Gruselspannung pur!
Stratophanus
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann »Wir durchfliegen gerade den Luftraum des ...
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Gruselspannung pur!
Stratophanus
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann »Wir durchfliegen gerade den Luftraum des Bermuda-Dreiecks«, sagte Kapitän George C. Everett zu seinem Kollegen im Cockpit. »Wenn wir Pech haben, werden wir alle gleich von außerirdischen Monstren gekidnappt…« Drei der vier Crew-Mitglieder lachten über die Bemerkung des erfahrenen Flugkapitäns, die sie als Scherz auffaßten. Besatzung und Passagiere zusammengerechnet, flogen in dem Giganten der Lüfte vierhundert Menschen mit. Captain Everett, in tadelloser Uniform, ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann, hatte gerade ausgesprochen, als sämtliche Instrumente verrückt spielten. Der Kompaß zeigte alle möglichen Richtungen an. Das Bordradar streikte. Der Höhenmesser machte in kurzen Abständen unterschiedlichste Angaben, die niemals zutreffen konnten. Die Treibstoffanzeige irritierte den Kapitän mit rasch wechselnden Informationen. Und dann fielen sämtliche Computer aus… Mark Hellmann - die Gruselserie, die Maßstäbe setzt!
Captain Everett hatte bereits die Lichter der Stadt Miami in Südflorida vor sich gesehen. Jetzt erstreckte sich vor der Boeing eine riesige Nebelbank, in die sie hineinflog. Selbst das Geräusch der vier mächtigen Triebwerke veränderte sich und wurde zu einem hohen und schrillen Singen. Der Funker hatte die Maschine - QUAm Flug 1088 New YorkMiami - bereits über Funk beim Miami International Airport angemeldet. »An Bord alles okay«, hatte er durchgegeben. »Erbitten Landeerlaubnis…« Dann riß der Kontakt ab. Der Funker erhielt keine Antwort mehr vom Tower in Miami. Er drückte sämtliche Tasten herum, schaltete um, alles vergeblich. Captain Everett versuchte, vom Autopiloten auf manuelle Steuerung zu wechseln. Es klappte nicht. Das Steuerhorn bewegte sich selbständig. Eine fremde Macht hatte die Kontrolle über die Boeing 747 übernommen! »Gott sei uns gnädig«, flüsterte der Co-Pilot. »Im BermudaDreieck sind schon Hunderte von Schiffen und Flugzeugen spurlos verschwunden. Jetzt sind wir an der Reihe. Wir wollen aber nicht sterben…« Captain Everett fuhr ihn barsch von der Seite an: »Halt den Mund, Ed!« Und gleichzeitig versuchte Everett alle Manöver und Tricks, die ihm aus unzähligen Schulungen und jahrelanger Praxis bekannt waren. Plötzlich tippte ihm eine eiskalte Hand auf die Schulter. Als sich der Captain umschaute, sah er die Horrorgestalt vor sich! Hochgewachsen, mit schwarzem Schlapphut, unter dem sich eine Kreuzung zwischen Skelettfratze und Clownsgesicht befand. Mit glühenden Augen, rot geschminktem Mund und langen, spitzen Vampirzähnen. Der Unheimliche trug ein schwarzes Cape um die eckigen Schultern. Er hatte Skeletthände, aus denen rasiermesserscharfe Klingen hervorschnellten. Mörderische Waffen! Der Skelettmann trug dunkle Hosen und hatte einen enganliegenden Pullover aus hellblauem Material mit einem kreisenden Digitalzeichen auf der Brust. Es stellte eine Spirale dar, aus der eine pechschwarze Klauenhand ragte. Irgendwelche Waffen, von seinen Scherenhänden abgesehen, waren bei dem Skelettmann nicht zu erkennen. »Wie kommt der hierher?« polterte der Kapitän.
»Der stand plötzlich da«, antwortete der Navigator mit bebender Stimme. »Wie aus dem Nichts aufgetaucht.« Der Skelettmann schien zu grinsen. Er trug massive Metallschuhe und einen Metallgürtel. Der »Körper« füllte die Kleidung aus, aber es war nicht festzustellen, ob sich nur Knochen oder eine kompakte Gestalt darunter befanden. »Ich bin Stratophanus, ein Streamer«, sagte er mit hohler, geisterhafter Stimme. »Ich reite mit den Jet-Streams.« Das waren die Höhenwinde, die rund um den Globus bliesen und die Reisezeit eines Flugzeugs ganz erheblich beeinflussen konnten. »Ihr werdet mich jetzt in mein Reich begleiten.« »Was soll dieser Mummenschanz?« rief Captain Everett. »Was bilden Sie sich eigentlich ein?« Stratophanus' Skeletthand zuckte blitzschnell vor. Die fünfzehn Zentimeter langen Klingen durchtrennten die Kehle des Flugkapitäns in Sekundenbruchteilen! Blut spritzte durchs Cockpit. Sterbend sank Everett im Pilotensitz nieder, und das Lebenslicht in seinen Augen erlosch. »Ist noch jemand da, der meint, es wäre Mummenschanz?« fragte Stratophanus gefährlich leise. Alle Crew-Mitglieder schüttelten den Kopf. Der geschockte Funker sprach ins Mikro. Verzweifelt versuchte er, eine Meldung abzusetzen. Es gelang, und Sie wurde im Tower des Miami International Airports empfangen, während in dem Jumbo kein Funkspruch mehr einging. »Hier QUAm-Flug 1088«, gab der Funker durch. »Haben Hijacker an Bord! Unbekannte Person tötet Chefpiloten und befiehlt Kursänderung! Bordinstrumente spielen verrückt. Sicht gleich null. Fliegen in weißem Nebel. - QUAm 1088 - Notruf. Wurden gekidnappt. Bermuda-Dreieck…« Im Tower des Miami International Airports, wo seine Meldung einging, waren die Männer der Flugsicherung wie elektrisiert. Atmosphärische Störungen zerhackten den Notruf. Einzelne Silben gingen unter, ließen sich jedoch aus dem Gesamtzusammenhang heraus ergänzen. »Totenkopfgesichter, Schlapphüte und glühende Augen. Messerhände und Trikots mit Digital-Spiralemblem auf der Brust. Die eine Person ist weiblich. Was sind das für Ungeheuer? Der Himmel möge uns retten! - Ist das das Geheimnis des Bermuda-Dreiecks? Wir…« Jäh brach der Funkkontakt ab, diesmal endgültig. Nur noch ein
Rauschen war zu hören. Einer im Tower wetterte: »Diese Crew ist mit Drogen vollgepumpt! Die sind alle high und haben Halluzinationen!« Die gläsernen Wände boten eine Rundumsicht. Das Ausschlaggebende verfolgten die Flutlotsen jedoch am Radarbildschirm. Es war Abend, die Dämmerung schon hereingebrochen, das Flughafengelände wie die Millionenstadt Miami hell erleuchtet. »Ich habe die Maschine nicht mehr auf dem Radarschirm«, rief der zuständige Controller Sekunden später in die Runde. »Sie war plötzlich weg.« »Ist sie ins Meer gestürzt?« »Nein. Von einem Moment zum andern verschwunden.« Die Fluglotsen schauten sich ratlos und entsetzt an. Dann erklärte ein Controller tonlos: »Das Bermuda-Dreieck hat sie verschlungen. Wie viele andere vor ihnen. Ein vollbesetzter Jumbo-Jet - das ist eine Katastrophe!« Die Diensthabenden verständigten die Flughafenleitung, den Katastrophendienst und die Seenotrettung… Von Fort Lauderdale stiegen innerhalb weniger Minuten Jagdflieger auf, um nach dem Verbleib der Boeing 747 zu forschen. Schnellboote von Marine und Küstenwache preschten mit Höchstgeschwindigkeit in das vermutete Absturzgebiet. Dort wollte man nach Wrackteilen und nach Leichen suchen. Daß es bei einem Absturz aus fünftausend Metern Höhe Überlebende gab, konnte sich niemand vorstellen. Die Jagdfliegerstaffel blieb bei ihrer Suche genauso erfolglos wie die übrigen Einheiten. Die Boeing 747 war nicht zu lokalisieren, nicht mal ein Wrackteil oder Ölfleck zu entdecken. Kein Kabinensitz, keine Rettungsweste, kein Gepäckstück, nichts. Die Medien standen kopf bei der Sensationsnachricht, die sich über die Nachrichtenagenturen weltweit im Nu verbreitete: Jumbo-Jet mit vierhundert Menschen an Bord im BermudaDreieck verschollen. * Um 22 Uhr saß ich in der »Sonntagabend-Revue« des RIASBerlin, von wo aus live übertragen wurde. Ich hatte mich modisch
angezogen, ohne Krawatte allerdings; die mir seit jeher wie eine Henkersschlinge vorkam. Um 21 Uhr hatte die Talk-Show begonnen, die von Linda Ronstadt, dem aufsteigenden Stern am Talkmasterhimmel, moderiert wurde. Außer mir - Mark Hellmann - waren ein Geschichtsprofessor, der sich der StörtebekerForschung verschrieben hatte, ein hoher Beamter der McPommBehörde für Denkmalsschutz und ein passionierter Schatzsucher geladen. Außerdem die Sprecherin der Störtebeker-Gesellschaft, der Okkultist »Mysterion« sowie ein Universitätsdozent, der bereits mehrere Fachbücher über versunkene Schätze sowie einen hanebüchenen Störtebeker-Roman verfaßt hatte. Der leicht stotternde Autor hatte sich zudem intensiv mit der Hanse befaßt. In ihren Glanzzeiten hatte dieser bekannte Kaufmannsbund des Mittelalters über tausend Kontore, Höfe und Niederlassungen in fast allen Ecken der Welt unterhalten. Meine Entdeckung des Störtebeker-Schatzes im Norden der Insel Usedom war eine Sensation gewesen. Nach der Bergung war ich nach Weimar zurückgekehrt und hatte dort keine ruhige Minute mehr gehabt. Die Medien suchten mich heim. Max Unruh, der Chefredakteur der »Weimarer Rundschau«, verlangte einen ausführlichen Bericht über die Schatzsuche. Ich lieferte eine Fortsetzungsgeschichte und wurde fair honoriert. Tja, es ging wohl aufwärts mit meinem Kontostand. Hoffentlich hielt diese Entwicklung an. Andere Zeitungen und sogar das Fernsehen standen mit mehreren Teams bei mir auf der Matte. Ich ließ mich interviewen - und kassierte… Auf Usedom, wo ich mit der Kontrolle des Schatzes beschäftigt gewesen war, den die Mecklenburg-Vorpommersche Landesregierung zuerst einmal unter Verwahrung nahm, hatte ich es aushalten können. In Weimar jedoch wurde mir der Medienrummel lästig. Auch besannen sich alle möglichen und unmöglichen Leute auf mich; alte Freunde, gute Bekannte, die meinten, ich sei nun stinkreich geworden und könne mit ihnen teilen. »Mark«, hörte ich öfter, »man hört wegen des StörtebekerSchatzes von riesigen Summen. Da das alles dir gehört, kannst du mir sicher aufgrund unserer alten Freundschaft mit ein paar tausend Mark unter die Arme greifen. Ich hatte so verdammtes Pech…« Manche von diesen alten Freunden und guten Bekannten hauten
fürchterlich auf die Kacke. Ein Schulkamerad, der als Volkspolizist und Stasi-Spitzel Karriere gemacht hatte und den heutzutage viele nicht mal mehr mit dem Hinterteil ansahen, jammerte mir fürchterlich einen vor. »Denk an unsere Schulfreundschaft, Mark«, lamentierte er. »Wir haben zusammen Fußball gespielt und sind im selben Sportverein gewesen. Gemeinsam sind wir zur Jugendweihe gegangen.« »Damals hatte ich mich schon von dir abgewendet, weil du deine eigenen Eltern bei der Stasi verpfiffen hattest«, sagte ich ihm auf der Weimarer Kulturmeile. »Weil sie Westfernsehen geschaut haben.« »Wie viele hast du nach Bautzen gebracht? In dieses berüchtigte Zuchthaus. Wem hast du alles die Firma Schleich und Horch auf den Hals gehetzt?« So hatte im DDR-Jargon der Staatssicherheitsdienst geheißen, mit Zentrale in Berlin und mit Mielke als oberstem Chef. »Wie viele Menschen hast du ins Unglück gestürzt und auf dem Gewissen? Falls du weißt, was das ist.« »Ich habe es für den Sozialismus getan«, behauptete der Schulkamerad. »Dann marschier hin zum Sozialismus und pumpe den an. Und geh mir aus den Augen. Mir wird übel, wenn ich dich sehe. Viele haben an den Sozialismus geglaubt. Doch es ist immer eine Frage der Menschlichkeit und des Charakters, wie sich jemand verhält, gleich unter welchem System. Dir hat es Spaß gemacht, Leute zu bespitzeln und ans Messer zu liefern. Du hast die Macht genossen, die dir deine Stellung verlieh, und sie weidlich ausgekostet. Die Quittung dafür hast du gekriegt.« Der Schulfreund versuchte sich zu verteidigen: »Es hat größere Verbrecher als mich gegeben. Von mir stammt der Schießbefehl an der Mauer nicht!« »Stimmt, der größte Verbrecher warst du nicht. Aber ein mieses, kleines Schwein, das Mitmenschen in den Ruin, ins Zuchthaus und sogar in den Selbstmord getrieben hat.« An diese Begegnung dachte ich, als ich im Fernsehstudio vor den laufenden Kameras saß. Ich war prominent geworden, und ich sonnte mich sogar etwas in dem Ruhm. Finderlohn hatte ich noch keinen gekriegt. Das einzige, was ich bisher erhalten hatte, das hatte ich einfach nicht hergegeben, war Klaus Störtebekers Schwert. Damit hatte ich den Teufel vom Nil, Seth-Suchos, hoffentlich endgültig getötet. Außerdem seinen
Butler, den Riesenkraken Destry. (Siehe MH 15, Ich fand Störtebekers Schatz). Auf der »Titanic« war ich zuerst auf die beiden gestoßen. (Siehe Band 14, Todesfracht auf der Titanic). Die Landesregierung von McPomm wollte zuerst einmal feststellen lassen, ob der von mir auf Usedom gefundene Schatz tatsächlich von dem Seeräuber Störtebeker stammte, wie die Rechtslage war, ob es noch andere gab, die Anspruch auf den Schatz erheben konnten, welchen Wert er exakt hatte… Die Gutachten würden dauern und viel kosten… Ich hatte mich umgehorcht. Auf zehn Prozent Finderlohn hatte ich angeblich Anspruch, wenn es sich tatsächlich um den Störtebeker-Schatz handelte. In Gedanken kaufte ich meinem hinterhältigen Vermieter bereits über einen Mittelsmann die Bude ab und setzte den kleinen Sachsen, der mich schon viel zu lange schikanierte, vor die Tür… Den Finderlohn konnte ich gut gebrauchen. Seit ich als Träger des Rings gegen die Mächte der Finsternis und das Böse kämpfte, hatte ich kein regelmäßiges Einkommen als Reporter mehr. Zwar hatte ich Honorare erhalten, von der Sippe des Earl of Dundee in Schottland (Siehe MH 6, Earl of Morlich - Schottlands Fluch), von der Berliner Kripo eine Aufwandsentschädigung für mein Auftreten bei der Vernehmung des aus dem 12. Jahrhundert gekommenen arabischen Kriegers Nasreddin al Mansur im Berliner Polizeipräsidium (Siehe MH 2, Berlin Alexanderplatz - vor 800 Jahren…) sowie vom Senat der Stadt Berlin, auf Umwegen über einen Sonderfonds, wegen meines Eingreifens im Kampf gegen Brutus Kasput, den König der Ghule, der mit seiner Tochter Medusa zusammen unter den Straßen der Hauptstadt sein Unwesen getrieben hatte (Siehe Band 13, Ghul-Alarm in Ostberlin). Doch keiner dieser Beträge war so hoch wie die aktuelle Honorarflut, die ich vorhin gerade angesprochen habe. Gern ließ ich mich von ihr überrollen… Tessa Hayden, meine Dauerfreundin, war trotzdem der Meinung, ich würde mich für meine mehr als lebensgefährliche Arbeit mit viel zu wenig Geld abspeisen lassen. Schließlich konnte ich bei einem der Aufträge nicht nur sterben, sondern auf ewig in der Hölle landen. Meinem Erzfeind Mephisto und anderen teuflischen Wesen zum Hohn und zur Qual ausgeliefert. Ich war aber nicht der Typ, um Geld zu feilschen, wenn es um die Bekämpfung dämonischer Mächte ging. Da
konnte ich mich nicht hinsetzen, vorher ein Honorar aushandeln und allem seinen Lauf lassen, bis dieses genehmigt wurde. Statt dessen stürzte ich mich erst einmal voll in die Action. Vielleicht mußte ich dazu übergehen, einen bestimmten Tagesspesensatz und ein Erfolgshonorar zu berechnen, wie Privatdetektive es taten. Ich war zuversichtlich. Das würde sich schon alles einpendeln. Das erstrangige Bestreben in meinem Leben war es, die Mächte der Finsternis zu bekämpfen, wo immer ich auf sie traf. Wir saßen in einer Gesprächsecke im Studio. Vor uns, auf ansteigenden Rängen, befanden sich die Sitzreihen der Studiogäste. Es war ein gemischtes Publikum - jüngere und ältere Personen aus unterschiedlichen Schichten. Moderatorin Linda Ronstadt legte Wert darauf, nicht nur die üblichen gutgekleideten Kopfnicker und Beifallsklatscher bei ihrer Talkund Unterhaltungsshow im Studio zu haben. So waren auch Punker mit bunten Haaren und andere Exoten anwesend. Linda Ronstadt frischte ihre Show mit Schlagersängern, Bands und Prominenten auf, die immer wieder mal auftraten oder zum Thema der Talk-Show interviewt wurden. Manchmal erschienen auch Überraschungsexperten oder von dem Abendthema direkt betroffene Personen, oftmals Kontrahenten. Bei Linda Bonstadt mußte man immer auf Überraschungen gefaßt sein. Sie war zudem bildhüsch, neunundzwanzig Jährchen jung, wasserstoffblond, mit langen, lockigen Haaren. Schlank, doch mit auffälligen Kurven. Immer topmodisch gekleidet, etwas schrill, was ihre Schönheit und ihren Sex-Appeal jedoch betonte. Die »Sonntagabend-Revue«, die vorher unter einem superklugen, ältlichen Talkmaster mit niederen Einschaltquoten dahinvegetiert war, hatte sie aufgepeppt. Böse Zungen behaupteten, dazu würden hauptsächlich die kurzen Röckchen und gewagten Tops Linda Ronstadts beitragen. Aber sie war intelligent und hatte immer einen kessen Spruch drauf. Linda Ronstadt konnte einen Nobelpreisträger genauso gut in ihre Talk-Show einbauen und interviewen wie eine schräge Popgruppe, was zweifellos ein Talent war, das zu entwickeln viel harte Arbeit erfordert hatte. Dazu besaß sie jenen Barbie-Puppen-Glamour, der heutzutage in den Medien in war. Zwischen Linda Ronstadt und mir funkte es von Anfang an. Obwohl sie sich völlig auf ihre Talk-Show konzentrierte, warf sie
mir immer wieder interessierte Seitenblicke zu und flirtete offensichtlich. Der Kurator des Amts für Denkmalsschutz und Altertumspflege von Mecklenburg-Vorpommern deklamierte umständlich, daß der auf Usedom von mir gefundene Schatz zwar aus der Zeit um das vierzehnte Jahrhundert stammte, es jedoch nicht erwiesen sei, daß Störtebeker damit zu tun hatte. Der Universitätsdozent und Autor hieb in die gleiche Kerbe. Er war neidisch auf mich, wie ich gleich gemerkt hatte. Zudem zog er Störtebekers Andenken in den Schmutz, indem er ihn einen gewissenlosen Banditen und Mörder nannte, dessen einziges Interesse es gewesen sei, seiner Mordlust zu frönen und sich persönlich zu bereichern. »Daß Störtebeker jemals Witwen und Waisen auch nur einen Heller von seiner Beute gab, sind Legenden und Märchen!« rief der bebrillte Autorendozent mit der schweren Hornbrille und dem schütteren Haar. »Es ist höchste Zeit, daß mit diesem romantischen Humbug aufgeräumt wird. Die Legenden vom einsamen Kämpfer gegen Tyrannenwillkür und Unrecht müssen beseitigt werden.« Mir kochte das Blut. Ich war persönlich mit Störtebeker gesegelt, dank einer Zeitreise (Siehe MH 10, Ich war Störtebekers Maat) und kannte ihn besser als jeder andere meiner Zeitgenossen. Ohne Klaus Störtebeker hätte ich niemals den Fliegenden Holländer vernichten und Tessa Hayden aus seinen Klauen im Jahr 1401 befreien können. Störtebeker hatte viel Blut vergossen, doch er war tapfer gewesen, ein treuer, unerschütterlicher Freund, und er hatte ein Herz für die Armen und Unterdrückten gehabt. Ein Großteil von dem, was er den Reichen nahm, hatte er an die Armen verteilt. Ich brachte Fakten auf den Tisch, auch solche, die ich aus persönlicher Erfahrung aus jener Zeit wußte. Die Sprecherin der Störtebeker-Gesellschaft, eine Waterkant-Blondine Mitte Dreißig, unterstützte mich. Der Geschichtsprofessor war unparteiisch. Der Okkultist Mysterion schwafelte hauptsächlich Unsinn, präsentierte diesen jedoch gekonnt geheimnisvoll. »Woher wußten Sie, wo Sie den Schatz zu suchen hatten, Herr Hellmann?« fragte Linda Ronstadt. Ich konnte im Fernsehen vor einer Unzahl von Zuschauern schlecht erzählen, daß mir Störtebeker persönlich auf seinem Schiff »Roter Teufel« das Schatzversteck verraten hatte. Also gab
ich an, alte Quellen studiert zu haben. Heiß ging es weiter mit Pro und Contra, Störtebeker-Schatz oder nicht. Schließlich hatte Klaus Störtebeker kein Dokument zu dem vergrabenen Schatz gelegt, daß er von ihm sei. Ich fragte kurzerhand, wenn nicht Störtebeker den Schatz vergraben hätte, wer es denn sonst gewesen sein sollte? Der Geschichtsprofessor, ein silberhaariger, distinguiert aussehender Mann, stimmte mir insoweit zu, daß es sich um einen Schatz aus den Kaperfahrten der Vitalienbrüder handeln müsse, wie jene Piraten um Störtebeker und Gödeke Michel damals genannt worden waren. Eine Gesprächspause folgte, in der eine Popgruppe aus Brandenburg auftrat, die seit einiger Zeit Erfolge feierte. Auch international. Drei Boys und ein Girl trugen ihren neuesten Hit »Pirate's Gold« vor. Auch von mir war darin die Rede, von einem Mann, der einen alten Piratenschatz fand. Ich fühlte mich sehr geehrt. Während dann im Fernsehen die übliche Werbung erfolgte, machte ich Linda Ronstadt ein paar Komplimente. Der Dozent und Autor stänkerte, nannte mich einen Sensationsmacher und sprach mir jede Ahnung von der Störtebeker- und Schatzmaterie ab. Ich grinste ihn an, denn ich war mit Klaus Störtebeker gesegelt. Ich hatte den Schatz gefunden, und auf meinen Freund Klaus ließ ich nichts kommen… Die Talk-Show ging nach der Werbepause weiter. Zu Hause in Weimar, was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wußte, giftete Tessa, eifersüchtig wie immer, über meine RonstadtKomplimente. Meine Zuneigung fiel mehr auf, als ich vermutet hätte. Tessa hatte einen siebten Sinn entwickelt, wie viele Eifersüchtige. Allmählich merkte sie schneller als ich, welche Frau mir gefiel. Nach der Pause drehte sich die Diskussion um den Krokodilsschädel am Mast des gesunkenen Hanse-Holks vor Usedom, den ich gleichfalls entdeckt hatte. Auch eine Riesenkrake war dort gefunden worden, von mir mit Störtebekers Schwert, das ich aus dem Mast gezogen hatte, zerstückelt. Ein Holk war die dreimastige Weiterentwicklung von einer Kogge, besser zu manövrieren, windschlüpfriger, wendiger und mit größerem Laderaum. Aus der Diskussion über den Krokodilsschädel - es war der Kopf des Dämons Seth-Suchos hielt ich mich heraus und behauptete, von nichts zu wissen.
