Taschenatlas der Umweltchemie Georg Schwedt
118 Farbtafeln von Joachim Schreiber
1996
Ceorg Thieme Verlag Stuttgart ƒ New York
Prof. Dr. Georg Schwedt Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Technischen Universität Clausthal Paul-Ernst-Straße 4 38678 Clausthal-Zellerfeld
Gestaltung der Farbtafeln: Schreiber VIS Joachim Schreiber Karolinenstr. 26 64342 Seeheim unter Mitarbeit von Werner Wildermuth, Stuttgart
Die Deutsche Bibliothek - GP-Einheitsaufnahme Schwedt, Georg: Taschenatlas Umwelt: Chemie, Analytik, Umwelt / Georg Schwedt, Farbtaf. von Joachim Schreiber. - Stuttgart; New York : Thieme, 1996
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© 1996 Georg Thieme Verlag Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Printed in Germany Satz: primustype Hurler GmbH, Notzingen Druck: aprinta, Wemding ISBN 3-13-103111-5
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Wichtiger Hinweis: Dieses Werk ist von Fachleuten verfaßt worden. Der Benutzer muß wissen, daß bereits der Umgang mit Chemikalien und Mikroorganismen eine latente Gefährdung mit sich bringt. Zusätzliche Gefahren können theoretisch durch unrichtige Mengenangaben entstehen. Autoren, Herausgeber und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwandt, daß die Mengenangaben und Versuchsanordnungen dem Stand der Wissenschaft bei Herausgabe des Werkes entsprechen. Dennoch kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben übernehmen. Jeder Benutzer ist angehalten in eigener Verantwortung sorgfältig zu prüfen, ob Mengenangaben, Versuchsanordnungen oder andere Hinweise nach Verständnis eines Naturwissenschaftlers plausibel sind. In allen Zweifelsfällen wird dem Leser dringend angeraten, sich mit einem fachkundigen Kollegen zu beraten; auch der Verlag bietet bereitwillig seine Unterstützung bei Klärung etwaiger Zweifelsfragen an. Dessen ungeachtet erfolgt jede in diesem Werk beschriebene Anwendung auf eigene Gefahr des Benutzers.
Vorwort Zum Verständnis des komplexen Umweltverhaltens chemischer Stoffe haben zahlreiche Fachwissenschaften beigetragen: z. B. Chemie und Physik, Meteorologie und Hydrologie, Biologie und Geologie. Weitere spezielle Disziplinen innerhalb der analytischen Umweltwissenschaften sind Mikrobiologie, Toxikologie, Biochemie und Bodenkunde. Der vorliegende Taschenatlas verknüpft die wichtigsten Grundlagen der Atmosphärenchemie, der Wasserchemie und der Bodenchemie mit den stofflich orientierten physikalisch-chemischen und biologisch-Ökologischen und auch speziellen chemisch-technischen Vorgängen. Zum Einstieg in den Themenkreis werden wegen erforderlichen ganzheitlichen und damit interdisziplinären Betrachtungsweise Stoff-Kreisläufe besonders ausführlich behandelt. Wiederholungen von Einzelfakten in diesem und auch in den folgenden Kapiteln wurden bewußt in Kauf genommen, um deren Bedeutung für die verschiedenen Aspekte der Umweltchemie hervorzuheben. In den weiteren Kapiteln zur Umweltchemie in der Atmosphäre, der Hydrosphäre und der Pedosp/iäre werden unter Einbeziehung der Biosphäre ökochemische Zusammenhänge mit zunehmender Spezialisierung der Problemstellungen und der Umwelt-(schutz-)technik behandelt. Kapitel 5 und 6 beschäftigen sich über alle vier Sphären mit der Umweltchemie
ausgewählter Xenobiotika und Schwermetalle, mit der problem- und wirkungsbezogenen Umweltanalytik sowie mit Methoden der Ökotoxikologie. Bildliche Darstellungen wie Farbtafeln eignen sich ganz besonders, um auch ohne ausführliche, Lehrbüchern vorbehaltene Texte, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen. Sie geben jedem Benutzer von seinem jeweiligen Wissensstand und fachlichen Blickwinkel aus die Möglichkeit, eigene Ansätze zum Verständnis einer hier weitgefaßten Umweltchemie zu entwickeln. Sie können andererseits die genannten Lehrbücher nicht ersetzen, die zur Vertiefung des Stoffes herangezogen werden sollten. Der Autor dankt allen im Literaturverzeichnis aufgeführten Kollegen, die Bücher zu diesem breiten Themenspektrum verfaßt haben: Sie haben ihm mit den Abbildungen in ihren Werken die Vorlagen für die anschließende Entwicklung und Gestaltung der Farbtafeln durch den Graphiker Joachim Schreiber verholfen. Auch ihm möchte ich für die wie beim Taschenatlas der Analytik fruchtbare Zusammenarbeit danken. Kritische Anmerkungen und Anregungen zu diesem ersten Versuch einer umfassenden bildlichen Darstellung des breitangelegten Themenkreises Umwelt und Chemie einschließlich Technik werden vom Autor gern entgegengenommen. Clausthal, im Frühjahr 1996 Georg Schwedt
Inhaltsverzeichnis
Einleitung I Kapitel 1 Stoff-Kreisläufe 1.1 Geochemische Kreisläufe A. Umweltbereiche 2 ß. Endogener und exogener StoffKreislauf 2 C. Geologischer Stoff-Kreislauf 4 D. Krusten-Ozean-Maschine 4 E. Die Erde als biogeochemische Fabrik 6 1.2 Kohlenstoff-Kreislauf A. Mineralisierung und Biosynthese 8 1.3 A. B. C.
Stickstoff-Kreislauf Globaler Stickstoff-Kreisiauf 10 Anthropogene Einflüsse 10 Ammonifikation, Nitrifikation und Denitrifikation 12
1.4 Schwefel-Kreislauf A. Globaler Schwefel-Kreislauf 14 B. Biochemischer Schwefel-Kreislauf 14 C. Umweltchemisch relevante Schwefel-Verbindungen 16 D. Emissionen und Umwandlungen 16
1.5 Phosphor-Kreislauf A. Globaler Phosphor-Kreislauf 18 B. Biogeochemischer Phosphor-Kreislauf 18 1.6 Metall-Kreisläufe A. Globaler anthropogener Kreislauf 20 B. Geochemischer Kreislauf 20 C. Biogeochemischer Kreislauf 20 1.7 Spezielle Kreisläufe A. Kreislauf von Umweltchemikalien 22 B. Kopplung der Kreisläufe von C, S, P, N und 0 24 G Bakterielle und biochemische Kreisläufe in Sedimenten eines Sees 24 D. Anthropogen bedingte, flächenbezogene Stoff-Flüsse 26 E. Stoff-Kreislauf mit Übergängen zur Umwelt 26 F. Ökologisch orientierter Stoff-Kreislauf 28
Kapitel 2 Atmosphäre 2.1 Physikalisch-chemische Vorgänge A. Globale Energiebilanz 30 B. Aufbau der Atmosphäre 30 C. Physikalisch-chemische Grundvorgänge 32 D. Kastenmodell der Atmosphärenchemie 32 E- Kopplung von Kohlenstoff- und Sauerstoff-Kreislauf 34 f- Rolle des Kohlenstoffdioxids 34 G. Allgemeines Verhalten atmosphärischer Spurenstoffe 36
H. Kreislauf der atmosphärischen Aerosolpartikel 36 2.2 Ökologische Photochemie A. Chemie und Photochemie 38 B. Emission und Deposition bei verschiedenen Wetterlagen 38 C Katalytische Kreisläufe der atmosphärischen Ozon-Chemie 40 D. Ozon - Bildung und Abbau 42 E. Ozon und die katalytischen NOKZyklen 42 F. Photochemie des OH-Radikals 44
Inhaltsverzeichnis
VII G. Schema der katalytischen HCJ*Zyklen 44 H. Schema der atmosphärischen Halogen-Photochemie 46 I. Globaler atmosphärischer ChlorZyklus 46 J. Schema des katalytischen ClCv Kreislaufs 46 K. Spaltung von Chlorfluormethanen 46 2.3 Luftverschmutzungen durch Verbrennung A. Quellen der Luftverschmutzung 48 B. Quantifizierung der LuftschadStoffe nach Herkunft 48 C. Emissionen aus Vegetationsbränden 48 D. Stickstoffoxid - Entstehung und Minderung 50 2.4 Anthropogene Schadstoffe und ihre Wirkungen A. Anthropogene Emissionen 1984 in Deutschland (West) 52 B. Immissionen in Bodennähe 52 C. Schadstoffströme bei der Müllverbrennung 54 D. Abfallverbrennung in Deutschland 54 E. Säurebildung aus NO* und SO2 56 F. Luftverschmutzungen als Streßfaktoren des Ökosystems Wald 56
Kapitel 3
G. Abscheidung von Feinstäuben im menschlichen Atemtrakt 58 H. Angriffsorte im Atemtrakt in Abhängigkeit von der Wasserlöslichkeit 58 I. Wirkungen von CO im Blut 58 K. Schadstoffquellen in Wohn- und Arbeitsräumen 60 2.5 Prinzipien der Luftreinhaltung A. Technologien der Abluftreinigung 62 B. Vergleich verschiedener Staubabscheidungssysteme 64 C. Thermischer Abbau organischer Stoffe 64 D. Bildung und thermischer Abbau chlorierter Dibenzodioxine und -furane 64 E. Kombinationsverfahren zur Abgasreinigung 66 F. Katalytische NGyReduktion 66 G. Entschwefel ungsverfahren 66 H. Simultanverfahren zur Abgasentschwefelung und -entstickung 68 I. Adsorptionsanlage zur Lösungsmittelrückgewinnung 68 J. Aufbau einer biologischen Gaswäsche 68 K. Autoabgase und deren Reinigung 70 L Deponiegase und deren schadstoffarme Verbrennung 72
Hydrosphäre
3.1 Wasser-Kreislauf der Erde A. Der hydrologische Kreislauf 74 B. Kastenmodell der Gewässerchemie 74 C. Volumenmäßige Verteilung des Wassers 74 D. Quantitativer Wasserhaushalt der Erde 76 E. Mittlere Wasserbilanz in Deutschland 76 F. Wechselwirkungen zwischen Wasser und Land 78
G. Nahrungsnetz und Stoff-Keislauf in Gewässern 80 H. Quantifizierter Stoff-Kreislauf im offenen Meer 80 I. Wasser-Kreislauf mit anthropogenen Einflüssen 82 J. Wasser-Kreislauf im Wirkungsfeld Wasser - Boden - Vegetation 82 K. pH-pE-Diagramme mit Einfluß der Atmosphäre 84 L Kohlenstoff-Spezies im Kreislauf von Gewässern 84
Inhaltsverzeichnis
3.2 Chemie in Gewässern A. Gleichgewichts-Diagramme einiger Molekül/Ionen-Systeme 86 B. Carbonat-Spezies in Regenwasser 86 C. Ca2+ und HCO^-Ionen in Flüssen 86 D. Löstichkeiten von AluminiumSpezies 88 E. Speziesverteilung der Al-HydroxoKomplexe 88 F. Gleichgewichte zwischen Nitratund Ammonium-Ionen 88 G. Umwandlung von Ammonium in Fließgewässern 88 H. pE-pH-Diagramm für EisenSpezies 90 I. Konzentrations-pE-Diagramme für Chlor-Spezies 90 J. Genese des Regenwassers 92 K. Wege emittierter Säurebildner und Wirkungen bei Tieren im Wasser 92 L Emission und Transportprozesse von Metall spuren in Flußbetten 94 M. Kreisläufe und Reaktionen von Metallen in Gewässern 94 N. Reaktionen von Metall-Ionen in der Wassersäule eines Sees 96 0. Existenzbereiche von Metall-, Aquo-. Hydroxo- und Oxo-Komplexen 96 3.3 Verfahren der Trinkwasseraufbereitung A. Donauwasseraufbereitung zur Verwendung als Trinkwasser 98 ß. Klassische Verfahren der Trinkwasseraufbereitung WO C. Elektrodialyse in einer Dreikammerzelle 100 D. Wasserentsalzung durch Umkehrosmose WO Kapitel 4
VIII 3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung A. Kommunales Klärwerk als Direkteinleiter W2 B. Schema einer mechanisch-biologischen Kläranlage 102 C. Zusammensetzung von Abwasser und dessen mögliche Behandlung 104 D. Schwankungen in der Abwassermenge einer Stadt 104 E. Biochemischer Sauerstoff-Bedarf (BSB) 104 F. Anaerober Abbau organischer Stoffe 106 G. Grundlagen anaerober Reinigungsverfahren 106 H. Zur Kinetik von Flockung und Filtration 108 I. Wirksamkeit von Chemikalien in der Wassertechnologie 108 J. Fällungs-pH-Bereiche von Metallen 110 K. Abwasserreinigungsanlage mit Phosphat-Fällung 110 l. Schlammbildung und BSB 112 M. Sauerstoff-Verbrauch für Stoffwechselvorgänge 112 N. Phosphat-Eliminationen 112 0. Stickstoff-Umwandlungen bei der Abwasserreinigung 114 P. Verfahren der Denitrifikation 114 Q, Abwasserbehandlung in der metallverarbeitenden (Automobil-) Industrie 116 R. Mechanisch-biologisch-chemische Kläranlage mit Schlammbehandlung 116
Boden
4.1 Grundlagen der Bodenkunde A. Der Boden im Umfeld von Litho-, Hydro- und Atmosphäre 118 B. Die litho-, bio-, atmo- und hydrosphärischen Anteile 118
C. Wechselbeziehungen zwischen Gesteinsarten 120 D. Gesteinsarten 720 E. Körnungsklassen von Böden 122 F. Krümelstrukturen des Bodens 122
IX
G. Bodenhorizonte 124 H. Die vier physikalischen Zustände des Bodens 124 4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge A. Bodenfunktionen 126 ß. Bodenbestandteile 126 C. Zusammensetzung eines Ackerbodens 126 D. Beziehung zwischen Wasserspannung und Wassergehalt 128 E. Wasser-, Luft- und Substanzvolumen in Abhängigkeit von der Bodenart 128 F. Sauerstoff- und KohlenstoffdioxidGehalt der Bodenluft 128 G. Bildung, Umwandlung und Zerfall von Tonmineralen 130 H. Elementanordnung in einem Zweibzw. Dreischicht-Tonmineral 130 I. Strukturtypen von Silicaten 130 J. Verwitterung des Kalifeldspates zum Tonmineral 132 K. Tonminerale als polyfunktionelle Austauscher 132 L Diagenese und Humifizierung 134 M. Boden und Humus 134 N. Biogenese von Huminstoffen 136 0. Aufbau von Huminstoffen 138 P. Strukturmuster eines HuminstoffSystems 138 Q. Dynamische Vorgänge in Böden 140 R. Verwitterung und Gasaustausch 140 4.3 Metalle und saurer Regen A. Kalium-Dynamik im Boden 142 B. Bilanzschema für Schwermetalle in der Bodendeckschicht 142 C. Boden-pH-Wert und Metall aufnahme 142 D. Verfrachtung und Wirkung von Tausalzen 144 E. Transportwege des Bleis 144 F. Entwicklung der Blei-Immission im Schwebstaub 146
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G. Häufigkeitsverteilungen von Blei und Cadmium in Gartenböden 146 H. Normierte Blei-Gehalte in der Umgebung eines Buntmetallemittenten im Bodenhorizont Ap 148 f. Scliwermetallanreicherungen 148 J. Verhalten von Schwermetallen im Boden 150 K. Mobilisierung von Schwermetallen 152 L. Deposition „saurer Regen" 154 M. Einfluß des sauren Regens auf das Ökosystem Wald 154 N. Vorgänge im Boden 154 0. Saurer Regen als Ursache neuartiger Waldschäden 156 P. Auswirkung saurer Imissionen am Kölner Dom 158 4.4 Organische Kontaminanten A. Beispiel eines belasteten Industriegeländes 160 B. Verhalten von Schadstoffen im Boden 162 C. Verteilung von chlorierten Kohlenwasserstoffen in der Bodenluft 162 D. Verhalten von Pestizid-Wirkstoffen im Boden 162 E. Anteile bestimmbarer Stoffe in belasteten Böden 164 F. Summenkurven des SauerstoffVerbrauchs ölkontaminierter Böden 164 4.5 Verfahren der Bodensanierung A. Emissionspfade einer Altlast 166 B. Bodenreinigungsverfahren 166 C. Gegenstromextraktion mit Lösungsmitteln 16S D. Thermische Altlastensanierung (68 E. Biologische Altlastensanierung 170 F. Sanierung von kontaminiertem Grundwasser und von Bodenluft 170 4.6 Chemie und Technik in Deponien A. Aufbau einer Deponie 172
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B. Grundwasser-Gefährdungsquellen im Umfeld einer Deponie 172 C. Entwicklung von Müllvolumen und Zusammensetzung 172 D. Anaerobe Abbauprozesse in Deponien 174
Grundfließbild einer Müllvergärungsanlage 176 Entsorgung und Nutzung von Deponiegas 176
Kapitel 5 Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika und Schwermetalle 5.1 Schadstoffpfade, Nahrungsketten und Stoffeigenschaften A. Schadstoffpfade in Ökosystemen 178 B. Grundlagen der Schadstoffverteilung und -Umwandlung 178 C. Nahrungskette und Energiefluß 180 D. Nahrungspyramide 180 E. Nahrungskettengeflecht 180 F. Stoffeigenschaften und Umweltverhalten 182 G. Ökochemische Stoffeigenschaften 184 H. Grundlegende Prozesse beim Stoffaüstausch zwischen Atmosphäre und Meer 184 5.2 Allgemeine Abbauwege A. Reaktionsenthalpien für Abbaureaktionen von Biomasse 186 B. Reduktive (anaerobe) Reaktionen von Xenobiotika 186 C. Bakterieller Abbau von Aromaten 188 D. Abbau aromatischer Nitro-Verbindungen 188 5.3 Kohlenwasserstoffe: PAK und PCB A. Entstehung chlorierter Verbindungen bei Verbrennungsvorgängen 190 B. Abbau von Alkanen in der Troposphäre 190 C. Mechanismen des PAK-Abbaus bei Prokaryonten und Eukaryonten 192 D. Eliminierungspfade beim biologischen Abbau von PAK im Boden 192
E. Verteilungsmöglichkeiten von polychlorierten Biphenylen (PCB) 194 F. Bioakkumulation von PCB 194 G. Abbau von PCB 194 5.4 Dibenzodioxine und -furane A. Dioxin-Quellen und -Pfade 196 B. Verunreinigungen von ChlorphenolHandels Produkten 196 C. Chemische Strukturformeln und Toxizitätsäquivalente 198 D. Entstehung und Aufnahme durch den Menschen 198 5.5 Pestizide und Tenside A. Verhalten von Pestiziden im Boden 200 B. Persistenz von Pestiziden in Böden 200 C. Biotischer Abbau von Ethenbisthiocarbamaten 200 D. Parathion-Abbau im Körper eines Rindes 202 E. Mikrobieller Parathion-Abbau 202 F. Abbau von aromatischen stickstoffhaltigen Herbiziden 204 G. Abbau eines linearen Alkylbenzolsulfonates(Tensids) 204 5.6 Schwermetalle und ihre Spezies A. Schwermetallspezies in natürlichen Gewässern 206 B. Konzentration und Wirkung 206 C. Chrom-Spezies in Gerbereiabwässern 206 D. Quecksilber-Spinne: Anwendungen und Wirkungen 208 E. Umweltchemie des Quecksilbers 208
XI F. Ökochemische Reaktionen des Arsens 210
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G. Umwandlungen von Arsen-Spezies im Meer 210
Kapitel 6 Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik 6.2 Ökotoxikologische Konzepte zur 6.1 Umweltanalytik - Strategien und Gefährlichkeitsbewertung Konzepte A. Schema zur Schnelleinstufung von A. Mobile Vor-Ort-Analytik 2\2 Chemikalien 228 B. Schnelltestverfahren 212 B. Zum Umweltgefährdungsprofil 230 C. Konzeptionelle UmweltanalyC Expositionsanalyse nach dem Fugatik 214 zitätsmodell „Unit World" 232 D. Gefährdungsabschätzung in der AltD. Auswertung von Monitoringlastenuntersuchung 216 Daten 232 E. Gewässeruntersuchungen im E. Gefährlichkeitsbewertung nach dem Bereich von Deponien 218 E4Chem-Modell 234 F. Strategien zur Analytik kontaminierF. Das EXTND-Submodell zur Expositer Böden 220 tionsanalyse 234 G. Leuchtbakterientest zur wirkungsG. Das OECD-Standard-Umweltmobezogenen Schadstoffanalytik 222 dell 234 H. Schema zur Pestizid-Analytik in H. Kompartimente und Prozesse in Umweltproben 224 einem Umweitmodell 236 I. Moderne Probenvorbereitung für I. Wirkungsanalyse mittels ComputerPCB-kontaminierte Böden 224 studie 236 J. Analysenverfahren für Kohlenwasserstoffe und PAK in Böden 226 K. Probenaufarbeitung und Bestimmung von Pestiziden 226 Literaturverzeichnis 238 Sachverzeichnis 240
Einleitung Nach Friedhelm Körte, einem der Begründer des Fachgebietes Ökologische Chemie in Deutschland, sind unter diesem Begriff „bei umfassender Betrachtung gemäß dem Inhalt beider Teilbegriffe die chemischen Abläufe und chemischen Interaktionen und daraus zu ziehende Konsequenzen in der Ökosphäre zu verstehen." Mit der seit Beginn der 60er Jahre unseres Jahrhunderts stark angestiegenen Industrialisierung sowie infolge der Begrenzung der natürlichen Rohstoffquellen ist die ökologische Chemie als Teil der analytischen Umweltforschung auch in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses gerückt. Die Komplexität der Zusammenhänge und Vorgänge erfordert eine weitreichende interdisziplinäre Zusammenarbeit und auch ein neues vernetzten Denken (Frederic Vester). Die Bezeichnungen ökologische Chemie, Ökochemie und Umweltchemie werden synonym verwendet. Zur ökologischen Chemie leisten Fachgebiete der Geowissenschaften (vor allem Geochemie), der Biologie, der Landwirtschaft (vor allem Bodenkunde), der Biochemie und der Toxikologie (als Ökotoxikologie) entscheidende Beiträge. Die ökologische Chemie ist aus der Sicht der Chemie mit der Ökolgie aus der Sicht der Biologie vergleichbar. Die chemische Ölologie beschränkt sich im Unterschied zur ökologischen Chemie „auf Naturstoffe, den natürlichen Anwendungsbereich, die stofflieben Wechselwirkungen und Steuerungsmechanismen (Allelo-Chemikalien) der Organismen in Ökosystemen". (F. Körte). Die Übergänge zwischen chemischer Ökologie und ökologischer Chemie sind jedoch fließend. Die Umweltchemie (synonym verwendet neben ökologischer Chemie und Ökochemie) ist als eine fächerübergreifende Querschnittsdisziplin mit engen Wechselwirkungen zur Biologie, Ökologie, Ökotoxikologie, Chemie, Hydrologie, Meteorologie, Geochemie und auch Technik
zu verstehen (Römpp Lexikon Umwelt, Thieme: Stuttgart 1993). Als Forschungsschwerpunkte sind vor allem Untersuchungen zum Stofftransport, zur Verteilung und Transformation chemischer Stoffe (Umweltchemikalien) in den vier Sphären Atmo-, Hydro-, Pedo- und Biosphäre und bei den Übergängen zwischen diesen zu nennen. Weiterhin beschäftigt sich die Umweltchemie mit den physikalischen und chemischen Wechselwirkungen zwischen chemischen Stoffen, insbesondere zwischen Umweltchemikalien und den natürlichen vorkommenden stofflichen Bestandteilen der Umwelt. Zu den wesentlichsten Prozessen gehören biogeochemische Kreisläufe, Stoffeintragspfade und Stofftransportvorgänge (Verteilungen in Umweltkompartimenten, Geo- und Bioakkumulation, Trocken- und Naßdeposition, Volatilität und Mobilität) sowie biotische und abiotische Transformationen (wie photochemische Umwandlungen, abiotischer und biochemisch-enzymatischer Abbau, Biotransformation). Einen wesentlichen Anteil an den Fortschritten der Umweltchemie haben die Ökotoxikologie und die Umweltanalyük: Neue bzw. verbesserte Analysenmethoden mit hoher Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Auftrennung komplexer Stoffgemische und niedrige Nachweisgrenzen sowie neue biologisch-biochemische Metboden einschließlich problemorientierter Konzepte in der Ökotoxikologie weisen im Rahmen der Ökochemie einen hohen Stellenwert auf. Chemisch-physikalische Prozesse in der Umwelt werden auf der Grundlage von Labor-, Feld- und auch Modellsytemanalysen einschließlich mathematischer Modellbetrachtungen untersucht. Auch in der Umwelt(schutz)technik finden neben physikalisch-chemischen Verfahren zunehmend auch solche Anwendung, die sich den natürlichen Vorgängen in der Umwelt (z. B. des biologischen Abbaus) annähern.
Stoff-Kreis laufe
A. Umweltbereiche. Die Einteilung unserer Umwelt erfolgt in Sphären: Unter Biosphäre wird die Gesamtheit der von lebenden Organismen bewohnten Schichten der Erde verstanden - heute meist mit dem Begriff Ökosphäre bezeichnet. Sie wiederum gliedert sich in verschiedene Ökosysteme: die Atmosphäre als Lufthülle der Erde mit einer nach oben zum Weltraum fließenden Grenze; zur Ökosphäre zählt nur der belebte Raum - meteorologisch wird sie nach physikalischen Eigenschaften in Troposphäre und Tropopause, Stratosphäre und Stratopause, Mesosphäre und Mesopause sowie Thermosphäre eingeteilt. Die Pedosphäre stellt den obersten, von Lebewesen besiedelten Bereich des Bodens dar, an den sich die Litliosphäre als äußerste Gesteinsschicht (geologischer Untergrund) bis etwa 100 km Tiefe anschließt, Die Pedosphäre ist von der Atmosphäre und der Hydrosphäre (hier als Bodenwasser), d. h. von allen anderen Kompartimenten (als Einzelteile eines komplexen Ökosystems, zur Charakterisierung von Stoffumwandlungsprozessen und Transportvorgängen durch Grenzflächen) der terrestrischen Ökosysteme durchdrungen. B. Endogener und exogener StoffKreislauf. Alle geologischen Vorgänge auf unserer Erde lassen sich zusammenhängend in Form eines Kreislaufs der Stoffe beschreiben. Aus dem Erdinneren gelangt das Magma aufgrund der Orogenese oder Epirogenese an die Erdoberfläche und erstarrt zu Magmatiten: Mit Magma (griech. geknetete Masse, dicke Salbe) wird die glutheiße silikatische Schmelze im Erdinneren bezeichnet. Unter Orogenese versteht man eine zeitlich und räumlich begrenzte Gebirgsbildung (auch Tektogenese genannt). Mit dem Begriff Epirogenese werden reversible weiträumige Hebungen und Senkungen von Erdkrustenteilen über lange geologische Zeiträume bezeichnet.
2 Die Metamorphose umfaßt Umwandlungen von Gesteinen: Sie erfolgen im Druck- und Temperaturfeld der Erdkruste, wobei infolge der Verschiebungen im physikalisch-chemischen Gleichgewicht sog. Mineralreaktionen (z. B. Umkristallisationen) stattfinden. Je nach Herkunft des Ausgangsgesteins werden Metamorphite als Orthogesteine (ehemalige Magmatite) oder Paragesteine (ehemalige Sedimente) bezeichnet. Aus den durch Hebung freigelegten Magmatiten und Metamorphiten entstehen unter der Einwirkung exogener Kräfte d. h. von Schwerkraft, Temperatur, Wirkungen des Wassers, Eises und Windes Verwitterungsprodukte in fester oder gelöster Form und schließlich Böden, wobei bei der Bodenbildung vor allem auch chemische und biologische Vorgänge eine Rolle spielen. Als Boden wird die oberste, belebte Verwitterungsschicht der Erdrinde bezeichnet (-* Pedosphäre}. Verwitterungsprodukte und Böden werden verlagert und an anderen Stellen in Form klastischer oder (bio-) chemischer Sedimente wieder abgelagert. Klastische Sedimentgesteine sind Produkte mechanischer Gesteinsverwitterung (auch Trümmergesteine genannt). Es entstehen sedimentäre Lockergesteine wie Staub, Sand, Tonschlamm, Schlick und Torf. Unter chemischen und physikalischen Einflüssen bilden sich im Verlauf der sog. Diagenese neue sedimentäre Festgesteine wie Sand, Dolomit und Kalkstein, Schiefertone sowie Braunkohle. In diesen natürlichen Kreislauf greift der Mensch vor allem durch den sog. „anthropogenen Raubbau an natürlichen Hilfsquellen" ein, d. h. durch den Abbau von Erzen und Gesteinen, durch den Verbrauch von Wasser. Hierdurch werden vor allem die Vorgänge der Verwitterung und Erosion, des natürlichen Bodenabtrags durch Wind- oder Wassereinwirkung, sowie Transport und Umverteilung von Gesteinen bzw. Böden betroffen.
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1.1 Geochemische Kreisläufe
Stoff-Kreisläufe C. Geologischer Stoff-Kreislauf. Für den
geologischen Stoff-Kreislauf ist wichtig, daß jede Förderung von Magma auf einer Störung des Gleichgewichts durch Veränderungen in den Temperatur- und Druckverhältnissen beruht. Plutone entstehen, wenn Magma in der Erdkruste verbleibt, in Vulkanen erreicht das Magma schließlich die Erdoberfläche. Nach der liquidmagmatischen Phase beginnt die eigentliche Erstarrung bei etwa 1200°C. Die Tiefengesteine werden in den Phasen der Frühkristallisation (bis 900 °C) und der Hauptkristallisation (bis 600°C) gebildet. Sie bestehen aus kieselsäureärmeren Silicaten und der Hauptmasse an gesteinsbildenden Mineralen. Auf dem Wege über das Absinken in größere Tiefen, die durch Vorgänge der Metamorphose, anschließende Aufschmelzung und durch das Wiedererstarren bei Hebung können im geologischen Kreislauf neue magmatische Gesteine entstehen. Andererseits können sedimentäre Locker- bzw. Festgesteine sofort nach ihrer Entstehung und nach der Freilegung wieder verwittern sowie erneut umgelagert werden. Aus Festgesteinen entstehen durch Metamorphose auch Paragesteine, die dann auch ohne Aufschmelzung wieder an die Oberfläche gelangen können. Schließlich können Magmatite auch vor ihrer Hervorhebung zu metamorphen Orthogesteinen umgewandelt werden, die dann wieder in den exogenen Kreislauf gelangen. D. Krusten-Ozean-Maschine. Das ..geologische Rührwerk", die „Krusten-OzeanMaschine" von R. M. Garreis und F. T. Makkenzie (1971) geht von den Energiezentren aus: von der Wärmeentwicklung in der Erdkruste, hervorgerufen durch den Zerfall radioaktiver Elemente wie von Uran und Thorium, sowie von der Wärmeeinstrahlung durch die auf der Sonne ablaufenden Kernprozesse. Vom radioaktiven Zerfall im Erdinnern mit Energie
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versorgt werden die endogenen Vorgänge. Gase und Wasserdampf bewirken die Verwitterung der primären magmatischen Gesteine. Die Sedimentgesteine und Ozeane unserer Erde sind das Ergebnis dieser Vorgänge in Form eines geologischen Langzeiteffektes. Die Ozeane stellen ein riesiges „Absatzund Verdampfungsgefäß" dar: Unter dem Einfluß der Schwerkraft sinken die Sedimentgesteine, durch Konvektionsströme weitergeführt, in größere Tiefen. Hier werden sie, die zunächst Keile und Prismen gebildet haben, gefaltet und/ oder gebrochen und durchlaufen je nach Tiefe Prozesse der Diagenese (Verfestigung), Metamorphose (Umwandlung) oder auch Aufschmelzung (Anatexis) - es entstehen rezyklisierte Gesteine. Bei der Metamorphose freigesetzte (rezyklisierte) Gase und Wasser kehren ebenfalls in den Kreislauf der Verwitterung auf der Erdoberfläche zurück. Im Verlauf der Entwicklung der Erde in einem Zeitraum von 4 Mrd. Jahren bildeten sich auch verschiedene Sphären (A.): Zunächst entstand der Erdkern aus Eisen-Nickel. Die ursprüngliche Atmosphäre aus Edelgasen, Ammoniak. Methan und Wasserstoff ging dabei verloren. Danach erfolgte die Entstehung der drei Schalen: Kern. Mantel und Erdkruste. Die sauerstofffreie Atmosphäre enthielt gasförmige Stoffe aus dem Erdinneren (Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid, Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff). Im nächsten Schritt der Entwicklung, mit der Wasserkondensation und Bildung von Ozeanen (infolge Abkühlung), veränderte auch die Erdkruste ihre Zusammensetzung in den Bereichen der Ozeane und Kontinente. Das Auftreten von Sauerstoff ist an die Höherentwicklung des Lebens gekoppelt.
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1.1 Geochemische Kreisläufe
Stoff-Kreisläufe
E. Die Erde als biogeochemische Fabrik. Eine ähnliche Betrachtungsweise wie die der „Krusten-Ozean-Maschine" geht vom Bild einer auf einige wenige Prozesse reduzierten chemischen Fabrik aus (nach Sievers 1974). Energie erhält die Wärmemaschine von der Sonne und durch die bereits genannten Vorgänge, den „Ofen", im Erdinneren (D.). Die insgesamt ablaufenden Prozesse werden auf einzelne Reaktoren verteilt. Die Wärmemaschine treibt Winde, Ozeanströme und die Kreisläufe des Wassers und der Gesteine an. Das Wasser wird als Transportmittel und auch chemisches Reagens betrachtet. Die Reaktionen der vulkanischen Emissionen (Säuren) mit den basischen Gesteinen führten über lange Zeiträume zu einer konstanten Zusammensetzung der Ozeane und zu einer Atmosphäre mit konstantem Kohlenstoffdioxidgehalt. Aus Eruptivgesteinen wurden Böden, Sedimente und Sedimentgesteine. Nachdem im Verlaufe der Erdentwicklung eine Photosynthese möglich geworden war (mit der Entstehung des Lebens), wurde die Biosphäre zu einer „Entropiepumpe": Aufgrund des kontinuierlich einfallenden und in Wärmeenergie umgewandelten Sonnenlichtes treibt sie die biologischen und die StoffKreisläufe an. Den zentralen (Haupt-JReaktor symbolisieren die Ozeane - er ist mit allen anderen Reaktoren verbunden. Als „Pulvermühle" wird die mechanische Erosion dargestellt, der Flüssigextraktor steht für die chemischen Vorgänge der Verwitterung. Der dritte Reaktor faßt die biologischen Vorgänge zusammen, durch welche die Kohlenstoffdioxid- und Sauerstoff-Gehalte geregelt werden. Geht man in der Betrachtung vom „Ofen" im Erdinneren aus, so verursacht dessen Energie die Hebung kristalliner Gesteine und der Sedimente und führt zu den vulkanischen Emissionen. In den Hauptreaktor gelangen Bestandteile aller drei Neben-
6 reaktoren: Unter Detritus (von lat. detritus = abgerieben, abgeschliffen) werden in der Geologie der durch Verwitterung entstandene Gesteinsschutt und in der Biologie feinverteilte Stoffe - in Gewässern Schwebe- und Sinkstoffe - verstanden, die aus dem natürlichen Zerfall abgestorbener pflanzlicher und tierischer Organismen stammen. Diese wiederum enthalten Organismenreste wie Lignin, Cellulose und Chitin und dienen den „Detritus-Fressern" als Nahrung. Als Destruenten werden die Organismen bezeichnet, die sich von Biomasse, toten Lebewesen, Abfällen wie Laub und Exkrementen, sowie den begleitenden Mikroorganismen ernähren und sie dadurch aufschließen, d. h. mineralisieren. Im Flüssig-Extraktor finden Lösungsvorgänge statt, wobei durch die Verbindung zu den Gasbehältern mit Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid insbesondere deren Einfluß auf die Löslichkeit von anorganischen (z. B. Calciumcarbonat durch C02) und organischen Stoffen (durch O2) verdeutlicht wird. Der Wasserkreislauf ist durch das Destillationssystem, ausgehend von den Ozeanen bis zur Kondensation in den Flüssig-extraktor, dargestellt. In diesem Bild der Erde als chemische Fabrik werden neben den Reaktoren folgende Phasen unterschieden: gasförmig, flüssig sowie geologisch sedimentär und kristallin. Die in der biogeochemischen Fabrik ablaufenden Prozesse lassen sich insgesamt in biologische/biochemische und geochemische/-physikalische Vorgänge unterteilen. Die erste Gruppe umfaßt alle Stoffwechselabläufe (vor allem im Bioreaktor). Geophysikalische/-chemische Prozesse sind hydrologische Vorgänge sowie Erosion, Sedimentation, geologische Metamorphose und Transportvorgänge, die durch Winde hervorgerufen werden. Geochemisch sind vor allem Schmelz- und Lösungsvorgänge.
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1.1 Geochemische Kreisläufe
Stoff-Kreis laufe A. Mineralisierung und Biosynthese.
Der größte Teil des Kohlenstoffs in Form des Kohlenstoffdioxids ist in den Ozeanen (3,8 * 1010 kg C) und in der Atmosphäre (7,2 * 1014 kg C) gespeichert. Jährlich werden vom CO2 in der Atmosphäre etwa 15% durch die Photosynthese der Pflanzen (s. u.) umgesetzt. Zur Hälfte bilden die Pflanzen daraus Biomasse, die andere Hälfte wird - von der Glucose ausgehend - zur Energiegewinnung verwendet und dabei wieder zu CO2 veratmet (Vorgang der Respiration). Der Kohlenstoff-Kreislauf ist somit unmittelbar mit dem Sauerstoff-Kreislauf gekoppelt. KohlenstoffReservoire bilden Carbonate der Hydrosphäre (s. anorganische Formen des Kohlenstoffs), der Biosphäre (Muschelschalen, Knochen) und der Lithosphäre (Kalk, Korallenriffs im Grenzgebiet zur Hydrosphäre mit 6 * 1015 kg C sowie die fossilen Brennstoffe Erdöl, Erdgas, Steinund Braunkohle sowie Torf mit 1,2 * 1015 kg C). Über die Verbrennung sowie die Nutzung von Biomasse greift der Mensch in der Kohlenstoff-Kreislauf ein. Durch Verwesung (Mineralisierung über den Stoffwechsel von Mikroorganismen) werden aus der lebenden und der abgestorbenen Biomasse jährlich 6 * 1012 kg C (auch als CO2) in die Atmosphäre freigesetzt. Die Speicherung von Biomasse in den Sedimenten (als Fossilierung unter Luftabschluß) entzieht Kohlenstoff aus dem Kreislauf (etwa 10" kg C/Jahr). Ein weiterer Kohlenstoff-Kreislauf findet zwischen Atmosphäre und Gewässern statt: Etwa 1014 kg C werden jährlich zwischen diesen Kompartimenten als CO2 ausgetauscht. Photosynthese (durch Meeresplankton mit 65% des insgesamt von der Pflanzenwelt aufgenommen C) und die CO2-Aufnahme in den Meeren stellen Senken für den Kohlenstoff dar. Zur Zeit sind etwa 4% des jährlich in die Atmosphäre emittierten CO2 anthropogenen Ursprungs (Verbrennung fossiler und nichtfossiler Brennstoffe, durch
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Wald- und Bodenzerstörung und deren Folgen). Im Vergleich zu der Menge an Kohlenstoff, die durch Ablagerung im Meeressediment dem Kreislauf entzogen wird, ist die anthropogene Emission um den Faktor 50 höher. Die Umsetzung 6 CO2 + 6 H2O Æ C6H12O6 + 6 O2 als Ergebnis der Photosynthese beinhaltet eine komplizierte Reaktionskette. Sie verläuft in zwei weitgehend voneinder unabhängigen Teilreaktionen, der lichtabhängigen Primärreaktion (Lichtreaktion in den lichtabsorbierenden Pigmenten, dem Chlorophyll) und der lichtunabhängigen Sekundärreaktion (Dunkelreaktion). Die Dunkelreaktion erfolgt im Stroma (= Grundgewebe) der Chloroplasten und benötigt NADPH/H+und ATP aus der Lichtreaktion. CO2 reagiert mit Ribulosediphosphat unter Bildung von zwei Phosphorgylcerat-Molekülen (mit 3 CAtomen - Charakteristikum der C3-Pflanzen), wodurch CO2 zu einem Kohlenhydrat-Vorläufer reduziert und dabei fixiert wird. Das System der Photosynthese wird nicht nur durch Umweltgifte, sondern gezielt auch durch Herbizide gestört. Im Gegensatz zur Photosynthese stehen die Vorgänge der Mineralisierung: Anaerobe Abbauprozesse z. B. in einer Deponie (hier in einem Kompost) ergeben neben CO3 auch Methan und Säuren wie Essigsäure und Propionsäure. Nach einer aeroben Phase (Verbrauch des Luftsauerstoffs) kurz nach der Ablagerung folgen drei Phasen anaerober Zersetzungprozesse. Nach einer sauren Gärung folgen die instabile und stabile Methan-Phase (Methanogenese). Aus Methan kann dann durch Photooxidation über Methanal und Kohlenstoffmonoxid wieder Kohlenstoffdioxid für die Photosynthese entstehen.
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1.2 Kohlenstoff-Kreislauf
Stoff-Kreis laufe A. Globaler Stickstoff-Kreislauf. Der
globale Kreislauf des Stickstoffs ist durch dessen zahlreiche Oxidationsstufen zwischen -3 und +5 charakterisiert. Die Atmosphäre besteht zu 80% aus elementarem Stickstoff (Oxidationsstufe 0). Weitere Spezies des Elementes Stickstoff sind organische Verbindungen wie Aminosäuren, Proteine, Aminozucker, Amide, Harnstoff sowie vor allem die anorganischen Stoffe NOi (+5), NOj (+3), NH5 (-3) sowie Stickstoffoxide NO (+2), NO2 (+4) und N2O (+1) - s. auch C. Der biologische Stickstoff-Kreislauf wird von der Stickstoff-Fixierung bestimmt, wodurch atmosphärischer Stickstoff in die Hydro- und Pedosphä're sowie vor allem Biomasse gelangt. Die biologische Fixierung wird durch Mikroorgansimen und Blaualgen sowie in Symbiosen von Mikroorganismen mit höheren Pflanzen (z. B. Rhizobien mit Leguminosen - Knollen enbakterien) bewirkt (Stickstoff-Assimilation als biokatalytischer Prozeß). In der atmosphärischen Chemie des Stickstoffs spielen vor allem die Oxide NO und NO2 eine Rolle. Aus anorganischen Formen des Stickstoffs können Proteine aufgebaut werden (Ammoniak-Assimilation), auf dem umgekehrten Weg organische Stickstoff-Verbindungen durch Ammonifikation (Ammonifizierung durch desaminierende Bakterien - Pseudmonas) wieder in Ammoniak umgewandelt werden. Mikroorganismen, die Licht nicht als Energiequelle nutzen können, gewinnen auf diesem Wege die notwendige Energie: Aus Aminosäuren entstehen durch Oxidation Kohlenstoffdioxid, Wasser und Ammoniak sowie Energie, durch Nitrifikation (Bakterien: Nitrosomonas bzw. Nitrobacter) Nitrit bzw. Nitrat. Durch Denitrifikation werden N2O und N2 gebildet, welche in die Atmosphäre gelangen. Nitrate werden leicht aus Böden ausgewaschen und gelangen über Sedimente in den Tiefseeboden bzw. in die Lithosphäre. Vulkane befördern Stickstoff als Am-
10 moniak oder Stickstoffoxide in die Atmosphäre. Die Lithosphäre enthält 0,2 • 10»s, die Hydrosphäre 23 * 10,2, die Atmosphäre 3,9 * 1015 t N. In der Biomasse sind 0,92 * 101-1N gespeichert, davon 1,7 * 109 in der lebenden und 9 * 1011 t N in der toten Biomasse. B. Anthropogene Einflüsse. Auf natürliche Weise, in Gewittern, werden Stickstoff-Moleküle gespalten und bilden mit Luftsauerstoff Stickstoffoxide, die Bestandteil des sauren Regens sind - zugleich aber auch als Stickstoff-Dünger dienen. Durch Stickstoff wird das Wachstum von Pflanzen begrenzt, so daß über Dünger (Nitrat-, Ammonium- und organische Dünger) der Mensch gleichgewichtsstörend in den Kreislauf eingreift. Der Einsatz von Stickstoff-Düngern bewirkt die gleichen Umwandlungen wie im natürlichen globalen Stickstoff-Kreislauf: Reaktionsfähige Stickstoff-Verbindungen aus der Atmosphäre tragen auch zum Ozon-Abbau (s. 2.2) bei. Auch infolge von Verbrennungsprozessen gelangen Stickstoffoxide in die Umwelt. Die Intensivierung des Stickstoff-Kreislaufs durch anthropogene Einwirkungen verursacht ökologische Probleme wie die regional ansteigende Konzentration flüchtiger Stickstoff-Verbindungen (NON. N2O, NH3) in der Tropo- und Stratosphäre, einen erhöhten Austausch von Stickstoff-Verbindungen zwischen Atmosphäre und Pedosphäre, steigende Konzentrationen sauerstoffverbrauchender Stickstoff-Verbindungen wie Harnstoff (NH2)2C0, NH4 und NOj in der Hydrosphäre sowie generell zunehmende Gehalte an Nitrat in Grund- und Oberflächenwässern. Unter ungünstigen Bedingungen können krebsverursachende Nitrosamine aus Aminen und Nitrit entstehen.
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1.3 Stickstoff-Kreislauf
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Stoff-Kreis laufe
C. Ammonifikation, Nitrifikation, Denitrifikation. Die Zunahme der StickstoffKonzentrationen in Oberflächengewässern ist auf eine Vielzahl verschiedener, wasserlöslicher Stickstoff-Verbindungen mit unterschiedlichen Oxidationsstufen, von -3 bis +5 zurückzuführen: Harnstoff als Düngemittelkomponente Stoffwechselendprodukt der sog. Ureotelier (Tiere, deren hauptsächliches Endprodukt des Eiweißstoffwechsels Harnstoff darstellt z. B. Haie, terrestrische Lurche, einige Schildkröten, alle Säuger). Ammoniak und Ammonium-Salze stammen aus der Düngung, aus Fäulnisprozessen und biologischen Nahrungsketten sowie aus Abwässern. Nitrate sind Bestandteile von Düngemitteln und Endprodukt von Stickstoff-Spezies niedriger Oxidationsstufe. Die Prozesse des mikrobiellen StickstoffKreislaufes beinhalten Redox- und Säure-Base-Reaktionen und daneben auch Reaktionsmechanismen, die zur Knüpfung oder Spaltung von C-N-Bindungen führen. Ammonifikation. Infolge der Stickstoff-Fixierung (A.) wird atmosphärischer Stickstoffin organische Moleküle (Eiweißstoffe) eingebaut. Aufgrund des Stoffwechsels von Organismen entstehen aus Eiweißstoffen bzw. Aminosäuren die Ausscheidungsprodukte Harnstoff (NH2)2CO und Ammoniak, der bei Anwesenheit von Säuren in Form des Ammonium-Ions vorliegt. Ammonium kann zum Aufbau von Eiweißstoffen wieder in den Kreislauf zurückkehren. Die durch das Enyzm Urease katalysierte Hydrolyse des Harnstoffs führt nach der Gleichung (NH2)2CO + 2 H3O ^ NH3 + NH-, + HOO3 zum Ammoniak bzw. Ammonium-Ion (je nach pH-Bedingungen). In der Umwelt gelangen Ammonium-Salze in den Wasserkreislauf bzw. Boden. Nitrifikation. In aeroben Zonen findet eine mikrobielle Oxidation von Ammonium-Ionen über die Stufe des Nitrits zum Nitrat statt - als Vorgänge der Nitrifika-
tion. Mikroorganismen der Gattung Nitrosomonas oxidieren Ammonium-Ionen zu Nitrit: 2 NH4+ + 3 O2 + 2 H2O Æ 2 NO2– + 4 H3O+ (molare Reaktionsenthalpie - 260 kJ/ mol). In der zweiten Stufe erfolgt durch Mikroorganismen der Gattung Nitrobacter die Oxidation des Nitrits zum Nitrat; 2 NO2– + O2 Æ 2 NO3– (molare Reaktionsenthalpie - 100 kj/ mol). Als Gesamtgleichung für die Nitrifikation gilt NH4+ + 2 O2 + H2OÆ NO3– + 2 H3O+. Denitrifikation. Die Reduktion des Nitrats bis zum Luftstickstoff findet in anoxischen Zonen (anoxisch - auf SauerstoffMangel beruhend) aufgrund des Stoffwechsels zahlreicher fakultativ anaerober, heterotropher Mikroorganismen, sog. Denitrifikanten, statt. Sie verwenden Nitrat-Stickstoff als Elektronenakzeptor zum oxidativen Abbau organischer Kohlenstoff-Verbindungen. Die Denitrifikation erfolgt in Stufen, wobei {H} für HDonatoren steht: NO3– + 2 {H} Æ NO2– + H2O, NO2– +2 {H} Æ NO + H2O, 2 NO + 2 {H} Æ N2O + H2O und N2O + 2 {H} Æ N2 + H2O. Endprodukt der Nitrifikation ist der Stickstoff: als Zwischenprodukte, die auch in die Umwelt gelangen können, wenn nicht genügend H-Donatoren (z. B. Methanol oder Essigsäure aus dem Kohlenstoff-Kreislauf) zur Verfügung stehen, sind auch die Stickstoffoxide NO (Stickstoffmonoxid) und N2O (DiStickstoffoxid). Vor allem N2O gelangt aus anthropogenen Quellen (infolge der Düngung) in die Atmosphäre. Für den Ablauf des beschriebenen Stickstoff-Kreislaufs im Boden sind Temperaturen über 5 bis 8 °C erforderlich.
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1.3 Stickstoff-Kreislauf
Stoff-Kreisläufe A. Globaler Schwefel-Kreislauf. Die
Schwefel-Reservoire in der litho-, Pedo-, Hydro- und Biosphäre werden auf 12 * 1015, 1013, 1,3 * 1015 bzw. 6 * 109 t S geschätzt. Aus Vulkaneruptionen werden jährlich etwa 2 bis 3 Mio. t (als SO2 oder auch H2S) freigesetzt. Die anthropogenen Schwefel-Emissionen durch Verbrennung betragen etwa 75 bis 80 Mio. t/jahr und stellen damit neben den biogenen SEmissionen (s. u.) die dominierende Größe des Schwefel-Kreislaufs dar. Als Schwefelsäure (saurer Regen) gelangen sie in Form von Feuchtdeposition (oder an Partikeln adsorbiert als Trockendeposition) in die Hydrosphäre. Infolge des Versprühens und Verdampfens entstehen aus ozeanischen Oberflächenwässern sog. maritime Sulfat-Aerosole (seasprays), über die 1,5 Mio. t/Jahr (= 10% der versprühten Schwefel-Menge) zunächst zum Kontinent gelangen und nach einer zwischenzeitlichen Ablagerung in Flüssen wieder in die Meere transportiert werden (mittlere Verweilzelten etwa 1 Jahr). Gasförmige Schwefel-Verbindungen aus dem Zerfall biologischen Materials sind neben Schwefelwasserstoff auch Dimethylsulfid, Kohlenstoffdisulfid und Kohlenstoffoxidsulfid in geringen Anteilen. Insgesamt werden etwa je 35 Mio. t/ Jahr an S durch biologische Prozesse in den Böden und in der Hydrosphäre frei. Prozentual setzen sich weltweit die jährlichen Schwefel-Emissionen in die Atmosphäre aus 38% biogenen und 38% anthropogenen S-Emissionen, 20 Seesalzaerosolen sowie 4% vulkanischen Ursprungs zusammen. B. Biochemischer Schwefel-Kreislauf.
Hauptprodukt der biogenen SchwefelUmwandlungen in Küstenbereichen, Sümpfen und Mooren ist das Dimethylsulfid (CH3)2S mit 40 Mio. t/Jahr an S. Von der Vegetation in Inlandböden wird dagegen vor allem Schwefelwasserstoff H2S gebildet - mit 10 Mio. t/Jahr S (alle Zah-
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lenangaben nach Kimmet/Papp 19SS). Schwefel ist z. B. in Aminosäuren wie LMethionin und L-Cystein enthalten. Schwefel und Schwefel-Verbindungen sind für den Energiestoffwechsel zahlreicher Bakterien- und einiger Pilzarten von großer Bedeutung. Unter aeroben Bedingungen können Sulfide durch Thiobakterien zu Sulfaten oxidiert werden {Sulfurikation). In Tiefengewässern oxidiert die Art Beggiatoa H2S zu elementarem S, die Art Thiobacillus dagegen zum Sulfat. Die Bakterien gewinnen auf diesem Wege aus der Oxidation chemoautotroph die erforderliche Energie für den Aufbau organischer Verbindungen (zur Reduktion von CO2 s. 1.2). Grün- und Purpurbakterien nutzen in Flachwasserzonen die Lichtenergie und H2S in der Funktion eines Sauerstoff-Akzeptors, um CO2 durch Reduktion in Kohlenhydrate umzuwandeln. Grüne Schwefel-Bakterien oxidieren dabei Sulfide zum elementaren Schwefel, rote bzw. Purpur- und auch farblose Schwefel-Bakterien zum Sulfat. Aus Schwermetallsulfiden wie Eisensulfiden (Pyrit FeS2 - Oxidationsstufe des Schwefels +1) entsteht Sulfat entweder chemisch durch Sauerstoff-Oxidation oder auch durch spezielle Thiobakterien (sog. aerobe Sulfid-Oxidierer - Thiobacillii). Sulfat wird auf dem Wege des Desulfurikaüon durch anaerobe Bakterien der DesiiJ/oviörio-Gruppe (z. B. durch die Art Sporovibrio) wieder zum Schwefelwasserstoffreduziert. Infolge der Eiweißzersetzung durch Bakterien und Pilze wird Schwefel in den Kreislauf zurückgeführt: Aerob findet die Zersetzung organischer Abfallstoffe durch Bakterien und Pilze wie Aspergillus oder Neurospom statt, anaerob wird der organische Schwefel durch Bakterien der Gattungen Escherichia und Proteus reduziert; bei Anwesenheit von Schwermetall-Ionen wird Sulfid als schwerlösliches Schwermetallsulfid zunächst wieder gebunden.
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1.4 Schwefel-Kreislauf
Stoff-Kreisläufe
C. Umweltchemisch relevante Schwefel-Verbindungen. Schwefel-Spezies in reduzierter Form sind Schwefelwasserstoff H2S, Dimethylsulfid (CH3)2S (und auch Methylmercaptan CH3SH), Kohlenstoffdisulfid (Schwefelkohlenstoff CS2) und Kohlenstoffoxidsulfid COS. Sie stammen vor allem aus natürlichen (geochemischen oder biologischen) Quellen. Kohlenstoffoxidsulfid. Als Quellen für das relativ langlebige COS sind der Vulkanismus und biologische Prozesse zu nennen, bei denen eine Oxidation des Kohlenstoffdisulfids CS2 (z.B. auch bei Waldbränden) stattfindet. Für die übrigen genannten Schwefel-Verbindungen stellen biologische Prozesse unter anaeroben Bedingungen, wie sie in Sümpfen und auch im Watt stattfinden, die wesentlichen Quellen dar. Dimethyl sulfid wird z. B. von Algen produziert. In der Atmosphäre werden Schwefelspezies mit der Oxidatiosstufe -2 vor allem von OH-Radikalen und von SauerstoffAtomen angegriffen und über Intermediärprodukte schließlich in Schwefeldioxid umgewandelt. Beispiele für mögliche Reaktionsmechanismen sind für Kohienstoffoxisulfid (* Radikale): 1. COS + OH* Æ CO2 + SH* und 2. COS + O Æ CO + SO. Für Dimethylsulfid: 1. (CH3)2S + OH* Æ CH3OH + CH3S* und 2. CH3S* + 3,5 O2 Æ 2 CH2O + 2 SO2 + H2O. Kohlenstoffdisulfid wird bei einer Wellenlänge unter 280 nm zunächst zu CS und SO2 und im zweiten Schritt zu COS und atomarem 0 oxidiert. Bei Wellenlängen über 300 nm erfolgt zunächst eine Spaltung in CO und S und dann die Oxidation zu CO und SO2. Die mittlere atmosphärische Lebensdauer für H2S beträgt 2 bis 4, CH3SH 0,1 bis 0,3, (CH3)2S 0,8 bis 1,2, CS2 10 bis 40 und COS über 100 Tage. Aufgrund der hohen Verweilzeiten von CS2 und COS können diese Schwefel-Spezies als Quellgase in die Stratosphäre dif-
16 fundieren und dort durch oxidativen Abbau zur Bildung einer Sulfat-Schicht beitragen. Die Oxidation von Schwefeldioxid kann durch Oxidation photoangeregter Singulett- bzw. Triplett-SO2-Moleküle, infolge Oxidation durch Hydroxy- bzw. Hydroxyperoxy-Radikale oder auch durch Stickstoffoxide bzw. Ozon erfolgen. Als Naßdeposition (gestrichelte Linien) oder Trockendeposition gelangen SO2 bzw. Schwefelsäure wieder auf die Erdoberfläche. D. Emissionen und Umwandlungen.
Vulkanische Emissionen ergeben je nach den Bedingungen SO2, H2S und aus der Reaktion beider Schwefel-Verbindungen auch elementaren Schwefel. Weitere S02Emissionsquellen bilden alle Verbrenungsvorgänge schwefelhaltiger Brennstoffe. Aus der Atmosphäre gelangen sowohl Schwefeldioxid bzw. schweflige Säure als auch Schwefelsäure (C.) wieder auf die Erdoberfläche und tragen als ein Faktor zum Waldsterben bei. Aus organisch gebundenem Schwefel entsteht infolge anaerober Vorgänge z. B. Schwefelwasserstoff. Aus mineralischen Sulfiden wie Kies, Glanz und Blende können sowohl aufgrund von Verwitterungsvorgängen als auch mikrobieller Vorgänge (B.) in Anwesenheit von genügend Sauerstoff Sulfate entstehen, die aus Böden zum großen Teil ausgewaschen werden und schließlich in die Meere gelangen. Im Watt, wo reduzierende Bedingungen vorherrschen - die schwarze Farbe des Watts stammt vom Eisendisulfid, dem Pryit -, kann das Sulfat wieder zu Sulfid reduziert werden. Unter oxidierenden Bedingungen wird wieder Sulfat, ebenso können aus organischen Schwefel-Verbindungen infolge Mineralisierungen erneut anorganische Schwefel-Spezies entstehen. Diese Teilkreisläufe spielen sich vor allem in Böden und in den Sedimenten von Bächen, Flüssen und Seen ab.
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1.4 Schwefel-Kreislauf
Stoff-Kreisläufe A. Globaler Phosphor- Krerslauf. In der
Lithosphäre nimmt Phosphor entsprechend seiner Häufigkeit den 11. Platz (0,7% der Erdrinde) ein. Es kommt in der Oxidationsstufe +5 in Phosphat-Gesteinen vor, z. B. auch als Mineral Apatit Ca5[X(PO4)3] mit X = F, Cl, OH. Phosphor ist das wichtigste wachstumslimitierende Element in einem Ökosystem. Phosphat-Erze an der Erdoberfläche (als Apatit 32 * 109 t) sind meist sedimentären, selten vulkanischen Ursprungs (P in den Tiefseesedimenten mit 1012 t, in der Hydrosphäre mit etwa 10" und in der Land-Biomasse mit 2 * 109 t). Phosphatreiche Gunaoablagerungen sind auf den Pazifikinseln zu finden. Guano besteht aus den Exkrementen von Kormoranen und anderen Seevögeln und enthält neben Calciumphosphat auch stickstofforganische Verbindungen. Als Dünger verwendet sammelt er sich an den Küsten von Peru und Chile. Wegen der Schwerlöslichkeit werden zahlreiche Phosphate (Ca, Fe, AI) dem Kreislauf durch Sedimentation entzogen (13 Mio. t/Jahr). Im Unterschied zum Stickstoff fehlt dem Phosphor der Kreislauf in der Gasphase. Im Boden liegt Phosphor zu etwa 60% als Phosphat vor, 40% sind in Form organischer Substanzen gespeichert, u. a. auch an Humus gebunden. Als lösliches Phosphat (nur zu 5% der Bodenphosphate) gelangt Phosphor in die Nahrungskette - in Pflanzen, Tiere bis zum Menschen und über die Exkremente wieder in den Kreislauf zurück. Bei Tieren und Menschen ist Phosphor insbesondere in Knochen und Zähnen gespeichert. Im Boden können Mikroorganismen infolge ihrer Produktion von Säuren wie Citronenoder Schwefelsäure schwerlösliche Phosphate lösen. Phosphat-Ionen aus Vorgängen der Verwitterung werden in alkalischen Böden als Calciumphosphat und in sauren Böden als Eisen- oder Aluminiumphosphat ausgefällt.
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Et. Biogeochemischcr Phosphor-Kreislauf. Phosphathaltige Gesteine gelangen auf dem Weg der Diagenese (1.1) an die Oberfläche und können zu einem geringen Teil (A.) von Pflanzen aufgenommen werden. Phosphor ist für die Lebewesen als Baustein von Nucleinsäuren und von Phospholipiden (in Membranen) erforderlich und spielt als AMP, ADP und ATP (Adenosinmono-, Adenosindi- bzw. -triphosphat) eine wesentliche Rolle im Energiestoffwechsel. Der endogene Kreislauf des Phosphors im Phytoplankton verläuft sehr schnell: Phosphate werden in 5 min aufgenommen und nach 3 Tagen wieder ausgeschieden bzw. an das Zooplankton abgegeben, das täglich ebenso viel Phosphat ausscheidet wie es aufnimmt. Der menschliche Organismus (70 kg) enthält etwa 700 g P, davon 600 g in den Knochen. Infolge Erosion gelangen Phosphate mit Staubpartikeln auch in die Atmosphäre und auf dem Wege der trokkenen Deposition wieder auf die Erdoberfläche. Infolge der Ernte auf den Feldern entnimmt der Mensch große Mengen an Phosphat. Dieser Phosphor-Entzug kann jedoch nur zum geringen Teil durch Verwitterung geochemisch ausgeglichen werden, so daß mit Phosphaten gedüngt werden muß. Der terrestrische (Mineralisierung von 0.2 Mio. t/Jahr) und der aquatische Phosphor-Kreislauf (Mineralisierung von 0,06 Mio. t/Jahr) sind weitgehend voneinander unabhängig: Sowohl unlösliche anorganische Phosphate als auch organische phosphorhaltige Reste gelangen in das Sediment. Im aquatischen Bereich gehören Phosphate zur Nahrung des Phytoplanktons, wobei es infolge von Überdüngung zur bekannten Algenblüte unter Aufzehrung des gelösten Sauerstoffs mit nachfolgender Zersetzung der Biomasse kommt (Eutrophierung). Konzentrationen von 10 bis 100 mg/m3 im Regenwasser stammen aus Stäuben und Seespray.
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1.5 Phosphor-Kreislauf
Stoff-Kreisläufe A. Globaler anthropogener Kreislauf.
Seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jh. sind die Stoffkreislauf mengen von Schwermetallen, die Wasser, Boden und schließlich Pflanze, Tier und Mensch belasten, erheblich angestiegen. Wesentliche Quellen von Schwermetallemissionen stellen Industrie und Gewerbe und hier vor allem metallverarbeitende Betriebe und Hüttenwerke dar. Spezielle Emissionsquellen weisen z. B. Zementwerke (Thallium), Akkumulatoren- und Batterien hersteiler (Blei) oder Galvanikbetriebe (Kupfer, Nickel, Chrom, Zink/ Cadmium u. a.) auf. Auch über Agrochemikalien können Metalle wie Cadmium in phosphathaltigen Düngemitteln in den Boden gelangen. Einerseits entstehen Schwermetallemissionen durch die gezielte Produktion für bestimmte technische Zwecke, andererseits als unerwünschte Emissionen aus der Kohle- und Erdölverfeuerung, der Müll Verbrennung sowie aus der Zement- und Glashersteilung. Sie gelangen über Abfälle, Abwasser oder Klärschlamme, Abluft (Stäube) vor allem in (auf) die Böden und damit in die Nahrungskette (Pflanze - Tier - Mensch). Das Ausmaß der anthropogenen Beeinflussung von Metall-Kreisläufen kann als globaler Interferenzfaktor dargestellt werden: Er gibt das Verhältnis der anthropogen bedingten Stoffmenge eines Metalls im Kreislauf zu derjenigen des natürlichen (geochemischen) Stoffkreislaufes an. B. Geochemischer Kreislauf. Der geochemische Kreislauf von Metallen beginnt beim Tiefengestein, das infoige von Vulkantätigkeit über die Erdoberfläche oder den Meeresboden in das Wasser und die Atmosphäre gelangt. Durch Verwitterung von Gesteinen werden Metalle gelöst (chemische Verwitterung) in den Wasserkreislauf oder in Form von Stäuben (physikalische Verwitterung als Gesteinszerkleinerung durch mechanische
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Kräfte) in den Kreislauf gebracht. Die Sedimentation stellt den entgegengesetzen Vorgang dar. Schwermetallverbindungen werden auf diese Weise dem Kreislauf entzogen, können jedoch bei geochemischen oder anthropogen bedingten Veränderungen (pH-Wert-Änderung im Wasser, biogeochemische Veränderung im Sediment, Einfluß von Komplexbildnern aus Abwässern) wieder remobilisiert werden. Als Ceoakkumulationsindex wird der Logarithmus des Verhältnisses von Metallkonzentrationen in realen Flußsedimenten und präbiotisehen Sedimenten berechnet. Ebenfalls geläufige Vorgänge im geochemischen Kreislauf sind die Übergänge von Metallverbindungen in Aerosolen aus der Hydro- in die Atmosphäre und die Rückkehr über die Niederschläge entweder auf den Boden oder in die Gewässer. Metalle spielen als Gase im Stoff-Kreislauf nur eine geringe Bedeutung (z. B. Hydride von As und Se bzw. Quecksilber im gasförmigen Zustand oder flüchtige metallorganische Verbindungen wie Methylquecksilber). Das Verhältnis der relativen Konzentrationen eines Elementes in der Atmosphäre bzw. in der Erdkruste (auf AI als Standard bezogen) wird als atmosphärischer Anreicherungsfaktor bezeichnet. C. Biogeochemischer Kreislauf. Zur Gesamtbetrachtung von SchwermetallKreisläufen gehört schließlich auch die Berücksichtigung der Vorgänge in der Biosphäre. Der geochemische Kreislauf (links im Bild) ist über die Stoffwechselvorgänge von Mikroorganismen im Meeresboden, in Sedimenten oder Schlämmen bzw. im Wasser verbunden. Fischen dienen Mikroorganismen, Pflanzen und Kleintiere als Nahrung. Über Pflanzen und andere Tiere gelangen Schwermetallgehalte auch aus Wässern und Böden in unsere Lebensmittel.
