Nr. 1281 Teleport Großversuch auf Arkon I –Stalker zieht seine Fäden von Arndt Ellmer Im Jahr 429 NGZ sind auf Terra, im...
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Nr. 1281 Teleport Großversuch auf Arkon I –Stalker zieht seine Fäden von Arndt Ellmer Im Jahr 429 NGZ sind auf Terra, im Solsystem und in der Galaxis viele Dinge von kosmischer Bedeutung geschehen. Aber auch Anfang des Jahres 430 tut sich einiges in der Milchstraße und ihrer Umgebung. Da sind politische Bestrebungen im Gange, die Sternenvölker des Galaktikums enger zusammenzubringen; da droht wegen der Aberntung des Parataus von Fornax ein kriegerischer Konflikt mit den Kartanin; und da zieht Stalker, der Gesandte der Mächtigkeitsballung ESTARTU, seine Fäden und spinnt seine geheimen Intrigen. Stalker, oder besser: Sotho Tal Ker tauchte überraschend in der Milchstraße auf und zeigte, daß er über Machtmittel verfügte, denen die Menschen kaum etwas entgegenzusetzen hatten. Er gab sich als Freund der Galaktiker aus und pries beredt die Wunder ESTARTUS, was schließlich dazu führte, daß die meisten Vironauten Stalkers Mächtigkeitsballung zum Ziel ihrer Expeditionen wählten. Was aber bezweckt Stalker wirklich mit seinem Besuch in der Menschheitsgalaxie? Auf jeden Fall betreibt er mitgroßer Energie die Errichtung von „Heldenschulen“ auf allen wichtigen Welten der Milchstraße, was gleichbedeutend ist mit der Verbreitung der Lehre vom Permanenten Konflikt. Außerdem ist der Sotho auch bemüht, den Galaktikern eine technische Errungenschaft von ESTARTU schmackhaft zu machen. Diese Errungenschaft ist der TELEPORT... Die Hauptpersonen des Romans: Krohn Meysenhart - Der rasende Reporter im Einsatz auf Arkon. Hakker Schurigel - Ein Schauspieler aus Hongkong. Stalker - Der Abgesandte von ESTARTU zieht seine Fäden. Julian Tifflor, Nia Selegris und Domo Sokrat - Die drei Upanishad-Schüler erhalten ihre Shan-Weihe. Homer G. Adams - Der Hanse-Chef wird entführt. 1. Zwölf blinde Passagiere, einhundertvierzehn Besatzungsmitglieder und zweieinhalbtausend Passagiere, dazu etliche Dutzend Haustiere und ähnliche Begleiterscheinungen, das war die Bilanz, die der Kommandant des Schiffes in Form von dünnen, bedruckten Klarsichtfolien an die Passagiere verteilen ließ. Die ehrenvolle Aufgabe der Verteilung wurde von Robotern wahrgenommen, die sich ihrer Würde wohl bewußt waren. Zumindest ließ sich das aus der in ihrem Programm enthaltenen Wortwahl entnehmen. „Lies und präge dir ein, was du liest. Und merke dir den Namen dessen, von dem du es erhältst!“ war der Kommentar, und wie viele hundert Wesen unterschiedlichster Herkunft blickte auch Hakker Schurigel verdutzt auf die Maschine. „Da... danke“, brachte er schließlich hervor, aber da hatte sich der Rob bereits entfernt, und die Tür der Kabine schloß sich. Schurigel glättete die Folie und kehrte zu dem
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Pneumosessel hinter dem Kuscheltisch zurück. Er warf einen gelangweilten Seitenblick auf das Info-Holo. Gerade wurde die Endausscheidung im Antigravtennis ausgetragen. Es war ein Sport, der wenig körperliches Geschick, dafür aber mehr physikalische Kenntnisse erforderte, die bei der Fernsteuerung der Bälle nötig waren. Rempeln der Bälle untereinander war erlaubt. Schurigel musterte die Folie. Er hatte bei der Einschiffung auf Marsport IV bereits Gerüchte gehört, aber die Mitteilung der Schiffsführung überstieg seine Vorstellungen. Zwölf blinde Passagiere. Was sie wohl trieb? Die Sehnsucht, die Abenteuerlust? Gehörten auch sie zu denen, die mit ihrem Schicksal unzufrieden waren? Wie waren sie durch die Kontrolle geschlüpft? Es war nur gut, daß er selbst ein Ticket besaß. Es war im Bordcomputer gespeichert, und so konnte nichts schief gehen. Hakker setzte sich und ließ seine Gesichtsmuskulatur spielen. Er bedauerte es, daß der Wohnraum keine Einrichtung zur Projektion eines Spiegels besaß, sonst hätte er jetzt ein wenig geübt. Er legte die Folie weg und schloß versonnen die Augen. Er hatte es geschafft. Er hatte eine Passage erhalten. Aus Terra-Info wußte er, daß es Millionen von Galaktikern aus allen möglichen Systemen und von unterschiedlichsten Rassen nach Arkon I zog, um das Wunder zu erleben. Nur wenige tausend von ihnen hatten eine Flugerlaubnis erhalten. Arkon hatte offiziell beim Galaktikum protestiert. Das System der Arkoniden war für eine solche Flut von Touristen nicht gewappnet. Es fehlte an Versorgungsmöglichkeiten, und die beiden Planeten Arkon I und Arkon II hatten Besseres zu tun in diesen Tagen und Wochen, als sich um neugierige Touristen zu kümmern, die doch alle nur eines wollte, nämlich die Teilnahme am Teleport und dem ersten Großversuch. Hakker Schurigel war einer der wenigen Terraner, die die Passage erhalten hatten, und der sechsundvierzigjährige Mann aus Hongkong betrachtete es als ausgleichende Gerechtigkeit. Sicher, die Ereignisse um den Herrn der Elemente lagen über ein Dreivierteljahr zurück. Die Erscheinungen wie Zeitflecken und Raumschimmel waren längst vergessen, aber eines hatten die Menschen nicht vergessen: daß es einmal zwanzigtausend Virensäulen überall in den wichtigsten Städten der Erde gegeben hatte, die den Menschen in ernsthaften Angelegenheiten zur Seite gestanden hatten. Der Dekalog der Elemente war dafür verantwortlich, daß ein Großteil des Virenimperiums vernichtet worden war. Aus den Resten hatten sich Virenwolken gebildet, die sich nach den Wünschen der vom Sternweh Befallenen zu Virenschiffen formten. Seither gab es auch keine Virensäulen mehr. Das jedoch war nicht Hakkers eigentliches Problem. Seine Gedanken rollten lediglich alles von ganz vorn auf und ließen ihn an die Hölle denken, die er in der Zeit der sieben Plagen durchgemacht hatte. Er dankte täglich dem Schicksal dafür, daß er mit dem Leben davongekommen war. Für Schurigel spielte die größte Enttäuschung seines Lebens eine wichtige Rolle. Er hatte sich zu den vom Sternweh ergriffenen Terranern gezählt, aber die Virenwolke hatte ihn abgelehnt und sich einem anderen Mann verpflichtet. Ja, nicht einmal später, als sie sich in ein Schiff nach den Wünschen des anderen verwandelt hatte, war sie zugänglich geworden. Sie hatte ihm den Zugang verwehrt. Es hatte den Terraner tief getroffen, daß sein Sternweh nicht echt sein sollte. „Du bist ein Schauspieler, Hakker“, hatte das Virenschiff ihm gesagt. „Du merkst es vielleicht nicht einmal selbst, aber du machst dir etwas vor!“ Er hatte es sich so zu Herzen genommen, daß er vorübergehend an Selbstmord dachte. Er hatte einen Psychologen konsultiert, der ihn wieder aufgebaut hatte. Aber eine Narbe war von der Wunde geblieben bis zu jenem denkwürdigen Tag, der jetzt erst wenige
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Wochen zurücklag. Da hatte er zum ersten Mal den Werbespot von Star-Tours gesehen und gehört. Mitten auf dem kleinen, lauschigen Plätzchen zwischen den Bäumen der Ho Tschi Minh-Allee hatte sich das Holorama aufgebaut und ihm in wenigen plakativen Sätzen die Neuigkeit erzählt. DAS KLEINE STERNWEH IST NEU, hatte die Stimme eines unsichtbaren Sprechers gesagt, und Hakker hatte das Abbild eines gewaltigen Sonnensystems gesehen, das durch eine Besonderheit ins Auge stach. Zwei Planeten befanden sich auf ein und derselben Umlaufbahn um ihre Sonne. Sie standen sich gegenüber, aber nicht völlig in einer Linie. Das System war unsymmetrisch, und das störte Hakker Schurigel. DAS KLEINE STERNWEH REICHT NUR BIS NACH ARKON, fuhr die Stimme fort. ERFÜLLE DIR DEINEN SEHNLICHSTEN WUNSCH. BUCHE BEI STARTOURS EINE PASSAGE ZUM GRÖSSTEN EREIGNIS DES JAHRHUNDERTS, ZUR SCHAFFUNG DES GROSSVERSUCHS. DER PREIS IST VERGLEICHSWEISE GÜNSTIG, VERSÄUME NICHT DIESE GELEGENHEIT. SIE WIRD KEIN ZWEITES MAL IN DEINEM LEBEN WIEDERKEHREN! Hakker hatte damals geglaubt, daß die Stimme irgend etwas Prophetisches besaß. Er hatte zugegriffen und gebucht. Und jetzt saß er in der kleinen Kabine des Riesenkreuzers PALADIN und wartete darauf, daß dieser endlich sein Ziel erreichte. Der Großversuch wurde noch immer als eine der gewaltigsten Präsentationen verkauft, und nichts und niemand ließ es sich nehmen, daraus Kapital zu schlagen. Die Übertragung des Antigravtennis endete abrupt. Hakker merkte es, weil die musikalische Untermalung abbrach. Statt dessen wechselte das Bild zwischen der Kommandozentrale und einer Außenaufnahme hin und her. Der Kommandant machte ein Gesicht, als wüßte er nicht, wo er sich befände. „Zuerst die Außenaufnahme“, sagte eine weibliche Stimme. „Stehendes Hologramm, bitte!“ Das Holo zeigte jetzt das Sonnensystem, das Schurigel bereits aus der Werbung kannte. Er hätte es auch ohne sie identifizieren können, denn die Geschichte des Arkonsystems hatte er bereits als Schüler gebüffelt. Sie machte einen wesentlichen Teil der frühen Geschichte des Solaren Imperiums aus, und ohne die Vorfahren der jetzigen Neuarkoniden hätte es keine terranische Raumfahrt im stellaren Sinn gegeben. Zumindest noch nicht Ende des zweiten Jahrtausends alter Zeitrechnung. „Arkon I, ich komme!“ flüsterte Schurigel. Er vergaß die bittere Enttäuschung in der Vergangenheit und richtete seine Aufmerksamkeit voll auf die bevorstehenden Ereignisse. Die Medien meldeten seit Wochen ununterbrochen, welche Bedeutung der TeleportGroßversuch für die gesamte Galaxis besaß. Hakker kannte alle Schlagworte, die sich damit verbanden: ESTARTU, Stalker, Geschenk, Völkergemeinschaft, fremde Mächtigkeitsballung, Freundschaft, Gönner, Austausch und viele andere Dinge. Er wußte aber auch, daß nicht alles so reibungslos und glatt lief oder war, wie manche Meldung es aussagte. Von Konflikten war am Rand die Rede, die sich zwischen Kartanin und der Hanse abspielten. Von Versuchen des Galaktikums, eine Eskalation zu vermeiden. All das war für Hakker Schurigel nicht mehr wichtig. Er legte die Hände ineinander und merkte, daß sie zitterten. Er spannte die Muskulatur an, aber das Zittern ließ nicht nach. Es wurde nur noch stärker, nachdem er die Muskeln entspannt hatte. Seine Daumen begannen nervös umeinander zu kreisen. Welcher von beiden Planeten ist Arkon I? fragte er sich. Es war nicht erkennbar, zu welcher der beiden Welten der Kurs des Raumers führte. Das Holo wechselte und zeigte endgültig den Kommandanten. Er lächelte verbindlich.
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„Verehrte Damen, sehr geehrte Herren, wir erreichen in Kürze unser Ziel. Ich hoffe, daß niemand enttäuscht wird. Ein einmaliges Ereignis steht bevor. Ein wenig wird unsere Ankunft jedoch getrübt. Zwölf blinde Passagiere sind auch für einen Liner wie die PALADIN eine Belastung. Es tut mir leid, aber es muß gesagt werden. Wir haben Anweisung von den Behörden des Arkon-Systems, niemanden in einen Orbit oder auf die Oberfläche zu lassen, der nicht registriert ist. Ich erinnere daran, daß die Registrierung automatisch mit der Buchung der Reise erfolgte. Die blinden Passagiere werden auf der Höhe eines der anderen Planeten abgesetzt und verteilt. Es gibt da Raumstationen und Asteroiden, die sich dafür eignen. Es liegt jedoch kein Grund vor, in Panik auszubrechen. Jeder erhält einen Raumanzug und genügend Rationen, um zu überleben, bis er von den Behörden aufgelesen und in seine Heimat zurückgeschickt wird. Wie gesagt, die Crew der PALADIN muß sich dieser Anordnung beugen, ob sie will oder nicht. Arkon verhält sich entsprechend der bereits zu Zeiten der GAVÖK geltenden Regeln, die vom Galaktikum unwidersprochen übernommen worden sind. Betrachte jeder Betroffene die kleine Maßnahme als Anregung für ein Abenteuer auf einem der Asteroiden. Asteroiden! Das Holo wechselte erneut und zeigte eine gewaltige Konzentration von Felsbrocken, die sich irgendwo zwischen den beiden Welten I und II befinden. Plötzlich erschien Schurigel die Anordnung nicht mehr unsymmetrisch, und er zitierte das historische Wissen aus seiner Erinnerung herbei. Das Türsignal lenkte ihn ab. „Herein“, sagte er. Geräuschlos glitt die Tür zur Seite. Hakkers Augen weiteten sich erstaunt. Irgendwo in seiner Magengegend machte sich ein flaues Gefühl breit. Er sah den Ausdruck in den Gesichtern. Eigentlich hatte er irgendeinen Roboter erwartet, der ihm die Formalitäten für die Ausschiffung verkündete. Er sah sich drei Uniformierten gegenüber, und zwei davon waren bewaffnet. „Bürger Schurigel von Terra“, sagte der eine. Er hatte unheimliche, giftgrüne Augen. „Mach uns keine Schwierigkeiten!“ „Aber wieso denn?“ rief Hakker aus. „Wozu denn? Ich habe meinen Flug ordentlich gebucht und auch fristgerecht bezahlt. Was wollt ihr mehr?“ „Deine Kontrollfolie wollen wir sehen, Bürger Schurigel!“ Hakker machte eine fahrige Bewegung in Richtung des kleinen Einbauschranks. Dort hatte er seine wenigen Habseligkeiten untergebracht, unter anderem die Jacke, in deren linker Außentasche sich die Folie befand, die jeder nach der Einschiffung und der Prüfung der Personalien erhalten hatte. Der Schrank öffnete sich auf Rufkode, und er nahm die Jacke hastig heraus. Er griff in die Tasche, und seine Hand zuckte zurück. Er durchsuchte die Jacke, ohne die Folie zu finden. Er begann, den Schrank auszuräumen und das Gepäck zu durchwühlen. „Hat das einen Sinn?“ fragte der Uniformierte mit den giftgrünen Augen. Hakker Schurigel richtete sich auf. „Ich habe die Folie gehabt! Ich bin ordentlich an Bord gekommen, der Computer hat alle meine Daten gespeichert. Ich habe auch die Folie erhalten. Jetzt ist sie weg. Ich war sicher, daß sie in der Jackentasche...“ Die drei Uniformierten traten ein und sahen sich um. „Es ist seltsam“, meinte einer der beiden Bewaffneten. „Wir haben alle anderen blinden Passagiere in Abstellräumen, Maschinenlagern oder gar im Antriebssektor aufgegriffen. Nur du hast es dir in einer Kabine gemütlich gemacht. Ein feiner Passagier, wirklich!“ „Überprüft das bitte, was ich gesagt habe!“ rief Hakker mit erhöhter Stimme. Langsam geriet er in Panik. „Dort ist der Interkomanschluß!“ Der Grünäugige nickte. Er machte sich an der Konsole zu schaffen, und in dem Holofeld erschienen die Daten. Das Merkwürdige war nur, daß sich die von Hakker Schurigel nicht
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darunter befanden. Der Uniformierte wandte sich um. Seine Augen schienen den Terraner verschlingen zu wollen. „Aber die Kabine!“ versuchte er es mit dem letzten Rest Mut. „Ich habe sie ordnungsgemäß zugeteilt bekommen!“ Auch dies wurde überprüft, und diesmal wurde seine Aussage bestätigt. Dennoch gab es ihn in der Passagierliste noch immer nicht, und Schurigel bekam weiche Knie. Er sah alle seine Träume schwinden. „Das hat uns noch gefehlt!“ hörte er den Grünäugigen sagen. „Wir landen in einer halben Stunde und müssen auch noch eine Gegenüberstellung aller Passagiere durchführen. Immerhin besteht die Möglichkeit, daß er die Wahrheit sagt. Dann läuft irgendein Ganove mit seiner Folie herum. Sollen wir Alarm geben?“ Sie unterließen es und machten sich auf den Weg. Und sie sperrten Schurigel in seiner Kabine ein. Der Terraner wartete eine Weile, dann versuchte er, sich mit der Zentrale in Verbindung zu setzen. Man ließ ihn nicht bis zum Kommandanten durch, versprach ihm jedoch, sich um sein Problem zu kümmern. Mit einem letzten Fünkchen Hoffnung ließ Hakker sich wieder in den Sessel sinken, das jedoch wenig später endgültig zum Erlöschen gebracht wurde, als die Roboter ihn abholten. Die Uniformierten ließen sich nicht blicken, es war ihnen wohl peinlich. Die Roboter packten Schurigel in einen Raumanzug und schnallten ihm einen Tornister auf den Rücken. Der Anzug war ein uraltes Modell, gerade gut genug, um damit den letzten Weg über die Schwelle anzutreten. Er fühlte sich nicht vertrauenerweckend an. „Ich protestiere!“ schrie der Terraner. „Ich will sofort mit Star-Tours sprechen. Ich bin das Opfer einer Intrige!“ „Ja, ja“, machten die Roboter nur. Sie schubsten ihn aus der Kabine hinaus und brachten ihn zu einem Hangar, in dem ein kleines Beiboot wartete. Elf weitere Passagiere hatten sich bereits eingefunden, und hinter Hakker Schurigel schloß sich die Schleuse. Schweigend musterte er die unbekannten Gesichter hinter den Helmscheiben. Das Beiboot schleuste automatisch aus und flog ebenso automatisch jene Asteroidenballung an, die bereits auf dem Holo deutlich zu sehen gewesen war. Über dem ersten Felsen machte das Boot halt, und Schurigel erkannte den winzigen Lichtpunkt der PALADIN, der den Planeten ansteuerte, der sich als kleines Scheibchen im Hintergrund abzeichnete. Dort also lag Arkon I. „Einer verläßt das Boot“, teilte eine monotone Stimme mit. „Alle Helme sind zu schließen. Ich öffne die Schleuse!“ Niemand rührte sich, und das Robotboot wiederholte die Aufforderung. Schurigel setzte sich langsam in Bewegung. „Ist ja gut“, seufzte er. Er stieg aus und kam federnd auf dem Untergrund auf. Postwendend prallte er von dem Asteroiden ab und schlug gegen die Wandung des Bootes. Sein Helmfunk schaltete sich automatisch ein und gab ihm Anweisung, wie er sich in der Schwerelosigkeit zu verhalten hatte. „Überleben ist nur dann möglich, wenn ich keine Fehler mache“, kommentierte er bissig. „Das ist es doch, was du sagen willst. Und jetzt zieh Leine, bevor ich mich vergesse!“ Der Antrieb begann zu leuchten, das Boot setzte seinen Weg fort Hakker Schurigel brachte sich in eine liegende Position und klammerte sich mit den Händen am Gestein fest. Er arbeitete sich ein paar Meter weit bis zu einer Ritze, an der er seine Füße einhaken konnte. Aufgerichtet und wie zur Salzsäule erstarrt ragte er in das Vakuum, und in seinem Innern machte sich Traurigkeit breit. Er war ein Pechvogel, dies stand jetzt endgültig fest. Er war zur falschen Zeit geboren worden.
