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ATLAN 161 – Die Abenteuer der SOL
Nr. 660
Tatort SOL
von Hans Kneifel Es geschah im April 3808. Die endgültige Auseinandersetzung zwischen Atlan und seinen Helfern auf der einen und Anti-ES mit seinen zwangsrekrutierten Streitkräften auf der anderen Seite ging überraschend aus. Die von den Kosmokraten veranlaßte Verbannung von Anti-ES wurde gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti-ES entsteht ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert. Die neue Sachlage ist äußerst tröstlich, zumal die Chance besteht, daß in Bars-2-Bars nun endgültig der Friede einkehrt. Für Atlan jedoch ist die Situation alles andere als rosig. Der Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst, ohne die er nicht den Auftrag der Kosmokraten erfüllen kann, wird ihm nun ausgerechnet durch Chybrain vorenthalten. Ob er es will oder nicht, der Arkonide wird verpflichtet, die Namenlose Zone aufzusuchen. Als Atlan im Juni 3808 wieder zur SOL zurückkehren will, gelingt das nicht. Die MJAILAM, sein Expeditionsschiff, gerät in große Schwierigkeiten beim Zusammentreffen mit dem Planetoiden des Schreckens, und der Ausbruch aus der Falle fordert Schiff und Crew alles ab. Indessen hat auch Breckcrown Hayes seine Schwierigkeiten mit Zelenzo, dem Verschwörer, am TATORT SOL ...
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Die Hauptpersonen des Romans:
Breckcrown Hayes - Der High Sideryt will Atlan helfen.
Zelenzo - Ein Übeltäter wird entlarvt.
Eldar Sonnersy - Ein Saboteur wird ertappt.
Thala - Eldars Mutter.
Insider - Der Extra bringt neue Nachrichten von Atlan.
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1. Auf diesem Schiff scheint es nur eine einzige solide Mehrheit zu geben. Eine schweigende Mehrheit – die Toten! Breckcrown Hayes am 8.06.08 Der High Sideryt hatte längst erkannt, daß seine besten Jahre hinter ihm lagen. Er war zu einer Institution geworden; ein Mann, der nichts anderes versuchte, als die SOL durch alle Gefahren und Fährnisse zu steuern und irgendwann auf der Erde zu landen. Er war krank. Die Krankheit verlief in Schüben, und die Entwicklung, die niemand aufzuhalten vermochte, ging lautlos und schleichend vor sich. Er fühlte sich im Augenblick etwas besser. Die Medorobots und die Pflege von Yris Langg waren dafür verantwortlich. Aber noch tobte der Schock in ihm. Jener Schock, der hervorgerufen worden war durch die Anstrengungen auf dem Junk-Planeten und der Strahlenflut durch den Weißen Zwerg, der im Nabel detoniert war. »Zelenzo!« murmelte Breckcrown. Er lag in einem wuchtigen Kontursessel in der Klause und verfolgte sämtliche Aktivitäten über Bildschirme und Direktleitungen. »Immer wieder Zelenzo!« Breck hatte einen ziemlich genauen Plan, der flexible Ausführung gestattete. Es galt, Atlan zu retten und sich abzusetzen. Mit nicht geringer Bestürzung erkannte Breckcrown – ohne sich alle Konsequenzen eingestehen zu wollen –, daß die Besatzung der SOL nicht aus einer amorphen, leicht manipulierbaren Masse bestand, sondern aus zahlreichen Individuen, von denen jedes seine eigenen Ansichten besaß und diese auch nachdrücklich vertrat. Daß damit der Sache wenig gedient war, lag auf der Hand. Im Augenblick schien es sogar ein Risiko zu sein, sich öffentlich zu Atlan und dessen Aktivitäten zu bekennen. Breck aber hatte nicht vor, seine Meinung in diesem Punkt auch nur um Nuancen zu ändern. Ächzend griff er nach einem Schalter und sagte: »Zentrale. Wie weit sind die Vorbereitungen für die Hilfsexpedition gediehen?« Gallatan Herts drehte sich jäh herum und blickte in die Linsen. Er sah den Oberkörper und den Kopf des High Sideryt. Die Haut der Schultern und des Halses lag unter einer silberfarben schimmernden Schicht von Gewebekulturen. Darunter heilten die Verbrennungen und Wunden. Die Hinterlassenschaften der Hyperstrahlung riefen auf der Haut Hitze und ein unerträgliches Jucken hervor. Der Kopf des High Sideryt war in eine Art Maske gehüllt. Eine dicke Schicht kühlender Salbe breitete sich über die Narben und die Verbrennungen aus. Augen, Nasenlöcher und Mund waren frei und bildeten in der weißen Umhüllung aus Gewebe, durch das kühlende Flüssigkeit in vernetzten Schlauchsystemen lief, gespenstische Löcher. »Technisch gesehen, Breck«, gab der Stellvertreter zurück, »haben wir wenige oder keine Probleme, aber ...« »... es wird trotzdem unaufhörlich in kleinerem Maß sabotiert!« kam es aus dem Loch in Brecks Verband. »Richtig?«
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»Es trifft zu. Besondere Schwierigkeiten gibt es bei dem Versuch, die beiden Kreuzer loszuschicken. Beziehungsweise bereits bei den einschlägigen Überlegungen dazu.« Breck stieß ein schauerliches Stöhnen aus. »Wenn ich könnte!« sagte er rauh. »Ich würde sie alle mit meinen Fäusten zu der Rettungsaktion treiben. Etwas entscheidend Neues von Brons Thermeck?« »Noch nicht. Bleib ruhig, Breck. Du mußt dich erholen. Wir wurden bisher schon fertig. In ein paar Tagen sieht alles ganz anders aus.« »In ein paar Tagen kann alles zu spät sein!« donnerte Breck und fühlte sich nach diesem Ausbruch schwächer als zuvor. Er sank wieder zurück und überlegte. Was konnte er tun, um die Lage zu ändern? SENECA! Er dachte schweigend nach. Brons Thermeck war mit der Jet MJAI-B zur SOL zurückgekehrt und hatte Informationen mitgebracht. Kaum eine davon war als positiv zu bezeichnen gewesen. Es sollte Hilfe für Atlan organisiert werden. Mit dieser Bitte oder Forderung rannte er bei allen Stabsspezialisten und allen Angehörigen des Atlan-Teams weit offene Türen ein. Aber da gab es mehr oder weniger offensichtlich deutliche Einschränkungen. Das Wissen darüber verwandelte Teile des mächtigen Raumschiffs in Zonen der Aufregung und der offenen Auseinandersetzungen. Brons fand bei seiner Familie nur geringes Verständnis für diese Aufforderung. Als seine Bitte bekannt wurde, äußerten sehr viele Solaner ihre deutliche Ablehnung. Normalerweise hätten sie nicht gezögert, Atlan zu helfen, aber die psychologisch geschickte Arbeit von Zelenzo, dem Geheimnisvollen, und seiner »Erneuerer« trug inzwischen reiche Früchte. Die »öffentliche Meinung«, war gegen Brons und, ebenso scharf, gegen die erklärte Absicht der Leitung dieses Schiffes. Es war sogar für SENECA unverständlich, wie es zu dieser Haltung kommen konnte. Mit schmerzenden Muskeln griff der High Sideryt zum externen Element, das ihn mit dem großen SENECA-Terminal verband. »Hier Hayes. Ich brauche einen Rat«, ächzte er ins Mikrophon. Der Bildschirm erhellte sich, zeigte kurz SENECAS Zeichen und dann ein Farbdiagramm. »Ich erteile ihn gern, wenn er nicht über meine Fähigkeiten hinausgeht«, erwiderte die Biopositronik. »Du hast Probleme, wie ich feststelle.« »So ist es.« Der Zustand ließ sich, mit einigen Einschränkungen, als beginnende Meuterei bezeichnen. Jeder Versuch, selbst die ausgesprochene Erörterung, auch nur eine Jet in die Namenlose Zone zu schicken, wurde mit Tücke, Einfallsreichtum und ohne große Skrupel bekämpft. Weder die Roboter, die Sicherheitskräfte, die SOL-Polizei noch SENECAS Überwachung ertappten die Saboteure. »Du bewegst die SOL keine Lichtminute weit, bevor nicht Atlan wieder an Bord ist?« fragte SENECA unbetont. »Das ist an Bord allgemein bekannt!« gab Hayes halblaut zurück. Er wartete gespannt auf die Mitteilung über den nächsten, wirklich schweren Sabotageakt. Innerlich fieberte er, zornig und ratlos, aber er
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bemühte sich, Selbstsicherheit und Zuversicht auszustrahlen. »Auch für mich ist diese krasse Form der Ablehnung unverständlich«, gab SENECA zu. »Ich rechne damit, daß sich die Mißstimmung explosionsartig entlädt.« »Wann?« »Nicht einmal ich kann das errechnen oder auch nur abschätzen!« lautete die wenig aufmunternde Antwort. »Augenblick. Unterbrechung«, sagte der High Sideryt. Der Türsummer arbeitete, gleichzeitig blinkte ein Signal. Jemand wollte die Klause betreten. Breck aktivierte zwei Kampfroboter und betätigte den Öffner für die schweren Sicherheitsschotte. Mit einiger Verwunderung sah er, daß in dem Ausschnitt der Öffnungen ein Kind zu sehen war, offensichtlich ein Junge mit schwarzem Haarschopf und großen Augen. Er war verwirrt, nahm sich zusammen und krähte: »Bist du der Sideryt?« »Auch wenn es nicht so aussieht«, brummte Breck ein wenig versöhnlicher, »ich bin es. Was willst du?« »Ich habe hier einen Brief für dich.« »Komm näher und gib ihn mir. Von wem?« »Ich weiß nicht.« Zögernd zuerst, dann aber fasziniert von dem ungewohnten Aussehen des Innenraumes, kam der Junge näher. Er ließ sich auch von dem zumindest ungewöhnlichen Aussehen des Genesenden nicht erschrecken. Schließlich, nachdem der Kleine alle interessanten Einrichtungselemente gebührend bestaunt hatte, gab er dem High Sideryt einen Umschlag. Das Kuvert wirkte in den Pranken Brecks vergleichsweise winzig. »Warum weißt du nicht, wer dir diesen Brief gegeben hat?« wollte Breck wissen. Er vermutete Ärger und witterte Unheil. »Weil der Roboter nichts sagte.« »Ich verstehe«, antwortete der High Sideryt und öffnete den Umschlag. Zelenzo ließ sich tatsächlich noch etwas Neues einfallen, sagte er sich, als er die Schrift erkannte. »Ein Roboter hat dir den Brief gegeben, damit du ihn mir bringst. Ist es so?« »Genauso!« bestätigte der Junge. »Schön hast du’s hier.« »Willst du mit mir tauschen?« brummte Breck und wunderte sich, daß sich der Kleine nicht an seinem seltsamen Aussehen störte. »Nein. Lieber nicht.« Der Junge schüttelte den Kopf, daß das Haar wild flog, dann winkte er den Robotern zu und rannte pfeifend aus dem Raum. Breck schickte ihm einen resignierenden Gedanken nach und las die Botschaft des obersten Erneuerers.
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Breckcrown Hayes! Wir verlangen: Vernichte den Junk-Nabel! Es ist nicht schwer. Es genügt, die Stationen in den Planeten des Junk-Systems zu zerstören. Riskiere es nicht, durch den Nabel in die Namenlosen Zone vorzustoßen. Unsere Geduld ist am Ende. Zelenzo & die Erneuerer Breckcrown zuckte die Schultern und spürte den stechenden Schmerz. »Ich habe nichts anderes erwartet«, brummte er, noch immer wütend und wenig überrascht über den Text der Mitteilung. Wieder schaltete er sich in die Hauptzentrale und las den Stabsspezialisten die Drohung vor. Sie war eine in einer langen Reihe. Keiner nahm sie leicht, aber mittlerweile waren die Sicherheitsvorkehrungen in einem mehr als beträchtlichen Maß erhöht worden. Der Sabotageversuch an der Jet vor wenigen Tagen war nur allzu frisch im Gedächtnis der Raumfahrer und der Sicherheitsleute. »Wir machen weiter mit den Vorbereitungen für die Hilfsaktion!« bestimmte Breckcrown. »Seht euch vor. Bisher ist nach jeder Drohung etwas passiert.« »Wir haben nichts anderes vor«, kam die entschlossene Antwort, »als Atlans Weg zurück zu uns zu ermöglichen.« »In einem halben Tag oder so«, sagte der High Sideryt laut und mit Schärfe, »bin ich wieder in der Zentrale. Ich habe mich noch nicht ganz erholt.« »Bleib ruhig liegen. Erhole dich!« »Auch das geht bei mir etwas schneller.« Breck schaltete ab und wartete auf Yris. In seinen Gedanken wiederholte er immer wieder jede Einzelheit seiner Planung. Er hatte, das mußte er sich zu seiner Bestürzung eingestehen, nur die SENECA-gesteuerten Roboter als zweifelsfrei zuverlässige Unterstützung. Natürlich gab es die Stabsspezialisten, Atlans Getreue und eine große Menge von unbekannten Solanern, die nach wie vor zu Atlan und zur Leitung der SOL unverrückbar hielten. Mitten in diesen Überlegungen, die von der Erwartung kommender Panik durchsetzt waren, spürte Breck wieder starke Müdigkeit. Er wußte: Das war das Zeichen seines Körpers, der sich langsam erholte. Eine Reaktion, die ihn beruhigte – dies aber nur für ihn selbst, für seine eigene Existenz. Yris Langg kam herein, ein großes Tablett in den Händen. »Noch mehr schlechte Neuigkeiten?« fragte der High Sideryt brummig. Er freute sich darüber, daß eine Solanerin freiwillig seine Betreuung übernommen hatte. Sie schüttelte den Kopf und erwiderte: »Selbst wenn es so wäre, ich würde sie dir nicht sagen. Hier, trink dein Spezialgebräu.« Sie drückte ihm einen zylindrischen Becher mit zwei dicken Trinkhalmen in die bandagierten Hände. Er sog die dickflüssige Nahrung zwischen die Zähne. Die Aufbaunahrung war von den Medizinern zusammengestellt worden. Er bildete sich ein, daß es ihm schon viel besser ginge, was auch wohl objektiv stimmte. Jedenfalls fühlte er sich weitaus besser als in dem Augenblick, als man ihn so gut wie bewußtlos auf der Bahre in die Jet geschleppt hatte.
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»Danke, Yris«, sagte er leise. Er meinte es so. Sie nickte und schob ein Kissen unter seinen Kopf, ehe sie den Mechanismus des Sessels betätigte und die Lehne waagrecht nach hinten kippen ließ. Die Ruhe der Müdigkeit und Erschöpfung, zugleich mit einem schwachen Hauch Hoffnung, ließ Breckcrown Hayes einschlafen. Hätte er geahnt, daß in einem anderen Innenbezirk der SOL eine lautlose Verschwörung ihren Lauf nahm, wäre er vermutlich tobend vor Wut und Entschlußkraft aufgesprungen. * In den Korridoren über den stillgelegten Laufbändern und an den Kreuzungspunkten der SZ-2 war die Nachtbeleuchtung eingeschaltet. Nur sehr wenige Solaner waren zu sehen. Die meisten Türen und Schotte in den Wohnbezirken waren geschlossen. Ein Wachroboter bewegte sich summend und mit leise knackenden Gelenken durch einen Korridor und verschwand um die Biegung. Wieder huschten Gestalten, meist in Raumanzügen mit geöffneten Helmteilen, hin und her. Schatten zeichneten sich an den Wänden ab und verschwanden. Auffallend laut ertönte das Zischen eines aufgleitenden und eines sich schließenden Schottes. Schweigend hastende Solaner waren auch in den Magazinen und Reparaturräumen. Sie machten sich an Schaltern und Leitungen zu schaffen. Hätten die blinden Linsen der Interkome ihre Gesichter erfassen können, würde SENECA sie identifiziert haben, und man hätte gewußt, daß eine große Anzahl der Eindringlinge dem Computerpersonal und den Robottechnikern zuzuordnen war. Sperren und Kontrollen wurden ausgeschaltet. Wieder schloß sich ein Schott. Zwei Scheinwerfer flammten auf, eine Gruppe von Männern nickte sich kurz zu und ging an die Arbeit. Ihr Ziel war der Schleusenhangar, in dem die SZ-2-31 stand, ein reparierter Kreuzer der ersten Bauserie. Jeder der Eindringlinge wußte, daß der Kreuzer nicht nur startfertig, sondern auch einschlägig bewaffnet war. Informationen dieser Art zu erhalten war keine Schwierigkeit. Alle Eindringlinge – es waren mehr als zwei Dutzend – kannten jede Einzelheit ihres Planes. Sie hatten wenig Eile, arbeiteten aber so zügig, wie sie es vermochten. Weitere Leitungen wurden überbrückt, an kleine Geräte angeschlossen und dann gekappt. Die Frauen und Männer verständigten sich mit wenigen Handzeichen und mit geflüsterten Kommandos und Hinweisen. Sie blockierten hinter sich die schweren Verschlüsse der Sicherheitssperren. Jeder der Solaner war bewaffnet, einige trugen Werkzeugkisten und Testgeräte. Der erste erreichte die dunkle Hangarschleuse. Die Wandung des Kreuzers verschwand in den Reflexen der Scheinwerfer hoch über ihm in der Dunkelheit. Einige Beleuchtungseinheiten, dicht über dem Boden angebracht, wurden eingeschaltet. Sie verbreiteten ein schwaches Licht, das aber ausreichte, um die Landeteller und ausgefahrenen Stützen erkennen zu lassen. Vorsichtig näherte sich der erste Solaner der Rampe und begann vorsichtig an den Sicherheitseinrichtungen zu hantieren. Die nächste Gruppe drang ein. Sie kamen aus den Magazinen, aus den Reparaturräumen, von allen Seiten. Hinter sich verriegelten sie die schweren Panzerschotte und zerstörten die Schlösser. Eine Gruppe von sieben Frauen und Männern
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enterte den Kreuzer. Die wenigen Geräusche im Hangar, der annähernd würfelförmig war und mehr als hundertzwanzig Meter Kantenlänge besaß, erstarben. Ein kleines Team besetzte blitzschnell die Kammer, von der aus die nötigen Schaltungen ausgeführt werden konnten. Auch hier wurde mit großer Sachkenntnis jede Kontrollmöglichkeit für SENECA ausgeschaltet. Jemand wisperte: »Zelenzo würde uns jetzt zur Eile drängen.« Die Maschinen der Tormechaniken liefen an. Der Kontrollcomputer für die Strukturlücke der Schutzschirme schaltete sich ein. Die Generatoren im Innern des Schiffes summten, wieder verschwand eine Gruppe der Erneuerer in der 2-31 TIEFRAUM. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt war nichts bemerkt worden. Der genau überlegte und ebenso perfekt durchgeführte Plan war erfolgreich. Lichtsignale geisterten durch die Dunkelheit des Hangars. Die Antigravtriebwerke arbeiteten in einem kurzen Probelauf, dann stürmte das Team aus der Schaltkammer die TIEFRAUM. Die Rampe schob sich ein, die Polschleuse schloß sich. Dann ging alles sehr schnell. Die Schleusentore öffneten sich, das Schiff schwebte hoch, bugsierte langsam aus der SOL hinaus und durch die lochartig aufreißende Hülle des Schutzschirmes. In dieser Sekunde erfolgte der Alarm; irgendeine Warneinrichtung war ausgelöst worden. Die Ortungsabteilung konnte den Vorgang verfolgen. Die TIEFRAUM führte einen gekonnten Schnellstart durch. Noch während die Landestützen eingezogen wurden, nahm die TIEFRAUM Fahrt auf und raste in die Richtung auf die rote Junk-Sonne zu. »Alarmstart«, rief Breiskoll. Er hatte freiwillig in diesen Nachtstunden Herts abgelöst. »Diese Wahnsinnigen haben mit Sicherheit nichts anderes vor, als einen Junk-Planeten zu zerstören.« »Verstanden.« Eine Feuerleitstelle wurde bemannt und begann zu schießen. Die Strahlen zuckten vor dem Kreuzer durch den Raum, aber das Schiff änderte seine Richtung nur unwesentlich. Die Anhänger Zelenzos wußten, daß andere Solaner eine berechtigte Scheu davor hatte, das Schiff zu treffen und Menschenleben zu vernichten. Die Mannschaften von drei Korvetten rannten in die Hangars. Breiskoll schaltete Leitungen in die drei Raumschiffzentralen und sagte den Piloten und Kommandanten, wie nach seiner Meinung dieser mörderische Versuch gestoppt werden konnte.
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Die TIEFRAUM schlug eine leicht gekrümmte Flugbahn ein, die sie zum zweiten Planeten führen würde. Nacheinander verließen die drei kleineren Schiffe im Schnellstart die SOL, und diesmal nahm, wie gewohnt, SENECA sämtliche Hangarschaltungen vor. »Hier spricht Breiskoll«, sagte Bjo, vor Wut und Spannung fast fauchend, in die Mikrophone. »Wir verfolgen die Erneuerer. Es besteht natürlich kein Zweifel, daß Zelenzo diese Aktion sorgfältig vorbereitet hat. Noch haben wir keine Absichtserklärung. Ich möchte fast mit Bestimmtheit sagen, daß ihr Ziel die Zerstörung des Junk-Planeten und damit der Nabel-Schaltungen ist. Das bedeutet, daß für Atlan der Weg zu uns endgültig abgeschnitten wird.« Bjos Versuch, zu verhindern, daß die Kaperer den Planeten erreichten, sah zunächst gewaltlose Aktionen vor. Fast gleichzeitig gingen die Korvetten mit hohem Tempo in die Linearetappe und tauchten weit vor der TIEFRAUM auf, zwischen dem heranrasenden Kreuzer und dem Planeten. Die Korvetten flogen mit hohen Bremswerten eine Abfangkurve und kamen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf die TIEFRAUM zu. Es wurden keine Funkgespräche gewechselt, keine Signale gegeben oder empfangen. Als Breckcrown Hayes geweckt wurde, erkannte er, daß die Ablehnung von Zelenzo so ungebrochen wie unverständlich geblieben war. Unaufgefordert meldete sich SENECA und sprach aus, was viele andere nur dachten. »Entweder ist der unbekannte Zelenzo, der nicht zu fassen ist, wahnsinnig, oder es stimmt etwas anderes nicht mit ihm; ich habe keinerlei Deutungsvorschläge. Jedenfalls hat er mit seiner demagogischen Fähigkeit eine viel zu große Menge Anhänger gewonnen. Die Lage wird zusehends gefährlicher werden. Der Konflikt spitzt sich zu.« Obwohl der High Sideryt sich keineswegs stark und gesund fühlte, wußte er, daß seine Anwesenheit in der Hauptzentrale von entscheidender Wichtigkeit war. Er fügte sich in sein Schicksal.