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1.6 Metall-Kreisläufe
Stoff-Kreisläufe A. Kreislauf von Umweltchemikalien.
Als Umweltchemikalien werden chemische Stoffe bezeichnet, die aufgrund der Tätigkeiten von Menschen (anthropogen bedingt) in die Ökosphäre gelangen. Sie treten in der Regel in geringen Mengen bzw. Konzentrationen auf, stellen andererseits häufig auch ein Gefährdungspotential dar. Nach einer Defintion im Umweltprogramm der Bundesregierung Deutschlands von 1971 beinhaltet der Begriff Umweltchemikalien chemische Elemente, Verbindungen anorganischer und organischer Natur, synthetischen oder natürlichen Ursprungs. Die Begrenzung des Begriffs auf Stoffe, welche Lebewesen gefährden können, ist willkürlich, so daß heute jeder durch den Menschen in die Umwelt gebrachte Stoff als Umweltchemikalie bezeichnet wird. Der Begriff Umweltchemikalie ist anstelle von Schadstoff getreten, auch wenn nicht alle dieser Stoffe zugleich Schadstoffe sein müssen. Weltweit werden etwa 60000 Stoffe produziert. Zum Schutz des Menschen und seiner Umwelt wurde im Rahmen der Umweltgesetzgebung das Chemikaliengesetz erlassen. Umweltchemikalien im Wasser (1.) können nach Verwirbelung und Konvektion, die zum Zustand einer Lösung oder auch Suspension führen, chemischen und biologischen Um- und/oder Abbaureaktionen (z. B. infolge Hydroylse) unterliegen. Abgestorbene Organismen liefern aus dem Zerfall organischen Materials den Detritus als feinverteilte Schwebe- und Sinkstoffe, an welche außer wasserunlöslichen Schwermetallverbindungen (s. 1.6 B.) polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), polychlorierte Biphenyle (PCB) oder andere Schadstoffe angelagert und sedimentiert werden können. Solche sedimentierenden Partikel biogener Herkunft (Æ organische Sedimentation) wie auch suspendierte Tonminerale (Æ anorganische Sedimentation) ermöglichen Vorgänge der Adsorp-
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tion und auch Desorption, die bei konstanten chemisch-physikalischen Bedingungen im Wasser zu einem Gleichgewicht führen. Die in Gewässer gelangten Umweltchemikalien können direkt oder nach Umwandlung durch Organismen aufgenommen und auch in ursprünglicher oder metabolisierter Form wieder ausgeschieden werden. Biologische Wirkungen durch Umweltchemikalien können direkt oder auch erst nach einer Bioakkumulation auftreten. Unter Bioakkumulation versteht man die Fähigkeit von Organismen, Stoffe im eigenen Organismus über die Konzentration in der Umgebung hinaus zu speichern, d. h. anzureichern (berechnet als Bioakkumulationsfaktor). Auf und in Böden (2.), s. Kap. 3, können Umweltchemikalien auch auf dem Wege feuchter oder trockener Deposition (Ablagerung) gelangen. Umwandlungen auf der Oberfläche erfolgen z. B. durch Photoreaktionen, die auch zu einer Verflüchtigung direkt aufgebrachter Stoffe führen können. Im Boden selbst spielen die Vorgänge bei der Bodenpassage, die mit der Zeit zu einer Separation von Umweltchemikalien aus Gemischen führen können, eine wichtige Rolle. Aufgrund des Wassergehaltes, des Zutritts an Sauerstoff zu den oberen Bodenschichten, der Anwesenheit von Organismen, von Bodenbakterien bis zum Regenwurm und Maulwurf, können ähnliche Umsetzungen und Vorgänge wie in Wässern ablaufen. Darüber hinaus stellt der durchwurzelte Bodenraum einen speziellen Aufnahmeweg für Umweltchemikalien dar. Auch können diese im Umfeld von Baumwurzeln aufgrund der speziellen Flora und Fauna verstärkt ab- oder/und umgebaut werden. Schließlich gelangen Umweltchemikalien nach einer Bodenpassage verändert oder unverändert in das Grundwasser.
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1.7 Spezielle Kreisläufe
Stoff-Kreis laufe B. Kopplung der Kreisläufe von C, S, P,
N und O. Die lebende Zelle benötigt zum Aufbau die körpereigenen Stoffe in großen Mengen die Hauptelemente C, H. 0 und N und als Makroetemente neben P und S auch Na. K, Mg, Ca, Fe, Si, AI und Cl. Die gesamte Biomasse der Erde hat zwar nur einen Massenanteil von 0,1 % an der Erdkruste, jedoch sind praktisch alle chemischen Elemente der Erdrinde im Verlaufe der Evolution an ihrem Aufbau beteiligt worden. Zwischen den Zyklen verschiedener Elemente bestehen intensive Kopplungen, die aufgrund chemischer und vor allem biochemischer Reaktionen zustande kommen. Die Photosynthese ist durch die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid sowie die Abgabe von Sauerstoff auf dem Wege der Atmung einer lebenden Zelle charakterisiert. Gleichzeitig mit dem Einbau von CO2 in die organische Materie (hier summarisch als CH2O für Kohlenhydrate) werden auch N, S und P aufgenommen zum Aufbau von z. B. Aminosäuren und Nucleinsäuren. Die organische Materie und Sauerstoff werden wiederum für die unabhängigen Kreisläufe von S, N und C benötigt, aus denen sich eine Beteiligung des Phosphors (in Form von ADP) ergibt. Die bisher im einzelnen dargestellten Kreisläufe von C, N, P und S werden hier mit dem Sauerstoff-Kreislauf verbunden (P steht für die enzymatischen energieliefernden Prozesse mittels ADP). Eine Veränderung in einem der Kreisläufe hat auf längere Sicht auch einen erheblichen Einfluß auf die vier anderen. C. Bakterielle und biochemische Kreisläufe in Sedimenten eines Sees. Anaerobe Vorgänge in den Sedimenten eines Sees führen zur Reduktion von Sulfaten zum Sulfid (1.4, B.). Die Zahl der sulfatreduzierenden Bakterien durchläuft hier in Abhängigkeit von der Tiefe der Sedimentschicht ein Maximum. In der oberen Zone laufen biochemische (Gärungs-)
24 Vorgänge ab, die zur Bildung von Milchsäure (Lactaten) bzw. auch von Essigsäure (Acetaten) führen. Beide Säuren sind Produkte der anaerobe Glykolyse, d. h. des Kohlenhydrat-Abbaus in schlecht mit Sauerstoff versorgten Zellen. Makromoleküle (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate) werden in einem Gär- und Faulprozeß zunächst bis zu den Monomeren hydrolysiert bzw. zu verschiedenen Säuren und Ethanol vergoren (Gärung: Abbau von CVerbindungen, Fäulnisprozesse: Abbau von N-Verbindungen). Die Abbauvorgänge von Biomasse lassen sich anhand der Redox-Potentiale in eine Reihe von der aeroben Atmung über die Denitrifikation und Desulfurikation bis zur Methanogenese einteilen. In Sedimenten von Seen wurde beobachtet, daß in der obersten Schicht von 2 bis 3 cm sulfatreduzierende Bakterien das biochemische Geschehen bestimmen. Darüber hinaus wurde festgestellt, daß Methan aus einer tieferen Schicht im Sediment mit hoher Aktivität an sulfatreduzierenden Mikroorganismen verbraucht und in CO2 unter Bildung von Schwefelwasserstoff aus den Sulfaten umgewandelt wird. Die Redox-Potentiale für die Vorgänge der Desulfurikation (Sulfat-Atmung) und der Methanogenese liegen nahe beieinander. Anaerobe MethanBakterien benötigen Essigsäure als Substrat. Die beschriebenen Zusammenhänge im Sediment eines Sees wurden im Vechten-See in den Niederlanden beobachtet. Die räumliche Trennung von sulfatreduzierenden und methanproduzierenden Mikroorganismen kann z. B. auf die in Sedimenten festgestellte Hemmung der Methanogenese durch Sulfate zurückzuführen sein. Aber auch eine Koexistenz beider Mikroorganismengruppen wurde nachgewiesen.
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1.7 Spezielle Kreisläufe
Stoff-Kreisläufe
D. Anthropogen bedingte, flächenbezogene Stoff-Flüsse. Die Darstellung betrachtet anthropogen bedingte Stoff-Flüsse (Einheit z. B. t/Jahr) von insbesondere Feststoffen, die schließlich auf Böden gelangen. In der Zeit um 1990 waren 90% der Bevölkerung in den alten Bundesländern an Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen. Bei einem Aufkommen von etwa 8000 Mio. m3 pro Jahr (davon über 3000 Mio. m3 häuslicher Abwässer) fallen ca. 10% an Klärschlamm mit einer Trockenmasse von 4 Mio. t an. Klärschlämme weisen einen hohen Wassergehalt von 94 bis 97% im Rohschlamm auf, der durch eine mechanische Entwässerung bereits auf 70 bis 55% veringert werden kann. Klärschlamm aus kommunalen Klärwerken wird als Teil des Siedlungsabfaits betrachtet. Der behandelte Klärschlamm gelangt zu 45% auf Deponien, wird zu 25% landwirtschaftlich verwertet, zu 15% der Verbrennung und zu 0,5% der Kompostierung zugeführt. Von dem etwa 8 mal höheren Stoff-Fluß an Hausmüü (ca. 32 Mio. t) gelangten 1987 etwa 66% auf eine Deponie, 2% zur Kompostierung und 26% in die Müllverbrennung und diese insgesamt als Abgase (einschließlich Wasser und Kohlenstoffdioxid) bzw. Asche wieder auf den Boden. E. Stoff-Kreislauf mit Übergängen zur Umwelt. Geht man von der Tätigkeit des Menschen aus, so ergeben sich im Gesamtsystem der Stoff-Kreisläufe zahlreiche Möglichkeiten des Übergangs - als Pfade bezeichnet - in die Umwelt. Umweltchemikalien können somit in die natürlichen Kreisläufe gelangen. Die wichtigsten Pfade aus der industriellen Produktion sind die Abluft, das Abwasser und die Abfallbeseitigung. Auch beim Transport und der Lagerung von Stoffen besteht die Gefahr des Übergangs in die Umwelt - vor allem beim Versagen sicherheitstechnischer Einrichtungen. In
26 Deponien entstehen Sickerwässer, deren Pfade in die Umwelt (vor allem in das Grundwasser) durch die geologische Beschaffenheit des Untergrundes bestimmt werden. Aufgrund biologischer Abbauvorgänge werden Deponiegase freigesetzt. Auch der bestimmungsgemäße Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln und anderen Alltagschemikalien, die insbesondere leichtflüchtige Lösunsgmittet enthalten, führt zu stofflichen Belastungen der Ökosphäre. Ein Anteil an sog. Reststoffen gelangt nach der Abwasserreinigung, der Ab fall Verbrennung und auch nach der Reinigung von Abluft in die verschiedenen Umweltkompartimente. Das Ziel der Umweltschutztechnik insgesamt ist es, die anthropogen bedingten Kreisläufe möglichst in sich geschlossen zu halten: Abfälle zu vermeiden, zu verringern bzw. zu verwerten. Damit sind spezielle Kreisläufe des Recyclings und der Abfallverwertung angesprochen. Ein Recycling im Hausmüllbereich wird für folgende Materialien durchgeführt: Glas (etwa 10% des gesamten Hausmülls), Metalle (Anteil 3%), Papier und Pappe (Anteil ca. 16%). Getrennt gesammelt werden recycelbare Kunststoffe (5%) und der sog. vegetabile Anteil (Biomüll) von etwa 30% an einem Müllaufkommen von 300 bis 400 kg/Jahr je Einwohner. Eine Abfallfestlegung, d. h. vor allem eine Deponierung, von aus technischen, ökonomischen oder auch ökologischen Gründen nicht mehr verwertbaren Reststoffen hat das Ziel, die genannten Schadstoffpfade möglichst zu minimieren. Ziel aller Umweltschutztechniken ist es, vor allem die industriellen Kreisläufe möglichst geschlossen zu halten.
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1.7 Spezielle Kreisläufe
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Stoff-Kreisläufe
F. Ökologisch orientierter Stoff-Kreislauf. Die biogeochemischen Stoff-Kreisläufe zwischen Atmosphäre, Gewässern, Boden, Pflanze und Tier werden hier mit den anthropogenen Stoffkreisläufen in Verbindung gebracht. Der Mensch hat sich seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jh. zum stärksten Faktor in der Ökosphäre entwickelt. Der Eingrifff in die Energie- und Stoffreserven der Erde hat einserseits zu wissenschaftlichen, technischen und sozialen Leistungen in der Entwicklung der Zivilisation geführt, anderserseits aber auch eine erhebliche Beschleunigung der biogeochemischen Stoff-Kreisläufe verursacht. Aufgabe eines ökologisch orientierten Stoff-Kreislaufes ist es, die Handlungen des Menschen auf das Systemverhalten von Biound Ökosphäre mit seinen Beziehungen, Rückkopplungen und speziellen Funktionsweisen abzustimmen Vom Menschen werden aus dem natürlichen StoffKreislauf mineralische und pflanzliche Rohstoffe entnommen, die direkt in die industrielle Produktion und Verarbeitunggelangen. Land- und Forstwirtschaft bedienen sich der natürlichen Ressourcen im Bereich von Pflanze und Tier, wobei die Tierproduktion einen besonders intensiven Teil mit starken ökologischen Auswirkungen darstellt. Industrielle Produktion und Verarbeitung
mineralischer und pflanzlicher Rohstoffe sowie die Tierproduktion bedingen einen Eingriff in die Atmosphäre. Der ökologische orientierte Stoff-Kreis lauf wiederum erfordert die Reingiung der Abgase und möglichst auch eine Wiederverwertung der Luft. Wasser mit Trink- oder Brauchwasserqualität wird sowohl im Konsumbereich als auch in der Industrie benötigt. Die anfallenden Abwässer müssen einer Abwasserreinigung zugeführt werden, das gereinigte Abwasser gelangt wieder in die Gewässer und kann nach einer entsprechenden Wasseraufbereitung in den Trink- und Brauchwasser-
kreislauf zurückgeführt werden. Aus dem Konsumbereich fällt Hausmüll an, die Abwasserreinigung produziert Klärschlamm, die beide als Abfall aufbereitet - d. h. in Wert- und Reststoffe aufgetrennt werden müssen. Zu den Wertstoffen, den wiederverwertbaren Stoffen im Abfallbereich, gehört auch der Humus, der dem Boden Nährstoffe zurückliefen. Nicht verwertbare Reststoffe gelangen im Rahmen der Abfallbeseitigung in die Deponie.
Der ökologisch orientierte Stoff-Kreislauf stellt die Wechselbeziehungen zwischen Rohstoffgewinnung einschließlich der Energieerzeugung und der Umweltveränderung dar Ziel der Umweltschutztechnik muß es sein, die Eingriffe des Menschen in die natürlichen Stoffkreisläufe zu minimieren - unter den Gesichtspunkten Vermeiden, Vermindern, Verwerfen. Zur Zeit werden in Form kurzzeitig nicht regenerierbaren Naturressourcen 105 Mio. t/Jahr aus dem biogeochemischen Stoff-Kreislauf der Ökosphäre entnommen. In der Summe der sog. Abprodukte, die bei der technischen Umwandlung und Bearbeitung von Naturressourcen als unmittelbar nicht nutzbare Produkte anfallen, stehen Schadgase, landwirtschaftliche Abfälle, Verbrennungsund Schmelzrückstände sowie Fäkalien an der Spitze. Als Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften bezieht die Umweltökonomie in ihren Theorien, Analysen und Kostenrechnungen ökologische Gesichtspunkte mit ein. Strategisches Ziel der Abproduktbehandlung ist, Abprodukte zu vermeiden bzw. zu verwerten und erst dann, wenn beide Wege technisch und ökonomisch nicht gangbar sind, zu deponieren. Die fortschrittliche volkswirtschaftliche Umweltökonomie nutzt bereits einen erheblichen Anteil an Abprodukten als Sekundärrohstoffe und strebt ein Recycling von Materialien sowie vor allem geschlossene industrielle Stoff-Kreisläufe an.
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1.7 Spezielle Kreisläufe
Atmosphäre A. Globale Energiebilanz. Die auf die
Erdoberfläche gelangende Sonneneinstrahlung bestimmt die dortige Temperatur und die der unteren Atmosphäre. Etwa 30% der einfallenden Sonnenstrahlung werden durch Reflexion an Wolken (\9%), Rückstreuung an Luftmolekülen und -partikeln {6%) und durch Reflexion an der Erdoberfläche (3%) in den Weltraum zurückgeworfen. Die Absorption solarer Strahlung von der Atmosphäre beträgt insgesamt etwa 25% und wird durch Ozon in der Stratosphäre (3%), Wolken (5%) und Wassermoleküle in der Troposphäre (17%) hervorgerufen. 47% der einfallenden Sonnenstrahlung werden somit von der Hydro- und Lithosphäre absorbiert. Das Ozon in der Stratosphäre absorbiert nur den kurzwelligen Teil der UV-Strahlung mit einem Anteil an 3% an der Gesamtenergie der einfallenden Sonnenstrahlung, schützt damit jedoch das Leben auf der Erde. Die wichtigsten Moleküle für die Absorption von infraroter Strahlung sind Wasser und Kohlenstoffdioxid - aber auch Methan, Stickstoffdioxid und Chlorfluorkohlenwasserstoffe, die aufgrund des auslösenden Effektes Treibhausgase genannt werden. Wegen ihrer Absorptionsfähigkeit gelangt nur einer geringer Teil von etwa 5% an der Nettoinfraroteinstrahlung direkt in den Weltraum. Der Hauptanteil wird von Gasen und Wolken absorbiert. Ein Teil der Sonnenenergie, die auf der Erdoberfläche absorbiert wird, geht in latente Wärme (in gespeicherter Form) über. Sie wird bei der Umwandlung von Wasser aus dem flüssigen in den gasförmigen Zustand aufgenommen und erst wieder bei der Kondensation des Wasserdampfes abgegeben. Weitere Beiträge zur Freisetzung von Oberflächenwärme liefern Konvektionen und Turbulenzen (mit 10%) und auch die Absorption infraroter Strahlung durch Treibhausgase. Der größte Teil der Nettoinfraroteinstrahiung wird von der Erde wieder abgestrahlt,
30 zunächst jedoch von den klimarelevanten Gasen wieder absorbiert und als Wärmeenergie gespeichert. Sie strahlen die aufgenommene Energie wieder in alle Richtungen ab. Dieser „Wärmestau" entspricht dem eines Treibhauses und wird Treibhauseffekt genannt (s. auch F.). B. Aufbau der Atmosphäre. Die Atmosphäre wird vertikal in Stockwerke unterteilt, die sich aufgrund unterschiedlicher Temperaturniveaus und Teilchenkonzentrationen unterscheiden: Troposphäre (mittlere Ausdehnung in der Volarregion 8, in der Aquatorzone 58 km mit mehr als 80% der Gesamtmasse der Atmosphäre), vermittelt den Stoffaustausch mit der Hydro- und Lithosphäre Stratosphäre (mit der Ozon-Schicht), Mesosphäre (Abnahme der Temperatur von ca. 0 auf -90 °C, mit molekularem und atomarem Sauerstoff als UV-Absorber) und Thermosphäre (mit wieder zunehmender Temperatur). In der Stratosphäre nimmt die Konzentration der ionisierten Teilchen stark zu (Ionosphäre). Aufgrund der turbulenten Strömungen in den unteren 100 km der Atmosphäre ist dieser Teil gut durchmischt und wird daher auch als Homosphäre bezeichnet. Unter dem Einfluß der Gravitationskraft erfolgt in den höheren Regionen dann eine partielle Fraktionierung der Luftbestandteile (Heterosphäre), weshalb nur die leichtesten Teilchen in den Weltraum diffundieren können. Die obere Greme der Atmosphäre als Einflußgebiet des Menschen liegt bei etwa 1000 km. Die Grenzen zwischen den Sphären werden als Tropopause (8-18 km Höhe), Stratopause (5055 km), Mesopause (.80-85 km) und Thermopause (etwa 500 km) bezeichnet. Das Temperaturprofil der Atmosphäre ist auf die Emissions- und Absorptionsvorgänge (A.), der Temperaturabfall auf die teilweise Abgabe von Energie durch Wärmestrahlung und Wasserverdunstung (Wolkenbildung) zurückzuführen.
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2.1 Physikalisch-chemische Vorgänge
Atmosphäre
C. Physikalisch-chemische Grundvorgänge. H20- und O3-Moleküle absorbieren sowohl im Spektralbereich des einstrahlenden Sonnenlichtes als auch im IR-Abstrahlungsbereich der Erde (1.). CO2 zeigt nur Absorptionsbanden im IR-Bereich - ebenso wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe - FCKW (2.1). Zum Treibhauseffekt (A.) tragen vor allem CO2 (E. und F.), die FCKW und in geringerem Maße auch HjO und O3 bei. Ozon zeigt in der Stratosphäre einen negativen Treibhauseffekt duch Absorption des Sonnen-UVLichtes (<300 nm) und aufgrund seiner Absorptionsbanden im IR-ßereich einen geringen positiven Effekt in der Troposphäre. Die wichtigsten photochemischen Primärprozesse sind Oxidationen. Die Differenz der Kurven (2.) charakterisiert den durch die Atmosphäre ausgefilterten Anteil der Sonnenstrahlung. Die drei wichtigsten photolytischen Primärreaktionen mit ihren Grenzwellenlängen sind der relativ langsame Zerfall von troposphärischem 03 in molekularen und angeregten Sauerstoff [ab 310 nm), die rasch verlaufende Spaltung von NO2 (ab 400 nm) sowie des Methanais. Die dabei entstandenen Stoffe, vor allem die reaktionsfähigen Sauerstoff-Atome bzw. -Radikale und auch NO und CO können dann sekundäre chemische Reaktionen, meist in Form radikalischer Kettenreaktionen, eingehen. D. Kastenmodell der Atmosphärenchemie. Als einfaches Modell für die chemischen Vorgänge wird das sogenannte Kasten- oder Boxmodell verwendet (nach Graedel/Crutzen 1994). Der Eintritt in den Kastenraum kann aus Quellenemissionen und infolge atmosphärischer Bewegungen erfolgen. Atmosphärische Bewegungen setzen sich aus Advektionen und Einmischungen zusammen: Advektionen beinhalten den Transport chemischer Spezies durch die Bewegung von Luftpaketen, unter Einmischung ist die
32 Örtliche Zufuhr durch kleinräumige vertikale Bewegungen von Luftpaketen aufgrund turbulenter Diffusion zu verstehen. Bei der Anwendung von Kastenmodellen (s. auch Kap. 3) sind zur Betrachtung der chemischen Transformationen die Plazierung und Dimensionierung des Kastens zu beachten. Häufig wird das Kastenmodell auf dem Boden angesetzt, um Veränderungen der vertikalen Dimension mit den tageszeitlichen Schwankungen wiedergeben zu können. Die Auswahl der Dimensionen für beispielsweise Untersuchungen zum Einfluß städtischer Emissionen auf die Luft einer ländlichen Umgebung umfaßt dieser das Stadtgebiet. So kann davon ausgegangen werden, daß sich die Emissionen innerhalb des Kastens gut durchmischen und auch aus der sauberen Luft chemische Spezies in den Kasten hineingelangen. Das Modell bestimmt dann die chemische Zusammensetzung der Luft innerhalb des Kastens und derjenigen Luft, die aus dem Kasten hinausströmt (advektive Abgabe). Berücksichtigt werden die Sonneneinstrahlung und photochemische Reaktionen (A. und C.) Es finden Reaktionen im Gaszustand und auch auf den Oberflächen von Aerosolpartikeln (H.) sowie in Wolken-, Regen- und Nebeltröpfchen statt. Die durchschnittliche Aufenfhaltszeit der Luft im Kasten ergibt sich aus der Division der horizontalen Kastenlänge durch die Advektionsgeschwindigkeit. Soll z. B. die Luftqualität im Verlaufe eines Tages in einem Stadtgebiet bestimmt werden, so müssen alle zeitabhängigen Änderungen der untersuchten Merkmale - z. B. des Verkehrs und anderer Emissionsquellen, von Windrichtung und -geschwindigkeit, der Höhe der Mischungsschicht sowie die wellenlängenabhängigen Schwankungen der Sonneneinstrahlung - berücksichtigt werden. Kastenmodelle können mathematisch beschrieben und in 1D- bis 3D-Modelle (D = dimensional) weiter entwickelt werden.
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2.1 Physikalisch-chemische Vorgänge
Atmosphäre
E. Kopplung von Kohlenstoff- und Sauerstoff-Kreislauf. Wird als Ausgangspunkt der Betrachtungen die technisierte Welt, d. h. hier die Verbrennung von Kohle und Erdöl, gewählt, so trägt diese sowohl zum Kohlenstoffdioxid-Ausstoß in die Atmosphäre als auch zur Emission anderer Schadstoffe wie Stickstoffoxide bei, die Ozon-Bildung und -abbau (2.1) beeinflussen. Die Kopplung von Kohlenstoff- (s. auch 1.2) und Sauerstoff-Kreislauf erfolgt in der Biosphäre durch Photosynthese und Atmung: Die Atmosphäre enthält etwa 720 * 10" kg Kohlenstoff in Form von CO2, von denen ein Sechstel aufgrund der Photosynthese (unter Energieaufnahme und Freisetzung von Sauerstoff- 1.2) umgesetzt wird. Die eine Hälfte davon wird in der Biomasse der Pflanzen gespeichert, die andere Hälfte wird zur Energiegewinnung verwendet; sie wird veratmet, wodurch CO2 wieder in der Atmosphäre gelangt. Nur 0,1% des durch Photosynthese festgelegten CO2 wird von Bodenorganismen in Humus umgewandelt und kann in Torf, Kohle oder Erdöl fossü festgefegt werden. Durch die Verbrennung energiereicher fossiler Biomassereste wird der Kohlenstoffdioxid-Pool der Atmosphäre wesentlich erhöht (s. auch F.). CO^-Quellen für den Kohlenstoff in der Atmosphäre insgesamt sind Lösungs-und Verdampfungsvorgänge in der Hydrosphäre (Freisetzung des als Hydrogencarbonat gelösten COZ) und die Vorgänge von Atmungs-, Mineraüsierungs- und Verbrennungsvorgängen. Eine CO2-Senke stellt die Photosynthese dar. Am KohlenstoffSauerstoff-Kreislauf in der Atmosphäre sind der biosphärische (bestimmt durch die Geschwindigkeiten der Photosynthese sowie Mineralisation der toten Biomasse) und der geochemische StoffKreislauf beteiligt, der vor allem von den langsamen Austauschvorgängen zwischen Atmosphäre und dem Tiefenwasser der Ozeane und dem Sediment abhängt.
34 F. Rolle des Kohlenstoffe!ioxids. Das lebensnotwendige Kohlenstoffdioxid ist gleichzeitig Hauptverursacher eines zusätzlichen Treibhauseffektes (A.). Während des Tages wird die einfallende Sonnenstrahlung vor allem vom Erdboden als Wärme gespeichert und nachts als IRStrahlung in den Weltraum wieder abgegeben. Absorption und Reflexion von vor allem C02 in der Troposphäre verringern diese Abstrahlung in gleicher Weise wie die Glasscheiben eines Treibhauses Sonnenlicht durchlassen und davon die IRStrahlung zurückhalten (1.). Aufgrund dieses Vorganges hegt die Durchschnittstemperatur auf der Erde etwa 33 °C höher als bei totaler Abstrahlung. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist seit Beginn der Industrialisierung von etwa 250 ppm um 1760, auf 300 um 1920, 330 im Jahres 1975 und auf fast 350 nach 1990 unter Berücksichtigung der jahreszeitlichen Schwankungen (2.) gestiegen - trotz der Abnahme an Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Damit verbunden ist eine Temperaturzunahme, die für die letzten Jahre etwa 0,3 bis 0,6 °C betrug - in den nördlichen Breiten mit dem „ewigen Eis" sogar z. T. über 5"C. Auch bei abnehmender C02-Emission bis zum Jahre 2050 (3.) wird ein Temperaturanstieg auf bis zu 7.5 °C prognostiziert. CO2 hatte 1992 einen Anteil von 50% am Treibhauseffekt. Andere wesentlich beteiligte Spurengase sind Methan (mit 19%), die FCKW [V%\ troposphärisches Ozon (8%) und Distickstoffoxid N2O (6%). Die Klimawirksamkeit der auch langlebigen Spurengase N30 (mit dem Faktor 200 gegenüber CO2) und der der FCKW (Faktor 3500-17000) sowie das bodennahe kurzlebige Ozon (Faktor 2000) tragen hierzu wesentlich bei.
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2.1 Physikalisch-chemische Vorgänge
Atmosphäre
C. Allgemeines Verhalten atmosphärischer Spurenstoffe. Zu den Grundbegriffen der atmosphärischen Chemie gehören Emission (von Stäuben - s. H., SO2, NO*, CO und CO2 aus Emissionsquellen
wie Pflanzen, Vulkanen, Verbrennungsmotoren, Schornsteinen) und Transmission, welche die Vorgänge der Ausbreitung oder Verteilung (durch Wind und Diffusion) sowie auch Änderungen durch weitere physikalische sowie chemische Effekte (chemische Umwandlungen) beinhaltet. Beim „Empfänger" - in der Regel einem Kompartiment wie Boden, Wasser, Pflanze, Tier oder auch Mensch - kommen Schadstoffe als atmosphärische Spurenstoffe direkt und nach einer chemischer Umwandlung als Deposition an. Aus der Sicht des Empfängers stellen sie eine Immission dar. Direkte Wirkungen sind vor allem bei Pflanzen, Tieren und dem Menschen zu erwarten. Als primäre Spurenstoffe - und hier auch Schadstoffe - werden z. B. Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid aus einer Emissionsquelle entsendet. Auf einem Transport mit längeren Wegen können diese und andere Stoffe umgewandelt werden - hier in Schwefel- und Salpetersäure, die dann als sekundäre (hier zugleich als saure) Schadstoffe bezeichnet werden. Während des Transportes können weitere Prozesse stattfinden wie die Diffusion in andere atmosphärische Stoffe wie Regen und Schnee als nasse Deposition (hier speziell als saurer Regen). Sie können auch als Aerosole auftreten bzw. daran gebunden werden (H.) und sich ohne die Mitwirkung von Regen niederschlagen als trockene Deposition. Weitere Charakteristika von atmosphärischen Spurenstoffen betreffen die Herkunft (natürlich - anthropogen), die Wirkung (reaktiv, klimawirksam, toxisch) und die Verteilung (ubiquitär: allgegenwärtig - als Konzentration in sog. Reinluftgebieten).
36 H. Kreislauf der atmosphärischen Aerosolpartikel. Ausgehend von der Emission eines kondensierbaren Gases - hier SO2 oder eines Vorläufers wie H2S - erfolgen chemische Reaktionen mit der Kondensation zu einem Sulfat-Aerosol als Abschluß. Man unterscheidet als direkte Quellen für Partikel drei Typen: Die Gischt produziert Tröpfchen, chloridhaltige Aerosole, dem Meerwasser ähnlich, die zusätzlich Metallspuren und auch organische Bestandteile wie Fulvo- und Huminsäuren aus der sog. Meersoberflächenmikroschicht enthalten. Als zweite Quelle kann der mechanische Abrieb fester Oberflächen (Laubfall, windbewegter Staub) Partikel liefern, die beim Laubfall fast ausschließlich organische (Lipide) Aerosole, bei windbewegtem Staub anorganische Oxide und aus Humus auch organisches Material enthalten - beide sind organische Aerosole. Die Verbrennung stellt die dritte Partikelquelle dar mit der Bildung von Ruß als KohlenstoffAerosol (nach Graedel/Crutzen 1994). Kleinste Aerosolpartikel vereinigen sich auf dem weiteren Weg, nehmen Wasserdampfaufund bilden somit auch eine Lösung von Ionen um einen festen Kern von etwa 30% der Gesamtpartikelmasse, mit Schwefel als Sulfat und organischen Säuren in einer chemisch reaktiven Lösung. In der nächsten Stufe reichern sich unlösliche Spezies an der Partikeloberfläche an. Besonders begünstigend auf diesen Prozeß wirken Stoffe mit einem hydrophoben und hydrophilen Anteil wie z. B. längerkettige Alkohole (Beispiel n-Decanol). Es bildet sich eine organische Schicht, die in der nächsten Stufe gasförmige Moleküle wie NO2 oder NH3 aufnehmen und auch mit ihnen reagieren kann. So kommt es zur Bildung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) und aromatischer Ketone aus Arenen. Im letzten Schritt des Kreislaufs gelangen die Partikel auf den Boden.
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2.1 Physikalisch-chemische Vorgänge
Atmosphäre
A. Chemie und Photochemie. Die wichtigsten chemischen Umsetzungen in der Atmosphäre spielen sich aufgrund der Sonneneinstrahlung ab. Zu unterscheiden sind physikalische Vorgänge wie die Verdunstung und Kondensation von Wasser und Vorgänge des Abregnens von den chemischen Reaktionen. Zu berücksichtigen sind auch die Übergänge aus der Hydro- und Lithosphäre in die Atmosphäre und der Austausch mit der Biosphäre. Meteoriten, Asteroiden und Kometen gelangen aus dem Weltraum in die Atmosphäre und auf die Erdoberfläche und verursachen ebenso wie die Sonneneinstrahlung chemische Reaktionen. Die ökologische Photochemie beschäftigt sich mit Reaktionen von Umweltchemikalien mit anderen Stoffen (oder untereinander) unter dem Einfluß der Sonnenstrahlung. Die wesentlichen Schritte photochemischer Reaktionen sind die Photoaktivierung (Überführung von Atomen und Molekülen in einen angeregten, besonders reaktionsfähigen Zustand) mit den daran anschließenden Möglichkeiten einer Photoionisation oder auch chemischer Reaktionen wie der Photodissoziation (Photolyse), wobei Ionen für weitere Folgeprozesse (Isomerisierung, Addition, Eliminierung, Zerfall) entstehen. Zu den photochemischen Reaktionen gehört auch die Photosynthese. Der Bereich, in dem diese Reaktionen insgesamt stattfinden, wird auch Chemosphäre (in einer Höhe von 10 bis etwa 150 km über dem Erdboden) genannt. Eine wichtige Rolle spielt die Freisetzung von angeregtem Sauerstoff aus Ozon, der aus Wasser reaktionsfähige Hydroxyl-Radikale erzeugen kann (D. und F.). Das OH-Radikal ist das reaktivste Teilchen in der Chemosphäre. B. Emission und Deposition bei verschiedenen Wetterlagen. Die Bedeutung von Transportvorgängen von Luftschadstoffen wird besonders beim Ver-
3£ gleich verschiedener Wetterlagen deutlich. Bei einer Normalwetterlage (1.) steigt warme Luft aus Haushalten, Kraftwerken, Industrie und dem Kfz-Verkehr nach oben, es findet ein vertikaler Luftaustausch statt. Als wesentlichste Schadstoffe enthält die erwärmte Luft Stickstoffoxide (NO*), Schwefeldioxid, Kohlenstoffmonoxid und auch Kohlenwasserstoffe. Ein geringer Schadstoffanteil wird im Emissionszentrum wieder abgelagert - in Form einer Deposition. Der größere Anteil wird in Höhen um 1000 m dann von horizontalen Luftströmungen erfaßt und weitertranspoitiert (Vorgang der Transmission - s. auch 2. G.). Die Transmission von Luftschad Stoffen kann über Tausende von Kilometern erfolgen, so daß die Auswirkungen von Schadstoffemissionen in weit von der Emissionsquelle entfernten Gebieten auftreten. Zur Deposition kommt es schließlich durch langsames Absinken und durch Ausregnen - bevorzugt in höheren Lagen. Auf dem Wege dorthin haben photochemische Reaktionen stattgefunden, so daß aus den Schwefel- und Stickstoffoxiden Säuren und aus Kohlenwasserstoffen nach Reaktion mit Ozon Photoxidantien wie Peroxyacetylnitrat (PAN) entstanden sind. Die Deposition solcher Stoffe führt zur Versauerung von Gewässern und zu Schädigungen der Vegetation im Schadenskomplex des „Waldsterbens". Bei einer sog. Inversionswetterlage (2.) sind die höheren Luftschichten wärmer als die bodennahen. Die schadstoffreiche Abluft aus Ballungsgebieten kann nicht in größere Höhen gelangen. Es tritt ein Anstieg der Schadstoffkonzentrationen auf. Die auch hier möglichen photochemischen Reaktionen mit Ozon (zu PAN) führen in Großstadtgebieten im Sommer zur Entstehung des photochemischen Smogs (aus dem engl, smoke und fog) - auch Sommer- oder Los-Angeles-Smog genannt.
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2.2 Ökologische Photochemie
Atmosphäre
C. Katalytische Kreisläufe der atmosphärischen Ozon-Chemie. Die außerordentlich komplexen chemischen Vorgänge und deren Zusammenhänge in der Stratosphäre (unter Berücksichtigung der wenn auch geringen Beiträge der Ionosphäre) sind auf die Reaktionsfähigkeit des Ozon-Moleküls zurückzuführen (Kasten OX) - obwohl auf 1 Mio. Luftmoleküle nur etwa zehn Ozon-Moleküle kommen. Ozon entsteht durch die Photodissoziation von molekularem Sauerstoff aufgrund der Aufnahme ultravioletter Strahlung und nachfolgender Reaktion von atomarem und molekularem Sauerstoff zu O3. Der Zerfall des Ozons kann sowohl photolytisch [netto: 2 O3 + hv ( 1140 nm) Æ 3 O2 - Vorschlag von S. Chapman 1930] als insbesondere auch katalytisch unter der Beteiligung von Stickstoffoxiden stattfinden. Als wichtigste Katalysatoren werden die Stickstoffoxide NO und NO2 (Paul J. Crutzen 1970) angesehen, die aus bodennahen Emissionen von N-ȕ in der Stratosphäre entstehen: N2O + OpD) -» NO ('D: angeregter Elektronenenergiezustand). NOx-Moleküle starten dann die katalytische Kette der Reaktionen, die zum Zerfall des Ozons führen. Eine weitere katalytische Kette wird unter Mitwirkung von OHund HO2-Radikalen gestartet, die aus Wasser entstehen: H2O + 0(>D) -» 2 HO. Ein weiterer katalytischer Zerfall des Ozons ist auf Chlor zurückzuführen (1974 durch R. Stolarski und R. Cicerone formuliert), an dem auch Fluorchlorkohlenwasserstoffe beteiligt sind: CFC13 + hv (O<260 nm) + n O2 Æ CO2 + HF + 3 (Cloder CIO-). In die Stratosphäre gelangt Chlor sowohl durch Vulkanausbrüche als auch durch den Transport von Methylchlorid aus der Troposphäre als Produkt von Meeresalgen und aus der Verbrennung von Biomasse. Die natürliche Hintergrundkonzentration des Chlors in der Stratosphäre ist um den Faktor 5 geringer als die der emittierter FCKW und anderer indu-
40 strieller organischer Chlor-Verbindungen. Für die Transmission von der Erdoberfläche in die Stratosphäre benötigen die FCKW nur wenige Jahre. Dort (in einer Höhe von 20 bis 25 km) ist die solare Strahlung so energiereich, daß ChlorAtome und Chlormonoxid-Moleküle als noch stärker wirksame ozonzerstörende Katalysatoren als NO und NO2 gebildet werden können. Als wichtige natürliche Beschränkung des Ozon-Abbaus sind die Reaktionen zwischen den Katalysatoren zu nennen. Es reagieren HO- + NO2 + M Æ HNO3 + M (M für Stoßpartner wie N2 oder auch O2) und CIO- + NO2 + M Æ C1ONO2 + M mit Produkten, die mit dem Ozon nicht reagieren. Die gebildeten Moleküle können jedoch andererseits wieder photodissoziieren: HNO3 + hv(O<330 nm) Æ HO- + NO2 und C1ONO2 (Chlornitrat) + h v ( O 450 nm) Æ CIO- + NO2. Die hier aufgeführten Grundreaktionen finden sich in den Kästen C1X (für Halogen-Verbindungen), NX (für StickstoffVerbindungen) und HX für die OH-Radikalchemie wieder. Sie alle haben gemeinsam, daß sie zur Zerstörung des Ozons führen. Neben dem Kasten C1X sind die Reaktionsgleichungen sowohl für die Reaktion von Chlor- als auch Chlorfluorkohlenwasserstoffe mit dem OH-Radikal als auch unter der Aufnahme von Strahlungsenergie als Vorgang der Photodissoziation (Photolyse) dargestellt. Die wichtigsten Photodissoziationen sind folgende: O3 Æ O2 + O (O <360 nm, partielle Verweilszeit 2000 s - nach Wagner u. Zellner 1979), NO2 Æ NO + O (O 420 nm, 125 S), HNO2 Æ NO + OH (O 390 nm. 360 s) und H2CO -* H2 + CO (O 360 nm, 20 000 s). Detaillierte Darstellungen und Erläuterungen zur Entstehung und zum Zerfall von Ozon sind in D., zum Ozon und den katalytischen NOx-Zyklen in E. zu finden (nach Graedel/Crutzen 1994).
41
2.2 Ökologische Photochemie
Atmosphäre D. Ozon - Bildung und Abbau. Die
Ozon-Schicht in einer Höhe zwischen 15 und 50 km über der Erdoberfläche (in der Stratosphäre) ist für das Leben auf der Erde von existentieller Bedeutung, da es den kurzwelligen, energiereichen UVAnteil der Sonnenstrahlung absorbiert. Forschungsergebnisse über die Zerstörung von Ozon aufgrund der Emission bestimmter Spurengase, vor allem der FCKW, haben auch in der Öffentlichkeit zunehmend Interesse gefunden. Aus spektroskopischen Untersuchungen und später auch durch Messungen mit Höhenballons wurde festgestellt und bestätigt:, daß die Erdatmosphäre eine OzonSchicht besitzt, woraufhin der englische Geophysiker S. Chapman 1930 einen chemischen Mechanismus der Ozon-Bildung und ein kinetisches Modell entwickelte, welche das Phänomen der stabilen OzonSchicht erklären. In der Stratosphäre (2.1) wird unter Einwirkung der „harten" UV-Strahlung von Wellenlängen unterhalb von 240 nm der molekulare Sauerstoff in zwei SauerstoffAtome gespalten, fn Abhängigkeit von der Wellenlänge kommen hierfür zwei unterschiedliche Mechanismen in Betracht: Bei Wellenlängen l<243 nm findet zunächst ein Übergang des Sauerstoff-Moleküls aus dem Triplettgrundzustand in einen angeregten Triplettzustand statt. Danach erfolgt der Zerfall in zwei Triplettsauerstoff-Atome: O(3P). Bei einer kontinuierlichen Absorption von Licht bei Wellenlängen X< 176 nm (Maximum k= 147 nm) erfolgt nach Bildung eines angeregten Triplettzustandes ein Zerfall in Sauerstoff-Atome im Grundund im angeregten Zustand: O(3P) + O(1D). Als dreiatomige Sauerstoff-Modifikation entsteht Ozon durch Einwirkung eines Sauerstoff-Atoms auf ein Sauerstoff-Molekül - in einer trimolekularen Reaktion unter Mitwirkung eines Stoßpartners M. Die troposphärische Konzentration an O(3P) beträgt schätzungsweise
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10-8 ppm. Im Unterschied zur Stratosphäre ist in der Troposphäre NO2 die Hauptquelle für O(3P) bei Wellenlängen unter 420 nm. Ebenfalls durch Photolyse kann das gebildete Ozon auch wieder zersetzt werden, wobei je nach Strahlungsenergie O(3P) bei Wellenlängen unterhalb von 1180 nm (durch Photonen) oder angeregtes O^D) bei Einwirkung von UV-Strahlung entsteht. Infolge einer Stoßreaktion zwischem Ozon und dem gebildeten angeregten Sauerstoff erfolgt eine weitere Spaltung. Zwischen OzonBildung und -abbau stellt sich ein Gleichgewicht ein. E. Ozon und die katalytischen NOx-Zyklen. Der Kreislauf zwischen Ozon, Sauerstoff und den Stickstoffoxiden wird als photostationärer Zustand bezeichnet. N2O-Q_ueUen sind vor allem tropische Böden und die Oberflächenwässer des Nordatlantiks. Die langlebige StickstoffVerbindung (Lebensdauer etwa 150 Jahre) entsteht vor allem aufgrund der Aktivität von nitrifizierenden und denitrifizierenden Mikroorganismen. In der Stratosphäre reagiert N2O mit angeregtem Sauerstoff zu NO. Im Zyklus 1 wird Ozon unter Bildung von NO2 zersetzt (D.). Im Zyklus 2, der nachts stattfindet, reagiert NO2 mit Ozon unter intermediärer Bildung eines NO3-Radikals - und N2O5. Das NO3-Radikal ist extrem instabil gegenüber Lichteinwirkung und kann somit leicht photolytisch gespalten werden. N2O hat somit eine Auswirkung auf den Abbau von Ozon. Aus einer Verdoppelung der N2O-Emissionen (als Quelle sind auch Verbrennungsvorgänge zu nennen) hat nach Modellrechnungen eine Reduktion des Ozon-Gehalt um 10% zur Folge. Im beschriebenen Kreislauf werden ständig NO, NO2, O, O2 und O3 gebildet und wieder abgebaut; sie stehen in einem dynamischen (photochemischen) Gleichgewicht.
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2.2 Ökologische Photochemie
Atmosphäre F. Photochemie des OH-Radikals. Die
Bildung von OH-Radikalen ist auf eine Reaktion von angeregten Sauerstoff-Atomen aus dem Ozon-Zyklus mit Wassermolekülen zurückzuführen. HydroxylRadikale weisen in der Troposphäre stationäre Konzentrationen von 105 bis 106 Teilchen/cm3 auf. Die wichtigsten Reaktionsmöglichkeiten bestehen in der Umsetzung mit Kohlenstoffmonoxid, mit Kohlenwasserstoffen und mit Ozon, wobei sich folgende Reaktionsfolge ergibt: O3 -> O2 + O(1D) und O(1D) + H2O Æ 2 OH, als Löschreaktion für den Singulettsauerstoff O(1D) + M (Stoßmolekül) Æ O(3P) + M und den wichtigsten chemischen Senken des OH-Radikals . OH + CO Æ CO2 + H, . OH + RH Æ H2O + R. . OH + O 3 Æ O 2 + HO2 . Die Hauptverbrauchsreaktion für OH-Radikale ist die Umsetzung mit CO, wodurch es zur Entstehung von Wasserstoff-Atomen kommt, die mit SauerstoffMolekülen zu Hydroxyperoxy-Rad'ikalen rekombinieren. Nimmt die Kohlenstoffmonoxid-Konzentration zu, so steigt auch das Verhältnis HO2/OH-Radikale; bei Anwesenheit von Stickstoffoxiden NO, nimmt es jedoch wieder ab. NO- und HO2-Radikale liefern unter Übertragung eines Sauerstoff-Atoms wieder OH-Radikale und N02. Auch die Reaktion mit Ozon führt zur Rückbildung von OH-Radikalen. Sowohl aus zwei OH-Radikalen als auch unter Aufnahme von H kann Wasserstoffperoxid entstehen, das in Anwesenheit von Wasser (durch Ausregnen) aus dem Kreislauf entfernt wird und unter UV-Lichtwirkung wieder in ihn zurückkehrt. Weitere Reaktionsmöglichkeiten des OH-Radikals bestehen mit Chlorund Schwefel-Verbindungen, wodurch Salzsäure, Schwefeldioxid bzw. Schwefelsäure gebildet werden. Die Reaktion mit Methan (G.) führt wiederum zur Ent-
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stehung von Kohlenstoffmonoxid. Die Reaktion von Hydroxyl- und Hydroxyperoxy-Radikalen führt schließlich zur. Bildung von Wasser. Die Wege über das Ausregnen weisen auf die möglichen Naßdepositionen aus der Photochemie des OH-Radikals hin. C. Schema der katalytischen HOyZyklen. Unter dem Begriff HO^-Radikale werden die Radikale von H, OH und H02 zusammengefaßt. Sie entstehen (H.) aus dem Abbau der Quellgase CO, H2. H20 und CH4. Auch aus den Stickstoffoxiden können über die salpetrige Säure photolytisch OH-Radikale gebildet werden: NO + N02 + H20 Æ 2 HNO2 (+ hv) Æ 2 -OH + 2 NO. Die inneren Zyklen stellen jeweils die Mitwirkung des Ozons dar. Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Teilreaktionen spielen in diesen gekoppelten Kreisläufen noch folgende Umsetzungen eine wichtige Rolle. Die Umsetzung von Alkanen wie Methan mit OH-Radikalen ergibt eine Reaktionskette, die über Methanal als reaktiver Zwischenstufe zur Bildung von OH2-Radikalen führen kann: H2CO + -OH -* H2O + HCO- und HCO- + O2 Æ CO + HO2. Alle Reaktanden sind in Kreisen gezeichnet, Anfangs- und Endprodukte stehen in Kästen. Aus den bekannten Geschwindigkeits- bzw. Gleichgewichtskonstanten der beschriebenen Einzelreaktionen ergeben sich die Konzentrationen für dynamische Gleichgewichtszustände. Anhand von computersimulierten Berechnungen lassen sich darauf aufbauend die Verschiebungen, vor allem im Hinblick auf die Ozon-Konzentrationen, durch die Erhöhung von Quellgasen berechnen. Die am Beispiel Methan beschriebene AlkanOxidation führt bei höheren Allanen über Acetaldehyd-Radikale (CH3CO-) zur Bildung des Peroxyacetylnitrats PAN (2.4, F.).
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2.2 Ökologische Photochemie
Atmosphäre
H. Schema der atmosphärischen Halogen-Photochemie. Die wichtigste natürliche Quelle für Chlor-Atome stellt das Chlormethan (Chlorofan, CH3C1) mit einer Lebensdauer von etwa 1 Jahr dar. Eine andere Chlor-Quelle, die NaCl-Aerosole in Höhen bis zu 3 km, liefern zwar aus der Umsetzung mit dem Stickstofftrioxid Chlor-Atome, NO3 + Cl– Æ NO3– + Cl-, jedoch sind sowohl Cl- als auch NOj sehr instabil, so daß sie nicht aus der Atmosphäre in die Troposphäre gelangen. Ein zusätzliche und wichtige anthropogene Chlor-Quelle stellen ingsesamt die als Lösungsmittel oder als Treibgase in industriellem Maßstab hergestellten Halogen-Kohlenwasserstoffe dar (als Fluorbromchlorkohlenwasserstoffe, von denen einige rechts im Bild aufgeführt sind). Die FCKW sind sehr stabil, sie gelangen unzersetzt durch die Stratosphäre in der Troposphäre. Die Stabilität in größeren Höhen steigt mit zunehmender Anzahl an Fluor-Atomen. Aus diesen Verbindungen können unter Sonneneinstrahlung (A<220 nm) Chlor-Radikale photolytisch entstehen, wobei ein ChlorRadikal mehrere 10000 Ozon-Moleküle katalytisch zerstören kann, bevor es in die Senke HCl verschwindet. Das ChlorRadikal kann mit dem Ozon zum CIO-Radikal weiter reagieren. CIO-Radikale können je nach Reaktionspartner verschiene Reaktionswege einschlagen: Mit NO2 entsteht das Chlornitrat C1ONO2, mit angeregtem Sauerstoff bildet sich wieder das Chlor-Radikal, das OH2-Radikal führt zur hypochlorigen Säure. Schließlich kann auch eine Dimerisierung zum instabilen Dichlordioxid erfolgen. Als Hauptquelle für eine Desaktivierung von ChlorRadikalen ist die Umsetzung mit Methan zu nennen, die zur Entstehung von HCl führt. I. Globaler atmosphärischer Chlor-Zyklus. Den größten Anteil hat das NaCl über die Meeressalzgischt -jedoch ohne
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Wirkungen in der Topo- oder Stratosphäre (H.). Durch den vulkanischen Ausstoß und vor allem Verbrennungsvorgänge wird eine fast ebenso große Menge an HCl in den Kreislauf gebracht. Die mit biogenem CH3C1 ablaufenden Vorgänge wurden bereits unter F. genannt und werden detailliert nochmals unter J. vorgestellt. In der Tropo- und Stratosphäre finden Akkumulationen von FCKW und die unter F. sowie J. und K. beschriebenen Reaktionen statt. J. Schema des katalytischen CIOx-Kreislaufs. Ebenso wie für die HOx-Radikale (s. G.) können auch für die Chlor-Radikale katalytische Kreisläufe unter Mitwirkung des Ozons sowie des OH-Radikals und von angeregtem Sauerstoff sowie UV-Licht formuliert werden- hier für die Quellgase Chlormethan (biogen, aus Seetang) und die FCKW als Treibgase R 11 und R12. Die wichtigsten Teilschritte des erstmals von Moüna und Rowland beschriebenen C10x-Zyklus sind: O3 + hv Æ (O<1180 nm); O2 + OCl- + O3 Æ CIO- + O2 und ClO- + O- Æ Cl- + O2. K. Spaltung von Chlorfluormethanen.
Aus dem FCKW R 11 (CFM-11) mit einem Fluor-Atom werden bei Wellenlängen unter 230 nm und beim CFM-12 mit zwei Fluor-Atomen bei Wellenlängen unter 220 nm jeweils zwei Chlor-Atome als Radikale abgespalten. Sie greifen dann, wie beschrieben (J.), in den Ozon-Kreislauf ein und vermindern die Ozon-Konzentration der Troposphäre. Zur Ausbildung des Ozon-Lochs, vor allem über der Antarktis, kommt es durch die Ansammlung reaktionsfähiger Teilchen in der langen Polarnacht, die dann durch Sonneneinstrahlung, mit dem Aufgang der südpolaren Frühjahrssonne im August, katalytisch wie beschrieben voll wirksam werden.
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2.2 Ökologische Photochemie
Atmosphäre A. Quellen der Luftverschmutzung. Als Luftverschmutzung werden Verunreinigungen der Luft durch verschiedene umweit- oder auch die Gesundheit des Menschen gefährdene Stoffe bezeichnet. Der Begriff Emission umfaßt die Stoffe, die ein Verursacher (Emittent) auswirft. Nach dem Bundes-Immisionsschutzgesetz (BImSchG) sind „Emissionen (...) die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen." Als Emittenten sind neben dem Verkehr, der Industrie, den Kraftwerken und der Müllverbrennung auch die Landwirtschaft, Dienstleistungsbetriebe und die privaten Haushalte (vor allem über die Heizungsanlagen) zu nennen. Die wesentlichsten Luftverunreinigungen aus Verbrenn ungsVorgängen lassen sich in sechs Gruppen einteilen: Schwefeloxide, Stickstoffoxide, Kohlenstoffoxide, flüchtige organische Verbindungen sowie Stäube und Aerosole. Stäube können je nach Korngröße in der Nähe des Emittenten wieder auf die Erdoberfläche gelangen oder sich auf dem Wege der Transmission als Immission zu einem Empfänger (Mensch, Tier, Vegetation, Gebäude) gelangen. In der Atmosphäre finden Umsetzungen aufgrund der Sonneneinstrahlung statt (Kap. 2.2). Luftschadstoffe tragen zu den Phänomen Treibhauseffekt, Ozon-Abbau und Waldsterben sowie zur Versauerung von Gewässern und zur Belastung von Böden bei und können auch bestimmte Erkrankungen wie Allergien auslösen. B. Quantifizierung der Luftschadstoffe nach Herkunft. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sind die Bundesländer in Deutschland in Ballungsgebieten zur Überwachung der Luftverunreinigungen verpflichtet Es wird heute ein EU-weites Netz an Luftmeß Stationen betrieben (mit Messungen von SO2, NOX, CO sowie z. T. auch Ozon und Staub). Haupt-
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verursacher der SO2-Emissionen sind die Haushalte, von NO* der Verkehr. Prognosen für Deutschland lassen für das Jahr 2000 eine Verringerung der Staubemissionen auf 0,47 Mio. t (1986: 0,56) und von CO auf 6,2 Mio. t (1986: 8,9) erwarten. C. Emissionen aus Vegetationsbränden. Für die aktuelle Zusammensetzung der Atmosphäre sowie für die in Kap. 1 beschriebenen biogeochemischen Kreisläufe spielen neben den technogenen Verbrennungen fossiler Energieträger auch die Emissionen aus Vegetationsbränden regional und auch global eine wichtige Rolle. Hierzu gehören die Verbrennung landwirtschaftlicher Abfälle, die Brennholznutzung aber auch Vegetationsbrände wie Wald- und Steppenbrände. In den Tropen (Südostasien) spielt vor allem die Verbrennung von Reisstroh eine große Rolle. Die jährlichen Brandflächen werden im Mittelmeerraum auf 600000 ha Wald, in Nordamerika auf 4 Mio. ha und im borealen Nadelwald Eurasiens einschließlich der subarktischen Tundra (Länder der Russischen Föderation) auf 10 Mio. ha (vergleichbar mit dem gesamten Waldfläche in Deutschland) geschätzt. Hierbei entstehen nicht nur die klassischen Emissionen (A. u. B.) sondern auch organische Säuren, Halogen-Kohlenwasserstoffe bis zu den polychlorierten Dibenzodioxinen und -furanen. Für Untersuchungen großflächiger Vegetationsbrände werden fliegende Großraumlabors (auch vom MaxPlanck-Institut für Chemie in Mainz) eingesetzt. Erste Auswertungen solcher Analysen haben gezeigt, daß bei einem sibirischen Waldbrand im Vergleich zu einem Savannenfeuer ein besonders hoher Anteil an chemisch und photochemisch reaktiven Kohlenstoff-Verbindungen freigesetzt wird.
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2.3 Luftverschmutzungen durch Verbrennung
Atmosphäre D. Stickstoffoxid - Entstehung und Minderung. J. Mechanismen zur NO-Bildung. Bei Ver-
brennungsvorgängen entstehen die Stickstoffoxide NO und NO2, meist zusammen als NO* bezeichnet, wobei zu 95% NO emittiert wird. Nach dem Entstehungsmechanismus unterscheidet man in der Verbrennungstechnik thermisches, Prompt- und Brennstoff-NO. Thermisches NO wird aus Luftstickstoff unter Spaltung des N2-Moleküls und Mitwirkung von Sauerstoff-Radikalen in der Zone der Verbrennungsprodukte gebildet. Erst mit Temperaturen über 1570 K im Feuerraum steigt der Gehalt an thermischem NO an. Das sog. Prompt-NO (oder auch „prompte" NO) entsteht über kurzlebige Radikale aus dem Luftstickstoff und den organischen Stoffen, wobei intermediär auch HCN bzw. CN-Radikale auftreten. Das Brennstoff-NO schließlich bildet sich ebenfalls über CN-Radikale bei der Verbrennung von Kohle und schwerem Heizöl in der kohlenwasserstoffreichen Flammenfront infolge Oxidation ab 870 K. Etwa 80% der gesamten NO^-Emissionen entstehen auf diesem Wege. Die hohe Reaktivität der Kohlenwasserstoff-Radikale in der Flammenfront führt zu einer Aufspaltung von molekularem Stickstoff und dann durch Oxidation zum Prompt-NO. 2. Abhängigkeiten der thermischen NOBildung in einer Erdgasflamme. Die berechneten Abhängigkeiten der Bildung des thermischen NO von der Temperatur und von der Luftüberschußzahl X (Ver-
hältnis Luft zu Brenngas) bei einer konstanten Verweilzeit von 1 s (unter Annahme idealen Rührverhaltens) zeigen, daß die NO-Bildung erst oberhalb von 16001< einsetzt und sieb dann wesentlich mit zunehmender Temperatur (daher der Name) erhöht. Außerdem wird die NOBildung erwartungsgemäß auch durch niedrige Luftüberschußzahlen gehemmt (2.a). Die Darstellung 2.b zeigt die Ab-
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hängigkeit der NO-Bildung für verschiedene Verweilzeiten von der Luftüberschußzahl /.; jedes X ist der entsprechenden kalorischen Verbrennungstemperatur zugeordnet. In der Nähe stöchiometrischer Verbrennungsbedingungen, d. h. bei hohen kalorischen Verbrennungstemperaturen, wird relativ schnell die NO-Gleichgewichtskonzentration erreicht. Außerdem wird mit zunehmender Verweilzeit das Maximum der thermischen NO-Bildung zu höheren A-Zahlen verschoben. Zur thermischen NO-Minderung sind somit kleine Luftüberschußzahlen bei niedrigen Verbrennungstemperaturen und kurzen Verweilzeiten in den Zonen hoher Temperaturen (1600 K) anzustreben. 3. Verfahren zur NO-Minderung. Durch die Kombination von Luft- und Brennstoffstufung sowie Rauchgasrückführung kann technisch eine wesentliche thermische NO-Minderung erzielt werden. Zu den optimalen Verbrennungskonzepten gehört eine gute Vermischung von Brennstoff und Verbrennungsluft, eine adiabate Verbrennung, d. h. keine Verluste und damit die Bildung von „heißen" Brenn raumwänden und auch eine interne Rauchgasrückführung. In dem vorgestellten Beispiel werden durch entsprechende Aufteilung der Brennstoffzugabe bzw. durch Zugabe eines Zusatzbrennstoffes (Erdgas bei der Kohleverbrennung) örtlich unterstöchiometrische Verbrennungszonen erhalten, in denen gebildetes Stickstoffmonoxid über Kohlenwasserstoff-Radikale wieder reduziert wird. Infolge der Luftstufung (mit einer Wärmeaus kopplung zwischen unterund überstöchiometrischer Stufe) wird eine Temperaturabsenkung erreicht (2.a,b). Wesentlichster Punkt aller feuerungstechnischer Maßnahmen ist die Absenkung der Brennraumtemperaturen, u. a. durch die Rückführung kalter Rauchgase.
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2.3 Luftverschmutzungen durch Verbrennung
Atmosphäre
A. Anthropogene Emissionen 1984 in Deutschland (West). Das Bild (nach Fonds der Chemischen Industrie 1987) vermittelt einen Überblick über die anthropogen bedingten Schadstoffemissionen 1984 (s. auch Prognose in 2.3, A.) in der Deutschland. In der Umwelttechnik werden die anthropogen verursachten Emissionen in sog. Quellgruppen eingeteilt: Die im Bild dargestellten fünf Quellgruppen sind: Kraftwerke zur Energierzeugung, die als stationäre Punktquelle eine große Ableitungshöhe von mehr als 50 m aufweisen, Haushalte und Kleingewerbe als stationäre Flächenquelle (mittlere Ableitungshöhe 10 bis 20 m), die Industrie als stationäre Punkt- oder auch Flächenquelle (mittlere Ableitungshöhe <50m) sowie der Verkehr als mobile Quelle (bezogen auf das einzelne Fahrzeug) bzw. als Linienquelle bei stark befahrenen Straßen und mit niedriger Ableitungshöhe (<0,5m) der Emissionen. Hauptverursacher für CO und NO* sind der Verkehr, für SO2 die Kraftwerke, für organische Stoffe der Bereich „Lösemittelverwendung" (Lackierereien, chemische Reinigungen, chemische Industrie) sowie auch der Verkehr und für Staub die Industrie. B. Immissionen in Bodennähe. Laut Definition des BImSchG sind „Immissionen [...] auf Menschen, Tier und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen." Das Bild vermittelt eine Differenzierung der zu erwartenden Imrnissionskonzentrationen für die Luftverunreinigungen Schwefeldioxid, Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid sowie von Ozon, deren Konzentrationen außerhalb von Spitzenbelastungen in der Regel unter 1 mg/m3 liegen. Unterschieden wurden ländliche Gebiete, Ballungsräume
52 und hochbeiastete Innenstadtbereiche im Vergleich zu den Reinluftgebieten. Diese sind zwar nicht speziellen Emissionsquellen ausgesetzt, die globale Verteilung der Luftschadstoffe hat jedoch auch hier (wie in der Antarktis oder in den Alpen) zu meßbaren Konzentrationen geführt. Nicht berücksichtigt wurden hier die Komponenten Schwebstaub und Kohlenstoffmonoxid, die vor allem für die Qualität des Stadtklimas eine wichtige Rode spielen. Für die Ausbreitung von Luftverunreingiungen (s. auch 2.1) sind als wichtigste Einflußgrößen Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Turbufenzzustand der Atmosphäre zu nennen. Darüber hinaus spielen der Eigenschaften der Quelle, z. B. die Kaminhöhe, die Abgastemperatur und der Volumenstrom des Abgases eine wesentliche Rolle. Der Volumenstrom bestimmt den Auftrieb, d, h. die effektive Quellhöhe, von der die Ausbreitung beginnt. Zur Abschätzung des Transportes von Luftverunreinigungen wurden Modelle entwickelt, welche die Ausbreitung des Luftschadstoffes meist von einer punktförmigen Quelle ausgehend aufgrund des Transportes mit dem Wind und der Vermischung mit Luft infolge der Turbulenz der Atmosphäre beschreiben (z. B. GaußModell, gültig für Bereich von 10 bis 20 km Entfernung von der Quelle). Durch hohe Schornsteine sollten geringe Immissionskonzentrationen infolge weiträumiger Verteilung erreicht werden. Den Trugschluß dieser Politik zeigte die Versauerung von Seen in Skandinavien. Maximale Immissionskonzentrationen. MIK-Werte - als Dauer- (M1KD) oder Kurzzeitbelastung (MIKK) werden von der VDI-Kommission „Reinhaltung der Luft" festgelegt, vor allem auch im Hinblick auf den Schutz von Risikogruppen.