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„Murphy, verfolgst du mich noch immer?“ flüsterte er mit erstickter Stimme und erinnerte sich an all das, was ihm zur Zeit des Herrn der Elemente auf der Erde widerfahren war. Neben Zeitflecken und Raumschimmel hatte damals auch Murphys Gesetz geherrscht, das besagte, daß, wenn etwas schiefging, auch alles andere schiefging. Hakker Schurigel schien nicht von diesem Fluch loszukommen, und er stellte sich im Geist vor, daß der Grünäugige inzwischen wohl fest davon überzeugt war, daß es sich bei ihm tatsächlich um einen blinden Passagier handelte. In seinen Personalien stand unter Beruf die Angabe „Schauspieler“. Und auch das mußte zum Fluch von Murphys Gesetz gehören, das Hakker unwiderruflich in seinen Klauen hielt. „Holt mich weg hier!“ schrie er in das Helmmikrofon und war überzeugt, daß man ihn irgendwo hörte und überwachte. Niemand würde es riskieren oder verantworten wollen, daß einer der Ausgesetzten aus Angst oder Verzweiflung den Helm öffnete oder seelischen und geistigen Schaden nahm. Fälle von Klaustrophobie waren genügend bekannt. Er zermarterte sich das Gehirn, wer ihm die Folie gestohlen haben konnte. Er rief sich die vertrauenerweckenden Gesichter anderer Passagiere ins Gedächtnis zurück, mit denen er in der Messe bei den Mahlzeiten gesessen war. Zu diesen Gelegenheiten hatte er seine Jacke immer bei sich gehabt. Aber so sehr er sich Mühe gab, er konnte den Schuldigen nicht finden. Es gab keine Anhaltspunkte für den Übeltäter. „Ich will weg hier!“ schrie er. „Hört ihr mich? Ich will raus aus diesem System! Ich habe die Nase voll von Arkon. Ich will mein Geld zurück!“ Er atmete heftig, und nach einer Weile setzte er sich auf den kalten Untergrund, den er nicht spürte, da die Klimaanlage seines Anzugs bislang einwandfrei arbeitete. „Ich will nach Hause. Nach Hongkong!“ schluchzte er und versuchte, die Verzweiflung abzudrängen, die ihn überkam. * „Wabbel, Wabbel, die Sauregurkenzeit ist schon lange vorbei. Eigentlich war sie noch nie da, zumindest nicht seit dem Zeitpunkt, da die KISCH zu ihrem Jungfernflug aufbrach. Apropos Jungfern und Wabbel, kennt ihr die Geschichte von Wabbel und dem Clausthaler? Eine alte Geschichte, die ich euch nicht vorenthalt...“ „Idiot!“ schrillte jemand. „Wir sind bereits auf Sendung!“ „Ha, bloß nicht aufregen, alter Junge. Hier spricht Ravael Dong von einem der schönsten Schauplätze terranischer Geschichte und arkonidischer Spielernatur. Hier ist alles geboten, was es noch nie gab. Und von hier aus beglücken wir alle Vidioten überall in der Galaxis bis in die entlegensten und jungfräulichsten Winkel. Wir senden mit voller Leistung und erreichen auch die vorgelagerten Sternhaufen. Die Posbis auf der Hundertsonnenwelt sind ganz geil auf die neueste Übertragung. Das gilt natürlich auch für die Mattenwillys. Und damit wären wir wieder bei Wabbel, ihr Televisionauten. Meise harrt schon ungeduldig auf seinem Posten. Er kann es kaum erwarten. Sein Atem geht rasselnd, und er wird euch beibringen, was es heißt, am Brennpunkt intergalaktischen Geschehens zu stehen. Die Mediencrew der KISCH setzt ihr Leben ein für euch alle, ihr Videotheken, damit euch kein Atemzug der atemberaubenden Entwicklung entgeht! Soweit euer spritziger, zu allem entschlossener Ding-Dong aus der Sendezentrale des Medientenders!“ Das Bild wechselte. News-Entertainer Ravael Dong verschwand und machte der Schwärze des interstellaren Leerraums Platz. Die Kamera fing einen hellen Lichtstreifen ein, der den Zylinder mit dem Kuppelaufsatz beleuchtete und einen Teil des riesigen Tellers erkennen ließ, der an einem Arm aus der Kuppel ragte. Entfernt erinnerte das
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Gebilde an eine herkömmliche Sternwarte mit dem Unterschied, daß auf dem Vorderstück des Teleskops eine große Platte angebracht war. Die Kamera wanderte ein wenig. Das Licht wurde heller, es begann die Zuschauer zu blenden. Es wurde gleißend hell, niemand konnte es mit bloßem Auge ertragen. „Idiot“, raunte irgendwo die Stimme. „Warum schaltet er nicht die Blenden dazwischen!“ Jetzt zeigte die Kamera voll auf die große, weiße Sonne Arkon. Erst jetzt schoben sich die Blenden vor den Aufnahmeteil und machten den Anblick erträglich. Das seltsame Observatorium wurde zu einem dunklen Schatten. „Arkon!“ flüsterte eine neue Stimme, und es war unverkennbar die des bekannten Krohn Meysenhart. „Der Hauptstern des alten Arkonidenreichs besitzt noch sechsundzwanzig Planeten, früher waren es siebenundzwanzig. Er liegt fast genau im Zentrum des Kugelsternhaufens M 13. Warum ich euch das alles erzähle? Wieder einmal ist euer letzter rasender Reporter an vorderster Front, und er fängt für euch die Atmosphäre ein, die sich über dem Arkon-System ausgebreitet hat. Warum Arkon? Warum wird hier der Großversuch gestartet? Warum hat Homer G. Adams, der Chef der Kosmischen Hanse, über den in den letzten Wochen und Monaten viel geredet und gerätselt worden ist, sich nicht für Terra entschieden? Ist Teleport etwa zu gefährlich? Ist es angebracht, Stalker gegenüber mißtrauisch zu sein? Wir sind sicher, daß wir den Gesandten ESTARTUS und auch Adams rechtzeitig dazu befragen können. Wie wir erfahren haben, werden beide bald auf Arkon I anwesend sein. Nein, es ist nicht zu gefährlich. Arkon ist das ältere System. Und Terra muß nicht immer im Mittelpunkt stehen. Diese Gesichtspunkte waren entscheidend dafür, daß Teleport auf Arkon I erprobt wird. Die arkonidischen Wissenschaftler haben den Zuschlag erhalten, wenn man so will.“ Die Kamera änderte den Ausschnitt. Die weiße Sonne rückte erheblich in den Hintergrund, und mit Hilfe elektronischer Lichtverstärkung tauchten die sechsundzwanzig Scheibchen auf. „Ich stehe hier auf der Oberfläche des Tenders“, fuhr Krohn Meysenhart feierlich fort. „Rechts neben mir ragt einer der Traktorstrahlprojektoren auf. Ihr seht die große Platte oben am Schwenkarm. Links neben mir befindet sich in einer Entfernung von etwa zwanzig Metern der Antigravschacht mit seiner Plattformschleuse. Starke Magnetschuhe halten mich auf dem Boden fest und gewährleisten, daß ich nicht abtreibe, sobald die KISCH abbremst. Unser Ziel heißt Arkon I, aber zuvor wollen wir eine Runde auf der Umlaufbahn des Planeten drehen.“ Wieder änderte sich das Bild. Zwei Scheibchen rückten in den Vordergrund und wurden von starken Teleelektroniken herangeholt. „Nach der Überbevölkerung von Arkon rissen die Arkoniden vor Jahrtausenden die beiden Nachbarplaneten aus ihrer Bahn und brachten sie auf die Umlaufbahn von Nummer 3. Diese drei Welten bewegten sich mit gleicher Geschwindigkeit auf gleicher Umlaufbahn um ihre Sonne, wobei sie ständig die Positionen der Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks einnahmen. Ihre Sonnenentfernung betrug 620 Millionen Kilometer. Ihr werdet euch fragen, Medienfreaks überall in der Milchstraße, wo der dritte Planet geblieben ist. Wir werden ihm noch einen Besuch abstatten!“ Krohn Meysenhart veränderte seine Position auf dem Tender. Er löste sich von der Plattform und driftete hinüber zum Rand. Dort verankerte er sich erneut. „Wir kommen der Welt namens Arkon III näher“, verkündete er. „Der Planet war der Sitz des legendären Robotregenten. Im Jahr 2329 wurde er durch einen Überfall der damals kriegerischen Blues völlig zerstört. Seine Bruchstücke bilden seither einen kosmischen Trümmerring auf der ehemaligen Kreisbahn. Dadurch haben die beiden anderen Planeten ihre Position zueinander nur unwesentlich verändert. Arkon I ist der Wohnplanet der Neuarkoniden, Arkon II die Handels- und Industriewelt. Es ist deshalb logisch, daß Arkon I
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für den Großversuch ausgesucht wurde. Teleport ist die Revolutionierung jeglicher Zivilisation, in der viele Menschen in vielen Siedlungen leben und viele unterschiedliche Ziele haben. Wer von euch hat nicht fast täglich mit den Problemen des regulären Transmitterverkehrs zu kämpfen? Mit den Wartezeiten an den Stationen, mit den Verzögerungen und dem Ärger, der daraus resultiert? Jeder von euch ist ein Bürger mit einem Alltagsleben. Es gibt nur wenige Privilegierte und eine Handvoll Unsterblicher. Die meisten von euch müssen sich mit den Aggressionen anderer auseinandersetzen. Ihr müßt euch anpflaumen lassen, wenn ihr unverschuldet ein paar Minuten zu spät an eurem Arbeitsplatz seid. All das wird aufhören, wenn es Teleport gibt. Ihr werdet vom Bett direkt an euren Schreibtisch oder an euren Computer wechseln können, falls ihr den TeleportGürtel auch beim Schlafen tragt. Brr, eine wahrhaft unangenehme Vorstellung, morgens mit verschwitztem Gürtel und verschwitztem Bauch aufzuwachen. Aber es hat auch einen Vorteil. Ihr könnt länger schlafen, egal zu welcher Tageszeit. Und wer von euch hat nicht längst sämtliche Informationen über BTX-Holo studiert? Was rede ich also? Arkon II liegt übrigens da drüben!“ Die Kamera zeigte ein bläuliches Licht um ein verzerrtes Scheibchen. Es zitterte auf dem Bild, das Meysenhart in die Sendezentrale übertrug. Diesmal funktionierte die Technik besser. In seinem Helm klang die Stimme des Entertainers auf, und ein Licht zeigte, daß sie diesmal nicht über den Sender zu den Empfängern abgestrahlt wurde. „Was ist los?“ kreischte Ravael Dong. „Du bist zum Sterben langweilig. Kannst du deinen Worten nicht ein wenig Pep verleihen? Du wirst alt und tatterig, Krohn!“ „Halt den Mund, vorlauter Winzling!“ knurrte Meysenhart „Du weißt ja nicht, was ich beabsichtige. Die Einstimmung geschieht mit Absicht. Ich will die Zuschauer einlullen!“ „Das ist nicht mit der Crew abgesprochen!“ protestierte der News-Entertainer. „Wozu? Ich bin doch die Crew. Ich stehe hier an vorderster Front. Ohne mich müßte die Milchstraße auf die Liveübertragung verzichten. Was glaubst du eigentlich? Wir haben noch gut vierzig Stunden Berichterstattung vor uns, bis der Versuch endlich steigt!“ „Hoffentlich bricht deine Vorderfront bis dahin nicht ab, Meysenhart. Komm herein zu mir. Wir sollten uns über deinen weiteren Einsatz unterhalten!“ „Verdammt!“ brüllte der rasende Reporter. „Wer gibt dir schmutzige Galax, damit du mich aus fadenscheinigen Gründen aus dem Verkehr ziehst?“ Ravael Dong lachte gequält. „Welcher Scherz! Mir wird übel dabei!“ „Hoffentlich!“ „Es könnte Stalker sein, dem du lästig bist“, gab Ding-Dong heraus. „Oder gar Adams? Oder Barnon?“ „Wir nähern uns den Trümmern von Arkon III. Gib mir den Kanal wieder frei!“ „Nichts da. Wir senden gerade eine Show aus Studio 6. Über Sonderrelais ist Sheela Rogard mit dabei. Sie diskutiert mit arkonidischen Politikern und beantwortet Fragen. Wenn du als Zuschauer an der Konferenzschaltung teilnehmen willst, mußt du schon herunterkommen!“ Meysenhart lachte unterdrückt. Er wußte genau, daß eine solche Sendung nicht im Programm vorgesehen war. Dong bluffte. Der rasende Reporter gab keine Antwort mehr und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Antigravkamera, die vor seinem Kopf schwebte. Die KISCH driftete auf die Trümmer zu, und Meysenhart dirigierte die Kamera ein Stück näher zu sich heran, indem er ihr akustische Befehle in Form von Pfeifsignalen gab. Es war einer seiner Tricks, mit denen er verhinderte, daß irgendwer ihm ins Handwerk pfuschte und die Kamera per Funk dahin steuerte, wo er sie gar nicht haben wollte.
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Er bekam sie an den Haltegriffen zu fassen und schaltete die Magnete an seinen Schuhen aus. Er hatte etwas blitzen sehen, für einen kurzen Moment. Im Licht von Arkons Sonne hatte auf einem der Trümmerstücke etwas geleuchtet, und der rasende Reporter ahnte sofort einen Zusammenhang zwischen der Beobachtung und den aktuellen Geschehnissen in diesem Sonnensystem. Er mußte an die Überwachungsschiffe denken, die zu dem Großversuch beordert waren. Sie hatten außerhalb des Planetensystems unauffällig Position bezogen und überwachten jedes einfliegende Schiff. Hastig gab Meysenhart seine Beobachtung an die Steuerzentrale der KISCH weiter. Zwei Minuten später verließen zwei bewaffnete Roboter die Schleuse und näherten sich ihm. „Wir fliegen hinüber“, erklärte der rasende Reporter. Er nahm die letzten Blenden von der Optik und schaltete die Antigravkamera auf höchste Lichtempfindlichkeit. Der Tender driftete weiter auf die Felsentrümmer zu. Die Distanz betrug noch schätzungsweise eine halbe Million Kilometer. Es sprach für die Beobachtungsgabe des rasenden Reporters, daß er auf diese Entfernung den kleinen Lichtblitz wahrgenommen hatte. „Ich verlasse den Tender“, kündigte er an. „Ich fliege ein Stück voraus!“ Sein SERUN aktivierte sich und trug ihn davon, die Roboter folgten dichtauf. Er näherte sich dem Felsen vorsichtig und achtete nicht auf die Zeit, die verstrich. Die Kamera surrte, und die Trümmer des zerstörten Planeten wuchsen wie ein Gebirge vor ihm auf. Zwei Stunden vergingen, dann hatte er sich endlich so herangeschlichen, daß er das Versteckspiel aufgeben konnte. Er schickte die Roboter voraus und aktivierte den Helmfunk. „Gib dich zu erkennen“, sagte er. „Ich habe dich entdeckt. Bist du ein Spion? Wer schickt dich?“ Zunächst kam keine Antwort. Dann rief eine matte Stimme: „Große Galaxis, wer ist da? Kommt jemand, um mich zu retten?“ Minuten später setzte Meysenhart auf dem Felsbrocken auf. Durch seine lichtverstärkte Optik erkannte er eine Gestalt in einem terranischen Raumanzug. „Ich bin Krohn Meysenhart, falls dir der Name etwas sagt!“ „Hilfe!“ ächzte die Gestalt. „Meine Energieversorgung ist zusammengebrochen. Es hat geblitzt und gequalmt!“ „Ich habe es gesehen“, erklärte Krohn. „Ich helfe dir. Ich nehme dich mit auf die KISCH. Dort werden wir weitersehen. Wohin willst du eigentlich?“ „Nach Hongkong. Nur nach Hongkong!“ „Das habe ich mir gedacht“, erwiderte Meysenhart sarkastisch. „Aber der Bus hat Verspätung!“ * Das sternförmige Schiff schien den Bildschirm zu sprengen. Es hing über Arkon I, und Krohn Meysenhart hatte Mühe, den vorbereiteten Text von sich zu geben. „Es ist unglaublich“, stieß er abschließend hervor. „Die KARVAAN besitzt etwa den dreißigfachen Durchmesser der KISCH. Irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, daß wir hier fehl am Platz sind. Da gehen Dinge vor, die sich nicht mit unseren Maßstäben messen lassen.“ „Hört nicht auf ihn, Videofreaks überall in der Galaxis“, quakte Ravael Dong dazwischen. „Der rasende Reporter muß unbemerkt einen Schlaganfall erlitten haben. Er baut ab!“ Als Antwort riß Meysenhart an der Steuerung der Space-Jet, mit der er den Tender verlassen hatte. Das kleine Gefährt raste schräg auf die KARVAAN zu, das Handelsraumschiff aus ESTARTU, das in seiner Form der ESTARTU Stalkers glich. Im
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Vergleich dazu waren jedoch seine Abmessungen um den Faktor zehn größer. Es war ein riesiges Schiff, und es hing fast bewegungslos über dem Planeten. Im grellen Licht der weißen Sonne glänzte seine Oberfläche hellgrau. „Wir nähern uns der Peripherie des Schiffes“, verkündete Meysenhart. Er änderte nochmals den Kurs der Jet und ließ sie dann über dem Rand des Sterns nach unten sinken. Starke Scheinwerfer flammten auf und beleuchteten einen Teil des riesigen Schiffes. Ding-Dong meldete sich nicht nochmals. Offenbar fürchtete er um den Fortgang der Sendung und wollte das Schlimmste verhindern. Meysenhart war unbestritten der beste Interstar-Kommunikationsspezialist der ganzen Milchstraße, und er verstand es, die Zuschauer und Zuhörer überall in den Sonnensystemen immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Zur Zeit verdauten sie gerade seine Spontansendung, in der er über die Unmenschlichkeit der arkonidischen Behörden berichtet und gleich zwölf Betroffene vorgeführt hatte. Die KISCH hatte die Ausgesetzten an Bord geholt und ihre Erlebnisse in eine ergreifende Reportage verpackt. Das Ergebnis war, daß es von Protesten nur so hagelte und die Beamten auf Arkon I langsam die terranische Geste des Kopfeinziehens lernten. Dabei konnten sie zur Zeit alles andere brauchen als unliebsame Zwischenfälle. Die Scheinwerfer beleuchteten das Hoheitssymbol, und die Kameras fingen es ein und übertrugen das Bild augenblicklich bis in die entlegensten Winkel der Galaxis. Sie zeigten das Dreieck mit den drei Pfeilen, das Symbol für den dritten Weg. Das Zeichen war inzwischen so bekannt wie das, mit dem NATHAN gewöhnlich seine Wettervorhersage einleitete. Die Teleoptik fing die Pfeile ein und ließ sie zu einem pyramidenähnlichen Turm werden. „Wir werden erwartet“, verkündete Krohn. „Es ist uns gelungen, unter vielen Anstrengungen einen Termin zu bekommen. Der Kommandant der KARVAAN hat sich bereiterklärt, uns ein Interview zu geben. Panish Goozren Ter Kaal zweigt ein winziges Stückchen seiner kostbaren Zeit für uns ab. Und er hat beileibe alles andere zu tun, als jetzt Interviews zu geben. Wir stehen kurz vor einem entscheidenden Moment. Videonauten, jetzt wird es sich entscheiden. Spitzt eure Lauscher und putzt eure Glotzer. Könnt ihr bereits erkennen, was sich am Bildrand der Aufnahmekamera abspielt?“ Die Kamera schwenkte ein wenig und zeigte die weitgestreckte Oberfläche der KARVAAN. An einer Stelle waren zwei der Depots ausgeklinkt worden, die dem Schiff das Aussehen eines Sterns oder eines Zahnrads verliehen. Etwas bewegte sich dort. Es glänzte hell. „Das ist es!“ rief Meysenhart begeistert. „Die KARVAAN gebiert den Satelliten!“ Es war eine grau schimmernde Kugel von hundertachtzig Metern Durchmesser. Wie eine Blase löste sie sich von dem Schiff und driftete, begleitet von einem robotischen Fahrzeug, von dem Planeten weg. Sie bewegte sich äußerst langsam, und nach wenigen Minuten hatte Meysenhart den Eindruck, daß sie zum Stillstand gekommen war. „Damit ist der erste Teil der Montage bereits beendet“, fuhr er fort. „Der Satellit ist in einer geostationären Umlaufbahn verankert. Seine Bahngeschwindigkeit entspricht jetzt der Rotationsgeschwindigkeit von Arkon I. Dadurch steht der Satellit immer über demselben Fleck der Planetenoberfläche. Aber warten wir, was der Panish dazu zu sagen hat.“ Die Space-Jet setzte an der Nahtstelle eines Depots zur Grundstruktur des Schiffes auf. Meysenhart verließ sie und flog auf einen hellen Fleck zu, der sich als Schleuse entpuppte. Eine Robotkamera folgte ihm und beobachtete ihn, wie er die Schleuse durchquerte und dann den Helm seines SERUNS zurückklappen ließ. Die Kamera fing eine Gestalt ein, die Stalker zum Verwechseln ähnlich sah.
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„Macht eure Augen auf“, rief Meysenhart enthusiastisch. „Es ist nicht der Sotho. Es ist einer der fünfhundert Panisha, die mit dem Schiff in die Milchstraße gekommen sind.“ Es war öffentlich bekannt, daß zweihundertfünfzig Panisha die KARVAAN verlassen und sich auf die neu gegründeten Heldenschulen in der Milchstraße verteilt hatten. Die übrigen befanden sich noch an Bord. Stalker hatte das Handelsschiff kommen lassen, das in seinen Depots Warenmuster mit sich führte, die Stalker der Hanse anbieten wollte. Das Teleport-System war das spektakulärste davon. „Willkommen an Bord“, verkündete der Panish. „Ihr kommt zu einer großen Stunde!“ Krohn Meysenhart schwieg verblüfft. Eigentlich war er allein. Nur die fliegende Kamera begleitete ihn. Suchend sah er sich um. Nein, Ding-Dong hatte sich nicht heimlich hereingeschlichen. Der Panish ging auf sein „wir“ ein. „Ich darf euch den Kommandanten der KARVAAN vorstellen“, sagte er und nickte leicht mit dem Kopf. „Er ist so freundlich, uns ein paar Fragen zum Teleport zu beantworten.“ „Es ist so“, bestätigte der Panish. Wie alle Panisha war er kleiner und zierlicher gebaut als Stalker. „Beginnen wir mit der Frage, die alle Galaktiker am meisten interessiert“, fuhr der rasende Reporter fort. „Welche Vorteile bietet der Teleport? Und wie funktioniert er? Womit müssen die Benutzer rechnen? Gibt es irgendwelche Gefahren?“ „Der Teleport ist das schnellste und einfachste planetare Massentransportmittel, das es gibt. Es stammt aus ESTARTU, was eigentlich gar nicht erwähnt zu werden braucht. Es beruht auf der Basis der universellen psionischen Linien, die das Weltall wie ein Netzwerk durchziehen. Aber es funktioniert anders als der Enerpsi-Antrieb der ESTARTU, der KARVAAN oder der Virenschiffe.“ „In groben Zügen ist das aus der Werbung bereits bekannt“, bestätigte Meysenhart. „Sprich weiter, Ter Kaal!“ „Der Teleport unterscheidet sich vom Enerpsi-Antrieb so: Während der Antrieb den psionischen Netzlinien folgt, ohne auf das Netz selbst Einfluß zu nehmen, erzeugt der Teleport lokal ein eigenes, dichteres Psi-Netz. Der Grund ist darin zu suchen, daß die psionischen Linien im Naturzustand nicht so dicht gewoben sind, um mit ihrer Hilfe kürzere Entfernungen zurückzulegen.“ „Wenn ich dich richtig verstehe, liegt darin der Vorteil. Es sollen kürzere Entfernungen möglichst schnell zurückgelegt werden.“ „Das liegt in der Dichte begründet, Krohn Meysenhart. Der Teleport knüpft das bestehende Psi-Netz so eng, daß rund um einen Planeten eine Kugelsphäre psionischer Linien mit nahezu unendlich vielen Knotenpunkten entsteht. Ein solches System bedarf hoher psionischer Energie. Diese wird aus der planetaren Umgebung zugeführt. Der sichtbarste Vorteil liegt darin, daß praktisch unbegrenzt viele Lebewesen das Netz gleichzeitig benutzen können. Jeder, der über einen Gürtel verfügt.“ Meysenhart erhielt über ein Ohrmikrofon von der Regie des Tenders eine Mitteilung, daß jetzt der schwarze Gürtel eingeblendet wurde. „Dieser Gürtel ist überall auf Arkon I zu haben“, stellte der Reporter fest. „Er wird gegen eine geringe Schutzgebühr abgegeben. Die Verteilung unterliegt der planetaren Verwaltung von Arkon. Und weiter, Panish?“ „Der Gebrauch ist ungefährlich, die Bedienung idiotensicher. Es gibt keine Gefahren. Das Psi-Netz ist eine in sich logische Angelegenheit. Es kommt nicht vor, daß zwei Personen gleichzeitig an derselben Stelle materialisieren.“ „Da hört ihr es, Terraner, Blues, Arkoniden, Springer, hopp, hopp, Topsider, Aras, Akonen und wie ihr alle heißt. Ihr werdet es am eigenen Leib erleben.“
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„Bald wird deutlich sichtbar sein, welchen Nutzen die Galaktischen Völker aus dem Handelsabkommen zwischen der Hanse und ESTARTU ziehen. Und nun entschuldigt mich, ich muß die Abschlußarbeiten am Satelliten überwachen!“ Goozren Ter Kaal entfernte sich, und Meysenhart blendete sich aus der Livesendung aus. Während er die KARVAAN verließ, spielte Ding-Dong ein paar Aufnahmen ein, die das Schiff aus der Perspektive des Tenders zeigten. Die KISCH driftete mit langsamer Geschwindigkeit vorbei, und Meysenhart begann wieder einmal einen Wettlauf gegen die Zeit. Er stürmte in die Space-Jet, die sofort abhob und zum Tender zurückkehrte. Auf einem Monitor wurden die Aufnahmen einer weiteren Robotkamera gezeigt. Sie näherte sich dem Satelliten so weit, daß der doppelhelixförmige Wulst sichtbar wurde, der um die graue Kugel lag. Der Wulst begann übergangslos zu strahlen. „Damit ist der Satellit endgültig aktiviert“, rief Meysenhart in das nächste Mikrofon. „Die Anlagen zur Neuordnung des psionischen Netzes beginnen zu arbeiten. Nun fehlt nur noch die Fertigstellung der Bodenstation. Spätestens von dort melde ich mich wieder. Und vergeßt die Sterne und Planeten nicht, die nachts über den Himmel von Arkon I ziehen!“ „Und hier spricht wieder euer unübertrefflicher News-Entertainer. Das war Krohn Meysenhart von vorderster Front, aus dem Innern der KARVAAN. Er ist der einzige Reporter, der dieses Schiff betreten durfte. Und er wird der einzige bleiben. Hier ist DingDong mit einer Zwischenankündigung. Krohn Meysenhart ist auf dem Weg zur Oberfläche. Die unübertroffene Mediencrew wird ihn begleiten. Gib Vollgas, Krohn!“ Der rasende Reporter sah, wie Ravael Dong vor der Studio-Kulisse einen Luftsprung machte und irgendwo in der Decke verschwand. Er schaltete den Monitor aus und wandte sich der robotischen Kamera zu. „Was meinst du?“ wollte er wissen. „Sind wir gut?“ „Keine eigene Meinung“, erwiderte die Kamera. „Frage unverständlich!“ Meysenhart atmete auf. Wenigstens ein Stück Technik, das nicht über eine eingebaute Pseudointelligenz verfügte. Minuten später landete die Space-Jet in einem Kleinhangar des Medientenders, und Krohn ließ sich mit einem Transmitter zur Zentrale bringen. Die zwölf blinden Passagiere der PALADIN befanden sich dort, und Hakker Schurigel erzählte noch immer seine Geschichte vom Foliendiebstahl. Meysenhart stutzte plötzlich. Er stieß einen Pfiff aus. „He!“ machte er. „Was ist?“ fragte der Mann aus Hongkong. „Mach das nochmals“, fuhr der Reporter ihn an. „Was?“ „Die Bewegung, als du dich in meine Richtung wandtest.“ Schurigel kam dem seltsamen Wunsch nach. Meysenharts Augen begannen zu leuchten. Er hob die Hand und gab dem Terraner zu verstehen, daß er den Körper jetzt nicht bewegen sollte. „Oberkörper leicht zurücklehnen“, zischte er. „Ganz leicht. Ja, so ist es gut. Und jetzt strecke den Hals nach vorn. Das Kinn muß spitz und waagrecht in die Landschaft ragen.“ „Was soll der Unfug, Krohn!“ Ding-Dongs Gesicht blickte vorwurfsvoll aus einem Holo auf ihn herab, das übergangslos drei Meter über dem Boden entstanden war. „Ach nichts“, wiegelte der Reporter ab. „Nur ein Gedanke!“ Er tat, als sei das Ganze für ihn erledigt. Kurz darauf aber trat er neben Hakker Schurigel und flüsterte ihm ins Ohr.
