven zu geben, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2002 um 0,7 kg gegenüber dem Vorjahr auf 17,5 kg gesunken ist. Der enorme Anstieg in 2001 war auf die BSE-Krise zurückzuführen, so dass sich dieser letztjährige Rückgang relativiert. Allerdings war auch hier die Entwicklung unterschiedlich. Während Putenfleisch nochmals um 0,2 kg auf 6,5 kg zulegen konnte, kam es insbesondere bei
9.1
Nutzungsrichtung, Typ und Rasse
Tab. 179 Ergebnisse der Geflügelzählungen (Statistisches Bundesamt) in 1 000 Stück Hühnerhalter insgesamt Legehennenhalter
Altes Bundesgebiet 1992 1996 230
183
2001 92
Neues Bundesgebiet 1992 1996 76
48
2001 9
219
174
88
72
46
9
Legehennen 1⁄2 Jahr und älter
33 821
31 642
29 519
9 763
10 739
11 811
Zur Aufzucht als Legehennen best. Küken und Junghennen unter 1⁄2 Jahr
12 331
13 394
12 242
3 050
3 590
5 033
Schlacht- u. Masthähne u. -hühner einschl. Küken u. sonstige Hähne
27 865
29 553
36 651
8 802
13 813
14 736
Hennen zusammen
46 152
45 036
41 761
12 813
14 329
16 844
48
41
9
33
19
2
74 017
74 589
78 413
21 615
28 142
31 580
20
17
6
7
5
1
450
518
338
102
124
70
Masthühnerhalter einschl.Halter sonstiger Hähne Hühner insgesamt Gänsehalter Gänse Entenhalter Enten Truthühnerhalter Truthühner
25
20
7
24
12
2
1 157
1 135
1 157
1 100
925
1 027
8
6
3
1
1
0
5 128
6 222
7 724
446
853
1 746
Ab 1999 Zählung im Mai, zuvor jeweils im Dezember Ohne Bestände unter 20 Legehennen in Betrieben unter 1 ha.
Hähnchenfleisch zu starken Einbußen von 0,7 kg auf 8,9 kg Verbrauch je Person. Der Selbstversorgungsgrad bei Geflügelfleisch liegt in Deutschland bei ca. 72 %, der Marktanteil deutscher Ware aber lediglich bei 41 %. Das bedeutet, dass ein Großteil der einheimischen Produktion exportiert wird. Vom Gesamtfleischverbrauch entfallen ca. 20 % auf Geflügelfleisch. Hierin ist auch eine Vielzahl von Produkten wie z. B. Geflügelwurst und -aufschnitt enthalten. Doch ist der Verzehr noch wesentlich niedriger als in den anderen EU-Staaten mit durchschnittlich etwas mehr als 22 kg und besonders in den USA mit fast 51 kg.
9.1 Nutzungsrichtung, Typ und Rasse Wie bei anderen Haustieren gibt es auch bei den Hühnern Zweinutzungsrassen: Von den roten Rhodeländern, Wyandotten, Sussex-Hühnern,
New Hampshires und anderen so genannten „schweren Legerassen“ wurde eine gute, mindestens befriedigende Eierleistung und gute Mastfähigkeit erwartet. Der Typ des Zweinutzungshuhnes konnte sich aber nicht durchsetzen, vor allem, weil die beiden Nutzungsarten durch eine negative Korrelation miteinander verbunden sind, sich also gegenseitig behindern. Heute haben die genannten Rassen nur noch eine gewisse Bedeutung als Ausgangsmaterial für die Produktion von Lege- und Masthybriden. Die Eiererzeuger bevorzugten dagegen einseitig auf die Eierleistung gezüchtete und vom Brutinstinkt weitgehend befreite Rassen, deren bekannteste Vertreter die Weißen Leghorns und die rebhuhnfarbigen Italiener sind oder waren. Der Anteil der braunen Legehybriden hat sich durch die entsprechende Nachfrage nach braunen Eiern in den letzten Jahren ständig erhöht. Während im Jahr 1995 mehr als jedes zweite Ei (55 %) eine braune Farbe hatte, stieg dieser Anteil 2002 auf 61 %. Dies hängt m.E. damit zusammen, dass viele Ver-
529
9
9
Geflügelproduktion
Abb. 187 (Werkfoto: Abb. 188 (Werkfoto:
(links) Weiße-Hybridlegehenne LSL Lohmann) (rechts) Braune Hybridlegehenne LSB Lohmann)
braucher glauben, diese Eier seien qualitativ hochwertiger. Sie sind wohl auch deshalb bereit, hierfür einen höheren Preis zu bezahlen. Im gleichen Zeitraum ist der Absatz weißschaliger Eier von 31 % auf 26 % zurückgegangen. Heute spielen die reinrassigen Hühner in der Eierproduktion eine ebenso untergeordnete Rolle wie in der Geflügelmast. In beiden Nutzungsrichtungen haben sich die Hybridhühner durchgesetzt (Abb. 187 und 188), die von kapitalkräftigen Zuchtunternehmen als Markenartikel angeboten werden. Welche Rassen, Linien oder Stämme zur Kreuzung herangezogen werden, wird von den Zuchtbetrieben als Geschäftsgeheimnis gehütet und kann nur aufgrund der Körperform und der Befiederung erahnt werden. (Es ist bekannt, dass beim Aufbau von Masthybriden die Rasse der Cornish, die sich auf ostasiatische Kampfhühner zurückführen lässt, stark beteiligt ist und bei den Legehybriden natürlich das Weiße Leghorn.) Doch können die bisher durchgeführten Leistungsprüfungen unter den Bedingungen der Käfighaltung nicht auf die alternativen Haltungssysteme übertragen werden. Es ergeben sich auch andere Fragestellungen nach der Eignung der Hybridherkünfte für diese anderen Haltungsformen. So müssen die Hennen die Nester gut annehmen, dürfen die Artgenossen nicht aggres-
530
siv bepicken, müssen mit den Klimaschwankungen gut zurechtkommen, mit dem Infektionsdruck fertig werden und müssen am Ende der Legeperiode noch gut befiedert sein. Durch das zukünftige Käfigverbot ist es für die Zuchtunternehmen wichtig, durch Selektion bei entsprechenden Eignungstests solche Tiere anbieten zu können. Hiervon können auch die relativ wenigen Ökobetriebe profitieren, da diese ihre Tiere unter ähnlichen Bedingungen halten müssen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es den Zuchtunternehmen auch gelingt, eine Hybridhenne zu züchten, bei der das aggressive Picken – auch ohne Schnabelkupieren, das ja für Ökobetriebe verboten ist – unterdrückt wird. Ansonsten kann die zuständige Behörde das Kürzen der Schnabelspitze erlauben, wenn dies zum Schutz der Tiere unerlässlich ist.
9.2 Die Eierproduktion
!!! Der Markt verlangt eine gleichmäßige Versorgung mit frischen Eiern zu allen Jahreszeiten. So setzten sich Betriebssysteme mit mehreren Stalleinheiten durch, die einen möglichst gleichmäßigen Eieranfall während des ganzen Jahres gewährleisten: Beim Dreistallsystem beispielsweise, das also drei möglichst gleich große Ställe voraussetzt, werden diese abwechselnd in einem Abstand von ca. 4 Monaten geräumt und wieder neu besetzt (Abb. 189). Um den Legerhythmus unabhängig von den Jahreszeiten zu machen, werden die Ställe ohne Fenster eingerichtet (Kunstlichtställe) und die Legetätigkeit wird mit Hilfe eines Beleuchtungsprogramms gesteuert. Zu diesem System gehört ein exakter Umtriebsplan, denn die Junghennen müssen rechtzeitig bestellt, die auszustallenden Legehennen nach Plan geschlachtet und der betreffende Stall vor dem Eintreffen der Junghennen ordnungsgemäß gereinigt und desinfiziert werden. Damit der Umtriebsplan nicht zu stark von den individuellen Unterschieden der Hennen im Durchhaltevermögen und im Beginn der Mauser
9.2
Abb. 189
Die Eierproduktion
Umtriebsplan und Legeleistung im Drei-Stall-System
gestört wird, beschränkt man sich vielfach auf eine 15-monatige Legeperiode. Wenn bei niedrigen Suppenhennenpreisen, aber günstigen Eierpreisen (also vor allem bei Selbstvermarktern) die Hennen länger gehalten werden sollen, lässt sich die Mauser nicht umgehen. Es ist dann sinnvoller, den gesamten Stall vor Ablauf der ersten 12 Legemonate geschlossen die Federn wechseln zu lassen. Diese so genannte Zwangsmauser, die nicht mehr durch Wasser-, Futter- und Lichtentzug eingeleitet werden darf, wird schonender durch reduzierte Tageslichtstunden in Verbindung mit einer reinen Getreidefütterung erreicht. Ob diese Methode wirklich die Produktionskosten senkt, muss jeder Betrieb nach den eigenen Preis-Kosten-Verhältnissen überprüfen, wobei der Eierausfall und die während der Mauser weiterlaufenden Futterkosten voll zu berücksichtigen sind. Bei der Frage, wann Hennen abgeschlachtet werden sollen, kann man sich an folgende Faustregel halten: bei mittleren Eierpreisen, sobald die Legeleistung unter 50 % sinkt, bei niedrigen Eierpreisen schon unter einer Legeleistung von 60 % (Legeleistung 60 % bedeutet, dass bei einem Stall mit 500 Hennen täglich 300 Eier anfallen). Auf dem Höhepunkt der Legetätigkeit – wenn die Hennen 7 bis 8 Monate alt sind – erwartet man von ihnen eine Legeleistung von 80 bis 90 %. Die Gesamtleistung einer Legehenne hängt entscheidend davon ab, dass der Abfall der Legeleistung nach dem Eiergipfel sehr allmählich erfolgt und beispielsweise die Legeleistung einer 12 Monate alten Henne noch zwischen 70 und 80 % liegt. Bei der Bewertung der Eierleistung im 2. Legejahr ist
noch zu berücksichtigen, dass ein rund 5 g schwereres Durchschnittsgewicht der Eier den Leistungsrückgang bei der Eierzahl bei weitem nicht ausgleichen kann. In jeder Herkunft gibt es eine mehr oder weniger große Schwankungsbreite in der Veranlagung der Tiere und damit einen bestimmten Anteil schlechter Leger. Deshalb lassen sich Futterkosten sparen, wenn nicht nur bei der Einstellung der Junghennen und am Ende des ersten Legejahres selektiert wird, sondern im Laufe der Legeperiode die Hennen ständig kontrolliert und die schlecht legenden sowie die kranken Hennen laufend ausgemerzt werden. In der Käfighaltung ist das Aussortieren einfacher als in der Bodenhaltung. Wenn die Eier jede Woche einmal 2 Tage lang in der Eierrinne liegen gelassen werden, fallen die Käfige mit unbefriedigender Leistung auf, und die darin sitzenden Hennen können genauer gemustert werden. Auszusortieren sind Hennen, die träge und teilnahmslos herumsitzen und die aus matten Augen mit verschwommener Puppillenabgrenzung blicken. Auch ein heruntergekommenes Körpergewicht und eine scharfkantige Brust sowie blasse Färbung von Kamm und Kehllappen weisen auf Krankheiten und abgesunkene Leistungen hin. Als wichtiger Hinweis für die Legetätigkeit gilt der Abstand zwischen den beiden Legebeinen, der mindestens drei Finger breit sein soll.
9.2.1
Der Legehennenstall
Kein Betriebszweig der Tierproduktion stand wegen der Haltungsform in den letzten Jahrzehnten
531
9
9
Geflügelproduktion
Tab. 180 Wichtige Punkte der „neuen Hennenhaltungsverordnung“ (nach Klaus Damme, Geflügeljahrbuch 2003) EU-Richtlinie 1999/74/EG in Bundesrecht umgesetzt durch: 1. Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung 2001 In Deutschland gelten folgende Mindestanforderungen | ab 1. 1. 2002 für neue Ställe | ab 1. 1. 2006 für alle Ställe mit alternativer Haltung 9 Tiere pro m2 nutzbare Fläche (wobei: Seitenlänge nicht weniger als 30 cm; lichte Höhe mind. 45 cm; max. 14 % Gefälle), max. 18 Tiere je qm Stallgrundfläche bei der Nutzung mehrerer Ebenen
Besatzdichte
Fütterung:
Längstrog
mind. 10 cm Fressplatzbreite/Tier
Rundtrog
mind. 4 cm Fressplatzbreite/Tier
Tränke:
Rinnentränke/Rundtränke
mind. 2,5 cm/Tier/mind. 1 cm/Tier
Nippeltränke
mind. für 10 Tiere ein Nippel
Nester:
Einzelnester
max. 7 Hennen pro Nest (mind. 35 cm × 25 cm)
Gruppennester
mind. 1 m2 für max. 120 Tiere
Sitzstangen:
mind. 15 cm pro Tier; mind. 30 cm Abstand zwischen den Stangen und mind. 20 cm zur Wand; nicht über Einstreu
Scharrraum
mind. 250 cm2 pro Tier; mind. 1/3 der Stallgrundfläche
Kaltscharrraum (nicht obligatorisch)
Abgetrennter Scharrraum mit mind. 35 cm hohen und 40 cm breiten Zugängen über die gesamte Länge der Außenwand verteilt für je 500 Legehennen mind. 100 cm breite Zugangsöffnungen (Einschränkungen auf 100 cm/1 000 Tiere mit Genehmigung der zuständigen Behörde möglich)
Ebenen
bei verschiedenen Ebenen max. 4 übereinander zulässig (wobei Stallgrundfläche die 1. Ebene darstellt) mind. 45 cm lichter Abstand zwischen den Ebenen; wobei kein Kot auf die darunter liegenden Ebenen fallen darf
Licht
Mind. 3 % der Grundfläche als Lichtöffnungen bei Neubauten
Lüftung
Sicherstellung von Mindestluftraten; wobei 20 ppm Ammoniak im Tierbereich nicht dauerhaft überschritten werden dürfen
so in der Diskussion wie die Legehennenhaltung. Bei den Haltungssystemen unterscheidet man zwischen Käfig-, Boden-, Freiland- und Volierenhaltung. Bei der Entwicklung der Haltungsformen ergibt sich folgendes Bild: Die Zahl der Hennenplätze verringerte sich 2002 gegenüber dem Vorjahr bei der Käfighaltung lediglich um 1,5 % auf 83,9 %, bei der Bodenhaltung war eine geringe Steigerung
532
auf 6,6 %, bei der Freilandhaltung aber eine kräftige Erhöhung um 15 % auf 8,6 % zu verzeichnen (bei Betrieben mit mehr als 3 000 Hennenplätzen). 3,6 % der Betriebe praktizierten die Volierenhaltung. Die Käfighaltung ist umstritten und wird von den Tierschutzverbänden als „nicht tiergerecht“ abgelehnt. Die Käfighennen können wegen ihrer eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten ver-
9.2
Die Eierproduktion
Abb. 190 Bodenhaltungsstall mit A-Reutern über der Kotgrube (Foto: Golze)
schiedene arttypische Verhaltensweisen (Scharren, Flügelschlagen, Sandbaden, Nistplatzsuche u. a.) weniger ausüben als in der Boden- und Freilandhaltung oder diese werden völlig unterdrückt bzw. schlagen in Fehlverhalten um (stereotypes Kopfschütteln u. a.). Die Richtlinie (1999/74/EG) über Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen musste von der Bundesregierung bis spätestens Januar 2002 in eine nationale Hennenhaltungsverordnung umgesetzt werden. Diese fordert ab 1. Januar 2003 in herkömmlichen Käfiganlagen mind. 550 cm2, bei Durchschnittsgewichten über 2 kg sogar 690 cm2 je Tier. In diesen Käfiganlagen wurde auch die Fressplatzbreite auf mind. 12 cm, bei Durchschnittsgewichten über 2 kg auf 14,5 cm je Tier angehoben. Damit geht die ins Bundesrecht umgesetzte Verordnung über die Forderungen der EU hinaus und verbietet auch die herkömmliche Käfighaltung bereits Ende 2006, obwohl diese Haltungsform nach dem Willen der EU bis zum 31. 12. 2011 weiter betrieben werden kann. Auch dürfen in Deutschland bereits seit 6. Juli 1999 konventionelle Käfige nicht mehr gebaut werden, in den anderen EU-Ländern aber erst ab 2003. In der Tab. 180 sind die wichtigsten Anforderungen an die Haltung nach der zur Zeit gültigen Hennenhaltungsverordnung angegeben. So können bis 2005 in bestehenden Bodenhaltungen 7
Tiere je m2 gehalten werden, aber bei einer Erhöhung auf 9 Tiere je m2 müssen jedoch die anderen Kriterien der Tierschutz-Nutztier-Verordnung (Angebot an Sitzstangen, Fressplätze, Nestflächen, Tränken usw.) erfüllt werden. Besonders erschwerend für die Umstellung auf alternative Haltungssysteme ist die Forderung, dass 20 ppm Ammoniak im Tierbereich nicht dauerhaft überschritten werden dürfen. Bei der klassischen Bodenhaltung befindet sich der Kotkasten, der 2⁄3 der Stallgrundfläche einnimmt, in der Mitte des Stalles. Die Restfläche zu beiden Seiten der Kotgrube dient als Scharrraum. Damit möglichst viel Kot in die Kotgrube gelangt, werden über ihr die Sitzstangen oder Lattenroste sowie die Futter- und Tränkeeinrichtungen untergebracht. Auch die Nester sind hier angeordnet. Zur besseren Ausnutzung des Stalles können auch A-Reuter (stufenförmige Anordnung der Sitzgelegenheit) auf der Kotgrube angebracht werden (Abb. 190). In älteren Anlagen findet man heute noch unter dem Kotkasten eine Güllelagerung. Neuere Anlagen werden mit Trockenkotverfahren ausgerüstet. Für die Höhe des Kotkastens ist entscheidend, ob die Exkremente während der gesamten Zeit im Stall gelagert werden oder ob der Mist regelmäßig durch Bänder oder Schrabber entfernt wird. Nur so ist ganzjährig ein akzeptables Stallklima mit geringer Ammoniakbelastung zu errei-
533
9
9
Geflügelproduktion
chen. Es gibt auch die Möglichkeit, den gesamten Stall mit – heute bevorzugt – Kunststoffrosten auszulegen und den Kaltscharrraum – auch als Wintergarten oder Schlechtwetterauslauf bezeichnet – in einen angrenzenden, überdachten und eingestreuten Außenbereich mit befestigtem Boden auszugliedern. In der Bodenhaltung können die Tiere ihre arttypischen Verhaltensweisen ausüben. Doch sind bei dieser Haltungsform der Anteil an Schmutzeiern, der Keimbefall der Eier und der für die Hennen auch schmerzhafte Parasitenbefall und die Tierverluste deutlich höher als in der Käfighaltung. Zudem ist die Haltung arbeitsintensiver und teurer. Bei der Volierenhaltung sind seit dem 1. 1. 2002 max. 4 übereinander angeordnete Bewegungsebenen erlaubt, die durchgehend aber auch stufenartig versetzt sein können. Das gesamte Stallvolumen wird durch Einziehen von Sitzstangen in verschiedenen Höhen mit entsprechender Zuordnung der Futter- und Tränkeeinrichtung besser ausgenutzt. Zwischen diesem Volierenblock und dem Legebereich (z. B. Familien-Abrollnester mit Austriebssystem und automatischer Eiersammlung) liegt der eingestreute Bereich zum Scharren und Sandbanden. Dieser kann durch den Anbau eines Kaltscharrraumes erweitert werden. Um die Probleme der verlegten Eier zu reduzieren, sind bei manchen Anlagen die Legenester im Volierenblock integriert. Mit diesem System ist es zukünftig möglich, bei geschlossener Stallhaltung Eier aus der Bodenhaltung oder in Verbindung mit einem Auslauf von 4 m2 je Tier als Freilandeier zu vermarkten. Auch mit der Volierenhaltung kann die Freilandhaltung durchgeführt werden. Bei der Berechnung der zu haltenden Hühner (4 m2/Tier) kann – wenn im Auslauf ausreichend Unterschlüpfe vorhanden sind – ein Radius von 350 m zugrunde gelegt werden, ansonsten nur 150 m. Der Auslauf muss zum größten Teil bewachsen sein. Eine Doppelnutzung ist jedoch nicht erlaubt, ausgenommen sind Obstbäume und Wald oder bei Genehmigung Weide. Die EU-Richtlinie schreibt als Zutrittsöffnung eine Gesamtbreite von 200 cm für 1 000 Hennen vor, wobei die einzelnen Öffnungen mind. 35 cm hoch und 40 cm breit und über die gesamte Stalllänge verteilt sein müssen. Nach deutschem Recht müssen die Hennen
534
schon während der Aufzucht an die spätere Haltungsform gewöhnt werden. Nach der EG-Verordnung Nr. 1804/1999 über die ökologische Legehennenhaltung muss dem Geflügel eine traditionelle Auslaufhaltung angeboten werden. Hier ist bei Flächenrotation 4 m2 Außenfläche je Henne vorgeschrieben, sofern die Obergrenze des Stickstoffeintrages von 170 kg/ha und Jahr nicht überschritten wird. Dies bedeutet eine höchstzulässige Anzahl von 230 Tieren je Hektar. In einem Stall dürfen max. 3 000 Hennen und dabei 6 Tiere je m2 Nettofläche gehalten werden. Die Sitzstangenbreite muss 18 cm betragen und für 8 Legehennen muss ein Nest oder im Fall eines gemeinsamen Nestes 120 cm2/Tier vorhanden sein. Durch das zukünftige Verbot der konventionellen Käfighaltung wurde in den letzten Jahren sehr intensiv an der Weiterentwicklung so genannter „ausgestalteter Käfige“ gearbeitet, die als Kleingruppenhaltung bezeichnet wird. Wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte ergaben, dass eine Gruppengröße von etwa 40 bis 60 Hennen optimal ist. Neben 750 cm2 frei zugänglicher Grundfläche je Tier müssen diese ständig Zugang zu einem Staubbad mit einem geeignetem Substrat haben. Mindestens 3 Hennen müssen gleichzeitig Staubbaden können. Bei den Nestern, die von 3 bis 4 Tieren gleichzeitig benutzt werden können, ist eine Mindestfläche von 150 cm2 je Tier vorzusehen. Außerdem sind diese ausgestalteten Käfige mit Sitzstangen, Tränkeeinrichtungen, Krallenabrieb und ausreichender Beleuchtung auszustatten. Damit sind alle von der EU geforderten Elemente auf engem Raum vereinigt, so dass der Tiergerechtheit aber auch der Tiergesundheit gleichermaßen Rechnung getragen wird, zumal die Verluste mit 4 bis 6 % weit unter denen bei den alternativen Aufstallungsformen liegen und es auch möglich zu sein scheint, dass die Schnäbel der Tiere – auch bei hoher Lichtintensität – nicht gekürzt werden müssen. Dieses System – das ab 1. 1. 2012 EU-weit Standard werden wird – soll in Deutschland nicht zugelassen werden. Stattdessen soll nach dem jetzigen Stand (Juni 2004) die ausgestaltete Volierenhaltung zum Einsatz kommen. Dies würde zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen.