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2. »Ich sollte mich über eure Kritik freuen, denn sie lenkt von der Wahrheit ab!« Brons Thermeck, 09.06.08 Er war, ebenso wie viele Bewohner dieses Decks, durch Breiskolls Durchsage geweckt worden. »Da siehst du, was dieser Arkonide angerichtet hat. Schon wieder ein Zwischenfall«, rief Thala aus. Sie kam in den Wohnraum, warf einen Blick auf den Interkom und schloß den magnetischen Verschluß des Hausmantels. »Ich frage mich, seit ich heil hier gelandet bin, warum eure Ablehnung so groß ist.« »Eine Frage, die sich von selbst beantwortet«, gab Thala zurück und fuhr mit allen Fingern durch ihr kurzes, blaugrau gefärbtes Haar. Sie schüttelte den Kopf und tippte einige Tasten des Getränkespenders. »Wir müssen Atlan mit seinen Freunden dort herausholen. Andere begreifen es. Es ist jedenfalls für mich ein einfaches Gebot der Anständigkeit.« »Andere sehen es ganz anders«, erklärte Thala und machte eine Geste, die Abgeklärtheit oder Weisheit ausdrücken sollte. »Allzuviel Verständnis darfst du von mir nicht erwarten.« »Das sehe ich.« Brons hatte während des Einsatzes zusammen mit Atlan ausgiebig Gelegenheit gehabt, Atlan aus der Nähe zu studieren. Ob wirklich jede Aktion des Arkoniden sich dadurch auszeichnete, daß sie völlig richtig war, wußte er heute auch nicht besser. Jedenfalls hatte er keinen Grund gehabt, Atlan unvernünftiges Handeln vorzuwerfen. »Gib mir auch einen Becher«, sagte Brons und gähnte. »Danke. Ebenso fragwürdig ist deine Vorliebe für Zelenzo. Das wird dich in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Es gibt mehr Vernünftige an Bord, als ihr meint. Aber das haben wir ja schon bis zur Selbstaufgabe diskutiert.« »Ich muß mir den Hangar ansehen. Er ist in der SZ-2, am Pol«, erklärte Thala Sonnersy. »Dieser Zelenzo – er ist wirklich erstaunlich.« Sie trank den Kaffee aus und zog sich um. Dann verließ sie das Apartment und achtete nicht auf Brons, der den Kopf schüttelte. Nach einigen Minuten entschloß sich der Antigravtechniker, zu Herts oder Hayes zu gehen und nachzufragen, ob sie ihn nicht brauchen konnten. »Sie werden immer frecher, diese Erneuerer!« brummte er, beendete sein Frühstück und streichelte dem schnurrenden Byl das lindgrüne Fell. *
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Ein Roboter, dem Yris Langg folgte, dirigierte die Schwebeplattform mit dem schweren Sitz Brecks in die Hauptzentrale. Mit einigen Blicken aus den Öffnungen der Gesichtsmaske orientierte sich der High Sideryt. Soeben leiteten die Kommandanten der drei Korvetten in gefährlicher Nähe des Planeten ihr Einfangmanöver ein. Sie hatten sich, unablässig aus den Narkoseprojektoren feuernd, der TIEFRAUM genähert. Der Kreuzer war zuerst abgebremst worden, jetzt behielt er unverändert Kurs und Geschwindigkeit bei. »Ein gutes Zeichen, Zentrale«, kam es aus der Ortung. »Dauer nicht mehr lange.« Breck rief in fast drohendem Ton: »Ihr seid verdammt sorglos hier! Ich will sofort viel mehr Roboter und Sicherheitskräfte hier sehen!« »Geht in Ordnung, Breck«, antwortete Federspiel. »Wahrscheinlich hast du recht. Die Erneuerer schrecken nicht einmal vor Gewaltmaßnahmen zurück.« In der Zentrale herrschte gedämpfte Ruhe. Die Stabsspezialisten und die Verantwortlichen hatten weitaus mehr damit zu tun, die Rettungsaktion vorzubereiten und gleichzeitig gegen jede mögliche Störung abzusichern, als damit, die SOL zu steuern. Das große Schiff hing nach wie vor unweit des Nabels, nahe der roten Sonne und auf einem Kurs, der praktisch aus langsamem Driften bestand. Die Belastung aber, daß praktisch jeder zweite Solaner ein eingeschworener Anhänger Zelenzos sein konnte, war groß und lähmend. »Das Manöver ist beendet. Die Korvetten schleppen den Kreuzer zurück.« »Endlich«, knurrte Hayes. »Ich weiß durchaus, daß die Besatzung den Aufmarsch der Roboter nicht sonderlich schätzen wird. Aber die Umstände zwingen uns dazu.« »Immerhin haben wir verhindern können«, erklärte Brick, der kaum etwas zu tun hatte und es auch nicht erwartete, »daß der Planet zerstört und der Nabel außer Funktion gesetzt wird. Du solltest vielleicht die Jungens der Hilfsoperation etwas antreiben!« »Das hat seine verdammten Schwierigkeiten«, sagte Breck unwillig. »Und wir sollten auch nicht lange darüber reden.« Inzwischen hatten die Stabsspezialisten reagiert. SENECA war mehrmals angewiesen worden, sämtliche Hangarschleusen zu verriegeln. Der Start der TIEFRAUM, so drückte sich die Biopositronik später und mit hörbarer Verärgerung aus, war die letzte Panne dieser Art. Nur für die Buhrlos gab es ein paar geöffnete Mannschleusen. Die Hauptzentrale hoffte, daß bisher die Vorbereitungen für diesen Flug weitestgehend geheim geblieben waren. Es war indessen fraglich; die Erneuerer waren einfach zu gerissen, zu gut organisiert – oder sie hatten irgendwelche geheimnisvolle Verbindungen. »Gut. Einverstanden.« Diejenigen Anhänger Zelenzos, die nachweislich überführt worden waren, hatte man unter schwerer
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Bewachung in Wohnkabinen gesperrt. Ihnen war vorgeworfen worden, gegen die Sicherheit der übrigen SOLBesatzungsmitglieder verstoßen und offensichtliche Sabotage getrieben zu haben. Die Anzahl der Gefangenen würde um eine noch unbekannte Menge Solaner zunehmen, wenn die Schiffe eingeschleust waren. »Und nach wie vor«, sagte Hayes in einem Tonfall, der allen Zuhörern bewies, daß er dieses Thema nicht mehr oft zu erörtern wünschte, »ist nichts von Zelenzo bekannt.« »Nichts!« sagte Breiskoll mit Entschiedenheit. Er, Sternfeuer und Federspiel versuchten seit dem ersten Auftreten Zelenzos beziehungsweise seit den ersten Stunden der Bedrohung, dieses rätselvolle Wesen – oder was immer Zelenzo bedeuten konnte – zu entdecken oder auch nur einen deutlichen Impuls zu finden. Bisher war jeder Versuch hoffnungslos vergeblich gewesen. Es sah nicht danach aus, als ob sich dieser Zustand ändern würde. Die Aussichten blieben düster und trübe. Dieses Wissen und eben diese Ahnung griffen um sich und höhlten die Moral aus. »Nichts also«, der High Sideryt beugte sich im Sessel vor und grollte: »Dann werde ich also genau das tun, was ich für sinnvoll halte.« Lyta Kunduran heftete ihre grauen Augen auf Hayes und erklärte: »Wir können schließlich nicht die Hälfte der Besatzung einsperren. Übrigens – sie schleusen ein.« SENECAS Helfer, die von ihm gesteuerten Roboter, und eine große Gruppe bewaffneter Sicherheitskräfte erwarteten die TIEFRAUM. Der Kreuzer wurde mit den Traktorstrahlen der Korvetten behutsam in den Hangar hineinbugsiert. Einige Buhrlos enterten das Schiff, öffneten die Schleuse und nahmen in der Schiffszentrale die nötigen Schaltungen vor. Die Landestützen fuhren aus der unteren Kugelhälfte; der Kreuzer senkte sich auf den Boden der Schleuse. Sobald sich die Schleusentore geschlossen hatten und der Hangar geflutet worden war, drangen die Sicherheitsleute ein und durchsuchten das Schiff. Die bewußtlosen Anhänger Zelenzos wurden auf Bahren hinausgeschafft. Die Roboter übernahmen unter schärfster Sicherung den Transport in die abgeriegelten Wohnquartiere, die als Gefängnis dienten. Aufmerksam wurde diese Aktion beobachtet, aber es zeigte sich kaum jemand, der mit deutlichem Interesse oder gar Mißtrauensäußerungen diese Aktion beobachtete. »Das ist Thala Sonnersy«, murmelte Federspiel. »Ihr Interesse scheint größer zu sein als je zuvor. Ich sah sie vorhin auch vor dem Hangar, aus dem die TIEFRAUM gestartet ist.« »Es handelt sich schwerlich um den verkleideten Zelenzo«, erwiderte Bjo. »Das würde ich ohne Schwierigkeiten feststellen können.« »Trotzdem auffallend, diese Neugierde.« »Kann schon sein.«
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Federspiel und Sternfeuer wußten es ebenso klar wie die meisten Verantwortlichen. Die SOL und Atlan befanden sich gleichermaßen in ernsthaften Schwierigkeiten. Die größte war Ausdruck einer Bedrohung von innen. Eine Frage beherrschte sie alle, auch die sogenannten Erneuerer: Warum war Zelenzo nicht greifbar? »Wo steckt eigentlich Brons Thermeck?« fragte Breck. »Er wollte uns irgendwelche Ratschläge geben. Wir brauchen sie dringend.« »Ich weiß es nicht«, gab Breiskoll zu. »Ich gehe zu ihm. Vielleicht kommt mir auf dem Weg eine brauchbare Idee.« »Tue dies.« Bjo zuckte die Schultern und ging hinaus in den Korridor. Er sah mehr als nur Schwierigkeiten voraus. Zwar waren sie anderer Art als jene vor wenigen Tagen, als die SOL in den seltsamen Weißen Zwerg zu stürzen drohte, aber nicht weniger groß. Zelenzo beherrschte die technischen Einrichtungen der SOL! Er war in der Lage, selbst SENECA auszuschalten! Er manipulierte offensichtlich ohne Schwierigkeiten eine größere Menge der hochorganisierten Roboter! Bjo Breiskoll, der Katzer, ging langsam und tief in Gedanken versunken durch die Schiffskorridore. Seine Überlegungen waren seit einiger Zeit stets identisch. Der Versuch, mit einer schnellen, gut ausgerüsteten Korvette durch den Nabel hindurch in die Namenlose Zone zu fliegen und dort Atlan aus den Schwierigkeiten herauszuholen, schien technisch gesehen ein Kinderspiel zu sein. So war es auch. Die Mannschaft dieser Korvette – sie stand bereits voll ausgerüstet in einem Hangar – war der springende Punkt. Selbst wenn nur Frauen und Männer, die bis zum heutigen Tag als hoch zuverlässig gegolten hatten, Freunde von Atlan oder gar Angehörige seines Teams die Korvette bemannten, konnte niemand sicher sein, daß sich nicht unter ihnen ein Anteil von Zelenzos Anhängern befand. Dadurch war die Expedition zum Scheitern verurteilt, denn die Erneuerer würden bei der ersten Gelegenheit das Unternehmen sabotieren. Das war der Angelpunkt, und Bjo wußte ebenso wie Breckcrown Hayes keinen Ausweg. Alle Modelle, die sie seit Thermecks Ankunft entwickelt hatten, litten unter demselben bedrohlichen Aspekt. Atlan wartete! Er war mit der MJAILAM in dem seltsamen Asteroiden mit Namen Schwammkartoffel eingeschlossen. Thermeck war von einer Raumzecke angegriffen worden und konnte durch den Nabel, kurz nach der Vernichtung von Ultra, zur SOL entkommen. Jetzt würde Atlan warten und sich fragen, aus welchem Grund ihn seine Freunde im Stich ließen, ihn und eine Handvoll Solaner. Während er scheinbar entspannt und gelassen weiterging, esperte er unablässig in die nähere Umgebung. Jede Information konnte wichtig sein. Leise sagte er zu sich selbst: »Ich denke, ich werde handeln müssen. Ich fliege bald los. Ich schaffe es schon. Mit Minimalbesetzung!« Bjo war sicher, daß er Zelenzo nicht finden konnte. Immerhin blieb ihm die Gewißheit, daß er jeden, der nicht Zelenzo war, eindeutig feststellen konnte.
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14 C. Das Wohndeck, in dem Brons sich aufhielt. Bjo wandte sich an einen jungen Mann, der zusammen mit einem Robot die Beleuchtungskörper der Korridordecke checkte und Teile auswechselte. »Hast du Thermeck gesehen?« »Welchen? Brons? Den Freund Atlans?« »Genau diesen«, antwortete Breiskoll. Der Monteur deutete nach rechts auf das Leuchtfeld, das über einer Cafeteria angebracht war. »Dort. Offensichtlich versucht er, eine Handvoll Freunde zu überzeugen, daß Zelenzo unrecht hat. Du brauchst nur dem Lärm nachzugehen.« »Danke.« Der junge Mann brachte Bjo, dessen Freundschaft zu Atlan und Bedeutung an Bord jedem Solaner genau bekannt war, indifferente Gefühle entgegen. Er schien kein Zelenzo-Anhänger zu sein. Bjo nickte ihm freundlich zu und war mit einem Dutzend schneller Schritte am Eingang des kleinen Speisecenters. Dort fand er Brons umgeben von etwa zwanzig Männern in Bordoveralls und Arbeitskleidung. Gerade rief ein älterer Mann aufgeregt: »... mobilisiert Hayes sämtliche Roboter. Besonders die Kampfmaschinen, die SENECA kontrolliert. Du willst mir doch nicht weismachen wollen, daß das nötig ist.« »Das tut Hayes nur, weil er mit Recht ständige Sabotageakte zu befürchten hat!« rief Brons. »Wir müssen etwas tun! Wir können den Mann, der die SOL wieder zu einem Raumschiff gemacht hat, nicht dort hilflos zurücklassen.« Bjo schob sich an Thermecks Seite. Der kräftige, schwarzhaarige Mann, größer als hundertneunzig Zentimeter, überragte Bjo fast um einen Kopf. Er hob beide Arme und unterstrich seine Argumente mit heftigen Bewegungen. »Sabotage! So unrecht hat Zelenzo gar nicht«, rief ein anderer. »Außerdem – wer ist Zelenzo eigentlich?«
Bjo schaltete sich in das aufgeregte Gespräch ein und sagte: »Ich habe großen Respekt vor jeder Meinung und Ansicht, die von meiner oder derjenigen der Schiffsführung abweicht. Aber ich frage mich, aus welchen wirklich guten Gründen Solaner es fertigbringen, das eigene Leben, das von rund hunderttausend Kameraden und die Existenz des Schiffes vorsätzlich zu gefährden! Es ist ein paarmal passiert. Zuletzt wollten sie, und darauf lief der Versuch der TIEFRAUM hinaus, Atlan und eine Handvoll ihrer eigenen Kameraden umbringen. Warum sollten wir uns von Atlan lossagen, eine Forderung, die Zelenzo erklärtermaßen stellt, immer wieder?«
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Zunächst schwiegen die Solaner. Thermeck war für Bjos Unterstützung dankbar. »Noch etwas, was Bjo möglicherweise übersehen hat«, warf Thermeck laut ein. »Zelenzo und seine Anhänger beherrschen die Technik der SOL. Darüber hinaus hat er viele Roboter perfekt in der Hand. Hat jemand von euch schon daran gedacht, daß wir uns einem neuen Diktator ausliefern? Denn auf eine Auslieferung läuft es hinaus, wenn Zelenzo mächtiger wird als Hayes und seine Stabsspezialisten samt SENECAS Robots!« Das war den meisten hier neu. Bjo packte Thermeck am Oberarm und nickte ihm anerkennend zu. Er und die Mannschaft in der SOL-Zentrale hatten dieses schwierige Problem schon oft diskutiert, aber Hayes entschied, keine Gegenoffensive zu eröffnen – noch nicht. Es war eine der Maßnahmen, die er sich für das Ende der Auseinandersetzung aufhob. »Wir haben eine Korvette so gut wie ausgerüstet«, sagte Bjo. »Du wolltest uns dabei helfen.« »Ich bin aufgehalten worden«, erwiderte Brons und deutete auf die Männer. »Immerhin haben sie mit einem Argument recht. Ruhe und Frieden innerhalb des Schiffes sind wichtig. Auch das fordert Zelenzo.« »Ich weiß.« In diesem Moment fiel, anknüpfend an sein Selbstgespräch von eben, dem Katzer eine Möglichkeit ein, Zelenzo zu verblüffen und vielleicht sein Wirken zu neutralisieren. Er grinste in sich hinein und meinte beschwichtigend: »Niemand will Streit. Aber gegen Eingriffe oder Angriffe, die uns alle tödlich gefährden, wehren wir uns, und zwar mit dem Recht des Angegriffenen.« »Und ich bin sicher, wir verlassen sofort den Nabel, wenn Atlan wieder an Bord ist.« »Darauf kann sich jeder verlassen. Hundertprozentig!« bestätigte Breiskoll. Sie verabschiedeten sich kurz von den anderen und schlugen den Weg in die Zentrale ein. Leise sagte Bjo zu Thermeck: »Wir rüsten gerade eine Korvette aus. Das geschieht zwar unter größter Geheimhaltung, aber ich bin sicher, daß Zelenzo längst seine Erneuerer an diese Stelle geschickt hat. Jedenfalls glaube ich nicht, daß die Korvette startet.« Thermeck nickte bedächtig und sagte ebenso leise wie Bjo: »Auch mein Sohn Eldar weiß etwas davon. Nichts Genaues. Und was hast du als Gegenvorschlag?« »Die SZ-Eins-Nullacht und Nullneun, MAGMA PLUS und ICNUSA. Du suchst dir ein paar zuverlässige Leute und beginnst, die Antigrav-Traktorstrahl-Anlagen zu testen und angeblich zu reparieren. Ganz langsam kommen wenige andere dazu. So haben wir in kurzer Zeit vielleicht eine echte Chance, mit einer Erneuerer-freien Mannschaft zu starten, ohne daß uns Zelenzo sabotiert.«
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»Einverstanden. Mache ich. Bedeutet das etwa, daß wir in absehbarer Zeit keine Rettungsaktion für die Eingeschlossenen von Schwammkartoffel starten?« »Ich befürchte, es verhält sich genau so«, bestätigte Breiskoll. »Jedenfalls wird es Zelenzo nicht gelingen, die SOL aus der Nähe des Überganges in die Namenlose Zone zu vertreiben. Eher schaltet SENECA sämtliche Energie ab.« »Na ja, wenigstens etwas«, brummte Brons niedergeschlagen. Sie kamen in die Zentrale. Bjo, der wußte, daß der Sohn Thermecks wahrscheinlich schon Verbindungen zu den wichtigsten Anhängern des Unbekannten gehabt hatte, überlegte schweigend, ob er diese Kenntnisse nicht zum Wohl der SOL ausnützen konnte. Noch fiel ihm nichts ein.
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3. »Besser eine Regierungsform, wie sie Deccon praktizierte, als diese ständige Gefährdung von uns allen, bloß weil der Arkonide seine eigenen Pläne mit uns allen hat.« Eldar Sonnersy »Ich muß dir sagen, Mutter, daß ich heute klarsehe!« Eldar, so groß wie sein Vater, stand in der Mitte des Wohnraumes. Sein sommersprossenübersätes Gesicht drückte grimmige, ausweglose Entschlossenheit aus. Er starrte Thala herausfordernd an. Sie saß in ihrem bequemen Sessel, hatte den ballgroßen Byl auf dem Schoß und kraulte das Tierchen, das satt und zufrieden schnurrte, im Nacken. »Klar?« fragte sie skeptisch. »In welcher Beziehung? Hast du dich etwa entschlossen, dein Studium mit Hochdruck weiterzutreiben?« Thala hatte, was die intellektuellen Fortschritte ihres achtzehnjährigen Sohnes betraf, wenig Illusionen. Die aktuellen Geschehnisse innerhalb und außerhalb des Schiffes faszinierten ihn derartig, daß er darüber alles andere zu vergessen schien. Überdies hatte er eine Sicht der Probleme, die von ihrer zumindest stark abwich. »Studium?« fragte er in einem Ton, als würde sie eine fremde Sprache verwenden. »Ich bin entschlossen, mich gegen Roboter und die Politik von Hayes zu stellen.« »Und was willst du damit erreichen?« »Daß die Vernunft siegt. Oder bist du anderer Meinung? Steht es nicht so in deinem Buch?« Er bezog sich auf ihre Geschichte der SOL, die sie verfasst und gespeichert hatte. Zugang dazu hatte auch er nicht. Er würde sonst einige Kapitel umgeschrieben haben. »Ich habe noch nicht alle Daten«, wich sie aus. »Du weißt, daß du dich mit deiner Absicht gegen deinen Vater stellst?« »Weiß ich. Aber er verkennt die Wahrheit.« Vilar, Eldar, Brons und sie selbst, sagte sich Thala, stritten sich zu oft und zu heftig. Sie selbst stand Atlans Aktivitäten voller Kritik gegenüber. Aber dennoch war sie der Meinung, daß Zelenzo zumindest in diesem Punkt völlig unrecht hatte. Sie sagte kopfschüttelnd: »Ich glaube sicher, daß Brons recht hat. Du forderst seine Geduld heraus, Eldar.« »Das ist mir gleichgültig«, meinte er abschätzig. »Ich weiß, was ich zu tun habe.« »Du bist dafür, Atlan zu vergessen? Ihn einfach ausgesetzt zu lassen? In der Namenlosen Zone? Du hast gehört, was Brons berichtet hat!« Byl fauchte. Die Erregung seines Frauchens übertrug sich auf das vierbeinige Fellbündel. Er riß die Schnauze auf, stieß einen ärgerlichen Laut aus und sprang auf den Boden. Mit einigen Sätzen war er unter einem Sessel und versteckte sich darunter.
