Nr. 334
Tempel des Bösen Der Zeitreisende kämpft gegen Menschen und Außerirdische von H. G. Ewers
Sicherheitsvorkehru...
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Nr. 334
Tempel des Bösen Der Zeitreisende kämpft gegen Menschen und Außerirdische von H. G. Ewers
Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, daß die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist – in der Form eines plötzlich wiederaufgetauchten Stückes des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlan tis. Atlan und Razamon, der ehemalige Berserker, haben als einzige den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Herren der FESTUNG ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen. Die beiden Män ner landeten auf einer Welt der Wunder und der Schrecken – mit dem Ziel, die Be herrscher von Pthor schachmatt zu setzen, auf daß der Menschheit durch die Invasi on kein Schaden erwachse. Nach vielen gefahrvollen Abenteuern, die am Berg der Magier ihren Anfang nah men, haben Atlan und Razamon zusammen mit ihren neuen Kampfgefährten dieses Ziel inzwischen erreicht. Der Angriff auf die FESTUNG, gemeinsam mit den Kindern Odins vorgetragen, war von Erfolg begleitet. Der »Dimensionsfahrstuhl« Pthor gefährdet nun die Erde nicht mehr. Er befindet sich nach den vorangegangenen apokalyptischen Ereignissen von Ragnarök, der Stunde der Götterdämmerung, mit Atlan unterwegs auf dem Flug durch fremde Dimensionen. Was aber geschieht nach dem Verschwinden des »Neuen Atlantis« auf der Erde? Hier, rund ein halbes Jahr nach der Entmaterialisierung des mysteriösen Kontinents, erscheint Algonkin-Yatta, der interstellare Kundschafter, der, Atlans Spuren folgend, Raum und Zeit überwand, jedoch den Arkoniden selbst um Haaresbreite verfehlte. Jetzt ist der Zeitreisende auf Terra gefangen – im TEMPEL DES BÖSEN …
Tempel des Bösen
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Die Hautpersonen des Romans:
Perry Rhodan - Der Großadministrator auf der Spur einer Außerirdischen.
Anlytha alias Cyamoideah Tayac alias Dr. Scarlatti - Algonkins Gefährtin auf dem Kriegspfad.
Algonkin-Yatta - Ein Gefangener im Tempel des Bösen.
Loggy - Ein Kristall sammelt Erfahrungen.
Orwell Hynes - Anlythas Mastreiter.
1. EXPEDITION NACH TERRA »So!« sagte Anlytha und schob den letz ten Gegenstand ihrer Ausrüstung in die Zeit kapsel. »Ich denke, ich habe alles, was ich auf diesem komischen Planeten gebrauchen kann. Wie heißt er doch gleich, Loggy?« »Erde«, antwortete der Kristall, indem er Anlytha dieses Wort denken ließ. »Ja, richtig: Erde«, meinte Anlytha und zwängte sich durch den engen Korridor, der ihr in der Kapsel verblieben war, nachdem sie das »Nötigste« für ihre Expedition zu der Welt, auf der Algonkin-Yatta gefangenge halten wurde, aus dem Kundschafterschiff, geholt und in der Kapsel verstaut hatte. »So, jetzt können wir starten!« »Starten können wir«, erwiderte Loggy. »Aber ich empfehle, daß wir nicht ausge rechnet wieder dort herauskommen, wo wir zuletzt mit Algonkin herauskamen.« »Wir?« fragte Anlytha mit kreischendem Unterton. Der weiße Federkamm auf ihrem Kopf sträubte sich. »Wer war denn noch da bei außer dir und Algonkin?« »Die Zeitkapsel«, antwortete Loggy unge rührt. »Die Zeitkapsel«, wiederholte Anlytha und nickte. Dann stutzte sie und sagte verär gert: »Aber das ist doch keine Person, son dern eine Sache!« »Für mich ist es eine Person – oder ich bin selbst eine Sache«, gab Loggy zurück. »Schließlich habe ich mich aus einem Orien tierungselement des Zeitauges entwickelt, das vom Luna-Clan geschaffen wurde. Die ses Orientierungselement erfuhr zum ersten mal eine Modifizierung, als das Zeitauge zwischen den Dimensionen mit einem Psi-
Roboter zusammentraf – und zum zweiten mal wurde es modifiziert, als Algonkin und ich mit der Zeitkapsel zwischen den Zeiten einem rätselhaften und bedrohlichen Gebilde begegneten. Jedesmal floß etwas von dem, dem ich begegnete, in mich über. Dadurch bin ich zwar kein Orientierungselement mehr – auch wenn ich dessen Fähigkeiten nicht verloren habe –, aber doch längst keine Person.« Anlytha winkte ab. »Du weißt, daß ich nichts von langen theoretischen Vorträgen halte, also langwei le mich nicht damit. Von mir aus soll die Kapsel eine Person sein. Dann muß sie aber auch einen Namen haben.« »Selenone«, ließ Loggy denken. Anlythas fliederfarbenes »Porzellangesicht« nahm einen fragenden Ausdruck an. »Selenone? Warum Selenone? Was be deutet das?« »Ich weiß es nicht. Ich habe nur eine vage Erinnerung an diesen Namen oder Begriff. Er muß etwas mit dem Zeitauge zu tun ha ben oder mit dem Ort, an dem das Zeitauge entstand.« »Kompliziert«, meinte Anlytha. »Aber von mir aus! Was, schlägst du vor, wo wir herauskommen sollten, Loggy?« »Nicht nur wo, sondern auch wann!« kor rigierte Loggy. »Ich denke, es wird am be sten sein, wenn wir zu einer Zeit auf der Er de auftauchen, in der ihre Bewohner noch nichts von der Existenz anderer intelligenter Wesen auf den Planeten anderer Sonnen ahnten.« »Woher willst du wissen, seit wann die Erdbewohner von ihrem egozentrischen Weltbild abgekommen sind?« fragte Anly tha.
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H. G. Ewers
»So etwas läßt sich ausrechnen, wenn man die Gedanken und Erinnerungen von Menschen durchforscht hat«, gab Loggy zu rück. »Aber vorsichtshalber gehe ich etwas weiter zurück, da ich nicht die Geschwindig keit kenne, mit der sich die menschliche Zi vilisation weiterentwickelt hat.« »Mir soll es recht sein«, meinte Anlytha. »Hauptsache, es geht endlich los, damit ich Algonkin befreien kann. Wer weiß, wie die se Menschen dem Ärmsten zusetzen.« »Ja, wer weiß!« gab Loggy zurück. »Schließe am besten die Augen, damit es dir nicht schwindlig wird, wenn wir durch Räu me und Zeiten wirbeln!« »Mich kann nichts erschüttern«, behaup tete Anlytha. Sie schloß die Augen, als sie auf den Bildschirmen sah, daß sich ein undurch dringlicher, substanzlos erscheinender Schleier um die Kapsel legte. Und als Anly tha das Gefühl hatte, als drehte die Zeitkap sel sich gleichzeitig in alle denkbaren Rich tungen, stieß sie einen schrillen Schrei aus und schlug die Hände vors Gesicht.
* Anlytha glaubte, die Zeitkapsel fiele durch einen tiefen Schacht und käme abrupt zum Stillstand. Als sie zaghaft die Hände vom Gesicht nahm, sah sie auf den Bildschirmen, wie die Schleier sich lichteten. Doch sie verschwan den nicht ganz. Dicht unterhalb der Zeitkap sel verdichteten sie sich sogar – und aus ih nen ragten seltsam bizarre Dinge hervor. »Was ist das? Wo sind wir?« fragte Anly tha. »Wir befinden uns auf der Erde«, antwor tete Loggy. »Das heißt, die Zeitkapsel schwebt in einigen Metern Höhe über dem Boden, der von einer echten Nebeldecke verhüllt wird. Die Dinge, die aus dem Nebel ragen, sind Baumwipfel.« Einigermaßen beruhigt, blickte Anlytha wieder auf die Bildschirme. Neugierig mu sterte sie die dünnen Baumwipfel und die
ständig in Bewegung befindlichen Blätter. Danach schaute sie zum Himmel – und wäh rend sie die düsteren, rasch dahinjagenden Wolken betrachtete, lösten sie sich auf. Mit grellem Glanz schickte eine gelbweiße Son ne ihre Strahlen herab. Anlytha blinzelte und schaute schnell weg. Sie bemerkte, daß die Sonnenstrahlen die Nebeldecke zerstreuten. Immer mehr von den Konturen der Planetenoberfläche wurden sichtbar. Links und rechts und hinter der Zeitkapsel gab es Felsen, kriechende Ge wächse und hohe dürre Bäume, deren Kro nen sich im Wind wiegten. Und vor der Zeitkapsel schälte sich plötz lich aus den verwehenden Nebeln die ellipti sche, unbewegte Wasserfläche eines beinahe schwarzen Sees, in der sich die wilden, skur rilen Formen eines fast geschlossenen Krei ses aus unterschiedlich großen Felsen spie gelte. Außerdem spiegelte sich in dem fast unheimlich stillen Wasser ein zerfurchter steiler Bergkegel sowie ein exakt zylindri sches Gebilde aus undefinierbarem schwar zen Material. Und der Zylinder ruhte auf einem monoli thischen Quader – oder einem echten Mono lithen –, dessen von der Kapsel aus sichtbare Seitenfläche zirka neun Meter breit und vier Meter hoch war. »Ein künstliches Gebilde!« entfuhr es An lytha staunend. »Und es sieht aus, als wäre zu seinem Bau eine hochentwickelte Tech nik nötig gewesen.« Als Loggy nichts dazu sagte, schaltete Anlytha den Hyperempfänger ein, den sie vom Kundschafterschiff herübergebracht hatte. Geduldig suchte sie alle Frequenzen ab. Einmal fing sie einen fremdkodierten Spruch auf, aber der Sender war mehrere Lichtjahre entfernt. »Auf der Erde steht kein einziger Hyper sender«, stellte sie fest. »Jedenfalls sendet keiner. Und es ist unheimlich still. Ich kann keine Menschen sehen. Vielleicht gibt es überhaupt keine Menschen auf diesem Pla neten, Loggy.« »Es muß Menschen geben, denn die Erde
Tempel des Bösen wurde nicht von außerhalb besiedelt. Aber dieses Bauwerk trägt die unsichtbaren Züge von Konstrukteuren, deren geistiger Hori zont erheblich weiter sein muß als der der Menschen, die es in dieser Zeit gibt.« »Heimliche Eroberer?« fragte Anlytha in teressiert. »Denkst du, daß die Menschheit dieser Epoche von Außerirdischen be herrscht wird, ohne es zu ahnen?« »Alles ist möglich, Anlytha.« Anlytha erhob sich und sagte resolut: »Selbst die härtesten Herrscher sind nicht gegen den Reiz von Neuigkeiten gefeit. Ich werde als Händlerin zu ihnen gehen und in ihre Seelen blicken, während ich mit ihnen feilsche.« »Oder während sie dich berauben und verspotten«, erwiderte Loggy. »Aber woher hast du die Weisheit mit dem Reiz der Neu gier, Anlytha? Sind deine Erinnerungen zu rückgekehrt?« »Leider nicht«, sagte Anlytha, während sie bereits in ihren ›Schätzen‹ wühlte. »Ich habe sie aus den von der Psiotronik gespei cherten ›Kontakthilfen für Kundschafter‹.« Sie verstaute mehrere bunte Kristalle, ei nige Stoffstreifen und verschiedene Musik instrumente in dem kastenförmigen Trans portbehälter eines kleinen Handkarrens, den sie in einer Handelsmission der Springer »gefunden« hatte. Die Springer mußten ihn von einer unterentwickelten Zivilisation mit gebracht haben, denn Holz und rostiges Ei sen sowie Naturgummi waren die einzigen Materialien, aus denen der Karren bestand. Als sie mit dem Karren zur Schleuse ge gangen war, blieb sie stehen und schaute enttäuscht zurück: »Warum hast du nicht gesagt, ich solle zurückbleiben, Loggy?« fragte sie. »Hättest du denn auf mich gehört?« fragte Loggy zurück. »Ich hätte nicht auf dich hören dürfen«, gab Anlytha zurück. »Die Pflicht zwingt mich zu meinem schweren Gang. Aber es hätte mir bewiesen, daß du dir Gedanken um mein Schicksal machst.« »Es ist keineswegs die Pflicht, die dich
5 dazu zwingt, beim Turm herumzuschnüf feln«, widersprach Loggy. »Turm?« fragte Anlytha. »Meinst du die ses Gebilde dort?« »Richtig, denn es hat die Form eines Tur mes. Ob es tatsächlich ein Turm ist, läßt sich von hier aus nicht feststellen. Paß gut auf dich auf, Anlytha, ja?« »Aber, ja!« erwiderte Anlytha. »Danke, Loggy!« Mit strahlendem Gesicht durchquerte sie die Schleuse, schaltete ihr Flugaggregat ein und schwebte, den Handkarren auf den Ar men, zu Boden. Danach schaltete sie das Flugaggregat wieder aus, blickte sich um und marschierte schließlich nach rechts, wo der Weg um den See bis zum Turm kürzer war als der Weg nach links.
* Einige Stunden später … Anlytha blieb stehen, atmete schwer und schloß die Augen. Es war heiß geworden, und der Marsch – zuerst durch unwegsames steiniges Gelände und dann über den steil ansteigenden Serpentinenweg hinauf – hatte sie stark geschwächt. Mehrmals war sie ver sucht gewesen, die Strapazen mit Hilfe des Flugaggregats wenigstens hin und wieder abzumildern, aber sie hatte es mit Rücksicht auf eventuelle Ortungsgeräte unterlassen. Dieser Planet gab ihr Rätsel auf, und sie wollte sich keine Blöße geben, bevor sie nicht wußte, wer in dem Turmbau hauste. Plötzlich zuckte sie heftig zusammen. Was war das für ein Geräusch gewesen? Im nächsten Augenblick wußte Anlytha die Antwort – beziehungsweise bestätigte ihr Verstand den Schluß, den ihr Gefühl so fort gezogen hatte. Es war das typische pfeifend-summende Geräusch eines Fluggleiters gewesen, wie sie es schon oftmals gehört hatte, seit sie mit Algonkin-Yatta zusammenlebte – und vor her wahrscheinlich auch. Fluggleiter aber waren so komplexe tech nische Produkte, daß ihr Besitz entweder die
6 Beherrschung aller notwendigen BasisTechnologien oder aber einen Reichtum vor aussetzte, wie ihn der Bewohner einer Bar barenwelt niemals zusammentragen konnte. Da die Erde in dieser Zeitepoche aber ei ne Barbarenwelt war, was durch den fehlen den Hyperfunkverkehr bewiesen wurde, leb ten auf ihr Vertreter einer wissenschaftlich-tech nisch weit überlegenen Zivilisation. In dem schwarzen Turmbau! Ein lüsternes Lächeln breitete sich über Anlythas Gesicht aus. Was für kostbare Schätze mußten die Au ßerirdischen in ihrem Turm zusammengetra gen haben! Schätze, die viel zu schade für sie waren … Anlytha konnte sich nicht mehr beherr schen. Sie stieß ein frohlockendes Gekreisch aus und hüpfte von einem Bein aufs andere, bis ihre durch den Marsch überanstrengten Knochen sich schmerzhaft bemerkbar mach ten. Keuchend stand sie da, rang nach Atem und fieberte dennoch danach, so bald wie möglich wieder aufzubrechen. Als ihre Lun gen sich einigermaßen erholt hatten, packte sie wieder den Zuggriff ihres Handkarrens. Mit festem Schritt stapfte sie die letzte Strecke bergauf, bis sie nach einer weiteren Wegbiegung die Brücke sah. Sofort setzte Anlytha ihren psionisch be gabten Gehirnsektor ein und strahlte eine psionische Wellenfront aus, die jedem Lebe wesen in weitem Umkreis vorgaukelte, eine alte Terranerin würde sich in gebückter Hal tung der Brücke nähern. Aus den Schilde rungen Loggys wußte Anlytha im großen und ganzen, wie eine Terranerin aussah. Als sie vor der Brücke stand, sah sie, daß es sich um eine aus sorgfältig bearbeitetem Holz gebaute Zugbrücke handelte, die von handgeschmiedeten und geschwärzten Ei senketten gehalten wurde. Anlytha bewegte die Lippen, als wollte sie sie zu einem Pfiff spitzen, aber sie schwieg. Dennoch mußte sie sich weiterhin zusammenreißen, um den Blick von den Ketten zu nehmen, die ein halbes Vermögen
H. G. Ewers wert sein mußten, wenn sie tatsächlich aus Eisen und handgeschmiedet waren. Denn wo gab es so etwas noch in Zivilisationen, wo die »Schmiede« nur noch aus Tradition die se Berufsbezeichnung trugen, obwohl kaum einer von ihnen in seinem ganzen Leben ein mal ein Stück reinen Eisens in die Hände be kam. Sie programmierten die Computer, die ihrerseits die Produktion steuerten und über wachten. Langsamer als zuvor überquerte Anlytha die Brücke. Vor dem dreiflügligen Tor blieb sie stehen und musterte die rechteckigen Ei senschindeln, mit denen es beschlagen war. Aus einem Erkerfenster fiel Licht. Anlytha ließ ihren Handkarren los und musterte prüfend die Umgebung des Tores, doch zu ihrer Enttäuschung entdeckte sie weder ein Impulsschloß noch eine Ruftaste. Bis ihr bewußt wurde, daß sie ja gar nicht nach solchen Produkten einer überlegenen Zivilisation suchen durfte! Doch wie machte man sich auf einer Bar barenwelt bemerkbar? Wahrscheinlich rief man, aber diese Me thode taugte nicht für Anlytha, da sie keine Ahnung hatte, welche Sprache auf der Erde eines Barbarenzeitalters gesprochen wurde. Sie hatte sich deshalb bereits in der Kapsel dazu entschlossen, eine Taubstumme zu spielen. Schließlich mußte man sich mit Ge sten ebensogut unterhalten können wie mit einer Sprache, da die Terraner einen ähnli chen Körperbau hatten wie sie selbst und wie Algonkin-Yatta. Einer der Turmbewohner erlöste sie end lich aus ihrer Verlegenheit. Anlytha hörte, wie ein Fenster geöffnet wurde. Als sie auf schaute, sah sie im offenen Erkerfenster das Gesicht eines relativ jungen Mannes, der ein Terraner sein konnte, aber für einen Barba ren etwas zu kultiviert aussah. Der Mann musterte Anlytha – bezie hungsweise die alte Terranerin, die er zu se hen glaubte – eine ganze Weile, dann fragte er etwas in einer Sprache, die Anlytha nicht verstand, obwohl es ihr vorkam, als hätte sie, sie oder eine ähnliche Sprache schon
Tempel des Bösen einmal gehört. Im nächsten Moment wisperte der Mikro lautsprecher in ihrem linken Ohr, der mit dem vor der Brust hängenden Translator verbunden war: »Wer seid Ihr, gute Frau?« Anlytha kämpfte die Verblüffung nieder. Sie wußte nunmehr, daß die Sprache, derer der junge Mann sich bediente, in ihrem Translator gespeichert war. Andernfalls hät te das Gerät die Worte nicht übersetzen kön nen, sondern eine gewisse Zeit gebraucht, bis es im Direktverfahren eine brauchbare Analyse erstellt hatte. Anlytha öffnete den Mund, bewegte die Lippen und deutete danach durch verschie dene Gesten an, daß sie nicht sprechen kön ne. Ein ähnliches Manöver vollführte sie hinsichtlich des Gehörs. Bei beiden Dingen achtete sie darauf, daß die Bewegungen, die ihr Realkörper ausführte, auch von ihrem Scheinkörper ausgeführt wurden, denn sonst hätte der Fremde sie nicht wahrnehmen kön nen. Anschließend deutete sie auf ihren Handkarren, dessen Transportkasten mit Ware gefüllt war – und dann auf den Frem den. Der Fremde bewegte den Kopf auf und ab, dann verschwand er vom Fenster. Anlytha hörte Schritte, wenig später die Stimme des jungen Mannes und darauf eine andere Stimme, die aus dem Lautsprecher eines Kommunikationsgeräts zu kommen schien. Wie komme ich eigentlich darauf, daß der Fremde ein Mann ist? fragte sie sich. Schließlich habe ich nur sein Gesicht gese hen. Dennoch bin ich hinsichtlich seines Ge schlechts absolut sicher. Folglich ist es seine verblüffende Ähnlichkeit mit Arkoniden, die mich die Einstufung vornehmen ließ. Ein schwerer Riegel krachte. Der schmale Flüge des Tores öffnete sich nach außen. In dem milchigen Licht, das drinnen herrschte, sah Anlytha den jungen Mann. Diesmal aber sah sie mehr von ihm, und sie erkannte, daß er eine leichte Rüstung trug. Das Ketten hemd klirrte leise bei jeder seiner Bewegun gen. An dem Schwertgehänge des breiten
7 Ledergürtels war ein langes gerades Schwert befestigt. Anlytha war irritiert, denn weder die Klei dung noch die Bewaffnung des jungen Man nes paßten zu dem Vertreter einer hochent wickelten Zivilisation. Auf die einladende Geste des Mannes trat sie in den Korridor und sah an der Seiten wand eine Reihe von Halbkugeln aus mil chigem Material, aus denen das Licht drang. Das offen verlegte Kabel verschwand in hal ber Höhe in der Mauer. Ein neuer Widerspruch. Wieso trug jemand, der sich der elektri schen Energie bediente, die Rüstung eines Mannes, die in ein feudalistisches Zeitalter gehörte? Die Räder des Handkarrens rumpelten über das Pflaster des Korridors. Hinter An lytha schloß der Mann das Tor wieder, dann ging er an ihr vorbei und auf die Wendel treppe zu, die vom Korridor nach oben führ te.
* Der junge Mann packte ungefragt mit an – und so trugen sie den Karren gemeinsam: Anlytha links und der rätselhafte Fremde rechts. Die Treppe war breit und sauber aus Holz gearbeitet. An den Wänden hingen große Holztafeln mit farbigen Bildern. Über dem ersten Treppenabsatz hing ein riesiger Holz reifen, der mit falschen Kerzen bestückt war. Nach der zweiten Treppe kamen sie in einen niedrigen Raum, in dem ein leerer Ka min stand. Dort blieb der junge Mann ste hen. Kurz darauf öffnete sich in der gegen überliegenden Wand eine Tür. Ein zweiter Fremder kam herein, älter und auch weiser wirkend als der erste. Mit ihm drang Musik ins Kaminzimmer – Musik, wie Anlytha sie in letzter Zeit öfter zwischen den Sternen gehört hatte, aber nicht auf Barbarenplane ten. »Diese offenbar taubstumme Frau begehr
8 te Einlaß und beabsichtigt, uns einige ihrer Waren zu verkaufen, Tayac«, sagte der jun ge Mann – und Anlythas Translator über setzte es. Der Mann, der Tayac genannt worden war, musterte Anlytha – beziehungsweise das Scheinbild, das Anlytha ihm vorgaukelte – mit ruhigem Blick. Es war der Blick eines Mannes, dessen Verstand durch zahllose Er fahrungen geschärft worden war. Schon fürchtete Anlytha, er könnte die Natur dessen, was er sah, durchschauen, da lächelte er und sagte, während er gleichzei tig gestikulierte: »Willkommen auf Burg Diarmuid Faighe, Frau!« Mit Gesten gab er Anlytha zu verste hen, daß sie ihre Waren ausbreiten sollte. Anlytha packte behutsam aus, um keinen ihrer Schätze zu beschädigen: ein Kästchen mit Modellierton, eine Kultmaske, eine Gleichstromschleifschlinge, ein faustgroßes Stück Elektrum mit eingeschlossenem In sekt, eine Kette mit Jaspis-Anhänger, einen Beutel voll Gipspulver – und ein Blasinstru ment, das Algonkin-Yatta vor ihrer ersten Begegnung auf einer Primitivwelt einge tauscht hatte, außerdem noch zahlreiche Stoffstreifen. Anlytha wollte das Musikinstrument wie der in den Handkarren zurücklegen, weil sie fürchtete, Tayac könnte es als außerirdisches Produkt erkennen, doch da hatte der Mann es ihr bereits sanft aus den Händen genom men. Staunend musterte er es, indem er es ein Stück von sich fernhielt. Danach deutete er auf das lange Mundstück und dann auf sei nen Mund. Anlytha wiederholte die Geste. Tayac zog ein Tuch hervor, wischte das Mundstück sorgfältig ab, dann schob er es zwischen die Lippen, klemmte den Windsack unter den Arm und legte die Fingerspitzen auf die Lö cher der Melodiepfeife. Mit den beiden Brummpfeifen wußte er nichts anzufangen. Aber durch hartnäckiges Herumprobieren kam er dahinter, wie das Instrument funktio nierte.