9.2
!!! In der Freilandhaltung haben die Hennen die Möglichkeit, ihre arttypischen Verhaltensweisen (Scharren, Flügelschlagen, Sandbanden, Nistplatzsuche u. a.) auszuüben. Die Problematik hier liegt in den wesentlich höheren Verlusten durch Greifvögel, Kannibalismus und wieder auftretenden, lang vergessenen Krankheiten wie Pocken, Rotlauf, Tuberkulose usw. Auch der Parasitenbefall darf nicht unterschätzt werden. All dies erfordert einen höheren Einsatz von Medikamenten. Außerdem muss mit weniger Eiern gerechnet werden, zumal auch der Anteil an verlegten Eiern ansteigt.
9.2.2
Die Fütterung der Legehennen
!!! Der Verdauungskanal eines Huhnes ist kurz, und das Futter hält sich darin nur wenige Stunden auf. Deshalb muss das Futter konzentriert sein. Rohfaserreiche und voluminöse Futtermittel (Grünfutter und Hackfrüchte) sind nicht geeignet. Das Hühnerei hat einen hohen Eiweißgehalt. (Wir erinnern uns daran, dass es diesem Nährstoff den Namen gab.) Deshalb brauchen die Legehennen eine gute Versorgung mit Protein hoher biologischer Wertigkeit. Es besteht ein hoher Bedarf an essenziellen Aminosäuren, insbesondere Methionin. Außerdem benötigen sie für die Eischalen viel Calcium, das heißt im Futter ein Ca : P-Verhältnis von 5 : 1. Der Energieanspruch richtet sich nach dem Körpergewicht und nach der Legeleistung. Die gesunkenen Getreidepreise veranlassen immer mehr Eiererzeuger, ihr Hühnerfutter selbst zu mischen. Wie Versuche bestätigen, hält die Selbstmischung einem Leistungsvergleich mit dem zugekauften Alleinfutter stand, wenn das hofeigene Getreide bedarfsgerecht mit Eiweiß, Mineral- und Wirkstoffen ergänzt wird. Weiterhin muss auf eine hohe Mischgenauigkeit und eine grobe Futterstruktur geachtet werden.
!!! Ein selbstgemischtes Legehennen-Alleinfutter könnte folgendermaßen zusammengesetzt sein:
Die Eierproduktion
64 % Getreide (speziell Weizen und Körnermais) 24 % Sojaextraktionsschrot 8 % kohlensaurer Kalk 2 % Sojaöl 2 % Mineralfutter mit Dotterfarbstoff Bevor jedoch auf die Eigenmischung umgestellt wird, sollten Kostenvergleiche vorgenommen werden. Beim Einsatz von Legehennen-Alleinfutter wird am Anfang und bei hoher Leistung täglich ca. 125 g vom Alleinfutter I und wenn die Legeleistung unter 70 % sinkt ca. 115 g vom Alleinfutter II (Tab. 181) verzehrt. Der Jahresverbrauch weißer Legehennen beträgt 43–46 kg Alleinfutter, bei braunen Legehennen wegen des höheren Lebendgewichts 45–47 kg (anfangs täglich 135 g Alleinfutter, später 125 g). Um der Futterverschwendung vorzubeugen, sollte man die Futtertröge nur zu einem Drittel des Fassungsvermögens füllen. Bei der Bodenhaltung wird auch noch die kombinierte Fütterung durchführt, das heißt je Henne werden anfangs 50 g täglich, gegen Ende der Legeperiode 60 g ganze Getreidekörner (Weizen und Mais) in der Einstreu angeboten, das Legemehl (Ergänzungsfuttermittel für Legehennen) in den Futtertrögen zur beliebigen Aufnahme. Der Jahresverbrauch beträgt etwa 25–27 kg Legemehl und 20 kg Körnerfutter. Bei dieser Methode kann eigenes Getreide direkt eingesetzt werden. Wer anstatt Legemehl das eiweißreiche Ergänzungsfutter für Legehennen verwendet, kann noch mehr eigenes Getreide unterbringen. Die Ration besteht dann aus 2/3 Getreide und 1/3 Ergänzungsfutter. Will man freiwillige Angaben über die Fütterung mit Getreide machen, müssen mind. 60 % Getreide in der Legehennenfütterung eingesetzt werden. Weiterhin dürfen in der Ration max. 15 % Getreidenebenprodukte enthalten sein. Bei der Auslobung einer einzelnen Getreideart muss diese mit mind. 30 % vertreten sein, bei der Herausstellung mehrerer Getreidearten muss der Anteil der einzelnen mind. 5 % betragen. Es ist notwendig, dass die Henne täglich alle Nähr- und Wirkstoffe im ausgeglichenen Verhältnis bekommt. Wenn sie zu wenig Eiweiß erhält, sinkt die Eierleistung. Deshalb sollte man diejenigen Fabrikate bevorzugen, die beim Rohprote-
535
9
9
Geflügelproduktion
Tab. 181 Inhaltsstoff-Anforderungen an Legehennenfutter Alleinfutter
I
Ergänzungsfutter** (Legemehl)
Eiweißreiches Ergänzungsfutter
0,35
0,54
II*
Methionin
%
mind.
0,32
0,28
Methionin + Cystin
%
mind.
Rohprotein
%
(mind.)
15,5–17,5
15–17
18
27
Gesamtzucker
%
max.
12
12
12
12
Calcium
%
3,2–4
3,7–4,5
2–6
Phosphor
%
0,48–0,63
0,45–0,6
0,6–0,8
0,65–1,25
Natrium
%
0,12–0,25
0,12–0,25
0,18–0,4
0,3–0,7
Mangan
mg/kg
mind.
40
40
60
120
Zink
mg/kg
mind.
60
60
100
180
Vitamin A
I.E./kg
mind.
6 000
6 000
9 000
18 000
Vitamin D3
I.E./kg
mind.
750
750
1 125
2 250
Riboflavin
mg/kg
mind.
2,5
ME
MJ
mind.
11
–
Mischungsverhältnis Ergänzungsfutter : Getreide
–
1
2,5
8,5–12
4
7,5
10 2:1
1:2
* = nur für Bestände mit weniger als 70 % Legeleistung vorgesehen ** = sofern das Futtermittel weniger als 4,5 % Ca enthält, ist anzugeben: „Zusätzlich Muschelkalk verfüttern“
ingehalt über 18 % beim Ergänzungsfutter bzw. über 27 % beim eiweißreichen Ergänzungsfutter liegen. Vom Calcium liefert das Legemehl nicht genug für den hohen Bedarf, der zur Bildung der Eischale notwendig ist. Man muss deshalb bei der kombinierten Fütterung je Henne monatlich 150–200 g Muschelschalen über einen Automaten anbieten. Bei Verwendung von LegehennenAlleinfutter wird die zusätzliche Gabe von Muschelschalen nötig, wenn der Ca-Gehalt der Mischung unter 4,5 % liegt. Sobald Körnerfutter angeboten wird, ist es auch notwendig, den Legehennen unlöslichen Grit vorzulegen. Diese kleinen Steinchen helfen bei der Zerkleinerung der Nahrung im Muskelmagen. Der Wasserbedarf je Henne beträgt 1⁄4 Liter, an warmen Tagen bis 1/3 Liter, was vor allem bei
536
der Verabreichung von Medikamenten über das Trinkwasser berücksichtigt werden muss. Die bedarfsgerechte Ernährung der Hennen im ökologischen Landbau ist nicht ohne Probleme. Zwar stehen die relativ proteinarmen Getreidearten und ihre Nebenprodukte aus ökologischem Anbau zur Verfügung, doch ist es schwierig, den Eiweiß- und besonders den essenziellen Aminosäurenbedarf – speziell Methionin – durch die Körnerleguminosen (Ackerbohnen, Lupinen, Wicken, Erbsen, Sojabohnen u. a.) zu decken. Da der Einsatz von reinen Aminosäuren verboten ist, kommen z.Zt. als zusätzliche Eiweißkomponenten Kartoffeleiweiß, Maiskleberfutter, Magermilchpulver oder Bierhefe zum Einsatz. Diese Futtermittel sind jedoch sehr teuer und nach dem Verfütterungsverbot von tierischem Eiweiß werden diese Komponenten auch verstärkt in
9.2
Abb. 191
Das Ei von innen
der konventionellen Ferkelfütterung eingesetzt, so dass auch die mengenmäßige Verfügbarkeit nicht immer gegeben ist. Trotzdem scheint diese Erweiterung nicht ausreichend zu sein, denn in der Praxis stellt man einen schlechten Gefiederzustand, geringe Hennengewichte, niedrige Eigewichte, helle Dotter und hohe Verluste fest. Weiterhin kann es bei Brauneierlegern durch bestimmte Futtermittel wie z. B. Ackerbohnen und Erbsen zu Stinkeiern kommen.
!!! Eine ökologisch ausgerichtete Futterration (nach LVS Kitzingen) könnte folgendermaßen aussehen: 20 % Mais – 30 % Weizen – 15 % Erbsen – 5 % Sojabohnen 5 % Grünmehl – 2 % Kartoffeleiweiß – 12 % Maiskleber 2 % Pflanzenöl – 7,5 % Futterkalk – 1,5 % Mineralfutter Die Ration enthält je kg 11,2 MJ ME, 190 g Rohprotein und 3,8 g Methionin.
9.2.3
Die Eierproduktion
Die Gewinnung von Qualitätseiern
Das Innere des Eies besteht zu 73–74 % aus Wasser, zu ca. 13 % aus Eiweiß und zu ca. 12 % aus
Fett. In den Rest teilen sich Kohlenhydrate und Mineralstoffe. Das Fett befindet sich ausschließlich im Dotter, während vom Eiweiß das Eiklar und das Eidotter etwa die gleiche Menge besitzen. Zwei Eier decken ein Fünftel des täglichen Eiweißbedarfes des Menschen. Beim Eisen und bei den Vitaminen A und D steuern die beiden Eier sogar einen höheren Beitrag zum menschlichen Tagesbedarf bei. Welche Wünsche haben die Verbraucher an die Qualität des Eies? Wie kann der Erzeuger diese Wünsche erfüllen (Abb. 191)?
9
!!!
|
|
Die Frische des Eies – das ist der wichtigste Wunsch – hängt vom Alter und von der Aufbewahrungstemperatur ab. Mit abnehmender Frische wird die Luftkammer größer. Ferner fließt beim Aufschlagen der Eier das Eiklar stärker auseinander, und das Eidotter wird flacher. Für den Erzeuger heißt die Devise: Eier mehrmals täglich einsammeln, bei 8 bis 10 °C lagern und rasch auf den Weg zum Endverbraucher bringen! Saubere Eier sind appetitlicher und schmecken besser. Vom Schmutz auf der Eischale werden Duftstoffe abgegeben und dringen durch die Poren in das Innere des Eies ein.
537
9
Geflügelproduktion Auf dem gleichen Wege wird der Geschmack auch beeinträchtigt durch minderwertiges Futter, schlechte Stallluft, dumpfige Einstreu, streng riechendes Verpackungsmaterial usw. Deshalb in der Bodenhaltung nur Abrollnester verwenden, eine ausreichende Zahl von Nestern im Nahbereich der Hennen aufstellen, die Nester sauber und trocken halten, reichlich einstreuen – bei allen Stallhaltungsformen die Eier oft einsammeln und in die gut belüftete Eikammer bringen sowie poröses Verpackungsmaterial verwenden! Eier nicht waschen, weil dadurch das Oberhäutchen zerstört wird und Krankheitskeime eindringen können. |
|
|
538
Die Dotterfarbe soll kräftig dunkelgelb sein. Sie ist abhängig vom Gehalt des Futters an Xantophyllen und anderen Farbstoffen, die mit dem Carotin chemisch verwandt sind und teilweise mit ihm zusammen vorkommen. Die wichtigsten Quellen für diese Farbstoffe sind Paprika, Luzernegrünmehl, Platamais, aber auch synthetisch hergestellte Carotinoide. Blutflecken und andere Fremdeinflüsse in den Eiern sind unerwünscht, denn sie verderben den Appetit. Sie werden beim Durchleuchten erkannt (allerdings schwierig bei braunschaligen Eiern) und müssen aussortiert werden. Eine feste Eischale wird für das mechanisierte Einsammeln und Sortieren, für den Transport, für die Lagerung und für das Kochen gebraucht. Sie hängt ab von erblichen Faktoren, vom Futter, von der Stalltemperatur, vom Alter und von Krankheiten (z. B. infektiöse Bronchitis und Newcastle Disease). Deshalb Junghennen aus Herkünften mit guter Schalenfestigkeit verwenden, für die notwendige Zufuhr von Calcium und Vitamin D im Futter sorgen, Schutzimpfungen gegen die genannten beiden Krankheiten durchführen, kranke Tiere aussortieren, an heißen Sommertagen den Stall kühl halten, bei längerer Haltungsdauer eine Legepause (Zwangsmauser) einlegen, eierschonende Techniken beim Eiersammeln und Sortieren bevorzugen.
Leider nimmt der Anteil der Bruch- und Knickeier auch mit dem Eigewicht und mit der Legeleistung zu. Es zeigt sich hier wieder, dass man nicht oder nur schwer eine größere Zahl von erwünschten Merkmalen gleichzeitig auf züchterischem Wege verbessern kann und dass man sich unter Umständen bei manchen Teilleistungen mit dem erreichten Niveau begnügen muss – etwa beim Eigewicht. (Nur ein Teil der Verbraucher will große Eier haben, ein anderer Teil vor allem billige Eier.) Auf jeden Fall ist das Problem der Schalenfestigkeit noch nicht zufriedenstellend gelöst und bedarf weiterer Forschungen und Anstrengungen in der Praxis. Beeinflusst wird die Schalenstabilität durch Züchtung und Haltung, aber besonders abhängig ist sie von der Fütterung. Bei den braunschaligen Eiern ist die Bruchfestigkeit im Durchschnitt nicht besser als bei den weißschaligen. EG-Vermarktungsnormen | Die EG-Vermarktungsnormen für Eier wurden seit 1968 durch mehrere Verordnungen des Ministerrates der EG und der mit der Durchführung dieser Verordnungen beauftragten Bundesbehörden geregelt. Zudem gilt seit Juli 1994 die deutsche Hühnereier-Verordnung, die den Verbraucher vor Salmonellen-Infektionen schützen soll. Daher müssen Eier während des Transportes und der Lagerung z. B. vor Verunreinigung, Feuchtigkeit, direkter Sonneneinstrahlung und starken Temperaturschwankungen bewahrt werden. Außerdem ist ab dem 18. Tag eine Kühltemperatur zwischen +5 °C und +8 °C vorgeschrieben, die Eier müssen spätestens 21 Tage nach dem Legen an den Verbraucher abgegeben werden (letzter Verkaufstag im Einzelhandel) und die Mindesthaltbarkeitsdauer beträgt maximal 28 Tage nach dem Legen. Die Verpackungs-, Klassifizierungs- und die Kennzeichnungsvorschriften müssen nicht angewandt werden bei Eiern, die Erzeuger an der Wohnungstür an den Letztverbraucher abgeben. Es wäre aber unklug von den Erzeugern, bei den Eiern, die an die Hausfrau direkt verkauft werden, einen geringeren Qualitätsmaßstab anzulegen als bei den Eiern, die an Großverbraucher bzw. Einzelhandelsgeschäfte abgesetzt werden sollen und deshalb nach den EG-Normen sortiert und klassifiziert werden müssen.
9.2
Die Eierproduktion
!!! Gewichtsklassen-Einteilung Bezeichnung
Kurzbezeichnung
Gewichtsspannen
Mindestnettogewicht
sehr groß
XL
73 g und darüber
7,3 kg/100 Eier
groß
L
63 g bis unter 73 g
6,4 kg/100 Eier
mittel
M
53 g bis unter 63 g
5,4 kg/100 Eier
klein
S
unter 53 g
4,5 kg/100 Eier
Ab 1. Januar 2004 unterscheiden die EU-Normen nur noch 2 Güteklassen: | Klasse A oder „frisch“ | Klasse B oder „Eier zweiter Qualität oder deklassiert“ (gemäß der Richtlinie 89/437/EWG nur für zugelassene Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie und für Nicht-Nahrungsmittelindustrie bestimmt) Eier der Klasse A, die bis zum 7. Tag nach dem Verpacken bzw. 9. Tag nach dem Legen vermarktet werden und eine Luftkammerhöhe von weniger als 4 mm aufweisen, können von Packstellen mit besonderer Eintragung mit „Extra“ oder „Extra frisch“ bezeichnet werden. Eier in Kleinpackungen können mit verschiedenen Gewichtsklassen angeboten werden mit Ausnahme der Eier der Güteklasse A mit der Bezeichnung „Extra“. Allerdings müssen das Nettogesamtgewicht und die Bezeichnung „Eier verschiedener Größe“ oder die verschiedenen Gewichtsklassen angegeben werden. Bei der Vermarktung der Eier nach EU-Norm müssen ab 1. Januar 2004 alle Eier der Güteklasse A mit einem amtlichen zehnstelligen Erzeugercode versehen sein (Abb. 192). Dieser gibt Auskunft über das Haltungssystem, das Herkunftsland und in Deutschland auch über das Bundesland, teilweise über die Region und über den Betrieb und Stall.
9.2.4
Die Kosten der Eiererzeugung
In der Eierproduktion entscheidet der letzte Cent über Erfolg oder Nichterfolg. Der Eiererzeuger muss deshalb alle für den Ertrags-Aufwands-Vergleich notwendigen Daten aufschreiben und sich am Ende jedes Wirtschaftsjahres oder jeder Legeperiode selbst Rechenschaft ablegen. Das ist
Abb. 192 Die neue EiKennzeichnung
539
9
9
Geflügelproduktion
besonders notwendig in den Gemischtbetrieben, um zu vermeiden, dass die möglichen Verluste aus der Hennenhaltung durch andere Betriebszweige ausgeglichen werden müssen. Weil die Hennenhaltung sehr wenig mit dem Gesamtbetrieb verzahnt ist und sich die benötigten Daten relativ leicht ermitteln lassen, kann die Wirtschaftlichkeit der Eierproduktion mit wenig Arbeits- und Rechenaufwand kontrolliert werden. Bei den Erträgen interessieren die Zahlen der gelegten und der verkauften Eier. Die im eigenen Haushalt verbrauchten Eier dürfen nicht vergessen werden. Für den Leistungsvergleich zwischen verschiedenen Jahren des gleichen Betriebes oder zwischen verschiedenen Betrieben errechnet man die Eierleistung je Anfangshenne (Anzahl der insgesamt gelegten Eier geteilt durch die Anzahl der aufgestellten legereifen Junghennen). Dieser Leistungsmaßstab ist genauer als die Eierleistung je Durchschnittshenne (der amtlichen Statistik) oder die Legeleistung in Prozent, weil die Verluste an Hennen während der Legeperiode berücksichtigt werden, die sehr verschieden sein können. Bei den Aufwendungen interessieren besonders die Futterkosten je Durchschnittshenne und je gelegtes Ei sowie die Wertminderungskosten. Als Wertminderung bezeichnet man den Unterschied zwischen den Junghennenkosten und dem Schlachterlös für die Suppenhenne. Bei der Betrachtung der Kennzahlen der Tab. 182 lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
!!! 1. Die wichtigsten Kostenfaktoren sind mit rund 1 ⁄ 2 der Erzeugungskosten das Futter und mit rund 1 ⁄ 4 der Erzeugungskosten die Wertminderung. Einsparungen oder Verteuerungen bei diesen Kosten wirken sich am nachhaltigsten auf die Kostenstruktur aus. 2. Hohe Legeleistungen je Anfangshenne verbilligen den täglichen Futteraufwand und damit die Futterkosten je Ei. Deshalb sollten je Anfangshenne mindestens 270 Eier im 1. Legejahr bzw. 320 Eier innerhalb von 15 Legemonaten angestrebt werden. 3. Hohe Legeleistungen je Anfangshenne sind nur mit relativ niedrigen Tierverlusten wäh-
540
rend der ersten 12 Legemonate zu erzielen. Diese sollten möglichst nicht über 9 % liegen. 4. Beim Verkauf an Sammelstellen werden nur die Kosten der leistungsfähigsten Erzeuger gedeckt.
9.3 Junggeflügelmast 9.3.1 Hähnchenmast Wer sich mit der Hähnchenmast – auch als Broilermast bezeichnet – beschäftigt, sollte von vornherein keine Illusionen über die Gewinnmöglichkeiten dieses Betriebszweiges hegen. Nur im Nahbereich einer leistungsfähigen und kaufmännisch geschickt geleiteten Geflügelschlachterei und mit einer vollkommenen Produktionstechnik kann ein Landwirt hoffen, durch die vertraglich abgesicherte Hähnchenmast einen angemessenen Beitrag zum Familieneinkommen erwirtschaften zu können. Als Hauptbetriebszweig im einzelnen Familienbetrieb eignet sich die Broilermast selten, erstens, weil nur die Hälfte des Gesamtarbeitsbedarfs auf die laufende, tägliche Versorgung entfällt, während sich der Rest des Arbeitsaufwands auf wenige Stunden – beim Einfangen der Tiere sowie beim anschließenden Entmisten, Reinigen und Desinfizieren – zusammenballt (dafür müssen – ohne Rücksicht auf dringende Feldarbeiten, strikt nach dem Fahrplan der Schlachterei – ein Dutzend Leute und mehr, auch nachts, zusammengeholt werden können). Zweitens, weil die Hähnchenmast sehr kapitalaufwändig ist. Produktionstechnik | Die Mastküken bzw. die Bruteier, aus denen die Mastküken stammen, werden nach Gewicht, aber auch – bei Durchführung der so genannten Roastermast (s. u.) – nach Geschlecht sortiert. Die weiblichen „Brathähnchen“ wachsen fast ebenso rasch wie die männlichen. Ihre Futterverwertung ist – bei niedrigem Endgewicht – nur um rund 5 % ungünstiger als die der echten Hähnchen. Die Mastküken, die in der Regel von der Schlachterei zur Verfügung gestellt werden, sollen vital und frühreif sein, sich rasch und mit Rücksicht auf den Verkaufswert hell befiedern, fleißig fres-
9.3
Junggeflügelmast
Tab. 182 Betriebsvergleiche in der Wirtschaftlichkeit der Legehennenhaltung 2001/02 (Baden-Württemberg – 10 bäuerliche Betriebe überwiegend mit Direkt-Vermarktung) nach F. Schöllhammer, 2003 Kennzahlen:
x
mind.
max.
Bestandgröße Legehennen/Betrieb
1 810
191
4 721
70
50
126
Legeleistung/Durchschnittshenne und Jahr (St.)
285
257
311
Futterverbrauch (g/Tag)
117
112
121
Futterverbrauch je Ei (g)
150
133
166
AK-Aufwand je Henne und Jahr (mind.)
Verluste (%) Junghennenpreis (e)
14,0
7,9
20,0
4,86
4,09
5,58
Futterpreis (e/dt)
24,98
19,70
37,99
Erlös/Ei (Ct.)