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»In seine Lage hat sich Atlan selbst gebracht!« widersprach Eldar. Er ballte die Fäuste. Für ihn bedeutete die SOL das Zentrum des Universums; jedenfalls seines Universums. »Er hätte jedem Gegner ausweichen können. Und was tut er? Er scheint die Gefahr zu suchen. Jetzt hat er die Quittung dafür!« Noch verlief die Unterhaltung in zivilisierten Bahnen. Thala, deren Selbstbewußtsein keineswegs gering war, besaß kein vernünftiges Mittel, um Eldars Meinung zu ändern. Er war mit seinen achtzehn Jahren mittlerweile viel zu selbständig geworden. »Ich sage dir eines!« begann sie. »Weiß schon: Meine Freunde verderben meinen Charakter. Ich sollte besser studieren, mit mehr Eifer. Atlan und Hayes sind die Größten. Zelenzo ist, obwohl ihn keiner kennt, ein niederträchtiger Schurke. Das ist doch eure Meinung, nicht wahr?« »Nicht so drastisch, wie du tust. Aber du hast deine Lage ziemlich treffend geschildert. Du mußt versuchen, die Dinge realistisch zu sehen. Was soll ich tun, um dich zu überzeugen? Für Ohrfeigen oder Stubenarrest bist du zu alt.« »Nein, wirklich?« Eldar fuhr durch sein strohblondes Haar. Er schüttelte sich. Für einen kurzen Augenblick hatten die Sätze seiner Mutter tief in seinem Innern eine Erinnerung geweckt; an Familienleben, an ruhige Abende im Wohnbezirk, an die undeutliche Erleichterung darüber, daß sich die Verhältnisse an Bord änderten. An die Zeit, in der auch er erlebt hatte, wie aus dem schauerlichen Chaos Schritt um Schritt unter Atlans Führung eine Ordnung wurde, in der es sich zu leben lohnte. Aber mit einem starken Impuls der Entschlossenheit zwang er sich dazu, das alles zu vergessen und tief einzutauchen in die aktuelle Wirklichkeit, wie er sie sah. »Ich meine das ernst!« sagte Thala. »Du solltest nicht so dumm darüber grinsen.« »Ich grinse aus einem anderen Grund. Ich stelle mir gerade die Gesichter der Stabsspezialisten vor, wenn sie sehen, daß Zelenzo sich durchgesetzt hat.« »Weißt du denn, wer Zelenzo ist?« »Wer weiß das schon? Nein.« »Und wie willst du das erfahren?« »Keine Ahnung. Aber ich finde es heraus. Früher oder später werden meine Freunde und ich ihn kennenlernen. Er ist unglaublich raffiniert.« Normalerweise verlor Eldar über seinen geheimnisvollen Freundeskreis gegenüber seiner Familie kein Wort. Nicht einmal mit Vilar sprach er darüber, mit dem zehnjährigen Chart schon gar nicht. Thala konnte sich denken, daß die Freunde auf ihn einen negativen Einfluß ausübten. »Raffiniert ist er wirklich. Ich war an jedem Platz, an dem etwas vorgefallen ist«, bestätigte Thala und stand auf. »Ich habe mir, wegen meines Berichts, meines entstehenden Buches, stets einen persönlichen Eindruck gemacht.«
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»Der meine ... Ausführungen bestätigt?« »Kein Kommentar«, antwortete Thala. »Bevor du anfängst, einen Einmann-Krieg gegen den High Sideryt zu führen, solltest du daran denken, daß du mehr als die Hälfte aller Solaner gegen dich hast. Ziehe daraus, wenn du es kannst, die Konsequenzen.« »Jedenfalls werden es die richtigen sein!« sagte er, lief hinüber in sein Zimmer und kam einige Minuten später wieder zurück. Alle seine Taschen beulten sich aus und hingen schwer durch. Thala sagte nichts, obwohl sie mehr als deutlich sah, daß Eldar davonlief. Mit der Gewißheit einer klugen, überlegenen Frau erkannte sie aber, daß es weitaus mehr eine Flucht vor eigenen Problemen war. Sie rechnete damit, daß Eldar zurückkommen würde, auf diese oder andere Art. Am Schott blieb er stehen und blickte seine Mutter mit einem schwer zu deutenden Ausdruck an. »Denke daran«, sagte sie. »Du bist hier zu Hause, was auch passieren wird.« »Ja. Ich weiß. Wenn ich erfahre, wer Zelenzo ist, sage ich’s dir. Du bist die erste, die es erfährt.« »Wie schön!« bemerkte sie lakonisch und sah zu, wie sich hinter ihm das Schott schloß. Ab jetzt gab es ein Problem mehr. Vielleicht strahlte Eldar, wenn er zurückkam, etwas weniger von seiner permanenten Unzufriedenheit aus. Falls er zurückkam. Und dann war noch Vilar; wie sie sich in den Auseinandersetzungen verhalten würde, war Thala noch nicht klar. Aber die Diskussion würde zweifellos an Lautstärke und Härte zunehmen. * Diesmal zeigte sich das Chaos in der SOL auf eine gänzlich neue, so gut wie unbekannte Weise. Es gab keine donnernden Explosionen, die Teile des Schiffes verwüsteten, Solaner töteten und verletzten. Niemand griff die Hauptzentrale in dem SOL-Mittelteil an, um die Macht zu übernehmen und die folgenden Handlungen und Entwicklungen zu diktieren. Es kämpften Roboter nicht gegen Solaner beziehungsweise umgekehrt. Niemand jagte das Schiff auf einem Kollisionskurs in eine Sonne oder in tödliche stellare Zonen hinein. Keine fremde Macht gefährdete die SOL in direkten Aktionen. All das schien an Bord vergessen zu sein. Abenteuer, gefährliche Situationen, Ausfall der gesamten Energie, Tiefschlaf oder Totenstarre von mehr als neunzigtausend Individuen – alles schien total vergessen zu sein. Vergessen hatte man auch, wie oft und unter welchem persönlichen Einsatz Frauen und Männer der Führungsspitze, ihnen allen voran Breckcrown Hayes und Atlan, die scheinbar ausweglosen Situationen entschärft und einer Lösung zugeführt hatten. Es war, als ob nicht ein einziger Solaner wußte, wie er aus dem Strudel der Ungewißheit, der einander widersprechenden Meinungen und Aktionen, aus der unerträglich gewordenen Gegensätzlichkeit zwischen den Absichten des High Sideryt und Zelenzos herauskommen konnte. Das Chaos entlud sich ganz langsam, aber nicht weniger drohend und gefährlich in einer nicht enden
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wollenden Reihe von winzigen Explosionen. Überall in der SOL gärte es, gab es winzige Zellen der Meinungsverschiedenheit, des Streites – offen oder verdeckt –, der Sabotage und der persönlichen Verdächtigungen, zu der einen oder anderen Seite zu gehören und deren Aktionen zu unterstützen oder gar zu betreiben. Es war schwer oder so gut wie unmöglich, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Breckcrown Hayes war auf dem direkten Weg, zu erkennen, daß nur äußerste Rücksichtslosigkeit helfen konnte. Aber er scheute sich, diese Rücksichtslosigkeit anzuwenden. Das war das eigentliche Problem. * Wajsto Kolsch stützte seinen Kopf schwer in die Hände. Was jetzt diskutiert und entschieden wurde, war wichtig. Es war die Überschrift der kommenden Kapitel. Er nahm kein einziges Wort und dessen Bedeutung leicht; er würde dafür geradestehen müssen, und er tat dies gern. »Fassen wir zusammen«, sagte er dumpf. »Die erklärte Forderung der Rebellen, ihre erste Prämisse, ist der sofortige Abzug der SOL aus der Nähe der Namenlosen Zone, beziehungsweise des Nabels. Ich lehne dies ab, klar?« »Wir alle lehnen das ab«, brummte Breck. »Weiter.« »Daß wir uns von Atlan ›lossagen‹, wie Zelenzo es auszudrücken beliebte«, sagte Breiskoll, nicht weniger entschlossen, »ist wohl kein ernsthaftes Diskussionsthema. Oder sollte ich mich irren?« »Natürlich nicht«, Federspiel zeigte den Anflug eines Lächelns. »Mir ist nur schleierhaft, wie wir unsere einstimmig gefaßten Entschlüsse in die Tat umsetzen können. Trotzdem: weiter im Text.« »Der Junk-Nabel wird nicht zerstört, denn dies bedeutet, daß wir uns von Atlan losgesagt hätten.« Solania von Terra schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Es gab ein endgültiges Geräusch. »Niemand hat dies vor! Und für Ruhe und Frieden, die wir wirklich dringend brauchen, dringender als Kämpfe und jede Menge sinnloser Auseinandersetzungen«, schloß der High Sideryt ab, »sorgen wir. Einverstanden?« Die kleine Runde der wichtigsten Stabsspezialisten und der wenigen auf der SOL zurückgebliebenen Freunde Atlans stimmten zu. Der Entschluß war sozusagen einstimmig gefaßt worden.
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Ob er eingehalten werden konnte, blieb dahingestellt. Breiskoll lehnte sich zurück und dachte darüber nach, ob er sein Vorhaben öffentlich bekanntgeben sollte. Er entschied sich dagegen. Jeder Mitwisser mehr war ein Eingeweihter zuviel. In diesem Augenblick erschütterten drei aufeinanderfolgende Detonationen die SOL. Der schmetternde, dröhnende und nachhallende Krach wurde von den Lautsprechern der Interkome übertragen. Breiskoll sprang auf und fluchte lautlos. Irgendwo in den drei Teilen der SOL hatten die Erneuerer irgend etwas in die Luft gejagt. Aus den Lautsprechern kam jetzt Geschrei, wirre Kommandos und die nervzerfetzenden Geräusche von Summern und Sirenen. Mit einem Satz war Breiskoll am Terminal SENECAS. »Meldung! Was ist passiert? Wo ist es passiert?« rief er aufgeregt. Er vermutete das Schlimmste. SENECA antwortete sofort. Seine Kontrollmechanismen funktionierten ebenso schnell wie die geheimnisvollen Schaltungen von Zelenzo. »Keine Panik. Die drei Detonationen betrafen patrouillierende Wachroboter aus meinem System. Sie befanden sich in der SZ-Eins. Vor den Innenanlagen der Hangars zu den Kreuzern Nullacht und Nullneun, MAGMA PLUS und ICNUSA sind die Maschinen durch ferngezündete Sprengsätze vollständig zerstört worden. Ein neuer Anschlag der Anhänger Zelenzos. Ich habe inzwischen die notwendigen Aufräumungsarbeiten eingeleitet. Ende.« Breiskoll wurde bleich. Er versuchte, sich durch seinen Gesichtsausdruck nicht zu verraten. Die beiden Kreuzer waren diejenigen, die Teile seines Planes darstellten. Zufall oder geplante Sabotage! Er machte zu den anderen Mitgliedern der Versammlung hin eine beruhigende Geste. »Keine Sorge. Nur Materialschäden. Jetzt gehen sie schon auf die Roboter los.« SENECA hatte sofort eine Interkomverbindung auf einen großen Monitor geschaltet. In der Zentrale sah man die ersten Aufräumungsarbeiten, die Reste der Detonation, die zerfetzten und schwelenden Maschinen und die verstreuten Trümmer samt den Markierungen der Einschläge in den Wänden, Boden und Decke. »Und siehe da«, meinte Lyta »Bit« Kunduran, »schon wieder ist Thala Sonnersy unter den ersten Neugierigen.« Es war deutlich zu sehen, wie sich die untersetzte Frau, mit weniger als hundertsiebzig Zentimetern Größe kleiner als die Solaner ihrer Umgebung, zwischen den Zuschauern hindurchschob. Sie nickte kurz und bestimmt einigen Freunden oder guten Bekannten aus der Robotik-Abteilung zu und sprach, als sie sich
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den Wracks näherte, in ein winziges Diktaphon. Breck knurrte: »Auf mich wirkt sie, als würde sie sich vom Erfolg der Sprengung überzeugen wollen. Habt ihr nicht das Aufleuchten ihrer Augen gesehen?« Brick lachte laut und meinte abschwächend: »Ein Reflex auf dem Bildschirm. Sie hat keine Glühkontakte hinter den Augäpfeln.« Brick hatte, nach der Meinung Bjos und Hayes, gut lachen. Für ihn gab es keine speziellen Probleme. Die SOL brauchte nicht gesteuert zu werden. Aufmerksam beobachteten sie alle die Aufräumungsarbeiten. Breiskoll sah, daß die Schleusen und Schotte, die ins Schiffsinnere führten, kaum ernsthaft beschädigt waren. Immerhin arbeiteten in den Hangars beziehungsweise den Kreuzern bereits jeweils ein halbes Dutzend Männer mit Robotunterstützung. Bisher waren sie unbemerkt geblieben. »Trotzdem wächst, wenigstens bei mir, der Verdacht, daß die Ehefrau von Atlans Boten etwas mit diesem Unerklärbaren zu tun hat.« Lyta nickte dem High Sideryt zu. »Abwarten. Ich weiß, daß sie nicht gerade zu Atlans glühenden Verehrerinnen zählt, milde ausgedrückt. Aber ... Agentin von Zelenzo? Ich weiß nicht recht.« »Niemand weiß etwas.« Breiskoll sagte sich, daß immerhin eine Möglichkeit bestand. Thala Sonnersy besaß Spezialkenntnisse der Robotik. Sie war zweiundfünfzig Jahre alt, und so konnte sie auf rund drei Jahrzehnte erfolgreicher Tätigkeit in diesem komplizierten Spezialgebiet zurückblicken. Fast alle ihre Freunde gehörten zu dieser wissenschaftlichen Abteilung. Was ein Kerness Mylotta zuwege gebracht hatte, würden auch einige Fachleute schaffen. Aber der Katzer glaubte selbst nicht recht an diese Möglichkeit. Trotzdem: sein Mißtrauen war geweckt. »Ist es denkbar, daß beispielsweise Thala genügend fachliche Kenntnisse und auch die technische Möglichkeit hat, sich robotische Systeme der verschiedenen Arten gefügig zu machen?« fragte Kolsch. »Das ist durchaus vorstellbar!« antwortete Federspiel. »Dann werden wir sie im Auge behalten müssen. Sie und andere«, bestimmte Breckcrown Hayes. »Ich helfe dabei!« versicherte SENECA über sein Terminal.
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Wieder breitete sich ein lastendes Schweigen im Konferenzbereich der Hauptzentrale aus. Breck lag nichts daran, jeden mehr oder wenigen Verdächtigen festnehmen zu lassen und einzusperren. Er ließ seine Solaner freie Willensentscheidungen treffen und die Konsequenzen daraus ziehen. Dies führte mit Sicherheit dazu, daß den Verantwortlichen die Übersicht verlorenging und das Ruder aus der Hand glitt. Noch immer konnte sich der High Sideryt nicht dazu entschließen, hart durchzugreifen. In seinem Innern focht er, von den anderen unbemerkt, schwere Kämpfe aus. Er schwor sich, dieses Mittel nur in äußerster Notlage anzuwenden – es gab schon zu viele, die man eingesperrt hatte. Breiskoll holte sich einen Kaffee, winkte Sternfeuer und sagte in einem Tonfall, der wie ein Vorschlag klang: »Wir beide gehen zu der offiziellen Rettungskorvette und sehen uns telepathisch etwas um. Vielleicht kommen wir sogar mit der Erkenntnis zurück, daß es an Bord keine Erneuerer gibt.« Niemand glaubte ihnen. Der Katzer und die Zwillingsschwester Federspiels legten, als sie das schwere Sicherheitsschott der Zentrale und die Reihen der sichernden, auf höchste Wachsamkeit geschalteten Roboter passierten, die Hände auf die Griffe ihrer Waffen. Sie ahnten, daß sie neuen Schwierigkeiten entgegengingen.
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4. »Ich bin ein erklärter Gegner des Grauens. Ich werde alles tun, um den gefürchteten Zustand nicht eintreten zu lassen.« Zelenzo, 10.06.08 Ich bin Zelenzo. Wenigstens nennen sie mich so, auf meinen Wunsch. Ich befinde mich in dem Versteck, das ich nach intensiver Suche gefunden habe. Meine Befehlsstation ist perfekt. Sie genügt allen meinen Ansprüchen. Alle fragen sich: Wo ist Zelenzo? Wer ist Zelenzo? Was will Zelenzo wirklich? Ich lache unter dem Visier meiner Schutzhülle. Ich weiß, daß die Bewohner der SOL sagen werden – falls ich mich ihnen zeigen muß –, daß sie der Rüstung sogenannter Ritter aus ihrer grauen Vorzeit ähnelt. Das trifft zu, ist aber ein Zufall. Ich weiß es, denn ich habe die Speicherleitungen des Bordrechners teilweise unter Kontrolle. Ich stehe vor einem Spiegel, der größer ist als ich. Er ist ein Teil der Schaltanlage; die Rückwand einer nicht sonderlich großen Kammer, die mir als Aufenthaltsraum dient. Warum lache ich? Ich muß innere Monologe führen, weil ich es noch nicht riskiere, mich ausgewählten Solanern zu zeigen. Also sehe ich in diesen großen Spiegel und kontrolliere mein Aussehen. Die dunkel metallische Rüstung aus mehr als eineinhalb Teilen bewegt sich leise und mit vertrauenserweckendem Klicken und Knirschen, und ich bereite mich auf meinen ersten »öffentlichen« Kontakt vor. Ich muß aus der völligen Anonymität hervortreten. Zwei Gründe sind bestimmend. Die Lähmung, die jede ernsthafte Aktivität innerhalb der SOL verhindert und nichts anderes als letztlich sinnlose, alberne Anschläge und Reaktionen der »Erneuerer« provoziert, muß aufgehoben werden. Ich selbst habe viele Anhänger, aber nur wenige Fachleute. Ich muß eine schlagkräftige, tüchtige und entschlußfreudige Gruppe um mich versammeln. Meine zweifache Maskierung wird verhindern, daß auch nur ein einziger Solaner erkennt, wer oder was ich wirklich bin. Schon der erste Solaner, weiblich oder männlich, wird mir Fragen stellen. Zahllose Fragen, auf die ich logisch einwandfreie Antworten zu finden haben werde. Warum bin ich an Bord?
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Aus welchem Grund stelle ich mich gegen die Schiffsführung und deren Ansichten? Weshalb scheine ich Atlan vernichten zu wollen? Das werden sie fragen, natürlich in weitestgehender Verkennung der Tatsachen. Aber es wäre zuviel verlangt, wenn sie meine wahre Identität und wirklichen Ziele auch nur ahnen würden. Nicht einmal die drei Telepathen wissen, wo ich mich befinde, im technischen Labyrinth des Schiffes. Vor ihren Fähigkeiten, die Absichten, den wahren Charakter und womöglich auch die Gedanken anderer Wesen erkennen zu können, schützt mich der sogenannte »Ritterpanzer.« Es ist an mir, jemanden zu finden, der leicht zu überzeugen ist. Ich werde mit den Ohren und Augen der Bordrechenmaschine hören und sehen und ... finden. * »Ich weiß nicht, wie ich mich fühle«, meinte Sternfeuer mißmutig. »Ich fühle mich jedenfalls nicht gut. Und du?« »Ausgesprochen schlecht.« Sternfeuer und Breiskoll erinnerten sich in diesem Augenblick daran, wie oft sie schon in dieser Art und etwa von den gleichen mißlichen Gefühlen erfüllt durch das Schiff gelaufen waren. Um sie herum schien trotz gegensätzlicher Ruhe die Spannung förmlich zu knistern. Bjo, der stärkere Telepath, esperte langanhaltende Wellen der Erregung, die aus allen Richtungen auf ihn eindrangen. Sie waren unspezifisch, nicht gegen ihn oder Sternfeuer gerichtet. »Eine unerträgliche Situation«, sagte die Solanerin. »Ich weiß. Seit Tagen wiederholen wir diese lakonische Feststellung. Alles spielt sich im Schiff ab.« »Weil wir gerade darüber reden«, pflichtete ihr Bjo bei. »Die SOL wirkt wie ein Ball, aus dem langsam die Luft entweicht. Der Durchmesser wird geringer, und viele von uns fühlen sich dem Zerquetschtwerden nahe. Das erzeugt diese ekelhafte Stimmung der Bedrohung.« »Ich verstehe.« Die Korvette, die mit einigem Aufwand für einen Rettungseinsatz vorbereitet wurde, befand sich in der SZ-2. Schon hier befanden sich Energieschirme, Sperren, hin und her schwebende Roboter. Sie hatten von SENECA die Spezifikationen von Breiskoll und Sternfeuer und machten den beiden keinerlei Schwierigkeiten. Im Gegenteil, sie bezogen sie in ihre Schutzmaßnahmen mit ein. Der Bezirk rund um den kleineren Schleusenhangar war in einem Maß abgesichert, das schon fast grotesk wirkte. Vor den Telepathen schwebte eine Kette schwer beladener Plattformen vorbei und verschwand in der halb
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geöffneten Schleuse. Aus dem Hangar ertönten Kommandos, Lautsprecherstimmen, metallische Laute: Summen, Hämmern und Dröhnen. Bjo und Sternfeuer schlüpften in den hell erleuchteten Hangar und grüßten nach allen Seiten. Bjo deutete auf das Schiff und setzte sich in einer weniger hellen Ecke in einen Sessel, der scheinbar zweckentfremdet dort stand. »Geh du in die Korvette«, sagte er zu Sternfeuer. Sie ging auf die Rampe zu. Bjo schloß die Augen und entspannte sich. Dies war das offizielle Hilfsschiff für Atlan und die MJAILAM. Bjo bezweifelte mit einigem Recht, daß dieses Schiff starten würde – jedenfalls nicht für die seit Tagen angekündigte Aktion. Aber es lenkte ab, würde für Zelenzo und seine Anhänger ein Ziel darstellen. Die Bewachung war aber so lückenlos, daß ein Sabotageversuch so gut wie aussichtslos erschien. Breiskoll versuchte wieder einmal mehr zu erfahren als alle anderen Solaner. Breiskoll spürte unterschiedliche Strömungen. Da waren einige Frauen und Männer, deren Namen er nicht kannte. Sie hofften auf den baldigen Start. Ihre Gedanken gingen in eine Richtung. Sie würden versuchen, das Schiff zu kapern und mit den Geschützen und Projektoren einen Junk-Planeten anzugreifen und ihn zu zerstören, zumindest aber die technischen Einrichtungen. Mit solcher Einstellung, mit dem festen Vorsatz, Atlans Rückkehr zu sabotieren, hatten Bjo und seine Freunde fest gerechnet. »Also nichts Neues«, murmelte der Katzer und horchte weiter in das chaotische Durcheinander hinein. Etwa hundertfünfzig Solaner befanden sich in diesem Bereich. Die meisten arbeiteten an der Ausrüstung und der Kontrolle der Korvette. Ihre Gedanken waren voller Neugierde, Erwartung, Hoffnung – aber auch gegensätzliche Empfindungen herrschten vor. Es schienen keine Zelenzo-Anhänger zu sein. Möglicherweise gehörten viele von ihnen zu jener Solaner-Gruppe, denen diese Streitereien ohnehin lästig waren, weil sie sich weder vom Für noch vom Wider eine Änderung ihrer Lebensqualität versprachen. Eine starke, eindeutige Strömung war feststellbar. Sie gehörte zu den etwa zwei Dutzend Raumfahrern der Stammbesatzung. Sie waren dabei, die Technik der Korvette zum zweitenmal zu testen und die Ausrüstung zu überprüfen. Leise Schritte näherten sich. Ein hünenhafter Mann blieb vor Breiskoll stehen, grinste kurz und klirrte mit den Werkzeugen seiner schweren Schultertasche. Es war Brons Thermeck. »Wundere dich nicht«, sagte er mit brummiger Stimme. »Sie haben mich gerufen.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. Hinter ihm ragte die Wandung aus Ynkelonium-Terkonit-Verbundstahl auf. »Sie haben Schwierigkeiten mit einem Modul der Traktorstrahlanlage. Tatsächlich.« »Alles klar«, murmelte Breiskoll. »Irgendwelche Beobachtungen? Pannen? Aufregungen?« Stumm schüttelte Brons Thermeck den Kopf.