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„Das wird ein Knüller“, verstand der Terraner. „Ein zusätzlicher Höhepunkt. Wenn du mitmachst, helfe ich dir bei deinem Problem. Einzelheiten folgen später!“ 2. Der Shant war eine zweite Haut mit einer ganzen Reihe von Vorzügen. Jedes Mal, wenn sie ihn für kurze Zeit ablegten, empfanden sie ein seltsames Gefühl, eine Mischung zwischen Traurigkeit und Verlorenheit. Sie fühlten sich ohne den Shant nackt und wertlos. Sie beeilten sich, die wertvolle Kombination schnell wieder anzuziehen. Auch diesmal war es so. Julian Tifflor und Nia Selegris saßen nebeneinander auf der mittleren Bank der gemütlichen Sauna, die zu den Freizeiträumen der Upanishad-Schule auf dem Mount Everest gehörte. Sie schwitzten vor sich hin, und die Tropfen perlten aus ihren Körperporen und vereinigten sich zu kleinen Rinnsalen, die langsam über Rücken, Bauch und Schenkel abwärtsrannen und sich in den Badetüchern verfingen, auf denen die beiden Shada saßen. Tifflor wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Der schlanke, große Terraner mit den braunen Augen und dem braunen Haar blitzte seine Geliebte aus schalkhaften Augen an. Sie erwiderte den Blick, und sie legte einen Arm um seine Schultern. „Es ist wie im Märchen“, sagte sie leise. „Wir sind die ersten. Ich kann es kaum fassen. Wie ich mich freue!“ Sie freuten sich beide. Und es gab noch einen dritten in ihrem Bund, nämlich Domo Sokrat, den Haluter, der einst im Tiefenland geboren worden und mit der BASIS nach Terra gekommen war. Er war ebenfalls zur Upanishad gestoßen und machte die Ausbildung mit ihren zehn Stufen mit. Die ersten drei hatten sie hinter sich. Im Lauf ihrer Ausbildung hatten sie zunächst Charimchar gelernt, wie alle anderen Synonyme ein Wort aus dem Sothalk. Charimchar bedeutete „über das Fleisch hinaus“ und beinhaltete die Technik der totalen Körperkontrolle mit allen damit verbundenen Dingen wie Gesundheit, Fitneß und Körperbeherrschung. Charimchar verlieh dem Trainierenden im Lauf der Zeit superschnelle Reflexe und fakirähnliche Fähigkeiten beim Einsatz des Körpers. Der zweite Schritt wurde Chargonchar genannt. Er begann mit philosophischen Unterweisungen und vermittelte eine Reihe von Meditationstechniken mit dem Ziel, die Persönlichkeit eines Shad zu formen und zu festigen, bis er genügend Charisma erlangte, um Kraft seiner Persönlichkeit andere Wesen beeinflussen zu können. „Über den Geist hinaus“ bedeutete Chargonchar, und als dritter Schritt folgte der Shant, die Bezeichnung für den Kampf, womit die Ausbildung in der waffenlosen Selbstverteidigung gemeint war, aber auch das Üben mit allen denkbaren modernen und archaischen Waffen. Überlebenstechniken wurden im Rahmen des Shant vermittelt, und sehr früh war den Shada von Tschomolungma klargeworden, daß ein Schritt auf dem anderen aufbaute. Ohne die Körperkontrolle und das Charisma gab es keine verantwortungsfähige Kontrolle über die Vorgänge, die sich in der Shant-Ausbildung abspielten. Ja, die Anwendung der Techniken des dritten Schrittes durch verantwortungslose Neugierige, die die beiden ersten nicht in Perfektion beherrschten, war gefährlich und konnte leicht zum Tod führen. Knochenbrüche waren dabei das wenigste, was der Betreffende an sich selbst auslöste. Und es gab noch sieben weitere Schritte in der Absolvierung der Upanishad, aber das Wissen darüber blieb bislang den Panisha vorbehalten. Tifflor erhob sich. Eine halbe Stunde dauerte es noch, dann war die Ruhepause vorbei. Dann wartete wieder das Trainingsprogramm auf sie. Keiner von den beiden wußte, was sie tatsächlich erwartete. Sie besaßen nur eine einzige Information.
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„Es gibt einen Einschnitt in unserer Ausbildung“, sagte der ehemalige Erste Terraner. „Domo Sokrat wird uns vielleicht mehr sagen können. Er ist in den unteren Etagen unterwegs!“ Er erhob sich und zog Nia mit sich. Die junge Frau folgte dem Unsterblichen hinaus unter die Dusche, und nachdem sie sich den Schweiß abgewaschen und die Körper im Kühlraum unter der Luftdusche abgekühlt hatten, stellten sie sich unter die Desinfektionsbrause und ließen sich danach von einem Roboter trockenblasen. Hand in Hand eilten sie hinüber in den Umkleideraum, wo ihre Shants hingen. Sie halfen sich gegenseitig beim Anlegen der Kombinationen. Jeder Neuling in der Schule der Helden erhielt eine solche Kombination. Sie bestand aus einer einteiligen silberfarbenen Montur mit hochgeschlossenem Kragen und Magnetverschluß, einem Paar schwarzer Stiefel und einem schwarzen, breiten Waffengürtel mit silberner Schnalle, die in stilisierter Form das ESTARTU-Symbol des Dritten Weges darstellte. Das Material des Shant fühlte sich seidig an. Es bestand aus einem Spezialkunststoff, dessen verblüffende Eigenschaften sie im Lauf der Wochen immer stärker kennen gelernt hatten. Zwischen dem Träger und einem Shant entwickelte sich ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl, er wurde zu einer Art lebendiger Haut. Ohne den Shant fühlte sich ein Shada nackt, und Julian Tifflor und Nia Selegris empfanden ein Gefühl der Hochstimmung, als sie jetzt den Fitneßtrakt verließen und sich auf den Weg zum Antigrav machten, um ihre Zimmer im ersten Tiefgeschoß der Upanishad aufzusuchen. Sie ließen sich sanft nach oben tragen und wurden am Ausstieg von Domo Sokrat empfangen. Der Haluter trug wie sie den Shant, nur hatte es bei ihm Schwierigkeiten mit dem hochgeschlossenen Kragen und dem zweiten Armpaar gegeben. Aber für die Panisha Yag Veda und Ris Bhran hatte der Wunsch des Tiefenlandbewohners nach Aufnahme in die Schule keine Schwierigkeit bedeutet. Sie hatten aus den für die Schüler unzugänglichen Tiefgeschossen der Tschomolungma einen Shant hervorgezaubert, der für Sokrates wie geschaffen schien. Die Schnelligkeit, mit der der Haluter über seine Kombination verfügen konnte, erweckte den Eindruck, als sei bereits damit gerechnet worden, daß auch Haluter die terranische Schule besuchen würden. Allerdings lag es auch im Bereich des Möglichen, daß der Shant kurzfristig hergestellt worden war. „Nia, Tiff!“ dröhnte der Haluter ihnen entgegen. „Ich dachte schon, ihr hättet euch in Wasser und Dampf aufgelöst. Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß diese Sauna eine so erfrischende Wirkung besitzt, wie ich das immer wieder zu hören bekomme. Einer der Panisha war vor wenigen Minuten hier und hat mir verkündet, daß wir uns bereithalten sollen.“ Tiff und Nia tauschten einen vielsagenden Blick. Der Unsterbliche lächelte. „Für deinen Metabolismus sind fünfundneunzig Grad so gut wie nichts, Sokrates“, bekannte er. „Um dich ins Schwitzen zu bringen, müßte man dich in einen Konverter oder in das Innere eines Vulkans sperren oder dich der Hitzeglut einer Supernova aussetzen. Und selbst dann wäre ich mir nicht sicher, ob dein Wohlbefinden dadurch extrem gesteigert würde.“ „Es läßt sich wohl kaum steigern“, fügte Nia hinzu. Der Haluter gab ein Grollen von sich. Es hörte sich an, als ginge eine Gerölllawine im Antigravschacht nieder. Seine Augen blitzten auf. „Wie recht ihr beiden Schwächlinge habt“, konterte er. „Als Shad könnte ich mich kaum besser fühlen. Und seit Tatarog Blys Fan mit ihr gesprochen hat, kann ich es kaum erwarten!“
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„Und das sagt eine Kämpfernatur, ein ehemaliger Tiefenphilosoph.“ Tifflor schüttelte tadelnd den Kopf. „Was bedeutet dir schon eine simple Weihe. Sie ist doch nur ein Zeremoniell, oder?“ Seine Frage hatte einen lauernden Unterton besessen, und der Haluter war sehr wohl in der Lage, die feinen Nuancen der menschlichen Stimme zu unterscheiden. „Du hast nicht vor, mich zu verletzen, nein?“ brummte er dumpf. „Du kannst es gar nicht. Einen Freund kränkt man nicht!“ „Natürlich nicht, Domo. Tiff und ich sind vielleicht ein bißchen übermütig. Wir freuen uns ebenso riesig auf die Weihe wie du!“ „Dann habt ihr mich nicht richtig verstanden. Es gibt keine Weihe. Blys Fan war hier, um mir zu sagen, daß wir in der Arena erwartet werden. Und zwar exakt mit dem Ende der Freizeitperiode!“ Julian Tifflor spürte, daß er gerade kein geistreiches Gesicht machte. Plötzlich steckte ein Kloß in seinem Hals, und er schluckte. Mattigkeit befiel ihn, und sie überlagerte deutlich spürbar das Hochgefühl, das ihm die Symbiose mit dem Shant vermittelte. Er tastete fahrig nach Nias Hand und bekam sie nach einigem Suchen zu fassen. Er spürte, daß ihr Körper bebte. „Keine Weihe?“ echote er. „Was aber dann? Was kommt auf uns zu? Domo, sage uns, haben wir uns irgendwie gegen die Regeln der Upanishad gestellt? Haben wir uns nicht die größte Mühe gegeben, zählen wir nicht zu den besten unter den Schülern?“ Der Haluter ließ sich auf seine Handlungsarme nieder. Sein halbkugelförmiger Kopf befand sich jetzt auf der Höhe der Köpfe der beiden Terraner. Er bleckte die Zähne. „Wir waren einfach zu gut, Tiff und Nia. Wir haben die Aufmerksamkeit aller Panisha und der übrigen Shada auf uns gelenkt. Jetzt will man uns kämpfen sehen. Die beiden verantwortlichen Panisha wollen einen zusätzlichen Höhepunkt erreichen. Mit Sicherheit werden sie Stalker Bericht geben. Ist euch bekannt, daß Tschomolungma einen solchen Zulauf erhält, daß sie die Schüler gar nicht alle aufnehmen kann? Sie werden auf andere Schulen auf von den Terranern kolonisierten Welten verteilt.“ Er wartete die Antwort nicht ab und richtete sich auf. Er wuchtete den massigen Körper herum und schritt auf den Antigrav zu. Julian Tifflor und Nia Selegris folgten ihm zögernd. Dann aber hatten sie es plötzlich eilig. Sie wußten, daß dort unten im zehnten Tiefgeschoß die beiden Panisha auf sie warteten, die Tschomolungma leiteten. Sie wollten ihnen ein paar Fragen stellen. Das zehnte Tiefengeschoß bestand aus der besagten Arena mit hohen Tribünenrängen ringsherum und einer technischen Sektion, in der alle Einrichtungen untergebracht waren, die für die Arenakämpfe eingesetzt wurden. Es gab Holoprojektoren zur Simulation verschiedener Umwelttypen, Klimaregler, Wind- und Sturmgeneratoren, ein Lager für robotgesteuerte Ungetüme und ein kleines Arsenal an Eingefrorenem, Wildkatzen und Ähnliches, die zu Übungszwecken aufgetaut wurden. Daneben beinhaltete die zehnte Etage auch noch den Dashid-Raum. Tifflors Augen weiteten sich unmerklich, als er hinter Domo und Nia die Arena betrat. Die Tribünen waren vollbesetzt, auf den Treppen dazwischen hatten sich weitere Shada niedergelassen. Unten hinter dem roten Markierungskreis hatten sich die Panisha versammelt. Zwei von ihnen warteten in der Mitte der Arena, es waren Somodrag Yag Veda und Otharvar Ris Bhran. Sie bewegten sich mit tänzelnden Schritten auf die drei Shada zu. Wie jedes Mal verfolgten die Shada die geschmeidigen Bewegungen der Panisha mit leuchtenden Augen. Alle Lehrer der Upanishad schienen aus einem einzigen Volk zu stammen, und sie sahen ohne Ausnahme wie kleinere, aber identische Kopien Stalkers aus. Die Panisha besaßen völlig haarlose Körper, schlank und knöchern, mit deutlich
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sichtbarem Hohlkreuz und vorgewölbtem Brustkorb. Am Gesäß war der Rest eines verknöcherten Stummelschwanzes erkennbar. Die Sehnen und Muskeln, die diese Körper bewegten, lagen frei und waren nur von einem durchsichtig glänzenden Hautfilm bedeckt, der den ganzen Körper zusammenhielt. Fleisch als Füllmaterial gab es keines an diesen Gestalten, die den Eindruck erweckten, als bestünden sie aus einem lebendigen und beweglichen Panzer. Grotesk muteten die Dimensionen der Gliedmaßen an. Oberarme und Oberschenkel waren halb so lang wie Unterarme und Unterschenkel. Die Gelenke ließen sich mehrmals um die eigene Achse drehen, und so wurde aus jeder Bewegung ein Stelzen und Stolzieren, ein Drehen und Recken, ein Rotieren und Erstarren. Wirbel drehten sich gegeneinander, und Sehnen spannten sich an und erschlafften. Dazu kam der echsenhafte Kopf mit der schnabelähnlichen Mundpartie und dem fliehenden Kinn, den dreieckigen Augen mit den Lidern, die kaum zuckten, sich jedoch bis auf einen winzigen Sichtpunkt verengen konnten. Die Augäpfel schimmerten gelb, die Iris stand senkrecht und war oval und ockerfarben. Darin lag jeweils ein schwarzer Strich, die schlitzförmige Pupille. Somodrag Yag Veda hob einen Arm. Es wurde still in der Arena, und die beiden Panisha deuteten mit den Händen eine knappe Geste der Zufriedenheit an. Ihre Hände waren lang und feingliedrig, sie erweckten einen zerbrechlichen Eindruck. „Julian Tifflor, Nia Selegris und Domo Sokrat“, verkündete Yag Veda die Namen der drei Shada in flüssigem und akzentfreiem Interkosmo. „Ein Dreivierteljahr ist seit der Gründung der ersten Upanishad-Schule in der Galaxis Milchstraße vergangen. Jeder von euch erinnert sich an das Datum. Es war der 15. 8. des Jahres 429 NGZ. Seit diesem Tag hat es viele neue Schulen auf anderen Planeten gegeben, aber keine hat bisher den Vorsprung einholen können, den Tschomolungma besitzt. Shada, ihr seht vor euch die ersten drei Schüler, die mit Erfolg die ersten drei Schritte ihrer Ausbildung abgeschlossen haben. Nia Selegris war zudem die erste weibliche Shada. Allein diese Tatsache wird die terranische Schule über die Grenzen der Galaxis hinaus berühmt machen. Die Schüler der anderen Schulen werden vor Neid erblassen, aber ich rufe euch zur Besonnenheit auf. Denkt an Chargonchar. Neid zeugt von charakterlicher Schwäche und verschleiert oft eigene Unfähigkeit. Alle sollen sich freuen, daß diese drei Shada es geschafft haben!“ Er machte eine Kunstpause, und Beifall brandete auf. Die Shada jubelten den drei zu, und als Ris Bhran sich anschickte, die Gedanken seines Artgenossen fortzusetzen, da dauerte es einige Zeit, bis er sich verständlich machen konnte. „Der Erfolg Tschomolungmas ist unser aller Erfolg“, verkündete der Panish. „Das Beispiel der drei Shada soll alle anderen anspornen. Sie selbst aber sollen vor ihrer Weihe eine zusätzliche Belohnung erhalten. Noch keinem wurde eine solche Ehre zuteil, bevor er die Shan-Weihe erhielt. Tifflor, Selegris und Sokrat werden gegen uns beide kämpfen! Der Kampf wird ohne Waffen ausgetragen, allein mit dem Wissen und den Hilfsmitteln dessen, was die ersten drei Schritte der Ausbildung sie gelehrt haben!“ Ris Bhran machte mehrere Sätze rückwärts. Zwei seiner Halswirbel drehten sich, so daß sein Kopf vorübergehend in die entgegengesetzte Richtung blickte. „Der Kampf ist eröffnet“, verkündete Panish Tatarog Blys Fan. Julian Tifflor ließ die Hand Nias los, die er bisher gehalten hatte. Das unsichtbare Band gegenseitiger Zuneigung wurde für einige Zeit unterbrochen. Der Terraner machte eine Bewegung zur Seite, weil die beiden Panisha bereits angriffen. Ihre Bewegungen waren so schnell, daß ein ungeübtes Auge sie gar nicht erkennen konnte. Ein gewöhnlicher Sterblicher oder ein Shad in den Anfängen seiner Ausbildung hätte keine Chance gehabt. Tifflor blockte alle Gedanken ab, mit denen er sich bisher beschäftigt hatte. Dank seiner Übung konnte er sich übergangslos auf volle Konzentration umstellen. „Mit den Gedanken
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sehen“ war einer der Bestandteile des Chargonchar, und es beinhaltete keinerlei Anwendungen von psionischen Fähigkeiten, sondern allein die Fähigkeit, mittels geistigen Trainings schneller und schärfer zu sehen, feiner zu riechen und besser zu hören. Dies befähigte die Shada dazu, die folgenden körperlichen Reaktionen schneller folgen zu lassen, als dies normal erwartet werden konnte. Für den unbeteiligten Zuschauer konnte der Eindruck entstehen, als würde vor ihren Augen ein Film im Zeitraffer oder mit beschleunigter Bildwiedergabe ablaufen. Die Shada sprangen auseinander. Sie waren zu dritt und hatten gegen zwei Panisha zu kämpfen. Sie bildeten automatisch ein Dreieck, in dessen Innerem und an dessen Seitenlinien die Panisha agierten. Tiff erkannte den Wirbel, den die Arme Yag Vedas vollführten. Der Panish tänzelte auf ihn zu. Alle seine Bewegungen waren fließend, es gab keine Unterbrechung und kein Zaudern. Auch dies war nur durch Chargonchar möglich, durch die absolute Harmonie zwischen Persönlichkeit und Geist, verbunden mit der Beherrschung des Körpers durch das Charimchar. Tifflors Körper schien plötzlich in Rotation versetzt. Er drehte die Schultern zur Seite. Eigentlich nahm er seine Umgebung gar nicht so wahr, wie er es unter normalen Umständen mit den Augen tat. Er erkannte viel schneller, was vor sich ging, als sein Geist es zu verarbeiten in der Lage war. Und er reagierte. Er drehte sich unter den wirbelnden Armen des Panish hindurch und brachte einen Fausttreffer zwischen den Rippen des Lehrers an, irgendwo hinten im Hohlkreuz. Gleichzeitig jedoch wurden ihm die Beine unter dem Körper weggezogen, und er machte einen Salto vorwärts. Er sah noch immer den Rücken Yag Vedas, doch die Augen des Panish blickten ihn aufmerksam und kalt an. Auch er kämpfte unter Aufwendung aller Konzentration. Julian Tifflor duckte sich plötzlich und rollte sich zur Seite ab. Er kam hoch, und für den Bruchteil einer Sekunde berührte seine rechte Hand den Boden. In diesem Augenblick stützte er seinen gesamten Körper auf sie, und seine Beine schossen empor in die Höhe, knapp an dem breiten Rücken des Haluters vorbei. Sie trafen einen langen Unterarm, er gehörte zur Ris Bhran. Der Unterarm verschwand augenblicklich und tauchte an einer anderen Stelle wieder auf. Domo Sokrat knurrte plötzlich. Seine Säulenbeine trampelten gegen den Boden und verformten ihn. Er schoß vorwärts und fegte Yag Veda von den Beinen. Er schubste ihn mit einem seiner Handlungsarme zur Seite, aber da wurde er bereits an den Laufarmen gepackt. Etwas schlug gegen beide Achselhöhlen, und für kurze Zeit hingen die beiden Lauf arme schlaff herab. Tiff erblickte Nia. Sie hatte sich Ris Bhran zugewandt. Hinter ihrem Rücken näherte sich der Schatten Yag Vedas, der von dem Haluter bedrängt wurde, der sich inzwischen erholt hatte. Jeder Schlag, der traf, verursachte Schmerzen. Und er schränkte die Möglichkeiten des Kämpfers ein und raubte ihm Kraft. Tiff erhielt einen Schlag ins Genick, der ihn getötet hätte, hätte nicht der Shant mit dem hochgeschlossenen Kragen den Schlag abgefangen und teilweise absorbiert. Eine Schmerzwelle begann sich auszubreiten, aber der Terraner unterdrückte sie mit Hilfe des Charimchar. Konzentriere dich auf den Shant! redete er sich ein. Ein Shad mit voller Kontrolle über seinen Shant konnte das seidige Material durch Willenskraft dazu bringen, daß es widerstandsfähig gegen Schläge, Projektile und selbst Strahlenschüsse wurde. Dabei verhärtete es sich nicht und schränkte die Bewegungsfreiheit des Trägers nicht ein. Außerdem verstärkte der Shant die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Tifflor ließ die Arme wirbeln. Er machte einen Luftsprung von gut einem Dreiviertelmeter. Er traf Ris Bhran irgendwo am Kopf, mußte aber gleichzeitig mehrere Schläge von Yag
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Veda einstecken. Etwas wie ein Bolzen traf seinen Körper und warf ihn aus der Flugbahn. Er stürzte zu Boden und landete in einer der Dellen, die Sokrates getreten hatte. „'tschuldigung!“ hörte er den Haluter flüstern, und aufgrund seiner verstärkten Sinnesaktivierung schmerzte ihn das halbe Wort in jeder Nervenfaser seines Kopfes. Absolute Ruhe lag über der Arena. Die Shada und die Panisha verfolgten mit angehaltenem Atem die Auseinandersetzung. Die Tatsache, daß sich zwei Lehrer gegen drei Schüler wagten, wies auf ihre hervorragenden Fähigkeiten hin. Es dauerte jedoch nicht lange, bis selbst der jüngste Shad merkte, daß auch die beiden Panisha nur die Regeln der ersten drei Schritte anwandten. Sie kämpften also fair, und das mochte im Sinn von Tschomolungma und damit in Stalkers Sinn liegen. Yag Veda umkreiste Tifflor. Der Terraner erinnerte sich an das Freistilringen, wie er es aus den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in Erinnerung hatte. Er winkelte die Knie ein wenig an und machte sich schwer. Er packte den sich windenden und in ständiger Bewegung befindlichen Körper Yag Vedas und preßte ihn an sich. Gleichzeitig löste er die Hände schon wieder und schlug die Arme des Panish nach unten. Ein Fuß trat dem Lehrer beide Beine weg, aber es war eine optische Täuschung, hervorgerufen durch die Gelenke, die alle möglichen Bewegungen mitmachten. Yag Veda verlor das Gleichgewicht nicht und hatte Tiff bereits beim Gürtel. Der Kopf des Terraners hing plötzlich nach unten, und er tauchte rasch zur Seite weg und drehte den Körper einmal um seine Achse. Yag Veds Wirbel machten die Drehung mit, die Gelenke drehten sich, und Tifflor kam frei, weil er mit beiden Füßen nach den Handflächen seines Gegners trat. Der Panish stieß lautstark die Luft aus und zog sich zwei Meter zurück, um seine Kampfposition zu verbessern. Tifflor sah, daß Nia stürzte. Der Körper Ris Bhrans schien über ihr zu hängen. Der Terraner hechtete sich nach vorn, riß Nia empor und zog gleichzeitig die Unterschenkel nach oben. Es gab einen Schlag, und Tiff bildete sich ein, daß er ein leichtes Knirschen gehört hatte. Es konnte aber auch Einbildung gewesen sein. Ris Bhran war übergangslos nicht mehr über ihnen, und Tiff hielt seine Geliebte in den Armen, die ihn im nächsten Augenblick mit zwei Lufthieben vor Yag Veda schützte. Neben ihnen krachte es, Domo Sokrat hatte den zweiten Panish nicht getroffen und ein drei Meter durchmessendes und einen Meter tiefes Loch in den Boden geschlagen. „Ho, ho!“ machte er. Irgendwie schaffte Tifflor es, in den Rücken Ris Bhrans zu kommen. Er hebelte den Panish von den Füßen, wich gleichzeitig vor den rotierenden Unterarmen aus und setzte den linken Fuß und den Unterschenkel ein, um den Panish auf eine ballistische Flugkurve zu schicken, die ihn in den Laufarmen des Haluters landen ließ. Sokrates umklammerte Bhran und ließ ihn erst los, als dieser sich anschickte, dem Haluter den Kopf auf den Rücken zu drehen. Und dagegen haben Haluter bekanntlich etwas. Nia griff Yag Veda an und versetzte ihm zwei Treffer mit der linken Hand und dem linken Knie. Sie drehte sich im Sprung und berührte Ris Bhran, der sich ihr entgegenwarf. Die Arme umschlangen sie, und die Kraft des Panish schien selbst die Kraftverstärkung des Shant zerbrechen zu können. Bhran ließ jedoch los, und im nächsten Augenblick standen die beiden Panisha fünf Meter entfernt auf dem Boden der leicht lädierten Arena und rührten sich nicht mehr. Julian Tifflor straffte sich und strich die Ärmel seines Anzugs glatt. Er wollte tief Luft holen und stellte fest, daß es nicht nötig war wie in früheren Zeiten. Er war bei dem Kampf nicht außer Atem gekommen. Auch Nia und Domo zeigten keine Anzeichen einer Schwäche. „Der Kampf ist vorüber“, verkündete Yag Veda. „Es gibt keinen Sieger. Es ist etwas eingetreten, was nur erhofft, nicht aber erwartet werden konnte. Diese drei Shada sind
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uns in der Kampfestechnik ebenbürtig. Sie haben es wahrhaft verdient, als erste die Weihe zu erhalten. Und es wird nicht die letzte Weihe für diese drei Absolventen der Upanishad bleiben. Sie werden eines Tagen auch die höheren Weihen erhalten. Und ihre Namen werden bald in aller Mund sein!“ „Die besten der Schüler dürfen sich Meisterschüler nennen“, fuhr Ris Bhran fort. „Und die besten unter den Meisterschülern haben das Recht auf die Bezeichnung Panish Panisha! Folgt mir nun, Tifflor, Selegris und Sokrat!“ * In zwei Reihen hatten sich die Panisha links und rechts vor dem Eingang aufgereiht. Sie hatten beinahe militärische Haltung angenommen. Ihre Oberkörper waren nach vorn gereckt, die Köpfe ein Stück nach hinten. Das ausladende Kinn des schnabelähnlichen Kiefers ragte spitz nach vorn. Die Panisha hielten die langen Unterarme verschränkt, und mit den drehbaren Kniegelenken stützten sie sich an der Wand ab. Somodrag Yag Veda und Otharvar Ris Bhran geleiten die drei Shada bis zur Tür des 5x5m großen Zimmers. Die Tür glitt auf, und die drei betraten den Raum. Er war leer bis auf einen Projektor, und die Metallwände waren kahl. Lediglich ein Klimaschacht unterbrach die Eintönigkeit. Yag Veda aktivierte den Projektor. In der Mitte des Raumes, unter dem Klimaschacht, entstand ein Prallfeld, und es griff nach den drei Shada und brachte sie in die Horizontale. „Entspannt euch“, verkündete Ris Bhran. „Der Dashid-Raum wird für euch zum zweiten Mal zur Erfüllung eures Seins. Habt ihr euch bisher darin geübt, Körper und Geist unter hoher Konzentration zu steuern, so tut jetzt das Gegenteil. Verliert alle eure Wahrnehmungen und werdet dadurch aufnahmebereit für die Weihe!“ Seine Stimme hatte einen einschläfernden Klang erhalten, und er entfernte sich unter Gemurmel, das wie das Herunterleiern von Beschwörungsformeln klang und nicht völlig klar artikuliert war. Die drei Shada jedoch verstanden jedes Wort und prägten es sich ein. Das Gemurmel wurde leiser und leiser, und dann hörte der Luftzug auf, hatte die Tür zum Dashid sich geschlossen. Die drei Shada waren allein. Julian Tifflor schloß die Augen. Er vergaß den Kampf und die ganze Zeit der Ausbildung. Nur eines vergaß er nicht. „Nia, ich mag dich!“ flüsterte er. „Ich dich auch!“ kam die leise Antwort. Und Sokrates konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: „Du bist auch wirklich zum Verlieben!“ Und nach einer Minute kam als erklärender Nachsatz dann der Name. „Tiff!“ Der Terraner lauschte in sich hinein. Zunächst unmerklich, dann jedoch immer deutlicher stieg in ihm das Vertrauen empor, das ihm ein unbeschreibliches Glücksgefühl vermittelte. Es bezog sich nicht auf Nia, aber es schloß sie auch nicht aus. Es hatte mit der Upanishad zu tun, und wieder wurde er sich der starken Verbundenheit zu seinem Shant bewußt. Er war stolz, als erster männlicher Terraner die Shan-Weihe empfangen zu dürfen. Aber warum legte er eigentlich Wert auf seine Herkunft? Spielte es nicht eine völlig untergeordnete Rolle, ob sie Terraner, Haluter oder Akonen waren? War ein Blue ein schlechterer Shad als ein Swoon, oder ein Siganese ein besserer als ein Ertruser? Nein, all das spielte keine Rolle mehr. Die Lehre der Upanishad, sie war das, was in seinen Gedanken etwas bedeutete. Sie zu erfüllen und die Ausbildung unter Anleitung ihrer Panisha zu vollenden, das war das einzig Sinnvolle, was es zu tun galt. Hanse und LFT, Galaktikum und GAVÖK, es waren bedeutungslose Einrichtungen im Vergleich mit
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der Schule der Helden hoch oben auf dem abgetragenen Gipfel des Mount Everest. Die Loyalität zur Upanishad war die Erfüllung des Lebens. Julian Tifflor begriff plötzlich, daß er jetzt die volle Kontrolle über seinen Shant besaß. Die Kombination besaß eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die er bisher nicht hatte nutzen können. Ich bin anderen überlegen, dachte er. Ich bin ein Shad gewesen und bin jetzt ein Shan. Ich gehöre nicht zu jenen, die es ablehnen, Schüler der Upanishad zu werden. Sie sind Gorims! Und Tifflor dachte diese Gedanken nicht in Englisch, seiner eigentlichen Muttersprache, aber auch nicht in Interkosmo. Er dachte sie in Sothalk, dem Idiom, das Stalker sprach. Mit einemmal war ihm ganz leicht. Er fühlte sich wie eine Feder, die in einem Windhauch schwebte. Sein Körper sank langsam abwärts, und die Bewegung rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Er richtete sich auf und kam auf dem Boden zu sitzen. Das Prallfeld hatte sich deaktiviert, und Tifflor sah Nia und Domo an. „Was sind sie ohne die Upanishad“, ereiferte Nia sich mit hoher Stimme. „Sie sind ein Nichts.“ „Und dafür, daß ich ein Haluter bin, kann ich mir keinen Ruhm erwerben, höchstens Angst und Furcht auslösen“, dröhnte Sokrates. „Ich glaube, daß ich dazu geboren bin, einst ein Philosoph der Upanishad zu werden. Mein Leben in der Tiefe war nur eine Vorbereitung für meine größte Aufgabe!“ „Du hast recht“, nickte Tifflor. „Jetzt haben wir erst recht eine Aufgabe.“ Er erhob sich und schritt im matten Dämmerlicht zum Ausgang, der sich sofort öffnete. Draußen warteten noch immer die Panisha, und im Hintergrund drängten sich die Shada. „Willkommen, Shana!“ verkündete Yag Veda. „Wie fühlt ihr euch?“ „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Wir sind zum zweiten Mal neu geboren worden“, antwortete Nia. „Und wir sind voll unbezähmbaren Tatendrangs.“ Sie sprach Sothalk. „Er wird sich erfüllen, Shana“, sagte Ris Bhran. „Nun gehören die Shants endgültig euch und sind mit euch zu einer vollständigen Einheit geworden. Damit seid ihr gerüstet für den vierten Schritt. Hamosh wartet auf euch, die Bewährung. Ihr werdet die Schule der Helden verlassen und eure erste Heldentat vollbringen. Ihr werdet euch und eure erworbenen Fähigkeiten in der Praxis erproben. Gewöhnlich weist ein Panish euch eine solche Aufgabe zu. Aber da ihr die ersten Shana der Galaxis seid, ruht das Wohlwollen von ihm auf euch. Vernehmt deshalb, daß Stalker euch nach Arkon I ruft. Dort sollt ihr aus seinem Mund die Aufgabe erfahren. Hamosh wartet auf euch. Geht jetzt, und denkt daran, daß ihr den Ruf Tschomolungmas zu bewahren habt. Ihr repräsentiert die erste und bislang berühmteste Heldenschule der Milchstraße!“ 3. Vom Hügel der Weisen aus bot sich ein farbenprächtiges Bild. Die Oberfläche des Planeten glich einer einzigen, ins Riesenhafte gewachsenen Parklandschaft. Es gab keine Städte und Ansiedlungen im herkömmlichen Sinn, sondern nur die weitläufig über die Oberfläche verstreuten Trichterbauten in ihrer großzügigen und prächtigen Beschaffenheit. Die vornehmen und reichen Arkoniden besaßen auch heute noch ihre eigenen Gebäude, während die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung mit luxuriösen Appartements in den großen Wohntrichtern vorliebnehmen mußte. Die bis zu 500 Meter hohen Trichterbauten bildeten traditionell die charakteristische Form arkonidischer Architektur, und es gab keine Bauten, die dieses vorgeschriebene Höchstmaß überschritten.
