Zuerst glaubte Lobo, daß es sich bei der Gestalt, die durch den ausge trockneten Graben kroch, um ein Tier handelte. E...
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Zuerst glaubte Lobo, daß es sich bei der Gestalt, die durch den ausge trockneten Graben kroch, um ein Tier handelte. Ein Kojote oder ein Wolf, der verletzt war. Aber dann sah er, daß es ein Mann war, dem die Kleider in Fetzen vom Körper hin gen. Der Mann kroch aus dem Schat tengewirr einiger junger Cotton woods heraus, arbeitete sich zwi schen einigen Felsbrocken hindurch und zog eine Fährte über eine gras bewachsene Böschung hinweg, die wahrscheinlich eine Insel bildete, wenn der Fluß Wasser führte. Lobo verharrte auf seinem Pferd, einem staubfarbenen Hengst mit
hellem Langhaar. Er hatte das Tier in Cheyenne einem lebensmüden Mann abgekauft, der mit dem Geld zuerst ein paar Puppen tanzen lassen wollte. Lobo versuchte zwar, den Mann davon abzuhalten, aber im Grunde genommen brauchte er dringend ein Pferd und zwar ein gu tes, denn er wollte von Cheyenne aus nach Fort Laramie, wo man Kund schafter anstellte. Er war seit zwei Tagen unterwegs. Das Gebiet, das er zu durchreiten hatte, war Indianerland. Hier tum melten sich abwechselnd die Sioux, Crows, Arapahos, Blackfeet und die Cheyennes. Manchmal trafen sie aufeinander und schlugen sich 3
gegenseitig die Köpfe blutig. Beson konnte deutlich die beiden abgebro ders die Crows und die Blackfeet. chenen Pfeilschäfte sehen, die aus Lobo saß ruhig auf seinem Pferd, dem Rücken des Mannes ragten. das er im Schatten eines großen, al Lobo schwang sich aus dem Sattel. ten Cottonwoods angehalten hatte. Er wand die Zügel um einen Ast, Seine Blicke suchten die Gegend ab, nahm die Wasserflasche und rutsch aber er konnte keine Anzeichen ei te in den Graben hinein. Bei dem ner Gefahr entdecken. Ein scharfer Mann kniete er nieder. Vorsichtig Wind wühlte im goldfarbenen Prä drehte er ihn zur Seite. Der Mann at riegras. Im Westen ballten sich Wol mete röchelnd. Das hagere Gesicht ken über dem Horizont. An einem war mit einer Kruste aus Blut be flach ansteigenden Hügelhang wei deckt. Er hatte vor Schmerzen die deten ein paar Ga Unterlippe durch belantilopen in gebissen. Als Lobo mitten eines Sal ihn in den Schatten Die Hauptpersonen des Romans: beifeldes. der Uferböschung Lobo — Er hat gegen die Sioux eigent zog, erwachte er. Der Mann im lich keine Chance, aber er gibt nicht Graben blieb lie „Junge", keuchte auf. gen. Er befand sich er, „dich muß der Linda Miller — Sie w i l l nur ihrem Vater etwa fünfzig liebe Gott ge entfliehen und gerät in eine Hölle. Schritte von Lobo schickt haben." Black Jack Miller — Skrupellos geht er entfernt. Er ver Lobo schüttelte seinen Weg und hetzt Indianer und suchte aufzu den Kopf. „Ich will Armee gegeneinander. knien, brach aber nach Fort Lara Red Left Hand — Der Sioux haßt Lobo, zusammen. Lang mie", sagte er doch dann kämpft er Seite an Seite sam zog er sich von mit ihm. knapp. der Böschung in „Ein - ein Weg den Sand hinein durch die - Hölle", auf die freigespülte Wurzel eines preßte der Mann hervor. „Die CheyCottonwoods zu. Mit der linken Hand ennes sind - auf dem Kriegspfad." Er griff er nach einem blanken, silbern hustete. Blut sickerte aus seinem glänzenden Wurzelarm. Ächzend zog Mundwinkel und lief ihm durch, die er sich daran hoch, und jetzt konnte tagealten Bartstoppeln. Lobo erkennen, daß sein Gesicht „Hier, trink einen Schluck", sagte blutverschmiert war und ein paar Lobo. Er hatte die Wasserflasche ge Haarsträhnen darin klebten. öffnet. Vorsichtig hielt er die Öff Lobo trieb den Hengst den Hang nung gegen die Lippen des verletzten hinunter zu dem Graben. Am Rand Mannes. Er trank in gierigen Zügen, hielt er an. Der Mann hatte sich auf bis ihn erneut ein Hustenanfall gerichtet. Er sah Lobo. Er hob die lin packte. Er bäumte sich auf und ke Hand, mit der er sich festgehalten schnappte würgend und keuchend hatte, und er öffnete den Mund. nach Luft. Lobo wartete, bis er wie „Gott sei Dank", krächzte er. Und der still lag. Jetzt hatte er die Augen er winkte mit der Hand. Dann fiel er halb geschlossen. Er sog die Luft vornüber aufs Gesicht, und Lobo pfeifend durch die Nase ein. 4
Er griff nach Lobos Arm. Der Mann mochte etwa sechzig Jahre alt sein. Die Haarsträhnen „Sie kamen wie die Wölfe aus der schimmerten grau, wo kein Blut Flußniederung. Ich ging aus dem dran war. Das hagere Gesicht war Haus. Wie immer ohne Gewehr. Ich zerfurcht. Er hatte blasse Augen und habe einige von ihnen erkannt. einen schmalen Mund. Obwohl er ein Freunde von mir. Two Bull, der Sohn grobgliedriger Mensch war, wirkte von Spotted Tail. Little Soldier, der er jetzt beinahe dünn. Enkel von Raven Wing und Yellow Er brauchte lange, bis er sich vom Deertail, dem ich lesen und schreiben letzten Hustenkrampf erholt hatte. beigebracht habe. Aber an diesem Morgen kamen sie nicht auf einen Dann hob er den Kopf etwas an. „Paß auf, Junge", sagte er heiser. Freundschaftsbesuch, obwohl sie so taten. Einige stiegen ab. Andere „Ich habe dir etwas mitzuteilen." Lobo kauerte auf den Absätzen tränkten die Pferde. Ich wollte seiner neuen Stiefel, die er ebenfalls hinters Haus gehen und einen Krug in Cheyenne dem Mann abgekauft holen, da schoß mir Two Bull den er hatte, der sich selbst und die Welt, in sten Pfeil in den Rücken. Ich rannte. Mein Wallach stand gesattelt und" der er lebte, satt hatte. „Willst du noch Wasser, Mister?" aufgezäumt beim Korral, weil Linda fragte Lobo, der eigentlich nicht ihn reiten wollte. Ich erreichte das scharf darauf war, einem Sterben Pferd und stieg auf. Als ich es drehte, den die Lebensbeichte abzunehmen. hatten die Burschen das Haus ge Und daß der Mann sterben würde, stürmt. Sie zerrten Linda heraus. Sie das konnte auch einer erkennen, der wehrte sich. Aber sie hatte keine Chance. Gott weiß, daß ich nichts für nicht Medizin studiert hatte. das Mädchen tun konnte. Der Wal Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich sterbe", sagte er mühsam. lach drehte sich wie verrückt. Ein „Viel Zeit habe ich nicht mehr, Jun zweiter Pfeil traf. Der Wallach ge. Ich kann ihn spüren. Er ist schon sprang plötzlich an und jagte davon. in der Nähe und langt mit seiner Ein dritter Pfeil erwischte mich. Dann war ich weg. Aber sie jagten Knochenhand nach mir." Lobo wiegte den Kopf. „Es sieht mich fast zwei Stunden lang, bevor schlimm aus. Zwei Pfeile im Rük sie es aufgaben. Irgendwann fiel ich vom Pferd. Jetzt bin ich hier, und ken..." „Drei", unterbrach ihn der Mann. weiter komme ich wohl nicht mehr." „Von einem ist nur die Spitze dringe Der Mann hatte alles sehr schnell blieben. Der Schaft kam raus." Er gesagt. Jetzt legte er sich erschöpft hustete krampfhaft. „Es - es waren zurück. Sein Atem ging schnell. Er Cheyennes. Zwei Dutzend. Junge pumpte Luft. Wahrscheinlich war Krieger. Sie waren wütend, weil ein Lungenflügel verletzt. mein Bruder den Arapahos eine Lobo tränkte sein Halstuch mit Waffenladung verkauft hat. Aber Wasser und wischte damit das Blut ich hatte damit nichts zu tun, ver aus den Augenhöhlen und Nasenlö dammt. Ich hatte mit diesem Drecks chern des Mannes. Dann gab er ihm geschäft nie etwas zu tun." noch einen Schluck Wasser. Der 5
Mann stemmte sich mühsam auf den Ellbogen hoch. Seine rechte Hand packte Lobos Hemd. „Linda", stieß er hervor. „Sie haben das Mädchen mitgenommen." „Wer ist Linda? Deine Tochter?" Er bewegte den Kopf. „Nein, sie ist die Tochter meines Bruders. Sie war mit ihren Brüdern unterwegs. Mit einer Wagenladung Gewehre und Munition für die Sioux am Niobrara. Sie ist einfach weggeritten, um mich zu besuchen. Als sie ankam, lahmte ihr Pferd. Ich wollte ihr meines ge ben." Der Mann preßte seine Hände gegen den Leib. „Mir ist, als würde mich das Feuer innerlich auffressen", keuchte er. „Aber ich bin zäh. Herrgott, ich bin zu zäh." Er legte den Kopf in den Nacken. „Laß mich nicht so lange lei den!" Lobo schob seinen Arm unter den Oberkörper des Mannes und stützte ihn. „Kann ich etwas für dich tun?" fragte er heiser. „Es gibt ein Sioux-Lager am Gun sight Creek, etwa sechzig Meilen von hier. Oglallas. Der Chief dort ist Split Bull Horn. Ein alter Freund von mir. Er kennt sich aus. Erzähl ihm die Ge schichte, Junge. Er wird wissen, wo das Mädchen ist." Lobo schluckte. „Ich habe nicht die Absicht, nach dem Mädchen zu suchen", sagte er trocken. Der Mann holte tief Luft. „Sie ha ben meine Farm abgebrannt, Junge. Aber das Loch neben dem Kamin, das werden sie nicht entdeckt haben. Reite ostwärts, Junge. Etwa dreißig Meilen von hier wirst du den Platz 6
finden, wo mein Haus stand. Es wer den nur noch Trümmer übrig sein, aber beim Kamin, da findest du ein Loch im Boden. Und darin befindet sich eine Eisenkassette, die zwei tausend Dollar enthält. Goldstücke, Junge. Richtige Goldstücke. Nimm das Geld. Hundert Dollar reichen, um Linda den Rothäuten abzukau fen. Mit dem Rest kannst du machen, was du willst, Junge." Lobo blickte in die blassen Augen des alten Mannes. Nein, er wollte nicht versuchen, ein Mädchen zu fin den, das die Cheyennes verschleppt hatten. Er wollte nach Fort Laramie. Dort konnte er vielleicht einen Job kriegen. Als Armeekundschafter. Für dreizehn Bucks im Monat. „Zweitausend Dollar in Gold", hör te er den alten Mann keuchend sa gen. „Das ist ein Vermögen, mein Sohn." „Ich brauch' kein Vermögen", sagte Lobo kehlig. Die Finger des alten Mannes gru ben sich in Lobos Unterarm. „Denk an das Mädchen! Es ist neunzehn Jahre alt. Die Cheyennes machen es kaputt. Das weißt du so gut wie ich." Lobo schluckte, gab aber dem Mann keine Antwort. „Junge, willst du einem Sterben den diese letzte Bitte abschlagen?" fragte der Mann mit krächzender Stimme. „Das ist eine Erpressung, Mister", gab Lobo fast wütend zurück. Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, das ist meine letzte Bitte, mein Sohn. Ich ..." Jäh bäumte er sich auf. Ein Hustenkrampf packte ihn und schüttelte ihn durch. Die Finger sei ner Hände krallten sich an Lobo fest.
Lobo stützte den Mann. Der Husten krampf dauerte fast fünf Minuten. Danach war der Mann nur noch ein Schatten von dem, was er gewesen war. Er zog sich mit letzter Kraft an Lobo hoch. „Wie heißt du, Junge?" fragte er leise. „Lobo." „Gut, Lobo. Wenn - wenn du Linda freigekauft hast, bring sie weg! Weg von hier. Nicht zu ihrem Vater. Er er ist ein Verbrecher ..." „Wer ist ihr Vater?" fragte Lobo hart. „Black Jack Miller", stieß der Mann heiser hervor. „Ich bin Luther Miller." Er lächelte schwach. „Nicht wahr, der Name ist - der Name - du kennst ihn doch, Lobo?" Lobo nickte. „Ja. Ich habe von Black Jack Miller gehört", sagte er. „Gut. Dann - dann weißt du, daß du aufpassen mußt. Bring Linda weg, Junge." Lobo wollte ihm sagen, daß ihn die ganze Sache nicht interessierte, aber Luther Miller stemmte sich noch ein mal hoch. „Versprich es mir, bevor ich in die Hölle fahre." Lobo zögerte. Er erkannte den Tod in den Augen des Mannes. Er ver suchte sich aufzurichten, aber Lu ther Miller krallte sich an ihm fest. „Versprich es mir!" verlangte er noch einmal. Lobo holte tief Luft. „Okay", sagte er. „Ich versprech's, zum Teufel!" Ein Lächeln glitt über die Züge des Sterbenden. Langsam legte er sich zurück, und als er mit dem Kopf den Sand berührte, hatte er sein Leben ausgehaucht.
Lobo entzog ihm seine Hand. Er stand auf und sah sich nach allen Seiten um, aber es war niemand in der Nähe. Noch immer grasten die Antilopen am Hang. Lobo setzte sich auf die Böschung und stützte den Kopf mit den Hän den. Seine Gedanken jagten im Kreis. Er dachte an das, was er hatte tun wollen. Er dachte an Fort Lara mie. Sollte er wirklich versuchen, ei nen Job als Armeescout zu kriegen? Wahrscheinlich würde man ihm Schwierigkeiten machen. Man wür de ihm mißtrauen. Vielleicht sogar zu recht, denn er fragte sich selbst oft genug, ob er denn überhaupt bereit war, Soldaten auf die Fährte von In dianern zu führen, vielleicht von Frauen und Kindern, die schon ein Leben lang gehetzt wurden. Zweitausend Dollar in Gold. Das war wirklich mehr, als Lobo jemals besessen hatte. Lobo stand auf. Er entschloß sich, das Versprechen, das er einem Toten gegeben hatte, zu halten.
Lobo hatte Luther Miller unter die Uferböschung gelegt und sie über dem Leichnam zum Einsturz ge bracht. Das Ganze hatte kaum eine Viertelstunde gedauert, dann befand sich Lobo wieder unterwegs. Nach knapp einer Stunde entdeck te er das Pferd von Luther Miller. Es stand ruhig in einer Mulde und ließ sich, ohne Schwierigkeiten zu ma chen, von Lobo einfangen. Es war ein Wallach, stämmig, mit einer Blesse auf der Stirn. Da ihm Luther Miller keinen Namen mitgeteilt hatte, nannte ihn Lobo Spot. Etwas besse 7
hinter weit entfernten Bergketten. res fiel ihm im Moment nicht ein. Spot trug einen Männersattel, der Der Wind erstarb. Noch brannten die sorgfältig gearbeitet war und wahr Wolken am Himmel, aber im Osten scheinlich ein kleines Vermögen ge glitzerten schon die ersten Sterne, kostet hatte. Nebst den Silberbe und der Mond schälte sich aus dem schlägen war er mit eingepreßten violetten Dunst. Blumenmustern verziert. Auf dem Lobo trieb den Hengst an und Sattelhorn waren die beiden inein übernahm jetzt die Führung. Er ritt anderverschlungenen Buchstaben L die sanft abfallenden Hänge hin M eingearbeitet. Sie standen wohl unter in die Niederung. Als er den für Linda Miller. Wagentrail erreichte, war es dunkel. Lobo nahm den Wallach an den Er folgte den tiefen Furchen ost Zügeln, machte an seinem Kinnrie wärts und erreichte schließlich eine men ein langes Seil fest und klopfte Furt, wo das Wasser zwischen den flachen Uferbänken des Flusses bei ihm gegen den Hals. „So, Alter, und jetzt zeigst du mir nahe still stand. den Weg nach Hause", sagte er. Der Wallach schüttelte die Mähne, aber als Lobo in den Sattel seines Heng stes stieg, trottete der Wallach an Im Frühjahr wäre es unmöglich und übernahm die Führung, so, als gewesen, an dieser Stelle und mitten hätte er Lobos Worte verstanden. in der Nacht den North Platte zu Lobo sah die Fährten im Gras. Huf durchreiten, denn nach der Schnee abdrücke unbeschlagener Pferde. schmelze in den Bergen wächst der Das waren wohl die Cheyennes ge Fluß zu einem wilden Strom an. wesen, die Luther Miller verfolgt Aber jetzt im Sommer kam Lobo hatten. gut durch. An der gegenüberliegen Der Wallach trottete südostwärts den Seite hielt er kurz an und lausch und folgte einer der Senken, die an ei te in die Nacht. In der Ferne heulte nem Hügelrücken endete. Oben ver ein einzelner Kojote, und ganz in der hielt Lobo die Pferde. Er blickte hin Nähe hörte er Laute von Präriehüh unter in das breite Tal des North nern, die von den Pferden aufge Platte Rivers, an dessen Nordufer schreckt worden waren. Sonst war sich die Wagenstraße entlangzog. Die nichts zu hören. Lobo lenkte sein Furchen von Tausenden von Wagen Pferd durch einen dünnen Busch rädern zogen sich durch das Land. gürtel und trieb es einen ansteigen Millionen von Hufen hatten den Bo den Hang hinauf. den durchgeackert. An einigen Stel Obwohl es am Tage gnadenlos heiß len wuchs kein Grasbüschel mehr, gewesen war, wehte jetzt ein kühler kein Busch und kein Baum. Und Wind. Lobo, der sich im Sattel kaum überall waren schwarze Flecken zu bewegte, zog seine dicke Felljacke an. erkennen, wo die Wagen zu Kreisen Vor ihm lag das wellige Gelände aufgefahren worden waren und wo zwischen dem Rasberry Creek und die Lagerfeuer gebrannt hatten. dem North Platte. Langgezogene Im Westen verschwand die Sonne Hügel hoben sich dunkel gegen den 8
etwas helleren Himmel ab. Dog woodbüsche und riesige Cotton woods raschelten im Wind. Gegen Mitternacht erreichte Lobo den Rasberry Creek. Er hatte sich nicht sonderlich beeilt, und längst hatte er bemerkt, daß er nicht mehr allein ritt. Seit einigen Stunden wur de er von Indianern begleitet. Gesehen hatte er sie noch nicht, doch er wußte, daß sie da waren. Es gab ganz bestimmte Anzeichen dafür. Kurz bevor der Morgen graute, schreckte links von ihm in einiger Entfernung ein Schwarm Prärie hühner auf, ein untrügliches Zeichen dafür, daß sich dort Reiter befanden. Etwas später drehte sich der Wind ein wenig, und Lobo konnte sie rie chen. Es herrschte ein trübes Zwielicht, als Lobo haltmachte. Bewegungslos verharrte er im Sattel und musterte das Land. Aber so sehr er sich auch anstrengte, er konnte nichts entdek ken. Das einzige Geräusch war das helle Gurgeln des Wassers. Lobo stieg etwas steif vom Pferd und ging zum Ufer des Creeks, der so wenig Wasser führte, daß ein Kanin chen darin hätte stehen können. Aufmerksam spähte er den Creeklauf entlang, sah aber nichts Unge wöhnliches. Als er sich umwenden wollte, warf er noch einen kurzen Blick in das Wasser und verharrte mitten in der Bewegung. Vorhin war das Wasser noch so klar gewesen, daß man am Grund je des Detail hatte sehen können. Nun war es trübe und dreckig. Lobo knie te nieder, formte die Hand zu einer Schale und holte etwas Wasser aus dem Bach. Nun konnte er sehen, daß es voll Sand war, so als hätte jemand
bachaufwärts den Grund aufge wühlt. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß weiter oben die Indianer den Creek durchritten hatten. Da Lobo dem Rasberry aufwärts folgen wollte, nahm er sich vor, besonders wachsam zu sein und vor allem die Uferbüsche im Auge zu behalten. Nachdem er in den Sattel geklet tert war, wendete er das Pferd. Im Schritt ritt er nordwärts und hielt sich dabei den Büschen fern. Als er nach ungefähr einer halben Stunde den Rest von dem, was ein mal das Haus von Luther Miller ge wesen war, entdeckte, nahm er sein Pferd hart zurück und starrte re gungslos auf die verkohlten Trüm mer. Die schwarzen Balken rauchten nicht mehr, aber noch deutlich lag der Brandgeruch in der Luft. Überall lagen zerstreute Gegen stände im zertrampelten Gras. Der Korralzaun war auseinandergeris sen, und der Stacheldraht lag lose und verwickelt zwischen den Stan gen. Fast alles, was sich im Haus oder Stall befunden hatte, war ver brannt. Vorsichtig ritt Lobo auf die Trüm mer zu. Mit seinen Augen suchte er das Gelände ab. Beim Brunnen stieg er ab und zog die Winchester aus dem Scabbard. Mit dem Fuß stieß er einen Blecheimer zur Seite. Mitten in den verkohlten Trümmern sah er die Messingbeschläge des Schrankes glitzern. Unter seinen Stiefeln knirschten verkohlte Holzstücke. Die Truhe, in der Luther Millers alte Sachen gelegen hatten, hing zer trümmert und zerschlagen in einem Busch. Spiegelscherben lagen über all verstreut herum. Plötzlich wie 9
herte der Wallach, und Lobos Pferd begann unruhig zu tänzeln. Lobo drehte sich um. Die Büsche südlich der Trümmer bewegten sich. Mit zwei langen Sätzen war Lobo beim Brunnen und kniete dahinter nieder. Obwohl er sich der drohenden Ge fahr bewußt war, blieb er völlig ru hig. Er dachte darüber nach, zu wel chem Stamm sie wohl gehören mochten. Vielleicht Cheyennes oder Arapahos. Lobo verhielt sich still, aber es ge schah nichts. Nur die beiden Pferde bewegten sich unruhig, und Lobos Hengst schnaubte nervös. Nach mehr als zehn Minuten teil ten sich plötzlich die Büsche, und ein Indianer trat auf die freie Fläche. Es war ein Cheyenne. Er war groß und hager und wirkte wie ein unterer nährter Wolf. Außer einer schäbigen Stoffhose und Mokassins trug er nichts. Sein nackter Oberkörper war mit gelber und roter Farbe be schmiert. Über seinem breitflächi gen Gesicht zog sich von der Mitte der Stirn über das linke Auge hin weg ein weißer, dünner Strich. In den Händen hielt er einen SharpsKarabiner, und im Gürtel, der aus ei nem breiten Stück Rohhaut bestand, steckten ein Bowiemesser und eine Kriegskeule. Der Cheyenne blieb vor den Bü schen stehen und hob die linke Hand. Es war das Zeichen des Friedens und der Freundschaft. Lobo blieb hinter dem Brunnen knien und hob den Lauf seiner Win chester etwas an. „Du Lobo, Mann von zwei Träu men", sagte der Indianer mit keh liger Stimme und in einem harten, schlechten Englisch. Lobo beachtete 10
die Anrede nicht. „Du bist ein Cheyenne. Was willst du hier?" Der Indianer legte die Hand auf seine nackte Brust und grinste. Seine obere Gebißhälfte bestand aus zwei Eckzähnen. Der Rest fehlte. „Ich Yellow Deertail", sagte er, und seine Augen blitzten. „Was willst du?" „Hier Cheyenne-Land", sagte Yel low Deertail und machte mit dem Arm eine weite Geste. „Du Mann von zwei Träumen. Nichts gut, wenn du bleiben hier." „Willst du mich verjagen?" erwi derte Lobo scharf. „Ihr seid mir die Nacht hindurch gefolgt. Eure Brüder haben dieses Haus hier angezündet." „Du gehen", bellte der Cheyenne. „Nur Pferde bleiben hier." Er grinste. „Pferde gut! Du schlecht. Du gehen!" Da es Yellow Deertail scheinbar nur auf die Pferde abgesehen hatte, glaubte Lobo an seine Chance, ohne Kampf davonzukommen. Aber die Chance war klein, und er richtete sich sofort darauf ein. „Wie viele Krieger hast du?" „Genug. Viele Krieger folgen Yel low Deertail. Genug, um deine Pfer de zu klauen." Der Indianer hob die Hand, spreizte die Finger und stieß sie zweimal von sich. Zehn Krieger meinte er damit. Aber Lobo fiel nicht darauf herein. Es konnten ebensogut nur drei oder vier sein. Mit zehn Kriegern wären die Cheyennes bestimmt anders vor gegangen. „Du mußt kämpfen, Cheyenne, wenn du meine Pferde haben willst. Ich werde dir zeigen, was geschieht, wenn man versucht, mir etwas weg zunehmen."
