Stationäre Gasturbinen
Christof Lechner Jörg Seume (Hrsg.)
Stationäre Gasturbinen 2., neu bearbeitete Auflage
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Prof. Dr.-Ing. Christof Lechner Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Hochschulübergreifender Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Lohbrügger Kirchstraße 65 21033 Hamburg Germany
[email protected] Prof. Dr.-Ing. Jörg Seume Leibniz Universität Hannover Institut für Turbomaschinen und Fluid Dynamik Appelstraße 9 30167 Hannover Germany
[email protected]
ISBN 978-3-540-92787-7 e-ISBN 978-3-540-92788-4 DOI 10.1007/978-3-540-92788-4 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Vorwort zur zweiten Auflage
Zur Freude der Autoren, der Herausgeber und des Verlages war die erste Auflage dieses Buches schneller als erwartet vergriffen. Wir haben daher auf die positive Resonanz und die Anregungen aus der Fachwelt hin eine zweite Auflage vorgelegt. Neben den Aktualisierungen der zitierten Literatur wurde in vielen Kapiteln die weitere Entwicklung des Standes der Technik berücksichtigt. Die Herausgeber freuen sich, dass wir hierfür auch einige neue Autoren gewinnen konnten. Über die Aktualisierung hinaus haben wir einige wesentliche Ergänzungen vorgenommen. Kapitel 4 (Aeroderivate) wurde hinzugefügt, um in diesem Buch auch die Option aus Flugtriebwerken abgeleiteter stationärer Gasturbinen für kleine Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke gebührend zu berücksichtigen. In Kapitel 5 (Kraftwerkskomponenten) wurde das „kalte Ende“ des GuD-Kraftwerks berücksichtigt, das die Wärmeabfuhr aus dem Haupt- und Nebenkühlkreis beschreibt. Da die untere Prozesstemperatur für Leistung und Wirkungsgrad eines GuD-Kraftwerks ebenso wichtig ist wie die obere Prozesstemperatur, war es nur konsequent, diese Technik in der neuen Auflage ausführlich zu beschreiben. Eine Stärke dieses Buches für den Praktiker sind die Kapitel, die sich mit Betrieb und Wartung befassen. Den aktuellen Trends der Kraftwerkspraxis entspricht es daher, dass in Kapitel 36 Möglichkeiten der Ferndiagnose beschrieben werden, die es Betreiber und Hersteller ermöglicht, Trends in den wesentlichen Betriebsdaten zur Vermeidung von Fehlfunktionen und zwecks Erhaltung von Leistung und Wirkungsgrad der Gasturbinen zu erfassen. Wir danken den bisherigen Lesern für ihre Anregungen, den Autoren für ihre Beiträge und dem Verlag und den künftigen Lesern für die Geduld beim Warten auf diese zweite, erweiterte Auflage. Die Herausgeber
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Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxv Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxxi 1
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Gasturbinentypen – eine Übersicht : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Alexander Wiedermann 1.1 Betriebsarten und Gasturbinentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zur Entwicklung der Gasturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermodynamische Grundlagen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Jost Braun 2.1 Definitionen der verwendeten Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Ideales Gasverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Unveränderte Stoffeigenschaften im Kreisprozess . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Mittlere Wärmekapazität über Zustandsänderungen . . . . . . . . . . 2.1.4 Thermischer Wirkungsgrad und Prozesswirkungsgrade . . . . . . . 2.1.5 Verdichter- und Turbinenwirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 Mischtemperatur und Mischwirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ideale Vergleichsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Carnot-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Umsetzung des Carnot-Prozesses mit Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Offener Joule- (oder Brayton-)Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Ericsson-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Reale Gasturbinenprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Einfluss der Hauptverluste auf den Joule-Prozess . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Einfluss von Druckverhältnis und Prozesstemperaturen . . . . . . . 2.3.3 Spezifische Arbeit, Wirkungsgrad und Abgastemperatur . . . . . . 2.3.4 Prozessbestimmende Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Varianten des offenen Joule-Prozesses zur Prozessverbesserung 2.4.1 Einfluss einer Zwischenerhitzung (Reheat) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 6 10 11 12 12 12 13 14 15 17 19 19 20 21 22 23 24 27 29 30 35 35
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2.4.2 Einfluss einer Zwischenkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Einfluss eines Rekuperators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Leistungsorientierte Prozessverbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Beispiele stationärer Gasturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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GT-Kraftwerke : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Lothar Balling 3.1 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Frühe Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Wandel der Kundenstruktur und Marktanforderungen . . . . . . . . 3.4 Betriebs- und Wartungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 GT-Kraftwerke für die Stromerzeugung heute . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Gasturbinen-Kraftwerke (simple cycle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Phasenschieberbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Anlagen zur Wärme-Kraft-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Gasturbinen für Verbund-/Kombikraftwerke und Repowering . . 3.5.5 GuD-Anlagen mit integrierter Vergasung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.6 Luftspeicher-Kraftwerke („Compressed Air Storage System“ = CAS) . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Aufbau des GT-Kraftwerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Gasturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Gasturbinen-Hilfssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Generator, Hochspannungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Ansaugsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.5 Kupplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.6 Abgassystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.7 Elektrotechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.8 Leittechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.9 Bautechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.10 Außen- und Nebenanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 GuD-Kraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Kraftwerkstypen, Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Mehrwellenanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Einwellenanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3 Standardisierung und Modularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.4 Basiskraftwerk mit Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.5 Reduzierte Abwicklungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.6 Konzept einer modernen Testanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Hauptkomponenten der GuD-Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.1 Wasser-Dampf-Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.2 Abhitzedampferzeuger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Betrieb der GuD-Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aeroderivate : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Alexander Wiedermann 4.1 Prinzipieller Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bevorzugte Einsatzgebiete von Aeroderivaten und Industriegasturbinen in Schwerbauweise . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kraftwerkskomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Wellenkupplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Rossig-Kruska 5.1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Nichtschaltbare Wellenkupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Schaltbare Wellenkupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Deeg 5.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Verzahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Getriebekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Werkstoffe und Wärmebehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Herstellung von Rotoren und Verzahnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7 Schmierung und Getriebeverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8 Betriebsbedingungen und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger in GuD-Anlagen . . . . Hans-Gerd Brummel 5.3.1 Zusammenstellung der abgasführenden Komponenten, Funktionsbeschreibung, Bauformen und Varianten, Stand der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Abhitzedampferzeuger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Abhitzedampferzeuger mit Sondereinbauten . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Verhalten der Abgasstrecken/Abhitzedampferzeuger beim Anfahren eines GUD-Blocks mit Abgas-Bypasskaminen 5.3.5 Zusammenfassung und Ausblick (Status 2003) . . . . . . . . . . . . . . 5.3.6 Neue Entwicklungstendenzen bei der Abgasstrecke und bei Abhitzedampferzeugern (Status 2010) . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Dampfturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Feldmüller 5.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Dampfturbinen für Dampfkraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Anforderungen an Dampfturbinen für Kombiprozesse mit Gasturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4 Bauformen der Dampfturbinen für GuD-Kraftwerke . . . . . . . . . 5.4.5 Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.6 Konstruktive Aspekte von Dampfturbinen für GuD-Prozesse . .
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Wärmeabfuhrsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Haberberger und Dieter Blanck 5.5.1 Komponenten des Kalten Endes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Einfluss des Kalten Endes auf den Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Kühlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Auswahl des Kühlverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.5 Niederdruckteilturbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.6 Oberflächenkondensator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.7 Abwärmenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Turbogenerator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Böer und Klaus Sedlazeck 5.6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Generatorbauarten im mittleren Leistungsbereich . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Generatorerregung, Anfahrmotor- und Phasenschieberbetrieb . . 5.6.4 Anforderungen an Generatoren und Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . 5.6.5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Grundlagen der Strömungsmaschinen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Günther Dibelius 6.1 Energieumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Umwandlungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Auswirkung der Energieumwandlung auf die Strömungsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Auswirkung der Energieumwandlung auf die thermodynamischen Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.4 Wirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Schaufelgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Lauf- und Leitgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Verzögerungs- und Beschleunigungsgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Verluste in Schaufelgittern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Gitterauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5 Gitterkenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Kombination von Schaufelgittern zu Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Stufenkenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Stufencharakteristiken, Betriebsverhalten von Stufen . . . . . . . . . 6.4 Maschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Beschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Schaufellose Strömungsführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Maschinenkenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Maschinencharakteristiken, Betriebsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5 Leistungsregelung von Gasturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 224 225 225 241 242 244 248 250 250 259 267 271 276 279 285 285 285 287 288 292 294 294 295 296 297 298 302 302 304 306 307 308 308 309 309 310 311
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Verdichter : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Reinhard Mönig und Ulrich Waltke 7.1 Anforderungen an Gasturbinenverdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Verdichterbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Leistungsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Transsonische Verdichterstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Subsonische Verdichterstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Konzeption von Gasturbinenverdichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8 Auslegung und Betriebsverhalten von Gasturbinenverdichtern . 7.9 Betrieb von Gasturbinenverdichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.1 An- und Abfahren von vielstufigen Axialverdichtern . . . . . . . . . 7.9.2 Massenstromregelung durch Leitschaufelverstellung . . . . . . . . . 7.9.3 Drehzahlbereich und Umgebungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 7.9.4 Kritische Betriebszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.5 Experimentelle Erprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.6 Praxisprobleme und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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313 313 316 321 325 328 335 342 352 357 357 360 360 363 364 365 369
Axialturbinen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Herbert F. J. Bals und Konrad Vogeler 8.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Auslegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Wahl des Reaktionsgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Festlegung des Meridiankanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Festlegung der Profilsehnenlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Profilierung der Schaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Einfluss der Radialspalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Dreidimensionale Nachrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Lebensdauerbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.10 Betriebsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.11 Betriebsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
371
Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen : : : : : : : Thomas Sattelmayer 9.1 Aufgaben der Brennkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Energie- und Stoffumwandlung in der Brennkammer . . . . . . . . . 9.3 Flammentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Einfluss des Brennstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Hauptcharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Flammenstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Ablauf der Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 NO-Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6.1 Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
397
371 376 378 380 384 386 388 388 390 391 393 395
397 399 404 404 406 408 410 416 416
xii
Inhaltsverzeichnis
9.6.2 Diffusionsflamme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6.3 Vormischverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6.4 Fett-Mager-Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.7 Rußemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.8 Teillastverhalten, Stufungskonzepte und Pilotierung . . . . . . . . . . 9.9 Flammendynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.9.1 Pulsationen und Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 9.9.2 Flammenrückschlag im Vormischbrenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.9.3 Selbstzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.10 Aufbereitung flüssiger Brennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.11 Zerstäubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.11.1 Tropfenverdampfung und -dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
417 418 425 426 428 432 432 438 441 446 446 448 451
10 Technische Verbrennungssysteme : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Werner Krebs, Jaan Hellat und Adnan Eroglu 10.1 Anforderungen an technische Verbrennungssysteme . . . . . . . . . 10.2 Brenner und Brennstoffzugabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Hybridbrenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 EV-Brenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 SEV-Brenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4 Zugabe von flüssigem Brennstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Brennkammerbauarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Entwicklungshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Silobrennkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.3 Ringbrennkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.4 Rohrbrennkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.5 Brennkammerwand-Konstruktionsprinzipien und Wandkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Thermoakustisch induzierte Brennkammerschwingungen . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept : : : : : : : : : : : : : : : : Eberhard Deuker, Jaan Hellat und Wolfgang Kroll 11.1 Aufgabe des Brennstoffsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Brennstoffanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Anforderungen an den Brennstoff Erdgas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Anforderungen an den Flüssigbrennstoff Dieselöl . . . . . . . . . . . 11.3 Komponenten des Brennstoffsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Rohrleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Druckreduzierstation bzw. Gasverdichter (Erdgas) . . . . . . . . . . . 11.3.5 Pumpen (Heizöl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Brennstoffsystem für Erdgas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491
453 456 459 461 464 466 471 471 472 474 479 483 484 489
491 491 492 495 497 497 499 499 500 501 502
Inhaltsverzeichnis
xiii
11.5 Brennstoffsystem für Heizöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.1 Systembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.2 Zusatzeinrichtungen für die Heizölbrenner . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Fahrweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.1 Erdgas- und Heizölbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.2 Brennstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.3 Lastabwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
504 504 508 509 509 515 517 518
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Andreas Heilos, Michael Huth, Jürgen Karg und Jaan Hellat 12.1 Konzepte für Vergasungskraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Übersicht über bestehende Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Brennstoff und Brennstoffsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Brennstoffcharakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Brennstoffsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Brenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.1 Konzepte für Syngas-Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.2 Überblick über Brennerkonzepte verschiedener Hersteller . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
521
13 Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Roger Waldinger und Jaan Hellat 13.1 Anwendungsbereiche von flüssigen Sonderbrennstoffen . . . . . . 13.1.1 Charakteristische Brennstoffeigenschaften und Bestandteile von flüssigen Sonderbrennstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.2 Stoffdaten ausgewählter flüssiger Sonderbrennstoffe . . . . . . . . . 13.2 Schweröl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Herkunft und Einsatzbereich von Schweröl . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Gasturbinen für den Schweröleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.3 Schwerölaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.4 Vermeidung von Hochtemperaturkorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.5 Emissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Naphtha und Kondensate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.1 Eigenschaften von Naphtha und Kondensaten . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Stoffeigenschaften von Naphtha, Kondensaten und Heizöl . . . . 13.3.3 Sicherheitskonzept für Naphtha und Kondensat-Betrieb . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Ulf D. Köller und Bernd van den Toorn 14.1 Konstruktive Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Laufschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Leitschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
521 526 526 526 531 531 531 533 536 539 539 540 541 541 541 543 543 544 544 545 545 545 546 547 549 549 550 554
xiv
Inhaltsverzeichnis
14.1.3 Verstellbare Leitschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.4 Werkstoffauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Statische Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Dynamische Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Fertigungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Experimentelle Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
555 556 557 557 560 563 563 564 565
15 Turbinenbeschaufelung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Herbert F. J. Bals und Hans-Thomas Bolms 15.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Leitschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 Leitschaufelblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.3 Fußteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.4 Kopfteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.5 Schnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Laufschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.1 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.2 Laufschaufelblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.3 Fußbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.4 Anstreifkante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.5 Deckband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.6 Andere Dämpfungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Gehäusesegmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.1 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Schädigungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5.1 Kriechschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5.2 Thermische Ermüdung und zyklische Beanspruchung . . . . . . . . 15.5.3 Schädigung durch dynamische Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . 15.5.4 Schädigung durch Oxidation, Heißgaskorrosion . . . . . . . . . . . . . 15.5.5 Schädigung durch Fremdteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Lebensdauervorhersage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.1 Statische Beanspruchung aus den Gaskräften . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.2 Statische Beanspruchung aus den Fliehkräften . . . . . . . . . . . . . . 15.6.3 Beanspruchung durch thermische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.4 Dauerfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.5 Dynamische Beanspruchung aus Gaskräften . . . . . . . . . . . . . . . . 15.7 Werkstoffauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.8 Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.8.1 Guss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.8.2 Konventionelle Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.8.3 Unkonventionelle Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
567 567 567 568 569 571 572 572 574 574 575 576 579 579 580 580 580 581 582 582 583 583 584 584 585 586 586 587 588 589 590 590 591 591
Inhaltsverzeichnis
15.8.4 15.8.5 15.9
xv
Beschichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 Weitere Fertigungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593
16 Sekundärluftsystem : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Arnd W. Reichert 16.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Abgrenzungen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.2 Einfluss des Sekundärluftsystems auf die Eckdaten des Kreisprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3 Für das Sekundärluftsystem relevante Zustandsänderungen in Verdichter und Turbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.4 Strömungsphänomene in Radseitenräumen; Heißgaseinzug . . . 16.1.5 Strömungsphänomene in rotierenden Kavitäten . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Auslegung des Sekundärluftsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.1 Anforderungen an die Kühlluftversorgung von Turbinenschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Anforderungen an das Sperrluftsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.3 Relevante Betriebszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.4 Führung der Sekundärluft zur Turbine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.5 Lage der Entnahmestellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.6 Dichtungstechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
595
17 Turbinenschaufel – Kühlung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Bernhard Weigand 17.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Bauformen gekühlter Gasturbinenschaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Der externe Wärmeübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Interne Wärmeübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.1 Prallkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2 Pins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.3 Rippen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.4 Krümmer (180ı-Umlenkungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.5 Einfluss der Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.6 Dampfkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5 Kühlungsauslegung von Schaufeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5.1 Konzeptionelle Auslegung (1D) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5.2 Auslegung der Kühlung (2D/q3D) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5.3 Tests/3D-Rechnungen/-Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
18 Läuferbauformen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Joachim Schulte, Michael Müller und Manfred Janssen 18.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Anforderungen an den Läufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Läuferbauformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4 Ausgeführte Maschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.1 Rotor in Scheibenbauweise mit zentralem Zuganker . . . . . . . . . . 18.4.2 Rotor in Scheibenbauweise mit dezentralen Zugankern . . . . . . . 18.4.3 Rotor in geschweißter Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.4 Variationen der klassischen Läuferbauarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers : : : : : : Ekkehard Maldfeld und Michael Müller 19.1 Auslegungsziele und Lastfälle für den Turbinenläufer . . . . . . . . 19.2 Festigkeitsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.1 Statische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2 Dynamische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Zusammenwirken der Auslegungsverfahren am Beispiel der mittleren Hohlwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Werkstoffaspekte für die Rotorauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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20 Gehäuse und Leitzeug : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Ekkehard Maldfeld und Michael Müller 20.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Konstruktiver Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.3 Auslegungsziel, Anforderungen und Lastfälle für Gehäusekomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4 Festigkeitsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.1 Allgemeine Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.2 Flächenpressungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.3 Schrauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.4 Auslegung von Teilfugenflanschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.5 Schweißverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.6 Dynamische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683
21 Spalte : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Arnd W. Reichert 21.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.1 Einfluss der Spalte auf die Eckdaten des Kreisprozesses . . . . . . 21.1.2 Anteile von Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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705 705 706
Inhaltsverzeichnis
xvii
21.2 21.3 21.3.1 21.3.2 21.3.3
Spaltauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung von spaltbestimmenden Bauteilen . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss von Rotorbauformen und Kühlkonzepten . . . . . . . . . . . Gestaltung der Statorbauteile, Justiervorrichtungen . . . . . . . . . . Berücksichtigung von Verschiebungstrajektoren, Einlaufschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3.4 Anstreifkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3.5 Aktive Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung : : : : : : : : : : : Stefan Verstege und Frank Böckel 22.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.1 Strömungsmechanische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.2 Lagertypen, Lagerbauformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.3 Auslegungskriterien, Betriebsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.4 Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.5 Lagerwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 GT-Lagerung, konstruktiver Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.1 Lagerungskonzept der GT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2 Radiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3 Axiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
713
23 Keramische Komponenten : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Holger Grote, Christine Taut, Wolfgang Kollenberg und Uwe Rettig 23.1 Hintergrund und Einsatzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Vorteile und Risiken feuerfestkeramischer Brennkammerauskleidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Keramische Komponenten im Einsatz: keramische Hitzeschilde 23.3.1 Anforderungen an keramische Hitzeschilde . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.2 Modellierung des Betriebsverhaltens von Feuerfestkeramik . . . 23.3.3 Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.4 Werkstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3.5 Betriebserfahrungen – Versagensmechanismen . . . . . . . . . . . . . . 23.4 Schlussfolgerungen und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
737
24 Korrosion und Beschichtungen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Norbert Czech 24.1 Korrosion im Verdichterbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1.1 Korrosive Ablagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1.2 Beschichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1.3 Einsatz alternativer Schaufelwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2 Korrosion im Heißgasbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
24.2.1 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.2 Brennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.3 Korrosionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.4 Korrosionsmindernde Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.5 Korrosionsbeständige Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.6 Schutzschichten für den Heißgasbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3 Wärmedämmschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.1 Beschichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.2 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.3 Versagensmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Christina Berger und Hermann W. Grünling 25.1 Einführung und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2 Bauteilanforderungen (Beanspruchungen, Werkstoffeigenschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3 Fe-Basiswerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.4 Co-Basiswerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.5 Ni-Basiswerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.6 Werkstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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26 Normung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Bernard Becker 26.1 Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.2 Bauweise und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.2.1 Schwachstellen vermeiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.2.2 Bauteilspezifische Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3 Erprobung, Betrieb und Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
829
27 Montage : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Willi Paschmann 27.1 Montageplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.1 Technische Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.2 Terminplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.3 Personalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.4 Planung der Baustellenorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.1.5 Planung der Baustellenlogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2 Montagedurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.1 Montagehandbuch (erection manual) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.2 Montageschritte (vereinfacht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.3 Montageabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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28 Ausrichten des Wellenstrangs : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Willi Paschmann 28.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.2 Ausrichtmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.2.1 Axial-Radial-Verfahren oder AR-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.2.2 Doppel-Radial-Verfahren oder DR-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . 28.2.3 Doppel-Axial-Verfahren oder DA-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.3 Werkzeuge und Vorrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.4 Vorausrichtung des Wellenstrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.5 Endausrichtung des Wellenstrangs am Beispiel eines Turbosatzes SGT5-4000F . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.6 Kuppeln des Wellenstrangs, Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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29 Inbetriebsetzung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Michael Wegen 29.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2 Inbetriebsetzungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2.1 Technische IBS-Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2.2 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2.3 Personalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3 Inbetriebsetzungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.1 Voraussetzungen für die IBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.2 IBS-Phasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.3 Probebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.4 Inbetriebsetzung nach einer Servicemaßnahme . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
853
30 Maschinendynamik : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Peter Wutsdorff 30.1 Schwingungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.1.1 Lagergehäuseschwingungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.1.2 Wellenschwingungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.1.3 Phasenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.1.4 Hinweise zur praktischen Durchführung von Betriebsschwingungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.2 Kritische Drehzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.3 Kinetisches Verhalten der Gleitlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.4 Untersuchungen an der äußeren Lagerabstützung . . . . . . . . . . . . 30.5 Einfluss des Kupplungszustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.6 Leistungsabhängige Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.6.1 Getriebemaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.6.2 Lastabhängige Schwingungen an Generatoren . . . . . . . . . . . . . . . 30.6.3 Mediumbedingte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.7 Anstreifprobleme und thermische Unwuchten . . . . . . . . . . . . . . .
867
843 844 844 844 846 847 847 847 851 852
853 853 853 854 855 857 858 858 862 863 865
867 868 870 871 872 872 875 876 879 881 882 883 884 885
xx
Inhaltsverzeichnis
30.8 Axialschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.9 Instabilitätsschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.10 Auswuchten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.11 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
889 890 892 896 898
31 Abnahmemessungen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Klaus Werner 31.1 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Grundlagen, Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3.1 Gespräche, Prozeduren, Festlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3.2 Messinstallation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3.3 Messgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4.1 Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4.2 Betriebszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4.3 Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4.4 Schwankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.5 Wesentliche Messgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.5.1 Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.5.2 Brennstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.5.3 Abgastemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.6 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.6.1 Ansaugmassenstrom und Turbineneintrittstemperatur . . . . . . . . 31.6.2 Umrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.6.3 Ein-/Mehrwellenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.6.4 Solo-/Kombibetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.6.5 Fehlerbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.6.6 Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
899
32 Systematik der Erprobung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Olaf König und Christof Lechner 32.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1.1 Komponentenversuchsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1.2 Erprobung im Kraftwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1.3 Erprobung im Prüffeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Strategie der Erprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
923
33 Versuchsmesstechnik : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Stefan L.F. Frank und Frank Woditschka 33.1 Radialspaltmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.2 Temperaturmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.2.1 Thermoelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
935
899 899 900 901 901 903 903 903 905 906 906 906 906 907 908 908 908 909 911 911 911 913 922
923 924 927 929 933 933
935 938 938
Inhaltsverzeichnis
xxi
33.2.2 Thermofarben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.2.3 Optische Pyrometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.3 Verbrennungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.3.1 Rauchgasanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.3.2 Flammenbeobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4 Schaufelschwingungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4.1 Schaufelschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4.2 Stillstandsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4.3 Betriebsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4.4 Berührende Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4.5 Datenerfassung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.4.6 Berührungslose Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
940 940 944 944 945 946 947 948 951 951 958 961 964
34 Stationäres Betriebsverhalten : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Andreas Bauer und Stefan Rofka 34.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.2 Abweichung vom Referenzzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.3 Teillastverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.3.1 Verstellung von Verdichterleitreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.3.2 Absenkung der Turbineneintrittstemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.3.3 Methoden zur Leistungssteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.4 Einfluss des Brennstoffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5 Spezielle Betriebsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.1 Frequenzabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.2 Verschmutzung und Vereisung der Verdichterbeschaufelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.3 Alterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
967 968 969 973 974 976 977 980 983 983 984 985 986
35 Automatisierungstechnik : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 987 Olaf Drobner und Andreas Pahl 35.1 Turbinen- und Generatorregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988 35.1.1 Einfluss der Regelungen im Gasturbinenbetrieb . . . . . . . . . . . . . 988 35.1.2 Struktur der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 35.1.3 Stellantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 996 35.2 Steuerung des Gasturbosatzes und dessen Hilfssysteme . . . . . . . 997 35.2.1 Gliederung der Steuerungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 35.2.2 Zusammenwirken der Steuerungsfunktionen im Gasturbinenbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999 35.3 Turbinenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1003 35.3.1 Grundsätzliche Anforderungen an Schutzeinrichtungen . . . . . . . 1004 35.3.2 Wichtige Schutzeinrichtungen für Gasturbinen . . . . . . . . . . . . . . 1007 35.3.3 Projektierung von Schutzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1010
xxii
Inhaltsverzeichnis
35.4
Einsatz und Projektierung moderner Leittechniksysteme für die Gasturbinenautomatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1010 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 36 Ferndiagnose von Kraftwerks-Gasturbinenanlagen : : : : : : : : : : : : : 1015 Hans-Gerd Brummel 36.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 36.2 Strategie der Ferndiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1016 36.2.1 Mess- und Analysetechnik vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1020 36.2.2 Datenakquisition für die Ferndiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 36.2.3 Datenfernübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022 36.2.4 Empfang der Daten beim Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023 36.2.5 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023 36.2.6 Zentrale Speicherung der Daten und Diagnoseergebnisse . . . . . 1034 36.2.7 Erstellung und Verteilung von Diagnoseberichten . . . . . . . . . . . . 1035 36.2.8 Automatisierter Diagnoseprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1035 36.2.9 Kommunikation mit dem Kunden bei Feststellung einer Anlagenstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036 36.3 Maschinendiagnose durch innovative Messtechnik . . . . . . . . . . . 1037 36.3.1 Anforderungen an ein Online-LaufschaufelÜberwachungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1038 36.3.2 Technische Lösung und Entwicklungsspezifikation . . . . . . . . . . 1040 36.3.3 Infrarotbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 36.3.4 Stand der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1043 36.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1044 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046 37 Betriebsdatenanalyse : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 1047 Ayhan Inceoglu und Christopher Steinwachs 37.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047 37.2 Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1048 37.2.1 Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1048 37.2.2 Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049 37.2.3 Gasturbinenlebenslauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053 37.3 Verfügbarkeitskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054 37.3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054 37.3.2 Definitionen der Formelgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054 37.3.3 Zuverlässigkeit V3/RF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055 37.3.4 Verfügbarkeit V7/AF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056 37.3.5 Zwangsausfallkennzahl V11/FOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 37.3.6 Zeitausnutzung V17/SF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 37.3.7 Startzuverlässigkeit V18/SR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057 37.4 Risikoabschätzung von Zuverlässigkeitsgarantiewerten . . . . . . . 1058 37.4.1 Ausgangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1058 37.4.2 Generierung einer Lernkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1058
Inhaltsverzeichnis
xxiii
37.4.3
Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Zuverlässigkeitswerten (V3) auf Basis der Lernkurven . . . . . . . 1059 37.5 Abhängigkeiten der Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1060 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1062 38 Wartung, Inspektionen und Ersatzteilkonzepte : : : : : : : : : : : : : : : : 1063 Gerhard Bohrenkämper 38.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 38.2 Wartungsmaßnahme Verdichterwäsche, Verdichterverschmutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1064 38.3 Heißteilverschleiß und Kriterien für die Bemessung der Inspektionsintervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 38.4 Instandhaltungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1072 38.4.1 Instandhaltungsgerechte Gasturbinenkonstruktion . . . . . . . . . . . 1072 38.4.2 Inspektionsumfang und Inspektionsintervall . . . . . . . . . . . . . . . . 1073 38.4.3 Heißteilinspektion und Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 38.4.4 Ersatzteile und reparierte Teile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077 38.5 Instandhaltungsmanagement und langfristige Serviceverträge . . 1078 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1080 39 Modernisierungen im Gasturbinenservice : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 1083 Gerhard Bohrenkämper 39.1 Ältere Gasturbinenanlagen im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083 39.2 Modernisierungsthemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1084 39.2.1 Uprate-Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1084 39.2.2 Reduktion von Schadstoffemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1090 39.2.3 Erweiterung des Verbrennungs- und Brennstoffsystems . . . . . . . 1092 39.2.4 Verbesserte Betriebsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1093 39.2.5 Optimierte und reduzierte Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1094 39.2.6 Kraftwerksrehabilitation mit Modernisierungen . . . . . . . . . . . . . 1095 39.3 Lebensdauerbeurteilung von Bauteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1096 39.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1097 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101
Autoren
BALLING, Lothar Siemens AG, Energy Sector Erlangen E-mail:
[email protected] (Kap. 3) BALS, Herbert F.J. Solingen E-mail:
[email protected] (Kap. 8, 15) BAUER, Andreas, Dr.-Ing., ALSTOM AG Baden/Schweiz E-mail:
[email protected] (Kap. 34) B ECKER, Bernard, Dr.-Ing. Mülheim/Ruhr (Kap. 26) B ERGER, Christina, Prof. Dr.-Ing. TU Darmstadt E-mail:
[email protected] (Kap. 25) B LANCK, Dieter Siemens AG, Energy Sector Erlangen E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.5) B ÖCKEL, Frank Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 22) B ÖER, Joachim Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.6)
xxv
xxvi
B OHRENKÄMPER, Gerhard Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 38, 39) B OLMS, Hans-Thomas, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 15) B RAUN, Jost, Prof. Dr.-Ing. Hochschule Kempten, Fakultät Maschinenbau E-mail:
[email protected] (Kap. 2) B RUMMEL, Hans-Gerd, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Berlin E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.3, Kap. 36) C ZECH, Norbert, Dr. rer. nat. NCConsulting Dorsten E-mail:
[email protected] (Kap. 24) D EEG, Thomas Seuzach/Schweiz E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.2) D EUKER, Eberhard, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 11) D IBELIUS, Günther, Prof. Dr.-Ing. Aachen (Kap. 6) D ROBNER, Olaf Siemens AG, Energy Sector, Erlangen E-mail:
[email protected] (Kap. 35) E ROGLU, Adnan, Dr.-Ing. ALSTOM AG Baden/Schweiz E-mail:
[email protected] (Kap. 10) F ELDMÜLLER, Andreas, Prof. Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.4)
Autoren
Autoren
F RANK, Stefan, Prof. Dr.-Ing. Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin E-mail:
[email protected] (Kap. 33) G ROTE , Holger, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 23) G RÜNLING, Hermann W., Prof. Dr.-Ing. TU Darmstadt E-mail:
[email protected] (Kap. 25) H ABERBERGER, Georg Siemens AG, Energy Sector Erlangen E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.5) H EILOS, Andreas, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 12) H ELLAT, Jaan, Dr.-Ing. ALSTOM AG Baden/Schweiz E-mail:
[email protected] (Kap. 10, 11, 12, 13) H UTH, Michael, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 12) I NCEOGLU, Ayhan Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 37) JANSSEN, Manfred, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 18) K ARG, Jürgen Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 12) KOLLENBERG, Wolfgang, Prof. Dr. Werkstoffzentrum Rheinbach GmbH E-mail:
[email protected] (Kap. 23)
xxvii
xxviii
KÖLLER, Ulf D., Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 14) KÖNIG, Olaf, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 32) K REBS, Werner, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 10) K ROLL, Wolfgang Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 11) L ECHNER, Christof, Prof. Dr.-Ing. Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg E-mail:
[email protected] (Kap. 32) M ALDFELD, Ekkehard, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Berlin E-mail:
[email protected] (Kap. 19, 20) M ÖNIG, Reinhard, Prof. Dr.-Ing. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Köln E-mail:
[email protected] (Kap. 7) M ÜLLER, Michael, Prof. Dr.-Ing. Hochschule Ulm E-mail:
[email protected] (Kap. 18, 19, 20) PAHL, Andreas Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 35) PASCHMANN, Willi Siemens AG, Energy Sector Berlin E-mail:
[email protected] (Kap. 27, 28)
Autoren
Autoren
R EICHERT, Arnd W., Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 16, 21) R ETTIG, Uwe Siemens AG, Energy Sector München E-mail:
[email protected] (Kap. 23) ROFKA, Stefan ALSTOM AG Baden/Schweiz E-mail:
[email protected] (Kap. 34) ROSSIG -K RUSKA, Frank AZG Consulting München E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.1) S ATTELMAYER, Thomas, Prof. Dr.-Ing. TU München E-mail:
[email protected] (Kap. 9) S CHULTE, Joachim, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 18) S EDLAZEK, Klaus, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Abschn. 5.6) S TEINWACHS, Christopher Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 37) TAUT, Christine, Dr. Qimonda Dresden E-mail:
[email protected] (Kap. 23) VAN DEN T OORN, Bernd Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 14)
xxix
xxx
V ERSTEGE, Stefan M., Dr.-Ing. Gleitlagertechnik Essen GmbH E-mail:
[email protected] (Kap. 22) VOGELER, Konrad, Prof. Dr.-Ing. TU Dresden E-mail:
[email protected] (Kap. 8) WALDINGER, Roger Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 13) WALTKE, Ulrich, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 7) W EGEN, Michael Siemens AG, Energy Sector Berlin E-mail:
[email protected] (Kap. 29) W EIGAND, Bernhard, Prof. Dr.-Ing. TU Stuttgart E-mail:
[email protected] (Kap. 17) W ERNER, Klaus, Dr.-Ing. Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 31) W IEDERMANN, Alexander, Dr.-Ing. MAN Turbomaschinen Oberhausen E-mail:
[email protected] (Kap. 1, 4) W ODITSCHKA, Frank Siemens AG, Energy Sector Mülheim/Ruhr E-mail:
[email protected] (Kap. 33) W UTSDORFF, Peter, Prof. Dr.-Ing. Lorsch E-mail:
[email protected] (Kap. 30)
Autoren
Nomenklatur
Formelzeichen Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
A
m2
A A A A AS
– s mm2 N1 – µm A=cm
6.1.2, 15.5.2 2.3.1 19.2.1.3 19.2.1.1 30.2 5.6.1.2
A5 a a a as aw B
% mm kJ=kg m=s2 m=s kJ=kg T
B B B BA
– – MPa MPa
Bi
–
Querschnittsfläche (Strömungskanal, Schaufelprofil) Rechengröße Kriechfaktor Spannungskonstante Amplitude Ständerstrombelag, Generator-Bemessungsstrom pro cm des Bohrungsumfangs in Luftspaltmitte Bruchdehnung Risstiefe spezifische Schaufelarbeit Schwingbeschleunigung Schallgeschwindigkeit spez. Prozessarbeit Luftspaltinduktion, Anzahl der magnetischen Feldlinien Kriechexponent Spannungskonstante Bezugsspannung der Beanspruchung zeitabhängige Bezugsspannung für Beanspruchung Biotzahl
20.4.1 19.2.1.5 6.1.2 30.1.1 6.2.5 2.1 5.6.1.2 19.2.1.3 19.2.1.1 20.4.1 19.2.1.3 17.5
xxxi
xxxii
Nomenklatur
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
BU
MPa
19.2.1.2
b b C C c
mm N s=m – – m=s
zeitunabhängige Bezugsspannung für Beanspruchung Tragflankenbreite Dämpfungskoeffizient Proportionalitätskonstante Konstante im Paris-Gesetz Absolutgeschwindigkeit
c c cax, i cL cos ' cp
mm N=m m=s N=m – kJ=kg=K
c p cNp cNp; m cR D D D D Da Dh DL d d d da/dN dc ds E E
Risslänge Federsteifigkeit Axialgeschwindigkeit Federsteifigkeit des Lagers Wirkleistungsfaktor spez. Wärmekapazität bei konstantem Druck logarithmisch gemittelt arithmetisch gemittelt
kJ=kmol=K gemittelte molare spezifische isobare Wärmekapazität N=m Federsteifigkeit des Rotors – Lehr’sches Dämpfungsmaß mm Durchmesser – Diffusionsfaktor m Tropfendurchmesser – Damköhlerzahl m hydraulischer Durchmesser mm mittlerer Luftspaltdurchmesser mm Profildicke mm Teilkreisdurchmesser der Verzahnung mm Lagerdurchmesser mm=Ssp Rissfortschrittsgeschwindigkeit m Quenchdistanz mm Schraubendurchmesser kJ=kmol Aktivierungsenergie V elektromotorische Kraft
14.1.1.1 30.3 9.2 19.2.1.5 5.3.1.1, 6.1.2, 7.2 19.2.1.5 30.3 8.4 30.9 5.6.1.3 2.1, 6.1.3 6.1.3 6.1.3, 9.2 9.2 30.9 30.2 6.3.2 7.2 10.2 9.5 17.4 5.6.1.2 7.6 5.2.2.1 22 19.2.1.5 9.9.2 20.4.3.1 9.9.3 5.6.1.1
Nomenklatur
xxxiii
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
E
MPa
Elastizitätsmodul
e eh ei
mm mm –
e0 eth F FB FD FP FQ FR Fs FU f f f f f fb f g Hb Hu HP HP t HP 0 h h
kg m kg m N N N – N N N N Hz mm – – – Hz – m=s2 mm MJ=kg kW kW kW mm kJ=kg
Exzentrizität Schwerpunktabstand von der Drehachse Exponent Berechnung Selbstzündzeit Komponente i konstante Restunwucht thermische Unwucht Lagerlast Betriebskraft Kraft zum Dichten der Teilfuge Kennwert für Beginn des Flatterns Querkraft Reibkraft Schraubenkraft rotierende Fliehkraft Frequenz Wellendurchbiegung Maßstabsfaktor Widerstandsbeiwert Reibungszahl Biegeeigenfrequenz Reibwertkennzahl Erdbeschleunigung Halsbreite (unterer) Heizwert Enthalpiestrom Totalenthalpiestrom Reaktionsenthalpiestrom Höhe des Strömungskanals, Schaufelhöhe spez. Enthalpie
15.5.3, 19, 20.4.1 30.10 30.10 9.9.3
h h0f
µm kJ=kmol
hGO
mm
reaktion
Schmierspalthöhe Bildungsenthalpie der Spezies (Referenzbedingungen) Höhe des Flansches im Oberteil des Gehäuses
30.7 30.7 22.2 20.4.3.1 20.4.3.1 8.5 30.6.3 22.2 20.4.3.1 30.3 5.6.1.1 30.10 32.1 17.4 22.2 8.5 22.2.2 6.1.3 14.1.1.1 2.1, 9.2 9.2 9.2 9.2 15.5.2 2.1, 6.1.2 22 9.2 20.4.3.1
xxxiv
Nomenklatur
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
ht htot
mm kJ=kg
Halstiefe spez. (absolute) Totalenthalpie
hv, H2 O Imax In Iph i i
kJ=kg mm4 A A Grad –
j j K K Kc KIc
kJ=kg – – – – MPa m0:5
Verdampfungsenthalpie Wasser maximales Flächenträgheitsmoment Bemessungsstrom (Effektivwert) Phasenstrom, Strangstrom (Effektivwert) Inzidenz- oder Falschanströmungswinkel Summationsindex Brennstoff & Luft bzw. Heißgas spez. Dissipation Summationsindex eingedüste Inertstoffe Proportionalitätsfaktor Korrekturfaktor für Thermospannungen aktuelle Bruchzähigkeit Bruchzähigkeit des Modus I
14.1.1.1 6.1.3, 8.1 9.2 14.1.1.1 5.6.1.3 5.6.1.3 7.6 9.9.3
KIid KIid K
MPa m0:5 MPa m0:5 MPa m0:5
Kth k k LL Lm Ll Ls l l l lax lh li lmin ls M M M
MPa m0:5 – 1=mm mm MPa MPa MPa mm – mm mm mm mm kmol=kg mm Nm kg=kmol –
ideelle elastische Spannungsintensität Kriechrissbruchzähigkeit Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors Schwellwert für Rissausbreitung Korrekturfaktor zur Fehlstellenbewertung Stromlinienkrümmung aktive Luftspaltlänge Mittlere Spannung oder Membranspannung Lokale Spannung oder Biegespannung Spitzenspannung Sehnenlänge bei 70% Schaufelhöhe Exponent Berechnung Selbstzündzeit Länge axiale Gitterbreite Länge der Dehnhülse beliebige Abmessung Mindestluftmenge Länge des Schraubenschafts Drehmoment Molmasse Ausblaserate
6.1.3 9.2 6.3.3 20.4.1 19.2.1.5 19.2.1.5, 25.6 19.2.1.5 19.2.1.5 19.2.1.5 19.2.1.5 19.2.1.5 8.4 5.6.1.2 19.2.1.2 19.2.1.2 19.2.1.2 8.5 9.2 20.4.3.1 8.5 20.4.3.1 32.1 9.2 20.4.3.1 6.1.2 9.2 17.1
Nomenklatur
xxxv
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
Ma MR Mst
– Nm Nm
6, 32 22.1 6.1.2
Mu m m m m m m P
kg m2 – mm – – – kg=s
Machzahl Reibmoment Drehmoment durch Reibung an feststehenden Wänden Unwuchtmoment konstante Rechengröße Verzahnungsmodul Gitter-Enthalpie-Kenngröße Exponent Berechnung Selbstzündzeit Masse Massenstrom
m PK mk m1 m2 m N N n n nB n n n1;::: ;n nP omin OPT Nu P
kg=s – – – – – – – 1=min 1=min – – 1=min kmol=s kmol=kg K – W
Massenstrom der Kühlluft Kompensationsmasse Berechnungsgröße Berechnungsgröße Gitter-Verlust-Kenngröße Polytropenexponent Zyklenzahl Gitter-Durchfluss-Kenngröße Drehzahl Betriebsdrehzahl Exponent Berechnung Selbstzündzeit Rissfortschrittsexponent Resonanzdrehzahl Molenstrom Mindestsauerstoffmenge oberste Prozesstemperatur Nusseltzahl Leistung
Pr PW p p
– W – Pa
Prandtlzahl Wirkleistung (Wechselstrom) Läufer-Polpaarzahl Druck
pN pQ
Pa Pa
Flächenpressung Druckschwankung
30.10 2.3.1 5.2.2.1 6.2.5 9.9.3 30.10 2.1, 6.1.1, 7.4, 9.2 17.5 30.10 19.2.1.1 19.2.1.1 6.2.5 6.4.1 19.2.1.5 6.2.5 5.6.1.1 30.2 9.2 19.2.1.5 30.2 9.2 9.2 2.3.3 17.1 2.1, 6.1.2 17.4 5.6.1.3 5.6.1.1 2.1, 9.9.3 30.9 9.9.1
xxxvi
Nomenklatur
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
Q QP
Var W
Blindleistung Wärmestrom
00 QP Verbrennung kW=m3 QP wü kW
5.6.1.3 2.1, 6.1.2 9.9.1 9.9.1
QP zu q R R R1 R2 Re RI RK
9.2 6.1.3 2.1 17.4 14.1.1.1 14.1.1.1 32.1.1 9.9.1 19.2.1.5
Rm; 100 000 h Rm Rm Rm t Rp0;2
volumetrische Wärmefreisetzung Wärmeströme Brennkammer – andere Bauteile kW zugeführter Wärmestrom kJ=kg spezifischer Wärmestrom kJ=kg=K spezifische Gaskonstante – Rauigkeitsfunktion mm Nutradius mm Übergangsradius – Reynoldszahl Rayleigh-Index kJ=m3 – Spannungsintensitätsverhältnis zur Kriechrissbewertung MPa Zeitstandfestigkeit für 100 000 Stunden kJ=kmol=K universelle Gaskonstante MPa Zugfestigkeit MPa temperaturabhängige Zeitstandfestigkeit MPa 0,2% Dehngrenze
Rp10; 105 h rk S S
MPa mm VA –
SP So s s
W=K – kJ=kg mm
s sin ' sl sR st
mm – m=s – m=s
20.4.1 9.9.3 20.4.1 19.2.1.5 19.1, 14.1.1.1, 20 1,0% Zeitdehngrenze für 100 000 Stunden 19.2.1.3 Krümmungsradius der Meridianstromlinie 8.4 Scheinleistung 5.6.1.2 Sicherheitsfaktor für Beanspruchung 19.2.1.5, 20.4.1 Entropiestrom 6.1.3 Sommerfeldzahl 30.9 spez. Entropie 2.1 Profil-Sehnenlänge 6.2.5, 7.2 Schwingweg 30.1.1 p 2 Blindleistungsfaktor (sin ' D 1 cos ') 5.6.1.3 laminare Brenngeschwindigkeit 9.5 bezogene Spannung 19.2.1.5 turbulente Brenngeschwindigkeit 9.5
Nomenklatur
xxxvii
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
T
K
Temperatur
TAT TIT Tu Tü
K K – °C
Turbinenaustrittstemperatur Turbineneintrittstemperatur Turbulenzgrad Überschneidungstemperatur
t
–
Teilung
t
s
Zeit
U UM K Us Ud U Un Uph u u
kg m m kg m kg m V V V mm m=s
Unwucht benetzter Umfang statische Unwucht dynamische Unwucht Gleichspannungsanteil Bemessungsspannung (Effektivwert) Phasenspannung, Strangspannung Verschiebung Umfangsgeschwindigkeit
u u ur V V1 VP v
m=s V mm m3 – m3 =s m3 =kg
Geschwindigkeit Sensorspannung Radialverschiebung Volumen Vergrößerungsfunktion Volumenstrom spez. Volumen
v W w
m=s MJ=m3 m=s
Schwinggeschwindigkeit Wobbeindex Relativgeschwindigkeit
wab
m=s
x;y;z x xP
m mm mm=s
Abströmgeschwindigkeit bei 75% Blatthöhe Raumkoordinaten x-Koordinate Geschwindigkeit in x-Richtung
2.1, 9.2, 17.1, 19.2.1.1 2.1.4 2.1.6 9, 17.1 19.2.1.3, 20.4.1 6.2.5, 7.2 9.5, 30.1 30.3 17.5 30.10 30.10 30.1.1 5.6.1.3 5.6.1.3 20.4.1 6.1.2, 7.2 9 30.1.1 19.2.1.1 9.9.1 30.2 34 2.1, 6.1.3 30.1.1 11.2.1 6.2.1, 7.2 8.5 9.9.1 30.3 30.3
xxxviii
Nomenklatur
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
Y
–
19.2.1.5
yP y y Z z z ˛
mm=s mm kJ=kg – m – Grad
˛
1=K
Geometriefaktor des bruchmechanischen Ersatzmodells Geschwindigkeit in y-Richtung y-Koordinate spez. Strömungsarbeit Berechnungsgröße geodätische Höhe Zähnezahl Strömungswinkel der Absolutgeschwindigkeit Temperaturausdehnungskoeffizient („Wärmeausdehnungskoeffizient“)
˛ ˛ ˛FL
m=N W=m2 K 1=K
˛k ˇ
– Grad
ˇ Q ı " "
– Grad – – Grad – –
" " "P "f ad combi
Grad – 1=s – – kg=ms – – –
Q
–
Lagernachgiebigkeit Wärmeübergangskoeffizient Wärmeausdehnungskoeffizient des Schraubenwerkstoffs Formzahl für Kerbwirkung Strömungswinkel der Relativgeschwindigkeit bezogener Dämpfungskoeffizient Staffelungswinkel Molenbruch bezogene Federsteifigkeit Minderumlenkung Rechengröße Dehnung Neigungswinkel der Meridian-Stromlinie Kühlungseffektivität Dehnungsgeschwindigkeit Duktilitätskoeffizient Wirkungsgrad dynamische Viskosität von Schmieröl Kühlungseffizienz adiabate Filmkühleffektivität Wirkungsgrad des kombinierten Gas- und Dampfkraftwerks Wirkungsgrad der Wärmeausnutzung
30.3 6.2.5 6.1.3 19.2.1.1 6.1.2 5.2.2.1 6.3.3 15.5.3, 19.2.1.1, 20.4.1 30.2 17.1 20.4.3.1 19.4 6.3.3, 7.2 22.2.3 17.2 9.2 22.2.3 7.6 8.4 19.2.1.1, 20.4.3.1 8.4 17.5 19.2.1.3 19 2.1 30.9 17.5 17.1 4.2 2.3.1
Nomenklatur
xxxix
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
single th th; 0
– – – –
Wirkungsgrad der Gasturbine thermischer Wirkungsgrad thermischer Wirkungsgrad, Bezugsfall Isentropenexponent
W=m K – kg=ms – –
– –
Wärmeleitfähigkeit Luftzahl dynamische Viskosität mechanischer Reibungsbeiwert Verhältnis von Lagersteifigkeit zu Wellensteifigkeit Polytropenverhältnis Querkontraktionszahl
4.2 2.1 2.3.1 2.2.2, 6.4.1 20 9.2 6.2.5 22.2 30.9
mm2 =s – – kg=m3
kinematische Viskosität Massenbruch Druckverhältnis Dichte
h
–
Enthalpie-Reaktionsgrad
p
–
B
F
g
n
v
W
– N=m2 MPa N=m2 MPa MPa N=m2 N=m2 MPa Grad
'
Wb –
Reaktionsgrad, basierend auf statischen Drücken Solidity Spannung Belastungsspannung Fliehkraftspannung Plastische Grenzlast Nettospannung im Fernfeld Spannung aus Vorspannkraft der Schraube Wärmespannung Schwingbreite der Spannung Öffnungswinkel der Tragflanken (Schaufelfuß) magnetischer Fluss Durchflusskenngröße
–
Enthalpiekenngröße
h
6.1.3 20, 19.2.1.1 21 9.2 2.2.3 6.1.2, 19.2.1.1 6.3.2, 8.3 8.3 7.2 20.4.1 19.2.1.5 15.5.2 19.2.1.5 19.2.1.5 20.4.3.1 15.5.3 19.2.1 14.1.1.1 5.6.1.1 6.3.2, 7.2 6.3.2, 7.2
xl
Nomenklatur
Symbol
Einheit
Bezeichnung
Abschnitt
˝ ! !
– – 1=s – s1
Druckkenngröße relatives Lagerspiel Betriebskreisfrequenz Verlustbeiwert Winkelgeschwindigkeit
Œ
mol=cm3
Spezieskonzentration
6.3.2 22, 30.9 30.1.1 7.6 6.1.2, 7.6, 19.2.1.1 9.9.3
y
Tiefgestellte Indizes
1 0 0 1 1 1 2 3 4 5 6 A ab ab Ael acc an Apl aus aus ax B Basis Br b br c
Bezeichnung
Abschnitt
Umgebung Anfangszustand Turbinen-Leitgitter-Eintritt Laufgitter-Eintritt Ende Kompression Beginn Kompression Laufgitter-Austritt Beginn Expansion Ende Expansion Ende der Zwischenerhitzung, Beginn der 2. Expansion Ende der 2. Expansion (Zwischenerhitzung) Austrittsgehäuse/-diffusor Abfahren abgeführt elastischer Anteil der Dehnungsamplitude akkumuliert Anfahren plastischer Anteil der Dehnungsamplitude Austrittsaustretender Stoffstrom axial Bezug Basisfall Brennstoff Schwingfestigkeitsexponent Brennstoff kritisch
34 9.2 8.1 2, 8.1 2.1 2.1 2 2.1 2.1 2.4.1 2.4.1 6.4.2 19.2.1 2.1 19 19.2.1.3 19.2.1.3 19 2.1 9.2 20.4.1.1 6.4.3 2.3.2 2.1 19 9.2 19.2.1.5
Nomenklatur
xli
Bezeichnung
Abschnitt
Diff DS DT D Dyn E Ein ein f f GT i
Diffusor Druckseite Dampfturbine dynamisch dynamisch Eintrittsgehäuse Eintrittseintretender Stoffstrom Fliehkraftkomponente schwingend Gasturbine innen
i i inert irr j Kombi l lokal M M m m max mech mix net O p p
Lastfall Laufparameter inerter Stoff irreversibel Zählvariable kombinierter Gas- und Dampfprozess lokal an einer festen Raumkoordinate Maschine Modell meridionalMittelwert maximal mechanisch MischungsNetto Original-Ausführung polytrop bei konstantem Druck, infolge des Drucks
pp r
Spitze-Spitze radial
red rel res rev S SS
relativ relativ Resonanz reversibel Spitzenwert Saugseite
5.3.1.1 8.6 2.3.4 30.10 5.3.1.1 6.4.2 2.1 9.2 19.2.1.1 19 2.3.4 19.2.1.1, 20 19.2.1.5 2.1 9.2 6.1.3 19.2.1.5 2.3.4 19.2.1.2 9.9.1 6.4.2 32.1.1 6.1.2 19.2.1.2 20.4.1.2 2.3.1 2.1 2.1 32.1.1 2.1 6.1.3, 20.4.1 30.1.1 19.2.1.1, 20.4.1 7.4 7.5 30.2 6.1.3 19.2.1.2 6
xlii
Nomenklatur
Bezeichnung
Abschnitt
St
Stufen-
s s st stat swb sz T
isentrop Schraube stationär, starr statisch Schwingbreite Selbstzündung bei konstanter Temperatur, infolge Temperatur
T T t th tot u V v wü z zu zul '
Turbine Temperaturkomponente Totalzustand thermisch total UmfangsVerdichter Verlust aus Wärmeübertragung zusätzliche Fliehkraftkomponente zugeführt zulässig tangential, in Umfangsrichtung
6.4.2, 30.9 2.1 20.4.3.1 30.9 5.3.1.1 19.2.1.2 9.9.3 6.1.3, 20.4.1 2.1 19.2.1.1 9.2 2.1 6.1.2 6.1.2 2.1 2.3.1 9.2 19.2.1.1 2.1, 9.2 19.2.1.3 20.4.1, 19.2.1.1
Hochgestellte Indizes
0 0 00 0 ref
Bezeichnung
Abschnitt
Leitrad zyklisch Laufrad Normzustand Referenzzustand
6.2.1 19 6.2.1 9.2 9.2
Operatoren /
Delta-/Differenz definitionsgemäß gleich proportional ungefähr gleich
Nomenklatur
Abkürzungen ASME CDA DCA EPBM FATT FEM GG GGG GS HCF KSR LCF LEBM MCA OPT TAT TET US WEFG WEZ ZTU
American Society for Mechanical Engineers Controlled Diffusion Airfoil Double Circular Arc (Doppelkreisbogen-Profil) Elastisch-plastische Bruchmechanik Fracture Appearance Transition Temperature Finite-Elemente-Methode Gusseisen mit Lamellengraphit Gusseisen mit globularem Graphit Stahlguss High Cycle Fatigue (Dauerfestigkeit) Kreisscheibenreflektor Low Cycle Fatigue (Kurzzeitermüdung) Linear elastische Bruchmechanik Multi Circular Arc (Mehrkreisbogen-Profil) Oberste Prozesstemperatur Turbinenaustrittstemperatur Turbineneintrittstemperatur Ultraschall Wahre Ersatzfehlergröße Wärmeeinflusszone Zeit-Temperatur-Umwandlung
xliii
Kapitel 1
Gasturbinentypen – eine Übersicht Alexander Wiedermann
Stationäre Gasturbinen sind kontinuierlich durchströmte ortsfeste Antriebsmaschinen mit hohen Leistungsdichten, die im Vergleich zu Abmessungen und Gewicht einen großen Energiebetrag umsetzen. Der Leistungsbereich umfasst die Spanne von nur wenigen Kilowatt für Mikrogasturbinen, z. B. in einer dezentralisierten Versorgungseinrichtung bis hin zu Leistungen von mehr als 250 MW als Bestandteil von kombinierten Gas- und Dampfturbinenprozessen, wie sie in modernen Kombikraftwerken genutzt werden. Die hohe Leistungsdichte der Gasturbinen qualifiziert sie in besonderem Maße für den Einsatz in kombinierten Prozessen, deren thermischer Wirkungsgrad in neuesten Anlagen die 60%-Marke übersteigen wird, wie die in Irsching/Deutschland in Probebetrieb genommene neue GuD-Anlage mit einer Gasturbine der neuesten H-Technologie beweisen wird [1.1]. Gerade im Hinblick auf die drohende Ressourcenknappheit und die Klimadiskussion sind solche und andere Projekte in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Die Technologieentwicklung der Komponenten von stationären Gasturbinen ist neben der weiteren Erhöhung der Effizienz, die ein wesentlicher Beitrag zur Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit ist, getrieben von der Verbesserung schadstoffarmer Verbrennungssysteme und der Reduktion sowie Abspaltung des für die globale Klimaerwärmung als schädlich identifizierten Gases Kohlendioxid. Die vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) ins Leben gerufene Initiative COORETEC (CO2 -ReduktionsTechnologien, [1.2]) spiegelt sich in den Zielsetzungen öffentlich geförderter Projekte zur Weiterentwicklung der Komponenten Kompressor, Brennkammer und Turbine wider [1.3]. Dabei kommt dem kombinierten Prozess von Gas- und Dampfturbinen eine Schlüsselrolle zu, da durch die Verwendung der Abgaswärme aus dem Gasturbinenprozess zur Erhitzung des Dampfes eine besonders gute Ausnutzung der eingesetzten Energieträger erzielt wird. Auch die nachrückenden Märkte in Asien verstärken den Aufwärtstrend der Gasturbine [1.4]. So sind im Jahr 2007 die Bestellungen von stationären Gasturbinen aller Leistungsklassen über 1,0 MW um 10% auf 916 Einheiten im Jahr angestiegen, was eine Erhöhung der erzeugten Leistung um 39% auf einen Wert von 58 GW C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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A. Wiedermann
bedeutet. Aufgeteilt auf die Leistungsklassen mit den größten Wachstumsraten entspricht dies einem Anstieg von 37% für 5 bis 7,5 MW, 288% für 60 bis 120 MW und 60% für Leistungen von mehr als 180 MW [1.5]. Für den Zeitraum von 2008 bis 2010 wird die Zahl der jährlich neu gebauten Einheiten auf 1100 bis 1200 prognostiziert [1.4]. Auf der Basis der neuesten Statistik erhöhte sich die Zahl der Neubauten im Jahr 2008 auf 1054, während bedingt durch die Wirtschaftskrise 2009 nur noch 740 Bestellungen aufgegeben wurden [1.6]. Aufgrund der kompakten Bauweise der Gasturbinen und ihrer Leistungsdichten sind Gasturbinen zum Antrieb von Transportgeräten hervorragend geeignet. Neben ihrem Einsatz für den Antrieb von Landfahrzeugen und Schiffen ist ihr Anteil bei den Flugtriebwerken vorherrschend und demzufolge der technologische Entwicklungsstand hier außerordentlich fortgeschritten. Prinzipiell besitzen solche Fahrund Flugzeugtriebwerke ähnliche Komponenten wie die in diesem Buch behandelten stationären Gasturbinen zur Energieerzeugung und zum Antrieb von Arbeitsmaschinen: Verdichter, Brennkammer und Turbine, deren Auslegungskriterien trotz der unterschiedlichen Anwendungen zahlreiche Parallelen aufweisen. Die zweckgebundene Ausnutzung der vom thermodynamischen Kreisprozess zur Verfügung gestellten und nicht für den Antrieb des Verdichters erforderlichen Restenergie und auch die Unterschiede des Belastungsprofils verbieten allerdings eine direkte Übernahme der Auslegungsverfahren von Triebwerkskomponenten für stationäre Gasturbinenanlagen. So ist im Gegensatz zu Flugtriebwerken nicht hohe Schubkraft bei geringem Kraftstoffverbrauch ausschlaggebend, sondern die Erzeugung eines exergiereichen Verbrennungsgemisches, das in einer Turbine auf den Umgebungsdruck entspannt wird und dabei unter optimaler Ausnutzung des thermodynamischen Kreisprozesses Wellenleistung erzeugt. Nicht zuletzt die hohen Anforderungen an die Lebensdauer insbesondere der thermisch und mechanisch belasteten Bauteile führen zwangsläufig zu einer robusteren Ausführung der stationären Industriegasturbinen, die man häufig auch als Heavy-Duty- oder Industriegasturbinen in Schwerbauweise bezeichnet. Dennoch ist es zur weiteren Erhöhung der Leistungsdichte von stationären Gasturbinen anzustreben, die hochentwickelte Technologie der Flugtriebwerksauslegung zur Lösung von Detailaufgaben gezielt und geeignet modifiziert zu übernehmen und mit den spezifischen Lastanforderungen stationärer Gasturbinenanlagen zu verknüpfen.
1.1 Betriebsarten und Gasturbinentypen Aufgrund der Einsatzbreite von Gasturbinen haben sich in der Vergangenheit unterschiedliche Anforderungsprofile für die Auslegung ergeben, die das äußere Erscheinungsbild einer Gasturbinenanlage prägten. So spielt die Gewichtseinsparung bei stationären Gasturbinen gegenüber den Flugtriebwerken nur eine untergeordnete Rolle, so dass die Schwerbauweise vorherrschend ist, um den robusten Anforderungen des Betriebes der stationären Gasturbinen gerecht zu werden. Auch die klassischen Belastungszyklen von Flugtriebwerken, die in Anlehnung an den Betrieb der Flugzeuge zahlreiche Hochfahrläufe, Laständerungen und Abschaltungen im
1 Gasturbinentypen – eine Übersicht
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Vergleich zur Länge der stationären Betriebsphase benötigen erfordert eine Leichtbauweise mit dünnen Gehäusen und Wellenscheiben, die schnell und gleichmäßig durchwärmt werden können, so dass die in der Luftfahrt geforderten wendigen Manöver ermöglicht werden. Im Gegensatz hierzu werden stationäre Gasturbinen in der Energieerzeugung über lange Intervalle auf Volllast betrieben ohne andauernd hoch- und abgefahren zu werden [1.7]. Da auch die Wartungsintervalle von stationären Gasturbinen bezogen auf die äquivalente Betriebszeit, zusammengesetzt aus der tatsächlichen Betriebszeit und den An- und Abfahrzyklen, die jeweils in äquivalente Betriebsstunden umgerechnet werden, von stationären Gasturbinen um etwa eine Ordnung größer sein müssen, begünstigt die Schwerbauweise den sicheren Betrieb und die lange Lebenszeit aller Bauteile. Die Betriebsart der Gasturbinen ist je nach Wellenleistung und Anwendung unterschiedlich. Bei Leistungen von bis zu 250 kW spricht man von Mikrogasturbinen mit radialen Kompressoren und Turbinen. Diese sind aus einem vom amerikanischen Energieministerium (Department of Energy = DoE) geförderten Projektes zu Beginn der neunziger Jahre hervorgegangen und erhielten als Ergänzungsanlagen (range extenders) zu dieser Zeit eine weit überzogene Markteinschätzung [1.8]. Als dezentralisierte Anlagen für die Energieerzeugung in Bürogebäuden bis hin zum privaten Haushaltsbereich schätzte man das Marktvolumen auf 50 000 Einheiten pro Jahr. Wegen der Probleme schlechter Wirkungsgrade und aufgrund politischer Randbedingungen stabilisierte sich die Stückzahl bei etwa 1000 Einheiten pro Jahr. In Kombination mit der Brennstoffzellentechnologie dürften den Mikrogasturbinen auch in Zukunft stabile Marktaussichten beschieden sein. Gasturbinen bis zu einer Leistungsklasse von ca. 25 MW stehen in Konkurrenz zu Gas- und Dieselmotoren, die im Gegensatz zur Gasturbine zu den atmenden Maschinen gehören (Kolbenmaschinen) [1.5]. Dieselmaschinen werden bis zu Leistungen im zwei- bis hin zum dreistelligen Megawatt-Bereich gebaut, während mit Erdgas befeuerte Gasmotoren vorwiegend im einstelligen Megawatt-Bereich vorherrschend sind. Diese zur Klasse der Kolbenmaschinen zählende Bauart zeichnet sich durch hohe Flexibilität in Bezug auf den Kraftstoff aus und erreicht die für diese kleine Leistungsklasse äußerst hohen thermodynamischen Wirkungsgrade von bis zu 38%. Gasturbinen verfügen dagegen über eine wesentlich größere Leistungsdichte und haben den Vorteil geringerer Baugröße und Gewicht. Auch hinsichtlich der Wartungskosten stehen Gasturbinen aufgrund der stetigen Rotation der beweglichen Teile um eine Achse im Vorteil gegenüber der komplexeren Kinematik und Kraftübertragung von Kolbenantrieben und den damit verbundenen schwellenden Belastungszyklen. Gasturbinen haben hinsichtlich des Schadstoffausstoßes durch die Entwicklung emissionsarmer Verbrennungssysteme bis hin zum Einsatz von modernen Katalysatoren in den kleinen Leistungsklassen gegenüber den Gasmotoren stark aufgeholt [1.9]. Neben den in Dauerlast betriebenen Gasturbinen zumeist der größeren Leistungsklassen gibt es auch unter den stationären Gasturbinen Ausnahmen in der Betriebsweise. Hierzu gehören Gasturbinen mittlerer Größe bis zu einer Leistungsklasse von 25 MW zur Abdeckung von Spitzenlasten, sog. Peaker, die schnell hochgefahren werden müssen, um Stromspitzen – z. B. in den frühen Abendstunden – abde-
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A. Wiedermann
Abb. 1-1 Zweiwellige stationäre Gasturbine in Schwerbauweise für den Antrieb eines Kompressors oder Generators
cken zu können. Hier bewähren sich die direkt aus den Flugtriebwerken abgeleiteten Aeroderivate, die im Kap. 4 angesprochen werden sollen. Gasturbinen in der Leistungsklasse unterhalb von 25 MW werden nur in den oben erwähnten Ausnahmefällen im einfachen Kreisprozess betrieben. In der Regel findet eine Kraft-Wärme-Kopplung statt, die aufgrund der Nutzung der Abhitze den thermodynamischen Wirkungsgrad der Anlage erhöht. Einige Gasturbinen in dieser Leistungsklasse werden auch mit Rekuperatoren ausgeführt, in denen mit der Abgaswärme eine Vorwärmung der verdichteten Luft vor Eintritt in die Brennkammer vorgenommen wird. Gasturbinen im Rekuperatorbetrieb rechnen sich thermodynamisch nur bei niedrigen Druckverhältnissen, die im Idealfall unter 10 liegen. Im Rahmen des vom amerikanischen DoE (Department of Energy) geförderten Projektes „Advanced Turbine Systems (ATS)“ entwickelte die Firma Solar Turbines eine kompakte rekuperierte Gasturbine der 5-MW-Klasse [1.10, 1.11]. Die lange Zeit der Markteinführung dieser Gasturbine unterstreicht die hohen anlagenspezifischen Schwierigkeiten von Gasturbinenanlagen mit Rekuperatoren. Zukunftsweisende Anwendungen solcher Gasturbinen sind u. a. in konzipierten Solarkraftwerken der neuesten Generation zu sehen. Neben dem Einsatz in der öffentlichen Energieversorgung übernehmen Gasturbinen im Leistungssegment bis etwa 25–30 MW auch die Aufgabe, Arbeitsmaschinen wie Kompressoren oder Pumpen anzutreiben (Mechanical Drive), [1.4, 1.5]. Solche
1 Gasturbinentypen – eine Übersicht
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Abb. 1-2 Montage eines Kompressorstranges mit einer Gasturbine in Schwerbauweise
Anwendungen finden sich in der Öl- und Gasindustrie in allen Phasen von der Förderung, Aufbereitung bis zum Transport in Pipelines, sowie in der Prozessindustrie und zur industriellen Energieerzeugung, bei der auch industriell genutzte Prozesswärme erzeugt wird. Da im Gegensatz zu den Gasturbinen als Generatorantrieb sehr große Last- und Drehzahlbereiche abgedeckt werden müssen, sind sie i. Allg. mehrwellig ausgeführt und bestehen typischerweise aus einem Gasgenerator und einer mechanisch entkoppelten Nutzleistungsturbine, die aufgrund dieser Entkoppelung von der Hochdruckturbine einen weiten Drehzahlbereich bei annähernd konstanter Leistung und Effizienz überdecken kann. Die meisten Gasturbinen für mechanische Antriebe liegen im Leistungsbereich bis zu 30 MW. Für eine LNG-Anlage in Qatar wurde 2006 die zur Zeit weltgrößte Gasturbine für den Antrieb eines LNG-Stranges ausgeliefert, die von einer einwelligen Frame 9 E Gasturbine von General Electric angetrieben wird und eine mechanische Antriebsleistung von 129 MW hat. Für mechanische Antriebe bieten sich ebenfalls Aeroderivate mit eigens entwickelten freien Nutzleistungsturbinen an, da sie aufgrund der direkten Ableitung von Flugtriebwerken über hohe Wirkungsgrade und große Flexibilität bei schnellen Lastwechseln verfügen. In vielen Anwendungen wird aber ein langer robuster Betrieb gefordert, den die relativ dünnwandig und kompakt ausgeführten Aeroderivate nicht erfüllen können, da Verdichter- und Pumpstationen zur Beförderung von Öl und Gas in extrem peripheren Gebieten oder in extrem korrosiver Umgebung wie etwa auf einer Ölplattform im Off-shore-Betrieb eingesetzt werden. Solche mehrwelligen stationären Gasturbinen sind speziell für diese Einsatzbereiche in Schwerbauweise entwickelt worden. Abbildung 1-1 zeigt eine für den mechanischen Antrieb von Arbeitsturbinen konzipierte Gasturbine der 11-MW-Klasse. Ge-
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genüber einer einwellig ausgeführten Gasturbine in der Energieerzeugung muss die Leistung wegen der freien Nutzleistungsturbine direkt auf der Abgasseite abgenommen werden. Eine solche in der sog. Hot-end-drive-Anordnung ausgeführte Gasturbine lässt nur wenig Raum für den Abgasdiffusor, da die Abtriebswelle aufgrund rotordynamischer Kriterien nicht zu lang ausgeführt werden darf. Wegen der radialen Umlenkung im Abgasgehäuse ist eine verlustoptimierte Auslegung nur mit größerem Aufwand zu realisieren. Im Gegensatz dazu erlaubt die bei einwelligen Gasturbinen der Energieerzeugung bevorzugte Anordnung der Kupplung auf der kalten Kompressorseite (cold end drive) die weniger risikobehaftete Ausführung eines langen axialsymmetrischen Diffusors. Auffällig ist die Anordnung von zwei Brennkammern in Silobauform, die leichte Zugänglichkeit und somit Verringerung der Wartungskosten bedeutet. Abbildung 1-2 zeigt die gesamte Gasturbinenanlage mit dem angetriebenen Kompressor für eine Anwendung als Pipelinestation in der Endmontage.
1.2 Zur Entwicklung der Gasturbine Obwohl die Anfänge der Geschichte von Industriegasturbinen bereits in das 19. Jahrhundert zurückreichen, sind sie erst dank der forcierten Entwicklung der Auslegungsverfahren für thermische Turbomaschinen im Rahmen der viel später einsetzenden Strahltriebwerksforschung gegenüber Dampfturbinen und anderen kolbenbetriebenen Antriebsmaschinen konkurrenzfähig geworden. Die Entwicklung der Gasturbine nimmt im ausgehenden 19. Jahrhundert ihren Anfang, als das Prinzip der Gasturbine durch F. Stolze erstmals im Jahre 1873 als Patent eingereicht, aber erst 1897 zur Patentanmeldung gelangte. Die in Abb. 1-3 gezeigte Prinzipskizze, die dieser Patentschrift beigefügt wurde, zeigt bereits die wesentlichen Konstruktionselemente moderner Gasturbinen: ein axial ausgeführter mehrstufiger Kompressor, eine außen liegende Brennkammer, in die zur Leistungserhöhung Dampf eingespritzt werden kann, sowie eine axial ausgeführte mehrstufige Turbine. Eine entsprechende Maschine mit einer Leistung von 200 PS wurde von ihm sofort nach Patenterteilung gebaut und 1904 in Weißensee bei Berlin fertig gestellt. Diese Anlage wurde mit einem Druckverhältnis von 2,5 und einer Turbineneintrittstemperatur von 400 °C ausgelegt. Aufgrund schlechter Komponentenwirkungsgrade konnte sie allerdings keine Nutzleistung erzielen. Bereits in den Jahren 1905/06 wurde in Paris eines der ersten stromproduzierenden Gasturbinenkraftwerke von R. Armengoud und C. Lemale gebaut. Trotz des Einsatzes eines 25-stufigen Radialverdichters mit 2 Zwischenkühlern, einer einstufigen Rateau-Turbine und einer Vorläufervariante der Dampfeinspritzung in die Brennkammer (steam injection) dürfte der Gasturbinenwirkungsgrad zwischen 2 und 3% gelegen haben bei einer Stromproduktion von etwa 6–10 kW [1.13]. In den zwanziger Jahren wurden im Mittel thermische Wirkungsgrade um 10 bis 15% erreicht bei Druckverhältnissen der Kompressoren von 4 bis 5 und Turbineneintrittstemperaturen um 550–750 °C, aber die Energieausbeute früher Gasturbinen war immer noch im Vergleich zu anderen Energieerzeugungsanlagen zu gering, um eine
1 Gasturbinentypen – eine Übersicht
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Abb. 1-3 Prinzipskizze der ersten konzipierten Gasturbine aus der Patentschrift von Stolze (1897) [1.12]
wesentliche Rolle zu spielen. Im Besonderen krankte die Entwicklung der Gasturbine am Fehlen leistungsfähiger Axialverdichter mit hohen Druckverhältnissen und gleichzeitig großem Schluckvermögen. Der Einzug der Gasturbine in den Flugtriebwerksbau wurde in den dreißiger Jahren unabhängig vom Briten F. Whittle (erstes Patent 1930, Erprobung 1937) und dem Deutschen H. J. von Ohain (Patent 1935, Erprobung 1937) vorbereitet. Dazu bewirkte der Vorschlag von W. Bauersfeld im Jahre 1922, die Tragflügeltheorie auch für die Entwicklung der Turbomaschinenbeschaufelung anzuwenden, starke Impulse insbesondere auf die Verdichterentwicklung, die zur Verbesserung der Turbotriebwerke in nationalen Großforschungseinrichtungen forciert wurde. Die rapide Verbesserung der experimentellen und theoretischen Verfahren zur Auslegung der Beschaufelung von Turbomaschinen für die Flugtriebwerksauslegung wirkte sich allmählich auch auf die Entwicklung der Industriegasturbine aus. Es waren aber gerade die letzten Jahrzehnte, in denen die Weiterentwicklung der stationären Gasturbinen durch die Adaption des hohen Entwicklungsstandes in der Flugtriebwerkstechnik befruchtet wurde und die thermischen Wirkungsgrade der Industriegasturbine schließlich von unattraktiven Werten um 15% auf über 30% im offenen Prozess gesteigert werden konnten [1.14]. Abbildung 1-4 zeigt die Wärmeverbräuche definiert als kJ Heizwert pro kWh Leistungsabgabe für Gasturbinen mit mäßig hoher
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A. Wiedermann
Kraftwerkstypen 14000
Wärmeverbrauch kJ/kWh
12000 10000 8000 6000 4000 2000 0
konv. GT (1980)
Dampfkraftwerk
Mod. Heavy-Duty-GT
Mod. Aeroderivat
Kombikraftwerk
Abb. 1-4 Vergleich des Wärmeverbrauchs unterschiedlicher Prozesstypen
Turbineneintrittstemperatur im einfachen Zyklus, einer Industriegasturbine moderner Bauart, einer dem Flugtriebwerk abgeleiteten Gasturbine (Aeroderivat) und einer einwelligen Gasturbine neuerer Bauart im GuD-Verband im Vergleich zum konventionellen Dampfkraftwerk. Es ist offensichtlich, dass mit einer Koppelung der Gas- und Dampfturbinenzyklen in einem GuD-Kraftwerk eine beeindruckend hohe Nutzleistungsausbeute erzielt werden kann, die zur sparsamen Verwendung fossiler Brennstoffe bei gleichzeitiger Verringerung der Umweltbelastung durch Schadstoffemission im öffentlichen Interesse steht, was sich in nationalen Förderprogrammen niederschlägt [1.2, 1.3]. Im Wesentlichen trägt die gezielte Verbesserung der Komponenten Verdichter, Brennkammer und Turbine zur weiteren Erhöhung der Gesamtwirkungsgrade und Reduzierung der Baugröße bei, wie am Beispiel der Kompressorentwicklung für die Flugtriebwerke deutlich wird. Als Beispiel ist die Erhöhung der mittleren Stufendruckverhältnisse genannt, die bereits von 1,16–1,19 konventionell ausgeführter Heavy-Duty-Gasturbinen auf das in Flugtriebwerken erprobte Niveau von über 1,24 mit hoch belasteten Beschaufelungen angehoben werden konnte, um die Anlagen noch kompakter zu bauen. Zum anderen ist die Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur, die seit den siebziger Jahren um etwa 20 °C pro Jahr angehoben werden konnte [1.15], ein weiterer wesentlicher Faktor zur Verbesserung der Prozesswirkungsgrade. Hochentwickelte Materiale, Einkristallschaufeln sowie keramische Wärmedämmschichten haben im Verbund mit raffinierten Kühltechniken zum thermischen Schutz der Heißgasteile in der Brennkammer und der vorderen Schaufel-
1 Gasturbinentypen – eine Übersicht
9
reihen der Hochdruckturbine die Eintrittstemperaturen modernster Industriegasturbinen der sog. G- und H-Technologie auf das Niveau von 1500 °C angehoben, wobei thermische Wirkungsgrade des kombinierten Dampf- und Gasturbinenprozesses von Werten knapp unter 59% realisiert werden. Durch die Verwendung des im GuDProzess zur Verfügung stehenden Dampfes zur Kühlung anstelle von Luft in der neuesten H-Technologie von General Electric (GE) und Mitsubishi Heavy Industries (MHI) kann durch den effizienteren Einsatz des Kühlmediums überhitzter Dampf relativ niedriger Temperatur die 60% Marke überstiegen werden, da nun dem eigentlichen Gasturbinenprozess keine Luft mehr entzogen werden muss [1.16–1.18]. Im Gegensatz hierzu wird in der zur H-Klasse von SIEMENS gehörende neuesten Gasturbine SGT5-8000H mit einer projektierten Leistung von 340 MW, die nach den Erfahrungen der ersten Testläufe deutlich nach oben korrigiert werden muss, eine fortschrittliche Luftkühlung für die Heißgasteile der Turbine eingesetzt. In Verbindung mit einer neuen Kesseltechnologie mit Wärmerückführung (reheat boiler) wird auch hier demnächst das Überspringen der 60%-Linie im kombinierten Gasund Dampfturbinenprozess erwartet [1.1]. In neuesten Entwicklungen wird zur Zeit in einem nationalen Projekt Japans eine weitere Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur auf 1700 °C angestrebt [1.19]. Parallel zur Weiterentwicklung der Komponenten Kompressor, Brennkammer und Turbine, die starke Impulse aus der Triebwerkstechnik erhält, muss auch der thermodynamische Kreisprozess weiterentwickelt und angepasst werden, um zu verhindern, dass bei weiterer Erhöhung der Turbineneintrittsparameter die spezifische Leistung spürbar absinkt. Dies wird durch die sog. Rauchgas-Rezirkulation erreicht, um die Kompressoraustrittsluft vor dem Eintreten in die Brennkammer zu erwärmen. Schließlich ist die Weiterentwicklung der metallischen Werkstoffe und Wärmedämmschichten für derart hohe Temperaturen vorzunehmen, um die geforderte hohe Lebensdauer von Kraftwerksturbinen zu gewährleisten. Die im Rahmen von nationalen Programmen geförderten Projekte zur Entwicklung keramischer Werkstoffe für den Einsatz in besonders stark thermisch belasteten Bauteilen in der Brennkammer und der Zuführungsleitung der heißen Gase zur Hochdruckturbine einschließlich der ersten Leitschaufelreihe befinden sich zur Zeit in der Erprobungsphase und Auswertung in Testmaschinen [1.20]. Auch die Qualifizierung von keramischen Wärmedämmschichten ist bis zu ihrem Einsatz in Produktmaschinen auf Erfahrungen aus dem Dauertestbetrieb angewiesen [1.21]. Die hohen Betriebstemperaturen und die Notwendigkeit einer guten gegenseitigen Abdichtung der primär und sekundär durchströmten Kreisläufe unterschiedlicher Druck- und Temperaturniveaus setzt besondere Anforderungen an die mechanische Auslegung der Gasturbine voraus, um die Gefährdung der Bauteile durch heiße Leckmassenströme zu verhindern. Zudem treten erhöhte Temperaturspannungen auf. Wegen der unterschiedlichen Belastungsprofile und Wartungsintervalle von Industriegasturbinen und Flugtriebwerken gibt es bei der Gehäuseauslegung wesentliche Unterschiede. Auf die Details wird in den späteren Kapiteln dieses Buches eingegangen.
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Kapitel 2
Thermodynamische Grundlagen Jost Braun
Hier sollen die wesentlichen thermodynamischen Grundlagen von Gasturbinenprozessen erläutert werden. Anhand vereinfachter Betrachtungen werden die Zusammenhänge aufgezeigt, um damit das Verständnis der physikalischen und thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten zu vertiefen. Ein solides thermodynamisches Grundwissen wird dabei beim Leser vorausgesetzt, da das Kapitel kein Lehrbuch der Thermodynamik ersetzen kann. Es ist ebenfalls nicht beabsichtigt und auch gar nicht möglich, die Thermodynamik in Gasturbinenprozessen hier bis ins Detail zu beschreiben. Hierfür sei auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen (z. B. [2.1–2.3]). Die Thermodynamik bietet aber die Möglichkeit, mit Hilfe einfacher Berechnungsmethoden, globaler Systembetrachtungen und einiger weniger Voraussetzungen, die zudem nur geringe Einschränkungen der Gültigkeit mit sich bringen, bereits sehr gute Studien über Tendenzen und Auswirkungen verschiedener Maßnahmen durchzuführen. Von dieser Möglichkeit wird hier Gebrauch gemacht. Es wurde bewusst darauf geachtet, dass die aufgeführten Formeln eine unmittelbare Beurteilung der Auswirkungen verschiedener Veränderungen zulassen. Die Formeln können sehr gut dazu verwendet werden, sich thermodynamische Systemreaktionen klar zu machen und damit Prozesssensitivitäten zu ermitteln (s. Abschn. 2.3.2). Dagegen sind die konkreten Zahlenwerte, insbesondere im Falle der angegebenen thermischen Zustandsgrößen, als Ergebnis solcher Berechnungen jeweils kritisch unter dem Gesichtspunkt der getroffenen Annahmen bei der Stoffwertmodellierung zu betrachten. Im Einzelfall kann eine reale Prozessrechnung mit Hilfe von detaillierten Prozessprogrammen, die ihrerseits komplexe Stoffwertmodelle verwenden, durchaus deutliche Abweichungen ergeben. Die angegebenen Formeln können und sollen daher eine Prozessrechnung nicht ersetzen. Auf Herleitungen wurde ebenfalls bewusst verzichtet. Jede Formel kann aber leicht nachvollzogen und gegebenenfalls auch erweitert werden, daher sei es dem Leser überlassen, sich die Herleitungen selbst zu erarbeiten.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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2.1 Definitionen der verwendeten Größen Wie bereits in der Einleitung angesprochen, werden die thermodynamischen Berechnungen unter einigen grundsätzlichen Annahmen durchgeführt. Die wichtigste Annahme ist, dass anstelle der realen, offenen Kreisprozesse geschlossene Prozesse ohne Änderungen des Massendurchsatzes und der Stoffeigenschaften betrachtet werden. Erwähnt sei auch, dass Enthalpien, Drücke und Temperaturen grundsätzlich als Totalgrößen zu verstehen sind. Die Kennzeichnung mit dem Index „tot“ wird aufgrund besserer Übersichtlichkeit der Formeln in Abweichung von der allgemeinen Nomenklatur in diesem Buch weggelassen. Weitere Annahmen und Definitionen werden im Folgenden kurz besprochen.
2.1.1 Ideales Gasverhalten Die betrachteten Gase verhalten sich thermisch ideal, d. h., sie gehorchen der Idealgasgleichung pv D RT :
(2.1)
Im Allgemeinen lassen sich alle Zustandsgrößen als Funktion von genau zwei anderen Zustandsgrößen darstellen. Mit der Annahme idealer Gase ist allerdings eine wichtige Eigenschaft verbunden, die sich auch formal ableiten lässt. Dies ist die alleinige Abhängigkeit der Enthalpie von der Temperatur, nicht aber vom Druck oder einer anderen Zustandsgröße: h D f .T / :
(2.2)
Damit ist allerdings keine Aussage über die Art der Abhängigkeit verbunden, insbesondere lässt sich daraus nicht eine direkte Proportionalität herleiten. Es lässt sich aber zeigen, dass die Enthalpiedifferenz zwischen zwei Zustandspunkten immer als Integral der spezifischen Wärmekapazität über der Temperatur darstellbar ist: Z (2.3) h D cp .T / dT : Die meisten zweiatomigen Gase verhalten sich in heute üblichen Druck- und Temperaturbereichen in Gasturbinen in sehr guter Näherung ideal. Größere Abweichungen ergeben sich vor allem in Bereichen niedriger Temperatur und hohen Druckes. Vorsicht bei der Anwendung dieser Annahme ist immer bei dreiund mehratomigen Gasen geboten (Wasserdampf, Kohlendioxid) oder bei Gasgemischen mit einem hohen Anteil an solchen Gasen.
2.1.2 Unveränderte Stoffeigenschaften im Kreisprozess Es wird weiterhin angenommen, dass das Arbeitsmedium während des Prozesses in seinen Eigenschaften unverändert bleibt. Diese Annahme schränkt den Gültigkeitsbereich aller Formeln am stärksten ein, da reale Gasturbinenprozesse fast immer
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mit einer internen Verbrennung zur Erwärmung des Arbeitsmediums ausgeführt werden. Die Verbrennung verändert das Arbeitsmedium chemisch, so dass streng genommen Verdichter, Brennkammer(n) und Turbine(n) von unterschiedlichen Medien mit erheblich geänderten Stoffwerten durchströmt werden. Dadurch können die Ergebnisse im Vergleich zu einer Rechnung mit Reinluft im ein- bis zweistelligen Prozentbereich beeinflusst werden. Vergleicht man z. B. eine Expansion mit einem Druckverhältnis von 16 mit Luft als Medium mit der Expansion eines typischen Abgases aus der Verbrennung, erhält man trotz gleichem Turbinenwirkungsgrad bei Luft eine bis zu 50 K geringere Abgastemperatur als beim typischen Abgas. Dies ist vor allem Folge der geänderten spezifischen Wärmekapazität und des Isentropenexponenten. In realen Berechnungen hat damit auch die Art des zum Einsatz kommenden Brennstoffes einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am Rechenergebnis.
2.1.3 Mittlere Wärmekapazität über Zustandsänderungen Obwohl es mathematisch nicht zwingend notwendig ist, wird im Folgenden wegen der vereinfachten Schreibweise und der damit anschaulicheren Formeln angenommen, dass das Integral durch einen integralen, mittleren Wert der Wärmekapazität ersetzt werden kann, d. h. Z Š (2.4) h D cp .T / dT D cp T : Es ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der in Realität zu großen Temperaturdifferenzen und der somit auftretenden großen Fehler diese Annahme bei der Berechnung von Kreisprozessen im Allgemeinen nicht verwendet werden darf. Auch die Luft selbst weist in den deutlich unterschiedlichen Temperaturbereichen bei einer Kompression, bei der Erwärmung und bei einer Expansion veränderte Werte der Wärmekapazität und damit des Isentropenexponenten auf. Damit die Annahme konstanter Stoffwerte über dem gesamten Kreisprozess nicht zu allzu großen Fehlern führt, wird in diesem Kapitel im gewählten Temperaturbereich ein gemittelter Wert der Wärmekapazität von Luft verwendet, d. h. Z 1 (2.5) cp .T / dT ; cp D T wobei das Integral zwischen der untersten und der obersten Prozesstemperatur gebildet wurde. Selbst mit dieser Annahme stimmen aber vor allem absolute Angaben der berechneten Abgastemperatur nicht mit Daten realer Prozesse mit interner Verbrennung überein. Sie sind in der Tendenz deutlich niedriger als in Realität. Nachdem es sich nur um einen Effekt aus dem Stoffwertmodell handelt, sind Variationsrechnungen und Relativbetrachtungen mit den Formeln aber trotzdem durchführbar. Festhalten kann man: Die Stoffwertmodelle haben einen ganz erheblichen Einfluss auf die Berechnungsergebnisse von Kreisprozessen. Gerade die Modellierung der kalorischen Zustands-
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größen erfordert besondere Aufmerksamkeit. Die Annahme konstanter Wärmekapazitäten ist im Allgemeinen nicht für eine Berechnung der Zustandsgrößen in Kreisprozessen geeignet. Grundsätzlich sollte bei Anwendungsrechnungen immer diejenige Darstellung einer Formel bevorzugt verwendet werden, die nur Zustandsgrößen und die Gaskonstante enthält, so dass auf die explizite Berechnung der spezifischen Wärmekapazität verzichtet werden kann.
2.1.4 Thermischer Wirkungsgrad und Prozesswirkungsgrade Wirkungsgrade werden allgemein als Verhältnis von „Nutzen“ zu „Aufwand“ definiert. So erhält man den so genannten thermischen Wirkungsgrad eines Prozesses aus dem Verhältnis der frei werdenden Nutzarbeit zu der dem Prozess von außen zuzuführenden Wärmemenge. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik ist die frei werdende Nutzarbeit auch berechenbar als Summe aller zu- und abgeführten Wärmemengen. Der thermische Wirkungsgrad ist daher allgemeingültig aus folgender Formel ableitbar (Darstellung als Leistungen): ˇ ˇ QP zu ˇQP ab ˇ jP j D : (2.6) th D QP zu QP zu Nachdem der Wert frei werdender Nutzarbeit definitionsgemäß negativ ist, wird in der Wirkungsgraddefinition nur deren Absolutbetrag eingesetzt. Eine weitere wichtige Größe im Gasturbinenbau ist die spezifische Arbeit eines Prozesses. Sie ist definiert als das Verhältnis des Betrages der frei werdenden Leistung zum Massendurchsatz durch die Maschine. aw D
jP j : m P
(2.7)
Die Turbinenaustrittstemperatur schließlich ist vor allem in Hinblick auf die Anwendung in Kombikraftwerken (Gas und Dampf, GuD) eine bestimmende Prozessgröße. Sie kann entweder direkt der Prozessrechnung entnommen werden oder über eine Gesamtbilanz an der Maschine ermittelt werden. Es ist (unter Vernachlässigung der normalerweise kleinen Wärmeverluste) in letzterem Fall P C QP zu D m.h P 4 h1 / und somit
h4 D h1 C .qzu aw / D h1 C aw
(2.8) 1 1 : th
(2.9)
Die Turbinenaustrittstemperatur TAT wird dann über das Stoffwertmodell berechnet TAT D T .h4 / :
(2.10)
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Fast alle heutigen Gasturbinenprozesse arbeiten mit einer internen Verbrennung. Somit ergibt sich die dem Prozess zugeführte Wärme fast ausschließlich aus der bei der Verbrennung freigesetzten chemischen Energie. Für den Betreiber eines Gasturbinen- oder Kombikraftwerkes ist daher eine etwas modifizierte Version des thermischen Wirkungsgrades eine entscheidende Größe zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Anlage. Der „Nutzen“ für den Betreiber eines Kraftwerkes ist die ins Stromnetz eingespeiste elektrische Leistung nach Abzug auch der sonstigen und nicht nur der thermodynamisch und prozessbedingten Verluste, z. B. in den Lagern, dem Generator und der Verbrauch aller Hilfsaggregate. Der „Aufwand“ ist dagegen der Energieinhalt des zu bezahlenden Primärenergieträgers, wobei dieser um die eventuell vorhandene fühlbare Wärme (Enthalpie) bereinigt wird. Dieser sogenannte Nettowirkungsgrad ist daher definiert als net D
jPnet j jPnet j : D P m P .H Qzu Br u C hBr /
(2.11)
Die zugeführte Wärmemenge wird also vereinfachend aus der Brennstoffmenge, dem unteren Heizwert und der fühlbaren Wärme des Brennstoffes berechnet.
2.1.5 Verdichter- und Turbinenwirkungsgrade Zur Beurteilung der Güte von adiabaten Zustandsänderungen können der polytrope und der isentrope Wirkungsgrad verwendet werden. Während der isentrope Wirkungsgrad reale und ideale technische Arbeit und damit Enthalpiedifferenzen ins Verhältnis setzt, werden beim polytropen Wirkungsgrad Entropiedifferenzen zur Definition benutzt. Beide Definitionen haben in verschiedenen Anwendungen ihre Vorteile und man erhält selbstverständlich auch nicht die gleichen Zahlenwerte,
RG In (p3/p4)
3
Enthalpie
p = const
2,s
2 p = const 4 4,s
s4 – s3
1 Entropie Abb. 2-1 Adiabate Kompression und Expansion
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grundsätzlich eignen sich aber beide gleichermaßen zur Beschreibung der Güte einer Verdichtung oder Entspannung. Der isentrope Wirkungsgrad gibt bei der Expansion das Verhältnis der tatsächlich geleisteten technischen Arbeit zur maximal möglichen technischen Arbeit bei einer reversiblen Zustandsänderung an. Beide lassen sich bei einer adiabaten Zustandsänderung als Enthalpiedifferenz darstellen (Abb. 2-1) s; T D
h3 h4 : h3 h4; s
(2.12)
Bei der Kompression lautet die Definition analog h2; s h1 ; (2.13) h2 h1 wobei Index „s“ jeweils den Endpunkt einer adiabat isentropen Zustandsänderung kennzeichnet. Der polytrope Wirkungsgrad wird am einfachsten aus einer Differentialbetrachtung hergeleitet (s. [2.2, Kap. 1.7]). Dies führt im adiabaten Fall nach Integration zu den folgenden Definitionsgleichungen, in die zusätzlich Stoffwertbeziehungen eingearbeitet wurden: s; V D
Zp3 p; T v dp D h3 h4
(2.14)
s4 s3 RG ln pp34
(2.15)
p4
und hieraus p; T D 1 bzw. Zp2 p1
v dp D h2 h1 p; V
(2.16)
und hieraus 1 s2 s1 : D1 p; V RG ln pp11
(2.17)
Man erkennt, dass beim polytropen Wirkungsgrad das durch die Nichtumkehrbarkeiten verursachte Anwachsen der Entropie zur Beurteilung der Güte herangezogen wird. Der zweite Term auf der rechten Seite in Gl. (2.15) und (2.17) stellt jeweils das Verhältnis der tatsächlichen Entropiezunahme zur Zunahme der Entropie bei einer isothermen Zustandsänderung auf den gleichen Enddruck dar. Die isotherme Zustandsänderung hat dabei als Sonderfall der polytropen Zustandsänderung mit einem polytropen Exponenten von 1 die größtmögliche Entropiedifferenz (s. Abb. 2-1). Die Entropiezunahme lässt sich in beiden Fällen bei bekannter spezifischer Wärmekapazität aus dem Temperaturverhältnis der Endpunkte der realen und der idealen Zustandsänderung berechnen:
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T4 ; (2.18) T4; s T2 sV D cp ln : (2.19) T2; s Diese Form sollte aber nur in Ausnahmefällen benutzt werden, da bei idealen und realen Gasen cp keine Konstante ist. Demzufolge müssen immer die korrekten integralen Mittelwerte zwischen den betrachteten Temperaturen eingesetzt werden, so dass die Zahlenwerte von cp in Gl. (2.18) bzw. (2.19) im Allgemeinen nicht gleich sind. Im stationären Gasturbinenbau wird häufig der polytrope Wirkungsgrad verwendet. Vor allem in der aerodynamischen Berechnung wird aber auch der im Flugtriebwerksbau üblichere isentrope Wirkungsgrad angewendet. Wichtig ist, dass bei Angabe von Zahlenwerten immer die jeweilig verwendete Definition genannt wird und nicht nur vom „Wirkungsgrad“ gesprochen wird, um Missverständnissen vorzubeugen. Die in diesem Kapitel folgenden Formeln werden ausschließlich den isentropen Wirkungsgrad verwenden, da er in diesem Zusammenhang eine etwas einfachere Darstellung der thermodynamischen Zusammenhänge erlaubt und auf die implizite oder explizite Bestimmung der Entropie verzichtet werden kann. Zu den unterschiedlichen Zahlenwerten des polytropen und des isentropen Wirkungsgrades kann man sich merken:
sT D cp ln
Bei der adiabaten Kompression liefert der polytrope Wirkungsgrad einen höheren Zahlenwert als der isentrope Wirkungsgrad. Bei der adiabaten Expansion liegt dagegen der Wert des isentropen Wirkungsgrades über dem Wert des polytropen Wirkungsgrades. Typische Unterschiede in den Zahlenwerten bei heute gängigen Druck- und Temperaturverhältnissen liegen bei 2–4%. Teilexpansionen oder -kompressionen dürfen in beiden Definitionen nicht mit dem Wirkungsgrad der Gesamtzustandsänderung abgeschätzt werden.
2.1.6 Mischtemperatur und Mischwirkungsgrade In Realität werden bei heutigen Gasturbinenprozessen Kompression und Expansion nicht ohne Veränderungen des Massendurchsatzes während der Zustandsänderungen durchgeführt. So wird die zur Kühlung der Turbinenbeschaufelung benötigte Kühlluft in wesentlichen Teilen zwischen den Expansionsstufen beigemischt. Im Kompressor wird die Kühlluft für die Turbine ebenfalls nicht nur am Ende entnommen, sondern an einem dem Verbraucher (einer Turbinenstufe) angepassten Zwischendruckniveau. Aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, bilanziert um den Turbinenteil einer Gasturbine, erhält man bei einer angenommenen adiabaten Zustandsänderung eine frei werdende Wellenleistung, die direkt eine Bilanz aller zu- und abgeführten, an Massenströme gebundenen Totalenthalpien ist: X m P i hi : (2.20) PT D i
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Sortiert man nach eintretenden und austretenden Massenströmen erhält man PT D
X
m P i; ein hi; ein C m P aus haus :
(2.21)
i
Den ersten Term auf der rechten Seite kann man so interpretieren, als wenn alle zugeführten Massenströme zunächst vor der Expansion gemischt würden und dann von diesem fiktiven Mischzustand ausgehend in der Turbine expandieren: PT D m P aus .haus hmix / :
(2.22)
Es hat sich daher eingebürgert, auch den Wirkungsgrad auf diesen für die thermodynamische Berechnung relevanten Mischzustand zu beziehen. Zur Berechnung des polytropen oder isentropen Wirkungsgrades einer Turbine wird als Eintrittszustand folglich häufig nicht der tatsächliche Heißgaszustand gewählt, sondern der fiktive Mischzustand. Die Temperatur, die diesem fiktiven Zustand entspricht, heißt ISOMischtemperatur und wird exakt gemäß ISO 2314 (1989) [2.4] berechnet. Der häufig für die ISO-Mischtemperatur gebrauchte Begriff „Turbineneintrittstemperatur“ (turbine inlet temperature, TIT) ist dagegen insofern missverständlich, dass er nicht mit einer bestimmten Definition verknüpft ist. Es ist unbedingt zu beachten, auf welcher nationalen oder internationalen Norm eine bestimmte Angabe beruht. Dies gilt insbesondere beim Vergleich der Angaben unterschiedlicher Hersteller. Die gängigsten Definitionen können Abb. 2-2 entnommen werden. Sie unterscheiden sich vor allem dadurch, welche einzelnen Kühlluftmassenströme bereits als beigemischt angesehen werden und welche nicht.
Verbrennung Brennkammer-Austrittstemperatur ΔT durch Beimischung von kalter Luft vor der ersten Leitreihe, z. B. zur Kühlung des Eintrittssegments
API 616/1992 ΔT durch Beimischung der Kühlluft der ersten Leitreihe
T ANSI B 133.1/1978 ΔT durch Beimischung der gesamten Kühl- und Leckageluft vor Turbineneintritt
S
Abb. 2-2 Definitionen der Eintrittstemperatur
ISO 2314/1989
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Bei Herstellerangaben der Eintrittstemperaturen ist grundsätzlich darauf zu achten, welche Definition verwendet wurde. Zur thermodynamischen Abschätzung ist die ISO-Mischtemperatur gemäß ISO 2314 (1989) [2.4] die wichtigste Größe. Daneben findet man noch die Heißgastemperatur, die gemäß API 616 (1992) [2.5] als Temperatur unmittelbar vor der ersten Leitreihe definiert ist (dort „Rated Firing Temperature“ genannt), sowie die Rotor-Eintrittstemperatur unmittelbar nach der ersten Leitreihe gemäß ANSI B 133.1 (1978) [2.6] (dort „Turbine Inlet Temperature“ genannt, häufig aber als „Rotor Inlet Temperature, RIT“ bezeichnet). Allen Angaben gemeinsam ist, dass sie sich auf die jeweiligen massenstromgewichteten Mittelwerte der Totaltemperatur im ruhenden System beziehen.
2.2 Ideale Vergleichsprozesse Ideale Vergleichsprozesse werden in der Thermodynamik und in der Technik benutzt, um die Güte von realen Prozessen zu beurteilen. Man unterscheidet zwischen vollständig idealen Prozessen und teilidealisierten Prozessen. In teilidealisierten Vergleichsprozessen werden alle Zustandsänderungen üblicherweise mindestens als reibungsfrei betrachtet. Die vollständige Reversibilität aller Zustandsänderungen, also auch der Wärmezufuhr bzw. der Wärmeabfuhr, wird dagegen nur dann zusätzlich vorausgesetzt, wenn unabhängig von der tatsächlichen Prozessführung ein Vergleich mit dem theoretisch bestmöglichen Prozess durchgeführt werden soll. Hier kann grundsätzlich der Carnot-Prozess verwendet werden. Um einen aussagekräftigen Vergleich zwischen zwei Prozessen durchführen zu können, müssen thermodynamische Zustandsgrößen, die den Prozess im Wesentlichen kennzeichnen, gleich gewählt werden. Üblicherweise erhält man die Beschränkungen des idealen und des realen Prozesses anhand der in Realität gegebenen technologischen Limitierung der maximalen und minimalen Drücke und Temperaturen. Außerdem lassen sich durch eine Variation der Prozessgrößen des idealen Prozesses auch Rückschlüsse auf die Empfindlichkeit des realen Prozesses auf die gleiche Veränderung ziehen. Daraus ergeben sich wertvolle Hinweise zur Optimierung oder Verbesserung des realen Prozesses.
2.2.1 Carnot-Prozess Der Carnot-Prozess ist ein geschlossener Prozess und besteht aus zwei adiabat/isentropen und damit automatisch reibungsfreien Zustandsänderungen und zwei reversiblen isotherm/reibungsfreien Zustandsänderungen (Abb. 2-3). Vereinbarungsgemäß kennzeichnet der Punkt 1 in diesem wie in den folgenden Prozessdiagrammen den Beginn der Kompression. Die Wärmezufuhr und die Wärmeabfuhr finden nur bei den beiden isothermen Zustandsänderungen statt. Damit diese Isothermen reversibel durchgeführt werden können, müssen der wärmeabgebende Heißkörper und der wärmeaufnehmende
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Enthalpie
3
T = const
s = const
2
4
s = const
T = const
1
Entropie Abb. 2-3 Carnot-Prozess
Kaltkörper die gleiche Temperatur haben wie das Arbeitsmedium bei der jeweiligen Zustandsänderung. Andernfalls würde es sich nur um einen teilidealisierten CarnotProzess handeln. Der ideale Carnot-Prozess ergibt zwischen zwei Wärmereservoirs mit gegebenen Temperaturen den bestmöglichen thermischen Wirkungsgrad: th D 1
T1 : T3
(2.23)
Die Temperaturen sind in dieser Formel als Wert der absoluten thermodynamischen Temperaturen in Kelvin einzusetzen. Bei allen geschlossenen Prozessen mit externer Erwärmung und Abkühlung des Arbeitsmediums über Wärmeübertrager lässt sich der Carnot-Wirkungsgrad des idealen Vergleichsprozesses somit aus der höchsten Temperatur des wärmeabgebenden Körpers und der tiefsten Temperatur des wärmeaufnehmenden Körpers ermitteln. Bei offenen Prozessen, bei denen die Erwärmung des Arbeitsmediums intern z. B. durch Verbrennung geschieht, wird dagegen der thermische Wirkungsgrad des Carnot-Vergleichsprozesses aus der höchsten Temperatur des Arbeitsmediums im realen Prozess und der tiefsten Temperatur des wärmeaufnehmenden Körpers (meist ist dies die Umgebung) berechnet.
2.2.2 Umsetzung des Carnot-Prozesses mit Gasen Eine Umsetzung des Carnot-Prozesses mit idealen Gasen oder Gasen, die sich zumindest annähernd ideal verhalten, ist mit heutigen Technologien in der großtechnischen Energieerzeugung nicht möglich. Zum Einen ist die verlangte Reibungsfreiheit aller Zustandsänderungen nur angenähert erreichbar. Ebenso muss bei der Wär-
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meübertragung immer von einer Temperaturdifferenz zwischen dem wärmeaufnehmenden und dem wärmeabgebenden Körper ausgegangen werden. Die Haupteinschränkung ergibt sich aber aus dem Prozess selbst. Um auf die obere Prozesstemperatur alleine durch eine adiabate Kompression zu kommen, müssen extrem hohe Druckverhältnisse erreicht werden. Die darauffolgende isotherme Expansion muss ebenfalls ein großes Druckverhältnis erzielen, da sonst der gesamte Prozess eine zu geringe spezifische Arbeit aufweisen würde. Bei der adiabaten Expansion tritt noch einmal etwa das gleiche Druckverhältnis wie bei der Kompression auf, wobei nach der isothermen Expansion und der darauffolgenden adiabaten Expansion bezogen auf den Ausgangspunkt ein starker Unterdruck erzeugt werden muss. Ausgehend von Umgebungstemperatur und einer höchsten Prozesstemperatur von 1200 °C wäre z. B. für die adiabate Kompression und die adiabate Expansion je nach Stoffwerten ein Druckverhältnis von je etwa 450 erforderlich: 1;36 1 T3 1473 K 0;36 p3 D D 450 : (2.24) p2 T2 288 K Wenn man aus Gründen einer genügend großen spezifischen Arbeit den Startpunkt der adiabaten Kompression und der Expansion (Punkte 2 und 4) auf etwa den gleichen Druck setzt, ergibt sich ein Druckverhältnis zwischen höchstem und niedrigstem Prozessdruck von bereits 200 000. Um auf technisch realisierbare Druckverhältnisse zu kommen, wäre also eine starke Reduktion der oberen Prozesstemperatur notwendig. Damit wäre allerdings der Wirkungsgradvorteil einer Carnot-Prozessführung gegenüber konventionellen Prozessen wieder verloren.
2.2.3 Offener Joule- (oder Brayton-)Prozess Beim teilidealen Joule-Prozess werden die beiden isothermen Zustandsänderungen durch isobare Wärmeübertragungen ersetzt (Abb. 2-4).
3
Enthalpie
p = const s = const 2 s = const 1
4 p = const Entropie
Abb. 2-4 (Teil-) Idealer Joule-Prozess
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Dies reduziert zwar das beim Carnot-Prozess beschriebene Problem der extremen Druckverhältnisse erheblich, führt aber auch bei gleichen maximalen und minimalen Prozesstemperaturen zu einem deutlich kleineren thermischen Wirkungsgrad. th D 1
T1 1 D 1 1 ; T2
(2.25)
hierbei ist D p3 =p4 das Druckverhältnis der Expansion. Man erkennt, dass die maximale Prozesstemperatur des idealen Joule-Prozesses gar keinen Einfluss auf den thermischen Wirkungsgrad des Prozesses hat. Dieser wird lediglich durch das erreichte Temperaturverhältnis bei der Kompression und damit durch das erzielte Druckverhältnis bestimmt. Betrachtet man allerdings unter der Annahme eines thermisch und kalorisch idealen Gases die spezifische Arbeit des Prozesses 1 T3 ; (2.26) aw D .h3 h4 / .h2 h1 / D cp T1 th T1 1 th so sieht man, dass die obere Prozesstemperatur wichtig für die Höhe der gewonnenen Arbeit aus dem Prozess ist. Hieraus ergeben sich bereits wichtige Hinweise auch auf das Verhalten eines realen Joule-Prozesses. Wie später gezeigt wird, ist eine Wirkungsgradsteigerung zwar im realen Fall auch über eine Erhöhung der höchsten Prozesstemperatur möglich, die gewählte Temperatur und das Druckverhältnis müssen aber aufeinander abgestimmt sein, um einen positiven Einfluss auf den Wirkungsgrad zu haben. Der Joule-Prozess ist der Grundprozess der Mehrzahl der heute gebauten stationären und Flug-Gasturbinen.
2.2.4 Ericsson-Prozess Beim Ericsson-Prozess werden die beiden adiabat isentropen Zustandsänderungen des Joule-Prozesses durch isotherm/reibungsfreie Zustandsänderungen ersetzt. Die Zustandsänderungen von 2 bis 3 und von 4 bis 1 verlaufen isobar (Abb. 2-5). Diese Prozessführung ermöglicht es, dass die isobaren Zustandsänderungen im internen (Gegenstrom-)Wärmeaustausch durchgeführt werden können, so dass im Idealfall mit einer Grädigkeit von 0 keine zusätzlichen Wärmereservoirs benötigt werden. (Als Grädigkeit bezeichnet man allgemein die mindestens erforderliche Temperaturdifferenz zwischen zwei im Wärmeaustausch stehenden Medien, die zur Aufrechterhaltung der geforderten Wärmeübertragung notwendig ist. Sie hängt stark von der Größe der Wärmeübertragungsfläche ab.) Wie beim Carnot-Prozess findet daher der Wärmeaustausch mit der Umwelt nur bei den isothermen Zustandsänderungen statt. Dies hat zur Folge, dass der Ericsson-Prozess den gleichen thermischen Wirkungsgrad wie der Carnot-Prozess aufweist, dabei aber mit deutlich kleineren Druckverhältnissen auskommt. Folglich lässt sich dieser Idealprozess
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Enthalpie
3
p = const 2
T = const
4
p = const 1 Entropie
Abb. 2-5 Ericsson-Prozess
mit idealen Gasen am ehesten unter vertretbarem technischen Aufwand approximieren.
2.3 Reale Gasturbinenprozesse Führt man den idealen Carnot-Prozess oder den Ericsson-Prozess eine Zeitlang durch, so gewinnt man einerseits Arbeit, andererseits wird daneben über das Arbeitsmedium Wärme vom Heißkörper zum Kaltkörper übertragen. Lässt man nun alle Zustandsänderungen in umgekehrter Reihenfolge ablaufen, so kann damit der ursprüngliche Ausgangszustand wieder erreicht werden, ohne dass eine irgendwie geartete Veränderung in der Umgebung, dem Arbeitsmedium und den Wärmebehältern feststellbar ist. Daher nennt man diese Prozesse umkehrbar. Im Gegensatz hierzu liegen bei allen realen Zustandsänderungen immer Nichtumkehrbarkeiten vor, die dazu führen, dass das genannte Gedankenexperiment einer Prozessumkehr nie wieder den Ausgangszustand erreichen kann. Insbesondere wäre immer ein Netto-Wärmefluss vom Heißkörper zum Kaltkörper und damit eine Gesamtentropieerhöhung beobachtbar. Die Nichtumkehrbarkeiten aller einzelnen Zustandsänderungen führen zum Verlust des Gesamtprozesses gegenüber dem idealen Prozess. Für Kreisprozesse allgemein sind die Verluste vor allem durch folgende Effekte ausgelöst: • Reibungsverluste, • Verluste durch endliche Temperaturdifferenz bei der Wärmeübertragung (Grädigkeit), • Mischungsverluste, • Verluste durch die chemische Umsetzung bei der prozessinternen Verbrennung, • Wärmeverluste an die Umgebung ohne Arbeitsleistung. Im Folgenden werden daher die Einflüsse der wichtigsten dieser Verluste auf den Gesamtprozess besprochen.
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2.3.1 Einfluss der Hauptverluste auf den Joule-Prozess Verluste in den Strömungsmaschinen Turbine und Verdichter Wenn man einen Joule-Prozess betrachtet, bei dem die adiabate Kompression und Expansion nicht mehr reibungsfrei ablaufen, stellt man fest, dass der thermische Wirkungsgrad eines solchen Prozesses nicht alleine vom Druckverhältnis abhängig bleibt, sondern auch eine Funktion der höchsten Prozesstemperatur vor der Expansion wird: th D mD
T3 T1 s; V s; T T3 T1 s; V
m
m
m 1 ; m C .1 s; V /
1 :
(2.27)
Man kann erkennen, dass der erste Term auf der rechten Seite für Komponentenwirkungsgrade, die gegen 1 gehen, neutral wird und somit die Abhängigkeit von der oberen Prozesstemperatur dann schwächer ist als vom Druckverhältnis (durchgerechnete Beispiele siehe Parameterstudie in Abschn. 2.3.2). Einfluss der Druckverluste am Eintritt der Maschine und in der Brennkammer Die Druckverluste am Eintritt in die Gasturbine und in der Brennkammer bedeuten im Wesentlichen einen höheren Bedarf an Kompressionsarbeit, da im Vergleich zu der Maschine ohne Druckverluste von einem niedrigeren Druckniveau am Eintritt in die Beschaufelung auf ein höheres Druckniveau an deren Ende komprimiert werden muss (Abb. 2-6).
Enthalpie
3
p = const
2 4
1 Entropie Abb. 2-6 Realer Joule-Prozess
p = const
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Daher lässt sich der Einfluss dieser Verluste recht einfach von den anderen Verlusten entkoppeln. Nimmt man beispielsweise die oben beschriebenen Formeln der Maschine mit Kompressor- und Turbinenwirkungsgraden unter 1 als Basis, erhält man aus der zusätzlich benötigten Kompressionsarbeit und der geringeren Wärmezufuhr die Abhängigkeit th D
th; 0 A ; 1A
(2.28)
wobei th; 0 der oben angegebene Wirkungsgrad des Basisfalles, Gl. (2.27), und A das Verhältnis der zusätzlichen Kompressionsarbeit zur zugeführten Wärmemenge im Basisfall ist. Man erhält !m 1C p p 2 1 p p
m
1
1 . m 1/ p p C p 1 p 2 m : m T3 s; V T1 1 . m 1/
AD
s; V
1
T3 T1
(2.29)
Das Druckverhältnis ist hierbei wieder das Verhältnis bei der Expansion und muss gleich gesetzt werden wie im Basisfall. .p=p/1 ist der mit dem Verdichtereintrittsdruck normierte Ansaugdruckverlust, .p=p/2 ist der mit dem Verdichteraustrittsdruck normierte Brennkammerdruckverlust. Ein zusätzlicher Druckverlust im Abgaskanal lässt sich mit obigen Formeln ebenfalls berechnen, indem man diesen Verlust rechnerisch direkt dem isentropen Mischwirkungsgrad der Turbine zuschlägt. Ohne diesen Druckverlust ist in Gl. (2.27) mit dem Turbinenwirkungsgrad bislang nur der isentrope Wirkungsgrad der Beschaufelung gemeint. Ein zusätzlicher Druckverlust nach der Beschaufelung bedeutet, dass die Expansion der Turbine auf einem höheren Druckniveau endet, also weniger Arbeit geleistet wird, und das Arbeitsmedium im Anschluss bei konstanter Enthalpie ohne Arbeitsleistung auf den Umgebungsdruck gedrosselt wird. Rechnerisch ist dies identisch mit einer Verschlechterung des Expansionswirkungsgrades, der dann aber nicht mehr nur über den Ein- und Austritt aus der Beschaufelung gebildet wird, sondern auch den Austrittsflansch umfasst und daher auch Flanschwirkungsgrad genannt wird. Den Druckverlust im Abgaskanal kann man also erfassen, indem man in Gl. (2.27) den Wirkungsgrad der Beschaufelung der Turbine s; T durch den Flanschwirkungsgrad s, T, Flansch nach folgender Formel ersetzt: m m 1 C p p 4 I (2.30) s; T; Flansch D s; T m 1 .p=p/4 ist hierbei der mit dem Austrittsdruck normierte Druckverlust nach der Turbine.
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Die spezifische Arbeit des Joule-Prozesses mit Verlusten lässt sich aus den Enthalpien an den Eckpunkten des Prozesses bestimmen: T3 T2 : (2.31) aw D .h3 h4 / .h2 h1 / D cp T1 th T1 T1 Thermodynamischer Einfluss der Kühlluftbeimischung Für heute verfügbare Werkstoffe liegen typische Grenzwerte einer noch ohne Kühlung der Beschaufelung erträglichen Gastemperatur am Eintritt in die Turbine bei 850 °C bis 950 °C. In heute gebauten Gasturbinen werden aber zum Erreichen der hohen Leistungs- und Wirkungsgradwerte Gastemperaturen umgesetzt, die bereits über dem Schmelzpunkt der eingesetzten Materialien liegen können. Daher müssen alle Bauteile im Strömungskanal gekühlt werden, die einer Gastemperatur ausgesetzt werden, die über den zugehörigen material- und belastungsspezifischen Grenzen liegen. Den höchsten Kühlluftverbrauch gekühlter Gasturbinen weist dabei die erste Stufe der Turbine auf (typischerweise 5% der Verdichteransaugmenge). Der Gesamtkühlluftbedarf moderner Gasturbinen liegt bei 10–12% der Verdichteransaugmenge, ohne Kühlung der Brennkammern gerechnet. Die Kühlung der Brennkammern hat meist nur einen geringen Einfluss auf den Wirkungsgrad, solange die hierzu verwendete Luft entweder noch an der Verbrennung teilnimmt oder wenigstens noch vor der Turbine beigemischt wird und somit arbeitswirksam ist. Die Kühlluft der Turbinenbeschaufelung wird nach Erfüllung der Kühlaufgabe (z. B. ausgeführt als konvektive Kühlung im Inneren der Schaufel mit anschließender Ausblasung über die Hinterkante der Schaufel oder als Filmkühlung an der heißgasumströmten Oberfläche) dem Arbeitsmedium zugemischt. Die Verwendung von Kühlluft wirkt sich auf die Güte des Gasturbinenprozesses in mehrfacher Hinsicht aus. Einen starken positiven Effekt erhält man durch die Erhöhung der erträglichen Gastemperatur weit über die von den Materialien vorgegebenen Temperaturgrenzen. Diese Erhöhung führt zu entsprechend höheren Werten der spezifischen Arbeit und des Wirkungsgrades. Dem entgegen wirken dagegen vor allem die folgenden zusätzlichen Verluste: • Die Zumischung der Kühlluft verursacht im Allgemeinen eine Verschlechterung der aerodynamischen Verhältnisse und damit des isentropen Wirkungsgrades der Beschaufelung. • Auch ohne die aerodynamische Verschlechterung wird alleine durch diese Beimischung ein thermodynamischer Mischverlust verursacht. • Schließlich bewirkt bei konstanter Gastemperatur ein höherer Kühlluftbedarf eine verringerte ISO-Mischtemperatur. Nachdem diese Temperatur die den thermodynamischen Prozess Bestimmende ist, ergeben sich reduzierte Leistungsund Wirkungsgraddaten. Trotz dieser zusätzlichen Verluste wird der Gesamtprozess aber beim heutigen Stand der Kühltechnologie immer positiv beeinflusst (s. auch Abschn. 16.1.2). Eine einfache Formel lässt sich aufgrund der komplexen Zusammenhänge leider nicht angeben. Hier kann nur eine detailliertere Prozessmodellierung unter Be-
2 Thermodynamische Grundlagen
27
rücksichtigung der Verlustmodelle (s. [2.2]) brauchbare Ergebnisse bringen. In den angegebenen Formeln kann man diese Verluste dann über die entsprechende Reduzierung des Wirkungsgrades der Turbine berücksichtigen. Einfluss der Wärmeverluste an die Umgebung und der mechanischen Verluste Neben den bisher besprochenen prozessinternen oder thermodynamischen Verlusten treten bei realen Prozessen zusätzlich Verluste auf, die ebenfalls den Gesamtwirkungsgrad reduzieren. An erster Stelle sind hier die Wärmeverluste an die Umgebung über die Gehäuseoberfläche der Arbeitsmaschine und die mechanischen Verluste, beispielsweise in den Lagern, zu nennen. Kennzeichnend für diese Art von nicht prozessbedingten Verlusten ist, dass sie an keiner Stelle des Prozesses eine wesentliche Änderung der Zustandsgrößen des Arbeitsmediums bewirken und somit die Thermodynamik nicht direkt beeinflussen. Aus diesem Grunde kann man sie auch unabhängig von der Prozessführung nachträglich berücksichtigen, indem man den prozessinternen Wirkungsgrad um die Verlustwärme QP v und die mechanische Verlustleistung Pv, mech korrigiert. Wenn th; 0 D
jP j QP zu
(2.32)
den prozessinternen Wirkungsgrad repräsentiert, ist der um die externen Verluste korrigierte Gesamtwirkungsgrad th D th; 0 mech Q ;
(2.33)
ˇ ˇ ˇ Pv, mech ˇ ˇ ˇ D 1ˇ P ˇ
(2.34)
wobei mech
das Verhältnis der um die mechanischen Verluste verringerten Kupplungsleistung zur Wellenleistung aus dem Prozess und Q D
QP zu QP zu C jQP v j
(2.35)
das Verhältnis der vom Prozess genutzten Wärme zur tatsächlich zugeführten Wärmemenge ist.
2.3.2 Einfluss von Druckverhältnis und Prozesstemperaturen Mit den hergeleiteten sehr einfachen Formeln für Wirkungsgrad und spezifische Arbeit, die Komponentenwirkungsgrade und Druckverluste berücksichtigen, lassen sich bereits sehr aussagekräftige Studien des Einflusses einer Variation verschiedener Parameter durchführen.
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J. Braun
Tabelle 2-1 Carnot-, idealer Joule- und Joule-Prozess
th aw TAT
Carnot-Prozess
Idealer Joule-Prozess
Joule-Prozess
79,0% (nicht festgelegt) (nicht festgelegt)
51,3% 441 kJ=kg 669 K=396 °C
35,5% 282 kJ=kg 754 K=481 °C
Nimmt man beispielsweise folgende Ausgangsdaten s; V D 0;86 ; s; T T3 T1 p p 1
D 0;88 ; D 4;77 ;
bei T1 D 288 K ;
D 16 ; p D D 0;03 ; p 2
und setzt ein Stoffwertmodell mit einer konstanten Wärmekapazität voraus, kJ ; kJ K D 1;35 ;
cp D 1;1
so kann man zunächst die Basiskennzahlen eines solchen Prozesses bestimmen, also den Wirkungsgrad, die spezifische Arbeit und die Turbinenaustrittstemperatur, und mit den idealen bzw. teilidealen Prozessen vergleichen. Man erhält die in Tabelle 2-1 angegebenen Werte. Einfluss der oberen Prozesstemperatur und des Druckes Lässt man in oben genanntem Beispiel alle anderen Werte gleich und erhöht die obere Temperatur und den oberen Druck um jeweils 10%, so ergeben sich die in Tabelle 2-2 gezeigten Sensitivitäten. Der Anstieg der höchsten Prozesstemperatur T3 wirkt sich also sehr deutlich auf alle drei Prozesskenngrößen aus. Dagegen fällt der Wirkungsgradzuwachs aus einem höheren Druckverhältnis bedeutend schwächer aus und geht zudem noch zu
Tabelle 2-2 Sensitivität des Joule-Prozesses auf die Hauptdaten
T3 =T3; Basis p=pBasis th =th, Basis aw /aw; Basis TAT=TATBasis
Basisfall
T3 C 137 K
p2 C 1;6 bar
100% 100% 100% 100% 100%
110% 100% 104,3% 124,2% 110%
100% 110% 101,2% 98,8% 98%
2 Thermodynamische Grundlagen
29
Tabelle 2-3 Sensitivität des Joule-Prozesses auf die Komponentenwirkungsgrade
s; V =s, V, Basis s; T =s, T, Basis th =th, Basis aw =aw; Basis TAT=TATBasis
Basisfall
s; V C 0;86%
s; T C 0;88%
100% 100% 100% 100% 100%
101% 100% 101% 101,4% 100%
100% 101% 102,4% 102,4% 99,2%
Lasten der spezifischen Arbeit und der Austrittstemperatur. Die Ursache für dieses Verhalten liegt darin, dass bei den gewählten Daten der Prozess bereits nahe am Druckoptimum für Wirkungsgrad und spezifische Arbeit liegt. Einfluss der Komponentenwirkungsgrade In gleicher Weise kann man den Einfluss der Komponentenwirkungsgrade von Verdichter und Turbine analysieren. Man erhält aus einer jeweils einprozentigen Verbesserung (multiplikativ) die Änderung der Prozesskenngrößen (Tabelle 2-3). Man erkennt, dass die Prozessverbesserungen durch einen um 1% höheren Turbinenwirkungsgrad deutlich höher ausfallen. Der Anstieg des thermischen Wirkungsgrades und der spezifischen Arbeit ist identisch, da die zugeführte Wärmemenge in diesem Falle gleich bleibt. Eine Verbesserung des Verdichterwirkungsgrades bedeutet dagegen, dass eine höhere Wärmemenge zugeführt werden muss, so dass der Anstieg des thermischen Wirkungsgrades kleiner ausfällt als der der spezifischen Arbeit.
2.3.3 Spezifische Arbeit, Wirkungsgrad und Abgastemperatur Es stellt sich nun die Frage, nach welchen Kriterien die Hauptdaten eines günstigen Prozesses ausgelegt werden sollen. Für die heute wichtigste Anwendung von stationären Gasturbinen innerhalb einer Kombianlage (GuD) sollte ein günstiger Gasturbinenprozess 1. einen hohen eigenen Wirkungsgrad, 2. eine hohe spezifische Arbeit und 3. eine ausreichend hohe Austrittstemperatur besitzen. Wie zuvor gezeigt wurde, bewirkt eine höhere oberste Prozesstemperatur (OPT) für alle drei Kriterien eine Verbesserung. Dagegen hat das Druckverhältnis keine so eindeutige Tendenz. Dies kann man am besten zeigen, indem man den thermischen Wirkungsgrad und die Austrittstemperatur jeweils über der spezifischen Arbeit aufträgt und das Druckverhältnis sowie die OPT variiert. In Abb. 2-7 wurden alle anderen Daten wie oben beschrieben angenommen. Erhöht man das Druckverhältnis bei einer festen OPT, so steigen spezifische Arbeit und der Wirkungsgrad zunächst an. Als erstes erreicht die spezifische Arbeit ihr
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J. Braun
40%
30 20
35%
10 8
30%
π=6 1200°C 1400°C
25%
t=900°C
20% 50
150
250
350
450
Austrittstemperatur [°C]
Thermischer Wirkungsgrad
45%
950 900 850 800 750 700 650 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150
1400°C 1200°C
1000°C
20 30
t=900°C
50
Spezifische Arbeit [kJ/kg]
150
250
π=6 10
350
450
Spezifische Arbeit [kJ/kg]
Abb. 2-7 Thermischer Wirkungsgrad und Turbinenaustrittstemperatur über spezifischer Arbeit für den Joule-Prozess
Maximum und wird mit einer weiteren Steigerung des Druckverhältnisses wieder kleiner, während der Wirkungsgrad immer noch anwächst. Mit einer weiteren Steigerung des Druckverhältnisses bei konstanter OPT erreicht auch der Wirkungsgrad ein Maximum, darüber hinaus fallen beide Werte rapide ab. Betrachtet man gleichzeitig das Verhalten der Austrittstemperatur TAT, so erkennt man, dass eine Steigerung des Gasturbinenwirkungsgrades über ein höheres Druckverhältnis mit einer stark absinkenden TAT verbunden ist. In Hinblick auf einen guten Wirkungsgrad eines Kombiprozesses sollte daher nicht angestrebt werden, nur den Gasturbinenwirkungsgrad an sein Prozessoptimum zu legen, sondern eine integrale Lösung gesucht werden. Im oben betrachteten Beispiel wäre bei 1100 °C ein für den Kombiprozess günstiges Druckverhältnis bei 20 bis 25 anzusetzen. Dagegen werden Gasturbinen, die vor allem für einen alleinigen Betrieb ohne angeschlossene Kombianlage vorgesehen sind, häufig auf ein hohes Druckverhältnis ausgelegt, um eine maximale Effektivität zu erreichen. Daher kann Folgendes festgehalten werden: Zu jeder OPT gehört ein optimales Druckverhältnis des Prozesses. Dieses liegt für eine Anwendung im Kombibetrieb zwischen dem Wert für eine möglichst hohe spezifische Leistung und dem Wert für einen möglichst hohen Gasturbinenwirkungsgrad. Es müssen das gewählte Auslegungsdruckverhältnis und die obere Prozesstemperatur so aufeinander abgestimmt werden, dass auch im Kombibetrieb hohe Wirkungsgrade erzielt werden. Dies bedeutet im Allgemeinen eine möglichst hohe Abgastemperatur, möglichst nahe an den Materiallimiten des Abhitzedampferzeugers.
2.3.4 Prozessbestimmende Komponenten Die wichtigsten Kenngrößen von Gasturbinen bei Anwendung im Kombi- bzw. GuD-Kraftwerk sind ohne Frage Leistung, Wirkungsgrad, Abgasmassenstrom und
2 Thermodynamische Grundlagen
31
Abgastemperatur. Daher ist es wichtig, sich darüber klar zu sein, durch welche Komponenten einer Gasturbine diese Größen maßgeblich bestimmt werden. Leistung und Abgasmassenstrom Die Leistung lässt sich als Produkt aus Wirkungsgrad und eingebrachter Wärmemenge berechnen. Diese wiederum ist etwa proportional der angesaugten Luftmenge und der bei der Verbrennung erreichten ISO-Mischenthalpie. Da man ebenfalls in guter Näherung von einer Proportionalität von Enthalpie und Temperatur ausgehen kann, gelten für die Leistung folgende Hauptabhängigkeiten: P Luft .Tmix TLuft / : P / th m
(2.36)
Wirkungsgradverbesserungen lassen sich üblicherweise nur im niedrigen Prozentpunktebereich realisieren. Eine Erhöhung der Mischtemperatur, z. B. über eine verbesserte Kühltechnologie oder durch Verwendung anderer Materialien, führt in realistischen Schritten ebenfalls zu Leistungssteigerungen in der Größenordnung von 10%. Daher kann man auf diesen Wegen nicht in eine andere (höhere) Leistungsklasse vordringen, sondern es ist lediglich möglich, innerhalb der gleichen Leistungsklasse eine Optimierung bzw. Verschiebung zu erreichen. Um eine andere Leistungsklasse bei sonst ähnlicher thermodynamischer und aerodynamischer Auslegung zu erreichen, ist daher die angesaugte Luftmenge die wesentliche Variable. Diese Menge wird beim Axialverdichter vor allem durch das Verhalten der ersten Verdichterstufe(n) bestimmt. Hierbei bestimmen die Drehzahl, die Luftdichte und die Größe des Ringraumes am Eintritt in die Maschine und damit die Schaufellänge der ersten Stufe den tatsächlich angesaugten Massenstrom maßgeblich. Bei stationären Gasturbinen ab etwa 100 MW findet man heute fast ausschließlich die Einwellenbauart vor, bei der der Generator direkt (mit oder ohne Getriebe) mit der Welle verbunden ist, auf der sich Verdichter und Turbine befinden. Somit ist auch die Drehzahl kein Freiheitsgrad für eine Variation der Masse mehr, so dass hier sehr häufig verstellbare Vorleitreihen ausgeführt werden, die eine Regelung der Ansaugmenge unabhängig von Dichte und Drehzahl erlauben. Man kann sich daher merken: Die angesaugte Luftmenge und damit die Leistungsklasse einer stationären Gasturbine sowie die Abgasmenge werden durch den Axialverdichter bestimmt. Wirkungsgrad Eine gute thermodynamische Prozessauslegung, basierend auf den technologisch mit vertretbarem Aufwand erreichbaren Eckdaten (höchste erreichbare Temperatur, Druckverhältnis, geringste benötigte Kühlluftmengen, Leckagemengen), und eine Optimierung der Wirkungsgrade von Verdichter und Turbine sind entscheidend für den Wirkungsgrad des Prozesses. Es ist dabei darauf zu achten, dass alle Bauteile auch im Detail in ihren Eigenschaften aufeinander abgestimmt sind. Selbst relativ kleine Abweichungen, besonders im Kühllufthaushalt, können das Prozessoptimum soweit verschieben, dass im Ergebnis beträchtliche Einbußen im Gesamtwirkungsgrad eintreten. Eine genaue
32
J. Braun
Angabe aller Sensitivitäten würde den Rahmen hier sprengen, diese können in der Regel erst im Rahmen einer detaillierteren Modellierung und Auslegung erarbeitet werden. Abgastemperatur Die Abgastemperatur ist über den Mischwirkungsgrad, das Druckverhältnis der Turbine und die Mischtemperatur am Eintritt in die Turbine festgelegt. Der Mischwirkungsgrad (oder genauer das Kennfeld der Turbine) ist bei einer Maschine nicht als variable Größe zu betrachten, sondern ist durch die Auslegung und das Design festgelegt. Ein besserer Wirkungsgrad führt aber immer zu einer niedrigeren Abgastemperatur. Das Druckverhältnis wird vor allem durch die sogenannte Schluckfähigkeit der ersten Stufe der Turbine bestimmt (s. Abschn. 34.1). Somit kann man das Druckverhältnis und damit die Abgastemperatur bei Einwellenmaschinen vor allem durch eine Änderung der angesaugten Luftmenge beeinflussen. Eine Reduktion der Ansaugmenge führt wegen des geringeren Druckverhältnisses zu einer höheren Abgastemperatur bei gleicher Eintrittstemperatur. Daher wird diese Art der Prozessbeeinflussung vor allem im Teillastbereich genutzt, da man dann eine Verschlechterung des Gasturbinenwirkungsgrades teilweise durch eine Verbesserung das Wirkungsgrades auf der Wasser/Dampfseite kompensieren kann. Die Turbineneintritts-Mischtemperatur schließlich wird durch die von den heißgasbeaufschlagten Teilen ertragbare Heißgastemperatur und die notwendige Kühlluftmenge bestimmt. Wenn man davon ausgeht, dass Erstere eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten darf, wird der Kühlluftbedarf die Einflussgröße, welche Mischtemperatur und Abgastemperatur ebenfalls entscheidend beeinflusst. Auch hier gilt aber, dass im Allgemeinen der Kühlluftbedarf durch Auslegung und Design festgelegt ist und nicht als Prozessvariable angesehen werden kann. Als Merksatz kann man festhalten: Die erste Stufe der Turbine bestimmt über die Schluckfähigkeit das Druckverhältnis der Maschine. Ansaugmenge des Verdichters und Schluckfähigkeit der Turbine müssen für einen guten Prozesswirkungsgrad aufeinander abgestimmt werden. Integration der Gasturbine im Kombiprozess Reine Gasturbinenkraftwerke werden zwar auch heute noch zur Spitzenlastabdeckung gebaut, in der Mehrzahl der Anwendungen findet man aber mittlerweile Kombianlagen und sogenannte Cogenerationanlagen (Wärme-Kraft-Kopplung), denen gemeinsam ist, dass die Abwärme der Gasturbine in irgend einer Form weiter genutzt wird. Mit Ausnahme einiger Sonderbauformen geschieht die Abgaswärmenutzung im Allgemeinen über einen Abhitzedampferzeuger (s. Abschn. 5.3), von dem aus der bereitgestellte Wasserdampf einer weiteren Nutzung zugeführt wird. Unabhängig von der Art dieser Nutzung wird damit klar, dass die Abgasdaten der Gasturbine, also insbesondere Massenstrom, Temperatur und Enthalpie, einen entscheidenden
2 Thermodynamische Grundlagen
33
Einfluss auf den Prozesswirkungsgrad des Gesamtprozesses haben werden. Es ist daher an dieser Stelle sinnvoll, einen kleinen Exkurs in den Dampfkreislauf zu machen, um die Integration einer Gasturbine in den Kombiprozess besser verstehen zu können. Exemplarisch sei hier nur der Fall behandelt, in dem im Dampfkreislauf Strom ohne weitere Dampf- oder Wärmeauskopplung erzeugt wird, da sich andere Fälle wie Prozessdampf-Bereitstellung oder Heizkraftwerke letztendlich mit geeigneten Wirkungsgraddefinitionen übertragen lassen. Die detaillierte Beschreibung geeigneter Dampfprozessschaltungen soll dabei ebensowenig Thema dieses Exkurses sein wie die genaue Berechnung und Analyse des Teillastverhaltens einer Kombianlage. Mit Hilfe geeigneter Charakteristiken des Dampfkreislaufes kann man sich aber bereits die wesentlichen Anforderungen für die Auslegung der Gasturbine erarbeiten. Im Falle reiner Stromerzeugung wird der thermische Wirkungsgrad der Kombianlage und deren spezifische Arbeit analog zu Gl. (2.6) und (2.7) definiert: jPGT C PDT j QP zu jQP ab j D ; QP zu QP zu jPGT C PDT j : D m P
th, Kombi D
(2.37)
aw, Kombi
(2.38)
Es wird also lediglich zur Leistung der Gasturbine noch die Leistung der Dampfturbine(n) addiert, die zugeführte Wärme ist (ohne Zusatzfeuerung im Kessel) immer noch die der Gasturbine zugeführte Brennstoffenergie. Im Falle von Zusatzfeuerung, die aus Wirkungsgradgründen meist nur in Spitzenlastzeiten Anwendung findet, muss diese zusätzliche Energie natürlich zur zugeführten Wärmemenge gerechnet werden. Um den Wirkungsgrad der Gasturbine und den des Dampfkreislaufes zu entkoppeln, kann man obige Formel noch weiter umformen: th, Kombi D th C th, DT .1 th / ;
(2.39)
wobei th der Wirkungsgrad der Gasturbine gemäß Gl. (2.6), th, DT D
jPDT j ; QP Abgas
(2.40)
der Wirkungsgrad des Dampfkreislaufes und QP Abgas QP zu .1 th /
(2.41)
in guter Näherung die verfügbare Abwärme der GT ist. Zu beachten ist in dieser Definition, dass davon ausgegangen wird, dass nur über das Abgas Energie an den Dampfkreislauf übertragen wird und keine weiteren Wärmeauskopplungen aus dem GT-Prozess stattfinden, z. B. über Kühlluftkühler. Auch Strahlungs- und Konvektionsverluste der Gasturbine sind hier vernachlässigt. Die erste Erkenntnis aus dieser Formel ist, dass der Wirkungsgrad des Kombiprozesses zwar auch vom Wirkungsgrad der Gasturbine abhängt, sich eine Ver-
J. Braun
Wirkungsgrad des Dampfkreislaufes
34
Turbinenaustrittstemperatur Abb. 2-8 Wirkungsgrad des Dampfkreislaufes als Funktion der Turbinenaustrittstemperatur
besserung oder Verschlechterung des Gasturbinenwirkungsgrades aber nur abgeschwächt auswirkt. Dies ist einfach dadurch begründet, dass ein Verlust der Gasturbine mindestens teilweise durch den Dampfkreislauf zurückgewonnen wird und ein Gewinn der Gasturbine dem Dampfkreislauf nicht mehr als Energie zur Verfügung steht. Wenn man eine geeignete charakteristische Funktion für den Wirkungsgrad des Dampfkreislaufes vorliegen hat, kann man daher mit diesen einfachen Formeln bereits die thermodynamischen Eigenschaften des Kombiprozesses bestimmen. Eine solche Funktion hängt natürlich sehr stark von der Prozessschaltung des jeweils vorliegenden Dampfkreislaufes ab und lässt sich nicht allgemein angeben. Die Verschaltungsmöglichkeiten des Dampfkreislaufes reichen vom einfachen Eindruckprozess bis hin zum exergetisch deutlich günstigeren DreidruckZwischenüberhitzungsprozess, die selbstverständlich unterschiedliche Charakteristiken hinsichtlich des Wirkungsgradniveaus, des Verlaufes und der Einflussparameter besitzen. Für weitergehende Erläuterungen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen, z. B. [2.7]. Interessanterweise kann man bei vorgegebener Prozessführung im Dampfkreislauf im hohen Lastbereich als Hauptparameter dieses Wirkungsgrades die Abgastemperatur identifizieren. Einen typischen Verlauf kann man Abb. 2-8 entnehmen. In der Anwendung muss dabei allerdings mindestens vorausgesetzt werden, dass die Abgasmenge keine große Änderung erfährt; für tiefe Teillast mit stark geschlossener Vorleitreihe ist eine solche Kurve daher nicht anwendbar. Dies stellt aber in der ersten Phase einer Auslegung keine große Einschränkung dar, da letztendlich bei stärkerer Änderung der Abgasmenge an die Stelle einer Kurve eine Kurvenschar treten kann. In einer anfänglichen Prozess- und Fahrkonzeptoptimierung ist ohnehin meistens der Volllastpunkt maßgeblich. Mit einer Kurve DT über der Gasturbinenabgastemperatur lässt sich daher das Verhalten des Dampfkreislaufes in guter Nä-
2 Thermodynamische Grundlagen
35
herung beschreiben. Zusammen mit den obigen Formeln können dann analog zum Vorgehen bei der Gasturbine für den Kombiprozess die Kurven Gesamtwirkungsgrad über spezifischer Arbeit ermittelt werden, so dass der Gasturbinen- und der Kombiprozess aufeinander abgestimmt werden können. In der detaillierten Auslegungsphase müssen dann allerdings sehr viel feiner aufgelöste Prozessrechnungen sowohl gasturbinen- als auch dampfseitig durchgeführt werden. Merken kann man sich zur Einbindung der GT in den Kombiprozess: Die Gesamtleistung (Leistungsklasse) des Kombiprozesses wird ebenso wie diejenige der Gasturbine vor allem durch die Ansaugmenge der Gasturbine bestimmt. Der Wirkungsgrad des Kombiprozesses wird bestimmt durch den Wirkungsgrad und die Abgastemperatur der Gasturbine sowie natürlich durch die Prozessführung des Dampfkreislaufes. Eine Steigerung des Wirkungsgrades der Gasturbine führt nur dann zu einer Wirkungsgradverbesserung des Kombiprozesses, wenn nicht gleichzeitig durch Absenkung der Abgastemperatur der Dampfkreislauf zu stark an Wirkungsgrad verliert. Eine wirkungsgradoptimierte Gasturbine ist daher nicht unbedingt die Bestmögliche für einen optimalen Kombiprozess.
2.4 Varianten des offenen Joule-Prozesses zur Prozessverbesserung 2.4.1 Einfluss einer Zwischenerhitzung (Reheat) Ein Prozess mit einer Zwischenerhitzung während der Expansion läuft auf drei Druckstufen ab (Abb. 2-9).
p = const 3
5
Enthalpie
4
2 6 4'
2' 1 Entropie Abb. 2-9 Reheat-Prozess
p = const
36
J. Braun
Für den Prozess wird – wie bereits zuvor beim Joule-Prozess – angenommen, dass keine Druckverluste im Ansaugkanal, in beiden Brennkammern und im Austrittskanal auftreten. Die Expansion ist zweistufig mit den Druckverhältnissen 1 und 2 der ersten bzw. zweiten Turbine. Ebenso werden die beiden isentropen Wirkungsgrade dieser Turbinen als unterschiedlich betrachtet. Unter diesen Annahmen lassen sich der thermische Wirkungsgrad und die spezifische Arbeit wie folgt ausdrücken: s; T1 1 1m C s; T2 TT53 1 1m s;1V TT13 ..1 2 /m 1/ 1 2 th D ; T5 T1 1 T1 1 m/ C 1 C .1 . / m 1 2 s; T 1 T3 T3 s; V T3 1 1 1 1 m T1 ..1 2 / 1/ ; aw D cp s; T1 T3 1 m C s; T2 T5 1 m 2 s; V 1 1 T6 D T5 1 s, T2 T5 1 m : (2.42) 2 Um den thermodynamischen Vorteil dieses Prozesses zu zeigen, muss man dem Prozessverlauf 1-2-3-4-5-6 einen geeigneten Joule-Prozess gegenüberstellen. In Frage kommen hier der Joule-Prozess mit gleichem Gesamtdruckverhältnis (1-2-340 ) und der Joule-Prozess mit gleichem Druckverhältnis wie in der zweiten Turbine des Reheat-Prozesses (1-20 -5-6). Ansonsten werden gleiche Prozess- und Komponentendaten in beiden Prozessen angenommen. Eingesetzt wird in den folgenden Rechnungen T3 D 4;77 ; T1 T5 D T3 ; 1 D 2 I
bei T1 D 288 K ;
2 D 16
und für die Stoffwerte wiederum kJ ; kg K D 1;35 :
cp D 1;1
Vergleicht man durch Wahl der Komponentenwirkungsgrade gleich 1 zunächst die teilidealisierten Prozesse miteinander, stellt man fest, dass der Reheat-Prozess einen schlechteren Wirkungsgrad aufweist als der ideale Joule-Prozess mit gleichem Gesamtdruckverhältnis (Tabelle 2-4). Dafür ist die spezifische Arbeit aber um fast 30% höher. Hier wirkt sich die bereits besprochene günstige Eigenschaft des idealen Joule-Prozesses aus, dass sein Wirkungsgrad mit steigendem Druckverhältnis weiter anwächst, während der ideale Reheat-Prozess genauso wie ein realer JouleProzess bei sonst festgehaltenen Parametern einen Maximalwert erreicht. Dementsprechend gibt es für die realen Prozesse auch optimierte Prozessparameter, d. h., es gibt insbesondere zu einer maximal erlaubten oberen Prozesstemperatur ein optimales Druckverhältnis beim Joule-Prozess bzw. eine optimale Kombination der Druckverhältnisse beim Reheat-Prozess.
2 Thermodynamische Grundlagen
37
Tabelle 2-4 Vergleich des idealen Reheat-Prozesses mit dem idealen Joule-Prozess
th aw TAT
Idealer Reheat-Prozess 1-2-3-4-5-6
Idealer Joule-Prozess 1-2-3-40
Idealer Joule-Prozess 1-20 -5-6
57,3% 562 kJ=kg 396 °C
59,3% 435 kJ=kg 286 °C
51,3% 441 kJ=kg 396 °C
Tabelle 2-5 Vergleich des realen Reheat-Prozesses mit dem realen Joule-Prozess
th aw TAT
Reheat-Prozess 1-2-3-4-5-6
Reheat-Prozess mit 30% ND-Kühlluft
Joule-Prozess 1-2-3-40
Joule-Prozess 1-20 -5-6
41,5% 364 kJ=kg 481 °C
40,1% 343 kJ=kg 481 °C
38,3% 252 kJ=kg 384 °C
36,5% 294 kJ=kg 481 °C
Setzt man nun die Wirkungsgrade der Komponenten kleiner 1, d. h. s; V D 0;86 ; s; T1 D s; T2 D 0;88 ; so sieht man, dass der Reheat-Prozess weniger sensibel auf die schlechteren Komponentenwirkungsgrade reagiert und dadurch unter sonst gleichen Annahmen im Wirkungsgrad über beiden Joule-Vergleichsprozessen liegt (Tabelle 2-5, Spalten 1, 3 und 4). Bezüglich der spezifischen Arbeit bleibt er weiterhin beiden JouleProzessen überlegen. Trägt man für den Reheat-Prozess Wirkungsgrad und Abgastemperatur über der spezifischen Arbeit auf und variiert die Eintrittstemperaturen beider Turbinen und das Druckverhältnis der zweiten Turbine, wobei das Druckverhältnis der ersten Turbine bei einem Wert von 2 gehalten wird, so kann man das unterschiedliche Verhalten zum Joule-Prozess erkennen (Abb. 2-10). Im Vergleich mit dem Joule-Prozess (s. Abb. 2-7) sind Bereich und Niveau der spezifischen Arbeit beim Reheat-Prozess erheblich höher. Auch das Wirkungsgradniveau liegt insgesamt höher, wobei der Unterschied beim Vergleich der Prozesse mit gleichem Gesamtdruckverhältnis nicht groß ist. In diesem Fall ist der ReheatProzess aber im ganzen Feld in der Abgastemperatur überlegen. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass obige Prozessrechnung dem Reheat-Prozess etwas günstigere Eigenschaften zuschreiben, als es in Realität der Fall ist. Dies hängt damit zusammen, dass bei einem realen Prozess anders als im Beispiel die Kühlluft der zweiten Turbine komplett am Hochdruckteil vorbeigeführt wird und damit gar nicht am Zwischenerhitzungsprozess teilnimmt. Dadurch fallen in Realität der Wirkungsgrad und die spezifische Arbeit geringer aus. Dies wird durch die Vergleichsrechnung in Spalte 2 der Tabelle 2-5 deutlich. Wenn man in der Berechnung 30% der Ansaugluft am Hochdruckteil (HD-Kompressor, erste Brennkammer und erste Turbine) vorbeiführt und als Kühlluftbedarf der Niederdruckturbine betrachtet, sinken Wirkungsgrad und spezifische Arbeit zwar ab, bleiben aber
38
J. Braun
30 20
45%
Austrittstemperatur [°C]
Thermischer Wirkungsgrad
50%
10 8
40%
π2=6
35% 30%
t=900°C
1200°C
1400°C
25% 20% 50
250
450
Spezifische Arbeit [kJ/kg]
650
950 900 850 800 750 700 650 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150
1400°C 1200°C
π2=6 10
1000°C t=900°C
50
250
20 30
450
650
Spezifische Arbeit [kJ/kg]
Abb. 2-10 Thermischer Wirkungsgrad und Turbinenaustrittstemperatur über spezifischer Arbeit für den Reheat-Prozess
trotz dieses hohen Anteils immer noch deutlich über den Werten beider einfacher Joule-Prozesse. Auch auf den Bedarf an Kühlluft der zweiten Turbine reagiert der Reheat-Prozess also nur abgeschwächt. Insgesamt kann man daher folgende Vorteile einer Prozessführung mit Zwischenerhitzung festhalten: 1. Der Zwischenerhitzungsprozess weist eine geringere Sensitivität auf die Komponentenwirkungsgrade auf als der einfache Joule-Prozess. Dadurch erhält er bei gleichen Komponenteneigenschaften einen höheren Prozesswirkungsgrad. 2. Die spezifische Arbeit ist aufgrund der doppelten Ausnutzung des Arbeitsmediums während der Entspannung ebenfalls grundsätzlich höher als beim einfachen Joule-Prozess. Dadurch wird die Baugröße aller Komponenten bei gleicher Leistungsklasse positiv beeinflusst. Das heißt, man kann im Vergleich zu einer konventionellen Gasturbine bei gleichem Massenstrom eine andere Leistungsklasse erreichen, ohne dabei die mit einer größeren Ansaugmenge verbundenen größeren Strömungsquerschnitte der Maschine in Kauf nehmen zu müssen. 3. Die Austrittstemperatur ist bei gleichem Prozesswirkungsgrad höher als bei den Joule-Vergleichsprozessen. Dadurch wird die Anwendung dieses Prozesstyps vor allem bei Kombianlagen interessant. 4. Die Aufteilung der gesamten Brennstoffzufuhr auf zwei Brennkammern ergibt gegenüber dem einfachen Jouleprozess einen weiteren Freiheitsgrad in der Regelung, so dass vor allem im Teillastgebiet für die Bedürfnisse des Kombibetriebs optimierte Regelkonzepte eingesetzt werden können. Diesen thermodynamischen und regelungstechnischen Vorteilen stehen allerdings auch einige Nachteile gegenüber: 1. Um den Vorteil des höheren thermischen Wirkungsgrades des Reheat-Prozesses zum Tragen zu bringen, muss mit einem höheren Verdichterdruckverhältnis ge-
2 Thermodynamische Grundlagen
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arbeitet werden. Dadurch steigt die Anzahl der Verdichter- und Turbinenstufen, die wegen der Belastung zu den teureren Komponenten einer Gasturbine gehören. 2. Die für die sequentielle Verbrennung erforderliche zweite Brennkammer ist hoch belastet und somit prinzipbedingt eine zusätzliche und ebenfalls teure Komponente der Gasturbine. 3. Durch die sequentielle Verbrennung steigt der Aufwand für die Prozessführung, die Brennstoffversorgung und die Regelung der Gasturbine. 4. Es nimmt nicht die gesamte Ansaugmenge am Zwischenerhitzungsprozess teil, was Leistung und Wirkungsgrad herabsetzt. Insgesamt ist also ein deutlich größerer konstruktiver Aufwand mit dem ReheatPrinzip verbunden. Die jeweiligen Vorteile der Reheat- und der Joule-Prozessführung müssen im Einzelfall eines konkreten Kraftwerkes sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
2.4.2 Einfluss einer Zwischenkühlung Eine Zwischenkühlung mit Hilfe eines externen Wärmetauschers führt zu einer deutlich kleineren benötigten Verdichtungsarbeit, da nach der Abkühlung des Arbeitsmediums die Dichte des Gases erheblich ansteigt und damit die Kompressionsarbeit (Volumenänderungsarbeit) reduziert wird. In Folge wird die Wellenleistung als Differenz aus Turbinenleistung und Verdichterleistung erhöht und damit – ähnlich der Zwischenerhitzung – die spezifische Arbeit ansteigen. Nachteilig wirkt sich bei einem externen Wärmeaustausch die höhere Brennstoffmenge aus, da das Arbeitsmedium in diesem Fall von einer niedrigeren Temperatur aus erwärmt werden muss (Abb. 2-11).
5 (Pfeil symbolisiert Wet Compression)
Enthalpie
p = const 2 6
4 3
1
Entropie Abb. 2-11 Zwischenkühlungsprozess
p = const
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Die Folge ist im Allgemeinen ein schlechterer Wirkungsgrad, da die extern abgegebene Wärme ohne eine Nutzung als Verlust angesehen werden muss. Diesen Nachteil kann man kompensieren, indem man die Absenkung der Temperatur nicht über einen externen Wärmeaustausch erreicht, sondern über eine Verdampfung von Wasser während der Kompressionsphase (wet compression). Die der Luft entzogene fühlbare Wärme wird dem Wasser zur Verdampfung zugeführt und bleibt damit dem Gesamtprozess erhalten. Dies entspricht einer prozessinternen Rekuperation. Die Umsetzung kann in zwei Bauarten erfolgen. Wenn man das Wasser in mehreren Stufen während der Verdichtung eindüst, kann man zu einem sehr niedrigen Anstieg des Verdichtertemperaturverlaufes kommen und damit sehr hohe Leistungs- und Wirkungsgradwerte erreichen. Verdichtergehäuse und die Beschaufelung müssen aber hier auf diesen Prozess speziell abgestimmt werden, d. h., diese Prozessführung ist nicht nachträglich nachrüstbar. Es ist damit trotzdem nicht möglich, eine isotherme Kompression zu erreichen, da die Grenzen der Verdampfung über den Sättigungsdruck festgelegt sind. Dabei ist der Partialdruck des Wasserdampfes im komprimierten Gemisch entscheidend. Die zweite Methode besteht in der Eindüsung von fein zerstäubtem Wasser vor dem Verdichter in so großer Menge, dass der Hauptteil dieses Wassers nicht schon vor dem Verdichter verdampft (wie bei konventionellen Verdunstungskühlern, siehe dazu auch Abschn. 34.3.3), sondern in den ersten Stufen der Verdichtung. Auch diese Methode führt zu einer signifikanten Verbesserung der Leistung und des Wirkungsgrades (typische Werte sind 10% Leistung und 1% Wirkungsgrad), sie hat darüber hinaus aber den Vorteil, dass sie leicht nachrüstbar ist. Die Grenzen sind hier gesetzt durch die Menge des insgesamt eingedüsten Wassers und der Erosionswirkung mit steigender Menge an unverdampftem Wasser sowie dem Gesamtverhalten der Maschine, beispielsweise durch verringerte Spiele aufgrund der Kühlwirkung auf das Gehäuse (vgl. Abschn. 39.2.1).
2.4.3 Einfluss eines Rekuperators Ein Rekuperator verwendet ansonsten im Prozess nicht genutzte Abwärme zur Vorwärmung der verdichteten Luft. Dadurch wird die benötigte externe Wärmezufuhr (Brennstoffbedarf) verringert und der Prozesswirkungsgrad verbessert. Als Abwärmequelle kommt vor allem der Abgasmassenstrom in Frage. Das setzt allerdings voraus, dass eine genügend große Temperaturdifferenz zwischen dem Abgas und der Luft nach der Verdichtung vorliegt. Bei einem Joule-Prozess mit heute üblichen Verdichtungsverhältnissen von 15 bis 30 und Mischtemperaturen von 1100 bis 1200 °C ist die rekuperierbare Wärme bereits so klein gegen die benötigte Brennstoffwärme, dass ein wirtschaftlicher Einsatz kaum erreichbar ist. Es ist zu beachten, dass der Rekuperator luft- und abgasseitig einen erhöhten Druckverlust bedingt, der die Leistungsausbeute schmälert. Dadurch geht der Wirkungsgradgewinn schnell gegen Null. Ausgeführte Maschinen mit Rekuperation über einen Wärmetauscher findet man daher heute praktisch nicht mehr. In Verbindung mit einer Zwischenerhitzung bei der Expansion, einer Zwischenkühlung bei der Kompression oder einer Kombination von beidem kann ein Re-
2 Thermodynamische Grundlagen
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kuperator – dann im geschlossenen Prozess – allerdings durchaus wieder eine thermodynamisch und technisch sinnvolle Maßnahme werden, da in diesen Fällen die im Rekuperator ausnutzbare Wärmemenge im Verhältnis zur Brennstoffmenge anwächst und deutliche Wirkungsgradverbesserungen erzielt werden können. Der Grenzfall kompletter Rekuperation ist der bereits besprochene Ericsson-Prozess, der im Wirkungsgrad dem Carnot-Prozess am nächsten kommt. Erkauft wird dies durch einen sehr komplexen Prozess. Für eine Kombianlage wäre eine solche Prozessführung allerdings ungeeignet, da keine sinnvoll nutzbare Abgasenergie mehr zur Verfügung steht. Eine andere Form der Rekuperation ist die chemische Rekuperation. Hier wird die Abgaswärme genutzt, um auf chemischem Wege ein synthetisches Verbrennungsgas zu erzeugen, das direkt in der Gasturbine auch als Brennstoff genutzt werden kann. Aufgrund der besonderen Eigenschaften der aus Abwärme erzeugten Synthesegase, muss die in einem solchen Prozess verwendete Gasturbine speziell für diesen Prozess ausgelegt werden. Diese Tatsache, zusammen mit der recht komplexen Anlage zur chemischen Rekuperation der Abwärme, führte dazu, dass diese Form der Rekuperation bislang noch nicht in einem Kraftwerk umgesetzt wurde.