H. G. Ewers »Nicht schlecht«, sagte er, nachdem er ein kleines Lied gedudelt hatte. »Ihr könnt uns nicht sagen, wie das Instrument heißt, Frau, aber einen Namen sollte es haben, denn ich denke, daß es sich vermehren und über diese Welt ausbreiten wird. Was schlägst du vor?« Er blickte den jungen Mann an. »Ein Sack, der Melodien dudelt«, über legte der junge Mann laut. »Liederdudler?« »Dann schon eher Dudelsack«, meinte Tayac lächelnd. Er zog einen Beutel aus ei ner Tasche, fischte vier Goldmünzen heraus und hielt sie Anlytha auf der offenen Hand hin. Anlytha starrte die Münzen fasziniert an, aber nicht, weil sie das gelbe Metall für wertvoll hielt. Wertvoll war in ihren Augen nur die Münzprägung, da deutlich zu erken nen war, daß der benutzte Prägestempel in Handarbeit angefertigt worden war, genau wie das Rändeleisen, mit dem die Münzrän der gerändelt worden waren. Doch Anlytha zeigte ihre Gefühle nicht. Sie hob statt dessen beide Hände und spreiz te alle zehn Finger. Tayac schüttelte den Kopf und legte zwei Münzen zu. Als Anlytha daraufhin nur einen Finger krümmte, hielt er ihr das Musikin strument hin. Anlytha krümmte einen weite ren Finger. Tayac legte zwei weitere Mün zen hinzu und klemmte sich das Instrument unter seinen Arm. Rasch strich Anlytha die acht Münzen ein. Im Grunde genommen hatte sie erreicht, was sie wollte. Sie wußte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß die Be wohner des Turmbaus Außerirdische waren, diese Tatsache aber offenkundig vor den Erdmenschen geheimhielten. Sie schienen keinen großen Kontakt zu den Terranern zu haben und waren wohl keine Unterdrücker. Eigentlich hätte Anlytha sich wieder zurück ziehen können, aber der Handel war eine der Beschäftigungen, die sie immer wieder fas zinierte. Sie fand kein Ende. Etwas später, als sie die Hälfte ihrer Wa ren verkauft hatte, betrat eine außergewöhn lich schöne Frau den Raum.
Tempel des Bösen »Willst du an unserem Handel teilneh men, Cyamoideah?« fragte Tayac. »Eine Vorstellung ist leider nicht möglich, da un sere Besucherin taubstumm ist.« Cyamoideah nickte Tayac zu, dann lä chelte sie Anlytha an. »Ich habe von der oberen Plattform dem Gleiter nachgesehen, der Atlan und Alexan dra fortbrachte«, sagte sie zu Tayac. »Es wird einige Zeit dauern, bis wir uns daran gewöhnt haben, daß sie nicht mehr mit uns am Tisch sitzen.« Anlytha ließ den Beutel mit Gipspulver fallen, den sie eben anbieten wollte. Er platzte. Eine weiße Staubwolke wallte auf. »Was ist mit Atlan?« fragte Anlytha in hochgradiger Erregung. »Meintet Ihr Kri stallprinz Atlan?« Die Außerirdischen starrten Anlytha mit geweiteten Augen an – und erst Sekunden später begriff Anlytha, daß sie vor Überra schung, ausgerechnet auf der unzivilisierten Erde von Atlan zu hören, vergessen hatte, ihr Scheinbild aufrechtzuerhalten. Sie begriff es, als sie das schleifende Ge räusch hörte, mit dem der junge Mann sein Schwert aus der Scheide zog. Ihre Erregung schlug in totale Verwirrung um. Voller Pa nik gaukelte sie den Außerirdischen eine furchteinflößende Umgebung vor, die sich dauernd veränderte. Hätte sie noch etwas gewartet, sie hätte gehört, wie Tayac rief, er wolle mit ihr re den, aber nicht gegen sie kämpfen. So je doch befand sie sich bereits außerhalb des Turmbaus, bevor Tayac unter Aufbietung seiner ganzen Willenskraft die grauenvolle veränderliche Scheinumgebung ignorierte und den Versuch einer Verständigung unter nahm. Draußen schaltete sie ihr Flugaggregat ein und jagte, wie von Furien gehetzt, davon. Je weiter sie sich von Burg Diarmuid Faighe entfernte, desto schwächer wurde ihr psioni scher Einfluß auf die Burgbewohner, die Nachkommen gestrandeter Raumfahrer und ihre wenigen terranischen Ehefrauen. Als Anlytha in die Zeitkapsel kroch, rief
9 sie: »Nur fort aus dieser Zeit! Beinahe hätte man mich ermordet, weil ich mich verraten hatte.« »Ich bringe uns auf die Zeitebene, in der Algonkin gefangengehalten wird«, übermit telte ihr Loggy. »Soll ich auch einen anderen Ort ansteuern, Anlytha?« »Nein!« rief Anlytha kreischend. »Nur fort aus dieser Zeit!«
2. IN FEINDESLAND Als die üblichen Begleiterscheinungen der Zeitreise verebbten, präsentierte sich die Landschaft in hellem Sonnenschein. Anlytha blickte natürlich sofort auf die Bildschirme. Sie sah, daß sich einiges verän dert hatte. Der schwarze Turmbau, Burg Diarmuid Faighe, stand nicht mehr auf sei nem Berg. Nur fragmentarische Überreste ragten maximal meterhoch aus Gras und niedrigem Strauchwerk. »Was mag aus ihnen geworden sein?« fragte Anlytha und meinte die Burgbewoh ner, jene Wesen aus dem Weltraum, die auf der primitiven Erde lebten und Atlan kann ten. »Sie sind gestorben wie alle Lebewesen«, ließ Loggy sie denken. »Rund anderthalb Jahrtausende – errechnet nach den Umläufen dieses Planeten um seine Sonne – liegen zwischen deinem Besuch der Burg und heu te.« »Anderthalb Jahrtausende …«, sagte An lytha. Sie wurde nachdenklich, griff in eine Gürteltasche – und ihr Gesicht verzog sich zu einem strahlenden Lächeln. Sekunden später kam ihre Hand wieder heraus, öffnete sich – und auf der Handflä che lagen zirka zwanzig Goldmünzen. »Und sie sehen nach anderthalb Jahrtau senden so neu aus wie zuvor!« staunte sie. »Du auch«, ließ Loggy sich vernehmen. »Oder bist du während unserer Zeitreise um anderthalb Jahrtausende gealtert, Anlytha?« Mit erschrockenem Kreischen ließ Anly
10 tha die Goldmünzen fallen, eilte zu ihrem Reisegepäck und kramte einen Handspiegel hervor. Ängstlich blickte sie ihr Spiegelbild an, dann lächelte sie erleichtert. »So jung wie vor anderthalb Jahrtausen den!« sagte sie und seufzte. Sie legte den Spiegel behutsam zur Seite und sammelte die Münzen wieder ein. »Du hast recht, Loggy«, erwiderte Anly tha. »Wir wollen nicht die Gejagten sein, sondern die Jäger. Aber bevor wir mit der Jagd beginnen, müssen wir die Zeitkapsel verschwinden lassen.« »Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst«, gab Loggy zurück. »Die Terra ner haben das gleiche Hyperortungssystem wie Algonkins Kundschafterschiff – und un ser Hyperempfänger mißt ständig minde stens dreißig Millionen Hyperorter an, die ihre Tastimpulse zu einem dichten Netz ver weben, das die Erde umschließt. Dieses Netz ist nicht lückenlos, aber es bewegt sich stän dig und kämmt systematisch jeden Quadrat meter der Planetenoberfläche ab – und die Tastimpulse dringen tief in die Erdkruste ein und würden die Zeitkapsel wohl sogar im tiefsten Hohlraum aufspüren.« »Warum gehst du dann nicht permanent um eine Sekunde in die Zukunft, während ich mich allein auf der Erde umsehe?« fragte Anlytha ungehalten. »Ich komme überall ganz gut allein zurecht.« »Ich hätte nichts dagegen«, meinte Log gy. »Allerdings werde ich immer wieder zu rückkehren, um nachzusehen, wie es dir geht. Ich würde aber gern einmal einen Ab stecher in die Zeit unternehmen, in der auf dem Mond der Erde das Zeitauge gebaut wurde, von dem ich ein Orientierungsele ment war.« »Genehmigt!« sagte Anlytha gönnerhaft. »Aber richte dort keinen Unfug an. Du weißt ja, daß Manipulationen mit der Zeit zu schwerwiegenden Paradoxa führen können.« »Und ob ich das weiß«, erwiderte Loggy. »Wir haben nicht mehr viel Zeit. Das Or tungsnetz wird uns bald erfassen. Draußen ist eine Straße, auf der ich dich absetzen
H. G. Ewers kann. Ich bin mir nur nicht sicher, ob du von hier aus nach Terrania City kommst. Die Hauptstadt des Solaren Imperiums liegt im merhin auf einem anderen Kontinent.« Entrüstet stand Anlytha auf. »Ich erreiche immer, was ich will«, er klärte sie. »Öffne die Schleuse!« Kaum hatte Loggy das Öffnen der Schleu se bewirkt, als Anlytha ihr Gepäck Stück für Stück aus der Kapsel warf. Aber die Ge päckstücke stürzten nicht zu Boden, sondern schwebten langsam davon, als wären es gas gefüllte Kinderluftballons. »Antigravelemente«, erläuterte Anlytha. Sie nahm die flache Fernsteuerung in die Hände und lenkte die Gepäckstücke so, daß sie sich zu einer kugelförmigen Anordnung vereinigten. Anschließend schaltete sie ihr Flugaggregat ein. »Ich denke, daß ich morgen in Terrania City bin und daß ich nicht länger als zwei Tage brauche, um Algonkin zu befreien«, erklärte Anlytha. »Sieh also schon übermor gen einmal dort nach. Wenn unter den Men schen Panik ausgebrochen ist, dann weißt du, daß Anlytha am Werk war. Paß auf dich auf, Loggy!« Sie steuerte entschlossen ins Freie, holte ihre Gepäckkugel ein, setzte sich darauf und schwebte aufs Geratewohl nach Norden.
* Anlytha sichtete mehrmals kleine Grup pen von Menschen. Jedesmal aktivierte sie ihre psionischen Kräfte und gaukelte allen, die sie möglicherweise sahen, vor, eine jun ge Terranerin in einem mit Gepäck überla denen Gleiter zu sehen. Sie war absolut sicher, daß niemand ihr Scheinbild durchschaute. Deshalb erschrak sie, als plötzlich ein blau und weiß gefärbter Gleiter auftauchte, sich vor sie hängte und ein rotes Blinklicht einschaltete. »Bitte, landen Sie sofort neben mir!« er scholl wenig später eine megaphonverstärkte Stimme. Anlythas Translator übersetzte sie mühelos, denn es handelte sich um Interkos
Tempel des Bösen mo, die galaktische Verkehrssprache, deren Grundelemente Loggy von seinem ersten Besuch der Erde mitgebracht hatte. »Warum soll ich landen?« rief Anlytha. Sie benutzte den Translator nicht, da sie die Sprache gelernt hatte. »Hier spricht die Polizei!« tönte die me gaphonverstärkte Stimme zurück. »Landen Sie neben mir, oder wir müssen Gewalt an wenden!« »Eine Drohung ist keine Antwort!« schimpfte Anlytha verbittert. Dennoch steu erte sie hinter dem Polizeifahrzeug eine grasbewachsene Lichtung an, entschlossen, notfalls die Polizisten zu paralysieren. Nach der Landung rutschte sie von ihrer Gepäckkugel und beobachtete die beiden Uniformierten, die aus dem Polizeigleiter stiegen. Langsam kamen sie auf Anlytha zu. »Sie haben ein für alle Luftfahrzeuge bis in tausend Meter Höhe gesperrtes Natur schutzgebiet überflogen, Miß«, erklärte ei ner der Polizisten. »Reichen Sie mir doch einmal Ihre ID-Karte!« »Woher sollte ich wissen, daß ich ein ge sperrtes Gebiet überflog?« gab Anlytha zu rück, während sie fieberhaft überlegte, was eine ID-Karte sein könnte. »Das muß man eben wissen, wenn man einen Fluggleiter steuert«, meinte der zweite Polizist. »Nun identifizieren Sie sich schon! Unsere Dienststelle hat mehrere Beschwerden von Wanderern und Spaziergängern er halten, also müssen wir die Sache verfol gen.« Anlytha begriff, daß eine ID-Karte ein Mittel zur Identifizierung einer Person war. Da sie aber nicht wußte, wie eine terranische ID-Karte aussah, stellte sie sich dumm, um Zeit zu gewinnen. Sie kramte in einer den Polizisten vorge gaukelten großen Tasche herum und murrte dabei: »Wenn ich nur noch wüßte, wie meine ID-Karte aussieht! Ich finde einfach etwas nicht, von dem ich mir kein Bild machen kann.« »Niemand soll behaupten, die Polizei wä
11 re nicht entgegenkommend, Miß«, sagte der erste Polizist und reichte ihr ein schmales dünnes Plastikkärtchen, auf dem in Compu tersprache Symbole eingestanzt waren. »So sieht eine ID-Karte aus, Miß!« »Merridan Sukkol«, las Anlytha am obe ren Rand. Im nächsten Augenblick gaukelte sie den beiden Männern »ihre« ID-Karte vor, auf der sie allerdings nicht ihren Namen, son dern einen anderen, den sie für terranischer hielt, erscheinen ließ. »Cyamoideah Tayac«, las der erste Poli zist langsam und mit deutlicher Anstren gung. Er wandte sich an seinen Kollegen. »Komisch, das erinnert mich an die Fragen, die Lordadmiral Atlan mir stellte, als er auf dem Grund des Loch Cruachna Calecroe nach den Trümmern einer Burg suchte, die einen ganz komischen Namen hatte.« »Burg Diarmuid Faighe?« erkundigte sich Anlytha. Der erste Polizist sah sie verwundert und offenbar mit mehr Respekt als vorher an. »Ja, so nannte Atlan sie. Aber davon kön nen nur wenige Leute wissen.« »Ich gehöre zu diesen Leuten«, erklärte Anlytha. »Deshalb bin ich nämlich hier.« Sie wagte nicht, nach Atlan zu fragen – und aus derselben Unsicherheit heraus wagte sie auch nicht, sich als Mitarbeiterin Atlans aus zugeben, denn ihr war völlig unklar, welche Rolle der Kristallprinz von Arkon in dieser Zeit auf dem Planeten Erde spielte. »Wir müssen die Anzeige dennoch bear beiten, Miß Tayac«, sagte der erste Polizist. Zögernd nahm er das Scheinbild ihrer IDKarte, schob es in den Schlitz eines kasten förmigen Geräts an seinem Gürtel, zog es wieder heraus und gab es Anlytha zurück. »Sind Sie darüber informiert, von wem die Burg Diarmuid Faighe einst erbaut wur de, Miß Tayac?« fragte der zweite Polizist. »Es waren Außerirdische«, gab Anlytha zurück. »Mehr möchte ich darüber nicht sa gen.« Der zweite Polizist stieß einen Pfiff aus. »Hast du das gehört, Merri! Außerirdi
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sche!« freundlich! dachte sie. »Ich habe es gehört, Mike«, erwiderte der erste Polizist. Er wandte sich an Anlytha. * »Können wir Ihnen irgendwie behilflich Abergavenny! sein, Miß Tayac?« Die erste terranische Stadt, die Anlytha zu »Das könnten Sie«, antwortete Anlytha. sehen bekam. Während sie mit dem Kund »Ich möchte nämlich auf dem schnellsten schafter herumgezogen war, hatte sie viele Wege nach Terrania City und fürchte, ich Städte gesehen: prunkvoll-kalte, verspielt habe ein wenig die Orientierung verloren.« heimelige, protzig-übertechnisierte, ver Zu ihrer Verblüffung begannen die beiden wahrloste, denkmalhafte. Polizisten lauthals zu lachen. Danach trafen Abergavenny drückte von allem etwas sie keinerlei Anstalten, ihr zu helfen, son aus, doch war sie weder das eine noch das dern verabschiedeten sich. andere. Um einen Hügel, auf dem als Touri »Wenn Sie wieder einmal in diese Ge stenattraktion eine Burg aus Plastikgend kommen, besuchen Sie uns doch auf Bausteinen stand, reihten sich mit Unterbre der Station Kirkdale, Miß«, sagte der erste chungen unregelmäßig geformte Ringe aus Polizist grinsend. »Unsere Kolleginnen und schmucken Häusern mit großen Terrassen, Kollegen würden sich sicher genau wie Mi funkelnden Glasfronten und üppig blühen ke und ich über einen typisch englischen den Dachgärten. Dazwischen lagen weite Witz freuen, wie er leider fast völlig in Ver Rasenflächen, Baum- und Buschgruppen so gessenheit geraten ist. Viel Glück, Schwe wie kleine Seen und Bäche, die mit glaskla ster!« rem Wasser gefüllt waren. Perplex starrte Anlytha dem startenden Überall aber bewegten sich Menschen, die Gleiter nach. Sie ahnte, daß sie einen Fehler wenigsten in Gleitern, viele auf Transport gemacht hatte, aber sie vermochte sich nicht bändern – und zahlreiche kleinwüchsige vorzustellen, wie dieser Fehler beschaffen Menschen tobten sich auf eigens dazu ge war. schaffenen großen Spielplätzen aus. Nachdenklich startete sie ebenfalls. Da sie Es sind Kinder! stellte Anlytha staunend sich nicht auskannte, flog sie einfach in eine fest. beliebige Richtung. Aber schon nach weni Auch in den Städten, die sie bisher ken gen Minuten schwebte der Polizeigleiter nengelernt hatte, waren Kinder gewesen, wieder neben ihr. und in mehreren hatte es sogar Spielplätze »Hallo, Miß Tayac!« erscholl die mega gegeben. Aber oft waren diese Spielplätze phonverstärkte Stimme. »Sie müssen Ihren nicht mehr als winzige Oasen im tosenden Telecoder einschalten, wenn Sie Orientie Mahlstrom des Verkehrs gewesen, mit ver rungshilfe brauchen!« schmutzten kleinen Sandkästen, mit unge »Mein Telecoder ist defekt!« rief Anlytha pflegtem zertretenen und von streunenden zurück. Tieren verunreinigten Grasflächen und mehr »Dachte ich gleich!« rief der Polizist. oder weniger demoliertem Turngerät. Die »Wenn Sie einverstanden sind, geleiten wir Zahl und Größe der Sportplätze für Profis Sie zur Transmitterstation Abergavenny. stand in einem erschreckenden Mißverhält Von dort aus können Sie allein oder mit Ih nis dazu. rem Gleiter nach Terrania City springen!« In Abergavenny schien es genau umge »Ich bin einverstanden, danke!« antworte kehrt zu sein. Auch hier entdeckte Anlytha te Anlytha. mehrere Sportplätze, aber die Spielplätze Wenn sie mich sehen könnten, wie ich bin oder wenn sie wüßten, daß ich zu Algonkin-Yat waren nicht nur ausnahmslos größer, son dern auch zahlreicher – und sie waren so ta gehöre, wären sie bestimmt nicht so
Tempel des Bösen ausgestattet, daß sie weiträumige Spiele für Kinder aller Altersklassen gestatteten. Warum nur ist so etwas anderswo nicht ebenfalls selbstverständlich? überlegte An lytha. Eigentlich hatte ich mir die Verhält nisse auf der Erde ganz anders vorgestellt, weniger kultiviert vor allem, denn wie kön nen Menschen, die unter solchen optimalen Bedingungen aufgewachsen sind, jene bös artigen Aggressivitäten entwickeln, die das Markenzeichen für kranke Gesellschaften sind? Woher weiß ich das? durchfuhr es Anly tha. Von Algonkin? Nein! Von der Psiotro nik des Kundschafterschiffs? Auch nicht! Also muß es ein Teil meiner Erinnerungen sein, die eben noch vollständig verschüttet waren, jedenfalls, was die Zeit vor der Be gegnung mit Algonkin betrifft. Eine wilde Freude durchpulste Anlytha. Hoffnung keimte in ihr, die Hoffnung, daß sie in absehbarer Zeit über alle ihre Erinne rungen verfügen könnte. Aber noch war es nicht soweit. Außerdem schwenkte der Polizeigleiter nach links ab und setzte zur Landung vor einem Kuppel bau außerhalb der Stadt an. Durch das halb transparente Material der Kuppel sah Anly tha immer wieder helle blauweiße Lichtblit ze. Das mußten die Ent- und Rematerialisa tionsfelder von Transmittern sein. Anlytha landete die Gepäckkugel dicht neben dem Polizeigleiter. Als die beiden Po lizisten ausstiegen, um sich von ihr zu ver abschieden, gab sie einer impulsiven Re gung nach und drückte jedem von ihnen ein Goldstück aus dem Britannien am Ende des ersten Kreuzzugs in die Hand. »Haben Sie vielen Dank!« rief sie zwit schernd. Die Polizisten schauten abwechselnd auf die Münzen und auf sie, dann sagte Merri dan Sukkol: »Von welchem Planeten sind die Münzen, Miß Tayac?« »Von einer Barbarenwelt«, antwortete Anlytha. »Ich weiß den Namen nicht mehr, aber ich denke, daß sie sehr wertvoll sind.«
13 »Danke!« sagten Sukkol und sein Kollege gleichzeitig. Wenig später starteten sie mit ihrem Gleiter. Anlytha blickte ihnen nach, bis der Glei ter in der Ferne zu einem Nichts zusammen schrumpfte, dann musterte sie das Portal der Transmitterstation. Die Menschen, die hier ein- und ausgin gen, waren größtenteils anders gekleidet als die Bewohner von Abergavenny. Sie trugen derbere Hosen, Jacken und Schuhe und meist auch an Riemen sackartige Behälter auf dem Rücken. Es schienen Touristen zu sein, die diese Gegend besuchten. Dazwi schen tauchten immer wieder geschlossene Gruppen von Reisenden, unter ihnen Extra terrestrier, auf. Plötzlich zuckte Anlytha heftig zusam men, denn sie hörte etwas, das ihren Geist um rund anderthalb Jahrtausende in die Ver gangenheit schleuderte: das Dudeln zahlrei cher jener Sackpfeifen, von denen sie eine an Tayac verkauft hatte. Als Anlytha ihre Fassung wiedergewann und ihren Geist erneut auf die Gegenwart konzentrierte, sah sie eine Gruppe merkwür dig gekleideter Lebewesen, die seltsamer weise im Gleichschritt die betonierte Straße vom Ort zur Transmitterstation entlangka men und dabei mit ihren Dudelsäcken ein infernalisch-schönes Konzert veranstalteten. Zuerst dachte Anlytha, es handelte sich um Extraterrestrier, doch dann sah sie, daß es Menschen waren. Im Unterschied zu den anderen Menschen, die sie bisher gesehen hatte, trugen sie jedoch trotz der Bärte, die sie als Vertreter des männlichen Bevölke rungsteils auswiesen, keine Hosen, sondern bis zu den Knien reichende karierte Röcke. Etwa fünfzehn Meter vor dem Portal blie ben die Musikanten stehen und steigerten die Lautstärke ihrer Musik noch. Zahlreiche Neuankömmlinge blieben stehen, und bald hatte sich ein Kreis von mehreren hundert Menschen um die Dudelsackbläser gebildet. Niemand hörte, wie Anlytha über die Er kenntnis lachte, daß der Dudelsack, den sie vor anderthalb Jahrtausenden an außerirdi
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sche Bewohner von Burg Diarmuid Faighe verkauft hatte, sich inzwischen zu einem be liebten Musikinstrument der Menschen ent wickelt hatte. Nach einer Weile wandte sie sich dem großen Portal zu. Als sie nur noch wenige Meter vor der für Abreisende bestimmten Hälfte entfernt war, erlitt ihre Zuversicht einen vernichtenden Schlag. Der Eingang war keineswegs zu eng für Anlythas Gepäckkugel, aber es waren nicht Menschen, die die Reisenden abfertigten, sondern vollrobotische Anlagen. Und Positronengehirne ließen sich nichts vorgaukeln …
3. DIE GROSSE STADT Nach einer Phase der Niedergeschlagen heit entsann sich Anlytha eines Grundsatzes Algonkin-Yattas. Hast du ein Ziel vor Augen, verrenne dich nicht in einen Weg, der unbegehbar ist, denn es gibt immer mehrere Wege, die zum Ziel führen! Sie wandte eine Methode an, die sehr an strengend war und deshalb nicht oft und nur für kurze Zeit praktiziert werden konnte: die Methode, allen anderen Wesen in ihrer Um gebung vorzugaukeln, daß sie gar nicht vor handen war. In dieser kurzen Zeitspanne belauschte sie die Gespräche mehrerer Menschen, die aus dem Transmitter kamen. Ihre Hoffnung er füllte sich. Die Menschen sprachen darüber, wo sie Fluggleiter für Exkursionen in die umliegenden Naturschutzgebiete mieten konnten. Allein in Abergavenny gab es demnach drei große Garagen mit Mietfluggleitern al ler Größenordnungen. Aber alle drei Firmen gehörten der General Cosmic Company, und die GCC schien so reich zu sein, daß sie den Gleiterverleih ausschließlich von Computern und Robotern abwickeln ließ und daß auch die Gleiter nur von den darin installierten Positroniken gesteuert werden konnten.