Plötzlich strahlte mein silberner Siegelring auf! Er erzeugte ein Prickeln in meiner Hand. Magisch angezogen wanderte mein Blick ins Publikum ab. Dort saß jetzt, nur für mich in seiner wahren Gestalt zu erkennen, Mephisto, mein Erzfeind! Zuvor hatte da eine unauffällige Frau mittleren Alters gehockt. Ich wußte es ganz genau. Jetzt hatte der Teufel persönlich hier seinen Platz gefunden, drei Meter groß, mit Hörnern, Bocksgesicht, haarigem Körper, Schwanz und Pferdefuß. Er hielt einen Dreizack in der Hand. Ich spürte, daß es Mephisto war. Seine glühenden Augen schickten mir eine Botschaft. Hallo, Mark Hellmann, lautete sie. So sieht man sich wieder. Ich konnte ihn nicht einmal angreifen, nichts gegen ihn unternehmen. Sonst hätte ich mich im Fernsehstudio vor LivePublikum und laufenden Kameras entsetzlich blamiert. Hallo, Mefir, dachte ich, und ich wußte, daß er meine Gedanken empfing. Irgendwann rechnen wir ab, du verlogener Schuft. Deinem Unterteufel Samiel habe ich schon den Schwanz abgehackt. Du kriegst auch bald was auf die Hörner. Mephisto grinste verzerrt und stieß, nur für mich erkennbar, gelblichen Schwefeldampf aus. Daß ich ihn Mefir nannte - Lügner - gefiel ihm nicht. Ich war durch Mephisto abgelenkt worden und hatte in der Talkrunde eine Frage überhört, die sich auf Störtebekers Schwert Mannenköpper bezog. Linda Ronstadt wiederholte sie, und ich antwortete. Linda ließ Störtebekers Schwert bringen, das im Nebenraum bewacht worden war. Die Klinge mit dem handwerklich schön gearbeiteten Schwertgriff und dem nach außen gebogenen, am Ende geteilten Parierblatt hatte für mich hauptsächlich ideellen Wert. Daß dies Störtebekers Schwert sei, dessen Aussehen überliefert und aufgezeichnet worden war, bezweifelte selbst mein ärgster Kritiker, der mißgünstige Dozent und Autor, nicht. Ein europäischer Sammler hatte mir bereits einen horrenden Betrag für das Störtebeker-Schwert geboten. Doch um nichts in der Welt hätte ich dieses Schwert hergegeben. Linda Ronstadt fragte mich wegen des strahlenden Rings. »Was ist das für ein ausgefallener Schmuck? Wo kann man den bekommen?« »Es ist eine Spezialanfertigung«, antwortete ich der bildhübschen Moderatorin.
Sie lächelte und fuhr sich mit der Zungenspitze über die vollen roten Lippen. »Darüber sollten wir uns einmal persönlich unterhalten, Mark. Sie gefallen mir. Sie gefallen mir sogar sehr.« Deutlicher ging es nicht mehr. Tessa in Weimar, vor dem Fernseher in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung, kriegte Zustände. Wenn ich mein Handy eingeschaltet gehabt hätte, hätte es jetzt Sturm geklingelt. Später erfuhr ich, daß Tessa den Sender, der die Talk-Show zur besten Sendezeit brachte, wütend anrief. »Es ist eine Zumutung für die Zuschauer, wie die die Männer anbaggert«, lautete ihr harmlosester Kommentar. Ich wies den Autor und Dozenten zurecht. Auf Störtebeker ließ ich nichts kommen. Mephisto saß immer noch höhnisch grinsend im Publikum. Gern hätte ich Störtebekers Schwert mit meinem Ring in eine magische Waffe verwandelt und wäre damit auf ihn losgegangen. Doch das riskierte ich lieber nicht, ich wollte nicht in eine Zwangsjacke gesteckt und in die Psychiatrie eingewiesen werden. Während der Talk-Show meldeten sich interessierte Zuschauer zu Wort. Auch Mephisto, für die Studiogäste und die Fernsehzuschauer als unscheinbare Frau zu erkennen, hob seine Hand. Die Kamera schwenkte zu ihm. »Was sind Sie denn von Beruf, Herr Hellmann?« fragte der Höllenpaladin. »Vorhin haben Sie sich als Reporter bezeichnet. Zudem sind Sie Schatzsucher. Könnten Sie mir Ihren Werdegang etwas genauer erläutern? Ich bin nur eine kleine Beamtin, die redlich Tag für Tag ihre Pflicht tut. Schillernde Persönlichkeiten wie Sie kann ich nur schwer einschätzen.« Mephistos Hohn war speziell für mich dick aufgetragen. Er hatte mich und Tessa auf der »Titanic« so übel hereingelegt, daß ich ihm deswegen grollte. Er hatte so übel gelogen und betrogen, wie es schlimmer nicht ging, vor allem mit einer solchen Abgebrühtheit und Selbstverständlichkeit, daß es sogar mich entsetzte. »Was willst du denn?« hatte er sinngemäß zu mir gesagt, als ich ihn deswegen zur Rede stellte, in Todesgefahr, auf dem letzten Loch pfeifend. »Du weißt doch, wie ich heiße, du Lügenverbreiter. Was hast du denn erwartet, Freundchen?« Eine Weile hatte ich geglaubt, daß Mephisto Stil besäße und so etwas wie einen höllischen Ehrenkodex beachten würde. Daß ihn sein Stolz dazu verpflichten würde, sein gegebenes Wort zu
halten. Jetzt wußte ich, daß er ein ganz übler Betrüger war, dem man nicht über den Weg trauen durfte. Durch Glück und Können hatte ich es geschafft, wieder in die Gegenwart zu gelangen und Tessa aus Mephistos Gewalt zu befreien. Jetzt sollte ich auf seine Fragen antworten und zudem noch freundlich sein, wie man es vom Hauptgast der, Talk-Show gegenüber einem weiblichen Studiogast, wie er ihn darstellte, erwartete. Ich erzählte also, was ich für gut hielt, wobei ich mich an die alte Jesuitenregel hielt: Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. Dann versuchte ich, Mefir hereinzulegen. »Gnädige Frau, ich will Ihnen einmal Störtebekers Schwert zeigen. Würden Sie dazu bitte auf die Bühne kommen?« Die Moderatorin schaute mich skeptisch an und deutete auf die Studiouhr. Keine unnötigen Abschweifungen, bedeutete dieser Blick. Unsere Zeit ist knapp! Mephisto erwiderte: »Lieber Herr Hellmann, würden Sie sich bitte zu mir bemühen? Ich hatte leider einen Unfall und bin gehbehindert. Ich kann nur unter Schmerzen aufstehen.« Ich stand also auf und ging von der Bühne. Mein Ring strahlte stärker, als ich mich Mephisto näherte. Alle anderen sahen ihn in einem billigen Kostüm als unscheinbare Frau, total aufgeregt, einmal im Leben im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen. Dann stand ich vor ihm, das Schwert in der Faust. Rasch aktivierte ich den Ring an meinem Hexenmal und schrieb mit dem Laserstrahl das keltische Wort für »Waffe« auf das Schwert. In Runenbuchstaben! Mephisto riß seinen Rachen auf, groß wie eine Pforte zur Hölle, um mich zu verschlingen. Und er blies mir seinen stinkenden Atem entgegen. »Der Firlefanz nützt dir nichts, Ringträger«, grollte er, was nur ich hörte. »Ich verschlinge dich - du wirst in die Hölle fahren und tausend mal tausend Jahre Qualen erleiden, nur als ein Vorgeschmack.« »Seth-Suchos, deinen gefürchteten Rivalen, hat dieses Schwert den Kopf gekostet, Mefir«, antwortete ich. »Mal sehen, wie dir Störtebekers Klinge schmeckt.« Damit holte ich zu einem sausenden Hieb aus. Die Studiogäste, Talk-Show-Moderatorin und -teilnehmer sowie das technische Personal schrien entsetzt auf. Mephisto streckte seine
Höllenklauen nach mir aus. Sein riesiger Schlund schnappte nach mir, und ich stieß den Mannenköpper mit voller Kraft hinein… * Etliche Stunden zuvor war es in der Unglücks-Boeing wie folgt weitergegangen: Der Jumbo-Jet flog automatisch gesteuert durch den leuchtenden Nebel. Die Kontrollinstrumente im Cockpit zeigten überhaupt nichts mehr an. Die Cockpit-Crew duckte sich vor Stratophanus, dessen Totenkopf sie mit den rotgeschminkten Lippen höhnisch angrinste. Blutüberströmt saß der Captain in seinem Sitz. Tot! Unter den Passagieren war Unruhe entstanden, seit nur noch milchiger Nebel um das Flugzeug herum zu erkennen war. Entsetzt fragten die Passagiere das Bordpersonal, was das zu bedeuten hätte. Eine Stewardeß rief deshalb im Cockpit an, und als nicht abgenommen wurde, eilte sie dorthin. Ann Downey klopfte an die Cockpittür. Niemand antwortete. Als sie zu öffnen versuchte, war die Tür verschlossen, eine übliche Vorsichtsmaßnahme gegen Hijacker. Während Mrs. Downey noch überlegte, was sie tun sollte, hörte sie entsetzte Schreie aus der Economy Class. Sie eilte sofort wieder hinunter. Ein schreckliches Bild bot sich ihr dort. Zwei Luftpiraten waren an Bord der Boeing. Sie hatten die Maschine gerade in ihre Gewalt bringen und in die kubanische Hauptstadt entführen wollen, als der milchige Nebel auftrat. Deshalb hatten sie gezögert. Doch jetzt wollten die beiden jungen Männer ihren Plan verwirklichen. Der eine war hell, der andere dunkel gekleidet. Carlos Fuentes, der dunkel Gekleidete, hatte eine aus Kunststoffteilen nachgebaute Scorpion-MPi, eine mörderische Waffe, die HighSpeed-Geschosse im Kaliber .223 ausspuckte. Sein Komplize Armando Castangeira hielt eine ebenfalls aus Kunststoff bestehende, nicht weniger tödliche Pistole mit beiden Händen. Die Flugzeugentführer standen im Mittelgang, der eine vorn, der andere in der Mitte. Zudem befand sich ein bewaffneter Flugbegleiter der QUAm an Bord. Dieser mit einem 38er Revolver bewaffnete Mann glaubte eine Chance zu haben. Er trug Zivil und reiste als normaler Passagier. Vorsichtig holte er seinen 38er aus
der Klemmhalfter im Hosenbund. »Achtung, das ist eine Flugzeugentführung!« rief Fuentes laut. »Wir sind schwer bewaffnet und haben auch Handgranaten! Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, sprengen wir die Maschine! Dann überlebt niemand!« »Das kann nicht Ihr Ernst sein!« antwortete Mrs. Downey dem akzentuiert Englisch sprechenden Hijacker. »Was verlangen Sie?« »Diese Maschine fliegt nach Havanna!« brüllte Fuentes, dessen lackschwarze Haare am Hinterkopf zu einem Schopf zusammengefaßt waren, »Oder zur Hölle mit allen an Bord!« »Klar fliegt sie zur Hölle, du Großmaul«, sagte nun eine weibliche Stimme. Bevor einer der Hijacker fragen konnte, wer diese Bemerkung gemacht hatte, sprang der Flugbegleiter von seinem Sitz auf, den 38er Smith & Wesson im Combatanschlag. Der Flugbegleiter, ein langer, dünner, doch äußerst drahtiger Mann hatte sein Schießeisen mit Weichbleigeschossen geladen. Sie durchschlugen nicht die Kabinenwand, reichten jedoch aus, um einen menschlichen Gegner niederzustrecken. Die Hijacker nahmen solche Rücksichten nicht. Sie gingen aufs Ganze und nahmen in Kauf, daß das Flugzeug abstürzte und alle an Bord starben. Fanatismus beeinträchtigte ihr Denken. Der Flugbegleiter beging den Fehler »Hands up!« - Hände hoch zu rufen. Fuentes feuerte einhändig und blitzschnell. Der Feuerstoß traf den Security Man in den Oberkörper und warf ihn gegen die Rückenlehne des Sitzes hinter ihm. Im Reflex zog der Flugbegleiter durch. Sein Revolver krachte, die Kugel traf die Kabinendecke und schlug sich an ihr platt. Der Flugbegleiter war schon tot, als er in sich zusammensackte. Er begriff nicht mehr, welchen Fehler er begangen hatte. Außer ihm war zum Glück niemand getroffen worden. Doch eine Kugel aus Fuentes' MPi hatte die Kabinenwand durchschlagen. Die Luft zischte hinaus. Jetzt mußte etwas geschehen! Das Zischen war nervenzerfetzend. Passagiere schrien entsetzt auf, duckten sich in die jeweils fünfsitzigen Reihen und schützten den Kopf mit den Armen, als ob sie sich verkriechen wollten. Ann Downey rief, die Passagiere und auch die Hijacker sollten die Ruhe bewahren. Das Herz der Stewardeß hämmerte bis zum Hals, als sie die Leiche des Flugbegleiters sah. Sie hatte den Mann gut und sehr nahe gekannt.
Fuentes riß sein Sweatshirt mit Reißverschluß auf. Mit den Handgranaten hatte er nicht geblufft. Um die Taille trug er tatsächlich einen Spezialgürtel mit Handgranaten. Die Metalldetektoren und Durchleuchtungsschleusen bei den Flughafenkontrollen hatten weder die Schußwaffen samt Munition noch die Handgranaten der Hijacker angezeigt. Alles war aus einem speziellen Kunststoffmaterial gefertigt, das gerade erst die Forschungslabors des amerikanischen CIA verlassen hatte. Der vorn im Mittelgang stehende Armando Castangeira, ein kleiner, doch sehr kräftig gebauter Mann mit reichlich Negerblut in den Adern, folgte Fuentes Beispiel. Auch er hatte einen Gürtel mit Handgranaten. »Nach Havanna!« verlangte er. Er wandte sich an die Stewardeß. »Stopf das verdammte Kugelloch zu. Was bedeutet der milchige Nebel, durch den wir fliegen? Er leuchtet so seltsam. Was für ein verdammter, dreckiger Trick von euch Yankees ist das?« »Kein Trick«, antwortete Ann Downey mit unmodulierter Stimme. »Wir von der Bordcrew wissen selbst nicht, was los ist. Wir können nicht rein ins Cockpit. Es muß mit dem Bermuda-Dreieck zusammenhängen. Irgend etwas ist nicht in Ordnung.« Castangeira hatte von den seit Jahrhunderten im BermudaDreieck verschwundenen Schiffen und Flugzeugen gehört. Er kannte die Theorien, die vom Wirken Außerirdischer bis zu Dimensionslöchern und gigantischen, uralten Kraftanlagen auf dem Meeresgrund reichten. Von Riesenkristallen zum Beispiel, die noch von Atlantis stammten, das zwölftausend Jahre vor Christi Geburt untergegangen sein sollte. Der Mensch, wie er jetzt war, wußte wenig von den Vorläufern seiner Zivilisation, die bis in die Saurierzeit und lange davor existiert hatten. Castangeira lachte heiser. »Blödsinn, Bermuda-Dreieck!« rief er und fügte spanische Verwünschungen hinzu, während verschiedene Passagiere vor Angst bibberten. »Das sind alles Ammenmärchen, so wie die von den UFOs. - Uns legt ihr nicht rein. Carlos, ich gehe jetzt ins Cockpit und setzte dem Piloten die Kanone an den Schädel. Wenn der Kerl nicht pariert, puste ich ihn um.« »Du wirst niemanden umpusten«, meldete sich die Frau wieder,
die schon zweimal gesprochen hatte. »Wir, die Streamer, haben den Jumbo-Jet übernommen. Wir scharfen ihn in unser Reich, wie schon viele andere Schiffe und Flugzeuge zuvor.« »Wer behauptet das?« schrie Fuentes. »Los, aufstehen!« Er bedachte die Sprecherin mit einem üblen spanisches Schimpfwort. Tatsächlich stand eine Frau auf und kam in den Mittelgang. Sie trug exklusive Klamotten und sah aus wie eine Lady aus der High-Society. Und so war auch das Auftreten der Dreißigjährigen. »Sind Sie lebensmüde, Lady?« fragte Castangeira und bedrohte sie mit der Pistole. »Du armseliger Scheißer«, entgegnete die Lady, was schlecht zu ihr paßte. »Ich bin Aeolia, eine Streamerin, eine Dämonin der Lüfte. Ich und mein Bruder Stratophanus bestimmen, was hier an Bord geschieht.« Vor den Augen der fassungslosen Zuschauer verwandelte sie sich von einer harmlos aussehenden Frau in ein Monster. Im Gegensatz zu Stratophanus hatte sie keinen Schlapphut auf, sondern trug ihre rote, buschige Haarmähne offen. Lang hing sie von ihrem Totenschädel herab. Auch ihr Mund war knallrot geschminkt. Sie trug ein Cape in Schwarz, innen war es rot, und sie hatte ein Trikot an, mit demselben Zeichen wie Stratophanus! Unter dem Trikot zeichneten sich üppige weibliche Formen ab, ein Superbusen! Aeolia hatte bestimmt Oberweite 115 und kam tief ausgeschnitten daher. Ein Skelett war sie nicht. Ihre roten Augen glühten die Hijacker an. »Setzt euch hin und haltet die Klappe, ihr beiden!« befahl sie. »Wenn ihr eure Waffen abliefert und euch benehmt, will ich euren Auftritt hier vergessen.« Sie trat gegenüber den Hijackern auf wie die strenge Lehrerin, die dumme Buben zurechtwies. Castangeiras Gesicht lief rot an vor Zorn. »Ich knalle dich ab!« schrie er. Bevor er abdrücken konnte, rasten zwei dolchspitze Messerklingenfinger der Jet-Stream-Dämonin auf ihn zu. Sie trafen ihn tödlich. Der Hijacker brach zusammen und hauchte sein Leben aus. Carlos Fuentes konnte es nicht fassen. Mit weitaufgerissenen Augen starrte er die Frau mit dem grellweißen Totenkopf an, die auf ihn zuschritt. Grausam glühten ihre roten Augen. Ihre Scherenhände klapperten drohend. Fuentes wich zurück. Aeolia folgte ihm.
»Faß mich nicht an!« stieß der Luftpirat aus. »Bleib stehen, oder ich schieße!« »Schieß doch!« hetzte ihn Aeolia auf. »Drück doch ab, wenn du es dich traust.« Mit zitternder Hand drückte der Exil-Kubaner ab. Die nachgebaute Scorpion-MPi ratterte und spuckte ihre tödlichen Geschosse gegen Aeolias Brust. Funken stoben wie bei einer elektrischen Entladung. Die Projektile verglühten, bevor sie die Streamerin trafen. Aeolia grinste nur. Fuentes ballerte sein Magazin leer, doch sämtliche Geschosse lösten sich auf. Wieder schrien Passagiere in Todesangst. Die beherzt aufgetretene Stewardeß hatte hinter einer Sitzreihe Deckung gesucht. Sie rief Fuentes zu, daß er mit Schießen aufhören sollte. Doch weder der Luftpirat noch die Frau mit dem Totenkopf und den Scherenhänden beachteten sie. Fuentes warf der Dämonin die leergeschossene MPi entgegen. Aeolia fing sie in der Luft auf und zerschnitt sie mit ihren Scherenhänden wie mit einer Metallschere. Verächtlich warf sie die Reste zu Boden. Fuentes taumelte gegen die Wand am Ende des Mittelgangs, wo die Bordküche und links und rechts Toiletten waren. Dem Luftpiraten zitterten die Hände derart, daß er kaum noch aktionsfähig war. Mit Mühe gelang es ihm, zwei Handgranaten von seinem Gürtel zu lösen. Den Sicherungsstift der einen zog er mit den Zählen heraus, den der anderen mit dem Mittelfinger. Noch drückte er beide Bolzen nieder, damit die zwei Handgranaten nicht explodieren konnten. »Wenn du mich Anfaßt, jage ich uns alle beide in die Luft, du Ungeheuer!« stammelte er totenbleich vor Entsetzen. »Dann zerreißt es die Kabine, und die Maschine stürzt ab.« »Jämmerlicher Mensch, was nützen dir technische Mittel? Gar nichts wird abstürzen. - Da!« Die rechte Scherenhand Aeolias zuckte vor und fügte Fuentes eine klaffende Wunde zu. Der Exil-Kubaner sah sein Blut fließen und wußte, daß er verloren war. Wilder Trotz stieg in ihm auf. Wenn er schon sterben sollte, dann nicht allein. Er ließ die beiden Sicherungsbolzen los und warf Aeolia die abgezogenen Handgranaten ins Gesicht. »Nimm das, du Ungeheuer!« Die Dämonin lachte ihn aus. Harmlos und ohne zu explodieren
fielen die Handgranaten zu Boden und rollten unter Flugzeugsitze. Fuentes brach der kalte Schweiß aus. Jetzt wußte er nicht mehr weiter. »Gnade!« rief er. Aeolia lachte. Fuentes floh vor ihr in die Bordküche. Zwei Stewardessen drückten sich an die Wand. Das nackte Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Mit klappernden Scherenhänden schritt Aeolia näher - wie die Apokalypse selbst. Fuentes lief der kalte Schweiß über den Rücken. Mit dem Mut der Verzweiflung riß er eine Whiskyflasche aus dem Kühlschrank und zerschlug sie an der Wand. Mit der Flaschenscherbe, die gezackt aus seiner rechten Hand ragte, stellte er sich Aeolia entgegen. Auf die Weise konnte er in Miami oder Havanna bei Kneipenschlägereien Raufbolde beeindrucken. Aeolia aber nicht. Sie kam immer näher. »Stirb!« fauchte sie. Fuentes versuchte immerhin, sich zu wehren. Doch mit seiner Flaschenscherbe hatte er nicht mehr Chancen als eine Maus gegen die Katze. Die rasiermesserscharfen, mehrgliedrigen Finger zuckten blitzschnell durch die Luft. Fuentes brach röchelnd zusammen. Seelenruhig wischte sich Aeolia die blutigen Scherenhände an einem Vorhang ab. Sie zischte den beiden Stewardeßen zu, sie sollten sich ruhig verhalten. Dann ging sie wieder nach vorn. Mit einem ihrer Messerfinger, der sich in einen Stöpsel verwandelte, dichtete sie das Kugelloch in der Kabine ab. Wieder schrien Passagiere auf und starrten fassungslos aus den Fenstern. Geflügelte Wesen, ähnlich anzusehen wie Aeolia und der männliche Streamer im Cockpit, flogen im milchigen Nebel herbei. Sie setzten sich auf die Tragflächen der Boeing. Die Spannweite der Jumbo-Flügel betrug fast sechzig Meter. Dutzende von weniger stofflich als Stratophanus und Aeolia wirkenden Streamern fanden mühelos darauf Platz. Immer mehr dieser seltsamen Wesen flogen herbei und besetzten die Maschine. Es schlüpften sogar welche, gasförmig werdend, in die mächtigen Triebwerke! Es war, als ob sie ein schreckliches Spiel spielten. Mit rotglühenden, gierigen Augen starrten die Streamer ins Flugzeug hinein. Ihre mordlüsternen Blicke gingen den Passagieren sowie der Bord- und Cockpit-Crew durch und durch. Die kubanischen
Luftpiraten waren gegen die Jet-Stream-Dämonen harmlose Wichte gewesen. Eine blecherne Stimme tönte nun aus den Lautsprechern. Jeder an Bord verstand sie in seiner Muttersprache. »Achtung, Achtung, hier spricht Stratophanus! Wir haben die Maschine übernommen. Ihr seid jetzt im Reich der Streamer, die sich seit jeher im Bermuda-Dreieck ihre Opfer holten. Wer sich wehrt, stirbt einen gräßlichen Tod.« »Und wer sich nicht wehrt, was geschieht mit dem?« fragte Ann Downey, die Stewardeß. Aschfahl und zitternd, obwohl sie sich zusammennahm, um ihre Pflicht zu erfüllen. Sie erhielt keine Antwort. Dafür setzte Stratophanus die Durchsage fort. »Das Flugzeug erreicht in Kürze seinen Bestimmungsort. Bleibt ruhig auf euren Plätzen.« »Wohin verschleppt ihr uns?« fragte Ann Downey. Sie erhielt abermals keine Antwort. Die Triebwerke waren nun völlig ausgefallen, ihr verändertes Geräusch verstummt. Dann geschah erneut etwas Unvorhergesehenes. Ein achtjähriges, blondes Mädchen, im blauen Kleid, stand von seinem Platz auf, ihre Puppe, die Eisprinzessin-Barbie, mit einer Hand haltend. Das Kind zeigte mehr Mut als die Erwachsenen oder war vielleicht auch nur ahnungslos. Das kleine Mädchen stellte sich vor die schreckliche Streamerin Aeolia hin und sagte: »Ich bin Sue Goldfield, acht Jahre alt, und ich fliege schon ganz allein. Meine Mom soll mich in Miami abholen. - Warum haltet ihr uns auf?« Stewardeßen und Passagiere hielten den Atem an, als Aeolia dem Kind mit ihren Scherenhänden drohte. Sue Goldfield war von ihrem Vater in New York zur Maschine gebracht worden. »Setz dich hin, Ann!« fauchte Aeolia. »Oder du wirst es bereuen.« »Nein«, sagte Sue trotzig. »Ich will, daß ihr uns in Ruhe laßt!« Da entriß ihr Aeolia die Barbie-Puppe und zerschnitt und zerfetzte sie mit den Scherenhänden. Sue schrie auf: »Meine schöne Barbie! Du böse, böse Hexe!« Mit diesen Worten sprang sie vor, schlug mit ihren kleinen Fäusten auf die Streamerin ein und trat mit ihren Füßen gegen Aeolias Schienbeine. Die Dämonin spürte das überhaupt nicht, wurde jedoch prinzipiell böse, weil ein Mensch es wagte, sie anzugreifen. Ehe sie jedoch Sue packen konnte, sprang die Stewardeß Ann dazwischen und stellte sich schützend vor Sue.