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2.4 Anthropogene Schadstoffe und ihre Wirkungen
Atmosphäre
C. Schadstoffströme bei der Müllverbrennung. Neben der Deponierung (s. auch Kap. 4) stellt die Müllverbrennung das am häufigsten angewendete Abfallbeseitungsverfahren in Deutschland dar. Hierbei treten Schadstoffemissionen und Verbren nungsrückstände auf. Aus 1 t Hausmüll ergeben sich 300 bis 400 kg fester Reststoffe. Zum Teil können sie als SchfacJce im Straßen- und Wegebau verwendet werden, wobei die Anteile an ausiaugbaren Schwermetallen zu beachten sind; meist erfolgt jedoch eine Ablagerung auf Hausmülldeponien. Rückstände aus der Rauchgasentstaubung bzw. -reinigung (2.5) enthalten toxische Stoffe wie Dioxine und Furane sowie auch Schwermetalle und müssen als Sonderabfälle z. B. in einer Untertagedeponie abgelagert werden. Außer den festen Reststoffen entstehen aus 1 t Hausmüll bei der Verbrennung 5000 bis 7000 m3 Rauchgase: Sie enthalten anorganische und organische Schadstoffe und müssen daher gereinigt werden. Spezielle, besonders toxische Problemstoffe stellen polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und polychlorierte Biphenyle (PCB) dar. Sie entstehen in Rauchgasen, falls sie nicht schon im Abfall verhanden sind, bei einer unvollständigen Verbrennung (PAK, Kohlenwasserstoffe C„Hm) und Anwesenheit halogenorganischer Aschebestandteile (PCB, Dioxine/Furane) im Verlauf der Verbrennung, z. B. in der Abkühlphase bei Gastemperaturen zwischen 470 und 270 °C und in der Entstaubungszone. Stäube werden über Elektrofilter (oder auch Gewebefilter) aus den Rauchgasen entfernt. Die anorganischen Gase werden in nachgeschalteten Rauchgaswäschern mittels nasser oder trockener Neutralisationsverfahren (für HC), HF, SO2) sowie mit Katalysatorund H och temperatur- Verfahren für Stickstoffoxide (2.5) weitgehend beseitigt.
54 D. Abfallverbrennung in Deutschland.
1. Abfall- und Schlackenmengen, Etwa ein Drittel der sog. Siedlungsabfälle (Hausmüll) werden in zur Zeit etwa 50 Anlagen verbrannt. Erst seit Beginn der 80er Jahre wurden die bestehenden und neu gebauten Abfallverbrennungsanlagen mit Rauchgasreinigungstechniken nachbzw. ausgerüstet. 2. Rückstände aus der Abgasverunreinigung. Entsprechend stiegen ab 1980 die Rückstände aus der Naßwäsche und Trockensorprion, wobei aufgrund der Anwendung von Trockensorptionsverfahren (2.5) die Mengen an Filterasche abnahmen. 3. Schadstoffemissionen. Aufgrund des Einsatzes von Rauchgasreinigungseinrichtungen ist daher trotz größerer AbfaJlmengen ein deutlicher Rückgang von SO2- und HCl-Emissionen festzustellen. Technische Verbesserungen in der Verbrennungsführung ergaben auch eine Abnahme der CO- und Kohlenwasserstoff-Emissionen (CH), wohingegen die NOs-Emissionen leicht zunahmen bzw. konstant Wieben. Für die Durchführung der Verbrennung von Hausmüll gilt die Abfa 11 verbrennungsVerordnung (17. Verordnung zur Durchführung des BImSchG: Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe, 17. BImSch). Hiernach gilt z. B. eine Mindesttemperatur van 850 "C. Außerdem werden durch die Technische Anleitung (TA) Luft bzw. 17. BlmSchV (1990) Emissionsgrenzwerte festgelegt wie z.B. für den Staubanteil (10 mg/m3), Schwefeloxide und CO (50 mg/m3), NO, (200 mg/m3 als NO2), HCl (lOmg/nV*), anorganische Fluor-Verbindungen (1 mg/m3) und Dioxine/Furane mit 0,1 ng/m3 in der Summe. Spezielle staubförmige anorganische Stoffe (Metalle) werden in Massen zusammengefaßt: z. B. Tl + Cd + Hg mit 0,2 bzw. Cd + Tl mit 0.05 und Hg allein mit 0,05 mg/m3 in der Klasse 1.
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2.4 Anthropogene Schadstoffe und ihre Wirkungen
Atmosphäre E. Säurebildung aus NOX und SO2. So-
wohl aus natürlichen als auch aus anthropogenen Quellen gelangen sauer reagierende Gase wie SO2 und NO/NO2 in die Atmosphäre. Der anthropogen bedingte Anteil beim SO2 ist >50%, der bei den Stickstoffoxiden >30% (s. auch in 1.3 u. 1.4), In der Troposphäre finden Umwandlungen dieser Case statt, die zu Niederschlagswasser mit extrem niedrigen pHWerten bis zu 2 führen können. Schwefeldioxid kann sowohl in der Gasphase als auch in der Flüssigphase (d. h. in Wolkentropfen) zur Schwefelsäure oxidiert werden. Bei den Mechanismen spielen das Ozon, OH-Radikale und H2ö2 (s. dazu auch 2.2 E.-G.) eine wichtige Rolle. Das Schwefeldioxid wird in der Flüssigphase zunächst zur schwefligen Säure hydrolysiert, bevor In mehreren Schritten die Oxidation abläuft. Die anthropogen bedingten S02-Emissionen werden auf 200 Mio. t/Jahr geschätzt. Geht man von einer mittleren Niederschlags menge von 600 mm/Jahr aus, so entspricht ein durchschnittlicher pH-Wert von 4,2 einer Säuredeposition pro Jahr von 1,8 g/m2 an H2SO4 bzw. 2,3 g an HNO:,. Die Oxidation von Stickstoffmonoxid erfolgt (2.2 E.) durch Ozon und 4O2-Radikale zunächst zum Stickstoffdioxid und dann unter der Mitwirkung von Stoßpartnern M durch OH-Radikale zur Salpetersäure. Beide Säuren dissoziieren in wäßriger Phase dann weitgehend in ihre Anionen Nitrat bzw. Sulfat und Wasserstoff-Ionen (Hydronium-Ionen), deren Konzentration den pH-Wert ergibt. Als „saurer Regen" oder besser „saurer Niederschlag" werden alle Niederschläge (Tau, Nebel, Regen) bezeichnet, deren pH-Wert unter dem von reinem Wasser liegt, das sich im Gleichgewicht mit CO2 (pH etwa 5,6) befindet. Als Auswirkungen saurer Niederschläge insgesamt sind Schäden an Gebäuden, steinernen Kulturdenkmälern. Korrosionen metallischer Gegenstände und vor allem ein erhöhter Säureneintrag
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in Gewässer und auf Boden mit anschließender Versauerung infolge abnehmender Puffemngswirkung zu nennen. F. Luftverschmutzungen als Streßfaktoren des Ökosystems Wald. Seit Ende der 7Oev Jahre werden flächenmäßig zunehmende Schädigungen von Nadel- und Laubbäumen im Rahmen der Waldschadensforschung untersucht. Zu den Ursachen von Waldschäden gehören neben dem Klima, Schadorganismen und den Eingriffen der Waldwirtschaft vor allem Immissionen - saure Immissionen, Photooxidantien, Schwermetalle in Stäuben u. ä. mehr. In Gebieten mit dichtem Straßenverkehr und hoher UV-Einstrahlung sind Ozon, Stickstofffoxide und Kohlenwasserstoffe zu nennen. Im sog. photochemischen Smog treten Oxidantien wie Peroxiacetylnitrat PAN, Peroxibenzoylnitrat PBN, Dialkylperoxide u. a. Stoffe auf. PAN-Konzentrationen ab 0,02 ppm schädigen die Vegetation schon innerhalb weniger Stunden infolge der Oxidation oder Acetylierung von SH-Gruppen in Enzymen. Folgen des Säureneintrags in Waldböden sind die Freisetzung von Aluminium-Ionen aus den natürlichen Silicaten, die das Feinwurzelsystem schädigen können, toxisch wirkenden Scrvwevmetallen als pflanzenverfügbare Metall-Ionen und damit verbunden auch Strukturveränderungen in den Böden infolge der Zerstörung wichtiger Bodenkolloide. Weiterhin werden symbiotisch wichtige Pilze und Bakterien im Ökosystem Wald ebenfalls geschädigt. Von einem Waldsterben wird dann gesprochen, wenn großflächige Baumschädigungen auftreten - z. B. durch Rauchgase im Riesen- und Erzgebirge oder in den Tropen aufgrund großflächiger Rohstoffgewinnung (Brandrodungen).
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2.4 Anthropogene Schadstoffe und ihre Wirkungen
Atmosphäre
C. Abscheidung von Feinstäuben im menschlichen Atemtrakt. Für eine Reihe von chemischen Stoffen werden in den MAK-Listen (maximale ArbeitsplatzKonzentration) Grenzwerte in Form von Stäuben angegeben (z. B. für Metalle oder auch für Pestizide). Die Definition der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG lautet: „Stäube sind disperse Verteilungen fester Stoffe in Gasen, entstanden durch mechanische Prozesse oder durch Aufwirbelung. Stäube gehören zusammen mit Rauchen und Nebeln zu den Aerosolen." Partikelförmige Luftverunreinigungen werden in drei Bereiche unterschieden: Grobstaub (10-200 µm), der technisch leicht zu beseitigen und gesundheitlich kaum relevant ist, Feinstaub (1-10 µ^i), technisch mit abnehmender Teilchengröße immer schwieriger und aufwendiger abzutrennen und ab 10 µm lungengängig, sowie Aerosole 1 µm (= 10" 4 cm), auch als Feinstaub bezeichnet. Feinstaub und Aerosole bilden zusammen den sog. Schwebstaub, der gesundheitlich relevant ist. Unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten werden Stäube, die in den Atembereich eindringen können („total deponierter Staub"), nochmals aufgeteilt - in den „Nasen-Rachen-KehlkopfStaub", den „Tracheo-Bronchial-Staub" und den „Alveolarstaub". Größere Teilchen werden bereits im Bereich Nase, Rachen, Kehlkopf abgelagert, kleinere Teilchen dringen bis tief in die Lunge vor. Die ersten beiden Arten von Stäuben können aufgrund der Reinigungsmechanismen des Atemtraktes (Bewegung der Cilien Flimmerhaare; Schleimbildung) wieder entfernt bzw. mit dem Schleim in den Verdauungstrakt gelangen. Die größten toxikologischen Wirkungen gehen von Ruß (aus ungefilterten Dieselabgasen), PAK (als unverbrannte Kohlenwasserstoffe in Kfz-Abgasen), von an Partikel adsorbierten Säuren und von Schwermetall-
58 stäuben (wie Pb, Zn, Cd) aus. Auch für den Bereich der Immission sind nach der TA Luft für Schwebstaub (ohne Berücksichtigung der Staubinhaltsstoffe) Grenzwerte mit 0,15 bzw. 0,30 mg/m3 (langbzw. kurzfristig) festgelegt. H. Angriffsorte im Atemtrakt in Abhängigkeit von der Wasserlöslichkeit Für die Wirkung von Schadstoffen in der Atem- bzw. Umgebungsluft ist deren Wasserlöslichkeit von entscheidender Bedeutung: Seht gut in Wasser lösliche Stoffe wirken schädigend auf Auge, Kehlkopf und Luftröhre, sie werden andererseits aber auch vom Schleim in Nase und Rachen abgefangen - es kommt zu einer Reizreaktion (irritierende Reaktion mit Husten oder Niesen). Weniger wasserlösliche Stoffe können bis in das Bronchialgeäst vordringen, sie wirken weniger irritierend - wegen der hier geringeren Anzahl an Nervenrezeptoren und dünneren Schleimschicht. Hydrophile Stoffe dringen bis in die Lungenbläschen vor (dazu gehören das Phosgen COC12, Ozon, auch CdO als Feinstaub) und führen zu Lungengewebsveränd erungen. I. Wirkungen von CO im Blut. Der MAK-
Wert für Kohlen stoffmonoxid beträgt 30 ml/m3 (ppm) bzw. 33 mg/m3-! ppm entspricht bei 20 °C und 1,013 bar 1,165 mg/m3. Im Straßenverkehr können bis zu 50 ppm auftreten, in Staus sogar bis 140 ppm. Durch die Aufnahme von CO in das Blut wird das für den SauerstoffTransport zuständige Hämoglobin (Hb, durch eingeatmeten Sauerstoff als Oxyhämoglobin HbO2) in das Carboxyhämoglobin COHb umgewandelt (CO hat eine 300 mal größere Affinität zum Hb als O2). Durch 74 ppm CO in der Atmosphäre werden 10% des Hb im Blut für den Sauerstoff-Transport blockiert. Das Bild zeigt die Zusammenhänge zwischen COHbGehalt, der Zeit des Einwirkens von CO und körperlicher Aktivität für unterschiedliche CO-Cehalte in der Atemluft.
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2.4 Anthropogene Schadstoffe und ihre Wirkungen
Atmosphäre
K. Schadstoff quellen in Wohn- und Arbeitsräumen. Unter dem Begriff Irnienraumbelastung werden im Unterschied zur Arbeitsplatzbelastung nicht gewerblich bedingte Emissionen in Innenräumen (Wohn- und auch Arbeitsräumen) verstanden. Die Luftqualität in Innenräumen unterliegt jedoch nicht den Normen (mit Rieht- und Grenzwerten) des Umweltrechtes, sondern dem Gesundheitsrecht. Quellen für Schadstoffe in Innenräumen sind allgemein Baumaterialien, Möbef, Fußbodenbeläge, Raumpflegeprodukte wie Sprays, Reinigungs-und Pflegemittel, Konservierungs- und Desinfektionsmittel, Ausdünstungen aus Zimmerpflanzen und auch das Rauchen. In Abhängigkeit von den physikalischen und chemischen Eigenschaften, insbesondere Dampfdruck und Löslichkeit, können Stoffe sich verflüchtigen und über die Atemwege bzw. die Haut in den Körper aufgenommen werden. Weniger flüchtige Stoffe mit hoher Persistenz können in Materialien der Wohn- und Arbeitsräume zu einer chronischen Exposition beitragen. Als Qualitätsstandards für Innenraumbelastungen wurden z. B. vom Bundesgesundheitsamt MRK-Werte (maximale Raumluftkonzentrationen) für einige HolzschutzmittelWirkstoffe (Formaldehyd, Pentachlorphenol) für Styrol/Toluol/Xylol, TetrachJorethen, Trichlorethen und Dichlormethan sowie für einige Fungizide wie Dichlorfluanid (als Pentochlorphenol-Ersatzstoff) u. a. empfohlen. Auch die WHO hat für Innenräume anwendbare Luftqualitätsleitlinien herausgegeben. Im Bild sind weitere Schadstoffe mit ihren Quellen eingezeichnet, die sich nicht nur auf flüchtige Stoffe beziehen: Asbest, zur Verstärkung in Kunststoffen und zur Dämmung (Brand-, Lärm-, Hitze und Feuchtigkeit) verwendet, weist bei der Inhalation von Feinstaub (G.) fibrogene bzw. krebserzeugende Effekte auf (Asbestose bzw. Lungenkrebs). Formaldehyd
60 kommt in Spanplatten, in Harzen (Harnstoff-Formaldebyd-Harzen}, Holzleimen und Lacken vor. Als wichtigste Einatmungsquellen sind Möbel, Verkleidungen, Bodenbeläge, leichte Zwischenwände aber auch Tabakrauch und Textilien zu nennen. Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen und allergische Reaktionen können die Folgen ständigen Kontaktes sein. Isocyanate werden in der Produktion von Polyurethan-Schäumen, Fußbodenkleber sowie als Bindemittel für Spanplatten eingesetzt. Aus Fußbodenbeschichtungen sind sie noch wochenlang in der Innenraumluft nachweisbar. Schleimhautreizungen der Augen und der oberen Atemwege, Schädigungen der Lungenbläschen bis zur Entwicklung eines Isocyanat-Asthmas können die Folge sein. Lösungsmittel werden verbreitet als Hilfsmittel in der Produktion von z. B. Klebstoffen, Textilien, Lacken, Kunstleder und Materialien des Haushalts verwendet. Besonders gesundheitsgefährlich sind chlorierte Kohlenwasserstoffe. Pestizide werden z. B, als Fungizide (s. o.) eingesetzt. Ozon mit seinem typischen leichtstechenden Geruch als Reizgas stammt aus Photokopierern und Laserdruckern, Stickstoffoxide aus Verbrennungsanlagen (D.), Phenole aus Kunstharzen (Schleimhautreizungen, Leber- und Nierenschäden sowie Blutveränderungen), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aus Tabakrauch, Autoabgasen, aus unvollständiger Verbrennung, auch beim Grillen von Fleischprodukten sind krebserzeugend. Polychlorierte Biphenyle aus Dichtungsmassen, PVC-Fußbodenbelägen (Speicherung im Fettgewebe) - können Leberschäden verursachen). Radon als radioaktives Edelgas kommt aus Gesteinen im Erdboden und aus Baumaterialien.
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2.4 Anthropogene Schadstoffe und ihre Wirkungen
Atmosphäre A. Technologien der Abluftreinigung.
1. Staub- und Aerosolabscheider. Das Trennprizip von Entstaubungsverfahren besteht in der Einwirkung äußerer Kräfte, durch welche eine Relativbewegung der dispergierten Partikeln gegenüber dem Trägergas erreicht wird. Teilchen mit Durchmesser >10 µm gelangen auf diese Weise unter Ausnutzung von Schwer- und Trägheitskraft in Zonen, in denen sie von der Gasströmung nicht mehr erfaßt bzw. weitertransportiert werden. Massenkmftabscheider beinhalten Techniken, in denen durch massenproportionale Feldkräfte (Schwer-, Trägheits- und Zentrifugalkraft) eine Trennung der Partikel vom Gasstrom erfolgt. Die beste Abscheideleistung in diesem Bereich wird durch Fliehkraftabscheider, einem Zyklon, erzielt: Dem zylindrischen Behälter (mit konischem Unterteil) wird das Gas tangential zugeführt. Es bildet sich eine Wirbelströmung, die Teilchen werden an die Behälterwand geschleudert und laufen dort in Form von Feststoffsträhnen spiralförmig nach unten. Das gereinigte Gas strömt radial von außen nach innen und tritt nach oben hin aus. Höhere Abscheidegrade, unabhängig von der Feinheit des Staubes, lassen sich mit filternden Abscheidern erreichen, wobei das Filtermedium aus Faserschichten (Tuchfilter) oder aus körnigen Schichten bestehen kann. In Etektrofiltern (elektrischen Abscheidern) erfolgt der Abscheidevorgang in vier Teilschritten: 1. Aufladung der Teilchen im elektrischen Feld, 2. Transport der aufgeladenen Teilchen zur Niederschlagselektrode, 3. Anhaftung sowie Schichtbildung und 4. schließlich Entfernung der Staubschicht. Haupteinsatzgebiete sind die Rauchgasentsr.aubung in Kraftwerken, im Eisenhüttenwesen, der chemischen und der Zementindustrie. Die naßarbeitenden Abscheider (Naßwäscher) bringen die im Gasstrom dispergierten Partikel mit einer Wasch-
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flüssigkeit in Kontakt und trennen das entstandene Staub-Flüssigkeits-Gemisch vom Gas ab. Sie werden vor allem dann eingesetzt, wenn klebrige oder leicht entzündliche Stäube zu entfernen sind. Die älteste ßauform stellen Waschtürme dar. Strahiwäscher arbeiten nach dem Prinzip der Wasserstrahlpumpe. Beim Rotationswäscher strömt das zu reinigende Gas von unten in den zylindrischen Behälter. Über schnelldrehende Zerstäuberscheiben wird in der Waschzone ein dichter Tropfenschierer erzeugt, wobei sich die Staubpartikel an die Flüssigkeitstropfen anlagern und mit diesen nach außen an die Gefäßwand geschleudert werden. Der als Hochleistungswäscher am häufigsten eingesetzte Venturiwäscher mit Venturirohr, aus dem infolge der hohen Scherwirkung der Gasströmung feinste Tröpfen austreten, ist zur Abtrennung von Partikeln mit 0,05 bis 0,2 jjm Durchmesser geeignet. Das hohe Abscheidevermögen ist auf die hohe Gasbeschleunigung im engsten Querschnitt (der Kehle) und die so verursachte hohe Relativgesciiwindigkeit zwischen Staubteilchen und Tröpfchen zurückzuführen (nach Bank 1994). 2. Gasabscheider. Die Abscheidung dampf- und gasförmiger Schadstoffe kann über Vorgänge der Absorption oder Adsorption erfolgen: Für die Rauchgasentschwefelung wird eine Ca(0H)2-Lösung (B.-D.) verwendet. Zur Entfernung von Geruchsstoffen kann Aktivkohle als Adsorbens oder auch ein biologisches Sorptionsverfahren (Biowäsche) eingesetzt werden, bei dem durch Mikroorganismen ein Abbau geruchsintensivev Stoffe erfolgt (I.). Thermische Nachverbrennungsverfahren werden zur Eliminierung organischer Stoffe (Kohlenwasserstoffe, Amine u. a.), die katalytische Nachverbrenmmg z. B. zur Reinigung von Autoabgasen eingesetzt (F.).
2.5 Prinzipien der Luftreinhaltung
Atmosphäre B. Vergleich verschiedener Staubabscheidungssysteme. Die Abscheideleistung eines jeden Staubabscheiders ist von der Partikelgröße abhängig. Zur Darstellung der Leistungsfähigkeiten im Vergleich wird daher der Fraktionsabscheidungsgrad T{xp) als Quotient aus der abgeschiedenen Menge einer bestimmten Teilchengrößenfraktion und der Menge derselben Fraktion im sog. Aufgabegut herangezogen. Die so ermittelten Abscheidecharakteristiken für die unterschiedlichen Entstaubungssyteme unterscheiden sich vor allem im Feinstaubbereich. Eine hohe Abscheideleistung für Partikel unter 5 um weisen nur filternde oder elektrische Abscheider auf. C. Thermischer Abbau organischer Stoffe. In einem idealen Rohrreaktor, in dem über die Rohrlänge keine Durchmischung stattfindet und alle Moleküle aufgrund eines vorausgesetzten Kolbenströmungsprofils dieselbe Verweilzeit besitzen, lassen sich Aussagen über den Abbau (thermische Zersetzung, u. a. die Oxidation) organischer Stoffe in Luft im Vergleich zum CO bei 750 °C (CO + -OH -» CO2 + H-) und in Abhängigkeit von der Verweilzeit machen: Eine große Zahl organischer Stoffe wie aliphatische, aromatische und chlorierte aliphatische Kohlenwasserstoffe sowie auch polychlorierte Biphenyle PCB werden schneller als CO thermisch abgebaut. Eine wesentlich langsamere Abbaukinetik weisen dagegen Problemstoffe wie Chlorbenzol(-en) Cß, Tetrachlorbenzol TCB, Hexachlorbenzol HCB und vor allem auch Tetrachlordibenzodioxine (s. auch D.) auf. D. Bildung und thermischer Abbau chlorierter Dibenzodioxine und -furane. Im Hinblick auf die Herkunftspfade für das Auftreten polychlorierter Dibenzodioxine PCDD und -furane PCDF ist zunächst einmal der Brennstoff selbst zu nennen, wobei diese Stoffe bei der Ver-
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brennung im Brennraum kaum zersetzt werden (s. unter C) Zweitens können PCDD und PCDF im Brennstoff und/oder in den Verbrennungsgasen aus chlorierten Kohlenwasserstoffen neu gebildet werden. Diese „Vorprodukte" werden allgemein Precwrsorengenannt. Zu ihnen gehören chlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe wie Chlorbenzol, mehrfach chlorierte Benzol- sowie Phenol-Derivate und polychlorierte Biphenyle. Drittens können Dioxine auch aus nichtchlorierten Kohlenwasserstoffen und anorganischen Chlor-Verbindungen gebildet werden. Die Bildung von PCDD und PCDF aus Chlorbenzol, -phenol oder -phenoxysäuren beginnt bereits bei 500 °C, für PCB liegt sie um 100°C höher (1.). Die an zweiter Stelle genannte Bildung spielt bei homogenen Gasphasenreaktionen die wichtigste Rolle. Die experimentell ermittelten Temperaturbereiche sind für einen Sauerstoff-Überschuß gültig. Sie zeigen, daß vor allem im Temperaturbereich der Nachverbrennungszone die Schadstoffbildung bevorzugt abläuft. Die genannten Precursoren sollten daher möglichst schon in den heißen Zonen des Brennraumes vollständig zerstört werden (C). Bei einer Luftzahl von X = l (2.4 D.) und einer Verweilzeit von 2 s werden PCB oberhalb von 800 °C zunehmend abgebaut (2.), wobei die Bildung hier von PCDF bei 900 °C ein Maximum aufweist. Aus den Abbaukurven für 1,2,3,4-TCDD geht hervor (3.), daß die Abbaukinetik des TCDD erst oberhalb von 800 °C beschleunigt wird. Sie ist vor allem von der Temperatur und in wesentlich geringerem Maße von dem Sauerstoffpartialdruck abhängig. Um die Bildung bzw. Emission von Dioxinen und Furanen zu vermeiden, fordert die TA Luft Mindesttemperaturen von 1200 °C und 6% O2 im Abgas.
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2.5 Prinzipien der Luftreinhaltung
Atmosphäre E. Kombinationsverfahren zur Abgas-
reinigung. Kombinationen von Abgasreinigungsverfahren (A.) verfolgen das Ziel, möglichst viele der aus Verbrennungsanlagen emittierbaren Schadstoffe zurückzuhalten: z. ß. Stäube, organische Stoffe, Schwermetalle und die sauren Gase HCl, SO2 sowie NOX - wie sie in Müllverbrennungsanlagen auftreten können. Wesentliche Aspekte einer solchen Technologie sind: Im Sprühabsorber, der auf dem Verfahren der Sprühtrocknung beruht, wird eine alkalische Waschlösung meist Ca(OH)2 - in einen Waschturm eingesprüht und kommt dort mit heißen Abgasen (120-160°C) in Berührung. Die Wärmeenergie wird auf die Tropfen übertragen, so daß hier eine Trocknung aufgrund der Wasserverdampfung im Casstrom erfolgt. SO2, HCl und HF reagieren mit dem Calcium hydroxid, danach erfolgt die Abscheidung der trockenen Endprodukte im Sprühabsorber sowie in einem nach geschalteten Partikelabscheider - hier ein Elektrofilter (1) Durch eine weitestgehende Feinstaubabscheidung (B.) bei möglichst niedrigen Betriebstemperaturen kann eine effektive Dioxin-Abtrennung (C. u, D.) erreicht werden, die durch die Adsorption an Aktivkohle nochmals verbessert wird. Sprühabsorber und Elektrofilter sind in einem dritten Schritt mit Aktivkohlereaktoren zur Adsorption von flüchtigen Schwermetallanteilen, Kohlenwasserstoffen und anderen organischen Stoffen sowie restlichem S02 und HCl verbunden. Auch Stickoxide können durch Zufuhr von Ammoniak entfernt werden (katalytische Wirkung des Aktivkokses: 6 NO + 4 NH3 Æ 5 N2 + 6 H2O; 2 NO2 + C Æ 2 CO2 + N2). F. Katalytische NO^-Reduktion. Trok-
kenverfahren zur Abgasentstkkung beruhen überwiegend auf der Umsetzung des in Wasser schlecht löslichen Stickstoffmonoxids mit Ammoniak zu molekularem Stickstoff und Wasserdampf. Als
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unerwünschte Reaktion tritt dabei die Oxidation des Ammoniaks mit Sauerstoff auf: 4 NH3 + O2 Æ 2 N2 + 6 H2O. Mit Hilfe eines Katalysators ist es möglich, die Reaktionstemperatur von um 900 auf 180 bis 450 °C bei einem geringen NH3-Überschuß zu verringern. C. Entschwefelungsverfahren. Die Eliminierung von SO2 aus Verbrennungsund Rauchgasen erfolgt sowohl bei niedrigen Temperaturen (z. B. in Kraftwerken nach dem Kessel) als auch bei hohen Temperaturen direkt nach der Verbrennung (bei 800-1100"C). Für die Entschwefelung im Rauchgas (2.) werden Trockenverfahren [Additive Ca(OH)2, CaCO3 oder Aktivkoks], Halbtrockenverfahren mit calcium- und Naßverfahren mit calcium- und natriumhydroxidhaltigen Additiven eingesetzt. In einem nachfolgenden Schritt werden die Reaktionsprodukte Gips (REA-Gips; REA - RauchgasEntschwefelungs-Anlage) oder auch Schwefelsäure als Wertstoffe gewonnen. Ein zweiter Weg beinhaltet den Einsatz calicumhaltiger Additive direkt in der Feuerung (1). Bei den dort vorherrschenden hohen Temperaturen findet zunächst eine Zersetzung in CaO und H2O (aus Calciumhydroxid) bzw. CaO und CO2 (aus Calciumcarbonat) statt. Bei Partialdrükken von p(H2O) - 0,2 und p(CO2) = 0,1 ergeben sich Zersetzungstemperaturen von 450 [Ca(OH)2] bzw. 750 °C (CaCO3). Im Verbrennungsgas erfolgt dann die Umsetzung CaO + SO2 + 1/2 O2 Æ CaS04. Dabei darf das Temperaturniveau nicht zu hoch liegen, da sich sonst das Gleichgewicht auf die linke Seite verschiebt (bei 1100 °C und 6% O2 im Verbrennungsgas: Gleichgewichtskonzentration von S02 etwa 100 ppm). Kinetik und Temperaturfenster in Abhängigkeit der jeweiligen caiciumhaltigen Additive spielen bei diesen Vorgängen eine wichtige Rolle.
Atmosphäre H. Simultanverfahren zur Abgasentschwefelung und -entstickung. Ein von
der Bergbauforschung in Essen entwikkeltes Verfahren arbeitet auf der Grundlage von Aktivkoks in zwei Stufen: Zunächst wird Schwefeldioxid nach der Entstaubung des Abgases im ersten Adsorber an Aktivkoks adsorptiv gebunden, bei Temperaturen von 80 bis 150°C in Schwefelsäure umgewandelt (SO2 + 1/2 O2 + H2O -* H3SO4) und im Porensystem vom Aktivkoks gespeichert. Der SO2-Abscheidungsgrad liegt hier bei über 85%. Danach wird dem Abgas Ammoniak zugemischt und der zweiten Stufe zugeführt. Hier laufen die unter E. beschriebenen katalytischen Vorgänge ab, wobei eine NCVReduktion zu molekularem Stickstoff erfolgt. Zusätzlich erfolgt eine Umsetzung des restlichen Schwefeldioxids: SO2 + 2 NH3 + H2O + 1/2 O2 Æ (NH4)2SO4. Der beladene Aktivkoks kann thermisch bei Temperaturen oberhalb von 300 °C regeneriert werden, wodurch infolge der Reaktion mit Kohlenstoff mit SO2 angereichertes Gas zur Weiterverarbeitung (zu Schwefelsäure oder flüssigem SO2) entsteht. Die erste großtechnische Anlage dieser Art wurde 1987 im Braunkohlenkraftwerk Arzberg bei Bayreuth in Betrieb genommen. I. Adsorptionsanlage zur Lösungsmittelrückgewinnung. Die dargestellte Anlage beinhaltet vier Teilschritte: Adsorption, Desorption, Trocknung und Kühlung. Ein oder mehrere Adsorber (mit kohlenstoffhaltigem Material) werden von unten nach oben von der lösungsmittelhalttgen Abluft durchströmt - bis zum Durchbruch der dampfförmigen Lösungsmittel, Die Desorption (und damit Regenerierung der Adsorbentien) erfolgt meist mit Wasserdampf bei 120 bis 140 "C (von oben nach unten). Das nach der Verflüssigung in einem Kondensator vorliegende Gemisch aus Wasser und Lö-
68 sungsmittel kann bei'wasserunlöslichen Lösungsmitteln in einem Phasenseparator wieder getrennt werden. Die mit Wasser beladene Aktivkohle wird meisten mit Prozeßgas getrocknet und damit auch auf Adsorptionstemperatur gekühlt. Eine Anlage der beschriebenen Art besteht somit immer aus mehreren Adsorbern zum Beladen und mindestens einem Adsorber zum Regenerieren. Anstelle eines Festbettverfahrens sind auch kontinuierlich arbeitende Verfahren mit der Adsorption in mehrstufigen Wirbelschichten einsetzbar. J. Aufbau einer biologischen Gaswäsche. Biowä'scher können als Belebtschlamm- oder Tropfkörperverfahren betrieben werden (s. Kap. 3.5, B.). Im dargestellten Verfahren werden zwei Waschapparate im Gegenstrom zum Rohgas von einem Belebtschlammwassergemisch durchströmt. Bei diesem Verfahren sind die Mikroorganismen (A.) im Wasser frei beweglich. Je nach Zusammensetzung des zu reinigenden Abgases kann es notwendig sein, den einen Wäscher alkalisch (pH 7-9) und den anderen sauer (pH 4-7) zu betreiben. Im Absetzbehälter erfolgt die Regeneration der mit Schadstoffen beladenen Waschflüssigkeit. Die drei Grundvorgänge einer biologischen Gaswäsche sind: Stoffübergang, chemische Neutralisation und biologischer Abbau von meist geruchsaktiven Stoffen wie Aldehyden und Ketonen, Aminen, niederen Fettsäuren, aromatischen und schwefelhaltigen Verbindungen. Für eine optimale Wirkung der Mikroorganismen sind Zusätze an Nährlösungen (Phosphat-Stickstoff-Verbindungen), die Einhaltung von bestimmten pHBedingungen und Sauerstoff-Gehalten erforderlich. Biofilteranlagen mit Erdfiltern aJs Träger für die Mikroorganismen sind in Kläranlagen und Tierkörperverwertungsanlagen im Einsatz.
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2.5 Prinzipien der Luftreinhaltung
Atmosphäre K. Autoabgase und deren Reinigung.
/. Einflußparameter der Abgaszusammensetzung. Infolge der kurzen Reaktionszeiten (10 ms - Leerlauf bis < 1 ms bei maximaler Drehzahl) sind in den Abgasen aus Otto- und Dieselmotoren außer CO2 und CO auch unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Stickstoffoxide, Partikel (Dieselmotor), Blei- (Ottomotoren) und Schwefel-Verbindungen {vor allem beim Dieselmotor) enthalten. Beeinflußt wird die Zusammensetzung der Autoabgase durch eine Reihe von Parametern: Primäre Einflüsse sind der Kraftstoff (und dessen Additive) selbst, Anteil der Verbrennungsluft sowie motorische Parameter (von der Zündanlage bis zur Konstruktion und Betriebsweise des Motors). Unter sekundären Einflußmaßnahmen sind die Möglichkeiten einer Abgasnachbehandlung (4.) zu verstehen. 2. Einfluß der Luftzahl auf die Abgasemissionen. Wie bei allen Verbrennungsvorgängen (2.5 D.) ist auch bei der motorischen Verbrennung die Luft-(verhältnis-)zahl k von besonderer Bedeutung. Im Emissionsminimum bestimmter Stoffe (wie der Kohlenwasserstoffe) tritt für eine andere Komponente (hier NO*) ein Maximum auf, so daß primäre Maßnahmen der Emissionsminderung nur Kompromisse darstellen können. Eine generelle Minderung aller Schadstoffkomponenten ist somit nur durch eine Abgasnachbehandlung zu erreichen. 3. Abgaskomponenten. Sowohl beim Abgas aus Diesel- als auch Ottomotoren treten neben den limitierten Komponenten Kohlenstoffmonoxid, aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe (HC), NOÄ und Partikel weitere nicht limitierte Stoffe wie vor allem Schwefeldioxid, Wasserstoff, Aldehyde und Ketone, auch Amine, Phenole sowie NH3 und HCN in Spuren auf. Bei den Partikeln handelt es sich nicht um reinen Ruß: Angelagert sind Verbindungen wie z. B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
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und MetaLloxide. Die Kraftstoffverbrennung in einem Ottomotor ergibt 99% CO2, H2O, N2 und O2, weiterhin 0,85% CO, 0,8% NO* und 0,5% Kohlenwasserstoffe. Auf ein Fahrkilometer bezogen entstehen etwa 2,5 g NOS je Kfz. Der Kraftfahrzeugverkehr ist der Hauptverursacher für die Schadstoffemissionen NO, und CO (2.4 A.). 4. Die zur Zeit effektivste Schadstoffminderung aus Kraftfahrzeugmotoren besteht im Einsatz eines Abgaskatalysators. CO und Kohlenwasserstoffe lassen sich bereits durch eine thermische Nachoxidation im Auspufftrakt weitgehend entfernen. Für die Beseitigung der NOXEmissionen ist jedoch eine katalytische Nachreinigung erforderlich. Voraussetzung ist bleifreier Kraftstoff, da Blei die Katalysatoroberfläche schädigt bzw. zerstört. Zur Eliminierung der drei Komponenten bzw. Gruppen CO, Kohlenwasserstoffe und NO* wurde der Dreiwegekatalysator entwickelt - als Einbettsystem in der Ausführung als Keramik- oder Metallkatalysator: Auf einem wabenartigen Träger (Keramik oder Metall), der zur Vergrößerung der wirksamen Oberfläche mit einer Zwischenschicht („wash coat" mit aktivitätserhöhenden Stoffen) versehen ist, befindet sich als eigentlicher Katalysator eine Schicht aus Edelmetallen (Platin und Rhodium, ca. 5:1). Zur Umwandlung der Kohlenwasserstoffe und von CO ist Sauerstoff erforderlich, die Beseitigung von NON dagegen muß unter reduzierenden Bedingungen erfolgen. Die dafür günstigste ?.-Zahl liegt zwischen 0,8 und 1,02 (sog. Katalysatorfenster). Mit Hilfe der A.-Sonde wird der Sauerstoff-Gehalt im Abgas kontinuierlich gemessen und die Gemischbildung (1.) danach geregelt. 5. Chemische Reaktionen im Katalysator beinhalten HC-, CO- und NOK-Konvertierungen sowie weitere (restliche) Reaktionen.
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2.5 Prinzipien der Luftreinhaltung
Atmosphäre L Deponiegase und deren schadstoffarme Verbrennung. 1. Zusammensetzung von Deponiegasen (4.6, F). Hausmülldeponien stellen ungesteuerte Biofermenter dar, in denen aerobe und anaerobe Prozesse ablaufen. Endprodukt der für die Mikroroganismen energieliefernden Abbauvorgänge ist das Faul- bzw. Deponiegas. Es besteht zu etwa 55% aus CH4 und bis zu 45% aus CO-2. Außerdem sind im Gemisch noch ca. 2% an geruchsaktiven Spurenstoffen enthalten. In der Stufe II werden die organischen Müllinhaltsstoffe durch eine vielfältige Bakterienflora zu Gärungsprodukten wie H2, CO2. Ameisen- und Essigsäure sowie höheren Fettsäuren abgebaut, aus denen in den Stufen III und IV durch Methan-Bakterien CH4 und CO2 entstehen. 2. Gaschromatogramme. Mit Hilfe der Kapillar-Gas-Chromatographie wurden seit Ende der 70er Jahre zahlreiche Spurenstoffe in Deponiegasen analysiert, die auch aus dem Müll selbst stammen. Zu ihnen gehören halogenierte Kohlenwasserstoffe, Schwefel-Verbindungen, Alkohole, Aldehyde, Ketone sowie Ester der kurzkettigen Fettsäuren. Das obere GasChromatogramm wurde mit einem Elektroneneinfangdetektor ECD erhalten und zeigt selektiv halogen- und schwefelhaltige Verbindungen wie Schwefelwasserstoff, Dichlordifluormethan und Trichlorfluormethan (R 12 und R 11 als Treibgase), Dichlormethan, Chloroform, 1,1,1Trichlorethan und Tetrachlorethan an. Als Detektor für das untere Chromatogramm wurde ein Flammenionisationsdetektor FID verwendet, der alle organischen Verbindungen registriert - darunter Benzol, Toluol, Ethylbenzol, die drei isomeren Xylole, n-Hexan und Cyclohexan. Sie treten in Konzentrationen zwischen 0,02 und 500 mg/m3 auf. Als besonders geruchsintensive Stoffe konnten Methanthiol, Dimethylsulfid, 2-Propanthiol und 2-Butanthiol festgestellt wer-
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den. Insgesamt konnten bisher mehr als 400 Stoffe nachgewiesen, davon etwa 150 bis 200 auch identifiziert werden. 3. Schadstoffarmes Abfackeln von Deponiegas. Wegen des hohen Methan-Gehaltes ist Deponiegas brennbar und weist für 2,3 m3 einen Heizwert auf, der 1 L Heizöl entspricht. Bei geringen Deponiegasmengen steht eine umweltschonende Verbrennung [Abfackeln) ohne Wärmenutzung im Vordergrund des Interesses. Um die thermische NOs-Bildung gering zu halten, sind in gut isolierten Brennkammern mit demzufolge „heißen" Wänden (um 1000eC) hohe Luftüberschußzahlen erforderlich. Daraus ergeben sich entsprechende feuerungstechnische Anforderungen, die eine ausreichende Verweilzeit in der Verbrennungskammer bei Temperaturen unterhalb von 1300 °C ermöglichen. Um geringere Luftmengen und trotzdem hinreichend niedrige Temperaturen im Brennraum zu erreichen, ist eine gezielte Wärmeauskopplung erforderlich. Sie wird durch eine Reduzierung der Wärmedämmung des Brennraumes erreicht. Die sich daraus ergebenden Strömungsführungen für eine schadstoffarme Verbrennung von Deponiegas sind im Bild dargestellt. Zur Nutzung der Energie aus Deponiegasen wird die Verstromung mit Gasmotoren (auf kleineren und mittleren Deponien mit geringer Spurenstoffbelastung) und mit Dampfturbinen oder Dampfmotoren (große Deponien, auch mit höherer Spurenstoffbelastung) eingesetzt. Verfahren der Deponiegasaufbereitung beinhalten eine Entfernung von H2S sowie Chlorfluorkohlenwasserstoffen (mittels Waschund Aktivkohle-Verfahren), und gegebenenfalls eine CH4-Anreicherung durch CO2-Abreicherung (mit Hilfe von Molekularsieben).
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2.5 Prinzipien der Luftreinhaltung
Wasser
A. Der hydrologische Kreislauf. Ozeane, Seen, Flüsse, Grundwasser, Polareis und Gletscher bilden die Hydrosphäre in flüssigem, gasförmigem und festem Zustand. 97,3% des Gesamtwasservorrats auf der Erde, der nur etwa 0,3% der Erdmasse ausmacht, aber 71% der Erdoberfläche bedeckt, befinden sich in den Ozeanen. Der globale Wasserkreislauf kann als eine riesige, von Sonnenenergie gespeiste Destillationsanlage aufgefaßt werden mit einer Kapazität von etwa 420 000 km^ im Jahr, die zu 85% aus den Ozeanen stammt. Die Verdunstung ist dann am höchsten, wenn die Wasseroberfläche warm, die Luft trocken und eine hohe Verteilung des Wasserdampfes durch vertikale Verteilung (hohe Windgeschwindigkeit) erfolgen kann. Die Verdunstung von pflanzenbewachsenen Flächen wird als Evapotrampiration bezeichnet. Als bedeutendste Senke für Wasser in der Atmosphäre ist die Kondensation des Wasserdampfs mit anschließendem Ausregnen zu nennen. Die Verweilzeiten von Wasser betragen in der Atmosphäre etwa 8 bis 10 Tage, in den Ozeanen 1 700 bis 3000Jahre. Wasser spielt als Lösungsmittel eine entscheidende Rolle bei Verwitterungsprozessen (Kap. 4), bei Transportvorgängen im Boden, chemischen Umsetzungen in Flüssen und Meeren. B. Kastenmodell der Gewässerchemie.
Das nulldimensionale Kastenmodell der Gewässerchemie (für die Atmosphäre. Kap. 2.1, B.) veranschaulicht als einfaches Bild viele Charakteristika, die auch in komplizierten Modellen eine entscheidende Rolle spielen. Es macht zwei Wege deutlich, auf denen chemische Stoffe (Spezies) in den Kasten (die Box) gelangen können: als Niederschlag von oben aus der Atmosphäre und über Flüsse, Kanalisationen u. a. Wasserströme (Zufuhr). Das Modell geht davon aus, daß alle chemischen Spezies innerhalb des Kastens,
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das festgelegten Raumes, in dem chemische Umsetzungen betrachtet werden sollen, gut gemischt sind. Der Verlust an chemischen Spezies aus diesem Raum wird durch den flußabwärts gerichteten Pfeil (Abgabe) gekennzeichnet. Die wichtigsten Veränderungen in der Zusammensetzung werden durch Reaktionen zwischen Ionen und Molekülen sowohl in den ankommenden als auch abfließenden Strömen, durch Ablagerungen und durch die Wechselwirkungen zwischen flüssigen und festen Bestandteilen hervorgerufen. Das Modell hat die Aufgabe, Parameter wie lonengleichgewichte, Zustandsumwandlungen von festen zu flüssigen Bestandteilen (und umgekehrt) sowie die Wasser- und Ionenaufnahme kapazität der Böden im Auffangbecken wiederzugeben. C. Volumenmäßige Verteilung des Wassers. 97,3% des auf der Erde insgesamt verfügbaren Wassers befindet sich in den Ozeanen (A.). Gletscher und Polareis weisen einen Anteil von 2,1% auf, gefolgt von den grundwasserführenden Schichten (Aquifere genannt) mit 0,6%. Bei einem Gesamtwasservolumen (bezogen auf den Flüssigkeitszustand) von 400 106km3 weisen Seen und Flüsse bzw. die Bodenfeuchtigkeit insgesamt nur jeweils 0,1 * 106 km3 an Volumen auf. Noch geringer sind die Anteile in der Atmosphäre mit 0,013 bzw. in der Biosphäre mit 0,001 * 105 km3. In der Atmosphäre befindet sich somit nur ein Hunderttausendstel des verfügbaren Wassers der Erde. Beträchtlichen Schwankungen unterliegt die Wassermenge, die als Dampf und in kondensierter Form in der Atmosphäre vorhanden ist. Transport und Verteilung des Wassers auf der Erde sind zwei der wichtigsten Kennzeichnen für das Klima. Der Wasserkreislauf (als hydrologischer Zyklus) wird durch die Sonnenenergie in Gang gehalten.
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3.1 Wasser-Kreislauf derErde
Wasser
D. Quantitativer Wasserhaushalt der Erde. Der Wasserhaushalt insgesamt wird von folgenden Wegen bzw. Arten des Wassertransportes bestimmt: dem Niederschlag [in Form von Nieselregen mit Tropfen von 0,05-0,25 mm Durchmesser, Regen bis 3 mm Tropfenradius, Schnee aus Eissternen und anderen Eiskristallen, Eiskörnern (gefrorenen Regentropfen), Graupeln (1-2,5 mm) und Hagel mit 2,5-25 mm Radius]; der Verdunstung (als Übergang des Wassers aus der flüssigen und festen Phase in die Gasphase unterhalb des Siedepunktes) und des Wasserdampftransportes. Die Erscheinungen der Verdunstung werden differenziert in Evaporation (als Verdunstung aus freien Wasserflächen, benetzten Oberflächen und aus Böden ohne den Einfluß biologischer Vorgänge), Transpiration (als Verdunstung infolge biologischer Vorgänge - Abgabe von Wasser aus den Poren von Pflanzen) und Evapotranspiration (A. - als Gesamtheit der Verdunstung von bewachsenen Flächen, die vor allem im tropischen Regenwald eine lebenswichtige Rolle spielt). Im Jahr werden etwa 40 000 km3 aus den Meeren über die Luft auf die Kontinente transportiert, von denen ein Teil als Grundwasser zurückgehalten wird, der Rest durch die Flüsse in die Ozeane zurückfließt. Von den jährlichen 111 000 km3 Niederschlag auf dem Und stammen zwei Drittel aus der Verdunstung von Wasser aus Süßwasserreservoiren. Hierbei spielt die genannte Evapotranspiration quantitativ eine wesentliche Rolle mit 71000 km3. f. Mittlere Wasserbilanz in Deutschland. Die schematische Darstellung des Wassertransportes und des -Verbrauchs zeigt, daß etwa zwei Drittel des Niederschlagwassers ihren Weg durch den Boden nehmen. Die hier relativ dargestellten Zahlenwerte beziehen sich auf einen durchschnittlichen Niederschlag von
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803 mm im Jahr in Deutschland (West). Etwa die Hälfte des Niederschlags gelangt durch Verdunstung erneut in den Wasserkreislauf. Etwa ein Viertel des im Boden zunächst gespeicherten Wassers trägt nach Versickerung zur Neubildung von Grundwasser bei. Aus dem Grundwasser werden nicht nur Quellen, Bäche und Flüsse gespeist, sondern es wird in Anteilen auch von der Industrie als Brauchwasser, von den Haushalten als Trinkwasser und zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen entnommen. Das vorübergehend gespeicherte Wasser geht den Weg der Verdunstung nicht nur über den bewachsenen Boden (als Evaporation), sondern auch über die Pflanzen (als Transpiration). Diese als unproduktive bzw. produktive Verdunstung bezeichneten Anteile der Evapotranspiration insgesamt stehen etwa im Verhältnis 1:3. In der Bodenkunde wird für die Darstellung des Wasserhaushaltes eine sog. Wasserhaushaltsgleichung verwendet (J.):
N = A + VET + (R – B).
Sie faßt die Niederschlagshöhe N (in mm) als Summe aus Abflußhöhe A (meist Summe des Abflusses eines hydrologisch einheitlichen Abzugsgebietes), Evapotranspiration VET (Gebietsverdunstung) und Vorratsänderung im Boden-, Grundund Oberflächenwasser (R-B) zusammen. Die Vorratsänderung wiederum stellt die Differenz zwischen der Rücklage R (bzw. Vergrößerung des gesamten ober- und unterirdischen Wasservorrates des Einzugsgebietes für eine bestimmte Zeit) und dem Verbrauch ß dar. Im Bild sind diese Größen als mittlerer Niederschlag N, Abfluß ins Meer A, Verdunstung 1%, Speicherung im Grundwasser und vorübergehende Speicherung R und als Verdunstung aus dem Boden ß wiedergegeben.
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3.1 Wasser-Kreislauf der Erde
Wasser
F. Wechselwirkungen zwischen Wasser und Land. Die Ökochemie im Umweltkompartiment Wasser verwendet Methoden und Erkenntnisse der Hydrologie und der Physik (A.-E), der Chemie und der Biologie. Das Übersichts- und Fließschema verdeutlicht einerseits die Bedeutung dieser Fachgebiete und stellt andererseits Stoff-Flüsse und einzelne wichtige Teilgebiete im Zusammenhang mit den gegenseitigen Beeinflussungen zwischen Wasser und Boden dar. Der Anteil der Hydrologie wurde bereits unter A. bis E. behandelt. Als wichtige Aspekte der Physik sind der Energieeintrag (bestimmend für die Vorgänge der Verdunstung, aber auch für die Geschwindigkeit der Stoff-Kreisläufe), die Erosionsrate, die Einflüsse der Temperatur, die Sedimentationsrate und die Verlandung zu nennen. Die Erosion als natürlicher Bodenabtrag, d. h. Abtransport von Bodenpartikeln (Kap. 4) an der Landoberfläche durch Wasser- oder Windeinwirkung steigt mit der Strömungsgeschwindigkeit und sinkt mit der Größe der transportierten Partikel und deren Bindungsstärke im Boden. Durch Sedimentation entstehen lockere Bodenschichten in einem stehenden Gewässer, die eine wichtige Rolle in deren Stoff-Kreislauf spielen. Durch Sedimentation von vor allem organogenem Material (als Schlamm oder Torf) können stehende oder langsam fließende Gewässer schließlich vom Ufer aus zuwachsen (Vorgang der Verlandung). Die Chemie der Gewässer wird von den Stoffkreisläufen und von Gleichgewichten zwischen Boden und Wasser bestimmt. Wesentliche Faktoren sind pH-Änderungen, Stoffumwandlungen wie die des Stickstoff-Kreislaufes (Kap. 1.3), Vorgänge der Humusbildung (Kap. 4), der Auswaschbarkeit (oft damit verbundene Remobilisierung) von Stoffen aus der Festphase und allgemein die Vorgänge einer chemischen Verwitterung. Im Gegensatz zu einer physikalischen Verwitterung, die eine mechani-
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sche Zerlegung von Gesteinen beinhaltet (thermisch, durch Frost, auch durch Salz), faßt die chemische Verwitterung vier unterschiedliche Vorgänge zusammen. Die Lösungsverwitterung als chemische Verwitterung ganz allgemein infolge Umsetzung von Gesteinen mit Wasser aber auch CO2,02, S03 oder NO*, die hydrolytische Verwitterung (am weitesten verbreitete Art der chemischen Verwitterung) als Mineralzersetzung durch Hydrolyse (vor allem bei Salzen schwacher Säuren, Carbonaten, auch Silicaten), die Oxidationsverwitterung unter wesentlicher Mitwirkung von Sauerstoff neben der Hydratation und Hydrolyse (bei Eisenund Mangan-Carbonaten) und die Verwitterung durch Komplexbildung: Hier tragen die durch Zersetzung von Biomasse oder die als Pflanzenexudate entstandenen organischen Säuren (Essig-, Citronen- oder Fulvosäuren - s. unter Huminstoffe in Kap. 4) zur chemischen Gesteinsverwitterung und vor allem zu Mobilisierung von Schwermetallen bei. Die Chemie des Gewässers bestimmt schließlich auch deren Biologie. Hohe Nährstoffangebote steigern die Nettoproduktivität von Organismen. Es können Monokulturen (von z. B. speziellen Algen) entstehen. Bioreguiationsvorgänge bestimmen die Ökologie eines Gewässers, zu der auch die Nischen (als ein von ökologischen Faktoren wie Raum, Zeit, Nahrung und Temperatur bestimmtes Gebilde für eine bestimmte Art) gehören. Der ökologische Regelkreis schließt physikalische und chemische Faktoren als wesentliche Stör- und Regelgrößen ein. Die Eutrophierung schließlich ist ein Ergebnis der anthropogen bedingten Erhöhung des Nährstoffangebotes in Gewässern, gefolgt von einer Erhöhung der Produktivität, die eine Sauerstoff-Zehrung im Gewässer zur Folge hat.
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3.1 Wasser-Kreislauf derErde
Wasser
C. Nahrungsnetz und Stoff-Kreislauf in Gewässern. Die Ökologie unterscheidet zwischen allgemeinen Stoff-Kreisläufen (Kap. 1), Nahrungsketten, -netzen und -Pyramiden und trophischen (Ernährungs-)Strukturen. Eine Nahrungskette beinhaltet eine Reihe von Organismen, die aufgrund der Ernährung kettenartig voneinander abhängig sind. Als Nahrungsnetz wird das komplexe Gefüge verflochtener Nahrungsbeziehungen in einer Biozönose bezeichnet. In einem Gewässer ist eine Nahrungskette wesentlich vom Nährstoffangebot beeinflußt, d. h. von den gelösten anorganischen und organischen Stoffen. Am Anfang der Nahrungskette in einem Gewässer stehen die Pflanzen/Bakterien und vor allem das Phytoplankton (in der Nahrungskette rechts). Sie gewinnen als Produzenten (autotrophe Organismen) die zum Wachstum erforderliche Energie aus dem Sonnenlicht (mittels Photosynthese: grüne Pflanzen) oder mittels chemischer Energie: Bakterien, die aus energiearmen anorganischen Stoffen energiereiche organische Stoffe aufbauen. Produzenten sind dadurch charakterisiert, daß sie Licht- oder chemische Energie in Nahrungsenergie umwandeln. Unter Plankton werden alle im Wasser schwebenden, mikroskopisch kleinen Organismen zusammengefaßt, die sich nicht selbst fortbewegen können. Die wichtigste Rolle spielt das Phytoplankton (z. B. Kieselalgen, Dinoflagellaten), das etwa 50% des Sauerstoffs auf der Erde produziert. Phytoplankton wird vom Zooplankton (auch Krill) als Nahrung verwendet. Beide Planktonarten dienen Fischen und auch Würmern, Krebsen, Muscheln, Seesternen als Nahrung. Die Nahrungskette setzt sich von den Pflanzenfressern (z. B. Sardelle) zu den Tierfressern wie Kabeljau, Haien und anderen Fischen bzw. Vögeln fort. Sie stellen alle zusammen die Gruppe der Konsumenten dar. Das tote organische Material - Detritus (der Produzen-
80 ten und Konsumenten) - schließlich wird von den Destruenten (Zersetzer) wieder zu anorganischen Stoffen abgebaut. Zum Nahrungsnetz erweitert sich dieser Kreislauf hier auf dem Weg von den Fischen über die Vögel sowie von den Wasserpflanzen zu den Vögeln unter Berücksichtigung der Kleintiere. H. Quantifizierter Stoff-Kreislauf im offenen Meer. Die Prozentangaben beziehen sich auf den Fluß von KohlenstoffAtomen in Prozenten der Nettoprimärproduktion. Unter Nettoprimärproduktion versteht man die durch Assimilation in einen bestimmten Zeit in einem Organismus entstandene Biomasse, von der die in der gleichen Zeit ausgeschiedenen Abbauprodukte des Stoffwechsels abgezogen worden sind. Bei den Vorgängen im offenen Meer sind die Vorgänge in der sog. euphotischen Zone - der vom photosynthetisch wirksamen Licht durchdrungenen Zone - von denen in der Tiefsee zu unterscheiden. Die Kompensationsebene charakterisiert den Bereich, in dem eine positive Photosynthesebilanz nicht mehr möglich ist. Im allgemeinen herrscht hier eine Lichtintensität von weniger als \% des Oberflächenlichtes. Im Verlaufe eines Tages wird die Produktion an Biomasse durch die Photosynthese (P) von der Primärproduzenten vollständig für die Respiration (R, Atmung) verbraucht. Im Süßwasser liegt diese Zone in Abhängigkeit vom Schwebstoff- und Planktongehalt zwischen wenigen cm und 30 m, im Meer in der Regel unter 100 m. Ihre Lage verändert sich auch mit der Jahreszeit. Die Kohlenstoff-Gehalte werden in dieser speziellen quantifizierten Darstellung des Kohlenstoff-Kreislaufes in gelösten Kohlenstoff DOC (dissolved organic carbon) und partikulären organischen Kohlenstoff POC(particuIate organic carbon) unterschieden.
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3.1 Wasser-Kreislauf der Erde
Wasser
I. Wasser-Kreislauf mit anthropogenen Einflüssen. Ausgehend von einem mittleren Niederschlag von 803 mm im Jahr (E.) werden hier neben den natürlichen Kreisläufen (Kap. 1) über die Verdunstung aus dem Meer und von der Landoberfläche die Wege in die Oberflächengewässer, in das Grundwasser und vor allem in die Haushalte und das Kleingewerbe, die Industrie (einschließlich Verkehr und Landwirtschaft), der Verbrauch bzw. Gebrauch als Kühlwasser für die Elektrizitätserzeugung dargestellt. Die Breite der Wege verdeutlicht den Anteil an den Wasserströmen aus den Niederschlägen. J. Wasser-Kreislauf im Wirkungsfeld Wasser-Boden-Vegetation (nach Kuntze et al. 1983). Der Bodenwasserhaushalt insgesamt wurde bereits unter D. dargestellt. Die stärkste Beeinflussung erfährt er durch die Pflanzendecke. Der sog. effektive Niederschlag Ne ist infolge des Bewuchses eines Bodens geringer als der Gesamtniederschlag N, weil ein Teil davon vom Vegetationsschild festgehalten wird und von dort aus verdunstet. Dieser Anteil wird als Interzeption I bezeichnet. Sie gehört zur Wasserbilanz von Pflanzenbeständen als der Teil des Niederschlagwassers, der als Benetzung in der Vegetationsschicht verbleibt, zum größten Teil wieder verdunstet, aber in geringem Ausmaß auch von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Der Verlust an Niederschlagswasser durch Interzeption hängt sowohl von den meteorologischen Bedingungen als vor allem auch von der Art der Vegetation ab: In Mischwälder ist die Interzeption mit 15 bis 30% am niedrigsten (bei jungen Buchen- und auch Fichtenbeständen liegt sie bei 10-12% vom Niederschlag), in tropischen Wäldern kann sie 70% erreichen. In landwirtschaftlichen Kulturen wird die Interzeption meist vernachlässigt und mit der Gesamtverdunstung V erfaßt. Diese setzt
82 sich zusammen aus der Transpiration VT, der Verdunstung von der Boden VEB, von der Pflanzen VEP und von der Wasseroberfläche VEW. Unterschieden wird zwischen der aktuellen Vä und potentiellen Verdunstung V?, wobei Vä den tatsächlichen Wasserverlust eines bewachsenen Bodens durch Verdampfung darstellt (meßbar mit Hilfe eines Lysimeters). Zu einer Verdunstung kommt es immer dann, wenn das Sättigungsdefizit der Luft größer wird als die Saugspannung des Wassers in Böden und Pflanzen. Aus dem dargestellten Wasser-Kreislauf lassen sich folgende Beziehungen ableiten: Die Wasserbilanz mit N = A + V + (R-B), wobei N als Gesamtniederschlag sich aus Ne und I zusammensetzt. Der Gesamtabfluß A = A0 + Ab + Au, die Gesamtverdunstung V = VT + VE (Evaporation - Verdunstung aus dem Boden und über den Flächen von Gewässern), wobei VE die Summe VEB + VEW + VEP bildet. Die Differenz (R-B) beinhaltet eine Vorratsänderung: (R-B) = 'WB + 'WC + 'W0 (E.) Die potentielle Verdunstung ist im Frühjahr bzw. Sommer (32-40% von V) wesentlich größer als im Herbst (20% ) oder Winter (8%). Je höher der Grundwasserspiegel liegt, um so höher steigt auch die potentielle Verdunstung. Mulchen (Abdecken des Bodens mit organischem Material) vermindert die Evaporation VE um etwa ein Drittel. Weiterhin gilt, daß dunkle Böden mehr Wärme speichern und daher 30% mehr an Wasser verdunsten als helle Böden. Die jährliche Gesamtverdunstung kann in Abhängigkeit von den Bodenbedeckung zwischen 20 und 100% schwanken, je nach der Bindung des Wassers im Boden wird zwischen Haft- (an der Oberfläche), Adsorptions- und Kapillarwasser, Sicker-, Sink-, Stau- und Grundwasser mit unterschiedlicher Pflanzenverfügbarkeit unterschieden.
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3.1 Wasser-Kreislauf der Erde
Wasser
K. pH-pE-Diagramme mit Einfluß der Atmosphäre. Neben dem pH-Wert in Gewässern ist deren pE-Wert von wesentlicher ökochemischer Bedeutung. Er stellt ein Maß für die oxidierende bzw. reduzierende Wirkung von Lösungen dar (pE = -log E mit E: elektrochemisches Redox-Potential), wobei Lösungen mit pEWerten größer als 5 stark oxidierend, solche mit negativem pE-Wert stark reduzierend wirken. Der helle Raum zwischen pE 0 und 20 bei pH 0 und etwa 6 und -15 bei pH 14 entspricht dem Bereich, in dem flüssiges Wasser vorkommen kann. Nach R. M. Garreis weisen Systemteile, die im Kontakt mit der Atmosphäre stehen (Nebel, Regen, Flüsse aber auch Grubenwässer und belüftete Salinengewässer) ein oxidierendes Potential auf; in ihnen sind Oxidationsmittel wie O3 und H2O2 gelöst. Salpeter- bzw. Schwefelsäure verursachen die niedrigen pH-Werte. Die von der Atmosphäre isolierten Bereiche weisen dagegen eher ein reduzierendes Milieu und pH-Werte in der Nähe des Neutralpunktes auf: In Sumpfgewässern, feuchten Böden und auch Salinengewässern mit hohem Anteil an organischen Stoffen ist infolge mikrobieller Umsetzungen der Sauerstoff weitgehend verbraucht. Versickerndes Grundwasser, aus dem aufgrund von Adsorptionsvorgängen im Boden pH- und pE-bestimmende Stoffe weitgehend entfernt sind, liegen zwischen den beschriebenen Extrembereichen. Die Ökochemie in Gewässern wird wesentlich von pHund pE-Werten bestimmt. L. Kohlenstoff-Spezies im Kreislauf von Gewässern. Kreislauf und die Konzentrationen an unterschiedlichen anorganischen und organischen Kohlenstoff-Spezies (CO^-/HCOi, gelöstes C02, CH4 und andere organische Verbindungen) werden von der Photosynthese (Aufbau organischen Materials, bei dem auch Nährstoffe wie P, N und Spurenelemente ge-
84 bunden werden) und von der Mineralisation (Bildung der anorganischen Kohlenstoff-Spezies) bestimmt. Infolge der Photosynthese werden die anorganischen Kohlenstoff-Spezies als organischer Kohlenstoff in der Biota (Bios - belebte Welt) eingebaut. In Seen beträgt diese sog. Primärproduktion (H.) etwa 50 bis 1000 mg C/m2d bzw. einige g organischen Materials pro m2 und Tag. Auf den Wegen des Abbaus organischen Kohlenstoff-Verbindungen treten Stoffe unterschiedlicher Struktur als Zwischenprodukte auf, die z.T. auch in das Wasser freigesetzt werden. So gehören Humin- und Fluvinsäuren zu den Produkten von Abbau- und natürlichen Polymerisationsreaktionen (Kap. 4). Sie gehen in den Anteil an gelöstem organischen Kohlenstoff, bestimmt als DOC, ein. Unvollständig abgebautes organisches Material tritt partikulär oder als Detritus auf bzw. ist an mineralischen Partikeln adsorbiert. Die Gehalte an gelöstem und totalem organischen Kohlenstoffwerden durch das aus Böden eingeschwemmte Material sowie durch die Inhaltsstoffe aus Abwässern erhöht. Die Verwitterung von Carbonat-Gesteinen trägt zur Erhöhung der Gehalte an anorganischem Kohlenstoff bei. Das in Sedimenten eingelagerte organische Material kann dort weiter mineralisiert werden. Ist der vorhandene Sauerstoff verbraucht (K.), kann infolge der Tätigkeit von Mikroorganismen auch Methan als Endprodukt und Kohlenstoff-Spezies entstehen. Typische Werte für DOC und POC (partikulärer organischer Kohlenstoff) im Meer sind 0,5 bzw. 0,05 mg * L–1, wobei der POC in Form von Organismen einem POC von 0,005 mg * L–1 entspricht. Im Flußwasser steht dem DOC von 1 bis 10 mg * L–1 ein POC von 1 bis 2 mg * L–1 gegenüber. Die DOC-Werte im Grund- und Regenwasser liegen zwischen 0,5 und 2,5 m * L–1, in Sümpfen erreichen sie 10 bis 50 mg * L–1.
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3.1 Wasser-Kreislauf der Erde
Wasser
A. Gleichgewichts-Diagramme einiger Molekül/Ionen-Systeme. In der Wasserchemie spielen chemische Gleichgewichte eine große Rolle. Zu berücksichtigen sind jedoch in realen Proben die hohen Ionenkonzentrationen, die generell für umweltchemische Prozesse charakteristisch sind. Die pH-Abhängigkeit stellt darüber hinaus die wichtigste Einflußgröße auf die verschiedenen Zustandsformen - Moleküle bzw. Ionen - dar. Dem Kohlensäure-Gleichgewicht mit den drei Zustandsformen gelöstes CO2, HCO3 und CO^-Ionen überlagert sich aufgrund der Anwesenheit von Ca2+-Ionen häufig das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (B. und C). Im pH-Bereich 2 bis 5 liegen C02 und HCO3 nebeneinander vor. Freies NH3 tritt erst bei pH > 7 auf. Bei der Schwefelsäure liegen zwischen pH 1 und 3 HSO4- und SO^-Ionen nebeneinander vor. B. Carbonat-Spezies in Regenwasser.