Lobo drückte ab, und vor den Fü ßen des Indianers stieg ein Dreckpilz aus dem Boden. Erschrocken stol perte der Cheyenne in die Büsche zurück. Lobo repetierte sofort, und er brauchte nicht mehr lange auf sie zu warten. Sie kamen auf ihren Pfer den, und das war ein Fehler. Auf fünfzig Yards schoß Lobo den ersten aus dem Sattel. Blitzschnell repetier te er, und bevor der erste mit dem Gesicht im Gras aufschlug, kippte der zweite vom Rücken seines Ponys. Es waren sechs, und sie schrien wie zwanzig. Aber die Schüsse Lobos lie ßen ihren Angriff stocken. Zwei von ihnen brachen links aus, während die beiden anderen ihre Pferde zurückrissen und sich aus den Sät teln in die Büsche fallen ließen. Die beiden zu Pferde ritten einen engen Halbkreis und versuchten es von der anderen Seite. Nun befand sich Lobo zwischen zwei Feuern, und es sah schlimm für ihn aus. Aus den Büschen fuhr eine Sharpskugel in die Seite des Brun nens. Als die beiden auf den Ponys heranpreschten, versuchten es auch die anderen in den Büschen. Sie sprangen hoch und rannten heran. Lobo ließ die Winchester fallen und zog den Colt des Alten. Es war das erstemal, daß er mit diesem Re volver kämpfte. Der Kolben fühlte sich kalt an, und der Lauf blinkte matt in der aufgehenden Sonne. Sein erster Schuß warf den Anfüh rer auf den Rücken. Der Indianer ne ben ihm stockte und gab dadurch Lobo genügend Zeit. Mit dem Dau men zog er den Hammer bis zum An schlag durch und ließ ihn dann auf die nächste Patrone fallen.
Der Cheyenne, der eine schwere Kriegskeule schwang, schrie gellend auf und griff sich mit der freien Hand an die Brust. Wie vom Blitz ge troffen fiel er nach vorn aufs Ge sicht. In Lobos Rücken erklang trom melnder Hufschlag. Die beiden In dianer auf ihren kleinen Ponys ra sten heran. Nur mit Glück wich Lobo einer niedersausenden Keule aus. Der zweite hatte etwas mehr Zeit und riß dicht bei Lobo sein Pony auf der Hinterhand hoch. Mit einem gel lenden Kriegsschrei sprang er aus dem Sattel, in der erhobenen Rech ten ein Messer. Lobo ließ sich nach hinten fallen und feuerte. Er erwischte den Cheyenne mitten im Flug, und als sein Körper den Bo den erreichte, war er schon tot. Nun schien der letzte genug zu haben. In rasendem Galopp sprengte er über den Creek, aber er hatte Pech. Sein Pony vertrat sich und stürzte vorn über in die Uferböschung. In hohem Bogen krachte der Indianer auf eine Kiesbank. Lobo eilte zum Ufer des Baches, den Colt schußbereit in der Faust. Der Indianer hatte sich aufgestemmt und riß sein Messer aus dem Gürtel. Als er hochspringen wollte, um sich Lobo entgegenzuwerfen, stieß er ei nen gellenden Kriegsschrei aus, und die Faust mit dem Messer fuhr blitz schnell auf die Kiesbank nieder, auf der sich eine große Klapperschlange wand. Der Indianer beugte sich über sein Bein und schnitt sich den rech ten Unterschenkelmuskel auf. Er ar beitete fieberhaft, warf das Messer neben sich und preßte das Blut her aus. Schließlich beugte er sich tief über sein Bein und begann, das Blut 11
herauszusaugen. Lobo stand am Creek. Er sah, wie sich der Körper des Indianers plötz lich verkrampfte. Gelblicher Schaum trat auf seine Lippen, und die großen, dunklen Augen schienen aus den Höhlen zu fallen. Es dauerte einige Minuten, bis der Cheyenne ruhig lag. Lobo ging durch den Creek. Der Indianer, ein hagerer Bursche, war tot. Lobo erschoß das Pony, das sich den Vorderlauf gebro chen hatte. Dann ging er von einem Indianer zum anderen. Sie waren alle tot. Ihre Pferde standen herum. Für Lobo gab es nichts mehr zu tun. Er konnte sie hier liegen lassen, ohne sich Gedan ken darüber zu machen, was mit ih nen geschah. Diese sechs Cheyennes waren bestimmt nicht die einzigen in der Gegend gewesen. Andere würden sie finden und begraben. Lobo setzte sich auf den Brunnen rand und ersetzte die abgeschosse nen Patronen durch neue. Dann stand er auf und suchte sich vorsich tig einen Weg durch die verkohlten Trümmer. Er räumte ein paar Better zur Sei te, gab einem rußgeschwärzten Ei mer einen Fußtritt und sprang über eine zersplitterte Glasscheibe hin weg. Beim Kamin blieb er stehen. Er be fand sich jetzt wohl im Wohnzimmer des Hauses. Aber wo sollte er mit dem Graben anfangen. Rechts vom Kamin? Links? Lobo sah sich um. Er fand eine Bratpfanne, die sich als Schaufel verwenden ließ. Dann kniete er nie der und begann, das verkohlte Holz zu entfernen. Darunter befand sich verbrannte Erde, die noch heiß war. 12
Lobo begann, mit der Bratpfanne an jener Stelle zu graben, wo ein dreieckiger Quarzstein lag, so als ob ihn jemand absichtlich hingelegt hätte, um eine ganz bestimmte Stelle zu markieren. Die Erde war locker, und Lobo brauchte nicht lange zu graben, bis er gegen Metall stieß. Er langte mit den Händen in das Loch hinein, be kam Metall zu fassen und wußte, daß Luther Miller wirklich die Wahrheit gesagt hatte, als er die Kassette an hob. Sie war so schwer, daß Lobo Mühe hatte, sie aus dem Loch zu heben. Er trug sie hinüber zum Brunnen. Dort stellte er sie auf die Mauer und öff nete den Deckel. Die Kassette war randvoll mit großen und kleinen Goldmünzen. Zweitausend Dollar. Lobo pfiff durch die Zähne. Damit konnte man sogar eine Ranch und ein großes Stück Land kaufen. Und Vieh. Lobo nahm ein paar Münzen her aus, betrachtete sie und ließ sie wie der in die Kassette fallen. Er war sich sofort im klaren darüber, daß er mit dem Gold nicht einfach durch die Gegend reiten konnte. Selbst mit ei nem Goldstück hätte er als Mischling überall sofort Mißtrauen erweckt. Lobo überlegte hin und her. Er hatte noch etwas mehr als fünfzehn Dollar in der Tasche. Damit konnte man ei nem Cheyenne natürlich kein hüb sches weißes Mädchen abkaufen. Er nahm zwei Zwanzig-Dollar-Gold stücke aus der Kassette und ließ sie in den Schaft seines linken Stiefels gleiten. Dann verschloß er die Kas sette, brachte sie zurück zum Kamin und ließ sie wieder in das Loch glei ten. Sorgfältig bedeckte er sie mit der
Erde, die er ausgebuddelt hatte, legte Trümmerstücke darüber und stand auf. Hier war das Gold bestens aufge hoben. Niemand würde angesichts dieses Trümmerhaufens vermuten können, daß darunter ein Goldschatz lag. Irgendwann würde Lobo viel leicht zurückkommen und die Kas sette ausgraben. Vielleicht aber würde sie für immer unter den Trümmern von Luther Millers Haus bleiben.
Der Wind peitschte den Regen über das Land, das in farbloses Licht ge hüllt war. An vielen Stellen konnte der lehmige Boden die niederstür zenden Wassermassen nicht mehr aufsaugen, und es entstanden klei nere und größere Tümpel, dort wo die Mulden und Senken sich mit Wasser füllten. Hügel, Büsche und Bäume bildeten kleine Inseln. Das Gewitter war urplötzlich und mit einer unheimlichen Gewalt über das Land hereingebrochen. Dunkle Wolkenmassen schoben sich gegen Osten. Grelle Blitze zuckten zwi schen den sich schnell folgenden Donnerschlägen. Es war, als hätte sich die Hölle geöffnet. Lobo fröstelte. Trotz der Ölhaut waren seine Kleider feucht, und die Mokassins tropften. Gegen Mittag durchfurtete er den Steelhead Creek. Der sonst schmale und ruhige Flußlauf war über die Ufer getreten, und Lobo hatte Mühe mit seinen Pferden. Die brodelnden Fluten führten Buschwerk und Bäu me mit sich. Je länger das Gewitter tobte, um so
nervöser wurden die Pferde. Als ein Blitz dicht neben ihnen in eine Baumgruppe fuhr, brauchte Lobo alle Kraft, die Tiere am Ausbrechen zu hindern. Als er endlich das andere Ufer erreichte, war er ziemlich er schöpft, und die Flanken der Pferde bebten. Lobo hatte keine Ahnung, wo ge nau sich der Gunsight Creek befand. Aber irgendwo mußte dieser Bach in den North Platte River fließen. Und dort sollte sich das Sioux-Lager von Split Bull Horn befinden. Lobo kannte Split Bull Horn nicht. Aber er war eine Zeitlang bei den Oglallas von Spotted Tail gewesen und hatte im vorletzten Winter ein paar Wochen im Cheyenne-Lager von Chief Little Big Bull zugebracht, bis das Lager von Soldaten überfal len und die meisten Dorfbewohner massakriert worden waren. Lobo erinnerte sich noch mit Grauen an jene Geschehnisse. Aber inzwischen war mehr als ein Jahr vergangen. Er hatte kaum Freunde bei den Chey ennes und auch nicht bei den Sioux. Er war ein Mann, der allein blieb. Sie nannten ihn den Mann von zwei Träumen. Und das war er. Lobo ritt langsam und vorsichtig. Er wollte sich nicht überraschen las sen. Auch nicht von Brüdern. Das Gewitter brach so urplötzlich ab, wie es gekommen war. Dick und schwer fielen die letzten Tropfen. Nach einem lang anhaltenden dump fen Donnergrollen begannen sich die schwarzen Wolkenbänke aufzulö sen. In der Ferne spannte sich ein Regenbogen über den Horizont. Lobo trieb sein Pferd einen Hügel hinauf. Seine Blicke glitten den obe ren Rand entlang. Links war ein fla 13
cher Sattel, von vereinzelten Bü schen bedeckt. Oben angekommen, verhielt er seinen Hengst und blickte über das nasse Land. Etwa fünf Meilen im Süden zog sich der North Platte wie eine gelbe Linie durch das nasse Büschelgras. Beiderseits des Flusses erstreckten sich niedere Buschgürtel bis zu den bewaldeten Hügeln. Lobo sah die Indianer hinter einer Baumgruppe auftauchen. Es waren neun Männer, und als sie ihn ent deckten, hielten sie ihre Tiere an. Während Lobo den Hügel hin unterritt, verteilten sich die Indianer etwas, und zwei von ihnen ver schwanden im Wald. Lobo erkannte, daß es sich um erfahrene Krieger handelte, denn obwohl sie sich zah lenmäßig in der Überzahl befanden, blieben sie vorsichtig. Ohne zu zögern ritt Lobo auf die Sioux zu. Zum Zeichen, daß er in friedlicher Absicht kam, zeigte er ih nen seine Handflächen und lenkte sein Pferd mit den Schenkeln. Er achtete darauf, mit seinen Händen nicht in die Nähe seiner Waffen zu kommen. Der Anführer löste sich von den übrigen. Er war groß und breit ge baut. Sein langes Haar hatte er zu zwei dicken Zöpfen geflochten. Die Leggings hingen naß von seinen Bei nen. Vor sich über dem Sattel trug er einen Spencer-Karabiner. Sein Zei gefinger der rechten Hand war um den Abzug gekrümmt. Die Mündung allerdings zeigte seitlich von Lobo auf den Boden. Die anderen Sioux, links und rechts des Anführers, schienen we sentlich jünger zu sein. Alles an ih nen und ihren Tieren war durchnäßt 14
und tropfte. Die Haare glänzten und klebten an ihren Gesichtern. Ruhig saßen sie auf den Rücken ihrer Po nys und musterten Lobo mit aus druckslosen Gesichtern. Lobo sprach ein bißchen Cheyenne und ein bißchen Oglalla. Einige Yards vor dem Anführer hielt er an und begann zu sprechen: „Ich kom me in Frieden", sagte er kehlig. „Ich will mit Split Bull Horn reden. Führt mich zu ihm." „Was willst du von Split Bull Horn?" fragte der Anführer miß trauisch. „Ich will mit ihm reden", wieder holte Lobo fest. „Ich will mit euch zu eurem Lager reiten." Sie dachten über seine Auskunft nach. Einer lachte dann sogar, als hätte er ihnen einen guten Witz er zählt. Aber der Anführer hob die Hand und gebot seinen Begleitern Ruhe. „Gib mir deine Waffen, Mann von zwei Träumen", sagte er hart. Lobo überlegte kurz. Er konnte sich jetzt weigern, die Waffen abzu geben, und dann würde es bestimmt zum Kampf kommen. Der Anführer hatte ihn erkannt und ihn beim Na men genannt. Das war kein schlech tes Zeichen. Trotzdem wollte er we nigstens versuchen, den Colt zu be halten. „Ich bin nicht der Gefangene der Sioux", sagte er langsam. „Du kannst mein Gewehr haben, aber meinen Revolver behalte ich." Der Anführer hob die rechte Au genbraue. Die Worte schienen ihn überrascht zu haben. Lächelnd streckte Lobo dem Sioux das Gewehr entgegen. „Nimm das Gewehr", sagte er
freundlich. „Du kannst es für mich in euer Dorf tragen." Der Anführer zögerte. Schließlich hob er abwehrend die Hand. „Behalte deine Waffen", sagte er kehlig. „Red Left Hand fürchtet dich nicht." Damit war die Sache erledigt. Lobo schob das Gewehr in den Scabbard zurück und nickte Red Left Hand zu. „Führe mich zu deinem Chief." „Mein Vater, Chief Split Bull Horn, wird entscheiden, was mit dir zu ge schehen hat, Mann von zwei Träu men. Wir bringen dich zu ihm." Er wandte sein Pferd und ritt da von. Lobo und die Krieger folgten ihm. Als sich Lobo im Sattel drehte, sah er die beiden anderen Sioux ihre Pferde durch die Büsche treiben. Beide hielten Sharps-Gewehre in den Händen.
Die Tipis der Sioux waren in einem Kreis aufgestellt. Das Lager befand sich auf einer Landnase, welche mit dichtem Buschwerk bewachsen war und von einem Flüßchen umgeben wurde. Es waren ungefähr drei Dutzend kleinere und größere Tipis, zwischen denen sich Kinder und Hunde tum melten. Die Büsche und das kniehohe Gras glänzten naß, und von den Cot tonwoods tropfte es. Zwischen den Uferbüschen wälzte der Fluß eine träge Brühe talwärts. In der Mitte des Lagers brannte ein Feuer. Zwei Frauen drehten ein Büf felkalb an einem Spieß über den Flammen. Es roch nach verbranntem Fleisch und Salbei. Das Lager machte einen fried
lichen Eindruck. Es war ein Jagd camp, das nur für eine gewisse Zeit hier stehen sollte. Lobo war überrascht, daß sie das Lager so weit südlich der Black Hills aufgeschlagen hatten. Ihr Haupt camp und Winterquartier befand sich irgendwo am Niobrara River oder am Cheyenne an den Westhän gen der Black Hills. Langsam ritten die Krieger mit Lobo auf das Lager zu. Kinder war fen ihre Spielsachen fort und liefen ihnen entgegen. Indianerfrauen drängten sich schwatzend und schnatternd zusammen und zeigten mit wilden Gesten auf Lobo. Halb nackte Krieger traten aus den Tipis und folgten schweigend dem kleinen Trupp. Fragen wurden laut, aber Red Left Hand lächelte nur. In der Mitte des Zeltkreises ver sammelten sich Frauen und Männer und schauten herüber. Der Rauch des Feuers zog in Fetzen durch das Lager. Hunde bellten und kläfften. Kinder rannten herum. Red Left Hand gebot seinen Be gleitern anzuhalten. Er selbst ritt weiter und bahnte für Lobo eine Gasse durch die dunklen Leiber der Siouxkrieger. Am Ende der Gasse stand ein großes Tipi, das größte des Lagers. Es war aus Armeezeltstoff angefertigt und farbenprächtig be malt. Vor dem Eingang, an einer Lanze, hing ein prächtig bemalter Schild. Red Left Hand glitt von seinem Pony und verschwand im Tipi. Im Lager wurde es ruhiger. Die Leute verliefen sich. Nur die neugierigsten Weiber waren noch nicht zufrieden. Und ein paar Knaben und Jungkrie ger näherten sich Lobo von hinten. 15
Es dauerte eine Weile, ehe Red Left Hand wieder erschien. Er hatte sich seiner nassen Kleider entledigt, und über seinen breiten Schultern hing eine prächtig verzierte, purpurrote Wolldecke. „Ich habe meinem Vater deinen Wunsch vorgetragen", sage Red Left Hand. „Er sagt, daß er von dir und deinen Taten gehört hat. Er will dir ins Herz sehen, Mann von zwei Träu men." Dein Vater ist ein weiser Mann", sagte Lobo lächelnd. „Wann kann ich ihn sehen?" „Du wirst ihn sehen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Es ist nicht si cher, daß es gut ist, wenn du bei uns bleibst. Du bist ein Mann ohne Farbe, und du stehst zwischen zwei Feu ern." Lobo nickte. Er fühlte sich müde. Das war es also wieder einmal. Auch hier war er nur ein Mischling, ein Mann ohne Heim, ein Außenseiter. „Mein Weg war weit, Red Left Hand. Und das Wetter ist schlecht. Ich werde hier warten, bis sich dein Vater entschieden hat." „Das ist gut. Komm!" Red Left Hand ergriff die Zügel von Lobos Tier und zog es herum. Er führte Lobo und dessen beide Pferde vor eine kleines Tipi. Anscheinend war es nicht bewohnt, denn es stieg kein Rauch auf, und das Gras vor dem Eingang stand aufrecht. Red Left Hand winkte einen schmalbrüstigen Jungen herbei und gebot ihm, die Pferde wegzuführen. Lobo jedoch wehrte ab, denn es war ihm wohler, wenn er die Tiere in sei ner Nähe wußte. Er sattelte seinen Hengst und Lu ther Millers Wallach ab. Red Left 16
Hand beobachtete ihn schweigend. Erst als Lobo die Sättel und Packen in das Tipi getragen hatte, ging er langsam davon. Im Tipi roch es feucht und modrig. Lobo hockte sich im düsteren Zwie licht nieder und lehnte sich gegen die Sättel. Er mußte mehr als eine Stunde warten, ehe die Büffelhaut am Ein gang zurückgeschlagen wurde und eine grauhaarige Alte in das Tipi kroch. Sie beachtete Lobo nicht und begann, mit einem zugeschnittenen Holzstück in der Mitte des Zeltes eine flache Mulde auszuheben. Lobo sah der Frau zu. Sie mochte weit über fünfzig Jahre zählen. Bei Indianern war das schwer zu schät zen. Viele der Frauen alterten schneller als die Weißen. Nachdem die Mulde groß genug war, kroch die Alte wieder hinaus und kam bald darauf zurück. Sie trug einige Holzstücke unter dem Arm und einen verbeulten, rußge schwärzten Kupferkessel. Sie entfachte ein kleines Feuer und stellte den Kessel darüber. Lobo schnupperte in der Luft herum, und die Frau drehte ihm das Gesicht zu, das von tiefen Furchen durchzogen war. Ihre schmalen Lippen schienen weiß und blutleer, und ihre Augen hatten einen seltsamen stumpfen Glanz. Als sie den Mund öffnete, konnte Lobo sehen, daß ihr alle Zäh ne fehlten. Sie kicherte ihm zu, sagte irgend etwas, was er nicht verstehen konn te, hob ihr Hirschlederkleid und zeigte ihm eine Brandnarbe am Knie. Lobo hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte. Schließlich rührte sie eine Weile glucksend im Kessel
herum, in dem Blasen platzten. Es roch bald nach allen möglichen Din gen, nur nicht appetitlich. Aber nachdem die Alte das Tipi verlassen hatte, machte sich Lobo heißhungrig über das Essen her. Es schmeckte nicht schlecht. Lobo ließ sich Zeit. Wenn er zwi schendurch die Büffelhaut am Ein gang hochhob, konnte er die musku lösen Rücken zweier Indianer sehen, welche vor dem Zelt hockten und ihn wahrscheinlich bewachen sollten. Nachdem Lobo seine Mahlzeit beendet hatte, holte er Luther Mil lers Tabakbeutel aus der Jackenta sche und drehte sich eine Zigarette. Er angelte ein glühendes Holzstück aus dem immer kleiner werdenden Feuer und hielt die Glut gegen das Tabakröllchen. Tief sog er den Rauch ein und blies ihn gegen die Rauchöffnung in der Tipispitze. Durch die Planenwände drangen die Geräusche von draußen. Hunde jaulten, Frauen redeten, und Kinder lärmten. Es hatte wieder angefan gen zu regnen, und es wurde spürbar kälter. Draußen wurden die beiden Wa chen abgelöst, und die Alte holte den Topf. Gierig blickte sie auf Lobos Zi garette und fuhr sich dabei mit der Zunge über die rissigen Lippen. Lobo gab ihr den Stummel, welchen sie in hastigen Zügen aufrauchte. Dann verließ sie fluchtartig das Tipi. Nach zwei Stunden kam Red Left Hand und holte Lobo. Aus dem Rats tipi stieg eine Rauchsäule in den bleifarbenen Himmel. Dumpf und monoton rollten die Schläge einer Trommel durch das Lager. Der Bo den war schwer, und der Dreck kleb te an den Füßen.