»Wenn du jemanden umbringen willst, Monster, nimm mich!« sprach die dreiunddreißigjährige Ann. In ihr Schicksal ergeben stand sie da. Aeolias Messerfinger klapperten. Etwas von Fuentes' Blut haftete noch daran. »Setzt euch alle beide«, befahl die Streamerin. Die Stewardeß gehorchte sofort. Sie preßte Sue an sich und ließ sie nicht mehr los. Die Achtjährige schluchzte vor Angst, die sie jetzt doch hatte, und vor Zorn. »Meine schöne Barbie«, sagte sie hinter Aeolias Rücken. »Dad hat sie mir gerade erst in New York gekauft. Das sage ich ihm. Dann kannst du was erleben, du böse Hexe.« Das Kind, noch an Märchen gewohnt und die Welt mit anderen Augen betrachtend als die Erwachsenen, kam mit der Situation besser zurecht als die Großen. Die Streamer waren jedoch keine Märchenfiguren, sondern echte, grausige Dämonen und Realität. * Im letzten Moment stoppte ich und wich zurück. Mephistos Rachen klappte zu. Wir standen uns gegenüber, ich mit dem leuchtenden Ring und dem Schwert, Mephisto als drei Meter große Teufelsgestalt mit abnorm großem Maul. Wir starrten uns an, Todfeinde, die wir waren. Ich zischte Mephisto zu: »Verschwinde, oder ich schlage dir deinen verdammten Kopf herunter!« »Mit dem Zahnstocher hast du keine Chance gegen mich«, antwortete er. »Ich fresse dich, Hellmann. Wie kannst du es wagen, mir so die Stirn zu bieten?« Wäre es nicht in einem Fernsehstudio gewesen, dazu bei einer Liveübertragung, ich hätte ihn angesprungen. Doch alle anderen sahen noch immer in ihm die harmlose Senatsbeamtin. Die Spannung zwischen Mephisto und mir war fast körperlich greifbar. Er zeigte mir seine gespaltene schwarze Zunge. »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, Mark Hellmann«, raunte Mephisto in meinem Gehirn. »Irgendwann wird mir dein Ring gehören. Zwei von der Sorte habe ich schon. - Zwei Ringe, die Menschen zu quälen… - Menschlein, Menschlein klein, worauf ließest du dich ein?« »Verschone mich mit deinen miserablen Reimen, Mefir«,
erwiderte ich. »Du bist in der Hölle nur Durchschnitt. Wenn Goethe dich nicht in seinem Faust erwähnt und publik gemacht hätte, wärst du noch immer unbekannt. Ein Nichts.« Mephistos Augen glühten stärker. Ich verletzte ihn in seiner Eitelkeit. Ich verhöhnte ihn absichtlich, um ihn zu einer unüberlegten Handlung zu verleiten. Denn ich wußte genau, daß er einer der Größten in der Hölle war. Eine Weile hatte ich ihn für den Allergrößten des Höllenadels gehalten, gefährlicher und agiler noch als Lucifuge Rofocale, den Höllenkaiser Luzifer. Ich konnte meinen Gegenüber nicht aus der Reserve locken. Gern hätte ich es fertiggebracht, daß Mephisto uns irgendwo hinversetzte, wo wir allein waren und unsere Fehde austragen konnten, ohne Unbeteiligte dabei zu gefährden. Mephisto schwieg jetzt. Nur seine Augen funkelten mich voller Höllenglut haßerfüllt an. Dann verwandelte er sich auch für mich in eine harmlos wirkende Frau. Mein Ring hörte daraufhin zu leuchten auf. Er tarnte sich völlig, ein Zeichen, daß er dem Kampf auswich. Daraufhin kehrte ich zu der Sitzgruppe mit der Moderatorin und den übrigen TalkShow-Gästen zurück. Die ansteigenden Ränge mit den Sitzplätzen der Studiogäste umgaben sie halbrund. Linda Ronstadt hatte den Ton abschalten lassen. »Was in aller Welt hast du da nur getan, Mark?« fragte sie. »Und weshalb leuchtet das Schwert plötzlich?« »Ich habe der Dame nur Störtebekers Schwert gezeigt und ein paar Ausfallschritte erläutert«, erklärte ich. »Mitten im Publikum? Es hätte jemand verletzt werden können.« »Ich weiß schon, was ich tue. Das Schwert leuchtet. Nun ja, es leuchtet eben.« Wer viel erklärte, verriet viel. Die Talk-Show ging weiter. Ich hatte den Autor und Dozenten in seine Schranken verwiesen. Manchmal wagte er noch einen Ausfall und hetzte und polemisierte. Dann grinste ich ihn nur breit an und schwieg, was ihn am meisten wurmte. Es zeigte ihm nämlich, daß ich ihn nicht ernst nahm. Für ihn, einen, der immer im Mittelpunkt stehen und allen anderen überlegen sein wollte, war das schlimm. »Was hältst du von dem letzten Vorfall im Bermuda-Dreieck, Mark?« fragte Linda Ronstadt. »Gestern verschwand eine vollbesetzte Boeing 747 spurlos. - Du gibst an, ein Okkultist zu sein, also das Verborgene zu entdecken und dich mit
Geheimwissenschaften zu befassen. Wer oder was ist nach deiner Meinung für das Verschwinden zahlreicher Schiffe und Flugzeuge im Bermuda-Dreieck verantwortlich?« Ich antwortete ehrlich: »Das weiß ich nicht. Mit dem BermudaDreieck habe ich mich noch nie intensiv auseinandergesetzt. Daher kann ich nur mit einem Shakespeare-Zitat antworten: Er gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen läßt.« Die Talk-Show endete für mich positiv. Ich war nun auch breiteren Schichten in der Bevölkerung bekannt. Die rassige Moderatorin bat die Gäste der Talk-Show noch zu einem Drink in ein nahes Prominentenlokal. Ein paar Reporter paßten uns ab. Ich war selber einer und wußte, daß sie auf die Fotos und möglichst ein Interview angewiesen waren. Die Blitzlichter zuckten. Und wegen der netten Stimmung legte ich einen Arm um Linda Ronstadt… Ins Lokal hinein durften die Reporter nicht, Ordner wiesen sie ab. Ich saß mit Sweet Linda, wie sie auch genannt wurde, und den anderen eine Weile am Tisch. Störtebekers Schwert hatte ich in der Requisitenkammer des Senders abgegeben und wollte es am nächsten Morgen abholen. Das hätte mir noch gefehlt, mit dem Schwert ins Lokal zu ziehen, was seit des Hörnernen Siegfrieds Zeit aus der Mode war. Der Dozent und Autor giftete vor sich hin. »Woher nehmen Sie eigentlich die Sicherheit, mit der Sie behaupten, Störtebekers Beweggründe zu kennen und mit Detailkenntnissen über die Vitalienbrüder und anderes aufzuwarten?« fragte er. »Sie reden, als ob Sie dabeigewesen seien.« »Vielleicht war ich das«, antwortete ich. Er glaubte wieder, ich wollte ihn auf den Arm nehmen, und war noch verstimmter als vorher. Jetzt wurde vom Sender die Einschaltquote bekanntgegeben. Die repräsentative Auswertung war schon beendet. Linda Ronstadt jubelte, wurde von Fernsehprominenten beglückwünscht und drückte mir einen Kuß auf den Mund. »Du bist ein echter Renner, Mark. Wir haben meinen bisherigen Rekord noch übertroffen.« »Vielleicht sollte man noch andere Quoten testen?« bemerkte ich. In Lindas Augen kam ein gewisses Leuchten. »Ist da auch ein Rekord drin?« fragte sie.
»Probieren geht über studieren. Ich bringe immer Bestleistungen…« Die Zunge ging einfach mit mir durch. Linda Ronstadt wurde neugierig. Wir verabschiedeten uns bald, ich zuerst. Linda folgte bald darauf. Ich stand auf der Straße, die Hände in die Taschen meines leichten Mantels gesteckt, als Linda mit ihrem Sportwagen heranbrauste und vor mir eine Vollbremsung machte… »Ich kann dich beim Fernsehen groß rausbringen, Mark«, rief sie. »Du bist telegen, intelligent und sportlich…« »Wir haben schon zu viele Showmaster«, antwortete ich. »Ich habe ein anderes Metier.« »Lehne es nicht so cool ab. Mein Angebot ist ernst gemeint.« »Besser cool als schwul«, erwiderte ich. »Wir können trotzdem Freunde sein und uns ab und zu sehen, wenn ich in Berlin bin. Deswegen muß ich nicht gleich beim Fernsehen arbeiten…« Die Gedanken an meine Dauerfreundin Tessa hatten meine Wünsche durchkreuzt. Klar wollte ich der geilen Linda mal so richtig zweigen, was Mark alles kann, doch ich hatte Tessa wieder mal versprochen, ihr in Zukunft treu zu bleiben… »Mark, ich weiß nicht, woran ich bei dir bin.« Mit diesen Worten rauschte Linda davon. Da fiel mir die Traumvision ein, die ich zu Anfang meiner Laufbahn gehabt hatte, noch ehe ich auf Dracomar und auf Mephisto stieß. »Folge dem Ring«, hatte eine wohltönende, erzene Stimme aus einem strahlenden Licht heraus zu mir gesagt. »Tue, was recht ist. Sei tapfer, aber auch demütig. Schütze die Schwachen und beuge dich nicht vor der Willkür der Mächtigen, noch vor der Satansmacht und den Kräften der Finsternis, Unwesen und Dämonen. - Verzichte auf irdischen Ruhm und erfülle, was dir bestimmt ist. Laß dich nicht abhalten durch Verführungen und Reichtum, meide das schlaffe Wohlleben und gehe den schweren Weg.« Ganz würde ich diesen hohen Anforderungen niemals gerecht werden. Ich war kein Parsifal, der in Reinheit nach dem Gral suchte, noch hatte ich das Zeug zu einem Asketen und Mönch. Die Frauen waren meine große Schwäche, ich hatte auch noch andere Fehler. So konnte ich mich nur schwer unterordnen, war rastlos, immer getrieben, unterwegs und auf dem Sprung.
Außerdem war ich ein Gerechtigkeitsfanatiker, mochte Unrecht nicht hinnehmen, ob es nun mir oder anderen zugefügt wurde. Wäre mein Adoptivvater Ulrich Hellmann, damals noch als hoher Kripobeamter tätig, nicht mehrfach für mich eingetreten und bis zu höchsten Stellen gegangen, hätte es sehr schlecht für mich ausgehen können. Dann wäre ich in einem Umerziehungslager gelandet. Die Stasi hatte mich sowieso bespitzelt, weshalb ich einmal zu nächtlicher Stunde zwei Stasi-Spitzel, die mir hinterherschlichen, im Park an der Ilm abpaßte, mit den Köpfen zusammenhaute und von der Steinbrücke in den Fluß warf. Nach der Wende 1989, als alles freier zuging, hatte ich es leichter. Nach Abschluß meines Völkerkunde-Studiums hatte ich einen vielversprechenden Job als Wissenschaftlicher Assistent beim Museum für Völkerkunde in Berlin aufgeben müssen. Ich war mit den verkrusteten Institutionen am Institut nicht zurechtgekommen, daß ein Professor grundsätzlich mehr recht hatte als ein Assistent… Danach hatte ich mich als freier Reporter und Fotoreporter durchgeschlagen, bevor im Sommer '98 die große Herausforderung meines Lebens an mich gestellt wurde: Kämpfer gegen das Böse zu sein. Mein Werdegang war ohnehin geheimnisvoll. Im Alter von zehn Jahren war ich nackt und blutüberströmt am 1. Mai - nach der Walpurgisnacht - in der Weimarer Altstadt aufgegriffen worden. Auf der Brust hatte ich ein schmerzunempfindliches Hexenmal in Gestalt eines siebenzackigen Sterns. Den Silberring hütete ich schon damals wie einen Schatz, ohne jedoch zu wissen, was es mit diesem Schmuckstück auf sich hatte. Ulrich und Lydia Hellmann hatten mich adoptiert. Nach dem RingInitialen erhielt ich die Vornamen Mark(us) Nikolaus. Der letztere gefiel mir absolut nicht, und ich wurde deswegen heute noch manchmal gefrotzelt. Meine richtigen Eltern kannte ich nicht. Was meine ersten zehn Lebensjahre betraf, hatte ich alles vergessen. Vielleicht würde ich ja irgendwann mal herauskriegen, wo sich meine Wurzeln befanden. Neugierig hörte ich nun mitten auf dem Bürgersteig meine Handy-Mailbox ab. Zuerst meldete sich Tessa mit ätzender Stimme wegen meines Flirts mit der Moderatorin. Sie hatte insgesamt dreimal aufs Band gesprochen! Der letzte Text von ihr lautete: »Wo steckst du, Mark Hellmann?«
Sie räusperte sich, wahrscheinlich weil das zweideutig war. »Ich kann es mir schon denken. Das wird noch ein Nachspiel haben!« Ich seufzte. Tessa hatte wieder mal ihren eifersüchtigen Tag. Ich überlegte, ob ich sie zurückrufen sollte. Außer Tessa hatte irgendein Amerikaner angerufen, der sich wohl einen dummen Scherz erlaubte. Er gab an, vom CIA zu sein. Ich sollte sofort nach Miami fliegen, wegen der im Bermuda Dreieck verschwundenen Boeing 747. Dann hatte ich noch eine Bitte um Rückruf von meinen Adoptiveltern sowie denselben Wunsch von Pit Langenbach, meinem besten Freund und Hauptkommissar bei der Weimarer Kripo. Pit hatte an diesem Tag angerufen und bat mich, ihn im Amt zurückzurufen. Das tat ich. Einer seiner Mitarbeiter teilte mir mit, er sei unterwegs. Übers Handy erreichte ich ihn nicht, er hatte es abgestellt. Dann nahm ich mir ein Taxi und fuhr zu meinem Hotel. Ich gähnte, denn ich war ziemlich geschafft. Im Hotel sperrte ich meine Zimmertür auf. Und sah eine hochgewachsene Gestalt am Fenster. Mephisto! schoß es mir durch den Kopf. Meine Hand zuckte unters Jackett. Doch ich hatte keine Schußwaffe bei mir. Mein Ring reagierte nicht. Das mußte jedoch nicht viel bedeuten. Der Megadämon konnte sich tarnen und die Reaktion meines Rings unterdrücken, der aus Silber bestand und die verschnörkelten, verschlungenen Initialen M. N. aufwies. Außerdem wies der Ring an der Innen- und Außenseite kaum erkennbar Runen und andere Schriftzeichen auf. Der Mann am Fenster drehte sich um. Es war Pit Langenbach. Er hatte einen buschigen Schnauzbart und war schlank, breitschultrig und sportlich. Vierunddreißig Jahre alt. Ich wähnte Langenbach in Weimar und war deshalb immer noch wachsam. Mephisto hatte mich mehr als einmal getäuscht und konnte jede beliebige Gestalt annehmen. Ich war bereit, meinen Ring sofort zu aktivieren und mich auf den Paladin der Hölle zu stürzen. »Hallo, Pit«, sagte ich, ging zu ihm und tippte ihn mit dem Ring an. Spätestens jetzt, bei der direkten Berührung, wäre etwas passiert, wenn es sich um Mephisto gehandelt hätte. Der Ring zeigte jedoch keine Reaktion. Ich hatte tatsächlich Pit Langenbach
vor mir. »Wie kommst du hier rein?« fragte ich. Pit sagte, er hätte dem Portier seinen Dienstausweis von der Kripo gezeigt, woraufhin der ihm die Tür aufschloß. Dann fragte er: »Weshalb hast du nicht beim CIA zurückgerufen?« »Weshalb sollte ich?« Dann fiel es mir siedend heiß ein. »Du meinst diesen verrückten Anruf, daß ich den verschwundenen Jumbo-Jet suchen und mich im Bermuda-Dreieck umtun soll? Das habe ich für einen Scherz gehalten.« »Es ist aber keiner. Beim Auswärtigen Amt bist du dringend angefordert worden. Du erhältst ein Honorar, du weißt ja, daß die Amis nicht knauserig sind, Reisespesen und alles. Das habe ich durchgesetzt. Du bist ja zu dämlich zum Feilschen.« »Danke fürs Kompliment. Und wohin soll ich fliegen?« »Miami«, antwortete Pit. »Ich bin von höchster Stelle in Marsch gesetzt worden, um dich in Berlin aufzutreiben. Ich dachte, ich warte in deinem Hotelzimmer. Hier sind die Berichte - top secret. Dein Ruf hat sich herumgesprochen. Man fordert dich als Spezialisten an. Die Amis sind unkonventionell, sie wollen den besten Mann und ein rasches Ergebnis.« Ich überflog die Berichte. »Eins macht mich stutzig, Pit«, sagte ich. »Im Bermuda-Dreieck verschwinden seit urdenklichen Zeiten Schiffe und noch nicht ganz so lange Flugzeuge. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist mal eine ganze Bomberstaffel spurlos verschwunden. Dann ein Passagierschiff mit über dreihundert Menschen an Bord.« Ich hatte natürlich einiges übers Bermuda-Dreieck gelesen. »Das Verschwinden des Jumbos ist natürlich ein Hammer und eine Tragödie. Aber weshalb schaltet sich gerade jetzt der CIA ein?« »Ein hochrangiger US-Diplomat befand sich in der verschwundenen Maschine. Er hatte Geheimdokumente bei sich, die, wenn sie in die falschen Hände geraten, die gesamte USAußenpolitik gefährden können.« »Deshalb also. Politisches Gerangel interessiert mich wenig. Warum soll ich Geheimpapiere herbeischaffen? Bin ich James Bond, oder was?« »Mark, bitte! Das ist nicht der ausschlaggebende und einzige Grund. Denk an die verschwundenen Menschen. Es waren Kinder an Bord. - Willst du sie denn nicht retten?«
Ich setzte mich auf den Tisch und schaute aus dem Fenster auf die Straße hinunter. Ein Doppeldecker-Bus und Autos fuhren vorbei. »Wollen schon - aber können? Ich werde mein Bestes tun. Wann soll ich nach Miami?« »Gestern«, antwortete Pit. »Ich habe deinen Einsatzkoffer mitgebracht. Du kannst sofort von Berlin-Tempelhof fliegen.« Ich packte, was bei mir nicht lange dauerte, zahlte die Rechnung und verließ mit Pit das Hotel. Er wollte sich um alles kümmern. Für die Rückführung meines BMW nach Weimar würde Pit Langenbach sorgen. Er brachte mich zum Flughafen, wo er eine Sondergenehmigung bei der Airport Security abholte, daß ich mit meinem Einsatzkoffer und mit meiner Pistole, die er aus Weimar mitgebracht hatte, fliegen durfte. Eigentlich hatte ich Störtebekers Schwert ebenfalls mitnehmen wollen, das mir im Kampf gegen Seth-Suchos schon gute Dienste geleistet hatte. Doch die von Pit Langenbach losgeschickte Funkstreife, die es in der Requisitenkammer des RIAS abholen sollte, kam zu spät, denn Linda Ronstadt hatte es bereits abgeholt. Ich rief sie vom Flughafen aus an. »Ich brauche den Säbel, Linda. Ich muß dringend in die USA fliegen. Geheimauftrag. Bitte rück das Schwert heraus…« »Nur dir persönlich«, gurrte die Moderatorin ins Telefon. Ich hörte sie übers Handy und konnte mir vorstellen, wie sie sich auf ihrem Wonnebett räkelte. »Du wirst Störtebekers Schwert bei mir auslösen müssen…« »Das ist nicht möglich. Ich muß gleich los.« »Ich kann warten. Das Schwert ist bei mir gut aufgehoben.« Wütend beendete ich das Gesprach. Wie sich Linda Ronstadt die Auslösung vorstellte, konnte ich mir schon denken. Pit begleitete mich bis zum Flugsteig. Dort schlug er mir auf die Schulter. »Was du drüben brauchst, kannst du vor Ort kaufen, auf Kosten der US-Regierung. - Nikolaus, Nikolaus, mit deiner dummen Flirterei im Fernsehen hast du eine schöne Bescherung angerichtet, was Tessa betrifft. Jetzt wird sie eine Woche lang im Dienst nicht ansprechbar sein.« »Sag ihr, ich habe nichts mit dieser Linda.« »Das glaubt sie niemals.« Auch Pit konnte sich meine Enthaltsamkeit nicht vorstellen und machte dumme Sprüche auf meine Kosten. »Der Nikolaus, der
Nikolaus, zieht gar zu gern die Frauen aus. Nikiaus, Nikiaus, du alter Gesell, kommst aus dem Wald und hüpfst mit der Moderatorin ins Bettchen ganz schnell. Brave Mädchen kommen in den Himmel. Die bösen kommen überall hin.« Ich hielt mir die Ohren zu, die Reisetasche über der Schulter, im Jeansanzug, übernächtigt. »Reime das bloß nicht vorm Nationaltheater in Weimar, Pit, sonst steigen Goethe und Schiller vom Sockel herunter und verprügeln dich. Wenn dir unbedingt dichten willst, dichte die Wasserleitung.« »Kannst du vielleicht besser dichten?« übertönte er eine Durchsage, die uns allerdings nicht betraf. »Der Ehekrüppel Langenbach hat nach dem Sex mit seiner Alten Krach…« Wenige Minuten später saß ich in der planmäßigen Maschine nach Miami. Meine Sitznachbarin, eine deutsche Geschäftsfrau, sagte kurz nach dem Start: »Sie sind doch der Hellmann, der gestern abend in der Talk-Show auftrat. Der Finder von Störtebekers Schatz.« Ich gestand es. »Bleiben Sie länger in Miami? Vielleicht könnte man sich einmal sehen. Das Verborgene hat mich schon immer sehr interessiert. Ich las zudem in einem Magazin, Sie wären ein großer Frauenheld.« Sie räkelte sich sinnlich in dem Sessel. »Die Reporter übertreiben immer«, erwiderte ich und verhielt mich unverbindlich. Daß ich eine erzürnte Tessa Hayden in Deutschland zurückließ und Linda Ronstadt, die Störtebekers Schwert als Liebespfand für mein Wiederkommen hütete, reichte zunächst. Ich widmete mich deshalb meinem Einsatzkoffer… * Inzwischen hatte die QUAm-Maschine ihren Bestimmungsort erreicht. Der milchige Nebel wich, die Sicht wurde besser. Die Passagiere blieben zunächst auf ihren Plätzen. Die drei noch lebenden Männer im Cockpit betrachteten durch die große Frontscheibe ihre Umgebung. Sie war unwirklich, fremdartig und trotzdem auf eine grauenvolle Weise real.