Daneben existierte allerdings noch eine kleinere Verleihfirma, die einem gewissen Gowen McRaid gehörte. Gowen McRaid be saß nur achtzehn Gleiter verschiedener Grö ßenordnungen, und er verlangte einen um dreißig Prozent höheren Mietpreis als die GCC. Dafür bot er aber einen individuellen Service, der auf genügend Menschen einen solchen Reiz ausübte, daß sie bereit waren, dafür dreißig Prozent mehr zu bezahlen. Anlytha erfuhr außerdem, daß auf der Er de nur noch in Ausnahmefällen bar bezahlt wurde. Normalerweise zahlte man, indem man dem Verkaufsautomaten beziehungs weise dem Verkäufer seine ID-Karte gab, auf der der Bankkode stand. Der Verkäufer schob die Karte in sein Abtast- und Bu chungsgerät, gab den Preis ein – und die Computer der Banken erledigten alles weite re. Ziemlich erschöpft machte sich Anlytha auf dem Weg zu McRaid. Die Firma befand sich im Stadtzentrum. Hätte Anlytha über die Grundstückspreise auf der Erde Be scheid gewußt, sie hätte daraus schließen können, daß Gowen McRaid ein sehr reicher und versnobter Mensch sein mußte. Auf dem Flug zu seiner Mietgarage ver änderte sie das Scheinbild eines Gleiters all mählich über das einer Gepäckansammlung von Gleiterform, bis sie vor dem Tor der Mietgarage ganz auf ein Scheinbild ihres Gepäcks verzichtete. Sie selbst gaukelte an deren Wesen eine junge hübsche Terranerin vor – beziehungsweise das, was sie dafür hielt. Als sie im geräumigen Innenhof der Fir ma stehenblieb und ihr Gepäck per Fern schaltung zu Boden sinken ließ, kam ein hochgewachsener, breitschultriger Mann aus seinem Büro-Glaskasten. Der Mann war sonnengebräunt und trug einen mächtigen Schnauzbart. Vor dem Gepäckhaufen blieb er stehen, stemmte die Fäuste in die Seiten und schüt telte den Kopf. Dann blickte er Anlytha an und sagte: »Wo haben Sie Ihre Schützlinge verloren,
Tempel des Bösen Miß?« »Schützlinge …?« fragte Anlytha ver ständnislos. »Ihre Schäfchen«, antwortete der Mann. »Oder sind Sie keine Reiseleiterin, die eine Gruppe Touristen betreut? Dann frage ich mich, wem das ganze Gepäck hier gehört.« »Mir natürlich!« erwiderte Anlytha und zwitscherte verärgert. »Oder trauen Sie mir nicht zu, daß ich soviel persönliche Dinge besitze?« Der Mann ließ die Arme locker herabhän gen und schlenderte näher, bis er dicht vor Anlytha stand. Betont aufdringlich mustere er das Scheinbild einer jungen »hübschen« Terranerin (mit porzellanglattem weißen Ge sicht, Schlitzaugen, hellblauem hochgetürm tem Haar, kräftigen Armen und Beinen, sil berfarbener Kombination und goldenen Ohr ringen), dann meinte er: »Aber doch, Miß, Ihnen traue ich das durchaus zu. Übrigens, mein Name ist McRaid, Vorname Gowen. Womit kann ich dienen?« Er grinste unverschämt. »Ich brauche einen Fluggleiter, aber einen schnellen«, sagte Anlytha. »Und einen großen«, ergänzte McRaid. »Ist das hier nur Ihr Handgepäck oder schon alles, Miß …?« »Tayac«, sagte Anlytha. »Vorname Cya moideah.« Sie zwitscherte verstimmt. »Und es ist alles, Mister McRaid.« McRaid sah sich suchend um. »Ich habe doch schon zum zweitenmal einen Vogel zwitschern hören!« sagte er ver wundert. »Dabei läßt sich hier sonst kein Singvogel sehen – wegen George Bernard.« Er deutete auf ein Gestell, auf dem ein Adler soeben den Kopf hochreckte und herüber blickte. »Vielleicht hat George Bernard gezwit schert«, meinte Anlytha. »Ein Adler zwitschert nicht«, erklärte McRaid. »Wohin wollen Sie fliegen, Miß Tayac mit dem unglaublichen Vornamen?« Anlytha erschrak. Darüber, was sie even tuell als Reiseziel angeben wollte, hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Die Wahrheit
15 wollte sie nicht sagen. Andererseits kannte sie keine andere terranische Stadt als Terra nia City und auch keine andere terranische Gegend. »Ich habe noch kein bestimmtes Ziel«, sagte sie schließlich. »Vielleicht umkreise ich die Erde einmal – oder zweimal.« Gowen McRaid schüttelte den Kopf und seufzte. »Manche Leute glauben immer noch, sie könnten einen Planeten kennenlernen, indem sie ihn in großer oder geringer Höhe umkrei sen«, sagte er verärgert. »Dem ist aber nicht so, Miß Tayac. Sie lernen eine Welt nur ken nen, wenn Sie sie zu Fuß durchwandern. Da selten jemand die nötige Zeit dafür hat, wur de schon vor langer Zeit eine Kompromißlö sung gefunden: Man fliegt mit dem Gleiter von Landschaftszone zu Landschaftszone, bleibt jeweils einen Tag oder länger an einer Stelle und sieht sich gründlich um.« »Wie kommen Sie darauf, ich wäre keine Terranerin?« fragte Anlytha. »Das sieht doch jedes Kind«, erwiderte McRaid. »Und es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, daß Sie ein gefülltes Konto bei einer terranischen Bank oder der terrani schen Niederlassung einer extraterrestri schen Bank haben.« »Das habe ich«, versicherte Anlytha und fröstelte, denn sie wußte nicht, ob sie das Scheinbild einer ID-Karte herstellen konnte, das der Prüfung durch ein Abtast- und Bu chungsgerät standhielt. Der rettende Einfall kam ihr, als Gowen McRaid die Hand nach dem Scheinbild der ID-Karte ausstreckte. Sie gaukelte dem Glei tervermieter einfach vor, er ginge mit der ID-Karte seiner Kundin in sein Büro, schöbe die Karte in das Abtast- und Prüfungsgerät, erhielte eine positive Reaktion und brächte die Karte wieder zu seiner Kundin zurück. In Wirklichkeit hatte sich Gowen McRaid nicht von der Stelle gerührt, als Anlytha ihm das Scheinbild der Karte wieder abnahm und sagte: »War alles in Ordnung, Mister McRaid?« »O, ja, danke, Miß Tayac!« erwiderte
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McRaid. Er wirkte ein wenig verwirrt. »Die Abrechnung erfolgt dann, wenn Sie das Fahrzeug zurückbringen.« Wenig später hatte er Anlytha geholfen, das Gepäck in einen großen Fluggleiter zu verfrachten – und Anlytha startete. Zwar mußte der Gleiter manuell gesteuert werden, aber sein Computer lieferte ungefragt alle Informationen über die Luftverkehrsregeln und gab auf Anforderung Hinweise auf den Kurs zu einem bestimmten Ziel. Anlytha flog in die Himmelsrichtung, die man auf der Erde als »Osten« bezeichnete …
* Während des Fluges hatte Anlytha genug Zeit, um sich die Art und Weise ihres weite ren Vorgehens zu überlegen. Vor allem dachte sie darüber nach, ob sie nicht versu chen sollte, sich eine echte ID-Karte zu ver schaffen. Doch hatte sie keine Ahnung, wie das zu bewerkstelligen sei. Deshalb schreckte sie davor zurück. Als nach langem Flug die gewaltige Me tropole eines Sternenreichs am Horizont auf tauchte, vermochte sich Anlytha dem Bann ihrer Schönheit nicht zu entziehen. Verzückt blickte sie auf die schimmernden Hochbau ten, dunkelgrünen Parks, auf die Monumen talbauten an den Rändern großer Plätze und auf die spinnwebdünn erscheinenden Frei luft-Gleitbahnen. Der Computer ihres Gleiters informierte sie über die besonderen Vorschriften für den Luftverkehr im Raume Terrania City. Sie drückte das Fahrzeug tiefer, ließ sich eine Auswahl der besten Luxushotels der Stadt nennen und steuerte, nachdem sie sich an dem auf einem Bildschirm leuchtenden Stadtplan orientiert hatte, das Stargate-Hotel im Stadtviertel Atlan Village an. Wie sie gehofft hatte, bestand das Perso nal der Rezeption nicht nur aus einem Com puter – wie bei den preiswerten Hotels –, sondern aus Menschen. Nur das Portal war
etwas eng, stellte Anlytha fest, als die Seiten des Gleiters die Türpfosten zerschrammten, in die die Panzerglastüren automatisch ver schwunden waren. Mitten in der Empfangshalle ließ Anlytha den Gleiter auf den knöcheltiefen Teppich boden sinken. Die drei Männer hinter dem Tresen standen vorübergehend wie erstarrt, dann setzten sie sich in Bewegung. Einer der Männer, es mußte, seines beson ders kostbaren Anzugs wegen, der Emp fangschef sein, verbeugte sich vor Anlythas Scheinbild und sagte, nachdem er sich wie der aufgerichtet hatte: »Willkommen im Stargate, Madam. Ent zückend Ihr kleiner Scherz mit dem Gleiter, haha!« »Scherz?« fragte Anlytha. Der Mann lächelte mit schweißbedecktem Gesicht. »Oh, Sie betreten Ihre Hotels immer so, Madam! Ich werde veranlassen, daß der Ein gang verbreitert wird. Selbstverständlich möchten Sie eine Suite mit Aussicht auf die gesamte Stadt mieten – und natürlich eine Dachgarage für Ihren Gleiter, nicht wahr?« »Ich möchte nichts als schlafen«, erklärte Anlytha ehrlich. Dann besann sie sich auf ihre Rolle und fügte hinzu: »Selbstverständlich in Ihrer besten Suite. Führen Sie mich hin!« »Sehr wohl, Madam!« erwiderte der Emp fangschef. Er klatschte in die Hände. Dar aufhin eilten seine Mitarbeiter zum Gleiter und holten Anlythas Gepäck heraus. Die Augen des Empfangschefs wurden im gleichen Maße größer wie der Berg Gepäck, den seine Mitarbeiter in der Halle aufstapel ten. Aber er war offenbar eine Menge ge wöhnt, denn er faßte sich rasch wieder. »Die beiden Herren bringen Ihr Gepäck in Suite dreihundertsiebenundfünfzig, Ma dam«, sagte er. »Ich werde Sie hinbegleiten. Äh, darf ich Ihnen eine Hilfskraft zum Aus packen und Einsortieren besorgen?« Anlytha schloß sekundenlang die Augen. Ihr war schwindlig. Das mußte eine Nach wirkung der Überanstrengung sein, die mit
Tempel des Bösen dem Vorgaukeln ihrer Unsichtbarkeit ver bunden gewesen war. Wenn sie nicht bald einige Stunden lang schlief, würde sie ihr Scheinbild nicht mehr aufrechterhalten kön nen. Anscheinend war es sogar jetzt schon et was instabil, denn der Empfangschef blin zelte und rieb sich die Augen, als wenn er glaubte, eine Halluzination gesehen zu ha ben. Anlytha riß sich zusammen. Aber kaum war sie in ihrer Suite allein, da brach ihre psionische Aktivität zusammen. Anlytha wäre in ihrer wahren Gestalt sicht bar gewesen, wenn es jemanden gegeben hätte, der sie während dieser Zeit sah. Glücklicherweise – für sie – blieb sie al lein. Sie schlief einige Stunden lang, und als sie erwachte, war es Nacht über Terrania Ci ty. Lange stand sie an einem der breiten, bis fast zum Boden reichenden Fenster und blickte auf das funkelnde Lichtermeer hin aus, in dem Myriaden von mehr oder weni ger hellen Funken zu tanzen schienen. Am fernen Horizont war kein Ende dieser Lichterstadt abzusehen. Zum erstenmal bekam Anlytha eine Ah nung davon, wie schwierig es sein mußte, in dieser Megalopole Algonkin-Yatta zu fin den. Loggy hatte zwar berichtet, daß der Kundschafter in eine Klinik für Extraterre strier, das »Akul Akiwa Memorial Hospital« gebracht worden sei, aber Anlytha konnte sich nicht vorstellen, daß er noch immer dort war. Die Terraner würden ihn in eines ihrer Gefängnisse geworfen haben, sobald er sich etwas erholt hatte. Doch Anlytha war keine Natur, die sich lange mit trüben Gedanken abgab. Sie such te sich einen Punkt, an dem sie ansetzen konnte, dann handelte sie. Der »Punkt« fand sich in Form des Com puter Terminals ihrer Suite. Anlytha muster te das Gerät aufmerksam, fand die Schaltung für die Betriebsanleitung und aktivierte sie. Die Betriebsanleitung enthielt unter vie lem anderen Hinweise darauf, wie Informa tionen über politische, wirtschaftliche und soziale Ordnungen des Solaren Imperiums
17 abgerufen werden konnten, wie man erfuhr, welche Ämter es in Terrania City gab und wie die Verantwortlichen des Imperiums, des Solsystems, der Erde und der Stadt Ter rania hießen und wie sie zu erreichen waren. Anlytha suchte nach dem Auskunftsdienst des Akul Akiwa Memorial Hospitals und versuchte vorsichtig, etwas über »einen Ex traterrestrier namens Algonkin-Yatta« zu er fahren. Als sie vom Computer der Aus kunftszentrale an eine Dienststelle der Sola ren Abwehr verwiesen wurde, unterbrach sie die Verbindung. Sie überlegte, wie sie vorgehen sollte. Nach einiger Zeit faßte sie einen Entschluß:
* »Entschuldigen Sie bitte, aber ich kann Ihren Namen nicht vorgemerkt finden, Miß Scarlatti«, sagte die Personal-Sach bearbeiterin des Akul Akiwa Memorial Hos pitals. »Ich bin auch nicht angemeldet, Miß«, er widerte Anlytha, die sich nicht nur einen an deren Namen, sondern auch ein anderes Aussehen zugelegt hatte. Diesmal gaukelte sie keine andere Gestalt vor, sondern trat mit ihrer Körpergröße von 1,33 m auf. Sie hatte lediglich den weißen Federkamm auf dem ansonsten kahlen Kopf mit einer kupferfarbenen Perücke verdeckt und ihre fliederfarbene Haut mit einem un schädlichen Mittel blauschwarz gefärbt. Die Personal-Sachbearbeiterin sah sie mißbilligend an. »Aber ohne Voranmeldung und ohne Ter min darf ich niemanden vorstellen«, erklärte sie. »Für welche Abteilung wollten Sie sich eigentlich bewerben?« »Für die Abteilung Neurologie«, antwor tete Anlytha. »Aber, wie gesagt, ich habe mich noch nicht entschlossen, auf der Erde zu bleiben. Auf meinem Heimatplaneten be steht großer Bedarf an erfahrenen Neurolo gen, und ich habe drei sehr günstige Ange bote erhalten. Es reizt mich lediglich des halb, einige Jahre auf der Erde zu bleiben,
18 weil dieser Planet die Welt meiner Ahnen ist.« Die Personal-Sachbearbeiterin – laut Na mensschild hieß sie Mary Johnson – wurde nachdenklich. Anlytha beglückwünschte sich dazu, daß sie am Morgen beim Zentral amt für Arbeitsstatistik angerufen und sich nach der Personallage der Hospitäler erkun digt hatte. Deshalb wußte sie, daß alle Kran kenhäuser an chronischem Mangel an Fachärzten litten. Der medizinische Nach wuchs ging nach der Ausbildung meist in die Kolonien, um fremde Planeten kennen zulernen – und ein großer Teil der besten Ärzte arbeitete in den Bordhospitälern der Solaren Flotte. »Ich werde mich bei den leitenden Ärzten der Abteilung Neurologie erkundigen, Miß Scarlatti«, sagte sie freundlicher. »Darf ich Ihnen solange eine Tasse Kaffee anbieten?« »Sehr gern, Miß Johnson«, erwiderte An lytha, obwohl sie noch immer nicht wußte, was Kaffe war. Im Hotel hatte sie sich ledig lich etwas Gebäck und Fruchtsaft zum Früh stück in die Suite bringen lassen. Mary Johnson erhob sich, tastete an ei nem Automaten eine Tasse Kaffee, stellte sie auf den kleinen Besuchertisch und stellte Zucker und Sahne dazu. Danach nickte sie der Bewerberin zu und ging. Anlytha wartete einen Moment, dann stand sie auf, eilte hinter den wuchtigen Ar beitstisch der Personal-Sachbearbeiterin und musterte die – Abrufkonsole des PersonalComputers. Die Daten waren selbstverständ lich gegen den Abruf durch Unbefugte gesi chert, aber Anlytha hatte schon ganz andere Dinge gestohlen als ein paar Daten. Zehn Minuten später wußte sie, wie die Universitäten hießen, in denen die Neurolo gen dieser Klinik ausgebildet worden waren und in welchen Hospitälern auf welchen Pla neten Neurologen meist zu praktizieren pflegten. Das war wichtig, denn sie konnte, wenn ihre Zeugnisse verlangt wurden, nur Daten vorgaukeln, die mit der Realität über einstimmten. Zufrieden kehrte sie an den Besuchertisch
H. G. Ewers zurück, setzte sich auf einen Sessel und nippte an dem Kaffee. Schaudernd spie sie die Probe wieder aus. »Bitter!« schimpfte sie. Nachdenklich musterte sie die Zucker würfel, dann fischte sie einen heraus, leckte daran und legte ihn wieder zurück. Ihre Ge schmacksnerven reagierten verzögert. Erst nach knapp einer Minute wußte sie, daß die weißen Kristallwürfel süß schmeckten. Sie nahm eine Handvoll und schüttete sie in ihre Tasse, rührte um und kostete noch einmal. Diesmal schmeckte es ihr. Als die Personal-Sachbearbeiterin mit ei nem hochgewachsenen, noch relativ jungen Mann zurückkehrte, saß Anlytha zufrieden in ihrem Sessel. Artig stand sie auf. Der Mann lächelte höflich, während er die Besucherin aufmerksam musterte. »Mein Name ist Hynes, Vorname Or well«, erklärte er. »Ich habe gemeinsam mit Dr. Heinze kommissarisch die Leitung der Neurologie, da unser Chefarzt kurzfristig – äh, ausgefallen ist. Wo haben Sie studiert, Dr. Scarlatti?« »Schneider-Stiftung auf Torque«, antwor tete Anlytha mit einer Information aus dem Personal-Computer. Mary Johnson klapperte bereits mit den Tasten des Computers. Offenbar forderte sie Auskünfte über die Universität an, die sich Schneider-Stiftung nannte. Orwell Hynes winkte ab. »Ich weiß über die Schneider-Stiftung Be scheid, Miß Johnson«, sagte er. »Es handelt sich um eine Universität in privatem Besitz, die von einem Direktorium verwaltet wird, das sich je zur Hälfte aus Ara-Medizinern und Medizinern der Siedlungswelt Normon zusammensetzt.« Er lächelte. »Die meisten Leute, die sich auf Neurologie spezialisieren wollen, träumen von einem Studienplatz bei der Schneider-Stiftung. Man muß schon sehr gut sein, um dort angenommen zu werden.« Anlytha lächelte bescheiden. »Ich hatte wahrscheinlich nur großes Glück. Dr. Hynes. Übrigens, warum ist Ihr Chefarzt kurzfristig ausgefallen?«
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Orwell Hynes zuckte verlegen mit den Schultern. »Er ist spurlos verschwunden, Dr. Scarlat ti. Man verdächtigt ihn, einen Patienten ent führt zu haben, einen Extraterrestrier.« Anlytha hatte Mühe, ihre Erregung zu verbergen. »Aber warum sollte ein Arzt – ah, wie hieß er doch gleich …« »Tolperkohn«, sagte Hynes. »Professor Dr. Tolperkohn.« »Vorname keiner?« »Keiner, Dr. Scarlatti. Tolperkohn ist Ara, kein Terraner. Ja, wenn Sie sich in meiner Abteilung umsehen möchten …?« »Gern, Dr. Hynes«, meinte Anlytha. »Aber vorerst unverbindlich, ja?« »Einverstanden«, erwiderte der Arzt. »Ich nehme Dr. Scarlatti mit zur Neurologie, Miß Johnson!« Miß Johnson antwortete nicht. Sie saß über eine Antwortfolie des Personal-Com puters gebeugt und grübelte darüber nach, warum der Computer plötzlich unsinniges Zeug ausdruckte.