2.4.4 Leistungsorientierte Prozessverbesserungen Eine einfache Methode der Leistungssteigerung einer Gasturbine besteht in der Eindüsung von Wasser oder Wasserdampf in die Brennkammer oder in das Verdichterplenum vor der Brennkammer. Die Leistungssteigerung wird dabei vor allem durch die Änderung der Stoffeigenschaften des Rauchgases und die höhere Durchsatzmenge durch die Turbine bewirkt, während die Verdichteransaugmenge nahezu gleich bleibt. Nachteilig ist allerdings vor allem bei der Wassereindüsung der Verlust des Wassers und seiner Verdampfungswärme im Abgas, was den Wirkungsgrad der Gasturbine und der Kombianlage typischerweise deutlich verringert (s. Abschn. 34.3.3). Die Maßnahme lässt sich dafür meist ohne bauliche Veränderung an der Gasturbine durchführen, solange das Verhältnis der Wassermenge zur Brennstoffmenge auf einen Bereich von etwa 1 bis 3 beschränkt bleibt. Zu weit höheren Werten kann man kommen, wenn man die Beschränkung der unveränderten Bauweise fallen lässt und eine ganz andere Prozessführung ohne einen eigenen Dampfkreislauf anwendet. In diesem Fall wird durch Rekuperation der sonst verlorenen Abgasenergie zunächst in einem einfachen Kessel Dampf aus Wasser unter einem Druck oberhalb des höchsten Gasturbinen-Prozessdruckes erzeugt und danach direkt in die Gasturbine eingedüst. Dieser Prozess wird üblicherweise STIG genannt (STeam Injected Gas turbine). Aus der Abgasenergie können sehr große Dampfmengen erzeugt werden. Bei vollständiger Zuführung dieses Dampfes in die Gasturbine ist die Anlage wie folgt gekennzeichnet: 1. Der Wasserdampfkreislauf fällt bis auf einen im Vergleich zur Kombianlage einfachen Dampferzeuger weg. Damit ist eine solche Anlage erheblich billiger und schneller zu bauen, als eine konventionelle Kombianlage.
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2. Die Gasturbine muss speziell für diesen Prozess ausgelegt sein. Die angesaugte Luftmenge und der Durchsatz durch die Turbine unterscheiden sich erheblich. Wird eine Gasturbine ohne Anpassung verwendet, der Turbinenwirkungsgrad wegen der Fehlanströmung der Beschaufelung, die aus der Erhöhung des Volumenstroms durch den Dampf folgt. 3. Der Dampf wird vor oder in der Brennkammer zugeführt. Dadurch wird der Sauerstoffgehalt des Gemisches in der Brennkammer stark reduziert, so dass die höchste erreichbare Prozesstemperatur durch den zur Verbrennung zur Verfügung stehenden Sauerstoff nach oben begrenzt wird. 4. Der Wirkungsgrad einer solchen Maschine ist deutlich größer als bei einer Gasturbine ohne Rekuperation, erreicht aber nie die Werte eines optimal ausgelegten Kombiprozesses. In Abhängigkeit von der Prozessführung liegen technisch erreichbare Werte heute bei ca. 45–52%. 5. Der Verlust von aufbereitetem Wasser im Kamin ist sehr groß, so dass eine solche Anlage nur in Gegenden mit hoher Wasserverfügbarkeit bei sehr guter Qualität wirtschaftlich Anwendung finden kann. Wenn man das Wasser z. B. durch Kondensation und anschließende Aufbereitung wieder in ausreichendem Maße zurückgewinnen möchte, steigen die Anlagenkosten an, was den Kostenvorteil gegenüber der Kombianlage wieder verringert. Insgesamt muss eine solche Anlage daher für den großtechnischen Einsatz in der Energieerzeugung als Nischenprodukt bewertet werden und wurde folglich bislang noch nicht umgesetzt.
2.4.5 Beispiele stationärer Gasturbinen Zum Abschluss des Kapitels „Thermodynamische Grundlagen“ seien noch die Hauptdaten einiger Prozesse ausgeführter Gasturbinen genannt. Sie erheben selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sollen einen Überblick über heute übliche Maschinendaten geben. Alle Daten verstehen sich bei ISO-Bedingungen, d. h. bei Umgebungstemperatur von 15 °C, Umgebungsdruck von 101 300 Pa, einer relativen Feuchte von 60% und ohne Einlass-, Auslass- und Hilfsantriebsverluste. Joule-Prozess ALSTOM GT8C2 (siehe [2.10]) Prozesstyp: Joule-Prozess Leistung: 56,3 MW (bei 50 Hz Netzfrequenz) Wirkungsgrad: 33,9% Abgasmassenstrom: 197 kg=s Abgastemperatur: 508 °C Wellendrehzahl: 6219 min1 Druckverhältnis: 17,6 Die GT8C2 mit zwölfstufigem Kompressor und dreistufiger Turbine ist für kleinere GuD-/Kombikraftwerke und industrielle Anwendungen konzipiert. Kompakte Bauweise der Gasturbine und hoher Modularisierungsgrad der Hilfssysteme ermöglichen kurze Bauzeiten einer solchen Anlage (Abb. 2-12).
2 Thermodynamische Grundlagen
Abb. 2-12 Alstom GT8C2 (Alstom Power)
Abb. 2-13 Siemens SGT5-4000F (Siemens Power Generation)
Siemens SGT5-4000F (siehe [2.11]) Prozesstyp: Joule-Prozess Leistung: 292 MW Wirkungsgrad: 39,8%
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Abb. 2-14 Siemens SGT5-8000H
Abgasmassenstrom: Abgastemperatur: Wellendrehzahl: Druckverhältnis:
692 kg=s 577 °C 3000 min1 18,2
Die Siemens SGT5-4000F (Abb. 2-13) ist für GuD-/Kombi-Großkraftwerke entwickelt worden. Im Gasturbinenbetrieb erreicht sie einen sehr hohen Wirkungsgrad von 39,8%, was eine Steigerung von 1,3%-Punkten gegenüber der ersten Version bedeutet. Die Verbesserungen dieser Upgrade-Version wurde durch Optimierung der Kühlungs-, Schaufelbeschichtungs- und Verbrennungstechnologien erreicht (siehe [2.11]). Siemens SGT5-8000H (siehe [2.14]) Prozesstyp: Joule-Prozess Leistung: 375 MW Wirkungsgrad: 40%
2 Thermodynamische Grundlagen
Abgasmassenstrom: Abgastemperatur: Wellendrehzahl: Druckverhältnis:
45
820 kg/s 625 °C 3000 min1 19,2
Die Siemens SGT5-8000H (Abb. 2-14) ist mit 375 MW die leistungsstärkste Gasturbine auf dem Markt. Zum Erreichen des hohen Wirkungsgrades wurde das Druckverhältnis angehoben und die Eintrittstemperatur entsprechend angepasst (siehe Abschn. 2.3.3). Vergleicht man die aktuell veröffentlichten Prozessdaten der SGT5-4000F mit denen der SGT5-8000H kann man auf eine deutliche Anhebung der Eintrittstemperatur um annähernd 100 K schließen („appr. 1500 °C class engine“, vgl. [2.14]). Auch Abb. 2-7 lässt den gleichen Schluss zu, denn der Anstieg der spezifischen Arbeit von 422 kJ/kg (SGT5-4000F) auf 457 kJ/kg (SGT5-8000H) wird vor allem über die entsprechend höhere Eintrittsmischtemperatur erreicht. Die Optimierung erfolgte offensichtlich auf eine hohe spezifische Arbeit hin und nicht speziell auf einen hohen GT-Wirkungsgrad. Für das Ziel, im Kombibetrieb einen Wirkungsgrad über 60% zu erreichen, ist dies die beste Strategie, da die Abgastemperatur (hier 625 °C) damit deutlich höher bleibt (vgl. [2.14]). Zwischenerhitzungsprozess ALSTOM GT26 (siehe [2.10]) Prozesstyp: Zwischenerhitzungsprozess Leistung: 292 MW Wirkungsgrad: 38,5% Abgasmassenstrom: 653 kg=s Abgastemperatur: 615 °C Wellendrehzahl: 3000 min1 Druckverhältnis: 34,7
Niederdruckturbine Hochdruckturbine Reihe 1–4 Reihe 1
Verdichter Reihe 1–22
Abb. 2-15 Alstom GT26 (Alstom Power)
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Die Alstom GT26 (Abb. 2-15) ist, wie die zuvor gezeigten Maschinen, für GuD-/ Kombi-Großkraftwerke konzipiert worden. Großes Bild: Der Rotor und die untere Gehäusehälfte. Auf dem geschweißten Rotor sind die Hochdruckstufe und der Platz für die zweite Brennkammer deutlich zu erkennen. Kleines Bild: Der komplett montierte thermische Block. Die Hauptdaten dieser Maschine im Vergleich mit der Siemens SGT5-4000F spiegeln die thermodynamischen Unterschiede beider Prozessführungen wider. Die Leistungen beider Maschinen sind fast gleich. Trotz des im Reheat-Prozess notwendigen höheren Druckverhältnisses der GT26 ist der Wirkungsgrad der SGT5-4000F mit Joule-Prozessführung höher. Dafür weist die GT26 eine höhere Leistungsdichte (einen kleineren Massenstrom) und eine höhere Abgastemperatur auf. Trotz des geringeren Gasturbinenwirkungsgrades ist diese deutlich höhere Abgastemperatur der GT26 bei etwa gleicher Abgasenergie im Kombibetrieb gegenüber der SGT5-4000F ein Vorteil. In der von beiden Herstellern als Reference Plant angegebenen Variante mit jeweils zwei Gasturbinen unter ISO-Bedingungen werden folgende Daten genannt (Stand Ende 2009): SCC5-4000F 21 RPP: 848 MW, 58,5%, KA26-2 ICS: 858 MW, 59,0% (siehe [2.12] und [2.13]) Ericsson-Prozess-Ausführung Prozesstyp: Ericsson-Prozess in zwei Gruppen Leistung: 13 MW=27 MW Wirkungsgrad: 28–30% Abgasmassenstrom: 90 kg=s/180 kg=s Abgastemperatur: 180 °C nach Rekuperator Wellendrehzahl: 4750/3000 min1 (Hochdruckteil)
27 MW GasTurbogruppe Beznau
2
1 Niederdruckwelle mit ND-Verdichter, MDVerdichter und NDTurbine
4 5
3
2 Hochdruckwelle mit HD-Verdichter und HD-Turbine
1 4
3 Zwischenkühler 4 Brennkammern 3
Abb. 2-16 Kraftwerk Beznau (Alstom Power)
5 Rekuperator
2 Thermodynamische Grundlagen
Druckverhältnis: ISO-Mischtemperatur:
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8,8/8,1 650 °C (HD), 600 °C (ND)
Eine Anlage, die den Ericsson-Prozess approximiert, stammt aus dem Jahre 1948 und steht in Beznau in der Schweiz. Die Anlage weist bei zwei Gruppen eine zweifache Zwischenkühlung bei der Kompression, eine Zwischenerhitzung während der Expansion und einen Abgasrekuperator auf, mit dem die komprimierte Luft vor der ersten Brennkammer vorgewärmt wird. Turbinen und Kompressoren sind auf eigenen Wellen angeordnet. Bei Eintrittstemperaturen von nur 650 °C und 600 °C und einem Druckverhältnis von 8,8 erreicht die Anlage eine Leistung von 40 MW und einen für die damalige Zeit sehr hohen Wirkungsgrad von 30%. Siehe auch [2.8] und [2.9] (Abb. 2-16).
Literaturverzeichnis 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.7. 2.8. 2.9. 2.10. 2.11. 2.12. 2.13. 2.14.
Baehr, H. D.: Thermodynamik. 8. Aufl. Springer 1992 Traupel, W.: Thermische Turbomaschinen. Bd. I. 3. Aufl. Springer 1988 Traupel, W.: Thermische Turbomaschinen. Bd. II. 3. Aufl. Springer 1982 ISO 2314: Gas turbines – Acceptance tests (1989) API 616: Gas turbines for refinery services (1992) ANSI B133.1: Gas turbine terminology (1978) Kehlhofer, R., et al.: Combined cycle gas steam turbine power plants. 2. Aufl. PennWell Publ. Comp., Tulsa, Oklahoma, 1999 Frutschi, H. U.: Advanced cycle system with new GT24 and GT26 gas turbines – Historical background. ABB Rev. (1994) H. 1, S. 20–25 Betriebserfahrungen mit Brown Boveri Gasturbinen. In: Brown Boveri Mitt. 44 (1957) H. 4/5, S. 200–217 Alstom Druckschrift: Gas Turbine Range Overview, Technical Performance Data Sheet (2009) Taud, R.: Evolutionär Optimieren. BWK Bd. 60 Nr. 9, S. 28/29 (2008) Alstom Druckschrift: Gas Power Plants Technical Performance (2009) Siemens Druckschrift: Siemens Combined Cycle Reference Power Plant SCC5-4000F 21 (2008) Fischer, W. et al.: Siemens H: uprate and commercial release follow design validation. Modern Power Systems Vol. 29 No. 9 (2009)
Kapitel 3
GT-Kraftwerke Lothar Balling
Die Gasturbine (GT) ist heute weltweit eine der wichtigsten Komponenten in der Energieversorgung. Ihr Einsatz reicht vom reinen Gasturbinenbetrieb zur Abdeckung von Spitzenlastbedarf und Sofortreserve mit wenigen Betriebsstunden im Jahr bis hin zu den kombinierten Gas- und Dampfturbinenprozessen für den Mittelund Grundlasteinsatz. Lagen vor etwa 25 Jahren die Gasturbinenwirkungsgrade noch bei 25 bis 28%, so erreicht man derzeit (Stand 2009) 40% und in der Kombination mit einer Dampfturbine nun bereits 60%. Wirkungsgrad, niedrige spezifische Investitionskosten, kurze Errichtungszeiten und niedrige Emissionen begründen die heutigen Erfolge von Gasturbinen in der Kraftwerkstechnik.
3.1 Historische Entwicklung Die Gasturbine hatte es jahrzehntelang schwer, sich in Konkurrenz zur Dampfturbine durchzusetzen. Das begann schon bei ihrer Anmeldung zum Patent. Der Berliner Franz Stolze hatte bereits im April 1873, elf Jahre vor der Erteilung des britischen Dampfturbinen-Patents an Charles Parson, exakt das heutige Prinzip der Gasturbine dokumentiert und als sog. „Feuerturbine“ in Deutschland zum Patent anzumelden versucht. Trotz der damaligen Ablehnung wiederholte Stolze 24 Jahre später die Anmeldung und erhielt im Oktober 1897 die Patenterteilung in Deutschland und ein halbes Jahr später auch in den USA. Abbildung 3-1 zeigt einen Längsschnitt durch die damals patentierte Anlage, die in Weißensee errichtet wurde. Da Stolze davon überzeugt war, dass er den richtigen Weg für die „kalorische Maschine“ gefunden hatte, entschloss er sich, sogleich eine entsprechende Maschine für 200 PS zu bauen. Er dachte bereits damals an den Einsatz einer solchen Turbine in elektrischen Zentralen, in Großbetrieben, als Schiffsantriebsmaschinen sowie an die Verwertung auch von brennbaren Abfallgasen (z. B. Gichtgas aus Hochöfen) als Brennstoff. Diese 1904 in Weißensee bei Berlin fertig gestellte Turbine wurde bereits mit Luftvorwärmung und einer Vergasungsbrennkammer für Anthrazit mit einem Verdichterdruckverhältnis von 2,5 und einer Turbineneintrittstemperatur von 400 °C ausgelegt [3.1]. C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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3 Auslegungsleistung: 200 PS Drehzahl: 200 rpm
2
1
4 1 Axial Verdichter (10 Stufen, Verdichtungsverhältnis 2,5) 2 Axial Turbine (15 Stufen) 3 Verbrennungsraum mit Kohle Vergasung 4 Wärmeaustauscher (Röhrenvorwärmer) Abb. 3-1 Längsschnitt durch Verdichter und Turbine der Anlage „Weißensee“
Obwohl diese Maschine aufgrund der schlechten Komponentenwirkungsgrade und der geringen Eintrittstemperatur keine Nutzleistung erzielen konnte, legte Franz Stolze damals doch mit seinen Konstruktionsmerkmalen bereits den Grundstein für die Konstruktion aller uns heute bekannten Gasturbinen für den Flugtriebwerks- und für den Stromerzeugungseinsatz. Zu nennen sind • • • •
axial durchströmte Turbomaschinen für große Leistungen, beliebiger Einsatz von Brennstoffen (gasförmig, flüssig), indirekte und auch direkte Erhitzung des Arbeitsmediums, getrennte Brennkammern und integrierter ringförmiger Brennraum.
3.2 Frühe Anwendungen Obwohl die ersten Gasturbinen, die wirklich Nutzleistung abgaben, mit Wirkungsgraden von 3 bis 5% bereits wenige Jahre danach betrieben wurden, hatte die Gasturbine zur Stromerzeugung erst nach weiteren 30 Jahren, nachdem die eingesetzten Materialien und Komponenten entsprechend verbessert worden waren, ihre eigentliche Geburtsstunde. In der Mitte der 30er Jahre wurde mit der Entwicklung der ersten Flugtriebwerke in Deutschland von Hans-Joachim von Ohain und nachfolgend in den HeinkelWerken, bei Junkers sowie BMW und parallel in England bei der Royal Air Force durch Frank Whittle begonnen. In Magdeburg war die Geburtsstunde der so genannten JUMO 004, die das sagenumwobene Messerschmidt-Kampfflugzeug Me 262 mit ungefähr 8,9 kN Schub bei einem Verdichtungsverhältnis von ca. 3:1 antrieb. Innerhalb des vierköpfigen
3 GT-Kraftwerke
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Ausführung des Verdichters als Scheibenläufer mit zentralem Zuganker. Von Februar 1944 bis März 1945 wurden 6010 Triebwerke für das Jagdflugzeug Me 262 gefertigt.
Riedel-Anlasser
Labyrinthdichtung
Messerschmitt Me 262
Brennkammer
Düsennadel
Abgasaustritt
Lufteinlauf Verdichter
Abgasaustritt
Lufteinlauf
Kühlmantel Schmierstoffbehälter
Turbine mit Hohlschaufel
Abb. 3-2 JUMO 004, erstes Serientriebwerk
Entwicklungsteams war Rudolph Friedrich verantwortlich für die Verdichterauslegung. Er benutzte zu dieser Zeit eine Ausführung mit zentralem Zuganker und Einzelscheiben, die durch Stifte gegen Verdrehen gesichert waren. Wegen der leichten Austauschbarkeit von Verdichterstufen und der exzellenten thermischen Belastbarkeit wurde dieses Prinzip über lange Jahre beibehalten. In Abb. 3-2 ist sowohl der Querschnitt durch das Triebwerk als auch die Me 262 dargestellt. Zeitgleich begannen in der Schweiz BBC und Escher Wyss mit der Entwicklung von stationären Gasturbinen zur Stromerzeugung. Im Jahr 1939 begann der Betrieb der ersten kommerziellen stationären Gasturbine von BBC zur Erzeugung von Spitzenlaststrom von ca. 4 MW in Neuchâtel in der Schweiz und stellt somit einen technischen Meilenstein in der industriellen Gasturbinen-Anwendung dar [3.2]. Im September 1939 entschied sich Siemens zur Entwicklung von stationären Gasturbinen. Das Projekt, damals mit einem Radialverdichter, wurde durch den Krieg 1940 gestoppt. 1948 wurden die Entwicklungsaktivitäten bei Siemens dann wieder von Friedrich aufgenommen, die dann in den folgenden Jahren zu den VM-Typen (Verbrennungsmaschine) führte, die ab Mitte 1956 erfolgreich in Test gingen. Alle stationären Gasturbinen, die ab Ende der 50er Jahre bereits als Verdichterantriebe in der Leistungsklasse von etwa 10 MW von Siemens eingesetzt wurden, lehnten sich an das alte, aber geniale Prinzip der Feuerturbine von Stolze an und haben heute noch bewährte Konstruktionsprinzipen der ersten Flugtriebwerke [3.3, 3.4]. In den USA wurde 1949 die erste, damals 3,5 MW abgebende Gasturbine von GE für das Verbundkraftwerk Belle Isle in Betrieb genommen. Die Gasturbinenabgase
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Abb. 3-3 750-MW-GUD® -Kraftwerk Bank Pakong, Thailand 1982
wurden hier bereits für die Vorwärmung einer konventionellen Dampfkraftwerksanlage genutzt. Im Jahr 1965 wurde dann zum ersten Mal die Kombination einer Gasturbine (10 MW) mit einem voll befeuerten Kohlekessel (Kombiprozess) im Kraftwerk Hohe Wand in Österreich von Siemens in Betrieb genommen; das Kraftwerk erreichte einen Nettowirkungsgrad von 41,6%. Bis in die frühen 80er Jahre blieben die Spitzenlastanwendungen ohne Dampfprozess und Verbundschaltungen mit voll befeuerten Kesseln ein Hauptanwendungsfall für Gasturbinen [3.5]. 1968 folgte die Installation einer 16,5-MW-Gasturbine von Mitsubishi im ersten GuD (Gas- und Dampf)-Kraftwerk in Japan. Ebenfalls 1968/69 wurden die ersten reinen GuD-Anlagen (ohne zusätzlich befeuerte Kessel) in den USA (Wolverine Electric, 15 C 6 MW) von GE [3.6] und in Europa (Korneuburg A, Österreich, 2 25 C 25 MW) von BBC gebaut [3.7]. Mit dem Nachweis eines Wirkungsgrads von ca. 43% (netto) im GuD-Kraftwerk Bang Pakong in Thailand 1980 (Abb. 3-3) wurde von Siemens die Basis für die heute so erfolgreiche und umweltfreundliche GuD-Kraftwerkbaureihe auch in Südostasien geschaffen.
3.3 Wandel der Kundenstruktur und Marktanforderungen Die Erschließung großer Erdgasfelder und die damit ermöglichte Lieferung von kostengünstigem Erdgas weltweit und dessen umweltfreundliche Umwandlung in Strom war eine Voraussetzung für die Attraktivität dieses Brennstoffes.
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Die danach einsetzende hohe Nachfrage nach Gasturbinen speziell zur Anwendung in GuD-Anlagen wurde im Wesentlichen erzeugt durch die Forderung nach kurzen Genehmigungs- und Bauzeiten, geringen Investitionskosten, geringem Schadstoffausstoß ohne nachträgliche Reinigungsverfahren sowie nach hoher Wirtschaftlichkeit und schneller Amortisation. Beschleunigt wurde die Entwicklung zusätzlich durch einen Wandel der Kundenstruktur auf dem Weltmarkt. Neben den klassischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU), die von einem staatlichen Auftrag der gesicherten Stromversorgung getrieben sind, gewannen in verschiedenen Regionen der Welt Investorengruppen (Developer) zunehmend an Bedeutung, die ein Kraftwerk finanzieren und bauen, um es später an Stromversorger oder andere Investoren zu verkaufen, oder auch, um es selbst zu betreiben (Independent Power Producer, IPP) [3.8]. Ihre Investitionsentscheidung wird von der Maxime bestimmt, kurzfristig eine kostengünstige Stromfabrik zu erhalten. Die Veränderung der Kundenstruktur erforderte auch ein Umdenken bei den Lieferanten und gab in den darauffolgenden Jahren den Anstoß für weitere Innovationen bei der Gasturbine und dem nachgeschalteten Dampfprozess, so dass die Attraktivität für den Markt und der Nutzen für die Kunden weiter gesteigert werden konnten. Wurden die wesentlichen Turbinenbauer ab 1996 durch die Asien-/Osteuropaund Südamerika-Krise und deren reduzierten Bedarf an Kraftwerken überrascht, so hat sich 1999 ebenfalls für viele überraschend ein Nachfrageboom an Gasturbinen in den USA entwickelt [3.9]. Ausgelöst wurde dieser Nachfrageboom durch eine sich über Jahre hinziehende Investitionsunsicherheit und damit eine reduzierte elektrische Produktionsreserve, die 1998 bis 2000 zu einigen ernsthaften Stromausfällen bzw. Zwangsabschaltungen in einigen Bundesstaaten geführt hatte und konsequenterweise die Gesetzgebung zu einer Klärung der Deregulierungsziele zwang. Gleichzeitig erhielten die USA einen deutlichen Wachstumsschub mit ca. 2,5% Zuwachs im Bruttosozialprodukt pro Jahr, der die Nachfrage nach elektrischer Energie erhöhte und die Situation der Unterversorgung noch verschärfte. Zu dieser Zeit wuchsen in den USA die Reserven nun von teilweise weniger als 10% wieder auf 20 bis 25%. Des Weiteren haben diese Deregulierung und der eingeführte freie Markt dazu geführt, dass unwirtschaftliche und teilweise auch umweltunfreundliche Kraftwerke konsequent vom Markt vertrieben und durch moderne gasbefeuerte GuD-Anlagen ersetzt wurden. Dieser neue Markttrend, der sich bereits Anfangs der 90er Jahre in England entwickelt und sich anschließend auch über Asien verbreitet hatte, hat so genannte IPPs hervorgebracht, die heute Kraftwerke nur als Investitionsgüter (assets) betrachten, die in möglichst kurzer Zeit die Finanzierungskosten und eine angemessene Rendite erwirtschaften müssen. Diese IPPs sind meist global tätig und haben ihre Erfahrungen mit der Entwicklung, dem Bau und Betrieb von GT- und GuD-Kraftwerken auch in anderen deregulierten Märkten umgesetzt. So ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere die Pioniere der Deregulierung aus England und USA weltweit, speziell in Australien, Süd- und Nordostasien, aber inzwischen auch in Europa tätig wurden [3.10].
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In dieser Phase des Marktbooms in den USA haben sich einige Firmen auf Kredit die neuen Kraftwerke finanziert und teilweise massiv finanziell und vom Risikoportfolio übernommen. Dies führte dazu, dass Ende 2001 einige der großen IPPs in den USA, allen voran ENRON in einen Liquiditätsengpass gerieten und eine größere Krise in diesem Sektor auslösten. Heute haben sich diese IPPs meist wieder konsolidiert und sich auf Kernregionen und Kerngeschäfte mit deutlich weniger Risiko fokussiert und komplimentieren die traditionellen, aber inzwischen auch meist internationalisierten Stromerzeuger wie RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW, EdF, ENEL, Endesa, CEZ, Verbund, Dong : : : in Europa. Die Anforderungen an Lieferanten haben sich wegen der Forderung nach schneller Amortisation von sehr langlebigen und technisch sehr komplexen und individuellen Kraftwerken hin zu einfachen und preiswerten Standardlösungen entwickelt [3.11]. Speziell die Hauptkomponenten reiner Gasturbinen-Kraftwerke für Spitzenlastbetrieb werden heute als standardisierte Einheiten besonders in den USA ohne aufwändige Kraftwerksauslegung und -planung, sozusagen aus der Schublade, teilweise in größeren Einheiten verkauft. Der dann noch verbleibende Ausbau zu einem Gesamtkraftwerk wird häufig den sog. „Architect Engineers“ überlassen. In der Summe haben heute Gasturbinen und kombinierte GuD-Anlagen über 50% Anteil an Vergaben von Kraftwerksneubauten weltweit. Gas wird im Jahr 2010 mit 29% im Vergleich zu 14% 1990 und 24% im Jahr 2000 in der Stromerzeugung eingesetzt, wobei die statistische Reichweite von Gas in den letzten Jahren immer weiter gestiegen ist und ohne weitere Entdeckungen bereits 60 Jahre (Stand 1999) beträgt (Abb. 3-4). Auch zukünftig wird die fossile Kraftwerkstechnologie ein wesentlicher Schwerpunkt in der Stromerzeugung ausmachen und in 2020 einen Anteil von 2=3 der erzeugten Gesamtleistung ausmachen. Jedoch wird durch die weiter gestiegenen Ölpreise auf über 100 US $=barrel und die weltweite Verknappung von Erdgas und Erdöl der Wirkungsgradsteigerung und der Betriebsflexibilität deutlich mehr Bedeutung zugemessen. Auch wenn diese Anlagen meist nicht mehr zur Abdeckung der Grundlast sondern zur Abdeckung der Mittellast und zur Sicherung der Erzeugung bei Ausfall von Wind dienen, haben diese auch wegen den deutlich geringeren Emissionen in einigen Ländern, speziell in der EU und den USA weiter an Bedeutung gewonnen. Hier soll auch noch einmal auf die derzeit anhaltende unsichere Situation bei der gesamtpolitischen Diskussion zur CO2 -Minderung hingewiesen werden, die viele Betreiber, unterstützt von politischen Interessen, wieder von Kohle auf Erdgas umsteigen lassen. Kürzlich neu entdeckte Möglichkeiten der Exploration von Gas in den USA und die damit verbundene Reduktion des Gaspreises sorgen ebenfalls für weiteren Druck zum Umstieg auf Gas und damit für eine gute Zukunft dieser umweltfreundlichen Technologie. Alternativen und Lösungen wie die Demonstration und Kommerzialisierung der CO2 -Abscheidung hinter kohlegefeuerten Anlagen kann die Anwendung von Gasturbinen, wegen der nichtausreichenden Flexibilität dieser Chemieanlagen, die je-
3 GT-Kraftwerke
200
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Erdgasreserven in Mrd. t SKE 174 Mrd. t 160 Mrd. t
64 Jahre 62 Jahre
150 100
90 Mrd. t 50 Jahre
50 0
50 Mrd. t 38 Jahre
1970
1980
1990
2000
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2020
2030
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Abb. 3-4 Erdgasreserven der Welt und statistische Reichweiten
doch bei einem hohen Anteil von Windrädern erforderlich ist, nicht wesentlich beeinträchtigen, bis auf die Anwendung in Spitzenlast und in Kohlevergasungsanlagen künftig zurückdrängen.
3.4 Betriebs- und Wartungskosten Eine in der Vergangenheit vielfach unterschätzte Größe und ein wirtschaftlicher Faktor bei modernen Großkraftwerken ist der Aufwand für Wartung und Betrieb. Wurden noch Ende der 80er Jahre in einem kohlebefeuerten 1000-MW-Dampfkraftwerk mehrere hundert Personen für den Betrieb und die regelmäßige Wartung eingesetzt, so kommt heute ein GuD-Grundlastkraftwerk mit etwa 5 Personen in jeder Schicht, d. h. in Summe mit 20 Personen, bei gleicher Leistung aus. Um solche einschneidenden Rationalisierungsmaßnahmen vornehmen zu können, muss auf den Automatisierungsgrad, die Servicefreundlichkeit und die Ersatzteilstrategie bereits bei der Entwicklung gesteigerter Wert gelegt werden. Spitzenlastkraftwerke, die sich aufgrund schneller Leistungsbereitstellung in Phasen hoher Strompreise bereits nach sehr kurzer Betriebszeit amortisieren, werden mittels Laptop und Handy gestartet und anschließend auch vollständig ohne Personal betrieben [3.12]. Aufgrund der veränderten Kundenstruktur wird auch der Verfügbarkeit, die direkt vom Service abhängig ist, eine ständig wachsende Bedeutung beigemessen. Klassische EVU können Ausfälle einzelner Blöcke durch vorhandene Reserven meist problemlos ausgleichen. Dagegen führt ein Blockstillstand für einen Independent Power Producer, der nicht über einen größeren Kraftwerkspark und damit über Reservekapazitäten verfügt, möglicherweise zum Ausfall des gesamten Gewinns und gegebenenfalls zu Folgekosten, das heißt Pönalen für nicht abgenommenen Brennstoff bzw. für nicht gelieferten Strom durch den jeweiligen Netzbetreiber oder Großabnehmer.
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Um den Konflikt zwischen dem Planer, Lieferanten und Betreiber speziell in der ersten Lebensdauerphase eines solchen Kraftwerkes zu reduzieren, bieten große OEMs (Original Equipment Manufacturer, hier Hersteller und Lieferanten der Gasturbine) auch gleich den ganzen Betrieb inkl. Service der Anlagen für eine Zeit von 5 bis 12 Jahren und darüber hinaus an. Ein solches Modell hat den Vorteil, dass der Anlagenbauer direkt verantwortlich ist für den zuverlässigen Betrieb und über die Vertragsfrist den Betreiber entsprechend schulen kann. Solche Modelle sind derzeit hauptsächlich in Asien und den USA zumindest als LTPs (long term parts programs) in der Umsetzung, wo Kunden entweder nicht über die Kapazität oder Erfahrungen mit Gasturbinen verfügen oder aber den Lieferanten mit in die langfristige Verantwortung nehmen wollen.
3.5 GT-Kraftwerke für die Stromerzeugung heute Wie bereits erörtert, hat sich der Weltmarkt von Gas-/Öl- oder Kohle-Befeuerten Kraftwerken hin zu Gasturbinen- oder GuD-Kraftwerken aus den folgenden Gründen entwickelt: • weltweite Verfügbarkeit von Gas bei gleichzeitig noch vergleichbar wirtschaftlichen Preisen gegenüber anderen Energieträgern, • reduzierte Emissionen von NOx , SO2 , aber auch CO2 und anderen Treibhausgasen, • schnelle Errichtungs- und Amortisationszeiten, • universeller Einsatz für Spitzen-, Mittel- und Grundlast durch die hohe Flexibilität und geringeren Personalbedarf, • geringere spezifische Investitionskosten im Vergleich zu anderen Kraftwerkstechnologien. Insbesondere die hohen erreichbaren Wirkungsgrade von heute bis zu 60% netto machen die Gasturbinenanwendung in einer GuD-Schaltung mit der Nutzung der Abwärme extrem attraktiv. Nachfolgend werden die heutigen Hauptanwendungen der Gasturbinen zur Stromerzeugung beschrieben.
3.5.1 Gasturbinen-Kraftwerke (simple cycle) Kleine, aber auch große Maschinen wurden bereits historisch aufgrund ihrer kurzen Startzeiten immer zur Spitzenlastanwendung eingesetzt. Typischerweise liegt die Auslastung von solchen Spitzenlast-Maschinen im Jahr bei ca. 500 bis 2000 h bei einer Startzahl von 100–200 pro Jahr, d. h. ca. 5–10 Betriebsstunden pro Start. Wie diese Zahl schon aussagt, ist die Betriebszeit pro Start relativ gering. Außerdem fordert der Betreiber, dass stationäre Gasturbinen mit sehr hohen Gradienten
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Technische Daten: Leistung: 850 MW Wirkungsgrad: 51% Verbesserungen: Leistung: + 62% Wirkungsgrad: + 20% Pts. Abb. 3-5 Ausbau des Kraftwerkes Senoko zur GUD® -Anlage
belastbar sein müssen. Anfahrzeiten von 5 min bis Nenndrehzahl und Leistungsgradienten von 30 MW=min sind typisch und können ohne wesentliche Reduzierung der Lebensdauer durch spezielle Konstruktion der Gasturbinenläufer erreicht werden. Unter anderem wegen der sehr kompakten Bauweise und hoher Wirkungsgrade kommen neben den schweren, für den Kraftwerksbetrieb konstruierten Gasturbinen heute auch zur Stromerzeugung in Spitzenlast umgebaute Flugtriebwerke (aeroderivatives, s. Abschn. 1.2) zum Einsatz. Insbesondere ist hier das europäische Flugtriebwerk Trent von Rolls Royce zu nennen, das einen Großteil der Boeing-777Flotte antreibt und das derzeit größte kommerzielle Triebwerk ist. In stationären Anwendungen erzeugt dieses Triebwerk ca. 50 MW Leistung und ist insbesondere für spezielle Spitzenlastanwendung und Wärme-Kraftkopplung (cogeneration) geeignet. Speziell in heißen Ländern mit häufiger Anwendung von Klimageräten wie in den USA, aber auch Asien, sind Spitzenlastbedürfnisse in den letzten Jahren mit der zunehmenden Elektrifizierung und allgemeinen Wirtschaftsentwicklung gestiegen, so dass diese Anwendung trotz der sehr eng gekoppelten Netze immer noch einen Anteil von 10 bis 15% des GT-Marktes ausmacht. Andererseits werden diese Gasturbinen-(simple- oder open-cycle)Kraftwerke auch in Ländern mit knappen finanziellen Ressourcen oder sehr hohem Stromzuwachsbedarf zumindest temporär eingesetzt, um einen Minimalbedarf in kürzester Zeit mit geringen Finanzmitteln zu decken. Meist werden dann diese Kraftwerke als sog. „phased construction“ geplant, d. h. abschnittsweise zu einem GuD-Kraftwerk umgebaut. Beispielhaft wurde 1995 durch die Umrüstung des Kraftwerkes Senoko in Singapur (Abb. 3-5) von einem einfachen Gasturbinenkraftwerk (open cycle) auf
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GuD die Leistung um 62% erhöht, ohne zusätzlich Brennstoff einzusetzen und der Wirkungsgrad um 20%-Punkte erhöht.
3.5.2 Phasenschieberbetrieb Eine Besonderheit bei der stationären Anwendung im „simple cycle“ ist die Benutzung der den Gasturbinen nachgeschalteten Generatoren zur Erzeugung von Blindleistung zur Stabilisierung der Spannung in einem elektrischen Netz [3.13]. Hier werden sog. Phasenschieberkupplungen zwischen die Gasturbine und Generatorwellen geschaltet, die ein Abkuppeln der Gasturbine und damit den Betrieb des Generators als Motor, der vom Netz getrieben wird, erlaubt. Diese Betriebsweise sorgt in schwachen Systemen für einen Ausgleich zwischen kapazitiver und induktiver Leistung. Die dazu benötigte Überhol (self-shiftingsynchronizing)-Kupplung wird in Kap. 5 näher beschrieben.
3.5.3 Anlagen zur Wärme-Kraft-Kopplung Cogeneration („CoGen“, Wärmekraftkopplung) beschreibt im englischen Sprachraum die kombinierte Erzeugung von Strom und einer anderen Energieform, hier Wärme in der Form von Dampf oder warmem Wasser. Kleine CoGen-Anlagen kommen hauptsächlich in Industriebetrieben mit gleichzeitigem Strom- und Dampfbedarf wie in der Aluminium- und Papierindustrie zur Anwendung. Früher wurde die Zusatzenergie hauptsächlich aus befeuerten Kesseln und nachgeschalteten Dampfturbinen entnommen. Heute verdrängt auch hier der GT- bzw. GuD-Prozess diese befeuerten Kessel, wobei über eine geeignete Anzapfung an der Turbine oder mittels einer Gegendruck-Dampfturbine Prozessdampf bzw. Heizwärme – als warmes Wasser erzeugt über Wärmetauscher – entnommen wird. Dieses Verfahren wird insbesondere auch in Ländern und Städten mit einem eigenen Wärme- und Heiznetz bevorzugt eingesetzt. Insbesondere in deregulierten Märkten gewinnt diese Anwendung auch für große Stromleistungen von 200 bis 300 MW immer mehr Interesse. Der durch die Privatisierung größere Wettbewerb drückt den erzielbaren Strompreis, so dass Kraftwerke deutlich wirtschaftlich werden, wenn sie durch eine zusätzliche Einnahmequelle wie Dampf wärmegestützt werden. Die Attraktivität eines Neubaus wird dadurch erhöht [3.14].
3.5.4 Gasturbinen für Verbund-/Kombikraftwerke und Repowering Wie einleitend beschrieben, wurden bereits Anfang der 70er Jahre sog. Verbundbzw. Kombikraftwerke entwickelt, wobei eine Gasturbine in den normalen Rankine-
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Prozess entweder als zusätzliche Wärmequelle für den Dampferzeuger (Kombikraftwerk) oder als Frischlüfter eingesetzt wurde (Abb. 3-6). Ein sehr gutes Beispiel dieser Technik ist das Kraftwerk Eemscentrale in den Niederlanden, dessen Verbrennungsluft für den kohlebefeuerten Dampferzeuger durch die Abgase einer Gasturbine erzeugt wird. Aufgrund dieser Schaltung wird der Wirkungsgrad der Anlage durch die Kombination der beiden Prozesse deutlich erhöht und die spezifischen Emissionen werden gesenkt. Ein weiterer Vorzug dieses Konzepts ist, dass es sehr flexibel hinsichtlich Brennstoffeinsatz und Leistungsspektrum ist. Heute werden Gasturbinen in ähnlichen Schaltungen durch Nachrüstung einer Gasturbine mit Abhitzekessel in eine bestehende Kohle-/Öl- oder Gas-befeuerte Anlage) eingesetzt, um alte Kraftwerke bzw. Dampfturbinen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und Flexibilität zu verbessern (repowering). Speziell mit der Deregulierung gewannen auch diese GT-Anwendungen immer mehr an Attraktivität, so dass die Anzahl der Gasturbinen in Repowering-Projekten in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat [3.15–3.17]. Vollbefeuerter Kombiprozess G
DT
GT
Parallel arbeitender Kombiprozess (Verbund-Technik)
G
G
DT
GT
DE
G
G
DE
AHDE
mit Frischdampferzeugung
DT G
GT DE
AH-Wärmetauscher
als Vorwärmstrecke
Abb. 3-6 Lösungsmöglichkeiten zur Erhöhung des Prozesswirkungsgrades durch Einbindung von GT in den Dampfprozess
3.5.5 GuD-Anlagen mit integrierter Vergasung Vergasungskraftwerke bauen auf dem Prinzip einer GuD-Anlage auf, wobei der gasförmige Brennstoff aus diversen Kohlen oder Öl (meist Rückstandsöle) durch Vergasung gewonnen wird. Details dazu s. auch Kap. 12. Je nach Art des Prozesses spricht man von teilintegrierten oder vollintegrierten Konzepten. Der Integrationsgrad wird bestimmt durch den Anteil des Sauerstoffund Stickstoffmassenstroms, der in die Gasturbine eingespeist wird. Abhängig vom Gasturbinentyp werden in den heutigen europäischen Demonstrationsanlagen Wirkungsgrade von bis zu 45% erreicht.
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Synthesegas-Teil LuftzerlegungsAnlage
GuD (Gas- und Dampfkraftwerk)
Sauerstoff Brennstoff - Kohle - Biomasse - RafinerieRückstände
Vergaser
RohInkl. Synthesegas- Syngas Kühler
Vergaser- Anlage Beinhaltet: Basis Design von: · Brennstoff- Versorgung · Schlacke- und AbwasserEntsorgung · Ascheabscheidung (Venturi)
Kraftwerks-Teil
Strom
Gas Reinigung/ Gereinigtes Synthesegas CO zu CO2Umwandlung Chemikalien, Brennstoffe Benzin, Diesel Methanol Synthese CO2Ammoniak Wasserstoff Abscheidung CO2 Lagerung oder EOR (Forcierte ÖlGewinnung)
Abb. 3-7 Prozessschaltbild Kohlevergasungskraftwerk
Bei Einsatz modernster Gasturbinen können in den nächsten 5 Jahren Wirkungsgrade von über 50% erwartet werden. Jedoch hat sich gezeigt, dass durch die gestiegenen Materialpreise und die höhere Komplexität der IGCC-Anlagen diese nicht gegen normale gasgefeuerte GuD und kohlegefeuerte DKW-Anlagen konkurrieren können. Erst durch die Forderung von CO2 -armen Kraftwerkskonzepte mit Marktanreizen durch entsprechende CO2 Preise, aber auch durch die Vermarktung von Nebenprodukten wie Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und Transportbrennstoffe wird diese Anwendung wirtschaftlich und auch für die Petrochemie sehr attraktiv (Abb. 3-7). Um diese Konzepte auch wettbewerbsfähig gegen reine GuD-Anlagen zu gestalten, sind weitere Senkungen der Investitionskosten erforderlich, an denen die diversen Hersteller heute arbeiten [3.18–3.20]. Alternative zu einer komplexen und wenig flexiblen integrierten IGCC-Lösung bietet die Umwandlung des Syn-Gases nach der CO2 -Abtrennung in ein synthetisches Erdgas (SNG). Dieses SNG kann in Megaanlagen, die wesentlich Grundlast fahren, erzeugt und dann in die existierenden Pipelines und Netzwerke eingespeist werden, um die Gasnutzung auch bei rückgehenden Resourcen weiter aufrecht erhalten zu können.
3.5.6 Luftspeicher-Kraftwerke („Compressed Air Storage System“ = CAS) Zur Abdeckung von extremen Strombedarfsspitzen wurden bereits in den 60er Jahren das Luftspeicherkraftwerk oder CAS entwickelt, wobei in Zeiten geringen Strombedarfs und geringer Strompreise, angetrieben durch eine Gasturbine ein Luftverdichter Umgebungsluft in ein entsprechendes Reservoir pumpt. Liegt ein entsprechender Bedarf vor, kann dieses Reservoir durch ein Ventil die Luft auf eine
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Expansionsturbine (Entspanner, „expander“) geben, die dann wiederum einen Generator treibt. Zur Einsparung von Kosten kann man auch einen Generator nutzen, wenn man die Gasturbine und den Verdichter auf der einen Seite und den Entspanner auf der anderen Seite anflanscht. Über eine entsprechende mechanische Synchronkupplung kann dann beim Ladungsprozess der Entspanner abgekuppelt und beim Entladungsprozess der Verdichter und die Gasturbine abgekuppelt werden. Solche Systeme sind auch heute noch in Deutschland und Österreich in Betrieb und werden auch als Nischenprodukte von einigen Gasturbinen- und Verdichterherstellern angeboten. Die Nachfrage hält sich allerdings derzeit noch in Grenzen, da die Technik sehr aufwändig ist und nur in speziellen geologisch geeigneten Gebieten angewendet werden kann. Durch den Ausbau der Windkraft allerdings wird die Energiespeicherung i. Allg. jedoch wieder interessant um den möglichen Ausfall von Wind schnell kompensieren zu können.
3.6 Aufbau des GT-Kraftwerkes Das Kernstück der o. g. Anwendungen ist meist das sog. Gasturbinen-Kraftwerk (simple cycle), dessen Komponenten im Folgenden etwas näher erläutert werden. Ein Gasturbinen-Kraftwerk wird typischerweise in folgende Hauptsysteme unterteilt: • Gasturbine (Verdichtereintritt bis Abgasaustritt), • Hilfssysteme für Gasturbine wie Schmierölsystem mit Kühler, Brennstoffsystem (Zuführung und Regelung), Kühlluftkühlsystem (wenn erforderlich), Anfahrsystem (Hydromotor oder elektrischer Anfahrumrichter), Verdichterwascheinrichtung, • Generator mit Ableitung, Generatorschalter und Hilfs- und Netztransformatoren, • Ansaugsystem, bestehend aus Filterhaus und Ansaugkanal, ggf. Absperrsystem, • Abgassystem mit dem Abgasdiffusor (für den Druckrückgewinn), Abgaskamin (bei Bedarf mit Abgasklappe zur Umlenkung des Abgases auf den Bypasskamin), • Elektrotechnik (Mittel- und Niederspannung) mit entsprechenden Transformatoren und Schaltern, • Leittechnik zur Regelung, Steuerung und Beobachtung, häufig auch ausgerüstet mit Remote-Control-System zur Fernbedienung und Beobachtung, • notwendige Bautechnik wie Fundamente, Gebäude etc., • Außen- und Nebenanlage zur Ver- und Entsorgung.
3.6.1 Gasturbine Typischerweise werden die modernen Gasturbinen (GT) als sog. Frames (Rahmen) geliefert, d. h. fertig montiert zum direkten Absetzen auf dem Fundament, teilweise auch mit integrierten Hilfssystemen. Bei sehr engen Terminen oder schwierigen Transportwegen werden häufig auch nur Teilsysteme geliefert und vor Ort komplet-
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tiert, was allerdings höheren Aufwand bezüglich Personal und Reinheitsbedingungen im Kraftwerk erfordert. Meist sind bereits auch die Brennstoffverteilungsleitungen, Geber, Isolierungen komplett bzw. teilweise fertig montiert, so dass die Gasturbine mit dem Verdichterflansch an den Ansaugkanal, der Abgasstutzen an den Abgasdiffusor und die Hilfssysteme vor Ort angeschlossen werden müssen. Wie bereits in Kap. 1 und 2 erwähnt, können sich die Bauarten und auch das physikalische Prinzip von Gasturbinen unterscheiden, was sich sehr stark auf die Hilfssysteme und die Anlagenplanung und Systemauslegung auswirken kann. Heute unterscheidet man im Wesentlichen folgende drei typische Bauarten: • klassischer Joule Prozess mit einem Verdichter und direkt angeschlossener Brennkammer und Abgasturbine mit interner und externer Luft-/Dampfkühlung für Open-cycle- und GuD-Anwendung (Siemens, MHI, GE); • doppelte Brennkammer mit zwischenüberhitzter, mehrstufiger HD- und NDTurbine (Alstom) für GuD-Anwendung; • zwischengekühlter Verdichter mit sehr hohem GT-Wirkungsgrad für den unteren Mittellastbereich und Open-cycle-Anwendung (GE LMX100).
3.6.2 Gasturbinen-Hilfssysteme Schmierölsystem Dies besteht meist aus einem ausreichend dimensionierten Öltank mit den entsprechend direkt aufgesetzten Schmierölpumpen, die häufig redundant und dann auch noch mit verschiedenen Antriebsmotoren (Gleichstrom, Drehstrom) versehen sind, um bei Ausfall einer Stromversorgung zumindest die Anlage problemlos abfahren zu können. Zum Anfahren werden häufig zusätzlich noch Anhebeölpumpen eingesetzt, um die Welle(n) von dem meist eingesetzten Gleitlager abzuheben. Bei älteren Systemen dient häufig der Schmierölbehälter auch gleichzeitig zur Aufnahme der Heizölpumpen, der Brennstoffregelventile und der erforderlichen Steuereinrichtungen. Getriebe Wurde die Gasturbine gemäß der Ähnlichkeitsgesetze von einer niedrigen Drehzahl (3000 U=min) auf eine höhere Drehzahl (z. B. 5400 U=min) skaliert, um eine entsprechend kleinere Leistung bei gleichbleibenden Auslegungskriterien zu erhalten, so muss ein Getriebe – dann angeordnet zwischen Gasturbine und Generator – die Drehzahl wieder auf die entsprechende Netzfrequenz reduzieren. Heute sind Getriebe bis zu Leistungen von 140 MW (je nach Übersetzungsverhältnis und Hersteller) auf dem Markt. Hierbei unterscheidet sich die Bauart grundsätzlich nicht. Es gibt jedoch moderne Hochleistungsgetriebe (Hersteller Maag und Renk), die in Unterdruck laufen und damit durch die reduzierte Reibung geringere Verluste erzeugen (Abb. 3-8), was sich je nach Projekt wirtschaftlich rechnen kann [3.21]. In den meisten Fällen erfolgt die Schmierung über das vorhandene GasturbinenSchmierölsystem, um weitere Zusatzsysteme einzusparen. Getriebe werden im Detail auch in Abschn. 5.2 behandelt.
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Abb. 3-8 HET® (Hoch Effizientes Turbogetriebe von Maag)
Anfahreinrichtungen Die Gasturbinen werden meist mittels Motor oder dem Anfahrumrichter (SFC = start-up frequency converter), der den Generator als Motor betreibt, hochgefahren. Bei einer Drehzahl von ca. 500 bis 1000 U=min, (abhängig vom Lieferanten) wird die Gasturbine gezündet und die Anfahreinrichtung bei Drehzahlen von 80 bis 90% der Nenndrehzahl dann abgeschaltet. Auch Hydromotoren können für das Anfahren zum Einsatz kommen, wobei diese oft auch durch das Schmieröl und entsprechende Hochdruckpumpen gespeist werden. Durch ein solches System kann bei hohem Standardisierungs- und Vorfertigungsgrad der Aufwand vor Ort gering und damit auch die Abwicklungszeit eines Kraftwerk-Neubaus kurz gehalten werden. Kühlsystem Einige Gasturbinen-Hersteller verwenden häufig auch ein externes Kühlluftkühlersystem, in dem, wie der Name bereits sagt, die Turbinenschaufelkühlluft mittels externem Kühlmedium (meist Luft oder Wasser) heruntergekühlt wird, um den Kühlluftbedarf in der ersten Schaufelreihe gering zu halten und die Kühleffizienz zu steigern. Manche Hersteller verwenden auch mehrstufige Systeme für die ersten beiden Schaufelreihen. Die aus dem Verdichter (entweder am Austritt oder bereits im Verdichter) entnommenen Teilströme werden entweder durch entsprechendes Druckgefälle getrieben oder aber – gefördert von einem Verdichter durch einen Röhren- oder Plattenkühler – extern heruntergekühlt und dann der entsprechenden Turbinenstufe zugeführt. Das verwendete Kühlmedium wird in einem weiteren Kreislauf mittels externer, meist zwangsbelüfteter Kühltürme (Abb. 3-9) herunter gekühlt, solange keine ausreichende Wasserquelle (See, Fluss) vorhanden ist. Das Kühlsystem der Gasturbine wird detailliert in Kap. 16 behandelt. In einem kombinierten GuD-Prozess wird diese Wärme auch sinnvollerweise über die Nieder- oder Mitteldruckstufe des Abhitzekessels in den Dampfprozess eingebunden und verrichtet dort somit noch zusätzliche Arbeit und reduziert die Verluste. Details dazu auch in Abschn. 5.3.
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Abb. 3-9 Zellenkühlturm mit Zwangsbelüftung
Verdichterreinigung Am Verdichtereintritt angebrachte Düsen mit Verbindung zu entsprechenden Hochdruckpumpen erlauben eine Reinigung des Verdichters, der trotz der Luftfilter dennoch verschmutzt und regelmäßig gewaschen werden soll, um den Wirkungsgrad hoch zu halten. Die Zugabe von Detergentien erlaubt auch die Entfernung von öligen Belägen, wie sie in Industriestandorten vorkommen können. Eine solche Reinigung zeigt typischerweise „offline“ (d. h. bei vom Netz getrennten Generator) den höchsten Reinigungserfolg, aber auch „online“ (d. h. während des Stromerzeugung) kann in vollem oder abgesenktem Betrieb eine Teilreinigung erzielt werden. Der Einsatz und die Bedeutung des Verdichter-Waschens werden in Kap. 34 und 36 behandelt. Gasverdichter Ein solcher Verdichter wird nur dann erforderlich, wenn der Brennstoff-(Gas-)Druck nahe oder unter dem Verdichterenddruck der Gasturbine liegt, um den Brennstoff störungsfrei in das Brennstoffsystem zu fördern. Ein Verdichter ist erforderlich, wenn z. B. LNG (Liquified Natural Gas, verflüssigtes Erdgas) verwendet wird, das nach der Verdampfung wieder verdichtet werden muss, oder aber der Verdichterenddruck der Gasturbine über dem Brennstoffdruck in der Pipeline liegt. Als Faustregel sollte je nach Prinzip des Brennstoffsystems (s. dazu Kap. 11) der Brennstoffdruck mindestens 10 bar Abstand zum Verdichterenddruck haben, um eine sichere Regelung zu gewährleisten.
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In den meisten Fällen beträgt der Brennstoffdruck in den Pipelines 30 bis 60 bar, was für die meisten HD-Gasturbinen mit einem optimierten Druckverhältnis um 17 völlig ausreicht bzw. eine teilweise Reduzierung notwendig macht. Für Aeroderivatives, d. h. Gasturbinen abgeleitet von Flugtriebwerken und Gasturbinen mit Zwischenerhitzung und mit Verdichtungsverhältnis von über 30, müssen ebenfalls Brennstoffverdichter eingesetzt werden. Die Verdichtersysteme bestehen heute meist aus Schrauben- oder Turbokompressoren mit entsprechenden elektrischen Antriebsmotoren und Druckausgleichssystemen. Die Investitions- und Betriebskosten sind jedoch nicht unerheblich und müssen bei der Auswahl des Gasturbinensystems berücksichtigt werden.
3.6.3 Generator, Hochspannungssystem Der eigentliche stromerzeugende Teil des Kraftwerkes ist der Generator (Geno), der die mechanische Energie der Turbine in elektrische Energie umwandelt. Generatoren unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Kühlungsart. Bei Generatoren bis zu 350 MVA kommen meist direkt luftgekühlte Läufer und Ständer zur Anwendung. 300 bis 550 MVA-Generatoren werden meist mit Wasserstoff gekühlt, sehr große Generatoren wie für die Dampfturbinen hinter GuD-Lösungen auf mehreren Wellen (multi-shaft) oder in großen Einwellen-GuD (single-shaft) werden im Ständer wassergekühlt [3.22, 3.23]. Abbildung 3-10 gibt einen groben Überblick über den Einsatzbereich, der von Anbieter zu Anbieter etwas variieren kann. Generatoren werden in Kap. 5.6 beschrieben.
Stator: direkt Wasser Rotor: direkt Wasser Stator: direkt Wasser Rotor: direkt axial Wasserstoff Stator: direkt Wasser Rotor: direkt radial Wasserstoff Stator: indirekt Luft Rotor: direkt axial Luft Stator: indirekt Luft Rotor: indirekt Luft
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Abb. 3-10 Generatortypen und Einsatzleistung
300 450 MVA
1400 Leistung
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Der in den Generatoren erzeugte Strom wird über drei Ableitungen an den Haupttransformator geleitet, der je nach Netz die Spannung hochtransformiert. Zwischen Generator und Transformator sind der Eigenbedarfstrafo und ein Generatorschalter platziert. Der Eigenbedarfstrafo versorgt die Anlage mit dem notwendigen Eigenbedarf von mehreren hundert Kilowatt Leistung. Der Generatorschalter sorgt für eine ordnungsgemäße An- und Abschaltung der Anlage vom Netz.
3.6.4 Ansaugsystem Das Ansaugsystem bei modernen Gasturbinen reduziert nicht nur die Verschmutzung des Verdichters, sondern sorgt auch dafür, dass die empfindlichen Kühleinsätze in den Turbinenschaufeln nicht verschmutzen und nachfolgend durch Bildung von Überhitzungen (hot-spots) die Lebensdauer der Turbinenschaufeln reduziert wird (Abb. 3-11). Des Weiteren sollen auch aggressive Medien wie Natrium, Kalziumoder Vanadiumverbindungen sich nicht auf den Turbinenschaufeln ablagern, damit die Gefahr von so genannter Hochtemperaturkorrosion (s. auch die Kap. 24 und 25) vermindert wird. Dies alles muss auch noch mit geringem Druckverlust erfolgen, da dieser die Gasturbinenleistung negativ beeinflusst. Die Luftfiltration kann prinzipiell aus zwei verschiedenen Systemen bestehen: • Pulsfilter, sog. Schlauch- oder Taschenfilter, • Tiefenfilter aus Matten. In unseren Breitengraden kommen heute hauptsächlich Filtermatten zum Einsatz. Pulsfilter finden meist nur in Wüstengebieten Einsatz, wo mit hoher Staub-, Ascheoder Sandkonzentration in der Luft zu rechnen ist. Beide Systeme kombinieren zusätzlich meist Grobfilter oder Vogelschutzgitter und Vorabscheider (engl. Coalescer). Mattenfilter werden je nach Verschmutzungsgrad bzw. Druckverlustanstieg ausgetauscht und ggf. gereinigt. Pulsfilter werden in der Regel mit Druckluft-Pulsen gereinigt. Bei Spitzenlastanwendung kann meist auch der Einsatz von leistungserhöhenden Maßnahmen wie Ansaugluftkühlung mittels Verdunstungskühlung oder Direktkühlung über Kältemaschinen und Wärmetauscher (s. Kap. 2) wirtschaftlich sein, da bei hohem Strombedarf der Pool-Preis steigt und Wirkungsgradminderung durch die Mehrleistung häufig kompensiert wird. Das physikalische Prinzip beruht dabei auf einer Massenstromerhöhung, z. B. durch die Luftkühlung (der Gasturbinen-Verdichter ist in erster Näherung eine Konstant-Volumenmaschine). Bei all diesen Systemen wird das Ansaugsystem, bzw. die Filtereinheit mit zusätzlichen Einbauten ausgestattet. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass diese Einbauten insbesondere bei der direkten Ansaugluftkühlung einen zusätzlichen Druckverlust erzeugen, der sich dann immer in den laufenden Betriebskosten negativ auswirkt. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die Befeuchtung oberhalb
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Abb. 3-11 Modulares Luft-Ansaugsystem
des Taupunktes liegt, um Tröpfchenbildung zu vermeiden, welche die Verdichterschaufeln in den vorderen Stufen beschädigen können [3.24]. Heute befindet sich ein neues System, die sog. „Wet-Compression“ (Nasskompression) in Betrieb, wobei durch entsprechende Feinstzerstäubung vor dem Gasturbineneintritt vollentsalztes Wasser in großen Mengen – sogar bis weit über den Taupunkt – in den Verdichter eingebracht und damit die Leistung beträchtlich bis über 20% gesteigert werden kann. Gleichzeitig kann der Wirkungsgrad und auch die Dampfproduktion im nachfolgenden Abhitzekessel um 5% gesteigert werden. Eine entsprechende Langzeiterprobung an einigen Anlagen muss die Auswirkungen auf Schaufellebensdauer und Erosion/Korrosion noch absichern [3.25].
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Zusätzlich müssen in die Luftansaugung meist noch Schalldämmsysteme in den Ansaugkanal eingebaut werden. Bei Spitzen- und Mittellastanlagen mit nachgeschalteten Abhitzekessel hat sich auch der Einbau von Absperrklappen im Ansaugsystem bewährt, die den Zug und damit die Abkühlung der Gasturbine reduzieren.
3.6.5 Kupplung Kupplungen werden in verschiedenster Ausführung in Gasturbinen- und GuDKraftwerken zur Zu- und Abschaltung von Generator oder Dampfturbine eingesetzt. Wenn aus Netzgründen eine Kompensation der reaktiven Leistung erforderlich wird, werden Überholkupplungen (auch SSS- oder Synchronisier-Kupplungen genannt, s. Abschn. 3.5.2) zwischen Gasturbine und Generator eingesetzt, um entweder reaktive Leistung in das Netz zu speisen oder dem Netz entsprechend zu entnehmen und so den Netz-Leistungsfaktor anzupassen [3.26]. Eine weitere wesentliche Anwendung heute ist die Verwendung der Überholkupplung in Einwellenanlagen (s. Abschn. 3.8.2), um Komponenten wie die Dampfturbine von dem gemeinsamen Wellenstrang zu- und abschalten zu können. Konstruktionsdetails und Funktionsweise der Kupplungen sind weitergehend in Abschn. 5.1 beschrieben.
3.6.6 Abgassystem Das Abgassystem der Gasturbine hat in den letzten Jahren immer mehr Augenmerk auf sich gezogen, da die Abgastemperaturen weiter gestiegen sind. Die Abgasstrecke erfüllt den Zweck, eine ablösefreie Ab- bzw. Umleitung der Abgase in den Kamin und in GuD-Anlagen in die Atmosphäre sicherzustellen. Der Abgasdiffusor ermöglicht Druckrückgewinnung aus den Abgasen der Gasturbine. Zusätzliche Einbauten können die Schallemissionen und Wärmeverluste reduzieren. Die Details und die konstruktiven Lösungen werden in Abschn. 5.3 behandelt.
3.6.7 Elektrotechnik Bei Simple-cycle-Anlagen beschränkt sich die Elektrotechnik hauptsächlich auf die Versorgung/Schaltung des Anfahrumrichters, der Hauptpumpen für Brennstoff und Schmieröl, Kühler und Kühlluftförderer und anderer Kleinverbraucher. Typischerweise beträgt der Eigenbedarf einer Gasturbinenanlage nur wenige 100 kW im Dauerbetrieb, so dass auch Eigenbedarfstrafos und Schaltgeräte relativ klein ausfallen. Der Hauptverbrauch ergibt sich jedoch bei Anfahrbetrieb, in dem die Gasturbine entweder über Hydromotor oder Anfahrumrichter hochgeschleppt wird.
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Gesamtüberblick PCC-Aufstellung
30UMC
UBA63
UBA65 UBA64
UBA61
UBA66
UBA62
Abb. 3-12 E-/Leittechnik Container (PCC) in einer Einwellen-GuD-Anlage
Je nach GT-Typ und Anfahrgeschwindigkeit kann der Stromverbrauch für einen Anfahrumrichter bis zu mehrere MW betragen, die vom Netz über entsprechende Trafos eingespeist werden müssen. Typischerweise liefern die meisten Hersteller die gesamte E-Technik in Containern (Power Control Centers, PCC) oder anderen vorgefertigten Einheiten, die relativ schnell vor Ort aufgestellt und angeschlossen werden können (Abb. 3-12).
3.6.8 Leittechnik Ähnlich verhält es sich mit der Leittechnik. Durch moderne PC-gestützte Leittechnik ist der Aufwand und Platzbedarf deutlich reduziert worden, so dass die ganze Steuerung, Regelung, Bedienung und Beobachtung in mobilen, teilweise auch flugtransportfähigen Containern (ebenfalls ein Teil der PCCs, Abb. 3-13) untergebracht werden. Diese Systeme werden dann typischerweise an Simulatoren vollständig vorgetestet, an die Baustelle geliefert und nur noch mittels Bussystem an die Anlage gekoppelt, um eine kurze Abwicklungszeit von typischerweise 12 bis 15 Monaten zu erreichen. Ein hoher Automatisierungsgrad erlaubt bei Spitzenlastanlagen einen vollständig automatisierten Start sowie Laständerungen mittels Fernsteuerung. Diese Fernsteuerung kann entweder über eine stationäre oder eine mobile Einheit erfolgen.
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Abb. 3-13 Vormontierte Container mit Anfahr- und Erregereinrichtung
Abb. 3-14 Ansicht einer Warte und der Bedienoberfläche einer modernen GuD-Anlage
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Abbildung 3-14 zeigt das Bedien- und Beobachtungssystem einer modernen GuD-Anlage, das durch den hohen Automatisierungsgrad eine deutliche Reduzierung des Betriebspersonals ermöglicht. So starten Betreiber in den USA und Australien ihre unbemannten Spitzenlastkraftwerke inzwischen mittels Laptop und Handy, wenn der Strompreis steigt und überlassen dann die Lastregelung zentralen Verteilungszentren. Ein durch den Hersteller oder eine Servicegesellschaft betriebenes fernüberwachtes Überwachungs- und Diagnosesystem ermöglicht einen fast personenlosen Betrieb der Anlage über mehrere Wochen [3.27]. Aufbau und Funktionsweise der Leittechnik erläutert Kap. 35.
3.6.9 Bautechnik Heavy-Duty-Gasturbinen sind heute typischerweise auf Block- oder Streifenfundamenten aufgebaut, die gegenüber den Tischfundamenten, die bei großen Dampfturbinen verwendet werden, deutlich kostengünstiger sind. Die Höhe der Mittellinie des Wellenstrangs („Achshöhe“) gegenüber der Grundebene beträgt bei großen 260-MW-Maschinen typischerweise 3 bis 4 m. Kleinere Heavy-Duty-Gasturbinen im Leistungsbereich < 150 MW werden häufig auch direkt auf ihrem Rahmen (frame) auf dem Basisfundament abgesetzt. Früher wurden in Mitteleuropa die meisten Gasturbinenanlagen wartungsfreundlich und komfortabel mit Häusern und Kransystemen ausgestattet, heute setzt sich
Abb. 3-15 Gasturbinen-Kraftwerk in typischer offener Aufstellung open cycle
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insbesondere bei Spitzenlastanlagen die investitionsgünstigere Packagebauweise durch, die eine sehr enge, wetterfeste Schallschutzhülle darstellt. Abbildung 3-15 zeigt eine typische offene Bauweise in einem Kraftwerk in Südamerika. In Gebieten, die häufig Schlechtwetterperioden ausgesetzt sind, werden die Gasturbinen- und GuD-Anlagen häufig mit einem Haus ausgestattet, das alle Servicearbeiten auch bei Regen, Frost und Sturm zulässt. Bei Ausfall, Inspektion oder Servicearbeiten muss im Falle einer Außenaufstellung die Hülle entweder mittels fest stationiertem Kran oder häufig auch mittels mobilem Einsatzkran abgehoben werden, um die Gasturbine aufzudecken und ausgedehnte Inspektionen und Reparaturarbeiten durchführen zu können, was dann nur bei moderaten Wetterbedingungen geschehen kann. Da heute Simple-cycle-Gasturbinen-Kraftwerke, wie schon besprochen, hauptsächlich im Spitzenlastbereich von wenigen hundert bis wenigen tausend Stunden eingesetzt werden, ist eine solche Lösung aufgrund der geringeren Kapitalkosten und der sowieso langen Stillstandszeit wirtschaftlich.
3.6.10 Außen- und Nebenanlagen Die Außen- und Nebenanlagen richten sich nach der Region und der dort bereits vorhandenen Infrastruktur. Sie reichen von der Brennstoffversorgung (z. B. für Öl je nach Entfernung der Raffinerie ausgelegt für mehrere Wochen Betrieb) bis hin zu Betriebs-, Wartungs- und Lagergebäuden. Das Brennstoffsystem für flüssige Brennstoffe besteht aus Lagertanks, der zugehörigen Entladestation, den Brennstoffreinigungssystemen (ggf. Zentrifugen, Filter) und Hochdruckförderpumpen, um den Brennstoff über den Verdichterenddruck zu bringen. Werden andere flüssige Brennstoffe wie das sehr gefährliche, hochexplosive Naphtha- oder Gas-Kondensate (condensates) eingesetzt, dann müssen sehr aufwändige Sicherheitssysteme eingesetzt werden, um Leckagen zu vermeiden bzw. zu detektieren (s. hierzu auch Kap. 13). Anlagenteile wie Strassen, Sicherheitseinrichtungen etc. sind kunden- und standortabhängig und müssen – meist aufgebaut aus modularen Strukturen – projektspezifisch geplant werden.
3.7 GuD-Kraftwerke Die Attraktivität des unbefeuerten GuD-Prozesses liegt in der Kombination des sehr effektiven Gasturbinenprozesses und der nachfolgenden Abwärmenutzung durch einen Dampfprozess mit Dampfturbine (combined cycle, Kombikraftwerke). Abbildung 3-16 zeigt diesen kombinierten Prozess in vereinfachter Weise. Details der Thermodynamik dieses Prozesses werden in Kap. 2 beschrieben. Hierbei wird die Abgasenthalpie über Wärmetauscher zur Dampferzeugung genutzt. Der Dampf erzeugt dann über eine Dampfturbine und einen Generator zusätzlichen Strom, der ohne weiteren Brennstoffeinsatz gewonnen wird. Abhängig von
3 GT-Kraftwerke
73
Rauchgas
Erdgas Abhitzedampferzeuger
Brennkammer
Luft
Strom Gasturbine
Generator
Kondensator Kühlwasser
Strom Generator
Dampfturbine
Fernwärme
Heizvorwärmer Speisewasser Abb. 3-16 Vereinfachter GuD-Prozess
den Anwendungsbedingungen werden einfache, aber auch komplexere, mehrstufige Systeme (s. hierzu Abschn. 5.3) eingesetzt, um die Abgasenthalpie auszunutzen. Die Güte des GuD-Prozesses lässt sich am Gesamtwirkungsgrad, d. h. dem Verhältnis der erzeugten elektrischen Leistung zur eingesetzten Brennstoffleistung, messen und wird hauptsächlich durch die obere und untere Prozesstemperatur und die Verluste, z. B. zwischen Gas- und Dampfprozess, beeinflusst. In Abb. 3-17 ist dieser Prozess als T ,S -Diagramm vereinfacht dargestellt. Welche Fortschritte in den letzten beiden Jahrzehnten hier erzielt worden sind, lässt sich an folgenden Zahlen ablesen: Ende der 60er Jahre betrugen die Wirkungsgrade der ersten GuD-Anlagen ca. 43% (Hohe Wand, NEWAG, Österreich). Das schon genannte kombinierte Gas- und Dampfkraftwerk Korneuburg B erzielte 1980 bereits über 46%, 1991 demonstrierte das Kraftwerk Ambarli (TEAS, Türkei)
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L. Balling
1200 1000
Temperatur [°C]
800 Gas-Prozess
600 400 200
Dampf-Prozess 0
–273 Entropie
SGas
und SDampf
[kJ/K]
Abb. 3-17 Kombinierter Gas- und Dampfturbinenprozess (GuD) mit 1-Druck-Dampfprozess ohne Zwischenüberhitzung Entwicklung Wasser-/Dampfkreislauf
Kraftwerk Netto- Wirkungsgrad
% 64 62 60 58 56
Entwicklung Gasturbine
Vom Zweidruck- zum Dreidruck, ZÜ Prozess 125 bar 110 bar 565 °C Vom Eindruck- zum 540 °C 1230 °C Zweidruck-Prozess
54 52 50 48 46
60 bar 485 °C 50 bar 1000 °C 460 °C 960 °C
80 bar 75 bar 520 °C 510 °C 1120 °C 1050 °C
100 bar 1190 °C 520 °C 1160°C
170 bar >1400 °C 600 °C 1350 °C 1300 °C Keramische Leitschaufeln 1250 °C erhöhte BrennstoffVorwärmung
Keramische Beschichtung der Schaufeln Keramische Komponenten in der Brennkammer
Brennstoffvorwärmung Ringbrennkammer 3D Turbinen Schaufeln 15 stufiger Verdichter
Brennstoff: Erdgas ISO Bedingungen: 15 °C, 1013 mbar, 60% Feuchte, 50 mbar Kondensatordruck Abb. 3-18 Historische Entwicklung des GuD-Wirkungsgrades (Siemens); Inbetriebsetzung
52,5% und im Kraftwerk Otahuhu wurde 1998 ein Wirkungsgrad von über 57% erreicht. Die derzeit im Bau befindlichen Anlagen in Europa und den USA werden es im Betrieb im Jahr 2002 auf über 58% bringen und es gibt darüber hinaus Zielsetzungen bis zum Jahr 2010 über 60% Netto-Wirkungsgrad zu demonstrieren [3.28, 3.29].
3 GT-Kraftwerke
75
Welche wirkungsgradsteigernde Maßnahmen in den letzten Jahren umgesetzt wurden, zeigt Abb. 3-18. Da die Steigerung des Gesamtwirkungsgrads auch gleichzeitig ein Maß für die Reduktion des spezifischen CO2 -Ausstoßes darstellt, wird deutlich, welche Bedeutung der Anwendung und Verbesserung dieser Technik für unser Klimaproblem zukommt. Seit Einführung der GuD-Technik im Jahr 1980 konnte durch ständige Prozessverbesserungen der spezifische CO2 -Ausstoß je erzeugte Kilowattstunde bis heute um 48% gesenkt werden. Abbildung 3-19 zeigt die spezifischen Emissionen für verschiedene fossile Kraftwerkskonzepte und die besondere Umweltfreundlichkeit der GuD-Anlagen. Mit etwa 350 g=kWh bei Einsatz des Brennstoffes Erdgas liegt diese bei weniger als der Hälfte der spezifischen Emissionen von modernen Steinkohlekraftwerken [3.30]. Die Innovationen der letzten fünf Jahre auf dem Gebiet der GuD-Kraftwerke waren deshalb geprägt von dem Ziel, den Wirkungsgrad zu erhöhen und damit den Brennstoffverbrauch und die CO2 -Emissionen deutlich zu senken. Die Hauptstellhebel sind • Erhöhung der oberen Prozesstemperatur, d. h. der Gasturbinen-Eintrittstemperatur (1980: 1000 °C; 2000: 1400 °C). Möglich wird dies durch die Verwendung von neuartigen Legierungen und Herstellverfahren wie gerichtet erstarrten Turbinenschaufeln bzw. Einkristallschaufeln sowie durch Verbesserung der Kühlverfahren und durch die Verwendung von Oberflächenschutzschichten zur Reduktion der Temperaturbelastung des Grundmaterials [3.31]. • Nutzung von externer Kühlung, speziell Dampf in der Brennkammer, den Übergangsstücken, stationären und rotierenden Turbinen-Teilen. • Erhöhung der Komponentenwirkungsgrade der Turbomaschinen Gas- und Dampfturbine, insbesondere durch verbesserte Schaufelprofile und die Einführung von Flugtriebwerkstechnologie und von Flugtriebwerken übernommenen Methoden bei der Berechnung. • Reduzierung der Prozess- oder Exergieverluste zwischen Gasturbinen- und Dampfturbinenprozess, z. B. durch die Einführung von mehrstufigen Dampfprozessen, Erhöhung der Dampfparameter bis nahe an den überkritischen Bereich und die Einführung der Brennstoffvorwärmung. • Optimierte thermodynamische Auslegung der Gasturbinen (Druckverhältnis) auf den GuD-Prozess und Gesamtprozessoptimierung. • Anordnung von Gasturbine, Generator und Dampfturbine zur Reduzierung der Austritts- und Umlenkverluste. Durch Verwirklichung dieser Maßnahmen bei der Einführung von neuen Gasturbinenfamilien gelang es, die Wirkungsgrade von GuD-Anlagen innerhalb der letzten fünf Jahre um mehr als 5% anzuheben und damit eine weitere Reduktion der spezifischen CO2 -Emissionen um 10% zu erreichen. Ein Betreiber eines 1000-MW-GuDKraftwerks in Europa spart beispielsweise durch einen Prozentpunkt Wirkungsgradsteigerung pro Jahr bis zu 2 Mio. B C an Brennstoffkosten. Weitere CO2 -Minderungsmöglichkeiten bestehen durch die Einführung der bereits zuvor genannten Abscheideverfahren, die die spezifische CO2 -Emission um
Abb. 3-19 Spezifische Emissionen von Kraftwerken (Stand 2000)
76 L. Balling
800 700 600 500 400 300 200 100 0
770
77
744
705
703
647
635
339
324 CO Reduzierung 2 ≈ 85–95% 40–120 35–110
un
te DK rk W rit isc h üb er DK kr W iti sc h DK 60 W 0 °C IG C 20 C 06 DK 70 W 0 °C IG CC 20 20 Gu 20 D 06 Gu DK D W 20 Ab m 20 sc it C h O IG eid 2 CC un Ab m g sc it C he O id 2 un g
CO2-Emmision (g/kWh)
3 GT-Kraftwerke
Abb. 3-20 Potenzial zur Reduktion des CO2 -Ausstoßes bei fossilen Energieträgern
Abb. 3-21 Einwellen-GuD-Anlage von Siemens (2006)
ca. 80–90% reduzieren lässt und auch, wenn technologisch verfügbar, auf GuDAnlagen angewendet werden kann (Abb. 3-20) [3.32]. GuD-Anlagen wurden, getrieben durch den dramatischen Preisverfall zwischen 1993 und 1998, immer weiter standardisiert und modularisiert. So haben Siemens und Alstom (damals ABB) 1993 (Abb. 3-21 zeigt einen aktuellen Stand einer Siemens-Anlage aus 2005) zeitnah an der Entwicklung von Standard- oder Referenz-Kraftwerken „Einwelle“ (mit Gasturbine, Dampfturbine und Generator auf einem Wellenstrang, s. Abschn. 3.8.2) gearbeitet, die die Urväter für die Reference Power Plants sind, die nun weltweit eingesetzt werden, um Kosten, Abwicklungszeiten und Risiken zu reduzieren [3.33, 3.34].
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3.8 Kraftwerkstypen, Konzepte Bei GuD-Anlagen, früher in Deutschland auch unbefeuerte Kombikraftwerke genannt, unterscheidet man heute in nur wenige wesentliche Anordnungsprinzipien, jedoch mit vielen Untervarianten: 1. Mehrwellenanlagen, wobei der Gasturbo-Satz (GT + Geno) physikalisch getrennt vom Dampfturbo-Satz aufgestellt wird. Hierbei können auch mehrere Gasturbinen (bei großen Gasturbinen sinnvollerweise 2, max. 3) mit den entsprechenden Abhitzedampferzeugern auf eine Dampfturbine geschaltet werden. Typischerweise werden hier folgende herstellerneutrale Bezeichnungen verwendet: MS1+1, 2+1, 3+1 (die erste Ziffer bezeichnet die Anzahl der Gasturbinen und die zweite Ziffer die Anzahl der Dampfturbinen). Der Zusatz MS (= Multi Shaft) unterscheidet bei einer 1+1-Anordnung die getrennte Aufstellung der Komponenten von der Einwellenanlage (Single Shaft, SS). 2. Einwellenanlagen mit den Hauptkomponenten GT/DT/Geno, angeordnet auf einer Welle (nicht zu verwechseln mit Einwellen-Gasturbinen).
3.8.1 Mehrwellenanlagen Dieses Ausführungskonzept wurde als 2+1-, 3+1-, aber auch in einzelnen Fällen als 4+1-Ausführung in den frühen Jahren konzipiert, als die maximale Gasturbinenleistung für 50 Hz noch um 100 MW betrug. Des Weiteren wurde diese Anordnung favorisiert, da diese GuD-Anlagen alle zur schrittweisen Errichtung (phased construction) geplant wurden, d. h. der Betrieb der Gasturbine beginnt deutlich vor dem Ausbau zur GuD-Anlage. Abbildung 3-22 zeigt den typischen Aufbau eines solchen Kraftwerkes. Auch heute ist dieses Konstruktionsprinzip noch in solchen Ländern verbreitet, wo entweder Finanzmittel beschränkt, Strombedarf dringend und oder Gaspreise günstig sind. In den typischen IPP-Märkten, wo die Kosten über die gesamte Lebensdauer eines Kraftwerks (life-cycle cost) und kurze Projektamortisationszeiten essentiell sind, werden dagegen die meisten GuD-Anlagen in einem Zug komplett geplant und gebaut. Heute sind 2+1-Systeme weltweit speziell bei Grundlastbetrieb sehr verbreitet. Sie werden in der Regel bei modernen Gasturbinen mit Abgastemperatur über 550 °C aufgrund höherer Wirkungsgrade meist mit einem 3-Druck-ZÜ-Prozess im Dampfteil gebaut [3.35, 3.36]. In Abb. 3-23 ist eine Gegenüberstellung der beiden Systeme dargestellt und lässt die Komplexitätsunterschiede erkennen. Das Spezifikum dieses Überhitzungsprozesses ist es, dass der Dampf nach der Hochdruckbeschaufelung (meist um die 30 bis 35 bar) zur erneuten Erhitzung (Zwischenüberhitzung) zurück in den Kessel geleitet wird. Um die Gasturbinen mit unterschiedlichen Leistungen betreiben zu können, muss folglich die aus der Dampfturbine in die beiden Kessel zurückzuführende Dampfmenge abhängig von der Gasturbinenlast geregelt werden.
3 GT-Kraftwerke
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AbhitzeDampferzeuger
Bypass Kamin Generator
Hilfskessel
Gas Turbine
Dampfturbine
Abgasdiffusor, Abgasklappe Generator Abb. 3-22 Modell einer Mehrwellen-GuD-Anlage mit Bypasskamin
Gas oder Öl
Speisewassertank und Entgasung
I I
AHDE2/3
I
~
I
AHDE2/3
G ~
I AHDE2/3
AHDE2/3
G ~
G ~
I
Luft Abgas
AHDE2/3
I
AHDE2/3 G
I
I AHDE2/3
AHDE2/3 AHDE2/3
AHDE2/3
Abhitzekessel
Dampfturbinensystem
AHDE2/3
Abb. 3-23 Prozessschaltbild Mehrwellenanlage mit Zweidruck- und Dreidruck/ZÜ-Dampfprozess
Wird die Abgas- und damit die Dampftemperatur über weite Bereiche der Last nicht konstant geregelt, so müssen des Weiteren auch Temperaturschieflagen, d. h. hohe Gradienten in Rohrleitungen, Sammlern und Dampfturbine, beachtet werden. Diese Schieflagen können nur in begrenztem Maße durch lange Mischstrecken oder Umlenkungen und Einbauten reduziert werden. Dennoch sind heute auch noch Multi-Shaft-(MS-) Konzepte in der 2+1-, seltener in der 3+1-Konfiguration bei kleineren Gasturbinen oder bei hohem Strombedarf und langem Grundlastbetrieb sinnvoll, da die spezifischen Investitionskosten bei einer großen Anlage zumindest um einige Prozent günstiger sind. Die Auswahl des Konzeptes sollte kunden- und standortspezifisch erfolgen, da auch die Einschätzung des Einsatzgebietes in den späteren Jahren ggf. eine Entscheidung beeinflussen kann. Denn es ist in den künftig liberalisierten Strommärk-
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L. Balling
Temperaturkurven in einem Abhitzekessel Temperatur [°C] 600
1-Druck 2-Druck 3-Druck
Wirkungsgradsteigerung Δη netto [%-Punkte]
110 bar/540 °C 28 bar/540 °C 4 bar/235 °C 110 bar/540 °C 29 bar/320 °C 5 bar/200 °C 80 bar/540 °C 5 bar/210 °C 2,8
3
500 Abgaslinie
400
2
300
2,1
200
1 1,6
100 0
0 Übertragene Wärme
65 bar/540 °C 54,1%
1-Druck
2-Druck
3-Druck
3-Druck ZÜ
Abb. 3-24 Wirkungsgradsteigerung im GuD-Prozess durch Einführung von mehreren Stufen
Diffusor
Gasturbine
Abhitzedampferzeuger
Luftansaugung Generator
Generator
Transformator E- u. L-Technik Container Dampfturbine Generatorableitung Kaltes Ende Abb. 3-25 Aufbau einer Mehrwellen-GuD-Anlage
ten absehbar, dass Zuverlässigkeit (reliability), Flexibilität (schnelle Lastwechsel, kurze Anfahrzeiten, guter Teillastwirkungsgrad) und Vorhersehbarkeit (predictability) der Betriebsergebnisse eine deutlich höhere Rolle spielen werden als heute, selbst wenn die Wirkungsgradvorteile durch die reduzierten Verluste signifikant sind [3.37]. Abbildung 3-24 zeigt den Prozess- und Wirkungsgradvergleich bei unterschiedlichen Prozessverhältnissen.
3 GT-Kraftwerke
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Es ist zu erwarten, dass ein System wie NETA (National Energy Trading Agreement, Nationale Vereinbarung über den Energiehandel), welches im November 2000 in England eingeführt wurde, sich auch in anderen deregulierten Märkten durchsetzen wird. Dieses Marktsystem fördert über den Abschluss von mittel- und kurzfristigen Verträgen (24 Stunden, 3 Stunden) eine hohe Betriebsflexibilität der Anlagen. Mehrwellenanlagen mit Zwischenüberhitzungsprozess im Dampfprozess haben insbesondere bei hohen Dampfzuständen den inhärenten Nachteil der großen Bauteile mit hoher thermischer Belastung, die die Temperaturwechselgeschwindigkeit begrenzen, wie bereits oben beschrieben. Ein weiterer Nachteil ist, dass bei einer größeren Störung oder Revision an der Dampfturbine bei einer modernen 2+1-Mehrwellenanlage ohne Bypasskamin schlagartig ca. 800 MW, bei einer 3+1-Anlage sogar 1200 MW vom Netz gehen müssen. Solche radikalen Abschaltungen haben für den Betreiber nicht nur aufgrund des Verlustes der Einnahmen in diesem Zeitraum eine hohe Bedeutung, sondern er wird durch das neue Marktmodell auch gezwungen, seine vertraglichen Forderungen durch kurzfristigen Zukauf von sehr teurem Strom aus dem Mittel- und Kurzfrist-Pool zu decken. Auswirkungen auf die Stabilität der elektrischen Versorgungsnetze müssen ebenfalls beachtet werden und ggf. durch Ancillary-Services (dies ist die Bereitstellung von hochflexiblen Anlagen oder Systemen zur Sicherung des Netzes) an den Netzbetreiber bezahlt werden, die natürlich bei großen Einheiten höher ausfallen. Für die Grundlastanwendung lassen sich auch 2+1-Konfigurationen (Abb. 3-25) durch intelligente Standardisierung und Modularisierung verbilligen (s. hierzu Abschn. 3.8.3 und 3.8.4).
3.8.2 Einwellenanlagen Dieses Konzept, im englisch/amerikanischen Sprachgebrauch auch als Single Shaft bezeichnet, hat in den letzten 10 Jahren einen hohen Marktanteil hauptsächlich in Europa und Asien entwickelt. Einwellenanlagen bieten neben vielen anderen Vorteilen das größtmögliche Einsparungspotenzial durch Modularisierung, da der geringere Freiheitsgrad der Komponentenanordnung und die höheren Stückzahlen (gegenüber 2+1-Anlagen) einen höheren Wiederholeffekt bieten. Einwellenanlagen können prinzipiell in zwei Varianten ausgeführt werden (Abb. 3-26), die sich hauptsächlich in der Anordnung des Generators unterscheiden: 1. GT----DT----Geno, 2. GT----Geno----DT. Eine dritte Variante mit GT in der Mitte zwischen Geno und DT ist zwar theoretisch möglich, aber aufgrund der Gasturbinen-Wellenauslegung nicht praktikabel und weist keine Vorteile gegenüber o. g. Varianten auf.
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L. Balling
ehem. GE/MHI-Konzept Generator
HP Gasturbine
IP
LP
Dampfturbine
Abströmung nach unten
zum Abhitzekessel
Siemens/Alstom Lösung
HP Axiale Abströmung
IP
LP
Axiale Abströmung
Dampfturbine Kupplung
Abb. 3-26 Vergleich von Einwellenanlagen-Konzeptionen
Variante 1 ist bei großen Anlagen in den USA, Europa, Japan und Hongkong, geprägt durch die großen GE-Gasturbinen 9FA und 7FA, Anfang der 90er Jahre häufig ausgeführt worden und wird so auch noch von Herstellern wie GE (General Electric) und MHI (Mitsubishi Heavy Industries) in den USA und Japan gebaut [3.38–3.41]. Die Variante 2 hingegen wurde früher bereits bei Kleinanlagen gebaut, hat sich aber erst ab 1994 in Europa und Asien mit den großen Gasturbinen von ABB (heute Alstom) und Siemens durchgesetzt und wurde in der Zwischenzeit für die aktuellen Gasturbinen Typen der F- und H-Klasse auch von MHI und GE übernommen. Neben der starken Standardisierung der sog. Power Islands (Hauptkomponenten der Stromerzeugung) haben folgende Merkmale für Investoren und Betreiber einen hohen Nutzen und deshalb der Variante 2 zum Durchbruch verholfen: 1. Integration einer Überholkupplung zwischen Generator und Dampfturbine und damit unabhängiger Betrieb der Gasturbine von der Dampfturbine zum schnelleren Anfahren, aber auch zum Betrieb im Falle eines DT-Ausfalls, 2. reduzierte Kapitalkosten durch Wegfall eines Generators, Transformators und anderer elektrotechnischer Systeme – bis hin zum Netzschalter – gegenüber einer 1+1-MS, 3. reduzierte Abwicklungszeiten bis kleiner 2 Jahren (abhängig von den Lieferterminen der kritischen Komponenten) für die Gesamtanlage durch den hohen Standardisierungsgrad,
3 GT-Kraftwerke
83
4. einfache Prozessführung und hohe Betriebsflexibilität selbst bei einem 3-DruckZÜ aufgrund der 1+1-Schaltung gegenüber MS-Varianten (s. Abschn. 3.8.1), 5. geringe Lebensdauerkosten (life-cycle costs) durch reduzierte Komponenten und reduzierte Kosten (gegenüber einer 1+1-Mehrwelle), 6. einfachste Anpassung des Konzeptes an verschiedene Kühlsysteme wie LUKO (luftgekühlter Kondensator), 7. höchste Betriebsflexibilität durch die einfache Schaltung und dünner Wanddicken der kritischen Bauteile. Aus Gründen der Vereinfachung wird deshalb im Folgenden das Einwellenkonzept als Referenz im Detail beschrieben.
3.8.3 Standardisierung und Modularisierung Treiber für die Standardisierung von ganzen Kraftwerkssystemen war der dramatische Preisverfall seit Beginn der 90er Jahre, der durch Überkapazitäten und die Forderung nach minimalen Investitionskosten durch die sich immer mehr durchsetzenden IPPs hervorgerufen wurde. Diese Kundengruppe erwartet i. Allg. keine Sonderlösungen, sondern ein Kraftwerk, dessen Funktion sich auf minimale Lebensdauerkosten und damit geringste Stromerzeugungskosten beschränkt.
Abb. 3-27 Schlüsselfertiges GuD-Kraftwerk Sta. Rita, Philippinen
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Hiermit war es im Gegensatz zu den bisherigen, sehr detaillierten Anforderungsspezifikationen von typischen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) möglich, Kraftwerke bzw. Kraftwerksteile für den weltweiten Einsatz zu standardisieren und damit Komplexitätskosten und Risiken zu reduzieren [3.42]. Diese Standardisierungsansätze wurden hauptsächlich durch OEMs (Original Equipment Manufacturers) getrieben, die eigene Kapazitäten zur Kraftwerks-Anlagenplanung besitzen wie Alstom und Siemens und die daher auch ganze Kraftwerke schlüsselfertig erstellen [3.43]. Abbildung 3-27 zeigt das 1000-MW-Kraftwerk Sta. Rita auf den Philippinen im letzten Stadium der Fertigstellung Mitte 2000, das als Referenzkraftwerk schlüsselfertig gebaut wurde und noch mit zwei weiteren Blöcken (San Lorenzo) ergänzt wird. Dieses Kraftwerk wurde inklusive der gesamten Brennstoffversorgung (flüssig und gasförmig) von dem Entladehafen (Jetty im Hintergrund) über die Lagerung (im Vordergrund links) inklusive der ca. 35 km langen Übertragungsleitung für den Strom bis hin zum nächsten Anschlusspunkt schlüsselfertig von dem Lieferanten innerhalb von 3 Jahren geplant und gebaut. Als Besonderheit kann dieses Kraftwerk gleichzeitig mit den Brennstoffen Heizöl, Naphtha, Gaskondensat und Erdgas betrieben werden. Aufgrund der positiven Erfahrungen bei Entwicklung und Abwicklung von Kernkraftwerken wurde die Standardisierung auch auf die mit Beginn der 90er Jahre zunehmend an Bedeutung gewinnende Gasturbinentechnologie übertragen. Der erste Ansatz bei GuD-Anlagen war die Entwicklung des o. g. Einwellenkonzeptes. Die Hauptkomponenten Gasturbine, Abhitzekessel, Dampfturbine und Generator, bilden ein standardisiertes, modular aufgebautes, einsträngiges System. Durch diesen Entwicklungsschritt wurde es möglich, die Anzahl der peripheren Anlagenkomponenten und Systeme im Vergleich zu einer 1+1-Anordnung zu reduzieren. Dieses wiederum führte zu einer Verminderung der Anlagenkomplexität und damit einer Vereinfachung von Steuerungs- und Regelungsaufgaben. Heute haben alle namhaften Hersteller von großen Industriegasturbinen eine Einwellenkonfiguration in ihrem Produktprogramm. Hierbei ist bemerkenswert, dass das ursprünglich von Siemens und ABB (heute Alstom) verfolgte Konzept mit der Reihenfolge Gasturbine, Generator, Kupplung, Dampfturbine sich zum Marktstandard etabliert hat. Die GuD-Einwellen-Kraftwerke haben in den letzten 5 Jahren eine Marktanteil von ca. 30% (> 100 MW) erreicht, wovon mehr als 54% nach dem Siemens/Alstom (ehemals ABB)-Konzept ausgeführt wurden. Der Erfolg des Einwellenkonzeptes, der von allen Anbietern dieses Konzeptes erzielt werden konnte, veranlasste die meisten schlüsselfertig (Turn-Key)-Anbieter und Ingenieur-Firmen, die zugrundeliegende Entwicklungssystematik auch auf Mehrwellenanordnungen zu übertragen. Dabei wurde sehr schnell deutlich, dass bei zunehmender Standardisierung von Kraftwerkskonzepten diese als ein Widerspruch zu dem vom Markt geforderten flexiblen Design mit hoher Funktionalität erscheinen können [3.44]. Diesen potentiellen Widerspruch zwischen vorprojektierten Kraftwerkskonzepten und möglichen Kunden- und Marktanforderungen galt es während der weiteren Entwicklung aufzulösen. Ein standardisiertes Konzept muss auch geeignet sein, kundenspezifische Forderungen zu erfüllen, da es ansonsten am Markt keinen Bestand haben wird [3.45, 3.46].
3 GT-Kraftwerke
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Diese Anforderungen führten zu der Idee der Modularisierung, wo ganze Anlagenteile so konzeptioniert werden, dass folgende Kriterien erfüllt werden können: • ein Modul erfüllt eine oder mehrere Funktionen innerhalb einer definierten Anwendung, • ein Modul besteht aus Struktur- und Parameter-Informationen und aus klar definierten geometrischen Parametern über mehrere Disziplinen wie Prozesstechnik, Mechanik, Elektrik und Bau- und Montage, • ein Modul kann ausreichend vielfach eingesetzt und angewendet werden • die Verbindungen zu weiteren Modulen oder nicht modularisierten Einheiten ist klar definiert.
3.8.4 Basiskraftwerk mit Optionen Aus den Marktanforderungen heraus wurde unter dem Begriff „Basiskraftwerk“ (reference power plant), von Siemens ein modulares Designkonzept gewählt, das den Anforderungen nach Standardisierung und Flexibilität auf Kundenforderungen bei spezifischen Projekten Rechnung trägt. Es basiert auf einer Aufteilung des möglichen Lieferumfangs in einen Basisumfang und in Optionen, die auf den Basisumfang abgestimmt sind und ihn ergänzen. Der Basisumfang wurde dabei so gewählt und ausgelegt, dass ein Kraftwerk entsteht, welches funktional ausgestattet, hauptsächlich für die Energieerzeugung im Grundlastbereich bestimmt ist und minimale Investitionskosten aufweist. Hier wurde bewusst an einigen Stellen auf Komfort verzichtet, Kompromisse bei der Qualität wurden jedoch nicht eingegangen. Ausgehend von diesem Basiskonzept kann das Kraftwerk dann durch Hinzufügen von vorprojektierten Optionen zu einem Kraftwerk mit minimalen Lebens-Zyklus-Kosten (Life-Cycle-Cost, LCC) modifiziert werden. Dieser Ergänzungsvorgang ist mit dem sprichwörtlich gewordenen „mouse-click“ möglich, da ein umfassender Katalog an Optionen (mit einem integrierten DV-Tool) entwickelt wurde, der für schnelle Änderungen am Konzept zur Verfügung steht. Abbildung 3-28 zeigt die Modularität des Einwellenstranges: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Wellenstrang, NOx -Wasser-Einspritzanlage, Heizöl-Versorgungseinrichtung, Heizgas-Versorgungseinrichtung, Gasturbinen-Hilfsanlage, Wasserstoff-/Wassergekühlter Generator, Wasserstoffgekühlter Generator, Luftkondensator (Luko), Hybridkühlturm.
Die Optionen als solche lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: solche die aufgrund von Kundenwünschen, z. B. niedrigste LCC, ausgewählt werden, und solche, die aufgrund der Standortbedingungen zwingend notwendig sind, z. B. Kühlmethode. In der aus diesen Anforderungen gebildeten Fläche liegen die real ausgeführten
86
L. Balling
5 7
8
6 4 1
3 9
2
Abb. 3-28 Modularer Aufbau einer Einwellen-GuD-Anlage
Projekte, von denen das Basiskraftwerk als Kombination aus Basisumfang und Optionen einen erheblichen Teil mit vorentwickelten Lösungen abdeckt [3.47]. Bestehen Anforderungen außerhalb dieses Bereiches, können diese als Sonderlösungen projektspezifisch entwickelt werden. Dabei müssen aber Einschränkungen bei der Kostenersparnis und der Abwicklungszeit hingenommen werden.
3.8.5 Reduzierte Abwicklungszeiten Ein besonders zu beachtender Rationalisierungseffekt durch Intensivierung der Entwicklungsaktivitäten ergibt sich aus der Tatsache, dass sich durch den intelligenten Einsatz dieser vorgeplanten Module die Abwicklungs-, Montage- und Inbetriebsetzungszeiten deutlich verkürzen lassen. Eine derzeit angestrebte Verringerung der Abwicklungszeit (Vertragsunterschrift bis Übergabe an den Kunden) bei GuDAnlagen von 28 auf 20 Monate bringt eine Ersparnis von rund 2% der Anlagenkosten. Dass dieses Ziel erreichbar ist, zeigen die von Siemens errichteten Kraftwerke Paka und Pasir Gudang in Malaysia, die nach einer Abwicklungszeit von 22 Monaten übergeben wurden, oder die Einwellenanlage Otahuhu in Neuseeland, die nach nur 20 Monaten Bauzeit fertig gestellt wurde. Auch Alstom hat in einigen asiatischen Projekten wie in Australien durch die Anwendung von Referenzdesign ähnlich kurze Abwicklungszeiten erreicht. Durch den Einsatz vorgeplanter Module gelingt es, den Projektvorlauf zu minimieren und direkt nach Projektstart sowohl die Hauptkomponenten zu bestellen als auch die Bauaktivitäten vor Ort zu starten. Voraussetzung hierbei ist natürlich, dass Abweichungen von den Standardlösungen und Modulen möglichst gering sind, um auf vorhandene Planungsunterlagen und Bezugsvereinbarungen mit Lieferanten zugreifen zu können [3.48]. Ab-
3 GT-Kraftwerke
3D-CAD-Modell
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GUD-Kraftwerk Otahuhu
Abb. 3-29 Moderne Anlagenplanung im Kraftwerksbau, virtuelle und reale Anlage
bildung 3-29 zeigt das Kraftwerk Otahuhu, das zum größten Teil aus der 3DVorplanung übernommen wurde und so eine extrem kurze Abwicklungszeit von ca. 20 Monaten ermöglichte.
3.8.6 Konzept einer modernen Testanlage Die progressive Einführung von neuen Technologien und Gesamtlösungen bei Gasturbinen und GuD-Prozessen macht es erforderlich, dass ganze Systeme in Anlagen integriert getestet werden, um auch entsprechende Nachweise über die theoretische Auslegung und Komponententests, aber auch Demonstration für Kunden und Versicherer zu ermöglichen. Nachfolgend soll ein solches Konzept am Beispiel der Testanlage Irsching 4 für die SGT5-8000H (Siemens) erläutert werden. Aufgrund der sehr schlechten Erfahrungen in den 90er Jahren mit der Einführung von neuen Gasturbinen Modellen (GE 9FA, ABB GT26, MHI/Westinghouse W501G, Siemens V94.3A etc.) wurde bei Siemens ein standardisierter und rigoroser Produktentwicklungsprozess eingeführt, der auch der Validierung, Erprobung und Markteinführung eine ganz besondere Bedeutung zukommen lässt. Abhängig vom Risikoprofil einer Technologie geht die Validierung über Komponenten-, Systemtest, Upgrade-Tests bis hin zur kompletten Errichtung und Betrieb einer Testanlage [3.49]. Ziel der Irsching 4 Testanlage war die integrierte Validierung unter Volllast und unter Netzbedingungen für die neue völlig luftgekühlte SGT5-8000H, als auch die Demonstration eines neuartigen und hocheffizienten Wasserdampfkreislaufs für einen GuD-Wirkungsgrad von mind. 60% netto. Das Kraftwerks-Konzept wurde bereits mit der thermodynamischen Optimierung der Gasturbine in den Jahren 2000–2002 festgelegt, da die Entwicklungsziele einer Gasturbine nicht von der Wirtschaftlichkeit eines GuD-Prozesses zu trennen
88
L. Balling
Gasturbine
Dampfturbine Abhitzekessel
Phase 1:
Phase 2:
Test der Gasturbine im offenen Betrieb
Erweiterung zum kommerziellen GuD-Kraftwerk
Abb. 3-30 Phasen-Konzept einer modernen Testanlage
sind. So wurde sehr früh entschieden, dass auch diese Gasturbine in einen Einwellen GuD-Prozess integriert werden sollte, um die wirtschaftlichste und flexibelste Lösung zu erreichen. Der Wasser-/Dampfkreislauf wurde mit sehr hohen Prozessparametern von über 600 °C Frischdampftemperatur und 170 bar Frischdampfdruck ausgelegt. Um den Test der Gasturbine, der im Dezember 2007 startete, zu vereinfachen wurde in der ersten Phase ein Open-Cycle-Kraftwerk, bereits inklusive der notwendigen Baumaßnahmen für den weiteren Ausbau und einem vorläufigen BypassKamin erstellt, das nach erfolgreichen Tests und Demonstration der Gasturbine über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten zur Erlangung der ausreichenden Referenzstunden in einen Combined Cycle umgebaut wird (Abb. 3-30). In der Zwischenzeit wurden alle erforderlichen Tests abgeschlossen und die Anlage befindet sich derzeit im Umbau auf die GuD-Anlage, die dann in 2011 die geplanten 60% Wirkungungsgrad übertreffen wird. Durch die Wahl des Einwellenkonzeptes mit der Kupplung zwischen Generator und Dampfturbine ist es möglich ohne wesentliche Zusatzmaßnahmen die Dampfturbine während des Stillstandes zu montieren und in Betrieb zu nehmen.
3.9 Hauptkomponenten der GuD-Anlagen Ergänzend zu der Beschreibung der Gasturbine und des Generators werden im Folgenden die zusätzlichen Hauptkomponenten der GuD-Anlage beschrieben: 1. Wasser-Dampf-Kreislauf, 2. Abhitzedampferzeuger (Heat Recovery Steam Generator, HRSG),
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3. Rückkühlanlagen zur Kondensation des Abdampfes, 4. Sonstige wesentliche Komponenten, Systeme. Die besonderen Merkmale von Dampfturbinen und Generatoren, die in GuD-Kraftwerken eingesetzt werden, werden in Kap. 5 beschrieben.
3.9.1 Wasser-Dampf-Kreislauf Obwohl der Wasser-Dampf-Kreislauf die Verbindung zwischen dem Abhitzedampferzeuger und der Dampfturbine darstellt, soll dieses System zuerst vorgestellt werden, da es die weiteren Komponenten wesentlich beeinflusst. Die Systemauslegung wird – wie oben beschrieben – heute sehr stark durch Forderungen nach niedrigen Lebensdauerkosten für die verschiedensten Kundengruppen beeinflusst. Die Aufgabe des Dampf-Wasser-Kreislaufes kann wie folgt beschrieben werden: • Förderung von Dampfkondensat aus dem Dampfturbinensystem, • Verteilung auf die entsprechenden Speisepumpen der Kessel, • Druckerhöhung auf die geforderten Prozessdrücke und Verteilung auf die Druckstufen im Kessel, • Sammlung der Dampfströme aus den einzelnen Kesseln, Regelung der Dampftemperatur und Zuleitung zur Dampfturbine, • Rückführung und Verteilung (bei Mehrwellenanlagen) des Hochdruckabdampfes in die Kessel zur Zwischenüberhitzung, • Nachspeisung von Deionat zum Ausgleich der Verluste und zur Regelung der Wasserchemie. Auslegung Die Ausführung des Wasserdampfkreises in den GuD-Anlagen richtet sich heute meist strikt nach wirtschaftlichen Aspekten. Insbesondere die Wahl der Prozessparameter Druck und Temperatur für den Frischdampf und die Anzahl der Stufen im Prozess sind heute entscheidend und hängen sowohl von der Gasturbinenaustrittstemperatur als auch den Randbedingungen des Einsatzes ab (z. B. Wärmeauskopplung für Prozess- oder Fernwärme). Prinzipiell kann gesagt werden, dass mit steigendem Dampfdruck und steigender Dampftemperatur der Prozesswirkungsgrad steigt, da die Verluste zwischen dem Joule- und dem Rankine-Prozess reduziert werden. Typischerweise werden Gasturbinen älterer Bauart wie GT13E2 (Alstom), SGT5-2000E (Siemens V94.2) und 9E (GE) meist bei Kunden eingesetzt, die entweder eine sehr zuverlässige Versorgung (Industrie, schwache Netze) von Strom – und ggf. auch Dampf kombiniert – benötigen oder aber die Investitionskosten spezifisch niedrig halten wollen und auf hohen Wirkungsgrad nur sekundären Wert legen. Zum anderen haben diese Gasturbinen typischerweise sehr niedrige Abgastemperaturen kleiner 550 °C (aufgrund der geringen Eintrittstemperaturen in der Turbine der Gasturbine), was eine Dampftemperatur von über 520/530 °C nicht wirtschaftlich sinnvoll erlaubt.
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GT air cooler
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Blow down
G
Natural gas
Abb. 3-31 Alstom-Konzept mit Zwangsdurchlaufkessel und Getriebe-Dampfturbine
Optimiert man auch die anderen Prozessparameter und die Druckstufen auf die Hauptanwendungsfälle, so ergibt sich ein 2-Druck-Prozess mit Frischdampfzuständen von 530 °C/80 bar ohne Zwischenüberhitzung als ein sinnvolles Basiskonzept, was von den meisten großen OEMs bestätigt wird. Führt man eine ähnliche Optimierung für Gasturbinen moderner Bauart mit Abgastemperaturen über 580 °C bei Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit durch, kommt man bei einer 3-Druck-Lösung mit Frischdampfzuständen von 560 °C/ 120 bar und Zwischenüberhitzung auf ein ähnliches Temperaturniveau. Die weiteren Druckstufen liegen ebenfalls optimiert dann bei ca. 30 bar und 4,5 bar. Steigt die Abgastemperatur weiter wie bei einer neuen SGT5-8000H (Siemens), so steigt bei den konventionellen Abhitzedampferzeugern auch der Frischdampfmassenstrom, so dass bei Abgastemperaturen weit über 600 °C (und Dampftemperaturen von 600 °C) ein 2-Druck/ZÜ-Prozess durchaus sinnvoll erscheint. Alstom hatte diese Variante (Abb. 3-31) in Kombination mit einer Getriebedampfturbine hauptsächlich in 60 Hz-Projekten eingesetzt [3.50] und aufgrund des Zwischenüberhitzungsprozesses in der Gasturbine den Dampfprozess entsprechend anders optimiert [3.43, 3.51]. Studien zur weiteren Prozessdrucksteigerung zeigen, dass es weiteres Potenzial zur wirtschaftlichen Wirkungsgradsteigerung bis zu einem Druck von 170 bar gibt, wobei dann der konventionelle Trommelkessel verlassen wird und auf einen
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Zwangsdurchlaufkessel übergegangen werden sollte (näheres hierzu in Kap. 3.9.2). Dieses Konzept mit Frischdampf- und ZÜ-Temperaturen von 600 °C wird nun auch so in der neuen GuD-Anlage von Siemens (SCC5-8000H) im Projekt Irsching umgesetzt und damit deutlich über 60% Wirkungsgrad erreicht. Entgasung Die Weiterentwicklung der Regelgüte im Wasser-Dampf-Kreislauf erlaubt den Wegfall des klassischen Speisewasserbehälters, insbesondere bei der Einwellenausführung, da eine Pufferung von Speisewasser nicht mehr erforderlich ist und die Entgasung im Kondensator erfolgt. Ein kleiner Rieselentgaser im Kondensatsystem vor den Speisepumpen übernimmt eine schnelle Entgasung mit Dampf aus einem Hilfskessel, um das System schnell hochfahren zu können. Die Kombination des o. g. Systems (Abb. 3-32) wurde in Einwellenanlagen intensiv getestet und steht als Standardlösung auch für Mehrwellenanlagen (Siemens) zur Verfügung [3.52] (s. dazu auch Abschn. 5.3). Entlüftung Dampfversorgung zur ND-Trommel
Dampfturbine Kondensator
GT
G
HP IP
LP
Entgaser Pumpe Kondensat- Kondensat-
zur MD-Trommel
Vorwämer
ExtraktionsPumpe
Rohrbündel Luft-AbsaugeRohr
zur HD-Trommel Speisepumpe Kondensat-RezirkulationsPumpe
Abb. 3-32 Vereinfachtes Systemschaltbild Entgasung (Siemens)
Speisewasserpumpen In einem konventionellen System mit Trommelkessel haben die Speisepumpen die Aufgaben, das Kondensat auf das entsprechende Druckniveau der beiden ersten Druckstufen (120 bar, 30 bar) zu bringen und den Massenstrom entsprechend der Last zu regeln. Heute verwenden die meisten Lieferanten kombinierte Gliederpumpen, in denen die Mitteldruckstufe angezapft wird, so dass man für beide Drucksysteme nur eine Pumpe benötigt. Die meisten Systeme werden in einem Gleitdruckbetrieb gefahren, so dass die Speisewassermenge entsprechend der Last der Gasturbine und der erzeugten Dampfmenge entsprechend geregelt (hier meist gedrosselt) wird. Für die Nachspeisung des Niederdrucksystems wird meist direkt die Kondensatförderpumpe eingesetzt, die die Vorpumpe für die Hochdruckspeisepumpe darstellt.
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Konzept
1 x 100%
2 x 50%
3 x 50%
Zeitverfügbarkeit
Basis
+ 0,42%
+ 0,45%
Arbeitsverfügbarkeit
Basis
+ 0,02%
+ 0,12%
Anordnung
Investment
Abb. 3-33 Einflüsse des Redundanzkonzeptes
Je nach Betriebs- und Ersatzteilphilosophie wird das gesamte System als 1 100%, 2 50% oder 3 50% ausgelegt. Da typischerweise diese Komponenten nur einen geringen Beitrag zur Nichtverfügbarkeit einer GuD-Anlage liefern, werden sie immer häufiger auch als 1 100% Konzept ausgeführt, da dadurch nicht nur Kapitalkosten, sondern auch Komplexität und Wartungskosten reduziert werden (Abb. 3-33).
3.9.2 Abhitzedampferzeuger Der Abhitzedampferzeuger (Heat Recovery Steam Generator, HRSG), eine der Hauptkomponenten in einem GuD-Prozess, wird sehr detailliert in Abschn. 5.3 behandelt.
3.10 Betrieb der GuD-Anlage Nachfolgend soll am Beispiel einer modernen Einwellenanlage auf den Betrieb der Anlage eingegangen werden. Die Einwellenanlage hat dabei folgende Spezifikation (Abb. 3-34): • Generator in der Mitte, • Überholkupplung zwischen Generator und Dampfturbine,
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Abb. 3-34 Einwellenanlage mit LUKO (Luftkondensator)
• • • • • • • • •
ACC (Air Cooled Condenser), kein Abgas-Bypasskamin, 3-Druck/ZÜ-Prozess, liegender Abhitzekessel mit Naturumlauf, Hilfskessel, bzw. Hilfsdampf vorhanden, kein Speisewasserbehälter, aber Hilfsentgaser im Kondensatsystem, 100%-Dampfbypasssystem, elektrischer Anfahrumrichter, 50 Hz-Gasturbine.
In den vorhergehenden Ausführungen wurde darauf hingewiesen, dass heute in steigendem Maß Anlagen ohne Bypasskamin errichtet werden. Bei diesen Anlagen wird das gesamte GT-Abgas zwangsläufig durch den Abhitzekessel geleitet. Damit dauert der Anfahrprozess etwas länger, da Rücksicht auf die dickwandigen Bauteile im Abhitzekessel genommen werden muss; die entsprechende Anfahrprozedur wird als „temperaturgesteuertes Anfahren“ bezeichnet. Kaltstart Erfolgt ein kompletter Kaltstart nach einer längeren Stillstandsperiode, z. B. einer Hauptrevision, so muss das gesamte Wasserkreislaufsystem wieder mit Deionat (vollentsalztes Wasser) aufgefüllt und entlüftet werden, bevor die Gasturbine bzw. der Kreislauf wieder in Betrieb genommen werden kann. Ist die Zeit knapp, so kann man auch bereits in dieser Phase die Evakuierung unter Zuhilfenahme eines Hilfskessels für den Sperrdampf und sobald wie möglich den Bypassentgaser starten, um CO2 aus dem Deionat zu entgasen. Randbedingung ist, dass die Rückkühlanlage (hier die Ventilatoren) in Betrieb ist. Die Gasturbine wird dann über den Anfahrumrichter mittels Generator aus dem Stillstand bzw. aus der Dreheinrichtung (Turn-Betrieb, s. Abschn. 29.3.2) von ca. 100 bis 150 min1 heraus beschleunigt. Je nach Leistung des Anfahrumrichters erfolgt dies innerhalb weniger (ca. 1 bis 2) Minuten bis auf die sogenannte Zünd-
Drehzahl (RPM)
Leistung
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100% 80% 60% 40% 20% 0% 3600 3000 2400 1800 1200 600 0 0
10min. Start
5 Minuten auf 150 MW
Traditioneller Start
30 Minuten
Belastung 6 Minuten
13 Minuten
Beschleunigung
200
400
600
800 1000 1200 Zeit in Sekunden
1400
1600
1800
Abb. 3-35 Typischer Gasturbinen-Start GT Drehzahl AbgasGT Last temp. GT Abgastemperatur % °C °F 600 100 GT Drehzahl 500 1000 80 400 800 60 GT Last 300 600 40 Gasturbine (GT) 200 400 20 100 200 0 0 10 20 30 40 50 0 0 20 40 60 80 100 120 140 Start GT Synchronisierung GT
°C 600 500 400 300 200 100
°F 1000 800 600 400 200
Drehzahl Dampfmassenstrom % 100 80 60 40 20 0
Wartezeit
Dampftemp.
0 10 20 30 40 50 0 Start DT Synchronisierung DT
20
160
180 min.
Dampfdruck bar psi 120 1800 HD Druck DT Drehzahl 100 1500 HD Temp. 80 1200 60 900 HD Dampfmassenstrom 40 600 DT Last Dampfturbine (DT) 20 300 0 0 40 60 80 100 120 140 160 180 min. GuD- Volllast
Abb. 3-36 Typischer Kaltstart einer GuD-Anlage
drehzahl im Bereich von 500 bis 1000 min1 . Die Gasturbine wird kontinuierlich weiter beschleunigt und das Anfahrsystem bei einer Drehzahl von über 2000 min1 außer Betrieb genommen. Das Verbrennungssystem beschleunigt dann weiter bis auf Synchrondrehzahl (3000 min1 /, bei der dann der Generator mit dem Netz synchronisiert und mit einer Leistung von ca. 20 MW beaufschlagt wird (Abb. 3-35). Beim Starten der ersten Gasturbine wird der Abhitzekessel direkt mit dem Abgas bei Zündung der Brenner beaufschlagt. Die Zündtemperatur von ca. 330 °C liegt
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noch deutlich unterhalb der Selbstzündungstemperatur von Erdgas. Der AHDE wird damit unmittelbar mit dem ersten Abgas gespült. Für weitere Details zum Anfahren der Gasturbine s. Abschn. 11.6.1. Besteht schneller Bedarf für Strom, kann die Gasturbine weiter belastet werden, wobei auf die Temperaturgradienten im Kessel geachtet werden muss. Die Abgase aus der Gasturbine heizen dann während des gesamten Vorgangs direkt den Abhitzekessel auf, so dass nach der ersten Dampfproduktion sich die Verdampferheizflächen in die Trommeln des Abhitzekessels entleeren. Der Dampf wird dann vollständig über die Bypassstation in den Kondensator geleitet, bis die Rohrleitungen vorgewärmt und eine ausreichende Dampftemperatur und Dampfreinheit zur Beaufschlagung der Dampfturbine gegeben sind. Prinzipiell kann bei dieser Auslegung des Kondensators der Dampf bis zur Volllast der Gasturbine über einen längeren Zeitraum im Kreislauf gefahren werden. Zur Reduzierung der Betriebskosten sollte jedoch der wesentlich effizientere GuD-Betrieb möglichst bald aufgenommen werden. Wird eine ausreichende Dampfqualität erreicht, so kann die Dampfturbine (unabhängig von der Last der Gasturbine) beschleunigt werden. Bei der beschriebenen Ausführung schaltet bei Erreichen der Nenndrehzahl die Kupplung die Dampfturbine dem Generator zu und die Dampfturbinenregelung wird abgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt sind die Turbinenventile bereits voll geöffnet, das Bypasssystem geschlossen und die Wellenstrangleistung wird vollständig von der Gasturbine (Brennstoffventil bzw. Verdichterleitschaufel-Verstellung) geregelt. Bei Bedarf kann so mit Gradienten von 11 MW=min das System gemeinsam hochgefahren werden. Ein solcher Kaltstart bis Volllast (Abb. 3-36) kann bei entsprechender Vorbereitung innerhalb von 3 Stunden erfolgen. Selbst bei der Ausführung mit einem Luftkondensator (Air Cooled Condenser, ACC) muss keine Ventilation in der Dampfturbine befürchtet werden, da beim Anfahren der Gasturbine die Dampfturbine durch die Kupplung noch nicht hochgefahren werden muss. Die Dampfturbine wird erst gestartet, wenn bereits Dampf mit ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung steht, so dass dieses Problem umgangen werden kann. Das temperaturgesteuerte Anfahren bringt die Anlage in nahezu der gleichen Zeit wie das leistungsgeregelte Anfahren (s. Abschn. 5.3) auf 100% GuD-Last, da in beiden Fällen die Wasser-/Dampf-Komponenten zeitbestimmend sind. Jedoch fällt elektrische Energie bei dem temperaturgesteuerten Anfahren die erzeugten Megawattstunden geringer aus. Für eine Grund-/Mittellastanlage ist dies aber meist doch wirtschaftlicher, als kosten- und wartungsintensive Bypasskamine in die Gesamtanlage zu integrieren. Seit die Anforderungen nach schnellen Anfahrzeiten und Lastwechseln weiter gestiegen sind, wurde weiter an dem Gesamtsystem optimiert und durch Einführung diverser Modifikationen beim Kessel (Zwangsdurchlauf-Typ ohne Trommel, s. Abschn. 5.3), bei der Dampfturbine und wesentlich bei der Steuerung eines solchen Prozesses die Anfahrzeiten, hier speziell aus dem warmen/heißen Zustand weiter
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Leistung am Generator in MW
400 350
Heißstart: Vergleich Normal und “FACY” Verbesserter Start (FACY)
Normaler Start
300 250 Verbesserung
200
Anlage bereits nach 30 min auf Volllast nach Wochenendstillstand
150 100
“Advanced Facy” Start Normal Start
50 0
SCC5-4000F 1S Kontinuierliche Belastung der Gasturbine Anstoß der Dampfturbine mit dem ersten Dampf Frühes Schließen der Umleitstation Weitere Innovationen im Bereich des Kessels und der Leittechnik
Zeit
Abb. 3-37 Reduzierte Startzeiten einer modernen GuD-Anlage
100 Last [%] 80
nDT nGT
60
40 PGT
30
0
PDT 0
20 DT trip
Start Abfahrprogramm Anlage
Start Abfahrprogramm DT
Abb. 3-38 Abfahrdiagramm GuD
40
Zeit [min] GT trip
60
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reduziert (Abb. 3-37). Dieses Konzept wurde von Siemens in den letzten Jahren entwickelt und konsequent in den deutschen und europäischen Projekten unter dem Namen FACY (Fast Start and Cycling) umgesetzt. In nun mehreren kommerziellen Einwellenanlegen von Siemens konnte so ein Warmstart (Stillstand 6–8 h) von weniger als 35 min demonstriert werden. In den heutigen Märkten kann eine solche Fahrweise dem Kunden einer 400 MW-Anlage eine Einsparung und einen Zusatzgewinn von mehreren Mio B C bringen. Abfahren: Beim geregelten Abfahren wird typischerweise die Leistung der Gasturbine bis zu ca. 60% reduziert und dann die Bypassstation geöffnet bzw. die Turbinenventile werden geschlossen und die Dampfturbine wird entlastet (Abb. 3-38). Dabei entkoppelt sich das System von selbst und die Dampfturbine fällt schnell auf Turn-Drehzahl ab. Die Gasturbine wird dann weiter entlastet und kann unabhängig von der Dampfturbine noch weiter betrieben oder aber auch sofort entlastet werden [3.53]. Bei Anlagen, die sehr häufig und möglichst kurzfristig maximalen Output liefern sollen, muss dagegen eine Wirtschaftlichkeitsanalyse von Fall zu Fall die wirtschaftlichste Lösung analysieren. Weitere Details des An- und Abfahrens des Abhitzekessels können Abschn. 5.3 entnommen werden.
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Kapitel 4
Aeroderivate Alexander Wiedermann
4.1 Prinzipieller Aufbau Für eine Reihe von Anwendungsfällen haben aus Triebwerken abgeleitete Gasturbinen, die man als Aeroderivate bezeichnet, ihren festen Anteil an der Energieerzeugung oder zum Antrieb stationärer Arbeitsmaschinen errungen. Bei den Aeroderivaten handelt es sich um eine weitgehende Übernahme des Kernteiles eines Flugtriebwerkes bestehend aus Mittel- und Hochdruckverdichter, der sie antreibenden Turbinenstufen sowie der Brennkammer. Durch den Ersatz der im Triebwerksbau zur Schuberhöhung eingesetzten Fanstufe mit einem Niederdruckverdichter kann man das so modifizierte Kerntriebwerk direkt als Gasgenerator einer stationären Gasturbine verwenden. Am Austritt aus der mit der Kompressorwelle gekoppelten Turbine besitzt das entspannte Verbrennungsgemisch noch ein Restdruckniveau von etwa 3–4 bar bei einer Gesamttemperatur um 700–800 °C, das dann über eine freie Nutzleistungsturbine, die häufig auf einer separaten Welle angeordnet ist, bis zum Umgebungsdruck entspannt werden kann. Die Gasgeneratoren werden von bekannten Triebwerken der führenden Flugtriebwerkhersteller General Electric (GE), Pratt & Whitney (PW) und Rolls Royce (RR) abgeleitet und von einem Systemlieferanten (package supplier) mit Nutzleistungsturbinen versehen, ausgerüstet, vertrieben und gewartet. Aufgrund der Mehrwelligkeit liegt die Abtriebsseite der Aeroderivate stets auf der Turbinenseite (hot end drive), während bei den in der Regel in einwelliger Bauform für die Energieerzeugung gebauten Industriegasturbinen wegen des sich an die Turbine anschließenden Abhitzekessels die Kompressorseite für den Abtrieb bevorzugt wird (cold end drive). Abbildung 4-1 zeigt ein schematisches Schnittbild der FT8 Gasturbine der 25 MW-Klasse, die aus dem Pratt & Whitney (PW) Triebwerk JT8D abgeleitet ist. Es handelt sich hier um eine dreiwellige Ausführung, wobei die Mitteldruck- und Hochdruckverdichter des Kerntriebwerkes von jeweils separaten Turbinen angetrieben werden. Die auf der rechten Seite liegende freie Nutzleistungsturbine und der Abgaskanal sind vom Systemlieferanten entwickelt worden.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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A. Wiedermann
Abb. 4-1 Schnittbild durch die FT8-Gasturbine als Beispiel für ein Aeroderivat
Abbildung 4-2 zeigt den Vergleich des Niederdruckteils des FT8-Verdichters mit dem Einlauf des JT8D-Triebwerkes. Mit Ausnahme der Fanstufe, die durch einen Niederdruckverdichter ersetzt wurde, werden möglichst viele Bauteile einschließlich der Beschaufelung unverändert übernommen. Auf diese Weise können die auf der Basis hochwertiger Technologie entwickelten Komponenten eines Flugtriebwerkes direkt auf die stationäre Gasturbine übertragen werden, die sich durch eine kompakte modulare Bauform auszeichnet (Abb. 4-3). Neben der FT8 sind aus den von General Electric (GE) entwickelten CF6Triebwerken, die zum Antrieb der Boeing 747 oder den Airbus-Flugzeugen eingesetzt werden, Aeroderivate der Bauklasse LM abgeleitet worden mit der LM2500 in der 25–30 MW-Klasse und der LM6000 in der 50-MW-Klasse als Beispiele; jede dieser Bautypen repräsentiert selbst eine Familie, innerhalb der das Grundmodell durch unterschiedliche Maßnahmen für den Einsatz zur stationären Energieerzeugung ertüchtigt und aufgerüstet wird. Auch die Austauschbarkeit der nicht im ursprünglichen Triebwerk vorhandenen Nutzleistungsturbinen reflektiert die unterschiedlichen Einsatzgebiete. Von Rolls Royce existieren aus dem Trent- und dem RB 211 Triebwerk abgeleitete Gasturbinen. Die teils aus älteren Triebwerken abgeleiteten Aeroderivate werden laufend Verbesserungen und Weiterentwicklungen unterzogen, um den spezifischen Betriebsanforderungen stationärer Gasturbinen zu genügen [4.1,4.2]. Für die RB 211 sind dazu Verbesserungen an der Turbine sowie in der mechanischen Auslegung vorgenommen worden (Spaltoptimierung). Besonderes Merkmal der neuesten Bauweise ist die Einführung von nicht-rotationssymmetrischen Nabenkonturen im beschaufelten Bereich, die Rolls Royce für die neu entwickelten Triebwerke einsetzt. Nur zur Vollständigkeit soll noch auf eine Reihe weiterer Aeroderivate für kleinere Leistungsklassen hingewiesen werden, die u. a. auch aus Hubschraubertriebwerken abgeleitet werden (Pratt&Whitney Canada, Honeywell, Volvo). Schließlich
4 Aeroderivate
Abb. 4-2 Einlauf des JT8D-Triebwerks und des FT8-Aeroderivats
Abb. 4-3 FT8-Gasturbine
103
104
A. Wiedermann
soll erwähnt werden, dass zahlreiche Aeroderivate aus Triebwerken russischer Hersteller abgeleitet wurden (Saturn, Perm Engine Company u. a.).
4.2 Bevorzugte Einsatzgebiete von Aeroderivaten und Industriegasturbinen in Schwerbauweise Aufgrund der spezifischen Konstruktionskonzepte für Turbotriebwerke weisen Aeroderivate gegenüber den Industriegasturbinen einige bedeutende Unterschiede auf: 1. Aeroderivate sind immer Zwei- oder Dreiwellenmaschine mit einem Gasgenerator, der aus der Kernmaschine eines Turbotriebwerkes abgeleitet ist, und häufig einer freigelagerten Nutzleistungsturbine. Der Abtrieb befindet sich daher immer auf der „heißen“ Turbinenseite (hot end drive). 2. Aeroderivate sind kompakt in Bezug auf ihre Aufstellfläche und das Bauvolumen. Sie weisen gegenüber den schweren Industriegasturbinen eine höhere Leistungsdichte auf. 3. Flugtriebwerke sind für offene einfache thermodynamische Prozesse hinsichtlich des Wirkungsgrades und des spezifischen Brennstoffverbrauches optimiert. Demzufolge weisen Aeroderivate hohe Druckverhältnisse und relativ niedrige Abgastemperaturen bei im Vergleich zu Industriegasturbinen geringeren Luftdurchsätzen auf. 4. Die Brennkammer der Aeroderivate ist für die größeren Leistungsklassen in einer Ringanordnung gebaut und eng an den Gasgenerator in kompakter Bauweise gekoppelt. Die oben genannten Konstruktionsunterschiede bedingen Einschränkungen im Einsatzgebiet der Aeroderivate, aber weisen in einigen Fällen gegenüber einwelligen Industriegasturbinen deutliche Vorteile auf: 1. Die mehrwellige Bauweise bewirkt sehr hohe Momente an der Welle der Nutzleistungsturbine für niedrige Drehzahlen. Daher eignet sich die mehrwellige Bauart, die Aeroderivate auszeichnet, besonders gut für mechanische Antriebe. Diese Eigenschaft ist für Gasturbinen in der Energieerzeugung unwesentlich. 2. Die Anordnung des Gasgenerators auf einer separaten Welle begünstigt die Leistungsregelung bei konstanter Nutzleistungsturbinendrehzahl. Gegenüber den Einwellenmaschinen kann neben der Leitrad- und Abblaseregelung auch die Gasgeneratordrehzahl angepasst werden, so dass man einen effizienten Betrieb über einen weiten Leistungsbereich realisieren kann. Diese Eigenschaft ist für den mechanischen Antrieb einer Arbeitsmaschine wie einem Pipeline- oder Prozessgasverdichter wichtig, der für die Förderung von Medien mit schwankenden Durchsatzzahlen eingesetzt werden muss. 3. Die kompakte Ausführung von Aeroderivaten macht sie für den Einsatz in Fahrzeugen, Schiffen und mobilen Stromerzeugungsanlagen interessant. Trotz der genannten Vorzüge weisen Aeroderivate in der stationären Antriebstechnik bedingt durch das Auslegungsziel von Flugtriebwerken, für den Einzelprozess
4 Aeroderivate
105
hohe Wirkungsgrade zu erreichen, einige entscheidende Nachteile für kombinierte Gas- und Dampfturbinenprozesse in GuD-Kraftwerken auf. Um sie zu erläutern sei auf die Tabellen 4-1 bis 4-4 verwiesen, in denen einige charakteristische Kenngrößen zusammengefasst sind: Da Druckverhältnisse von Aeroderivaten sehr hoch sind und zwischen 20 und 35 liegen, ergeben sich mäßig hohe Abgastemperaturen von etwa 480 °C, die nicht ausreichend sind, um hochparametrischen Dampf für den angeschlossenen Dampfturbinenzyklus effizient ohne Zusatzheizung zu erzeugen. Demgegenüber sind die Abgastemperaturen von Industriegasturbinen bei typischen Druckverhältnissen von etwa 15 um 100 °C höher. Hohe Druckverhältnisse wie bei den Aeroderivaten, die bei den neuesten Industriegasturbinen der G- und H-Technologie angestrebt werden, können dann hohe Wirkungsgrade erreichen, wenn man durch Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur die Abgastemperatur auf über 550 °C anheben kann [4.3]. Die dazu erforderlichen Gastemperaturen am Eintritt in die Hochdruckturbine müssen dann etwa 1500 °C betragen, was sich nur durch den Einsatz höchst temperaturbeständiger Materialien und hochentwickelter Technik zur Kühlung der thermisch hoch belasteten Bauteile realisieren lässt. Für den Einsatz gasförmiger Kraftstoffe muss bei hohen Verbrennungsdrücken eine Vorverdichtung des Brenngases vorgesehen werden, die insgesamt den Prozesswirkungsgrad herabsetzt. Dieser Umstand kann z. B. in Einzelfällen bei der Förderung von Erdgas in Pipelines nachteilig sein, da man bestrebt ist, den Basisdruck des Gases auszunutzen, um das Erdgas direkt in die Verbrennungskammer zu fördern. Wegen der kompakten Bauweise von Aeroderivaten ist es oft nicht möglich, durch einfachen Austausch des Brenners und der Brennkammern alternative Brennstoffe zu verwenden. Hohe Turbineneintrittstemperaturen und Brennkammerdrücke der Aeroderivate bewirken nach einer Umrüstung von Kerosin- auf Gasbetrieb erhöhte NOx -Emissionswerte. Da aber insgesamt die Wirkungsgrade der kompakter gebauten Aeroderivate bei gleicher Leistung höher sind, wird auf diese Weise die erhöhte Umweltbelastung teilweise kompensiert. Wegen der Raum sparenden Bauweise der Aeroderivate sind Maßnahmen zur NOx -Reduzierung insgesamt schwieriger [4.4]. Im Gegensatz zu den kombinierten Gas- und Dampfturbinenprozessen mit Industriegasturbinen ist es möglich, durch direkte Einspritzung größerer Dampfmengen in die Brennkammer die Leistung eines Aeroderivates zu erhöhen, wie am Beispiel der in Tabelle 4-3 aufgeführten LM 2500 STIG1 gezeigt ist. Durch die Zumischung einer Dampfmenge von etwa 6 kg=s, was etwa 10% des Gesamtmassenstromes entspricht, wird die Leistung um 24% erhöht bei einem thermodynamischen Wirkungsgrad von 40,3% gegenüber 36,3% des trockenen Zyklus [4.5]. Als ein Beispiel für die Kombination von Maschinenkomponenten stationärer Gasturbinen und Flugtriebwerken soll am Ende dieses Kapitels die von GE entwickelte Gasturbine LMS100 erwähnt werden [4.6], die zur Zeit bei einigen Kunden im Dauerbetrieb getestet wird [4.7]. Bei dieser Gasturbine wird zwischen einem Nieder- und Hochdruckverdichter eine Zwischenkühlung durchgeführt, eine Pra1
STIG = STeam Injected Gasturbine
106
A. Wiedermann
Tabelle 4-1 Einsatz von Aeroderivaten in der Leistungsklasse 50 MW Bezeichnung/ Hersteller
PSingle PCombi Single Combi AbgasAbgasDruck- Zahl der [MW] [MW] [%] [%] temperat. massen- verh. Wellen [°C] durchsatz ˘ [kg=s]
FT8 TwinPac/PW LM6000PD/GE Trent 60 DLE/RR
51,3 41,9 51,2
70,3 54,4 64,0
38,4 40,4 41,5
50,4 52,7 51,6
460 460 428
170,6 127,0 159,4
20,3 30 35
3 2 3
Tabelle 4-2 Industriegasturbinen zur Stromerzeugung der 50–70 MW-Leistungsklasse Bezeichnung/ Hersteller
SGT-1000F (V64.3A)/ Siemens Power 6FA/GE SGT-800/ Siemens Power GT8C2/ Alstom Power
PSingle PCombi Single Combi AbgasAbgasDruck- Zahl der [MW] [MW] [%] [%] temperat. massen- verh. Wellen [°C] durchsatz ˘ [m=s]
70,0 70,1
101,0 107,4
36,8 34,8
53,7 53,2
565 597
194 196,4
16,6 15,0
1 1
43,0
62,0
37,0
54,0
546
122,0
20,0
1
57,7
80
33,8
49
509
202
17,6
1
Tabelle 4-3 Aeroderivate in der Leistungsklasse von 20–30 MW Bezeichnung/ Hersteller
PSingle PCombi Single Combi AbgasAbgasDruck- Zahl der [MW] [MW] [%] [%] temperat. massen- verh. Wellen [°C] durchsatz ˘ [m=s]
FT8/PW LM2500PE/GE LM2500STIG/GE
25,6 22,8 28,3
38,3 36,3 40,3
443 524 497
85,6 69 76
20,3 18,8 20
3 2 2
Tabelle 4-4 Industriegasturbinen zur Stromerzeugung der 20–25 MW-Leistungsklasse Bezeichnung/ Hersteller
SGT-600/ Siemens Power L20A/KHIa PGT 25+/NP-GEb a b
PSingle PCombi Single Combi AbgasAbgasDruck- Zahl der [MW] [MW] [%] [%] temperat. massen- verh. Wellen [°C] durchsatz ˘ [m=s] 24,8 18 30,23
36,1 24
34,2 35 39,6
50,5 47
KHI = Kawasaki Heavy Industries, Japan NP-GE = General Electric (Nouvo Pignone), Italien
543 545 502
80,4 58 84,3
14,0 18,0 21,5
2 1 2
4 Aeroderivate
107 Gasturbinen für die Energieerzeugung
46 LMS100PA
45 44
Aeroderivate
therm Wirkungsgrad [%]
43 42
RR Trent LM6000
41
LM2500 RC LM2500 RB211 FT8 TwinPack FT8
40 39 38
SGT5-8000H
SGT5-4000F (V94.3)
37
GT13E2
M501G GT26 SGT6-6000G (W501G) PG9371FB PG9351FA
36 SGT-1000F (V64.3)
35 L20A H-25
34 33
SGT5-3000E (V94.2) PG9231EC
GT8C2
GT11N2
H-15
32
MF221 MF111
31 30 0
25
50
75
100
125
150
175
200
225
250
275
300
325
350
elektr. Leistung im einfachen Prozess [MW]
Abb. 4-4 Industriegasturbinen, Wirkungsgrade und Leistungen im einfachen Prozess (Stand von 2008 [4.9])
xis, die häufig bei Industriekompressoren eingesetzt wird, um die Antriebsleistung zu reduzieren. Der 6-stufige Niederdruckverdichter ist aus der Frame 6-Gasturbine in Schwerbauweise, der sich anschließende Gasgenerator aus dem Triebwerk CF680C/E abgeleitet worden. Das Druckverhältnis dieser Gasturbine liegt bei einem hohen Wert von 42, der auf der Basis der Zwischenkühlung zu optimaler spezifischer Leistung führt. Die Zwischenkühlung erlaubt einen hohen thermischen Wirkungsgrad von 46% im einfachen Kreisprozess bei einer Leistungsabgabe von 98,7 MW. Durch Dampfeinspritzung in die Brennkammer können Leistung und Wirkungsgrad auf die Werte von 112,2 MW und 50% erhöht werden. Aufgrund des geteilten Kompressors liegt der besondere Vorzug gegenüber konventionell ausgeführten Gasturbinen in einer kleinen Leistungseinbuße an warmen Tagen mit hoher Umgebungstemperatur. Auch die geringe Hochlaufzeit von 10 Minuten vom Stillstand bis zur Volllast qualifiziert diese Gasturbine für den Einsatz im Spitzenlastbetrieb. Zweifellos behaupten Aeroderivate ihren Platz unter den stationären Antriebsund Energieanlagen [4.8]. Die Haupteinsatzgebiete sind in den hier nur am Rande erwähnten kleineren Leistungsklassen von 1–10 MW und reichen bis etwa 50 MW, s. Abb. 4-4. Ihre wesentlichen Merkmale sind die hohen Wirkungsgrade im Einzelprozess. Es muss aber festgestellt werden, dass durch die fortschreitende Entwicklung der Auslegungstechnologien bei den Herstellern von Industriegasturbinen dieser Abstand zu den Aeroderivaten geringer wird. Gerade wegen ihrer kompakten Bauform eignen sich Aeroderivate hervorragend dazu, in einem gemeinsamen Strang einen Generator anzutreiben wie bei der in Tabelle 2-1 erwähnten FT8-TwinPac-Anlage mit zwei Gasturbinen. Hier treiben zwei
108
A. Wiedermann
FT8-Aeroderivate einen in der Mitte liegenden Generator an. Durch die wahlweise Abschaltung einer der Gasturbinen für Teillastanforderungen kann die Gesamtanlage zwischen 10 MW und 50 MW mit einem hohen elektrischen Wirkungsgrad betrieben werden. Diese Eigenschaft bietet gegenüber einer einzelnen großen Gasturbine dann Vorteile, wenn das Kraftwerk zur Deckung von Leistungsspitzen angefordert wird. Dabei zeigt sich, dass bei der Auswahl einer geeigneten Gasturbine neben den Kriterien für Volllastbetrieb auch die Betriebsart und Einsatzdauer eine entscheidende Rolle spielen. Neben den hier dargestellten technischen Gesichtspunkten sind weitere Aspekte wie etwa Investitions- und Betriebskosten zu beachten, die je nach Aufstellungsort und Lastenheft unterschiedlicher Bewertung unterliegen. Zu diesem Thema ist von Perkavec [4.8] eine ausführliche Gegenüberstellung der Industriegasturbinen und Aeroderivate diskutiert worden. Trotz einiger Unterschiede im Niederdruckverdichter und der Nutzleistungsturbine basiert die Auslegung der Aeroderivate auf den Prinzipien der Flugtriebwerke, über die ein umfangreiches Schrifttum existiert [4.10]. Daher sollen sie in den weiteren Kapiteln dieses Buches nicht mehr weiter berücksichtigt werden, sondern von nun an nur noch auf die Industriegasturbinen in Schwerbauweise eingegangen werden.
Literaturverzeichnis 4.1. Day, W.H.: Pratt and Whitney’s Next Generation Turbine Program. DOE Turbine Power Systems Conference and Condition Workshop. Galveston, Texas, Febr. 2002 4.2. Blackburn, J.; Frendt, G.; Gagne, M.; Genest, J.-D.; Kohler, T.; Nolan, B.: Performance Enhancements of the Industrial Avon Gas Turbine. ASME-Paper GT2007-28315, 2007 4.3. Fletcher, P.; Walsh, P. P.: Gas Turbine Performance. Blackwell Science, 1998 4.4. Schlein, B.C.; Anderson, D.A.; Beukenberg, M.; Mohr, K.D.; Leiner, H.L.; Träptau, W.: Development History and Field Experiences of the First FT8 Gas Turbine with DryLow Nox Combustion System. ASME Paper 99-GT-241, 1999 4.5. Oganowski, G.: LM5000 and LM2500 Steam Injection Gas Turbine. Proc. of the 1987 Tokyo Gas Turbine Congress, Bd. 3, S. 393, 1987 4.6. Barker, T.; Kalyanaram, K.: GE delivers LMS100 for Mid-Load Power, Turbomachinery International, Vol. 45 No. 1, pp. 20–21, 2004 4.7. McNeely, M.: On-Site with GE’s first LMS100. Diesel and Gas Turbine Worldwide, Oct. 2006, S. 20–22 4.8. Perkavec, M.: Gasturbinentechnik für die stationäre Stromerzeugung. BWK, Bd. 53, 2001, S. 54–58 4.9. Gas Turbine World, 2007 Performance Specs, Dez. 2006 4.10. Bräunling, W. J. G: Flugzeugtriebwerke. Berlin/Heidelberg/New York: Springer 2001
Kapitel 5
Kraftwerkskomponenten
5.1 Wellenkupplung Frank Rossig-Kruska
5.1.1 Allgemeines Bei Turbinenanlagen sind winkelige, radiale und axiale Verlagerungen zwischen den zu kuppelnden Wellen unausweichlich vorhanden, sei es durch Ausrichtungsungenauigkeiten, unterschiedliche Wärmedehnungen der einzelnen Maschinen oder Fundamentverlagerungen. Um diese Wellenverlagerungen auszugleichen, werden geeignete Ausgleichswellenkupplungen zwischen den Maschinen angeordnet, die i. Allg. als Zweigelenk für den Ausgleich von radialen Verlagerungen ausgebildet sind (vgl. Kap. 28). Falls nur winkelige und axiale Verlagerungen kompensiert werden müssen, kann eine eingelenkige Wellenkupplung eingesetzt werden. Zusätzlich sollen diese Wellenkupplungen eine drehstarre Verbindung zwischen den Maschinen gewährleisten, so dass eine winkelsynchrone Übertragung der Drehbewegung erfolgt. Die bekannte Flanschkupplung, die hier nicht näher betrachtet werden soll, kann Verlagerungen nur sehr begrenzt durch elastische Verformung des Flansches und der Welle ausgleichen – grundsätzliche Auslegung von Flanschkupplungen [5.1, 5.2]. Aus zu großen elastischen Verformungen können Schwingungen und relativ hohe Reaktionskräfte resultieren, die angrenzende Bauteile stark belasten (s. Abschn. 30.5). Zur Vermeidung der genannten Auswirkungen bei Flanschkupplungen kann zwischen den Maschinen eine lange Zwischenwelle angeordnet werden. Man spricht dann von aus dem Getriebebau bekannten „Torsionswellen“, die geeignet biegenachgiebig gestaltet sind. Wo aus Platzgründen eine solche Torsionswelle nicht eingebaut werden kann, obwohl größere Verlagerungen zwischen den Maschinen auftreten, müssen geeignete Ausgleichswellenkupplungen eingesetzt werden. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf diese Ausgleichswellenkupplungen. Für ihre Auswahl sind die folgenden grundsätzlichen Angaben nötig: Nenn- und Störfalldrehmoment, Nenn- und Grenzdrehzahl, Wellenverlagerungen, Bauraum, Art der An- und Abtriebsmaschine sowie Umgebungsbedingungen. C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
109
110
F. Rossig-Kruska
5.1.2 Nichtschaltbare Wellenkupplungen Drei Bauformen von nichtschaltbaren Wellenkupplungen übertragen form- und kraftschlüssig das Antriebsdrehmoment in Turbinenanlagen: Stahl-Lamellenkupplungen, Membrankupplungen und Zahnkupplungen. Letztere kommen aufgrund der erforderlichen Ölschmierung häufig dann zur Anwendung, wenn die Wellenleistung oder die Drehzahl den Einsatz der beiden anderen Bauformen nicht mehr zulässt, denn Lamellen- und Membrankupplungen bauen vergleichsweise radial groß. Für schnelllaufende Maschinen und hohe Leistungen gibt es keine kompaktere Wellenkupplung als die Zahnkupplung. 5.1.2.1 Stahl-Lamellenkupplungen Stahl-Lamellenkupplungen übertragen das Drehmoment über flexible Lamellenringscheiben, die durch Bolzen wechselseitig mit der An- und der Abtriebsseite verbunden sind. Sie zeichnen sich durch eine spielfreie Drehmomentenübertragung, geringe Reaktionskräfte und relative kleine Masse aus. Es ist keine Schmierung und Wartung notwendig. Dieser Kupplungstyp hat eine geringe Überlastfähigkeit von 1,3 bis 2 TKN . Nach DIN 740 ist das Kupplungsnenndrehmoment TKN das zulässige Übertragungsdrehmoment einer Wellenkupplung. Auch muss zusätzlich das maximale Störfalldrehmoment zur Größenauslegung herangezogen werden. Häufig bevorzugt ist die 4 C 4-Bolzenausführung (Abb. 5-1), die eine relativ hohe Drehmomentenkapazität und eine mittlere Verlagerungsfähigkeit durch die elastische Biegenachgiebigkeit der Stahl-Lamellen aufweist. Bei gleichzeitiger axialer, radialer oder winkliger Verlagerung sind die zulässigen Nenn-Kennwerte zu reduzieren. Die axiale Kupplungseigenfrequenz ist in Bezug zur Wellendrehfrequenz zu beachten (s. auch Abschn. 30.8). Lamellenkupplungen werden derzeit für eine Leistung von bis zu ca. 50 MW bei 5600 min1 ausgeführt.
Abb. 5-1 Stahl-Lamellenkupplung vom Bautyp MTR (Renk)
5 Kraftwerkskomponenten
111
5.1.2.2 Membrankupplungen Membrankupplungen übertragen das Wellendrehmoment über dünne, meist zu einem Paket parallel geschaltete Kreisringmembranenflächen oder über eine einzelne profilierte Kreisringmembranscheibe (Abb. 5-2). Die Membranen sind am Innenund Außendurchmesser mit der An- bzw. Abtriebsseite starr verbunden. Der Ausgleich von Wellenverlagerungen ist durch die elastische Quernachgiebigkeit der Membranenfläche realisiert. Es existieren Lösungen mit ebenen oder konzentrisch gewellten Membranenflächen, wobei letztere bei gleichen Abmessungen eine größere zulässige Auslenkung aufweisen [5.3].
Abb. 5-2 Membrankupplung vom Bautyp TWINTORS® (Voith Turbo BHS Getriebe)
Auch bei den Membrankupplungen ist keine Schmierung und Wartung notwendig. Mit zunehmender Wellendrehzahl reduzieren sich die zulässigen Verlagerungswerte der Membranen, so dass Verlagerungen und Wellendrehzahl sowie Antriebsdrehmoment immer zusammen betrachtet werden müssen. Wie bei den StahlLamellenkupplungen ist die axiale Kupplungseigenfrequenz zu beachten [5.4]. Die Überlastfähigkeit ist mit bis zu ca. 3;4 TKN relativ hoch, allerdings werden die Membranen dann bis zur Fließgrenze des Materials beansprucht. Membrankupplungen werden derzeit für eine Leistung von bis zu ca. 175 MW bei 3000 min1 ausgeführt. 5.1.2.3 Zahnkupplungen Zahnkupplungen zeichnen sich durch eine sehr hohe Überlastfähigkeit aus (> 3 bis 6 TKN ), so dass für die Größenauslegung meist das Nenndrehmoment TKN entscheidend ist. Die Kupplungsverzahnung besteht aus einer Außenverzahnung und einer passenden Hülsenverzahnung (Innenverzahnung), die ineinander greifen (Abb. 5-3).
112
F. Rossig-Kruska
Abb. 5-3 Bogenzahnkupplung vom Bautyp ZTKH (Renk)
Ein Ausgleich von Wellenverlagerungen erfolgt durch Gleiten oder/und Wälzen an der Kupplungsverzahnung. Die Außenverzahnung ist entweder gerade oder – bei einer größeren Winkelverlagerungsfähigkeit (> 0;125ı ) – leicht ballig ausgeführt. Die Innenverzahnung ist immer gerade ausgeführt. Zur Verzahnungsauslegung wird in der Praxis eine mittlere Flankenpressung angenommen, die Einflüsse der Flankenoberflächen, Werkstoffpaarung, Herstellungsverfahren etc. berücksichtigen soll. Aufgrund der Reibung an den Zahnflanken entstehen Reaktionskräfte bei jeder Verlagerungsbewegung der Kupplungsverzahnung, die es zu berücksichtigen gilt [5.5]. Übliche Reibungszahlen liegen zwischen 0,05 und 0,15 [5.6]. TurboZahnkupplungen benötigen zur Schmierung der Bewegung und Wärmeabfuhr eine kontinuierliche Öldurchflussschmierung. Es existieren unterschiedliche Schmiersysteme, wobei vorzugsweise die Einzelzahngrund- oder die Zahntauchschmierung mit radialen Ablaufbohrungen eingesetzt wird [5.7]. Zahnkupplungen werden bis zu einer Leistung von derzeit ca. 45 MW bei 3000 min1 mit balliger Außenverzahnung, bei höheren Leistungen bis ca. 135 MW bei 5500 min1 normalerweise mit gerader Außenverzahnung ausgeführt. Schaltbare Zahnkupplungen sind schon bis zu einer Leistung von 320 MW bei 3000 min1 ausgeführt worden.
5.1.3 Schaltbare Wellenkupplungen Schaltbare Wellenkupplungen werden verwendet, um einzelne Turbomaschinen mit einem rotierenden Generator automatisch zu koppeln oder von ihm zu trennen, ohne den Wellenstrang stillsetzen zu müssen. Hierfür sind sog. richtungsgeschaltete Wellenkupplungen (Freilauf- oder Überholkupplungen) geeignet [5.8, 5.9]. Eine typische Anwendung ist bei Gasturbinenanlagen das automatische Abkoppeln und Stillsetzen der Gasturbine, während der rotierende Generator als Phasenschieber zur Blindstromkompensation am Netz verbleibt (vgl. Abschn. 3.5.2 und 5.6.3.4). Bei Einwellen-Kombikraftwerken mit einer Gas- und einer Dampfturbine an je einem Wellenende des Generators ermöglicht eine richtungsgeschaltete Wellenkupplung zwischen der Dampfturbine und dem Generator, dass die Dampfturbine
5 Kraftwerkskomponenten
113
Abb. 5-4 SSS-Überholkupplung vom Typ „Semi Rigid“ für die Siemens-Referenzkombianlage SCC5-8000H 1S (Einwellen GuD Anlage); Auslegungsleistung der Dampfturbinen SSS-Kupplung: 226MW bei 3000min-1 (SSS Gears)
Abb. 5-5 Einfacher Grundaufbau von SSSÜberholkupplungen für Wellendrehvorrichtungen: A Klinke, B Kupplungsverzahnung, C Kupplungshülse, D Steilgewinde, E Antriebsteil, F Abtriebsteil, G Klinkenverzahnung (SSS Gears)
unabhängig von der Gasturbine angefahren und abgeschaltet werden kann (vgl. Abschn. 3.8.2, 3.8.6, 3.10 und 5.4.4.1). Form- und kraftschlüssige SSS-Überholkupplungen, System Sinclair, auch Synchronisier-Zahnkupplungen genannt, sind für diese Anwendungen in Turbinenanlagen hoher Leistung seit über 45 Jahren im Einsatz [5.9]. Abbildung 5-4 zeigt eine standardisierte 226-MW-SSS-Überholkupplung für die Siemens-Referenzanlage SCC5-8000H 1S. Die Überholkupplung ist im Dampfturbinenlagerbock angeordnet (siehe Abschn. 5.4.4.1, Abb. 5-68). Zusätzlich übernimmt diese Überholkupplung auch die Kompensation von axialen Wellendehnungen zwischen dem Axiallager von der Gas- und dem von der Dampfturbine.
114
F. Rossig-Kruska
Kleinere Überholkupplungen nach Abb. 5-5 werden auch zum automatischen An- und Abkoppeln der Wellendreh-/Turnvorrichtung eingesetz. Diese kleinen Überholkupplungen sind zwischen dem Drehmotor und dem freien Turbinenwellenende angeordnet (vgl. Abschn. 5.4.4.1). Bei Überholkupplungen übernimmt ein Klinkengesperre nur das Synchronisieren der An- und Abtriebswelle, nicht aber die Übertragung des Wellendrehmomentes. Die Drehmomentenübertragung erfolgt über eine Kupplungsverzahnung wie bei Zahnkupplungen (vgl. Abschn. 5.1.2.3). Den einfachen Grundaufbau der Überholkupplungen zeigt Abb. 5-5. Die Funktion der Überholkupplungen kann mit Hilfe der vier Schritte in Abb. 5-6 beschrieben werden. Sobald die Drehzahl des Antriebsteils (E) die des Abtriebsteils (F) übersteigt (Schritt 1), kommt eine der Klinken (A) am Abtriebsteil mit der Klinkenverzahnung (G) an der Kupplungshülse (C) in Eingriff und jede weitere Relativdrehung
E
A
G
B
F
Antriebsteil (E) will Abtriebsteil (F) überholen. Klinken (A) kommen mit Klinkenverzahnung (G) in Kontakt . . . F
A
E
C
D
Schritt 1: Kupplung ausgerückt
. . . Kupplungsverzahnung ist Zahn auf Lücke ausgerichtet. Schritt 2: Kupplungsverzahnung ausgerichtet
Einrückbewegung
Schritt 3: Einrücken (Klinken außer Eingriff)
Schritt 4: Kupplung eingerückt (Kupplungshülse am Anschlag)
Abb. 5-6 Darstellung der Schaltfunktionsschritte bei SSS-Überholkupplungen: A Klinke, B Kupplungsverzahnung, C Kupplungshülse, D Steilgewinde, E Antriebsteil, F Abtriebsteil, G Klinkenverzahnung (SSS Gears)
5 Kraftwerkskomponenten
115
der Kupplungshülse ist gesperrt (Schritt 2). Die Kupplungsverzahnung (B) ist exakt Zahn auf Lücke ausgerichtet. Setzt sich die Relativdrehung des Antriebsteils (E) zum Abtriebsteil (F) fort, wird die Kupplungshülse (C) längs des Steilgewindes (D) axial verschoben (Schritt 3) und die Kupplungsverzahnung (B) rückt ein. Für die Dauer dieses Vorganges übernimmt die Klinke (A) lediglich eine geringe Stützkraft, die sich aus der Verschiebung der Kupplungshülse auf dem Steilgewinde ergibt. Während der axialen Hülsenbewegung längs des Steilgewindes (D) kommen die Klinken (A) mit der Klinkenverzahnung (G) außer Kontakt und die Kupplungsverzahnung (B) in Eingriff. Im eingerückten Kupplungszustand sind die Klinken lastfrei. Das Antriebsdrehmoment wird erst dann von dem Antriebsteil auf das Abtriebsteil übertragen, wenn die Kupplungshülse (C) den Endanschlag am Antriebsteil (E) erreicht hat (Schritt 4) und damit die Kupplungsverzahnung (B) vollkommen eingerückt ist. Wird die Drehzahl des Antriebsteiles relativ zum Abtriebsteil reduziert, kehrt sich die Steilgewindewirkung um. Die Kupplungshülse (C) bewegt sich automatisch in ihre Ausrückstellung, wodurch die Kupplungsverzahnung ausrückt. Die Überholkupplung befindet sich dann wieder im Freilaufzustand. Damit der Klinkenmechanismus verschleißfrei arbeitet, wird bei hohen Überholdrehzahlen das Ratschen der Klinken (A) durch eine kombinierte Wirkung von Zentrifugalkraft und hydraulischem Effekt (Ölring) verhindert. SSS-Überholkupplungen werden in verschiedensten Bauformen, auch mit zusätzlicher hydraulischer Hilfsbetätigung, ausgeführt und sind bis zu einer Leistung von 320 MW bei 3000 min1 (in der CAS Anlage Huntorf, vgl. Abschn. 3.5.6), aber auch für kleinere Leistungen seit vielen Jahren im Einsatz. Im Übrigen zeichnen sie sich durch dieselben Grundeigenschaften aus wie nichtschaltbare Zahnkupplungen (vgl. Abschn. 5.1.2.3). Auch die schaltbaren Zahnkupplungen haben eine sehr hohe Überlastfähigkeit (> 6 TKN ), denn der Schaltmechanismus ist nicht mit dem zu übertragenen Wellendrehmoment belastet.