Grelles Licht, wobei die Lichtquelle, ob es nun die Sonne war oder eine andere, strahlte von oben. Das Flugzeug stand auf einem watteartig aussehenden Untergrund von weißer und heller Farbe. Wie aus Wolken geformt, die sich verfestigt hatten, war die Umgebung. Weit erstreckte sie sich mit Tälern und Bergen, monolithartigen Bäumen, aus denen spitze Ausläufer wuchsen, und weit im Hintergrund, fast schon am Horizont, einer schwarzen, unheimlichen Wand, deren rot und gelb glühende Fenster - oder waren es Löcher? - wie Augen starrten. Außerdem gab es Gewächse mit vier bis fünf Meter hohen, armdicken Stielen mit farblosen Blättern und dünnen Ranken mit runden Aufsätzen. Die runden, gleichfalls farblosen Blütenkelche dieser Blumen, wie man sie nennen konnte, waren geschlossen. Gaswolken, weiß meist, auch grün oder dunkel bis hin zu schwarz, zogen umher. Manchmal lösten sich Teile von fest erscheinenden Gegenständen und wurden zu solchen Wolken. Die Streamer, alles Wesen wie die beiden Flugzeugentführer Stratophanus und Aeolia, flogen zu Hunderten umher. Dabei gebrauchten sie ihre innen roten Capes als Flügel. Erhob sich ein Streamer damit in die Lüfte, sahen sie aus wie Fledermausschwingen. Die Streamer waren unterschiedlich groß, es schien auch Kinder oder jedenfalls noch nicht ausgewachsene Wesen bei ihnen zu geben. Es gab männliche und weibliche Wesen, wobei die weiblichen jeweils lange oder auch kurze Haare hatten. Die meisten männlichen Streamer zeigten ihre eikahlen Totenschädel, teils trugen sie schwarze Kapuzen oder andere Kopfbedeckungen. Stratophanus' Schlapphut war nicht symptomatisch. Sie flogen zu fernen Bergen oder in Täler. Eine größere Schar hockte immer noch auf dem Jumbo-Jet oder in seiner Nähe. Mit rotglühenden Augen starrten sie gierig herein. Für die Insassen des Flugzeugs bedeuteten diese Blicke nichts Gutes. Es waren die Blicke von Monstren, die ihnen nach dem Leben gierten. Die meisten Streamer hatten Scherenhände wie Stratophanus und Aeolia. Es gab jedoch auch welche mit Greifwerkzeugen wie Krebszangen, sogar einen Streamer mit einem Sensenarm und anderen Extremitäten. Die Kluft der Streamer, Trikot mit Abzeichen, Gürtel und feste Schuhe, war ziemlich gleich. Schon kratzten und hackten die Streamer, von denen manche fast gasförmig, andere wieder kompakt wie die beiden unheimlichen
Flugzeugführer waren, mit ihren Extremitäten an der Flugzeughülle herum. Sie klopften heftig dagegen. »Was wollt ihr von uns?« fragte der Co-Pilot. »Wo sind wir? In was für eine Alptraumwelt habt ihr uns entführt?« »Das ist Exos, die Welt der Streamer«, sagte Stratophanus im Cockpit, wo alle Instrumente abgeschaltet waren, dumpf. »Exos befindet sich in der Exosphäre. Schwarze Magie und böse Gedanken haben sich mit den Luftgeistern gepaart, aus denen wir Streamer wurden. Unser Ahnherr Exophanus ist schon lange in die andere Dimension übergegangen, in die wir alle einmal hinüberwechseln müssen. Ich führe sein Werk fort.« »Was für ein Werk?« fragte der Co-Pilot Jonas Wide, der für den Navigator und den Funker mit sprach. »Die Erschaffung und Ausweitung von Exos. Schaut euch nur um, dann werdet ihr besser verstehen.« Schaudernd, der tote Pilot saß zusammengesunken in seinem Sessel, blickte die Cockpit-Crew umher. Die Männer bemerkten, daß in ihrer Umgebung, bei den Bergen, Hügeln und Tälern, die Konturen von Schiffen und Flugzeugen zu erkennen waren, wenn man genauer hinschaute. Die hier gelandeten Schiffe und Flugzeuge waren Teile der Streamerwelt geworden und in sie eingegangen und eingewachsen. Die Konturen hatten die Farben der Streamerwelt und waren teils verformt und verschwommen. »Wir entführen Schiffe und Flugzeuge aus dem BermudaDreieck«, sagte Stratophanus. »Damit bauen wir unsere Welt und nähren uns von der Lebensenergie unserer Opfer.« »Ihr wollt uns alle umbringen?« fragte der rothaarige, sommersprossige Co-Pilot. »Ihr werdet Teil unserer Welt sein«, erwiderte Stratophanus. Mit einem gebieterischen Wink seiner Rasiermesserfinger deutete er auf die Tür. »Jetzt verlaßt das Cockpit. Ihr sollt aus der Maschine aussteigen!« »Bist du ein Vampir?« fragte der kräftige Funker. Stratophanus schlug ihm klatschend mit dem Handrücken so ins Gesicht, daß er nicht ernsthaft verletzt wurde. »Du hast keine Fragen zu stellen. Du hast nur zu gehorchen.« Die Tür zum Cockpit sprang auf, als Stratophanus sie berührte. Zuvor hatte der Streamer-Anführer eine Durchsage übers Mikrophon gemacht, noch bevor die Maschine landete oder die Streamer-Welt erreichte, bei der es sich um eine übernatürliche
Sphäre in der höchsten Schicht der Erdatmosphäre, der Exosphäre, handelte. Die Exosphäre war zwischen fünfhundert und eintausendfünfhundert Kilometer Höhe angesiedelt. Jenseits davon war der Weltraum, das All mit -230 Grad, Schwerelosigkeit und dem Fehlen jeglicher Atmosphäre. Die Exosphäre war von Röntgenstrahlen erfüllt, starke ultraviolette Strahlung herrschte dort, zudem Kurzwellenstrahlung. Die Männer von der Cockpit-Crew sahen entsetzt die beiden Leichen im Passagierraum. Die Bord-Crew und die Passagiere wiederum erfuhren von Captain Everetts Tod. Die verängstigten Menschen wagten es nicht, die Streamer anzugreifen, obwohl sie innerhalb der Maschine weit in der Überzahl waren. Stratophanus und Aeolia wirkten zu gefährlich und hatten Proben ihres Könnens gezeigt. Die Scherenhände und die wie rasend schnelle Pfeile abschießbaren, messerartigen Fingerglieder sprachen für sich. Die achtjährige Sue Goldfield klammerte sich an die tapfere Stewardeß Ann Downey. Diese sprach dem Kind Mut und Trost zu und versuchte, sich so ruhig und optimistisch wie möglich zu geben. Stratophanus befahl, den Notausstieg mit der Rutsche zu öffnen. Ein kleiner Teil der Passagiere und von der Flugzeugbesatzung sollte von Bord gehen. »Was geschieht, wenn wir uns weigern?« fragte Ann Downey. Stratophanus und Aeolia klapperten vielsagend mit den Scherenhänden. »Entweder geht ihr freiwillig von Bord, oder ihr geht stückweise«, sagte Aeolia mit ihrer hohlen und pfeifenden Stimme. Die Bordbesatzung öffnete den Notausstieg. Die Rutsche wurden ausgefahren. Stratophanus und Aeolia, seine Schwester, standen bedrohlich da und kontrollierten die Situation. Von draußen waren Geschrei und Laute von den Streamern zu hören. Es kreiste auch eine ganze Schar in der Luft über dem Jumbo-Jet. »Wenn das die Exosphäre ist, ist hier ein normales Atmen nicht möglich.«, warnte der Co-Pilot. »Man kann sich in der Exosphäre nur im Raumanzug bewegen. Ein Mensch, der sich ungeschützt hinausbegibt, stirbt. Es zerreißt ihm die Lungen, seine Blutgefäße und innere Organe platzen durch das Fehlen des Luftdrucks.« »Narr, spürst du etwas?« fragte Aeolia und deutete auf den
offenen Notausstieg. Von einer Änderung des Kabinendrucks war nichts zu bemerken. »Ihr könnt atmen, die Luft ist dünn, enthält aber genügend Sauerstoff, wie ihr es gewöhnt seid. Die Höhenstrahlung schadet euch kurzfristig jedenfalls nicht. Die Schwerkraft ist etwas geringer, doch nur um ein Drittel. Das haben wir so bewirkt.« »Warum haben Sie gerade uns entführt?« fragte William D. Cully, ein hochrangiger Pentagon-Beamter. »Warum nicht Sie?« knurrte ihn Stratophanus an. Cully hatte seinen Urlaub in Florida verbracht und sich dazu, Workoholic, der er war, teils streng geheime Unterlagen mitgenommen. In New York hatte er bei der UNO einen Vortrag halten und an wichtigen Sitzungen teilnehmen sollen. »Ich bin ein Vertrauter des Präsidenten«, sagte Cully. Zweiundvierzig war er, groß, mit der Figur eines in die Jahre gekommenen, leicht verfetteten Football-Champions. Cully hatte eine erstklassige Universität besucht und eine Bilderbuchkarriere gemacht, die ihn bis ins Pentagon und ins Weiße Haus führte. Jetzt fürchtete er, daß er seine Frau und die beiden fünfzehn- und siebzehnjährigen Töchter nie wiedersehen würde. »Vielleicht kann man verhandeln. Wollt ihr ein Lösegeld haben? Ich bin ein wichtiger Mann für die nationale Sicherheit der USA.« Stratophanus und seine Schwester schauten sich an. »Hier gelten andere Wertmaßstäbe und Gesetze«, grollte der Luftdämon dann. »Stör uns nicht, oder du wirst es bereuen.« Blaß geworden wich Cully zurück, als die Messerhand auf ihn zielte. Bei Aeolia begannen die abgeschossenen Fingerglieder bereits wieder nachzuwachsen. Die beiden Streamer an Bord der Boeing 747 wiesen nun fünfzehn Menschen an, die Maschine über die Notrutsche zu verlassen. Normalerweise hätte man hier ein Atemgerät und einen Schutzanzug tragen müssen. Der Co-Pilot rutschte zuerst hinunter. Er hatte mehrere Meter zurückzulegen. Das Fahrwerk des Jets war ausgefahren. Die Landung unproblematisch erfolgt. Jonas Wide, der Co-Pilot, fragte sich, welche Technik das fertiggebracht hatte. Oder welche übernatürlichen Kräfte. Wide landete auf einem weichen Boden. Heisere Aufschreie, Scherenhandklappern und Klatschen der Streamer draußen begleiteten seine Landung. Nach dem CoPiloten kamen der Funker, der Navigator, die Stewardeß Ann Downey mit der kleinen Sue Goldfield, ein schwarzer Steward und
eine Stewardeß, der Pentagon-Beamte Cully sowie sieben weitere Passagiere. Ann Downey hielt die achtjährige Sue bei der Hand. Die Stewardeß wollte mit ihrem Leben für dieses Kind einstehen. Sie wollte alles daran setzen, Sue zu retten. Falls sie das nicht schaffte, wollte sie dafür sorgen, daß Sue wenigstens einen möglichst leichten Tod fand und so wenig Angst und Qualen wie möglich erlitt. Die schlanke Stewardeß spürte, wie der Boden unter ihren Füßen federte und nachgab. Ein Teil davon löste sich plötzlich auf und schwebte als weiße Gaswolke davon. Die fünfzehn Menschen, die zum Aussteigen gezwungen worden waren, standen verloren in der ihnen völlig fremden Welt. Die kleine Sue hielt eine einfache Puppe an sich gepreßt, die ihr von einem der beiden anderen Kinder an Bord geschenkt worden war. Ann Downey, groß, elegant, mit schönen großen Goldohrringen und modischer Frisur, hatte das Kind bei der Hand. Cully, der Pentagon-Beamte, preßte seinen Diplomatenkoffer an sich, der mit einer Kette an seinem Handgelenk verbunden war. Die in der Umgebung befindlichen Streamer starrten die Menschen, die sich schutzsuchend eng zusammendrängten, mit ihren rotglühenden Augen gierig und drohend an. Stratophanus und Aeolia verließen die Maschine durch die vordere Tür, die sie geöffnet hatten. Sie schwebten herunter, ihre halblangen Umhänge als Flügel gebrauchend, wobei sie diese mit den Armen spannten. Für einen Luftkampf waren die Streamer weniger gut geeignet. Sie brauchten die Arme mit den Scherenhänden zum Fliegen. Stratophanus, um die Einsneunzig groß, baute sich vor den fünfzehn Flugzeuginsassen auf. »Wir bringen euch jetzt zu dem Berg Exos«, sagte er. »Leistet keinen Widerstand, oder ihr werdet schwer bestraft.« Zynisch fügte er hinzu: »Uns ist es egal, ob ihr mit ein paar Gliedmaßen mehr oder weniger bei dem Berg ankommt.« Dabei klapperte er mit seinen Scheren. Die im Flugzeug Zurückgebliebenen schauten angstvoll durch die Fenster. Einige wagten, aus der offenen Tür zu sehen. Als Aeolia ihren rechten Arm mit den wie Pfeilen abschießbaren Messerfingern auf sie richtete, verschwanden sie sofort. Die Menschen spürten, daß der Boden unter ihnen nachgab. Ihre Füße sanken wie in einen Dunst,
jedoch nur bis zu einer gewissen Tiefe. Entsetzt sahen die Menschen außerhalb der Maschine, neben der sie wie Streamer winzig wirkten, die Konturen von menschlichen Gesichtern überall in ihrer Umgebung, teils riesig, teils in normaler Größe, teils auch verkleinert. Es handelte sich um die Gesichter von Männern, Frauen und Kindern aller Altersklassen und verschiedener Rassen. Aus welchen Ländern und Kulturen sie stammten, war schlecht zu bestimmen, dafür waren die glasigweißen oder in zarten, hellen Pastellfarben gehaltenen Gesichter zu undeutlich. Alle hatten jedoch den Ausdruck des Schreckens und äußerster Qual gemeinsam. Die Münder waren wie zu stummen Schreien geöffnet, die glasigen Augen weit aufgerissen oder geschlossen. Frisuren, Bärte oder auch Kopfbedeckungen, in der gleichen Materie wie die Gesichter, waren zu sehen. Die Köpfe der Opfer der Streamer waren in die Welt Exos, die magische Sphäre hoch oben in der Exosphäre, eingegangen und zu einem Teil und Bausteinen von ihr geworden. Exos bestand aus Wolken, entarteter Urmaterie, aus der einst der Kosmos entstand, sowie dämonischer Energie. Es war eine vampirische Welt, durch und durch verworfen und böse, fremdartig und unheimlich. Die zitternden Menschen außerhalb der Maschine wagten kaum, ihre Füße zu bewegen. Fast überall sahen sie die integrierten Gesichter oder glaubten sie zu sehen und mochten nicht auf sie treten. Die Gesichter waren jeweils in Frontansicht zu erkennen, so wie Hologramme, die Dreidimensionalität vortäuschten, aber keine hatten. An den flachhängigen, weißen und fahlen Bergen mit Äderungen fließender Energieströme und blaß pastellfarbigen Schatten sah man die Gesichter, die zu erkennen zunächst Übung und Anpassung an die Streamer-Welt erforderte, riesengroß. Der Himmel über der Sphäre, der sich halbrund über der flachen Welt wölbte, war fahl. Verschiedenartige Wolkengebilde zogen dahin. Manchmal setzte sich am Rand der Streamer-Welt eins ab und verfestigte sich. Wie groß die Welt der Streamer war, ob es hier Kontinente, Meere oder gar Ozeane und Seen gab, wußten die Passagiere nicht. In eine schreckliche Fantasy-Welt, bevölkert von mörderischen Unwesen, waren sie geraten. Stratophanus winkte gebieterisch mit seinem rechten Arm, an
dem die eine Hälfte seines Capes, innen blutrot und geädert, haftete. Sofort schwebten Streamer nieder und packten die aufschreienden, verängstigten Menschen. Aus den Körpern der Horrorwesen kamen Saugnäpfe, die die Menschen faßten und hielten. Ann Downey konnte mit Sue Goldfield zusammenbleiben. Stratophanus selbst hatte sie gepackt und erhob sich mit ihnen mit einiger Mühe in die Luft, wobei seine Flügel zur Bewältigung seiner Last wuchsen. Als sie in geringer Höhe dahinflogen, bewegten sich die spitzen, zweig- und blätterlosen Äste der fahlen Bäume. Die Blumen streckten ihre Köpfe empor, fuchtelten mit den Ranken und öffneten aufschnappend ihre Blütenkelche. Jede Blüte enthielt einen Streamer-Totenkopf mit weitaufgerissenem Mund mit Vampirzähnen. Die Blütenblätter waren wie Dolche und stählerne Klammern. Einige Blüten schossen solche Blätter ab, die jedoch über einen Umkreis von anderthalb Metern von ihnen nicht hinauskamen und dann niedersanken. Die pflanzlichen oder mit der Materie von Exos verankerten Streamer kreischten entsetzlich. Die von den Streamern, manchmal von zweien, wobei sich deren Saugnäpfe streckten, gepackten Menschen starben beinahe vor Grauen. Warm war die Luft der Streamerwelt, so daß die Menschen hastig atmen und nach Luft schnappen mußten, und kühl. Die Totenkopfpflanzen waren ohne Zweifel menschen- und tierfressend. Sie schnappten nach den knapp, doch außerhalb ihrer Reichweite dahinfliegenden menschlichen Opfern, die sie witterten oder auf andere Weise wahrnahmen. An manchen Stellen von Exos gab es große Felder der Totenkopfpflanzen. »Die Pflanzen sind unsere Vorfahren«, hörten die von den Streamern durch die Lüfte getragenen Menschen Stratophanus' Worte in ihren Köpfen. »Sie waren zuerst, wir sind aus ihnen entstanden.« Ann Downey überlegte kurz, welche dämonische Evolution hier ihre Früchte getragen hatte. Es dauerte nicht sehr lange, bis die fliegende Gruppe den Berg Exos erreichte. Näher kommend hatten die dahingetragenen Menschen bereits gesehen, daß ein riesiges, pausbackiges Gesicht die gesamte Bergfront zierte, auf die sie zuflogen. Die kleineren Öffnungen waren wie leuchtende Pusteln in diesem Gesicht, größere dienten als Mund und als Nasenlöcher und Augenhöhlen.