Regenwasser in einer reinen Atmosphäre, dessen Zusammetzung nur durch das Gleichgewicht von Kohlenstoffdioxid ohne eine zusätzliche Base oder Säure bestimmt ist, wird als pristines Regenwasser bezeichnet. In Lösung befinden sich folgende Ionen: H3O+, HCO3-, CO2, CO2 * H2O und OH-. Ein pristines Regenwasser ist durch die Elektroneutraiitätsbedingungen bzw. durch die Protonenbilanz [H+] § [HCO3-] definiert. Für cT löslich gilt [CO2 * H2O] + [HCO3-] + [CO32-] als Summengleichung. Die dargestellten Carbonat-Spezies befinden sich im Gleichgewicht mit dem CO2 der Atmosphäre. Reales Regenwasser enthält in der Regel zusätzliche Säuren oder auch Basen. Dadurch gilt zwar eine andere Protonenbalance, die jeweilige Zusammensetzung an Carbonat-Spezies ist jedoch in Abhängigkeit vom pH-Wert aus dem Diagramm ablesbar. Auch für jedes andere natürliche Wasser im Gleichgewicht mit dem CO2 der Atmosphäre gel-
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ten diese dargestellten Gleichgewichte bzw. Diagramme, sowohl nach der Reaktion mit Basen (Basen der Gesteine) als auch mit Säuren. Regenwasser enthält überwiegend zusätzliche Säuren, Süßwasser zusätzliche Basen. Zur Berechnung der CO?f-Spezies im Meerwasser müssen aufgrund der hohen Salinität aktivitätskorrigierende Faktoren verwendet werden. C. Ca2+- und HCOrlonen in Flüssen. Cal-
cit (CaCO3) löst sich bei Anwesenheit von CO2 im Wasser zu Ca2*- und HCO§-Ionen auf. Bei einem CO2-Gehalt in der Atmosphäre von 3-10~2% lassen sich mit Hilfe von Computerprogrammen unter Berücksichtigung der Ladungs- oder Protonenbalance folgende Konzentrationen in mol-L"' berechnen: |CO2 * H2O] = KT5 : [HCOl] = lO"3 ; [Ca2+] - 5-lfH und [COlr] = 1,6* 10"5. Der pH-Wert beträgt 8,3 (nach Sigg u. Stumm 1994). Aufgrund dieses Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts sind viele Flüsse der Erde einerseits durch die Elektroneutralität 2 [Ca2+] = [HCO3] und andererseits durch die Sättigung mit Calcit charakterisiert. In vielen Fällen ist jedoch der damit im Gleichgewicht stehende Partialdruck von CO2 höher als der in der Atmosphäre. Viele salzarme Flüsse sind gegenüber CaCO3 unge-(unter-)sättigt (links der Geraden - s. u.). Der Partialdruck der Atmosphäre für CO2 beträgt bei 25 °C p(CO2) - ICH'5. Die an Calcit gesättigten Flüsse weisen oft einen im Gleichgewicht höheren Partialdruck als den in der Atmosphäre auf - wie Rhein, Donau und Don, welche andererseits die Elektroneutralitätsregel hinsichtlich der Carbonat- bzw. Kohlenstoffdioxid-Spezies erfüllen. Sie befinden sich auf der Geraden für [HCO3] = 2[Ca2+].
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3.2 Chemie in Gewässern
Wasser
D. Löslichkeiten von Aluminium-Spezies. Aluminium gehört zu den häufig vorkommenden Elementen und gelangt durch die Verwitterung von Aluminiumsilicaten in die Hydrosphäre. Als amphoteres Element weist Aluminium eine sehr starke pH-Abhängigkeit der Löslichkeit auf, wobei im Bereich von pH 4 bis 8 in Gewässern verschiedene AluminiumSpezies (E.) mit sehr unterschiedlichen Löslichkeiten auftreten können. Die gelösten Aluminium-Spezies sind für einige Organismen wie z. B. Fische, toxisch. Daher sind differenzierte Kenntnisse über die Existenzbereiche der AluminiumSpezies sowie über die pH-Abhängigkeit der Löslichkeiten von wesentlicher Bedeutung. E. Speziesverteilung der Al-HydroxoKomplexe. Die Gesamtkonzentration an gelöstem Aluminium ergibt sich aus der Summe der Hydroxo-Spezies: [Al]ges., gelöst = [Al]3+ + [Al(OH)2+] + [AI(OH)2+] + [Al(OH)4-]. Jede Einzelkonzentration kann als Funktion des pH-Wertes bestimmt werden ausgehend vom dem Löslichkeitsprodukt des AI-Hydroxids: KL = [AI3+|[OH]3. Aus dem lonenprodukt des Wassers Kw läßt sich [OH"] = [H+] setzen. Das Diagramm verdeutlicht, daß im sauren Bereich APMonen, im alkalischen A1(0H)4Ionen überwiegen. F. Gleichgewichte zwischen Nitrat- und Ammonium-Ionen. Neben den in A. bis E. dargestellten pH-Abhä'ngikeiten spielt in der Wasserchemie auch des Redox-Potential eine wichtige Rolle (C). Im Diagramm ist der Stabiltitätsbereich des Wassers gegenüber der Oxidation zu O2 [2 H2O = 4 e" + 4 H+ + O2!g) und der Reduktion zu H2 [2 H+ + 2 O2(gl= H2(g)] für pH 7,5 aufgezeichnet. Ab einem Redox-Potential von >0,4 Volt findet eine Oxidation von
NH|- zu NOHonen statt. Bei einem pEWert <5,5 liegen überwiegend NH|-, bei einem pE-Wert > 5,5 vor allem NO^-Ionen vor. Damit sind die chemisch-physikalischen Grundbedingungen für die Berechnung der Redox-Bedingungen z. B. in der Tiefe eines Sees bei pH 7,5 gegeben, wobei im Diagramm von einer Gesamtkonzentrationen beider Stickstoff-Spezies von 5 * 10-4 mol * L-1 ausgegangen wurde (nach Sigg u. Stumm 1994): 1/8 NO3- + 5/4 H+ + e- = 1/8 NH4+ + 3/8 H2O (mit log K - Gleichgewichtskonstante 14,9 bei 25 °C) ergibt sich das Redox-Potential als pE = 14,9 + 1/8 log [NO3-]/[NH4+] - 5/4 pH. Für pH = 7,5 gilt: pE = 5,52 + 1/8 log [NO3-]/[NH4+]. Zusammen mit der Bedingung [NH4+]+[NH3] + [NO3-] = 5 *10 -4 läßt sich das dargestellte Diagramm berechnen. Ähnliche Zusammenhänge lassen sich auch für das Vorkommen von Fe(II)- bzw. Fe(III)-Ionen berechnen (H.). C. Umwandlung von Ammonium in Fließgewässern. In Gewässern werden NHJ-Ionen auf einer längeren Fließstrekke von hier 25 km nach einer Modellrechnung über das NO2 zum NO3 oxidiert (Kap. 1.3, C). NHJ gelangt über Düngemittel, tierische Abfälle, Abwasser, auf dem Wege der biologischen Stickstoff-Fixierung und Niederschläge in die Böden und Gewässer. In Gegenwart von Sauerstoff (pE> 6 bei pH 7 - F.) werden NH4-I0nen unter Mitwirkung von Bakterien zum NO^-Ionen oxidiert (Nitrifizierung), wobei die Zwischenstufe NO2 (durch das Bakterium Nitrosomonas) auftritt. Die Oxidation zum NO3 wird durch das Bakterium Nitrobacter verursacht. Der modellhaft berechnete Verlauf der Konzentrationen für die drei Stickstoff-Spezies zeigt ein deutliches Maximum für NO2 nach etwa 5 km. Sowohl freies NH3 als auch NO2 sind Stickstoff-Spezies mit toxischen Wirkungen auf Fische.
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3.2 Chemie in Gewässern
Wasser H. pE-pH-Diagramm für Eisen-Spezies.
In Spuren ist Eisen in fast allen natürlichen Wässern vorhanden. In „reduzierten" Grundwässern mit Sauerstoff-Mangel und bei Anwesenheit von CO3, NH£ sowie S2_-Ionen können Konzentrationen bis zu 10 mg * L"1 Fe2+ auftreten. Gehalte ab 0,3 mg-Ir1 an Fe(III) verursachen im Trinkwasser bereits einen metallischen Geschmack. Zusätzlich treten durch Oxidation und Hydrolyse unerwünschte Trübungen infolge der Bildung von amorphem, schwerlöslichem Eisen(HI)oxidhydrat auf. Ab 0,15 mg-L"1 Fe in einem Ronwasser ist eine Enteisenung (Oxidation, Koagulation von Eisen(III)-oxidhydrat und Filtration) erforderlich. Die Existenzbereiche der verschiedenen Eisen-Spezies in Anwesenheit von CO2 und in Abhängigkeit vom pH- sowie pE-Wert sind im Diagramm dargestellt: Oberhalb eines pE-Wertes von 12 bis 13 liegen bei pHWerten unter 3 nur noch hydratisierte Eisen(III)-Ionen vor. Der Existenzbereich von amorphem Fe(OH)3 kann nach der Gleichung Fe2+ + 3 H2O = Fe(OH)3(amorph, s) + 3 H+ + e– durch die Funktion pE - 16 - log [Fe2+] - 3 pH wiedergegeben werden. Für die Umwandlung von amorphem Fe(OH)3 in Eisen(II)-carbonat gilt: Fe(OH)3(amorph, s) + 2 H+ + HCO3– + e– = FeCO3(s) + 3 H2O (s: solid) mit pE = 16 - 2 pH + log [HCO§]. Als feste Phasen sind hier amorphes Fe(OH)3. FeCO3 (Siderit), Fe(OH)2 und Fe dargestellt. Kenntnisse dieser Zusammenhänge sind für die 0. g. wasserchemische Praxis von Bedeutung. I. Konzentrations-pE-Diagramme für Chlor-Spezies. Vorgänge in natürlichen Gewässern und auch im Zusammenhang mit der Behandlung von Wässern werden vor allem von Hydronium-Ionen, d. h. vom pH-Wert und von Elektronenaustauschvorgängen (Redox-Vorgängen)
90 beeinflußt. Chlor wird zur Desinfektion im Trinkwasser und auch zur Oxidation von industriellen Abwasserinhaltsstoffen eingesetzt. Aus gasförmigem Chlor wird dafür zunächst eine Chlor-Wasser-Mischung hergestellt und diese dann dem Wasser zudosiert. Die keimtötende Wirkung von Chlor beruht auf der vom pHWert und der Temperatur abhängigen Bildung der Unter- (Hypo-) chlorigen Säure HOC1. Insgesamt treten nach der Gleichung CI2 + H2O = HOC1 + H+ + Clvier verschiedene Chlor-Spezies nebeneinader auf. Die Unterschiede in den Existenzbereichen für verschiedene pHWerte sind dargestellt. Verglichen werden können die Konzentrationen an Chlor-Spezies bei gleichem pE-Wert. Die relative Konzentration von Chlor nimmt mit zunehmendem pH-Wert ab. Bei einem pKs-Wert von 7,5 bilden sich mit ansteigendem pH-Wert zunehmend Hypochlorit-Ionen CIO", die in geringerem Maße als HOC1 zur Desinfektion beitragen, da sie im Vergleich zum ungeladenen HOCl-Molekül nur langsam in das Zellinnere eindringen können. Daher besteht mit zunehmendem pH-Wert in Wässern mit vergleichbaren Anteilen an Mikroorganismen bzw. oxidierbaren organischen Stoffen auch ein zunehmender Chlor-Bedarf, bzw. es ist eine längere Einwirkungszeit notwendig. Als freies Chlor wird in der Wasseranalytik die Summe an gelöstem, elementarem Chlor Cl2, an Unterchloriger Säure (HOC1) und an Hypochlorit-Ion (CIO") verstanden. Gebundenes Chlor ist Chlor, das in Form der Chloramine wie NH3C1 oder von organischen Chloraminen wie CH3NHC1 vorliegt, die in Anwesenheit von Ammoniak/ Ammonium-Ionen (A.) und/oder organischen Stickstoff-Verbindungen entstehen. Unter Gesamtchlor versteht man die Summe des freien und des gebundenen Chlors.
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3.2 Chemie in Gewässern
Wasser
J. Genese des Regenwassers. Regenwasser stammt aus dem Destitlationsprozeß der Natur (Kap. 1.1, E.) und sollte daher das reinste Wasser auf der Erde sein. Aufgrund des intensiven Kontakts mit der oxidierend wirkenden Atmosphäre (Kap. 2), die 02, H2O2, -OH und 03 enthält, werden insbesondere die Oxide des Schwefels und Stickstoffs gebildet. Viele dieser Prozesse werden durch Katalyse beschleunigt und sind photochemisch induziert (Kap. 2.2). Die Oxidation von NOX zu HNO3 findet vor allem in der Gasphase, die von SO2 zu H2SO4 dagegen in der Wasserphase statt. Die Niederschlagsbildung von Wasser beinhaltet einen hohen Reinigungseffekt für die Atmosphäre. Im Niederschlagswasser sind daher Stoffe angereichert, die sich in Wasser gut lösen - wie O2 und CO2 als natürlich vorkommende Gase - und aus anthropogenen Quellen, vor allem aus Industrie- und Fahrzeugabgasen, CO, SO2, nitrose Gase, NH3, Ruß und auch schwermetallhaltige Industriestäube sowie organische Verbindungen wie Disulfide (RSSR). Dazu kommen Meersalzaerosole (Kap. 2.1, HJ. Insbesondere zu Beginn eines Regens und nach einer längeren Trokkenperiode können im Regenwasser Stoffkonzentrationen wie in einem häuslichen Abwasser erreicht werden. Über den geogenen und anthropogenen Staub gelangen Basen wie MgCO3 und CaCO3 in den Regen und ergeben zusammen mit den Anionen der genannten Säuren sowie NH4, K+-, Na+- und Al3+-Ionen eine Ionenbilanz im Regenwasser, dessen Zusammensetzung bei einem pH-Wert von 4,3 dargestellt ist (saurer Regen Kap. 2.4 und 4.2). Die Inhaltsstoffe des Regenwassers sind auf der Erdoberfläche bzw. im Boden an den Vorgängen der Verwitterung, am Aufbau von Biomasse als Phytomasse oder auch Humus - beteiligt. Ebenso wirken sie bei der Nitrifikation, Denitrifikation und Sulfat-Reduktion mit (Kap. 1.3 und 1.4). Die Vorgänge
92 der Verwitterung und die Synthese von Biomasse spielen sich im pH-Bereich von 4 bis 5 ab, Nitrifikation und anoxische Denitrifikation bei pH 4 und die SulfatReduktion im Bereich von 6,5 bis 8. K. Wege emittierter Säurebildner und Wirkungen bei Tieren im Wasser. Die
Hauptsäurebildner SO2 und NO, aus den Verbrennungsprozessen (Industrie und Autos) gelangen auf dem Wege der trokkenen (mit dem Staub) oder nassen Deposition (mit dem Regen) (J-) auf den Boden und in Gewässer (1.). Sie führen zu einer Versauerung von Gewässern und zur Absenkung des Boden-pH-Wertes (Kap. 4.2) verbunden mit einer Freisetzung von Metallen aus Sedimenten bzw. Böden. In der Ökologie von Gewässern spielt der pH-Wert eine wichtige Rolle. Erste Schäden treten bei pH < 6,5 auf. Ab einem pH-Wert von 5,5 werden natürliche Gewässern als übersäuert bezeichnet, ab pH 4,5 bis 5,0 ist ein Gewässer ohne jegliche Lebewesen. Die unterschiedliche Säureempfindlichkeit von Organismen ist anhand der Existenzbereiche dargestellt. Besonders empfindlich auf den Eintrag von Säuren reagieren niedere Tiere wie Krebse, Schnecken und Muscheln (2.). Seen mit geringer Pufferkapazität, d. h. geringen Konzentrationen an säureneutralisierenden Ionen wie HCO3 (aus gelöstem CaCO3), weisen eine hohe Übersäuerung auf. Das gilt vor allem für viele Seen in Schweden, deren durchschnittliche pH-Werte seit Ende der 50er Jahre bis auf 4,5 abgesunken sind. Ein Fünftel aller Seen in Schweden ist übersäuert und damit auch ohne Fische. Ahnliche Entwicklungen sind auch in Kanada festzustellen. Die dort früher reichlichen Lachsvorkommen sind deutlich zurückgegangen.
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3.2 Chemie in Gewässern
Wasser
L. Emission und Transportprozesse von Metallspuren in Flußbetten. Zur Aufstellung eines Haushaltes für eine bestimmte Spezies, hier von Metallen im Konzentrationsbereich von Spuren, müssen außer den aktuellen Quellen- und Senkengrößen auch deren Veränderungen über einen bestimmten Zeitraum berücksichtigt werden. Ein solche Betrachtung wurde von Robert Ayres und Mitarbeitern (Carnegie-Mellon University) für die Zeit von 1880 bis 1980 für Blei gewählt und auf die Hudson-Raritan-Flußmündung im Hafen von New York angewendet. Verschiedene Quellen (obere Reihe, grüne Kästen) können den BleiGehalt in einem Gebiet und eine Quelle kann unterschiedliche Kompartimente beeinflussen. Eine auf dieser Grundlage durchgeführte Haushaltsanalyse ergab folgende Einzelheiten (nach Graedel u. Crutzen 1994): In der Zeit von 1880 bis 1930 war die Emission von Farbpigmenten auf dem Wasserwege die Hauptquelle. Danach traten Emissionen aus den Blei-Additiven infolge der Verbrennung von Autokraftstoffen mit dem Übergang zunächst in die Atmosphäre in den Vordergrund. Dadurch wurden die Gesamtemissionen an Blei mit ansteigenden Konzentrationen nahezu global verteilt. Mit dem Verbot von Blei im Benzin ab Mitte der 70er Jahre durch die Industrieländer nahmen die Luftemssionen erheblich ab, was sich auch in den Abflüssen in die Oberflächengewässer eines Flußbekkens zeigt. Der Nobelpreisträger Paul Crutzen (1995) bewertet solche sehr schwierigen Untersuchungen als wesentliche Grundlage für die Feststellung von Trends in der Umweltqualität über größere Zeiträume.
94 M. Kreisläufe und Reaktionen von Metallen in Gewässern. Metalle gehören zu den persistenten Stoffen in der Umwelt, da sie nicht wie organische Stoffe biologisch oder chemisch abgebaut werden können. Andererseits können jedoch Metall-Ionen in andere Verbindungen bzw. Metallspezies (als physikalische und chemische Zustandsformen) umgewandelt werden. Zu den physikalisch-chemischen Zustandsänderungen gehören Adsorptions-, Fällungs- und Komplexierungsvorgänge. Biochemische Vorgänge, welche zu neuen Bindungsformen und Metallspezies führen, sind die Assimilation sowie die Biomethylierung (z. B. von Quecksilber-Ionen zu den toxischeren Methytquecksilber-Spezies). Über die Assimilation und Vorgänge der Bioakkumulation sowie Biomethylierung gelangen Metalle aus Gewässern in die Nahrungskette (3.1, G.). Die ökochemischen Vorgänge im Wasser führen über die Grenzflächen zur Atmosphäre sowie zum Sediment und ergeben einen Kreislauf. Über die Atmosphäre gelangen Metalle als Feststoffe (trockene Deposition) und auch in gelöster Form (Niederschläge, als nasse Deposition in Gewässer). Ein weiterer Eintrag erfolgt über Zuflüsse (L.) wiederum in gelöster Form oder als Feststoffe (Schwebstoffe). Die Sedimentation schließt den Kreislauf zum Sediment, der infolge von Desorptions-, Dissoziations-, Auflösungs- und Redox-Vorgängen in das Gewässer zurückführt - als Ergebnis einer Mobilisierung oder Remobilisierung. Wirkungen von Metallgehalten in Gewässern auf Organismen sowie das Verhalten im Hinblick auf die angrenzenden Kompartimente (Verflüchtigung in die Atmosphäre bzw. Ausfällung in das Sediment) sind entscheidend von den physikalischen und chemischen Zustandsformen der Metalle (Spezies) bestimmt.
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3.2 Chemie in Gewässern
Wasser
N. Reaktionen von Metall-Ionen in der Wassersäule eines Sees. Die Betrachtung geht in dieser Abbildung über die allgemeinere Darstellung unter M. hinaus: Als Quellen für Schwermetalle in Seen sind vor allem die Einträge über die Zuflüsse sowie atmosphärische Depositionen zu nennen. Entscheidend für die sich einstellende bzw. für die aktuelle Konzentration von Metallen in der Wassersäule ist der Anteil, der in den Sedimenten zurückgehalten wird. Die Akkumulation von Metallen in den Sedimenten wird auch als „Gedächtnisspeicher" für frühere Metallbelastungen bzw. -eintrage bezeichnet. Verfolgt man das Verbleiben der Metalle in der Wassersäule von oben nach unten, so werden Anteile in den obersten Schichten durch Adsorption oder durch Aufnahme bei der Algenproduktion gebunden. Hauptliganden für Metalle sind Carboxyl- und Amino-Gruppen. Anstelle von essentiellen Metallen wie Zn und Fe können wegen ihres ähnlichen chemischen Verhaltens auch andere wie Cd ansteüe von Zn - oder auch AsOit (Arsenat) anstelle von PO4" (Phosphat) aufgenommen werden. Aufgrund des Absinkens biologischen Materials in tiefere Seeschichten und schließlich in die Sedimente werden Metalle mittransportiert. An der Sediment-Wasser-Grenzfläche spielen unter anoxischen Verhältnissen die von den Redox-Bedingungen bestimmten Kreisläufe von Eisen und Mangan eine Rolle. An der Grenze zwischen oxischen und anoxischen Wasserschichten werden Eisen- und Manganoxidhydrate ausgefällt. Sie weisen große spezifische Oberflächen auf und können daher andere Metall adsorbieren. Bei Anwesenheit von Sulfid-Ionen kommt es zu Ausfällung schwerlöslicher Sulfide (z. B. FeS: schwarz), die wiederum andere Metalle mitfälJen können. Vorgänge in Seen werden im Unterschied zu Flüssen ganz wesentlich von den Schichtungen beeinflußt: Im Frühjahr erwärmt sich die
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Oberflächenschicht auf +4°C (Temperatur des Tiefenwassers, Dichtemaximum des Wassers), und es kommt durch winderzeugte Strömungen zu einer vollständigen Durchmischung des Wasserkörpers. Sauerstoffreiches Wasser gelangt in die Tiefe, dort vorkommende, während der Stagnation angereicherte Nährstoffe und Metalle werden verdünnt, verteilt und gelangen an die Oberfläche. Mit fortschreitender jahreszeitlicher Erwärmung baut sich eine stabile Oberflächenschicht auf, die von der kälteren Tiefenschicht, dem Hypolimnium, durch eine räumlich begrenzte Temperatursprungschicht {Metalimnium) begrenzt ist. O. Existenzbereiche von Metall-Aquo-, Hydroxo- und Oxo-Komplexen. Die chemischen Eigenschaften von Elementen bestimmen deren Koordinationschemie sowie (Vorkommen als definierte Elementspezies - M. u. N.). Es gelten die Regeln, daß Kationen in wäßriger Lösung hydratisiert als Aquo-Komplexe vorliegen und infolge Hydrolyse (und Deprotonierung) sich Hydroxy-Komplexe bilden. Beispiel für M(+2): Zn(H2O)g+ «-»[Zn(H2O)5OH]+ + H+ Die Tendenz zur Deprotonierung nimmt für verschiedene Aquo-Komplexe mit zunehmender Ladung des Zentral-Ions und abnehmendem Radius zu. Können Elemente mehrfache Ladungen tragen (z. B. Chrom +6), so sind sie in wäßriger Lösung mehrfach deprotoniert oder bilden wie beim Chrom anionische Oxo-Komplexe (CrO|": Chromat). Das Diagramm gibt einen Überblick über die pH-abhängigen Existenzbereiche von Metall-AquoIonen bzw. Hydroxo- und Oxo-Komplexen. Im pH-Bereich 7 bis 9 der meisten Gewässer, sofern keine Übersäuerung (J. u. K.) eingetreten ist, liegen Metall-Ionen als Hydroxo- und Oxo-Komplexe vor. Aus Hydroxo-Komplexen entstehen schließlich auch schwerlösliche Hydroxide.
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3.2 Chemie in Gewässern
Wasser
A. Donauwasseraufbereitung zur Verwendung als Trinkwasser. Am Beispiel des Wasserwerkes Langenau (nach M. Bank 1994), das 1973 in Betrieb genommen und in den 80er Jahren erweitert wurde, sollen die wesentlichen technischen Teilschritte einer Trinkwasser-Aufbereitungsanlage vorgestellt werden. Die Anlage weist sowohl die konventionelle („klassische") Aufbereitung von Grundwasser als auch zusätzliche Maßnahmen zur Aufbereitung auf. In einer Vorreinigungsantage werden allgemein ungelöste grobe Verunreinigungen wie Laub, Äste u.a. von Grob- und Feinrechen sowie nachgeschalteten Sieben (zur Abtrennung feinerer Verunreinigungen wie z. B. Plankton) entfernt. In der beschriebenen Anlage erfolgt aufgrund extremer Rohwassersituationen wie Hochwasser mit besonderen Schadstoffeinträgen oder auch Niedrigwasser mit einer Aufkonzentrierung vorhandener Schadstoffe eine erste Flockung nach einem Zusatz von Eisen(III)-suIfat und Flockungshüfsmitteln. Insgesamt liegt hier eine sog. Kompaktflockung vor. Physikalisch-chemische Erkenntnisse über den Flockungsvorgang werden verfahrenstechnisch durch eine räumliche Trennung von Einzelschritten optimiert. Die gesamte Aufbereitung wird chlorfrei betrieben, da das im Donauwasser enthaltene Ammonium biologisch abgebaut werden konnte. Für stärker verschmutzte Oberflächenwässer ist allgemein aus Hygienegründen und wegen der Oxidation von Ammonium die Verwendung von Chlor erforderlich, wobei jedoch organische Chlor-Verbindungen entstehen können. Das gesamte Verfahren läßt sich in Teilprozesse zerlegen: In der Flockungsanlage der Vorreinigungsanlage werden durch Zusatz von Eisen(III)-sulfat Kolloide entstabilisiert und die Verunreinigungen dabei in die entstehenden Mikroflocken aus Eisen(IIl)-hydroxid eingeschlossen. Mit Hilfe des rückgeführten Schlammes wird
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ein sog. Schwebstoffkontakt hergestellt, bei dem sich die Mikroflocken an den Schlamm anlagern. Danach wird unter hochturbulenten Bedingungen ein Flokkungshilfsmittel zugsetzt, wodurch die Bildung von Großflocken vorbereitet wird, die schließlich in der vierten Stufe des Prozesses unter Einschluß der restlichen Feinflocken sedimentieren. Die Fest-Flüssig-Phasentrennung erfolgt über Parallelplatten; im unteren Teil des Reaktors wird der Schlamm eingedickt und zu etwa 90% in die zweite Flockungsanlage weitergeleitet. Das so gewonnene Rohwasser kann im Rohwasserbecken bereits einer Vorozonisierung zur Oxidation von unerwünschten Wasserinhaltsstoffen zugeführt werden. In der anschließenden Flockungsanlage, in der Kalk und Flockungshilfsmittel zugesetzt werden, erfolgt dann wiederum eine Abtrennung des entstandenen Schlammes. Die Ozonierung danach erfolgt durch Einleiten einer Mischung aus Ozon und Luft, wodurch Krankheitserreger abgetötet und evtl. noch vorhandene organische Stoffe, insbesondere auch geruchs- und geschmacksaktive Substanzen, oxidiert werden. Danach wird das Wasser einer Filtration unterworfen, wobei Schadstoffreste in einem Zweischichtfilter aus Hydroanthrazit und Quarzkies abgetrennt werden. Zusätzlich enthält die Filteranlage eine Aktivkohle-Filterschicht. Da hiervon auch Desinfektionsmittel adsorbiert werden, muß das Wasser bei der Speicherung aus Sicherheitsgründen mit Chlordioxid behandelt werden. Mit diesen Verfahrensschritten insgesamt werden chlorierte Kohlenwasserstoffe und einige häufiger vorkommende Pflanzenschutzmittel wie z. B. Atrazin sicher entfernt.
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3.3 VerfahrenderTrinkwasseraufbereitung
Wasser
B. Klassische Verfahren der Trinkwasseraufbereitung. Zu den chemisch-physikalischen Verfahren der Wasseraufbereitung gehören außer den unter A. beschriebenen Verfahren die Belüftung (zur Anreicherung mit Luftsauerstoff oder auch zur Entfernung von Gasen wie CO2, H2S sowie Stoffen mit hohem Dampfdruck), die Enteisenung (bei Fe-Gehalten im Rohwasser >0,15mg-L~\ bei sauerstoffarmen Wässern als Fe2+) auf dem Wege der Belüftung oder mit Hilfe eines Oxidationsmittels bzw. auf biologischem Wege, die Entmanganung (entsprechend der Enteisenung ab 0,07 mg-L-1 Mn2+), die Entsäuerung zur Einstellung des Gleichgewicht-pH-Wertes (Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht - Kap. 3.2, B. u. C.) mechanisch durch Belüftung (s.o.) oder chemisch durch Zusatz von MgCO3/CaCO3, CaO oder Mg/Ca/Na2CO3, die alle alkalisch reagieren. Weitere Aufgaben der Trinkwasseraufbereitung sind die Enthärtung (mittels Kationenaustausch), die Denitrifikation [Entfernung von Nitrat mittels lonenaustausch, Umkehrosmose oder Elektrodialyse - C. u. D.] sowie die Schutzschichtbildung, sowohl zur Verhütung von Korrosionen als auch zur Verhinderung von Kesselsteinbildung. C. Elektrodialyse in einer Dreikammerzelle. Bei diesem Membranverfahren wird als treibende Kraft ein elektrisches Feld verwendet. Die Polymermembranen stellen Kationen- (l<) oder Anionenaustauscher (A) dar, wodurch sie permselektiv werden (als Diaphragma), d. h. jeweils nur Kationen bzw. Anionen durchlassen. Sind Schwermetall-Ionen vorhanden, so werden sie durch die an der Kathode gebildeten Hydroxid-Ionen als Hydroxide ausgefällt. Technisch wird dieses Verfahren vor allem zur Brackwasserentsalzung (schwachsalziges, ungenießbares Wasser in der Nähe der Flußmündungen im Meer) eingesetzt. Die DreikammerzelIen-Technik ermöglicht nach dem Anle-
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gen einer Gleichspannung die Gewinnung einer weitgehend deionisierten Lösung im Mittelteil. Mit zunehmender Deionisierung wird jedoch der elektrische Widerstand im Mittelteil sehr hoch, an den Membranoberflächen treten dann auch Konzentrationspolarisationen auf. D. Wasserentsalzung durch Umkehrosmose. Im Unterschied zur Ultrafiltration mittels Membranen zur Abtrennung höhermolekularer (oft kolloidaler) Teilchen dient die Umkehrosmose (Reversoder Gegenosmose) zur Auftrennung echter Lösungen. Dieses spezielle Membrantrennverfahren arbeitet mit Drücken (29-100 bar), die wesentlich höher sind als der osmotische Druck in der Lösung. Die Trennwirkung ergibt sich aus der unterschiedlichen Löslichkeit von Wasser und der gelösten Ionen im Membranmaterial. Wassermoleküle treten durch die Membranen von der höher konzentrierten in die niedriger konzentrierte Lösung ein. In großem Maßstab wird dieses Verfahren zur Entsalzung von Meer- und Brackwasser und allgemein in der Trinkund Brauchwasseraufbereitung eingesetzt. Geht man von einer 1 mol-L"1 konz. NaCl-Lösung aus, die 58 g NaCl •Iī1 enthält, sie beträgt der osmotische Druck dieser Lösung mit 2 mol Ionen 44,8 bar. Bei einem Arbeitsdruck von 80 bar erfolgt die Aufkonzentrierung über die Druckdifferenz von 35 bar. Der Restgehalt an NaCl beträgt bei einem Rückhaltegrat von 99% dann 600 mg-L"1 an NaCl im Permeat. Nachgeschaltete MischbettIonenaustauscher entfernen den Rest an Ionen. Auch für die Verringerung von Nitrat-Konzentrationen kann das Verfahren der Umkehrosmose eingesetzt werden. Die Leistungsfähigkeit wird entscheidend von den Membraneigenschaften und deren Abmessungen bestimmt.
3.3 Verfahren der Trinkwasseraufbereitung
Wasser
A. Kommunales Klärwerk als Direkteinleiter. Das Wasserhaushaltsgesetz regelt die mittel- oder unmmittelbare Nutzung der Gewässer, woraus sich die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer ergeben. Abwasser ist „durch Gebrauch verändertes abfließendes Wasser und jedes in die Kanalisation gelangende Wasser" (DIN 4045) - also auch Regenwasser. Zu unterscheiden sind Indirekt- und Direkteinleiter: Indirekteinteiter sind Abwasserproduzenten, deren Abwässer zusammen mit anderen (z. B. den häuslichen) Abwässern in eine öffentliche (kommunale) Kläranlage gelangen. Direkteinleiter leiten ihre Abwässer - wie die kommunale Kläranlage nach einer entsprechenden Reinigung direkt in ein Gewässer ein. Sie benötigen dafür eine wasserrechtliche Erlaubnis und müssen entsprechend der abgeleiteten Schadstoffe Abwasserabgabe zahlen. Als Abwasseranlage wird allgemein eine Einrichtung zur Abwasserableitung und -behandlung bezeichnet. Eine Abwasserreinigungsanlage ÄRA ist darüber hinaus eine Anlage zur Behandlung von Abwasser mit dem Ziel, die Schadwirkung zu vermindern. Ais wichtiges ökologischen Glied im Stoffkreislauf hat eine ÄRA die Aufgabe, dem Vorfluter (einem natürlichem Füeßgewässer) ein mineralstoffreiches Wasser vergleichbarer Qualität und dem Boden einen humusartigen Schlamm zurückzugeben. B. Schema einer mechanisch-biologischen Kläranlage (ausführlich in R.). Schmutzwässer aus Häusern, Straßenzügen und ganzen Stadtteilen werden über ein Leitungsnetz der Stadtentwässerung, die Kanalisation, zusammen mit anfallendem Niederschlagswasser (als Mischkanalisation) in die Abwasserreinigungsanlage geleitet. Die mechanische Reinigung {1. Stufe) umfaßt den Rechen zur Grobreinigung von Holzstücken, Blättern
102 und Geweberesten, den Sandfang, der die Aufgabe hat, mit dem Wasser eingeschwemmten Sand oder andere körnige mineralische Stoffe durch Absetzen in Langsandfängen oder Rundbecken abzufangen, und einen Öl- und Fettfang (aus Sicherheitsgründen, da diese Stoffe bereits beim Verursacher abgetrennt werden müssen). Im Sandfang ist die Fließgeschwindigkeit so geregelt, daß sich die vergleichsweise zu feineren schlammigen Schmutzstoffen schwereren Sandkörner gerade noch absetzen. Die Vorklärung beginnt in einem Absetzbecken, wo bei deutlich verlangsamter Strömung sich absetzbare (sedimentierbare) Schmutzstoffe am Boden abscheiden. Hier werden bereits 30 bis 35% organischer Substanz zurückgehalten. Es verbleiben zwei Drittel an organischer Schmutzfracht als gelöste oder fein verteilte (suspendierte bzw. kolloidal gelöste) Stoffe, die überwiegend dem aeroben Abbau der im Wasser bereits vorhandenen Bakterien zugänglich sind. Dieser findet in der 2. Stufe, der biologischen Reinigung, statt. Aufgrund des Nährstoffangebotes vermehren sich die Bakterien im sog. Belebungsbecken. Unter reichlicher Zufuhr von Sauerstoff entsteht Biomasse, die in einer Nachklärung als Belebtschlamm gewonnen und anschließend einer Schlammfaulung (anaerober Abbau: Gärung - Abbau von Kohlenhydraten und Fäulnis: Abbau von Eiweiß, Entstehung von Faulgas - Methan und Kohlenstoffdioxid) unterworfen wird. Unter Biomasse wird die Gesamtheit aller lebenden Organismen in einem biologischen Reaktor (Belebungsbecken oder Tropfkörperanlage) verstanden. Zur Phosphat-Fällung werden als Fällungsmittel Eisen- und Aluminium-Salze verwendet. Am Ende fällt Klärschlamm an, der nach einer Trocknung einer Verwertung, z. B. zur Bodenverbesserung zugeführt werden kann.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung
Wasser
C. Zusammensetzung von Abwasser und dessen mögliche Behandlung. Verfahren der Abwasserreinigung nutzen die physikalisch-chemischen Vorgänge der Konzentrierung, der Ausbildung von festen oder gasförmigen Phasen und deren Trennung vom Wasser. Abwässer selbst weisen bereits ein Zwei-Phasen-System auf: Man unterscheidet ungelöste von gelösten Stoffen. Die ungelösten (insgesamt filtrierbaren) Stoffe können je nach Teilchengröße nochmals in absetzbare und nicht absetzbare Stoffe unterteilt werden. Zu den nicht absetzbaren Stoffen gehören „schwimmende", sehr fein verteilte Partikel sowie suspendierte bzw. kolloidale Teilchen, die analytisch mittels Ultrafiltration abtrennbar sind. Die Anteile an gelösten Stoffen werden in organische und abbaubare sowie organische, nicht (oder schwer) abbaubare und anorganische Stoffe unterschieden. Die zwei letzten Gruppen können erst nach einer physikalisch-chemischen Behandlung, wofür sehr unterschiedliche Methoden zur Verfügung stehen, aus dem Abwasser entfernt werden (nach P. Kunz 1992). D. Schwankungen in der Abwassermenge einer Stadt. Häusliche Abwässer enthalten vor allem organische Stoffe, die aus Harn, Fäzes, aus Spül-, Putz- und Waschwasser stammen. Anorganische Stoffe (Salze) gelangen vor allem durch größere Mengen an Leitungswasser in die Kanalisation. Abwässer besitzen ein breites Spektrum an verschiedenen Inhaltsstoffen: von den von Mikroorganismen gut abbaubaren organischen Stoffen (Kohlenhydrate, Eiweißstoffe, Fette), Harnstoff aus den Exkrementen über Salze und Sand bis zu in Abwasserreinigungsanlagen störend wirkenden Stoffen wie Tensiden (aus Waschmitteln). Bereits ohne Regenwasserzufluß können die Abwassermengen einer Stadt (hier mit 50000 EWG - E.) innerhalb von 24 h um den Faktor 3 schwanken. Zur Planung ei-
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ner Kläranlage sind diese tageszeitlichen Schwankungen zu berücksichtigen, wobei nicht vom Tagesmittel, sondern von einem gewogenen Mittel, etwa 30% über dem 24-h-Mittel, ausgegangen wird. Die Menge an absetzbaren Stoffen zeigt einen deutlich unterschiedlichen Verlauf im Vergleich zur Abwassermenge. E. Biochemischer Sauerstoff-Bedarf BSB. Um die biologische Abbaubarkeit organischer Abwasserinhaltsstoffe charakterisieren zu können, wird der biochemische Sauerstoff-Bedarf BSB als Maß für die bei aeroben mikrobiellen Oxidationen verbrauchte SauerstoffMenge (in mg O2/L Wasser) definiert. Zur Planung von Abwasserreinigungsanlagen (Größe, Reinigungsstufen bzw. Anforderungen an die Biologie - A. u. B.) stellt der BSB eine wichtige Kenngröße dar. Als Einwohnergleichwert EWG wird bei 200 L Abwasser pro Einwohner (D.) zum Abbau der darin enthaltenen organischen Stoffe ein BSB-Wert von 60 g O2 angesetzt. Sehr leicht abbaubare Stoffe werden durch Mikroorganismen bei ausreichenden O2Gehalten innerhalb von 5 Tagen (BSB5) schnell und vollständig mineralisiert, d. h. in H2O und CO2 überführt (Substratatmung enzymatisch). Schadstoffe, die eine (meist auf Enzyme) hemmende Wirkung ausüben, verzögern den Abbau. Bei schwerer abbaubaren Stoffen wie Tensiden (Kap. 5.5, G.) tritt neben einer endogenen Atmung (Zellatmung) der sog. Primärfresser (die sich von autotrophen Produzenten wie Algen u. ä. ernähren) dann auch eine Nitrifikation (Kap. 1.3, C.) ein. BSB-Werte werden als Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer vom Gesetzgeber festgelegt (15-40 g- L_1) und dem „Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz)" zugrunde gelegt.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und-reinigung
Wasser
F. Anaerober Abbau organischer Stoffe. Zum Abbau hoher Substratkonzentrationen wird vor allem in den Kläranlagen der Lebensmittelindustrie als erste Stufe eine anerobe Abwasserbehandlung vor einer aeroben Weiterbehandlung durchgeführt. Auch bei den biologischen Verfahren zur Denitrifikation sowie Phosphor-Elimination ($. N. u. P.) sind anaerobe Bedingungen erforderlich. Bei Anwesenheit von gelöstem (oder auch gebundenem) Sauerstoff können einige Bakterien energiereiche Kohlenstoff-Verbindungen - Kohlenhydrate, Fette und Eiweißstoffe - in ihrem Stoffwechsel umsetzen. Es findet jedoch, bei relativ geringer Umsetzungsrate, keine vollständige Mineralisierung statt, sondern es entsteht überwiegend Methan. Erst bei hoher Substratkonzentration werden bei den geringen Stoffwechselgeschwindigkeiten nutzbare Abbauraten erreicht, wobei im ersten Schritt niedere Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren entstehen. Säurebildende Bakterien wandeln diese Stoffe relativ rasch in organische Säuren um, wobei sich zwei Wege ergeben: Aus kurzkettigen Säuren bzw. auch Methanol können Methan-Bakterien direkt und überwiegend Methan gewinnen. Längerkettige Säuren werden von acetogenen Bakterien zunächst zu den methanogene Substanzen abgebaut und dann von Methan-Bakterien verstoffwechselt. Das Endprodukt Biogas enthält schließlich neben CH4 auch NH3, H2S (aus den Eiweißstoffen), CO2 und H2 aus dem Anteil der vollständigen Mineralisierung. Der im Bild rechts oben dargestellte Abbau komplexer (meist höhermolekularer) organischer Verbindungen beinhaltet in Prozent auch den Energiefluß einer anaeroben Abwasserreinigung, berechnet anhand des CSB (chemischen SauerstoffBedarfs). Zunächst erfolgt hier eine Hydrolyse der Substratmoleküle; unlösliche organische Stoffe werden durch extrazelluläre Enzyme in wasserlösliche Substan-
106 zen umgewandelt. Acetogene Bakterien bauen bei einem geringen WasserstoffPartialdruck höhermolekulare organische Säuren weiter ab. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der H2-verbrauchenden Methan-Bildung (schnell) und der acetogenen Wasserstoff-Bildung (langsam). Für die MethanBildung kommen zwei Reaktionen in Frage: CH3COOH Æ CH4 + CO2 (langsam) und CO2 + 4 H2 Æ CH4 + 2 H2O (schnell). Eine Hemmung der Methan-Bildung tritt vor allem bei einem absinkenden pHWert auf. Biogas aus einer anaeroben Abwasserbehandlung besitzt einen Heizwert zwischen 20 und 25 MJm~3. C. Grundlagen anaerober Reinigungsverfahren. Die Fließschemata zeigen eine einstufige und eine zweistufige Anlage zum Vergleich. Als Kenndaten eines aeroben Prozesses in einer einstufigen Anlage gelten ein CSB-Abbau von 50 bis 90% bei einer Schlammbelastung (L) von 0,1 bis 2 kg CSB/kg Trockensubstanz und Tag und eine Biogasproduktion von 0,2 bis 0,4 m3 je kg abgebautem CSB mit einem CH4-Anteil von 65 bis 85 sowie 10 bis 25 Vol.-% CO2. Zur Einhaltung der mikrobiell erforderlichen optimalen Temperaturen müssen den Reaktoren Wärmet aus-)tauscher vorgeschaltet bzw. in die Reaktoren eingebaut werden. Weiterhin ist die Einhaltung eines optimalen pH-Wertes mit Hilfe eines Pufferbehälters erforderlich. Eine zweistufige Anlage stellt eine optimale Lösung dar, wenn die CH4-Bildung der geschwindigkeitslimitierende Schritt ist. Die unter F. beschriebene Hydrolyse- und die Versäuerungsphase mit pH 4 werden getrennt. Verläuft die Hydrolyse jedoch langsam oder besitzt das Abwasser eine große Pufferkapazität, so weist das zweistufige Verfahren gegenüber dem einstufigen keine Vorteile auf.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung
Wasser H. Zur Kinetik von Flockung und Filtra-
tion (nach Sigg u. Stumm 1991). Um die in Abwässer gelösten Stoffe mittels Flokkung und Filtration optimal entfernen zu können, sind Kenntnisse zur Kinetik der Vorgänge an den Grenzflächen von grundlegender Bedeutung. Suspendierte Partikel und Kolloide sind wichtige Adsorbentien für Metall-Ionen, Phosphate, Humin- und Fulvosäuren sowie organische Schadstoffe. Kolloide können auf dem Weg der Sedimentation nur entfernt werden, wenn sich die Durchmesser der Partikel durch Agglomeration erhöhen. Die Flockung stellt eine Zusammenballung kolloidaler Teilchen zu größeren Agglomeraten dar. Durch Zusatz von Substanzen, die an der Oberfläche adsorbiert werden, läßt sich die Oberflächenladung kolloidaler Teilchen verringern, so daß es zu einer Adsorptionskoagulation kommt. Die Stabilität von geladenen Kolloiden wird durch Elektrolytzusätze (wie NaCl) allgemein verringert. In der Abwassertechnologie sind solche Zusätze jedoch nicht brauchbar. Bei der Koagulation spielen zwei Mechanismen ein Rolle: der schnelle Entstabilsierungsvorgang, durch den es zu einer Aggregation sich treffender Partikel kommt, und der Transportschritt (langsamer), durch den die Partikel gegenseitigen Kontakt bekommen, als Kollisionsfrequenz (bestimmt durch Diffusion, Brownsche Bewegung, und Scherkräfte, Geschwindigkeitsgradienten). Der Kollosionswirksamkeitsfaktor a beschreibt den von der chemischen Haftbarkeit abhängigen Erfolg von Zusammenstößen (a * 10"4 bedeutet 1 wirksamen Zusammenstoß bei 104 Kollisionen). Aus dieser vereinfachten Kinetik ergibt sich die Abnahme der Anzahl N von Kolloiden als ein Geschwindigkeitsgesetz zweiter Ordnung mit - dN/dt = kp D N2. kp Geschwindigkeitskonstante In Wasseraufbereitungs- und Abwasserreinigungssystemen mit hohen Teilchen-
108 konzentrationen wird die Koagulation durch die Wahl eines hohen Geschwindigkeitsgradienten (Turbulenz) und durch Zusätze zur Verbesserung der Kollisionswirksamkeit optimiert. Die Filtrationswirksamkeit als Produkt aus Kontakthäufigkeit und Kollisionswirksamkeit ist im linken Teil des Bildes dargestellt: Ein Vergleich natürlicher und technischer Filtrationssysteme hat gezeigt, daß die Filtration beim Grundwassertransport im Grundwasserträger oder die Grundwasserfiltration trotz unterschiedlicher Filtrationsgeschwindigkeiten vergleichbare Filtrationswirkungen (s. o.) wie technische Fittrationsverfahren mit Langsam- oder Schnellfiltern aufweisen. I. Wirksamkeit von Chemikalien in der Wassertechnologie. Als Koagulationsmittel werden häufig Al(III)- und Fe(III)Salze verwendet: Sie hydrolysieren in carbonathaltigem Wasser (pH 7-9) zu Metallhydroxo-Komplexen, die sich zu metastabilen Zwischenprodukten Mex(OH)J+ vernetzen, bevor sie schwerlösliche Hydroxide bilden. Sie sind bei pH<8 positiv geladen und werden von suspendierten Teilchen adsorbiert, wodurch sich die Oberflächenladung verändert. Die stetige Zugabe von einem A1(HI)-Salz führt zunächst zu einer Ladungsneutralisation (EntStabilisierung) und dann zu einer Umkehrung der Ladung (Restabilisierung). Die unterschiedliche Wirksamkeit von Al3+-, Ca2+- bzw. NaMonen, die aufgrund der Elektrolytwirkung (Veränderung des Oberflächenpotentials der Kolloide bzw. suspendierten Teilchen - s. im Bild rechts) eine Koagulation hervorrufen, des beschriebenen hydroxylierten Aluminiums sowie der Fällung mit Aluminiumhydroxid ist im linken Teil des Bildes dargestellt. Bei höheren Dosierungen sowohl von Al(III)als auch Fe(III)-Salzen tritt dann die Fällung der Hydroxide in Form der Fällungsflockung auf.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung
Wasser J. Fällungs-pH-Bereiche von Metallen.
1. Fällungsbereiche. Zu den chemischen Verfahren der Abwasserbehandlung gehört auch die Abtrennung von gelösten Schwermetallsalzen durch Fällung, die vom Löslichkeitsprodukt und der Beeinflussung der Löslichkeit bestimmt wird. Der in Abwässern zulässige pH-Bereich liegt zwischen 6 und 9. Als Fällungsmittel können prinzipiell NaOH, Na2CO3 (Soda) oder CaCO3/Ca(OH)2 (Kalk) verwendet werden, jedoch ist jeweils die spezielle Chemie des Metalls zu beachten: Fe(III)-, Al(III)- und Cr(HI)-Ionen fallen bereits im schwach sauren Bereich als Hydroxide aus. Aufgrund des amphoteren Charakters lösen sich die Hydroxide von Aluminium und Chrom bei pH > 8 bzw. 9 als Hydroxy-Komplexe wieder auf. Beim Chrom und auch beim amphoteren Zink kann die Wiederauflösung durch Fällung mit Kalk unterdrückt werden, da die Calcium-Verbindungen der Hydroxy-Komplexe schwerlöslich sind. Eine Fällung mit Na2CO3 ist für die Metalle von Zink, Blei und Cadmium vorteilhaft, da deren Carbonate bereits bei niedrigeren pH-Werten als die Hydroxide ausfallen. 2. Löslichkeitskurven. Beim Fe(III)-Ion tritt bereits bei einem pH-Wert unter 4 eine weitgehend vollständige Ausfällung ein, unabhängig von der Art des Fällungsmittels. Cr(III)-Ionen dagegen zeigen ein unterschiedliches Fällungsverhalten gegenüber den drei genannten Fällungsmitteln, wobei CaO in Form von Kalkmilch (Calciumhydroxid-Suspension) die beste Wirkung im Hinblick auf die Verhinderung einer möglichen Wiederauflösung im alkalischen Bereich zeigt. Beim Cd(II)-Ion wird eine Fällung im Neutralbereich bis etwa pH 8 nur durch die Verwendung von Soda erreicht. Bei Anwesenheit mehrerer Metalle in einem Abwasser läßt sich oft schon bei niedrigen pH-Werten eine insgesamt quantitative Fällung erreichen, da die schwerer, d. h. bei höheren pH-Werten bzw. unvollstän-
110 dig fällbaren Metall-Ionen durch die leichter fällbaren Hydroxide wie Eisen(III)-hydroxid adsorbiert und mitgefällt werden. In der Praxis ist die optimale Auswahl der Fällungsmittel und pHBereiche daher von großer Bedeutung. K. Abwasserreinigungsanlage mit Phosphat-Fällung. Phosphate gelangen nicht nur direkt aus den Abwässern in die Kläranlage, sondern sie werden auch infolge des mikrobiellen Abbau organischer P-haltiger Stoffe gebildet. Mit Hilfe der chemischen Fällung können Phosphat-Ionen mit Hilfe von Fe(III)bzw. Al(III)-Ionen entfernt werden. Die Fällung kann an drei verschiedenen Stellen einer Abwasserreinigungsanlage erfolgen. Wird das Fällungs mittel bereits im Bereich des belüfteten Sandfanges oder direkt im Zulauf zum Vorklärbecken zugesetzt, so wird der eingeleitete Phosphat-Anteil zusammen mit organischen Stoffen ausgefällt, die biologische Stufe dadurch entlastet. Bei der Simultanfällung wird das Fällungsmittel im Bereich des Belebungsbeckens zugesetzt. Die Flockenabscheidung erfolgt in der Nachklärung. Die Absetzeigenschaften des Belebtschlamms werden bei diesem am weitesten verbreiteten und betriebssicheren Verfahren verbessert. Es wird eine mittlere Konzentration im Ablauf von etwa 1 mg-L-1 Gesamt-P erreicht. Beim 3. Verfahren, der Nachfällung, ist ein eigenes Fällungs- und Absetzbecken erforderlich. Es stellt die wirksamste, die Biologie nicht störende, aber auch die teuerste Verfahrensvariante dar. Die Dosierung des Fällungsmittels erfolgt an Stellen mit hoher Turbulenz (H. u. I.). In den Zonen geringerer Turbulenz ist dann das Flockenwachstum begünstigt. Durch die Kombination von Fällung und Flokkungsfiltration werden Ablaufwerte zwischen 0,2 und 0,3 mg-L"1 P erreicht.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und-reinigung
Wasser
L Schlammbildung und BSB. In Kläranlagen zur biologischen Abwasserreinigung entsteht in einem Belebungsverfahren biologischer Schlamm. Die Schlammbakterien (Pseudomonas, coliforme Bakterien, Nitrosomonas, Nitrobacter u. a.) scheiden wasserlösliche hochmolekulare Stoffe aus, die um sie herum eine schleimige Hülle bilden und die Bakterien zu Flockung vereinigen. Belebtschlamm besteht aus der Biomasse, aus Schleimstoffen, Schluff und anorganischen Stoffen (mit nur 0,5% Trockensubstanzgehalt und davon 30% anorganische sowie 70% organischer Anteile). Unter Schlammbelastung BTS versteht man die Tagesfracht an veratembaren Abwasserinhaltsstoffen (als BSB5 - E.) bezogen auf die in einem Belebungsbecken (B.) insgesamt vorhandene Belebtschlammbiomasse (als Trokkensubstanz TS). Die Reinigungsleistung ist um so besser, je geringer die Masse der für Mikroorganismen verwertbaren Schmutzstoffe pro Zeit und pro verfügbarer Masse an Belebtschlamm ist. Vor allem für Bakterien mit langer Generationszeit (Beispiel: Nitrifikanten) ist das Schlammatter eine wichtige Größe. Es ergibt sich als Quotient aus der vorhandenen Bakterienmasse im Belebtbecken und der mit dem Überschußschlamm abgezogenen Bakterienmasse. Das Schlammalter muß größer sein als die Generationszeit der Nitrifikanten (0. u. P.), damit möglichst viele dieser spezialisierten Mikroorganismen wieder in das Belebtbecken zurückgeführt werden. Eine hohe Schlammbelastung führt allgemein zu einer guten Versorgung der Mikroorganismen (schnelles Wachstum der Population) - das Schlammalter ist hier gering. Das Bild stellt die Zusammenhänge zwischen der Restverschmutzung im Ablauf, dem Schlammzuwachs und Schlammalter sowie den Ursachen des Rest-BSB, dar.
112 M. Sauerstoff-Verbrauch für Stoffwechselvorgänge. Im Belebtschlamm spielen sich verschiedene Stoffwechselvorgänge ab: eine endogene Schlammatmung, die Substratatmung und die Nitrifikation. Die Schlammatmung in einer Belebtschlammflocke ist durch die Lebensgemeinschaft der aeroben Bakterien, Protozoen und z. T. auch Pilze und Hefen zu erklären. Die bakterielle Biomasse nimmt die verwertbaren Abwasserinhaltsstoffe zur Veratmung auf. Daher wird zum Ausgleich dieses Biomassezuwachses dem Schlammkreislauf eine entsprechende Menge an Überschußschlamm (L.) entzogen. Bei der Nitrifikation oxidieren die Nitrifikanten Nitrosomonas und Nitrobacter Ammonium zu Nitrit bzw. Nitrat. Alle drei Stoffwechselvorgänge sind in Abhängigkeit von der Schlammbelastung dargestellt. Unterhalb von 0,3 kg BSB5/kg TS -d ist eine Vollreinigung des Abwassers möglich, unterhalb von 0,15 kommt es zur Nitrifikation, unterhalb von 0,05 ergibt sich eine aerobe Schlammstabilisierung (= Beseitigung der Fäulnisfähigkeit). N. Phosphat-Eliminationen. Die biologische P-Elimination beruht auf der Fähigkeit von Bakterien, beim Wechsel zwischen anaeroben und aeroben Bedingungen vermehrt Phosphate einzulagern (1.); Unter anaeroben Bedingungen setzen sie Phosphate frei, unter aeroben Milieu (Belebungsbecken) nehmen sie Phosphate auf. Als Ergebnis einer Optimierung (Verwendung von Rücklaufschlamm und Kreislauf) enthält der Überschußschlamm aus dem aeroben Bereich einen hohen P-Gehalt. Beim Phostrip-Verfahren (2.) ist das biologische Verfahren (nach der anaeroben Rücklösung) mit einer Fällung als Calciumphosphat (K.) im Nebenstrom kombiniert.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung
Wasser
O. Stickstoff-Umwand lungert bei der Abwasserreinigung. Häusliche und kommunale Abwässer enthalten bis zu 30mg-L_1 Ammonium, dessen Gehalte sich infolge des Abbaus organischer stickstoffhaltiger Stoffe während der Abwasserbehandlung weiter erhöhen. Da NH4 sowohl ein Fischgift darstellt, als auch durch die Oxidation zum NO] in Gewässern zu einer hohen Sauerstoff-Zehrung führt, muß es in einer Abwasserbehandlungsanlage oxidiert und das gebildete NOi möglichst auch entfernt werden. Die Oxidation zu NOi - Nitrifikation - erfolgt durch zwei spezielle lithoautotrophe (anorganischen Kohlenstoff verwertende) Mikroorganismen der Gattungen Nitrosomonas (Oxidation zum NOi) und Nitrobacter (Oxidation vom NOi zum NOi): NH4+ + 1,5 O2 Æ NO2- + H2O + 2 H+ und NO2 + 0,5 O2 (aus H2O) Æ NO3-. Die dabei freigesetzte Energie (von insgesamt etwa 350 kjmor1) wird zum Aufbau von Zellsubstanz verwendet. Im Vergleich zu den heterotrophen Belebtschlammbakterien (Verwertung von organischem Kohlenstoff, M.) wachsen sie um den Faktor 10 langsamer. Erst ab einem bestimmten Schlammalter (L) können sie sich in einer Belebtschlammbiozönose durchsetzen. Um die günstigsten Bedingungen für die Nitrifikanten zu schaffen, wird die Schlammbelastung BTS (L) (und damit das Nahrungsangebot für die heterotrophen Bakterien) stark verringert. Ein Schlammalter von 7 Tagen bei einer Temperatur von 15 °C, 2 mg * L_1 O2 im Belebtschlamm und pH-Werten zwischen 7,5 und 8,6 gelten als optimal. Eine große Zahl (70-90%) der heterotrophen Bakterien des Belebtschlammes sind fakultative Anaerobier, sie können in Abwesenheit von Sauerstoff (anoxisches Milieu - N.) von der Sauerstoff- zur Nitrat-Atmung überwechseln. Dadurch erfolgen Abbaureaktionen unter Verbrauch des NOä-Sauerstoffs:
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4 H+ + 5 C + 4 NO3- Æ 5 CO2 + 2 N2 + 2 H2O. Die bei der Nitrifikation entstanden H+Ionen werden dabei zur Hälfte verbraucht (günstig: eine Verringerung des pH-Wertes wird verhindert). Bei der Nitrifikation werden 2 mol O2 je mol N benötigt, bei der Denitrifikation 1,25 mol wieder eingespart, was sich günstig auf die Sauerstoff-Bilanz insgesamt auswirkt. P. Verfahren der Denitrifikation. Die
beiden Verfahren (1. u. 2.) unterscheiden sich in der Stellung des Denitrifikationsbeckens, das einmal dem Nitrifikationsbecken vor- und im anderen Fall nachgeschaltet ist. Beim nachgeschalteten Denitrifikationsbecken (1.) wird z.B. Methanol als externer Wasserstoff-Donator zugemischt. Eine dem optimalen Wachstum der Bakterien angepaßte SauerstoffVersorgung ist sowohl im Nitrifikationsbecken als auch im Zwischenbelüftungsbecken erforderlich. Beim 2. Verfahren mit einem vorgeschalteten Denitrifikationsbecken entfällt das Zwischenbelüftungsbecken, dafür muß das Abwasser im Kreislauf geführt werden. Die Vorgänge der Denitrifikation sind weitgehend mit denen des aeroben Bakterienstoffwechsels vergleichbar. Als wichtigster Einflußfaktor ist bei annähernd neutralem pH-Wert ein BSB5/NOs-N-Verhältnis von >3 zu beachten. Weiterhin ist die Reaktionskinetik der Nitrat-Reduktion von der Atmungsaktivität des Belebtschlamms abhängig. Zur Dimensionierung solcher Anlagen sind vor allem möglichst genaue Kenntnisse über die nitrifizierbare Stickstoff-Fracht im Abwasser erforderlich. Die organischen Stickstoff-Verbindungen sind zu berücksichtigen, ein Teil des Stickstoffs wird dem Abwasser mit dem Schlamm entzogen, ein weiterer Anteil wird nicht oxidiert. Daher sind Bilanzierungen zur Optimierung einer Stickstoff-Eliminationsanlage unbedingt erforderlich.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung
Wasser Q. Abwasserbehandlung in der metallverarbeitenden (Automobil-) Industrie. Metallhaltige Abwässer fallen vor allem in Beizereien, Galvanisierbetrieben, Stahl- und Walzwerken sowie Härtereien an. Im dargestellten Fließschema sind einzelne Arbeitsvorgänge den dabei anfallenden speziellen Abwässerarten zugeordnet und für diese wiederum Kombinationsmöglichkeiten bereits beschriebener Abwasserreinigungstechniken zugeordnet. Aus dem Bild wird erkennbar, daß in einem hier angenommenen metallverarbeitenden Modellbetrieb mit unterschiedlichen Fertigungsbereichen auch verschiedenartige Behandlungsverfahren erforderlich sind. Ein wesentlicher Teil des Konzeptes - hier für die zentrale Anlagenwarte der Abwasserentsorgungsanlage eines Automobilwerkes (nach P. Kunz 1992) - ist die Rückführung von behandelten Stoffströmen in die Produktion und die Kopplung von Behandlungsschritten (-einheiten). Für die genannten Gewerbebetriebe sind oft wenige der dargestellten Verfahrensschritte ausreichend: Saure und schwermetallhaltige Abwässer aus Beizereien müssen neutralisiert, die Schwermetalle als Hydroxide gefällt werden. Für ein mögliches Recycling kann die Elektrolyse verwendet werden. Die sauren, schwermetallhaltigen Abwässer aus Galvanisierbetrieben enthalten oft Chromate, die durch Eisen(II)-Salze reduziert werden können. Cyanidhaltige Abwässer müssen oxidiert werden. Auch hier ist eine Rückgewinnung von Metallen oft sinnvoll. Reste an Schwermetall-Ionen lassen sich mit Hilfe von lonenaustausch- oder Zementationsverfahren entfernen. Für Stahl- und Walzwerk- sowie Härtereiabwässer spielen neben den physikalisch-chemischen Reinigungsverfahren in manchen Fällen auch mikrobielle Reinigungsverfahren eine Rolle, bei denen gelöste Metalle
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durch Speicherung an Zetlwänden oder im Zellinneren aus dem Abwasser entfernt werden können. R. Mechanisch-biologisch-chemische Kläranlage mit Schlammbehandlung. Das Bild faßt alle Verfahrensschritte einer konventionellen industriellen Abwasserbehandlungsanlage zusammen: Im ersten Schritt wird das Abwasser neutralisiert, aus gelösten Stoffen entstehen schwerlösliche Substanzen, aus denen sich größere Flocken bilden. Sie werden im Vorklärbecken aufgrund der Schwerkraftwirkung abgetrennt. Zum mechanischen Teil gehören auch Rechen und Sandfang (B.) vor dem Vorklärbecken. Danach gelangt das mechanisch-gereinigte Abwasser in das Belebungsbecken. Die im Abwasser vorhandenen Mikroorganismen werden hier und in einem Teil der in der Nachklärung abgetrennten Biomasse (Rücklaufschlamm - als Impfschtamm) mit Sauerstoff versorgt. Der Überschuß an Schlammbiomasse (Überschuß- oder Sekundärschlamm) wird einer Schlammbehandlung zugeführt. Zur Schlammbehandlung gehören die Teilschritte Eindickung, Stabilisierung (M.) und Entwässerung. Rohschlamm besteht zu 90% aus Wasser. Die Eindickung stellt eine Erhöhung des Feststoffgehaltes unter Einwirkung der Schwerkraft dar, eine weitergehende Entwässerung erfolgt mit Hilfe von Zentrifugen, Filterpressen oder auch thermisch. Der Zusatz von Kalk(-hydrat) hat eine Hygienisierung zum Ziel. Eine Klärschlammkonditionierung zum Zweck einer besseren Entwässerbarkeit erfolgt durch Zusatz von Fe(IIl)-Salzen. Eine Klärschlammentsorgung kann auf den Wegen einer Verwertung in der Landwirtschaft (Anforderungen nach der Klärschlammverordnung), einer Klärschlammdeponierung oder -Verbrennung erfolgen.