Im Innern des Ratstipis brannte ein kleines Feuer. Es war warm, und die Luft war gesättigt vom pene tranten Geruch von Büffelfett, Sal bei und Prärieäpfeln. Die Indianer hockten im Kreis um das Feuer und palaverten, lachten und tranken billigen Schnaps. Frü her, noch vor wenigen Jahren, war es anders gewesen. Damals, bevor Leu te wie Black Jack Miller den Schnaps brachten, mochte es an den Ratsfeu ern feierlich und ehrwürdig zuge gangen sein. Aber diese Zeit war vorbei. Auch die Sioux litten stark unter den Einflüssen der Weißen. Die Indianer am Feuer waren zu meist ältere Männer. Sie wirkten un gepflegt und heruntergekommen. Ihre einst so ausdrucksvollen Ge sichter wirkten aufgelöst und schwammig. Tränensäcke hingen schwer unter den Augen, und die Na sen waren aufgequollen und von dik ken blauen Adern durchzogen. Das waren nicht mehr die Sioux, die Lobo kannte. Das waren Menschen, die am Ende waren und diese Tatsache im Alkohol zu ertränken versuchten. Einzig Split Bull Horn machte ei nen etwas besseren Eindruck. Sein Gesicht war eckig und von einer hel len Farbe. Als Lobo eintrat und sich aufrichtete, blitzte es in den Augen des Häuptlings auf. Obwohl sich in seinem Gesicht nichts rührte, er kannte Lobo, daß es schwer sein würde, diesen Mann zum Freund zu gewinnen. Red Left Hand bedeutete Lobo, sich zu setzen, und Lobo ließ sich am Feuer auf dem einzigen freien Platz nieder. Red Left Hand selbst blieb am Eingang stehen und verschränk te die Arme vor der Brust. 17
„Du bist der Mann von zwei Träu konnten, brauchten sie nicht zu fra men", sagte Split Bull Horn plötzlich. gen, wie der Kampf ausgegangen „Ich habe dich im Lager von Spotted war. „Ihr betrachtet mich, als wäre ich Tail gesehen. Man sagt, daß du ein Freund der Sioux und der Cheyenne euer Feind. Ich sehe den Haß in eu ren Augen und den Zorn. Aber ihr bist." trinkt hier das Feuerwasser, für das Lobo nickte. „Das stimmt", sagte er ruhig. „Es ihr alle eure Seelen verkauft habt. erfreut mein Herz, daß du mich er Euer Zorn richtet sich gegen eure kannt hast, großer Häuptling. Und Freunde, weil ihr zu schwach seid, du wirst mir dein Herz öffnen, wenn eure Feinde zu besiegen." Red Left Hands Augen glitzerten. du hörst, wer mich geschickt hat." Split Bull Horn kniff die Augen zu Auch er war es nicht gewöhnt, daß man so mit ihm sprach. sammen. „Wo sind die Skalps der Cheyen „Sag es mir, Mann von zwei Träu men", sagte er, und es klang fast wie nes?" fragte er. ein Befehl. „Ich ließ sie ihnen. Warum sollte „Ich traf nicht weit von hier einen ich ihnen die Skalps nehmen? Sie alten Freund von dir, großer Häupt kämpften und sie starben. Wenn ich ling. Sein Name war Luther Miller einen Skalp haben will, hole ich mir und e r . . . " Lobo brach unvermittelt einen von einem Feind. Nicht die ab. Offene Feindschaft schlug ihm Cheyennes sind es, gegen die ich entgegen, nachdem er den Namen kämpfen will. Bleichgesichter, das genannt hatte. Red Left Hand sprang sind die Feinde, die besiegt werden vom Eingang weg und stellte sich müssen." hinter seinen Vater. Sein Gesicht „Die Soldaten lassen uns in Frie drückte Zorn und Haß aus. den", murmelte einer der Alten. Er „Was willst du, Bleichgesicht?" war ein weißhaariger Mann mit nar bigem Gesicht und glanzlosen Au fragte er scharf. Lobo fühlte sich nicht mehr so gen. richtig wohl in seiner Haut. Trotz „Das nennt ihr Frieden?" Lobo dem sprach er weiter. lachte. „Wer von euch war schon ein „Auf dem Weg hierher traf ich mal in der Festung, die Fort Laramie Cheyennes. Es waren sechs Krieger, genannt wird? Es ist nur die Ruhe und ich mußte sie töten, weil sie mich vor dem Sturm. Die Soldaten ma angriffen. Ich war ihr Freund, aber chen sich für den Krieg bereit, und sie waren wie verrückte Wölfe, die ihr betrinkt euch. Ist das euer Frie mich nicht erkannten. Und bevor sie den?" mich angriffen, töteten sie Luther „Wir sind zu wenig Krieger, um Fort Miller." Laramie anzugreifen", wandte Split Nun war es Lobo gelungen, die In Bull Horn ein. „Viele von uns würden dianer zu überraschen. Wachsam be sterben." lauerten sie ihn. Es war, als suchten „Niemand braucht die Festung an sie nach irgendwelchen Spuren des zugreifen, aber ihr müßt jene Bleich Kampfes, und weil sie nichts sehen gesichter verjagen, von denen ihr 18
glaubt, daß sie eure Freunde sind. Luther Miller war ein Freund der Sioux und der Cheyennes. Zornige junge Wölfe haben ihn getötet. Aber der Mann, der Black Jack Miller heißt, dieser Mann lebt. Er gibt euch Gewehre, und er gibt euch auch Feu erwasser. Ist er deshalb euer Freund?" Lobo erhob sich. „Gut", sagte er. „Ich gehe jetzt. Ich sehe in euren Augen, daß ihr ver wirrt seid und mir nicht glaubt." Lobo bückte sich und verließ das Tipi. Es regnete in Strömen. Die Wolken hingen tief. Red Left Hand griff nach Lobos Jacke und versuchte, ihn auf zuhalten. In diesem Augenblick klang gedämpfter Hufschlag auf. Lobo blieb stehen. Alle blickten hinaus in den Regen, wo das Ge räusch immer lauter wurde. Es war ein kleiner Reitertrupp, der sich allmählich aus dem düsteren Regenvorhang schälte. Und als die Reiter den Zeltring erreichten, wuß te Lobo, daß er bleiben würde. We nigstens für ein paar Tage.
Als Lobo das Mädchen sah, wußte er, daß es nur Linda Miller sein konnte. Linda saß auf einem hochbeinigen Fuchs, und ihre Augen waren groß und angstvoll. Die tiefschwarzen Haare klebten naß in der Stirn. Zer fetzte Kleider hingen an ihr her unter. Als sie Lobo entdeckte, sprang ein Hoffnungsschimmer in ihre Au gen. Sie schien zu ahnen, daß Lobo nicht zu den Sioux gehörte. Linda war eine Gefangene. Neben
und hinter ihr ritten Sioux-Krieger. Ihre Finger umklammerten alte Ge wehre, Bogen und Lanzen. Aber das Mädchen war nicht die einzige Gefangene. Auf zwei gro ßen Pferden mit dem US-Brand hat te man zwei Soldaten festgebunden. Ihre Gesichter waren schmutzig und die Uniformen blutig. Lobo hatte beide noch nie gesehen, doch zweifel te er keinen Augenblick daran, daß sie zur Besatzung von Fort Laramie gehörten. Auf drei Ponys lagen drei India ner. Man hatte sie mit Lederschnü ren festgebunden. Sie waren tot. Lobo warf einen kurzen Blick in das finstere Gesicht von Red Left Hand. Dann entschied er sich dafür, alles auf eine Karte zu setzen. Mit ei nem Satz sprang Lobo den Reitern in den Weg und riß beide Hände hoch. Das Pferd an der Spitze stieg, keilte aus und konnte vom Anführer des Trupps nur mit Mühe gezügelt, werden. Lobo sprang auf den Fuchs zu und packte ihn am Zaumzeug. Hinter ihm heulten wütende Krieger auf, und Lobo hörte Red Left Hands Stimme einen Befehl brüllen. Lobo blickte zu dem Mädchen auf. Er wußte, was geschehen würde, wenn er nicht sofort handelte. „Mein Name ist Lobo", sagte er scharf und schnell. „Ich bin kein Si oux, und wir müssen so tun, als ken nen wir uns schon lange." Lobo zeigte ihr seine Zähne. „Ich werde ihnen sa gen, daß du mein Mädchen bist." Obwohl Linda erschöpft sein muß te, hielt sie sich gerade im Sattel. Sie nickte stumm. „Du brauchst dich nicht zu fürch ten", hörte sich Lobo sagen. „Was ist passiert?" 19
„Ich bin Linda Miller", sagte sie ge preßt. „Es ist eine lange Geschichte." „Ich kenne den Anfang", sagte Lobo schnell. „Ich fand deinen Onkel Luther, bevor er starb. Er sagte mir, daß dich die Cheyennes verschleppt haben." „Onkel Luther - ist er ..." Ihre Au gen füllten sich mit Tränen. „Ich wußte es", preßte sie hervor. „Oh, mein Gott, wenn ich nur beim Wagen geblieben wäre, dann ..." „Red keinen Mist, Mädchen", schnappte Lobo. „Erzähl mir lieber, warum du bei den Sioux bist." „Soldaten griffen die Cheyennes an. Ich floh. Plötzlich waren die Sioux da. Sie töteten einige Soldaten und nahmen diese beiden dort gefangen. Helfen Sie uns, Mister!" Lobo blickte in ihre Augen. „Ich kann nichts für die beiden Blaubäu che tun", sagte er knapp. „Ich verstehe das nicht, Mister Lobo. Warum wollen Sie mir helfen und ihnen nicht? Nur weil ich ein Mädchen bin?" „Ich werde es Ihnen später erklä ren, zum Teufel!" erwiderte Lobo. Red Left Hand war unterdessen hinter ihn getreten. Als Lobo den Kopf wandte, sah er, daß der Sohn des Häuptlings Linda Miller mit gie rigen Augen belauerte. „Du wolltest gehen, Mann von zwei Träumen", sagte er und zeigte auf ei nen Jungen, der Lobos Pferde brach te. „Reite!" Lobo fühlte, daß er dabei war, sich einen Feind zu verschaffen. Aber er konnte jetzt nicht klein beigeben, wollte er nicht seine Ehre und das Mädchen verlieren. Ganz zu schwei gen von den zweitausend Dollar in Gold. Lobos Augen wurden schmal. 20
„Wenn ich reite, nehme ich diese Frau mit", sagte er entschlossen. Red Left Hands Augen blitzten zor nig. Lobo hatte in der Oglalla-Spra che gesprochen und zwar so laut, daß man ihn überall verstehen konnte. „Sie ist die Tochter eines Mannes, den wir kennen. Wir wissen, daß er viele Gewehre hat. Und Munition. Er wird uns dieses Mädchen abkaufen." Lobo schüttelte den Kopf. „Du irrst, mein Bruder", sagte er scharf. „Ich kenne diese Frau, und sie gehört nicht mehr zu ihrem Vater. Sie wird meine Squaw werden." Nun wurde Red Left Hand wütend. Heiser befahl er einigen Kriegern, Linda Miller aus dem Sattel zu he ben. Lobo mußte machtlos zusehen, wie man sie in eines der Tipis brachte. Auf dem Gesicht Red Left Hands lag ein undurchsichtiges Lächeln. Lobo ließ ihn stehen und führte den Fuchs zu seinen Pferden. Als er mit ihnen zur Pferdeweide ging, sah er, wie die beiden Soldaten an Riemen über den Boden geschleift wurden. Bei den letzten Büschen, dicht am Fluß, wurden sie an Pflöcken festgebun den. Schreiend, lachend und tanzend wurden sie von nackten Halbwüch sigen umkreist. Die beiden mußten einem grausamen Tod entgegense hen. Lobo kannte das Spiel. Er hatte es an anderen Orten schon einige Male erlebt. Diese beiden Soldaten hatten qualvolle Stunden vor sich. Am Hang hinter dem Lager, wo etwa dreihundert Pferde weideten, ließ Lobo die Pferde laufen. Lindas Sattel und Packtaschen hatte er vor seinem Zelt niedergelegt. Als er zum Lager zurückging, kamen ihm Split
Bull Horn und Red Left Hand ent gegen. Das Gesicht des Häuptlings war ernst. Lobo blieb abwartend stehen. „Es gibt Krieg", sagte Split Bull Horn und zeigte gegen Westen. „Un sere Krieger befanden sich dort auf der Jagd. Sie hatten keine Kriegsfar ben im Gesicht und benutzten ihre Jagdwaffen. Pferdesoldaten haben sie trotzdem angegriffen." „Der Friede, den ihr euch aus dem Feuerwasser saugt, taugt nichts", sagte Lobo hart. „Das habe ich euch schon am Ratsfeuer gesagt. Und was willst du jetzt tun, Häuptling?" „Die Sioux werden sich zum Krieg rüsten. Morgen werden wir auszie hen und das tun, was zu tun ist. Wir brauchen Waffen!" Lobo wußte, was das bedeutete. Split Bull Horn würde die Waffen, die er brauchte, von Black Jack Mil ler bekommen. Und er würde sie mit dem Mädchen bezahlen, das seinen Kriegern in die Hände gefallen war. Die Frage war nur, ob nicht jetzt schon eine Strafexpedition von Fort Laramie aus unterwegs war und die Sioux gar nicht mehr dazu kamen, mit Black Jack Miller ein Geschäft zu machen. Das Mädchen war so oder so in Gefahr und brauchte einen Schutzengel. „Was passiert mit den Soldaten, die ihr gefangen habt?" fragte Lobo, um sein Interesse an Linda Miller zu tar nen. Split Bull Horn lächelte. „Heute nacht wird es ein großes Fest geben, und die weißen Pferdesoldaten wer den sterben." Er zeigte in die Runde. Frauen waren damit beschäftigt, lange Weidenruten zu schneiden, die geschält und rot bemalt wurden.
Man würde sie zum Schlagen der Ge fangenen benutzen und sie danach mit den zugespitzten Enden unter die Haut der Soldaten stoßen. Die Kin der brachten unterdessen Kleinholz für die Feuer. Ab und zu bespuckten sie die Gefangenen, warfen Steine nach ihnen oder schlugen sie mit Zweigen. „Ich will sehen, wie sie sterben", sagte Lobo gelassen. „Wann geht es los?" „Mein Sohn wird dich holen, Mann von zwei Träumen. Auch die Frau wird zusehen!" Lobo hob nur die Schultern, und der Häuptling drehte sich um und ging davon. Red Left Hand warf Lobo noch einen hochmütigen Blick zu, bevor er seinem Vater folgte. Lobo stand einige Sekunden re gungslos. Er wußte, daß die Sioux Linda quälen würden. Sie war der Willkür von Split Bull Horn und des sen Sohn ausgeliefert, und es konnte ihr hier einiges passieren, bevor sie gegen Waffen und Schnaps einge tauscht wurde. Lobo nahm sich vor, ihr den Anblick der Marterung der Soldaten zu ersparen und mit ihr bei der ersten sich bietenden Gelegen heit zu fliehen. Lobo ging in sein Tipi und legte Lindas Sattel neben den seinen. Die alte Indianerin kroch herein und fragte, ob er zu essen wünsche. Lobo wäre es lieber gewesen, er hätte Lin da um sich gehabt als die Alte. Während sie kochte, schlüpfte er hinaus. Es regnete nun nicht mehr so stark, dafür aber zog ein empfindlich kühler Nordwester durch das Lager. Seine Mokassins versanken im Dreck. Der Lagerplatz war jetzt ein einziger brauner Morast. Trotzdem 21
herrschte reges Treiben. Abweisende Blicke begleiteten Lobo. Ohne zu zögern, schritt er auf das Tipi zu, in dem Linda unterge bracht war. Kurz bevor er es erreich te, trat ihm Red Left Hand in den Weg. Der Indianer hatte getrunken. „Wo willst du hin?" fragte er mit schwerer Zunge. „Ist es üblich, daß ein freier Mann in diesem Lager sagen muß, wohin er geht?" fragte Lobo rauh. „Du schon." Red Left Hand verzog sein Gesicht. „Mein Vater hat verbo ten, das Tipi der weißen Frau zu be treten." „Für mich gilt dieses Verbot nicht. Sie ist meine Squaw." „Du lügst", stieß Red Left Hand hervor. „Sie ist die Tochter von Black Jack Miller, und sie ist unsere Ge fangene. Vielleicht werde ich sie in mein Tipi nehmen und mit ihr einen Sohn machen." Lobo ließ Red Left Hand stehen, aber der junge Krieger beim Tipi verwehrte ihm den Zutritt. Lobos Augen wurden schmal. „Geh zur Seite!" sagte er eisig und trat noch einen Schritt näher. Der Krieger sagte kein Wort, nahm aber das Gewehr etwas hoch. Lobo warte te genau so lange, bis die Mündung seine Brust berührte, dann schlug er den Lauf zur Seite und landete einen trockenen Schwinger am Kinnwin kel des Indianers. Einen überra schenden Schrei ausstoßend, kippte der Krieger gegen das Tipi und rutschte zu Boden. Lobo warf sich herum. Seine Au gen funkelten Red Left Hand an. „Nimm dich in acht, Bruder", schnappte Lobo. „Ich bin ein freier Mann und ein Gast deines Vaters. 22
Nimm dich in acht!" Red Left Hands Gesicht war ver zerrt. Seine rechte Hand fuhr zum Griff seines Bowiemessers, aber er erstarrte mitten in der Bewegung, als sein Vater aus dem Tipi kam und sich einen Weg durch die Neugie rigen bahnte. Zwei Schritte vor Lobo und Red Left Hand blieb er stehen. „Warum hast du ihn niederge schlagen?" fragte er Lobo. „Er wollte mir den Weg ins Zelt verwehren. Und dein Sohn hat zuviel getrunken, Chief. Wie könnt ihr den Kampf gegen die Pferdesoldaten ge winnen, wenn selbst die jungen Krieger sich betrinken?" Red Left Hand trat geduckt vor. Plötzlich hatte er sein Messer in der Faust. „Halt ihn zurück", sagte Lobo schnell zu Split Bull Horn. „Wenn er sein Messer hebt, schieße ich ihn nie der wie einen Hund." „Zurück, Sohn!" befahl der Chief scharf. Red Left Hand schäumte, aber er wagte es nicht, sich gegen seinen Va ter aufzulehnen. Wütend steckte er das Messer weg und trat etwas zurück. Der Häuptling befahl den anderen, in ihre Zelte zurückzuge hen. Auch Red Left Hand ging, warf aber noch einen drohenden Blick auf Lobo. Split Bull Horn scheuchte die Wa che mit einer herrischen Handbewe gung weg. Dann wandte er sich an Lobo. „Du hast Mut, Mann von zwei Träumen. Meine Krieger hätten dich in Stücke reißen können." Lobo lächelte. „Es hätte viel tote Sioux gegeben, nur weil dein Sohn zuviel trinkt."
„Du trinkst nicht?" fragte der Häuptling ungläubig. „Selten. Mit Feuerwasser im Bauch ist ein Mann nicht einmal mehr die Hälfte wert. Männer, die trinken, sind keine guten Krieger." Lobo wischte sich die nassen Hände unter der Jacke ab. „Du hast allen verbo ten, die weiße Frau zu besuchen?" „Ja. Sie ist eine Gefangene, genau wie die beiden Pferdesoldaten." „Sie gehört mir. Es gefällt mir nicht, wenn man mich hindert, das zu tun, was ich will." Split Bull Horn überlegte. Dann nickte er. „Wenn sie dir gehört, kriegst du sie von ihrem Vater. Jetzt ist sie unsere Gefangene!" „Ich will jetzt zu ihr. Sie hat Angst, und es ist gut, wenn sie jemand bei sich hat, mit dem sie sprechen kann." Gemächlich zog Split Bull Horn ei ne Uhr, die an einer goldenen Kette hing, unter der Decke heraus. Er klappte den Deckel auf und studierte eingehend das Zifferblatt. Dann nickte er. „Gut, du hast soviel Zeit, bis der große Pfeil einmal eine Um drehung gemacht hat. Genügt das, Mann von zwei Träumen?" Lobo nickte. „Das genügt Chief. Und du kannst deinem Sohn sagen, daß er die Finger von der weißen Frau lassen soll." „Er wird dich zum Kampf fordern, Mann von zwei Träumen", sagte der Häuptling scharf. „Dann wird es ent schieden sein, wer von euch die Frau hat. Du oder er." Split Bull Horn drehte sich um und ging davon.