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»Keinerlei Anzeichen.« Breiskoll war tatsächlich überrascht. Er hatte gedacht, daß die Erneuerer sein Geheimnis bereits aufgedeckt und entsprechend reagiert hätten. Er stand auf und schlug Brons auf die Schulter. »Höre ich gern«, sagte er. »Und wie geht es deiner vielschichtigen Familie?« »Das übliche«, bekannte Brons. »Thala gibt sich geheimnisvoll, und Eldar wirft mit pseudowissenschaftlichen Begriffen um sich. Er hat seinen Kram gepackt und ist in die Emigration gegangen. Ich habe keine Sorge. Er ist ein Hitzkopf, aber er wird schon wieder zu sich kommen.« »Hoffen wir’s«, sagte Bjo und sah zu, wie Brons im Schiff verschwand. Eldar Sonnersy! Der achtzehnjährige junge Mann wurde von ihm und Breck so sorgfältig wie möglich beobachtet. SENECA hatte ein Statement abgegeben, wonach Eldar mit anderen Jugendlichen aus dem Kern der Erneuerer Kontakt gehabt hatte. Es war zu vermuten, daß Eldar eine Mutprobe abzulegen hatte, um sich qualifizieren zu können. Über Eldar würde man vielleicht auch an Zelenzo herankommen können. Eldar, der auf Bjo einen unwilligen und ziemlich mürrischen Eindruck machte, würde dem High Sideryt vermutlich nicht freiwillig helfen wollen. Immerhin bedeutete es eine von vielen kleinen Chancen. Breiskoll ging zurück in das grelle Licht der Scheinwerfer und Flutlampen, blieb kurz neben der Rampe stehen, um einige Roboter vorbeizulassen und spürte plötzlich, ohne daß er sagen konnte, woher, den scharfen Stich von Gefahr. Er erstarrte und griff im ersten Reflex nach der Waffe. Um ihn herum hatte sich nichts verändert. Nach wie vor herrschten gemessene Betriebsamkeit und eine gewisse nervöse Aufregung. Bjo schickte gleichzeitig seine Blicke und seine geistigen Fühler in alle Richtungen. Aus einer offenen Luke senkte sich am Steuerkabel eine Ladeplattform. Niemand stand am Boden der Halle direkt darunter. Ruhig bewegten sich die Wachrobots neben den wenigen offenen Eingängen. Bjo Breiskoll, der in der Lage war, festzustellen, was in der kosmischen Umgebung vor sich ging, der die Stimmen von Planeten und energetischen Strömungen »hörte«, war ganz sicher. Die Gefährdung befand sich unmittelbar in seiner Nähe, nicht außerhalb des Schiffes. Und doch ... auch dort draußen im Junk-System gingen irgendwelche Dinge vor. Die aktuelle Gefährdung war wichtiger. Bjo rannte die Rampe hinauf und schwang sich in den Antigravschacht. Er schwebte aufwärts und war mit einigen seiner raubtierhaft schnellen und weiten Sprünge in der Zentrale. Ein paar Solaner in den lindgrünen Overalls fuhren erschreckt herum und starrten ihn an. Hastig stieß er hervor: »Ich spüre irgendwelche Gefahren. Noch nichts Konkretes – vielleicht ein Anschlag, eine Bombe, irgend etwas in dieser Art. Gebt acht! Sagt es auch den anderen. Ich will den Saboteur haben. Vielleicht fangen
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wir den Attentäter – also keinen Schiffsalarm.« »Verstanden!« sagte der Kommandant. »Los! Ausschwärmen! Luken zu, aber leise. Warnt sie alle. Die Erneuerer unter uns sollen es nicht zu leicht haben.« »Recht so!« fauchte Breiskoll, rannte hinaus und schwebte wieder in die untere Polschleuse zurück. Er lief hinaus auf die Rampe, sah sich um und esperte. Jetzt fühlte er es deutlich. Jemand dachte an eine Kombinationsladung. Eine Bombe, ein Blendsprengsatz und ein Gaszylinder, der sich schlagartig entleeren würde. Er befand sich, so dachte der Attentäter unentwegt, bereits auf dem Weg zur Korvette. Bjo versenkte sich in die Gedanken des Saboteurs. Er fand schnell heraus, daß es sich um einen Jugendlichen handelte, dessen Verwirrung ebenso groß wie seine Absicht deutlich war. Er würde es ihnen zeigen – und sich selbst auch, damit die Zweifel aufhörten. »Ich kann’s nicht glauben«, flüsterte Breiskoll. Er war wirklich mehr als verblüfft. Die Gedanken gehörten zu Eldar Sonnersy. Also doch! Ein Attentat! Das deutete darauf hin, daß er sich einer Bewährungsprobe für Zelenzo und die Erneuerer unterzog. Bjo zog die Waffe, schaltete den Projektor auf Schockstrahlung um und lief die Rampe hinunter. Hinter den Robotern, die sich neben der Personenschleuse aufgebaut hatten, blieb er in Deckung stehen und wartete, alle Muskeln gespannt und scharf auf die wirren Gedankenströme Eldars konzentriert. Die Bilder, Überlegungen und Empfindungen beschäftigten sich mit einem raumfest verpackten, fernzündbaren Ballen, der inmitten einer Ladung auf der Schwebeplattform lag. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, dann hatte der Katzer diese Feststellungen verarbeitet. Halblaut rief er einigen Solanern zu, die in seiner Nähe standen: »Raus! Verlaßt den Hangar! Gefahr!« Wahrscheinlich begriffen sie nicht völlig, aber sie gehorchten seinem ausgestreckten Arm. Sie verließen rennend die Schleusenkammer und stießen mit anderen Arbeitern zusammen, die gerade hinein wollten. In diesem Moment kam, zusammen mit zwei Raumfahrern, Brons Thermeck aus dem Schiff. Krachend schloß sich die große Laderaumluke der Korvette. Zwei Schleusen hoch über den Köpfen der Solaner zischten in der Notschaltung zu. Die schwerbeladene Plattform kam auf das Schiff zu und hielt an der markierten Stelle an. Heulend liefen die Exhaustorturbinen an. Rechts von Breiskoll schob sich Eldar durch die Lastschleuse. Bjo registrierte einen scharfen Impuls, aus Erschrecken, Wut und Enttäuschung zusammengesetzt.
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Als Bjo entschlossen rückwärts ging – inzwischen wußte er, daß die Detonationsladung auf der Lastenplattform lag –, sah Eldar seinen Vater, der im selben Augenblick den Kopf drehte und den schlanken Jungen stehen sah. »Vater! Deckung!« schrie Eldar. »Eine Bombe ... die Augen.« Breiskoll bemerkte mit Erleichterung, daß sich die wenigen Solaner, die sich noch im Hangar befanden, in Sicherheit gebracht oder zu Boden geworfen hatten. Er drehte sich herum und sprang hinaus in den Korridor. Der letzte Eindruck, den er optisch noch wahrnahm, war Brons, der mit einem Hechtsatz von der Rampe sprang und sich am Boden zwischen einigen Kistenstapeln und zwei Robotern abrollte. Dann zündete jemand (nicht Eldar!) die Bombe. Offensichtlich, sagte sich Breiskoll, der die Vibrationen des Bodens fühlte, hinter den geschlossenen Lidern das ultragrelle Aufleuchten der Blendbombe wahrnahm, trauten die jungen Anhänger Zelenzos ihrem neuen Mitarbeiter nur sehr bedingt. Sonst hätte Eldar die Zündung auslösen dürfen. In diesem Fall hätte er wohl nicht gezündet, nicht auf den Auslöser gedrückt. Also bestand durchaus noch Hoffnung. Breiskoll kam wieder auf die Beine, winkte und machte beruhigende Gesten in alle Richtungen und rief: »Keine Panik! Kein Anlaß, wegzurennen. Geht wieder an eure Arbeit. Im Hangar sind höchstens ein paar Kisten umgefallen. Achtet auf das Gas!« Er rannte hinüber zur anderen Schleuse. Dort lag Eldar am Boden, wimmerte und hielt beide Hände vor die Augen. »Das war’s, Rebell!« knurrte Breiskoll und winkte Sternfeuer zu sich. Sie packten Eldar, solange noch genügend Durcheinander herrschte, an den Oberarmen und zogen ihn in den Hangar hinein. Eine Reihe von klaren Befehlen, und Roboter setzten sich in Bewegung. Sie organisierten zwei Medorobots, die den Körper auf eine Bahre legten und mit halbautomatischen Klammern fesselten. Eine Decke wurde über die Gestalt ausgebreitet. Die Maschinen schwebten schnell, mit zuckenden roten Blinklichtern, durch die Korridore und auf den nächsten Hospitalbezirk zu. Sie verließen die Aufnahmestation durch einen zweiten Ausgang und setzten die Last in einem Nebenraum der Hauptzentrale ab. Sternfeuer und Breiskoll gingen zum nächsten Interkomanschluß, schalteten sich in die Zentrale und verständigten den High Sideryt von den neuen Ereignissen. Das Lähmungsgas wurde von dem gewaltigen Luftstrom der Hangar-Klimaanlage zunächst auf einen
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ungefährlichen Wert verdünnt und von den Filtern absorbiert. Minuten später, als der Hangar erneut geflutet war, öffneten sich wieder die Luken und Schleusen der Korvette und die Sicherheitstüren zu den Schiffskorridoren. Einige Roboter waren beschädigt; SENECA zog sie ab und ersetzte sie durch intakte Modelle. Die durcheinandergewirbelten Ausrüstungsgegenstände wurden eingesammelt, die zerbeulte und defekte Plattform zerrten die Maschinen in die nächstgelegene Reparaturabteilung. »Wir gehen in die Zentrale, Brons«, sagte Breiskoll. Thermeck nickte schwer. Er stand unter Schock. »Eldar! Sabotiert für Zelenzo!« murmelte er später. »Und mich – er hat mich gewarnt!« »Du siehst, daß dein Sohn doch noch ernsthafte Skrupel hatte«, wandte Bjo tröstend ein. »Er wollte nicht, daß dir etwas geschieht. Für mich bedeutet sein Zögern, daß er längst nicht so radikal ist, wie er es uns glauben lassen will.« »Ein schwacher Trost!« »Immerhin ein gutes Zeichen. Wir werden herausfinden, was eigentlich los war. Vielleicht kommen wir über Eldar an Zelenzo heran. Du bleibst hier?« »Ich besorge das Modul und baue es ein.« »Verstanden. Nimm’s nicht zu schwer, Brons. Wir haben es bisher immer geschafft.« Er nickte ihnen finster zu und ging mit langsamen, schleppenden Schritten und gesenktem Kopf aus dem Hangar. Sternfeuer zog Bjo mit sich und sprang auf das Laufband. »Wir haben vermutlich ein interessantes Verhör vor uns. Hoffentlich ist Eldar Sonnersy gesprächsbereit. Oder zumindest nicht allzu verstockt.« »Abwarten.« Der Katzer hatte das Gefühl, als wären sie einen ganz kleinen Schritt weitergekommen. Vom Standpunkt Zelenzos aus war dieser Sabotageversuch ein halber Erfolg. Die Arbeiten waren gestört worden, das Interesse aller Solaner war auf die Korvette gelenkt, und ein weiterer Versuch, Atlan zu retten, mußte abgeschrieben werden. Es war dringend zu hoffen, daß niemand gesehen hatte, daß sich Eldar Sonnersy im Gewahrsam der Stabsspezialisten befand. Mitten auf dem Laufband, auf halbem Weg zur Zentrale, erinnerte sich Bjo Breiskoll wieder an den gefahrausstrahlenden Impuls, den er aus dem Weltraum aufgefangen hatte. In der Ruhe eines Nebenraums der Hauptzentrale würde er sich, zusammen mit den Spezialisten der Ortungszentrale, darum kümmern können. * Es war kurz vor Mitternacht, als Bjo Breiskoll zu der kleinen Gruppe stieß. Hinter ihm hatten sich die
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verdeckten Sicherheitsschotte geschlossen. Hierher reichte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit der Einfluß des unsichtbaren Zelenzo nicht, ebensowenig wie in Breckcrown Hayes Klause. Eldar Sonnersy saß in einem Kontursessel, der für ihn viel zu groß schien. Seine Augen waren unnatürlich gerötet; ein Medorobot setzte ihm, ehe die Maschine summend in den Hintergrund zurückschwebte, eine dunkle Brille auf. Der junge Mann war kreidebleich und schien eine gnadenlose Reaktion der Verantwortlichen zu erwarten. Außer Breiskoll und Sonnersy befanden sich Breck hier, Federspiel und Sternfeuer. »Das hat ja fabelhaft geklappt, Eldar«, sagte Bjo in ruhigem, ironischem Tonfall. »Die Detonation hat fünf Solaner getötet und sieben verletzt. Deinen Vater nicht. Dank deiner Warnung konnte er sich retten. Seine Lungen sind nur ein bißchen kaputt, weißt du!« Bjo sondierte die Gedanken Eldars. Der Junge war innerlich gelähmt, zu Tode erschreckt. Er schob die Schutzbrille in die Stirn und blickte schweigend von einem seiner Gegenüber zum anderen. »Ist das wahr? Ich sollte ... nach der Explosion, nachher sollte ich nämlich erfahren, wer Zelenzo ist.« Noch immer ruhig, aber mit rauher Stimme fragte Breckcrown: »Soll das heißen, daß du riskiert hast, deinen Vater umzubringen, ohne zu wissen, für wen du deinen sinnlosen Kampf führst?« Schweigend nickte Eldar. »Wer hat dich eigentlich auf diese verblüffende Idee gebracht? Um in deinen aparten Terminologie zu sprechen: Deine scharfgeistige Analyse des Zustands innerhalb der SOL trieb dich, psychologisch völlig klar ersichtlich, zu einem Akt des gewaltlosen Widerstands gegen die Politik der etablierten Autoritäten. Allerdings werden die Toten schwerlich davon lebendig. Wir sind natürlich pflichtgemäß hingerissen von deinem entzückenden Einfall.« Eldar schien seine eigenen Worte – den Wortschatz, den er gebrauchte, und mit dem er seine Umgebung maßlos beeindruckte – nicht zu verstehen. Er rang nach Worten und brachte schließlich hervor: »Habe ich wirklich ... sind sie tot?« »Deine Freunde«, sagte Federspiel hart, »haben offensichtlich Spiel mit Ernst und gewaltlosen Widerstand mit Mordversuch verwechselt. Bist du dir eigentlich darüber klar, daß die SOL unsere Heimat ist? Daß sie nicht angetestet werden darf, weil wir alle dabei sterben können? Daß Atlan uns allen mehr geholfen hat als jeder andere in diesem Raumschiff? Darüber hinaus hast du versagt. Die Korvette startet ein paar Stunden später.« Eldar stotterte: »Ich bedaure. Ich wollte nicht, daß Vater verletzt wird.« »Kannst du uns erklären, aus welchem Grund ein toter Solaner namens Brons Thermeck mehr oder weniger wert ist als ein Toter namens Smith?« fragte Breck in unheilvoller Ruhe.
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Auch für die nächste Antwort brauchte Eldar lange Zeit der Überlegung. Dann brach es wie ein Sturzbach aus ihm hervor. »Es tut mir leid. Das habe ich nicht geahnt. Ich dachte nicht, daß es Opfer geben könnte. Wahrscheinlich haben meine Freunde nicht gesehen, was wirklich passiert ist.« »Du meinst, daß wir dich ertappt und verhaftet haben?« »Ja. Wenn einer von ihnen es hört, wird er es den anderen sagen. Sie sind sicher, daß ihr mich dazu zwingt, alles zu verraten.« »Was sollst du verraten können? Du hast keine Ahnung, wer dieser Zelenzo ist.« »Richtig. Ich habe versagt. Es war nur wegen ...« »Des Alten. Brons.« »Ja. Aber ich bedaure nichts. Ich würde es wieder versuchen. Atlan hat uns in jede, aber auch jede Schwierigkeit hineingesteuert. Wenn ich ausfalle, machen andere weiter. Ihr könnt euch nicht gegen die öffentliche Meinung stellen. Jedenfalls nicht für unbegrenzte Zeit.« Der High Sideryt musterte Eldar wie einen exotischen Extra. Er bewegte seinen Kopf ganz langsam, fast in Zeitlupe, hin und her. Bjo sondierte einige Empfindungen und registrierte, daß Breck eindeutig Schwierigkeiten hatte zu glauben, was er hörte. Der Katzer mischte sich ein und blieb dicht vor Eldar Sonnersy stehen. »Hör gut zu, du frühreifer Flegel«, sagte er. »Unsere Geduld neigt sich jäh einem schlimmen Ende zu. Du bist, wie du mit deinem scharfsinnigen Intellekt mittlerweile erkannt hast, festgenommen. Die Angehörigen der Opfer werden dich darüber hinaus wohl ins Herz geschlossen haben. Der Anschlag war ein Erfolg. Zelenzo wird sich freuen. Wir kommen dir innerhalb enger Grenzen entgegen.« »Wie?« Der Junge war völlig verwirrt. Er schien aber immerhin zu erkennen, daß er eine letzte Chance erhielt. »Niemand wird erfahren, daß du mit uns gesprochen hast. Auch von der ärztlichen Versorgung und der Festnahme wissen nur wir. Du gehst zurück zu deinen Freunden und läßt dich feiern. Von uns wirst du überwacht. Was du über Zelenzo erfährst, berichtest du einem von uns – wie das vonstatten geht, wird dir einfallen. Du bist einfallsreich genug. Einverstanden?« Schweigend nickte Eldar. »Ich habe schwere Zweifel«, sagte Breiskoll, »ob Eldar wirklich sein Wort halten wird. Er wirkt auf mich alles andere als kooperativ. Aber ich lege die Entscheidung in deine Hand, Breck.«
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Der High Sideryt war der Auseinandersetzung bisher schweigend gefolgt. Jetzt nickte er. Dann sagte er mit seiner dunklen, rauhen Stimme: »Laßt ihn gehen. Man wird sehen. Wenn er mitmacht, kann er sich rehabilitieren.« »Meinst du das wirklich?« fragte Eldar und sprang auf. »Natürlich. Wir haben noch nicht zum letztenmal mit ihm gesprochen. Vielleicht hat er noch ein zweites Mal so unverschämtes Glück wie heute.« Bjo deutete auf das Sicherheitsschott. »Dort hat der Konstrukteur eine Öffnung gelassen. Fröhliche Heimkehr, Herr Sonnersy.« Eldar stemmte sich aus dem Sessel, blickte starr geradeaus und ging langsam hinaus. Die Szene hatte eindeutig etwas Surreales, Bedrückendes. Als das Schott sich geschlossen hatte, sagte Federspiel: »Mir gefällt das alles nicht. Aber es war wohl die beste Lösung. Ein ziemlich sturer junger Mann!« »Er wird in kurzer Zeit sehr viel lernen müssen«, murmelte Sternfeuer. Breck gähnte und sagte: »Kümmerst du dich um den unsichtbaren Fremdkörper oder die Gefahr, von der du gesprochen hast, Bjo? Ich bin todmüde.« »Selbstverständlich.« Alles, was bisher passiert war, blieb völlig unbefriedigend. In Wirklichkeit war es nicht um einen Schritt vorwärts gegangen. Die Sabotageakte hielten zwar auf, kosteten wertvolles Material und hielten die Solaner in Atem. Aber nicht ein einziges Problem war auch nur der Lösung nähergekommen. Mürrisch und schulterzuckend verließen sie den Raum. Bjo schlug den Weg zur Ortungszentrale ein und setzte sich in einen Imbißraum, um eine Kleinigkeit zu essen. Er fühlte sich auch nicht mehr sonderlich frisch und kräftig. Aber immer noch und immer wieder pochte und nagte der Impuls von außerhalb des Schiffes, aus einem Sektor des Weltalls jenseits der Grenze des Junk-Systems.
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5. »Ich höre – glücklicherweise nicht immer – die Stimme des Kosmos tief in mir. Die Stimmen der Sonnen, Planeten und energetischen Strömungen. Ein immerwährender, gewaltiger Chor.« Bjo Breiskoll Eldar Sonnersy würde selbst herausfinden, ob es Tote und Verwundete gegeben hatte. Als Bjo gegangen war, befand er sich in den Tiefen eines schwer zu erklärenden Gefühlswirrwarrs. Bedächtig aß Breiskoll, ohne auf den Geschmack zu achten. Schließlich, voller Unruhe, stand er auf und ließ einen halbleeren Becher stehen. Kurz darauf setzte er sich neben den verantwortlichen Leiter der Ortungszentrale in den bequemen Sessel. Er zeigte auf die Bildschirme. »Ihr müßt mir helfen. Habt ihr irgendwo ein Echo?« fragte er. »Nein. Jedenfalls nichts außer der Sonne, dem Nabel und den Planeten.« »Ich spüre dort draußen etwas«, murmelte Breiskoll. »Ich bin nicht sicher, was es ist. Aber dieses Etwas strahlt Gefährlichkeit aus. Ich versuche, es zu finden.« Der Diensthabende blickte ihn unsicher von der Seite an und zog die Schultern hoch. »An alle. Wir starten eine neue Rundum-Suchaktion.« Es kam weder aus dem Nabel noch von den Planeten. Breiskoll legte den Kopf in den Nacken und stützte ihn auf die schwach gefederte Rückenlehne. Wieder einmal stellte er sich eine äußerst schwierige Aufgabe. Sein seltsam strukturierter Verstand durchforschte den Raum rund um das Schiff. * Unsichtbare Blitzte jagten durch das dunkle, kalte Vakuum, suchten nach Schwingungen, die von ungewohnten Körpern oder Schleiern ausgehen konnten, die vom Gewohnten abwichen. Bjo unterschied genau zwischen den dumpfen Riesenechos der Planeten, dem schrillen Strom der pulsierenden Partikel der roten Sonne, dem seltsam geistigen Glimmen des Junk-Nabels ... und schließlich spürte er etwas. Eine Art Schwarmimpuls, etwas, das aus vielen, dicht beieinander driftenden Teilen bestand. Keine Lebewesen im herkömmlichen Sinn, erfuhr Bjo. Die Muster waren anders; exotischer und nicht innerhalb seines Erfahrungsschatzes. Oder irrte er sich?