13,4
11,8
15,4
Erlös Schlachthenne (e) Marktleistung je Tier Futter
1,14
0,00
E je DH 38,49
4,63 Ct. je Ei 13,15
10,66
3,7
Wertminderung Tier
3,57
1,3
Energie/Wasser
0,78
0,3
Hygiene, GGD*, TSK**
0,30
0,1
Reparaturen/Sonstiges
0,63
0,2
Vermarktung
2,32
0,8
Summe der variablen Kosten
18,26
6,4
DB
20,23
7,1
2,57
0,9
17,66
6,2
0,40
0,2
Festkosten*** Betriebseinkommen Fremdlöhne
9
* Geflügelgesundheitsdienst ** Tierseuchenkasse *** Die Produktion findet z. T. in bereits abgeschriebenen Altgebäuden statt
sen und die Nährstoffe vorzugsweise in der Brust- und Schenkelmuskulatur ansetzen (Abb. 193). Mehr als 3 % Tierverluste einschließlich derjenigen auf dem Transport in die Schlachterei darf es nicht geben. Die Produktionstechnik gleicht in vielen Beziehungen der Kükenaufzucht, nur mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Masthybriden dreimal so rasch wachsen sollen wie die Legehybriden. Nach der Länge der Mast (Kurz-, Mittel-
langmast und Splittingverfahren), dem angestrebten Mastendgewicht (gewichtsorientierte Mast) oder nach der geschlechtsgetrennten Mast (Roastermast) erfolgt die Einteilung der verschiedenen Mastverfahren (Tab. 183). Von den verschiedenen Mastverfahren hat die vertraglich vereinbarte Kurzmast der „Brathähnchen“ die größte Bedeutung. Um den Absatz an Hähnchenfleisch zu sichern bzw. zu steigern, werden die Tiere zunehmend nicht nur als ganze
541
9
Geflügelproduktion
Tab. 183 Verfahren in der Hähnchenmast (nach Damme, 2002) Verfahren
Ziel
Kurzmast
1 500–1 550 g Broiler in 32 Masttagen, nicht geschlechtssortiert
Mittellangmast
2 100–2 300 g Hähnchen in 40–44 Masttagen
Splittingverfahren
Entnahme von 20–30 % der Tiere mit 32–34 Tagen, Weitermast des Restbestandes bis zum Alter von 45 Tagen
gewichtsorientierte Mast
Zielgewicht 1 850 g in 36–39 Tagen
Roastermast
geschlechtsgetrennte Mast; Hennen 40–42 Tage; Hähne 55–57 Tage
Tab. 184 Alleinfutter für Masthühnerküken (Broiler) Alleinfutter I Methionin
mind.
Rohprotein
mind.
22 %
18 %
Gesamtzucker
max.
12 %
12 %
Calcium Phosphor
mind.
Natrium
0,45 %
Alleinfutter II ab 5. Lebenswoche 0,36 %
0,8–1,2 %
0,7–1,2 %
0,6 %
0,55 %
0,12–0,25 %
0,12–0,25 %
Mangan
mind.
50 mg
50 mg
Zink
mind.
50 mg
50 mg
Vitamin A
mind.
6000 I.E.
6000 I.E.
Vitamin D
mind.
750 I.E.
750 I.E.
Riboflavin (B)
mind.
4 mg
4 mg
Vitamin B2
mind.
10 ? g
–
ME
mind.
12,5 MJ
12 MJ
Schlachtkörper vermarktet, sondern es findet bei schwereren Hähnchen auch eine Zerlegung statt, da diese Tiere einen hohen Anteil an den fleischreichen Teilstücken Brust und Schenkel aufweisen. Hohe Leistungen (Tab. 184) können nur mit nährstoffkonzentrierten Mastfuttermischungen erzielt werden, die neben einem hohen Energiegehalt alle notwendigen Nähr- und Wirkstoffe in ausreichender Menge enthalten. Anfangs erhalten die Küken das Alleinfutter in einer Pelletgröße von 2 mm, ab der 3. Woche die gleiche Mischung in 3-mm-Pellets. Ab etwa der
542
5. Woche kann auf das etwas eiweiß- und energieärmere Alleinfutter II umgestellt werden. Die Hähnchenmast wird in der Regel in der Bodenhaltung durchgeführt. Das Wärmeprogramm unterscheidet sich von dem des Legekükenstalles dadurch, dass zur Futterersparnis ständig eine hohe Raumtemperatur gehalten werden muss. Diese sollte während der ersten beiden Wochen 26 °C, in den beiden folgenden 24 °C und 22 °C betragen. Die Lichtquellen sollen während der ersten 9 Tage 3 Watt je m2, bis zum 15. Tag noch 1,5 Watt je m2 und anschließend bis Mastende nicht unter 1 Watt je m2
9.3
Junggeflügelmast
Tab. 185 Ergebnisse der Betriebszweigauswertung der Broilermast in Weser-Ems; Bayern und Baden-Württemberg; incl. MwSt – alle Daten bezogen auf ausgestallte Tiere (Klaus Damme, Geflügeljahrbuch 2004) Weser-Ems # von Kurz-, verlängerter Mast 2002 2001 Anzahl Durchgänge Durchgänge pro Jahr Mastdauer, Tage Verkaufsgewicht (g/Tier) Tägl. Zunahme (g/Tag)
49 7,07 37,7 2 031 50,9
848 7,25 38,4 1 962 51,0
Nord-/Südbayern Kurzmast
Baden-Württemberg Splitting
2002
2001
2002
2001
32
74
74
52
7,43 33,1 1 625 49,0
7,40 33,7 1 640 48,7
7,30 35,9 1 867 51,9
7,20 36,5 1 796 49,2
Futterverwertung, 1 :
1,83
1,79
1,77
1,73
1,75
1,75
Verluste Betrieb/Transp./ Verworfen (%)
5,17
5,00
5,51
4,93
6,40
6,20
Mastkennzahl Erlös e/Tier (e Schlachterei plus Kleinverkauf/ Eigenverbrauch/Bonus)
264
271
263
267
270
263
1,51
1,55
1,27
1,24
1,41
1,49
Futter
0,83
0,80
0,58
0,59
0,76
0,68
Küken
0,32
0,31
0,29
0,29
0,31
0,31
Tierarzt/Medikamente/ Desinfektion
0,04
0,04
0,03
0,03
0,05
0,05
Heizung/Strom/Wasser
0,08
0,05
0,07
0,04
0,08
0,08
Fremdlohn/Betreuer/ Sonstiges
0,06
0,04
0,04
0,08
0,06
0,05
1,33
1,24
1,01
1,03
1,26
1,17
Variable Kosten e/Tier DB Ct./Tier DB/Stallplatz (e) DB/qm Stall (e)
18 1,16 26
31 2,14 51
ausstrahlen. Die Beleuchtung ist hierbei täglich ca. 20 Stunden eingeschaltet. Die Besatzdichte sollte bei Mastende nicht mehr als 35 kg Lebendgewicht/m2 betragen, so dass z. B. bei einem Mastendgewicht von 1 400 g bzw. 1 750 g 25 bzw. nur 20 Tiere je m2 gehalten werden können.
!!! Bei den ausgewerteten Mastdurchgängen 2002 ergaben sich in Bayern bei der Kurzmast von
26 1,82 47
21 1,55 45
15 1,10 24
32 2,30 51
33,1 Tagen 7,43 Durchgänge im Jahr. Die täglichen Zunahmen von # 49 g und eine Futterverwertung von 1 : 1,77 führten zu einem Lebendgewicht von 1 625 g. Weitere Zahlen über Kosten und Erlöse – auch aus anderen Gebieten – zeigt die Tab. 185. Wie wichtig es ist, die Produktionstechnik zu beherrschen, damit z. B. möglichst hohe Tageszunahmen, eine gute Futterverwertung und mög-
543
9
9
Geflügelproduktion lichst geringe Verluste erreicht werden, wird deutlich, wenn man die Tab. 186 betrachtet. Nur in Bayern hat sich gegenüber 2001 der Deckungsbeitrag um 5 Cent je Tier erhöht, ansonsten gab es in Weser-Ems und in Baden-Württemberg gravierende Rückgänge auf 18 bzw. 15 Cent je Tier. Bei Berücksichtigung der Festkosten und der Arbeitskosten reduzierte sich der Gewinn auf 2 Cent/Tier im Gebiet Weser-Ems, 10 Cent in Bayern und minus 1 Cent in Baden-Württemberg, das heißt dass im letzten Fall die Akh nicht mit dem Stundenlohn von 12,80 e entlohnt werden konnte. Hier zeigt sich, dass die Hähnchenmast unter den herrschenden Bedingungen, aber mit Sicherheit bei Unvollkommenheit oder Störungen in der Produktionstechnik schnell in die roten Zahlen führt.
9.3.2 Putenmast Abb. 193
Lohmann Broiler (Werkfoto: Lohmann)
Die in Tab. 179 angegebenen Zahlen zeigen deutlich, dass sich Putenfleisch aufgrund seiner er-
Tab. 186 Beispiele für die Gewinnberechnung in der Broilermast – Erlös und Deckungsbeitrag aus Ringergebnissen – (Klaus Damme, Geflügeljahrbuch 2004) Faktor
Weser-Ems 2002 2001
Nord/Südbayern 2002 2001
Baden-Württemberg 2002 2001
1,51
1,55
1,27
1,24
1,41
1,49
1,33
1,24
1,01
1,03
1,26
1,17
0,18
0,31
0,26
0,21
0,15
0,32
Festkosten Offenstall/ Tier (e) Gebäude: 6,54 e/Platz (Afa 5 % + 1 % Rep.) Inneneinr.: 1,74 e/Platz (Afa 10 % + 1 % Rep.) Zinsansatz: 1⁄2 Investitionskosten zu 6 %
0,11
0,11
0,11
0,11
0,11
0,11
Betriebseinkommen/ Tier (e)
0,07
0,20
0,15
0,10
0,04
0,21
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
+0,02
+0,15
+0,10
+0,05
– 0,01
+0,16
Erlös e/Tier
Variable Kosten e/Tier einschließlich Fremdlöhne Ausstallung DB e/Tier
Kosten der Arbeit e/Tier 25 Akmin/100 Tiere bei 12,8 e/AKh Gewinn/Tier (e)
544
9.3 nährungsphysiologischen Vorzüge und seiner vielseitigen Verwendbarkeit immer größerer Beliebtheit erfreut. Die zunehmende Nachfrage bewirkt eine Steigerung der inländischen Produktion. Hierbei unterscheidet man eine Aufzuchtund Mastphase, die sowohl räumlich getrennt als auch durchgängig in einem Gebäude durchgeführt werden können. In der Regel erfolgt die Mast im Rein-raus-Verfahren; dies hat auch den Vorteil, dass die Tiere nicht durch den Umstallungsstress belastet werden. Aufzucht | Die Küken benötigen in den ersten 5 Aufzuchtwochen viel Wärme. Die Raumtemperatur sollte in der ersten Woche 25 °C, danach 18–22 °C betragen, wobei unter der Wärmequelle zunächst 33–35 °C sein sollten, anschließend darf die Temperatur je Woche um 2–3 °C abgesenkt werden. In Aufzuchtringen mit einem Durchmesser von 2,5 – 3 m können 8–10 Tage 250–300 Tiere gehalten werden. Die eingestreuten Hobelspäne müssen staubarm und frei vom Pilzbefall sein. Die Besatzdichte beträgt 8–10 Tiere je m2 in der Aufzuchtphase. Die Ventilatorleistung sollte 5–6 m3 Luft je Stunde und kg Lebendgewicht betragen. Auch ein Beleuchtungsprogramm wird durchgeführt. Es werden die ersten 2–4 Tage 24 Stunden eine 75–100-Watt Lampe eingesetzt, danach erfolgt eine allmähliche Reduzierung der Beleuchtungsdauer auf 12–14 Stunden ab 12. Tag, wobei die Helligkeit von 120 Lux am Anfang auf ca. 10 Lux nach 2 Aufzuchtwochen zurückgenommen wird. Der Schnabel wird in der Brüterei mit Hilfe der Lasermethode gekürzt.
Junggeflügelmast
Eine Rundtränke reicht für 80–100 Tiere, wobei je Tier 1,3–1,6 cm zur Verfügung stehen sollte. Ein Rundtrog mit 45 cm Durchmesser kann für 35–80 Puten eingesetzt werden, wobei in der Aufzucht 4 cm je Pute benötigt werden. Die Jungtiere erhalten in den ersten beiden Wochen ein mehlförmiges Alleinfutter für Truthühnerküken mit 28 %, in der 3. – 5. Woche ein Alleinfutter mit 26 % Rohprotein. Bei einem Verbrauch von ca. 2,4–2,8 kg Futter wird je nach Rasse und Geschlecht bei einer Futterverwertung von 1 : 1,6 ein Gewicht von ca. 1,5–1,8 kg erreicht. Mast | Die Mast kann in zugfreien Um- und Neubauten durchgeführt werden. Hierbei wird unterschieden zwischen herkömmlichen Ställen ohne Seitenlüftung und Gardinenställen mit Entlüftung im Dachfirst und mit Luftzutritt an den Stalllängsseiten, wobei die Regulierung durch Rollos oder Zuluftklappen erfolgt. In modern eingerichteten Ställen steuert ein Computer die Funktionen: Heizung, Lüftung, Beleuchtung und Futterzuteilung. Besonders ist auf die Einstreu zu achten. Hier dürfen keine nassen Stellen oder Oberflächenkrusten entstehen, die zu den unerwünschten Brustblasen führen und auf jeden Fall vermieden werden müssen. Bei der Putenmast unterscheidet man zwischen Kurz-, Mittel- und Langmast (Tab. 187), wobei sich die lange Mastdauer in Deutschland mit über 90 % Anteil durchgesetzt hat. Im Gegensatz zu den leichten und mittelschweren Puten wird die Langmastpute überwiegend teilstückzerlegt verkauft.
Tab. 187 Gewichtsentwicklung und Besatzdichte bei den verschiedenen Mastformen (DLG Merkblatt 248) Mastsystem Kurzmast
Mittelmast
Langmast
Alter in Wochen
Endgewicht kg
Besatzdichte Tiere/m2
Hennen
9–11
4(3–5)
8–7
Hähne
12–14
7(7–8)
6–7
Hennen
12–14
6(5–7)
4–5
Hähne
14–18
11(9–13)
3–4
Hennen
16–18
8,5(8–9)
3–4
Hähne
15–24
17(10–17)
2–3
545
9
9
Geflügelproduktion
Tab. 188 Phasenfutterprogramm und Futterverbrauch bei getrenntgeschlechtlicher Mast (DLG Merkblatt 291) 6-Phasenfutter für Hähne 1. und 2. LW2 Futter 2
3.–5. LW Futter 2
6.–9. LW Futter
I
mit 29,0 % RP und 11,6 ME MJ/kg
0,4 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
II mit 26,5 % RP und 11,6 ME MJ/kg
2,3 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
III mit 24,0 % RP und 11,8 ME MJ/kg
6,6 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
2
IV mit 21,0 % RP und 12,2 ME MJ/kg
10,2 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
2
V mit 18,0 % RP und 12,6 ME MJ/kg
13,3 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
2
VI mit 15,0 % RP und 13,0 ME MJ/kg
21,7 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
10.–13. LW Futter 14.–17. LW Futter 18.–22. LW Futter
3
5-Phasenfutter für Hennen 1. und 2. LW2 Futter
I
mit 30,0 % RP und 11,6 ME MJ/kg
0,4 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
3.–5. LW2 Futter
II mit 28,0 % RP und 11,6 ME MJ/kg
1,9 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
2
6.–9. LW Futter
III mit 24,5 % RP und 12,8 ME MJ/kg
5,3 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
2
IV mit 21,0 % RP und 13,2 ME MJ/kg
8,0 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
2
V mit 18,5 % RP und 13,6 ME MJ/kg
10,0 kg Futterverbrauch/Tier/Periode
10.–13. LW Futter 14.–16. LW Futter
Futterzusatzstoffe sind: Schwarzkopfmittel, Kokzidiostatika, Leistungsförderer 2 3
LW = Lebenswoche nur möglich, wenn Hähne und Hennen getrennt gehalten werden
In der Praxis hat sich bei getrennter Mast für die weiblichen Küken ein 5- und bei den männlichen Küken ein 6-Phasen-Futterprogramm bewährt, da hierdurch eine optimale Anpassung an die Bedarfswerte der Tiere erfolgt (Tab. 188). So ist mit zunehmendem Alter in den einzelnen Phasen eine Energieerhöhung des Futters vorgesehen, während der Gehalt an Rohprotein und Aminosäuren verringert wird. Wie bei der Hähnchenmast muss auch bei der Mast der Puten die Produktion optimal gestaltet werden, damit ein entsprechendes Einkommen erzielt werden kann. Neben der angepassten Fütterung ist auf Hygiene und Tiergesundheit besonderer Wert zu legen. Die Tierverluste sollten möglichst gering sein. Einschließlich der verworfenen Tiere durch die Schlachterei können sie 7–9 % betragen, wobei die Verluste bei den Hähnen bei 10,86 % und bei den Hennen bei etwa der Hälfte (5,64 %) lagen (s. Tab. 189). Abb. 194 Putenmast in Bodenhaltung – mit Rohrfütterungsanlage (Werkfoto: Big Dutchman)
546
9.3 Tab. 189 Mast von schweren Big 6 Zerlegeputen – Biologische Kennzahlen und Leistungen – Jahresauswertung LK Rheinland (vorläufig) – Quelle: M. Schmitz-Du-Mont Anzahl Betriebe:
Tab. 190 Vertikaler Vergleich der Putenmast – ökonomische Daten (incl. MWSt.) – Jahresauswertung 2001 NS, Hessen, NL (P. Nordhues 2002) – LK Rheinland 2002 (M. Schmitz-Du-Mont) # Hähne und Hennen 2001 20021
22
2
Mastfläche (m )
3 300
Anteil Hähne (%)
58,16
Besatzdichte Aufzucht (Tiere/m2)
10,5
Besatzdichte Hennen/Hähne (T./m2)
Ertrag/Tier (e)
15,89
13,40
Direkte Kosten/Tier (e) 12,24
11,39
3,65
2,01
1,05
1,302
2,60
0,71
41,94
23,12
0,28
0,16
DB I (e/Tier)
5,4/3,2
Masttage Hennen
111
Feste Kosten (e/Tier)
Masttage Hähne
144
Betriebseinkommen (e/Tier)
Durchgänge Jahr
2,80
LG/qm und Jahr (kg)
22,20
Endgewicht Hähne (kg)
19,79
Endgewicht Hennen (kg)
9,83
Tägliche Zunahmen Hähne (g)
137
Tägliche Zunahmen Hennen (g)
89
Futterverwertung #
+ + o 1:
2,65
Verluste Hähne (%)
10,86
Verluste Hennen (%)
5,64
Abzüge Schlachterei Hähne (%)
3,18
Erlös (e/kg LG) o
0,98
+
DB I (e/m2 Stall und Jahr)
168
Futterkosten (e/dt)
!!! Bei der Jahresauswertung (Tab. 190) ergab sich im Jahr 2002 ein Durchschnittsertrag von 13,40 e je Tier. Dem standen 11,39 e direkte Kosten und 1,30 e feste Kosten gegenüber, so dass sich daraus ein Betriebseinkommen von 0,71 e je Tier errechnet. Dies ist noch nicht einmal 1 ⁄ 3 des Ergebnisses von 2001. Der Deckungsbeitrag I beläuft sich auf 0,16 e je kg Schlachtgewicht. Auch wenn sich die Situation zukünftig bessern sollte, zeigen die geringen Erträge in der Vergangenheit, dass nur der Landwirt in die Putenmast einsteigen sollte, der neben genügend Kapital und Fachwissen auch verlässliche Lieferanten und abgesicherte Mastverträge hat.
Junggeflügelmast
DB I (e/kg SG) 1
2
aus dem Kalenderjahr 2002 kamen bisher lediglich 30 % der Mitgliedsbetriebe zur Auswertung, der Zusammenschluss mehrerer Arbeitskreise führt zu höheren Festkosten, da der Anteil neuwertiger Stalleinheiten deutlich zugenommen hat
9.3.3 Andere Arten von Schlachtgeflügel Der Verzehr der deutschen Bevölkerung verteilte sich im Jahr 2002 auf die einzelnen Arten des Schlachtgeflügels sehr unterschiedlich. Während der Pro-Kopf-Verbrauch beim Fleisch in Deutschland seit 1993 (95,2 kg) stetig zurückging und im Jahr 2002 auf 89,0 kg gesunken ist, hat er sich bei Geflügelfleisch im gleichen Zeitraum von 12,4 kg in 1993 über 14,1 kg (1996) und 15,3 kg (1999) auf 17,5 kg in 2002 erhöht. Hierbei war die Entwicklung in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich. Während der Pro-Kopf-Verbrauch seit Jahren bei Enten zwischen 0,9 und 1,0 kg und bei Gänsen zwischen 0,3 und 0,4 kg schwankte, waren bei Hähnchen und Puten eine ansteigende Tendenz festzustellen. Die BSE-Krise brachte in 2001 nur den Hähnchen einen größeren Absatzschub, so dass dieses Niveau in 2002 nicht ganz gehalten werden konnte. Doch liegt dieser Wert (8,9 kg) deutlich – um 700 g – über der Zahl von 2000 (8,2 kg).
547
9
9
Geflügelproduktion
Tab. 191 Geflügelfleischverbrauch und Selbstversorgungsgrad in Deutschland im Jahr 2002 (ZMP-Eier/Geflügel, 2003) Gesamtverbrauch in 1 000 t
Anteil %
Pro-KopfVerbrauch kg
Selbstversorgungsgrad %
Hühner insgesamt
804,0
56,0
9,7
79,5
davon Hähnchen
732,0
50,9
8,9
80,1
davon Suppenhennen
72,0
5,1
0,9
73,6
Enten
75,8
5,1
0,9
59,7
Gänse
27,5
1,7
0,3
14,5
535,4
37,1
6,5
65,3
17,5
71,9
Puten und sonstiges Geflügel Geflügelfleisch, insgesamt
1 442,7
Es ist eine weitere Steigerung beim Geflügelfleischverbrauch zu erwarten, allerdings dürfte
548
˚ 100
sich dieser auf Hähnchen und Puten beschränken.
10 Schafproduktion
nach oben gerichtet, kann aber mit anderen EULändern nach wie vor nicht konkurrieren. Trotzdem liegt der Selbstversorgungsgrad bei Lammfleisch in Deutschland nur bei etwa 50 %. Beim Verbrauch von Schaffleisch spielen in Deutschland die ca. 7 Mio Bürger mit ausländischer Herkunft eine besondere Rolle. Ihrem geschätzten Verzehr von 15–20 kg Schaffleisch je Kopf und Jahr stehen die deutschen Haushalte mit einem geringen Verzehr von 200–300 g Lammfleisch je Kopf gegenüber.