Linda Millers Augen weiteten sich, als Lobo das Tipi betrat. Er setzte
sich an das kleine Feuer und befahl den beiden alten Indianerinnen, das Zelt zu verlassen. Schnatternd schlüpften sie hinaus. Linda schaute ihn gerade und of fen an. Lobo war etwas durcheinan der. Ihre Schönheit war beinahe atemberaubend. Am liebsten hätte er kein langes Theater gemacht und sich mit ihr unter den Decken und Fellen verkrochen. „Dein Vater wird versuchen, dich hier herauszuholen", sagte Lobo hei ser. Ein Harzknoten barst, und ein Funkenregen stob auf. Das Tipi war vom Knistern des Feuers erfüllt. Lei se und monoton trommelten die Re gentropfen gegen die Zeltplanen. „Bestimmt wird es ihm sogar ge lingen", sagte sie scharf, und der Sar kasmus war nicht zu überhören. „Er wird dich mit Waffen freikau fen", sagte Lobo. „Und mit billigem Grenzer schnaps." Sie hob den Kopf und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Eigentlich wollte ich tau send Meilen weit wegreiten, Mister. Aber Onkel Luther sagte, daß es nicht die richtige Zeit ist. Er sagte, daß ich einen Mann brauchte, der mich beschützen kann." Lobo grinste. „Luther Miller war offensichtlich ein weiser, alter Kna be, Linda." Sie nickte. „Er war der einzige, mit dem ich reden konnte." „Was ist mit deinem Vater und dei nen Brüdern?" „Meinem Vater?" Lindas Gesicht wurde ernst. „Weißt du, wer mein Vater ist?" fragte sie und blickte zu Boden. „Ich weiß es. Luther Miller hat es 23
mir gesagt. Und ich habe schon eini ge Male von Black Jack Miller ge hört." „Steve und Kevin sind meine Brü der." „Sie sind wie dein Vater, was?" Einen Moment schwieg das Mäd chen. Dann begann sie zu erzählen, und Lobo hörte zu, ohne sie zu unter brechen. „Seit achtzehn Jahren lebe ich mit meinem Vater und meinen Brüdern zusammen. Mutter starb, kurz nach dem sie mich geboren hatte. Wir leb ten damals in Kentucky. Vater ver kaufte unsere kleine Pferderanch. Wir schlossen uns einem Treck an und zogen nach Westen. Texas war damals ein gutes Land. Mein Vater und meine Brüder schafften es in ei nigen mühevollen Jahren, eine klei ne Ranch aufzubauen. Aber dann kam der Krieg, und Texas war die Hölle. Die Yankees setzten uns Steuereinzieher vor die Nase. Neger einheiten der US-Kavallerie sorg ten dafür, daß jede Unruhe, jeder Widerstand im Keim erstickt wurde. Niemand hatte mehr Geld außer den Geschäftemachern aus dem Norden. Keiner konnte die Steuern bezahlen. Auch Vater konnte nicht bezahlen, und sie nahmen uns alles." Linda verschnaufte einige Augen blicke. Der Widerschein des Feuers zuckte auf ihrem schmalen Gesicht. „Wir zogen weiter. Nordwärts. Hier oben fanden wir ein abge schlossenes Tal. Schwer zugänglich. Wahrscheinlich war es seit vielen Jahren nicht mehr betreten worden. Wir bauten ein Haus, und Vater be gann, mit den Indianern zu handeln. Es ist ein teuflisches Geschäft. Vater hatte eine Bande von Verbrechern 24
um sich geschart. Wer ihm auf die Finger sehen will, wird früh genug aus dem Weg geräumt oder besto chen." Linda lachte auf. „Selbst die Armee weigerte sich, etwas gegen Black Jack Miller zu unternehmen. Zu viele Offiziere haben Schmiergel der genommen. Genau wie ein paar der ehrenwerten Bürger dieses Landes, die meinen Vater decken und dafür hin und wieder blutiges Geld kassieren. Vater ist sozusagen ein Massenmörder, der einen Frei schein hat. Von Militärs und Politi kern unterschrieben. Es ist zum Ver rücktwerden, Mister." Lobo lehnte sich zurück. „Du haßt ihn, nicht wahr?" Sie nickte. „Ich verachte ihn", sagte sie. „Ich verachte ihn für das, was er tut. Und ich hasse ihn, weil er Kevin nicht in Ruhe läßt." „Was ist mit Kevin?" „Kevin ist der kleine Bruder. Er paßt nicht hierher. Er ist, wie Mutter war. Er hält nichts von Gewalt. Er liebt den Frieden." „Und was ist falsch daran?" „Nichts. Nur Vater versucht immer noch, einen Mann aus ihm zu ma chen. Daran wird er eines Tages zer brechen." „Luther Miller sagte mir, daß ich mit dir wegreiten soll", sagte Lobo und erzählte dann kurz, was passiert war. Sie hörte ihm aufmerksam zu. Als er fertig war, sagte sie: „Ich weiß nicht, ob es gut ist. Ich weiß es wirklich nicht. Ich glaube auch nicht, daß es uns gelingen würde, meinem Vater zu entkommen." „Ich denke, er hat bald anderes zu tun, als uns ständig nachzureiten. Wir müssen versuchen, von hier
wegzukommen, solange noch Zeit Mann fluchte. Steve Miller stand ne ist." ben seinem Bruder vor der geschlos Sie schüttelte den Kopf. „Warum senen Eichentür. Beide schauten zu willst du den beiden Soldaten nicht Boden. helfen? Sie brauchen deine Hilfe Plötzlich blieb Black Jack Miller mehr als ich." stehen. Seine Söhne hoben die Köpfe „Für die beiden Soldaten ist es aus, und blickten in die harten Augen ih Linda. Ich kann nichts für sie tun. Sie res Vaters. selbst wissen es auch, und sie müssen „Du hast also Pech gehabt, nicht sich damit abfinden." wahr, Steve?," fragte er scharf. „Niemand findet sich damit ab, zu „Was hätten wir tun sollen? Wir Tode gefoltert zu werden. Bestimmt waren plötzlich mitten drin. Weiß haben sie dich gesehen und glauben, der Teufel, woher sie plötzlich alle daß noch nicht alles verloren ist." kamen. Cruzatte griff sie mit seinen Lobo senkte den Kopf. Kriegern an, aber dann waren auf „Es geht ganz einfach nicht, Linda", einmal mehr Cheyennes da, als wir sagte er und stand auf. „Vorhin, als ich das Tipi betreten wollte, hat man mir den Weg verlegt. Ich mußte ei nen Krieger niederschlagen. Damit ist das Maß wahrscheinlich voll." Lobo stand auf. „Meine Zeit ist um", sagte er, als er zur Tipiöffnung ging. „Halte dich be reit, Linda. Es könnte sein, daß ich dich irgendwann hole." Sie nickte. „Ich bin bereit, Mister", sagte sie ruhig. „Ich bin immer bereit." Ihre Blicke blieben noch für Se kunden vereint, dann bückte sich vermutet hatten." Lobo, schlug die Fellklappe auf und „Und Linda, beim Geier? Warum verließ das Tipi. bringst du Linda nicht zurück?" „Wir kreuzten kurz zuvor eine Ka vallerie-Fährte. Plötzlich ritt Linda davon, der Fährte entlang. Als wir Mit hölzernen Schritten stampfte ihr folgten, kamen die Cheyennes. Es Black Jack Miller im Raum auf und war wirklich Pech, Vater." ab. Sein Stiernacken war gerötet, „Pech! Hör nur auf damit. Was ist und in seinen nervigen Händen bog eigentlich los mit euch? Verdammt sich der Griff einer Maultiertreiber noch mal, wenn man einmal nicht peitsche wie ein Grashalm im Winde. selbst dabei ist, passiert bestimmt et Durch die Ölpapierfenster hallten was. Warum habt ihr es diesen lau die Schläge eines Schmiedeham sigen Cheyennes nicht gezeigt?" mers. Ein Pferd wieherte, und ein „Es waren mindestens zwanzig." 25
„Zwanzig? Ha, ihr wart neun. Ge nügt das nicht, Steve?" „Vater, ich ..." „Genügt das, he?" unterbrach ihn Black Jack Miller donnernd. „Es genügt." „Also, weißt du, was mich diese Unvorsichtigkeit von euch gekostet hat? Der Wagen ist weg und mit ihm die Gewehre und die Whisky-Fässer. Dazu kommt noch Linda. Ich sollte euch verprügeln, Steve. So wie frü her. Nichts kann ich dich allein ma chen lassen, und deinen Bruder kann ich dir nicht mitgeben, weil weil..." Der Alte faßte seinen Sohn Kevin ins Auge. „Liest du die Bücher immer noch?" „Ja, Vater!" „So." Black Jack Miller hustete. „Du weißt, was ich das letztemal ge sagt habe." „Ich weiß es." „Und trotzdem liest du sie immer noch. Kevin, wenn wir Linda gefun den haben und zurück sind, ändert sich einiges hier. Verstanden?" „Sicher." „Du solltest Kevin die Bücher las sen", sagte Steve heiser. Black Jack Miller fuhr herum. „Verdammt, Steve! Willst du das nicht lieber mir überlassen? Ich sage hier, was zu tun und zu lassen ist. Wenn das einem von euch nicht paßt, dann bin ich gerade jetzt in der rich tigen Stimmung, seine Einwände an zuhören. Wie ist es, Steve?" „Ich meine nur, wir arbeiten hart. Warum soll er das nicht lesen, wenn er seine Freude daran hat?" „Weil ich es nicht haben will, ver dammt! Und damit hat es sich. Ich will kein Wort mehr darüber hören, verstanden, Steve!" 26
Steve nickte. Es hatte keinen Sinn, sich gegen den Alten aufzulehnen. Seit Jahren bestimmte er, was zu tun war, und es war besser, wenn man sich daran hielt. Black Jack Miller knallte die Peit sche auf den Tisch und holte eine auf eine gegerbte Rinderhaut gezeich nete Karte hervor. „Wo ist es pas siert?" Steve zeigte ihm die Stelle. „Verdammt noch mal, hier hätte das nie passieren dürfen. Das Land ist flach wie ein Brett. Und du hattest Fat Belly, den Cree, dabei, nicht wahr?" „Ja, Vater. Aber es ist nicht seine Schuld. Es gibt Mulden und Hügel dort, wo man sich gut verstecken kann." Black Jack Miller rollte die Karte zusammen und ging zum Fenster. Als er es öffnete, wehte ein kalter Windstoß dürres Laub in den Raum. „Hank!" Ein riesiger Mann mit schwarzem Vollbart kam herein. Er war ganz in dunkles Leder gekleidet und trug auf dem Kopf eine Armeemütze. „Ja, Boß?" „Fat Belly bekommt zwanzig Peit schenhiebe. Willst du das überneh men?" „Natürlich, Boß. Die Rothaut schuldet mir seit der letzten Poker partie zwanzig Dollar. Für jeden Dollar einen Schlag, das gleicht sich aus." Der Schwarzbart grinste und ging davon. Der Alte schloß das Fen ster. „Okay, Jungs. Jetzt überlegen wir einmal, wie wir Linda zurückkrie gen, ohne daß wir uns die Finger ver brennen. Bist du sicher, daß die Si oux von Split Bull Horn sie den Chey
ennes weggeschnappt haben?" Steve nickte. „Sicher, Vater. Wir sind den Fährten ein Stück gefolgt. Die Blaubäuche griffen die Cheyen nes an. Oder umgekehrt. Ein paar Sioux, die zufällig in der Gegend wa ren, schnappten sich Linda." „Warum läßt du Fat Belly bestra fen, Vater?" fragte Kevin. „Er ist ei ner unserer besten Scouts, und Rush erzählte, daß er die Cheyennes un möglich sehen konnte." Black Jack Miller richtete sich auf. Er überragte Kevin um einen halben Kopf. Seine riesige Faust schoß vor, und die Finger krallten sich in die Jacke seines Sohnes. „Kevin, in der letzten Zeit paßt dir vieles nicht, was ich entscheide. Und mir paßt es nicht, Kevin, daß du ständig aufmuckst. Wenn es wirklich nicht anders geht, prügle ich dir mei nen Willen ein. Merke dir das!" Der Alte ließ seinen Sohn los. Er atmete schwer. Draußen lachten Männer rauh. Jemand rief, daß man dem Indianer das Hemd ausziehen solle. Black Jack Miller setzte sich auf den Stuhl und fixierte seine Söhne. Sie standen schweigend vor dem Tisch. Steve kratzte sich geräusch voll am Nacken. „Wir machen die Armee mobil. Wenn die Blaubäuche die Sioux an greifen, sollte es uns gelingen, Linda zu befreien. Wir reiten morgen nach Fort Laramie." „Man sollte einige unserer Leute schon heute wegschicken. Wenn sie eine Patrouille ausfindig machen, dann ersparen sie uns den Weg nach Fort Laramie. Zudem glaube ich nicht, daß Colonel Garland so ohne weiteres auf unseren Rat einen
Krieg anzetteln würde." Black Jack Miller nickte. „Wahr scheinlich hast du recht, Steve. Die ser alte Yankee könnte uns Schwie rigkeiten machen. Doch Major Mor ris ist mir verpflichtet." Der Alte grinste. „Aber er ist ein Mann, der auch Garland nicht unter Kontrolle halten kann." „Mit wie vielen Sioux rechnest du?" fragte Kevin seinen Bruder. Er mied den Blick seines Vaters. „Fat Belly meint, daß sie am Platte irgendwo ein Jagdlager aufgestellt haben. Sie hatten keine Kriegsfar ben im Gesicht, und die meisten wa ren mit Pfeilen und Bogen bewaff net. Mehr als hundert Krieger hat Split Bull Horn bestimmt nicht." „Das ist gut. Wir brauchen selbst höchstens ein Dutzend Männer und sind in zwei Tagen wieder zurück. Das sollte zu schaffen sein. Was meinst du, Kevin?" „Ich weiß es nicht." Kevin hob die Schultern. „Beim Geier, was weißt du eigent lich? Diese verdammten Bücher ma chen aus dir noch einen Schulmei ster. Wir können hier aber keine Schulmeister gebrauchen, verstehst du? Hier braucht es Männer. Kräfti ge Männer, die kämpfen können." „Vater, ich habe in einem Buch ge lesen, daß ein Mann die Kraft eines Bullen haben kann, aber wenn es darauf ankommt, dann ist meistens das, was er im Kopf hat, entschei dend." „Blödsinn ist das, was in deinen Büchern steht. Was nützt es dir, wenn du weißt, wie lange der Napo leon-Feldzug in Rußland gedauert hat oder du ein Kapitel aus dem „Plutarch" auswendig aufsagen 27
kannst? Ein Miller braucht diese Dinge nicht zu wissen." „Du weißt, was ich für Bücher be sitze? Das überrascht mich", sagte Kevin und lächelte. „Teufel, schließlich lehrte ich euch alle drei lesen. Ich wünschte, ich hät te es nicht getan." „Zeitungen bekommen wir hier ja sowieso nur alle paar Monate einmal, und die meisten sind so verblichen, daß man kaum noch die fetten Buch staben erkennen kann, nicht wahr, Dad?" sagte Steve grinsend und stieß Kevin den Ellbogen in die Rippen. „Was ist jetzt eigentlich mit Fat Bel ly? So wie ich Hank kenne, wird er ihm zu deinen zwanzig noch zwanzig dazu geben. Er schlägt gern." „Ich werde ihn nachher fragen. Ich werde auch Fat Belly fragen. Ich hoffe für Hank, daß er sich an meine Anweisung gehalten hat." Kevin ging zum Fenster und öff nete es. Es war seltsam still im Lager. Die Männer standen herum und starrten herüber. Hank Stinson, der Schwarzbart, war nirgends zu sehen. Fat Belly lag mit nacktem Oberkör per am Boden und rührte sich nicht. Die Steine um ihn herum waren vol ler Blut, George Brooks, ein mageres Kerlchen, beugte sich über ihn. Als er sich wieder aufrichtete, nahm er den alten Filz von seinem schütteren Haar. „Er ist tot, Vater!" rief Kevin scharf und stürmte zur Tür. Black Jack Miller erstarrte und schaute seinem Sohn nach. Steve nahm den Gurt des Alten von der Wand und gab ihn ihm. „Stinson hat ihn getötet. Wenn du das zuläßt, machen dir die anderen Indianer bald Schwierigkeiten." 28
Black Jack Miller nahm den Gurt und schlang ihn sich um die Hüfte. „Gehen wir", brummte er und stampfte aus dem Haus. Kevin kniete bei Fat Belly. Fra gend blickte Rush den kleinen Brooks an. „Was ist, Doc?" „Ein Schlag mit dem Peitschenstiel gegen den Hals. Damit kannst du ei nen Bullen töten, Boß." „Wo ist Stinson?" fragte der Alte die Männer, die herumstanden. „Dort." Ein schnauzbärtiger Mexi kaner zeigte auf ein kleines Stein haus. Stinson bewohnte es mit eini gen seiner Freunde. Sofort gingen Black Jack Miller und seine Söhne auf das Haus zu. Zehn Yards vor dem Haus blieben sie stehen. „Stinson!" rief Black Jack Miller dröhnend. „Komm heraus!" „Nein, Boß! Verdammt, ich konnte nicht wissen, daß er so wenig ver trägt. Diese Rothäute sind Wasch lappen!" Fat Bellys Frau und seine beiden Söhne kamen mit einigen anderen Indianern durch das Lager. Sie wohnten jenseits des Creeks, von den Weißen abgesondert, in kleinen Erd schollenhütten und Tipis. Auch die Neger und Chinesen wohnten dort. „Hank, ich habe dir gesagt, was du tun sollst. Von einem Schlag mit dem Peitschenstiel war nicht die Rede. Du hast ihn umgebracht, Hank. Das ist Mord!" „Ha, Mord. Der Kerl hatte plötzlich ein Messer. Was sollte ich tun? Schließlich ist mir mein Leben lieber als das einer Rothaut." Fat Bellys Frau, eine kleine, dun kelhäutige Assiniboine Squaw,
brach über der Leiche ihres Mannes zusammen. „Hank!" rief der Alte hart. „Du hast keine Chance. Wir nehmen jetzt die Fenster unter Feuer!" Black Jack Miller gab ein paar Männern einen Wink. Sie holten ihre Gewehre und begannen zu schießen. Hank Stinson konnte nicht an die beiden Fenster, durch die Kugeln in das Haus flogen. Er mußte sich ent scheiden. „Halt!" schrie er heiser. „Ich kom me raus!" Sie stellten das Feuer ein. Der Schwarzbart kam heraus. Er hatte den Colt in der Faust. Black Jack Miller ging auf ihn zu. Stinson fluch te leise. Er sah die Gesichter der Männer. Kalte Augen starrten ihn an. Im Gesicht von Black Jack Miller rührte sich kein Muskel. „Boß", stieß Hank Stinson hervor. „Das Messer war plötzlich in seiner Hand. Was sollte ich tun, eh?" Doc Brooks trat etwas aus der Rei he der Männer. „Ich fand kein Messer, Boß. Der Cree war waffenlos." „Verdammt, er lügt!" schrie Stin son heiser. „Dieser krumme ..." „Du mußt schießen", unterbrach ihn der Alte bestimmt. „Du kannst dich aber auch umdrehen und da vonrennen, Hank. Dann läufst du ge nau in die Hände unserer roten Freunde. Es ist deine Wahl, Hank." „Ich will es dir erklären, Boß. Herrgott, ich konnte doch ..." „Das ist nun nicht mehr wichtig", sagte der Alte scharf. „Du hast dir die Suppe eingebrockt. Einwandfrei Mord, Hank!" „Gottverdammt, du bist nicht mein Richter, Boß!"
„Nein, Hank. Ich bin dein Henker." Da versuchte es der Mörder. Er riß den Colt hoch und feuerte. Er war viel schneller als Black Jack Miller, der den Colt erst noch aus der Half ter ziehen mußte, aber er besaß die Nerven nicht mehr, zu warten und zu zielen. Black Jack Miller schoß Sekunden später, aber er brauchte es nur ein mal zu tun. Der Alte ging zu dem Toten. Stin sons Frau kam aus dem Haus. Sie war groß und knochig, und sie hatte ein Stück Holz wie eine Keule in der Faust. Einer von Stinsons Freunden trat ihr in den Weg und entwand ihr das Holz. „Er hat ihn ermordet, Liz. Ich habe es gesehen. Es war kein Unfall." „Das gibt ihm noch lange nicht das Recht, ihn einfach zu erschießen!" rief die Frau und starrte Black Jack Miller haßerfüllt an. „Es tut mir leid, Liz. Hank war lan ge genug bei uns, um zu wissen, was er zu tun hatte, nachdem ich ihm ei nen ganz bestimmten Auftrag gab." Ohne ein weiteres Wort drehte sich Black Jack Miller um und ging in das Haus zurück. Seine Söhne folgten ihm. Die Indianer brachten Fat Belly weg, und einige der Weißen küm merten sich um Stinson und die Frau. Das Leben ging weiter. Der plötzliche Auftritt des Todes war für diese Leute nichts Ungewöhnliches. Man hatte ihn als Gefährten, und es hatte keinen Sinn, sich Gedanken darüber zu machen. Als Kevin das Haus betrat, saß sein Vater hinter dem Tisch und reinigte den Colt. Steve stand daneben und starrte Löcher in die Wand. Kevin 29
setzte sich auf eine Bank neben der Tür und legte die Stiefel übereinan der. „Er hätte dich erwischen können, Vater", sagte er. Der Alte lud die Trommel nach. „Es bekommt jeder seine Chance. Ich kann nicht zulassen, daß einer von ihnen aus der Reihe tanzt. Was meint ihr, was geschehen würde, wenn ich Stinson nicht bestraft hätte?" „Die Indianer hätten ihn früher oder später umgelegt", sagte Steve, während er auf dem Daumennagel herumkaute. „Richtig. Sie hätten ihn umgelegt. Und dann?" Der Alte steckte den Colt in die Halfter zurück und erhob sich. „Dann hätten Stinsons Kumpane versucht, die Indianer fertigzuma chen. Solche Kettenreaktionen darf man erst gar nicht entstehen lassen. Sie müssen immer wieder wissen, wer der Boß ist. Versteht ihr das?" Steve nickte. „Klar", sagte er. Kevin blieb still. „Ihr könnt jetzt die Männer ver sammeln. Steve, du holst unsere Scouts. Drei genügen." Die Söhne erhoben sich und woll ten hinausgehen. Der Alte rief sie aber zurück. „Fragt die beiden Frauen von Stin son und Fat Belly, ob sie hierbleiben wollen. Wenn nicht, bekommen sie, was sie brauchen." „Okay", sagte Steve. „Sonst noch was?" „Nein. Verschwindet, ihr zwei Fla schen." Steve und Kevin gingen hinaus. Draußen sagte Steve: „Im Grunde hat er einen weichen Kern, der Alte." Kevin sah seinen Bruder von der Seite an. „Nein, Steve. Er spielt sich 30
nur auf, so, als wäre er der liebe Gott persönlich." Steve hob die Schultern. „Für die Leute hier ist er der liebe Gott, Kleiner", erwiderte er. „Daran wirst du dich auch noch mal gewöh nen."