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Aber hier mußte seit kurzem eine Korrektur angebracht werden. Es gab einen Trichter am Nordpol, der höher in die Atmosphäre hineinragte, nämlich die Schule der Helden. Sie besaß bekanntermaßen eine Höhe von 700 Metern. Die Trichterbauten derer von Arkon waren äußerlich vergleichbar mit einer sehr kurzstieligen Sektschale, deren Fundament im Boden verankert war. Das hohle Innere bestand aus Parks und Gartenlandschaften im Basisbereich und umlaufenden Terrassen, die sich übereinander an der Innenwandung der Trichter entlangzogen und die 45 Grad geneigte Wandung unterbrachten. Auf diesen Terrassen blühten allerhand Pflanzen, es gab sogar kleinere Wälder. Die eigentlichen Wohnräume mit den Verwaltungsbezirken und dem Freizeitangebot lagen im Innern der Trichter. Alle Türen, Fenster und sonstige Öffnungen waren zum „Innenhof“ hin ausgerichtet. Auf der Außenseite führten spiralig angelegte Ringstraßen bis zum Oberrand des Trichters hinauf. Diese Abgeschlossenheit nach außen hatte ihren Ursprung im völkisch bedingten Bedürfnis der Arkoniden nach Ruhe und Intimsphäre. Jetzt, in der Zeit des Teleports, war von dieser Ruhe nicht viel zu spüren. Überall auf der Oberfläche von Arkon I bildeten sich vor ganz bestimmten Trichterbauten lange Schlangen von Planetenbewohnern. Aber es gab auch Fremde dabei, die einfach ihr Glück versuchten, ohne sich eine Erfolgschance ausrechnen zu können. Sie wurden von den Arkoniden mit mitleidigen Blicken bedacht, aber keiner der Bewohner dieser Welt sagte etwas. Sie tolerierten die Drängler und Besserwisser und bedachten jene mit einem freundlichen Blick, die sich unter Hinweis auf ihren Reichtum oder ihre Abstammung einen erfolgversprechenderen Platz unter den Wartenden verschafften. Überall schwebten lautlos die Beobachtungskugeln und lieferten ihre Informationen an den Zentralcomputer weiter, der die Verteilung der Transportgürtel überwachte und koordinierte. Über den Köpfen der Wartenden spannten sich die eleganten Hochstraßen und zogen sich bis zum Horizont dahin. Sie waren über der Oberfläche angelegt, damit sie nicht in das kosmetisch veränderte Natursystem des Planeten eingriffen und die Beschaulichkeit der Arkoniden störten. Die meisten Transportsysteme jedoch waren unterirdisch angelegt. Barnon stand auf der Terrasse der Glückseligkeit und betrachtete die Landschaft. Wer wie er wußte, welche fürchterlichen Kriege das alte Volk der Arkoniden in fernster Vergangenheit zum Beispiel gegen die Methanatmer geführt hatte, den erfreute der friedliche Anblick in besonderem Maß. In der langen Zeit des Friedens hatte Arkon I seinem eigentlichen Namen viel Ehre gemacht. Die Kristallwelt war ein Paradies. Und sie hatte sogar das Zeitalter der Degeneration überstanden. Das Volk der Arkoniden hatte seine Chance einst vertan, die ihm von der Superintelligenz ES gegeben worden war. Es war untergegangen, aber es hatte in den Neuarkoniden überlebt, die auf den von Arkon besiedelten Welten neue Kulturen aufgebaut hatten. Sie waren nicht von der Degeneration befallen gewesen, ujid ein Teil ihrer Bevölkerungen hatte irgendwann den Weg in die alte Heimat gefunden, hatte sich mit den Resten der arkonidischen Bevölkerung Vermischt und das System der großen, weißen Sonne zu neuer Blüte geführt. Barnon war nicht allein. Der Galaktische Rat der Arkoniden befand sich in Begleitung Murnyms auf der Terrasse. Murnym war einer der Regierungssekretäre und für die Erhaltung der Kultur zuständig. Murnym war groß und schlank, mit kurzen, eingefärbten Haaren. Barnon mußte zu ihm aufblicken. Er schüttelte dabei unwillig sein schneeweißes, langes Haar und zog den Bauch ein, um seinen untersetzten, zur Dickleibigkeit neigenden Körper ein wenig schlanker zu machen. „Blast den Großversuch ab“, sagte der Galaktische Rat. „Er birgt zu viele Gefahren in sich!“
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„Und das aus deinem Mund!“ Murnym wirkte erschüttert. „Du selbst hast doch zugestimmt, als Arkon I für den Test ausgesucht wurde. Und jetzt bist du plötzlich dagegen!“ Barnon musterte ihn mit glänzenden Augen. Seine Mundwinkel zuckten. Er deutete anklagend auf den Kopf des Artgenossen. „Dein grünviolettes Haar ist ein Zeichen der Dekadenz“, flüsterte er rau. „Fängt alles noch mal von vorn an? Ich habe zugestimmt, und ich sehe die eigentlichen Gefahren gar nicht im System des Teleports. Ich sehe die Gefahren in unserer eigenen Bevölkerung. Und noch ist die Station am Südpol nicht gebaut. Noch ist es Zeit, der Entwicklung Einhalt zu gebieten!“ „Du weißt, was die übrigen Sekretäre und Minister gesagt haben“, rief Murnym ihm ins Gedächtnis zurück. „Du darfst nicht vergessen, daß der Teleport sämtliche Röhrenbahnsysteme und auch die Hochstraßen überflüssig macht. Dann haben wir endlich das, wovon wir seit Jahrtausenden träumen.“ „Nein! Ich glaube es nicht!“ Barnon wurde zornig. „Es ist zu gefährlich!“ „Was soll daran gefährlich sein? Die Verwirklichung des Traumes? Jetzt machst du dich lächerlich, Galaktischer Rat! Wir haben die Chance, die Kristallwelt endgültig zu einem paradiesischen Wohnplaneten ohne technische Störelemente zu machen. Wir erhalten diese Chance nur einmal in unserem Leben.“ Murnym stand mit blitzenden Augen vor ihm, und Barnon stellte sich instinktiv auf die Zehenspitzen. Seine Brust hob und senkte sich. „Und es sind meine eigenen Worte, die du eben verwendet hast“, zischte er. „Das wolltest du doch sagen, oder? Ich erkenne deine Absicht. Würden dich doch nur die Methanatmer holen!“ Er wandte sich brüsk ab und schritt die Terrasse entlang. Murnym folgte ihm mit langen Schritten. Er holte zu ihm auf und faßte ihn am Arm. „Ich sehe, wie es in dir zu kochen beginnt“, sagte er in versöhnlichem Ton. „Willst du vor deiner eigenen Verantwortung fliehen, Barnon?“ Das Gesicht des Galaktischen Rates rötete sich zusehends. Er holte tief Luft und suchte nach einem Zeichen für einen Informationssektor. Er fand es in Form einer blauen Blume, die mitten zwischen roten Blüten leuchtete. Er trat an die schwebenden Kästen und berührte die Blume. Unmittelbar über ihr entstand ein Hologramm, und es zeigte das Symbol der Vermittlungszentrale. „Barnon spricht“, sagte der Galaktische Rat. „Ich möchte Informationen über alle Besucher unserer Welt, die sich auffällig benehmen!“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Zentralcomputer die Antwort lieferte. Sie beinhaltete, daß sich fast alle auffällig benahmen, weil sie sich bereits im Taumel der bevorstehenden Ereignisse befanden. „Dieser Meysenhart ist daran schuld“, rief Barnon ärgerlich aus. „Man sollte ihn verhaften und solange einsperren, bis der Großversuch vorbei ist. Er hat mit seinen Reportagen alle Bewohner der Milchstraße eingelullt. Wie ich ihn kenne, wird er bald mit seiner Schocktherapie beginnen. Unser schöner Planet wird dann einem Irrenhaus gleichen!“ Er schluckte schwer. Er war von Beruf Ökologe, und nichts bedeutete ihm mehr als das Gleichgewicht der Kristallwelt. Teleport hin und her. Als Galaktischer Rat hatte er kaum nein sagen können und dürfen. Als Arkonide, der sich für seine Heimat verantwortlich fühlte, mußte er Schlimmes befürchten. Wieder wandte er sich an das Holofeld. „Ich möchte etwas über jene wissen, die sich nicht auffällig benehmen!“
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Wieder mußte er kurz warten, dann begann das Hologramm Bilder zu projizieren. Verschiedene Gestalten tauchten auf. Es waren Angehörige verschiedener Völker, auch ein paar Terraner befanden sich darunter. „Eine Gruppe von zwölf Personen ist besonders unauffällig“, stellte der Zentralcomputer fest. „Sie verläßt ihr Hotel so gut wie nie. Es hat den Anschein, als gehöre diese Gruppe nicht zu denen, die wegen des Großversuchs nach Arkon I gekommen sind. Aber etwas verbindet die zwölf. Man müßte Spezialisten mit der Auswertung betrauen!“ „Sofort Maßnahmen einleiten!“ rief Barnon. „Tut mir leid“, erwiderte der Computer. „Es stehen keine Kräfte zur Verfügung!“ Der Galaktische Rat schimpfte und wandte sich an Murnym. „Man muß die Gruppe beobachten. Möglicherweise hat sie kriminelle Absichten!“ „Das ist wahrscheinlich, Barnon. Aber wir können nichts tun, solange sie nicht wirklich gegen die Gesetze unseres Planeten verstoßen. Und wir müssen die Charta der GAVÖK berücksichtigen, die das Zusammenleben der Milchstraßenvölker regelt und vom Galaktikum übernommen wurde.“ „Die Gruppe wird bereits beobachtet“, meldete der Computer. „Es handelt sich um einen Unither namens Tardus Zanc. Eine Überprüfung aller Datenbänke hat ergeben, daß Zanc Angehöriger des Medientenders KISCH ist!“ „Meysenhart, immer wieder Meysenhart. Womit habe ich das verdient?“ Barnon wurde noch roter im Gesicht. Er ließ plötzlich die Schultern sinken. „Komm, Murnym. Ich muß mit deinen Amtskollegen reden. Es muß eine Entscheidung gefällt werden!“ Er stapfte über die Terrasse und blieb an einem der Antigravabgänge stehen. „Was ist los? Hörst du schlecht?“ Murnym spreitzte die Finger und setzte sich langsam in Bewegung. Es war bekannt, daß Barnon ein cholerisches Temperament besaß. Schlimme Stunden kamen auf den Galaktischen Rat zu, denn die Entscheidung der Verantwortlichen stand unwiderruflich fest. Der Großversuch würde durchgeführt werden, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergaben. Das Makabre an der Sache war, daß die Entscheidung aufgrund einer Stellungnahme des Galaktischen Rates zum Thema Teleport zustande gekommen war. * „Wonnejunge, zisch endlich ab!“ Meysenhart wuchtete seinen Körper herum und starrte den Matten-Willy aus zusammengekniffenen Augen an. Das Wesen von der Hundertsonnenwelt formte seinen Körper zu einer Halbkugel und fuhr zwei Stielaugen aus. Sie saßen auf dünnen Tentakeln und schwankten unruhig hin und her. „Dabei fällt mir das unendlich schwer, Krohn!“ pfiff Wonnejunge. „Das Abzischen ist mit dem Abgeben von Körperluft verbunden, und daran fehlt es mir seit geraumer Zeit. Zudem erinnert mich der Vorgang stark an gewisse Gebräuche in bluesschen Raumschiffen. Und mit einem Blue willst du mich hoffentlich nicht vergleichen!“ „Blues sind die Spitzenreiter der Evolution!“ schrillte es aus einem Lautsprecher. „Wann begreift ihr das endlich?“ Meysenhart gab keine Antwort. Wie so oft drohte es zu einem Streitgespräch zwischen dem Diplom-Videologen und Informationsphilosophen Lüsysü von Gatas und dem MattenWilly zu kommen. Und da war auch noch Hyperkomrelais-Spezialist Ce-2222, der Posbi mit seinem Tick vom Toupet.
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Der rasende Reporter aktivierte den SERUN. Er hatte die Stunden und Tage nicht gezählt, die er nicht mehr aus dem Anzug herausgekommen war. Es war ihm egal. Es gab Wichtigeres unter der weißen Sonne Arkon, als die Wäsche zu wechseln und zu duschen. „Ich stehe an einer der Schleusen des Energiefelds“, hörte er die Stimme Rarps. „Siehst du mich, Krohn?“ Der SERUN interpretierte das undeutliche Gemurmel seines Trägers und schaltete die Teleoptik der Sichtscheibe ein. Die Innenseite des Helmes verwandelte sich in einen Bildschirm. Meysenhart erkannte einen Ausschnitt des Geländes und das Flimmern, das kaum sichtbar in der Luft lag und mit normalen Augen gar nicht wahrgenommen werden konnte. Die Energieschleusen waren als kleine Tore zu erkennen. Roboter durchquerten sie und transportierten eckige Lasten. Neben dem achten Tor ruhte ein Schatten, das mußte der Ara sein. Der rasende Reporter gab dem SERUN Anweisung, und dieser verringerte seine Geschwindigkeit und landete zwei Meter von dem Schatten entfernt. Rarp trat auf ihn zu. Wie meistens lächelte er sein berüchtigstes Christopher-Lee-Lächeln. In dem kleinen Gesicht unter dem hohen, kahlen Schädel hatte es etwas Faunisches an sich, und Krohn Meysenhart begann zu frieren, wenn er an die früheren Erlebnisse mit Rarp dachte. „Die Übertragung beginnt in sechs Minuten“, sagte er hastig. „Welche Informationen hast du bekommen? Und wo steckt Tardus Zanc?“ Rarp war der Informationssammler der Crew. Er raste ständig mit seinem Minispeicher in der Weltgeschichte herum und brachte alles mit, was er aufschnappte. „Stalker will eine Rede halten. Er will zu den Arkoniden sprechen. Es hat wohl mit der Heldenschule zu tun. Der Gesandte der Mächtigkeitsballung beantwortet Fragen jedoch ausweichend. Offiziell will er nur zu dem bevorstehenden Großversuch Stellung nehmen!“ „Stalker ist bereits auf der Kristallwelt eingetroffen!“ rief Meysenhart aus. „Das bringt uns in Zeitnot. He, Ding-Dong, hast du das gehört? Was sagt die Koordination dazu? Ist Wonnejunge auf dem Weg?“ „Ich höre grundsätzlich alles mit, Krohnus. Das solltest du langsam wissen“, klang die Stimme des Siganesen in seinem Helm auf. „Der Computer arbeitet auf Hochtouren. Achtung, soeben kommt das Ergebnis. Du hast nicht mehr als fünfzehn Minuten für deine Reportage Zeit. An die Arbeit. Wir können eine halbe Minute früher anfangen, soviel Spielraum haben wir durch die Abstimmung mit den Sendern der einzelnen Planetensysteme!“ „Und hier spricht Wonnejunge! Ich habe das etwas abseits liegende Tor durchquert. Es gibt keine Kontrollanlagen, die zwischen einem Roboter und einem Matten-Willy unterscheiden können, der wie ein Roboter aussieht. „Du mußt deinen Posten in zwei Minuten erreicht haben“, schärfte Meysenhart ihm ein. Er winkte Rarp und trat auf die Energieschleuse zu. Die Sensoren meldeten die Anwesenheit zweier Fremder, und ein automatisch gesteuerter Gleiter näherte sich und blieb hinter der Schleuse hängen. Er nannte die Namen der beiden Medienspezialisten. Der rasende Reporter bestätigte sie. Sie wurden eingelassen und nahmen in dem engen Gefährt Platz, daß mit beängstigender Geschwindigkeit davonschoß. „Zanc hat seinen Auftrag teilweise ausgeführt“, griff der Ara den unterbrochenen Gesprächsfaden wieder auf. „Er bleibt am Ball. Wieso eigentlich am Ball? Es reicht doch, wenn er Hakker Schurigel nicht aus den Augen läßt.“ „Den falschen Schurigel“, korrigierte Meysenhart ihn. „Wir dürfen nicht vergessen, daß wir einem Betrüger auf der Spur sind. Was schätzest du, wie viele Gauner haben sich auf der Kristallwelt eingeschlichen, um privaten Nutzen aus dem Teleport und seinen Möglichkeiten zu ziehen?“
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„Bei Aralon unter der Sonne Kesnar, ich kann es nicht sagen. Aber die arkonidischen Medien sprechen von etlichen tausend Gaunern, die sich trotz der Sicherheitsmaßnahmen eingefunden haben. Der Medientender wird nicht gerade mit Sympathie erwähnt. Es heißt, daß mit seiner Hilfe zwölf Verbrecher nach Arkon I gelangt sind!“ „Und wenn schon! Wir haben alle im Griff!“ Das traf nicht mehr zu. Mit Ausnahme Hakker Schurigels hatten alle blinden Passagiere die KISCH verlassen und waren mit einem Gleiter zur Oberfläche gebracht worden. Da sie über keine Papiere verfügten, waren sie zunächst der Obhut der Behörden übergeben worden. Da aber Meysenhart und seine Crew eine so ergreifende Reportage gesendet hatten, hatten die Arkoniden ihren ungebetenen Gästen rasch Passierscheine ausgestellt und sie auf die Kristallwelt losgelassen. Angeblich unter Beobachtung, aber das war in der derzeitigen Situation ein hoffnungsloses Unterfangen. Auf der Wohnwelt der Arkoniden ging alles drunter und drüber. In den Hotels und Verwaltungsgebäuden herrschte ein heilloses Durcheinander. Der Gleiter bremste ab und senkte sich dem Boden entgegen. Bisher hatte Meysenhart kaum auf die Bodenstation geachtet. Wie eine Riesenqualle lag sie auf dem planetaren Südpol. Sie sah aus wie eine Hälfte des geostationären Satelliten, und über ihr ragte eine fünfzig Meter hohe Antenne auf. Die Oberfläche der Station war glatt und besaß nur einen einzigen Durchbruch in Bodenhöhe. Dort marschierten die Roboter hinein und heraus. Meysenhart aktivierte die Kamera, die er auf dem Rücken trug. Sie schob das Objekt über seinen Helm empor und begann mit der Speicherung von Aufnahmen. „Memoeinheit ist bereit“, verkündete der SERUN. „Dies ist eine Aufzeichnung kurz vor dem Beginn der Sendung“, flüsterte Meysenhart. Er beobachtete, wie aus dem Eingang drei Gestalten traten. Es handelte sich um einen Panish und zwei Arkoniden. Sie trugen die komischen Shants, also waren es Shada aus der Upanishad der Kristallwelt. „Es fällt auf, daß jetzt keine Roboter mehr in die Station hineingehen. Es kommen nur Maschinen heraus und verschwinden in verschiedenen Fahrzeugen. Es sieht aus, als seien die letzten Installationen durchgeführt worden. Damit sind die Vorbereitungen für den Großversuch endgültig abgeschlossen.“ Aus der KISCH kam das Sendesignal. Diesmal war die Stimme Ding-Dongs nicht zu hören, wie er die Sendung ankündigte und die Zuschauer auf vielen tausend Planeten scharfmachte. Und dabei war noch lange nicht gesagt, daß die Sendung so durchgeführt werden konnte, wie sie geplant war. Wonnejunge meldete sich nicht, und das war kein Wunder. Für ihn kam es darauf an, daß er jetzt seinen Standort nicht verriet. Die Memoeinheit signalisierte mit einem Licht, daß ihr Speicher abgerufen wurde. Krohn lauerte auf den günstigsten Zeitpunkt, während Rarp sich an seiner Seite nicht rührte. Er schien zu einer metallenen Säule erstarrt. Die Kamera begann zu arbeiten. Sie tat es lautlos, nur die Kontrollanzeige am unteren Rand des SERUN-Helmes wies drauf hin. Meysenhart klappte endlich den Helm zurück und wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn. In dem winzigen Lautsprecher, den er im rechten Ohr trug, plärrte plötzlich die Stimme des Siganesen ein Signal. „Sulvagaan Tuv Dona“, sagte der Reporter. „Deine Aufgabe ist es, die Fertigstellung der Bodenstation zu überwachen. Gibt es Schwierigkeiten?“ Der Panish bewegte seinen schnabelähnlichen Kiefer. Er deutete nach rechts auf einen der Shada. „Romplun soll für mich sprechen“, antwortete er langsam. „Da es die Arkoniden angeht, ist es nur recht, wenn ein Arkonide Auskunft gibt!“ Der Shad nickte fahrig und sprudelte dann los. „Schwierigkeiten gibt es keine. Die Installationen sind abgeschlossen. Unter der Aufsicht zweier arkonidischer
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Wissenschaftler wird soeben die Syntronik in Betrieb genommen. Ich kann das Funktionsprinzip wohl voraussetzen!“ Meysenhart bestätigte es. Mit Sicherheit gab es nur wenige Milchstraßenbewohner, die nicht wußten, was eine Syntronik oder ein Syntron war. Es handelte sich um einen Rechner mit hyperenergetischem Innern. Er bestand ausschließlich aus exakt strukturierten und miniaturisierten Hyperfeldern. Felder verschiedener Struktur übernahmen die herkömmlichen Funktionen der Prozessoren, der Datenkanäle, der internen und externen Speicher. Dieses System war in höchstem Maß dynamisch. Wurden mehr Prozessoren und dafür weniger Datenkanäle gebraucht, so ließen sich die betreffenden Felder ganz einfach umwandeln. Und die Abläufe im Innern dieses neuen Computers liefen dazu überlichtschnell ab, was zu ein paar Schwierigkeiten in der Reihenfolge von Ursache und Wirkung, von Befehlseingabe und Lösungsbekanntgabe führte. Aber dieses Problem war von den Wissenschaftlern längst bewältigt worden. „Die Station arbeitet vollautomatisch und wartet sich selbst“, fuhr der Shad fort. „Leider können wir euch keinen Schritt zur Station selber gewähren, das Risiko ist zu groß.“ „Unsere Zuschauer würden gern etwas über die Arbeitsweise der Bodenstation erfahren“, wich Meysenhart aus. Er lauschte intensiv auf ein Signal, das seine Hoffnungen bestätigte. „Ding-Dong“, machte sein Ohrlautsprecher fast unhörbar. Und noch einmal: „DingDong.“ „Das Sytron teilt die geschaffene planetare Psinetz-Sphäre in ein Koordinatensystem ein“, sagte der zweite Shad. „Es steht mit jedem an das Teleport-System angeschlossenen Gürtel in Verbindung. Da die Verbindung überlichtschnell arbeitet, sind Fehler ausgeschlossen. Das heißt, einmal entstandene Fehler können rechtzeitig korrigiert werden, bevor sie sich zum Nachteil der Benutzer auswirken. Ein zwischengeschaltetes Übergangsfeld verhindert, daß der Benutzer des Teleportgürtels sein Ziel erreicht, bevor er den Wunsch dazu überhaupt geäußert hat.“ „Was ist bei Störungen?“ hakte der rasende Reporter nach. „Wie störanfällig ist das Ganze?“ „Es gibt im Arkon-System keine Störmöglichkeit“, meldete sich jetzt der Panish zu Wort. „Und jetzt müssen wir euch bitten, das Gelände zu verlassen. Die Aktivierung darf nicht unkontrolliert erfolgen!“ Meysenhart bedankte sich und ließ die Kamera schwenken, so daß die Station in ihren Ausmaßen gut zur Geltung kam. Aus der Nähe und vom Boden aus betrachtet, wirkte sie wuchtig und gefährlich. Der rasende Reporter und sein Begleiter stiegen in das Fahrzeug, das sie zurück zur Energieschleuse brachte. Sie durchquerten sie, und im Rücken Meysenharts sagte eine schrille Stimme: „Keiner hat gemerkt, daß dein Kameratornister doppelt so groß ist wie zuvor. Mann, sind die Kerle dumm!“ „Wonnejunge!“ sagte der Reporter erleichtert. „Du hast es tatsächlich geschafft!“ „Es war nicht schwer. Die Übertragung aus dem Innern der Station lief, während die beiden Shada ihren Senf zum Besten gaben. Dein Interview wurde kurz unterbrochen und wird zur Zeit gesendet!“ „Die Technik macht's möglich“, seufzte Krohn. „Was steht als nächstes auf dem Programm?“ Die Antwort kam aus dem Medientender. Ding-Dong beendete die Übertragung mit den üblichen flotten Sprüchen. „Wir melden uns wieder zur gewohnten Mittagszeit. Schau dem Volk aufs Maul. Dann bist du ein guter Reporter. Der Teleport-Versuch ist vorbereitet. Aber wollen die Arkoniden ihn wirklich? Oder sind die glücklichen Bewohner der Kristallwelt von ihrer eigenen