Obwohl die Schafhaltung nur mit 0,1 % zu den Verkaufserlösen der deutschen Landwirtschaft beiträgt, kann ihr im Einzelbetrieb große Bedeutung zukommen. Dabei steht zumeist die Fleischerzeugung im Mittelpunkt. Sie ist in Umkehrung früherer Verhältnisse heute mit 95 % am Rohertrag der Schafhaltung beteiligt, die Wolle nur noch mit 3 % (2 % entfallen auf Verkauf lebender Tiere). Die wirtschaftliche Fleischerzeugung bestimmt also heute entscheidend den Erfolg der Schafhaltung. Die Tab. 192 zeigt Entwicklungen der Schafhaltung in der Bundesrepublik auf. Bis in die achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts nahm der Bestand an Schafen ab, danach aber wieder zu. In den frühen neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts folgte zunächst ein rasanter Abbau, der erst 1996 zum Stillstand kam. Seitdem bewegt sich der Gesamtbestand mit leichten jährlichen Schwankungen um die Zahl von 2,7 Mio Stück. Der Verzehr von Schaffleisch ist entgegen dem allgemeinen Trend bei Fleisch
10.1 Betriebsformen Schafhaltung ist in vielfältigen Organisationsformen anzutreffen. Als Hauptgruppen lassen sich Koppelhaltung, stationäre Hütehaltung und Wanderschäferei unterscheiden. Ihre relative Bedeutung hat sich durch die Wiedervereinigung zwar zunächst in Richtung auf die standortungebundenen Formen der Schafhaltung verschoben,
Tab. 192 Schafbestände, Schaffleischerzeugung und Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland und ausgewählten EU-Ländern 1935/38 Schafe
(1 000)
Schaffleischerzeugung
(in 1 000 t)*
Schaffleischverzehr
(kg/Kopf)
Bundesrepublik Deutschland 1965/68 1982 1997
1 889
812
1 172
18
20
20
0,3
0,2
2002
2 302
0,8
2003
2 145
2079
43,7**
44,2**
46,0
1,2**
1,1**
1,01)
EU-Staaten 2003 (Schafe + Ziegen) F Schafe (in 1 000) Erzeugung (in 1000 t)* Verzehr (kg/Kopf)
VK
I
10 191
24 663
8 913
136
300
60
4,4
6,0
IR
1,5
GR
E
4 850
14 404
25 997
100 624
63
122
251
1 035
5,6
13,6
EU 15
6,0
3,4
* Schlachtgewicht ohne Innereien ** Schaf- und Ziegenfleisch 1) vorläufig
549
10
10 Schafproduktion inzwischen aber den vorherigen Gegebenheiten wieder angenähert. Das seit langem vorherrschende Preis : KostenVerhältnis zwingt zur Intensivierung der Schafhaltung und führte zu einer starken Ausweitung der Koppelschafhaltungen auch außerhalb ihrer Ursprungsregionen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Etwa 42 % der Schafe in der Bundesrepublik Deutschland sind den Koppelschafhaltungen zuzurechnen. Hauptkennzeichen sind:
!!! 1. Die Schafe werden in eingezäunten Grünlandkoppeln gehalten. Die Ernährung stützt sich also vorwiegend auf Rindviehfutter. Nach den Begriffen der Betriebswirtschaftler handelt es sich um Hauptfutterflächen, die in der Bundesrepublik mit einem mehr oder weniger hohen Anteil an festen Kosten vorbelastet sind. 2. Absolutes Schaffutter kann entweder (wie Wegraine) überhaupt nicht bzw. nur (wie abgeerntete Getreide- und Zuckerrübenschläge) nach Aufstellen eines Wanderzaunes (Elektroknotengitter) genutzt werden. 3. Die ständige Überwachung durch den Schäfer wird eingespart. Die Schäferhunde werden durch ausbruchsichere Zäune ersetzt. 4. Die Bestandsgröße kann an die verfügbare Futterfläche und/oder an Teilkapazitäten der sowieso vorhandenen Arbeitskräfte bzw. Familienangehörigen angepasst werden. Die wichtigste und aufwändigste Arbeit, nämlich die Ablammung, fällt in den Winter und trägt zum Arbeitsausgleich bei. 5. Die Gefahr der Verseuchung mit Parasiten, insbesondere mit Magen-Darm-Würmern, ist größer, weil die Schafe beim Umtriebssystem rascher auf die gleiche Futterfläche zurückkehren.
Auf stationäre Hütehaltungen entfallen etwa 40 % des Schafbestandes. Unter dem Sammelbegriff finden sich sowohl die Herden der selbstständigen Schäfer und der Gutsschäfereien als auch die Deichschäfereien und die Genossenschaftsschäfereien. Ortsgebundene selbstständige Schäfer halten ihre Schafe meist auf Pacht-
550
land. Stroh gibt es als Gegengabe von Landwirten, denen auf freien Ackerflächen durch Pferchen das Mistfahren erspart wird. Die Rentabilität der Gutsschäfereien ist besonders durch hohe Fremdlohnbelastung vor ernste, z. T. nahezu unlösbare Probleme gestellt. Die Deichschäferei hat wegen der bodenfestigenden, die Mäuse vergraulenden und die Bestockung der Gräser fördernden Wirkungen besondere Bedeutung für den Küstenschutz an der Nordsee und an den Flussmündungen, ist aber natürlich auf diese Regionen beschränkt. Die auf den Deichen und im Deichvorland grasenden Schafe werden in der Regel nicht gehütet, sondern nur locker beaufsichtigt. Diese Haltungsform ist der Koppelschafhaltung in manchem ähnlich. Die Wanderschäferei ist durch einen rückläufigen Trend gekennzeichnet, auch wenn sie noch etwa 18 % des Schafbestandes betrifft und südlich der Mainlinie vorherrscht. Die Wanderherden nutzen im Sommer Ödlandflächen und andere Hutungen in den gebirgigen Lagen, wechseln im Herbst zur Hackfruchtnachweide in die Ackerbaugebiete und überwintern in klimatisch begünstigten Regionen (Oberes Rheintal, Bodenseegebiet) unter Nutzung der dort gelegenen Grünlandflächen (Abb. 195). Probleme für diese Haltungsform sind wachsender Verkehr, zu knappe Winterfutterversorgung, Zwistigkeiten mit den Eigentümern der Weideflächen, zu lange Mastzeiten, abnehmendes Kaufinteresse für fette Hammel, Nachwuchsmangel. Seitdem in vielen Regionen des Bundesgebietes Brachflächen vorhanden sind, fallen der Wanderschäferei und den ortsgebundenen selbstständigen Schäfern neue Aufgaben in der Landschaftspflege und Erhaltung der Kulturlandschaft zu. Das Schaf ist wie kein anderes Haustier in der Lage, Brachflächen vor der Verbuschung zu bewahren und dadurch die Landschaft offen zu halten. Damit gebührt der Schafhaltung Vorrang vor allen anderen mechanischen oder chemischen Maßnahmen zur Landschaftspflege. Es erscheint gerechtfertigt, diese Leistung der Schafe durch spezielle Entgelte aus dem Steueraufkommen zu honorieren und damit den niedrigen Erlösen zu begegnen.
10.2 Leistungen und Leistungsprüfungen Abb. 195 Schafherde bei Meiningen/Thüringen – sinnvolle Graslandnutzung im Industriegebiet durch Hütehaltung von Schafen (Foto: Pabst)
10.2 Leistungen und Leistungsprüfungen 10.2.1
Die Wollleistung
Das Schaf ist nach dem Hund das zweitälteste Haustier. Seine Domestikation ist eng mit der Nutzung der Wolle verbunden. In der deutschen Schafzucht hatte die Selektion auf Wollmenge und Wollqualität, die zunächst auch die Umstellung auf betonte Fleisch- und Fruchtbarkeitsleistungen überstand, früher einen sehr hohen Stellenwert. Wollpreise, die kaum noch die Kosten für die Schur tragen, bringen es mit sich, dass die Wolle in der Zuchtarbeit vernachlässigt wird. Gleichzeitig wendet sich das Interesse Schafrassen zu, die nur noch selten oder gar nicht geschoren werden müssen (z. B. Haarschafe). Von den zahlreichen Wolleigenschaften gilt mit Rücksicht auf die Weiterverarbeitung die Wollfeinheit, das heißt die Dicke des einzelnen Wollhaares, als besonders wichtig. A-Wollhaare der Merinos mit einer Dicke von etwa 20 ? m (Mikrometer, Tausendstel mm) gelten als fein, die EEWollen der Karakuls mit einem Durchmesser von 40 bis 45 ? m als grob. Zwischen diesen Grenzen liegt die Wollfeinheit der deutschen Rassen. Außer von der Rasse hängt die Wollfeinheit ab vom Alter, vom Geschlecht, von der Ernährung und anderen Umweltfaktoren, aber auch von der Körperregion des Tieres. Die Qualitätsmerkmale der Wolle, insbesondere Feinheit, Ausgeglichen-
heit und Farbe, werden bei den Herdbuchaufnahmen beurteilt und registriert. Im Allgemeinen werden Schafe einmal jährlich geschoren (Vollschur), meistens im Frühjahr (ansteigende Temperaturen). Eine Schur im Herbst kann im Hinblick auf Belegdichte, Sauberkeit und Ablammhygiene während der Stallhaltung Vorteile bringen. Winterschur setzt geeignete Ställe und die Schafschur insgesamt die nötige Sachkenntnis voraus, damit den Schafen keine vermeidbaren Schmerzen zugefügt werden.
10.2.2
Die Fleischleistung
Die Fleischleistung wurde in der Vergangenheit vor allem durch die Zuchtwahl nach dem Äußeren gefördert, wobei – allerdings bei den verschiedenen Rassen mit unterschiedlicher Dringlichkeit – auf einen breiten Rücken und gute Keulen geachtet wurde. Die Bewertung der äußeren Erscheinung ist auch gegenwärtig Bestandteil des Gesamtsystems der Leistungsprüfungen. Das Tierzuchtgesetz schreibt sie für Zuchtböcke vor. Auch die Gewichtsfeststellungen (früher der Mutterschafe, heute meist der Jährlinge und Böcke) und ihre Berücksichtigung in der Zucht wirkte sich auf die Fleischleistung aus. Systematische Fleischleistungsprüfungen werden als Feld- und auch als Stationsprüfungen vorgenommen. Ihre Ergebnisse sind bei den Böcken Grundlage für die Zuchtwertschätzungen, deren Einzelheiten in der Verordnung über Leistungsprüfungen und Zuchtwertfeststellungen
551
10
10 Schafproduktion beim Schaf geregelt sind. Die Feldprüfung (vgl. Kap. 4.2.2) erstreckt sich auf die Abschätzung der Bemuskelung durch eine subjektive Bewertung von Keule, Rücken und Schulter sowie auf die Wiegung der Lämmer und Böcke zur Ermittlung der Absetz- und Auktionsgewichte. Vergleichbar zur Leistungsprüfung bei Schwein und Rind wird auch beim Schaf zunehmend die Ultraschallmessung angewandt. Damit lassen sich die Dicke des Rückenmuskels und die Fettauflage auch am lebenden Tier relativ genau bestimmen. Mit der Stationsprüfung von Böcken wurde Mitte der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts in Kassel-Wilhelmshöhe begonnen. Inzwischen werden Halbgeschwister-/Nachkommenprüfungen sowie Eigenleistungsprüfungen von Stationen in fast allen Bundesländern durchgeführt. Die Halbgeschwistergruppen bestehen aus mindestens acht männlichen Lämmern, die unter gleichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen auf ihre Tageszunahme, ihre Futterverwertung (Futteraufwand je kg Zuwachs) und ihre Schlachtkörperqualität geprüft werden. Als Prüfungsabschnitt dient die Zeit von 20–42 kg Lebendgewicht. Die Schlachtkörperqualität wird entweder am lebenden Tier subjektiv beurteilt (mindestens Keule, Rücken und Schulter) oder durch Ultraschall am Rückenmuskel gemessen. Zusätzlich erfolgt bei einem Teil der Tiere eine Schlachtkörperbewertung der Fleischfülle und Verfettung nach einem von der DLG entwickelten Schema mit neun Punkten je Merkmal (Keule, Rücken, Schulter, Oberflächen- und Nierenfett). Weitere
bei der Schlachtung ermittelte Kriterien sind die Rückenlänge, die Fläche des Rückenmuskels zwischen der fünften und sechsten Rippe, die Schlachtausbeute, das Gewicht des Nieren- und Beckenhöhlenfettes und zusätzliche Schlachtkörpermaße. Ausgewählte Prüfergebnisse der Station Neu-Ulrichstein sind in Tab.193 dargestellt. Obwohl Schwarzköpfige Fleischschafe und Texelschafe zu den Fleischrassen zählen, sind Unterschiede zu erkennen. Noch viel größer werden diese, wenn Schafe verschiedener Rassegruppen (vgl. Kap. 10.3) verglichen werden. Wer also Schaffleisch erzeugen will, ist gut beraten, wenn er sich an den Wünschen seiner Abnehmer orientiert und danach die für seine Gegebenheiten am besten geeigneten Herkünfte auswählt.
10.2.3 Die Zuchtleistung
!!! Von allen Leistungen der Mutterschafe hat die Zuchtleistung die größte Auswirkung auf den wirtschaftlichen Erfolg. Bei niedrigen Erlösen und bei steigenden Löhnen müssen sich die Mutterschafe ihr Aufzucht- und Erhaltungsfutter durch eine möglichst große Zahl von vitalen, frohwüchsigen, mastfähigen Lämmern verdienen. Güste (unfruchtbar bleibende) Schafe müssen aussortiert und rasch verkauft werden. Deshalb sollte sich der Schafhalter besonders für das Verhältnis zwischen der Zahl der jährlich aufgezogenen Lämmer und der Anzahl der gehaltenen Mutterschafe interessieren.
Tab. 193 Ergebnisse der Mast- und Schlachtleistungsprüfung in Hessen* Schwarzköpfige Fleischschafe
Texelschafe
1977
1988
1997/98
402
453
2 413
2 125
Tageszunahmen im Prüfungsabschnitt g Futterverwertung STE/kg Zuwachs Rückenmuskelfläche cm2 Nierenfett
14,7 –
15,2 163
2001/02 456 34,31 15,4 194
433
MerinoLandschafe 2001/02 462 33,51
1 806 18,4 121
15,7 209
* zusammengefasste Werte aus Halbgeschwister-, Nachkommen- und Eigenleistungsprüfung MJ ME/kg
1
552
10.2 Leistungen und Leistungsprüfungen Zur Feststellung der Fruchtbarkeitsleistung erfassen die Zuchtbetriebe die Zahl der gedeckten Schafe, der ablammenden Mutterschafe, der lebend und tot geborenen Lämmer und die Zahl der aufgezogenen, das heißt der am 42. Tag nach der Geburt noch lebenden Lämmer. Daraus lassen sich verschiedene Leistungskennzahlen, wie die Produktivitätszahl (PDZ), bestimmen. Zahl der aufgezogenen Lämmer Zahl der dem Bock zugeführten Mutterx 100 schafe Weitere wichtige Kennziffern sind: Fruchtbarkeitszahl (Ablammrate AR): geborene Lämmer x 100 gedeckte Schafe* Befruchtungsziffer (BZ): lammende Schafe x 100 gedeckte Schafe* * bzw. dem Bock zugeführte Mutterschafe Ablammergebnis (AE): geborene Lämmer x 100 gelammte Schafe Aufzuchtergebnis (AUE): aufgezogene Lämmer x 100 lammende Schafe Aufzuchtziffer (AUZ): aufgezogene Lämmer x 100 lebend geborene Lämmer
? Warum nimmt die Bedeutung der Leistungskennzahlen in der Reihenfolge Ablammergebnis – Fruchtbarkeitszahl – Produktivitätszahl zu?
In einem gut geführten Betrieb sollte die Zahl der gedeckten Schafe mit der Zahl der dem Bock zugeführten Mutterschafe übereinstimmen. Schafe, die güst bleiben, also nicht gedeckt wurden oder nicht aufnahmen, belasten die Rentabilität der Schafhaltung. Tab. 194 informiert über im Jahre 2003 in Niedersachsen ermittelte Zuchtleistungen ausgewählter Rassen. Das Netz an Leistungsprüfungen in der Schafzucht wird vervollständigt durch die Milchleistungsprüfung beim Milchschaf. Sie wird nach den international anerkannten Regeln von entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern der Kontrollverbände durchgeführt. Für die Zuchtwertschätzung maßgeblich ist hier die durchschnittliche 150-Tagesleistung mit mittleren Ergebnissen von ca. 320 kg Milch, 5,5 % Fett und 5 % Eiweiß. Wie lässt sich die Fruchtbarkeit verbessern? | Ein Mutterschaf mit Zwillingen verursacht zwar – je nach Mastendgewicht der Lämmer und Kraftfutteranteil – um 15–30 % höhere Futterkosten als ein Mutterschaf mit einem Lamm. Aber es bringt dafür um 60–80 % höhere Einnahmen. Deshalb konzentriert sich ein Teil der Bemühungen, die Fruchtbarkeit zu verbessern, auf die Vermehrung der Zwillingsträchtigkeit. Diese hängt ab von der Rasse, vom Alter (5–6jährige Mütter bringen mehr Zwillinge als die Jährlinge), vom Gesundheits- und Futterzustand der Mutterschafe, vom Zeitpunkt des Deckens und von anderen Umweltfaktoren. (Koppelschafe sind häufig fruchtbarer als gehütete Schafe, was auf das ungezwungenere Sexualgeschehen zurückgeführt wird.)
10
Tab. 194 Zuchtleistungen ausgewählter Schafrassen im Kammergebiet Hannover (Jahr 2003 in %) Rasse
Ablammergebnis
Aufzuchtergebnis
Schwarzk. Fleischschaf
154
146
Merino-Fleischschaf
199
185
Texelschaf
171
150
Suffolk
173
162
Milchschaf
204
192
weiße hornlose Heidschnucke
128
115
Romanow
282
251
553
10 Schafproduktion Durch eine Verbesserung der Haltungsbedingungen, von denen noch zu sprechen sein wird, lässt sich häufig die Fruchtbarkeitsleistung steigern. Dazu können auch biotechnische Maßnahmen beitragen (z. B. Brunstsynchronisation). Eine weitere Methode, die jährliche Aufzuchtleistung zu verbessern, kann darin bestehen, den Abstand zwischen den Ablammzeiten zu verringern, also die Mutterschafe dreimal in zwei Jahren ablammen zu lassen. Diese Methode erfordert neben einem guten Herdenmanagement und ausreichenden Erfahrungen des Schäfers ein frühzeitiges Absetzen der Lämmer und asaisonale Brunst der Muttern (z. B. Merino-Fleischschafe). Die meisten Schafe werden durch die abnehmende Tageslänge im Spätsommer und Herbst zur Brunst angeregt und bringen die Lämmer – nach rund 150 Tagen – am Ende des Winters. Für welchen Weg der Verbesserung der Herdenfruchtbarkeit sich ein Schafhalter entscheidet, hängt also vom Futteranfall, von der Haltungsform, von der Mastform und von der Rasse ab. Die Tatsache, dass es Rassen mit hoher Fruchtbarkeit gibt (das Ostfriesische Milchschaf, das Finnschaf, das Russische Romanow-Schaf und die Booroola-Merinos), beweist aber, dass die Fruchtbarkeit auch eine erbliche Komponente hat (Heritabilität 0,1–0,2) und dass eine Zucht auf Fruchtbarkeit deshalb erfolgversprechend ist. Eine Variante besteht in der Einkreuzung der besonders fruchtbaren Rassen. In Betracht kommt dabei auch die Nutzung spezieller Fruchtbarkeitsgene. Diese in der Schafzucht seit einigen Jahren diskutierte Alternative stützt sich auf die in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckten Fruchtbarkeitsgene, bei denen es sich um Einzel- oder so genannte Hauptgene handelt, welche die Ovulationsrate positiv beeinflussen. Die Mehrzahl dieser sieben bis acht bisher bekannten Gene wird nach den Mendel’schen Regeln für intermediären Erbgang vererbt. Sie befinden sich auf unterschiedlichen Genorten und sind auch unterschiedlich wirksam. Die bekanntesten dieser Gene sind das FecB-Gen der Booroola-Merinos, das FecC-Gen der Cambridge-Schafe sowie das Inverdale-Gen der neuseeländischen Romneys. Durch den Einsatz reinerbiger Fruchtbarkeitsgenträger (oder ihres Spermas) können derartige Gene in bodenständige
554
Rassen eingeführt und damit die Ablammergebnisse verbessert werden. Nach ersten praktischen Erfahrungen eignet sich die Methode nur für einen kleinen Kreis besonders gut geführter Herden. Das liegt am Allesoder Nichts-Charakter eines Teiles dieser Merkmale. Bei ihrer „Einkreuzung“ käme es zu einem sprunghaften Anstieg der Mehrlingsgeburten und zu Ablammergebnissen von über 250 %. Daher gründet sich die Hoffnung der Praxis auf diejenigen der Hauptgene, die eine differenziertere Wirkung aufweisen, wie das Thoka-Gen des Island-Schafes und das schon erwähnte InverdaleGen.
10.3 Die deutschen Schafrassen Man unterscheidet 3 Rassengruppen, die feinwolligen Merinorassen, die muskelbetonten Fleischschafrassen und die genügsamen Landschafrassen, sowie als Spezialrasse die Milchschafe.
10.3.1
Merinorassen (Fleischwollrassen)
Das Merino-Landschaf (Abb. 196/2) ist in Süddeutschland die vorherrschende Rasse. Bestandsanteil im Bundesgebiet über 30 %. Lebendgewicht der Mutter 70–85 kg. Erste Zuchtbenutzung meist mit 15–17 Monaten. Das Zuchtziel war ursprünglich an den Bedürfnissen der Wanderschäferei ausgerichtet. Heute werden gute Fleisch- und Fruchtbarkeitsleistungen erzielt. Die Merino-Landschafe zeigen ein asaisonales Brunstverhalten. Das Merino-Fleischschaf (Abb. 196/1), mit 4 % am deutschen Schafbestand beteiligt, wird besonders im Raum Braunschweig gehalten. Lebendgewicht der Mutter 70–80 kg. Erste Zuchtbenutzung mit 1–1 1⁄2 Jahren. Mehrmaliges Ablammen und hohe Fleischleistung sind möglich. Das Merino-Langwollschaf (Abb. 197), entstanden aus der Kreuzung von Merino-Landschaf und fleischbetonten Halbfeinwollrassen, wurde speziell für die Bedürfnisse der ehemaligen DDR gezüchtet. Vor der Wiedervereinigung war es dort mit mehr als einem Drittel am Schafbestand beteiligt. Die Rasse eignet sich besonders gut für
10.3 Die deutschen Schafrassen Abb. 196 Schafrassen (1) Merino-Fleischschaf (2) Merino-Landschaf (3) Deutsches schwarzköpfiges Fleischschaf (4) Weißköpfiges Fleischschaf (5) Texelschaf (6) Milchschaf (7) Rhönschaf (8) Bergschaf (9) Heidschnucke (10) Suffolkschaf
10
555
10 Schafproduktion Abb. 197 Das MerinoLangwollschaf ist eine leistungsfähige Schafrasse zur Produktion kammfähiger Halbfeinwolle und eignet sich bestens für den Einsatz in der Landschaftspflege nicht nur im ursprünglichen Verbreitungsgebiet Thüringen (Foto: Landesverband Thüringer Schafzüchter e.V.).
ausgedehnten Weidegang, ist widerstandsfähig und bei guter Ernährung zu hohen Zucht-, Fleisch- und Wollleistungen befähigt. Der Rasseanteil liegt bei etwa 14 %.
10.3.2 Fleischschafe Das deutsche schwarzköpfige Fleischschaf (Abb. 196/3) wird hauptsächlich in West- und Norddeutschland gehalten. Bestandsanteil ca. 17 %. Lebendgewicht der Mutterschafe 70–85 kg. Erste Zulassung der Zutreter (der weiblichen Nachwuchsschafe) mit 1–11/2 Jahren, teilweise schon mit 9 Monaten. Die bereits in vielen Herden erreichten Zuchtziele einer guten Fleischfülle und Fleischqualität müssen mit einer erhöhten Fruchtbarkeit verbunden werden. Die frohwüchsigen und frühreifen Lämmer erzielen eine günstige Futterverwertung. Das weißköpfige Fleischschaf (Abb. 196/4) ist das frühreifste unter den westdeutschen Schafen und zeichnet sich außerdem durch gute Fleischleistung und hohe Fruchtbarkeit aus. Lebendgewicht der Mutterschafe 75–90 kg. Erste Zuchtzulassung mit 7–8 Monaten. Bestandsanteil ca. 3 %. Besonders für Einzel- und Koppelschafhaltung geeignet. Das Texelschaf (Abb. 196/5) stammt aus Holland und ähnelt dem weißköpfigen Fleischschaf. Es ist mittelgroß bis groß, asaisonal brünstig, sehr widerstandsfähig und bestens für Koppelhaltung geeignet. Erste Zulassung mit 7 Monaten möglich. Auf Ausschlachtungsschauen heben sich Texellämmer häufig durch sehr hohe Punktzahlen heraus. Bestandsanteil etwa 8 %.