An den anderen Seiten des kegelförmigen Bergs im Zentrum der Streamer-Welt schien es ebensolche Gesichter zu geben. Der Berg Exos rauchte jetzt dunkel. Das Licht in seinem Innern, das durch die Öffnungen schien, wurde stärker und schwächer. »Jetzt werden wir euch in das Geheimnis unserer Welt und des Berg Exos einweihen«, meldete sich Stratophanus telepathisch wieder. »Freut euch, Bausteine unserer Welt zu sein. Einige Güter aus eurer Maschine schicken wir hinab auf die Erde, zu Menschen, die uns dienen. - Groß ist unsere Macht.« Die von den Streamern getragen Werdenden schrien auf, als der Berg sein Maul weit öffnete und sie alle, samt Streamern, verschlang. Ann Downey preßte die achtjährige Sue an sich. Das ist unser aller Ende, schoß es ihr durch den Kopf. Das Geheimnis des Bermuda-Dreiecks ist viel schrecklicher, als all seine Forscher es sich vorstellten. Indem wir es ergründen, finden wir unseren Tod, auf daß diese Horrorwelt lebt und gedeiht. * Um 10.15 Uhr war ich von Berlin gestartet. Zehn Stunden dauerte der Flug. Durch den Zeitunterschied gewann ich sechs Stunden, landete also um 12.15 Ortszeit auf dem Miami International Airport zwischen Miami Springs und West Miami. Meine Sitznachbarin, die attraktive Geschäftsfrau, himmelte mich fast an, als wir ausstiegen. Sie klimperte mit den Wimpern. »Was für ein krauses Zeug haben Sie denn während des Flugs studiert? Wollen Sie ein Buch über übernatürliche Phänomene schreiben, Sie Störtebeker, Sie?« »Vielleicht irgendwann mal.« »Die verborgenen Geheimnisse der Frauen sind das einzige, das sich zu ergründen lohnt. Wir könnten ins Airport-Hotel gehen. Ich kann meine Geschäftspartner, die mich abholen, ein wenig vertrösten…« »Welche Geschäfte machen Sie denn, Verehrte?« »Ich handele mit Sexartikeln und Porno-Videos. Ich bin Einkäuferin einer großen deutschen Firma auf diesem Gebiet. Wir müssen uns ranhalten, der Konkurrenzkampf in der Branche ist hart. Nach der Wende fanden wir in der früheren DDR einen enorm aufnahmefähigen Markt vor. Dort wurde alles gekauft, weil
es das früher nicht gegeben hatte. Jetzt ist ein gewisser Sättigungsgrad erreicht und der Absatz schwieriger geworden.« »Dann wünsche ich guten Geschäftserfolg. Ich kann leider nicht als Live-Studien-Objekt dienen. Keine Zeit.« Die Porno-Einkäuferin antwortete kühl: »Ich glaube, daß Sie überschätzt werden, was Ihre Qualitäten als Liebhaber und Frauenheld betrifft, Mark. Ehrlich gesagt, ich denke, daß Sie nicht viel in der Hose haben.« »Klein, aber fein - und mein«, witzelte ich. »Phhh«, machte sie dann und würdigte mich keines Blicks mehr. Sie ließ sich nicht mal mehr von mir ihr Handgepäck aus der Ablage heben. Ich vergaß sie, noch ehe ich die Maschine verließ. Bereits beim Verlassen des Flugsteigs sprach mich ein gut gekleideter, großer Schwarzer an. Er war noch jünger, hatte einen dünnen Schnurrbart und war drahtig und schlank. »Mr. Hellman?« Höllenmann hieß das, so wie er es aussprach. Von dem Namen konnte ich ihn nie wieder abbringen. - »Schön, daß Sie gekommen sind. Ich bin das Empfangskomitee.« Wir gingen zur Seite. Der Schwarze wies sich als CIA-Agent Ron C. Carey aus. Er plapperte in einer Tour. - Wenn er mal starb, mußte man sein Mundwerk sicherlich extra totschlagen. - Dazu lächelte er oft und hatte immer einen coolen Spruch auf Lager. Er schleuste mich direkt durch sämtliche Abfertigungen. »Hast du Bohnen in den Ohren, du Schleimer?« fragte er einen Zollbeamten, der unbedingt mein Handgepäck mit Notebook und allem Drum und Dran überprüfen wollte. »Mr. Hellman ist ein Gast der US-Regierung. - Ja, vom Präsidenten eingeladen, genau wie die jungen Girls, die immer um ihn herum sind.« Die Sexskandale des derzeitigen US-Präsidenten waren weltweit bekannt und beschäftigten den US-Senat und Gerichte mehr als manches andere, das viel wichtiger war. In anderen Ländern hatten die Mächtigen auch ihr Liebesleben. Doch dort stand man es ihnen zu. Für Journalisten ein Tabu-Thema. Carey schnatterte mich in die Terminal-Halle, wo wir zuerst mal einen Drink nahmen. »Ich weiß alles über dich, Mann«, sagte er. »Mehr als deine eigene Mutter.« Ich rührte in meinem Fruchtdrink. »So? Wie heißt sie denn, meine Mutter?«
»Lydia Hellmann, fünfundsechzig, grauhaarig…« Carey schnatterte die Adresse und viele Daten von Lydia herunter. »Siehst du, da liegst du voll daneben«, sagte ich, als er fertig war. »Ich bin nämlich adoptiert. Was in meinen ersten zehn Lebensjahren geschah, wo ich geboren wurde und aufwuchs, wie ich mit richtigem Namen heiße, das weiß niemand. Auch nicht der CIA.« »Echt?« fragte Carey. »Was haben sie mir denn da aus Langley für einen Scheiß serviert? Da gehört einigen Leuten mal ordentlich der Kopf gewaschen.« Ich fragte mich, wie er mit der Klappe erfolgreich beim CIA tätig sein konnte. Als ob er meine Gedanken erraten hätte, sagte Carey, mit dem ich mit dank meines guten Englischs problemlos unterhalten konnte: »Manchmal bin ich auch ernst. Noch was, nicht daß du verkehrt denkst: Ich bin der beste Mann des CIA für übernatürliche Fälle und Phänomene. Ich habe Parapsychologie studiert, bin jedoch kein Theoretiker, sondern kenne mich in der Praxis aus. Ich bin Nahkampf- und Waffenexperte, spreche vier Sprachen und habe einen Bootsführer- und Pilotenschein. Daß ich vom Geheimdienst und kriminalistisch ausgebildet bin, versteht sich von selbst. Ich habe in den USA schon mal, allerdings nicht allein, einen Voodoo-Ring ausgehoben, dessen Angehörige üble Geschäfte betrieben hatten. Deshalb flog ich dann nach Haiti, wo ich mich mit Baron Samedi persönlich anlegte, dem Herrn der Gräber, dem Totengott des Voodoo, wenn dir der Name etwas sagt.« »Mit Samedi bin ich noch nie zusammengestoßen«, murmelte ich. »Wie ist denn der Kampf ausgegangen?« Carey schnitt eine Grimasse. »Ich hatte Glück, daß ich am Leben blieb«, antwortete er. »Acht Wochen lag ich im Koma. Seitdem kann ich Gedanken lesen und mich, wenn ich mich anstrenge, durch Wände sehen.« »Das glaube ich nicht«, antwortete ich. »Dein Ring hat magische Kräfte«, sagte Carey so leise, damit man es an den Nachbartischen nicht hörte »Du kannst damit durch die Zeit reisen, Dämonen erkennen und Gegenstände in magische Waffen verwandeln. - Keine Angst, in deinem Unterbewußtsein vermag ich nicht zu lesen. Aber was du gerade
denkst, erkenne ich. Ich behalte mein Wissen wegen des Rings für mich, Mark. Aber du wirst mir bald sehr viel erzählen müssen.« Über meinen Siegelring wußte nur eine Handvoll Menschen Bescheid. Ich staunte. Ron Carey verfügte tatsächlich über übersinnliche Kräfte, die sich der CIA zunutze machte. Ganz aus der Luft gegriffen waren also die Berichte nicht, in denen es hieß, die CIA würde parapsychologische Forschungsabteilungen betreiben. »Prima«, sagte ich. »Mit einem solchen Kollegen hatte ich bisher noch nicht zu tun. Auf gute Zusammenarbeit! - Mit unserem Fall wird es rasch vorangehen, wenn du Gedanken lesen kannst.« Carey grinste breit und zündete sich eine Filterlose an. Von dem in den USA üblichen Nichtrauchertrend hielt er offensichtlich nichts. »Siehst du die Mulattin zwei Tische weiter?« fragte er mich. »Die mit den langen Haaren und dem bauchfreiem Top. Sie schaut jetzt rüber. Bei der kannst du landen.« »Das weiß ich auch so«, behauptete ich vollmundig. »Dafür brauche ich keine Gedanken zu lesen.« Er erzählte, was das Girl dachte. Das war schon interessanter. »Sie ist schön, aber verdorben«, sagte er. »Hatte zwei Abtreibungen, war zweimal geschlechtskrank und verdient sich das Geld für die schicken Klamotten als Callgirl. Ihr Freund, vielmehr Hauptfreund, ist Auftragskiller bei der Mafia. Er arbeitet mit dem Eispickel, wenn du die Methode kennst.« Ich kannte sie. Fast verschluckte ich mich an meinem Drink. »In was man nicht alles hineinstolpern kann. Danke für deine Warnung«, sagte ich zu Ron. »Aber schnüffele nicht ohne meine Erlaubnis in meinen Gedanken, klar?« Ron Carey grinste verschlagen und schaute auf seine teure Uhr. »Ich fahre dich jetzt ins Hotel«, sagte er. »Morgen können wir loslegen.« »Warum denn nicht gleich?« fragte ich. »Die Nacht ist noch jung. Hast du heiße Informationen auf der Pfanne?« »Nein, aber du hast letzte Nacht nicht geschlafen…« Der Kerl mit seiner Gedankenleserei hatte mir gerade noch gefehlt. Arschloch! dachte ich, sah, daß er das wieder mitgekriegt hatte, und ließ ein »Entschuldige« folgen. »Das war nur ein spontaner Gedanke.«
»Schon gut. Du willst es nicht anders haben.« Carey las munter weiter meine Gedanken. An die Zusammenarbeit mit ihm mußte ich mich erst einmal gewöhnen. Pit Langenbach mit seinen luftverpestenden Zigarillos war schon schlimm genug. Aber dieser Telepath schlug ihn um Längen. Bei dir brauche ich den Mund überhaupt nicht mehr aufzumachen, Blackie, dachte ich. »Höchstens zum Essen«, erwiderte Carey. »Ich kann die Gedanken lesen, wenn sich jemand in meiner Nähe befindet. Ich muß mich nur auf den Betreffenden konzentrieren. Dann finde ich seine 'Wellenlänge'. Dafür brauche ich ihm nicht in die Augen zu schauen. - Ja, bei Dämonen und übernatürlichen Wesen funktioniert meine übernatürliche Begabung auch. Baron Samedis Gedanken haben mich fast in den Wahnsinn getrieben. Noch heute habe ich Alpträume davon.« Das konnte ich ihm gut nachfühlen. In meiner Kindheit, nachdem ich umherirrend in Weimar gefunden wurde, war ich noch jahrelang von schrecklichen Alpträumen verfolgt worden. Es hatte viel Geduld meiner Adoptiveltern erfordert, mich davon zu befreien und mich zu einem brauchbaren Menschen zu erziehen. Das würde ich ihnen nie vergessen. »Tiere denken nicht wie wir Menschen«, beantwortete Carey eine weitere gedankliche Frage von mir. »Aber ich spüre und lese ihre instinktiven Regungen und Absichten. Auch das erfordert eine stabile Mentalität.« Er grinste wieder. »Mit Frauen habe ich es teils sehr leicht, teils sehr schwer. Es ist nicht immer angenehm, ganz genau zu wissen, was die Partnerin denkt. Und sei es nur die Gesprächspartnerin. Man erlebt da mitunter ganz große Überraschungen. Da könnte ich dir Dinge erzählen. - Da war diese Pastorin, um die Siebzig, die ich in einem Spionagefall befragte. Sie sah aus wie die Tugend in Person und als ob sie längst jenseits von Gut und Böse sei. Und was dachte sie, als sie mich anschaute? Was für ein Ding ich wohl in der Hose hätte. In Alabama hatte ich mit einem Bürgerrechtsbeauftragten des dortigen Gouverneurs zu tun, einem Mann, der mir die schönsten Geschichten erzählte, wie sehr er sich für die Farbigen einsetzen würde, wie gerecht es in jenem Staat zuginge und so weiter. - In Wirklichkeit dachte er: Dich Nigger seife ich ordentlich ein und lüge dir die Hucke voll. Das checkst du nie, daß ich ein führendes Mitglied vom Ku-Klux-Klan bin. - Ich sorgte dafür, daß er
schleunigst gefeuert wurde. Wir schnappten ihn bald darauf bei einer Clanversammlung und rissen ihm vor dem brennenden Kreuz die Maske und das Bettlaken herunter.« Carey meinte den weißen Umhang der Clanmitglieder, der sie unheimlich vermummte. »Er weiß bis heute noch nicht, weshalb er aufgeflogen ist. Gehen wir.« Carey legte das Geld für die geringe Zeche auf den Tisch. Wir verließen die Halle, fuhren mit dem Lift zum Parkdeck hinunter, auf dem das froschgrüne Corvette Cabrio des CIA-Agenten stand. Dann rauschten wir mit offenem Verdeck aus der riesigen Tiefgarage hinüber zum »Marriott Hotel«. Dort überließ Carey sein Auto einem Boy. In der marmornen Empfangshalle trug ich mich ins Gästebuch ein. Mein Zimmer war bereits reserviert. »Mehr Gepäck haben Sie nicht, Sir?« fragte die Lady an der Rezeption, dem Counter, wie man hier sagte. »Der Rest kommt in Lastwagen nach«, antwortete ich. Ein mit schwarzem Leder und Spiegeln ausgestatteter Lift beförderte uns in den 33. Stock. In meinem geräumigen Zimmer mit Blick auf Miami hüpfte ich schnell unter die Dusche. Da Carey ohnehin meine Gedanken lesen konnte, erlaubte ich ihm, meine Unterlagen durchzusehen und sich meinen Einsatzkoffer anzuschauen. Das Codewort für mein Notebook, in dem ich die für mich wichtigen Daten für die Dämonenbekämpfung gespeichert hatte, brauchte ich ihm nicht zu verraten. Er entnahm es meinen Gedanken. Erst heiß, dann kalt und dann nochmals heiß und kalt rauschte das Wasser über meinen Körper. Carey schaute sich mittlerweile alles an. Wegen meiner Zeitreisen hatte er keine Überraschung gezeigt, was ich für aufgesetzt hielt. Natürlich war er verblüfft, wollte es aber nicht zugeben. Mein Ring hatte auf ihn nicht reagiert, obwohl ich ihm die Hand gegeben und ihn einmal am Arm angefaßt hatte. Er war also kein Dämon, noch von einem solchen beeinflußt. Seine Telepathie war eine auf anderem Weg erworbene Fähigkeit, angeboren oder durch ein besonderes Ereignis in seinem Leben hervorgebracht. Ich fühlte mich Carey nahe. Auch er hatte ein besonderes Schicksal und würde nie ein normales Leben führen können. Wie ich. Auch er kämpfte gegen das Böse, in manchen Bereichen überschnitten sich unsere Interessen. In anderen wieder nicht. An
der Spionageabwehr, dem Hauptarbeitsgebiet des CIA, hatte ich kein Interesse. Ich freute mich inzwischen aber auf die Zusammenarbeit mit Ron Carey, dem gedankenlesenden Schandmaul, Schnellsprecher, Frauenaufreißer und Scharfschützen… Sie versprach einiges. Ich wollte mich sofort in die Arbeit stürzen und war viel zu aufgedreht, um mich zuerst einmal zur Ruhe zu legen. Als ich die Dusche verließ und mich abfrottierte, summte mein Handy. Linda Ronstadt meldete sich, als ich einschaltete. »Hast du Sehnsucht nach deinem Schwert?« gurrte sie. »Auf ihre Gefühlslage ging ich nicht ein und sagte statt dessen: Ich bin in den USA. Sondereinsatz.« »Tatsache? Und wann kommst du zurück?« »Sobald ich meinen Job hier erledigt habe. Du kannst solange das Schwert mit ins Bett nehmen.« Linda gurrte noch ein wenig. Dann beendeten wir das Gespräch. Tessa meldete sich nicht. Sie schmollte wohl noch ein paar Tage. * In der Metropolitan Area wohnten 1,5 Millionen Menschen. Sie bestand aus Miami Beach, einer vorgelagerten Insel mit Hotelbauten und kilometerlangen Stränden, sowie Miami. Miami, auf dem Festland, war eine US-typische Stadt, stellenweise recht schmutzig, mit Slumvierteln und einer hohen Kriminalitätsrate. In der Umgebung lagen zahlreiche kleinere Städte und Orte, wie Coral Gables mit der aus fünfzig modernen Gebäuden bestehenden University of Miami. An der Südspitze von Florida, knapp fünfzig Meilen von Miami entfernt, war Key Largo, die erste große Insel der Florida Keys, jener Inselkette, die sich halbkreisförmig in Richtung Kuba erstreckte. Auf Key Largo befand sich ein Unterwasserpark mit Korallenriffen und Schiffswracks. Florida war eine Reise wert. Ich war noch nie dagewesen und hoffte, mir bei der Gelegenheit etwas von Land und Leuten anschauen zu können. Wegen der finanziellen Seite brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Big Brother - der CIA - zahlte alles. »Paß nur auf, Bruder«, witzelte Ron Carey, als ich mich umzog,
um das Hotel bald wieder zu verlassen. »Hier sind schon ein paar Germans ausgeraubt und erschossen worden. Ich glaube, da hat einer Kopfprämien ausgesetzt.« Er wechselte das Thema. »Das ist ja ein tolles Köfferchen, das du dir da gebastelt hast. Damit kannst du Dracula und Konsorten einige Probleme bereiten.« Zu meinem Einsatzset gehörten meine SIG Sauer P 6, Kaliber neun Millimeter, zwei Acht-Schuß-Magazine mit geweihten Silberkugeln, Weihwässer in Flakons, zwei einfache Holzkreuze, zwei Pflöcke, um Vampire zu pfählen sowie ein armenischer Dolch. Er bestand aus echtem Silber und wies geheimnisvolle Symbole auf, die ich bisher nicht entziffert hatte. Zudem hatte ich mein Notebook dabei, mit Modem und Vorrichtung, um mich auch unterwegs ins Internet einwählen zu können. Auf der Festplatte des Notebooks und CD-Rom hatte ich viel Wissenswertes über Schwarze und Weiße Magie sowie die Höllenhierarchie und die Dämonenbekämpfung gespeichert. Beschwörungsformeln waren per Suchbefehl abrufbar. Übers Internet konnte ich in Weimar bei meinem Adoptivvater Ulrich Hellmann von seinem PC abfragen, was ich nicht dabeihatte. Auf die gleiche Weise konnte ich auch mit Langenbach oder Rudi Oertzner in Eisenach kontaktieren. Letzterem war ich bereits im Jahr 1975 bei einer Zeitreise begegnet und hatte mit ihm gemeinsam einen Werwolf bekämpft. (Siehe MH 6, Der Werwolf von Eisenach). Von Rudi, den ich 1998 wiedertraf, er dreiundzwanzig Jahre älter geworden, stammte auch der armenische Dolch. Die Ausrüstung samt Notebook war leicht in meinem Einsatzkoffer unterzubringen. Doch die Technik konnte versagen, und bei Zeitreisen konnte ich außer dem magischen Ring ohnehin nichts mitnehmen. Und ein Megadämon wie Mephisto vermochte mir stets einen Strich durch die Rechnung zu machen, indem er mein technisches Instrumentarium kurzerhand lahmlegte oder womöglich entwendete. Carey war beeindruckt. Er zog ein Diktaphon aus der Tasche und spielte mir die letzten Funkmeldungen des am Vortag im Bermuda-Dreiecks verschwundenen Jumbo-Jets vor. Ich hörte von Totenkopfgesichtern, Schlapphüten und glühenden Augen. Von Messerhänden und Trikots mit Digital-Spiralemblem auf der Brust. »Du hältst es für möglich, daß die Boeing von Dämonen entführt
wurde«, sagte Ron, noch bevor ich mich dazu geäußert hatte. »Bedien dich nur«, sagte ich daraufhin zu ihm. »Schau immer in meinen Kopf rein, wenn du was wissen willst.« »So einfach ist's nicht, Whitey. Du weißt noch nicht, was ich nicht weiß und fragen will. Also muß ich dir schon gelegentlich Fragen stellen. Das mit dem Runenalphabet und der Aktivierung des Rings habe ich nicht kapiert.« »Das kann ruhig so bleiben.« Er durfte alles essen, brauchte aber nicht alles wissen. »Wenn ich alles wissen sollte, was du nicht weißt, müßte ich hundert Jahre Nichtwissen studieren, Blackie. Ich bin abmarschbereit. Wohin soll es gehen?« »Zur Streamer Church im Zentrum von Miami, Bruder. Dazu hängst du dir das um.« Ron Carey gab mir ein handtellergroßes Amulett, das an einem glatten Metallband hing. Das Amulett war in Gelb gehalten und zeigte eine leuchtend rote Spirale, die, in das Amulett eingeprägt, in sich selbst rotierte. Aus dieser Spirale ragte eine schwarze Klauenhand, die mich an eine Geierklaue erinnerte. »Was soll diese Kralle?« fragte ich. »Hat das was mit dem Finanzamt zu tun?« »Unsinn! Denk an den letzten Funkspruch, der von der verschwundenen Boeing aufgefangen wurde. Darin ist von einem solchen Emblem die Rede. - Du lachst in Gedanken. Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?« Ich prüfte das Material. »Ich kann dir nicht sagen, woraus es besteht«, sagte Ron, der weiter meine Gedanken las. »Die Forschungslabors des CIA haben vergeblich versucht, das festzustellen. Diese Materie ist entweder außerirdisch oder nach einem Verfahren hergestellt, was wir noch nicht kennen. Unsere Experten stehen auch vor einem Rätsel, was die rotierende Leuchtspirale betrifft. Sie wird durch Flüssigkristalle erzeugt, aber auf eine bisher unbekannte Weise.« »Vielleicht wird bald jemand das Verfahren als Patent anmelden und eine Menge Geld damit scheffeln«, sagte ich, ohne recht daran zu glauben. Mein Ring hatte sich erwärmt und leuchtete ganz schwach. Das Amulett hatte einen dämonischen Ursprung oder war mit dämonischen Kräften in Berührung gekommen. »Wir haben dieses Amulett bei einem Anhänger der Streamer
Church beschlagnahmt. Häng es dir um und versuche so zu blicken und aufzutreten, wie du es dir von einem fanatischen Sektierer vorstellst. Den Rest erzähle ich dir unterwegs. Wenn du sofort an die Sache rangehen willst, müssen wir bald los. Um Mitternacht fängt der Spektakel an, an dem du teilnehmen sollst.« Bevor ich die Frage ausgesprochen hatte, beantwortete Ron sie schon: »Heute abend findet in einem Haus im Zentrum von Miami eine Zusammenkunft der Streamer Church statt. Ich werde dich als Undercover Agent dort einschmuggeln. Hier ist dein Ausweis.« Ron drückte mir einen deutschen Personalausweis in die Hand, der mein Foto trug. Als Geburtsdatum war der 20. April 1970 angegeben, der Name lautete auf Peter Becker. »Ausgerechnet der 20. April«, beschwerte ich mich. »Das ist 'Führers' Geburtstag. Habt ihr kein anderes Datum gefunden?« Ron Carey entschuldigte sich wegen des Datums. »Sorry, wir haben uns nichts dabei gedacht.« Unter der Bezeichnung Streamer Church konnte ich mir nichts vorstellen. Ich erfuhr, daß es sich um eine Sekte handelte, deren Oberhaupt ein gewisser Father Paul Maploch war. Die Streamer Church nannte sich auch »Kirche der Heiligen aus den Hohen Lüften«, und Father Paul wurde auch der Exos-Prophet, Patriarch oder Gründer genannt. Ron Carey hatte bereits bei den Daten meines Notebooks nachgesehen, jedoch nichts gefunden. Mir waren das ebenfalls keine Begriffe. Ron vermittelte mir noch einiges über die Streamer Church oder den Streamer-Kult. Streamer Church hieß soviel wie Stromkirche oder Kirche der Ströme, wobei damit auch Luftströmungen gemeint sein konnten: Ich überlegte einen Moment, ob ich übers Internet oder per Handy in Weimar bei Ulrich und Lydia nachfragen sollte. Ich entschied mich jedoch dagegen. Von meinem ganzen Naturell her war ich ein Draufgänger und zog es vor, aktiv zu werden und selbst meine Erfahrungen zu sammeln, statt stundenlange Schreibtischrecherchen durchzuführen. »Marks Logistik ist, daß er keine hat«, hatte Pit Langenbach schon mal bissig bemerkt. Das stimmte auch wieder nicht. Doch mit Zusehen, Überlegen und Kombinieren hatte noch nie jemand ein Match gewonnen. Ich schaute auf die Uhr - es war 23.38 Ortszeit -11.38 p. m. wie die Amerikaner sagten.