Sie begannen noch in der Nacht mit dem „Fest". Lobo war froh dar über, daß Split Bull Horn damit ein verstanden war, Linda im Zelt zu lassen. Die Sioux-Krieger tanzten im Kreis um die gefesselten Weißen herum. Der Feuerschein flackerte auf den grell bemalten Körpern, von denen Federn, Fransen und farbige Stoffbänder herunterhingen. Die Frauen hockten im Kreis, Ba bys auf den Armen, wiegten sich im Takt der Tom-Toms und kreischten in den schrillsten Tönen. Alte Män ner sangen monotone Lieder. Der Flammenschein des großen Feuers tanzte gespensterhaft auf ihren zer furchten Gesichtern mit den schwarzen, glitzernden Augen. Sie traktierten die Gefangenen in ei ner schier endlosen Zeremonie. Die Luft war erfüllt vom Geschrei der Gequälten. Obwohl Split Bull Horn verboten hatte, scharfen Fusel zu trinken, sah Lobo, wie einige der Krieger verstohlen einen Schluck aus den Flaschen nahmen, die sie unter Decken versteckt hatten. Die Soldaten, obwohl sie noch jung waren, hielten es lange aus. Zeit weise, wenn sie ohnmächtig in den Rohhautschnüren hingen, begoß man sie mit kaltem Wasser. Es regnete die halbe Nacht. Lobo
war völlig durchnäßt und fror. Die Körper der Tänzer dampften. Inzwi schen war aus dem Festplatz eine einzige dunkle Drecklache gewor den. Am Morgen hingen die Soldaten bewußtlos an den Pfählen, und man konnte kaum mehr erkennen, daß es sich um Weiße handelte. Am Ende des Zeltringes jaulten und kläfften die angebundenen Hunde. Lobo schloß die Augen, als man sie losschnitt. Er öffnete sie nicht mehr, bis das Gekläff ver stummte und die letzten Schläge des Tom-Toms verhallt waren. Red Left Hand kam schließlich heran und grinste ihn an. „Die Hunde haben seit gestern nichts mehr bekommen. Jetzt fres sen sie sich satt. Diese Blaubäuche sind nicht wie Männer gestorben. Sie haben um Gnade gewinselt. Jetzt ist es vorbei." Lobo erhob sich. Seine Glieder wa ren steif, und ihm war elend zumute. Eisig starrte er den Indianer an. Dann drehte er sich um und ging in das Zelt Lindas. Sie saß völlig verstört am erlosche nen Feuer. Als Lobo hereinkam, sprang sie auf und klammerte sich an ihm fest. Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, und sie schluchzte haltlos. Lobo fuhr ihr mit der Hand sanft über das Haar. Er sprach kein Wort. Durch die Jacke fühlte er die Wärme ihres Körpers. Es dauerte lange, bis sich Linda wieder beruhigt hatte. Mit einer ver lorenen Bewegung schob sie die Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Ihre Lippen zitterten. „Ist - ist es vorbei?" fragte sie ton
los. Lobo nickte. „Ja. Es ist vorbei. Sie sind tot." „Ich habe alles gehört", sagte sie. „Es hat eine Ewigkeit gedauert." „Ja. Es dauerte fast die ganze Nacht." „Diese Indianer sind keine Men schen! Sie sind wilde Tiere." Linda preßte den Atem durch die Nase. „Ich will fort von hier. Ich halte es nicht mehr aus." „Auch ich will fort, Linda", sagte er. „Ich habe genug." „Wann?" fragte sie, ohne ihn anzu sehen. „Wenn sich ihr Argwohn gelegt hat. Du mußt etwas Geduld haben. Es wird einige Tage dauern, dann ist es soweit." „Mein Gott. Mein Gott", murmelte Linda. Lobo zog sie sanft an sich. Als plötzlich Split Bull Horn das Tipi betrat, schrak Linda zusammen und ging rückwärts, bis sie an die Plane stieß. Lobo versuchte, im Ge sicht des Häuptlings eine Regung zu entdecken. Aber der Indianer stand da, mit ausdruckslosem Antlitz und halbgesenkten Lidern. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme monoton wie immer. „Es ist Zeit, Mann von zwei Träu men. Das Ratsfeuer brennt, und ich will, daß du dabei bist, denn noch heute wirst du um dein Leben und um diese Frau kämpfen müssen." Lobo kniff die Augen etwas zu sammen. Er spürte den Druck von Lindas Fingern, mit denen sie ihn am Unterarm gepackt hatte. „Es ist noch nicht einmal Tag, Chief", sagte Lobo. „Dein Sohn sollte sich in Geduld üben. Ein Hitzkopf 31
macht zu viele Fehler." „Mein Sohn hat beschlossen, daß er dich heute töten wird. Die Gefange nen, die wir getötet haben, waren wie mutlose Weiber. Es war keine Ehre für uns, sie zu töten. Selbst die Kin der haben es widerwillig getan. Die Leute sind unzufrieden. Da hat Red Left Hand den Großen Geist um ein Zeichen gebeten, und er hat es be kommen." „Das Zeichen, daß er heute gegen mich kämpfen soll?" „Ja. Seine Medizin ist gut." „Aber er ist müde vom Tanzen und Töten", sagte Lobo. „Er wird mir kein guter Gegner sein." „Auch du bist die ganze Nacht wach gewesen." „Aber ich habe nicht getanzt." Lobo legte seinen Arm demonstrativ um Lindas Schultern. „Sie ist meine Squaw, Chief. Dein Sohn sollte nach Soldaten Ausschau halten, wenn sei ne Medizin gut ist. Er sollte nicht sein Leben für eine Frau riskieren, die ihn nicht haben will." „Er wird sie sich nehmen!" sagte Split Bull Horn hart. „Und wenn er sie satt ist, tauschen wir sie gegen die Waffen und gegen die Kugeln." Lobo schüttelte den Kopf. „Ich ver stehe dich nicht, Chief. Du weißt, daß Black Jack Miller dafür verantwort lich ist, daß deine Krieger wie be trunkene Schweine leben. Du weißt, daß er euch bei seinen Geschäften genauso betrügt wie die Cheyennes. Er verkauft seine Gewehre euch. Er verkauft sie aber auch euren Fein den, den Crows und den Shoshonen, die dann eure Dörfer zusammen mit den Soldaten angreifen. Der Schnaps, den er euch verkauft, tötet euch. Es ist Gift. Die Weißen nennen 32
es Methylalkohol. Du hast mir selbst gesagt, daß Krieger davon blind wurden, daß Männer verrückt wur den und sich selbst umbrachten. Das ist alles die Schuld von Black Jack Miller und seinen Männern." „Was du sagst, stimmt." „Also! Und trotzdem willst du er neut mit ihm ein Geschäft machen. Seine Tochter gegen Gewehre und Munition. Glaubst du im Ernst, daß Black Jack Miller der Mann ist, der euch Waffen verschenkt?" „Er ist der Vater. Welcher Vater würde nicht alles hergeben, um sein Kind zu retten." „Black Jack Miller", sagte Lobo kehlig. Split Bull Horn schüttelte den Kopf. „Ich hasse ihn, seit ich zusehen muß, wie meine besten Männer langsam zugrunde gehen. Ich hasse ihn, und eines Tages werde ich ihn töten." Lobo winkte ab. „Jeder Trottel kann hassen, Chief", erwiderte Lobo. „Dein Sohn haßt mich, weil ich ihm im Wege stehe. Du haßt Black Jack Miller, weil er der einzige Mann ist, der aus dem Krieg zwischen euch und den Soldaten als Sieger hervorgeht. Der Krieg ist sein Geschäft, Chief. Er selbst trägt dabei seine Haut nicht zu Markte." „Er weiß nicht, daß er sein Leben auf den Fingerspitzen trägt", ant wortete Split Bull Horn. „Wir können ihn und seine Männer überfallen und alle töten, wenn wir das wollten." Lobo lachte. „Nein, Chief. Das stimmt nicht. Zu viele von deinen Kriegern haben keine Ahnung mehr, wie man kämpft. Mit Betrunkenen kann man keinen Kampf gewinnen." „Nicht alle sind betrunken."
„Sicher. Aber ich habe selbst dei nen Sohn nach der Flasche greifen sehen." „Du lügst." „Nein. Ich lüge nicht. Eine Lüge würde für mich nichts ändern. Ich weiß, daß ich gegen deinen Sohn kämpfen muß. Ich sage dir nur, daß er sich vorsehen soll. Er ist kein Geg ner für mich." „Er wird dich töten." „Nein. Er wird mich nicht einmal verletzen können." „Warum bist du so sicher, daß er nicht gut genug ist?" „Weil ich ihn kenne. Ich habe ihm in die Augen gesehen, und sein Herz war offen. Es ist ein schwaches Herz, Chief", sagte Lobo. „Du sagst das, um mich zu schla gen!" rief Split Bull Horn rauh. „Nein. Ich sage dir das, weil du mir leid tust, Chief." Der Häuptling spuckte aus. „Ich brauche dein Mitleid nicht, Bleichgesicht!" zischte er. „Ich bin ein Häuptling der Oglallas und kein Bettler. Ich habe hundert Krieger, und ich werde die Soldaten, die aus Fort Laramie kommen, besiegen. Ich werde die Bleichgesichter aus die sem Land verjagen. Ich werde sie ja gen bis sie in das große Wasser fal len, wo sie elend ertrinken werden. Nein, Bleichgesicht, ich brauche dein Mitleid nicht. Ich werde meinem Sohn sagen, daß er dich nicht zu fürchten braucht, denn auch ich sehe in deine Augen. Du hast Angst, Bleichgesicht. Angst um diese Frau und Angst um dein Leben." „Ich habe Angst davor, daß ich die Frau nicht vor deinen betrunkenen Kriegern schützen kann, Chief. Bei den Bleichgesichtern gibt es Gesetze,
bei denen ein Betrunkener bestraft wird, wenn er eine Frau belästigt. Bei dir hier, da gibt es keine Gesetze mehr. Die Krieger hören nicht mehr deine Stimme, Chief. Sie hören auch nicht mehr die Stimme des Großen Geistes." „Du weißt nicht, was du sagst!" rief Split Bull Horn aus. „Du bist ein Un wissender. Mach die Ohren auf, Bleichgesicht! Ich, Split Bull Horn, sage dir, daß dieser Frau kein Haar gekrümmt wird. Keiner meiner Krieger wird deine Frau auch nur berühren. Das ist mein Gesetz, Bleichgesicht." Das war eigentlich alles, was Lobo hatte erreichen wollen. Das Verspre chen des Häuptlings mußte er ernst nehmen. Er wußte selbst, daß Split Bull Horn noch immer die Autorität hatte und seine Leute unter Kontrol le halten konnte. Vorerst war also die Gefahr, daß Linda etwas zustoßen würde, gebannt. „Und was geschieht, wenn ich dei nen Sohn besiegt habe?" Der Häuptling runzelte die Stirn. „Dann ist alles anders. Du wirst meinen Sohn töten müssen, wenn du ihn besiegen willst, Bleichgesicht." „Und wenn ich ihn töte?" „Was willst du?" „Die Frau." Er schüttelte den Kopf. „Nein, du kriegst die Frau von ihrem Vater, wenn wir die Gewehre erhalten ha ben." „Keiner krümmt ihr ein Haar. Auch nach dem Kampf nicht!" „Ja. Aber darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Bleichge sicht. Nach dem Kampf bist du tot. Dann wird mein Sohn diese Frau ha ben wollen. Ich weiß auch nicht, 33
warum er unbedingt diese Frau ha ben will. Sie ist weiß wie ein Fisch, und sie ist dünn wie ein Pfahl. Ich glaube, mein Sohn kennt sich mit Frauen nicht besonders gut aus." „Das meine ich auch", erwiderte Lobo. „Es gibt doch einige große, dik ke Weiber in deinem Dorf, die einen Arsch haben wie ein Wagenpferd." Split Bull Horn grinste. „Er ist verrückt, mein Sohn", sagte er und tippte sich mit dem Zeigefin ger gegen die Stirn. „Aber er ist kein Knabe mehr, dem man die Augen öffnen kann." Split Bull Horn ging zum Tipieingang. „Komm, Bleichge sicht. Wir gehen zusammen." „Ich bin kein Bleichgesicht, Chief", knurrte Lobo. „Du beleidigst einen Gast." „Gut. Komm jetzt! Die Ältesten warten auf dich." Lobo seufzte, und der Häuptling schlüpfte hinaus. Linda griff mit beiden Händen nach Lobos Hemd. „Geh nicht", sagte sie schnell. „Sie werden dich umbringen." Er schob sie von sich. „Ich werde mit dem Kerl kämpfen, der dich ha ben will, Mädchen." „Red Left Hand, nicht wahr?" fragte Linda, weil sie nicht alles ver standen hatte, was Lobo und Split Bull Horn besprochen hatten. „Ja. Sein Sohn." „Wirst du ihn töten?" „Nur, wenn es sein muß", antwor tete Lobo und ging zur Tipiöffnung. „Ich wünsche mir, daß es anders geht." Sie nickte. „Paß auf dich auf, Lobo", sagte sie. Er lächelte. „Keine Sorge, Mäd chen. Man wird dich zum Kampf ho len. Du kriegst den Ehrenplatz, so 34
wie ich diese Leute kenne." Bevor sie etwas sagen konnte, schlüpfte Lobo hinaus und schlug hinter sich den Lappen zu. Draußen stand der Chief. Nebeneinander gin gen sie durch das Dorf dem Ratstipi zu, und der Chief war sichtlich stolz, den Gegner seines Sohnes neben sich zu haben. Vielleicht rechnete er insgeheim auch damit, daß Lobo den Kampf gewinnen würde.
Der Rat dauerte fast den ganzen Morgen. Kurz vor Mittag hatte man alles geregelt. Mindestens hundert mal war die Pfeife im Kreis herum gegangen. Im Tipi war soviel Rauch, daß man kaum mehr den gegenüber sitzenden Mann sehen konnte. Die Ratsältesten hatten beschlos sen, daß der Kampf am Abend statt finden würde. Und sie hatten sich et was Besonderes ausgedacht. Lobo und Red Left Hand sollten mit der linken Hand an Rohhautleinen fest gemacht werden, die an zwei gegen überliegenden Pflöcken angebunden waren. Beide Kämpfer sollten einen Tomahawk und ein Messer erhalten. Der Kampf sollte mit dem Toma hawk beginnen. Das Messer mußte im Gürtel steckenbleiben, bis einer den Tomahawk verlor, oder bis er glaubte, mit dem Messer besser einen tödlichen Streich landen zu können. Hinter beiden Pflöcken sollten große Feuer brennen, so daß keiner von ih nen zurückweichen konnte, ohne daß ihm die Hitze die Haut versengte oder sogar sein Haar Feuer fing. Bei de sollten bis auf den Lendenschurz und die Mokassins nackt sein, und beide durften sich mit Kriegsfarben
Unter Leser K V aus M schrieb uns: „Die Romane werden in letzter Zeit im mer besser geschrieben. Die Bilder von GÜNTER KÖNIG sind sehr gut. Aber ich möchte doch wissen: Warum besucht RONCO Wildcat nicht? Er denkt nicht mehr an ihn, und ich glaube fast, er hat ihn vergessen. Sehr gut finde ich, daß RONCO bei den Texas Rangers Siringo als Freund hat. Ich meine aber, LOBO müßte auch bald wieder auftauchen.
Warum schreiben Sie bei den Sonderbän
den unter den Serientitel RONCO nicht „Tagebuch", anstatt „Der Geächtete" oder „Der Texas Ranger"?
Beschweren möchte ich mich auch über die Heftung der Romane. Häufig findet man Hefte, aus denen die Klammern 'rausgefallen sind, oder wo die Klammern nicht richtig halten.
Da ich im RONCO-Forum erfahren habe, daß nicht mehr alle alten Romane zu ha
ben sind, möchte ich eine 3. Auflage vor
schlagen und alle RONCO-Leser bitten, die meiner Meinung sind, sich zu melden und sich dafür einzusetzen.
Ich möchte sodann noch etwas wissen über den Sioux-Cheyenne-Feldzug zwischen 1865 und 1890."
Die Änderung des Serientitels auf den Son derbänden ist aus technischen Gründen leider nicht möglich. Der Druck der Romane — auch der Titel-erfolgt weitgehend automatisch. Alle feststehenden Teile auf dem Titelbild, wie üb rigens auch im restlichen Roman, sind ein so genannter Stehsatz, der nach Möglichkeit nicht verändert wird, weil das eine Umstellung der entsprechenden Maschinen nach sich ziehen
müßte. Dies wird aus Kostengründen vermie den. Die Beschwerde über die Klammerhef tung der Romane werden wir weiterleiten, über den Sioux-Cheyenne-Feldzug haben wir schon häufiger berichtet. So ist bereits vor längerer Zeit ein mehrteiliger Bericht über die Black-Hills-Expedition und das anschließende Massaker am Little Big Horn erschienen. Erst vor zwei Wochen haben wir einen Bericht über das Kidder-Massaker gebracht, das in diesen Themenkomplex hineingehört, und im heutigen
Forum beginnen wir einen zweiteiligen Bericht über das Massaker am Washita.
G au H schrieb
Herr J uns:
„Ich bin seit 1973 begeisterter Leser der
RONCO-Serie und habe auch schon vor
längerer Zeit einmal geschrieben. Nach
dem Sie jetzt die Reihe umgestellt haben, möchte ich Ihnen wieder meine Meinung
sagen: RONCO ist die beste Western-Se rie, die ich kenne, aber der folgende Text enthält einige kritische Bemerkungen:
Ich finde die Umstellung der Serie zum
Texas Ranger sehr gut. Aber ist das auch authentisch? Aus Ihren Äußerungen in
der Nr. 316 deute ich, daß dies mehr ein Wunsch der Leser war. Von RONCO finde
ich es persönlich nicht so überragend, daß er sich den Rangers angeschlossen hat. Und zwar wegen JELLICO. Der Junge wird seinen Vater nun äußerst selten sehen. Ob das das richtige für das Kind ist? RONCO selbst ist ohne Eltern aufge wachsen und müßte es wissen. Die The matik um LINDA fand ich zu kurz be handelt. — Trotzdem: Ein großes Lob an die Autoren, die die Serie unheimlich gut darstellen!"
Herr F
G
aus P
schrieb uns:
„Ich hotte gern genaue Auskünfte über das Washita-Massaker!" Im Oktober 1867 war zwischen der Armee und den Stämmen der Kiowas, Comanchen und Arapahos am Medicine Lodge ein Vertrag unterzeichnet worden, zu dem nach längerem Widerstand auch die Stämme der südlichen Cheyennes überredet werden konnten. Der Vertrag sah vor, daß die Stämme das Gebiet nördlich des Arkansas River für den Bau einer Eisenbahn auf dem Smoky Hill Trail und die Besiedelung durch Weiße räumen sollten. Da für sollten sie in das Land südlich des Arkan sas umsiedeln, es miteinander teilen und hier das Recht zur Jagd erhalten. Der alte Häuptling der südlichen Cheyenne. Black Kettle, unterzeichnete zwar den Vertrag, aber zahlreiche Krieger fühlten sich an diese Vereinbarung nicht gebunden. Sie dachten nicht daran, ihre angestammten iagdgründe aufzugeben. Sie sollten mit ihrer Skepsis und ihrem Mißtrauen recht behalten, denn obwohl den Indianern eine Versorgung mit Lebensmit teln durch Reservationsagenten zugesagt wor den war, wurden diese Versprechungen nicht eingehalten. Der Historiker Dee Brown schrieb in seinem Buch .Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses": Während des Winters 1867/68 la gerten die meisten Cheyennes und Arapahos südlich des Arkansas in der Nähe von Fort Larned. Von ihren Herbstjagden hatten sie genügend Fleisch, um den Winter zu überste hen. Doch im Frühling wurde die Nahrungs mittelknappheit kritisch. Hin und wieder kam Tall Chief Wynkoop (Indianeragent) vom Fort zu ihnen und verteilte die kärglichen Ratio nen, die ihnen das Amt für Indianerangele genheiten auf seine Intervention hin zur Ver fügung stellte. Er sagte den Häuptlingen, der Große Rat In Washington diskutiere immer
noch über den Vertrag und habe noch nicht, wie versprochen, Geld zum Kauf von Lebens mitteln und Kleidung bewilligt . . . — A|s die ersten Frühlingstage länger wurden, (vuchs die Unruhe der jungen Männer. Sie murrten, weil es nicht genug zu essen gab und ver fluchten die Weißen, die ihre am Medicine Lodge gegebenen Versprechungen nicht hiel ten. In kleinen Gruppen zogen sie nach Nor den zu ihren alten Jagdgründen am Smoky Hill. — Indianeragent Wynkoop eilte zu Black Kettles Dorf und bat die Häuptlinge, geduldig zu sein und ihre jungen Männer zurückzuhal ten. .Unsere weißen Brüder entziehen uns die Hand, die sie uns am Medicine Lodge gege ben haben', sagte Black Kettle. .Doch wir wer den uns bemühen, sie festzuhalten.' Immer wieder brachen junge Krieger in das Land nördlich des Arkansas auf, um auf die Jagd zu gehen und sich für die gebrochenen Versprechungen zu rächen. — General Sheri dan, der Departmentskommandant, war ent schlossen, diese Aktivitäten zu unterbinden. Er war bereit, auch jene Indianer zu bestrafen, die sich an die Verträge hielten, um auf brei ter Front eine Abschreckung zu erreichen. Black Kettle ahnte nicht, daß Sheridan einen Feldzug gegen die südlichen Cheyenne plante-. Er errichtete arglos im Herbst 1868 östlich der Antelope Hills am Washita River ein Dorf und versuchte, die aufständischen jungen Krieger, die der Vertragsverletzungen durch den weißen Mann müde waren, zu beruhigen. Anfang November 1868 wurde Black Kettle bekannt, daß General Sheridan berittene Trup pen ins Land südlich des Arkansas geschickt hatte, geführt von Lieutenant Colonel George Armstrong Custer, der den Cheyennes durch seine Streifzüge 1866/67 bereits bekannt war. (Wird fortgesetzt!) Bis zur nächsten Woche! Ihre RONCO-/LOBO-Redaktion
Kompanie der U.S. Kavallerie in den Indianerkriegen in Formation angetreten. Die Kavallerie war die Speerspitze im Kampf gegen die Indianer. Archiv D. Kügler.