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Wo befand sich diese herankommende »Gruppe«? Nach einer Weile flüsterte er seinem Nachbarn zu: »Sektor Grün, sieben Grad, Ebene Omikron. Versucht, ob ihr dort etwas findet.« »Machen wir.« Der Katzer, noch immer mit geschlossenen Augen, Schweißtropfen auf der Stirn und der Oberlippe, gähnte. Er sah dieses schwarmähnliche Gebilde natürlich nicht wirklich, sondern identifizierte es durch die Unterbrechung des überall vorhandenen Raumgefüges. Auf ihn wirkten die Störungen wie die Muster, die winzige Regentropfen oder Sandkörner auf der glatten, regungslosen Fläche eines Sees hervorriefen. Ein annähernd spindelförmiges Muster aus steinernen, felsigen und Energie absondernden Bruchstücken kam näher, hatte etwa die Richtung zur SOL und zur Junk-Sonne eingeschlagen. Breiskoll flüsterte: »Sie sind schnell! Wahnsinnig schnell. Etwa ein Drittel so schnell wie das Licht.« »Ich verstehe.« Die Ortungszentrale, abgesehen vom SPARTAC-Observatorium ein hochentwickeltes Instrument zur Informationserfassung, arbeitete seit einer halben Stunde mit Vollast. Zahllose Bildschirme in unterschiedlichen Farben schalteten sich ein und aus, wechselten die wenigen Bilder, schalteten sich mit Vergrößerungen ein und spiegelten schließlich den von Bjo entdeckten Fremdling wider. Die Vergrößerungen befanden sich am Rand der gerade noch feststellbaren Schärfe. Noch vor Stunden hätten sie diesen geschwungenen Schleier nur dann geortet, wenn sie danach gezielt gesucht hätten. Vor dem Hintergrund der Sterne zeichnete sich jetzt ein erstes Bild ab. Die spindelartige Form hatte sich auseinandergezogen und glich etwa einem korkenzieherähnlichen Gebilde, das stark auseinandergezogen war und in der Mitte einen größeren Durchmesser besaß als in der Richtung zur Spitze und zum Schweif. Der Fremdling bewegte sich auf die SOL zu, grob gesehen, und die Spitze zeichnete sich auf den Ortungsbildern haarfein ab. Der Mann mit dem buschigen Schnurrbart und den langen, schmalen Fingern wandte sich an Breiskoll. »Die Geschwindigkeit beträgt tatsächlich etwa ein Drittel Licht. Ich bezweifle, daß dieses seltsame Objekt auf uns zielt. Es würde in achtundvierzig Stunden in unserer Nähe sein.« »Dann kann ich«, gähnte Breiskoll, »vorher noch ein paar Stunden schlafen. Ich bin sicher, daß es nichts mit Zelenzo zu tun hat. Im Ernst.« »Was ist es? Was kann es bedeuten?« Bjo überlegte lange, ehe er antwortete. »Ich bin über folgende Dinge hier und jetzt sicher. Das kann sich aber ändern. Es kommt nicht von Atlan, kam also nicht durch den verwünschten Nabel. Für mich strahlt dieser Ankömmling Gefahr aus. Welcher Art sie ist – keine Ahnung. Keine Lebewesen! Aber in diesem Teil des Universums, wo sich ununterbrochen auch ohne das Vorhandensein von interstellarer Materie ein geheimnisvolles Geistwesen nach dem anderen kondensiert,
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ist bekanntlich nichts unmöglich. Ich haue mich aufs Ohr, und solltet ihr irgendwelche dramatischen Veränderungen sehen, ruft mich. Vielleicht können wir, wenn die Korkenzieherspindel nahe genug am Schiff ist, mit robotgesteuerten Jets den Fall untersuchen. Ein Schiff auszusenden, ist zu gefährlich – es geht, wie immer, um den Nabel und also um Atlan.« »Geht in Ordnung, Bjo. Gute Nacht.« »Danke. Habe ich nötig.« Bjo stand auf, gähnte noch einmal und sah auf die Uhr. Er war schon viel zu lange auf den Beinen. Er verließ die Zentrale und fuhr durch fast leere, halb abgedunkelte Korridore bis zur SOL-City. Er hatte nur noch den Wunsch tief zu schlafen. * In dieser Nacht, der Nacht zum zwölften Juni, schienen die Kräfte und die starken Gefühle und Aktionen aller Solaner, eingeschlossen der Erneuerer und selbst Zelenzo, erloschen zu sein. Es herrschte eine Art von Ruhe, die eigentlich schon wieder verdächtig war. Es gab keine heimlichen Versammlungen, keine weiteren Drohungen von Zelenzo, keine Notrufe Atlans, weder Detonationen noch Sabotageakte anderer Art. Einige Solaner sagten später, es wäre ausgesprochen langweilig gewesen, aber dabei handelte es sich um Sprücheklopferei oder Aufschneiderei. Yris Langg kam gegen zwei Uhr morgens in die Klause und aktivierte den Medorobot. Die Maschine machte ihre Analysen und arbeitete dann mit lautloser, unnachahmlicher Präzision und Schnelligkeit. Der durchtränkte Verband um Breckcrown Hayes wurde entfernt, ein Sprühnebel wallte auf und wusch Salbenreste, abgestorbene Hautzellen und die Rückstände der fast abgeheilten Wunden aus dem Gesicht, den Ohren und dem Haar Brecks. Sein Gesicht erschien unter den sich auflösenden Schichten der verkrusteten Salben. Die Haut war rosig, einige der Narben waren kleiner geworden, andere waren entstanden. Die medizinische Behandlung dauerte eine Stunde und umfaßte ebenso die Rasur wie die Haarwäsche und den Haarschnitt. Schweigend sah Yris zu; Breck ließ die Prozedur mit unendlicher Geduld und im Halbschlaf über sich ergehen. Als die Maschine ihre Arme und Werkzeuge zurückfuhr und selbst in den Bereitstellungsraum zurückschwebte, musterte Yris das Gesicht Brecks. Was sie sah, erfreute sie. Überall bildete sich rosige Haut; der Mann sah um Jahre jünger und weitaus gesünder aus als vor Tagen. »Schlafe weiter«, sagte sie leise. Er nickte dankbar. Sie stellte das Glas mit der speziell entwickelten Nahrungsflüssigkeit auf den Tisch neben dem zerwühlten Bett und glitt lautlos hinaus aus der Schleuse, und durch die Korridorabschnitte in ihr eigenes Quartier. * Vor vier Stunden hatte Thala Sonnersy-Thermeck den letzten Text in die Maschine geschrieben. Morgen würde sie mit dem Mikroprozessor weiterarbeiten, Fehler ausmerzen und ihren Text überarbeiten. Sie gähnte und dachte an ihre Familie. Nur ein mittleres Wunder würde das Auseinanderbrechen verhindern können. Eldar war verschwunden, und sie ahnte, daß er an dem Bombenanschlag auf die Rettungs-Korvette in irgendeiner Form beteiligt
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war. »Überdies«, bemerkte sie zu sich selbst und machte sich eine Notiz, denn auch dieses Raumschiff hatte etwas mit Atlan zu tun, »ist mir schleierhaft, daß das Ausrüsten einer Korvette vier Tage oder noch länger dauert, wenn andere Schiffe im Alarmstart voll ausgerüstet nur eine Viertelstunde brauchen, bis sie im Raum sind.« Das Beispiel der TIEFRAUM war der beste Beweis. Mißtrauen gegen die Schiffsführung auch hier! In der verstrichenen Zeit hätten sie Dutzende von Schiffen starten können! »Nicht mein Problem.« Sie merkte, daß sie schläfrig wurde. Byl rannte einige Runden um die Sockel der Sessel und Tische und sprang dann schnurrend in ihren Schoß. In Gedanken verloren streichelte sie ihn, wurde müde und schlief im wohlgepolsterten Sessel des Wohnraums tatsächlich ein. Einige Stunden später wurde Byl unruhig. Das fußballgroße Tierchen sträubte sein Fell, schlug die Krallen in Thalas Kleid und fauchte. Im Wohnraum war es fast völlig dunkel; nur ein paar Kontrollampen von Geräten starrten wie verschiedenfarbige Augen durch die Finsternis. Das Summen der Klimaanlage war kaum hörbar. Wieder fauchte Byl und klammerte sich an Thalas Knie. Langsam öffnete sich das Schott. Der Streifen gelber Helligkeit, der von draußen hereinschlug, wurde breiter. Dann schob sich eine hochgewachsene Gestalt in den Raum. Eine Hand berührte das Sensorfeld; die Raumbeleuchtung schaltete sich ein, erreichte aber nicht ihre volle Stärke. Das Schott schloß sich. »Thala! Thala Sonnersy!« fragte eine unterdrückte, ruhige Stimme. Thala schreckte hoch. Sie war sofort wach, blinzelte und zwang sich ruhig zu bleiben. Vor ihr stand ein seltsames Wesen. Humanoid, in eine metallisch irisierende, dunkle Rüstung gekleidet. Beide Arme hoben sich und nahmen einen engen Helm ab, dessen Halsteil sich im Rücken und vor der Brust tief herunterwölbte. Darunter erschien im schwachen Licht ein sympathisches, bartloses Gesicht mit dunklen Augen. Es gehörte einem etwa fünfzigjährigen, gutaussehenden Solaner. »Ruhig, Byl!« murmelte Thala. Sie streichelte den Rücken des Tieres, das aber fortfuhr, den Fremden anzufauchen, mit gesträubtem Fell und aufgerissenem Gebiß. »Ja. Ich bin Thala. Wer bist du? Wie kamst du herein? Die Tür war verschlossen.« Der Verdacht wurde zur Gewißheit, als der Fremde antwortete. Er klemmte den Helm unter den linken Arm. »Ich habe bestimmte Möglichkeiten, Thala. Ihr nennt mich Zelenzo. Ich muß mit dir sprechen. Haben wir hier Ruhe?« »Brons schläft in seinem Studio. Eldar ist ausgezogen, und die beiden Kleinen kann nur eine Kollision mit einem Planeten wecken. Was willst du von mir?«
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Thala war sicher, diesen Solaner niemals gesehen zu haben, weder direkt in der täglichen Arbeit noch irgendwann auf dem Bildschirm. Sie hatte, was Zelenzo betraf, inzwischen eine klare Meinung entwickelt, aber sie würde nicht darüber sprechen. Mit wohltönender Stimme, begleitet vom aufgeregten Knurren und Fauchen des Fellbündels, erklärte Zelenzo: »Ich habe an Bord eine große Anzahl von Menschen, die meine Ideen gutheißen. Die Gefolgschaft geht durch sämtliche Decks und alle Gruppen. Aber ich brauche mehr Spezialisten. Ich kontrolliere robotische Einrichtungen aller Art, schalte mich in SENECAS Leitungsnetz ein, aber ich brauche Fachleute, die mir helfen.« Ihre Antwort drückte Skepsis, aber auch echte Neugierde aus. Sie hatte keine Furcht, registrierte sie kühl. »Und ich, denkst du, wäre ein solcher Fachmann? Hast du vor, SENECA zu überrumpeln?« »Unter anderem. Seine Kapazität ist nicht unendlich groß. Ich habe ihm schon mehrmals Fallen stellen können. Schließt du dich mir an?« »Ich bin nicht abgeneigt«, entgegnete sie mehrdeutig. Zwei Dinge störten sie schon jetzt. Das offensichtliche Mißtrauen Byls gegen den Eindringling und die Unterschätzung, die Zelenzo in bezug auf den Bordrechner erkennen ließ. »Ich werde dir zwei Roboter unterstellen oder zuordnen. Sie bringen dich zu anderen Aktivisten des innersten Kreises. Wir haben ein Versteck, das abhörsicher ist.« »Wo?« »Du erfährst es, wenn du mit den Robotern dort bist. Mein Ziel ist es, die SOL von dieser Pforte des Verderbens und des Chaos wegzubringen. Ich bedaure, zu unpopulären Maßnahmen greifen zu müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Schiffsführung verhält sich in einem Maß uneinsichtig, das mich das Schlimmste befürchten läßt. Wirst du dich als ausgebildete Robotikerin meiner Organisation anschließen?« »Nicht ohne die Möglichkeit, mich frei entscheiden zu können«, sagte sie. Eine aktive Rolle in der »Widerstandsbewegung« zu spielen, behagte ihr keineswegs. »Wie kommt es, daß du ausgerechnet mich ansprichst? Es gibt genügend andere.« »Viele reden von dir und über dich. Du bist bisher jedesmal dort gesehen worden, wo eine Aktion der Warnung durchgeführt wurde. Du bist die Mutter Eldars, der sich zu Zelenzo bekannt hat. Selbst in der Hauptzentrale wird in diesem Zusammenhang dein Name genannt.« Das war teilweise neu und überraschend. Zufälle und gezielte Verdachtsäußerungen hatten sie also in diese Lage gebracht. Diese Umstände gefährdeten den Zusammenhalt der Familie noch mehr.
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Trotzdem blieb sie kühl und zurückhaltend, als sie antwortete. »Byl hat anscheinend etwas gegen dich. Das ist aber kein Grund, deine Bitte abzuschlagen. Ich weiß nicht, was ich tun soll.« »Roboter manipulieren, Aktionen überwachen, bestimmte Schaltungen ausführen und letztendlich sicherstellen, daß die SOL startet und ihren Weg wieder aufnimmt. Das wären, grob umrissen, deine Aufgaben.« »Wie lange habe ich Bedenkzeit?« »Die Zeit drängt. Die beiden Roboter werden in diesem Abschnitt des Korridors auf dich warten.« »Und du bist sicher, daß du binnen kurzer Zeit deinen Vorsatz oder deine Absichten durchsetzen kannst?« erkundigte sie sich etwas schärfer. »Du weißt, daß vermutlich in kurzer Zeit doch der Rettungsflug gestartet wird. Und wenn es ein paar Solaner riskieren, die garantiert nicht zu den Erneuerern gehören? Du bist offensichtlich viel zu optimistisch.« »Auf Dauer gibt es keine Alternative.« Thala stieß einen langgezogenen Seufzer aus und versuchte, ihre Antwort sorgfältig zu formulieren. »Ich kenne die Geschichte der SOL ziemlich genau«, sagte sie. »Sowohl die wilden Jahre als auch, weitaus besser, die Zeit seit Atlans Erscheinen im Chaos von Deccons Kasten- und Zwangsanstalt. Seit diesen Jahren haben die SOL und ihre Besatzung jede Krise gemeistert und jedes Abenteuer bestanden. Und es waren tödlich gefährliche Abenteuer. An deiner Stelle würde ich damit rechnen, daß Breckcrown Hayes und seine Freunde samt allen Solanern, die nicht deine Anhänger sind, auch diese Krise bewältigen. Klar ausgedrückt?« »Ich habe verstanden«, antwortete Zelenzo. Noch immer schien Byl zwischen Furcht und Angriffslust zu schwanken. »Aber ich bin, begründeterweise, anderer Meinung. Wenn du dich entschließt – die Roboter brauchen nur einen Hinweis auf meinen Namen und deine Bitte.« Thala nickte; wenn irgend etwas sie an diesem Angebot reizte, war es der Umstand, daß sie für ihre Dokumentation auch die Vertreter des innersten Zirkels um Zelenzo kennenlernen würde. Sie sah zu, wie Zelenzo den Helm mit den kleinen, von Feldgittern ausgefüllten Öffnungen aufsetzte. Er wirkte in der Rüstung wirklich außerordentlich fremdartig. Langsam beruhigte sich der Ball aus gesträubtem, knisterndem Fell. »Es wäre sinnvoll«, kam es dunkel aus der Helmmaske hervor, »über das Treffen die gebotene Diskretion zu bewahren.« »Ich bin, dank meines Herrn Sohnes, unmittelbar betroffen. Ich werde dich nicht denunzieren.« Zelenzo verschwand ebenso leise, schnell und unauffällig, wie er eingedrungen war. Thala hörte zuletzt das scharfe Klicken, mit dem das Sicherheitsschloß wieder einrastete. Stumm schüttelte sie den Kopf, löste ihre Finger vom Nackenfell Byls und sah, wie er mit einem Satz von ihrem Schoß sprang und irgendwo in einer Ecke hockenblieb. »Welch eine Auszeichnung«, murmelte Thala und stand auf.
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»Zelenzo hat mich angeworben. Mit einem gesunden Nachtschlaf ist wohl heute nicht mehr zu rechnen!« Ein Solaner in einer Maske. Eine phantastische Ritterrüstung aus unbekanntem Material! Und eine Ansicht der SOL-internen Probleme, die von der Realität um einiges abwich. Merkwürdig. Sehr merkwürdig. * Zehn Lichtstunden von der SOL entfernt, jagte das kosmische Rätselgeschoß durch die Schwärze des Alls. Es hatte seine Form nur wenig verändert. Aus dem wendelförmigen, schlanken Pseudogeschoß war eine leicht gekrümmte Spindel geworden. Sie hatte den Kurs, bisher eine Gerade, leicht geändert. Die Ortungszentrale registrierte jede Veränderung. Für die Dauer von mehr als einer Stunde hatte der Eindringling ins Junk-System seine Geschwindigkeit heraufgesetzt und legte vorübergehend mehr als zweihunderttausend Kilometer in der Sekunde zurück. Jetzt, vor dem Erreichen der unsichtbaren Kreislinie des äußeren Junk-Planeten und dessen elliptischer Bahn, nahm die Geschwindigkeit wieder ab.
Jetzt zielte die Kurslinie des Fremden genau auf das Zentrum des ringförmigen Nabels. Die Spindel, die jetzt im schwachen Licht der Sterne ein silberfarbenes Aussehen annahm, wurde vom Tor zur Namenlosen Zone förmlich angezogen; so erklärten es sich, aufgrund fehlender Informationen jeder Art, die Spezialisten in der Ortung. Mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebot standen, versuchten sie, die wahre Natur des Fremden herauszufinden. Bisher konnten sie nur feststellen, daß die vielen Teile des Fremden aus Stein bestanden; aus irgendwelchen Trümmern eines Mondes oder Asteroiden. Jedenfalls stimmten die neuen Feststellungen mit den Erfahrungswerten fast restlos überein. Die Ortungszentrale stellte folgendes fest: Geschwindigkeit wieder konstant. Leichte Veränderung der Form. Keinerlei energetische Emissionen. Funkkontakt-Versuch: negativ. Sonstige Erkenntnisse: keine. Es bestand also keinerlei Grund, Breiskoll oder gar Breckcrown Hayes zu stören. Sie hatten den Schlaf und die Ruhe verdient. * Während seines Frühstücks, das er allein und in guter Ruhe einnahm, ausgeschlafen und mit dem Vergnügen, aus SENECAS Speichern Musik hören zu können, dachte Breiskoll über die merkwürdigen Ereignisse seit dem Erscheinen Zelenzos nach. Die Aktivitäten der vielen Solaner, für oder gegen die Frauen und Männer in der Zentrale, waren im Augenblick unwichtig. Breiskoll sagte sich, daß möglichst bald und möglichst entschlossen gehandelt werden mußte. Er würde es durchsetzen. Wenn weder die Korvette noch die beiden Kreuzer starten konnten, würde er selbst starten. Er beendete das Essen, hörte sich über Interkom die Bordnachrichten an, kontrollierte seine Kleidung, die Ausrüstung und die Waffen, schaltete den Interkom ab und ging hinüber in die Zentrale.
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Fast bewundernd starrte er den High Sideryt an und bemerkte schließlich anerkennend: »Mann! Du siehst um ein volles Jahrzehnt besser und jünger aus, Breck!« Hayes knurrte, durchaus freundlich, mit einem kargen Grinsen zurück: »Ich fühle mich auch um Tage besser und jünger. Und du siehst aus, als würdest du gleich eine zündende Rede halten oder etwas Ungewöhnliches tun.« »Genau das hatte ich eigentlich vor«, meinte Bjo, noch immer voller Entschlossenheit und Unternehmungsgeist. »Hör zu. Wir müssen dringend und schlagkräftig etwas unternehmen. Ich trommle ein paar von uns zusammen, nehme die ...«, er grinste und zeigte auf das SENECA-Terminal, »... ich schwinge mich also in das nächste Schiffchen und haue Atlan aus der Schwammkartoffel heraus. Grundsätzlich einverstanden, Chef?« »Ich weiß nicht«, knurrte der High Sideryt, »ob das eine so gute Idee ist. Aber der Vorschlag ist nicht von der Hand zu weisen. Warten wir noch ein wenig, ja?« »Das kommt mir entgegen«, erklärte Bjo. »Ich werde mich um die aktuellen Probleme kümmern.« Er grüßte in die Runde und signalisierte der Ortungsabteilung sein Kommen. Auch die Ablösungen an den Pulten und vor den Geräten schienen gut geschlafen zu haben und wirkten angemessen entspannt. »Nun? Hat sich der Ankömmling inzwischen als neuer Bösewicht entpuppt?« rief Bjo und betrachtete einen Schirm nach dem anderen, studierte mit halb zugekniffenen Augen die Diagramme und Zahlenkolonnen und setzte sich auf die Kante eines Arbeitspultes. »Du hast alle Informationen«, sagte der Chef der Ortungsgruppe. »Ich kann ihnen nichts mehr zufügen. Das Ding rast genau auf das Zentrum des Schlundes dort zu.« »Ich habe auch keine besonderen Eindrücke aufgefangen«, erwiderte Breiskoll. »Aber ich sage dir gleich Bescheid.« Er ließ sich in einen Sessel fallen, konzentrierte sich auf die Darstellungen der Ortungsechos und auf den betreffenden Ausschnitt des Weltraums. Das Fragment hatte sich in eine lang auseinandergezogene Spindel verändert. Jetzt wirkte es allein schon wegen dieser Form bedrohlich ... es hatte sich nichts geändert. Bjo definierte nach wie vor Gefahr. Eine Ansammlung von Gesteinsbrocken, die irgendwelche innere Bedeutung hatten, die selbständige Wesen eines sehr exotischen Weltraums waren. Er vermochte nicht, irgendeine Absicht zu erkennen. Eines blieb: Gefahr. Er öffnete die Augen, wischte den Schweiß von der Stirn und sagte: »Ich glaube nicht, daß die SOL durch diese Lanze aus Asteroidenbrocken gefährdet wird. Achtet trotzdem darauf – setzt einige gute Leute in den Feuerleitzentralen ein. Möglicherweise brauchen wir sie.«
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»Wird gemacht.« Breiskolls Überzeugung, etwa so zu verfahren, wie er es gegenüber Breck angedeutet hatte, wurde stärker. Es schien für Atlan und die allgemeine Situation an Bord das beste zu sein. * Thala Sonnersy stemmte die Fäuste in die Seiten, betrachtete ihre Tochter von oben bis unten und sagte mit gespielter Strenge: »War es nicht so, daß du heute zwei Prüfungen schreiben mußt?« Mit Chart und Vilar hatte sie gefrühstückt. Brons schlief wohl noch. Jedenfalls hatte er sich noch nicht bemerkbar gemacht. »Leider. Ich schaffe es schon. Gibt es heute keine lautstarken Streitgespräche?« schnappte die Fünfzehnjährige. »Nein. Eldar ist nichts anderes eingefallen, als zu seinen Freunden zu laufen.« »Recht hat er. Bei seinem gestörten Verhältnis zur Umwelt ist es ohnehin das beste.« Vilar winkte fröhlich, griff nach ihren Lesepulten und dem Schreibzeug und rannte aus dem großräumigen Apartment. Thala brachte Chart in die Tagesstätte und kam zurück, schob die Tür zu Brons Zimmer auf und sah ohne besonders große Überraschung, daß er bereits wieder bei seiner Arbeit war. Sie zuckte die Schultern und ging hinaus. Sie schaute nach rechts und links und sah die beiden Roboter. Die Maschinen schwebten vor geöffneten Verteilerkästen der Elektrizitätsversorgung und schienen zu arbeiten. »Byl! Zu mir.« Das Tierchen, das außer ihr in dieser Familie niemand wirklich zu lieben schien, kam aus dem Versteck und ließ sich von ihr hochheben. Thala setzte Byl auf ihre linke Schulter und faßte, völlig übergangslos, einen Entschluß. »Ich riskier’s!« Sie wußte schon jetzt, daß ihr Entschluß nicht endgültig war. Aber die Mischung aus Neugierde, Verantwortungsbewußtsein ihrer Dokumentation gegenüber und die Sorge um die Familiengemeinschaft brachte sie dazu. Sie dachte an Zelenzo und seine seltsame Rüstung, zog das Schott hinter sich zu und blieb vor dem nächsten der Robots stehen. »Bringe mich zu Zelenzo. Ich bin Thala Sonnersy. Er wartet auf mich.« »Augenblicklich«, summte die Maschine. Der Robot ließ das Werkzeug liegen, schloß den Verteilerkasten nicht und schwebte in Schrittgeschwindigkeit, gefolgt von Thala, an seinem Partner vorbei. Die zweite Maschine schloß sich an. Der Vorgang war für jeden Beobachter völlig undramatisch
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und keineswegs erwähnenswert. Die kleine Gruppe bewegte sich den Korridor entlang, über mehrere Rampen abwärts bis in die Richtung des Zwischendecks, das näher an der Wandung des Schiffes lag. Thala erahnte ein mögliches Versteck, und etwa zwanzig Minuten später wußte sie, daß sie sich nicht geirrt hatte. Warnschilder blinkten: Achtung! Renovierungsarbeiten. Hier gab es eine Fabrikationsanlage, die sich vertikal über vier Decks erstreckte und gerade teilweise umgerüstet wurde. In den Gängen und geöffneten Hallen stapelten sich Teile, Verpackungen, Verkleidungen, stillgelegte Montagerobots und unzählige andere Gegenstände, vermischt mit herausgerissenen alten Anlagenteilen. Die Maschinen passierten summend den schmalen Durchgang zwischen den Stapeln und verschwanden in der dunklen Tiefe. Es ging über einen schmalen Steg im Zickzack abwärts, durch leere Hallen, in denen jeder Schritt widerhallte. Irgendwo arbeiteten Solaner oder Roboter; harte Vibrationen gingen durch die Trägergerüste. Eine Reihe unterschiedlicher Schotte öffnete und schloß sich, behelfsmäßige Lampen schalteten sich ein, ein Materiallift brachte Thala und die Roboter schließlich in eine leere Halle, die durch Trennwände geteilt war. Die Wände bestanden aus Stapeln leerer oder gefüllter raumfester Verpackungen mit farbigen Aufschriften und Computerziffern. Die Halle war voller Menschen. Es war, verglichen mit vielen anderen Winkeln der drei Schiffsteile, ein gutes Versteck, wenn auch nur für eine beschränkte Zeit. Zwischen den Stapeln kamen Solaner hervor und umringten Thala. Aufgeregtes Murmeln füllte die Halle, Begrüßungen wurden ausgetauscht. Es waren etwa fünfundsiebzig Leute. Sie kamen aus allen Arbeitsgruppen, sogar drei Buhrlos waren darunter. »Willkommen im Kreis der engsten Vertrauten!« rief schließlich ein Computerfachmann. »Interessante Aufgaben warten auf uns.« Thala fragte zurückhaltend: »Ihr kennt natürlich unseren neuen Herrn und Meister ganz genau, wie?« »Wir haben ihn noch nie wirklich gesehen.« »Immer trug er die Rüstung.« »Ich habe sein Gesicht gesehen«, erklärte Thala und sah, wie jemand von einem improvisierten Schreibtisch aufsprang und auf sie zurannte. Eldar! Sie sprach weiter. »Er nahm den Helm ab. Es herrschte nicht gerade strahlend helle Beleuchtung, aber es war eindeutig ein Solaner. Er sah ziemlich gut aus, vielleicht fünfzigjährig.« Eldar begrüßte sie geradezu überschwenglich. Er schien froh zu sein, sie zu sehen, verriet dies aber nicht mit einem Wort. Er stotterte nur, daß er sich mit einem Sabotageakt, der all seinen Mut erforderte, hatte qualifizieren müssen.