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3.4 Grundlagen der Abwasserchemie und -reinigung
Boden A. Der Boden im Umfeld von Litho-, Hydro- und Atmosphäre. Als Boden
oder Pedosphäre wird die oberste von lebenden Organismen besiedelte, verwitterte Schicht der Erdkruste bezeichnet, die durch das Klima, Organismen und den ihn bewirtschaftenden Menschen umgestaltet wird. Entsprechend der Definition in der Bodenkunde endet der Boden beim Übergang in unverändertes Gestein. Nach dem Modell der Sphären (als kugelschaliger Aufbau des Planeten Erde) stellt die Pedosphäre eine Durchdringungssphäre dar, in der sich die Einflüsse aller vier Sphären bemerkbar machen. In der Pedosphäre findet eine Verwitterung der Hthosphärischen Bestandteile, des Gesteinskörpers, statt. Unter Verwitterung werden physikalische (mechanische), chemische und auch biologische Vorgänge zusammengefaßt, die den Gesteinskörper der Lithosphäre ab- und umbauen. Veränderungen des Gesteinskörpers, an denen alle drei Hauptsphären beteiligt sind, werden als Bodenbitdung bezeichnet. Wo eine der drei anderen Sphären nicht an der Durchdringung der Lithosphäre beteiligt ist, existiert keine Pedosphäre (Beispiele: Hochgebirgsfelsregion = Verwitterungssphäre; Gewässergrund ohne Einfluß der Atmosphäre Diagenesesphäre). B. Die litho-, bio-, atmo- und hydrosphärischen Anteile. Ein Boden setzt sich aus lithogenen, biogenen, atmogenen und hydrogenen Anteilen zusammen. Die Mischungsanteile aus den einzelnen Sphären können im dreidimensionalen Raum eines Bodens von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sein. Das Bodengefüge - die Bodenstruktur - ergibt sich aus der räumlichen Anordnung der festen Bodenbestandteile und dem Anteil der Bodenporen. Das Bodengefüge bestimmt den Wasser-, Luft- und Wärmehaushalt direkt. Die gasförmige Phase in allen Teilen des Porenvolumens eines Bo-
118 dens bezeichnet man als Bodenluft. Die sie wesentlich von biologischen Vorgängen beeinflußt wird, weicht ihre Zusammensetzung meist von derjenigen der Atmosphäre ab. Sie wird durch die Bodenatmung, die Kohlenstoffdioxid-Abgabe und Sauerstoff-Aufnahme, d. h. durch die Atmung der Bodenorganismen und Pflanzenwurzeln bestimmt. Unter anaeroben Bedingungen, bei hoher Bodenfeuchte, reichern sich hier Gase wie Methan und Schwefelwasserstoff an. Organische Bestandteile als Teil des biogenen Anteils sind alle im Boden befindlichen, abgestorbenen Stoffe pflanzlicher und tierischer Herkunft und deren organische Umwandlungsprodukte. Die lithogenen und biogenen Anteile werden als feste Phase zusammengefaßt, so daß sich der Boden als Dreiphasengemisch darstellt. Als Grundlage einer quantitativen Bodenbetrachtung wird die Ermittlung der Gewichts- bzw. Volumenanteile der drei Phasen angesehen: Die Trockensubstanz besteht aus dem lithogenen Anteil und den in den Trockenzustand überführten (abgetöteten) Organismen sowie der postmortalen organischen Substanz. Bei einem Anteil von mehr als 30% organischer Substanz verwendet man auch die Bezeichnung organischer Boden - in Mitteleuropa Hegt dieser Anteil bei 3 bis 10%. Aus der Differenz zwischen der Masse an originaler Bodenprobe und Trockensubstanz ergibt sich der Wassergehalt. Die Differenzierung zwischen mineralischem und organischem Anteil erfolgt über den Glühverlust (bei 500 °C unter Sauerstoff-Zufuhr) bzw. über eine Verbrennungsanalyse mit Bestimmung des freigesetzten CO2. Das Luftvolumen ergibt sich aus dem Stechzylindervolumen (Entnahme einer Bodenprobe mittels Stechzylinder) abzüglich von Festund Flüssigvolumen. Die Größenordnung des Porenvolumens liegt bei normal humushaltigen Böden bei etwa 43 Vol.-%.
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4.1 Grundlagen der Bodenkunde
Boden
C. Wechselbeziehungen zwischen Gesteinsarten (s. a. Kap. 1.1, B. u. D.). Für die Bodenchemie sind vor allem die Vorgänge von Verwitterung und Sedimentation von Bedeutung. In der äußersten Erdkruste haben magmatische Gesteine einen Anteil von 95%, metamorphe Gesteine von 4% und Sedimentgesteine von 1 %. Sedimentgesteine entstehen infolge der Einwirkung von Atmosphäre und/oder Hydrosphäre auf oberflächennahe Bereiche mit nachfolgender Sedimentation; sie bedecken den größten Teil der Landfläche (D.) und enthalten als mineralische Komponenten Quarz, Tone, Calcit, Dolomit, Goethit (a-FeOOH), Hämatit (Fe2O3), Halit (NaCl) und Gips. Zu den Sedimentgesteinen gehören Schiefer, Sand- und Kalkstein. Zu den metamorphen Gesteinen zählen Gneis, Marmor und Quarzit. Für die natürliche Bodenentwicklung ist die Verwitterung von entscheidender Bedeutung: Abbau- und Umwandlungsvorgänge durch Wechselwirkung mit Atmo-, Hydro- und Biosphäre (A.) werden unter diesem Begriff zusammengefaßt. Physikalische, chemische und biologische Vorgänge führen zu einer Zerkleinerung und damit auch zu einer Verteilung fester Materialien. Eine physikalische Gesteinszerkleinerung wird durch Temperatursprünge (Frost), Druckänderungen, Wind, Gletscher und Erosionen hervorgerufen. Ausscheidungs- und Zersetzungsprodukte von Lebewesen verursachen eine biologische Verwitterung. Chemische Prozesse wie Hydrolyse, Carbonisierung (Reaktionen zwischen CO2, H2O und vor allem CaCO3), Reduktion, Oxidation, Komplexierung (z. B. von AI, Fe, Mn durch Huminstoffe - Kap. 4.1, 0.), Auflösung und Kristallisation führen zu einer chemischen Verwitterung. Die Verwitterung ist ein Prozeß der Bodenbildung, bei dem aus dem Gestein des Bodens bodeneigene Minerale wie Tonminerale (Kap. 4.1, G.) entstehen.
120 D. Gesteinsarten. Die Erdoberfläche besteht, im Unterschied zur Erdkruste (C. oberste, bis 16 km tiefe Schicht), zu 75% aus Sedimentgesteinen und nur zu 25% aus Magmatiten sowie Metamorphiten (Kap. 1.1, C), d. h„ die lithogenen Anteile der Pedosphäre (A.) stammen überwiegend aus Sedimentgesteinen. Sedimente lassen sich aufgrund ihrer Genese klassifizieren: Unlösliche silikatische Gesteinsbruchstücke zerfallen hierbei zu Partikeln immer geringerer Korngröße - zu den sog. klastischen (klastos griech. gespalten) Sedimenten - als Lockersedimente Schotter und Schutt (Blöcke >20 cm Durchmesser), Kiese (Geröll, Steine, Kies und Grus; 20-0,2 cm), Sande (2000-60 um), Schluff (60-2 Mm), Tone (<2 µm). Als Festsedimentgesteine (nach einem Verfestigungsprozeß, der Diagenese) werden Gesteine gleicher Korngrößen als Breccien, Konglomerate, Sandsteine, Schiuffsteine (Löß) bzw. Tonsteine bezeichnet. Die festen klastischen Sedimente sind somit aus den lockeren klastischen Sedimenten entstanden - auf dem genannten Wege der Diagenese. Vom Sandkorn an wird die Korngröße und nicht die Kornform wie bei den grobklastischen Sedimenten - zur Charakterisierung verwendet. Als Bindemittel in den Sand- und Schiuffsteinen befinden sich Kalk (beim Kalksandstein), Ton (bei Tonsandsteinen), SiO2 (bei Quarziten, Sandsteinen im engeren Sinne); Sandsteine enthalten hauptsächlich Feldspat, Quarz und Glimmer. Sande und Tone werden meistens im Wasser transportiert und sedimentiert, Schluff dagegen mit Hilfe des Windes verfrachtet. Biolithe sind z. B. Kohle und Torf: zu den chemisch-biogenen Sedimenten gehört Muschelkalk. Kalksteine und Salzsteine treten als chemische Sedimente z. B. im Meer auf.
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4.1 Grundlagen der Bodenkunde
Boden
E. Körnungsklassen von Böden (s. a. D.). Die Bodenart wird anhand der Beschreibung der Korngrößenzusammensetzung der Mineralpartikel als Körnung eines Bodens ermittelt. Sie beeinflußt z. B. die Größenverteilung der Bodenporen und damit den Wasser- und Gashaushalt von Böden. Die Körnung (auch als Bodentextur bezeichnet) ergibt sich aus den Mengenanteilen von Ton, Schluff und Sand. Mit 2 mm als Grenzdurchmesser wird der Grobboden (in der Bedeutung als Bodenskelett) vom Feinboden getrennt. Die Hauptfraktionen des Feinbodens sind Sand (Grob- bis Feinsand international 0,2-2 mm; DIN 4022 0,063-2 mm; USSystem 0,05-2 mm). Schluff (0,0020,02 mm, DIN 0,002-0,063 mm; US 0,002-0,05 mm) und Ton (<0,002mm). Überwiegt eine dieser Fraktionen, so wird die Bodenart danach benannt. Ein Boden aus 40% Sand, 40% Schluff und 20% Ton (s. Bild) wird als Lehm bezeichnet. Die Hauptfraktion erhält jeweils durch den höchsten Anteil an einer der beiden anderen Fraktionen ein entsprechendes Attribut: z. B. sandiger Ton, schluffiger Ton. Zur Beschreibung der Körnung müssen die Korngrößenfraktionen anteilmäßig ermittelt werden: Sandteüe lassen sich durch Siebung, feinkörnigere Fraktionen z. B. anhand der Sedimentationsgeschwindigkeit der Partikel unter dem Einfluß der Schwerkraft und nach anderen Methoden (Streulichtverfahren, Fliehkraftsedimentation, Ultrazentrifugation) bestimmen. Ein einfaches Feldverfahren der Bodenkundler besteht darin, den feuchten Boden zwischen den Fingern zu reiben. Die Merkmale der drei Hauptfraktionen sind Sand S (körnig, gut sichtbar, haftet nicht in den Fingerrillen, nicht formbar); Schluff U (samtig-mehlig, rauhe Schmierflächen, nicht haftend) und Ton T (klebrig, plastisch, gut formbar mit glänzenden Schmierflächen). Die Körnungsart eines Bodens bestimmt auch ganz wesentlich das ökochemische
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Verhalten von Schadstoffen, deren Adsorption bzw. Mobilisierbarkeit und auch Umwandlungen organischer Substanzen bzw. Bindungen von anorganischen Ionen. Die Fähigkeit eines Bodens zur Adsorption von Kationen aus der Bodenlösung (Gleichgewichtslösung zwischen dem lithogenen und hydrogenen Anteil A.) wird insgesamt jedoch sowohl vom prozentualen Tongehalt als auch von der mineralischen Zusammensetzung der Tonfraktion bestimmt. F. Krümelstrukturen des Bodens. Im Hinblick auf bodenchemische Eigenschaften von Böden ist deren Struktur meist als Bodengefüge bezeichnet - von Bedeutung. Sie beschreibt die Art der räumlichen Anordnung der festen Bodenpartikel. Das Bodengefüge (Synonym Bodenstruktur) beeinflußt direkt den Wasser-, Luft- und Wärmehaushalt und indirekt die biologische Aktivität, die Bodenentwicklung, Erfragsfahigkeir und auch Erodierbarkeit (E.). Beim Einzelkorngefüge sind Minerale und organische Partikel (Primärteilchen) nicht miteinander verklebt. Es kommt in tonarmen Sanden und Kiesen sowie auch in frisch abgelagerten schluffreichen Sedimenten vor. Beim Kohörentgefüge werden die Primärteilchen durch Kohäsionskrafte zusammengehalten. Sie kommen in Schluff-, Ton- und Lehmböden im Unterboden vor; im Oberboden zerfällt es beim Austrocknen in Aggregate. Aggregatgefüge sind das Prismengefüge (aus Prismen mit 3-6 meist rauhen Seitenflächen und 10-300 mm Durchmesser), Plattengefüge (charakterisiert durch horizontal gelagerte Platten als Folge von Pressungen mit 1-50 mm Dicke) und Bröckelgejüge (als Fragmentgefüge, das bei der Bearbeitung von Böden mittleren Tongehaltes bei optimaler Bodenfeuchte entsteht). Ein Krümetgefüge entsteht dann unter dem Einfluß biologischer Aktivität und intensiver Durchwurzelung.
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4.1 Grundlagen der Bodenkunde
Boden
G. Bodenhorizonte. In der Bodenkunde wird das Profil als Veränderung der Mischungs- und Wirkungsanteile aller vier Sphären in der Vertikalen als Tiefengradient betrachtet. So nehmen von oben nach unten der bio- und atmosphärische Anteil ab. Als Bodenhorizont wird die durch Prozesse der Bodenbildung aus dem Substrat gebildete Lage eines Bodens definiert, die sich von der benachbarten durch eine Sprung- oder Stufenflache unterscheidet (sichtbar abgrenzt). Über dem Gesteinssubstrat befindet sich als C-Horizont das nicht oder kaum durch Vorgänge der Bodenbildung veränderte Gestein (Erhaltung der lithosphäristhen Merkmale). Der B-Horizont als mineralischer Unterbodenhorizont ist nur indirekt von der Litho- bzw. Atmosphäre auf dem Wege der Lösungsverwitterung beeinflußt: Hier reichern sich organische Substanzen und Oxide des Fe, Mn, AI sowie Tonminerale durch Verwitterung an. Absteigendes, biogene und atmogene Bestandteile enthaltendes Niederschlagswasser führt zu einer Stoffzufuhr und zu chemischen sowie strukturellen Veränderungen. Der mineralische Oberbodenhorizont, der A-Horizont, enthält hohe Anteil an Wurzeln und wühlenden Bodentieren. Er weist dunkle Humusstoffe und Aufhellungen aufgrund von Wurzelausscheidungen auf und ist großen Veränderungen in der lithogenen Komponente durch Substanzverluste aufgrund von Auswaschungen unterworfen. Der 0Horizont schließlich ist der organische Bodenhorizont als Auflage von Mineralböden. Er besteht aus dem postmortalen Abfall der Vegetation. Auf der Oberfläche der Lithosphäre hat eine Sedimentation stattgefunden, es hat sich auf der gesteinsbürtigen Oberfläche der biogene Anteil der Lithosphäre als Humus gebildet. Neben der Schematisierung (1.) steht eine Charakterisierung (2.), die als Merkmal den Begriff Humus sowie die unterschiedlichen Färbungen verwendet. Ne-
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ben den Großbuchstaben für die Bodenhorizonte werden zusätzliche Buchstaben verwendet - so z. B. Aa/AA für einen mineralischen Oberbodenhorizont mit 15 bis 30% organischer Substanz, oder Ap/ AP als ein durch Pflügen (H.) durchmischter mineralischer Oberbodenhorizont. Mit G wird der Mineralhorizont im Grundwasserbereich, mit R das Festgestein, mit H ein organischer Bodenhorizont aus Torfresten bezeichnet. H. Die vier physikalischen Zustände des Bodens. Zusammenhänge zwischen dem Wassergehalt und dem Ausmaß der Kohäsion (Kohärentgefüge - F.) bestimmen die sog. „vier physikalischen" Zustände eines Bodens: Ein verdichteter Boden tritt vor allem infolge des Einsatzes schwerer Maschinen in der Landwirtschaft auf. Bei geringem Wassergehalt treten natürlicherweise verfestigte Böden (als Aggregatgefüge - F.) auf. Ein krümeliger Boden geht mit zunehmendem Wassergehalt in einen plastischen und schließlich flüssigen Zustand über. In Abhängigkeit von der Kohäsion lassen sich eine untere bzw. obere Plastizitätsgrenze angeben. Zweck der Bodenbearbeitung ist in diesem Zusammenhang die Schaffung von Aggregaten günstiger Größe an der Bodenoberfläche, die Wasser und Sauerstoff zur Verfügung stellen können, damit Samen keimen und Keimlinge die Bodenoberfläche durchstoßen können. Im Hinblick auf das Wurzelwachstum sind Lockerungen erforderlich, durch die Hohlräume zur Belüftung und Verbesserung der Wasserdurchlässigkeit entstehen. Feinkrümelige Gefügeformen werden mit Hilfe von Eggen in der Landwirtschaft erhalten. Bei der Bodenbearbeitung soll der Wassergehalt unterhalb der unteren Plastizitätsgrenze liegen. Bei zu hohen Wassergehalten verdichtet der Pflug den Boden zu sog. Kluten, die auch in trockenem Zustand nur schwer zerkleinert werden können.
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4.1 Grundlagen der Bodenkunde
Boden
A. Bodenfunktionen. Die vielfältigen Funktionen des Bodens ergeben sich aus seinem Aufbau(Kap. 4.1). Der Boden istein wesentlicher Teil des gesamten NaturKreislaufs, der die Basis für die Vegetation und insgesamt einen Lebensraum (Habitat) für Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere darstellt. Er erfüllt dafür die Funktionen eines Nährstoffspeichers und eines Nährbodens (für Mikroorganismen). Der Nährstoffvorrat im Boden wird durch die Vorgänge von Verwitterung und Mineralisierung, Eintrag aus der Atmosphäre, Auswaschen und Versickern, Erosion und Entzugdurch die Pflanzen verändert. Eine wesentliche Rolle für diesen Lebensraum spielen weitere physikalisch-chemische Vorgänge wie die Durchlüftung, der Wasserhaushalt, der Verlauf der Boden temperatur sowie Filterung und die Rückhaltung (chemische oder physikalische Bindung) zufließender (sowohl über die Atmo- als auch Hydrosphäre) Teilchen. Die funktionale Betrachtung des Bodens wurde in einem Vorlesungskonzept des Instituts für Bodenkunde der Universität Göttingen angewendet. Hieraus lassen sich weitere Bodenfunktionen entnehmen: Boden als Akkumulator und Wandler biogener Substanz (Humus), als N-Transformator im Ökosystem, als Puffer- und Kolloidsystem, als poröser Körper und Schwamm, als Wasserspeicher, als Mittler zwischen Atmo- und Hydrosphäre (Wasserbilanz), als wandelbares und entwicklungsfähiges System (Bodenentwicklung). B. Bodenbestandteile. Sowohl aus dem Aufbau des Bodens (Kap. 4.1) als auch aus seinen Funktionen (A.) ergeben sich als Gruppen von Bodenbestandteilen Wasser und Luft, mineralische und organische Bestandteile. Im Bodenwasser sind anorganische und organische Stoffe gelöst; es befindet sich ebenso wie die Luft in Bodenporen. Das Porenvolumen eines Bodens, die Porositäte, wird aus derTrokkenlagerungsdichte des gesamten Bo-
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dens und der Lagerungsdichte der mineralischen Bodenpartikel berechnet: e = 1 – U b /U s U = m/V = Lagerungsdichte m Masse des trockenen Bodens, V Volumen, b Trockenlagerungsdichte, s mineralische Bodenpartikel Zu den festen Bestandteilen gehören auch die Bodenorganismen. Die organischen Bestandteile setzen sich aus abgestorbenem und teilweise zersetztem organischen Material zusammen. C. Zusammensetzung eines Ackerbodens. Die vier Anteile eines Bodens - hier als Festanteil, Bioanteil, Flüssiganteil und Gasanteil bezeichnet - können mit unterschiedlichen Methoden (Kap. 4.1) bestimmt werden. Bei einem Ackerboden werden die Angaben häufig in t/ha angegeben. So entsprechen 2% an Humus 741/ ha und 0,13 an Bio-(trocken-)substanz 5 t /ha (bzw. feucht mit 27 t/ha bei einem Wassergehalt von 80%). Die Biosubstanz enthält die Masse an Bakterien, Pilzen, Algen, Protozoen, Nematoden und Milben, Insekten, Käfern, Spinnen, Regenwürmern und Pflanzenresten (Stroh, Wurzeln), von denen Bakterien und Pilze (mit 10 t/ha), Regenwürmer (4 t/ha) und Pflanzenreste (82 t/ha) über 90% der Biomasse ausmachen. Der organische Festanteil besteht zu 93% aus Humus und 7% aus Biosubstanz. Humus ist allgemein als die Gesamtheit der abgestorbenen Substanz definiert, die einem ständigen biologisch-pedochemischen Ab-, Um- und Aufbau unterworfen ist. Methodisch ist es jedoch kaum möglich, den Bioanteil, die lebenden Organismen, von dem Humusanteil zu trennen. Bei der Ermittlung des Glühverlustes geht der Bioanteil mit in den organischen Festanteil ein.
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
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Boden
D. Beziehung zwischen Wasserspannung und Wassergehalt. Die flüssige Phase des Bodens wird als Bodenwasser bezeichnet. Die Intensität der Wasserbindung in einem Boden wird mit Hilfe eines Potentialkonzeptes berechnet: Unter Potential versteht man die Arbeit, die notwendig ist, um eine Einheitsmenge an Wasser von einem gegebenen Punkt zu einem Bezugspunkt zu transportieren. Ein wasserungesättigter Boden hat ein hohes negatives Potential. Wird er mit einer freien Wasserfläche (Potential = 0) in Kontakt gebracht, so steigt im Boden (Kapillarwirkungen) solange Wasser auf, bis sich ein Gleichgewicht zwischen allen wirksamen Kräften (Adsorptions-, Kapillar-, Kohäsions- und Gravitationskräften) eingestellt hat. Bodenwasser bewegt sich von Punkten hohen zu solchen niedrigeren Potentials. Es wird zwischen Adsorptions- und Kapillarwasser unterschieden. Die Kapillar- oder Matrixspannung wird als Zahlenwert (ohne das negative Vorzeichen) als Wasserspannung bezeichnet. Das bodenkundlich wichtige Kapillaritätsgesetz (aufgrund der Funktion als Schwamm) ergibt sich aus der Gleichsetzung von Luftdruck und Kapillarspannung (mit Erdbeschleunigung und Oberflächenspannung als bestimmenden Größen) mit h = 2970/d (ft Steighöhe des Wassers in den Bodenkapillaren in cm, d Kapillardurchmesser in ^m). Aus dem kapillaren Wasseranstieg läßt sich somit der Kapillardurchmesser ermitteln. Zugrunde liegt die physikalische Gesetzmäßigkeit, daß Wasser in einer Kapillare durch Druckdifferenz bis zu einer Höhe gesaugt wird, in welcher der atmosphärische Druck sich mit der am Meniskus wirksamen Kapillarspannung im Gleichgewicht befindet. Zur Charakterisierung der Wasserspannung wird der dekadische Logarithmus pF verwendet (nach Schachtschabel 1984). Die Beziehung zwischen Wasserspannung (bzw. Matrixpotential) und dem Wassergehalt ist
von der Porengrößenverteilung und dem Porenvolumen im Boden abhängig. Der Vergleich von Sand-, Schluff- und Tonboden (A-Horizont) läßt Rückschlüsse auf Speichereigenschaften, Geschwindigkeit der Entwässerung und Verfügbarkeit für Pflanzen (
Bodenluft 20,6 Atmosphärenluft 21.0
N2
0,30 0,03
CO2
79.1 78.9
Die Abbildungen zeigen die Verläufe in unterschiedlicher Bodentiefe für einen sandigen Lehm bzw. einen schluffigen Ton (Kap. 4.1, E.) unter Apfelbäumen. Der Gas-austausch erfolgt über die offene Bodenoberfläche sowie ein Netz von Makroporen und stellt so die Atmung unterirdischer Pflanzenorgane und der Bodenorganismen sicher. Ein biologisch aktiver Boden produziert bis zu 16000 kg/ha an CO2 (2/3 mikrobiell und 1/3 durch Wurzelatmung).
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
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Boden
C. Bildung, Umwandlung und Zerfall von Tonmineralen. Tonminerale (Korngrößen < 2 fim) entstehen bei der chemischen Verwitterung von Gesteinen und Mineralen auf zwei Wegen: 1, aus primären Schichtsilicaten wie Glimmer durch vorwiegend mechanische Bearbeitung = physikalische Verwitterung, 2. als Neubildung aus den bei der chemischen Verwitterung der Feldspäte freigesetzten Zerfallsprodukten. Tonminerale sind Schichtsilicate (H. u. I.), deren Umwandlungen auf dem Einbau bzw. der Abgabe von Ionen der Elemente AI, K, Na, Ca, Mg sowie auf Veränderungen in den SilicatGruppen zurückzuführen sind. Auf dem ersten Wege erfolgen nach einer Zerkleinerung der Glimmerminerale bis zu kolloidaler Größe Kationen- und AnionenAustauschreaktionen, die für die Nährstoffversorgung der Pflanzen von großer Bedeutung sind. Die Neubildung aus Zerfallsprodukten der Feldspäte erfordert sehr lange Zeiträume. Man unterscheidet: Tonminerale
Zweiscliicht-(1:1-) Dreischicht- (2:1-) Vierschicht- (2:2-)
Kaolinit lllite Vermiculite, Smectite (Montmorillonite)
Die letzteren besitzen eine oktaedrische Zwischenschicht aus Mg- oder Al-Hydroxid. Allophane sind parakristalline und amorphe Aluminiumsilicate, deren Einheiten fast ohne eine erkennbare Ordnung zusammengesetzt sind. Charakteristisch für Tonminerale ist neben dem schichtförmigen Aufbau, geringer Teilchengröße mit entsprechend großer Oberfläche deren Quellfähigkeit. H. Elementanordnung in einem Zwei(1:1-) und Dreischicht- (1:2-)Tonmineral. 1:1-Tonminerale weisen eine regelmäßige Folge von jeweils einer Tetraeder- und einer Oktaederschicht auf. Ein Tetraeder besteht aus eine SiliriumAtom, das tetraedrisch von O-Atomen
umgeben ist. AI-, Mg- oder Fe-Atome, von O-Atomen oder OH-Gruppen umgeben, bilden einen Oktaeder. Im Zweischichtmineral liegen die OH-Gruppen der AI-Oktaeder den O-Atomen der Si-Tetraeder gegenüber. Es bilden sich HBrücken, der Schichtpaketabstand ist daher gering und wenig veränderbar - d. h. ein solches Tonmineral ist wenig quellbar. Ein Dreischichtmineral wie das Montmorillonit Al2(Si40,o)(OH)2-n H2O dagegen ist gut quellbar. Es weist die Folge Tetraeder-/Oktaeder-/Tetraederschicht auf (G.). In der Tetraederschicht kann Si durch AI, in der Oktaederschicht AI durch Mg oder Fe ersetzt werden, wobei der Ersatz des tetraedrischen Si4+ durch AI3* oder des oktaedrischen Al3+ durch Mg2+ zu einer einfachen negativen Ladung führt. Sie wird durch ein Kation zwischen den Si-Schichten ausgeglichen. Vor allem Smectite weisen gute Kationenaustauscheigenschaften auf: Sie quellen in der Nässe und schrumpfen bei Trockenheit besonders stark. I. Strukturtypen von Silicaten. Die Gesteine der Erdkruste insgesamt sind im wesentlichen aus Silicaten und Alumosilicaten aufgebaut. Silicate können Ketten (Faser- und Bändersilicate) oder Ringe bilden und sich wie beschrieben in Schichten anordnen bzw. wie in Zeolithen und Feldspaten Gerüststrukturen (als fast ausschließlich Alkali- oder Erdalkali-Afumosilicate) bilden. Bekannte Beispiel für Orthosilicate sind Olivin (Mg, Fe)2Si04 und Zirkon ZrSiO4, für Schichtsilicate Biotit K(Mg. Fe)3(AlSi3O]0)(OH)2 und für dreidimensionale Strukturen Zeolithe, z.B. NaCa2(Al5Si13036)'n H2O. Die Bildung von Alumosilicaten mit ihrer strukturellen Vielfalt erfolgt durch die schrittweise Substitution der Si-Atome durch die etwa gleich großen AI-Atome. Ein- bis dreiwertige Kationen kompensieren die durch den Austausch erhöhte negative Ladung des Gerüstes.
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
Boden
j. Verwitterung des Kalifeldspates zum Tonmineral. Die Hydrolyse stellt die am häufigsten auftretende Art einer chemischen Verwitterung dar. Die Vorgänge werden am Beispiel des Kalifeldspates Orthoklas (mit einem Anteil von 20% an der Mineralzusammensetzung der Erdkruste) dargestellt: Betrachtet wird das „frische" Mineral als Kalium-Salz der sehr schwachen Kieselsäure. Im ersten Schritt der Verwitterung werden zunächst die am Rande des Kristallgitters befindlichen Ionen (vor allem K) durch Hydratation gelockert - in Lösung bilden sich durch Hydrolyse die Ionen der Base KOH: KAlSi3O8 + H2O -* HAlSi3Os + K+ + OH" In der äußersten Randzone der verwitternden Kristalle entsteht Kalilauge unter Bildung einer Art von „Wasserstoff-Feldspat" (eine wäßrige Aufschlämmung von Orthoklas-Pulver in diesem Stadium reagiert alkalisch). In den weiteren Schritten der Verwitterung erfolgen Trennungen von Bindungen zwischen 0- und AI- bzw. Si-Atomen im Kristallgitter. Unter Bildung von Aluminiumhydroxid und Kieselsäure wird die Struktur des Orthoklas schließlich zerstört: HAlSi3O8 + 7 H2O -> A1(OH)3 + 3 H4Si04 Auf dem Wege der Neubildung infolge Neukristallisation der Lösungspartner kann Kaolinit entstehen (GJ. Die freigesetzten Ionen aus Alumosilicaten allgemein werden vom Sickerwasser aus dem Boden entfernt oder von Pflanzenwurzeln aufgenommen. Die Geschwindigkeit der Verwitterung wird durch niedrige pH-Werte (infolge von gelöstem C02 bzw. organischer Säuren als Pflanzenexsudate, sauren Regens, anaerober Zersetzungen) und durch höhere Temperaturen in der Verwitterungszone infolge Sonneneinstrahlung wesentlich erhöht. Diese chemische Verwitterung von Feldspat wird im Unterschied zu mechanisch-chemischer Verwitterung der Glimmer (detriti-
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sche Tonbildung) als authigene Tonbildung bezeichnet (G.) (s. Ziechmann 1990). K. Tonminerale als polyfunktionelle
Austauschen Durch den sog. isomorphen Ersatz von Kationen in den Tetraeder- sowie Oktaederschichten kommt es (H. u. 1.) zu negativen Überschußladungen in den Tonmineralen, die als permanente Ladung bezeichnet werden. Eine sog. variable Ladung, abhängig vom pH-Wert und den Stoffkonzentrationen in der Bodenlösung, beruht auf den amphoteren Eigenschaften der Hydroxide des Aluminiums und z.T. des Eisens, soweit sie an den Seitenflächen der Tonminerale lokalisiert sind. Diese Eigenschaften von Tonmineralen stellen eine wichtige Funktion im Hinblick auf die Bindung von Metall-Ionen und auch deren Freisetzung dar. Über das Wasser der Bodenlösung wird der sog. Belegungszustand von Boden(ionen)austauschern, d.h. die Zusammensetzung der zum Ladungsausgleich sorbierten Kationen und auch Ionen, verändert. Beim Schütteln eines Bodens mit destilliertem Wasser (Elution S4 nach DIN) stellt sich ein Aktivitätgleichgewicht zwischen sorbierten Ionen und den aus dem Wasser stammenden H+und OH"-Ionen ein. Dieser Vorgang kann durch Wiederholung bis zum vollständigen Austausch durchgeführt werden. Aus landwirtschaftlichen Böden können durchschnittlich 66% (der Gesamtmenge) an Ca2+, 26% an Mg2+, 5% an K+ und 3% an Na+ (dagegen 0% an Al3+) ausgetauscht werden. Weisen Böden wie in Schweden pH-Wert unter 5 auf, verringert sich die austauschbare Menge an Ca2+ auf 48%, dafür lassen sich 33% an Al3+ austauschen. In übersäuerten Waldböden oder schwermetallbelasteten Böden kommt es dabei auch zur Freisetzung von toxisch wirkenden Schwermetall-Ionen.
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
Boden L Diagenese und Humifizierung. Als
Diagenese werden allgemein diejenigen Vorgänge bezeichnet, die ein Lockergestein in einen festeren, oft wie in diesem Bild auch chemisch und mineralogisch veränderten Zustand überführen. Die Diagenese bezieht sich hier auf eine der beiden möglichen Umwandlungen postmortaler organischer Substanz eines Bodens. Im ersten Schritt kommt es zu einem Abbau durch Mikroorganismen. Von dabei entstehenden Fragmenten führt ein (geologischer) Weg zu organischen Mineralen, d. h. fossilen Brennstoffen (Humus- oder mineralische Kohle, Braunkohle - Steinkohle - Anthrazit), als Inkohlung bezeichnet und mit fließenden Übergängen zur Metamorphose. Der biologische Weg (Zersetzung) setzt aus der organischen Phase CO2, H2O, NH3 und Mineralstoffe frei. Der pedologische Weg schließlich führt zu Huminstoffen. Für den Vorgang der Humifizierung ist ein fortgeschrittener mikrobieller Abbau der postmortalen Substanzen erforderlich, damit reaktionsfähige Abbauprodukte wie Monosaccharide aus Kohlenhydraten, Peptide, Aminosäuren aus Eiweißstoffen sowie phenolische Stoffe aus Zellwandbestandteilen vorliegen. In einem solchen Stoffgemisch erfolgt dann eine Polymerisation der Monosaccharide, zyklischen Aminosäuren und Phenole zu hochpolymeren Huminstoffen als Mischpolymerisate. Das Prinzip der bis heute noch weitgehend unbekannten Huminstoff-Bildung beruht auf der Verknüpfung bereits in Pflanzen vorhandener zyklischer Grundsubstanzen wie Lignine, Färb- und Gerbstoffe oder der durch Zyklisierung linearer Spaltprodukte entstandenen Ringverbindungen. Eine solche chemische Reaktion könnte in sauren, nährstoffarmen Mineral- und Hochmoorböden bestimmend sein (N.) Huminstoffe und Tonminerale können in Böden relativ starke Bindungen eingehen - sie werden als Ton-Humus-Komplexe
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bezeichnet. Humine (schwer löslich, wenig reaktionsfähig) werden die Endprodukte der Humifizierung genannt; Fulvosäuren haben geringe Molmassen und höhere Anteil an aciden Gruppen als die Huminsäuren, M. Boden und Humus. In einem HumusProfil ist die Menge des Humus (postmortale Substanz als Gemisch abgestorbener tierischer und pflanzlicher Stoffe) als Funktion der Tiefe dargestellt. Humus kommt als Auflagehumus - als O-Horizont, unterteilt nach dem Aschegehalt und im AH-Horizont (Kap. 4.1, G.) vor. Der OL-Horizont (L Litter = Streu) enthält morphologisch weitgehend unveränderte Teile wie Blätter, Nadeln und Borke; im OF-Horizont (F Fermentation) hat eine starke mikrobielle Zersetzung eingesetzt; der Humifizierungshorizont OH besteht aus dunklem Milbenkot und mit Huminstoffen inkrustierten Humuspartikeln (Durchmesser <0,2 mm). Der Humusgehalt nimmt von oben nach unten ab, der Mineralstoffanteil (mit fortschreitender Mineralisierung) entsprechend zu. Rohhumus besteht aus mechanisch zerbrochenen Pflanzenteilen, die durch organische Säuren mumifiziert oder inkrustiert werden. Moderhumus enthält vorwiegend die von Gliederfüßern (Krebs- u. Spinnentieren) zerkleinerten Pflanzenteile, deren Kotballen und Pilzhyphen. Im Unterschied zum Moderhumus gehen im Mullhumus der Mineralkörper und die Tonfraktion eine relativ feste chemische Bindung ein. Hier spielt die Tätigkeit des Regenwurmes eine entscheidende Rolle, der Humus und Mineralkörper bis zur Partikelgröße des Schluffs (Kap. 4.1, E.) durch seinen Darmtrakt preßt. Voraussetzungen für die Mullbildung sind genügend Ton sowie Stoffe wie Kalk und freie Eisenoxide, die eine Bindung der Huminstoffe an die Tonminerale (L.) fördern. Mull ist die dominierende Humusart tonreicher Böden.
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
Boden N. Biogenese von Huminstoffen. Hu-
minsäuren und -Stoffe spielen eine wichtige Rolle in schadstoffbelasteten Böden: Sie komplexieren Schwermetalle, adsorbieren organische Stoffe und können auch einen wesentlichen Einfluß auf deren Umwandlung ausüben. Eine differenzierte Darstellung der Biogenese stammt von dem bekannten Huminstoff-Forscher Ziechmann (Göttingen): Er zählt zu den Huminstoffen Huminstoff-Vorstufen HsV, die sauren und relativ stabilen Huminsäuren Hs und Humine Hm als Enprodukte des Humifizierungsprozesses (M.). Nach Ziechmann werden in diesem wichtigen Naturprozeß Massen umgesetzt, die sich in der Quantität mit denen der Photosynthese vergleichen lassen. Nach dem jetzigen Stand der Forschung lassen sich verschiedene Abschnitte der ßiogenese unterscheiden: In der metabolischen Phase erfolgt ein partieller mikrobieller Abbau hoch- und höhermolekularer Substanzen. Hier entsteht das humifizierbare Material. Betrachtet man den aromatischen Zweig, so beginnt mit den aromatischen Naturstoffen aus Pflanzen eine einleitende Phase der Humifizierung. Unter Bildung von Radikalen setzt die Genese der Huminsäure-Vorstufen HsV ein. Eine Aufnahme von nicht-aromatischen Ausgangsstoffen ist in der Konfonnationsphase festzustellen. Die nichtaromatischen Ausgangsstoffe stammen aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißstoffen. In der Phase, in der mit der eigentlichen Bildung des Huminstoff-Systems der gesamte sehr komplexe Vorgang abgeschlossen wird, können auch Kontaminanten wie Metalle oder Xenobiotika in das System eingeschleust bzw. in die Reaktionen mit einbezogen werden. Aus diesem Grunde ist die Biogenese von Huminstoffen nicht nur für die Bodenkunde, sondern für die Umweltwissenschaften insgesamt noch immer von aktuellem Interesse. Die Phase der Bildung eines Huminstoff-Systems läßt sich
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bisher nur anhand von Modeilreaktionen beschreiben: Zu diesen Modell-Huminstoffsynthesen gehören die Autoxidation verschiedener Phenole zu Radikalen und deren Reaktionen sowie die aus der Lebensmittelchemie bekannte Maillard-Reaktion. Am Beispiel Hydrochinon konnte gezeigt werden, daß dieses Phenol in alkalischer Lösung in Gegenwart von Sauerstoff eine Autoxidation erfährt, die zur Bildung intensiv baungefärbter, uneinheitlicher Produkte mit humin stoffähnlichen Eigenschaften führt. Auch die Bräunungsreaktion, als Maillard-Reaktion bezeichnet, die bei der Umsetzung reduzierender Zucker mit Aminosäuren zu beobachten ist, ergibt huminstoffähnliche Produkte (bei der Lebensmittelzubereitung vor allem auch Aromastoffe und Pigmente). In der ersten Bildungsphase des Huminstoff-Systems werden außerdem auch zahlreiche stabile Komplexe der Huminstoffe (bzw. von HuminstoffVorstufen) mit Nichthuminstoffen wie den Phenolen, Kohlenhydraten und Aminosäuren, aber auch mit polyzyklischen Kohlenwasserstoffen, Steroiden und Enzymen festgestellt. Eine begriffliche Abgrenzung der Huminstoffe von den Nichthuminstoffen ist wie folgt möglich: Zu den Nichthuminstoffen gehören alle Stoffe aus abgestorbenen Pflanzen oder Tieren, die im Stadium des biologischen und abiologischen Abbaus (Verwesung) und auch der Transformation auftreten. Zu den Huminstoffen werden diejenigen Produkte gerechnet, die als Umwandlungs- und Aufbauprodukte abiologisch synthetisiert worden sind. An diesen abiologischen Syntheseprozessen sind auch lithosphärische Anteile des Bodens beteiligt (Minerale, Oxidhydrate). Werden anorganische Bodenkomponenten in die organischen Systheseprozesse einbezogen, so kommt es zur Bildung stabiler, strukturbildender Ton-Humus-Komplexe.
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
Boden 0. Aufbau von Huminstoffen.
1. Strukturchemische Stellung. Aufgrund der komplexen Zusammensetzung mit großen Variationsmöglichkeiten, die anhand der Biogenese (M.) deutlich werden, läßt sich für Huminstoffe keine definierte Strukturformel und auch kein einheitliches ßauprinzip angeben. Das strukturchemische Diagramm zur Einordnung von Naturstoffen insgesamt setzt sich aus den Parametern Grundeinheit G (hier für die Monomeren), ßindungsform B und Substrat S zusammen. Grundeinheiten und Bindungsformen werden in homogen (ho) und heterogen (he) unterschieden, die Substrate in niedermolekular (nm) bzw. höher-/hochmolekular (hm) eingeteilt. Nach Ziechmann lassen sich aus dem Diagramm folgende Folgerungen ziehen: Die Position der Huminstoffe befindet sich weit entfernt von denjenigen der Kohlenhydrate und Proteine, dagegen wesentlich näher zu den Ligninen angeordnet. Mit Hilfe dieses Diagramms wird ein bestimmter Status postuliert, der durch heterogene Grundeinheiten, heterogene Bindungsformen und ein niedermolekulares Substrat charakterisiert ist. Im Unterschied zur klassischen präparativen Chemie ist hier der Zufall das eigentliche Regulativ - Voraussetzungen wie für eine Chaos-Analyse. Chemische Aspekte für das Phänomen Chaos sind: eine unübersehbare Vielfalt an Reaktionspartnern, keine Dominanz irgendeines Reaktionsmechanismus, keine steuernden oder ordnenden Kräfte im Boden (wie Enzyme, energiereiche Verbindungen, Membranen) als Kontrollinstanzen der Huminstoff-Synthese. 2. Hypothetische Struktur. Trotz der Aussagen von Ziechmann (1.) wird immer wieder versucht, eine Struktur für Huminstoffe darzustellen. Die Elementaranalyse von Huminstoffen ergibt C, 0, H und N mit durchschnittlich 54/33/4,5/2,7% als Hauptelemente, wobei Stickstoff
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nicht als obligates Element für Huminstoffe gilt. Die wichtigsten funktionellen Gruppen von Huminstoffen sind Carboxy-, Carbonyl-, Amino-, Imino- und Hydroxy-Gruppen. Eine quantitative Bestimmung der funktionellen Gruppen in Torf-Huminstoffen ergibt etwa 10 meq-g-1 Carboxy-, 4 meq-g-1 phenolische OH-, 1-2 meq-g"1 Carbonyl- und auch Methoxy-Gruppen. Die relativ Molekülmassen von Huminstoffen schwanken zwischen 1000 und in Extremfällen 500000 g-mol"1. Vereinfacht sind es hochmolekulare Hydroxy- und Polyhydroxycarbonsäuren, die über C-C-, Ester-, Ether- und Imino-Brücken verknüpft sind. In der hypothetischen Struktur sind aromatische Kerne, Carboxy- und Hydroxy-Gruppen sowie Peptid- und Kohlenhydrat-Seitenketten berücksichtigt. P. Strukturmuster eines Huminstoff-
Systems. Ein Strukurmuster auf der Grundlage der Aussagen in 0., 1., wurde unter Verzicht auf chemische Details ebenfalls von Ziechmann entwickelt: Als Primärmuster werden durch Hauptvalenzen gebildete kugelförmige Strukturen erkennbar. Die intermolekularen Wechselwirkungen in den Raum ergeben ein Sekundärmuster. Ein weiteres Merkmal sind die planaren aromatischen und chinoiden Randgruppen (BS Binnenstrukturen. RG planare Randgruppen, Hh Hydrathülle, SB Sollbruchstellen. fC funktionelle Gruppen, Me Metall-Ionen, NH Nichthuminstoffe, RS Randstrukturen). Als dominierend für diese Strukturmuster werden die besonderen Bindungsverhältnisse postuliert. Aufgrund des ständig erfolgenden Auf-, Um- und Abbaus in abiologischen und auch biologischen Prozessen kann auch eine hypothetische Struktur nur einem vorübergehendem Zustand nahekommen.
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4.2 Physikalisch-und biogeochemische Vorgänge
Boden Q. Dynamische Vorgänge in Böden.
1. Boden als Speicher, Puffer und Umwandler von Schadstoffen. Belastungen des Bodens gehen vor allem von den Säurebildnern Schwefeldioxid und Stickstoffoxiden (2.), von den Schwermetallen, die als persistente Schadstoffe im Boden angereichert werden können und von Xenobiotika, die schwer abbaubar sind, aus. Sie beeinflußen insgesamt vom Boden aus die Stoff-Kreisläufe und allgemein die Nahrungskette (Kap. 1). Die Wirkung des Bodens als Filter wird über den Wasserhaushalt deutlich (R.). 2.Puffer-Systeme im Boden. Neben den Ionenaustauschereigenschaften (K.) weisen Böden auch die Funktion als Puffer auf. Beim Vorhandensein von freiem Kalk wirkt bei einem Säureeintrag zunächst das Calcium-Hydrogencarbonat-Puffersystem (pH 6,8-8,0): COf + 2 H+ -^ CO2 + H2O. Ist kein freier Kalk mehr vorhanden, dann werden die Austauscherfunktionen wirksam: Erdalkali- und Alkali-Ionen (Silicat-Pufferbereich) werden durch H+-Ionen aus der Bodenlösung ersetzt. Bei pH 6 sind bereits 10% der Austauscherfunktionen durch H*-Ionen blockiert. Dieses System puffert zwischen pH 6,8 und 4,5. Bei pH-Werten darunter setzt dann die Wirkung des Aluminium-Puffersystems ein: Bei diesem, im Unterschied zum Ionenaustausch irreversiblem Vorgang lösen H*-Ionen aus den Oktaedern der Tonminerale (H.-K.) Aluminium-Ionen heraus. In hydratisierter Form liegen die Aluminium-Ionen im pH-Bereich von 3 bis 4 vor, bei höheren pH-Werten (hervorgerufen z. B. durch Kalkung) können auf Feinwurzelsysteme weniger schädlich wirkende Polymerisate auftreten (Bildung von AluminiumHydroxo-Aquo-Komplexen). Bei noch niedrigeren pH-Werten können dann Eisenoxid hydrate puffernd wirken: FeOOH + 3 H+ + 4 H2O -> [Fe(H2O)6]3+ Neben einer natürlichen Versauerung
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von Böden aufgrund mikrobieller Vorgänge (auch durch Humifizierung) trat infolge des Säureeintrags aus Emissionen, als saurer Regen, in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Verminderung der Pufferkapazität von Böden auf. Die Folge davon war, daß an Tonminerale gebundene Nährstoffe ausgewaschen wurden und auch toxisch wirkende Schwermetalie wie Pb, Cd und Cu (aus Immissionen) in die Bodenlösung gelangten. Darüber hinaus werden bei niedrigen pH-Werten Wurzelpilze, die aufgrund der Symbiose die Nährstoffaufnahme der höheren Pflanzen wie Bäume fördern, geschädigt. Die pH-Absenkung in Böden steht daher auch im Zusammenhang mit dem Waldsterben (Kap. 2 u. Kap. 4.3). R. Verwitterung und Gasaustausch.
Der Gasaustausch findet in den drei Haupthorizonten A bis C (Kap. 4.1, G.) mit der Atmosphäre (Kap 4.2, F.) statt: Im AHorizont findet eine intensive Verwitterung, eine Anreicherung und Ausfällung von anorganischen Salzen, sowie auch eine Anreicherung und Infiltration organischer Stoffe statt. In den B-Horizont gelangen infolge des Niederschlags Stoffe und Umwandlungsprodukte aus dem AHorizont. Hier findet eine Oxidation organischen Materials statt, Fe(III)- und Mn(IV)-oxidhydrate werden ausgefällt. Im C-Horizont schließlich findet eine geringe Verwitterung des darunter befindlichen Muttergesteins statt. Hier wird ein Lösungs(Löslichkeits-)gleichgewicht (als Bodengleichgewichtslösung in diesem Horizont) erreicht. Der gelöste organische C-Gehalt weist hier sein Minimum auf, der Partialdruck für O2 ist konstant.
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4.2 Physikalisch- und biogeochemische Vorgänge
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Boden A. Kalium-Dynamik im Boden. Als Bei-
spiel für das Verhalten von Metallen bzw. Kationen im Boden wird die in der Bodenkunde gut untersuchte Kalium-Dynamik beschrieben - der Boden wird hier insgesamt als ein Agroökosystem betrachtet. Kalium spielt in Pflanzen eine herausragende Rolle: KMonen beeinflussen die osmotischen Vorgänge in der Zelle (den Wasserhaushalt der Pflanze), Kalium ist an die Plasmakolloide in den Pflanzenzellen gebunden, wo es einen für die Stoffwechselvorgänge günstigen Quellungszustand bewirkt, und es besitzt Funktionen in der Photosynthese und Atmung {es aktiviert Enzyme). Im Boden ist Kalium überwiegend an Tonminerale gebunden - sowohl im Inneren als auch an der Außenseite. Das lockerer an den Außenflächen adsorbierte Kalium ist gut pflanzenverfügbar. Das zwischen verschiedenen Tonschichten gebundene Kalium wird als Zwischenschichtkali bezeichnet und ist schwerer pflanzenverfügbar. Das im Kristallgitter (Kap. 4.2, H.) eingebaute Kalium steht Pflanzen erst nach und nach im Verlaufe von Verwitterungsprozessen zur Verfügung. Zwischen den verschiedenen Bindungsformen des Kaliums bestehen Adsorptionsgleichgewichte. In kaliumarmen Boden werden nach einer Kalidüngung zuerst die Sorptionsstellen an den Tonmineralen besetzt, bevor den Pflanzen aufgrund des Adsorptionsgleichgewichtes wieder Kalium-Ionen in der Bodenlösung zur Verfügung stehen. Ähnliche Bindungsverhältnisse und Gleichgewichte bestehen auch für andere Metall-Ionen, die in Konkurrenz zum Kalium treten können. B. Bilanzschema für Schwermetalle in der Bodendeckschicht. Unbelastete Böden aus vorindustriellen Zeiten weisen für Cadmium Gehalte von 0,01 bis 0,1 mg-kg"1 (heute durchschnittlich 0.5} bzw. für Blei von 0,1 bis 1 mg-kg-1 Boden (heute 30 mg'kg-1) auf- als geogen be-
dingte Schwankungen. Erhöhte Konzentrationen traten schon in frühen Zeiten in der Nähe von Siedlungen und Erzbergbaustätten auf. Emissionsquellen stellen Kohlekraftwerke und Verhüttungs betriebe dar, aus denen die Schwermetalle gebunden an Staubpartikel nach einem Transport durch Luft als Deposition - sowohl trocken als auch naß - auf Böden gelangen können. Trockener Staub wird rascher und meist in der Nähe einer Emissionsquelle abgelagert, nasse Depositionen mit aus Staubpartikeln gelösten Schwermetallanteilen legen weitere Strecken zurück. Die Schwermetalleinträge lassen sich in sechs wesentliche Quellen unterteilen: JA aus der Atmosphäre, 7B aus Bioziden, aus schwermetallhaltigen Klärschlammen JK, der auf landwirtschaftliche Fläche als Dünger aufgebracht wird, sowie auch infolge der Mineralstoff- JQ und Wirtschaftsdüngung Jw. Ein Austrag von Schwermetallen aus dem Boden erfolgt über die Aufnahme durch Pflanzen Jp und deren Ernte, durch Auswaschung und Erosion JE und durch die Verlagerung in tiefere Bodenhorizonte Jv. Die Gesamtbilanz lautet somit: j= JA +/B +JK +JD + JW -JP -JE - JV
C. Boden-pH-Wert und Metallaufnahme. Die Aufnahme von Mikronährstoffen und auch von potentiell toxisch wirkenden Schwermetallen wie Cd und Pb ist deutlich vom pH-Wert im Boden abhängig. Außer für Mo nimmt die Löslichkeit und damit auch Pflanzenverfügbarkeit mit steigendem pH-Wert ab - hier für (stickstoffixierenden) Klee, der Mo als Spurenelement benötigt. Landwirtschaftliche Böden ohne CaCO3-Reserven (Kap 4.2, Q.) werden regelmäßig gekalkt, um einen pH von 6,5 in der Bodenlösung zu halten. Wegen der Al-Toxizität wachsen viele Nutzpflanzen bei pH < 5,5 nicht. Bei zu hohen pH-Werten kann ein Feund Mn-Mangel auftreten.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
D. Verfrachtung und Wirkung von Tausalzen. Der verstärkte Einsatz von Streusalzen zur Bekämpfung von Straßenglätte seit Beginn der 70er Jahre bis Anfang der 80er Jahre ergab eine jährliche Aufwandmenge bis zu 1,3 Mio. t. Bei einer 50%igen Abschwemmung, einem Einsatz von 20 kg Salz/m auf einer vierspurigen Schnellstraße innerhalb eines Winters ergibt sich eine Salzbelastung im beiderseitigen Randbereich von durchschnittlich 1 kg NaCl je qm. Ein Teil des Streusalzes, von dem vor allem das Cl~ pflanzenschädigend wirkt, wird durch nachfolgende Niederschläge ausgeschwemmt. Das Na" wird jedoch an Ton- und Humusbestandteile des Bodens gebunden und verursacht einen Austausch, eine Verdrängung der für die Pflanzenernährung und auch ßodenstruktur wichtigen Elemente (Kap. 4.1, H. u. K.): Verschlechtert werden dadurch physikalische Bodeneigenschaften wie Porenvolumen und Krümelstruktur (Kap. 4.1, F.). Aufgrund der Verdrängung des Ca2+ setzt mit zunehmender Sättigung durch Na+ eine Dispergierung der Tonteilchen ein - Bodenaggregate zerfallen. Auch treten durch Tausalz aufgrund von Ionenaustausch- und Auswaschvorgängen erhöhte pH-Werte bis 11 auf - eine Änderung des Artenspektrums und in der Aktivität von Bodenorganismen ist eine der Folgen. Über den Boden lassen sich folgende Wirkungen auf die Pflanze durch Streusalze feststellen: Änderungen in den osmotischen Verhältnisen sowohl in der Bodenlösung als auch in den Wurzelzellen, Störungen in der Mykorrhizabildung und im Bodenlufthaushalt mit Behinderung der Wurzelatmung, Mangel an Nährstoff-Ionen infolge der Verdrängung der Natrium-Ionen und auch eine Abnahme in der Nährstoffverfügbarkeit anderer Mikronährelemente (C). Seit 1985 ist die Verwendung von Streusalz erheblich reduziert worden, so daß aus den Straßenrandböden nicht mehr abgestreuter Strecken Cl"
144 nahezu völlig ausgewaschen und in tiefere Bodenschichten verlagert wurde. E. Transportwege des Bleis. Blei ist als natürlicher Bestandteil in der Erdkruste mit durchschnittlich 16 mg-kg-1 enthalten, wobei je nach Gesteinsart Unterschiede zwischen 1 (Tiefengesteine} und 145 mg-kg"1 (Bauxite) auftreten können. Primäre anthropogene Belastungen entstehen durch den Bergbau und die Verhüttung von Bleierzen. Weiterhin sind als Hauptemissionsquellen die Staubemissionen aus Verarbeitungsprozessen, aus thermischen Prozessen wie der Kohleverbrennung (in Kohle 2-40 mg-kg-1 Pb) sowie als Sekundäremissionen Abraumhalden und Deponien zu nennen. Seit Beginn der 50er Jahre wurden in der Bundesrepublik Deutschland schätzungsweise 2000001 Pb aus dem Betrieb von Verbrennungsmotoren freigesetzt. Die Mobilität des Pb ist aufgrund geringer Löslichkeiten gering, so daß natürliche Gewässer nur niedrige Konzentrationen (bis etwa 10,«g * L",) aufweisen. Es existieren zahlreiche Studien über die globale Verteilung des Pb, die Abhängigkeiten von den vorherrschenden Windrichtungen erkennen lassen. Im Grönlandeis zeigen Untersuchungen, daß zwei deutliche Anstiege mit den Zeiten um 1750 (Beginn verstärkter, industrieller Bleiverhüttung) und 1940 (Anstieg des Kraftfahrzeugverkehrs mit Pb-Alkly-Verbindungen im Treibstoff) existieren. In Pflanzen können Pb-Verbindungen sowohl über die Spaltöffnungen (Stomata) der Blätter als auch über die Wurzeln aufgenommen werden. Die Pflanzenverfügbarkeit des Pb aus dem Bodeen ist jedoch gering. Pb wird sowohl in Böden als auch Gewässersedimenten angereichert. Die Luft in Ballungsgebieten weist Gehalte um 0,7 ng-rn-3 auf (in Reinluftgebieten: 0,04).
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
F. Entwicklung der Blei-Immission im Schwebstaub. Als Hauptemittenten für Pb zu Beginn der 90er Jahre sind die Treibstoffverbrennung, die metallurgische Industrie, Feuerungsanlagen und die Zementproduktion zu nennen. Die Belastung der Umwelt durch Pb ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich geringer geworden. So erniedrigten sich die Gehalte im Schwebstaub von über 1 im Jahre 1974 auf etwa 0,1 µg*m-3 um 1990. Vor allem die Reduzierung des Pb im Benzin durch das Benzinbleigesetz von 1976 hat unmittelbare Auswirkungen auf den Rückgang der Pb-Staubemissionen gezeigt. Bereits von 1975 auf 1976 ging in Bayern die Pb-Niederschlagsbelastung von 0,27 auf 0,10- m~2-d_1 zurück. In der Technischen Anleitung (TA) Luft ist ein Rieht- und Grenzwert als Immissionswert von 2^g-m"3 als Bestandteil des Schwebstaubs aufgeführt. Für Pb und anorganische Pb-Verbindungen als Bestandteile des Staubniederschlags weist die TA Luft einen Grenzwert von 0,25 mg-rrr2-^1 aus. Die tägliche Aufnahme an Pb durch Inhalation (bei 20 m3 Außenluft/Tag) beträgt in ländlichen Gebieten <2,0, in Ballungsgebieten 4 bis 10 und im Emittentenbereich 20 bis 400 µg*d"1 (Vergleich: aus 20 Zigaretten 10 und über die Nahrung 100 bis 150 µg*d",). Der Rückgang der Pb-Immissionsbelastung kann auch im Biomonitoring (Teil des Umweltmonitoring als Gesamtheit des Sammeins und Überwachsens qualitativer und quantitativer umweit- und gesundheitsrelevanter Daten) als verminderter Pb-Gehalt im Blut nachgewiesen werden - mit Abnahmen um 60% im Ballungsraum Köln, um 25% in Reinluftgebieten. C. Häufigskeitsverteilung von Blei und Cadmium in Gartenböden. Gartenböden unterscheiden sich von landwirtschaftlich genutzten Böden vor allem in den günstigeren Sorptionseigenschaften
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- aufgrund von Humusanreicherungen im Oberboden (Ap-Horizont) und höheren pH-Werten oft über 7. Die Stoffeinträge (B.) sind höher als der Entzug durch den Transfer in die Pflanzen bzw. durch die Ernte. Damit kommt es auch zu Schwermetall anreicherungen im oberflächennahen Bodenhorizont. Zu den Quellen und Ursachen der Schwermetallgehalte bzw. -eintrage in Gartenböden zählen der geogen und pedogen bedingte Anteil (als Basiswert), Depositionen von Stäuben - sowohl Flug- als auch Straßenstaube -, Einsatz von Abfallstoffen und Fremdboden, wobei die Vorgeschichte des Gartens und dessen frühere Umwelteinflüsse eine weitere wichtige Rolle spielen. Schwermetalle wie Pb und Cd können auch über Dünge- und Bodenverbesserungsmittel, Bau- und Werkstoffe, Wegematerialien und das genannte fremde Bodenmaterial sowie über Abfallstoffe in die Böden gelangen. Gartenböden weisen in der Regel höhere Gehalte an Pb und Cd auf als Ackerböden: In Nordrhein-Westfalen wurden durchschnittliche Pb-Gehalte zwischen 49 und 113 mg-kg-1 (Acker durchschnittlich 29) bzw. für Cd zwischen 0,46 und l,20mg-kg_1 (Acker 0,40 mg-kg-1) ermittelt. Die Abbildungen vermitteln einen Eindruck von der Verteilung der Pbund Cd-Gehalte nach Häufigkeiten für eine Großstadt, wobei (1.) der Einlfuß von Alteinträgen aus der Montanindustrie deutlich wird. Als Rieht- und Grenzwerte für Nutz- und Gartenböden gelten seit Januar 1988 nach dem „Mindestuntersuchungprogramm Kulturboden zur Gefährdungsabschätzung von Altablagerungen und Altstandorten im Hinblick auf eine landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung,, (NRW) für Pb 100 und Cd 1 mg-kg1. Damit liegen 64% der Pbund 83% der Cd-Gehalte (2.) unter diesen Grenzen.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
H. Normierte Bleigehalte in der Umgebung eines Buntmetallemittenten im Bodenhorizont Ap. Um die Herkunft von Pb-Kontaminationen feststellen zu können, müssen wegen der oft großen natürlichen Schwankungsbreite bzw. auch unterschiedlicher Quellen Bezugsgrößen bzw. -elemente herangezogen werden. Ein Bezugselement entspricht in seiner Bedeutung einem internen Standard bei Analysenverfahren. Es wird ein Element bzw. eine Substanz gewählt, die nachweislich nicht in der zu untersuchenden Probe vorkommt. Für Untersuchungen von Schwermetallbelastungen in Böden in der Umgebung von Hüttenbetrieben oder anderen Metallemittenten wird das immitierte Metall auf ein Element bezogen (normiert), das in den Emissionen nicht enthalten ist und dessen Gehalt im Boden sich mit der Entfernung von der Immissionsquelle möglichst wenig ändert. Auf diese Weise kann von den in B. dargestellten Schwermetallpfaden oft eine Quelle als dominierend ermittelt werden. Das Bild zeigt die Untersuchungsergebnisse (nach Fiedler und Rösler) für Pb im Bodenhorizont Ap [Fraktion <0,3,«m, mineralischer Oberbodenhorizont (Kap. 4.1, G.), der durch Pflügen durchmischt ist). Neben dem Buntmetallemittenten kommt für die Pb-Kontaminationen auch die Kohleverbrennung in Betracht, bei der im Unterschied zum Emittenten Vanadium emittiert wird. Aus dem Vergleich der drei Kurvenverläufe wird deutlich, daß in einer Entfernung von 13 km vom Emittenten der Anstieg der Pb-Gehalte im Boden auf dessen Emissionen aus dem Betrieb selbst, im übrigen aber auf die Kohleverb rennung zurückzuführen ist. In der unteren Kurve sind die Höhenlagen der Probenahmeorte dargestellt. I. Schwermetallanreicherungen. 1. Blei in Böden und Pflanzen an Hauptver-
kehrsstraßen. In der oberflächennahen
148 Bodenschicht in Stadtgebieten sind aufgrund zahlreicher Emittenten die Elementspurengehalte stark erhöht. Im Stadtgebiet von Hamburg wurden hohe Kontaminationen mit Pb >Zn >As >Cu >Cd nachgewiesen. Die Pb-Gehalte schwankten zwischen 13 und 3074 (1983) mit einem Mittelwert von 208 mg-kg", (aus 486 Bodenproben aus 0-5 cm Tiefe). 73% der Werte lagen über einem Richtwert von 100mg-kg"1, nur 5% im Bereich natürlicher Gehalte. Sowohl die Schwankungsbreiten als auch die Anreicherungen des Bleis in der obersten Bodenschicht und auch in Pflanzen sind aus dem Bild ersichtlich (nach Kloke 1974). 2. Quecksilber-Einlagerung in das Sediment eines Binnensees. Anthropogen bedingte Veränderungen in der Elementspurenverteilung können allgemein mittels Boden- oder Pflanzenanalysen ermittelt werden (F.). Ein nachträgliches Monitoring ist dann möglich, wenn Schwermetallkontaminationen zeitlich geordnet in Böden oder auch Pflanzen konserviert werden. Lokale Untersuchungsmöglichkeiten bestehen durch die Analyse von Sedimenten in Binnenseen mit einem definierten Einzugsgebiet und von Jahresringen alter Bäume sowie auch von Eisschichten in Dauerfrostgebieten wie der Antarktis. Im schwach gepufferten Ökosystem Binnensee schlagen sich anthropogene Veränderungen im terrestrischen Bereich des Einzugsgebietes über die Sedimentationsprozesse nieder (hier am Beispiel von Hg). 3. Cadmium-Konzentrationen in Jahresringen einer Tanne. Die über Blätter und Wurzeln aufgenommen Elementspuren werden zum Teil im Holzmantel festgelegt und sind ähnlich wie bei Sedimentschichten hier über die Jahresringe in zeitlicher Folge rekonstruierbar - hier für Cd bei einer 180jährigen Tanne aus dem Fichtelgebirge in ca. 650 m Hohe.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden J. Verhalten von Schwermetallen im Boden.
/. Einflußparameter und Schwermetallreaktionen. Metalle gehören zu den in der Umwelt persistenten Stoffen - sie können nicht abgebaut, sondern nur in andere Verbindungen (Metallspezies) umgewandelt werden. Die grundlegend möglichen Reaktionen im Boden hängen einerseits von der Bodenzusammensetzung, andererseits von der Bodenreaktion (vor allem dem Boden-pH-Wert), den RedoxBedingungen und der Reaktionskinetik ab. In der Bodenlösung können Metalle in Form von Metall-Ionen, von anorganischen oder auch organischen Komplexen vorliegen, die außerdem an den Oberflächen von Tonmineralen oder Ton-Humus-Komplexen adsorbiert sind. Als wichtigste Bindungsformen in Böden und Sedimenten sind zu nennen: ionogen, an Tonminerale austauschbar gebunden - adsorptiv gebunden, z. B. an den Oberflächen von Eisen- und Manganoxiden -. als schwerlösliche anorganische Verbindungen und als schwerlösliche organische Komplexverbindungen, gebunden z. B. an Huminsäuren. Veränderungen im Boden können zum Übergang aus der festen in die flüssige Phase und damit auch ins Grundwasser führen. Eine oft kritische Folge der Persistenz von Metallen ist deren Anreicherung in der Nahrungskette - auf dem Weg über Mikroorganismen und Pflanzen bis zum Menschen. 2. Relative Mobilitäten von Elementen in Abhängigkeit von pH- und Redox-Bedingungen. Elemente wie V, U, Se, Si, As und Cr, die Anionen bilden können, weisen hohe Mobilitäten bei pH-Werten >7 auf. Bei Elementen wie beispielsweise Cr spielt zusätzlich das Redox-Potential hier als £,, dargestellt - eine wesentliche Rolle: Die Mobilisierbarkeit steigt im Alkalischen mit zunehmendem Redox-Potential aufgrund der Oxidation von Cr(III) zum Cr(Vi) - als CrO^". Bei experimentell
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ermittelten Potentialen (also nicht als Normalpotentiale zu verstehen) von <0,33 V ist O2 und unterhalb von 0,22 V auch NOi nicht mehr nachweisbar. Bei 0,15 V beginnt die Reduktion von Fe(III) zu Fe(II). Bei negativen Potentialen ab 0,05 V wird SO42- zu S2" reduziert. Ab 0,12 V entsteht CH4, ab -0,18 V ist auch kein SO4" mehr vorhanden. 3. pH-Abhängigkeit der Löslichkeit von Si, AI und Fe. Den charakteristischen Löslichkeitskurven für die amphoteren Metalle AI und Fe steht der Kurvenverlauf der Löslichkeit von Si gegenüber. Silicate sind auch im pH-Bereich von 0 bis 4 wenig löslich, sie gelangen erst ab pH 6 in die Bodenlösung. Si ist somit wesentlich fester in Tonmineralen gebunden als die Metalle AI und Fe, Alle drei Elemente bilden mit ihren Verbindungen auch Puffersysteme (Kap. 4.2, Q_.) - bei den Silicaten wird jedoch anstelle des Begriffs SilicatPufferbereich (wird nach dem CO§"-Pufferbereich, in Abwesenheit von CaCO3, wirksam) von einem Prozeß der Verwitterung von primären Silicaten (von Feldspäten, Kap. 4.2, G.-K.) gesprochen. 4. Löslichkeiten von Zn, Cd, Pb als Funktion des pH-Wertes. Für alle drei Metalle steigt die Löslichkeit im sauren Bereich stark an, für Zn am höchsten. Die Unterschiede und auch der im Vergleich zum Zn und Cd abweichende Kurvenverlauf macht deutlich, daß diese aufgrund ihrer höheren Mobilität von Pflanzen leichter als Pb aufgenommen werden können (Transferfaktoren F Konzentrationsverhältnis Pflanze/Boden für Pb 0,01 - 0,1. für Zn und Cd 1-10). Vom pH-Wert des Bodens werden somit die Austragsraten von Schwermetallen sowohl durch Pflanzen als auch durch den Übergang in tiefere Bodenschichten bestimmt.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden K. Mobilisierung von Schwermetallen.