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Regierung aufs Kreuz gelegt worden? Wenn ihr mehr wissen wollt, dann schaltet euch in zwei Stunden wieder zu. Bis dahin wünscht euch die Kisch-Mediencrew angenehme Träume.“ * Tardus Zanc rüsselte verdrossen vor sich hin. Er hatte sich in die Nische zwischen den beiden Duftspendern gekauert und glotzte den Trivideoschirm an, der ihm farbenprächtige Bilder von der Oberfläche der Kristallwelt lieferte. Es war ein kleiner Schirm, nicht zu vergleichen mit den großen, hallenfüllenden Geraten, die den Eindruck vermittelten, als befände man sich nicht im Innern eines Trichterbaus, sondern draußen in der unberührten Landschaft. Der Unither verwünschte sich. Warum hielt er nicht sein Maul? Ihm allein war es zu verdanken, daß sich etliche Millionen Zuschauer beschwert hatten. Dabei hatte er Meysenhart gar nicht öffentlich als Idiot beschimpfen wollen. Er hatte lediglich übersehen, daß er sich auf einem der Sendekanäle befand. So also waren seine Worte überall in der Milchstraße zu hören gewesen, und die Mediencrew hatte demokratisch abgestimmt und ihn dazu verurteilt, dem Hirngespinst des rasenden Reporters nachzuspüren und einen Terraner zu suchen, der eine Folie bei sich trug, die auf den Namen Hakker Schurigel lautete. Zanc schnaubte, während das Bild wechselte. Seine rechte Hand schob eine weitere Münze in den Automaten, und die Duftspender gaben ein Gemisch aus Harzgeruch und Blütenduft von sich, der die Schleimhäute seines Rüssels reizte. Mühsam schnappte er nach Luft. Es war zuviel für ihn. Die Strafe war zu hart, und er würde sie nicht so schnell vergessen. Seine Aufgabe war kein Problem. Längst hatte er den falschen Schurigel entlarvt und die wichtigsten Anhaltspunkte des geplanten Verbrechens ausfindig gemacht. Eigentlich war es an der Zeit, eine verschlüsselte Meldung an die KISCH durchzugeben. Etwas in Tardus Zanc weigerte sich standhaft, es zu tun. Viel lieber verbrachte er noch ein paar Stunden in dem Palast der Düfte und der herrlichen Realitäten. Es war keine Aufgabe für einen Trivideo-Techniker. Der Schirm vor ihm war nicht kaputt, es gab nichts zu reparieren. Also starrte und starrte er, und manchmal bewegte sein stämmiger Körper sich unbeholfen. Irgendwann am späten Vormittag ging ihm schließlich das Kleingeld aus, und er machte sich auf den Weg zu dem Hotel, in dem er abgestiegen war, weil in ihm auch Schurigel und seine Spießgesellen wohnten. Dann jedoch wurde er von den Infokugeln erreicht, die sich überall auf der Planetenoberfläche verteilten und die neuesten Nachrichten verkündeten. Eine der Kugeln verhielt sich besonders hartnäckig und begleitete Tardus Zanc, der sich einen Gleiter nahm und sich in eine der Hochbahnen einfädelte. Dem Unither platzte der Geduldsfaden, und er schrie das monoton plärrende Ding an. „Verschwinde, ich will meine Ruhe!“ „Die kannst du haben!“ Die Kugel wechselte das Programm. „Die kleine Sehnsucht wird auch dich bald erfassen. Du bist neugierig, ich weiß es. Die kleine Sehnsucht umfaßt ganz Arkon. Sie schließt alles ein, auch dich. Ich verspreche dir, irgendwann wird es genug Teleport-Gürtel geben, damit auch du dich dem Genuß dieses neuen Transportsystems hingeben kannst. Willst du nicht den Trichter der gelben Hügel aufsuchen? Dort ist die Tribüne fertiggestellt. Sämtliche Honoratioren sind eingetroffen. Aus allen Teilen der Milchstraße sind die geladenen Gäste gekommen. Ich nenne nur Sheela Rogard, Erste Terranerin und Galaktische Rätin Terras, ferner Homer G. Adams, Chef der Kosmischen
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Hanse. Es sind die bedeutendsten Patriarchen der Springer anwesend, auch Pratt Montmanor läßt sich das Schauspiel nicht entgehen. Experten und Wissenschaftler der meisten bekannten Völker haben sich versammelt. Nur du bist nicht dort. Wer bist du denn?“ Tardus Zanc begann zu reden. Er redete wie ein Wasserfall und log, daß sich die Balken gebogen hätten, wären welche in der Nähe gewesen. Er erzählte der Kugel von einer Odyssee quer durch die Milchstraße, und die Kugel kommentierte es mit einer monotonen Wiederholung ihres Angebots. „Wo ist dieser Trichter?“ erkundigte er sich barsch. „Dort, wo auch Krohn Meysenhart ist. Der Gleiter kennt die Koordinaten. Du brauchst nur deinen Wunsch zu nennen!“ Zanc brummte undeutlich sein neues Ziel, und der Gleiter schwenkte an der nächsten Magnetweiche nach Süden ab. Der Trivideo-Techniker drehte sich in seinem Sitz zurück, aber die Infokugel war verschwunden. Der Trichter der gelben Hügel war schon von weitem durch seinen fluoreszierenden Anstrich zu erkennen. Er leuchtete rot und gelb wie ein Warnlicht, und der Gleiter verließ das Hochbahnnetz und kam auf einer Plattform in halber Höhe des Trichterbaus zum Stillstand. Der Ausstieg öffnete sich, und Zanc kletterte hinaus. Flüchtig hatte er bereits die Menge gesehen, die sich zwischen den Hügeln versammelt hatte. Tardus fand einen Antigrav, der ihn hinabbrachte zur Oberfläche. Er sah ein Gleitband, das in Richtung zur Tribüne führte. Er bestieg es, und ein Hologramm machte ihn darauf aufmerksam, daß er darauf nichts zu suchen hatte. „Tardus Zanc, Medientender KISCH“, knurrte er. „Ich bin autorisiert!“ Die Band setzte sich in Bewegung und trug ihn zur Tribüne hinüber, wo sich die Ehrengäste bereits versammelt hatten. Zanc hielt nach einer bestimmten Person Ausschau, aber er konnte sie nirgends erkennen. Eine Lautsprecherstimme bestätigte seine Vermutung. Stalker war noch nicht erschienen. Dafür baute sich ein riesiges Hologramm am Himmel auf. Es war mindestens drei Kilometer lang und ebenso breit. Sein Durchmesser betrug mehrere hundert Meter. Es zeigte in Großformat die Menge, die sich am Fuß der Tribüne befand, aber sie war um neunzig Grad zur Oberfläche gekippt. Es sah aus, als würden jeden Augenblick Tausende von Riesen auf den Kristallplaneten herunterpurzeln. Zanc erkannte die leuchtenden Gesichter begeisterter Arkoniden, aber auch die verbissenen Mienen der Skeptiker. Und dann hörte er die Stimme. Er sah ihn nicht selbst in dem Holo, er befand sich außerhalb. Zanc senkte den Kopf und suchte. Er fand den kleinen, dunklen Punkt über der Menge. „Hier spricht Krohn Meysenhart mit einer Direktreportage von der Kundgebung. Ich befinde mich über der Menge, die sich aus einer Schlange zusammensetzt, die sich zum Trichter zieht, und aus einer, die vom Trichter kommt. Die Mitglieder der ersten Schlange warten noch auf ihren Gürtel, die der zweiten haben ihn bereits erhalten und verteilen sich nun zwischen den Hügeln, um die folgenden Ansprachen zu hören.“ Wieder einmal wurde ein Gürtel eingeblendet. Er hing in der Luft und erinnerte an ein extravagantes Luftschiff. Seine Einzelheiten waren überdeutlich zu erkennen. Der Gürtel war im Original zwanzig Zentimeter breit und mit einer scheibenförmigen, zwanzig Zentimeter durchmessenden Scheibe versehen. Rundum verlief eine fingerdicke Doppelhelix aus einem glasfaserähnlichen Material, das bei Gebrauch hell leuchten würde. Diese Doppelhelix stellte die Empfangsantenne für die Enerpsi-Kraft dar. In der Schnalle waren ein Mikrocomputer, ein Hypersender und ein Mikrofon eingebaut. Unzählige Male hatte die Crew des Medientenders die Funktionsweise des Geräts schon publiziert. Die planetaren Infozentralen der Kristallwelt hatten die Bevölkerung seit
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Wochen darauf vorbereitet. Jetzt wurde das alles wiederholt, um auch den letzten Gast des Planeten auf den aktuellsten Informationsstand zu bringen. „Aber es wird noch dauern“, dröhnte die Stimme des rasenden Reporters über den Hügeln. „Die Abschlußarbeiten sind im Gang, wir wissen von Goozren Ter Kaal, daß die Feinjustierung des psionischen Netzes noch einige Tage dauern wird. In dieser Zeit wird euch die unübertroffene Crew der KISCH ständig auf dem laufenden halten. Es gibt keinen Stein auf Arkon I, den wir nicht für euch umdrehen, vorausgesetzt, es gibt in diesem Park noch Steine. Wir werden keine Pflanze übersehen, die nur auf der Kristallwelt wächst. Und wir bereiten einen aktuellen Report über Kristalljäger und Kristallträger vor. Aber das ist eine andere Geschichte. Es wäre müßig, Parallelen zwischen ESTARTU und den Mächtigkeitsballungen etwa der Kaiserin von Therm zu ziehen. All das sind Dinge, die keine direkte Bedeutung für die Milchstraße haben. Der Teleport jedoch hat sie. Arkoniden, Terraner und wie ihr alle heißt, Galaktiker. Viele Fragen sind in den letzten Wochen gestellt worden. Warum gerade Arkon? Warum nicht Terra? Wir fragen Sheela Rogard. Unser Korrespondent und Entertainer befindet sich bei ihr. Ding-Dong, bitte melden!“ „Hier ist der unübersehbare Ravael Dong im Gespräch mit der Ersten Terranerin. Sheela, ich grüße dich. Willst du auf die Frage des unverbesserlichen Krohn Meysenhart antworten?“ „Gern. Es steckt gar nichts dahinter. Terra braucht nicht immer im Mittelpunkt zu stehen. Homer G. Adams“, sie lächelte verhalten bei der Nennung seines Namens, „hat dies erkannt. Warum also nicht Arkon!“ „Danke, Sheela, das war eine ehrliche Antwort!“ Ravael Dong blendete sich aus, und ein Pfeifsignal in seinem Ohr wies ihn darauf hin, daß man in der KISCH hoch droben im Orbit das Bild wieder gewechselt hatte. Es wurde so in die Galaxis übertragen, wie es auch in dem Holo zu erkennen war. „Teleport ist ungefährlich“, fuhr Krohn Meysenhart fort. „Alle sagen es. Und wir glauben es auch. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß die Supertechnik aus ESTARTU mit einem Fehler behaftet sein könnte. Dennoch wird es euch interessieren, Medienfreaks und Telegourmets, was der Mann und die Frau auf der Straße dazu sagen. Wir interviewen Arko Normalarkonide.“ Die Kamera veränderte den Bildausschnitt, und für die Zuschauer am Boden sah es aus, als würde etwas auf sie zurasen. Vereinzelt schrieen Arkoniden oder Fremdrassige auf, und es gab ein paar Fälle von Ohnmacht. „Du da“, sagte der rasende Reporter. „Du kennst meine Zunft. Wir suchen ununterbrochen nach der Wahrheit, mag sie auch noch so banal sein. Was denkst du über Teleport?“ „Ich trage den Gürtel bereits“, erklärte der Arkonide. „Ich kann es kaum erwarten. Ich habe mehrere Freundinnen, die über den Planeten verteilt wohnen. Ich werde die Koordinaten ihrer Schlafzimmer speichern!“ „Viel Spaß. Und du?“ „Ich mag Teleport nicht“, sagte eine junge Frau. „Dadurch geht den Bewohnern unseres Planeten das Gespür für die Umwelt verloren, wenn sie nur von einer Wohnung zur anderen teleportieren.“ Meysenhart flog dicht über der Menge. Er deutete mit der ausgestreckten Hand wahllos auf Leute, die ihm dann Antwort gaben. Einige verweigerten auch die Auskunft. „Es gibt schwerwiegende Bedenken gegen Teleport“, meldete sich ein Soziologe, der in der Regierung des Kristallplaneten arbeitete. „Leider sind sie bisher zu wenig berücksichtigt worden. Teleport macht es den Benutzern zu einfach. Es gibt für sie keine
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Hindernisse und keine Schranken mehr. Dinge, die schwer erreichbar waren, fallen ihnen nun in den Schoß. Teleport dient nicht nur dazu, Wünsche zu erfüllen, er macht die Benutzer abhängig und gewöhnt sie gleichzeitig daran, daß sie sich um nichts mehr zu bemühen brauchen. Die Gefahr, die darin liegt, ist wohl gerade den Arkoniden bewußt oder sollte es zumindest sein!“ „Du sprichst von der Degeneration“, erkannte Meysenhart. „Und dort droben hat jemand etwas von kriminellen Umtrieben gerufen. Es ist gut, daß ihr eure Bedenken auf diese Weise äußert. Es ist euer Recht. Milliarden und Billionen von intelligenten Lebewesen in der Galaxis hören euch zu. Eure Gedanken sind für sie wertvoll, denn eines Tages sind sie vor dieselbe Entscheidung gestellt. Denn über eines müssen wir uns alle im klaren sein. Videonauten, wenn der Großversuch ein Erfolg wird, dann wird sich die Hanse vor lauter Lizenzanträgen nicht mehr retten können.“ Und wieder einmal redete Krohn Meysenhart sich den Mund fusselig. Er kannte jedes einzelne Wort auswendig, das er bisher über die Funktionsweise des Teleports gesagt hatte. Der Benutzer eines solchen Geräts gaben per Mikrofon ihr Ziel ein. Der Mikrocomputer trat in Aktion. Er gab die Zielkoordinaten oder die Bezeichnung des Zielorts an die Bodenstation am Südpol durch. Dort ermittelte die Syntronik die Koordinaten und prüfte, ob der entsprechende Abschnitt des Psi-Netzes frei war. War dies der Fall, stellte er eine psionische Verbindung zwischen dem arkonstationären Satelliten und dem Gürtel des Benutzers her. Der Satellit versorgte den Gürtel mit ausreichender Psienergie, zog ihn samt Träger in das Netz und teleportierte ihn an den Zielort, wo er materialisierte. Rein optisch bot sich dem Benutzer dasselbe Bild wie bei einer Reise mit einem Enerpsi-Schiff. Allerdings nahm er die bunten Wogen des Weltraums nur als leichtes Flackern wahr, ein winziger Eindruck von Farben vielleicht, da er sich lediglich Sekundenbruchteile in dem Psi-Netz aufhielt. Wie das Netz beschaffen war und wo sich die Materialisationsstellen befanden, das hing davon ab, wie die Syntronik programmiert war. „Eines sollte unbedingt erwähnt werden“, verkündete Krohn Meysenhart. Er beschleunigte seine Worte, denn er hatte auf der Tribüne eine Bewegung ausgemacht. „Alle, die sich einbilden, mit Hilfe des Teleports ihren kriminellen Neigungen nachgehen zu können, sind schief gewickelt. Es sind nur jene Zielkoordinaten erreichbar, die im Syntron gespeichert sind. Es kann also kein Gauner einfach im Goldkeller der Nationalbank materialisieren und sich ein paar Barren mit nach Hause nehmen. Und das Eindringen in eine fremde Wohnung ist nur dann möglich, wenn dem Übeltäter die betreffenden Koordinaten mitsamt einem geheimen Kodewort bekannt sind. Von Seiten der Panisha und der arkonidischen Wissenschaft und Behörden wird alles getan, um einen Mißbrauch zu verhindern!“ Der rasende Reporter schwieg, und irgendwie wartete er auf Beifall. Dieser blieb aus. Die Menge auf und zwischen den gelben Hügeln richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Tribüne. Meysenhart wechselte augenblicklich die Position und raste hinüber zu den geladenen Gästen. Irgendwo glaubte er Tardus Zanc zu sehen, aber das war absurd. Zanc hatte einen fest umrissenen Auftrag. Den Grund für das Schweigen der Menge hatte der rasende Reporter sofort erkannt. Die Bewegungen des Ankömmlings waren auffällig genug. Stalker war erschienen und schickte sich an, zu den Arkoniden und zu allen Bewohnern der Milchstraße zu sprechen. Eingekeilt zwischen den Gästen verharrte unterdessen der Unither und zuckte zusammen, als er eine Berührung an der Schulter spürte. Er riß den Kopf zur Seite und fing Ravael Dong auf, der durch die Bewegung von seiner Schulter geworfen wurde. „Wie sieht es aus?“ schrie der Siganese. „Hast du Erfolg?“
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„Paß auf“, flüsterte Zanc, so leise er konnte. „Ich weiß, was die Kerle vorhaben. Aber es ist besser, wir melden es den Behörden, als daß wir sie auf eigene Faust verfolgen.“ Er nannte stichwortartig das, was er herausgefunden hatte. „Toll“, strahlte Ding-Dong. „Wir entscheiden später darüber. Weiter so, Tardus. Es nützt deiner Rehabilitation!“ Das klang so, als sei er ein Verbrecher. Ehe er etwas erwidern konnte, stellte er fest, daß Ravael Dong sich entfernt hatte. Zanc erkannte nur noch den winzigen Punkt in der Luft. 4. Sie hatten allen Grund, eine stolzgeschwellte Brust zur Schau zu tragen. Sie machten aus ihrem Status keinen Hehl, und sie hatten sich fest vorgenommen, nach ihrer Landung auf Arkon I die Werbetrommel für die Upanishad zu rühren. Das Schicksal schien sich gegen sie verschworen zu haben, und sie empfanden die Vorgänge als persönliche Zurücksetzung. Tifflor, Selegris und Sokrat fühlten sich gekränkt. Es hatte damit begonnen, daß der Transmitter, der sie von Luna aus abgestrahlt hatte, andere Zielkoordinaten erhielt, als sie sie eingegeben hatten. Sie waren über Ferrol und ein paar andere Zwischenstationen endlich in M 13 gelandet. Der fünfte Planet des ArkonSystems mit dem Namen Naat war ihre vorläufige Endstation gewesen. Sture Naats hatten sie in der Transmitterstation isoliert, bis ein Gleiter von der Upanishad-Schule gekommen war und sie abgeholt hatte. Die Maßnahme gehörte zu den vielen, die die Arkoniden in Erwartung des bevorstehenden Ansturms zu Recht getroffen hatten. Die drei Shana hatten kein Verständnis dafür. „Sie sind Gorims“, murmelte Tifflor düster. „Sie müssen erst noch lernen, wie sie einen Schüler der Heldenschule zu behandeln haben!“ Er wandte sich an den Computer des automatikgesteuerten Gleiters und ließ sich Informationen über die Schule auf Arkon I geben. Was er erfuhr, trug nicht gerade dazu bei, seine und die Laune seiner beiden Gefährten zu heben. „Wir werden etwas unternehmen, sobald wir unseren Fuß auf die Kristallwelt gesetzt haben“, fuhr Tifflor fort. „Beim Kristallprinzen, dessen Rolle seit langen Zeiten ausgespielt ist!“ Nia und Domo konnten nicht wissen, wer damit gemeint war. Domo vielleicht, weil er in der Tiefe mit Atlan zusammengewesen war. Keiner der beiden stellte eine Frage. Endlich tauchte die Oberfläche von Arkon I unter ihnen auf, und der Gleiter brachte sie unverzüglich zum Nordpol, wo die Schule der Helden lag. Der Trichter ragte mitten in einem seenbedeckten Park auf. Sie erkannten, daß die Seen teilweise aus Wasser bestanden, teilweise aus Stahlglas, das die Funktion von Sichtfenstern hatte, unter denen mit künstlichen Mitteln der alte Zustand des Polgebiets aufrechterhalten wurde. Sie entdeckten die harten Zacken von Eisbergen und glaubten, Tiere und Pflanzen auszumachen, die in dieser Umgebung existierten. Die Upanishad rückte immer stärker in ihr Blickfeld. Der 700 Meter hohe Doppeltrichter leuchtete in allen möglichen Farben. Er sah gesprenkelt aus, und von den üblichen Wohntrichtern der Arkoniden unterschied er sich dadurch, daß der kurze Fuß unter der Oberfläche lag. Wie Sensorhaare waren an dem äußeren Trichter Zehntausende oder Hunderttausende von Stahlsträngen angebracht, die nach unten hingen und etwa vier Meter über dem Boden endeten.