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»Und beinahe hätte ich Vater getötet. Ich erzähle dir nachher alles.« Thala starrte ihn wie eine Erscheinung an. Byl sprang aus ihrem Arm und lief auf Eldar zu. Einige Erneuerer versuchten ihr zu erklären, was vorgefallen war. Thala hörte mit steigender Verwunderung zu. Sie erkannte, daß sie sich wohl auch würde qualifizieren müssen. Eine Gruppe behauptete, es habe Verletzte und Tote gegeben, andere stritten es wieder ab. Sie alle warteten auf Befehle und Anordnungen Zelenzos und auf sein Erscheinen. Thala, die geglaubt hatte, ihren Sohn einigermaßen gut zu kennen, sah sich überfordert. Mit ihm war an dieser Stelle ein vernünftiges Gespräch undenkbar geworden. Eldar wiederum wartete auf ihren Kommentar und warf ihr geradezu lauernde Blicke zu. »Ich habe ihn nicht getötet«, sagte Eldar schließlich. »Du weißt es.« »Natürlich weiß ich es. Vielleicht hilft uns eine Beobachtung weiter. Byl hier, ein harmloses Tierchen, gebärdete sich wie verrückt, als Zelenzo mit mir sprach.« Bei der Erwähnung des Namens hielt Byl inne. Er hatte mit einigen farbigen Drahtstücken gespielt. Er machte einen Katzenbuckel, fauchte und kletterte wieder an Thalas Kleidung hoch. »Moment!« Eldars Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich. Er verlor vorübergehend jeden Anschein von überlegener Arroganz. Eldar starrte Byl an, senkte den Kopf und murmelte dann: »Byl ist ein eigenartiges Tier, nicht wahr, Thala? Seine Anhänglichkeit gilt allem, was zur SOL gehört. Ich habe ein paarmal erlebt, daß er sich aufgeregt gebärdete, als wir Fremde an Bord hatten. Das kann nur eines bedeuten.« »Ich fange an zu verstehen.« Um Mutter und Sohn hatte sich ein dichter Ring aus Solanern gebildet. Byl saß auf Thalas Schulter und spielte mit dem breiten Band des Bordoveralls. Jeder merkte, daß das Thema ernsthaft zu betrachten war. Und natürlich wollte jeder Anwesende wissen, wer denn nun Zelenzo war; der Wunsch war spätestens jetzt und hier mehr als dringend geworden. »Wenn Byl, mit dem ich mich irgendwann einmal intensiv beschäftigt habe«, fiel Eldar wieder in seinen belehrenden Tonfall, »gegenüber Zelenzo mit Aggression reagierte, dann kann es nur bedeuten, daß Zelenzo kein Solaner ist.« Thala verzichtete schweigend darauf, Eldar darauf hinzuweisen, daß er immerhin einst ein Studium der Fremdvölker-Psychologie angefangen hatte. Es war an dieser Stelle mehr als sinnlos. »Wenn er kein Solaner ist, dann scheint er wohl ein Fremder zu sein. Woher? Was versteckt sich unter der doppelten Maske? Und was will er wirklich?« »Keine Ahnung«, erwiderte Thala bedächtig. »Zwar bin ich hier, weil ich einige seiner Ideen für richtig
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halte. Aber bei dem kurzen Gespräch fiel mir auf, daß einige seiner Voraussetzungen falsch sind – nach meiner Meinung.« Thala stellte ein paar Fragen und begann sich über einen weiteren Umstand beträchtlich zu wundern. Sie war hier im Versteck die einzige, der sich Zelenzo offen gezeigt hatte. Alle anderen kannten ihn nur im Schutz der phantastischen Rüstung oder hatten ihre Befehle von anderen Solanern erhalten. Mit ihr, Thala, schien Zelenzo also etwas Besonderes vorzuhaben. Fachliche Gründe brachten ihn sicher nicht zu diesem Entschluß, denn es gab bessere Robottechniker, als sie es war. Fragen über Fragen. »Wie auch immer«, schloß sie ihre Überlegungen laut ab, »ich bin hier. Zuerst sehe ich mich um, dann wird sich zeigen, wo Zelenzo mich einzusetzen gedenkt.« Sie nickte den anderen zu, ging an Eldar vorbei und bewegte sich zwischen den Trennwänden und den wachsamen Robotern hin und her. Sie sah binnen weniger Minuten, daß in dieser Halle eine vorzüglich ausgebaute Schalt- und Informationsstation aufgebaut worden war. Von hier aus konnte sich Zelenzo in die unterschiedlichsten Netze an Bord einschalten, und sie mußte sicher sein, daß SENECA diese Zapfversuche nicht bemerkte. Oder, falls die Biopositronik es doch merkte, dann baute SENECA seinerseits eine geschickte Falle auf, in der er alle Erneuerer und Zelenzo fangen wollte. * Federspiel wußte, daß er kein Risiko eingehen durfte. Er steuerte die Space-Jet, die ziemlich genau 0,43 Prozent lichtschnell von der SOL hinwegjagte, nicht direkt auf den augenblicklichen Standort des Eindringlings zu. Er selbst saß im Pilotensessel, gehüllt in einen schweren Kampfanzug, dessen Innensysteme voll aktiviert waren. Vor der transparenten Kuppel der Jet dehnte sich die scheinbar endlose Schwärze aus, und sein Ziel war nur ein scharfes Echo auf dem Ortungsmonitor. Federspiel fuhr durch sein Haar und versuchte, weit vor ihm in der Dunkelheit etwas zu sehen oder zu espern. »Ich bin genau auf dem errechneten Anflugkurs, Breck«, sagte er ohne Fröhlichkeit. »Wie besprochen, werde ich nichts oder wenig riskieren.« »Das setze ich voraus«, antwortete der High Sideryt. Federspiel schaltete eine Batterie unterschiedlicher Aufnahmeoptiken ein und aktivierte die Steuerung durch Autopilot. Langsam drehte sich der Telepath herum und warf einen langen Blick auf die SOL. Das riesige Schiff wurde von der Sonne des Junk-Systems in eine düstere rote Lichtflut getaucht. Die Schatten waren absolut schwarz und gestochen scharf. Feine Lichtreflexe zeichneten sich auf den gespannten Schutzschirmen ab. Der gewaltige Körper wurde schnell kleiner und schrumpfte schließlich zu einem rötlichen Doppelpunkt in der unendlichen Dunkelheit.
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Die Jet näherte sich dem rätselhaften Eindringling. Federspiel flog keinen direkten Kurs, sondern näherte sich in einer weit gespannten Kurve einem bestimmten Punkt der Geraden, die der Fremde steuerte. Sie errechnete sich zwischen dem augenblicklichen Standort und dem Zentrum des Nabels. Unablässig kontrollierte er die Monitoren und wurde seinerseits von der SOL-Ortung genau beobachtet. »Alles in Ordnung?« fragte nach einer langen, ereignislosen Zeitspanne die Ortung. »Keinerlei Probleme!« beschied sie der Telepath. »Verstanden.« Vor einigen Stunden hatten sich Breck, Breiskoll und er entschlossen, einen kurzen Test durchzuführen. Noch riskierten sie es nicht, die Korvette oder Breiskolls »geheime« Kreuzer loszuschicken. Die Spindel aus Gesteinstrümmern sollte aber genauer in Augenschein genommen werden, ohne daß er sich gefährdete. SENECA hatte diesem Vorhaben zugestimmt. An Breiskolls Beurteilung der Gesamtsituation hatte sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts geändert. Die Lage innerhalb der SOL war noch immer derart unsicher, daß jeder Versuch, mehr als eine oder zwei Personen auszuschleusen, ein Attentat auf die Steueranlagen in den Planeten befürchten ließ. Federspiel stellte ein solches Risiko natürlich nicht dar. Er aktivierte ruhig die wenigen Projektorgeschütze der Jet, schwenkte sie ferngesteuert herum und koppelte die Zieleinrichtungen mit den Anzeichen der Vorausortung. Dann klappte er sorgfältig die Schutzhülle wieder über die Schalter. Jetzt, im freien Weltraum und in der Nähe des heranrasenden Fremdlings, spürte er dasselbe wie Bjo. Unbestimmte Gefahr. Dazu eine irreale, phantastische Komponente. Ihm war, als ob diese Gesteinstrümmer über eine seltsame Kollektivintelligenz verfügten, die einen bestimmten Zweck hatte. Er war außerstande, auch nur undeutliche Feststellungen für sich selbst treffen zu können. Welcher Art der Fremde war, und zu welchem Zweck er sich auch der SOL näherte, erkannte und ahnte er nicht. Daraus mußte er zwangsläufig den Schluß ziehen, daß der Eindringling etwas Exotisches war und nicht unbedingt die SOL angreifen würde. Abwarten! Langsam verging die Zeit. Die Jet flog schnell, aber im Unterlichtbereich und ohne ein einziges Linearmanöver. Federspiel näherte sich jetzt auf seinem Flug der Geraden, von der jener Eindringling nicht abgewichen
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war. Die Echos wurden stärker, schärfer und größer. Noch immer stellte sich das Objekt als Spindel dar. Aber Federspiel, der immer wieder die Ortungsechos studierte, war sicher, daß sich die Form veränderte. Nach einer Weile sagte er aufgeregt: »Ortung! Breckcrown! Ich bin fast sicher, daß das Objekt sich weiter verändert. Die Ortung hat vor einiger Zeit schon solche Veränderungen festgehalten. Jetzt wird es kürzer und kompakter. Stellt eure Geräte schärfer ein.« Auf dem Monitor, der das Objekt in dreidimensionaler Ansicht zeigte, kondensierten sich immer mehr schärfere Farblinien und Punkte. Für eine absolut wirklichkeitsentsprechende Abbildung war die Entfernung der Jet noch zu groß. Aber die Deutlichkeit ließ nichts zu wünschen übrig. In gespenstischer Lautlosigkeit rückten die einzelnen Brocken oder Bruchstücke zusammen. Jetzt konnte Federspiel ihre Menge deutlicher schätzen, als dies je zuvor der Fall gewesen war. Es waren eineinhalb oder zweitausend Trümmer von etwa gleicher Größe. Die Spitze, die in Flugrichtung deutete, blieb unverändert und wies auf den Nabel. Aber aus der langgestreckten Spindel wurde ein Zylinder. Der Vorgang entwickelte sich ganz langsam. Zuerst wurde die Heckspitze stumpf und bewegte sich dem Mittelpunkt zu, dann organisierten sich die Trümmer entlang der Hauptachse um. Nach etwa dreißig Minuten sah das fremde Objekt wie ein altertümliches Geschoß aus, mit unverändert feiner Spitze. Auf der Skala las Federspiel die wirklichen Maße von Durchmesser und Länge ab und gab sie an die Ortungszentrale durch. »Dreihundert Meter lang. Was an diesem Steinhaufen kann der SOL gefährlich werden?« wunderte sich Hayes laut. »Wenn ich das wüßte, würde ich es laut und deutlich sagen«, gab Federspiel zurück. Die Jet flog nun im rechten Winkel auf die Fluggerade des seltsamen Objekts zu. In etwa zwei Stunden würde er, wenn sich die Geschwindigkeiten nicht änderten, den Eindringling unmittelbar vor sich sehen. In diesem Fall, so war es geplant, sollte er parallel und gleich schnell zu dem Objekt weiterfliegen und seine Beobachtungen weitergeben. Falls es etwas zu beobachten gab.
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6. »Die Vermutung, daß nur ein Roboter in diesem perfekten Maß andere Roboter kontrollieren kann, ist absurd. Ich bin kein Robot. Ich bin Zelenzo – und keineswegs perfekt. Sonst wäre die SOL nicht mehr hier.« Zelenzo, 16.06.08 Die Befehle erschienen, ausgedruckt in leicht gestelzter Sprache, auf den Bildschirmen des Verstecks. Wieder bereitete Zelenzo eine Aktion vor. Sie war großangelegt und gut geplant. Alle robotischen Geräte, selbstbeweglich oder stationär, sollten schlagartig oder in gezielten Gruppen ausfallen. An den Schaltungen arbeiteten etwa fünfundzwanzig Spezialisten, die sich nach den Anweisungen Zelenzos in Teilnetze einzuschalten versuchten. Eldar näherte sich seiner Mutter. Sie arbeitete an der Batterie von Schaltgeräten, Terminals und Referenzgeräten, die mit dicken Kabeln miteinander verbunden waren. Ganz langsam drang sie mit ihren Schaltungen vor und notierte für die Speicher die internen Kodierungen der Roboter, die sie über diese Schaltungen würde kontrollieren können. »Was gibt’s?« fragte sie. »Ist es dringend?« Unvermittelt sagte er: »Ich will hier raus. Möglichst schnell.« »Nanu!« Thala blieb zurückhaltend. Die Reaktion ihres Sohnes überraschte sie. »Warum? Wohin?« »Warum?« flüsterte er zurück. »Das erklärte ich dir später. Wohin? In die Zentrale.« »Aha. Zum Chef. Du scheinst deinen eigenen Mut inzwischen zu bereuen. Und wie kommen wir hier hinaus?« »So ähnlich, wie wir hereingekommen sind«, sagte er drängend. »Mutter, ich habe Angst. Das habe ich nicht gedacht, als ich ...« Sie winkte ab und rief die Kenndaten von einem Dutzend Robotern ab, die sich hier im Versteck und in dessen unmittelbarer Nähe befanden. Sie gab ein Signal, das die Maschinen auf ankommende, spezifizierte Kommandos vorbereitete. »Ich habe es gemerkt«, flüsterte er drängend. »Auch du bist keine bedingungslose Anhängerin von Zelenzo.« »Richtig. Nimm dir ein Beispiel«, sagte sie schärfer als beabsichtigt. »Gut. Ich bin auf deiner Seite. Aber es wird verdammt schwer sein. Ich versuche, die Robots auf unsere Absicht zu programmieren. Hast du dir den Weg hierher gemerkt?« »Ziemlich genau.« »Gut. Sie dürfen uns nicht zusammen sehen. Wir versuchen, in einigem Abstand zu flüchten.
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Verstanden?« »Klar. Du gehst zuerst.« »Danke. Sehr rücksichtsvoll. Wann?« Noch war niemand auf ihr Gespräch aufmerksam geworden. Ein Entkommen aus dem Versteck der wichtigsten Erneuerer würde außerordentlich schwer werden. In wieweit sich Solaner und Roboter gegen sie stellen würde, war fraglich. »Ich warte auf dein Signal, Mutter!« sagte Eldar. »Du mußt die Roboter manipulieren.« »Ich tue, was ich kann.« Fast verzweifelt blickte Thala in das schmale Gesicht Eldars. Dicke Schweißtropfen standen auf seiner Stirn; er war unnatürlich bleich. Die Finger der Hand, mit der er sich auf die Geräteplatte abstützte, zitterten leicht. Er war heilfroh, daß Thala so überlegen und effizient reagierte. Vorwürfe hätte er in diesem Stadium weder vertragen noch akzeptiert. Er sagte fast bittend: »In einer Stunde? Dann sind viele von denen hier in ihren Quartieren.« »Ich versuch’s.« Für die Familie, deren Zusammenhalt ihr außerordentlich wichtig war, bedeutete dieser gedankliche Rückzug Eldars einen Vorteil. Thala, die überraschend schnell wieder in die früheren Fähigkeiten zurückgefunden hatte und sich am Schaltpult ausgesprochen souverän bewegte, sagte sich, daß unter Umständen die auffällige Trotzphase ihres ältesten Sohnes vorbei war. Hoffentlich! Sie sah zu, wie sich Eldar in die Richtung auf den Lift, beziehungsweise den Trennwänden, Kabelbäumen und Geräte bewegte. Er bemühte sich, bewußt lässig auszusehen, aber jeder, der ihn erkannte, wußte, daß er spielte.
