Die dunklen Seiten ...
des Alltags
Rund 40 Prozent der Menschen in einer kleinen Stadt, wie der unseren, leben als Sin...
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Die dunklen Seiten ...
des Alltags
Rund 40 Prozent der Menschen in einer kleinen Stadt, wie der unseren, leben als Singles.
Geschmacksrichtungen die Fünf-Minuten-Terrine bietet:
Rund 99 Prozent der Menschen in einer Stadt wie der unseren wären gerne Singles.
Der Supermarkt dient primär als Informationsbörse. Im Dreieck zwischen Kräuterquark, Kochschinken und Beaujoulais primeur treffen sich die Singles zu konspirativen Gesprächskreisen, die Einkaufsroller wie eine Wagenburg um sich postiert. Dadurch werden die unglücklichen Insassen fester Zweierbeziehungen akustisch und optisch vom zügellosen, freudvollen Leben des emotional Unabhängigen von vornherein ausgeschlossen. Innerhalb dieser kleinen Zirkel kursieren die wirklich heißen Infos:
Es ist nicht besonders schwierig, Single zu werden auch ohne die ersten 15 Jahre des selbstgewählten Solistentums zunächst einmal wegen Totschlags hinter Gittern verbringen zu müssen. Wo aber findet der Normalsterbliche all die Massen von Junggesellen und -innen ? Spätnachts in den Szenekneipen ? Pgkp0" In angesagten Nobelrestaurants ?
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Pgkp0" Bei ausufernden Orgien ? Pgkp0" Auf der Couch des Psychiaters ? Cwej"pkejv0" Singles findet man im Supermarkt, samstagsmorgens, immer gegen 11 Uhr. Sie sind leicht zu erkennen, denn alle kaufen das gleiche: Eine Lage luftgetrockneten Schinken aus Italien oder Spanien, 100 Gramm luftgetrocknete Salami aus Italien oder Frankreich, Spaghetti, zwei Flaschen Bordeaux, Fertigsuppen und eine dieser langen, breiten Packungen mit Lachsscheiben. Natürlich mag niemand Lachsscheiben aus Plastikfolien. Aber die Verpackung ist so groß, daß unter ihr bequem die Familienschachtel mit Kondomen im Einkaufswagen zu verstecken ist, ohne daß der ganze Supermarkt gleich mitbekommt, wie man sich die weitere Gestaltung des Wochenendes vorstellt. Die Libido des Singles hat also zum einen Einfluß auf die verkaufte Menge von Lachs, zum anderen darauf, daß es aus den Mülltonnen der Ein-Personen-Haushalte immer nach totem Fisch riecht. Der/die praktizierende Alleinstehende nutzt den wöchentlichen Einkauf allerdings nicht ausschließlich zur Abdeckung lebenserhaltender Grundbedürfnisse oder um zu sehen, welche neuen
Wo steigt welche wilde Wochenendfete ? Sind Boxershorts wirklich sexy ? Explodieren Hummerkrabben, wenn man sie in der Mikrowelle zubereitet ? Warum laufen Baumwollsocken immer ein, wenn man sie im Geschirrspüler wäscht ?
Den prickelnsten Gesprächsstoff offerieren aber die Rubriken "Wer mit Wem ?" und "Wen gibt's Neues in unserem exklusiven Club ?" Single zu werden ist - dank eines liberalisierten Scheidungsrecht und fähiger Privatdetektive - nicht besonders schwer. Aber um wirklich dazuzugehören, bedarf es doch einiges mehr als keinen Partner zu haben. Nur wer in der Lage ist, wochenlang in ungeputzten Wohnungen zu leben, nur wer glaubt, Ibiza sei eine deutsche Nordseeinsel, nur wer es schafft, stets sonnengebräunt daherzukommen auch wenn er/sie erst bei Einbruch der Dunkelheit aufsteht, nur wer mindestens vier Möglichkeiten kennt, tiefgefrorene Steaks in der Mikrowelle knusprig zu bekommen, gehört dazu. Sich einfach nur vom Lebensabschnittspartner zu trennen um in die Welt frivoler Freiheiten einzutauchen - das ist entschieden zu wenig. Der Plausch im Schatten der Kühlregale und Fleischtheken offenbart aber nicht nur die freudvollen Seitensprünge des Singledaseins. Wie oft heißt es auch Abschiednehmen. Wie oft führt der Weg vom Obststand direkt zu jenem Ständer, in dem die schwarzumrandeten Trauerkarten stehen. Diese mit zittriger Hand und feuchtem Auge auszufüllen, die Namen all jener einzutragen, die für immer aus dem Singleleben geschieden sind, schmerzt. Es bleibt dann nur noch, eine schöne Hochzeitsfeier zu wünschen !