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„Luktovex“, stellte Domo Sokrat fest. Vor Begeisterung über ihre Ankunft vergaß er, seine Stimme zu zügeln. Tiff und Nia klammerten sich entsetzt an ihre Sessel und stöhnten. „Entschuldigt, meine Kleinen“, dröhnte der Haluter etwas leiser. „Ich habe den Namen auf Neuschwanstein aufgeschnappt, in unserer Schule auf Terra. Luktovex ist ein Baustoff ähnlich dem Terkonitplast, der die Eigenschaft besitzt, daß er je nach Temperaturunterschied eine andere Farbe annimmt. Die Schule besitzt Millionen unterschiedlicher Temperaturzonen, deshalb erweckt das Luktovex den Eindruck, als habe ein begnadeter Künstler seinen Eingebungen freien Lauf gelassen. Der Anblick weckt Freude in mir!“ Julian Tifflor und Nia Selegris hatten dem nichts hinzuzufügen. Sie bewegten sich unruhig und konnten kaum den Zeitpunkt erwarten, an dem sie ihren Fuß in die Heldenschule setzten. Der Gleiter kreiste einmal über dem Doppeltrichter, dann landete er in dem Innenhof zwischen dem äußeren und dem inneren Trichter. Die Tür öffnete sich, und die drei Shana stürmten hinaus. Ein einzelner Panish erwartete sie. Er hielt es nicht einmal für nötig, sich vorzustellen. Die Shana fragten ihn nicht, es wäre unhöflich gewesen, den Lehrer mit solchen Dingen zu belästigen. „Ihr kommt spät“, empfing der Panish sie. „Folgt mir. Ich weise euch eure Unterkünfte zu. Danach werde ich euch auf direktem Weg zu Morotak Jel Droon führen!“ Sie betraten den äußeren Trichter und erhielten drei Appartements in der siebenunddreißigsten Etage. Warum es gerade diese sein mußte, erfuhren die drei Shana, als der Panish sie weiterführte. Er erklärte ihnen, daß es sich um die einzige Etage mit einem Transmitteranschluß handelte. Er aktivierte das Gerät, und eine halbe Sekunde später traten sie im Innentrichter aus dem Empfangsgerät. Ein kleiner und ein großer Panish warteten auf sie. Die drei Shana blieben ehrfurchtsvoll stehen. Das kleinere der beiden Wesen war ohne Zweifel Morotak Jel Droon, der Leiter der Schule. Seine größere Ausgabe jedoch - nun, das spürten die Shana auch blind - war der Abgesandte ESTARTUS persönlich. Sie standen vor Stalker. „Es ist uns eine große Ehre“, begann Julian Tifflor. Wieder wurde ihm überdeutlich die Einheit zwischen seinem Körper und dem Shant bewußt. Er dachte an die Shan-Weihe und daran, daß er kein Gorim war, sondern ein Schüler der größten Lehre des Kosmos, die es gab. Sein Shant verstärkte das Zutrauen, das er Stalker gegenüber empfand. Und er verstand, daß es seinen beiden Gefährten ebenso erging. „Du hast Sothalk gesprochen“, stellte Stalker fest. „Das ist Ausdruck der Ehrerbietung genug. Ich heiße euch willkommen auf Arkon I in einer Heldenschule, in der es öd und leer ist, in der jeder Shad sich einsam und unglücklich fühlt und sich wundert, warum sein Shant dieses Gefühl verstärkt.“ Stalkers Gestalt sank bei diesen Worten in sich zusammen. Er hob die schmalen Schultern an und senkte den Kopf. Sein Gesicht zerfiel zu einer Grimasse des Schmerzes, und es zeigte Hohlwangigkeit und Schwäche. Am liebsten wären die drei Shana zu ihm gestürzt, um ihn zu stützen. Da aber richtete er sich bereits wieder auf und reckte das Kinn vor. Seine Augen blitzten die drei an. „Es ist ein Trauerspiel, wie manche Völker mir meine Offenheit danken“, fuhr er fort. „Wißt ihr, wie es in der Eastside aussieht?“ Sie wußten es nicht. In den vergangenen Wochen hatte ihr Denken und Tun einzig dem Abschluß der ersten drei Schritte gegolten. Sie hatten sich nicht besonders um die Dinge
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gekümmert, die draußen in der Welt vor sich gingen. Auch jetzt verspürten sie keine Lust dazu, denn sie hatten eine neue Aufgabe, ein neues Lebensziel, das höher stand als alles andere. „Die Blues lehnen die Lehre der Upanishad ab. Sie haben die Schule auf Gatas geschlossen. Und sie haben vor, die von mir beantragte offizielle Anerkennung der Lehre durch das Galaktikum zu verhindern. Ähnlicher Meinung sind die Posbis. Sie glauben, daß die Upanishad bei ihnen zu einem Massensterben des Bioplasma führt, wenn die metallenen Hüllen gegeneinander kämpfen.“ „Das ist ein schrecklicher Irrtum“, erklärte Nia Selegris. „So etwas darf nicht geschehen. Wir müssen alles tun, um diese bedauernswerten Völker von ihrem Irrglauben abzubringen. Sage uns, was wir tun sollen, Stalker. Wir werden uns sofort an die Arbeit machen. Du bist der Sotho, du hast uns gerufen!“ Gestalt und Mimik Sotho Tal Kers zerflossen zu einem Ausdruck der Güte und Dankbarkeit. Das Gesicht wirkte breit und strahlte Wärme aus. Aber der Gesichtsausdruck war überzeichnet, Stalker nahm das Grinsen eines Clowns an, der den größten Fehler machte, den ein Clown je machen konnte, indem er den Zuschauer erkennen ließ, daß er eine Maske trug. Stalker bemerkte seinen Fehler jedoch und machte ihn rückgängig. Auf die drei Shana hatte sein Verhalten aber offensichtlich keinen negativen Eindruck gemacht. „Auch hier auf Arkon I ist die Schule eine einzige Enttäuschung. Rund vierzigtausend Shada hätten in dem äußeren Trichter Platz, aber die Arkoniden zeigen dem prächtigsten Trichterbau ihrer Wohnwelt die kalte Schulter. Ein paar Dutzend sind es, die sich als Schüler gemeldet haben. Euer Angebot in Ehren, Shana, ich habe es nicht anders erwartet. Aber wir müssen das Übel bei der Wurzel packen. Die Upanishad benötigt etwas, womit sie in der Öffentlichkeit aller Völker Aufsehen erregt. Der Hauch des Kriegerischen, der sie umgibt, muß beseitigt werden!“ Über der linken Schulter des Sotho tauchte ein kleiner Kopf auf. Er besaß v-förmige Augenbrauenwülste, schrägstehende Augen und einen v-förmigen Mund unter der schnabelförmigen Schnauze, von der ein knochiger Zackenkamm bis in den Nacken lief und dort ins Rückgrat überging. „Das ist barer Unfug“, verkündete die keifende Stimme von Skorsh, dem Animateur. „Je entschiedener die Upanishad auftritt, desto wirksamer wird sie auf Dauer sein. Stalker, du bist ein Weichling geworden. Dir fehlt das nötige Hirn. Hast du vergessen, daß du der Abgesandte ESTARTUS bist? Ich warte nur noch darauf, daß du die Frage stellst, wer oder was ESTARTU überhaupt ist!“ Skorsh turnte am Rücken Stalkers zum Boden hinab. Den langen Schwanz hatte er sich unter die linke Achsel geklemmt. Er hielt sich am Unterschenkel des Sothos fest und setzte erneut zu einer Beschimpfung an. „Schweig still!“ herrschte Stalker ihn an. „Es geht um mehr als um meine Herkunft. Jel Droon, berichte!“ Der Leiter der Upanishad faßte zusammen, was sich in Fornax ereignet hatte, und extrapolierte den Konflikt. Er schilderte jede Einzelheit bis zum neuesten Stand. Er endete mit dem Verschwinden der MASURA. Der Name, der am meisten in seinem Bericht vorkam, war der von Homer G. Adams. „Wir von der Upanishad haben Grund, uns über das Vorgehen unseres Handelspartners zu beklagen“, rief Stalker aus. Er war zornig, und sein Unterkiefer hatte sich bedrohlich nach vorn geschoben. Skorsh ließ ein meckerndes Lachen hören, schwieg ansonsten aber. „Adams ist Terraner, und er ist ein guter Freund von mir“, sagte Tifflor. „Ich könnte mit ihm reden!“
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„Wenn er mit sich reden läßt“, fiel Nia Selegris ein. „Adams ist in letzter Zeit von den Medien als Starrkopf bezeichnet worden. Er hat keinen guten Ruf!“ „Dann ist es höchste Zeit, daß etwas für seinen Ruf getan wird!“ Domo Sokrat klatschte in die Hände, daß die Wände dröhnten. Stalker war durch den Lärm nicht zu beeindrucken. „Es geht um den Ruf der Upanishad“, schärfte er den drei Shana ein. „Adams will den Kartanin keinen Paratau überlassen, und die Kartanin wollen ihm keinen abgeben. Es droht ein intergalaktischer Krieg, und ich gerate in ein schiefes Licht, da ich in der Öffentlichkeit als Verbündeter Adams' gelte. Und nichts könnte der Upanishad mehr schaden als das. Deshalb muß Adams im Interesse des Friedens und mit Rücksicht auf die Upanishad zu Verhandlungen mit den Kartanin gezwungen werden.“ Für kurze Zeit herrschte Schweigen in dem Raum. „Wir sind völlig deiner Meinung, Sotho Tal Ker“, stimmte Tifflor zu. „Jemand muß Adams zum Einlenken bewegen. Aber wie sollen wir vorgehen? Welche Anhaltspunkte haben wir noch, um unsere Hamosh bestehen zu können? Die MASURA, das in Fornax operierende Schiff der Kartanin, ist spurlos verschwunden. Es ist zweifelhaft, ob es noch existiert!“ „Die Antwort auf diese Frage hält der Kommunikationsraum dort drüben bereit“, sagte Stalker geheimnisvoll und setzte sich in Richtung der Tür in Bewegung. Der Panish und die Shana folgten ihm. Skorsh klammerte sich noch immer am Bein des Sotho fest. Die Upanishad-Schüler drängten durch die sich öffnende Tür und blieben mit einem Ausruf des Erstaunens stehen. Sie standen einer Fremden gegenüber, die eine blütenweiße, hochgeschlossene Uniform mit einem schwarzen Abzeichen in Form eines stilisierten Spiralnebels trug. Die Fremde war humanoid mit katzenhaften Gesichtszügen und einem von der Stirn bis in den Nacken reichenden schmalen, silbernen Fellstreifen. „Dao-Lin-H'ay, Chefin der Esper und Protektorin der MASURA“, stellte Stalker die Fremde vor. „Wie ihr seht, ist es mir gelungen, Kontakt zu den Kartanin zu finden. Sie und ihre vier Begleiter haben in der Upanishad-Schule Zuflucht gefunden. Ich gewähre ihnen Unterschlupf, und mein Plan baut auf ihre Unterstützung auf.“ „Wie soll dein Plan aussehen, Sotho?“ wollte Sokrat wissen. „Es ist ein einfacher Plan. Bei der Eröffnungsfeier des Großversuchs sollen die Kartanin blitzartig per Teleport auftauchen, Adams entführen und mit ihm in das Versteck der Heldenschule zurückkehren. Adams wird nicht erfahren, wo er sich befindet. Dann sollen die Kartanin die Hanse zu Verhandlungen über den Paratau auffordern oder direkt mit Adams verhandeln. Hat sich die Hanse öffentlich zu Verhandlungen bekannt, werdet ihr eure Hamosh durchmachen. Ihr werdet die Entführer an einem unauffälligen Ort aufspüren und Adams befreien. Ich werde den Kartanin die Flucht von Arkon ermöglichen. Dadurch gäbe es Verhandlungen, und der Ruf der Upanishad wäre aufgebessert Und ihr hättet eure Bewährungsprobe bestanden. Denn daß das Unternehmen viele Gefahren und Risiken birgt, braucht nicht extra erwähnt zu werden.“ „Der Plan ist gut“, stellte Nia Selegris fest. Und Dao-Lin-H'ay fügte hinzu: „Wir Kartanin haben mit Stalker eine Absprache getroffen. Wir sind daran interessiert, daß der Konflikt alsbald beigelegt wird.“ „Dann laßt uns an die letzten Vorbereitungen gehen. Die Einweihungsfeier findet übermorgen statt“, schloß Stalker. Er eilte mit stelzenden Schritten zum Ausgang und verschwand. * Der Panish Morotak Jel Droon hatte die Kartanin in ihre Unterkunft begleitet und anschließend die drei Shana von Tschomolungma in den äußeren Trichter
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zurückgebracht. Der Außentrichter besaß einen Bodendurchmesser von 200 Metern und einen Höhendurchmesser von 550 und war 500 Meter hoch. Der Innentrichter hatte an der Basis 100 Meter Durchmesser und oben ebenfalls 550 Meter, war jedoch 700 Meter hoch. Damit stellte der Upanishad-Trichter einen einmaligen Sonderfall auf der Wohnwelt der Arkoniden dar. Der äußere Trichter beinhaltete die Wohn- und Freizeiträume für etwa vierzigtausend Shada. Der innere Trichter enthielt alle Einrichtungen, die für die Upanishad-Ausbildung wichtig waren. Die Reihenfolge der Etagen lief dabei wie in Tschomolungma von oben nach unten, d. h. die Arena für die Kampfspiele befand sich in der Nähe der Planetenoberfläche. Der kurze, unterirdisch liegende Stiel des Innentrichters enthielt jene verbotenen Sektoren, zu denen nur die Panisha Zugang hatten und in denen unter anderem die Shants gelagert wurden. Ob es in dem Zwischenraum zum Stiel des äußeren Trichters und in dessen Stiel Räume gab und welche Bedeutung diese besaßen, war nicht bekannt. Kein Panish äußerte sich dazu. Technisch entsprachen die Trichter dem neuesten Stand der Technik der Milchstraße und ESTARTUS. Sotho Tal Kerl schaltete die interne Beobachtungsanlage aus. Er fuhr herum, und Skorsh gab ein empörtes Geschrei von sich. Er wurde von der Schulter des Sothos herabgeschleudert. Er konnte sich gerade noch mit seinem Schwanz an einem der kurzen Oberschenkel des Gesandten anklammern. „Das wirst du mir büßen“, keifte er. „Willst du mich umbringen? Willst du einen lästigen Zeugen für dein verweichlichtes Spiel beseitigen? Was willst du eigentlich?“ „Das weißt du genau, Animateur!“ „Nur zu genau, Stalker. Eines Tages werde ich zu deinem Untergang, weil ich zuviel weiß. Willst du wirklich Frieden?“ „Dein Geschwätz geht mir auf die Nerven, hörst du?“ „O nein! Du mußt mich anhören. Du scherst dich einen Dreck um Verhandlungen. Du willst den Konflikt gar nicht friedlich beilegen. Du willst einen Krieg mit Fornax provozieren, um den Paratau-Nachschub abzuwürgen. Und Adams, dieser dumme Kerl, glaubt, der Paratau bedeute dir etwas. Du hast es geschickt angestellt. Aber eines Tages wird man dir auf die Schliche kommen. Adams' Entführung soll das verhandlungsbereite Galaktikum gegen die Kartanin aufbringen. Was willst du mit den fünf Gestalten in der Upanishad machen?“ „Das überlasse ich den Panisha“, murmelte Stalker düster. „Es bleibt mir keine andere Wahl!“ „Feigling! Warum tust du es nicht selbst? Brauchst du zu allem deine Panisha? Ich sagte doch, daß du unfähig bist, Sotho Tal Ker. Du machst es nicht mehr lange!“ Skorsh ließ das Bein los und hüpfte über den Boden. Er beschrieb einen Kreis um Stalker und schnitt fürchterliche Grimassen. „Du läßt die Kartanin von deinen Panisha töten, gut. Du schiebst die Schuld der Hanse in die Schuhe und provozierst die MASURA zu einem Rachefeldzug. Du hilfst ihr, nach Fornax zurückzukehren. Die Kartanin werden die Hanse-Karawane unter Anson Argyris angreifen, was automatisch zu einem Krieg führen wird. Du bist ein Teufel, Stalker, aber du bist nicht teuflisch genug.“ „Na und? Was kümmert es dich?“ „Ha, Sotho, du ahnst, worauf ich hinaus will. Du mußt Erfolg haben. Und zwar bald. Deshalb greifst du nach den drei ersten Shana der Milchstraße wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm. Die Zeit läuft dir davon. Sie zerrinnt dir zwischen den Knorpeln.“ „Halt den Mund, Zwerg!“ Stalker bückte sich. Seine Arme schnellten nach vorn auf den Animateur zu, aber Skorsh war auf der Hut. Er brachte sich zum Ausgang in Sicherheit.
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„Die Wahrheit!“ schrie er. „Du hast sie noch nie vertragen. Die Wahrheit besteht darin, daß deine Zeit begrenzt ist. Der Erfolg muß sich bald einstellen!“ Stalker zeigte sein Gebiß. Sein Körper versteifte sich. Im nächsten Augenblick entspannte er sich wieder. Ein Summton zeigte, daß jemand sich über die Kommunikationsanlagen mit ihm in Verbindung setzen wollte. Es war Julian Tifflor. Der Shan wirkte erregt. „Zweifel regen sich in mir, Sotho“, sagte er. „Ich traue den Kartanin nicht. Werden sie Adams, den mächtigsten Mann der Hanse, ohne weiteres freilassen? Oder spielen sie ein falsches Spiel?“ Sieh an, dachte Stalker. Ob es an seinem Zellaktivator liegt, daß er Zweifel bekommt? „Keine Sorge“, erwiderte er. „Dao-Lin-H'ay und ihre Artgenossen sind absolut vertrauenswürdig.“ 5. Hakker Schurigel zitterte vor Lampenfieber. Noch nie in seinem Leben war ihm so etwas passiert. Er konnte seine Hände nicht unter Kontrolle halten und ließ sie schließlich in den Hosentaschen seiner Kombination verschwinden. Seine Knie schlotterten und ließen bei einem Außenstehenden nur die Vermutung zu, daß er entweder Angst hatte oder ein schlechtes Gewissen. Und beim Anblick der vielen uniformierten Arkoniden bekam der Terraner tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Er durfte sich nicht auffällig bewegen und mußte jede Kontrolle vermeiden. Er besaß schließlich keine Aufenthaltsbewilligung. Es wäre besser gewesen, Krohn Meysenhart hätte ihm einen Begleiter mitgegeben, etwa den Blue oder wenigstens den Posbi. Aber der rasende Reporter war der Ansicht, daß die Überraschung nur dann glücken konnte, wenn sich niemand von der Mediencrew in Schurigels Begleitung befand. Der Terraner sehnte sich nach Hause. Wäre er nur gleich nach Hongkong zurückgekehrt. Hätte er nicht auf den sensationshungrigen Reporter gehört. Was waren Hamlet und Romeo gegen die Rolle, die er jetzt spielen sollte! „Ein Königreich für einen einsamen Asteroiden“, flüsterte er. Er streckte seinen Körper und stellte sich auf die Zehenspitzen. Dort drüben, rund hundert Meter entfernt, befand sich der Eingang der Energiekuppel. Dorthin mußte er, und er durfte den Zeitpunkt nicht verpassen, an dem der Matten-Willy die Kontrollmechanismen durcheinander brachte und ihm damit den Eintritt ermöglichte. Hakker strich sich nervös durch die rotblonden Haare. Er warf einen Blick auf sein Vielzweckarmband. Es zeigte den 30. 3. 430, 13h 21 planetarer Ortszeit. Dies entsprach der Terra-Normzeit von 23h 17, bezogen auf den vorletzten Märztag. Damit war seit zehn Tagen Frühjahr auf der Erde, zumindest rechnerisch. Bereits bei Hakkers Abflug war es warm gewesen, und die Wälder hatten sich mit Grün bedeckt und den morgendlichen Tau aufgesogen. Zum ersten Mal stellte der Terraner einen Vergleich zwischen Terra und Arkon an. Auf der Erde gab es auch Parks, aber ein Großteil der Natur wurde in dem Zustand belassen, den sie selbst angenommen hatte. Ganz anders Arkon I. Hier war in jedem Blumenbeet, in jeder Baumgruppe und in jeder Buschform die kultivierende Hand der Roboter und ihrer Erbauer spürbar. Die Arkoniden hatten aus ihrer Wohnwelt einen einzigen, harmonischen Park gemacht Sie lebten glücklich und zufrieden auf seiner Oberfläche, aber Hakker hätte es hier kein Vierteljahr ausgehalten. Die Künstlichkeit des Ganzen hätte ihn nicht zufriedengestellt. Erneut bereute er es, daß er den Flug zum Kristallplaneten gebucht hatte. Warum hatte er nicht gegen seine Sehnsucht gekämpft? Er war Star-Tours auf den Leim gegangen.