4. EIN GIGANT REGT SICH »Was halten Sie davon, wenn ein Polizist behauptet, er hätte die ID-Karte einer Ver kehrssünderin in den Protokollautomaten ge schoben – und wenn sich dann herausstellt, daß der Automat die betreffenden Daten nicht erfaßt hat, Oberst?« fragte Allan D. Mercant. »Der Polizist hat gelogen, Sir«, antworte te Oberst Fangaloa Eneiki. Perry Rhodan hatte am Getränkeautoma ten drei Becher Kaffee mit Milch und Zucker getastet und stellte einen davon vor dem weiblichen SolAb-Oberst auf den Tisch. »Sicher, auch Polizisten sind keine Engel, Oberst«, meinte er lächelnd. »Aber warum sollte der Polizist in diesem Fall gelogen ha ben?« Er stellte einen Becher vor den Chef der
Solaren Abwehr und behielt seinen in der Hand, wobei er es als Wohltat empfand, daß die Kaffeebecher seit mehr als hundert Jah ren so isoliert waren, daß man sie richtig an fassen konnte. »Er wollte wahrscheinlich etwas vertu schen«, sagte Fangaloa Eneiki. »Aber die Fakten sind für mich zu dürftig, so daß ich nur wild herumraten kann. Polizisten arbei ten selten allein – aus mancherlei Gründen, über die ich hier nicht diskutieren möchte. War der betreffende Polizist allein, Solar marschall?« Mercant schüttelte schläfrig den Kopf. Seine Augen verrieten jedoch, daß er alles andere als schläfrig war. »Er war mit einem Kollegen zusammen«, antwortete er. »Und der Kollege hat seine Aussage bestätigt. Falls die beiden etwas vertuschen wollten, so müssen ihre Intelli genzquotienten weit unter der bei der Ein stellung von Polizeianwärtern geltenden Norm liegen. Ich will nicht bösartig sein, deshalb gehe ich nicht weiter darauf ein, sondern unterstelle einfach, daß Polizeibe amte soviel Intelligenz besitzen, um zu wis sen, daß es herauskommt, wenn sie einer bei ihrer Dienststelle registrierten Anzeige nach gehen und ohne Daten zurückkommen – und noch dazu behaupten, sie hätten die IDKarte des Verkehrssünders automatregi striert.« »Das leuchtet sogar mir ein, Sir«, sagte Fangaloa Eneiki trocken. Perry Rhodan lachte leise und sagte: »So könnte es natürlich stundenlang wei tergehen – und ich würde mich köstlich dar über amüsieren, aber ich fürchte, dazu fehlt mir die Zeit. Also kehren wir zu den nackten Fakten zurück. Ich vermute, die Polizisten sind überlistet worden: entweder mit einer gut gefälschten ID-Karte, deren Daten nicht abtastbar waren oder mit Hilfe von Geräten, mit denen man den menschlichen Geist beeinflußt …« »… oder mit parapsychischen Kräften«, ergänzte Allan D. Mercant. »Vergessen wir nicht, daß beim Diebstahl der Zeitkapsel Al
20 gonkin-Yattas ein vorläufig noch unbekann ter Mutant mitgewirkt hat!« »Wenn in England dieselbe Person agier te, handelt es sich um eine Mutantin«, warf Rhodan ein. »Zumindest beschrieben die beiden beteiligten Polizisten sie als weibli che Person, und sie gab ihren Namen mit Cyamoideah Tayac an.« »Seltsamer Name!« entfuhr es Oberst Eneiki. »Nicht seltsamer als beispielsweise Fan galoa«, meinte Mercant. Ein Hyperkommelder summte. Allan D. Mercant schaltete das Gerät mit Hilfe einer Blickschaltung ein. Der große Bildschirm gegenüber dem Tisch, an dem die drei Personen saßen beziehungsweise standen, wurde hell. Das Gesicht einer Frau zeigte sich auf dem Bildschirm. »Mister Okura für den Großadministra tor!« sagte die Frau. »Hochwertig kodierte Verbindung.« »Danke, Childa!« sagte Mercant. »Ich bin hier«, sagte Perry Rhodan und trat in den Bereich der Aufnahmeoptik, da mit die Sekretärin des Abwehrchefs ihn se hen konnte. Childa lächelte mit den Augen. »Ich stelle die Schaltung her, Sir«, erklär te sie. »Danke, Miß d'Arghuso«, erwiderte Rho dan. Im nächsten Augenblick war das Abbild von Son Okura auf dem Bildschirm zu se hen. Und Okura sah natürlich auch, mit wem er sprach. »Ich rufe von Abergavenny an, Großad ministrator«, erklärte der Frequenzseher. »Cyamoideah Tayac wurde von mehreren Personen beobachtet, wie sie vor dem hiesi gen Interkontinentaltransmitter wartete. Sie benutzte aber den Transmitter nicht, sondern flog mit ihrem Gleiter in die Stadt. Dort ging sie zu einem Gleiterverleih, der einem Mann namens Gowen McRaid gehört. Sie mietete einen großen Gleiter und übergab zur Abbu chung der Sicherheitsrücklage McRaid ihre
H. G. Ewers ID-Karte. Der Mann behauptet steif und fest, er wäre mit der Karte in sein Büro gegan gen, schob die Karte in das Abtast- und Bu chungsgerät, registrierte eine positive Reak tion zugunsten seiner Kundin und gab ihr die Karte wieder zurück.« »Aber sein Gerät hat weder die Kodenum mer der Karte registriert noch die Sicher heitsrücklage vom Konto der Kundin abge bucht, nicht wahr?« erkundigte sich Rhodan. »So ist es, Sir«, erwiderte Okura. »Aber da ist noch etwas. Die beiden Polizisten sind nach einigem Zögern damit herausgerückt, daß Miß Tayac ihnen je eine Goldmünze schenkte. Sie haben mir die Münzen gezeigt, Sir. Es handelt sich nach meiner Rückfrage beim zuständigen Amt um Goldmünzen aus dem Britannien des elften Jahrhundert, also zur Zeit des ersten Kreuzzugs.« »Wie, bitte?« rief Mercant dazwischen. Son Okura lächelte schüchtern. »Es sind sicher nur Nachprägungen, Sir, allerdings unbefugte. Ihr Alter beträgt nach den durchgeführten Messungen nur wenige Jahre. Aber auch das ist noch nicht alles. Ich habe die SolAb-Agenten, die Solarmarschall Mercant mir zuteilte, unter anderem dazu eingesetzt, die Herkunft der Münzen zu er mitteln. Sie fanden keine Hinweise auf un gesetzliche Nachprägungen. Nirgends tauch ten solche Münzen auf. Aber sie fanden her aus, daß in einem Museum in Manchester ein Dutzend der originalgeprägten Münzen aufbewahrt werden. Laut Unterlagen stam men sie aus einem Fund unter dem Kirchen schiff eines Dorfes am Loch Cruachna Cale croe. Geprägt wurden sie allerdings von den Herren der Burg Diarmuid Faighe, denen auch das Dorf gehörte.« »Das weiß man dort alles?« fragte Perry Rhodan. Son Okura lächelte verschmitzt. »Diese Information stammt von Lordad miral Atlan, der sich vor Jahren längere Zeit in dieser Gegend aufhielt und nach Überre sten der Burg Diarmuid Faighe suchte. Und wissen Sie was, Sir: Diese Miß Tayac er klärte den beiden Polizisten, Burg Diarmuid
Tempel des Bösen Faighe wäre von Außerirdischen erbaut wor den.« Rhodans Gesicht bekam einen undefinier baren Ausdruck. »Ich bedaure, daß Atlan – verschollen ist«, sagte er langsam, als bereitete ihm das Sprechen Mühe. »Er könnte vielleicht Zu sammenhänge aufdecken, die wir nicht ein mal zu ahnen vermögen. Son, haben Sie einen Anhaltspunkt dafür, daß Miß Tayac ebenfalls eine Außerirdische sein könnte?« Okura nickte. »McRaid beschrieb sie als Nichtterrane rin, Großadministrator. Er sagte ihr außer dem auf den Kopf zu, daß Sie keine Terra nerin sei – und sie hat es nicht abgestritten.« »Haben Sie …«, begann Rhodan. »Leider nicht«, beantwortete Okura die unausgesprochene Frage. »Als ich hier ein traf, war Miß Tayac schon seit einundzwan zig Stunden weitergeflogen – zuviel Zeit, um noch einen Infrarotabdruck zu erkennen. Aber wenn sie nicht gelogen hat, dann befin det sie sich inzwischen in Terrania City. Das bezeichnete sie jedenfalls als ihr Ziel.« »Vielen Dank, Son«, erwiderte Rhodan. Er nickte dem SolAb-Chef zu. »Unsere Au ßerirdische scheint sehr gerissen zu sein, Al lan. Aber wenn sie in einem Hotel von T.C. abgestiegen ist, dürfte sie – hoffentlich – ih ren Trick mit der ID-Karte zum drittenmal angewandt haben.« Allan D. Mercant nickte. Er wirkte be sorgt. »Ich fürchte, ich muß Großalarm für die Abwehr geben, Perry. Diese Miß Tayac kann großes Unheil anrichten, wenn sie das beabsichtigt. Schade, daß wir keinen Telepa then verfügbar haben.« »Ich werde mich selbst darum kümmern«, sagte Rhodan. »Son, Sie kommen schnell stens nach T.C. zurück. Oberst Eneiki, Sie begleiten mich bitte zum Verbindungsamt der USO! Atlans Einverständnis vorausge setzt, selbstverständlich.« Der Solarmarschall winkte ab. »Nur fort mit euch! Ich muß nachdenken. Etwas an der ganzen Sache irritiert mich.«
21 »Mich irritiert alles«, meinte Rhodan, während er mit Oberst Fangaloa Eneiki zur Tür ging. »Aber ich bin ja kein beruflicher Abwehrmann.«
* Orwell Hynes schaltete die Knochenfräse ein und beobachtete, wie der winzige Ultra schallkegel sich durch die Schädeldecke ar beitete. Er nickte Dr. Tayac zu. Die Neuro login hatte sich bereiterklärt, ihn bei einer schwierigen Gehirnoperation zu unterstüt zen, da durch das Verschwinden von Dr. Tolperkohn immer noch eine Lücke im Ärz teteam klaffte. Dazu hatte er sie allerdings – wenn auch nur für vierundzwanzig Stunden befristet – einstellen müssen, da die Vorschriften be sagten, daß an allen medizinischen Verrich tungen im Akul Akiwa Memorial Hospital nur Ärzte teilnehmen durften, die einen Ar beitsvertrag mit dem Hause hatten. Dr. Hynes bereute seinen Entschluß nicht. Die Neurologin von einer Kolonialwelt – er hatte ganz vergessen zu fragen von welcher – handhabte die Apparaturen mit großem Geschick. Zur Zeit justierte Dr. Scarlatti die drei La ser-Fokussoren, mit denen die faustgroße Krebsgeschwulst zwischen Scheitellappen und Balken zerstört werden sollte. Auf sei nen Kontrollschirmen stellte Orwell Hynes fest, daß die Fokussierung nicht besser sein konnte. Dennoch mußte er die Schädeldecke ab heben, denn die Blutansammlung, die bei ei nem Sturz des Patienten entstanden war, ließ sich nur bei direkter Einsicht optimal behan deln. Solche Komplikationen gab es sehr selten, aber wenn sie auftraten – wie in die sem Fall, wo der Patient bei einem Schwin delanfall eine steile Treppe hinabgestürzt war –, bestand Lebensgefahr. Während Hynes die Absaugapparatur steuerte und Dr. Scarlatti in kurzen vorsich tigen Schüben die Krebszellen des Tumors durch Überhitzung zerstörte, ohne das um
22 liegende gesunde Gewebe zu gefährden, be obachtete er etwas Unglaubliches. Dr. Scarlatti zog, unauffällig, wie sie meinte, einen Mentalrezeptor, der auf dem Instrumententisch lag, immer näher an sich heran – und plötzlich ließ sie ihn in einer Tasche ihres Kittels verschwinden. Orwell Hynes wollte es zuerst nicht glau ben, aber er kam zu dem Schluß, daß er kei ner Halluzination erlegen war. Die Neurolo gin hatte den Mentalrezeptor tatsächlich ge stohlen. Aber ein so einfacher Mentalrezeptor wie dieser, der nicht einmal eine positronische Auswertungseinheit, sondern nur einen ein zigen Speicher enthielt, konnte von einem Neurologen mit einem Hundertstel seines Monatsgehalts bezahlt werden! Folglich gab es keinen logischen Grund für Dr. Scarlatti, den Mentalrezeptor zu steh len! Es sei denn, sie war kleptomanisch veran lagt …! Hynes riß sich zusammen, um beim Schließen der Schädeldecke keinen Fehler zu begehen. Wenn der Eingriff beendet war, hatte er immer noch Zeit, über den Vorfall nachzudenken. Endlich wurde der Patient wieder hinaus gefahren. Orwell Hynes wusch sich die Hän de, nachdem er die Handschuhe weggewor fen hatte. Dr. Scarlatti benutzte das Wasch becken neben ihm. Hynes blinzelte verwirrt, als es ihm so vorkam, als hätte die Haut auf den Händen der Neurologin eine schwache Blautönung. Aber das mußte eine optische Täuschung sein. Auch die Menschen der entferntesten Siedlungswelten hatten keine blaugetönte Haut. Hynes war so ins Grübeln versunken, daß er die Frage Dr. Scarlattis nicht verstand. »Ich würde gern in die Behandlungskartei sehen, Dr. Hynes«, wiederholte die Neurolo gin. Dieser Wunsch war durchaus üblich, des halb erteilte Hynes seine Erlaubnis dazu. Ur sprünglich wollte er bei Dr. Scarlatti blei ben, doch da rief die Personalsachbearbeite-
H. G. Ewers rin über Visiphon an und bat ihn dringend, in die Personalabteilung zu kommen, da der Computer verrückt spiele. In der Personalabteilung angekommen, fand Orwell Hynes eine völlig aufgelöste Mary Johnson vor. Der Boden war mit Com puter-Ausdruckfolien bedeckt. »Was ist passiert?« fragte Hynes er schrocken. »Der Computer druckt nur noch Unsinn aus«, antwortete Mary Johnson verzweifelt. »Jedenfalls stimmt überhaupt nichts mehr, was er antwortet.« Hynes trat an die Schaltkonsole des Per sonal-Computers, tippte seinen Identifizie rungskode ein und forderte die Bestätigung an. »200.79.841«, erschien im Anzeigefeld. »Aber das ist doch Unsinn!« sagte Hynes. »Das habe ich ja gesagt, Dr. Hynes«, er klärte Mary Johnson. Orwell Hynes schüttelte den Kopf und tippte absichtlich einen fehlerhaften Identifi zierungskode ein. »Identifikation als autorisierte Person be stätigt«, schrieb der Computer im Anzeige feld. »Aber das war doch gar nicht Ihr IDKode!« rief Mary Johnson verblüfft. Orwell Hynes dachte stirnrunzelnd nach, dann lächelte er kaum merklich und sagte: »Er ist nur etwas durcheinander, Miß Johnson. Fordern Sie bitte den Kundendienst an – und lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen. Es besteht kein Grund zur Aufre gung.« Mary Johnson atmete auf … »Wenn Sie es sagen, Doc …!« »Ich sage es«, meinte Hynes, tätschelte ihr flüchtig den Unterarm und verließ die Personalabteilung. »Aber ich denke es nicht«, flüsterte er draußen. Als er den Antigravlift besteigen wollte, standen plötzlich zwei freundlich lächelnde Damen neben ihm. »Dürfen wir Sie einen Moment sprechen, Dr. Hynes?« fragte die eine mit einer sexy wirkenden Stimme.
Tempel des Bösen Orwell Hynes' Ablehnung brach zusam men, kaum daß sie hatte aufwallen können. Sein Gesicht spiegelte das Lächeln der Frauen wider. Beinahe gedankenlos ließ er sich in den nächstgelegenen Besprechungsraum führen. Dort stießen die beiden Damen ihn sanft in einen Sessel und nahmen ihm gegenüber in anderen Sesseln Platz. »Ich bin Caruya Walsh«, sagte die mit der rauchigen Stimme. »Und das ist Fianna Kru senkowa. Wie nannte sich die Dame, die sich bei Ihnen nach dem Patienten namens Algonkin-Yatta erkundigte?« In Hynes' Schädel kreisten die Gedanken so schnell, daß er nicht folgerichtig denken konnte. Um Zeit zu gewinnen, erwiderte er: »Es waren zwei Damen: Caruya Walsh und Fianna Krusenkowa.« »Machen Sie sich nicht über uns lustig!« fuhr Fianna Krusenkowa ihn barsch an. Ihre Augen drohten. In Hynes regte sich der Stolz. »Vielleicht sollte ich Sie statt dessen hin ausweisen«, erklärte er. »Hier ist schließlich eine Klinik und kein öffentliches Gebäude. Oder wollen Sie behaupten, mich in amtli chem Auftrag sprechen zu wollen?« »Jeder Mensch hat dunkle Flecken in sei ner Vergangenheit«, sagte Fianna Krusenko wa drohend. »Sollen wir mal bei Ihnen nachstöbern?« Caruya Walsh schüttelte den Kopf und sagte beschwichtigend: »Lassen wir das Theater sein, Fianna.« Sie erhob sich und klappte ein Etui auf, so daß Hynes die Plakette aus transparentem Ynkelonium mit dem winzigen Einschluß aus Antimaterie deutlich sehen konnte. »Solare Abwehr!« sagte sie. »Bitte, ent schuldigen Sie unser etwas ungewöhnliches Vorgehen, aber uns kam es darauf an, Sie in eine psychologische Ausnahmesituation zu bringen.« »Das haben Sie geschafft, Miß Abwehr«, erwiderte Orwell Hynes und grinste. »Obwohl Sie anfangs alles andere als ab wehrend aussahen.«
23 »Schlag diesem arroganten Kerl doch die Zähne ein!« schimpfte Fianna Krusenkowa und sprang auf. Hynes schüttelte den Kopf. »Die Wechselbadtaktik zieht bei mir nicht. Ich kenne nämlich die Grenze des Er laubten bei der SolAb. Also, was wollen Sie wirklich?« »Das haben wir bereits erfahren, Dr. Hy nes«, sagte Caruya Walsh. »Wir bedanken uns. Auf Wiedersehen!« Orwell Hynes schaute den beiden SolAbAgentinnen aus zusammengekniffenen Au gen nach und fragte sich, warum er nicht verraten hatte, was er wußte und vermutete …
* Als Hynes in die Registratur der Abtei lung Neurologie kam, saß Dr. Scarlatti in ei nem Sessel und hielt die Kopie eines Daten blatts in den Händen. Der Arzt nahm nicht an, daß sie das Da tenblatt hielt, für das sie sich wirklich inter essierte, deshalb sah er gar nicht hin, son dern schaltete die Behandlungskartei ein und prüfte nach, welches Datenblatt als vorletz tes angefordert worden war. Es war das des extraterrestrischen Patien ten, dessen Name man erst nach seinem Ver schwinden erfahren hatte: Algonkin-Yatta. Und für Orwell Hynes war es die Bestäti gung seines Verdachts. Er wandte sich um, lehnte sich gegen die Frontwand des Speichers und schaute die Fremde ironisch an. »Wie stehen Sie zu Algonkin-Yatta – und wie heißen Sie wirklich?« fragte er freund lich und energisch zugleich. »Wie, bitte?« Die Neurologin schaute konsterniert hoch. »Sie haben mich verstanden – und ich ha be Sie durchschaut, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad«, erklärte der Arzt. »Meiner Meinung nach beabsichtigen Sie nichts Bö ses, sondern suchen lediglich nach unserem ehemaligen Patienten Algonkin-Yatta. Des
24 halb habe ich den Mitarbeiterinnen der Sola ren Abwehr, die mich vor wenigen Minuten verhörten, auch nichts von Ihrer Anwesen heit gesagt. Aber geben Sie sich deswegen keinen falschen Hoffnungen hin. Früher oder später wird die Solare Abwehr wissen, wo Sie stecken.« Anlytha zwitscherte traurig. »Ich begreife nicht, wie Sie mich durch schauen konnten, Dr. Hynes.« Orwell Hynes lächelte. »Nun, eigentlich hätte ich schon früher Verdacht schöpfen müssen. Nach dem Ver schwinden von Algonkin-Yatta mußte mir jede Person verdächtig erscheinen, die nicht von der Erde stammt und nach einer Gele genheit sucht, sich hier umzuschauen. Den noch wurde ich erst stutzig, als Sie den Mentalrezeptor heimlich einsteckten. Ich überlegte, wieso eine Neurologin, die doch immerhin auch zahlreichen Psycho-Tests unterworfen worden war, dabei nicht als Kleptomanin durchschaut wurde. Die Ant wort konnte nur lauten, daß sie aus einem gänzlich anderen Kulturkreis stammt, wo so etwas zu den normalen Verhaltensweisen zählt. Sie konnten also nicht von Menschen ab stammen. Dann wollten Sie die Behand lungskartei einsehen. Das war so selbstver ständlich, daß ich wieder nicht sofort Ver dacht schöpfte. Aber als ich feststellte, daß der Personal-Computer manipuliert worden war – und das war er, sonst hätte er nicht nur noch auf falsche Identifizierungskodes posi tiv reagiert –, wußte ich Bescheid. Die bei den Agentinnen hätten gar nicht aufzutreten brauchen, um mir klarzumachen, daß Sie nach Algonkin-Yatta suchen. Als ich dann nach meiner Rückkehr fest stellte, daß Sie das Datenblatt von AlgonkinYatta angefordert hatten, war das nur noch die Bestätigung meines Verdachts. Mich interessiert, warum Sie sich nicht an die terranischen Behörden gewandt haben, sondern statt dessen versuchen, auf eigene Faust Ermittlungen durchzuführen.« »Sie wollen mir also einreden, ich könnte
H. G. Ewers Algonkin einfach so mitnehmen, wenn ich die terranischen Behörden darum ersuche?« fragte Anlytha. »Das nicht«, sagte Hynes. »Aber …« Er kam nicht weiter, denn plötzlich be fand er sich nicht mehr in der Registratur, sondern stürzte im freien Fall aus großer Höhe auf den Erdboden zu. Gellend schrie er. Im nächsten Augenblick prallte er auf – und merkte, daß er einfach umgefallen war und auf dem Teppichboden lag. Sofort rap pelte er sich wieder auf. Ihm war klar, daß die Fremde mit parapsychischen Kräften »arbeitete« und ihm den Sturz aus großer Höhe vorgetäuscht hatte, um zu fliehen. Er riß die Tür auf – und erstarrte, als er die beiden SolAb-Agentinnen auf allen vie ren durch den Flur krabbeln sah. Sie ver suchten immer wieder, an den Wänden hochzuklettern. Hynes bückte sich kurz, nahm Fianna Krusenkowa einen handlichen Paralysator aus dem Achselhalfter (er konnte diese Agentin sowieso nicht leiden) und rannte zum Liftschacht. Er wollte die Fremde vor Unbesonnenheiten bewahren, vor allem aber davor, daß sie eine harte Reaktion von So lAb-Agenten provozierte. Sie schien keine Ahnung zu haben, daß Algonkin-Yatta von Verbrechern entführt worden war. Als er sich in den abwärts gepolten Lift schacht stürzte, hörte er von unten wildes Geschrei. Mehrere Menschen schienen To desängste auszustehen. Dann hörte Orwell Hynes die Entladung eines Impulsstrahlers. Wütend preßte er die Zähne zusammen. Er schwor sich, jeden Menschen mit bloßen Fäusten totzuschla gen, der mit einer tödlichen Waffe auf die Fremde geschossen hatte. Wenig später schwebten ihm zwei Män ner entgegen. Sie trugen Flugaggregate und in den Händen Schockwaffen. »Aus dem Weg!« rief einer von ihnen. »Aber gern«, meinte Hynes, schwebte zum Durchstieg der aufwärts gepolten Schachtröhre, hielt sich dort fest und paraly
Tempel des Bösen sierte die Männer mit zwei Schüssen. »Sie helfen mir?« fragte eine zwitschernde Stimme ratlos dicht neben ihm. Er drehte sich um und sah, daß die Frem de im Nachbarschacht emporgeschwebt war und sich neben ihm festhielt. »Ich weiß selbst nicht, warum ich mich in Schwierigkeiten stürze«, erwiderte Hynes. »Aber hier können wir nicht bleiben. Unten wird die Klinik sicher schon von SolAbLeuten umstellt. Wir müssen versuchen, mit meinem Fluggleiter zu fliehen, der auf dem Dach steht.« Er ergriff ihre Hand und zog sie, sich kräftig mit den Füßen abstoßend, hinter sich her nach oben. Seine Gedanken drehten sich im Augenblick nur darum, den Verfolgern zu entkommen. Es wurde ihm gar nicht be wußt, daß die Verfolger zu seinem Volk ge hörten und die Fremde kein Mensch war. Der Schuß, der sich aus einer Impulswaffe gelöst hatte, war der Anstoß zu einem an sich unsinnigen Feindbild gewesen. Aber auch das war dem Arzt nicht bewußt. Er hat te sich in eine Beschützerrolle hineingelebt, in der er von uralten Instinkten beherrscht wurde. Endlich, nach qualvoll langer Zeit, er reichten sie die von einer Troplonkuppel überspannte Dachöffnung. Hynes blickte sich gehetzt um, entdeckte seinen Gleiter und zog die Fremde durch eines der Portale in diese Richtung. Im nächsten Moment flammten ringsum grelle Scheinwerfer auf, und eine mega phonverstärkte Stimme rief: »Hier ist die Solare Abwehr! Heben Sie die Hände und bleiben Sie, wo Sie sind!« »Zurück!« flüsterte Hynes. »Nein!« gab die Fremde kreischend zu rück. Plötzlich brach ringsum ein furchtbarer Tumult los. Menschen gingen mit den Fäu sten aufeinander los, feuerten mit Impuls strahlern in die Scheinwerfer oder sprangen über den Dachrand (wo sie allerdings von den Anti-Selbstmordfeldern aufgefangen wurden).
25 »Hören Sie auf!« bat Hynes. »Auf die Dauer können wir …« Etwas Großes, silbrig Schimmerndes ma terialisierte unmittelbar vor ihnen, ein eiför miger Körper von der Größe dreier normaler Fluggleiter, der mit Streben an einer zu ei nem großen Ring geformten Röhre befestigt war. Eine Öffnung bildete sich in dem Gebilde. Orwell Hynes hörte, wie die Fremde et was in einer unbekannten Sprache schrie, dann fühlte er sich hochgehoben und in die Öffnung geworfen …
5. AUF DEM DACH DER WELT »Hoa, Jaspers und Myrja haben versagt«, sagte der Mann in der schwarzen Kutte, des sen Gesicht wie das einer Mumie aussah. »Sie befinden sich nicht mehr in unserem Raum-Zeit-Kontinuum. Beseitigen wir den Fremden, damit niemand uns etwas nach weisen kann.« »Nein!« sagte Tolperkohn. »Ich kann die Möglichkeiten der Solaren Abwehr und der USO besser einschätzen als Sie, BakhoDari. Unsere einzige Möglichkeit, ungescho ren davonzukommen, wäre die gewesen, mit der Zeitkapsel in die Vergangenheit zu ver schwinden. Das hat nicht geklappt. Dadurch arbeitet die Zeit gegen uns. Früher oder spä ter werden die Ermittlungen zum Ziel füh ren, dann werden wir gefaßt.« »Wenn wir dafür sorgen, daß man uns vor Gericht nichts beweisen kann …«, wandte der Báalol-Priester ein. »Das würde genügen, wenn wir es nur mit der Solaren Abwehr und der terranischen Polizei zu tun hätten«, widersprach Tolper kohn. »Aber ich bin sicher, daß sich inzwi schen die USO eingeschaltet hat. Die Spe zialisten, die man auf uns ansetzt, können uns gefangennehmen, aber sie müssen es nicht. Wir müssen damit rechnen, daß sie diesen Stützpunkt einfach mit STOG-Säure einnebeln und anschließend mit Plastik pfropfen verschließen.«
26 »Das kann ich nicht glauben!« wandte der Terraner van Draaken ein. »Das wäre doch Mord!« Der Ara-Mediziner schüttelte den Kopf. »Nach den ungeschriebenen Gesetzen al ler bekannten raumfahrenden Zivilisationen wird die Errichtung eines Stützpunkts auf fremdem Territorium als kriegerische Hand lung angesehen. Damit steht ein solcher Stützpunkt außerhalb des Zivilrechts und ist mit militärischen Mitteln zu bekämpfen.« Van Draaken wurde blaß. »Aber wir – ich meine, Hoas Organisation – setzen uns doch nur aus Terranern zusam men!« »Mitgefangen, mitgehangen«, sagte Bak ho-Dari höhnisch. »So lautet doch ein altter ranisches Sprichwort.« Van Draaken warf einen Blick zu Algon kin-Yatta, der mit Stahlbügeln an dem schwarzen Metallwürfel in der Mitte der Halle gefesselt war. »Noch ist dieses Wesen unser Gefange ner«, sagte er bedächtig. »Aber vorher be fand es sich in der Obhut der Regierung des Solaren Imperiums. Ich weiß, wie der Groß administrator denkt. Er wird sich verpflich tet fühlen, das Leben Algonkin-Yattas zu retten – und er wird einen angemessenen Preis dafür zahlen, wenn er keine andere Wahl hat. Sorgen wir doch dafür, daß ihm keine andere Wahl bleibt!« »Geld!« rief Bakho-Dari. »Ich strebe nicht nach Reichtum, sondern nur nach dem Glanz des Báalol-Kults!« »Geld ist der beste Dünger für den Báalol-Kult«, sagte Tolperkohn sarkastisch. »Allerdings vermag auch ich nicht zu erken nen, was wir von einem eventuellen Löse geld haben. Wir sitzen auf der Erde fest und werden früher oder später unweigerlich er griffen.« »Ich kann uns ein Raumschiff besorgen!« platzte van Draaken triumphierend heraus. »Wenn wir damit nach Lepso fliegen, kön nen wir Rhodan unsere Bedingungen diktie ren, ohne daß er uns etwas anhaben kann.« »Und der Thakan von Lepso wird uns den
H. G. Ewers Preis für seinen Schutz diktieren«, warf Bakho-Dari scharf ein. »Wer ist eigentlich zur Zeit Thakan auf Lepso?« fragte der Ara-Mediziner. »Voschol-Kuklos«, antwortete der BáalolPriester. »Aber er ist nur eine Marionette von Trattwitz-Ariman, dem derzeitigen Chef des ›Staatlichen Wohlfahrtsdiensts‹.« Van Draaken grinste. »Was hat die Wohlfahrt mit dem Regie rungschef zu schaffen?« meinte er abfällig. Tolperkohn lächelte freudlos. »Bakho-Dari sagte nicht ›Wohlfahrt‹, sondern ›Staatlicher Wohlfahrtsdienst‹. Auf Lepso heißt der Geheimdienst so – und in gewisser Weise hat dieser Name seine Be rechtigung, denn er sorgt für die Wohlfahrt seiner Mitarbeiter, besonders aber für die Wohlfahrt seines Chefs. Deshalb wechseln die Leiter des ›Staatlichen Wohlfahrts diensts‹ auf Lepso auch ziemlich oft. Schließlich möchte jeder einmal absahnen, wie ihr Terraner sagen würdet.« Van Draaken dachte nach, dann erklärte er: »Ich denke, daß ich als Terraner gut mit Trattwitz-Ariman auskommen werde. Schließlich haben wir Terraner in solchen Dingen eine alte Tradition.« Tolperkohn nickte. »Deshalb ist der jetzige Chef des SWD auch zur Hälfte Terraner – und zur anderen Hälfte Akone. Aber ich denke, es ist besser, wir arrangieren uns mit ihm und treten die Hälfte unseres Erlöses an ihn ab, als daß wir lebenslang in den Erzgruben des Merkur schwitzen. Wo steht das Raumschiff, von dem du gesprochen hast, van Draaken? Und wem gehört es?« »Es gehört Hoa Man-Sum«, antwortete van Draaken. »Beziehungsweise gehörte es ihm. Der Kapitän ist mein Neffe, und ich denke, daß ich ihm klarmachen kann, daß Hoa für immer verschollen bleibt und daß es besser für uns alle ist, wenn wir Terra weit hinter uns lassen. Ich schlage vor, daß ich nach Kalkutta vorausfliege, denn dort steht die POINTEUR. Sobald ich alles mit Piet
Tempel des Bösen
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geklärt habe, funke ich ein Signal, das wir noch vereinbaren müssen.« »Ich unterstütze den Vorschlag«, sagte Tolperkohn und schaute dabei den BáalolPriester an. »Unter der Bedingung, daß genügend Glanz auf den Báalol-Kult fällt, stimme ich zu«, erklärte Bakho-Dari. »Van Draaken, senden Sie über die allgemeine Welle drei mal die Anfangsmelodie von ›The Blue Da nube‹! Kennen Sie das?« »Sicher!« erwiderte van Draaken. »Das ist von Johann Strauß. Meine Mutter hat es …« Er stieß eine Verwünschung aus, als er merkte, daß seine Augen feucht geworden waren. »Also, schön! Ich sende das senti mentale Zeug.«
* »Loggy!« rief Anlytha und schaute sich um. Orwell Hynes hatte keine Ahnung, wer oder was Loggy war. Ihn interessierte au genblicklich nur das, was außerhalb des Ge bildes, das er nach Bildern als Zeitkapsel Al gonkin-Yattas wiedererkannt hatte, vorging. Doch er konnte nichts außer einem seltsa men, scheinbar substanzlosen Nebel sehen. Anlytha stieß einen Schrei aus. Hynes blickte zu der Fremden und sah, daß in ihrer Nähe plötzlich ein humanoides Lebewesen stand: zwar nur rund anderthalb Meter hoch und sehr zartgliedrig, ja fast durchscheinend, aber wohl doch ein intelligentes Lebewesen. Es trug eine teilweise transparente blausil bern schimmernde Kombination. »Fürchte dich nicht, Anlytha!« sagte das Wesen zu der Fremden. »Ich bin Loggy – beziehungsweise habe ich mich aus Loggy entwickelt. Auf jeden Fall bin ich dein Freund – und der Freund des Menschen, der dich vor den SolAb-Agenten gerettet hat.« Das Wesen hatte Interkosmo gesprochen, deshalb hatte Orwell Hynes jedes Wort ver standen. Verwundert beobachtete er, wie das Wesen mit den Fingern über die eigenarti gen Linien an der Wandung der Zeitkapsel
fuhr. Der Nebel lichtete sich. Hynes sah wieder auf die Bildschirme. Draußen war heller Tag, aber die Sonne beschien kein Häuser meer, sondern eine Landschaft aus flachen Salzsümpfen mit karger Vegetation. Zwi schen den eigentümlichen Bäumen und Sträuchern hing ein blasser Nebel. Der Arzt begriff fast sofort, daß diese Landschaft sich auf dem geographisch glei chen Fleck befand wie Terrania City – aber in einer anderen Zeit. »Ich fürchte, ich habe einen Fehler began gen, als ich Ihnen zur Flucht verhalf, Ma dam«, sagte er zu Anlytha. »Weder die Re gierung des Solaren Imperiums noch die Ab wehr sind Ihre Feinde.« »Aber genauso benahmen sie sich«, ent gegnete Anlytha. »Einzelne Menschen – wie Sie – mögen gut sein, aber diejenigen, die die Menschheit regieren, sind schlecht«, sagte Loggy zu Or well Hynes. »Ich weiß es, denn ich war in der Vergangenheit – und zwar in jener Zeit phase, in der die Mächtigen ihre heimliche Herrschaft über die Erde festigten und die Angehörigen des Luna-Clans deportierten, weil der Clan das verbotene Wissen um die Manipulierung der Zeit wiederentdeckt hatte und dabei war, es praktisch anzuwenden.« Hynes schüttelte den Kopf. »Ich habe nie etwas von einem Luna-Clan gehört.« »Es gibt ihn auch seit vielen Jahrtausen den nicht mehr«, sagte Loggy. »Doch sein Wirken hat auf Luna unauslöschliche Spu ren hinterlassen. Und mit Hilfe eines der Ge heimnisse des Luna-Clans konnte ich ermit teln, wo die Terraner Algonkin gefangenhal ten.« »Aber doch keine Terraner!« protestierte Hynes. »Tolperkohn ist ein Ara, und er hat mit der Entführung Ihres Freundes gegen die Gesetze Terras verstoßen.« »Man hat in der Empfangshalle Ihrer Kli nik mit einem Impulsstrahler auf mich ge schossen, Dr. Hynes«, sagte Anlytha. »Und der auf mich schoß, war ein Mensch.« Hynes seufzte.