116
T. Deeg
5.2 Getriebe Thomas Deeg
5.2.1 Einführung Die Entwicklung und der Bau von Getrieben für Turbomaschinen ist so alt wie der Turbomaschinenbau selbst. Dampfturbinen, Gasturbinen oder Verdichter werden nicht isoliert für sich alleine eingesetzt, sondern stets treiben sie irgend eine andere Arbeitsmaschine an oder werden von anderen Maschinen angetrieben. Für das Erzeugen von elektrischem Strom, bei Energieumwandlungen generell oder für das Verdichten von Gasen oder Pumpen von Flüssigkeiten kommen verschiedene Maschinen, welche miteinander gekuppelt werden, zum Einsatz. Oft haben diese Maschinen aus Gründen der ökonomischen Dimensionierung und der praktischen Baubarkeit nicht die gleichen Drehzahlen, und genau dann werden Getriebe zwischen diesen Maschinen eingebaut, um bei konstanter Leistungsübertragung die Drehzahlen und auch die Drehmomente anzupassen. Getriebe, die in einem Maschinenstrang mit Turbomaschinen arbeiten, werden gemeinhin als „Turbogetriebe“ bezeichnet. In neuerer Zeit hat sich die eigentlich besser zutreffende englische Bezeichnung „high speed gears“ mehr und mehr durchgesetzt, gleichwohl spricht man im deutschen Sprachgebrauch immer noch von Turbogetrieben. Das Hauptmerkmal von Turbogetrieben ist, dass sie in der Regel hohe Leistungen bei hohen Geschwindigkeiten übertragen, da auch die Turbomaschinen selbst oft mit sehr hohen Drehzahlen und Leistungen betrieben werden. Heute werden Getriebe gebaut, die eine Leistung von mehr als 100 MW übertragen, und das bei Drehzahlen, welche Verzahnungsumfangsgeschwindigkeiten von gegen 200 m=s ergeben. Solche Turbogetriebe sind an sich im generellen Aufbau einfache Getriebe; meistens bestehen sie aus zwei Rotoren, mindestens vier Lagern und einem Gehäuse. Die Anforderungen an die Getriebeelemente, insbesondere die Rotoren mit den Verzahnungen und die Lager, sind aber die höchsten im ganzen Getriebebau und erfordern spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, auf die in den folgenden Abschnitten, beschränkt auf das Wesentliche, eingegangen werden soll.
5.2.2 Verzahnung Die Berechnung und Dimensionierung von Getriebeverzahnungen ist komplex, füllt ganze Bücher und kann deshalb im Rahmen dieser kurzen Abhandlung nicht ausführlich dargestellt werden. Im Text wird für interessierte Leser auf das entsprechende Normenwerk bzw. die Fachliteratur verwiesen. 5.2.2.1 Auslegung der Getriebeverzahnung Schon der berühmte Mathematiker L. Euler erkannte die Vorteile der Evolventenverzahnung für die gleichmäßige und stoßfreie Übertragung der Zahnkräfte in einem
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Eingriff von zwei Zahnrädern. Heute kommt deshalb praktisch ausschließlich die Evolvente als Form für die Zahnflanken in Zahnradgetrieben zur Anwendung. Während des Zahneingriffs bewegt sich der Berührungspunkt der Zahnflanken längs einer Geraden und zwischen den Zahnflanken selbst findet eine Gleit- und Wälzbewegung statt. Die Übertragung der aus dem Drehmoment der antreibenden Maschine resultierenden Zahnkraft erfolgt nun im Zahneingriff von der Flanke des treibenden Zahnrades auf die Flanke des getriebenen Zahnrades, und zwar so, dass sich die metallischen Zahnflanken nicht direkt berühren, sondern immer einen nur wenige tausendstel Millimeter dicken Ölfilm dazwischen haben. Um die wesentlichen Auslegungskriterien für eine Getriebeverzahnung anschaulich darzulegen, ist ein kleiner Exkurs in die Zahnradschäden nötig. Klassische Zahnradschäden lassen sich in drei Gruppen einordnen: • Zahnbruch, • Grübchenbildung (pitting), • Fressen (scoring). Der Zahnbruch erfolgt in der Regel in der Nähe des Zahnfußes; er wird durch zu hohe Biegebeanspruchung des Zahnes bzw. durch einen zu „schwachen“ Zahn verursacht. Die Grübchenbildung ist gekennzeichnet durch mehr oder weniger großflächige Materialausbrüche an der tragenden Zahnflanke selbst. Sie wird verursacht durch zu hohe Pressung auf der Kontaktlinie der beiden Zahnflanken und damit verbundene hohe Spannungen unmittelbar unter der Oberfläche der Zahnflanken, welche das Material „abplatzen“ lassen. Die Ursache des Fressens ist ein nicht oder nur ungenügend tragender Ölfilm zwischen den Zahnflanken: Der Ölfilm bricht zusammen und es kommt zum direkten metallischen Kontakt. Dieser Kontakt führt zu Mikroverschweißungen des Materials, welches Sekundenbruchteile später wieder herausgerissen wird, und somit zu den bei Fressern typischen vom Wälzkreis zum Kopf und Fuß des Zahnes laufenden Markierungen, verbunden mit mehr oder weniger starkem Materialabtrag. Die Auslegung einer Verzahnung muss nun so optimiert werden, dass bezüglich der drei zuvor beschriebenen Schadensmechanismen die gewünschte Sicherheit resultiert. Der Zahn soll also stark genug sein, dass er nicht bricht; die Pressung soll nicht zu groß sein, bei gleichzeitiger Minimierung des Zahnraddurchmessers sowie der Zahnbreite; und die Gleitgeschwindigkeiten und Eingriffsverhältnisse sollen so sein, dass der Ölfilm zwischen den Zahnflanken nicht durchbrochen wird. Die Effekte, die Zahnbruch, Grübchenbildung (pitting) oder Fressen verursachen, verhalten sich bei Veränderungen der wesentlichen Parameter einer Getriebeverzahnung oft gegenläufig, so dass immer ein optimaler Kompromiss gesucht werden muss. Eine Vergrößerung des Moduls der Verzahnung z. B. (Der Verzahnungsmodul m D d=z ist definiert als Teilkreisdurchmesser d der Verzahnung, dividiert durch die Zähnezahl z, also ein Maß für die „Größe“ des einzelnen Zahnes.) ergibt wohl einen stärkeren Zahn, was die Sicherheit gegen Zahnbruch erhöht, gleichzeitig wird aber leider auch die Fressgefahr wegen der höheren Gleitgeschwindigkeiten im Zahneingriff verschärft.
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Oder: Eine größere Zahnbreite reduziert zwar die Pressung im Eingriff, führt aber zu höheren Quetschverlusten in der Verzahnung und mithin zu stärkeren thermischen Deformationen, welche wiederum bei ungenügenden Zahnmodifikationen in Längsrichtung das Tragbild verschlechtern und so die effektive Pressung lokal sogar erhöhen! Die richtige Verzahnungsauslegung ist also in jedem Falle das Finden eines Optimums für eine bestimmte Drehzahl und eine vorgegebene Leistung, so dass die gewünschten Sicherheiten gegen Versagen der Bauteile resultieren und eine ökonomisch und konstruktiv richtige Basis für das Getriebe gelegt wird. Die Berechnungsmethoden sind ausführlich dargelegt in DIN 3990 [5.13] bzw. ISO 6336 [5.12]. Für die Berechnung der Fressgefahr kommen unterschiedliche Ansätze zur Anwendung: die Bestimmung einer Blitztemperatur oder einer Integraltemperatur im Zahneingriff. Diese Ansätze beruhen auf unterschiedlichen Theorien, führen aber letztlich zu rechnerischen Vergleichsgrößen, mit denen die Gefahr eines Zusammenbrechens des sehr dünnen Ölfilms in einem Zahneingriff vorausberechnet werden kann. Die Blitztemperatur ist eine Vergleichsgröße für eine lokal auftretende, maximale Temperatur im Zahneingriff; die Integraltemperatur beschreibt vergleichend eine gemittelte Temperatur im Zahneingriff. Für die Auslegung von großen Turbogetrieben ist die Methode der Blitztemperatur zu empfehlen; die Integraltemperatur eignet sich eher für kleinere Getriebe, z. B. in Kraftfahrzeugen. In jüngster Zeit haben die Auslegungskriterien gegen Fressen sogar Zugang zu amerikanischen Getriebenormen gefunden, nachdem das Fressen als Schadensbild in den USA jahrzehntelang einfach negiert worden ist. Ausführungsnormen wie etwa API 613 [5.14] oder ISO 13691 [5.15] berücksichtigen zusätzlich die besonderen Gegebenheiten beim Betrieb von bestimmten Turbomaschinen (wie etwa Anfahrstöße, Drehmomentschwankungen, mögliche Überlasten) und sind somit eine wichtige Ergänzung für die Auslegung von Turbogetriebeverzahnungen. Außerdem geben sie praktische Hinweise auf viele konstruktive
Tabelle 5-1 Verzahnungsparameter Zähnezahlen Achsabstand Verzahnungsbreite Modul Linienlast Schrägungswinkel Verzahnungsumfangsgeschwindigkeit Blitztemperatur AGMA Service Factor für Pressunga AGMA Service Factor für Biegunga a
46/83 755 mm 720 mm 10,5 mm 774 N=mm 26 Grad 152,6 m=s 159 °C 1,81 1,65
AGMA = American Gear Manufacturers Association; Service Factors sind definiert im Standard AGMA 2001. Der Service Factor ist ein Maß für die Betriebssicherheit eines Getriebes; vergleichbar mit einem Sicherheitsfaktor in einer Festigkeitsberechnung.
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Details, welche die Betriebssicherheit von Getrieben als Ganzes wesentlich erhöhen können. Tabelle 5-1 gibt einen Überblick über typische und wesentliche Verzahnungsparameter für ein Getriebe zwischen Gasturbine und Generator mit einer zu übertragenden Leistung von 85 MW bei Drehzahlen von 5413 min1 am Eingang und 3000 min1 am Ausgang des Getriebes. 5.2.2.2 Modifikationen an der Verzahnung Mit der Evolventenverzahnung ist rein theoretisch die ideale Voraussetzung für eine absolut störungsfreie und gleichmäßige Leistungsübertragung zwischen zwei Zahnrädern gegeben. Leider verhält sich die reale physikalische Natur nicht so ideal wie das mathematische Modell. Die Zähne werden im realen Betrieb mechanisch und thermisch deformiert. Würde man ein schnelllaufendes Turbogetriebe mit einer mathematisch reinen Evolvente als Zahnflankenform versehen, so wären wenige Sekunden nach dem Hochfahren bereits die ersten Zahnschäden festzustellen – nämlich Fresser an den Zahnköpfen – ganz abgesehen von der extremen Lärmentwicklung eines solchen Getriebes. Der einzelne Zahn hat eine dem Werkstoff entsprechende Elastizität und wird, sobald er mit dem Gegenzahn in Eingriff kommt und die Zahnkraft übertragen muss, entsprechend der Belastung „durchgebogen“. Wären die Zahnflanken nun reine Evolventen, so würde das als nächstes in den Eingriff kommende Zahnpaar, welches noch unbelastet und somit undeformiert ist, mit schlagartiger Belastung am Zahnkopf bzw. -fuß aufeinanderprallen, den Ölfilm durchbrechen und fressen. Ein solcher Zahneingriff wäre außerdem sehr lärmig. Damit dies nicht passiert, werden die im Eingriff stehenden Zahnflanken im Profil modifiziert, d. h., die mathematisch korrekte Evolventenform wird am Zahnfuß und am Zahnkopf um wenige hundertstel Millimeter korrigiert. Abbildung 5-7 zeigt diesen Sachverhalt. Damit wird erreicht, dass das nächstfolgende Zahnpaar sanft ineinandergreifen kann und der Aufbau der Zahnkraft gleichmäßig und nicht schlagartig erfolgt. Diese Verzahnung läuft auch wesentlich ruhiger als eine unmodifizierte. Neben der Modifikation der Evolvente im Zahnprofil ist noch eine andere, weitaus schwieriger zu berechnende Korrektur notwendig: Die Modifikation der Verzahnung über die gesamte Breite des Rotors. Insbesondere das schlankere Ritzel eines Getriebes ist ein zylindrischer Stahlkörper, der im Betrieb durch das Einleiten und die Übertragung des Drehmomentes mechanisch verdreht wird. Außerdem wird bei Schrägverzahnungen (und diese kommen bei Turbogetrieben ausschließlich vor) das Schmieröl seitlich herausgequetscht, so dass unterschiedliche Wärmezonen entstehen, die dazu führen, dass sich der metallische Zylinder fassförmig verformt infolge der Temperaturunterschiede. Diese thermischen Deformationen sind bei Turbogetrieben außerordentlich wichtig, machen sie doch 80% oder mehr der gesamten Rotorverformung aus. Würde man diese Verformungen nicht korrigieren, wäre ein volles Tragbild über die ganze Breite der Verzahnung nicht zu erreichen. Die Verzahnung würde an einer
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Eingriffsstörung beim ersten Kontaktpunkt Rad getrieben
δs D
E
B
A Eingriffsstrecke
Ritzel treibend Profildiagramm eines Ritzels mit Profilmodifikation A (Fuß)
B
D
(Kopf ) E
A
B
D
E
100% Last Trapezoidale Lastverteilung entlang der Eingriffsstrecke 0% Last
Rad getrieben
A Eingriffsstrecke Kopfrücknahme Fußrücknahme
B
D
E
Ritzel treibend
Abb. 5-7 Zahnkopf- und Zahnfußmodifikationen
Ecke als typischer „Kantenträger“ überlastet und Zahnbrüche oder Grübchenbildung wären die Folge davon. Um dies zu vermeiden, werden die thermischen und mechanischen Deformationen der Rotoren in dem Hauptbetriebspunkt berechnet und dann die Verzahnungen entsprechend über die Zahnbreite modifiziert. Abbildung 5-8 zeigt exemplarisch diese sogenannte Längsmodifikation.
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a) Mechanische Deformation bL
A1
B1
ll bL/3 w' = constant di di L
Drehmoment
b
Durchbiegung
fb bx
Torsion
ftot
ft bx
Durchbiegung + Torsion ftot
Drehmoment fb+ ft
ftot
b) Thermische Deformation Ritzel ohne Modifikation Teilkreis im kalten Zustand
Teilkreis im kalten Zustand Zahnflanken ohne Modifikation Abb. 5-8 Flankenlinienmodifikationen
bx
Diagramm der Längsmodifikation
Differenz wegen höherer mittlerer Temperatur des Ritzels Modifiziertes Ritzel
Rad
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Neben diesen zuvor beschriebenen Effekten gibt es noch eine ganze Reihe anderer, wie etwa Differenzen in der Eingriffsteilung von Rad und Ritzel wegen unterschiedlichen mittleren Temperaturen, Aufweitungen infolge Fliehkraft etc. Alle diese störenden Effekte werden ebenfalls berechnet und in der Profil- und Längsmodifikation der Verzahnung mit berücksichtigt. Das Ziel dieser Modifikationen ist natürlich, im Hauptbetriebspunkt (z. B. bei Nennlast und Nenndrehzahl) ein schönes und gleichmäßiges Tragen der Verzahnung über das ganze Zahnprofil und die ganze Zahnbreite zu erhalten. Die absoluten Beträge der Längs- und Profilmodifikationen an der Verzahnung sind relativ klein; sie betragen lediglich einige tausendstel oder hundertstel Millimeter. Es ist schwierig, sich das vorzustellen, und doch ist es so: diese winzigen Beträge verbessern das Tragbild einer Getriebeverzahnung entscheidend und tragen so ganz wesentlich zur Langlebigkeit und Sicherheit eines Getriebes bei. 5.2.2.3 Einfach- und Doppelschrägverzahnung In schnelllaufenden Turbogetrieben werden heute fast ausschließlich einfach- oder doppelschräge Verzahnungen eingesetzt. Diese Verzahnungen zeichnen sich durch besondere Laufruhe und ein günstiges Verhalten bezüglich Verlusten und Wärmeentwicklung aus. Bei den heutigen Genauigkeiten in der Verzahnungsherstellung, insbesondere bezüglich Teilungsfehlern, wäre es aber ohne weiteres auch denkbar (und dies wurde auch schon bewiesen), ein Turbogetriebe mit Geradverzahnung zu bauen. Die Einfachschrägverzahnung erzeugt als Charakteristikum während der Leistungsübertragung eine entgegengesetzte axiale Kraft auf Rad und Ritzel des Getriebes. Diese Kräfte müssen z. B. in einem Axiallager aufgenommen werden oder können auch, bei starrer Ankoppelung an die Turbine, dazu verwendet werden, das Turbinenaxiallager zu entlasten. Abbildung 5-9 zeigt ein 70 MW Hochleistungsgetriebe mit Einfachschrägverzahnung, der Getriebegehäuse-Deckel wurde zu Inspektionszwecken demontiert. Das geübte Auge erkennt, dass das Ritzel kein Axiallager hat; der aus der Einfachschrägverzahnung resultierende Axialschub auf das Ritzel wirkt
Abb. 5-9 Hochleistungsgetriebe mit Einfachschrägverzahnung
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Abb. 5-10 Montage eines Hochleistungsgetriebes mit Doppelschrägverzahnung
mittels starrer Ankuppelung an die Turbinenwelle direkt gegen den Turbinenschub, technisch eine sehr elegante Lösung. Eine weitere Eigenschaft der Einfachschrägverzahnung ist, dass sie geringfügige axiale Verschiebungen von Rad und Ritzel gegeneinander erlaubt. Die Doppelschrägverzahnung erzeugt keine nach außen wirkenden axialen Kräfte und verhält sich somit „neutral“ im gesamten Maschinenstrang. Sie ist etwas aufwändiger herzustellen und wird von externen axialen Kräften aus dem Maschinenstrang einseitig belastet. Abbildung 5-10 illustriert die Montage eines Getrieberades mit Doppelschrägverzahnung; das Getrieberad selbst ist als Hohlwelle mit durchgehender Torsionswelle ausgeführt. Welcher Verzahnungstyp für ein bestimmtes Turbogetriebe gewählt wird, hängt im Wesentlichen vom gesamten Maschinenstrang, insbesondere den Kupplungen und den axialen Fixpunkten ab. Beide Verzahnungstypen eignen sich grundsätzlich gleich gut für ein Turbogetriebe und haben ihre Praxistauglichkeit in vielen konkreten Fällen unter Beweis gestellt.
5.2.3 Lager In Turbogetrieben kommen generell hydrodynamische Gleitlager zum Einsatz. Dies ist die einzige Lagerart, die bei diesen hohen Belastungen und Geschwindigkeiten eingesetzt werden kann. Der prinzipielle Aufbau der Gleitlager für Turbogetriebe gleicht in wesentlichen Punkten dem der Lager für schwere Gasturbinen, weshalb an dieser Stelle auf Kap. 22 verwiesen sei. Die radialen Lager in einem Getriebe unterscheiden sich bezüglich der Betriebsbelastungen von denen in einer Turbomaschine. Die Lager in einer Turbine werden
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auf eine einzige Belastung dimensioniert, nämlich auf das Gewicht des Turbinenläufers. Dieses ändert sich nicht mit verschiedenen Betriebsbedingungen und ist auch nicht abhängig von der Leistung, welche die Turbine abgibt. Beim Getriebe ist das anders. Das Drehmoment, welches die Turbine abgibt und vom Getriebe auf den Generator übertragen wird, verursacht in der Getriebeverzahnung im Wesentlichen tangentiale und axiale Kräfte, eben die Verzahnungskräfte. Die tangentialen Kräfte werden von den Getrieberadiallagern aufgenommen, die axialen Kräfte von Axiallagern oder von der doppelschrägen Verzahnung selbst. Dies bedeutet nun, dass z. B. während des Hochfahrens eines Turbogeneratorstranges und bei der anschließenden Synchronisierung ans Netz die Getriebelager ständig wechselnden Lasten entsprechend dem jeweils zu übertragenden Drehmoment ausgesetzt sind. Die Dimensionierung des Radiallagers z. B. am Ritzel des Getriebes wird natürlich entsprechend der bei Volllast auftretenden maximalen Zahnkräfte vorgenommen. Diese Zahnkräfte sind bis 50 mal größer als das Gewicht des Ritzels, weshalb ein Getrieberitzel bei sehr wenig Last in eigentlich viel zu großen Lagern „herumschwimmt“. Dies erklärt in vielen Fällen auch, warum Getrieberotoren bei wenig Last oftmals relativ empfindlich auf Stöße und Störungen im System reagieren und zum Schwingen neigen (Kap. 30.6.1).
5.2.4 Getriebekonzepte 5.2.4.1 Parallelwellengetriebe In Abb. 5-11 sind verschiedene Getriebe- und Maschinenstrangkonzepte dargestellt, die alle schon in der Praxis gebaut worden sind. Man erkennt leicht, dass die Art der Getriebeverzahnung, die verwendeten Kupplungen und die Anzahl und Anordnung der Lager im gesamten Maschinenstrang aufeinander abgestimmt sein müssen. Zwei häufig realisierte Konzepte für den Maschinenstrang, bestehend aus Gasturbine, Getriebe und Generator, seien hier kurz erläutert: Abbildung 5-11c zeigt das Konzept mit Doppelschrägverzahnung im Getriebe und nur einem einzigen Axiallager in der Gasturbine für den gesamten Maschinenstrang. Das Axiallager in der Gasturbine ist der axiale Fixpunkt des Stranges; alle thermischen Dehnungen finden von hier aus statt (die Dichtungspartien am Getriebe sind entsprechend zu konstruieren). Der Generator wird axial über die Doppelschrägverzahnung im Getriebe geführt und gehalten und hat demgemäß selbst kein Axiallager. Die Getriebeverzahnung muss die (geringen) axialen Kräfte vom elektrischen Feld des Generatorrotors aufnehmen können. Die Welle des Getrieberades ist hier als Hohlwelle ausgebildet, und die Torsionswelle geht durch die Radhohlwelle des Getriebes hindurch, so dass die gesamte Länge des Maschinenstranges erheblich verkürzt werden kann. Dieses Konzept wird für Gasturbinenanlagen mit Leistungen von 75 MW und mehr mit großem Erfolg oft angewendet. Abbildung 5-11b zeigt ein anderes Konzept für die gleiche Leistungsklasse: das Getriebe ist mit einer Einfachschrägverzahnung ausgerüstet, die einen speziell hohen Schrägungswinkel aufweist und damit relativ große Axialkräfte erzeugt. Die Schrägungsrichtung ist so gewählt, dass der Verzahnungsschub am starr mit dem
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Abb. 5-11a–e Beispiele von Getriebesystemen
Turbinenrotor gekuppelten Getrieberitzel gegen die Schubrichtung der Gasturbine wirkt und so das Turbinenaxiallager entlastet. Das Getrieberad ist mit einem weiteren Axiallager versehen, welches den Verzahnungsschub aufnimmt und gleichzeitig den axialen Fixpunkt für den Generator bildet. Wärmedehnungen von der Turbine werden im Getriebe vom einfachschrägverzahnten Ritzel problemlos mitgemacht. Auch dieses Konzept wurde in vielen Anlagen realisiert. Mit allen Parallelwellengetrieben entsteht naturgemäß ein Achsversatz zwischen Turbinen- und Generatorachse. Dieser Achsversatz muss nicht zwingend horizontal sein; für „Power Packages“ mittlerer Leistungen, welche komplett auf einen gemeinsamen Grundrahmen montiert werden, hat sich beispielsweise ein vertikaler
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Abb. 5-12 Parallelwellengetriebe vom Typ GX-56
Versatz durchgesetzt, wobei das Getrieberitzel oben liegt, d. h., die Turbinenachse liegt höher als die Generatorenachse. Abbildung 5-12 zeigt ein solches Getriebe für einen Turbosatz der Klasse „Frame 6“ mit vertikalem Achsversatz für eine Turbinenleistung von rund 52 MW bei Getriebedrehzahlen von 5106/3000 min1 . Noch einige Anmerkungen zu den Kupplungen im Maschinenstrang: die Kupplungen müssen in der Lage sein, Fluchtungsfehler sowie in verschiedenen Betriebspunkten unterschiedliche thermische Dehnungen der Maschinen aufzunehmen und dabei keine zu großen Rückstellkräfte auf die Lager der gekuppelten Maschinen auszuüben. Als beste und einfachste Kupplung hat sich die starre Torsionswelle erwiesen, wobei diese eine gewisse Länge aufweisen muss, damit die Rückstellkräfte nicht zu groß werden. Damit die gesamte Stranglänge nicht unnötig groß wird, werden, wie z. B. in Abb. 5-11c gezeigt, die Torsionswellen oft durch das als Hohlwelle ausgeführte Getrieberad gelegt. Torsionswellen haben außerdem den Vorteil, dass sie eventuell auftretende Kurzschlussmomente relativ gut dämpfen und so die Getriebeverzahnungen schützen. 5.2.4.2 Umlaufgetriebe Bei Umlaufgetrieben befinden sich drei oder mehr Planetenräder mit dem zentralen Sonnenritzel und dem Zahnkranz (Hohlrad) im Eingriff. Damit wird die Leistung auf mehrere Zahneingriffe verteilt, was wiederum eine besonders kompakte Bauweise ermöglicht. Außerdem sind die Ein- und die Ausgangswelle koaxial, d. h., es gibt keinen Achsversatz zwischen treibender und getriebener Maschine. Umlaufgetriebe für Turbomaschinen kommen besonders im tieferen Leistungsbereich unter 10 MW zur Anwendung, insbesondere bei kleinen Stromerzeugungsmodulen mit sehr schnelllaufenden Gasturbinen. Die Getriebe sind meistens mit umlaufendem Hohlrad und feststehendem Planetenträger ausgeführt, um unzulässig hohe Belastungen auf die Planetenlager infolge Fliehkraft zu vermeiden.
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Abb. 5-13 Planetengetriebe vom Typ GPF3-28
Abbildung 5-13 zeigt eine Ausführung mit direkter Ankoppelung an den Generatorläufer. Damit wird im Generator ein Lager gespart und die ganze Anlage wird sehr kurz und kompakt.
5.2.5 Werkstoffe und Wärmebehandlung 5.2.5.1 Rotoren aus Einsatzstahl Die Verzahnungen von Hochleistungsgetrieben werden heute ausnahmslos gehärtet und geschliffen. Diese Verfahren geben dem Zahn die notwendige Oberflächenhärte, die erwünschte Zähigkeit im Kern und die notwendige Präzision in der Eingriffsteilung und der Zahnform. Abbildung 5-14 zeigt, dass die Dauerfestigkeit der Zahnflanke für Flankenpressung dank Oberflächenhärten um 100% gegenüber einfachem Vergütungsstahl gesteigert werden kann. Diesem Bild ist außerdem zu entnehmen, dass die höchsten Festigkeiten erzielt werden mit der Verwendung von Einsatzstahl. Dieser Stahl wird im austenitischen Bereich aufgekohlt (man bringt Kohlenstoff in die Oberflächenschicht der verzahnten Zonen) und anschließend mittels einer speziellen Wärmebehandlung einsatzgehärtet. Als besonders vorteilhaft hat sich dabei der Werkstoff 17CrNiMo6 erwiesen, der heute von vielen Getriebeherstellern verwendet wird. Das Einsatzhärten hat gegenüber dem Nitrieren, welches vergleichbare Oberflächenhärten ergibt, zwei wichtige Vorteile: • Es werden respektable Hartschichtdicken deutlich über einem Millimeter erzielt (mit Nitrieren weniger als 1 mm). • Durch das Einsatzhärten werden im Zahnfuß Druckeigenspannungen erzeugt, welche wiederum die Belastung im Zahnfuß infolge Zahnkraft (Zugspannungen) teilweise kompensieren.
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1800
σH lim [N/mm2]
1600
1
1400 2
1200 1000 3
800 600
4
400 200 100
200
300
400
HB
50
60
70
HRC
Richtwerte der Dauerfestigkeit σH lim für Flankenpressung in Abhängigkeit der Oberflächenhärte HB, HRC für: 1. legierten Einsatzstahl, 2. legierten Nitrierstahl, 3. legierten Vergütungsstahl, 4. legierten Stahlguss Abb. 5-14 Oberflächenhärtung
Die Nachteile des Einsatzhärtens sind die relativ großen Formänderungen nach dem Härten sowie der Aufbau von beträchtlichen Eigenspannungen im Innern von großen Getrieberotoren. 5.2.5.2 Qualitätssicherungsmaßnahmen In den letzten Jahren sind an einigen größeren Rädern von Turbogetrieben Risse im Innern aufgetreten; in mindestens zwei Fällen sind die Getrieberäder sogar im Betrieb explodiert und haben beträchtlichen Schaden angerichtet. Es treten also vermehrt Schadensbilder auf, die im Turbomaschinenbau schon seit langem bekannt sind und deshalb schon früh zu entsprechenden Gegenmaßnahmen geführt haben, wie etwa dem Schleudern der Turbinenrotoren in einem Betonbunker. Die beschädigten Getrieberäder waren ausnahmslos aus gehärtetem Einsatzstahl gefertigt. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass im Wesentlichen drei Effekte zu den Schäden geführt haben: • große Zugeigenspannungen nach dem Einsatzhärten im Kern der geschmiedeten Getrieberäder, • beim Hochfahren zusätzliche Zugspannungen infolge Fliehkraft und instationären Temperaturfeldern,
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• in einigen Fällen größere Fehler im Innern des Schmiedeteiles. Diese neueren Kenntnisse und die bereits bekannten führen zu den heute angewendeten Qualitätsansprüchen an Getrieberädern aus gehärtetem Einsatzstahl. Natürlich steht die Härte der Zahnflanken nach dem Härten sowie die Dicke der Einsatzhärteschicht nach wie vor im Vordergrund. Die Härte wird nach Rockwell gemessen und sollte mindestens 58 Rc betragen; die Dicke der Härteschicht nach dem Schleifen sollte je nach Modul der Verzahnung 1–2 mm betragen. Zusätzlich werden folgende Forderungen gestellt: • Der Werkstoff sollte einen speziell hohen Reinheitsgrad bezüglich Verunreinigungen wie Schwefel etc. haben. • Eine möglichst hohe Zähigkeit muss erreicht werden. • Es werden besondere Vorschriften bezüglich Verschmiedungstechnik und -grad sowie bezüglich der maximal zulässigen Fehler im Schmiedeteil angewendet. Der Rotor wird heute vor und nach dem Härten mit einer aufwändigen Ultraschallmessung auf Fehler überprüft. Außerdem hat sich gezeigt, dass besondere konstruktive Ausführungen des Schmiedeteiles die Resteigenspannungen im Kern nach dem Härten bedeutend reduzieren. Die Getrieberäder werden heute auch vorzugsweise als Hohlräder mit einer größeren Bohrung ausgeführt; dies hat den großen Vorteil, dass die tendenziell schlechteste Zone des Schmiedeteiles, nämlich der Kern, entfernt wird.
5.2.6 Herstellung von Rotoren und Verzahnungen Die verzahnten Getrieberotoren werden aus gehärtetem Einsatzstahl hergestellt. Der Fertigungsablauf ist dabei so, dass das Schmiedeteil vorgedreht wird und dann die Verzahnung gefräst oder gehobelt wird. Anschließend wird das verzahnte Teil gehärtet, wobei sich der Rotor und die Zähne verformen wegen der Gefügeumwandlung beim Härteprozess. Nach dem Härten sind deshalb weitere Bearbeitungsschritte notwendig, insbesondere das Schleifen der Verzahnungen und Lagerzapfen. Diese endgültigen Bearbeitungsschritte müssen mit großer Präzision ausgeführt werden, es kommt dabei auf wenige hundertstel oder gar tausendstel Millimeter an. In diesem Stadium entscheidet sich, wie die Zahnräder später miteinander laufen, ob ein gutes Tragbild der Verzahnungen vorliegt und ob die Wellen gut in den Lagern liegen und über die ganze Lagerbreite abgestützt sind.
Teilkreisdurchmesser = 977 mm; Modul = 8,0 mm; Zahnbreite = 600 mm; Zähnezahl = 112 Tabelle 5-2 Zulässige Verzahnungsabweichungen (Werte in µm), ISOQualitätsklasse 3, ISO 1328-1
Teilungs-Einzelabweichung fpt Teilungs-Gesamtabweichung Fp Profil-Gesamtabweichung Fa Flankenlinien-Gesamtabweichung Fb
4,8 22 8 11
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Die Qualitätsklassen für die Verzahnung sind in ISO 1328-1 festgelegt. Besonders wichtig sind dabei die Teilungsfehler sowie die Zahnform. Es liegt auf der Hand, dass bei einer gehärteten, in der Evolvente mit einigen tausendstel Millimeter modifizierten Verzahnung die Herstellungsfehler in der Verzahnung deutlich kleiner sein müssen als die Modifikationen am Zahn, sonst machen letztere keinen Sinn mehr und es kann nie ein gutes Tragbild im Betrieb erzielt werden. Tabelle 5-2 zeigt exemplarisch einige Kriterien bezüglich der Herstellgenauigkeit der Verzahnung eines Turbogetriebes mit ISO-Qualitätsklasse 3.
5.2.7 Schmierung und Getriebeverluste 5.2.7.1 Druckschmierung und Ölqualität Ein Hochleistungsgetriebe mit gehärteten und geschliffenen Verzahnungen, Gleitlagern und berührungsfreien Dichtungen hat eigentlich keine Verschleißteile und somit eine praktisch unbegrenzte Lebensdauer. Es sind viele Beispiele bekannt, wo auf gehärteten und geschliffenen Verzahnungen auch nach jahrelangem Dauerbetrieb noch die originalen Schleifspuren vom Herstellungsprozess sichtbar waren. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Getriebe ständig und lückenlos mit sauberem Schmieröl versorgt wird. Bei jedem Schmierölausfall sind sofortige Schäden an den Lagern und Verzahnungen zu befürchten. Für das Turbogetriebe wird deshalb in der Regel ein eigenes Schmierölsystem installiert, das die benötigte Druckschmierung des Getriebes sicherstellt. Gleichzeitig können auch die Lager der gekuppelten Maschinen, z. B. Turbine und Generator, mitversorgt werden. Jedes einzelne Lager und die Verzahnung wird mit Drucköl versorgt; der Mindestdruck des zugeführten Öles sollte 1,5 bar nicht unterschreiten. Etwa 80% der gesamten Ölmenge werden für die Gleitlager benötigt. Turbogetriebe werden so ausgelegt, dass sie mit mineralischem „Turbinenöl“ betrieben werden können. Die Viskosität des Öles sollte mindestens ISO VG 32 entsprechen und die für Getriebe wichtige Laststufe gemäß dem FZG-Verfahren sollte nicht geringer als 6 sein. Das FZG-Verfahren (FZG-Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau, DIN 51354 [5.19]) ist eine spezielle Prüfmethode für Öle zum Prüfen der Tragfähigkeit des Ölfilmes in Verzahnungen. Mit speziellen Hochdruckzusätzen können Öle bei gleicher Viskosität wesentlich mehr belastet werden in Getriebeverzahnungen; solche Additive sind aber meistens im gesamten Maschinenstrang unerwünscht. Die zuvor erwähnten Mindestanforderungen werden heute von den meisten Standardölen problemlos erreicht. Das Schmieröl für das Getriebe muss nicht nur die richtige Qualität aufweisen, es muss auch richtig gereinigt und gekühlt werden. Bei einem Getriebe mit 70 000 kW Leistung werden rund 1000 Liter Öl pro Minute durch das Getriebe gepumpt. Im Getriebe wird das Öl mechanisch belastet und mit der Wärme aus den Getriebeverlusten beaufschlagt. Im Druckschmieröl-Kreislauf werden deshalb Filter (25 micron) und Wasserkühler eingesetzt. Die Eintrittstemperatur des Öles in das Getriebe
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sollte nicht höher als 50–60 °C liegen; im Getriebe wird das Öl um rund 20–30 °C erwärmt, so dass es mit gegen 90 °C austritt und dann natürlich entsprechend gekühlt werden muss. 5.2.7.2 Ölmengen und Getriebeverluste Tabelle 5-3 gibt Auskunft über die benötigten Ölmengen und die Verluste in einem Turbogetriebe größerer Leistung. Daraus werden zwei Hauptmerkmale ersichtlich: • Der Wirkungsgrad eines Getriebes ist sehr hoch. Er liegt bei einem konventionellen Getriebe zwischen 97% und 99%. Die benötigten Ölmengen sind relativ hoch. • Die Getriebeverluste entstehen im Wesentlichen je etwa zur Hälfte in den Gleitlagern und der Verzahnung infolge von viskoser Reibung, Ventilation und durch die erforderliche Arbeitszufuhr zum Herausquetschen des Öles aus dem Zahneingriff.
Tabelle 5-3 Ölmengen und Getriebeverluste Leistung kW
Drehzahlen min1
Verluste kW
Ölmenge l=min
Temperatur Öl ein °C
Temperatur Öl aus °C
85 000
5413/3000
1000
1200
45
65
5.2.7.3 Maßnahmen zur Verminderung der Getriebeverluste Ein Großteil der Verluste entsteht in der Verzahnung, und zwar relativ wenig durch Reibung (es gibt ja nie metallischen Kontakt), sondern durch das Herausquetschen eines Öl-Luft-Gemisches aus dem Zahneingriff, während die Zähne ineinanderlaufen. Das Getriebe arbeitet diesbezüglich ungewollt wie eine Zahnradpumpe, und dies bei mehr als 5000 kämmenden Zahnpaaren pro Sekunde! Es sind deshalb Getriebe mit reduzierten Verlusten speziell für Stromerzeugungsanlagen, wo der Wirkungsgrad eine bedeutende Rolle spielt, entwickelt worden. Das Grundprinzip ist einfach: die Zahnräder laufen in einem zusätzlichen inneren, luftdichten Gehäuse und dieses Gehäuse wird evakuiert. Damit werden etwa 80% der Verzahnungsverluste eliminiert, was sich nicht nur günstig auf den Wirkungsgrad auswirkt, sondern auch dazu führt, dass weniger Wärme aus dem Getriebe abgeführt werden muss und dass die Rotoren generell auf einem tieferen Temperaturniveau laufen. Abbildung 5-15 zeigt die konstruktive Ausführung eines solchen Getriebes, Abb. 5-16 eine Gegenüberstellung der Getriebeverluste bei konventioneller und verlustoptimierter Bauart HET (HET = High Efficiency Turbogear).
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Abb. 5-15 Hochleistungsgetriebe (Konstruktionszeichnung)
Bei einem 70 MW Getriebe können mit der optimierten Bauweise rund 600 KW Verluste eingespart werden. Diese Zahl mag auf den ersten Blick bescheiden erscheinen; sie bringt dem Betreiber aber im Dauerbetrieb über ein Jahr ohne jegliche zusätzliche Betriebskosten eine Mehrproduktion von über 4,5 Mio. Kilowattstunden.
5.2.8 Betriebsbedingungen und Überwachung 5.2.8.1 Betriebsbedingungen Die normale Betriebsbedingung für ein Turbogetriebe ist der konstante 24-h-Dauerbetrieb. Konstanter Dauerbetrieb bedeutet, dass mit mehr oder weniger konstanter Last bei konstanten Drehzahlen und konstanter Drehrichtung gefahren wird. Die Getriebe sind für die entsprechend großen Lastwechselzahlen ausgelegt. Die Verzahnung wird auf die Betriebsbedingungen bei konstantem Dauerbetrieb (Nennlast und Nenndrehzahlen) optimiert: Modifikationen an der Verzahnung werden so
5 Kraftwerkskomponenten
133
1300 1240 1200 1100 Verlustleistung [kW]
1090 1000 900 800 700 600
596
500 456
400 300 0
20
40
60
80
100
Leistung GT [MW] HET-Getriebe
Konventionelles Getriebe
Abb. 5-16 Verlustleistungsvergleich
berechnet und geschliffen, dass bei Nennlast und Nenndrehzahl ein optimales Tragbild über das Zahnprofil und die gesamte Zahnbreite resultiert. Damit wird auch die gewünschte Betriebssicherheit im Dauerbetrieb sichergestellt. Es gibt aber häufig Anwendungen, wo nicht mit konstanten Betriebsbedingungen gefahren werden kann. Das Getriebe wird mit wechselnden Drehzahlen und Leistungen betrieben; es gibt sogar Fälle, wo beide Drehrichtungen gefragt sind. Auch häufiges Anfahren und Abstellen gehört in die Kategorie nicht konstanter Betriebsbedingungen. Nicht konstante Betriebsbedingungen sind enorm wichtig und müssen vor der Konstruktion eines Getriebes bekannt und spezifiziert sein. Die Betriebsbedingungen können sich erheblich voneinander unterscheiden, weshalb in solchen Fällen gangbare Kompromisse bei der Ausgestaltung der Verzahnung und der Lager gefunden werden müssen. Eine typische Anwendung für häufige Starts ist das Kraftwerk für Spitzenlast, wo der Turbogeneratorenstrang nur während ein paar Stunden pro Tag gefahren wird zur Abdeckung zeitlich begrenzten Spitzenbedarfs an Strom. Für die Getriebeverzahnung bedeutet jeder Start ein Hochfahren im kalten Zustand mit einer Zahnflanke, die über die Breite so modifiziert ist, dass sie eigentlich erst bei der höchsten Belastung bei Nennlast und in warmem Zustand optimal trägt. Die Verzahnung muss also so dimensioniert und modifiziert werden, dass sie auch bei häufigen kalten Starts während dem Hochfahren gut trägt.
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5.2.8.2 Überwachung und Inspektionen Wie bereits erwähnt, ist ein Turbogetriebe im Prinzip verschleißfrei für ununterbrochenen Dauerbetrieb geeignet. Damit dies auch verwirklicht werden kann, sind Überwachungen und Inspektionen notwendig. Grundvoraussetzung ist eine einwandfreie Versorgung mit Schmieröl. Es ist daher üblich, an Schmierölanlagen für Getriebe alle maßgebenden Parameter wie Drücke, Temperaturen, Filterverschmutzung etc. im Leitsystem des Maschinenstranges zu überwachen und bei Eintreten von Alarmzuständen den Strang sofort herunterzufahren. Diese Maßnahme kann verhindern, dass bei Problemen mit der Ölversorgung ein größerer Getriebeschaden eintritt. Es empfiehlt sich außerdem, in regelmäßigen, z. B. halbjährlichen Abständen eine Ölprobe zu nehmen und das Öl bezüglich Verschmutzung, Viskosität und FZGLaststufe zu prüfen. Mineralöl baut sich bei höheren Temperaturen relativ schnell ab und sollte, falls eine derartige Routineprüfung negative Ergebnisse ergibt, unverzüglich gegen neues Öl ausgetauscht werden. Am Getriebe selbst werden in der Regel folgende Parameter überwacht: • maximale Temperaturen der Radiallager, • maximale Temperaturen der Axiallager, • Schwingungen der Rotoren, entweder berührungslos direkt an den Wellen oder mittels Messung der Gehäuseschwingungen bei den Lagern. Die Schwingungsüberwachung an Getriebewellen oder die Überwachung von Gehäusevibrationen, im besonderen an den Lagerstellen, ist eine recht zuverlässige Möglichkeit zur frühzeitigen Erkennung von beginnenden Schäden an der Verzahnung, da Zahnausbrüche eine zusätzliche Unwucht erzeugen. Grübchenbildung oder Fressen an den Verzahnungen können in der Regel ebenfalls an höheren Lärmoder Körperschallpegeln erkannt werden, besonders wenn die Zahneingriffsfrequenz (= Drehzahl multipliziert mit Zähnezahl) überwacht wird. Nach der Inbetriebsetzung sowie nach einer Betriebszeit von einigen Monaten empfiehlt sich eine Inspektion durch einen erfahrenen Spezialisten. Besonders das Tragen der Verzahnung sollte dann überprüft werden. Dies kann geschehen, indem man einen speziellen Tragbildlack, z. B. dykem red, auf einige Zähne aufträgt und dann das Tragbild nach einer gewissen Betriebszeit überprüft (die rote Farbe sollte dann dort, wo die Verzahnung trägt, weg sein). Dieses Verfahren hat allerdings den Nachteil, dass es die Summe der Betriebsereignisse zeigt, also gleichzeitig das Hochfahren im kalten Zustand und den Dauerbetrieb in warmem Zustand. Eine gezielte Einzelbeurteilung ist mit dykem red nur schwer möglich. Besser ist das geschulte Auge des Inspektors. Obwohl sich die Getriebezähne nie direkt metallisch berühren, gibt es an den Zahnflanken kleinste Abplattungen, Einebnungen und Glanzspuren. Diese kann man mit einiger Übung sehen und auch beurteilen, ob das Tragbild die gewünschte Ausprägung hat oder ob Korrekturen notwendig sind. Braucht es Korrekturen, so kann bei der einfachschrägen Verzahnung im einfachsten Fall durch eine leichte Korrektur der Ausrichtung des Getriebegehäuses die notwendige Verschiebung des Tragbildes erreicht werden. In anderen Fällen muss der Getrieberotor ausgebaut und nachgeschliffen werden.
5 Kraftwerkskomponenten
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5.3 Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger in GuD-Anlagen Hans-Gerd Brummel Im Rahmen dieses Fachbuches über Gasturbinen kann allein aus Platzgründen nicht jeder Aspekt der Abgasstrecke und insbesondere des Abhitzedampferzeugers, der bei GuD-Anlagen das Verbindungsglied zwischen Gasturbine und dem Wasser-/ Dampfkreislauf darstellt, ausführlich behandelt werden. Die entsprechenden Themenbereiche sind jedoch so abgefasst, dass sie einen möglichst umfassenden Überblick über die Zusammenhänge sowie die Aufgaben der behandelten Komponenten und deren konstruktive Lösungen geben. Ebenso werden für die Praxis eine Reihe von typischen Daten für wichtige Betriebsparameter zur Orientierung genannt. Besonderer Wert wird darauf gelegt, einen Abriss der historischen Entwicklung der Abgasstrecke und des Abhitzedampferzeugers bis hin zum aktuellen Stand der Technik zu geben. Dieser Reifeprozess ist in der relativ kurzen Zeitspanne von ca. 10 Jahren erfolgt. Demzufolge sind heute noch Anlagen mit den verschiedensten Konstruktionskonzepten im Betrieb. Die in den vorangegangenen Abschnitten des Kap. 5 behandelten Komponenten dienen ausschließlich der Funktionalität des Gasturbosatzes. Über die hier beschriebene Abgasstrecke in Verbindung mit einem Wärmetauscher wird die in der Gasturbine nicht mehr in mechanische Leistung umsetzbare fühlbare Wärme des Abgasstromes noch weiter ausgenutzt, indem man sie an einen Wasser-/Dampfkreislauf überträgt. Je nach Prozessgestaltung wird dabei in einer oder mehreren Druckstufen Dampf produziert, der eine entsprechend ausgelegte Dampfturbine antreibt. Da ohne den Wärmetauscher die heißen Abgase ungenutzt an die Umgebung abgegeben würden, bezeichnet man ihn folgerichtig als Abhitzedampferzeuger (AHDE) oder auch als Abhitzekessel (AHK). Die entsprechenden englischen Bezeichnungen sind Heat Recovery Steam Generator (HRSG), Heat Recovery Boiler (HRB) oder auch Waste Heat Boiler (WHB). Dieser Wärmetauscher stellt die mit Abstand komplexeste Komponente der Abgasstrecke dar. Erst durch den Abhitzedampferzeuger wird es möglich, den vergleichsweise geringen Wirkungsgrad der Gasturbine für den Stromerzeugungsprozess mit Hilfe der GuD-Schaltung auf mehr als 60% anzuheben (vgl. auch Kap. 2 und 3). Stationäre Kraftwerksgasturbinen in Schwerausführung erzielen demgegenüber heute im Solobetrieb lediglich maximal 40%, bei den aus Flugzeugtriebwerken abgeleiteten, ebenfalls zur Stromproduktion eingesetzten „Aeroderivatives“, die aber nicht das Leistungsniveau der Heavy Duty-Maschinen erreichen, ergeben sich ebenfalls nur Spitzenwirkungsgrade bis zu 42% (alle angegebenen Wirkungsgrade sind als Bruttowerte zu interpretieren).
5.3.1 Zusammenstellung der abgasführenden Komponenten, Funktionsbeschreibung, Bauformen und Varianten, Stand der Technik Die Hauptfunktion der Abgasstrecke ist es, die aus der Gasturbine austretenden heißen Verbrennungsgase direkt oder unter Einbeziehung der oben beschriebenen
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Tabelle 5-4 Typische Abgasdaten für eine Kraftwerksgasturbine (Heavy-Duty-Bauart, 260MWel -Klasse (Basisvariante, Status 2000), Brennstoff: Erdgas, ISO-Bedingungen) Abgaszusammensetzung: Kohlendioxid Stickstoff Sauerstoff Wasserdampf Argon Schwefeldioxid Stickoxide („i. N.“: im Normzustand) Abgastemperatur spezifische Abgasenthalpie Abgasmassenstrom Dichte des Abgases („i. B.“ im Betriebszustand) resultierender Wärmestrom
5,729 73,494 14,661 4,888 1,228 ggf. Spuren verbrennungsabhängig 575,1 631,3 616,8 0,423 389,4
Mass.-% Mass.-% Mass.-% Mass.-% Mass.-% mg=m3 i. N. bzw. ppmv mg=m3 i. N. bzw. ppmv °C kJ=kg kg=s kg=m3 i. B. MWth
zusätzlichen Abwärmenutzung so an die Umgebung abzugeben, dass keine Gefährdung von Menschen auf dem Anlagengelände erfolgt und die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich gehalten werden. Aufgrund der heißen Abgastemperatur von deutlich mehr als 600 °C bei modernen Kraftwerks-Gasturbinen sowie der hohen Strömungsgeschwindigkeit am Turbinenaustritt sind im Einzelnen folgende Funktionalitäten durch die Abgasstrecke zu erfüllen: • Gasdichtheit, • Wärmeisolierung (Personenschutz und Minimierung von Wärmeverlusten), • Stabilität gegenüber Druckschwankungen im Abgas (z. B. bei Turbinenschnellschluss), • Aufnahme der Temperaturausdehnung, • Widerstandsfähigkeit gegenüber Wärmespannungen beim An- und Abfahren der Anlage, • Minimaler Druckverlust auf dem Strömungsweg durch geeignete Formgebung der Strömungskanäle und Übergänge, • Schalldämpfung, • Einhaltung der emissions-/immissionsrechtlichen Auflagen (z. B. durch das deutsche Bundes-Immissionsschutzgesetz und die TA Luft) durch Anpassung der Kaminhöhe und/oder den Einbau von Katalysatorpaketen, • Bei GuD-Anlagen: höchstmögliche Übertragung der Abgaswärme an ein Arbeitsmedium. In Tabelle 5-4 sind typische Daten des Abgases, wie es aus der Gasturbine austritt, zusammengestellt. Es ist bemerkenswert, dass der resultierende Wärmestrom, der ohne die Einbindung eines Abhitzedampferzeugers ungenutzt an die Umgebung abgegeben würde, für eine Gasturbine der 260 MWel -Klasse nahezu 390 MWth beträgt. Davon lassen sich rund 320 MWth zur Dampfproduktion nutzen. Die Gasturbine reagiert bekanntlich sensibel auf Änderungen der Umgebungsbedingungen. Um die thermische Belastung der nachgeschalteten Komponenten mög-
5 Kraftwerkskomponenten
137
lichst gering zu halten und um bei GuD-Prozessen die Frischdampftemperatur konstant zu halten, wird der Gasturbinenbetrieb auf eine konstante Abgastemperatur hin geregelt. 5.3.1.1 Unterteilung der Abgasstrecke Ausgehend vom Gasturbinenaustritt, d. h. vom Ende des kurzen integralen Diffusorstücks der Turbine, in dem auch das heißseitige Lager der Gasturbinenwelle abgestützt wird (Lagerstern), lassen sich stromab folgende Komponenten der Abgasstrecke auflisten: • Anschlusskompensator, • Abgasdiffusor, • Abgaskanalkompensatoren (können an verschiedenen Stellen der Abgasstrecke angeordnet sein), • Gasturbinenkamin oder Bypasskamin oder einfaches Übergangsstück zum Abhitzedampferzeuger, • Abhitzedampferzeuger mit separatem Kamin, • Schalldämpfer (zumeist in den Kaminen integriert) und • Abgasreinigungseinrichtungen (i. d. R. im Abhitzedampferzeuger angeordnet). Die vorliegende Aufstellung versucht alle Teilbereiche der Abgasstrecke zu umfassen. Wie im weiteren Verlauf ausgeführt wird, hängt es in sehr starken Maße von
Abb. 5-17 Schnitt durch eine Abgasstrecke mit Bypasskamin und Doppeljalousieklappen und vertikalem 2-Druck-Abhitzedampferzeuger (Austrian Energy & Environment)
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BypassKamin G ~
AHDE Kamin
GT
DT HD HD
ND AHDE
ND
G ~
KVW
Abgasstrecke incl. Abhitzedampferzeuger Abb. 5-18 Schematische Darstellung eines GuD-Kraftwerkes mit 2-Druck-Dampfprozess; Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger (AHDE) sind grau hinterlegt
dem jeweiligen Anlagenkonzept ab, welche Komponenten tatsächlich ausgeführt werden. Darüber hinaus existieren herstellerspezifische Besonderheiten. In Abb. 5-17 ist die Anordnung dieser Komponenten als Schnittbild einer realen Anlage dargestellt, Abb. 5-18 zeigt die Verhältnisse noch einmal in schematischer Form. Gasturbinen-Anschlusskompensator Dieses Bauteil verbindet die Gasturbine mit der eigentlichen Abgasstrecke und gleicht zusätzlich durch seine elastische Formgebung die Wärmeausdehnung bzw. Kontraktion der verbundenen Komponenten beim An- und Abfahren der Turbine aus. Im Regelfall wird der Anschlusskompensator als austenitischer Stahlkompensator ausgeführt und mit der Gasturbine und dem eigentlichen Abgasdiffusor gasdicht verschweißt. Die notwendige Elastizität erzielt man konstruktiv durch die wellenförmige Struktur des Mittelteils. Zwei gegeneinander verschiebbare Strömungsleitbleche decken dabei den eigentlichen Wellenkompensator ab und vermeiden so weitgehend eine Störung der Abgasströmung (Abb. 5-19). Abgasdiffusor Durch eine kontinuierliche Querschnittserweiterung wird die hohe Strömungsgeschwindigkeit des aus der Gasturbine austretenden Abgases reduziert. Damit verringert sich nach dem Gesetz von Bernoulli der dynamische Druckanteil. pstat, Diff, Eintritt C pdyn, Diff, Eintritt D pstat, Diff, Austritt C pdyn, Diff, Austritt C pVerlust, Diff (5.1)
5 Kraftwerkskomponenten
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Abb. 5-19 Axialer Metallkompensator am Austritt der Gasturbine (Wellenkompensator)
mit pstat D gh
(5.2)
pdyn D .=2/ c 2
(5.3)
und
pstat pdyn pVerlust c Indizes: Diff Eintritt Austritt
statischer Druckanteil dynamischer Druckanteil irreversibler Druckverlust Abgasdichte (i. B.: im Betriebszustand) Strömungsgeschwindigkeit
Diffusor (Diffusor) Eintritt (Diffusor) Austritt
Pa, hPa, mbar Pa, hPa, mbar Pa, hPa, mbar kg=m3 i. B. m=s
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Entsprechend steigt der statische Druck zum Diffusorende hin an. Auf diese Weise lässt sich (zumindest theoretisch) der Druckverlust der stromab liegenden Abgasstrecke minimieren und die Gasturbinenleistung optimieren. Ein idealer Diffusor benötigt zur Vermeidung von Strömungsablösungen einen relativ geringen Öffnungswinkel (< 5ı ), was zu einer langen Bauform und damit zu einem erhöhten Platzbedarf für die Gesamtanlage führt. Das Gasturbinenabgas strömt, da der zentrale Teil des Austrittsquerschnitts von der Gasturbinenwelle und ihrem heißseitigen Lager eingenommen wird, lediglich durch einen Ringspalt in die Abgasstrecke, wobei Austrittsgeschwindigkeiten von mehr als 150 m=s erreicht werden können. Auch in dem weiter stromabliegenden Bereich des Abgasdiffusors ist noch ein ausgeprägtes Profil mit maximalen Gasgeschwindigkeiten in der Nähe der Diffusorwand und sehr geringen Geschwindigkeiten bzw. Rückströmungen im Bereich der zentralen Symmetrieachse festzustellen, wie Messungen an ausgeführten Anlagen gezeigt haben. Gasturbinen von General Electric und Westinghouse (mittlerweile im Siemens USA Unternehmen Siemens Energy Inc. aufgegangen) verlängern deshalb die Abströmseite des heißseitigen Gasturbinenlagers mit einem stromlinienförmigen Verdrängungskörper, um das oben aufgezeigte Strömungsbild des GT-Abgases am Austritt der Gasturbine kontrollierter von der Ringströmung in eine freie Kanalströmung zu überführen. Alstom (ehemals ABB)- und Siemens-Gasturbinen (deutsche Bauart) verzichten auf diesen Strömungskörper und lassen die heißseitige Lageraufnahme abrupt enden. Hier wird der Übergang von der Ringspaltströmung auf die freie Kanalströmung aerodynamisch erzeugt. Hinter dem Lager ergibt sich eine Wirbelzone, die letztlich ähnlich geformt ist wie der oben beschriebene Verdrängungskörper. Beide Methoden sind nicht verlustfrei. Beim Verdrängungskörper entsteht zusätzliche Begrenzungsfläche, was zu einer Erhöhung der Wandreibung führt. Diese wird bei dem kantigen Abschluss des Lagers vermieden, dafür entsteht aber ein erheblicher Druckverlust durch die resultierende Rückströmungs- bzw. Verwirbelungszone. Darüber hinaus verlassen die Abgase die Gasturbine mit einem sehr hohen Impuls, so dass es generell schwierig ist, auf einer kurzen Strömungslänge die Ausströmung merklich zu beeinflussen. Aus diesem Grund ist auch die Effektivität des eigentlichen Diffusors umstritten. Dies gilt um so mehr, wenn man bedenkt, dass der Übergang zwischen dem Diffusor und der nachfolgenden Komponente (je nach Anlagenkonfiguration Gasturbinenkamin, Bypasskamin oder Eintrittskanal in den Abhitzedampferzeuger) i. d. R. eine abrupte Querschnittserweiterung aufweist, was in jedem Fall zu Strömungsverlusten führt. Manche Hersteller wählen kürzere Geometrien und nehmen damit ggf. leichte Prozessdefizite in Kauf, kompensieren diese aber mit geringeren Anlagenkosten (Platz- und Materialbedarf). Andere Hersteller sehen in dem Abgasdiffusor lediglich ein geometrisches, d. h. so kurz wie möglich zu gestaltendes Übergangsstück vom Gasturbinenaustritt zur nächsten stromab angeordneten Komponente der Abgasstrecke. Dieses Konzept bietet sich besonders dann an, wenn aus konzeptionellen Gründen das GT-Abgas nicht axial, sondern über eine Umlenkung seitlich abströmt (z. B. GE 7/9E-Serie mit Generator am Turbinen-Ende der Gasturbine). In diesem Fall ist die Strömung schon dermaßen gestört, dass sich ein aufwendiger, idealer Diffusor mit erheblichem Platzbedarf wirtschaftlich nicht rechtfertigen lässt.
5 Kraftwerkskomponenten
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Allein die Tatsache, dass hier verschiedenste Konzepte und Firmenphilosophien seit Jahren nebeneinander bestehen, zeigt, dass für die Gestaltung des Strömungsübergangs von der Gasturbine in die Abgasstrecke keine optimale Lösung existiert, sonst hätten sich die Konstruktionen der Hersteller im Rahmen einer evolutionären Entwicklung schon längst einander angenähert (ein solcher Evolutionsprozess hat z. B. beim Abhitzedampferzeuger stattgefunden, vgl. Abschn. 5.3.3). Gasturbinenkamin Bei einer reinen Gasturbinenanlage schließt sich an den Diffusor bzw. das entsprechende geometrische Übergangsstück ein einfacher Abgaskamin mit integriertem Schalldämpfer an (Abb. 5-20). Die Höhe des Kamins richtet sich nach den örtlichen emissions- bzw. immissionsrechtlichen Anforderungen. Der Schalldämpfer kann alternativ auch schon in einem stromauf angeordneten Kanalsegment zwischen Diffusorende und Kaminunterteil eingebaut sein. Der Kamin wird i. d. R. auf einem Fixpunkt gelagert (Fußpunkt der vertikalen Kaminsymmetrieachse). Die entsprechenden Wärmedehnungen werden durch einen Kompensator zwischen dem Diffusor/Übergangsstück und dem Kamin aufgenommen. Abgasstreckenkompensatoren Im Gegensatz zu dem schon weiter oben beschriebenen, runden Wellenkompensator in Metallausführung (Übergang Gasturbine – Diffusor) werden die Kompensatoren, welche weiter stromab die geometrisch weitaus größeren Kanalabschnitte der Abgasstrecke miteinander verbinden, heute fast ausschließlich als Gewebekompensatoren ausgeführt, wodurch sich Vorteile bei der Installation bzw. bei eventuellen Reparaturen ergeben. In der Anfangsphase kam es bei diesen Gewebekompensatoren durch nicht ausgereifte Konzeptionen in Verbindung mit der zur selben Zeit auf ca. 550 °C gesteigerten GT-Abgastemperatur häufig zu Schäden (Durchbrennen), wodurch sich diese im Vergleich zur Gesamtanlage relativ preiswerte Komponente zeitweise in Bezug auf die Anlagenverfügbarkeit als echte „Achillesferse“ für Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke erwies. Eigentlich sollten Gewebekompensatoren auch für die modernsten GuD-Gasturbinen mit Abgastemperaturen von mehr als 600 °C durch die inzwischen ausgereiftere Technik und haltbarere Materialien heute kein Problem mehr darstellen. Jedoch häufen sich bedingt durch den aktuellen Trend bei GuD-Anlagen zu häufigen Lastwechseln und insbesondere zum täglichen An- und Abfahren (vgl. auch hierzu Abschn. 5.3.6) hier wieder die Schadensfälle. In Abb. 5-21 sind Schnitte durch heute gängige Gewebekompensatoren zusammengestellt. Ein weiterer Abgaskompensator ist bei GuD-Anlagen zwischen dem Bypasskamin und dem Übergangsstück zum Abhitzedampferzeuger vorzusehen. Auch bei dem Gasturbinenkamin sowie dem ähnlich aufgebauten Bypasskamin werden Unter- und Oberteil durch Kompensatoren verbunden, um das Längenwachstum bei Erwärmung auszugleichen. In einigen Fällen wurden auch schon Teilbereiche des Abhitzedampferzeugers durch Kompensatoren verbunden.
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Abb. 5-20 Dreidimensionale Darstellung eines Gasturbinenabgaskamins mit vorgeschaltetem Diffusor, äußerlich ähnlich: Bypasskamin, vgl. Abb. 5-26 (Siemens Energy – Konzept)
Bypasskamin, Prinzip der thermischen Isolierung von Abgaskanälen Wünscht der Betreiber eines GuD-Kraftwerkes eine flexible Betriebsweise seiner Anlage, d. h. soll auch bei Nichtverfügbarkeit des Dampfteils die Gasturbine ohne Einschränkungen betrieben werden können, so ist ein sog. Bypasskamin zu errichten. Dieser funktioniert wie ein Zweiwegeventil und ist somit in der Lage, je nach Anlagenbetriebsweise das Abgas entweder in den Abhitzedampferzeuger, oder aber direkt ohne weitere Abkühlung über die eigene Kaminröhre in die Umgebung zu leiten (GT-Solo-Betrieb). Bypasskamine haben sich, neben den weiter unten beschriebenen Vorteilen in Bezug auf Errichtungs- und Betriebsflexibilität, auch besonders
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Abb. 5-21 Zusammenstellung verschiedener Typen von Gewebekompensatoren für die Abgasstrecke von GT- und GuD-Anlagen
bei Anlagen bewährt, bei denen die ersten Maschinen eines neuen Gasturbinentyps eingesetzt werden. Der Bypasskamin ermöglicht es, die LCF-Belastung des Abhitzedampferzeugers durch die bei Neuentwicklungen kaum vermeidbaren häufigen Starts und Schnellschlüsse zu verhindern, da hier die Inbetriebsetzung der Gasturbine im Solobetrieb erfolgen kann (LCF = Low Cycle Fatigue = Materialermüdung bei wenigen Belastungszyklen). Technik der Strömungsumschaltung A) Doppelte Jalousieklappensysteme mit Sperrlufteindüsung Bei dieser aufwändigen technischen Lösung werden in den Strömungsquerschnitten beider Abgaswege drehbare Wellen angeordnet, auf denen Klappen angebracht sind. In der geöffneten Stellung sind diese Einzelklappen parallel zur Strömungsrichtung ausgerichtet, das Klappensystem bietet so den geringsten Widerstand, der Strömungsweg ist offen. Werden alle Wellen in demselben Maß um 90ı gedreht, was durch mechanische Kopplung bewerkstelligt wird, bilden die Einzelklappen eine geschlossene Wand. Durch geeignete Blattfedersysteme an den Klappenrändern wird eine zusätzliche Dichtheit an den Stellen erreicht, an denen sich die Einzelklappen im geschlossenen Zustand berühren. Um die Gasdichtheit noch weiter zu steigern, installiert man in kurzem Abstand zwei dieser Klappensysteme im Abgaskanal hintereinander. In dem so entstehenden Zwischenraum wird durch Eindüsung von Luft (als Sperrluft bezeichnet) ein ständiger Überdruck gegenüber dem durchströmten Abgaskanal erzeugt. Bei eventuellen Undichtigkeiten, die durch Verziehungen von Einzelklappen aufgrund der thermischen Wechselbeanspruchung beim An- und Ab-
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Abb. 5-22 Prinzip der Strömungsabsperrung mittels Doppeljalousieklappen unter zusätzlicher Eindüsung von Sperrluft. Bei simultaner Drehung der Klappenwellen um jeweils 90° wird der kaminseitige Strömungsweg geschlossen und der bisher abgeschottete Kanal zum Abhitzedampferzeuger geöffnet
Abb. 5-23 Einzelklappe als Element einer Jalousieklappe mit Blattfedersystemen an den Rändern zur Abdichtung
fahren der Anlage verursacht werden können, kann zwar Sperrluft in den Unterteil des Bypasskamins eindringen, jedoch kein Abgas das Klappensystem überwinden. (Da der GT-Abgasmassenstrom bedeutend größer ist, als der durch die SperrluftGebläseleistung begrenzte, kalte Luftmassenstrom, ist die Auswirkung von Sperr-
5 Kraftwerkskomponenten
145
luftanteilen, die sich aufgrund von Klappenundichtigkeiten ggf. mit dem Abgasmassenstrom mischen, auf die Wärmeübertragung im stromab angeordneten Abhitzedampferzeuger vernachlässigbar.) Die Wirkungsweise der Doppeljalousieklappen ist schematisch in Abb. 5-22 skizziert. Abbildung 5-23 zeigt ein Einzelklappenelement mit den Blattfedersystemen zur Abdichtung an den Rändern. Um wie gefordert eine Strömungsumschaltung im Bypasskamin zu gewährleisten, müssen im Unterteil des Kamins sowohl an der dem Abhitzedampferzeuger zugewandten Seite als auch am kaminseitigen Austritt diese doppelten Klappensysteme installiert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass zusätzlich Sicherungsvorkehrungen zu treffen sind, damit es beim Betrieb der Anlage nicht zu einem fehlerhaft verursachten Versperren beider Strömungswege kommt. Hierzu werden 50% der Klappen mechanisch gekoppelt, so dass beim Schließen einer Seite mit Sicherheit die Hälfte der anderen Seite entsprechend geöffnet wird und als Strömungspfad zur Verfügung steht. In den achtziger Jahren und in der ersten Phase des GuD-Booms zu Beginn der neunziger Jahre waren diese Doppeljalousie-Klappensysteme mit Sperrluft für die hier behandelten großtechnischen GuD-Anlagen das vorherrschende System. B) Schwenkbare Bypassklappe (auch als Gasweichenklappe oder Flow Diverter bezeichnet) Bei kleineren Anlagen hatte sich jedoch schon eine alternative Technik etabliert, die prinzipiell eine einfachere und kostengünstigere Lösung bietet. Installiert man im Bypasskaminunterteil eine schwenkbare Klappe, so kann diese jeweils einen Strömungsweg wie eine Tür schließen. Nach einem Schwenk um 90ı ist dieser Weg für das Abgas voll geöffnet, dafür ist jedoch der andere Strömungs-
BypassKamin Innenisolierung
Klappenachse
Kniehebelarme
Gasweichenklappe
GT
Gasweichengehäuse
AHDE
Entwässerung
Abb. 5-24 Funktionsweise der schwenkbaren Bypassklappe im Unterteil des Bypasskamins (indirekter Klappenantrieb über Kniehebelsystem)
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weg vollständig versperrt. Die Klappe lässt sich über einen Direktantrieb oder über ein Kniehebelsystem bewegen. Die Funktionsweise ist in Abb. 5-24 dargestellt. Auch diese Lösung lässt sich mit Sperrluft versiegeln, die hier jeweils in den entstehenden Dichtungsrahmen strömt, der durch die eigentliche Klappe und die jeweiligen Klappenzargen gebildet wird. Blattfedersysteme können auch bei dieser Lösung leichte Verzüge durch thermische Beanspruchungen ausgleichen. Wesentliches Hindernis bei der Einführung dieser Technik waren die Abmessungen der Strömungswege, die dort herrschenden Temperaturen und damit verbunden materialtechnische Zwänge. Die Strömungsquerschnitte für eine Gasturbine der 150 MW-Klasse liegen in der Größenordnung von ca. 6 m 6 m. Bei 260 MW ergeben sich schon Abmessungen größer 7 m 7 m. Das Anfahren der Gasturbine von der Zündung bis zu ihrer maximalen Betriebstemperatur beträgt nur wenige Minuten. Die großen Abmessungen der Kanäle erschweren es, eine in sich stabile, d. h. sich nicht verformende Klappe zu konstruieren. Die dem Abgas zugewandte Seite der Klappe wird in relativ kurzer Zeit von Raumtemperatur (im extremen Fall beim Kaltstart) bis ca. 550–600 °C aufgeheizt. Dabei lassen sich Temperaturunterschiede in der Klappe kaum vermeiden, was aufgrund der Materialausdehnung leicht zu größeren Verzügen und damit zu nicht mehr durch die Sperrluft zu kompensierenden Undichtigkeiten führen kann. Darüber hinaus müssen sich die Klappe und beide Klappenzargen in der Anfahrphase mit gleichem Gradienten ausdehnen, um jederzeit die Funktionalität des Gesamtsystems zu gewährleisten. Die ersten Versuche mit schwenkbaren Bypassklappen für Anlagen der oben beschriebenen Größenordnungen führten zu unzuverlässigen Systemen, die einer ständigen Nachbesserung bedurften. Zur Beschreibung der jetzt verfügbaren, verlässlichen konstruktiven Klappenlösung ist es sinnvoll, vorab einen Exkurs in die Thematik der thermischen Isolierung der Abgasstrecke zu unternehmen: Mitte der neunziger Jahre wurden die ersten Heavy Duty-Gasturbinen mit Turbineneintrittstemperaturen von ca. 1200 °C in Betrieb genommen. Diese Maschinen können im Vergleich zu den Turbinen der vorausgegangenen Generation, deren Abgastemperatur in der Größenordnung von 550 °C liegen, mehr als 600 °C erreichen. Daher ist man gezwungen, die Abgasstrecke aus Kostenerwägungen grundsätzlich anders aufzubauen. Bis zu 550 °C lassen sich die Abgaskanäle noch aus ferritischen, hochwarmfesten Stählen (auch als „schwarzes Material“ bezeichnet) fertigen, was in der Regel zu einer Konstruktion mit heißen, tragenden Strukturen führt, deren verschweißte Innenwände direkt die Abgrenzung für die Strömung bilden. Um Wärmeverluste sowie die Gefahr von Verbrennungen bei Berührungen zu vermeiden, werden diese Systeme außen isoliert. Da diese gasdichten Konstruktionen aus Stahlplatten bestehen, die einem höheren Innendruck ausgesetzt sind, ist es notwendig, sie auf der Rückseite durch aufgeschweißte Rippen zu verstärken. Die Platten sind an der Innenseite direkt dem heißen Abgasstrom ausgesetzt. Insbesondere beim Anfahren der Gasturbine aus dem kalten Zustand heraus kommt es schnell zu einer Aufwärmung der Platteninnenseiten. Die aufgenommene Wärme kann nur durch Leitung an die rückseitig aufgeschweißten Rippen weitergeleitet werden. Im Normalfall bestehen die Kanal-
5 Kraftwerkskomponenten
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wände aus ca. 10 mm starken Blech, in der Anfangsphase waren Rippenstärken in der Größenordnung von ca. 10 mm und Rippenhöhen bis zu 200 mm üblich. Bei den ersten Gasturbinen- und GuD-Anlagen mit moderaten Abgastemperaturen ergaben sich bei dieser Technik mit heißen, außensolierten Kanälen und derartigen Rippenversteifungen keine schwerwiegenden Probleme. Die Situation änderte sich jedoch, als Ende der achtziger Jahre Gasturbinen mit ca. 550 °C Abgastemperatur auf den Markt kamen. Um eine gute Festigkeit zu erzielen, hatte man häufig relativ lange, dünne Rippen eingesetzt. Bei den erhöhten Abgastemperaturen kam es insbesondere bei Anlagen, die häufig an- und abgefahren wurden, im gesamten Bereich der Abgasstrecke zu Rissen an den Verbindungsschweißnähten zu den Rippen. Der Diffusor und das Bypasskaminunterteil waren jeweils besonders betroffen. Analysen zeigten, dass man den Wärmeübergang vom Gas an die Platteninnenseite in vielen Fällen unterschätzt hatte. Zum einen wurde im Diffusor häufig mit einer mittleren Geschwindigkeit für den konvektiven Wärmeübergang gerechnet. Wie schon weiter oben ausgeführt wurde, liegt in einem Diffusor, der einer Gasturbine nachgeschaltet ist, jedoch keine ideale Pfropfenströmung vor. Durch den Ringspalt des Gasturbinenaustritts bedingt ergeben sich über die gesamte Diffusorlänge am Rand sehr hohe Geschwindigkeiten, was einen guten Wärmeübergang an die Kanalwände bewirkt. Zusätzlich wurde bei der Auslegung der Konstruktion häufig die Wärmestrahlung des Abgases unterschätzt oder auch überhaupt nicht berücksichtigt. Zur Berechnung der Gasstrahlung sei auf die Literatur verwiesen (z. B. VDI-Wärmeatlas, Abschnitt Kc [5.22]). Da die Abgaskanäle relativ große, unverbaute Volumina darstellen, ergeben sich für die Gasstrahlung äquivalente Schichtdicken von mehreren Metern. Im Gasturbinenabgas sind darüber hinaus erhebliche Wasserdampf- und Kohlendioxidanteile enthalten. Der Emissionsgrad für die ferritischen Kanalwände liegt in der Größenordnung von 0,7–0,8. Damit ergeben sich in der Anfangsphase des GT-Anfahrprozesses, wenn das Gasturbinenabgas schon seine Maximaltemperatur erreicht hat (ca. 15 bis 20 Minuten nach dem Zünden) und die Kanalwände noch relativ kalt sind (Wandtemperatur zu diesem Zeitpunkt im Bereich von ca. 150– 250 °C), Wärmeflüsse aufgrund der Gasstrahlung in derselben Größenordnung wie bei der Konvektion. Für die entsprechenden Wärmeübergangskoeffizienten (bei der Strahlung im Gegensatz zur Konvektion abhängig von der Temperaturdifferenz Abgas – Kanalwand) können in dieser Anfangsphase folgende Orientierungswerte angegeben werden: Abgasdiffusor (Bypass) Kaminunterteil (Bypass) Kaminröhre AHDE-Übergangsstück
Gasstrahlung 20–40 W=.m2 K/ 20–40 W=.m2 K/ 20–40 W=.m2 K/ 20–50 W=.m2 K/
Konvektion > 80 W=.m2 K/ 30–50 W=.m2 K/ 30–50 W=.m2 K/ 20–40 W=.m2 K/
Insbesondere in den großen Hohlräumen der Abgasstrecke, d. h. Diffusor, Bypasskaminunterteil, Kaminröhre oberhalb des Schalldämpfers sowie dem Eintritt des Abhitzedampferzeugers stellt die Strahlung beim An- und Abfahren der Gasturbine somit eine nicht zu vernachlässigende Größe dar. Der resultierende Wärmeübergangskoeffizient für Konvektion und Strahlung kann sogar den charakteristischen
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Wärmeübergangskoeffizienten im Bereich der Heizflächenrohre des Abhitzedampferzeugers übertreffen (Größenordnung ca. 50–90 W=.m2 K/). Eine Lösung der Kanalproblematik ergab sich erst, als man die Rippenhöhe auf ca. 80 mm begrenzte und zu dickeren Rippen mit Wandstärken im Bereich von 20 mm überging. Hätte man bei Einführung der neuen Gasturbinengeneration mit Abgastemperaturen von ca. 600 °C die Konstruktion mit innenliegenden heißen Kanalwänden mit Rippenversteifung und Außenisolierung beibehalten, so hätte dies eine durchgehende Verwendung von austenitischem Material zur Folge, was sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertreten lässt. Innenisolierung als Lösung für höhere Abgastemperaturen Aus diesem Grund wurde als vielversprechende Technik für die neuen Temperaturanforderungen eine Innenisolierung der Abgasstrecke zur technischen Reife entwickelt. Hier bilden relativ dünne, gegeneinander verschiebbare austenitische Deckplatten die eigentlichen Kanalwände, die schindelartig überlappend angeordnet werden. Darunter befindet sich eine Schicht aus thermischem Isolationsmaterial. Erst dann folgt die eigentliche Tragstruktur. Da diese auch im stationären Dauerbetrieb der Anlage kaum Temperaturen über 60 °C annimmt, kann hier kostengünstiger Baustahl verwendet werden, darüber hinaus wird aufgrund der höheren Festigkeit bei diesen niedrigen Temperaturen weniger Material benötigt, als dies bei Außenisolierung und heißen Tragstrukturen aus hochwarmfestem ferritischen (z. B. 10CrMo910) oder gar austenitischem Material der Fall wäre. Abbildung 5-25 zeigt einen Abgaskanal mit Innenisolierung, der teilweise aufgedeckt ist und den Aufbau mit Ankerschrauben, Isolation und überlappenden Abdeckblechen erkennen lässt.
Abb. 5-25 Teilweise freigelegter, innenisolierter Abgaskanal (Vogt Power International Inc.)
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Wegen der relativ geringen Wandstärke dieser Abdeckbleche kann hier, ohne die Kosten zu hoch zu schrauben, Austenit eingesetzt werden. Diese Bleche bzw. Platten werden mittels Ankerschrauben (Abstandshalterstifte) an der Tragstruktur befestigt. Dadurch erhält man eine Festigkeit der Konstruktion, die den innenisolierten Boden des Abgaskanals begehbar macht. Damit sich die Platten aufgrund der Wärmeausdehnung gegeneinander verschieben können, werden die Löcher dort generell deutlich größer gewählt als der Durchmesser der Abstandshalterstifte. Da die tragenden, gasdichten Kanalwände aufgrund der Isolierung „kalt“ außen liegen, wird das Problem der Wärmespannungen zwischen heißer Kanalwand und Rippe hier im Gegensatz zur Außenisolierung einfach umgangen. Nach diesem notwendigen Exkurs zur Innenisolierung zurück zur Bypassklappe: Analoge Konstruktionskonzepte führten bei der Diverterklappe (auch als Gasweichenklappe bezeichnet) dazu, diese verlässlich beidseitig so zu isolieren, dass die innenliegende Tragstruktur nicht mehr den extremen Temperaturverhältnissen ausgesetzt ist. Erst dadurch wurde es möglich, auch bei großen Strömungsquerschnitten problemlos eine Einzelklappe einzusetzen. In Verbindung mit der Innenisolierung der Abgaskanäle hat sich heute die isolierte schwenkbare Klappe allgemein in der Bypasskamintechnik durchgesetzt. Oberhalb des horizontalen Klappenrahmens der Gasweiche ist ein Bypasskamin wie ein normaler Gasturbinenkamin aufgebaut. Im Regelfall sind direkt über dem Klappenmechanismus die Schalldämpferkulissen angeordnet. Auf den Kompensator als Verbindungsglied zwischen Kaminunter- und -oberteil wurde schon an anderer Stelle hingewiesen. In Abb. 5-26 ist zusammenfassend die gesamte Gasturbinenanlage mit Ansaug- und Abgasstrecke als dreidimensionale Ansicht dargestellt. Insbesondere der Abgasdiffusor, die Bypassklappe und die Schalldämpferkulissen sind gut zu erkennen. Selbst unter Verzicht der Darstellung des zugehörigen Abhitzedampferzeugers in Abb. 5-26 sind die Abmessungen der Abgasstrecke gegenüber dem eigentlichen Gasturbosatz beachtlich. Optional kann in der stromab angeordneten Kaminröhre auch noch eine Regenklappe installiert sein, die das Abgassystem bei Anlagenstillstand nach außen abschottet und somit auch den Wärmeaustrag verzögert. In der Anfangsphase der GuD-Technik wurden nahezu alle Anlagen mit Bypasskaminen ausgerüstet. Neben der oben beschriebenen Betriebsflexibilität bei Ausfall des Abhitzedampferzeugers oder der Dampfturbine ergibt sich zusätzlich noch ein weiterer Vorteil: Betrachtet man das Verhältnis der Errichtungszeiten für den Gasturbosatz mit der für den Abhitzedampferzeuger und den Dampfturbosatz, so ist festzustellen, dass letztere Großkomponenten ungefähr die dreifache Zeit benötigen wie die Gasturbine. Hierbei stellt der Abhitzedampferzeuger die zeitkritische Größe dar. Verfügt die Anlage von Anfang an über einen Bypasskamin, so kann die Gasturbine schon direkt nach ihrer relativ kurzen Errichtungs- und Inbetriebsetzungszeit im Solobetrieb Strom produzieren und damit Kapital erwirtschaften (vgl. Anlagenkonstellation in Abb. 5-26). Darüber hinaus beeinträchtigt nicht jeder Schnellschluss in der Inbetriebsetzungsphase der Gasturbine die Lebensdauer des Abhitzekessels, worauf schon weiter oben eingegangen wurde.
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Abb. 5-26 Gasturbinenanlage mit Bypasskamin in 3D-Schnittdarstellung (Siemens Energy)
Aus Sicherheitsgründen wird die Seite des Bypasskaminunterteils, die zukünftig mit dem Abhitzedampferzeuger verbunden werden soll, mit einer zusätzlichen Steckscheibe, die mit den Abgaskanalflanschen fest verschraubt ist, geschlossen, so dass auch bei einem unbeabsichtigten Öffnen des Klappensystems kein Abgas in den AHDE gelangen kann. Damit ist auch bei parallelem Betrieb der Gasturbine über den Bypasskamin eine Gefährdung des Personals, das an der Fertigstellung des Abhitzedampferzeugers arbeitet, ausgeschlossen. In vielen Fällen entscheidet sich ein Kunde dafür, zunächst lediglich eine reine Gasturbinenanlage zu erwerben und diese erst nach einigen Jahren des Betriebes
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zur GuD-Anlage zu erweitern. Auch in einem solchen Fall war es gängige Praxis, direkt von Anfang an einen Bypasskamin vorzusehen, um die Anschlussarbeiten beim Ausbau zu erleichtern. Heute verzichtet man immer häufiger auf Bypasskamine, die zwar eine flexible Fahrweise der Anlage ermöglichen (s. auch Abschn. 5.3.4 über das leistungsgeregelte Anfahren von GuD-Anlagen), jedoch auch sehr kostenintensiv sind. Auch bei Anlagen ohne Bypasskamin lässt sich bei Nichtverfügbarkeit der Dampfturbine zumindestens für eine begrenzte Zeit (in der Größenordnung von einem Tag) die Anlage über den Kondensatorbypass fahren; vorausgesetzt, die DampfturbinenbypassStation wurde von vornherein für eine Vollast-Durchströmung ausgelegt. Während der Errichtung von GuD-Anlagen wird immer häufiger für die Gasturbine ein einfacher und damit kostengünstiger Hilfskamin installiert, über den das Abgas abgeführt wird, solange der Dampfteil noch nicht fertiggestellt ist (aktuelle Richtwerte für die Errichtung des GT-Teils: ca. 6 Monate; Errichtung des Dampfteils: ca. 18 Monate). Dieses Provisorium („Wegwerfkamin“) wird einfach entfernt und die Gasturbine direkt an den Abhitzedampferzeuger angeschlossen, sobald der Dampfteil verfügbar ist. (Das Anfahren von GuD-Anlagen ohne Bypasskamin wurde bereits in Kap. 3 behandelt.) Abhitzedampferzeuger Dem Abhitzedampferzeuger ist, als nächste stromab folgende Komponente der Abgasstrecke, aufgrund seines komplexen Aufbaus und der zusätzlichen Funktionalitäten auf der Wasser-/Dampfseite im Folgenden der separate Abschnitt 5.3.2 gewidmet, der deutlich umfangreicher ausfällt, als der gesamte bisher behandelte Teil der Abgasstrecke. Wärme- und Schallisolierung der Abgasstrecke Alle bisher behandelten Komponenten der Abgasstrecke haben das GT-Abgas lediglich geführt und damit höchstens dessen Strömungsgeschwindigkeit und in geringem Maß auch dessen Druck verändert. Der Energieinhalt des Abgases wird jedoch nicht merklich beeinflusst. Im Gegenteil, durch Isolierung der Kanalwände ist man bemüht, die Abgastemperatur zu halten. Auf die dabei eingesetzten Techniken der Innen- und Außenisolierung wurde schon detailliert im Unterabschnitt über den Bypasskamin und die Klappensysteme eingegangen. Um eine Verletzungsgefahr bei Berührung der Kanalwände zu vermeiden, ist eine Außentemperatur von ca. 60 °C nicht zu überschreiten. Damit sind die Wärmeverluste durch Außen- oder durch Innenisolierung auf ca. 140 W=m2 zu begrenzen. Durch diese Isolierung beträgt der Temperaturabbau infolge von Wärmeverlusten auf dem Strömungsweg vom GTAustritt bis zur ersten Heizfläche, der mehr als 20 m betragen kann, lediglich 1–2 K. Ein willkommener Nebeneffekt der thermischen Isolierung der Abgasstrecke ist die damit verbundene Geräuschdämpfung. Akustische Auflagen für GT- und GuDKraftwerke sind heute Teil eines jeden Genehmigungsverfahrens.
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5.3.2 Abhitzedampferzeuger Als stromab letzte Komponente der Abgasstrecke ist bei GuD-Anlagen der Abhitzedampferzeuger mit einem eigenen Kamin angeordnet. Er nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein, da er das Verbindungsglied zwischen dem Abgassystem und dem Wasser-/Dampfkreislauf darstellt und durch seine Konzeption den Gesamtwirkungsgrad der GuD-Anlage maßgeblich bestimmt. Deshalb soll ihm hier ein breiter Raum gewidmet werden. Dabei wird auch auf die charakteristischen Eigenschaften eingegangen, die ein solches Abhitzesystem von einem konventionellen, befeuerten Großdampferzeuger unterscheidet. Der Abhitzedampferzeuger lässt sich in folgende Systeme unterteilen (Abb. 5-27): • Übergangsstück mit Querschnittserweiterung auf den eigentlichen Heizflächenquerschnitt (ggf. mit Einbauten zur Vergleichmäßigung der Strömung, z. B. Umlenkleitbleche oder auch Lochbleche), • ggf. Zusatzfeuerung(en), • Heizflächenbereich (ggf. mit CO- und/oder NOx -Reduzier-Sektionen auf Katalysatorbasis), • Schalldämpfer, • Kamin (ggf. mit Regenklappe), • wasser-/dampfseitige Komponenten wie Trommeln, Einspritzkühler, Entgaser etc., • Hilfskomponenten (Ventile, Pumpen) sowie • Traggerüst (bei vertikaler Bauweise, entfällt bei horizontaler Bauart). 5.3.2.1 Funktion des Abhitzedampferzeugers, Heizflächencharakterisierung, Kriterien der wärmetechnischen Auslegung Aufgabe des Abhitzedampferzeugers ist es, dem Gasturbinenabgas kostengünstig die maximal mögliche Wärme zu entziehen und zur Dampfproduktion zu nutzen. Auf die Zweckmäßigkeit, dabei mehrere Druckstufen einzurichten, um im Temperatur-Entropie-Diagramm den Leerraum zwischen Gas- und Dampfprozess zu füllen und damit den GuD-Anlagenwirkungsgrad zu steigern, wurde schon in den Kap. 2 und 3 eingegangen. Dabei sind folgende Grundfunktionalitäten zu erfüllen: • Vorwärmung: Erwärmung des Kondensats oder des Speisewassers auf eine gewünschte Prozesstemperatur, im Falle des Economizers annähernd auf die Sattwassertemperatur entsprechend dem herrschenden Systemdruck. Einphasiger Prozess. • Verdampfung: Phasenumwandlung des Kühlmediums. Dabei bleibt die Mediumstemperatur annähernd konstant. Die Sättigungstemperatur ändert sich nur geringfügig infolge der Systemdruckveränderung längs des Strömungsweges in den Verdampferrohren, die durch den Druckverlust in der Zweiphasenströmung sowie durch geodätische Effekte verursacht wird.
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Abb. 5-27 Komponenten des Abhitzedampferzeugers mit nach heutigem Stand der Technik nahezu maximalem Umfang (3-Druck-AHDE mit Zusatzfeuerung sowie CO und NOx -Katalysatoren; horizontale AHDE-Bauweise nach Nooter/Eriksen-Konzept) 1 Erweiterungskanal auf Heizflächenquerschnitt 2 Strömungsleitbleche 3 Hochdruck-Endüberhitzer 4 Kanalbrenner der Zusatzfeuerung 5 Verbindungsleitung zwischen Hochdruck-Endüberhitzer und Hochdruck-Überhitzer 1 6 Hochdruck-Überhitzer 1 7 CO-Katalysator 8 Trommel des Hochdruckverdampfersystems 9 Tragstruktur zur Aufhängung der Heizflächen (Hochdrucksystem markiert, analog dazu Tragstrukturen für Hochdruck-Endüberhitzer/Zusatzfeuerung und Mitteldruck-/NiederdruckSystem) 10 SCR-Katalysator (NOx ) 11 Trommel des Mitteldruck-Verdampfersystems 12 Hochdruck-Economizer 13 Entgaser 14 AHDE-Kamin 15 Kondensatvorwärmer (Niederdruck-System) 16 Entgasungsverdampfer (Niederdruck-System) 17 Mitteldruck-Economizer 18 Mitteldruck-Verdampfer 19 Mitteldruck-Überhitzer 20 Hochdruck-Economizer 21 NH3 -Verteilungssystem 22 Hochdruckverdampfer
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• Überhitzung: Analog zur Vorwärmung handelt es sich bei der Überhitzung wieder um einen rein einphasigen Prozess. Hier wird ausgehend von der Sattdampftemperatur am Austritt des Verdampfers durch Zuführung weiterer Wärme die Dampftemperatur soweit gesteigert, wie es die Kraftwerksauslegung verlangt. Diese Grundfunktionen sind unabhängig vom Typ des dabei eingesetzten Dampferzeugers. Um jedoch die Besonderheiten von Abhitzedampferzeugern herauszustellen, soll vorab kurz die Eigenschaften des konventionellen befeuerten Dampferzeugers (DE) eingegangen werden, der schon seit Jahrzehnten in klassischen Dampfkraftwerken eingesetzt wird und dessen Technik allgemein bekannter ist. Der befeuerte Dampferzeuger als Vergleichsmaßstab Bei der Verbrennung in einem befeuerten Dampferzeuger (mit Ausnahme von Wirbelschichtfeuerungen) stellen sich im Normalfall Abgas- bzw. Rauchgastemperaturen von deutlich mehr als 1300 °C ein. Darüber hinaus darf die Flamme mit ihrer reduzierenden Atmosphäre nicht mit den Wänden oder Einbauten in Berührung kommen, um diese nicht in kurzer Zeit zu zerstören. Aus diesem Grund wird in einem konventionellen großtechnischen Dampferzeuger, sei er mit Gas, Öl- oder mit festen Brennstoffen befeuert, den eigentlichen Heizflächenpaketen, in denen die Wärme weitestgehend durch Konvektion übertragen wird, ein ausreichend dimensionierter Feuerraum und insbesondere bei Kohlenstaubfeuerungen ein zusätzlicher Strahlraum ohne jegliche Einbauten vorgeschaltet (s. [5.23, 5.24]). Da die überwiegende Anzahl von befeuerten Dampferzeugern heute mit Kohlenstaub als Brennstoff betrieben wird, soll im weiteren Verlauf der Gegenüberstellung befeuerter DE – AHDE ersterer immer in seiner komplexesten Form, als kohlenstaubbefeuerter Dampferzeuger ausgeführt sein. Die Mehrzahl der Aussagen ist jedoch auch auf gas- und ölbetriebene Dampferzeuger übertragbar. Die Umfassungswände von Feuer- und Strahlraum bei konventionellen Großdampferzeugern bilden wassergekühlte Membranwände, die integraler Teil des Verdampfersystems sind. Durch die beträchtliche Temperaturdifferenz zwischen der Flamme und den gekühlten Wänden kommt es durch Strahlungstransport zu einer sehr intensiven Wärmeübertragung aus dem Feuerraum/Strahlraum an die Umfassungswände, so dass das Rauchgas auf dem relativ kurzen Strömungsweg im Strahlraum auf eine Temperatur unterhalb des Ascheerweichungspunktes abgekühlt werden kann. Ausschlaggebend für diesen guten Strahlungswärmeübergang sind die Rußpartikel in der Flamme sowie die mit dem Rauchgas transportierten Aschepartikel (vgl. VDI-Warmeatlas, Abschnitte Kd [5.25] und Ke [5.26]). Die Konvektion spielt in diesem Bereich des befeuerten Dampferzeugers nur eine sehr untergeordnete Rolle. Beim Eintritt des Rauchgases in die erste Berührungsheizfläche, welche in der Regel die Funktion des Endüberhitzers innehat, müssen alle mitgeführten Partikel soweit abgekühlt sein, dass sie bei Kontakt mit den quer durch den Rauchgaszug geleiteten Heizflächenrohren nicht an diesen haften bleiben und damit durch Bildung einer Isolierschicht nachhaltig den Wärmeübergang behindern. Aus diesem Grund werden bei kohlenstaubbefeuerten Dampferzeugern als erste Konvektionsheizflä-
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che immer Glattrohre eingesetzt, die zudem auf den ersten Metern des gasseitigen Strömungsweges in dem Heizflächenbündel noch relativ weite Gassen bilden. Diese Zwischenräume verengen sich erst im Laufe der weiteren Lagen des Überhitzers soweit, dass für die Konvektion optimale Bedingungen herrschen. Selbst nach der Abkühlung im Strahlraum hat das Rauchgas bei Eintritt in die erste Berührungsheizfläche noch eine Temperatur von mehr als 1000 °C. Moderne befeuerte Dampferzeuger liefern Frischdampftemperaturen von ca. 600 °C. Damit lässt sich selbst bei dem relativ geringen Koeffizienten von ca. 100 W=.m2 K/ für den Wärmeübergang vom Rauchgas an die Heizflächenrohre des Endüberhitzers durch die relativ hohe treibende Temperaturdifferenz von mehr als 400 K ein ausreichender Wärmestrom an den durch die Rohre strömenden Dampf übertragen. Auch bei den in Rauchgasströmungsrichtung gesehen weiter stromab angeordneten Heizflächenpaketen, die als Zwischenüberhitzer oder Economizer ausgeführt werden, ergeben sich i. d. R. noch rauchgas- und wasser-/dampfseitige Temperaturdifferenzen, die mehrere hundert Kelvin ausmachen. Um bei befeuerten Dampferzeugern einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen und um die An- und Abfahrzeiten möglichst kurz zu halten, ist man zur Zwangdurchlauftechnik übergegangen. Durch dieses Konzept, praktisch realisiert nach dem Bensonoder auch nach dem Sulzerprinzip, sind überkritische Dampfzustände möglich und es werden die dickwandigen Trommeln eines Umlaufverdampfers vermieden, was deutliche Vorteile in Bezug auf die An- und Abfahrvorgänge, Lastwechsel und die Mindestlast der Anlage mit sich bringt. Auch befeuerte Dampferzeuger lassen sich mit Gasturbinen kombinieren. In Kap. 3 wurden schon die dabei möglichen Kraftwerksschaltungen Kombikraftwerk (GT-Abgas als Sauerstoffträger für die Brenner des befeuerten DE), Verbundkraftwerk (wasser-/dampfseitige Kopplung von befeuertem DE und GuD-AHDE) sowie dem Hybrid-Repowering (Umwandlung eines Dampfkraftwerks in ein GuDKraftwerk unter Beibehaltung des befeuerten Dampferzeugers als Reserve und zur Brennstoffflexibilität) kurz beschrieben. Auf diese Kraftwerkstypen und die Integration von Abhitzedampferzeugern in diese Prozesse kann aber im Rahmen des vorliegenden Abschnitts aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden. Hier wird auf die entsprechende Literatur verwiesen (z. B. [5.27, 5.28]). Besonderheiten der Abhitzedampferzeugerkonstruktion Bei Abhitzedampferzeugern herrschen gegenüber befeuerten Dampferzeugern völlig andere Verhältnisse. Das GT-Abgas tritt in den AHDE mit einer Temperatur von maximal 700 °C ein. Damit entfällt im Vergleich zum konventionellen DE die Notwendigkeit eines Feuerraumes. Die Wände des Abhitzedampferzeugers müssen in diesem Temperaturbereich auch nicht als gekühlte Membranwände ausgeführt sein (vgl. Ausführungen zur Innen- und Außenisolierung der Kanäle der Abgasstrecke). Um den Dampfprozess wirtschaftlich betreiben zu können, sollte die Frischdampftemperatur lediglich 30–40 K unterhalb der Abgaseintrittstemperatur liegen. Damit ergeben sich zwei weitere konstruktive Konsequenzen für den AHDE.
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1. Der Überhitzer muss zwangsläufig als Gegenstromheizfläche ausgeführt sein. (Exakter müsste es heißen: im Kreuzstrom-Gegenstrom, da die Heizflächenlagen vom Gasstrom quer angeströmt werden und sich die durch Umlenkungen verbundenen einzelnen Wärmetauscherrohre schlangenförmig durch den Abgaskanal winden. Auf diese exaktere Spezifizierung bei der Terminologie wird aber in der Praxis weitgehend verzichtet.) 2. Geringe treibende Temperaturdifferenzen für den Wärmedurchgang haben generell große Heizflächen zur Folge. Damit ergibt sich aber für den Abhitzedampferzeuger ein Dilemma. Erweitert man den Querschnitt, um mehr Heizfläche unterzubringen, führt dies zu einer Querschnittserweiterung und damit zu einer unerwünschten Verzögerung der Abgasgeschwindigkeit. Damit fällt der ohnehin schon recht geringe Wert des abgasseitigen Wärmeübergangskoeffizienten noch weiter ab, was eine nochmalige Vergrößerung der Heizfläche bedingt, um den geforderten Wärmestrom zu übertragen. Geht man den anderen Weg, und hält die Abgaseintrittsgeschwindigkeit in das Heizflächenbündel konstant, hat eine Vergrößerung der Heizfläche den Anstieg der Rohrlagenanzahl in Strömungsrichtung zur Folge, was den abgasseitigen Druckverlust ungünstig beeinflusst. Dies hat unmittelbar negative Konsequenzen auf die Leistung und den Wirkungsgrad der Gasturbine (vgl. Kap. 2). Darüber hinaus macht eine Abschätzung schnell deutlich, dass bei einer Heizflächenanordnung wie beim befeuerten DE ein AHDE aufgrund der geringeren treibenden Temperaturdifferenz Abmessungen einnehmen würde, die alle wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprengen würden. Deshalb scheidet hier die Verwendung von Glattrohren, wie im traditionellen Dampferzeugerbau üblich, generell aus. Eine Lösung bietet der Einsatz von außenberippten Rohren, die bei identischen Kernrohrabmessungen ungefähr eine um den Faktor 10 größere Fläche für den äußeren, d. h. abgasseitigen Wärmeübergang ermöglichen. Der Abfall des äußeren Wärmeübergangskoeffizienten von ca. 100 W=.m2 K/ bei Glattrohren auf ca. 70 W=.m2 K/ bei gängigen Rippen- und Kernrohrabmessungen (sog. Rippenwirkungsgrad, s. auch VDI-Wärmeatlas, Abschnitt Mb [5.29]), zeigt immer noch erhebliche Vorteile gegenüber Glattrohren aufgrund der deutlich größeren spezifischen Oberfläche. Da die Rippen in der Regel nur ca. 1 mm stark sind, ist ihr Einfluss auf den abgasseitigen Druckverlust des AHDE sehr begrenzt, zumal durch den Einsatz der Rippenrohre auch absolut gesehen deutlich weniger Rohre als bei vergleichbaren Glattrohrpaketen eingesetzt werden können. Rippenrohre – Typen und Anordnung im Heizflächenbündel Sind in der konventionellen Dampferzeugertechnik, wo Rippenrohre zuweilen im Economizerbereich Verwendung finden, die Rippen teilweise noch einzeln auf das Grundrohr aufgeschweißt, so werden bei den Abhitzedampferzeugern rationellere Verfahren bei der Herstellung eingesetzt. Dies wird vor allem dadurch ermöglicht, dass die Heizflächenpakete von Abhitzedampferzeugern schon in den Werken des Dampferzeugerherstellers montiert werden. Dabei ist man bemüht, von vornherein möglichst mit einheitlichen Bündelabmessungen und Rohr-/Rippenabmessungen
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auszukommen, um Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Großserienfertigung zu schaffen. So haben sich bei den Rohrlängen vertikaler AHDE Abmessungen herauskristallisiert, die in Verbindung mit den Krümmern an den Rohrenden zur Umlenkung in eine neue Rohrlage und den Sammlern am Ein- und Austritt der Heizfläche montiert gerade noch problemlos transportiert werden können. Rippenrohrtypen Die Rippen werden als Endlosband über eine Wickelmaschine spiralförmig auf das Grundrohr aufgesetzt und der Kontur angepasst. Dabei wird der Rippenfuß gleichzeitig mit dem Grundrohr verschweißt. Aufgrund der Schweißverbindung, die eine gute Wärmeleitung von den Rippen zur Innenfläche des Grundrohres ermöglicht, wo die Wärme an die Wasser-/Dampfseite abgegeben wird, ist für das Grundrohr eine Mindestwandstärke von ca. 2,8 mm vorzusehen, auch wenn diese Wandstärke aufgrund eines geringen Druckes (z. B. im Niederdrucksystem) aus Festigkeitsgründen eigentlich nicht benötigt wird. Neben den spiralförmig gewickelten Rippenrohren mit glatten, durchgehenden Rippen (engl.: solid fins), die auf die oben beschriebene Weise hergestellt werden, kommen in Abhitzedampferzeugern auch Rippenrohre zum Einsatz, die mit sog. geschlitzten Rippen (engl.: serrated fins) bestückt sind. Diese werden ähnlich wie die glatten Berippungen hergestellt, jedoch wird das Endlosband vorher auf der dem Rohr abgewandten Seite in kurzen Abständen geschlitzt. So lässt sich das Band mit geringerem Kraftaufwand um das Grundrohr wickeln. Dabei verwinden sich die Rippen, die jetzt mehr auf das Grundrohr aufgesetzten, angestellten Einzelflügeln ähneln, was bei Anströmung die Turbulenz und damit den Wärmeübergang verstärkt. Beide Wärmetauscherrohrtypen sind in Abb. 5-28 gegenübergestellt. Bei gasbefeuerten Systemen sind aufgrund der sauberen Verbrennung Rippenrohre sehr gut einsetzbar, bei ölbefeuerten Gasturbinen trifft dies im Normalfall ebenfalls zu. Lediglich bei Sonderbrennstoffen (z. B. bei Raffinerierückständen mit hohem Vanadiumanteil) kann es zu starken Verschmutzungen kommen, die ähnlich wie in befeuerten Dampferzeugern mit Rußbläsern oder anderen geeigneten Metho-
Abb. 5-28 Gegenüberstellung von spiralförmig gewickelten AHDE-Rippenrohren mit ungeschlitzten und geschlitzten Rippen (rechtes, kürzeres Muster; Vogt Power International Inc.)
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den periodisch abgereinigt werden müssen. Diese Verschmutzung trifft aber in noch stärkerem Maß die empfindlichere Gasturbine, so dass GuD-Anlagen mit diesen Sonderbrennstoffen nur selten betrieben werden. Es existieren aber solche Anlagen, wobei man die betrieblichen Erschwernisse in Kauf nimmt, da der Brennstoff kostengünstig verfügbar ist. Anordnung der Heizflächenrohre Grundsätzlich lassen sich die Rippenrohre im Abhitzedampferzeuger wie auch die normalen Heizflächenrohre in befeuerten Dampferzeugern oder anderen Wärmetauschern fluchtend oder versetzt anordnen. Bei der fluchtenden Anordnung sind die Rohre in Strömungsrichtung in einer Linie hintereinandergereiht, die nachfolgenden Rohre liegen direkt im Windschatten des vordersten Rohres. Demgegenüber werden bei der versetzten Anordnung, bezogen auf die Strömungsrichtung des Abgases, die Rohre der folgenden Lage jeweils genau zwischen den Rohrpositionen der davor angeordneten Rohrlage platziert. Damit wird jedes Rohr wieder annähernd gleich angeströmt (s. Abb. 5-29, Vergleich von fluchtender und versetzter Anordnung). In Abb. 5-30 ist die Verbindung der Rippenrohre mit einem Sammler dargestellt. Generell werden fluchtende Anordnungen im Dampferzeugerbau und in der Verfahrenstechnik bevorzugt, wenn das Rauchgas stark partikelbeladen ist, um Anbackungen oder auch Erosionen zu vermeiden. Da bei der versetzten Anordnung das abzukühlende Gas wie auf einer Slalomstrecke um die Rohre herum strömen muss, ergibt sich hier ein deutlich besserer Wärmeübergang als bei der fluchtenden Rohranordnung. Die Steigerung liegt in der Größenordnung von ca. 30%. Da in Abhitzedampferzeugern sowohl bei Gas- als auch bei Ölfeuerung der Gasturbine die Verbrennungsgase nahezu partikelfrei sind (Rußpartikel, die bei Ölbetrieb entstehen können, haben Durchmesser in der Größenordnung von 0,02 µm und folgen damit auch weitestgehend der Gasströmung), sollte man annehmen, dass in Abhitzedampferzeugern alle Heizflächen in versetzter Anordnung ausgeführt sind. Das trifft heute auch zu, jedoch gab es in der Vergangenheit auch Hersteller, die der
Abb. 5-29 Schematische Darstellung der fluchtenden und der versetzten Rohranordnung in Heizflächenbündeln mit Rippenrohren
5 Kraftwerkskomponenten Abb. 5-30 Sammler mit eingeschweißten Rippenrohren als Grundelement der Heizfläche eines horizontalen Naturumlauf-AHDE (VogtNEM)
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Verbindung Rippenrohre – Sammler Horizontaler Abhitzedampferzeuger
versetzte Rohranordnung spiralgewickelte Rippen keine Rohrbiegungen erforderlich (gute Festigkeit) unkomplizierte Fertigung (unidirektionale Sammlerbohrungen, gute Platzbedingungen zum Schweißen)
fluchtenden Anordnung den Vorzug gaben, da sie speziell in Hinblick auf die Fertigung der Heizflächen und die Aufhängung in vertikalen Abhitzedampferzeugern Vorteile sahen. Einflutige und mehrflutige Heizflächen Bisher wurden die Heizflächenrohre und ihre Anordnung im Bündel ausschließlich von der Abgasseite her betrachtet. Aber auch die Wasser-/Dampfseite hat Forderungen an die konstruktive Auslegung der Heizflächen. Wesentliches Kriterium hierbei ist die Einhaltung der maximal zulässigen Strömungsgeschwindigkeit, die je nach Aggregatzustand des Kühlmediums und dem herrschenden Systemdruck unterschiedlich ausfallen kann (vgl. hierzu auch die im Folgenden zusammengestellte Charakterisierung der Heizflächentypen für weitere Einzelheiten). Konstruktiv hat man zwei Möglichkeiten, die Geschwindigkeit in den Rohren zu beeinflussen: zum einen über die Wahl des Rohrinnendurchmessers, zum anderen über die Anzahl der parallel durchströmten Rohre. Beide Möglichkeiten geben keinen großen Freiraum für Feineinstellungen. Bezüglich der Rohre ist man nach den Ausführungen der vorangegangenen Abschnitte bemüht, möglichst einheitliche Rohrabmessungen im gesamten Abhitzedampferzeuger einzusetzen. Über die Rohr- und Rippenabmessungen ist auch die Anzahl der Rohre pro Lage des Heizflächenbündels bzw. die Teilungsgeometrie vorgegeben. Man versucht dabei immer, möglichst viele Rohre pro Lage unterzubringen. Überschreitet die Anzahl der parallelen Rohre, die nötig sind, um die maximal zulässige Geschwindigkeit im Rohr nicht zu überschreiten, die Zahl der aus Platzgründen möglichen Rohre pro Heizflächenlage, so muss zwangsläufig eine zweite, parallel durchströmte Lage eingeplant werden. Man spricht hier von einer zweiflutigen Heizfläche, d. h., in Strömungsrichtung des Abgases gesehen, werden immer zwei hintereinander angeordnete Rohrreihen (Fachbegriff: Lagen) des Heizflächen-
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Abb. 5-31 Gegenüberstellung von einflutig und zweiflutig ausgeführten Heizflächen
bündels parallel durchströmt. Reicht eine zweiflutige Anordnung nicht aus, ist auf drei oder noch mehr Fluten überzugehen (vgl. Abb. 5-31, wo ein- und mehrflutige Anordnungen schematisch skizziert sind). Gekämmte Heizflächen Bis hin zum 2-Druck-Prozess lassen sich alle Heizflächen entsprechend der Temperatur des Kühlmediums in Strömungsrichtung hintereinander anordnen. Beim Dreidruckprozess oder generell bei Prozessen mit Zwischenüberhitzung ist eine weitere Besonderheit bei Abhitzedampferzeugern zu beachten (auf diese unterschiedlichen Prozesse wird in Abschn. 5.3.2.2 noch detailliert eingegangen): Es wurde schon ausgeführt, dass die Frischdampftemperatur bei GuD-Prozessen nur etwa 30–40 K unterhalb der Temperatur des in den AHDE eintretenden Abgasstromes liegt (sog. Überhitzer-Approach-Temperaturdifferenz). Soll nun in einem komplexeren Prozess der in der Hochdruckstufe der Dampfturbine auf Mitteldruckniveau entspannte und damit abgekühlte Dampf in einer Zwischenüberhitzung wieder auf das Temperaturniveau des Frischdampfes gebracht werden, so steht man aufgrund der geringen Temperaturdifferenz zwischen Abgas und Dampf vor einem Problem. Es ist nicht möglich, den Zwischenüberhitzer abgasseitig einfach stromab des Frischdampfüberhitzers anzuordnen. Dabei wäre aufgrund des Temperaturabbaus des Abgases in diesem Hochdrucküberhitzer keine Zwischenüberhitzung des entspannten Dampfes auf Frischdampftemperaturniveau mehr realisierbar. Eine Abhilfe bietet hier eine Heizflächenkämmung. Diese kann auch bei anderen Heizflächen als den schon mehrfach angesprochenen Überhitzern angewandt werden, sie ist immer dann wirksam, wenn das Kühlmedium in mehreren Druckstufen parallel auf annähernd identische Temperatur gebracht werden soll. Prinzipiell ergeben sich verschiedene konstruktive Möglichkeiten der Heizflächenkämmung. Ordnet man in Strömungsrichtung des Abgases gesehen, jede zweite Rohrlage jeweils der anderen Druckstufe zu, spricht man von einer Lagenkämmung. Ein ähnlicher Effekt lässt sich erreichen, wenn man in jeder Lage jedes zweite Rohr
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Abb. 5-32 Parallele Installation von verschiedenen Heizflächen in einem Abgasabschnitt (Heizflächenkämmung). Prinzipielle Möglichkeiten sind die Scheibenkämmung (oben) und die Lagenkämmung (unten)
der anderen Druckstufe zuordnet. Diese Anordnung wird als Scheibenkämmung bezeichnet. Beide Möglichkeiten sind in Abb. 5-32 gegenübergestellt. In der Praxis wird die Scheibenkämmung nicht eingesetzt. Auch die reine Lagenkämmung ist kaum verbreitet. Der Grund hierfür liegt in der komplexen Anordnung der Umlenkungsstücke zwischen den beiden Heizflächen sowie der in Strömungsrichtung gesehen oft unterschiedlichen Größe der zu verschachtelnden Heizflächen. Häufig wählt man deshalb den Kompromiss, dass man jeweils 2–3 Lagen einer Heizfläche ungestört durch die andere anordnet, dann folgen mehrere Lagen der anderen Heizfläche, wiederum gefolgt von einer Sektion der ersten, etc. Die Teilheizflächen werden durch Ein- und Austrittssammler jeweils abgegrenzt. Über diese Sammler ist es möglich, mit deutlich weniger Rohren als bei den Umlenkungen der reinen Lagenkämmung die Verbindung mit der nächsten Sektion der entsprechenden Heizfläche herzustellen. Durch die höhere Anzahl an Sammlern steigen zwar die Anlagenkosten geringfügig, dies nimmt man aber in Kauf, da hierdurch eine bessere Strukturierung des AHDE erreicht wird, was auch bei eventuellen Reparaturarbeiten an den Heizflächen vorteilhaft ist.
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5.3.2.2 Heizflächencharakterisierung Zu Beginn des Abschn. 5.3.2 wurde schon auf die prinzipiellen Prozessschritte Vorwärmung, Verdampfung und Überhitzung eingegangen. Im Folgenden werden die hierfür benutzten Heizflächen näher beschrieben. Die Reihenfolge der Ausführungen orientiert sich dabei an dem Weg des Abgases durch den Abhitzedampferzeuger. Überhitzer/Zwischenüberhitzer In den Überhitzern und Zwischenüberhitzern wird der erzeugte Dampf von Sättigungsbedingungen ausgehend weiter aufgeheizt, um in der nachgeschalteten Dampfturbine den höchstmöglichen Wirkungsgrad zu erzielen. In den Rohren des Überhitzers und des Zwischenüberhitzers strömt reiner Dampf, man hat es mit einer einphasig beaufschlagten Heizfläche zu tun. Für den Hochdruckdampf sind Strömungsgeschwindigkeiten bis zu 30 m=s zulässig, für den Zwischenüberhitzer aufgrund der geringeren Dichte des Mediums (Mitteldruckstufe) bis zu 40 m=s. Bei vertikalen Abhitzedampferzeugern sind Rohre mit den Abmessungen 38 mm Außendurchmesser mit 3,2 mm Wandstärke am häufigsten anzutreffen, die Rippen sind ca. 15 mm hoch und haben eine Stärke von 1–1,5 mm. Überhitzer/Zwischenüberhitzer sind immer im Gegenstrom, korrekter gesagt im Kreuzstrom/Gegenstrom geschaltet (vgl. Abb. 5-33). Aufgrund dieser Schaltung, bei der die heißen Gas- und Dampfseiten sowie die kalten Gas- und Dampfseiten jeweils örtlich einander zugeordnet sind, und der hohen Aufwärmspanne von mehr als 200 K im Überhitzer können in den verschiedenen Lagen dieser Heizflächen aus Gründen der Kostenoptimierung unterschiedliche Rohrmaterialien entsprechend der lokal herrschenden Temperatur eingesetzt werden. Um die dem Überhitzer nachgeschaltete Dampfturbine vor unzulässigen Temperaturen zu schützen, ist im Bereich dieser Heizfläche ein Einspritzkühler vorgesehen, der bei einer zu starken Überhitzung des Dampfes, die durch betriebliche Störungen verursacht werden kann, diesen durch Einspritzung von feinen Sattwassertröpfchen auf die zulässige Temperatur zurückkühlt, wobei die Tröpfchen verdampfen. Da Gasturbinen betrieblich so geregelt werden, dass die Abgastemperatur auch bei Schwankungen der Umgebungstemperatur konstant gehalten wird, vgl. auch Abschn. 5.3.1, ist im Gegensatz zum befeuerten Dampferzeuger, wo Einspritzkühler auch im Normalbetrieb in die Regelung eingreifen, bei GuD-Anlagen die Abspritzung nur bei Störungen aktiviert, vorausgesetzt, der GuD-Prozess wurde korrekt ausgelegt. Einspritzkühler sind nahezu leistungsneutral. Die beabsichtigte Verringerung der Temperatur und damit auch der spezifischen Enthalpie des Dampfes wird durch eine Erhöhung des Dampfmassenstromes durch die Einspritzung weitestgehend kompensiert. Um die Dampfturbine vor eventuell noch nicht verdampften Tröpfchen zu schützen, sind mehrere Methoden möglich. Bei einer langen Dampfleitung, die vorteilhaft auch noch mehrere Umlenkungen aufweisen sollte (z. B. Krümmungsbögen zur Aufnahme der Wärmeausdehnung) kann man den Einspritzkühler direkt stromab des Überhitzeraustrittssammlers anordnen. Durch die Strömungsumlenkungen und die lange Dampfleitung ist es
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Abb. 5-33 AHDEÜberhitzer, zweiflutige Rippenrohranordnung im Kreuz-/ Gegenstrom
Abb. 5-34 Geteilter Überhitzer mit Einspritzkühlung in den Zwischensammler
praktisch ausgeschlossen, dass noch Tropfen in die Turbine eintreten können. Diese Methode ist kostengünstig und effektiv. Der Einspritzmassenstrom kann bei der wärmetechnischen Auslegung des Systems über reine Mischungsregeln bestimmt werden, es liegen keine weiteren Abhängigkeiten vor. Bei nicht so eindeutigen Verhältnissen (z. B. kurze, gerade Dampfleitung) wird der Einspritzkühler vorteilhafter innerhalb des Überhitzers integriert. Diese Methode macht es notwendig, die Heizfläche zu teilen und jeweils Sammler an den neuen Ein- und Austrittsenden anzubringen. Der Einspritzkühler wird dann an einen der Sammler angeschlossen. Diese konstruktive Lösung ist in der Regel mit größerem Aufwand verbunden. Durch die engen 180ı -Bögen der Umlenkungen in den Heizflächen und die zusätzliche Einbringung von Wärme von der Gasseite her bestehen jedoch sehr gute Voraussetzungen, auch die letzten verbleibenden Tröpfchen des Einspritzmassenstromes nach wenigen Metern Strömungsweg zu verdampfen (Anordnung s. Abb. 5-34).
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Bei Abhitzedampferzeugern mit Zwischenüberhitzung sind in der Regel sowohl der Frischdampfüberhitzer als auch der Zwischenüberhitzer geteilt (Kämmung). Bei diesen Verhältnissen bietet es sich an, die Einspritzkühler für den Hoch- und den Mitteldruckteil (Zwischenüberhitzung) wie oben beschrieben an der Trennstelle zwischen den beiden Teilheizflächen einzubinden. Dabei ist es auch möglich, mehrere, gestufte Einspritzkühler vorzusehen. Die Auslegung der Einspritzkühler, die nicht stromab der letzten Heizfläche geschaltet sind, ist deshalb komplizierter, da hier der schon abgekühlte Dampf bei seinem Weg durch die Heizflächenrohre wiederum erhitzt wird. Eine Massenstromzunahme darf nicht zu einer Überschreitung der maximal zulässigen Geschwindigkeit in den Überhitzerrohren führen. Die heute verfügbaren AuslegungsRechenprogramme für Abhitzedampferzeuger als auch die in der Leittechnik eingesetzten Regelungsprogramme berücksichtigen jedoch diese Abhängigkeiten, so dass in den Heizflächenbereich integrierte Einspritzkühler eine etablierte Technik darstellen. Verdampfer Im Gegensatz zu befeuerten Dampferzeugern werden aus Kostengründen zurzeit noch die überwiegende Anzahl der Abhitzedampferzeuger unterkritisch ausgelegt. Damit können kostengünstige Trommel-Umlaufverdampfersysteme eingesetzt werden. Die Trommeln haben mehrere Aufgaben. Die Wasservorlage dient als Reservoir für den umlaufenden Verdampfermassenstrom. Im oberen Bereich der Trommeln sind Einbauten zur Dampfseparation und -trocknung installiert. Um zu vermeiden, dass aufgrund der ständigen Verdampfung sich die Mineralbestandteile des Speisewassers in der Trommel anreichern, wird an deren Unterseite kontinuierlich Wasser abgezogen, das zur Wasseraufbereitung geleitet wird. Dieser Vorgang wird als Abschlämmung bezeichnet. Die Abschlämmrate beträgt ca. 1–3% des Speisewasserstromes, abhängig von den jeweiligen Empfehlungen des Dampferzeugerherstellers für sein Produkt. Da Abhitzedampferzeuger i. d. R. deutlich kleinere Dampfmengen produzieren als konventionelle Dampferzeuger und sie darüber hinaus mit einem geringeren Systemdruck betrieben werden, sind hier die Durchmesser der Trommeln und deren Wandstärken noch so moderat, dass es kaum zu Restriktionen beim An- und Abfahren kommt. Bei den Umlaufverdampfern können prinzipiell zwei Techniken eingesetzt werden: 1. Die Umwälzung des Zweiphasengemisches durch die Heizfläche erfolgt über eine Pumpe. In diesem Fall spricht man von einem Zwangumlaufsystem. Diese Technik ist universell einsetzbar (Gleichstrom, Gegenstrom, geringe Höhenunterschiede im Heizflächenbündel), hat aber die Nachteile, dass redundante Umwälzpumpen installiert werden müssen, was die Investitionskosten erhöht, und dass im Betrieb der Anlage durch diese Pumpen der Eigenbedarf nicht unerheblich angehoben wird. In Abb. 5-35 ist der Zwangumlaufverdampfer schematisch dargestellt. 2. Aus diesem Grund entscheidet man sich vielfach für eine einfachere Variante, den Naturumlaufverdampfer. Hier wird der geodätische Höhenunterschied zwischen
5 Kraftwerkskomponenten
165
Abb. 5-35 Prinzip der Zwangumlaufverdampfung (hier vertikaler AHDE mit vierflutig angeordneten horizontalen Rippenrohren im Kreuzstrom-Gleichstrom)
dem Verdampfereintritt und -austritt genutzt. Angenommen, der Verdampfereintritt liegt sehr viel tiefer als die Verdampfertrommel, in der sich in erster Näherung reines Sattwasser befindet, so lastet auf dem Verdampfereintritt ein geodätischer Druckanteil von pgeo, Tr-Hz D Sattwasser gh
(5.4)
mit p g h
Druckunterschied Dichte des Kühlmediums Erdbeschleunigung Höhenunterschied
Indizes: geo Tr Hz Sattwasser
geodätisch (Verdampfer-)Trommel (auf Höhe Zweiphasengemischeintritt) (Verdampfer-)Heizfläche (auf Höhe Sammlereintritt) aus der Verdampfertrommel austretendes flüssiges Kühlmedium
Pa, MPa, bar kg=m3 m=s2 m
Tritt dieses Sattwasser nun in die Heizfläche ein, so wird auf dem Weg durch die Verdampferrohre immer mehr Dampf gebildet. Da der Dampf bei dem in AHDE-
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Systemen typischen Druckniveau eine deutlich geringere Dichte als das Sattwasser hat, fällt die geodätische Druckdifferenz geringer aus: pgeo, Hz-Tr D Zweiphasengemisch gh Index: Zweiphasengemisch
(5.5)
mittlerer Zustand des Zweiphasengemisches zwischen Heizflächeneintritt und Trommeleintritt.
Ist die Summe aus geodätischer Druckdifferenz der Wassersäule zwischen Trommel und Heizflächeneintritt und Druckverlust auf dieser Strecke größer als die Summe aus dem geodätischen Druckunterschied und dem entsprechend Druckverlust zwischen Heizflächeneintritt und Trommeleintritt, so stellt sich eine selbstregelnde Umwälzströmung ein (vgl. Abb. 5-36). pgeo, Tr-Hz C pVerlust, Tr-Hz > pgeo,Hz-Tr C pVerlust, Hz-Tr Index: Verlust
(5.6)
irreversibler Druckverlust.
Abb. 5-36 Zur Herleitung der Bedingungen für einen stabilen Naturumlauf (hier: vertikaler AHDE mit horizontalen Verdampferrohren)
5 Kraftwerkskomponenten
167
Je stärker in der Heizfläche Wärme von der Gasseite auf die Wasser-/Dampfseite übertragen wird, desto mehr Dampf wird produziert. Damit nimmt die Dichte des Zweiphasengemisches weiter ab und die treibende Druckdifferenz der Wassersäule von Trommelaustritt bis Verdampfereintritt kann den Durchsatz in den Verdampferrohren steigern. Dadurch vergrößert sich jedoch der Druckverlust, bis sich ein neuer Gleichgewichtszustand im Verdampfersystem einstellt. Der Druckverlust auf der Strecke vom Trommelaustritt bis zum Verdampfereintritt ist demgegenüber vernachlässigbar, da hier das Wasser relativ langsam durch ausreichend dimensionierte Fallrohre strömt. Voraussetzung für einen Naturumlauf sind somit ausreichende Höhenunterschiede und geringe Druckverluste in der Verdampferheizfläche, d. h. große Parallelrohrzahl zur Reduzierung der Strömungsverluste (die maximal zulässige Strömungsgeschwindigkeit in Umlaufverdampfern beträgt 7 m=s). Diese Bedingungen sind am besten im horizontalen Abhitzedampferzeuger erfüllt (vgl. Abb. 5-37). Hier werden die Rohre senkrecht durch den waagerecht verlaufenden Abgaskanal geführt. Die
Abb. 5-37 Naturumlaufverdampfer im horizontalen AHDE mit vertikalen Rippenrohren (achtflutige Anordnung)
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Trommel ist oben auf dem Dampferzeuger angeordnet. Da die Rohre senkrecht in dem Dampferzeuger hängen, lassen sich auch einfacher größere Rohrdurchmesser als in Dampferzeugern mit horizontalen Heizflächenrohren einsetzen, wo man möglichst kompakt bauen möchte, um insgesamt Bauhöhe einzusparen (dies wirkt sich insbesondere kostenmäßig bei dem für diesen AHDE-Typ notwendigen Traggerüst aus). Waren bis zu Beginn der neunziger Jahre in allen vertikalen Abhitzedampferzeugern, d. h. AHDE, in denen das Abgas um 90ı umgelenkt wird und somit die Heizflächen gasseitig von unten nach oben durchströmt werden, Umwälzpumpen eingebaut, konnte durch Versuche im GuD-Kraftwerk Ambarli (Türkei) festgestellt werden, dass auch bei einer horizontalen Verdampferheizfläche, bei der die Höhendifferenz im Bündel nur wenige Meter beträgt (im Gegensatz zum horizontalen AHDE mit vertikalen Rohren, wo 15–20 m Höhenunterschied die Regel sind) ein stabiler Naturumlauf bei Abschaltung der Umwälzpumpen aufrechterhalten werden konnte. Heute werden auch die meisten vertikalen AHDE im Naturumlauf betrieben, aus Sicherheitsgründen kann für die Anfahrphase parallelgeschaltet eine kleine
Abb. 5-38 Vertikaler AHDE mit Naturumlaufverdampfer und zusätzlicher Anstoßpumpe zum Anfahren des Systems
5 Kraftwerkskomponenten
169
Anstoßpumpe vorgesehen werden (vgl. Abb. 5-38). Weitere Details über vertikale und horizontale AHDE-Bauformen sind in Abschn. 5.3.2.3 zu finden. Im Gegensatz zu dem Überhitzer sind Verdampferheizflächen meist im (Kreuzstrom-)Gleichstrom geschaltet, es ist aber auch (Kreuzstrom-)Gegenstrom möglich. Bei horizontalen Naturumlaufverdampfern ist aus den oben aufgeführten Gründen nur eine parallele Durchströmung der Verdampferrohre möglich (reiner Kreuzstrom). Da ein Verdampfer dadurch charakterisiert ist, dass in dieser Heizfläche nicht primär die Temperatur des Kühlmediums geändert wird, sondern dessen Aggregatszustand, ist die Unterscheidung in Gleich-/Gegenstrom bis auf die Ausnahme „vertikaler AHDE mit Naturumlaufverdampfer mit mehreren Windungen durch den Abgaskanal“ technisch unerheblich. In der Verdampferheizfläche herrschen Sättigungsbedingungen, damit ändern sich die lokalen Temperaturen längst des Strömungsweges nur in Abhängigkeit von dem Druckverlust, der bei AHDEVerdampferheizflächen in der Größenordnung von 2–4 bar liegt, was z. B. in der Hochdruckstufe eines 3-Druck-AHDE bei einem Systemdruck von ca. 120 bar kaum zu einer Änderung der lokalen Temperatur führt. Viel wichtiger für die Auslegung des gesamten AHDE-Systems ist die Tatsache, dass nur der Teil der Gasturbinenabgaswärme zur direkten Dampfproduktion herangezogen werden kann, deren Temperaturniveau oberhalb der Verdampfungstemperatur liegt. Bei einer unendlich großen Verdampferheizfläche könnte man verdampfen, bis die Abgastemperatur und die Dampftemperatur exakt gleich wären. In der Praxis ist zwischen Kosten und optimaler Dampferzeugung ein Optimum zu finden. Als Parameter für dieses Optimum hat man den sog. „Pinch Point“ definiert, der auch in die deutsche Terminologie übernommen wurde (der ursprüngliche deutsche Begriff „Zwickelpunkt“ konnte sich nicht durchsetzen). Streng genommen ist der „Pinch Point“ als der Ort im Wärmeabgabe-Temperatur-Diagramm, auch als P „Q-T“-Diagramm bezeichnet, definiert, an dem die nahezu horizontal verlaufende Verdampferlinie der stetig fallenden Abgaslinie am nächsten kommt (vgl. Abb.
Temperatur
Abgasseite Pinch Point
Temperaturdifferenz am Pinch Point Wasser-/DampfSeite Überhitzer
Verdampfer
Economizer Wärmeabgabe
Abb. 5-39 Definition des Pinch Point im Temperatur-Wärmeabgabe-Diagramm
170
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5-39). Ein Maß für die Güte der Dampfproduktion in der jeweiligen Druckstufe des AHDE ist die Temperaturdifferenz zwischen dem Abgas und dem Dampf an diesem Punkt. Oft wird im Abhitzedampferzeugerbau, physikalisch nicht korrekt, von einen „Pinch Point von 8 K“ gesprochen. Gemeint ist in jedem Fall eine Temperaturdifferenz von 8 K am Pinch Point. Diese Temperaturdifferenz ist ein direktes Maß für den Fachmann, wie nahe man für ein Projekt an die theoretische „Nulldifferenz“ herangegangen ist, d. h. letztlich, wie viel Heizfläche man in der Druckstufe installiert hat. Da die Heizflächen in erster Näherung direkt proportional zu den Gesamtkosten eines Abhitzedampferzeugers sind, lässt sich in der Praxis über diese Kennzahl gut ein Vergleich über das Leistungsvermögen und die Kosten unterschiedlicher AHDE ziehen. Für die Hochdruckstufe wird heute allgemein eine Temperaturdifferenz am Pinch Point von 8–10 K angesetzt, ebenso für die Mitteldruckstufe. Bei der Niederdruckstufe nimmt man gewisse Abstriche in Kauf, da dieser Dampf energetisch minderwertiger ist. Hier liegt heute die wirtschaftlich vertretbare Größenordnung bei 12– 15 K. Ein AHDE gilt neudeutsch als „scharf gepincht“, wenn in einer oder mehreren Druckstufen noch geringere Temperaturdifferenzen als diese Regelwerte angesetzt werden. Auf den Pinch Point wird im Rahmen der Ausführungen über die AHDEAuslegung noch einmal eingegangen. Im Zuge der immer weiter steigenden Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit des GuD-Prozesses wurden in den letzten Jahren verstärkt Anstrengungen bei den Kraftwerks- und Dampferzeugerherstellern unternommen, analog zu den befeuerten Dampferzeugern auch bei Abhitzedampferzeugern überkritische Prozesse einzuführen. Da man sich hier in einem Druckbereich oberhalb des Zweiphasengebietes befindet, lassen sich die oben detailliert beschriebenen Umlaufverdampfersysteme und dabei insbesondere die Naturumlaufsysteme nicht mehr nutzen, da kein Dichteunterschied zwischen Wasser- und Dampfphase mehr existiert. Hier findet das Zwangdurchlaufprinzip Anwendung. Eine Hochdruckspeisepumpe fördert geregelt gerade soviel Speisewasser durch ein zusammenhängendes Heizflächensystem, dass am Kesselaustritt in Abstimmung mit dem vorgegebenen gasseitigen Wärmeangebot die entsprechende Frischdampfmenge mit den geforderten überkritischen Dampfparametern herauskommt. Da der Zwangdurchlaufdampferzeuger ohne großvolumige Trommeln auskommt, die zur festigkeitsmäßigen Beherrschung des Systemdrucks dicke Wände benötigen, zeichnet ihn eine schnelle Anfahrzeit aus. Eine kritische Größe bei der Auslegung von Zwangdurchlauf-Verdampfersystemen stellt die Stabilität dar. Da dieser spezielle Aspekt den Rahmen dieses Abschnittes über den Abhitzedampferzeuger sprengen würde, sei hier auf [5.30] verwiesen). Mittlerweile haben die überwiegende Zahl von AHDE-Herstellern zumindestens Pilotprojekte mit überkritischen Dampferzeugern errichtet; z. B. das überkritische AHDE-Projekt „Cottam Development Centre“ in Großbritannien (vgl. auch Ausführungen hierzu in Kap. 3). Um für die Entwicklungen der Zukunft gerüstet zu sein, wurde hier weltweit zum ersten Mal ein Zwangdurchlauf-Abhitzedampferzeuger in horizontaler Bauart nach dem in der konventionellen Dampferzeugertechnik stark verbreiteten BensonPrinzip errichtet. Detailliertere Ausführungen zu diesem innovativen Kraftwerk (In-
5 Kraftwerkskomponenten
171
Erdgas
a
BypassKamin
Generator
Gasturbine
Luft
G ~
HD-Dampf heiße ZÜ
Abgasstrecke
Dampfturbine Kupplung
Kondensator
kalte ZÜ ND-Dampf DampfBypass
NDTrommel
MDDampf
Abgas
horizontaler ZwangdurchlaufAbhitzedampferzeuger
NDÜberhitzer
Erdgas
a
Speisepumpe
Brennstoffvorwärmung
Abb. 5-40 Schaltschema der GuD-Anlage Cottam Development Centre mit horizontalem BensonZwangdurchlauf-AHDE (Siemens Energy)
betriebnahme 1999) sind in [5.31,5.32] zu finden. Abbildung 5-40 zeigt schematisch die Heizflächenanordnung und weitere Details dieses Kraftwerkes. Economizer Diese Heizfläche hat die Aufgabe, das Speisewasser, welches mit ca. 130–150 °C eintritt, auf die Sättigungstemperatur in der Verdampfertrommel aufzuheizen. Da Wasser in den Heizflächenrohren strömt und die äußere Heizflächengeometrie i. d. R. von den Verdampfern und Überhitzern übernommen wurde, ist die gegebene Anzahl an Parallelrohren in einer Lage ausreichend, um mit der wasserseitigen Geschwindigkeit definitiv unterhalb der maximal zulässigen Strömungsgeschwindigkeit von 2 m=s zu bleiben. Damit sind AHDE-Economizer-Heizflächen typischerweise einflutig ausgeführt. Sie werden analog zu den Überhitzern aus identischem Grund im (Kreuzstrom-)Gegenstrom betrieben. In Abb. 5-41 ist die Economizer-Heizfläche eines vertikalen Abhitzedampferzeugers schematisch dargestellt. Ein weiteres Maß für die Güte eines AHDE ist die sog. „Approach Temperatur“ für den Economizer. Auch hier existiert wie beim Pinch Point kein gleichwertiger deutscher Fachbegriff, es wird ebenfalls eigentlich eine Temperaturdifferenz definiert (Abb. 5-42). Auch bei der Temperaturdifferenz Abgas – Frischdampf spricht man von einer „Überhitzer-Approach-Temperatur“. In der Vergangenheit ließen es Dampferzeugerhersteller nicht zu, dass in den letzten Windungen des Economizers bei gewissen Betriebsfällen der Anlage schon
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Abb. 5-41 Prinzip der Economizer-Heizfläche (hier einflutige Anordnung im vertikalen AHDE)
Temperatur
ÜberhitzerApproachTemperaturdifferenz
Abgasseite
EconomizerApproachTemperaturdifferenz
Wasser-/DampfSeite
Überhitzer
Verdampfer
Economizer Wärmeabgabe
Abb. 5-42 Definition der Approach-Temperaturdifferenzen im Temperatur-WärmeabgabeDiagramm
eine Teilverdampfung auftreten konnte. Aus diesem Grund stellte man bei der Dimensionierung der Heizfläche einen Sicherheitsabstand zur Sättigungstemperatur in der Trommel her (2–6 K Economizer-Approach-Temperaturdifferenz). Damit wurde aber eine Verschlechterung des Dampferzeugungsprozesses in Kauf genommen. Strömt das Speisewasser unterkühlt in die Trommel, so muss je nach Trommelbauart entweder erzeugter Dampf kondensieren, um das einströmende Speisewasser auf Sättigungszustand aufzuheizen (vgl. Verdampfertrommel in Abb. 5-36), oder das unterkühlte Speisewasser führt, wenn bei einer alternativen Trommelbauart der
5 Kraftwerkskomponenten
173
erzeugte Dampf nicht mehr mit dem Wasser in der Trommel in Berührung kommt und über Abscheidezyklone unmittelbar in den Überhitzer geleitet wird (vgl. z. B. Trommel in Abb. 5-35), neben der Unterkühlung der Wasserphase in der Trommel damit ebenfalls zu einer Unterkühlung am Verdampfereintritt. Als Konsequenz werden die ersten Meter Strömungsweg im Verdampfer dazu benötigt, das eintretende Wasser auf den Sättigungszustand aufzuheizen. Die zu diesem Zweck benötigte Wärme fehlt nachfolgend zur Dampfproduktion, was letztlich zum gleichen Effekt führt wie die zuvor beschriebene Dampfkondensation zur Speisewasserrestaufwärmung. Bei beiden Trommelkonzepten hat die Einbringung von leicht unterkühltem Speisewasser eine Verringerung der Dampfproduktion zur Folge. In den letzten Jahren hat man auf zwei verschiedene Weisen diesem Effekt entgegengewirkt. Zum einen lassen einige AHDE-Hersteller heute Verdampfungen im Economizer prinzipiell zu, damit kann die Temperaturdifferenz am Approach Point auf Null gesetzt werden. Falls Teilverdampfung unzulässig ist, platziert man das Speisewasserregelventil nicht außerhalb des AHDE, sondern direkt vor die jeweilige Verdampfertrommel der entsprechenden Druckstufe. Damit wird das Speisewasser auf einem erhöhten Druckniveau gehalten, was trotz Erreichen der Sättigungstemperatur in der Economizerheizfläche noch den ausschließlich flüssigen Aggregatzustand sicherstellt. Erst nach dem Verlassen der eigentlichen Heizfläche wird das Speisewasser durch Entspannung auf den Sättigungszustand gebracht, wodurch Beeinträchtigungen der Dampfproduktion vermieden werden. Kondensatvorwärmer Der abgasbeheizte Kondensatvorwärmer (KVW) ist eine weitere Besonderheit bei GuD-Anlagen. Dieser Heizflächentyp ist eigentlich ein Economizer im unteren Temperaturbereich, die für diese Wasserheizfläche getroffenen Aussagen gelten prinzipiell auch für den Kondensatvorwärmer. Konventionelle Dampfprozesse dagegen arbeiten im Wesentlichen mit Dampfturbinenanzapfungen zur Kondensat- und Speisewasservorwärmung. Hierfür ist folgender Grund ausschlaggebend: Bei konventionellen DE-Prozessen ist es aufgrund der hohen Abgas- bzw. Rauchgastemperaturen energetisch günstiger, zuerst möglichst viel Dampf zu produzieren, diesen in den höheren Druckstufen der Turbine voll zu nutzen und ihn erst dann, wenn er sich schon auf relativ niedrigem Druck- bzw. Temperaturniveau befindet, zur Kondensat- und Speisewasservorwärmung zu verwenden. Bei GuD-Anlagen bietet es sich aufgrund der Prozessführung und des noch vorhandenen Wärmeangebotes am kalten Ende des AHDE an, die Kondensatvorwärmung direkt mit der noch verfügbaren Restwärme des GT-Abgases nach Durchgang durch das Niederdrucksystem vorzunehmen. Damit entfällt bei GuD-Anlagen im Normalfall (von einigen wenigen Beispielen aus der Anfangszeit dieser Technik einmal abgesehen) die Anzapfung der Dampfturbine zur Speisewasservorwärmung völlig. In konventionellen Dampfkraftwerken nimmt, durch die Anzapfungen bedingt, der Dampfmassenstrom auf seinem Weg durch die Druckstufen der Dampfturbine ab, während er bei GuDAnlagen aufgrund der dort üblichen Dampfproduktion in mehreren Druckstufen in der Dampfturbine von Stufe zu Stufe zunimmt. Diesem Umstand ist Rechnung zu
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tragen, wenn man unrentable Dampfkraftwerke nachträglich in GuD-Anlagen umwandelt (sog. Repowering, s. [5.27, 5.28]). Bei der Kondensatvorwärmung in GuD-Anlagen ist jedoch zu beachten, dass das Kondensat nicht unmittelbar in den Abhitzedampferzeuger gelangen darf. Bei einer Temperatur von 30–40 °C würden bei direkter Einleitung aufgrund des guten wasserseitigen Wärmeübergangs die Außentemperaturen der Rippenrohre nur geringfügig höhere Temperaturen annehmen (ca. 3–5 K höher). Da Spuren von Schwefel auch bei Erdgas nicht auszuschließen sind, käme es dabei durch Taupunktunterschreitung zu einem langfristigen Korrosionsangriff durch schweflige Säure und Schwefelsäure auf die äußere Oberfläche der KVW-Rippenrohre. Dem wirkt man dadurch entgegen, dass ein Teil des im Kondensatvorwärmer aufgeheizten Wassers direkt nach Verlassen der Heizfläche im Kurzschluss wieder mit dem frisch aus dem Dampfturbinenkondensator zugeführten Originalkondensat vermischt wird (Abb. 5-43). Hierdurch wird eine KVW-Eintrittstemperatur von ca. 60 °C eingestellt, die mit Sicherheit eine Taupunktunterschreitung bei erdgasbefeuerten Prozessen mit lediglich Spuren von Schwefel im Brennstoff ausschließt. Bei höheren Schwefelanteilen im Brennstoff muss die wasserseitige Eintrittstemperatur in diese Heizfläche durch Steigerung der Kurzschlusszirkulation noch weiter entsprechend der Abhängigkeit des Säuretaupunktes vom Schwefelgehalt im Brennstoff erhöht werden. Bis zu einem Wert von ca. 90 °C kann man allein durch Steigerung der oben beschriebenen Zirkulation die KVW-Eintrittstemperatur anheben. Bei höheren Schwefelgehalten – insbesondere bei Ölbetrieb der Gasturbine sind Säuretaupunkttemperaturen von ca. 120–140 °C üblich – reicht diese Maßnahme nicht mehr
Abb. 5-43 Kondensatvorwärmer mit direkter Kondensatrezirkulation zur Gewährleistung einer ausreichend hohen Heizflächeneintrittstemperatur
5 Kraftwerkskomponenten
175
aus. Hier muss ein zusätzlicher, externer Kondensatvorwärmer installiert werden, der durch eine Abzweigung von vorgewärmtem Speisewasser aus dem Economizer beheizt wird. Aus diesem Grund lassen sich bei Ölbetrieb nicht ganz die Anlagenwirkungsgrade und Dampfleistungen des Gasbetriebs erreichen. 5.3.2.3 AHDE-Bauarten Wie schon mehrfach ausgeführt, lässt sich über die Wahl des Dampfprozesses der Gesamtwirkungsgrad der GuD-Anlage maßgeblich beeinflussen. Da man sich bei der Gasturbine mit der Turbineneintrittstemperatur immer an vorderster Front des technisch Machbaren bewegt und am anderen Temperaturende die Kühlbedingungen des Kraftwerkprozesses naturgegeben sind, ist es in der Praxis eigentlich nur möglich, den Wirkungsgrad zu verbessern, indem man die Lücke zwischen dem Gasturbinen- und dem Dampfprozess schließt. In Abb. 5-44 ist im Temperatur-Entropie Diagramm schematisch dargestellt, wie sich der Joule- bzw. Brayton-Kreisprozess der Gasturbine und der Rankine-Dampfprozess bei der GuDSchaltung ergänzen. Eine Möglichkeit der Erhöhung des GuD-Wirkungsgrades bietet z. B. die Einführung der Zwischenüberhitzung im rechten Diagramm, wodurch die freie Fläche zwischen den Einzelprozessen verkleinert wird. Auf die Möglichkeit der Wirkungsgraderhöhung durch Einführung mehrerer Druckstufen für den Wasser-/Dampfkreislauf wurde schon in Kap. 3 (vgl. dort speziell Abb. 3-24) kurz eingegangen. Dabei fällt dem Abhitzedampferzeuger die entscheidende Rolle zu.
T
T
s
s
Abb. 5-44 Prinzipielle Darstellung der kombinierten Gas- und Dampfprozesse im TemperaturEntropie-Diagramm. Über die Einführung einer Zwischenüberhitzung für den Dampfprozess lässt sich bei sonst identischen Randbedingungen für die übrigen Prozessparameter der Gesamtanlagenwirkungsgrad steigern
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Unterteilung des Dampferzeugungsprozesses in mehrere Druckstufen Bei einem 1-Druck-Prozess, der durch die Verfahrensschritte Kondensat- und Speisewasser-Aufwärmung, Verdampfung und Überhitzung gekennzeichnet ist, ergibt sich im Temperatur-Entropie-Diagramm (vgl. Abb. 5-44) eine relativ große freie Fläche zwischen dem auf hohen Temperaturniveau ablaufenden Gasturbinen-Prozess und dem Dampfprozess, der sich in einem niedrigerem Temperaturbereich bewegt. Erst die Ergänzung dieser beiden Prozesse ohne Überlappung ermöglicht prinzipiell den hohen spezifischen Wirkungsgrad des GuD-Prozesses. Ähnlich wie im T -s-Diagramm, wird im Temperatur-Wärmeabgabe-Diagramm (s. Abb. 3-24) eine Wirkungsgradsteigerung dadurch ausgedrückt, dass die durch die Abgaslinie und die Wasser-/Dampflinien begrenzte Fläche verkleinert wird. Da, wie oben schon ausgeführt, alle anderen Prozessparameter praktisch festliegen, kann letztlich nur durch eine Optimierung des Dampfprozesses der GuD-Wirkungsgrad beeinflusst werden (wenn man von der Einführung einer neuen Gasturbinengeneration mit wiederum gesteigerter Gasturbineneintrittstemperatur absieht). Dazu ist es nötig, die Wasser-/Dampflinien in Abb. 3-24 zu modifizieren. Dies lässt sich technisch durch eine Unterteilung des Verdampfungsprozesses erreichen. Führt man für den Abhitzedampferzeuger mehrere Druckstufen zur Dampfproduktion ein, so lässt sich der Zwischenraum zur Abgaslinie deutlich verkleinern. Folgende Wirkungsgradsteigerungen sind ausgehend von einem 1-Druck-Prozess erzielbar (Basis: GuD-Wirkungsgrad 54,1%, Dampfparameter: 65 bar, 540 °C) 2-Druck-Prozess 3-Druck-Prozess 3-Druck-ZÜ-Prozess
1,6 1;6 C 0;5 D 2;1 1;6 C 0;5 C 0;7 D 2;8
Prozentpunkte Prozentpunkte Prozentpunkte
Die zugehörigen Dampfparameter für diese Werte lauten: 2-Druck-Prozess 3-Druck-Prozess
3-Druck-ZÜ-Prozess
HD ND HD MD ND HD MD/ZÜ ND
80 bar, 5 bar, 120 bar, 29 bar, 5 bar, 120 bar, 28 bar 4 bar
540 °C 210 °C 540 °C 320 °C 200 °C 540 °C 540 °C 235 °C
Diese Werte gelten für eine Gasturbine mit einstufiger Verbrennung und für einen GuD-Prozess mit ca. 1190 °C Turbineneintrittstemperatur und ca. 580 °C Turbinenaustrittstemperatur. Alle Wirkungsgradangaben sind als Nettowerte zu interpretieren. Bei Gasturbinen mit mehrstufiger Verbrennung sei bzgl. der GuD-Wirkungsgradthematik auf [5.33] verwiesen. Um diese Wirkungsgradsteigerungen zu realisieren, ist ein hoher technischer Aufwand zu betreiben. Die nachfolgende Aufstellung macht deutlich, welche Heizflächen für die jeweiligen Prozesse vorzusehen sind, um optimale Verhältnisse zu schaffen. Nebeneinanderstehende Heizflächen weisen darauf hin, dass diese Wär-
5 Kraftwerkskomponenten
177
metauscherflächen einem gasseitigen Heizraum zugeordnet werden müssen, d. h., dass sie ineinander gekämmt sind (vgl. dazu Äußerungen in Abschn. 5.3.2.2). Heizflächen in Klammern bedeuten, dass manche Kraftwerkshersteller auf diese Heizflächen verzichten, da diese nur in geringem Umfang den Gesamtprozess beeinflussen (z. B. ND-Überhitzer) oder dass die Funktion der in Klammern gesetzten Heizfläche durch eine andere Heizfläche mit übernommen wird (HD-Überhitzer 1 ! HD-Gesamtüberhitzer; ND-Economizer ! Kondensatvorwärmer).
1-Druck-Schaltung HD-Einspritzung
HD
Frischdampf HD-Speisewasser
HDÜ2 HDÜ1
HDVD
HDECO
Kondensat
KVW
Abb. 5-45 Heizflächenanordnung des 1-Druck-Abhitzedampferzeugers
1-Druck-AHDE (Heizflächenanordnung s. Abb. 5-45): AHDE-Eintritt: heißes GT-Abgas + Überhitzer Verdampfer Economizer Kondensatvorwärmer + Kamin-Austritt: abgekühltes GT-Abgas
178
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2-Druck-Schaltung HD-Einspritzung
HD
ND
Frischdampf
Kondensat
HD-Speisewasser ND-Dampf HDÜ2
HDÜ1
HDVD
HDECO
NDÜ
NDVD
KVW
Abb. 5-46 Heizflächenanordnung des 2-Druck-Abhitzedampferzeugers
2-Druck-AHDE (Heizflächenanordnung vgl. AHDE-Schnitt Abb. 5-17 und Abb. 5-46): AHDE-Eintritt: heißes GT-Abgas + HD-Überhitzer HD-Verdampfer HD-Economizer (ND-Überhitzer) ND-Verdampfer (ND-Economizer) Kondensatvorwärmer + Kamin-Austritt: abgekühltes GT-Abgas
5 Kraftwerkskomponenten
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3-Druck-Schaltung HD
HD-Einspritzung
ND MD
Frischdampf
HDÜ2
HDÜ1
MD-Speisewasser HD-Speisewasser Kondensat
MD-Dampf
ND-Dampf
HDVD
MDÜ HDECO2 NDÜ MDVD HDECO1 MDECO NDVD
Abb. 5-47 Heizflächenanordnung des 3-Druck-Abhitzedampferzeugers
3-Druck-AHDE (mögliche Heizflächenanordnungen vgl. Abb. 5-27 und Abb. 5-47): AHDE-Eintritt: heißes GT-Abgas + HD-Überhitzer 2 (HD-Überhitzer 1) HD-Verdampfer HD-Economizer 2 MD-Überhitzer MD-Verdampfer (ND-Überhitzer) HD-Economizer 1 MD-Economizer ND-Verdampfer (ND-Economizer) Kondensatvorwärmer + Kamin-Austritt: abgekühltes GT-Abgas
KVW
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3-Druck-ZÜ-Schaltung HD
HD-Einspritzung
ND MD
MD-Einspritzung
Frischdampf heiße ZÜ
kalte ZÜ
HDÜ2 ZÜ2 HDÜ1
ZÜ1
MD-Dampf HDVD
ND-Dampf
MD-Speisewasser HD-Speisewasser Kondensat
MDÜ HDECO2 NDÜ MDVD HDECO1 MDECO NDVD
KVW
Abb. 5-48 Schematische Heizflächenanordnung für einem 3-Druck-ZÜ-Prozess mit AHDE in horizontaler Ausführung mit Naturumlaufverdampfern (Konzept: Vogt-NEM, modifizierte Darstellung in Anlehnung an eine Vogt-NEM-Abbildung)
3-Druck-AHDE mit Zwischenüberhitzung: (mögliche Schaltung s. Abb. 5-48) AHDE-Eintritt: heißes GT-Abgas + HD-Überhitzer 2 Zwischenüberhitzer HD-Überhitzer 1 MD-Überhitzer 2 HD-Verdampfer HD-Economizer 2 MD-Überhitzer 1 MD-Verdampfer (ND-Überhitzer) HD-Economizer 1 MD-Econmizer ND-Verdampfer, auch Entgasungsverdampfer (ND-Economizer) Kondensatvorwärmer + Austritt: abgekühltes GT-Abgas
5 Kraftwerkskomponenten
181
Vertikale und horizontale Bauart des Abhitzedampferzeugers Bei den Abhitzedampferzeugern sind grundsätzlich zwei Typen zu unterscheiden, deren Entwicklung geographisch auch verschiedenen Kontinenten zuzuordnen sind. Der vertikale oder stehende Abhitzedampferzeuger ist im Aufbau ähnlich wie ein befeuerter Einzug-Dampferzeuger ausgeführt. Er wurde in Europa entwickelt. Der erste großtechnische Gasturbinen-AHDE dieser Bauart war ein EindruckDampferzeuger für das Kraftwerk Bang Pakong in Thailand. Diese Anlage ging 1984 als erstes GuD-Kraftwerk der Welt ans Netz. Vertikale AHDE zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus (vgl. auch Abb. 5-17): • Gerader, horizontaler Eintrittskanal in den AHDE; • 90ı Strömungsumlenkung; Hier erfolgt die Erweiterung auf den Strömungsquerschnitt im Heizflächenbereich. In die Umlenkung können auch Leitbleche zur Vergleichmäßigung der Anströmung der Heizflächenbündel eingebaut sein. Die Geschwindigkeit des Abgases bei Eintritt in die Überhitzerheizfläche liegt in der Größenordnung von 20 m=s. • Horizontale Heizflächenanordnung, Sammler an beiden AHDE Seiten; • Begehbare Zwischenräume zwischen den Heizflächen; • Oberhalb des Kondensatvorwärmers treten die Tragbalken des Kesselgerüstes durch den Abgaskanal. An ihnen sind sowohl die Heizflächen, die in Lochblechen geführt werden, als auch die AHDE-Kanalwände aufgehängt. Die gesamte Konstruktion wird i. d. R. über vier Gerüstpfeiler auf dem Betonfundament des Kessels abgestützt. Der Abhitzedampferzeuger kann sich analog zu einem befeuerten Dampferzeuger aufgrund des hängenden Konstruktionsprinzips entsprechend der Erwärmung frei ausdehnen. Das durchschnittliche horizontale Tiefenwachstum (d. h. in Richtung der Heizflächenrohre betrachtet) beträgt ca. 20–30 cm im Bereich der hohen Abgastemperatur. Das vertikale Wachstum eines solchen stehenden oder – besser gesagt – hängenden AHDE ist mit ca. 10–15 cm zu beziffern. Die Trommeln sind in großer Höhe auf dem Traggerüst installiert, auch der Speisewasserbehälter, falls vorhanden, ist in das Kesselgerüst integriert. Ein Vorteil des Traggerüstes ist es, dass mit relativ geringem Aufwand begehbare Bühnen um den Dampferzeuger herum angeordnet werden können. Damit sind alle Heizflächen bei Inspektionen gut zugänglich. Dies gilt in besonderem Maße auch für Messstellen im AHDE, die auf diese Weise gut gewartet werden können. Temporäre Messstellen, z. B. für den Abnahmetest der Anlage, sind ebenfalls relativ einfach zu installieren. • Vertikale Abhitzedampferzeuger sind i. d. R. außenisoliert. Der Strömungskanal wird durch heiße Bleche gegen die Umgebung abgegrenzt. Prinzipiell ist jedoch auch eine Innenisolierung möglich, speziell im Bereich der noch heißen Abgastemperatur. Im Gegensatz zu befeuerten Dampferzeugern, wo wegen der höheren Wärmeverluste aufgrund des höheren Temperaturniveaus die Sammler und Krümmer der Heizflächen oft ebenfalls im Rauchgaskanal angeordnet sind, wer-
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den bei Abhitzedampferzeugern lediglich die Rippenrohre im Abgaskanal geführt, die Rohrbögen zur Umlenkung und die Ein- und Austrittsammler in die Heizfläche sind in einem eigenen Raum zwischen dem eigentlichen Strömungskanal und der Außenisolierung angeordnet. Die Qualität des AHDE zeigt sich letztlich dadurch, inwieweit es den Konstrukteuren gelungen ist, auch im heißen Zustand diesen Zwischenraum gegenüber der heißen Abgasströmung zu verblocken. Die Wärme soll dem Abgas im Heizflächenbereich entzogen werden. Es darf dem Abgas kein Weg geboten werden, ohne Abgabe von Wärme diesen Bereich einfach zu umgehen (AHDE-interne Bypassströmungen). Die Gefahr von Bypassströmungen ist nicht auf vertikale AHDE begrenzt. Dieses Phänomen gilt es in gleichem Maße bei den weiter unten beschriebenen horizontalen AHDE zu vermeiden. • Oberhalb der Traggerüstbalken sind in der Regel die Schalldämpferkulissen des AHDE angeordnet. Darüber befindet sich der Kamin. Er ist ähnlich aufgebaut wie der im Rahmen der Abgasstrecke beschriebene Gasturbinen- oder Bypasskamin. Obwohl im AHDE-Kamin das Abgas eine deutlich geringere Temperatur aufweist als im GT-Kamin, ist der Kamindurchmesser im Regelfall in derselben Größenordnung wie der des heißeren Gasturbinenkamins gehalten. Der Grund liegt darin, dass der Abhitzedampferzeuger allein einen deutlich größeren Druckverlust aufweist als die gesamte Abgasstrecke einer reinen Gasturbinenanlage. Den größten Anteil nehmen hier natürlich die dicht gepackten Heizflächen ein. Wo es aber möglich ist, wie z. B. beim Kamin, werden Maßnahmen ergriffen, den Druckverlust zu minimieren. Der Kamin ist gegenüber der Umgebung noch durch eine Regenklappe abgesichert. Auf diese wurde auch schon bei der Beschreibung des Gasturbinenkamins kurz eingegangen. Der Begriff „Regenklappe“ ist etwas verwirrend. Deren Funktion ist es nicht so sehr, das Innere des AHDE vor Regeneinbrüchen zu schützen, obwohl dies in tropischen Gegenden durchaus eine wichtige Aufgabe sein kann. Die Klappe dient vielmehr primär der thermischen Isolierung des Abhitzedampferzeugers beim Abfahren der Anlage. Wie in Abschn. 5.3.4 noch gezeigt wird, hängt es sehr stark von der Temperatur im Wasser-/Dampfsystem ab, wie schnell eine GuD-Anlage wieder hochgefahren werden kann. Durch die geschlossene Regenklappe kann über den Abgasweg keine Wärme mehr das System verlassen, es verbleibt lediglich die Abkühlung durch die unvermeidliche Abstrahlung von Wärme über die AHDE-Isolierung. • Die Speisepumpen und ggf. auch die Verdampferumwälzpumpen werden als schwere Komponenten ebenerdig auf dem Betonfundament des AHDE installiert. Bei der Montage des Abhitzedampferzeugers geht man folgendermaßen vor. Auf dem AHDE-Fundament mit verstärkten Aufnahmepunkten für die Tragpfeiler wird zuerst das Kesselgerüst errichtet. Die verwendeten Strukturen sind weitgehend vorgefertigt. Nachdem das Gerüst und hier insbesondere die horizontalen Tragbalken für den AHDE montiert sind, werden die Trommeln sowie der Speisewasserbehälter installiert und die obere Eindeckung des Heizflächenbereiches bis zur Aufnahme der Schalldämpfer- und Kaminschüsse montiert. Dann werden die Heizflächen von
5 Kraftwerkskomponenten
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oben nach unten sukzessiv montiert. Hierzu werden die schon im Werk des AHDEHerstellers vorgefertigten Sektionen mit einem Lastwagen unter das Kesselgerüst gefahren dort von einer Zug- oder Hochdrückvorrichtung aufgenommen und im Gerüst an die richtige Position gebracht und eingehängt. Oft werden 3 bis 4 Sektionen nebeneinander installiert, um den geforderten Strömungsquerschnitt zu realisieren, da, wie schon vorher beschrieben, die Einzelsektionen aufgrund von Vorfertigung und Transportanforderungen nicht zu groß ausfallen dürfen. Damit kann die eigentliche Heizflächenmontage auf der Baustelle in wenigen Tagen abgeschlossen werden. Trotzdem ist der AHDE in Bezug auf die Gesamtabwicklung des GuD-Projektes die zeitbestimmende Komponente. Hier sind die Vorfertigung der Rippenrohre bei den entsprechenden Herstellern ebenso zu berücksichtigen wie die Vormontage der Heizflächensektionen beim AHDE-Hersteller und die Verschiffung sowie der Transport zur Baustelle. Neben der eigentlichen Montage des Gerüstes, der Heizflächen, der Kanalumfassungsbleche sowie des Schalldämpfers und des Kamins ist beim Abhitzedampferzeuger im Gegensatz zu den anderen Großkomponenten Gasturbine und Dampfturbine auf der Baustelle noch ein erheblicher Aufwand bei der Gesamtmontage zu erbringen. Das reicht von dem Zusammenschweißen von Sammlersektionen über den Anschluss von Pumpen bis hin zur Installation von Ventilen und Messaufnehmern. Das Ausblasen des AHDE (früher Kesselbeizen mit Säure, heute im Wesentlichen Dampfausblasen) und die Druckprobe des Systems sind die nächsten Verfahrensschritte, mit denen der Wasser-/Dampfkreislauf funktionstüchtig wird. Danach folgen die thermische Isolierung und Verkleidung des Kessels (zeitaufwändig aufgrund der Kesselabmessungen) sowie die leittechnische Inbetriebsetzung des Kraftwerks im Zusammenspiel von Gasturbine, AHDE und Dampfturbine. Insgesamt ist ungefähr seit der Jahrtausendwende von der Vertragsunterzeichnung bis zum Abnahmetest bei GuD-Anlagen ein Zeitraum zwischen 16 und 20 Monaten zu veranschlagen. 10 Jahre davor betrug diese Zeitspanne noch 24 bis 36 Monate. Die meisten dieser vorgestellten Montageabläufe treffen auch auf die alternative Bauart, den liegenden Abhitzedampferzeuger, zu. Dieser Kesseltyp, der in den USA entwickelt wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass hier in einen äußeren Kasten, der als selbsttragende, gasdichte Struktur mit Innenisolierung ausgebildet ist, die Heizflächenbündel vertikal eingehängt sind. Bei kleinen AHDE ergeben sich erhebliche Zeitvorteile bei der Montage des Kessels, da hier komplett vorgefertigte Schüsse auf dem Kesselfundament einfach hintereinandergestellt, justiert und verbunden werden. Je größer die horizontalen AHDE ausfallen, desto mehr wird dieser Vorteil relativiert, da aus Transportgründen die Einzelsektionen auf der Baustelle erst zu Schüssen oder Heizflächenelementen zusammengebaut werden müssen (Abb. 5-49 bis 5-51). Trotzdem ergeben sich bezüglich der Montagezeiten noch leichte Vorteile beim liegenden AHDE. Die beiden unterschiedlichen AHDE-Typen sind in Abb. 5-52 gegenübergestellt. Der horizontale Abhitzedampferzeuger ist durch folgende Eigenschaften charakterisiert: • Horizontaler Eintrittskanal, der sich direkt stark nach oben hin aufweitet, ggf. werden auch hier zur Vergleichmäßigung der Strömung Leitbleche eingesetzt.