Untersuchungen zur Mobilisierbarkeit von Schwermetallen aus Böden und auch Sedimenten gehen von den möglichen Bindungsformen aus. Entsprechend der komplexen Zusammensetzung von Böden aus mineralischen und amorphen Bestandteilen sowie organischen Stoffen aus dem natürlichen Abbau von Organismen werden folgende Bindungsformen unterschieden: Am leichtesten austauschbar sind die an Tonminerale wie Kaolinit, Illite oder Montmorillonit gebundenen Ionen. Sie lassen sich aufgrund von Ionenaustauschvorgängen in die wäßrige Phase überführen. Etwas schwerer freisetzbar sind die an Oberflächen von Eisen- und Manganoxiden adsorptiv gebundenen Anteile. Eine weitere Gruppe mit abnehmender Mobilisierbarkeit bilden die schwerlöslichen Präzipitate wie Carbonate, Sulfide und Hydroxide von Schwermetallen. Infolge der Mitfällungseigenschaften schwerlöslicher Hydroxide wie des Fe können Schwermetalle auch als Copräzipitate vorliegen. Chemische gebunden an Substrabestandteile wie Huminsäuren bilden Schwermetalle auch schwerlösliche organische Komplexe. Die Bindungsform einer Okklusion liegt vor, wenn Schwermetall-Ionen durch Umschließung in kristallinen Niederschlägen festgehalten werden. Schließlich können Metall-Ionen auch in mineralische Kristallgitter (isomorph) eingebaut werden. Zur Differenzierung von Gesamtgehalten an Elementen in Böden werden in der Bodenkunde sog. Auslaugversuche zur Ermittlung der Verfügbarkeit von Pflanzennährstoffen wie z. B. Mn, Fe, Zn und Cu oder zur Beurteilung der Toxizität von Schwermetallgehalten in Böden im Hinblick auf die Elemente Pb sowie Cd (J.) seit langem durchgeführt - z. B. mit Elektrolytlösungen wie einer Magnesiumchlorid-Lösung, die austauschbare und auch adsorptiv-gebundene Anteile er-
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faßt. Studien zur Freisetzung des Pb aus Böden haben gezeigt, daß mit Elektrolytlösungen nur geringe Anteile [zwischen 1 und 10%) freigesetzt werden und auch Komplexbildner wie Ethylendiamintetraessigsäure EDTA oder Diethylentriaminpentaessigsäure DTPA überführen nur etwa 25% des Pb in die Extraktionslösung. Zur Ermittlung der Bindungsfestigkeiten von Metallen in Sedimenten und auch Schlämmen wurden Standardextraktionsfolgen - als sequentielle Extraktionen - entwickelt: Austauschbare Kationen werden mittels Ammoniumacetat-Lösung pH 7 (Feststoff-Lösungsmittel-Verhältnis 1:20; 2 h schütteln) und carbonatische Anteile nach anschließender Extraktion mit einer Natriumacetat-Lösung pH 5 (5 h) ermittelt. Bei diesen Untersuchungen müssen neben den chemischen und physikalischen Bedingungen auch kinetische Effekte (daher auch unterschiedliche Extraktionszeiten) berücksichtigt werden. Die in leicht reduzierbaren Phasen (Mangan-, amorphe Eisenoxide) gebundenen Metallanteile werden bei pH 2 (HNO3-Lösung) unter Zusatz des Reduktionsmittels Hydroxylaminhydrochlorid ermittelt. Aus den mäßig reduzierbaren Phasen (schwach kristallisierte Eisenoxidhydrate) werden Metalle mit Hilfe einer Ammoniumoxalat-Lösung bei pH 3 (24 h schütteln) freigesetzt. Um organische Bindungsformen zu zerstören und Metallsulfide zu lösen, behandelt man den Boden (nach Durchführung der vorherigen Elutionsschritte) mit Wasserstoffperoxid bei 85 °C und extrahiert dann mit einer Ammoniumacetat-Lösung (24 h). Die Residualfraktion (silicatische Phasen wie Tonminerale) muß schließlich mit Säuren aufgeschlossen werden (nach Förstner). Umweltchemisch relevant sind vor allem die beiden ersten Extraktions stufen, welche auch eine pH-Änderung beinhalten.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
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Schornsteine führen zu einem Ferntransport von Schadstoffen und damit zu einer Deposition weitab vom Ort der Emission (H.). Die naße Deposition von Schwefelund Stickstoffoxiden (Kap. 2.3, B.) wird als saurer Regen oder saurer Nebel bezeichnet. Daneben sind auch trockene Depositionen zu berücksichtigen: In Deutschland wird etwa die Hälfte des insgesamt emittierten SO2 trocken abgelagert. Die Deposition an SO2 ist außerdem in Waldgebieten mind. 5- bis 6mal höher als in nicht bewaldeten Gebieten als derjenige Teil des Niederschlages, der von der Vegetation zunächst zurückgehalten wird. Der Begriff Interzeption beinhaltet allgemein die Rückhaltung von Niederschlägen durch Blätter und Zweige vor allem im Kronenbereich. In der Folge treten sowohl Schädigungen an den Bäumen auf als auch Verluste an Wasser und Nährstoffen im Hinblick auf die Vegetation am Boden.
führt zu Schädigungen im Anteil der Biosphäre - Bodenlebewesen werden abgetötet, die mikrobiellen natürlicherweise ablaufenden Zersetzungsvorgänge gehemmt. Im Hinblick auf den Nährstoffhaushalt im Boden führt der Säureeintrag zu einer Auswaschung an MineralStoffen wie Ca und Mg (Tonminerale Kap. 4.1, K.) und schließlich zu einem Nährstoffmangel. Als Folge einer Übersäuerung des Bodens findet auch ein Abbau von Tonmineralen statt, wodurch toxisch wirkende Al3+-Ionen freigesetzt werden. Dadurch treten zunächst Feinwurzelschädigungen und anschließend auch tiefgreifende Störungen in der Physiologie der Pflanzen auf. Auch wenn der pH-Wert im Boden durch Kalkzusätze erhöht wird (über 4,3), können die Al3+-Ionen nicht auf ihre ursprünglichen Plätze in den Silicaten zurückkehren, sondern lagern sich an der Oberfläche der Tonminerale an. Bei einer erneuten Absenkung des pH-Wertes gehen sie dann wieder als freie (hydratisierte) Ionen in Lösung.
M. Einfluß des sauren Regens auf das Ökosystem Wald. Infolge der Luftverschmutzungen weisen Regenwässer pHWerte von durchschnittlich 4,1 bis in Extremfällen 2,3 auf (unbelasteter Regen mit darin gelöstem CO2 im Vergleich mit pH 5,6). Hauptverursacher sind Kraftwerke, die fossile Brennstoffe (Erdöl, Kohle) verfeuern, sowie auch der Verkehr. Die aus SO2 im Wasser gebildete H2SO3 geht infolge Oxidation in H2S04 über. H2SO4 und auch HNO3 (aus den Stickstoffoxiden im Wasser entstanden) treffen als Deposition auf die Puffersysteme des Bodens (Kap. 4.2, a). Sind diese Puffersysteme erschöpft, tritt eine Übersäuerung auf. Betrachtet man die natürlichen Vorgänge in einem Boden, so sind mit der Deposition sauren Regens, der häufig auch in gelöster Form Schwermetalle enthält, zunächst ein Säureeintrag und eine Schwermetallanreicherung verbunden. Die Versauerung des Bodens
N. Vorgänge im Boden. Die unter M. kurz beschriebenen Wirkungen sauren Regens im Boden werden hier nochmals in Gleichgewichten dargestellt. Zusätzlich zum sauren Regen sind im Boden auch natürliche VersauerungsVorgänge (durch den Abbau von Biomasse auf dem Wege der Humifizierung und auch durch die Wurzelatmung mit der Freisetzung von CO2) zu berücksichtigen. Wasserstoff-Ionen beeinflussen die Verwitterung der Gesteine. Nährstoff-Kationen werden von Wurzeln im Überschuß im Vergleich zu den Anionen aufgenommen; dafür werden Wasserstoff-Ionen freigesetzt. Es stellt sich in einem Boden ein dynamisches Gleichgewicht zwischen der Produktion und dem Verbrauch von Wasserstoff-Ionen ein, das vor allem durch saure atmosphärische Depositionen empfindlich gestört wird.
L Deposition „saurer Regen". Hohe
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
O. Saurer Regen als Ursache neuartiger Waldschäden. Seit 1983 wird auf der Basis der ein Jahr zuvor aufgestellten Waldschadenserhebung ein „neuartiges", d. h. erstmals großflächig beobachtetes Waldsterben festgestellt: Nadelbäume verlieren große Anteile ihrer Nadeln - von unten nach oben und von innen nach außen -, Laubbäume weisen eine verfrühte Herbstverfärbung der Blätter auf und werfen z.T. ihre Blätter bereits im Juli ab. Es werden zunehmende nekrotische Erkrankungen (braune Flecken] beobachtet. Speziell bei den Nadelbäumen stagniert das Höhenwachstum; Harz tritt an Ästen und Stämmen im benadelten Kronenbereich aus. Die Fichte weist einen Nadelverlust in Verbindung mit hängenden Zweigen auf (als Lamettasyndrom bezeichnet), an Tannen stirbt die Baumspitze ab, und es bilden sich Seitentriebe (das sog. Storchennest). Anfang der 90er Jahre wurde ein Anteil von 73% aller Bäume in Ostdeutschland und 59% in Westdeutschland als krank eingestuft. Tannen und Fichten sind von den Schäden am meisten betroffen. In der Ursachenforschung werden folgende mögliche Einzelfaktoren genannt: die Wirkung anthropogen emittierter Luftschadstoffe insgesamt (Kap. 2), die Versauerung der Waldböden vor allem infolge des Säureeintrags durch den sauren Regen, witterungsbedingte Ursachen wie Trockenheit, Kälte und auch Schneebruch, klimabedingte Ursachen, Schädlingsbefall und auch Elektrosmog (Einflüsse elektromagnetischer Wellen von Hochspannungsleitungen und von Mikrowellen aus Richtfunkstrecken). In der Mitte des Bildes sind von unten nach oben die zunehmenden Arten der Schädigung bis zum Absterben dargestellt. Auf der linken Seite sind witterungsbedingte Ursachen aufgeführt. Die negativen Wirkungen von Schadstoffimmissionen reichen von den Photooxidantien (Kap. 2.4), über saure Gase allgemein bis
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zum sauren Regen ingesamt. Saurer Regen und auch saurer Nebel greifen die Wachsschicht der Blätter an und können auch an der Rinde von Bäumen Verätzungen verursachen. Der ständige Säureeintrag in den Boden (M. u. N.) führt zu einer irreversiblen Störung der selbstregulierende Neutralisation (Pufferwirkung) des Bodens. Die Folge davon ist schließlich auch eine Zerstörung des gesamten ökologischen Gleichgewichts: Die Lebensgemeinschaft des Bodens wird zerstört, Nährstoffe ausgewaschen, Schwermetalle werden aus dem Bodengefüge herausgelöst und von den Pflanzen aufgenommen, wo sie Schädigungen in Enzymsystemen verursachen können und auch in die Nahrungskette gelangen. Bei gleichzeitigem Mangel an Calcium und Magnesium schädigen die freigesetzten Aluminium-Ionen, die aus den Tonmineralen stammen, die Feinwurzeln der Pflanzen und Bäume. Fälle von Waldsterben - als immissionsbedingte Waldschäden - traten auch in der Vergangenheit seit der Errichtung von Industrien bzw. in der Nähe von Hüttenwerken seit Jahrhunderten regional eingegrenzt auf. Mit zunehmender Industrialisierung, verbunden mit dem Bau hoher Schornsteine, über die Schadstoffe großräumig verteilt wurden, breitete sich das Waldsterben etwa seit Beginn der 70er Jahre großflächig aus - nun aus meist politischer Sicht auch als neuartige Waidschäden bezeichnet -, als eine Störung der gesamten Beziehung Boden Baum - Luft, eine Erkrankung des gesamten Ökosystems. Als eine der schwerwiegendsten Folgen des Waldsterbens muß der Verlust des Waldes als Grundwasserspeicher genannt werden. Ein geschädigter Wald bindet auch weniger Kohlenstoffdioxid - mit Auswirkungen auf den Treibhauseffekt. Die globalen Auswirkungen des Waldsterbens auf Klima und Umwelt sind noch kaum erfaßt.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
P. Auswirkung saurer Immissionen am Kölner Dom. Die jährlichen Kosten, welche die Einwirkung von Schwefeldioxid auf Sachgüter insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland verursacht, werden auf mehr als 2 (volkswirtschaftliche Gesamtkosten 20-50) Mrd. DM geschätzt. In einer „Bilddokumentation zur Verwitterung" mit dem Titel „Gefahr für den Kölner Dom" wurden vom Dombaumeister A. Wolff die Ursachen des Steinzerfalls beschrieben: Die verschiedenen Bauepochen spiegeln sich auch in verschiedenen Gesteinsarten wider. Etwa 300 Jahre lang, von der Grundsteinlegung am 15. August 1248 bis an das Ende der mittelalterlichen Bautätigkeit (1560), wurde Trachyt vom Drachenfels verwendet. Trachyte sind hellgraue, gelbe bis rötliche Vulkanite, deren Grundmasse aus Alkali-Feldspäten besteht. Im 19. Jh. setzten umfangreiche Erneuerungsarbeiten ein, bei denen auch Sandstein, Kalkstein und Basaltlava verbaut wurden. Die beiden Westtürme, die größten und Steinmetz- wie mengenmäßig aufwendigsten Bauteile des Domes, bestehen überwiegend aus dem feinkörnigen, hellen Sandstein aus Obernkirchen, der bisher nur geringe Verwitterungsspuren zeigt. Weiche Kalksteine, die zu Beginn des 20. Jh. für Bildhauerarbeiten verwendet wurden, zerfallen bereits. Wenn sie vom Schlagregen getroffen werden, lösen sie sich in wenigen Jahren fast vollständig auf und müssen - wie an der Südfassade bereits geschehen - entfernt bzw. durch Kopien in Steinguß ersetzt werden. Bei der Auswahl vor allem chemischer Steinschutzverfahren steht der Schutz vor Feuchtigkeit und vor aggressiven Substanzen wie SO2 und NO* im Vordergrund. Grundsätzlich ist bei Steinschäden jedoch auch die Aktivität von (sulfatund nitratreduzierenden) Mikroorganismen zu berücksichtigen, die wie im Boden auch im Mauerwerk aktiv werden können.
158 Am Kölner Dom wurden über längere Zeiten die Immissionsraten, d. h. die Gesamtmengen an Schadstoffen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes von einer bestimmten Fläche aufgenommen werden, ermittelt. Die Immissionsraten hängen außer von der Konzentration in der Luft vor allem auch von der Windgeschwindigkeit ab. Für die Untersuchungen am Kölner Dom wurde ein spezielles Meßverfahren entwickelt: Der Testkörper besteht aus Cellulose, die kontinuierlich von einer basischen Absorptionslösung durchtränkt wird. Die flüssige Phase tropft in einen Vorratsbehälter und wird von dort mit Hilfe einer Pumpe wieder auf den Testkörper zurückgefördert. Am Kölner Dom werden die Immissionsraten sowohl von SO2 als auch von HCl und HF ermittelt. Der grundlegende, den Stein schädigende Einfluß ist auf die Umsetzung von CaCO3 mit H2SO4 zurückzuführen. Da Sulfate einen höheren Kristallwassergehalt als Carbonate haben, nehmen sie ein größeres Volumen ein und wirken damit gefügesprengend. Auch ist die Wasserlöslichkeit der Sulfate größer als die der Carbonate. Sie werden im Wasser gelöst an die Gesteinsoberfläche transportiert und können dort auskristallisieren (ausblühen), so daß Gipskrusten entstehen. Das geschwächte Gefüge wird schließlich durch Regen weiter zerstört. Zum Schutz der Gesteine werden SiliconPräparate verwendet, an die jedoch besondere Anforderungen zu stellen sind: Sie dürfen keine klebrigen Eigenschaften aufweisen, da sie sonst Staubpartikel adsorbieren und sich dadurch ihre wasserabstoßende Wirkung aufhebt. Neben der Anwendung von Steinschutzmitteln finden zur Sanierung des Kölner Domes vor allem auch Steinerneuerungen statt.
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4.3 Metalle und saurer Regen
Boden
A. Beispiel eines belasteten Industriegeländes. Das gezeigte (konstruierte) Beispiel berücksichtigt unterschiedliche Nutzungen eines Industriegeländes im 19. und auch 20. Jh. Nach der ersten Nutzung im Bereich Verhüttung von Erzen wurde das Gelände mit Bauschutt und Hochofenschlacke aufgefüllt. Aus dieser Phase stammen vor allem Schwermetalle als Schadstoffe. In der zweiten Phase wurde das Gelände für eine Waffen- und Munitionsfabrik genutzt. Aus dem Schutt und der Auffüllung stammen neben Schwermetallen vor allem organische Substanzen aus Sprengstoffen. Zu den Spreng- und Explosivstoffen gehören als organische Kontaminanten Nitro-Verbindungen wie organische Salpetersäureester (Nitroglycerin, Nitroglykol, Diglykoldinitrat, Glycerindi- und -trinitrat, Mannitoihexanitrat, Nitnxellulose u. a.), aromatische Nitro-Verbindungen (Ammoniumpikrat, Mono-, Diund Trinitrotoluol, Hexanitrodiphenylamin u. a.) und Nitroamine. Nitr(o)amine leiten sich von der allgemeinen Formel O?N-NR1R2 ab (Nitro-Verbindungen des Nitrylamids mit R1 = R2 = H). Als Explosivstoffe wurden Ethylendinitramin (N,N'Dinitroethylendiamin), Tetryl (Methylpikrylnitramin oder /V-Methyl-N,2,4,6-tetranitroanilin), Hexogen (1,3,5-Trinitro1,3,5-triazinan oder Cyclotrimethylentrinitramin) und Octogen Cyclotetramethylenteranitramin) hergestellt und eingesetzt. Die meisten dieser Substanzen weisen auch ein hohes toxisches Potential im Boden auf. Für aromatische NitroVerbindungen gilt, hier am Beispiel Dinitrotoluol, folgendes allgemeines Verhalten im Boden: Sie weisen zwar eine geringe Wasserlöslichkeit auf (ausgenommen Phenole), jedoch ist eine mittlere Bio- und Geoakkumulationstendenz zu erwarten. Im Boden können mikrobiologische Stoffumwandlungen stattfinden, die zu entsprechenden Amino-Verbindungen mit einer höheren Wasserlöslich-
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keit als die der Ausgangs Verbindungen führen. Sowohl in der Pedo- als auch in der Hydrosphäre ist eine mittlere Persistenz zu erwarten. Wegen eines karzinogenen Risikos werden von der U.S.-Umweltbehörde EPA Empfehlungen für Trinkwassergrenzwerte gegeben - so wird z. B. bei einer Konzentration von 0,7 mg-L"1 das karzinogene Risiko mit 1% angegeben. Das im Zweiten Weltkrieg auf dem Geländebefindliche Gaswerk - als 3. Phase der Nutzung - wurde durch Bomben zerstört: Dadurch gelangten als Schadstoffe poly-zyklische aromatische Kohlenwasserstoffe PAK, Phenole, Cyanide und Schwermetalle in den Schutt und die Auffüllung. Nach 1948 wurde dieses Industriegelände von einer Metallwarenfabrik genutzt. Als Schadstoffe sind aus dieser Produktion als 4. Nutzungsphase vor allem chlorierte Kohlenwasserstoffe zu erwarten, die sich im Boden befinden und auch in das Grundwasser gelangen können. Die als Lösungsmittel verwendeten Stoffe gehören z. T. auch zur Gruppe der leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffe LCKW. Einige der LCKW können von Bakterien als Kohlenstoff-Quelle und auch als Energiequelle (unter aeroben und anaeroben bzw. methanogenen Bedingungen und Dehalogenierung) genutzt werden. Der Abbau der LCKW hängt vom pH-Wert, der Sauerstoff-Konzentration, der Verfügbarkeit von Wasserstoff-Donatoren und auch Makronährstoffen sowie von der Abwesenheit mikrobiell toxischer Begleitstoffe ab. Das konstruierte Industriegelände stellt ein typisches Beispiel für einen Altlaststandort dar - als Altanlage, d. h. als ein Betriebsgelände mit ehemaligen Herstellungs- oder Verarbeitungsanlagen von umweltgefährdenden Stoffen.
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4.4 Organische Kontaminanten
Boden
B. Verhalten von Schadstoffen im Boden. Die Abbildung vermittelt ein globales Bild zum Verhalten von organischen Kontaminanten im Boden. An suspendierte Schmutzpartikel gebundene Schadstoffe werden durch Filterung mechanisch im Boden festgehalten, wobei auch Teilchen mit sehr geringen Durchmessern (<0,21«m) in Böden mit einem hohen Anteil an Feinporen aus dem Sikkerwasser herausgefiltert werden. Gelöste Schadstoffe können einerseits von Pflanzen aufgenommen werden, andererseits durch Auswaschung über das Grundwasser zu einer Kontamination im Trinkwasser (C.) führen. Von ökologischer bzw. ökochemischer Relevanz sind vor allem diejenigen Anteile eines Schadstoffs, die gelöst vorliegen bzw. leicht in die Lösungsphase überführt werden können. Das Verhalten organischer Stoffe im Boden wird wesentlich von der Aktivität der Bodenmikroorganismen beeinflußt. Diese wiederum bestimmen entscheidend die sog. Transformatorfunktion eines Bodens. Insgesamt bewirken die mikrobiellen Umwandlungen organischer Schadstoffe eine Überführung in Stoffe anderer chemischer Zusammensetzung und auch anderer Aggregatzustände. Dabei können Metabolite mit höherer Toxizitat als die der Ausgangsstoffe gebildet werden. An der Bodenoberfläche spielen auch photochemische Umwandlungen eine Rolle. Eine Umverteilung von Schadstoffen in der Pedosphäre erfolgt durch Erosion und Verdriftung kontaminierten Oberbodenmaterials durch Wasser und Wind. C. Verteilung von chlorierten Kohlenwasserstoffen in der Bodenluft. Bodenluftuntersuchungen lassen sich mit Hilfe spezieller Sonden in Verbindung mit Gasprüfröhrchen durchführen. Voraussetzung für die Erfassung von Bodenkontaminationen ist ein genügend hoher Dampfdruck der Schadstoffe, so daß
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nachweisbare Konzentrationen in der Gasphase der Bodenporen vorliegen. Besteht ein entsprechend günstiger Verteilungskoeffizient für das System Wasser Luft, so ist auch ein Nachweis leichtflüchtiger Schadstoffe über kontaminiertem Grundwasser möglich. Das Bild zeigt das Beispiel für eine Darstellung der Ergebnisse aus einer Bodenluftsondierung auf chlorierte, leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe auf einem ehemaligen Betriebsgelände (1.). Die dreidimensionale Darstellung (2.) ermöglicht die Auffindung des Kontaminationsschwerpunktes bzw. der Kontaminationsquelle. D. Verhalten von Pestizid-Wirkstoffen im Boden. Das allgemeine Verhalten von Bioziden (als Oberbegriff für Chemikalien zur Bekämpfung lebender Organismen) bzw. Pestizide (synonym gebraucht) entspricht der Darstellung in B. Die rechte Seite der Abbildung beinhaltet die Forderungen an ein Biozid - nämlich die rasche Abbaubarkeit neben seiner spezifischen Wirksamkeit (Wirkung). Bis ein Biozid abgebaut wird, soll es in der Lage sein, Schädlinge (Viren, Bakterien, Algen, Pilze, Milben, Insekten, Schnekken, Würmer - für die jeweils spezielle Wirkstoffgruppen existieren) abzutöten bzw. für bestimmte Pflanzen (Unkräuter - Gruppe der Herbizide) verfügbar zu sein. Im Bild ist der Umsatz an BiozidWirkstoffen und Metaboliten gegen die Zeit aufgetragen. Die gesamte BiozidMenge ist unmittelbar nach auf der Ausbringung btoverfügbar. Innerhalb weniger Tage erfolgt eine reversible Adsorption an Bodenpartikeln, dessen Maximum hier nach etwa 14 Tagen erreicht ist; nur noch 10% sind in der Bodenlösung bioverfügbar. In der gelöster Phase findet eine Biomineralisierung statt, die zur Mobilisierung adsorbierter Biozid-AnteiIe führt, wo der Abbau weitergeführt wird. So ergibt sich für die Menge des gebundenen Biozids ein Maximum.
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4.4 Organische Kontaminanten
Boden
E. Anteile bestimmbarer Stoffe in belasteten Böden. Die analytische Umweltforschung geht davon aus, daß mehrere Millionen chemischer Verbindungen produziert und auch zu einem großen Teil in die Umwelt gelangt sind. Wegen dieser hohen Zahlen ist eine umfassende Analytik von Einzelstoffen, sowohl deren Identifizierung als auch Quantifizierung, nicht möglich. Boden- und Wasseranalysen können in erster Linie nur diejenigen Inhaltsstoffe erfassen, nach denen auch gezielt gesucht wird. Eine umfassende Untersuchung ist auch aus Kostengründen nicht sinnvoll. Für wirkungsbezogene Untersuchungen stehen andere als die physikalisch-chemischen Meßmethoden zur Verfügung (Kap. 5). Ein Aufteilung in Anteile bestimmbarer Stoffe in Böden zeigt, daß 90% der in niedrigen Konzentrationen vorliegenden Kontaminanten nicht indentifizierbar sind. Der Rest läßt sich schematisch in 9% leichtflüchtige Stoffe (C.) wie vor allem LHKW bzw. LCKW und 1% an schwer- bzw. schwerer flüchtigen Stoffen einteilen. Zur letzteren Gruppe gehören Chlorphenole, PCB, Pestizide (D.), AKW - speziell Benzol, Toluol und Xylole als BTX-Aromaten - sowie auch PAK. F. Summenkurven des Sauerstoff-Verbrauchs öl kontaminierter Böden. 01Verschmutzungen (aus den aliphatischen und zykloaliphatischen Kohlenwasserstoffen des Erdöls) führen in der Umwelt zur Bildung von Emulsionsschichten an Oberflächen vor allem der Hydrosphäre. Aus ihnen scheiden sich dann feste und flüssige Kohlenwasserstoff-Aggregate ab, die in Böden zurückgehalten werden. Wegen der geringen Wasserlöslichkeit und bei schweren Ölen auch geringen Mobilität insgesamt kann Öl im Boden mikrobiell abgebaut werden, bevor es den Grundwasserspiegel erreicht. Meist beginnt der Abbau mit der Oxidation einer Methyl-Gruppe auf einer Seite der
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Kette - über die Stufen primärer Alkohol, Aldehyd bis hin zur Carbonsäure. Bereits 1906 wurden Mikroorganismen entdeckt, die in der Lage waren, Kohlenwasserstoffe abzubauen. Die als „Ölfresser" bezeichneten Mikroorganismen kommen überall auf der Erde vor und können sogar in tiefen Schichten (in Norddeutschland bis zu einer Tiefe von 88 m im Erdboden) nachgewiesen werden. Unverzweigte Kohlenwasserstoffe (mit kurzen bis mittleren Kettenlängen) werden rasch metabolisiert (Kap. 5). Mit zunehmendem Verzweigungsgrad erhöht sich jedoch die Persistenz von Kohlenwasserstoffen. Im Bild ist anhand der Substratatmung der Ölabbau für eine Ölkontamination von 1 Gew.-% (bezogen auf das Trockengewicht TG) dargestellt. Der ölkontaminierte Boden B wurde in unterschiedlichen Verhältnissen mit Kompost l< (als Biokompost, aus im Haushalt getrennt gesammelten vegetabilen Küchen- und GartenabFällen; schadstoffarm) gemischt. Wichtigste Einflußgrößen für den Abbau sind die Wechselwirkungen der Humusmatrix und der Mikroflora mit den Schadstoffen sowie Düngungseffekte, d. h. Nährstoff- und Spurenelementzufuhr durch den Kompost. Eine Kompostzugabe im Verhältnis Boden/Kompost von 2:1 beschleunigt den Ölabbau signifikant. In der Praxis von Sanierungen werden jedoch niedrigere Verhältnisse gewählt (bis 9:1). Wichtig ist eine Optimierung des Wassergehaltes. Die Metabolisierung der Ölbestandteile durch die Boden mikroorganismen findet in dünnen Wasserfilmen statt, welche die Feststoffpartikel vollständig oder wenigsten z.T. umhüllen. Der optimale Wassergehalt liegt zwischen 50 und 80% der max. Wasserkapazität (Kap. 4.2, D.) (s. in Stegmann 1993).
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4.4 Organische Kontaminanten
Boden
A. Emissionspfade einer Attlast. Als Altlast wird ein abgrenzbares Gebiet oder Grundstück bezeichnet, bei dem der begründete oder bewiesene Verdacht besteht, daß davon Gefahren für Umwelt und Gesundheit ausgehen (nach Römpp Lexikon Umwelt). Man unterscheidet Altanlagen (Altstandorte - Kap. 4.4, A.}, Altablagerungen und altlastenverdächtige Flächen, zu denen auch Rüstungsaltlasten gehören. Zur Untersuchung von Altlasten sind 1. die Nutzungsgeschichte des Grundstückes und 2. die Emissionspfade zu ermitteln. Eine Emission im engeren Sinne beinhaltet primär die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen. Der Begriff Emission wird hier wesentlich weiter gefaßt (zur Gefährdungsabschätzung Kap. 6.1, D.). Schadstoffe in Böden beeinträchtigen die Regelungsund Lebensfunktionen in der Pedosphäre, so daß Verunreinigungen an Altstandorten ein Bodenschutzproblem verursachen. Noch schwerwiegender als die Bodengefährdung ist die von einem Altstandort ausgehende Gefahr für das Grundwasser. Im Sickerwasser gelöst gelangen Schadstoffe über durchlässige Bodenschichten schließlich in das Grundwasser. Auf bewachsenen Altablagerungen können Schadstoffe auch von den Pflanzenwurzeln und damit in die Nahrungskette aufgenommen werden. Weitere Umweltbelastungen sind durch Gasaustritte und Staubverwehungen zu erwarten. Die Beurteilung der von einem Altstandort ausgehenden Gefährdung soll sich auf alle potentiellen Wirkungspfade und auch alle Schutzgüter (Gesundheit des Menschen, Wasser, Boden, Luft, Pflanzen und Tiere, Sachgüter wie Bauwerke oder auch Versorgungs- und Entsorgungsleitungen) erstrecken. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Schadstoffen wird zur Beurteilung des Gefährdungspotentials die Untersuchung auf wenige umweltgefährdende Stoffe begrenzt. Als Kriterien der Auswahl (bei
166 ausreichende Kenntnissen über die Art der Kontamination) werden deren Mobilität, Toxizität, Bioakkumulierbarkeit und Abbaubarkeit herangezogen. B. Boden rein ig ungsverfah ren. Zur Sanierung von Altlasten stehen sehr unterschiedliche Reinigungsverfahren zur Verfügung. Es wird zwischen In-situ-Verfahren am Ort der Altlast sowie On-site-/Offsite-Verfahren unterschieden. Als On-site-Verfahren gelten Maßnahmen, welche den Standort nicht verändern wie Nutzungseinschränkungen, Sicherung vor Zutritt, die Überwachung sowie auch Zwischenlagerung ausgetretener Schadstoffe. Als Off-site-Maßnahme wird eine Ausräumung (Auskofferung) und Umlagerung von Abfalldeponien insgesamt bezeichnet. In situ können einerseits Sicherungsmaßnahmen mit dem Ziel einer Unterbrechung der Kontaminationswege (Grundwasserabsenkung, Einkapselung, Immobilisierung) bzw. die weitergehenden Maßnahmen zur Dekontamination durchgeführt werden. Zu den Verfahren der Dekontamination gehören chemischphysikalische, biologische und thermische Verfahren. Entsprechen der Emissionspfade zählen zu den In-situ-Verfahren die an den belasteten Kompartimenten orientierten Verfahren der Bodenluftabsaugung (mit Reinigung über Aktivkohle, Waschlösungen oder Verbrennung), die Grundwasserreinigung (über Aktivkohle, Stripping-Verfahren für flüchtige Stoffe sowie Schwermetallfällungen) und die Reinigung des Bodens selbst mit Hilfe von Mikroorganismen als biologische Reinigung. Die In-situ-Verfahren können auch „on/off site" durchgeführt werden. Die Entsorgung von Rückständen erfordert erneute (z. B. thermische) Maßnahmen und eine Überwachung wie nach der Anwendung von Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen.
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4.5 Verfahren der Bodensanierung
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Boden
C. Gegenstromextraktion mit Lösungsmitteln. Als Beispiel einer Bodenwäsche als chemischem Verfahren wird hier das Prinzip zur Reinigung eines PCB-kontaminierten Bodens dargestellt: Nach einer Zerkleinerung des Bodens werden die so gewonnenen Partikel Korngröße <2mm in die Gegenstromextraktionsanlage überführt. Aufgrund des Gegenstromprinzips und des Einsatzes kleiner Partikel kann die Lösungsmittelmenge A gering gehalten werden. Die Trennung des Lösungsmittels erfolgt thermisch; es wird über einen Kondensator C zurückgewonnen. In einer Verdampferdestillation wird der Hauptanteil des Lösungsmittels von den Schadstoffen B abgetrennt. Der Rückstand aus Lösungsmittel und Schadstoffen muß als Sondermüll (z. B. thermisch) entsorgt werden. Das Extraktionsmittel kann nach der Rückgewinnung wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. Dieses „off site" oder „on site" durchführbare Extraktionsverfahren - als Bodenwäsche bezeichnet - ist sowohl zur Entfernung organischer als auch anorganischer Schadstoffe geeignet. Nachteile sind jedoch, daß Aufwand und Wirkung von der Bodenart, Zustandsform und Konzentration der Schadstoffe stark abhängig sind, daß möglicherweise Extraktionsmittelrückstände im Boden verbleiben können, daß das Bodengefüge verändert wird und eine Entfernung der Schadstoffe aus dem Lösungsmittel sowie deren Entsorgung erforderlich sind. Bei einer In-situ-Extraktion besteht die Gefahr einer unkontrollierten Freisetzung von Chemikalien in den Boden und in das Grundwasser. D.
Thermische
Altlastensanierung.
Thermische Verfahren entfernen Schadstoffe aus Bodenmaterial mit Hilfe von Destillation, Pyrolyse oder Verbrennung. Das vorgestellte Verfahren als Beispiel einer On-ste-Maßnahme kombiniert die Anlagen für eine Aufbereitung mit der
Ofenantage, der wiederum eine fünfstufige Abluftreinigung angegliedert ist (Kap. 2.5, A. u. B.). Am Ende der Verfahrenskette wird der gereinigte Boden wieder an der Stelle der Entnahme eingebaut. Der eigentlichen thermischen Reinigung vorgeschaltet ist ein Trocknungsvorgang. Die dargestellte Anlage verfügt über drei Drehrohrtrommeln, sie kann 5t-h_1 Boden durchsetzen. Nach einer Zerkleinerung des Bodenaushubs auf eine Korngröße von 30 bis 60 mm wird das Material in einer Trockentrommel bei 200 bis 400 °C getrocknet, der sog. Ausbrand erfolgt bei Temperaturen bis zu 1200 °C. Die Aufenthaltszeiten werden mit 30 bis 45 min in Trocken- und Brenntrommel angegeben; nachgeschaltet ist eine Kühltrommel mit Wärmerückgewinnung. Die fünf Stufen der Abluftreinigung bestehen aus der Staubabscheidung (über Zyklon und Schlauchfilter), der thermischen Nachverbrennung (Zerstörung noch im Abgas befindlicher organischer Stoffe - 2s bei über 1200°C), einem Trockenverfahren zur Bindung saurer Gaskomponenten [Zuschlag von Ca(OH)2], einer Filteranlage aus einem Kassettenfeinstfilter (für Feinststäube mit angelagerten Schwermetallen) sowie einer Aktivkohle-Filteranlage zur Adsorption geringster Schadstoffmengen. Ist das Bodenmaterial wie im Beispiel C. mit PCB kontaminiert, müssen die aus dem Drehrohr austretenden Gase bei Temperaturen über 1200°C nachverbrannt werden. Schonender als in dem beschriebenen Drehrohrofen kann Bodenmaterial in einem Pyrolyseverfahren behandelt werden: Hierbei wird ein indirekt von außen beheizter Drehrohrofen mit Temperaturen zwischen 500 und max. 750 °C eingesetzt. Bei dieser Behandlungsweise bleibt die mineralische Struktur zum großen Teil erhalten. PAK können bei Verweilzeiten um eine Stunde zu mehr als 99% entfernt werden.
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4.5 Verfahren der Bodensanierung
170 E. Biologische Altlastensanierung. Verfahren der biologischen Altlastensanierung nutzen die Fähigkeit von Mikroorganismen, bestimmte organische Schadstoffe abzubauen. Der besondere Vorteil gegenüber den zuvor vorgestellten Verfahren besteht in der schonenden In-situ-BehandlungT bei der sowohl das Bodengefüge als auch die Bodenbiologie zum großen Teil intakt bleiben. Wichtige Voraussetzungen für die Anwendbarkeit mikrobiologischer Verfahren sind neben der Abbaubarkeit der Schadstoffe Konzentrationen in einem physiologisch günstigen Bereich, die Abwesenheit toxischer (enzymhemmender) Stoffe wie Schwermetalle und die Löslichkeit der Schadstoffe. Optimiert werden müssen Sauerstoff- und Nährstoffgehalt, die mikrobiologische Aktivität, Temperatur, Wassergehalt und pH-Wert. Nachteile biologischer Verfahren sind, daß diese Einflußgrößen kontrolliert werden müssen und sie bei einem starken Ansteigen der Biomasse versagen, eine Kontrolle der Effektivität nur mit großem analytischen Aufwand möglich ist, und daß infolge der mikrobiell bedingten Veränderungen es zur Mobil iserung von Stoffen (z. B. Schwermetalle) kommen kann. Ein Beispiel für den Abbau von Öl wurde in Kap. 4.4 vorgestellt. Zu den mikrobiell leicht abbaubaren Verbindungen gehören neben raffinierten Ölen aromatische Lösungsmittel wie Benzol, Toluol, Xylole (BTX) und Ethylbenzol und lösliche aromatische Stoffe wie Phenole und andere substituierte Benzole z. B. aus ehemaligen Gasfabriken (s. 4.4, A.). Überwiegend schwer abbaubar dagegen sind chlorierte Verbindungen, polyzyklische Aromaten und Pestizide. Im Bild ist die Kombination von subterrestrischer und oberirdischer Verfahren (Messer-Griesheim, Frankfurt) dargestellt. Wichtig ist die Versorgung der Mikroorganismen mit ausreichend Sauerstoff. Die oberirdische Reinigungsstufe hat die Aufgabe, die Ab-
bauprozesse zu beschleunigen. Das Mikroorganismen-Gemisch wird über den Infiltrationsbrunnen in das Grundwasser gebracht. Das kontaminierte Grundwasser wird dann in den Bioreaktor geleitet und anschließend wieder zurückgeführt, F. Sanierung von kontaminiertem Grundwasser und von Bodenluft. Bei Kontaminationen aus leichtflüchtigen Stoffen wie die Chlorkohlenwasserstoffen (s. Kap. 4.4) müssen nach deren Lokalisierung sowohl das Grundwasser als auch die Bodenluft gereinigt werden. Im dargestellten Beispiel wird ein Sanierungsbrunnen bis in das Grundwasser an die Kontaminationsquelle geführt. Das verwendete Rohr ist im unteren Teil mit Filtern für Flüssigkeiten und Gase versehen. Die beiden Absaugleitungen innerhalb des Sanierungsbrunnens dienen zum Absaugen des kontaminierten Wassers (links) bzw. der Bodenluft (rechts), die durch einen Aktivkohle-Filter zur Adsorption der CKW geblasen wird. Der trichterförmige Verlauf des Grundwasserspiegels wird durch die Saugwirkung der Tauchpumpe hervorgerufen. Das abgepumpte Wasser wird durch einen Stripper geleitet, wo die leichtflüchtigen Stoffe mit Hilfe von Frischluft ausgeblasen und dann ebenfalls in einem Aktivkohle-Filter adsorptiv entfernt werden. Über die direkt in das Grundwasser eingeführten Belüftungslanzen wird Luft direkt in das Grundwasser eingeblasen, um dadurch die gasförmige Absaugung der Bodenluft zu unterstützen. Die Kontrolllanzen dienen zur Probenentnahme, um die Fortschritte der Sanierungsmaßnahme überprüfen zu können. Die mit CKW beladene Aktivkohle muß entsorgt werden. Ein mögliches Verfahren (neben der thermischen Entsorgung) besteht in der Entfernung mit Hilfe von heißem Wasserdampf. Das Wasser-CKW-Gemisch wird dann destillativ oder mit Hilfe eines Membranverfahrens getrennt.
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4.5 Verfahren der Bodensanierung
Boden
A. Aufbau einer Deponie. Als Deponie wird ein lokal begrenzter Ablagerungsort von Abfällen bezeichnet. In Deutschland werden zur Zeit noch bis zu 70% der festen Siedlungsabfälle, bis zu 90% der sog. Inertabfälle (Bauschutt, Erdaushub) und auch etwa 50% der Sonderabfälle deponiert. Zur Verhinderung von umweltbelastenden Emissionen müssen technische Maßnahmen durchgeführt werden, die einen Übergang schadstoffbelasteten Deponiesickerwassers in den Untergrund und in das Grundwasser verhindern (mit Deponieabdichtungen wie eine ßasisabdichtung aus Ton und Kunststoffolie). Sickerwässer werden über eine Drainageleitung in Sickerwassergräben geleitet und falls erforderlich in einer Abwasserreinigungsanlage gereinigt. Aus der anaeroben Vergärung organischen Materials entsteht ein Deponiegas (Kap. 2.6, G.), das dem Deponiekörper entweicht und zu Geruchsbelästigungen führt, falls keine ausreichenden technischen Maßnahmen zur Ableitung, Entgiftung oder auch Verwertung durchgeführt werden. Je t Hausmüll können bis zu 250 m3 Deponiegas entstehen, das zu 55 Vol.-% aus CH4 und bis 45 Vol.-« aus CO2 besteht. B. Grundwasser-Gefährdungsquellen im Umfeld einer Deponie. Als Deponie-
sickerwasser wird Wasser bezeichnet, daß aus Niederschlägen oder aus Abfällen stammend einen Deponiekörper (A.) durchfließt und dabei aus dem Abfall lösliche Stoffe aufnimmt. Ein mittlerer Niederschlag von 750 mm im Jahr ergibt etwa 5 m3 Deponiesickerwasser pro Hektar und Tag. Die Hauptinhaltsstoffe von Deponiesickerwässern sind wasserlösliche Nitrate, Sulfate, Chloride, Schwermetalle und hohe Anteile an organischen Substanzen (Kap. 6.1, E.). Belastung und Zusammensetzung hängen von der Abfallart, aber auch von der Witterung und vor allem von biochemischen Abbauvorgängen ab. Wird das Deponiesickerwasser
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nicht in einer Kläranlage gereinigt, so wird es meist auf den Deponiekörper zurückgeführt, wo es zu einer Aufkonzentrierung von Schadstoffen kommt. Da eine Langzeitsicherung von Deponiedichtungen oft nicht gewährleistet ist, müssen Deponien auf ihre Dichtigkeit anhand von regelmäßigen Brunnenwasseranalysen überwacht werden. Im Bild sind neben einer Deponie auch weitere Grundwassergefährdungsquellen wie die Landwirtschaft dargestellt. C. Entwicklung von Müllvolumen und Zusammensetzung. Die Müllzusammensetzung wird durch Analyse möglichst repräsentativer Durchschnittsproben ermittelt, die aus vielen Teilproben aus unterschiedlichen Erfassungs- und Sammelbereichen mehrmals im Jahr zusammengestellt werden. Sie werden mit Hilfe der Siebanalyse in die Fraktionen Feinmüll (<8mm), Mittelmüll (840 mm), Grobmüll (40-120 mm) und Siebreste (>120 mm) eingeteilt. Das Bild zeigt nach Sattler und Emberger die Entwicklung des spezifischen Müllaufkommens (1.) und die Müllzusammensetzung (2.) der Stadt Stuttgart mit 560000 Einwohnern (1995). In beiden Darstellungen ist zugleich ein Schema für die Aufteilung von Müll enthalten. Die stetige Abnahme der Müllraumdichte (Müllmasse/Müllvolumen 1950 ~ 200 kg -irr3 sowie 1990 ~ 100 kg-m~3je Einwohner und Jahr) ist im wesentlichen auf den Rückgang des Feinmüllanteils (Asche, Sand - Rückgang der Ofenfeuerung seit 1950) und auf die Zunahme des Anteils an Verpackungsmaterialien bis 1990 zurückzuführen. Zu Beginn der 90er Jahre betrug das Aufkommen an Siedlungsabfällen in Deutschland insgesamt 40 Mio. t, davon 15 Mio. t Hausmüll, 2 Mio. t Sperrmüll und etwa 13 Mio. t hausmüilärinf icher Gewerbeabfälle.
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4.6 Chemie und Technik in Deponien
Boden
D. Anaerobe Abbauprozesse in Deponien. Im Unterschied zur Kompostierung, bei der die organischen Bestandteile von Müll aerob in Anwesenheit von Sauerstoff durch Mikroorganismen zu Kohlenstoffdioxid, Wasser und festen (Kompost-)Rückständen abgebaut werden, verläuft die Vergärung (Fermentation oder Faulung) in Deponien anaerob unter Luftabschluß. In vier Stufen, Hydrolyse und Abbau, Säure- und Methan-Bildung, entstehen Methan, Kohlenstoffdioxid, Spurengase und feste Rückstände. Die Faulung wird auch in der Abwasserreinigung und Klärschlammbehandlung genutzt (Kap. 2.5, G. und 3.5). In der 1. Stufe der Abbauprozesse erfolgt durch hydrolytische und fermentative Mikroorganismen eine extrazelluläre Aufspaltung von Makromolekülen. Aus der Gruppe der Kohienhydmte wird Cellulose nur fangsam zur Cellubiose, einem reduzierendem Disaccharid, abgebaut. Aus Hemicellulosen entsteht die Xylobiose. Schnell abgebaut wird Stärke. Es entstehen Maltose und Saccharose. Pektine werden zur Galacturonsäure hydrolysiert. Endprodukte der hydrolytischen Spaltungen, von Enzymen aus der Gruppe der Hydrotasen katalysiert, sind die Hexosen Glucose und Fructose und die Pentose Xylose. In der 2. Stufe werden die Bausteinmoleküle - Kohlenhydrate, Fette, Eiweißstoffe, Nucleinsäuren - vergärt (bekanntester Vorgang: die Bildung von Alkoholen aus Zuckern). Gärungen sind anaerobe, energieliefernde Vorgänge. Einem organischen Substrat, meist einem Kohlenhydrat-Spaltprodukt wie der Glucose, Fructose oder Xylose, werden sog. Reduktion säquivalente (Elektronen oder auch coenzymgebundener Wasserstoff) entzogen und auf einen organischen Akzeptor übertragen (Einzelheiten s. Lehrbücher der Biochemie). Allen Gärungsvorgängen gemeinsam ist die Bildung der Brenztraubensäure (Pyruvat), die aus dem Abbau von Zuckern als Zwischen-
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produkt entsteht. Hierbei findet eine Oxidation statt, wobei einigen Zuckerspaltprodukten Wasserstoff entzogen wird. Dieser wird an spezifische Coenzyme wie NADP gebunden und dazu benutzt, um dann die Brenztraubensäure selbst bzw. deren Abbau- und Umwandlungsprodukte zu reduzieren. Typische Gärungsendprodukte sind neben Methanol und Ethanol z. B. Aceton, Propanole, Acetoin, die organischen Säuren von der Ameisensäure (mit 1 C-Atom) bis zur Butter- und Bernsteinsäure (mit 4 C-Atomen). In der 3. Stufe werden durch acetogene Bakterien methanogene Verbindungen wie Essigsäure, Ameisensäure sowie Methanol gebildet, die das Substrat für die Methan-Bakterien in der 4. Stufe liefern. Die Methan-Gärung stellt einen speziellen Fermentationsprozeß dar. Auch Kohlenstoffdioxid gehört zu den Substraten. Ihre Substrate entstehen durch die Tätigkeit der cellulytischen Organismen (Phase 1 und 2) mit anschließender Vergärung (optimaler pH-Bereich 4-7) nach den Schemata der Milchsäure-, Buttersäure- bzw. gemischten Säuregärung, die auch in der Lebensmittelchemie und -technologie eine wichtige Rolle spielen. Mischgärungen (pH 7-8) finden außer in Kläranlagen auch in den Sedimenten von Gewässern (Entstehung von Sumpfgas) und in den Mägen wiederkäuender Tiere statt. Eine Symbiose zwischen den strikt anaeroben Methan-Bakterien und den Ceilufose-Vevgärem beruht möglicherweise darauf, daß die letzteren die streng anaeroben Bedingungen hervorrufen, welche die ersteren benötigen. Die kurz skizzierten Vorgänge (nach Maurer, Stegmann in Sattler 1990) liegen insgesamt sehr komplexe Mechanismen zugrunde. Am Ende aller Prozesse haben sich Biogas und feste Rückstände, vor allem aus Mineralsalzen bestehend, gebildet.
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4.6 Chemie und Technik in Deponien
176
Boden E.
Grundfließbild
einer
Müllvergä-
rungsanlage. Die unter D. beschriebenen grundlegenden Vorgänge, die von mehreren Bakterienstämmen (acetogenen und methanogenen Bakterien) in den verschiedenen Umsetzungsphasen bewirkt werden, lassen sich folgendermaßen in die Technik einer Müllvergärungsantage umsetzen: Als Ausgangsmateria] werden Küchen- und Gartenabfälle aus der Biotonne als organischer Naßmüll mit einer Trockenmasse von 40 bis 50% eingesetzt. Nach einer mechanischen Sortierung zur Entfernung von Inertstoffen erfolgt eine Zerkleinerung und anschließend eine Verflüssigung (sog. Anmaischung), wobei der Trockensubstanzanteil auf ca. 13% sinkt. Die anaeroben Fermentationsverfahren sind entweder ein- oder zweistufig aufgebaut. Bei einstufiger Prozeßführung laufen die dargestellten Vorgänge der Hydrolyse, Säureund Methan-Bildung neben- bzw. nacheinander in einem Fermenter ab. Bei zweistufigen Verfahren finden in der 1. Stufe die Hydrolyse und Säurebildung (s. o.) des organischen Materials mikrobiell in einem Hydrolysereaktor statt. Daran schließt sich dann eine Flüssigphasenfermentation der Säuren in einem MethanReaktor an. Für die festen Vergärungsrückstände, die über die Verfahrensschritte Nacheindickung und Entwässerung über eine Siebbandpresse erhalten werden, wird anschließend eine Nachkompostierungsphase angeschlossen. Die Verweilzeiten in den Fermentern {Betriebstemperatur 35 °C) Hegen bei 12 bis 15 Tagen (Müllvergärungsanlage Rottweil als Pilotanlage - nach Sattler u. Emberger 1990) und die Dauer der Nachkompostierung bei ca. 8 Wochen. Das FermentervoJumen beträgt 45 m3 bei einer Einwohnerzahl von etwa 4000 im Erfassungsbereich. Als Kompostierung wird allgemein die gesteuerte Verrottung von Siedlungsabfällen und auch Klärschlamm unter Einwirkung von Bakte-
rien und Pilzen bezeichnet. In einem Kompostwerk für Siedlungsabfälle werden drei Hauptarbeitsphasen unterschieden: die Aufbereitung der rohen Siedlungsabfälle zum Kompostrohstoff (hier liegt der Vergärungsrückstand als Kompostrohstoff vor), die Verrottung zu Frischkompost (optimale Einstellung von Wassergehalt und Luftversorgung für die Mikroorganismen erforderlich) und als Nachrotte die Aufbereitung des Frisch- zu Fertigkompost. F. Entsorgung und Nutzung von Deponiegas. Aus 1 kg Kohlenhydraten werden etwa 0,8 m3 Biogas (CH4 50%), aus 1 kg Proteinen 0,7 m3 (70% CH4) und aus 1 kg Fett 1,2 m3 (70% CH4) gewonnen. Die Entsorgung von Biogas - Brennwert etwa 24 MJ-nr3 bei 60% CH4- besteht im Abfackeln bzw. in einer Verbrennung. Nutzungsmöglichkeiten beruhen auf dem Brennwert: Biogas kann zur Erzeugung von Heiz- und Prozeßwärme sowie auch von elektrischer Energie sogar im großtechnischen Maßstab eingesetzt werden. Mit Hilfe von Membrantrennverfahren (mit Modulen aus Hohlfasermembranbündeln) wird Deponiegas in einen methanreichen Produktstrom und in einen kohlenstoffdioxidreichen Permeatstrom zerlegt. Durch die Eliminierung des CO2 wird Erdgasqualität erreicht. Vor einer energetischen Nutzung muß jedoch eine Reinigung durchgeführt werden, bei der vor allem H2S sowie halogenierte Kohlenwasserstoffe adsorptiv an Aktivkohle bzw. mit Hilfe länge rkettiger Paraffine als Waschmittel abgetrennt werden. In den Stufen davor erfolgt eine Trocknung und Kondensatabscheidung sowie eine Staub- sowie Partikelabscheidung. Vor einem Einsatz als Treibstoff" für Verbrennungsmotoren müssen vor allem der Zusammensetzung des Deponiegases entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung von Korrosionsschäden durchgeführt werden.
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4.6 Chemie und Technik in Deponien
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika A. Schadstoffpfade in Ökosystemen.
Im Bild sind die in einzelnen Abschnitte bereits behandelten Transferwege von Schadstoffen zusammenfassend dargestellt - schwerpunktmäßig für Xenobiotika. Vom griechischen xenos (fremd/ Fremdling) und bios (Leben) abgeleitet, bezeichnet dieser Begiff insbesondere organische Stoffe, die in Ökosystemen nicht aufgrund biologischer, d. h. enzymatisch gesteuerter Staffumsetzungen entstanden sind. Für diese Stoffe gilt, daß sie in ihrer Struktur und ihren biologischen Eigenschaften der Biosphäre fremd sind. Zu den Xenobiotika gehören u. a. synthetische Pestizide, Chlorkohlenwasserstoffe, Tenside und Weichmacher aus Kunststoffen. Um-bau- und Abbaureaktionen können das ökotoxikologische Potential (Kap. 6) von Xenobiotika erheblich verändern - sowohl zu höherer als auch geringerer Toxizität. Als Schadstoffe werden allgemein solche Stoffe oder Stoffgemische bezeichnet, die beim Übergang in Ökosysteme oder infolge der Aufnahme durch lebende Organismen oder auch an Sachgütern nachteilige Veränderungen verursachen. Xenobiotika sind aus dieser Gesamtgruppe diejenigen, die als Folge anthropogener Aktivitäten in der Umwelt vorhanden und z. T. aufgrund der Aus-(Ver-)breitungsmechanismen auch bereits global verteilt sind. Sie werden auch Umweltchemikalien genannt. Umweltchemikalien sind somit Stoffe, die durch menschliches Zutun in die Umwelt gebracht werden, und die in Mengen bzw. Konzentrationen auftreten können, welche Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen sowie den Menschen gefährden. Dazu zählen auch anorganische Verbindungen wie Schwermetallsalze anthropogenen Ursprungs. Die Wirkungen von Schadstoffen in naturnahen oder natürlichen Ökosystemen reichen von der Schädigung einzelner Arten bis zu schwerwiegenden Folgeschäden für das ökologische Gleichgewicht insgesamt -
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wie Bodenversauerung und Eutrophierung. B. Grundlagen der Schadstoffverteilung und -Umwandlung. Chemodynamik, chemische sowie biochemische Umwandlungen (Transformationen) bestimmen das Verhalten und die Verteilung von Schadstoffen auf der Erde. Das DĮtenprofil von Umweltchemikalien umfaßt als ausgewählte Eigenschaften die unter dem Begriff Chemodynamik angegebenen Parameter. Für Hexachlorbenzen(ol) beträgt der Dampf-druck 1,45-10 3 Pa (20 °C), die Löslichkeit in Wasser etwa 5 Mg-L~\ unter Reaktivität sind nach R. Koch 1991 vermerkt, daß Hexchlorbenzen gegenüber physikalisch-chemischen und biochemischen Reaktionen stabil ist (hohe Persistenz) und eine schnelle Photolyse unter Bildung von Penta- und Tetrachlorbenzen in Hexan stattfindet. Aus den Angaben zur Löslichkeit, Flüchtigkeit (Dampfdruck) und der verschiedenen Verteilungskoeffizienten (wie Henry-Koeffizient, Sorptionskoeffizient, Biokonzentrationsfaktor) leiten sich Aussagen zur Stoffmobilität sowie zur Verteilungstendenz zwischen nichtbiologischen und biologischen Strukturen ab. Zusätzlich zu der Konstanten H aus dem Henry-Gesetz (für gasförmige Stoffe) wird ein stoffspezifischer 1-Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient (vom Henry-Gesetz bzw. vom Nernsf-Verteilungsgesetz bestimmt) als log P angegeben. Mit diesen Größen (für Hexachlorbenzen H = 450, log P - 6,44), dem Sorptionskoeffizienten (als log SC, hier 5,1) und dem Biokonzentrationsfaktor (log BCF= 5,5 -6,1} lassen sich Aussagen über das Verteilungsverhalten zwischen den Kompartimenten Wasserbiosystem oder organischen Strukturen im Boden/Sediment bzw. zwischen Wasser/ Atmosphäre machen.
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5.1 Schadstoffpfade, Nahrungsketten und Stoffeigenschaften
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika C. Nahrungskette und Energiefluß. Als
die bestimmende physikalische Grundlage für den Aufbau von Nahrungsketten gilt die Nutzung der Sonnenenergie, die zur Umwandlung anorganischer in organische Substanzen durch die grünen Pflanzen benötigt wird (H. J. Müller, 1991). Am Anfang der Nahrungskette stehen somit die autotrophen Pflanzen als höhere Pflanzen, die in der Lage sind, sich ihre Bau- und Betriebsstoffe aus anorganischen Substanzen (s. o.) aufzubauen. Sie werden im Zusammenhang mit der Nahrungskette - als Modell für einen wesentlichen Teil des Stoff- und Energieflusses in einem Ökosystem - als Primärproduzenten bezeichnet. Organismen einer trophischen (Ernährungs-)Funktion bilden eine trophische Ebene. Die grünen Pflanzen stehen als Primärproduzenten organischer Substanz am Anfang aller Nahrungsketten, sie bilden die erste Trophiestufe. Als Konsumenten der von den Primärproduzenten erzeugten organischen Substanz folgen auf der zweiten Trophiestufe die heterotrophen Organismen, die Konsumenten der von den Primärproduzenten erzeugten organischen Materie - als Biophagen (Pflanzenfresser, Räuber oder Parasiten) oder als Saprophagen, die von abgestorbener Biomasse leben. Auf der dritten Trophieebene bauen die sog. Destruenten tote Biomassereste wieder zu anorganischen Stoffen ab. Von Produzenten und Konsumenten wird „Abfall" in Form von Laub, Ausscheidungen, Kot und Kadaver gebildet, der in eine weitere Nahrungskette der Zersetzer (Destruenten) eingeht - auch als Detritusnahrungskette bezeichnet. Organismen dieser Kette mineralisieren und bilden zugleich auch Biomasse, so daß sie auch als Sekundärproduzenten bezeichnet werden. D. Nahrungspyramide. Die Biomasse nimmt aufgrund des Umsatzes im Energiestoffwechsels von Ebene zu Ebene ab.
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so daß sich die Verteilung der trophischen Ebenen auch als Nahrungspyramide darstellen läßt. Aufgrund des veratmeten hohen Anteils an aufgenommener Biomasse nimmt diese von einer unteren zur nächsthöheren Stufe oft um den Faktor 10 ab. Zur Spitze hin nehmen insgesamt Individuenzahl, Biomasse, Energie sowie Reproduktionsrate ab, Körpergröße und Aktionsradius dagegen zu. Die dargestellte Nahrungspyramide im Meer basiert auf Planktonnahrung (Produzenten) und den darauf aufbauenden vier Ebenen an Konsumenten. E. Nahrungskettengeflecht. Die Zusammenhänge z. B. im Meer zwischen Produzenten und Konsumenten können auch in Form eines Nahrungskettengeflechts dargestellt werden - mit einer Differenzierung nach Pflanzen, Pflanzen- und Tierfressern. Werden schwer abbaubare Schadstoffe von am Anfang der Nahrungskette stehenden Organismen aufgenommen, so kommt es im Verlauf der Nahrungskette zu einer zunehmenden Anreicherung, so daß das Endglied - höhere Tiere sowie der Mensch - bereits für ihn toxische Mengen aufnehmen kann. Deutlich wird auch, daß bei einem Endkonsumenten - hier Thunfischen und Haien in artenreichen Biozönosen wie dem Meer - mehrere netzartig verflochtene Nahrungsketten zusammenlaufen. Gelangen in eine Biozönose Schadstoffe (Umweltchemikalien wie z. B. Pestizide), so wird häufig ein Glied der Kette bzw. ein Strang des Geflechtes unterbrochen, so daß sich das vorhergehende Glied ungehemmt entwickeln kann. Die Zahl der nachfolgenden Glieder wird aufgrund des eintretenden Nahrungsmangels verringert. Zur Beurteilung der Auswirkungen von Umweltchemikalien gehören somit auch Kenntnisse dieser ökologischen Zusammenhänge.
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5.1 Schadstoffpfade, Nahrungsketten und Stoffeigenschaften
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika
F. Stoffeigenschaften und Umweltverhalten. Physikalisch-chemische Eigenschaften liefern die wichtigen Ausgangsdaten zur Bewertung der Umweltgefährlichkeit von Stoffen insgesamt. Als umweltgefährlich bezeichnet werden nach dem Chemikaliengesetz in Deutschland „Stoffe und Zubereitungen, die selbst oder deren Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit des Naturhaushalts, von Wasser, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen derart zu verändern, daß dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können." (Kap. 6.2) Die Verteilung eines Stoffes in der Umweit wird von stoffabhängigen Größen wie Wasserlöslichkeit oder Dampfdruck beeinflußt (ß.) Im Bild sind die verschiedensten physikalisch-chemischen Größen, von den Stoffeigenschaften wie Struktur, UV/VisSpektren, Fixpunkte, Dampfdruckkurven (in Abhängigkeit von der Temperatur) über die bereits unter B. aufgeführten Koeffizienten für die Adsorption bzw. Verteilung bis zu Reaktionsparametem wie Hydrolyse und Komplexbildung aufgeführt. Aus Löslichkeiten und Flüchtigkeit (Dampfdruck) sowie den Verteilungskoeffizienten von Stoffen zwischen verschiedenen Phasen lassen sich Anhaltspunkte über die Mobilität eines Stoffes aus einem Kompartiment in ein anderes ermitteln. Wichtig ist hierbei die Aussage, ob ein Stoffsich aufgrund dieser Daten in einem biologischen oder in einem nichtbiologischen Teil eines Ökosystems anreichern wird - z. B. in Sedimenten eines Gewässers oder im Fettgewebe von Fischen. Die Bioakkumulation (B.) wird entscheidend von der Fettlöslichkeit eines Stoffes bestimmt. Sie ist als in Form des ßCF(B.) als Verhältnis der Konzentration eines Stoffes in einem Lebewesen zur Konzentration im umgebenden Medium (wie Wasser oder Boden) definiert. Bei den Angaben zum ßCFist zu
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beachten, ob die Größe sich auf die Frischmasse, auf die Trockenmasse oder (wie bei lipophilen Schadstoffen üblich) auf die Fettmasse bezieht. Aus Konzentrationen in den Kompartimenten lassen sich die log BCF-Werte z. B. von polychlorierten Biphenylen wie folgt berechnen: mg * kg1 Meerwasser (Nordsee) Sediment Meeressäuger
0,000002 0.02 160
log PCF Meeressäuger/Meerwasser = 8, log BCF Sediment/Meerwasser = 4. Der 1 -Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient (B.) Pow ist ein Maß für die Wasseroder Fettlöslichkeit eines Stoffes. Je höher der Pow -Wert ist, um so höher ist die Fettlöslichkeit einer Substanz und um so weniger löst sie sich im Wasser. Beim Vergleich der log Pow -Werte von Benzen(ol) und Hexchlorbenzen(ol) (1,8 gegenüber 6,44) wird deutlich, daß die chlorierten Verbindungen wesentlich besser fettlöslich sind. Die Übersicht (nach C. Bliefert 1994) differenziert die Bedeutung der physikalisch-chemischen Parameter nach Kompartimenten und Verteilungsvorgängen wie Kompartimentisierung und Akkumulation sowie nach den Umwandlungen abiotischer bzw. biotischer Abbau. Beim abiotischen Abbau spielen vor allem Hydrolyse, Oxidationen und photochemische Reaktionen eine Rolle. Ein biotischer Abbau findet mit Hilfe natürlich vorkommender Enzyme im Zusammenhang mit dem Stoffwechsel der Organismen in einem Kompartiment oder Ökosystem statt. Darüber hinaus werden auch die in Kap. 6.2 behandelten Fragen derToxizität mit einbezogen.