28 »Ich streite es nicht ab. Das gab bei mir auch den Ausschlag, Ihnen gegen die Ab wehr zu helfen. Aber meine Reaktion war unüberlegt. Ich nehme an, Sie lösten in der Empfangshalle mit Ihren parapsychischen Kräften eine Panik aus – und der Schuß war eine Folge davon. Wer sind Sie eigentlich wirklich? Sie heißen doch nicht Scarlatti.« »Nein, und ich bin auch keine Neurolo gin«, sagte die Fremde. »Mein Name ist An lytha – und viel mehr weiß ich nicht über mich.« Hynes wurde blaß. »Keine Neurologin? Aber ich habe Sie mit drei Laser-Fokussoren im Gehirn des Außenministers von Topsid herumarbeiten lassen! Wie konnten Sie …« »Ich weiß es nicht, Dr. Hynes«, sagte An lytha. »Aber ich wußte in diesem Augen blick, als ich mich bereiterklärte, diese Ar beit auszuführen, daß ich die betreffende Technik beherrsche. Vielleicht bin ich bei meinem Volk wirklich eine Neurologin ge wesen, aber ich weiß darüber nichts mehr.« »Aber von mir war es unbeschreiblich leichtsinnig, Sie diese Arbeit tun zu lassen!« sagte Hynes bedrückt. »Anlytha wird Ihnen vorgegaukelt haben, sie hätten schon von ihr als erfolgreicher Neurologin gehört – oder so ähnlich«, sagte Loggy und schien zu verblassen. »Aber dar über zu reden, ist keine Zeit mehr. Ich habe aus der Vergangenheit einen Blick über die Jetztzeit hinaus geworfen und kann sagen, wo sich Algonkin-Yatta befindet. Ihr müßt nach Lhasa. Dort steht auf dem gleichen Berg, auf dem die Potala sich befindet, ein würfelförmiges Bauwerk. In ihm befindet sich die Mission von Insektenabkömmlin gen, die hier in der buddhistischen Lehre un terwiesen werden und auf ihrer Heimatwelt als Äbte arbeiten wollen. Das denken sie je denfalls. In Wirklichkeit stehen sie unter dem parapsychischen Zwang eines unheim lichen Wesens, das irgendwo unter ihrem Seminar haust.« Die Gestalt Loggys verschwand, kehrte aber noch einmal zurück.
H. G. Ewers »Ich muß euch für einige Zeit allein las sen!« flüsterte Loggy, dann verschwand er scheinbar endgültig. »Was ist mit ihm?« fragte Orwell Hynes. »Ich weiß es auch nicht«, erwiderte Anly tha. »Vorher war Loggy ein Kristall gewe sen, und er hat so etwas früher nie getan. Of fenbar aber erwartet er von uns, daß wir Al gonkin befreien.« »Lhasa!« sagte Hynes nachdenklich. »Vor tausend Jahren soll es dort noch geheimnis voll zugegangen sein, aber schon vor dem Ende des letzten Jahrtausends gab es dort keine Geheimnisse mehr! Was sollte das Ge rede von dem parapsychischen Zwang eines unheimlichen Wesens?« »Ich weiß es nicht, Dr. Hynes«, sagte An lytha drängend. »Ich weiß nur, daß wir Al gonkin befreien müssen.« Hynes lächelte. »Ja, aber wann – und mit welchen Mit teln?« Als hätte die Zeitkapsel auf ein Stichwort gewartet, summte es hinter der Innenverklei dung auf. Zahlreiche bunte Lichter flacker ten. Ansonsten tat sich jedoch nichts. Orwell Hynes begriff, was zu tun war. Er fragte Anlytha nach der Raumsteuerung der Kapsel und brachte sie anschließend in das noch junge Falten- und Kettengebirge zwi schen Tibet und Indien. Als er den Himalaja überflog, sah er, daß das Gebirge noch nicht fertig war. Praktisch war es eine Stein- und Geröllwüste, die meist in dichten Wolken bänken verborgen lag und in der zahllose Wasserfälle in Schluchten stürzten und rei ßende Flüsse durch tiefe Cañons schossen. Vom fruchtbaren Tal des Kitschu, in dem im 27. Jahrhundert die Stadt Lhasa mit der Universität und den buddhistischen Semina ren in der Potala lag, war nichts zu sehen. Orwell Hynes begriff, daß die Zeitkapsel ihn und Anlytha mitten ins Tertiär befördert haben mußte, in eine Vergangenheit, die von seiner Jetztzeit rund sechzig Millionen Jahre »entfernt« war. Für einige Zeit vergaß er Al gonkin-Yatta, Anlytha und die übrigen Pro bleme der Jetztzeit.
Tempel des Bösen
29
Aber nicht für lange, denn abermals tauchte Loggy, wenn auch nur schemenhaft, auf und lenkte die Zeitkapsel in die Jetztzeit zurück. Als die charakteristischen Nebel sich wieder lichteten, lag – auf den Bild schirmen deutlich zu erkennen – das Tal des Kitschu mit dem Berg, der von der Potala gekrönt war, unter der Kapsel. Loggy »löste« sich wieder auf. Hynes übernahm hastig die Steuerung und landete die Zeitkapsel zwischen den Erdhalden einer aufgegebenen Baustelle, dann wandte er sich an Anlytha und sagte: »Wir sind da. Aber ich habe keine Ah nung, wie wir Algonkin-Yatta befreien sol len, wenn alles stimmt, was Loggy berichtet hat.« »Der größte Teil meiner Ausrüstung be findet sich leider in meinem Hotelzimmer in Terrania City«, sagte sie betrübt. »Was ist das für eine Ausrüstung?« fragte Orwell Hynes. »Eine normale Expeditionsausrüstung mit Tauschartikeln für Primitive, ein Götterzau ber und ein paar Waffen«, antwortete Anly tha. »Soll ich es herholen?« Hynes glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Die Frage Anlythas erschien ihm als Gipfel der Naivität. Doch dann kam ihm ei ne Idee, und er sagte: »Wenn du das kannst, ja. Wie lange wird es dauern?« »Etwa neun Stunden«, sagte Anlytha. »Gut«, meinte Hynes. »Dann werden wir in der Zwischenzeit die Lage sondieren.«
* Da Besucher nicht beliebig in der Potala herumlaufen konnten, waren von der ge meinsamen Administration der Universität und der buddhistischen Seminare regelmäßi ge Führungen eingerichtet worden. Anlytha und Hynes schlossen sich der nächsten Führung an. Die Besucher waren ausnahmslos Touristen, in erster Linie von den Kolonien der solaren Planeten, aber auch von weit entfernten Siedlungswelten
und von Planeten anderer Sternenreiche. Mönche aus fernen Klöstern und Abordnun gen fremder Welten wurden gesondert emp fangen. Der Führer der Besuchergruppe war in ein schlichtes Mönchsgewand gekleidet. Er gab leidenschaftslose intellektuelle Erklärungen ab und vermied sorgfältig alles, was man als gezielte Beeinflussung hätte deuten können. Erst dann, als verschiedene Touristen direkte Fragen stellten, bewies er seine Kunst, mit Argumenten zu brillieren. Orwell Hynes hat te noch nie mit solchen Menschen zu tun ge habt und stellte voller Verwunderung fest, daß er sich bisher, wenn überhaupt, ein falsches Bild von ihnen gemacht hatte. Jetzt erkannte er, daß er sich durchaus einen Bud dhisten als Piloten eines Raumschiffs vor stellen konnte – und daß es wahrscheinlich Tausende von ihnen gab. Alles in allem herrschte hier in der Potala eine saubere, zivilisierte Atmosphäre ohne jeden Geruch von Geheimbündelei. Hier wurde geforscht und gelehrt, und hier wurde nach der Lehre gelebt. Vielleicht, so überlegte sich Orwell Hy nes, war das der Grund für die Entführer des Kundschafters, ihr Opfer in der Nähe der Potala zu verstecken. Erstens unterstand das gesamte Stadtgebiet von Lhasa mit der Pota la keiner Regionalverwaltung und zweitens gab es hier weder Militär noch Polizei. Skru pellose Verbrecher konnten sich diese Um stände nutzbar machen, solange ihr Treiben der buddhistischen Verwaltung verborgen blieb. Von einer großen Aussichtsplattform aus, die noch keine hundert Jahre alt war, durften die Besucher einen Blick über die Stadt Lha sa werfen. Hynes legte den Arm um Anlythas Schul ter und führte die Außerirdische ein Stück zur Seite. »Von hier aus müßten wir die Missions station der Insektenabkömmlinge sehen kön nen«, flüsterte er. »Es soll ein würfelförmiges Bauwerk sein«, erwiderte Anlytha, dann streckte sie
30 den Arm aus und deutete zu einer Terrasse. »Vielleicht ist es das, Orwell!« Der Terraner und Anlytha waren bei dem Du geblieben, das Hynes – anfangs unbewußt – eingeführt hatte. Der Arzt musterte das würfelförmige Ge bäude auf einer künstlichen Bergterrasse aus zusammengekniffenen Augen. Danach verg lich er es mit den anderen Bauwerken ähnli cher Größe, die über die Bergflanken ver streut waren. »Seine Form ist anders als die anderer Häuser hier«, sagte er. »Nirgends sehe ich diese perfekte geschlossene Würfelbauweise ohne Fenster und ohne Innenhof. Zweifellos hat hier der Geschmack extraterrestrischer Intelligenzen mitgewirkt.« Er griff nach Anlythas Arm, als sich die Außerirdische über die Brüstung der Aus sichtsplattform schwingen wollte. »Vergiß nicht, daß du dein Flugaggregat nicht trägst, Anlytha!« raunte er ihr zu. »Ich kann klettern«, gab Anlytha zurück. Zwei Mönche tauchten plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, neben Anlytha und dem Arzt auf. Der Führer der Besucher nä herte sich und lächelte höflich. »Verzeihen Sie meine Einmischung, bit te!« sagte er leise und bedauernd. »Ich bin untröstlich, daß ich Ihnen die Entschei dungsfreiheit über Ihr Leben nehmen muß, meine Dame, aber es würde gegen die Wür de dieses Hauses verstoßen, wenn Sie …« Er zuckte verlegen mit den Schultern. Anlytha lächelte und gaukelte dem Mann vor, sie sei ein großer Vogel mit riesigen Schwingen. »Aber ich wollte doch nur den Weg ab kürzen!« behauptete sie und flötete wie eine Nachtigall. »Verzeihung!« sagte der Mann. »Ich war unachtsam. Bitte, fliegen Sie ruhig. Dagegen ist nichts einzuwenden.« »Anlytha!« flüsterte Hynes. »Du kannst doch so etwas nicht machen!« Die Außerirdische verzichtete auf die An wendung ihrer parapsychischen Kräfte. Der Fremdenführer klappte mit totenbleichem
H. G. Ewers Gesicht zusammen und mußte von den bei den Mönchen gestützt werden. »Woher weißt du, was ich getan habe Or well?« wandte sich Anlytha an den Arzt. »Ich habe doch nur eine Person beeinflußt.« »Ich habe es seinen letzten Worten ent nommen«, sagte Hynes. »Komm, wir müs sen uns wieder den Besuchern anschließen!«
6. IM TEMPEL DES BÖSEN »Nein, auf gar keinen Fall warte ich noch länger!« sagte Anlytha energisch. »Orwell, ich fühle, daß Algonkin Gefahr droht. Du brauchst ja nicht mitzukommen, aber ich muß sofort etwas unternehmen!« »Das ist Wahnsinn!« erregte sich der Arzt. »Was haben wir schon an Waffen hier? Ich besitze nur einen Paralysator, den ich der einen SolAb-Agentin abgenommen habe. Das Energiemagazin ist gerade noch zu zwei Dritteln gefüllt. Und du?« »Ich habe ebenfalls einen Paralysator«, erwiderte Anlytha. »Aber hier …«, sie deu tete auf eine Luke im Boden der Zeitkapsel, »… befinden sich mehrere Schutzschirmpro jektoren, Schockwaffen, Lenkraketen und andere Kleinigkeiten. Zusammen mit meiner Fähigkeit, unseren Feinden etwas vorzugau keln und sie dadurch zu verwirren, reicht das aus.« Orwell Hynes blickte auf seinen Arm band-Chronographen. In gut drei Stunden mußte das Gepäck Anlythas – von einer Fernsteuer-Automatik gelenkt – in Lhasa eintreffen, und Hynes hoffte, daß das Ge päck von der SolAb bewacht worden war und daß ein Einsatzkommando der Abwehr es verfolgte. Aber er kannte Anlytha inzwischen gut genug, um zu wissen, daß sie sich nicht län ger vertrösten lassen würde. Sie würde not falls ganz allein gegen den Stützpunkt der Verbrecher antreten. Doch das durfte er, Or well Hynes, nicht zulassen. »Wir greifen gemeinsam an, Anlytha«, er klärte er. »Und war nicht zimperlich, son
Tempel des Bösen dern so massiv wie nur möglich.« Er erläu terte ihr seine Gedanken über die Art und Weise ihres Angriffs. Ihm war alles andere als wohl dabei, denn er wußte sehr wohl, daß sie beide ein unkalkulierbares Risiko eingingen, da sie die Bewaffnung der Ver brecher nicht kannten. Bevor sie aufbrachen, besorgte der Arzt einen Fluggleiter. Dann schnallten sie sich die Fluganzüge über, hängten sich die Schutzschirmprojektoren um und packten die Waffen in den Gleiter. Während Hynes startete, fragte er sich, warum die Zeitkapsel noch niemandem aufgefallen war. Vom Bo den aus konnte man sie der Erdhalden we gen nicht sehen, aber aus einigen hundert Metern Höhe ließ sie sich nicht übersehen. Er steuerte den Berg mit der Potala an, landete aber nicht auf der Terrasse mit dem würfelförmigen Haus, sondern einige hun dert Meter davon entfernt in einem Gemüse garten, der offenbar zur Potala gehörte. Die Mönche, die dort arbeiteten, blickten ver wundert auf, aber als sie Anlytha sahen, winkten sie freundlich. Gegenüber Außerir dischen waren sie offenbar besonders höf lich. »In zehn Minuten, nicht früher, Anlytha!« sagte Hynes. »Ich weiß«, erwiderte Anlytha. Sie nahm einen Schockstrahler, hängte sich ein Bündel kurzer Rohre mit eingesetzten Lenkraketen über die Schulter und stieg aus. Dabei rutschte ihr die Perücke vom Kopf – und zum erstenmal sah Hynes ihren wei ßen Federkamm. Er war so verblüfft über den Anblick, der der Außerirdischen etwas Kakaduartiges verlieh, auf jeden Fall aber den Eindruck der Fremdartigkeit steigerte, daß er zu starten vergaß. Erst die Schreie der Mönche, die – ver ständlicherweise – über Anlythas Bewaff nung erschrocken waren, riß den Arzt wie der auf den Boden der Realitäten zurück. Et was überhastet startete er den Gleiter, zog ihn hoch und vergaß dabei, die Antigravpro jektoren ebenfalls hochzuschalten. Als Folge davon kippte der Gleiter in
31 rund dreihundert Metern Höhe nach vorn und sackte mit erschreckender Geschwindig keit durch. Orwell Hynes, der eine Notlan dung hatte vortäuschen wollen, sah sich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, daß er eine echte Notlandung versuchen mußte – und daß sie durchaus zu hart ausfallen konn te. In zirka dreißig Metern Höhe wußte er, daß er mit zu großer Gewalt auf das Dach des würfelförmigen Hauses prallen würde. Er griff nach dem Notschalter, der das Rake tenkatapult für die Kanzel aktivierte – da sah er, daß der Würfel überhaupt kein durchge hendes Dach besaß und daß der Gleiter in dem großen Wasserbecken eines Innenhofes landen würde. Das durchgehende Dach muß von Projek toren vorgetäuscht worden sein! überlegte Hynes. Im nächsten Moment war es zu spät für die Aktivierung des Rettungskatapults. Der Gleiter fiel mit einer Geschwindigkeit von etwa zwanzig Stundenkilometern in das Wasserbecken, tauchte bis zum Grund und schoß danach wieder hoch. Orwell Hynes war in den Sicherheitsgur ten hin und her geschleudert worden und blickte benommen auf die Gestalten in lehmgrauen Kutten, die total durchnäßt auf dem Steinplattenbelag des Innenhofs stan den und ihn anstarrten. Hynes schnallte sich los und stieg mit wackeligen Beinen aus. »Ich bitte um Verzeihung, daß ich in Ih ren Swimming-Pool gefallen bin, meine Herren«, sagte er. »Wenn Ihnen Schaden entstanden ist, wird er selbstverständlich durch meine Versicherung ersetzt.« Die Gestalten näherten sich. Hynes blick te in insektoide Gesichter, die von den wei ten Kapuzen mit Schatten überdeckt wurden. »Was können wir tun, um Ihnen zu hel fen, Sir?« fragte einer der Fremden. Die schwach verzerrte Stimme deutete darauf hin, daß er sich eines elektrischen Umsetzers bediente. »Oh, mir brauchen Sie nicht zu helfen«,
32 erwiderte Hynes. »Wenn Sie nur dafür sor gen, daß Bruder Tolperkohn die Ausrüstung bekommt, die ich für ihn geladen habe …« Scheinbar gleichgültig blickte er den Sprecher der Insektenabkömmlinge an. Würde er den Köder schlucken? Wenn ja, wußte Hynes wenigstens, daß sie auf der richtigen Spur waren. Wenn nicht, würde es schwierig sein, den Zugang zu dem Geheim stützpunkt zu finden, der sicher gut getarnt war. »Bruder Tolperkohn hat nichts davon ge sagt, daß jemand zusätzliche Ausrüstung bringen würde«, sagte der Insektoide. »Aber ich werde über Funk rückfragen. Wie ist Ihr Name, bitte?« »Dr. Orwell Hynes«, antwortete Hynes. Jeder Name würde Verdacht erregen, denn voraussichtlich erwartete Tolperkohn nie manden. Aber wenn Anlytha genau nach Plan handelte, würde Tolperkohn vorläufig nichts von seiner Anwesenheit erfahren. »Bitte, warten Sie hier, Bruder Hynes!« antwortete der Insektoide. Es schien, als wollte er sich abwenden und ins Haus gehen, doch dann blieb er ste hen. Seine Hände bewegten sich, als schalte ten sie an einem Funkgerät. »Hier spricht Bruder Tschamte«, sagte er nach einer Weile. »Bruder Tolperkohn, es ist jemand hier, der sich Orwell Hynes nennt und Ausrüstung für Sie gebracht hat. Ist das in Ordnung?« Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Jawohl, Bruder Tolperkohn. Ich werde Bruder Hynes und seinen Schutzengel per sönlich durch das Tor begleiten.« Wieder bewegte er die Hände. Unterdes sen war Anlytha von links aufgetaucht. In einer Hand hielt sie einen Detektor, in der anderen ein geladenes Raketenabschußrohr. Die Insektenabkömmlinge schienen die Waffen nicht zu sehen. Hynes hätte zu gern gewußt, was Anlytha ihnen vorgaukelte. Doch die Zeit drängte. Er ergriff zwei Schockwaffen und zwei Bündel mit Lenk waffen und folgte dem Sprecher der Insek toiden, der einen der Gebäudetrakte betrat.
H. G. Ewers Am Ende eines Flures erblickte Hynes ein eisernes Tor. Er wunderte sich darüber, denn so simpel hatte er sich den getarnten Zugang zu einem Geheimstützpunkt nicht vorge stellt. Erst, als Tschamte leise auf das Tor einsprach, ahnte er, daß der Schein trog. Dennoch begriff er zu spät, daß Anlytha und er sich bereits in einer Falle befanden. Die Außerirdische reagierte schneller. Sie stieß ihn beiseite und feuerte eine Ra kete auf das Tor ab. Die Hohlladung des hochexplosiven Gefechtskopfs zerstörte das Tor in dem Augenblick, in dem auf seiner Oberfläche winzige Lichtblitze auftauchten. Hynes und Anlytha sprangen vor, stießen Tschamte in den tresorähnlichen Raum hin ter dem zerstörten Tor und sprangen hinter her. Das Tor konnte sich nicht mehr schlie ßen, dennoch setzte sich der gesamte Raum langsam nach unten in Bewegung. Als er anhielt, rief eine fremdartig klin gende Stimme auf Interkosmo: »Legen Sie die Waffen nieder und kom men Sie mit erhobenen leeren Händen her aus! Widerstand ist zwecklos.« Durch die Öffnung, die sich gegenüber dem zerstörten Tor gebildet hatte, konnte Orwell Hynes eine kuppelförmige Halle mit schwarzen Wänden, einem großen schwar zen Metallwürfel in der Mitte und einer gol denen Kugel dicht unter der Decke sehen. Die gegenüberliegende Hälfte der Halle war von schwarzen Vorhängen verdeckt. Und auf dem schwarzen Metallwürfel war Algonkin-Yatta angekettet!