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Abb. 5-49 Montage von Heizflächenelementen eines horizontalen Abhitzedampferzeugers: Einhängen eines Heizflächenmoduls in den Tragrahmen (Vogt Power International Inc.)
Abb. 5-50 Montage von Heizflächenelementen eines horizontalen Abhitzedampferzeugers: Fixierung des Heizflächemoduls (Vogt Power International Inc.)
Die Abgasgeschwindigkeit am Eintritt in die Überhitzerheizfläche liegt ebenfalls in der Größenordnung von 20 m=s. Da man aus konstruktiven Gründen versucht, die horizontalen AHDE möglichst schmal zu gestalten, werden bei den heutigen Gasturbinengenerationen schon Rippenrohrlängen von ca. 20 m erreicht. Bei vertikalen Abhitzedampferzeugern liegen die entsprechenden Abmessungen in der Größenordnung von ca. 15 m. • Vertikale Heizflächenanordnung, die Sammlersysteme sind ober- und unterhalb der Heizflächenrohre angeordnet (vgl. Abb. 5-30). • Heizflächenbereich: Wie schon weiter oben beschrieben, schließt sich von außen nach innen betrachtet dem selbsttragenden Kasten mit Außenversteifungen die Innenisolierung an, gefolgt von dem eigentlichen Heizflächenbereich. Auch bei horizontalen AHDE sind die Sammlersysteme und Rohrbögen durch Blechkonstruktionen von der eigentlichen Strömungs- und Wärmeübertragungszone getrennt. Aus diesem
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Abb. 5-51 Montage von Heizflächenelementen eines horizontalen Abhitzedampferzeugers: fertig montierte Heizflächenanordnung (Vogt Power International Inc.)
Abb. 5-52 Gegenüberstellung von vertikalen und horizontalen Abhitzedampferzeugern (Ausführung jeweils als 3-Druck-ZÜ-AHDE, Abbildungen in etwa maßstäblich; Siemens Engery)
Grund gelten hier ebenfalls die Bemerkungen zur Vermeidung von Bypassströmungen analog zum vertikalen Kessel. Die Verhältnisse sind bei horizontalen AHDE etwas komplexer, da die gasdichte, selbsttragende Kastenkonstruktion aufgrund der Innenisolierung nur geringfügig erhöhte Temperaturen gegenüber
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der Umgebung annimmt. Hier muss im kalten Zustand genügend Freiraum für die thermische Ausdehnung der heißgehenden Teile vorgesehen werden. Aus diesem Grund scheinen horizontale AHDE bei Inspektionen, die ja nur im kalten Zustand erfolgen können, eine Reihe von Spalten und Leergassen zwischen den eigentlichen Heizflächensektionen zu bieten. Die AHDE-Konstruktion sollte so konzipiert sein, dass sich diese Lücken bei thermischer Expansion gerade vollständig schließen. Die Ausdehnungen selbst liegen bei horizontalen Kesseln in derselben Größenordnung wie bei der vertikalen Variante. Auch beim liegenden AHDE sind begehbare Zwischenräume zwischen den Heizflächen vorgesehen, sie sind aber nicht so effektiv, da ohne weitere Hilfsmittel wie Leitern, Hilfsgerüste etc. nur der jeweilige Bodenbereich erreicht werden kann. Bezüglich zusätzlicher Messstellen im System (im Wesentlichen temporäre Präzisionssensoren, z. B. für Abnahmemessungen) sind horizontale AHDE schlicht und einfach abweisend, da am selbsttragenden Kasten im Normalfall keine Bühnen oder Galerien angebracht sind, wenn man von dem relativ kleinen Treppenaufgang an einer Kesselseite absieht. Auch ist es schwierig, in einem solchen Fall zusätzliche Stutzen nachträglich zu installieren, da diese auch durch die Innenisolierung und die verschiebbaren Deckplatten des Strömungskanals geführt werden müssen. Bei einer Außenisolierung ist dies bedeutend einfacher: hier wird die dünne Verkleidung mit der Isolierung entfernt, der Stutzen eingeschweißt, und anschließend die Isolation und ein neues Verkleidungsblech eingepasst. Die Trommeln, Abblasestationen etc. sind oben auf dem selbsttragenden Kastenrahmen des AHDE installiert. Hier befinden sich auch die einzigen Bühnen zur Wartung der Systeme. Vorwiegend bei amerikanischen Anlagen ist auf der Niederdrucktrommel ein dampfbeheizter Entgaser vorgesehen. In europäischen Anlagen wird das Speisewasser primär im Dampfturbinenkondensator entgast oder ein dampfbeheizter Speisewasserbehälter eingesetzt. Der horizontale AHDE ist der klassische Naturumläufer. Aufgrund seiner großen vertikalen Erstreckung und der eingesetzten größeren Rohrdurchmesser bei den Rippenrohren (vgl. Abb. 5-30) benötigt dieses System keine Hilfskomponenten wie Anstoßpumpen, um den Naturumlauf in Gang zu setzen. Auf den selbstregelnden Effekt des Naturumlaufes wurde schon in Abschn. 5.3.2.2 bei den Ausführungen über den Verdampfer hingewiesen. Der AHDE-Kamin ist stromab des AHDE angeordnet, er steht auf dem Kesselfundament und kann parallel zur Abhitzedampferzeugermontage errichtet werden. Die Kaminhöhe, die maßgeblich von den lokalen immissionsrechtlichen Anforderungen bestimmt wird, wirkt sich nicht wie beim vertikalen AHDE auf das Kesseltraggerüst aus. Auch dieser Kamin ist mit einem Schalldämpfer ausgerüstet, wobei hier vornehmlich Lochblechkulissen als Innenröhre eingesetzt werden. Eine Regenklappenkonstruktion ist ebenfalls in der Mehrzahl der Fälle vorgesehen.
Auf den ersten Blick bietet der horizontale AHDE in seiner kompakten Bauart eine Reihe deutlicher Vorteile. Als die ersten Systeme in Europa vorgestellt wurden, war
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man zunächst in Fachkreisen skeptisch wegen der Innenisolierung. Ende der achtziger Jahre betrug die Gasturbinenabgastemperatur maximal 550 °C und diese Situation hatte man mit hochwarmfesten ferritischen Stählen als Kanalwandmaterial und darauf aufgesetzter Außenisolierung gut im Griff. Zudem zeigte sich, dass die vordergründigen Preisvorteile der amerikanischen Konstruktionen einer genaueren Prüfung nicht standhielten. In Europa wurden aufgrund der hohen Brennstoffkosten schon immer höhere Anstrengungen in Bezug auf den Wirkungsgrad unternommen. Deshalb wurden schon sehr früh auch hochwertige AHDE-Anforderungen formuliert. Diese werden bei einem 2-Druck-Prozess durch die Temperaturdifferenzen am HD- und ND-Pinch Point von 8 K bzw. 12 K ausgedrückt. Bei US-Anlagen waren zu dem Zeitpunkt je nach Hersteller zwischen 10–12 K Temperaturdifferenz für den Hochdruckteil und ca. 15 K für den Niederdruckteil üblich, was weniger installierte Heizfläche und damit auch geringere AHDE-Kosten zur Folge hatte. Mit diesen Kesseln konnten aber die europäischen Wirkungsgradvorgaben nicht realisiert werden (Die Abstrahlungsverluste der US-AHDE waren ebenfalls höher). Die ersten Angebote amerikanischer Hersteller für die europäisch/internationalen Verhältnisse fielen dazu noch ziemlich teuer aus, so dass für längere Zeit in dem horizontalen Konzept kein Vorteil gesehen wurde. Dagegen bewährten sich die vertikalen AHDE und es war sogar möglich, diesen Typ im Naturumlauf zu betreiben. Damit schienen eigentlich die Weichen für den vertikalen Abhitzedampferzeuger gestellt. Der Übergang zu einer neuen Generation von Gasturbinen mit höheren Abgastemperaturen, der Einführung des 3-Druck-ZÜ-Prozesses und eine verbesserte Preisgestaltung aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen der US-AHDE-Anbieter, verbunden mit guten Referenzen auf dem amerikanischen Markt, machten den horizontalen AHDE Mitte der neunziger Jahre auch in Europa zu einer ernst zu nehmenden Alternative. Eine weitere Kostenoptimierung zwischen Gesamtanlagenanbietern und AHDEHerstellern führte in den letzten Jahren zur Konzeption von sog. Rahmen- oder auch Standard-AHDE. Mit diesen Schubladenprojekten für die gängigen Gasturbinentypen, in denen alle Systeme sowie die Außenabmessungen der Kessel standardmäßig festgelegt sind und für die im Zuge der konkreten Projektbearbeitung nur noch die Heizflächengröße optimiert werden muss, konnten sich die horizontalen AHDE gegenüber den bis zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich gleichwertigen vertikalen Abhitzedampferzeugern einen Vorteil verschaffen, da hier das größere Einsparpotenzial vorlag. Die europäischen AHDE-Hersteller, die in immer stärkerem Maß fusionierten, übernahmen US-Lizenzen oder konzipierten eigene Lösungen für horizontale Abhitzedampferzeuger. Abschließend sollen hier die Hauptvorteile des liegenden AHDE kurz zusammengefasst werden (Beispiel einer ausgeführten Anlage s. Abb. 5-53): • Innenisolierung (Potenzial für neue Gasturbinengenerationen mit noch höheren Abgastemperaturen); • Unproblematische Aufnahme von Katalysatoren, der AHDE wird geringfügig länger, kein Einfluss auf aufwändigeres Traggerüst wie beim vertikalen AHDE; Dies ist wichtig, da sich die Umweltauflagen auch in Zukunft noch weiter verschärfen werden;
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Abb. 5-53 Multishaft-GuDAnlage mit zwei horizontalen 3-Druck-ZÜ-AHDE ohne Zusatzfeuerung nach GE Frame 9FA Gasturbinen (Vogt Power International Inc.)
• sicherer Naturumlauf; • Kein Traggerüst erforderlich, Kaminröhre steht auf Fundament, kein Einfluss der Kaminhöhe (Emissionen) auf andere Bauteile wie beim vertikalen AHDE (Traggerüst); • Kostengünstiges Kesselhaus für kältere Klimazonen. Der horizontale AHDE bietet die Möglichkeit, da seine begehbaren Bühnen oben auf den Kessel konzentriert sind, nur den oberen Teil mit einer Schutzhülle gegen Regen, Wind und Kälte mit geringem Aufwand einzuhausen. Bei einem vertikalen AHDE ist dies nur durch ein vollständiges Kesselhaus um den gesamten Dampferzeuger herum möglich. Als Nachteil ist bei horizontalen Abhitzedampferzeugern generell die eingeschränkte Begehbarkeit für Messungen, Inspektionen und Reparaturen anzuführen.
5.3.3 Abhitzedampferzeuger mit Sondereinbauten Im Folgenden sollen Komponenten des Abhitzedampferzeugers beschrieben werden, die gegenüber den bisher beschriebenen Kesselbestandteilen nicht unmittelbar zur eigentlichen Funktionalität des AHDE, der Abwärmenutzung zur Dampfproduktion für die Dampfturbine, beitragen. Sowohl Abgasreinigungseinrichtungen als auch die Zusatzfeuerungen und Fernwärme- bzw. Prozessdampfauskoppelungen erweitern das Aufgabenspektrum des ursprünglich rein passiven Wärmetauschers beträchtlich.
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5.3.3.1 Abgasreinigungseinrichtungen Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten durch die Entwicklung schadstoffarmer Brenner die Emissionen aus Gasturbinen, hierbei speziell die Freisetzungen von Kohlenmonoxid und Stickoxiden, drastisch verbessert haben, werden die Anforderungen an die Reinheit der Luft immer anspruchsvoller. Lag vor ca. 20 Jahren die NOx -Emission von Gasturbinen mit Diffusionsbrennern noch in der Größenordnung von 1000 mg=m3 i. N. (gerechnet als NO2 trocken und bezogen auf einen ebenfalls trockenen Sauerstoffgehalt von 15 Vol.-% im Abgas, wie es z. B. in Deutschland das Bundes-Immisionsschutzgesetz (13. BImSchV, TA Luft) vorschreibt, so konnte in den achtziger Jahren durch die Entwicklung von Vormischbrennern die Stickoxidemission auf ca. 50 mg=m3 i. N. abgesenkt werden. Gerade weil GuD-Kraftwerke heute nahezu als einzige Energieerzeugungsanlagen in Stadtgebieten errichtet werden (vgl. Abb. 5-53), kann im Rahmen der Schadstoffminderung langfristig nicht allein auf Primärmaßnahmen im Brennerbereich zurückgegriffen werden. Einige Bundesstaaten der USA spielten mit der Einführung der „One Digit Emission“ hier eine Vorreiterrolle. Diese verschärfte Emissionsrichtlinie beschränkt die NOx -Emission auf einen Wert von 9 ppmv , was nach deutscher Gesetzgebung einem Emissionsgrenzwert von 18,1 mg=m3 i. N. unter dem weiter oben angeführten Sauerstoff-Bezugsgehalt bedeutet. Hier bewegt man sich bezüglich der Brennertechnologie an der Grenze des zur Zeit Machbaren. Da NOx - und CO-Emissionen darüber hinaus noch gegenläufige Tendenzen aufweisen und jede Wirkungsgradverbesserung der Gasturbine höhere Verbrennungstemperaturen mit sich bringt, war man bei Einführung dieser Grenzwerte gezwungen, auch für die GTAbgasstrecke sekundärseitige Schadstoffreinigungsmaßnahmen einzusetzen. Hierzu werden in den Abhitzedampferzeuger Katalysatorpakete sowohl zur CO- als auch zur NOx -Reduktion eingebaut. In Abb. 5-27 ist die Lage dieser Katalysatoren eingezeichnet. Die Kohlenmonoxidreduktion findet vorzugsweise bei hohen Temperaturen statt. Deshalb werden die Traggerüste für CO-Katalysatoren im AHDE nahe an dessen Eintritt eingebaut. Demgegenüber benötigt die aus der konventionellen Dampferzeugertechnik bekannte selektive katalytische Reduktion („Selective Catalytic Reduction“ – SCR) ein Temperaturfenster von ca. 300–400 °C. Für die Aufnahme der NOx -Katalysatoren muss nicht nur der eigentliche Platz im Abhitzedampferzeuger geschaffen werden, auch sind die Heizflächen gerade so aufzuteilen, dass sich zwischen zwei dieser Wärmeübertragungsbündel abgasseitig die benötigte Temperatur einstellt. In Abb. 5-27 ist z. B. bei einem AHDE mit Zusatzfeuerung der NOx -Katalysatorbereich zwischen Hochdruckverdampfer und Mitteldrucküberhitzer angeordnet. Bei Abhitzesystemen ohne Zusatzfeuerung ordnet man diese Katalysatoren zwischen Hochdrucküberhitzer 2 und 1 oder zwischen Hochdrucküberhitzer 1 und Hochdruckverdampfer an, da hier eine Abgastemperaturerhöhung durch die Zusatzfeuerung entfällt. Da die SCR-Technik auch die Eindüsung von Ammoniak stromauf der Katalysatoren erforderlich macht, muss zusätzlich noch ein Verteilungsgitter in den Strömungsquerschnitt eingebaut werden. Zur gleichmäßigen Verteilung des eingedüsten NH3 im Abgasstrom ist eine gewisse Wegstrecke erforderlich, daher weisen Abhitzedampferzeuger mit Abgasreinigungseinrichtungen
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größere Dimensionen auf. Hier bietet der horizontale Dampferzeuger echte Vorteile, da er lediglich länger wird. Beim vertikalen Dampferzeuger hat eine größere Bauhöhe immer auch Auswirkungen auf die Tragstruktur, was die AHDE-Kosten merklich ansteigen lässt. 5.3.3.2 Zusatzfeuerungen Zusatzfeuerungen in Abhitzesystemen stellen eigentlich ein Paradoxon dar. Gerade die Abhitzenutzung führt ja zu hohen Anlagenwirkungsgraden, hier ergeben sich zusätzliche Leistungsanteile ohne weiteren Brennstoffeinsatz (sog. „grüne MW“). In der Praxis kann es aber durchaus sinnvoll sein, in eine GuD-Anlage eine zusätzliche Feuerung zu integrieren. Dies trifft vor allem bei folgenden Bedingungen zu: • Starke jährliche Schwankungen im Leistungsbedarf lassen es aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll erscheinen, das Kraftwerk seitens der Gasturbine auf den Maximalfall auszulegen (hohe Investitionskosten). • Der Leistungsbedarf der Anlage ergibt sich gerade so, dass keine optimale Kombination von auf dem Markt verfügbaren Gasturbinen diesen Bedarf trifft. Die Anlage ist entweder unter- oder überdimensioniert. Darüber hinaus wird die Anlage nicht in Grundlast betrieben. • Nur zu gewissen Zeiten ist eine Prozessdampf- oder Fernwärmeauskoppelung erforderlich (vgl. auch nachfolgenden Abschn. 5.3.3.3). • Man will bei Spitzenlastanlagen in der Zeit, in der die Stromproduktion sehr lukrativ ist (z. B. auf dem US-Markt in der Sommerperiode), auch noch die letzten Leistungsreserven ausnutzen. Aus der gleichen Überlegung heraus wird bei Gasturbinen auf der Ansaugseite die Ansaugluftkühlung eingesetzt (vgl. Kap. 2, z. B. Wet Compression (Abschn. 2.4.2)). Allen diesen Fallbeispielen ist eines gemeinsam: eine hohe Leistung wird nicht kontinuierlich gefordert, sie ist entweder saisonal zu erbringen oder in bestimmten periodischen Lastzyklen. Es lohnt sich dabei aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht, eine größere oder auch eine weitere Gasturbine in den Prozess zu integrieren. Hier ist eine Zusatzfeuerung das geeignete und ökonomisch am besten zu vertretende Mittel. Zusatzfeuerungen unterscheiden sich von klassischen Kraftwerksfeuerungen dadurch, dass sie vorzugsweise mit dem im heißen Gasturbinenabgas verbleibenden Restsauerstoff betrieben werden. Dadurch entfallen Frischlüfter und Luftvorwärmer. Da lediglich zusätzlicher Brennstoff zugegeben wird, bleibt der Abgasmassenstrom durch den Kessel nahezu konstant, bei ca. 600 kg=s fallen zusätzliche 2 kg=s Erdgasmassenstrom nicht sehr ins Gewicht, sie liefern jedoch ca. 80–100 MWth je nach Erdgaszusammensetzung und Heizwert. Die Wärmeeinbringung erfolgt somit nahezu ausschließlich über eine Temperaturerhöhung. Über dieses relativ einfache Konzept lässt sich bis zu ca. 30% mehr thermische Leistung aus dem GT-Abgas nutzen. Die Verbrennung verläuft dabei unkompliziert. Auch sind die Auswirkungen auf den Anlagenwirkungsgrad relativ gering, die Beeinträchtigung gegenüber dem reinen unbefeuerten GuD-Prozess beträgt ca. 0,5%.
5 Kraftwerkskomponenten
191 Kanalbrenner Brenngas
Speisewasser
Frischdampf
GT-Abgas
Einspritzkühler
Abb. 5-54 Prinzipdarstellung einer Zusatzfeuerung in einem horizontalen Abhitzedampferzeuger. Die Kanalbrenner sind stromab des Hochdruck-Endüberhitzers angeordnet
Diese einfache Methode stößt aber auf Grenzen, wenn man versucht, noch mehr Leistung über die Zusatzfeuerung zu erzeugen. Bei ca. 12 Vol.-% Sauerstoffgehalt im Abgas liegt die Grenze für eine stabile Verbrennung, darüber hinaus sind mit einer Abgastemperatur von 800 °C auch die Grenzen erreicht, die mittels Innenisolierung der Abgaskanäle noch beherrscht werden. Für weitere Leistungssteigerungen ist dann die Zugabe von zusätzlicher Luft (sog. Frischluft) erforderlich und die Kanalwände müssen gekühlt bzw. ausgemauert werden. Beide Maßnahmen lassen sich nur mit größerem Kostenaufwand realisieren und passen damit nicht in das Konzept der Abhitzenutzung. Ein wesentliches Merkmal von Abhitzedampferzeugern im Vergleich mit befeuerten Dampferzeugern ist der deutlich geringere spezifische Preis. Man kann im AHDE noch einen Kunstgriff benutzen, den Wärmeeintrag über die Zusatzfeuerung zu maximieren, indem man diese Feuerung, nicht wie in der Anfangsphase dieser Technik üblich, stromauf der ersten Heizfläche in AHDE anordnet, sondern erst stromab des Hochdruck-Endüberhitzers. Dadurch ist das Abgas schon gegenüber den AHDE-Eintrittsbedingungen um ca. 50 K abgekühlt und man gewinnt diese Temperaturdifferenz als zusätzliche Aufwärmspanne für die Zusatzfeuerung. In Abb. 5-54 sind die Verhältnisse dargestellt. Es wurden auch schon Anlagen ausgeführt, in denen zwei Zusatzfeuerungen in verschiedenen Bereichen des AHDE platziert wurden, aber diese Lösung stellt erhöhte Anforderungen an die Regelung der Gesamtanlage und ist damit nur unter bestimmtem Randbedingungen sinnvoll (z. B. zur Realisierung einer weitgehenden Entkoppelung von Stromerzeugung und Fernwärmeauskopplung). Zur Technik der Verbrennung In Zusatzfeuerungen werden sog. Kanal- oder Flächenbrenner eingesetzt, die als durchgehende Profile im Abgaskanal angeordnet sind. Durch ihre spezielle Formgebung bewirken sie eine Rückströmung von GTAbgas in die Brenneröffnung, wodurch der Restsauerstoff des Abgases mit dem
192
Abb. 5-55 Aufnahme eines fertiggestellten Zusatzfeuerungsrahmens für einen horizontalen Abhitzedampferzeuger (Vogt Power International Inc.)
Abb. 5-56 Flammenbild einer AHDE-Zusatzfeuerung (Vogt Power International Inc.)
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5 Kraftwerkskomponenten
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über die Brenner zugeführten Brenngas reagieren kann. Die Rückströmung führt zusätzlich zu einer Flammenstabilisierung. In Abb. 5-54 ist das Prinzip der Zusatzfeuerung dargestellt. Abbildung 5-55 zeigt einen fertiggestellten Zusatzfeuerungsrahmen, wobei die einzelnen Kanalbrennerreihen auf dem Foto gut zu erkennen sind. Abbildung 5-56 gibt das Flammenbild einer solchen Feuerung wieder. Bezüglich der Emissionen und der daraus resultierenden gesetzlichen Behandlung dieser Verhältnisse sei auf die Literatur verwiesen. Da hier für die Gasturbine und für die AHDE-Zusatzfeuerung zumindest in Deutschland unterschiedliche Sauerstoffbezugsgehalte definiert sind und Leistungsanteile der Gasturbinen- und der Zusatzfeuerung variieren können, gestaltet sich hier die Grenzwertbestimmung, speziell für Stickoxide, äußerst komplex. Zur Zeit existieren noch unterschiedliche Ansätze zur Behandlung der Thematik nebeneinander, die von den Genehmigungsbehörden lokal unterschiedlich eingesetzt werden. In [5.34] werden diese Methoden näher beschrieben und bewertet. 5.3.3.3 Fernwärme- und Prozessdampfauskopplung Eine zusätzliche Erzeugung von Fernwärme oder auch Prozessdampf, der z. B. in der chemischen Industrie benötigt wird, erweitert ebenfalls das Funktionsspektrum der GuD-Anlage (Cogeneration). Hierdurch lässt sich das Abhitzeangebot noch besser ausnutzen. Prozessdampfund Fernwärmeauskopplungen richten sich sehr stark nach den Randbedingungen der Abnehmer. Dabei lassen sich kaum einheitliche Konzepte aufstellen. Prozessdampfauskopplungen führen zumeist zu einer Änderung der Heizflächengrößen gegenüber dem klassischen GuD-AHDE, für Fernwärmeauskopplungen benötigt man einen zusätzlichen Fernwärmetauscher, der als Vorwärmerheizfläche ausgebildet ist (vgl. Abschn. 5.3.2) und i. d. R. mit dem Kondensatvorwärmer gekämmt wird. Da Fernwärme- und Prozessdampfauskopplungen eine gesicherte Produktion erfordern, müssen solche Systeme redundant aufgebaut werden. Entweder man rüstet einen parallelen Block mit den identischen Einrichtungen aus, damit dieser bei Nichtverfügbarkeit der ursprünglich vorgesehenen Anlage deren Produktion übernehmen kann, oder man errichtet auf dem Anlagengelände Hilfsdampferzeuger bzw. Hilfswassererwärmer, die im Bedarfsfall kurzfristig eingesetzt werden können. Die prinzipielle Möglichkeit, bei Ausfall einer Gasturbine eine ohnehin vorhandene Zusatzfeuerung im Frischlüfterbetrieb zu betreiben, hat sich nicht bewährt, da hier Schwierigkeiten mit der Verbrennungsstabilität auftreten können. Die Kanalbrenner werden im Zusatzfeuerbetrieb mit einem hohen Abgasmassenstrom (geringer Sauerstoffgehalt) betrieben. Dem wird bei der geometrischen Auslegung der Brenner Rechnung getragen. Im Frischlüfterbetrieb ergibt sich dagegen ein deutlich geringerer Luftmassenstrom, was die Anströmung der Brenner und damit die Verbrennungsstabilität ungünstig beeinflusst. Dies hat neben erhöhten Stickoxidemissionen ebenfalls eine ungleichmäßige Beaufschlagung der nachgeschalteten Heizfläche zur Folge, da hier nur ein Teil des AHDE-Strömungsquerschnitts von dem geringeren Frischlüfter-Abgasstrom beaufschlagt wird. Dieser Effekt ist besonders bei vertika-
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len AHDE spürbar, deren Zusatzfeuerung im horizontalen Teil des Kessels angeordnet ist. Beim Übergang in den vertikalen Teil des AHDE, in dem die Heizflächen angeordnet sind, konzentriert sich der verringerte Massenstrom direkt an der Innenseite der Umlenkung. Damit wird die eine Seite der Heizflächen, die mit dem Hauptstrom des Abgases in Kontakt kommt, thermisch deutlich höher belastet als die andere, was zu thermischen Instabilitäten und bei längeren Betriebsweisen unter Umständen zu vorzeitigen Materialermüdungen führen kann.
5.3.4 Verhalten der Abgasstrecken/Abhitzedampferzeuger beim Anfahren eines GUD-Blocks mit Abgas-Bypasskaminen Am Beispiel einer Siemens Gasturbine SGT5-4000F sollen abschließend die speziellen Möglichkeiten und Randbedingungen beim Anfahren einer GUD-Anlage mit Bypasskaminen beschrieben werden. Andere Hersteller werden teilweise im Detail davon abweichende Vorgehensweisen vorschreiben, da jedoch die meisten einzuhaltenden Randbedingungen physikalischer Natur sind, sind die Anfahrprozeduren bei Verfügbarkeit eines Bypasskamins an sich recht ähnlich und die Beschreibung kann aus diesem Grund als repräsentativ angesehen werden. Auf das An- und Abfahren von GuD-Anlagen i. Allg. wurde schon in Kap. 3 eingegangen. Im Rahmen des vorliegenden Abschn. 5.3 über die Abgasstrecke und den Abhitzedampferzeuger soll hier der lastgesteuerte Anfahrprozess über den Bypasskamin besonders herausgestellt werden, da er thermisch eng mit der Abgasstrecke und dem Abhitzedampferzeuger verknüpft ist, wobei der Bypassklappe eine aktive Rolle zukommt und er in kürzester Zeit maximale GuD-Leistung bereitstellt. Beispiel: Lastgesteuertes Anfahren eines 2+1-GuD-Blocks über die Bypasskamine mit Bypassklappenregelung Die Gasturbinen werden im Solobetriebsmodus gestartet, wobei die Gasweichen in den Bypasskaminen jeweils den Strömungsweg in den Abhitzedampferzeuger verschließen. Nach erfolgter Zündung wird über den Anfahrumrichter die Drehzahl kontinuierlich gesteigert, um auf die Nenndrehzahl von 3000 min1 gebracht zu werden. Oberhalb von 2000 min1 wird der Anfahrumrichter abgeschaltet, die restliche Beschleunigung auf 3000 min1 (Synchronisation im 50-Hz-Netz) erfolgt über das Verbrennungssystem der Gasturbine. Diese Startphase dauert ungefähr vier Minuten. Kurz vor dem Erreichen der Nenndrehzahl werden die Gasturbinenabblaseklappen geschlossen, wobei die Abgastemperatur wieder merklich absinkt. Bei Erreichen der Nenndrehzahl wird der Generator mit dem Netz synchronisiert und mit einer Leistung von ca. 20 MW beaufschlagt. Das bei dieser geringen Last noch relativ kalte Abgas durchströmt den Bypasskamin. Da für Erdgas die Selbstzündungstemperatur deutlich über 400 °C liegt, können auf diese Weise eventuell im Kamin lokal vorhandene Brennstoffansammlungen aus dem System gespült werden, ohne dass die Gefahr einer Zündung oder Verpuffung besteht. Nachdem der
5 Kraftwerkskomponenten
195
Bypasskamin belüftet wurde (als Faustregel wird dazu der dreifache Volumendurchsatz, bezogen auf das durchspülte Volumen, benötigt), kommt der Abhitzedampferzeuger an die Reihe, in dem sich ebenfalls potenziell Brennstoffnester befinden können. Dazu wird die Bypassklappe um 90 Grad geschwenkt, der Bypass somit geschlossen und der Strömungsweg in den AHDE voll geöffnet. Vor dem Belüften des Abhitzedampferzeugers müssen die Kondensat- und die Speisewasserversorgung in Betrieb genommen werden. Auch bei der Spülung des AHDE gilt die oben angeführte Faustregel über den dreifachen Volumendurchsatz. Nach etwa einer Minute Belüftungszeit wird die Bypassklappe wieder in die ursprüngliche Stellung gebracht (Fortsetzung des GT Solobetriebes) wobei der Bypass voll geöffnet und der Abgaskanal zum AHDE geschlossen wird. Da die Spülung abgeschlossen ist, besteht keine Veranlassung mehr, die Abgastemperatur niedrig zu halten. Bis zu diesem Zeitpunkt sind seit dem Start der Gasturbine ca. 6–7 Minuten vergangen. Die betriebliche Laststeigerung erfolgt nun mit einem Gradienten von 13 MW=min, so dass nach etwa 17 weiteren Minuten ca. 90% der Nennlast der Gasturbine erreicht werden. Soll der Dampfteil in Betrieb genommen werden, wird bei einer der beiden Gasturbinen die Last bei diesen 90% eingeregelt, wobei die Leistung vorteilhafterweise bei einer abgesenkten Turbineneintrittstemperatur eingestellt wird, um den AHDE beim Anfahren thermisch nicht übermäßig zu beanspruchen. Die zweite Gasturbine kann dagegen bis zur 100% Last hochgefahren werden, um schon in der Anfahrphase maximale Leistung zu erzeugen. Eine SGT5-4000H Maschine kann Gasturbine ca. 19 Minuten nach Erreichen der Mindestlast auf Vollast gebracht werden; der gesamte Anfahrvorgang dieses Gasturbinentyps von Wellendrehbetrieb bis Vollast dauert etwa 25 Minuten im Solobetrieb und mit AHDEBelüftung ca. 2 Minuten länger. Bei der ersten Gasturbine, die auf 90% Last eingeregelt ist, wird nun langsam die Bypassklappe schrittweise geöffnet und deren Stellung so justiert, dass der Teilmassenstrom, der in den AHDE einströmt, gerade ausreicht, den maximal zulässigen Anfahrgradienten des Abhitzedampferzeugers einzuhalten. Mit der ersten Dampfbildung im AHDE wird bei geöffnetem Kesselabsperrschieber und geöffneten Entwässerungen ebenfalls die Dampfleitung zur Dampfturbine vorgeheizt. In den Verdampferrohren verdrängt der Dampf das Speisewasser. Der Naturumlauf kommt in Gang oder es werden die Kessel-Umwälzpumpen in Betrieb genommen. Um in dieser Phase nicht noch zusätzliche Regelaktionen starten zu müssen wie den Ablass von Speisewasser aus den Verdampfertrommeln, sollten diese so groß dimensioniert sein, dass der Wasserausstoß aus den Verdampfern vollständig in den Trommeln aufgenommen werden kann. Damit ist konstruktiv ausgeschlossen, dass über das Signal „Trommelwasserstand hoch“ ggf. ein Schnellschluss des Abhitzedampferzeugers verursacht wird. Der produzierte Dampf wird über den Kessel-Hochdruckbypass bzw. die Dampfturbinenbypass-Station direkt in den Kondensator geleitet und dort auf den Kondensatorzustand abgespritzt; der Wasser-/Dampfkreislauf ist unter Umgehung der Dampfturbine in Betrieb. Hat der erste AHDE ca. 50% seiner Dampfleistung erreicht, so wird bei der zweiten Gasturbine ebenfalls die Leistung auf 90% zurück-
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genommen und der zweite Abhitzedampferzeuger analog zum ersten angefahren. Sobald die für den Dampfturbinenbetrieb erforderlichen Parameter (Dampfreinheit, Druck, Temperatur) für den ersten AHDE erreicht sind, werden die DT-Regelventile entsprechend dem zulässigen Anfahrgradienten geöffnet und die Dampfturbine zunächst bei Anwärmdrehzahl und anschließend beim Hochfahren auf Nenndrehzahl erwärmt und ebenfalls mit dem Netz synchronisiert. Nach erfolgtem Angleich der Dampfparameter wird der Dampf des zweiten Kessels über dessen Umleitstation ebenfalls der Dampfturbine zugeführt. Je nach vorliegenden Bedingungen, d. h. Heiß- (nach Nachtstillstand), Warm(nach Wochenendstillstand) oder Kaltstart (Stillstand in der Größenordnung von mehr als 3 Tagen) lassen sich 100% GUD-Last in ca. 1–1,5 h, 2–3 h bzw. 4–5 h erreichen (vgl. auch Kap. 3, Abb. 3-36 für den Kaltstart). Wartezeiten aufgrund von möglichen Verzögerungen, bedingt durch zusätzlich benötigte Zeit bis zum Erreichen der notwendigen Dampfreinheit, sind in diesen angegebenen Anfahrzeiten nicht enthalten.
Drehzahl Temp. [U/min] [°C]
Last [%] Abgastemperatur
3000
600
Gasturbinendrehzahl
100 2000
400
1000
200
Gasturbinenlast
50
0
Teilöffnung der Bypassklappe Start AHDE-Anfahren
0
10
20
30
40
50
60
frühestmöglicher Dampfturbinenstart
70
Zeit [min] Drehzahl Temp. [U/min] [°C]
3000
600
2000
400
1000
200
Last [%] Gasturbinendrehzahl
100 Abgastemperatur
50
frühestmöglicher Dampfturbinenstart
Gasturbinenlast
0
0
10
20
Start AHDE-Anfahren
30
40
50
60
70
Zeit [min]
Abb. 5-57 Gegenüberstellung der Fahrweise einer SGT5-4000F-Gasturbine beim leistungsgeregelten Anfahren (oben) und beim temperaturgeregelten Anfahren (unten) einer 2+1-GuD-Anlage (Kaltstart), jeweils nach Siemens Energy Konzepten. Dargestellt ist die Anfahrphase der zuerst gestarteten GT
5 Kraftwerkskomponenten
197
Der Abgas-Bypasskamin bietet die Möglichkeit, die Gasturbine weitgehend entkoppelt vom Wasser-/Dampf-Kreislauf zu betreiben. Somit stehen beim leistungsgeregelten Anfahren nahezu 2=3 der Kraftwerks-Gesamtleistung bereits ca. 23 Minuten nach Einleitung des Startvorgangs zur Verfügung. Diese Fahrweise bietet im Vergleich zu dem in Kap. 3 beschriebenen temperaturgesteuerten Anfahren eine erheblich höhere verfügbare Leistung in der Anfahrphase. In Abb. 5-57 und 5-58 sind diese beiden Anfahrvorgänge grafisch gegenübergestellt, aus Gründen der Übersichtlichkeit getrennt für die Zünd- und Belastungsphase der GT und für das GT-Verhalten nach dem Start der Dampfturbine. Das obere Diagramm zeigt jeweils das lastgesteuerte Anfahren, das untere Diagramm entspricht Abb. 3-36 (temperaturgesteuertes Anfahren). Die benötigte längere Zeitspanne beim lastgesteuerten Anfahren bis zum frühestmöglichen Start der Dampfturbine (vgl. Abb. 5-57) ist regelungstechnisch bedingt, da es sehr schwierig ist, parallel die Gasturbinenlast zu steigern und durch Verfahren
Drehzahl Temp. Last [U/min] [°C] [%] Abgastemperatur
3000
600 Gasturbinendrehzahl
100 2000
400
1000
200
Gasturbinenlast
50
0
0
60
120
Dampfturbinenstart
180 Zeit [min]
Drehzahl Temp. Last [U/min] [°C] [%] Abgastemperatur
3000
600 Gasturbinendrehzahl
100 2000
400
1000
200
0
50
Gasturbinenlast
0
60 Dampfturbinenstart
120
180 Zeit [min]
Abb. 5-58 Gegenüberstellung der Fahrweise einer SGT5-4000F-Gasturbine beim leistungsgeregelten Anfahren (oben) und beim temperaturgeregelten Anfahren (unten) einer 2+1-GuD-Anlage (Kaltstart), jeweils nach Siemens Energy Konzepten. Dargestellt ist das Verhalten der zuerst gestarteten GT. Fortsetzung von Abb. 5-57 (nach Dampfturbinenstart)
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der Bypassklappe den maximal zulässigen Aufwärmgradienten des Abhitzedampferzeugers einzuhalten. Aus diesem Grund werden diese beiden Vorgänge zeitlich entkoppelt. Die hierzu zusätzlich erforderliche Zeit von ca. 27 Minuten wird aber durch die deutlich höhere Leistungsausbeute beim Anfahren mehr als kompensiert.
5.3.5 Zusammenfassung und Ausblick (Status 2003) Nach einer bemerkenswerten Entwicklung bei GT- und GuD-Anlagen in den letzten zehn Jahren des vergangenen Jahrtausends hat sich folgender Stand der Technik für die Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger herausgebildet: Die Abgasstrecke wird innenisoliert ausgeführt, vorzugsweise ohne Bypasskamin. Falls ein Bypasskamin realisiert wird, der neben der Flexibilität bei der Errichtung der Anlage auch Vorteile beim Anfahren der GuD-Anlage nach längeren Stillstandszeiten aufweist, erfolgt die Strömungsumschaltung mittels schwenkbarer Bypassklappe. Als Alternative bei gestaffelten Errichtungszeiten (zuerst Fertigstellung und Inbetriebnahme der Gasturbinen, Erweiterung zum GuD-Block zu einem späteren Zeitpunkt) wird immer häufiger ein provisorischer Wegwerfkamin errichtet. Bei den Abhitzedampferzeugern hat sich folgender Standard etabliert: Der AHDE wird in horizontaler Bauweise innenisoliert mit Naturumlaufverdampfern als kostenoptimerter Rahmenabhitzedampferzeuger ausgeführt (Standard: 3 Druckstufen mit Zwischenüberhitzung und abgasbeheizter Kondensatvorwärmung, die Speisewasserentgasung erfolgt in der Anfahrphase über einen auf der Niederdrucktrommel aufgesetzten Entgaser, im Normalbetrieb über Kondensatorentgasung). 2-Druck-Prozesse werden nur noch für Gasturbinen der vorausgegangenen Generation (TTIISO < 1100 °C) realisiert, z. B. bei nachträglicher Erweiterung eines GTKraftwerks zur GuD-Anlage (Add On). Abhitzedampferzeuger mit überkritischer Zwangdurchlaufverdampfung werden in Zukunft in steigendem Maß eingesetzt. Ob sie allerdings schon bei den jetzt verfügbaren Gasturbinengenerationen zum Standard werden, ist zur Zeit noch offen. Aufgrund der im Vergleich zum befeuerten Großdampferzeuger deutlich geringeren Dampfproduktion in Verbindung mit einem geringeren Systemdruck im Abhitzedampferzeuger ergeben sich hier noch moderate Abmessungen für die Sammler und Trommeln und als Folge relativ geringe Wandstärken bei diesen Bauteilen. Damit ist im Gegensatz zum konventionellen Dampferzeuger beim An- und Abfahren des Wasser-/Dampfkreislaufes der AHDE nur in der Startphase die führende Komponente. Der weitere Anfahrprozess richtet sich im Wesentlichen nach den Erfordernissen der in Abschn. 5.4 beschriebenen Dampfturbine. Der Verfasser dieses Abschnittes dankt speziell den Abhitzedampferzeuger-Herstellern Vogt Power International Inc., Nooter-Eriksen und Austrian Energy & Environment für ihre Unterstützung und der Bereitstellung von Bildmaterial für das vorliegende Buchprojekt.
5 Kraftwerkskomponenten
199
5.3.6 Neue Entwicklungstendenzen bei der Abgasstrecke und bei Abhitzedampferzeugern (Status 2010) Sieben Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage des vorliegenden Buches lässt sich feststellen, dass sich in Hinblick auf das technische Design von Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger relativ wenig geändert hat. Bypasskamine gehören mittlerweile in der GuD-Landschaft zu einer aussterbenden Spezies, damit entfallen auch die störanfälligen Klappensysteme. Abhitzedampferzeuger werden fast nur noch horizontal in 3-Druck-ZÜ-Bauweise ausgeführt. AHDE mit überkritischer Zwangdurchlaufverdampfung sind auf den Vormarsch, haben sich jedoch noch nicht generell durchsetzen können. Verantwortlich hierfür ist in erster Linie der in den letzten Jahren verstärkt festzustellende Kostendruck bei den abgasführenden Großkomponenten sowie damit verbunden deren Herstellung in Drittländern, wobei dort noch konventionelle Technik bevorzugt wird. Die sich jetzt in der Einführungsphase befindlichen Gasturbinen der neuesten Generation (H-Klasse), die im GuD-Prozess mehr als 60% Wirkungsgrad erzielen, können hier zu einer Beschleunigung bei der Verbreitung der Zwangdurchlaufverdampfung beitragen. 5.3.6.1 Erhöhter Kostendruck und flexiblere Fahrweise der GuD- Kraftwerke Die folgenreichsten Änderungen für die Abgasstrecke, aber insbesondere für die komplexeren Abhitzedampferzeuger der letzten Jahre resultierten nicht aus technischen bzw. innovativen Beweggründen, sondern ergaben sich eher aus ökonomischen Erwägungen sowie neuen Herausforderungen im Hinblick auf den Anlagenbetrieb. In den neunziger Jahren konnte der Kostendruck noch im Wesentlichen durch Standardisierung aufgefangen werden, wogegen seit der Jahrtausendwende sowohl bei der Abgasstrecke als auch beim Kessel Qualitätsmängel zu beobachten sind. Dies wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass Anlagen aus den neunziger Jahren jetzt in die Jahre gekommen sind und sich auch bei diesen AHDE Langzeitschäden bemerkbar machen. Dazu kommt noch ein betrieblicher Aspekt. Bis zur Jahrtausendwende wurden GuD-Prozesse weitgehend für den Volllastbetrieb ausgelegt. Nach dem Anfahren wurden nur wenige bzw. moderate Lastwechsel durchgeführt. Heute ist eine deutlich flexiblere Fahrweise gefordert, bis hin zum täglichen An- und Abfahren. Hierfür sind viele Gründe anzuführen. Da GUD-Kraftwerke kostengünstiger zu errichten sind als andere konventionelle Kraftwerkstypen, haben sich diese international weitgehend auf dem Markt durchgesetzt und damit den Anteil des reinen Grundlastbedarfs deutlich überschritten. Durch die Liberalisierung des Strommarktes ist zusätzlich in vielen Staaten auch eine härtere Konkurrenz zwischen den Kraftwerken entstanden. Independent Power Producers (IPPs) drängen mit hochwirksamen neuen Einzelkraftwerken auf den Markt. Lastverteiler werden per Gesetz dazu verpflichtet, immer jeweils den Kraftwerken mit dem höchsten Wirkungsgrad
200
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den Vorrang zu geben. Hierdurch ergeben sich über der täglichen Strombedarfskurve viele Änderungen, Kraftwerke werden kurzfristig dazu geschaltet oder müssen ihre Last ändern. In einigen Ländern wird dieser Effekt auch noch durch vermehrten Einsatz der Windenergie verstärkt. Diese ist naturgegeben schwer berechenbar und beim Wechsel der Wetterbedingungen müssen konventionelle Kraftwerke diese Schwankungen zusätzlich ausgleichen. All dies führt zu Betriebsbedingungen, die eher zu einem Verschleiß von Bauteilen führen. Somit ist es zwingend, sich nunmehr primär mit den Qualitäts- und Betriebsfragen der derzeitigen Abhitzedampferzeugergeneration auseinander zu setzen. 5.3.6.2 Typische technische Mängel beim Betrieb von Abgasstrecken und Abhitzedampferzeugern Im Folgenden sollen einige der charakteristischsten Mängel und Schäden von Abgasstrecke und Abhitzedampferzeugern beschrieben werden. Wie bei allen technischen Ausführungen gibt es zufriedenstellende und auch weniger gelungene Konstruktionen. Letztere resultieren häufig aus dem Kostendruck. Einige Mängel sind herstellerspezifisch, aber in der überwiegenden Zahl lassen sich die hier aufgeführten Probleme bei nahezu allen Herstellern feststellen. Mit zunehmender Betriebsdauer bei flexibler Fahrweise, die im täglichen An- und Abfahren gipfelt, werden AHDE-Schäden noch zunehmen. Es kann nicht auf alle Störfälle, deren Ursachen sowie Möglichkeiten der Behebung oder Vermeidung eingegangen werden, deshalb muss sich die Auflistung hier auf die typischen, d. h. am häufigsten auftretenden Fälle beschränken. Repräsentative Beispiele für technisches Versagen im Bereich Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger • Korrosion von Rohren und Rippen (s. Abb. 5-59) Hauptursachen: mangelhaftes Material, falsch eingestellte Wasserchemie. • Heißstellen (s. Abb. 5-60) Folge von mangelhafter Isolierung. Wärmeverluste haben Einfluss auf das GuDLeistungsvermögen, unzulässig hohe Temperaturen können darüber hinaus zu Materialermüdungen und Materialversagen führen. • Rohrreißer (s. Abb. 5-61) Hauptursachen: Korrosion, Erosion, Materialermüdung durch wechselnde Beanspruchung (Wärmespannungen). Entgegen früherer Äußerungen der AHDEHersteller treten Rohrreißer in Rippenrohren relativ häufig auf. • Verlust von Innenisolierungsmaterial in Bereichen der Abgasstrecke, das stromab im AHDE die Räume zwischen den Rippen der Wärmeübertragungsrohre zusetzt (Abb. 5-62 und 5-63) Ursache: Mangelhafte Verarbeitung, ggf. Resonanzschwingungen im Bereich der Abgasstrecke. Das Zusetzen der Rippenoberfläche hat Einfluss auf die Wärmeübertragung sowie den gasseitigen Strömungswiderstand der Heizflächenpakete und damit auf das GuD-Leistungsvermögen.
5 Kraftwerkskomponenten
Abb. 5-59 Rohr-Korrosion (innen und außen)
Abb. 5-60 Heißstellen
Abb. 5-61 Rippenrohrreißer
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Abb. 5-62 Isoliermaterialverlust der im Bereich der Abgasstrecke (Innenisolierung).
Abb. 5-63 Resultierende Zusetzung von AHDEÜberhitzerrohren
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Abb. 5-64 Durchgebrannter Gewebekompensator
Abb. 5-65 Schadhaftes Ventil
Abb. 5-66 Risse in Schweißnähten (leckende Einspritzkühlerzuleitung)
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• Undichtigkeiten in Gewebe-Abgaskompensatoren (s. Abb. 5-64) Wegen der zyklischen Fahrweise nehmen Schäden an Kompensatoren aufgrund der häufigeren Wechselbeanspruchung wieder zu. • Ventilschäden (s. Abb. 5-65) Beispiel: Einspritzkühler senkt wegen nicht dicht schließendem Ventil im Normalbetrieb Dampftemperatur völlig unnötig ab, direkter Einfluss auf GuD-Leistungsvermögen. • Risse von Schweißnähten (s. Abb. 5-66) Materialermüdung durch wechselnde Wärmespannungen, auch mangelhafte Verarbeitung. Den Anlagenbetrieb beeinflussende AHDE-Konstruktionsmängel Des Weiteren sind zu klein dimensionierte Trommeln sowie störanfällige Abblaseventile ein stetiges Ärgernis für den Betreiber, da diese häufig die Ursache für Anlagentrips darstellen. Beispiel: Ein Über- bzw. Unterschreiten der min/max-Wasserstände in den Verdampfertrommeln führt zum AHDE-Trip und damit zum Schnellabschalten des GuD-Blocks. Je kleiner das Trommelvolumen, desto schwerer lassen sich die Wasserstände beim Anfahren der Anlage und bei Lastwechseln im betrieblich unkritischen Bereich halten. Dies ist schon lange bekannt und aus betrieblicher Sicht werden deshalb großdimensionierte Verdampfertrommeln gefordert. Durch den erhöhten Kostendruck wurde dieser Forderung jedoch nicht immer Rechnung getragen. Verdampfertrommeln sind als großvolumige, druckführende Komponenten ein wesentlicher Kostenfaktor. Kleinere Durchmesser benötigen dazu noch geringere Wandstärken; hier hat man der Versuchung, Kosten bei der Neuanlage einzusparen, nicht immer widerstanden. Für den Betreiber ergibt sich ein direkter Einfluss auf Anlagenverfügbarkeit, Restlebensdauer der Anlage und Betriebskosten. Hier wurde oft am falschen Ende gespart. Fazit: Kunden und Gesamtanlagenplaner dürfen Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger nicht als Primärziele für Kostenreduzierungsmaßnahmen ansehen, Qualität hat ihren Preis. Die AHDE-Hersteller müssen die Qualität der Verarbeitung auf einem hohen Stand halten und den veränderten Betriebsbedingungen durch Anpassung ihrer Konstruktionen Rechnung tragen. Die Rolle der Wasserchemie als Garant für einen störungsarmen Betrieb des Abhitzedampferzeugers Generell stellt für einen möglichst störungsfreien Langzeitbetrieb des Abhitzedampferzeugers die Reinheit des Wassers sowie die Einhaltung/Überwachung der wasserchemischen Betriebsbedingungen eine der wichtigsten Aufgaben dar. Das Kondensat muss möglichst von Verunreinigungen, wie Korrosionsprodukten, befreit sein. Dazu ist eine kontinuierliche Abschlämmung erforderlich, auch um einer Eindickung der mineralischen Bestandteile des Kondensats durch die stetige Verdampfung entgegenzuwirken. Verschmutzungen des Speisewassers gelangen in den
5 Kraftwerkskomponenten
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AHDE und setzen sich dort an den Innenseiten der Heizflächen fest, wo sie den Wärmeübergang behindern sowie aufgrund der verminderten Wärmeabfuhr das Risiko von Rohrreißern erhöhen. Verschmutzungen, die während der Verdampfung mit dem abströmenden Frischdampf mitgerissen werden, können in die Dampfturbine gelangen und dort zu Korrosion an den Turbinenschaufeln führen. Auch inerte Beläge auf diesen Schaufeln beeinträchtigen den Wirkungsgrad der Dampfturbine. Durch die Einstellung der Schlüsselparameter für die Wasserchemie wie pHWert, Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt und Phosphatgehalt lassen sich Betriebsbedingungen herstellen, welche die Funktionalität des AHDE auf Dauer gewährleisten. Dazu ist jedoch eine ständige Kontrolle der oben genannten Parameter erforderlich. Im Gegensatz dazu kann eine Fahrweise mit falsch konditioniertem Kesselwasser dem Abhitzedampferzeuger schwere Schäden zufügen und die Gesamtverfügbarkeit der GuD-Anlage spürbar beeinträchtigen. Auf die Überwachung wichtiger Anlagenbetriebsparameter wird in Kap. 36 (Ferndiagnose) näher eingegangen.
Zusammenstellung englischsprachiger Fachbegriffe Abgasstrecke Abgasstrecke Außenisolierung Bypasskamin Bypasskamin-Unterteil Bypassklappe Diffusor Gasweiche Gewebekompensator Innenisolierung Jalousieklappe Kamin Metallkompensator Regenklappe Schalldämpfer Sperrluft Abhitzedampferzeuger Abhitzedampferzeuger (AHDE) Abschlämmung Abspritzkühler AHDE-Kamin AHDE-Übergangsstück Anfahrbehälter
flue gas ducts external insulation bypass stack T-box bypass damper, flow diverter diffuser flow diverter fabric compensator internal insulation multi louvre damper stack metal compensator rain damper silencer seal air
heat recovery steam generator (HRSG), amerikanisch auch lautmalerisch: [herzig] blow down attemporator boiler stack HRSG transition duct start up tank
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Druckstufe Economizer (Eco) Entgaser fluchtende Rohranordnung Frischdampf geschlitzte Rippen Heizfläche heiße ZÜ Hochdruck (HD) kalte ZÜ Katalysator Kondensat Kondensatumwälzung Kondensatvorwärmer (KVW) Korrosion Materialermüdung Mitteldruck (MD) Niederdruck (ND) Rippenrohr Rohrrippen Sammler Speisewasser Überhitzer (UE) Verdampfer (VD) versetzte Rohranordnung Wasserchemie Zusatzfeuerung Zwischenüberhitzer (ZÜ) Zwischenüberhitzung (ZÜ) zwischenüberhitzter Dampf
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pressure stage economizer (ECO) deaerator in line tube arrangement life steam serrated fins heating surface reheat, hot leg high pressure (HP) reheat, cold leg catalyst condensate condensate recirculation condensate preheater (CPH) corrosion fatigue intermediate pressure (IP) low pressure (LP) finned tube fins header feed water superheater (SHTR) evaporator (EVAP) staggered tube arrangement water chemistry supplementary firing reheater (RHTR) reheat (RH) reheated (reheat) steam
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5.4 Dampfturbine Andreas Feldmüller
5.4.1 Einleitung Im Unterschied zur Gasturbine, bei der die Entwicklung eines neuen Typs einen gravierenden Meilenstein in der Erweiterung der Produktpalette des jeweiligen Unternehmens darstellt, verläuft die Entwicklung von Dampfturbinen meist weniger spektakulär, da sie in kleineren Schritten abläuft. Dies liegt am modularen Aufbau der Dampfturbinen [5.66]. Sie bestehen aus einzelnen Gehäusen, in der Folge als Teilturbinen bezeichnet, und zugeordneten Turbinenkomponenten wie Ventilen, Lagerung und Überströmleitung. Um den breiten Einsatzbereich von Dampfturbinen abzudecken, existieren die verschiedenen Teilturbinen und Komponenten i. d. R. in unterschiedlichen Baugrößen. Die Teilturbinen können in verschiedenen Dampfturbinenbaureihen eingesetzt werden. Eine Hochdruckteilturbine kann z. B. mit separaten Mittel- und Niederdruckteilturbinen oder mit einer kombinierten Mittel-Niederdruckteilturbine verbunden werden, um in konventionellen Dampfkraftwerken oder GuD-Kraftwerken eingesetzt zu werden (Abb. 5-67). Dampfturbinen werden für industrielle Anwendungen, beginnend mit wenigen MW, üblicherweise eingehäusig gebaut. Die Dampfturbinen für GuD-Kraftwerke sind in einem Leistungsbereich bis etwa 400 MW i. d. R. zweigehäusig. In konventionellen Dampfkraftwerken und Kernkraftwerken kommen Dampfturbinen bis 1100 bzw. 1700 MW zum Einsatz. Sie bestehen, abhängig von Leistung, Kondensatordruck und Wirkungsgradbewertung, im oberen Leistungsbereich aus drei, vier oder fünf Gehäusen [5.76]. Da Dampfturbinen im Unterschied zu Gasturbinen in ihrem Einsatzbereich mit beliebigen Leistungen angeboten werden, bestehen sie meist aus standardisierten Gehäusen und Rotoren, die in einem vorgegebenen Beschaufelungsraum unterschiedliche, für den jeweiligen Auftragsfall optimierte Beschaufelungen aufnehmen können. Im Unterschied zur Gasturbine beschränkt dies die Möglichkeiten einer Vorfertigung und die damit verbundene Verkürzung der Lieferzeit. Auch wenn der Entwicklung einer einzelnen Teilturbine eine weit geringere Bedeutung zukommt als der um ein Vielfaches aufwändigeren Entwicklung eines Gasturbinentyps, gibt es doch Meilensteine in der Dampfturbinenentwicklung. Zu nennen sind hier z. B. die Entwicklung neuer größerer Endstufenschaufeln [5.68], die Entwicklung der neuen dreidimensional gestalteten Beschaufelungsgeneration zur Reduzierung der Randzonenverluste an Fuß- und Deckplatten [5.61] oder der Ersteinsatz einer neuen Dampfturbinenbaureihe bzw. Teilturbinenbauform, z. B. kombinierte Mittel-Niederdruckteilturbinen mit axialer Abströmung, wie in [5.64] beschrieben. Ein wichtiger Meilenstein kann auch in der Bereitstellung neuer Materialien bestehen. Beispielhaft sei hier die Qualifizierung und der Einsatz der martensitischen 9–10% Cr Stähle angeführt, durch die eine deutliche Erhöhung der Dampfpara-
208
A. Feldmüller
meter möglich wurde [5.62, 5.80, 5.81]. Eine Fortführung des Strebens nach höheren Wirkungsgraden hat in den letzten Jahren zur Weiterentwicklung dieser erfolgreichen Martensite geführt und zielt nun auch auf den Einsatz von Nickel-BasisLegierungen im Bereich der Wellen und Gehäuse von Dampfturbinen. Letzteres bedingt durch die geringe Größe der verfügbaren Rohteile eine neue Turbinenkonzeption und stellt eine der großen Herausforderungen im Dampfkraftwerksbau unserer Tage dar [5.82].
5.4.2 Dampfturbinen für Dampfkraftwerke Die überwiegende Zahl von Dampfkraftwerken (im Folgenden als DKW bezeichnet) basiert auf einem Kreisprozess mit einfacher Zwischenüberhitzung und einer sechs- bis achtstufigen Speisewasservorwärmung. Für die Dampfturbine bedeutet das, dass der Dampf nach der Hochdruckbeschaufelung die Teilturbine verlässt und im Kessel zwischenüberhitzt wird, bevor er die Mitteldruck-Beschaufelung durchströmt. Ein Teil des Dampfes wird abgezweigt, um das Kesselspeisewasser vorzuwärmen. Gleiches geschieht an weiteren Anzapfstellen der Teilturbinen, so dass die Dampfmenge in einem konventionellen Dampfprozess mit fortschreitender Expansion abnimmt. Die Turbine ist üblicherweise oberhalb des Kondensators angeordnet, d. h. der Dampf verlässt die Niederdruckteilturbine nach unten und auch die Anzapfleitungen werden nach unten aus der Turbine geführt. Die Konzepte mit einer bodennahen Aufstellung von DKW-Turbinen, wie von Klotz et al. [5.65] beschrieben, bilden die Ausnahme. Bereits seit vielen Jahren sind besonders in Deutschland überkritische DKWProzesse etabliert, mit Frischdampfparametern von 250 bar, 540 °C und einer Zwischenüberhitzung (ZÜ) auf 540 °C. Die Wärmezufuhr erfolgt dementsprechend auf einem Druckniveau oberhalb der Siede- bzw. Taulinie des Wassers. Da sich die Wirkungsgrade von DKW durch eine Anhebung der Dampfparameter deutlich steigern lassen, wurden in den vergangenen Jahren auf der Basis neuer Werkstoffe Kraftwerke mit Dampftemperaturen bis 600 °C und darüber geplant und gebaut, so dass heute Wirkungsgrade von 45% realisiert werden können. Überkritische Dampfkraftwerke mit einer Leistung von 1000 MW und Turbineneintrittstemperaturen von 600 °C, die in den 90er Jahren eine Innovation darstellten und vereinzelt in Westeuropa und Japan installiert wurden, werden heute in größerer Anzahl auch in China in Betrieb genommen.
5.4.3 Anforderungen an Dampfturbinen für Kombiprozesse mit Gasturbinen Bereits in den 60er und 70er Jahren wurden Kraftwerksprozesse mit Gas- und Dampfturbinen konzipiert (s. Abschn. 3.2). In der damaligen Zeit war das Bestreben, den DKW-Prozess zu verbessern, indem das Abgas einer Gasturbine als Verbrennungsluft des mit Gas oder Kohle befeuerten Kessels eingesetzt wurde. Be-
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trachtet man die Aufteilung der Kraftwerksleistung, so lieferte die Gasturbine nur einen kleinen Teil der Gesamtleistung (z. B. 20%). Der Dampfkreislauf und damit die Anforderungen an die Dampfturbine stimmten in diesen Kraftwerken weitgehend mit Dampfkraftwerken ohne vorgeschaltete Gasturbine überein, so dass keine zusätzlichen Dampfturbinenbaureihen benötigt wurden. Dies änderte sich drastisch, als die heute so bedeutsamen Kraftwerke mit Abhitzekessel, abkürzend als GuD- oder als Kombi-Kraftwerk bezeichnet, konzipiert wurden. Heute ist die Gasturbine mit ihren technischen Möglichkeiten das den Gesamtkreislauf und die Gesamtleistung dominierende Produkt und die Dampfturbine trägt nur mit etwa einem Drittel zur Gesamtleistung bei. Dieses Verhältnis verschiebt sich zugunsten der Dampfturbine, wenn zur Abdeckung von Spitzenlast eine Gas-Zusatzfeuerung in der Abgasstrecke der Gasturbine vorgesehen wird. Insbesondere im amerikanischen Markt wurden in den vergangenen Jahren Zusatzfeuerungen realisiert, die bei unveränderter Gasturbinenleistung die Dampfturbinenleistung in extremen Fällen um bis zu 80% vergrößern. Der Gesamtwirkungsgrad der Anlage verschlechtert sich allerdings durch diese die Leistung erhöhende Maßnahme. Da die Speisewasservorwärmung im Abhitzedampferzeuger stattfindet, sind üblicherweise in GuD-Kraftwerken keine Anzapfungen aus der Dampfturbine zur Vorwärmung des Speisewassers erforderlich, so dass ein erheblicher Rohrleitungsaufwand unterhalb der Dampfturbine entfällt und die Turbine Kosten und Zeit einsparend auf einem niedrigen Säulenfundament montiert werden kann. Die Höhe der Turbinenachse ist gegenüber konventionellen Dampfkraftwerken deutlich reduziert. Bei GuD-Kraftwerken mit mehreren Druckstufen nimmt die Dampfmenge im Unterschied zum DKW wegen entfallender Dampfanzapfungen und den zusätzlich auf den niedrigeren Druckniveaus im Abhitzekessel erzeugten Massenströmen zu. Dies führt dazu, dass der Niederdruckbeschaufelung eine noch größere Bedeutung zukommt, als dies bereits beim DKW der Fall ist. Trotzdem kann die Konstruktion der Niederdruckteilturbine ebenso wie das Design der vorgeschalteten Teilturbinen durch den Verzicht auf Anzapfungen vereinfacht werden, d. h., dass zusätzliche Kammern, Abdichtungen und Anzapfstutzen entfallen. Von dem in die Hochdruckbeschaufelung eintretenden Dampfmassenstrom erreicht im DKW-Prozess nur ein Anteil von etwa 60% die Endstufe. Im GuD-2-Druck-Prozess vergrößert sich die Dampfmenge von der ersten bis zur letzten Turbinenschaufel um ca. 20%, beim 3-Druck-Prozess um 30–35%. Bedingt durch die relativ niedrigen Gasturbinen-Abgastemperaturen lagen die Dampftemperaturen in GuD-Kraftwerken zunächst unter 530 °C; heute werden i. d. R. 550 °C oder 565 °C Dampftemperatur ausgeführt. Mit steigenden Abgastemperaturen der Gasturbinen werden in Zukunft vermehrt Werte von 600 °C und darüber für die Auslegung der Dampfturbinen relevant werden, d. h. wie bei Dampfturbinen für konventionelle DKW ist auch hier ein stärkerer Einsatz der 9–10% CrStähle zu erwarten. Die Anforderungen hinsichtlich der Temperatur liegen jedoch unter denen, die an fortschrittliche DKW-Turbinen gestellt werden. Dies gilt noch in stärkerem Masse für die zu erwartenden Drücke, da ein hoher Druck bei kleinen Leistungen das Dampfvolumen und damit die zugehörigen Schaufelhöhen so stark
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Tabelle 5-5 Übliche Dampfparameter unterschiedlicher Kraftwerksprozesse Frischdampf Prozess DKW GuD
Druck (bar) 170–280 80–180
Temperatur (°C) 540–600 540–600
Druck (bar) 40–60 25–40
Temperatur (°C) 540–620 540–600
Dampf nach der Zwischenüberhitzung Prozess DKW GuD
Dampf am Eintritt in die Niederdruckteilturbine Prozess DKW und GuD
Druck (bar) 3–10
Temperatur (°C) < 360
Kondensatorvakua Kondensationsverfahren Frischwasserkühlung Nasskühlturm Luftgekühlter Kondensator, Trockenkühlturm
Druck (bar) 0,02–0,08 0,04–0,10 0,09–0,25
reduziert, dass insbesondere die Hochdruckbeschaufelung zu große Verluste aufweisen würde. Dies liegt daran, dass bei zu kleiner Schaufelhöhe die Spaltverluste der berührungslosen Dichtungen und die Randzonenverluste an Deck- und Fußplatten der Schaufeln überproportional anwachsen. Auch überkritische Dampfprozesse sind mit Abhitzekessel in GuD-Kraftwerken möglich, sie sind jedoch wegen der genannten Verluste nicht gebräuchlich. Die unterschiedlichen Dampfparameter bei üblichen DKW- bzw. GuD-Kraftwerksprozessen zeigt Tabelle 5-5. Die bei der Auslegung von Dampfturbinen zugrunde gelegten Kriterien sind jedoch weitgehend von DKW- auf GuD-Turbinen übertragbar. Sie werden üblicherweise für 200 000 Betriebsstunden ausgelegt. Dies gilt auch für die Beschaufelung und unterscheidet sich damit ebenso von der Gasturbine wie die deutlich längeren Revisionsintervalle der Teilturbinen von bis zu 100 000 Betriebsstunden. Anders als in Dampfkraftwerken, bei denen eine erhöhte Dampfeintrittstemperatur der wesentliche Parameter für eine Steigerung des Wirkungsgrades ist, ist dies bei GuD-Prozessen nicht so eindeutig. Hier ist die Dampfeintrittstemperatur nur eine mittlere Temperatur im Prozess, die über die Abgastemperatur bestimmt wird. Letzteres zeigt, dass bei der Entwicklung eines neuen Gasturbinentyps eine Gesamtoptimierung des GuD-Prozesses durchgeführt werden sollte, um die Drücke und Temperaturen des Kraftwerksprozesses festzulegen, die durch die damit verbundenen Materialanforderungen erheblich zu der Kostenstruktur der Turbinen, Rohrleitungen und des Dampferzeugers beitragen.
5 Kraftwerkskomponenten
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Eine Gesamtoptimierung unter Berücksichtigung aller betroffenen Komponenten des GuD-Prozesses ist nicht nur bei der Entwicklung der Komponenten sinnvoll. Auch zur Erreichung einer hohen betrieblichen Flexibilität, die z. B. in kurzen Anfahrzeiten eine Ausprägung findet, sind gesamtheitliche Prozessbetrachtungen unverzichtbar [5.83].
5.4.4 Bauformen der Dampfturbinen für GuD-Kraftwerke Eine Übersicht der prinzipiellen Bauformen der in GuD-Kraftwerken eingesetzten Dampfturbinen gibt Abb. 5-67. Die symbolhafte Anordnung der Schaufelfluten ist nur exemplarisch, da insbesondere bei kombinierten Mittel-Niederdruckturbinen unterschiedliche Strömungsrichtungen am Markt präsent sind (Gleich- oder Gegenstromprinzip). 5.4.4.1 Dampfturbinen mit einer Niederdruckflut und Einwellenanlagen Die in Abb. 5-67 links gezeigten Dampfturbinenbauformen enthalten nur eine Niederdruckflut. Insbesondere die Turbinen, bei denen die Niederdruckflut mit der vorangehenden Beschaufelungsflut zu einem Gehäuse kombiniert ist, ergeben eine sehr kompakte und kostengünstige Bauform, da der Dampf in der Turbine verbleiben kann und keine Überströmleitung benötigt wird. Die Kombination von Hoch- und Mitteldruckteil erfordert hingegen eine Abströmung aus der Turbine und eine erneute Einströmung in den Mitteldruckteil, da der Dampf bei den meisten Prozessen zum Kessel zurückgeführt und überhitzt wird. Der Einsatzbereich der Turbinen mit nur einer Niederdruckflut ist auf kleinere Leistungen und entsprechende Kondensatorvakua beschränkt. Da bei Einwellenanlagen nur die Abwärme von einer Gasturbine für den Dampfprozess zur Verfügung steht, finden die Dampfturbinen mit einer Niederdruckflut hier gute Einsatzbedingungen vor [5.74]. Abbildung 5-68 zeigt eine Turbine mit einer einflutigen Hochdruckteilturbine und einer kombinierten Mittel-Niederdruckteilturbine, die in 3-Druck-ZÜ-Einwellenanlagen häufig eingesetzt wurde. Die wirkungsgradoptimale axiale Abströmung aus der Dampfturbine bedingt eine Anordnung am Wellenende des Turbosatzes, was den Vorteil besitzt, dass das gesamte Kraftwerkskonzept nur am äußersten Rand von den durch die Kühlungsmöglichkeiten des Kondensators bedingten Anpassungen, d. h. der Größe der Niederdruckflut oder der Art des Kondensationsverfahrens, beeinflusst wird (s. Kap. 3). Im vorderen Lagergehäuse von Abb. 5-68 befindet sich eine Schaltkupplung (s. Abschn. 5.1), die üblicherweise bei der Anordnung der Dampfturbine am Ende des Turbosatzes Verwendung findet. Dies ermöglicht, dass die Dampfturbine erst nach der Gasturbine die Betriebsdrehzahl anfährt. Daraus ergibt sich ein Vorteil gegenüber den ebenfalls gebauten Einwellenanlagen, bei denen sich die Dampfturbine zwischen Gasturbine und Generator befindet, weshalb die Dampfturbinenbeschaufelung so lange ventiliert und gekühlt werden muss, bis der Abhitzekessel
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1-Druck-/2-Druck-Prozesse ohne ZÜ
Kombinierte Mittel-Niederdruckturbine
Mitteldruck- und Niederdruckturbine
2-Druck-/3-Druck-Prozesse mit ZÜ
Kombinierte HochMittel-Niederdruckturbine
Hoch- und kombinierte Mittel-Niederdruckteilturbine
Kombinierte Hoch-Mitteldruckund Niederdruckteilturbine
Kombinierte Hoch-Mitteldruckund Niederdruckteilturbine
Hochdruck-, Mitteldruckund Niederdruckteilturbine
Kupplung zwischen zwei Teilturbinen
Abb. 5-67 Bauformen der Dampfturbinen für GuD-Kraftwerke
eine akzeptable Dampfmenge und Dampfqualität bereitstellt und die Dampfturbine Leistung aufnehmen kann. Ausführlicheres hierzu findet man in Kap. 3. Wie die Gasturbine muss auch die Dampfturbine vor dem Anfahren und nach dem Abfahren für eine gewisse Zeit mit herabgesetzter Drehzahl (Turn-Drehzahl, üblicherweise unter 120 min1 / gedreht werden, um ein gleichmäßiges Laufverhalten bzw. Abkühlen des Rotors zu gewährleisten. Dem muss bei der Konzeption des Wellenstrangs durch den Anbau mindestens einer Wellendreh- oder TurnEinrichtung Rechnung getragen werden. Bei den Schaltkupplungen gibt es Aus-
Hochdruckeinströmung, Vollbeaufschlagung der Reaktionsbeschaufelung
Mitteldruckeinströmung, Vollbeaufschlagung der Reaktionsbeschaufelung
Lagergehäuse mit Radial-Axiallager, axiale Fixierung von Wellen und Gehäusen
Axiale Abströmung
NiederdruckEndstufe
Kombinierte MitteldruckNiederdruckteilturbine
Abb. 5-68 Zweigehäusige Turbine mit Schaltkupplung für den Einsatz in Einwellenanlagen Gasturbine-Generator-Schaltkupplung-Dampfturbine (Siemens) [5.64]
Schaltkupplung für EinwellenGuD-Anlage
Abströmstutzen
Hochdruckteilturbine in Topfbauart
5 Kraftwerkskomponenten 213
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A. Feldmüller
führungen, die ein gemeinsames bzw. getrenntes Drehen der Gas- und Dampfturbine ermöglichen. Auch wenn letzteres den Einsatz von zwei Dreheinrichtungen erfordert, wird das getrennte Drehen häufig ausgeführt, da diese Kupplungsbauform ein Stillsetzen der Gasturbine bei noch auskühlender, d. h. sich langsam drehender Dampfturbine ermöglicht. Im Unterschied zu dem Konzept mit nur einer gemeinsamen Turn-Einrichtung wird in dieser Phase keine Luft mehr durch die Gasturbine geblasen, was die Gasturbine insbesondere an Küstenstandorten schont und Servicetätigkeiten z. B. im Bereich der Brennkammer vereinfacht. Im Bereich drehender Teile von Gasturbine und Generator ist der Service allerdings bei den meisten ausgeführten Anlagen unabhängig von der Kupplungsbauform erst dann gefahrlos möglich, wenn auch die Dampfturbine steht. Günstigere Servicezeiten versprechen Konzepte, bei denen die Dampfturbine im Turnbetrieb in Gegenrichtung gedreht wird, um ein Einkuppeln der Schaltkupplung auszuschließen. Mit Abstrichen beim Wirkungsgrad können anstelle der in Abb. 5-68 dargestellten zweigehäusigen Turbine auch noch kompaktere, eingehäusige Turbinen eingesetzt werden, bei denen zusätzlich die Hochdruckflut mit Mittel- und Niederdruckflut in einem Gehäuse kombiniert wird [5.73]. Die Verschlechterung des Wirkungsgrades begründet sich darin, dass die Beschaufelungsgestaltung durch die Erfordernisse der Rotordynamik negativ beeinflusst wird. Die erforderliche Steifigkeit der Welle führt zu tendenziell kürzeren und dickeren Beschaufelungsabschnitten mit kürzeren Schaufeln. Die Randzonen- und Spaltverluste dieser Schaufelkanäle sind dementsprechend größer, als dies bei mehrgehäusigen Ausführungen der Fall ist. Neben Einwellenanlagen sind Dampfturbinen mit einer Niederdruckflut selbstverständlich auch in Mehrwellenkraftwerken (d. h. Gas- und Dampfturbine haben je einen eigenen Generator) einsetzbar. Dies gilt insbesondere für Konfigurationen mit einer Gas- pro Dampfturbine bzw. zwei Gasturbinen pro Dampfturbine in Gegenden mit geringer Kühlmöglichkeit, d. h. hohen Kondensatordrücken (z. B. > 80 mbar) und dementsprechend reduzierter Leistung der Dampfturbine und verschlechtertem Gesamtwirkungsgrad der Anlage. 5.4.4.2 Dampfturbinen mit zwei Niederdruckfluten und Mehrwellenanlagen Bei Kraftwerkskonfigurationen, bei denen die Abhitzekessel mehrerer Gasturbinen den Dampf für eine Dampfturbine erzeugen, sind, von Ausnahmefällen abgesehen (s. Abschn. 5.4.4.1), mindestens zwei Niederdruckfluten erforderlich, so dass die in der rechten Spalte der Abb. 5-67 dargestellten Dampfturbinenbauformen zum Einsatz kommen. Bei sehr guten Kühlbedingungen und großen Dampfmengen können auch Ausführungen mit zwei Niederdruckgehäusen, d. h. vier Niederdruckfluten, zum Einsatz kommen. Der Regelfall ist die Anwendung einer kombinierten Hoch- und Mitteldruckteilturbine mit einer zweiflutigen Niederdruckteilturbine [5.75, 5.79]. Der Dampf verlässt die Niederdruckteilturbine bei der in GuD-Kraftwerken mehrerer Hersteller als Standard vorgesehenen Tiefaufstellung seitlich (ein- oder beidseitig), im Gegensatz zur klassischen DKW-Anordnung (vgl. Abschn. 5.4.2). Die
5 Kraftwerkskomponenten
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üblicherweise auch in GuD-Kraftwerken eingesetzten Kondensatoren mit durch Wasser gekühlten Rohren erhalten modifizierte, horizontal angeströmte Rohrbündel. Ist im Kraftwerk ein Luftkondensator geplant, so steht dieser außerhalb des Maschinenhauses, bestückt mit einer Vielzahl von Ventilatoren, die die Luft an den Kühlrippen vorbei blasen. Da er i. d. R. mit einem großen runden oder rechteckigen aus dem Turbinenhaus führenden Abdampfkanal mit der Turbine verbunden wird, ist die einseitige Abströmung aus der Niederdruckteilturbine die bevorzugte Lösung, auch wenn sie durch eine schlechtere Abströmgeometrie gekennzeichnet ist als die direkte Zuströmung in die beidseitig angeordneten Kondensatoren. Die erhöhten Verluste, die bedingt durch die Umlenkung des dem Kondensator abgewandt austretenden Dampfvolumenstroms auftreten, können durch das Anheben der Turbinenachse und eine Vergrößerung der Gehäusehöhe wieder reduziert werden. In Ausnahmefällen, z. B. bei Anforderungen bezüglich Heiz- und Prozessdampf, kommen auch getrennte Hoch-, Mittel- und Niederdruckteilturbinen in GuD-Kraftwerken zum Einsatz, da die Sonderforderungen der Dampfentnahmen mit den einzelnen Gehäusen i. Allg. leichter realisiert werden können. Diese Anlagen können als Ein- oder auch als Mehrwellenkraftwerke ausgeführt werden und sind wegen der Dampfauskopplung meist Hochaufstellungen. 5.4.4.3 Dampfturbinen mit Getriebe Anders als bei Industriedampfturbinen ist ein Getriebe bei Kraftwerksturbinen ein selten eingesetztes Bauteil. Bei speziellen Randbedingungen kann es aber auch in Kraftwerken sinnvoll sein, ein Getriebe einzusetzen. Beispielsweise wird von Bachmann, Schulz [5.60] ein Einwellenkonzept beschrieben, das auf einer sehr kompakten Hochdruckturbine mit höherer Drehzahl basiert, die über ein Getriebe mit der kombinierten Mittel-Niederdruckteilturbine verbunden ist. Dies führt zu Kostenund Wirkungsgradvorteilen im Bereich der Hochdruckteilturbine, die aber bilanziert werden müssen mit den Getriebekosten und den Verlusten durch das Getriebe und die verschlechterte Abströmung zum Kondensator. Letztere entsteht durch die gegenüber Abb. 5-68 veränderte Reihenfolge der Teilturbinen. Bedingt durch die Anordnung von Getriebe und Hochdruckteilturbine am Wellenende ist die für den Wirkungsgrad optimale axiale Abströmung in den Kondensator nicht möglich. Ein weiterer Grund für ein Getriebe kann der Einsatz einer Standardturbine in einer speziellen Anwendung, insbesondere zur Produktion von Bahnstrom, sein. Durch das Getriebe kann die für 50 Hz ausgelegte Turbine mit dem bei 16 2=3 Hz operierenden Generator des Bahnstromnetzes verbunden werden.
5.4.5 Beschaufelung 5.4.5.1 Endstufen der Niederdruckbeschaufelung Unabhängig vom Kraftwerkskonzept ist es für alle in Abb. 5-67 dargestellten Turbinenbaureihen wichtig, möglichst große Endstufenschaufeln (s. Abb. 5-69) zur Ver-
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Leitschaufel
Laufschaufel
Wasserabsaugschlitz
Eintrittskante
Austrittskante
Austrittskante Eintrittskante
Tannenbaumfuß
Abb. 5-69 Leit- und Laufschaufel einer Niederdruck-Endstufe
fügung zu haben. Dies gilt insbesondere für die Turbinen mit einer axialen Abströmung, da dieses Konzept nur mit einer Niederdruckflut ausführbar ist. Aber auch die Baureihen mit doppelflutigen Niederdruckteilen profitieren von großen Endstufenschaufeln, da diese es ermöglichen, mit nur einem Niederdruckgehäuse den erforderlichen Abdampfvolumenstrom zu beherrschen [5.84]. Je kleiner die dem jeweiligen Unternehmen zur Verfügung stehende maximale Endstufenschaufel ist, umso früher muss bei steigenden Leistungen oder bei sehr guten Kühlbedingungen ein zweites Niederdruckgehäuse eingesetzt werden, was neben den i. d. R. zu erwartenden Mehrkosten der Turbine auch die Baulänge des Kraftwerks vergrößert. Die besondere Herausforderung bei der Entwicklung von Endstufenschaufeln besteht darin, einen geeigneten Kompromiss zu finden zwischen den Wirkungsgrad bestimmenden Kriterien der Strömungsmechanik und den mechanischen Erfordernissen zur Erreichung der Betriebssicherheit sowie den geometrischen Randbedingungen von Fertigung und Montage. Die Beherrschung der enormen Fliehkräfte, die diese Schaufeln erzeugen, ist ebenso zu berücksichtigen wie ein abgestimmtes Schwingungsverhalten und die Vermeidung von hohen örtlichen Überschallgeschwindigkeiten im Bereich der Blattspitze [5.63, 5.66, 5.68, 5.78].
5 Kraftwerkskomponenten
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5.4.5.2 Hoch- und Mitteldruckbeschaufelung Die Entwicklung strömungsoptimierter Beschaufelungen wurde durch die Verfügbarkeit zuverlässiger räumlicher Strömungsberechnungsprogramme, die die Berücksichtigung von Reibungs-, Spaltströmungs- und Sekundäreffekten erlauben, stark begünstigt. Die konsequente Nutzung dieser Programme führte zu modernen dreidimensional gestalteten Dampfturbinenbeschaufelungen für Hoch- und Mitteldruckteilturbinen mit höchsten Wirkungsgraden. Die dreidimensionale Gestalt der Schaufelblätter trägt dem dreidimensionalen Charakter der Strömung Rechnung und führt insbesondere in den vorderen Hoch- und Mitteldruckstufen zu erheblichen Reduzierungen der Spalt- und Sekundärverluste [5.61]. Neben der Weiterentwicklung der Strömungsberechnungsprogramme, war die Einführung moderner computergesteuerter (CNC) 5-Achsenfräsmaschinen ebenfalls eine Grundvoraussetzung für die Realisierung dieser komplexen 3D-Schaufeldesigns (Abb. 5-70). Zu der häufig gestellten Frage, ob eine Gleichdruck- (Impulsbeschaufelung) oder eine Überdruckbeschaufelung (Reaktionsbeschaufelung) die größeren Vorteile bringt, lässt sich sagen, dass sich die Hersteller beider Prinzipien annähern. Durch die Verfügbarkeit neuer Berechnungs- und Optimierungsverfahren sowie Fertigungstechnologien ist es möglich, sich vollkommen von der traditionellen Auftei-
Abb. 5-70 3D-Schaufeln für Hoch- und Mitteldruckbeschaufelung mit höchsten Wirkungsgraden
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lung der Beschaufelungsauslegungen in Überdruck- und Gleichdruckbeschaufelungen zu trennen. Stephan et al. [5.67] beschreiben eine radikal neue Beschaufelungsauslegungsphilosophie, bei der neben der dreidimensionalen Blattgestalt auch die Druckzahl und der Reaktionsgrad individuell für jede Stufe optimiert wird. Die ausgeführten Beschaufelungen zeigen aber, dass bei ausreichender Schaufelfestigkeit und günstigen Baulängen, die Optimierung der Wirkungsgrade zu höheren Reaktionsgraden tendiert. Auch die für die Hersteller von Überdruckbeschaufelungen typische Trommelbauform wird bei dieser Auslegungsphilosophie angewendet. Da in den letzten Jahren nach dem Zusammenschluss von zwei großen europäischen Turbinenherstellern mit jeweils unterschiedlichem Beschaufelungsprinzipien die Überdruckbeschaufelung als Technologie für neue Dampfturbinen gewählt wurde und auch der größte Dampfturbinenhersteller Amerikas in den vergangenen Jahren optimierte GUD-Kraftwerke mit Reaktionsbeschaufelung vorgestellt hat [5.77], sind dies deutliche Indikatoren für die Wirtschaftlichkeit von Trommelbeschaufelungen mit 40–50% Reaktionsgrad.
5.4.6 Konstruktive Aspekte von Dampfturbinen für GuD-Prozesse Bedingt durch die Vielzahl von Dampfturbinen-Bauformen für GuD-Kraftwerke (Abb. 5-67) und die über diese Grundkonzepte hinaus stark unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien der einzelnen Hersteller, lassen sich hier nur beispielhaft einige konstruktive Aspekte von Dampfturbinen für GuD-Prozesse aufzeigen. Dies wird anhand der bereits in Abb. 5-68 dargestellten Turbine geschehen und soll insbesondere einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Dampfturbinen für DKWProzesse verdeutlichen. Die zweigehäusige Turbine besteht aus einer Hochdruckteilturbine und einer kombinierten Mittel-Niederdruckteilturbine. 5.4.6.1 Hochdruckteilturbine Abbildung 5-71 zeigt 3D-Darstellungen von Hochdruckteilturbinen, die herstellertypisch in Topfbauart konstruiert sind. Diese kompakte Bauform erhält ihre Bezeichnung durch das hier einteilig mit einem Deckel ausgeführte, topfförmige Außengehäuse, welches bei den in Abb. 5-71 gezeigten Anwendungen mit den vollen Frischdampfparametern beaufschlagt wird. Unterschiedlich hohe Dampfzustände und durch den Leistungsbereich bedingte Baugrößen drücken sich in einer stark vom Anwendungsfall abhängigen Topfwandstärke aus, die sich von unterkritischen GuD-Prozessen kleiner Leistung zu überkritischen DKW-Prozessen großer Leistung mehr als verdoppelt. Bei den kleinen Leistungen der GuD-Anwendungen entfällt üblicherweise eine der zwei Schnellschluss-Stellventilkombinationen. Je nach Wirkungsgradanforderung werden zylindrische oder – wie in Abb. 5-70 zu sehen – dreidimensional gestaltete Schaufeln eingesetzt.
5 Kraftwerkskomponenten
Sperrdampf
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Außengehäuse
Deckel
Wrasen Kupplung
Anschlüsse Sperrdampf- und Wrasensystem
Anzapfung Ventilkombination
Abströmung
Einströmung
Buchse
Kupplung zum Generator
GuD-Anwendung
Abb. 5-71 Hochdruckteilturbine in Topfbauart
Die in Abb. 5-68 dargestellte GuD-Anwendung mit nachgeschalteter kombinierter Mittel-Niederdruckteilturbine bedingt einen großen Innendurchmesser an der Abströmseite des Außengehäuses, um bei der Montage die zur Leistungsübertragung vergrößerte Kupplung durchführen zu können. Dies wird durch eine zweiteilige Buchse realisiert und ist bei DKW-Prozessen mittlerer und großer Leistungen mit nachgeschalteten Mittel- und Niederdruckteilturbinen, gefolgt vom Generator, nicht erforderlich. Als weiteren Unterschied zeigt Abb. 5-71 eine Hochdruckanzapfung, die bei den gängigen GuD-Prozessen nicht erforderlich ist.
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Radiallager und Dreheinrichtung Ventilkombination
Radiallager
Innengehäuse des Mitteldruckteils
Zudampfeinleitung
Mittenführung
Vertikalabstützung
Abb. 5-72 Kombinierte Mitteldruck-Niederdruckteilturbine
Abströmung zur Niederdruckteilturbine
Außengehäuse Innengehäuse mit Anzapfstutzen Ventildiffusor Einströmung
Schaufelkanal Läufer Anzapfungen
Winkelring
Abb. 5-73 Zweiflutige Mitteldruckteilturbine mit Anzapfungen am Innengehäuse und typischer Anordnung der Einströmgeometrie mit Winkelringabdichtung
5 Kraftwerkskomponenten
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5.4.6.2 Mitteldruckteilturbine Die Dampfanzapfungen, die im DKW-Prozess auch aus der Mittel- und Niederdruckbeschaufelung entnommen werden, tragen zu deutlich komplexerer Gehäusegestaltung der DKW-Turbinen bei, selbst wenn der grundsätzliche Aufbau und viele herstellerspezifischen Bauelemente (z. B. Dichtringe) sowohl in GuD-, als auch in DKW-Prozessen Anwendung finden. Beispielhaft sei hier das Mitteldruckinnengehäuse der kombinierten Mittel-Niederdruckteilturbine mit nur einer Einströmung und einflutiger Beschaufelung ohne Anzapfungen (Abb. 5-72) verglichen mit einem Innengehäuse einer zweiflutigen Mitteldruckteilturbine mit zwei Einströmungen und Anzapfungen für DKW-Prozesse (Abb. 5-73). Trotz der deutlichen Unterschiede dieser Teilturbinen folgen die Auslegung von Flanschen und Verschraubung, die Abstütz- und Führungselemente, die Anordnung der Einströmung am Gehäuseunterteil und die Abdichtung zwischen Ventildiffusor und Innengehäuse dem gleichen Bauprinzip. Bei den hier betrachteten Teilturbinen werden zu der genannten Abdichtung jeweils Winkelringe verwendet (Abb. 5-73). Andere Hersteller verwenden anstelle dieses Dichtelementes z. B. Kolbenringe. 5.4.6.3 Niederdruckteilturbine Abbildung 5-74 zeigt beispielhaft an einer zweiflutigen Niederdruckteilturbine die bei DKW-Prozessen aus der Beschaufelung entnommenen Dampfströme, die mittels Stutzen und wärmebeweglich kompensierten Leitungen zu den Vorwärmern geleitet werden müssen. Diese aufwändigen Bauelemente entfallen bei der in Abb. 5-68 dargestellten kombinierter Mittel-Niederdruckteilturbine wie auch bei zweiflutigen Niederdruckteilturbinen im GuD-Prozess. In Sonderfällen, z. B. bei Prozess- und Heizdampfauskopplung oder häufiger Ölfeuerung der Gasturbine, können auch in GuD-Prozessen Anzapfungen ausgeführt werden. Die in Abb. 5-69 gezeigten Endstufenschaufeln kommen in GuD- und DKWKraftwerken unverändert zum Einsatz. 5.4.6.4 Lagerung Die Lagerung weist keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen GuD- und DKWDampfturbinen auf. Hier sind die herstellerspezifischen Unterschiede deutlich größer als die durch den Dampfprozess bedingten. Einige Hersteller, insbesondere in Asien und Amerika, führen fast durchgängig Doppellager aus, d. h. dass jede Teilturbine zwei Lagerstellen erhält. Im Gegensatz dazu steht die von zwei großen europäischen Herstellern vermarktete Einlageranordnung, bei der zwischen zwei Teilturbinen nur ein Lager platziert ist, wie z. B. in Abb. 5-74 oder 5-68 zwischen den beiden Teilturbinen zu sehen. Dieses Konzept führt zwar i. d. R. zu höheren Lagerbelastungen, ist aber weniger anfällig bezüglich Ausrichtstörungen, die bei zwei nahe beieinander angeordneten Lagern eine starke Veränderung der Lastzuordnung bewirken können.
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Außengehäuse Kompensator
Einströmung
Sperrdampf
Zweischaliges Innengehäuse
Läufer
Wrasen Radiallager
Anzapfung 3 Mittenführung Anzapfung 1 Anzapfung 2 Abströmung zum Abströmung zum Kondensator Kondensator Abb. 5-74 Zweiflutige Niederdruckteilturbine mit Anzapfungen für DKW-Prozesse
Bei Dampfturbinen werden abhängig vom Hersteller und der Wellendynamik des jeweiligen Anwendungsfalls Kreislager, Zwei- und Mehrkeillager, Tragspiegel-, Taschen- und Kippsegmentlager eingesetzt (s. auch Kap. 22). Für die in Abb. 5-68 dargestellte Dampfturbine kommen z. B. an der Schaltkupplung zwei leichtbelastete Kippsegmentlager zum Einsatz, im Abdampfteil der kombinierten MittelNiederdruckteilturbine jedoch ein durch das Niederdruckteil stärker belastetes Tragspiegellager. 5.4.6.5 Sperrdampf- und Wrasensystem Abschließend soll hier noch auf das Sperrdampf- und Wrasensystem zur Abdichtung der Wellenenden der Teilturbinen hingewiesen werden, welches unabhängig vom Dampfprozess und Hersteller in nahezu allen Dampfturbinen zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zur Gasturbine, bei der an den Wellenenden keine hohen Druckdifferenzen zur Umgebung anliegen, sind an den Enden der Teilturbinen unterschied-
5 Kraftwerkskomponenten
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lich große Differenzdrücke abzudichten. Dies gilt für den Hochdruckabdampf in der Größenordnung von 50 bar (s. Tabelle 5-5) und den Abdampf der Mitteldruckbeschaufelung von etwa 5 bar jeweils als Überdruck gegenüber Kraftwerksatmosphäre und im Niederdruckbereich als Unterdruck von ca. 0,9 bar. Zur Vermeidung von Dampfleckagen in das Maschinenhaus werden an den Wellenenden im Bereich der häufig als Labyrinthe ausgeführten berührungslosen Dichtungen innen jeweils eine Sperrdampf- und außen eine Wrasenkammer angeordnet (s. Abb. 5-71 und 5-74). Im Überdruckbereich wird bei Leistungsbetrieb aus der Sperrdampfkammer Dampf entnommen und in das Sperrdampfsystem eingespeist, welches auf einen geringen Überdruck der Größenordnung 0,05 bar gegen Atmosphäre geregelt ist. Im Unterdruckbereich, d. h. in der Niederdruckteilturbine und bei Evakuierung der Dampfturbine im Anwärmbetrieb auch in den anderen Teilturbinen, wird der Sperrdampfkammer aus dem Sperrdampfsystem Dampf zugeführt, so dass sich ein Sperrdampfstrom ins Innere der Turbine und auch in Richtung Wrasenkammer ergibt. In allen Fällen liegt an der äußeren Kammer ein leichter Unterdruck an, so dass dort Maschinenhausluft und Dampf aus der Wellendichtung mittels eines Gebläses abgesogen werden. Das Absaugen dieses als Wrasen bezeichneten LuftWasserdampfgemisches verhindert bei korrekter Auslegung des Systems (z. B. der Ermittlung der maximalen Leckagemengen der berührungslosen Dichtungen) zuverlässig einen Dampfaustritt in die Umgebung. 5.4.6.6 Dichtungen mit reduzierten Dampfleckagen Zur Reduzierung von Leckageverlusten können spezielle Dichtungselemente wie Bürsten- oder Blattdichtungen in den Wellendichtungen und in der Beschaufelung zum Einsatz kommen [5.69, 5.70, 5.72, 5.73]. Bürstendichtungen sind auch aus dem Gasturbinenbau bekannt. Gleiches gilt auch für abrasive Schichten, die verschiedentlich in Dampfturbinen eingesetzt werden, um eine Reduzierung der Spiele und damit der Leckageverluste zu ermöglichen [5.69, 5.71].
224
G. Haberberger, D. Blanck
5.5 Wärmeabfuhrsystem Georg Haberberger und Dieter Blanck Das folgende Kapitel beschreibt das Wärmeabfuhrsystem für kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke. Der mit den Abgasen der Gasturbine beheizte Abhitzedampferzeuger liefert Dampf für die Expansion in einer Dampfturbine. Dieser Dampfprozess benötigt eine Wärmesenke. Realisiert wird diese Wärmesenke durch die Kondensation des Turbinenabdampfes in einem Kondensator. Dabei wird ein möglichst niedriger Kondensatordruck angestrebt, um einen guten Wirkungsgrad des Dampfprozesses zu erreichen [5.86]. Der bei der Kondensation des Turbinenabdampfes frei werdende Wärmestrom wird an die Umgebung übertragen. Für die erforderlichen Komponenten wird in der Praxis auch der Begriff Kaltes Ende verwendet [5.88].
5.5.1 Komponenten des Kalten Endes Zum Kalten Ende zählen die Niederdruckteilturbine des Wasserdampfkreislaufes, der Turbinenkondensator und die Komponenten zur Abfuhr der im Kondensator frei werdenden Kondensationswärme an die Umgebung. Eine wirtschaftliche Auslegung des Kalten Endes erfordert eine gleichzeitige Betrachtung aller Komponenten [5.88]. Beispielhaft für Übertragung der Kondensationswärme an die Umgebung ist in Abb. 5-75 das Kalte Ende mit Kreislaufkühlung und Nasskühlturm dargestellt.
Abb. 5-75 Modernes Kombikraftwerk mit Kaltem Ende
5 Kraftwerkskomponenten
225
5.5.2 Einfluss des Kalten Endes auf den Wirkungsgrad Der Wirkungsgrad des Gas- und Dampfkraftwerkes wird vorrangig durch die Temperatur der Wärmezufuhr und durch das Temperaturniveau der Wärmeabfuhr bestimmt [5.86]. Das bedeutet, dass die Gasturbineneintrittstemperatur und die Gestaltung des Dampfprozesses eine sehr wichtige Rolle spielen. Das minimal mögliche Temperaturniveau der Wärmeabfuhr aus dem Dampfprozess wird je nach gewähltem Kühlsystem durch die Gewässer- oder Lufttemperatur bestimmt. Durch das Kühlsystem wird der Abdampfdruck der Dampfturbine im Wasser-/ Dampfkreislauf erzeugt. Welchen Einfluss dieser Turbinenabdampfdruck auf den Wirkungsgrad eines modernen Gas- und Dampfkraftwerkes haben kann bei Auswahl einer geeigneten Niederdruckdampfturbine, zeigt Abb. 5-76.
Änderung des Wirkungsgrades [%]
2
1
0
-1
-2
-3
-4 0,03
0,05
0,07
0,09
0,11
0,13
0,15
Turbinenabdampfdruck [bar] Abb. 5-76 Möglicher Einfluss auf den Wirkungsgrad eines modernen Gas- und Dampfkraftwerkes durch den Turbinenabdampfdruck (Gasturbine bei ISO-Bedingungen)
5.5.3 Kühlverfahren 5.5.3.1 Frischwasserkühlung (Durchlaufkühlung) Bei Frischwasserkühlung wird Wasser einem Fluss oder dem Meer entnommen und mittels Grob- und Feinrechen sowie Siebbandmaschine gereinigt. Kühlwasserpumpen fördern das gereinigte Wasser zum Turbinenkondensator [5.88]. Nach der Erwärmung im Kondensator durch die Kondensation des Turbinenabdampfes wird es über das Auslaufbauwerk zurück in den Vorfluter geleitet. Der benötigte Kühlwassermassenstrom ergibt sich aus der abzuführenden Wärmeleistung und der gewähl-
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ten Aufwärmspanne des Kühlwassers. Die Aufwärmspanne des Kühlwassers kann durch Auflagen begrenzt werden. Zur Einsparung von Pumpenenergie wird das erwärmte Kühlwasser über ein Kraftschlussbecken in das Auslaufbauwerk geleitet. Die Förderhöhe der Kühlwasserpumpe errechnet sich dann aus der Summe der hydraulischen Verluste und der Höhendifferenz zwischen dem Wasserstand im Kraftschlussbecken und dem Vorfluter. Die durch Kraftschluss verminderte geodätische Förderhöhe kann bis zu 0,8 bar betragen. Zur Sicherstellung des Kraftschlusses wird eine Ansammlung von Gasen im oberen Bereich der Wasserkammer des Turbinenkondensators durch Anschluss an ein Evakuierungssystem vermieden. In Abb. 5-77 ist der prozesstechnische Aufbau für eine Frischwasserkühlung dargestellt. Zu beachten ist die Aufteilung in Hauptkühlwassersystem und Nebenkühlwassersystem. Der Turbinenkondensator wird direkt mit dem Wasser aus dem Vorfluter beaufschlagt. Im Nebenkühlkreislauf befinden sich die Wärmetauscher der Nebenkühlstellen des Kraftwerkes (z. B. Generator- und Transformatorenkühlung, Ölkühler etc.). Dieser Nebenkühlkreislauf wird mit aufbereitetem Wasser betrieben und ist über einen Zwischenkühlkreislauf mit dem Hauptkühlkreislauf verbunden. Die wasserrechtliche Genehmigung zur Entnahme und Wiedereinleitung von Kühlwasser ist an Auflagen gebunden [5.88]. Diese können sein: • • • •
Begrenzung des Wasserstromes bei Entnahme aus einem Fluss, Begrenzung der Aufwärmung des entnommenen Wassers, Begrenzung der Einleittemperatur, Begrenzung der Temperatur im Vorfluter nach Durchmischung.
Wie schon beschrieben, kann die maximal zulässige Aufwärmung des Kühlwassers den benötigten Kühlwassermassenstrom bestimmen. Eine zeitweise Überschreitung der zulässigen Einleittemperatur kann durch Reduzierung der Blockleistung verhindert werden. Diese Lastreduzierung kann jedoch vermieden werden, wenn ein zusätzlicher Nasskühlturm eingeplant wird. Das erwärmte Kühlwasser kann dann vor der Wiedereinleitung in den Vorfluter zum Kühlturm geleitet werden. Die dort mögliche Abkühlung hängt von den aktuellen klimatischen Bedingungen und der Auslegung des Kühlturmes ab. Die Abb. 5-78 zeigt schematisch die mögliche Einbindung des Kühlturmes bei einem Konzept von Durchlaufkühlung mit Zusatzkühlturm [5.88,5.90]. Bei Durchlaufkühlung ist die Armatur vor dem Kühlturm geöffnet, die Armatur hinter dem Kühlturm geschlossen. Bei Überschreitung der zulässigen Einleittemperatur wird die Armatur vor dem Kühlturm geschlossen. Das Kühlwasser wird vor Einleitung in den Vorfluter über den Kühlturm geleitet und abgekühlt. Diese Betriebsweise wird als Ablaufkühlung bezeichnet. Ist nicht die Einleittemperatur des Kühlwassers, sondern die Erwärmung des Vorfluters die kritische Auflage, wird im Kühlturm abgekühltes Wasser durch Öffnen der Armatur nach dem Kühlturm zum Einlaufbauwerk rückgeführt. Dies bedeutet, dass ein Teil des Kühlwassers im Kreislaufbetrieb gehalten wird. Dadurch steigt die Temperatur vor Eintritt in den Kondensator an und damit auch vor Eintritt in den Kühlturm. Das Temperaturniveau der Wärmeabfuhr wird angehoben. Dadurch kann
5 Kraftwerkskomponenten
227
Abb. 5-77 Prozess-Schaltbild für Frischwasserkühlung
Abb. 5-78 Durchlaufkühlung mit Zusatzkühlturm: Durchlaufkühlung – Ablaufkühlung – Mischkühlung
im Kühlturm eine größere Wärmemenge an die Umgebungsluft übertragen werden. Diese Betriebsweise wird mit Mischkühlung bezeichnet [5.88, 5.90]. Ein positiver Nebeneffekt bei den Betriebsweisen Ablauf- und Mischkühlung ist die Anreicherung des Kühlwassers und damit auch des Vorfluters mit Sauerstoff. 5.5.3.2 Kreislaufkühlung 5.5.3.2.1 Kreislaufkühlung mit Nasskühlturm Im Nasskühlturm kommen Kühlwasser und Luft in direkten Kontakt, wobei die abzuführende Wärme durch Konvektion und durch Verdunstung von Kühlwasser über-
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tragen wird [5.89]. Der Anteil des Wärmeaustausches durch Verdunstung ist nicht konstant, er verschiebt sich mit steigender Lufttemperatur zu größeren Werten. Das bedeutet, dass der verdunstende Wassermassenstrom mit steigender Lufttemperatur zunimmt. Um zu vermeiden, dass durch den Verdunstungsverlust die Salzkonzentration im Kühlwasserkreislauf auf unzulässige Werte ansteigt, muss in den Kühlkreislauf mehr Wasser von besserer Qualität nachgespeist werden, als durch Verdunstung verloren geht. Der Zusatzwassermassenstrom m P zu hängt von dem Salzgehalt des Zusatzwassers s und dem zulässigen Salzgehalt im Kühlwasserkreislauf S ab. Das Verhältnis S=s ist die Eindickungszahl EZ. Mit dem verdunstenden Wassermassenstrom m Pv errechnet sich der Zusatzmassenstrom nach der Gleichung: m P v EZ : EZ 1 Die Differenz zwischen dem Zusatz- und Verdunstungsmassenstrom ist der abzuschlämmende Massenstrom m P ab : m P zu D
m P ab D m P zu m Pv : Ein überschlägiges Beispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen: Für die Dimensionierung der Zusatzwasserversorgung wird eine mittlere maximale Lufttemperatur zugrunde gelegt. Für einen Standort in Mitteleuropa kann bei Vorplanungen ein Verdunstungsanteil von 90% der Abwärme angenommen werden [5.95]. Pro 100 MW Abwärme errechnet sich damit ein Verdunstungsmassenstrom von 36 kg=s. In den meisten Fällen begrenzt die maximal zulässige Carbonathärte die Eindickungszahl auf 4. Der Zusatzwasserbedarf beträgt dann 48 kg=s. Können Stabilisierungsmittel eingesetzt werden, ist eine Eindickungszahl von 8 ein üblicher Wert, wenn nicht andere Wasserinhaltsstoffe die Eindickungszahl begrenzen. Der Wasserbedarf erniedrigt sich auf 41 kg=s. Zur Bestimmung des Jahresbedarfs an Zusatzwasser und Chemikalien kann ein mittlerer Verdunstungsanteil von 70% angenommen werden. Der Wasserbedarf beträgt bei 4facher Eindickung 37 kg=s, bei 8facher Eindickung dann 32 kg=s. Feuchtlufttemperatur, Kühlgrenzabstand und erreichbare Kaltwassertemperatur Die niedrigste Temperatur, auf die Wasser durch Verdunstung abgekühlt werden kann, ist die Feuchtlufttemperatur. Die Feuchtlufttemperatur ist definiert als die Temperatur, die Luft bei Befeuchtung auf 100% relative Feuchte bei gleich bleibender Enthalpie der Luft annimmt [5.86]. Als Kühlgrenzabstand wird die Temperaturdifferenz zwischen der erreichten Kaltwassertemperatur und der Feuchtlufttemperatur bezeichnet. Wie Abb. 5-79 zeigt, ist der Kühlgrenzabstand keine konstante Größe, er verschiebt sich mit steigender Lufttemperatur zu kleineren Werten. Ein Nasskühlturm, der bspw. bei 8 °C Feuchtlufttemperatur mit einem Kühlgrenzabstand von 10 K auf eine Kaltwassertemperatur von 18 °C ausgelegt wurde, kühlt bei einer Feuchtlufttemperatur von 20 °C das Kühlwasser auf 25,6 °C ab bei jeweils gleicher an die Luft abgeführter Wärmeleistung. Der Kühlgrenzabstand sinkt somit von 10 K auf 5,6 K.
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Abb. 5-79 Kühlgrenzabstand in Abhängigkeit von der Feuchtlufttemperatur
Nasskühltürme können entweder als Naturzugkühlturm oder als zwangsbelüftete Kühltürme ausgeführt werden. Der Luftdurchsatz bei Naturzugkühltürmen wird durch den Auftrieb erzeugt, der durch den Dichteunterschied der Luft und die Höhendifferenz zwischen Luftaustritt und Lufteintritt entsteht. Mit dem Luftdrucksatz wird die Kühlleistung des Kühlturmes vorrangig durch die gewählten Abmessungen (Höhe und Durchmesser) bestimmt [5.89]. Die kompakte Bauweise von zwangsbelüfteten Kühltürmen wird durch elektrisch angetriebene Ventilatoren ermöglicht, die anstelle des Auftriebes für den Luftdurchsatz durch den Kühlturm sorgen. Gasund Dampfkraftwerke werden mehrheitlich mit zwangsbelüfteten Nasskühltürmen in Zellenbauweise ausgeführt. In Abhängigkeit des Luftzustandes am Eintritt in den Nasskühlturm ist die Luft am Austritt leicht mit Wasser übersättigt [5.95]. Ummittelbar am Luftaustritt beginnt jedoch die Mischung der Kühlturmabluft mit der Umgebungsluft. Der Zustand dieses Luftgemisches liegt auf der Geraden im h1 C x ;x-Diagramm für feuchte Luft nach Mollier, die den Zustand der Umgebungsluft mit dem der Kühlturmabluft verbindet [5.86]. Diese Mischungsgerade verläuft durch das Nebelgebiet im h1 C x ;xDiagramm. Die „Mischluft“ enthält mehr Wasser, als sie bei dieser Temperatur in Form von Wasserdampf aufnehmen kann [5.87]. Ein Teil des Wasserdampfes wird kondensieren und sich als eine sichtbare Abluftfahne ausbilden. Die Länge dieser sichtbaren Abluftfahne wird bei hohen Lufttemperaturen nur einige 10 m und bei winterlichen Temperaturen wegen der dann häufig hohen relativen Luftfeuchtigkeit der Umgebungsluft einige 100 m betragen. Den prinzipiellen Aufbau eines zwangsbelüfteten Nasskühlturmes in Zellenbauweise zeigt Abb. 5-80. Dargestellt ist ein Gegenstromkühler. Die Kühlluft tritt unten
Abb. 5-80 Prinzipieller Aufbau eines Nasskühlturmes in Zellenbauweise [GEA Energietechnik GmbH]
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5 Kraftwerkskomponenten
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durch den Lufteintritt in den Kühlturm ein und strömt entgegen dem zu kühlenden Wasser nach oben. Kühlwasserpumpen fördern das gekühlte Wasser aus dem Kaltwasserbecken zum Kondensator und zurück zum Kühlturm. Über eine Steigleitung gelangt das Wasser auf die Höhe der Wasserverteilung. Eine bevorzugte Ausführung dieser Steigleitung ist ein nach oben offener rechteckiger Betonschacht. An diesen Betonschacht schließt die Hauptverteilung an, von der in gleichmäßigen Abständen Rohre abzweigen. Sprühdüsen an diesen Rohren sorgen für eine Versprühung des Wassers in Form feiner Tropfen. Der freie Raum unterhalb der Wasserverteilung, der Sprühraum, gewährleistet eine gleichmäßige Verteilung über den gesamten Kühlturmquerschnitt. Die unterhalb des Sprühraumes angeordneten Kühleinbauten sorgen für einen guten Wärmeaustausch mit der entgegenströmenden Kühlluft. Bevorzugtes Material für die Kühleinbauten sind Folien aus Kunststoff. Durch eine strukturierte Oberfläche wird ein turbulenter Wasserfilm erzeugt und der Wärmeaustausch intensiviert. Bei der Versprühung des Kühlwassers entstehen auch Tropfen so geringer Masse, dass sie vom Kühlluftstrom mit nach oben gerissen werden können. Diese werden in dem über der Wasserverteilung angeordneten Tropfenabscheider bis auf einen Anteil von weniger als 0,002% des Kühlwasserstromes abgeschieden. Der oberhalb des Tropfenabscheiders saugend angeordnete Ventilator ist fliegend auf einem Winkelgetriebe gelagert. Ein Diffusor ermöglicht eine Umsetzung von Geschwindigkeitsenergie in Druck und trägt damit zur Reduzierung der Ventilatorleistung bei. Ein außerhalb des Diffusors angeordneter Elektromotor treibt über eine Kardanwelle den Ventilator an. Bei häufigem Teillastbetrieb kann der Einsatz von polumschaltbaren Motoren wirtschaftlich sein, um die Kühlleistung des Zellenkühlers günstiger an die Charakteristik des Turbosatzes anzupassen. Betrieb eines Nasszellenkühlturmes Das Anfahren und der Betrieb eines Nasskühlturmes in Zellenbauweise bei Temperaturen < 4 °C erfordern besondere Maßnahmen. Soll der Kühlturm bei niedrigen Lufttemperaturen in Betrieb genommen werden, darf kein Kühlwasser mit einer Temperatur unter 12–15 °C in die Wasserverteilung gelangen, um eine den Kühlturm gefährdende Eisbildung zu vermeiden. Eine bevorzugte Lösung ist der Einbau von Absperrschiebern am Eintritt in die Hauptverteilung und der Bau eines parallel zum Steigeschacht angeordneten Fallschachtes. Vor Einschalten der Kühlwasserpumpen werden die Absperrschieber geschlossen, die Ventilatoren bleiben ausgeschaltet. Werden die Kühlwasserpumpen eingeschaltet, steigt der Wasserstand im Steigeschacht über den Abzweig zur Hauptverteilung an, das Kühlwasser fällt über eine Schwelle durch den Fallschacht in das Kaltwasserbecken. Erreicht die Warmwassertemperatur einen vom Hersteller vorgegebenen Wert – üblich sind 12–15 °C – wird die Absperrung zur Hauptverteilung geöffnet, das Wasser wird über die Kühleinbauten geleitet und gekühlt. Bei Anstieg der Kaltwassertemperatur über den vom Hersteller vorgegebenen Minimalwert – üblich sind 8–12 °C – werden die Ventilatoren eingeschaltet. Wird im Kühlbetrieb eine vom Hersteller als Funktion der Lufttemperatur vorgegebene Kaltwassertemperatur unterschritten, muss zur Vermeidung einer den
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Kühlturm gefährdenden Eisbildung durch Verringerung des Luftmassenstromes die Wassertemperatur erhöht werden. Bei Zellenkühltürmen kann Eisbildung durch Abschalten von Ventilatoren und Kühlturmzellen oder bei Einsatz von polumschaltbaren Motoren durch Reduzierung der Lüfterdrehzahl vermieden werden. Üblicherweise wird eine Zelle abgeschaltet, indem diese nicht mehr mit Kühlwasser beaufschlagt und gleichzeitig auch der Ventilator außer Betrieb genommen wird. Rezirkulation Bei der Planung einer Mehrblockanlage ist auf ausreichenden Abstand zwischen den Kühlturmreihen zu achten, um eine Rezirkulation der Kühlturmabluft zu vermeiden. Durch Rezirkulation steigt die Temperatur am Lufteintritt im Vergleich zur Umgebungsluft an und verursacht damit eine erhöhte Kaltwassertemperatur mit nachteiligem Einfluss auf die Blockleistung. Dieser mögliche Temperaturanstieg bei der Kaltwassertemperatur ist bei der Kühlturm- bzw. Blockauslegung zu berücksichtigen. Schallschutz Das auf die Wasseroberfläche im Becken auftreffende Wasser und auch die Ventilatoren liefern einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an den Schallemissionen des Kraftwerks. Das Wassergeräusch kann durch Aufprallabschwächer verringert werden. Reicht diese Maßnahme nicht aus, sind auf der Zuluftseite oder auch auf der Abluftseite schalldämmende Kulissen vorzusehen. 5.5.3.2.2 Kreislaufkühlung mit Hybridkühlturm Bei dem niedrig bauenden Nasskühlturm in Zellenbauweise kann es bei Wetterlagen, die eine Schwadenbildung hervorrufen, unter Windeinfluss zu einer direkten ungewollten Beeinflussung des Umfeldes kommen. Soll auf eine Kühlung mit Nutzung der Wärmeübertragung durch Verdunstung nicht verzichtet werden, ist eine Vermeidung bzw. Reduktion der sichtbaren Schwaden erforderlich. Dies ist mit einem Hybridkühlturm möglich, einem Kühlturmtyp, der das Prinzip der Nasskühlung und Trockenkühlung kombiniert [5.94]. Der prinzipielle Aufbau eines HybridZellenkühlturmes ist in Abb. 5-81 dargestellt. Im oberen Teil des Kühlturmes sind der Trockenteil und darunter der Nassteil angeordnet. Das vom Kondensator kommende warme Kühlwasser wird zunächst durch außenberippte Kühlelemente geleitet. Die diesen Wärmetauscher kühlende Luft wird nur erwärmt, ohne die absolute Feuchte zu ändern. Die relative Feuchte reduziert sich dadurch. Im h1 C x ;x-Diagramm für feuchte Luft wird diese Zustandsänderung der Luft durch eine senkrecht verlaufende Strecke dargestellt (s. Strecke A–B im h1 C x ;x-Diagramm, Abb. 5-82). Das abgekühlte Kühlwasser gelangt anschließend in die Wasserverteilung des unter dem Trockenteil angeordneten Nassteils. Nass- und Trockenteil sind also wasserseitig hintereinander geschaltet. Luftseitig sind Nass- und Trockenteil parallel geschaltet. Der oberhalb des Trockenteiles angeordnete Ventilator saugt Umgebungsluft parallel durch Trockenteil und Nassteil. Die Luft wird direkt am Austritt aus dem Nassteil leicht übersättigt sein [5.95] (s. Strecke A–C im h1 C x ;x-Diagramm, Abb. 5-82).
Abb. 5-81 Prinzipieller Aufbau eines Hybrid-Zellenkühlturmes [GEA Energietechnik GmbH]
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Abb. 5-82 h1 C x ;x-Diagramm für feuchte Luft nach Mollier mit den entsprechenden Geraden
Mischeinbauten oberhalb des Nassteiles hinter dem Trockenteil sorgen für eine gute Durchmischung der beiden Luftströme. Der Zustand der Luft nach der Durchmischung liegt im h1 C x ;x-Diagramm auf der Geraden, welche die Luftaustrittszustände nach Nass- und Trockenteil verbindet. Er entspricht dem Punkt auf dieser Geraden, der diese im umgekehrten Verhältnis der Luftströme durch Nass- und Trockenteil teilt (s. Gerade durch B und C im h1 C x ;x-Diagramm, Abb. 5-82). Nach dem Austritt aus dem Kühlturm vermischt sich die Kühlturmabluft mit der Umgebungsluft. Der Zustand dieses Luftgemisches liegt auf der Verbindungsgeraden durch den Zustand der Umgebungsluft A und der Kühlturmabluft D. Verläuft diese Mischungsgerade im untersättigten Bereich, wird am Kühlturmaustritt und auch in einiger Entfernung vom Kühlturm kein sichtbarer Schwaden auftreten. Üblicherweise wird bei der Projektierung eines Hybridkühlturmes ein sog. Schwadenfreiheitspunkt festgelegt. Ab diesem definierten Luftzustand dürfen zu höheren Feuchtlufttemperaturen hin keine sichtbaren Kühlturmschwaden entstehen. Mit fallender Lufttemperatur übernimmt der Trockenteil einen größeren Anteil an dem an die Luft zu übertragenden Wärmestrom. Dieser Anteil reicht aber nicht aus für einen schwadenfreien Betrieb bei einem Luftzustand unterhalb des Schwadenfreiheitspunktes. Soll die Schwadenbildung beeinflusst werden können, sind Rolltore vor dem Nassteil zu installieren. Durch Verfahren dieser Rolltore kann der
5 Kraftwerkskomponenten
235
Luftmassenstrom durch den Nassteil reduziert werden. Dadurch steigen Kalt- und Warmwassertemperatur an. Im Trockenteil wird wegen der steigenden Temperaturdifferenz zwischen der Warmwasser- und Lufttemperatur ein größerer Wärmestrom an die Kühlluft übertragen, sichtbarer Schwaden wird verringert oder ganz vermieden. Die Rolltore können im Winterbetrieb auch zur Einhaltung der vom Hersteller vorgegeben Mindestkaltwassertemperatur eingesetzt werden. Ohne Rolltore müssen bei Erreichen der Mindestkaltwassertemperatur Kühlturmzellen wasser- und luftseitig außer Betrieb genommen werden. Die Entscheidung für einen Hybridkühlturm wird durch die Forderung nach Vermeidung und Reduzierung eines sichtbaren Kühlturmschwadens fallen. Ein Hybridkühlturm wird nicht eingeplant werden, um Kühlturmzusatzwasser zu sparen. 5.5.3.2.3 Wärmeabfuhr mit einem Trockenkühlturm Steht an einem Standort keine ausreichende Wassermenge für den Betrieb eines Nasskühlturmes zur Verfügung, dann muss für die Übertragung der Kondensationswärme des Turbinenabdampfes an die Umgebungsluft ein Trockenkühlturm eingesetzt werden. Bei einem Trockenkühlturm kommen das zu kühlende Medium und die Kühlluft nicht in direkten Kontakt miteinander, es findet somit kein Stoffaustausch statt. Der Wärmeaustausch erfolgt nur durch Erwärmung der Luft. Der Trockenkühlturm benötigt deshalb kein Zusatzwasser und produziert auch keinen sichtbaren Schwaden am Kühlturmaustritt. Zwei Prinzipien konkurrieren bei den Trockenkühlverfahren miteinander: das indirekte System mit der Übertragung der Kondensationswärme über einen geschlossenen Wasserkreislauf an die Umgebungsluft und die direkte Kondensation des Turbinenabdampfes in einem luftgekühlten Kondensator (Luko). Indirektes System mit Oberflächenkondensator Wie bei der Kreislaufkühlung mit Nasskühlturm wird hier beim System mit indirekter Trockenkühlung die Kondensationswärme des Turbinenabdampfes im Oberflächenkondensator an einen geschlossenen Kühlwasserkreislauf übertragen (siehe Abb. 5-83).
Abb. 5-83 Oberflächenkondensator und Naturzug Trockenkühlturm mit im Inneren des Kühlturmes angeordneten Kühlelementen [SPX]
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Abb. 5-84 Trockenkühlung nach dem Heller-System der Fa. GEA EGI [GEA EGI]
Das erwärmte Kühlwasser strömt durch die Kühlelemente, Luft und Wasser sind durch eine Metallbarriere getrennt. Die Wärmeübertragung erfolgt durch Konvektion. Der Hauptwiderstand bei der Wärmeübertragung liegt auf der Luftseite. Zur Vergrößerung der Kühlfläche und Verbesserung des luftseitigen Wärmeüberganges werden außenberippte Rohre eingesetzt [5.85].
5 Kraftwerkskomponenten
237
Bei Wärmeleistungen im Bereich bis ca. 100 MW wird die erforderliche Kühlluft mit Ventilatoren gefördert. Die Kühlelemente sind dachförmig angeordnet, die Ventilatoren befinden sich im Bereich der Basis des von den Kühlelementen gebildeten Dreiecks. Bei größeren Wärmeleistungen hat sich die Naturzuglösung aus wirtschaftlichen Gründen durchgesetzt. Vorteilhaft ist bei der Naturzuglösung, dass weder Eigenbedarf noch Schallemissionen durch die Ventilatoren zu berücksichtigen sind. Die Kühlelemente werden entweder auf konzentrischen Ringen im Inneren des Naturzugturmes (siehe Abb. 5-83) oder am Umfang im Bereich des Lufteintrittes deltaförmig angeordnet (siehe Abb. 5-84). Da es sich um ein geschlossenes Kühlwassersystem handelt, kann Kraftschluss realisiert werden. Die Förderhöhe der Kühlwasserpumpen entspricht den dynamischen Verlusten im Kühlsystem. Indirektes System mit Direktkontaktkondensation Bei einem Trockenkühlturm können keine Verunreinigungen aus der Umgebungsluft in das Kühlwasser gelangen, da Kühlluft und Kühlwasser nicht in direkten Kontakt kommen. Erfüllt der Kühlwasserkreislauf die Qualitätsanforderungen für Kondensat- und Speisewasser, kann der bei Nasskühlturmkühlung erforderliche Oberflächenkondensator durch einen Mischkondensator ersetzt werden [5.91]. Der Turbinenabdampf tritt von oben in den Mischkondensator ein und kondensiert an dem über Düsen nach unten in den Kondensator eingedüsten Kühlwasser. Turbinenabdampf, Kondensat und Kühlwasser strömen parallel in vertikaler Richtung. Es findet Direktkontaktkondensation statt. Kühlwasser und Turbinenkondensat werden dabei allerdings im Kondensator vermischt, daher die Bezeichnung Mischkondensator [5.85]. Ebenfalls gebräuchlich ist der Begriff Einspritzkondensator. Die Temperaturdifferenz zwischen der Sättigungstemperatur entsprechend dem Druck im Kondensator und der Kühlwasseraustrittstemperatur aus dem Kondensator wird allgemein als Kondensatorgrädigkeit bezeichnet. Diese ist bei einem Mischkondensator bedeutend kleiner als bei einem Oberflächenkondensator. In der Praxis kann bei einem Mischkondensator von 0,3–0,5 K für den Normalbetrieb ausgegangen werden. Eine direkte axiale Dampfabströmung in den Kondensator wie bei einigen Einwellenanlagen-Anordnungen von Gas- und Dampfkraftwerken ist wegen der oben beschriebenen Strömungsführung beim Mischkondensator nicht möglich. Bei Tiefaufstellung des Turbosatzes muss bei Einsatz eines Mischkondensators der Abdampf durch ein spezielles Formstück entsprechend in den Kondensator umgelenkt werden. Um ein Eindringen von Luft in den Kühlkreis zu vermeiden, wird der Druck im Kühlsystem so eingestellt, dass im höchsten Punkt des Systems ein Überdruck gegenüber dem Atmosphärenzustand herrscht. Dadurch würde nach Eintritt in den Kondensator vor den Einspritzdüsen ein zu hoher Vordruck entstehen. Die Druckreduzierung wird daher entweder durch Drosselventile oder den Einsatz von Hydroturbinen erfolgen. Mit Hydroturbinen ist es möglich, die vorher eingebrachte Pumpenleistung teilweise zurückzugewinnen. Ihr Einsatz ist dann wirtschaftlich, wenn
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die bewertete Einsparung an Eigenbedarfsleistung die Kosten für in die Hydromaschinen übersteigt. Eine Gesamtlösung für die indirekte Trockenkühlturmkühlung ist das in Abb. 5-84 dargestellte Heller-System, benannt nach seinem Erfinder, dem ungarischen Professor László Heller. Wesentliche Merkmale des Heller-Systems sind ein Mischkondensator, Kernrohr und Rippen der Kühlelemente aus Aluminium, deltaförmige Anordnung der Kühlelemente im Bereich des Lufteintrittes am Umfang eines Naturzugturmes und Einsatz von Hydroturbinen. Bei der chemischen Fahrweise des Wasserdampfkreislaufes sind wegen der Vermischung mit dem Kühlwasser die Anforderungen aus dem Einsatz von Aluminium im Kühlsystem zu berücksichtigen [5.91]. Winterbetrieb bei indirekter Trockenkühlturmkühlung Sind am Standort Temperaturen unter 0 °C zu erwarten, müssen Maßnahmen vorgesehen werden, die ein Einfrieren des Kühlwassers verhindern. Bei kleineren Anlagen mit Zwangsbelüftung kann das durch Abschalten von Ventilatoren erreicht werden. Bei einem Naturzugtrockenkühlturm werden vor den Kühlelementen Jalousien angebracht. Durch ihre Verstellung kann bei Bedarf der Luftdurchsatz gedrosselt werden. Um das An- und Abfahren des Kühlturmes sowie den Betrieb bei Teillast und/oder sehr niedrigen Lufttemperaturen zu ermöglichen, werden die Kühlelemente auf Sektoren aufgeteilt, die wasserseitig abgesperrt werden können. Werden bei Stillstand des Kraftwerkes Frosttemperaturen erwartet, müssen alle Sektoren in unterirdische Behälter entleert werden. Soll der Kühlturm bei Frost wieder in Betrieb gehen, wird das Kühlwasser unter Umgehung der abgesperrten Sektoren durch den Mischkondensator gefördert, bis eine vom Hersteller vorgegebene Wassertemperatur erreicht wird. Anschließend werden die Sektoren sukzessiv mittels Füllpumpen gefüllt. Luftgekühlter Kondensator (Luko) Im Gegensatz zum indirekten Trockenkühlsystem wird die Kondensationswärme des Turbinenabdampfes beim luftgekühlten Kondensator nicht über einen Zwischenkühlkreis, sondern direkt an die Umgebungsluft übertragen. Vom Niederdruckteil der Dampfturbine führt eine Abdampfleitung zum Luko. Mehrere dachförmig angeordnete Kühlelemente ergeben ein Modul mit einem Ventilator an der Basis. Die Module werden in parallelen Reihen angeordnet (siehe Abb. 5-86). Verteilleitungen, die von der Abdampfleitung abzweigen, sorgen für die dampfseitige Anbindung der Module. Unterschieden wird zwischen kondensatorisch und dephlegmatorisch geschalteten Modulen (siehe Abb. 5-85). Der überwiegende Teil der Module ist kondensatorisch geschaltet. Der Dampf strömt bei diesen Modulen von oben in die Kühlelemente. Das Kondensat wird in einer Kondensatleitung an der Basis der Module gesammelt. Die dephlegmatorisch geschalteten Module haben keine direkte Verbindung zur Verteilleitung. Der Dampf strömt von unten über die Kondensatleitung entgegen der Richtung des Kondensats in die Kühlelemente, damit wird eine Unterkühlung des Kondensats vermieden. Da der in den Dephlegmator eintretende
5 Kraftwerkskomponenten
Abb. 5-85 Prinzipbild eines luftgekühlten Kondensators [GEA Energietechnik GmbH]
Abb. 5-86 Luftgekühlter Kondensator angeordnet in Längsrichtung zum Maschinenhaus [Siemens AG]
239
240
G. Haberberger, D. Blanck
Abdampfdruck bei Nass- und Trockenkühlturmkühlung in Abhängigkeit der Feuchtbzw. Trockenlufttemperatur 0,27
Trockenkühlturmkühlung
Abdampfdruck ND-Turbine [bar]
0,22
0,17
0,12
Nasskühlturmkühlung
0,07
Trockenlufttemperatur ϑL [°C] 5
10
15
20
25
30
35
40
0,02 0
5
10
15
20
25
30
Feuchtlufttemperatur ϑF [°C] Abb. 5-87 Exemplarische Darstellung des möglichen Verhaltens des Abdampfdruckes bei Einsatz eines Nasskühlturmes gegenüber einem Trockenkühlverfahren
Dampf durch die kondensatorisch geschalteten Module strömen muss, herrscht dort der niedrigste Druck im Luko. Hier sammeln sich die nicht kondensierbaren Gase und werden abgesaugt. Das Kernrohr der berippten Wärmetauscher besteht aus Stahl. Als Material für die Rippen kommt überwiegend Stahl zum Einsatz. Nach Aufbringen der Rippen werden die Elemente tauchverzinkt. Dadurch entsteht neben dem gewünschten Kor-
5 Kraftwerkskomponenten
241
rosionsschutz ein guter Kontakt zwischen Kernrohr und Rippe. Angeboten werden auch Elemente mit Aluminiumrippen. Bisher wurden luftgekühlte Kondensatoren mit Zwangsbelüftung ausgeführt. Die Schallemissionen der Ventilatoren liefern einen beachtlichen Anteil an den Gesamtschallemissionen des Kraftwerkes. Die Schallemissionen des luftgekühlten Kondensators können durch die Wahl einer niedrigen Luftgeschwindigkeit und den Einsatz von Ventilatoren mit kleinerem Durchmesser reduziert werden. Durch die geringe Luftgeschwindigkeit verschlechtert sich der Wärmeübergang, was durch Vergrößerung der Wärmeaustauschfläche kompensiert werden muss. Mit geringerer Luftgeschwindigkeit wird auch der Eigenbedarf reduziert, da sich die Pressung der Ventilatoren verringert. Sind zusätzliche Schallschutzmaßnahmen erforderlich, können auf der Zu- und Abluftseite Schall absorbierende Kulissen angeordnet werden. Neben zusätzlichen Investitionskosten steigt der elektrische Eigenbedarf durch den Widerstand in den Kulissen an. Der Optimierungsspielraum bei der Auslegung eines Trockenkühlsystems stellt sich in der Realität als relativ groß dar. Gegenüber einer Kreislaufkühlung mit Nasskühlturm ändert sich der Druck hinter der Niederdruckturbine bei Trockenkühlung in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen deutlich stärker (Abb. 5-87). Für das vergleichende Beispiel in Abb. 5-87 wurden für den Nasskühlturm bei einer Trockenlufttemperatur tL D 15 °C und der relativen Feuchte ' D 60% eine Kaltwassertemperatur von 20,5 °C und ein Abdampfdruck von 0,06 bar angenommen. Das Trockenkühlsystem wurde bei Trockenlufttemperatur tL D 15 °C für einen Abdampfdruck von 0,083 bar ausgelegt. Bei der Auslegung des Trockenkühlsystems sollte überprüft werden, ob die sich bei hohen Umgebungstemperaturen einstellenden Abdampfdrücke bei der bevorzugten Niederdruckturbine betriebliche Einschränkungen verursachen. Unter wirtschaftlichen Aspekten ist zwischen einer Reduktion der Turbinenleistung bei Überschreitung des zulässigen Druckes oder der Vergrößerung des Trockenkühlturmes zu entscheiden, um Dauer und Höhe der Lastreduktion so gering wie möglich zu halten. Unter Berücksichtigung der relevanten Betriebsstunden bei sehr hohen Umgebungstemperaturen kann alternativ auch der Einsatz einer speziell für hohe Gegendrücke ausgelegten Niederdruckturbine in Betracht kommen.
5.5.4 Auswahl des Kühlverfahrens Investitionskosten und Wirkungsgrad sind entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerkes. Die Frischwasserkühlung zeichnet sich im Vergleich zu den anderen Kühlverfahren durch niedrige Investitionskosten und besten Wirkungsgrad aus. Der dafür notwendige Wasserbedarf ist aber vergleichsweise hoch [5.93]. Eine moderne Einwellenanlage mit ca. 430 MW Leistung würde bei einer Kühlwasseraufwärmspanne im Kondensator um 8 K ca. 7200 kg=s Kühlwasser benötigen. Steht dieser Kühlwassermassenstrom nicht zur Verfügung, muss Kreislaufkühlung vorgesehen werden.
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Bei Einsatz eines Nasskühlturmes reduziert sich der Wasserbedarf im Jahresmittel bei 4facher Eindickung des Kühlwassers auf ca. 110 kg=s Zusatzwasser. Bei 6000 Volllaststunden pro Jahr ist das ein Bedarf von 2,4 Mio. m3 , was dem Wasserbedarf einer Stadt mit ca. 30 000 Einwohnern entspricht. Ist diese Wassermenge am Standort nicht verfügbar, dann verbleibt als Hauptkühlsystem nur die Trockenkühlung. Trockenkühlturmkühlung kann aber auch wirtschaftlicher sein als der Einsatz von Nasskühlturmkühlung, wenn durch die Kosten für die Beschaffung und Aufbereitung des Kühlturmzusatzwassers der Nachteil der höheren Investitionskosten und des schlechteren Wirkungsgrades der Trockenkühlturmkühlung kompensiert werden. Der spezifische Preis (in Euro=kg=s) für das Kühlturmzusatzwasser, bei dem beide Kühlverfahren wirtschaftlich gleichwertig sind, wird Kühlwassergrenzpreis genannt [5.88, 5.91]. Bei indirekter Trockenkühlturmkühlung wurde an einigen Standorten ein Naturzugkühlturm realisiert. Für die Naturzuglösung spricht neben dem Wegfall der Schallemissionen vorrangig der geringere Eigenbedarf. Dem stehen die höheren Investitionskosten einer Naturzuglösung verglichen mit denen der Zwangsbelüftung gegenüber. Beim Vergleich der Life-Cycle-Kosten ist der geringere Wartungsaufwand durch die geringere Anzahl rotierender Komponenten zu berücksichtigen. Der im Vergleich zur Abdampfleitung des luftgekühlten Kondensators bedeutend geringere Durchmesser der Kühlwasserleitungen erleichtert die Positionierung des Trockenkühlturmes im Rahmen der Aufstellungsplanung. Voraussetzung ist aber, dass ein ausreichend großes Gelände vorhanden ist und am Standort keine relevanten Höhenbeschränkungen für diese Bauwerke bestehen. Bei Nasskühlturmkühlung werden moderne Gas- und Dampfkraftwerke häufig mit zwangsbelüfteten Zellenkühlern ausgestattet. Die Anordnung der Zellen erfolgt Platz sparend bevorzugt „back-to-back“, d. h. dass zwei Reihen direkt aneinander gebaut werden. Für eine moderne Einwellenanlage mit 430-MW-Leistung wäre anstelle einer zwangsbelüfteten Nasszellenkühleranlage mit den Abmessungen von ca. 30 60 m, aufgeteilt auf 8 Zellen in Back-to-back-Anordnung, ein Naturzugturm mit etwa 64 m Durchmesser und 90 m Höhe im Lageplan einzuplanen. Bei einer Mehrblockanlage bietet sich als alternative Variante ein Kühlturm für 2 Blöcke an. Dieser Kühlturm hätte etwa bei einem Durchmesser von ca. 85 m eine Höhe von 120 m. Bei Kohlekraftwerken ist der Naturzugnasskühlturm aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die bevorzugte Lösung. Der Naturzugnasskühlturm kann hier eine ähnliche Höhe haben wie der Dampferzeuger (bei Einzugbauart) und ist somit nicht das dominierende Bauwerk. Über den Naturzugnasskühlturm können die Reingase nach der Rauchgasreinigung abgeleitet werden, womit der Schornstein eingespart werden kann.
5.5.5 Niederdruckteilturbine Entscheidend für die Wahl der Niederdruckteilturbine ist der zu erwartende Kondensatordruck. Mit dem Kondensatordruck wird nur die Leistungsausbeute aus
niedriger Kondensatordruck
Auslassverlustkurven für verschiedene NiederdruckteilturbinenTypen
Austrittsverlust [kJ/kg]
mittlerer Kondensatordruck
243
hoher Kondensatordruck
5 Kraftwerkskomponenten
Volumenstrom am Kondensatoreintritt [m3/s] Abb. 5-88 Auswahl der ND-Teilturbine
dem Dampfturbinenteil beeinflusst. Die Hersteller von Dampfturbinen verfügen über verschiedene Niederdruckteilturbinen, aus denen je nach Anwendungsfall ausgewählt wird. Dabei spielt der Abdampfvolumenstrom am Austritt der Niederdruckteilturbinen-Endstufe eine entscheidende Rolle neben der Gesamtkonfiguration (Einwellen- oder Mehrwellenanordnung) und dem Anordnungskonzept (axiale Dampfabströmung, seitliche Abströmung oder Abströmung nach unten). Der Abdampfvolumenstrom wird bei gegebener Gasturbinenleistung und definierten Prozessparametern sowie Schaltungskonzept des Wasserdampfkreislaufes durch das gewählte Kühlsystem bestimmt. Für die wirtschaftliche Auslegung des gesamten Kalten Endes ist zu berücksichtigen, welche Kondensatordrücke mit welcher Stundenhäufigkeit im Laufe eines Jahres auftreten. Entsprechend dieser Betrachtung kann für alternative Teilturbinen im Vergleich dazu die jährliche Stromerzeugungsdifferenz berechnet und wirtschaftlich bewertet werden [5.88]. Gängig ist die Auslegung für klimatische Jahresmittelwerte. Unbedingt sind dann aber die Auswirkungen auf die elektrische Leistung bei Winter- und Sommerbetrieb zu bewerten.
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G. Haberberger, D. Blanck
Bei Frischwasserkühlung kann für die erste Schätzung des Abdampfvolumenstromes von einer Aufwärmung des Kühlwassers um 7–10 K und einer Kondensatorgrädigkeit von 3–4 K ausgegangen werden, bei Kreislaufkühlung mit Nasskühlturm von 10–13 K Aufwärmspanne und ca. 2,5–4 K Grädigkeit des Kondensators. In Abhängigkeit vom Auslegungswert der Feuchtlufttemperatur kann aus Abb. 5-79 ein Schätzwert für den Kühlgrenzabstand entnommen werden. Die Kühlwassertemperatur ist entsprechend der Definition die Summe aus Kühlgrenzabstand und Feuchtlufttemperatur. Die Summe aus Kühlwassertemperatur, Aufwärmspanne und Grädigkeit ergibt die Sattdampftemperatur und damit den Kondensatordruck. Ein Kennwert der Trockenkühlturmkühlung ist der Anfangstemperaturabstand. Bei direkter Trockenkühlung, dem luftgekühlten Kondensator, ist er definiert als die Temperaturdifferenz zwischen der Sättigungstemperatur entsprechend dem Abdampfdruck am Austritt aus der Turbine und der Lufttemperatur. Bei indirekter Trockenkühlung ist es die Differenz zwischen der Warmwassertemperatur und der Lufttemperatur. In beiden Fällen kann ein Anfangstemperaturabstand von ca. 24–35 K angenommen werden. Bei Einsatz eines Mischkondensators kann von einem Schätzwert für die Grädigkeit von 0,3–0,5 K, bei einem Oberflächenkondensator von ca. 3 K ausgegangen werden. Der Sättigungsdruck entsprechend der ermittelten Sattdampftemperatur bestimmt das spezifische Volumen des Turbinenabdampfes. Mit dem Abdampfmassenstrom kann jetzt der Abdampfvolumenstrom ermittelt werden. Aus den verfügbaren Niederdruckteilturbinen ist das Modell auszuwählen, mit dem für den Einsatzbereich geeignete Abströmgeschwindigkeiten bzw. vertretbare Austrittsverluste erreicht werden (siehe Abb. 5-88). Bei einer Einwellenanlage wird bei Kreislaufkühlung bevorzugt eine einflutige Niederdruckteilturbine eingesetzt. Bei Frischwasserkühlung kann auch bei einer Einwellenanlage mit einer mehrflutigen Niederdruckturbine durch eine seitliche Anordnung des Kondensators der Vorteil der Tiefaufstellung des Turbosatzes genutzt werden. Bei Trockenkühlverfahren ist zu überprüfen, ob bei sehr hohen zu erwartenden Lufttemperaturen der zulässige Druck am Abdampfstutzen der Standard-Niederdruckteilturbine eingehalten wird. Bei Überschreitung des maximal zulässigen Druckes sind speziell für hohe Gegendrücke ausgelegte Typen einzusetzen. Andernfalls müsste zur Einhaltung des zulässigen Abdampfdruckes die Leistung der Dampfturbine temporär reduziert werden. Bei Anlagen ohne Bypasskamin würde das auch eine Reduktion der Gasturbinenleistung bedeuten.
5.5.6 Oberflächenkondensator Bei Gas- und Dampfkraftwerken werden Kastenkondensatoren oder bei kleineren Leistungen Rundkondensatoren eingesetzt [5.91]. Die Kühlwasserrohre werden an den beiden Enden in Rohrböden dicht eingewalzt und evtl. eingeschweißt. Zwischenböden dienen der Versteifung des Gehäuses und verhindern ein Schwingen der
5 Kraftwerkskomponenten
245
Abb. 5-89 Einwellenanlage mit axialer Abströmung des Turbinenabdampfes in den Kondensator
Kühlwasserrohre. Dampfgassen gewährleisten eine möglichst verlustfreie Dampfströmung zu den Rohrbündeln. Die Breite der Rohrbündel und der Abstand der Rohre werden so gewählt, dass eine möglichst gleichmäßige Dampfbelastung aller Rohre erreicht wird. Im Kondensator sammeln sich die nicht kondensierbaren Gase an, da hier der tiefste Druck im Wasser-/Dampfsystem herrscht. Diese müssen abgesaugt werden, um eine Verschlechterung des Wärmeüberganges zu vermeiden. Durch den Einbau von Abdeckblechen wird bewirkt, dass bei einem Teil der gesamten Kühlfläche die Dampfbelastung im Vergleich zur restlichen Kühlfläche geringer ist. Dadurch wird in diesem Bereich eine Unterkühlung erreicht, sodass die nicht kondensierbaren Gase sich hier sammeln und abgesaugt werden können. Für die Absaugung kommen überlicherweise Wasserringpumpen auch oder dampf- oder wassergetriebene Strahler zum Einsatz. Bei Einwellenanlagen werden zwei unterschiedliche Anordnungen der Dampfturbine ausgeführt (Abb. 3-26). Bei der Anordnung Gasturbine – Generator – Dampfturbine kann eine Tiefaufstellung des Turbosatzes erfolgen, der Turbinenabdampf strömt axial zum Kondensator ab. Die Kondensatorrohre verlaufen senkrecht zur Turbinenachse. Um eine optimale Führung der Kühlwasserleitungen zu ermöglichen, wird der Kondensator zweiwegig ausgeführt. Die vordere Wasserkammer ist geteilt. Das Kühlwasser tritt unten in die Wasserkammer ein, wird in der hinteren Wasserkammer umgelenkt und tritt im oberen Bereich der vorderen Wasserkammer wieder aus (Abb. 5-89).
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G. Haberberger, D. Blanck
Abb. 5-90 Seitliche Anordnung der Kondensatoren bei doppelflutiger Niederdruckteilturbine einer Mehrwellenanlage
Bei einer Ausführung mit doppelflutiger Niederdruckturbine wird bei Tiefaufstellung des Turbosatzes der Kondensator seitlich angeordnet. Bei Einwellenanlagen kann eine einseitige seitliche Aufstellung des Kondensators realisiert werden. Bei Mehrwellenanlagen ist es üblich, den Kondensator zu teilen und auf beiden Seiten des Niederdruckturbinengehäuses aufzustellen (Abb. 5-90). Die Kühlrohre verlaufen hier parallel zur Turbinenachse. Auch bei dieser Anordnung wird im Hinblick auf eine optimale Führung der Kühlwasserleitung ein Zweiwegekondensator bevorzugt. Bei Anordnung des Generators hinter der Dampfturbine (Abb. 3-26) ist eine Hochaufstellung des Turbosatzes üblich. Der Kondensator wird unter der Niederdruckturbine angeordnet, die Kühlrohre verlaufen senkrecht zur Turbinenachse. Die Berechnung der erforderlichen Kühlfläche im Kondensator erfolgt nach der Formel: Ã Â P KW cp tKW C #K m : A D ln #K k Dabei ist: A tKW #K m P KW cp k
m2 K K kg=s kJ=(kg K) kW=(m2 K)
Kühlfläche Aufwärmspanne des Kühlwassers Grädigkeit des Kondensators Kühlwassermassenstrom spezifische Wärmekapazität des Kühlwassers Wärmedurchgangszahl.
5 Kraftwerkskomponenten 175 165
Kondensatorfläche [%]
Abb. 5-91 Änderung der Kondensatorfläche in Abhängigkeit von Aufwärmspanne und Grädigkeit (Beispiel)
247
155 145 135 125 115 105 95
8K 10 K 12 K 14 K
85 75 65 2
3
4
5
6
Grädigkeit [K]
In einigen Anfragespezifikationen wird eine Auslegung des Kondensators nach HEI (Heat Exchange Institute) gefordert [5.89]. In diesem Fall ist die Wärmedurchgangszahl entsprechend HEI zu ermitteln und kann nicht allein auf der Basis der Auslegungsvorschriften des Herstellers erfolgen. Wie Abb. 5-91 verdeutlicht, führt eine Reduzierung der Grädigkeit zu einer überproportionalen Zunahme der erforderlichen Kondensationsfläche. Die äußeren Abmessungen des Kondensators sind aber nicht frei wählbar, da diese durch die Abmessungen des Außengehäuses der Niederdruckturbine und der möglichen Einbauverhältnisse in das Maschinenhaus bestimmt werden. Durch Variation des Durchmessers der Kühlrohre und die Wahl der Wassergeschwindigkeit in den Rohren kann Einfluss auf die Rohrlänge genommen werden. Zu lange Kühlrohre können durch die Wahl eines kleineren Durchmessers oder eine geringere Geschwindigkeit in den Rohren vermieden werden. Bildet sich durch unzureichende Kühlwasserqualität auf der Innenseite der Kühlrohre eine Schmutzschicht, sinkt die Wärmedurchgangszahl und die Grädigkeit des Kondensators steigt [5.58]. Der damit verbundene Anstieg des Abdampfdruckes bewirkt einen Verlust an elektrischer Leistung und führt damit zu einer Verschlechterung des Gesamtwirkungsgrades des Kraftwerkes. Um die Bildung dieser Schmutzschicht zu verhindern, wird eine Rohrreinigungsanlage installiert (Abb. 5-77). Die bevorzugte Art ist die kontinuierliche Reinigung der Kühlwasserrohre auf der Innenseite durch Schwammkugeln. In die Kaltwasserleitung werden Schwammkugeln gepumpt, deren Durchmesser größer ist als der Innendurchmesser der Kühlrohre. Beim Durchgang durch die Kühlrohre werden Ablagerungen beseitigt. In der Warmwasserleitung werden die Kugeln durch ein Sieb aufgefangen und in die Kaltwasserleitung zurückgeführt. Im Laufe der Zeit werden die Schwammkugeln verschleißen. Um eine stetige Reinigung zu gewährleisten, werden in vorgegebenen Zeitabstän-
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den verbrauchte Kugeln durch neue ersetzt. Wird trotzdem ein Anstieg der Kondensatorgrädigkeit registriert und dies auf eine Verschmutzung der Kühlwasserrohre zurückgeführt, können zur temporären Verstärkung der Reinigungswirkung speziell beschichtete Kugeln eingesetzt werden.
5.5.7 Abwärmenutzung Um einen hohen Wirkungsgrad zu erreichen, wird der Abdampf der Dampfturbine bei möglichst niedriger Temperatur kondensiert. Eine Nutzung der Kondensatorabwärme als Fernwärme ist bei dieser niedrigen Temperatur – häufig liegt diese zwischen 20 und 40 °C – praktisch nicht mehr möglich. Reduzierung der Abwärmelast durch Kraftwärmekopplung Gas- und Dampfkraftwerke eignen sich aber auch für die Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei wird Dampf bei dem für die Wärmeerzeugung erforderlichen Temperaturniveau im Wesentlichen aus der Dampfturbine entnommen und in Heizvorwärmern kondensiert. Die frei werdende Wärme wird an das Fernwärmenetz übertragen. Wird die Dampfturbine des Kombikraftwerkes im reinen Heizgegendruckbetrieb eingesetzt, wird der Arbeitsdampf vollständig in einem oder mehreren Heizvorwärmern kondensiert. Dies erfolgt bei einem Temperaturniveau, das durch das Fernwärmenetz vorgegeben wird und liegt häufig zwischen 50–110 °C. In diesem Fall fällt keine Kondensationsabwärme an, die an die Umgebung abgeführt werden muss. Kann die volle Heizwärme nicht abgegeben werden, muss die elektrische Leistung zurückgefahren werden. Der elektrische Wirkungsgrad des Kombikraftwerkes ist allerdings schlechter als der des normalen Kondensations- oder Entnahmekondensationskraftwerkes, da die Expansion des Dampfes auf dem geforderten Niveau für die vollständige Wärmenutzung abgebrochen werden muss. Im Gegensatz zum Heizgegendruckbetrieb fällt beim Entnahmekondensationsbetrieb des Dampfturbosatzes auch weiterhin Kondensationsabwärme an. Dieser Anteil ist variabel, er fällt mit steigender Wärmeauskopplung und steigt an bis zur maximalen Abwärmleistung, wenn auch reiner Kondensationsbetrieb gefahren wird. Es kann also in diesem Fall nicht auf das Kühlsystem verzichtet werden. Bei gesicherter Abnahme eines Mindestwärmestroms könnte das Kühlsystem entsprechend kleiner dimensioniert werden. Hortitherm – Limnotherm – Agrotherm Die Nutzung der bei niedriger Temperatur anfallenden Abwärme zur Beheizung von Gewächshäusern, Fischteichen und landwirtschaftlich genutzten Flächen wurde untersucht. Bei der Beheizung von Gewächshäusern (Hortitherm) mit dem warmen Wasser eines Kühlsystems mit Nasskühlturm werden großflächige Wärmetauscher benötigt. Das erreichbare Temperaturniveau reicht für viele Pflanzenarten aus. Der Ersparnis an Primärenergieträgern wie Heizöl oder Gas stehen die Kosten für Rohrleitungen
5 Kraftwerkskomponenten
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und Wärmetauscher gegenüber. Eine Wirtschaftlichkeit kann sich nur bei unmittelbarer Nachbarschaft von Kraftwerk und Gewächshaus ergeben [5.88]. Durch Beheizung eines Fischteiches (Limnotherm) kann bei der Aufzucht von Speisefischen Wachstum und Futterverwertung gesteigert werden. Das sauerstoffreiche Wasser des Kühlsystems eines Kraftwerkes ist dazu bestens geeignet. Wie bei Hortitherm ist aber auch hier eine kurze Entfernung zum Kraftwerk Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung. Bei hortithermer oder limnothermer Nutzung würde bei sommerlichen Temperaturen keine Wärme abgenommen, Einsparungen bei der Dimensionierung des Kühlsystems sind nicht möglich. Durch Beheizung landwirtschaftlich genutzter Flächen (Agrotherm) können höhere Erträge erzielt werden. Der damit verbundene Nutzen steht aber in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den erforderlichen Investitionskosten.