Er sondierte die Fluchtmöglichkeiten. Thala meinte, daß in Eldars Ansichten schlagartig eine große Änderung eingetreten war. Die Beweggründe waren für sie in diesem Moment gleichgültig. Nur das Ergebnis zählte. Sie programmierte den Robots ein nonverbales Schutzverhalten. Die Maschinen signalisierten im Feedback ihr Verstehen. Aber es gab hier eine Unmenge von Anlagen, die Thala nicht erreichte, nicht ansprechen konnte. Sie arbeitete schweigend und schnell und versuchte, ihre Möglichkeiten abzuschätzen. Es sah nicht schlecht aus. Eldar kam nach etwa zwanzig Minuten zurück und schleppte zur Tarnung einen Karton mit sich. Er ging an Thala vorbei und wisperte: »Bis zum Lift schaffen wir’s. Kümmere dich darum.« Sie nickte und versuchte, mehr und andere Teile zu aktivieren und unter ihre Kontrolle zu bringen. Immer wieder blickte sie auf die Ziffern der Zeitansage. In ihr baute sich eine kalte, ungewohnte Spannung auf. Sie wußte, daß ihr Versuch alles andere als ungefährlich war. Sie stand auf, tippte eine Serie von Kodeworten ein und ging in die Richtung des Lifts. Hinter ihr, neben ihr und an vielen anderen Stellen
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begannen die Maschinen zu handeln. Sie gehorchten ihren Befehlen und blockierten, nachdem Eldar an ihnen vorbei war, die Durchlässe zwischen den Trennwänden und Materialstapeln. Thala blieb vor dem Materialaufzug stehen, drückte den Rufschalter und wartete, innerlich zitternd. Zwischen den Robotern tauchte in dem eigentümlichen Halbdunkel Eldar auf. Sie erkannte ihn voller Erleichterung. Hinter Eldar schrie jemand: »He! Wohin wollt ihr?« »Es gibt Bedürfnisse«, rief Eldar zurück, »über die Zelenzo nicht verfügen kann.« Die Sicherheitsplatte schob sich zurück. Thala glitt, eine Hand im kuscheligen Fell Byls, in den Lift. Mit drei Sätzen war Eldar bei ihr, während sie bereits die nächste Schaltung ausführte. Während sich der Käfig nach oben in Bewegung setzte und die Schutzgitter vor die Öffnung glitten, begannen die Erneuerer zu schreien. Sie durften doch keinen Verdacht geschöpft haben! Gerade noch sahen Eldar und seine Mutter, wie zwei Roboter dicht vor dem Lift mit einer Serie gezielter Lähmstrahlen in eine Gruppe heranrennender Solaner feuerten. »Oben wird es erst spannend«, sagte Thala. Eldar schwieg und kauerte sich an die Wand der Kabine. Er spannte seine Muskeln und flüsterte: »Wir schaffen es, Mutter.« »Es ist, alles in allem, nicht unmöglich«, erwiderte sie. Der Lift hielt. Sie sprangen rechts und links heraus, tauchten zwischen schweren Stahlträgern hindurch und begannen zu rennen. Eldar spurtete, seine Mutter an der Hand mit sich ziehend, auf die schwach markierten Wege zu, rannte im Zickzack zwischen einzelnen Solanern hindurch und versuchte, den Fluchtweg genau zu erkennen. Hinter ihnen schob sich ein Roboter summend auf den Steg und drehte sich langsam herum. Aus dem Halbdunkel kam ein Schrei. »Aufhalten! Sie flüchten. Sie verraten uns.« Von der gegenüberliegenden Seite antwortete eine rauhe Stimme: »Wer ist das?« »Sonnersy. Thala. Die mit den Computern oder Robotern.« Ein Schuß dröhnte auf. Die Glutbahn fauchte hinter den Flüchtenden durch das Gewirr der aufgelassenen Hallen und schlug in eine Seitenwand. Der Roboter feuerte ein paar Lähmschüsse in die Richtung, aus der geschossen worden war und blendete gleichzeitig die Scheinwerfer auf. »Weiter. Schnell.«
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In einem wilden Zickzack rannten sie aufwärts, kletterten und sprangen. Leuchtpfeile deuteten hierhin und dorthin. Scheinwerfer schalteten sich ein. Wirre Schreie, undeutliche Kommandos und Befehle kamen von allen Seiten. Binnen weniger Minuten befanden sich die beiden Flüchtenden im grellen Licht von Suchscheinwerfern. Aber noch immer gehorchten die Roboter den Schaltungen und Programmen Thalas. Sie öffneten und schlossen Schotte, schalteten Scheinwerfer aus und schoben sich entlang des Fluchtweges zwischen Thala und Eldar und ihre Verfolger. Dann donnerten von schräg oben Blasterschüsse auf die Fliehenden herunter. Sie waren schlecht gezielt, aber hinter Mutter und Sohn kochten die Wolken der glühenden Gase durch einen schmalen Korridor. Irgendwo, weit dort vorn, waren die Sicherheitstüren zwischen ihnen und dem halbdunklen Korridor. »Aufhalten!« »Wen? Warum?« »Fragt nicht. Es sind Verräter.« In den leeren Hallen erzeugte jedes Geräusch verwirrende Echos. Keuchend und nach Luft ringend rannten und stolperten Eldar und Thala weiter und hofften, daß sie den richtigen Weg nahmen. Vor ihnen sprang ein Solaner aus einer Seitentür und feuerte auf die Rennenden. Sie warfen sich zu Boden. Erschreckt kreischte Byl auf und zerkratzte Thalas Schulter. Aus der Wand klappten zwei stationäre Roboter und fuhren Projektoren aus. Zwei Schockstrahlen fauchten auf, der Solaner griff sich an die Brust und sackte zusammen. »Noch hundertfünfzig Schritte«, stöhnte Thala auf. Eldar rannte vor ihr her und fluchte. Er bedauerte, keine Waffe zu haben. Schlagartig fiel das Licht aus. Ein Schott, das nicht automatisch aufging, wurde von dem Jungen hastig geöffnet. Er riß sich an den Hebeln und Handrädern die Haut von den Handflächen und schwang schließlich die Stahlplatte auf. »Noch zwei davon!« keuchte er stockend. Hinter ihnen stürmten zwei Solaner in den Korridor und feuerten aus tödlichen Waffen. Sie behinderten sich gegenseitig und trafen nur einmal. Eldar schrie auf, als die kochende Glut seine Schulter und den Oberarm sekundenlang in weiße Glut tauchten, Stoff und Haut verbrannten. Dann sprang er hinter eine Metallplatte, hob seine Mutter auf und stolperte in eine neue Richtung. Wieder versperrte ein Hindernis den Weg. Eldar zerrte und zog und fand schließlich den Nothebel. Fauchend und zischend zog sich ein Schott in die Decke zurück. Ein breiter, gelb gestrichener Korridor lag vor ihnen. Die schwarzen Kennstreifen sagten ihnen, daß nur noch zwei Dutzend Schritte sie von der Freiheit trennten. Schweißüberströmt und mit rasselnden Lungen rannten sie geradeaus. Ein Roboter kam von rechts, identifizierte sie und ließ sie passieren. Vor ihnen, im zuckenden Licht verschiedenfarbiger Alarmlampen, glitt ein Solaner in den Korridor, sah sie und feuerte übergangslos. Beide wurden von Schüssen gestreift. Aber in einer Anwandlung von Mut und rasender Wut rannte Eldar den Mann mit der unverletzten Schulter zu Boden. Es gelang ihm auch, mit einem mehr zufälligen als gezielten Tritt die Waffe aus der Hand des stöhnenden Mannes zu prellen. Dann glitt das letzte Schott vor ihnen auf. An mehreren Stellen brannten ihre Kombinationen. Rasende Schmerzen breiteten sich von den großen Flächen der verbrannten Haut und von den verkohlten Stellen aus. Sie taumelten hinaus ins Halbdunkel. Thala schrie mit gellender Stimme:
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»Hilfe! Schnell! Hierher! Ärzte! Tragbahren!« Sie wußte nicht mehr genau, was sie schrie. Aber Eldar schleppte sie durch den halbdunklen Gang bis zum nächsten betriebsbereiten Interkom und drückte die Nottaste. Binnen Sekunden waren Roboter und Solaner da. Eldar schrie laut: »In die Hauptzentrale! Zum Sideryt. Schnell. Es geht um das Leben von Tausenden.« Er schwankte hin und her. Wässriges Serum lief über die verbrannten Hautteile. Byl schrie und kreischte, sträubte sein Fell und raste wie von Sinnen davon. »Hoffentlich bricht sich das Vieh das Genick«, fluchte ein Solaner, der mithalf, Eldar und Thala auf zwei Schwebebahren zu heben. Ihm war das Tier ins Gesicht gesprungen und hatte seine Wange zerkratzt. Die Plattform und die Roboter summten aus dem Gang hinaus, auf ein Band, in einen strahlend hellen Korridor und mit heraufgesetzter Geschwindigkeit auf die Hauptzentrale zu. Die Alarmsummer hörte Thala nicht mehr. Aber Eldar war tatsächlich noch in der Lage, das Gebiet zu identifizieren, in dem sich die Erneuerer versteckten. SENECA projizierte auf den Bildschirm eine Serie von vergrößerten Bildern, und Eldar umriß das Gebiet der stillgelegten Fabrikationsstätte. Er stammelte einige Sätze. Er wußte selbst nicht, was er redete. Aber die Gesichter, die um ihn herum auftauchten und wieder verschwanden, schienen zufrieden zu sein. Als er in die Augen Breckcrowns blickte, gelang es ihm gerade noch, zu sagen: »Greift an. Dort werdet ihr auch Zelenzo finden.« Dann verlor er sein Bewußtsein. Er wünschte sich, bis mindestens zum ersten August dieses Jahres nicht wieder aufwachen zu müssen. Selbst auf die Gefahr hin, daß er wichtige Entwicklungen verschlief und dramatische Einzelheiten nicht miterlebte. Er hörte auch nicht mehr, wie der High Sideryt seine Befehle gab. »Riegelt den gesamten Sektor ab. SENECA! Mobilisiere sämtliche Roboter. Sie sollen alles in Lähmstrahlen baden. Die Hinweise sind mehr als genau. Es wird wohl ein Kampf der Roboter werden.« SENECA gab zurück: »Die Auseinandersetzung ist in vollem Gang. Ich setze sämtliche verfügbaren Kräfte ein.« SENECA und seine Roboter waren in der Lage, das Programm innerhalb von Dutzenden Sekunden
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oder wenigen Minuten durchzuführen. Aus Bereitstellungsräumen schwebten die Maschinen mit präzise angegebenen Zielen los, rasten auf die mehr als hundert Öffnungen, Schotte und Türen zu. Die Frauen und Männer der Sicherheitskräfte rannten, von metallisch klingenden Kommandos geführt, auf die Grenzen des Schauplatzes zu. Der gesamte Sektor, der natürlich einen dreidimensionalen genau fixierbaren Bereich des Schiffes umfaßte, wurde abgeriegelt. Die ersten Roboter fuhren gegeneinander und begannen zu feuern. Das Programm Zelenzos sah äußerste Rücksichtslosigkeit vor. Gleichzeitig wirkten die Schaltungen: Licht erlosch, Teile der Schwerkraftanlage fielen aus, Hemmklappen fielen in den Schächten der Klima- und Absauganlagen. Erste Brände loderten auf und wurden von den Löschrobots binnen kürzester Zeit erstickt. Gleichzeitig schaltete die Hauptzentrale auf Rundspruch. Aus jedem Interkom hörten die aufgeschreckten Solaner die Stimme des High Sideryt. »Solaner! Wir haben soeben die Kernzelle der Erneuerer angegriffen. Roboter, von Zelenzo gesteuert, kämpfen gegen Roboter, die SENECA kontrolliert. Die Sicherheitskräfte, die der demokratischen Idee der SOL-Besatzung verpflichtet sind – so wie wir alle in der Hauptzentrale – schleppen die betäubten Anhänger Zelenzos aus dem Kampfgebiet und gefährden dabei sich selbst. Die Bewußtlosen werden in die Lazaretträume verteilt und unter Bewachung gestellt. Wir blenden in der Folge einzelne Ausschnitte des Kampfes ein. Jeder von euch mag erkennen, wie stark Zelenzo ist. Natürlich versucht jeder Solaner, der mitkämpft, und erst recht jeder SENECARoboter, niemanden zu verletzen. Haltet euch vom Kampfgebiet fern. Niemand will ein Gemetzel provozieren ... außer Zelenzo.« Bjo Breiskoll zögerte noch, was er zuerst tun sollte. Dann schaltete er sich zu Brons Thermeck und sagte ihm, daß er versuchen sollte, einzelne Solaner zu »rekrutieren.« Die beiden Kreuzer mußten so schnell wie möglich bemannt werden. Auch in den folgenden zwei Stunden half SENECA in vorbildlicher Weise mit. Die Maschinen, von denen die Kämpfe beobachtet wurden, meldeten die optischen Eindrücke zu ihm zurück. Er traf eine Auswahl und schaltete die Szenen auf die Interkomschirme. Jeder an Bord konnte miterleben, wie die Maschinen sich gegenseitig mattsetzten, wie die Solaner aus dem Versteck herausgeholt und, meist bewußtlos, abtransportiert wurden. Bereits in diesem Stadium kümmerten sich Medorobots um die Opfer. Gewaltige, sprachlose Verblüffung erfaßte viele Solaner, als sie erkannten, wer zu den Erneuerern des innersten Kreises gehörte. Sie sahen: Kinder, die vermißt wurden. Frauen und Mädchen, die plötzlich unter Hinterlassung von mehr als fadenscheinigen Entschuldigungen davongelaufen waren. Väter erkannten ihre Söhne, Töchter ihre Mütter, Verwandte ihre Bekannten, und eine Welle ungläubigen Staunens wallte durch die Gemüter der Solaner. Viele derjenigen, die schwankend gewesen waren, ob sie sich den Absichten Zelenzos oder der Meinung der Stabsspezialisten anschließen sollten, gewannen ihre feste Überzeugung wieder. Sie duckten sich, schwiegen und machten sich still von dannen, ohne jedes Aufsehen.
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Roboter wurden von anderen Maschinen ausgeschaltet oder mit Fesselfeldern neutralisiert. Systematisch wurde das Versteck durchsucht. Die meisten Solaner gaben auf, als sie erkannten, daß Gegenwehr sinnlos war. Aber noch immer gab es keine Spur von Zelenzo. Eine Stunde dauerte es, bis sämtliche Räume der Fabrikationshallen mit ihren Nischen, Seitengängen und den verwinkelten Tunneln der Rohrverbindungen kontrolliert und durchsucht worden waren. »Du mußt uns helfen, Bjo!« entschied Breckcrown. »Die ersten Geständnisse haben ergeben, daß noch ein Dutzend Leute fehlen. Der Kern der Anhänger. Und natürlich Zelenzo.« »Wie wir wissen, ist Zelenzo nicht telepathisch auszuspähen«, konterte Breiskoll. »Ich brauche Ansatzpunkte.« »Wir haben kaum Hinweise auf ein besonderes Versteck!« Mit der kleinen Gruppe seiner Anhänger hatte sich Zelenzo verborgen; irgendwo in dem riesigen Schiff. Es schien unvorstellbar, daß niemandem auffiel, daß sich diese Gruppe an einer bestimmten Stelle aufhielt. Die Tarnung war also hervorragend. Breiskoll sah keine Möglichkeit, ohne zusätzliche Hilfe oder Einschränkung des abzusuchenden Bereichs Zelenzo zu finden. Wonach hatte er zu suchen? Er mußte Frauen oder Männer finden, die entsetzt oder niedergeschlagen waren über den Sieg der Schiffsführung. Sie würden zweifellos daran denken, wie sie sich erfolgreich wehren und ungesehen zurückziehen konnten. Zelenzo würde in ihrer unmittelbaren Nähe sein, also beschäftigten sich ihre Gedanken zweifellos mit ihm. Suche jemanden, sagte sich Bjo, der an Zelenzo denkt! Nur langsam legte sich die Aufregung im Schiff. Teile der Hospitäler waren überfüllt. Am schwersten waren die Verletzungen, die Thala und Eldar Sonnersy bei ihrer Flucht davongetragen hatten. Verhöre wurden durchgeführt, SENECA bündelte, verglich und sammelte die Informationen und wertete sie aus. Sternfeuer stieß zu Bjo und hob fragend die Brauen. »Du siehst sorgenvoll aus«, sagte sie. Bjo nickte. Grimmig erwiderte er: »Schon seit Wochen. Ich fürchte mich, wenn ich in den Spiegel sehe. Hast du einen Hinweis, wo sich der letzte Rest der Elite-Erneuerer verbergen könnte?« »Nicht die geringste Spur. Es kann praktisch jeder größere Raum in jedem Wohndeck als Versteck in Frage kommen.« »Genauso ist es.«
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Bjo und Federspiels Zwillingsschwester saßen in der Zentrale, blickten von einem Bildschirm zum anderen und versuchten, einen zumindest vagen Anhaltspunkt zu finden. Die Zeit schleppte sich ereignislos – was dieses Problem betraf – dahin, und Breiskolls schlechte Laune nahm zu. * Zweieinhalb Lichtminuten Abstand bis zu der unsichtbaren Trennlinie zwischen Namenloser Zone und der Galaxis Bars-Farynt: Das fremde Objekt wurde langsamer und verformte sich noch mehr. »Es« schien etwas zu erwarten. Federspiel kippte die Jet und entfernte sich von dem Eindringling. Er schwor sich, auch jetzt kein Risiko einzugehen. Er hatte bisher die einzelnen Phasen der Verformung genau aufgezeichnet und jede Einzelheit mit der Ortungszentrale abgesprochen. »Diesmal wird es dramatischer, Freunde!« sagte Federspiel aus achtungsvoller Entfernung. »Die Sicht ist hervorragend.« »Wir haben sämtliche Theorien durchdiskutiert«, kam es aus der Ortung zurück. »Es gibt keine denkbare Erklärung.« »Vielleicht wissen wir endlich etwas, wenn dieses Ding im Nabel verschwunden ist.« Die einzelnen Trümmerstücke veränderten ihr Aussehen. Sie begannen ganz langsam von innen heraus aufzuglimmen. Schließlich erreichten sie eine seltsame graugelbe Färbung. Sie wirkten wie ein unbekanntes glühendes Metall. Langsam formte sich aus dem geschoßförmigen Objekt eine Rundung heraus. Die untere Schnittfläche glitt auseinander, und der Eindringling sah jetzt einer altertümlichen Glocke ähnlich. Auch die Oberfläche dieser überraschenden, glocken- oder helmartigen Form änderte ihre Struktur. Es erschienen Linien und Ausschnitte. Federspiel fragte verwirrt: »Eine Erklärung dafür? Ich definiere es als Prototyp für eine Art Ritterhelm. Oder ein phantastischer Raumanzughelm. Ich kann mich nicht erinnern, etwas dieser Art in den letzten Monaten gesehen zu haben.« »Von uns entsinnt sich auch niemand. Eine Anfrage geht gerade an die Bibliotheksspeicher.« »Ich warte.« Mit rund einem Zehntel Lichtgeschwindigkeit trieb das glockenförmige Etwas auf den Ring des Nabels zu. Deutlich zeichneten sich Einkerbungen und Markierungen ab, die ohne viel Phantasie als Augenschlitze, Atem- oder Nasenöffnung und Mundpartie gedeutet werden konnten. Der Helm, wenn es sich um eine solch exotische Interpretation handeln konnte, war durch angedeutete Umrißlinien und Höhlungen durchaus »humanoid.« Federspiel schüttelte den Kopf und war nicht verwundert, als ihm SENECAS Erklärung übermittelt wurde. »Es ist die Form und das Aussehen, laut den Aussagen der Speicher aus der Historischen Abteilung, das tatsächlich dem eines Ritterhelmes entspricht. Der Verfremdungseffekt, indes, ist beträchtlich.«
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»Damit kann ich selbstverständlich sehr viel anfangen«, gab Federspiel sarkastisch zurück. Ereignislos, langweilig, gefährlich – Federspiel wußte nicht mehr, was er denken sollte. Es gab keinen Anhaltspunkt für irgendeine noch so abenteuerliche Erklärung. Dann riß er seine Augen auf und zuckte zurück. »Aha!« Vom Innenrand des Nabels spannten sich haarfeine, grünliche Linien. Sie zuckten einige Sekunden lang wie Blitze, dann trafen sie sich im Zentrum des Schlundes. Sie bündelten sich, es entstand eine dickere Energiespur, die in den Weltraum hinausschoß. Das Gebilde hatte gewisse Ähnlichkeit mit straff gespannten Fäden eines Spinnennetzes. Der Blitz berührte das schwebende Objekt und wurde von dort reflektiert. Die Energie zuckte in verschieden feinen Linien wieder auseinander. Ein erster Ausläufer traf die Jet und hüllte sie und die Schutzschirme für einen Sekundenbruchteil in grünes, zuckendes Feuer ein. Federspiel spürte jetzt klar und eindringlich einen langen Impuls in seinen Gedanken. Ein Ruf ... eine Aufforderung erging an Zelenzo. In dem Impuls, der auf Federspiel einen wenig organischen Eindruck machte, wie von einer Maschine erzeugt, schwebte der Befehl, sich zu zeigen und die eigentliche Bestimmung zu erfüllen. Sofort und uneingeschränkt. Ein weiterer Energiefaden jagte fast lichtschnell in die Richtung der Sonne. In der Korona erschien kurz ein helles Aufblitzen, dann riß die Erscheinung wieder ab. Gleichzeitig, von dem glimmenden Objekt abgelenkt, fuhren drei andere Energieblitze hinüber zur SOL und zu den beiden Junk-Planeten. Das Ganze dauerte vielleicht drei, vier Sekunden, dann war es vorbei. Federspiel dachte über den Impuls nach, den er aufgefangen hatte. Der Eindringling wurde schneller, raste in steigender Geschwindigkeit auf den Nabel zu und schien genau dem ersten, starken Blitz und dessen Spur zu gehorchen und zu folgen. Als das glühende Objekt als winziger Lichtpunkt im Nabel verschwand, blitzte es abermals von den Rändern auf. Aber Sternfeuer registrierte keinen telepathischen Ruf mehr. Er murmelte einen Fluch und rief die Zentrale, um Breck mitzuteilen, welche erstaunlichen Feststellungen er gemacht hatte. Er schaltete die Schutzschirme aus und schlug einen direkten Kurs zur SOL ein. Mit einem letzten rätselhaften Effekt war der seltsame Eindringling entweder in der Namenlosen Zone verschwunden, oder er hatte sich spurlos aufgelöst. *
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Bjo Breiskoll sprang fast senkrecht aus dem Kontursessel, als er gleichzeitig auf dem Riesenmonitor der Ortung die Lichterscheinungen und die zuckenden Strahlen aus dem Nabel sah und den Impuls mit schmerzlicher Deutlichkeit spürte. Aufforderung! Befehl! Erfüllung der eigentlichen Bestimmung.
Und in derselben Sekunde vernahm
Breiskoll auch das Echo.
Es stammte von Zelenzo!
Zelenzo verstand.
Bjo versuchte fieberhaft, innerhalb des riesigen Organismus der drei Schiffsteile den Ursprungsort des
Echos zu lokalisieren. Seine geistigen Fühler bewegten sich erstmals in eine bestimmte Richtung.
Bjo esperte eine Art Orkan aus Verwirrung, Unsicherheit und Panik. Der Eindruck kam von einer
Gruppe Solaner. Er erkannte ihren Aufenthaltsort; es war das sechzehnte Wohndeck der SZ-Eins.
Langsam hob der Katzer die Hand.
»Breck. Du gibst die Kommandos. Konzentriere eine starke Truppe rund um Wohndeck sechzehn, in
der Eins.«
Er sprach leise und stockend und kontrollierte unaufhörlich seine eigenen Feststellungen. Normalerweise
konnte er sich auf die Zuverlässigkeit seiner telepathischen Fähigkeiten verlassen. In dem Chaos einander
widersprechender Gedanken von mehr als neunzigtausend Individuen war es jetzt alles andere als
einfach.
Aber er intensivierte sein Esper-Vermögen und nickte schweigend. Er hatte sich nicht geirrt.
»Schnell«, flüsterte er. »Und im stillen. Sie sind wirklich dort. In den Räumen einer technischen
Gemeinschaft, wie sie sich verstehen. Es muß ... ja. Dort sind sie. Die Apartments V wie Victor.«
»Verstanden, Bjo. Mach weiter.«
Jetzt, als er schnell und mit Autorität handeln konnte, begann sich der High Sideryt wieder besser zu
fühlen. Die Gesichtshaut brannte noch immer, aber da er nach wie vor Schutzhandschuhe trug, konnte er
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sich nicht einmal kratzen. Er gab seine Befehle wohlüberlegt und mit kalter Präzision durch. Schließlich, nach einer viel zu lang erscheinenden Zeitspanne, gab Bjo weiter, was er festgestellt hatte. »Ich interpretiere eine wilde Gedankenflut«, sagte er zu den wenigen Vertrauten, die sich im gegenwärtigen Zeitpunkt in der schwer bewachten und geschützten Hauptzentrale befanden. »Also: es sind dreizehn Solaner. Sie sind nicht nur schwer bewaffnet, sondern auch im Besitz von Anschlüssen für die unterschiedlichsten Systeme von Robotern und SENECA-kontrollierten Einheiten. Bei ihnen ist Zelenzo. In der Maske ... ich werde verrückt! Er ist in eine Art Ritterrüstung gekleidet. Du solltest keine allzu große Rücksicht nehmen, denn sie sind entschlossen, sich zu wehren – bis zum Äußersten.« Fast förmlich erwiderte Breck: »Es sind bereits alle denkbaren Aktionen eingeleitet. Jeden Augenblick müßten die ersten Rückmeldungen eintreffen.« »In Ordnung.« Die Laufbänder waren angehalten worden. Roboter und Solaner sperrten die Korridore ab. Energieprojektoren bauten Schirmfelder auf. In die Kanäle der Umwälzanlage flutete Betäubungsgas. Kampfroboter rissen die Schotte auf und drangen schnell und fast unbeobachtet in die Wohnräume ein. Hinter ihnen kamen die Sicherheitsangehörigen in ihren Schutzkleidungen. Der Kampf war kurz, aber heftig. Die Solaner wehrten sich und verwüsteten große Teile ihres Verstecks. Nacheinander wurden sie überwältigt oder betäubt. Die Roboter stießen im Zentrum des Quartiers auf eine seltsame Gestalt in einer dunkelmetallischen Rüstung. Ein halbes Dutzend modifizierter Fesselfelder, Traktorstrahlen und Lähmprojektoren wirkten zusammen. Zelenzo war binnen Sekundenbruchteilen völlig hilflos. Die Roboter schleppten Zelenzo in die Zentrale. Der High Sideryt machte über Interkom nur eine knappe Mitteilung. »Das Kapitel Zelenzo und seine Erneuerer wird von der Führung der SOL offiziell als nicht mehr relevant betrachtet. Die dreizehn Solaner des innersten Kerns sind gefangengenommen worden. Zelenzo befindet sich in unserer Gewalt. Weitere Nachrichten folgen, sobald unser Erkenntnisstand höher ist. Danke.« Langsam kamen Sternfeuer und Breiskoll, hinter ihnen Federspiel, in die Nische der Zentrale. »Du hast verstanden, was ich versucht habe, dir zu erzählen?« erkundigte sich Federspiel und schlug Bjo kameradschaftlich zwischen die Schulterblätter. »Ich denke, ich habe es tatsächlich verinnerlicht!« gab Bjo zurück. »Es bleibt unerklärlich.« Federspiel erkannte in dem Helm, den Zelenzo über seiner Rüstung trug, jenes Objekt wieder, das sich aus den unbekannten Tiefen der Galaxis dem Nabel genähert, kurz vor dessen Erreichen aufgeglüht hatte
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und verschwunden war. »Spürst du etwas?« fragte Federspiel. Bjo verneinte. »Und ihr?« »Nichts. Vielleicht isoliert die Rüstung.« Breck stapfte heran und sagte zu Breiskoll, daß Thala Sonnersy gerade noch gesagt habe, Zelenzo habe ihr gegenüber den Helm abgenommen und sich, ihrer Meinung nach, als scheinbar normaler Solaner gezeigt. Breiskoll erwiderte: »Das wird sich zeigen, Breck.« Zelenzo stand regungslos da. Eine Serie von Fesselfeldprojektoren war auf ihn gerichtet. Roboter und Männer der Sicherheitsabteilung nahmen ihm vorsichtig die einzelnen Teile der Rüstung ab. Zuerst den Helm – darunter erschien tatsächlich das Gesicht eines Solaners in mittleren Jahren. Breiskoll versuchte, jetzt etwas herauszufinden. Bis zu dem Moment, an dem die Maske fiel, war es gewesen, als versuche er eine Steinfigur mit Blicken zu durchbohren. »Wirre Gedankenfetzen«, murmelte er und sah unbewegt zu, wie halbkugelartige Teile an den Schultern und röhrenförmige Verkleidungen von Oberarmen und Unterarmen herunterglitten. Die Teile schnappten mit metallischen Geräuschen auseinander. »Menschlich? Ein Solaner?« flüsterte Federspiel in seinem Rücken. Bjo schüttelte schweigend den Kopf. Federspiel faßte seine Überlegungen zusammen und sagte so laut, daß es jeder in der Zentrale verstehen konnte: »Breiskoll hat das Versteck nur gefunden, weil Zelenzo auf den Impuls antwortete, den wir alle optisch festgestellt haben. Zelenzo soll also endlich seine Aufgabe erfüllen. Im Augenblick dürfte es, zugegebenermaßen, etwas schwierig sein. Läßt sich jetzt schon feststellen, ob Zelenzo wenigstens biologisch ein Solaner ist oder nicht?« »Sofort.« Ein Medorobot summte heran, schnitt den Stoff der Bordkombination auf und entnahm eine winzige Gewebeprobe. »Ich würde sagen, daß die Gedankenfetzen, die ich auffange«, flüsterte Bjo, »undeutlich und nicht menschlicher Natur sind. Aber wenn sie maschinenartig sein sollten, was ich vermute – wieso kann eine Maschine in dieser Art denken?