»Packen wir's an«, sagte ich zu Ron Carey. »Zieh deine Seidenkrawatte hoch, heb' deinen Hintern aus dem Sessel und schwing die Hufe zu deinem Angeberauto. Den Rest…« »… kannst du mir unterwegs erzählen, Bruder«, beendete Ron den Satz, den ich bereits zu Ende gedacht hatte. »Let's go! Deinen Einsatzkoffer mit der Pistole und allem anderen kannst du hier im Hotelzimmer lassen. Oder willst du mit dem Dolch durch die Straßen laufen?« Es genügte, daß ich Nein dachte. Der farbige CIA-Agent tänzelte vor mir her aus dem Hotelzimmer, schnippte mit den Fingern und summte eine Rap-Melodie. Ron Carey war schon eine Nummer! Im Lift sagte er zu dem farbigen Liftboy: »Kann schon sein, daß ich ein schwarzer Lackaffe und Angeber bin. Aber das Leben ist nicht so ungerecht, wie du denkst. Die Tatsache, daß ich geschniegelt durch die Gegend renne und einen guten Job habe, hängt mit Fleiß und Arbeit und nicht mit Glück zusammen. - Was kann ich dafür, daß du lieber im Spielsalon rumhängst, statt aufs College zu gehen?« Der Liftboy riß die Augen weit auf. Ron hatte mal wieder fremde Gedanken gelesen. Kurz darauf fuhren wir in seinem Cabrio in Richtung Innenstadt. Als wir an einer Ampel hielten, schaute ich zwei hübschen Minirock-Girls auf die Beine. Ron schüttelte den Kopf. »Du denkst immer nur an das eine.« »Stimmt nicht.« »Okay, du willst wissen, weshalb wir Father Paul und seine Streamer Church verdächtigen? Die Streamer-People, wie seine Anhänger heißen, haben verschiedentlich Gegenstände verkauft, die von im Bermuda-Dreieck verschwundenen Schiffen und Flugzeugen stammen könnten. Ich habe mit Streamer-Leuten gesprochen und ihre Gedanken gelesen. Ihre 'Heiligen aus den Hohen Lüften' lassen ihnen Geld und Güter zukommen, wenn sie sie verehren.« Das erinnert mich an den Cargo-Kult bei den australischen Ureinwohnern, den Aborigines, dachte ich. Sie glauben, die Luxus- und Zivilisationsgüter der Weißen würden nicht etwa in Fabriken erzeugt, sondern stammten von ihren Ahnen im Jenseits. Diese würden diese Güter zur Erde schicken, und die Weißen würden sie den Aborigines stehlen. Deshalb trommeln und tanzen sie und führen Beschwörungen aus, um Kühlschränke, Autos, Fernseher und dergleichen zu bekommen.
»Und, kriegen sie was davon?« fragte Ron. »Auf Umwegen von den Weißen, von der Wohlfahrt, als Unterstützung, wie auch immer. Aber diese Aborigines beten tatsächlich und vollführen magische Riten, um Flugzeuge vom Himmel zu holen, von denen sie meinen, daß ihre Ahnen damit die Güter aus einer anderen Welt schicken würden.« »Die Aborigines haben mit den im Bermuda-Dreieck verschwundenen Schiffen und Flugzeugen nichts zu schaffen, oder?« »Nein, Ron. Bist du Father Paul schon mal begegnet und hast seine Gedanken gelesen?« »Nein. Aber ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß die Streamer Church heute in ihrer Filiale in Miami eine Zusammenkunft hat. Daran sollst du teilnehmen.« »Wie das?« »Vergiß nicht, du hast es hier mit der CIA zu tun. In Paris sollte eine Filiale der Streamer Ghurch gegründet werden. Als Leiter war ein gewisser Francois Leclerc vorgesehen. Father Paul kennt ihn seit ein paar Monaten und hat ihn zweimal persönlich getroffen. Maploch war einmal in Paris, wo er im Quartier Latin in einem verrufenen Haus obskure Riten durchführte. Leclerc hat ihn einmal in Miami besucht. Vor vierzehn Tagen ist Leclerc von der Pariser Kriminalpolizei wegen Verführung Minderjähriger festgenommen worden. Anscheinend hat er die Suche nach Jungfrauen für seine Riten auf eine Weise ausgelegt, die ihn mit dem Gesetz heftigst in Konflikt brachte. Da er einschlägig vorbestraft ist, wird es für ihn diesmal nicht ohne Sicherheitsverwahrung abgehen. Damit ist er aus dem Rennen.« Ich war empört wegen Leclerc und fragte mich, was Father Maploch wohl auf dem Kerbholz hatte. Bei Menschen, die mit Dämonen paktierten, konnte man keine Chorknaben erwarten. Oft waren es Abartige und Pervertierte, die keine andere Möglichkeit fanden, im Leben zum Zug zu kommen, die deshalb auf den Satan als Unterstützung verfielen. »Du wirst angeben, ein enger Vertrauter Leclercs zu sein«, fuhr Ron Carey fort. »Wir haben dich schon bei Father Paul avisiert. Ich denke, er wird dich mit offenen Händen empfangen. Die Surete (der französische Geheimdienst) ließ jemanden aus Leclercs Umgebung in Miami anrufen und dein Kommen erwähnen.«
Die betreffende Person war natürlich unter Druck gesetzt worden. Ich sah mit gemischten Gefühlen, ein Rädchen im Spiel der Geheimdienste zu sein. Einerseits war es bequem, daß ich viele Vorgaben und einen guten Start hatte, mich in die Streamer Church einschleusen zu können. Andererseits störte es mich ein wenig, Handlanger der CIA zu sein. Doch im Kampf gegen die Mächte der Finsternis konnte ich jeden Bündnispartner gebrauchen, und solange die Interessen übereinstimmten, war die Zusammenarbeit okay. Carey drückte mir ein Zigarettenetui in die Hand. »Danke«, sagte ich der Gewohnheit zufolge laut. »Ich bin Nichtraucher.« »Kein Mensch verlangt, daß du die Dinger qualmen sollst, Bruder. Das Zigarettenetui ist ein getarntes Walkie-talkie. Damit kannst du mich jederzeit anrufen, wenn's brenzlig wird.« Nach dem, was er in meinen Gedanken las, antwortete er: »Nein, irgendwelche 'James Bond-Spezialwaffen haben wir nicht für dich. Aber Big Brother Ron lauert schon um die Ecke. Ruf einfach ins Funkgerät 'Daddy, Hilfe!', und ich komme gerannt wie ein Black Panther zum Fernsehinterview.« Im Vorbeifahren deutete Ron auf ein schäbiges Hochhaus in der N. W. 17th Avenue. »Dort befindet sich der Sektentempel der Streamer Church. Er nimmt die gesamte 33. Etage ein. Die Hauptkirche ist übrigens auf einer der Florida Inseln, auf Vaca Key. Der oberste Gott, den die Streamer, wie sie sich nennen, verehren, heißt Stratophanus. Ich würde den ganzen Kult einen Humbug nennen, wenn da nicht jene Gegenstände und Wertsachen von im Bermuda-Dreieck verschwundenen Schiffen und Flugzeugen wären, die die Streamer in ihrem Besitz haben.« Eine Razzia mit Festnahme und Verhören von Sektenmitgliedern hätte letztendlich mit einem Fehlschlag geendet. Wie sollte die irdische Justiz jemanden überführen, der auf übernatürliche Weise in den Besitz solcher Gegenstände gelangt war? Der CIA brauchte dringend jemand, der das Rätsel des Streamer-Kults löste, diesen auffliegen ließ und nach Möglichkeit die Geheimnisse des Bermuda-Dreiecks mit aufdeckte. Aktueller Anlaß war das Verschwinden des QUAm-Jumbos. »Ja«, sagte Ron, als er anhielt und mich aussteigen ließ. »Du sollst alles tun, die verschwundene Boeing zurückzubringen. Denk
an die vielen Menschen. Es waren Kinder an Bord. - Stimmt, was du denkst. Der CIA hat mit Handkuß zugegriffen, als man erfuhr, was für ein Spezialist du bist. Dein Fund von Störtebekers Schatz hat auch in den USA Aufsehen erregt. - Nein, Bruder, ich verrate dich und deine besonderen Fähigkeiten nicht.« Er meinte die Möglichkeiten, die mir mein Ring verlieh. Beobachte auf alle Fälle die Fenster der 33. Etage, Ron, dachte ich. »Sicher, Bruder.« Ich nickte Ron Carey zu, der zunächst in seinem Corvette Stingray Cabrio sitzenblieb. Dann ging ich zu dem Haus mit dem Sektentempel, gespannt, was mich dort erwartete. Das StreamerAmulett, Abzeichen der Kultmitglieder, hatte ich umgehängt, den hervorragend gefälschten Ausweis in der Tasche, das getarnte Walkie-talkie eingesteckt. Letzterem vertraute ich nicht. Allzu oft hatte ich erlebt, wie Schwarze Magie die Mittel der Technik lahmlegte, daß Autos nicht mehr fuhren, Maschinen und Anlagen versagten oder verrückt spielten. Ich glaubte nicht, daß sich Father Paul bei seinen Ritualen mit technischen Mitteln abhören ließ oder Funkmeldungen oder Handy-Telefonate nach draußen zuließ. Wenn ich den Sektentempel betrat, würde ich auf mich allein gestellt sein. * Das Haus war verwahrlost. Von den Klingelknöpfen fehlten einige; die Sprechanlage schaute nicht sehr vertrauenerweckend aus. Auf die »Streamer Church«, wies nur ein Kunststoffaufkleber hin, der eher ausschaute, als ob er zufällig an die Klingelleiste geraten sei. Ich drückte mir den Finger an der Klingel wund, bis sich eine knurrige Stimme meldete. »Who's there? Wer ist da?« »Peter Becker, ich bin angemeldet. Ich bin ein Freund von Francois Leclerc.« »Fahren Sie in den 33. Stock hoch.« Der Türöffner summte. Im Hausflur lagen Abfälle herum. Es roch nach Urin und Erbrochenem. Ein paar Penner, die sich irgendwie Zutritt verschafft hatten, lagen in schmutzigen Schlafsäcken oder
mit Decken auf Pappdeckel- und anderen Unterlagen. Ein Kerl mit einem verfilzten Bartgestrüpp, in dem die Läuse Tango tanzten, schnorrte mich um eine Zigarette an. Ich sagte ihm, daß ich Nichtraucher sei und stieg über ihn hinweg. Von den sechs Aufzügen funktionierten nur zwei. Ich bestieg den, der am vertrauenerweckendsten aussah und am wenigsten stank, und drückte die 33. Etage. Es dauerte ewig, bis der Fahrstuhl sein Ziel erreichte und ruckelnd hielt. Als ich ausgestiegen war, glaubte ich zu träumen. Mein Ring glühte schwach. Vor mir standen Männer und Frauen, Weiße und Farbige, die allesamt weiße, langwallende Gewänder trugen und ein Amulett wie das meine am Hals hatten. Ihre Gewänder waren an der Seite mit Goldstreifen verziert. »Preise den Herrn«, säuselte eine walkürenhafte, weißhäutige Frau mit runzligem Gesicht. »Lobsinge Stratophanus, dem Herrn der Lüfte, der auf den Jet-Streams reitet, um uns Gaben zu schicken.« Normalerweise hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht und mich nie wieder hier blicken lassen. Doch hinter dem lächerlichen Rahmen, das spürte ich mehr und mehr, verbarg sich ein grauenvolles Geheimnis. Zwei bullige Schwarze, die in den weißen Gewändern verkleidet wirkten, tasteten mich nach verborgenen Waffen ab und schauten sich meinen gefälschte Ausweis an. »Er ist sauber«, sagte der eine dann zu einem jüngeren, mittelgroßen, drahtigen Blonden. »Äh, unser Glaubensbruder führt keine unreinen Werkzeuge mit sich, wollte ich sagen.« Der Blonde nickte. Den Ausweis erhielt ich zurück. Mein als Zigarettenetui getarntes Mini-Funksprechgerät war nicht aufgefallen. Für den Ring interessierte sich von dem Empfangskomitee niemand. Ich erklärte dem Blonden den Zweck meines Besuchs und erläuterte ausführlich, daß Francois Leclerc selbstverständlich zu Unrecht verhaftet worden wäre. Und daß ich darauf brennen würde, in seine Fußstapfen zu treten. Dabei versuchte ich, möglichst vergeistigt und abgehoben dreinzuschauen, wie ich es bei den meisten der hier Anwesenden sah. Rasch wurde ich in einen Nebenraum geschleust, wo ich auf Father Paul warten sollte. Der Flur und der Empfangsraum der Streamer Church waren in dunklem Blau und Schwarz gehalten.
Wolken und Regenbogen waren an Wänden und Decken zu sehen, außerdem ein Berg, der ein Gesicht hatte, in dem es rot und gelb leuchtete. Aus den Augenhöhlen, Nasenlöchern und Mund fiel der Lichtschimmer. Zudem gab es kleinere Öffnungen, die wie Pusteln wirkten. Zweimal hatte ich einen Gong erklingen gehört. Getragene Musik, manchmal Gitarrklänge, ertönten. Im Flur mit Sitzecke und Empfangspult hatte ich um die dreißig Menschen gesehen, alle in den weißen Gewändern. Während ich wartete, traten zwei Mädchen ein. Sie reichten mir ein weißes Gewand. »Zieh das an, Bruder.« Es reichte wohl noch nicht, daß Ron Carey mich so nannte. Nachdem ich das Gewand übergezogen hatte, wartete ich weiter, im Sessel sitzend. Dabei drehte ich meinen nicht allzu stark phosphoreszierenden Ring. Ich fragte mich, warum Ron Carey, der telepathisch begabte CIA-Agent, sich nicht selbst hier eingeschleust hatte. Vermutlich war er bei den Streamern als CIA-Mann bekannt. Nach einer Weile trat ein hochgewachsener Mann mit wallendem Grauhaar und Bart ein. Er wirkte wie ein biblischer Prophet oder Apostel. Seine Augen waren von einem Glanz, wie ihn nur Irre, Schwärmer oder Bekiffte hatten. Nicht mehr von dieser Welt. Er kam auf mich zu, ich stand auf, und er umarmte mich. »Mein Freund und mein Bruder. Weit und beschwerlich ist dein Weg gewesen. Doch jetzt hast du das Ziel erreicht. Heute noch wirst du eins der Höheren Wesen erblicken, denen wir dienen und die wir verehren. Peter Becker, sei mir gegrüßt.« Schaden konnte es nichts, ich umarmte ihn ebenfalls, nannte ihn Freund und Bruder und erklärte mit scheinbar tränenverhangenen Augen überschwenglich, daß ich überglücklich sei, ihm begegnen zu dürfen. Father Paul, kein anderer war es, ging mein Geschwätz ein wie Öl. Bei ihm hätte ich durchaus noch dicker auftragen können. Wir unterhielten uns kurz über Francois Leclerc. Father Paul stellte mir ein paar Fangfragen, die ich dank Ron Careys Unterweisung jedoch zu seiner vollsten Zufriedenheit beantworten konnte. »Wann darf ich endlich den Gott der Lüfte sehen, den erhabenen Stratophanus?« fragte ich. »Folge mir in unseren Tempel. Ich weiß nicht, welcher Streamer
uns heute erscheint, Peter. Wir sind die Verkünder der Lehre Exos' auf Erden. Wenn unsere Zeit erfüllt ist und wir Stratophanus und seiner göttlichen Schwester Aeolia gut gedient haben, werden wir einst ins Reich der Lüfte eingehen und nach Exos kommen. Dann werden wir selber zu Streamern und reiten auf den Jet-Streams. - Gepriesen sei Stratophanus. Auf den JetStreams geritten er rund um die Erde kommt, und im Diesseits und Jenseits ist keiner wie er.« Father Paul schätzte ich sofort als gefährlichen Fanatiker ein. »Was für einen Ring hast du da am Finger, Bruder? Woher stammt sein Leuchten?« »Es ist ein Kleinod, das mir eine weise Frau verehrte. Es begleitet mich auf allen Wegen.« »Hat es eine besondere Bewandtnis damit?« Ich schüttelte den Kopf. Es fiel mir schwer, Paul Maploch, den Patriarchen der Streamer Church, mit seinem exaltierten Englisch zu verstehen und ein ähnliches zu sprechen. Anscheinend gelang es mir jedoch ganz gut. Father Paul legte mir den Arm um die Schultern und führte mich durch zwei Türen in einen großen, weihrauchduftenden Raum. Blaue Spiegelglaswände erzeugten die Illusion des Unendlichen. Wolken schwebten über diese Wände, durch einen Drei-D-Effekt hervorgerufen. Das rotierende Symbol der leuchtenden Spirale mit der schwarzen Klauenhand war mehrfach zu sehen. Um die hundert Personen waren in dem Tempelraum versammelt. In der Mitte des Raums stand ein schwarzer, blutrot geäderter monolithischer Steinblock. Daran hingen Ketten mit Halterungen für Hände und Füße. Freischwebend, ohne eine für mich erkennbare Befestigung, hing ein drei Meter großes Spiralenemblem mit der schwarzen Hand über dem Pflock. Rechts und links von dem Steinblock, der ein Altar sein mußte, standen zwei Feuerbecken, von zweieinhalb Meter hohen vierfüßigen Ständern getragen. Flammen loderten aus den Becken, erzeugten jedoch keine Wärme. Leise, wohltönende Musik erklang. In der Decke pulsierte es, helles Licht strömte manchmal daraus hervor. Es war kühl in dem Raum. Die Luft schien mir hier dünner zu sein als gewöhnlich. Die Streamer-People, wie sich die Anhänger der Streamer Church nannten, stimmten einen Singsang an. Gutaussehende, ätherisch wirkende junge Männer und Mädchen verteilten Kerzen, die
allesamt angezündet wurden. Auch ich erhielt eine Kerze in die Hand gedrückt und stimmte in den Singsang mit ein. Father Paul war vor den Altar getreten. Eine regelrechte Messe fand statt, ein festes Ritual, das einem unheimlichen Höhepunkt entgegenstrebte. Meine Spannung wuchs, als ich die verzückten Gesichter der Streamer-People um mich herum sah. Wenn Tessa mich so sehen könnte, im weißen Umhang, mit einer Kerze in der Hand und singend, würde sie laut lachen, schoß es mir durch den Kopf. Im Hintergrund des Tempelraums, dessen Boden mit dicken, blauen Teppichen bedeckt war, erschien nun ein seltsames, nebliges Gebilde an der Wand. Von ihm liefen leuchtende Ströme zu drei Begriffen hinunter, die in einer Flammenschrift an der Wand hervortraten. BermudaDreieck, las ich, Tibet und Riukiu-Inseln. Die letzteren lagen zwischen Japan und Taiwan im Ostchinesischen Meer. Von den Riukius mit den Marianen als einem Endpunkt und Borneo als einem anderen erstreckte sich in asiatischen Gewässern ein Gegenstück zum Bermuda-Dreieck. Ein seltsames Gefühl packte mich. Unheimliche Mächte griffen nach der Erde. Bald würde ich einem ihrer Vertreter Auge in Auge gegenüberstehen. Father Paul hielt nun eine Predigt, in der er von Stratophanus und Aeolia sprach, von der Macht der Streamer und den Belohnungen, die sie ihren treuen Anhängern gaben. »Auf Vaca Key treffen bald wieder reiche Güter ein!« rief er überschwenglich. »Ein Jumbo-Jet ist nach Exos entrückt worden, durch die Macht und die Kraft der Streamer. Wir werden das Geld seiner Insassen und die für uns brauchbaren wertvollen Teile der Ladung erhalten. - Doch zuvor wißt eins: Es ist ein Verräter in unserer Mitte. - Tötet ihn!« Ich erschrak, damit konnte nur ich gemeint sein. Sofort ballte ich die Fäuste und war bereit, mich meiner Haut zu wehren. Doch ich hatte mich getäuscht. Der spitze Aufschrei einer weiblichen Stimme ertönte. Im nächsten Augenblick schleppten die zwei schwarzen Schlägertypen, die mich bei meinem Eintreffen kontrolliert hatten, eine widerstrebende junge Frau nach vorn. Das weiße Gewand war ihr halb vom Leib gerissen. Sie hatte milch - kaffeefarbene Haut, gekräuseltes, schwarzes Haar und eine gertenschlanke Figur mit Rundungen an den richtigen Stellen. Große Goldohrringe hingen an ihren Ohren, eine