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5.1 Schadstoffpfade, Nahrungsketten und Stoffeigenschaften
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika G. Ökochemische Stoffeigenschaften.
Die unter F. bereits aufgeführten Eigenschaften von Umweltchemikalien, dte deren Umweltverhalten entscheidend beeinflussen, werden hier an drei Beispielen vertieft dargestellt. Der Transfer eines Stoffes aus seinem festen oder flüssigen Aggregatzustand in die Atmosphäre (den Gaszustand) wird durch Prozesse der Verdampfung, Verdunstung und Verflüchtigung beschrieben. Der Übergang in die Gasphase stellt allgemein einen wichtigen Ökochemischen Reaktionsweg dar, der durch hohe Dampfdrücke gefördert wird. Auch wenn Pestizide in der Regel relativ niedrige Dampfdrucke besitzen, so können jedoch trotzdem erhebliche Mengen in die Gasphase überführt werden. So wird für Hexachlorbenzen bei einem Dampfdruck von 1,45 * 10"3 Pa eine Sättigungskonzentration von 0,17 pg-L"' Luft bei 20 °C festgestellt (nach Kümmel/ Papp, 1990). Bei Stoffübergängen werden die Begriffe Stoffstrom (mol-s-1) als die Menge einer Komponente, die pro Zeiteinheit in das System (Kompartiment) eintritt bzw. es verläßt, und Stoffstromdichte {in mo(-s"' -m~2) als Stoffstrom bezogen auf die Einheit der Phasenübergangsfläche definiert. Bei Verdampfungsprozessen besteht ein Zusammenhang zwischen dem Dampfdruck und der Stoffübergangsgeschwindigkeit. Im Bild (1.) wird das Verhalten chlorierter Kohlenwasserstoffe (bei 25°C) anhand der Stoffübergangsgeschwindigkeit gezeigt. Bestimmend für den Massenübergang sind vor allem das Ausmaß der Turbulenz der flüssigen Phase bzw. die in den Phasengrenzflächen wirkenden Diffusionswiderstände (ausführlich in Kümmel/ Papp, 1990). Wesentlich komplizierter sind die Mechanismen bei der Verdampfung von Umweltchemikalien aus dem Boden: Hier sind adsorptive Wechselwirkungen oder aufeinanderfolgende Diffusionsschritte in der Bodenlösung und in der Bodenluft zu berücksichtigen. Die
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Verteilung zwischen flüssigen Phasen wird durch den Verteilungskoeffizienten charakterisiert (2.). Die Verteilung zwischen Wasser und organischen Phasen gehört zu den wichtigsten ökochemischen Verteilungsprozessen. Der bereits definierte Verteilungkoeffizient für das System 1 -Octanol/Wasser (Pow-Wert) gilt als Maßstab für die Hydrophobizität (hydrophob = wasserabstoßend), d. h. für die Wahrscheinlichkeit bzw. das Ausmaß eines Übergangs in eine organische Phase. Für strukturell ähnliche Substanzen (2.) steigt er mit abnehmender Wasserlöslichkeit an. Die Korrelation ist bei einer doppeltlogarithmischen Darstellung annähernd linear. Der Pow-Wert eignet sich auch zur Charakterisierung und Erklärung der Bioakkumulation (F.), da biologische Membranen außer für Wasser auch für hydrophobe Teilchen durchlässig sind. Eine hoher Bioakkumulationsfaktor entspricht hohen Pow -Werten - wie hier (3.) am Beispiel der Forelle gezeigt wird. H. Grundlegende Prozesse beim Stoffaustausch zwischen Atmosphäre und Meer. Als die wichtigsten Transportvorgänge im Meer in bezug auf die Verteilung von Xenobiotika sind zu nennen: Advektion bzw. Diffusion aus tieferen Schichten an die Oberfläche, Gasblasenbildung an Orten der Übersättigung und der tägliche Wanderungsrhythmus von Mikroorganismen aus der Tiefe an die Oberfläche. Umweltchemikalien können sich im Oberflächenfilm (0,001 1000 pm) kurzzeitig anreichern, bevor sie in die Atmosphäre übergehen. Die Dauer hängt von der Wellenakrivirät (vom Aufbrechen der Grenzschicht) und von den Stoffeigenschaften ab. Feste Partikel und Gase gehen aufgrund des Platzens von Blasen, durch die Gischt und durch Spritzer in die Atmosphäre über. Bei hydrophoben Stoffe spielt die Verdunstung (G.) die entscheidende Rolle.
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5.1 Schadstoffpfade, Nahrungsketten und Stoffeigenschaften
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika
A. Reaktionsenthalpien für Abbaureaktionen von Biomasse. Bei der Oxidation organischer Verbindungen durch heterotrophe Mikroorganismen finden Assimilations- und Dissimilationsvorgänge (Energiegewinnung durch Atmung) statt. Die biochemische Zersetzung organischer Substrate durch nichtphotosynthetisch aktive Organismen erfolgt somit unter Energiegewinnung. Entscheidend für den oxidativen Abbau sind die RedoxPotentiale der Elektronenakzeptoren (Kap. 3.3, H.). Die energetisch kontrollierte stufenweise Reduktion von Elektronenakzeptoren kennzeichnet alle biochemischen Abbaureaktionen in der Hydro- und in der Pedosphäre. Im Bild sind die Stufen nicht in Abhängigkeit vom Redox-Potential, sondern von der molaren freien Reaktionsenthalpie dargestellt. Bei der aeroben Atmung wirkt Sauerstoff als Elektronenakzeptor - anaerobe Atmungen und Gärungen mit niedrigeren Redox-Potentialen und positiveren freien Reaktionsenthalpien folgen. Zu den anaeroben Atmungen gehören die Nitrat(Denitrifikation) und die Sulfat-Atmung (Desulfurikation), bei denen unter geringem Sauerstoff-Partialdruck des Oxidationspotential anorganischer Anionen Nitrat und Sulfat - energetisch genutzt wird. Gärungen sind unter dem Aspekt der Reaktionsmechanismen Redox-Disproportionierungen von Biomasse, bei denen organische Substrate als Elektronendonatoren und -akzeptoren wirken. Methanogenese und Wasserstoff-Bildung sind an bakterielle Systeme, an methanogene Bakterien, gebunden: Die MethanBildung erfolgt durch Spaltung von Acetaten oder durch Reduktion von Kohlenstoffdioxid mit Wasserstoff. Die Wasserstoff-Bildung wiederum erfolgt in einer Vorstufe durch acetogene Bakterien (in einer endergonischen Reaktion mit positiver freier Reaktionsenthalpie, die erst durch die Kopplung mit der exergonischen Methanogenese thermodynamisch
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möglich wird. Eine negative freie Reaktionsenthalpie heißt: die exergonische Reaktion läuft freiwillig ab. Die Reduktion sowohl von MnO2 als auch von FeO(OH) kann auf chemischem Wege erfolgen. B. Reduktive (anaerobe) Reaktionen von Xenobiotika (nach Körte, 1992). Im Boden und vor allem in Sedimenten laufen vor allem abiotische Reduktionen ab. Elektronen aus dem reduzierten organischen Substrat werden vom Fe(H)-Fe(III)Redoxsystem oder auch von an Proteine gebundenen Porphyrinen (aus dem Zerfall biologischen Materials - z. B. aus Hämoglobin entstanden) auf Umweltchemikalien übertragen. Beispiele dafür sind die Reduktion von Nitro-Gruppen (hier in Pentachlornitrobenzol und Parathion) zu Amino-Gruppen, die reduktive Dechlorierung von DDT (üichlordiphenylfrichlorethan - 1,l,1-Trichlor-2,2-bis(4-chlorphenyl)ethan; 1874 synthetisiert, insektizide Wirkung seit 1939 bekannt) und von Toxaphen (Camphechlor: chloriertes Camphen, CA. C10HIOC18, 1948 eingeführtes Insektizid) und die vollständige Dechlorierung und Aromatisierung von Lindan (y-Hexachlorcyclohexan; Insektizid gegen Bodenschädlinge und gegen rindenbewohnende Forstschädlinge) zu Benzen(ol). Diese Reduktionen werden z.T. als Übergänge zwischen abiotischen und biotischen Umwandlungen angesehen, da die Anteile abiotischer und biotischer Ursachen nicht genau bekannt sind. Oxidationsreaktionen im Boden werden außer durch Enzyme auch durch Metalloxide wie die unter A. genannten Fe- und Mn-Oxide katalysiert. Zu diesen katalysierten Oxidationsreaktionen gehört auch die abiotische Mineralisierung, die z. B. in Sanden stattfinden kann.
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5.2 Allgemeine Abbauwege
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika C. Bakterieller Abbau von Aromaten. Organismen wie Bakterien, höhere Pflanzen oder Tiere können Umweltchemikalien verändern, ohne den darin enthaltenen Kohlenstoff für ihr eigenes Wachstum zu verwerten und ohne aus diesem Vorgang Energie zu gewinnen. Die durch diesen sog. Cometaboiismus gebildeten Produkte aus einer Umweltchemikalie stellen wiederum Umweltchemikalien dar - auch entsprechend der Definition umweltgefährlich (Kap. 5.1, F.). Ökotoxikologisch bedeutsam ist z. B. die oxidative Spaltung von C-C-Bindungen - hier am Beispiel des oxidativen bakteriellen Abbaus von Benzen erläutert: Unter Mitwirkung des Coenzyms NAD (Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid) wasserstoffübertragender Enzyme im Energiestoffwechsel findet zunächst eine zweifache Hydroxylierung statt. Es bildet sich ein ort/jo-Diphenol. Danach kann entweder eine Spaltung zwischen beiden HydroxyGruppen (ort/io-Spaltung) oder neben den beiden funktioneilen Gruppen (meta-Spaltung) erfolgen. Seitenkettensubstituenten am Benzen mit „elektronenschiebenden" oder „elektronenziehenden" Wirkungen scheinen dafür verantwortlich zu sein, ob ortho- oder metaspaltende Enzyme den weiteren Abbauweg bestimmen. Phenolische Substanzen, die zusätzlich über Substituenten wie einer CH3-, CH3-O- oder CH3-S- bzw. CH3-SO-Gruppe verfügen, sind besonders günstige Substrate für meta-spaltende Enzyme. Durch den Abbau entstehen kleinere Moleküle, die im normalen Stoffwechsel von Organismen weiter verstoffwechselt werden können. Das Oxidationsprodukt wird an Coenzym A gekoppelt. Es entsteht das Acetyl-Coenzym A und Bernsteinsäure als Dicarbonsäure mit vier C-Atomen. Das Coenzym A (Abkürzung CoA oder CoA-SH) übernimmt z. B. im Citronensäure-Zyklus, beim oxidativen Fettsäure-Abbau - CarbonsäureGruppen und überträgt sie auf andere
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Substrate (die Acetyl-Gruppen auf die Oxalessigsäure im Citronensäure-Zyklus). Bei der meta-Spaltung entstehen als Endprodukte, wiederum unter Mitwirkung des Coenzyms NAD, Acetaldehyd und die Brenztraubensäure (2-Oxopropionsäure mit drei C-Atomen) unter Abspaltung von Ameisensäure oder auf dem Weg mit dem Coenzym NAD unter Abspaltung von CO2 mit abschließender Hydrolyse und Spaltung. Diese primären Umwandlungsprodukte können in sekundären Prozessen an körpereigene Substanzen als Konjugate gebunden werden. Im menschlichen Stoffwechsel wird die Schädigung des Knochenmarks bei chronischer Exposition durch Benzen auf die Bildung reaktiver Metaboliten bei der oxidativen Biotransformation wie dem Epoxid (vor der Entstehung des Phenols) und bei Öffnung des Rings auf das hochreaktive frans,trans-Muconaldehyd zurückgeführt. D. Abbau aromatischer Nitro-Verbindungen. Nitro-Aromaten werden z. B. als Lösungsmittel, zur Herstellung von Farbstoffen und vor allem von Sprengstoffen verwendet. In die Umwelt gelangen sie aus Emissionen, wobei der Abwasserpfad wegen ihrer geringen Flüchtigkeit die größte Rolle spielt. Nitro-Aromaten gehören auch zu den Rüstungsaltlasten in Böden. Nitro-Verbindungen sind im allgemeinen nicht leicht abbaubar, jedoch sind mikrobielle Metabolisierungen unter adaptierten Bedingungen möglich. Unter anaeroben Bedingungen entstehen, wiederum unter Mitwirkung des Coenzyms NAD (s.o.), durch Reduktasen schrittweise aromatische Amine (Aniline). Unter aeroben Bedingungen erfolgt eine Oxidation (durch eine Oxygenase) zu einem Phenol unter Abspaltung der Nitro-Gruppe als Nitrit. In beiden Fällen treten toxisch wirkende Stoffe auf.
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5.2 Allgemeine Abbauwege
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika A. Entstehung chlorierter Verbindungen bei Verbrennungsvorgängen. Bei
der Verbrennung von Polyethylen in Gegenwart von NaCl wurden in Konzentrationen von mehr als 1 Mg-g-1 eingesetzten Polyethylens die Chlorkohlenwasserstoffe Chlorbenzol, 1,3-Dichlorbenzol, 1,2-DichlorbenzoI und 1,2,3,5-Tetrachlorbenzol gefunden (nach Körte, 1992). Im ng-Bereich treten auch höher chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Penta- und Hexchlorbenzen(oi) auf. Die Verfahrensbedingungen der Verbrennung wie Temperaturführung, Sauerstoff-Gehalt, Aufenthaltsdauer im Verbrennungsraum bestimmen sowohl das Ausmaß der im Bild zusammengestellten Teilreaktionen als auch die Endprodukte. Im Hinblick auf die emittierten Endprodukte spielen vor allem die Strukturen eine entscheidende Rolle: Bei der Verbrennung von 2,4,5-Triphenol bilden sich bei 600 °C bis zu 0,5% an 2,3,7,8-TCDD (Seveso-Gift: 2,3,7,8TCDD = Tetrachlordibenzo [l,4]dioxin -Kap. 5.4). Bei der Verbrennung des Herbizids 2,4-D (2,4-Dichlorphenoxyessigsäure) entstehen weniger toxische niedriger chlorierte Dibenzodioxin-Isomere. Bei geringen Chlorid-Mengen werden bei Verbrennungen auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gebildet. Entscheidend sind neben der Zusammensetzung der Abfallstoffe vor allem die Verbrennungstemperaturen. Bei über 1000 "C entstehen auch aus 2,4,5Trichlorphenol kaum noch Dioxine. Eine Reduzierung der Dioxin-Menge ist auch bei niedrigen Temperaturen durch Zudüsen von Triethanolamin oder Triethylamin zum Rauchgas möglich. Neben PAK werden in Verbrennungsgasen und auch Flugaschen sowie Schlacken weitere polykondensierte aromatische Kohlenwasserstoffe wie Azaarene, Nitroarene und Cyanoarene (aus der Verbrennung stickstoffhaltiger Polymere wie Polyamiden oder Polyacrylnitrilen) nachgwiesen. PAK kommen im Erdö! und auch in Algen,
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Bakterien und sogar höheren Pflanzen vor. Sie entstehen allgemein bei unvollständigen Verbrennungsprozessen und auch bei der Pyrolyse organischen Materials wie Holz, Kohle, Benzin und Öl u. a. auch beim Grillen und Braten (zum Abbau s. C. u. D.). Unterhalb von 1000 "C treten überwiegend drei- bis vierkernige PAK, darüber (z. B. in Verbrennungsmotoren) fünf- bis siebenkernige PAK auf. Anthracen, Benzo[ajpyren und Perylen können bei Anwesenheit von NOA wie in Autoabgasen auch nitriert werden (Abbau s. Kap. 5.2 D.). B. Abbau von Alkanen in der Tro-
posphäre (s.a. Kap. 2.2). Der einfachste Kohlenwasserstoff Methan wird in der Atmosphäre in Anwesenheit von NO photochemisch unter entscheidender Mitwirkung des Hydroxyl-Radikals bis zum Methanal (Formaldehyd) oxidiert (als Idealtyp der „klassischen" MethanOxidation in der Atmosphäre). In einer Folgeraktion entsteht auch Ozon. Kohlenwasserstoffe sind auf diese Weise an die Stickstoff- und Ozon-Kreisläufe gekoppelt. Die Reaktionen des Methans bis zur Bildung des Methanais sind Vorgänge im photochemischen Smog (SommerSmog); sie führen in bezug auf Methan zu einer Senke (Gegensatz zur Quelle). Die Gesamtreaktion des photochemischen Abbaus von aliphatischen Kohlenwasserstoffen bis zur Stufe der Aldehyde lautet: R-CH2-H + 2 O2+ 2 NO Æ R-CHO + 2 NO2 + H2O Unter Berücksichtigung der Ozon-Bildung gilt: R-CH3 + 4O2 (+NO/h . v) Æ R-CHO + 2 O3 + H2O Aldehyde stellen jedoch meist nicht das Ende der Reaktionskette dar: Acetaldehyd (Ethanal) beispielsweise kann zu Peroxiacetylnitrat (PAN) weiterreagieren: aus sekundären Alkanen bilden sich Ketone.
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5.3 Kohlenwasserstoffe: PAK und PCB
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika
C. Mechanismen des PAK-Abbaus bei Prokaryonten und Eukaryonten. Prokaryonten sind Organismen mit einfachen Zellstrukturen, bei denen im Unterschied zu den Eukaryonten das genetische Material nicht in einem Zellkern von einer Hüllmembran eingeschlossen ist. Zu den Prokaryonten gehören Bakterien und auch Blau-(Cyano-)algen. Zusätzlich zum bereits dargestellten allgemeinen Abbauweg aromatischer Ringe am Beispiel des Benzens (Kap. 5.2, A.) sind hier weitere Enzymsysteme berücksichtigt. Es wird zwischen dem Abbauweg durch Bakterien und durch Pilze unterschieden. Bei den Eukaryonten spielt des CytochromP-450-System (Enyzmsystem der Zellatmung, oxidiert vor allem auch Fremdchemikalien im menschlichen Körper) - hier in Pilzen - ein wesentliche Rolle. Über ein Epoxid ensteht auf chemischem Wege ein substituiertes Phenol (konjugiert als Glucuronid oder Sulfat) oder enzymatisch ein trans-Dehydrodiol. Bei Bakterien verläuft der Abbauweg wie bereits in Kap. 5.2, C. beschrieben - mit jedoch Muconsäuren als Endprodukten. Als Enzyme beteiligt sind Deoxygenasen, Dehydrogenasen und ringbildende Enzyme. D. Eliminierungspfade beim biologischen Abbau von PAK im Boden. Mo-
dellvorstellungen über das Schicksal der PAK beim Abbau im Boden berücksichtigen sowohl die verschiedenen Abbauwege als auch das Umfeld (wie z. B. die Huminstoffe - Kap. 4.1,0. u. P.). Der skizzierte Weg 1 beinhaltet eine vollständige Mineralisierung der mehrkernigen PAK (ausführlich in Stegmann, 1993) über die 2-Hydroxycarbonsäuren der jeweils (nl)kernigen Verbindung (in C: 2-Hydroxymuconsäure}. Dabei kommt es auch zur Bildung von Biomasse. Auf dem Weg 2 können die PAK selbst oder deren Metabolite in die Vorgänge der Humifizierung (Kap. 4.1, L.) mit einbezogen werden. Auf diesem Wege sind auch unspezi-
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fische radikalische Oxidationen (als Typ 3 neben Typ 1 der Mineralisierung und Typ 2 der cometabolischen Transformation) möglich. Außer phenolischen Oxidationsprodukten können hierbei auch Polymerisate und Konjugate an HuminStoffen erzeugt werden. PAK und deren Metabolite können somit als Nichthuminstoffe in der sog. Konformationsphase an der Huminstoff-Bildung teilnehmen. In Böden werden daher im Unterschied zu den im Labor meist in flüssigen Medien mit Reinkulturen durchgeführten Untersuchungen zur Aufklärung des mikrobiellen Abbaus nur wenige freie Metabolite gefunden. Der Boden erfüllt hier neben der Funktion einer Schadstoff-Festlegung auch eine „detoxifizierende" Aufgabe für das Ökoystem Boden. Die beschriebenen sehr komplexen Mechanismen und Zusammenhänge beim Abbau von PAK bilden die Grundlage für eine biologische Bodensanierung. Dabei können beide Wege eine Rolle spielen. Die sorptiven Effekte im Boden, die zu einer vorübergehenden Immobilisierung der PAK führen, werden als Weg 3 und die verzögerte Mineralisierung aufgrund des Einbaus von PAK bzw. deren MetaboIiten in Huminstoffe im Boden-Kohlenstoff-(C-)Depot als Weg 4 beschrieben. Sollen Mikroorganismen, die PAK als alleinige Kohlenstoff- und Energiequelle nutzen können, PAK mineralisieren, so müssen diese Schadstoffe bzw. deren Metaboliten im Porenwasser bioverfügbar sein. Die Mikroorganismen müssen die Substanzen zur Metabolisierung in ihre Zellen zunächst einschleusen. Dieser Vorgang ist für einen cometabolischen oder radikalischen Abbau nicht erforderlich. Forschungen zu dieser sehr komplexen Materie wurden in einem DFG-Sonderforschungsbereich „Reinigung kontaminierter Böden" (Stegmann, 1993) durchgeführt.
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5.3 Kohlenwasserstoffe: PAK und PCB
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika
E. Verteilungsmöglichkeiten von polychlorierten Biphenylen (PCB). Die polychlorierten Biphenyle stellen eine Gruppe von 209 Kongeneren der Molmassen 189 bis 499 dar. PCB mit vier Cl-Atomen sind bereits nicht mehr brennbar, so daß technische PCB als Gemische mit 30 bis 60% an Cl als flammfeste dielektrische Isolierflüssigkeiten in Hochspannungstransformatoren, als Hydrauliköle im Bergbau und auch als Weichmacher in Kunststoffen eingesetzt wurden. Seit 1972 dürfen PCB nur noch in geschlossenen System eingesetzt werden, seit 1983 ist die Produktion in Deutschland eingestellt. Ökochemisch weisen PCB eine hohe Persistenz bei geringer Wasserlöslichkeit und damit relativ hoher Tendenz zu Bio- und Geoakkumulation auf. Wasserlöslichkeit, Flüchtigkeit und Reaktivität nehmen mit zunehmendem Chlorierungsgrad ab, Akkumulation und Persistenz zu. Die Wasserlöslichkeit liegt zwischen O.lpg-L-1 und 6mg-L"', der log Pow steigt von 4,56 für Monochlorbiphenyl auf z. B. 9,6 für Decachlorbiphenyl an. Die heute nahezu globale Verteilung in der Atmosphäre, im Boden und in Gewässern ist auf Einträge und Verfrachtungen zurückzuführen; PCB sind inzwischen ubiquitär. Die Verfrachtung erfolgt durch globale Strömungen von Wasser und Luft. Die hohe Lipophilie der PCB hat zu einer Anreicherung in lebenden Organismen über Nahrungsketten und Nahrungsnetze geführt (Kap. 5.1). F. Bioakkumulation von PCB. PCB mit
Cl-Gehalten über 60% verursachen bei Ratten Leberkrebs, die akute Toxizität ist entscheidend vom Chlorierungsrad bestimmt; sie ist jedoch relativ gering. Im Körperfett von Organismen werden PCB angereichert, so daß im Humanfettgewebe bis zu 10 mg' kg-1 festgestellt wurden. Die hochchlorierten PCB werden bevorzugt gespeichert, die niederchlorierten bevorzugt auch über die Muttermilch
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ausgeschieden. Auch beim Durchlaufen der Nahrungskette nehmen die relativen Gehalte an niederchlorierten Kongeneren ab. In der Nahrungskette des Genfer Sees wurden folgende Gehalte (bezogen auf die Trockenmasse) ermittelt: PCB-Gehalt ppm Sediment Wasserpflanzen Plankton Muscheln Fische
0,02 0,04-0,07 0,39 0,6 3,2-4,0
In der Nordsee weisen Meeressäuger für PCB den Bioakkumulationsfaktor log BCF = 7 bis 8 auf: Konzentrationen c Meerwasser 2 ng-L-1 Sediment 5- 10 µg'L-1 Plankton 8-10 mg-kg-1 Fischen l-37 mg-kg-1 Seevögel/ 110-160 mg-kg-1 Meeressäugern C. Abbau von PCB. PCB werden generell sehr langsam von Mikroorganismen und höheren Organismen metabolisiert. Die wichtigsten Schritte sind die Hydroxylierung und Ringöffnung unter Bildung von Carbonsäuren wie bei den AKW allgemein (Kap. 5.2, C.) sowie vor allem eine Dechlorierung mit einer am Ende der Abbaukette vollständigen Mineralisierung. Insgesamt unterliegen chlorierte Umweltchemikalien im Verlauf einer biotischen Dechlorierung oxidativen, reduktiven, hydrolytischen und konjugativen Mechanismen. Ein steigender Chlorierungsgrad erschwert den biologischen Um- bzw. Abbau der PCB. Neben der Zahl der Cl-Atome beeinflußt auch deren Stellung die Umwandlungen. Für Warmblüter ist bekannt, daß sie PCB nur metabolisieren können, wenn mind. 1 Ring an 2 benachbarten CAtomen frei von Cl-Atomen ist. p- und mStellungen unsubstituierter C-Atome erleichtern eine Umwandlung.
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5.3 Kohlenwasserstoffe: PAK und PCB
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika
A. Dioxin-Quellen und -Pfade. 1957 wurde das 2,3,7.8-Tetrachlordibenzo[l,4]dioxin TCDD bereits von W. Sandermann beschrieben. In der Öffentlichkeit bekannt wurde diese Substanz erst 1976 - durch den spektakulären Störfall in Seveso/Norditalien, als bei der Synthese des Pflanzenschutzmittels 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsaure durch Überhitzung 1 bis 5 kg TCDD freigesetzt wurden. Vergiftungen führen zu Chlorakne, zu Störungen von Nervenfunktionen, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie psychischen Störungen. Polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (Struktur s. B. u. C) wurden nie industriell hergestellt, sie können jedoch auf verschiedenen Wegen entstehen. Bei thermischen Prozessen oberhalb von 200 °C bilden sie sich bei unvollständigen Verbrennungen in Gegenwart von Chlor-Verbindungen (Kap. 2.5, D.). In der Umwelt waren diese Stoffe schon immer in sehr geringen Spuren aufgrund von Brandrodungen und Blitzschlägen vorhanden. Sie bilden sich in Folge von Nebenreaktionen z. B. bei der Herstellung aromatischer Chlor-Verbindungen wie dem heute verbotenen Holzschutzmittel Pentachlorphenol PCP oder auch von PCB. Quellen sind Industriezweige wie Papierfabriken (beim Bleichen von Papierrohmasse mit Chlor) und metallverarbeitende Betriebe, bei denen PVC und chlorhaltige Schneidöle in die Schmelzen geraten (Schrottverwertung, Recycling von kupferhaltigen Kabelabfällen). Auch aus Abfallverbrennungsanlagen und bei der Hausmüllverbrennung (Kap. 2.5., D.) entstehen TCDD verschiedenster Art (C. u. D.). Für Emissionen aus Verbrennungsanlagen gelten Grenzwerte ebenso wie für Klärschlämme und Böden auf Kinderspiel- und Sportplätzen, wo Schlacken aus der Verhüttung von Kupfererzen als JQesehot" aufgebracht wurden. Auch Destillationsrückstände aus chemischen Reinigungsanlagen (mit z.B. Chlorbenzol) sind Di-
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oxin-Quellen. Generell können alle industrielle Prozesse der Chlor-Chemie (Kap. 2.2, I.) zur Bildung von PCDD und PCDF führen. In Mülldeponien können diese Umweltgifte möglicherweise infolge von Schwelbränden auftreten. Auch bei der Beifstein-Probe (Nachweis von Halogenen in organischen Verbindungen mit Hilfe von Kupfer durch Flammenfärbung) ist die Bildung dieser Stoffe nachgewiesen worden (D.). B. Verunreinigungen von ChlorphenolHandelsprodukten. Sowohl technisches
2,4,6-Trichlorphenol (Zwischenprodukt für organische Synthesen, Termitenbekämpfungsmittel) als vor allem Pentachlorphenol können polychlorierte Dibenzo-p-dioxine PCDD und -furane PCDF enthalten. Bei Dioxinen bzw. Furanen handelt sich um Chlor-Derivate zyklischer aromatischer Ether aus zwei Phenyl-Ringen (mit unterschiedlichen Chlorierungsgraden), die über zwei orthoständige Sauerstoff-Atome bzw. ein Sauerstoff-Atom und eine C-C-Brücke miteinander verknüpft sind. Aus bromhaltigen Flammschutzmittel entstehen auch entsprechende polybromierte Verbindungen. Aus Polychlordiphenylether bilden sich leicht die entsprechenden PCDF. In technischem Pentachlorphenol mit insgesamt 13% an Verunreinigungen wurden etwa 10 ppm Octachlordibenzop-dioxin und mehrere 100 ppm des Vorläufers Nonachlorphenoxiphenols gefunden. Die Synthese erfolgt durch alkalische Hydrolyse der nächsthöheren chlorierten Benzene unter Druck und erhöhter Temperatur. Chlorphenole sind ein Zwischenprodukt bei der Herstellung von Herbiziden, so daß auch diese mit PCDD kontaminiert sind (ökochemisch günstigere Alternative: katalytische Phenol-Chlorierung am Fe-Kontakt).
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5.4 Dibenzodioxineund -furane
Umweltchemie ausgewählterXenobiotika
C. Chemische Strukturformeln und Toxizitätsäquivalente. Das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo|l,4jdioxin ist unter dem Namen Seveso-Gift (1.) bekannt geworden (A.). Unter dem Begriff Dioxine werden als Sammelbezeichnung Ringsysteme aus drei annellierten Sechsringen mit zwei Sauerstoff-Atomen im mittleren Ring verstanden (2.). Die Dibenzofurane unterscheiden sich durch eine Kohlenstoff-Brücke anstelle eines Sauerstoffs zwischen den beiden Sechsringen. Von den polychlorierten Dibenzodioxinen PCDD existieren 75 von den polychlorierten Dibenzofuranen PCDF 135 als Kongenere (s. PCB) bezeichnete Verbindungen (3.), von denen die größte Zahl in der Gruppe der Tetrachlor-Verbindungen erreicht wird. Die Kongeneren zeigen toxikologisch sehr unterschiedliche Wirkungen. Das 2,3,7,8-TCDD ist ein extremes Gift für Tiere wie z. B. Meerschweinchen und Nerze. Daher wird diese Verbindung auch als Leitsubstanz zur Berechung von Toxizitätsäquivalenten (4.) verwendet. Die angegebenen Faktoren sind mit der Konzentration der jeweiligen Einzelsubstanz zu multiplizieren, um deren Toxizität mit derjenigen des 2,3,7,8-TCDD vergleichen zu können. Toxizitätsäquivalentfaktoren sind z. B. im Anhang zur 17. Bundesimmissionsschutz-Verordnung, der sog. BImSchV, enthalten. Nach Summation der so gewichteten Konzentrationen ergibt sich ein TCDD-Äquivalent TE für Gemische. Nach Eisenbrand und Metzler (1994) gilt darüber hinaus: „Das toxikologische Profil von TCDD im Tierversuch ist sehr vielschichtig und geprägt von starken Unterschieden in der Empfindlichkeit verschiedener Spezies... Die Gründe für diese extremen Empfindlichkeitsunterschiede zwischen verschiedenen Tierarten werden bisher nicht verstanden." D. Entstehung und Aufnahme durch den Menschen. Die bereits vorgestellten
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Wege der Entstehung von Dioxinen und Furanen (A. u. B.) sind hier am Beispiel der Beilstein-Probe (in Anwesenheit von Cu) noch einmal vereinfacht dargestellt: Charakteristisch sind die Bedingungen 200 bis 400 "C, Anwesenheit von Sauerstoff sowie chlorierter Kohlenwasserstoffe (aliphatisch und aromatisch) bzw. auch anorganischer chlorabspaltender Verbindungen (1). Zwei Ausgangssubstanzen wurden ausgewählt - Pentchlorphenol PCP und polychlorierte Biphenyle PCB, wobei aus dem PCP z. B. ein Tetrachlordibenzo-l,4-dioxin und aus PCB ein Tetrachlordibenzofuran entsteht. Aus dem Biidunsgmechanismus wird deutlich, daß insbesondere der auf ca. 300 °C erwärmte, kohlenstoffhaltige Flugstaub aus unvollständigen Verbrennungsprozessen eine ständige Gefahr der TCDD-Bildung und auch Verteilung in die Umwelt darstellt. Die Gefahr der DioxinKombination an Flugstäuben von Verbrennungsanlagen in Abhängigkeit von der Temperatur ist im Teil 2 zuerkennen; sie ist bei der Verbrennung von Müll und Klärschlamm gegeben. Aufgrund der Verteilung von Dioxinen in der Umwelt und deren Eigenschaften wie geringer Wasserlöslichkeit und guter Bioakkumulation zählen sie zu den globalen Umweltkontaminanten. Sie gelangen durch die Luft (auf dem Atemweg und über die Haut) und vor allem mit der Nahrung in den menschlichen Körper (3.). Über den Verdauungstrakt gelangen sie in Leber-, Fett- und Hautgewebe und werden dort angereichert. Der Mensch weist (im Unterschied zur Ratte mit einer Anreicherung in der Leber) die höchsten TCDDKonzentrationen im Fettgewebe auf. Rückschlüsse aus den Wirkungen bei Ratten auf das Verhalten beim Menschen besitzen daher nur einen geringen Wert. Die Halbwertszeit für TCDD wurde beim Menschen mit etwa 8 Jahren und bei der Ratte dagegen mit 17 Tagen ermittelt.
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5.4 Dibenzodioxineund -furane
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika A. Verhalten von Pestiziden im Boden.
Die biotischen und abiotischen Umwandlungen von Umweltkontaminanten in Böden wurden bereits ausführlich in Kap. 4 vorgestellt. Nach Körte (1992) sind das langfristige Verhalten sowie die langfristigen Verteilungs- und Umwandlungsmechanismen im Boden bis heute für keinen organischen Fremdstoff qualitativ und quantitativ hinreichend bekannt. Diese Feststellung gilt mehr oder weniger auch für Pestizide, für die noch einmal Vorgänge und Reaktionen schematisch dargestellt werden, wobei zusätzlich die Kinetik zu berücksichtigen sein müßte, um zuverlässige Berechnungen durchführen zu können. Zur Bewertung des Verhaltens von Pestiziden in Böden ist speziell auch die Bildung nichtextrahierbarer oder gebundener Rückstände für langfristige Aussagen von Bedeutung. Als nichtextrahierbare Rückstände von Pflanzenschutzmitteln werden diejenigen Spezies (Ausgangssubstanzen oder Metabolite) definiert, die aus Pestiziden nach deren Einsatz gemäß guter landwirtschaftlicher Praxis entstehen, und die ohne die chemische Natur dieser Rückstände zu verändern nicht extrahiert werden können. Als Bindungsarten (Kap. 4) kommen nach Körte eine Einlagerung in die Schichtgitter von Tonmineralen, die nichtkovalente Einlagerung in die Hohlräume von Huminstoffen, Wasserstoffbrücken-Bindungen, Bindungen durch Van-der-Waals-Kräfte, Wechselwirkungen durch einen Ladungsaustausch (Redox-Reaktionen) sowie kovalente Bindungen an monomere Huminstoff-Vorstufen und im Rahmen der Humifizierung ein Einbau in die Huminstoff-Makromoleküle in Betracht. B. Persistenz von Pestiziden in Boden. Die sehr unterschiedliche Persistenz reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren. Von der IUPAC wurde der Begriff Persistenz sinngemäß wie folgt defi-
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niert: Ein Pestizid gilt als unerwünscht persistent, wenn eine meßbare Menge davon in irgendeiner nachweisbaren chemischen Form weiter existiert. Damit ist die Persistenz an den analytischen Nachweis und nicht, was ökologisch sinnvoller wäre, an seine Wirkung gekoppelt. So weisen Schadstoffe wie PCB oder DDT nicht nur eine hohe Stabilität, sondern auch eine hohe Tendenz der Akkumulation auf, wodurch Wirkschwellen (Kap. 6) überschritten werden können. Neben DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) besitzen weitere chlorierte Kohlenwasserstoffe wie das Ȗ-hlexachlorhexan sowie das Dieldrin (als Insektizide) eine hohe Persistenz. Derivate von Phenoxiessigsäure (als Herbizide eingesetzt) wie Picloram, MCPA (Methylchlorphenoxiessigsäure) oder 2,4 D (2,4-Dichlorphenoxiessigsäure) sind wesentlich leichter abbaubar. Zur Gruppe der organischen Phosphor- bzw. Thiophosphorester gehören Diazinon, Disulfoton und Parathion (Verwendung als Insektizide). Beim Simazin handelt es sich um eine Nheterocyclische Verbindung, ein TriazinDerivat, beim Diuron um ein Harnstoffund beim Trifluralin um ein Dinitrophenol-Derivat (alle aus der Gruppe der Herbizide). Am leichtesten abbaubar ist das Thiocarbamat (C.) Barban, das als Insektizid eingesetzt wird. C. Biotischer Abbau von Ethenbisthiocarbamaten. Aus metallhaltigen Ethylenbisthiocarbamaten, in der Landwirtschaft als Fungizide verwendet, wie Maneb mit Mn gegen Grauschimmel an Kartoffeln entsteht als primäres Umwandlungsprodukt (sowohl biotisch als auch abiotisch) Ethenthioharnstoff (ETU, U für urea = Harnstoff). ETU ist zwar für Warmblüter toxisch, wird aber im regulären Stoffwechsel einer Kuh in z.T. natürliche Stoffwechselprodukte überführt (nach Pari ar/Angerhöfe r, 1991).
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5.5 Pestizide und Tenside
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika
0. Parathion-Abbau im Körper eines Rindes (nach Körte 1987 in Parlar/Angerhöfer, 1991). Die mittlere tödliche Dosis des Organophosphor-Insektizids Parathions liegt für Rinder bei 25-50 mg-kg"1 Körpergewicht. In einem Organismus können grundsätzlich verschiedene primäre und sekundäre Umwandlungen nicht nur nacheinander, sondern auch nebeneinander ablaufen. Die Oxidation (durch mikrosomale Oxidasen) des Parathions in der Leber führt zu einer Abspaltung des Schwefels als Sulfat; es entsteht der eigentlich wirksame Metabolit Paraoxon, der weiter umgewandelt (hydrolysiert) die Spaltprodukte (durch Phosphatasen) p-Nitrophenol und Diethylphosphorsäure (nach Oxidation der Diethyldithiophosphorsäure) bildet. Sie werden direkt bzw. in Bindung an Glucuronsäure als Glucuronid ausgeschieden. Allgemein werden Substanzen wie Phenole, Amine oder Alkohole in der sog. II. Phase des Stoffwechsels an das Oxidationsprodukt der Glucose, die Glucuronsäure, chemisch gebunden. Die GIucuronsäure-Konjugate (Glucuronide) werden entweder über den Harn oder bei großen Molekülen wie Phenolen mit der Galle ausgeschieden. Die Bildung von Glucuroniden stellt einen wichtigen Weg der Entgiftung über die Ausscheidung dar. Transferasen können die Ethyl-Gruppen der Diethylphosphorsäurester auch durch je ein Wasserstoff-Atom ersetzen, so daß anstelle der Diethylphosphorsäure die Phosphorsäure selbst gebildet wird. Ein anderer Abbauweg wird dagegen im Pansen beschriften: Das Parathion wird dort zum Aminoparathion reduziert und anschließend z.T. zur Diethylthiophosphorsäure hydrolysiert. Ein anderer Teil des Aminoparathions wird in die Leber transportiert, wo aufgrund der mikrosomalen Oxidasen das Aminoparaoxon entsteht. Die Spaltung dieser Substanz ergibtp-Aminophenol und Diethylthiophosphorsäure. Das Aminophenol
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wird in das Glucuronid bzw. in einen Sulfonsäureester umgewandelt (ebenfalls eine Entgiftungsreaktion im Phase-IIStoffwechsel) und dann ausgeschieden. Für die Wirkung dieses Pestizids ist darüber hinaus von Bedeutung, daß verschiedene Säugetiere Parathion in sehr unterschiedlichem Ausmaß hydrolysieren (Kaninchen um etwa den Faktor 40 schneller als Mäuse) und große Unterschiede auch zwischen den Organen einer Säugetierart selbst bestehen (Umsetzungen in der Leber etwa um den Faktor 10 höher als in der Niere). E.
Mikrobieller
Parathion-Abbau.
Phosphorsäure- und Thiophosphorsäureester hemmen das Enzym Acetylcholinesterase, das eine wichtige Funktion bei der Übertragung von Nervenimpulsen (zwischen Nervenzelle und Muskel) besitzt. Wird dieses Enzym gehemmt, so treten Lähmungen auf. Daher ist der Abbau von solchen Insektiziden von besonderem Interesse. Bei den Umwandlungen sind generell Oxidation, Reduktion und Hydrolyse als die wichtigsten Vorgänge zu nennen. Als Zwischenprodukte des Abbaus insgesamt sind Ethanol, anorganisches Phosphat sowie 4-Nitro- bzw. 4Aminophenol (D.) zu nennen. Das infolge der oxidativen Desulferierung gebildete Paraoxon (Phosphorsäure-diethyl-4-nitrophenyester) ist, wie bereits erwähnt, stärker toxisch als die Ausgangsverbindung. Der hydrolytische Abbau sowohl des Parathions selbst als auch die RedoxProdukte Paraoxon bzw. Aminoparathion führt zu zwei Bruchstücken - 4-Nitrobzw. 4-Aminophenol und zum Diethylbzw. Diethylthiophosphorsäurester. Aus den Phosphorsäureestern entstehen schließlich Ethanol, Phosphorsäure und im Fall des Thiophosphorsäureesters auch Schwefelwasserstoff.
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5.5 Pestizide und Tenside
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika F. Abbau von aromatischen stickstoffhaltigen Herbiziden. Herbizide, allgemein auch als Unkrautbekämpfungsmittel bezeichnet, werden im Hinblick auf Anwendungszeitraum, Ausbringungsort, Aufnahmeart und Wirkung in verschiedene Gruppen eingeteilt. Als Boden-Herbizide werden diejenigen Substanzen bezeichnet, die von Schadpflanzen über die Wurzeln aufgenommen werden. Schadpflanzen im Sinne einer Unkrautbekämpfung sind solche (zweikeimblättrigen = dikotylen) Pflanzen, die mit Kultur(Nutz-)pflanzen um Wasser, Nährstoffe, Licht und damit um den Lebensraum insgesamt konkurrieren. Herbizide können sehr unterschiedliche Wirkungen aufweisen - man unterscheidet beispielsweise Photosynthese-, Atmungs- und Wuchsstoff-, Keim- und Carotinsynthese-Hemmer. Chemisch betrachtet werden Carbamate, Harnstoff- und Carbonsäure-Derivate sowie heterozyklische Verbindungen wie Triazine eingesetzt. Als erstes selektives organisches Herbizid gilt das 2-Methyl-4,6-dinitrophenol, das bereits 1892 als Insektizid und ab 1934 als Herbizid verwendet wurde. Heute werden in großen Maßstab Stoffe auf der Grundlage aromatischer Stickstoff-Verbindungen wie substituierter Phenyl-Harnstoffe, substituierter Carbonsäureanilide sowie substituierter NPhenylcarbaminsäureester in der Landwirtschaft eingesetzt (nach Kümmel/ Papp, 1990). Diese Stoffgruppen werden vor allem durch Enzyme aus der Gruppe der Amidasen im Boden abgebaut. Im ersten Schritt erfolgt eine Hydrolyse an der CO-NH-Bindung. Im Primärschritt entstehen substituierte Aniline. Der weitere Abbauweg hängt von der mikrobiellen Abbaubarkeit der Aniline ab (Kap. 5.2, D.). Einfache Aniline können zu Brenzcatechin (1,2-Dihydroxybenzen) umgewandelt werden, wonach Ringspaltungsreaktionen folgen. Chlorsubstituierte Aniline dagegen, die wie das 3,4-Dichlor-
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anilin eine hohe Persistenz aufweisen, wer-den nicht oxidativ abgebaut, sondern bilden neue stabile Umweltchemikalien wie das Tetrachlorazobenzen oder können mit anderen Bodenbestandteilen zu Huminstoff-Vorstufen reagieren. G. Abbau eines linearen Alkylbenzolsulfonates (Tensids). Zu den relativ leicht mikrobiell abbaubaren Tensiden (Detergentien) gehören nichtionische Detergentien (mit unverzweigten Ketten) und Alkylsulfonsäuren sowie Alkylbenzolsulfonate. Der Schwefelsäure-Rest stellt den hydrophilen Teil des Moleküls dar. Der biologische Abbau erfolgt durch eine w- oder fä-Oxidation unter schrittweiser Abspaltung von Acetat-Resten aus den Seitenketten. Daran schließt sich eine Desulfonierung am aromatischen Teil des Moleküls und eine Ringspaltung an. Die Abspaltung der Sulfonsäure-Gruppe mit Hilfe des Enzyms Monooxygenase in Anwesenheit von Sauerstoff verläuft nach folgender Gleichung: R-SO 3 + O 2 + NADH + H + Æ R-OH + NAD+ + HSO4.
Es sind aber auch reduktive Desulfonierungen zu alkylsubstituierten Benzenen möglich. Noch günstiger biologisch abbaubar sind Alkylsulfonate (ohne die Benzen-Gruppe), auch als Fettalkoholsulfate FAS bezeichnet. Sie können aus pflanzlichen Ölen der nachwachsenden Rohstoffe wie Raps oder der Ölpalme gewonnen werden. Tenside im Boden beeinflussen Bodenparameter wie den Wassergehalt, die Sorptionsfähigkeit, die Mobiltität von Schadstoffen sowie die biologische Aktivität insgesamt. Eine schnelle Mineralisierung verbunden mit einem Einbau in die Biomasse bzw. das Einschleusen von Bruchstücken (über das Acetyl-Coenzym A) in die Assimilation sind daher erwünscht.
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5.5 Pestizide und Tenside
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika
A. Schwermetallspezies in natürlichen Gewässern. Die physikalischen und chemischen Zustandsformen eines Elementes - als Elementspezies bezeichnet - bestimmen dessen ökochemisches Verhalten. Löslichkeit, Mobilisierbarkeit, Sedimentierbarkeit, Bioverfügbarkeit und Toxizität hängen entscheidend von den Elementspezies ab. In natürlichen Wässern wird analytisch zwischen dem gelösten und filtrierbaren Anteil unterschieden. Die in Lösung befindlichen Elementspezies lassen sich - wiederum auch unter analytischen Gesichtspunkten - in einen Anteil an elektrochemisch aktiver Elementspur (mit Hilfe von Polarographie bzw. Voltammetrie bestimmbar) und einen chemisch gebundenen Anteil differenzieren. Die stabilen organischen und anorganischen Komplexe sind elektrochemisch erst nach einem Aufschluß (z. B. oxidierendem UV-Aufschluß) erfaßbar. In der Gruppe der elektrochemisch aktiven Elementspuren sind freie MetallIonen sowie instabile Komplexe enthalten. Alle Elementspezies-Gruppen können auch an Kolloiden adsorbiert sein. Aus den Ergebnissen einer differenzierten Schwermetallanalytik lassen sich beispielsweise Anhaltspunkte über das Sedimentationsvermögen (C.) und über die Bioverfügbarkeit sowie Toxizität entnehmen. So wirken hydratisierte KupferIonen auf Algen (und auf Enzymsysteme allgemein) erheblich toxischer als organisch-komplexierte Kupferspezies. B. Konzentration und Wirkung. In der
Pharmakologie und Toxikologie werden Zusammenhänge zwischen Dosis (zugemessene Menge) und Wirkung in Form von Dosis-Wirkungs-Kurven dargestellt. Ein toxisch wirkendes Element (Gift) zeigt bereits bei geringen Dosen (bzw. hier Konzentrationen in einem Organ) negative, das relative Wachstum beeinträchtigende Effekte. Ein nichtessentielles Element wird vom Organismus in einem
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niedrigen Konzentrationsbereich toleriert. Erst bei höheren Konzentrationen treten toxische Wirkungen auf. Ein essentielles (lebensnotwendiges) Element dagegen zeigt einen Verlauf mit einem Optimum: Sowohl ein Mangel als auch zu hohe Konzentrationen haben negative Auswirkungen auf das Wachstum. Der Begriff Spurenelement wird im Zusammenhang mit essentiellen Wirkungen, der Begriff Elementspur als neutrale Bezeichnung für geringe Mengen bzw. Konzentrationen gebraucht. C. Chrom-Spezies in Gerbereiabwässern. Bei der Herstellung von chromgegerbtem Leder werden Cr(III)-Salze eingesetzt. Durch die Bindung von Chrom an das Eiweißgerüst von Tierhäuten (Kollagen) wird ein festes, geschmeidiges, wasser- und wärmebeständiges sowie bakterienresistentes Leder erzeugt. Chrom gehört in der Oxidationsstufe +3 zu den essentiellen Elementen; jedoch als Chromat CrOl" (+6) weist es toxische Wirkungen auf (bei Bakterien wurden Mutationen beobachtet). Die differenzierte Analytik von Gerbereiabwässer ergibt, daß Cr(VI) aufgrund des hohen Reduktionsvermögens der organischen Stoffe aus den Tierhäuten nicht vorhanden und eine großer Teil des Gesamtgehaltes an suspendierte Teilchen gebunden ist. Die gelösten Chrom-Spezies liegen etwa zur Hälfte an höher molekulare Stoffe gebunden vor. Mit Hilfe von verschiedenen Analysenverfahren (Ultrafiltration, Ionenaustausch, Extraktion mit dem Komplexbildner Acetylaceton, Einsatz von Ionenaustauscher unterschiedlichster Gerüststrukturen) lassen sich 46% der gelösten Anteile als stabile Komplexe, 16% an höhermolekularen Stoffen (> 30000 D) und 15% als kolloidale Anteile ermitteln. 95% des Chroms lassen sich daher mit Hilfe von Flockungsmitteln auch ausfällen.
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5.6 Schwermetalle und ihre Spezies
Umweltchemie ausgewählter Xenobiotika
F. Ökochemische Reaktionen des Arsens. Das Metalloid Arsen kommt in Verbindungen in den Oxidationsstufen 3(AsH3), +3 bzw. +5 vor. Wegen der Blokkierung von SH-Gruppen in Enzymen weisen As( III)-Verbindungen - z. B. als arsenige Säure bzw. Arsenit - eine höhere Toxizität als As(V)-Verbindungen wie Arsensäure bzw. Arsenat auf. Die arsenige Säure ist in Wasser weniger gut löslich als die Arsensäure. Unter reduzierenden Bedingungen bildet sich die kaum dissoziierte Form HAsO2(aq). Arsenat wir bakteriell in der Pedosphäre zu Arsenit reduziert und kann von Pilzen und Bakterien dann methyliert werden: Es entstehen die Methyl- bzw. Dimethylarsinsäuren. Sowohl anaerobe als auch aerobe Umwandlungen, über deren Mechanismen unter Umweltbedingungen z. B. in der Pedo- oder Hydrosphäre bzw. in den Grenzschichten bisher nur wenig bekannt ist, ermöglichen die Bildung flüchtiger Dimethy- und Trimethylarsine als extrem toxisch wirkende organische Derivate des Arsenwasserstoffs (Arsin). Auf diese Weise ist dann auch der Übergang in die Atmosphäre möglich, wo jedoch infolge von Oxidationen die weniger giftige Diemthylarsinsäure (Kakodylsäure) oder photochemisch auch Trimethylarsenoxid entstehen können. Sie kehren in den Arsen-Kreislauf im Wasser und in den Sedimenten zurück. In Faulschlämmen kann Arsen zunächst als schwerlösliches Arsensulfid immobilisiert werden. Bei hohen Sulfid-Konzentrationen und bei zugleich hohen pH-Werten bilden sich in Wasser gut lösliche Arsentetrathionat- bzw. auch relativ stabile Monothioarsenat-Ionen, die in die Hydrosphäre und damit in den ökochemischen Kreislauf zurückkehren. C. Umwandlungen von Arsen-Spezies
im Meer. Im Hinblick auf das Verhalten des Arsens in der Nahrungskette ist hier noch einmal ein differenziertes Bild der Umwandlungen im Meerwasser und Se-
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diment bis zu den Fischen wiedergegeben. Bei pH 7,2 liegt Arsensäure als HAsO^-Ion vor; sie wird in den Teilschritten von 1 bis 6 mikrobiell über die arsenige Säure (2), die Methylarse(o)nsäure (3 nach Oxidation und Biomethylierung), die MethyIarsin(III)-säure (4 - erneute Reduktion), Dimethylarsonsäure (5 wiederum Oxidation und erneute Biomethylierung) schließlich bis zur Dimethylarsinsäure (6) metabolisiert. Insgesamt sind Primärproduzenten wie Mikroorganismen, Phyto- und Zooplankton und Algen in der Lage, Arsenat-Ionen wie beschrieben zu methylieren und weiter in wenig toxische Verbindungen wie wasserlösliche Arsen-Kohlenhydrat-Derivate - als Glykoside (7-9) sowie auch fettlösliche Arseno-Phospholipide umzwandeln. Glykoside mit Seitenkette (R) bis 6 C-Atomen sowie Phosphat-Resten in dieser Kette wurden nachgewiesen. Die Verbindung 9 mit R = -CH2-CH(OH)CH20-P(02H)-OCH2-CH(OH)-CH2OH gilt als die Ausgangsverbindung für die fettlöslichen Arsen-Spezies in Algen und Muscheln. Algen sind in der Lage, Arsen aus Meerwasser anzureichern. In Braunalgen werden Arsen-Gehalte bis zu 30mg-kg_1 Trockenmasse ermittelt. Organismen höherer trophischen Stufen sind nicht in der Lage, Arsenat bzw. methylierte Arsensäuren in Arsenobetaine (13) umzuwandeln, die aber die Hauptspezies in Fischen und Krustentieren darstellen. Mit Betainen werden allgemein Triclkylammoniumacetat-Ionen R3N+CH2-COO~ bezeichnet; Betaine sind Zwitter-Ionen und leiten sich von dieser Gruppe ab. Arsenocholin (12) wurde in Krabben gefunden. Ballin, Kruse u. Rüssel [Fresenius j. Anal. Chem. 1994, 350, 54| postulieren die Umwandlung von Arsenzuckern zu Arsenbetainen in Sedimenten auf dem Weg über das Dimethylarsenoylethanol (10). Diese Arsen-Spezies werden vom Menschen ohne Biotransformation über den Urin rasch wieder ausgeschieden.
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5.6 Schwermetalle und ihre Spezies
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
A. Mobile Vor-Ort-Analytik. „Das Erkennen von Schadstoffen in der Umwelt, von Konzentrationen in Böden, dem Auftreten anorganischer und/oder organischer Belastungen in Gewässern bis hin zu Luftinhaltsstoffen aus Emissionen und Immissionen steht im Mittelpunkt einer mobilen Vor-Ort-Analytik... Die Hauptaufgaben der mobilen Vor-Ort-Analytik im Umweltschutz liegen heute in zwei Bereichen: Der Einsatz von schnell und einfach durchzuführenden Tests und Messungen am Ort der Probennahme ermöglicht eine sofortige Entscheidung über einzuleitende Schutzmaßnahmen. Die Voruntersuchung von gezielt genommenen Umweltproben führt zu einer Verringerung der Zahl an Proben, die mit kosten- und zeitintensiven Analysenverfahren im analytischen Labor untersucht werden müssen" (C. Schwedt, 1996). Zur Vor-Ort-Analytik gehören Orientierungstests mit Testpapieren und Teststäbchen, Schnelltests, die halbquantitative Bestimmungen ermöglichen, wie z. B. kolorimetrische Farbvergleichstests, Feldanalysenverfahren als mobile außerhalb eines Labors einsetzbare Verfahren wie photometrische und andere physikalisch-chemische Verfahren (von der Voltammetrie bis zur Gas-Chromatographie, Röntgen fluoreszenzanalyse und Massenspektrometrie in Labormobilen) mit Hand- bzw. mobilen Geräten. Das Bild (nach einer Darstellung der Fa. Dr. Lange) zeigt die charakteristischen Unterschiede zwischen mobiler Vor-Ort-Analytik und den apparativen Routineanalysen bzw. den instrumenteilen, auch weitgehend automatisierten Spezialanalysen. Analysenkosten und Arbeitsaufwand, aber auch die analytische Genauigkeit (Präzision) nehmen vom Orientierungstest bis zur Spezialanalytik mit anerkannten Referenzverfahren (nach ISO, DIN, VD1 u. anderen Normen) zu. Probenzahl und die Effektivität der Verfahren im definierten Aufgabenfeld des Umweltschutzes dage-
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gen nehmen vom Referenz- bzw. Laborvergleichsverfahren zum Orientierungstest zu. B. Schnelltestverfahren. Zu den chemischen Schnelltestverfahren - auch als Alternativverfahren bezeichnet - gehören der Einsatz von Teststäbchen zur Abschätzung eines Konzentrationsbereiches aufgrund einer selektiven Farbreaktion, Farbkarten- und Komparatortests als kolorimetrische Verfahren und auchpftotometrische Tests mit Feld-(Pocket-)Photometern und Fertigreagenzien. Bei den Farbkartentests wird die für jeweils einen Konzentrationsbereich gültige Farbe auf einer Farbkarte im Auflicht mit der Farbe einer Wasserprobe nach Zusatz von Reagenzien verglichen. Bei einem Komparatortest wird die Eigenfarbe der Wasserprobe berücksichtigt. Die Meßgenauigkeit nimmt vom Teststäbchenverfahren zum photometrisches Test zu (1.), die Analysengeschwindigkeit dagegen ab. Am Beispiel des Kupfers werden die erfaßbaren Konzentrationsbereiche für die verschiedenen Verfahren verglichen (2.). Durch eine Erhöhung der Schichtdikke (Langrohrverfahren eines Komparatortests) können Konzentrationen im Bereich von > 0,1 mg-L~1 halbquantitativ bestimmt werden. Der photometrische Test erfaßt (bei gleichen chemischen Umsetzungen) zwar keine niedrigeren Konzentrationen, weist jedoch die höchste Präzision auf. Eine ähnliche Rolle wie dieses Verfahren in der Wasseranalytik spielen die Gasprüfröhrchen in der Luftanalytik - z. B. für Überwachungen von MAK-Werten am Arbeitsplatz. Eine Analytik nach vorgeschriebenen Analysenmethoden und -verfahren ist immer dann erforderlich, wenn gesetzlich festgelegte Grenz- und Richtwerte überprüft werden müssen.
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6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
C. Konzeptionelle Umweltanalytik. Eine Flut von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien legt Grenz- und Richtwerte für zahlreiche Stoffe in Luft, Wasser, Boden und Abfall fest. Lange Datenlisten sind oft die Folge unzweckmäßig geplanter Untersuchungsprogramme, die trotz oder gerade wegen der Datenflut am Ende doch keine realistische Aussage über eine Gefährdung (zur Gefährdungsabschätzung s. D.) der Umwelt zulassen. Der problemorientiert arbeitende Umweltanalytiker ist daher gefordert, anhand einer konkreten Fragestellung vor Beginn einer Untersuchung die Zahl der zu bestimmenden Parameter einzuschränken. Das bedeutet, daß nicht die gesamte Liste an Grenzwerten „abgearbeitet" werden sollte, sondern aus den Kenntnissen über eine Deponie, eine Altablagerung oder die Art eines Abwassers einige wenige Leitstoffe oder Leitparameter ausgewählt werden sollten. Eine konzeptionelle Umweltanalytik bedeutet weniger Routineanalytik, dafür die Anwendung differenzierter und differenzierender Verfahren: Für organische Stoffe sind Vorgänge der Metabolisierung und Wirkungen auf Organismen (mit Hilfe von ßiotestverfahren) zu ermitteln. Zur Bewertung schwermetallkontaminierter Flächen reicht die Bestimmung der Gesamtgehalte nicht aus. Die Ergebnisse sequentieller Extraktionen (Kap. 4.3, K.) geben Hinweise über die Mobilisierbarkeit. Darüber hinaus sind in Wässern Elementspeziesanalysen (Kap. 5.6) erforderlich. Analysenprogramme und die Auswahl von Methoden müssen den Fragestellungen angepaßt werden. Der Umweltanalytiker ist damit gefordert, Analysenstrategien (F.) zu entwickeln. Im ersten Schritt einer ökochemisch sinnvollen Untersuchung wird somit das Untersuchungsprogramm festgelegt. Die Art der Stoffe, deren zu erwartenden Konzentrationen, die Matrix selbst erfordern methodisch die Anwendung von Verbund-
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verfahren (als optimale Anpassung der Probenvorbereitungsschritte an die Bestimmungsmethode) oder von Kopplungstechniken, wo Trenn- und Bestimmungsmethoden auch instrumenteil direkt miteinander verbunden sind. Für die organische Schadstoffanalytik liegen die methodischen Schwerpunkte in der GasGC und Flüssigkeitschromatographie LC (als Hochleistungsmethoden, „high-performance" - Kapillar-GC bzw. HPLC). Zur Indentifizierung der Stoffe werden die Fourier-Transform-Infrarotspektrometrie FTIR oder Massen spektrometrie MS verwendet. Für Elementspeziesanalysen eignen sich auch Kopplungen von LC und Atomspektrometrie wie Atomabsorptionsspektrometrie AAS oder Atomemissionsspektrometrie AES (oder als optische Emissionsspektrometrie OES bezeichnet), wobei ein induktiv gekoppeltes Plasma ICP als Anregungsquelle und auch Teil der Kopplung zwischen LC und AES Verwendung findet. Mit dem Verfahren der Fließinjektionsanalyse F1A lassen sich nach einer LC-Trennung selektive Nachsäulenderivatisierungen zur Feststellung funktioneller Gruppen durchführen. Die Teilschritte eines leistungsund aussagefähigen umweltanalytischen Gesamtverfahrens bestehen aus einer selektiven Anreicherung der Analyten (verbunden mit einer Abtrennung der Matrix), einer chromatographischen Auftrennung und der Anwendung sowohl atom- als auch molekülspektrometrischer Bestimmungs- bzw. Detektionsmethoden. Eine wirkungsbezogene Umweltanalytik (G.) setzt darüber hinaus auch Biotestverfahren wie Enzymhemmtests, Bakterien-, Algen- und Daphnientests ein.
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6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
D. Gefährdungsabschätzung in der Altlastenuntersuchung. Unter dem Begriff Gefährdung wird allgemein die Gefahr verstanden, die von einer Sache ausgeht. Im Umweltbereich bedeutet Gefährlichkeit die Summe aller Eigenschaften von Stoffen, durch die Belastungen von Ökosystemen oder auch Sachschäden verursacht werden können. „Umweltgefährlich sind Stoffe oder Zubereitungen, die selbst oder deren Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit des Naturhaushalts, von Wasser, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, daß dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können." {Chemikaliengesetz) Zu den umweltgefährdenden Eigenschaften gehören die geringe Abbau barkeit (hohe Persistenz), die Akkumulationsfähigkeit und die Mobilität. Eine Gefährdung kann auch erst nach einer Biotransformation eines Stoffes auftreten. Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Gefährdungsabschätzung besteht in der Umfeldanatyse. Sie bildet den Oberbegriff für die Sammlung aller Informationen, die zur genaueren Charakterisierung einer lokalisierten Verdachtsfläche von Bedeutung sind. Außer der Standortidentifikation einer Altablagerung (Ablagerung vor Inkrafttreten des Abfallgesetzes 1972 wie wilde Müllkippe, Produktionsrückstände u. ä.) gehören Standortbeschreibung, Erfassung von Basisdaten und Dokumentation zu diesem ersten Teil einer Umfeldanalyse. Altlasten sind Altablagerungen und Altstandorte (Grundstücke mit stillgelegten Anlagen), von denen für den Boden, ein Gewässer oder die Luft Umweltbelastungen ausgehen. Unter Ermittlung versteht man die lagemäßige Erfassung des Standortes, je nach Umfang der für eine Bewertung mit definierten Zielsetzungen erforderlichen Datenbasis werden vier verschiedene Beweisniveaus unterschieden: Als Be-
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wertung wird zunächst ganz allgemein der formelle Handlungsschritt zur interdisziplinären Bewertung des vorliegenden Datenbestandes und zur nachfolgenden Festlegung des Handlungsbedarfs definiert. Das Beweisniveau 1 (BN 1) gehört zur Erfassungsphase. Das BN 2 liegt dann vor, wenn die Orientierungsuntersuchung abgeschlossen ist. Durch erste systematische Messungen und Untersuchungen ist die Altablagerung soweit erkundet, daß gesicherte Kenntnisse über die Art bereits eingetretener oder zu erwartender Kontaminationen vorhanden sind. Am Ort müssen dazu ausreichende Kenntnisse über Vorkommen, Freiwerden, Ausbreitung und Einwirkung von Schadstoffen gewonnen werden. Detailuntersuchungen erfolgen auf dem BN 3. Danach kann eine Gefahrenbeurteilung als schutzgutspezfische Beurteilung der Gefahren für definierte betroffene Populationen, die durch die Emissionen aus einer Altlast erzeugt werden, erfolgen. Die Sanierungsuntersuchung (BN 4) erfaßt die Summe alle Untersuchungen und vermittelt Kenntnisse über den Schadstofftransport (berücksichtigt Vorgänge der Sorption, des Abbaus und der Mobilisierung), den Gefährdungspfad (Wasser, Boden, Luft) sowie den Schadstoffeintrag in ein Schutzgut (Grund- und Oberflächenwasser, Boden atmosphärische Luft und Bodenluft). Ziele aller Untersuchungen sind eine Sicherung bzw. Sanierung als Summe von technischen und administrativen Maßnahmen zu einer mittelfristig wirksamen Unterbrechung oder Verringerung (Sicherung) bzw. langfristig wirksamen Entfernung der Belastungen (Sanierung) für die betroffenen Schutzgüter. (Quelle: Niedersächsische Landesämter für Wasser und Abfall, Hildesheim, und für Bodenforschung, Hannover, 1989)
6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
E. Gewässeruntersuchungen im Bereich von Deponien. Die Überwachung von Deponien im Hinblick auf den Austrag von Schadstoffen erfolgt häufig anhand von Wasserproben aus Peilbrunnen. Bei der Anlage der Brunnen werden die hydrologischen Besonderheiten berücksichtigt, wobei sowohl im Crundwasseranstrom als auch -abstrom Brunnen vorhanden sein sollen. Sowohl wasserlösliche als auch an sich schwerlösliche, jedoch durch organische Stoffe in der Funktion als Lösungsmittel oder Lösungsvermittler mit Wasser transportierbare Substanzen können in Deponiesickerwässer gelangen. Anstelle einer Parameterliste mit Grenz- und Richtwerten (C.) gehen die Landesämter für Ökologie bzw. die zuständigen Wasserüberwachungsbehörden immer mehr dazu über, Leitparameter festzulegen und diese in Form einer Analysenstragie als Regelbzw. Zusatzuntersuchung anzuwenden. Das Bild zeigt auch Verknüpfungen zwischen einzelnen Parametern. Erst bei einer positiven Geruchsprüfung (sensorisch) auf Schwefelwasserstoff (Sulfid) bzw. Cyanwasserstoff (Cyanid) mit niedrigen Geruchssschwellenwerten muß auch eine quantitative Analyse - z. B. photometrisch oder auch mit Hilfe der lonenchromatographie - durchgeführt werden. Auf ähnliche Weise wird die Anforderung an eine Analyse von Schwermetallen mit einem Leitparameter, hier dem pH-Wert, verknüpft. Nur in sauren Sickerwässern ist zu erwarten, daß eine Mobilisierung aus dem Deponiekörper stattgefunden haben kann. Die Sickerwässer aus Sonderabfall-Deponien sind meist weniger mit As, Pb und Hg, dagegen höher mit Cd, Fe, Ni, Cu, Cr und Zn als bei Hausmüll-Deponien belastet. Zur schnellen Analytik wird meist die Atomemissionsspektrometrie (als ICP-AES) eingesetzt. Ist eine Deponie undicht geworden, so treten meist extrem hohe Belastungen mit Chloriden, Sulfaten und
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auch Ammonium-Verbindungen in Sonderabfallsickerwässern und mit organischen Stoffen vor allem bei Hausmülldeponien auf. Auffällig werden die hohen Gehalten an organischen Inhalts Stoffen bei der Ermittlung von Summenparametern wie dem Chemischen Sauerstoffbedarf CSB (durch Oxidation mit Dichromat) oder dem Gehalt an gelöstem organischen Kohlenstoff DOC. Bei hohen CSBWerten kann der Verdacht naheliegen, daß ölige oder auch teerartige Stoffe im Sickerwasser aufgetreten sind. Deshalb wird zur Überprüfung die Bestimmung des Kohlenwasserstoff-Gehaltes nach Extraktion mittels IR-Spektrometrie (ebenfalls als Summenparameter) vorgeschrieben. Bei hohen Chlorid-Gehalten muß auf die Anwesenheit von adsorbierbaren (an Aktivkohle) organischen HalogenVerbindungen geprüft werden (als Summenparameter AOX). Ist der Verdacht begründet, so erfolgt eine gaschromatographische Analyse zur Bestimmung von Einzel Stoffen. Halogenkohlenwasserstoffe HKW gehören zu den persistenten und akkumulierenden Schadstoffen. Als häufig vorkommende Grundwasserschadstoffe, die aus Deponien stammen, sind kurzkettige aliphatische Chlorkohlenwasserstoffe, chlorierte Benzole und Phenole sowie auch Benzol, Toluol und die Xylole (BTX) zu nennen. Allgemein nimmt der Anteil an schwer abbaubaren Verbindungen in einer Deponie aufgrund der dort stattfindenden Umwandlungen mit der Zeit zu (Kap. 4.5). In sog. Sickerölen, die sich von den Sickerwässern abscheiden, können hohe Konzentrationen an polychlorierten Biphenylen PCB, Chlorbenzolen, persistenten Pestiziden und auch Dioxinen (Kap. 5.5 bzw. 5.4) vorkommen. Das Analysenschema stellt anhand sinnvoller Verknüpfungen einen Beitrag zur problemorientierten Umweltanalytik (C.) dar.