* Perry Rhodan hob sein Armband-Funk gerät. Es war eingeschaltet, und das Gesicht von Oberst Eneiki schaute aus dem knopf großen Bildschirm heraus. »Alles fertig, Oberst?« fragte Rhodan. »Alles klar, Sir«, antwortete Fangaloa Eneiki. »Dort kommt keine Maus mehr her aus.« Der Großadministrator lächelte flüchtig. »Wir wollen ja auch keine Maus fangen,
Tempel des Bösen Oberst. Ich gehe jetzt. Ende!« Er stieg aus dem Gleiter und ging durch das prunkvolle Portal des Stargate-Hotels. Die Fremde hatte sich dort zwar noch nicht eingetragen, dennoch war die Abwehr ihr re lativ leicht auf die Schliche gekommen, nämlich durch die außerordentlich große Menge Gepäck, was sowohl in Abergavenny als auch danach im Stargate in Terrania City aufgefallen war. An der Rezeption lehnte Son Okura und sprach mit dem Empfangschef. Die angebo rene Bescheidenheit des Frequenzsehers ließ bei niemandem den Gedanken aufkommen, es mit einem fähigen Vertrauten Perry Rhodans zu tun zu haben – und daß er ein Mutant war, sah ihm ebenfalls niemand an. Der Empfangschef erkannte den Großad ministrator zuerst nicht, da Rhodan nur eine einfache Bordkombination der Flotte ohne Rangabzeichen trug und sein Schockblaster unauffällig in einer Beintasche verborgen war, anstatt im Gürtelhalfter zu stecken. Das Gesicht war allerdings unverkennbar – und der Empfangschef riß die Augen auf, als er sah, wer da auf ihn und seinen un scheinbaren Besucher zukam. »Sir!« sagte er respektvoll. »Guten Tag!« grüßte Perry Rhodan und lächelte leicht. »Ist die Dame, die mit einem Berg von Gepäck hier abgestiegen ist, noch im Hause?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Emp fangschef und streckte die Hand nach dem internen Visiphon-Schaltpult aus. »Sie hat Suite dreihundertsiebenundfünfzig, Sir.« »Sie werden die Dame doch nicht anrufen wollen, Mister!« sagte Rhodan ironisch. »Können Sie sich nicht denken, daß ich sie überraschen möchte! Kommen Sie, Son!« Son Okura nickte dem Empfangschef zu. »Was ich noch sagen wollte: Die Türpfo sten Ihres exzellenten Portals sind zer schrammt, als wäre jemand mit einem großen Fluggleiter hereingekommen.« Er wandte sich um und folgte dem Großadmini strator. »Aber so war es doch auch!« stammelte
33 der Empfangschef. »So war es tatsächlich, Mister …! Son …? Son Okura …? Oh!« Während Rhodan und Okura in den auf wärts gepolten Liftschacht traten, fragte der Großadministrator: »Wie haben Sie sich denn vorgestellt, Son?« »Als Versicherungsvertreter«, antwortete der Mutant verlegen. Plötzlich lächelte er. »Als was wollen Sie sich denn der Fremden vorstellen, Sir?« »Als Etagenkellner«, sagte Rhodan, aber das Zucken seiner Mundwinkel verriet, daß er scherzte. »Auf jeden Fall werden wir die Dame nicht erschrecken.« Gerade als sie den Liftschacht verließen, summte Rhodans Telekommelder aufdring lich. Rhodan winkelte den Arm an. Noch im mer zeigte der Bildschirm das Gesicht Fan galoa Eneikis. »Unser USO-Meßtrupp registriert plötzli che energetische Aktivität in Suite dreihun dertsiebenundfünfzig, Sir!« meldete sie auf geregt. Perry Rhodan und Son Okura warfen sich wortlos flach auf den Boden. Die Erfahrun gen vieler Jahrhunderte hatten ihnen zahllo se Reaktionen anerzogen, die inzwischen zu Reflexen geworden waren. In diesem Fall erwies sich die blitzschnel le Reaktion als unnötig. Es gab keine ver heerende Explosion. Statt dessen sagte Fan galoa Eneiki: »Absinken der Aktivitätskurve in Suite dreihundertsiebenundfünfzig, Sir. Geringe gleichbleibende energetische Aktivität läßt darauf schließen, daß Aggregate auf Bereit schaft ferngeschaltet wurden.« Perry Rhodan sah das intervallartige rote Aufblinken neben dem Bildschirm und sag te: »Danke, Oberst. Ich trenne jetzt. Mercant will mich sprechen. Bis nachher!« Er schaltete auf den mit Allan D. Mercant vereinbarten Kanal um und hatte gleich dar auf das seltene Erlebnis, Mercants Gesicht vor Aufregung gerötet zu sehen.
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H. G. Ewers
»Was gibt es, Allan?« erkundigte er sich besorgt. »Der Teufel ist los!« schimpfte der So lAb-Chef. »Die feindliche Agentin wurde im Akul Akiwa Memorial Hospital gestellt, schaltete mehrere unserer Einsatzagenten aus und richtete ein Chaos an, bevor sie auf unerklärliche Weise verschwand.« »Gab es Tote oder Verletzte, Allan?« fragte Rhodan ruhig. »Nein, Perry«, antwortete Mercant. »Entschuldigen Sie meine Aufregung. Aber sie ist tatsächlich wie vom Erdboden ver schluckt. Eigentlich läßt das nur einen Schluß zu.« Rhodan nickte. »Als erstes jedenfalls. Dann aber ist ein zweiter Schluß fällig. Ich wette, die Fremde sucht nichts weiter als Algonkin-Yatta. Sie wissen, was das bedeutet, Allan?« Mercant nickte. »Daß wir sie als potentielle Verbündete bei der Suche nach dem Entführten einstufen müssen, Perry, ja. Was tun Sie?« Der Großadministrator lächelte. »Ich warte mit Son darauf, daß die Dame ihr Gepäck nachkommen läßt. Dann folgen wir ihm. Ende!«
* Anlytha stieß einen schrillen Raubvogel schrei aus und konzentrierte sich auf die An wendung ihrer psionischen Kraft. Aber schon nach wenigen Sekunden tau melte sie und brach in die Knie. Orwell Hy nes eilte zu ihr und kniete sich neben sie. »Etwas lähmt meine psionische Kraft!« flüsterte Anlytha kläglich. »Ich kann nichts machen.« Harte Fäuste packten den Arzt, entwaffne ten ihn und fesselten ihm die Hände auf dem Rücken. Als er herumgedreht wurde, blickte er in das Gesicht seines ehemaligen Chefarztes. Tolperkohn erkannte ihn offenbar erst jetzt. »Hynes!« rief er erschrocken. »Was tun Sie denn hier? Konnten Sie nicht in der Kli nik bleiben?«
»Tun Sie nicht, als wäre ich vom rechten Wege abgekommen, Dr. Tolperkohn!« sagte Orwell Hynes bitter. »Sie haben das Verbre chen begangen, Algonkin-Yatta zu entfüh ren. Sie wollten auch die Zeitkapsel haben, aber Ihre Helfer waren nicht gut genug da für. Geben Sie auf und stellen Sie sich der Solaren Abwehr!« »Wer ist das?« fragte eine fremdartig klingende Stimme. Ein Mann in einer schwarzen Kutte löste sich aus der Kulisse, die die schwarzen Vor hänge bildeten. Seine tief ins Gesicht gezo gene Kapuze ließ die untere Hälfte eines Mumiengesichts erkennen. »Dr. Orwell Hynes, mein Assistenzarzt an der Akiwa-Klinik«, antwortete Tolperkohn. Anlytha richtete sich halb auf, heftete ih ren Blick sekundenlang auf die schwarze Gestalt, dann sank sie wimmernd zusam men. »Ein Báalol-Priester!« stieß Hynes her vor. »Quälen Sie diese Frau nicht, Sie Unge heuer!« Bakho-Dari ging nicht auf die Beschimp fung ein, sondern sagte nur: »Ich will wissen, wer die Frau ist. Sie hat psionische Kräfte, die ich zwar negativieren und zurückwerfen kann, aber bisher bin ich solchen Kräften nicht begegnet.« »Wer ist die Frau, Dr. Hynes?« fragte Tolperkohn. »Warum fragen Sie sie nicht selbst, Tol perkohn?« entgegnete Hynes verächtlich. Einer der beiden Männer, die ihn an den Armen hielten, hieb ihm die Faust ins Ge nick. Die Wucht des Schlages ließ Hynes' ganzen Schädel dröhnen. »Antworte!« schrie Tolperkohn. »Lassen Sie!« sagte der Báalol-Priester. »Wir werden auf dem Schiff herausbekom men, was los ist. Eigentlich sollte van Draa ken schon zurück sein. Wir wollen schon nach oben fahren.« »Vielleicht können wir die Zeitkapsel doch noch …«, warf Tolperkohn ein. »Wenn wir die Möglichkeit bekommen, greifen wir selbstverständlich zu«, erwiderte
Tempel des Bösen Bakho-Dari. »Ich denke jedoch, daß wir froh sein dürfen, wenn uns Zeit genug zur Flucht bleibt. Was ist eigentlich mit Tschamte los?« Der Insektoide hatte einige Minuten lang schwankend an der Wand gelehnt. Jetzt setz te er sich roboterhaft in Bewegung und ging unbeirrbar auf die schwarzen Vorhänge zu. »Woher sollen wir das wissen?« fragte Tolperkohn mit bebender Stimme. »Ich den ke, die Racheltyks gehorchen nur ihren inne ren Stimmen, die wiederum nur auf Sie hö ren.« Der Racheltyk erreichte den ersten Vor hang, krallte sich darin fest und erschlaffte. Mit reißendem Geräusch löste sich der Vor hang aus seiner Deckenbefestigung und fiel über Tschamte in sich zusammen. Und dahinter stand in unwirklichem Däm merlicht ein gläserner Sarg, in dem eine Mu mie aufgebahrt lag: die Mumie eines Ra cheltyks! »Das ist das Werk dieser Fremden!« kreischte der Báalol-Priester mit über schnappender Stimme. »Dafür werde ich sie strafen!« Anlytha zuckte heftig zusammen, dann bäumte sie sich auf, als würde sie von einem elektrischen Schlag getroffen, stieß einen gellenden Schrei aus und brach zusammen, die Fäuste gegen die Schläfen gepreßt. Aus der Richtung des schwarzen Metall würfels kam ein tiefer, grollender Laut, der sich allmählich steigerte und zu einem Schrei tierhaft-wilder Wut anschwoll. Knal lend flogen die Stahlhaken davon, die bisher den Kundschafter an den Würfel geschmie det hatten. Mit einem wahren Panthersatz sprang Al gonkin-Yatta auf den Boden und schnellte sich dem Báalol-Priester entgegen. Aber die Helfer van Draakens reagierten zu schnell für ihn. Von einer ganzen Serie Schockbla sterschüssen getroffen, brach der Kund schafter unmittelbar vor den Füßen BakhoDaris zusammen. Im nächsten Augenblick erscholl ein dumpfes Krachen, dem ein hartes Beben
35 folgte. Aus der Richtung des Liftschachts kamen knatternde Geräusche, dann drang weißlicher Rauch aus der Öffnung. »Die Abwehr!« rief einer der Helfer van Draakens erschrocken. »Oder die USO!« erklärte Orwell Hynes. »Ergeben Sie sich, bevor es zu spät ist!« Der Báalol-Priester hatte die Handflächen gegen die Schläfen gepreßt und bewegte lautlos die Lippen. Seine Augen waren ge schlossen. Als er sie wieder öffnete, sagte er: »Es gibt einen Fluchtweg. Die Racheltyks halten die Terraner auf. In der Zwischenzeit können wir hier verschwinden. Die Gefan genen nehmen wir mit.« Die beiden Helfer van Draakens hoben Algonkin-Yatta auf und trugen ihn. Nach wenigen Metern setzten sie ihn jedoch wie der ab, da er zu schwer war. Sie schleiften ihn auf die von schwarzen Vorhängen ver hangene Hälfte der Kuppelhalle zu. Tolperkohn zwang Hynes, Anlytha auf die Arme zu nehmen und zu tragen. Der Ara trug nur eine zierliche Schockwaffe, aber Hynes war sicher, daß ihre Leistung aus reichte, um ihn zu paralysieren. Das aber wollte er verhindern, denn er hoffte noch immer, das Schlimmste zu verhüten. Niemand hatte währenddessen auf Tschamte geachtet. Aber der Insektoide war nicht untätig geblieben. Nachdem er aus sei ner kurzen Bewußtlosigkeit erwacht war, hatte er systematisch einen Vorhang nach dem anderen heruntergerissen – und die Deckel der gläsernen Särge geöffnet, in de nen seine mumifizierten Artgenossen lagen. Danach hatte Tschamte drei Armreifen auf den Boden gelegt, war in die Mitte des gedachten Dreiecks getreten, murmelte noch immer seltsame Beschwörungsformeln. Plötzlich reckte er sich stocksteif hoch, stieß einen hohlen Schrei aus und schleuder te mit den Händen Wolken goldgelben Stau bes, die sich rasch ausbreiteten. Wo der Staub sich in einen offenen Sarkophag senk te, erwachte die darin aufgebahrte Mumie zu einem gespenstischen Leben.
36 Bakho-Dari, der in den Hintergrund der Halle eilte, war plötzlich von den Mumien menschengroßer Insektenabkömmlinge um ringt, die lautlos ihre dürren Arme aus streckten. In Sekundenschnelle verschwand der Báalol-Priester hinter einem Ring schweigender Mumien. Die beiden Helfer van Draakens wollten an diesem Ring des Grauens vorbeilaufen, doch da stellten sich ihnen weitere zu gei sterhaftem Leben erwachte Mumien von Ra cheltyks entgegen. Entsetzt und völlig ent nervt warfen sie ihre Waffen weg, hoben die Arme über den Kopf und rannten hilfesu chend den Menschen entgegen, die aus dem Liftschacht stürmten und sich fächerförmig verteilten. Tolperkohn löste hastig die Handfesseln Hynes', dann ging er Perry Rhodan entge gen, der den Trupp SolAb- und USOKämpfer geführt hatte, und sagte: »Sir, ich habe dieses Spiel nur mitge spielt, weil man mich bedroht hatte. Wenn Sie mir garantieren, daß ich in dem bevor stehenden Prozeß als Kronzeuge auftreten darf, werde ich Ihnen alle Informationen über Hoa Man-Sums Organisation geben.« Der Großadministrator musterte ihn ver ächtlich, dann gab er Oberst Fangaloa Enei ki einen Wink. Der weibliche SolAb-Offizier hakte ein Paar Handschellen aus einem Gürtelhaken, zog sich unsanft Tolperkohns Hände zurecht und ließ die Handschellen zuschnappen. Erleichtert bemerkte Orwell Hynes, daß sich Anlytha auf seinen Armen regte. Auch Algonkin-Yatta erwachte aus seiner Be wußtlosigkeit. Die Frauen und Männer der USO bildeten einen Halbkreis um die Mumien, die sich al le auf einem Fleck drängten. Doch diese le benden Toten bewegten sich nicht mehr. Um sie herum schien sich die Luft zu verdun keln, dann zerfielen die Wesen zu Staub. Mitten im Staub aber lag der mumifizierte Körper des Báalol-Priesters – und seine vor dem graue Haut war schneeweiß. Langsam ging Hynes auf den Racheltyk
H. G. Ewers zu, der mit ausgestreckten Armen und Bei nen bäuchlings zwischen den drei Armreifen lag. Er hielt Anlytha mit der linken Hand fest, während er mit der rechten Hand den Racheltyk umdrehte. »Er ist tot«, sagte er zu Rhodan, der an seine Seite getreten war. »Der Báalol-Prie ster hatte ihn und seine Artgenossen miß braucht – und Tschamte hat sich dafür ge rächt.«
7. UNTER FREUNDEN Das Feuer prasselte im offenen Kamin auf der Terrasse des Bungalows am GoshunSee. Am Sternenhimmel war ein Komet zu sehen; er stand offenbar unverrückbar am Nachthimmel. Vom See her dröhnten heiße Rhythmen. Dort kreuzte allnächtlich ein nachgebauter Raddampfer und bot allen le benslustigen Menschen und Extraterrestriern »Original Riverboat-Partys«. Perry Rhodan drückte nacheinander die Tasten der »Getränkeorgel«. Eine Untersu chung der in der Zeitkapsel gelagerten Nah rungsmittel und Getränke hatte ergeben, daß der Metabolismus von Anlytha und dem Kundschafter verwandt mit dem menschli chen Metabolismus war. Algonkin-Yatta be saß lediglich ein leistungsfähigeres Immun system, das ihn vor allen Vergiftungen be wahrte, an denen Menschen ohne schnelle medizinische Hilfe gestorben wären. Das, was Perry Rhodan praktizierte, war eine Weinprobe. Der Bungalow des Großad ministrators besaß in dreißig Metern Tiefe einen eigenen gut sortierten Weinkeller. Der positronische Kellermeister sorgte für richti ge Lagerung bei jeweils optimalen Tempera turverhältnissen und schickte auf Anforde rung die gewünschten Flaschen mittels einer Art Rohrpostsystems hinauf – in ein Absor berfeld gehüllt, damit der kostbare Reben saft nicht aufgewühlt wurde. Nach zahlreichen Proben entschieden sich Anlytha und Algonkin-Yatta für einen Bickensohler Ruländer Auslese, Jahrgang
Tempel des Bösen 2373. Nachdem Rhodan seinen beiden extrater restrischen Gästen, Allan D. Mercant, Fan galoa Eneiki, Son Okura und den »Goratschins« eingeschenkt hatte, hob er sein Glas, schaute durch den funkelnden Wein in die Flammen der brennenden Bu chenscheite und sagte: »Ich trinke auf den Sieg der Vernunft, Freunde, Mitarbeiter und Gäste!« »Ich trinke auf die Kostbarkeiten, die die ser Planet zu bieten hat!« rief Anlytha und zwitscherte in freudiger Erregung. Nur Mer cant sah, daß sie eine zirka dreihundert Gramm schwere Locke gediegenen Silbers (das Geschenk eines Kosmogeologen an den Großadministrator) von einer Wandkonsole stahl und in einer ihrer vielen Gürteltaschen verschwinden ließ. Bevor der SolAb-Chef etwas sagen konn te, rief Algonkin-Yatta: »Und ich trinke auf unsere Freundschaft und auf Atlan, nach dem ich suchen werde, bis ich ihn entweder gefunden habe oder bis meine Lebensspanne abgelaufen ist.« »Prost!« sagten Iwan und Iwanowitsch Goratschin. »Ich trinke auf die geschichtliche Bedeu tung unserer Begegnung, Mister Algonkin-Yat ta und vor allem darauf, daß Sie, Miß Anly tha, sich weniger materielle Dinge als geisti ge Werte einverleiben«, sagte der SolAbChef. »Ist Wein ein materielles Ding oder ein geistiger Wert, hochgeschätzter Solarmar schall?« fragte Fangaloa Eneiki spöttisch. »Beides, Oberst«, sagte Mercant. »Ich schlage vor, wir führen keine philo sophischen Gespräche, sondern genießen die Synthese zwischen veredelter Erdkruste und Sonnenenergie!« sagte Rhodan und hob sein Glas an die Lippen. Der Großadministrator wartete, bis seine Gäste ausgetrunken hatten, dann aktivierte er mittels Blickschaltung einige seiner Ser voroboter. Ein mit Delikatessen aller Art be ladener Tisch glitt auf die Terrasse. Je zwei Servoroboter stellten sich hinter einer Per
37 son auf, um bei der Auswahl der Leckerbis sen und Getränke Ratschläge zu erteilen und beim Aussuchen zu helfen. Eine Weile herrschte geschäftige Stille, dann meinte Perry Rhodan: »Wir haben aus wenigen Worten erraten, warum Sie, Algonkin-Yatta, und Sie, Anly tha, auf der Erde sind. Sie suchen nach Lor dadmiral Atlan, meinem Freund und Ver bündeten, der verschollen ist, seit er sich auf den Weg nach Atlantis gemacht hat.« Seine Augen verdunkelten sich. »Wir wissen nicht einmal, ob er überhaupt noch lebt.« »Wenn er noch lebt, werde ich ihn fin den!« rief Algonkin-Yatta. »Ich bin ihm auf der Spur, seit er gegen Orbanaschol kämpf te.« »Aber das liegt rund elftausend Jahre zu rück!« erwiderte Fangaloa Eneiki. »Mister Algonkin-Yatta ist mit seiner Zeitkapsel aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart gekommen«, erinnerte Perry Rhodan sie. Er schaute den Kundschafter lange an. »Der Name ›Algonkin‹ kommt auch auf der Erde vor, wenn auch nicht als Name für eine Person. Es würde mich inter essieren, ob Sie wissen, wie Sie zu Ihrem Namen gekommen sind.« »Mich würde alles interessieren, was Ihre Herkunft betrifft, Mister Algonkin-Yatta«, warf Oberst Eneiki ein. »Bitte, nennen Sie mich doch einfach nur Algonkin!« bat der Kundschafter. Er schloß die Augen und sammelte seine Gedanken, dann sagte er leise: »Ich komme aus einer Vergangenheit, in der es einen Planeten namens Ruoryc gab, den es vielleicht in Ihrer Gegenwart auch noch gibt. Ruoryc ist der achte Planet der blauen Riesensonne Yrgarh. Wie ich inzwi schen weiß, ist Ruoryc etwa anderthalbmal so groß wie die Erde und besitzt wegen sei nes erheblich höheren Gehalts an schweren Elementen die fünffache Masse. Es gibt elf Inselkontinente und sehr unruhige Meere. Die Gezeiten sind infolge eines Mondes, der nur hundertfünfzigtausend Kilometer von Ruoryc entfernt und so schwer wie die Erde
38 ist, stark ausgeprägt.« »Ich dachte, Sie nennen sich Mathoner«, warf Dr. Orwell Hynes ein, der in Beglei tung eines anderen Mannes nähergekommen war. »Wie kommt das?« »Ah, da sind Sie endlich, mein Freund!« rief Algonkin-Yatta impulsiv. »Und ich habe, wie gewünscht, den Bar den Juan Pincenez mitgebracht!« erwiderte der Arzt. Ein braungebrannter Hüne mit wildem Haar- und Bartwuchs trat in den Lichtschein und schwenkte ein urtümlich aussehendes Musikinstrument, dann spielte er einige Ak korde. »Hallo!« sagte er. »Sie sind Barde?« fragte Allan D. Mer cant. »Und Sarde«, gab der Hüne zurück. »Mein Lieblingsinstrument ist die Drehleier, auch Vielle genannt. Freund Orwell, den ich bei seinem letzten Urlaub kennenlernte, sag te mir, daß die Mächtigen des Großen Impe riums den Wunsch geäußert haben, meine bescheidene Kunst zu hören.« »Das in unserer Eigenschaft als Gastgeber für Anlytha und Algonkin-Yatta«, sagte Per ry Rhodan. »Algonkin-Yatta!« sagte Juan Pincenez, während er den Kundschafter aufmerksam musterte. »Wußten Sie, daß die lemurische Menschheit trotz einer Einheitssprache in mehrere Sprachfamilien gegliedert war, die sich aus der stammesgeschichtlichen Ent wicklung herleiten lassen? Eine dieser Sprachfamilien waren die Algonkin.« »Nein, davon wußte ich nichts«, erwiderte der Kundschafter. »Aber hat es etwas mit mir zu tun?« »Das weiß ich nicht«, sagte der Barde. »Aber Sie sehen trotz Ihres exotischen Äu ßeren mehr wie ein Mensch als ein Angehö riger einer anderen Rasse aus. Wenn man dann noch bedenkt, daß die Lemurer durch die halutische Heimsuchung in der ganzen Galaxis – und sogar in der Nachbargalaxis – verstreut wurden, dann erscheint es nicht un denkbar, daß Ihr Name, Kundschafter, etwas
H. G. Ewers über die Herkunft Ihrer Ahnen aussagt.« »Sie sind nicht von Beruf Barde?« fragte Mercant. »Nein, sondern aus Spaß an der Sache. Aber das trifft auch auf meinen Beruf zu. Ich befasse mich intensiv mit der Vorge schichte der heutigen – zweiten – Mensch heit. Das ernährt mich natürlich nicht, des halb schreibe ich hin und wieder Drehbücher für eine Tochtergesellschaft von Terra Tele vision.« »Ich hoffe, wir haben später Gelegenheit, uns näher kennenzulernen, Freund Juan«, sagte Rhodan mit hintergründigem Lächeln. »Aber jetzt sollte Algonkin-Yatta den Vor tritt haben, denn ich höre mir eine Geschich te gern im Zusammenhang an.« »Wir auch, Sir«, sagte Orwell Hynes. »Sagen Sie ruhig Perry«, meinte Rhodan. »Das wird es mir später erleichtern, Ihnen die Leviten zu lesen, weil Sie der USO und der SolAb so fürchterlich ins Handwerk ge pfuscht haben.« »Ist klar – Perry«, erwiderte der Arzt. »Wann kamen Ihre Vorfahren nach Ruo ryc?« wandte sich Mercant an den Kund schafter. »Das weiß ich nicht so genau«, sagte Al gonkin-Yatta. »Die Überlieferungen besa gen, daß das Großraumschiff MATHON vor Tausenden von Umläufen in dem System der Sonne Yrgarh nach einem bewohnbaren Planeten suchte, denn seine Treibstoffvorrä te waren bei der Flucht vor feindlichen Raumschiffen erschöpft worden. Die Schiffsführung fing Funksignale auf, die vom achten Planeten kamen. Nach eini ger Zeit kam eine Kommunikation zustande. Etwas, das sich selbst MYOTEX nannte, bot der Besatzung des Schiffes seine Hilfe an und garantierte ein Überleben auf der an und für sich für die Mathoner lebensfeindlichen Welt. Meinen Urahnen blieb infolge ihrer ver zweifelten Lage nichts weiter übrig, als die Hilfe anzunehmen. Die MATHON wurde in Fernsteuerung genommen und auf Ruoryc gelandet. Das technische Erbe einer seit lan
Tempel des Bösen gem ausgestorbenen Zivilisation nahm sich der Flüchtlinge an, schützte sie vor den ex tremen Umweltbedingungen und versorgte sie mit allem Nötigen. Innerhalb weniger Generationen wurden die Mathoner, wie sie sich nach ihrem Schiff nannten, vollständig in das technische Erbe der ausgestorbenen Zivilisation integriert. Deshalb brauchten sie sich den Umweltbe dingungen nicht anzupassen. Doch diese behütete Existenz unter einer Glasglocke widersprach der Natur der Ma thoner, vor allem aber ihrer ausgeprägten Wißbegier. Immer wieder entzogen sich Ma thoner der als Bevormundung angesehenen Hut von MYOTEX. Es kam zu Ausbrüchen und Rebellionen. Aber die Ausbrecher ka men in den extremen Umweltverhältnissen des Planten um. MYOTEX suchte nach Wegen, sinnlose Rebellionen und Todesfälle zu verhindern und den Mathonern die Gelegenheit zu ge ben, ihre Wißbegier und ihren Abenteuer drang zu befriedigen. Es startete ein Teilan passungsprogramm und später ein Raum fahrtprogramm. MYOTEX baute Kund schafterschiffe, rüstete sie mit Psiotroniken und anderen technischen Raffinessen aus und bildete alle interessierten Mathoner zu Kosmischen Kundschaftern aus. Ich bin einer dieser Kundschafter. Anlytha dagegen kommt nicht von Ruo ryc. Ich fand vor langer Zeit irgendwo zwi schen den Sternen ein havariertes Klein raumschiff und rettete die Pilotin. Sie konnte sich bisher nur an ihren Namen, Anlytha, er innern, an nichts sonst.« »Das stimmt nicht mehr!« warf Orwell Hynes ein. »Anlytha half mir bei einer kom plizierten Gehirnoperation und erwies sich dabei als ausgezeichnete Neurologin und Neurochirurgin. Sie muß also eine entspre chende Ausbildung haben.« »Vielleicht kommen noch mehr Erinne rungen zurück«, sagte Algonkin-Yatta. Er seufzte. »Auf einem Kundschafterflug ent deckten Anlytha und ich den Planeten Per pandron, auf dem die Zeitkapsel wieder ein
39 mal großes Unheil angerichtet hatte. Dort hörten wir von einem sterbendem GolteinHeiler von Kristallprinz Atlan und von sei nem Kampf gegen Diktatur und Korruption und für eine Erneuerung des Großen Imperi ums von Arkon. Ich war fasziniert von der Persönlichkeit und den Abenteuern Atlans und nahm mir vor, ihn zu suchen, Kontakt mit ihm aufzu nehmen und ihn genau kennenzulernen. Seitdem habe ich mein Kundschafterpro gramm ignoriert und bin kreuz und quer durch den Raum und seit einiger Zeit auch durch die Zeit geflogen.« »Es tut mir leid, daß Ihre Suche vergeb lich war, Algonkin«, sagte Perry Rhodan. Der Blick der stahlblauen Augen des Kundschafters richtete sich fest auf den Ter raner. »Meine Suche war nicht erfolglos, Perry, denn ich habe erfahren, wohin Atlan ver schwunden ist.« »Vielleicht verschwunden ist!« warf Mer cant ein. Algonkin-Yatta lächelte. »Atlan lebt – und wenn er nach Atlantis wollte, dann befindet er sich dort. Ich aber werde weitersuchen und ihn eines Tages fin den!« Niemand sagte etwas dazu. Juan Pincenez zog sich einen Hocker her an, stellte einen Fuß darauf und stimmte ein schwermütiges Lied in einer Sprache an, die außer ihm niemand beherrschte. Knackend brach ein flammendes Buchenscheit im Ka min auseinander. Die Flammen spiegelten sich im Wein, den Perry Rhodan einschenk te. Und das uralte Lied klang hinauf zu den Sternen über Terrania City …
* Der Morgen sah Algonkin-Yatta allein auf der Terrasse. Außer Allan D. Mercant, der in seinen eigenen Bungalow zurückge kehrt war, schliefen alle Gäste des Großad ministrators noch in ihren Gästezimmern.