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Niemand kann diese Frage beantworten.« Hayes deutete auf den Mann, der, in eine SOL-Bordkombination mit dem Zeichen der Robotiker gekleidet, ruhig dastand und seinen Blick nacheinander auf alle Anwesenden richtete. »Außer diesem da.«
Der Medorobot erklärte:
»Die erste Analyse hat ergeben, daß das Gewebe Zelenzos in biologischer Hinsicht das eines Insassen
der SOL ist. Ich vertiefe meine Analyse und gebe die Ergebnisse bald bekannt.«
»Die Verwirrung ist perfekt«, sagte Sternfeuer. »Was nun?«
»Er scheint schweigsam und stur zu sein«, brummte der High Sideryt. »Ich werde ein paar Fragen stellen.
Richtet die Linsen auf dieses Bild. Es wird den Nimbus vernichten, die Begeisterung abkühlen lassen.« Zwei Roboter hatten die Teile der Rüstung in einen Metallkorb gelegt und summten mit ihm davon. In den Labors nahe SOL-City würde eine weitere Analyse unternommen werden. Die Ergebnisse, dachten mehrere in der Zentrale, würden abermals die Verwirrung vergrößern. Breck begann:
»Du bist ausgeschaltet, Zelenzo. Du hast uns sehr geschadet. Das ist vorbei. Was sind deine Ziele?«
»Ich bin der Verhinderer des Chaos«, lautete die Antwort. Mehr und mehr Interkome schalteten sich ein.
Die Solaner waren begierig, zu erfahren, wer sie seit Wochen in dieser unerträglichen Ungewißheit und
Spannung gehalten hatte.
»Bisher hast du Chaos produziert. Menschen wurden verletzt und getötet. Du hast letzten Endes nichts
erreicht. Eben jetzt werden zwei Kreuzer bemannt. Ihr Start steht unmittelbar bevor.«
»Mein Ziel ist das Positive!«
Zelenzo blieb äußerlich gelassen. Breiskoll entdeckte in den »maschinenhaften« Impulsen echte
Verwirrung und Unsicherheit, aber auch den Wunsch, endlich alle Unklarheiten zu beseitigen.
»Das ist schwer zu erkennen. Was hast du gegen Atlan?«
»Er will, indirekt, die SOL vernichten. Niemand kennt die furchtbaren Geheimnisse der Namenlosen
Zone.«
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»Nun wird’s konkreter«, rief der High Sideryt. »Bisher hat Atlan ein erstaunlich hohes Maß an Überlebensfähigkeit gezeigt. Seine Freunde, mit denen er unterwegs ist, nicht minder. Wir haben Sorgen, daß er zurückkommt, nicht aber, daß er tot ist. Wenn du wüßtest, daß es die Besatzung der MJAILAM nicht mehr gäbe, würdest du dich vermutlich nicht so intensiv eingesetzt haben.« »Das ist zutreffend«, antwortete Zelenzo. Auf einen Befehl Breckcrowns waren einige der Fesselfelder abgeschaltet worden. Zelenzo machte keinen Fluchtversuch; er stand steif und starr da und gab seine Antworten mit unbewegtem Gesicht. Nur seine Augen schienen förmlich aufzublitzen. Fassungslos schüttelte Bjo den Kopf. Er hatte eine solch seltsame Gedankenausstrahlung noch nie empfangen – dachte er. Kopfschütteln, sagte er sich, ist im Augenblick die charakteristische Bewegung, wollte man versuchen, das Geschehen zu kommentieren. »Achtung!« Sie fuhren herum. Der Oberkörper des Diensthabenden der Ortungszentrale erschien auf dem Monitor. Der Mann wirkte gleichermaßen aufgeregt und fröhlich. »Eindeutige Messungen. Soeben hat eine Space-Jet den Nabel verlassen und kommt mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu. Kontrollanruf. Es ist die ... Moment ... MJAI-Alpha. Es ist Insider! Der Grüne mit den unzähligen Armen!« Aus der Ortung ertönte Geschrei. Die Solaner an den Pulten brachen in lauten Jubel aus. Dann ertönte ein scharfes Knacken. Insiders Stimme, den meisten wohlvertaut, war in den Interkomen zu hören. »Richtig. Hier ist der Kowallek-Extra Zwo oder, exakt, Zwzwko. Ich bin froh, wieder bei euch zu sein. Ich habe wichtige Neuigkeiten. Klatsch-hurrah. Schön, die gute alte SOL in einwandfreiem Zustand wieder zu sehen. Bin gleich bei euch. Sehe ich dort den griesgrämigen Sideryt?« Breck grinste kurz. In sein zerfurchtes Gesicht trat der Ausdruck großer Erleichterung. Er rief: »Mehr Disziplin, Extra! Lebt Atlan noch?« Insider stimmte ein langes Gelächter an. Es war das Zeichen, daß sich seine eigene Nervenanspannung entlud. Jeder begriff dies. Er entgegnete: »Vor kurzer Zeit, als ich startete, war er noch ganz guter Dinge. Habt ihr eigentlich auf das Hilfeansuchen Thermecks nicht reagiert? Oder haben ihn die entfesselten Gewalten des Nabels verschlungen?« »Brons Thermeck ist hier. Aber an Bord herrschten bis eben unbeschreibliche Zustände«, sagte Breckcrown. »Einschleusen. In Höchstgeschwindigkeit, bitte. Und dann komme sofort in die Zentrale. Wir brauchen dich.« »Und Atlan braucht die Vulnurer!« sagte Insider. »Alles klar. Bin sofort bei euch.« Breck wandte sich
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wieder an Zelenzo und stellte die nächste Frage. »Die Begeisterung, die überall ausbricht, sollte dir zu denken geben. Wer bist du, Zelenzo. Kein Solaner, das steht für einige von uns fest.« »Das ist richtig.« »Und woher kommst du wirklich? In unserem Schiff gibt es in der letzten Zeit zu viele Fremde.« »Wer oder was bist du wirklich? Ein Robot? Kaum zu denken, aber möglich.« »Es ist noch nicht der Zeitpunkt gekommen, um alle Fragen zu beantworten«, sagte Zelenzo. Seine Stimme strahlte Selbstsicherheit und große innerliche Ruhe aus. Jedermann war beeindruckt. Breck ertappte sich dabei, wie er dachte, daß auf diese sonore Stimme Tausende Solaner hereingefallen waren. »Wann wirst du dich herablassen, unsere quälenden Zweifel zu beseitigen?« »Der Zeitpunkt liegt nicht sehr fern. Zuerst muß ich mehr über das wichtige Stichwort hören.« Im Hintergrund entstand zunächst unauffällige Bewegung. Ein hochaufgeschossener junger Solaner mit den Erkennungszeichen der Sicherheitskräfte zog seine Waffe, hob sie mit beiden Händen und zielte auf den High Sideryt. Seine Stimme schreckte die Anwesenden aus ihren Überlegungen. »Breck! Ich ziele auf deinen Kopf. Gib sofort Befehl, Zelenzo freizulassen. Schnell!« Innerhalb einer Sekunde baute ein Robot ein Schirmfeld auf. Eine andere Maschine tat dasselbe. Zelenzo und Breck waren geschützt. Dann peitschte ein breitgefächerter Lähmschuß auf, aber in dieses Geräusch mischte sich das Dröhnen eines schweren Blasters. Der weiße Glutbalken jagte quer durch die riesige Halle der Zentrale, wurde von einem Energiefeld umgelenkt und schlug einen Meter neben Zelenzos Schulter in die Wandverkleidung. In diesem Augenblick verwandelte sich Zelenzo. Seine Gestalt zitterte, verlor ihre Konturen und zerfloß. Sie wurde kleiner und breiter. Sie nahm das Aussehen eines Käfers mit hochgezogenem Rücken und kurzen Gliedmaßen an. Der schildbuckelförmige Körper zeigte eine Reihe von starren, metallisch wirkenden Stacheln. Irgend jemand – oder war es Insider aus einem Interkomlautsprecher? – sagte in die verblüffte Stille hinein: »Eine Weltraumzecke.« Raumzecke! Breiskoll kümmerte sich nicht um den jungen Mann, dessen aussichtslose Aktion keinen nennenswerten Einfluß auf das Gesamtgeschehen hatte. Er beherrschte sich und starrte halb fassungslos den seltsamen
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Körper an. Wieder zweifelte er selbst an seinen Eindrücken und esperte erneut, mit einem Maximum an Konzentration und Verinnerlichung. Einwandfrei: kein Roboter! Ein Lebewesen, wenn auch exotisch, phantastisch und schwer zu begreifen. Der Körper war knapp zwei Meter lang. Er war, ähnlich dem zuerst entfernten Panzer, in unregelmäßige, aber kantige Segmente eingeteilt. Bjo konnte keine Augen und keine Sinnesorgane feststellen. Zweifellos gab es diese, aber der größte Teil des Eindrucks von Exotik und Fremdheit fand jetzt eine vorläufige Erklärung. Immerhin ging die Übertragung all dieser Vorgänge über das Interkom System der SOL. Jeder Solaner konnte zusehen und zuhören, und höchstwahrscheinlich dachte in diesen dramatischen Augenblicken keiner an Manipulation, ausgehend von den Stabsspezialisten der Zentrale. Aus dem Innern des Körpers ertönte eine Stimme. Die Stimme Zelenzos, aber bestimmender und sicherer! »Ich bin kein Solaner.« Trotz dieser Feststellung veränderte sich der Körper abermals und nahm wieder humanoide Gestalt an. Für Breiskoll nahm das Geschehen langsam den Ausdruck eines schlechten Videobandes an. Er schüttelte sich. Es war mühsam, den nötigen Ernst zu bewahren. Dennoch blieb eine unverkennbar gefährliche Komponente. »Ich bin kein Solaner. Ich bin kein Roboter. Ich bin in Wirklichkeit ein Halbemulator meines Volkes. Mein Volk nennt sich die Zyrtonier. Ich warte auf den Abgesandten, der den Schrecknissen der Namenlosen Zone entronnen ist.« Aus den Lautsprechern dröhnte es: »Das Warten wird gleich vorbei sein. Insider hat eingeschleust und befindet sich auf dem Weg zur Hauptzentrale der SOL.« Ob allerdings mit dem Erscheinen des Extras alle Fragen auch befriedigende Antworten bekommen würden, war weiterhin fraglich. Breiskoll zuckte die Schultern und ging zum nächsten Getränkeautomaten. Dort wählte er einen doppelten Mokka und fügte einen großen Schuß Alkohol dazu. »Ein abenteuerliches Spektakel«, sagte er voller Verärgerung. »Sollten wir jemals wieder auf einem von Menschen besiedelten Planeten landen, und ich erzähle die Story in der Raumhafenbar ... niemand würde mir auch nur ein Wort glauben.«
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7. »Niemand wird verstehen, warum Atlan in die Namenlose Zone aufbrach. Das wird und soll er selbst erklären. Aber wenn ihr ihn nicht dort herausholt, geschieht wirklich das letzte und endgültige Unheil.« Insider, 17.06.08 Insider hielt in einer Hand einen Kaffeebecher, in der anderen ein Glas voll bernsteingelbem Alkohol, in der dritten ein Narkosestäbchen und in der vierten eine kleine, weiße Plastikscheibe. Er saß keine zehn Schritte von Zelenzo entfernt, strahlte förmlich und wirkte erleichtert und zufrieden – und hochgradig überdreht. »Zunächst die Kurzform. Später folgen intensivere Erklärungen«, sagte er und nahm zwei Schlucke und einen tiefen Zug. »Über das Schicksal der MJAILAM habe ich kurz berichtet.« »In kurzer Zeit starten zwei Kreuzer«, unterbrach Sternfeuer beschwichtigend, »die Atlan herausholen werden.« »Begriffen. Atlan hat erfahren, wie wichtig die Existenz der Vulnurer ist. Bereitet euch vor, diese Vulnurer zu suchen, zu finden und mit größter Eile in die Namenlose Zone zu bringen. Lange existiert dieser Nabel nicht mehr, wie jedermann weiß.« »Nicht jedermann!« betonte Sternfeuer. »Klatsch-hurrah! Die Bedeutung, die jene Emulatoren für die Galaxis haben, ist dank Breiskolls Berichten wohl jedermann an Bord klar. Ich brauche darauf nicht einzugehen. Und du, ein Halbemulator – das ist neu.« Zelenzo sagte fast würdevoll: »Ich bin ein Halbemulator der Zyrtonier. Mein Ziel ist das Herausarbeiten des Positiven. An Bord der SOL bin ich gründlich mißverstanden worden; meine Absichten wurden nicht geschätzt.« »Kein Wunder!« donnerte hochrot vor Zorn der High Sideryt. Zelenzo ließ sich nicht beeindrucken. »Ich versuche mit jeder meiner Aktionen, die SOL und ihre tapferen Insassen davor zu bewahren, in die Namenlose Zone einzufliegen.« Breiskoll, dessen Abenteuer jenseits des Junk-Nabels ihm noch in unmittelbarer Erinnerung waren, rief von hinten: »So schlimm und aussichtslos ist es dort nun auch wieder nicht. Ich bin der Namenlosen Zone lebend entkommen, wie viele andere auch.«
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Verachtungsvoll oder belehrend, wer mochte dies zu erkennen, entgegnete Zelenzo: »Du hast keine oder nur wenig Ahnung. Das Grauen, das in diesem Raum herrscht, hätte euch alle vernichtet. Wagt ihr es dennoch, werdet ihr mir zustimmen müssen, aber dann ist es logischerweise zu spät für tiefergehende Erkenntnisse einer persönlichen Existenz.« »Noch einmal! Was willst du wirklich hier an Bord?« rief mit drohender Stimme der High Sideryt. Er ärgerte sich maßlos darüber, daß die Gefahren, denen sie gegenüberstanden, keine greifbaren und begreifbaren Abenteuer waren, sondern jene verdammte Mischung zwischen halb Okkultem und Realem, die ihm und seinem Weltbild mehr als fremd waren. »Daß Atlan und andere Solaner in ernsthafte Gefahr kamen, verwundet und getötet wurden, ist ein Umstand voller Trivialität gegenüber dem Geschehen jenseits des Nabels«, sagte Zelenzo. »Aber es gibt eine Hoffnung. Sie ist durchaus real«, fuhr er fort. »Wir hören?« Er bewegte sich und deutete auf Insider. »Wie jener Non-Solaner ausführte. Die Vulnurer. Sucht sie. Findet sie bald. Nur durch sie kann der wahre, wirkliche Emulator der Zyrtonier wieder an Einfluß gewinnen.« Die Position der Emulatoren war allen klar. Der Rest blieb wieder einmal in den nebligen Schwaden der unmittelbaren Zukunft verborgen. Zelenzo hob auch den anderen Arm und machte eine beschwörende Geste. Mit ebensolcher Stimme sagte er drängend: »Tut, was der Extra euch rät. Bringt die Vulnurer in die Namenlose Zone. Ich habe es versucht und bin gescheitert. Ich bitte euch, mich zu verstehen und zu entschuldigen. Ich wollte das Positive und habe höchst negative Handlungen begehen müssen.« Er hielt inne und senkte die Arme. Von dort, wo er stand, ertönte ein dumpfes Grollen. Sein Körper änderte abermals seine Form. Dies geschah rasend schnell. Schwarzer Ritter in Metallrüstung – Raumzecke – Solaner im Bordoverall ... mindestens dreißigmal erschienen in rasendem Wechsel diese drei Erscheinungsformen. Dann lösten sich die Körper, die für die Augen der fassungslosen Zuschauer miteinander verschmolzen, auf. Ein Körper blieb übrig. Der Solaner. Er brach zusammen und blieb regungslos liegen. Zelenzo hatte sich selbst getötet oder abgeschaltet. Breiskolls Stimme war laut und schneidend, als er sagte: »Keine Impulse mehr. Er ist tot oder desaktiviert. Schafft ihn aus der Zentrale und gebt ihm ein würdiges Begräbnis im Raum. Der Spuk ist vergangen, und wir werden darüber noch lange nachzudenken haben.« »Tut, was er gesagt hat«, schloß der High Sideryt und senkte für einen langen Moment den Kopf. Sternfeuer zog sich zurück und betrachtete die folgenden Aktionen mit schweigender Verwunderung. »Sucht die Vulnurer!« sagte Hayes schließlich. »Nichts leichter als das. Wo sind sie? Wie kann man sie
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finden?« »Möglicherweise kann ich durch meine Erzählungen euch und uns etwas helfen«, wandte Insider ein. »Hört zu.« »Nur zu!« Eine längere, teilweise mehr als verwirrende Erzählung schlug alle zuhörenden Solaner in ihren Bann. Die Emulatoren Ehennesi und Daug-Enn-Daug, der Planet Solist, die sogenannten BRISBEE-Kinder, der Weiterflug, der nur dank des Teppelhoff-Effekts möglich war, die Erlebnisse in dem Planetoiden Schwammkartoffel, Donku und Fasto, das Auftauchen von Parzelle, die riesige Weltraumzecke und die Pagen, der Einsatz von Brons Thermeck und das Warten auf eine Hilfsaktion der SOL, die Duplikate der Bio-Imitatoren und die Forderung der Lichtquelle. »Sie lautet, sagte mir Atlan«, fuhr Insider fort, »daß die Vulnurer in die Namenlose Zone gebracht werden müssen. Atlan erkannte, daß diese Forderung fast unmöglich zu erfüllen sei. Er versprach alles zu tun. Ich meldete mich einige Sekunden, bevor ich durch den Nabel ging, bei Atlan. Mehr weiß ich auch nicht. Aber da wir schließlich bisher alles Denkbare gedacht und alles Machbare gemacht haben, werden wir auch die Vulnurer finden. Schließlich wissen wir, wo sie damals nahe der Zone-X waren.« »Und wo wir sie nun zu suchen haben«, fragte jemand, »weißt du nicht.« Fast empört antwortete Insider: »Natürlich nicht. Wo denkst du hin.« Er leerte die Gefäße, warf sie in einen Abfallkonverter und lehnte sich zufrieden zurück. Er genoß es, wieder zu Hause zu sein. * Breiskoll packte die Hand Thermecks und drückte fest zu. »Hast du alles in Ordnung gebracht?« fragte er ohne Ironie. »Der Leitung dieses bemerkenswerten Schiffes ist es wichtig, daß die Familie Thermeck wieder intakt ist.« Brons wirkte halb verlegen, halb zuversichtlich. Er wußte, daß er in Breiskoll einen zuverlässigen Freund hatte ... seine Antwort klang dementsprechend. »Meine Frau und Eldar sind in der Wohnung. Sie werden von Freunden und Robotern versorgt. Sie sind schwer verletzt. Zumindest Eldar wird während der erzwungenen Ruhe wohl wieder in den richtigen Takt kommen. Byl hat sich wieder eingefunden, mit reichlich versengtem Fell. Soweit innerhalb des Familienverbands wieder Harmonie herzustellen ist – dies ist eine echte Chance.« Bjo schlug ihm auf die
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Schulter und sagte: »Suche dir einen gemütlichen Platz in der MAGMA PLUS oder der ICNUSA und sage dem Arkoniden und seiner hinreißenden Geliebten meinen besten Gruß und so weiter.« Endlich lachte Brons. »Wird gemacht. Bringt das Schiff wieder in Ordnung, ja?« Breiskoll versicherte grimmig: »Darauf kannst du dich verlassen. Die Zelenzo-Episode war verlustreich. Wir werden versuchen, das Schiff innen und außen wieder auf Hochglanz zu bringen. Das wird viele Zauderer und Unentschlossene beschäftigen. Mach’s gut, Brons.« »Danke. Ebenfalls.« SENECA bereitete eine Umfrage vor. Nachrichtensendungen, die alle anstehenden Probleme vertieften, liefen über die Interkome. Es war vorgeschlagen worden, daß die SOL-Zelle-Zwei unter dem verantwortlichen Kommando Solanias abkoppeln und nach den Vulnurern suchen sollte. Eine demokratische Abstimmung über diesen Plan war gefordert. In der Namenlosen Zone, dachte Bjo, während er dem hochgewachsenen Solaner nachblickte, schien der Gegensatz Gut und Böse unausgewogen zu sein. Wahrscheinlich (und die Ereignisse sprachen dafür) würde das Auftauchen der Vulnurer die Waagschale im positiven Bereich senken. Zelenzos seltsame Eigenschaften waren wohl auf seinen Status als Halb-Emulator zurückzuführen. Noch fehlten unzählige Informationen. Aber die Fähigkeit, sich über Rätselhaftes und scheinbar Unglaubliches wirklich zu wundern, besaßen nur noch die wenigsten Solaner – viel zu viel in dieser Art war geschehen. Langsam ging Bjo Breiskoll zurück zur Zentrale. Seine Aufgabe war für diese Stunden beendet. Er konnte ausspannen. Tief in Gedanken hörte er, daß die Hilfsschiffe gestartet waren und den Schleusenhangar verlassen hatten. »Irgend etwas«, murmelte der Katzer sinnend, »habe ich gemerkt. Zelenzo – Friede seinem erstarrten Körper zwischen den Wasserstoff-Ionen – scheint die Vulnurer für eine positive Komponente zu halten. Womöglich ist er auch einer von jenen gewesen, von denen die Namenlose Zone gerettet werden sollte.«
Er zuckte die Schultern. Die nahe Zukunft würde viele Dinge klären. Im Augenblick sehnte sich Breiskoll nach nichts anderem als nach ruhigen, langweiligen und normalen Verhältnissen innerhalb des Schiffes. Je schneller die beiden Kreuzer Atlan halfen, je schneller die SOL diesen Platz verließ, desto besser. Er beschloß, alle jene Probleme sofort zu vergessen, die ihn nichts angingen. War er der High Sideryt? Nein. Er war für die nächsten Stunden Privatperson und gedachte dies auszunutzen.
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Er sah flüchtig zu, an die Wand eines Korridors gelehnt, wie der andere Kreuzer startete.
In kurzer Zeit würde vermutlich ein Drittel des Schiffes abkoppeln und auf die lange Suche gehen.
Niemand wußte, welch schauerliche, gefährliche Abenteuer »Brooklyn« auf dieser Mission erleben
würde.
Bjo lachte fauchend auf.
Er würde es bald wissen, denn er würde mit von der Partie sein. Er freute sich nicht gerade darüber. Und
er hatte die feste Gewißheit, daß Ruhe und Frieden an Bord nur von kurzer Dauer sein würden.
ENDE
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Weiter geht es in Band 162 der Abenteuer der SOL mit: Die falsche Lichtquelle von Falk-Ingo Klee Impressum: © Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt Chefredaktion: Klaus N. Frick © Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2008, eine Lizenzausgabe mit Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
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