anmalen und mit Büffelhaut einreiben. Es sollte ein Kampf auf Leben oder Tod sein. Gewonnen hatte der, der seinen Gegner getötet hatte. Wie er ihn tötete, war egal. Mit dem Toma hawk, mit dem Messer oder mit den bloßen Händen. Der Sieger durfte den Skalp seines Gegners als Tro phäe behalten und konnte über den Leichnam auch weiter verfügen. Er konnte ihn den Hunden überlassen, er konnte ihn aber auch den Kindern geben, damit sie sich an ihm austo ben konnten. Red Left Hand bestand darauf, daß er Lobo das Herz aus dem Leib schneiden und verspeisen dürfte. Man gestattete ihm, diesen maka bren Einfall in die Tat umzusetzen. Als man Lobo nach besonderen Wünschen fragte, sagte er nur: „Ich will nichts von ihm!" Red Left Hand schäumte vor Wut über diese erneute Abfuhr. Aber Lobo sah, wie einige der alten Män ner verstohlen grinsten. Der Rat wurde dann aufgelöst, und Lobo durfte in sein Tipi zurückkeh ren, um sich für den Kampf bereitzu machen. Zwei junge Krieger beglei teten ihn. Sie waren seine Wächter und seine Gehilfen. Einer blieb im mer bei ihm, während der andere die Dinge holte, die man für Lobo bereit machte. Er erhielt einen Lendenschurz aus weichgegerbtem, fast schneeweißem Rehleder, das sich anfühlte wie Samt. Die Ränder waren mit Verzie rungen aus Stachelschweinborsten versehen. Dünne, rot gefärbte Haar strähnen hingen daran herunter. Lobo entledigte sich seiner Hose. Er führte den Rehlederstreifen zwi schen seinen Beinen hindurch und
schlang eine dünne Lederschnur um seine Hüften, unter der er den Len denschurz durchzog. Er richtete sich auf, und der junge Krieger, der bei ihm war, hielt ihm eine Spiegel scherbe so hin, daß Lobo sich stück weise betrachten konnte. „Du siehst gut aus, Mann von zwei Träumen", sagte der junge Krieger. „Komm, ich helfe dir, dein Haar zu kämmen." Lobo setzte sich und ließ sich das Haar sorgfältig ausbürsten und durchkämmen. Der Krieger zog den Scheitel in der Mitte und streute ro ten Catlinitstaub darauf. Dann um wickelte er zwei kurze Zöpfe mit dünnen Otterfellstreifen, ver schnürte sie mit einer rotgefärbten Schlinge, an der kleine Muscheln festgemacht waren. Lobo betrachtete sich in der Spie gelscherbe, und er mußte zugeben, daß er ohne weiteres unter die Leute gehen durfte. Der Krieger holte ein paar kleine Töpfe mit Farbe. Lobo wollte erst abwehren, aber der Krie ger ließ nicht locker, und schließlich bestrich er Lobos Gesicht mit Schwarz und Ocker. Er zog ihm ei nen weißen Streifen vom Scheitel über die Stirn zur Nasenwurzel, von dort unter dem linken Auge durch über die Wange und dann senkrecht hinunter zum Kinnwinkel. Auf der rechten Gesichtshälfte machte er ei nen fingerdicken blauen Strich vom Nasenloch waagrecht bis unter das Ohr. Nach dem Gesicht kam der Kör per an die Reihe. Der Krieger bemal te alle Arm- und Beingelenke Lobos mit schwarzer Farbe, so daß es aus sah, als würde er Schützer tragen. Dazwischen zog er rote Querstreifen 37
über die Muskeln, und schließlich malte er lange gelbe Schlangenlinien von den Schultern über die Brust muskeln zum Bauch und über den Rücken. Die Bemalung Lobos dauerte fast zwei Stunden. Unterdessen machte man draußen den Kampfplatz bereit. Feuerholz wurde herangetragen, die Pflöcke in den Boden gerammt. Zwei Tomahawks und zwei Messer lagen auf einem ausgebreiteten Büffelfell. Bereits am frühen Nachmittag ver sammelten sich die Leute, rauchten, machten Spiele und harrten der Din ge, die noch kommen sollten. Lobo durfte sein Tipi nicht verlas sen. Der Krieger gestattete ihm aber, durch eine schmale Spalte hinauszu sehen. Lobo konnte das Tipi, in dem Linda untergebracht war, nicht se hen. Er suchte auch vergeblich nach Red Left Hand. Der Sohn des Häupt lings durfte ebenfalls nicht unter die Leute. Am Spätnachmittag holte einer der Krieger etwas zu essen. Es war nicht viel. In einem kleinen Topf be fand sich etwas Fleisch und ein Brei aus Prärieäpfeln. Sonst nichts. Als die Dämmerung über das Land hereinbrach, brachte man Lobo eine große Wolldecke. Der Krieger be deutete ihm, sie um sich zu schlagen, und Lobo, der schon ziemlich fror, kam der Aufforderung sofort nach. Draußen war jetzt Lärm. Das TomTom ertönte. Scharfe Pfiffe durch brachen die Schläge. Rauhe Männer stimmen sangen. Manchmal kreisch ten Frauen. Lobo wollte zum Eingang des Tipis gehen und einen Blick nach draußen werfen, aber der Krieger, der bei ihm war, hinderte ihn daran. Lobo ge 38
horchte, denn er wollte jetzt keinen Ärger, und er wußte, daß er sowieso bald genug da draußen stehen wür de, um sein Leben aufs Spiel zu set zen. Kaum hatte Lobo sich wieder hin gesetzt, wurde das Tipi von außen geöffnet. Ein alter Mann trat ein. Er hatte einen Adlerflügelfächer in der Hand, und er strich mit den Spitzen der Federn über Lobos Brust. Dann bedeutete er ihm, das Tipi zu verlas sen. Lobo zögerte keine Sekunde. Er schlüpfte hinaus und richtete sich auf. Der alte Mann folgte ihm und übernahm die Führung. Gemessenen Schrittes geleitete er Lobo und die beiden jungen Krieger zu den Feu ern. Dort bedeutete er ihm stehenzu bleiben. Lobos Blicke erfaßten Linda so fort. Genau wie er es vermutet hatte, saß sie neben Split Bull Horn auf dem großen Fell eines weißen Büf fels. Der Häuptling trug einen mäch tigen Kopfschmuck aus Adlerfedern und seine besten Kleider. Auch die Krieger und die Frauen hatten sich ihre Festgewänder übergezogen. Messingarmbänder blinkten im Feu erschein. Adlerfedern bewegten sich im Wind. Skalphaare hingen von den Stangen, die mit Otterfellstreifen umwickelt waren. Elchzähne und Perlmuttscheiben schimmerten hell aus dem Zwielicht, das allmählich der Dunkelheit wich. Die Aufmerksamkeit aller galt Lobo, der hoch aufgerichtet neben dem Pflock stand, den man tief in den Boden gerammt hatte. Die rote Decke hing ihm von den breiten Schultern bis auf den Boden nieder. Dann kam Red Left Hand. Groß, hager, ebenfalls von einer roten
Wolldecke umhüllt. Aber er hatte ei ne stehende und zwei hängende Ad lerfedern im Haar. Die obere Hälfte seines Gesichtes war blau, die untere gelb angestrichen. Über das rechte Auge zog sich ein dünner, weißer Strich senkrecht hinunter bis auf die Höhe des Mundwinkels. Er wurde ebenfalls von zwei Jungkriegern be gleitet. Und auch bei ihm war ein Medizinmann. Es wurde jetzt totenstill in der Runde. Dann ertönte das Tom-Tom. Wirbelnde Schläge, die plötzlich er starben. Erneut war es still. Lobo sah, wie sich Linda eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischte. In diesem Moment warf Red Left Hand die Decke von sich. Hoch aufgerichtet, nur mit dem Lendenschurz und den
Mokassins bekleidet, stand er dort, mit gelber Farbe bestrichen, mit schwarzen Punkten auf dem Ober körper und schwarzen Querstreifen auf den Oberschenkeln. Er sah wild aus. Aller Augen richteten sich jetzt auf Lobo. Er bleckte seine Zähne. Dann zog er mit einem Ruck die Decke weg und schleuderte sie zu Boden. Linda schlug eine Hand vor den Mund. Ihre Augen weiteten sich. Lobo konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er wußte ja selbst, wie er aussah. Einer der Krieger packte seinen linken Arm. Der andere legte ihm die Schlinge ums Handgelenk und zog sie fest. Das gleiche geschah mit Red Left Hand auf der anderen Seite des Platzes. Nur die kleinen Feuer be
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leuchteten jetzt die beiden Kämpfer. Split Bull Horn erhob sich. Er ging in die Mitte des Platzes. Zuerst brachte er Lobo den schmalen Gürtel mit der Scheide, aus der der Griff eines Bowiemessers ragte. Dann brachte er seinem Sohn den anderen Gürtel mit einem Messer. Und wäh rend sich Red Left Hand den Gürtel umlegen ließ, erhielt Lobo einen Tomahawk mit einem zugespitzten Blatt, aus dem ein Karo ausgesägt war. Lobo wog den Tomahawk in seiner Hand. Es war eine wohl ausgewoge nen Waffe, mit der ein Mann einem Gegner furchtbare Wunden beibrin gen konnte, wenn er sie zu gebrau chen wußte. Auch Red Left Hand erhielt seinen Tomahawk. Dann ging sein Vater zu seinem Platz zurück, und hinter den beiden Kämpfern wurden die großen Feuer angezündet. Das feuchte Holz rauchte zuerst nur, fing aber dann Feuer, und nach einer Weile loderten die Flammen mannshoch. Lobo be wegte sich weg vom Feuer gegen die Mitte des Platzes, um der Hitze zu entkommen. Als er stehenblieb, war die Leine gespannt. Auf der anderen Seite näherte sich Red Left Hand. Er glänzte am ganzen Körper. Geduckt kam er auf Lobo zu, den Tomahawk in der rechten Hand. Er hielt seinen Schlagarm leicht an gewinkelt vom Körper weg. Das Blatt seines Tomahawks reflektierte den Feuerschein. Zwei Schritte von Lobo entfernt blieb er stehen. Seine Leine war noch nicht gespannt. Er duckte sich. Dann stieß er einen gellenden Kriegsschrei 40
aus und sprang völlig überraschend vor. Lobo wurde vom Aufblitzen des Tomahawkblattes geblendet. In stinktiv duckte er sich. Er sah das verzerrte Gesicht von Red Left Hand, hörte den Widerhall des Kriegsschreies und sprang zur Seite. Die Schneide des Tomahawks schlitzte ihm handbreit über dem Gürtel die Haut über dem Bauch muskel auf. Es war Lobo, als wäre er von einem Peitschenhieb geschlagen worden. Er taumelte, stolperte über seine eigene Leine und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Red Left Hand herumwarf. Erneut sauste der Tomahawk auf Lobo zu, und die Schneide verfehlte seinen Hals die ses Mal um Fingerbreite. Red Left Hand bewegte sich blitz schnell. Lobo wurde sich klar dar über, daß er diesen Krieger unter schätzt hatte. Noch bevor er selbst das erstemal dazu kam, einen Streich nach ihm zu führen, traf ihn das Blatt von Red Left Hands Tomahawk zweimal. Einmal an der Hüfte und einmal am Unterarmmuskel beim Ellenbogen. Dann erwischte Lobo den zur Seite springenden Krieger, und die Spitze riß Red Left Hand die Schulter auf. Lobo folgte ihm, schlug eine Finte nach dem Unterleib des Kriegers und zog den Tomahawk im letzten Mo ment hoch. Aber Red Left Hand wich geschickt aus, sprang vorwärts und führte einen Schlag gegen Lobos Kopf, den dieser im letzten Moment abblocken konnte. Im selben Moment stieß ihm Red Left Hand den rechten Fuß in den
Unterleib. Lobo wurde zurückgeschleudert. Er stürzte an den Feuerrand. Funken stoben hoch und versengten die Haut auf seinem Rücken. Für Sekunden hatte Lobo keine Luft mehr. Trotzdem taumelte er hoch. Red Left Hand stand in der Mitte des Platzes. Er verhöhnte ihn. Er rief ihm Aufmunterungen zu. Er schwang seinen Tomahawk, warf ihn hoch in die Finsternis und fing ihn dann wieder auf. Lobo bewegte sich vorwärts. Die Hitze des Feuers trieb ihn auf Red Left Hand zu. Blut lief ihm über die Beine. Sein Mund war trocken. Die Zunge klebte am Gaumen. Er duckte sich. Dann sprang er Red Left Hand an. Dieses Mal erwischte er ihn eben falls an der Hüfte. Der Krieger stieß einen gellenden Schrei aus, wirbelte herum, duckte sich und wollte Lobos nächsten Schlag abblocken. Lobos Tomahawk traf seinen Unterarm. Red Left Hand warf sich zurück. Der Tomahawk fiel zu Bo den. Er selbst taumelte fast bis zum Feuer zurück. Dann wollte er sich auf seinen Tomahawk stürzen, aber Lobo stand ihm im Weg. Red Left Hand blieb geduckt ste hen. Er hatte jetzt nur noch sein Mes ser. Mit einem raschen Griff zog er es aus der Scheide. Er war bereit, Lobo anzugehen. Aber mit dem Messer hatte er kei ne Chance. Und das wußte er. Er zö gerte. In diesem Moment sprang Lobo zurück. Er schleuderte seinen Toma hawk vor die Füße von Split Bull
Horn. Dann zog er sein Messer, und die beiden Kämpfer näherten sich geduckt. Lobo wußte, daß Red Left Hand erneut sofort angreifen würde. Und dieses Mal ließ er sich nicht überra schen. Als sich der Krieger vorwärtsstieß, wich er blitzschnell aus, und Red Left Hand rannte ins Leere. Er wur de an der Rohhautleine herumgeris sen und entging nur mit Glück einem Streich Lobos. Lobos Messerklinge riß ihm die Haut über der Schulter auf. Lobo setzte sofort nach. Aber Red Left Hand bewies, daß er ein erfah rener Kämpfer war. Er ließ sich bis zum Feuer zurücktreiben, sprang dann vor, duckte sich und rannte Lobo den Kopf in den Magen. Gleich zeitig wollte er ihm das Messer von der Seite in den Leib stoßen. Lobo blockte den Arm des Kriegers ab, stolperte aber rückwärts und stürz te. Er schlug hart am Boden auf, und Red Left Hand stürzte sich auf ihn. Die Faust mit dem Messer war hoch über Lobo. Ein Flammenstrahl traf ihn. Lobo bäumte sich wild auf, ließ sein eige nes Messer fallen und packte den niedersausenden Arm am Handge lenk. Er hörte Red Left Hands Zähne knirschen. Mit aller Kraft versuchte der Krieger, seinen Arm freizube kommen. Er zerrte und drückte und versuchte sogar, sich hochzuwerfen und auf die Füße zu gelangen. Aber Lobos Finger umschlossen das Handgelenk wie Stahlklammern. Red Left Hand kam nicht frei. Er brüllte vor Wut. Lobo spürte, wie die Kraft in seinem Arm langsam nach ließ. Jetzt war der Moment, um den 41
Kampf für sich zu entscheiden. Lobo warf sich zur Seite, riß gleichzeitig den Arm des Kriegers herum und drehte ihn einwärts. Die Klinge zeigte jetzt gegen den Kehl kopf Red Left Hands, der halb unter Lobo lag und von Lobo umklammert wurde. Lobo drückte ihm die Luft ab. Trotzdem stemmte sich Red Left Hand entgegen. Noch einmal ver suchte er, die Oberhand zu gewin nen. Aber Lobo hatte ihn fest im Griff. Die Spitze der Messerklinge ritzte die Haut an Red Left Hands Hals. „Stoß zu!" keuchte der Häuptlings sohn grimmig. „Töte mich!" In Lobos Kopf hämmerte der Puls schlag. Schmerzen rasten durch sei nen Körper. Sein Atem ging keu chend. Im Kreis der Indianer war es still geworden. Kein Laut war mehr zu hören. Nur das Knistern des Feu ers. „Töte mich!" preßte Red Left Hand hervor. Lobo schüttelte den Kopf. „Wozu?" schnappte er. „Weil es bestimmt wurde, daß einer nur gewonnen hat, wenn er den an deren tötet", keuchte Red Left Hand. „Zum Teufel mit den Bestimmun gen!" Lobo sprang jäh auf, riß Red Left Hand mit sich hoch und stieß ihn hart von sich. Gleichzeitig wich er selbst zurück. „Es ist Krieg zwischen den Sioux und den Bleichgesichtern!" rief er nach Atem ringend. „Ich bin kein Sioux. Aber ich bin auch kein Bleich gesicht. Als ich zu euch kam, sagte ich, ich sei euer Freund. Ihr habt mir nicht geglaubt. Jetzt laßt mich we nigstens in Frieden gehen!" „Töte ihn!" rief Split Bull Horn. 42
„Töte ihn!" riefen die anderen. Da sprang Lobo vor, drehte sich um und hielt Red Left Hand die ge fesselte Hand entgegen. „Schneide mich los!" sagte er rauh. Red Left Hand bewegte sich nicht. Noch immer hatte er das Messer in der rechten Hand. Lobo drehte sich ihm langsam zu. „Du hattest den Mut, gegen mich zu kämpfen", sagte er. „Und du hast gut gekämpft. Was willst du noch?" Keine Antwort. Aber Split Bull Horn stand auf. Langsam ging er zu seinem Sohn. Er nahm ihm das Mes ser aus der Hand, ging zu Lobo und durchschnitt ihm die Leine. Lobo drehte sich zu Linda um, die wie erstarrt auf dem Büffelfell saß und ihn aus schreckgeweiteten Au gen ansah. Er lächelte. „Geh, bring diese Frau in das Tipi!" sagte Split Bull Horn. „Geh!" Lobo ließ sich das nicht zweimal sagen. Er nahm Linda am Arm, half ihr hoch und ging mit ihr davon.
Lobo hatte keine Ahnung, was draußen passierte. Die Tom-Toms schwiegen. Niemand sang. Niemand lärmte. Als er das Tipi verlassen wollte, wurde ihm von zwei Wäch tern der Weg versperrt. „Was willst du jetzt tun, Lobo?" fragte Linda besorgt. „Glaubst du, daß sie uns freilassen?" „Nein. Nicht nachdem, was passiert ist." „Eigentlich müßten sie dir dankbar sein, du hast ihm das Leben ge schenkt, obwohl er dein Feind war und er dich im anderen Fall getötet hätte." .
„Ich habe ihm keinen Gefallen ge tan, Linda. Ich habe ihn dadurch ge demütigt. Er wird mich dafür has sen." „Und sein Vater?" „Aus dem werde ich auch nicht schlau. Er braucht Gewehre und vor allem Munition. Er glaubt, daß er die von deinem Vater kriegt, wenn er dafür dich hergibt." „Er kennt meinen Vater nicht gut genug." „Das habe ich ihm auch gesagt." „Und?" „Nichts. Er will es wahrscheinlich trotzdem versuchen. Er ist ein Starr kopf. Außerdem ist er jetzt ent täuscht von seinem Sohn. Das kostet ihn und seine Familie einiges. Linda, ich glaube, daß wir noch in dieser Nacht weggehen müssen." Sie hob den Kopf und blickte ihn fragend an. „Weggehen? Du meinst, daß wir versuchen sollten zu fliehen?" fragte sie. „Ja." „Glaubst du, daß wir eine Chance hätten?" „Sicher. Sie sind wachsam, aber ich glaube, daß keiner ernsthaft damit rechnet, daß wir ausgerechnet jetzt fliehen, nachdem ich den Kampf ge wonnen habe." „Es sind zwei Wächter draußen." „Die werden müde." „Dann werden sie abgelöst." „Die neuen werden auch müde." Er lächelte. „Mach dir keine Sorgen, Mädchen. Wir versuchen es nach Mitternacht, wenn alle schlafen." „Und wohin willst du?" fragte sie. Er dachte an ihren Vater und wuß te, daß er nicht nur den Sioux ent kommen mußte, sondern auch ihrem
Vater, ihren Brüdern und der ganzen Meute, die Black Jack Miller wahr scheinlich hinter ihnen herhetzen würde. „Wir reiten nach Süden", sagte er hart. Linda Miller atmete auf. Sie dachte auch an ihren Vater und ihre Brüder. Linda wollte nicht mehr zurück in das Lost River Valley. „Es wird schwierig sein, meiner Familie zu entgehen. Mein Vater hat Indianer-Kundschafter. Sie werden uns folgen, bis sie uns gefunden ha ben. Sie tun alles, was ihnen mein Vater befiehlt." Lobo benetzte mit der Zungenspit ze seine Unterlippe. Er wußte, daß Black Jack Miller alles daransetzen würde, Linda zurückzuholen. „Er wird versuchen, uns so schnell wie möglich zu erwischen." „Ganz bestimmt. Er würde dich umbringen, Lobo", antwortete Linda. „Er kann ein wahrer Teufel sein. Wer nicht sein Freund ist, den betrachtet er als Feind. Und er tötet seine Fein de, denn er geht kein Risiko ein, das er vermeiden kann. Mein Vater ist ein gefährlicher Mann, Lobo." Lobo konnte Lindas ohnmächtigen Zorn auf ihren Vater gut verstehen. Jahrelang hatte sie zugesehen, wie er seine Welt geschaffen hatte. Es war nichts, worauf ein Mann hätte be sonders stolz sein können. Er lebte für seine Rache an einer Welt, in der er ein selbstgerechter Außenseiter war. Ein Tyrann! Linda hob den Kopf. Sie hatte Lobo sprechen gehört, ohne seine Worte zu verstehen. „Ich habe an meinen Vater ge dacht, Lobo", sagte sie entschuldi gend. 43
„Ich fragte nach deinen Brüdern. Meinst du, sie sind auch hinter uns her?" „Steve schon. Er ist wie Vater. Bei Kevin ist es schwer zu sagen. Er ist kein Kämpfer wie Steve, wenn du verstehst, was ich meine. Natürlich kann er gut mit dem Gewehr und dem Colt umgehen. Er liest aber lie ber in seinen Büchern und träumt viel. Ich glaube, aus Kevin wäre viel leicht ein Anwalt oder so etwas ge worden, wenn Vater ihn in Ruhe ge lassen hätte." „Kevin würde uns also kaum ver folgen, wenn er über uns Bescheid wüßte?" „Das habe ich nicht gesagt. Es ist am besten, wenn man tut, was Vater will. Im Tal gibt es keinen Mann, der es wagen würde, sich ihm zu wider setzen." „So ist das." Lobo nickte. „Daß du ihm davongelaufen bist, ist eine Nie derlage für ihn, die er nicht einfach hinnehmen wird. Linda, ich möchte von deiner Familie niemand erschie ßen müssen." Das Mädchen erschrak. Ihr Blick richtete sich auf seinen Colt, der tief an seiner rechten Hüfte hing. „Lobo, dieser Revolver macht mir Angst!" „Ich bin kein Revolvermann", sag te Lobo ruhig. „Aber ich kann mit dem Colt umgehen. Ich sage dir das nur, damit du Bescheid weißt." „Ich verstehe dich nicht", sagte sie. „Nun, du willst weg von deinem Vater. Das ist okay. Ich helfe dir. Aber eines Tages werde ich vielleicht deinen Vater oder einen deiner Brü der erschießen müssen." „Warum sagst du das jetzt, Lobo?" fragte sie verständnislos. 44
„Weil ich nicht will, daß du dir et was vormachst, Linda", erwiderte er. „Ich mache mir nichts vor", entgeg nete sie hart. „Ich bin kein Kind mehr, Mister!" Lobo grinste. „Dann ist es gut, Mädchen", sagte er. „Dann ist es gut."