6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
F. Strategien zur Analytik kontaminierter Böden. Zu den Bodenkontaminationen gehören allgemein Ablagerungen von Stoffen, die nicht im betreffenden Boden selbst enstanden sind. Zu den Ablagerungen zählen Emissionen und Altlasten (D.), Folgen anthropogenen Handelns wie extreme Düngung, nicht fachgerechte Aufbringung von Pestiziden, Einsatz von Klärschlamm mit überschrittenen Höchstmengen. Auch wenn ein erheblicher Anteil von Stoffen in Böden abgebaut und eliminiert werden kann, stellen kontaminierte Böden ein Gefahrenpotential dar, oder es sind ihre wesentlichen Funktionen (Kap. 4.1 u. 4.2) irreversibel zerstört worden. Ein Bodenbelastungskataster soll erste Auskünfte über die Verbreitung anthropogen und auch geogen bedingter flächenhafter Bodenbelastungen vermitteln. Die Daten sollen dann mit Fragestellungen wie der Schwermetallanreicherung und möglichen Mobilisierung, der Versauerung des Bodens, zum Düngemitteleintrag und zur Nitrat-Auswaschung verknüpft werden können. Eine Analysenstrategie zu Untersuchungen kontaminierter Böden geht von der Art der Schadstoffbelastungen aus - z. B. Schwermetalle, Pestizide oder Kohlenwasserstoffe. Screening-Verfahren sollen bei unzureichenden Kenntnissen über Art und Ausmaß von Bodenkontaminationen eine Eingrenzung des Untersuchungsprogramms ermöglichen. Der Begriff Screening wird dann verwendet, wenn entweder Tests unter statistischen Gesichtspunkten (z. B. für großflächige Untersuchungen) oder für eine große Zahl von Proben durchgeführt oder in komplexen Proben bestimmte Substanzgruppen (aufgrund einer ,Ja/Nein-Entscheidung") nachgewiesen werden sollen. Zu den Screening-Verfahren gehören Schnelltestverfahren, Methoden der mobilen Vor-Ort-Analytik (A. u. B.) und auch biochemische bzw. biologische Testverfah-
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ren wie Immunoassays oder Enzymhemmtests. Je nach Kontaminationsschwerpunkt ergibt sich dann die Auswahl der Analysenmethoden. Für Ölkontaminationen bzw. Kontaminationen durch Kohlenwasserstoffe (auch Halogenkohlenwasserstoffe) allgemein werden die chromatographischen Methoden Gaschromatographie GC (für flüchtige Stoffe), Hochleistungsflüssigkeitschromatographie HPLC (z. B. für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe PAK), die Infrarots pektrometrie IR (Summenbestimmung nach gemeinsamer Extraktion), die Fluoreszenzmessung als Detektion zur HPLC für PAK und auch das Dräger-Luft-Extraktions-Verfahren DLEV eingesetzt, bei dem aus wäßrigen Proben die flüchtigen Stoffe mittels Luft in Gasprüfröhrchen überführt werden. Zur Analytik von Pestiziden sind Extraktions- und Reinigungsverfahren als Probenvorbereitung (H. u. I.) vor GC- oder HPLC-Analysen erforderlich. Anorganische Kontaminanten wie Schwermetalle oder auch anorganische Anionen erfordern ebenfalls eine Extraktion bzw. für Schwermetalle einen Aufschluß der Bodenproben zur Gesamtgehaltsbestimmung. Für die Anionenanalyse steht heute die leistungsfähige lonenchromatographie zur Verfügung (mit direkter oder indirekter UV/Vis- oder Leitfähigkeitsdetektion). Die Schwermetallanalytik wird überwiegend mit atotnspektrometrischen Methoden wie der Atomabsorptionsspektrometrie AAS bzw. optischen Atomemissionsspektrometrie zur simultanen Bestimmungen zahlreicher Elemente (als ICP-AES) durchgeführt. Kosten- und Zeitbedarf, d. h. die Möglichkeiten eine weitgehenden Automatisierung für hohe Probenzahlen, spielen bei der Auswahl der Methoden und Verfahren eine entscheidende Rolle. Genauso wichtig sind die Probennahme und die -Vorbereitung.
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6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
C. Leuchtbakterientest zur wirkungsbezogenen Schadstoffanalytik. Biotests gewinnen in der Umweltanalytik zunehmend an Bedeutung, da sie - ähnlich wie BSB und CSB - Summenparameter ermittelt, die eine Aussage über die Wirkung von Schadstoffgemischen verschiedenster Art auf lebende Organsimen ermöglichen. Bekannte Biotests sind der Fisch-, Algen- und Daphnientest. Jeder Biotest ermöglicht nur Aussagen zur Toxizität im Hinblick auf eine bestimmte Organismengruppe, so auch der 1989 als D1NVerfahren eingeführte Leuchtbakterientest. Es werden hier sog. gram-negative, fakultativ-anaerobe Meeresbakterien (aus der Familie der Vibrionaceae) eingesetzt: Sie weisen eine relativ enge Verwandtschaft mit terristischen Enterobakterien auf, von denen die meisten Arten im Boden und in Gewässern leben. Die besondere Eigenschaft dieser Meeresbakterien besteht in ihrer Biolumineszenz. Das Leuchten beruht auf der Oxidation spezieller Leuchtstoffe (Luciferine) unter der katalytischen Wirkung des Enzyms Luciferase. Wichtig für die Auswertung der Leuchtintensität für toxikologische Bewertungen ist die Tatsache, daß der Lumineszenzvorgang einen Teil des Bakterienstoffwechsels darstellt. Wird dieser Stoffwechsel durch die Anwesenheit toxisch wirkender Stoffe beeinträchtigt, so verringert sich die Biolumineszenz. Automatisierte Biotests mit der Möglichkeit der Online-Überwachung werden als Biomonitore bezeichnet. Das dargestellte Meßsystem (1.) besteht aus zwei Pumpen 9,10, einem Magnetventil 8, der Meßkammer 14 mit Photomultiplier 13, Meßzelle 12, einem Magnet- 8 und einem Vierwegeventil 7 sowie einer Temperierschleife 11. Über die Schläuche 1 bis 6 werden verschiedene Lösungen wie eine Kochsalzlösung (zur Schaffung der optimalen Lebensbedingungen für diese Meeresbakterien), die Probenlösung und EDTA-Lösung zur Komplexie-
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rung von Schwermetallen gefördert. Die Vermischung von Bakteriensuspension (tiefgefroren gut haltbar) und Probenlösung sowie die Messung der Lumineszenz (bei 15 °C) mit Hilfe des Photomultipliers werden in der Meßkammer durchgeführt. Die Bedienung des Biomonitors erfolgt über die Tastatur eines Personal Computers. Dieser Biomonitor ist nicht nur für kontinuierliche Überwachungen von z. B. Abwässern einsetzbar, sondern kann auch den Verlauf einer Lumineszenzhemmung ermitteln. Die Meßkurven zeigen zunächst die unterschiedlichen Verläufe der Lumineszenzabnahme durch Blei-Ionen als Beispiel für Schwermetalle und durch Phenol als ein Vertreter aus der Gruppe organischer Schadstoffe. Blei-Ionen durchdringen die Zellmembran wesentlich langsamer als das Phenol, so daß sich die Kurvenverläufe deutlich unterscheiden. Auch die Orte der Schädigung im Bakterienorganismus, Zellmembran, Enzymsystem u. a. sind höchstwahrscheinlich unterschiedlich. Beim Phenol wird sofort eine steiler Abfall der Lumineszenz beobachtet. Durch Zusatz von EDTA kann die Hemmung durch Schwermetall-Ionen weitgehend unterdrückt werden, so daß eine Differenzierung von Schadstoffwirkungen möglich ist. Das Beispiel einer realen Abwasserprobe zeigt, daß sich hier aus dem Kurvenverlauf sowohl die Anwesenheit von toxisch wirkenden organischen Stoffen als auch von Schwermetall-Ionen erkennen läßt. Dem steilen Abfall folgt noch eine stetig zunehmende Lumineszenzverringerung, die auf SchwermetallIonen hinweist. Aufgrund dieser wirkungsbezogenen Informationen lassen sich dann gezielt die instrumentellen Methoden entweder der Elementanalytik (wie ICP-OES) oder Trennethoden für organische Stoffe wie GC-MS oder LC-MS zur Indentifizierung der Schadstoffkomponenten einsetzen.
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6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik H. Schema zur Pestizid-Analytik in
Umweltproben. Neben der Probennahme spielt in der Schadstoffanalytik vor allem im Spurenbereich die Probenvorbereitung eine das Ergebnis entscheidend beeinflussende Rolle. Bei heute hohen Meßgenauigkeiten der Analysengeräte wird der Gesamtfehler eines Analysenverfahrens insbesondere von der Probenvorbereitung bestimmt. Das vereinfachte Schema als Beispiel für die Analytik chlorierter Kohlenwasserstoffe wie polychlorierter Biphenyle PCB zeigt den Verlauf, die wesentlichen Verfahrensschritte und die anzuwendenden Methoden. Bei der Probennahme ist auf die Repräsentanz (vor allem unter Bezug auf die Problemstellung (C.-F.) und vor Beginn der Untersuchung auf die Homogenität der Probe (hier als Beispiele Humanfett, Tiere bzw. deren Organe, Belebtschlamm) zu achten. Da die Analysenergebnisse meist auf den Fettanteil bezogen werden, muß eine gesonderte Fettbestimmung durchgeführt werden. Mit Hilfe von Säulen- oder Soxhlet-Extraktionen - mit verschiedenen Lösungsmitteln oder Lösungsmittelgemischen - erfolgt dann eine erste Abtrennung der PCB aus ihrer Matrix. Im Block der sog. Cteanup-Verfahren (Aufreinigung = Abtrennung von Matrixbestandteilen) wechseln sich Reinigungsschritte mit Hilfe der Gelpermeations-Chromatographie GPC bzw. auch der Flüssigkeitschromatographie HPLC mit jeweils einer Aufkonzentrierung (z. B. durch Einengen des Lösungsmittels) ab. Am Ende des Analysenschemas stehen die Trenn- und Bestimmungsmethoden GC und HPLC in Verbindung mit der massenspektrometrischen Detektion. Reinigungsschritte müssen kontrolliert werden - anhand der Bestimmung von Wiederfindungen der Analyten oder durch die Zugabe eines nicht in der Probe vorhandenen Stoffes als innerem Standard.
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I. Moderne Probenvorbereitung für PCB-kontaminierte Böden. Die sehr arbeits- und zeitaufwendigen Probenvorbereitungsschritte des Standardverfahrens in H. können seit Beginn der 90er Jahre mit Hilfe neuer Techniken vereinfacht werden. Mit Hilfe der Mikrowellentechnik (1.) lassen sich in PTFE-Gefäßen effektive Extraktionen mit Gemischen aus n-Hexan und Aceton durchführen, wobei Aceton die durch Mikrowellen anregbare Komponente darstellt. Für PCBExtraktionen sind Temperaturen von 80 °C optimal. Bei der Superfluid-Extraktion SFE (2.) werden die Löseeigenschaften überkritischer Fluide genutzt: Durch die Wahl von Druck und Temperatur lassen sich unterschiedliche Dichten eines überkritischen Fluids und damit die Lösefähigkeit einstellen. Dem meist verwendeten überkritischen Kohlenstoffdioxid wird hier als Modifier Toluol zugesetzt. Feste Proben werden in druckfeste Extraktionszellen eingefüllt. Im Restriktor (Kapillarrohr) wird das verflüssigte Gas entspannt und entfernt. Hauptmodule eines SFE-Gerätes sind diejenigen für die Druckerzeugung, -regelung und entspannung. Ein Vergleich der drei Extraktionsverfahren für einige ausgewählte PCB (mit Ballschmiter-Nummern) zeigt, daß mit Hilfe der mikrowellenunterstützten Extraktion der höchsten Gehalte in einem kontaminiertem Boden mittels GC-ECD ermittelt werden konnten. Bei diesem Verfahren wird auch ein wesentlich geringeres Volumen an Extraktionsmittel benötigt: 2 g Probenmaterial werden im Soxhlet-Verfahren mit 100 mL n-Hexan über 90 Zyklen extrahiert (eine Nachreinigung ist erforderlich); für die mikrowellenunterstützte Extraktion werden 30 mL n-Hexan/Aceton (3:1) eingesetzt (Extraktionsdauer etwa 30 min).
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6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
J. Analysenverfahren für Kohlenwasserstoffe und PAK in Böden. In diesem Beispiel sind Screening-Methode und Detailanalytik (D.) gegenübergestellt. Beim Screening-Verfahren werden Kohlenwasserstoffe aus getrockneten Bodenproben mittels Freon 113 (1,1,2-Trichlortrifluorethan) oder Tetrachlorhexafluorbutan S 316 in einem Ultraschall bad extrahiert. Die Trocknung ist erforderlich, um Emulsionsbildungen zu vermeiden. Die Ultraschallextraktion ist wesentlich schneller als eine Lösungsmittelextraktion im Soxhlet-Extraktor (I.). Die Ultraschalleinwirkung führt auch zu einem Aufbrechen der Bodenaggregate; im Grenzschichtbereich zwischen Feststoff und Lösungsmittel treten verstärkt Turbulenzen auf, die Extraktionszeit ist daher relativ kurz. Infolge der Verwendung von Halogenkohlenwasserstoffen sind nach der Zentrifugation und dem Filtrieren sowie Trocknen des Extraktes über wasserfreiem Natriumsulfat Infrarotabsorptions-Messungen direkt möglich. Die [R-Messung erfaßt die charakteristische Absorption der CH3-Gruppe bei 3,38 |im (v = 2958 cm"1), der CH2-Gruppe bei 3,42 ^im (2924 cm-1) und der CH-Gruppe der Aromaten bei 3,30 µm (3030 cm-1)Die Aufnahme eines UV-Spektrums läßt erkennen, inwieweit aromatische und vor allem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe PAK mit ihren charakteristischen Absorptionsspektren mit meist mehreren Maxima in der Probe vorhanden sind. Eine schnelle gaschromatographische Analyse in einer kurzen Säule (mit dann nur unvollständigen Trennungen) liefert weitere charakteristische Informationen über An- oder Abwesenheit von Kohlenwasserstoff-Gruppen - aüphatischen Kohlenwasserstoffe mit n-Alkanen, iso-Alkanen, Cycloalkanen/Naphthenen bzw. aromatischen Kohlenwasserstoffen mit alkylierten 1bis 5-Kern- und Naphthenaromaten. Die Detailanalytik verwendet entweder die
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Soxhlet-Extraktion oder auch die Ultraschallextraktion mit einem CyclohexanAceton-LÖsungsmittelgemisch, wobei Cleanup-Schritte auch zur Gruppenvortrennung mittels Festphasenextraktion (mit modifizierten Kieselgelen s. u.) vor einer GC- oder HPLC-Analyse erforderlich sind. Zur PAK-Analytik werden der Photodiodenarraydetektor (zur Aufnahme von Spektren) bzw. auch ein Fluoreszenz-Detektor verwendet. K. Probenaufarbeitung und Bestimmung von Pestiziden. Auch dieses Schema macht deutlich, das zahlreiche Probenvorbereitungsschritte (nach Specht u. Tilkes 1981) für die gaschromatographische Analyse von Rückständen an Pflanzenbehandlungsmittel erforderlich sind. Zu Beginn der Probenvorbereitung wird eine alkalische Hydrolyse des Probenmaterials mit anschließenden Flüssig-flüssig-Verteilungsschritten durchgeführt. Ein Cleanup der Extrakte findet dann mit Hilfe der Gelchromatographie - hier an Bio-Beads aus Polystyrol oder Polyacrylamid - und einer Mini-Kieselgel-Säulenchromatographie statt (nach einem Derivatisierungsschritt). Auch die Derivatisierung von Pestiziden (Veresterung mit Methanol/Schwefelsäure) ist ein Bestandteil dieser sowohl matrix- und stoff- (=analyt-) als auch methodenangepaßten Probenvorbereitung. Die Reinigung von Extrakten, die Anreicherung der Analyten oder auch die Abtrennung von Matrixbestandteilen durch Flüssigflüssig-Verteilungen ist in den letzten 10 Jahren immer mehr durch die sog. Festphasenextraktion ersetzt worden. Hierbei übernehmen chemisch modifizierte Kieselgele mit z. B. Phenyl- oder n-Octadecan-Gruppen als unpolare Adsorbentien die Funktion von Lösungsmitteln. Vorteile sind ein geringer Lösungsmittelbedarf und die Möglichkeiten einer weitgehenden Automatisierbarkeit.
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6.1 Umweltanalytik - Strategien und Konzepte
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
A. Schema zur Schnelleinstufung von Chemikalien. Die Ökotoxikotogie als eigenständige Wissenschaftsdisziplin (aus Toxikologie, Biologie und Ökologie) beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Stoffen auf die belebte Umwelt. Der Begriff Ökotoxikologie als Umwelttoxikologie wurde erstmals 1969 (von Truhaut) benutzt - als Anwendung der Prinzipien der chemischen Toxikologie auf Objekte der Umwelt wie Fische, Wasserflöhe, Pflanzen und auch ganze Ökosysteme. 1978 wurde vom „Scientific Committee on Problems of the Environment, SCOPE" eine Definition formuliert, die in der Übersetzung wie folgt lautet: Zweig der Toxikologie, der sich mit dem Studium toxischer Effekte, verursacht durch natürliche oder synthetische Verunreinigungen, auf die tierischen (einschließlich menschlichen), pflanzlichen und mikrobiellen Bestandteile von Ökosystemen im Gesamtzusammenhang befaßt. Als wesentliches Ziel ökotoxikologischer Untersuchungen wird die Ermittlung struktureller und funktioneller Veränderungen in Ökosystemen unter der Einwirkung von Umweltchemikalien angesehen (Römpp, Lexikon Umwelt). Die Ergebnisse bilden die Grundlagen für eine ökologische Risikoanalyse. Ökochemie und Ökotoxikologie sind eng miteinander verknüpft. 1985 wurde von der EG zur Überprüfung von Umweltchemikalien eine Vorgehensweise zur Schnellerkennung einer möglichen Umweltgefährlichkeit durch chemische Stoffe entwikkelt. Die zwei wichtigsten Kriterien dieses Verfahrens sind nach Parlar und Angerhöfer (1991) zum einen Wirkungsparameter (die Toxizität) und zum anderen Expositionsparameter wie Abbaubarkeit, Dispersion und Bioakkumulation (Kap. 1.7 u. 5.1). Toxizitätstests an Ratten, Fischen und/oder Daphnien (Wasserflöhen) ergeben über die LD50-Werte (als letale Dosis für 50% der Versuchstiere) bzw.
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die EC50-Werte (EC für effective concentration - z. B. im Wasser, bei der 50% der Daphnien schwimmunfähig oder tot sind) eine erste Einstufung. Sie gelten als sehr toxisch, wenn die angegebenen Grenzwerte überschritten sind. Auf Stufe 2 für weniger toxische Stoffe werden Verteilung und Abbaubarkeit zwischen bzw. in den drei Kompartimenten Boden, Wasser und Luft ermittelt. Dazu wird ein vereinfachtes Fugazitätsmodell (C.) anhand der Parameter Wasserlöslichkeit, Dampfdruck, relative Molekülmasse, 1-Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient und Adsorptionskoeffizient verwendet (Kap. 5.1, F. u. G.). Ein Risiko für ein Kompartiment wird dann postuliert, wenn darin mehr als 1% des Stoffes vorliegen kann. Auch bei einer geringeren biologischen Abbaubarkeit als 60 bis 70% innerhalb von 28 Tagen werden mäßig toxische, gering abbaubare Stoffe mit hoher Exposition auf ihre Bioakkumulation und Ökotoxizität geprüft (Stufe 3). Als Maß für die Bioakkumulation wird der POWWert (Kap. 5.1, F.) verwendet, der mit 3,5 einem Bioakkumultationsfaktor >300 entspricht. Weitere Toxizitätstests werden je nach Kompartiment mit unterschiedlichen Tierarten (Ratten, Fischen und Daphnien) durchgeführt. Bei zwei Testarten für ein Kompartiment entscheidet in der Regel der niedrigere über die vorläufige Einstufung einer Chemikalie (Kennzeichnung nach dem Chemikaliengesetz) als umweltgefährlich. Bei diesem Verfahren der Schnelleinstufung wird die evtl. Toxizität für Pflanzen oder Bodenorganismen (Kap. 6.1, G.) nicht berücksichtigt. Das Beispiel gehört zu den Schnellverfahren im Bereich der ökotoxikologischen Profilanalyse zur Überprüfung der Umweltrelevanz von Chemikalien (Körte, 1992).
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6.2 Ökotoxikologische Konzepte zur Gefährlichkeitsbewertung
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik B.
Zum
Umweltgefährdungsprofil.
Auch dieses ökotoxikologische Testsystem ermittelt ein Umweltgefährdungsprofil (nach Bahadir, Chemie unserer Zeit Nr. 5, 1991) anhand von Akkumulation und Abbau am Beispiel von Cumarin und Hexachlorbenzol. Nach einer Definition des Umweltbundesamtes (s. Bahadir/ Parlar/Spiteller, 1995) „ist die Gefährlichkeit eines Stoffes abhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der biologische oder andere Systeme dem Stoff ausgesetzt sind und seiner Fähigkeit, allein oder im Zusammenwirken mit anderen Stoffen diese Systeme zu beeinträchtigen oder zu schädigen". Das Cumarin (2H-1Benzopyran-2-on) kommt in Blüten und Blättern zahlreicher Gras- und Kleearten vor (z.T. glykosidisch gebunden) und wird als Naturstoff biosynthetisch durch Hydroxylierung von Zimtsäure, Glykosidierung und Zyklisierung gebildet. Bei höheren Organismen weist Cumarin jedoch eine toxische Wirkung auf (LD5Ü oral bei Ratten mit 680mg-kg_1). Hexachlorbenzol dagegen kommt nicht natürlich in der Umwelt vor; es gehört zu den Pestiziden (Einsatz als Fungizid zur Saatgutbehandlung, als Holzschutzmittel LD50 oral bei Ratten 1,5-lOg-kg"1). In diesem Testsystem, als Umweltgefährdungsprofil-Test bezeichnet, „wird die Akkumulation von radioaktiv markierten, organischen Verbindungen (14C) in umweltrelevanten Konzentrationen (1 ppm-50 ppb) auf verschiedenen Trophieebenen der Nahrungskette (Mikroorganismen, Grünalgen, Fische und Ratte) sowie deren mikrobieller und Photoabbau ermittelt" (Bahadir, 1991). Die Bewertung geht davon aus, daß jene Substanz für die Umwelt potentiell gefährlicher ist, die stark akkumuliert, aber nur wenig abgebaut wird. Die Beziehung von Chemikalien zur Umwelt wird sowohl anhand von Testsystemen mit den genannten Organismen, für Säugetiere meist Ratten, für die tieferen Trophiestu-
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fen (Kap. 5.1) Fische und Algen, als auch von Umwandlungen (im Abwasser - Belebtschlamm bzw. physikalisch-chemsich über den Photoabbau) ermittelt. Beim Test mit Ratten geht es hier nicht um die Bestimmung der LD50-Dosis, sondern um Informationen über das Verhalten im Säugetiermetabolismus: zur Speicherung (Bioakkumulation) in bestimmten Organen und zur Elimination insgesamt (Kontrolle anhand der radioaktiven Markierung) innerhalb von 5 Tagen. Durch die Untersuchungen im Abwasser bzw. Belebtschlamm wird auch der Weg von Chemikalien über den Pfad Abfall ökotoxikologisch erfaßt. Dieser Testbereich beinhaltet biotische Vorgänge. Abiotische Prozesse werden dagegen anhand des Photoabbaus, der Photomineralisation, simuliert. Dazu wird die zu prüfende Chemikalie auf ein Adsorbens (hier Silicagel - Kieselgel) aufgebracht und 17 h mit Licht der Wellenlängen unter 290 nm bestrahlt. Danach wird ermittelt, wieviel Prozent der Ausgangs Verbindung (hier lOOng-g-1 Adsorbens) vollständig mineralisiert (in Kohlenstoffdioxid umgewandelt) worden sind, wieviel unverändert geblieben ist bzw. in andere organische Verbindungen aufgrund des photochemischen Abbaus insgesamt umgewandelt wurde. Aus den Ergebnissen der fünf Testbereiche ergibt sich das Umweitgefährdungsprofü: Hexachlorbenzol wird im Vergleich zum stark polaren Cumarin (Kap. 5.1, F.) wesentlich stärker akkumuliert und nur schwer abgebaut. Die Untersuchungen, die zu dieser Aussage geführt haben, lassen sich besonders vorteilhaft mit der Radiotracer-Technik durchführen. Wegen der großen Nachweisempfindlichkeit des radioaktiv markierten Kohlenstoffs (I4C) in beiden organischen Stoffen ist eine sichere und vollständige Bilanzierung möglich.
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6.2 Ökotoxikologische Konzepte zur Gefährlichkeitsbewertung
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
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C. Expositionsanalyse nach dem Fugazitätsmodell „Unit World". Unter dem Begriff Expositionsanalyse werden Prognosen zur Konzentration einer Umweltchemikalie verstanden, der ein Organismus oder eine Population ausgesetzt ist. Den Berechnungen (Abschätzungen) zur Erstellung von (Rechen-)Modellen liegen sowohl Ausbreitungsberechnungen (in bezug auf die Verteilungs- und Transportprozesse s.Kap. 1.7 u. 5.1) als auch Umweltsimulationsmodelle (Berücksichtigung von Abbau- und Akkumulationsvorgängen) zugrunde. Aus dem Prinzip der Fugazitätf (als Bestreben einer Substanz, sich aus einer Phase über das gesamte System, d. h. auch global zu verteilen) werden im Rahmen einer Expositionsanalyse Fugazitätsmodelle zur Berechnung von Transport, Verteilung und Abbau von Umweltchemikalien durchgeführt. Für ein System aus n Phasen gilt im Gleichgewicht f1 = f2 = … fn wobei Konzentration c und Fugazität f einander proportional sind: c = f * z
bindung ausgegangen, die sich homogen in jeder Phase verteilt. Auf der Stufe 2 werden Reaktionen (Umwandlungen) sowie Advektionsvorgänge berücksichtigt. Berechnet wird die Geschwindigkeit, mit der eine Substanz bei einer Kinetik 1. Ordnung aus einem Kompartiment entfernt wird (daraus folgt auch die Bestimmung der Halbwertzeit). Auf einer 3. Stufe geht das Modell von einem Fließgleichgewicht und unterschiedlichen Fugazitäten in den einzelnen Kompartimenten aus - es werden u. a. Transferkoeffizienten bestimmt. Nichtdiffusive Transferprozesse (wie Depositionen, Sedimentation, Resuspension oder Nahrungsaufnahme) können einbezogen werden. Eine 4. Stufe beschreibt das Verhalten von Substanzen in offenen Systemen im Zustand des Ungleichgewichts (mit Hilfe von Differentialgleichungen). Schließlich lassen sich auch räumliche und zeitliche Veränderungen der Konzentrationen innerhalb der Kompartiment auf einer 5. Stufe des Modells berechnen.
Die Fugazitätskapazität z (substanzspezifischer Proportionalitätsfaktor) ist von der Wasserlöslichkeit, dem Dampfdruck, dem 1 -Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten, Art der Phase und von den Wechselwirkungen zwischen Chemikalie und Phase abhängig. Die Fugazitätskapazität läßt sich aus den genannten Größen für eine Reihe von Kompartimenten getrennt berechnen (Parlar u. Angerhöfer, 1991). Das dargestellte Unit-World-System geht von sechs Kompartimenten aus: Luft, Wasser, Boden, Sediment und suspendiertes Sediment, Organismen am Beispiel Fisch. Die räumliche Verteilung entspricht den Volumenverhältnissen in der Realität. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich sowohl die Verteilung von Umweltchemikalien (Stufe 1) berechnen, als auch Prognosen zum Verhalten (Stufe 2) entwickeln. Auf Stufe 1 - Berechnung der Verteilung einer Substanz zwischen den Phasen - wird von einer unreaktiven Ver-
Zur Anwendung der 5. Stufe aus C. werden Monitoring-Daten (Monitoring allgemein als analytische Überwachung der Stoffkonzentrationen in der Umwelt) verwendet (1.). Sie werden gegen ein bekanntes Gesamtvolumen aufgetragen. Gesamtmenge M, Konzentration cm und Streuung o werden berechnet und graphisch dargestellt. Diese Vorgehensweise wird als vorwärtsgerichtetes Verfahren bezeichnet. Den umgekehrten Weg geht das rückwärtsgerichtete Verfahren (2.). Hier werden die Werte geschätzt und aus ihnen auf die zu erwartende Verteilung geschlossen. Fugazitätsmodelle der beschriebenen Art eignen sich auch zur Simulation bzw. zum Vergleich des Umweltverhaltens von Chemikalien bzw. zur Erstellung von Verteilungs mustern, wenn keine realen Daten bzw. Umweltsysteme, sondern Modellsysteme zugrunde gelegt werden.
D. Auswertung von Monitoring-Daten.
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6.2 Ökotoxikologische Konzepte zur Gefährlichkeitsbewertung
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
E, Gefährlichkeitsbewertung nach dem E4 Chem-Modell. Exposure and Ecotoxicity Estimation for Environmental Chemicals E4-Chem stellt ein Computerprogramm dar. Es besteht aus einer Reihe von Submodellen zur Expositions- und Wirkungsanalyse sowie einem System zur Transformation und zum Vergleich der gewonnenen Daten (Parlar u. Angerhöfer, 1991). Eines dieser Submodelle ermöglicht die Ermittlung der Freisetzungsrate von Umweltchemikalien und zwar anhand der verfügbaren Informationen über das Anwendungsmuster. Eine der Hauptaufgaben der Ökologischen Chemie nach Körte besteht darin, Umweltbelastungen festzustellen. Er unterteilt dieses Forschungsfeld insgesamt in Untersuchungen zum Vorkommen, zur Produktionshöhe, zum Anwendungsmuster u. a., wobei der letztere Begriff eine quantitative Erfassung der Einsatzbereiche von Einzelchemikalien im Endverbrauch beinhaltet. Aus diesen Daten läßt sich vor allem die stoffliche Primärbelastung in den Einsatzbereichen (Lebensund Umweltbereiche des Menschen) errechnen oder zumindest abschätzen. Das Anreicherungspotential im Rahmen einer Exposition ergibt sich aus den Eigenschaften der Persistenz, Mobilität, Geound Bioakkumulation sowie des Ausmaßes der Kontamination des Wassers (Kap. 5.1, F.). Ein weiteres Modell erlaubt Berechnungen des ökotoxischen Potentials aufgrund der Toxizitätsdaten für sowohl aquatische als auch terrestrische Organismen. Die Einzeldaten werden beim E4Chem-Modell auf einem höheren Niveau der Gefährlichkeitsbewertung skaliert, Transformationen von Daten zu Vergleichszwecken (für verschiedene Umweltchemikalien) finden auf den unteren Stufen des Computermodells statt. F. Das EXTND-Submodell zur Expositionsanalyse. Insgesamt gehören zur Beurteilung des Gefahrenpotentials von
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Chemikalien zwei Bereiche: 1. Die Prüfung des Wirkungsspektrums, 2. die Ermittlung von Art und Ausmaß des Umweltkontaktes (C. u. E.). Eines der Submodelle zum Fugazitätsmodell (C.) ist das EXTND-Submodell, ein einfaches Gleichgewichtsmodell, welches auf der Berechnung der Verteilung einer Chemikalie zwischen den Kompartimenten LuftWasser-Boden (den drei thermodynamischen Phasen) beruht. Zugrunde liegen die Verteilungskoeffizienten (zwischen den Phasen), eine Kinetik erster Ordnung für biotische und abbiotische Umwandlungen, Volumen und Dichte der drei Phasen, pH-Wert und der Gehalt an organischem Kohlenstoff (als Sorptionsmittel). Zur Abschätzung des Substanzverhaltens innerhalb der Kompartimente wird anschließend ein weiteres Submodell gewählt. Charakteristika des EXTNDSubmodells sind ein thermodynamisches Gleichgewicht in einem geschlossenen System mit einer Abbaukinetik 1. Ordnung. G. Das OECD-Standard-Umweltmodell.
Die Organization for Economic Cooperation and Development OECD verfügt auch über einen Ausschuß für Umweltfragen. 1982 wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert, anhand einer Parameterliste Daten über Chemikalien zur Verfügung zu stellen, die eine Risikoanalyse ermöglichen. Zur Expositionsanalyse auf der Basis dieser Daten werden Transportund Transformationswege einer Substanz vorwiegend als deren Funktion dargestellt. Anhand der Kompartimentvolumina im Bild werden die potentielle Verteilung (PEC: Potential Environmental Concentration; Situation nach Einstellung eines thermodynamischen bzw. FlieGgleichgewichr.es) und die potentielle Konzentration im Ungleichgewichtszustand (z. B. nach Emission eines Substanz durch eine Punktquelle) geschätzt. Zur PEC-Berechnung werden wiederum Fugazitätsmodelle verwendet.
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6.2 Ökotoxikologische Konzepte zur Gefährlichkeitsbewertung
Problem- und wirkungsbezogene Umweltanalytik
H. Kompartimente und Prozesse in einem Umweltmodell. Nach Parlar und Angerhöfer (1991) sind nur wenige Modelle dazu geeignet, Informationen über den Effekt einer Substanz auf ein System zu liefern. Einerseits reichen häufig die Substanz- bzw. systembezogenen Daten nicht aus, andererseits wird überwiegend die Ökotoxizität als Funktion toxischer Testeffekte dargestellt und auch systembezogene Modelle liefern meist nur eine Prognose der Exposition. Vor allem
Langzeiteffekte lassen sich nur schwer abschätzen. Ein Konzept, daß sich mit der Wirkungsanalyse von Chemikalien auf natürliche Systeme beschäftigt, gehört als Teilmodell zum E4Chem-Modell [E.). Auf der Grundlage von Kompartimenten und Prozessen simuliert dieses Modell die wichtigsten dynamischen Prozesse. Nährstoffzyklen (Kap. 5.1, C.-E.) werden besonders berücksichtigt. Damit werden auch Aussagen über die Änderung des Massengleichgewichts (I.) unter dem Einfluß einer Umweltchemikalie mögiich. Unter dem Begriff Kompartiment wird in der Ökologie der Teil eines komplexen Ökosystems verstanden, der sich durch Stoffkonzentrationen, Umwandlungsprozesse und auch Transportvorgänge durch Grenzflächen zu benachbarten „Boxen" (Kompartimenten) beschreiben und abgrenzen läßt. Innerhalb eines Kompartimentes wird in der Regel von einer Gleichverteilung der betrachteten Stoffe ausgegangen. Vor allem auch mathematische Modelle bedienen sich der Bildung von Kompartimenten. Drei der Kompartimente dieses Submodells repräsentieren die trophischen Ebenen der Produzenten, Konsumenten und Destruenten (Kap. 5.1, D.). Diese drei Bereiche sind jeweils durch spezielle Wege des Metabolismus sowie vor allem durch eine spezifische Ernährungsweise charakterisiert. Die beiden übrigen mehr stofflich orientierten Kompartimente entsprechen den Bereichen „anorganische
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Nährstoffe" bzw. „tote organische Materie"; sie verbinden die trophisch orientierten Kompartimente durch den Stofftransfer. I. Wirkungsanalyse mittels Computerstudie. Anhand des unter H. beschriebenen Kompartiment-Modells können Änderungen der Populationsmassen auch unter dem langfristigen Einfluß einer Chemikalie berechnet werden. Zur Erfassung der Populationsdynamik wird von den Zuständen vital (reproduktionsfähig), nichtvital (lebend aber nicht reproduktionsfähig) und tot der Idividuen ausgegangen. Sowohl die Ernährungssituation (als Sättigungsfunktion darstellbar) als auch die Einwirkungen der Chemikalien (als Dosis-Wirkungs-Beziehung) beeinflussen die drei Zustände der Individuen. Der Beitrag vitaler Individuen zur Populationsmasse ist positiv, derjenige der nichtvitalen negativ. Die Darstellungen zeigen die Entwicklung der Masse in den Kompartimenten während und nach einer Expositionsdauer von 2 000 Zeiteinheiten (Dosis 0,5 Einheiten) (Parlar u. Angerhöfer, 1991). Sie machen deutlich, daß die Reaktion der Population von der Stellung im Trophiesystem abhängt. Einer Abnahme der Masse bei den Konsumenten und Produzenten in der Expositionsphase steht eine Zunahme an Destruenten und damit verbunden auch von toter organischer Materie sowie anorganischen Nährstoffen gegenüber. Danach nimmt die Masse der Produzenten wieder leicht zu, diejenige der Konsumenten (mit höherem Grad der Schädigung) verringert sich weiter. Auch ist aus diesem auf die Masse bezogenen Modell zur Entwicklung von Ökosystemen zu folgern, daß die gesteigerte Tätigkeit der Destruenten die Erhöhung der anorganischen Masse bedingt und sich aufgrund der niedrigen Produktivität der Produzenten damit auch die Gefahr einer Auswaschung, eines Stoffaustrags erhöht.
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6.2 Ökotoxikologische Konzepte zurCefährlichkeitsbewertung
Literaturverzeichnis Bücher, die als Quellen dienten, aus denen Abbildungen als Vorlagen für die Tafelentwürfe verwendet wurden
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Sachverzeichnis A Abbau, anaerob, Deponie 174 - anaerober, organischer Stoffe 106 - biotischer, Carbamate 200 - thermischer, organischer Stoffe 64 Abbaureaktionen, Aromaten 188 - Biomasse 186 - Herbizide 204 - Nitro-Verbindungen 188 - Parathion 202 - PCB 194 - Reaktionsenthalpien 186 - Tenside 204 Abfackeln, Deponiegas 72,176 Abfall 28 - Beseitigung 54 - Verbrennung, Deutschland 54 Abfallbeseitigung, Müllverbrennung 54 Abfallverbrennung 54 Abgasemission, Auto 70 Abgasentschwefelung 68 Abgasentstickung 68 Abgas katalysator, Auto 70 Abgasreinigung, Aktivkohlereaktoren 66 - Elektrofilter 66 - Kombinationsverfahren 66 Abgaszusammensetzung, Auto 70 Ableitungshöhe, Emissionen 52 Abluftreinigung 62 Abprodukte 28 Abwasser, Gerberei, Chrom-Spezies 206 - Zusammensetzung 104 Abwasserabgabengesetz 104 Abwasseranlage 102 Abwassermenge, Schwankungen 104 Abwasserreinigung, metallverarbeitende Industrie 116 - Phosphat-Elimination 114 - Stickstoff-Umwandlungen 114 Abwasserreinigungsanlage ÄRA 102 Ackerboden, Zusammensetzung 126 Additive, Entschwefelung 66 Adsorptionsanlage, Lösungsmittel rückgewinnung 68 Advektion 32
Aerosolabscheider 62 Aerosole, Definition 58 Aerosolpartikel, atmosphärisch 36 Aktivkohlereaktoren, Abgasreinigung 66 Alkane, Abbau, Troposphäre 190 Alternatiwerfahren, Umweltanalytik 212 Altlast 166 Altlastensanierung, biologisch 170 - thermisch 168 Attlastenuntersuchung 216 Aluminium-Hydroxo-Komplexe 88 Aluminium-Spezies 88 Ammonifikation 12 Ammonium, Gleichgewicht mit Nitrat 88 - Oxidation in Fließgewässern 88 Analysenstrategien 220 Anatexis 4 Anreicherungsfaktor, atmosphärischer 20 Anwendungsmuster 234 Apatit 18 Aquifere 74 Arbeitsmedizin 58 Aromaten, bakterieller Abbau 188 Arsen, ökochemische Reaktionen 210 Arsen-Spezies, Umwandlungen im Meer 210 Arsenobetain, Fische und Krustentiere 210 Asbest 60 Atemtrakt, Abscheidung von Feinstäuben 58 Atmosphäre 2, 30 Atmosphärenchemie 32 Atmung 24, 34, 186 - endogene, BSB 104 Auskofferung 166 Auslaugversuche, Mobilisierung von Schwermetallen 152 Autoabgase, Reinigung 70 B
Belebtschlamm 102 - Sauerstoffverbrauch für Stoffwechselvorgänge 112
Sachverzeichnis
241 Belebungsverfahren 112 Belüftung, Wasseraufbereitung 100 Beweisniveau, Gefährdungsabschätzung 216 BlmSchG, Bundes-Immissionschutzgesetz 52,54 Bioakkumulation 22 - PCB 194 Biogas 106 Biokonzentrationsfaktor 178 Biolithe 120 Biomasse 102 - Abbaureaktionen 184 Biomonitoring 146, s. auch Monitoring Biosphäre 2 Biotonne 176 Biowäscher 68 Biphenyle, polychlorierte, s. PCB - Wohn- und Arbeitsräume 60 Blei, Anreicherung 148 - Emission und Immission 148 - Gartenböden 146 - Immission, Schwebstaub 146 - Transportwege, Boden 144 Boden 2 - belastet, Analytik 164 - Blei, Transportwege 144 - Durchdringungssphäre 118 - Gasaustausch 140 - kontaminiert, Analytik 220 - ölkontaminiert 164 - organischer 118 - Pestizide 162 - pH-Wert, Metallaufnahme 142 - Puffersystem 140 - Schwermetallreaktionen 150 - Speicher 140 - Tausalze, Verfrachtung, Wirkung 144 - Umwandler 140 - Verhalten organischer Schadstoffe 162 - Verwitterung 140 - Wasserspannung 128 Bodenatmung 118 Bodenbelastungskataster 220 Bodenbestandteile 126 Bodenchemie, allgemein 120 Bodendeckschicht, Schwermetalle, Bilanz 142 Bodenfunktionen 126
Bodengefüge 118, 122 - Aggregat- 122 - Bröckel- 122 - Einzelkorn-122 - Kohärent- 122 - Krümel- 122 - Platten- 122 - Prismen- 122 Bodenhorizonte 124 Bodenkontaminationen 220 Bodenluft 118, 128 - chlorierte Kohlenwasserstoffe 162 - kontaminiert, Sanierung 170 Bodenreinigungsverfahren 166 Bodenschutz 166 Bodenstruktur 122 Bodenwäsche 168 Bodenwasser 128 - Feldkapazität 128 - Kapillaritätsgesetz 128 - permanenter Welkepunkt 128 - Potentialkonzept 128 - Totwasser 128 Brennstoff-Stickstoffoxid 50 BSB - Biochemischer Sauerstoff-Bedarf 104 Bundes-Immissionsschutzgesetz BlmSchG 52, 54 C
Cadmium, Anreicherung 148 - Gartenböden 146 Carbamate, biotischer Abbau 200 Carbonat-Spezies, Regenwasser 86 Chaos-Analyse, Huminstoffe 138 Chemikalien, Wassertechnoiogie 108 Chemikaliengesetz 22 Chemosphäre 38 Chlor, freies, Wasser 90 - gebundenes, Wasser 90 - Gesamt-, Wasser 90 - Spezies, Wasser, pE-Diagramm 90 Chlor-Verbindungen, Entstehung, Verbrennung 190 Chlorchemie, Atmosphäre 46 Chlorfluormethane, Spaltung 46 Chlorphenol 196 Chrom-Spezies 206 Cleanup-Verfahren 224
Sachverzeichnis Cometabolismus 188 CSB, chemischer Sauerstoff-Bedarf 106
D Datenflut, Umweltanalytik 214 Datenprofil, Umweltchemikalien 178 Dechlorierung, reduktiv, Xenobiotika 186 Denitrifikation 12 - Abwasserreinigung 114 Deponie 170 - anaerobe Abbauprozesse 174 - Gewässeruntersuchungen 218 - Methan-Gärung 174 Deponiegas, Abfackeln 176 - Entsorgung und Nutzung 176 Deponiegase 72 Deponiesickerwasser 172 Deponiesickerwässer, Analytik 218 Deposition 36 f - nasse 36 - saurer Regen 154 - trockene 36 Destruent 6 Destruenten, Nahrungsnetz 80 Desulfovibrio-Bakterien 14 Desulfurikation 14 Detritus 6, 22 Detritusnahrungskette 180 Diagenese 2,134 - Sedimente 120 Dibenzodioxine, Bildung 64 - Pfade 196 - Quellen 196 - Strukturformeln 198 - thermischer Abbau 64 - Toxizitätsäquivalente 198 Dibenzofurane, Bildung 64 - thermischer Abbau 64 Diffusion 36 Dimethyl sulfid 16 Dioxine, s. Dibenzodioxine Direkteinleiter 102 - kommunales Klärwerk 102 DOC80 Donau, Wasserautbereitung 98 Dosis, letale 228 Dreiwegekatalysator 70 Durchdringungsphäre 118
242 E E4-Chem-Modell 234 Einwohnergleichwert EWG 104 Eisen, -Spezies, pE-pH-Diagramm, Wasser 90 Elektrodialyse, Wasseraufbereitung 100 Elektrofilter 62 - Abgasreinigung 66 Emission 38,48 Emissionen, Ableitungshöhe 52 - anthropogene 52 - Deutschland 52 - Schadstoff-, Abfallverb rennung 54 - Schwefelspezies 16 - Vegetationsbrände 48 Emissionspfade, Altlast 166 Emissionsquellen 36 Emittenten 48 Energiebilanz, globale 30 Energiefluß, anaerobe Abwasserreinigung 106 Enteisenung, Wasseraufbereitung 100 Entmanganung, Wasseraufbereitung 100 Entschwefeiungsverfahren 66 Entstickung, Abgas- 68 Epirogenese 2 Erdgasflamme, thermische NO-Bildung 50 Erosion 2, 78 Eutrophierung 78 Evapotranspiration 76 Expositionsanalyse 232 - EXTND-Submodell 234 EXTND-Submodell, Expositionsanalyse 234
F Fällung, Phosphat, Abwasserreinigungsanlage 110 Fällungs-pH-Bereich, Metalle im Wasser 110 Fällungsflockung, Wassertechnologie 108 Fäulnis 24 Feinstäube, Abscheidung, Atemtrakt 58 - MAK-Werte 58 Feldkapazität, Bodenwasser 128 Filtration, Kinetik 108
Sachverzeichnis
243 Filtration, Wasseraufbereitung 98 - Wirksamkeit 108 Flockung, Kinetik 108 - Kollisionsfrequenz 108 - Kollisionswirksamkeitsfaktor 108 Flockungsanlage, Wasseraufbereitung 98 Fluorchlorkohlenwasserstoffe 40 - Photochemie 46 Fugazität 232 Fugazitätskapazität 232 Fugazitätsmodell 228, 232 Fulvosäuren 134 Furane, s. Dibenzofurane
- Aufbau 138 - Biogenese 136 - Chaos-Analyse - hypothetische Struktur 138 - Konformationsphase 136 - Maillard-Reaktion 136 - metabolische Phase 136 - Strukturmuster, -System 138 Humus 134 Hydrologie 78 Hydrosphäre 2, 74 Hydroxyl-Radikale 38 - katalytische Zyklen 44 - Photochemie 44
G
Gartenböden, Blei, Cadmium 146 Gärung 24, 186 Gasabscheider 62 Gasprüfröhrchen 212 Caswäsche. biologische 68 Gefährdungsabschätzung 216 - Beweisniveaus 216 Gefährlichkeitsbewertung, E4-Chem-Modell 234 Gegenstromextraktion, Bodenwäsche 168 Geoakkumulationsindex 20 Gesteinsarten 120 Cewässerchemie, Kastenmodell 74 Gleichgewicht, Kalk-Kohlensäure- 86 - Nitrat-Ammonium 88 Gleichgewichtsdiagramme, Gewässerchemie 86 Glykolyse 24 Grundwasser, kontaminiertes, Sanierung 170 H Habitat, Boden 126 Halogen-Photochemie 46 Herbizide, Abbau 204 Heterosphäre 30 Homosphäre 30 Horizont, A-, B-, C-, H-, s. Bodenhorizonte Humifizierung 134 Humine 134 Huminsäuren 134 Huminstoffe 134 ff
I Immission 36, 48 - Bodennähe 52 - saure, Kölner Dom 158 Immissionsraten, Kölner Dom 158 Impfschlamm 116 Indirekteinleiter 102 Industriegebiet, belastetes 160 Interferenzfaktor, global 20 Interzeption 82 Inversionswetterlage 38 Ionosphäre 30 K Kalium, -Dynamik im Boden 142 Kalk-Kohiensäure-Gleichgewicht in Flüssen 86 Kanalisation 102 - Misch- 102 Kapillaritätsgesetz, Bodenwasser 128 Kastenmodell, Atmosphärenchemie 32 - Gewässerchemie 74 Kiese 120 Kläranlage, mechanisch-biologische 102 - mechanisch-biologisch-chemisch 116 Klärschlamm 26, 102 Klärwerk, kommunales 102 Kohlenstoff-Spezies, Kreislauf in Gewässern 84 Kohlenstoffdioxid 34 Kohlenstoffdioxid-Senke 34 Kohlenstoffdisulfid 16 Kohlenstoffoxidsulfid 16
Sachverzeichnis Kohlenwasserstoffe, Analytik, Böden 226 - chlorierte, Bodenluft 162 - polyzyklische aromatische - s. PAK Kollisionsfrequenz, Flockung 108 KollisionsWirksamkeitsfaktor, Flockung 108 Kölner Dom, saure Immissionen 158 Kompaktflockung, Wasseraufbereitung 98 Kompartiment 2 - Umweltmodeli 236 Kompensationsebene, Meer 80 Komplexbildung, Verwitterung 78 Kompostierung 26, 174 Konjugate 188 Konsumbereich, Stoff-Kreislauf 28 Konsumenten, Nahrungsnetz 80 Kopplungtsechniken, Umweltanalytik 214 Korngröße, Sedimenteinteilung 120 Körnung, Boden 122 Körnungsklassen, Bodenpartikel 122 Kreislauf, Aerosolpartikel, atmosphärisch 36 - atmosphärisch, katalytisch 40 - bakteriell, Sedimente 24 - biochemisch, Sedimente 24 - hydrologisch 74 - Kohlenstoff-Spezies in Gewässern 84 - Kopplung 24 - Kopplung C-/0- 34 - Metalle 20 - Metaile, Gewässer 94 - Phosphor 18 - Sauerstoff 24 - Schwefel 14 - Stickstoff 10 - Umweltchemikalien 22 - Wasser-, anthropogene Einflüsse 82 Krümelstrukturen, Boden 122 Krusten-Ozean-Maschine 4 L lambda-Zahl, s. Luftüberschußzahl Lebensraum, Boden 126 Leuchtbakterientest 222 Lithosphäre 2 Lockergesteine 2 Lösungsmittel, Rückgewinnung 68 Löß 120 Luftschadstoffe, Quantifizierung 48
244 Luftüberschußzahl 50 - Einfluß auf Abgasemissionen, Auto 70 Luftverschmutzung, Quellen 48 Luftverunreinigungen 52 M Magma 2 Maillard-Reaktion, Huminstoffe 136 MAK-Werte, Feinstäube 58 Makroelemente 24 Mesosphäre 30 Metall-Aquo-Komplexe 96 Metall-Ionen, Reaktionen, Wassersäule eines Sees 96 Metall-Oxo-Komplexe 96 Metalie, Gewässer, Kreisläufe und Reaktionen 94 - Kreisläufe 20 anthropogen 20 biogeochemisch 20 geochemisch 20 Metallspuren, Emission 94 - Transportprozesse in Flußbetten 94 Metamorphose 2 Methan-Gärung, Deponie 172 Methanogenese 8,186 Methylmercaptan 16 MIK-Wert 52 Minamata-Krankheit, Quecksilber 208 Minderung 28 - Stickstoffoxid-Bildung 50 Mineralisierung 8 Mobilisierung, Schwermetalle, Boden 152 Mobilität, Schwermetalle, Boden 150 Monitoring, Datenauswertung 232 Müllmasse 172 Müllverbrennung 26 - Schadstoffströme 54 Müllvergärungsanlage 174 Müllvolumen 172 N Nachklärung 102 Nachverbrennung 62 - katalytische, Autoabgase 70 Nahrungskette 80 - Detritus- 180 - Energiefiuß 180
245 Nahrungskettengeflecht 180 Nahrungsnetz 80 Nahrungspyramide 180 Naßwäscher 62 Nettoprimärproduktion, Stoffkreislauf 80 Niederschlag 76 - effektiver 82 Nitrat, Gleichgewicht mit Ammonium 88 Nitrifikation 12 - BSB 104 Nitro-Verbindungen, Abbau 188 NO-Minderung 50 O OECD-Standard-Umweltmodell 234 Ökosphäre 2 Ökosystem, Schadstoffpfade in 176 - Wald 56 Ökosysteme 2 Ökotoxikologie 228 - Wirkungsparameter 228 Ölkontamination, Boden 164 Orogenese 2 Orthogesteine 2 Oxidantien, Luftverschmutzungen 56 Ozon 30 - Abbau 42 - Bildung 42 - katalytische NOs-ZykIen 42 - Wohn- und Arbeitsräume 60 Ozon-Chemie 40 Ozonisierung 98 P PAK, Abbau, Mechanismen 192 - Analytik, Böden 224 - Eliminierungspfade im Boden 192 - Müllverbrennung 54 - polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe 60 - Verbrennungsvorgänge 190 PAN (Peroxyacetylnitrat) 38, 44 Paragesteine 2 Parathion, Abbau 202 PCB, Abbau 194 - Analytik, Boden 224 - Bioakkumulation 194 - thermischer Abbau 64 - Verteilung 194
Sachverzeichnis pE-Diagramm für Chlor-Spezies, Wasser 90 pE-pH-Diagramm, Eisen-Spezies, Wasser 90 pE-Wert 84 Pedosphäre 2 Peroxyacylnitrat (PAN) 38, 44 Persistenz 94 - Pestizide 200 Pestizide, Analytik 224 f - Boden 162 - Persistenz 200 - Verhalten im Boden 200 Pfad, Emissions-, Altlast 166 Pfade, Dibenzodioxine 196 - Eliminierungs-, PAK, Boden 192 - Schadstoff-, in Ökosystemen 178 - Stoffkreislauf 26 Pflanzenschutzmittel, s. Pestizide pH-Wert, Boden 142 - Wasser 84 ff Phenole, Wohn- und Arbeitsräume 60 Phosphat 18 - Elimination, Abwasserreinigung 112 - Fällung, Abwasserreinigungsanlage 110 Phosphor-Kreis lauf, aquatisch 18 - biogeochemisch 18 - global 18 Photochemie 32 - Halogen- 46 - Hydroxyl-Radikal 44 - ökologische 38 Photooxidantien 38 Photosynthese 8, 24, 34, 38 Phytoplankton 80 Plankton, Nahrungsnetz 80 Plutone 4 POC 80 84 Porenvolumen, Boden 118 Porosität, Boden 126 Potential, ökotoxikologisches 234 Potentialkonzept, Bodenwasser 128 Pow-Koeffizient 178,182 Precursor 64 Probenvorbereitung, PCB-kontaminierte Böden 224 - Pestizid-Analytik 224 Produzenten, Nahrungsnetz 80 Prompt-Stickstoffoxid 50
Sachverzeichnis Q Quecksilber, Anreicherung 148 - Spezies 208 - Spinne, Anwendungen und Wirkungen 208 - Umweltchemie 208 Quellen, Schadstoff-, Wohn- und Arbeitsräume 60 Quellgruppen, anthropogene Emissionen 52 R Radikalchemie 40 Rauchgase, Wald 56 REA-Gips 66 Reaktionsenthalpien, Abbaureaktionen 186 Recycling, Hausmüllbereich 26 Redox-Potential, pH-pE-Diagramme, Wasser 84 Redox-Potentiale 24 Regen, s. Saurer Regen Regenwasser, Carbonat-Spezies 86 - Genese 92 Reinhaltung der Luft, VDI-Kommission 52 Repräsentanz 224 Respiration 8 Reststoffe 26 Rohwasser 98 Rotationswäscher 62 S Sandfang 102 Sanierung, Altlasren 168 - - Bodenluft 170 - Grundwasser 170 Sanierungsuntersuchung 216 Säurebildner, Emission 92 - Wirkung auf Tiere, Wasser 92 Säurebildung 56 Säuren, aus NO, und SO2 56 Sauerstoff-Kreislauf 24 - Verbrauch für Stoffwechsel Vorgänge, Belebtschlamm 112 Saurer Regen 154 - Einfluß auf Wälder 154 f - Vorgänge im Boden 154
246 Schadstoffanalytik, wirkungsbezogen 222 Schadstoffe, Verteilung und Umwandlung 178 Schadstoffemissionen, Abfallverbrennung 54 Schadstoffpfade, in Ökosystemen 178 Schadstoffquellen, Wohn- und Arbeitsräume 60 Schichtungen, Wassersäule eines Sees 96 Schlammbehandlung 116 Schlammbildung, BSß 112 Schlammfaulung 102 Schlammstabilisierung 112 Schluff 120 Sehne!leinstufung, Umweltchemikalien 228 Schnelltestverfahren 212 Schotter 120 Schutt 120 Schwebstaub, Blei-Immission 146 - Definition 58 Schwefel-Kteislauf 14 - biochemisch 14 - global 14 Schwefeldioxid, Säurebildung 56 Schwefel-Spezies 16 - Emissionen 16 - Umwandlungen 16 Schwermetalle, Anreicherungen 148 - Bodendeckschicht, Bilanz 142 - Mobilisierung, Boden 152 - Mobilität, Boden 150 Schwermetallspezies, in natürlichen Gewässern 206 Screening 220 Sediment 2 - Diagenese 120 - klastisch 120 - Locker- 120 Sedimentation 78 - anorganisch 22 - organisch 22 Sedimentgesteine 120 See, Metall-Ionen, Reaktionen 96 - Wassersäule 96 Seespray 18 Sekundärrohstoffe 28 Senke, Kohlenstoffdioxid 34 Seveso-Gift 190, 198
247 Sickerwasser 166 - Deponie 172 Siedlungsabfall 26 - Verbrennung 26 Silicate, Strukturtypen 130 Smog, photochemischer 38 Sphäre, Durchdringungs-, Boden 118 - Hetero- 30 - Homo- 30 - lono- 30 - Meso- 30 - Strato- 30 - Thermo- 30 - Tropo- 30 Sphären 4 Spurengase 34 Spurenstoff, atmosphärische 36 - primär 36 - sekundär 36 Staubabscheider 62 Stäube. Definition 58 Staubscheidungssysteme, Vergleich 64 Stickstoff-Fixierung 10 Stickstoff-Kreis lauf 10 - anthropogene Einflüsse 10 - Umwandlung bei der Abwasserreinigung 114 Stickstoffoxid 50 - Bildung, Mechanismen 50 - Brennstoff 50 - promptes 50 - thermisch 50 Stickstoffoxide, katalytisch Zyklen 42 - Reduktion, katalytische 66 - Säurebildung 56 Stoff-Flüsse, anthropogen 26 Stoff-Kreis lauf, Konsumbereich 28 - Nettoprimärproduktion 80 - ökologisch 28 Strahlung, infrarote 30 Strahlwäscher 62 Stratosphäre 30 Streßfaktoren, Ökosystem Waid 56 Sulfurikation 14 Summenparameter 222 T Tausalze, Boden 144 Tenside, Abbau 204
Sachverzeichnis Thermosphäre 30 Thiobakterien 14 Tonbildung 132 Tone 120 Tonminerale 130ff Totwasser, Boden 128 Toxizitätsäquivalente, Dibenzodioxine 198 Transfer 184 Transmission 36 f Transpiration 76 Transport, Wasserdampf- 76 Transportprozesse, Metailspuren, in Flußbetten 94 Treibhauseffekt 30, 34 Treibhausgase 30 Trinkwasser, Aufbereitung, Donau 98 Trinkwasseraufbereitung, s. Wasseraufbereitung Tropopause 30 Troposphäre 30
U Umfeldanalyse 216 Umkehrosmose 100 Umwandlungen, Schwefelspezies 16 Umweltanalytik 212 ff - Alternativverfahren 212 - Analysenstragien 220 - Datenflut 214 - konzeptioneil 214 - Kopplungstechniken 214 - Verb und verfahren 214 - Schnelltestverfahren 212 Umweltchemikalien 178 - Datenprofil 178 - Kreislauf 22 - Schnelleinstufung 228 Umweltgefährdungsprofil 230 Umweltmodell, Kompartimente 236 - OECD-Standard- 234 - Prozesse 236 Umweltökonomie 28 Umweltschutztechnik 28 Umweltverhalten, Stoffeigenschaften 182 Unit World, Fugazitätsmodell 232 Ursachenforschung, Waldsterben 156
Sachverzeichnis V VDI-Kommission Reinhaltung der Luft 52 Vegetationsbrände 48 __ Vegetationsschild, Wasseikieisloüf 82 Venturi-Wäscher 62 Verbrennung, Abfall 54 - Deponiegase, schadstoffarme 72 - Entstehung chlorierter Verbindungen 190 - Müll 26, 54 - Siedlungsabfall 26 Verbundverfahren, Umweltanalytik 214 Verdunstung 76 - aktuell, potentiell 82 Vermeiden 28 Vermindern 28 Verteilungskoeffizient 1 -Octanol-Wasser, s. Pow-Koeffizient Verwerten 28 Verwitterung 120 - Boden 118 - chemisch 78 - hydrolytisch 78 - Kalifeldspat 132 - Komplexbildung 78 - Lösungs- 78 - Oxidations- 78 Vor-Ort-Analytik, mobile 212 Vorfluter 102 Vorreinigungsanlage, Wasseraufbereitung 98 Vulkane 4
248 - Elektrodialyse 100 - Enteisenung 100 - Entmanganung 100 - Filtration 98 - Flockungsanlage 98 - klassische Verfahren 100 - Kompaktflockung 98 - Ozonisierung 98 - Vorreinigungsaniage 98 Wasserbilanz, Deutschland 76 - Gleichung 82 Wasserdampftransport 76 Wasserentsalzung 100 Wassergehalt, Boden 118 Wasserhaushalt, quantitativer 76 Wasserhaushaltsgleichung 76 Wasser-Kreislauf 74 - Wirkungsfeld Wasser-Boden-Vegetation 82 Wassersäule, eines Sees, Reaktionen von Metall-Ionen 96 Wasserspannung, Boden 128 Wassertechnologie, Wirksamkeit von Chemikalien 108 Welkepunkt, permanenter, Bodenwasser 128 Wertstoffe 66 Wirkungsanalyse, Computerstudie 236 Wirkungsparameter, Ökotoxikologie 228 X Xenobiotika 178 - Dechlorierung, reduktiv 186
W Wärme, latente 30 Wald, Ökosystem 56 Waldschäden, saurer Regen 156 Waldsterben, Ursachenforschung 156 Wasser, Bindung im Boden 82 - Ökochemie 78 Wasseraufbereitung, Belüftung 100 - Donau 98
Z Zone, euphotische, Meer 80 Zyklen, Hydroxyl-Radikal, katalytisch 44 - katalytische N0,-Zyklen 44 Zyklon 62 Zyklus, Chlor, atmosphärisch- 46 - hydrologischer 74