40 Die Sonne stieg verzerrt und blutrot über den Horizont. Die Lichtglocke über Terrania City erlosch. Im Süden ballten sich Wolken türme zusammen. Ein frischer Wind kam herüber aus der ehemaligen Wüste und trug den Duft von Citrusblüten aus dem Obstund Gemüseanbaugebiet Gobi Areal her über. Es war eine fremde, exotische Welt für den Kundschafter von Ruoryc, und doch hatte sie den Hauch von etwas Vertrauten an sich. Algonkin-Yatta überlegte, ob sein Volk tatsächlich von den Lemurern der Ersten Menschheit abstammte und die Erde somit auch seine Urheimat war – wie es die Urhei mat Atlans war. Der Gedanke hatte etwas Aufwühlendes, Berauschendes und Sinnver wirrendes. Algonkin-Yatta wandte sich um, als die breite Glastür sich öffnete. Perry Rhodan und Fangaloa Eneiki traten auf die Terrasse, beide in luftige Freizeitkombinationen ge kleidet. »Guten Morgen, Algonkin!« sagten die beiden Menschen wie aus einem Mund. »Wie haben Sie geschlafen?« fragte der weibliche SolAb-Oberst. »Sehr gut, aber nicht lange«, antwortete Algonkin-Yatta. »Meine Gedanken ließen mir keine Ruhe. Ich mußte ins Freie gehen, den Wind spüren und die Sterne sehen und das Unerklärliche ahnen, das zwischen mir und Atlan liegt. Wie haben Sie geschlafen?« »Sehr gut«, antworteten Rhodan und Fan galoa Eneiki. »Wie wollen Sie das anstellen: nach Atlan suchen?« erkundigte sich der Großadministrator. »Und kann ich Ihnen helfen?« »Sie können mir helfen, indem Sie mir Bewegungsfreiheit geben, Perry«, antworte te der Kundschafter. »Um die notwendigen Messungen anstellen zu können, brauche ich die Spezialausrüstung meines Kundschafter schiffs – und ich brauche vor allem die Psio tronik zur Auswertung der Meßergebnisse. Ich kann aber nur mit der Zeitkapsel zum Kundschafterschiff zurückkehren …«
H. G. Ewers »Das ist mir klar«, erwiderte Rhodan. »Aber was steht dem entgegen, Algonkin?« Fangaloa Eneiki lachte hell. Ihr Gesicht wirkte irgendwie gelöster und freier als am Vortag. »Unser Freund denkt, wir würden es nicht gern sehen, wenn er mit seiner Zeitkapsel verschwindet, Perry!« »Ich fühle mich verpflichtet, Rücksicht auf Ihre Interessen zu nehmen, Perry«, sagte Algonkin-Yatta. Perry Rhodan nickte und lächelte ver ständnisvoll. »Ich habe viele Interessen«, sagte er. »Aber mein primäres Interesse im Hinblick auf Sie ist darauf gerichtet, daß Sie sich als Freund unter Freunden und als freier Mann fühlen. Niemand wird Ihnen vorzuschreiben versuchen, wie und wohin Sie sich bewegen und was Sie mit Ihrer Zeitkapsel unterneh men.« »Sie sind sehr großzügig, Perry«, erwider te der Kundschafter. »Ich werde mit der Kapsel aufbrechen, aber nur, um mit dem Kundschafterschiff und der Kapsel zurück zukehren, denn hier ist das eine Ende der Spur, die zu Atlan führt.« »Ich bitte darum, Sie begleiten zu dür fen!« rief Orwell Hynes, der, gefolgt von Anlytha, auf die Terrasse kam. »Wissen Sie nicht mehr, daß Sie auf rich terliche Anordnung gehalten sind, Terrania City vorerst nicht zu verlassen, weil erst noch im Zusammenhang mit zwei paraly sierten SolAb-Agenten gegen Sie ermittelt werden muß?« fragte Rhodan. »Doch, Sir«, sagte Hynes und ließ den Kopf hängen. Perry Rhodan lachte. »Glauben Sie wirklich, ich wäre so klein lich, Orwell! Wenn Algonkin einverstanden ist, fliegen Sie mit durch Raum und Zeit! Ich übernehme die Verantwortung gegenüber dem Gericht und zahle notfalls die Geldstra fe aus meiner Tasche, denn Ihre Verdienste um die Erde sind weit größer als der geringe Schaden, den Sie angerichtet haben.« »Danke, Sir!« erwiderte Hynes. »Perry!«
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korrigierte der Großadministrator. Eine Folge von Akkorden erklang, dann marschierte der Barde quer durch den terras sierten Steingarten und blieb auf der Terras se stehen. »Hei, Schwestern, hei Brüder!« sagte er mit tiefer, rollender Stimme. »Ich habe die letzten drei Stunden in einer Diskothek ge spielt und gesungen – und mit den Jungen und Mädchen dieser Gegend getrunken. Nicht schlecht, diese Jugend, obwohl es na türlich keine Sarden sind. Bruder Algonkin, was für eine Ballade könnte ich dichten und komponieren, wenn ich eine andere Zeit durchwandern würde!« »Er kann auch normal reden«, meinte Hy nes. »Er interessiert mich so, wie er ist«, sagte Algonkin-Yatta. »Zum erstenmal wird je mand auf meinem Kundschafterschiff ein Instrument spielen und dazu singen, der beides tatsächlich kann. Ich freue mich auf Ihre Begleitung. Anlytha, wir machen uns reise fertig!« »Ich komme nicht mit, Algonkin«, sagte Anlytha. Der Kundschafter starrte sie fassungslos an. »Aber sonst hast du dich immer aufge regt, wenn ich dich mal nicht mitnehmen wollte! Was ist in dich gefahren, Anlytha?« »Sie möchte die größten terranischen Mu seen besuchen, weil sie sich für Kunstschät ze interessiert«, erklärte Orwell Hynes. »Ich habe die Besichtigungstour gleich heute morgen per Visiphon organisiert. Meine Schwester Catherine wird Anlytha beglei ten.« Algonkin-Yatta schloß sekundenlang die Augen, dann seufzte er und meinte: »Einverstanden. Niemand kann alles tra gen; das beruhigt mich. Viel Spaß, Anlytha, aber nicht zuviel.«
* Juan Pincenez öffnete seinen Schrankkof fer und holte eine Flasche heraus. Mit den
Zähnen zog er den Korken, dann ließ er ihn in die hohle Hand fallen und reichte Algon kin-Yatta die Flasche. »Was ist das?« fragte der Kundschafter. »Echter alter Calvados«, erklärte der Bar de. »Ein französischer Apfelbranntwein.« »Er entkrampft bei Gesichtszuckungen, die man auch Sardonisches Lachen nennt; deshalb trinkt man ihn auch auf Sardinien. Richtig, Juan?« fragte Orwell Hynes. »Nur zur Hälfte«, erwiderte der Barde. »Wir trinken zwar Calvados, wenn auch kei neswegs ausschließlich, aber wir leiden nicht unter Gesichtszuckungen, da wir als Einheimische das Giftkraut Sardonia und seine Wirkung genau kennen. Nur Touristen sind gefährdet, sofern sie auf unseren Wie sen weiden.« Algonkin-Yatta hatte verwirrt zugehört, jetzt setzte er die Flasche an. Er trank genau ein Drittel, dann reichte er sie an Hynes wei ter. Der Arzt fühlte sich verpflichtet, ebenfalls ein Drittel zu trinken – und Juan Pincenez leerte sie schließlich. Danach holte er die nächste Flasche aus seinem Koffer und meinte: »Warum hältst du eigentlich nicht mit, Loggy?« Das seltsame, halb durchscheinende We sen, das hin und wieder verschwand – in ei ne andere Zeit, wie es erklärt hatte –, erwi derte: »Meine Nahrung ist von anderer Art, Bar de.« Juan Pincenez schüttelte verwundert den Kopf. »Wir ernähren uns keinesfalls von Calva dos, Timestepper, sondern meist von hand fester Nahrung wie Ziegenkäse, Brot, Oliven und Weintrauben – und wenn es hoch kommt, von zartem Ziegenfleisch.« »Mir kommt es gleich hoch!« lallte Or well Hynes und lächelte mild. »Zumindest würde ich jetzt gern gebratenes Ziegen fleisch essen.« Er verdrehte die Augen und rutschte an der Wand herab. Als er den Bo den erreichte, schnarchte er schon.
42 »Was ist mit ihm los, Juan?« fragte der Kundschafter besorgt. »Wer zuviel trinkt auf einen Streich, dem werden bald die Knie weich«, deklamierte der Barde. »Es sei denn, er ist trainiert wie ich. Wann kommen wir in der anderen Zeit an, Algon … hicks … kin?« »Wir befinden uns bereits in einer ande ren Zeit«, antwortete Algonkin-Yatta. »Genau genommen, rasen wir ständig durch andere Zeiten. Aber ich kann nichts Genaue res darüber sagen. Vielleicht kennt MYO TEX sich mit den Details der Zeitreise aus.« Er schwieg. Juan hob den Kopf und blickte den Kund schafter prüfend an. »Heimweh nach Ruoryc, Maestro?« »Kann sein«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Ich war sehr lange nicht daheim. Ob ich wohl Ruoryc landen und mit MYOTEX sprechen werde? Aber erst muß ich Atlan finden und mit ihm sprechen!« »Wir sind gleich auf der Raumebene und in der Zeitphase des Kundschafterschiffs, Algonkin?« sagte Loggy. »Du willst mit dem Kundschafterschiff zur Erde fliegen. Aber weißt du denn, zu welcher. Zeit du auf der Erde ankommen würdest? Denn das Kundschafterschiff kann nur durch den Raum reisen.« »Ich kann dir deine Frage noch nicht be antworten, Loggy«, erwiderte der Kund schafter. »Es wird sich alles finden, wenn es soweit ist.« Er blickte auf die Bildschirme, die wieder einmal die seltsamen Nebel zeigten, die cha rakteristisch für Zeitreisen mit dieser Kapsel waren. Soeben lichteten sich die Schwaden. Ein Bildschirm zeigte einen kristallisierten blauen Zwergstern, ein anderer einen »normalen« blauen Sonnenriesen – und die übrigen Bildschirme zeigten außer fernen Lichtpunkten nur die samtene Schwärze des Raumes. Das änderte sich bald, nachdem der Kundschafter die Steuerung übernommen hatte. Die Kugel eines lebenerfüllten Plane ten wurde in einem Schirm sichtbar.
H. G. Ewers Plötzlich stutzte Algonkin-Yatta. »Die Ortungsgeräte messen die energeti schen Emissionen desaktivierter Raum schifftriebwerke an!« verkündete er aufge regt. »Das müssen sie ja wohl«, meinte Juan Pincenez. »Schließlich steht Ihr Raumschiff auf diesem Planeten. Oder ist das nicht der richtige Planet, Algonkin?« »Doch, aber es ist nicht mein Schiff«, ant wortete der Kundschafter. »Mein Schiff liegt unter einem Tarnfeld und einem AntiOrtungsschirm und kann deshalb gar nicht angemessen werden.« Der Barde sprang auf und stieß dabei die leere Calvados-Flasche mit dem Fuß um. »Jetzt wird es spannend! Ob es feindlich eingestellte Wesen sind, die mit einem Raumschiff auf Ihrem Basis-Planeten lande ten?« Algonkin-Yatta schaute den Barden nach denklich an. »Eigentlich sollte ich mich auf den Kon takt mit anderen Wesen freuen, aber ich ha be seit meinem Aufbruch von Ruoryc so viele schlechte Erfahrungen gesammelt, daß ich vorsichtig geworden bin.« Er wandte sich zu Loggy um, aber der Zeitpendler war wieder einmal verschwun den. Abermals musterte der Kundschafter die Ortungsanzeigen. »Das fremde Raumschiff ist rund tausend Kilometer vom Kundschafterschiff ent fernt«, sagte er. »Ich werde auf der gegen überliegenden Seite des Planeten hinabge hen und im Tiefflug zu meinem Schiff flie gen. Sollten die Fremden uns nicht bemer ken beziehungsweise nicht feindselig reagie ren, versuche ich, Kontakt aufzunehmen.« Orwell Hynes hob den Kopf, ließ aber die Augen geschlossen. »Kontakte haften!« sagte er klar und deut lich. »Apparat einschalten!«
* Die Zeitkapsel flog dicht über die Dünung eines großes Ozeans. Im Wasser tummelten
Tempel des Bösen sich Herden von walähnlichen Tieren. Sie schienen sich von Algen zu ernähren, die sich zu zahllosen kleinen und riesigen Inseln zusammenballten. Auf einigen Algeninseln hatte sich sogar Humus gebildet, auf dem Landpflanzen wuchsen, in denen wiederum Vögel nisteten. Hynes hatte eine Tablette geschluckt und war wieder einigermaßen klar. Langsam kam er auf die Beine. Nachdem er die Bildschirme ausgiebig gemustert hatte, sagte er: »Eine erdähnliche Welt – und doch ande res als die Erde.« »Im Grunde genommen muß ich mich im mer wieder wundern, wie groß die Ähnlich keiten der Lebensformen auf Planeten glei cher Masse, gleichen Strahlungseinfalls und gleicher chemischer Zusammensetzung sind«, sagte der Kundschafter. »Aber oft täuscht der Schein. Hinter ähnlichem Äuße ren verbergen sich oftmals unvorstellbare Unterschiede.« Juan Pincenez spielte eine Melodie auf der Drehleier und sang leise ein altterrani sches Lied dazu. Als es zu Ende war, stimm te er Hursts »Ballade von den Ozeanen des Mars« an. Er sang zuerst im alten Hochmar sianisch, dann im Interkosmo. Es war das uralte Lied der marsianischen Hochkultur, deren Städte nach einer langdauernden Peri ode einer ausgewogenen Zivilisation, die die schönen Künste pflegte (zu einer Zeit, als auf der Erde noch nicht einmal an die Erste Menschheit zu denken war), von der er schlaffenden Natur des Planeten gezwungen wurden, den versickernden und schrumpfen den Meeren zu folgen, indem sie die höher gelegenen Bauten aufgaben und immer tiefer bauten. Aber bei Juan Pincenez klang es ganz an ders als bei anderen Interpreten. Unwillkür lich mußte Orwell Hynes daran denken, daß auch die Wasser der Erde immer mehr in die Tiefe sanken und daß es immer mehr hoch gezüchteter und aufwendiger Techniken be dürfen würde, um die Oberfläche nicht ebenso verdorren zu lassen, wie es mit der
43 Oberfläche des Mars vor Millionen von Jah ren geschehen war. Wehe, wenn eines Tages die technischen Mittel nicht mehr ausreich ten oder anderweitig beansprucht wurden – oder wenn die Menschheit infolge tiefgrei fender Konflikte nicht mehr die Kraft auf bringen würde, die Wasser immer wieder in der Tiefe aufzuspüren und heraufzuholen …! »Gleich sind wir da!« sagte Algonkin-Yat ta mit rauher Stimme. In seinen Augen schimmerten Tränen. »Bitte, hören Sie auf damit, Barde! Ihr Gesang hat meine Seele zutiefst verwirrt.« »Auch die Seele muß ab und zu ›umgegraben‹ werden – wie ein Acker, der sonst ebenfalls verödet.« Juan Pincenez lä chelte, dann legte er die Drehleier auf den Boden, holte aus seinem Schrankkoffer einen Gürtel mit zwei gefüllten Waffenhalf tern und schnallte ihn um. Algonkin-Yatta steuerte die Zeitkapsel über das Ufer des Ozeans, in einem Flußtal entlang und landete sie in der engen Schlucht eines relativ jungen Faltengebirges. »Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu der Höhle, in der ich das Kundschafter schiff versteckt habe«, erklärte er. »Ich wer de zu Fuß hingehen. Wer mich begleiten will, ist willkommen.« »Ich komme auf jeden Fall mit!« sagte Ju an Pincenez. »Ich auch!« erklärte Hynes. Die drei Männer schnallten ihre Flugag gregate auf die Rücken, dann verließen sie die Zeitkapsel und flogen die Schlucht ent lang. Der Kundschafter kannte den Weg und flog voraus. »In wenigen Sekunden durchfliegen wir das Tarnfeld und werden den Höhlenein gang sehen können!« rief er zurück. Der Barde und Hynes warteten gespannt. Sie sahen wenige Sekunden später, wie sich ein Stück Pseudo-Felsmassiv auflöste. An seiner Stelle war der Eingang zu einer großen Höhle zu sehen. Er durchmaß etwa sechzig Meter. In dem dämmrigen Licht, das in der Höh
44 le herrschte, sahen die beiden Terraner ein zirka 63 Meter langes ovales Raumschiff aus einer grünlich schimmernden glasähnlichen Substanz ohne sichtbare Triebwerke. Der größte Durchmesser mochte etwa 39 Meter betragen. Sie landeten links und rechts ne ben dem Kundschafter und warteten darauf, daß er die Schleuse öffnete. Doch Algonkin-Yatta stand nur da. Seine Nasenflügel bewegten sich deutlich, als er die Luft scharf einsog. »Ich rieche Fremde!« flüsterte er nach ei ner Weile. »Sie müssen schon im Schiff sein!« Der Barde zog seinen Lähmstrahler und schwang ihn unternehmungslustig. »Dann sollten wir sie hinauswerfen!« Als Algonkin-Yatta nicht darauf reagierte, fragte er: »Warum unternimmst du nichts, Kund schafter?« Doch erst nach etwa einer Minute sagte Algonkin-Yatta: »Ich hatte Kontakt mit der Psiotronik. Sie berichtete, daß im Schiff Fremde sein müs sen, kann mir aber nicht beschreiben, wie viele Fremde es sind und wie sie aussehen.« »Vielleicht können sie sich unsichtbar machen«, meinte Juan Pincenez. »Die entsprechenden Geräte hätte die Psiotronik angemessen«, widersprach Al gonkin-Yatta. »Haben Sie eine Feuerlöschanlage an Bord, Algonkin?« fragte Hynes. »Selbstverständlich«, antwortete der Kundschafter. »Aber was soll eine Feuer löschanlage …?« »Ganz einfach«, erklärte der Arzt. »Wenn die Eindringlinge aus fester Materie beste hen, müssen sie sichtbar werden, sobald das Wasser aus den Sprühdüsen sie trifft. Zu mindest können wir dann ihre Umrisse er kennen.« »Ausgezeichnet!« rief Juan Pincenez. »Ich bin immer dabei, wenn es etwas zu lö schen gibt!« »Einverstanden!« sagte Algonkin-Yatta. Er wies die Psiotronik gedanklich an, die
H. G. Ewers Mannschleuse des Kundschafterschiffs zu öffnen und die Rampe auszufahren. Als sich eine Öffnung in der Außenhülle bildete, schaute er verwundert dem Barden nach, der auf die Schleuse zueilte. »Es klirrt in dem Beutel, den er auf dem Rücken trägt«, stellte er fest. »Was hat er darin, Freund Orwell?« »Teufel!« entfuhr es dem Arzt. »Ich wet te, der Barde schleppt eine halbe Wagenla dung Calvados mit herum! Jetzt dürfte aber kaum die Zeit sein, sich zu betrinken.« Er vollführte plötzlich einen Satz, stürzte zu Boden und wälzte sich stöhnend hinter einen Felsblock. Algonkin-Yatta begriff, daß der Arzt einen Paralysator-Streifschuß abbekommen hatte – und zwar von einem unsichtbaren Gegner, der sich entweder noch in der Schleuse aufhielt oder sie bereits verlassen hatte. Er feuerte mit seinem Lähmstrahler ei ne Serie von Schüssen gegen die Schleuse und in die unmittelbare Umgebung und warf sich danach neben Hynes in Deckung. »Ich glaube, Sie haben Juan getroffen«, flüsterte Hynes und ächzte. »Er ist jedenfalls zusammengeklappt.« Algonkin-Yatta warf einen Blick aus der Deckung. Er sah, daß Juan Pincenez stock steif zur offenen Schleuse hinaufschwebte. »Unsichtbare entführen ihn«, sagte er und feuerte mehrere Schüsse in die Umgebung des Barden ab. Im nächsten Moment zuckte er heftig zusammen und spürte, wie seine Gesichtsmuskeln sich verkrampften. Er ließ sich hinter die Deckung zurückfallen. »Jetzt brauchten Sie einen Calvados, Al gonkin«, spöttelte der Arzt, obwohl seine Miene verriet, daß er starke Schmerzen aus hielt. »Das typische Sardonische Lachen ziert Ihr Gesicht.« Mühsam bewegte der Kundschafter die Lippen. »Schockschuß von Juan«, flüsterte er. »Von Juan?« fragte Orwell Hynes er schrocken und richtete sich mühsam auf, um über die Deckung spähen zu können. »Keine Spur vom Barden oder Sarden«, stellte er
Tempel des Bösen fest. »Das Außenschott der Schleuse hat sich geschlossen.« »Die Psiotronik berichtet, daß Juan von Unsichtbaren ins Schiff geschleppt worden ist«, berichtete der Kundschafter. »Aber sie ist über etwas erheitert, will mir jedoch nicht verraten, worüber.« »Erheitert?« fragte Hynes gedehnt. »Und noch dazu eine Psiotronik! Ist das nicht et was Ähnliches wie eine Positronik?« »Es ist so etwas wie eine parapsychisch begabte Positronik«, erklärte Algonkin-Yat ta. »Aber nehmen Sie das nicht wörtlich. Die Produkte, die mir MYOTEX als Hilfs mittel mitgab, sind seine Produkte und nicht solche meines Volkes. Sie sind deshalb auch in ihrer vollen Bedeutung anders als Produk te der menschlichen Wissenschaft und Tech nik, denn die Zivilisation, die MYOTEX hinterließ, war sicher nicht einmal entfernt verwandt mit der irdischen.« Er seufzte. »Aber normalerweise dürfte auch eine Psiotronik keine emotionalen Regungen ha ben. Mit meiner Psiotronik muß eine Verän derung vorgegangen sein.« »Und was geht mit Juan vor?« fragte Hy nes. »Wir dürfen ihn nicht seinem Schicksal überlassen, Algonkin.« »Er hat sein und unser Schicksal in seine Hände genommen, als er sich freiwillig ins Schiff schleppen ließ«, erklärte der Kund schafter. »Außerdem hat er mich mit seinem Schockblaster mitten ins Gesicht geschos sen, damit ich seine Gefangennahme nicht verhindere.« »Ins Gesicht? Und Sie sind nicht umgefal len?« »Ein Schuß macht mir kaum etwas aus. Nur im Gesicht hat er mich doch ziemlich gestört, Orwell. Ah, soeben meldet meine Psiotronik, daß die Fremden ausgeschaltet sind. Wir können ins Schiff gehen.« Er stand auf und half dem Arzt, sich auf zurichten und zur Schleuse zu schleppen. Auf seinen Befehl hin öffnete die Psiotronik des Kundschafterschiffs die Schleuse. Die beiden Männer schalteten ihre Flugaggrega
45 te ein und schwebten ins Schiff. »Die Luft ist rein!« sagte Orwell Hynes, als sie im Schiffskorridor landeten. Er holte tief Luft. »Calvados!« sagte er verklärt. »Jetzt wundere ich mich nicht mehr dar über, daß die Psiotronik erheitert war«, sagte Algonkin-Yatta. »Der Barde hat den ganzen mitgeführten Calvados in den Luftbefeuch ter der Klimaanlage geschüttet – und unsere lieben Gäste vertragen offenbar nicht sehr viel Alkohol.« Er deutete auf die nächste Gangbiegung, an der zwei seltsame Gestal ten auf dem Boden lagen. Als die beiden Männer die Bewußtlosen erreicht hatten, sagte Hynes: »Das sind Laurins, Algonkin. Die dürren dreibeinigen Körper, die grauweiße Reptili enhaut, die halb echsen-, halb entenförmigen Schnäbel mit den drei Augen und die faust großen Verdickungen der schlauchartigen Hälse, die übrigens organische DeflektorProjektoren sind, lassen keinen Zweifel auf kommen. Mit Vertretern dieser Spezies hat die Menschheit schon früher Bekanntschaft gemacht.« »Irrtum!« korrigierte ihn der Kundschaf ter. »Von unserer derzeitigen Zeitebene aus gesehen, wird die Menschheit erst später die Bekanntschaft der Laurins machen.« Er legte den Kopf schief, als aus den Lüf tungsgittern der Klimaanlage gesungene Worte klangen, die sich wie »Gaudeamus Igelkur« und Ähnliches anhörten. »Man merkt eben doch, daß die Mensch heit zivilisiert ist«, meinte er gerührt. »Ausgerechnet daran!« erwiderte Hynes. »Na, das ist egal!« Er lächelte trunken. »Was machen wir mit den Zwergenkönigen, äh, den Laurins?« »Darum brauchen wir uns nicht zu küm mern«, antwortete der Kundschafter. »Die Psiotronik sorgt dafür, daß sie auf schonen de Weise aus dem Schiff entfernt werden. Danach baut sie einen Ableger von sich in die Zeitkapsel – und in der Zwischenzeit starten wir, denn wir müssen das Kund schafterschiff unbedingt auf dem Planeten eines anderen Sonnensystems verstecken.