Der Wagen lag zwischen den Bü schen am Rande eines Karrenwegs. Senkrecht ragte die Deichsel in den Himmel. Die Cheyennes hatten ganze Ar beit geleistet. Die Planen hingen in Fetzen von den Querstäben, und die Räder lagen zerschlagen zwischen zertrümmerten Whiskyfässern und aufgebrochenen Gewehrkisten. Die Zugpferde hatten die Cheyennes mitgenommen. Steifbeinig stieg Black Jack Miller vom Pferd und umschritt die Trüm mer. Nur einen kurzen Blick warf er seinen beiden Söhnen zu, und der ge nügte, um sie unruhig werden zu las sen. „Fish-Hawk!" rief er einen der in dianischen Scouts. „Ja, Chief-Boß." Ein dunkelhäutiger Ponca trieb sein Pony an und zügelte es neben dem Alten. Sein langes Haar flatterte im Wind. Zwischen seinen wulstigen Lippen klebte ein Zigarettenstum mel. „Sieh dir die Spuren an. Vielleicht gibt es etwas, was wir noch nicht wissen." Leichtfüßig schwang sich der In dianer aus dem Sattel und begann, den Boden abzusuchen. „Steve, es geht mir nicht so sehr um
den Wagen als um die Niederlage, die du erlitten hast. Ich werde dir den Verlust von deinem Ersparten abzie hen." „Aber, Vater, das ist..." „Ich möchte, daß ich mich auf mei ne Leute verlassen kann, Steve, be sonders auf meinen Sohn. Verstan den?" „Ja, Vater." Steve nagte an seiner Unterlippe. Als sich der Alte um drehte, schüttelte er den Kopf. „Verstehst du das, Kevin?" fragte er leise. „So was kann jedem passie ren. Jahrelang geht alles gut und dann, einmal ist e s . . . " „Du unterschätzt mein Gehör, Ste ve!" Black Jack Miller drehte sich um. Kein Muskel rührte sich in sei nem Gesicht. „Wenn du etwas zu sa gen hast, s a g e es nicht erst, wenn ich dir den Rücken zugedreht habe!" Fish-Hawk kam heran. Er brachte einen Pfeil, den er in den Büschen gefunden hatte. „Es ist ein Jagd-Pfeil, Chief-Boß. Mehr kann ich nicht finden. Der Re gen hat die Spuren ausgelöscht." Miller nahm den Pfeil. Er schaute ihn eingehend an und warf ihn dann in die Büsche. „Okay, wir warten hier auf die an deren. Wenn wir Glück haben, trafen sie eine Armeepatrouille." Die Reiter stiegen von den Pferden und lösten die Sattelgurte. Black Jack Miller ging zum Wagen und setzte sich auf die heruntergeklappte Heckbracke. „Kevin!" „Ja, Vater?" Kevin übergab die Zü gel des Pferdes seinem Bruder und ging mit langen Schritten zu seinem Vater. Der Alte hatte eine Uhr aus der Tasche gezogen, schaute auf das
Zifferblatt und schüttelte sie dann an seinem Ohr. „Seit ich sie fallen gelassen habe, läuft sie nicht mehr genau. Späte stens Mittag sollten sie hier sein." Kevin angelte seine Uhr aus der Westentasche. „Dann sollten sie jetzt auftauchen. Es ist in wenigen Minu ten zwölf Uhr. Was ist, wenn es keine Soldaten in der Nähe gibt?" Der Alte stellte seine Uhr nach. Er blickte nicht auf, als er sagte: „Denk einmal darüber nach, was ein Yan kee Colonel tut, wenn eine Patrouille, von Rothäuten geschlagen, von ei nem Ritt zurückkommt." „Er schickt seine Truppen aus, um die Indianer zu bestrafen." „Richtig." Der Alte nickte und steckte seine Uhr weg. „Nach allem, was man bis jetzt über die Indianer kriege erfahren hat, tun sie immer dasselbe, und meistens rennen sie sich dabei auch noch die Köpfe ein. Es gibt genug Beispiele dafür." „Dann rechnest du damit, daß Ma jor Morris schon Truppen ausge schickt hat, um die Cheyennes und die Sioux aufzustöbern und sie wo möglich anzugreifen?" „Ich bin fast sicher, daß genau das der Fall sein wird." „Und falls es nicht Morris' Kompa nien sind, Vater?" „Abwarten." Kevin Miller bückte sich, riß einen Grashalm aus und steckte ihn zwi schen die Zähne. „Du weißt, daß Morris nicht der einzige ist, der sich von mir bezahlen läßt." Kevin nickte. „Das weiß ich, Va ter", sagte er ruhig. Aber irgend et was in seiner Stimme gefiel Black Jack überhaupt nicht. 45
„Verdammt, ich weiß nicht, was ich reits angefangen. Genau, wie ich falsch mache!" rief er wütend. „Du vermutet habe. Wer ist der Captain?" bist ein aufsässiger und unberechen „Jackson Brown heißt er, Boß." barer Moralprediger, Kevin. Der „Gut. Dann wollen wir Captain Teufel soll..." Jackson Brown aufsuchen und ihm Black Jack Miller wurde von Fish- sagen, wo er sich für die Niederlage Hawk unterbrochen. Der Ponca revanchieren kann." stand bei seinem Pferd und zeigte „Du meinst, sie sollen das Lager auf einen Hügel. von Split Bull Horn angreifen?" „Chief-Boß, andere Scouts kom fragte der Mischling. men." „Richtig", erwiderte der Alte hart. Der Alte erhob sich und stellte den „Es waren aber Cheyennes, die den Kragen seiner Jacke hoch. Scharf T r u p p anfielen!" faßte er seinen Sohn ins Auge. „Jackson Brown ist sicher nicht „Kevin, wir sprechen noch dar der Mann, der Unterschiede macht. über. Ich würde mir inzwischen ge Es ist also alles klar." Black Jack Mil nau überlegen, was du zu sagen hast, ler wandte sich an die versammelten verstanden?" Männer. „Leute, für die Blaubäuche Kevin nickte. Er folgte seinem Va sind wir eine Ranchmannschaft, ter und nahm die Zügel aus den Hän verstanden? Von dem Moment an, an den seines Bruders. dem wir sie eingeholt haben, ist mein Drei Reiter ritten in rasendem Ga Name Hall. Ich bin der Besitzer der nordwestlich lopp den Hügel herunter und zügel X-im-Kreis-Ranch ten bei der wartenden Gruppe ihre von hier am Platte. Verstanden?" Pferde. Es waren zwei Indianer und Sie nickten. ein kleiner, buckliger Mischling. „Okay. Alles andere bleibt sich „Morris hat eine Kompanie losge gleich. Sprecht nur das Nötigste mit schickt. Der Captain scheint etwas den Blaubäuchen, und laßt euch vom Geschäft zu verstehen. Trotz nicht durch Fragen in die Enge trei dem konnte er heute morgen seine ben. Ist das allen klar?" ersten beiden Toten ins Kompanie Wieder nickten sie. Nur Fishbuch schreiben." Hawk stand unbeweglich bei seinem Der Mischling grinste von einem Pferd. Ohr zum anderen, an denen goldene „Hast du mich verstanden, Junge?" Knopfohrringe steckten. Der Rote lächelte. „Hast du mit ihm gesprochen?" „Hall ist ein guter Name", sagte er „Nein, Boß. Als wir sie sahen, zogen kehlig. sie den Platte entlang nach Westen. Die Männer bestiegen ihre Pferde Wir ritten dann auf ihrer Spur und ritten dem Platte entgegen, über zurück und erreichten das kalte dem ein heller Nebelstreifen weithin Camp. Es gab zwei frische Gräber sichtbar war. dort, und auf den Kreuzen standen Kurz bevor der Abend dämmerte, ihre Namen. Beide waren einfache kam Fish-Hawk, der seit Stunden Soldaten." immer ein paar Meilen vorausgerit Der Alte hustete. „Es hat also be ten war, zurück. 46
Black Jack Miller zügelte seinen „So", sagte er knapp. schiefergrauen Hengst, ein nervöses, „Ja, Captain. Die roten Schufte ha aber ausdauerndes Tier. ben meine Tochter gefangen. Ich be „Die Soldaten sind vor uns. Vier sitze eine Ranch am Oberlauf des Meilen, Chief-Boß. Sie haben eben Platte. Meine Tochter und mein Sohn einen Halt eingelegt. Ihre Tiere sind Steve waren zu einem unserer Wei ziemlich am Ende." decamps unterwegs, als Rothäute „Das ist es. So sture Idioten wie in auftauchten. Das Mädchen schaffte der Armee trifft man selten. Sie rei es nicht, ihnen zu entkommen." „Ach, das tut mir leid, Mister Hall. ten, bis sie fast aus den Sätteln fallen, und wundern sich dann, wenn ihnen Hoffentlich ist Ihre Tochter wohlauf. die Skalps abgezogen werden, ohne Wir haben im Sinn, heute nacht das daß sie etwas davon merken. Dann Lager der Cheyennes zu attackieren. wollen wir jetzt mal sehen, was sich Es wäre immerhin möglich, daß Sie machen läßt." Der Alte drehte sich Ihre Tochter während eines Angriffs im Sattel. „Mein Name ist Hall, denkt herausholen könnten." daran!" Der Alte nickte erfreut und wand Die nächsten vier Meilen ritten sie te sich an den neben ihm sitzenden in einem leichten Trab. Sie erreich ten die Kompanie, als sie sich zum Aufbruch rüsteten. Der Captain saß bereits auf seinem Pferd und kam ihnen entgegen. Black Jack Miller und seine Leute zügelten die Pferde. Der Captain blickte sich mit flin ken Augen um. Er musterte kurz die Männer. Dann blieben seine Augen auf Black Jack Miller haften. „Guten Abend, Gents. Das ist aber Kevin. wirklich eine Überraschung. Mein „Hast du gehört, was der Captain Name ist Brown. Captain Brown aus sagt, Sohn? Wirklich, wir sind froh, Fort Laramie. Sie reiten seit längerer daß wir Sie getroffen haben. Damit Zeit auf unserer Spur, Mister..." dürften sich unsere Chancen we „Hall, John Hall. Guten Abend, sentlich vergrößert haben. Hatten Captain. Wir reiten seit Mittag auf Sie bereits Schwierigkeiten?" Ihrer Fährte. Offengestanden sind Brown nickte. „Zwei Tote. Sie ha wir froh, daß wir Sie eingeholt ha ben die Nachhut angefallen. Wie die ben." Wölfe, Hall. Wie die Wölfe." „Ich kann mir schlecht vorstellen, „Und Sie glauben, daß Sie diese warum, Mister Hall." Wölfe tatsächlich einholen?" fragte „Nun, eigentlich sind wir nicht auf der Alte lächelnd. Der Captain kratzte in seinem Ihrer Fährte, sondern auf der, die die Cheyennes und Sioux hinterlassen Spitzbart. „Sicher ist das natürlich nicht, aber ..." haben." Black Jack Miller winkte dem Browns Augen wurden schmal. 47
Captain zu, ihm zu folgen. Er ritt ein Stück weit weg von seinen Männern und den Soldaten, dann wandte er sich an Captain Jackson Brown und sagte: „Captain, Ihre Zuversicht in Ehren, aber die Cheyennes, die Ihre Nachhut angegriffen haben, erwi schen Sie nie. Das sind Krieger des Hundesoldatenbundes. Die sind tat sächlich wie Wölfe." Brown hob seine dünnen Brauen. „Und was wollen Sie mir vorschla gen, Mister - eh, Hall?" fragte er. Der Alte lächelte. „Ich sehe, Ihnen brauche ich nichts vorzumachen, Brown. Und das wird sich für Sie bald lohnen." „So. Dann bin ich aber gespannt", sagte der Captain und beugte sich et was vor. „Ich lasse immer mit mir re den, Mister Hall. Man hat mich gegen meinen Willen hierher ins Hinter land versetzt. Major Morris ist mein Vorgesetzter. Er könnte sicher ent scheidend auf die zuständigen Leute einwirken, daß ich meinen alten Posten wiederkriege." Der Alte nickte. „Ich bin sicher, daß sich mit dieser Sache einiges machen läßt, Brown. Nur meine ich, daß Sie von diesem Marsch besser mit einem Sieg heimkehren sollten als mit einer Niederlage." „Das ist selbstverständlich auch meine Meinung, Mister Hall." „Gut. Und da es ja nicht darauf an kommt, ob Sie Sioux oder Cheyennes besiegen, schlage ich vor, daß wir ge meinsam das Lager von Chief Split Bull Horn von den Oglalla Sioux an greifen. Das Lager steht keine zehn Meilen von hier am Gunsight Creek." Brown bekam rote Flecken ins Ge sicht. „Mister Hall, ich bin froh, daß ich 48
Sie getroffen habe", sagte er. „Wäre dagegen etwas einzuwenden, wenn wir uns sofort in Marsch setzen wür den?" „Ein guter Gedanke, Captain", sag te Black Jack Miller. „Lassen Sie sich nur noch sagen, daß es mir persön lich nur um meine Tochter geht, die ich während des ersten Angriffs mit meinen Reitern zu befreien versu che. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß darauf von allen Solda ten Rücksicht genommen werden muß. Ich wäre untröstlich, wenn meiner Tochter etwas passieren soll te, Captain." „Selbstverständlich werde ich dem entsprechende Anweisungen aus geben, Mister Hall", sagte Brown ei lig. „Beschreiben Sie mir doch Ihre Tochter, Mister Hall." „Mittelgroß, schwarze Haare, dunkler Reitrock und eine helle Reh lederjacke. Genügt das?" „Jawohl, Sir. Das genügt." Brown rief nach seiner Ordonnanz, einem Sergeanten und gab ihm Anwei sungen und Befehle.
Captain Browns Kompanie lagerte am Platte River. Etwas abseits von ihnen saßen Millers Reiter auf einem querliegenden Baumstamm und hielten die Zügel ihrer gesattelten Pferde in den Händen. Es war ein stilles Lager, denn Brown hatte verboten, Feuer anzu zünden. Die Männer aßen kalte Trockenfleischscheiben und Hart brotstücke. Dazu tranken sie kaltes Wasser aus der Feldflasche. Die Soldaten waren müde. Sie hockten oder lagen im nassen Gras
und sprachen kaum ein Wort. Captain Jackson Brown saß auf ei nem kleinen Klappstuhl und zeich nete auf ein Blatt Papier den An griffsplan. Um ihn herum standen sein Unteroffizier, Lieutenant Bell, zwei Sergeanten und ein Korporal. Black Jack Miller stopfte seine Pfeife. Ab und zu warf er einen kur zen Blick zu der Gruppe hin, die sich über das Blatt Papier auf Browns Knien niederbeugte. „Dieser Captain hat schnell ge merkt, wo das Brot mit Butter be strichen ist, was?" sagte Steve Miller. „Ich bin sicher, daß er dich sofort er kannt hat, Vater." Black Jack Miller nickte. „Dumm ist er nicht, dieser Cap tain", gab er zu. „Was meinst du, Ke vin?" Kevin hob den Kopf. „Ich frage mich, wann du mal an den falschen Mann gerätst, Vater." „Ho, das klingt fast, als würdest du dir wünschen, daß ich an den fal schen Mann gerate, mein Sohn." Kevin schwieg. Steve mischte sich schnell ein. „Ich denke an Linda", sagte er rauh. „Es muß schlimm sein, was sie durchmacht." „Sie wird so schnell nicht wieder einfach davonlaufen", knurrte der Alte. „Wollte wohl wieder mal aus reißen, diese Ziege. Onkel Luther be suchen. Ha, der setzt ihr doch nur Flausen in den Kopf, dieser her untergekommene Schollenbrecher." „Luther ist schon in Ordnung, Va ter", schnappte Kevin. „Er versucht, ein ehrliches Leben zu führen und..." „Das genügt, verdammt!" Black Jack Miller war aufgesprungen.
„Kevin, ich habe es jetzt endgültig satt, mir deine versteckten Vorwürfe anzuhören!" Die Stirnadern des Al ten schwollen an. Über der Nasen wurzel bildeten sich zwei steile Fal ten. „Meine Geduld ist zu Ende, ver dammt noch mal! Wenn wir hier fer tig sind, werde ich dich in die Mangel nehmen, daß ..." „Brown und der Lieutenant kom men herüber, Vater", sagte Steve und schob sich ein Stück Trockenfleisch zwischen die Zähne. Der Alte warf den Kopf herum. „Okay, macht freundliche Gesichter,
Jungs. Der Captain will uns zeigen, wie man eine Schlacht gewinnt." Black Jack Miller drehte Kevin den Rücken zu, und Kevin ging zu seinem Pferd. Er wußte genau, daß sein Vater ihn bei Gelegenheit an die heutige Auseinandersetzung erin nern würde. Captain Jackson Brown und der Lieutenant steuerten auf den Alten zu, der sich wieder in der Gewalt hatte. Brown hatte eine Papierrolle in der Hand. Er blieb vor Black Jack Miller stehen. 49
„Wir haben einen Angriffsplan aufgezeichnet, Mister Hall. Die Lage des Indianerdorfes und dessen Um gebung ist mir von meinen Scouts genau beschrieben worden. Sehen Sie es sich an." Brown reichte Black Jack Miller das Papier. Der Alte studierte es ein gehend und ließ sich vom Captain die Zeichen erklären. Der Lieutenant setzte sich neben Steve auf den Baumstrunk und be trachtete seine schmutzigen Stiefel. „Wir werden Ihre Schwester gleich beim ersten Angriff befreien", sagte er, als ob alles nur ein Kinderspiel wäre. „Das wird nicht so einfach sein, Lieutenant", wandte Steve ein. „Be stimmt ist das Lager voll von Frauen. Wir müssen Linda förmlich heraus pflücken." „Ich werde mich persönlich darum kümmern", versprach der Lieute nant ernst. „Ich ließ mir sagen, daß es sich bei Ihrer Schwester um eine auffallend hübsche Frau handelt." „Frau ist vielleicht ein bißchen übertrieben", knurrte Steve. „Sie ist zwar hübsch, dafür aber störrisch wie ein Maultier." „Ich nehme an, sie hat einen festen Freund?" „Sie nehmen falsch an, verehrter Lieutenant", grinste Steve. „Sie ist frei wie ein Vogel, und die Chancen liegen alle bei Ihnen, falls Sie wirk lich als rettender Held aus dieser Schlacht hervorgehen." „Was sicherlich im Bereich des Möglichen liegt", sagte der Lieute nant zuversichtlich. „Wir haben eini ge erfahrene Männer in unserer Kompanie, Hall. Die Sioux werden einem ersten Überraschungsangriff 50
kaum etwas Gleichwertiges ent gegenzusetzen haben." „Es sind Krieger im Lager, Lieute nant", warnte Steve Miller kühl. „Sie können kämpfen wie Berglöwen, wenn man sie in die Enge treibt." „Gegen eine organisierte Kampf truppe sind sie trotzdem chancenlos", sagte der Lieutenant und erhob sich. „In zwei Stunden ist es soweit." Steve Miller rieb mit der linken Hand seinen Nacken. „In zwei Stunden sitzt uns dieses naßkalte Wetter so tief in den Kno chen, daß wir wie ein paar rheuma geplagte Krüppel über das Dorf her fallen, Lieutenant", sagte er und stand ebenfalls auf. Zusammen gin gen sie zum Alten, der dem Captain gerade erklärte, warum es keinen Sinn hatte, den Versuch zu machen, die Tipis in Brand zu setzen. „Die Planen und die Büffelhäute haben sich derart mit Regen vollge sogen, daß sie nie Feuer fangen wer den, Captain", sagte er, und Captain Brown blieb nichts anderes übrig, als ihm recht zu geben.
Im Lager war es still geworden. Es brannte kein Feuer mehr. Die Leute hatten sich alle in die Tipis zurück gezogen, um dem Nieselregen zu ent kommen. Nebelschleier hingen über der Flußniederung. Selbst die Hunde hatten sich irgendwo verkrochen, um Schutz zu suchen. Die Tipihäute hingen schwer und glitschig von den Stangen. Es gab im ganzen Lager kaum einen trockenen Fleck mehr. Die Kleider waren feucht, die Mokassins naß, die Büf felfelle stanken, und der alte Two
Belly starb noch vor Mitternacht an seiner Lungenentzündung, ohne daß es jemand merkte. Es schien, als ob es nie mehr zu reg nen aufhören wolle. Es schien, als würde die Erde für immer von Wol ken eingehüllt sein. Lobo war einer der wenigen, denen dieses Wetter nichts ausmachte. Im Gegenteil. Er fühlte sich prächtig. Die Nacht war gerade richtig für ei nen Fluchversuch. Split Bull Horn hatte nicht einmal Wachen aufge stellt. Die Pferde weideten und schliefen abseits vom Lager am Hang einer Anhöhe, ohne von Pfer dewächtern beobachtet zu werden. Niemand blieb freiwillig draußen im Regen. „Wir haben eine große Chance, ih nen zu entkommen", sagte Lobo zu Linda, nachdem er einen kurzen, Blick auf den Platz hinausgeworfen hatte. „Es ist stockdunkel da drau ßen." „Bist du sicher, daß nirgendwo Wachen aufgestellt sind?" „Es sieht nicht danach aus. Ich habe niemanden gesehen. Die mei sten schlafen wohl. Wenn wir vor sichtig sind, kann nichts passieren." Lobo nahm Lindas Hände und drückte sie. „Du hast Angst?" fragte er leise. Sie nickte. „Ja, Ich weiß, was sie mit uns machen, wenn sie uns erwi schen. Sie werden dich töten, Lobo." „Sie erwischen uns nicht. Wir ver lassen das Tipi auf der Rückseite. Es sind etwa zweihundert Yards bis zu den ersten Büschen. Diese zweihun dert Yards laufen wir schnell. Wenn wir einmal die Büsche erreicht ha ben, sind wir schon fast in Sicher heit."
„Wir brauchen Pferde." „Davon sind genug da", sagte Lobo. „Mach dir nur keine Sorgen. Ich ver schaff uns zwei der besten Pferde." Lobo ließ ihre Hände los. „Ich gehe jetzt", sagte er. „Bleib hier und warte. Tu nichts, solange ich weg bin. Egal was passiert, bleib hier im Tipi, und rühr dich nicht vom Fleck." Ihre Augen weiteten sich etwas „Und wenn sie dich erwischen! Ich bleibe nicht allein hier. Ich will, daß wir zusammen von hier weggehen und..." „Mädchen, ich hol nur die Pferde", unterbrach sie Lobo. „Wir brauchen Pferde, Linda. Ich muß Zaumzeug beschaffen - und Waffen. Das dauert knapp eine halbe Stunde. Ich bringe die Pferde zu den Büschen dort drü ben und komme dich dann holen." Sie holte tief Luft. „Ich habe Angst", sagte sie leise. „Angst um dich." Er nahm ihr Gesicht zwischen sei ne Hände. Lange blickte er ihr in die großen klaren Augen, dann küßte er sie zum erstenmal. Es war nicht viel mehr als ein flüchtiger Kuß, aber in diesem Moment wurde ihm klar, daß er dieses Mädchen sehr gern hatte. „Es passiert nichts", sagte er. „Be ruhige dich, Linda. Du zitterst ja. Be ruhige dich." Sie senkte den Kopf. Haarsträhnen fielen über ihr Gesicht. „Es scheint, als ob alle Leute, die ich mag, von mir weggehen und nie wie derkommen", sagte sie leise. „Mutter starb. Onkel Luther ist tot. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe kein gutes Gefühl, Lobo." Lobo ließ sie los. „Wir müssen heute nacht los", sagte er. „Und es ist besser, wenn wir dabei 51
ruhig bleiben und nicht verrückt war, noch bei seinen Eltern im Tipi werden. Es ist nicht das erstemal, zu leben. Ob er in dieser Nacht aller daß ich so was tue, Linda. Du kannst dings tatsächlich allein war, das war nicht so sicher. dich also auf mich verlassen." Lobo kannte Red Left Hands Tipi. Sie hob den Kopf. „Gut", sagte sie und gab sich Mühe, Es war eines der kleineren, hatte eine ihrer Stimme einen festen Klang zu große blutrote Hand über dem Ein geben. „Gut, ich bleibe hier." Sie lä gang aufgemalt und darüber ein chelte. „Ich habe keine Angst. Ich bin paar Büf elhörner, die gespalten wa ganz ruhig." Sie hob ihm die Hände ren. entgegen. „Schau, sie zittern kein Ja, er war stolz darauf, der Sohn bißchen." von Split Bull Horn zu sein. Und ge Lobo lachte und ging zum Tipiein nau wie Lobo vermutete, hatte er in gang. Er hob die Lederklappe etwas dieser Nacht ein Mädchen bei sich im an. Es schien jetzt wieder einmal Tipi, das ihn wohl über den verlore aufgehört haben zu regnen. Aber nen Zweikampf hinwegtrösten soll heftige Windböen jagten durch die te. Niederung. Aber die beiden schliefen. Das Lobo warf noch einmal einen Blick kleine Feuer in der Mitte des Tipis zurück auf Linda. Dann schlüpfte er war niedergebrannt. Das Mädchen durch die Öffnung hinaus. Der Bo lag in den Armen des jungen Häupt den war so aufgeweicht, daß er bis zu lingssohnes. Lobo stocherte ein biß chen in der Glut herum, bis Flammen den Knöcheln im Dreck versank. Lobo wartete einige Minuten. Er hochzüngelten. Red Left Hand schaute sich sichernd nach allen Sei grunzte und stieß das Mädchen von ten um. Nichts rührte sich. Die Tipis sich. Das Mädchen kroch ganz unter waren in der Finsternis kaum zu er die Decken und Felle, und Red Left kennen. Rauch vermischte sich mit Hand drehte sich auf den Bauch. Er atmete regelmäßig und in langen den Nebelschleiern. Lobo bewegte sich geduckt und Zügen. Der Flammenschein zuckte lautlos. Er beeilte sich nicht. Vor auf seinen nackten Schultern. Sein sichtig setzte er einen Fuß vor den Haar hing ihm in wilden Strähnen anderen. An einigen Stellen war der vom Kopf. Morast so tief, daß er fast bis zu den Lobo sah sich um. Direkt neben Knien einsank und nur mühsam das dem Eingang hingen fünf Pferde Gleichgewicht halten konnte, wäh halfter. Lobo nahm zwei davon. Bei rend er sich durch den glitschigen de waren aus Pferdehaar geflochten. Dreck arbeitete. An die Waffen heranzukommen, war Es gab nur eine Möglichkeit, Pfer etwas schwieriger. Drei Bogen und dehalfter und Waffen zu beschaffen. drei Köcher hingen von einer Tipi Lobo brauchte beides dringend, und stange, kaum ein Yard vom Kopf des er entschloß sich, Red Left Hands Häuptlingssohnes entfernt. Auf einer Tipi einen Besuch abzustatten. Red mit farbigen Ornamenten verzierten Left Hand wohnte allein, da er noch Rohhautschachtel lag ein dünner keine eigene Familie hatte und zu alt Hirschledergürtel, der mit Stachel 52
schweinborsten verziert war. Ein paar dünne Menschenhaarsträhnen hingen daran herunter. Ein einfa cher Hirschlederbeutel und eine stark verzierte Messerscheide, aus der der Horngriff eines Bowiemes sers ragte, lagen neben dem Gürtel. Auf einem Fuchsfell lag ein alter Vorderlader und ein Army Colt, der nur noch eine Griffschale hatte. Lobo duckte sich. Er legte zwei Holzscheite ins Feuer, das ihm genü gend Licht gab. Langsam bewegte er sich am Feuer vorbei. Er stieg über zwei Rohhauthosen hinweg, über ei nen Sattel, trat auf das Hirschleder kleid des Mädchens und verharrte reglos, als sich Red Left Hand auf die Seite drehte und ein paar schmat zende Geräusche von sich gab. Fast eine Minute ließ Lobo ver streichen, bevor er sich wieder be
wegte. Er erreichte die Rohhaut schachtel, auf der der Gürtel, die Scheide mit dem Messer und der Le derbeutel lag. Er nahm den Gürtel auf, hängte die Scheide daran und schlang ihn sich um die Hüften. Als er nach dem Army Colt greifen woll te, bewegte sich das Mädchen unter der Decke. Und auch Red Left Hand drehte sich unruhig. Mit einer Hand zog er die Decke bis unters Kinn hoch. Jetzt ragten unten seine Füße heraus. Das Mädchen kicherte unter der Decke. Es grunzte noch im Schlaf und sagte dann ein paar Worte, die Lobo nicht verstehen konnte. In dem Moment, als sich Lobo zum Eingang zurückziehen wollte, schlug das Mädchen die Decke zurück. Es lag halb über Red Left Hand und wollte ihn aufwecken. Aber Red Left Hand stieß das Mädchen wild zurück.