556
Das blauköpfige Fleischschaf aus Frankreich verbindet gute Fleischleistung mit sehr guter Fruchtbarkeit. Außer dem Kopf haben auch die Beine eine dunkelgraublaue Färbung. Das Suffolkschaf (Abb. 196/10) aus England ähnelt im Äußeren und in seinen Leistungen dem schwarzköpfigen Fleischschaf. In Kreuzungen ist es vermehrt anzutreffen.
10.3.3
Spezialrassen
Das Milchschaf (Abb. 196/6) ist das fruchtbarste unter den deutschen Schafen. Es wird auch hinsichtlich seiner Milchleistung züchterisch bearbeitet: 500–700 kg Milch jährlich mit rund 6 % Fett und 5 % Eiweiß (Höchstleistungen über 1 000 kg Milch); Frühreife mit erster Zuchtzulassung ab 7 Monaten. Das Milchschaf stammt aus Ostfriesland, findet sich aber in kleinen Haltungen über ganz Deutschland verstreut. Landschafrassen sind im Laufe des letzten Jahrhunderts von den intensiveren Rassen auf begrenzte Rückzugsgebiete abgedrängt worden. Teilweise müssen sie hart um ihr Überleben ringen, wie die Rhönschafe (Abb. 196/7) in dem Mittelgebirge gleichen Namens und seiner Nachbarschaft, das Bentheimer Landschaf im Emsland oder das Coburger Fuchsschaf. Die Bergschafe (Abb. 196/8) in den bayerischen Alpen zeichnen sich durch asaisonalen Brunstzyklus und hohe Fruchtbarkeit aus, was ihre Überlebenschancen verbessern könnte. Die Heidschnucken (Abb. 196/9) haben im letzten Jahrzehnt sogar wieder zugenommen. Sie
10.4
Fütterung, Zuchtbenutzung und Haltung der Mutterschafe
treten in drei Varianten auf (grau gehörnt, weiß gehörnt und weiß ungehörnt). Die Mutterschafe sind nur 40–50 kg schwer und in den Futteransprüchen bescheidener als andere Rassen. Heidekraut und junger Birkenaufwuchs stehen auf ihrer Speisekarte.
10.4 Fütterung, Zuchtbenutzung und Haltung der Mutterschafe Viele Fütterungsgrundsätze für Wiederkäuer, die am Beispiel der Milchkuh erörtert worden sind (7.3.1), gelten auch für das Mutterschaf: Begrenztes Futteraufnahmevermögen im Allgemeinen und während der Hochträchtigkeit im Besonderen, hoher Verdaulichkeits- und Konzentrationsanspruch der Ration während der Säugezeit, tägliche Mindestfresszeiten, Grenzen der Mobilisierung von Reserven, Forderung nach allmählichen Futterübergängen, ausgeglichene Mineralstoffverhältnisse in der Tagesration und Mineralfutterergänzung auch im Sommer usw. Mindestens während der winterlichen Stallperiode, in die meistens die Ablammzeit und ihre Vorbereitung fällt, sollte man die Tagesrationen anhand der Versorgungsempfehlungen in Tab. 195 überprüfen. Dabei sind die Lebendgewichte,
das Trächtigkeitsstadium, die Milchleistung und die Zahl der Lämmer zu berücksichtigen. Rationsbeispiele enthalten die Tabellen 196 und 197. Die Rationen bedürfen noch der Ergänzung durch 20 bis 30 g Mineralfutter, dem kein Kupfer zugesetzt sein sollte. Wie lange die Mütter die Säugezulage erhalten, hängt von der Absetz- und Aufzuchtmethode ab (s. Kap. 10.5). Die Höhe der Kraftfuttergabe und ihre Zusammensetzung ist an der Qualität des Grundfutters zu orientieren. Wer nicht selbst mischen will (s. Tab. 198), kann „Ergänzungsfutter für Zuchtschafe“ (mindestens 15 % Rohprotein und maximal 20 mg Cu/kg), evtl. auch „Ergänzungsfutter für Milchkühe“ oder „Alleinfutter für Mastlämmer“ zukaufen. Die Versorgungsempfehlungen für säugende Schafe sind darauf abgestellt, dass die Lämmer frühzeitig Beifutter erhalten und täglich 200 g zunehmen. Die Wasserversorgung von 1,5–3 l je Tag kann aus einfachen Trögen, Plastikbehältern oder Selbsttränken erfolgen. Während des Weideganges sollte bei hohen Temperaturen und während Dürreperioden Wasser angeboten werden. Paarung | Obwohl die künstliche Besamung auch beim Schaf erfolgreich ist – 1988 wurden in
Tab. 195 Empfehlungen zur täglichen Energie-, Nähr- und Mineralstoffversorgung von Mutterschafen (70 kg Lebendmasse) Leistungsstadium
güst oder niedertragend
Verzehr
Rohprotein
Ca
P
Na
Mg
kg TM
Umsetzbare Energie* MJ ME
g
g
g
g
g
1,0–1,4
10,4
120
5,0
3,0
1,0
1,0
10
hochtragend (letzte 6 Wochen) mit 1 Lamm
1,4–1,6
14,6
170
7,0
4,0
1,5
2,0
mit 2 Lämmern
1,5–1,8
17,0
190
11,0
5,0
1,5
2,0
mit 1 Lamm
1,6–2,0
18,4
360
8,0
5,0
2,0
2,0
mit 2 Lämmern
2,0–2,2
22,4
340
11,0
7,0
2,5
2,0
säugend (1.–8. Woche)**
* Je 10 kg Lebendmasse steigt oder fällt die erforderliche Versorgung um 1,1 MJ ME und 10 g Rohprotein ** ab der 8. Woche verhaltener füttern (siehe hochtragend), Beifütterung der Lämmer (Lämmerschlupf); je kg Futtertrockenmasse sollte der Calciumgehalt 4 g und der Phosphorgehalt 2,5 g nicht unterschreiten!
557
10 Schafproduktion Tab. 196 Rationsbeispiele für niedertragende und güste Schafe (70 kg Lebendgewicht) Rationskomponenten
Winterrationen* kg/Tier/Tag 1 2 3
Sommerrationen kg/Tier/Tag 4 5 6
Heu, gut
1,5
0,5
–
–
0,75
–
Grassilage (35 % TM)
–
2,5
–
–
–
–
Stroh
–
–
1
–
–
1
Zuckerrübenblattsilage
–
–
3,5
–
–
–
Weidegras (1. Aufw.)
–
–
–
–
3,5
3
Weidegras (spät)
–
–
–
5,5
–
–
* zuzügl. 20 g Mineralfutter
Tab. 197 Winter-Rationen für säugende Schafe (Einling) Komponenten
Rationen in kg/Tier und Tag 1 2 3
3a*
4
Heu, gut
–
0,5
1,4
0,9
0,5
Grassilage (35 % TM)
3
–
–
–
–
Maissilage (35 % TM)
1
6
–
–
–
Zuckerrübenblattsilage
–
–
–
–
4
Stroh
–
0,5
–
–
0,5
Getreide
0,5
–
0,8
1,2
–
Sojaextraktionsschrot
–
–
0,1
0,3
0,2
Trockenschnitzel
–
–
–
–
0,5
* bei Zwillingen
Tab. 198 Beispiele für komplette Eigenmischungen (ca. 18 % Rohprotein, 11 MJ NEL) Komponenten, Anteil in %
I
II
III
Ergänzungsfutter Zuchtschafe IV V
Gerste
25
73
–
30
51
Weizen
10
–
–
21
–
Hafer
32
–
–
15
–
Melasseschnitzel
10
–
78
15
30
Sojaschrot
19
24
20
15
15
4
3
2
4
4
Mineralfutter
558
Lämmermastfutter
10.5 Methoden der Lämmeraufzucht der ehemaligen DDR 63 % der in Herden gehaltenen Mutterschafe besamt –, bestimmt der Natursprung in der Schafhaltung das Paarungsgeschehen. Zwei bis drei Wochen vor der Bockzeit sollte für eine energiereiche Ernährung (junge Weide oder Zugabe von 250 g Kraftfutter) gesorgt werden, damit mehr befruchtungsfähige Eier aus dem Eierstock ausgestoßen und nach der Befruchtung vor dem Absterben bewahrt werden. Man nennt dies den Flushing-Effekt (flushing = auffüttern, aufheizen). Jungböcken sollten nicht mehr als 20, Altböcken höchstens 60 Mutterschafe zugeteilt werden. Die Deckböcke werden meist einzeln in eine Herde gestellt (Vorschrift in der Herdbuchzucht!). Bei größeren Gebrauchsherden können auch mehrere Böcke, wenn sie sich vertragen, gleichzeitig decken. Durch Farbplatten an der Brust des Bockes kann kontrolliert werden, welche Mutterschafe gedeckt worden sind. Beim „Sprung aus der Hand“ (gezielter Einsatz eines Bockes bei bestimmten Schafen) ist daran zu denken, dass die Eiabstoßung (Ovulation) in der Regel erst gegen Ende der äußeren, 24–30 Stunden dauernden Brunst erfolgt und dass – wie beim Schwein – ein zweimaliger Sprung sicherer ist. Wenn keine Befruchtung erfolgte, tritt die Brunst nach 14–21 Tagen (Durchschnitt 16 Tage) wieder auf. Schafstall | Die Ansprüche der Schafe an den Stall sind bescheidener als die der anderen Haustiere. Trotzdem müssen die Anforderungen an eine artgemäße Haltung erfüllt sein. Dazu zählen genügend Bewegungsraum, ein gutes Raumklima und genügend Licht. Man rechnet mit einem Stallflächenbedarf der tragenden Schafe von je 1 m2 und der säugenden Schafe von 1,5 bis 1,8 m2. Die Abtrennung der verschiedenen Gruppen von nicht mehr als 50 Tieren (Mutterschafe, Lämmer, Jährlinge, Böcke) erfolgt beim Tieflaufstall durch selbstgefertigte Hürden oder Heuraufen. Während der ersten Tage nach dem Ablammen sollten die Mütter mit ihren Lämmern eigene Abteile haben. Geburtshilfe wird nur geleistet, wenn es notwendig ist (bei falschen Lagen). Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Erstlinge, die manchmal Gebärschwierigkeiten haben (beispielsweise Texelschafe) oder ihre Lämmer nicht sofort annehmen.
Einstreulose Schafställe sind entweder mit Spaltenboden (4–6 cm breite Hartholzbalken mit 2cm breiten Spalten) oder mit plastiküberzogenen Lochblechböden ausgestattet. Lämmer sollten nicht auf Spaltenböden gehalten werden. Hygienemaßnahmen | Die gefürchtetste Schafkrankheit ist die Moderhinke, eine Klauenentzündung, die durch Bakterien verursacht wird. Die befallenen Tiere lahmen, der Klauenspalt und seine Umgebung eitern, das Klauenhorn löst sich ab. Über den „Schafring“, den Versammlungsplatz vor dem Stall, die Einstreu und über feuchte Weiden breitet sich die Krankheit im Bestand aus, wenn keine gründliche und rechtzeitige Behandlung erfolgt. Es wird empfohlen: restlose Entfernung sich ablösenden Klauenhorns bei den erkrankten Tieren, Verbrennen dieser Klauenteile, Behandlung der beschnittenen Klauen mit Wundspray zur Förderung des Heilungsprozesses, Aufstallung der Tiere, Nachbehandlung nach einigen Tagen, gründliche Desinfektion der benutzten Bucht in Abständen von 2 Wochen. Die übrigen Schafe der Herde sollen regelmäßig durch ein Fußbad mit 5 %iger Formalinlösung getrieben werden. Als beste Vorbeuge gilt eine gewissenhafte, zweimal im Jahr durchgeführte Klauenpflege. Gegen Räudemilben, Haarlinge, Schaflausfliege und Läuse helfen spezielle Durchlaufbäder mit Sprühmittel (einmal jährlich). Magen-DarmWürmer sind so weit verbreitet und sind die häufigste Ursache von Erkrankungen beim Schaf, dass eine regelmäßige Entwurmungskur vor dem Weideaustrieb im Frühjahr und im Juli/August in vielen Herden zu den laufenden Hygienemaßnahmen gehört. Andere Innenparasiten werden im Bedarfsfall nach tierärztlicher Diagnose bekämpft.
10.5 Methoden der Lämmeraufzucht Die herkömmliche Aufzuchtmethode – Absetzen nach 3–4 Monaten Säugezeit – wird vor allem in Betrieben mit einmaliger Ablammung (bedingt durch saisonales Brunstverhalten) und Weidelämmermast praktiziert. Winter- und
559
10
10 Schafproduktion Abb. 198 Tränkautomat für die mutterlose Lämmeraufzucht (Foto: Quanz)
Frühjahrslämmer entwickeln sich besser, wenn sie während der Aufzuchtphase mit Getreide oder Mischfutter zugefüttert werden (Lämmerschlupf). Aufzucht mit Muttermilch ist nicht nur die natürlichste, sondern auch kostengünstigste Lösung. Die Frühentwöhnung – Absetzen im Alter von 4 – 6 Wochen – soll bei Rassen mit asaisonaler Brunst ein häufigeres Ablammen der Mutterschafe ermöglichen. Voraussetzung für den Erfolg dieser Methode ist eine frühzeitige und ausreichende Beifutteraufnahme der Lämmer. Sobald 250–300 g Kraftfutter täglich von den Lämmern aufgenommen werden und sie 15–20 kg schwer sind, ist das Absetzen innerhalb einer einwöchigen Übergangsperiode – mit immer längeren Absperrpausen – möglich. Die mutterlose Aufzucht beginnt am zweiten Lebenstag, nachdem das Lamm seine Kolostralmilch von der Mutter, ersatzweise Kolostralmilch von Kühen, die eingefroren und später wieder aufgetaut werden kann, erhalten hat. Später gewöhnen sich Lämmer nur schwer an die Aufnahme von Milchaustauschertränke aus der Flasche bzw. aus den Gummizitzen der Lämmerbar oder Tränkautomaten (Abb. 198). Auch bei dieser Methode ist eine frühzeitige Kraftfutteraufnahme nötig. Das Verfahren eignet sich vor allem für die Aufzucht von Problemlämmern.
560
10.6 Die Lämmermast Die besten Lämmer, vor allem diejenigen von Zwillingsmüttern, werden für die Zucht vorgesehen. Ihre Schwänze werden während der ersten Lebenswoche hinter dem dritten Schwanzwirbel gekürzt. Das seit 1. Juni 1998 gültige Tierschutzgesetz erlaubt es, den Lämmern bis zum Alter von acht Tagen den Schwanz mittels elastischer Ringe zu kürzen. Blutige Amputationen dürfen nicht mehr vorgenommen werden. Generell verboten ist auch das Kastrieren mittels elastischer Ringe.
!!! Den Mastlämmern belässt man die Schwänze, den männlichen in der Milchlämmermast auch die Hoden. Wenn Bock- und Zibbenlämmer vom 4. Lebensmonat an getrennt gehalten werden, kann man auch bei der Wirtschaftmast auf das Kastrieren verzichten, denn bis zum Alter von 8 Monaten wird der Geschmack des Fleisches der Bocklämmer in der Regel nicht beeinträchtigt. Bis zu diesem Alter sollten aber sowieso alle Mastlämmer verkauft sein, weil sich mit zunehmendem Alter die Zusammensetzung des Fettes ändert und sich immer stärker die langkettigen Fettsäuren durchsetzen, die festes, talgiges Fett mit hohem Schmelzpunkt und damit den unerwünschten „Hammelgeschmack“ des Fleisches ergeben.
10.6 Bei der Lämmermast lassen sich drei Hauptverfahren erkennen: | Die im Stall unter Einsatz von Kraftfutter betriebene Intensivmast von Milchlämmern, | die Mast von Absatzlämmern mit preisgünstigen Futtermitteln wie Silagen von Mais, Gras, Rübenblatt und Pressschnitzeln und | Weidemast mit oder ohne Kraftfutterergänzung. Alle Verfahren erreichen bei angepasster Ausgestaltung die vom Markt bevorzugten Schlachtkörper im Gewicht von 18–22 kg (entspricht etwa 40–50 kg lebend) und einer geringen Fettabdeckung (1–3 mm), wenn einige allgemeine Grundsätze beachtet werden, auf die schon in der Rindermast ausführlich eingegangen wurde (vgl. Kap. 7.5.5). Dazu zählen die Anpassung der Fütterung an den Wachstumsverlauf und das genetisch bedingte (Rasse, Geschlecht) Wachstumsvermögen sowie die Ausrichtung des Schlachtzeitpunktes auf das optimale Mastendgewicht und den erwünschten Verfettungsgrad. Den Ansprüchen der wachsenden Tiere muss vor allem auch die Rohproteinversorgung angepasst sein. Standardfutter ist hierbei traditionell Sojaextraktionsschrot. Heimische Leguminosen (Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen) und Rapsextraktionsschrot stellen günstige Alternativen dar, wie verschiedene Versuchsergebnisse in letzter Zeit aufzeigen. Milchlämmermast (Intensivmast) | Dauer 3 1⁄2–4 1⁄2 Monate, Endgewicht der weiblichen Lämmer über 35 kg, der männlichen bis 47 kg. Diese Mastform ist vor allem für die vor Weihnachten geborenen Lämmer geeignet, um die höheren Lämmerpreise während der Osterzeit mitnehmen zu können. Ab der 3. Woche sind die Lämmer an den Verzehr von Beifutter zu gewöhnen, zuerst mit Hilfe hochwertigen Heues und pelletierten Aufzuchtfutters bzw. einer Eigenmischung (vgl. Tab. 197). Das Kraftfutter sollte zu Beginn der Mast 18 % Rohprotein, 10,8 MJ ME (Energiestufe 3), 1 % Ca und 0,45 % P sowie 0,15 % Mg und Na enthalten. Im Verlauf der Mast ist eine Reduzierung bis auf 10,3 MJ ME und 150 g Rohprotein möglich und z. B. durch „Verschneiden“ mit Hafer oder Melasseschnitzeln zu erreichen. Das Kraftfutter
Die Lämmermast
wird bis zum Ende der Mast zur freien Aufnahme angeboten, während man die Heugabe auf das zur Aufrechterhaltung der Pansenfunktion notwendige Minimum von 50 bis 100 g täglich begrenzt. Das Lämmerfutter wird in besonderen Abteilen angeboten, die nur für Lämmer zu erreichen sind (Lämmerschlupf). Die besten Lämmer erreichen mit dieser Methode Tageszunahmen von 300–400 g und mehr. Zur Vorbeuge gegen Nierensteine (Breiniere) sollte das Ca : P-Verhältnis im Futter nicht unter 2 : 1 liegen. Eine zusätzliche Verabreichung von 0,5 % Kalium- oder Ammoniumchlorid im Kraftfutter beugt ebenfalls vor. Absatzlämmermast (Wirtschaftslämmermast) | Dauer einschließlich Säugezeit 6–7 Monate, unter ungünstigen Bedingungen bis 12 Monate: Endgewicht um 40 kg bei weiblichen Lämmern (frühere Verfettung), um 45–50 kg bei Bocklämmern. Diese Methode ist vor allem für Sommer- und Herbstlämmer in Ackerbaubetrieben mit reichlicher Herbstweide (Getreidestoppeln und Zuckerrübenblatt) geeignet, in denen die Mütter beim Hüten von ihren Lämmern begleitet werden. Vielfach bleiben die Lämmer auch im Stall und werden im Alter von 60–80 Tagen an die Aufnahme von Silagen gewöhnt. Ziel ist der Verzehr von möglichst viel billigem Grundfutter und sparsamer Einsatz von Kraftfutter (möglichst nicht über 500 g täglich). Nach Erreichen der Geschlechtsreife sollten die Tageszunahmen, die vorher bei Bocklämmern bis 300 g, bei weiblichen Lämmern bis 250 g betragen können, auf 200 g verringert werden, z. B. durch Rücknahme der Kraftfuttermenge, damit der Schlachtkörper nicht zu fett wird. Die Zusammensetzung des Kraftfutters richtet sich nach Art und Qualität des Grundfutters. Das Eiweiß : Energie-Verhältnis der Gesamtration sollte anfangs 1 : 13, gegen Mastende 1 : 14 sein. 20 bis 25 g Mineralfutter für Schafe sorgen für die Mineralstoffergänzung. Weidelämmermast | Sie kommt hauptsächlich für die Koppelschafhaltung, und zwar für die zwischen Weihnachten und März geborenen Lämmer, in Betracht. Mastendgewicht 45–60 kg in einem Lebensalter von 6–7 Monaten, bei unbefriedigenden Futterverhältnissen auch mit
561
10
10 Schafproduktion 8–10 Monaten. Dabei müssen die Lämmer noch während der Stallperiode an die Aufnahme von Beifutter gewöhnt werden, damit sie sich bei Weideauftrieb ihr Futter überwiegend oder ausschließlich selbst suchen können. Wenn die Lämmer bei Weideauftrieb noch nicht entwöhnt sind, sollte durch „Kriechgrasen“ (creep–grazing) im noch ungenutzten Grasaufwuchs vor den Müttern mit Hilfe eines Lämmerschlupfes eine Verbesserung des Nährstoffangebotes sichergestellt werden. Dadurch verringert sich auch die Gefahr, dass die Lämmer in der Koppel der Mütter Parasitenlarven aufnehmen. Phosphor- und natriumreiche, aber kupferfreie Lecksteine sollten beim Weidegang den Mineralstoffbedarf der Tiere ergänzen. Zu spät geborene Lämmer, die auf der Weide nicht schlachtreif werden können, werden gewöhnlich im Herbst aufgestallt (so genannte Ganglämmer) und mit wirtschaftseigenem Futter ausgemästet. Für solche Mastprodukte werden aber meist niedrigere Preise erzielt. Deshalb ist zu überlegen, ob sie nicht von Anfang an im Stall gemästet werden, um optimale Schlachtkörper (Abb. 199) zu erreichen.
10.7 Fütterung der Zuchtlämmer Die Gewichtsentwicklung hat einen dominierenden Einfluss auf die erste Zuchtbenutzung der weiblichen Schafe (Zutreter) wie auch der Jungböcke. Mit Unterschieden zwischen den Rassen tritt die Geschlechtsreife der weiblichen Tiere ein, wenn sie etwa 75 % des Reifegewichtes erreicht haben. Um dies im Alter vor sieben bis neun Monaten zu erreichen, müssen 180–220 g tägliche Zunahme in der Aufzucht erzielt werden, wenn die erste Ablammung frühzeitig, das heißt mit 12–15 Monaten erfolgen soll. Es ist aber möglich, die Tiere bis zu einem Gewicht von 35–38 kg mittels Ad-libitum-Fütterung intensiver aufzuziehen ohne die Zuchttauglichkeit einzuschränken. Vor der Zulassung zum Bock wird dann eine Weidephase eingeschaltet oder gutes Grobfutter mit etwas Kraftfutter gefüttert. Wenn Zuchtböcke im Alter von einem Jahr 80–100 kg aufweisen sollen, müssen sie intensiv
562
Abb. 199 Kategorien der Handelsklasseneinteilung. Links: Milchlamm – Mitte: Mastlamm – Rechts: Hammel (Foto: Schön)
mit Zunahmen von 200–300 g je Tag aufgezogen werden. Daraus ergibt sich ein Bedarf von 11,0–16,9 MJ ME und 150–210 g Rohprotein je Tag. Daher müssen neben z. B. Grassilage und Heu 1,2–1,3 kg Kraftfutter verabreicht werden. Deckende Zuchtböcke werden nach den Normen säugender Mutterschafe gefüttert. Dabei ist der Eiweiß- und Mineralstoffversorgung mit Bezug auf die Fruchtbarkeit und Spermaqualität besondere Beachtung zu schenken.