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Erst zu spät hatte er erkannt, was sich da abspielte. Und Hakker Schurigel bildete sich ein, daß das Ganze eine abgekartete Sache war. Daß das mit den blinden Passagieren gar nicht stimmte, und er lediglich dazu benutzt wurde, damit Star-Tours einen zusätzlichen Gewinn einstreichen konnte. Oder hatte es einen noch viel schlimmeren Hintergrund? „He, geh endlich weiter. Schläfst du?“ Jemand boxte ihn von hinten in die Nieren, und Hakker machte hastig einen Satz nach vorn. Er fuhr herum und schlug blindlings zu, traf dabei den Falschen. Sofort entwickelte sich eine Keilerei, aber irgendwie gelang es dem Terraner, nach unten wegzutauchen und rasch drei, vier Arkoniden zwischen sich und den Gegner zu bringen. Wütendes Geschrei erklang, aber die Aufregung legte sich, als ein Automatikgleiter dicht über der Menge auftauchte und zur Besonnenheit mahnte. Hakker kehrte zu seinem Verdacht zurück. Das Auftauchen der KISCH erschien ihm plötzlich nicht mehr zufällig. Am Ende steckte Meysenhart hinter allem oder dieser DingDong. Sie mußten ihn auf Terra gesehen haben. Ja, es war die einleuchtendste Erklärung. Sie mußten bereits vor etlichen Monaten den Entschluß gefaßt haben, ihn für dieses Spektakel zu gewinnen. Und er hatte sich einlullen lassen und zugesagt. „Verflucht sei der Tag, an dem ich Schauspieler wurde“, zischte er. „Ich hätte doch in die Fußstapfen meines Vaters treten sollen!“ Roller Schurigel war Beamter bei der städtischen Verwaltung in Hongkong gewesen. „Du und Schauspieler!“ Neben ihm lachte eine junge Frau. Er erkannte, daß es keine Arkonidin war. Eher eine Erdenfrau. „Du siehst aus wie ein zerstreuter Professor!“ „Ich bin Hakker“, sagte er. „Städtische Bühnen von Hongkong. Ich habe in der vergangenen Saison den Jedermann gespielt. Inzwischen ergeht es mir ebenso!“ „Ich bin Leila von Olympus Valley“, lächelte die junge Frau und deutete auf den schwarzen Gürtel, der ihre Hüften zierte. „Eine Marsgeborene“, staunte er. „Tatsächlich. Dein bronzener Haarschimmer verrät dich!“ „Leila mar Drukan“, sagte sie. „Unsere Sippe trägt den Namen a Hainu.“ „Wie schön. Wir könnten uns später zu einem Drink treffen!“ „Warum nicht. Wo?“ Hakker warf einen weiteren Blick auf sein Armband. Er hatte mit seinen Träumereien Zeit verloren. Er befand sich viel zu weit vom Eingang entfernt. „Ich rufe dich an. Wo wohnst du?“ „Im Pattenton-Hoteltrichter!“ Schurigel hatte keine Ahnung, wo das war. Aber er merkte sich den Namen. „Bis bald“, rief er, dann drängte er vorwärts und arbeitete mit Händen und Ellbogen. Mühsam gelang es ihm, ein paar Meter gutzumachen. Die Uhr zeigte bereits 13h 33, und spätestens 45 mußte er durch sein. Die eigentliche Eröffnung war auf 14h festgesetzt worden. In der Nähe des Eingangs wurde das Gedränge dichter. Es gab kein Durchkommen mehr. Hakker versuchte es mit mehreren Tricks. Anfangs fruchteten sie, dann aber hatte es sich herumgesprochen, und niemand machte ihm mehr Platz. Er schrie „Vorsicht, heiß und fettig“, und die Arkoniden lachten, als könnten sie sich über diesen terranischen Humor amüsieren. Sie blieben einfach stehen, und Schurigel gelang es nicht, aus der Traube auszubrechen, in die er eingekeilt war. Die Minuten verrannen, die Uhr zeigte 13h 40. Endlich bewegten sich die Arkoniden, und der Eingang tauchte in Sichtweite auf. Die Arkoniden bildeten vier Reihen, und
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Schurigel gelang es, in die links außen zu kommen, wie er es mit Wonnejunge verabredet hatte. Besser gesagt, Meysenhart hatte das in seiner Gegenwart verabredet. Exakt um 13h 45 erreichte Hakker Schurigel den Eingang. Die Arkoniden und Fremden zeigten ihre Folie vor. Sie legten sie mit der flachen Hand auf eine Sichtscheibe. Hakker tat dasselbe, nur daß er keine Folie in der Hand hielt Sein Körper war zum Zerreißen gespannt. Jetzt in diesen Sekundenbruchteilen, entschied sich alles. Nichts geschah. Es gab keinen Alarm. Der Terraner atmete auf. Der Mattenwilly hatte es also geschafft. Er hatte ihm den Durchgang ermöglicht. Hakker war nicht glücklich darüber. In seinem Innern stritten sich die Gefühle. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn arkonidische Ordnungskräfte ihn vor der Energiekuppel verhaftet hätten. Irgendwo in der Mitte der Kuppel mußte die Antigravbühne liegen. Dort war sein Ziel, und er hatte höchstens zehn Minuten, um es zu erreichen. Etwas zupfte an seinem Ärmel. Er blickte zur Seite, dann zum Boden hinab. Ein zierliches, höchstens dreißig Zentimeter großes Geschöpf stand neben ihm und drohte, von der Menge zertrampelt zu werden. „He, Swoon“, sagte Hakker überrascht. „Was hat dich nach Arkon verschlagen?“ „Die Neugier“, zirpte das Wesen. „Würdest du mich auf den Arm nehmen? Ich fürchte um mein Leben!“ Hakker bückte sich und hob das Wesen aus dem Swaft-System vorsichtig hoch. Es dünkte ihn schwerer, als er es erwartet hatte. Der Swoon verfügte über einen äußerst kompakten Körper. „Danke! Ein Schurigel kommt selten allein“, sagte der Swoon und verwandelte den oberen Teil seines Körpers zu einem dunkelgelben Oval, aus dem vier Augen glotzten. „Wonnejunge!“ Hakker stieß pfeifend die Luft aus. „Du hast mich ganz schön erschreckt!“ „Krohn ist ungeduldig. Komm. Ich habe den Auftrag, dich so schnell wie möglich zur Plattform zu bringen.“ Der Matten-Willy deformierte seinen Körper weiter und glitt aus Schurigels Umarmung. Er wurde zu einem häßlichen Gerippe von zweieinhalb Meter Größe, vor dem die Arkoniden entsetzt zurückwichen. Wonnejunge bahnte dem Terraner einen Weg durch die Menge. * Die Aufnahmen, die Ce-2222 von seiner schwebenden Plattform aus machte, vermittelten ein beeindruckendes Panorama. Alto Fulmen bestand aus einem Ring von zwanzig Trichtergebäuden, und auf der freien Fläche zwischen ihnen erhob sich die Energiekuppel. Sie war unter Anleitung der Panisha errichtet worden, und Stalker hatte in seiner Rede verkündet, daß der Energieschirm eine Teleport-Modulation besaß, die es möglich machte, daß die Träger der Gürtel in ihn hinein- und aus ihm hinausteleportieren konnten. Krohn Meysenhart leuchtete der Sinn dieser Maßnahme nicht ganz ein. Dann hätte man den Schirm gleich weglassen können. Dennoch war es irgendwie praktisch, denn auf diese Weise konnte demonstriert werden, daß Schirme nur dann für den Teleport durchlässig waren, wenn man dies beabsichtigte. Viel war in den vergangenen Wochen über die Sicherheit des Systems geredet und geschrieben worden. Stalkers vielbeachtete Rede hatte Arkon vor Spannung knistern lassen. Die Media-Shows aus der KISCH hatten die Sensation noch weiter aufgeputscht,
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und inzwischen stand fest, daß es kein intelligentes Wesen in der Milchstraße gab, das nicht von den Vorgängen auf der Kristallwelt erfahren hatte. Hochrechnungen und Auswertungen von Energiepegeln hatten ergeben, daß rund achtzig Prozent der Milchstraßenbewohner die Direktübertragung von der Eröffnung am Holoschirm mitverfolgen würden. Der rasende Reporter hatte sich dementsprechend herausgeputzt. Krohn trug ein buntes Federkleid, das die Faßform seines Körpers ein wenig verhüllte. Das silberweiße Lockenhaar verlieh ihm Ähnlichkeit mit einem Arkoniden. Sein exzentrisches Gebaren und seine schreiend bunte Kleidung erinnerten an jene degenerierten Wesen, die Perry Rhodan seinerzeit als Schiffbrüchige auf dem Erdmond angetroffen hatte. „Gut so, Posbi“, hauchte Krohn in sein Kehlkopfmikrofon. Für die bevorstehende Übertragung hatte er sich mit allem ausgerüstet, was die Technik der modernen Gesellschaft zu bieten hatte. In sein Federkleid waren leistungsfähige Minibatterien eingebaut, die für drei bis vier Minuten die Übertragung auch dann gewährleisteten, wenn alle anderen Energiezellen ausfielen. „Ich erhalte soeben von Rarp die Anweisung, auf Kamera 22 umzublenden“, sagte der Posbi über Krohns Ohrlautsprecher. Kamera 22 stand am vorderen Rand der schwebenden Plattform und hatte die Aufgabe, die Großaufnahmen von jenem Bildschirm zu liefern, über den der Einschaltvorgang aus der Station am Südpol übertragen wurde. Es war der Mediencrew von der KISCH nicht gelungen, eine direkte Aufnahmeerlaubnis von dort zu erhalten, und der Trick mit Wonnejunge funktionierte kein zweites Mal. Die Panisha wollten sich nicht in ihre Karten sehen lassen. „O. k., Blechhaufen. Ich begebe mich zur linken Seite der Plattform!“ „Sei vorsichtig!“ warnte der Posbi. „Es geht etwas vor. Ich weiß, daß einiges verschwinden wird während des Teleports. Achte auf die Kameras!“ „Das ist nicht meine Aufgabe“, knurrte Meysenhart. „Wozu haben wir den Blue!“ Er aktivierte den ebenfalls in sein Federkleid integrierten Antigravgürtel und schwebte aufrecht zu seinem neuen Standort hinüber. Hinter ihm, in der Mitte der Plattform, versammelten sich die Würdenträger, Politiker und sonstige Verantwortungsträger. Meysenhart rief auf akustischem Weg seinen Chrono ab. 13h 58. Sein Blick wanderte in die Menge, die um die Plattform wogte. Er suchte den MattenWilly und den Schauspieler. Er konnte sie nicht erkennen und hoffte, daß sie noch rechtzeitig am Koordinatenpunkt 7 eintrafen. Dingdong machte es in seinem Ohr, und er verfluchte den Siganesen wegen dieses Rufzeichens. Ravael Dong entwickelte sich zum überall gegenwärtigen Aufpasser, und seine Starallüren gipfelten darin, daß er die Ankündigungssignale für die Livesendungen seinem Spitznamen angeglichen hatte. Dingdong machte es wieder, aber diesmal kam der Zweiklang aus den unsichtbaren Akustikfeldern hoch über der Plattform und vom Rand der Energiekuppel. Dingdong, dingdong, hallte es von überall her, und Krohn Meysenhart stieß einen Fluch aus. 13h 59min 59sec. Die Digitalanzeige wechselte auf 14 Uhr. Eine Fanfare erklang. Sie füllte die Kuppel aus. Sie nahm ihren Ursprung in einem winzigen Akustikprojektor, der hoch oben unter dem Energieschirm hing. Der Trick bestand darin, daß er die Kuppel als Resonanzboden benutzte und ihre elektrische Schwingung zur Verstärkung benutzte. Krohn wußte, daß jetzt die Übertragung mit den Bildern begann, die der Posbi zuvor mit der Außenkamera gemacht hatte. Unter der Energiekuppel entstand ein Hologramm, über das ein Lichtband raste.
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KISCH-MEDIENCREW - KISCH-MEDIENCREW - GROSSVERSUCH AUF ARKON I TELEPORTSTART - GUTEN TAG, MEINE SEHR VEREHRTEN DAMEN UND HERREN DER MILCHSTRASSE - 13 UHR AM 30. 3. 430 - BEGINN EINES NEUEN ZEITALTERS DER TECHNOÄSTHETIK - HIER IST DER MEDIENTENDER - WIE IMMER LIVE VOM BRENNPUNKT DER GALAXIS! Die Fanfare verklang. Die Kulisse in der Sendezentrale der KISCH tauchte auf. Der Hintergrund stellte den Kugelhaufen M 13 dar, und mitten aus seinem Zentrum raste ein heller, feuerspeiender Schatten heraus und wurde zu einer riesengroßen Sonne, die sich in einen brennenden Schemen verwandelte. Im nächsten Augenblick erlosch das Feuer, und inmitten eines Gewitters aus roten und grünen Laserstrahlen hing der NewsEntertainer in Großaufnahme. „Videonauten und Gebührenzahler“, klang seine Stimme auf. „Lange angekündigt, wird es nun endlich wahr. Der erste Teleport-Großversuch startet. Abgesehen von der historischen und epochalen Entwicklung, die dieser Versuch auslösen wird, diese Livesendung aus dem Arkon-System kostet euch keinen müden Galax mehr. Durch großzügige Verträge mit verschiedenen interstellaren Werbeorganisationen ist es der unübertrefflichen Medien-Crew gelungen, vollkommen kostenfrei arbeiten zu können. Ihr werdet denken, daß dies eine gute Ausgangsbasis ist, und ihr habt recht. Ohne den finanziellen Druck läßt es sich unbefangener und ungezwungener berichten, und genau das haben wir in den letzten zwölf Tagen getan. Wir blenden nun um zum Alto Fulmen, wo unter der Energiekuppel die Plattform schwebt. Wir rufen Krohn Meysenhart, den rasenden Reporter, dem kein Weg zu weit, kein Planet zu fern ist. Krohn, bitte melden!“ Mit dem letzten Wort aktivierten sich die Kameras neun bis dreizehn. Sie fingen die Plattform aus mehreren Perspektiven ein. Sie zeigten die versammelten Gäste und Verantwortlichen und wechselten dann abrupt auf den rasenden Reporter. Schreiende Farben rasten in die Wohnstuben der Milchstraßenbewohner, und Meysenhart lächelte, weil er sich bildlich vorstellte, wie er in seinem Federkleid wirkte. „Die Zeit ist gekommen“, sagte er schwer und würdevoll. „Alle sind sie da, um das große Ereignis mitzuerleben. Was geht in ihnen vor? Woran denken sie in diesen Minuten?“ Er hatte seinen Standort verlassen und schwebte aufrecht hinüber zu der Gruppe, auf die er es abgesehen hatte. Aus den Augenwinkeln heraus stellte er fest, daß Hakker Schurigel sich inzwischen an Koordinatenpunkt 7 aufhielt. Er nickte zufrieden. Alles lief nach Plan. „Galaktiker!“ rief Meysenhart. „Wir haben ein paar Galaktische Räte bei uns. Wir wollen sie fragen!“ Er machte vor dem Topsider halt. Zrec-Kkerrs Kopf war mit Goldstaub bedeckt. Sein Echsenschädel zeigte keinerlei Regung. Als Galaktischer Rat seines Volkes war er vom Galaktikum mit der Mission beauftragt worden, mit den Nocturnen-Stöcken von Fornax diplomatische Beziehungen aufzunehmen und die Aktivitäten der Kosmischen Hanse in der Kleingalaxie zu beobachten. „Wir erbitten deine Meinung, Zrec-Kkerr!“ rief Meysenhart. „Kurz und prägnant!“ „Wie es meinem Ich entspricht“, bestätigte der Topsider. „Teleport ist ein echter Fortschritt. Wenn auch der Handel Gefahren in sich birgt, den die Hanse mit Stalker geschlossen hat.“ „Warum?“ Meysenhart erkannte die Brisanz des Themas bereits im Ansatz. „Weil Adams Stalker mit Paratau bezahlt. Der Paratau wird aber von den Kartanin allein beansprucht.“ Adams wandte sich an Sheela Rogard. „Dieselbe Frage, Lady!“
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„Adams hat die Hanse der Aufsicht des Galaktikums unterstellt“, sagte die Galaktische Rätin. „Folglich ist es zu einem Problem des Galaktikums geworden. Es bleibt zu überlegen, ob man den Kartanin nicht das Teleport-System zum Tausch gegen Paratau in Aussicht stellt.“ „Das sind politische Überlegungen“, warf Meysenhart ein. „Wie sieht die wirtschaftliche Seite aus, Homer?“ Adams lächelte verbindlich. Er deutete auf Stalker, der neben ihm stand. „In wirtschaftlicher Hinsicht hat sich der Gesandte ESTARTUS bisher als zuverlässiger Partner erwiesen, Krohn. Jedermann weiß das. Das Teleport-System ist eine revolutionierende Technik. Sie bringt der Milchstraße hohe Beweglichkeit und Wohlstand.“ „Einleuchtend, äußerst einleuchtend!“ Meysenhart richtete sich ein wenig auf. Sein Federkleid raschelte. „Und wie steht es mit den Völkern, die auf Teleport verzichten wollen?“ „Es ist Sache des Galaktikums, den notwendigen Ausgleich zwischen den Völkern zu schaffen!“ Krohn Meysenhart wandte sich triumphierend von Adams ab und starrte in die Kamera, die sich hinter ihm befand. „Es gibt keinen Zweifel mehr an der Integrität der Beteiligten. Videonauten und Idioten, ich meine Teleonauten und Vidioten, alle Beteiligten haben nur das Wohl der Galaxis im Sinn. Wie aber steht es mit Stalker, dem Gründer der Upanishad? Ist sein Verhältnis zur Kosmischen Hanse nach wie vor ungetrübt? Und wie hält er es mit dem Paratau?“ Stalker trat vor. Auf seiner rechten Schulter saß Skorsh und fauchte den rasenden Reporter an. Die Kamera fing diese Szene ein. Sie hatte etwas Unwirkliches an sich, und Meysenhart dachte bei sich, daß dieser Auftritt des Animateurs beabsichtigt war. Er erweckte den Eindruck, als handle es sich bei ihm um eine Art Haustier. Lag eine bewußte Täuschung der Öffentlichkeit vor? Krohn dachte, daß er dieser Frage irgendwann nachgehen mußte. „Adams ist ein Freund und ein fairer Geschäftspartner“, verkündete der Gesandte von ESTARTU. „Ich habe keinen Grund, mich über ihn zu beklagen. Der Paratau als Tauschobjekt für den Teleport ist ein geeignetes Mittel zum Ausgleich. Eines allerdings weiß ich, und ich gebe dieses Wissen gern weiter. Die Kartanin werden mit Teleport nicht viel anfangen können!“ „Was weißt du über die Kartanin, was wir nicht wissen?“ Meysenharts Stimme wurde laut und schrill. „Kennst du sie von früher?“ Stalker verneinte und trat an eine Konsole. Er setzte sich mit der Bodenstation in Verbindung. „Hier Sotho Tal Ker“, verkündete er laut, und seine Stimme war überall in den Empfängern der Milchstraßenbewohner zu hören. „Ich rufe den Hanse-Sprecher Timo Porante. Und ich bitte die Galaktischen Räte Barnon und Pry'it zu mir!“ Kamera 22 schaltete sich ein und zeigte den Hanse-Sprecher. Timo Porante war ein junger Mann. Im Zusammenhang mit den Vorfällen um den Warner war er vorübergehend von seinem Amt suspendiert, später jedoch wieder zugelassen worden. Porante galt als einer der engsten Mitarbeiter des Hanse-Chefs. „Danke, Stalker. Ich habe deinen Ruf vernommen“, sagte der Hanse-Sprecher. „Alle Systeme sind bereit. Bis zum jetzigen Zeitpunkt beteiligen sich bereits 114 Millionen Arkoniden an dem Großversuch. Sie sind mit Gürteln ausgerüstet worden. Alle haben ihren Gürteln bereits ein Sprungziel einprogrammiert und werden dorthin teleportiert, sobald das System eingeschaltet wird!“ „Zuschauer der Milchstraße“, kommentierte Meysenhart. „Das einzigartige Schauspiel beginnt. An ausgesuchten Koordinaten der Kristallwelt sind unsere Beobachtungskameras
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installiert und werden die Populationsverschiebungen beobachten. Nehmt teil an diesem Versuch, der bald Nachahmer finden wird! Barnon und Pry'it sind bei Stalker eingetroffen. Sie assistieren ihm. Barnon selbst wird das Kommando geben. Und Pry'it wird aufmerksam beobachten. Vielleicht gelingt es dem Galaktischen Rat der Blues, seine Artgenossen doch noch davon zu überzeugen, daß die Schule der Helden zum Vorteil für sein Volk ist!“ Stalkers Kopf fuhr herum. Er hatte die Spur von Spott in den Worten Meysenharts vernommen. Der Körper des Sotho spannte sich an, aber dann erschien in seinem Gesicht ein gutmütiges und nachsichtiges Lächeln. „Bitte beginnt!“ sagte er. Es sind noch höchstens zwei oder drei Minuten, dachte Krohn. Er warf einen Seitenblick auf Koordinatenpunkt 7. Schurigel befand sich noch an seinem Platz. Mit seiner Hilfe würde er Stalker in einem Augenblick entwaffnen, in dem dieser nicht mit einer Überraschung rechnete. „Teleport frei!“ verkündete Barnon laut. Seine Stimme zitterte. „Alle Systeme eingeschaltet“, bestätigte Timo Porante. „Funktion einwandfrei. Ich verlasse jetzt die Bodenstation!“ Die ersten Gürtelträger in der Menge unter der Plattform verschwanden. Der rasende Reporter öffnete den Mund. Er wollte eine Lobrede loslassen und die Pause überbrücken, bis er aus dem Tender die erste Regieanweisung erhielt. Diese kam auch kurz darauf, aber sie lautete völlig unerwartet. Zu diesem Zeitpunkt war das Chaos bereits über die Kristallwelt hereingebrochen. * Ein Schrei aus vielen tausend Kehlen hallte über Alto Fulmen. Die Energiekuppel brach knisternd zusammen. Elektrische Entladungen zuckten über den Köpfen der Arkoniden entlang. Unter den Gästen auf der Plattform entstand Verwirrung. Krohn Meysenhart hörte Sheela Rogard schreien. Er suchte sie, aber fand sie nicht. Sie steckte in einem Pulk von Körpern. „Stalker!“ schrie der rasende Reporter. „Was geschieht da? Was ist mit dem Teleport los?“ Aus dem Gewühl tauchte für einen kurzen Augenblick der Kopf des Gesandten auf. „Verschwindet!“ schrie er. „Rettet euer Leben!“ Meysenhart hörte nicht darauf. Er hob vom Boden ab und raste über den Köpfen der Männer und Frauen entlang. Seine persönliche Kamera folgte ihm wie ein treuer Hund. Etwas blitzte auf. Meysenhart erblickte ein katzenhaftes Gesicht und dann noch eines. Er zischte der Kamera Anweisungen zu. Sie befolgte sie fast ohne Zeitverlust. „Gut so“, hörte er Ravael Dong in seinem Ohr. „Es sind Kartanin. Sie sind deutlich zu erkennen. Versuche herauszufinden, was sie wollen!“ „Sie haben Adams“, keuchte Krohn. „Sie legen ihm einen Gürtel um. Jetzt verschwinden sie mit ihm!“ Irgendwo heulte eine Sirene auf. Ein Gleiter erschien über der Plattform. Uniformierte warfen sich heraus und holten die wichtigsten Personen an Bord. Barnon, Sheela Rogard, Pry'it und alle übrigen Politiker wurden innerhalb weniger Sekunden in Sicherheit gebracht. Der Gleiter raste davon. Meysenhart war plötzlich mit Stalker und den drei Shana allein. „Was geschieht hier?“ schrie der Reporter. „Das stinkt meilenweit nach Verrat!“
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„Ich habe mit den Kartanin nichts zu schaffen. Wende dich an die arkonidischen Behörden. Sie haben versagt. Es hätte ihnen auffallen müssen, daß sich Kartanin eingeschlichen haben. Sie haben Adams entführt, ihren schärfsten Widersacher!“ Er wandte sich ab. Der rasende Reporter sah, daß Tifflor dem Sotho einen schwarzen Gürtel reichte. Stalker legte ihn um. Im nächsten Augenblick waren er und die drei Shana verschwunden. Krohn wandte sich an einen der Panisha, die sich noch auf der Plattform aufhielten. „Wo ist er hin?“ brüllte er und riß dem Wesen den schwarzen Gürtel aus der Hand. Er legte ihn sich um. „Ich muß Stalker finden!“ „Der Sotho jagt den Kartanin hinterher. Er muß sie einholen, bevor es ihnen gelingt, Arkon I zu verlassen. Ich weiß nicht, wo er hin ist.“ Meysenhart rannte zum Rand der Plattform. Er zog einen entnervten Arkoniden an sich und erleichterte ihn ebenfalls um seinen Gürtel. Er warf ihn Schurigel zu. „Herauf!“ rief er. „Herauf! Es wird Zeit, daß wir von hier verschwinden!“ Über Alto Fulmen tauchten mehrere Hundertschaften Ordnungshüter auf und riefen die in Panik geratene Menge zur Ordnung. Langsam flaute die Angst ab, stellten die Arkoniden und Fremdwesen fest, daß ihnen keine Gefahr drohte. Die meisten von ihnen erinnerten sich an ihr ursprüngliches Vorhaben und aktivierten den Teleport. Die Warnung Meysenharts kam zu spät. Ding-Dong hatte sich soeben gemeldet. Ein fremdes Schiff näherte sich der Kristallwelt. Den vorliegenden Informationen nach handelte es sich um ein Schiff der Kartanin. Meysenhart folgerte messerscharf. Er dachte an jenes Schiff, von dem Leila Terra als erste berichtet hatte. Es konnte sich nur um die MASURA handeln. „Auf Sendung bleiben!“ brüllte Krohn in sein Mikrofon. „Das wird der Bericht des Jahrtausends!“ „Können vor Lachen. Wir haben hier mit psionischen Stürmen zu kämpfen. Alles, was nicht mechanisch funktioniert, streikt.“ „Dann bringt wenigstens den Tender in Sicherheit!“ rief Krohn aus. Er sah, wie in der mittleren Atmosphäre plötzlich Entladungen tobten. Es kam zu einem Schwerkrafteinbruch. Meysenhart begriff, daß die Kartanin einen Paratau-Angriff gegen die Kristallwelt starteten. Dies war der Augenblick, in dem er seine Warnung an die Arkoniden weitergab. Dann aktivierte er seinen und Schurigels Gürtel und entmaterialisierte mit ihm. Ihr Ziel lag im Regierungsbezirk am Hügel der Weisen. „Liebling, da bin ich wieder!“ Tardus Zanc starrte den Arkoniden entgeistert an. Sein Rüssel hing einen Moment schlaff nach unten. Dann besann sich der Trivideo-Techniker und brach in schallendes Gelächter aus. „Komm in meine Arme!“ dröhnte er. Das Gesicht seines Gegenübers wurde immer länger. „Wo bin ich hier?“ stammelte der Mann. „Im Heräus-Trichter, wo sonst. Du befindest dich in meinem Appartement, und meinen Liebling habe ich mir ein wenig anders vorgestellt. Warte, ich will nur die Kamera aktivieren!“ „Nein, nein“, der Arkonide entschuldigte sich und gab seinem Gürtel einen neuen Befehl ein. Übergangslos verschwand er. Der Unither begab sich zur Tür. Es war Zeit Er wußte, wo er die zwölf Gauner antreffen würde. Es war kein Problem gewesen, ihren Sammelpunkt ausfindig zu machen. Der Schwarzrüssel aus der Tiefe mußte wissen, wo sie ihre Teleport-Gürtel gestohlen hatten. Zanc selbst war es nicht gelungen, eines der begehrten Objekte zu erlangen, und das, obwohl es bereits Millionen davon gab.