„Ich will schlafen!" sagte er scharf. Das Mädchen drehte sich und er blickte in diesem Moment Lobo, der reglos neben der Feuergrube stand. Das Mädchen öffnete den Mund und wollte schreien, aber Lobo sprang über die Feuergrube hinweg und warf sich auf das nackte Mädchen. Ein Faustschlag traf den Kopf des Mädchens, und aus dem Schrei wurde ein müder Seufzer. Das Mädchen fiel in Ohnmacht, aber Red Left Hand war erwacht. Es dauerte Sekunden, bis er sich in der Wirklichkeit zu rechtfand. Diese Sekunden genügten Lobo, sich herumzuwerfen. Er fiel den Häuptlingsohn an, packte ihn mit beiden Händen am Hals und drückte ihm die Kehle zu. Red Left Hand bäumte sich unter ihm auf, versuch te Lobo von sich zu werfen, aber es gelang ihm nicht. Lobo hielt ihn
fest, und nach kurzer Zeit erlahmten die Bewegungen des Indianers. Lobo ließ den Hals von Red Left Hand los. Er richtete sich auf. Sein Gesicht war jetzt schweißbedeckt, obwohl es im Tipi ziemlich kalt war. Red Left Hand und das Mädchen la gen bewußtlos nebeneinander. Lobo suchte Rohhautschnüre, wühlte im Tipi herum, fand ein paar Stricke und fesselte die beiden so, daß sie sich nicht mehr rühren konnten, wenn sie aus der Ohnmacht auf wachten. Dann knebelte er beide. Das Feuer ließ er brennen. Er nahm den Army Colt an sich und verließ das Tipi. Jetzt eilte er quer über den Dorfplatz. Alles blieb ruhig. Er lief zwischen den Tipis hindurch auf die offene Prärie hinaus, die leicht anstieg. Hier waren die Pferde.
Viele lagen im nassen Gras hinter Büschen und Erdbuckeln, die den Wind ein wenig abhielten. Andere standen in Gruppen herum, mit den Köpfen dem Wind zugedreht, re gungslos, mit glänzendem Fell. Es war nahezu stockdunkel hier draußen. Lobo konnte sich unmög lich die besten Pferde aussuchen. So legte er einfach den ersten beiden, die sich nicht aufschrecken ließen und sich von ihm entfernten, das Halfter um. Im Moment, als er sie vom Hang wegführen und hinunter zur Niede rung bringen wollte, roch Lobo ganz schwach den Rauch von Tabak. Er blieb sofort stehen und blickte sich um. Es war nichts zu sehen, aber er hörte irgend etwas klirren. Dann vernahm er die Stimme. „Zieht die Flanke weiter nach Osten", sagte ein Mann leise und ge preßt. „Wenn sie fliehen, versuchen sie, über diesen Hang zu entkommen. Wir müssen sie hier alle abfangen." Lobo erstarrte. Geduckt stand er zwischen den beiden Pferden. Ein gepreßter Fluch erscholl. „Was ist los, Korporal?" fragte eine Stim me. „Ist was?" „Da drüben raucht einer", sagte ei ne andere Stimme. Lobo warf den Kopf herum. Jetzt sah er für Sekunden eine Glut auf leuchten. Das Gesicht eines Mannes, der eine Mütze trug. Messingknöpfe glänzten. Soldaten! Das Blut gefror in Lobos Adern. Für einen Moment glaubte er, sein Herz würde zu schlagen aufhören. Die Gedanken in seinem Kopf wir belten durcheinander. Linda. Die Frauen und die Kinder in den Tipis.
Red Left Hand, der gefesselt und ge knebelt war, hilflos. Lobo duckte sich. Langsam ging er vorwärts. Er zog die Pferde mit sich. Er sah die Glut wieder aufleuchten. Dann die Stimme eines Mannes. „Herrgott, wer raucht denn da? Rau chen ist doch untersagt, verdammt!" „Geh zum Teufel, Korporal!" erwi derte eine Stimme. Dann flog die Glut durch die Luft und zerfiel keine drei Schritte von Lobo entfernt zu Funken. „He, da ist doch — Teufel — die Pferde. Da ist einer!" Lobo blieb stehen. „He, ich bin kein Indi..." Ein Schuß zerriß die Stille der Nacht. Ein Fluch. Das eine Pferd, das Lobo an dem Halfterstrick führte, schrie und brach röchelnd zusam men. Lobo ließ das andere Pferd los. „Welcher Idiot hat denn ... Gott, jetzt ist gleich die Hölle los. Los, An griff! Angriff!" Schußblitze erhellten die Nacht. Schmetternde Hornstöße durchbra chen das Echo der peitschenden Schüsse. Kommandos wurden ge brüllt. Pferde wieherten. Kavalleri sten ritten die erste Attacke. Sie ka men vom östlichen Ende der Niede rung und jagten ungehindert auf das Dorf zu, wo jetzt die ersten Krieger aus den Tipis stürzten, viele von ih nen splitternackt. Lobo rannte den Hang hinunter. Sein Atem ging keuchend, als er die ersten Tipis erreichte. Neben ihm stürzte ein Krieger. Schemenhaft tauchten die Kavalleristen aus den Nebelschleiern auf. Vom Hang her schossen die Scharfschützen. Die Mündungsfeuer beleuchteten die Ränder der Niederung wie Wetter 55
leuchten Frauen schrien, und Kin der rannten herum. Die Kugeln zer fetzten die nassen Tipihäute. Lobo rannte kreuz und quer. Er stolperte über den nackten Körper eines Mannes. Er stieß mit einer Frau zusammen, die mit ihrem Baby die Flucht ergriff und mitten in einen mörderischen Kugelhagel hinein rannte. Die Kavalleristen durchrit ten das Lager und schossen auf die Menschen und einfach durch die Ti piplanen und die Häute in die Wohn räume hinein. Mit Hurragebrüll drehten die Kavalleristen um. Jetzt ritten sie nicht mehr in einer Forma tion. Wie Wölfe fielen sie über das Lager her, einzeln und in kleinen Gruppen. „Lobo!" Lindas Stimme ließ Lobo herumfahren. „Lobo, wo bist du?" „Hier, Linda!" rief Lobo. Er konnte Linda nicht sehen, aber er wußte, daß sie das Tipi verlassen hatte. Er rann te ein Stück weit und wurde von ei nem vorbeigaloppierenden Pferd herumgerissen. „Linda!" Eine rauhe Männerstim me rief Lindas Namen. „Linda, wir sind es! Dein Vater und dein Brüder! Zeig dich, Mädchen!" Lobo wirbelte herum. Black Jack Miller war es also, der die Soldaten hierhergebracht hatte. Er war nicht gekommen, um seine Tochter freizu kaufen. Nein, er hatte die Sodaten gebracht und mit ihnen dieses fried lich schlafende Dorf überfallen. Lobo spürte, wie in ihm blanker Zorn aufstieg. Er riß den Revolver hoch und schoß ein Pferd nieder, das ihm in die Nähe kam. Das Tier über schlug sich aus dem Lauf heraus. Der Reiter flog aus dem Sattel und plumpste neben Lobo in den Dreck. 56
Als er hochkam, feuerte er drei Ku geln in eine Gruppe von Frauen und Kindern hinein, die vorüberrannten. Lobo lief weiter. Fast in der Mitte des Platzes stieß er mit Linda zusam men. Sie hatte ein kleines Mädchen an sich gepreßt und schrie mit gel lender Stimme, daß man doch mit dem Schießen aufhören solle. Rund um sie herum lagen tote Indianer, Krieger, Frauen, Kinder und alte Leute. Lobo packte Linda beim Arm. „Hast du nicht gehört, Linda?" brüllte er. „Es ist dein Vater! Es ist Black Jack Miller!" Linda riß sich los. In diesem Mo ment wurde sie von einer Kugel ge troffen. „Vater!" schrie sie und taumelte. „Vater, du - du hast mich getötet!" Sie brach zusammen. Lobo war mit einem Sprung bei ihr. Er versuchte, sie hochzureißen, aber sie hatte keine Kraft mehr. Blut lief aus ihrem Mund. In ihren großen Augen leuchteten die Schußblitze auf. Sie hielt das Mädchen eng an sich gepreßt. „Ich - ich bin getroffen, Lobo", stieß sie leise hervor. „Vater hat - er hat mich umgebracht." „Komm, versuch dich leicht zu ma chen. Ich trage dich raus. Ich trage dich weg von hier. Gib mir das Kind!" Lobo wollte ihr das Kind aus den Armen nehmen, aber sie hielt sie fest. Wie im Krampf hielt sie den kleinen Körper fest umschlungen. Aber das Kind war tot. Lobo packte Linda, er hob sie aus dem tiefen Morast. Er drehte sich um. In diesem Moment tauchte ein Mann auf, der keine Uniform trug.
Der Mann war groß und hager. Er schoß sofort. Seine Kugel streifte Lobo am Oberschenkel. Lobo feuerte zurück, und er traf den Mann besser. Er fiel in die Knie und starb mit ei nem Schrei auf den Lippen. Lobo taumelte weiter. Er feuerte auf ein Pferd, traf aber nicht. Eine Kugel riß ihm die Schulter auf. Dann traf eine Kugel Lindas herunterhän gendes Bein. Linda schrie leise auf. Lobo ging in die Knie. Die Schmer zen in ihm rasten. Er bekam kaum mehr genug Luft. Ein furchtbares Feuer schien ihn auffressen zu wol len. „Ich - ich sterbe!" stieß Linda leise hervor. Er hob ihren Oberkörper etwas an. „Nein!" hörte er sich brüllen. „Nein, das lasse ich nicht zu!" Sie griff nach seinem Arm. Ihre Finger krallten sich an ihm fest. Sie wollte noch etwas sagen, aber erneut wurde sie von einer Kugel getroffen, und jetzt fiel sie haltlos in den Dreck zurück. Ihre Finger lösten sich aus seinem Arm. Das schmale Gesicht war dunkel vom Dreck und vom Blut. Lobo kauerte für Sekunden wie erstarrt am Boden. Es war ihm fast, als wäre ein Stück von ihm selbst zerstört worden. Als er nach dem Kopf von Linda greifen wollte, ließ eine heisere Stimme das Feuer in ihm ausbrechen. „Hierher, Steve! Kevin! Kommt!" Lobo warf sich herum. Keine vier Schritte entfernt stand ein Mann. Breitbeinig, das Gewehr im Hüftan schlag. „Ich habe gesehen, wie du versucht hast, meine Tochter in Sicherheit zu bringen, Mister", sagte der Mann scharf. Und er kam näher. Er wollte
zu Linda. Aber Lobo sprang hoch und riß seinen Army Colt aus dem Gürtel. „Keinen Schritt weiter, Miller!" rief er kehlig. „Linda ist tot!" Black Jack Miller stieß eine Ver wünschung aus. Dann duckte er sich, knickte in den Knien ein und feuerte. Die Kugel verfehlte Lobo um einen Zoll. Lobo schoß sofort, und er traf Black Jack Miller mit der ersten Ku gel tödlich. Miller wurde herumge schleudert. Das Gewehr entfiel sei nen Händen. Er stürzte in die Knie und fiel in dem Moment vornüber, als die beiden Reiter nebeneinander ihre Pferde zurückrissen. Sie starrten auf Lobo nieder. Sie hatten ihre Revolver in den Händen. Obwohl Lobo sie zum erstenmal sah, wußte er, daß sie Lindas Brüder wa ren. „Eure Schwester ist tot!" brüllte Lobo heiser. „Und der Mann, der da für verantwortlich ist, liegt vor euch im Dreck." „Du - du hast Vater umgelegt?" stieß einer von ihnen scharf hervor. „Er schoß auf mich!" rief Lobo. „Und ich schoß zurück!" „Dann bring ich dich um, du Hu rensohn!" schrie einer von ihnen. Er drückte gleichzeitig ab, aber der Hammer fiel auf eine leere Hülse. Im nächsten Moment fuhr ein Pfeil in die linke Hüfte des Burschen. Er brüllte auf. Sein Pferd stieg, drehte sich, keilte aus und traf das Tier des anderen. Lobo sah Split Bull Horn, der seine Krieger anfeuerte. „Kämpft meine Söhne!" rief er. „Kämpft für eure Mütter. Kämpft für eure Schwester! Kämpft für eure Kinder!" Lobo dachte an Red Left Hand. Er 57
sprang zur Seite, als einer der beiden Söhne von Black Jack Miller sein Pferd mit einem heiseren Schrei an trieb. Er feuerte auf Lobo, traf aber nicht. Lobo rannte im Zickzack, er reichte das Zelt von Red Left Hand und warf sich durch die Öffnung hinein. Die beiden Holzscheite, die er in die Feuergrube gelegt hatte, brannten noch. Der Flammenschein beleuchtete die beiden angstvoll ver zerrten Gesichter von Red Left Hand und dem Mädchen. Lobo sprang über die Feuergrube hinweg. Er zog das Messer aus der Scheide und durch schnitt zuerst die Fesseln des Mäd chens und dann die von Red Left Hand. Nackt rannte das Mädchen durch den Eingang nach draußen. „He, da ist noch eine!" brüllte eine Männerstimme. Das Mädchen schrie. Ein Mann lachte rauh. „Komm her, mein Kätzchen!" rief er. Lobo und Red Left Hand, der von seinem Lager aufgesprungen war, starrten sich in die Augen. „Warum bist du zurückgekehrt?" fragte Red Lgft Hand rauh. „Weil ich nicht zu denen gehören will, die dieses Dorf überfallen ha ben, Red Left Hand." Der Häuptlingssohn bleckte seine Zähne. „Ja", sagte er. „Zu denen gehörst du nicht." Er sprang zu seinen Sachen, packte eine Winchester und riß sie hoch. Er hatte einen wilden Aus druck im Gesicht. Die Mündung des Gewehres zeigte jetzt genau auf Lobo, der geduckt im Tipi stand, nur das Messer in der Hand. „Komm, Bruder!" rief Red Left 58
Hand scharf. „Komm, kämpfe wie ein Sioux, und stirb wie ein Sioux!" Lobo nickte. „Das werde ich tun, Bruder", gab er zurück und hintereinander stürmten sie aus dem Tipi und warfen sich mitten unter die kämpfenden Krie ger und Soldaten. Red Left Hand und Lobo kämpften Seite an Seite. Sie schossen auf die Soldaten, die mit ihren Revolvern einfach wild im Dorf herumschos sen. Daß sie sich nicht gegenseitig umbrachten, war ein Wunder. Lobo schlug sich mit einem Ge wehr, das er einem Soldaten entris sen hatte, eine Bresche durch die Kämpfenden. Er schlug einem Zivili sten den Gewehrkolben über den Schädel und traf einen Soldaten wuchtig im Genick. Hinter Lobo kam Red Left Hand. Er feuerte mit sei nem Gewehr. Zwischen den einzel nen Schüssen brüllte er seinen Kriegsschrei in die Nacht hinaus. Lobo erreichte die Mitte des Dorf platzes. Hier lagen die Menschen dicht gedrängt im Dreck. Tote - und Verwundete, die sich nicht mehr rührten, weil sie zugesehen hatten, wie Soldaten mit ihren aufgepflanz ten Bajonetten alle niederstachen, die sich noch bewegten. Eine Kugel streifte Lobo an der Hüfte. Er wirbelte herum und schoß einen Soldaten nieder, der aus dem Kampf getümmel taumelte und nach allen Seiten schoß, während er heiser Schreie ausstieß. Split Bull Horn lag unter den To ten. Als Lobo ihn sah, machte er Red Left Hand auf seinen Vater auf merksam. Red Left Hand rannte hinüber. Als er seinen Vater schon fast erreicht
hatte, bewegte sich dieser plötzlich. Er stemmte sich hoch. Blut lief aus seinem Mund. Er streckte seinem Sohn die rechte Hand entgegen. Red Left Hand half seinem Vater hoch. Sie taumelten zusammen über die Leichen, die überall herumlagen. Red Left Hand stützte seinen Vater. Eine Gruppe von Kriegern schloß sich ihnen an. Sie hielten die Solda ten und Zivilisten davon ab, den Häuptling mit seinem Sohn anzu greifen. Lobo drängte sich durch die Krie ger. Er fand Linda dort, wo sie gefal len war. Ein Mann kniete bei ihr. Lobo rief den Mann scharf an. Der Mann warf den Kopf herum. Sein Gesicht schimmerte schwach in der Dunkelheit. Tränen glänzten auf sei nen Wangen. „Ich wußte, daß etwas Schlimmes passieren würde", stieß der junge Mann mit tränenerstickter Stimme hervor. „So etwas, das kann nicht gut ausgehen." Lobo blieb vor dem Mann stehen. „Du mußt Kevin Miller sein", sagte er. „Wo ist dein Bruder, Steve?" „Tot. Alle sind tot. Wer bist du?" „Man nennt mich Lobo. Ich - ich wollte mit Linda zusammen von hier weggehen. Sie hat mir alles erzählt. Die ganze Geschichte. Sie hat mir er zählt, wer ihr Vater ist und wie sie weggelaufen ist, um Luther Miller zu besuchen." „Luther." Kevin Miller hob den Kopf. „Ich bin froh, daß ich zu ihm gehen kann." „Nein. Luther ist tot. Cheyennes haben ihn getötet. Mit Kugeln, die wahrscheinlich dein Vater den In dianern verkauft hat." Kevin richtete sich auf. Ungläubig 59
starrte er Lobo an. „Das - das stimmt nicht", sagte er. „Nein, Luther kann nicht tot sein. Er hat nie jemandem ein Haar ge krümmt. Er war nicht wie Vater. Er hatte nur Freunde." „Aber er hatte das Pech, der Bru der von Black Jack Miller zu sein", sagte Lobo. „Komm, laß mich Linda von hier wegbringen, Junge." „Wohin willst du sie bringen?" Lobo hob die Schultern. „Irgendwohin", erwiderte er. „Wo keine Schüsse krachen und keine sterbenden Menschen schreien. Irgendwo muß es einen Platz geben für einen friedfertigen Menschen." Lobo ging zum Leichnam von Lin da. Er hob ihn hoch. Die Augen des Jungen hingen an ihm. „Ich - ich würde gern mitkommen", sagte er leise. Lobo hob die Schultern. „Komm", sagte er. Dann ging er da von, und Kevin Miller folgte ihm. Zurück blieb ein Dorf, in dem sich ei nige Dutzend Mörder in blauen Uni formen austobten. Zurück blieben die Leichen von Black Jack Miller, der sich bei die sem, seinem letzten Geschäft ver rechnet hatte. Er war tot. Sein Sohn Steve war tot und seine Tochter Lin da. Einige seiner Leute lagen eben falls irgendwo im Dreck, zusammen mit fast achtzig Sioux-Indianern, von denen mehr als die Hälfte Frau en und Kinder waren. Die US-Armee hatte einen ihrer blutigen Siege errungen, und Cap tain Jackson Brown, von einem Pfeil in die Schulter getroffen, war mit sich und der Welt zufrieden. Als von den Indianern keiner mehr am Leben war, ließ er ihre Sachen, 60
den Hausrat, die Waffen, die Decken und alles, was sich in den Tipis be fand, nach draußen bringen. Alles wurde auf einen Haufen geworfen, mit Kerosin übergossen und ange zündet. Die Tipis wurden eingeris sen, die Stangen ebenfalls ins Feuer geworfen. Die Büffelhäute und die Felle warf man in den Fluß, und am Mittag des nächsten Tages hatten die Soldaten auf Befehl ihres Captains das Sioux-Dorf buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. An diesem Mittag errichteten Lobo und drei junge Krieger eine schmale Plattform aus Ästen in der Krone eines alten Cottonwoods. Einer der Krieger hatte etwas Ver milion dabei. Er rührte eine Paste an und versiegelte die Augenhöhlen von Linda. Dann wurde der Leichnam auf die Plattform gebracht und auf einem Büffelfell hingelegt. Einer der Krieger bedeckte Linda von Kopf bis Fuß mit einer roten Handelsdecke, an der einige Adlerfedern und Haar strähnen hingen. Ein anderer ließ seinen Beutel zurück, in dem ein Stück Trockenfleisch war, und der jüngste von ihnen legte seine Mokas sins auf die Decke, da Lindas Füße nackt waren. Es war wenig, was Linda auf ihre lange Reise mitnehmen konnte, aber Lobo wußte, daß sie dort ankommen würde, wo ewiger Friede herrschte. Lobo stand unten vor dem mächti gen Stamm des Baumes. Die Krieger kletterten herunter. Einer von ihnen hatte ein Soldatenpferd. Einer war mit einem Springfield Karabiner be waffnet. Alle drei waren nicht älter als sechzehn. Sie sahen Lobo fragend an. „Wir müssen weiter. Wir müssen
unsere Leute suchen", sagte einer von ihnen. Lobo nickte ihnen stumm zu. „Geht", sagte er. Sie gingen, und Lobo blieb mit Ke vin Miller allein zurück. Kevin Mil ler sprach ein Gebet nach dem ande ren. Und dabei rannen ihm Tränen über sein Gesicht. Als es wieder zu regnen begann, nahm Lobo Kevin am Arm.
„Wir lassen sie jetzt allein", sagte er leise. „Komm, Junge. Wir gehen weg von hier." Kevin Miller wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. „Wenn ich nur wüßte, wohin ich gehen könn te", sagte er gepreßt. Lobo zog ihn mit sich. Er wußte auch nicht, was er mit dem Jungen anfangen sollte, aber allein lassen konnte er ihn nicht.
ENDE
Weit in der Ferne schälten sich zwei Reiter aus der flirrenden Luft. In einer schnurgeraden Linie jagten sie auf Lobo zu. Sie hatten sich dicht über den Hals ihrer Pferde gebeugt und schlugen mit der linken Hand die Zügelenden auf die Kruppen ihrer Tiere.
Die Pferde galoppierten mit weit nach vorn gestreckten Köpfen. Ihre Mäuler waren aufgerissen, dicke Schaumflocken flogen von ihren Nüstern. Ihre lan
gen, schweißnassen Mähnen wehten den Männern ins Gesicht.
In wenigen Minuten hatten sie Lobo erreicht. Die Reiter stutzten kurz, als sie das Halbblut entdeckten. Aber sie hielten nicht an. Zu spät sah Lobo die schweren Revolver in ihren Fäusten.
Lobo Warf sich instinktiv nach vorn und rutschte seitwärts aus dem Sattel, noch bevor die beiden Mündungen aufblitzten. Er schlug hart auf dem Boden auf und hatte seinen Colt bereits in der Hand, als zwei dicht aufeinanderfol
gende Detonationen die Stille zerrissen . . .
Lobo, der Einzelgänger, muß sich sein Recht zu leben gegen eine unerbitt
liche Umwelt immer wieder erkämpfen. Lesen Sie nächste Woche Band 111
dieser großartigen Western-Serie:
Die wilden Reiter von John Tyler
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