10.8 Die Vermarktung der Erzeugnisse der Schafhaltung Die saisonal (Frühjahr und Herbst) anfallende Wolle wird seit dem weltweiten Verfall der Wollpreise und dem Zusammenbruch der deutschen Wollverwertung im Direktabsatz zwischen
10.9 Schafhaltern und Händlern vermarktet. Auch die Wollkämmereien in Leipzig und Bremen kaufen Wolle an. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die derzeitige Misere auf den Wollmärkten durch Erschließung neuer Formen der Wollnutzung ausgeglichen werden kann. Wolle lässt sich erfolgreich zu hochwertigen Dämmstoffen verarbeiten und steht als „nachwachsender Rohstoff“ dafür jederzeit zur Verfügung. Die Vermarktung des Fleisches erfolgt in der Hauptsache (ca. 65 %) im Direktabsatz an den Endverbraucher („Hausschlachtung). Die hierbei praktizierte Abrechnung nach weitgehend subjektiver Beurteilung führt zu wenig Markttransparenz und qualitätsbezogener Vermarktung. Dies zu ändern war Ziel der Verordnung über Handelsklassen aus dem Jahr 1992, bei der die Schlachtlämmer nach Fleischigkeit in den Klassen E (vorzüglich) über U, R, O und P (gering) eingestuft werden. Zusätzlich wird die Verfettung in die Stufen 1 (sehr gering) bis 5 (sehr stark) eingeteilt. Für etwa 35 % der Schlachtungen kommt das Verfahren zur Anwendung. Als Erfolg kann dies nur bedingt gewertet werden, zumal der Einfluss auf die Preisgestaltung gering geblieben ist. Es ist hinzuzufügen, dass die Schlachtbetriebe überwiegend ungeteilte Schlachtkörper verkaufen. In zunehmendem Maße werden aber auch Teilstücke angeboten (vgl. hierzu Abb. 149 und 156). Der Markt für Schaffleisch wird stark beeinflusst von der 1980 eingeführten EG-Marktordnung für Schafe, mit der einerseits ein innergemeinschaftliches Marktgleichgewicht hergestellt, andererseits über Mindestpreise bzw. Prämienzahlungen ein angemessenes Einkommen aus der Schafhaltung garantiert werden soll. Um in den Genuss dieser Prämien (2003: ca. 26 e je/Mutterschaf) zu kommen, müssen bei den regional zuständigen Landwirtschaftsverwaltungen entsprechende Anträge gestellt und die damit verbundenen Bedingungen (Bestandsregister, Kennzeichnung der Tiere) sorgfältig eingehalten werden. Ein weiteres Produkt der Schafhaltung kann Milch sein. Wegen des hohen Gehaltes an Inhaltsstoffen (6–7 % Eiweiß, 5 % Milchzucker) liefert Schafmilch mehr Käse als Kuhmilch. So genügen für 1 kg Käse 5,5 kg Schafmilch gegenüber 12 kg Kuh- oder Ziegenmilch. Schafmilch weist
Wirtschaftlichkeit der Schafhaltung
einen um etwa 50 % höheren Energiegehalt auf als Kuh- oder Ziegenmilch.
10.9 Wirtschaftlichkeit der Schafhaltung Auf die langfristige Entwicklung von Preisen hat der Schafhalter meist wenig Einfluss. Er kann sich aber im Rahmen seiner betrieblichen Vorgaben an die bestehenden regionalen und saisonalen Preisunterschiede anpassen und damit die Wirtschaftlichkeit der Schafhaltung stark beeinflussen. Auf der anderen Seite bestehen zwischen den Schafhaltungen entscheidende Unterschiede in den Erzeugungskosten je kg Schaffleisch. Tab. 199 enthält dazu eine Auswahl wichtiger wirtschaftlicher Kenngrößen. Dabei sind Bestandsergänzung aus eigener Herde und 5-jährige Nutzungsdauer der Mutterschafe unterstellt sowie durchschnittliche Produktionsbedingungen. Werden von den ausgewiesenen Ergebnissen die Festkosten für Gebäude, Maschinen und evtl. Pacht in Höhe von ca. 15 e je Mutterschaf abgezogen, so ergibt sich eine Arbeitszeitverwertung (bei 9 Akh je MS-Einheit) von 3,50–5,50 e je Mutterschaf. Dieses ohnehin bescheidene Resultat wird zu nahezu 50 % durch die Mutterschafprämie bestimmt. Aus den letzten Ziffern der Tabelle wird deutlich, welch großen Einfluss das Aufzuchtergebnis auf die Wirtschaftlichkeit der Schafhaltung ausübt. Weniger bedeutsam ist ein geänderter Schlachtlämmerpreis. Das gilt aber nur für die angenommene Veränderung um 0,20 Cent/kg Schlachtgewicht. In der Praxis können die Unterschiede in Abhängigkeit vom Endprodukt (leichte, marktgängige Lämmer im Endgewicht von ca. 45 kg lebend erzielen einen deutlich höheren Preis je kg als schwerere) oder der Vermarktungsform (die Preise bei Direktvermarktung liegen oft um 100 % über den amtlichen Notierungen der Versandschlachtereien) sehr viel größer sein. Wer sich eingehender mit dieser und anderen Fragen der Schafhaltung befassen will oder muss, sollte sich aus einschlägigen Fachbüchern, die im Literaturverzeichnis aufgeführt sind, weitere Kenntnisse aneignen.
563
10
10 Schafproduktion Tab. 199 Rentabilitätsberechnung für verschiedene Formen der Schafhaltung Wanderschafhaltung
Stationäre Hütehaltung
Koppelschafhaltung
Rahmendaten Aufzuchtergebnis
%
Weide-/Stalltage Zunahme d. Lämmer
g/Tag
Anz. verk. Lämmer
120
140
140
305/60
245/120
245/120
190
200/300
300
1,0
Schlachtgewicht
kg
22,5
e e e e
87,75 1
1,2 21
1,2 21
Marktleistung Mastlamm Altschaf (0,8 e/kg)3) Wollertrag (4 kg) Summe
10,40
103,32 2
103,32 2
10,40
10,40
4,00
4,00
4,00
102,15
117,72
117,72
19,00
28,00
20,00
3,00
3,00
3,00
5,00
5,00
5,00
10,00
10,00
7,00
15,00
15,00
15,00
5,00
5,00
5,00
10,00
10,00
10,00
5,00
5,00
5,00
7,00
7,00
7,00
79,00
88,00
77,00
23,15
29,72
40,72
26,00
26,00
26,00
49,15
55,72
66,72
Veränd. Kosten Kraftfutter (28,00 e/dt) Mineralfutter Wasser, Strom, Stroh etc. Schur, Hund Tierarzt, Medikamente Versicherungen Bockanteil Sonstiges Zinsanspruch (Anlage- u. Umlaufvermögen) Summe Deckungsbeitrag je Mutterschaf + EG-Schaffleischprämie
4)
Summe
e e e e e e e e e e e e e
Ansprüche an Grundfutter: (Zucht- u. Masttiere)
1 1 4
Sommer
MJ ME
5 230
4 740
5 300
Winter
MJ ME
600
700
540
Änderung des Deckungsbeitrages je Mutterschaf (e) ± 1,00 e/10 kg SG
2,25
2,52
2,52
Aufzuchtergebnis ± 0,1 Lämmer/Mutterschaf
6,58
7,23
8,03
2
und ohne MwSt. und Vermarktungskosten, 3,90 e/kg 2 4,10 e/kg 3 Nutzungsdauer 5 Jahre, im KJ 2003 (wird jährlich neu festgesetzt)
564
Weiterführende Literatur
Grundlagen 1. Ausschuss für Bedarfsnormen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie: Energie- und Nährstoffbedarf landwirtschaftlicher Nutztiere Nr. 6: Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung der Mastrinder (1995) 2. Ausschuss für Bedarfsnormen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie: Energie- und Nährstoffbedarf landwirtschaftlicher Nutztiere Nr. 8: Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung der Milchkühe und Aufzuchtrinder (2001) 3. Akers, R.M. Lactation and the mammary gland (2002), Iowa State Press 4. DLG-Information 2/1998: Futter- und Fütterungshygiene im landwirtschaftlichen Betrieb 5. DLG-Information 1/1999: Schweinefütterung auf Basis des verdaulichen Phosphors. 6. DLG-Information 2/19999: Grundfutterbewertung 7. DLG-Futterwerttabellen sowie „Kleiner Helfer für die Berechnung von Futterrationen“ für Wiederkäuer und Schweine 8. DLG-Information 2/2001: Struktur- und Kohlenhydratversorgung der Milchkuh 9. Döcke, F.: Veterinärmedizinische Endokrinologie. Jena – Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1994 10. Drochner, W., O. Simon und H. Jeroch: Ernährung landwirtschaftlicher Nutztiere. Ulmer Verlag, 1999 11. Grauvogel, A. et al.: Artgemäße und rentable Nutztierhaltung – Rinder, Schweine, Pferde, Geflügel. München, München: BLV, 1997 12. Grunert, E., Berthold, M.: Fertilitätsstörungen beim weiblichen Rind. 3. Aufl., Berlin: Parey Buchverlag, 1999 13. Grüne Broschüre TE: Das geltende Futtermittelrecht 2004, ASR Verlag 14. Hofmann, W.: Rinderkrankheiten. Band 1: Innere und chirurgische Erkrankungen. In: Loeffler, K., Strauch D. (Hrsg.): Erkrankungen der Haustiere. Eugen Ulmer, UTB für Wissenschaft, Große Reihe, 1992 15. Jeroch, H., Flachowsky, G., Weißbach, T.: Futtermittelkunde. Stuttgart: Enke, 1993 16. Kalm, E., Ernst E.: Grundlagen der Tierhaltung und Tierzucht. Hamburg – Berlin: Parey Buchverlag, 1993 17. Karlson, P. et al.: Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 1994 18. Kirchgeßner, M.: Tierernährung. DLG Verlag, 2004
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Rinder 1. AID: Der gesunde Rinderstall, Arbeitsgemeinschaft Deutsche Qualitätshaut, 2002 2. AID 3372/2002: Zukunftsorientierte Milchviehställe 3. Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter, ADR: Rinderproduktion in der Bundesrepublik Deutschland, 2003 4. BauBriefe Landwirtschaft: Kälberhaltung, Jungvieh, Rindermast, Mutterkuhhaltung. Münster: Landwirtschaftsverlag 5. BauBriefe Landwirtschaft: Milchviehhaltung. Münster: Landwirtschaftsverlag, 2004 6. Brackmann, M.: Das andere Kuhbuch – 40 Rasseporträts und mehr. Hannover: Landbuch Verlag, 1999 7. DGfZ-Schriftenreihe Heft 30/2003: Neue Herausforderungen für die Rinderzucht 8. DGfZ-Schriftenreihe Heft 20/2000: Kälber- und Jungrinderaufzucht
565
Weiterführende Literatur 9. DGfZ-Schriftenreihe Heft 11/1998: Aktueller Stand und neue Entwicklungen der Zuchtwertschätzungen beim Rind 10. DLG-Information 2/1997: Leistungs- und qualitätsgerechte Bullenmast 11. Fahr, R.-D, Lengerken, G. von: Milcherzeugung, Frankfurt/M.: Deutscher Fachverlag, 2003 12. Görlach, A.: Embryotransfer beim Rind. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag, 1997 13. Golze, M. et al.: Extensive Rinderhaltung. München: BLV, 1997 14. Hampel, G.: Fleischrinder- und Mutterkuhhaltung. Stuttgart: Eugen Ulmer, 1994 15. LWK Weser-Ems: Leitfaden Rindviehhaltung 2003 16. Mitteilungen der Landwirtschaftskammer SchleswigHolstein. Kiel: Rinderreport 2003 17. Schlimme, E., Buchheim, W.: Milch und ihre Inhaltsstoffe. Gelsenkirchen: Thomas Mann Verlag, 1999 18. Spiekers, H., Potthast, V.: Erfolgreiche Milchviehfütterung. DLG Verlag 19. top-agrar. Intensive Färsenaufzucht. Münster: Landwirtschaftsverlag, 2000 20. von Ledebur, K., Eichner, D.: Das Tierzuchtrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Butjadingen: Agricola Verlag, 2003 21. ZMP Bonn, 2003: Marktbilanz Milch 22. ZMP Bonn, 2003: Marktbilanz Vieh und Fleisch
Schweine 1. BauBriefe Landwirtschaft: Sauenhaltung und Ferkelaufzucht. Münster: Landwirtschaftsverlag, 1997 2. BauBriefe Landwirtschaft: Mastschweinehaltung. Münster: Landwirtschaftsverlag, 1999 3. Berichte aus Verden: Ferkelerzeugung, Schweinemast (jährliche Ausgabe) 4. Berichte und Versuchsergebnisse Haus Düsse, Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe 5. Burgstaller, G. et al.: Handbuch Schweinefleischerzeugung. Verlagsunion Agrar, 1999 6. DLG: Trendreport Spitzenbetriebe Schweinemast – Fütterung, Märkte, Management, 2002 7. DLG-Information 1/2002: Leistungs- und qualitätsgerechte Schweinefütterung, Teil A: Mastschweine 8. DLG-Information 1/1996: Leistungs- und qualitätsgerechte Schweinefütterung, Teil B: Sauen und Ferkel 9. DLG-Merkblatt 310: Trocken- und Nassfütterungsanlagen für Schweine 10. HDLGN: Ergebnisse der Prüfung auf Mastleistung, Schlachtkörperwert und Fleischbeschaffenheit beim Schwein (jährliche Ausgabe) 11. Hellwig, E.G.: Schweinekrankheiten. Stuttgart: Eugen Ulmer, 1996 12. HVL: Schweine-Kontrollringe in Hessen (jährliche Ausgabe)
566
13. LWK Weser-Ems: Leitfaden Schweinehaltung, 2003 14. Littmann, E.: Praktische Sauenhaltung, Verlagsunion Agrar, 1997 15. Sambraus, H.H.: Atlas der Nutztierrassen. Stuttgart: Eugen Ulmer, 1996 16. Schweineproduktion (jährliche Ausgabe). Bonn: ZDS. 17. Vieh und Fleisch – ZMP Bilanz (jährliche Ausgabe)
Schafe 1. DGfZ-Schriftenreihe, Heft 29/2003. TSE-Resistenzzucht bei Schafen 2. Schlolaut, W., Wachendörfer, G.: Handbuch Schafhaltung. Frankfurt: DLG Verlag, 1992 3. Strittmatter, K.: Schafzucht. Stuttgart: Eugen Ulmer, 2003
Geflügel 1. AID Infodienst: Eier-Aktualisierung, Stand Oktober 2002 2. Damme, K., Hildebrand, R.-A.: Geflügelhaltung 2002. Stuttgart: Eugen Ulmer 3. DGS-Magazin: Fachinformation für die Geflügelwirtschaft und Schweineproduktion (jährlich mehrere Ausgaben) 4. Petersen, J.: Jahrbuch für die Geflügelwirtschaft (jährliche Ausgabe). Stuttgart: Eugen Ulmer
Zeitschriften Deutsche Geflügelwirtschaft und Schweineproduktion. Stuttgart: Eugen Ulmer Deutsche Schafzucht. Stuttgart: Eugen Ulmer. DLG-Mitteilungen. Frankfurt: DLG-Verlag. dlz agrarmagazin. München: Deutscher Landwirtschaftsverlag Elite, Magazin für Milcherzeuger. Münster: Landwirtschaftsverlag GmbH Fleischwirtschaft. Frankfurt/Main: Deutscher Fachverlag Fleckvieh. München: Arb. Gem. Südd. Rinderzuchtverbände (asr), BLV Verlagsgesellschaft Fleischrinder-Journal. Münster: Bundesverb. Dt. Fleischrinderzüchter (BDF), Landwirtschaftsverlag Milchpraxis. Gelsenkirchen-Buer: Verlag Th. Mann Milchrind. Münster: Dt. Holstein Verband, Landwirtschaftsverlag. Neue Landwirtschaft. Berlin: Deutscher Landwirtschaftsverlag Schweinezucht und Schweinemast. Münster: Landwirtschaftsverlag top agrar. Münster: Landwirtschaftsverlag Züchtungskunde. Stuttgart-Hohenheim: Eugen Ulmer
Sachregister
A Abbau, mikrobieller 47 Abferkelbucht 469, 470 Abgangsfrequenzen, Milchkühe 360 Abgangsursachen, Milchkühe 360 Abkalbebucht 336, 365 Abkalbegewicht 356 Ablammergebnis 553 Ablammzeiten 554 Abort, Trichomonadenseuche 63 Abruffütterung – Milchkühe 298 – tragende Sauen 472 Absatzlämmermast 561 Abschaltautomat 340 Absetzen – Ferkel 480 – Mutterkuhhaltung 422 Abwehrsystem, körpereigenes 33, 73 Acetonämie 294, 364 Acidose 41, 304 Ackerbohnen 244 Ackerfutterbau 325 Actinobacillus pleuropneumoniae 488 Adenosindiphosphat (ADP) 19, 185 Adenosintriphosphat (ATP) 19, 185 ADF 163 ADP s. Adenosindiphosphat Adrenalin 68 Aflatoxin 254 Agalaktie, Sau 73 Agenda 2000 354 Albumine 18 Aldehyde 12 Alkohole 12 Allantoin 13 Allantois 60 Allele 91 Altkuhmast 406 Alveolarmilch 67 Alveole 64
Amide 155 Aminogruppen 17 Aminosäuren 12, 17 – Schweinefütterung 160 Aminosäuren, essentielle 17, 155 Ammenkuhhaltung 417 Ammoniakvergiftung 157 Amnion 60 Amnionhöhle 61 Amylase 20, 44 Anämie 37 Anbindestall 331 Androgene 59 Angler Sattelschwein 433 Anglerrind 276 Angusrind 277 Anlagenkopplung 100 Anrüsten 67 Antibiogramm 72 Antibiotikarückstände 73 Anticodon 88 Antigen 76 Antigen-Antikörper-Komplexe 78 Antikörper 36, 68, 76 Antioxydanzien 181 antinutritive Inhaltsstoffe 252 Anwelken 217 Anzeigepflicht 147 Aorta 35 Apoenzym 20, 89 APP s. Actinobacillus pleuropneumoniae appetitanregende Stoffe 181 Arachidonsäure 16 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (ADR) 145 Aromastoffe 181 Arterien 34 Arzneimittelrückstände 49 Asche, HCl-unlöslische 163 Atemfrequenz 328 Atmungskette 185 Atmungsorgane 27 – Erkrankungen 30 ATP s. Adenosintriphosphat
Aufspaltungseffekt, Rückkreuzung 276 Aufzuchtintensität, Rind 383 Aufzuchtsergebnis, Schaf 553 Aufzuchtsperiode, Kalb 373 Aufzuchtstall, Rind 407 Aufzuchtsziffer, Schaf 553 Aufzuchtverluste, Mutterkuhhaltung 422 Aujeszkysche Krankheit 482 Ausgleichsfutterration, Milchkuh 305 Auslaufhaltung, Schwein 473 Ausputzgetreide 240 Außenklimastall – Jungrind 407 – Kalb 372 – Schwein 513 Austauschmethode 268 Austreibungsstadium, Geburt 366 Autofon 518 Autoimmunkrankheiten 80 Automatenfütterung, Schwein 498, 514
B Bakteriell fermentierbare Substanz (BFS) 199, 200 Bakterien 30 Bakterieneiweiß 42 Bakterienflora 41 Bananenkrankheit 486 Bänder 24, 25, 26 Bangsche Krankheit 62 Bauchpresse 367 Bauchspeicheldrüse 43 Baustoffe 152 BCS s. Body condition scoring Becken 24 Bedarfsangaben, Milchkuh 284 Befruchtung 56, 82 Befruchtungsziffer, Schaf 553 Behandlungsstand 423 Beifütterung, Mutterkuhhaltung 425
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Sachregister Bemuskelung, Schaf 552 Bentheimer Landschaf 556 Bergschaf 556 Besamung, künstliche 136 – Pferd 138 – Rind 359 – Sau 137, 454 – Schaf 557 Besamungserlaubnis 144 Besamungsindex 360 Besamungsorganisationen 145 Besamungsstationen 145 Besamungszeitpunkt, Rind 358 Betriebsgrößenstruktur 4 Betriebsstoffe 152 Betriebszweigergebnis, kalkulatorisches 347 BFS s. bakteriell fermentierbare Substanz BHV1 s. Bovines Herpes-Virus Typ 1 Bierhefe 247 Biertreber 247 Biestmilch s. Kolostralmilch Bikarbonat 38 Bilirubin 48 Biliverdin 48 Bindegewebe 9, 21 Binneneber 476 Biotechnik 143 Biotechnische Verfahren 135 BLAD s. Bovines Leukozyten Adhäsionsdefizit Bläschenausschlag 63 Blättermagen 39 Blauköpfiges Fleischschaf 556 Blinddarm 45 Blindmelken 67 BLUP (Bullenvergleich, direkter) 131 – Tiermodell 131 – Verfahren, Schwein 447 Blut 11, 32 – venöses 35 Blutarmut 37 Blutgerinnung 33 Blutglukose 44 Blutkörperchen 23, 32, 33 Blutkrankheiten 36 Blutkreislauf, mütterlicher 29 Blutplasma 32 Blutplättchen 23, 33 Blutserum 33 Blutzuckerspiegel 48 Bodenhaltung 533 Bodentrocknung 231