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Tardus Zanc verließ das Appartement und ließ sich vom Antigrav zu einem der Parkdecks tragen. Er mietete sich einen Gleiter. Da er die Identitätskarte des MedienTenders bei sich trug, hatte er damit keine Probleme. „Zum Kubus-Trichter“, sagte er. Der Autopilot bestätigte, machte ihn jedoch sofort auf die Einschränkungen aufmerksam. „Kubus-Trichter liegt in Reichweite des Hügels der Weisen. Du mußt dich an die Beschränkungen halten, die es im Regierungsbezirk gibt.“ „Sie sind mir bekannt.“ Der Gleiter verließ das Deck und sauste eine der Straßen an der Außenseite des Trichters hinab. Unten fädelte er sich in das unterirdische Rohrbahnsystem ein. Mit einer Geschwindigkeit von etwa vierhundert Stundenkilometern raste das Fahrzeug dahin und erreichte nach zwanzig Minuten sein Ziel. Zanc wunderte sich, warum der Gleiter beim Abbremsen schlingerte und am vorderen Ende des Bahnhofs zum Stehen kam. Die Tür öffnete sich, und der Unither zwängte sich zwischen Gleiterwandung und Tunnel hinaus auf den Bahnsteig. Eine Sirene wimmerte, und eine automatische Stimme verkündete: „Bahnverkehr ab sofort stillgelegt. Bitte geht zu Fuß!“ Tardus Zanc hörte nicht auf die weiteren Ansagen. Er machte, daß er aus dem Bahnhof in den Trichter kam und von dort an die Oberfläche. Ächzend stieg er eine schmale Treppe hinauf. Sämtliche Antigravs waren ausgefallen. Unterm Ausgang blieb er kurz stehen. „Liebling!“ rief eine bekannte Stimme. „Bin ich endlich zu Hause?“ „Wohl kaum“, herrschte Zanc den Arkoniden an. „Willst du mich auf den Arm nehmen, oder warum verfolgst du mich?“ „Bei allen Göttern des Altertums, ich suche mein Zuhause. Fremder, kannst du mir sagen, wo ich mich befinde?“ „Am Kubus-Trichter. Verschwinde!“ Der Arkonide wandte sich um. Der Unither trat an ihn heran. Er hatte es sich anders überlegt. „Du kannst mit dem Gürtel nicht umgehen“, stellte er fest. „Gib ihn mir!“ Wortlos händigte der Arkonide ihm das Ding aus. Er schien erleichtert zu sein und bedankte sich sogar. Eilig stieg er hinab in Richtung Rohrbahnhof. Er würde sich wundern. Hinter seinem Rücken rauschte und krachte es. Zanc fuhr herum. Aus einem Antigrav stürzte ein dunkler Schatten. Er schlug mit beachtlicher Geschwindigkeit in den Boden ein. Metall zerriß. Tardus sprang hin und hielt nach dem Verunglückten Ausschau. Sekunden später arbeitete sich eine schwarze Gestalt aus dem Loch heraus und baute sich vor ihm auf. „Lycho Danfos“, kam es lautstark aus dem Mund. „Halutischer Beobachter beim Galaktikum. Die psionischen Interferenzen rauben mir unnütze Zeit. Kannst du mir verraten, wie man das abstellt, Rüsselchen?“ Zanc warf sich herum und suchte das Weite. Er aktivierte den Mikrocomputer des Gürtels und gab hastig sein Ziel ein. „Regierungspalast, Sektor Auskunft und Besucherverkehr!“ Er verschwand. Für einen Sekundenbruchteil glaubte er ein wirres Farbenspiel zu erkennen, dann umgab ihn das Halbdunkel eines feuchten Raumes. Er hörte das Plätschern von Wasser und das Prusten eines Lebewesens. Er tastete nach einer Wand und fand einen Lichtschalter. Zu seinem Entsetzen erkannte er, daß er sich in einem Bassin für Reptilien befand. Aus der dunklen, stinkenden Brühe schob sich ein schlangenhaftes Etwas auf ihn zu. Tardus Zanc geriet durch den Geruch in Panik. Er schrie nur: „Zu Barnon, aber schnell!“
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Übergangslos befand er sich in einem steril aussehenden Zimmer. Vor ihm ragte eine Computerwand auf. „Ich bin Barnon“, verkündete die Positronik. „Kann ich dir irgendwie nicht helfen?“ „Du kannst“, schrie Zanc entnervt, und der Computer gab sich damit zufrieden. Erneut wollte der Unither teleportieren. Der Mikrocomputer gab ein Seufzen von sich, und aus der Gürtelschnalle zog eine dünne Rauchfahne. Der Gürtel hatte im wahrsten Sinn des Wortes seinen Geist aufgegeben. Zanc ging zur Tür und öffnete sie. Er fand sich auf einem Korridor, der in eine Halle führte. Von einer Galerie aus konnte er zehn Stockwerke in die Tiefe in eine andere Halle blicken. Dort tauchten aus dem Nichts die unterschiedlichsten Gestalten auf. Die meisten von ihnen verschwanden sofort wieder, aber ein paar blieben. Es waren erst drei, dann sechs, und eine siebte und achte kamen dazu. Tardus Zanc kannte sie. Hastig zog er sich zurück. „Nur herauf“, lockte er flüsternd. „Ihr werdet bereits erwartet!“ In einem Saal fand er ein Bildfunkgerät und aktivierte es. Sekunden später war er mit einem Mann verbunden. Er nannte ihm seinen Aufenthaltsort, und der Arkonide versprach, sich dort mit ihm zu treffen. Es dauerte keine Minute, dann trat er ein. „Ich bin Murnym“, stellte er sich vor. „Was willst du?“ Hastig wies Zanc sich aus und gab einen Bericht über seinen Auftrag ab. Der Sekretär rief über die Anlage eine Schar bewaffneter Helfer zusammen und dirigierte sie in geeignete Verstecke. „Sie wollen also unsere Software anzapfen. Mit dem Wissen über die Struktur unseres Planeten hätten sie allerdings eine erhebliche Waffe in den Händen“, nickte Murnym. „Es muß sich um Profis handeln. Die Sache ist von langer Hand vorbereitet.“ „Es gibt Schwierigkeiten mit dem Teleport“, hauchte Zanc. „Warum?“ Der Arkonide aktivierte eine Reihe von Bildschirmen und zeigte ihm das Chaos in und um die Wohntrichter herum. „Einhundertvierzehn Millionen Arkoniden teleportieren derzeit sinnlos in der Gegend herum. Sie haben alle ein bestimmtes Ziel, aber sie kommen nicht dort an. Der ParatauAngriff der Kartanin muß die Syntronik am Südpol völlig durcheinandergebracht haben. Leider ist Barnon noch nicht aufgetaucht. Er muß eine Entscheidung treffen oder diese herbeiführen!“ Er wechselte die Bilder. Inzwischen waren alle zwölf Ganoven angekommen. Sie hatten sich auf den Weg gemacht. Von zwei Seiten näherten sie sich dem Computerraum des Regierungsgebäudes. Vorsichtig drangen sie ein und machten sich an die Arbeit. Murnym gab den Einsatzbefehl. Die Bewaffneten stürmten von drei Seiten in den Raum und entrissen den Computerdieben als erstes die schwarzen Gürtel. Keinem gelang es mehr, den Teleport zu aktivieren. Der Sekretär und der Trivideo-Techniker traten ein. Zielstrebig schritt Zanc auf einen Terraner zu und griff ihm in die Innentasche seines Jacketts. Triumphierend zog er eine Folie hervor. „Was ist das?“ erkundigte Murnym sich. „Das ist meine Rehabilitation. Endlich kann ich auf den Medientender zurückkehren.“ Vergnügt grunzend steckte der Unither die Folie ein, warf den Arkoniden einen lässigen Blick zu und ging zum Ausgang. Dort blieb er stehen und wandte sich zu Murnym um. „Ich brauche ein Transportmittel, das psionisch nicht beeinflußbar ist“, erklärte er. „Bei der Gastfreundschaft eures Volkes, könnt ihr mir helfen?“ Murnyms sorgenvolles Gesicht hellte sich für kurze Zeit auf. „Wir haben weiter unten eine Museumsabteilung. Darin befindet sich ein Fahrrad. Wenn du dich damit begnügen willst?“ „Ja!“
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Der Sekretär eilte los, und der Unither folgte ihm, das verschmitzte Gesicht des Arkoniden nicht beachtend. Es war offensichtlich, daß Tardus Zanc nicht wußte, was ein Fahrrad war. 6. Stalker brachte kein Wort heraus. Die Panisha standen ratlos herum. Es gab keinen Zweifel. Die Kartanin waren nach der Entführung des Hanse-Chefs nicht in die Upanishad-Schule zurückgekehrt. Irgendwie hatte der Sotho es gespürt. Es war der Grund gewesen, warum er zusammen mit den drei Shana sofort aufgebrochen war. Und Stalker begriff eines mit der ihm eigenen gedanklichen Härte. Die Kartanin hatten ihn verraten. Sie verfolgten eigene Pläne. Sie hatten von Anfang an den Verrat geplant. Sie hatten gar nicht die Absicht, Homer G. Adams freizulassen. Sie wollten ihn als Geisel behalten. Einerseits mußte das dem Sotho recht sein. Er erhielt dadurch Gelegenheit, sich auf die Seite der Galaktiker zu stellen und durch seine Parteinahme den Konflikt zusätzlich anzuheizen. Andererseits mußte er auf Adams als guten Freund verzichten und dadurch Nachteile für die Beziehungen zwischen der Hanse und ESTARTU in Kauf nehmen. Die Anlagen der Upanishad meldeten die ersten psionischen Phänomene in der Umgebung der Schule. Die Panisha benötigten Sekunden, um herauszufinden, worauf sie zurückzuführen waren. Sie wurden von einem Paratau-Angriff der Kartanin ausgelöst. Das bedeutete, daß die MASURA ihr Versteck im Schutz der planetenlosen Sonne Cloosta aufgegeben hatte. Die Esper des Schiffes mußten die ganze Zeit mit ihren Artgenossen in der Upanishad in Verbindung gestanden haben. Stalker spürte, wie ihn seine Beherrschung verließ. Hatte er bisher den Problemkomplex noch einigermaßen nüchtern und rationell betrachtet, so brandeten nun die ganzen Emotionen in ihm auf, die sich angesammelt hatten. Seine Augen begannen zu flackern, und die bewußten Gedanken an die eigentlichen Folgen des Paratau-Angriffs entfesselten ihn endgültig. Paratau war gefährlich. Paratau machte seine Absichten im Zusammenhang mit dem Teleport zunichte. Das war der Grund, warum er damit einverstanden gewesen war, daß Adams den Teleport mit Paratau bezahlte. Er wollte die Tropfen aus dem Verkehr ziehen. Der Angriff der Kartanin auf Arkon I zerstörte das Teleportsystem, das mit viel Mühe und Sorgfalt aufgebaut worden war. Stalker besaß keine Möglichkeit, direkt einzugreifen und die Fremden daran zu hindern. Es war zu spät dazu. Er gab Anweisungen an die KARVAAN aus und rief die ESTARTU in die Nähe der MASURA. Dies war das letzte, was er noch völlig überlegt tat. Vom nächsten Augenblick an verwandelte er sich durch die emotionelle Überladung völlig und hatte wie ein instinktiv handelndes Tier nur noch das eine Ziel vor Augen. Er wollte Adams aus den Händen der Fremden befreien. „Folgt mir!“ schrie er die drei Shana an und nannte ihnen die Koordinaten des Zieles. Und er wies sie an, sich unmittelbar in seiner Nähe zu halten. Die Teleportgürtel beförderten sie zu einem der Ausgänge der Upanishad. Zu Fuß legten sie eine Wegstrecke zurück bis hinauf zum Parkplatz der Gleiter. Dort setzten sie den Teleport erneut ein. Stalker hatte sich erschreckend verwandelt. Sein Körper drückte mit jedem Wirbel und jeder Sehne Gefährlichkeit aus. Seine Augen hatten die Farbe von Rauch angenommen und schimmerten trüb und verschleiert. Aus den Zehen und Fingern hatten sich schwarze Krallen gebildet. Sein Unterkiefer hatte sich weit nach vorn geschoben, die Oberlippe war nach hinten gezogen. Zwei Reihen messerscharfer Raubtierzähne blitzten im Licht der
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weißen Sonne Arkon. Seine Haltung besaß etwas Lauerndes, und sein Gang war ruckartig. Als sie im Innenhof eines Trichtergebäudes materialisierten, stieß der Sotho ein Fauchen aus. „Sucht!“ zischte er. „Sie müssen hier sein. Ich spüre sie!“ Die drei Shana verteilten sich. Tifflor flog unter Einsatz seines bockenden Antigravgürtels ganz empor in die obersten Bereiche des Trichtergebäudes und wäre beinahe abgestürzt. Nia Selegris kümmerte sich um die mittleren Bereiche, während Sokrat in Bodennähe durch eine Wand brach und verschwand. Stalker selbst verharrte kurze Zeit mit nach vorn gebeugtem Körper. Seine Arme vollführten rasende Wirbel und rotierten um die Schultergelenke. Der Sotho stieß einen tierischen Schrei aus und sprang vorwärts. Er prallte gegen das Stahlplast der Trichterwandung. Seine Arme schnellten zurück und vor, die harten Krallen gruben sich in das Metall. In der Art eines Bohrers arbeitete er sich in den Trichter hinein. Die Wände zerblätterten vor ihm wie Papier, und dann sah er sie plötzlich vor sich. Sie waren zu fünft, und sie hatten Adams betäubt, damit er sie nicht behinderte. In dem Augenblick, in dem sie ihn bemerkten, entmaterialisierten sie bereits. „Rasch!“ Über Funk rief Stalker die Shana zu sich. Er programmierte ihre Gürtel, dann folgten sie den Fliehenden. Noch besaß Stalker die Chance, sie zu ergreifen, bevor sie den Planeten verlassen konnten. Sie konnten das Teleportsystem nur auf der Oberfläche anwenden. Die vier gelangten in einen Hexenkessel. Bei 114 Millionen teleportierenden Arkoniden ging es ohne Zwischenfälle nicht ab. Es gab Orte, an denen sich die psionischen Linien stauten. Die Shana erkannten Planetenbewohner, die sich stritten oder mutlos herumstanden. Manche waren in Schreikrämpfe ausgebrochen. Stalker kümmerte sich nicht darum. Er aktivierte den Psi-Pressor, der wie ein zweites Skelett sein Hohlkreuz auffüllte. Aus dem Gerät fuhren Tentakelpeitschen aus und schlugen um sich. Sie schufen freie Bahn. Und Stalker schnellte sich mit ihrer Hilfe in zehn Meter weiten Sprüngen vorwärts. Der Psi-Pressor hatte die Arm- und Beinleitungen ausgefahren, die bis in die Zehen- und Fingerspitzen reichten. Sie verstärkten Stalkers Körperkraft um das Zehnfache und besaßen Strahlmündungen. Er konnte mit Händen und Füßen gleichzeitig schießen. Stalker war jetzt eine nahezu vollkommene Kampfmaschine. Irgendwo im Gewühl entdeckten sie die Flüchtlinge. Die Kartanin wußten, daß sie verfolgt wurden. Sie sahen Stalker, der sich in ihre Richtung schnellte und jede Vorsicht außer acht ließ. Der Psi-Pressor hatte ihn in ein Schutzfeld gehüllt. Die Arkoniden rannten schreiend auseinander. Aus dem Nichts tauchte ein Riesiger, gefiederter Vogel auf und heftete sich an die Fersen des Gesandten. Wieder teleportierten die Kartanin, und Stalker folgte ihnen mit den Shana. Stalker als Psi-Reflektor konnte in gewissem Sinn auf die Psi-Phänomene einwirken und sie so eindämmen, daß er mit geringfügigen Abweichungen dort herauskam, wohin er den Gürtel dirigiert hatte. Mit Abstrichen blieben auch die Shana vom Psi-Sturm verschont, solange sie sich in seiner Nähe aufhielten. Dennoch wurden die Auswirkungen immer schlimmer, nahm die Genauigkeit rapid ab. Der buntgescheckte Vogel war verschwunden. Es war ihm nicht gelungen, ihnen zu folgen. Stalker stieß plötzlich einen Wutschrei aus. Sie waren in einem Park herausgekommen. Zwischen den Büschen rannten die Kartanin, und aus dem Himmel senkte sich ein Gleiter herab. Stalker verstärkte die Anstrengungen seines Körpers, und seine Sprünge wurden länger und höher. Dann schoß er wie eine Rakete davon. Die drei Shana rannten hinter ihm her, so schnell es ging. Ihre Antigravgeräte waren inzwischen ganz ausgefallen.
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Der Gleiter hing jetzt über dem Boden. Unmittelbar neben ihm tauchte der Gefiederte wieder auf, und in seiner Begleitung befand sich ein Terraner in einer einfachen Kombination. Er stürzte in die Tiefe und wurde von dem bunten Vogel aufgefangen und zwischen den Büschen abgesetzt. Die Kartanin schoben den bewußtlosen Adams in den Gleiter. Der letzte der Fremden schwang sich durch den Einstieg. Der Gleiter stieß steil in den Himmel hinein, aber da war Stalker heran. Seine Arme krallten sich in das Fahrzeug und rissen ein zehn Meter durchmessendes Stück der Außenverkleidung weg. Der Sotho ließ es fallen und setzte dem Gleiter nach. Noch einmal erreichte er ihn und behielt ein Stück der Fahrgastzelle mitsamt einem leeren Sessel zurück. Dann aber zündete der Gleiter seine Raketentriebwerke und schoß davon, hüllte Stalker in einen Mantel glühender Gase. Der Gleiter wurde selbst für die Flugeinrichtung des Psi-Pressors zu schnell. Stalker gab die Verfolgung auf. Er ließ das verglühte Teil fallen und kehrte langsam zu den Shana zurück, die ihn mit hängenden Köpfen und traurigen Mienen empfingen. „Wir haben versagt“, gestanden sie. „Wir haben Hamosh nicht bestanden!“ Stalker stand starr, sein Blick ging durch sie hindurch. Hinter seinem Rücken näherte sich der Gefiederte und verdeckte seinen Begleiter ein wenig. Stalker spürte die Annäherung. Langsam gewann die Vernunft wieder die Oberhand über ihn, und er wurde zu dem, als den ihn die Bewohner der Milchstraße kannten. Langsam wandte er sich um und blickte Krohn Meysenhart entgegen. Der rasende Reporter grinste ihn an. „Zugegeben, es war schwierig, dir zu folgen. Aufnahmen konnte ich keine machen, die psionischen Phänomene waren zu stark. Ich habe auch nichts von der Verfolgung mitbekommen. Außer einem diffusen Schatten war nichts von dir zu erkennen, Stalker. Meysenhart wich ein Stück zur Seite, und der Sotho erblickte die zweite Gestalt. Der unscheinbare Terraner stand ihm gegenüber, und sein Gesicht war leicht gerötet. Er reckte den Oberkörper nach vorn und nahm den Hals zurück. Sein Kinn stand spitz nach vorn, und er hielt die Arme angewinkelt, als besäßen sie drei Gelenke statt des einen. Die Hände bildeten Krallen, und die Beine ragten in zwei verschiedenen Richtungen vom Körper ab. Der Terraner bewegte sich. Er schob die Schultern nach hinten und zog den Kopf zwischen die Schultern. Die Augen verengten sich und wurden zu Dreiecken. Stalker reagierte mit Abwehrhaltung. Er begann vor Überraschung zu zittern. Er spürte, wie er erneut die rationale Kontrolle verlor. Emotionen stiegen in ihm auf, aber sie waren anders als in der Phase der Verfolgung, in der alles auf Kampf und Vernichtung ausgerichtet gewesen war. Fragmente aus seiner Vergangenheit stiegen in ihm auf. Seine Augen fraßen sich an den Bewegungen des Terraners fest. „Wer bist du?“ ächzte Sotho Tal Ker. „Was willst du mir sagen?“ Der Terraner reagierte mit Ratlosigkeit, und Meysenhart fuhr herum. „Mach weiter!“ herrschte er den Artgenossen an. Stalker verlor endgültig die Fassung. Die Arme des anderen schnellten ihm entgegen, ohne ihn zu erreichen. Stalker glaubte, sie hätten ihn durchbohrt. Seine Tentakel umfaßten die drei Shana, dann teleportierte er blindlings davon. Stalker floh vor dem Terraner, der sich bewegte wie er, und dessen Bewegungen etwas in ihm ausgelöst hatten. „Danke, Hakker“, sagte Krohn Meysenhart, als sie alleine waren. „Du hast dich gut gehalten. Stalker hat Schwächen, und ich komme ihm langsam auf die Schliche!“ * „Mir ist noch schwindlig!“ keifte Skorsh den Sotho an. Er hockte auf einer Konsole. Sein Kopf befand sich in Höhe von Stalkers Gesicht. „Da hast du es nun. Die MASURA ist auf
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und davon. Wir konnten sie nicht halten. Die ESTARTU und die KARVAAN hätten sie zerstören können. Aber dann wäre Adams getötet worden, und das hast du verboten. Du hast versagt, Stalker.“ „Nichts ist endgültig“, erwiderte der Sotho. Er machte einen verwirrten Eindruck. „Ich werde sofort neue Maßnahmen ergreifen. Es ist gut, daß Krohn Meysenhart keine Aufnahmen gemacht hat. Aber er kann bezeugen, daß ich und die Shana versucht haben, die Kartanin an der Entführung von Adams zu hindern. Das poliert den Ruf unserer Schule auf!“ „Was nützt das, he? Du bist doch schon am Ende. Du könntest mit deinen EnerpsiOrtern der MASURA nachspüren. Das ist dir möglich, solange sie größere Mengen Paratau an Bord hat.“ „Ich werde zuerst etwas anderes tun. Ich werde offiziell vorgehen. Rufe den Tender KISCH. Ich will Meysenhart sprechen!“ „Das ist dein Untergang. Du bist nicht vorangekommen. Hast du vergessen, wovor ich dich warnte? Du brauchst den Erfolg! Du mußt die Lehre der Upanishad erfolgreich in der gesamten Milchstraße verbreiten. Es muß sich eine elitäre Kriegerkaste herausbilden. Das ist dein erster Auftrag, Stalker. Und du mußt das Teleport-System verbreiten und andere Technologien nachfolgen lassen, damit immer mehr Kalmenzonen geschaffen werden, die das universelle Psi-Netz stören. Dies ist die Abwehrwaffe gegen die Gorims. Das ist dein zweiter Auftrag, Sotho Tal Ker. Und wenn deine Zeit abgelaufen ist, dann wirst du daran gemessen werden! He, he! Und da stehst du dumm herum und drehst Däumchen. Da taugt doch der seltsame Begleiter Meysenharts mehr, der dich aus der Fassung gebracht hat!“ Diesmal nahm Stalker keine Kampferscheinung an. Er reagierte rational und doch unerwartet. Sein Arm fegte Skorsh von der Konsole herunter und schleuderte ihn gegen die Wand. Skorsh schrie gellend auf, aber Stalker kümmerte sich nicht um ihn. Erinnerungen stiegen in ihm auf und wirbelten seine Gedanken durcheinander. * „He, ho, euer Ding-Dong ist immer der Zeit voraus. Die Phänomene sind im Abklingen. Es bleibt zu hoffen, daß bald alle Arkoniden ihr Ziel erreicht haben. Teleport beginnt sich zu stabilisieren. Und von einem der Brennpunkte meldet sich in bewährter Manier unser hochgeschätzter Krohnymus Meysenweich. Early Bird, bitte melden!“ Meysenhart tauchte vor einer Aufnahmekamera auf. Er hatte die Garderobe gewechselt und trug eine weitfallende Toga von himmelblauer Farbe. Auf seinen weißen Locken saß ein winziges goldenes Krönchen. An jedem seiner Finger glänzte ein Ring mit eingebautem Monitor. „Stalkers aufsehenerregender Auftritt ist vorbei“, verkündete der Reporter. „Leider konnte er nicht live gesendet werden, da die Psiphänomene noch zu stark waren. Inzwischen haben wir es nachgeholt. Videonauten in der Galaxis, ist es nicht heldenhaft, wie sich dieser Fremde auf unsere Seite schlägt? Er sendet seine Schüler aus, damit sie Homer G. Adams befreien. Solange die Kartanin ihn gefangen halten, ist das Galaktikum erpreßbar, die Hanse in ihren Handlungen gelähmt. Wenn einer es schafft, diesen Zustand der Ohnmacht zu beseitigen, dann ist es Stalker. Er schickt seine drei besten Schüler in den Einsatz, Tifflor, Selegris und Sokrat, damit sie die vierte Stufe ihrer Ausbildung absolvieren, Hamosh, die Bewährung. Wir aber bleiben hier auf Arkon I zurück und verfolgen, wie sich der Teleport-Versuch weiter entwickelt. Wir verkünden euch, daß es bald Neuigkeiten geben wird. Es wird eine Talk-Show stattfinden, und prominentester Gast wird Barnon sein, der Galaktische Rat Arkons. Wir sind schon jetzt darauf gespannt,
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was Barnon uns sagen wird. Und natürlich interessiert uns besonders eure Meinung. Ruft den Medientender an. Sagt, was ihr von Teleport haltet. Und erzählt uns vor allem, welche Erlebnisse ihr mit Teleport gehabt habt. Ich gebe zurück an Ravael Dong!“ Die Kamera schaltete sich ab, und Meysenhart rief Ce-2222 zu sich. Sie packten ihre Ausrüstung in einen Gleiter und kehrten zur KISCH zurück. Dort war auch inzwischen Tardus Zanc eingetroffen. Er brachte die Folie Schurigels mit, und Meysenhart nahm sie an sich, um sie dem Schauspieler zuzustellen. Zanc stapfte schwankend durch den Medientender, und er heimste manch mitleidvollen Blick ein. „Muskelkater“, erwiderte er zum wiederholten Mal mit grimmiger Miene, als Rarp sich nach seinem Alkoholspiegel erkundigte. „Ich bin zu lange Fahrrad gefahren. Aber es war die sicherste Methode, auf dieser verteufelten Welt vorwärts zu kommen!“ * Und da war ja noch Hakker Schurigel. Er war Krohn Meysenhart fast um den Hals gefallen und hatte die Folie schnell eingesteckt. Er hatte dem rasenden Reporter versprochen, die Verbindung zu ihm nicht abreißen zu lassen. Und Krohn hatte ihm ernsthaft versichert, daß er irgendwann auf sein Talent, Stalker betreffend, zurückgreifen würde. Der Schauspieler hatte den Raumhafen aufgesucht und war an Bord der PALADIN gegangen. Jemand mit giftgrünen Augen ging ihm seither aus dem Weg, aber Hakker kümmerte sich nicht darum. Er legte auch keine Beschwerde ein. Die Verbrecher saßen in sicherem Gewahrsam auf Arkon, und er hatte seine Rückflugmöglichkeit zur Erde, sobald der Teleport-Versuch abgeschlossen war. Hakker trug noch immer den Gürtel, den er von Meysenhart erhalten hatte. Die Erlebnisse an der Seite des rasenden Reporters hatten ihn für die achtundzwanzig Stunden entschädigt, die er verzweifelt auf dem Asteroiden verbracht hatte. Sein Verdacht, die KISCH könnte hinter seinem ganzen Pech stecken, hatte sich zerstreut Es war Murphys Gesetz gewesen, und der Teufelskreis schien inzwischen gebrochen. Zumindest wies das Pochen an der Tür seiner Kabine ihn darauf hin. Er öffnete und strahlte seinen Gast an. „Komm herein!“ lachte er. „Leila von Olympus Mons. Eine mar Drukan aus der Sippe der a Hainu. Ich kann es kaum fassen. Erzähle mir bei Gelegenheit ein bißchen über deinen berühmten Vorfahren Tatcher.“ „Aber gern, Hakker. Er war bestimmt ein ebenso guter Schauspieler wie du. Weißt du, alle a Hainu sind ein wenig künstlerisch veranlagt!“ Sie öffnete die mitgebrachte Tasche und nahm eine alte, verbeulte Kanne heraus. Sie streckte sie ihm entgegen. „Das da zum Beispiel!“ „Eine Kaffeekanne aus Blech“, staunte er. „Das ist doch Blech, oder?“ „Ja, ich bezweifle jedoch, ob daraus jemals Kaffee getrunken wurde. Weißt du, dieses alte Erbstück ist nämlich ein Wecker. Der Wecker eines berüchtigten Halbcynos!“ „Laß mich raten“, lachte Hakker. Er dachte angestrengt nach. Und irgendwann nach mehreren Minuten hatte er jene Stelle in der terranischen Geschichte entdeckt, die er brauchte. „Dalaimoc Rorvics Wecker. Erstaunlich, wie gut er sich gehalten hat!“ Leila strahlte ihn aus großen Augen an. „Wenn du ihn eines Tages brauchen solltest...“ ENDE
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