250
J. Böer, K. Sedlazeck
5.6 Turbogenerator Joachim Böer und Klaus Sedlazeck
5.6.1 Allgemeines 5.6.1.1 Wirkungsweise des Generators Die großen elektrischen Übertragungs- und Verteilernetze werden überwiegend durch Synchrongeneratoren gespeist, die von schnelllaufenden Dampf- bzw. Gasturbinen oder von langsamer laufenden Wasserturbinen angetrieben werden. Synchron bedeutet, dass der Läufer synchron mit dem magnetischen Drehfeld umläuft, das von der mit dem Netz verbundenen Dreiphasen-Drehstromwicklung des Generatorständers erzeugt wird. Dabei gilt folgende Beziehung: f Dpn
(5.7)
mit f Frequenz [Hz], p Läuferpolpaarzahl, n Läuferdrehzahl [s1 ]. Dampf- oder gasturbinenangetriebene Synchrongeneratoren haben wegen der hohen Zentrifugalkräfte keine an der Welle befestigten Einzelpole, sondern geschmiedete, walzenförmige Läufer mit integrierten Polen (Vollpolläufer als Polrad). Die Klasse dieser Generatoren wird Turbogeneratoren genannt. Die Abb. 5-92 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines zweipoligen Turbogenerators mit seinen elektromagnetisch aktiven Hauptbauteilen im Querschnitt. Dies sind die gleichstromdurchflossene Erregerwicklung (1) in den Nuten des massiven Läufers (2) und die dreisträngige Ständerwicklung (3) in den am Bohrungsumfang im
Abb. 5-92 Prinzipieller Aufbau und Feldbild eines zweipoligen Generators (belastet) 1 Gleichstromdurchflossene 5 Luftspalt Feldwicklung a-b Polachse, N Nordpol, S Südpol 2 Genuteter, zweipoliger Läufer c-d Neutrale Achse 3 Dreiphasen-Ständerwicklung, c-e Symmetrieachse des Ständerdrehfeldes Leiterstäbe der Phase U , V , W # Polradwinkel (oder auch Lastwinkel 4 Ständerblechpaket genannt)
5 Kraftwerkskomponenten
251
Ständerblechpaket (4) gleichmäßig verteilten Nuten. Zweipolig bedeutet, dass sich die Abfolge von Nord- und Südpol einmal am Umfang wiederholt. Im Hinblick auf eine hohe Ausnutzung des eingesetzten Materials wird die Erzeugung einer hohen elektrischen Spannung (machbar sind bis ca. 40 kV) in der Ständerwicklung angestrebt. Dazu werden mittels der Wicklung im Läufer (Feldwicklung) starke magnetische Felder hoher Feldliniendichte erregt. Sie durchsetzen die Ständerwicklung, wobei aufgrund der großen Maschinenabmessungen von jeder Windung große magnetische Flüsse (d. i. die Gesamtheit aller magnetischen Feldlinien, ˚) umschlossen werden. Wegen der zusätzlich erforderlichen schnellen Flussänderungen, die der Drehzahl (n) proportional sind, werden bereits so hohe Spannungen induziert, dass nur wenige Windungen pro Strang benötigt und in Reihe geschaltet werden müssen, um die hohen Klemmenspannungen zu erreichen. So wird im Leerlauf gemäß der allgemeinen Induktionsgleichung die elektrische Spannung E Dc n
(5.8)
in den drei räumlich um 120ı versetzen Strängen (Phasen) der Ständerwicklung zeitlich um 120ı versetzt erzeugt. Es handelt sich um Wechselspannungen, weil sich durch die Polraddrehung die Flussrichtung in den einzelnen Spulen der Ständerwicklung ständig umkehrt. Wird der synchronisierte Generator belastet, treibt die elektrische Spannung in den drei Strangwicklungen zeitlich um 120ı versetzte Wechselströme (Dreiphasenstrom). Sie erregen ihrerseits im Generator ein drehendes Magnetfeld1, das synchron mit der Drehzahl (n) rotiert. Im Generator wirkt dieses Feld (als Ständerdrehfeld bezeichnet) auf das ursprüngliche, die Ständerwicklung durchdringende Magnetfeld ein. Diese sog. Ankerrückwirkung wird durch entsprechende Änderung des Erregerstroms in der Feldwicklung kompensiert. Die im Luftspalt zwischen Läufer und Ständerblechpaket resultierenden Kräfte, die zwischen dem magnetischen Feld und den Leitern der stromdurchflossenen Wicklungen auftreten, bilden auf die Läuferachse bezogen ein mechanisches Drehmoment, das dem von der antreibenden Turbine gelieferten Drehmoment entgegengerichtet ist. Die Grundlagen dieser Drehfeldmaschinen beschreibt Eckhardt ausführlich in [5.96]. Zweipolige Generatoren (Polpaarzahl p D 1) laufen bei 50 Hz mit einer Drehzahl von 3000 min1 bzw. bei 60 Hz mit einer Drehzahl von 3600 min1 und kommen damit der optimalen Drehzahl großer Gasturbinen noch am nächsten. Die mechanische Leistung der Turbine wird im Turbogenerator mit einem Wirkungsgrad von 98,5–99% in elektrische Leistung umgeformt. Aufbau und Betriebsverhalten des Turbogenerators (nachfolgend verkürzt stets Generator genannt) sind ausführlich in [5.97] beschrieben.
1
Auch Namensgeber für die häufig benutzten Bezeichnungen „Drehstromgenerator“ und „Drehstromnetz“.
252
J. Böer, K. Sedlazeck
5.6.1.2 Konstruktiver Aufbau des Generators Auf die technologischen Grundverfahren zur Herstellung von Wicklungen, Isolierungen und Magnetkörpern für Generatoren geht sehr detailliert [5.98] ein. Im Folgenden wird ein Überblick über die Hauptkomponenten des Generators und ihre Funktion am Beispiel einer zweipoligen, luftgekühlten Maschine gegeben (Abb. 5-93).
6
5 4
7
13 8
9 3 2 1 11
12 10 Abb. 5-93 Hauptkomponenten am Beispiel eines zweipoligen, luftgekühlten Generators 1 Läuferballen 6 Blechpaket 10 Turbinenseitige Kupplung 2 Feldwicklung 7 Ständergehäuse 11 Luftrückkühler 3 Läuferkappe 8 Stromdurchführungen 12 Kühlerhaube 4 Axialgebläse 9 Stehlager 13 Schleifringabdeckung 5 Wickelkopf der Ständerwicklung
Generatorständer Der feststehende Außenteil des Generators besteht aus dem elektromagnetisch aktiven Ständerblechpaket (6) mit Ständerwicklung (5) und dem tragenden Ständergehäuse (7). Ständerblechpaket Das Ständerblechpaket (6) besteht aus Elektroblechen niedriger Verlustziffer (2,7– 3,5 W=kg bei einer Induktion von 1,5 Tesla). Zur Minderung der neben den Ummagnetisierungsverlusten auftretenden Wirbelstromverluste werden nur dünne Bleche (Eisen-Silizium-Legierung) von 0,35–0,65 mm Dicke eingesetzt. Um Kurzschlüsse zwischen ihnen zu vermeiden, sind sie beidseitig mit einer 5–10 µm dicken Isolier-
5 Kraftwerkskomponenten
253
lackschicht versehen. Zur dauerhaft reibschlüssigen Verbindung der aufgeschichteten Einzelbleche wird das gesamte Blechpaket unter hohem Druck (10–15 bar) zwischen verriegelten Druckplatten axial dauerhaft zusammengepresst. Das gesamte Blechpaket ist axial in schmale Teilpakete aufgeteilt, die durch Distanzstege voneinander getrennt sind. Die Distanzstege bilden Kühlkanäle, durch die Kühlluft das Blechpaket radial durchströmt. Durch das mit dem Generatorläufer rotierende, zweipolige Luftspaltfeld wird das ringförmige Blechpaket zu einer Vierknotenschwingung mit doppelter Drehfrequenz angeregt. Auslöser sind umlaufende elektromagnetische Radialkraftwellen, die eine elliptische Verformung des Blechpaketes hervorrufen. Das Blechpaket ist deshalb über nachgiebige Konstruktionselemente elastisch mit dem Ständergehäuse (7) verbunden, um eine Schwingungsübertragung auf Gehäuse und Fundament weitestgehend zu vermeiden. Ständerwicklung Die Ständerwicklung (5) setzt sich aus drei symmetrisch am Blechpaket-Bohrungsumfang verteilten, gegeneinander um 120ı versetzten Strängen zusammen. Diese bestehen aus in Reihe geschalteten Einzelwindungen, die sich aus je zwei vorgefertigten Leiterstäben zusammensetzen (Stabwicklung). In den Blechpaketnuten liegen je zwei Leiterstäbe übereinander. Je ein in der Oberlage liegender Stab ist über die außerhalb des Blechpaketes liegenden Wickelkopfverbindungen mit einem am Umfang um den sog. Wicklungsschritt entfernt liegenden Unterlagestab zu einer Windung verbunden. Auf diese Weise entsteht eine Zweischichtwicklung, bei der u. a. durch eine Verkürzung des Wicklungsschrittes (Abb. 5-92) dafür gesorgt wird, dass die induzierten Spannungen oberschwingungsarm sind, also der idealen Sinusform sehr nahe kommen (darauf geht auch [5.96] detailliert ein). Zur lockerungssicheren Befestigung der Wicklungsstäbe in den Blechpaketnuten haben die Generatorhersteller unter Berücksichtigung der spezifischen Belastungen und eigener langjähriger Erfahrungen teilweise sehr unterschiedliche Lösungen entwickelt. Gemeinsam sind ihnen Nutverschlussleisten, unter denen die Wicklungsstäbe kraftschlüssig vorgespannt bzw. bei ganz getränkten2 Ständerwicklungen stoffschlüssig eingebettet sind. Die Kühlung der Kupferleiter in den Wicklungsstäben erfolgt bei luftgekühlten Generatoren i. d. R. als indirekte Kühlung, d. h. die Kühlluft hat keinen direkten Kontakt mit den verlustbehafteten Leitern. Die Verlustwärme fließt mittels Wärmeleitung über die Isolierhülse aus den Ständerstäben heraus in das Blechpaket und dort quer durch die Teilpakete zu den Kühlkanälen. Dort wird sie von der durchströmenden Kühlluft aufgenommen und aus der Maschine 2
Die in das Blechpaket eingelegte Ständerwicklung wird zur hohlraumfreien Kunstharzbindung der aufgewickelten Glimmerbandisolierung in einem Kessel evakuiert und dann zur Imprägnierung mit Epoxidharz druckbeaufschlagt überflutet. Anschließend erfolgt eine Wärmeaushärtung bei einer Temperatur nahe der späteren Betriebstemperatur der Ständerwicklung, um thermomechanische Spannungen bei Belastung gering zu halten.
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J. Böer, K. Sedlazeck
abgeführt. Die Anfänge und Enden der drei Strangwicklungen werden aus dem Ständergehäuse herausgeführt und sind als Hauptanschlussklemmen an den sechs Stromdurchführungen (8) zugänglich. Ständergehäuse Das geschweißte Ständergehäuse (7) trägt das Ständerblechpaket mit der eingelegten Wicklung und die sechs Stromdurchführungen. Die Aufnahme der bei einem Stoßkurzschluss (Abschn. 5.6.4.2) auftretenden Kräfte und Drehmomente erfordert eine entsprechend robuste Gehäuseausführung und Befestigung auf dem Fundament. Bei wasserstoffgekühlten Generatoren ist das Gehäuse zudem für ausreichende Gasdichtheit und Druckfestigkeit zu bemessen. Zum Nachweis der Druckfestigkeit wird das noch leere Gehäuse einer hydrostatischen Druckprobe mit mindestens 8 bar Überdruck unterzogen. Generatorläufer Der Generatorläufer (1), auch Induktor genannt, wird wegen der großen Fliehkraftbeanspruchungen aus einem massiven Schmiedestück gefertigt. Das die Feldwicklung tragende Läufermittelteil wird Läuferballen genannt. Der maximale Läuferballendurchmesser ist aus Festigkeitsgründen auf ca. 1,30 m (50-Hz-Läufer) begrenzt. Die Läuferballenlänge wird durch die Durchbiegung und das Biegeschwingungsverhalten auf das ca. 7fache des Ballendurchmessers begrenzt. Kleinere Werte begünstigen die Laufruhe, größere Werte begünstigen i. d. R. den Wirkungsgrad, da ein nicht unwesentlicher, von der Maschinenlänge unabhängiger Verlustanteil in den Läufer- und Ständerwickelkopf-Bereichen3 steckt. Im Läuferballen sind über ca. 2=3 des Umfangs axial verlaufende Nuten eingefräst. Sie nehmen die gleichstromdurchflossene Läuferwicklung (2), auch Feldwicklung genannt, auf, die um die beiden massiven, sich gegenüberliegenden Pole gewickelt ist. Der magnetische Fluss fließt hauptsächlich über die Pole zum Ständerblechpaket (Abb. 5-92). Die Leiter der Feldwicklung sind zwecks ausreichender Dauerstandfestigkeit im warmen Zustand aus silberlegiertem Kupfer gefertigt. Die mechanische Auslegung des Läufers für GT-Generatoren berücksichtigt mindestens 10 000 Anfahrten während seiner Lebenszeit. Es werden außerdem die dynamischen Beanspruchungen bei elektrischen Störfällen wie Klemmenkurzschluss und Fehlsynchronisierung (Abschn. 5.6.4.2) berücksichtigt. Am turbinenseitigen Ende (auch Turbinenseite TS oder Antriebsseite AS) befindet sich der Kupplungsflansch (10) zur starren Verbindung mit dem antreibenden Gasturbinenläufer. Der Gleichstrom zur Erregung der Feldwicklung wird an dem anderen, dem erregerseitigen Läuferende (auch Erregerseite ES) zugeführt (verdeckt unter Teil 13), entweder über Kohlebürsten und Schleifringe oder mittels einer Synchron-Außen3
Die von den Strom führenden Leitern im Ständerwickelkopf hervorgerufenen Magnetfelder (Streufelder) verursachen in den umgebenden Eisenteilen (Blechpaketdruckplatte, Wickelkopfabstützungen, Gehäusemantel etc.) große Wirbelstromverluste.
5 Kraftwerkskomponenten
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polmaschine4 mit nachgeschalteter Gleichrichterbrücke direkt auf dem rotierenden Läufer erzeugt und durch Regelung des Erregerstroms der Außenpolmaschine gesteuert (Abschn. 5.6.3). Die Fliehkräfte der beiden Wickelköpfe (Teile der Feldwicklung, die aus dem Läuferballen auf beiden Seiten herausragen) werden von unmagnetischen Läuferkappen (3) aufgenommen, die an den Läuferballenenden einseitig aufgeschrumpft sind. Der Kühlluftstrom für die Ständerwicklung und das Blechpaket wird i. d. R. durch je ein Axialgebläse (4) auf beiden Wellenenden zugeführt. Der Läufer trägt selbst zur Förderung des zur Kühlung der Feldwicklung erforderlichen Kühlluftstroms bei. Die Feldwicklung kann dazu mit radialen, senkrecht durch die Kupferleiter geführten Kühlschlitzen versehen sein, die von der Kühlluft durchströmt werden. Die Luftsäulen in den radialen Kühlschlitzen strömen unter Fliehkrafteinwirkung nach außen in den Luftspalt und ziehen dabei Kaltluft aus Kanälen im Nutgrund nach. Die aufgewärmte Luft aus der Feldwicklung vermischt sich im Luftspalt mit kälterer Kühlluft und strömt von dort schließlich durch die Kühlkanäle im Blechpaket ab. Lagerung Die Lagerung des Läufers erfolgt bei luftgekühlten Generatoren vornehmlich in Stehlagern (9). Bei wasserstoffgekühlten Generatoren werden Schildlager bevorzugt, die an beiden Enden des Ständergehäuses zur Druck- und Dichthaltung direkt angeflanscht sind. Grundsätzlich sind jedoch beide Lagerungsarten für beide Generatorbauarten verwendbar. Mit Schildlagern lassen sich kürzere Gesamtbaulängen verwirklichen. Bei Stehlagern wird die direkte Übertragung von Lagerschwingungen auf das Ständergehäuse als auch umgekehrt die direkte Übertragung von Gehäuseschwingungen auf die Lagerung vermieden. Der bauartbedingte Zwischenraum zwischen Ständergehäuse und Stehlager verhindert überdies, dass evtl. austretender Lagerölnebel in den Generatorinnenraum gelangt. Die Lagerkörper sind bei beiden Lagerungsarten spezielle, schwingungsdämpfende Radialgleitlager (s. auch Kap. 22). In der Regel erfolgt eine Druckölschmierung. Beim Start wird ein zusätzliches Druckölsystem (statische Druckölentlastung) in der Lagerunterschale aktiviert. Der Läufer schwimmt dabei bereits im Stillstand auf, sodass sich beim Anfahren das Losbrechmoment und der Lagerverschleiß erheblich verringern. Wegen ihrer zerstörerischen Wirkung müssen die Lager vor elektrischen Wellenströmen geschützt werden. Ursache sind Wellenspannungen. Sie werden z. B. durch elektrostatische Aufladung des Wellenstranges und/oder durch Einkopplung von Oberwellenspannungen bei statischen Erregersystemen hervorgerufen. Der Ölfilm im Lager bildet keine unter allen Betriebsbedingungen ausreichende Isolierstrecke zwischen Generatorläufer und Weißmetallausguss im Lagergleitraum 4 Synchrongenerator, bei dem das Bauprinzip des Turbogenerators (Innenpolmaschine) umgekehrt wurde: Die Erregerwicklung befindet sich außen im Stator und die Dreiphasenwicklung auf dem rotierenden Läufer.
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und damit keinen ausreichenden Schutz gegen den Übertritt von Wellenströmen. Die Kontaktstellen im Weißmetall können dabei thermisch oder durch Funkenerosionsabtragungen beschädigt werden. Zur Unterbrechung eines möglichen Stromkreises sind beide Stehlager isoliert aufgestellt, bzw. ist der Lagerkörper in Schildlagern isoliert abgestützt. Die kontrollierte Ableitung der Wellenströme erfolgt mittels Kohlebürsten auf der Antriebsseite des Generatorläufers. Die axiale Führung des Generatorläufers erfolgt im Festlager der Turbine und erfordert nur geringe Reaktionskräfte. Sie resultieren aus magnetischen Zugkräften bei axial außermittigem Betrieb des Läufers im Blechpaket und ggf. dem Axialschub bei einem nur einseitig angeordneten Axial- oder Radialgebläse. Unvermeidlicher Axialversatz des Generatorläufers folgt aus thermischer Dehnung der kalten Turbinenwelle beim Anfahren (die bei der Erstmontage durch entsprechenden Versatz des Generatorständers berücksichtigt wird), aber auch im stationären Betrieb bei Abweichungen von der Bemessungsleistung. Die magnetische Zugkraft beträgt bei einem 300-MVA-Generator und einem tolerierbaren Läuferversatz von 10 mm außerhalb der axialen Blechpaketmitte ca. 2,5 kN. Der Gebläseaxialschub eines einseitigen Gebläses erreicht bei Generatoren in dieser Leistungsklasse max. 17,0 kN. Zubehör Zum Betrieb des Generators gehören unterschiedliche Versorgungseinrichtungen und diverse elektrische Einrichtungen für Mess-, Regel-, Überwachungs- und Schutzaufgaben. Im Rahmen dieses Buches wird auf die wesentlichen Versorgungseinrichtungen kurz eingegangen. Dazu gehören: • Erregerstromversorgung der Feldwicklung, • Einrichtungen zur Gas- und Dichtölversorgung bei wasserstoffgekühlten Generatoren, • Einrichtung zur Wasseraufbereitung und -kühlung bei wassergekühlten Ständerwicklungen. Wasserdurchströmte Kühler (11) sind bei luftgekühlten Generatoren nur bei geschlossenem Kühlluftkreislauf im Einsatz und obligatorisch bei wasserstoffgekühlten Generatoren. Die Lagerölversorgung erfolgt überwiegend zentral von einer gemeinsamen Einrichtung für den gesamten Wellenstrang des Turbosatzes. 5.6.1.3 Leistungsbestimmende Parameter des Generators Den Zusammenhang zwischen der abgegebenen elektrischen Leistung und den geometrischen sowie elektromagnetischen Größen beschreibt die Esson’sche Leistungsgleichung [5.97]: S DL2 LL B AS n
(5.9)
Sie zeigt, dass die Generator-Scheinleistung S praktisch bestimmt wird durch das Läuferballenvolumen (mit Läuferballendurchmesser D mittlerer Luftspaltdurchmesser DL und Läuferballenlänge L aktive Luftspaltlänge LL /, die magne-
5 Kraftwerkskomponenten
257
tische Induktion B in Luftspaltmitte, den Ständerstrombelag AS , (d. i. die Summe aller Ströme in den Nuten aufsummiert über den Umfang und bezogen auf den Bohrungsumfang in Luftspaltmitte) und die Drehzahl n. Das Läuferballenvolumen wird im Grenzleistungsbereich beschränkt durch die mechanischen Beanspruchungen infolge von Zentrifugalkräften und Biegeschwingungen (Abschn. 5.6.1.2). Bei luftgekühlten Generatoren begrenzt die von den Läuferenden her zuführbare Kühlluftmenge die maximale Ballenlänge und damit praktisch die aktive Maschinenlänge. Die Luftspaltinduktion (B) wird bei ca. 1 Tesla durch die Sättigung der Blechpaketzähne begrenzt. Der erreichbare Strombelag (AS ) ist abhängig von der Intensität der Wicklungskühlung. Bei luftgekühlten Generatoren werden ca. 130 000 A=m erreicht; bei wasserstoffgekühlten Generatoren mit wassergekühlter Ständerwicklung mehr als 300 000 A=m. Die Drehzahl (n) wird bestimmt durch die Bemessungsfrequenz des Netzes und die Polpaarzahl des Läufers. 5.6.1.4 Wirk-, Blind- und Scheinleistung des Generators Im Gegensatz zum Gleichstrom, bei dem es keine Phasenbeziehung zwischen Spannung und Strom gibt und die Wirkleistung P daher direkt aus dem Produkt von Spannung U und Strom I gebildet wird, ist beim Wechselstrom noch die Phasenverschiebung zu berücksichtigen. Induktive bzw. kapazitive Verbraucher verursachen eine Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom, sodass die Höchstwerte nicht mehr gleichzeitig auftreten und sich die Wirkleistung verringert. Bei induktiver Last eilt der Strom der Spannung nach und bei kapazitiver Last eilt er der Spannung vor. Die Phasenverschiebung wird durch den elektrischen Winkel ' beschrieben. In die Wechselstrom-Leistungsformel geht der Leistungsfaktor über den Kosinus dieses Winkels ein, sodass bei der dreiphasigen Ständerwicklung gilt: P D 3 Uph Iph cos ' :
(5.10)
Bei der üblichen Sternschaltung der Ständerwicklungen wird in die LeistungsforDie Spannung UN (messbar zwischen mel die Bemessungsspannung UN eingeführt. p jeweils zwei Generatorklemmen) ist 3-mal größer (verkettete Spannung) als die Phasenspannung Uph . Der Bemessungsstrom IN entspricht bei dieser Schaltung dem Phasenstrom Iph . Daraus ergibt sich: p P D 3 UN IN cos ' : (5.11) Diese vom Generator abgegebene Wirkleistung P in Watt5 sowie alle Verluste im Generator und in der ggf. angekuppelten Erregereinrichtung muss die antreibende Turbine decken. Dagegen ist die Blindleistung (Q) keine wirklich verbrauchte Leistung, sondern sie ergibt sich aus elektrischer Energie, die zwischen induktiven- bzw. kapazitiven Verbrauchern und der Stromquelle (dem Generator) hin- und herfließt. Sie wird also 5
Für Leistungsangaben von Kraftwerksanlagen werden i. d. R. Megawatt (MW), MVA und Mvar verwendet.
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nicht verbraucht und daher vom Zähler auch nicht erfasst. Der zugehörige Strom (Blindstrom) belastet jedoch den Generator (Abschn. 5.6.3) und das Verteilernetz. Die Blindleistung errechnet sich aus: p (5.12) Q D 3 UN IN sin ' Wirkleistung P in Watt und Blindleistung Q in var (r für reaktive Leistung) ergeben geometrisch addiert die Scheinleistung S in VA. Für die Bemessung des Generators ist die schon bei der Esson’schen Leistungsgleichung benutzte Generatorscheinleistung S ausschlaggebend. p Sie ergibt sich aus dem 3fachen Produkt aus der Bemessungsspannung (UN / und dem Bemessungsstrom (IN /. Somit gilt für den dreiphasigen Generator: p (5.13) S D 3 U N IN : In sie geht der Phasenstrom Iph (gleich dem Bemessungsstrom IN / ein, dessen Quadrat unabhängig vom Leistungsfaktor auch die Stromwärmeverluste der Ständerwicklung bestimmt. 5.6.1.5 Elektrische Belastungsgrenzen des Generators Der zulässige Betriebsbereich eines Generators für einen aus Wirk- und Blindleistung zusammengesetzten Betrieb wird in einem Leistungsdiagramm (Abb. 5-94) erfasst, das vom Hersteller beigestellt wird. Die dargestellte Grenzkurve, innerhalb derer der Generator bei Bemessungsspannung und -frequenz belastet werden darf, besteht aus drei Teilen. Die Grenzkurve 1–2, maximale Blindleistung übererregt (Abschn. 5.6.3) bis Bemessungspunkt, kennzeichnet einen Betrieb mit konstant gehaltenem Bemessungserregerstrom und weist damit die Leistungsbegrenzung durch die zulässige Erwärmung der Feldwicklung aus. Der Ständerstrom ist kleiner als der Bemessungsständerstrom. Der Bemessungsbetriebspunkt mit cos ' D 0;8 bedeutet z. B. für einen Generator mit einer Scheinleistung von S D 200 MVA eine Bemessungswirkleistung von P D 160 MW und eine Blindleistung von Q D 120 Mvar, induktiv. Die Grenzkurve 2–3, Bemessungspunkt bis Grenze des Polradwinkels6 #, steht für einen Betrieb mit konstantem Bemessungsständerstrom und damit für einen Dauerbetrieb in den thermischen Grenzen der Ständerwicklung. Der Erregerstrom ist kleiner als der Bemessungserregerstrom. Bei Überschreitung des PolradwinkelGrenzwertes wird die statische Stabilitätsgrenze des Generators überschritten, der Generator fällt außer Tritt und läuft nicht mehr synchron mit dem Drehfeld, das vom Netz her bewirkt wird. Die Grenzkurve 3–4, Grenzwert des Polradwinkels bis maximale Blindleistung untererregt, ist zum einen durch die statische Stabilität des Generators am Netz und zum anderen durch die zulässige Erwärmung der Endzonen des Blechpaketes be6
Bei unbelasteter Maschine fällt die Polachse des Läufers (auch Polrad genannt) mit der Symmetrieachse des Ständerdrehfeldes zusammen, bei Belastung eilt das Polrad voraus. Der Winkel # zwischen beiden wird Polradwinkel (oder auch Lastwinkel) genannt (Abb. 5-92).
5 Kraftwerkskomponenten
259
Abb. 5-94 Typisches Generatorleistungsdiagramm (Bemessungs-cos ' D 0;8)
grenzt. Der Erregerstrom geht gegen null, und auch der Ständerstrom ist kleiner als der Bemessungsständerstrom. Über Belastungsgrenzen und Schutzvorkehrungen berichtet [5.97] sehr ausführlich. Es kann auch eine Kurve für Spitzenlast im Leistungsdiagramm enthalten sein (gestrichelte Kurve A).
5.6.2 Generatorbauarten im mittleren Leistungsbereich Bei der Umwandlung der mechanischen Turbinenleistung in elektrische Leistung entstehen im Generator Verluste (1–1,5% der Bemessungsleistung), die zu einem Teil als Stromwärmeverluste in den Leitern der Läufer- und Ständerwicklung, ihren Schalt-, Zu- und Ableitungen anfallen. Die Temperaturen der isolierten Leiter müssen mit Rücksicht auf die Isolierstoffe unterhalb vorgeschriebener festgelegter Grenzwerte (Wärmeklassen) bleiben, die je nach Material zwischen 130–180 °C liegen. Dies muss durch eine entsprechende Kühlung der Leiter erreicht werden. Als Kühlmedien werden Luft, Wasserstoff und Wasser verwendet. Entsprechend dieser Reihenfolge nimmt das Wärmeabfuhrvermögen, aber auch der technische Kühlsystemaufwand zu. Luft ist überall verfügbar und daher auch das am häufigsten angewendete Kühlmittel im Elektromaschinenbau. Luftkühlung ist im Hinblick auf einen akzeptablen Wirkungsgrad für Generatoren bis ca. 350 MVA noch angemessen. Nachteilig sind die großen Gebläse- und Oberflächenreibungsverluste.
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Tabelle 5-6 Charakteristische Kühlmittelwerte Kühlmittel und -druck (pabs )
Relative spezifische Relative Wärmekapazität Dichte 0 (cp ) (0 )
Luft – 1 bar 1 Wasserstoff – 1,035 bar 14,35 Wasserstoff – 3 bar 14,35 Helium – 1 bar 5,25 Wasser 4,16
1 0,07 0,21 0,138 1000
Ausführbare Relatives WärmeGeschwindigkeit abfuhrvermögen 0 (v 0 in m=s) (cp 0 v 0 ) 30 50 50 30 1 bis 5
1 1,7 5 0,72 140 bis 700
Mindestbetriebsdruck im Generator, um das Eindringen von Luft und damit die Gefahr der Knallgas-Gemischbildung zu vermeiden.
Tabelle 5-7 Baugrößen und Bemessungswerte von typischen GT-Generatoren Scheinleistung Wirkleistung Leistungsfaktor Frequenz Drehzahl Spannung Wärmeklasse Ausnutzung nach Aufstellungshöhe über Normalnull Norm Subtransiente Reaktanz (xd00 ) Transiente Reaktanz (xd0 )
140 112 0,8 50 3000 10,5 155 (F) 130 (B) < 1000 IEC 60034 17,9 26,3
300 240 0,8 50 3000 15,75 155 (F) 130 (B) < 1000 IEC 60034 15,9 24,1
450 360 0,8 50 3000 22 155 (F) 130 (B) Beliebig IEC 60034 19,2 28,0
550 440 0,8 50 3000 21 155 (F) 130 (B) Beliebig IEC 60034 18,9 26,2
MVA MW – Hz min1 kV
Leerlauf-Kurzschluss-Verhältnis Kühlmittel allgemein Druck (pabs ) Kühlungsart Läuferwicklung Kühlmittel Kühlungsart Ständerwicklung Kühlmittel Läuferballendurchmesser Blechpaket-Bohrungsdurchmesser Blechpaketlänge Gehäuselänge Läufergewicht Ständergewicht, einschl. Lager und Kühler
0,48 Luft 1,0 Radial Luft Indirekt Luft 1000 1110 3600 6700 34 150
0,47 Luft 1,0 Radial Luft Indirekt Luft 1150 1284 5200 8720 57 260
0,54 H2 6,0 Radial H2 Indirekt H2 1075 1255 5450 9090 54 303
0,481 H2 6,0 Axial H2 Direkt H2 O 1075 1230 5300 9090 52 293
p. u.
mm mm mm mm Mg Mg
Erregerspannung Erregerstrom Stromwärmeverluste Läuferwicklung
293 1194 316
412 1359 490
426 3503 1410
487 4153 1940
V A kW
Ständerstrombelag 119 Stromwärmeverluste Ständerwicklung 335
131 418
180 680
211 1035
kA=m kW
Gesamtverluste Volllastwirkungsgrad
3470 98,58
4275 98,83
5465 98,77
kW %
1528 98,65
m % %
bar
5 Kraftwerkskomponenten
261
Wasserstoffgas (H2 ) hat im Vergleich zu Luft etwa die gleiche volumenbezogene Wärmekapazität ¡ cp , aber eine um den Faktor 14 kleinere Dichte, wodurch sich die Reibungsverluste erheblich verringern. Da die Dichte proportional mit dem Gasdruck zunimmt, erreicht verdichtetes H2 ein Mehrfaches der Wärmeaufnahmefähigkeit von Luft (Tabelle 5-6), wobei die mit der Dichte steigenden Reibungsverluste dann immer noch nur ca. 50% derjenigen in Luft sind. Mit Wärmeabfuhrvermögen wird das Produkt aus spezifischer Wärmekapazität, Dichte und praktisch möglicher Geschwindigkeit des Kühlmittels in den Kühlpfaden beschrieben. Nachteilig ist die Eigenschaft des H2 , in Verbindung mit Luft ein explosives Gemisch („Knallgas“) im Bereich von 4,1–75 Vol.-% H2 in Luft zu bilden. Durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen beim Füllen und Entleeren (Abschn. 5.6.2.2) und auch durch Überdruck bei Betrieb des Generators wird diese Gefahr sicher beherrscht. H2 kommt als Kühlmittel für Generatoren ab etwa 200 MVA aufwärts zur Anwendung. Wasser hat ein überlegenes Wärmeabfuhrvermögen bei vernachlässigbaren Pumpenverlusten. Das relative Wärmeabfuhrvermögen von Luft zu Wasserstoff (bei pabs D 3 bar) und Wasser verhält sich ungefähr wie 1:5:140. Wasser wird in Generatoren ab ca. 500 MVA für die Kühlung der Ständerwicklung eingesetzt. Das Blechpaket und die Feldwicklung werden dabei weiterhin mit H2 gekühlt. Da das verwendete Kühlmittel die Generatorkonstruktion bestimmt, werden die Bauarten hiernach eingeteilt. Zusammenfassend gibt Tabelle 5-7 einen Überblick über Baugrößen und Bemessungswerte von typischen Generatoren mit Luft-, Wasserstoff- und Wasserkühlung für den Antrieb durch Gasturbinen. 5.6.2.1 Luftgekühlte Generatoren Die Grenzleistung zweipoliger luftgekühlter Generatoren lag Ende der 1980er-Jahre noch bei ca. 100 MVA und hat derzeit 350 MVA überschritten. In [5.99] wird bereits über die Erprobung eines luftgekühlten Generators der 500-MVA-Klasse berichtet. Die vergleichsweise einfache Betriebsführung der luftgekühlten Generatoren prädestiniert sie für GT-Kraftwerke. Durch innovative Kühl- und Isoliertechniken konnte die Leistung luftgekühlter Generatoren stets an die wachsenden Gasturbinenleistungen angepasst werden. Gleichzeitig konnten die Lieferzeiten verkürzt, die Revisionsintervalle verlängert und die Herstell- und Wartungskosten verringert werden. Kühlsysteme Luftgekühlte Generatoren werden als durchzugsbelüftete (offener Kühlkreislauf) und als kreislaufbelüftete (geschlossener Kühlkreislauf) Maschinen ausgeführt. Im internationalen Sprachgebrauch werden erstere als open-air-cooled (OAC) bezeichnet. Generatoren mit einem geschlossenen Kühlkreislauf, bei denen die aufgenommene Wärme in wasserdurchströmten Kühlern ausgetauscht wird, werden mit totally-enclosed-water-to-air-cooled (TEWAC) bezeichnet.
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Vorteil des OAC-Generators ist die mögliche Leistungssteigerung mit sinkender Temperatur der Umgebungsluft, die einhergeht mit gleichfalls erhöhter Gasturbinenleistung. Zum Schutz vor innerer Verschmutzung des OAC-Generators durch belastete Umweltluft dienen moderne Filtersysteme, die auch kleinste Partikel zurückhalten. Gasförmige oder verflüssigte Verschmutzungen, die in den Innenraum gelangen, können zur Korrosion der elektrischen Kontaktverbindungen sowie zu Ablagerungen auf den Kühlpfaden führen. OAC-Generatoren werden deshalb in weniger umweltbelasteten Regionen verwendet. Hauptanwendung finden sie in Spitzenlastkraftwerken mit relativ wenigen Betriebsstunden pro Jahr (ca. 1500 h). In der Folge fallen der Gesamtkühlluftdurchsatz und damit der Schmutzeintrag während der gesamten Lebensdauer der Maschine auch geringer aus. Im Grundlastbetrieb mit mehr als 4500 Betriebsstunden pro Jahr werden bevorzugt TEWAC-Generatoren eingesetzt. Durch das geschlossene Kühlsystem wird eine Verschmutzung des Generatorinnenraumes weitestgehend ausgeschlossen. Bauformen Die oben beschriebenen OAC- und TEWAC-Generatoren werden sowohl für Maschinenhaus- als auch für Freiluftaufstellung bereitgestellt. Soweit es die Transportbedingungen zulassen, werden komplett vormontierte Generatoren angeliefert. Dabei werden das Ständerblechpaket mit Wicklung und die beiden Stehlager mit eingelegtem Läufer auf einem Grundrahmen montiert und mit einer Haube, die auch der Kühlluftführung dient, abgedeckt. Alternativ werden Grundrahmen und Haube als Ständergehäuse mit horizontaler Teilfuge aufgebaut. Bei der TEWAC-Variante gemäß Abb. 5-93 werden die Kühler (11) in einer separaten Haube (12) untergebracht, die bei der Endmontage vor Ort neben den Generator gestellt wird. Alternative Lösungen sehen die Kühler oben auf dem Generatorständer vor oder bringen die Kühler als Einschub im Grundrahmen unter. Generatoren dieser Bauform entsprechen der Schutzart IP 54 gemäß der internationalen Norm IEC 60034-5 (Abschn. 5.6.4.1). IP sind die Kennbuchstaben für Schutzarten gegen Berühren und gegen Eindringen von Fremdkörpern und Wasser. Die erste Kennziffer bedeutet hier, dass eine Berührung unter Spannung stehender Teile und innerer bewegter Teile mit Hilfsmitteln jeglicher Art verhindert ist. Die zweite Kennziffer steht für Schutz gegen Eindringen von Wasser und besagt hier ausreichenden Schutz gegen Spritzwasser aus allen Richtungen. Die Schleifringe werden in jedem Fall getrennt vom Generatorkühlsystem belüftet, um Verschmutzungen des Generatorinnenraums mit Bürstenstaub auszuschließen. 5.6.2.2 Wasserstoffgekühlte Generatoren Der Übergang von Luft- auf Wasserstoffkühlung führt bei vergleichbaren Kühlsystemen und Abmessungen der elektrisch aktiven Bauteile zu einer Leistungssteigerung von ca. 30%. Wegen der vergleichsweise geringen Gasreibungsverlus-
5 Kraftwerkskomponenten
263
te von Wasserstoff (auch im verdichteten Zustand zur Nutzung des damit steigenden Wärmeabfuhrvermögens) können überdies die aktiven Längen des Läufers und des Blechpaketes vergrößert werden. Mit effektiveren Kühlsystemen und vergrößerten Abmessungen ist der Bau von ausschließlich wasserstoffgekühlten Generatoren bis ca. 1000 MVA möglich. Bei gleichzeitiger Verwendung von Wasser zur Kühlung der Ständerwicklung wird im Vergleich zu einer direkt gasgekühlten Ständerwicklung eine kompaktere Wicklungsausführung möglich. Damit können der Blechpaket-Außendurchmesser reduziert und die Ständertransport-Abmessungen sowie das Ständergewicht verringert werden. Obwohl die Wirkungsgrade der luftgekühlten Generatoren ständig verbessert wurden, haben die wasserstoffgekühlten Generatoren im gemeinsamen Leistungsbereich von 200–350 MVA immer noch etwas günstigere Wirkungsgrade (ca. 98,9%) als luftgekühlte Generatoren (ca. 98,7%). Auch sinken die Teillastwirkungsgrade wegen der kleineren konstanten Reibungsverluste erst ab etwa Halblast deutlich ab (bis zu 1% bei Viertellast, luftgekühlte Generatoren vergleichsweise ca. 1,5%). Bei dem vorherrschenden Einsatz von GuD-Kraftwerken im Grundlastbetrieb haben die Teillastwirkungsgrade jedoch weniger Bedeutung. Die Abb. 5-95 zeigt einen typischen wasserstoffgekühlten Generator der 400-MVA-Klasse. Die Verwendung von Wasserstoff bedingt einen geschlossenen Kühlkreislauf. Das im Generator durch Aufnahme der Verlustwärme aufgeheizte Kühlgas wird in wasserdurchströmten Kühlern (3) rückgekühlt, die innerhalb des druckfesten Gehäuses (4) angeordnet sind. Der Läufer (7) lagert in zwei Schildlagern (1) und hat auf beiden Seiten Kupplungsflansche (9), (10).
3
1 2
4
5
6
7
8
9
10
Abb. 5-95 Längsschnitt eines wasserstoffgekühlten Generators mit indirekt gekühlter Ständerwicklung 1 Schildlager 5 Wickelkopf der Ständerwicklung 9 Erregerseitige Kupplung 2 Wellendichtung 6 Blechpaket für Schleifringwelle bzw. 3 Wasserstoffrückkühler 7 Läufer bürstenlosen Erregersatz 4 Gehäuse 8 Stromdurchführungen 10 Turbinenseitige Kupplung
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Zusatzeinrichtungen für die Wasserstoffkühlung Der Betrieb von Generatoren mit Wasserstoffkühlung erfordert Drucköl-Wellendichtungen (2), die den unter Überdruck stehenden Innenraum des Generators an den Wellendurchführungen abdichten. Die Versorgung dieser Wellendichtungen mit Drucköl erfolgt durch eine Dichtölanlage. Zum Füllen, Entleeren und zur Überwachung des wasserstoffgefüllten Generatorinnenraumes dient eine Gasversorgungsanlage. Dichtöl- und Gasversorgungsanlage stehen bei Tiefaufstellung des Turbosatzes (Gasturbinenanlage) neben dem Generator und bei Hochaufstellung (Dampfturbinenanlage) unterhalb des Turbosatzes. Radiale Wellendichtung Zur gasdichten Durchführung der beiden Wellenenden aus dem Ständergehäuse werden radiale Drucköl-Wellendichtungen (Abb. 5-96) eingesetzt. Dabei wird Öl mit einem Überdruck, der über dem des Wasserstoffdruckes im Gehäuse liegt, zu einem in dem Öl schwimmenden, nicht mitdrehenden Dichtring gefördert. Das Drucköl (Dichtöl) füllt umlaufende Ringnuten im Dichtring und bildet damit einen Flüssigkeitsdichtring um die rotierende Welle. Das Dichtöl gelangt dann in einen klein gehaltenen radialen Lagerspalt zwischen Dichtring und Welle (D Drosselstelle zur Haltung des Drucks im Flüssigkeitsdichtring) und fließt nach beiden Seiten längs der Wellenschenkel ab. Ausführungsvarianten und ein zugehöriges Berechnungsprogramm für radiale Gleitringdichtungen erläutert [5.100] sehr ausführlich. Wasserstoffseite
Luftseite
Gummiringdichtung Dichtungsringhalter
Ölschneidenhalter
Lager Lüfter-Nabe
Ölabstreifringe
Dichtungsring
Dichtungs-Drucköl
Abb. 5-96 Drucköl-Wellendichtung für wasserstoffgekühlte Generatoren
Dichtölversorgung Das Dichtöl wird aus dem Lageröltank des Turbosatzes bezogen und in einer eigenen Dichtölversorgungsanlage gekühlt und entgast. Zur Entgasung wird das aus den
5 Kraftwerkskomponenten
265
Wellendichtungen abfließende, mit H2 und Luft beladene Dichtöl einer Vakuumbehandlung unterzogen. Das entgaste Dichtöl dient der Reinhaltung der Wasserstofffüllung im Generatorgehäuse. Es vermeidet, dass Dichtöl, das auf die Wasserstoffseite gelangt, Luft in den Generatorinnenraum verschleppt. Verunreinigtes H2 im Generatorinnenraum erhöht die Ventilationsverluste und verschlechtert damit den Wirkungsgrad des Generators. Das Dichtöl wird den Wellendichtungen mit einer Eintrittstemperatur von ca. 40 °C von einem mehrfach redundanten Pumpensystem in der Dichtölanlage zugeführt. Wasserstoffversorgung Im Hinblick auf eine sichere Handhabung des Wasserstoffs ist der „Leitfaden für die Errichtung und den Betrieb von Turbogeneratoren mit Wasserstoff als Kühlmittel“ zu beachten (Abschn. 5.6.4.1). Sowohl vor dem Füllen des Ständergehäuses mit H2 als auch nach dem Entleeren muss zwecks Vermeidung eines explosiven Knallgasgemisches im Gehäuse stets eine Inertisierung erfolgen. Als Zwischengasfüllung dienen CO2 (im Handel unter der nicht richtigen Bezeichnung „Kohlensäure“ als verflüssigtes CO2 in Stahlflaschen erhältlich) und neuerlich auch das Edelgas Argon. Das H2 wird in Flaschen unter einem Druck von 150–200 bar geliefert. Über einen Druckminderer, dessen sekundärer Druck in dem jeweils geforderten Regelbereich des Wasserstoffgasdruckes im Generator einstellbar ist, gelangt es in den Generatorinnenraum. Das H2 und der Generatorinnenraum haben anfänglich eine Restfeuchte. Da dies unerwünscht ist, wird ständig eine Teilgasmenge im Bypass durch einen externen Gastrockner geleitet, der dem Gas beim Durchströmen die Feuchtigkeit entzieht. Die Trocknung wird zur Sicherheit auch im späteren Dauerbetrieb aufrechterhalten. Wasserstoffgekühlte Generatoren für GuD-Einwellenanlagen Im Zuge der GuD-Prozess- und -Anlagenoptimierung für Einheitenleistungen > 350 MW wurde das sog. Einwellenkonzept entwickelt, bei dem Gasturbine, Dampfturbine und Generator einen Turbosatzstrang bilden (Abschn. 3.8.2). Der Aufbau des wasserstoffgekühlten Einwellengenerators entspricht der Ausführung wasserstoffgekühlter Generatoren für GuD-Mehrwellenanlagen gemäß Abb. 5-95. Für die höheren Leistungen (> 500 MVA) ist jedoch eine direkte Kühlung der Kupferleiter der Ständerwicklung erforderlich. Dabei wird die Verlustwärme unmittelbar am Entstehungsort abgeführt und so die Hochspannungsisolierung thermisch entlastet. Das Kühlmittel Wasserstoff oder besser noch Wasser wird dazu durch rechteckige, korrosionsunempfindliche Kühlrohre, die in das Leiterpaket eines Stabes mit eingewickelt sind (Abb. 5-97), geführt. Bei der Verwendung von Wasserstoff zur Kühlung der Ständerwicklung sind im Vergleich zu Wasser relativ große Wasserstoffdurchsatzmengen und entsprechend große Kühlrohrquerschnitte erforderlich, die wiederum über eine größere Nuttiefe zu größeren Blechpaketabmessungen und -gewichten führen.
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6
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3
7
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1
Abb. 5-97 Stabenden einer wassergekühlten Ständerwicklung 1 Oberlagestab 5 Elektrische Kontaktverbindung 2 Unterlagestab 6 Wasserkammer 3 Kupfer-Massivteilleiter 7 Isolierschlauchverbindung zum 4 Stahl-Kühlwasserröhrchen Wasserverteiler bzw. -sammelrohr
Kühlwasserversorgung Da die Kühlröhrchen innerhalb des Leiterpakets das hohe Spannungsniveau der Ständerwicklung führen, darf nur hochreines, praktisch nicht leitfähiges Kühlwasser (Primärwasser) im geschlossenen Kreislauf umgewälzt werden. Im Betrieb wird die Leitfähigkeit auf einen Wert unter 5 µS=cm gehalten und dazu das Kühlwasser in einer eigenen Primärwasserversorgungsanlage ständig aufbereitet. Diese Anlage beinhaltet sowohl redundante Filter, Rückkühler und Umwälzpumpen als auch einen Ionenaustauscher, über den ständig ein kleiner Anteil des gesamten Primärwasservolumens zur Begrenzung der Kühlwasserleitfähigkeit im Bypass strömt. Das Primärwasser wird mit einem Druck, der vorzugsweise unterhalb des Drucks der Wasserstofffüllung im Gehäuse liegt7 , zu einer vor dem Ständerwickelkopf angeordneten Ringleitung gefördert und über Isolierschläuche den Stabenden der Ständerwicklung zugeführt. Das aufgewärmte Primärwasser gelangt am anderen Stabende gleichfalls über Teflonschläuche wieder in eine ringförmige Sammelleitung, von der es der externen Primärwasserversorgungsanlage zufließt. 7
Evtl. Leckagen können so durch Anfall von H2 im Primärwasserkreislauf schnell erkannt werden.
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5.6.3 Generatorerregung, Anfahrmotor- und Phasenschieberbetrieb Unter Erregung versteht man die Erzeugung eines magnetischen Feldes durch einen elektrischen Strom. Im Generator bildet dieses Feld den magnetischen Fluss, der in der Ständerwicklung die Bemessungsspannung induziert. Zur Erlangung einer stets belastungsunabhängig konstanten Spannung an den Hauptanschlussklemmen des Generators wird der Erregerstrom durch Änderung der Spannung an der Feldwicklung (d. i. die Erregerspannung) geregelt. Bei Betrieb des Generators mit induktiver Blindlast muss der Erregerstrom größer eingestellt werden als derjenige, der für die Abgabe reiner Wirkleistung erforderlich ist, der Generator wird übererregt. Damit wird die Feldschwächung kompensiert, die durch die Ankerrückwirkung des induktiven Blindstroms verursacht wird. Bei Betrieb mit kapazitiver Blindlast muss der Erregerstrom unter den für reine Wirkleistung erforderlichen Wert eingestellt werden. Der Generator wird untererregt betrieben, da die Ankerrückwirkung des kapazitiven Blindstroms das Luftspaltfeld verstärkt. Der Einfluss der Ankerrückwirkung ist durch das Leerlauf-Kurzschluss-Verhältnis KC (vereinfacht Kurzschlussverhältnis genannt) gekennzeichnet. Das ist der Quotient aus dem erforderlichen (Leerlauf-)Erregerstrom zur Erzeugung der Generatorbemessungsspannung bei offenen Anschlussklemmen zu dem (Kurzschluss-) Erregerstrom, bei dem sich über die kurzgeschlossenen Anschlussklemmen der Generator-Bemessungsstrom einstellt. Je größer das Leerlauf-Kurzschluss-Verhältnis ist, desto kleiner ist der Einfluss der Ankerrückwirkung und desto größer ist die statische Stabilität des Generators am Netz. Die Ausregelung von Spannungsschwankungen muss mit Rücksicht auf die angeschlossenen Verbraucher schnell erfolgen. Es muss deshalb ein gewisser Erregerspannungsüberschuss vorgehalten werden. Die maximal einsetzbare Erregerspannung heißt Deckenspannung und beträgt etwa das 1,5fache des Bemessungswertes, der im Bereich von ca. 400 V liegt. Die maximale Erregerspannung wird durch die Spannungsfestigkeit der elektrischen Kriechwege in der Feldwicklung bei Deckenspannung begrenzt. Für Generatoren kommen grundsätzlich folgende Erregersysteme zum Einsatz: • Statische Erregung mit Schleifringen, Kohlebürsten und stationären Gleichrichtern in einem externen Stromrichterschrank, • Bürstenlose Erregung mit direkter Spannungserzeugung und mitrotierenden Gleichrichtern im Wellenstrang des Generatorläufers. In der Regel sind beide Erregersysteme bei Bemessungsdrehzahl und -leistungsfaktor in der Lage, auch bei 25% Überlast, kurzzeitig (2 min.) die Bemessungsspannung an den Hauptanschlussklemmen des Generators zu erzeugen. Zur Stützung der Netzspannung bei Kurzschlüssen im Netz muss außerdem eine schnelle Auferregung (Stoßerregung bis hin zur Deckenspannung) des Generators realisiert werden, auch wenn durch den Kurzschluss die Versorgungsspannung beeinträchtigt wird.
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Auf die Erregung und Spannungsregelung von Generatoren geht [5.97] sehr ausführlich ein. 5.6.3.1 Statische Erregung Dieses System, auch Stationäre Thyristor-Stromrichter-Erregung genannt, wird bevorzugt für GT-Generatoren verwendet, bei denen der Generator auch als Motor zum Hochschleppen der Gasturbine verwendet wird. Mit diesem System sind beliebige Deckenspannungen ohne Schwierigkeiten erreichbar. Ein weiterer Vorteil ist, dass jede geforderte Erregerspannung augenblicklich realisiert werden kann. Damit wird der Flussaufbau im Generator (Auferregung) etwas beschleunigt und – durch Umsteuerung – auch ein schnellerer Flussabbau (zur schnellen Entregung des Generators im Störfall) möglich. Im stationären Betrieb wird die Erregerspannung an den Stromableitungen des Generators abgenommen, über einen Thyristor-Stromrichter gesteuert und auf dem gewünschten Erregerspannungsniveau gleichgerichtet. Beim Start wird die Erregerleistung von einem autarken Spannungssystem (Anfahrschiene) im Kraftwerk bezogen. Vom Thyristor-Stromrichter fließt der geregelte Gleichstrom über Bürsten und Schleifringe (Abb. 5-98) zur rotierenden Feldwicklung. Dieses Übertragungssystem hat ein hohes Maß an Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit erreicht. Es ist aber relativ wartungsintensiv, da Bürsten erneuert und gelegentlich unrund verschlissene Schleifringe überdreht werden müssen. Betriebsprobleme wie Bürstenfeuer und hoher Bürstenverschleiß können aufkommen, wenn die Stromverteilung auf die par-
Abb. 5-98 Erregerstromzuleitung von den Schleifringen zur Feldwicklung des Generatorläufers 1 Plus-/Minus-Schleifringe 3 Plus-/Minus-Zuführungsleiter 5 Feldwicklung 2 Zuführungsbolzen 4 Radialbolzen 6 Läuferkappe
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allel geschalteten Bürsten durch umweltklimatische Bedingungen und/oder falsche Bürstenanzahl gestört ist. Der Verschmutzung von Anlagenteilen mit leitfähigem Bürstenstaub wird durch konstruktive Vorkehrungen und Absaugeinrichtungen begegnet. 5.6.3.2 Bürstenlose Erregung mit rotierenden Gleichrichtern Ein mitrotierender Gleichrichter ist Voraussetzung für einen schleifringlosen und damit weitestgehend wartungsfreien Erregersatz. Die Entwicklung spezieller, ausreichend fliehkraftfester Siliziumdioden hat den Bau von rotierenden Gleichrichtern und völlig bürstenlosen Erregermaschinen seit Anfang der 1960er-Jahre ermöglicht. Dieses System, auch Rotierende Dioden-Stromrichter-Erregung genannt, besteht im Wesentlichen aus einer Synchron-Außenpolmaschine (Generator mit Dreiphasenwicklung im Läufer und Gleichstromerregung im Stator) und einer mitrotierenden Siliziumdioden-Drehstromgleichrichterbrücke (Abb. 5-99).
Abb. 5-99 Prinzipschaltbild eines bürstenlosen Erregersystems 1 Thyristor-Stromrichter 7 Feldwicklung des Generators 2 Drehstromeinspeisung 8 Ständerwicklung des Generators 3 Induktive Erregerstrommessung 9 Messleitungen (Ist-Spannung) 4 Drehstromwicklung der Synchronaußenpolmaschine 10 Schleifringe und Bürsten 5 Drehstromgleichrichterbrücke – – – rotierender Teil für Erdschlussüberwachung 6 Drehstromleitung
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Die Drehstromversorgung (Zuleitung über Teil 2) des Thyristor-Stromrichters (Teil 1, Spannungsregler und Gleichrichter) zur Stromversorgung der Erregerwicklung der Außenpolmaschine wird in der Startphase durch Umschaltung auf eine externe, autarke (24-V-)Spannungsquelle ersetzt. Im stationären Betrieb wird auf eine sichere Eigenbedarfsschiene umgeschaltet; alternativ kann die Erregerstromversorgung durch eine Permanentpol-Hilfserregermaschine erfolgen, die noch am freien Läuferwellenende Platz findet. Der geregelte Erregergleichstrom erzeugt zusammen mit den Polen der Synchron-Außenpolmaschine ein im Raum stillstehendes Feld, in dem die Drehstromwicklung (4) des Läufers rotiert, sodass in ihren Strangwicklungen Wechselspannungen induziert werden. Der von dieser Spannung getriebene Wechselstrom wird in Zuleitungen (6) auf der Welle der mitrotierenden Siliziumdioden-Gleichrichterbrücke (5) zugeführt und fließt danach gleichgerichtet direkt zur Feldwicklung des Generatorläufers (7). Der augenblickliche Erregerstrom ist jedoch nicht unmittelbar messbar und wird mittelbar über eine in der Außenpolmaschine eingebaute Spule (3) erfasst und über den proportionalen, aber sehr viel kleineren Erregerstrom der Außenpolmaschine gesteuert. Die Isolierung der stromführenden Leiter und Wicklungen im Läufer wird während des Betriebes mittels zwei kleiner Messschleifringe (10) dauerhaft oder intermittierend überwacht. Dazu sind ein Pol mit dem auf Erdpotenzial liegenden Läuferkörper und der andere Pol mit dem Nullpunkt der Drehstromwicklung der Außenpolmaschine verbunden. Wird ein Strom gemessen, so liegt ein elektrischer Erdschluss vor. 5.6.3.3 Generator-Anfahrmotorbetrieb Um einen Gasturbosatz auf seine Betriebsdrehzahl hochzufahren, benötigt die Gasturbine eine Anfahrhilfe, da sie erst ab ca. 50% ihrer Nenndrehzahl in der Lage ist, das zur weiteren Beschleunigung erforderliche Drehmoment selbst aufzubringen. Die Anfahrt kann mit einem zusätzlichen Drehstrom-Asynchronmotor oder einer angeflanschten Entspannungsturbine erfolgen. Es kann aber auch direkt mit dem angekuppelten Generator unter Verwendung eines externen Anfahrumrichters angefahren werden. Dabei muss zur Entwicklung eines Anfahrmomentes bereits im Stillstand ein Strom im Erregerkreis des Generators fließen. Der Strom wird dazu über (die bei der statischen Erregung schon vorhandenen) Bürsten und Schleifringe zugeführt. Die Ständerwicklung wird in der Startphase aus einem Umrichter (Erzeugung von Drehstromspannung mit veränderlichen, während des Anfahrens wachsenden Frequenzen) gespeist, der das Hochfahren steuert. Während des Hochlaufs wird der Generator als Stromrichtermotor gefahren. Bei ca. 70% der Bemessungsdrehzahl wird der Anfahrumrichter abgeschaltet und der Turbosatz durch die Gasturbine weiter beschleunigt. Mit dieser Technik können mehrere Turbosätze durch einen Anfahrumrichter nacheinander hochgefahren werden. Bei gewünschtem Anfahrmotorbetrieb des Generators mit bürstenloser Erregung werden noch zusätzliche Schleifringe und Bürsten zur Einspeisung des erforderlichen Erregerstroms zur Entwicklung eines Anfahrmomentes im Stillstand benötigt. Die Bürsten sind dann aber nur temporär in Funktion und werden nach dem Anfah-
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ren motorisch abgehoben. Alternativ können Erregermaschinen mit GegendrehfeldErregung zum Einsatz kommen. 5.6.3.4 Generator-Phasenschieberbetrieb Vom Käufer wird gelegentlich auch die Eignung des GT-Generators für den bedarfsweisen Betrieb als Phasenschieber gefordert. Er arbeitet dann temporär mit cos ' D 0, also ohne Abgabe von Wirkleistung, übererregt oder untererregt und liefert dabei rein induktive oder kapazitive Blindleistung (Abschn. 5.6.1.4) in einen Netzknotenpunkt. So wird vermieden, dass große Blindströme unnötig weit über größere Entfernungen im Netz transportiert werden und vermeidbare Verluste in den Leitungen verursachen. Die übrigen in den Netzknoten einspeisenden Generatoren sind dann von der Feinregelung des cos ' entlastet und können auf die Lieferung von Wirkleistung konzentriert, d. h. energetisch besser ausgenutzt werden. Wird von diesen reine Wirklast gefahren (cos ' D 1), liegen die Strangspannungen und -ströme in Phase. Zum Phasenschieberbetrieb wird der Generator nach dem Anfahren der Gasturbine von dieser auf Synchrondrehzahl beschleunigt. Wenn der erregte Generator die gleiche Frequenz und Spannung wie das Netz erreicht hat, wird er in dem Zeitpunkt, in dem auch die Phasenlage der Spannung mit dem Netz übereinstimmt, zugeschaltet. Würde die mechanische Antriebsleistung der Gasturbine weiter gesteigert, würde bei synchronem Lauf elektrische Wirkleistung an das Netz abgegeben werden. Bei reinem Blindleistungsbetrieb muss daher die antreibende Gasturbine abgekuppelt werden, sodass keine Drehmomentenübertragung möglich wird. Die dazu benötigte Überholkupplung ist in Abschn. 5.1.3 näher beschrieben. Das turbinenseitige Generatorlager ist in diesem Fall als kombiniertes Axial-/Radiallager ausgeführt und sichert die axiale Führung des Generatorläufers nach Trennung von der Turbine. Bei dem nunmehr am Netz hängenden Generator wird ausschließlich durch Veränderung des Erregerstroms die Blindleistungsabgabe geregelt. Die dabei auftretenden magnetomotorischen Kräfte im Luftspalt bilden ein ausreichendes Drehmoment um die Läuferachse, um dem den Verlusten im Generator entsprechenden Drehmoment das Gleichgewicht zu halten.
5.6.4 Anforderungen an Generatoren und Prüfungen Wichtigste Forderung des Betreibers ist eine optimale Verfügbarkeit des Generators. Es besteht deshalb für den Generatorhersteller die permanente Aufgabe, durch immer bessere Konstruktion, Werkstoffe und Fertigungsverfahren ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit zu erreichen. Der Mindeststandard hinsichtlich Auslegung, Bau und Prüfung von Dreiphasen-Turbogeneratoren ist in der VDE8 -Bestimmung DIN 60034 (VDE 0530), Teil 3, festgeschrieben und wird laufend an den Stand der Technik angepasst. 8
Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., Frankfurt a. M.
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5.6.4.1 Überblick über Generatornormen VDE-Bestimmung VDE 0530 Die VDE-Bestimmung 0530, als deutsche Norm (DIN) [5.101], die DIN EN 600343 als europäische Norm (EN) herausgegeben, und die internationale Norm IEC9 60034 sind die wichtigsten Generatornormen. Die VDE 0530 ist eine wortgetreue Übersetzung der IEC 60034. Die DIN EN 60034 VDE 0530 (Drehende elektrische Maschinen) ist im Wesentlichen in folgenden Teilen für Generatoren maßgebend: • Teil 1: Bemessung und Betriebsverhalten • Teil 2: Verfahren zur Bestimmung der Verluste und des Wirkungsgrades von drehenden elektrischen Maschinen aus Prüfungen • Teil 3: Besondere Anforderungen an Vollpol-Synchronmaschinen – Hauptabschnitt 1: Anwendungsbereich – fixiert die Gültigkeit dieser Norm für Dreiphasen-Turbogeneratoren mit Bemessungsleistungen von 10 MVA und darüber sowie für Bemessungsfrequenzen von 50 Hz und 60 Hz. – Hauptabschnitt 2: Normative Verweisungen. – Hauptabschnitt 3: Begriffe. – Hauptabschnitt 4: Allgemeines – definiert allgemeine Festlegungen hinsichtlich Bemessung, Ausführung und Prüfung des Generators. – Hauptabschnitt 5: Luftgekühlte Maschinen – geht auf die Kühlsysteme, die Kühllufttemperatur und die Auslegung der Luftkühler ein. – Hauptabschnitt 6: Wasserstoff- oder flüssigkeitsgekühlte Maschinen – enthält besondere Festlegungen und verweist auf Hilfseinrichtungen zur sicheren Handhabung dieser Kühlmittel. – Hauptabschnitt 7: Maschinen zum Antrieb durch Gasturbinen oder für GuDAnwendungen – benennt u. a. die Randbedingungen der Bemessungsleistung und die zulässigen Erwärmungen im Grundlast- sowie im Spitzenlastbetrieb von GT-Generatoren. – Anhang A: Vorsichtsmaßnahmen für den Einsatz von wasserstoffgekühlten Synchronmaschinen mit Vollpolläufer – enthält Vorschriften zum sicheren Betrieb wasserstoffgekühlter Generatoren. • Teil 5: Schutzarten aufgrund der Gesamtkonstruktion von drehenden elektrischen Maschinen (IP-Code) • Teil 6: Einteilung der Kühlverfahren (IC-Code) • Teil 7: Klassifizierung der Bauarten, der Aufstellungsarten, der Klemmkasten (IM-Code) • Teil 14: Mechanische Schwingungen von bestimmten Maschinen mit einer Achshöhe von 56 mm und höher • Teil 16: Erregersysteme für Synchronmaschinen • Teil 18-33: Prüfung der Isolierung von Stäben und Spulen von Hochspannungsmaschinen 9
International Electrotechnical Commission/Internationale Elektrotechnische Kommission, Genf.
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Andere Normen In dem seit dem 01.01.1993 bestehenden europäischen Binnenmarkt dienen von der EG herausgegebene Harmonisierungsrichtlinien dazu, technische Handelshemmnisse wie nationale Normen (z. B. die niederländische KEMA-Norm für luft- und wasserstoffgasgekühlte Turbogeneratoren) zu verhindern. So werden bei der Konstruktion von Generatoren auch die harmonisierten Normen gemäß der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG beachtet. Eigenständige Normen stellten die ANSI10 -Bestimmungen dar. Sie dominierten weitestgehend den 60-Hz-Markt, sodass sie von den Generatorherstellern i. d. R. für 60-Hz-Generatoren zugrunde gelegt werden, fanden aber auch vereinzelt für 50-HzGeneratoren Anwendung. • • • •
C 50.10 der ANSI-Standards beinhaltete allgemeine Vorschriften, C 50.13 galt für Synchrongeneratoren mit Vollpolläufern (Turbogeneratoren), C 50.14 für von Gasturbinen angetriebene luftgekühlte Generatoren und C 50.15 für wasserstoffgekühlte GT-Generatoren.
Im Februar 2006 wurden diese Standards für Turbogeneratoren (insbesondere auch die ANSI-Standards C50.14 und C50.15 für GT-Generatoren) abgelöst durch IEEE Std C50.13™, IEEE Standard for Cylindrical-Rotor 50 Hz and 60 Hz Synchronous Generators Rated 10 MVA and above. Von den Anforderungen her entspricht IEEE Std C50.13™-2005 weitgehend den Normen der Reihe IEC 34, von der Struktur und von einzelnen darüber hinausgehenden Anforderungen her stellt er aber eine eigenständige Norm dar. 5.6.4.2 Mechanische Auswirkungen elektrischer Störfälle auf den Generator Kurzschluss an den Generator-Hauptanschlussklemmen Bei einem plötzlichen Klemmenkurzschluss treten während des Übergangs vom normalen Betrieb mit voller Erregung zum Dauerkurzschluss Ströme auf, die den Dauerkurzschlussstrom weit überschreiten. Der auftretende Stoßkurzschlussstrom setzt sich aus einem schneller abklingenden (subtransienten) und einem langsamer abklingenden (transienten) Wechselstromanteil (Ik00 bzw. Ik0 )11 zusammen, dem ein in den drei Phasen unterschiedlich großes Gleichstromglied überlagert ist; die Summe der Gleichstromglieder in den drei Phasen ist null. Die VDE-Bestimmung 0530, Teil 3, verpflichtet den Generatorhersteller zur Lieferung einer stoßkurzschlussfesten Maschine. Vorgeschrieben wird, dass der Generator einen dreipoligen Kurzschluss an seinen Hauptanschlussklemmen aushält und
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American National Standards Institute/Amerikanische nationale Normeninstitution, New York. Zu dessen Ermittlung sind die subtransiente Reaktanz Xd00 (Anfangsreaktanz, mit der Dimension eines Widerstandes) und die transiente Reaktanz Xd0 (Übergangsreaktanz) des Generators maßgebend. Die bezogenen prozentualen Werte liegen für xd00 zwischen 10 und 20%; xd0 beträgt etwa das 1,4fache von xd00 .
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ohne Reparaturen weiter betrieben werden kann. Auch die nahe gelegenen Leistungsschalter müssen den Stoßkurzschluss beherrschen und sicher abschalten. Die auftretenden großen Stoßkurzschlussströme verursachen insbesondere in den nahe beieinander liegenden Leitern im Ständerwickelkopf erhebliche elektrodynamische Kräfte. Außerdem treten Pulsationen des elektrischen Luftspaltmomentes auf, die rasch abklingen, jedoch das bis zu 12fache des Drehmomentes bei Bemessungsleistung erreichen und zu hohen Beanspruchungen des Ständergehäuses, des Fundamentes und des Wellenstranges führen. In der Regel liefert der zweipolige Klemmenkurzschluss das größte Drehmoment, das bestimmend für die Gehäuseund Fundamentauslegung ist. Der dreipolige Klemmenkurzschluss liefert die größten Ströme, die maßgebend für die Befestigung der Ständerwickelköpfe sind. Das Stoßmoment erreicht jedoch nur 2=3 des zweipoligen Wertes. Als Kriterium für die maximale Torsionsbeanspruchung des Turbosatz-Wellenstranges gilt in Übereinstimmung mit VDE 0530, Teil 3, ein Kurzschluss an den Hauptanschlussklemmen des Generators. Zur Beurteilung der Betriebssicherheit gehört aber auch die Ermittlung des Torsionsmomentes bei Fehlsynchronisation des Generators. Fehlsynchronisation und Netzkurzschlüsse Die ordnungsgemäße, d. h. synchrone Zuschaltung des Generators setzt gleich hohe Spannung, gleiche Frequenz, Phasenlage und Phasenfolge voraus. Moderne Kraftwerke sind heute mit automatischen Synchronisierungseinrichtungen ausgerüstet, sodass Fehlsynchronisierungen äußerst selten auftretende Störfälle sind. Die Torsionsbeanspruchungen der Wellen sind am höchsten bei einem elektrischen Fehlwinkel zwischen Netz- und Generatorspannung um 120ı. In die Berechnung der Wellenermüdung durch Torsionsschwingungen, die von diesem Störfall hervorgerufen werden, geht der ungünstigste Schaltaugenblick unter Berücksichtigung der strombegrenzenden Transformatorreaktanz (induktiver Widerstand) ein. Die im Netz wiederholt auftretenden Netzumschaltungen und Kurzunterbrechungen bei einpoligen und zweipoligen Kurzschlüssen führen i. Allg. nicht zu hohen Torsionsbeanspruchungen. Dies ist anders, wenn der Generator nach einem kraftwerksnahen Netzkurzschluss nicht vom Netz genommen wird, bis der Kurzschluss innerhalb der zulässigen Fehlerklärungszeit beseitigt ist. Anschließend erfolgt eine unvermeidliche Fehlsynchronisierung, die zu erheblichen Wellenermüdungen führen kann. Die Welle muss so dimensioniert sein, dass sie 6–10 derartige Fehlsynchronisierungen erträgt. 5.6.4.3 Leistungsbereiche und Wärmeklassen des GT-Generators Die VDE-Bestimmung 0530, Teil 3, unterscheidet drei Leistungsbereiche für Generatoren mit Antrieb durch Gasturbinen: Bemessungsleistung, Grundleistung und Spitzenleistung. Wesentliche Festlegungen für die Bestimmung der Bemessungsleistung sind: • Aufstellungshöhe bis zu 1000 m über Normalnull, • Maximale Kühlgas-(Luft- oder H2 -)Temperatur 40 °C,
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• Bei Maschinen mit Wasserrückkühlern darf die Wassertemperatur am Kühlereintritt 25 °C nicht unterschreiten. Hinweis: Die bis 2005 geltende frühere ANSI-Bestimmung C50.14 bezog sich im Gegensatz dazu für 60-Hz-Generatoren auf eine Aufstellungshöhe auf Normalnull und eine Kühlgastemperatur von 15 °C statt 40 °C. Hinsichtlich der Aufstellungshöhe ist anzumerken, dass der Einfluss des atmosphärischen Drucks auf die Generatorkühlung im Vergleich zur Gasturbinenleistung gering ist. Während sich Letztere direkt proportional zur höhenproportionalen Druckminderung mit 1,1% pro 100 m ändert, verschlechtern sich die Kühlbedingungen in Näherung proportional mit der Wurzel der Druckminderung, d. h. um nur ca. 0,5% pro 100 m höherer Aufstellungshöhe. Dieser Verschlechterung der Kühlbedingungen wirkt die Abnahme der nicht unbeträchtlichen Luftreibungsverluste entgegen, sodass nach IEC 60034-1 und VDE 0530, Teil 1, für Höhen bis zu 1000 m über Normalnull keine Leistungsreduzierung erfolgt. Diese Vorgehensweise wurde auch in den neuen seit Februar 2006 gültigen IEEE Std C50.13™-2005-Standard übernommen.
Abb. 5-100 Typische Generatorleistungskurven für einen Gasturbosatz Skala A: Kühlmitteltemperaturen für einen luftgekühlten Generator mit offenem Kühlkreislauf (diese Temperaturen sind nahezu gleich den Lufttemperaturen am Eintritt zum Verdichter der Gasturbine) Skala B: Temperaturen des äußeren (sekundären) Kühlmittels des Generators mit geschlossenem Kühlkreis und Luft oder Wasserstoff als inneres (primäres) Kühlmittel
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Gravierende Unterschiede bestehen hinsichtlich der Referenzbedingungen von Gasturbine und Generator. Die Bemessungsleistung der Gasturbine ist die mechanische (Wirk-)Leistung bei einer Temperatur der Umgebungsluft von 15 °C (Eintrittstemperatur der Verbrennungsluft gemäß ISO). Bestimmend für den Generator ist die Scheinleistung, s. (5.10)–(5.13). Es bestehen also bei gleichem Leistungsvermögen von Generator und Gasturbine unterschiedliche Bemessungsleistungen, wobei die Gasturbine auch noch die Generatorverluste aufbringen muss, mit Ausnahme der Läuferkupferverluste bei Zuführung des Erregerstroms über Schleifringe. Die Auswahl einer geeigneten Generatorgröße erfordert deshalb u. a. eine genaue Klärung der Kühlbedingungen vor Ort und eine Vereinbarung zwischen Hersteller und Betreiber hinsichtlich des Leistungsfaktors und der Generatorbauform mit offenem oder geschlossenem Kühlkreislauf. Der Hersteller stellt für Generatoren mit Antrieb durch Gasturbinen ein Leistungsdiagramm zur Verfügung, in dem die Bemessungs-Scheinleistung sowie der zulässige Dauerbetrieb mit Grund-Scheinleistung und mit Spitzen-Scheinleistung (Abb. 5-100) in Abhängigkeit von der Kühlmitteltemperatur ausgewiesen ist. Wärmeklassen Bei Betrieb im Grundleistungsbereich dürfen die in der Norm festgesetzten Erwärmungsgrenzwerte der Ständer- und Läuferwicklung nicht überschritten werden. Die Temperaturbeständigkeit der Isolierstoffe ist Hauptgrund für die Begrenzung der zulässigen Temperaturen und damit ausschlaggebend für die Lebensdauer der Wicklungen. Als Erwärmung bzw. Übertemperatur wird der Unterschied zwischen der Temperatur des Maschinenteils und des zuströmenden Kühlmittels definiert. Die größten Erwärmungen treten im Wicklungskupfer auf. Sie müssen unter den Werten liegen, die in der Norm für die Wärmeklasse der verwendeten Isoliermaterialien zugelassen sind. Generatoren werden i. d. R. mit Isoliermaterialien der Wärmeklasse 155 (F) (Isolierstoff-Grenztemperatur 155 °C) gebaut. Das sind Glasfaser- und Glimmerprodukte mit Epoxidharz. Die Betreiber bestellen und betreiben die Generatoren aber häufig in den Grenzen der nächst niedrigeren Wärmeklasse 130 (B) (IsolierstoffGrenztemperatur 130 °C); der Generator ist also überdimensioniert. Die geringere Ausnutzung nach Wärmeklasse 130 (B) bei 155-(F)-Ausführung kommt dem Bedürfnis vieler Betreiber nach zusätzlicher Sicherheit entgegen. Verfeinerte Berechnungsverfahren und Prüfmethoden lösen diesen Vorbehalt jedoch mehr und mehr zugunsten einer Generatorausnutzung in den Grenzen der Wärmeklasse 155 (F) auf. Bei Spitzenlastbetrieb werden 15 K höhere Grenztemperaturen als im Grundlastbetrieb zugelassen, es wird aber gleichzeitig auf den erhöhten Lebensdauerverbrauch der Wicklungsisolierung hingewiesen (DIN EN 60034-3, VDE 0530, Teil 3).
5.6.5 Ausblick Die Stromerzeugung wird infolge der zunehmenden Industrialisierung weltweit voraussichtlich um mehr als 30% bis zum Jahr 2020 anwachsen, wobei sich der
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Anteil fossil gefeuerter Kraftwerke von 2=3 nicht wesentlich ändern wird. Der dominierende Markt für mittelgroße, GT-getriebene Generatoren und die Forderung nach niedrigen Stromgestehungskosten werden weiterhin zu einer Steigerung der elektrischen Ausnutzung des eingesetzten Materials führen. So kann z. B. bei Verfügbarkeit von geeigneten Kunstharzen der Wärmeklasse 180 (H) (IsolierstoffGrenztemperatur 180 °C) für die Wicklungsisolierungen die Stromdichte weiter erhöht werden. Frei wählbare Generatorspannungen erlauben eine kostengünstigere Modulbauweise von Generatoren (Abschn. 5.6.5.1). Kraftwerke ohne Netztransformatoren würden möglich bei Erzeugung von Generatorspannungen auf Netzspannungsniveau (Abschn. 5.6.5.2). Einen bedeutenden Schritt stellt die Entwicklung von Generatoren mit supraleitenden Feldwicklungen dar (Abschn. 5.6.5.3). 5.6.5.1 Generatoren mit frei wählbarer Ständerspannung In Deutschland und vielfach auch in anderen Ländern ist es gängige Praxis, in Abhängigkeit von der Leistung nachfolgende etablierte Generatorspannungen zu verwenden: 10,5 kV 15,75 kV 21 kV 27 kV
für Generatoren für Leistungen für Leistungen für Leistungen
< 200 MVA von 200 MVA bis ca. 350 MVA von 350 MVA bis ca. 900 MVA > 900 MVA
Im 60-Hz-Bereich war nach den ANSI-Standards für Leistungen < 150 MVA eine Normspannung von 13,8 kV festgelegt. Gängig waren außerdem die Spannungen 16,5 kV und 18 kV. Darüber hinaus gab es keine bevorzugten Spannungen insbesondere für Generatoren > 300 MVA. Mit IEEE Std C50.13™-2005 ist die Empfehlung bevorzugter Spannungen vollständig entfallen. Bei frei gegebener Spannungswahl12 kann der Generatorhersteller die Generatorleistung durch Veränderung der Maschinenlänge eines optimierten Grundmodells (vorzugsweise mit vorherrschender Standardspannung) realisieren. Dabei ändert sich entsprechend der Esson’schen Leistungsgleichung (Abschn. 5.6.1.3) die Maschinenlänge proportional zur neuen Scheinleistung. Da sich die Generatorspannung ebenfalls proportional zur Maschinenlänge ändert, ergibt sich auch eine vom Generatorgrundmodell abweichende Generatorspannung. Bei dem neuen Generator bleiben die Zahl der Blechpaketnuten, die Ständernutgeometrie und damit der Blechpaketquerschnitt sowie die Wickelköpfe unverändert. In der Folge entfallen Aufwendungen für neue Stanzschnittwerkzeuge und Wicklungsbefestigungen. Es vereinfachen sich Konstruktion und Fertigung mit der Konsequenz kürzerer Lieferzeiten und verringerter Herstellkosten. Auch die Wartungskosten werden durch die größere Anzahl von Gleichteilen bei den Revisionshilfsmitteln und Ersatzteilen reduziert. 12
Frankreich hat bereits auf dieses System umgestellt.
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Die Anpassung der Generatorspannung an die Netzspannung muss mit einem entsprechenden Blocktransformator erfolgen. Dabei zeigt sich der Nachteil der frei wählbaren Generatorspannungen. Die Blocktrafos und alle weiteren nachgeschalteten elektrischen Anlagenteile (Ableitungen, Schalter etc.) können nur für Generatoren gleicher Leistung und Spannung vereinheitlicht werden, was zu Nachteilen bei der Reservehaltung führen kann. Bei einer Festlegung auf Standard-Spannungen bei den Generatoren ergibt sich eine bessere Austauschbarkeit von Blocktrafos und der nachgeschalteten elektrischen Anlagenteile. 5.6.5.2 Generatoren mit Klemmenspannungen zur direkten Einspeisung ins Netz Generatoren mit höheren Spannungen als 27 kV haben bisher keine größere Verbreitung gefunden. Die auf diesem Spannungsniveau im Generator erzeugte elektrische Energie wird mit Hilfe von Transformatoren hochgespannt (bis 380 kV) und damit eine wirtschaftliche Übertragung zum Verbraucher bei mäßigen Kupferquerschnitten der Netzfreileitungen und -kabel ermöglicht. Es wurden immer wieder Ansätze zu einer direkten Erzeugung von elektrischer Energie auf Netzspannungsniveau gemacht. Referenz [5.104] beschreibt das Entwicklungsziel eines europäischen Generatorherstellers. Durch Entfall der unvermeidlichen Stromwärmeverluste des eingesparten Transformators sollten der Kraftwerkswirkungsgrad steigen und die Anlageund Betriebskosten sinken. Die Einsatzreife dieser Technik ist jedoch noch nicht erreicht. Zunächst sollten Studien die Machbarkeit von 110–150 kV Ständerwicklungen und das geeignete Netzverhalten derartiger Generatoren im Leistungsbereich von 90–120 MVA nachweisen. 5.6.5.3 Generatoren mit supraleitender Feldwicklung Supraleiter haben unterhalb einer bestimmten, je nach Werkstoff unterschiedlichen Sprungtemperatur nahezu keinen ohmschen Widerstand und lassen deshalb den Strom praktisch verlustlos fließen (entdeckt durch den Holländer Kammerlingh Onnes 1911). Übersteigt jedoch die Feldstärke eines äußeren Magnetfeldes einen bestimmten, von der Leiterart und Temperatur abhängigen Grenzwert, geht die Supraleitung verloren, die Supraleiter werden normalleitend mit den entsprechenden Verlusten. Die Anwendung der Supraleitung für die Ständerwicklung wurde nicht weiter verfolgt, weil Supraleiter für Wechselstrom keine ausreichend hohen magnetischen Induktionen zulassen. Mit ihren vergleichsweise großen Gleichströmen bietet sich aber die Feldwicklung für die Nutzung der Supraleitung an. Hier können im supraleitenden Zustand sehr viel größere Ströme (Stromdichte bis ca. 200 A=mm2 ) fließen als bei Normalleitung (Stromdichte bei Wasserstoffkühlung ca. 13 A=mm2 ). Wegen der damit klei-
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neren Leiterquerschnitte werden im Läufer sehr große Erregerwindungszahlen möglich. In den 1980er-Jahren gab es Konzepte, bei denen mit unmagnetischen Läuferkörpern um 50% höhere Luftspaltinduktionen realisiert werden sollten. Mit Wegfall der magnetischen Blechpaketzähne und Verlagerung der Ständerwicklung in den Luftspalt sollte die Ständerdurchflutung in etwa verdoppelt werden. Das Konzept erlaubt annähernd die Halbierung von Bauvolumen und Materialeinsatz und führt auch zu einer deutlichen Reduzierung der elektrischen Verluste im Vergleich zum herkömmlichen Generator – also zu einem höheren Wirkungsgrad. Das alles kam einer Entwicklung der Generatoreinheitenleistung entgegen, die bis Mitte der 1980er-Jahre in etwa proportional zum Anstieg der installierten Leistung des Netzes verlief. So haben sich damals weltweit namhafte Institute und Generatorhersteller mit der Entwicklung von zweipoligen Generatoren > 1000 bis ca. 2000 MVA mit supraleitender Feldwicklung befasst. Die bevorzugten Leiter waren in einer Kupfermatrix gefasste Niob-/Titan-Drähte, die zu Flachseilen verdrillt eine Stromtragfähigkeit von IC > 6000 A erreichten. Diese Leiter müssen aber zur Erhaltung der Supraleitfähigkeit dauerhaft auf 4–5 K gehalten werden, wozu flüssiges Helium (LHe) dient. Das während des Kühlprozesses verdampfte Helium wurde in einer beigestellten Kälteanlage wieder verflüssigt. Die Ausführung des Generatorläufers als rotierenden Kryostaten aus tieftemperaturfesten Stählen sowie die aufwändige Anlagentechnik für die permanente Bereitstellung von LHe lassen eine Anwendung dieser Technologie für Generatoren erst weit über 1000 MVA Einheitenleistung wirtschaftlich werden. Einen Überblick über die vielfältigen Entwicklungsprojekte gibt [5.102]. Sie wurden jedoch überwiegend eingestellt, nachdem der Trend zu immer größeren Einheitenleistungen Mitte der 1980er-Jahre zum Stillstand kam und weltweit GuD-Kraftwerke marktbestimmend wurden. Neue Perspektiven eröffnet die 1986 entdeckte Hochtemperatur-Supraleitung (HTS) von keramischen Leitermaterialien, bei der die Sprungtemperatur bei 70– 100 K liegt und flüssiger Stickstoff als Kühlmedium genügt. Über die Erprobung eines 4-MVA-Generators mit einer HTS-Feldwicklung im Läufer berichten Klaus et al. [5.103]. Mit diesen Leitern sind supraleitende Feldwicklungen für kleinere GT-Generatoren in der Antriebstechnik, wo insbesondere geringes Bauvolumen und -gewicht gefragt sind, schon machbar.
Literaturverzeichnis 5.1. Niemann, G.: Maschinenelemente. Bd. 1. 2. Aufl. Springer 1975 5.2. Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau. 14. Aufl. Springer 1981 5.3. Henkel, G.: Membrankupplungen – Theoretische und experimentelle Untersuchung ebener und konzentrisch gewellter Kreisringmembranen. Diss. TU Hanover, 1980 5.4. Rothfuss, N. B.: Design and application of flexible diaphragm couplings to industrialmarine gas turbines. ASME 73-GT-75, 1973 5.5. Bauer, H.-P.: Über das Axialverhalten von Zahnkupplungen. Konstruktion 42 (1990) S. 355–360 5.6. Heinz, R.: Untersuchung der Kraft- und Reibungsverhältnisse in Zahnkupplungen für große Leistungen. Diss. TH Darmstadt 1976
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Kapitel 6
Grundlagen der Strömungsmaschinen Günther Dibelius
6.1 Energieumwandlung 6.1.1 Umwandlungsprinzip Der Verdichter wird von der auf der gleichen Welle arbeitenden Turbine angetrieben. Er nutzt die ihm zugeführte mechanische Arbeit, um die Energie des ihn durchströmenden Luftstromes anzuheben. Seine Enthalpie wird erhöht, gepaart mit einer Steigerung von Druck und Temperatur. Als mechanisch angetriebene Maschine wird er zu den Arbeitsmaschinen gezählt. Die Turbine entzieht dem sie durchströmenden Gasstrom Energie und stellt sie als mechanische Arbeit an ihrer Welle zur Verfügung. Dabei sinkt die Enthalpie zusammen mit dem Druck und der Temperatur. Es vollzieht sich hier also der Umwandlungsprozess in umgekehrter Richtung wie im Verdichter. Als treibende Maschine wird sie zu den Kraftmaschinen gezählt. Bei Anordnung der beiden Maschinen auf der Welle der Gasturbine muss die Turbine sowohl den Verdichter antreiben wie auch die Nutzleistung an der Kupplung zur Verfügung stellen. Dazu hat die Rückumwandlung in mechanische Energie auf einem höheren Niveau zu erfolgen, das durch die Energiezufuhr in der Brennkammer erreicht wird. Mechanische Arbeit lässt sich durch Wirkung einer Kraft bei einer Bewegung übertragen, hier des Drehmomentes bei der Drehbewegung. Die Zufuhr von Energie an ein strömendes Gas kommt durch die Kraftwirkung rotierender Schaufeln im Strom zustande (Abb. 6-1b). Auf der konkaven Druckseite DS der Schaufel wird die Geschwindigkeit verzögert, auf der konvexen Saugseite SS beschleunigt. Das hat eine Druckdifferenz zwischen beiden Seiten zur Folge. Die Strömung übt also eine Kraft auf die Schaufel aus; oder als Reaktion lenkt die Schaufel die Strömung in eine andere Richtung um. Geschieht dies in einem sich drehenden System, so sind die Voraussetzungen für eine Arbeitsleistung an der Strömung bzw. entsprechend auch die Gewinnung von mechanischer Arbeit aus der Strömung gegeben. Da die C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
285
286 Abb. 6-1a,b Strömungsmaschine: a Element der Maschine, b im abgewickelten Zylinderschnitt Kraftübertragung, Bewegung, Geschwindigkeitsdreiecke
G. Dibelius
Mittelschnitt abwickeln
Aein caus
Aaus P cein
a Q caus
waus uaus
Ð ++ Ð + Fa Ð + Ð Ð
Aaus Fu
DS
F
u
SS Aein cein
b
wein uein
wesentlichen Elemente der Arbeitsübertragung die Umlenkung der Strömung und die Drehung sind, werden sowohl Verdichter als auch Turbinen als Strömungsmaschinen oder auch Turbomaschinen (lat. turbare D drehen) bezeichnet. Der Vergleich der Strömungs- mit den Kolbenmaschinen zeigt deutlich die Unterschiede in den Arbeitsprinzipien: Eine grundsätzlich gleichmäßige Übertragung der auf die Strömung ausgeübten Kräfte bei einer konstanten Drehbewegung charakterisiert die Zufuhr oder Abfuhr von Arbeit bei den Strömungsmaschinen. In einer Kolbenmaschine werden periodisch hintereinander sowohl die zum Verdichten notwendigen als auch die Arbeit liefernden Gaskräfte auf hin- und herbewegte Kolben übertragen. Diese Bewegung muss ggf. erst mit einem Kurbelgetriebe in eine Drehbewegung übersetzt werden. In Strömungsmaschinen steht ständig der volle Querschnitt der kontinuierlich durchströmten Beschaufelung zur Verfügung. In Kolbenmaschinen sind Ein- und Ausströmvorgänge durch die Arbeitstakte bei geschlossenem Zylinder unterbrochen. Deshalb sind Strömungsmaschinen für vergleichsweise größere Volumendurchsätze geeignet. Doch sind die nur durch die dynamische Wirkung von einmaligen Strömungsvorgängen erzielbaren Verdichtungs- oder Entspannungsvorgänge kleiner, als sie sich im abgeschlossenen Zylinder erzwingen lassen. Dieser Nachteil lässt sich aber durch Hintereinanderschalten mehrerer Verdichter- oder Turbinenstufen ausgleichen.
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
287
6.1.2 Auswirkung der Energieumwandlung auf die Strömungsgrößen Die in einer elementaren Turbomaschine (Abb. 6-1a) mit einem sich drehenden Schaufelrad dem Gas zu- oder aus ihm abgeführte Arbeit oder Wärme bewirken Änderungen der strömungstechnischen oder thermodynamischen Größen [6.1]. Werden diese Größen am Ein- und Austritt dieses offenen, stationär durchströmten Systems bilanziert, so kann auf die Beeinflussung durch Arbeits- oder Wärmezu- oder -abfuhr geschlossen werden. Dabei ist zunächst unerheblich, wie das im Einzelnen geschieht. Kontinuität des Massenstromes Unter stationären Bedingungen sind alle zeitlichen Änderungen ausgeschlossen. Das Gas kann nur durch den Eintritt in den Arbeitsraum der Beschaufelung gelangen und muss durch den Austritt wieder abfließen. Die Massenströme durch Eintritt und Austritt müssen also gleich groß sein: Z Z P ein D aus cm, aus dAaus D ein cm, ein dAein (6.1) m P aus D m Aaus
Aein
Die beiden Massenströme können jeweils durch die Integrale über der mit der Dichte [6.2] multiplizierten Geschwindigkeitskomponente in der Meridianebene, die durch die Maschinenachse gelegt ist, und das dazu senkrecht stehende Querschnittselement dA ausgedrückt werden. Dabei ist angenommen, dass die betrachteten Querschnitte so weit vor und nach der Beschaufelung liegen, dass die von ihr ausgehenden instationären Vorgänge abgeklungen sind. Bei Ersatz der vom Ort innerhalb der Querschnitte abhängigen Größen durch bilanzgerecht gebildete Mittelwerte [6.3] oder bei weiterer Abstraktion auf kleine Querschnitte bei Vernachlässigung aller örtlichen Dichte- und Geschwindigkeitsänderungen lassen sich die Integrale durch einfache Produkte ersetzen. Dann ist das Problem auf eine eindimensionale Stromfadentheorie zurückgeführt: aus cm, aus Aaus D ein cm, ein Aein :
(6.2)
Änderung des Impulsmomentes, Gleichung von Euler Entscheidend für die Wirkung einer Turbomaschine ist die Änderung des Impulsmomentes der Strömung im Bilanzraum durch die Übertragung von mechanischer Leistung P durch das Schaufelrad an das die Maschine durchströmende Gas: Z Z uaus cu, aus aus cm, aus dAaus uein cu, ein ein cm, ein dAein Mst ! : P D M! D Aaus
Aein
(6.3) Darin ist M das an der Welle wirkende Drehmoment und u die Umfangsgeschwindigkeit des rotierenden Systems an der betrachteten Stelle des Querschnittes. Allerdings wirken dabei auch Reibungsmomente auf die Änderung des Impulsmomentes mit. Greifen sie an Flächen des drehenden Systems an, so verursachen sie zusätzlich zu den Schaufeln eine Änderung des Impulsmomentes, die sich auf die
288
G. Dibelius
Leistungsübertragung an der Welle auswirkt. Sie ist also bei der Bilanzierung miterfasst. Die Reibung an stationären Wänden, z. B. an der Innenfläche des Gehäuses, beeinflusst die Änderung des Drehmomentes im Bilanzraum, ohne dass dies in der an der Welle zu- oder abgeführten Leistung zum Ausdruck kommt. Deshalb ist dieser Reibungsbeitrag bei der Ermittlung der Leistung abzuziehen. Unter den für die Gültigkeit der eindimensionalen Stromfadentheorie zu machenden Annahmen (wie für den Massenstrom definiert) lassen sich die Produkte unter den Integralen zusammenfassen zu: P : P =m P D a D uaus cu, aus uein cu, ein Mst !=m
(6.4)
Diese Erkenntnis geht auf Leonhard Euler zurück (1707–1783). Bei im Verhältnis zum Durchmesser kurzen Axialmaschinen mit dementsprechend geringe Reibung verursachenden Innenflächen kann der Reibungsterm in (6.3) und (6.4) gegenüber den am Rotor wirkenden Momenten vernachlässigt werden.
6.1.3 Auswirkung der Energieumwandlung auf die thermodynamischen Größen Energieerhaltung Die der Strömung von außen zugeführte mechanische Leistung P und auch die durch die Systemwände zugeführte Wärme erhöhen die Energie des Gases, die durch die spez. Totalenthalpie beschrieben wird: Z Z P htot, aus aus cm, aus dAaus htot, ein ein cm, ein dAein : (6.5) P CQ D Aaus
Aein
Negative Beträge charakterisieren einen Entzug der Energie. Die spez. Totalenthalpie setzt sich allgemein zusammen aus jeweils auf die Masseneinheit bezogener thermischer, kinetischer und potenzieller Energie. htot h C c 2 =2 C gz :
(6.6)
Darin bedeutet h spez. Enthalpie [6.3], z Höhenkoordinate, g Erdbeschleunigung. Bei horizontaler Aufstellung der Maschinen ändert sich die potenzielle Energie nicht und wird daher im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. Bei Abstraktion auf einen eindimensionalen Stromfaden vereinfacht sich die Gleichung zu: 2 2 P m =2 : (6.7) cein P =m P C Q= P D a C q D haus hein C caus Entropieänderung, Verluste Die Änderung der spez. Entropie s [6.3] zwischen Einund Austritt gibt darüber Auskunft, inwieweit die Umwandlung der Energie in die gewünschte Form stattgefunden hat und wie viel Energie dabei in eine ungewünschte Form übergegangen ist, die als Verlust betrachtet wird: Z Z saus aus cm, aus dAaus sein ein cm, ein dAein D SPirr C SPrev : (6.8) Aaus
Aein
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
289
Im Unterschied zu den Bilanzen (6.1), (6.3) und (6.5), den sog. konservativen Bilanzen, ist die Entropiebilanz nicht konservativ, weil darin enthaltene Teilprozesse nicht umkehrbar oder irreversibel sind, also nur in einer Richtung ablaufen können: Kinetische Energie, die sich durch Reibungsvorgänge in Wärme verwandelt hat, lässt sich nicht wieder vollständig in kinetische Energie zurückverwandeln und resultiert in einer irreversiblen Entropiezunahme. Dagegen können durch Wärmetransport von außen in der strömenden Luft oder dem Gas verursachte Entropieänderungen als umkehrbar oder reversibel angesehen werden. Hauptgleichung von Gibbs Dieses Gesetz gibt den Zusammenhang zwischen Änderungen der kalorischen Größen Enthalpie und Entropie und der thermischen Größen Temperatur, Druck und Dichte wieder [6.4]: haus hein
Zaus Zaus D dp C T ds : ein
(6.9)
ein
Während die Enthalpiedifferenz nur vom Eintritts- und Austrittszustand abhängt, R sind die beiden Integrale für die spez. Strömungsarbeit y D vdp und die WärR mezufuhr T ds entlang der Zustandsänderung zu bestimmen. Dabei lässt sich das R Entropieintegral gedanklich in die durch Wärmetransport von außen q D T ds rev R und durch Dissipation j D T dsirr verursachten Anteile aufteilen. Damit folgt aus (6.9): haus hein D y C q C j :
(6.10)
Die Differenz der spezifischen Enthalpien setzt sich also zusammen aus der (verlustlosen) spezifischen Gasarbeit, der zugeführten spezifischen Wärme und der im Prozess entstehenden, in Bezug auf die Umwandlung in Gasarbeit als Verlust anzusehenden spezifischen Dissipation. Doch trotz bekannter Zustände an Ein- und Austritt lassen sich wegen der Abhängigkeit vom Integrationsweg die Anteile von Gasarbeit, Wärme und Dissipation nicht ohne weitere Befunde oder Annahmen über den Verlauf der Zustandsänderung bestimmen. Polytrope als Ersatz der wirklichen Die Enthalpiedifferenz wäre R aus R aus Zustandsänderung nach (6.9) aus den Integralen ein vdp und ein T ds entlang der Zustandsänderung auf dem Weg zwischen den aus Rechnung oder Versuchen bekannten Ein- und Austrittszuständen zu berechnen. Ist der Verlauf dieser Zustandsänderung im Einzelnen unbekannt, so ist es logisch, ihn durch die Annahme zu ersetzen, dass die differenziellen Änderungen vdp und T ds auf dem ganzen Weg im gleichen polytropen Verhältnis zueinander stehen: T ds dj C dq dh D1C D1C D konst : (6.11) vdp vdp dy Dann haben aber auch die aufintegrierten Anteile das gleiche Verhältnis zueinander: j Cq haus hein D1C : (6.12) D y y
290
G. Dibelius
Die so definierte polytrope Zustandsänderung kommt in den meisten Fällen der wirklichen sehr nahe. Berechnen des Polytropenverhältnisses Aus der differenziellen Form von (6.9) folgt: dh D vdp C T ds
und ds D
v dh dp ; T T
und für dh D 0 W .ds/h D Tv dp. Das Polytropenverhältnis lässt sich in infinitesimaler Form nach (6.11) ausdrücken durch: D1C
ds T ds D1 : vdp .ds/h
Die Forderung nach konstantem Polytropenverhältnis auf dem Integrationsweg liefert: D1
s saus sein D1 R : paus @s .s/h dp pein
(6.13)
@p h
Für ideale Gase wird die Gültigkeit der Gasgleichung pv D RT vorausgesetzt. Dann ergeben sich: .ds/h D R D1
dp p
und mit konstantem Polytropenverhältnis D 1
saus sein s D1 : R ln ppaus .s/ h ein
ds R dp p (6.14)
Das Polytropenverhältnis hängt für als ideal anzusehende Gase nur von der Entropiedifferenz, dem Druckverhältnis und der Molmasse des Gases ab. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass in einem (h-s)-Diagramm die Isobaren parallel zueinander verlaufen. Es ist also in diesem Fall gleichgültig, bei welchem Wert der Enthalpie die Differenz .s/h bestimmt wird. Reale Gase Bei hohen Drücken und Temperaturen verhalten sich viele Gase nicht mehr ideal und auch nicht Gasgemische, in denen solche Komponenten enthalten sind. In solchen Fällen müssen zur Berechnung des Polytropenverhältnisses Zustandstafeln oder -tabellen hinzugezogen werden, damit z. B. das Verfahren nach Zweifel [6.5] zur Bestimmung des Integrals .s/h nach (6.14) angewendet werden kann. Dazu geht man nach den Abb. 6-2a,b folgendermaßen vor. Ein geschätzter polytroper Zustandsverlauf zwischen den Ein- und Austrittszuständen wird in zwei (wie in den Abb. 6-1 und 6-2) oder mehr Abschnitte durch Wahl dazwischen liegender Drücke auf dieser angenommenen Polytrope aufgeteilt. Für jeden dieser Abschnitte werden sowohl die Entropiedifferenz .s/i wie auch der mittlere Wert .s/h;i bestimmt. Mit den Summen dieser Werte für alle Abschnitte †.s/i D saus sein
(6.15)
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
291
Abb. 6-2a,b Verfahren nach Zweifel: a für Verdichter, b für Turbinen
und Zaus †.s/h;i D ein
@s @p
dp
(6.16)
h
ergäbe sich nach (6.13) das Polytropenverhältnis, wenn die Trenndrücke tatsächlich auf der richtigen polytropen Zustandsänderung gelegen hätten und nicht nur auf deren anfänglich geschätztem Verlauf. Deshalb ist zu überprüfen, ob alle einzelnen Abschnitte das geforderte gleiche Polytropenverhältnis haben. Ist diese Bedingung nicht in ausreichendem Maße erfüllt, müssen der Verlauf der polytropen Zustandslinie und damit die Lage der darauf liegenden Zwischenpunkte korrigiert werden. Berücksichtigung der Turbinenkühlung In den meisten Gasturbinen wird dem Verdichter an mehreren Stellen Luft entnommen, um damit die Turbine zu kühlen und sie dann dem Arbeitsgas wieder zuzuführen. Während sich im Verdichter durch die Entnahme nur der Massenstrom ändert, werden in der Turbine durch die Beimi-
292
G. Dibelius
schung der Kühlluft zum Arbeitsgas sein thermischer Zustand, seine Zusammensetzung und damit das Verhalten des Arbeitsgases bewirkt. Logisch ist es, Turbine, aber auch Verdichter in Teilmaschinen aufzuteilen, innerhalb deren die genannten Einflüsse vernachlässigt werden können [6.12]. Die – in der Folge einzusetzende – Gasarbeit y jeweils für die gesamte Maschine lässt sich zusammenfassen zu yD†
m Pi yi : m P
6.1.4 Wirkungsgrade Totaler Verdichterwirkungsgrad Unter der Annahme eines adiabaten Gehäuses, dass also keine Wärme nach außen abgegeben noch von außen aufgenommen wird, 2 2 cein /=2 als sind Polytrope Gasarbeit y und Zuwachs der kinetischen Energie .caus Nutzen der geleisteten Arbeit a zu werten; ihr Verhältnis ist Wertmesser für den Erfolg der im Verdichter erfolgten Umwandlung. Die Dissipation j ist der irreversibel in Wärme umgewandelte Anteil der zugeführten Arbeit, der als Verlust anzusehen ist. Unter Verwendung von (6.7) und (6.10) wird das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand definiert: tot, V 1 D
2 2 2 2 y C .caus y C .caus cein /=2 cein /=2 j D D 2 c 2 /=2 a a y C j C .caus ein
2 2 .haus hein /= C .caus cein /=2 : 2 2 .haus hein /= C j C .caus cein /=2
(6.17)
Die Beträge der Größen sind positiv bis auf die Änderung der kinetischen Energie, die positiv oder negativ oder auch gleich bleibend sein kann. Der Wirkungsgrad ist < 1. In den meisten der hier angesprochenen Fälle ist es zulässig, Gasarbeit und Änderung der kinetischen Energie im Zähler zusammen durch Integration entlang den polytropen Totalzuständen zu berechnen: pZ aus, tot
yC
2 .caus
2 cein /=2
D ytot D
tot dptot : pein, tot
Totaler Turbinenwirkungsgrad Die abgeführte Arbeit (negatives Vorzeichen) ist der Nutzen; die Energie des Gases muss aber stärker abgebaut werden, um auch die Dissipation zu decken: totT D
2 2 y C j C .caus cein /=2 a 1 D D 2 2 2 c /=2 2 c /=2 1 j=a y C .caus y C .c aus ein ein 2 2 .haus hein /=v C j C .caus cein /=2 2 2 .haus hein /=v C .caus cein /=2
(6.18)
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
293
Die Beträge der Größen sind positiv bis auf die Änderung der kinetischen Energie, die positiv oder negativ oder auch gleich bleibend sein kann. Der Wirkungsgrad ist < 1. Auch hier ist es in den meisten Fällen zulässig, Gasarbeit und Änderung der kinetischen Energie zusammen durch Integration entlang den polytropen Totalzuständen zu berechnen. Statischer Verdichterwirkungsgrad Wird der Nutzen hauptsächlich in der polytropen Gasarbeit oder der Druckänderung gesehen, so werden bei der Definition des Wirkungsgrades nur die statischen Anteile in Betracht gezogen, die dynamischen also in Zähler und Nenner herausgenommen: V
a
1 y y 1 D D D 2 h h 1 C j=y q=y cein /=2 aus ein
2 .caus
(6.19)
Im adiabaten Fall q D 0: V D 1=. Statischer Turbinenwirkungsgrad Entsprechend ergibt sich für die Turbine: T D
2 2 cein /=2 a .caus haus hein D D 1 C j=y D q=y y y
(6.20)
Im adiabaten Fall q D 0: T D . Isentrope Wirkungsgrade Als statischer isentroper Wirkungsgrad wird die zu- oder abgeführte Arbeit ins Verhältnis zu der entsprechenden Arbeit des Prozesses gesetzt, der von demselben Eintrittszustand ausgeht, dann aber reversibel und adiabat – d. h. isentrop – bis zum wirklichen Austrittsdruck – also einem virtuellen Zustand gelangt. Für einen Verdichter: .V /s D
haus, s hein ys D haus hein yCj
.T /s D
haus hein yCj D haus, s hein ys
Für eine Turbine:
R 2s Die isentrope Gasarbeit ys D 1 vdp ist immer kleiner als die polytrope R2 y D 1 vdp, und zwar in zunehmendem Maße, in dem die zum Vergleich herangezogene isentrope Zustandsänderung von der als wirkliche angenommenen polytropen Zustandsänderung abweicht; denn die spezifischen Volumina sind bei gleichem Druck auf dem isentropen Integrationsweg – der geringeren Enthalpie und Temperatur entsprechend – immer kleiner als die auf dem polytropen. Das hat zur Folge, dass isentrope Verdichterwirkungsgrade immer kleiner sind als polytrope und umgekehrt isentrope Turbinenwirkungsgrade immer größer sind als polytrope. Dieser Unterschied hängt von der Größe der Zustandsänderung ab, also vom Druckverhält-
294
G. Dibelius
nis und der Gasart. Deshalb hat der isentrope Wirkungsgrad nur einen beschränkten Vergleichswert und das nur unter genau gleichen Bedingungen. Da der Unterschied zwischen der wirklichen und der isentropen Enthalpiedifferenz nicht als Verlust interpretiert werden darf, kann auch das Verhältnis dieser Größen – der isentrope Wirkungsgrad – nicht das richtige Verhältnis von Nutzen zu Aufwand wiedergeben: Der isentrope Wirkungsgrad kann also nicht als allgemein gültige Kenngröße für die Güte einer Strömungsmaschine angesehen werden.
6.2 Schaufelgitter Schaufelgitter sind die aktiven Elemente bei der Übertragung von Arbeit auf die Strömung in Verdichtern und beim Entzug von Energie aus der Strömung in Turbinen. Sie bestehen aus Schaufeln, die in regelmäßigen Abständen in einer Fläche angeordnet sind. In stationären Gasturbinen werden meistens axiale Maschinen verwendet, die aus Axialgittern aufgebaut sind. Die Schaufeln stehen bei beiden Maschinen im axial durchströmten Kreisringraum wie die Speichen eines Rades (Abb. 6-1).
6.2.1 Lauf- und Leitgitter Nur durch rotierende Gitter (Laufgitter) kann Arbeit übertragen oder entzogen werden. Das geschieht durch die auf die rotierenden Schaufeln wirkende Kräfte, die von der zum drehenden System relativen Strömung ausgeübt werden. Die relative Strömung geht aus der absoluten hervor, indem bei Eintritt in das rotierende System die Umfangsgeschwindigkeit (die Führungsgeschwindigkeit des relativen Systems) vektoriell abgezogen wird: w D c u. Beim Austritt ist sie wieder zu addieren: c D w C u. Da sie nur in Umfangsrichtung wirkt, werden nur die Umfangskomponenten betroffen, während alle dazu senkrechten Geschwindigkeitskomponenten in der Meridianebene (durch die Maschinenachse) in der relativen und absoluten Strömung gleich groß sind. In Abb. 6-1b sind die beiden Vektordiagramme, die Geschwindigkeitsdreiecke, am Ein- und Austritt zum abgewickelten Schaufelschnitt dargestellt. Im Laufgitter lässt sich die zu- oder abgeführte Arbeit in auf den eindimensionalen Fall reduzierter Form (6.4) auch durch die Relativgeschwindigkeit und die Umfangsgeschwindigkeit ausdrücken. Mit 2 2 D .cu u/2 C wm D c 2 C u2 2ucu w 2 D wu2 C wm
lässt sich (6.4) unter Vernachlässigung des Reibungsterms für ein Axialgitter umformen in: 002 002 002 002 002 cein / C .u002 a00 D 1=2 .caus aus uein / .waus wein / :
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
295
Mit (6.7) folgt: 002 002 002 h00 q 00 D h00aus h00ein q 00 D 1=2 .waus wein / .u002 aus uein /
(6.21)
Leitgitter (feststehende Gitter) Wie noch in Abschn. 6.3 zu zeigen sein wird, sind stehende Gitter nötig, um einen in der Strömung verbliebenen Drall gewinnbringend herauszunehmen oder durch einen Vordrall die Leistung zu steigern. In diesem Fall wird keine Arbeit zu- oder abgeführt (a0 D 0), und die Geschwindigkeitsänderungen vollziehen sich im absoluten Raum unabhängig von der Umfangsgeschwindigkeit: 02 02 h0 q 0 D h0aus h0ein q 0 D 1=2.caus cein /
(6.22)
Nach (6.21) und (6.22) wird die Enthalpie nicht allein durch Zu- oder Abnahme der kinetischen Energie geändert, sondern auch durch die von außen zu- oder abgeführte Wärme. Der Wärmetransport wurde bisher in allen Gleichungen mitgeführt, obwohl er abgesehen vom folgenden Fall nur eine untergeordnete Rolle spielt und deshalb nicht mehr weiter einbezogen werden soll. Intensive Kühlung in Turbinengittern Es gibt Turbinen, deren Heißgaskomponenten z. B. durch ein geschlossenes System mit Wasserdampf von innen so intensiv gekühlt werden, dass sich ein messbarer Wärmeentzug aus dem Arbeitsgas durch die Wand in den inneren Kühlstrom ergibt. In diesen Sonderfällen muss dann wieder h durch h q ersetzt werden. Auch bei der üblichen Filmkühlung mit verdichteter und fallweise auch rückgekühlter Luft können die durchbohrten Wände der Heißgaskomponenten schon vor Austritt der Luft in das Arbeitsgas entsprechend stark gekühlt werden, sodass allein dadurch dem Arbeitsgas merklich Wärme entzogen wird. Zusätzlich tritt der Kühlstrom dann in das Arbeitsgas aus. Seine isolierende Wirkung gegenüber dem Heißgasstrom und seine fortschreitende Durchmischung mit ihm lassen sich nicht durch einfache Ansätze beschreiben, sondern erfordern spezielle Studien [6.12].
6.2.2 Verzögerungs- und Beschleunigungsgitter Geschwindigkeits- und Enthalpieänderung Beim Durchströmen eines axialen Schaufelgitters wird die meridionale Durchtrittsgeschwindigkeit, von Sonderfällen abgesehen, nicht wesentlich geändert; denn das würde entsprechende Änderungen des Meridionalkanals erfordern. So ist im Wesentlichen die Änderung der Umfangskomponente der relativen Geschwindigkeit dafür entscheidend, ob die Strömung im Gitter beschleunigt oder verzögert wird. Umlenkung zur Meridianrichtung hin kennzeichnet ein Verzögerungsgitter: jwaus j jwein j ;
h 1=2.u2aus u2ein / 0 :
Umlenkung zur Umfangsrichtung hin kennzeichnet ein Beschleunigungsgitter: jwaus j jwein j ;
h 1=2.u2aus u2ein / 0 :
296
G. Dibelius
Grenzfall zwischen den beiden Gitterarten sind die Umlenkgitter, bei denen die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt gleich groß sind. Die Geschwindigkeitsänderungen sind im relativen System beschrieben, um offen zu halten, ob sie als Lauf- oder Leitgitter eingesetzt werden. Wird die Druckänderung in Verzögerungs- und Beschleunigungsgittern als ausschlaggebend angesehen, so können auch unterschieden werden: Kompressionsgitter:
y D h j 0
Entspannungsgitter:
y D h j 0
Grenzfall zwischen beiden Gitterarten sind Gleichdruckgitter: y D 0. Sie unterscheiden sich von Umlenkgittern dadurch, dass die Verluste aus der Abnahme der kinetischen Energie gedeckt werden müssen, die Geschwindigkeit sich also dementsprechend verzögert.
6.2.3 Verluste in Schaufelgittern Profilverluste entstehen durch Reibung an den Schaufeloberflächen. In den Grenzschichten fällt die Geschwindigkeit von der durch Reibung nicht beeinflussten Außenströmung bis zum Haften an der Wand ab. Wie sich dieser Einfluss auf das Wachstum der Grenzschicht in Strömungsrichtung auswirkt, hängt hauptsächlich von der Verzögerung gepaart mit Druckanstieg oder der Beschleunigung gepaart mit Druckabfall der Außenströmung ab. Die sind auf Druck- und Saugseite unterschiedlich verteilt. Besonders bei Verzögerung muss ein Ablösen der Grenzschicht, z. B. im hinteren Bereich der Saugseite vermieden werden. Die unterschiedlich dicken Grenzschichten von Druck- und Saugseite vereinigen sich an der Hinterkante der Schaufeln unter Bildung kleiner Wirbel zu einer Strähne kleinerer Geschwindigkeit in der Abströmung, den Geschwindigkeitsdellen. Dies bedeutet jedenfalls einen Verlust an kinetischer Energie je nachdem, ob er sich im Ausgleich der Strähne mit der zwischen den Schaufeln ungestörten Strömung bemerkbar macht oder als Störung der Anströmung zu einem nächsten Gitter zur Wirkung kommt. Er hängt von der Profilierung der Schaufeln und vom Strömungsverlauf ab. An den Übergängen der Schaufeln in die Endwände vereinigen sich die Grenzschichten der Schaufeln mit denen der Endwände. Durch dreidimensionale Schrägstellung der Schaufeln an beiden Enden gegenüber der radialen Richtung (leaning) kann der Strömung in diesen Ecken zusätzlich Energie aus der Mitte der Strömung zugeführt und so dieser Verlust verringert werden. Kanalwirbel An der inneren und der äußeren Begrenzung des Gitters wird die Gitterströmung abgebremst, sodass sich eine Strömung von der Druckseite der einen Schaufel quer zum Kanal zur Saugseite der Nachbarschaufel entwickeln kann. Sie muss in der Mitte der Schaufelhöhe wieder zurückgeführt werden und bildet so den Kanalwirbel (Abb. 6-3). Hufeisenwirbel An den Übergängen der Schaufeln in die innere und äußere Wand fällt infolge der Reibungswirkung an diesen Wänden der Staudruck an den Vorder-
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
297
Abb. 6-3 Sekundärströmungen im Gitter mit Hufeisenwirbel HuW, Kanalwirbel KW und Spaltwirbel SpW
KW
SpW
HuW
nasen der Schaufeln zur Wand hin ab. Die daraus folgende Strömung bildet den sog. Hufeisenwirbel (Abb. 6-3). Spaltwirbel Gitter aus Schaufeln ohne Deckbänder oder Deckplatten müssen im Fall von Leitgittern einen Spalt gegenüber der Nabe, Laufgitter einen Spalt gegenüber dem Gehäuse haben. Die Strömung durch den Spalt über dem Schaufelkopf von der Druck- nach der Saugseite bildet den Spaltwirbel (Abb. 6-3). Alle sich der Hauptströmung überlagernden Wirbelströmungen werden Sekundärströmungen genannt, deren kinetische Energie großenteils dissipiert wird und als Verlust zu buchen ist. Bei filmgekühlten Schaufeln wird die Strömung zusätzlich durch die ausströmende Luft gestört. Dieser negative Einfluss ist in Zusammenhang mit der erzielten Kühlwirkung zu bewerten und der dadurch gewonnenen Möglichkeit, die Temperatur des Arbeitsgases und damit auch den Prozesswirkungsgrad zu steigern. Bei transsonischen oder supersonischen Strömungen treten beim Übergang in den subsonischen Bereich stoßartige Änderungen oder Systeme solcher Änderungen auf. In diesen Stößen oder durch ihre Einwirkung auf die Grenzschichten entstehen zusätzliche Verluste.
6.2.4 Gitterauslegung Die Aufgabe besteht darin, die Geometrie des Gitters zu finden, die folgenden Bedingungen gerecht wird: • Die am Eintritt in das Gitter vorgegebene Strömung muss in die gewünschte Strömung am Gitteraustritt überführt werden. • Die dabei entstehenden Verluste sollen möglichst klein sein. • Die Schaufeln müssen den durch die Strömung und andere mechanische Einflüsse auf sie einwirkenden Kräften standhalten.
298
G. Dibelius
• Gekühlte Turbinenschaufeln müssen die Zuführung, Verteilung und Abströmung des Kühlfluids je nach Kühlmethode zulassen. • Die Schaufeln müssen sich mit eingeführten Verfahren herstellen lassen. Zum inversen Berechnen der Konturen der Schaufeln und ihrer Stellung im Gitter sind numerische Verfahren entwickelt worden. Sie gehen vom Verlauf bestimmter Größen entlang der Konturen aus, z. B. für die Geschwindigkeit, den Druck oder die Verzögerung, dem geringe Verluste zugeschrieben werden. Die sich ergebenden Schaufelformen hängen dann von der Art der Vorgaben ab. Deswegen bedarf es der Erfahrung, welche Vorgaben zu Gittergeometrien führen, die ja dann auch noch den festigkeits- und fertigungstechnischen Kriterien genügen müssen. Eine andere Methode besteht darin, die geometrische Kontur der Schaufeln und ihre Stellung im Gitter probeweise vorzugeben und die Umlenkung im Gitter nachzurechnen oder nachzumessen. So lange diese nicht mit den angestrebten übereinstimmen, muss in iterativen Schritten versucht werden, das Ziel zu erreichen. Genauigkeit der Auslegungsmethode Zustandsänderungen in Schaufelgittern sind im Verhältnis zu denen in einer vielstufigen Maschine relativ klein. Doch sind die Einflüsse ungleichmäßiger Verteilungen der strömungstechnischen und der thermischen Größen relativ groß. Innerhalb des Gitters wirken durch Wirbelbildung hervorgerufene Sekundärströmungen auf die Gitterströmung ein. Bei den Übergängen von Lauf- in Leitgitter oder umgekehrt wirken sich die Ungleichmäßigkeiten in den Verteilungen der Geschwindigkeiten und der Zustandsgrößen im vorangestellten Gitter als instationäre Einflüsse auf das folgende Gitter aus. Deswegen ist es bei Rechnungen wie auch bei Versuchen, wenn immer möglich, vorzuziehen, Gitter in einem entsprechenden Verband zu untersuchen oder wenigstens die Zu- oder Abströmverhältnisse zu simulieren. Um die Energieumsetzung zu bewerten, sind die Ungleichmäßigkeiten durch bilanzgerechte Mittelwerte einzubeziehen [6.3]. Für Rechnungen haben sich zur Lösung der die Strömung beschreibenden NavierStokes-Gleichungen dreidimensionale Finite-Volumen-Verfahren durchgesetzt (z. B. [6.6–6.11]). Der Einfluss der kleinen und schnellen Geschwindigkeitsschwankungen in turbulenten Strömungen wird dabei durch Turbulenzmodelle berücksichtigt, an deren Vervollkommnung gearbeitet wird. Die Genauigkeit der Rechenergebnisse hängt hauptsächlich vom Diskretisierungsaufwand ab. Die klassische Versuchstechnik der Strömungsmessung wurde ergänzt durch optische Verfahren. Ohne die Strömung selbst zu beeinflussen, erlauben sie es, die beschriebenen Effekte genau zu erfassen und rechnerische Ergebnisse zu validieren. Es ist also davon auszugehen, dass die im Folgenden verwendeten Größen rechnerisch oder messtechnisch bestimmt werden können.
6.2.5 Gitterkenngrößen Beschaufelungen sind aus einzelnen Gittern aufgebaut. Ihre Eigenschaften müssen sich aus denen der Gitter bestimmen lassen, die in ihrer Geometrie festgelegt und
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
299 t
xi raus
s
βs rein Yi
Abb. 6-4 Geometrische Größen des Schaufelgitters
für den Aufbau der Beschaufelung ausgewählt sind. Um die Geometrie von Gittern in ihrer Dreidimensionalität zu beschreiben, sind viele Parameter erforderlich, von denen hier z. B. stellvertretend Schaufelwinkel ˇS , Schaufelsehne s, Schaufelteilung t und Profilkoordinaten y.x/ in einem Schnitt angegeben sind. An ihrer Stelle kann die Profilgeometrie auch durch eine Skelettlinie und eine Dickeverteilung vorgegeben werden (Abb. 6-4). Entsprechende Daten (angedeutet durch die Punkte in der Klammer) müssten zusätzlich auch für andere Schnitte, die innere und äußere Begrenzungen, aber auch ein Maß für die Rauhigkeit der Oberfläche angegeben werden. Für die so vorgegebenen Gitter haben Rechnungen oder Versuche mit Luft oder Gas gekennzeichnet durch ihre Dichte ein , dynamische Viskosität ein und Schallgeschwindigkeit as am Eintritt bei gegebener Zuströmung wein , ˇein (als unabhängige Größen betrachtet) Werte der Enthalpieänderung h, des Verlustes j und der Abströmung waus , ˇaus (als von denselben Größen abhängig betrachtet) ergeben: h D bwein ; ˇein ; ein ; ein ; as, ein ; ˇS ; s; t; y.x/ : : : c
(6.23)
j D bŒwein ; ˇein ; ein ; ein ; as, ein ; ˇS ; s; t; y.x/ : : : c waus D 00 ˇaus D 00 :
(6.24) (6.25) (6.26)
Gegebenenfalls sind in diese Gleichungen bilanzgerecht gemittelte Werte einzusetzen. Ähnlichkeitsbedingungen Es wäre sehr aufwändig, wenn die Werte dieser Größen in jedem Einzelfall bestimmt werden müssten. Doch können dimensionslose Verhältnisse durch Bezug auf Größen gleicher Dimension, sog. Kenngrößen gebildet werden. Abhängigkeiten einzelner abhängiger Größen von den unabhängigen Größen verwandeln sich in ebensolche Abhängigkeiten zwischen Kenngrößen, deren Anzahl aber gegenüber den absoluten Größen reduziert ist. Dazu werden als Bezugsgrößen Potenzprodukte aus so vielen unabhängigen Größen gebildet, wie gebraucht werden, um durch Anpassung ihrer Exponenten alle restlichen Größen dimensionslos machen zu können. Dimensionslose Größen in der Ansatzgleichung, z. B. Winkel, gehen ungeändert in die Kenngrößengleichung über.
300
G. Dibelius
So lässt sich (6.23) mit 10 Variablen in eine dimensionlose Form mit 7 Variablen bringen:
as h ein t y.x/ ; ::: : (6.27) D ˇein ; ; ˇS ; ; 2 wein ein s wein s s wein =2 Sind alle unabhängigen Kenngrößen in zwei Fällen gleich (Ähnlichkeitsbedingungen), so muss auch die abhängige Kenngröße in diesen Fällen den gleichen Wert haben, kann also auf alle ähnlichen Fälle übertragen werden. Für alle Gitter mit ähnlicher Geometrie ist also bei gleichem Winkel der Zuströmung, gleicher Reynolds(oder deren Kehrwert =wein ein s) und Machzahl (oder deren Kehrwert as =wein ) die Gitter-Enthalpiekenngröße gleich groß. Der Verlust j hängt von den gleichen Größen wie die Enthalpiedifferenz h 2 =2 wird von den gleichen ab (6.24); die analog gebildete Verlustkenngröße j=wein unabhängigen Kenngrößen bestimmt:
as, ein ein t y.x/ j ; ::: : (6.28) ; ˇS ; ; D ˇein ; 2 wein ein s wein s s wein =2 Ebenso hängen auch die Austrittsgeschwindigkeit waus (6.25) und der Austrittswinkel ˇaus (6.26) von den gleichen Größen ab. Darum gelten auch die gleichen Ähnlichkeitsbedingungen für die Kenngrößen der Austrittsgeschwindigkeit waus =wein und den Austrittswinkel ˇaus . n-m-Diagramm Mit welchen Größen die Potenzprodukte gleicher Dimension im Nenner der Kenngrößen gebildet werden, ist grundsätzlich frei. Der Wert der entstehenden Kenngrößen ist aber umso typischer für ihren Einfluss, je besser die Bezugsgröße im Nenner den für die Einflussgröße im Zähler maßgebenden Mechanismus beschreibt. Im Fall der Gitter ist das ihrem Zweck der Strömungsumlenkung entsprechend die Änderung der Umfangskomponente der Relativgeschwindigkeit wu D wu, aus wu, ein , welche die Bezugsgröße wein in (6.27) und (6.28) ersetzen soll. Die Gasarbeit oder die Enthalpiedifferenz wären zur Bildung der Bezugsgröße ungeeignet, weil deren Wert null werden kann. Als Kenngrößen ergeben sich damit für Durchfluss n wm =wu , Enthalpieänderung m h=.wu /2 , Verlust m j=.wu /2 . Im n-m-Diagramm (Abb. 6-5) bilden sich die Auslegungspunkte für Gitter unterschiedlicher Geometrie in jeweils einem Punkt ab, der zugleich auch der Spitzenpunkt der Geschwindigkeitsdreiecke ist. Ortsvektor dieses Spitzenpunktes ist: p w1 =wu D m2 C n2 : Verzögerungsgitter liegen auf der rechten Seite positiver m-Werte und Beschleunigungsgitter auf der linken Seite negativer m-Werte. In Abb. 6-5 sind wegen der Übersichtlichkeit nur Fälle mit gleichen Meridionalgeschwindigkeitskomponenten am Gitterein- und -austritt eingezeichnet. Die Darstellung lässt sich auch auf Fälle ungleicher Geschwindigkeitskomponenten ausdehnen, wobei der Vektor w1 =wu
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
301
n = wm /|Δwu|
Abb. 6-5 Durchfluss- und Enthalpiekenngröße für Axialgitter (n-m-Diagramm): A Verdichter-Leitgitter, B Verdichter-Laufgitter, C Turbinen-Reaktionsgitter, D Turbinen-Umlenkgitter
A
1,5
B wein Δwu
1,0 w∞ Δwu C wein Δwu –1,0
0,5 D
waus Δwu
–0,5 0 0,5 m = ma ≡ wu∞ /Δwu
waus Δwu
1,0
1,5
immer vom 0-Punkt ausgehen muss. Solche Diagramme gelten nur für bestimmte Werte der Reynolds- und Machzahlen; gesonderte Untersuchungen müssen klären, welche Änderungen bei deren Variation auftreten. Die Darstellung der Gittereigenschaften in Form der Gitterkenngrößen m, n und m hat den Vorteil, den Zusammenhang zwischen Strömungsverhältnissen und thermodynamischen Größen deutlich zu machen. Durch eine andere Wahl von Bezugsgrößen lassen sich auch andere Kenngrößen bilden, die besonders in Spezialfällen eine unmittelbare Ausdeutung zulassen. Sind z. B. folgende Bedingungen erfüllt: Weder Arbeits- noch Wärmezu- oder -abfuhr, alle Zustandsänderungen so klein, dass die Luft oder das Gas als inkompressibel behandelt werden können, so lässt sich der Verlust ausdrücken als: j D h y D
2 2 wein waus paus pein paus, tot pein, tot D 2
und die Bezugsgröße: 2 wein pein, tot pein D 2
Unter den genannten Bedingungen kann die Verlustkenngröße !
paus, tot pein, tot pein, tot pein
(6.29)
in (6.47) und in Kap. 7 verwendet werden. Gittercharakteristiken zeigen, wie sich die Eigenschaften eines bestimmten Schaufelgitters als Folge gegenüber der Auslegung unterschiedlicher Zu- und/oder Abströmverhältnisse ändern (Abb. 6-6). Daraus lässt sich erkennen: Bei Änderung des Eintrittswinkels wirkt sich das bei Verzögerungsgittern stärker auf den Austrittswinkel aus als bei Beschleunigungsgittern, die Gitterverluste steigen bei Abweichungen des Eintrittswinkels in beiden Richtungen.
302
G. Dibelius
Abb. 6-6a,b Gittercharakteristik für axiales Verzögerungsgitter (gestrichelt) und axiales Beschleunigungsgitter (ausgezogen): a Verlustkenngröße m, b Durchflusskenngröße n jeweils in Funktion der Enthalpiekenngröße
Δm ≡ j /(Δwu)2
–0,5
0
0,5
a
m = ma = –
wu∞ Δwu
n
waus Δwu
instationär
wein Δwu –0,5
0
b
0,5
m = ma = –
wu∞ Δwu
6.3 Stufe 6.3.1 Kombination von Schaufelgittern zu Stufen Verdichterstufe Das Laufrad soll Arbeit an die Absolutströmung übertragen und deren Totalenthalpie erhöhen. Dazu ist sie hauptsächlich in Umfangsrichtung zu beschleunigen (Abb. 6-7). Damit Druck und Enthalpie dabei ansteigen, muss die Relativströmung verzögert werden. Die Absolutströmung nach dem Laufrad enthält im Drall viel kinetische Energie. Sie ist vorteilhaft von einem nachgeschalteten Leitrad durch Verzögern in eine weitere Druck- und Enthalpiesteigerung umzusetzen, ohne dass weitere Arbeit zugeführt wird, die Totalenthalpie also gleich bleibt. Laufund Leitrad sind mit Verzögerungsgittern zu bestücken und in dieser Reihenfolge zusammenzusetzen. Turbinenstufe Das Laufrad soll aus der Absolutströmung auf Kosten der Totalenthalpie Energie entnehmen und in Arbeit umwandeln. Dazu ist der Strömung Drall zu entnehmen (Abb. 6-8). Ein solcher ist aber gar nicht von vornherein vorhanden, sondern muss erst in einem vorangestellten Leitrad erzeugt werden. Dieses kann keine Arbeit übertragen, die Totalenthalpie bleibt also gleich. Folglich sind Leit-
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen Abb. 6-7a–c Verdichterstufe: a Meridianschnitt, b abgewickelter Kegel-Schnitt, c Geschwindigkeitsdreiecke
303
c3 3 c2 cm
2
w2
2
u2
u2
1 c1
w1 cm 1
b
u1
w1
c2
cm 1
c1 w2
c3
cm2
α1 β2
u2 Abb. 6-8a–c Turbinenstufe: a Meridianschnitt, b abgewickelter Kegel-Schnitt, c Geschwindigkeitsdreiecke
w2 c2 2
u2 u2 c1
1
w1
u1
u1 0 a
c0
b
c1
cm1 α1
cm0
w2 w1 c 0
cm2
c2 β2
u1 c
u2
und Laufrad als Beschleunigungsgitter auszubilden und in dieser Reihenfolge hintereinander anzuordnen. Bezeichnung Es ist üblich, die Bilanzgrenzen vor und nach dem Laufrad sowohl für Verdichter- wie auch für Turbinenstufen mit Index 1 und 2 zu bezeichnen. So ergeben sich für Verdichterstufen die Bilanzgrenzen 1, 2 und 3 und für Turbinenstufen 0, 1 und 2.
304
G. Dibelius
Eigenschaften Die Eigenschaften der Stufen lassen sich unter den gleichen Voraussetzungen wie für die Gitter eindimensional als Summe der Änderungen im Lauf(00 ) und dem Leitgitter (0 ) zusammensetzen: h D h0 C h00 ; p D p 0 C p 00 ; s D s 0 C s 00 ; T D T 0 C T 00 :
(6.30)
Wichtig ist dabei, dass die Größen für den Austritt aus dem ersten Gitter identisch mit denen am Eintritt in das zweite Gitter sein müssen. Die wegabhängigen Integrale für Gasarbeit und Dissipation müssten entlang der beiden Teilpolytropen, also in Kenntnis des Zustandes zwischen den Gittern gebildet werden. Wird aber stufenweise gerechnet, der Zustand zwischen Leit- und Laufrad also gar nicht bestimmt, so können kleine Differenzen auftreten; sie sind aber umso geringer, je mehr sich die beiden Gitter ähneln. Gegenseitige Beeinflussung, Wechselwirkung Im Bestreben, vielstufige axiale Beschaufelungen möglichst kurz zu halten (Baugröße, Lagerabstand), werden die Gitter in den Stufen und auch die Stufen eng aneinander gesetzt. Die in der Abströmung vorhergehender Gitter enthaltenen Schaufelnachläufe und dreidimensionalen Sekundärströmungen sind dann noch nicht abgeklungen. Sie wirken sich als instationäre Störungen in der Anströmung zum folgenden Gitter aus, das sich relativ zum ersten Gitter bewegt. In Unterschallströmungen wirkt sich außerdem der Druckaufbau vor den Schaufeln entgegen der Strömungsrichtung als instationäre Störquelle auf das vorangestellte Gitter aus. Bei Rechnungen und Versuchen sollten diese Einflüsse mit einbezogen werden.
6.3.2 Stufenkenngrößen Zur Bildung der dimensionslosen Kenngrößen wird die Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades bzw. werden Potenzen dieser Geschwindigkeit als Bezugsgröße gewählt und zwar definitionsgemäß am Laufradaustritt (u2 ); denn auch in Axialmaschinen bringen die Kanalkonturen kleine Verschiebungen der Strömung in radialer Richtung mit sich. Stufen-Durchflusskenngröße In allen Schnitten werden die meridionalen Komponenten der Geschwindigkeiten einheitlich auf die Umfangsgeschwindigkeit am Laufradaustritt bezogen: '0 cm0 =u2 ;
'1 cm1 =u2 ;
'2 cm2 =u2 ;
'3 cm3 =u2
(6.31)
Stufen-Enthalpiekenngröße Die Enthalpieänderung der Stufe wird aus denen für die beiden Gitter zusammengesetzt. Im Fall der adiabaten (q D 0) Verdichterstufe ergibt sich dafür: hV D .cu2 u2 cu1 u1 / .c32 c12 /=2 ;
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
305
und durch Bezug auf das Quadrat der Umfangsgeschwindigkeit: 2 c3 hV u1 cu1 c12 cu2 : D 2 hV u2 u2 u2 u22 =2 u22 u22
(6.32)
Bei ungefähr axialer Zu- und Abströmung zur und von der Stufe kommt es hauptsächlich auf den Term 2cu2 =u2 an. Entsprechend ergibt sich für die Turbinenstufe: 2 c02 c2 cu2 hT u1 cu1 : (6.33) D2 hT 2 u2 u2 u2 u2 =2 u22 u22 Bei ungefähr axialer Zu- und Abströmung ist hier v. a. der Term 2u1 cu1 =u22 wichtig. Wegen der besseren Umlenkungsmöglichkeit in Beschleunigungsgittern als in Verzögerungsgittern (Abschn. 6.2.3) werden für Turbinenstufen höhere Werte der Stufen-Enthalpiekenngröße erreicht als für Verdichterstufen. Der Enthalpie-Reaktionsgrad gibt an, wie groß die im Laufrad erzielte Enthalpieänderung zu der in der ganzen Stufe ist:
02 02 caus cein 1 h00 : D D1 1 C 002 h 002 h 1 C h0 =h00 .waus wein / .u00aus u002 ein / (6.34) Wenn sich die kinetische Energie in Leit- und Laufrad, abgesehen von Unterschieden der Umfangsgeschwindigkeit, in gleicher Weise ändert, verteilt sich auch die Enthalpieänderung bei Reaktionsgrad 0,5 hälftig auf die beiden Gitter. Eine größere Enthalpieänderung in einem gegenüber dem anderen Gitter fordert eine größere Änderung der Geschwindigkeit und der kinetischen Energie. Das führt allgemein auch zu höheren Verlusten. Deshalb sind für Stufen im Bereich mittlerer Reaktionsgrade auch die besten Wirkungsgrade zu erwarten. Stufen-Druckkenngröße Statt mit der Enthalpiedifferenz können auch mit der Gasarbeit Kenngrößen gebildet werden, die dann unmittelbar auf die Druckänderung schließen lassen: u22 hV jV D 2 u22 =2
(6.35)
u22 hT jT D 2 u22 =2
(6.36)
Verdichterstufe:
yV
yV =
Turbinenstufe:
yT
yT =
Für Verdichterstufen ist die Druckkenngröße kleiner als die Enthalpiekenngröße, für Turbinenstufen ist sie größer. Stufen-Wirkungsgrad Das Verhältnis der vorgenannten Enthalpie- und Druckkenngröße führt zu den statischen Stufenwirkungsgraden: Verdichterstufe: Turbinenstufe:
V y=h D T h=y D
yV =
hV
hT =
yT
(6.37) (6.38)
306
G. Dibelius
Analog lassen sich auch totale Stufenwirkungsgrade durch Addition der Änderung der kinetischen Energien in Zähler und Nenner bilden: Verdichterstufe: V tot y C .c32 c12 /=2 =a (6.39) Turbinenstufe: T tot a= y C .c22 c02 /=2 (6.40) Ähnlichkeitsbedingungen Wie schon für einzelne Gitter ausgeführt (Abschn. 6.2.5) lassen sich Werte für die Enthalpie-, Druckkenngröße oder Wirkungsgrad nur auf ähnliche Fälle mit gleicher Durchflusskenngröße und gleichen geometrischen Parametern übertragen; außerdem müssen aber auch die Reibungs- und Kompressibilitätseinflüsse ähnlich sein, was durch gleiche Reynolds- und Machzahlen gewährleistet wird: h
D .'2 ;=.2 u2 D2 /;u2 =as2 ;h=D2 ;s=D2 : : : / ;
(6.41)
mit D2 als dem Bezugs-Durchmesser im Querschnitt 2 und h als der Schaufelhöhe.
6.3.3 Stufencharakteristiken, Betriebsverhalten von Stufen Die Gleichungen für die Stufen-Enthalpiekenngröße (6.27) und (6.28) beschreiben auch, wie sich die Enthalpie bei Änderung des Durchflusses verhält. Mit cu2 D wu2 C u2 ;
wu2 D cot ˇ2 wm2 ;
cu1 D cot ˛1 cm1
ergibt sich h
.c 2 / u1 '1 D 2 1 C '2 cot ˇ2 cot ˛1 u2 '2 u22
(6.42)
Diese Gleichung drückt als sog. Stufencharakteristik die eindeutige Verknüpfung der Enthalpie- mit der Durchflusskenngröße aus, Änderungen einer Kenngröße sind also an Änderungen der anderen Kenngröße gebunden. η T = f (Ψh T )
ϕ V = f (Ψh V )
1,0 0,8
ϕ T = f (Ψh T )
η, ϕ
Abb. 6-9 Stufencharakteristiken (idealisiert): Verdichterstufe h 0, Turbinenstufe h 0, A Auslegungspunkt
A
0,4
ϕ V = f (Ψy V )
0,2
ϕ T = f (Ψy T ) –3
η V = f (Ψh V )
0,6
–2
–1
0 Ψh, Ψy
1
A
2
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
307
Der Zusammenhang ist für kleine Abweichungen vom Auslegungspunkt im Wesentlichen linear (Abb. 6-9): h
D 2 C '2 K :
(6.43)
Das ist eine Idealisierung, die genau genommen nur dann gelten würde, wenn • der absolute Anströmwinkel ˛1 und der relative Abströmwinkel des Laufrades ˇ2 , • das Verhältnis der Meridionalgeschwindigkeiten vor cm1 und nach dem Laufrad cm2 , • die Änderung der kinetischen Energien vor und nach der Stufe .c 2 =2/ trotz der Betriebspunktänderung gleich blieben und dabei die Einflüsse von Machund Reynoldszahländerungen vernachlässigt werden könnten. Trotzdem ist diese idealisierte Form der dimensionslosen Kennfelddarstellung sehr nützlich für prinzipielle Überlegungen. Sie trifft für die Beschleunigungsgitter der Turbinenstufe in einem größeren Bereich zu als für die Verzögerungsgitter der Verdichterstufe. Wenn das Leitgitter mit drehbaren Schaufeln ausgerüstet ist, so wirkt sich das auf den Proportionalitätsfaktor K aus. Bei bekanntem Verlauf des Wirkungsgrades mit der Betriebspunktänderung lässt sich auch der Verlauf für die entsprechenden Druckkenngrößen in Abb. 6-9 eintragen. Zum Ablesen genauer Werte ist eine Darstellung des Kennfeldes in absoluten Größen z. B. für Verdichterstufen das Druckverhältnis ˘ in Funktion eines auf bestimmte Ansaugverhältnisse reduzierten Massenstromes m P red mit einer Drehzahl, die auf die den festgelegten Ansaugverhältnissen entsprechende Machzahl reduziert ist, nred und dem Wirkungsgrad als Parametern üblich (s. Kap. 7). Stabilitätsgrenze bei Verdichtern Die Strömung in den Gittern der Verdichterstufe erträgt bei steigendem Druck und sinkendem Durchfluss nur eine Verzögerung bis zum Ablösen der Strömung von der Wand. Es tritt zuerst in Form umlaufender Ablösezonen in den Gittern auf (rotating stall); schließlich bricht jedoch gleichzeitig im ganzen Gitter die Strömung zusammen, dann aber auch der hohe Gegendruck. Die Strömung kann sich wieder aufbauen, und der instationäre Pump-Zyklus beginnt von neuem. In beiden Fällen treten instationäre Zusatzbeanspruchungen und Schwingungen auf: Der Betrieb in diesem Bereich ist also unbedingt zu vermeiden.
6.4 Maschine Durch den Eintritt wird die Luft oder das Gas beschleunigt und der Beschaufelung zugeführt. Dieser Hauptteil der Maschine ist bei den üblichen in industriellen Gasturbinen angewandten Verdichtern oder Turbinen aus vielen Axialstufen zusammengesetzt. Im Austritt werden Luft oder Gas an die nächste Komponente weitergeleitet und dabei möglichst viel der noch verbliebenen kinetischen Energie durch Drucksteigerung in einem Diffusor zurückgewonnen.
308
G. Dibelius
6.4.1 Beschaufelung Die Eigenschaften vielstufiger Beschaufelungen lassen sich aus denen einzelner Stufen oder Gitter zusammensetzen, wie für die Stufe beschrieben (Abschn. 6.3.1): hM D ˙h ;
yM ˙y ;
jM ˙j :
(6.44)
Besonders einfach ist das in dem Fall, dass die einzelnen Elemente, Stufen oder Gitter für gleiche Änderungen ihrer Eigenschaften ausgeführt sind. Dann können die einzelnen Änderungen näherungsweise mit der Anzahl der Elemente multipliziert werden. Allerdings ist diese Vorgehensweise aus drei Gründen einzuschränken: Anströmung zur ersten Stufe und Abströmung aus der letzten Stufe unterscheiden sich von denen der Zwischenstufen. Insbesondere muss der Einfluss von einer Vorleitreihe bei Verdichtern und erst recht die Verstellung eines oder mehrerer Gitter gesondert betrachtet werden. Reynolds- und Machzahl sind für die einzelnen Stufen oder Gitter in der Beschaufelung nicht gleich. Die einfache Multiplikation mit der Anzahl der Elemente setzt also vernachlässigbare Einflüsse dieser Kenngrößen voraus. Da sich das spezifische Volumen beim Durchströmen der Beschaufelung ändert, ist zum Gleichhalten der Geschwindigkeitsänderung in allen Stufen eine Änderung der Geometrie erforderlich, insbesondere der Schaufelhöhe, deren Einfluss bei der einfachen Rechnung vernachlässigbar sein müsste. Bei vielen Anwendungen interessiert der in Verdichtern zu erreichende Druckanstieg oder der Turbinen zur Verfügung stehende Druckabfall. Zwar lassen sich die Druckdifferenzen in den einzelnen Elementen zur gesamten Druckdifferenz aufsummieren; doch sind bei gleichen Geschwindigkeitsänderungen, also gleichen Enthalpiedifferenzen h für alle Elemente die entsprechenden Druckverhältnisse umso kleiner je höher die Temperatur ist: paus D pein
h 1 C1 RTein
n1 n :
(6.45)
Darin ist der Isentropenexponent und n der Polytropenexponent, der sich aus dem Polytropenverhältnis und dem Isentropenexponenten berechnen lässt: 1 n D : n1 1
(6.46)
6.4.2 Schaufellose Strömungsführungen Der Eintritt schließt zumindest die meist beschleunigte Zuführung und der Austritt die durch einen Diffusor verzögerte Abführung der Luft oder des Gases im Gehäuse ein. Als äußere Systemgrenzen können z. B. die Maschinenflansche definiert werden. Abhängig von Liefergrenzen lassen sich auch Ansaugschalldämpfer und
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
309
Luftfilter einerseits und Abgaskanal, ggf. auch Kamin und Abgasschalldämpfer andererseits mit einbeziehen. Beim Durchströmen dieser Komponenten wird keine Arbeit und Wärme meist nur in vernachlässigbarem Maß übertragen. Nach (6.7) ergibt sich: 2 2 h D .caus cein /=2 ;
j D h y :
(6.47)
Sind die Dichteänderungen in Ein-(E) und Austritt(A) klein, so kann näherungsweise mit einer mittleren Dichte gerechnet werden: 2 paus, tot paus caus ; 2 N
2 cein pein, tot pein ; 2 N
jE=A D
ptot E=A : (6.48) N
Für die gesamte Maschine summieren sich die Größen aus den Anteilen der Stufen (St) und der Gehäuse (E, A): hM D †hSt C †hE=A ;
yM D †ySt C †yE=A ;
jM D †jSt C †jE=A : (6.49)
6.4.3 Maschinenkenngrößen Zum Darstellen der Eigenschaften einer Strömungsmaschine und zum Vergleich von verschiedenen Strömungsmaschinen untereinander wird bei der Bildung der Kenngrößen auf möglichst einfach zugängliche Größen zurückgegriffen: Die Bezugsgrößen werden gebildet mit dem größten Durchmesser des Rotors DB , der dort herrschenden Umfangsgeschwindigkeit uB und der Dichte der Luft oder des Gases am Eintritt in die Maschine ein, M . Damit ergeben sich die üblichen Maschinenkenngrößen: hM
2hM hM D 2 2 2 ; 2 uB =2 n DB
MV
yMV D hMV
'MV
m PV ; VB AVB uVB
yMV hMV
;
yM
2yM yM D 2 2 2 2 uB =2 n DB
MT
hMT D yMT
'MT
m PT I TB ATB uTB
hMT
(6.50)
yMT
Index B Bezug :
Für die Durchflusskenngrößen 'M empfiehlt es sich, einen Mittelwert zu wählen: p 'M D 'M, ein 'M, aus .
6.4.4 Maschinencharakteristiken, Betriebsverhalten Maschinencharakteristiken Wie schon für Gitter und Stufen festgestellt, drücken die Charakteristiken für Maschinen mit fester Geometrie (fest eingebauten Schaufeln) einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Kenngrößen aus (Abb. 6-9).
310 Abb. 6-10 Maschinencharakteristiken (idealisiert) für Verdichter und Turbine einer Gasturbine: A – Auslegungspunkt, TR – Teillast durch Temperaturregelung, LR – Teillast durch Leitradregelung
G. Dibelius
A LR
ϕM TR
hM
offen Leitsch. zu
LR A TR
ϕMV ϕMT A
Pumpgrenze
TR
Ψh MT
0
ΨhMV
Ψh M
Lassen sich die Leiträder einer oder mehrerer Stufen drehen (variable Geometrie), so werden dadurch Umlenkung und Durchfluss beeinflusst, sodass zu jeder Stellung der Schaufeln eine andere Charakteristik gehört. Für diese idealisierte Darstellung des dimensionslosen Kennfeldes gelten die gleichen Voraussetzungen wie für das Kennfeld der Stufe (s. Abschn. 6.3.2). Zur genauen Beschreibung des Verhaltens der Maschine unter Einbeziehung aller Einflüsse sind – wie schon für die Stufe – auch Kennfelder mit absoluten Größen üblich. Betriebsverhalten Verdichter und Turbine zeigen bei Abweichung vom Auslegepunkt ein gegensätzliches Verhalten (Abb. 6-10). Bei Turbinen nehmen die Beträge der Enthalpie- und der Durchflusskenngröße im gleichen Sinn zu oder ab. Bei Verdichtern sind die Verschiebungen gegensinnig. So führt erhöhter Gegendruck zu geringerem Durchfluss und damit zur Annäherung an die Pumpgrenze und den gefährlichen instabilen Betriebsbereich. Mit jeder Veränderung des Betriebspunktes der Maschine ändert sich der Zustandsverlauf von Stufe zu Stufe, sodass sich die Betriebspunkte und damit die Belastung der einzelnen Stufen umso mehr verschieben, je stärker der geänderte Zustand von der Auslegung abweicht.
6.4.5 Leistungsregelung von Gasturbinen Das Zusammenspiel von Verdichter und Turbine wird erzwungen durch die Bedingungen: • • • • • •
Gleiche und für Generatorantrieb konstante Drehzahl: nV D nT , Leistungsgleichgewicht: PT C PV D PN (PT ;PN neg. Vorzeichen), Massenfluss: m PT D m PV Cm P B (Index B: Brennstoff), Druckbedingung: pTein D pVaus pBK (Index BK: Brennkammer), Maschinencharakteristiken des Verdichters: hMV D .'MV /, MV D .'MV /, Maschinencharakteristiken der Turbine: hMT D .'MT /, MT D .'MT/.
6 Grundlagen der Strömungsmaschinen
311
Leistungsregelung durch Turbinen-Eintritts-Temperatur (TR) Durch Reduktion der Brennstoffmenge wird die Temperatur am Turbineneintritt abgesenkt. Als Folge sinken Leistung und Volumenfluss der Turbine. Auf den Maschinencharakteristiken der Turbine verschiebt sich der Betriebspunkt TR abhängig von der abnehmenden Enthalpiekenngröße auch zu kleineren Werten der Durchflusskenngröße und des Wirkungsgrades. Das zugehörige niedrigere Druckverhältnis der Turbine bewirkt auch ein kleineres Druckverhältnis des Verdichters. Dadurch ergibt sich eine Verschiebung auf seinen Charakteristiken zu einer kleineren Enthalpiekenngröße, aber einer größeren Durchflusskenngröße. Besonders leidet der Verdichterwirkungsgrad, aber auch der Gesamtwirkungsgrad unter dieser Verschiebung. Leistungsregelung durch Verstellen von Leiträdern im Verdichter (LR) Mit jeder Verstellung ergeben sich andere Verdichtercharakteristiken. Bei welchem Wert der Enthalpiekenngröße auf der dem Schließungsgrad der Leiträder entsprechenden Charakteristik der Teillastpunkt (LR) liegt, hängt davon ab, wie weit sich das vom Verhalten der Turbine abhängige Druckverhältnis und die Enthalpiekenngröße verschieben. Jedenfalls wird er bei einem wesentlich besseren Verdichter- und Gesamtwirkungsgrad als bei der Temperaturregelung erreicht.
Literaturverzeichnis 6.1. Traupel W (1977) Thermische Turbomaschinen I, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 6.2. VDI-Richtlinie 4670 (2001) Stoffwerte von feuchter Luft und Verbrennungsgasen 6.3. VDI-Richtlinie 4675-Bl.1 (2006) Bilanzgerechte Mittelung inhomogener Strömungsfelder 6.4. Baehr HD (1996) Thermodynamik, 9. Aufl. Springer, Berlin 6.5. Zweifel (1941) Die Bestimmung des Zustandsverlaufes in Turbomaschinen mit Hilfe der Entropiezunahme. BBC-Mitteilungen 28. 8/9:232–236 6.6. Dawes WN (1991) Development of a 3D Navier–Stokes Solver for Application to all Types of Turbomachinery. ASME paper 86-GT-70 6.7. Denton JD (1985) The calculation of fully three-dimensional flow through any type of turbomachine blade row. AGARDLS140 6.8. Fottner L (1989) Review of turbomachinery blading design problems. AGARD-LS-167 6.9. Hah C (1987) Calculation of three-dimensional viscous flows in Turbomachinery with an implicit relaxation method. AIAA Journal of Propulsion and Power 3:415–422 6.10. Koya M, Kotake S (1985) Numerical analysis of fully three-dimensional periodic flows through a turbine stage. Trans ASME. J Eng for Gas Turbines and Power 107: 945–952 6.11. Lakshminarayana B (1986) Turbulence modelling for complex flows. AIAA J 24:1901–1915 6.12. Bitterlich W, Ausmeier S, Lohmann U (2002) Gasturbinen und Gasturbinenanlagen – Darstellung und Berechnung. B.G. Teubner, Stuttgart Leipzig Wiesbaden
Kapitel 7
Verdichter Reinhard Mönig und Ulrich Waltke
Aufgabe des Gasturbinenverdichters ist es, den ersten Schritt des Gasturbinenkreisprozesses zu erfüllen, d. h. Luft aus der Umgebung anzusaugen, auf das gewünschte Druckniveau zu verdichten und der Gasturbinenbrennkammer zur weiteren Temperatursteigerung zuzuführen. Die benötigte Antriebsleistung wird über die Welle zugeführt und über die Beschaufelung an das Fluid übertragen.
7.1 Anforderungen an Gasturbinenverdichter Die Leistung einer Gasturbine ist – bei sonst gleichen Betriebsbedingungen – proportional zum durchgesetzten Massenstrom. Daher ist es eine wesentliche Aufgabe des Verdichters, im Auslegungspunkt der Gasturbine (im Regelfall die maximale Leistung bei ISO-Umgebungsbedingungen) den gewünschten Massenstrom zur Verfügung zu stellen. Ist der Massenstrom kleiner als gefordert, so ergibt sich ein Leistungsdefizit, oder die Turbineneintrittstemperatur muss höher gewählt werden, als beabsichtigt, um die fehlende Leistung auszugleichen. Ist der Massenstrom höher als gefordert, so ergibt sich ein Leistungsüberschuss. In gewissen Grenzen (2–3%) kann dieser durchaus wünschenswert sein, um Defizite anderer Kraftwerkskomponenten auszugleichen und so die Garantiewerte bei Neuanlagen sicher zu erreichen. Allerdings ist sicherzustellen, dass alle Kraftwerkskomponenten hinreichende Reserven aufweisen, um die erhöhten Leistungen – auch in kritischen Betriebspunkten – zu verkraften. Andernfalls kann der Massenstrom über das verstellbare Vorleitrad entsprechend reduziert werden. Alternativ kann auch die Turbineneintrittstemperatur leicht abgesenkt werden, was allerdings leichte Einbußen im Wirkungsgrad, aber auch eine größere Lebensdauer der Heißgaskomponenten zur Folge hat. Die Massenströme moderner Gasturbinen liegen im 50-Hz-Bereich heute zwischen 500 und 800 kg=s mit weiterhin steigender Tendenz. Eine weitere wichtige Anforderung an den Verdichter ist es, das Druckniveau von Umgebungsbedingungen auf das gewünschte Prozessdruckverhältnis anzuhe-
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
313
314
R. Mönig, U. Waltke
Abb. 7-1 General Electric Gasturbine MS 7001F nach [7.1]
ben. Das optimale Druckverhältnis ist abhängig vom gewählten thermodynamischen Prozess. Es wird bei modernen stationären Gasturbinen heute i. d. R. so gewählt, dass sich in Kombination mit einem Dampfprozess der maximale Wirkungsgrad ergibt. Je höher die Turbineneintrittstemperatur und je kleiner der Kühlluftverbrauch in der Turbine ist, desto höher ist das optimale Verdichterdruckverhältnis. Für den klassischen Joule-Prozess liegt das Auslegungsdruckverhältnis für moderne Gasturbinen bei ca. 18–20, beim Prozess mit Zwischenüberhitzung bei über 30, in beiden Fällen mit steigender Tendenz. Im Hinblick auf einen guten Gasturbinenwirkungsgrad ist auch ein hoher Wirkungsgrad bei der Energiezufuhr im Verdichter wichtig. Ein hoher Verdichterwirkungsgrad bedeutet, dass ein hoher Anteil der zugeführten Energie in Druckenergie umgewandelt wird und damit eine mäßige Verdichteraustrittstemperatur realisiert wird. Je niedriger der Wirkungsgrad eines Verdichters ist, desto höher wird die Austrittstemperatur bei vorgegebenem Druckverhältnis. Bei heutigen Gasturbinenverdichtern liegt der totale, polytrope Wirkungsgrad bei Grundlast i. d. R. zwischen 90 und 93% (gemessen vom Eintritt des Eintrittsdiffusors bis ins Plenum hinter dem Austrittsdiffusor). Der polytrope Wirkungsgrad ist nahezu druckunabhängig, während der isentrope Wirkungsgrad eine ausgeprägte Druckabhängigkeit aufweist und – bei gleicher aerodynamischer Güte – mit steigenden Druckverhältnissen abfällt. Je nach Druckverhältnis und Auslegungsgüte liegen die totalen, isentropen Wirkungsgrade moderner Gasturbinenverdichter zwischen 86 und 90%. Der Betrieb moderner Gasturbinen erfolgt heute allgemein so, dass die Leistung über den angesaugten Massenstrom geregelt wird und die korrigierte Temperatur am Turbinenaustritt über den Gasturbinenregler konstant gehalten wird. Zur Massenstromregelung wird daher zumindest eine verstellbare Vorleitschaufelreihe be-
7 Verdichter
315
nötigt. Häufig werden aber darüber hinaus mehrere verstellbare Leitschaufelreihen in den Frontstufen des Verdichters eingesetzt, um einen hohen Teillastwirkungsgrad zu erzielen. Der Regelbereich liegt bei Nenndrehzahl mindestens zwischen 70 und 100%. Damit lässt sich die Gasturbine im Bereich zwischen ca. 50 und 100% Leistung im Vormischbetrieb bei hoher Turbinenaustrittstemperatur betreiben. Die modernsten Gasturbinen haben häufig sogar einen Regelbereich zwischen ca. 60 und 100%, sodass damit die Turbine im Teillastbereich bis unter 40% der Nennleistung im Vormischbetrieb (d. h. niedrigen Emissionen und hohem Wirkungsgrad) gefahren werden kann. Die wichtigsten Schnittstellen des Gasturbinenverdichters sind: Ansaughaus, Rotor, Gehäuse, Plenum zur Brennkammer und das Sekundärluftsystem, das u. a. für die Kühlung und Sperrluft in Brennkammer und Turbine sorgt. Über den Ansaugfilter, der die Aufgabe hat, größere Schmutzpartikel aus der Ansaugluft herauszufiltern, gelangt die Luft ins Ansaughaus und von dort ins Verdichtereintrittsgehäuse (Abb. 7-1). Durch die 90ı -Strömungsumlenkungen kommt es zur Wirbelbildung, Ablösungen und starken Inhomogenitäten. Im Verdichtereintrittsgehäuse wird die Strömung stark beschleunigt, sodass Ungleichförmigkeiten in der Zuströmung vermindert werden. Die Vergleichmäßigung der Strömung gelingt, insbesondere bei der Generatoranordnung auf der kalten Seite mit Wellendurchführung durchs Ansaughaus, nur bedingt, sodass lokale Fehlanströmungen der Vorleitschaufeln in der Größenordnung von ˙20ı nicht ungewöhnlich sind. Bei der Schnittstelle der Verdichterbeschaufelung zum Rotor ist zu beachten, dass ausreichend Platz für das vordere Gasturbinenlager und – je nach konstruktiver Ausführung – für die Verdichterradscheiben oder den monolithischen Rotor benötigt wird, um die Fliehkräfte aufzunehmen und die Drehmomentenübertragung im Verdichter und zum Generator sicher zu gewährleisten. Aus diesem Grund kann der minimal mögliche Nabendurchmesser am Verdichtereintritt bei 50-Hz-Maschinen 600–700 mm nicht unterschreiten. Bei vorgegebenem Nennmassenstrom und einer axialen Zuströmmachzahl von 0,5–0,7 liegen damit auch der Eintrittsquerschnitt und der Außendurchmesser der Verdichtereintrittsstufe weitestgehend fest. Als weitere Konsequenz sind – aufgrund der fest vorgegebenen Drehzahl – auch die Blattspitzengeschwindigkeit und die mittlere Umfangsgeschwindigkeit festgelegt und können – im Gegensatz zu Flugantrieben – nicht mehr frei gewählt werden. Das Verdichtergehäuse bildet den äußeren Abschluss des Strömungskanals und muss die konstruktive Aufnahme der Leitbeschaufelung gewährleisten. Darüber hinaus müssen an mehreren Stellen (i. d. R. 2–3) Abblase- und Entnahmestellen vorhanden sein, um ein problemloses Hochfahren des Verdichters zu ermöglichen und um die Entnahme von Kühl- und Sperrluft zu erlauben. Je nach Ausführung sind auch innere Entnahmen möglich, sodass die Luft im Inneren des Rotors zur Turbine geführt wird, um dort die Kühl- und Sperrluft zur Verfügung zu stellen. Am Verdichteraustritt wird i. d. R. der noch enthaltene Drall in einem Nachleitrad abgebaut, bevor dann die Strömung im Verdichteraustrittsdiffusor weiter verzögert und kinetische Strömungsenergie in Druck umgewandelt wird. Die am Ende des Austrittsdiffusors noch enthaltene kinetische Energie ist als Verlust anzusehen, da diese im darauf folgenden Plenum vollständig dissipiert wird.