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Body condition scoring – Schwein 458 – Rind 296 Bordetellen 30 Bovine Virusdiarrhoe 381 Bovines Herpes-Virus Typ 1 63 Bovines Leukozyten-Adhäsionsdefizit 141 Bovines respiratorisches SynzitialVirus 383 Boxenlänge 334 Braunvieh 276 Breiniere 561 Bronchien 27 BRSV s. Bovines respiratorisches Synzitial-Virus Brucellose 62 – Dauerausscheider 62 Brunst 62 – asaisonale 554 – Rind 356 Brunstbeobachtung, Rind 357 Brunstdauer, Rind 357 Brunstkalender 357 Brunstkontrolle, Rind 358 Brunstlosigkeit, Rind 361 Brunstmesser 358 Brunstnachweis, Rind 358 Brunstsymptome, Rind 357 Brunstsynchronisation – Rind 358 – Schaf 554 Brunstzyklus, Rind 357 Brustkorb 23 Brustwirbel 23 Bruttoenergie 184, 191, 192,195 BSE 254 Buchmagen 39 Bullenvergleich, direkter s. BLUP Buntes Bentheimer Schwein 433 Butter – Streichfähigkeit 161 – Verbrauch 355 Buttersäure 14, 40, 41 Buttersäurebildner 214
C Calcitonin 165 Calcium 165 Calcium-Phosphor-Verhältnis 166 California-Mastitis-Test 72 Carbohydrase 44 Carbonatationskalk 248
Carbonsäuren 12 Carboxygruppe 14 Carotin 173 – Milchkuh 309 CCM 228, 229 – Rindermast 404 – Schweinemast 506 Centromer 91 Charolais 277 Chemotaxis 74 Chlor 169 Cholesterin 48, 59 Chorion 60 Chorionzotten 61 Chromatide 91 Chromoproteide 19 Chromosom 90 – Mutationen 103 Circovirus 482 Citratzyklus 185, 187, 188 CK-Test s. Kreatin-Kinase-Test Clostridien, Ferkel 484 Clostridiensporen 215 Cobs 235 Coburger Fuchsschaf 556 Codon 88 Coenzym 90 Colidurchfall – Ferkel 483 – Kalb 378 – Vorbeugung 180 Colimastitis 71 Corn-Cob-Mix s. CCM Cornkräcker 227 Corona-Virus 380 Corpus luteum 57 Creep-grazing 562 Crossing over 101
D Darmflora 178, 179 Darmschleimhaut 45 Darmzotten 45 Datenbank 150 Dauerausscheider, Brucellose 62 Dauerbrunst 62 DCAB s. Dietary Cation-AnionBalance Deckbulle 359 Deckeber, Fütterung 526 Deckeinsatz, Mutterkuhhaltung 421 Deckgewebe 9 Deckzentrum 473
Sachregister Deichschäferei 550 Deklaration, offene 262 Dendriten 24 de-novo-Synthese 69 Deoxynivalenol (DON) 240 Depotfett, körpereigenes 69, 161 Desoxyribonukleinsäure 84 Deutsche Landrasse 430 Deutsche Schwarzbunte 276 Deutsches Edelschwein 432 DFD (dark, firm, dry) 413 DFD-Fleisch 443, 445 Diastase 42 Dickdarmschleimhaut 45 Dietary Cation-Anion-Balance 166, 167 Dipeptid 18 Direktkosten 346 Disaccharide 13 Divisionsmethode, einfache 268 Dominanz 100, 113 DON s. Deoxynivalenol Doppelhelix 84 Doppelwendel 84 Dotterfarbe 538 Dreirassenkreuzung, Schwein 435 Dreirassen-Rotationskreuzung 276 Dribbelfütterung 472 Druck, osmotischer 19 Drüsen, endokrine 57 Drüsenbläschen 64 Drüsenmagen 39 Drüsenschleimhaut 42 Dünndarm 42 Durchfall 49 Durchmelken 364 Duroc 432 Dysenterie 484
E ECM s. Energiekorrigierte Milch Eierproduktion 530 – Kosten 540 Eierstock 56 Eierstockzyklus 59 Eigenbestandsbesamer 146 Eigenleistung 121 Eigenleistungsprüfung – im Feld 125 – Schwein 438 Eihäute 30, 60 Ei-Kennzeichnung 539 Eileiter 56 Einfachzucker 13
Einnutzungsrassen 276 Einsatzleistung 123 Einstellalter, Rindermast 396 Einstellgewicht, Rindermast 396 Einzelfuttermittel 258 Eischale 538 Eisen 170 Eiterbildung 75 Eiweiß 12, 16 – geschütztes 160 Eiweißansatz 59 Eiweißarten 18 Eiweißspaltung 44 Eiweißverbindungen 16 Eiweißverdauung 43, 44 Eizelle 82 Ejakulat 55 Ektoparasiten 52 Ekzem, nässendes 489 Elektrolytaustauscher 380 Elektrolytenbalance 167 Elektrolythaushalt 53 Elektrolyttränke 375 ELISA (enzyme-linked immuno sorbent assay) 37 ELOS (enzymlösliche organische Substanz) 191 Embryo 29, 60, 139 – Klonierung 140 – Sexen 140 – Splitting 140 – Tiefgefrierung 139 – Tierzuchtgesetz 144 – Schutzgesetz 143 Embryonalentwicklung 60 Embryonalhüllen 60 Embryo-Transfer 139 – Einrichtung 146 Empfängertier 139 Emulgatoren 181 Emulsion 44 Endoparasiten 50 Endoplasmatisches Reticulum 86 Energie 11 – thermische 192 – umsetzbare 192, 194,195 Energiebewertung – Geflügel 200 – Schwein 198 – Wiederkäuer 195 Energiebewertungssystem 182, 194 Energieformen 11 Energiekonzentration 198 Energiekorrigierte Milch (ECM) 284
Energiestufen 195 Energieumwandlung 11 Energieversorgung, Milchvieh 285 Enthornen, Kalb 147 Entwurmung, Schaf 559 Enzootische Ferkelpneumonie 30 Enzym 12, 20, 89 – Futterzusatz 181 Epiphyse 22 Epithelzelle 64, 72 Epizootische Virusdiarrhoe 485 Erbkrankheiten 136 Erblichkeit 106 Erblichkeitsziffer 107 Erbsen 244 Erhaltungsbedarf – Bullenmast 398 – Milchkuh 282 Erstbelegung, Färse 356 Erstbesamung, Rind 138 Erstbesamungsträchtigkeiten 137 Erstkalbealter 356, 383 Erythrozyten 32 Erzeugerbeihilfen, Milch 354 Erzeugungskosten, Milch 346 Escherichia coli s. ColiEssigsäure 14, 40, 41 Essigsäurebildner 215 Eubiose 179 EULOS (enzymunlösliche organzische Substanz) 191 EU-Milchmarktordnung 353 EU-Richtpreis, Milch 353 Euterentwicklung 64 Euterentzündung 52, 70 Exterieurbeschreibung 115 – Euter 117 – Formbeurteilung 116 – Fundament 117 – lineare Beschreibung 117
F Faktorenkrankheiten – Ferkel 483 – Kalb 378 färbende Stoffe 182 Färsenaufzucht 383 Färsenmast 390, 405, 406 Färsenmastitiden 73 Färsenvornutzung 405, 406 Fat-O-Meater 517 Fäulniserreger 215 Feldpilze 241
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Sachregister Feldprüfung 120 – gelenkte 127 – Schaf 552 – ungelenkte 126 Fellhaare 50 Ferkelerzeugung 451 Ferkelfütterung 478 Ferkelgrind 489 Ferkelgrippe 30, 487 Ferkelruhr 483 Ferkelruß 489 Ferkelveranden 481 Fermente 12 Fettanteil, intramuskulärer 443 Fettdepots 48 Fette 12 – geschützte 161 Fettgemische 16 Fettmobilisationssyndrom 302 Fettsäure 14 – flüchtige 41 – ungesättigte 16 Fettsäuremuster 15 Fettverdauung 43 Fibrin 33 Fibrinogen 18, 33 Filialgeneration 96 Fischgrätenmelkstand 338 Fischmehl 254, 255 Flat-Deck 481 Fleischbeschaffenheit, Schwein 442 Fleischbeschaffenheitszahl 442 Fleischergriffe 409 Fleischfarbe, Rind 413 Fleischleistung, Schaf 551 Fleischleistungsprüfung 125 – Prüfstation 126 Fleischrassen 280 Fleischrinderhaltung 416 Fleischschaf 556 – blauköpfiges 556 – schwarzköpfiges 556 – weißköpfiges 556 Fleischverbrauch 2 Fleischwert 134 Fleischwollrassen 554 Fliegen 52 Fliegenbekämpfung 337 Fließhilfsstoffe 181 Flushing 455 Flüssigfütterung, Schweinemast 504 Follikel 56 Follikelreifung 56, 57
570
Follikelsprung 57 Follikelstimulierendes Hormon 57 FOM s. Fat-O-Meater Fortpflanzungsleistung 127 Fötus 29 Freilandhaltung – Huhn 534 – Sau 471 Fressbereich, Liegeboxenstall 335 Fressboxenstall 331 Fresser 417 Fressgitter 423 Fressverhalten, Kuh 297 Fresszeit 289 Fresszellen 74 Friedländer System 469 Frischfleischabsatz 391 Frischmasse 153 Fruchtbarkeitsgene, Schaf 554 Fruchtbarkeitskontrolle, Zuchtbullen 362 Fruchtbarkeitsleistung, Schaf 553 Fruchtbarkeitsstörungen 62 – Kuh 360 Fruchtbarkeitszahl, Schaf 553 Fruchtblase 366 Fruchttod, frühembryonaler – Rind 359 – Schwein 455 Fruchtzucker 13 Frühabort, Sau 456 Frühentwöhnung, Kalb 377 Fruktose 13 Fürstenbergsche Rosette 66 Fürstenbergscher Venenring 66 Fußbodenheizung 468 Futteraufnahme – Bullenmast 398 – Milchvieh 286, 287 Futteraufnahmevermögen, Milchkuh 285, 287, 293 Futteraufwand, Rindermast 396 Futterfett 161 Futtergetreide 237 – Konservierung 242 Futtergrundlage, Mutterkuhhaltung 418 Futterkosten je kg Zuwachs, Rind 392 Futtermischwagen 299 Futtermittel – gentechnisch veränderte 262 – Probenahme 152 Futtermittelkontrolle 266 Futtermittelrecht 257
Futtermittelverordnung 178 Futtermittelzusatzstoff 263 Futterplan – Rindermast 403 – Milchvieh 326 Futterprotein, unabgebautes 157, 158 Futterqualität 297 Futterrüben 211 Futterstruktur 38, 289 Fütterungsantibiotika 178 Fütterungstechnik, Kuh 297 Futtervergleichswert 269 Futterverteilplan 327 Futterverteilwagen 298 Futterverzehr, Milchvieh 328 Futterwertleistungsprüfungen 266 Futterwertprüfung 266 Futterwertschätzung, Misch- und Grobfuttermittel 201 Futterzusatzstoffe 177
G Galaktopoese 66 Galaktose 13 Galle 47 Gallenflüssigkeit 43 Galloways 280 Gamma-Globuline, Kolostralmilch 374 Ganzpflanzensilage 229 Garantiemengenregelung, Milch 353, 354 Gärfutter 213, 214 Gärqualität 218 Gärung 40 – schaumige 49 Gärungsgase 47 Gasaustausch 27 Gasbildung 11 Gebärmutter 56 Gebärmutterentzündung 63, 73 Gebärmuttermuskulatur 60 Gebärmutterschleimhaut 60 Gebärmutterverdrehung 367 Gebärparese 23, 166 Gebiss 38 Gebrauchskreuzung 113 – Schwein 434 Geburt – Rind 365 – Sau 61 Geburtshilfe, Rind 367
Sachregister Geburtsverlauf, Rind 369 Gedächtnis, immunologisches 80 Geflügelbestände 528 Geflügelfleischverbrauch 548 Gekröse 43 Gelbkörper 57 Gelbvieh 276 Gelenk 21, 26 Gemeinkosten 346 Gen 91, 141 – Identifizierung 141 – Mutationen 103 Gendiagnostik 141 Gene Pharming 142 Generationsintervall 276 genetischer Trend 131 Genitalkatarrh 362, 371 Genom 90 – Analyse 141 – Mutationen 103 Genort 91, 141 – Identifizierung 141 Genotyp 96, 97 Genotyp-Umwelt-Interaktionen 121 Gentechnik 141 Gentransfer 142 Genwirkung – additive 105 – nicht-additive 105 Gerste 239 Gerüsteiweiße 18 Gerüstsubstanzen 162 Gesamtindex 135 Gesamtzuchtwert 135 Geschlachtetvermarktung 410 Geschlechtsbestimmung 101 Geschlechtshormone 57 – weibliche 59 Geschlechtsmerkmale 59 Geschlechtsorgane 53 – männliche 54 – weibliche 56 Geschlechtsreife 64 – Rind 356 – Schaf 562 Geschlechtstrieb 59 Geschmacksstoffe 37 Getreide 237 – erntefrisches 241 Getreidekühlung 243 Getreidelagerung 240 Gewährleistung 151 Gewebearten 9 Gewebeverträglichkeit 77
Gewebshormone 60 Glatzflechte 52 Gliedmaßen 24 Globuline 18, 68, 77 Glukagon 48 Glukokortikoide 66 Glukose 13, 184 Glukoseabbau 185 Glukosemangel 294 Glukoneogenese 44, 188 Glukosinolate 253 Glykogen 14 Glykolyse 184 Glykoproteide 19 Glyzerin 14, 187 Golgi-Apparat 87 Gonaden 57 Granulozyten 33 – neutrophile 74 Grassilage 206, 224, 226,314 Grimmdarm 45 Grobfutter 203 Grobfutteraufnahme 288 – Berechnung 311 Grobfutter-Kraftfutterverhältnis 285 Grobfutterration 305 Grobfutterverdrängung 309, 311, 312 Grundstandard-Methode, Schweinemast 500 Grundumsatz 194 Grünfutter 205, 206, 207 Grünfutterpflanzen 206 Grünland 205 Grünmehl 235 Gruppenabferkelung 474 Güstzeit 360 Gutsschäferei 550
H Haargefäß 27, 28, 35 Hackfrüchte 210 Hackfruchtmast 505 Häcksellänge 227 Hafer 239 Hähnchenmast 540 Halbgeschwisterprüfung Hälftenverteilung 124 Halothan 445 Hämoglobin 32 Hampshire 432 Handelsklasse 408 – Rindfleisch 409
121
– Schaf 563 – Schwein 516 Harn 53 Harnorgane 53 Harnsäure 12 Harnstoff 12, 155 – Einsatz 157 – Getreidekonservierung 244 Harnwegsinfektionen 167 Hauptlymphgang 36 Hauptmängel 151 Haut 50 – Erkrankungen 51 Hautkeime 70 Hefen 70, 215 Heidschnucke 556 Heißlufttrocknung 234 Hemmstofftest 73, 352 Henle-Schleife 53 Herbstzwischenfrüchte 229 Herdbuch 145 Herdenmanagement, Mutterkuhhaltung 420 Heritabilität 107 Herkunftsbescheinigung 144 Herz 33 Heterosiseffekte 113 heterozygot 97, 113 Hexose 13 HFT s. Hohenheimer-FutterwertTest Hinterendlage 369 Hinterviertel 64 Hippursäure 12 Hirnrindennekrose 176 Hoden 54 Hohenheimer-Futterwert-Test (HFT) 191 Hohlvene 35 Holsteinsche Euterseuche 70 Homogenisieren 345 Homöostase 20 homozygot 97 Hormondrüsen 48, 57 Hormone 16, 20 Hörner 51 HPP s. Actinobacillus pleuropneumoniae Hufe 51 Hüftdarm 43 Hütehaltung 550 Hüttenstall 472 Hybridprogramme 434 Hybridzüchtung 114 Hypophyse 20, 57
571
Sachregister Hypophysenhinterlappen Hypothalamus 57
67
– Aufzucht 525 Jungviehhaltung 407
I
K
IBR s. Infektiöse bovine Rhinotracheitis Iglu 372 Immunantwort – spezifische 36, 74, 80 – unspezifische 74 Immundiffusion 37 Immunglobuline 68, 77 Immunglobulingehalt, Blut 374, 379 Immunisierung 80 – aktive 81 – passive 68, 81 Immunität 74, 80 Immunokastration 477 Immunsystem 74 Impfung 80 – Kalb 379 Implantation 60 Indextheorie 135 Infektionskrankheit, spezifische 378 Infektiöse bovine Rhinotracheitis 63 Infektiöse pustuläre Vulvovaginitis 63 Influenza 486 Informant 121, 129 Insektizide 52 Insulin 48 Interbull 135 Intermediärstoffwechsel 44 Interventionspreis, Milch 353 Inzest 111 Inzucht 111 Inzuchtdepressionen 111 Inzuchtlinien 114 Ionenhaushalt 72 IPV s. Infektiöse Pustuläre Vulvovaginitis Irisches Melksystem 338
Käfighaltung 532 Kälberaufzucht 376 Kälberdurchfall 378, 380 – ansteckender 380 Kälberflechte 52 Kälberfütterung 373 Kälberhaltungsverordnung 373 Kälberkrankheiten 378 Kälberlähme 383 Kälbermast 395 Kälberschlupf 420 Kälberstall 372 Kalbesaison, Mutterkuhhaltung 421 Kalbung, Mutterkuhhaltung 422 Kalium 169 Kaltstall – Kalb 373 – Mutterkuhhaltung 419 Kalttränke 377 Kannibalismus, Schwein 475, 515 Kapillare s. Haargefäß Kartoffeln 211 Kartoffelpülpe 247 Kasein 43, 68 Käseverbrauch 355 Kastrieren 147, 476, 560 Kationen-Anionen-Balance 166 Kauen 37 Kehlkopf 27 Keimdrüsen 54, 57 Keime 70 Keimgehalt, Milch 352 Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere 150 Keratin 18, 66 Ketonkörper 294 Ketose 294 Killerzellen, natürliche 79 Kistenstall 513 Klärschlammverordnung 171 Klassifizierung, Rindfleisch 409 – apparative 413 Klauen 51 Klauengesundheit 327 Klauenpflege 337 Kleegrassilage 315 Kleingruppenhaltung, Huhn 534 Klon 77 Klonen 140
J Jahresleistung 122 Jersey-Rind 277 Jod 172 Jungeber 525,526 Jungrindermast 396 Jungsau 451
572
Knochenbildungszellen 22 Knochenendstück 22 Knochengewebe 9 Knochenmark 23, 32 Knochenschaft 22 Knochenweiche 166 Knorpelgewebe 9, 21 Kobalt 171 Koenzym 20 Kohlendioxid 12 Kohlenhydrate 12 – leichtlösliche 298 Kohlenhydratverdauung 44 Kokzidien – Ferkel 484 – Rind 381 Kokzidiostatika 182 Kollagen 18 Kolostralmilch 68, 80, 371, 373, 379 Kolostrum s. Kolostralmilch Kombinationszucht 112 Komplementfaktoren 75 Komplementsystem 79 Konservierungsstoffe 180 Konservierungsverfahren 213, 214 Konsummilch 346 Koppelschafhaltung 550 Körkommission 144 Körnerleguminosen 244 Körpergröße, metabolische 194 Körperkondition, Milchkuh 295, 296 Körperschlagader 35 Körpertemperatur 328 – Geburt 365 Korrelation 114 Kostendegression 282 Kotabgabe 45, 46 Kotkonsistenz 327 Kraftfutter 203, 298 Kreatin-Kinase-Test (CK-Test) 445 Kreislauf, ruminohepatischer 157 Kreuzung 95, 110 – Mutterkuhhaltung 417, 420 – Rindermast 395 Kreuzungszucht, Rind 276 Kreuzwirbel 23 Krypten 61 Küchenabfälle 509 Kuhplaner 358 Kuhschlachtungen 390
Sachregister Kupfer 170 Kurzrasenweide Kurzstand 331
323
L Labferment 43 Labmagen 39, 42 Lagerpilze 241 Laktation 66 Laktation, Körpersubstanzabbau 293 Laktationskurve 132, 295 Laktationsleistung 123 Laktogenese 66 Laktose 13, 69, 184 Lämmeraufzucht 559 – mutterlose 560 Lämmermast 560 – Intensivmast 561 Lämmerschlupf 560, 561 Landeskontrollverbände 145, 146 Landrasse B 432 Landschafrassen 556 Landschaftspflege 550 Langbrunst 361 Laufstall 331 – Bulle 407 Läuse, Schwein 490 Lebendvermarktung 408 Lebendviehmärkte 409 Lebensleistung 122 Leber 36, 43, 47 Leberarterien 47 Leberegel 50 Leberläppchen 47 Leerdarm 43 Legehennenfütterung 535 – ökologische 534 Legehennenstall 531 Leicoma 433 Leinsaat 253 Leistungsbedarf, Milchkuh 282 Leistungsdaten Rationskontrolle 329 Leistungsförderer 178 Leistungsfutter 305 Leistungsfutterration 305 Leistungsgruppen 300 Leistungskennzahlen, Schaf 553 Leistungsprüfung 120 – gesetzliche Regelung 144 – Schwein 436 Leitfähigkeit, elektrische 71
Leitfähigkeitsmessung, Scheidenschleim 358 Letalfaktoren 103 Leukose 36 Leukozyten 33 Leydigzellen 60 Lichtprogramme 331 Liegeboxenstall 335 Lieschkolbenschrotsilage (LKS) 228 Ligament 64 Lignin 14 Limax 117 Limousin 276 Lineare Beschreibung 134 Linien 110 Linienkreuzung114 Linolsäure 16 Lipase 20, 44 Lipoproteine 45 LKS s. Lieschkolbenschrotsilage Luftröhre 27 Lungenarterie 35 Lungenbläschen 27 Lungenfell 28 Lungenvenen 35 Lupinen 245 Luteinisierendes Hormon 57 Lymphe 11, 36 Lymphknoten 36 Lymphozyten 33, 76 Lymphsystem 36 Lysosomen 87
M Magen 39 Magendrüsen 44 Magenpförtner 42 Magensaft 43 Magermilch 254 Magervieh 396 Magnesium 169 Mähstandsweide 323 Mais 239 Maiskleberfutter 248 Maiskolbenschrot 228 Maissilage 226, 228, 229, 395 Makrophagen 72, 74 Maligne Hyperthermie-Syndrom 141 – Gentest 446 Maltose 13 Malzkeime 246 Malzzucker 13
Mammogenese 64 Mangan 171 Markenfleisch, Schwein 522 Markerallel 142 Markerimpfstoff 63 Marmorierung 391, 399, 412 Massentierhaltung 1 Mastdarm 45 Mastintensität, Rind 396 Mastitis 70 Mastitiserreger 70, 71 Mastitis-Metritis-Agalaktie-Komplex 73, 167, 462, 463, 485 Mastleistungsprüfung, Schwein 439 Mastrassen 280 Maul 37 Maul- und Klauenseuche 52, 148 Mehrfachzucker 13 Meiose 92 Melasse 248 Melasseschnitzel 249 Meldepflicht 48 Melkbarkeitsprüfung 124 Melkkarussell 338 Melkmaschinenreinigung 342 Melkroboter 341 Melkroutine 67 Melksysteme, automatische 67 Melktechnik 64 Mendel’sche Gesetze 95 Mengenelemente 19 Merinofleischschaf 554 Merino-Langwollschaf 554 Merinorassen 554 Merkmale – funktionelle 128 – qualitative 104 – quantitative 104 Merkmalsantagonismus 274 Methan 12, 192 Metritis 73 MHC-Proteine 77 MHS s. Maligne Hyperthermie-Syndrom Mikrobenprotein 156, 157, 158 Mikroorganismen 44 Milben 51 Milchadern 65 Milchaustauschfuttermittel 375 Milchauszahlungspreis 70, 346, 351 Milchbehandlung 345 Milchbildung 64, 66 Milchblockade 68
573