Halskette, Ringe und ein Sticker mit einem kleinen Kunstdiamanten in der Nase vervollständigten ihren Schmuck. Ein rassiges Girl mit dunklen Augen. Ihr Alter schätzte ich auf Anfang Zwanzig. Die zwei Schläger, denen die weißen Umhänge standen wie zwei Gorillas, und der Blonde schleppten sie zum Altar. Der Blonde, von dem ich durch einen Zuruf den Vornamen Bill aufschnappte, und die zwei Schläger ketteten das Mädchen am Altar fest. Drohend baute sich Father Paul vor ihr auf. »Ich weiß, daß du uns verraten hast, Ramona!« rief er. »Das wäre noch zu verschmerzen. Doch du verrietest auch Stratophanus, unseren Herrn und Meister. - Welche Strafe gebührt ihr dafür?« »Der Tod!« erscholl es von allen Seiten. Und mehrfach: »Der Tod, der Tod!« »Wer soll die Strafe vollstrecken?« fragte Father Paul. »Ein Streamer! Ein Streamer! Ein Streamer soll kommen!« Der Patriarch der Streamer Church breitete die Arme aus. Auch Father Paul trug ein weißes Gewand, über das grau sein fast zum Gürtel reichender Bart und die langen Haare flossen. »Ramona Valdez«, rief er, »gestehst du dein Verbrechen? Die unglaubliche Lästerung, dich gegen die Streamer zu stellen?« »Nein, ich bin unschuldig.« Klatschend schlug das Sektenoberhaupt ins hübsche Gesicht der Gefesselten. Mich juckte es in den Fäusten, vorzuspringen und Father Paul eine handfeste Lektion zu erteilen. Doch ich beherrschte mich; es wäre mein Tod gewesen. »Dein Leugnen nützt nichts«, verkündete Father Paul. »Du bist beobachtet worden. Ich rufe den Streamer - wir alle werden ihn rufen! Dann sollst du dein Ende finden, Abtrünnige, allen Ungläubigen und Verrätern zur Warnung.« Der Gong ertönte. Die vorher sanfte Musik war zu einem Stakkato geworden. Eine Welle der Erregung erfaßte die Streamer-People. Mit ihrem Oberhaupt riefen sie: »Stratophanus, erscheine! Aeolia, erscheine in unserer Mitte! Streamer, Götter der Lüfte, zeigt euch bei euren Knechten!« Immer wieder wiederholten sie es, immer ekstatischer und wilder. Ich murmelte mit, bewegte mich ein wenig, um nicht aufzufallen und um kein Mißtrauen zu erregen. Um das in der Luft schwebende, dreidimensionale Spiralenemblem entstand ein milchiger Nebel. Die aus den hohen Feuerbecken lodernden
Flammen wurden nach unten gedrückt. Mit einem Luftwirbel entstand eine Gestalt, die meinen Ring grell aufleuchten ließ und elastisch und federnd vorn beim Altar landete. Und was für ein Monster es war! Rasch steckte ich meinen Ring unter dem weißen Umhang in die Tasche, um mich nicht gleich zu verraten. Zum ersten Mal sah ich einen Streamer oder vielmehr eine Streamerin. Brandrotes Haar umgab einen Totenkopf mit Vampirzähnen und grellrot geschminkten Lippen. Halblanger Umhang, außen schwarz, innen rot, Messer- oder Scherenhände, mit mörderischen Klingen versehen, die mehrgliedrig werden konnten, metallfarbenes Trikot mit dem Spiralemblem, metallener Gürtel. Etwa einsachtzig groß, mit deutlichen weiblichen Formen, so stand diese Bestie vor mir. »Aeolia!« ertönte ein Jubelschrei um mich herum. »Die Herrin der Lüfte ist uns erschienen.« Die Streamer-People drängten nach vorn, wagten sich jedoch nicht bis direkt an den Dämon heran. Aeolia war kein Typ, dem man auf die Schulter klopfte oder die Hand schüttelte. Lediglich Father Paul durfte dicht an sie herantreten. »Ihr habt mich von Exos gerufen«, sagte Aeolia mit hohler, pfeifender Stimme. »Ihr seid meine treuen Diener - bis auf diese da. Ich weiß alles.« Vielleicht hatte Father Paul sie schon vorinformiert. Die rotglühenden Augen richteten sich auf das zitternde, halbnackte Mädchen. »Verworfene, deine letzte Stunde hat geschlagen. Dich trifft die Strafe der Streamer!« Die Scherenhände klapperten über Ramona Valdez makellosem Körper. »Bitte«, stöhnte die Gefesselte. »Verschont mich. Habt Gnade. Erbarmen!« Genausogut hätte sie einen Stein anflehen können. Aeolias Messerhände zuckten blitzschnell über sie hinweg. Dann spreizte die Streamerin die Messerfinger, um Ramona grausam zu verstümmeln. Es würde ein langsamer Tod sein, das wußte ich. Die Streamerin strahlte Böses und Grausamkeit aus wie eine Glühbirne Licht. Ich konnte nicht zusehen, wie sie Ramona abschlachtete, und wenn es mich mein Leben kostete. Nie wieder hätte ich mich im Spiegel ansehen können, wäre ich tatenlos geblieben. Leider hatte ich keine Waffe bei mir. Ich ließ die Kerze fallen und holte den Ring und das als
Zigarettenetui getarnte Walkie-talkie hervor. Den Ring streifte ich mir über den Finger. Das Walkie-talkie schaltete ich ein und rief Ron Carey. Ich erhielt keine Antwort. Wie ich bereits befürchtet hatte, verhinderte Schwarze Magie das Absenden eines Funkspruchs. Also warf ich das Etui weg, es nutzte ohnehin nichts, rammte zur Seite, wer mir im Weg stand, und spurtete vor. Wuchtig stieß ich die Streamerin vor die Brust, daß sie zurücktaumelte. Eiskalt war sie, schwerelos und gleichzeitig sehr stabil und kompakt. Ein Aufschrei ertönte. Father Paul riß ein flammenförmiges Messer, das ich zuvor nicht gesehen hatte, vom Altarblock. Er hob es mit beiden Händen hoch über den Kopf. Seine Augen quollen weit vor, die Adern an seinem Hals schwollen an, so außer sich war er. »Nichtswürdiger!« donnerte er. »Du wagst es, Hand an die Göttin Aeolia zu legen? - Stirb! Fahr zur Hölle! - Göttin, vergib mir, ich räche den Sakrileg.« Damit wollte er mich mit der langen Klinge durchbohren. Doch er hatte die Rechnung ohne Mark Hellmann gemacht. Ich drosch Paul Maploch, der fast genauso groß war wie ich und gut fünfzig Pfund mehr wog, die Faust in den Leib. Das schlaffe Leben hatte Maplochs Bauchmuskeln in Pudding verwandelt. Meine Faust stieß fast bis an sein Rückgrat. Er knickte zusammen wie ein Taschenmesser und spuckte aus, was er zu Abend gegessen hatte. Wie er da stand, verpaßte ich ihm gleich noch was mit dem Knie und dem Ellbogen. Dann packte ich ihn bei seinem Rauschebart und warf ihn den zwei bulligen schwarzen Schlägern vor die Füße, die wutschnaubend auf mich lossprangen. Schonung wäre hier völlig verkehrt gewesen. Wenn überhaupt, damit nicht die ganze Meute über mich herfiel, konnte ich mich nur durch Härte behaupten. Der Blonde griff durch einen Seitenschlitz beidhändig unter seinen Umhang und zog zwei Stilette mit langen Klingen heraus. Messer waren bei den Streamer-People, die Wesen mit Messerhänden verehrten, eine beliebte Waffe. Der Blonde tänzelte heran. Er fintierte mit seinen Messern. Ich wußte, daß er die Schlüssel für die Ketten einstecken hatte, die Ramona an den Altarblock banden. Gleichzeitig rückten die Streamer-People vor, aufgebracht, mit geballten Fäusten. Manche
hatten sogar Schaum vor dem Mund vor lauter Zorn. »Halt!« Der gebieterische Ruf stoppte den Blonden und auch die Streamer-People. »Aus dem Weg, Menschengezücht! Ich werde selbst mit ihm abrechnen.« Aeolia sprang hoch in die Luft und vollführte dabei einen fünffachen Salto. Sie bewegte sich, als ob sie von einem Trampolin springen würde, akrobatisch, geschmeidig und schnell. Ihre Messerhände blitzten. Knapp vor mir landete sie. Ihre Rechte zuckte blitzschnell vor. Ich wich aus, konnte ihr jedoch nicht mehr ganz entgehen. Ihre Messer zerfetzten mir das Gewand und zogen blutige Linien über meine Brust. Die Streamer-People schrien begeistert, als sie mein Blut fließen sahen. Es waren bisher nur Schrammen. »Erst bringe ich dich um, Menschenwurm, dann die Verräterin!« zischte die Streamerin. »Ich zerstückele dich! Tausend Schnitte sollst du erleiden, bevor ich dich endlich sterben lasse. Du wirst dir wünschen, niemals geboren zu sein.« »Teufelin«, erwiderte ich, »noch hast du mich nicht.« Der Blonde, enger Vertrauter des stöhnend am Boden hockenden Maploch, lachte. Maploch hielt sich den Leib und konnte noch nicht sprechen. »Hier kommst du nicht lebend raus, Becker«, sagte er. »Warum stellst du dich gegen uns?« »Weil ich nicht Peter Becker heiße, sondern Mark Hellmann und gegen das Böse kämpfe. Ich bin vom CIA hergeschickt worden. Hier findet gleich eine Razzia statt. Ein starkes Eingreifkommando steht schon vor der Tür.« »Du lügst«, zischte Aeolia. »Irdische Mächte erschrecken mich nicht. Paß auf!« Sie trat zwei Schritte zurück und zeigte mit ihrer messerfingrigen Hand auf mich. Mir schwante Böses. Im nächsten Moment zischte pfeilschnell das Messer, das sie als Mittelfinger hatte, auf meinen Hals zu. Ich hätte dem Projektil nicht mehr ausweichen können. Doch es verfehlte mich nur um Haaresbreite, ich spürte den Luftzug. »Das war nur eine Demonstration.« Die Streamerin lachte. »Beim nächsten Mal treffe ich besser, aber nicht tödlich.« Die Dämonin wollte mich abschlachten. Der berühmte Schneeball in der Hölle, von dem man gelegentlich las, hatte noch gute Chancen gegen mich. Aeolias rotgeschminkter Mund verzog sich
zu einem grausamen Grinsen. Gleich würde sie loslegen mit allem, was sie hatte. * Zuvor auf Exos, in der Sphäre der Streamer, war folgendes geschehen: Die fünfzehn Menschen, einschließlich der achtjährigen Sue Goldfield, fanden sich im Innern des Berges Exos auf einer riesigen runden Scheibe wieder. Um die Scheibe herum züngelten rote und gelbe Flammen, die jedoch keine Hitze ausstrahlten. Eine rotierende Spirale, aus der die krallenartige, schwarze Hand wuchs, schwebte hoch in der Luft. Die Streamer, die sie hergebracht hatten, umringten die zitternden Menschen. »Wer will als erster sterben?« grollte Stratophanus. »Hören Sie, Sie begehen einen großen Fehler, wenn Sie mich nicht am Leben lassen«, sagte der Pentagon-Beamte Cully laut. Er schilderte, was für ein wichtiger Mann er sei. »Sie können für mich ein hohes Lösegeld erhalten«, bot er dann an. »Du feiges Schwein«, sagte der rothaarige Co-Pilot Wide zu ihm. »Du willst dich freikaufen und uns unserem Schicksal überlassen, wie?« »Ich bin Staatssekretär und Geheimnisträger.« Er wandte sich an Stratophanus. »Die US-Regierung wird sich euch gegenüber wohlwollend verhalten, wenn ihr die Menschen in eurer Gewalt freilaßt und den Jumbo-Jet zurückgebt.« Die achtzehn Streamer lachten höhnisch. »Wir brauchen das Wohlwollen der US-Regierung nicht«, antwortete Stratophanus. »Du bist der erste Baustein.« Der bullige Staatssekretär brüllte auf, als glühende Schmerzen von seinen Füßen her durch seinen ganzen Körper schossen. Der Boden unter ihm schmatzte und öffnete sich. Cully wurde eingesogen. Zoll um Zoll sank er in den Boden hinein. »Helft mir!« brüllte er den anderen zu. »Ich werde aufgefressen.« »Integriert«, berichtigte Stratophanus ihn kalt. »Es sollte dir eine Ehre sein.« Wide und ein weiterer Mann sprangen hinzu, als Cully bis zur Hüfte eingesunken war. Vergebens zerrten sie an seinen Armen und versuchten ihn hochzuziehen. Cully brüllte entsetzlich. Er hatte Schmerzen, als ob der untere Teil seines Körpers wie ein
Stück Fett auf einer glühenden Herdplatte verlaufen würde. Immer tiefer sank er ein. »Tötet mich!« schrie er jetzt. »Bringt mich um!« Er schrie und gab unartikulierte Laute von sich. Es war nicht möglich, ihm irgendwie beizustehen. Ann Downey, die Stewardeß, preßte die kleine Sue mit dem Gesicht gegen sich und hielt ihr die Ohren zu. Das Kind hörte die Schreie trotzdem. Bald war Cully bis zum Hals eingesunken. Wide und der andere Mann waren voll Grauen zurückgewichen. Cully weinte vor Angst und vor Schmerz. »Ich bin ein persönlicher Berater des Präsidenten!« rief er. Aeolia trat vor. Sie trat Cully mit ihrem Metallschuh auf den Kopf und stampfte ihn in den Untergrund, der ihn nun völlig einsog. Irgendwo auf Exos würde bald sein Gesicht zu sehen sein. Die Sphäre der Streamer hatte seine Lebensenergie aufgesogen und ihn für sich verbraucht. Von den Zuschauern des grauenvollen Geschehens war eine Frau vor Entsetzen in Ohnmacht gefallen. Eine weitere Frau und zwei Männer schluchzten. Die anderen waren totenblaß. Cullys Diplomatenkoffer mit den Geheimpapieren lag noch am Boden. Die Sicherungskette und der Ring, mit denen er an Cullys Handgelenk gehangen hatte, waren noch da. Nur Cully war weg. Für seine Geheimpapiere interessierte sich hier niemand. »Wer ist der Nächste?« fragte der grausame Stratophanus. Er deutete mit der Scherenhand auf Ann Downey. »Du, laß das Kind los, oder sie geht mit dir zugrunde.« Sue klammerte sich an Ann Downey. Sie war nicht von ihr zu trennen. * Aeolias rechte Hand zielte auf mich, um Messer abzufeuern. Ich stieß einen gellenden Kampfschrei auf, hechtete vor, machte die Rolle und krachte gegen die Beine der Streamerin. Sie war von einer festen Materie, leicht und schwer zugleich. Ihr Körper war schwer, wenn die Füße den Boden berührten, was mit dem Erdmagnetismus zu tun haben mußte. Das Monster fiel über mich. Ich griff nach oben, packte Aeolia bei der Kehle - ich lag auf dem Rücken - und stellte fest, daß sie in der Luft federleicht war. Ihre
Messerhände zuckten auf mich zu. Wuchtig stieß ich Aeolia weg. Sie segelte zurück, in die Menge der Streamer-People und verletzte zwei ihrer Anhänger, als sie mit ihren Scherenhänden herumfuchtelte. Schreie gellten. Blut floß. Aeolia stellte sich auf die Füße, sprang und vollführte wieder einen mehrfachen Salto durch die Luft. Wie die Kung-Fu-Kämpfer bei den Trickaufnahmen in den EasternAction-Filmen. Sie landete direkt vor mir. Ehe sie ihren mörderischen Messer einsetzen konnte, schlug ich ihr mit der ringbewehrten Faust ans Totenkopfkinn. Aeolia ruderte mit den Armen und wurde zurückgeworfen. Ihre Anhänger brüllten auf und drängten vor. Die Kerzen hatten die meisten fallen gelassen. In ihren weißen, mit Goldstreifen verzierten Umhängen sahen die Streamer-People alles andere als friedlich aus. Father Paul rappelte sich wieder auf. »Packt ihn!« brüllte er wie ein Stier. »Der Verräter hat es gewagt, Hand an die Göttin zu legen! Zerreißt ihn, erschlagt ihn. - Oh, daß ich diese Lästerung erleben muß. Das ist schlimmer als alles, was meine Augen jemals sahen.« »Dann hast du noch nicht viel gesehen, Alter«, posaunte ich. Als die Streamer-People vordrängten, rannte ich zu einem hochstieligen Feuerbecken. Ich packte es mit beiden Händen, hob es hoch, änderte meine Stellung und kippte das Becken so, daß sich die brennbare Flüssigkeit über Aeolia ergoß und den Streamer-People entgegenfloß. Aufschreiend wichen sie zurück. Ich packte sofort das zweite Feuerbecken und kippte es um. Ein brennender Strom ergoß sich und floß durch den Raum, trennte mich von dem allergrößten Teil meiner Angreifer. Aeolia stand in Flammen. Ihr Cape und die brandroten Haare brannten. Das Trikot hatte ebenfalls Feuer gefangen. Die Streamerin brüllte und kreischte. Sie schoß ihre Messerfinger in die Gegend, um mich zu erwischen. Doch Schmerzen und Flammen nahmen ihr die Sicht. Sie verfehlte mich. Die pfeilschnell durch die Luft zischenden Mordmesser trafen nur Spiegel an den Wänden, die klirrend zersprangen oder Risse erhielten. Spiegelscherben fielen zu Boden. »Das bedeutet sieben Jahre Pech für dich, Monster!« knirschte ich, auf den Volksaberglauben mit dem zerbrochenen Spiegel anspielend. »Dein Pech fängt gleich an.«
Die dicken Teppiche am Boden hatten Feuer gefangen. Ätzender Rauch erfüllte den Tempelraum und verhüllte die Sicht. Aeolia flog brennend hoch, der frei in der Luft hängenden rotierenden Spirale und der sich daraus hervorstreckenden schwarzen Klauenhand entgegen. »Hilf mir, Bruder, ich verbrenne!« kreischte die Streamerin. Die schwarze Hand wurde größer, zuckte vor, packte sie und riß sie wie einen brennenden Flederwisch in die Leuchtspirale hinein. Aeolia verschwand. Ihr Geschrei hallte wie aus einem hohlen Schacht und verklang in unendlicher Ferne. Mir stand der Schweiß auf der Stirn. Der Rauch brannte in meinen Augen und ließ sie tränen. Ich hustete heftig. Die brennenden Teppiche gaben ätzende Dämpfe frei. In Panik flüchteten die meisten Streamer-People zum Haupteingang und einer Nebenpforte. Es war eine höllische Szene. Die Flammen griffen rasch um sich. Die Teppiche bestanden aus einem leicht entflammbaren Material. Statt mit Dämonenbeschwörungen hätte sich Father Paul lieber mal mit den Feuerschutzbestimmungen befassen sollen. Brüllend, mit rollenden Augen, seinen flammenförmigen Dolch in der Faust, raste er auf mich zu. »Tötet ihn!« brüllte er. »Er darf nicht entkommen. - Ihr Ratten, ihr Feiglinge, zurück, bringt ihn um! Ihr habt nicht zu fliehen!« Die an den mit pulsierenden roten Adern versehenen Altarpflock gefesselte rassige Ramona Valdez schrie gellend um Hilfe. »Mark, rette mich! Laß mich nicht verbrennen! Bitte!« Ich hatte jetzt alle Hände voll zu tun. Mein magischer Ring nutzte mir nichts, das waren irdische Gegner. Maploch griff an, zudem seine zwei schwarzen Schläger, von denen einer einen Schlagring hervorholte und der andere eine schwere 45 er Pistole zog. Außerdem griff der Blonde mit seinen zwei langen Stiletten an. Die schwarzen Schläger waren weniger streamer- und strenggläubig als er, sie benutzten auch andere Waffen als Messer. Die Feinde kamen von verschiedenen Seiten. Maploch rettete mich wider Willen vor dem Erschossenwerden, indem er dem Pistolenmann in die Schußlinie lief. Ich verpaßte dem Sektenoberhaupt mehrere Handkantenschläge, stoppte den Stilett-Träger mit einem Karatetritt und packte ihn unter den Achseln. Unter Aufbietung aller Kräfte hob ich den Blonden hoch und warf
ihn mehrere Meter weit durch die Luft gegen den Pistolenschützen. Ein Schuß löste sich krachend aus dessen Waffe, als der Blonde ihn traf und von den Füßen riß. Dann krachte mir die schlagringbewehrte Faust des zweiten schwarzen Schlägers gleich zweimal in die Seite. Glühende Schmerzen durchzuckten mich. Ich wirbelte jedoch und traf den Angreifer mit Faust- und Handkantenschlägen. Er war betonhart im Nehmen. Sein kahlrasierter Schädel rammte mir wie ein Rammbock in den Leib. Ineinander verkrallt stürzten wir in die lodernden Flammen. Maploch raffte sich auf, nachdem er kurz zu Boden gegangen war. Rasender Zorn trieb ihn, und er entwickelte wahnsinnige Kräfte. Obwohl er fast sechzig Jahre auf dem Buckel hatte, stürmte er in das Feuer, um mich zu erstechen. Ich verpaßte meinem Gegner eins mit der Stirn, kam hoch, traf ihn mit dem Knie, als er sich an mich klammerte, und riß den Ellbogen herunter. Das reichte, jetzt war ich frei. Mein weißes Gewand fing an zu brennen. Maploch raste mit vorgestrecktem Messer auf mich los. Ich wich aus und verpaßte ihm eins mit der Handkante. Es war ein Schlag, den mir ein Polizeiausbilder für den Notfall beigebracht hatte. Hier war er gegeben: Ein schwarzer Bodyguard des Sektenoberhaupts zielte mit der Pistole auf mich, und Maploch wollte mich erstechen. Seine Beine rannten weiter, der Körper stand, von meinem Schlag gestoppt. Maploch fiel und rollte zu seinem Glück aus dem Feuer. Jetzt war er kampfunfähig. Sein Leibwächter feuerte. Die schwere Pistole krachte. Ich ließ mich fallen, hörte die Kugeln pfeifen und gelangte mit drei Rollen zu dem Pistolenschützen. Hart traf ihn mein Absatz am Kinn. Die Pistole flog weg. Ich hob sie auf, steckte sie in den Hosenbund und zerrte den einen schwarzen Leibwächter aus dem Feuer. Ich rollte ihn über den Boden, um die Flammen an seiner Kleidung zu ersticken. Bewußtlos, mit qualmenden Kleiderresten, blieb er liegen. Die anderen waren noch nicht direkt von den Flammen gefährdet. Der Schuß, der sich löste, als der Blonde gegen den Pistolenmann krachte, hatte den Blonden, Maplochs rechte Hand, an der Hüfte verwundet. Der Blonde leistete keine Gegenwehr, als ich ihm die Schlüssel zu Ramona Valdez' Ketten abnahm. Ich raste zum Altar, schloß Ramonas Ketten auf und befreite sie.