316
R. Mönig, U. Waltke
Im Hinblick auf eine hohe Zuverlässigkeit der Gasturbine ist zu fordern, dass sich ein Verdichter sowohl bei extrem niedrigen (mindestens bis 40 °C) wie auch extrem hohen (mindestens C40 °C) Umgebungstemperaturen problemlos hochfahren lässt und in allen Betriebspunkten einen ausreichenden Sicherheitsabstand bis zur Pumpgrenze (s. Abschn. 7.9) aufweist. Darüber hinaus muss beim Anfahren einer Gasturbine gewährleistet sein, dass Resonanzstellen von Rotor und Beschaufelung ausreichend schnell durchfahren werden können und dass die maximalen Schwingungsamplituden in allen Schaufelreihen im unkritischen Bereich bleiben. Der Gasturbinenverdichter sollte weitestgehend wartungsfrei sein. Im Rahmen der Revisionen sollten aber alle Verbindungen, Befestigungen und Verstelleinrichtungen auf Verschleiß und Schädigungen kontrolliert und ggf. Korrekturmaßnahmen vorgenommen werden. Im vorderen Verdichterbereich kann es – insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit der Ansaugluft – zur Korrosion an der Beschaufelung kommen. Falls nicht entsprechend korrosionsbeständige Stähle eingesetzt werden, sind die vorderen 3–5 Stufen durch spezielle Beschichtungen gegen Korrosion zu schützen. Diese Schutzschichten sind i. d. R. nach ca. 50 000 Betriebsstunden so weit abgetragen, dass die Schaufeln entschichtet, mechanisch geglättet und neu beschichtet werden müssen.
7.2 Grundlagen Der Gasturbinenverdichter besteht aus dem Einlaufgehäuse, dem (verstellbaren) Vorleitrad, i. d. R. 1–3 transsonischen Verdichterstufen, die häufig ebenfalls mit verstellbaren Statorreihen ausgestattet sind, und – je nach Druckverhältnis und Auslegung – weiteren 10–20 Unterschall-Axialverdichterstufen, optional einem Nachleitrad zur Drallentnahme sowie einem Verdichteraustrittsdiffusor (Abb. 7-2). Die absolute Strömungsgeschwindigkeit c ergibt sich als vektorielle Addition der relativen Strömungsgeschwindigkeit w (maßgeblich im rotierenden System) und der Umfangsgeschwindigkeit u (Rotationsgeschwindigkeit der Schaufeln auf dem
Abb. 7-2 Siemens Gasturbine SGT5-4000F nach [7.1]
7 Verdichter
317
betrachteten Radius): c DwCu :
(7.1)
Bei den Strömungswinkeln sind sowohl Definitionen gegenüber der Umfangsrichtung wie auch gegenüber der Axialrichtung gebräuchlich. Im angelsächsischen Raum ist die Definition gegenüber der Axialrichtung weit verbreitet. Sie bietet den Vorteil, dass es sich immer um spitze Winkel handelt, sodass diese Definition hier übernommen werden soll. Die wichtigsten geometrischen Größen eines Verdichtergitters sind in Abb. 7-3 dargestellt.
t
λ
s
Abb. 7-3 Wichtige Definitionen bei Verdichtergittern
Hierbei ist s die Sehnenlänge, t die Gitterteilung und der Staffelungswinkel. Eine daraus direkt resultierende geometrische Gitterkenngröße ist das Teilungsverhältnis t=s. Im angelsächsischen Raum ist der Kehrwert dieser Größe gebräuchlicher. Dieser wird als „Solidity“ bezeichnet: s (7.2) D : t Je größer die Solidity eines Verdichtergitters ist, je größer also die Schaufelzahl bei vorgegebener Sehnenlänge gewählt wird, desto mehr Umlenkung kann in einem Verdichtergitter realisiert werden und desto größer kann das Gitter- und Stufendruckverhältnis werden. Da dies aufgrund größerer benetzter Fläche und höherer Grenzschichtbelastung häufig mit erhöhten Strömungsverlusten verbunden ist, müs-
318
R. Mönig, U. Waltke
sen höhere Strömungsumlenkungen und höhere Stufendruckverhältnisse häufig mit Einbußen im Wirkungsgrad erkauft werden. Wesentliches Merkmal eines Verdichters ist es, dass im Laufrad die Relativströmung verzögert und i. d. R. zur Achse hin umgelenkt wird. Hierdurch wird der Absolutdrall in der Strömung erhöht und damit Energie von der Beschaufelung auf die Strömung übertragen. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik lässt sich die Totalenthalpieerhöhung berechnen zu: ht D a C q D h C
c2 C gz : 2
(7.3)
Hierbei bezeichnet a die spezifische Schaufelarbeit, q die übertragene Wärme, h die statische Enthalpie, c die repräsentative absolute Strömungsgeschwindigkeit, g die Erdbeschleunigung und z die geodätische Höhe. In der Regel können Verdichter in guter Näherung als adiabat betrachtet werden und geodätische Höhenänderungen vernachlässigt werden. Damit wird die Totalenthalpieänderung gleich der zugeführten spezifischen Schaufelarbeit, die durch die Eulersche Turbinengleichung beschrieben wird: a D u2 cu2 u1 cu1 :
(7.4)
Bei der Energieerhöhung im Laufrad werden i. d. R. sowohl die Enthalpie und damit der Druck angehoben wie auch die kinetische Energie erhöht (also die Absolutgeschwindigkeit). Der Leitbeschaufelung kommt die Aufgabe zu, den Abso-
w2 β w3
α c2
β α
w
c3 β α
u
c1 1
2
Abb. 7-4 Absolute und relative Strömungsgeschwindigkeiten in einer Verdichterstufe
3
7 Verdichter
319
lutdrall und damit die kinetische Energie wieder zu reduzieren und in Druckenergie umzuwandeln. Dieser Vorgang ist für eine mittlere Stromlinie zwischen Nabe und Gehäuse prinzipiell in Abb. 7-4 dargestellt. Die entsprechenden Geschwindigkeitsdreiecke vor dem Laufrad, hinter dem Laufrad und nach dem Leitrad sind in Abb. 7-5 unter der Annahme zusammengefasst, dass sich die Umfangsgeschwindigkeit nicht ändert, d. h. der mittlere Radius in der Verdichterstufe konstant bleibt. Die thermodynamische Zustandsänderung in einer Verdichterstufe ist in Abb. 7-6 dargestellt. Die Totalenthalpieerhöhung im Laufrad führt i. d. R. zu einer Erhöhung der statischen Enthalpie und der kinetischen Energie. Im Leitrad kann – aufgrund der feststehenden Beschaufelung – keine weitere Energie zugeführt werden, die Totalenthalpie bleibt konstant. Allerdings wird die kinetische Energie vermindert und mit Verlust in Druckenergie umgewandelt. Dadurch reduziert sich der Totaldruck im Leitrad. Da nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik alle technischen Prozesse irreversibel sind, d. h. unter Entropiezunahme ablaufen, müssen auch beim Verdichtungsprozess Verluste berücksichtigt werden. In der Verdichtertechnik sind zwei verschiedene Definitionen für den Verdichterwirkungsgrad weit verbreitet, der isentrope und
w2
w1 c2
c1
β
α
β
α Abb. 7-5 Geschwindigkeitsdreiecke einer Verdichterstufe
1
2
3
pt 2 pt 3
c22 / 2
c32 / 2
p3 p2 p t1
c12 / 2 Abb. 7-6 Verdichtungsprozess im h-s-Diagramm
p1
320
R. Mönig, U. Waltke
der polytrope Wirkungsgrad. Darüber hinaus sind verschiedene Bilanzierungsgrenzen und die Verwendung von totalen und statischen Größen gebräuchlich, sodass beim Vergleich von Wirkungsgraden stets Vorsicht geboten ist. Die Wirkungsgraddefinitionen sind ausführlich in Abschn. 2.1 und 6.1.4 erläutert, sodass hier nur die vereinfachten Definitionen, gebildet mit den Temperaturen und Drücken am Ein- und Austritt sowie mittleren Stoffkenngrößen, betrachtet werden sollen. Der isentrope Wirkungsgrad setzt die Enthalpiedifferenz bei isentroper Verdichtung ins Verhältnis zur Enthalpiedifferenz bei realem Prozess. Somit folgt für den totalen isentropen Verdichterwirkungsgrad: t s D
ptA ptE
1
TtA TtE
1
1
:
(7.5)
Der polytrope Wirkungsgrad setzt die geleistete Strömungsarbeit ins Verhältnis zur dazu erforderlichen Enthalpieerhöhung. Daraus ergibt sich: tp D
ln
ptA ptE
ln
1
TtA TtE
:
(7.6)
Wie bereits weiter oben erwähnt, ist der polytrope Wirkungsgrad, insbesondere bei höheren Druckverhältnissen als Vergleichsgröße besser geeignet, da er weitgehend unabhängig vom Druckverhältnis ist. Der Zusammenhang zwischen polytropem und isentropem Wirkungsgrad ist für einen konstanten Isentropenexponenten 0,92
Totaler, isentroper Wirkungsgrad
0,91 0,90 ηtp = 0,93
0,89 0,88
ηtp = 0,92
0,87
ηtp = 0,91
0,86 0,85
ηtp = 0,90
0,84 0,83
ηtp = 0,89
0,82 10
12
14
16
18
20
22
24
26
Totaldruckverhältnis
Abb. 7-7 Druckabhängigkeit des isentropen Wirkungsgrades
28
30
7 Verdichter
321
von 1,4 in Abb. 7-7 dargestellt. Es ist erkennbar, dass der isentrope Wirkungsgrad ca. 3–4% niedriger liegt als der polytrope Wirkungsgrad. Wichtige dimensionslose Kenngrößen in der Verdichtertechnologie sind die Durchflusskenngröße, die Enthalpiekenngröße und der Reaktionsgrad. Die Durchflusskenngröße wird üblicherweise in den Axialspalten einer Stufe definiert als das Verhältnis der mittleren Meridiangeschwindigkeit zur mittleren Umfangsgeschwindigkeit am Laufradaustritt: cm : (7.7) 'D u2m Die Enthalpie- und Totalenthalpiekenngrößen sind wie folgt definiert: h
D
h I u22m =2
ht
D
ht : u22m =2
(7.8)
Der Reaktionsgrad setzt die Enthalpieerhöhung im Laufrad ins Verhältnis zur Enthalpieerhöhung der gesamten Stufe, gibt also an, welcher Anteil der Stufenenthalpieerhöhung im Laufrad erfolgt: h D
h12 : h13
(7.9)
Als Kennzahl für die aerodynamische Belastung eines Verdichtergitters gibt es verschiedene Kennzahlen. Die gebräuchlichste ist der Diffusionsfaktor (oder auch Lieblein-Faktor [7.2]) und ist für ein Laufrad definiert als: w2 wu1 wu2 D D 1 C : (7.10) w1 2 w1 In dieser Beziehung repräsentiert der mittlere Term die Belastung aufgrund der Strömungsverzögerung, während der letzte Term die zusätzliche Belastung durch die Strömungsumlenkung widerspiegelt. Für ein Leitrad sind die entsprechenden Ein- und Austrittsgrößen im Absolutsystem zu verwenden. Als Anhaltspunkt kann gelten, dass für den Auslegungspunkt des Verdichters (i. d. R. Grundlast) die Diffusionszahl lokal über dem Radius Maximalwerte von 0,40–0,45 nicht überschreiten sollte, sodass für kritische Betriebspunkte noch ein ausreichender Sicherheitsabstand existiert. Bei Diffusionszahlen von etwa 0,55–0,6 treten i. d. R. massive Grenzschichtablösungen auf, sodass das entsprechende Gitter an seine Belastungsgrenze gelangt. Für den Gesamtverdichter repräsentiert diese Grenze dann die Stall- oder Pumpgrenze, bei der es zu rotierendem Strömungsabriss („Rotating Stall“) oder Pumpen („Surge“) kommt und ein Gasturbinenbetrieb nicht mehr möglich ist.
7.3 Verdichterbetrieb Anfahren Zum Anfahren einer Gasturbine wird i. d. R. der Generator als Elektromotor verwendet. Beim Hochfahren des Verdichters sind die Leitschaufeln i. d. R. in der maximal
322
R. Mönig, U. Waltke
geschlossenen Position (minimaler Massenstrom). Alle Abblaseklappen sind offen, um aufgrund des geringen Druckaufbaus und des auf Leistungsbetrieb ausgelegten Kanalquerschnitts ein Sperren in den hinteren Stufen zu vermeiden. Bei einer bestimmten Drehzahl wird die Brennkammer gezündet, sodass ab dieser Drehzahl die Turbine das Hochfahren unterstützt. Sobald ein gewisses Drehzahlniveau erreicht ist, reicht die Turbinenleistung aus, um den weiteren Drehzahlanstieg zu gewährleisten. Dazu ist es notwendig, dass ein ausreichender Massenstrom in der Brennkammer und in der Turbine zur Verfügung steht. Somit ist es sinnvoll, die Abblaseklappen so früh wie möglich zu schließen. Dies geschieht sukzessive von hinten nach vorn. Die vorderen Klappen müssen am längsten geöffnet bleiben (bis ca. 90% der Nenndrehzahl), um die vorderen Verdichterstufen zu entlasten. Um ein sicheres Starten des Verdichters zu gewährleisten, müssen die Abblasemengen ausreichend groß sein und somit die Querschnitte der Entnahmestellen und die Klappen selbst ausreichend dimensioniert werden. Belasten Sobald die Nenndrehzahl der Gasturbine erreicht ist, kann der Generator mit der Netzfrequenz synchronisiert werden. Danach erfolgt das Belasten der Gasturbine. Die Leitschaufeln des Verdichters sind noch immer geschlossen, das Verdichterdruckverhältnis steigt mit zunehmender Belastung aufgrund der steigenden Turbineneintrittstemperatur kontinuierlich an. Sobald die Turbinenaustrittstemperatur den Sollwert erreicht, werden die verstellbaren Leitschaufeln über den Gasturbinenregler mit weiterer Belastung zunehmend geöffnet, die Turbinenaustrittstemperatur wird auf den Sollwert geregelt. Mit Erreichen des maximalen Ansaugmassenstroms arbeitet die Gasturbine im Grundlastpunkt. Der Verdichter erreicht – unter den vorhandenen Umgebungsbedingungen – sein maximales Druckverhältnis. Abfahren Je nachdem, ob die Gasturbine im Spitzenlast-, Mittellast- oder Grundlastbetrieb eingesetzt wird, verbleibt die Gasturbine zwischen einigen Minuten bis zu mehreren Monaten im hohen Leistungsbereich. Beim Abfahren der Maschine erfolgen die zuvor beschriebenen Schritte in umgekehrter Reihenfolge: Die Leitschaufeln werden sukzessive geschlossen, und bei Erreichen der Minimalposition wird die Turbinenaustrittstemperatur abgesenkt. Das Verdichterdruckverhältnis (die Fahrlinie) sinkt damit ebenfalls ab. Bei Leerlauf wird der Generator vom Netz getrennt, die Abblaseklappen werden geöffnet, und die Drehzahl wird abgesenkt. Turnbetrieb Aufgrund der hohen Temperaturen, v. a. im Heißgasteil, kann die Maschine allerdings nicht komplett abgestellt werden. Vielmehr ist ein Turnbetrieb erforderlich, der mindestens einige Stunden anhalten muss, bis am Austritt der Turbine ein festgelegtes Temperaturniveau erreicht ist. Für den Verdichter ist dabei wichtig, dass dabei das Drehzahlniveau möglichst gering bleibt (unter 30%) der Nenndrehzahl, um verstärkte Schwingungsanregung der Beschaufelung zu vermeiden. Auf sog.
7 Verdichter
323
Forced Cooling bei erhöhter Drehzahl sollte möglichst gänzlich verzichtet werden, da hierbei erhöhte thermische Spannungen bei gleichzeitig erhöhten Schwingungsbelastungen der Beschaufelung auftreten können. Dies kann zu erhöhtem Verschleiß an den Schaufelaufnahmen und zu dauerhaften Schädigungen führen. Warmstart Aufgrund der starken Erwärmung der Gasturbine im Leistungsbetrieb sind wesentliche Bauteile des Verdichters (z. B. Rotor oder Rotorscheiben) auch mehrere Stunden nach Abfahren der Maschine noch deutlich heißer als z. B. Leitschaufelträger oder Gehäuse, die meist schneller abgekühlt werden. Hierdurch kommt es zu unterschiedlichen Temperaturdehnungen in der Gasturbine und auch im Verdichter. Je nach konstruktiver Ausführung und Berücksichtigung des thermischen Verhaltens ergibt sich bei großen Gasturbinen zwischen 2 und ca. 10 Stunden nach Abstellen ein besonders kritischer Punkt: Die Gehäusebauteile sind bereits deutlich abgekühlt und damit im Durchmesser reduziert, während der Rotor noch sehr warm und damit im Durchmesser noch vergrößert ist. Wird nun die Maschine in oder nahe diesem kritischen Zustand erneut gestartet, so addiert sich zu dem thermisch vergrößerten Rotor die Fliehkraftbelastung. Hierdurch erreichen die Radialspalte über den Laufschaufeln minimale Werte, sodass es zum Anstreifen mit Materialabtrag und Spaltvergrößerungen kommen kann. Um dies zu vermeiden, sind die Spalte auf diesen besonders kritischen Fall zu dimensionieren. Darüber hinaus sollte bei der Konzeption der Maschine darauf geachtet werden, dass das thermische Ungleichgewicht nicht zu stark ausfällt. In dieser Hinsicht ist ein aus einzelnen Scheiben aufgebauter und gut durchspülter Rotor in Kombination mit einem nicht allzu filigranen Gehäuse günstiger als ein schwerer, in sich geschlossener Rotor in Kombination mit schnell aufheizenden und abkühlenden Gehäusen. Verdichterwaschen Trotz der i. d. R. installierten Ansaugfilter werden mit der Ansaugluft ständig kleine Partikel in die Maschine eingetragen. Diese führen im Laufe der Zeit zu Ablagerungen auf der Beschaufelung. Als Konsequenz hieraus ergibt sich ein Wirkungsgradund Leistungsverlust. Dieser kann durch ein regelmäßiges Waschen des Verdichters weitgehend wieder kompensiert werden. Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Arten des Verdichterwaschens, die On-Line- und die Off-Line-Reinigung. Grundsätzlich ist die Off-Line-Reinigung die effizientere Methode. Hierbei muss allerdings die Maschine entlastet, vom Netz getrennt und abgekühlt werden. Nach ausreichender Abkühlung wird der Verdichter auf Waschdrehzahl gebracht (i. d. R. 20–30% der Nenndrehzahl) und vom Verdichtereintritt über mehrere Waschdüsen Reinigungsflüssigkeit in den Verdichter eingedüst. Um eine gute Reinigungswirkung zu erzielen, sollten die Leitschaufeln beim Waschvorgang aufgefahren werden. Bei Maschinen, die im Grundlastbetrieb gefahren werden, besteht oftmals nicht die Möglichkeit, die Off-Line-Wäsche regelmäßig anzuwenden. In diesen Fällen sollte regelmäßig (d. h. je nach Luftverschmutzung täglich bis wöchentlich) eine
324
R. Mönig, U. Waltke
On-Line-Wäsche vorgenommen werden, um starken Verschmutzungen vorzubeugen und die Leistung auf einem hohen Niveau zu erhalten. Aufgrund der geringeren Mengen an Reinigungsflüssigkeit, der hohen Drehzahl und des schnellen Temperaturanstiegs in den vorderen Verdichterstufen ist diese Reinigungsmethode vornehmlich in den ersten Verdichterstufen wirksam. Diese sind allerdings im Hinblick auf den Massendurchsatz besonders wichtig, sodass die Leistung damit wieder merklich gesteigert werden kann. Lastabwurf und Schnellschluss Falls es beim Gasturbinenbetrieb zu Störungen kommt, die einen weiteren Betrieb nicht gestatten oder zu Gefährdungen der Maschine führen können, so wird vom Regler ein Lastabwurf oder ein Schnellschluss ausgelöst. Beim Lastabwurf wird die Maschine schlagartig bis auf Leerlaufbetrieb entlastet. Mit Auslösen des Lastabwurfs fahren die Leitschaufeln in ihre ZU-Stellung. Falls dann alle Systeme ordnungsgemäß arbeiten oder der Fehler manuell behoben werden konnte, kann die Maschine erneut belastet werden. Bei schwerwiegenderen Problemen wird Schnellschluss ausgelöst. In diesem Fall öffnen im Verdichter alle Abblaseklappen, und die Leitschaufeln fahren in die Abfahrposition (ZU-Stellung). Durch die Trägheit der Systeme kommt es nach der Netztrennung zunächst zu einem deutlichen Drehzahlanstieg, bevor dann der Rotor bis auf Turndrehzahl ausläuft. Verdichterpumpen Falls das maximal mögliche Druckverhältnis des Verdichters überschritten wird, kommt es zum Verdichterpumpen. Sobald von der Betriebsüberwachung ein Pumpstoß detektiert wird, wird Schnellschluss ausgelöst, um Schädigungen der Maschine zu vermeiden. Mit Verdichterpumpen wird ein Zusammenbruch der Verdichterströmung mit kurzzeitigem Rückströmen und einem darauf folgenden, erneuten Förderbetrieb bezeichnet. Da Pumpstöße immer eine hohe mechanische Belastung der Verdichterbeschaufelung und nahezu aller Komponenten der Gasturbine verursachen, sollten sie, z. B. durch ausreichende Sicherheitsmargen beim Verdichter (Pumpgrenzabstand) und Überwachung kritischer Betriebsparameter, nach Möglichkeit vermieden werden. Falls es dennoch in Ausnahmefällen zu Pumpvorgängen in einer Gasturbine kommt, sind folgende Maßnahmen dringend zu empfehlen: • Ursachenklärung und Fehlerbehebung, • Visuelle Inspektion des Verdichtereintrittsbereiches, der Schalldämpferkulissen und des Ansaughauses, • Nach Möglichkeit visuelle Inspektion der Brennkammer. Häufigste Ursachen für das Überschreiten der Verdichterpumpgrenze sind Fehlfunktionen in der Brennstoffregelung, Unterfrequenzbetrieb bei hohen Umgebungstemperaturen, schnelles Schließen der Vorleitschaufeln und Fehlfunktionen beim Öffnen der Abblaseklappen beim Abfahrvorgang. Auch Schäden an der Verdichterbeschaufelung (z. B. Schaufelabriss) lösen häufig einen Pumpstoß aus.
7 Verdichter
325
7.4 Leistungsbetrieb Die wichtigsten Leistungskenngrößen eines Verdichters sind: • • • •
Drehzahl Massenstrom Druckverhältnis Wirkungsgrad.
Die Leistungskenngrößen werden i. d. R. in einem Verdichterkennfeld dargestellt. Da neben den Betriebsparametern, wie Drehzahl (bei Gasturbinen im Leistungsbetrieb gekoppelt an die Netzfrequenz), Druckverhältnis und Leitschaufelstellung, auch die Umgebungsbedingungen einen wichtigen Einfluss haben, werden in der Praxis ähnliche Betriebsbedingungen betrachtet. Ein Verdichter zeigt dann ein ähnliches Betriebsverhalten, wenn die Geometrie (Leitschaufelpositionen, Spaltweiten etc.) gleich ist und wenn die Reynoldszahl (Verhältnis von Trägheits- zu Reibungskräften) und die Machzahl (Verhältnis von Strömungsgeschwindigkeit zu Schallgeschwindigkeit) als wichtigste Ähnlichkeitskenngrößen gleich sind. Bei fest vorgegebener Baugröße kann der Einfluss der Reynoldszahl meist vernachlässigt werden, bei skalierten Varianten eines Verdichters kann der Einfluss der Reynoldszahl jedoch u. U. wichtig sein, v. a. in Bezug auf den Wirkungsgrad. Somit verbleibt als wesentliche Einflussgröße für das Betriebsverhalten die Machzahl. Für ähnliche Betriebszustände ist eine notwendige Bedingung, dass die Geschwindigkeitsdreiecke ähnlich sind. Daraus folgt, dass die Machzahl, gebildet mit der Umfangsgeschwindigkeit konstant bleiben muss. Somit gilt: r 2 r u TISO !r 60 D konstant : (7.11) nmech Dp Dp Mu D p T RTISO RT RT Diese Bedingung ist bei konstanten Stoffkenngrößen dann erfüllt, wenn die reduzierte Drehzahl r TISO nred D nmech : (7.12) T konstant ist. Bei konstanter Netzfrequenz ist die mechanische Drehzahl konstant. Nennbedingungen sind üblicherweise die Standardbedingungen, auch ISO-Bedingungen genannt: TISO D 288 K pISO D 1;013 bar : Für hohe Umgebungstemperaturen ist dann die reduzierte Drehzahl kleiner als die mechanische Drehzahl, für niedrige Umgebungstemperaturen ist sie entsprechend höher. Der Ansaugmassenstrom m P D cA :
(7.13)
326
R. Mönig, U. Waltke
lässt sich mit elementaren thermodynamischen und gasdynamischen Beziehungen darstellen als: q R M A pt m P D p : (7.14) C1 Tt 2 2.1/ M 1 C 1 2 Wenn die reduzierte Drehzahl konstant gehalten wird, sind die Geschwindigkeitsdreiecke ähnlich und die Machzahlen sind konstant. Somit ergibt sich der reduzierte Massenstrom zu: s Tt pt ISO P : (7.15) m P red D m pt Tt ISO Bei konstanten Stoffgrößen und konstanter reduzierter Drehzahl ist auch der reduzierte Massenstrom konstant. Der tatsächliche Massenstrom kann aus (7.15) bei bekanntem reduziertem Massenstrom und bekannten Umgebungsbedingungen sehr einfach durch entsprechende Umformung berechnet werden. Unter Zuhilfenahme der Totalenthalpiekenngröße (7.8) und der Eulerschen Turbinengleichung (7.5) lässt sich leicht zeigen, dass bei konstanter reduzierter Drehzahl und damit ähnlichen Geschwindigkeitsdreiecken auch die Totalenthalpiekenngröße und das Temperaturverhältnis im Verdichter konstant bleiben müssen. Bei
π Pumpgrenze
n
Fahrlinie Drehzahllinien .
m Abb. 7-8 Dimensionsloses Verdichterkennfeld
pt − ISO pt
Tt Tt − ISO
Tt − ISO Tt
7 Verdichter
327
konstantem Wirkungsgrad ist dann auch das Druckverhältnis konstant. Somit ergibt sich ein dimensionsloses Verdichterkennfeld entsprechend Abb. 7-8. Im Hinblick auf die Gasturbinenanwendung ist wichtig, dass die reduzierte Drehzahl i. d. R. nicht eingestellt werden kann. Sie ergibt sich vielmehr aus der – meist weitgehend konstanten – Netzfrequenz (mechanischen Drehzahl) und der vorherrschenden Umgebungstemperatur. Bei Umgebungstemperaturen über 15 °C (288,15 K) ist die reduzierte Drehzahl < 1. Aufgrund des Verdichterkennfeldes sinkt damit auch der reduzierte Massenstrom ab. Nach (7.15) ist der tatsächliche Massenp strom nochmals um den Faktor TISO =T kleiner als der reduzierte Massenstrom, sodass die Umgebungstemperatur einen merklichen Einfluss auf den Massendurchsatz einer Gasturbine und damit die Leistung hat. Ähnliches gilt für den Umgebungsdruck. Zwar hat dieser keinen Einfluss auf die reduzierte Drehzahl und damit auf den reduzierten Massenstrom, aber auf den tatsächlichen Massenstrom. Dieser – und demzufolge auch die Gasturbinenleistung – nimmt linear mit dem Umgebungsdruck ab. Betrachtet man nun zusätzlich Schwankungen der Netzfrequenz und damit Variationen der mechanischen Drehzahl, so ergeben sich damit Überlagerungen, die sich gegenseitig kompensieren, aber auch verstärken können. Üblicherweise wird von Netz- oder Kraftwerksbetreibern gefordert, dass die Gasturbinen mindestens zwischen 95 und 103% der Nennfrequenz betrieben werden können, in zunehmend häufigeren Fällen sogar kurzeitig zwischen 94 und 103%. Gasturbinen werden üblicherweise dafür konzipiert, dass sie bei Umgebungstemperaturen von 40 °C bis C50 °C betrieben werden können. Bei 94% mechanischer Drehzahl und C50 °C Umgebungstemperatur folgt für die reduzierte Drehzahl: p nred min D nmech min TISO =Tu max D 0;89 : Die maximale reduzierte Drehzahl ergibt sich für die maximale Überfrequenz (103%) und 40 °C Umgebungstemperatur zu: p nred max D nmech max TISO =Tu min D 1;15 : Da Überfrequenz in elektrischen Netzen nur dann auftritt, wenn mehr Leistung eingespeist wird, als momentan abgenommen wird, und dies gut regelbar ist, ist das gleichzeitige Auftreten von Überfrequenz und extrem niedrigen Umgebungstemperaturen sehr unwahrscheinlich. Daher reicht es in der Praxis aus, nur den Temperatureinfluss zu berücksichtigen. Damit beschränkt sich die maximale reduzierte Drehzahl im Leistungsbetrieb auf ca. 108% der Nenndrehzahl. Mit diesen Betrachtungen wird deutlich, dass ein Gasturbinenverdichter in weiten Grenzen stationär betrieben werden muss. Hinzu kommt, dass in allen Betriebspunkten der volle Regelbereich hinsichtlich Leistung und Massenstrom zur Verfügung stehen soll. Dieser wird allerdings bei niedrigen Temperaturen durch die Grenzleistung limitiert, die keinesfalls überschritten werden darf. Auf die daraus resultierenden Konsequenzen wird in Abschn. 7.8 noch näher eingegangen.
328
R. Mönig, U. Waltke
Um die Gasturbine in allen Betriebszuständen sicher betreiben zu können, ist es notwendig, dass der Verdichter immer einen ausreichenden Abstand zur Pumpgrenze aufweist. Für den Pumpgrenzabstand gibt es unterschiedliche Definitionen. Die gebräuchlichste setzt die Differenz aus dem Druckverhältnis an der Pumpgrenze und auf der Fahrlinie bei konstanter reduzierter Drehzahl ins Verhältnis zum Druckverhältnis auf der Fahrlinie: .PG 0 / : (7.16) ˘V D 0 nred Dkonst. Bei Grundlast liegt der Pumpgrenzabstand bei modernen Verdichtern i. d. R. bei mehr als 25%. In besonders kritischen Betriebspunkten (maximale Leitschaufelstellung und maximale Unterfrequenz bei hohen Umgebungstemperaturen sowie minimale Leitschaufelstellung bei extrem niedrigen Umgebungstemperaturen) kann der Pumpgrenzabstand auf 5–10% absinken.
7.5 Transsonische Verdichterstufen Grundlagen kompressibler Strömungen Unter der Annahme eines idealen Gases lässt sich die Schallgeschwindigkeit a in einem Gas als Funktion des Isentropenexponenten , der Gaskonstante R und der statischen Temperatur ausdrücken als: p (7.17) a D RT : In den vorderen Stufen eines Verdichters ist das Temperaturniveau noch niedrig, damit ist auch die Schallgeschwindigkeit niedrig. Für die Machzahl einer Strömung gilt allgemein: M D
c : a
(7.18)
Bei vergleichbarem Geschwindigkeitsniveau liegen somit in den vorderen Stufen (Niederdruckstufen) höhere Machzahlen vor, als in mittleren und hinteren Verdichterstufen. Mit der Energiegleichung zwischen dem Ruhezustand eines Gases (c D 0) und einem beliebigen Strömungszustand gilt: cp T0 D cp T C
c2 : 2
(7.19)
Da bei Strömungen ohne Energiezu- oder -abfuhr, also z. B. von der Umgebung bis zum Verdichtereintritt, die Ruhetemperatur (Totaltemperatur) konstant bleibt, sinkt die statische Temperatur mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit ab. Mit cp D
R : 1
(7.20)
7 Verdichter
329
lässt sich das Temperaturverhältnis in Abhängigkeit der Machzahl angeben: 1 2 T0 D1C M : T 2
(7.21)
Für das Verhältnis von Ruhedruck zu statischem Druck folgt mit der Isentropenbeziehung: p0 D p
T0 T
1
1 2 1 M D 1C : 2
(7.22)
Bei Gasturbinen liegt das Niveau der Absolut-Machzahl am Verdichtereintritt üblicherweise bei etwa 0,5–0,6. Für die statische Temperatur am Verdichtereintritt folgt damit: T D
1C
T0 1 2 2 M
:
(7.23)
Bei einer Ruhetemperatur (Umgebungstemperatur von 15 °C=288 K) liegt damit die statische Temperatur am Verdichtereintritt zwischen 269 K und 274 K=4 °C bis 1 °C). Die lokale Schallgeschwindigkeit ergibt sich damit zu etwa 330 m=s. Bei diesen Bedingungen überschreitet bereits die Umfangsgeschwindigkeit der ersten Verdichterlaufschaufel einer 50-Hz-Gasturbine ab einem Radius von 1,05 m die Schallgeschwindigkeit. Für die Relativmachzahl in der Zuströmung zu einem Laufrad gilt: Mrel D
w : a
(7.24)
Hierbei bezeichnet w die relative Zuströmgeschwindigkeit. In Abhängigkeit des absoluten Abströmwinkels ˛ aus dem Vorleitrad ergibt sich damit für die Relativmachzahl am Eintritt des ersten Laufrades: q Mrel D Mm2 C .Mu Mm tan ˛/ : (7.25) Dieser Zusammenhang ist in Abb. 7-9 für zwei Meridianmachzahlen dargestellt. Wie zu erkennen, liegt bei Umfangsmachzahlen über 1,1 selbst bei größeren Vordrallwinkeln aus dem Vorleitrad die Zuströmgeschwindigkeit des ersten Laufrads im Überschall. Demzufolge ist das Verständnis der besonderen Eigenschaften von schallnahen und Überschallströmungen wichtig, um die Frontstufen von modernen Gasturbinenverdichtern adäquat gestalten zu können. Für transsonische Verdichterstufen ist das wichtigste Strömungsphänomen von Überschallströmungen das Auftreten von Diskontinuitäten, sog. Verdichtungsstöße. Man unterscheidet dabei senkrechte Verdichtungsstöße, die normal zur Strömungsrichtung verlaufen, und schräge Verdichtungsstöße. Verdichtungsstöße sind immer verlustbehaftet. Bei kleinen Überschallmachzahlen sind die Verluste zunächst sehr gering und steigen mit Zunahme der Machzahl vor dem Stoß exponentiell an.
330
R. Mönig, U. Waltke 1,6
1,6
Mm = 0,6
Mm = 0,5
α = 0°
1,4
α = 0°
1,4 10°
10° 20°
1,2
20°
1,2
30°
Mrel [-]
Mrel [-]
30° 1,0
1,0
0,8
0,8
0,6
0,6
0,4
0,4 0,4
0,6
0,8 Mu [-]
1,0
1,2
1,4
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
Mu [-]
Abb. 7-9 Relativmachzahl in Abhängigkeit von der Umfangsmachzahl und dem absoluten Strömungswinkel
Senkrechte Verdichtungsstöße verzögern immer von Überschall- auf Unterschallgeschwindigkeit. An dieser Stelle soll nur auf senkrechte Verdichtungsstöße eingegangen werden, für weitergehende Betrachtungen sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen (z. B. [7.4]). Aus den elementaren Erhaltungsgleichungen für Masse, Impuls und Energie ergeben sich für die Zustandsänderung über einem senkrechten Verdichtungsstoß folgende Zusammenhänge [7.3]: C1 2 D 1 . 1/ C 2=M a12 p2 2 .M a12 1/ D1C p1 C1 T2 2. 1/ M a12 C 1 D1C .M a12 1/ T1 . C 1/2 M a12 1 1 pt 2 2 1 p2 D : pt 1 p1 1
(7.26) (7.27) (7.28) (7.29)
Die Änderung der thermodynamischen Größen über einem senkrechten Verdichtungsstoß ist in Abb. 7-10 dargestellt. Hinsichtlich eines Verdichters, der mit Überschallgeschwindigkeit und Stoßverzögerung arbeitet, ist zunächst wichtig, dass ein senkrechter Verdichtungsstoß zu einem Anstieg des statischen Druckes führt, dass aber die Strömungsverluste mit zunehmender Vorstoßmachzahl exponentiell zunehmen. Als weiteres stellt sich die Frage, wie sich eine Stoßverzögerung im Relativsystem eines Rotors auswirkt. Eine
7 Verdichter
331 1,000
2,2 p2 / p 1
0,995
2,0
1,8 ρ2 / ρ1 1,6
1,4 T2 / T 1
Totaldruckverhältnis
0,990 0,985 0,980 0,975 0,970 0,965 0,960
1,2 0,955 1,0 1,00
0,950 1,10
1,20
1,30
1,40
Machzahl vor Stoß
1,00
1,10 1,20 1,30 Machzahl vor Stoß
1,40
Abb. 7-10 Strömungsänderung über einem senkrechten Verdichtungsstoß
Abb. 7-11 Stoßsystem in einem Transsonikrotor [7.5]
typische Gitterpassage eines transsonischen Verdichtergitters ist in Abb. 7-11 dargestellt [7.5]. Bei Grundlastbetrieb stellt sich i. d. R. ein starker Verdichtungsstoß in der Gitterpassage ein, der in guter Näherung als senkrechter Verdichtungsstoß behandelt werden kann. Setzt man als maßgebliche Machzahl die Relativmachzahl ein, so behalten die Stoßbeziehungen auch im Relativsystem ihre Gültigkeit. Wesentlicher Unterschied bei einem Verdichtungsstoß im Relativsystem ist jedoch, dass es durch die Verzögerung der Relativströmung – selbst bei konstantem relativem Strömungswinkel – zu einer Erhöhung des Absolutdralls und damit zu einer Totalenthalpiesteigerung kommt.
332
R. Mönig, U. Waltke
Abb. 7-12 Geschwindigkeitsdreieck für den Eintritt eines Transsonikrotors
w
c α
β u
Mit (7.22) folgt für das Totaldruckverhältnis über einem senkrechten Stoß im Relativsystem: 1 1 pt 2 2 1 Tt 2 1 p2 D : (7.30) pt 1 p1 1 Tt 1 Mit (7.29) ergibt sich: pt 2 D pt 1
pt 2 pt 1
pt 2 C : pt 1
(7.31)
In dieser Gleichung bezeichnet der erste Term den gasdynamischen Totaldruckverlust des Stoßes und der zweite den Totaldruckaufbau durch die Strömungsverzögerung im Relativsystem. Aus der Eulerschen Turbinengleichung (7.4) lässt sich die Totaltemperaturerhöhung durch Stoßverzögerung berechnen zu (nach [7.6]): 2 Mu 1 2.1/ 2 D sin ˇ 1 1 C1 D sin ˇ1 Tt2 D1C (7.32) 2 : Mu 1 Tt1 1 2 1 D sin ˇ1 .2 D/ 1 C 2 D sin ˇ1 Hierin ist D eine Vordrallkenngröße: DD
Mu1 : sin ˇ1 Mr1
(7.33)
Ist D D 1, so ist die Strömung unmittelbar vor dem Stoß drallfrei, bei D > 1 liegt ein Drall in Drehrichtung des Rotors (Mitdrall) vor, bei D < 1 liegt Gegendrall vor. Für eine beliebige Rotorzuströmung nach Abb. 7-12 lässt sich die notwendige Umfangsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Meridianmachzahl, der Relativmachzahl, des absoluten Strömungswinkels (Vordrallwinkel) und der Totaltemperatur angeben zu: v v u u
RTt1 RTt1 u u1 D u M tan ˛ C 1 2 m1 2 Mr21 Mm2 1 : t t Mm1 Mm1 1 C 1 1 C 1 2 cos ˛1 2 cos ˛1 (7.34)
7 Verdichter
333
2,20 2,00
Totaldruckverhältnis
M 1-rel = 1,35
Mm1 = 0,5 Mm1 = 0,6 senkrechter Verdichtungsstoß im Rotoreintritt
1,80
M 1-rel = 1,30 M 1-rel = 1,25 M 1-rel = 1,20
1,60
M 1-rel = 1,15
1,40
M 1-rel = 1,10
1,20
M 1-rel = 1,05 1,00
α = 0°
α = 15°
α = 30°
α = 45°
0,80 250
300
350
400
450
500
Umfangsgeschwindigkeit [m/s]
Abb. 7-13 Totaldruckaufbau durch einen senkrechten Verdichtungsstoß in einem Transsonikrotor
Mit (7.30) und (7.32) lässt sich für einen senkrechten Verdichtungsstoß im Rotor bei vorgegebener Meridian- und Relativmachzahl das hiermit erreichbare Totaldruckverhältnis näherungsweise errechnen. Dieses ist für Meridianmachzahlen von 0,5 und 0,6 und Vordrallwinkel von 0–45° über der Umfangsgeschwindigkeit in Abb. 7-13 dargestellt. Typische Umfangsgeschwindigkeiten im Mittelschnitt des ersten Laufrades liegen bei modernen Gasturbinen zwischen 300 und 330 m=s. Die Schaufelspitzengeschwindigkeiten liegen unter 450 m=s und damit deutlich niedriger als z. B. bei modernen Flugtriebwerken. Abbildung 7-13 zeigt deutlich, dass sich auch bei mäßigen relativen Überschallmachzahlen bis 1,2 bereits beachtliche Totaldruckerhöhungen über eine Stoßverzögerung im Rotor erzielen lassen. Je nach Vordrall und Umfangsgeschwindigkeit kann das Totaldruckverhältnis durch einen senkrechten Verdichtungsstoß im Rotor bereits bei 1,4–1,55 liegen. Die gasdynamischen Verluste sind in diesem Machzahlbereich noch sehr moderat. Weiterhin ist ersichtlich, dass im Gehäusebereich sinnvollerweise mit größerem Vordrall gearbeitet wird als im Mittelschnitt (bis zu ca. 30° bei voll geöffneten Leitschaufeln). Hierdurch ist es möglich, die Relativmachzahlen auf Werte bis 1,2 zu beschränken und damit niedrige Verluste und hohe Wirkungsgrade zu realisieren. Im Hinblick auf ein gleichmäßiges Totaldruckprofil über der Schaufelhöhe ist es angebracht, mit abnehmender Umfangsgeschwindigkeit (abnehmendem Radius) den Vordrall zunächst stark zu reduzieren, um den Rotor mit nahezu konstanter Relativmachzahl anströmen zu können. Im nabennahen Schaufelbereich werden i. d. R. bei Grundlast sehr kleine Vordrallwinkel realisiert. Mit abnehmender Totaldruckerhöhung durch Stoßverzögerung zur Nabe hin wird es zunehmend erforderlich, das Totaldruckdefizit durch Unterschallverzögerung zu
334
R. Mönig, U. Waltke
Abb. 7-14 Machzahlverlauf in einem Transsonikrotor [7.7]
kompensieren. Hierfür sind zur Nabe hin große Strömungsumlenkungen im Relativsystem erforderlich. Zusätzlich wird häufig an der Nabe ein steiler Nabenkonturanstieg in Axialrichtung vorgesehen, um hierdurch einen weiteren Totaltemperaturund Totaldruckaufbau zu realisieren. Die Strömung in einem transsonischen Profilschnitt eines Verdichtergitters ist für den Auslegungspunkt in Abb. 7-14 dargestellt. Die Zuströmung erfolgt von der linken Seite mit einer Zuströmmachzahl von 1,20. Es ist deutlich der Verdichtungsstoß in der Gitterpassage zu erkennen. Von der Profilvorderkante nach oben breitet sich der Verdichtungsstoß als Kopfwelle aus. Bei der Gestaltung von transsonischen Gittern ist darauf zu achten, dass die Profile mit • • • •
geringer maximaler Schaufeldicke (1–3% maximale Dicke/Sehnenlänge), geringer Vorderkantendicke, nahezu konstanter Relativmachzahl bis zum Verdichtungsstoß und geringer Strömungsumlenkung
ausgeführt werden sollten, um niedrige Strömungsverluste und hohe Wirkungsgrade zu erzielen. Die Machzahl vor einem senkrechten Stoß darf einen Maximalwert von etwa 1,35 nicht überschreiten, da ansonsten die Grenzschichten ablösen. Wenn es gelingt, durch eine dreidimensionale Schaufelgestaltung einen schrägen oder gekrümmten Verdichtungsstoß zu erzwingen und damit das statische Druckverhältnis über den Stoß auf Werte unter 1,9 zu beschränken, können jedoch auch Vorstoßmachzahlen über 1,35 mit akzeptablen Wirkungsgraden realisiert werden.
7 Verdichter
335
7.6 Subsonische Verdichterstufen Subsonische Verdichterstufen wurden im stationären Bereich bis in die 90er-Jahre oftmals mit bekannten Profilfamilien (z. B. NACA 65) ausgelegt, da deren aerodynamisches Verhalten mit einfachen Korrelationen zufrieden stellend genau zu berechnen ist (NACA SP 36). In jüngster Zeit werden jedoch auch für die Unterschallstufen i. d. R. CDA-Profile (Controlled Diffusion Airfoils) mit kontrollierter Verzögerung eingesetzt, da sich hiermit höhere Stufendruckverhältnisse bei guten Wirkungsgraden erzielen lassen. Der Machzahlverlauf eines typischen CDA-Profils ist in Abb. 7-15 dargestellt. Charakteristisches Merkmal von CDA-Profilen ist es, dass zunächst auf der Saugseite die laminare Grenzschicht von der Zuströmmachzahl bis zur maximalen Machzahl beschleunigt wird. Wenn möglich, sollte die maximale Machzahl einen Wert von 0,9 nicht überschreiten, um auch bei ungünstigen Betriebsbedingungen die Schallgeschwindigkeit nicht zu überschreiten. Der Punkt der Maximalmachzahl wird üblicherweise so gewählt, dass er bei der zu erwartenden Reynoldszahl mit dem Punkt des laminar turbulenten Grenzschichtumschlags auf der Saugseite zusammenfällt. Damit ist gewährleistet, dass im Beschleunigungsbereich aufgrund der laminaren Grenzschicht niedrige Profilverluste auftreten. In dem Bereich, in dem die saugseitige Grenzschicht verzögert werden muss, ist jedoch eine turbulente Grenzschicht von Vorteil, da diese eine höhere Stabilität gegenüber Grenzschichtablösung aufweist. Stromab des Machzahlmaximums wird die Strömung zunächst stark verzögert, da hier die Profilgrenzschicht noch dünn und kaum ablösegefährdet ist. Mit zuneh1,0 0,9
Transition laminare Grenzschicht
Machzahl [-]
0,8
kontrollierte Verzögerung
0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,0
0,2
0,4
0,6
Lauflänge [-]
Abb. 7-15 Machzahlverlauf eines CDA-Profils [7.9]
0,8
1,0
336
R. Mönig, U. Waltke
Abb. 7-16 Günstige Profilformen für Flugtriebwerke und stationäre Gasturbinen im Vergleich
mender Grenzschichtdicke und verminderter Grenzschichtstabilität wird die Verzögerung zunehmend reduziert, um Ablösung zu vermeiden. Bei hohen Turbulenzgraden (über 4%) und hohen Profil-Reynoldszahlen (> 106 ), also typischen Verhältnissen bei großen, stationären Gasturbinen, liegt der Transitionspunkt der saugseitigen Grenzschicht bei weniger als 10% der Profilsehnenlänge. Dies bedeutet, dass bei Einsatz üblicher CDA-Profile aus dem Triebwerksbereich mit einem Machzahlmaximum bei etwa 25–30% der Sehnenlänge die Grenzschicht bereits im Beschleunigungsabschnitt turbulent wird und damit unnötig hohe Strömungsverluste erzeugt werden. Aus diesem Grund werden im stationären Gasturbinenbereich in jüngster Zeit auch HPA-Profile (High Performance Airfoils) eingesetzt [7.9], die sich durch extreme Frontbelastung und das Erreichen des Machzahlmaximums bei bereits ca. 8% der Sehnenlänge auszeichnen (Abb. 7-16). Aufgrund der Frontbelastung und des größeren Vorderkanten-Keilwinkels weisen HPA-Profile eine geringere Empfindlichkeit gegenüber einer Variation des Anströmwinkels auf. Daher sind die Profilverluste, insbesondere im Off-DesignBereich, merklich geringer als bei herkömmlichen CDA- oder NACA-Profilen. Obwohl die Profilierung moderner Gasturbinen heute i. d. R. speziell zugeschnitten auf die jeweiligen Anforderungen erfolgt, wird für die Auslegung von Verdichtern oftmals noch auf bewährte Korrelationen zurückgegriffen. Diese sind meist in die industriellen Auslegungsverfahren implementiert und erlauben somit eine schnelle Variation von Auslegungsparametern mit Beurteilung der Auswirkungen auf Betriebsverhalten und Wirkungsgrad. Bei Anwendung von industriellen Auslegungsverfahren (1D-Verfahren und Stromlinienkrümmungsverfahren) werden Verdichterstufen i. d. R. durch folgende Parameter beschrieben: • • • •
Profilform (Kalibrierfaktoren in diversen Korrelationen, empirisch ermittelt), Maximale Profildicke/Sehnenlänge, Teilungsverhältnis (t=s) oder Solidity (s=t), Sehnenlänge,
7 Verdichter
337
• Staffelungswinkel, • Gittereintrittswinkel und Gitteraustrittswinkel (oder Metallumlenkung). In Abhängigkeit der Profilparameter müssen drei wesentliche Größen mit Hilfe von Korrelationen ermittelt werden: • Referenzinzidenz (minimale Profilverluste), • Minderumlenkung in Abhängigkeit von der realen Inzidenz, • Aktuelle Profilverluste in Abhängigkeit von der realen Inzidenz. Bestimmung des Referenz-Inzidenzwinkels Der Referenz-Inzidenzwinkel (d. h. der Winkel, bei dem die geringsten Profilverluste auftreten), kann nach NASA SP 36 [7.8] gegenüber dem Metallwinkel an der Profilvorderkante bestimmt werden zu: iref D i0 C n : i0 : n: :
(7.35)
Referenz-Inzidenzwinkel für ungekrümmte Gitter Slope-Faktor Camber (Metallumlenkung)
Der Referenz-Inzidenzwinkel für ungekrümmte Gitter ergibt sich nach [7.8] zu: i0 D .Ki /sh .Ki /t .i0 /10 : .Ki /sh : .Ki /t : .i0 /10 :
(7.36)
Profilformeinfluss (1,0 für NACA 65) Dickeneinfluss (1,0 für t=c D 0;1) Referenzinzidenz für NACA 65 Profile mit .t=c/max D 0;1
10 σ = 2,0
9
β ⎡ (σ − 0,4) ⎤ (i0 )10 ≅ 1 ⎢1,8 + ⋅ 7,6⎥ 60 ⎣ 1,6 ⎦
8
σ = 1,8 σ = 1,6
( i 0 ) 10
7
σ = 1,4
6
σ = 1,2
5
σ = 1,0
4
σ = 0,8
3
σ = 0,6
2
σ = 0,4
1 0 0
10
20
30
40
50
60
Zuströmwinkel
Abb. 7-17 Referenzinzidenz für NACA-65-Profile mit einer relativen Dicke von 10% nach [7.8]
338
R. Mönig, U. Waltke
Die Referenzinzidenz ergibt sich für NACA 65 Profile mit einer maximalen Profildicke von 10% für Solidities (s=t) von 0,4–2,0 näherungsweise nach Abb. 7-17. Der Slope-Faktor n lässt sich näherungsweise aus dem Diagramm in Abb. 7-18 ermitteln. 0,00 –0,05 –0,10
Slope Faktor (n)
–0,15 σ = 2,0
–0,20
σ = 1,8
–0,25 –0,30
n ( 2, 0) : y n ( 0, 4) : y
–0,35 –0,40
= –6,869E – 07x 3 + 1,224E – 05x 2 – 6,627E – 05x – 1,029E – 02 = –2,399E – 07x 3 – 1,439E – 05x 2 – 3,669E – 03x – 4,977E – 02
σ − 0, 4 ⎞ n(σ ) = n( 0, 4) + ⎛
–0,45
0, 67
⎝ 2, 0 − 0, 4 ⎠
(n( 2, 0) − n( 0, 4) )
σ = 1,6 σ = 1,4 σ = 1,2 σ = 1,0 σ = 0,8 σ = 0,6 σ = 0,4
–0,50 0
10
20
30
40
50
60
70
Zuströmwinkel
Abb. 7-18 Slope-Faktor für NACA-65-Profile nach [7.8]
Korrekturfaktor für Profildicke
1,2
1
0,8
0,6
0,4
0,2 y = 3,3945E + 02x 3 – 1,2614E + 02x 2 + 1,9254E + 01x – 2,2390E – 03 0 0,000
0,020
0,040
0,060 Max. Profildicke
Abb. 7-19 Dickenkorrektur für NACA-65-Profile nach [7.8]
0,080
0,100
0,120
7 Verdichter
339
Der Dickenkorrekturfaktor folgt aus Abb. 7-19. Der Shape-Faktor, der den Einfluss unterschiedlicher Profilformen widerspiegelt, wird i. d. R. empirisch ermittelt. Der Einfluss des Shape-Faktors auf die Konzeption eines Verdichters ist relativ gering, sodass in der Auslegungsphase i. d. R. mit einem Shape-Faktor von 1,0 gearbeitet werden kann. Bestimmung der Minderumlenkung Je nach Gitterteilung, Staffelung und Belastung weicht der Abströmwinkel eines Verdichtergitters von dem Metallwinkel am Gitteraustritt ab. Allerdings zeigt der Abströmwinkel erst bei sehr hohen aerodynamischen Belastungen einen signifikanten Einfluss vom Zuströmwinkel, sodass bei der Auslegung häufig allein geometrische Parameter zur Bestimmung des Gitterabströmwinkels herangezogen werden. Nach [7.8] kann die Minderumlenkung eines Verdichtergitters in Weiterentwicklung der bekannten Carter’s Rule ermittelt werden zu: 0 D Kı Kı Sh .ı0 /10 C ıref
: :
mC : b
(7.37)
Metallumlenkwinkel (Camber) Solidity (Sehnenlänge/Teilung)
Die Minderumlenkung für ein NACA-Profil mit einer relativen Dicke von 10% und ohne Metallumlenkung ergibt sich näherungsweise nach Abb. 7-20.
5,0
δ 0 ( 2, 0) : δ 0 ( 0, 4) :
4,5 4,0
2
3
3,0
σ = 2,0 σ = 1,8
2
y = 1,1869E – 06x + 9,3074E-06x + 8,5198E – 03x + 4,5455E – 04
σ − 0, 4 ⎞ δ 0 (σ ) = δ 0 ( 0, 4) + ⎛ ⎝ 2, 0 − 0, 4 ⎠
3,5
(δ0 ) 10
3
y = 1,8788E – 05x - 8,1558E-04x + 3,2857E – 02x – 2,3939E – 02
σ = 1,6
0, 8
( δ 0 ( 2, 0) − δ 0 ( 0, 4))
σ = 1,4 σ = 1,2 σ = 1,0
2,5 σ = 0,8
2,0 σ = 0,6
1,5 σ = 0,4
1,0 0,5 0,0 0
10
20
30
40
β1 [Grad] Abb. 7-20 Minderumlenkung für ein NACA-65-Profil nach [7.8]
50
60
70
340
R. Mönig, U. Waltke
1,400 1,200 1,000 y = 3,4375E + 01x 2 + 6,5982E+00x + 6,0714E – 03
Kδ
0,800 0,600 0,400 0,200 0,000 0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
0,12
Relative Profildicke d/s
Abb. 7-21 Dickenkorrektur der Minderumlenkung für NACA-65-Profile nach [7.8] 0,400
0,350 y = 2,2727E – 07x 3 + 1,0660E – 05x2 + 1,4643E – 04x + 1,7020E – 01
mC
0,300
0,250
0,200
0,150
0,100 0
10
20
30
40
50
60
70
β1 [Grad] Abb. 7-22 Abhängigkeit des m-Faktors vom Zuströmwinkel bei NACA-65-Profilen nach [7.8]
Die Dickenkorrektur lässt sich aus Abb. 7-21 ermitteln. Der Shape-Faktor ist üblicherweise gleich wie bei der Bestimmung der Referenzinzidenz. Auch hier kann zunächst ein Shape-Faktor von 1,0 angenommen werden. Der Faktor mC folgt näherungsweise aus Abb. 7-22, der Exponent b aus Abb. 7-23.
7 Verdichter
341
1,000
Exponent b
0,900
0,800
0,700 y = – 1,2121E – 06x 3 + 3,3820E – 05x 2 – 2,3750E – 03x + 9,6523E – 01 0,600
0,500 0
10
20
30
40
50
60
70
β1 [Grad] Abb. 7-23 Abhängigkeit des Exponenten b für NACA-65-Profile nach [7.8]
Minimaler Profilverlust Der Referenz-Profilverlustbeiwert ist definiert als Totaldruckverlust im relativen Bezugssystem bezogen auf den dynamischen Druck der Gitterzuströmung pt pt (7.38) ! D 1 2 2 : 2 v1 und lässt sich für den Referenzpunkt und niedrige Machzahlen nach (7.39) [7.8] ermitteln als Funktion der Solidity, des Abströmwinkels und der Diffusionszahl (aerodynamischen Gitterbelastung): !ref D f .M1 / P 2=cos ˇ2 :
(7.39)
Der Verlustparameter P ist für verschiedene Verdichtergitter experimentell ermittelt worden [7.8] und ist in Abb. 7-24 durch eine Näherungsgleichung approximiert. Gleichung (7.39) ist gültig, solange die Zuströmmachzahl unterhalb der kritischen Machzahl bleibt, d. h. solange keine lokalen Überschallgebiete innerhalb der Beschaufelung auftreten. Bei konventionellen Unterschallprofilen (z. B. NACA 65) wird bei Zuströmmachzahlen von etwa 0,7 und bei superkritischen Profilen für Machzahlen über etwa 0,825 ein kritisches Machzahlniveau erreicht. Oberhalb dieser Machzahlen treten zusätzliche Stoßverluste auf, die zu einem drastischen Anstieg der minimalen Profilverluste führen. Nach [7.10] ergeben sich Korrekturfaktoren f .M1 / in Abhängigkeit von der Zuströmmachzahl, die in Abb. 7-25 dargestellt sind. Neben den Profilverlusten sind weitere Verlustquellen in vielstufigen Axialverdichtern v. a. die Wandgrenzschichten, die Sekundärströmungen aufgrund der viskosen Effekte und Spaltströmungsverluste bzw. Leckageverluste bei Leiträdern mit Innendeckband.
342
R. Mönig, U. Waltke
0,030
Verlustparameter P
0,025 y = 1,1111E – 01x 3– 1,6667E – 02x 2 + 9,0079E – 03x + 4,0357E – 03 0,020
0,015
0,010
0,005
0,000 0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
Diffusionszahl
Abb. 7-24 Verlustparameter in Abhängigkeit von der Diffusionszahl nach [7.8] 8 M > 0,70: 7
y = 3,0942E + 03x 4 – 8,8000E + 03x 3 + 9,4311E + 03x 2 – 4,5112E + 03x + 8,1312E + 02
6
ω/ω0
konventionelle Profile 5 4 3 2 1 y = 1,0222E + 03x 2 – 1,6933E + 03x + 7,0217E + 02
M > 0,825:
superkritische Profile
0 0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
Gittereintritts-Machzahl
Abb. 7-25 Minimaler Profilverlust bei Verdichtergittern in Abhängigkeit von der Zuströmmachzahl nach [7.10]
7.7 Konzeption von Gasturbinenverdichtern Bei der Auslegung von Gasturbinenverdichtern existieren neben den Leistungsanforderungen vielfältige Restriktionen, Randbedingungen und Schnittstellen zu anderen Komponenten, sodass der Auslegungsprozess i. d. R. stark limitiert ist.
7 Verdichter
343
500 Gehäuse
Umfangsgeschwindigkeit [m/s]
450 Zukunft
400
G-/H-Klasse F-Klasse
350
E-Klasse
Mittelschnitt
300
250 Nabe 200 1,00
1,10
1,20
1,30
1,40
1,50
1,60
1,70
Außenradius Rotor 1 [m]
Abb. 7-26 Typische Umfangsgeschwindigkeiten am Eintritt von Gasturbinenverdichtern nach [7.5]
Wichtigste Leistungsparameter sind der Ansaugmassenstrom bei Grundlast, das Druckverhältnis bei Grundlast und der Massenstromregelbereich für Teillastbetrieb. Darüber hinaus ist es wichtig, in welchem Frequenzbereich (Drehzahlbereich) und in welchem Temperaturbereich die Gasturbine betrieben werden muss. Eine wichtige Limitierung ist der Nabendurchmesser am Verdichtereintritt, der sich aufgrund des vorderen Lagerdurchmessers der Rotorkonstruktion und der Schaufelbefestigung des mechanisch hoch belasteten ersten Rotors ergibt. Nimmt man diesen für eine 50-Hz-Gasturbine zu etwa 700 mm an, so ergibt sich bei vorgegebener axialer Zuströmmachzahl aus (7.14) bereits ein direkter Zusammenhang zwischen Ansaugmassenstrom, benötigtem Außenradius am Eintritt des ersten Rotors und der Umfangsgeschwindigkeit an der Nabe, im Mittelschnitt und an der Schaufelspitze (Abb. 7-26). Als grober Orientierungsrahmen sind in Abb. 7-26 näherungsweise die Bereiche der Gasturbinenklassen eingetragen. Es ist ersichtlich, dass mit zunehmendem Außenradius sowohl die Schaufelspitzengeschwindigkeit wie auch die mittlere Umfangsgeschwindigkeit linear ansteigen. Dies erscheint zunächst trivial, hat aber wichtige Konsequenzen für das Machzahlniveau, die erreichbaren Stufenwirkungsgrade und v. a. auch für das mechanische Belastungsniveau in der SchaufelScheiben-Verbindung. Eine weitere wichtige Größe sowohl für die Variation der relativen Strömungszustände von Nabe zum Gehäuse in der Beschaufelung wie auch für die resultierende Fliehkraftbeanspruchung ist das Nabenverhältnis RN =RG . Dieses ist, ebenfalls über dem Gehäuseradius, in Abb. 7-27 aufgetragen. Es ist ersichtlich, dass mit zunehmendem Außenradius, also zunehmender technologischer Entwicklung, das Naben-
344
R. Mönig, U. Waltke
0,70
0,65
Nabenverhältnis [-]
E-Klasse 0,60
F-Klasse G-/H-Klasse
0,55
Zukunft
0,50
0,45
0,40 1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
Außenradius Rotor 1 [m]
Abb. 7-27 Typisches Nabenverhältnis am Verdichtereintritt bei verschiedenen Gasturbinenklassen nach [7.5]
verhältnis deutlich abnimmt. Lag dieses bei der E-Klasse noch ungefähr bei 0,6, so liegt dieses bei der G-/H-Klasse bereits um 0,5 und wird zukünftig deutlich unter 0,5 angesiedelt sein. Betrachtet man mit einem einfachen 1D-Ansatz das mittlere Spannungsniveau im Nabenschnitt unter der Annahme konstanter Sehnenlänge von Nabe bis Gehäuse und bei relativen Schaufeldicken von 12% an der Nabe und 2% am Gehäuse, so ergibt sich der in Abb. 7-28 dargestellte Verlauf. Es ist erkennbar, dass bei der G-/H-Generation das Nabenspannungsniveau bereits etwa doppelt so hoch liegt wie bei der E-Klasse. Während die E-Klasse noch häufig mit 1D-Betrachtungen und hohen Sicherheitsfaktoren ausgelegt wurde, so sind heute bereits genauestens validierte 3D-FEM-Methoden notwendig, um ausreichende Sicherheit, auch unter Berücksichtigung extremer Beanspruchungen und dynamischer Spannungsüberlagerungen, zu gewährleisten. Zukünftige Gasturbinengenerationen werden aller Voraussicht nach in den Bereichen angesiedelt sein, die heute noch den Verdichtern von Flugtriebwerken vorbehalten sind. Dort werden im hoch beanspruchten Niederdruckbereich heute fast ausnahmslos integrale BLISK-Bauweisen (Bladed Disks) eingesetzt, da anders das Spannungsniveau nicht mehr zu beherrschen ist. Es ist somit zu erwarten, dass spätestens für die übernächste Gasturbinengeneration eine Technologieänderung erforderlich ist, um die mechanische Integrität gewährleisten zu können. Der Hauptgrund für die kontinuierliche Steigerung des Gehäusedurchmessers liegt in der angestrebten Leistungserhöhung, wie in Abb. 7-29 dargestellt. Während die E-Klasse – selbst mit den nachträglich entwickelten Verdichterupgrades – im Bereich zwischen 500 und 600 kg=s angesiedelt ist, werden bei der
7 Verdichter
345
3,00 2,80 2,60 Nabenspannungsniveau [-]
Zukunft
Annahmen: - Sehnenlänge konstant von Nabe zum Gehäuse - (d max /s) Nabe = 0,12 - (d max /s) Gehäuse = 0,02
2,40
G-/H-Klasse
2,20 2,00
F-Klasse
1,80 E-Klasse 1,60 1,40 1,20 1,00 1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
Außenradius Rotor 1 [m]
Abb. 7-28 Anstieg des statischen Nabenspannungsniveaus der Frontstufe von Gasturbinenverdichtern in Abhängigkeit des Außenradius nach [7.5] 1200
Ansaugmassenstrom [kg/s]
1100 1000 Zukunft 900 G-/H-Klasse 800 700
F-Klasse
600 E-Klasse 500 400 1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
Außenradius Rotor 1 [m]
Abb. 7-29 Typischer Zusammenhang von Ansaugmassenstrom und Verdichtereintrittsradius für verschiedene Gasturbinenklassen nach [7.5]
F-Klasse bereits Ansaugmassenströme zwischen 600 und 750 kg=s erreicht. Für die G-/H-Klasse sind Massenströme im Bereich von 800–900 kg=s zu erwarten. Die nachfolgende Generation dürfte sich im Bereich des heute technologisch Machbaren und somit bei Massenströmen zwischen 900 und 1100 kg=s bewegen.
346
R. Mönig, U. Waltke
3,00 2,90 Reheat F-Klasse
Temperaturverhältnis [-]
2,80 2,70 2,60 Zukunft 2,50 2,40 G-/H-Klasse 2,30 F-Klasse 2,20
ηtp = 0,92 κ = 1,4
2,10 E-Klasse 2,00 10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
Verdichterdruckverhältnis [-]
Abb. 7-30 Temperaturverhältnis und Verdichterdruckverhältnis für verschiedene Gasturbinenklassen nach [7.5]
Neben dem Ansaugmassenstrom ist das Verdichterdruckverhältnis eine weitere wichtige Randbedingung für die Verdichterkonzeption einer Gasturbine. Das optimale Druckverhältnis ist stark abhängig vom thermodynamischen Prozess, insbesondere von der Turbineneintrittstemperatur und dem Kühlluftverbrauch. Das Verdichterdruckverhältnis ist bei Gasturbinen mit klassischem Joule-Prozess von anfänglich etwa 10:1 bis auf nahezu 20:1 bei den jüngsten Gasturbinenprodukten angestiegen. Nimmt man einen etwa konstanten polytropen Wirkungsgrad von 0,92 für die Verdichterbeschaufelung an, so lässt sich mit (7.6) aus dem Druckverhältnis auch die Totaltemperaturerhöhung der Beschaufelung näherungsweise ermitteln (Abb. 7-26). Da der Isentropenexponent mit Druck und Temperatur variiert, ist diese Betrachtung nur überschlägig, aber für den hier verfolgten Zweck hinreichend genau. Es ist offensichtlich, dass die Verdichterdruckverhältnisse aufgrund der steigenden Prozesstemperaturen stetig angehoben wurden und dieser Trend auch weiterhin anhalten wird. Es stellt sich somit die Frage, welche Konsequenzen dies für die Verdichtertechnologie und die notwendige Stufenzahl hat. Zur Beantwortung dieser Frage leistet die Totalenthalpiekenngröße einer Verdichterstufe (7.8) eine wertvolle Hilfe. Für eine gegebene Technologie ist die Totalenthalpiekenngröße konstant, d. h. das Stufentemperaturverhältnis hängt nur noch von der zur Verfügung stehenden mittleren Umfangsgeschwindigkeit der jeweiligen Stufe ab. Nimmt man weiterhin an, dass der polytrope Stufenwirkungsgrad ebenfalls konstant bleibt, so ist damit auch das Stufendruckverhältnis gegeben. Für Vergleichszwecke ist es zunächst sinnvoll, die Totalenthalpiekenngröße der Verdichterstufen nicht mit der jeweiligen mittleren Umfangsgeschwindigkeit zu bil-
7 Verdichter
347
18 Verdichter-Druckverhältnis (50-Hz-Gasturbinen)
17 Anzahl der Verdichterstufen [-]
14 16 18
- Max-ein = 0,50 = 0,92 - ηt-p
12
15
16
22
14
20
14 10 13
26
18
24 12
22
11
ψ St = 0,55 F-Klasse
ψ St = 0,50 E-Klasse
ψ St = 0,60 G-/H-Klasse
ψ St = 0,65 Zukunft
10 400
500
600
700
800
900
1000
1100
1200
Ansaugmassenstrom [kg/s]
Abb. 7-31 Typische Stufenzahlen von verschiedenen Gasturbineklassen nach [7.5]
den, sondern mit der mittleren Umfangsgeschwindigkeit der ersten Stufe. Diese ist nach den obigen Betrachtungen für die vorgegebenen Zuströmbedingungen und den Massenstrom bereits bekannt (vgl. Abb. 7-26). Mit der bekannten Totaltemperaturerhöhung (Abb. 7-30), einer daraus resultierenden Totalenthalpiekenngröße des Gesamtverdichters und einer mittleren, technologieabhängigen Stufenenthalpiekenngröße, bezogen auf die mittlere Umfangsgeschwindigkeit am Verdichtereintritt, lässt sich dann einfach die erforderliche Stufenzahl ermitteln: nV D 2
ht V =u2m1
:
(7.40)
h t Stufe
Nach dieser Vorgehensweise ist in Abb. 7-31 die Verdichterstufenzahl über dem Ansaugmassenstrom für die existierenden Gasturbinenklassen aufgetragen. Es ist erkennbar, dass die steigende mittlere Umfangsgeschwindigkeit einerseits und die technologische Entwicklung (Anstieg der mittleren Stufenenthalpiekenngröße) andererseits dazu geführt haben, dass trotz steigender Verdichterdruckverhältnisse die Anzahl der Verdichterstufen mit fortschreitender Entwicklung tendenziell abgenommen hat. Gasturbinen der G-/H-Klasse kommen bei Druckverhältnissen um 20 mit nur noch 13–14 Stufen aus, in der nachfolgenden Generation wird voraussichtlich ein Verdichterdruckverhältnis von deutlich über 20 mit nur noch 12– 13 Stufen realisierbar sein. Wie schon oben diskutiert, soll ein Gasturbinenverdichter einen großen Betriebsbereich ermöglichen. Um dies zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass bereits in der Auslegungsphase die kritischen Betriebspunkte der Gasturbine und die jeweils maßgeblichen Limitierungen berücksichtigt werden. Dazu ist das Verständnis des Betriebsverhaltens von vielstufigen Axialverdichtern zwingend erforderlich.
348
R. Mönig, U. Waltke
Drosselung bei 100% Drehzahl und 100% Massenstrom In Abb. 7-32 ist ein typisches Kennfeld eines modernen Gasturbinenverdichters exemplarisch dargestellt. Es ist ersichtlich, dass die Drehzahllinie für eine reduzierte Drehzahl von 100% nahezu senkrecht verläuft, d. h. der Ansaugmassenstrom ist nahezu unabhängig vom Druckverhältnis des Verdichters. Offensichtlich werden also die Strömungsverhältnisse in den vorderen Verdichterstufen bei hoher Drehzahl kaum von Variationen des Druckverhältnisses beeinflusst. Die genaueren Gründe hierfür werden später diskutiert. An dieser Stelle soll zunächst die Auswirkung auf die hinteren Verdichterstufen diskutiert werden. Aus der Massenstrombeziehung m P D cm Am :
(7.41)
folgt unmittelbar, dass bei konstantem Massenstrom und konstantem Strömungsquerschnitt eine direkte Abhängigkeit zwischen der Dichte und der Meridiangeschwindigkeit cm besteht. Unter der Annahme, dass der Verdichterwirkungsgrad näherungsweise konstant bleibt, lässt sich daraus ableiten, dass für den Grundlastpunkt A und den pumpgrenznahen Punkt B gilt: 'B m PB 'A m PA
A B
V/ 1.1 V
.V konst./ :
(7.42)
Hierbei ist ' die Durchflusskenngröße am Verdichteraustritt nach (7.7). Mit konstantem Massenstrom und der Definition des Pumpgrenzabstands nach (7.16) ergibt
1,40 90–100% Drehzahl 100% Massenstrom
1,30
Totaldruckverhältnis
1,20 1,10
90–110% Drehzahl 70% Massenstrom
1,00 0,90 0,80 0,70 0,60 90% 0,50 0,60
0,65
90%
110% 0,70
0,75
0,80
0,85
95% 0,90
Reduzierter Massenstrom
Abb. 7-32 Typisches Kennfeld eines modernen Gasturbinenverdichters
0,95
100% 1,00
1,05
7 Verdichter
349
sich: 'B 'A
V/ 1.1
1
V
˘AB C 1
:
(7.43)
Dieser Zusammenhang ist in Abb. 7-33 für einen Beschaufelungswirkungsgrad von 0,92 grafisch dargestellt. Es ist ersichtlich, dass die letzte Verdichterstufe bei einem Pumpgrenzabstand von 15% eine Variation der Durchflusskenngröße von 9% verkraften muss, während die Variation der Durchflusskenngröße bei 30% Pumpgrenzabstand bereits etwa 17% betragen muss. Somit ist für die hinteren Verdichterstufen offensichtlich entscheidend, dass sie problemlos größere Variationen der Durchflusskenngröße (und somit der axialen Strömungsgeschwindigkeit) vertragen müssen, ohne die Stallgrenze zu erreichen. In Abb. 7-34 ist eine Axialverdichterstufe mit dem dazu gehörigen Geschwindigkeitsdreieck dargestellt.
Variation der Durchflusskenngröße am Verdichteraustritt [%]
100
95
90
85
80
75
70 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Pumpgrenzabstand [%]
Abb. 7-33 Variation der Durchflusskenngröße am Verdichteraustritt in Abhängigkeit vom Pumpgrenzabstand nach [7.5] w1
c1 c2
w2
β2
a1 a2
1
2
3
u2
Abb. 7-34 Typische Axialverdichterstufe mit zugehörigem Geschwindigkeitsdreieck.
β1
u1
350
R. Mönig, U. Waltke
ψh ψy
2
ψ
h
Strömungsverluste
ψy Auslegungspunkt
tan β 2 +
1 ϕ 1 u1 ϕ 2 u2
φ tan α 1
Abb. 7-35 Abhängigkeit der Druckkennziffer von der Durchflusskenngröße nach [7.5]
Der Einfachheit halber soll angenommen werden, dass die Absolutgeschwindigkeit und der absolute Strömungswinkel am Stufenein- und -austritt gleich sind („Repetierstufe“). Setzt man die Eulersche Turbinengleichung (7.4) in die Definition der Enthalpiekenngröße (7.8) ein, so folgt daraus mit den Winkelbeziehungen: ht
D
h
'1 u1 D 2 1 '2 tan ˇ2 C tan ˛1 : '2 u2
(7.44)
Mit y
D V
h
:
(7.45)
ergibt sich für eine Axialverdichterstufe der in Abb. 7-35 dargestellte Zusammenhang. Nach den Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt sollte also die Stufenkennlinie für hintere Verdichterstufen eine große '-Variation ermöglichen. Abbildung 7-36 zeigt die Charakteristiken einer ungünstigen und einer günstigen Hochdruckverdichterstufe. Somit folgt aus (7.44) und Abb. 7-35, dass kleine Strömungswinkel ˛1 (D ˛3 für Repetierstufe) und ˇ2 zur Axialrichtung günstig für das Betriebsverhalten von Hochdruckverdichterstufen sind. Die ersten Verdichterstufen sind bei modernen Gasturbinen transsonisch, d. h. sie haben eine fast senkrechte Kennlinie. Der Massenstrom und die Durchflusskenngröße ändern sich daher nur marginal bei einer Änderung des Verdichterdruckverhältnisses.
7 Verdichter Abb. 7-36 Ungünstige (links) und günstige (rechts) Charakteristik einer Verdichterendstufe nach [7.5]
351 ψh ψy 2
ψh ψy 2
ψh
ψh
ψy
ψy Δφ zul
φ
Δφ zul
φ
Betriebsverhalten bei niedrigen Drehzahlen und 100% Massenstrom Wenn die reduzierte Drehzahl in einem Gasturbinenverdichter entweder durch Unterfrequenz oder durch erhöhte Umgebungstemperaturen abfällt, so ändert sich dadurch die Stufenbelastung im gesamten Verdichter. Dies lässt sich sehr einfach dadurch erklären, dass bei reduzierter Drehzahl und zunächst als konstant angenommener Enthalpiekenngröße die Enthalpieerhöhung pro Stufe und damit auch das Stufendruckverhältnis absinken. Somit sinkt von Stufe zu Stufe die Dichte der Strömung gegenüber dem Auslegungszustand. Die Folge ist, dass das Axialgeschwindigkeitsniveau und die Durchflusskenngröße im Verdichter von vorn nach hinten ansteigen. Nach Abb. 7-35 führen höhere Durchflusskennziffern zu kleineren Enthalpiekenngrößen und kleineren Stufendruckverhältnissen, wodurch die hinteren Stufen entlastet werden. Um das geforderte Verdichterdruckverhältnis trotzdem zu erreichen, muss sich der Ansaugmassenstrom reduzieren, sodass die vorderen Stufen bei kleineren Durchflusskenngrößen arbeiten und somit das Defizit der hinteren Stufen kompensieren. Die vorderen Stufen werden bei Unterdrehzahl somit höher belastet, die hinteren Stufen werden entlastet. Auch hierbei wirkt sich eine flache Charakteristik der hinteren Stufen (geringe Enthalpieänderung mit Änderung der Durchflusskenngröße) günstig aus, da sich der Abfall des Stufendruckverhältnisses in den Hochdruckstufen in Grenzen hält. Somit muss der Ansaugmassenstrom weniger stark zurückgehen, und die vorderen Stufen werden weniger zusätzlich belastet. Betriebsverhalten bei reduziertem Massenstrom Wie eingangs erwähnt, sind moderne Gasturbinenverdichter mit einer Leitschaufelverstellung zur Massenstrom- und Leistungsregelung ausgestattet. Bei Leitschaufelverstellung wird in einer Vorleitschaufelreihe Mitdrall erzeugt, d. h. die Absolutströmung wird in Drehrichtung des Verdichters umgelenkt. Hierdurch reduzieren sich die relative Zuströmgeschwindigkeit, der Enthalpieaufbau und das Druckverhältnis der ersten Stufe. Durch das geringere Stufendruckverhältnis sinkt die Dichte stromab der Stufe, und die Axialgeschwindigkeit ist gegenüber dem Auslegungspunkt deutlich erhöht. Dadurch arbeiten auch die folgenden Stufen bei höheren Durchflusskenngrößen und reduzierten Druckverhältnissen. Um das geforderte Verdichterdruckverhältnis zu erreichen, reduziert sich der Ansaugmassenstrom soweit, dass in den mittleren und hinteren Stufen das Defizit der
352
R. Mönig, U. Waltke
Frontstufen kompensiert wird. Aufgrund des niedrigen Massenstroms arbeiten die hinteren Verdichterstufen bei geringen Durchflusskenngrößen und sind somit aerodynamisch hoch belastet.
7.8 Auslegung und Betriebsverhalten von Gasturbinenverdichtern Wie in Abschn. 7.7 ausgeführt, sind in Abhängigkeit vom Betriebspunkt unterschiedliche Stufen kritisch. Im Auslegungsprozess eines Gasturbinenverdichters kommt es somit darauf an, einen möglichst guten Kompromiss in der Stufenabstimmung zu finden, sodass alle geforderten Betriebspunkte ohne Einschränkungen gefahren werden können und darüber hinaus alle geforderten Leistungsdaten erreicht werden. In diesem Abschnitt sollen daher exemplarisch die Mittelschnittauslegung eines modernen Gasturbinenverdichters aufgrund der zuvor erläuterten Zusammenhänge und der Einfluss der Auslegungsphilosophie auf das Betriebsverhalten in kritischen Betriebspunkten diskutiert werden. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um ein rein theoretisches Beispiel handelt und keinerlei Ähnlichkeiten zu ausgeführten Produkten existieren. Randbedingungen Für eine moderne Gasturbine der G-/H-Klasse soll ein Ansaugmassenstrom von 820 kg=s bei einem Grundlast-Druckverhältnis von 20:1 erreicht werden. Nach Abb. 7-31 sind dazu 13 oder 14 Verdichterstufen erforderlich. Wenn ein Verdichter so konzipiert wird, dass in allen Stufen der Auslegungspunkt nahe des Referenz-Inzidenzwinkels (minimale Strömungsverluste) positioniert wird (DP in Abb. 7-37), so stellt man bei der Analyse des Betriebsverhaltens sehr schnell fest, dass damit zwar ein sehr guter Wirkungsgrad erreicht wird, aber keine Chance besteht, bei 100% Massenstrom (d. h. voll geöffneten Leitschaufeln) 89% reduzierte Drehzahl zu erreichen. In der Regel wird zwischen 90 und 95% der reduzierten Drehzahl die Pumpgrenze erreicht (Abb. 7-37). Das Kennfeld zeigt, dass trotz eines exorbitanten Pumpgrenzabstands von ca. 50% bei 100% Massenstrom und Nenndrehzahl knapp unter 95% reduzierter Drehzahl die Pumpgrenze die Fahrlinie schneidet. Bei 70% Massenstrom wird ebenfalls ein sehr üppiger Pumpgrenzabstand von mehr als 40% bei hohen reduzierten Drehzahlen erreicht. Selbst bei geschlossenen Vorleitschaufeln (70% Massenstrom) ist es aber nicht möglich, den Verdichter bei 90% reduzierter Drehzahl zu betreiben. Der Grund für dieses sehr ungünstige Betriebsverhalten wird aus Abb. 7-38 deutlich. Obwohl der Verdichter für eine nahezu konstante Diffusionszahl ausgelegt wurde (DP), ergibt sich auf der Fahrlinie eine starke Entlastung der hinteren Stufen (Abb. 7-38a). Bei Annäherung an die Pumpgrenze und hohen Drehzahlen (Abb. 7-38b) werden die hinteren Stufen zwar bis an ihre Grenze belastet, bei Unterdrehzahlen tragen sie jedoch kaum zum Druckaufbau bei. Dies ist bedingt durch die hohen Durchflusszahlen (Abb. 7-38c), die zu einer negativen An-
7 Verdichter
353
1,60 95–100% Drehzahl 100% Massenstrom
1,50 1,40 Totaldruckverhältnis
1,30 1,20
DP 91–110% Drehzahl 70% Massenstrom
1,10 1,00 0,90 0,80 0,70 100%
0,60 91% 0,50 0,60
0,65
95%
95%
110% 0,70
0,75
0,80
0,85
0,90
100% 0,95
1,00
1,05
Reduzierter Massenstrom
Abb. 7-37 Typisches Kennfeld eines auf Grundlastbedingungen ausgelegten Verdichters
strömung der einzelnen Gitter führen, sodass der statische Druckaufbau sehr stark abfällt (Abb. 7-43d). Daraus folgt, dass bei Unterdrehzahl der Massendurchsatz sehr stark zurückgeht, um das Defizit der hinteren Stufen durch entsprechend höhere Belastung der Frontstufen zu kompensieren. Offensichtlich ist es also besonders wichtig, dass auch bei Drehzahlabsenkung die Durchflusskenngröße in den hinteren Stufen moderat bleibt und auch diese Stufen noch in nennenswertem Maß zum gesamten Druckaufbau beitragen. Ein übermäßig großer Pumpgrenzabstand bei hohen Drehzahlen wird ebenfalls nicht benötigt, sodass ein Pumpgrenzverlauf anzustreben ist, der näherungsweise parallel zur Fahrlinie verläuft. Um dies zu erreichen, soll eine Auslegung für 95% reduzierte Drehzahl und 100% Massenstrom durchgeführt werden. Die Analyse des damit erzielten Betriebsverhaltens soll dann zeigen, worauf bei einer Auslegung für Nenndrehzahl zu achten ist, um ein adäquates Betriebsverhalten zu erzielen. Die Auslegungsparameter für 95% Drehzahl sind in Abb. 7-39 dargestellt. Um einen erhöhten Druckaufbau der hinteren Verdichterstufen zu erzwingen, wurde ab Stufe 8 die Inzidenz (Fehlanströmung gegenüber dem Referenz-Inzidenzwinkel) linear bis auf etwa 1,6ı gesteigert und in den letzten beiden Stufen konstant gehalten. Staffelungs- und Umlenkwinkel wurden so gewählt, dass die Diffusionszahl in allen Gitterreihen etwa konstant bei 0,5 – und damit vergleichsweise hoch – liegt. Die Durchflusskenngröße fällt von etwa 0,48 am Verdichtereintritt auf etwa 0,42 im mittleren und hinteren Verdichterbereich ab. Es ist erkennbar, dass mit diesen Vorgaben auch in den hinteren Gitterreihen noch ein statisches Druckverhältnis von etwa 1,08 erreicht wird.
354
R. Mönig, U. Waltke
0,45
0,70
Stat. Gitterdruckverhältnis
1,30
0,55
0,50
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 9
Rotor 10
Rotor 8
Rotor 7
Auslegung 100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 70% Massenstrom – 110% Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 91% Drehzahl
1,35
0,60
Rotor 6
b 1,40
Auslegung 100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 70% Massenstrom – 110% Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 91% Drehzahl
0,65
Rotor 1
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 10
Rotor 9
Rotor 8
Rotor 7
Rotor 6
Rotor 5
0,30 Rotor 4
0,30 Rotor 2
0,35
Rotor 3
0,35
Rotor 5
0,40
Rotor 4
0,40
0,50
Rotor 3
Diffusionzahl Pumpgrenze
0,45
a
100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 70% Massenstrom – 110 % Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 91% Drehzahl
0,55
0,50
Rotor 1
Diffusionzahl Arbeitslinie
0,55
Durchflusskenngröße
0,60
Auslegung 100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 70% Massenstrom – 110 % Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 91% Drehzahl
Rotor 2
0,60
1,25 1,20 1,15 1,10
0,45 1,05
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 10
Rotor 9
Rotor 8
Rotor 7
Rotor 6
Rotor 5
Rotor 4
Rotor 3
Rotor 2
d
Rotor 1
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 9
Rotor 8
Rotor 7
Rotor 6
Rotor 5
Rotor 4
Rotor 3
Rotor 1
Rotor 2
c
Rotor 10
1,00
0,40
Abb. 7-38 Diffusionszahlen auf der Arbeitslinie und an der Pumpgrenze (a,b). Durchflusskenngröße und statisches Stufendruckverhältnis in Abhängigkeit vom Betriebspunkt (c,d)
Das Kennfeld für diese Auslegung ist in Abb. 7-40 dargestellt. Aufgrund der gewählten hohen Belastung, liegt der Designpunkt DP auf der Drehzahllinie von 95% nahe an der Pumpgrenze. Der Pumpgrenzabstand ist mit mehr als 20% ausreichend groß. Es ist erkennbar, dass bei 100% Massenstrom und Nenndrehzahl nun nur noch ein Pumpgrenzabstand von etwa 25% erreicht wird. Dies ist bedingt durch die positive Inzidenz und die daraus resultierende erhöhte Belastung der hinteren Stufen. Allerdings verläuft nunmehr die Pumpgrenze, wie beabsichtigt, bei höheren Drehzahlen nahezu parallel zur Fahrlinie und fällt erst bei deutlicher Unterdrehzahl (90%) auf knapp 10% ab. Auch bei 70% Massenstrom wird nunmehr für Drehzah-
7 Verdichter
355
1,80 Inzidenz im Auslegungspunkt Diffusionszahl Durchflusskenngröße Gitterdruckverhältnis
1,60 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 10
Rotor 9
Rotor 8
Rotor 7
Rotor 6
Rotor 5
Rotor 4
Rotor 3
Rotor 2
Rotor 1
0,00
Abb. 7-39 Auslegungsbeispiel zur Erzielung eines günstigen Teillastverhaltens 1,40 90–100% Drehzahl 100% Massenstrom
1,30
Totaldruckverhältnis
1,20 1,10
90–110% Drehzahl 70% Massenstrom
DP
1,00 0,90 0,80 0,70 0,60 90% 0,50 0,60
0,65
100%
110%
0,70
0,75
90% 0,80
0,85
95% 0,90
0,95
100% 1,00
1,05
Reduzierter Massenstrom
Abb. 7-40 Kennfeld eines für gutes Betriebsverhalten ausgelegten Gasturbinenverdichters
len zwischen 90 und 110% ein ausreichend großer Pumpgrenzabstand von ca. 15% erreicht. Die Gründe für dieses sehr viel günstigere Betriebsverhalten werden aus Abb. 7-41 deutlich. Zunächst ist aus Abb. 7-41a erkennbar, dass die Auslegung in
R. Mönig, U. Waltke 0,60
0,55
0,55
0,50
0,50
0,60
1,40
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 10
Rotor 11
Rotor 9
Rotor 8
1,20 1,15 1,10 1,05
Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 10
Rotor 9
Rotor 8
Rotor 7
Rotor 6
Rotor 4
Rotor 5
Rotor 3
d
Rotor 2
1,00 Rotor 13
Rotor 12
Rotor 11
Rotor 10
Rotor 8
Rotor 9
Rotor 7
Rotor 6
Rotor 3
Rotor 2
Rotor 1
0,30
Rotor 5
Auslegung 100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 100% Massenstrom – 90% Drehzahl 70% Massenstrom – 110% Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 90% Drehzahl
1,25
Rotor 1
0,40
0,35
c
Stat. Gitterdruckverhältnis
0,45
Rotor 4
Durchflusskenngröße
1,30 0,50
Rotor 7
Auslegung 100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 100% Massenstrom – 90% Drehzahl 70% Massenstrom – 110% Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 90% Drehzahl
1,35
0,55
Rotor 6
b
Rotor 2
0,30 Rotor 3
Rotor 12
100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 100% Massenstrom – 90% Drehzahl 70% Massenstrom – 110% Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 90% Drehzahl
0,35
Rotor 13
Rotor 11
Rotor 10
Rotor 8
Rotor 9
Rotor 6
Rotor 7
Rotor 5
Rotor 1
Rotor 2
0,30
Rotor 3
0,35
a
0,40
Auslegung 100% Massenstrom – 100% Drehzahl 100% Massenstrom – 95% Drehzahl 100% Massenstrom – 90% Drehzahl 70% Massenstrom – 110 % Drehzahl 70% Massenstrom – 100% Drehzahl 70% Massenstrom – 90% Drehzahl
Rotor 1
0,40
0,45
Rotor 4
0,45
Rotor 5
Diffusionzahl
0,60
Rotor 4
Diffusionzahl
356
Abb. 7-41 Diffusionszahl auf der Arbeitslinie und an der Pumpgrenze für eine günstige Verdichterauslegung (a,b). Durchflusskenngröße und statisches Stufendruckverhältnis in verschiedenen Betriebspunkten für eine günstige Verdichterauslegung (c,d)
der Nähe der Pumpgrenze dazu führt, dass die Belastung der mittleren und hinteren Stufen in diesem Auslegungspunkt gleichmäßig auf einem hohen Niveau erfolgt. Auf der Fahrlinie sind die hinteren Verdichterstufen immer leicht entlastet, fallen aber nicht unter eine Diffusionszahl von 0,4 ab. Bei Annäherung an die Pumpgrenze für 100% Massenstrom arbeiten die hinteren Stufen sowohl bei 95% wie auch bei 100% Drehzahl nahe ihrer Arbeitsbereichsgrenze. Lediglich bei 90% Drehzahl fällt die Belastung in den hinteren Stufen ab, liegt aber auch in der letzten Stufe noch bei einer Diffusionszahl von etwa 0,45.
7 Verdichter
357
Bei 70% Massenstrom sind die vorderen Stufen im hohen Drehzahlbereich in Pumpgrenznähe deutlich entlastet, die hinteren Stufen erreichen dagegen das Belastungslimit und sind somit pumpgrenzbestimmend. Bei 90% Drehzahl wird hingegen ein gleichmäßig hohes Belastungsniveau in allen Stufen erzielt, sodass auch hier die Pumpgrenze etwa parallel zur Fahrlinie verläuft. Wie Abb. 7-41c zeigt, kann mit einer solchen Auslegung ein starker Anstieg der Durchflusskenngröße auch bei Unterdrehzahl vermieden werden, sodass in allen Betriebspunkten noch alle Stufen merklich zum Druckaufbau beitragen. Für eine Auslegung bei ISO-Grundlastbedingungen (Fahrlinie) sind folgende Bedingungen im Hinblick auf ein gutes Teillastverhalten günstig: • Leicht negative Inzidenz von etwa 1;5ı bis 3ı gegenüber dem ReferenzInzidenzwinkel. • Etwa konstante Durchflusskenngröße im mittleren und hinteren Verdichterbereich. Im vorderen Verdichterbereich kann ein leichter Abfall in Strömungsrichtung günstig sein, um bei vorgegebenem Eintrittsquerschnitt einen hohen Massendurchsatz zu erzielen und bei Unterdrehzahl eine Überlastung der Frontstufen und eine Entlastung der mittleren Stufen zu verhindern. • Trotz leicht negativer Inzidenz sollten die Strömungsumlenkungen so gewählt werden, dass die Gitterdruckverhältnisse ausreichend groß werden und ein adäquater Pumpgrenzabstand erzielt wird.
7.9 Betrieb von Gasturbinenverdichtern 7.9.1 An- und Abfahren von vielstufigen Axialverdichtern Die Querschnittsfläche des beschaufelten Strömungskanals nimmt in Axialverdichtern in den hinteren Stufen ab, um trotz des Anstiegs der Dichte eine konstante Durchtrittsgeschwindigkeit durch die Schaufelgitter und damit im Auslegungspunkt ähnliche Geschwindigkeitsdreiecke in allen Stufen zu erreichen. Bei geringer Drehzahl, also während des Anfahrens und des Abstellens der Gasturbine, ist jedoch die Energiezufuhr zur angesaugten Luft gering. Daraus resultieren kleinere Stufendruckverhältnisse und damit eine verringerte Dichtezunahme der Luft beim Durchtritt durch die Beschaufelung. Das verringerte Verhältnis der Luftdichten im Stufenein- und -austritt bewirkt, dass die Kanalkontraktion, die ja an das Auslegungsdichteverhältnis angepasst ist, nicht dem tatsächlich vorliegenden Dichteverhältnis entspricht. Für die weitere Diskussion sei angenommen, dass in der ersten Stufe die Auslegungsdurchsatzzahl erreicht wird. Damit ergeben sich in etwa die in der Auslegung angenommenen Strömungswinkel, d. h., das Geschwindigkeitsdreieck wäre dem Auslegungsgeschwindigkeitsdreieck geometrisch ähnlich, allerdings bei kleinerer Umfangsgeschwindigkeit. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich aber ein mit dem Quadrat des Geschwindigkeitsverhältnisses skalierter Arbeitsumsatz. Die erste Stufe würde also z. B. bei 50% der Auslegungsdrehzahl nur 25% des in der Auslegung vorgesehenen Arbeitsumsatzes erbringen (vgl. Eulersche Gleichung,
358 Abb. 7-42 Stufencharakteristiken bei Leitschaufelverstellung
R. Mönig, U. Waltke
ψy
c
b
a
ϕ
(7.4)). Dementsprechend verringern sich das Druck- und damit auch das Dichteverhältnis der Stufe. Für die zweite Stufe bedeutet dies, dass sie bereits bei einer über dem Auslegungswert liegenden Durchsatzzahl betrieben wird. Aus der Stufencharakteristik ergibt sich, dass mit steigender Durchsatzzahl ' die Enthalpieziffer h und die Druckziffer y abnehmen. Damit liegt das Dichteverhältnis der zweiten Stufe noch weiter unter dem Auslegungswert, als es bereits für die erste Stufe der Fall ist. Dieser Effekt verstärkt sich in den weiteren Stufen sehr schnell, sodass die hinteren Stufen keine Leistung mehr zuführen, sondern als Turbinenstufen betrieben werden. Unter diesen Voraussetzungen wird sich also kein stabiler Betriebspunkt einstellen können, da ja in jedem Fall das von der Turbinencharakteristik geforderte Verdichterdruckverhältnis erreicht werden muss. Bei mittleren Drehzahlen kann darüber hinaus der Fall eintreten, dass in der letzten Stufe die Sperrmachzahl erreicht wird (vgl. Abb. 7-44). In diesem Fall kann auch durch Absenken des Verdichteraustrittsdrucks kein stabiler Betriebspunkt erreicht werden, da der Verdichtereintrittsmassenstrom nicht ansteigt und damit der Betriebspunkt der vorderen Stufen auf diese Weise nicht in den stabilen Teil der Stufencharakteristik verschoben werden kann. Die Verschiebung der Stufenbelastung geht bei den heute in Gasturbinen üblichen Druckverhältnissen so weit, dass die vorderen Stufen während des Anfahrens aerodynamisch überlastet werden, wenn nicht entsprechende Anfahrhilfen vorgesehen werden. Der Zweck dieser Anfahrhilfen ist es, entweder durch Geometrievariation die Stufencharakteristik an die beim Starten vorherrschenden Betriebsbedingungen anzupassen oder durch Abblasen von Luft aus entsprechenden Entnahmestellen die Luftmenge und damit die Durchtrittsgeschwindigkeit in den hinteren Stufen zu reduzieren. Die Geometrievariation wird durch Verstellen der Leitschaufeln in den vorderen Verdichterstufen realisiert. Hierdurch wird die Charakteristik dieser Stufen zu kleineren Durchsatzzahlen hin verschoben, und sie bleiben so stabil. Die Wirkungsweise der Leitschaufelverstellung ist in Abb. 7-42 veranschaulicht. Die Kennlinie der
7 Verdichter
359
Abb. 7-43 Stufenbelastung beim Anfahren in einem Verdichter mit zwei Abblasestellen (schematisch)
ψy ψ y, max ψ y, a
Stufe
unverstellten Stufe ist mit a bezeichnet. Durch das Schließen der stromauf liegenden Leitreihe verringert sich der Zuströmwinkel zur Laufreihe und damit für eine gegebene Durchsatzzahl die aerodynamische Arbeit sowie die Druckziffer. Die Charakteristik verschiebt sich in Richtung kleinerer Durchsatzzahlen. Für die Stufe mit geschlossener (Vor-)Leitreihe gilt also die Kennlinie b. Die Stufe erreicht in beiden Fällen in etwa dieselbe maximale Druckziffer, aber im Fall b bei kleinerer Durchsatzzahl. Bei einer angenommenen Gegendrucklinie c ergibt sich im Fall b noch ein stabiler Arbeitspunkt. Bei der unverstellten Stufe würde die Stabilitätsgrenze aber bereits überschritten. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Verschiebung der Stufencharakteristik jeweils durch das Verstellen der Leitreihe, die vor dem betreffenden Rotor liegt, erreicht wird, da der Abströmwinkel dieser Reihe den Arbeitsumsatz im darauf folgenden Rotor bestimmt. Durch das Abblasen wird die aerodynamische Belastung der Stufen nach den Abblasestellen erhöht, da durch die Reduktion des Volumenstroms die Durchsatzzahl dieser Stufen sinkt und sich damit entsprechend der Stufencharakteristik die Druckziffer erhöht. Sie können so zum Druckaufbau im Verdichter beitragen und die vorderen Stufen entlasten. Die Menge der abzublasenden Luft richtet sich dabei nach dem Auslegungsdruckverhältnis, der Anzahl verstellbarer Leitreihen und der momentanen Drehzahl. Je nach Gasturbinentyp werden einfache Auf-/Zu-Ventile oder regelbare Ventile verwendet. Die Abblasung kann direkt über einen Schalldämpfer in die Umgebung oder über Rohrleitungen in das Abgassystem erfolgen. Abbildung 7-43 zeigt schematisch die Verhältnisse in einem Verdichter mit zwei Abblasestellen. Dargestellt ist die Variation der Stufendruckziffer y . Der Index „a“ kennzeichnet den Auslegungswert, der Index „max“ den Wert an der Stabilitätsgrenze. Die erste Stufe und die Stufen unmittelbar nach den Abblasestellen sind am höchsten belastet, die Stufen vor den Abblasestellen sind niedrig belastet.
360
R. Mönig, U. Waltke
Falls der Verdichter statorseitig Kühlluftentnahmen aufweist, werden diese i. d. R. auch zur Startabblasung verwendet. Insbesondere in den vorderen Stufen können aber zusätzliche Abblasestellen erforderlich sein, wenn nur wenige Leitreihen verstellbar ausgeführt sind. Hinzu kommt, dass bei Verdichtern mit hohem Druckverhältnis der Regelbereich der Leitschaufelverstellung nicht ausreicht, um gänzlich auf die Startabblasung verzichten zu können. Gegenüber der Leitschaufelverstellung hat die Startabblasung den Nachteil höherer Verluste, da zur Verdichtung der abgeblasenen Luft Verdichterleistung benötigt wird, ohne dass diese Luft in der Turbine Leistung abgibt. Bei modernen Verdichtern werden i. d. R. beide Verfahren kombiniert, um die benötigte Anfahrleistung gering zu halten.
7.9.2 Massenstromregelung durch Leitschaufelverstellung Bei modernen Gasturbinen für Generatorantrieb wird die Leistungsregelung in einem weiten Lastbereich praktisch ausschließlich durch Leitschaufelverstellung im Verdichter realisiert. Der Hauptvorteil dieses Regelungskonzeptes gegenüber der Regelung der Turbineneintrittstemperatur ist, dass die Brennkammer mit nahezu konstantem Luftverhältnis betrieben werden kann und so auch bei Teillast niedrige Schadstoffemissionen realisierbar sind. Darüber hinaus ergibt sich mit Leitschaufelverstellung im Teillastbereich eine höhere Abgastemperatur. Dies ist insbesondere in Kombination mit einem Abhitzekessel und einer Dampfturbine vorteilhaft, da die Frischdampftemperatur des nachgeschalteten Dampfprozesses auch bei Teillast unverändert bleibt. Die Anzahl der verstellbaren Stufen richtet sich nach den Anforderungen an den Massenstromregelbereich. Als Standard kann heute die Ausführung des Verdichters mit verstellbarer Vorleitreihe bezeichnet werden. Hiermit ist bei Betriebsdrehzahl eine Massenstromreduktion bis auf etwa 70% des Nennmassenstroms erreichbar. Bei einigen Gasturbinentypen sind aber auch bis zu fünf Stufen mit verstellbaren Leitreihen ausgerüstet. Solche Ausführungen ermöglichen die Reduktion des Massenstroms bis auf etwa 50% des Auslegungswertes. Bei einigen Gasturbinentypen wird die Leitschaufelverstellung auch zur Verbesserung des Pumpgrenzenabstandes verwendet, wenn die Turbine bei erhöhter Umgebungstemperatur und/oder Unterfrequenz betrieben wird. Bei diesen Betriebszuständen sind die vorderen Verdichterstufen aerodynamisch besonders hoch belastet. Durch das Schließen der Leitreihen lässt sich die Belastung dieser Stufen verringern und so der Betriebsbereich erweitern.
7.9.3 Drehzahlbereich und Umgebungsbedingungen Zur Beschreibung des Betriebsverhaltens eines Verdichters werden am zweckmäßigsten machzahlähnliche Kenngrößen verwendet. Neben der Machzahl ist bei Verdichtern auch die Reynoldszahl eine wichtige Einflussgröße, sie spielt aber in erster
7 Verdichter
361
Linie zur Bewertung von Skalierungseffekten eine Rolle. Die Reynoldszahländerungen während des Betriebs haben i. d. R. bei stationären Gasturbinen nur vernachlässigbaren Einfluss auf die Leistungsdaten des Verdichters. Der durch Frequenzschwankungen und Variation der Umgebungsbedingungen auftretende Machzahleinfluss ist aber durchaus spürbar und muss bei der Auslegung des Verdichters berücksichtigt werden. Der Verdichter reagiert auf eine Anhebung der Eintrittstemperatur analog wie auf eine Absenkung der mechanischen Drehzahl und umgekehrt. Durch Einführung geeigneter Kenngrößen kann das Teillastverhalten des Verdichters sowohl für bei Drehzahlvariation als auch bei Variation der Umgebungsbedingungen oder Kombinationen beider Einflüsse in einem Kennfeld zusammengefasst dargestellt werden. Diese Kenngrößen berücksichtigen die Machzahlähnlichkeit und die Forderung nach geometrisch ähnlichen Geschwindigkeitsdreiecken bei ähnlichen Betriebszuständen (vgl. [7.12]). Die zur Beschreibung des Betriebsverhaltens verwendeten Kenngrößen sind das Druckverhältnis, eine Durchflusskenngröße, eine Drehzahlkenngröße und der Verdichterwirkungsgrad. Bei Verdichtern mit Leitschaufelverstellung kommt als zusätzlicher Einflussparameter i. d. R. noch der Verstellwinkel der Vorleitreihe hinzu. Bei Verdichtern mit mehreren verstellbaren Leitreihen werden normalerweise die Verhältnisse der Verstellwinkel der hinteren Reihen zur Verstellung der Vorleitreihe konstruktiv vorgegeben, sodass sich nur ein zusätzlicher Parameter ergibt. Die – auch als relativer reduzierter Massenstrom bezeichnete – Durchflusskenngröße ergibt sich durch Korrektur des Verdichtermassenstromes mit den Umgebungsbedingungen und Normierung mit einem Referenzzustand wie folgt: s T1 mp P 1 ref : m P D m P ref p1 T1 ref Hierin ist m der Verdichtermassenstrom, p1 der Verdichtereintrittsdruck und T 1 die absolute Verdichtereintrittstemperatur. Der Index „ref“ kennzeichnet den Referenzzustand, i. d. R. den Auslegungspunkt. Die angesaugte Luft wird dabei vereinfachend als ein ideales Gas angesehen. Wie bereits erwähnt, ist neben der Umrechnung des Massenstroms auch eine Korrektur der Drehzahl mit den Umgebungsbedingungen erforderlich, da für ähnliche Betriebszustände auch die Ähnlichkeit der Geschwindigkeitsdreiecke gegeben sein muss. Die sog. aerodynamische oder reduzierte Drehzahl ergibt sich aus der mechanischen Drehzahl durch Korrektur mit der Eintrittstemperatur: s T1 ref n n D nref T1 Ein typisches Verdichterkennfeld bei Drehzahlvariation zeigt Abb. 7-44. Die Verdichtercharakteristiken sind dargestellt als Funktionen des Druckverhältnisses ˘ vom relativen reduzierten Massenstrom m mit der aerodynamischen Drehzahl n als Parameter. Zusätzlich zeigt das Kennfeld die Linien konstanten Verdichterwirkungsgrades .
362
Π
R. Mönig, U. Waltke
η = konstant
Stabilitätsgrenze
a
n* = konstant
Sperrgrenze • m* Abb. 7-44 Verdichterkennfeld
Die Turbinencharakteristik kann in erster Näherung als eine Gerade durch den Auslegungspunkt betrachtet werden. Der von der Turbine aufgeprägte Gegendruck ist bei konstanter Turbineneintrittstemperatur proportional zum Durchsatz. Die dargestellten Charakteristiken des Verdichters gelten jeweils für konstante aerodynamische Drehzahl, wobei die Charakteristiken mit steigender Drehzahl bei höheren Durchsatzparametern liegen. Die strichpunktierte Linie stellt die Stabilitätsgrenze des Verdichters dar. Bei weiterer Reduktion des Durchsatzes kommt es zur Rückströmung oder bei niedriger Drehzahl zum Auftreten von rotierenden Ablösungen. Die gestrichelte Linie im rechten unteren Teil des Kennfeldes markiert die Sperrgrenze. Bei Erreichen der Sperrgrenze ist eine weitere Steigerung des Verdichtereintrittsmassenstroms durch Absenken des Austrittsdrucks nicht mehr möglich, da in der letzten Stufe die Sperrmachzahl erreicht wird. Bei netzsynchron betriebenen einwelligen Gasturbinen ist es erforderlich, ein Überfahren der Stabilitätsgrenze des Verdichters bei hohen Umgebungstemperaturen oder bei Unterfrequenzbetrieb zu verhindern. Hierbei ist besonders die Kombination von Unterfrequenz und hohen Umgebungstemperaturen problematisch, da hierdurch die aerodynamische Drehzahl erheblich von der Auslegungsdrehzahl abweichen kann. In der Regel wird bei Unterschreiten der zulässigen aerodynamischen Drehzahl die Maschine vom Netz genommen und im Inselbetrieb zur Deckung des Eigenbedarfs gefahren, wobei die mechanische Drehzahl unabhängig von der Netzfrequenz eingestellt werden kann. Bei besonders hohen Anforderungen kann der
7 Verdichter
363
Betriebsbereich des Verdichters durch Abblasen oder Leitreihenverstellung erweitert werden. Das Betriebsverhalten der Gasturbine wird detailliert in Kap. 34 behandelt.
7.9.4 Kritische Betriebszustände In der Regel zeichnen sich die in Gasturbinen eingesetzten Axialverdichter durch eine hohe Zuverlässigkeit aus. Es gibt jedoch verschiedene Einflüsse, die zu Beschädigungen von Schaufeln oder – in seltenen Fällen – zu Havarien führen können. Schaufelschäden können durch Korrosions- oder Erosionsangriff, durch erhöhte Schwingungsbeanspruchung bei Unterfrequenzbetrieb oder durch Fremdkörpereinschläge hervorgerufen werden. In Einzelfällen kann auch starkes Anstreifen zu Folgeschäden führen. Bei starker Verschmutzung besteht das Risiko des Verdichterpumpens, d. h. der Rückströmung durch die Verdichterbeschaufelung mit entsprechend hohen mechanischen Belastungen. Darüber hinaus können sich beim An- und Abfahren von Gasturbinen kritische Betriebszustände im Verdichter einstellen. Insbesondere bei heißer Maschine und hoher Umgebungstemperatur kann beim Starten von Verdichtern mit hohem Druckverhältnis rotierende Ablösung im niedrigen Drehzahlbereich oder Verdichterpumpen auftreten. Solange diese Phänomene bei genügend kleiner Drehzahl auftreten, ist i. d. R. keine Gefährdung damit verbunden, da die mechanischen Belastungen der Schaufeln klein bleiben und die Maschine – falls erforderlich – durch Startabbruch in einen sicheren Zustand gebracht werden kann. Allerdings wird die Startverfügbarkeit beeinträchtigt. Eine größere Gefährdung kann entstehen, falls während des Betriebes der Leitschaufelverstellmechanismus ausfällt oder beim Abstellen die Abblaseventile nicht öffnen. In diesen Fällen muss der instabile Betriebsbereich des Verdichters notgedrungen durchfahren werden, wobei erhebliche Belastungen der Beschaufelung, der Lagerung und des Ansaugtraktes auftreten können. Weiterhin können für den Verdichter kritische Betriebszustände entstehen, falls die Gasturbine zur Frequenzstützung verwendet wird (vgl. Abschn. 34.5.1). In diesem Fall wird die Turbine bei Teillast betrieben (i. d. R. ca. 80% der Nennleistung) und der Leistungssollwert wird mit einer hohen Regelverstärkung an die Netzfrequenz gekoppelt, d. h. auch relativ kleine Änderungen der Frequenz bewirken erhebliche Änderungen der Leistungsanforderung und dementsprechend schnelle und große Regeleingriffe (s. hierzu auch Abschn. 35.1.2). Falls die Maschine für diese Betriebsart vorgesehen ist, muss besondere Sorgfalt auf die Abstimmung der Reglerdynamik von Vorleitreihenverstellung und Brennstoffregler gelegt werden. Anderenfalls besteht während des Durchfahrens von negativen Lastgradienten die Gefahr, dass die Turbinenbeschaufelung überhitzt wird oder der Verdichter ins Pumpen gerät, falls die Leitschaufeln schneller geschlossen werden, als der Brennstoff reduziert wird. Beim Durchfahren von positiven Lastgradienten könnte es zu einem Löschen der Flamme kommen, falls die verstellbaren Leitreihen zu schnell geöffnet werden.
364
R. Mönig, U. Waltke
7.9.5 Experimentelle Erprobung 7.9.5.1 Aerodynamisches Verhalten Die Möglichkeiten zur Erprobung des aerodynamischen Verhaltens eines Gasturbinenverdichters werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Zunächst einmal beträgt der Leistungsbedarf einer ohne Getriebe netzsynchron laufenden Maschine der heute üblichen Baugröße wesentlich über 100 MW. Eine Erprobung des Verdichters unabhängig von der Turbine erfordert also einen erheblichen apparativen und finanziellen Aufwand. Deshalb erfolgt die Erprobung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – entweder in der Gasturbine selbst oder in Prüfständen mit skalierten Modellverdichtern. Die Erprobung im Prüfstand ermöglicht die Ermittlung des kompletten Verdichterkennfeldes bei Drehzahlvariation einschließlich der Stabilitätsgrenze und des Verhaltens bei Leitschaufelverstellung. Zur Skalierung des Modellverdichterkennfeldes auf die Großausführung sind aber Korrekturen zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Reynoldszahlniveaus und ggf. unterschiedlicher Radialspalte erforderlich (vgl. Abschn. 32.1.1). Bei der Erprobung der Verdichters in der Gasturbine selbst ist von Bedeutung, ob die von der Maschine abgegebene Leistung über einen Generator in das Stromnetz gespeist wird oder ob eine mechanische Bremseinrichtung zur Verfügung steht. Bei Maschinen mit netzsynchronem Generator kann eine Drehzahlvariation – von Frequenzschwankungen abgesehen – nur im Leerlauf erfolgen. Dadurch kann bei von der Nenndrehzahl abweichenden Drehzahlen jeweils nur ein Punkt der entsprechenden Kennlinie aufgenommen werden, da der Gegendruck durch das Leistungsgleichgewicht zwischen Turbine und Verdichter bestimmt wird. Lediglich bei Betrieb am Netz kann der Gegendruck variiert werden, soweit Brennkammer und Turbine eine Variation der Turbineneintrittstemperatur zulassen. Das Anfahren der Pumpgrenze kann für eine gegebene Leitschaufelstellung nur im Leerlaufbetrieb erfolgen, in dem die Drehzahl solange abgesenkt wird, bis die Leerlauffahrlinie die Pumpgrenze schneidet. Bei Betrieb mit einer mechanischen Bremse kann die Drehzahl unabhängig von der Netzfrequenz auch im Lastbetrieb variiert werden, wodurch eine Gegendruckvariation unabhängig von der Drehzahl ermöglicht wird. Auch hier gelten aber die von Turbine und Brennkammer vorgegebenen Grenzen. Zur Ermittlung der Kennfelddaten kann auf die Standardinstrumentierung der Gasturbine zurückgegriffen werden, falls eine getrennte Ermittlung der Eintrittsverluste und der Verluste des Verdichterdiffusors nicht erforderlich ist. In diesem Fall kann der sog. Flanschwirkungsgrad direkt aus dem Umgebungszustand sowie Druck und Temperatur im Brennkammerplenum ermittelt werden. Eine direkte Messung der Verdichtereintrittsmenge ist allerdings i. d. R. mit der Standardinstrumentierung nicht möglich. Sie wird deshalb aus einer Wärmebilanz des Gesamtprozesses ermittelt, wobei Brennstoffmassenstrom und Heizwert bekannt sein müssen und der Verdichtereintrittsmassenstrom als Unbekannte eingesetzt wird. Zur Bestimmung der Stufencharakteristiken werden neben statischen Wanddruckbohrungen und separaten Strömungsvektorsonden häufig instrumentierte Leit-
7 Verdichter
365
schaufeln verwendet. Hier kommen Kielköpfe zur Messung von Totaldruck- und Temperatur sowie Pitotrohre zur Messung des Totaldruckprofils in den Seitenwandgrenzschichten zum Einsatz. 7.9.5.2 Schaufelschwingungen Zur Schaufelschwingungsmessung werden an Leitschaufeln praktisch ausschließlich Dehnungsmessstreifen eingesetzt. Die Applikation erfolgt durch Kleben mit Epoxidharzen oder – für den Einsatz bei hohen Temperaturen – durch thermische Spritzverfahren. Der Einsatz von Dehnungsmessstreifen in der Laufbeschaufelung erfordert in den meisten Fällen einen erheblichen Aufwand für die Leitungsführung sowie die Signalübertragung. Deshalb werden für Schwingungsmessungen an Laufschaufeln bevorzugt berührungsfreie Messsysteme eingesetzt, die mithilfe von optischen, induktiven oder kapazitiven Sonden die Schwinggeschwindigkeit der Schaufelspitze ermitteln und so eine Aussage über Frequenz und Amplitude der Schwingung ermöglichen. Der Nachteil dieser Systeme ist die geringe Messgenauigkeit bei komplizierten Eigenformen. Sie haben jedoch den großen Vorteil, dass alle Laufschaufeln einer Reihe durch die Messung erfasst werden und so Aussagen über die Streuung der Eigenfrequenzen eines Schaufeltyps gemacht werden können. Die zur Schaufelschwingungsmessung in Verdichtern eingesetzten Messverfahren werden detailliert in Abschn. 33.4 erläutert.
7.9.6 Praxisprobleme und Maßnahmen 7.9.6.1 Verdichterverschmutzung und -reinigung Bedingt durch die große von einer Gasturbine angesaugte Luftmenge ist die Verdichterbeschaufelung auch bei guter Filterung der Verdichterluft einer erheblichen Verschmutzung ausgesetzt. Eine regelmäßige Reinigung ist für einen sicheren Betrieb der Maschine und zur Erhaltung der Leistungsdaten unerlässlich. Hinzu kommt durch die Aufkonzentration der Kontaminationen auf den Schaufeln die Gefahr der Bildung aggressiver Laugen oder Säuren, die zur Stillstandskorrosion führen können und durch Bildung von Lochfraß die Schwingfestigkeit der Schaufeln unter Umständen erheblich reduzieren. Typischerweise bilden sich auf den Schaufeln der vorderen Stufen öl- und rußhaltige Beläge, während in den hinteren Stufen verschiedene Salze abgeschieden werden. Die Art der Verschmutzungen sowie die Verschmutzungsrate sind dabei stark vom Standort der Maschine abhängig. Zur Reinigung der Verdichterbeschaufelung kommen heutzutage überwiegend „nasse“ Reinigungsverfahren zum Einsatz, d. h. das Waschen mit Wasser und ggf. einem geeigneten Detergentium. Hierbei wird zwischen dem Waschen während eines Betriebsunterbruchs (im englischen Sprachgebrauch als Off-Line-Cleaning bezeichnet) und dem Waschen während des Betriebs der Gasturbine (dem On-LineCleaning) unterschieden. Bei der Verdichterreinigung während des Gasturbinenbetriebs wird das Reinigungsmittel über ein spezielles Düsensystem direkt in die Verdichterbeschaufelung eingespritzt. Die verwendete Wassermenge ist relativ klein
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R. Mönig, U. Waltke
im Vergleich zur Ansaugluftmenge. Durch Erzeugen eines sehr feinen Sprühnebels lässt sich erreichen, dass die Schaufeln gleichmäßig benetzt werden, ohne dass die Gefahr der Tropfenschlagerosion besteht. Mit dieser Methode lassen sich nur die ersten Schaufelreihen reinigen, da das Wasser in den hinteren auf Verdichterstufen auszentrifugiert wird oder verdampft. Hinzu kommt, dass ein Teil des abgelösten Schmutzes in den hinteren Stufen wieder deponiert wird. Deshalb kann mit dieser Methode der Wirkungsgrad des Verdichters i. d. R. nur begrenzt wiederhergestellt werden und nach mehrmaliger Anwendung ist ein Betriebsunterbruch zur Reinigung der kompletten Beschaufelung erforderlich. Hierzu wird der Rotor mit Hilfe der Anfahreinrichtung auf einige 100 Umdrehungen pro Minute beschleunigt und ebenfalls Wasser in die Verdichterbeschaufelung eingespritzt. Die Wassermenge wird dabei so bemessen, dass die gesamte Beschaufelung benetzt wird. In der Regel wird dem Waschwasser ein Reinigungsmittel zudosiert. Nach einer gewissen Einwirkzeit wird dann mit klarem Wasser gespült, die Maschine wird mit der Anfahreinrichtung ausgeblasen und wieder in Betrieb genommen. Bei dieser Art der Reinigung ist besonders darauf zu achten, dass die Maschine vor dem Waschen genügend abgekühlt ist, um Schäden durch plötzliche Abkühlung zu vermeiden. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass alle Hohlräume (Entnahmesammelräume, Brennkammerplenum, Kühlluftleitungen etc.) vor der Wiederinbetriebnahme sorgfältig entwässert werden. Durch das Off-Line-Waschen kann eine vollständige Reinigung der Verdichterbeschaufelung erreicht werden. Es ist deshalb als das Standardverfahren zur Verdichterreinigung anzusehen. Durch den richtigen Einsatz eines zusätzlichen On-Line-Waschsystems kann aber das Waschintervall verlängert werden. Beide Waschverfahren können auch bei Temperaturen im Bereich des Gefrierpunktes und darunter zum Einsatz kommen. In diesem Fall muss dem Waschwasser ein Frostschutzmittel (z. B. Ethylenglykol) zugesetzt werden. Durch Optimierung der Waschintervalle für das On-Line- und das Off-LineWaschen bietet sich häufig ein erhebliches Potenzial zur Reduktion der Stromgestehungskosten. Die Optimierung basiert im Wesentlichen auf einem Vergleich der Kosten für Verdichterreinigung und Stillstandszeit mit den Kosten für erhöhten Brennstoffbedarf und Leistungsverlust durch Verdichterverschmutzung. Die Leistungsdaten des Verdichters werden dabei periodisch aus den Betriebsdaten der Gasturbine ermittelt und mit dem Soll-Kennfeld verglichen. Solche Optimierungssysteme sind näher z. B. in [7.15] oder [7.16] beschrieben. 7.9.6.2 Alterung Gasturbinenverdichter altern im Wesentlichen durch Verschlechterung der Oberflächenqualität von Schaufeln und Strömungskanal sowie durch Vergrößerung der Lauf- und Leitschaufelradialspalte durch Anstreifen. Darüber hinaus kann es bei Anlagen, die unter erschwerten Umgebungsbedingungen betrieben werden, zu Änderungen der Profilgeometrie durch Erosionsangriff kommen. Die Abnahme der Oberflächenqualität der Schaufeln wird in erster Linie durch Korrosion hervorgerufen. Dabei ist in den hinteren Stufen vor allen Dingen die Still-
7 Verdichter
367
standskorrosion von Bedeutung, da die durch Verschmutzung auf der Verdichterbeschaufelung abgelagerten Salze hygroskopisch wirken und bei längeren Stillstandsperioden aggressive Lösungen bilden, während im Betrieb die Temperatur in diesen Stufen genügend hoch ist, um evtl. eingesaugtes Wasser weitgehend zu verdampfen. In den vorderen Verdichterstufen kann aber auch während des Betriebes ein Korrosionsangriff erfolgen, da hier die Schaufeloberflächen auch im Betrieb benetzt sein können. In der Regel werden deshalb in den vorderen Verdichterstufen Beschichtungen zum Schutz gegen Korrosionsangriff eingesetzt, oder es kommen besonders korrosionsfeste Stahlsorten zur Anwendung (vgl. Abschn. 24.1). Korrosion wirkt sich in erster Linie unmittelbar durch einen Anstieg der Profilverluste auf die aerodynamischen Leistungsdaten des Verdichters aus. Hiermit verbunden sind neben der Abnahme des Verdichterwirkungsgrades auch eine Reduktion des Verdichtereintrittsmassenstromes und eine entsprechende Reduktion der Gasturbinenleistung. Darüber hinaus kann insbesondere durch Chloride hervorgerufen Lochfraßkorrosion die Materialeigenschaften der verwendeten Stähle erheblich verschlechtern und durch Schaffen von Initialkerben Schaufelbrüche verursachen. Die Radialspaltvergrößerung durch Anstreifen hat ähnliche Auswirkungen auf die Verdichter-Aerodynamik. Sie kann zusätzlich nachteilige Folgen haben, da die Radialspiele großen Einfluss auf die Lage der Stabilitätsgrenze haben. Bei Verdichtern mit sehr hohen Druckverhältnissen werden z. T. Anstreifbeläge verwendet, um das Radialspiel klein zu halten. Hierbei wird ein Anstreifen der Schaufeln von vornherein zugelassen. Bei entsprechender konstruktiver Gestaltung können diese Beläge im Rahmen einer Revision ausgetauscht werden und es kann so ein Teil des durch Alterung aufgetretenen Leistungsverlustes zurückgewonnen werden. 7.9.6.3 Verdichtervereisung Bei ungünstigen Umgebungsbedingungen kann es zur Vereisung von Einbauten im Lufteinlasskanal (Filter, Schalldämpfer, Abstützungen usw.) oder der ersten Schaufelreihen im Verdichter kommen. Am stärksten gefährdet sind hierbei die Verdichtervorleitreihe sowie die erste Laufreihe, da durch die Beschleunigung im Verdichtereintritt die Ansaugluft erheblich abgekühlt wird und damit auch bei Umgebungstemperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt im Verdichtereintritt eine Temperatur unter 0 °C herrschen kann. Bei Filtervereisung besteht durch den Anstieg des Filterdruckverlustes das Risiko eines erhöhten Unterdrucks im Lufteinlasskanal. Um Schäden am Einlasskanal zu vermeiden, werden deshalb spezielle Implosionsklappen vorgesehen, die sich im Falle unzulässig hohen Unterdrucks öffnen. Anlagen, bei denen ein nennenswertes Vereisungsrisiko besteht, können mit einer Luftvorwärmung ausgerüstet werden. Hierzu wird i. d. R. Verdichterendluft in den Strömungskanal eingeblasen, um die Verdichtereintrittstemperatur anzuheben. Diese Einblasung erfolgt am zweckmäßigsten vor dem Filter, um auch den Filter vor Vereisung zu schützen. Darüber hinaus ist die Strömungsgeschwindigkeit dort relativ niedrig, und die Druckverluste der Einbauten bleiben so gering. Ein Überblick über die Vereisungsmechanismen und Maßnahmen zum Schutz gegen Vereisung sind in [7.13, 7.14] gegeben. Die Ablösung von Eisbrocken, die sich innerhalb der Be-
368
R. Mönig, U. Waltke
schaufelung gebildet haben, kann zu erheblichen Schäden an stromab befindlichen Schaufelreihen führen und u. U. auch ein ungeplantes Aufdecken der Maschine erfordern [7.17]. 7.9.6.4 Beschädigung durch Anstreifen und Fremdkörpereinschläge Eine häufige Ursache für Verdichterschaufelschäden sind Einschläge von Fremdkörpern auf dem Schaufelblatt. Diese Fremdkörper können aus den unterschiedlichsten Quellen stammen. Infrage kommen Montagematerial aus dem Luftansaugkanal, Werkzeug, Wuchtgewichte oder Kleinteile aus der Beschaufelung selbst. Bei schlecht gewartetem Lufteinlassfilter besteht auch das Risiko, dass Fremdkörper aus der Umgebung angesaugt werden. Einschläge von kleinen Fremdkörpern führen meist nicht unmittelbar zum Schaufelbruch. Sie können aber die Schaufel so vorschädigen, dass die stets vorhandene Schwingbeanspruchung genügt, um einen Dauerbruch des Schaufelblattes hervorzurufen. Kleine Einschlagschäden können bei einer Revision ohne einen Ausbau der Schaufeln auspoliert werden. Bei größeren oder an kritischen Stellen liegenden Einschlägen ist aber der Austausch der betroffenen Schaufel vorzuziehen. Ein Anstreifen von freistehenden Verdichterschaufeln bei hoher Drehzahl führt in aller Regel nicht zu Schäden an der Beschaufelung. Die Schaufelspitze wird durch die Reibungswärme abgeschmolzen, sodass die am Schaufelblatt auftretenden Kräfte nicht unzulässig hoch werden. Häufig werden die Schaufeln auch mit einer sog. Anstreifkante versehen, um die beim Anstreifen auftretenden Belastungen zu reduzieren (vgl. Abschn. 14.1.1). Schäden können jedoch entstehen, wenn Schaufeln bei niedriger Drehzahl anstreifen, da hier der Wärmeeintrag geringer ist. Unter diesen Umständen kann es zu selbsterregten Schwingungen und Ausbrüchen am Schaufelblatt kommen. 7.9.6.5 Verdichterpumpen Als Verdichterpumpen wird – wie bereits erwähnt – die spontane Rückströmung der verdichteten Luft aus der Brennkammer durch die Verdichterbeschaufelung bezeichnet. Verdichterpumpen tritt auf, wenn der Verdichter bei hoher Drehzahl, d. h. im Bereich der Nenndrehzahl, über die Stabilitätsgrenze hinaus angedrosselt wird. Häufig ist Verdichterverschmutzung die Ursache. Pumpen kann aber auch bei Betrieb der Gasturbine bei extrem hohen Umgebungstemperaturen, bei Unterfrequenzbetrieb oder einer Kombination davon ausgelöst werden. Ein Volllastpumpstoß erzeugt – bedingt durch die extreme Fehlanströmung der Schaufelprofile – hohe Beanspruchungen an den Schaufeln. Unter Umständen kommt es dabei zu bleibenden Verformungen an den Schaufeln oder zu Schaufelbrüchen. Weiterhin besteht das Risiko des Anstreifens und der Beschädigung des Ansaugtraktes. Deshalb sind Gasturbinen in aller Regel mit einem Pumpschutz ausgerüstet, der die Maschine bei Annäherung an die Stabilitätsgrenze entlastet, vom Netz trennt oder vollständig abschaltet. Eine direkte Detektion des Einsetzens der Verdichterinstabilität erfolgt
7 Verdichter
369
dabei aus Mangel an geeigneten Systemen i. d. R. nicht, sondern der Pumpgrenzenabstand wird mit Hilfe des berechneten (oder gemessenen) Verdichterkennfeldes aus den aktuellen Betriebsdaten (mechanische Drehzahl, Druckverhältnis, Verdichtereintrittstemperatur, Leitschaufelverstellwinkel) ermittelt.
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Kapitel 8
Axialturbinen Herbert F. J. Bals und Konrad Vogeler
8.1 Grundsätzliches Die Turbine von stationären Gasturbinenanlagen unterscheidet sich von der in Fluggasturbinen neben der Größe in zwei weiteren, wesentlichen Punkten: • Die stationäre Anlage läuft einen großen Teil ihrer Lebenszeit unter Volllast. Damit wird die Beschaufelung fast ständig der max. Auslegungstemperatur am Brennkammeraustritt ausgesetzt. Dagegen muss die Triebwerksturbine praktisch nur während der Startphase und damit nur einen sehr kleinen Bruchteil ihrer gesamten Einsatzdauer unter diesen Extrembedingungen arbeiten. • Die dadurch für den industriellen Einsatz notwendige robustere Konstruktion bedingt höhere Wärmespannungen mit entsprechend negativem Einfluss auf die LCF-Lebensdauer. Für die großen stationären Gasturbinen ist heute neben der hohen Verfügbarkeit ein hoher thermischer Wirkungsgrad Voraussetzung. Bei der auch im stationären Betrieb enorm angestiegenen Leistungsdichte (Druck und Temperatur) hat der Turbinenwirkungsgrad wegen des in der Turbine wesentlich höheren Energieumsatzes einen entscheidenden Einfluss auf den Gesamterfolg einer solchen Anlage. Die hohen Turbineneintrittstemperaturen erzwingen neben hochwertigen Schaufelmaterialien eine intensive Kühlung. Die damit verbundenen Mischverluste und Entropieerhöhungen aufgrund von Wärmeübergängen dürfen den Wirkungsgrad der Turbinen nur wenig beeinträchtigen. Wegen der großen Massenströme handelt es sich bei den stationären wie bei den Fluggasturbinen durchweg um Axialturbinen. Bei der Axialturbine wird der Strömung in einem stationären Schaufelkranz (Leitschaufeln) eine Umfangskomponente aufgeprägt. Nach Euler (8.1) wird dann durch eine weitere Umlenkung im rotierenden Schaufelkranz (Laufschaufeln) der Strömung die Leistung entzogen und über die Laufschaufeln auf die Welle übertragen. Die Schaufelachsen sind in beiden Schaufelkränzen im Wesentlichen radial angeordnet. Es ist üblich, die einzelnen Geschwindigkeitskomponenten vor und hinC. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
371
372
H. F. J. Bals, K. Vogeler
Abb. 8-1 Geschwindigkeitsdreiecke einer Turbinenstufe
ter der Leit- und Laufschaufel in sog. Geschwindigkeitsdreiecken darzustellen (vgl. Abb. 8-1, s. auch Kap. 6). Mit c sind hier die Absolutgeschwindigkeiten und mit w die Relativgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Für die Rechenebene vor der Leitschaufel wird der Index 0, zwischen Leit- und Laufschaufel der Index 1 und hinter der Laufschaufel der Index 2 verwendet. Die spez. Turbinenleistung pro 1 kg=s Massenstrom (s. Kap. 6) errechnet sich dann aus: P D cu1 u1 cu2 u2 : m P
(8.1)
Hier wird deutlich, dass die Leistung mit hohen Umfangsgeschwindigkeiten oder großen Strömungsumlenkungen erzeugt werden kann. Die erste Option führt zu hohen Fliehkraftbeanspruchungen und die zweite zu einer hohen aerodynamischen Belastung. Die übertragene Leistung in einer Axialturbine (u2 D u1 ) ist das Produkt aus der Umfangskomponente der aerodynamischen Kraft auf die Schaufel (cu1 cu2 ) und der Schaufelgeschwindigkeit u. Bei der Auslegung der Turbinen kommt es darauf an, für die hohen Fliehkraftbeanspruchungen, die aerodynamische Belastung und die Verluste aufgrund von Kühlung einen Kompromiss mit optimalem Wirkungsgrad zu finden. Dabei müssen wettbewerbsfähige Ziele bezüglich Lebensdauer und Kosten erfüllt sein.
8 Axialturbinen
373
tot
tot
tot
tot
tot
tot
tot
a ptot 0 = 16,23 bar Ttot 0 = 1406oC htot 0 = 1671 kWs/kg
T0 = 1399 h0 = 1663
Δ hKühlung
p0 = 15,96
ptot 1 = 15,82 Ttot 1 = 1362 htot 1 = 1613
2
C1 /2 prel 1 = 12,88 Trel 1 = 1288 hrel 1 = 1517 2
W1 T1 = 1266 h1 = 1488
ΔhKühlung
p1 = 12,10
prel 2 = 12,38 Trel 2 = 1230 hrel 2 = 1442
W 22
ptot 2 = 9,96 Ttot 2 = 1158 h tot 2 = 1348 2
C 2 /2 T2 = 1135 h 2 = 1319 p2 = 9,28
Abb. 8-2 Enthalpie-Entropie-Diagramm einer Turbinenstufe (a). Enthalpien, Temperaturen und Drücke einer stark gekühlten Turbinenstufe (b)
374
H. F. J. Bals, K. Vogeler
Diese Problematik soll kurz am Einfluss einiger Turbinenkennwerte erläutert werden. Für diese Betrachtung führen wir die folgenden Kennwerte und Einflussgrößen ein (s. Abb. 8-2a): htot, s D totale Enthalpiedifferenz bei einer isentropen Expansion zwischen Eintritt und Austritt
c0; s
htot D totale Enthalpiedifferenz bei einer verlustbehafteten, polytropen Expansion zwischen Eintritt und Austritt htot s D D isentroper Stufenwirkungsgrad htot, s u D mittlere Umfangsgeschwindigkeit htot D 2 D Leistungszahl D Enthalpiekenngröße u =2 cax D mittlere Axialgeschwindigkeit cax D Durchflusszahl 'D u p D 2htot, s D Geschwindigkeit aus isentroper Expansion der Totalenthalpiedifferenz .
(8.2)
(8.3)
(8.4) (8.5)
In Abb. 8-2b ist der Expansionsverlauf in einem T -s- bzw. h-s-Diagramm für eine stark gekühlte Hochtemperaturstufe etwas ausführlicher dargestellt. Der Expansionsverlauf stammt aus einer eindimensionalen Rechnung mit einfacher Zumischung der Kühl-, Sperr- und Leckluft der Stufe. Aus diesen Daten kann man jedoch erkennen, dass der Wirkungsgrad stark durch die Mischungsverluste und die Kühlluftmenge beeinflusst wird. Es ist weiterhin zu beachten, dass alle Größen im h-sDiagramm spezifisch sind. Das heißt, der durch die Zumischung größer werdende Massenstrom in der Turbinenstufe ist hier nicht sichtbar. Eine aussagekräftige Wirkungsgraddefinition muss aus diesem Grunde die durch die Zusatzmassenströme in das System lokal eingebrachten Enthalpieströme berücksichtigen. Hier endet dann auch die Eleganz der in Kap. 6 vorgestellten Form des polytropen Wirkungsgrades als eindeutiges Maß für die Güte des Strömungsprozesses. Die Expansion in der Turbine ist dadurch gekennzeichnet, dass immer wieder Teilmassenströme mit deutlich tieferer Enthalpie hinzugefügt werden, die dann mit Mischungsverlusten in den Hauptstrom der Turbinen aufgehen. Die isentrope Wirkungsgraddefinition über eine solche Turbinenstufe ist in diesem Fall also gleichberechtigt und soll im weiteren Verlauf verwendet werden. Der Zusammenhang zwischen dem isentropen Wirkungsgrad s und dem isentropen Geschwindigkeitsverhältnis u=c0; s ist in Abb. 8-3 dargestellt. Der in Abb. 8-3 gezeigte Verlauf der Kurve ist nur beispielhaft und fällt bei unterschiedlichen Turbinenstufen jeweils etwas anders aus. Die generelle Form ist charakteristisch und zeigt, dass der beste Wirkungsgrad bei einem bestimmten Geschwindigkeitsverhältnis eingestellt werden kann. Aus diesem optimalen Geschwindigkeitsverhältnis und dem c0; s zwischen Turbineneintritt und -austritt lässt sich so auf die für den Wirkungsgrad optimale Umfangsgeschwindigkeit schließen. Bei
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375
Abb. 8-3 Turbinenwirkungsgrad in Abhängigkeit vom isentropen Geschwindigkeitsverhältnis
modernen Gasturbinen würde sich bei einem gegebenen Gesamtgefälle für eine einstufige Ausführung ein Wert ergeben, der aus Festigkeitsgründen nicht zulässig ist. Dies führt zwangsläufig zu einer mehrstufigen Ausführung, bei der das Gesamtgefälle auf mehrere hintereinander geschaltete Stufen aufgeteilt wird. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass bei kleineren Industrieturbinen oftmals eine separate Arbeitsturbine verwendet wird. Dies erfordert demnach mindestens 2 Stufen, da die Arbeitsturbine von der Gaserzeugerturbine abgekoppelt ist und auf einer anderen Welle mit unterschiedlicher Drehzahl betrieben wird. Bei den großen Industriegasturbinen hat sich jedoch die Einwellenbauart durchgesetzt. Diese werden hauptsächlich durch die Anwendung zum Generatorantrieb, also bei 50 Hz oder 60 Hz eingesetzt (s. auch Kap. 1 und Kap. 3). Abbildung 8-4 zeigt das sog. Smith-Diagramm für eine einstufige Axialturbine. Es ist die Leistungszahl (8.3) über der Durchflusszahl (8.4) bei konstantem Reaktionsgrad (6.32) und gegebenem Verlustverhalten der Beschaufelung aufgetragen. Es ergeben sich Kurven gleichen isentropen Wirkungsgrades. Dieses Diagramm zeigt, dass neben der Wahl der Umfangsgeschwindigkeit bei gegebenem Massenstrom die Kanalhöhe (über cax / einen wesentlichen Einfluss auf den Wirkungsgrad hat. Abbildung 8-4 zeigt lediglich den charakteristischen Zusammenhang. In der Originalarbeit wurden Messwerte von 48 ungekühlten Turbinenstufen unterschiedlichster Ausführung ohne Berücksichtigung der Spaltverluste [8.1, 8.2] gezeigt und mit einer einfachen Stufentheorie verglichen. Die dort gezeigten Zusammenhänge können heute für eine quantitative Auslegung nicht mehr benutzt werden. Die Darstellung kann aber auch heute noch als Auslegungshilfe verwendet werden, wenn die in modernen Gasturbinen tatsächlichen Parameterwerte berücksichtigt werden. Es sind dies: • Reaktionsgrad, • Kanalverlauf (cax bei geg. Massenstrom), • Profilierung (Verluste durch Reibung/mögliche Grenzschichtablösung) bei geg. Re-Zahl,
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Abb. 8-4 Turbinenwirkungsgrad in Abhängigkeit von der Leistungszahl und Durchflusszahl
• Verhältnis der Blattlänge zur Sehnenlänge (Sekundär-Verluste), • Notwendige Betriebsspalte (Leckage-Verluste), • Kühl-, Sperr- und Leckluftverbrauch. Nach der Wahl dieser allgemeinen Größen können sog. Smith-Diagramme wie Abb. 8-4 erstellt werden. Diese können dann in der Konzeptphase als Auslegungshilfe für die Wahl der Parameter dienen, um für die betrachtete Stufe eine Optimierung nach Belastung oder Wirkungsgrad durchzuführen. In den meisten Fällen wird die endgültige Auslegung der Turbine allerdings nicht absolut von der Strömung diktiert, sondern sie wird ein Kompromiss sein, der auch durch Kosten, Herstellbarkeit, Festigkeit (s. auch Kap. 15) und Kühlung (s. auch Kap. 17) sehr stark beeinflusst ist.
8.2 Auslegungsverfahren Überblick Die Auslegung einer modernen Gasturbine erfolgt in mehreren Schritten und ist ein iterativer Vorgang. Vorab wird der thermodynamische Prozess festgelegt. Damit stehen zu Beginn der Turbinenauslegung der Massenstrom, Eintrittsdruck und -temperatur fest. Auch sind die Ziele für den lokalen Kühlluftverbrauch und die Stu-
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fenwirkungsgrade definiert, damit die angestrebte Leistung und der Wirkungsgrad der Gesamtanlage erreicht werden können. Grundsätzlich folgt die aerodynamische Auslegung einer Turbine dem in Kap. 7 skizzierten Vorgehen für einen Verdichter (s. Abb. 7-39). Dabei durchläuft die Turbinenauslegung die folgenden Einzelschritte, die ggf. iterativ auch mit der Prozessrechnung wiederholt werden müssen: • 1D-Mittelschnittrechnung: Hier wird nur mit den Strömungsdaten der mittleren Stromlinie und im schaufellosen Raum gerechnet. Ausgehend von den thermodynamischen Daten der Turbine dient diese Rechnung zur Festlegung der Stufenzahl, Kanalhöhen und Nabendurchmesser. Hier findet schon eine grobe Optimierung der Turbine statt. Dies setzt jedoch voraus, dass in diesem Rechenprogramm realistische Annahmen über die Verluste, den Kühlluftverbrauch und den Einfluss der Festigkeitsforderungen gemacht werden. Das Ergebnis ist eine erste Vorstellung des Gaskanals und der Geschwindigkeitsdreiecke im Mittelschnitt. • 2D-Rotationssymmetrisch (Ductflow): Hier wird jetzt auf mehreren Stromlinien zwischen Nabe und Gehäuse gerechnet. Da zu diesem Zeitpunkt die Profilierung noch nicht bekannt ist, liegen die Rechenebenen nur im schaufellosen Raum. Ausgehend von den Geschwindigkeitsdreiecken im Mittelschnitt und dem dort gefundenen Gaskanal werden mit Hilfe des radialen Gleichgewichtes und einem gewählten Drallverteilungsgesetz die Geschwindigkeitsdreiecke über der ganzen Schaufelhöhe auf 5–12 Stromlinien ermittelt. Unter der Voraussetzung, dass in diesem Rechenprogramm validierte Annahmen über die Verluste existieren und dass es über ein brauchbares Mischungsmodell verfügt, können jetzt Gefälleaufteilung, Reaktionsgradverlauf und damit die Geschwindigkeitsdreiecke für alle Schaufelschnitte optimiert werden. Über den Massenstrom kann auf dieser Ebene die Geometrie des Gaskanals weitgehend endgültig festgelegt werden. Das Ergebnis sind die Geschwindigkeitsdreiecke, die Temperaturen und Drücke über dem Radius zwischen Nabe und Gehäuse entlang der einzelnen Stromlinien durch die Turbine. Die Zunahme des Massenstromes wegen der Zumischung von Kühlluft und Leckage ist zu diesem Zeitpunkt bereits berücksichtigt. Es werden zu jeder Reihe erste Vorgaben für Sehnenlänge und Schaufelzahl festgelegt. • 2D-Profilierung: In diesem Arbeitsschritt werden für jede Schaufel über dem Radius mit den ermittelten Geschwindigkeitsdreiecken für jede Stromlinie optimale Profile erzeugt. Dies geschieht mit einem Profilgenerator, der in den meisten Fällen mit einem CAD-System gekoppelt ist. Forderungen aus Festigkeit, Kühlung und Herstellung müssen hier bereits berücksichtigt werden. Der Profilgenerator darf die Profile einer Schaufel nicht unabhängig voneinander betrachten, sondern sorgt dafür, dass die Schaufeln nach der sog. Auffädelung an Vorder- und Hinterkante einen glatten Blattverlauf aufweisen. Die Qualität der Profile werden durch aerodynamische 2D-Rechnungen entlang der Stromflächen überprüft. Staffelung, Sehnenlänge und Schaufelzahl sind zu diesem Zeitpunkt Parameter, die bei Bedarf noch geändert werden. • Auffädelung der Profilschnitte: Die einzelnen Profilschnitte des Blattes werden jetzt je nach Forderungen aus der Festigkeit (z. B. Gasbiegespannungskompen-
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•
•
•
•
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sation), Herstellbarkeit (z. B. Forderung einer geraden Hinterkante) oder Strömungsbeeinflussung (z. B. 3D-Effekte) aufgefädelt. An dieser Stelle stehen dem CAD-System das erste Mal reale Schaufelgeometrien zur Verfügung, die, mit Füßen und Deckplatten kombiniert und einem angedeuteten Kühlsystem versehen, einer ersten Festigkeitsanalyse und der Auslegung des Kühlsystems zugeführt werden können. Schaufelzahl, Staffelung und Sehnenlänge sind jetzt weitgehend festgelegt. 2D-Rotationssymmetrisch (Throughflow): Jetzt können neben den Rechenebenen im schaufellosen Raum auch Rechenebenen in den Schaufeln zwischen Vorder- und Hinterkante eingeführt werden. Damit kann der Einfluss der Versperrung, die Lage des engsten Querschnittes und, falls das verwendete Rechenprogramm dazu geeignet ist, auch der Einfluss radialer Schaufelkräfte berücksichtigt werden. Diese Rechenprogramme haben früher die echte 3D-Rechnungen ersetzt. Sie werden aber auch heute noch eingesetzt, weil sie auf modernen Computern sehr schnell durchlaufen und auf diese Weise eine rasche Iteration zur Optimierung erlauben. Iteration: Es ist zu erwarten, dass der vorige Arbeitsschritt eine Überarbeitung der Profilierung auf den Stromflächen und neue Auffädelung zu Schaufeln notwendig macht. Die Schritte werden solange wiederholt, bis eine zufriedenstellende Lösung erreicht ist. 3D-Euler/Navier-Stokes: Die aus obigen Schritten gefundene optimale Quasi3D-Lösung wird heute mit einem aufwändigen, validierten 3D- (oft bereits reibungsbehafteten) Verfahren überprüft. Falls notwendig, werden über das CADSystem lokale Korrekturen der Schaufel z. B. hinsichtlich der Sekundärströmungen und dadurch verursachter Verluste eingeführt und einer erneuten CFDAnalyse zugeführt. Temperaturverteilung und Festigkeit: Für die Berechnung der Materialtemperaturen und Beanspruchungen im Schaufelblatt werden meistens kommerzielle Finite Elemente Programme verwendet. Hier werden sowohl 2D- und 3DBerechnungen durchgeführt. Dazu muss neben der äußeren Profilgeometrie auch die innere Geometrie des Kühlsystems sowie die des Fußes, der Nabenplattform und gegebenenfalls der Deckplatte vorliegen. Die notwendigen Wärmeübergangszahlen werden meistens mit 2D-Grenzschichtprogrammen ermittelt, wobei jedoch immer die Erfahrungen der einzelnen Hersteller einfließen müssen. Diese Berechnungen müssen immer parallel zu oben beschriebenen Arbeitsschritten der aerodynamischen Turbinenauslegung laufen, damit notwendige Geometriekorrekturen frühzeitig einfließen können. Spätestens während dieser Phase ist auch die Fertigung laufend zu konsultieren.
8.3 Wahl des Reaktionsgrades Der Reaktionsgrad wird gewöhnlich als das Verhältnis des statischen Enthalpiegefälles über das Laufrad zum statischen Enthalpiegefälle über die ganze Stufe definiert (s. Abb. 8-5 und auch Kap. 6). Bei stark gekühlten Turbinenstufen ist es jedoch
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c
c
c
c
w
w u
u
w
w
c
c u
u
Abb. 8-5 Geschwindigkeitsdreiecke für 0% und 100% Reaktionsgrad
üblich, stattdessen das Verhältnis der statischen Druckdifferenz über das Laufrad zur statischen Druckdifferenz über die gesamte Stufe zu verwenden. Bei der Zumischung von großen Kühlluftmengen ergeben sich sonst wegen der zusätzlichen Temperaturabsenkung unrealistische Werte. Benutzt man die Daten der Abb. 8-2b und berechnet man den Reaktionsgrad aus den Enthalpiewerten, ergibt sich: h D
1488 1319 D 0;49 : 1663 1319
Verwendet man jedoch die Drücke, ergibt sich: p D
12;10 9;28 D 0;42 : 15;96 9;28
Der letztere Wert ist realistischer, da sich aus den Geschwindigkeitsdifferenzen c1 c0 D 500 126 D 374 m=s und w2 w1 D 496 241 D 255 m=s ein Reaktionsgrad deutlich unter 0,5 ergeben muss (stärkere Beschleunigung im Leitrad als im Laufrad). Der Reaktionsgrad ist ein Maß für die Belastungsaufteilung in der Stufe zwischen Lauf- und Leitrad. Ein Reaktionsgrad von 0 bedeutet, dass die Strömung nur im Leitrad beschleunigt und im Laufrad nur umgelenkt wird. Bei einem Reaktionsgrad von 1 ist es genau umgekehrt. Es lässt sich theoretisch zeigen, dass bei gleichen Reihenwirkungsgraden der Stufenwirkungsgrad für einen Reaktionsgrad von 0,5 optimal wird. Aus dem Grund
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werden für die meisten Gasturbinen die Reaktionsgrade im Mittelschnitt in der Nähe von 0,5 gewählt. Zur Nabe und zum Gehäuse hin ändern sich dann die Werte über den Radius in Abhängigkeit vom gewählten Drallverteilungsgesetz. Nach der Wahl des Reaktionsgrades kann man mithilfe eines der verwendeten Technologie angepassten Smith-Diagramms (s. Abb. 8-4) die Kombination von Leistungszahl und Durchflusszahl für einen optimalen Stufenwirkungsgrad wählen. Insbesondere in den vorderen Stufen von modernen Hochtemperaturturbinen wählt man heute allerdings deutlich höhere Belastungen. Die dadurch schneller fallenden Heißgastemperaturen erlauben, schon ab der 2. Stufe weniger Kühlluft einzusetzen. Das kommt dem Gesamtwirkungsgrad der Anlage zugute.
8.4 Festlegung des Meridiankanals Die Turbinenauslegung beginnt mit einer ersten Festlegung des Gas- oder Meridiankanals. Eindimensionale Mittelschnittrechnungen auf definierten Durchmessern erlauben es, in Kombination mit der Kontinuität für einen gewählten Expansionsverlauf die für den Massenstrom notwendigen Querschnittsflächen zu bestimmen. Diese in Kombination mit den gewählten mittleren Durchmessern ergeben einen ersten Entwurf für den Verlauf des Gaskanals mit Naben- und Gehäusegeometrie. Eine ganz wesentliche Festlegung zu diesem Zeitpunkt ist der Expansionsverlauf und damit die Anzahl der Stufen. Es sind widersprüchliche Gesichtspunkte, die hier zu einem Kompromiss geführt werden müssen. Kosten (Anzahl der Teile) und Lagerabstand verlangen, die Stufenzahl zu minimieren. Dies wird unterstützt durch die Forderung, die vorderen Turbinenstufen sehr hoch zu belasten, um so schnell wie möglich die notwendigen Kühlluftmengen zu reduzieren. Oftmals kann dann das verbleibende Gefälle durch nur eine weitere hoch belastete Stufe verarbeitet werden. Die notwendigen Leckagemengen können auf diesem Weg auch erheblich verringert werden. Alle diese Maßnahmen führen vordergründig zunächst zu einem relativ guten Wirkungsgrad. Dem steht entgegen, dass insbesondere das Laufrad der letzten Stufe wegen der hohen Umfangsgeschwindigkeiten am Außendurchmesser schnell transsonisch wird und deshalb erhöhte Verluste aufweist. Eine zu kleine Stufenzahl sorgt über das verbleibende Druckgefälle für deutlich größere Transschallgebiete und folglich auch für größere Verluste. Ein weiterer wichtiger, manchmal sogar zentraler Gesichtspunkt in dem Zusammenhang ist das Zukunftspotenzial der neu zu entwickelnden Maschine. Große Industriegasturbinen haben eine Produktlebensdauer von deutlich mehr als 20 Jahren. Für eine Neuentwicklung muss im bestehenden Konzept zukünftige Leistungssteigerung potenziell möglich sein. Das geschieht generell durch Massenstrom- und Temperaturerhöhung. Es muss also schon in der Konzeptstudie berücksichtigt werden, dass die Maschine durch Umrüstung auf andere Schaufeln später mehr leisten muss, als in der ursprünglichen Zielsetzung verlangt. Das kann zu der Entscheidung führen, für die Turbine eine Stufe mehr vorzusehen, als es zum Zeitpunkt der
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Erstauslegung unbedingt notwendig ist. Typischerweise haben große Industriegasturbinen heute 4 Stufen. Mit gewähltem mittlerem Durchmesser und den sich daraus ergebenden Kanalhöhen müssen bereits hier erste Abschätzungen gemacht werden, ob die zur Verfügung stehenden Rotor- und Schaufelwerkstoffe für die zu erwartenden mechanischen Belastungen geeignet sind. Die Auslegung wird mit den in Abschn. 8.2 skizzierten Schritten durchgeführt. Zunächst werden die Schritte von 1D-Mittelschnittrechnung bis 2D-Rotationssymmetrisch solange iterativ wiederholt, bis die aerodynamischen Ergebnisse eine zufriedenstellende Lösung darstellen. Parallel müssen die Festigkeit, die Kühltechnologie und die Anbindung an den Rotor in dieser Phase immer mit auf ihre Machbarkeit untersucht werden. So wie die Turbine Gestalt annimmt, werden diese Arbeitsgruppen zunehmend mit Informationen versorgt und geben selber Informationen zurück, ob sie mit den Randbedingungen auskommen oder ob etwas geändert werden muss. Während dieser Phase sind zuverlässige 1D-Verlustkorrelationen für die Beurteilung der Auslegung unabdingbar. Es gibt Daten in der Literatur [8.3–8.5], die aber nur als erster Anhaltspunkt zu verstehen sind. Diese Unterlagen müssen mit Daten aus eigenen Erfahrungen und mit Ergebnissen aus eigenen Experimenten validiert werden. Es müssen zuverlässige Korrelationen zur Verfügung stehen für: • • • •
Profilverluste Sekundärverluste Spaltverluste Kühlluftzumischverluste
Das Gleiche gilt für die ganze angesprochene Iteration. Alle verwendeten Programme und Rechenmethoden müssen an ausgeführten Maschinen überprüft sein. Wenn das der Fall ist, dann führt die hier beschriebene Iteration mit 1D- und 2D-Verfahren zu sehr guten und aussagekräftigen Ergebnissen, die nicht weit von der endgültigen Lösung entfernt sind. Die verwendeten 2D-Methoden sind der Schlüssel zu einer weitgehend fertigen Auslegung der Turbinen in dieser Phase. Sie beinhalten bereits die gegenseitige Beeinflussung der Stromflächen über das radiale Gleichgewicht, die Einmischung der Kühl- und Leckageluft an der richtigen Stelle und die angesprochenen Verlustkorrelationen. Hier gibt es verschiedene Rechenverfahren. Im Allgemeinen werden die radial verteilten Strömungsdaten an mehreren axialen Ebenen zwischen den Schaufelgittern und auch innerhalb der Beschaufelung berechnet. Die Stromlinien (D Stromflächen) sind Ergebnis dieser Rechnung. Diese Verfahren haben die für Optimierungsverfahren notwendige kurze Rechenzeit und sind nach der Validierung an existierenden Maschinen ausreichend genau [8.10, 8.11]. Bei den großen Kühlluftmengen, die in moderne Gasturbinen eingemischt werden, müssen die Verfahren eine realistische Zumischung der Kühl-, Sperr- und Leckluft erlauben und ein brauchbares Mischungsmodell zwischen den Stromflächen beinhalten.