Sachregister Milchbrustgang 36 Milchdrüse 60, 64 Milchdrüsengewebe 64 Milcheiweiß 43 – Rationskontrolle 329 Milchejektion 67 Milchentleerung 67 Milchfett 15, 161 -Rationskontrolle 329 Milchfettsynthese 41, 69 Milchfieber s. Gebärparese Milch-Fleisch-Rassen 279 Milchfluss 67 Milchflussgeschwindigkeit 124 Milchgänge 65 Milchgebiss 38 Milchgeschmack 224 Milchgewinnung 64 Milch-Güteverordnung 70, 146, 352 Milchharnstoff- Rationskontrolle 329 Milchkuh, Fütterung 282 Milchkuhbestand 272 Milchkühlung 342 Milchlämmermast 561 Milchleistung 282 Milchleistungseigenschaften, Zuchtwertschätzung 132 Milchleistungsfutter 312 Milchleistungsprüfung 121, 123 Milchmangel s. Agalaktie Milchpreis 346 Milchproduktion 282 Milchquote 347 Milchquotenbörse 354 Milchquotenregelung 354 Milchsäurebakterien 14, 214, 216 Milchsäurebildner 214 Milchschaf 556 Milchsekretion 66 Milchsynthese 66, 68 Milchverordnung 352 Milchvieh, Aufzucht 355 Milchviehfütterung – biologische 298, 300 – Konstanz 304 – leistungsgerechte 285 – nach Kalbung 301, 303 – Trockensteher 301 – wiederkäuergerechte 285 Milchviehstall 330 Milchzellgehalt 72 Milchzisterne 65 Milchzucker 13, 69
574
Milz 36 Milzbrand 49, 149 Mineralisation, Knochen 22 Mineralstoffe 19, 164, 305 mischerbig 97 Mischfutter 256, 261 Mischsilage 212 Mitochondrien 87 Mitose 91 Mitteldatumsmethode 121 MMA s Mastitis Metritis-Agalaktie-Komplex Modifikation 106 MOET-Zuchtprogramme 139 Mol 11 Molekül 10 Molekülmasse, relative 11 Molke 255, 506 Molkeprotein 68 Monogastrier 44 Monoglyzeride 45 Monosaccharide 13 Monozyten 33, 74 Mucosal disease 381 Muskelfaser 24 Muskelfibrillen 25 Muskelgewebe 9 Muskeln 24,25 Mutationen 102 Mutterkorn 240 Mutterkuchen 30, 61 Mutterkuhfütterung 424 Mutterkuhhaltung 273, 416, 422 Mutterschaffütterung 557 Mykoplasmen 30 Myosin 18
N Nabelarterie 30 Nabelbehandlung 371 Nabelschnur 61, 371 Nabelstrang 30 Nacherfüllung 151 Nacherwärmung 220 Nachgeburt 68 – Rind 370 Nachgemelk 67, 124 Nachkommenprüfung 121 – im Feld 126 Nachprodukte 246 Nachzuchtbewertung 129 Nährstoffe 11 – Absorption 45 Nahrungsmittelsicherheit 1
Nase 27 Nasssilagen 230 Natrium 169 Natriumbikarbonat 169 Natronlauge, Getreidekonservierung 244 Naturalzuchtwert 133 Natürliche Killerzellen 79 Natursprung, Schaf 559 NDF 163 Nebenhoden 55 Nebennierenrinde 48 Nekrotische Enteritis, Schwein 488 NEL s. Nettoenergie-Laktation Nephron 53 Nervensystem, zentrales 24 Nervenzellen 24 Nettoenergie 191, 193, 194 Nettoenergie-Laktation (NEL) 196 Nettogewichtszunahme 125 Netzmagen 39 Neurit 24 NFC 163 N-freie Extraktstoffe (NfE) 162 Niacin 176,309 Nicht-Protein-Nitrogen-Verbindungen 42, 155 Nichtstärke-Polysaccharide (NSP) 181, 238 Niere 53 Nierenkörperchen 53 Nitrat 156, 209 NK-Zellen 79 Non-Return-Rate 137 Normalverteilung 104 Normtyp 261 NPN-Verbindung s. Nicht-ProteinNitrogen-Verbindungen Nukleinsäure 19, 84 Nukleotid 84 Nukleusherden 276 Nullaustauscher 375 Nutzbares Rohprotein (nXP) 158, 159 Nutzungsdauer 128 – Milchvieh 356 Nutzungsrichtung, Rind 277
O Ochsenfleisch 390 Ochsenmast 401 Ödemkrankheit 483 Offene Deklaration 262
Sachregister Offenstall, Kalb 372 Öffnungsstadium, Geburt 366 Ökologische Tierhaltung 7 Oldenburger Schweineseuche 484 Oligopeptid 18 Oligosaccharide 13 Ölsäure 16 Ölschrot 250 Organellen 10 Organsysteme 21 Östrogene 59 Outdoor-Haltung, Sau 471 Ovarien 56 Ovulation 56 Ovulationssynchronisation 358 Ovum-pick-up 140 Oxytozin 60, 67, 366 Oxytozinfreisetzung 68
P Paarung, Schaf 557 Pansen 39 Pansenacidose 298 Pansenbakterien 14 Pansenfunktion 289 Pansenschleimhaut 41, 302 Pansenübersäuerung 41 Pansenvolumen 287 Pansenzotten 40, 41 Parakeratose 482 Parasiten 49, 388, 559 Parasympathikus 25 Parathormon 165 Passagegeschwindigkeit 287 Pasteurellen 30 Pasteurisieren 345 Pechräude 489 Pedigreezuchtwert 132 Pellets 235 Penis 54 Pentosen 13 Pepsin 43 Pepsinogen 44 Peptidbindung 18 Persistenz 132 Pflegemaßnahmen, Stall 336 Pflück-Häcksel-Silage 228, 404 Pfortader 36, 47 Pfortaderkreislauf 35 Phagozyten 74 Phänotpy 95 Phasenfütterung – Mastschwein 497 – Putenmast 547
PHE s. Porcine hämorrhagische Enteropathie Phosphor 165, 168 pH-Wert 38 Phytase, mikrobielle 168, 181 Phytinphosphor 167 PIA s. Porcine intestinale Adenomatose Pietrain ´ 431 Pilze 52, 70 Pilztoxine 240 Pinzgauer 276 Plasmazellen 77 Plazenta 30 PMWS s. Postweaning Multisystemic Wasting Syndrom Pneumokokken 379 Pneumonie, Ferkel 487 Polyensäure 16 Polypeptide 18 Polysaccharide 13 Population 104, 110 Porcine hämorrhagische Enteropathie 488 Porcine intestinale Adenomatose 488 Porcine proliferative Enteropathie 488 Porcines reproduktives respiratorisches Syndrom 486 Portionsweide 323 Poschen 45 Positivliste 6, 259 Postweaning Multisystemic Wasting Syndrom 482 PPE s. Porcine Proliferative Enteropathie Prämien, Rindermast 414 Preisnotierung Rindfleisch 409 Preisschwankungen, Schlachtschweine 520 Preiswürdigkeit 267 Pressschnitzel 248 Pressschnitzelsilage 249 Proband 121, 129 Probiotika 179, 375 Produktionskosten Milch 349 Produktivitätszahl, Schaf 553 Progesteron 59 Progesteron-Test 358, 359, 457 Pro-Kopf-Verbrauch 2 Prolaktin 60, 66 Propionsäure 14, 40, 41 Propylenglykol 294 Prostaglandin 16, 60
Proteasen 20 Proteide 18 Protein 12 Proteinansatzvermögen 397 Proteinbewertungssystem, Milchkühe 158 Proteinstoffwechsel, Wiederkäuer 156 Proteinsynthese 17 Protozoen 40 Prozessqualität 411 PRRS s. Porcines reproduktives respiratorisches Syndrom Prüfbulle 128 Psalter 39 PSE (pale, soft, exsudative)-Fleisch 443, 445 Ptyalin 42 Pubertät 59 Puerperium, Rind 370 Pufferkapazität 217 Pulszahl 328 Putenaufzucht 544 Putenmast 543, 545, 546 Pyogenesmastitis 70
Q QTL s. Quantitative trait loci Qualitätseier 537 Qualitätsprobleme, Schweineproduktion 436 Qualitätssicherung 5 – Milch 6 – Fleisch 6 – Prüfzeichen 6 Qualzuchten 147 Quantitative trait loci 141 Quarantäne 64
R Rachenhöhle 27 Rapskuchen 252 Rapsschrot 252 Rapssilage 230 Rasse 110 – Mutterkuhhaltung 417 – Rindermast 395 Rastzeit 360 Rationsberechnung Milchkuh 305 Rationsgestaltung, Milchkuh 304 Rationskontrolle, Rind 326, 327, 329 Rationskostenvergleich 270 Rationsplanung, Rindermast 401
575
Sachregister Räude 51 Raumprogramm 475 Reduktionsteilung 94 Referenzlaktation 123 Reflexionswert 444 Regionale Ileitis 488 Regionalprogramme 523 Reifeteilung 92 Reifezeit 59 reinerbig 97 Rein-Raus-Methode 394 Reinzucht 110, 111 – Mutterkuhhaltung 420 Relativzuchtwert 133 Remontierungsrate 384 Reproduktionsleistung 127 Reservefett 16 Residualmilch 68 Resistenz 74 Resistenzentwicklung 73 Responder 298 Restluft 29 Rezeptoren 76 Rhinitis atrophicans 30, 487 Rhönschafe 556 RI s. Regionale Ileitis Ribonukleinsäure 19, 84, 88 Ribose 13 Ribosomen 86 Rinderbestand 271 Rindergrippe 30, 382 Rindermast 396 Rinderrassen 276 Rinderschlachtung 390 Rindertalg 16 Rindfleischproduktion 389 Rindfleischqualität 411 Rindviehhaltung 271 Rippenfell 28 Risikomaterial 409 RNB s. Ruminale Stickstoffbilanz RNS s. Ribonukleinsäure Roastermast 542 Robustrinder 280, 417 Roggen 239 Rohasche 163 Rohfaser 12 Rohfaser, strukturierte 290 – Berechnung 307 Rohfett 160 Rohprotein 155 – Abbaubarkeit 155 – nutzbares (nXP) 158, 159 – unabgebautes 156, 158, 313 Rohrzucker 13
576
Rose-Mast ´ 394 Rota-Virus 380 Rotes Höhenvieh 281 Rotklee-Grasmenge 324 Rotlauf 489 Rotviehrinder 276 Rübenkleinteile 250 Rückenmuskelnekrose 486 Rückkreuzung 98 Rückstände 52 Ruminale Stickstoffbilanz (RNB) 158, 159, 305 Ruß 51 Ryholm-System 331
S Saccharose 13 Saftfutter 203 Saftigkeit, Rindfleisch 412 Salmonellose, Rind 49, 381 Salzsäure 42, 43 Samen, Tierzuchtgesetz 144 Samenzelle 55, 82 Sarkoptesräude 51 Sauenfütterung 463 Sauertränke 377 Saure Salze 167 Säure-Basen-Gleichgewicht 19 Säuren 180 Scannertechnik 457 Schädlingsbekämpfungsmittel 265 Schafbestände 549 Schaffleischerzeugung 549 Schaffütterung 558 Schafhaltung 549 – Hygienemaßnahmen 559 Schafmilch 563 Schafstall 559 Scham 56 Scheide 56 Scheidenentzündung 63 Scheidenschleimhautbiopsie 457 Schilddrüse 48 Schilddrüsenhormone 66 Schimmelpilze 215 Schlachtausbeute 392, 414 Schlachtgewicht 408, 409 Schlachtkörper-Klassifizierungs-Gerät 517 Schlachtkörperqualität, Schaf 552 Schlachtleistungsprüfung, Schwein 440 Schläge 110
Schlauchsilierung 250 Schleimblase 366 Schlempe 247 Schleudermagen 39 Schnittführung, Schlachtkörper – DLG-Schema 412 – Schlachtrind 411 Schnüffelkrankheit 30, 487 Schottische Hochlandrinder 280 Schrägbodenstall 513 Schüttelbox 300 Schwanzkürzen, Ferkel 147 Schwarzköpfiges Fleischschaf 556 Schwefel 170 Schweinefleischqualität 175 Schweinehaltungshygieneverordnung 510 Schweinehaltungsverordnung 468 Schweinemast 492 – getrennt-geschlechtliche 498 – Phasenfütterung 497 Schweinepest 49 Schweineproduktion 427 Schweinerassen 430 Schweinezyklus 519, 521 Schweißdrüsen 50, 51 Schwellkörper 55 Schwenkboxenstand 331 Schwerfurter Fleischrasse 433 Scrapie 149 Segelklappen 34 Sehnen 24, 25 Selbstfütterung am Fahrsilo 299 Selektion 115 – markergestützte 135, 142 Selektionsindex 275 Selektionsintensität 115 Selektionsschärfe 115 Selen 172 Sensorfütterung 515 Serumalbumin 69 Serviceperiode 360 Seuchen 148 Seuchenbekämpfung 150 Sexualhormone, männliche 59 Sexualverhalten 59 Sichelzellenanämie 103 Sickersaft 230 Side-by-Side-Melkstand 338 Silage 213 Silagefütterung, ganzjährige 325 Siliermittel 218 Siloblockschneider 298 Sinnenprüfung Gras-, Maissilage 220
Sachregister Skelett 21 Skelettmuskeln 25 SKG s. Schlachtkörper-Klassifizierungs-Gerät SMEDI-Syndrom 456 Sojaschrot 252 Solanin 211 Somatische Zellen 70 Sommerfutterplan 319 Sommermastitis 71 Sommerstallfütterung 324 Sortiereinrichtungen 423 Spaltenbodenstall, Rind 408 Spaltungsgesetz 98 Spastische Parese 117 Speichel 37 Speicheldrüsen 37 Speiseröhre 27, 39 Spenderkühe 139 Spermalangzeitlagerung 129 Spermatrennung 138 Spermien 55 Spermienreifung 59 SPF (specific pathogen free)-Verfahren 488 Spongiforme Rinderencephalopathie s. BSE Sporen 30 Spurenelemente 19, 308 Stallbauformen 331 Standardabweichung 106 Staphylococcus aureus 72 Staphylokokken 70 Stärke 12, 13 – beständige 292 Stärkeabbau 42, 226 Stärkeeinheiten-System 195 Stärkegehalt 292 Starterfutter 377 Stationsprüfung 120, 552 Staubbindung 314 Stickstoff-Ausscheidung 160, 504 Stille Brunst 361 Stimulation 68 Stoffwechsel 11 Strahlenpilzerkrankung 486 Streptokokken 70 Stressanfälligkeit, Schwein 442 Stroh 236 Strohaufschluss 236 Strukturwert 290, 307 Strukturwirksamkeit 231, 236 Stutbuch 145 Suffolkschaf 556 Superabgabe, Milch 354
Superovulation 139 Süßlupinen 244 Swing-over-Melkstand 338 Sympathikus 25 Synapsen 24 Systemferkelprogramm 451
T Tageszunahme 125 Talgdrüsen 50, 51 Tandemmelkstand 338 Taschenklappen 34 Teilkostenrechnung – Milchviehhaltung 346 – Rindermast 414 Teilspaltenboden 511 Teilzuchtwert 134 Testbulle 129 Testtags-Tiermodell 132 Tetrade 94 Texelschaf 556 TGE s. Transmissible Gastro-Enteritis T-Helferzellen 77 Thiamin 176 Thrombozyten 33 Thymus-Drüse 76 Tieflaufstall, Schweinehaltung 513 Tiefstreustall, Schweinehaltung 513 Tiere, transgene 142 Tierernährung 1 Tiergesundheitsdienst 150 Tierhaltung 1 – ökologische 7 Tierhaltungsnorm 147 Tierkennzeichnung 146 Tiermodell 447 Tierproduktion 1 Tierschutzanforderungen 408 Tierschutzgesetz 147 Tierseuchen – anzeigepflichtige 30 – Gesetzgebung 147 Tierseuchenkassen 150 – Entschädigung bei Massentierhaltung 150 Tierzucht 1 Tierzuchtgesetz 144 T-Killerzellen 79 T-Kontrolle, alternierende 123 TMR s. Total-Misch-Ration Töchter-Populations-Vergleich 130
Tocopherol 175 Tollwut 149 Total-Misch-Ration 299, 317 – Färsenaufzucht 386 Toxine 30, 78 Traber-Krankheit 149 Trächtigkeitsdauer, Rind 363 Trächtigkeitsnachweis – Rind 359 – Ultraschall, Sau 457 Tränkautomat, Lamm 560 Tränke 154 Tränkeautomat, Kalb 378 Transgen 142 Transit-Fütterung 303 Transkription 88 Translation 88 Transmissible Gastro-Enteritis 484 Transponder 298 Treibgang 408 Tretmiststall 408 Trichomonadenseuche 62 Trichophytie 52 Triglyzerid 15 Triticale 23 Trockenmasse 153 Trockenschnitzel 248 Trockensteher Fütterung 301 Trockenstellen 67, 363 Trockensteller 364 Trypsin 44 Tuberkulose 30 Tympanie 49 Typ 110, 115 T-Zellrezeptor 77
U Überdominanz 100 Übergangsfütterung 321 UDP s. Rohprotein, unabgebautes Ultrahocherhitzung, Milch 345 Ultraschallgerät 359, 457 Ultraschallmessung, Schaf 552 Umrindern 62 Umtriebsweide 323 Umweltverträglichkeit 1 Unabhängigkeitsgesetz 100 unerwünschte Stoffe 265 Uniformitätsgesetz 98 Unterdachtrocknung 232, 233 Unterhautbindegewebe 16, 50 Untersuchung, bakteriologische 72
577
Sachregister Urstammzellen 32 Uterus s. Gebärmutter
V Vagina s. Scheide Vakzine 81 Varianz 106 – auditiv-genetisch 113 Variation 106 Vegetationsstadium 205 verbotene Stoffe 265 Verbrauchernachfrage, Milch 355 Verbraucherwunsch, Schwein 428 Verdaulichkeit 189 – In-vitro-Methoden 190 Verdauung – Dickdarm 45 – Dünndarm 43 – Magen 42 – Vormägen 40 Verdauungskanal 37 Verdauungskoeffizient 189, 190 Verdauungsorgane 37 – Erkrankungen 49 Verdauungsversuche 189 Verdrängungszucht 112 Veredlungszucht 111 Verein Futtermitteltest (VFT) 266 Vererbung – dominante 95 – geschlechtsgebundene 101 – intermediäre 96 Verfettung, Rindfleisch 411 Verfütterungsverbotsgesetz 254 Vergärbarkeitskoeffizient 217 Verknöcherung 22 Verknöcherungskern 22 Vermarktung – Mastschwein 516 – Schaf 562 Versandschlachtereien 409 Versorgungsempfehlungen, Milchkuh 283 Verwandtschaftskoeffizienten 129 Vibrionenseuche 63 Viehsalz 169 Viehverkehrsverordnung 146, 150 Vielfachzucker 13 Vielfalt, genetische 143 Viertelgemelksproben 72 Viremiker 381
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Viren 30 Vitamine 12, 20, 172 – fettlösliche 21, 172 – wasserlösliche 21, 176 Vitaminversorgung Milchkuh 308, 309 Volierenhaltung 534 Vollgeschwisterprüfung 121 Vollkostenrechnung – Milchviehhaltung 346 – Rindermast 414 Vollmilch 254 – Kälbermast 393 Vollspaltenboden, Schweinehaltung 512 Vorbereitungsstadium, Geburt 365 Vorderendlage 366 Vorderviertel 64 Vorhof 33 Vormägen 39 Vorstimulation 67 Vorzugsmilch 30 Vulva 56
W Wachstum – kompensatorisches 396, 481 Wachstumskapazität, Rindermast 396 Wachstumsverlauf, Rindermast 396 Wandlung 151 Wanderschäferei 550 Wärmeregulierung 51 Wartebullenhaltung 129 Wartezeit 52, 73, 371 Wasser 153, 154 Wasserbedarf 153, 536, 557 Wasserblase 366 Wasserhaushalt 53 Wasserversorgung – Rationskontrolle 329 Weelink-System 299 Weender Futtermittelanalyse 152, 182 Wehen, Rind 366 Wehenschwäche, Sau 462 Weidegang 319 Weidehaltung, Färse 388 Weidelämmermast 561 Weideleistung 322 Weidemast, Bulle 395 Weidemastkälber 417
Weidetetanie 164, 170, 322 Weißköpfiges Fleischschaf 556 Weizen 239 Welsh Black 280 Wertigkeit, biologische 155 Wiederbelegung 359 Wiederkauen 37, 39 Wiederkäuer 44 Wiederkaufunktion 289 Wiederkautätigkeit 327 Wiederkauzeit 289 Winterfütterung 312 Wirkstoffe 12 Wirtschaftlichkeit – Legehennenhaltung 541 – Mutterkuhhaltung 425 – Rindermast 414 – Schafhaltung 563 – Schweinemast 523 Wirtschaftslämmermast 561 Wollfeinheit 551 Wollhaare 50 Wollleistung 551 Wollpreise 551, 562 Wringprobe 218
Z Zahn 38 Zartheit, Rindfleisch 412 Zearalenon (ZEA) 240 Zecken 52 Zeitgefährtinnenvergleich 130 Zellen, somatische 70 Zellgehalt, Milch 352 Zellgifte 79 Zellkern 86 Zellmembran 16, 86 Zellplasma 86 Zelltod, programmierter 74 Zellulose 12, 13 Zellzahl 71, 134, 364 Zentrales Nervensystem 24 Zentralkörperchen 88 Zentralvenen 47 Zentriolen 88 Zervix 56 Zink 171 Zisternenmilch 67 Zitronensäurezyklus s. Citratzyklus Zitzendesinfektion 70 Zitzenkanal 65 Zitzenkanalmündung 66 Zitzenversiegler 364 ZP s. Zwei-Punkte-Verfahren
Sachregister Zucht – geschlossene 111 – Rind 273 Zuchtbescheinigung 144, 145 Zuchtbulle 362, 389 Züchtervereinigung 110, 145 Zuchtfortschritt 274 – Rind 276 Zuchtläufer 526 Zuchtleistung 127 – Schaf 552 Zuchtleistungsprüfung, Schwein 439 Zuchtmethoden 110 Zuchtorganisationen 145 Zuchtpopulation, aktive 137 Zuchtprogramm 146 – Rind 274, 275 Zuchtreife, Rind 356 Zuchttauglichkeit, Schaf 562 Zuchttier, Tierzuchtgesetz 144 Züchtung 110 Zuchtunternehmen 145 Zuchtwahl 115 Zuchtwert 130
Zuchtwert – Abweichung 130 – allgemeiner 131 – Darstellung 132 – fixe Basis 133 – gesetzliche Regelung 144 – gleitende Basis 133 – Relativzahl 130 – spezieller 131 – Top-Listen 135 – Umwelteinflüsse 131 – Vergleichswert 130 – vorgeschätzter 129 – wahrer 131 – Zellzahl 134 Zuchtwert-Exterieur 134 Zuchtwertschätzung 130 – Fleischleistung 134 – Genauigkeit 115 – Milchleistung 132 Zuchtwert-Zuchtleistung 134 Zuchtziel 135, 145 – Rind 274 – Schwein 428 Zucker 12
Zuckergehalt 199, 292 Zuckerrüben 210 Zuckerrübenblattsilage 230, 315 Zusatzstoffe 263 Zuwachs, Rindermast 396 Zwangsmauser 531 Zweifachzucker 13 Zweinutzungsrassen 276, 279 Zwei-Punkte-Verfahren 517 Zweirassenkreuzung, Schwein 435 Zwerchfell 28 Zwergfadenwurm 490 Zwillingsträchtigkeit, Schaf 553 Zwischenkalbezeit 356 Zwischenmelkzeit 66 Zwischenzellmasse 22 Zwitterbildung 59 Zwölffingerdarm 43 Zyklus 56 Zyklusstörungen, Rind 361 Zystenbildung 361
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