Dann riß ich mir den brennenden Umhang vom Körper und warf ihn weg. Maploch wankte durchs Feuer auf mich zu. Er hatte seinen Flammendolch verloren. »Du…«, gurgelte er, »du…« »Dein Kittel brennt, Patriarch«, sagte ich. Maploch wankte an mir vorbei. Seine Kräfte verließen ihn, und er brach zusammen. Rasch zog ich ihm den brennenden Umhang aus. Dann schaute ich mich um. Ramona kauerte am Boden, hustete und rang nach Luft. »Raus hier«, ächzte sie, »oder wir verbrennen.« Zuerst mußte ich Ron Carey verständigen. Eine Fensterreihe, nach innen verspiegelt und von vertikalen Metalleisten unterteilt, zog sich an der Außenwand des Tempelraums hin. Die Fensterreihe war nur zu erkennen, wenn man genau hinschaute. Ich zog die 45er aus dem Hosenbund und schlug mit ihrem. Griff ein Fenster ein. Es zerbrach klirrend. Jetzt steckte ich die Pistole durch die Öffnung und feuerte in kurzen Abständen vier Schüsse nach oben. Anschließend schleppte ich Father Maploch, den wegen seiner Verletzung stöhnenden Blonden und die zwei bewußtlosen schwarzen Schläger aus dem Tempelraum, in dem die Flammen loderten. Sengende Hitze und Rauch machte das Atmen fast unmöglich. Die übrigen Anhänger Maplochs waren geflohen. Ramona Valdez konnte allein laufen. Die leuchtende, rotierende Spirale mit der daraus ragenden schwarzen Hand, das Symbol der Streamer Church, hing nach wie vor in der Luft. Flammen umzüngelten den schwarzen, geäderten Steinaltar. Im Korridor, als ich alle in Sicherheit hatte, brach ich zusammen. Der Kampf gegen die Streamerin und das, was ihm folgte, hatten mir alles abverlangt. Mir schwanden die Sinne. Das letzte, was ich wahrnahm, waren das schwächer gewordene Leuchten meines Rings und lautes Geschrei. Erst später erfuhr ich, daß der bullige schwarze Bodyguard, den ich aus den Flammen gerettet hatte, das Geschrei von sich gab. * Ron Carey - mit vollem Namen hieß er Ronald Cedric Carey döste in seinem Corvette Stingray Cabrio auf der anderen
Straßenseite. Gelegentlich schaute er zu den erleuchteten Fenstern im 33. Stock hinauf. Sein Walkie-talkie, ein normales tragbares Funkgerät, hatte er auf dem Beifahrersitz liegen. Da Carey nur die Gedanken der Menschen in seiner unmittelbaren Nähe lesen konnte, wußte er nicht, was oben geschah. Er wurde wacher, als eine schwarze Schönheit mit Hotpants und tiefausgeschnittenem Top hüftenschwingend aus einem Hotel auf ihn zukam. Sie lächelte den elegant gekleideten Schwarzen an, ihre Lackledertasche über der Schulter. Carey lächelte ebenfalls, hörte jedoch bald auf damit. »Baby«, sagte er, »ich bin kein verdammter Nigger, dem du fünfzig Dollar aus den Rippen leiern kannst, damit dich dein Zuhälter nicht verprügelt. Vergiß es.« Die schwarze Lady, die keine war, erstarrte. Genau das hatte sie gerade gedacht. Ehe ihr eine Antwort einfiel, krachte hoch oben ein Schuß, dem drei weitere folgten. Carey schaute zum 33. Stock des schäbigen Bürohochhauses, in dem mehrere Etagen leerstanden. Deutlich sah er Rauch emporsteigen. »Verdammte Scheiße!« rief er, sprang aus dem Auto und raste quer über die Straße zum Haus, das Funksprechgerät in der Hand. Er rief das nächste Polizeirevier, öffnete die Haustür mit einem Spezialbesteck und wollte mit dem Lift nach oben fahren. Die beiden funktionierenden Fahrstühle waren jedoch oben. Carey wartete, bis einer unten ankam. Der Lift war mit Anhängern der Streamer Church vollgestopft, die alle in Panik waren. Einige trugen noch ihre weißen Umhänge, andere nicht. Carey schnappte sich einen der Sektierer, zog ihn zur Seite, setzte ihm seine Dienstpistole an die Schläfe und las seine Gedanken. »Shit!« rief er wieder und ließ den Mann laufen. Er setzte abermals eine Meldung ab und fuhr mit einem anderen Lift, nachdem dieser ebenfalls eine Ladung entsetzter Sektierer ausgestoßen hatte, nach oben. Ätzender Qualm quoll ihm entgegen. Etliche Sektenanhänger drängten sich im Empfangsraum der Streamer Church vorm Aufzug. Ätzender Rauch war zu riechen. Carey feuerte einen Schuß in die Luft. »Carey, CIA, ihr seid alle verhaftet!« rief er. »Die Polizei ist in Anmarsch. Bleibt, wo ihr seid, und stellt keine Dummheiten an. Wo sind der blonde Deutsche, und wo finde ich Father Maploch?«
Ein weibliches Sektenmitglied deutete den Korridor entlang. Carey lief los. * Im Berg Exos, in der Sphäre der Streamer, deutete Stratophanus auf die Stewardeß Ann Downey und das Mädchen Sue Goldfield. »Sterbt beide zusammen«, sagte er. Da trat der rothaarige Co-Pilot Jonas Wide vor. »Du verdammtes Monster. Schreckst du vor nichts zurück? Wenn du ein Opfer haben willst, nimm mich. Doch verschone das Kind und Ann.« Stratophanus rotglühende Augen hefteten sich auf ihn. Der Streamer mit dem Totenkopf und dem Schlapphut nickte. Glühender Schmerz durchzuckte Wides Körper von den Füßen her. Zoll um Zoll sank er ein. Der Boden sog ihn auf. Doch er gab keinen Laut von sich. Erst zuletzt, ehe sein Kopf versank, röchelte er: »Du wirst deine Strafe erhalten, Stratophanus. Ob Mensch oder Dämon, keiner entgeht seinem Schicksal.« Sue Goldfield weinte. Auch Ann Downey strömten die Tränen übers Gesicht. Von den andern Gefangenen im Berg sagte einer: »Dieser Mann war ein Held.« Stratophanus klapperte mit seinen Messerfingern. »Das reicht im Augenblick«, sagte er zu seiner Schwester Aeolia. »Die nächsten Opfer bringen wir später. - Paul Maploch ruft. Suche du unsere Anhänger in Miami auf.« In der Sphäre der Streamer war der Zeitablauf anders als auf der Welt der Menschen. Aeolia flog zu der rotierenden Spirale, in der sie verschwand. Wenig später nur mußte Stratophanus sie zurückrufen. Ihr gedanklicher Hilferuf hatte den Dämon der Lüfte erreicht. Wutbebend sah er, in welchem Zustand seine Schwester war. Doch damit war noch längst nicht alles vorbei. * Jemand schlug mir ins Gesicht. Ich dachte, es wäre Maploch und packte hart zu.
»Laß los, Bruder, du brichst mir sonst das Handgelenk!« beschwerte sich Ron Carey. »Die Feuerwehr und die Polizei sind schon unterwegs. Einen Teil der Streamer-People habe ich festgenommen. Sie stehen vorn am Eingang und sind zu geschockt, um Fluchtgedanken zu hegen.« Carey mußte das wissen. Ramona Valdez preßte mir ihre weichen Lippen auf den Mund und bedankte sich mit einem Kuß für die Rettung. Ich spürte, daß sich meine Lebensgeister wieder regten, und stand auf. Kurz darauf trafen Polizei und Feuerwehr ein. Der Brand in der Tempelhalle der Streamer Church konnte mit großen fahrbaren Schaumlöschgeräten gelöscht werden. Ron Carey hatte bei der Miami City Polizei einiges zu erklären und zu regeln, damit wir mit Ramona Valdez unangefochten weggehen konnten. Der schwarze CIA-Agent rief bei der nächsten CIA-Dienststelle und in Langley, in der Zentrale, an. Ramona und ich suchten das Medical Center von Miami auf, wo wir wegen Rauchvergiftung und ich wegen leichter Brandwunden behandelt wurden. Auf eigene Verantwortung verließen wir das Medical Center bald. Ron Carey erwartete uns in der Halle des großen Krankenhauses. Mittlerweile war es fast vier Uhr morgens. »Wohin?« fragte er. »Father Paul, sein Stellvertreter, der Blonde, und die zwei Bodyguards liegen im Gefängnishospital. Gegen die Streamer Church wurde ein vernichtender Schlag geführt. Die Hauptkirche auf Vaca Key ist schon von Polizeikräften und dem FBI besetzt. Die Streamer-People werden, soweit sie Verbrechen begingen, verhaftet. Paul Maploch wird sich eine Weile flüssig ernähren müssen. Du hast ihm ein hartes Ding verpaßt, Mark. Ich habe seine Gedanken gelesen. Selten habe ich einen Menschen getroffen, der soviel wirres, abstruses Zeug im. Kopf hatte. Aber eins steht fest: Der verschwundene Jumbo-Jet ist von den Streamern entführt worden und befindet sich laut Maploch in deren Welt oder Dimension. - Wie können wir diese Menschen retten?« Ich hatte den Arm um die rassige Ramona gelegt. »Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte ich, obwohl ich einiges hinter mir hatte und erschöpft war. »Ich muß zu den Streamern und diese Menschen retten.« Ron schaute mich an. »Der Ring«, sagte er, und dann las er wieder meine Gedanken. Er zog mich zur Seite. »Mark«, sagte er
unter vier Augen zu mir. »Du hast gerade gedacht, daß es einen Versuch wert wäre, zu probieren, mit deinem Ring vom Tempelraum der Streamer Church ins Reich der Streamer zu reisen. Bisher hast du nur mit Zeitreisen Erfahrung, die du mit dem Ring bewerkstelligen kannst. Doch den Versuch willst du unternehmen. Das ist ein Himmeloder vielmehr Höllenfahrtskommando für dich.« Soll ich aufgeben? dachte ich. Die vierhundert Menschen sich selbst überlassen? »Nein. Doch was willst du allein gegen solche Monstren ausrichten? Aeolia allein war schon schlimm genug. Du kannst keine Waffen mitnehmen. - Doch halt, auch das solltest du probieren. Es ist keine Zeitreise. Vielleicht funktioniert es.« Es gab viele Vielleichts. Sie mußten in Kauf genommen werden. Nach dem, was Father Pauls Gedanken verrieten, bauten die Streamer ihre Welt aus den Knochen ihrer von der Erde entführten Opfer. Ich durfte keine Zeit verlieren. Ramona Valdez hatte deshalb grausam getötet werden sollen, weil sie aus der Streamer Church austreten wollte. Es war ihr letzter Abend dort gewesen. Doch ihre Freundin, die ebenfalls zu den StreamerPeople gehörte und der sie sich anvertraut hatte, hatte sie an das Sektenoberhaupt Father Paul verraten. Er hatte, im Verein mit den Streamern, ein grausames Exempel an ihr statuieren lassen wollen. Eine knappe Stunde später stand ich bereits wieder, mit einem Sauerstoffgerät ausgerüstet, in dem vom Feuer verwüsteten Tempelraum der Streamer Church. Von den Bodenteppichen waren nur noch verkohlte, mit Löschschaum und -Chemikalien getränkte Überreste übrig. Die Spiegel an den Wänden waren teils zerborsten, der Rest rauchgeschwärzt. Die Fenster, Einwegspiegel von der Raumseite her, waren allesamt von der Feuerwehr zerschlagen worden, damit nach dem Brand frische Luft eindringen konnte. Trotzdem stank es noch nach Brand und Asche, und es wurden giftige Dämpfe frei. Der Altarblock, an dem noch die Ketten hingen, war brandgeschwärzt. Die leuchtende Spirale mit der schwarzen Klauenhand, das Symbol der Streamer, war verschwunden. Doch mein Ring leuchtete und sandte ein Prickeln in meinen Arm. Ich spürte, daß da noch etwas war. Während Ron Carey am Eingang stand, Ramona Valdez wartete unter Polizeischutz in einem Hotel, aktivierte ich meinen Ring am
Hexenmal, auf meiner Brust. Der kurze Laserstrahl stach hervor. Mit Runenbuchstaben schrieb ich das keltische Wort für »Reise«. Nichts geschah. Hinter Carey warteten etliche Beamte von einer Spezialeinheit in schwarzen Kampfanzügen, mit Helmen, kugelsicheren Westen, Schnellfeuerwaffen und Kehlkopfmikrophonen. Ich hatte sie nicht angefordert. Auch ich trug einen schwarzen Kampfanzug, eine kugelsichere Weste und Springerstiefel. Als ich meine Beschwörung wiederholte und abermals nichts passierte, erfüllte mich ein tiefes Gefühl der Mutlosigkeit. Ich glaubte, meine Ausrüstung umsonst mitgenommen zu haben. Den Dolch und die Kugeln hatte ich bereits mit meinem magischen Ring behandelt und auch mit diesem in übernatürliche Waffen verwandelt. Die Streamer, dachte ich, sind für uns nicht angreifbar. Daß ich die Streamer Church zerschlug, nutzt nicht viel. An die Hauptakteure, die Luftdämonen, komme ich nicht heran. In dem Moment entstand ein Wirbel in der Luft. Die leuchtende Spirale erschien. In ihr war eine Totenkopffratze mit Schlapphut, Vampirzähnen und rotgemaltem Mund zu erkennen. »Habe ich dich! Ich bin Stratophanus. Jetzt hole ich dich!« donnerte der oberste Streamer. Der Wirbel erfaßte mich und riß mich in die Spirale hinein, ohne daß die schwarze Hand erschien. Gleich darauf verschwand die Spirale. Ich spürte einen Ruck, wurde ins Nichts gerissen und stürzte wie durch einen nebligen Schacht. Es war ganz anders als bei einer Zeitreise und dauerte nur einen Augenblick. Im nächsten Moment landete ich bereits in einer völlig fremden, unheimlichen Umgebung. Federnd stand ich auf meinen Füßen. Vor mir sah ich dreizehn Menschen, darunter ein Kind. Ein Dutzend Streamer, angeführt von Stratophanus, standen umher oder schwebten mit mattem Flügelschlag ihrer zu Fledermausflügeln gewordenen Capes in der Luft. Wir standen auf einer Scheibe, die von Flammen umlodert war, die jedoch keine Hitze ergaben. Eine riesengroße Spirale mit der schwarzen Hand schwebte über uns. Ich vermutete, daß die dreizehn Menschen zu den Insassen des zuletzt verschwundenen Jumbo-Jets gehörten. Bei den Streamern sah ich Aeolia, die schrecklich ausschaute. Die Flammen hatten stellenweise ihre Knochen freigelegt. Die eine
Gesichtshälfte war weggebrannt, deren glühendes Auge erloschen. Die rote Haarmähne war völlig verbrannt. Aeolia konnte wohl auch nicht mehr fliegen. Ihr Cape war verbrannt. Somit konnte sie keine Fledermausflügel mehr hervorbringen. Ein Schrei des Hasses entrang sich ihr. Mein Ring strahlte hell. Meine Waffen hatte ich alle noch. Ich brauchte keine Erholungspause wie nach einer Zeitreise. Jetzt ging alles blitzschnell vonstatten. Eine Sekunde brauchte ich, um mich umzuschauen. In der nächsten handelte ich bereits, was meine einzige Chance war. Ich riß die Pistole aus der Schulterhalfter und feuerte. Donnernd krachten die Schüsse. Aeolias Totenschädel zerbarst. Drei weitere Streamer erschoß ich aus der Luft. Einen, der neben Stratophanus stand, erwischte mein Schuß in den Kopf. Mit einem kleinen Loch im Totenschädel sank er nieder. Aeolias Schädel mochte zerborsten sein, weil sie vom Feuer geschädigt war. Noch ehe die Streamer ihr Überraschungsmoment überwanden, zielte ich schon auf Stratophanus. »Wenn es einer wagt, seine Messer auf mich abzuschießen, töte ich Stratophanus, euren Anführer«, drohte ich. Die Streamer waren entsetzt. Sie konnten Waffen und sonstige menschliche Technik außer Betrieb setzen. Bei meiner Pistole, die ich mit dem magischen Ring behandelt hatte, schafften sie es nicht. Stratophanus' Scherenhand deutete auf meine Brust. Er konnte seine Messerfinger loszischen lassen und mich damit umbringen. Doch auch er würde dann sterben. Die kugelsichere Weste schützte nur meinen Oberkörper. Wir starrten uns an. Ich schaute in die rotglühenden Augen des Dämons. »Was willst du?« grollte er. »Du hast meine Schwester getötet.« »Sie hat den Tod verdient«, erwiderte ich. »Ich verlange, daß du die Menschen, die du entführt hast, freigibst. Laß sie auf die Erde zurückkehren, am besten mitsamt dem Flugzeug.« »Die Blöße gebe ich mir nicht«, grollte er. »Ich will Aeolias Tod rächen.« »Das kannst du versuchen, wenn du meine Forderungen erfüllst. Dann stelle ich mich dir zum Kampf, Mann gegen Dämon. Mein Dolch gegen deine Messerhände.« Stratophanus verzog seinen breiten Mund. Es sollte ein Grinsen sein.
»Einverstanden«, sagte er. »Auf dem Jumbo-Jet, während wir ihn zurückschicken, tragen wir unseren Kampf aus. Ich schneide dich in Stücke, Mark Hellmann, und röste dein Herz in der Hölle.« »Das kannst du versuchen.« Ich paßte genau auf, daß uns die Streamer nicht übertölpeln konnten. Meine Vermutung, daß die dreizehn Menschen, die ich um mich sah, zu den Insassen des verschwundenen Jumbo-Jets gehörten wurde bestätigt. Ich gab meinen silbernen Dolch dem Navigator und verteilte auch das Kreuz und die drei Ampullen mit Weihwasser. Nachdem ich einige Informationen von den Flugzeuginsassen erhalten hatte, trugen uns die Streamer mit ihren Saugnäpfen durch die Lüfte. Vom Berg Exos weg zum Jet. Die Körper der von mir erschossenen Streamer lösten sich auf. Nur ihre Trikots, Schuhe und Gürtel und Messerhände blieben, von den Körpern nicht mal Staub, nur Luft. Der Berg Exos grollte hinter aus. Lichtstrahlen zuckten aus seinen Öffnungen, und die Gesichter an seiner Oberfläche verzerrten sich. Wir bestiegen den Jumbo. Ich hatte Stratophanus keine Chance gegeben, mich hereinzulegen. Meine Pistole war ständig an seinem Totenschädel gewesen. Ich achtete darauf, daß er seine Messerhände nicht in meine Nähe brachte. Kühl war sein Körper, als er mich trug. In der Boeing 747 begrüßten uns die restlichen Passagiere überglücklich. Sie hatten nicht geglaubt, von den fünfzehn Verschleppten welche wiederzusehen. Meine Ankunft erzeugte Hoffnung. Die Leichen des Piloten und der beiden Flugzeugentführer waren von Bord gebracht worden. Nur Stratophanus blieb in der Boeing, als magische Kräfte sie fortbewegten. Der Ausstieg der Notrutsche und die vordere Tür waren geschlossen worden. Ich hielt Stratophanus in Schach. Den Dolch hatte ich wieder am Gürtel. Die unheimliche Umgebung von Exos mit seinen in den Untergrund integrierten Gesichtern und seinen bizarren Bäumen und Totenkopfblumen, Bergen, Tälern und Ebenen, besonders jedoch dem Berg Exos, Gaswolken und dem watteartigen, fahl erleuchteten Wolkenhimmel verschwanden. Wir flogen durch milchigen Nebel, in einer anderen Dimension, einem magischen Schacht, was auch immer. »Es ist Zeit«, sagte Stratophanus. »Komm!« Ich verließ mit ihm das Cockpit. Im Passagierraum sah ich die
kleine Sue Goldfield bei »ihrer« Stewardeß und war erleichtert. Jetzt hing alles davon ab, ob ich Stratophanus besiegte und wie wir es dann schafften, den Jumbo nach dem Tod seiner beiden Piloten zu landen, sobald er wieder normal fliegen mußte. Im Moment ließen sich die Triebwerke nicht einschalten. Ob der Jumbo wohl abstürzt, wenn er den Schacht der Streamer verläßt? fragte ich mich. Stratophanus hob seine Hand, vollführte seltsame Bewegungen und murmelte etwas. Im nächsten Moment fand ich mich mit ihm auf der rechten Tragfläche des Jumbos wieder. Stehend. Zwanzig mal fünf Meter Platz hatten wir dort. Vereinbarungsgemäß steckte ich meine Pistole weg und zog den armenischen Dolch, den ich, weil seine blaue Strahlung nachließ, abermals mit meinem Ring behandelte. Es gab keinen Luftwiderstand und keinen Flugwind, der mich sonst wie ein Blatt weggewirbelt hätte. Das Flugzeug schwebte erschütterungsfrei in einer milchig-nebligen Umgebung. Stratophanus wetzte die Messerfinger. Ein furchtbarer Kampf begann, bei dem ich mehrere Wunden davontrug. Der oberste Streamer schlug furchtbar zu und haute und stach durch die kugelsichere Weste. Einiges hielt sie jedoch ab, sonst wäre ich bereits in diesen Sekunden tot gewesen. Ich keuchte. Das Blut rann mir herunter. Zweimal erwischte ich Stratophanus mit meinem Silberdolch und fügte ihm klaffende Wunden zu, aus denen jedoch kein Blut rann, sondern nur eine zähe, farblose Flüssigkeit tropfte. Der Luftdämon hielt sich an die Abmachung und schoß seine Messerfinger nicht ab. Er war zu sehr erpicht darauf, seine Schwester zu rächen, und er wollte mich deshalb langsam töten. Seine Messerhände klirrten gegen meinen Dolch. Mordgierig drängte er nach. Wir trieben uns über die Tragfläche, vor und zurück. Fast stürzte ich ab. Ich blendete Stratophanus mit meinem Ringlaserstrahl, was er jedoch verkraftete und mich mit wilden, pfeifenden Hieben der Messerhände auf Abstand hielt, bis er wieder klar sehen konnte. Als Ausgleich verblitzte er mir mit seinen Glutaugen die Augen, daß sie tränten und ich nur verschwommen sah. Auch ich haute um mich. Dann stürzte ich beinahe wieder ab. Passagiere beobachteten durch die Bullaugen den hin und her tobenden Kampf. Meine linke Seite schmerzte, wo mich einer von Father Pauls Schlägern mit dem Schlagring getroffen hatte. Die Wunden, die Stratophanus mir zufügte, bluteten.
Der Dämon war ungeheuer stark, vollführte Saltos, flog durch die Luft und umkreiste mich. Blutbefleckt, mit zerfetzten Kleidern, wehrte ich mich. Er trieb mich gegen den Rumpf der Maschine; an diesem hochzuklettern war nicht möglich. Ein Rückhandschlag Stratophanus' traf meinen Arm so hart, daß ich den Dolch verlor. Stratophanus trat zu. Es war, als ob ich zerrissen würde. Ich lag mit dem Rücken an der glatten Metallhaut des Flugzeugrumpfs. Triumphierend stach Stratophanus mit seiner Rechten zu. Im letzten Moment wich ich aus. Tief stieß er die Messerhand in die Metallhülle der Boeing und steckte erst einmal fest. Ich packte seine andere Messerhand am Gelenk, verdrehte sie ihm, riß ihn, der halb über mir lag, gegen mich und trieb ihm seine eigene Scherenklaue tief in den Leib. Der Dämon brüllte. Sein Gebrüll erstarb, als ich mich unter ihn vorwand, meinen vierzig Zentimeter langen Dolch von der Tragfläche aufhob und ihm mit einem wuchtigen Hieb den Schädel samt Schlapphut zerteilte. * Der vordere Einstieg wurde geöffnet. Man warf mir ein Seil zu. Ich konnte an Bord. Stratophanus' Körper löste sich auf. Die Kabinentür war kaum geschlossen, als wir den magischen Schacht verließen. Die Todesangst war umsonst, die Triebwerke setzten schlagartig mit vollem Schub ein. Stratophanus' Überreste, abgesehen von seiner rechten Messerhand, die tief in der Außenhülle der Boeing steckte, wehten weg. Im Cockpit, das ich aufsuchte, empfingen wir Funksprüche vom Miami International Airport, in dessen Landeschleife wir bereits waren. Das Bermuda-Dreieck hatte uns freigegeben. Spannungsgeladene Minuten verstrichen, ehe ich den Jumbo-Jet laut Anweisungen vom Tower in Miami und den Erläuterungen eines erfahrenen Flugkapitäns dort ein wenig hart, aber einwandfrei aufsetzte. Es war eine reine Nervensache. Funker und Navigator hatten mich entscheidend unterstützt. Die Passagiere und die Crew feierten uns! Stewardeß Ann Downey verpflasterte mir meine
Wunden. Sue Goldfield umarmte mich. »Danke, Mark«, sagte die Kleine. * Offiziell hieß es, das Bermuda-Dreieck habe erstmals eins der in ihm verschwundenen Flugzeuge nach einer gewissen Zeit wieder freigegeben. Die genauen Umstände wurden geheimgehalten. Die Streamerwelt bestand immer noch, und es gab weiterhin Streamer, was manchem das Fliegen verleidet hätte, hätte er es gewußt. Ich sollte in den USA einen Orden erhalten, worauf ich jedoch dankend verzichtete. Mein Honorar jedoch nahm ich gern und flog sofort wieder nach Deutschland zurück. Tessa mußte besänftigt und Mannenköpper zurückgeholt werden. Und wer nun glaubt, das sei leichter, als gegen Stratophanus anzutreten, der hat sich möglicherweise getäuscht…
ENDE Das siebenzackige Mal auf meiner Brust juckte. Es lag etwas in der Luft. Sicherlich eine dämonische Aktivität, dennoch wollte ich joggen. Erst quer durch die Stadt, dann im Park an der Ilm. Und dort geschah es! Das Knurren hörte ich noch, doch da sprang die riesige Wolfsbestie bereits aus dem Gebüsch und hechtete mit einem Fünf-Meter-Satz auf mich zu. Mir blieb keine Zeit, mich zu wundern, weshalb mich mein magischer Ring nicht gewarnt hatte…
Die Werwolfs-Brut von Weimar hat wieder zugeschlagen! - Was geschieht mit Mark Hellmann? Wird er den Kampf unverletzt überstehen? Oder aber, ich wage gar nicht, daran zu denken…