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Letzteres ist äußerst wichtig, da sonst das radiale Temperaturprofil für die Schaufeln nicht ausreichend genau bestimmt werden kann. Dann sind die Randbedingungen für die radiale Auslegung des Kühlsystems und die nachfolgenden Festigkeitsrechnungen falsch. Die Daten für die angenommenen Kühlluft- und Leckagemengen stammen aus der Prozessrechnung und müssen in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Gruppen (Leistung, Kühlung, Festigkeit) ständig nachgeführt und aufdatiert werden. Über das gewählte Drallverteilungsgesetz wird der radiale Verlauf des Reaktionsgrades stark beeinflusst. Dieser beeinflusst seinerseits die Geschwindigkeitsdreiecke über der Schaufelhöhe und damit die Arbeitsumsetzung über dem Radius. Es ist darauf zu achten, dass diese möglichst konstant ist. Andernfalls sorgen große Totaldruckunterschiede über die Schaufelhöhe für zusätzliche, verlustbehaftete Radialbewegungen der Strömung, die am Austritt der Turbine zu zusätzlichen, starken Mischungsverlusten führen. Der Kanalverlauf sollte an Nabe und Gehäuse keine Sprünge oder starke Krümmungen aufweisen. Für Turbinen, bei denen während des Betriebes eine größere axiale Relativbewegung zwischen Läufer und Leitschaufelträger nicht vermieden werden kann, ist es vorteilhaft, die Kanalerweiterung in den Leitschaufeln größer als in den Laufschaufeln vorzusehen. Dadurch erzielt man bei Laufschaufeln ohne Deckband durch die dann flacheren Kanalöffnungen eine geringere Änderung der Spaltverluste. Konturwinkel > 25ı sollten auf jeden Fall vermieden werden, um Ablösungen zu vermeiden. Heute wird die hier beschriebene Iteration zwischen 1D- und 2D-Methoden oft mit programmierten Optimierungsstrategien durchgeführt, die in relativ kurzer Zeit den für die Aufgabe und das Auslegungsziel besten Kanalverlauf finden. Zum radialen Gleichgewicht muss noch das Folgende gesagt werden: Ausgehend von der 1D-Mittelschnittrechnung können die radialen Größen der Turbinenströmung nicht mehr frei gewählt werden. In der Turbine wird sich ein Gleichgewicht von Druck-, Zentripetal- und Oberflächenkräften einstellen. Dieses muss in der Berechnung berücksichtigt werden. Das Ergebnis kann noch beeinflusst werden durch die Wahl des sog. Drallgesetzes, der Vorgaben des radialen Verlaufs der Umfangskomponenten cu der Absolutgeschwindigkeit. Damit sind dann alle anderen Größen über der Schaufelhöhe festgelegt. Für die Ableitung der Gleichungen des vollen, nicht isentropen radialen Gleichgewichts in beschaufelten und unbeschaufelten Rechenebenen soll auf die Literaturstellen [8.8–8.11] verwiesen werden. Näherungsweise soll hier eine Gleichung angegeben werden, die es erlaubt, mit relativ geringem Rechenaufwand lokal den Verlauf der Axialgeschwindigkeit und damit aller anderen Komponenten der Geschwindigkeitsdreiecke in radialer Richtung zwischen den Schaufelreihen zu berechnen [8.12]. Diese Gleichung ermöglicht es, den Einfluss bestimmter Daten auf die Strömung leicht zu überprüfen. Sie ist für Vorüberlegungen recht hilfreich. Außerdem hat sie sich zur Überprüfung der Plausibilität von Sondenmessdaten bewährt. Sie setzt die Kenntnis des radialen Verlaufs folgender Daten voraus (s. Abb. 8-6):
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383
Abb. 8-6 Definition der Strömungsgeschwindigkeiten und Strömungswinkel im Raum
ax
k
• • • • •
Gesamttemperatur Ttot Gesamtdruck ptot Strömungswinkel der Absolutgeschwindigkeit ˛ Neigungswinkel der Meridianstromlinie " Krümmungsradius der Meridianstromlinie rk .
Über ptot und Ttot sind die stromauf stattgefundenen Verluste erfasst. Der Einfluss der Stromlinienkrümmung und radialer Geschwindigkeitsgradienten wird berücksichtigt. Der Gradient der Axialgeschwindigkeit in Strömungsrichtung bleibt jedoch unberücksichtigt, ist jedoch auch in den meisten Fällen vernachlässigbar. Diese Gesamtgleichung wird hier zur besseren Übersichtlichkeit in Teilgleichungen dargestellt. 1 C tan2 ˛ tan2 ˛ cos2 " 1 k cos2 " Term 2 D 2 ˛ cos2 " r tan # " .Ttot i C 1 =Ttot i /cp =R Term 3 D ln ptot i C 1 =ptot i R 2 Term 4 D cax Term 1 1 C Term 3 .r r / Term 2 i i C1 i i i 2cp Term 1 D
Term 5 D Term 4 C 2cp .Ti C 1 Ti / R .Ti C 1 Ti / Term 3 s R Term 3 : cax i C 1 D Term 5= .ri C 1 ri / Term 2i C 1 C Term 1i C 1 1 2cp (8.6)
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Die Stromlinienkrümmung k errechnet sich aus dem Krümmungsradius der Stromlinie wie folgt: kD
1 : rk
Der Index „i“ bezeichnet Daten auf dem Radius mit bekannten Werten und der Index „i + 1“ die Daten auf dem Radius mit noch teilweise unbekannten Werten. Die Rechnung beginnt mit den Daten der bekannten Mittelschnittberechnung und wird dann schrittweise auf mehreren Positionen bis zur Nabe und zum Gehäuse weitergeführt. Als Startwert für die Axialgeschwindigkeit auf halber Kanalhöhe bietet sich der Wert aus einer eindimensionalen Rechnung an. Dieser Startwert wird dann solange korrigiert, bis sich für die Rechenebene der vorgegebene Massenstrom ergibt.
8.5 Festlegung der Profilsehnenlänge Um die Kanalgeometrie festzulegen, muss die axiale Erstreckung der Beschaufelung bekannt sein. Dazu muss über die Sehnenlänge der Profile entschieden werden. Aus aerodynamischer Sicht würde man zur Erreichung geringer Sekundärverluste schlanke Schaufeln anstreben. Aus Gründen der Rotordynamik (möglichst geringer Lagerabstand) wird ebenso eine möglichst geringe Sehnenlänge angestrebt. Dagegen stehen Herstellkosten, Verlustminimierung und Kühlluftverbrauch, die möglichst wenig Schaufeln pro Reihe fordern. Es macht Sinn, sich an dieser Stelle noch einmal klar zu machen, dass die Aufgabe der Schaufeln darin besteht, die Strömung umzulenken. Dazu muss das Schaufelgitter einen die Strömung führenden Kanal bilden. Diese Eigenschaft kann entweder mit großer Sehnenlänge und wenigen Schaufeln oder mit kleiner Sehnenlänge und vielen Schaufeln erreicht werden. Die Aufgabe des Ingenieurs ist es, hier das Optimum zu finden. Dazu kann kommen, dass Frequenzforderungen in der Maschine das Unterschreiten einer minimalen Sehnenlänge verbieten. Bei gleicher Schaufelhöhe werden Schaufeln mit kleiner Sehnenlänge eine niedrigere Eigenfrequenz aufweisen (s. Abb. 14-1 und 14-8). Die Bestimmung der zu erwartenden dynamischen Beanspruchungen in einer neu ausgelegten Schaufel basiert im Wesentlichen auf Vergleich mit Erfahrungswerten ähnlicher Schaufeln. Daraus werden Designkriterien abgeleitet. Als Maß für die dynamische Beanspruchung einer Laufschaufel kann ein bestimmter Prozentsatz der statischen Beanspruchung aus den Gaskräften der Schaufel angesetzt werden. Je nach wirksamer Dämpfung im Schaufelsystem kann dieser Prozentsatz zwischen 15 und 100% liegen. Der niedrige Wert gilt für gedrungene Schaufeln der ersten Stufe. Hier kann durch die aus thermischen Gründen notwendige große Schwinglänge des Fußhalses (s. Kap. 15) zur Blattlänge und wegen eingebauter Dämpfungselemente der niedrige Wert angesetzt werden. Bei Leitschaufeln ist die Dämpfung durch Einzelaufhängung meist recht hoch, sodass die dynamische Beanspruchung durch Gaskräfte normalerweise kein Problem darstellt. Hier wählt man oft relativ große Sehnenlängen, um die Schaufelzahl gering zu halten.
8 Axialturbinen
385
Schon während des Optimierungsprozesses muss auf eine ausreichende Flattersicherheit der Schaufeln geachtet werden. Dies betrifft vielfach nur die Endstufenschaufeln. Die Wechselwirkung zwischen Schaufeleigenschwingungen und Schwankungen der aerodynamischen Belastung der Schaufel führt beim Flattern zu selbsterregten Schwingungen, welche normalerweise in kurzer Zeit zur Zerstörung der Schaufel führen würden. Auch hier kann bei Turbinen i. Allg. nur auf empirische Daten zurückgegriffen werden. Aus bekannten Flatterfällen lässt sich ein Kriterium für Flatterbeginn ableiten. Dieser Flatterparameter FP kann in Anlehnung an die Strouhalzahl für die erste Biegeschwingung wie folgt angegeben werden: FP D 6;28fb l=wab
(8.7)
mit fb D erste Biegefrequenz der Schaufel [Hz] l D Sehnenlänge bei 75% Blatthöhe [m] wab D Abströmgeschwindigkeit bei 75% Blatthöhe [m=s] Als grober Richtwert sollte FP > 1;0 eingehalten werden, um Flattern zu vermeiden [8.13]. Für die aerodynamische Belastung des Schaufelgitters spielt das Sehne-Teilungsverhältnis eine große Rolle. Damit hat die Wahl der Sehne einen entscheidenden Einfluss auf die Schaufelzahl und umgekehrt. Für die Abschätzung der Schaufelzahl des jeweiligen Gitters kann die 2 Zweifelzahl D 2.t= lax /wax aus .wu ein C wu aus /=waus
(8.8)
mit t D Teilung des Gitters lax D axiale Gitterbreite w D Strömungsgeschwindigkeit relativ zum Gitter verwendet werden. Kleine Zweifelzahlen bedeuten kleine Teilung und damit große Schaufelzahlen. Die Strömung ist dann gut geführt, und Sekundärströmungen und Ablösungen können minimiert werden. Bei Leitschaufeln sollte eine Zweifelzahl von 0,9 und bei Laufschaufeln eine Zweifelzahl von 1 nicht überschritten werden. Die Anzahl der Schaufeln unterschreitet dann einen kritischen Wert, und die einzelne Schaufel wird überlastet. Das kann zu Ablösungen und anderen zusätzlichen Verlusten führen. Zu kleine Werte, d. h. zu viele Schaufeln, führen bei sonst guter Aerodynamik wegen der vielen Hinterkanten ebenfalls zu höheren Strömungsverlusten. Bei der Festlegung der Schaufelzahl muss auch die Rotor-Stator-Wechselwirkung berücksichtigt werden. Hier ist besonders die Düsenerregung zu beachten (s. Abschn. 14.2.2 bzw. Abschn. 15.6.5).
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8.6 Profilierung der Schaufeln Der Stufenwirkungsgrad wird wesentlich durch die Profilverluste mitbestimmt. Die Profilverluste setzen sich zusammen aus Reibungsverlusten in der Profilgrenzschicht und evtl. Verlusten durch Verdichtungsstöße und Grenzschichtablösungen. Letztere wird man für den normalen Betriebsbereich nicht zulassen. Beschleunigte Strömung begünstigt die Einhaltung geringer Grenzschichtdicken und damit geringer Verluste. Bei notwendigen Verzögerungen neigt dann die dünnere Grenzschicht auch weniger zu Ablösungen. Aus aerodynamischer Sicht wären deshalb dünne Profile anzustreben. Diese erzeugen geringere Übergeschwindigkeiten und minimieren die zur Hinterkante hin notwendigen Verzögerungen. Unter Berücksichtigung der Festigkeit, Kühlung und Fertigung muss hier jedoch fast immer ein Kompromiss mit dickeren Profilen eingegangen werden. Die Profileintrittskante sollte auch möglichst schlank ausgeführt werden. Dies vermeidet einen unnötigen Geschwindigkeitsanstieg. Hier muss jedoch gerade bei stark gekühlten Schaufeln zur Reduzierung des Wärmeübergangs und Rücksichtnahme auf die Fertigung (Filmkühlbohrungen, ausreichend große Kühlkanäle) oftmals ein größerer Nasenradius verwendet werden. Bei Turbinen, die oft im Teillastbereich betrieben werden, kann ein größerer Nasenradius auch zur Reduzierung der unvermeidlichen Inzidenzverluste durch Fehlanströmung notwendig sein. Der mit dem CAD-System gekoppelte 2D-Profilgenerator ist heute typischerweise direkt mit dem 2D-CFD-Programm verbunden. So können sofort nach der Erstellung des Profils die Druck- und Machzahlverteilung und die Grenzschichtdaten kontrolliert werden. Nur so ist eine schnelle Optimierung des jeweiligen Profilschnittes gewährleistet. Wichtig ist, dass dieses System an einer Vielzahl von unterschiedlichen Profilformen kalibriert worden ist. Erst dadurch wird eine zuverlässige Optimierung der Profile möglich. Die Kalibrierung der Rechenverfahren muss dabei mit Profilen durchgeführt werden, deren Parameterbereiche sich mit denen der Auslegungsrechnung überdecken. So sind z. B. die Reynoldszahlen der hinteren Stufen stationärer Gasturbinen häufig so hoch, dass die Korrelationen aus den Erfahrungen mit Flugtriebwerksturbinen nur bedingt anwendbar sind. Ein wichtiges Kriterium ist die Machzahlverteilung entlang der Saugseite (konvexe) und Druckseite (konkave) des Profils (s. Abb. 8-7). Grundsätzlich muss die oben erwähnte Grenzschichtrechnung die Basis für die endgültige Entscheidung über die Güte des Profils bilden. Es hat sich als sinnvoll herausgestellt, die folgenden Kriterien zu beachten: • Das Machzahlmaximum (MaSS max. / auf der Saugseite soll möglichst im hinteren Profilbereich liegen (aftloaded). Hierdurch wird die zu geringeren Grenzschichtdicken und damit auch zu geringeren Verlusten führende beschleunigte Strömung möglichst lang erhalten. • Das Machzahlmaximum soll möglichst einen Wert von 1,2 nicht überschreiten, um Stoßverluste gering zu halten. • Der Saugseiten-Diffusionsparameter DSS D .MaSS max. Maaus /=MaSS max. soll < 0;25 sein, um die Ablösung der Grenzschicht zu vermeiden.
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Abb. 8-7 Machzahlverteilung an einem Turbinenprofil
• Die Summe aus Druckseiten-Diffusionsparameter DDS D .Maein M aDS min. /= Maein und Saugseiten-Diffusionsparameter DSS soll < 0;45 sein, um die Ablösung der Grenzschichten zu vermeiden. • Das Verhältnis DSS =.l= lSS / soll < 0;6 sein. Hierbei ist l die Länge, über welche die Verzögerung auf der Saugseite stattfindet, und lSS die gesamte Länge der Saugseite, um die Ablösung der Grenzschicht zu vermeiden. Bei höheren Abströmmachzahlen soll die Saugseite zwischen engstem Querschnitt des Profilkanals und der Hinterkante nur eine sehr geringe Krümmung aufweisen, um eine weitere Beschleunigung und damit Stoßverluste und Ablösungen zu vermeiden. Der engste Querschnitt im Profilkanal soll bei Unterschallprofilen immer am Austritt liegen, um durch die Beschleunigung in Strömungsrichtung das Risiko der Ablösung der Grenzschicht zu vermindern. Eine saugseitige Fehlanströmung (Rückenstoß) des Profils im Auslegungspunkt um einige Grad ist oftmals günstiger als eine exakte Auslegung, weil dadurch bei Fehlanströmungen der zu stärkeren Verlusten führende Bauchstoß verringert wird und die Sekundärströmungsverluste gemindert werden (schwächer ausgeprägter Kanalwirbel, s. Abschn. 6.2.3). Es ist zweckmäßig, die Profilierung zuerst für den Profilschnitt in mittlerer Kanalhöhe durchzuführen. Danach sollte dann ein naben- und gehäusenaher Schnitt erzeugt werden. Wichtig ist, dass sofort alle Kriterien für die Festigkeit, Kühlung und Herstellung mit beachtet werden. Ausgehend von diesen drei Stützschnitten kann dann das ganze Schaufelblatt aufgebaut werden.
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8.7 Einfluss der Radialspalte Die Radialspalte an den Blattenden der Schaufeln haben einen großen Einfluss auf den Wirkungsgrad (s. auch Kap. 21). Dies trifft besonders für freistehende Schaufeln zu. Die Berechnung der Spaltverluste ist in vielen Fällen nicht sehr genau. Die in der Literatur [8.2–8.5] zu findenden Korrelationen geben vielfach sehr unterschiedliche Verlustwerte. Dies liegt teilweise daran, dass die Spaltströmung die Profil- und Sekundärverluste und auch die Verluste im nachfolgenden Gitter beeinflusst. Dieser Einfluss kann in den Korrelationen für den als separaten Verlustanteil ausgewiesenen Spaltverlust nicht erfasst werden. Die ideale Forderung ist, durch konstruktive Maßnahmen den Radialspalt im stationären, normalen Betriebsbereich der Gasturbine fast verschwinden zu lassen und ihn bei instationären, transienten Vorgängen (Belastung, Entlastung, Lastsprünge) zur Vermeidung des Anstreifens zu vergrößern. Bei Flugtriebwerken ist diese Forderung durch das Konzept der Active Clearance Control nahezu verwirklicht worden. Die großen thermischen Massen verhindern diese Technologie bei Industriegasturbinen. Die schweren Bauteile des Läufers und des Gehäuses haben so deutlich unterschiedliche Zeitkonstanten bei Aufheiz- und Abkühlvorgängen, dass synchrone Bewegungen nahezu unmöglich sind. Trotzdem wird durch geschickte Kühl- und Sperrluftführung sowie durch interne Isolation und Massenverteilung der Bauteile das instationäre Verhalten des Betriebsspaltes optimiert (s. Kap. 21). Neuerdings konnte in Grenzen eine aktive Spaltkontrolle durch Verschieben des Rotors im Betrieb verwirklicht werden.
8.8 Dreidimensionale Nachrechnung Nach der beschriebenen Optimierung der Turbine mit den 2D-Verfahren, ist es notwendig, diese Geometrie mit einem 3D-Verfahren zu überprüfen. Erst dadurch kann der Einfluss der Schaufelversperrung, der radialen Schaufelkräfte und der Wandkonturierung genauer erfasst und auf diese Weise der Massendurchsatz bei der geplanten Lastverteilung gesichert werden. Heute ist es möglich, die mehrstufige Turbine mit einem 3D-Navier-StokesVerfahren, welches alle Stufen der Turbine gleichzeitig durchrechnet und auch die korrekte Zumischung der Kühl- und Sperrluft erlaubt, zu modellieren. Trotzdem wird man aus wirtschaftlichen Gründen zunächst nur mit einem 3DEuler-Code die Strömung durch die ganze Turbine berechnen. An dieser Stelle werden weitere lokale Optimierungen und Korrekturen in die Turbinenauslegung einfließen. Erst danach werden volle 3D-Navier-Stokes-Verfahren zum Einsatz kommen, um eine letzte Überprüfung der Auslegung vorzunehmen. Obwohl diese Rechenprogramme auch heute immer noch einige Schwächen haben, beschreiben sie die Strömung inzwischen so gut, dass alle Effekte relativ zueinander richtig erfasst werden. Damit ist die Aussagekraft der Ergebnisse hinreichend genug, dass diese aufwändigen Berechnungen inzwischen unverzichtbar geworden sind. Erst diese Untersuchungen erlauben es, die Strömung so gut zu verstehen, dass
8 Axialturbinen
389
Abb. 8-8 Vergleich der Machzahlverteilung einer 2D- und 3D-Rechnung bei 50% Kanalhöhe
Abb. 8-9 Vergleich der Machzahlverteilung einer 2D- und 3D-Rechnung bei 95% Kanalhöhe
es zuverlässig möglich geworden ist, durch gezielten Einsatz von radialen Schaufelkräften (gekrümmte Schaufeln) und Wandkonturierung die äußeren Schaufelschnitte zu entlasten. Die folgenden 4 Abbildungen sollen zeigen, dass erst durch die 3D-Nachrechnung Informationen gewonnen werden, welche zu Korrekturen der Auslegung führen können. Es handelt sich hier um die Nachrechnung einer relativ gering belasteten Turbinenstufe mit zylindrischem Kanalverlauf. Diese wurde in einem Forschungsvorhaben [8.6] sehr sorgfältig vermessen und eignet sich deshalb für Nachrechnungen.
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H. F. J. Bals, K. Vogeler
Abb. 8-10 Vergleich der gemessenen Druckverluste hinter einem Turbinengitter mit den Ergebnissen einer 3D-Rechnung
Die Abb. 8-8 zeigt den Unterschied in der Machzahlverteilung des Profils auf mittlerer Blatthöhe zwischen 2D- und 3D-Nachrechnung [8.7]. Die Unterschiede sind vernachlässigbar. Die Abb. 8-9 zeigt diese Unterschiede in 95% Kanalhöhe. Trotz des niedrigen Machzahlniveaus ist hier der Unterschied zwischen 2D- und 3D-Nachrechnung schon deutlich. Die Abb. 8-10 zeigt einmal die gemessene und dann die berechnete Gesamtdruckverlustverteilung im Schaufelgitter. Letztere Information erhält man nur mit Hilfe der 3D-Nachrechnung. Man erkennt die hohen Verluste im Nachlauf des Profils und dort besonders in den Randzonen. Der Vergleich der Bilder zeigt qualitativ eine gute Übereinstimmung von Messung und Rechnung. Ein wichtiges Ziel der Anwendung und Weiterentwicklung der 3-D-Rechenverfahren ist neben den genauen Vorhersagen der Abströmwinkel und Strömungsverluste die genaue Bestimmung der Gastemperaturen unter dem Einfluss von Kühl-, Sperr- und Leckluftzumischung, um der Bauteilkühlung im gesamten Strömungsraum realistische Randbedingungen zu verschaffen. Die genaue Kenntnis der Gastemperaturen und Wärmeübergänge hat einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensdauer und Verfügbarkeit der Gasturbine.
8.9 Lebensdauerbetrachtungen Bei der Auslegung der Turbine spielen die Vorgaben der zu erreichenden Lebensdauer eine wesentliche Rolle (s. auch Kap. 15 und Kap. 37). Vielfach führen diese
8 Axialturbinen
391
und die Ziele für die Herstellkosten zu erheblichen Kompromissen in der Auslegung der Beschaufelung. Folgende Lebensdauervorgaben sind typischerweise zu erfüllen: Bezüglich Zeitstandfestigkeit der Turbinenbeschaufelung bei großen Industrieturbinen sind normalerweise 105 h zu erfüllen. Für stark gekühlte Schaufeln wird dies jedoch vielfach auf ein Revisionsintervall (etwa 25 000 Stunden, zur Berechnung der Betriebsstunden s. Kap. 38) oder allenfalls zwei Intervalle (50 000 Stunden) verkürzt. Notwendige Schichten für Oxidationsschutz, Korrosionsschutz und Wärmedämmung sind Teil der Auslegung. Sie werden nach einem Revisionsintervall erneuert, müssen aber bis zu diesem Zeitpunkt zuverlässig halten. Für die Anzahl der Starts werden bei schwach oder nicht gekühlten Schaufeln 10 000 angestrebt. Bei stark gekühlten Schaufeln ist diese Zyklenzahl nicht zu erreichen, und die Schaufeln müssen vorher aus dem Betrieb genommen werden. Die notwendige Zyklenzahl orientiert sich daran, dass mindestens immer ganze Revisionsintervalle erreicht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im deregulierten Strommarkt auch große Gasturbinen heute zyklisch gefahren werden können.
8.10 Betriebsgrenzen Die optimale Auslegung der Turbine kann nur für einen bestimmten Betriebszustand erfolgen. Nur bei diesen Bedingungen werden die vorgegebene Leistung und
Abb. 8-11 Änderung der zulässigen Abgastemperatur in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur
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H. F. J. Bals, K. Vogeler
Lebensdauer erreicht. Soll die Gasturbine z. B. bei einer anderen Umgebungsbedingung betrieben werden, so werden sich alle thermodynamischen Daten in ihr etwas ändern und damit Einfluss auf die Anlagenleistung und die Lebensdauer der Komponenten haben. Wegen der messtechnisch besseren Zugänglichkeit werden Gasturbinen nicht mit der Turbineneintritts-, sondern mit der Turbinenaustrittstemperatur geregelt. Beispielhaft soll dies in Abb. 8-11 für die Variation der Umgebungstemperatur ohne Verdichterleitschaufelverstellung für eine 4-stufige Turbine gezeigt werden. Ausgelegt wurde hier für 15 °C Umgebungstemperatur. Man erkennt hier, dass für Temperaturen kleiner als 15 °C die letzte, ungekühlte Laufschaufel (TLa4 – Turbinen-Laufreihe, 4. Stufe) limitierend ist und die Anlage deshalb mit geringerer Abgastemperatur gefahren werden muss. Der Grund ist, dass bei niedrigen Umgebungstemperaturen der angesaugte Massenstrom erhöht wird. Damit würde die aerodynamische Belastung der Turbine insgesamt größer. Aus gasdynamischen Gründen wird diese zusätzliche Last auf die hinteren Stufen verteilt. Damit erhöhen sich die Gaslasten auf die letzte Laufreihe überproportional, was deren Lebensdauer für diesen Betriebspunkt erniedrigen würde. Da die Metalltemperatur einer ungekühlten 4. Laufreihe annähernd identisch ist mit der sie umgebenden relativen Heißgastemperatur, müsste die Turbinenaustrittstemperatur gemäß Abb. 8-11 abgesenkt werden, wenn die Lebensdauer der 4. Laufreihe konstant gehalten werden sollte. Für alle anderen Komponenten in der Turbine könnten dann größere Lebensdauern erwartet werden. Die 4. Laufreihe ist also für kältere Außentemperaturen die limitierende Komponente, wenn eine lokale Lebensdauerreduktion in der Maschine nicht akzeptiert wird. Bei der stark gekühlten ersten Leitschaufel (TLe1) greift eine andere Überlegung. Sie ist bei Umgebungstemperaturen größer als 15 °C limitierend. Die höhere Außentemperatur sorgt bei sonst unveränderter Maschine für kleineren Massenstrom. Bei gleicher Brennkammeraustrittstemperatur sinkt dann zwar der Verdichterenddruck, aber die Verdichteraustrittstemperatur steigt trotzdem (s. auch Abschn. 34.2, Abb. 34-2). Damit steigt die Kühllufttemperatur der 1. Leitreihe, was deren Lebensdauer negativ beeinflusst. Abbildung 8-11 zeigt, dass die durch das kleinere Druckgefälle höhere Austrittstemperatur begrenzt werden muss, wenn Abschläge in der Lebensdauer der 1. Leitreihe nicht akzeptiert werden sollen. Im Betrieb der GT wird man darauf keine Rücksicht nehmen. Der Betreiber wird ein Maximum an Leistung aus der Maschine herausholen und die Lebensdauerabschläge akzeptieren. Allerdings kann bei sehr niedriger Umgebungstemperatur der Betrieb der Gasturbine generell durch die sog. Grenzlast beschränkt sein. Die ist gekennzeichnet durch die max. Leistung, die der Rotor sicher übertragen kann oder durch die Annäherung der letzten Turbinenschaufel an die Flattergrenze. Gerade freistehende Endstufenschaufeln haben vielfach im Auslegungszustand keinen sehr großen Abstand zur Flattergrenze. In diesem Fall wird die Betriebssicherheit durch eine Messung an Prototypen nachgewiesen (s. Kap. 32) und die Grenzlast festgelegt. Eine indirekte Betriebseinschränkung resultiert aus den instationären Wärmespannungen in den Schaufeln. Bei jeder schnelleren Gastemperaturänderung werden
8 Axialturbinen
393
Abb. 8-12 Äquivalente Betriebsstunden bei Schnellschluss in Abhängigkeit von der Abgastemperatur und Verdichterleitschaufelstellung
Dehnungsdifferenzen in den Schaufeln erzeugt. Die Anzahl der ertragbaren Dehnungswechsel sind abhängig vom Werkstoff und der Materialtemperatur (s. Kap. 25). Dadurch wird der Belastungs- und Entlastungsgradient der Turbine begrenzt, wenn die Lebensdauer nicht tangiert sein soll. Daraus ergibt sich die Festlegung von sog. äquivalenten Betriebsstunden für größere Lastsprünge, z. B. den Lastabwurf und Schnellschluss. Abbildung 8-12 gibt beispielhaft eine mögliche Festlegung äquivalenter Betriebsstunden in Abhängigkeit schneller Abgastemperaturänderungen. Man erkennt hier den Vorteil einer schnellen Verdichter Leitschaufelverstellung, die es ermöglicht, nach dem Lastabwurf, während des Auslaufens, den Massenstrom in der Maschine sehr stark zu reduzieren, ihr auf diese Weise relativ wenig Wärme zu entziehen und die Temperaturgradienten nicht unnötig zu erhöhen.
8.11 Betriebsverhalten Zur Bestimmung eines vom Auslegungspunkt abweichenden Betriebspunktes, z. B. bei Teillast, Leerlauf oder anderen Umgebungsbedingungen ist es nützlich, sich klar zu machen, wie sich der Druck vor der Turbine einstellt. Es sind im Wesentlichen die Eintrittstemperatur, der Massenstrom und das Druckgefälle über die Turbine, welche die Leistung derselben bestimmen. Der Massenstrom ist für eine gegebene Anlage keine freie Größe. Er wird durch die Verdichtergeometrie und die Drehzahl eindeutig festgelegt, wobei für den Turbineneintritt der Brennstoffmassenstrom addiert und Kühlluft und Leckagemassenströme abgezogen werden müssen. Die Turbineneintrittstemperatur wird durch den Betrieb der Brennkammer festgelegt.
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Aus der Kontinuität, der idealen Gasgleichung, dem Energieerhalt und der Isentropenbeziehung lässt sich die Gleichung des sog. reduzierten Massenstroms m herleiten: C1 r p 2.1/ m P Tt 1 D (8.9) M 1C M2 A pt R 2 Hiermit wird für ein gegebenes Gas (, R) der Zusammenhang zwischen einem Massenstrom, der mit den festen Totalgrößen pt und Tt durch den Querschnitt A fließt und der Machzahl hergestellt, die sich in A dabei einstellt. Ähnlich wie in einer Lavaldüse wird auch in einem Turbinengitter bei genügend großem Druckgefälle im engsten Querschnitt A des Schaufelkanals die Strömung sperren. Das heißt, an dieser Stelle wird sich gerade M D 1 einstellen. Damit reduziert sich an dieser Stelle der reduzierte Massenstrom zu einer nur noch von den Stoffgrößen abhängigen Konstanten, die bekannt ist. r Km D
C1 C 1 2.1/ R 2
(8.10)
Der engste Querschnitt A1 für die erste Leitreihe einer Turbine wird nun so ausgelegt (Index A), dass die Strömung für die gewünschte Kombination ptA , TtA und mA an dieser Stelle und über einen weiten Betriebsbereich sperrt. Mit diesen Beziehungen lässt sich jetzt leicht für andere Betriebspunkte (Index B) mit der Turbineneintrittstemperatur TtB und dem Massenstrom mB der Totaldruck ptB am Eintritt der Turbine bestimmen, solange A1 gesperrt arbeiten kann. p mB TtB (8.11) ptB D A1 Km Man muss sich an dieser Stelle klar machen, dass der Verdichter für die Druckerhöhung an seinem Austritt gar nicht unmittelbar verantwortlich ist. Der Verdichter überträgt primär Energie an die Strömung und erhöht damit die Totalgrößen. Erst die Drosselung durch den engsten Querschnitt A1 sorgt dafür, dass sich am Verdichterende und in der Brennkammer bei niedrigen Geschwindigkeiten ein statischer Druck pB in der Nähe von ptB einstellt. ptB muss sich zwingend einstellen, damit der vor der Turbine ankommende Massenstrom mB mit der Totaltemperatur TtB durch den Querschnitt A1 abfließen kann. Das wird durch den Massen- und Energieerhalt erzwungen ((8.9) für M1 D 1). Bei der Auslegung des Verdichters muss auf die im Betrieb möglichen Totaldruckänderungen gegenüber dem Auslegungspunkt Rücksicht genommen werden. Gleichung (8.11) zeigt sofort, dass z. B. eine Massenstromerhöhung durch Wasseroder Dampfeinbringung zwingend den Totaldruck vor der Turbine und damit auch den Enddruck des Verdichters erhöht. Wird das bei der Verdichterauslegung nicht berücksichtigt, dann wird der Verdichter seine Pumpgrenze erreichen und überschreiten. Das gleiche gilt für kurzfristige Temperaturerhöhungen im Spitzenlastbetrieb.
8 Axialturbinen
395
Das ist auch der Grund, warum bei sehr tiefen Außentemperaturen entweder durch Vorleitreihenverstellung der Massenstrom oder durch Regelung die Turbineneintrittstemperatur begrenzt werden müssen. Diese Forderung ist u. U. unabhängig von der mechanischen Grenzlast, die von Welle oder Kupplung gegeben ist. Der Totaldruck am Turbineneintritt und damit der am Verdichteraustritt müssen begrenzt werden, damit der Verdichter mit seinem Betriebspunkt im zulässigen Bereich seines Kennfeldes bleibt.
Literaturverzeichnis 8.1. Smith SF (1965) A Simple Correlation of Turbine Efficiency. J aeronaut Sci 69, 467 8.2. Horlok JH (1966) Axial Flow Turbines. Butterworths, London, S 127 8.3. Ainley DG, Mathieson GCR (1951) A Method of Performance Estimation for Axial Flow Turbines. British ARC R&M 2974 8.4. Moustapha SH, Okapuu U (1989) An Improved Incidence Losses Prediction Method for Turbine Airfoils. ASME Paper No. 89-GT-284 8.5. Traupel W (1988) Thermische Turbomaschinen, Bd 1. Springer, Berlin Heidelberg New York 8.6. FVV Forschungsbericht (1989) Turbinenlaufradströmung. Abschlußbericht Vorhaben 380, Heft 440 8.7. Jung A (2000) Berechnung der Stator-Rotor-Wechselwirkung in Turbomaschinen. Dissertation, Universität Stuttgart 8.8. Hatch JE, Giamati CC, Jackson RJ (1954) Application of radial-equilibrium condition to axial-flow turbomachine design including consideration of change of entropy with radius downstream of blade row. NACA RM E54A20 8.9. Johnsen IA, Bullock RO (1965) Aerodynamic Design of Axial-Flow Compressors. NASA SP-36, Chapter VIII 8.10. Smith LH Jr (1965) The Radial-Equilibrium Equation of Turbomachinery. Journal of Engineering for Power, November, Paper 65-WA/GTP-1 8.11. Novak RA (1967) Streamline Curvature Computing Procedures for Fluid-Flow Problems. Journal of Engineering for Power, October 8.12. Ederer U (1968) Nonisentropic Radial Equilibrium Calculations in a Single Plane. AVCO Lycoming Div. Internal Report 8.13. Oates GC (1989) Aircraft Propulsion Systems Technology and Design. AIAA Education Series
Kapitel 9
Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen Thomas Sattelmayer
In den Kap. 10–13 wird anhand ausgeführter Beispiele die Technologie der Gasturbinenbrennkammern und ihrer Peripherie beschrieben. Der heutige Stand ist das Ergebnis einer simultanen Optimierung mehrerer in Brennkammern ablaufender Teilprozesse. Wenn die Evolution der Brennkammertechnik auch zu teilweise sehr unterschiedlichen technischen Lösungen geführt hat, besteht doch eine große Ähnlichkeit in der Weise, wie die Teilprozesse in den Brennkammern ablaufen und miteinander wechselwirken. Auf diese gemeinsamen verbrennungstechnischen Grundlagen soll nachfolgend phänomenologisch beschreibend eingegangen werden, um die Basis für das Verständnis der individuellen Brennkammerdesigns zu schaffen.
9.1 Aufgaben der Brennkammer Moderne Gasturbinenbrennkammern haben ein vielfältiges verbrennungstechnisches Anforderungsprofil zu erfüllen, das sich aus thermodynamischen Aspekten, aus der Forderung nach einer hohen Umweltverträglichkeit, der Kompatibilität mit den anderen Maschinenkomponenten sowie aus Sicherheitsaspekten zusammensetzt. Energieumwandlung Bei Gasturbinenprozessen ist die Nutzleistung die Differenz aus den von den Turbinenstufen abgegebenen und den von den Verdichterstufen aufgenommenen Leistungen (s. Kap. 2). Da die beim Joule-Brayton-Prozess1 aufzuwendenden bzw. frei werdenden spezifischen Arbeiten jeweils proportional zur Eintrittstemperatur in den Verdichter bzw. in die Turbine sind, ist aus der Sicht der Prozessthermodynamik die Aufgabe der Brennkammer in erster Linie die Erhöhung der Temperatur des 1
Idealisierter Prozess mit gleichen Druckverhältnissen und isentropen Zustandsänderungen mit gleichen und konstanten Isentropenexponenten bei der Kompression und der Expansion.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
397
398
T. Sattelmayer
Arbeitsmediums auf möglichst hohe Werte, um eine hohe Leistungsdichte zu erreichen. Im realen Fall verlustbehafteter Komponenten führt dies gleichzeitig auch zu einem hohen thermischen Wirkungsgrad der Turbomaschine. Darüber hinaus ist die Aerodynamik der Brennkammer so zu gestalten, dass die Druckverluste 3–4% des Absolutdrucks nicht überschreiten. Eine ausreichende Brennstoff-Flexibilität ist zu gewährleisten. Betriebsverhalten Der breite Betriebsbereich der stationären Gasturbine mit den transienten Vorgängen beim Hochfahren stellt an die Brennkammertechnologie weitere Anforderungen und bestimmt maßgeblich die Komplexität heutiger Lösungen. Im ganzen Betriebsbereich von der Zündung bis zur Volllast, besonders aber im höheren Lastbereich, muss der Brennstoff mit der Luft optimal zu CO2 und H2 O umgesetzt werden. Obwohl das thermodynamische Gleichgewicht hier Grenzen hinsichtlich des Minimums von Zwischenprodukten der Verbrennung im Heißgas setzt, ist ein in energetischer Hinsicht praktisch vollständiger Umsatz im höheren Lastbereich erreichbar. Umweltverträglichkeit Im Vergleich mit der Forderung nach einer hohen Brennstoffausnutzung sind die Emissionsgrenzen für unverbrannte Kohlenwasserstoffe (unverbrannter Brennstoff und Kohlenwasserstoff-Zwischenprodukte) sowie v. a. für CO eine wesentlich größere Herausforderung an die Verbrennungstechnik moderner Gasturbinen. Vor allem aber die stetige Absenkung der zulässigen Stickoxidemissionen hat zur Revolutionierung der Verbrennungsverfahren bei stationären Gasturbinen geführt und erfordert auch in Zukunft die Weiterentwicklung der neuen Verbrennungsverfahren2. Stabilität Sowohl beim stationären Betrieb unter Last als auch bei schnellen Laständerungen bis zum Lastabwurf (s. Kap. 11) sowie beim Hochfahren der Maschine muss ein ausreichender Abstand zu den Löschgrenzen der Brenner und zu anderen unzulässigen Betriebszuständen sichergestellt werden. Diese sog. statische Stabilität ist eng mit dem Stand der Sensorik und der Leittechnik verknüpft. Daneben ist die dynamische Stabilität, d. h. eine ausreichende Marge gegen das Einsetzen von thermoakustischen Brennkammerschwingungen zu gewährleisten. Sicherheit Ein wichtiger verbrennungstechnischer Sicherheitsaspekt ist die thermische Integrität der Brennkammer im Regelbetrieb. Bei schadstoffarmen Verbrennungssystemen mit Vormischbrennern müssen weiterhin Flammenrückschläge in den Brennern sowie Selbstzündungen in den Vormischzonen der Brenner unter allen Umständen vermieden werden. 2
Eine mit Erdgas betriebene Brennkammer des technologischen Stands der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts emittiert ca. 20- bis 50-mal mehr Stickoxide als eine Brennkammer heutiger Technologie.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
399
Integration Neben einer Reihe von geometrischen Einschränkungen, die die Brennkammerlänge begrenzen, die thermoakustischen Systemeigenschaften beeinflussen und die Möglichkeiten der Verbrennungsluftführung einschränken, muss v. a. eine ausreichende azimutale Gleichförmigkeit des Temperaturprofils am Brennkammeraustritt garantiert werden. Eine aus Gründen der Turbinenkühlung an sich wünschenswerte radiale Profilierung über die Höhe der ersten Leitschaufelreihe mit einer heißeren Kernströmung ist bei schadstoffarmen Verbrennungsverfahren nur in Ansätzen realisierbar.
9.2 Energie- und Stoffumwandlung in der Brennkammer In vereinfachten thermodynamischen Kreisprozess-Rechnungen wird die chemische Umsetzung in der Brennkammer meistens nicht erfasst. Stattdessen wird von der Stofferhaltung ausgegangen und die Stoffumwandlung während der Verbrennung durch eine fiktive Wärmezufuhr über die Systemgrenze ersetzt (Abb. 9-1a). Unter diesen Annahmen lautet die Energiebilanz: P brennstoff Hu C QP wü D .HP aus; t HP ein; t / : QP zu C QP wü D m
(9.1)
Genauere thermodynamische Prozessberechnungen erfordern jedoch die Berücksichtigung des chemischen Umsatzes (Abb. 9-1b). Die exakte Energiebilanz ergibt sich in diesem Fall zu: QP wü D .HP heißgas; t HP brennstoff & luft; t / :
(9.2)
Vernachlässigt man die Wärmeflüsse von der Brennkammer in die Umgebung, den Wärmeaustausch zwischen der Brennkammer und anderen Komponenten der Turbomaschine sowie die Differenz der kinetischen Energie der ein- und austretenden Stoffströme, gilt: QP wü D 0
Wärmezufuhr
Brennstoff
Brennkammer
Brennkammer Luft
a
Arbeitsmedium
(9.3)
Heißgas
b
Abb. 9-1a,b Energetische Bilanzierung ohne (a) und mit (b) Berücksichtigung der Stoffumwandlung
400
T. Sattelmayer
Abb. 9-2 Energetische Bilanzierung von adiabaten Verbrennungsvorgängen
Heißgas (p2, T2)
Luft u. Brennstoff (p1, T1)
Luft u. Brennstoff (pref, Tref)
Umsetzung
Bildungsenthalpien
Heißgas (pref, Tref )
hf0
Elemente in stabilster Form (pref, Tref)
und .HP heißgas; t HP brennstoff & luft; t / D .HP heißgas HP brennstoff & luft / :
(9.4)
Da während der Verbrennung die in den molekularen Bindungen des Brennstoffs und der Luft gespeicherte Energie zugunsten der Temperaturerhöhung der Verbrennungsprodukte abgebaut wird, tritt die Energieumwandlung durch die Verbrennung in (9.2) und (9.4) nicht explizit in Erscheinung, und die Zustandsänderung in der Gasturbinenbrennkammer ist trotz der Temperaturerhöhung isenthalp. Bei der Bestimmung einer Enthalpie oder eines Enthalpiestroms für einen bestimmten thermodynamischen Zustand ist die Kenntnis des Referenzzustandes wichtig, auf den diese Größen bezogen werden. Solange die Stoffe erhalten bleiben und lediglich Änderungen des thermodynamischen Zustandes betrachtet werden, ist der Referenzzustand für alle Zustände der Selbe. Enthalpiedifferenzen sind daher vom Referenzzustand unabhängig und können ohne dessen Kenntnis gebildet werden. Bei Verbrennungsvorgängen muss dagegen der Referenzzustand 0 explizit mit in die Differenzenbildung einbezogen werden, und man erhält mit den o. g. Vereinfachungen als Erweiterung3 von (9.2): 0 0 D .HP HP 0 /heißgas C HP reaktion C .HP 0 HP /brennstoff & luft :
(9.5)
Abbildung 9-2 verdeutlicht schematisch die energetische Bilanzierung von Verbrennungsvorgängen. Nicht mehr die Stoffe, sondern die Elemente bilden die Vergleichsebene, da nur diese erhalten bleiben. Ist die stoffliche Zusammensetzung aller Stoffströme bekannt, können die Enthalpieströme beim Zustand 0 aus den bekannten Bildungsenthalpien h0f,i berechnet werden: 3
Eine Erweiterung im mathematischen Sinn, s. (9.7).
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen 0 HP brennstoff & luft, heißgas D
X
401
! nP i
h0f,i
i
:
(9.6)
brennstoff & luft, heißgas
Die Bildungsenthalpien gelten für einen thermischen Referenzzustand 0 bei pref und Tref und beziehen sich auf einen Referenz-Aggregatzustand der Elemente. Es ist üblich, den stabilsten Aggregatzustand der Elemente zu null zu setzen, wobei aus praktischen Gründen das Wasser, für das abweichend zur allgemeinen Konvention der gasförmige Zustand gewählt wird, eine Ausnahme bildet4 . Der Reaktionsenthal0 , bei Verbrennungsprozessen ein negativer Wert, ist die Differenz piestrom HP reaktion 0 0 0 D HP heißgas HP brennstoff HP reaktion & luft ! ! X X 0 0 D nP i hf, i nP i hf, i i
heißgas
i
:
(9.7)
brennstoff & luft
Er ist über Hu D
0 HP reaktion m P brennstoff
(9.8)
mit dem unteren Heizwert des Brennstoffes Hu verknüpft5. Die Verwendung des Heizwerts anstatt der Reaktionsenthalpie hat den Vorteil, dass eine Bilanzierung nach (9.5) auch ohne detaillierte Kenntnis der chemischen Zusammensetzung des Brennstoffes möglich ist, wenn experimentell ermittelte Heizwerte verfügbar sind. Für technische Brennstoffe komplexer Zusammensetzung werden die spezifische Mindestsauerstoffmenge omin und die spezifische Mindestluftmenge lmin als Funktion der Massenanteile i der Elemente C, H, und O im Brennstoff mittels (9.9) und (9.10) berechnet: c h o C ; MC 2 M H2 MO2 omin D mit O2 ; luft 0:21 : O2 ; luft
omin D lmin
(9.9) (9.10)
Eine weitere wichtige Größe zur Charakterisierung der Verbrennung in Gasturbinen ist die Luftzahl , der Quotient aus dem tatsächlichen Luftmassenstrom durch die Brennkammer und dem zur stöchiometrischen Verbrennung notwendigen6. Infolge der beschränkten thermischen Belastbarkeit der Turbine können Werte von D 2;5 bis D 3;5 bei stationären Einwellenmaschinen nicht unterschritten werden. Im synchronisierten Betrieb ohne Last werden um den Faktor 3–5 höhere Werte 4
Bei Prozessen, in denen das Wasser immer vollständig in der Gasphase ist, treten dann in der Energiebilanz keine Zusatzterme auf, die den Phasenwechsel beschreiben. 5 Der Grund für die Kopplung zum unteren Heizwert ist die Wahl des gasförmigen Aggregatzustandes als Basis für die Bildungsenthalpie des Wassers. 6 Für die Heißgastemperatur sind unterschiedliche Definitionen gebräuchlich, die auf der Brennerluftmenge, der Brennkammerluftmenge, der Luftmenge nach dem ersten Leitrad oder einem fiktiven Ersatz-Kreisprozess ohne Berücksichtigung der Kühlung beruhen. Die Luftzahl ist jeweils entsprechend zu bilden.
402
T. Sattelmayer
erreicht, solange die Luftmenge nicht durch verstellbare Leiträder im Verdichter reduziert wird. Bei Gasturbinen mit getrennter Arbeitsturbine steigt die Luftzahl vom Betrieb unter Last bis zum Leerlauf moderater an, da der Brennkammerdruck und damit die Luftaufheizung im Verdichter wesentlich stärker absinken. Das Heißgas setzt sich aus den folgenden Teilmassenströmen der Hauptbestandteile m P i, heißgas zusammen7: m P CO2 D MCO2 nP CO2 D MCO2 m P brennstoff
c Cm P CO2 ; inert MC
(9.11)
h Cm P H2 O, inert M H2
(9.12)
m P H2 O D MH2 O nP H2 O D MH2 O m P brennstoff m P O2 D MO2 nP O2 D MO2 m P brennstoff . 1/ omin (9.13) m P N2 D MN2 nP N2 n P N2 ; inert : D MN2 m P brennstoff C N2 ; luft lmin C m (9.14) M N2 Die Gln. (9.11) bis (9.14) berücksichtigen die Eindüsung inerter Stoffe (d. h. Stickstoff, Kohlendioxid und Wasser) zur Stickoxidminderung oder zur Leistungserhöhung mittels additiver Zusatzterme m P j; inert . Aus (9.5) und (9.8) und der energetischen Zustandsgleichung der Enthalpie ergibt sich die Bestimmungsgleichung8 für die Heißgastemperatur: X ˇT .HP HP 0 /heißgas D nP i; heißgas cNp; m; i ˇTheißgas T T heißgas ref ref i
D
X i
ˇT m P i; heißgas cNp; i ˇTheißgas T T heißgas ref ref
Dm P brennstoff Hu
ˇT Cm P brennstoff cNp; brennstoff ˇTref .Tbrennstoff Tref / brennstoff ˇTref Cm P brennstoff lmin cNp; m; luft ˇTluft .Tluft Tref / X ˇT C m P j;inert cNp; j ˇTref .Tinert Tref / inert j
m P H2 O, inert, flüssig hv, H2 O : 7
(9.15)
Betrieb der Gasturbine mit reiner Luft bei Vernachlässigung der Luftfeuchte und Annahme, dass der Brennstoff vollständig zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert wird. Der Index „heißgas“ wurde weggelassen. 8 Über ca. 2000 K treten im Abgas andere Spezies auf, die zu zunehmenden Abweichungen zwischen der Temperatur im thermodynamischen Gleichgewicht und dem Ergebnis aus (9.15) führen. In diesem Fall liefert eine Berechnung des Gleichgewichtszustandes genauere Werte für die Heißgastemperatur.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen Abb. 9-3 Spezifische Wärmekapazitäten cNp,m für die Berechnung der Heißgastemperatur (Tref = 273 K oder 293 K)
403
cp, m (kJ/kmol/K) Brennstoff (Methan) Wasser Sauerstoff
80 70
Kohlendioxid Stickstoff Luft
60 50 40 30 20 0
500
1000
1500
2000
2500
3000
T (K)
Adiabate Flammentemperatur (K) 1000
1200
1400
1600
1800
2000
1
Luftzahl λ
Tluft 600 K 700 K 800 K 900 K
10
700 K Wasserinjektion
Abb. 9-4 Adiabate Flammentemperaturen bei Tluft D 600 K, 700 K, 800 K und 900 K, Brennstoff und Wasser werden mit Raumtemperatur eingedüst
Bei der Injektion von inerten Zusatzstoffen ergeben sich auch in der Energieerhaltung Zusatzterme, die beiden letzten Zeilen in (9.15), wobei bei der Wasserinjektion m P H2 O, inert, flüssig hv, H2 O der Enthalpiestrom zur Verdampfung des Wassers zu berücksichtigen ist.
404
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Die Berechnung der Heißgastemperatur erfordert eine Iteration, da die Mittelwerte der spezifischen Wärmekapazitäten cNp; m; i bzw. cNp; i der Abgaskomponenten von Theißgas abhängen (Abb. 9-3). In Abb. 9-4 sind die adiabaten Flammentemperaturen für vier verschiedene Gemischtemperaturen dargestellt. Es wird deutlich, dass die Luftzahl mit steigendem Verdichterdruckverhältnis9 erhöht werden muss, um eine vorgegebene adiabate Flammentemperatur zu erreichen. Zusätzlich ist ein Fall mit Wassereinspritzung eingetragen (Wassermassenstrom D Brennstoffmassenstrom), der zeigt, dass die Luftzahl mit steigender Wasserzugabe fällt, da der Enthalpiestrom für die Verdampfung aufgebracht werden muss und da das dampfförmige Wasser ein thermischer Ballast mit einer hohen isobaren Wärmekapazität ist10 .
9.3 Flammentypen Die optimale Verbrennungstechnik in Gasturbinenbrennkammern wird maßgeblich vom eingesetzten Brennstoff und den einzuhaltenden Emissionen bestimmt. Letztlich basieren alle Verfahren entweder auf der vorgemischten, der nicht vorgemischten oder der teilvorgemischte Flamme als Mischform beider Grenzfälle. Aufgrund des hohen systembedingten Luftüberschusses sind Gasturbinen für die Vormischverbrennung bei niedrigen Temperaturen11 besonders geeignet. Die nicht vorgemischte Verbrennung kann nur eingesetzt werden, wenn eine höhere Emission von Stickoxiden zulässig ist oder wenn der Heizwert des Brennstoffs so gering ist, dass die maximale Flammentemperatur niedrig ist. Eine höhere technische Bedeutung hat die nicht vorgemischte Verbrennung mit zusätzlicher Eindüsung inerter Stoffe wie Stickstoff oder von Wasser (in flüssiger oder gasförmiger Phase) in die Zündzone der Flamme. Da die Eindüsung dieser Stoffe primär der Verzögerung der vollen Wärmefreisetzung dient, mit dem Ziel, diese in besser gemischte Gebiete niedrigerer Brennstoffkonzentration zu verlagern, bestehen bei hoher „Verdünnung“ hinsichtlich der Schadstoffbildung gewisse Parallelen zur Vormischverbrennung während chemische Effekte von geringerer Bedeutung sind.
9.3.1 Einfluss des Brennstoffs Vor allem die steigenden Anforderungen hinsichtlich der Umweltverträglichkeit thermischer Maschinen erfordern auch in Zukunft die Entwicklung neuer und die Optimierung bekannter Verbrennungsverfahren. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften von Gasturbinenbrennstoffen führen diese Entwicklungsarbeiten zu brennstoffspezifischen Verbrennungstechniken. 9
Damit erhöht sich beim adiabaten Verdichter gleichzeitig die Verdichteraustrittstemperatur. Dies zeigt Abb. 9-3 nach der Umrechnung auf die massenbezogene Wärmekapazität. 11 Flammentemperatur unter 2000 K. 10
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
405
Gasförmige, hochkalorische Brennstoffe ohne Wasserstoff (Erdgas) Aufgrund seiner hohen chemischen Stabilität und seiner niedrigen Flammengeschwindigkeit eignet sich Erdgas für die vorgemischte Verbrennung bei niedrigen Flammentemperaturen. Selbst in Reheat-Maschinen mit sequenzieller Verbrennung (s. Kap. 10) ist die Vormischung bei hohen Heißgastemperaturen in der zweiten Stufe möglich. Für reine Spitzenlastmaschinen ist auch die nicht vorgemischte Verbrennung mit Wassereinspritzung zur Leistungserhöhung attraktiv. Wasserstoffhaltige, hochkalorische Brennstoffe Vormischverbrennungsverfahren sind primär auf Erdgas als Brennstoff ausgelegt. Wenn das Verfahren nicht an die höheren Flammengeschwindigkeiten bzw. kürzeren Selbstzündzeiten angepasst wird, setzen hohe Anteile von Wasserstoff oder höheren Kohlenwasserstoffen die Zuverlässigkeit herab. Daher dominiert die nicht vorgemischte Flamme, falls erforderlich mit Wasserinjektion. Mittelkalorische gasförmige Brennstoffe Wasserstoff- und kohlenmonoxidhaltige Brennstoffe, wie sie bei Vergasungsprozessen mit Sauerstoff entstehen, werden häufig vor der Verbrennung zu niederkalorischen Brennstoffen verdünnt und nicht vorgemischt verbrannt. In Brennern mit optimierter, intensivierter Mischung ist auch die emissionsarme, teilvorgemischte Verbrennung möglich. Niederkalorische, gasförmige Brennstoffe Mit sinkendem Heizwert wird das Luftzahlfenster, in dem ein Brenner betrieben werden kann, immer schmaler und liegt schließlich im Bereich nahstöchiometrischer Brennstoff-Luft-Verhältnisse. Die Gründe hierfür sind die inerten Anteile des Brennstoffes und die Anteile, deren Oxidation in der Flamme nur zu einer geringen Wärmefreisetzung führt12 . Da die Flammentemperaturen trotz geringen Luftüberschusses niedrig bleiben, ist ein nicht vormischendes Verbrennungsverfahren geeignet, wobei spezielle Techniken für die Grobverteilung von Brennstoff und Luft am Brenneraustritt anzuwenden sind, um Ausbrandprobleme zu vermeiden. Durch die Gemischbildung in der Brennkammer werden Betriebsprobleme wie Flammenrückschläge (s. Abschn. 9.9.2) oder Selbstzündungen (s. Abschn. 9.9.3) in den Brennern wirkungsvoll vermieden13. Auch im Hinblick auf die Freisetzung des an den Brennstoff gebundenen Stickstoffs, den niederkalorische Brennstoffe aus Vergasungsprozessen i. Allg. enthalten, hat die nicht vorgemischte Flamme Vorteile, da in Zonen mit Luftmangel eine teilweise Reduktion zu molekularem Stickstoff erfolgt. Ähnlich günstige Stickoxidemissionen wie bei der vorgemischten Verbrennung von Erdgas werden allerdings nicht erreicht. 12
Stark vereinfacht betrachtet wird ein Teil der Verdichterluft durch diese Bestandteile ersetzt. Der Wasserstoffgehalt in den meisten mittel- und niederkalorischen Brennstoffen führt v. a. in Verbindung mit Kohlenmonoxid im Brennstoff trotz des niedrigen Heizwertes zu hohen Flammengeschwindigkeiten und kurzen Selbstzündzeiten. 13
406
T. Sattelmayer
Dieselöle und Rohbenzine (Naphtha) Flüssige Brennstoffe werden meistens nicht vorgemischt und, falls erforderlich, mit Wasserinjektion verbrannt, obwohl Vormischverfahren für Öle und Benzine ohne Brennstoffstickstoff ein ähnlich hohes Potenzial hinsichtlich der Reduzierung der Stickoxidemissionen aufweisen wie die für Erdgas. Die Optimierung der Vorvermischung bei gleichzeitiger Verdampfung ist insbesondere wegen der niedrigen Selbstzündtemperatur und der kurzen Selbstzündzeiten technisch anspruchsvoll. Mit konventionellen Zerstäubungsmethoden sollte eine Obergrenze von ca. 2 MPa für den Brennkammerdruck nicht überschritten werden, da sich bei wesentlich höheren Drücken die zur Verfügung stehende Gemischaufbereitungszeit in den Brennern auf Zeiten unter einer Millisekunde verringert. Schweröle Für die stickoxidarme Verbrennung von Schwerölen existiert kein ausgereiftes Verfahren. Der häufig in großer Menge im Brennstoff gebundene Stickstoff erfordert grundsätzlich ein Verfahren mit Luftstufung, das mittels einer nicht vorgemischten Flamme ansatzweise realisiert werden kann. Allerdings verursachen die hohen Anteile Schwefel, Vanadium und Natrium wegen ihrer heißkorrosiven und Schlacke bildenden Eigenschaften im Temperaturbereich von ca. 1100–1300 K häufig Probleme im Heißgaspfad.
9.3.2 Hauptcharakteristika Der Ablauf der Verbrennung in vorgemischten Flammenfronten unterscheidet sich wesentlich vom nicht vorgemischten Fall, da die turbulenten Transportvorgänge in beiden Fällen völlig verschieden sind. Abbildung 9-5 zeigt schematisch einen Vergleich des Wärme- und Stofftransportes aus der Sicht eines auf der Flammenfront mitfahrenden Beobachters. Bei der nicht vorgemischten Verbrennung findet die chemische Reaktion in einer Schicht zwischen dem Brennstoff und der Luft statt. Die Bildung des brennbaren Gemisches erfolgt durch die Diffusion14 des Brennstoffes und der Luft in den jeweils anderen Partner in den Bereichen, in denen auch die chemische Reaktion stattfindet, wobei die Heißgasschicht jeweils durchdrungen werden muss. Die gegenläufige Richtung der Diffusion der Luft und des Heißgases auf der Luftseite führt zu einem Anstieg der mittleren Heißgaskonzentration15 mit steigendem Abstand vom Diffusionsbrenneraustritt, bis der Brennstoff umgesetzt ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Schadstoffbildung ist die Diffusion der Temperatur aus der chemisch aktiven Schicht in den Brennstoff hinein, die zu einer Aufheizung von Gebieten mit hoher Brennstoffkonzentration und daraus folgender Rußbildung in der 14
In turbulenten Flammen findet die Diffusion v. a. durch turbulente Mischvorgänge statt, die Feinmischung wird aber auch in gasturbinentypischen Flammen durch molekulare Diffusionsvorgänge verursacht, da lokal ein pseudolaminarer Charakter der Flammenfront weitgehend erhalten bleibt (s. auch Abschn. 9.5). 15 Mittelwert für Ebenen normal zur Brennerlängsachse.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
vorgemischte Flamme:
407
Zwischenprodukte Heißgas Brennstoff & Luft Temperatur
nichtvorgemischte Flamme:
Zwischenprodukte Luft
Heißgas
Brennstoff Temperatur
Abb. 9-5 Wärme- und Stofftransport in vorgemischten und nicht vorgemischten Flammen
Flamme führt. Selbst global überstöchiometrische Gasflammen besitzen in Brennernähe bei gasturbinentypischen Brennkammerdrücken ein breitbandiges Strahlungsspektrum, das von den Rußpartikeln in der Flamme emittiert wird und das erst in der nachfolgenden Rußoxidationszone in ein Spektrum mit Strahlungsbanden aus der Gasstrahlung übergeht. Ein besonderer Vorteil nicht vorgemischter Flammen beim gasturbinentypischen Betrieb mit unterschiedlichen Brennstoff-Luft-Verhältnissen ist die Eigenschaft, dass die Luftzahl in der Hauptreaktionszone weitgehend entkoppelt von der globalen Luftzahl des Brenners ist. Durch eine geeignete Gestaltung der BrennstoffEindüsungszone kann der Verbrennungsvorgang bis zu sehr hohen globalen Luftzahlen aufrechterhalten werden, wobei eine Verlagerung der Reaktionszone mit fallendem Brennstoffmassenstrom hin zum Injektor stattfindet. Im vorgemischten Fall (Abb. 9-5) führt die Diffusion der Temperatur (Wärmeleitung) sowie aktiver Zwischenprodukte in das brennbare Gemisch hinein zur Aufheizung und zum Radikalenangriff auf die Brennstoffmoleküle bis zum Einsetzen der Reaktion. Die Brenngeschwindigkeit eines definierten Gemisches ist das Ergebnis des Wechselspiels aus der volumetrischen Wärmefreisetzung in der Flammenfront, den Diffusionsvorgängen und der aufzubringenden Vorwärmleistung bis zum Einsetzen der Reaktion. Die laminare Brenngeschwindigkeit steigt mit der Gemischtemperatur näherungsweise in Form eines Arrheniusansatzes16. Eine Erhöhung des Drucks vermindert sie dagegen17, da die aufzuwärmende Masse pro Volumen im Gegensatz zum lokalen diffusiven Transport proportional zum Druck zu16
Beispiele für Arrheniusansätze sind die Gleichungen in Abschn. 9.9.3. Die Form des Arrheniusansatzes wird in vielen Bereichen der Stoffumwandlung benutzt. Zum Beispiel lassen sich auch die Elementarreaktionen von Verbrennungsvorgängen so beschreiben. 17 Ohne Berücksichtigung des Turbulenzeinflusses auf die Diffusion.
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nimmt. Bei gasturbinentypischen Bedingungen ist die wesentlich höhere turbulente Brenngeschwindigkeit maßgebend, welche v. a. durch die Struktur der Turbulenz in der Primärzone der Brennkammer bestimmt wird (s. Abschn. 9.5). Im für Gasturbinen interessanten Bereich hohen Luftüberschusses nimmt die Brenngeschwindigkeit mit steigender Luftzahl ab, bis abrupt Flammenlöschen eintritt. Da Gasturbinenbrennkammern mit Vormischbrennern nur beim Betrieb nahe an der mageren Löschgrenze, d. h. in einem schmalen Luftzahlbereich, sehr günstige Emissionen liefern, ist eine Anpassung an den weiten Luftzahlbereich der Gasturbine nur durch Eingriffe in die Luft- oder Brennstoffzufuhr möglich, was die Komplexität von Verbrennungsverfahren mit Vormischung wesentlich erhöht.
9.4 Flammenstabilisierung In Gasturbinenbrennkammern ist nur zum Zünden der Flamme die Zufuhr von Fremdenergie notwendig. Während dieses Zündvorganges wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der dann die chemische Reaktion aufrechterhält und die Flamme in der Brennkammer stabilisiert. Die Optimierung der Flammenstabilisierung ist v. a. bei der vorgemischten Verbrennung magerer Gemische mit geringer Brenngeschwindigkeit eine essenzielle Aufgabe. Die einfachste Art der Stabilisierung vorgemischter Flammen ist die kontinuierliche, quasi eindimensionale Reduktion der volumetrischen Gemischgeschwindigkeit von einem Wert, der über der Brenngeschwindigkeit liegt, auf einen Wert darunter18. An der sich einstellenden Flammenposition vermag der diffusive Transport der Temperatur und der aktiven Zwischenprodukte stromauf genau den Massenstrom zur Reaktion zu bringen, der stromab konvektiert wird19 . Wesentlich höhere Umsätze sind in Strömungen mit Rückströmzonen erreichbar, da zusätzlich zum diffusiven auch ein konvektiver Rücktransport stattfindet und das unverbrannte Gemisch am Brenneraustritt direkt mit Heißgas oder Zwischenprodukten in Kontakt kommt. Diese Kontaktzonen übernehmen die Aufgabe einer permanenten, sich selbst regenerierenden Zündquelle von der aus die Flamme in das unverbrannte Gemisch propagiert, wobei die lokale Strömungsgeschwindigkeit des Gemischs nun wesentlich höher sein darf als seine lokale Brenngeschwindigkeit. Eine wesentliche Aufgabe des Gasturbinenbrenners ist deshalb die Erzeugung einer großräumigen Rückströmzone mit hohen Geschwindigkeiten entgegen der Hauptströmungsrichtung. Verdrallte Rohr- oder Ringströmungen sind hierfür besonders geeignet, da das radiale Druckfeld im Brenneraustritt bei ausreichend hohem Drall eine weit aufplatzende Strömung erzeugt und ein intensives Rückströmen im Kernbereich der Brennkammer induziert. Ein typisches Beispiel eines solchen Strömungsfelds ist in Abb. 9-6 dargestellt. 18 Beispiele hierfür sind poröse Platten oder Lochbleche, durch die das Gemisch dem Brennraum zugeführt wird. 19 Zur Verdeutlichung dieses Gleichgewichtes bietet sich eine stabile Diffusorströmung brennbaren Gemisches als Gedankenmodell an. Die Reaktion setzt an der Koordinate ein, an der die Strömungsgeschwindigkeit auf die Brenngeschwindigkeit abgefallen ist.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
0
409
m/s
20 40
60 20
50 0
40 30
–20
20
Vormischbrenner
10 0 –10 –20 –30 –40
Brennkammer Abb. 9-6 Strömungsfeld in einer drallstabilisierten Brennkammer: Verteilung der Axialkomponente des Geschwindigkeitsfeldes im Mittelschnitt einer quadratischen Brennkammer
Vormischbrenner
Momentaufnahme Löschgrenze
Mittelwert Volllastpunkt
Brennkammer
Momentaufnahme Volllastpunkt Abb. 9-7 Laserinduzierte Fluoreszenz des OH-Radikals bei der Verbrennung von Methan in einer drallstabilisierten Vormischflamme im Mittelschnitt einer quadratischen Brennkammer
Das große Teilbild in Abb. 9-7 zeigt zur Veranschaulichung der Flammenstabilisierung die mittlere OH-Radikalkonzentration in einem Mittelschnitt durch eine quadratische Brennkammer stromab von einem Vormischbrenner. Der Grauwert ist ein Maß für die Konzentration. Das unverbrannte Gemisch ist frei von OHRadikalen (dunkle Zone), da diese erst in der Reaktionszone (helle Zone) in hohen Konzentrationen gebildet werden. Nach Abschluss der Reaktion fällt die OHKonzentration auf den Wert im thermodynamischen Gleichgewicht ab (mittelgraue
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Zone). Die helle Zone am linken Bildrand ist der Zündbereich, im Zentrum der Drallströmung wird weitgehend ausreagiertes Heißgas zurücktransportiert. Ein wesentlicher Grund für die ausschließliche Verwendung von Drallbrennern in Brennkammern stationärer Maschinen ist, dass Flammenhalter ohne Drall, die ausschließlich auf einer plötzlichen Querschnittserweiterung beruhen20, für Brennstoffe mit geringen Brenngeschwindigkeiten bei hohen Leistungsdichten schlechter stabilisieren, weil der Transport in den Ablösezonen vergleichsweise schwach ist. Für Brennstoff mit hohen Brenngeschwindigkeiten gilt dies aus Gründen der Rückschlagsicherheit nicht (s. Abschn. 9.9.2). Die minimal erreichbare Verbrennungstemperatur von Vormischflammen in Gasturbinenbrennkammern an der mageren Löschgrenze ist im Zusammenhang mit der Frage der Stickoxidverminderung von großer Bedeutung. Sie ist weitgehend unabhängig von der Drallstärke des Brenners21 . Im Rahmen des technisch sinnvollen Bereiches besteht auch eine Unabhängigkeit von der Brennergröße, wenngleich die Löschgrenze sehr kleiner Brenner bei etwas höheren Temperaturen liegt. Als gängige Modellvorstellung wird angenommen, dass dieser Effekt durch das kleinere Verhältnis aus der mittleren Aufenthaltszeit und der Zeit für die chemische Umsetzung verursacht wird. An der mageren Löschgrenze ist bei einer massiven Verkleinerung von Brennern eine (mäßige) Erhöhung der adiabaten Flammentemperatur notwendig, um das ungünstigere Verhältnis der Zeitskalen zu kompensieren. Wie der Vergleich der beiden kleinen Bilder in Abb. 9-7 zeigt, reißt die Flammenfront bei der Annäherung der Luftzahl an die magere Löschgrenze aufgrund stärker werdender lokaler Löschvorgänge immer mehr auf. Dies schwächt den permanenten Zündmechanismus, bis rückkopplungsbedingt Löschen eintritt. Nicht nur bei vormischenden, sondern auch bei nicht vormischenden Gasturbinenbrennern dominiert die drallinduzierte Flammenstabilisierung. Die Zündzonen liegen i. Allg. in Bereichen, deren Mischungsverhältnisse nicht allzu weit vom stöchiometrischen entfernt sind. Steht eine hohe statische Stabilität der Flamme im Vordergrund des Interesses, wird der Brennstoff in klassischer Weise aus einer zentralen Lanze in die Scherschicht zwischen der einströmenden Luft und dem rezirkulierten Heißgas eingedüst, um das Gemisch zu zünden. Eine moderate Verringerung der Stickoxid- und Rußemissionen zulasten der statischen und manchmal auch der dynamischen Stabilität ist durch die Verlagerung der Eindüsung auf größere Radien möglich, wenn es gelingt, die Zündung stromab in besser gemischte Gebiete zu verlagern.
9.5 Ablauf der Reaktion In drallstabilisierten Flammen beginnt der chemische Umsatz des in die Brennkammer eingedüsten Brennstoffes bzw. Gemisches in den brennernahen Zündzonen und 20
Bespiele hierfür sind Stoßdiffusoren, Stufen, Rohrregister oder Stumpfkörper in der Strömung. Dies gilt nur für eingeschlossene, weitgehend adiabate Flammen. Offene Flammen zeigen dagegen eine ausgeprägte Abhängigkeit der mageren Löschgrenze von der Drallzahl. 21
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
411
st sl
1 0
Tu ·
u sl
Abb. 9-8 Einfluss der Turbulenz auf die turbulente Brenngeschwindigkeit
pflanzt sich mit der lokalen Brenngeschwindigkeit relativ zur Strömungsgeschwindigkeit, die typischerweise 50–100 m=s beträgt, aus. Ein essenzielles Ziel der Auslegung von Gasturbinenbrennern und -brennkammern ist die Beschleunigung dieses Vorgangs und damit die Verkürzung der Brennkammer. Es lässt sich durch die wesentliche Erhöhung der turbulenten Brenngeschwindigkeit gegenüber der Brenngeschwindigkeit laminarer Flammen sl erreichen, die bei gasturbinentypischen Werten für die Luftvorwärmung und den Druck für übliche Brennstoffe nur wenigen Meter pro Sekunde beträgt. Im mageren Bereich wird bei wichtigen Brennstoffen wie Erdgas oder Dieselöl ein Meter pro Sekunde kaum erreicht. Ein wichtiges makroskopisches Maß für den Einfluss der Turbulenz der Strömung auf den chemischen Umsatz ist die turbulente Brenngeschwindigkeit st [9.2]. Wie in Abb. 9-8 skizziert, nimmt die turbulente Brenngeschwindigkeit mit steigender Turbulenz zunächst etwa linear zu. Bei hohen Turbulenzintensitäten wird ein Maximum durchlaufen, bevor plötzlich Verlöschen eintritt; der hohe turbulente Austausch führt zunächst zu einem lokalen und dann zu einem vollständigen Quenchen22 der Reaktion. In hochturbulenten Strömungsfeldern lässt sich die Brenngeschwindigkeit um etwa eine Größenordung gegenüber der laminaren erhöhen, bevor Löschen eintritt. Die Momentanaufnahmen in Abb. 9-7 verdeutlichen, dass die Umsatzerhöhung vorgemischter Flammen durch die Turbulenz in erster Linie über die Vergrößerung der Flammenoberfläche erreicht wird. Die turbulenten Wirbel erzeugen eine stark zerklüftete Oberfläche und können v. a. bei niedrigen Flammentemperaturen in der Nähe der Löschgrenze inselförmige Gebiete von der Flammenfront abtrennen, die dann isoliert abreagieren. Bei nicht zu hoher Turbulenz und in ausreichendem Ab22
Beim Quenchen bricht die Reaktionsrate zusammen („Abschrecken“).
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K 1700
1500 1100
1500
Vormischbrenner
1700
1300 1100
900 1300
900 700
Brennkammer Abb. 9-9 Zeitgemittelte Temperaturverteilung in einer drallstabilisierten Vormischflamme im Mittelschnitt einer quadratischen Brennkammer
stand von der Löschgrenze der Flamme lassen sich die lokalen Vorgänge in der turbulenten Flammenfront durch laminare Flammen approximieren. In grober Näherung ist die Erhöhung der Flammengeschwindigkeit proportional zur Erhöhung der Flammenoberfläche durch die Turbulenz. Da die Vergrößerung der Flammenoberfläche durch die Turbulenz aber auch von der laminaren Flammengeschwindigkeit abhängt, ergibt sich keine reine Proportionalität zwischen der Erhöhung der Flammenfläche und der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeit. Auch neuere Korrelationen für turbulente Flammengeschwindigkeiten (z. B. [9.29, 9.37]) liefern ganz unterschiedliche Ergebnisse für den Einfluss der laminaren Flammengeschwindigkeit auf die turbulente Brenngeschwindigkeit. Da dieser Zusammenhang offensichtlich nicht durch eine einfache analytische Beziehung in allgemeingültiger Form beschrieben werden kann, gilt lediglich als gesichert, dass eine Korrelation zwischen beiden Größen besteht, die zwischen den Grenzfällen des fehlenden Einflusses von sl auf st und der reinen Proportionalität zwischen sl und st liegt. Die Normierung der Achsen mit sl in Abb. 9-8 darf daher nicht dahingehend missinterpretiert werden, dass der dargestellte Zusammenhang quantitativ universellen Charakter hat, d. h. generell und unabhängig von sl gilt. Selbst bei hohen Turbulenzintensitäten am Brennkammereintritt ist die turbulente Brenngeschwindigkeit von Kohlenwasserstoffgemischen wesentlich kleiner als die mittlere Einströmgeschwindigkeit, weshalb die Reaktionsfront nur in einem flachen Winkel zu den mittleren Stromlinien propagieren kann und das Gemisch mit steigenden Abstand vom Brenneraustritt an den Strahlrändern umgesetzt wird. Die Temperaturverteilung in Abb. 9-9 verdeutlicht dies anhand eines typischen Beispiels. Die Wärmefreisetzung erfolgt weitgehend innerhalb eines Brennerdurchmessers. Für die Auslegung von Brennkammern ist jedoch die Zeit bis zur vollstän-
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413
digen CO-Oxidation maßgebend. Es lässt sich durch eine detaillierte reaktionskinetische Modellierung zeigen, dass bei für Gasturbinen typischen Drücken in Kohlenwasserstoff-Vormischflammen die thermodynamische Gleichgewichtskonzentration schon eine Millisekunde nach der Zündung weitgehend erreicht wird. Hieraus ist zu folgern, dass die Ausbrandlänge hauptsächlich durch die turbulente Brenngeschwindigkeit begrenzt ist und damit wesentlich von der Brennergröße abhängt. Nimmt man stark vereinfachend an, dass die turbulente Brenngeschwindigkeit nicht von der Brennergröße abhängt, ergibt sich eine Proportionalität zwischen der Flammenlänge und dem Brennerdurchmesser23. In Wirklichkeit hat der Brennerdurchmesser einen Einfluss auf die turbulenten Längenmaße, weshalb sich Abweichungen von der strengen Proportionalität ergeben. Infolge des schnellen Ausbrands emittieren Vormischbrenner bis zur mageren Löschgrenze sehr niedrige Kohlenmonoxidemissionen24. Auch Selbstzündvorgänge sind von besonderer zusätzlicher Bedeutung für den Ausbrand von Vormischflammen bei gasturbinentypischen Drücken. Wie in Abschn. 9.9.3 gezeigt wird, führt die Mischung von Brennstoff-Luftgemisch mit ausgebranntem Abgas zu einer sehr schnellen Selbstzündung, wenn Gemischtemperaturen über 1200–1300 K erreicht werden. Mit einer Emission von Zwischenprodukten ist demnach nur zu rechnen, wenn in der Brennkammer Temperatursträhnen existieren, die unter den genannten Werten liegen. Da die Mischtemperatur v. a. vom Abgasanteil und der Abgastemperatur dominiert wird, bedeutet dies, dass dies nur dann geschehen kann, wenn auch noch stromab von der Hauptreaktionszone Gebiete mit geringem Abgasanteil existieren bzw. die Abgastemperatur so niedrig ist, dass eine ausreichende Mischtemperatur nicht mehr erreichbar ist25 . Ersteres ist bei Vormischflammen nur dann der Fall, wenn die Mischungsintensität in der Brennkammer unzureichend ist, hohe Kühlluftmengen konzentriert in eine Zone der Brennkammer eingedüst werden oder ein hoher Wärmeentzug über die Brennkammerwände vorliegt. Auch in Diffusionsflammen wird der chemische Umsatz prinzipiell durch die Geschwindigkeit der diffusiven Mischprozesse und durch die reaktionskinetische Umsatzrate bestimmt. Um beide Effekte in Relation zueinander zu setzen, wird eine Damköhlerzahl Da gebildet, die die Zeit für die Vermischung von Brennstoff und Luft ins Verhältnis zur mittleren Reaktionszeit setzt: Da D
tmischung : tchemisch
(9.16)
Für extrem kleine Damköhlerzahlen verliefe die Reaktion in einem weitgehend vorgemischten Gebiet mit der Gesamtluftzahl, obwohl der Brennstoff und die Luft dem Brennraum getrennt zugeführt wurden; sehr kleine Damköhlerzahlen gestatten 23
Bei einer Verdopplung des Brennerdurchmessers z. B. muss die Flammenfront den doppelten Weg durch das Gemisch zurücklegen, wofür sie die doppelte Länge benötigt. 24 Typische Werte für die Flammentemperatur an der Löschgrenze von KohlenwasserstoffVormischflammen liegen zwischen 1500 und 1700 K und sind nur schwach vom Druck und der Luftvorwärmung abhängig. 25 Betrieb bei mittlerer oder niedriger Teillast.
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also die Steuerung der Reaktion durch die Gestaltung des Mischvorganges. Bei der Verbrennung gasturbinentypischer Brennstoffe unter Druck ist die Damköhlerzahl meist deutlich > 1 und der lokale Umsatz in der Flamme wird wesentlich stärker von der Mischungsgeschwindigkeit als von der Reaktionskinetik limitiert. Dieser Sachverhalt ist von überaus großer feuerungstechnischer Bedeutung, da es möglich ist, den chemischen Umsatz durch die luftseitige Gestaltung des Brenners und die Art der Brennstoffeindüsung in weiten Grenzen zu steuern. Die wichtigsten Kriterien für die Auslegung von nicht vormischenden Gasturbinenbrennern sind: • vollständiger chemischer Umsatz bei kurzer Baulänge, • hohes Verhältnis von Volumen der Brennkammer zu ihrer Oberfläche, • geringe Rußbildung. Dieses Anforderungsprofil ist nur durch intensiv mischende Brenner, die eine in Längsrichtung kompakte Flamme erzeugen, zu erfüllen; bei Gasturbinenbrennern wird daher eine möglichst kleine Damköhlerzahl angestrebt. An den meisten Standorten von Gasturbinen ist die erlaubte Emission von Kohlenmonoxidemissionen von neuen Maschinen im höheren Lastbereich auf wenige ppm26 limitiert. Dies stellt extrem hohe Anforderungen an den Brennstoffumsatz in der Brennkammer. Kohlenmonoxidkonzentrationen im ppm Bereich sind in Gasturbinenbrennkammern nur in Zonen hohen Luftüberschusses zu erreichen. Die Gleichgewichtskurve für CO in Abb. 9-10 unterschreitet 10 ppm bzw. 1 ppm erst bei Luftzahlen über 1,95 bzw. 2,35 und Flammentemperaturen unter ca. 1800 K bzw. 1650 K. Dieser Temperaturbereich, der der mageren Löschgrenze von Vormischflammen sehr nahe kommt, ist auch aus Gründen der geringen Stickoxidbildung der Optimalbereich für die Temperatur in der Primärzone von Vormischbrennern. Aus Abb. 9-10 lässt sich zusätzlich ableiten, dass die Kohlenmonoxidemissionen nach Anschluss der Verbrennung bei Diffusionsflammen um Größenordungen höher sind und erst während der weiteren Luftzumischung auf akzeptable Werte abfallen. Diffusionsflammen in Gasturbinen besitzen deshalb stromab von der Hauptreaktionszone eine ausgeprägte CO-Ausbrandzone, in der die Gleichgewichtskonzentration kontinuierlich abfällt. Auch hier wirken die Mischvorgänge limitierend. Abbildung 9-10 berücksichtigt die Kinetik des CO-Ausbrandes nicht. Für Temperaturen und Drücke wie sie bei hoher Gasturbinenleistung auftreten, lässt sich zeigen, dass die kinetisch bedingte Ausbrandzeit üblicherweise etwa eine Größenordnung kürzer als die mittlere Aufenthaltszeit in der Brennkammer ist. Bei geringer Leistung gilt dies dagegen nicht mehr. Mit fallenden Temperaturen in der Brennkammer fällt zwar die Gleichgewichtskonzentration ab, gleichzeitig verlangsamt sich aber auch die CO-Kinetik wesentlich. Der letzte Effekt dominiert, und als Konsequenz wird die Kinetik der bestimmende Faktor für den Verbrennungswirkungsgrad und die Emissionen. Interessanterweise treten ähnliche Effekte auch während der Expansion in der Turbine auf. Deshalb erfolgt keine wirksame Nachoxidation des am Brennkammerende vorliegenden Kohlenmonoxids in der Turbine. 26
„Parts per million“, molares Verhältnis von CO zum gesamten Abgas.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
415
1,0E+04 CO (ppmv) 0,1 MPa 1,0E+03
CO (ppmv) 1,5 MPa
1,0E+02
1,0E+01
1,0E+00
1,0E-01
1,0E-02 1,25
1,50
1,75
2,00
2,25
2,50
2,75
3,00
Luftzahl Abb. 9-10 Kohlenmonoxidkonzentration des Heißgases unter gasturbinentypischen Bedingungen im thermodynamischen Gleichgewicht (Methan, 700 K Lufttemperatur, 1,5 MPa Brennkammerdruck und 0,1 MPa zur Verdeutlichung des Druckeinflusses)
Sowohl bei der vorgemischten als auch bei der nicht vorgemischten Verbrennung ist die zweite wichtige Aufgabe von Gasturbinenbrennern neben der Flammenstabilisierung die Erzeugung von Turbulenz am Brenneraustritt, um den nachfolgenden Umsatz im Gemisch zu forcieren bzw. um die Brennstoff-Luft-Mischung zu intensivieren. Strömt die Luft bzw. das Gemisch durch Öffnungen in die Brennkammer ein, entsteht die Turbulenz ausschließlich in den Scherschichten um die Strahlen. Die Verdrallung der Strömung in den Brennern hat darüber hinaus eine Turbulenzproduktion im Brenner zur Folge, die den Brennstoffumsatz forciert. Typische Turbulenzgrade in Drallerzeugern von Gasturbinenbrennern (Ausführungsbeispiele s. Kap. 10) erreichen 10–20%. Eine zusätzliche Möglichkeit zur Verbesserung der Mischungsqualität besteht darin, einen Teil des Brennstoffs schon weit stromauf vom Drallerzeuger in den Brennerluftstrom einzudüsen, um diesen Anteil weitgehend vor dem Eintritt in die Brennkammer perfekt mit der Verbrennungsluft zu vermischen. Allerdings ist hierbei darauf zu achten, dass sich stromauf des Brenners kein brennbares Gemisch bildet, um eine unerwünschte Selbstzündung zu vermeiden (s. Abschn. 9.9.3). In der Praxis limitiert dies die eindüsbare Brennstoffmenge auf einen kleinen Anteil.
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9.6 NO-Bildung Die Gleichgewichtskonzentration von NO liegt bei für Gasturbinen typischen Drücken um mehrere Größenordnungen über den üblicherweise zulässigen Grenzwerten. Dass trotzdem sehr restriktive Werte unterschritten werden können, beruht auf der niedrigen Geschwindigkeit der NO-Bildung im Vergleich mit den anderen Stoffumwandlungsvorgängen in der Brennkammer. Die Reduzierung der NOEmissionen in stationären Gasturbinen wird durch die Kontrolle und die Absenkung der Temperatur während der Verbrennung und die Verkürzung der Aufenthaltszeit bei hohen Temperaturen erreicht.
9.6.1 Kinetik Stickoxide in Flammen werden über vier unterschiedliche kinetische Mechanismen gebildet, deren individueller Beitrag zu den Gesamtemissionen stark vom Brennstoff und dem Flammentyp, dem Druck und den Temperaturen abhängt [9.5]. Hierbei sind die eigentliche Reaktionszone, in der der Brennstoff umgesetzt wird und die Zone weiter stromab bis zur Turbine zu unterscheiden. Thermisches NO27 Mit steigender Temperatur nimmt die Fähigkeit des Sauerstoffradikals, den molekularen Stickstoff der Luft zu spalten, zu. Bei der Reaktion von O mit N2 werden ein NO-Molekül und ein N-Radikal gebildet. Das N-Radikal reagiert weiter mit O2 oder OH zu NO und setzt im ersten Fall über die Produktion eines weiteren O-Radikals eine Kettenreaktion in Gang. Der Grund für die starke Temperaturabhängigkeit ist die hohe Aktivierungsenergie der Reaktion von O mit N2 sowie der starke Anstieg der O-Konzentration in Flammen mit steigender Temperatur. Da die Konzentration der O-Atome in der Flammenfront weit über dem thermodynamischen Gleichgewicht liegt, ist dort die NO-Produktionsrate wesentlich höher als in der Zone stromab von der Flamme. Letztere trägt immer dann zur NO-Emission Wesentliches bei, wenn die Aufenthaltszeit nach Beendigung der eigentlichen Verbrennung sehr lang gegenüber der für die Wärmefreisetzung notwendigen chemischen Zeit ist, weil dann trotz der relativ niedrigen O-Radikalkonzentration und NO-Produktionsrate genügend Zeit zur weiteren NO-Bildung im Abgas zur Verfügung steht. Promptes NO28 In Kohlenwasserstoff-Flammen spalten nicht nur reaktive Sauerstoffatome, sondern auch Bruchstücke des Brennstoffes den molekularen Luftstickstoff. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Reaktion von CH mit N2 zu HCN und N mit nachfolgender Oxidation des Stickstoffs. Die Bezeichnung prompt hat 27 28
Dieser Mechanismus wird häufig als Zeldovich-Mechanismus bezeichnet. Dieser Mechanismus wird häufig als Fenimore-Mechanismus bezeichnet.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
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seinen Ursprung in der sehr kurzen Lebenszeit der Brennstoff-Fragmente in der Flammenfront. NO aus Distickstoffoxid N2 O Während N2 beim thermischen Mechanismus durch O-Atome gespalten wird, beruht die N2 O Bildung auf der Verschmelzung von N2 und O unter Anwesenheit eines dritten Stoßpartners. Die Reaktion wird von hohen Drücken begünstigt und kommt schon bei niedrigeren Temperaturen als die Spaltung von N2 in Gang, da die Aktivierungsenergie der Reaktion geringer ist. Die Stickoxidmoleküle werden nachfolgend parallel über mehrere Pfade gebildet, wobei die Umsetzung von N2 O mit H- und O-Atomen zu NO von besonderer Bedeutung ist. NO aus Brennstoff-Stickstoff Unter Brennstoff-Stickstoff wird der chemisch an Brennstoffe gebundene Stickstoff verstanden. Beim Zerfall des Brennstoffs werden auch die Bindungen des Stickstoffs mit dem Kohlenwasserstoff aufgespalten. Ähnlich wie beim prompten Mechanismus spielt der Cyanwasserstoff HCN in der NO-Bildungskinetik die zentrale Rolle. In technischer Hinsicht von großer Bedeutung ist, dass HCN in sauerstoffreichen Gebieten weitgehend zu NO oxidiert wird, in reduzierenden Gebieten aber auch eine teilweise Reduktion des Brennstoff-Stickstoffs zu N2 möglich ist. Da die Umwandlung stickstoffhaltiger Spezies im Brennstoff in NO bzw. N2 nur relativ wenig von ihrer chemischen Zusammensetzung abhängig ist, verhalten sich ammoniakhaltige gasförmige Brennstoffe hinsichtlich der NO-Bildung ähnlich. Bildung von Stickstoffdioxid NO2 Obwohl von Verbrennungsprozessen emittiertes NO auch in der Natur zu NO2 oxidiert wird, ist die Emission von NO2 aus Gasturbinenbrennkammern aufgrund der Gelbfärbung des Abgases besonders unerwünscht. Bei stark mischenden Brennkammern ohne unterkühlte Gebiete und hohen Flammentemperaturen ist NO2 in der Brennkammer nicht beständig und würde zu NO umgewandelt. Treten dagegen bei geringer Last überstöchiometrische, NO-haltige Gebiete mit Temperaturen unter ca. 1200 K auf, erfolgt die unerwünschte Umwandlung von NO zu NO2 . Diese ist umso gravierender, je höher die NO-Konzentration in diesen Gebieten ist (s. auch Abschn. 9.6.3). Die Gefahr, hohe NO2 -Konzentrationen zu erzeugen, ist besonders bei trockenen Diffusionsflammen groß. Das Problem existiert aber auch im gestuften Betrieb von Vormischflammen, wenngleich es sich hier mittels einer geeigneten Stufungsstrategie (s. Abschn. 9.8) durch die Absenkung der NO-Produktion im Bereich schwacher Last leichter lösen lässt.
9.6.2 Diffusionsflamme Bei der Diffusionsverbrennung lässt sich zwar die lokale Wärmefreisetzung in einem weiten Bereich über die Steuerung der Mischung beeinflussen, die Zustände in der Reaktionszone sind aber nicht ausreichend zu kontrollieren. Nachteilig ist v. a.,
418
T. Sattelmayer
dass die maximale Temperatur nicht in dem erforderlichen Maß begrenzt werden kann, was im Zusammenhang mit den relativ langen Aufenthaltszeiten und dem hohen Druck der NO-Bildung förderlich ist. Diffusionsflammen in Gasturbinenbrennkammern besitzen durch die Steuerung des Umsatzes über den Mischvorgang eine inhärente Luftstufung mit reduzierenden Bereichen in der Nähe des Brennstoffinjektors und der Fähigkeit zur teilweisen Reduktion des im Brennstoff gebundenen Stickstoffs. Bei Brennstoffen hoher Heizwerte ohne gebundenen Stickstoff werden Stickoxide v. a. über den thermischen NO-Bildungsmechanismus erzeugt. Wird die Verbrennung in heißen und ungemischten Gebieten durch die gezielte Injektion von Wasser, einem anderen (inerten) Stoff oder durch die Verdünnung des Brennstoffs verhindert, wird trotz der Veränderung der Brennstoffumsetzung in der Nähe des Injektors (Oxidationsvorgänge und Reformierungsreaktionen) in erster Linie eine bessere Vermischung der Luft mit dem Brennstoff vor dem Einsetzen der Reaktion erreicht. Infolge dessen sind ähnlich niedrige Emissionen wie mit dem Vormischverfahren zu erreichen und auch die Art der NO-Bildung gleicht sich an.
9.6.3 Vormischverfahren Bei der mageren Vormischverbrennung verliert die prompte NO-Bildung mit steigendem Druck an Bedeutung; sie kann unter gasturbinentypischen Bedingungen gegenüber den anderen Bildungsrouten vernachlässigt werden. Im technisch besonders interessanten Niedertemperaturbereich nahe der mageren Löschgrenze dominiert der N2 O-Mechanismus gegenüber der thermischen NO-Bildung. Die NOErzeugung von Kohlenwasserstoff-Vormischflammen ist bei gleicher Heißgastemperatur kaum vom chemischen Aufbau des Brennstoffs abhängig, so lange der Brennstoff keinen gebundenen Stickstoff besitzt. Dies gilt auch für vollständig vorverdampfte und perfekt vorvermischte Flüssigbrennstoffe. Die erreichbare minimale Grenze der Stickoxidemission von Vormischflammen ist prinzipiell von der Wechselwirkung zwischen der Turbulenz in der Flammenfront und der Chemie beeinflusst. Im Brenner werden große Wirbel erzeugt, die miteinander wechselwirken und eine Kaskade immer kleiner werdender Wirbel ansteigender Frequenz produzieren, bevor die kinetische Energie der Wirbel beim Mikrolängenmaß29 dissipiert wird. Diese Wirbelgröße ist im für Gasturbinen typischen Fall von derselben Größenordnung wie die Dicke der Flammenfront. Dementsprechend ist nicht auszuschließen, dass die Flammenstreckung durch Geschwindigkeitsgradienten zu lokalen Löschvorgängen führt, Nachbrennvorgänge dieser gelöschten Zonen stattfinden und Rühreffekte die chemische Umsetzung und damit die NO-Bildung beeinflussen. Bisher ist es weder experimentell noch theoretisch gelungen, gasturbinentypische Flammen unter Druck in einem ausreichendem Detaillierungsgrad zu untersuchen, 29
Das Mikrolängenmaß beschreibt die Größe der kleinsten Wirbel in einem turbulenten Strömungsfeld. Kleinere Wirbel sind nicht überlebensfähig, da sie durch die molekulare Reibung sofort dissipiert würden.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
0,006 0,1 MPa γCH4/10
0,003
NO-Prod. γNO *1000
0,004
0,002 γO
0,003
0,001 0,002 0
0,001 γCO/10 0 1
–0,001 0,1 0,01 0,001 (Theißgas – T)/(Theißgas – Tgemisch)
0,006
0,04 NO-Prod.
1,5 MPa
γNO *1000
0,03
0,004 0,02 0,003 0,01 0,002 γCO/10 0,001
0
γO
0 1
–0,01 0,1 0,01 0,001 (Theißgas – T)/(Theißgas – Tgemisch)
molare NO-Produktionsrate (s–1)
γCH4/10
0,005
Molenbruch γ
molare NO-Produktionsrate (s–1)
0,004
0,005 Molenbruch γ
Abb. 9-11 Stickoxidbildung in einer laminaren Flamme (Theißgas D 1840 K). Für das unverbrannte Gemisch gilt .Theißgas T /=.Theißgas Tgemisch / D 1. Die chemische Umsetzung schreitet von links nach rechts voran
419
es ist aber möglich, einfache Flammenmodelle zu benutzen und mittels einer detaillierten reaktionskinetischen Betrachtung den potenziellen Einfluss einzelner turbulenter Effekte auf die NO-Bildung abzuschätzen. Vergleichende reaktionskinetische Studien, in denen eine eindimensionale laminare Flamme als Referenz benutzt wurde, haben eine bemerkenswert geringe Sensitivität der NO-Bildung gegenüber hoher turbulenter Diffusion, Flammenstreckung, Nachverbrennung gequenchter Zonen und Rühreffekten in der Flammenfront gezeigt. Hinsichtlich der Verbrennungstechnik ist v. a. die starke Temperaturabhängigkeit der Stickoxidbildung wichtig, während die turbulenten Effekte im Vergleich hierzu von untergeordneter Bedeutung sind [9.27]. Wie Abb. 9-7 für 0,1 MPa Druck, also ungefähr Atmosphärendruck, verdeutlicht, besteht bei turbulenten Flammen ein klar definierter Übergang zwischen dem un-
420
T. Sattelmayer
verbrannten Gemisch und dem Abgas. Es kann deshalb und aufgrund der geringen Sensitivität der NO-Bildung von der lokalen Turbulenzstruktur davon ausgegangen werden, dass die eindimensionale laminare Flamme ein akzeptables Modell für die lokalen Verhältnisse in turbulenten Vormischflammen in Gasturbinenbrennerkammern ist, die ganze Flammenfront also als Ensemble solcher Flammen aufgefasst werden kann. In Abb. 9-11 ist der Verlauf der NO-Bildung über einer eindimensionalen Flammenfront dargestellt. Die Konzentration für das Sauerstoffradikal steht stellvertretend für die in der NO-Kinetik wichtigen Radikale O, H und OH. Bei hohem Druck wird die Rekombination der Radikale erhöht, weshalb der Molenbruch des O-Radikals wesentlich niedriger ist. Es wird deutlich, dass die NO-Produktion v. a. von den hohen Radikalenkonzentrationen in der Flammenfront forciert wird und im Abgas wieder massiv zurückgeht. Die Druckabhängigkeit der verschiedenen Bildungspfade der Stickoxide wie auch das veränderte Verhältnis zwischen Reaktionsdichte, Diffusion und thermischer Vorwärmlast führen bei hohem Druck zu höheren Stickoxidkonzentrationen bei niedrigen Temperaturen. Aus dem Vergleich der Stickoxidkonzentration und der Produktionsrate lässt sich ableiten, dass die NOKonzentrationen im kälteren Teil der Flamme durch die Diffusion von der Abgasseite beeinflusst werden. Bei hohem Druck ist die Produktionsrate für NO unter 40% Temperaturhub negativ, weil sich in diesem Temperaturbereich eine Umwandlung von NO zu NO2 vollzieht, die bei höheren Temperaturen wieder umgekehrt wird.30 Ein besonders interessantes Ergebnis der beiden gezeigten Beispiele ist, dass bei der gewählten adiabaten Flammentemperatur keine Druckabhängigkeit der NOBildung vorliegt, wenn der Vergleich wie in Abb. 9-11 auf der Basis des Temperaturhubs durchgeführt wird. Hierzu ist allerdings zu bemerken, dass die Reaktion bei hohen Drücken wesentlich schneller abläuft und deshalb die NO-Konzentration höher ist, wenn dem Vergleich die gleiche Zeit seit dem Einsetzen der Reaktion zugrunde gelegt wird. Abbildung 9-12 zeigt den zeitlichen Ablauf des Verbrennungsvorgangs in Abhängigkeit vom Druck. Bei hohem Druck ist die Reaktionszeit in der Größenordnung einer Millisekunde, danach wird das Abgas nur noch auf der hohen Temperatur gehalten und bildet weiter Stickoxide. Hieraus lässt sich direkt folgern, dass es an sich wünschenswert wäre, die Aufenthaltszeit der Abgase in der Brennkammer auf diese Zeit zu begrenzen. Dem steht allerdings entgegen, dass das Propagieren der turbulenten Flamme durch das Gemisch (s. Abschn. 9.5) um eine Größenordnung langsamer ist als die Zeit für die chemische Umsetzung und dass die Länge von Brennkammern nach den wesentlich ungünstigeren Verhältnissen bei Teillast ausgelegt werden muss. Der Einfluss dieser längeren Aufenthaltszeit auf die NO-Emissionen ist in Abb. 9-13 zusammenfassend dargestellt. Die untere Kurve repräsentiert die NO-
30 Der gleiche Mechanismus führt bei niedrigen Flammentemperaturen von Diffusionsflammen und im pilotierten Betrieb von Vormischflammen wie sie bei niedriger Last in Gasturbinen auftreten zum Einfrieren von NO2 mit dem Effekt einer unerwünschten Gelbfärbung des Abgases.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
NO (ppmv) T (K) 0,1 MPa
CO (vol %) NO (ppmv)
T (K) 1,5 MPa
CO (vol %)
2000
0,1 MPa 6 1,5 MPa 5 4
1500 T (K)
3
1000 2
Molenbruch γ
Abb. 9-12 Vergleich der Reaktionszeit einer laminaren Flamme (Theißgas D 1840 K) bei 0,1 MPa und 1,5 MPa
421
500 1 0
0 0
1
3
2
4
5
t (ms)
Bildung bei der reaktionskinetisch notwendigen Minimalzeit31 , die Kurvenschar darüber gibt an, wie sich die Emissionen verschlechtern, wenn wegen der langsameren turbulenten Brenngeschwindigkeit längere mittlere Aufenthaltszeiten notwendig sind. Es ist deutlich zu sehen, dass nur bei niedrigen Flammentemperaturen auch trotz langer Aufenthaltszeiten sehr geringe Stickoxidemissionen erreicht werden können. Mit den in Zukunft weiter ansteigenden Temperaturen in der Primärzone von Brennkammern wird dagegen die Verringerung der Aufenthaltszeiten durch die Intensivierung der Mischung immer wichtiger, weil die NO-Bildung des zu Anfang umgesetzten Brennstoffes mit langer anschließender Aufenthaltszeit in der Brennkammer immer gravierender wird. Gelingt es, näher an das kinetisch notwendige Minimum der Aufenthaltszeit zu kommen, ist selbst bei extrem hohen Temperaturen noch eine sehr stickoxidarme Verbrennung möglich. Prinzipiell kann die magere Vormischverbrennung grundsätzlich auch mehrstufig ausgeführt werden. In diesem Fall wird eine erste vorgemischte Stufe idealerweise bei Flammentemperaturen unter 1700 K betrieben, um die Stickoxidbildung weitgehend zu eliminieren. Anschließend muss die Temperatur durch eine Luftzumischung oder eine Teilexpansion so weit abgesenkt werden, dass der restliche Brennstoff mit dem Abgas vollständig vermischt werden kann, bevor die Nachreaktion infolge der Selbstzündung einsetzt. Reaktionskinetische Studien sagen voraus, dass die NOEmission eines solchen idealisierten Prozesses bei gasturbinentypischen Drücken etwa proportional zur in die Nachbrennstufe eingedüsten Brennstoffmenge ist. Die
31
Temperaturhub von 99,9%, d. h. .Theißgas T /=.Theißgas Tgemisch / D 0;001.
422
100 t – tminimum
NO (ppm, 15% O2)
Abb. 9-13 Einfluss der Aufenthaltszeit auf die NO-Bildung
T. Sattelmayer
0,1 MPa
0 ms 5 ms 10 ms 20 ms 40 ms 80 ms 10
1 1650 1700 1750 1800 1850 1900 1950 2000 Theißgas (K) 100
NO (ppm, 15% O2)
tt – tminimum: 0 ms 5 ms 10 ms 20 ms 40 ms 80 ms 10
1,515MPa bar 1 1600 1650 1700 1750 1800 1850 1900 1950 2000 Theißgas (K)
Attraktivität nimmt also mit steigender Einmischtemperatur vor der zweiten Brennstoffeindüsung zu. Bei Temperaturen über 1200–1300 K ist eine Brennstoffeinmischung ohne während des Mischvorgangs einsetzende Reaktion allerdings überaus schwierig zu erreichen, weshalb das technische NO-Minderungspotenzial mager gestufter Verfahren aus rein reaktionskinetischer Sicht nicht wesentlich höher ist als das einstufiger.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
423
Das hohe NO-Minderungspotenzial der Vormischverbrennung ist nur beim Einsatz von Brennstoffen ohne gebundenen Stickstoff erreichbar, da sich die beim Zerfall der Brennstoffmoleküle freigesetzten Stickstoffradikale weitgehend zu NO verbinden. Die in Abb. 9-13 aufgetragenen Modellierungsergebnisse für die Stickoxidemissionen sind die Untergrenze der in Gasturbinen erreichbaren Werte bei perfekter Vermischung von Luft und Brennstoff auf molekularer Ebene. Die logarithmische Darstellung in Abb. 9-13 verdeutlicht weiterhin, dass die NO-Emissionen generell exponentiell mit der Flammentemperatur steigen, eine Nichtlinearität, die weitreichende Konsequenzen für die Verbrennungstechnik von Gasturbinen hat und die die Verbesserung der Mischung zu einer Hauptaufgabe im Zusammenhang mit der NO-Reduzierung macht. Hierbei sind zwei Teilaufgaben zu lösen: Erstens muss der Brennstoff gleichmäßig über den Querschnitt der einströmenden Luft verteilt werden und zweitens sind die zeitlichen Brennstofffluktuationen in der Brenneraustrittsebene so weit wie möglich zu verkleinern. Der Versuch, die Grobverteilung gasförmigen Brennstoffs in der Verbrennungsluft von einer Injektionsstelle aus allein durch die turbulenten Mischbewegungen im Gemisch erreichen zu wollen, führt zu sehr langen Mischstrecken, die für den Einsatz in Gasturbinenbrennkammern nicht geeignet sind, weil dadurch die Brennkammer zu lang würde und die langen Aufenthaltszeiten zu unerwünschten Selbstzündungen im Mischer führen könnten (s. Abschn. 9.9.3). Gasturbinenbrenner müssen daher immer einen Transportmechanismus besitzen, der die schnelle Grobverteilung des Brennstoffs über den Einströmquerschnitt der Luft erreicht. Prinzipiell sind zwei Methoden zu unterscheiden: Die Mischenergie stammt aus dem Impuls des Brennstoffs Bei gasförmigen Brennstoffen ist das Hauptproblem hierbei das kleine Massenverhältnis zwischen dem Brennstoff und der Luft sowie der begrenzte Druck des Gases. Beides zusammen begrenzt den Energieeintrag in die Luftströmung und führt zu geringen Eindringtiefen der Brennstoffstrahlen. Als Konsequenz sind die Einströmquerschnitte der Luft in Gasturbinenbrennern häufig segmentiert (Mehrschlitzanordnung, Drallschaufelregister, Beispiele s. Kap. 10) und weisen ein sehr kleines Seitenverhältnis auf, wobei die Schmalseite nicht wesentlich größer als das Zweifache der Brennstoff-Strahleindringtiefe sein sollte, um eine Eindüsung von den Langseiten aus zu ermöglichen. Bei der Vormischung flüssiger Brennstoffe ist eine ähnliche Eindüsungsstrategie möglich; da aber wesentlich höhere Drücke als bei Gas zulässig sind, kann der Brennstoff prinzipiell von wesentlich weniger Injektionspunkten aus eingedüst werden, wenn der Brennstoff, wie z. B. bei der Strahleindüsung, eine hohe Fähigkeit zur Penetration der Luft hat. Die Herausforderung bei der Auslegung solcher Systeme ist, eine ausreichende Dispersion der Strahlen über dem Strömungsquerschnitt zu erreichen und den Flüssigkeitszerfall in Tropfen, die Tropfenbewegung und die Verdampfung so aufeinander abzustimmen, dass sich im Austrittsquerschnitt des Brenners eine gleichförmige Mischung einstellt. Ein besonderes Problem hierbei ist die starke Sensitivität der Gemischbildung vom Brennkammerdruck, der Lufttemperatur und den Massendurchsätzen.
424
T. Sattelmayer
Die Mischungsenergie stammt aus der Luftströmung Da der Massenstrom der Luft um mehr als eine Größenordnung höher als der des Brennstoffs ist, bietet sich als Alternative sowohl für gasförmige als auch für flüssige Brennstoffe an, die Mischung luftseitig zu steuern. Dies geschieht durch die Erzeugung von wirbelförmigen Sekundärströmungen in den Einströmkanälen der Luft. Der Brennstoff wird am effektivsten in die Kontaktzone gegensinnig rotierender Wirbel in Richtung der Sekundärströmung eingedüst, danach durch die Wirbelbewegung über den ganzen Querschnitt transportiert und dabei verteilt. Durch die Kombination eines luftgesteuerten mit einem (unvollkommenen) brennstoffgesteuerten Mechanismus sind Verbesserungen der NO-Emissionen gegenüber dem Fall mit rein brennstoffgesteuerter Mischung erreichbar [9.6]. Die räumlich homogene Brennstoffverteilung ist nur eine Vorbedingung für niedrige NO-Emissionen; gleich wichtig ist die Feinmischung, d. h. die zeitliche Konstanz der Mischung in der Flammenfront. Bei optimierten Gasturbinenbrennern ist der notwendige Weg zur Brennstoffverteilung kleiner als die Distanz, bis zu der die lokalen Mischungsfluktuationen abgebaut sind. Die NO-Produktion von nicht perfekt vorgemischten Flammen lässt sich im sehr mageren Bereich vereinfacht auf die eines Ensembles laminarer Flammen unterschiedlicher Luftzahl zurückführen, wenn man annimmt, dass der Mischungszustand während der Reaktion, bei
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Molenbruch Brennstoff
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Molenbruch Brennstoff
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Molenbruch Brennstoff
Luft Brennstoff
Feinmischung
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Molenbruch Brennstoff
Abb. 9-14 Brennstoffverteilung und Abbau der Mischungsfluktuationen
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Molenbruch Brennstoff
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
425
der der Hauptanteil der Stickoxide gebildet wird (Abb. 9-12), eingefroren ist. Die NO-Erzeugung im ausgebrannten Heißgas wird hierbei überschätzt, da sich in Wirklichkeit die Mischung verbessert, d. h. Temperaturspitzen abgebaut werden. Das prinzipielle Problem der Brennstoff-Luft-Mischung in Gasturbinenbrennern ist in Abb. 9-14 anhand der Brennstoffeinmischung in einer Parallelströmung aus Brennstoff und Luft qualitativ verdeutlicht. Dabei wird die Wahrscheinlichkeitsdichte der Mischungsfluktuationen durch die ˇ-Funktion beschrieben, die die Verteilung analytisch als Funktion des Mittelwerts fN und der Varianz g der Brennstoffkonzentration angibt. In einem Querschnitt kurz nach der Injektion findet man entweder reinen Brennstoff (fN D 1, g D 0) oder reine Luft (fN D 0, g D 0/. In der noch sehr schmalen Scherschicht zwischen der Luft und dem Brennstoff bildet sich eine turbulente Wirbelstruktur aus, in der man intermittierend Brennstoff oder Luft findet (0 < fN < 1/. Eine Feinmischung hat jedoch noch kaum stattgefunden. Nach dem Zusammenwachsen der Scherschichten werden die Gradienten der mittleren Konzentrationen abgebaut, bis ein quer zur Strömungsrichtung weitgehend konstanter Mittelwert erreicht ist (fN D 0;05/. Die Feinmischung ist an diesem Punkt noch nicht abgeschlossen (g > 0/, selbst bei relativ kleinen Varianzen treten momentan noch nahstöchiometrische Mischungen auf, die die NO-Emissionen wesentlich erhöhen würden. Deshalb wird eine zusätzliche Mischlänge benötigt, bis die Fluktuationen auf unkritische 5–10% abgebaut sind. Die Optimierung dieser Mischstrecke durch die Intensivierung der turbulenten Mischung ist ein wichtiges Ziel der Entwicklung von Gasturbinenbrennern. Auch in diesem Punkt haben Drallströmungen aufgrund ihrer hohen Turbulenz wesentliche Vorteile gegenüber anderen Strömungsformen.
9.6.4 Fett-Mager-Verbrennung Die gestufte Fett-Mager-Verbrennung ist eine zweite Strategie zur Verminderung der Stickoxidproduktion neben der mageren Vormischverbrennung. In einer ersten Stufe wird der Brennstoff unter Luftmangel teilweise vorverbrannt. Wird die Luftzahl ausreichend klein gewählt (0;6 < < 0;8), werden in dieser reduzierenden Atmosphäre bei hoher Mischungsqualität nur geringe Konzentrationen von Stickoxid und Stickoxidbildnern (NH3 , HCN) erzeugt. Gleichzeitig wird im Brennstoff gebundener Stickstoff zu einem hohen Anteil reduziert. In der nachfolgenden Stufe wird Luft beigemischt, bevor das teilausgebrannte Abgas in der Luftüberschusszone oxidiert wird. Für die Luftüberschusszone gelten dieselben kinetischen Gesetzmäßigkeiten wie bei der mageren Vormischverbrennung, insbesondere werden aber alle Stickoxidbildner weitgehend zu NO konvertiert. Das Hauptproblem hinsichtlich der Emissionsreduzierung besteht im Übergang vom unterstöchiometischen in den überstöchiometrischen Bereich, da es nicht gelingt, die Aufenthaltszeit bei nahstöchiometischen Mischungsverhältnissen mit ihren extrem hohen NO-Bildungsraten ausreichend zu verkürzen. Für Brennstoffe ohne Brennstoffstickstoff ist das FettMager-Verfahren der mageren Vormischverbrennung unter gasturbinentypischen Randbedingungen unterlegen. Andererseits ist die Stufung die einzige Möglichkeit,
426
T. Sattelmayer
die weitgehende Umsetzung von Brennstoffstickstoff in Gasturbinenbrennkammern zu vermeiden32.
9.7 Rußemission Sowohl bei der nicht vorgemischten Verbrennung als auch bei der Fett-MagerVerbrennung in Gasturbinen bilden sich in den brennstoffreichen Zonen der Brennkammer wesentliche Mengen Ruß, d. h. kohlenstoffhaltige poröse Festkörper, aus der Gasphase [9.1, 9.22, 9.35]. Dieser Prozess besteht aus drei Hauptphasen (Abb. 9-15). Im ersten Schritt wird der Brennstoff bis auf C1 -und C2 -Kohlenwasserstoffe abgebaut. In diesem Zusammenhang entstehen in brennstoffreichen Zonen große Mengen Ethin (Azetylen, C2 H2 /, das der Hauptausgangsstoff für einen anschließenden Gasphasenprozess ist [9.34]. Bei flüssigen Brennstoffen enthält dieser erste Schritt auch die Verdampfung des Brennstoffes. Da chemische Umsetzungen in flüssigen Gasturbinenbrennstoffen während der Verdampfung in Luft nur wenig ausgeprägt sind und die Brennstoffe fast vollständig in die Dampfphase übergeführt werden können, ist die direkte Bildung kohlenstoffhaltiger Festkörper aus der flüssigen Phase gegenüber den Vorgängen in der Gasphase von geringerer Bedeutung. In der zweiten Phase der Rußbildung, dem reinen Gasphasenprozess, werden aus Ethin polyzyklische Kohlenwasserstoffe (PAK) gebildet. Beim Brennstoffzerfall gebildetes Ethin verbindet sich zunächst mit anderen CH-Gruppen zu Benzolringen, die dann unter H-Abspaltung und der Anlagerung weiterer Ethinmoleküle zu PAKs wachsen oder sich ebenfalls unter der Einwirkung von Ethin zu PAKs zusammenschließen. Der dritte Schritt, die Bildung der festem Strukturen, beginnt mit der Bildung von Rußkernen durch das weitere Wachstum der PAKs, die sich zu Primärteilchen zusammenschließen. Das Oberflächenwachstum der Primärteilchen durch die Addition weiteren Ethens und anderer Stoffe sowie die Agglomeration zu kettenförmigen Strukturen und zu porösen Teilchen sind die abschließenden Phasen des Bildungsprozesses. Ruß besteht aus Teilchen eines breiten Spektrums mit einer mittleren Größe in der Größenordnung von ca. 0;1 µm. Die Intensität der Rußbildung in nicht vorgemischten Flammen hängt hauptsächlich vom Druck, von der Lage der Reaktionszone im Mischungsfeld und der Konzentration der Rußvorläufersubstanzen in der Flamme ab. Die Rußbildung wird durch eine Erhöhung des Druckes gefördert. Da alle Teilschritte der Rußbildung durch die Anwesenheit von Sauerstoff stark gestört werden, kann sich Ruß nur in Zonen mit Luftmangel, d. h. in Gasturbinenbrennkammern in der Primärzone der Flamme und v. a. in Injektornähe bilden. Vor allem Bereiche in der Flamme mit Luftzahlen unter 0,5–0,6 und Temperaturen zwischen 1500 und 1900 K tragen zur Rußbildung bei, wobei die Bildungsrate mit fallender Luftzahl massiv zunimmt. Bei geringeren Temperaturen verhindern die niedrigen Radikalenkonzentrationen (Vor32
Auch bei der nicht vorgemischten Verbrennung ist die Konversion des Brennstoffstickstoffs geringer als bei der mageren Vormischung.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
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Brennstoffinjektion
0
Brennstoffaufheizung
Luftzumischung
Aromatbildung PAK-Bildung PAK-Wachstum Partikelentstehung Oberflächenwachstum Koagulation
lokale Luftzahl
Brennstoffabbau bis auf C1- und C2-Komponenten
Aufenthaltszeit in der Brennkammer
Brennstoffverdampfung
0,6 0,8
Oxidation 2–3 Abb. 9-15 Rußentstehung und Rußoxidation in Gasturbinenbrennkammern (nicht vorgemischte Flamme)
läufersubstanzen) eine Rußbildung, bei sehr hohen Temperaturen findet nach einer Pyrolyse der Vorläufersubstanzen trotz Luftmangels eine Oxidation statt. Welche Werte die Rußvorläuferkonzentrationen erreichen und bei welchen lokalen Luftzahlen der Brennstoff hauptsächlich umgesetzt wird, wird maßgeblich durch die chemische Zusammensetzung der Brennstoffe bestimmt33 . Das Temperaturfenster der Rußbildung befindet sich in dem Bereich der Temperaturen in fetten Zonen von gasturbinentypischen Flammen. Daher kann die Tempe33
Zur detaillierten Charakterisierung der Rußneigung von Brennstoffen ist eine Analyse der Bindungsform des Kohlenstoffs in den Brennstoffmolekülen notwendig. Globale Parameter wie das C=O- oder das C=H-Verhältnis oder der Gehalt an Aromaten sind v. a. nützlich zur Beschreibung von Brennstoffen ähnlicher chemischer Bindungsstrukturen.
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raturabhängigkeit der Rußbildung nicht als Parameter zur Verminderung derselben genutzt werden. Ein wesentlich effizienterer Eingriff in die Kinetik führt über die starke Luftzahlabhängigkeit der Rußbildung. Durch eine Erhöhung der Mischungsintensität in nicht vorgemischten Flammen mit der Verschiebung der Zünd- und Reaktionszone in Bereiche höherer Luftzahlen kann eine wesentliche Verminderung der Rußproduktion erreicht werden. Dieser Effekt beruht sowohl auf der Anhebung der mittleren lokalen Luftzahl als auch auf der Verbesserung der lokalen kleinskaligen Mischung [9.9]. Der in brennstoffreichen Zonen von Gasturbinenbrennkammern gebildete Ruß muss vor der Turbine möglichst vollständig durch Oberflächenreaktionen entweder mit Radikalen (O, OH) oder mit Sauerstoff reduziert werden (Abb. 9-15). Häufig wird, die wahren Vorgänge stark vereinfachend, angenommen, dass beim Rußabbrand eine Proportionalität der CO-Bildungsrate an der an der Rußoberfläche zu der Stoßfrequenz der aktiven Moleküle pro Rußoberflächeneinheit, zu einem Faktor, der die Erfolgswahrscheinlichkeit der Stöße angibt sowie zur gesamten Rußoberfläche besteht. Die notwendige Länge für den Rußausbrand ist damit ein wesentliches Kriterium für die Auslegung von Gasturbinenbrennkammern, das bei der vorgemischten Verbrennung nicht auftritt. Die Optimierungsaufgabe besteht in der Bereitstellung einer Rußoxidationszone mit Luftüberschuss stromab von der Wärmefreisetzungszone mit ausreichend hoher Temperatur. An diese muss sich dann eine Zone mit hohem Luftüberschuss anschließen, um auch die CO-Oxidation auf die notwendigen niedrigen Werte zu garantieren.
9.8 Teillastverhalten, Stufungskonzepte und Pilotierung Da die Leistung stationärer Gasturbinen über die Brennstoffmenge geregelt wird und die Luftmenge nur in engen Grenzen beeinflussbar ist, bestehen hohe Anforderungen an Gasturbinenbrennkammern hinsichtlich des Betriebs bei unterschiedlichen Luftzahlen. Nur die klassische Bauform der Gasturbinenbrennkammer ohne Vormischung von Luft und Brennstoff besitzt die inhärente Fähigkeit zum breitbandigen Betrieb ohne aufwändige Eingriffe in die Brennstoff- oder Luftverteilung. Mit steigender Luftzahl verlagert sich die Reaktionszone dynamisch und passt sich so dem aktuellen Brennstoff-Luft-Verhältnis an. Gleichzeitig fällt die Temperatur in der Ausbrandzone ab, und die Oxidation von CO wird langsamer. Nach Unterschreiten einer Minimaltemperatur beginnen deshalb die CO-Emissionen im Abgas anzusteigen. Bei weiter fallenden Temperaturen findet zudem ein teilweises Quenchen der Kohlenwasserstoff-Oxidation statt, und Zwischenprodukte der Verbrennung werden emittiert. Bei exzessivem Luftüberschuss kann schließlich der Brennstoff nur noch teilweise gezündet und umgesetzt werden, und die Brennstoffkonzentration im Abgas steigt an. Wird Wasser zur Reduktion der Stickoxide verwendet, muss ein Kompromiss zwischen Ausbrand und Stickoxidemission gefunden werden. Der Übergang von der nicht vorgemischten zur vorgemischten Verbrennung erfordert gezielte Eingriffe in die Brennstoff- oder die Luftverteilung der Brennkam-
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
429
Luftstufung Brennstoffstrom Brenner Brennkammer
Luft- bzw. Heißgasstrom
Brennstoffstufung vorgemischte Stufe nicht vorgemischte Stufe Brenner Brennkammer
Gruppenschaltung bzw. Gruppenpilotierung ohne longitudinale Stufung Brenner Gruppe 1 Gruppe 2 Brennkammer
mit longitudinaler Stufung Brenner Gruppe 1
.....
Brennkammer Gruppe 2
Abb. 9-16 Stufung von Brennkammern mit Vormischbrennern
mer, um das Verbrennungsverfahren an den thermodynamischen Prozess anzupassen. Da eine vorgemischte Kohlenwasserstoff-Flamme die erwünschten niedrigen Emissionen nur in einem schmaleren Luftzahlfenster liefert, sind ihre inhärenten Grundeigenschaften weitgehend inkompatibel zum Gasturbinenprozess. Ein feuerungstechnischer Vorteil beim Einsatz von Gasturbinen im Kombiprozess ergibt sich aus dem Wunsch nach einer hohen Abgastemperatur über dem ganzen Lastbereich, um genügend Wärme auf den Dampfprozess übertragen zu können. Wird die Abgastemperatur durch die Reduktion der Luftmenge, d. h. die Verwendung eines verstellbaren Verdichters konstant gehalten, führt dies gleichzeitig zu einer relativ konstanten Verbrennungstemperatur, und die vorgemischte Brennkammer kann in diesem Bereich ohne Stufungsmaßnahmen betrieben werden. Grundsätzlich ist die Wahl der höchstmöglichen Flammentemperatur bei voller Last günstig, da so ein breiter Lastbereich ohne Stufung überdeckt werden kann. Mit steigenden Anforderungen an die NO-Emissionen wird dieser Freiheitsgrad allerdings immer weiter beschnitten, die Flammentemperatur bei Volllast rückt dann immer näher an die magere Löschgrenze der Vormischflamme, und die Brennkammer muss schon bei hoher Last gestuft betrieben werden. Für die Stufung vorgemischter Brennkammern wurde eine Vielzahl technischer Lösungen gefunden, die in Kap. 10 und Kap. 11 detaillierter beschrieben werden.
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Allen Varianten liegen jedoch gemeinsame Prinzipien zu Grunde, die sich in der in Abb. 9-16 gezeigten Weise kategorisieren lassen. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob auf die Luft oder den Brennstoff regelnd eingegriffen wird. Mittels einer Bypassregelung für die Luft kann das Brennstoff-Luft-Verhältnis aller Brenner im gewünschten Fenster gehalten werden. Wird die Bypassluft nach dem Ende der CO-Ausbrandzone eingedüst, bietet die Methode ideale Voraussetzungen für einen schadstoffarmen Betrieb über einen weiten Lastbereich. Vor allem wegen der hohen Komplexität einer luftseitigen Regelung34 wird die brennstoffseitige Stufung häufig bevorzugt. Hierbei sind drei Prinzipien zu unterscheiden. Umschalten auf die nicht vorgemischte Verbrennung oder Pilotierung innerhalb des Brenners durch eine Stützflamme Die Vormischbrenner werden um eine weitere Brennstoffeindüsung am stromabseitigen Brennerende ergänzt, um zusätzlich einen nicht vorgemischten Betrieb realisieren zu können. Im einfachsten Fall wird auf die direkte Brennstoffeindüsung in die Brennkammer umgeschaltet, sobald mit fallender Last die Löschgrenze im Vormischbetrieb erreicht ist. Da hierbei die NO-Emissionen um etwa eine Größenordnung ansteigen, kann diese Stufungsstrategie nur angewendet werden, wenn der Schaltpunkt unterhalb des üblichen Betriebsbereichs der Gasturbine liegt. Wird mit steigender Luftzahl die Brennstoffmenge nicht umgeschaltet, sondern auf beide Injektoren aufgeteilt, lässt sich bei einer geeigneten Wahl der Aufteilung der plötzliche starke Anstieg der NO-Bildung vermeiden. Dieser Mischbetrieb wird häufig als Pilotierung der Vormischflamme bezeichnet. Interessanterweise kann in einem Zwischenbereich der Flammentemperatur ein weitgehender Ausbrand erreicht werden, obwohl die Luftzahl des Gemisches in der Vormischstufe durch die teilweise direkte Eindüsung des Brennstoffs in die Brennkammer sich noch weiter von der mageren Löschgrenze entfernt hat. Da das magere Gemisch während der Mischung mit den Heißgasen der nicht vorgemischten Pilotflamme nachverbrennt, erhöht sich die Flammenlänge. Der Grund für das Einsetzen der Nachverbrennung ist die Kinetik der Selbstzündung: Magere Gemische zünden bei hohen Drücken schon bei Temperaturen35, die wesentlich geringer als die Flammentemperatur an der mageren Löschgrenze sind. Dieser Effekt ist essenziell für die Verbrennungstechnik von Gasturbinen36. Die Grenze, die das Umschalten auf den reinen Diffusionsbetrieb erforderlich macht, ist erreicht, wenn infolge der weiteren Luftzahlerhöhung der Vormischstufe die Nachverbrennung zusammenbricht und sich der Ausbrand gravierend verschlechtert. Dies ist der Fall, wenn in der Brennkammer die Tempe34
Bei hohem Bypassanteil fällt die Geschwindigkeit im Brenner stark ab, was zu Sicherheitsproblemen führen kann (s. Abschn. 9.9.2). Bei geschlossenem Bypass können darüber hinaus thermische Probleme in nicht durchströmten Komponenten auftreten. 35 Das heißt präziser, dass ihre Selbstzündzeit im Millisekundenbereich liegt. 36 Auf die Selbstzündvorgänge in Gemischen aus Abgas und Brennstoff-Luft-Gemisch wird in Abschn. 9.9.3 detaillierter eingegangen.
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ratur stromab der Hauptverbrennungszone in größeren Gebieten unter ca. 1200 K abfällt37 . Das inhärente Potenzial der Pilotierung wird bei der Verwendung einer Stützflamme nicht vollständig ausgeschöpft, da erstens die nicht vorgemischte Stufe – selbst bei sehr magerem Betrieb – viel NO bildet und zweitens die weitgehend gleichmäßige Vermischung des restlichen Brennstoffs mit der ganzen Luftmenge die Temperaturen bei der Nachverbrennung stark herabsetzt. Gruppenschaltung (An- und Abschalten des Brennstoffes einzelner Brennergruppen) Eine andere Stufungsstrategie macht sich die Tatsache zu Nutze, dass schadstoffarme Brennkammern mit einer größeren Anzahl Vormischbrenner ausgestattet sind. Die Brennstoffzufuhr der Brenner wird zu getrennt schaltbaren bzw. regelbaren Gruppen verbunden, oder es wird sogar jeder einzelne Brenner einzeln angesteuert. Bei der klassischen Methode werden mit steigender Last Gruppen zugeschaltet, d. h. die gesamte Brennstoffmenge wird schrittweise auf eine größere Anzahl Brenner aufgeteilt. Dabei pendelt die Brennerluftzahl zwischen einem Wert nahe an der Löschgrenze und einem kleineren Wert, der notwendig ist, um den Schaltvorgang ohne Überfahren der Löschgrenze durchführen zu können. Dies führt zu einer periodischen Zu- und Abnahme der Stickoxidemissionen mit der Last sowie bei niedriger und mittlerer Last zu einem gegenläufigen Pendeln des Verbrennungswirkungsgrads, beides Nachteile, wenn die Emissionen auf sehr niedrige Werte limitiert sind. Gruppenpilotierung (Pilotierung von Vormischbrennern durch Vormischbrenner) Der beschriebene Nachteil der Gruppenschaltung existiert bei dieser Art der Pilotierung nicht. Wird die Brennstoffmenge zur jeweils nächsten Brennergruppe sukzessiv mit der Last so erhöht, dass die anderen betriebenen Brenner nicht beeinflusst werden, sind über der Last konstante Stickoxidemissionen erreichbar. In diesem Fall wirkt die letzte Gruppe als Vormischer, der keine eigene Flamme bildet, sondern sein mageres Gemisch in das Abgas der stabil betriebenen Vormischbrenner eindüst. Bei niedriger Leistung kann dies zur Verschlechterung des Verbrennungswirkungsgrads gegenüber der Gruppenschaltung führen, wenn die Nachverbrennung nicht vollständig gelingt. Sobald die pilotierten Brenner die magere Löschgrenze überfahren, stabilisieren sie die eigene Flamme und es kann begonnen werden, die nächste Brennergruppe mit Brennstoff zu versorgen. Mit pilotierten Konzepten ist ein weitgehend vollständiger Ausbrand bis zu gemittelten Heißgastemperaturen in der Primärzone von ca. 1400 K erreichbar, ohne dass die NO-Emissionen gegenüber dem Volllastpunkt wesentlich zunehmen. Damit kann der mittlere Lastbereich abgedeckt werden. Die Verschlechterung des Ausbrands unter dieser Grenze ist stark von der Mischung in der Brennkammer abhängig. Grundsätzlich wird die intensive Vermischung des Gemischs der pilotierten Brenner mit dem der pilotierenden Brenner angestrebt, während andererseits die Luft der nicht mit Brennstoff versorgten Brenner möglichst wenig eingemischt werden soll; Forderungen, die sich teilweise 37
Die mittlere Austrittstemperatur der Brennkammer ist an dieser Grenze aufgrund der Temperaturungleichförmigkeiten sowie endlicher Misch- und Reaktionszeiten (s. Abschn. 9.9.3) höher.
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widersprechen. Als Kompromiss wird die Verbrennung üblicherweise in Teilzonen der Brennkammer konzentriert, um einen Teil der überschüssigen Luft an der Verbrennungszone vorbeizuführen. Longitudinale Stufung Häufig sind bei beiden letztgenannten Methoden alle Brenner in einer Ebene angeordnet. Im pilotierten Fall findet daher bereits während der Wärmefreisetzung der pilotierenden Brenner eine Interaktion mit dem Gemisch der pilotierten Brenner statt, und eine Interaktion mit der Luft der nicht versorgten Brenner ist nicht vollständig zu vermeiden. Durch eine einfache oder mehrfache longitudinale Stufung der Brennkammer sind Verbesserungen möglich, da bei diesem Prinzip im Bereich geringer Last Teile der Luft weiter stromab zugeführt werden und die Umsetzung in den stabilisierten Flammen bereits weitgehend abgeschlossen werden kann, bevor die Interaktion mit dem mageren Gemisch stattfindet. Auch bei dem in Längsrichtung gestuften Verfahren ist eine intensive Einmischung des mageren Gemischs in die heiße Hauptströmung erforderlich, um den Nachbrennvorgang einzuleiten. Eine in Längsrichtung mehrfach gestufte Brennkammer ist aus den bereits angesprochenen, verbrennungstechnischen Gründen wesentlich länger als andere Bauformen. Sequenzielle Verbrennung Alle beschriebenen Verfahren, in denen ein mageres Gemisch außerhalb des aerodynamisch stabilisierbaren Bereichs durch die Mischung mit heißem Abgas nachverbrannt wird, lassen sich als sequenzielle Verbrennung auffassen. Auch die sequenzielle Verbrennung in Gasturbinen mit Wiederaufheizung (s. Kap. 2 und Kap. 10) fällt in diese Klasse mit dem Unterschied, dass die Enthalpie des Abgases durch eine Teilexpansion abgebaut wird und deshalb hauptsächlich Brennstoff in der zweiten Stufe eingedüst wird. Fett-Mager-Verbrennung Die Fett-Mager-Verbrennung benötigt Regeleingriffe in die Luftverteilung, wenn das Emissionsminderungspotenzial ausgeschöpft werden soll. Die Primärluftzahl muss in einem Fenster gehalten werden und in der Ausbrandstufe ist darauf zu achten, dass die Rußoxidation und der Ausbrand bei hohen Gesamtluftzahlen nicht gequencht werden.
9.9 Flammendynamik 9.9.1 Pulsationen und Stabilisierungsmaßnahmen Sowohl diabate Strömungen als auch Strömungen mit chemischen Reaktionen können prinzipiell vom stationären Zustand in eine aufklingende schwingende Form übergehen, wenn der Antrieb der Schwingung durch die Wärmeübertragung bzw.
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Aktuator
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Regler
Kinetik Brennstoffzufuhr
Injektor
Luftzufuhr
Zufuhr u. Brenner
Schalldruck
turbulenter Lärm natürliche kohorente Strömungsstrukturen angeregte kohorente Strömungsstrukturen
Sensor: p OH CH
Brennkammer u. Leitschaufeln
Dynamik der Flamme
Bypass-Luft Schallschnelle
Luftzahlschwankung
Abb. 9-17 Anregungsmechanismen für Brennkammerschwingungen
Wärmefreisetzung gegenüber den Verlusten an Schwingungsenergie durch Dämpfung und Abstrahlung am Ein- und Austritt überwiegt [9.25]. In Gasturbinenbrennkammern kann aufgrund ihrer extrem hohen Leistungsdichten ein intensiver Anregungsmechanismus auftreten, der zum Ansteigen der Pulsationen bis in die Sättigung durch nicht lineare Effekte führt. Schwingungen in Brennkammern von Turbomaschinen sind seit den Anfängen der Entwicklung der Gasturbine ein häufig auftretendes Problem. Der Übergang von der Diffusionsverbrennung auf das Vormischverfahren hat hinsichtlich der Umweltverträglichkeit von Turbomaschinen zu einem Durchbruch geführt; gleichzeitig ist die Schwingungsanfälligkeit schadstoffarmer Brennkammern aber auch eine verbrennungstechnische Herausforderung. Zur Verdeutlichung der komplexen Vorgänge ist in Abb. 9-17 ein thermoakustisches Ersatzmodell einer Gasturbinenbrennkammer skizziert. Ist die Brennkammer z. B. rohrförmig und ist ihr Durchmesser klein gegenüber ihrer Länge und gegenüber der Wellenlänge der betrachteten Schwingungsmoden, lassen sich die Vorgänge trotz der Dreidimensionalität der Aerodynamik näherungsweise eindimensional betrachten. In diesem Fall kann der Schwingungsprozess durch den longitudinalen Verlauf der Schallschnelle, des Schalldrucks und der Luftzahlschwankungen charakterisiert werden. Um die unterschiedlichen Schwingungsprozesse logisch voneinander zu trennen, ist es sinnvoll, die Brennkammer aufzuteilen. Der eine Teil bildet die Zu-
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fuhrseite, die vom Kompressoraustritt bis stromauf der Flamme reicht, der zweite ist der heiße Teil der Brennkammer von der Flamme bis zur starken Beschleunigung der Heißgase in der ersten Turbinenstufe. In den meisten Fällen sind beide Teile durch Bypass-Ströme der Luft, die zur Kühlung oder zur Mischung mit den Primärzonen-Abgasen verwendet werden, akustisch verbunden. Die Zufuhrseite enthält als wichtige Elemente die Brennstoffzufuhr, die Luftzufuhr und die Mischeinrichtung als Teil des Brenners. Die Kopplung beider Teile erfolgt, wenn man von den Luftbypass-Strömen einmal absieht, durch die Dynamik der Flammenfront in der Primärzone. Sogar im einfachen Fall der perfekten Vormischung, d. h. ohne die Berücksichtigung von Luftzahlschwankungen, ist das Verhalten der Flamme äußerst komplex. Es können vier verschiedene physikalische Effekte unterschieden werden, die alle in unterschiedlichem Maß zur Erzeugung von Verbrennungslärm oder Instabilitäten beitragen. Turbulenter Verbrennungslärm Das turbulente reagierende Strömungsfeld erzeugt, selbst wenn keine thermoakustische Rückkopplung vorliegt, aufgrund der lokalen Fluktuationen der Wärmefreisetzung zunächst einen breitbandigen Lärmpegel. Das Lärmspektrum wird direkt vom Turbulenzspektrum in den Wärmefreisetzungszonen beeinflusst. Bei vorgemischten Flammen ist die eigentliche Lärmquelle die lokale zeitliche Änderung der Flammenoberfläche [9.4], während bei Diffusionsflammen und ausreichend großen Damköhlerzahlen (9.16) die lokale zeitliche Schwankung der BrennstoffLuft-Mischung38 [9.14] die Schallemission hervorruft. Weiterhin wird die Stärke der Lärmproduktion unabhängig vom Flammentyp wesentlich vom Grad der räumlichen Kohärenz der lokalen Fluktuationen bestimmt [9.11]. Im Allgemeinen wird der turbulente Verbrennungslärm als inhärente Eigenschaft der turbulenten Verbrennung hingenommen; eine gezielte Optimierung des turbulenten Verbrennungslärms ist keine vordringliche Eigenschaft der Brennerauslegung, obwohl Möglichkeiten zur Beeinflussung existieren. Allerdings kann dieser turbulente Antriebsmechanismus in der Nähe der Eigenfrequenzen des Verbrennungssystems wesentlich verstärkt werden und hat, auch wenn das akustische System den eigentlichen Antrieb nicht beeinflusst, ausgeprägte Schwingungsmaxima zur Folge. Kohärente Strukturen der Strömung Einen zusätzlichen, wesentlich kritischeren Effekt auf den Verbrennungslärm haben in der Strömung vorhandene kohärente Strukturen, deren Existenz in Scherschichten oder in Wirbelströmungen schon häufig untersucht wurde. Diese führen zu einer Modulation des konvektiven Transports von Gemisch in die Flamme und können eine Erhöhung der Wärmefreisetzungsschwankungen zur Folge haben. Die natürlichen kohärenten Strukturen können Instabilitäten bei bestimmten festen Strouhalzahlen auslösen. Obwohl auch dieser Antriebsmechanismus letztendlich vom Charakter des nicht reagierenden Strömungsfeldes verursacht wird und grundsätzlich 38
Das heißt die lokalen Fluktuationen des Mischungsbruchs.
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unabhängig von der thermoakustischen Rückkopplung ist, bestimmen dennoch die akustischen Eigenschaften der Brennkammer und der Zufuhrseite, in welcher Weise sich das Lärmspektrum und die Instabilitäten ausbilden. Kohärente Strukturen durch die thermoakustische Rückkopplung Ein dritter Anregungsmechanismus besteht in kohärenten Strukturen, die erst durch die pulsierende reagierende Strömung hervorgerufen werden. Sie treten auf, wenn sich Strömungsinstabilitäten durch eine Geschwindigkeitsstörung im Brenner definiert auslösen lassen. In diesem Fall besteht eine Interaktion zwischen der Akustik der Zufuhrseite und der Brennkammer, der Erzeugung von aerodynamischen Instabilitäten am Brenneraustritt, dem konvektiven Gemischtransport in die Flamme und der Wärmefreisetzung. Diese Effekte führen zu einem Rückkopplungsmechanismus, der selbst verstärkend sein kann. Selbsterregte Schwingungen Der vierte Mechanismus von Bedeutung ist die klassische Selbsterregung. In diesem Fall treten Instabilitäten auf, ohne dass die Turbulenz der Strömung oder inhärente Periodizitäten eine Rolle spielen. Für starke Brennkammerschwingungen sind in den allermeisten Fällen die beiden letztgenannten, sich durch Rückkopplungseffekte selbstverstärkenden Anregungsmechanismen verantwortlich. Deshalb gilt ihnen die meiste Aufmerksamkeit im Rahmen der Brennkammerentwicklung. In der Gasturbine treten im instabilen Fall bei der Mischung von Brennstoff und Luft Luftzahlschwankungen auf, die einen zusätzlichen Einfluss auf das Schwingungsverhalten der Brennkammer haben können. Diese Schwankungen werden hin zur Flamme konvektiert und führen zu einem weiteren Mechanismus für die Erzeugung von Schwankungen der Wärmefreisetzung neben dem rein akustischen Phänomen [9.28]. In Abb. 9-17 ist der Effekt der schwankenden Luftzahl in der Reaktionszone schematisch dargestellt (s. Abschn. 9.6.1). Die beschriebenen Zusammenhänge sind auch für die komplizierteren akustischen Verhältnisse in Gasturbinenbrennkammern gültig, die i. Allg. die Bedingungen für ein eindimensionales thermoakustisches Verhalten nur sehr eingeschränkt oder gar nicht erfüllen. In Ringbrennkammern z. B. dominieren bei niedrigen Schwingungsfrequenzen eindeutig die Umfangsmoden. Unabhängig von den spezifischen akustischen Eigenschaften der Gasturbinenbrennkammer und vom Anregungsmechanismus sind die Fluktuationen der Wärmefreisetzung des Brennstoff-Luft-Gemisches in der Primärzone eigentliche Ursache für Verbrennungslärm und Pulsationen. In Abhängigkeit davon, welche Phasenlage zwischen der periodischen Expansion durch die chemische Reaktion und dem pulsierenden Druck besteht, ergibt sich ein periodischer thermodynamischer Prozess, der entweder Arbeit leistet oder auch Arbeit aufnehmen kann. Dass solche Schwingungsprozesse chemisch reagierender Strömungen in thermodynamischer Hinsicht eine große Ähnlichkeit mit den Arbeitsprozessen in Wärmekraftmaschinen haben, wurde schon im 19. Jahrhundert von Lord Rayleigh [9.26] erkannt und in Form
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einer heute als Rayleigh-Kriterium bekannten Beziehung [9.17] formuliert: Z > 0 Instabilität möglich RIlokal .x;y;z/ dV : (9.17) < 0 Stabilität VBrennkammer
Hierin ist RIlokal der lokale Rayleigh-Index: ZT RIlokal .x;y;z/ D
000 QP Verbrennung .x;y;z;t/ pQ .x;y;z;t/ dt :
(9.18)
0
Dieser gibt an, wie stark einzelne räumliche Bereiche der Flamme zur Anregung bzw. Dämpfung beitragen. Um nun zu bewerten, ob eine Schwingung auftreten kann, ist das Produkt aus dem Schalldruck pQ und der volumenbezogenen Wärme000 zunächst über eine Schwingungsfreisetzung durch die Verbrennung QP Verbrennung amplitude 0 < t < T und danach über das Brennkammervolumen VBrennkammer zu integrieren. Der Fall RIlokal > 0 ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für das Auftreten einer Schwingung, da im Fall eines mäßig positiven Wertes des Rayleigh-Kriteriums die Dämpfung und Abstrahlung von Schwingungsenergie ausreichen kann, um ein Anfachen von Schwingungen zu vermeiden. Aus (9.17) und (9.18) lassen sich drei Kriterien für die schwingungsarme Gestaltung von Brennkammern ableiten: Eine hohe akustische Dämpfung ist anzustreben, um selbst im Fall eines positiven Integrals Schwingungen zu vermeiden. Diese Forderung ist mit steigenden Ansprüchen an die Emissionen immer schwerer zu erfüllen, da die dämpfende, direkte akustische Kopplung der Zufuhrseite mit der Brennkammer über Kühlluft- und Mischluftströme abnimmt und die Wände moderner Brennkammern nur sehr schwache Dämpfungseigenschaften haben. Ersteres ist der Fall, weil die Minderung der Stickoxide primär dadurch erreicht wird, dass ein möglichst hoher Anteil der Verdichterluft zur Verbrennung eingesetzt wird, um den zur Temperaturabsenkung erforderlichen, hohen Luftüberschuss zu erreichen. Die Wärmefreisetzungsschwankungen sollen möglichst klein sein, um den Schwingungsantrieb unabhängig vom akustischen Druckfeld zu verringern. Die Schwankung der Wärmefreisetzung durch Luftzahleffekte lässt sich verringern, wenn während der Konvektion der Luftzahlschwankung in die Flamme eine starke Dispersion auftritt, wie dies z. B. mittels in Längsrichtung ausgedehnter Injektoren oder einer inhomogenen Aufenthaltszeitverteilung in der Mischzone erreicht werden kann. Weiterhin ist eine intensive Flammenstabilisierung anzustreben und die longitudinale Verteilung der Wärmefreisetzung in der Flamme ist so zu gestalten, dass ihre Reaktion auf eine pulsierende Gemischzufuhr möglichst stark verschmiert wird. Die Phasenlage zwischen der fluktuierenden Wärmefreisetzung und dem akustischen Druckfeld soll so gewählt werden, dass der Rayleigh-Index möglichst in der ganzen Reaktionszone negativ und in den positiven Zonen klein bleibt.
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Die Erfüllung dieses Kriteriums ist überaus schwierig, weil jeder Schwingungsmode ein anderes Druckfeld in der Reaktionszone erzeugt. Gleichzeitig werden sowohl der Betrag als auch die Phase der Admittanz39 im Brenneraustritt geändert, was sich auf die Phasenlage der konvektiven Transportprozesse relativ zum Druckfeld und weiter über die frequenzabhängige Phasendrehung während der Konvektion auf den Rayleigh-Index RI auswirkt. Infolge des komplexen Anforderungsprofils an Brennkammern ist der Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Optimierung des Schwingungsverhaltens sehr eingeschränkt. Da darüber hinaus Brennkammerschwingungen häufig in ihrer Komplexität nur schwierig völlig zu verstehen sind, besitzen Maßnahmen zur nachträglichen Verbesserung des Schwingungsverhaltens durch zusätzliche Bauteile oder Regeleingriffe eine hohe Attraktivität, wenn sie auch eine sorgfältige thermoakustische Grundauslegung nicht ersetzen können. Als passive Maßnahme zur Schwingungsstabilisierung wird die Verwendung von an die Brennkammer angefügten Resonatoren verstanden. Die beiden verbreitesten Bauformen sind das =4-Rohr und der Helmholtzdämpfer. Wird die Resonanzfrequenz des Resonators auf die zu dämpfende Schwingungsfrequenz abgestimmt, liefert das =4-Rohr bzw. der Helmholtzdämpfer an der mit der Brennkammer verbundenen Öffnung einen pulsierenden Massenstrom, der z. B. die Admittanz des Brenneraustritts und damit die periodische Zufuhr von Gemisch in die Flamme stark vermindern kann. Gleichzeitig wird durch Wirbelablösung beim periodischen Einund Ausströmvorgang am Übergang zwischen Resonator und Brennkammer sowie durch Wandreibung im Resonator Schwingungsenergie dissipiert. Bekannte Nachteile von Resonatoren sind ihre schmalbandige Wirkungsweise sowie ihre Rückwirkung auf die Eigenfrequenzen des akustischen Gesamtsystems. Aktive Maßnahmen zur Schwingungsstabilisierung sind im Vergleich zu passiven wesentlich flexibler und z. T. ohne vorherige detaillierte Analyse der Schwingung einsetzbar. Wie in Abb. 9-17 skizziert, ist bei Closed-Loop-Verfahren ein Sensor zur Detektierung notwendig, dessen Signal als Führungsgröße für die Regelung dient. Die hierbei auftretenden Frequenzen lassen infolge der begrenzten Dynamik großer Aktuatoren nur den Eingriff auf einen Teil des Brennstoffes zu. In einfachen Fällen klingt die Schwingung nach der Optimierung der Phasenlage und der Verstärkung durch eine adaptive Regelung ab, wobei sich auch die Amplitude der Brennstoffmodulation verringern lässt. In nicht linearen Systemen können hierbei andere Schwingungsformen auftreten, die andere Amplituden und Phasen zur Ausregelung erfordern, was die Anforderung an die Regelstrategien erhöht. Die aktive Kontrolle von Umfangsschwingungen in Ringbrennkammern [9.30] erfordert einen individuellen Regeleingriff auf alle oder auf mindestens mehrere Brenner, der von der Höhe der Amplitude an der jeweiligen angularen Position abhängt. Das Mehrmodenproblem existiert auch hier und wird noch durch das Problem verstärkt, dass bei perfekter Rotationssymmetrie der Brennkammer die annulare Lage von Schwingungsknoten und -bäuchen nicht klar definiert ist und diese deshalb in eine neue Lage springen oder um den Umfang propagieren können. Aufgrund des hohen tech39
Die Admittanz ist das komplexe Verhältnis aus der Schnelle und dem akustischen Druck.
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nischen Aufwands haben sich Techniken zur aktiven Kontrolle der Verbrennungsstabilität bisher nicht durchsetzen können. Obwohl die bisher an Maschinen demonstrierten Verfahren den Closed-LoopMethoden zuzuordnen sind, besteht prinzipiell auch die Möglichkeit der OpenLoop-Beeinflussung von Schwingungen durch die Anregung mit nicht resonanten Frequenzen, die sich die nicht linearen Wechselwirkungen zwischen nicht harmonischen Schwingungen zu Nutze macht.
9.9.2 Flammenrückschlag im Vormischbrenner Da Vormischbrenner im Gegensatz zur Brennkammer keine Wandkühlung besitzen, stellen Flammenrückschläge in die Vormischzone ein ernstes Sicherheitsrisiko dar. Die hohe volumetrische Leistungsdichte und die geringe Brennermasse führen nach einem Flammenrückschlag schon in wenigen Sekunden zur Überhitzung und zum Versagen des betroffenen Brenners. Ein wesentliches Designkriterium von Vormischbrennern ist daher die Optimierung der Rückschlagsicherheit durch eine geeignete aerodynamische Auslegung. Ein besonderes Problem hierbei ist, dass in jedem Vormischbrenner in der Nähe der Brennstoffinjektion in die Luft nahstöchiometrische Gebiete existieren, in denen die laminaren Brenngeschwindigkeiten und die Turbulenzgrade wesentlich höher sind als weiter stromab. Der Anstieg der Brenngeschwindigkeit in der Mischzone gegen die Strömungsrichtung begünstigt die Flammenstabilisierung am Injektor, nachdem ein Rückschlag stattgefunden hat. Beim Betrieb der Gasturbine kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die Strömungsgeschwindigkeit beim Auftreten unkontrollierter Zustände wie dem Verdichterpumpen kurzeitig stark abfällt und Flammenrückschläge trotz der optimierten Brenneraerodynamik auftreten. Hieraus leitet sich die Zusatzforderung ab, dass der Brenner dazu in der Lage sein soll, Verbrennungszonen in der Mischstrecke infolge von Rückzündungen wieder auszuspülen und sich zu regenerieren. Flammenrückschläge in Vormischbrennern können im Wesentlichen vier unterschiedliche Ursachen haben [9.10]: Lokale Unterschreitung der Brenngeschwindigkeit Wie schon in Abschn. 9.4 angesprochen wurde, basiert jede Stabilisierung von Vormischflammen auf dem Prinzip, dass in der Brennkammer diffusive oder konvektive Transportprozesse stromauf vorhanden sind, die eine permanente Zündung des Gemischs sicherstellen. Ein weiteres Propagieren der Flamme in den Brenner wird durch den dort wesentlich stärkeren konvektiven Transport des Gemischs stromab verhindert. Die Flamme kann grundsätzlich in Zonen des Brenners, in denen die lokale Strömungsgeschwindigkeit kleiner ist als die turbulente Brenngeschwindigkeit st , stromauf propagieren. Von der Brenneraerodynamik ist also zu fordern, dass die axiale Gemischgeschwindigkeit im Brenner an keiner Stelle des Strömungsquerschnitts unter die turbulente Brenngeschwindigkeit fallen darf. Häufig wird stattdessen die Regel verwendet, dass die axiale lokale Strömungsgeschwindigkeit nirgends
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weit unter den volumetrischen Mittelwert abfallen soll40 . Dies gilt nicht nur für eine Zone in der Nähe des Brenneraustritts, sondern, um ein Ausspülen gezündeter Zonen zu forcieren, in der gesamten Mischzone. Längs des Brenners konstante oder leicht konische Strömungsquerschnitte schaffen günstige Verhältnisse, während stark beschleunigte Strömungen im Brenner die Gefahr der Flammenstabilisierung am Injektor nach einem Flammenrückschlag erhöhen und bei verzögerten Strömungen das Anwachsen der Grenzschichten mit der Neigung zu lokalen Ablösungen ungünstig ist. Hohe, zur Verbesserung der Mischung und der Ausbrandlänge gewünschte Turbulenzgrade im Brenner verringern grundsätzlich die Rückschlagsicherheit von Vormischbrennern. Hier gilt es, das Turbulenzniveau abhängig von der laminaren Brenngeschwindigkeit zu wählen. Bei Brennstoffen mit niedrigen Brenngeschwindigkeiten wie z. B. Erdgas, ist der Abstand zwischen der turbulenten Brenngeschwindigkeit und der Strömungsgeschwindigkeit auch bei hoher Turbulenz ausreichend, wenn keine turbulenzreichen Nachlaufgebiete von aerodynamisch schlecht gestalteten Bauteilen in der Strömungsführung vorhanden sind. Für wasserstoffhaltige Brennstoffe mit wesentlich höheren Brenngeschwindigkeiten sind dagegen turbulenzarme Strömungen zu bevorzugen, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Korrelationen für die Berechnung turbulenter Flammengeschwindigkeiten liefern generell Werte weit unter den in Vormischbrennern üblichen Strömungsgeschwindigkeiten41. Brennkammerschwingungen Ein zweiter Mechanismus, der in Verbindung mit dem oben beschriebenen zum Flammenrückschlag führen kann, sind starke Brennkammerschwingungen. Einer der Hauptmechanismen, die für die Modulation der Wärmefreisetzung verantwortlich sind, ist die periodische Fluktuation der akustischen Geschwindigkeit im Brenner (s. Abschn. 9.9.1). Bei hohen Pulsationspegeln ist die Amplitude der Schnelleschwankung gegenüber der mittleren Strömungsgeschwindigkeit nicht mehr zu vernachlässigen, und im Brenner treten periodisch wesentlich kleinere Geschwindigkeiten als der Mittelwert auf. Ist die Frequenz tief genug, kann die Reaktion stromauf propagieren, ändert periodisch den Druckverlust des Drallerzeugers und facht die Schwingungen weiter an. Flammenausbreitung im Kern der Drallströmung Neben diesen beiden quasi eindimensionalen Mechanismen können in Drallflammen wirbeldynamische Effekte zum Rückschlag führen. Wie schon in Abschn. 9.4 40
Beide Kriterien sind streng genommen nicht äquivalent. Die zweite Regel wird verwendet, weil i. Allg. weder die räumliche Verteilung der turbulenten Flammengeschwindigkeit im Brenner noch der Abstand zur Rückschlagsgrenze unter realistischen Bedingungen bekannt sind. 41 Die Unsicherheiten bei der Anwendung solcher Korrelationen im Rahmen der Brennerauslegung liegen in der realistischen Beschreibung der Turbulenz in Form einer Intensität und eines Längenmaßes sowie in der Extrapolation auf gasturbinentypische Drücke.