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Hier ist es nicht sicher vor den Laurins. Kommen Sie mit in die Zentrale, Orwell!« »Huhu, wo bin ich?« erscholl Juans Stim me aus den Lüftungsgittern der Klimaanla ge.
8. AUFBRUCH NACH ATLANTIS »Sind Sie sicher, daß Ihr Kundschafter schiff hier nicht gefunden wird, Algonkin?« fragte Juan Pincenez. Der Barde hatte seinen Rausch ausge schlafen, war frisch gewaschen und trug ein frisches, einigermaßen sauberes Hemd. Der Kundschafter lächelte rätselhaft, wäh rend er die Zeitkapsel vom sechsten Plane ten einer weißen Riesensonne wegsteuerte. Auf den Bildschirmen der Hyperortung er schien vorübergehend ein Raumschiff, das, vom neunten Planeten kommend, zum ach ten Planeten flog. Nach dem kurzen Abenteuer mit den Lau rins hatte er das Kundschafterschiff auf dem sechsten Planeten einer weißen Riesensonne versteckt, die etwa 27 Lichtjahre von der Er de entfernt war – und einige tausend Jahre vor der Zeit, in der Juan Pincenez und Or well Hynes geboren worden waren. »Ich bin sicher, daß ich es abgeholt haben werde, bevor es gefunden werden kann«, antwortete er. »Sie wissen anscheinend nicht, daß Sie Ihr Schiff auf Pigell versteckt haben, dem sechsten Planeten der Wega«, meinte Juan. »Ich habe es selbst erst vor wenigen Minu ten bemerkt, als ich feststellte, daß diese Sonne zweiundvierzig Planeten besitzt, von denen einer ein Gigant vom dreifachen Jupi ter-Durchmesser ist.« »Der sechste Planet wird erst in mehreren Jahrtausenden Pigell genannt werden, näm lich dann, wenn die Menschen merken, daß sie vor rund vierzigtausend Jahren – von heute an gerechnet – eine Zeitstation der Meister der Insel erobert haben. Genauer ge sagt, im Jahre 49.988 vor der Zeitenwende.« »Woher wissen Sie das alles?« fragte Hy-
nes erschrocken. »Weil ich die Überreste der Zeitstation or tungstechnisch entdeckt und ausgemessen habe«, antwortete Algonkin-Yatta. »Die Mi ni-Psiotronik analysierte die Meßergebnisse und stellte fest, was geschehen war.« Mit »Mini-Psiotronik« meinte der Kund schafter den Ableger der Psiotronik seines Schiffes, den die Psiotronik aus neutralen positronischen Bauelementen und psiotroni schen Schaltkreisen gebaut hatte. Als in der Zeitkapsel die halbdurchsichti ge Gestalt Loggys auftauchte, sagte Algon kin-Yatta: »Was ist eigentlich mit dir geschehen, Loggy, daß du erstens humanoide Gestalt angenommen hast und zweitens immer wie der in der Zeit verschwindest?« »Ich hatte das Glück, mit Angehörigen des uralten Luna-Clans zusammenzutreffen und einige ihrer Geheimnisse kennenzuler nen«, antwortete Loggy. »Doch alles hat sei nen Preis. Ich habe bezahlt, indem ich die Eigenschaft annahm, durch bestimmte, nicht näher definierbare Veränderungen der raum zeitlichen Struktur, in die ich eingebettet bin, in andere Zeitebenen verschoben bezie hungsweise wieder in die Zeitkapsel gescho ben zu werden. Eines Tages werde ich dage gen immun sein, dann bin ich immer bei dir, Algonkin.« »Darauf freue ich mich schon heute«, er widerte der Kundschafter. Er sah zu, wie Loggy mit Hilfe der orna mentalen Linien an der Innenwand der Kap sel Manipulierungen der Zeit vornahm. Eini ge Augenblicke und viele tausend Jahre spä ter war das Jahr 2649 nach Chr. – und die Zeitkapsel schwebte über der Kräuterecke von Rhodans Garten. »Arnika und Enzian, Bohnenkraut und Rosmarin!« rief Juan Pincenez, nachdem er ausgestiegen war und tief eingeatmet hatte. Er bückte sich, riß ein paar Schafgarbenblät ter ab und steckte sie in den Mund. »Hallo!« Oberst Fangaloa Eneiki stand auf der Terrasse von Rhodans Bungalow und winkte. »Endlich sind Sie zurück! Wo
Tempel des Bösen ist der Kundschafter?« »In der Kapsel«, antwortete der Barde. »Er sortiert sein Werkzeug, damit er nachher gleich mit der Suche nach Atlantis anfangen kann.« »Nach Atlantis?« echote Oberst Eneiki. »Er soll lieber damit anfangen, nach Anlytha zu suchen!« »Wieso nach Anlytha suchen?« rief Al gonkin-Yatta und sprang mit einem Satz aus der Schleuse – genau auf einen Wermut strauch. Im nächsten Augenblick rang er verzwei felt nach Luft, während er in heller Panik mit Armen und Beinen strampelte. Japsend und keuchend trampelte er eine breite und tiefe Gasse durch Estragon und Lavendel und landete schließlich im Wasserbecken. Da es 1,80 Meter tief war, während der Kundschafter nur eine Körpergröße von 1,59 Metern hatte, versank er bis weit über die haarlose Schädeldecke. Aber er traf keinerlei Anstalten, das Was serbecken zu verlassen. Im Gegenteil, er stand einige Minuten lang völlig still, so daß Fangaloa Eneiki Angst um ihn bekam und ihn herausfischen wollte. Doch da war der Wasserstand bereits auf zirka 1,20 Meter gesunken. Algonkin-Yatta schluckte noch einige Liter Flüssigkeit, schlang ein paar Seerosenzweige hinunter und stieg schließlich bedächtig an Land. »Wo ist das ganze Wasser hin, Algon kin?« fragte Oberst Eneiki. Der Kundschafter schlug zufrieden auf seinen halbkugelförmig vorgewölbten Bauch. »Hier, Fangaloa! Bitte, entschuldigen Sie mein Verhalten von vorhin. Mein Geruchs sinn ist erheblich stärker ausgeprägt als der von euch Terranern. Als ich in einen un heimlich stark riechenden Strauch fiel, rea gierte mein Atemzentrum allergisch auf die Duft- und Reizstoffe. Ich befand mich quasi in der Lage eines Ertrinkenden – und de mentsprechend habe ich mich aufgeführt. Das Wasser hat die Geruchsstoffe von mei nen Schleimhäuten fortgespült. – Aber was
47 ist mit Anlytha?« Fangaloa Eneiki seufzte. »Sie ist spurlos verschwunden – und hat nicht nur mich, sondern auch rund fünfzehn Museumsdirektoren mit dem Gefühl eines schmerzlichen Verlusts zurückgelassen. Nur, daß die Verwalter der musealen Kost barkeiten nicht Anlytha vermissen wie ich.« Der Kundschafter rang in beinahe kind lich wirkender Weise die Hände. »Ich hätte es wissen müssen! Warum habe ich sie nur nicht mitgenommen! Hoffentlich stößt ihr auf dem für sie fremden Planeten nichts Schlimmes zu. Fangaloa, gibt es denn eine Spur von ihr? Weiß jemand, wohin sie sich gewendet haben könnte?« Der weibliche SolAb-Oberst machte eine entsagungsvolle Geste. »Sie hat sich während der Besichtigung des Zentralterranischen Museums für Orni thologie davongeschlichen, nachdem sie ih ren Begleitern eine andere Gestalt vorgegau kelt hatte.« »Museum für Ornithologie!« sagte Orwell Hynes nachdenklich. »Ich bin selber HobbyOrnithologe und kenne mich in dem Muse um ziemlich genau aus. Wahrscheinlich hat Anlytha dort etwas gesehen, was sie auf den Gedanken brachte, einen bestimmten Ort der Erde aufzusuchen. Und wenn ich mir Anly thas Erscheinungsbild vorstelle, dann möch te ich wetten, daß wir sie im Großen Natur park der Region Ahaggar, südlich der Saha ra, finden werden.« »Wo immer das ist, wir müssen sofort hin!« sagte Algonkin-Yatta.
* »Eigentlich gehört der Gebirgsstock mit dem Namen Ahaggar geographisch zur mitt leren Sahara«, erklärte Perry Rhodan, der als Pilot der Space-Jet fungierte, mit der Algon kin-Yatta, Fangaloa Eneiki, Orwell Hynes und Juan Pincenez nach Anlytha suchten. »Aber da die Sahara infolge der Bewässe rungs- und Aufforstungsprojekte der letzten Jahrhunderte nur noch nördlich des Ahag
48 gar-Gebirges Wüste ist, wird sie in zuneh mendem Maße nur noch mit dieser Restwü ste identifiziert.« Er ließ die Space-Jet nach Backbord ein schwenken. Die Passagiere bekamen einen ersten Ausblick auf die von erloschenen Vulkanen zernarbte Zielgegend. »Früher war auch das hier ödes heißes Land«, sagte Hynes. »Heute ist das Ahag gar-Gebirge von dichten Wäldern und Obst plantagen umgeben, die ihr Wasser aus un terirdischen Hohlräumen erhalten. Zwölf große künstliche Seen haben das Klima im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. An einem dieser Seen glaube ich Anlytha zu finden.« »Woher nehmen Sie diese Sicherheit, Or well?« fragte Rhodan. »Anlythas echte Ge stalt dürfte auch ihre Lieblingsgestalt sein«, erklärte der Arzt. »Ich habe außerdem beob achtet, daß sie viele ihrer emotionalen Re gungen durch veränderte Stellungen ihres Federkamms ausdrückt. Von allen großen Vogelarten, die im Seengebiet der Region Ahaggar leben, dürfte der Kronenkranich die größte Ähnlichkeit mit Anlytha besitzen. Folglich kann sie sich unter einem Schwarm Kronenkraniche verbergen, ohne allzu starke Veränderungen ihres Äußeren vorgaukeln zu müssen.« Juan Pincenez spielte einige Akkorde auf seiner Drehleier, dann sang er mit Musikbe gleitung: »Ein Kronenkranich möcht' ich sein, an einem Vulkankraterlein – Ich nähm' meine gold'ne Laterne und suchte mir eine Kaver ne!« Perry Rhodan schaute den Barden abwä gend an, aber Hynes schlug sich lachend auf die Schenkel und rief: »Du hast es genau getroffen, Barde! Schließlich braucht unsere diebische Freun din eine Höhle, in der sie ihre Beute ver stecken kann! Was bietet sich da in einem Gebiet erloschener Vulkane eher an als ein Hohlraum in einem Kraterwall!« »Das leuchtet mir ein«, sagte Rhodan. »Fangaloa, würden Sie bitte die Ortung
H. G. Ewers übernehmen und vor allem auf die Anzeigen der Hohlraumresonatoren achten!« »Schon geschehen«, erwiderte Fangaloa Eneiki, während ihre Finger über die Sen sorpunkte des Ortungspults huschten und Bildschirme und Kontrollampen zum Auf leuchten brachten. Algonkin-Yatta trat neben sie und heftete seinen Blick auf die Anzeigen der Masseta ster. Oberst Eneiki nickte ihm verstehend zu. Als die Space-Jet den ersten künstlichen See in geringer Höhe überflog, stoben große Schwärme Flamingos, Ibisse und Kronen kraniche aus dem flachen Uferwasser und schwebten gleich angeleuchteten bunten Wolken in der klaren Luft. Nur etwa dreißig weiße Störche blieben unten im niedrigen Schilf auf einem Bein stehen, legten Köpfe und Schnäbel auf die Rücken und führten sie im Bogen wieder nach vorn, wobei ein viel stimmiges lautes Klappern ertönte, das von den Außenmikrophonen in die Steuerkanzel der Space-Jet übertragen wurde. Perry Rhodan und Fangaloa Eneiki schau ten sich schweigend an, wobei Fangaloas feuchte Lippen sich leicht öffneten, während Perrys Augen funkelten. »Bitte, achten Sie doch auf die Hohlraum taster, Fangaloa!« sagte der Kundschafter und griff an dem weiblichen Oberst vorbei zu den Sensorpunkten. »Tatsächlich!« entfuhr es Fangaloa Enei ki. »Stoppen, Perry!« Rhodan bremste die Space-Jet ab und kehrte mit Hilfe der elektronischen Koordi natenboje wieder genau an die Stelle zurück, an der Oberst Eneiki ihn zum Stoppen auf gefordert hatte. Die Space-Jet schwebte genau über dem mürben Tuffgestein am Fuße eines großen Vulkankegels. Es handelte sich um einen längst erloschenen Stratovulkan. Fangaloa Eneiki dirigierte Rhodan mit knappen Zurufen, bis die Space-Jet ungefähr in der Mitte des Südhangs schwebte. »Hier ist es«, sagte Algonkin-Yatta mit mühsam unterdrückter Erregung. »Ein Hohl raum und die Massewerte von Gold, Silber,
Tempel des Bösen Edelsteinen, Porzellan und Holz. Aber auf dem Hang gibt es keinen Zugang. Wir müs sen durch den Schlot!« Rhodan nickte und steuerte die Space-Jet genau über die Krateröffnung, dann setzte er sich auf dem Kraterwall ab. »Ich gehe lieber allein, damit Anlytha kei ne Angst bekommt, wenn sie in ihrem Ver steck aufgestöbert wird – falls sie sich dort aufhält«, sagte der Kundschafter. »Ich gehe mit!« erklärte Hynes. »Mir ver traut Anlytha – und ich werde es mir nie verzeihen, daß ich sie nicht ständig begleitet habe.« Er schluckte. »Ich liebe sie.« »Dr. Hynes!« sagte Perry Rhodan mah nend. »Anlytha gehört zu einem Volk von Vogelabkömmlingen. Eine Verbindung zwi schen ihr und einem Menschen …« »Ich weiß!« Hynes winkte ab. »Trotzdem liebe ich sie!« »Kommen Sie mit!« forderte Algonkin-Yat ta ihn auf. »Ich liebe Anlytha auch. Viel leicht hört sie mit ihrem Unsinn auf, wenn gleich zwei Liebende zu ihr kommen.« Die beiden äußerlich so unterschiedlichen Wesen schlossen ihre Raumkombinationen, schalteten die Flugaggregate ein und verlie ßen das Schiff. »Was soll man dazu sagen!« meinte Perry Rhodan. »Nur Worte der Freude«, erklärte Juan Pincenez ernst. Es dauerte eine Dreiviertelstunde, dann kehrten Algonkin-Yatta und Orwell Hynes mit einem Kronenkranich in die Steuerkan zel der Space-Jet zurück. »Anlytha leidet unter der mentalen Aus strahlung der vielen Milliarden Menschen auf der Erde«, berichtete Orwell Hynes. »Sie floh deshalb in die Einsamkeit und vor sich selbst – und sie will ihre wahre Identität noch immer nicht eingestehen.« »Ich sehe nur einen gewöhnlichen Kro nenkranich, Dr. Hynes«, erwiderte Perry Rhodan abfällig. »Lassen Sie bitte solche dummen Scherze. Das ist nie und nimmer Anlytha. Oder meinen Sie, Anlytha hätte einen der
49 art schmutzigen Federkamm auf dem Kopf!« Von einer Sekunde zur anderen sahen die Menschen statt des Kronenkranichs Anlytha. »Das ist eine Verleumdung!« kreischte die Außerirdische. »Ich will sofort einen Spiegel sehen, und wenn ich einen sauberen Federkamm sehe, dann werden Sie es büßen, Großadministrator!« Nach dem allgemeinen Gelächter, in das schließlich auch Anlytha einstimmte, sagte der Kundschafter: »Perry, ich schlage vor, daß Sie die fünf zehn betroffenen Museumsdirektoren davon unterrichten, daß die zeitweilig sicherge stellten Ausstellungsstücke hier abgeholt werden können. Anlytha und ich aber wer den versuchen, die Spur von Atlantis zu fin den.«
* Die Zeitkapsel schwebte genau dort, wo das Neue Atlantis vor einiger Zeit aufge taucht und inzwischen ebenso schnell ver schwunden war. Algonkin-Yatta sandte in bestimmten Ab ständen Impulse aus räumlicher und aus zeitlicher Energie aus und wartete darauf, daß sie von einem Gebilde reflektiert wur den, in dem sich Raum und Zeit auf einmali ge Weise miteinander verbanden. Anlytha sortierte unterdessen ein paar Kostbarkeiten, die sie heimlich aus ihrem Vulkanversteck herausgeschmuggelt hatte: ein Bronzekamm, ein Koksbügeleisen, ein Holzschwert, ein Stück Dolomit und eine halbverrostete Stielhandgranate von Anno 1916 (ohne Zünder). Loggy war nur halbstofflich vorhanden, aber er lieferte durch das Ansagen von Ein stellwerten dem Kundschafter immer wieder wertvolle Hilfen. Endlich war es soweit. Algonkin-Yatta hob den Kopf und sagte: »Wir können Atlantis verfolgen, Freunde – und wir werden Atlan finden, wenn er dort ist.«
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»Endlich!« erwiderte Anlytha. »Ich halte »Ich hoffe, Sie erreichen Ihr Ziel und fin es auf der Erde kaum noch aus. Einen sol den Atlan«, erwiderte Perry Rhodan. »Wenn chen Wirrwarr von sich widersprechenden Sie ihn finden, dann richten Sie ihm von uns Gefühlen und eine so große Diskrepanz zwi allen und besonders von mir aus, daß wir ihn schen Rationalität und Emotionalität wie auf nicht vergessen haben und immer auf ihn der Erde gibt es wahrscheinlich nirgendwo warten werden.« Er seufzte. »Einst war At anders im Kosmos.« lan ein ›Einsamer der Zeit‹ jetzt ist er »Verabschieden wir uns von unseren ter ›verschollen in Raum und Zeit‹. Was er ranischen Freunden!« sagte der Kundschaf wohl alles durchmachen muß!« ter. Juan Pincenez spielte einige Akkorde auf »Auch da spüre ich Emotionen, die – aber der Drehleier, dann sagte er: »Grüßt mir Atlan, wenn ihr ihn trefft, darüber schweige ich lieber«, meinte Anly tha. Freunde! Und sagt ihm, auf Sardinien wartet ein einsamer Barde darauf, daß er ihm seine »Das ist auch besser so«, erklärte Loggy. Abenteuer erzählt, damit er eine neue Balla »Starke Emotionen sind ein entscheidender de dichten und komponieren kann!« Faktor bei der Suche nach dem Sinn allen »Kennt er Sie denn, Juan?« fragte Fanga Seins, aber starke Emotionen führen auch zu Verirrungen.« loa Eneiki verwundert. »Mancher verirrt sich gern«, sagte Algon »Schon oft lauschte er den Gesängen des kin-Yatta laut zu sich selbst. Barden, den es zu jeder Zeit auf jeder Welt geben wird«, antwortete Juan Pincenez ge Er steuerte die Zeitkapsel in die Hochat mosphäre und landete sie vier Stunden spä dankenverloren. ter auf einem Kraftfeld über Rhodans Haus Rhodan nickte unwillkürlich und sagte leise: garten. Der Großadministrator hatte dafür »Es gibt Vergängliches und Unvergängli gesorgt, daß diesmal keine Verwüstungen ches – und es gibt die Ewigkeit, in der das angerichtet wurden. Unvergängliche lebt, Freunde! Anlytha, Al Neben Perry Rhodan standen wieder Fan galoa Eneiki, Orwell Hynes und Juan Pince gonkin-Yatta, viel Glück und viel Erfolg auf nez auf der Terrasse des Bungalows. eurer langen Reise!« Nachdem Perry Rhodan mit Hilfe eines »Auch von mir!« sagte Fangaloa und Fernsteuergeräts ein Loch in der Kraftfeld blickte den Großadministrator von der Seite platte geschaltet hatte, schwebten Algonkin-Yat an. Rhodan drückte ihre Hand. ta und Anlytha mit ihren Flugaggregaten Orwell Hynes ergriff die Hände Anlythas hindurch und landeten auf der Terrasse. und drückte sie sanft, dann holte er aus einer Rhodan konnte seine Erregung kaum ver Tasche seiner Kombination eine Spieldose bergen, als er fragte: und klappte den Deckel auf. »Haben Sie eine Spur von Atlantis gefun Verzückt lauschte Anlytha der Melodie. den, Freunde?« »Sie gehört dir!« sagte der Arzt. »Ich erb »Wir haben feststellen können, nach wel te sie von meiner Mutter. So wirst du stets chen Gesetzmäßigkeiten sich Atlantis zwi etwas bei dir haben, das dich an mich erin schen den Dimensionen bewegt«, antwortete nert.« der Kundschafter. »Da es sich sowohl durch »Danke, Orwell!« sagte Anlytha. Sie den Raum als auch durch die Zeit bewegt, beugte sich vor, reckte sich und gab dem werden Anlytha und ich ihm mit dem Kund Arzt einen Kuß auf die Lippen, dann trat sie schafterschiff durch den Raum folgen – und wieder zurück. im entscheidenden Augenblick gehen wir Nachdem Hynes sich auch von Algonkin-Yat mit der Zeitkapsel in die entsprechende ta verabschiedet hatte, drückte der Barde Zeit.« den beiden Zeitreisenden die Hände und sah
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ihnen tief in die Augen, ohne ein Wort zu verlieren. Algonkin-Yatta und Anlytha aber bedank ten sich für die Gastfreundschaft, dann schwebten sie zur Zeitkapsel zurück. Ein letztes Mal winkten sie – und die Menschen winkten zurück –, dann schwebte die Zeit kapsel langsam in den blauen Himmel. Und plötzlich war sie verschwunden –
verschwunden aus dieser Zeit. »Sie werden Atlan finden, dessen bin ich sicher«, sagte Perry Rhodan.
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