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beschrieben wurde, wird in der verdrallten Brennerströmung ein radialer Druckgradient aufgebaut, um in der Brennkammer eine zentrale Rückströmzone mit hohen Geschwindigkeiten stromauf zu erzeugen. Wird die Drallzahl über einen Maximalwert erhöht, springt die Rückströmzone in den Brenner hinein. Im Fall der verdrallten Rohrströmung bricht die Axialgeschwindigkeit in einem zylindrischen Strömungsgebiet auf der Achse zusammen, und die Flamme kann dort stromauf propagieren [9.8]. Analog hierzu bildet sich bei der annularen Drallströmung eine Rückströmzone um den Zentralkörper, die Brennstofflanze im Zentrum. Ein Hauptkriterium bei der aerodynamischen Auslegung von Drallerzeugern ist ein ausreichender Abstand der Drallzahl von der Obergrenze, bei der solche Effekte in der nicht reagierenden Strömung auftreten. Dieses Kriterium berücksichtigt nicht, dass die Wirbeldynamik durch die chemische Reaktion beeinflusst wird und selbst dann zur unerwünschten Flammenausbreitung in den Brenner im Kernbereich der Wirbelströmung führen kann, wenn die Drallzahl wesentlich unter der kritischen Obergrenze liegt. Ob dieser unerwünschte Effekt eintreten kann, hängt maßgeblich von der relativen Lage der Reaktionszone in Bezug auf die zentrale Rückströmzone ab, welche wiederum von den Betriebsbedingungen und den Brennstoffeigenschaften bestimmt wird [9.13, 9.15, 9.16]. Flammenrückschlag in den Wandgrenzschichten Kein Spezifikum von Drallströmungen ist der Flammenrückschlag in den Wandgrenzschichten, der vierte Mechanismus der Flammenausbreitung stromauf. Er dominiert häufig in unverdrallten turbulenzarmen Strömungen. Auf der einen Seite begünstigen die niedrigen Geschwindigkeiten in Wandnähe die Flammenausbreitung gegen die Strömung, andererseits wird die Fähigkeit der Flammen, in Wandnähe stromauf zu propagieren, durch den Wärmeentzug in Richtung der Brennerwand (Quenching) verringert. Rückschlagsgrenzen in laminaren Grenzschichten wurden häufig erfolgreich durch den Gradienten der Geschwindigkeit an der Wand korreliert [9.20], woraus sich im Hinblick auf die Gestaltung von Vormischbrennern schließen lässt, dass eine starke Verdickung von Grenzschichten, wie sie z. B. bei verzögerten Strömungen auftritt, vermieden werden sollte. Daneben sind natürlich auch Ablösezonen in der Mischzone zu vermeiden. Im laminaren Fall ist der kritische Wandgradient das Verhältnis zwischen der laminaren Flammengeschwindigkeit sl und der sog. Quenchdistanz dc , einem Maß für den Abstand von der Wand unter dem die chemische Reaktion durch die Wärmeabfuhr aus der Flamme zusammenbricht. Zur Verallgemeinerung wird das Gleichgewicht zwischen dem konvektiven Transport stromab und der Flammenausbreitung mit Wärmeverlusten an die Wand häufig dimensionslos in Form von Pécletzahlen dargestellt, wobei der Geschwindigkeitsgradient durch eine mittlere Geschwindigkeit und eine charakteristische Länge der Strömung ersetzt wird [9.24]. Es wurde berichtet, dass im Vergleich zum laminaren Fall der kritische Wandgradient in turbulenten Grenzschichten höher sein soll [9.36], da die Diffusion entlang der Wand durch die Turbulenz wesentlich erhöht wird. Obwohl die Flammenausbreitung in den Grenzschichten von Drallflammen noch nicht erschöpfend ge-
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klärt ist, ist es wahrscheinlich zulässig zu folgern, dass bei einer sorgfältigen Brennerauslegung im Fall von Brennstoffen mit niedrigen Flammengeschwindigkeiten (z. B. gesättigte Kohlenwasserstoffe) Wandgradienten erzeugt werden können, die wesentlich größer als die kritischen sind, und damit der Flammenrückschlag in den Grenzschichten zuverlässig verhindert werden kann. Die Flammenausbreitung entlang der Wände von an der mageren Löschgrenze betriebenen Vormischbrennern lässt sich darüber hinaus durch eine leichte Abmagerung des Gemisches in Wandnähe bis über die magere Löschgrenze hinaus wirkungsvoll verhindern. Erheblich schwieriger ist jedoch die Verhinderung von Flammenrückschlägen entlang der Brennerwände für Brennstoffe mit hohem Wasserstoffgehalt (z. B. mit Wasserstoff angereicherte Kohlenwasserstoffe oder Synthesegase aus der Kohle- oder Ölvergasung), da der kritische Wandgradient mit steigender laminarer Brenngeschwindigkeit stark ansteigt [9.21].
9.9.3 Selbstzündung Mit dem Übergang zu vorgemischten Verfahren hat die Bedeutung von Selbstzündvorgängen in Gasturbinenbrennkammern wesentlich zugenommen. Neben den Brennkammerschwingungen und dem Flammenrückschlag ist die unerwünschte Selbstzündung des Brennstoffes während der Gemischbildung in der Vormischzone der dritte sicherheitsrelevante Themenkreis. Selbstzündungen in Vormischstrecken führen in den allermeisten Fällen zu einer stabilen Verbrennung in der Vormischzone mit einer schnellen Brennerüberhitzung, da der rasche Temperaturanstieg der Bauteilwände zusätzlich stabilisierend wirkt. Neben diesen negativen Aspekten wird in modernen Verbrennungsverfahren für Gasturbinen die Reaktionskinetik der Zündung im Bereich unter der Temperatur an der mageren Löschgrenze von Flammen genutzt, um Nachbrennvorgänge zu steuern, wie dies bei der Pilotierung von Vormischflammen oder bei sequenziellen Verbrennungsverfahren der Fall ist. Hier wird das makroskopische Verhalten der Wärmefreisetzung und des Ausbrands hauptsächlich von der Reaktionskinetik bei der Zündung magerer Gemische bestimmt. Die Selbstzündung von Gemischen beruht auf der Bildung eines Radikalenpools durch Verzweigungsreaktionen der Elementarkinetik ausgehend von brennstoffspezifischen Startreaktionen während einer ersten, weitgehend isothermen Phase. Überschreitet der Radikalenpool eine gewisse Konzentration, führt die zunehmende Wechselwirkung zwischen der Stoffumsetzung und dem Temperaturanstieg zu einer plötzlichen Freisetzung der Reaktionsenthalpie. So lange eine untere, i. Allg. druckabhängige Temperaturgrenze, die sog. Selbstzündtemperatur, nicht überschritten ist, verhindern Kettenabbruchreaktionen, die die Konzentration aktiver Spezies schneller abbauen, als diese entstehen, ein Einsetzen der Verzweigungsreaktionen und die Bildung eines Radikalenpools. Der Ablauf des Zündvorgangs wird von den Reaktionsraten vieler Elementarreaktionen gesteuert, die nach jeweils spezifischen Temperaturabhängigkeiten ablaufen. Trotzdem lässt sich die Zündverzugszeit für einzelne Temperaturbereiche durch
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Arrheniusansätze der Form: tsz D C
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ŒSpeziesei T n e Rm T
(9.19)
i
approximieren, die entweder aus der Reduktion des vollen reaktionskinetischen Schemas abgeleitet werden oder reine Korrelationen experimenteller Daten sein können [9.32]. Die Aktivierungsenergie E, der Temperaturexponent n, die Exponenten der Konzentrationen e und die dimensionsbehaftete Proportionalitätskonstante C enthalten die kinetische Information in konzentrierter Form. Bei der Produktbildung werden nur die relevanten Hauptspezies, wie z. B. die Sauerstoffund die Brennstoffkonzentration, berücksichtigt. Gleichung (9.19) enthält durch die Multiplikation über die Konzentrationen der Hauptspezies implizit auch die Information über den Druckeinfluss, da die Konzentrationen dieser druckproportional ansteigen. Mit einigen weiteren Vereinfachungen ergibt sich der Zusammenhang zwischen der Selbstzündzeit, der Luftzahl und dem Druck zu: E
tsz D C l p m e Rm T :
(9.20)
Die Reaktionskinetik beim Zündvorgang von Gemischen ändert sich mit der Temperatur; bei geringen Temperaturen dominieren andere Reaktionspfade als bei höheren Temperaturen, weshalb häufig von Tief- bzw. Hochtemperaturkinetik gesprochen wird. Bei Methan als dominierender Erdgaskomponente findet der graduelle Wechsel von einer zur anderen Kinetik bei ca. 1400 K statt (Abb. 9-18); d. h. Selbstzündvorgänge in Vormischstrecken werden von der Tieftemperaturkinetik bestimmt [9.19]. Der Hochtemperaturbereich wird vom Radikalenangriff auf den Brennstoff dominiert, während bei niedrigerer Temperatur Reaktionen zwischen dem Brennstoff und molekularem Sauerstoff wichtiger sind. Generell wird eine nur schwache Abhängigkeit der Selbstzündzeit von der Luftzahl gefunden. Die Selbstzündzeiten sind näherungsweise umgekehrt proportional zum Druck, v. a. weil der Zündvorgang durch ein Ansteigen der Sauerstoffkonzentration stark beschleunigt wird. Die Tatsache, dass noch relativ magere Gemische bei ausreichend hohen Temperaturen kurze Selbstzündzeiten aufweisen, ist von besonderer feuerungstechnischer Bedeutung: Beim Mischvorgang eines mageren Gemisches mit heißem Abgas bestimmt hauptsächlich die lokale Mischtemperatur das Einsetzen der Nachreaktion, wogegen die weitere Verdünnung des Brennstoffs und das Absinken der Sauerstoffkonzentration von geringerer Bedeutung ist42 . Abbildung 9-18 verdeutlicht, dass mit der Selbstzündung reinen Methans in Vormischzonen von Gasturbinenbrennern nicht gerechnet werden muss, weil diese wesentlich höher sind als die Konvektionszeit des Gemisches bis zum Erreichen der Brennkammer43. Die höheren Kohlenwasserstoffe in Erdgas setzen die Zündverzugszeiten im Vergleich zu Methan wesentlich herab [9.23], in Abb. 9-18 ist dieser 42
Gleichwohl zeigen reaktionskinetische Studien, dass die Zündverzugszeit für sehr magere Gemische immer weiter ansteigt, ein Effekt, den Korrelationen nicht immer wiedergeben können. 43 Maximale Aufenthaltszeiten des Gemischs im Brenner sind i. Allg. < ca. 5 ms.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
443
Kerosin
1,00E+03
(Guin, Korrelation aus Messungen an Vormischbrennern)
Dieselöl (Spadaccini und de Velde, Korrelationen Laborexperimente)
Methan
1,00E+02
(Li und Williams, Niedertemperaturkinetik)
Methan (Li und Williams, Hochtemperaturkinetik)
Zündverzugszeit (ms)
Methan (Spadaccini und Colket)
1,00E+01
Methan mit 10% höheren KW (Spadaccini und Colket)
1,00E+00
1,00E-01 2 MPa 1,00E-02 700
800
900
1000
1100 1200
1300
1400 1500
1600
T(K) Abb. 9-18 Zündverzugszeit von Brennstoff-Luft-Mischungen bei p D 1;5 MPa
Effekt am extremen Beispiel eines Erdgases mit 10% höheren Kohlenwasserstoffen illustriert. Zündprozesse von längeren aliphatischen44 Kohlenwasserstoffen werden im Nieder- und Hochtemperaturbereich von völlig unterschiedlichen Zündkinetiken bestimmt. Mit steigender Temperatur nimmt zunächst die Zündverzugszeit ab, Reaktionen zwischen dem Brennstoff und Sauerstoffmolekülen initiieren den Zündprozess. Ab einer oberen Temperaturgrenze (ca. 700 K) kehrt sich dann die Richtung von Schlüsselreaktionen um, was zu einer Verarmung an wichtigen Zwischenprodukten führt, die bei niedrigerer Temperatur Kettenverzweigungen auslösen und zur Wärmefreisetzung führen [9.7]. Dies verbessert die Stabilität des Gemisches. Da im mittleren Temperaturbereich der Hochtemperaturmechanismus noch nicht völlig in Gang gekommen ist, steigt zunächst die Zündverzugszeit wieder an, bis die Hochtemperaturkinetik ab ca. 1000 K zu dominieren beginnt und sich die Zündwilligkeit wieder verbessert. Bei hohen Temperaturen wird die Reaktion durch den Radikalenangriff auf die Brennstoffmoleküle eingeleitet. 44
Aliphate sind gerade oder verzweigte, nicht ringförmige Kohlenwasserstoffe, die in flüssigen, technischen Brennstoffen vorherrschen.
444
T. Sattelmayer
Die unterschiedlichen Kinetiken beeinflussen das Erscheinungsbild des Zündvorgangs bei der Vormischung flüssiger Brennstoffe: Der frühe isotherme Prozess bei der Vormischung unter gasturbinentypischen Verhältnissen wird von der Niedertemperaturkinetik bestimmt. Sobald aber die Temperatur wesentlich ansteigt, wird der Mechanismus so stark geschwächt, dass die Reaktionsdichte eine gewisse Zeit auf einem sehr niedrigen Niveau verharrt, bevor der hier noch sehr schwache Hochtemperaturmechanismus zur endgültigen Wärmefreisetzung führt. Die Vorgänge sind abhängig von der Zusammensetzung des Brennstoffs, wie z. B. dem Gehalt des Brennstoffs an Aromaten45 , sowie vom Wärme- und Stofftransport um verdampfende Tropfen. Von großer Bedeutung für die Entwicklung vorgemischter Verfahren für Flüssigbrennstoffe ist letztendlich die erreichbare Zündverzugszeit. Bei der vorgemischten Verbrennung flüssiger Brennstoffe fällt der Beginn des Zündvorgangs mit der Gemischaufbereitung zusammen. Die heterogene Zusammensetzung der Gasphase um die Tropfen, die Relativbewegung zwischen den Phasen und die lokale Abkühlung der Luft durch die Verdampfung macht die Zündung in einem Sprayflamme zu einem extrem komplexen Vorgang, der nur schwierig in die einzelnen Phasen zu trennen ist [9.33]. Ist die Lufttemperatur im Bereich der Niedertemperaturkinetik, führt die Kühlung der Gasphase durch die Verdampfung zu einer Verlängerung der Zündverzugszeit. Darüber hinaus kann durch eine langsame Verdampfung die Induktionszeit bis zum ersten Temperaturanstieg (Cool Flame) erhöht werden [9.3]. Bei höheren Temperaturen ist nur der zweite Effekt signifikant. Die durch die Gemischaufbereitung verursachten Effekte führen zur starken Streuung der Ergebnisse unterschiedlicher Studien. Die meisten Experimente mit sehr schneller Mischung und Verdampfung zeigen, dass die gemessenen, üblicherweise stark streuenden Zündverzugszeiten näherungsweise umgekehrt proportional zum Druck skalieren (Druckexponenten m zwischen 0;5 und 2;0). Der Einfluss der Luftzahl ist dagegen relativ schwach mit der Tendenz zur Verlängerung der Zündverzugszeit bei mageren Gemischen. Flüssige Gasturbinenbrennstoffe sind wesentlich zündwilliger als Methan und Erdgas [9.18, 9.31]. Abbildung 9-18 zeigt dies anhand experimenteller Ergebnisse an Reaktoren und einer experimentellen Studie an Vormischbrennern unterschiedlicher Bauart. Steigt der Verdichterdruck auf p > 2 MPa (T > 720 K) ist eine Zündung während der Mischung nur durch Gemischbildungszeiten im Bereich unter 1 ms sicher zu verhindern. Obwohl Selbstzündungsvorgänge in Gasturbinenbrennkammern wie beschrieben ein Sicherheitsrisiko darstellen können, beeinflussen sie doch andererseits auch positiv den Ausbrand. Darüber hinaus sind sie sogar die Grundlage für elegante Stufungsverfahren im Teillastbereich. In Abschn. 9.5 bzw. Abschn. 9.8 wurde schon kurz darauf hingewiesen. Das Grundphänomen, auf dem diese Effekte beruhen, ist das Selbstzündverhalten eines in das heiße46 Abgas eingemischten Gemisches aus 45 46
Aromate sind aus Benzolringen aufgebaute Bestandteile flüssiger Brennstoffe. Damit ist der Kontakt mit Abgas gemeint, das die adiabate Flammentemperatur erreicht hat.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
445
Brennstoff und Verbrennungsluft. Nutzt man die Analogieannahme zwischen dem Energie- und Stofftransport, wird deutlich, dass beim Vermischen ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem lokalen Abgasanteil der Mischung und der lokalen Gemischtemperatur besteht; die Temperatur des Gemisches nimmt mit dem Abgasanteil zu. In Abb. 9-19 sind reaktionskinetisch berechnete Zündverzugszeiten über der Gemischtemperatur und dem Abgasanteil für verschiedene Flammentemperaturen aufgetragen. Interessanterweise fallen alle Ergebnisse unabhängig von der Flammentemperatur auf eine gemeinsame Kurve, wenn die Ergebnisse über der Mischtemperatur aufgetragen werden [9.12]. Der zum Erreichen der jeweiligen Gemischtemperatur notwendige Abgasanteil nimmt bei steigender adiabater Flammentemperatur ab. Da auch Vergleichsrechnungen mit heißer Luft statt Abgas sehr ähnliche Zündverzugszeiten als Funktion der Gemischtemperatur liefern, ist es zulässig zu folgern, dass die Zusammensetzung des heißen Gases von untergeordneter Bedeutung für die Zündvorgänge ist und dass der Zusammenhang zwischen der Zündverzugszeit und der Gemischtemperatur auch für andere, gasturbinentypische
8 Tabgas 1500 K 8
6
1550 K 1600 K
Zündverzugszeit (ms)
1650 K 6
4
4
2
2
1700 K
0,3
0,4
0,5 0,6 0,7 0,8 Molenbruch Heißgas γheißgas
0,9
1
0 1100
1200
1300
1400
1500
1600
1700
Gemischtemperatur (K) Abb. 9-19 Zündverzugszeit von Gemischen aus heißem Abgas und einem Brennstoff-LuftGemisch von 700 K bei p D 2 MPa
446
T. Sattelmayer
Temperaturen des Gemisches aus Luft und Brennstoff anwendbar ist. Für alle Gemischtemperaturen über ca. 1200–1300 K liegen die Zündverzugszeiten selbst bei reinem Methan im Bereich einer Millisekunde. Da die mittlere Aufenthaltszeit in Brennkammern um mehr als eine Größenordnung höher ist, kann davon ausgegangen werden, dass solche Gemische bis zur Turbine oxidiert werden und nur Strähnen mit Temperaturen unter 1200 K eine potenzielle Quelle für Emissionen unverbrannter oder teilverbrannter Kohlenwasserstoffe sind. Bei höheren Leistungen kann dies durch eine ausreichende Mischungsintensität in der Brennkammer verhindert werden. Allerdings muss in der Realität die Heißgastemperatur mindestens ca. 200 K über diesem Wert der Mischtemperatur liegen47 . Dass die Heißgastemperatur wesentlich höher liegen muss, ist offensichtlich, da nur so überhaupt Gemisch von 1200 K mit einem nennenswerten Anteil an Brennstoff und Luft erzeugt werden kann. Bei fallenden Mitteltemperaturen in der Brennkammer wird eine Grenze erreicht, unter der Selbstzündvorgänge keine Rolle mehr spielen. Wie alle Phänomene, die auf der Selbstzündung beruhen, sind die Effekte stark druckabhängig, also v. a. bei hohen Drücken nutzbar48.
9.10 Aufbereitung flüssiger Brennstoffe Die chemische Umsetzung des Brennstoffes mit der Luft findet nur in der Gasphase statt. Daher treten bei der Nutzung flüssiger Brennstoffe im Vergleich zu Brenngasen zwei zusätzliche, der Mischung vorgeschaltete Teilprozesse, die Brennstoffzerstäubung und die Brennstoffverdampfung auf.
9.11 Zerstäubung Durch die Zerstäubung soll primär eine große Oberfläche geschaffen werden, die den Energieaustausch zwischen der Luft bzw. den Verbrennungsprodukten und dem Brennstoff fördert und zu einem Phasenwechsel in den gasförmigen Zustand führt.49 Häufig ist es weiterhin die Aufgabe des Zerstäubers, den Tropfen einen Anfangsimpuls zu geben, der die Grobmischung zwischen dem Brennstoff und der Luft einleitet. Bei der nicht vorgemischten Verbrennung werden gasförmige Brennstoffe dem Brennraum in einer Zone zugeführt, die sich meistens in der Nähe der Achse der 47 Diese Behauptung beruht auf experimentellen Beobachtungen an Versuchsbrennkammern und Gasturbinen. Diese zeigen, dass eine weitgehende CO-Oxidation nur dann erreicht wird, wenn sich eine Mischtemperatur von ca. 1200 K schon mit weniger als ca. 75% Abgasanteil ergibt. 48 Die Selbstzündzeit bei diesen Mischvorgängen ist näherungsweise umgekehrt proportional zum Druck. 49 Dieser Phasenwechsel wird üblicherweise als Brennstoffverdampfung bezeichnet, obwohl es sich um einen Verdunstungsvorgang handelt.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
447
Drallströmung am Brenneraustritt befindet. Dagegen wird das Brenngas bei der vorgemischten Verbrennung, wie schon in Abschn. 9.6.3 beschrieben wurde, fein verästelt aufgeteilt und mittels sehr vieler Injektionsstellen der in den Brenner einströmenden Luft beigemischt. Die Nutzung des gleichen Prinzips für flüssige Brennstoffe scheitert an ihrer geringen chemischen Stabilität. Bei bauteiltypischen Temperaturen beginnt der Brennstoff zu zerfallen und produziert feste Ablagerungen in den Brennstoffleitungen und den Düsen. Weiterhin wirkt sich die hohe Dichte flüssiger Brennstoffe nachteilig aus, da bei einer verästelten Eindüsungsstrategie sehr kleine Eindüsquerschnitte auftreten, die die Betriebssicherheit herabsetzen. Aus diesen Gründen müssen flüssige Brennstoffe auch beim vorverdampften und -vermischten Verfahren bei niedrigen Temperaturen zugeführt und an wenigen Injektionsstellen zerstäubt werden. Die Methoden zur Zerstäubung von Brennstoffen sind überaus vielfältig. Bei stationären Gasturbinen haben sich im Wesentlichen zwei Prinzipien durchsetzen können, die Druckzerstäubung und die luftunterstützte Zerstäubung. Beim ersten Prinzip wird die Flüssigkeit auf einen hohen Druck gebracht50, dann in einer Düse beschleunigt und mit einer hohen Geschwindigkeit in den Brennraum bzw. eine Vorverdampfungsstrecke eingedüst. Dies kann in Form von Strahlen (Lochdüse) oder als dünner Film (Dralldüsen) erfolgen. Der Flüssigkeitszerfall kann durch die Gestaltung der Düse wesentlich beeinflusst werden. Bei Lochdüsen z. B. kann in der Düse Turbulenz produziert werden, oder man führt gezielt Kavitation herbei, um die schnelle Auflösung des Strahls in Tropfen zu fördern. Ein wesentliches Kennzeichen der Druckzerstäubung ist die hohe Eigendynamik der flüssigen Phase am Düsenaustritt. Diese lässt sich nutzen, um eine großskalige Durchmischung zwischen Brennstoff und Luft zu erreichen. Diese ist sowohl bei der nicht vorgemischten Verbrennung, d. h. der Brennstoffeindüsung in die Flamme, als auch bei der vorgemischten Verbrennung mit der Eindüsung in eine Vorverdampferstrecke erwünscht. Im letzten Fall wird die hohe Penetrationsfähigkeit kompakter Strahlen dazu benutzt, die Anzahl der Injektoren zu vermindern (s. o.). Im Idealfall kommt ein Vormischbrenner für flüssige Brennstoffe mit einem einzigen Injektor für die Vorverdampferstufe aus. Bei sehr kompakten Brennkammern kann die hohe Dynamik des Brennstoffs bei der Druckzerstäubung problematisch sein, da eine perfekte Vermischung mit der Luft nicht immer optimal gelingt. Da gleichzeitig in der Nähe der Düse hohe Brennstoffkonzentrationen auftreten, die zu einer hohen Rußproduktion führen können (s. Abschn. 9.7), wurde die Druckzerstäubung teilweise durch die luftunterstützte Zerstäubung verdrängt51. Bei diesem Verfahren stammt die Energie zur Zerstäubung aus der Geschwindigkeit52 der einströmenden Luft, eine hohe Geschwindigkeit der Flüssigkeit ist nicht erforderlich. Weiterhin können Zonen extremen Luftmangels in Düsennähe leichter vermieden werden als bei der Druckzerstäubung. 50
Bei stationären Gasturbinen sind Drücke bis ca. 10 MPa üblich. Dies ist v. a. im Flugtriebwerksbau erfolgt, bei großen stationären Gasturbinen dagegen nur teilweise. 52 Bei 2–3% Brennkammerdruckverlust werden Werte um ca. 100 m=s erreicht. 51
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T. Sattelmayer
Brennstoffzerstäuber in Gasturbinen produzieren breite Tropfenspektren. Die Tropfengrößen umfassen mindestens eine Größenordnung. Auch die Anfangsgeschwindigkeiten der Tropfen nach dem Zerfall umfassen einen weiten Bereich nach Betrag und Richtung. Alle drei Effekte sind prinzipiell erwünscht, da sie die Tropfendispersion im turbulenten Strömungsfeld unterstützen53. Die Auswahl des Zerstäubungsprinzips und die Gestaltung des Zerstäubers sind extrem von der Aerodynamik und dem Aufbau der Brenner abhängig, weshalb kaum allgemeingültige Aussagen möglich sind. Gleiches gilt auch für die erforderliche Zerstäubungsgüte. Aus diesem Grund wird auf die nachfolgenden Kap. 10–13 verwiesen.
9.11.1 Tropfenverdampfung und -dispersion Der Druck in Brennkammern stationärer Gasturbinen ist i. Allg. niedriger als der kritische Druck der eingesetzten Flüssigbrennstoffe, die Temperatur dagegen höher als die Siedetemperatur der am schwersten siedenden Brennstofffraktion. Unter diesen Bedingungen verdampft der Brennstoff isobar, wobei die Verdampfungsenthalpie von der Luft auf den Tropfen übertragen werden muss54 . Stark vereinfacht lässt sich der Gesamtvorgang in zwei asymptotische Teilprozesse zerlegen, die Tropfenaufheizung ohne wesentlichen Phasenwechsel und die Tropfenverdampfung bei einer annähernd konstanten Temperatur, die unter der Siedetemperatur des Tropfens liegt. In der Realität besteht zwischen diesen Asymptoten ein Übergangsbereich, in dem die zur Tropfenaufheizung und -verdampfung aufgebrachten Leistungen von gleicher Größenordnung sind (Abb. 9-20). Bei reinen Stoffen besteht, quantifiziert durch die Dampfdruckkurve, ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Druck in der Brennkammer und der Siedetemperatur des Tropfens sowie zwischen der Tropfentemperatur und dem Dampfdruck. Ähnliche Aussagen werden bei technischen Brennstoffen mit mehreren Komponenten aus der Siedekurve55 abgeleitet. Diese Zusammenhänge zwischen den thermischen Zustandsgrößen Druck und Temperatur sind von essenzieller Bedeutung für das Erscheinungsbild des Aufheiz- und Verdampfungsvorgangs, da der Dampfdruck den Brennstoffmassenbruch an der Phasengrenze in der Gasphase bestimmt und diese Größe die treibende Kraft für den Massentransport des Brennstoffs in der Gasphase ist. Direkt nach der Entstehung besitzen die Tropfen noch eine sehr niedrige Temperatur und dementsprechend einen niedrigen Dampfdruck, was wiederum den Transport des Brennstoffdampfs in der Gasphase gering hält. Gleichzeitig besteht aber eine hohe Temperaturdifferenz zwischen den Tropfen und der Umgebung. Ein starker Wärmefluss auf den Tropfen ist die Folge. Die übertragene Wärme führt zu53
Dies gilt insbesondere für das Vormischverfahren. Bei sehr hohen, in stationären Gasturbinen bisher nicht üblichen Brennkammerdrücken werden überkritische Zustände in den Tropfen erreicht, und es tritt kein Phasenübergang mehr auf. 55 Hierunter wird der Zusammenhang zwischen dem verdampften Massenanteil und der Temperatur bei vorgegebenem Druck im thermodynamischen Gleichgewicht verstanden. 54
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
449
D2/ D02 1
T Aufheizphase
Lufttemperatur Verdampfungsphase Näherungslösung: D2-Gesetz
Siedetemperatur
Radius 0
t Tropfenverdampfungszeit
Abb. 9-20 Schematische Darstellung der Tropfenverdampfung
nächst hauptsächlich zur Tropfenerwärmung. Im Tropfen bildet sich ein Temperaturprofil aus, das für technische Zwecke ausreichend genau durch einen eindimensionalen Wärmeleitungsvorgang in einer starren Kugel beschrieben werden kann56 . Die Vernachlässigung der Temperaturgradienten im Tropfen (unendlich große Wärmeleitung im Tropfen) verursacht i. Allg. nur moderate Ungenauigkeiten, die v. a. während der Tropfenaufheizphase auftreten. Da zu Beginn der Aufheizphase mehr Wärme zur Aufheizung des Tropfenkerns absorbiert wird, bleibt die Oberflächentemperatur niedriger, was zu kleineren Verdampfungsraten führt. Gegen Ende der Aufheizphase kehrt sich dieser Trend um. Gleichzeitig mit der Temperatur steigt auch der Dampfdruck an der Tropfenoberfläche an, und der Transport des Brennstoffdampfes in die Luft hinein wird intensiviert. Im Verlauf dieses Prozesses werden die räumlichen Temperaturgradienten im Tropfen abgebaut, und es erhöht sich der Dampfmassenanteil an der Oberfläche so weit, bis eine obere Grenztemperatur erreicht wird, bei der die zugeführte Wärme nur noch zur Brennstoffverdampfung führt57. In diesem Bereich folgt die Tropfenverdampfung dem sog. D 2 -Gesetz (Abb. 9-20), wenn die Sherwoodzahl, die den Stoffübergang beschreibt, während der Verdampfung, konstant bleibt58 : D02 D 2 t : 56
(9.21)
Die real vorhandenen Strömungsvorgänge im Tropfen sind von untergeordneter Bedeutung für den Verdampfungsvorgang. 57 Eine konstante Temperatur wird nur bei reinen Brennstoffen erreicht. Diese Temperatur wird in der Thermodynamik als Kühlgrenztemperatur bezeichnet. 58 Das Gesetz gilt streng nur, wenn noch weitere Größen konstant bleiben, was aber i. Allg. mit guter Näherung erfüllt ist.
450
T. Sattelmayer
Die Tropfentemperatur erreicht die Siedetemperatur59 während der Verdampfung nicht vollständig. Deshalb bleibt der Partialdruck des Brennstoffdampfes an der Oberfläche geringer als der Brennkammerdruck, und der Massenanteil des Brennstoffes an der Oberfläche ist < 160 . Auch wenn die sehr einschränkenden Bedingungen für die Gültigkeit des D 2 -Gesetzes i. Allg. nicht erfüllt sind, lässt sich dennoch die Durchmesserabnahme durch einen quadratischen Ansatz nach (9.21) gut beschreiben. Bei technischen Brennstoffen mit mehreren Komponenten sind die Vorgänge wesentlich komplizierter als bei reinen Stoffen: Während der Verdampfung verarmt der Tropfen an der Oberfläche an den leichter siedenden Komponenten, und es bilden sich neben der Temperatur- auch Konzentrationsgradienten aus. Da der Massenanteil der höher siedenden Komponenten an der Tropfenoberfläche während der Verdampfung laufend zunimmt, steigt auch die Tropfentemperatur weiter an. Die Transportvorgänge in der Gasphase werden von der Relativbewegung zwischen den Tropfen und der Gasphase bestimmt. Da die Abmessung der Tropfen klein gegenüber den turbulenten Wirbeln ist, bewegt sich der Tropfen in einer für ihn instationären Strömung mit stochastischen Geschwindigkeitsfluktuationen nach Betrag und Richtung. Nachdem direkt nach dem Strahlzerfall eine Anpassung der mittleren Tropfengeschwindigkeit an die mittlere Luftgeschwindigkeit erfolgt ist, bleiben Relativbewegungen bestehen, die durch die Massenträgheit der Tropfen und den turbulenten Charakter des Strömungsfelds verursacht werden. Diese Relativbewegung ist von großer Bedeutung für die Gemischbildung, da sie zur turbulenten Dispersion der Tropfen in der Luft sowie zu einer gravierenden Erhöhung des Wärmeund Stofftransports in der Gasphase durch konvektive Prozesse führt. In Gasturbinenbrennkammern beträgt das Massenverhältnis aus Flüssigbrennstoff und Verbrennungsluft nur wenige Prozent. Deshalb wird die Gemischbildung während der Verdampfung im Fernfeld des Zerstäubers durch die Gasphase bestimmt. Rückkopplungseffekte der Tropfen auf die Gasphase bleiben auf die düsennahen Bereiche beschränkt. In dieser Zone erfolgt eine Temperaturabsenkung in der Gasphase durch die Verdampfung, und es können lokal hohe Brennstoffdampfkonzentrationen auftreten, die die weitere Verdampfung behindern. Hohe Relativbewegungen zwischen beiden Phasen bei gleichzeitig hoher Tropfendichte führen zu einer Impulsänderung der Gasphase durch die Tropfen. Wie (9.21) verdeutlicht, hängen die Tropfenverdampfungszeiten von der Anfangstropfengrößenverteilung ab. Unter gasturbinentypischen Bedingungen liegen die Zeiten bei schadstoffarmen, mager vorgemischten und vorverdampften Systemen im Bereich weniger Millisekunden. Da die Tropfen bei nicht vorgemischten Flammen schnell mit dem heißen Abgas in Berührung kommen, können noch geringere Zeiten erreicht werden.
59 60
Hier werden reine Stoffe betrachtet. Aus diesem Grund wäre es präziser, die Vorgänge als Brennstoffverdunstung zu bezeichnen.
9 Grundlagen der Verbrennung in stationären Gasturbinen
451
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Kapitel 10
Technische Verbrennungssysteme Werner Krebs, Jaan Hellat und Adnan Eroglu
10.1 Anforderungen an technische Verbrennungssysteme Anhand des thermodynamischen Kreisprozesses soll das Verbrennungssystem von stationären Gasturbinen in erster Linie nur „heiße Luft“1 erzeugen. Entsprechend waren bei Gasturbinen älterer Bauart die Anforderungen an das Verbrennungssystem moderat, und die Konstruktion hatte keinen hohen Entwicklungsaufwand erfordert. Durch die enorme Steigerung der Turbineneintrittstemperaturen bei hocheffizienten Gasturbinen und die verschärften Abgasvorschriften entwickelte sich die Gasturbinenverbrennungstechnik aufgrund der vielfältigen im Folgenden genannten Anforderungen zur Schlüsseltechnologie. Generelles Ziel der Verbrennungstechnik für moderne Gasturbinen ist, eine möglichst hohe ISO-Turbineneintrittstemperatur (s. Definition in Kap. 2) bei möglichst geringer Verbrennungstemperatur aufgrund der mit der Verbrennungstemperatur stark ansteigenden Stickoxidemissionen (s. Kap. 9) zu erzielen. Die wesentlichen Einflussgrößen der Stickoxidbildung werden bereits in Abschn. 9.6 für verschiedene Betriebsarten erläutert. Der stark nicht lineare Zusammenhang zwischen Verbrennungstemperatur, Verweilzeit und Stickoxidemissionen wird in Abb. 10-1 verdeutlicht. Dem Diagramm liegen reaktionskinetische Berechnungen zugrunde, bei denen ein Brennkammerdruck von 15 bar und eine Brennkammereintrittstemperatur von 400 °C sowie eine Luftfeuchte von 60% zugrunde gelegt worden sind. In Abb. 10-1 ist ebenfalls eine Linie für stöchiometrische Verbrennungsbedingungen (Luftzahl D 1, Definition in Abschn. 9.2) eingetragen. Die Linie markiert die bei den genannten Verbrennungsbedingungen sich einstellende adiabate Verbrennungstemperatur und die daraus folgenden Stickoxidemissionen. Generell steigen die Stickoxidemissionen mit den Verbrennungstemperaturen und der Verweilzeit stark an. Bei stöchiometrischen Verbrennungsbedingungen, wie sie in Diffusionsflammen in der Reaktionszone auftreten (s. Abschn. 9.6.2), wären aufgrund der hohen Flammentemperatur sehr hohe Stickoxidemissionen ( 300 ppm) die Folge. 1
Thermodynamisch richtig ist: Die Temperatur des Arbeitsmediums wird erhöht.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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454
W. Krebs, J. Hellat, A. Eroglu
Verweilzeit in ms
1000 500 200 100 50
20
10
1000
5 2 1
NOx-Emission
ppm 100
λ=1
10
1 1400
1500
1600
1700
1800
1900
2000
2100 2200 Temperatur
Abb. 10-1 Abhängigkeit der Stickoxidemissionen von der Verbrennungstemperatur, Emissionen sind bezogen auf 15 Vol.-% Sauerstoffanteil im trockenen Abgas
Aus diesen Gründen ist die magere Vormischverbrennung mit Flammentemperaturen weit unterhalb der stöchiometrischen Flammentemperatur der Stand der Technik für hochbelastete Brennkammern mit niedrigen NOx -Emissionen. Die Realisierung von Vormischsystemen in Gasturbinenbrennkammern stellt eine Reihe von technischen Herausforderungen und verlangt eine Optimierung von z. T. widersprüchlichen Zielsetzungen: • Herstellung einer möglichst homogenen Brennstoff-Luft-Mischung mit möglichst kleinen Druckverlusten und kompakten Brennergrößen, • sichere Stabilisierung von möglichst mageren Vormischflammen, • ein möglichst großer Luftanteil an der Verbrennung bei gleichzeitig sicherer Kühlung aller Heißgas führenden Teile der Brennkammer und der Turbine, • eine möglichst gleichförmige Temperaturverteilung des Heißgases im Turbineneintritt mit möglichst kompakten Brennkammern und vollständigem Ausbrand. Eine der wichtigsten Herausforderungen ist dabei die Flammenstabilisierung, die wiederum eine Reihe von Aspekten hat: • Die Flammen dürfen nicht verlöschen. Bei Volllastbedingungen sollte die Flammentemperatur idealerweise nur wenig oberhalb der Löschtemperatur liegen, mit möglichst geringen NOx -Emissionen. Bei Teillast liegen die Heißgastemperaturen unter der Vormischflammen-Löschgrenze, weswegen Stufungs- und Pilotierungskonzepte eingesetzt werden müssen. • Die Flammen dürfen nicht in das Gemisch im Brennerinnern zurückzünden. • Es dürfen keine starken Druckpulsationen auftreten. Die Erfahrung zeigt, dass magere Vormischflammen auf vielfältige Weise Pulsationen anregen können und sie auf unzulässige Amplituden verstärken. Die Pulsationsgebiete zu vermeiden
10 Technische Verbrennungssysteme
455
und zu umgehen, ist heute eine der Hauptaufgaben der Brenner- und Brennkammerauslegung. Bei technischen Brennern und Brennkammern handelt es sich immer um teilvorgemischte Systeme, d. h., das Gemisch und damit auch die Flammentemperatur haben örtlich und zeitlich eine bestimmte Streubreite. Aus diesem Grunde sind die in Abb. 10-1 gezeigten Emissionen Zielwerte einer idealen Vormischverbrennung, die im Feld nicht erreicht werden können. Die NOx -Emissionen werden i. Allg. als Konzentration in ppm gemessen und angegeben. Für die Definition von NOx -Limiten ist es aber wichtig, den Luftüberschuss im Abgas auf einen einheitlichen O2 -Wert zu beziehen (ppm bei 15% O2 /, da ansonsten die NOx -Konzentration im Abgas durch Luftverdünnung verringert werden könnte. Hierzu wird die gemessene NOx -Konzentration in ppm rechnerisch auf einen für Gasturbinen typischen, einheitlichen Luftüberschuss im Abgas mit einem Sauerstoffgehalt von 15% O2 umgerechnet. Wenn im Folgenden NOx -Vorschriften in ppm diskutiert werden, sind dabei immer stillschweigend die auf 15% O2 normierten Werte gemeint. Die Stickoxidemissionen sind heute bei den meisten Anlagen für den Brennstoff Gas auf 25 ppm begrenzt. In einigen Fällen werden jedoch auch Stickoxidemissionen unter 10 ppm gefordert. Stichwort hierfür ist „single digit emissions“. Tabelle 10-1 gibt eine grobe Übersicht der heute gültigen Emissionsvorschriften mit Erdgas als Brennstoff, wobei zu beachten ist, dass lokale Genehmigungen erheblich davon abweichen können. Um der Forderung einer möglichst geringen Stickoxidemission zu genügen, muss neben dem Ziel einer möglichst geringen positiven Temperaturdifferenz zwischen Verbrennungstemperatur und Turbineneintrittstemperatur auch das Ziel einer möglichst geringen Verweilzeit beachtet werden. Dies führt zur Entwicklung kompakter Verbrennungssysteme, die sich durch einen sehr geringen Sperr- oder Kühlluftverbrauch auszeichnen. Beispiele solcher modernen Gasturbinenverbrennungssysteme sind die in Abschn. 10.3 dargestellten Ringbrennkammern und Rohrbrennkammern. Im Gegensatz zu Flugtriebwerken müssen Gasturbinenbrennkammern fähig sein, mehrere Brennstoffe zu verwenden. Obwohl als Hauptbrennstoff Gas eingesetzt wird, wird in vielen Fällen auch Öl als Zweitbrennstoff verwendet, um zum BeiTabelle 10-1 Emissionsvorschriften für mit Erdgas betriebene Kraftwerke NOx Emissionsvorschriften in ppm bez. auf 15% O2 Europa – Im Allgemeinen – Gelegentlich auch in Zukunft USA – Kalifornien, Neuenglandstaaten USA – Übrige Staaten
25 15 3–5 9–15–25
Japan Rest der Welt Weltbank (Bedingung für Förderung)
5–9 25 und höher 30–60
Nur mit Abgasreinigung erreichbar Mit speziell abgestimmten Gasturbinen erreichbar
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spiel die Zeit während der Wartung des Gasversorgungssystems zu überbrücken. In seltenen Fällen kommen gar Sonderbrennstoffe wie Naphtha2 oder Kondensate zum Einsatz. Das Verbrennungssystem sollte eine hohe Flammenstabilität über den gesamten Fahrbereich vom Zünden bis zur Volllast gewährleisten. Oftmals werden bestimmte Emissionsanforderungen auch bei sog. Teillastzuständen (etwa von 60– 100% Last) gefordert. Die Verbrennungsluft am Brennereintritt besitzt bei modernen Gasturbinen eine Temperatur deutlich über 400ı , bei der GT 24/26 aufgrund ihres sehr hohen Druckverhältnisses sogar von über 500ı . Bei diesen hohen Temperaturen nimmt die Flammenrückschlagsneigung zu. Trotzdem müssen die Brenner selbst bei Betriebsstörungen oder bei schlechten Brennstoffqualitäten gegen Flammenrückschlag geschützt werden. Einen Sonderfall im Gasturbinenbetrieb stellt der Lastabwurf da (s. Kap. 3). Hierbei muss in einer sehr kurzen Zeitspanne (Größenordnung < 1 s) der Brennstoffmassenstrom auf ca. 15% des Volllastwerts reduziert werden, ohne dass die Flammen verlöschen. Im Folgenden werden technische Lösungen für die erwähnten Aufgabenstellungen diskutiert. In Abschn. 10.2 werden zunächst die Brennstoffzugabe und die Brennstoffmischung im Brenner diskutiert. Im Anschluss daran werden in Abschn. 10.3 Designlösungen für Brennkammern, in denen die Wärmefreisetzung stattfindet, vorgestellt. Abschnitt 10.4 beschäftigt sich abschließend mit thermoakustisch induzierten Verbrennungsschwingungen und Designmaßnahmen zur Unterdrückung solcher Verbrennungsinstabilitäten. Die Betriebsweise der unterschiedlichen Verbrennungssysteme über den gesamten Lastbereich der Gasturbine wird in Abschn. 11.6 betrachtet.
10.2 Brenner und Brennstoffzugabe Brennstoff wird im Brenner zugegeben. Typische Exemplare von luftdrallstabilisierten Vormischbrennern jedoch mit gänzlich unterschiedlicher Auslegungsphilosophie sind in Abb. 10-4 (Siemens Hybrid [10.1]) und in Abb. 10-6 (Alstom EV [10.10, 10.11]) dargestellt. Die Unterschiede zeigen sich vor allen Dingen in der Strömungsführung, in der Zumischung des Brennstoffes und auch in den Stufungskonzepten. Ein weiterer Auslegungsunterschied besteht auch darin, dass in den Siemens-Ringbrennkammern die Anzahl der Brenner immer 24 beträgt, mit der Folge, dass die Brennergröße entsprechend der GT-Leistungsstufung skaliert wird. Dies hat den Vorteil, dass die relative Brenneranordnung in den unterschiedlich großen Brennkammern unverändert bleibt. Bei den Alstom-Brennkammern werden EV-Brenner mit einheitlicher Größe eingesetzt, die Anpassung an die GT-Leistung erfolgt über eine unterschiedliche Anzahl von Brennern. Diese Auslegung hat den Vorteil, dass die Skalierungseffekte der Brenner nicht beachtet werden müssen. Wie bereits mehrfach erwähnt, werden die Gasturbinenverbrennungssysteme zur Minderung der Stickoxidemissionen im Vormischmodus betrieben. Das bedeutet, 2
Siehe Kap. 13
10 Technische Verbrennungssysteme
457
dass der Brennstoff und die Verbrennungsluft nicht erst in der Reaktionszone in der Brennkammer miteinander in Berührung kommen, sondern bereits in einer Vormischpassage gemischt werden (s. auch Abschn. 9.3.2). Bei der Auslegung einer solchen Vormischpassage ist deshalb zu beachten, dass die Verbrennungsreaktion an einem definierten Reaktionsort in der Brennkammer stattfindet und nicht in die Vormischpassage zurückschlägt. Dieser definierte Reaktionsort wird i. d. R. bei allen Gasturbinenverbrennungssystemen durch drallinduzierte Rezirkulationszonen stromab des Brenneraustritts festgelegt. Trotzdem muss bei Betriebsstörungen kurzfristig mit einem Zurückschlagen der Flammenfront oder Flammenreaktionszone gerechnet werden. Damit diese sich in der Vormischpassage nicht halten kann, muss hier die Strömungsgeschwindigkeit über den gesamten Querschnitt größer als die turbulente Brenngeschwindigkeit st sein. Referenzen [10.1] und [10.2] haben in neueren Übersichtsartikeln einen Überblick über die Abhängigkeiten der turbulenten Brenngeschwindigkeit von der Reaktionsfähigkeit des Gemisches und der Turbulenzstruktur angegeben. Die turbulente Brenngeschwindigkeit ist eine Funktion der laminaren Brenngeschwindigkeit sl und charakteristischer Größen der Turbulenz hmi st D sl f u02 ;ıt : (10.1) s In (10.1) wird die Turbulenz durch die Varianz der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen u02 und ein charakteristisches Längenmaß ıt der turbulenten Wirbel wiedergegeben. Wichtig ist der Zusammenhang mit der laminaren Brenngeschwindigkeit sl . Durch sie werden die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Brennstoff-Luft-Gemisches repräsentiert, die wiederum von thermodynamischen Verbrennungsbedingungen abhängen. Die laminare Brenngeschwindigkeit sl ist bestimmt durch s r rReaktion rReaktion h m i D (10.2) sl D a % % cp % s mit aD
% cp
rReaktion % cp
m2 , s kg chemische Reaktionsrate , m3 s kg , Dichte des Reaktionsgemisches m3 s J , spezifische Wärmekapazität kg K
thermische Leitfähigkeit
Wärmeleitfähigkeit ds Reaktionsgemisches
W . mK
Entsprechend 10.2 nimmt die laminare Brenngeschwindigkeit mit der Temperatur durch die starke Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit ebenfalls zu. Mit zunehmendem Druck nimmt sie jedoch aufgrund der zunehmenden Dichte des Medi-
458
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laminare Brenngeschwindigkeit [cm/s]
180 160
p = 1bar
140
p = 5 bar
120
p = 10 bar
100
p = 15 bar
80
p = 20 bar
60 40 20
Betriebspunkte
0 250
350
450
550
650
750
850
Brennereintrittstemperatur [K] Abb. 10-2 Laminare Brenngeschwindigkeit bei stöchiometrischem Brennstoff-Luft-Gemisch (Luftzahl D 1)
laminare Brenngeschwindigkeit [cm/s]
70 60
p = 1bar
50
p = 5 bar
40
p = 10 bar p = 15 bar
30
p = 20 bar
20 10
Betriebspunkte
0 250
350
450
550
650
750
850
Brennereintrittstemperatur [K] Abb. 10-3 Laminare Brenngeschwindigkeit bei magerem Brennstoff-Luft-Gemisch (Luftzahl D 2)
ums ab. In Abb. 10-2 sind für die Luftzahl 1 und in Abb. 10-3 für die Luftzahl 2 die laminaren Brenngeschwindigkeiten als Funktion von Druck und Temperatur aufgetragen. Die Berechnungen wurden unter Verwendung eines detaillierten Reaktionsmechanismus GRI 3,0 für Methan durchgeführt. Durch Kreissymbole sind Kombinationen von Verdichterenddruck und Verdichterendtemperatur für einen Verdichter mit einem Wirkungsgrad von 90% veranschaulicht. In der Regel wird die durch die Erhöhung des Verdichterenddrucks bewirkte Reduzierung der laminaren Brenngeschwindigkeit durch die erhöhte Brennereintrittstemperatur mehr als ausgeglichen.
10 Technische Verbrennungssysteme
459
Im Folgenden werden an drei ausgewählten Beispielen technische Lösungen von Vormischbrennern diskutiert.
10.2.1 Hybridbrenner Die Bezeichnung Hybridbrenner bedeutet, dass dieser Brenner sowohl als Diffusionsbrenner als auch als Vormischbrenner betrieben werden kann. Ein näherer generischer Vergleich zwischen beiden Betriebsmodi wird in Abschn. 9.3 durchgeführt. Der Hybridbrenner besteht aus drei konzentrisch angeordneten Baugruppen – einer zentralen Öllanze und zwei Drallerzeugern. Durch die Öllanze wird der flüssige Brennstoff während des Diffusionsbetriebs zugegeben. Sie ist als rücklaufgeregelter Druckdrallzerstäuber ausgeführt. Beim Prinzip des rücklaufgeregelten Druckdrallzerstäubers kann der Brennstoffmassenstrom in weitem Lastbereich durch Einstellen des Drucks in der Rücklaufleitung geregelt werden. Die Öllanze wird umgeben vom sog. Axialgitter, durch das ungefähr 10% der Verbrennungsluft strömt.
Abb. 10-4 HR3-(Hybrid-)Brenner, wie er in der SGTx-4000F-Baureihe zum Einsatz kommt
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Die Axialgitterströmung besitzt zwei wesentliche Funktionen. Erstens unterstützt sie die Zerstäubung des flüssigen Brennstoffs. Zum zweiten wird in diesen Luftstrom der gasförmige Brennstoff während des Diffusionsbetriebs (im unteren Lastbereich, s. Abschn. 11.6) zugegeben. Dieser mischt sich dann mit 10% der Luft und erzeugt stromab des Brenners eine langgestreckte Diffusionsflamme. Das Axialgitter ist vom Diagonalgitter umschlossen. Der Name rührt daher, dass die den Drall erzeugenden Schaufeln diagonal angeordnet sind. Durch das Diagonalgitter strömen ca. 90% der Verbrennungsluft. In dem in Abb. 10-4 dargestellten Hybridbrennertyp wird der Brennstoff über 10 auf der Drallerzeugerschaufel befindliche Bohrungen zugeführt. Durch die hohe Anzahl der Injektionspositionen wird für eine gute Brennstoff-Luft-Mischung in der Diagonalgitterpassage gesorgt. Die Güte der Brennstoff-Luft-Mischung kann mithilfe von numerischen Berechnungsprogrammen ermittelt werden, und daran können auch Bohrungskonfigurationen hinsichtlich der Mischung optimiert werden. Ein beispielhaftes Ergebnis einer solchen Berechnung ist in Abb. 10-5 dargestellt. In Graustufen dargestellt ist die Brennstoffkonzentration. Die Berechnung umfasst sowohl den Brenngasverteiler, das Brenngasrohr als auch die Diagonalgitterpassage. Damit kann auch die Brennstoffmengenverteilung über die Bohrungen berücksichtigt und optimiert werden. Prinzipiell entspricht die Eindüsungsart einer Kreuzstromanordnung, die i. d. R. bei den entsprechenden hohen Luftströmungsgeschwindigkeiten zu einem guten Mischungsergebnis führt. Die anfänglich sichtba-
Abb. 10-5 Brennstoff-Luft-Mischung in der Diagonalgitterpassage des HR3-Brenners, numerische Simulation
10 Technische Verbrennungssysteme
461
ren Brennstoffsträhnen verschwinden, und am Brenneraustritt wird eine verhältnismäßig homogene Mischung erreicht. Stromab des Diagonalgitters bildet sich somit eine im Vergleich zur Diffusionsflamme kurze Vormischflamme aus. Neben dem Vorteil einer möglichst guten Brennstoff-Luft-Mischung gewährleistet die Injektion des Brennstoffs über die Schaufeln eine sehr große Sicherheit gegenüber Flammenrückschlag (vgl. Abschn. 9.9.2). Aufgrund der hohen Strömungsgeschwindigkeiten in der Diagonalgitterpassage und dem Fehlen von Rückströmzonen wird eine wegen einer Betriebsstörung in den Brenner eindringende Flamme wieder ausgeblasen. Damit die Gasturbine über einen weiten Lastbereich im Vormischmodus fahrbar ist, wird die Vormischflamme mithilfe einer Pilotflamme stabilisiert. Über die Pilotgasleitung, die ebenfalls in das Axialgitter mündet, werden ca. 3–5% des Brennstoffs zugegeben. Stromab des Axialgitters bildet sich dann auch im Vormischbetrieb eine kleine Diffusionsflamme, die die innere Rezirkulationszone mit heißem Abgas versorgt und die Hauptflamme stabilisiert. Die Betriebsweise des Hybridbrenners über den gesamten Lastbereich, einschließlich der Umschaltung von Diffusions- in Vormischbetrieb, wird in Abschn. 11.6 dargelegt. Um die Stickoxidemissionen auch bei Verwendung von flüssigem Brennstoff deutlich zu reduzieren, wird Öl im sog. Vormischbetrieb über seitlich montierte Düsen in die Diagonalgitterpassage stromab der Drallschaufeln injiziert. Hierdurch wird der Brennstoff wieder gemäß dem Prinzip der Kreuzstromanordnung zerstäubt, in der Diagonalgitterpassage vorverdunstet und schließlich mit der Verbrennungsluft partiell vorgemischt. Über die zentrale Öllanze wird in diesem Betriebsmodus nur ein geringer Brennstoffanteil zugegeben. Sie dient hier als Pilotbrenner. Durch die Brennstoff-Luft-Mischung in der Diagonalgitterpassage können im Ölvormischbetrieb die Stickoxidemissionen auf ca. 20% der vergleichbaren Emission im Diffusionsbetrieb reduziert werden. Näheres zur Ölverbrennung wird in Abschn. 10.2.4 erläutert.
10.2.2 EV-Brenner Die EV-Brenner von Alstom Power sind drallstabilisierte Vormischbrenner (s. Abb. 10-6 und 10-7). Ein EV-Brenner besteht aus zwei Kegelhälften, deren Mittelachsen gegeneinander versetzt sind. Dadurch entstehen zwei tangentiale Spalte, die der Verbrennungsluft einen Drall aufprägen. Da der Radius, auf dem die Luft tangential eintritt, stromab größer wird, nimmt auch die relative Drallstärke entlang des EVBrenners zu. Die Auslegung wurde so gewählt, dass die achsnahe Kernströmung in der Nähe der Brenneraustrittsebene aufplatzt und eine innere Rückströmblase bildet (Abb. 10-8). Der gasförmige Brennstoff wird durch in Längsrichtung verteilte Bohrungen quer in den Lufteintrittsspalt eingedüst und bildet im Brenner ein gleichförmiges Gemisch. Die Stabilisierung der Flamme erfolgt stromab im Brenneraustritt in der frei im Strömungsfeld stehenden inneren Rückströmzone fern von jeglichen gefährdeten Brennerbauteilen.
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Abb. 10-6 EV-Brenner
Wirbelaufplatzen
Verbrennungsluft
Gas Flüssigbrennstoff Gas Pilot Gas Flammenfront
Zündung
Zerstäubung Gaseindüsung
Abb. 10-7 EV-Brenner, Funktionsprinzip
Die Gasvormischung des EV-Brenners wird so ausgelegt, dass die Volllastbedingungen im optimalen Vormischbetrieb abgedeckt sind. Das Teillastverhalten im Vormischbetrieb ist durch die Löschgrenze begrenzt, die je nach Auslegung zwischen 1600 und 1700 K Flammentemperatur liegt. Der Betriebsbereich mit tieferen Flammentemperaturen bei Teillast bis hinunter zum Zünden der Brenner wird mit einer zusätzlichen Pilotgaseindüsung im Kegelkopf abgedeckt. Mit dieser Art der Pilotgaseindüsung wird eine Anreicherung des Brennstoff-Luft-Gemisches in der Kernströmung und damit eine stabile Zündung in der inneren Rückströmzone erreicht. Der Pilotgas-Betriebsmode kann sowohl mit als auch ohne Eindüsung von Vormischgas gefahren werden. Im Ölbetrieb wird der Brennstoff ebenfalls in der Kegelspitze mit einer Vollstrahldüse eingespritzt [10.12]. Die Vollstrahlzerstäubung ist ein einfaches und robustes System, das den Strömungsverhältnissen im EV-Brenner am besten angepasst ist. Unter Druck zerfällt der Strahl innerhalb des Brenners in Tropfen, die von den Zentrifugalkräften im Strömungsfeld verteilt werden, ohne an die Kegelschalenwand zu gelangen. Die Tropfen verdampfen teilweise noch im Brenner und erzeu-
10 Technische Verbrennungssysteme
463
–0,2
Innere Rezirkulationszone → Flammenstabilisierung
0
–0,3
1 2
–0,4
3
2
Z/L
2
Wirbelaufplatzen Plötzlicher Strömungsumschlag → stabile Lage der Flammenwurzel
5
–0,5 6
–0,6 –0,7
Strahlartige Kernströmung mit hoher Axialgeschwindigkeit → Flammenrückschlagssperre
–0,8 0,75 0,50 0,25 0,00 –0,25 –0,50 –0,75
x/R –2 –1
0
1
2
3
4
5
6
7
Abb. 10-8 Gemessenes Axialströmungsfeld im EV-Brenner (normiert mit der mittleren Brenneraustrittsgeschwindigkeit)
Abb. 10-9 AEV-Brenner, Funktionsprinzip
gen so ein gasförmiges Öl-Luft-Gemisch, bevor sie die Flammenstabilisierungszone am Brenneraustritt erreichen. Eine weitere Entwicklung des EV-Brenners, der sog. AEV-Brenner (Advanced EV) besteht aus einem Drallerzeuger mit vier Eintrittsschlitzen und einem angefügten Mischrohr (Abb. 10-9). Mit dem AEV-Brenner, der in der GTX 100 eingesetzt
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wird, ist es möglich, die NOx -Emissionen sowohl mit Gas- als auch mit Flüssigbrennstoff ohne Zugabe von Wasser weiter zu reduzieren [10.15].
10.2.3 SEV-Brenner Der erste industrielle Nachbrenner mit magerer Vormischung und Selbstzündung wurde in der SEV-Brennkammer der Gasturbinenfamilie GT 24/GT 26 von Alstom Power eingeführt [10.13, 10.14]. Dieser Brenner, dargestellt in Abb. 10-10, arbeitet in einem Bereich von Eintrittstemperaturen über 1000 °C. Wie beim EVBrenner werden die Verteilung, Mischung und Flammenstabilisierung im SEVBrenner durch Verwirbelung bewirkt. Die Wirbel werden von Deltaflügeln erzeugt, die die Form von Rampen haben und an den Wänden des SEV-Brenner befestigt sind. Die Flamme stabilisiert sich beim Übergang vom Brenner zur Brennkammer, dort wo die Wirbel zusammenbrechen. Die Brennstoffeindüsung im SEV-Brenner erfolgt durch eine Zweistoff-Brennstofflanze für gasförmige und flüssige Brennstoffe in der Mitte des SEV-Brennerquerschnitts. Die Kühlung der Brennstofflanze erfolgt mit rückgekühlter Luft, die gleichzeitig als Trägerluft und als Abschirmung für die Brennstoffmischung eingesetzt wird. Das von den Wirbelgeneratoren erzeugte Wirbelmuster und die darauf abgestimmte Trägerlufteindüsung ermöglichen eine optimale Brennstoffeinmischung in den sauerstoffarmen Heißluftstrahl über einen weiten Lastbereich. Abbildung 10-11
Brennstofflanze
Blickrichtung (ohne Brennstofflanze) Wirbelgenerator
Abb. 10-10 SEV-Brenner (Blickrichtung von Austrittsseite)
10 Technische Verbrennungssysteme
465
Abb. 10-11 Brennstoffmischung im SEV-Brenner, mit laserinduzierter Fluoreszenz (LIF) sichtbar gemacht
zeigt die Mischung in aufeinander folgenden Querebenen stromab von der Eindüsungsebene in dem SEV-Brenner [10.14]. Die Brennstoffkonzentration wurde mit laserinduzierter Fluoreszenz (LIF) sichtbar gemacht und ist als Grauwertbild dargestellt.
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10.2.4 Zugabe von flüssigem Brennstoff Wie bereits bei der Diskussion des Hybridbrenners bzw. des EV-Brenners gezeigt, werden in modernen Gasturbinenverbrennungssystemen zur Senkung der Stickoxidemissionen auch für flüssigen Brennstoff Ölvormischsysteme eingesetzt. Wesentliches Ziel hierbei ist, den flüssigen Brennstoff möglichst vor der Flammenfront zu verdunsten und mit dem Luftstrom vorzumischen. Nach [10.16] wird von Brennstoffverdunstung gesprochen, wenn der Brennstoff von der flüssigen Phase in eine gasförmige Phase übergeht, in der bereits eine weitere Gaskomponente vorhanden ist. In Gasturbinenverbrennungssystemen sind zumindest der Luftsauerstoff und der Luftstickstoff immer vorhanden, sodass eine Verbrennungsreaktion stattfinden kann. Dies bedeutet aber auch, dass der Partialdruck des Brennstoffs in der Gasphase weit unterhalb des Gesamtdrucks des Verbrennungssystems ist. Deshalb wird hier im Folgenden auch von einer Tropfenverdunstung gesprochen. Bei einer Verdampfung wäre in der Gasphase nur die Brennstoffkomponente vorhanden und der Partialdruck der Brennstoffkomponente würde dem Gesamtdruck entsprechen. Bei der Auslegung von Ölvormischsystemen muss als zusätzliche Schwierigkeit die wesentlich tiefere Selbstzündtemperatur von Ölgemischen gegenüber den Gasgemischen berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu einem Gasgemisch ist das Ölgemisch schon bei den typischen Verdichteraustrittstemperaturen von ca. 400 °C selbstzündfähig. Aus diesem Grunde muss die Erzeugung eines zündfähigen Gemisches innerhalb der Zündverzugszeit erfolgen. Die zur Auslegung von Ölvormischsystemen wesentlichen Phänomene sind anhand von Abb. 10-12 verdeutlicht (s. auch Abschn. 9.10). Nach Austritt des flüssigen Brennstoffs aus der Vormischdüse wird der Brennstoffstrahl durch den Luftstrom erfasst und zerstäubt. Das Ergebnis des Zerstäubungsprozesses – was durch eine Tropfenverteilung oder einen mittleren Tropfendurchmesser charakterisiert wird – wird durch die Dichte der Luft Luft , die Geschwindigkeitsdifferenz Urelativ zwischen Brennstoffstrahl und Luftströmung und der Oberflächenspannung des flüssigen Brennstoffs beeinflusst.
3) ausgebildetes Spray (u.a. Tropfenzerfall 2) sekundäre und Tropfenkoaleszenz im Gleichgewicht) Tropfenzerfallszone 4) Verdunstung 5) anschließende Brennstoff-LuftVermischung Gasströmung 1) Atomisations-Prozess Düse Abb. 10-12 Prinzipielle Vorgänge bei der Ölvormischverbrennung
10 Technische Verbrennungssysteme
467
Anhand einer einfachen Kräftebilanz zwischen der Reibungskraft am Tropfen und der die Tropfenmasse zusammenhaltenden Oberflächenspannung kann der maximal mögliche Tropfendurchmesser DTropfen ermittelt werden. CD „
2 DTropfen Luft 2 Urelativ D DTropfen : 4 ƒ‚ 2 „ ƒ‚ … … Reibungskraft
(10.3)
Oberflächenspannung
Mit CD wird der Reibungsbeiwert der Tropfenumströmung bezeichnet. Bei voll turbulenten Strömungen nimmt CD Werte im Bereich zwischen 0,4 und 0,6 an. Die in (10.3) enthaltenen Einflussgrößen werden üblicherweise zu einer Kennzahl der Tropfenzerstäubung, der Weberzahl, zusammengefasst. Aus 10.3 wird eine kritische Weberzahl hergeleitet: WEkrit D
2 DTropfen Luft Urelativ 8 D : CD
(10.4)
Wird der Brennstoffstrahl einer hoch turbulenten Luftströmung ausgesetzt, so nimmt die kritische Weberzahl Werte um 13 an. Das bedeutet, dass bei gegebenen Einflussgrößen eine durch die kritische Weberzahl maximale Tropfengröße nicht überschritten werden kann. Das Ziel einer möglichst schnellen Tropfenverdunstung (s. auch Kap. 9) wird durch eine möglichst kleine Tropfengröße unterstützt. Entsprechend (10.4) werden kleine Tropfen durch eine große Dichte der Luft, eine kleine Oberflächenspannung und durch eine möglichst große Relativgeschwindigkeit erreicht. Die Dichte der Luft wird i. d. R. durch die thermodynamische Auslegung der Maschine festgelegt. Sie beträgt bei der SGT5-4000F, der SGT6-4000F und der SGT6-5000F ca. 8 kg=m3. Die Oberflächenspannung hängt i. d. R. von der Wahl der Brennstoffart ab. Für Heizöl EL beträgt sie 0,021 N=m. Die durch das technische Design einzig beeinflussbare Größe ist die Relativgeschwindigkeit. Um eine möglichst große Relativgeschwindigkeit zu erreichen, wird deshalb bei der SGTx-4000F und der SGT6-5000F wie bei der Gasvormischung ebenfalls eine Kreuzstromanordnung gewählt. Beim EV-Brenner wird eine große Relativgeschwindigkeit durch die im EV-Brenner vorherrschenden großen Strömungsgradienten erzielt. Relativgeschwindigkeiten über 50 m=s werden in modernen Ölvormischverbrennungssystemen erreicht. Dadurch werden Tropfengrößen im Bereich von 15–30 µm erreicht. Solche Tropfen lassen sich bei Lufttemperaturen um 400 °C für SGTx-4000F- und SGT6-5000F-Maschinen bzw. 500 °C für GT 24/26-Bedingungen in sehr kurzer Zeit verdunsten. Die Verdunstungszeiten sind bei diesen Bedingungen < 5 ms. Die Vermischung des verdunsteten Brennstoffs mit der Luft beginnt unmittelbar nach dessen Verdunstung. Die rasche Verdunstung und Mischung der Öltropfen zur Erzielung einer Vormischung werden in dem sog. AEV-Brenner (Abb. 10-9) genutzt. An den Kegel mit den Lufteintrittsschlitzen schließt sich ein Mischrohr an, in dem die Verdampfung des Ölnebels stattfindet. Die Strömungsgeschwindigkeiten und Aufenthaltszeiten sind so gewählt, dass sich die Ölvormischflamme erst im Austritt des Mischrohres stabilisiert.
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Ölvormischdüsen
Y
X
Z
Drallerzeuger
Gasverteilerröhrchen
Abb. 10-13 Spray-Eindüsung in die Vormischpassage des Hybridbrenners
In Abb. 10-13 ist exemplarisch anhand numerischer Berechnungsergebnisse für die Vormischpassage des Hybridbrenners die Sprayausbreitung in der Vormischpassage dargestellt. Die gezeigte Vormischpassage entspricht der Passage des H-Brenners, bei dem im Gegensatz zum HR-3-Brenner (Abb. 10-5) der Brennstoff über vor den Drallerzeugerschaufeln angeordneten Röhrchen zugeführt wird. Stromab der Drallerzeugerschaufel wird der flüssige Brennstoff über Ölvormischdüsen quer zur Hauptströmungsrichtung eingedüst. Der Strahl zerfällt unmittelbar am Düsenaustritt in einzelne Tropfen, die in der Vormischpassage anschließend verdunsten. Der Austrittsimpuls des Ölstrahls wurde so gewählt, dass die Tropfen nicht an der Diagonalgitterkegelwand auftreffen, sondern der Öldampf möglichst über einen großen Querschnitt verteilt wird. Bei der Auslegung von Ölvormischsystemen müssen als wesentliche Randbedingung die Selbstzündzeiten des Brennstoff-Luft-Gemischs beachtet werden. Das bedeutet, dass die Aufenthaltszeit des verdunsteten Flüssigbrennstoffs die Selbst-
10 Technische Verbrennungssysteme
469
100
NOx mit 15%O2 , tr. Abgas [ppm]
90 VB + Emulsion
80 70
VB trocken
60 50 40 30 20 10 0 50
60
70
80
90
100
110
120
P/PGrundlast, trocken [%] Abb. 10-14 Stickoxidemissionen der Prüffeldmaschine SGT6-4000F im trockenen Ölvormischbetrieb und im Emulsionsbetrieb
zündzeit nicht überschreiten sollte. In der Regel beträgt diese Aufenthaltszeit größenordnungsmäßig 5 ms, was für Systeme unter 20 bar Brennkammerdruck deutlich geringer ist als die Selbstzündzeit. Stickoxidemissionen, die mit dem in der SGTx-4000F eingesetzten Ölvormischsystem erreicht wurden, sind in Abb. 10-14 über der relativen Maschinenleistung aufgetragen [10.3]. Bei Grundlast werden auch bei den in modernen Gasturbinen vorherrschenden hohen Brennkammeraustrittstemperaturen Stickoxidemissionen von 72 ppm erreicht. Demgegenüber würden bei gleichen thermischen Brennkammerbedingungen im trockenen Öldiffusionsbetrieb Stickoxidemissionen von über 350 ppm erreicht werden. Die Stickoxidemissionen können signifikant weiter durch Zugabe von Wasser reduziert werden. In modernen Gasturbinen wie der GT 24/26, der SGTx-4000F und der SGT6-5000F wird hierbei Wasser dem Ölstrom vor dem Brenner zugemischt. Die daraus sich ergebende Öl-Wasser-Emulsion wird dann über die Vormischdüsen zugegeben. Wie in Abb. 10-14 gezeigt, konnten dabei bei Prüffeldmessungen an der SGT6-4000F im Öl-Wasser-Emulsionsbetrieb Emissionen bei Grundlast unter 40 ppm gemessen werden. Das Wasser-Brennstoff-Verhältnis betrug dabei 1:1. Das Brennstoffsystem, das sowohl den trockenen Ölvormisch- und Diffusionsbetrieb als auch den Öl-Wasser-Emulsionsbetrieb gewährleistet, ist in Abb. 10-15 vereinfacht dargestellt. Beim Hochdruckemulsionssystem werden das Wasser und das Öl mit getrennten Pumpen auf Systemdruck gebracht und vor dem Brenner zusammengeführt. Mit Flüssig-Flüssig-Mischern wird eine gute Durchmischung der
470
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H2O für Emulsion
Heizöl
Vormisch
Mischer Brenner
Heizöl-Vorlauf Heizöl-Rücklauf Abb. 10-15 Hochdruck-Emulsionssystem der SGTx-4000F-Gasturbine
1,2
NOx/NOx trocken [-]
1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 0
20
40
60
80
100
Wasser/Brennstoffmenge [%] Abb. 10-16 Abhängigkeit der Stickoxidemissionen vom Wasseranteil an der Emulsion (Messungen im Hochdruckprüfstand unter Verwendung des Hybridbrenners)
beiden Phasen sichergestellt. Die Verweilzeit der Mischphase ist damit bei diesem Konzept möglichst klein. Der Heizölrücklauf wird nur bei den trockenen Fahrweisen (Diffusionsbetrieb bis zum Umschaltpunkt im unteren Leistungsbereich der Maschine, s. Abschn. 11.6, und Vormischbetrieb im mittleren und oberen Leistungsbereich) benötigt. Die Abhängigkeit der Stickoxidemissionen vom Wasseranteil an der Emulsion ist in Abb. 10-16 dargestellt. Wie erwartet, können durch Steigerung des Wasseranteils die Stickoxidemissionen zunehmend gesenkt werden. Der signifikante Einfluss des Wassers lässt sich hierbei auf mehrere Ursachen zurückführen. Erstens muss ein nicht unbeträchtli-
10 Technische Verbrennungssysteme
471
cher Anteil an Energie zum Verdunsten des Wassers bereitgestellt werden. Zweitens besitzt der entstehende Wasserdampf gegenüber den anderen Reaktanden aufgrund der vielen angeregten Molekülschwingungen eine hohe Wärmekapazität. Drittens wird durch das Vorhandensein des Wasserdampfes die Reaktionsgeschwindigkeit herabgesetzt, sodass die Reaktionszone weiter ausgedehnt wird. Alle drei Effekte bewirken gemeinsam eine beträchtliche Absenkung der maximalen Flammentemperaturen, was eine drastische Erniedrigung der Stickoxidemissionen bewirkt. Um kompakte Flammen zu erzeugen, wird, wie gezeigt, in Gasturbinen die Verbrennungsluft mithilfe unterschiedlicher Drallerzeuger verdrallt. Die stromab des Brenners sich ausbildende Strömung, in der die Wärme freigesetzt wird, wird in Abschn. 10.3 beschrieben.
10.3 Brennkammerbauarten 10.3.1 Entwicklungshistorie Wie bereits in Abschn. 10.1 erwähnt, orientierte sich die Entwicklung moderner Gasturbinenbrennkammern hin zu einer immer kompakteren Bauweise, an deren Ende heute Ringbrennkammern und Rohrbrennkammern stehen. Schematisch ist die Historie dieser Entwicklung in Abb. 10-17 und 10-18 am Beispiel der Baureihen von Siemens und Alstom dargestellt.
Gasturbinenbrennerentwicklung von 500 ppm NOx zu 10 ppm NOx Einzelbrenner/ Diffusionsbr.
Dry-Low-NOx-Brenner 1. Gen.
2. Gen EV-Brenner Sequenzielle Verbrennung EV & SEV
1939
GT13E
GT11N2
GT13E2
1984
1991
1992
Silobrennkammer
GT24/GT26 1994 Ringbrennkammer
Gasturbinenbrennerentwicklung von 20 MW/m3 zu 200 MW/m3 Reaktionsdichte Abb. 10-17 Entwicklungshistorie der Gasturbinenbrennkammern von Alstom
472
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Vx4.3 ISO = 1160 °C Vx4.3A ISO = 1190 – 1250 °C
Vx4.2 ISO = 1060 °C 1990–1995
1995–1996
1997
ZEIT
Abb. 10-18 Entwicklungshistorie der Gasturbinenbrennkammern von Siemens
10.3.2 Silobrennkammern In älteren Baureihen, die anfangs noch mit emissionsreichen Diffusionsbrennern ausgestattet wurden, wurden noch vergleichsweise große Silobrennkammern aus folgenden Gründen eingesetzt: • Das Diffusionsbrennerprinzip bietet mit einfachen Mitteln eine Flammenstabilisierung bis weit in den mageren Bereich und damit einen weiten Lastregelbereich. Im Allgemeinen wird der Diffusionsbrenner nahstöchiometrisch betrieben, die restliche Luft wird als Wandkühlluft oder als Mischluft stromab vom Brenner in die Brennkammer eingeführt. Aus diesem Grunde können diese Brenner auch mit schwierigen Brennstoffen wie Schwerölen betrieben werden. • Der gesamte Brennstoff wird mit einem Injektor eingedüst. • Brennkammerlänge und Brennkammervolumen können ohne geometrische Restriktionen für einen optimalen Ausbrand ausgelegt werden. • Die Turbine sieht keine Strahlung aus den heißen Flammenzonen der Brennkammer. Der Nachteil besteht darin, dass die Heißgasströmung aus der Brennkammer mit einem zusätzlich zu kühlenden Gehäuse auf den Ringquerschnitt am Turbineneintritt möglichst gleichmäßig umgelenkt werden muss. Die Bauformen und Anordnungen der Silobrennkammern können sehr verschieden sein: Siemens hat zwei Silobrennkammern liegend in Boxeranordnung (Baureihe Vx 4.3) oder bei der SGT5-2000E und SGT6-2000E stehend über eine Umlenkung angeordnet, bei Alstom (Abb. 10-19) ist eine Silobrennkammer senkrecht stehend auf der Turbine (Baureihen GT 8, 9, 11, 13) oder bei älteren Bauformen seitwärts mit einem U-Rohr angeordnet. Silobrennkammern mit Diffusionsbrennern, die aufgrund ihrer hohen Verweilzeit einen guten Ausbrand gewährleisten, werden bei Siemens und bei Alstom heute vor allen Dingen im Bereich der Sonderbrennstoffe eingesetzt (s. Kap. 12 und Kap. 13).
10 Technische Verbrennungssysteme
473
Abb. 10-19 Silobrennkammer mit Diffusionsbrenner (Alstom Power)
In einem weiteren Entwicklungsschritt wurden bei Alstom (Abb. 10-20) und bei Siemens die Silobrennkammern mit NOx -armen Vormischbrennern ausgestattet [10.11]. Zu diesem Zweck musste die Kühlung der Brennkammern verbessert werden, um möglichst viel Verbrennungsluft zu den Vormischbrennern zu führen. Deswegen sind Vormisch-Silobrennkammern sehr viel kürzer und haben eine kleinere zu kühlende Oberfläche als die entsprechenden Silobrennkammern mit Diffusionsbrennern. Dies wurde dadurch ermöglicht, dass die für vollständigen Ausbrand erforderliche Flammenlänge bei Vormischflammen kürzer ist. Die beiden Brennkammern der Siemens V 84.3 wurden bei der 60-Hz-Variante mit 6 und bei der 50-Hz-Variante mit 9 emissionsarmen Hybridbrennern befeuert. In den AlstomSilobrennkammern der GT8C mit 50 MW sind 19 EV-Brenner, bei der GT 11 N2 mit 110 MW sind 37 EV-Brenner in einem Sechseckmuster angeordnet. Das dazu gehörende Betriebskonzept ist in Abschn. 11.2 beschrieben.
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Abb. 10-20 Silobrennkammer mit Vormischbrenner (Alstom Power)
10.3.3 Ringbrennkammern In modernen Gasturbinen mit hohem Wirkungsgrad und hohen Turbineneintrittstemperaturen lassen sich die Forderungen nach niedrigen NOx -Emissionen, nach einem möglichst gleichmäßigen Temperaturprofil am Turbineneintritt und möglichst kleinen örtlichen Temperaturspitzen mit der Silobrennkammertechnologie nur
Flammrohr Brenner
1. Turbinenleitrad
Umlenkdiffusor Abb. 10-21 Ringbrennkammer der 3 A-Gasturbinen-Reihe
10 Technische Verbrennungssysteme
475
EV-Brenner
Brennstoffinjektor EV-Brennkammer
SEV-Brennkammer
Niederdruckturbine Hochdruckturbine
konvektivgekühlte Verkleidung
Mischzone
Effusionsgekühlter SEV-Brenner
Verdichter
Wirbelzeuger
Abb. 10-22 Verbrennungssystem der GT 24/GT 26-Gasturbinen-Reihe
schwer erfüllen. Um die Verweilzeit noch weiter zu verkürzen, die zu kühlenden Oberflächen zu verringern und v. a. eine möglichst homogene Temperaturverteilung in Umfangsrichtung vor dem Turbineneintritt zu gewährleisten, wurde schließlich bei Alstom und bei Siemens die Ringbrennkammer entwickelt. In Abb. 10-21 ist die Ringbrennkammer der SGTx-4000F dargestellt. Die Verdichteraustrittsluft wird zunächst mithilfe eines Umlenkdiffusors verzögert und den Brennern zugeführt. Die Ringbrennkammer besitzt 24 gleichmäßig am Umfang angeordnete Brenner, in denen der Brennstoff zugeführt wird. Stromab der Brenner erfolgt die Wärmefreisetzung in der Ringbrennkammer. In einer solchen kompakten Gasturbinenbrennkammer wird eine Leistungsdichte von ungefähr 150 MW=m3 erreicht. Der Temperatursprung in der Flamme ist größer als 1100 K. Um gleichzeitig dennoch möglichst wenig Kühlluft zu verbrauchen, müssen eine hochentwickelte Kühlungstechnologie und/oder hochtemperaturfeste Werkstoffe eingesetzt werden. Darüber hinaus erfordern hohe Turbineneintrittstemperaturen eine in Umfangsrichtung möglichst gleichmäßige Temperaturverteilung. In der Gasturbinenfamilie GT 24/GT 26 von Alstom wird ein sequenziell gestuftes Verbrennungssystem, bestehend aus einer primären Ringbrennkammer (EV-Brennkammer) und einer zusätzlichen ringförmigen Nachbrennkammer (SEVBrennkammer), eingesetzt (Abb. 10-22). Mit dieser Schaltung kann ein Wirkungsgradgewinn durch die Wiederaufheizung der Abgase aus der primären Hochdruckturbine erzielt werden (s. Abschn. 2.2 und 2.3). Da beide Stufen Vormischbrennkammern sind, lassen sich mit diesem System sehr niedrige Emissionen erzielen. Die von einem 22-stufigen Verdichter auf 30 bar verdichtete Luft wird über einen Umkehrdiffusor zunächst in die konvektiven Kühlkanäle der Innen- und Außenwandsegmente der EV-Brennkammer geleitet, bevor sie den in einer ringförmigen Haube angeordneten EV-Brennern (Abb. 10-23) zugeführt wird. Über einen Luftbypass kann der Druckabfall über die Wandkühlung und über die Brenner unabhängig voneinander eingestellt werden. Nach der Beimischung von ungefähr der Hälfte des
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Abb. 10-23 EV-Brennkammer der GT 24/GT 26-Gasturbinen-Reihe
gesamten Brennstoffes expandiert das Verbrennungsgas in der ersten Hochdruckturbinenstufe auf ca. 15 bar. Der restliche Brennstoff wird in der zweiten Brennkammer zugeführt, wo das Gas erneut auf die maximale Turbineneintrittstemperatur erhitzt wird. Die Entspannung erfolgt in der 4-stufigen Niederdruckturbine. Zur Auslegung des Brennraums und der Flammrohrkühlung werden heute numerische Strömungsberechnungen eingesetzt [10.2]. Als Beispiel seien an dieser Stelle die Strömung und Temperaturverteilung im Querschnitt der SGT6-4000F mit keramischen Hitzeschilden in Abb. 10-24 dargestellt. Stromab des Brenneraustritts wird aufgrund des Dralls eine interne Rezirkulationszone induziert, in der heißes Rauchgas wieder zurückgeführt wird und an deren Scherzone die Flamme stabilisiert wird. Durch die intensive Mischung in der Scherzone wird hierbei eine sehr hohe Leistungsdichte erzielt. Drallströmungen werden i. d. R. durch die Drallzahl S charakterisiert: R cax ctan r 2 dr D R D R : (10.5) SD RI R R cax ctan r 2 dr Die Drallzahl drückt das Verhältnis des Drehimpulsstroms D zum Axialimpulsstrom I aus. Die Axialgeschwindigkeit cax und die Umfangsgeschwindigkeit ctan beziehen sich hierbei auf die Brennerachse als Rotationsachse. Die Drallzahl wird entdimensionalisiert durch eine geometrische Länge, für die i. d. R. der Brenneraustrittsradius R gewählt wird. Je größer die Drallzahl, umso größer die Umfangskomponente des Strömungsvektors. Aufgrund der Fliehkräfte führt der sich ausbildende positive axiale Druckgradient ab Drallzahlen > 0;5 zur Ausbildung einer internen Rezirkulationszone. Deshalb werden für drallbehaftete Gasturbinenbrenner Drallzahlen im Bereich von 0,5–1,0 gewählt. Aufgrund der plötzlichen Querschittserweiterung am Austritt des Brenners werden zusätzlich sog. äußere Rezirkulationszonen gebildet, an deren Scherzonen ebenfalls die Flamme stabilisiert wird. Aus den Forderungen einer möglichst geringen Verweilzeit bei allerdings hohem Ausbrand im Teillastverhalten und möglichst geringem Kühlluftbedarf ergeben sich
10 Technische Verbrennungssysteme
477
äußere Rezirkulationskurve
T/T max [–] 1,000 0,896 0,792 0,688 0,584 0,480 0,376
interne Rezirkulationskurve Y
Z
X
Abb. 10-24 Temperaturverteilung und Strömung in der SGT6-4000F-Ringbrennkammer (Überarbeitung notwendig)
die Dimensionen der Brennkammer. Der Wandabstand muss so gewählt werden, dass hohe Wärmebelastungen vermieden werden, während die Länge der Brennkammer einen hohen Ausbrand in allen Betriebsbereichen gewährleisten soll. Die Anordnung und der Abstand der Brenner müssen die Wechselwirkung der Brenner mit ihren Nachbarn und mit dem Brennkammereintritt berücksichtigen. Die durch die Drallströmungen der Einzelbrenner induzierte gemeinsame Strömung in der Brennkammer spielt eine wichtige Rolle für die Querzündung und die Ausmischung von Ungleichförmigkeiten. Für die Auslegung des Flammrohrs werden heute zwei Konzepte verfolgt – die offen und die geschlossen gekühlte Brennkammer. Bei der offen gekühlten Brennkammer wird die Kühlluft bzw. Sperrluft direkt über die Flammrohrwand eingeleitet. Als Beispiel sei hier das Flammrohr der SGTx-4000F mit keramischen Hitzeschilden genannt, dessen Aufbau in Abb. 10-25 skizziert ist. Das Flammrohr wird mit keramischen Hitzeschilden ausgekleidet, die über metallische Halter an der Tragstruktur fixiert sind. Eine mit diesen keramischen Hitzeschilden ausgekleidete Ringbrennkammer ist in Abb. 10-26 dargestellt. In der
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Abb. 10-25 Offene Kühlung, Flammrohr mit keramischen Hitzeschilden
Abb. 10-26 Außenschale einer Ringbrennkammer mit keramischen Hitzeschilden
obersten Reihe sind zusätzlich die Brennereinsätze zu sehen, durch die die Brenner geführt werden. Es schließen sich vier Reihen mit keramischen Hitzeschilden an. Die unterste Reihe ist die Einlaufschale, über die das Heißgas dann der Turbine zugeführt wird. Die verwendeten keramischen Wandmaterialien, hierbei handelt es sich um Al2 O3 -/SiO2 -Keramiken, ertragen an ihrer Oberfläche Temperaturen bis 1500 °C, sodass sie nicht gekühlt werden müssen. Allerdings wird ein geringer Kühlluftstrom benötigt, um die Spalte zwischen den Hitzeschilden zu sperren [10.2]. Bei der geschlossenen Kühlung der Alstom GT 24/GT 26 und GT 8C2 (Abb. 10-27) wird die Luft aus dem Verdichterdiffusor über eine Prallkühlung zu-
10 Technische Verbrennungssysteme
Segmentträger
479
BrennkammerWandsegment
Kühlluft
EV-Brenner
Abb. 10-27 Geschlossene Kühlung, Verwendung gegossener metallischer Segmente
nächst in konvektive Kühlkanäle der Brennkammerwand geleitet, bevor sie über ein zusätzliches Gehäuse den Brennern zugeführt wird. Der Vorteil dieser Anordnung liegt darin, dass gegossene Wandsegmente aus warmfestem Stahl mit minimalem Verlust an Kühlluft verwendet werden können. Allerdings erfordert diese Anordnung einen erhöhten Gesamtdruckverlust der Brennkammer, da die Druckverluste der Wandkühlung und der Brenner in Serie geschaltet sind. Da die Wandkühlung nur einen Teil der Brennerluftmenge benötigt, wird der Gesamtdruckverlust über einen Luftbypass zwischen Verdichteraustrittsdiffusor und Brennerhaube verringert.
10.3.4 Rohrbrennkammern Eine weitere Brennkammerbauform für moderne Gasturbinen mit hohen Turbineneintrittstemperaturen ist die Anordnung von mehreren Rohrbrennkammern am Umfang der Maschine. Prinzipieller Vorteil der Bauform ist, dass die thermischen und mechanischen Eigenschaften der einzelnen Rohrbrennkammern unter Maschinenbedingungen im Komponentenprüfstand ermittelt werden können. Darüber hinaus lassen sich gesamte Rohrbrennkammer-Verbrennungssysteme vergleichsweise schnell austauschen, was zu kurzen Servicezeiten führt. In Abb. 10-28 ist als Beispiel eine Rohrbrennkammer gezeigt, wie sie in der SGT6-5000F von Siemens eingesetzt wird. Die für den 60-Hz-Markt ausgelegte Maschine besitzt insgesamt 16 Rohrbrennkammern. Die Verbrennungsluft wird vom Verdichter kommend in einem äußeren Ringkanal am Flammrohr entlang geführt. Der überwiegende Teil der Verbrennungsluft wird den insgesamt 8 Vormischpassagen (main swirlers, Hauptdrallerzeuger) zugeführt. Hier wird die Luft zunächst in einem Axialdrallerzeuger verdrallt. Stromab des Drallerzeugers wird Brennstoff über seitlich in den Lanzen angebrachte Bohrungen zugegeben und anschließend mit der Luft vorgemischt. Ein kleiner Teil der Verbrennungsluft strömt durch den
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Main Fuel Injectors Pilot
Bypass valve Main swirlers
Tophat premix
Pilot swirler Thick TBC liner
3LFIN transition
Row 1 vanes Transition mouth seals Abb. 10-28 Verbrennungssystem der SGT6-5000F-Gasturbine von Siemens als Beispiel einer Rohrbrennkammer (Überarbeitung)
Pilotbrenner. Hier wird der Brennstoff am Ende der zentralen Bohrung zugegeben, wodurch stromab eine stabile Pilotflamme gebildet wird, durch die der stabile Betriebsbereich der Vormischflamme erweitert wurde. In Abb. 10-29 sind die 8 konzentrisch um den zentralen Pilotbrenner angeordneten Hauptbrenner dargestellt. Das dargestellte Verbrennungssystem der SGT6-5000F ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet. Während der Belastung der Maschine wird zur Sicherstellung einer stabilen Verbrennung ein Teil der Verbrennungsluft direkt über das „Bypassventil“ (bypass value) vom Verdichter der Turbine zugeführt. Dadurch kann in einem weiten Fahrbereich das Brennstoff-Luft-Verhältnis in der Vormischstrecke konstant gehalten werden. Verbesserungen in der Vormischbrennertechnik haben dazu geführt, dass die Bypass-Luft auch bei Teillast abgeschaltet werden konnte. Möglich wurde dies durch Verbesserung der Brennstoffstufung bei der jeweils vier Hauptbrenner aus einer Brennstoffleitung versorgt werden. Somit kann der Hauptbrennstoffstrom in den Hauptbrennern auf zwei Brennstoffstufen aufgeteilt werden. Dadurch wird in neuen Maschinen der SGT6-5000F das Bypass valve nicht mehr eingebaut. Darüber hinaus kann ein kleiner Teil des Brennstoffs bereits im „Top Hat“ zugegeben werden, der damit aufgrund der sehr langen Mischstrecke perfekt gemischt der Reaktionszone zugeführt wird. Um den Stabilitätsbereich im Vormischverbrennungsmode zu erweitern, wird von Rolls-Royce in der Industriegasturbine TRENT ein Stufungskonzept angewandt. In Abb. 10-30 ist ein Vergleich der Aero- und Industrieversion der Gas-
10 Technische Verbrennungssysteme
481
Abb. 10-29 Rohrbrennkammer, Sicht auf Drallerzeuger
FAN (Nebenstrombläser)
Ringbrennkammer
Rohrbrennkammer Abb. 10-30 Rolls-Royce-Gasturbine TRENT, Vergleich der Industrieversion mit dem Flugtriebwerk (Rolls-Royce, England)
turbine TRENT dargestellt [10.5]. Das Flugtriebwerk TRENT wird heute bei den zweistrahligen Maschinen Airbus 330 und Boeing 777 eingesetzt. Es war das erste zertifizierte Flugtriebwerk in der Klasse über 400 kN Schubkraft. Die Industrieversion unterscheidet sich vom Flugtriebwerk in erster Linie durch Änderungen am Niederdruckverdichter und am Verbrennungssystem. Die Industriegasturbine wird bei einem Druckverhältnis von 35 betrieben und liefert eine elektrische Leistung bei Grundlast von 50 MW. Der Wirkungsgrad beträgt aufgrund des hohen Druckverhältnisses 42%. Bei der Industriegasturbine wurde die im Flugtriebwerk verwendete Ringbrennkammer durch Rohrbrennkammern ersetzt. Ein Querschnitt der Rohrbrennkammer ist in Abb. 10-31 dargestellt.
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1. Stufe
2. Stufe
3. Stufe
Turbineneintritt
Verdichteraustritt
Abb. 10-31 Rolls-Royce-Gasturbine TRENT, Rohrbrennkammer mit 3-stufigem Verbrennungskonzept (Rolls-Royce, England)
Brennstoff wird beim dreistufigen Verbrennungskonzept der Industriegasturbine TRENT an drei Stellen zugeführt, anschließend in drei Brennstoff-Luft-Vormischpassagen gemischt, bevor das Gemisch in den Brennraum eintritt. Stromab der ersten Vormischpassage kann sich im Brennraum eine selbststabilisierte drallinduzierte Vormischflamme ausbilden. Die Flammen, die durch das zweite und dritte Vormischsystem gespeist werden, können nicht allein weiterbrennen. Sie benötigen zum Zünden das Heißgas aus der Flamme des ersten Systems. Sobald die Flamme der ersten Stufe erlischt, erlischt die Reaktion in der gesamten Brennkammer. Das Konzept ermöglicht einen sehr weiten Fahrbereich im Vormischverbrennungsmodus, da die zweiten und dritten Stufen bei großen Luftzahlen betrieben werden können ( > 2), da sie durch das von der stromauf liegenden Flamme erzeugte Heißgas gezündet werden. Dabei wird die erste Stufe bei Luftzahlen betrie-
10 Technische Verbrennungssysteme
483
ben, die kleiner als die für die magere Löschgrenze entsprechende sind. Insgesamt ergibt sich dann für das dreistufige System eine Luftzahl, die deutlich über der für die magere Löschgrenze entsprechenden ist. Die Aufteilung der Brennstoffmengen auf die einzelnen Stufen unterliegt folgenden Randbedingungen: • Die maximale Luftzahl der ersten Stufe muss kleiner als die entsprechende Luftzahl der mageren Löschgrenze sein. • Die maximale Verbrennungstemperatur soll einen Maximalwert nicht überschreiten, sodass die Stickoxidemissionen nicht zu groß werden. • Die Heißgastemperatur stromab der dritten Stufe soll einen Minimalwert nicht unterschreiten, sodass die CO-Emissionen nicht zu stark ansteigen. Innerhalb dieser Grenzen kann die Aufteilung der Brennstoffmengen sehr flexibel gehandhabt werden. Davon wurde auch zur Vermeidung von thermoakustisch induzierten Verbrennungsschwingungen über den gesamten Fahrbereich der Maschine intensiv Gebrauch gemacht. Wie [10.4] zeigen, lassen sich durch Verändern der Brennstoffmengenaufteilung zwischen den einzelnen Stufen thermoakustisch induzierte Verbrennungsschwingungen unterdrücken. Wie in Abschn. 10.4 ausgeführt, werden thermoakustisch induzierte Verbrennungsschwingungen durch die Wechselwirkung von Druckschwankungen und Wärmefreisetzungsfluktuationen erzeugt. Dadurch, dass beim dreistufigen Verbrennungsprozess die Wärme an drei verschiedenen axialen Positionen entlang der Brennkammermittellinie freigesetzt wird, werden die verschiedenen akustischen Brennkammermoden durch die genannte Wechselwirkung unterschiedlich angeregt. So wird bspw. der erste axiale Mode durch einen zu großen Anteil des Brennstoffs in der primären Stufe angeregt, während der zweite und dritte Mode durch einen zu großen Brennstoffanteil in der zweiten Stufe angeregt werden.
10.3.5 Brennkammerwand-Konstruktionsprinzipien und Wandkühlung Der hohe Wärmeeintrag von der Flamme und die hohen Heißgastemperaturen erfordern einerseits den Einsatz von gekühlten Wandelementen und andererseits den Einsatz von hochwarmfesten Stählen oder Keramik bzw. keramischer Beschichtung als Wandmaterial. Als Kühlmittel dient meistens die Verdichterendluft, die aus Gründen des Wirkungsgrades meistens nicht weiter rückgekühlt wird. In einigen neuen Gasturbinentypen, die ausschließlich in GuD-Kraftwerken eingesetzt werden, findet man auch Dampf als Kühlmittel für die Brennkammerwand. Im Zusammenhang mit Vormischbrennkammern ergibt sich aus der Forderung nach tiefen NOx -Emissionen und tiefen Flammentemperaturen, dass möglichst viel Luft durch die Brenner geleitet wird und möglichst wenig Luft zu Kühlzwecken oder als Leckage direkt in die Brennkammer eintritt. Aus diesem Grunde werden zunehmend Kühlungsprinzipien mit möglichst kleinem Luftverbrauch oder geschlossene Wandkühlungen mit Luft oder Dampf als Kühlmedium entwickelt. Die Unter-
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schiede einer offenen und geschlossenen Kühlung wurden schon in Abschn. 10.3.3 am Beispiel der Ringbrennkammer erläutert. Weitere wichtige Randbedingungen für die Kühlungsauslegung sind: • die Herstellbarkeit bzw. Komplexität der gekühlten Wand (hier können z. T. aufwändige gießtechnische Verfahren eingesetzt werden), • die erzielbare Lebensdauer, • die Robustheit gegenüber Grenzbelastungen oder Überlastungen im Wärmeeintrag, • der Luftverbrauch und die Leckagen, • der zur Kühlung notwendige Druckverlust • die nachträgliche Einstellbarkeit bzw. Justierbarkeit der Kühlung. Als Wärmeübertragungsprinzipien für die Brennkammerwandkühlung werden ähnlich wie bei der Schaufelkühlung die • • • •
Filmkühlung, Prallkühlung, Konvektivkühlung und die Schwitzkühlung (Transpirationskühlung)
entweder getrennt oder auch kombiniert eingesetzt.
10.4 Thermoakustisch induzierte Brennkammerschwingungen Der durch die drastische Senkung der Stickoxidemissionen getriebene Trend zu immer kompakteren Verbrennungssystemen und die Einführung der Vormischverbrennung führten dazu, dass die resultierenden hochbelasteten Verbrennungssysteme zu thermoakustisch induzierten Brennkammerschwingungen neigen. In [10.20] sind eine Reihe von Aufsätzen zusammengefasst worden, die einen Überblick über die neuesten Erkenntnisse geben. Thermoakustisch induzierte Brennkammerschwingungen lassen sich am besten anhand der das schwingende System kennzeichnenden Rückkopplungsschleife erläutern (vgl. auch Abschn. 9.9.1). Diese ist in Abb. 10-32 dargestellt. Druckschwankungen in der Brennkammer bewirken eine periodisch sich ändernde Schwankung des Gemischmassenstroms am Brenneraustritt. In der Regel ist die Luftversorgung wenig drucksteif, sodass der Luftmassenstrom sehr sensibel auf Druckschwankungen in der Brennkammer reagiert. Über die Brenngasleitung liegt ein deutlich höherer Druckabfall vor, sodass der Brenngasmassenstrom deutlich geringere Schwankungsamplituden aufweist. Dieser Unterschied in den akustischen Eigenschaften zwischen Luft- und Brenngasversorgung verursacht Schwankungen in der Gemischzusammensetzung am Brenneraustritt. Sowohl die Schwankungen des Gemischmassenstroms als auch die überlagerten Schwankungen seiner Zusammensetzung führen letztendlich zu Schwankungen der Wärmefreisetzungsrate. Wärmefreisetzungsfluktuationen und Druckschwankungen sind wiederum sehr stark gekoppelt, wie dies durch die Schwin-
10 Technische Verbrennungssysteme
485
Druckschwankungen in der Brennkammer
Luftzahlschwankungen
Volumenstromschwankungen am Brenneraustritt
Schwankungen der Flammenfront Wärmefreisetzungsschwankungen Abb. 10-32 Rückkopplungsschleife von thermoakustisch induzierten Brennkammerschwingungen
gungsgleichung für thermoakustisch angeregte Systeme für kleine Machzahlen wiedergegeben wird @2 p 0 @q 0 2 r 2 p 0 D . 1/ : c @t 2 @t
(10.6)
In (10.6) bezeichnet p 0 die akustischen Druckschwankungen und q 0 die periodischen Wärmefreisetzungsschwankungen. Der Zusammenhang zwischen den Druckschwankungen und den Wärmefreisetzungsschwankungen ist entscheidend über die Verstärkung der dargestellten Rückkopplungsschleife oder deren Dämpfung. Wie Lord Rayleigh 1878 [10.6] bereits nachgewiesen hat, werden thermoakustisch induzierte Brennkammerschwingungen durch eine positive Korrelation zwischen den Wärmefreisetzungsfluktuationen und den Druckschwankungen angeregt. Eine negative Korrelation zwischen beiden Größen führt zu deren Dämpfung. Mathematisch kann diese für Brennkammerschwingungen notwendige Bedingung durch den Rayleigh-Index RI ausgedrückt werden: R t C Tper R 0 0 t VHz p .r;t/q .r;t/dr dt >0: (10.7) RI D pN qV N Hz Tper Die Integration erfolgt hierbei räumlich über die Brennkammer VHz und zeitlich über eine Schwingungsperiode Tper . Diese Beziehung kann auf alle Verbrennungssysteme angewandt werden. Sie stellt jedoch nur eine notwendige Bedingung für das Auftreten von Verbrennungsschwingungen dar, da Dämpfungseffekte nicht berücksichtigt werden. Obwohl in (10.6) eine vergleichsweise einfache Beziehung zur Erklärung von thermoakustisch induzierten Brennkammerschwingungen verwandt wurde, erweist sich die Vorhersage ihres Auftretens aufgrund der vielen Einflussgrößen als schwierig. In Abb. 10-33 sind die verschiedenen Einflussgrößen am Beispiel des Verbrennungssystems der SGT5-4000F dargestellt.
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Brenner
Akustik des Brennraums
Impedanz der Brennstoffleitung
Dämpfung der Brennkammerwand
Impedanz der Luftversorgung
Impedanz des Brennkammeraustritts
Flammenantwort
Verdichteraustritt Abb. 10-33 Einflussgrößen von thermoakustisch induzierten Brennkammerschwingungen
T / T0 [ − ] 1,00 0,94 0,89 0,83 0,77 0,71 0,66 0,60
Y Z
T / T0 [ − ] 1,00 0,94 0,89 0,83 0,77 0,71 0,66 0,60
Y X
Z
STD
X
CBO
Abb. 10-34 Strömungsfeld stromab des Brenneraustritts, Einfluss der Brenneraustrittsbedingungen
Die Einflussgrößen umfassen die akustischen Eigenschaften des Brennraums und seiner Ränder. Diese sind die akustische Eigenschaft der Luftversorgung des Brenners und die akustischen Eigenschaften der Brenngasleitung, wie dies bereits weiter oben erläutert wurde. Diese werden i. d. R. durch die akustische Impedanz (D akustischer Widerstand, analog zur elektrischen Impedanz) ausgedrückt [10.7]. Darüber hinaus sind die akustischen Randbedingungen am Brennkammeraustritt und an den Brennkammerwänden zu berücksichtigen. Die Brennkammer zur Turbine wird durch die erste Leitschaufel begrenzt. Hier werden Machzahlen im Bereich 0,7–0,8 durch eine sehr hohe Reduktion des Strömungsquerschnitts erreicht. Auf-
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grund der hohen Querschnittsreduktion verhält sich die Turbine nahezu wie ein akustisch hartes Ende, an dem die Schallwelle wieder zurückgeworfen wird. Die akustischen Schallwellen werden im Wesentlichen von den Brennkammerwänden gedämpft. Schließlich muss auch die akustische Eigenschaft der Flamme, d. h. ihre Antwort auf Brennkammerdruckschwankungen, berücksichtigt werden. Die Flammenantwort drückt den bereits anhand des Rayleigh-Index diskutierten Zusammenhang zwischen Brennkammerdruckschwankungen und Wärmefreisetzungsfluktuationen aus. Zu betonen ist, dass die hier gezeigten Einflussgrößen in allen Verbrennungssystemen auftreten. Es ist auch nicht der Fall, dass ein Brennkammertyp eher zu Verbrennungsschwingungen neigt als andere. Wesentlich ist, dass die Wärmefreisetzungsfluktuationen in kompakten Verbrennungssystemen mit höheren Leistungsdichten natürlich höhere Werte annehmen. Darüber hinaus ist das Dämpfungsverhalten der Brennkammerwände bei reduzierter Oberfläche verkleinert worden. Mit anderen Worten, der Entwicklungstrend zu schadstoffarmen, hochbelasteten und Kühlluft sparenden Gasturbinenverbrennungssystemen hat das Auftreten von Verbrennungsschwingungen aufgrund größerer thermoakustischer Quellen und geringerer Dämpfung begünstigt. Werden die in Abb. 10-33 dargestellten Einflussgrößen betrachtet, so bieten sich folgende Größen zur Unterdrückung von Brennkammerschwingungen an: • Änderung der Flammenantwort: passive Maßnahme, • Erhöhung der Dämpfung der Wände: passive Maßnahme, • Aktive Modulation des Brennstoffmassenstroms: aktive Maßnahme. Die Änderung der Flammenantwort kann bspw. durch Verlängerung des Brenneraustritts mithilfe eines Zylinders erfolgen. Das Strömungsfeld stromab des nicht modifizierten Brenneraustritts und des modifizierten Brenneraustritts ist in Abb. 10-34 gezeigt. Der modifizierte Brenneraustritt wird auch als CBO (Cylindrical Burner Outlet) bezeichnet. Diese passive Maßnahme bewirkt eine deutliche Verschiebung der Reaktionszone (Zone durch höchsten Temperaturgradienten gekennzeichnet) stromab des Brenneraustritts, wodurch die Phase zwischen Druck- und Wärmefreisetzungsschwankungen vergrößert wird. Damit wird der in (10.7) definierte Rayleigh-Index signifikant verändert. In Anlagenversuchen konnte mithilfe dieser Maßnahme der thermoakustisch störungsfrei fahrbare Bereich der SGTx-4000Fund SGT-1000F-Maschinen um 10% erweitert werden [10.3, 10.8]. Die zweite Möglichkeit, Brennkammerschwingungen zu unterdrücken, ist das Erhöhen der Dämpfung. Generell werden die Schallwellen an den Brennkammerwänden gedämpft. Durch die umfangreichen Kühllufteinsparungen wurde jedoch diese Dämpfungswirkung auch maßgeblich reduziert. Um die Dämpfung bei gleichzeitig noch geringem Kühlluftbedarf wieder zu erhöhen, werden sog. HelmholtzResonatoren verwandt. Wie in Abb. 10-35 gezeigt, besteht ein Helmholtz-Resonator aus einem Rohrstück mit anschließendem Volumen. Die Dämpfungswirkung besteht darin, dass eine Druckschwingung in der Brennkammer die Fluidmasse im Rohrstück periodisch auslenkt und damit das Helmholtz-Volumen zu periodischen Ausgleichsschwankungen zwingt. Die Helmholtz-Resonatoren stellen selbst ein
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W. Krebs, J. Hellat, A. Eroglu
Abb. 10-35 HelmholtzResonator, passive Maßnahme zur Erhöhung der Dämpfung
Bohrung für Spülluft
HelmholtzVolumen Brennraum Rohrstück
Abb. 10-36 Aktive Instabilitätskontrolle am Beispiel der SGTx-4000F-Gasturbine
schwingungsfähiges System mit einer Eigenfrequenz dar. Die Auslegung der Helmholtz-Resonatoren wird derart gewählt, dass ihre Eigenresonanz der Pulsationsfrequenz der Verbrennungsinstabilität entspricht. Werden beide Resonanzsysteme ge-
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koppelt, so können die Helmholtz-Resonatoren im Bereich der Resonanzfrequenzen einen erheblichen Anteil an Schallenergie aufnehmen, der dem Brennraum entzogen wird und der in Abb. 10-32 dargestellten Rückkopplungsschleife nicht mehr verfügbar gestellt wird. Das Schwingungssystem wird gedämpft. Die Dämpferleistung von Helmholtz-Resonatoren hängt von ihrer Größe, ihrer Anzahl und Anordnung ab sowie auch davon, wie genau sie mit ihrer Eigenfrequenz die Pulsationsfrequenz der Verbrennungsinstabilität treffen. Ein HelmholtzDämpfer kann innerhalb einer gewissen Bandbreite an die Brennkammerpulsationsfrequenzen ankoppeln, jedoch nimmt die Dämpferleistung mit zunehmendem Abstand der Pulsationsfrequenz von der Helmholtz-Dämpfer-Eigenfrequenz rasch ab. Auch die Bandbreite hängt von der Geometrie des Dämpfers ab, und es gilt grundsätzlich, dass ein Dämpfer mit großer Bandbreite bei der Eigenfrequenz eine vergleichsweise kleinere Dämpferleistung gegenüber einem Dämpfer mit kleiner Bandbreite hat, dafür aber in einem weiteren Frequenzbereich eine, wenn auch geringe, Dämpferwirkung ausübt. Im Gegensatz zu passiven Maßnahmen verwenden aktive Maßnahmen zur Unterdrückung von thermoakustisch induzierten Brennkammerschwingungen bewegte Teile, durch die bei Auftreten der Schwingungen aktiv in das Verbrennungssystem eingegriffen wird. In den meisten technisch relevanten Anwendungen handelt es sich bei den bewegten Teilen um Brennstoffventile. Die früher im Verbrennungssystem der SGTx-4000F eingesetzte aktive Kontrolle ist in Abb. 10-36 skizziert [10.9]. Die Brennkammerdruckschwankungen werden permanent durch Druckaufnehmer aufgenommen und einem Regler zugeführt. Der Regler steuert bei Überschreiten eines Schwellwerts entsprechend der auftretenden Brennkammerschwingungsfrequenz ein Stellventil an. Die Phase der Ventilstellungsmodulation und der Brennkammerdruckschwankung kann entweder voreingestellt werden oder wird bei adaptiven Kontrollsystemen im Rahmen einer Voruntersuchung ermittelt. Die Wirkungsweise eines aktiven Kontrollsystems besteht darin, dass die Brenngasmenge moduliert wird und damit wiederum die Wärmefreisetzungsfluktuationen. Die aktive Kontrolle wird hierbei bewusst so eingestellt, dass die durch die Brenngasmodulation erfolgten Wärmefreisetzungsfluktuationen gerade eine negative Korrelation zu den Brennkammerdruckschwankungen aufweisen und damit diese dämpfen. Im Fall der Pilotgasmodulation wird jedoch die Wirkungsweise noch dadurch erweitert, dass die Lage der Hauptflamme des Hybridbrenners eine merkliche Abhängigkeit von der Pilotgasmenge besitzt.
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Kapitel 11
Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept Eberhard Deuker, Jaan Hellat und Wolfgang Kroll
11.1 Aufgabe des Brennstoffsystems Das Brennstoffsystem stellt die Verbindung her zwischen dem Brennstoffreservoir (i. d. R. eine Erdgaspipeline oder ein Heizöltank) und dem Brennstoffverbraucher, den Brennern bzw. der Brennkammer der Gasturbine. Aufgabe des Brennstoffsystems ist es, den Brennern in jeder Betriebssituation die erforderliche Brennstoffmenge in der richtigen Qualität und Quantität zur Verfügung zu stellen. Daraus leiten sich folgende Teilaufgaben und dazu notwendige Komponenten des Brennstoffsystems ab: • Brennstoffbereitstellung: Rohrleitungen von dem Brennstoffreservoir über Verzweigungen zu den verschiedenen Brennern und Brennergruppen. Bei dem Flüssigbrennstoffsystem Pumpen zur Förderung und Druckerhöhung des Heizöls. • Brennstoffaufbereitung: Abführen unerwünschter Bestandteile mithilfe von Filtern, Abscheidern und Separatoren; Zusatz von Wasser oder Additiven mithilfe von Mischern. • Steuerung der Gasturbine: Umschalt- und Absperrarmaturen, Messgeräte, Sensoren, Schalter. • Regelung der Gasturbine: Stellventile, Messgeräte. • Schutz der Gasturbine vor unzulässigen Betriebszuständen: Schnellschlussarmaturen, Messgeräte und Schalter, Entlüftungs- und Entlastungseinrichtungen. Im Folgenden werden zunächst die Anforderungen an die Brennstoffe dargestellt und die wichtigsten Einzelkomponenten der Brennstoffsysteme näher erläutert. Anschließend werden die Brennstoffsysteme für Erdgas und Heizöl in ihrer Gesamtfunktion betrachtet. Zum Schluss werden die wesentlichen Merkmale des Fahrkonzepts für Gasturbinen anhand verschiedener Gasturbinentypen vorgestellt.
11.2 Brennstoffanforderungen Die beiden wichtigsten Brennstoffe für Gasturbinen sind Erdgas und Heizöl Extraleicht bzw. Diesel. In großen stationären Gasturbinen wird zur Stromerzeugung zunehmend Erdgas als Hauptbrennstoff eingesetzt und Öl ist häufig als ReserveC. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
491
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E. Deuker, J. Hellat, W. Kroll
oder Ausweichbrennstoff und nur selten als Hauptbrennstoff vorgesehen. Der Einsatz und die Anforderungen an andere Brennstoffe als Erdgas und Heizöl werden in Kap. 12 „Kohle- und Teervergasung“ und Kap. 13 „Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten“ behandelt.
11.2.1 Anforderungen an den Brennstoff Erdgas Erdgas ist ein Naturprodukt, das überwiegend Methan (CH4 ) enthält, das aber je nach Herkunft und je nach Aufbereitung durch den Gaslieferanten noch weitere Komponenten enthält, die das Betriebsverhalten des Gasturbinenbrennstoffsystems und das Verbrennungsverhalten in der Brennkammer stark beeinflussen können. Auf der einen Seite können solche natürliche Begleitkomponenten das Erdgas verdünnen und den Heizwert absenken, wie z. B. Stickstoff (N2 ) oder Kohlendioxid (CO2 ). Auf der anderen Seite gibt es auch natürliche Begleitkomponenten, die selbst wiederum Brennstoffe sind. Typisch sind solche Komponenten höherer Kohlenwasserstoffe, wie Ethan (C2 H6 ), Propan (C3 H8 ), Butan (C4 H10 ), usw., deren Anteil am Erdgas oftmals auch als C2C -Konzentration summarisch angegeben wird. Viele Gaslieferanten beziehen Erdgase mit unterschiedlichen Zusammensetzungen aus verschiedenen Quellen, die sie je nach Liefersituation in wechselnden Verhältnissen zusammenmischen. Auch die Gasaufbereitungsanlagen zur Trocknung, Reinigung und Konditionierung des Erdgases und die Kompressoren zur Förderung in der Pipeline arbeiten nicht stetig mit gleichen Austrittsbedingungen, d. h., das Erdgas, das der Gasturbine angeliefert wird, kann zeitlich in seiner Zusammensetzung und im Druck schwanken. Aus diesem Grunde ist es für den Betrieb wichtig, zunächst die zulässige Bandbreite der Gaseigenschaften genau zu spezifizieren und dann auch während des Betriebs die wichtigsten Gaseigenschaften zu kontrollieren. Auf der anderen Seite ist es erforderlich, in dem Brennstoffsystem der Gasturbine die Reinheit des Gases mit Filtern sowie unter Umständen mit einem zusätzlichen Gaskompressor den erforderlichen Druck und die Gastemperatur mit einer Vorwärmung sicherzustellen. Für eine vollständige Spezifikation sollten die in Tabelle 11-1 aufgeführten Gaseigenschaften in ihrem Nennwert und auch in ihren Abweichungen angegeben werden. Übermäßige stoßartige Heizwertschwankungen sind zu vermeiden, da sie zu Lastschwankungen und damit zu Problemen der Regelung führen können. Der Vergleich der Wobbe-Zahl W zweier Gase erlaubt die Beurteilung der Austauschbarkeit dieser Gase für einen Brenner mit fester Geometrie und konstantem Gasdruck hinsichtlich ihrer thermischen Leistung. Die Wobbe-Zahl ist eine dimensionsbehaftete Kenngröße, und es ist zu beachten, dass von den einzelnen Gasturbinenherstellern und Gaslieferanten unterschiedliche Definitionen benutzt werden. Die Basisdefinition der Wobbe-Zahl lautet: W D HVol =.rgas=rLuft /1=2 : HVol ist der volumetrische (obere oder untere) Heizwert, rgas die Gasdichte und rLuft die Luftdichte bei Normbedingungen (p D 1;013 bar, T D 0 °C). Unterschiede in
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
493
Tabelle 11-1 Spezifikation von Gasen Eigenschaft Physikalische Eigenschaften
Bestimmung nach DIN 51857 [11.9], ISO 6976 [11.18] oder ASTM D 3588 [11.6]
Heizwertbereich (Hu ) Dichte Wobbe-Zahl-Bereich (W) Schwankungen von Hu und W langzeitig kurzzeitig Gaslieferbedingungen Gasdruck Gasdruckschwankungen: langzeitig kurzzeitig Gastemperatur
Max. Max. Min. Max. Max. Max. Min.
Zusammensetzung
Methan CH4 Alle Komponenten von Ethen C2 H4 , Ethan C2 H6 bis Heptan C7 H16 Summe Oktan und höhere, C8C Kohlenmonoxid CO Kohlendioxid CO2 Stickstoff N2 Sauerstoff O2 Schwefelgehalt (H2 S) Wasserstoff H2
Gaschromatografische Analyse nach DIN 51872 [11.11], ISO 6974 [11.16] oder ASTM D 1945 [11.4]
Max.
Andere Komponenten Verunreinigungen Staubgehalt Partikelgröße Natrium C Kalium (Na+K) Kalzium (Ca) Metalle total Wassergehalt Schmierölgehalt
Max. Max. Max. Max. Max. Max. Max.
den Definitionen bestehen darin, ob der obere oder der untere Heizwert genommen wird und ob die Gasdichte bei Normbedingungen oder nur bei Normdruck, aber bei der tatsächlichen Betriebstemperatur angesetzt wird. Letztere Variante wird auch erweiterte Wobbe-Zahl oder Gasindex genannt.
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E. Deuker, J. Hellat, W. Kroll
Wird die Wobbe-Zahl mit der Gasnormdichte gebildet, so stellt die Wobbe-Zahl eine reine Gaseigenschaft dar. Diese Definition ist ausreichend, solange das Gas nicht vorgewärmt wird. Bei Gas- und Dampfkraftwerken wird jedoch vermehrt das Gas auf Temperaturen von bis über 200 °C erwärmt (u. a. zur Wirkungsgradsteigerung des Gesamtprozesses). Hier ist die Einführung des Gasindexes sinnvoll. Ein konstanter Gasindex bedeutet, dass bei gleichbleibendem Energiestrom und damit gleichbleibender Gasturbinenleistung auch die Impulsstromdichte am Brenneraustritt konstant bleibt. Damit wird eine nahezu konstante Eindringtiefe des Gasstrahls gewährleistet, was für die Auslegung einer Vormischverbrennung von großer Bedeutung ist. In der Regel können zwei verschiedene Gase mit einer Abweichung bis zu ca. ˙10% in der Wobbe-Zahl (die Bandbreite hängt auch von der Definition der Wobbe-Zahl ab) gegeneinander ausgetauscht werden, ohne dass eine Anpassung der Brennergeometrie erforderlich ist. Auf der anderen Seite muss man beachten, dass die Wobbe-Zahl nicht die verbrennungstechnischen Eigenschaften von Gasen kennzeichnet. So können zwei Erdgase mit zwar ähnlicher Wobbe-Zahl, aber stark unterschiedlichem C2C -Gehalt sehr verschiedene Zünd-, Lösch- und Rückschlagsgrenzen haben. In diesem Fall müssen Einstellwerte in der Regelung angepasst werden. Wird die Gasturbine unter extremen Anforderungen betrieben (z. B. Betrieb sehr nahe am verbrennungstechnischen Stabilitätslimit oder sehr strenge Grenzwerte für NOx -Emissionen) kann auch eine Einschränkung auf eine noch engere Bandbreite in der Wobbe-Zahl notwendig sein, oder das Betriebskonzept wird auf den aktuellen C2C -Gehalt angepasst. Die genaue Bestimmung der Erdgaszusammensetzung dient einerseits zur Ermittlung verbrennungstechnischer Kenngrößen wie Zünd- und Löschgrenzen, aber auch zur Bestimmung des Taupunktes. Hierbei ist sowohl der Taupunkt des Wassergehalts als auch der Taupunkt der auskondensierbaren höheren Kohlenwasserstoffe zu beachten. Der Gehalt an kondensierbaren Verbindungen muss so gering sein, dass beim höchsten Druck im Brennstoffsystem und bei der tiefstmöglichen Brennstofftemperatur (Taupunkt von Wasser oder höheren Kohlenwasserstoffen) keine Kondensation erfolgt. Besteht Kondensationsgefahr, müssen Flüssigkeitsabscheider eingebaut werden, die in der Lage sind, auch schwallweise anfallende Flüssigkeit abzuscheiden. Nötigenfalls muss ein Gasvorwärmer nach dem Abscheider installiert werden, der das Gas um ca. 20 K über den Kohlenwasserstoff- oder Wassertaupunkt erwärmt. Zu beachten ist hierbei auch, dass Erdgas sich bei der Entspannung (z. B. in der Reduzierstation oder in den Stellventilen) durch den Joule-ThompsonEffekt um ca. 0,5 K=bar abkühlt. Im Weiteren muss auch während des Stillstands die Kondensation von Kohlenwasserstoffen und Wasser in den Gaszuführleitungen verhindert werden. Informationen zu Tautemperaturen erhält man vom Gaslieferanten, von Messungen an der Anlage oder von einer gaschromatografischen Analyse (Messung nach DIN 51871 [11.10], ISO 6327 [11.14] oder ISO 6570 [11.15], gaschromatografische Analyse nach [11.11], [11.16] oder [11.4]). Die bevorzugte Datenquelle ist der Gaslieferant, welcher alle Angaben zu möglichen Gaszusammensetzungen und
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
495
Tautemperaturen für Sommergas, Wintergas und die Einzelgase aus verschiedenen Gasquellen vor deren Mischung zur Verfügung hat. Wenn keine oder nur unzureichende Informationen zu den Taupunkten vom Gaslieferanten vorliegen, so wird der Kohlenwasserstofftaupunkt in der Praxis oft aufgrund einer gaschromatografischen Analyse berechnet. Allerdings müssen dazu die Kohlenwasserstoffe bis mindestens der Kettenlänge von 8 Kohlenstoffatomen (C8 ), z. B. nach ISO 6975 [11.17], bestimmt werden. Höhere Kohlenwasserstoffe (C9C ) werden i. d. R. vernachlässigt, ihre Summenkonzentration ist normalerweise deutlich kleiner als 10 ppmv. Mit diesem Vorgehen erwartet man, die Tautemperatur auf ca. 10 K genau bestimmen zu können. Neuere Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass die rechnerische Bestimmung des Taupunktes mit großen Unsicherheiten behaftet ist, wenn keine Information über die höheren Kohlenwasserstoffe vorliegt [11.21]. In Extremfällen sind durchaus Fehler in der Größenordnung von 50 K möglich! Falls die Gaszusammensetzung nur Kohlenwasserstoffe bis C6 ausweist, so wird in der Praxis oft der Gastemperatursicherheitsabstand zum berechneten Kohlenwasserstofftaupunkt um einen weiteren Betrag (z. B. 10 K) erhöht. Bei Schwefelwasserstoffgehalten von einigen Volumenprozent müssen die Materialeigenschaften im Heißgaspfad beachtet werden (Gefahr der Hochtemperaturkorrosion). Wenn im Erdgassystem der Feuchtetaupunkt unterschritten wird, können bereits H2 S-Gehalte > 50 ppmv Korrosion im Brennstoffsystem fördern. Nach dem Hochfahren der Maschine muss ab dem Erreichen des Lastbereichs sichergestellt sein, dass die minimale Gastemperatur mit einem genügenden Sicherheitsabstand über der Taupunkttemperatur liegt. Zu diesem Zweck können spezielle Gastaupunktvorwärmer eingesetzt werden (siehe auch Abschn. 11.4). In einem Gasund Dampfkraftwerk kann mit einer weiteren, rekuperativen Gasvorwärmung (bis zu ca. 200 °C) der Wirkungsgrad um etwa 0,2% verbessert werden. Eine Gasvorwärmung kann auch dazu eingesetzt werden, um den Gasindex von Gasen (erweiterte Wobbe-Zahl, s. o.) mit sehr hohem C2C -Gehalt in den erforderlichen Wobbe-ZahlBereich abzusenken.
11.2.2 Anforderungen an den Flüssigbrennstoff Dieselöl In Tabelle 11-2 sind die Eigenschaften von international standardisierten Flüssigbrennstoffen für Gasturbinen aufgelistet, die unter den Namen Dieselöl, Öl No 2, Heizöl Extraleicht oder Destillat-Heizöl vertrieben werden. Die Viskosität des Öls ist eine entscheidende Größe für die Auslegung des Brennstoffzufuhrsystems und des Brennstoffzerstäubers im Brenner. Durch Vorwärmen des Öls kann die Viskosität in den erforderlichen Bereich gebracht werden. Zur Abschätzung der Maßnahmen bei tiefen Brennstofftemperaturen muss der Stockpunkt (z. B. nach ASTM D 97 [11.2]) angegeben werden. Um die Blockierung von Pumpen und Filtern zu verhindern, muss die Brennstofftemperatur stets 10 K über dem Stockpunkt gehalten werden. Der Flammpunkt (z. B. ASTM D 93 [11.1]) ist die niedrigste Temperatur, bei der eine Flüssigkeit in Verbindung mit Luft entzündliche Dämpfe bildet. Liegt der
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E. Deuker, J. Hellat, W. Kroll
Tabelle 11-2 Eigenschaften von standardisierten Flüssigbrennstoffen Normen
Bezeichnungen
Dieselöl
Öl No. 2
Heizöl Extraleicht
Destillat Heizöl
ISO 4261 [11.13]
–
DST.2
–
–
–
ASTM D 2880 [11.5]
–
–
No. 2-GT
–
–
DIN 51603-1 [11.8]
–
–
–
Heizöl EL
–
BS 2869 [11.7]
–
–
–
–
Klasse D
Kinemat. Viskosität bei 40 °C
min. cSt max. cSt
1,3 5,5
1,9 4,1
– ca. 3,6
1,5 5,5
Dichte bei 15 °C, max.
kg=m3
880
876
860
–
Destillation, 90 Vol.-% destilliert, max.
°C
365
338
350 (85%)
350 (85%)
Stockpunkt, max.
°C
angeben
6
6
–
Cold filter plugging point, Sommer/Winter
°C
–
–
–
0=9
Flammpunkt, min.
°C
56
38
56
56
Koksrückstand, max.
%
0,15
0,35
0,1
0,2
Asche, max.
%
0,01
0,01
0,01
0,01
Wasser, max. Sedimente, max. Wasser C Sediment, max.
% v=v % wt % v=v
0,05 0,01 –
– – 0,05
0,05 0,05 –
0,05 0,01 –
Schwefel, max.
%
1,3
–
0,2
0,5
Unterer Heizwert
MJ=kg
41,6
–
42,0
–
Natrium C Kalium, Na C K
ppm max.
0,5
0,5
–
–
Vanadium (V), Kalzium (Ca), Blei (Pb), max. je
ppm
0,5
0,5
–
–
Flammpunkt unter einem bestimmten Grenzwert (etwa 38 bis 56 °C, abhängig von nationalen Vorschriften), so sind Vorkehrungen zum Explosionsschutz erforderlich. Diese werden ausführlich in Kap. 13 behandelt. Leichtflüchtige Anteile bzw. ein tiefer Siedebeginn ergeben einen tiefen Flammpunkt. Ist der Flammpunkt eines Brennstoffes nicht bekannt, so muss aus einem Siedebeginn unter etwa 140 °C darauf geschlossen werden, dass der Flammpunkt von 38 °C unterschritten wird. Die Menge des Koksrückstandes (z. B. ASTM D 189 [11.3]) ist eine Kenngröße für das Verkokungsrisiko in Brennstoffsystemen. Solche Ablagerungen lassen sich sehr schwer reinigen und lösen, Ablagerungen an den Einspritzdüsen können die Brennerfunktion beeinträchtigen. Ein zu hoher Aromatengehalt kann zu einer erhöhten Ruß- und Rauchbildung führen. Eine Begrenzung des Koksrückstands- und Aromatengehalts ist deswegen Voraussetzung für die Begrenzung von Partikel- und Rauchemissionen im Abgas. Der im Brennstoff gebundene Stickstoffgehalt wird zu einem Teil in der Flamme zu NOx aufoxidiert. Bei gebundenen Stickstoffgehalten im Brennstoff über 0,015% ist je nach Verbrennungsverfahren ein Einfluss auf die NOx -Emissionen feststell-
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
497
bar. Der Umsatz des brennstoffgebundenen Stickstoffs zu NOx ist jedoch meistens deutlich geringer als 100%. Destillate enthalten im Allgemeinen sehr wenig Asche (typisch < 50 ppm) und ergeben damit keine Probleme für Gasturbinen. Ein zu hoher Aschegehalt bildet in der Reaktionszone korrosive oder erosive anorganische Verbindungen, die die Lebensdauer der Beschaufelung verkürzen. Vanadium, Blei, Nickel und Zink bewirken bereits in Spurenkonzentrationen von 1 ppm Hochtemperaturkorrosion. Wenn der Gehalt an Schwermetallen ca. 1 ppm übersteigt, kann ein magnesiumhaltiges Additiv zudosiert werden, um die Hochtemperaturkorrosion zu verhindern. Deswegen ist beim Transportieren von Diesel in Behältern, die vorher verbleites Benzin oder Schweröl enthielten und auch beim Anstrich der Tankinnenseite, der keine Schwermetalle enthalten sollte, Vorsicht geboten. Wasser und feste Bestandteile im Öl können zu Korrosion sowie zum Verschleiß in Pumpen und Ventilen führen. Erfahrungsgemäß sammeln sich Wasser und Sedimente am Boden von Öltanks an. Die Brennstoffansaugleitung ist deshalb vorteilhaft schwimmend zu installieren. Der Tankboden sollte geneigt sein sowie einen Sumpf mit Entleerungsleitung aufweisen. Nach der Tankbefüllung benötigt der Brennstoff eine Ruhezeit, in der sich das Wasser abscheiden kann. Der sich bildende organische Schlamm der Mikroorganismen muss abgetrennt werden, damit die Leistungsfähigkeit von Brennstofffiltern nicht beeinträchtigt wird. Kann dadurch die Schlammbildung nicht wesentlich reduziert werden, müssen Vorkehrungen gegen die Kondensation von Wasser aus der Luft und/oder gegen das Sporenwachstum ergriffen werden. Die Alkalimetalle Natrium und Kalium sowie das Erdalkalimetall Kalzium müssen ebenfalls im Brennstoff limitiert werden. Kalzium bildet harte Ablagerungen auf der Turbinenbeschaufelung. Natrium setzt sich in der Flammenzone mit dem Schwefel aus dem Brennstoff zu Natriumsulfat um, welches auf gekühlten Komponenten kondensiert und in flüssigem Zustand Hochtemperaturkorrosion bewirkt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die richtige Brennstoffauswahl nur dann sinnvoll ist, wenn beim Transport und bei der Lagerung des Brennstoffes dieselbe Sorgfalt wie bei der Brennstoffselektion aufgewendet wird. Meist enthalten Brennstoffe, die per Schiff transportiert werden, einige Prozent Meerwasser, sodass der Natriumgehalt weit über demjenigen liegen kann, der vom Brennstoffhersteller angegeben wird. Auf der anderen Seite muss bei Anlagen in Meeresnähe der Salzgehalt in der angesaugten Luft berücksichtigt werden, der dazu führen kann, dass der Natriumgrenzwert im Brennstoff noch enger zu fassen ist.
11.3 Komponenten des Brennstoffsystems 11.3.1 Ventile Die Brennstoffventile werden aufgeteilt in Sicherheitsabsperrarmaturen und in Regelventile. Die Sicherheitsabsperrarmaturen sperren im Anforderungsfall den
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Brennstoff schnell, sicher und dicht ab. Die Regelventile sorgen für die bedarfsgerechte Versorgung der Gasturbine mit Brennstoff. Gemäß TRD 411 [11.19] für Heizöl und TRD 412 [11.20] für Erdgas sind im Brennstoffvorlauf der Brenner zwei Sicherheitsabsperrventile hintereinander anzuordnen. Bei Heizölrücklaufbrennern sind auch im Rücklauf Sicherheitsabsperrventile vorzusehen. Bei Ausfall der Hilfsenergie (z. B. Hydraulik) schließen sie selbsttätig über eine Schließfeder. Mindestens eine der Sicherheitsabsperreinrichtungen muss eine Schnellschlussarmatur mit einer Schließzeit > 1 s sein. Die zweite Armatur kann eine Regelarmatur mit einer Schließzeit von maximal 5 s sein. Übernimmt eine Regelarmatur die Funktion einer Sicherheitsabsperrarmatur, muss sie ebenfalls bei Ausfall der Hilfsenergie sicher schließen. Die dynamischen Anforderungen der Gasturbine gehen deutlich über die Anforderungen der TRD hinaus und erfordern typischerweise Schließzeiten im Schnellschlussfall von < 300 ms und Stellzeiten der Regelarmaturen im Bereich von 0,5–2 s. Als Schnellschlussarmaturen kommen meist Sitzventile mit hydraulischen oder pneumatischen Antrieben zum Einsatz. Alternativ werden auch Kugelhähne eingesetzt. Die Steuerung der Hilfsenergie erfolgt durch Magnetventile, die direkt oder über Vorsteuerventile die Hilfsenergie für den Antrieb schalten. Die Magnetventile werden im Ruhestrom (vgl. Abschn. 35.3.1) angesteuert. Bei Ausfall des elektrischen Steuerstromes wird der Schließkreis aktiviert und das Brennstoffventil schließt. Die Schnellschlussarmaturen werden so ausgelegt, dass sie beim Nennmassenstrom nur einen geringen Druckverlust erzeugen. Als Regelarmaturen werden meist Sitzventile mit hydraulischem oder pneumatischem Antrieb eingesetzt. Dienen die Armaturen gleichzeitig als Sicherheitsabsperrarmatur, werden sie mit einem Schließkreis analog zu den Schnellschlussarmaturen ausgerüstet. Die Ansteuerung des Antriebs zur Regelung des Brennstoffmassenstromes erfolgt über Servoventile. Als Regelkegel werden neben konventionellen Bauformen Lochkegel eingesetzt, die sich durch eine niedrige Geräuschemission und ein großes Stellverhältnis (Verhältnis des maximalen zum minimalen Durchflussbeiwert) auszeichnen. Das Stellverhältnis ist so zu bemessen, dass sowohl der kleinste Brennstoffmassenstrom (z. B. Zündmassenstrom) als auch der maximale Brennstoffmassenstrom eingestellt werden können. Gegebenenfalls ist durch eine geeignete Schaltung das Stellverhältnis des Systems zu vergrößern. Dazu können z. B. eine Vordruckabsenkung beim Start oder die Parallelschaltung zweier unterschiedlich großer Stellarmaturen dienen. Die Regelventile werden hinsichtlich ihrer Durchflusscharakteristik so ausgelegt, dass sie eine ausreichende Reserve bezüglich des maximalen Durchflusses bieten und zu einem günstigen Systemverhalten führen (möglichst lineares Verhalten zwischen Ventilstellung und Gasturbinenleistung über einen weiten Stellbereich). Für Regelarmaturen kommen weiterhin elektrische Antriebe zum Einsatz. In neuerer Zeit gibt es Entwicklungen, die es ermöglichen, elektrische Antriebe auch für Sicherheitsabsperreinrichtungen einzusetzen.
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
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11.3.2 Rohrleitungen Die Auslegung der Rohrleitungen erfolgt entsprechend den gültigen Regelwerken auf Druck und Temperatur (s. Abschn. 26.2.2). Bei der Dimensionierung sind neben den Strömungsgeschwindigkeiten (Druckverluste, Erosion, Geräuschentwicklung) die Leitungslängen wegen der Volumeneffekte (Totzeiten, Speicherverhalten) zu berücksichtigen. So sind z. B. die Leitungsvolumina im Erdgassystem stromab der Sicherheitsabsperr- und Regelventile in Hinblick auf die Abschalt-1 und Abfangsicherheit2 zu begrenzen, wohingegen im Erdgassystem stromauf der GT-Regelventile größere Leitungsvolumina durchaus als Speicher dienen und auch Druckschwankungen entgegenwirken. Werden mehrere Brenner ohne individuelle Brennstoffmassenstromregelung aus einem gemeinsamen Verteiler über Stichleitungen versorgt, müssen für eine gleichmäßige Versorgung die Druckverluste der einzelnen Stichleitungen annähernd gleich sein. Die Leitungen sind so zu verlegen, dass Kondensatansammlungen in Gasleitungen bzw. Wasseransammlungen in Heizölleitungen vermieden werden, ggf. sind Entwässerungen oder Begleitheizungen vorzusehen. Bei Heizölleitungen ist außerdem darauf zu achten, dass beim Füllen keine großen Luftblasen eingeschlossen werden, ggf. sind Entlüftungseinrichtungen vorzusehen. Bei Brennstofftemperaturen > 60 °C werden die Brennstoffleitungen dort, wo sie allgemein zugänglich sind, zum Berührungsschutz isoliert. Die Isolation kann auch zum Verringern von Wärmeverlusten und Schallemissionen vorgesehen werden. Die Leitungen werden so verlegt, dass eine leichte Montage und, falls notwendig, Demontage möglich ist. Werden Leitungen vor Ort geschweißt, werden sie vor der Inbetriebnahme ausgeblasen bzw. gespült. Die kompletten Systeme werden nach der Montage einer Druck- und Dichtheitsprüfung unterzogen. Bei offenen Systemen (z. B. Leitungen zum Brenner) erfolgt die Druckprüfung ggf. separat für die einzelnen Leitungsabschnitte, die endgültige Dichtheitsprüfung erfolgt schrittweise während der Inbetriebnahme des Systems.
11.3.3 Filter Zum Schutz der Armaturen, Pumpen, Brennern und der GT vor Brennstoffverunreinigungen durch Feststoffe (z. B. Rostpartikel, Staub, Sedimente) und vor Feuchtigkeit im Erdgas werden Filter vorgesehen. Die Filterung wird auf eine Filterfeinheit entsprechend der Brennstoffanforderungen ausgelegt. Typische Werte sind 10 µm nominell. Die Filteranlagen werden meist zweistufig als Grob- und Feinfilter ausgeführt. Als Grobfilter und zur Flüssigkeitsabscheidung kommen im Erdgassystem in der ersten Stufe Zyklonfilter zum Einsatz, in der zweiten Stufe erfolgt die Feinfilterung 1
Abschaltsicherheit: Abschalten des Turbosatzes bei einem Lastabwurf ohne Erreichen unzulässig hoher Drehzahlen. 2 Abfangsicherheit: Abfangen der Gasturbine bei einem Lastabwurf auf Leerlauf oder Eigenbedarf.
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(z. B. mittels Zellulosepatronenfilter). Für Heizöl werden Siebfilter aus Edelstahlmaschengewebe als Feinfilter vorgesehen. Die Filteranlagen werden für Erdgas optional, bei Heizöl fast immer redundant aufgebaut. Die Umschaltung zwischen den redundanten Strängen erfolgt ohne Unterbrechung des Brennstoffdurchflusses während des Betriebs der GT. Der verschmutzte Filter wird nach dem Inertisieren (Erdgas) bzw. Entleeren (Heizöl) gereinigt und ist nach dem Befüllen betriebsbereit. Stromab einer optionalen Erdgasvorwärmung wird häufig ein sog. (nichtredundanter) Final-Chance-Filter vorgesehen, der u. a. zur Abscheidung von Flüssigkeit und zur Überwachung von Vorwärmerundichtigkeiten dient. Sind zwischen der Filteranlage und den Brennstoffsicherheits- und -regelarmaturen der GT Einbauten vorhanden, die im Störfall (z. B. bei Bruch) die ordnungsgemäße Funktion der Sicherheitsarmaturen behindern, wird zusätzlich direkt vor diesen Armaturen ein nichtredundanter Grobfilter (z. B. 0,5 mm nominelle Filterfeinheit) vorgesehen. Zum Schutz von Heizöleinspritzdüsen vor Rostpartikeln werden ggf. am Brennereintritt kleine Feinfilter vorgesehen. Bei Heizölsystemen mit Strömungsteilern (s. Abschn. 11.5) ist eine besonders feine Filterung unmittelbar vor den Strömungsteilern notwendig (0,5 bis 2,5 µm).
11.3.4 Druckreduzierstation bzw. Gasverdichter (Erdgas) Die Druckreduzierstation stellt den Erdgasdruck entsprechend den Anforderungen der Gasturbine innerhalb der geforderten Toleranzen ein. Zum Schutz der stromab gelegenen Bauteile vor unzulässigen Drücken sind je nach Druckniveau der Versorgungspipeline ein oder zwei in Reihe geschaltete Sicherheitsabsperrarmaturen vorgesehen. Diese begrenzen der Druck gemäß DVGW-Arbeitsblatt G491 [11.12] auf maximal das 1,1-fache des höchstzulässigen Drucks durch Absperren der Erdgasversorgung. Die Sicherheitsabsperrarmaturen müssen nach dem Auslösen manuell entriegelt werden. Um das Ansprechen der Sicherheitsabsperrarmaturen zu vermeiden, werden zum Teil Abblaseventile vorgesehen, die im Störfall vor dem Ansprechen der Sicherheitsarmaturen den Erdgasdruck durch Abblasen von Erdgas über Dach absenken sollen. Bei der Auslegung der Druckstaffelung der Druckreduzierstation und der Sicherheitsabsperrarmaturen ist der GT-Schnellschluss aus Volllast zu berücksichtigen, bei dem es zu einem Druckstoß im Erdgasvorsystem kommen kann. Insbesondere bei einer gemeinsamen Versorgungsstation für mehrere Verbraucher werden durch geeignete Auslegung der Druckreduzierstation und der Leitungsvolumina die Drücke und Druckgradienten im zulässigen Bereich aller Verbraucher gehalten und das Druckniveau bleibt unterhalb der Ansprechschwelle der Sicherheitsabsperrventile. Dadurch wird das sequentielle Abschalten aller Verbraucher als Folge einer Störung verhindert. Falls der Druck der Versorgungspipeline unter dem erforderlichen Brennstoffdruck liegt, werden Verdichter eingesetzt (s. Abschn. 3.6.2). In der Vergangenheit
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501
haben Verunreinigungen des Erdgases durch Schmieröl zu Verbrennungsproblemen und insbesondere zu Flammenrückschlag bei Erdgasvormischverbrennung geführt. Abschnitt 11.2.1 beschreibt die Brennstoffspezifikationen, die so verfasst sind, dass Öl im Erdgas vermieden wird. Daher werden bevorzugt solche Erdgasverdichter eingesetzt, die ohne Schmierölleckage in den Brennstoffstrom arbeiten, wie dies z. B. bei Getriebeverdichtern mit Kohleringdichtungen der Fall ist.
11.3.5 Pumpen (Heizöl) Die Brennstoffpumpe ist die zentrale Komponente und oft auch das teuerste Bauteil des Heizölsystems. Fällt sie aus, führt das i. d. R. zu einem sofortigen Schnellschluss der Gasturbine. Ihrem sicheren Betrieb und ihrer richtigen Auslegung ist darum besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In den meisten Fällen ist es nicht möglich oder nicht wirtschaftlich, mit einer einzigen Pumpe das Öl aus dem Heizöltank zu den Brennern der Gasturbine zu fördern. Üblicherweise wird eine Transferpumpe mit nur geringem Druckaufbau in der Nähe des Vorratstanks installiert, die auch mehrere Gasturbinen bedienen kann, während in unmittelbarer Nähe zur Gasturbine und für jede Gasturbine separat eine Einspritzpumpe für den an den Brennern benötigten Druck (je nach Brennertyp bis zu 120 bar, in Spezialfällen auch darüber) sorgt. Es kommen hauptsächlich zwei Pumpentypen zum Einsatz: die Schraubenspindelpumpe und die Kreiselpumpe. Die Schraubenspindelpumpe fördert einen nahezu konstanten Volumenstrom unabhängig vom Druckaufbau. Das Fördermedium dient gleichzeitig als Schmiermittel, mit dem nach dem Gleitlagerprinzip ein Tragfilm zur Trennung der Spindeloberflächen gebildet wird. Schraubenspindelpumpen sind deswegen nicht für sehr niederviskose Flüssigkeiten wie z. B. Naphtha und nicht für sehr hohe Drücke (ca. > 80 bar) bei gleichzeitig hoher Fördermenge (ca. 20 l=s) geeignet. Kreiselpumpen sind i. d. R. teurer, dafür aber in ihren Einsatzmöglichkeiten nahezu unbeschränkt. Außerdem gelten sie als sehr robust und zuverlässig. Die Kreiselpumpe erzeugt eine nahezu konstante Druckerhöhung unabhängig von der Fördermenge. Im Teillastbereich hat sie meistens eine deutlich höhere Leistungsaufnahme als die Schraubenspindelpumpe. Die Wahl des Pumpentyps wird wesentlich von der Charakteristik des nachgeschalteten Brenners bestimmt. Soll z. B. ein Brenner mit Rücklaufregelung und konstanter Vorlaufmenge versorgt werden, so wird sicherlich eine Schraubenspindelpumpe die beste Lösung sein. Sehr aufschlussreich ist es immer, Pumpen- und Brennerdüsencharakteristik in ein gemeinsames Diagramm (Druck als Funktion des Massen- oder Volumenstroms) einzutragen. Abbildung 11-1 zeigt eine solche Auftragung für den sehr häufigen Anwendungsfall eines Brenners mit näherungsweise parabelförmiger Kennlinie. Man erkennt sofort, welche Art der Regelung realisiert werden muss: Bei einer Schraubenspindelpumpe wird der überschüssige Massenstrom abgeführt (Bypassregelung), während bei einer Kreiselpumpe der überschüssige Druck abgebaut wird (Drosselregelung). Unter energetischen Gesichtspunkten
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Druck
Kreiselpumpe mit Drosselregelung: K
ΔpSV
D: Brennerdüse K: Kreiselpumpe S: Schraubenspindelpumpe SV: Stellventil BY: Bypass
· =m · m K D
· m By D
pK = pD + ΔpSV
Schraubenspindelpumpe mit Bypassregelung:
S Massenstrom
Grundlast
Teillast
· = m· + m· m S D By
pK = pD
Abb. 11-1 Pumpenauswahl und Regelungskonzept
(Reduzierung der Leistungsaufnahme der Pumpe) wäre zwar eine Drehzahlregelung ideal, diese ist jedoch bei den Schraubenspindelpumpen oft schon aus technologischen Gründen nicht realisierbar (kein ausreichender Tragfilm bei kleinen Drehgeschwindigkeiten) und bei Kreiselpumpen häufig zu teuer.
11.4 Brennstoffsystem für Erdgas Für den Betrieb der Gasturbine muss das Erdgas mit ausreichendem Druck und Massenstrom zur Verfügung gestellt werden. Die Systeme zur Bereitstellung des Erdgases mit gewünschtem Druck, Temperatur und Reinheit werden als Erdgasversorgungssystem bezeichnet und können mehreren Verbrauchern (GT etc.) zugeordnet werden. Das jeder einzelnen Gasturbine zugeordnete Brennstoffsystem, das der Steuerung und Regelung der Gasturbine dient, wird häufig als Erdgas-Package oder Erdgas-Skid bezeichnet. Ein vereinfachtes Systemschaltbild der Erdgasversorgung zeigt Abb. 11-2. Erdgas wird i. d. R. über eine Pipeline angeliefert. Die Erstabsperrung des Kraftwerkes von der Versorgungspipeline erfolgt mit hochzuverlässigen Absperrarmaturen, da eine Reparatur dieser Armaturen die Außerbetriebnahme der Versorgungspipeline erfordert. Der Druck wird ggf. über eine Druckreduzierstation (s. Abschn. 11.3.4) auf das für den Betrieb der Gasturbine erforderliche Niveau abgesenkt oder von einem Erdgasverdichter auf den erforderlichen Druck angehoben. Die sich beim Betrieb eines Erdgasverdichters einstellende Temperaturerhöhung ist für den Betrieb der GT meist nicht störend und führt zu einer leichten Verbesserung des GT-Wirkungsgrades. Wegen der Gefahr des Flammenrückschlages im
Erstabsperrung
503 Taupunktvorwärmer
Sicherheitsabsperrventil
ggf. zu weiteren Blöcken Feinfilter optionale und EG-Vorwärmung Wasserabscheider
Druckregelventil
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
M von der Pipeline
Erdgas-Versorgungssystem
Entlüftungsventil
SSV
Diffusions-SV
Grobsieb
Pilotgas-SV
Vormisch-SV Erdgas-Package
Abb. 11-2 Vereinfachtes Systemschaltbild des Erdgassystems (Brennergruppeneinteilung einer Siemens-GT) (SSV D Schnellschlussventil, SV D Stellventil)
Vormischbetrieb ist beim Einsatz eines Erdgasverdichters besondere Sorgfalt auf die Vermeidung unerwünschter Schmierstoffanteile im Erdgas zu verwenden. Typischerweise wird Erdgas über die Pipeline mit ausreichend hohem Druck zur Verfügung gestellt. Als reales Gas sinkt beim Drosseln von Erdgas die Gastemperatur um etwa 0,5 K=bar ab. Zur Vermeidung einer Taupunktunterschreitung des Erdgases und um das Vereisen der nachfolgenden Armaturen zu vermeiden, wird das Erdgas bei Bedarf mit einem Taupunktvorwärmer vorgewärmt. Eine Druckreduzierstation stellt den von der Gasturbine geforderten Erdgasdruck ein und gewährleistet mittels Sicherheitsabsperrventilen die Einhaltung des höchstzulässigen Betriebsüberdrucks. Mittels der Druckreduzierstation können mehrere Verbraucher (Gasturbinen) versorgt werden. Eine genaue Gasmengenmessung dient der Abrechnung mit dem Gasversorger. Für den Betrieb der Gasturbine ist die Gasmengenmessung nicht erforderlich, für die Abschätzung des GT-Wirkungsgrades aber hilfreich. Stromab der Druckreduzierstation folgt die optionale Erdgasvorwärmung auf Temperaturen von bis zu 200 °C. Durch die Erdgasvorwärmung ergibt sich eine Ver-
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besserung des Anlagenwirkungsgrades (s. Kap. 2). Der davor liegende Feinfilter und Wasserabscheider stellt die erforderliche Gasreinheit sicher. Das in den Komponenten und Leitungen zwischen Druckreduzierstation und Gasturbinenarmaturen eingeschlossene Volumen begrenzt die Druckgradienten stromab der Druckreduzierstation. Das der einzelnen Gasturbine zugeordnete Brennstoffsystem beginnt mit einem Grobfilter (0,5 mm Maschenweite) zur Sicherstellung der Funktion der nachfolgenden Gasschlossarmaturen. Das Gasschloss wird aus einem Schnellschlussventil und einem oder mehreren Regelventilen mit Schnellschlussfunktion gebildet, die zusammen eine Doppelabsperrung bilden. Eine dazwischen liegende Entlüftungsarmatur entlastet bei geschlossenen Ventilen den Raum innerhalb der Doppelabsperrung über Dach. Bei geschlossener Doppelabsperrung kann so bei kleineren Undichtigkeiten der Ventile weder Brennstoff in die Gasturbine noch (bei Betrieb der GT mit einem Zweitbrennstoff) Verdichterendluft in das Erdgasversorgungssystem gelangen. Das Schnellschlussventil und die Schnellschlussfunktion der Regelventile (s. Abschn. 11.3.1) sorgen im Bedarfsfall für das sofortige Absperren der Brennstoffzufuhr, die Regelventile stellen im Betrieb die bedarfsgerechte Versorgung der einzelnen Brennergruppen sicher. Grobfilter, Schnellschluss- und Stellventile und Entlüftungsventil bilden zusammen mit der dazugehörigen Instrumentierung (z. B. Druck- und Temperaturmessstellen) das Erdgas-Package (Erdgas-Skid). Dieses wird meist komplett montiert zur Anlage geliefert. Von den Stellventilen gelangt der Brennstoff je Brennergruppe über eine gemeinsame Leitung, einen Verteiler und Stichleitungen zu den einzelnen Brennern.
11.5 Brennstoffsystem für Heizöl 11.5.1 Systembeschreibung Häufig ist das Brennstoffsystem für Heizöl komplexer als das für Erdgas. Dies liegt zum einen daran, dass Erdgas schon unter Druck angeliefert wird, während bei dem Heizölsystem alle Komponenten zur Förderung des Brennstoffs bzw. zur Druckerhöhung Bestandteil des Systems sind. Zum anderen besteht bei Flüssigbrennstoffen häufig die Gefahr von Verkokungen, was aufwändige Spüleinrichtungen erforderlich macht. Abbildung 11-3 zeigt ein vereinfachtes Systemschaltbild des Heizölsystems. Das Tanklager (ggf. auch nur ein Tagestank) wird individuell nach den Gegebenheiten des jeweiligen Kraftwerks geplant. Dem Tanklager vorgeschaltet sind noch die Einrichtungen zum Entladen (Heizöl wird in den meisten Fällen entweder per Schiff oder per LKW angeliefert). Im Bereich des Tanklagers befinden sich bei Bedarf auch Einrichtungen zur Aufbereitung des Brennstoffs (z. B. Wasserabscheidung, Grobfilterung usw.).
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
505 W
Wasserzufuhr Tanklager bzw. Tagestank
W
ggf. weitere Verbraucher
W
W W
Transferpumpe
Filter
Pumpe + RV
SSV
W
W
siehe Extrafeld
Brennergruppen W W
W
ggf. Strömungsteiler, Absperrarmatur, Regelarmatur
W W
M
ggf. Rezirkulation Schraubenspindelpumpe
ggf. Rücklauf mit SSV, RV
Kreiselpumpe
RV RV oder Anfahrventil
Absperrung oder Mindestmengenventil
SSV
Schnellschlussventil
RV
Regelventil
W
möglicher Anschluss für Wasserzufuhr
Abb. 11-3 Vereinfachtes Systemschaltbild des Heizölsystems
Die Konzeption des Transferpumpen-Skids wird im Wesentlichen durch die Anzahl der zu versorgenden Gasturbinenanlagen und ggf. anderer Verbraucher sowie die Redundanzanforderungen bestimmt. Die Transferpumpen erzeugen i. d. R. nur eine Druckerhöhung von wenigen bar, um den Druckverlust auf der oft mehrere hundert Meter langen Leitung zum Gasturbinengebäude auszugleichen und um sicherzustellen, dass am Eintritt der Haupteinspritzpumpe in allen Betriebszuständen genügend Abstand zur Kavitationsgrenze besteht. Die Hauptförderleitung wird auf Einzelstränge für jede Gasturbine aufgeteilt. Die nun folgenden Systemkomponenten sind weitestgehend standardisiert und häufig in kompakter Weise auf einem Package angeordnet, das in unmittelbarer Nähe zur Gasturbine aufgestellt ist.
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Das Heizöl durchströmt zunächst einen Feinfilter, der die weiteren Komponenten, insbesondere die Brenner, vor Verschmutzungen bzw. Verstopfungen schützt (s. Abschn. 11.3.3). In der Regel werden umschaltbare Doppelfilter mit einer Differenzdrucküberwachung eingesetzt. Bei Überschreitung eines Grenzwertes kann manuell auf den anderen Filter umgeschaltet werden, ohne die Gasturbine stillzusetzen. In der Einspritzpumpe wird der Brennstoff auf den für die Zerstäubung in den Brennern notwendigen Druck gebracht. Unmittelbar stromab der Pumpe führt ein Bypass in eine drucklose Rücklaufleitung. Hierüber wird beim Starten und Stillsetzen der Pumpe, wenn das Schnellschlussventil noch bzw. schon geschlossen ist, die Pumpenfördermenge abgeführt. In dieser Bypassleitung kann bei Schraubenspindelpumpen auch das Stellventil zur Regelung der Brennstoffmenge angeordnet sein (vgl. Abschn. 11.3.5). Schraubenspindelpumpen sind darüber hinaus noch mit einem Sicherheitsventil ausgerüstet, das bei Überschreiten einer einstellbaren Druckgrenze selbsttätig öffnet und die gesamte Pumpenfördermenge abführen kann. In einem Störfall, bei dem keine Förderung möglich ist (z. B. Schnellschlussventil schließt, aber Bypass öffnet nicht), würde die Pumpe sonst aufgrund ihrer Charakteristik (s. Abb. 11-1) extrem hohe Drücke erzeugen, was zur sofortigen Zerstörung der Pumpe oder zur Überlastung der Rohrleitungen führen würde. Kreiselpumpen hingegen können kurzzeitig auch bei Nullförderung betrieben werden, Pumpe und Rohrleitungen sind auf den dabei entstehenden Druck (Nullförderhöhe) ausgelegt. Jedoch kommt es durch die Aufheizung des Öls in der Pumpe schnell (< 1 min) zu einer thermischen Überlastung. Aus diesem Grund ist in der Bypassleitung häufig ein Mindestmengenventil eingebaut, mit dem eine bestimmte Mindestdurchströmung der Pumpe sichergestellt wird, falls der Hauptstrom sehr klein oder vollständig abgesperrt ist. In der Druckleitung stromab der Pumpe folgt das Schnellschlussventil (s. Abschn. 11.3.1). Die Zweitabsperrung (s. Abschn. 11.3.1) kann entweder direkt dahinter oder weiter stromab nahe den Brennern angeordnet sein. Der Raum zwischen Schnellschlussventil und Zweitabsperrung wird im Stillstand häufig druckentlastet. Dadurch wird sichergestellt, dass im Stillstand auch bei einem Versagen der Dichtwirkung kein Brennstoff unbemerkt in die Gasturbine gelangen kann. Diese Gefahr bestünde auch bei abgeschalteter Einspritzpumpe, denn vor dem Schnellschlussventil steht noch Druck an, z. B. wenn die Transferpumpen zur Versorgung anderer Anlagen in Betrieb sind, oder es herrscht einfach nur der Druck aufgrund der Füllhöhe des Tanks. Die Zweitabsperrung kann auf verschiedene Weise ausgeführt sein, z. B. als baugleiches Schnellschlussventil, als Absperrkugelhahn vor der Brennkammer oder als kombiniertes Schnellschluss- und Regelventil. An der Brennkammer verzweigt sich die Druckleitung auf die einzelnen Brenner. Oft werden Brennergruppen gebildet, die dann jeweils eine eigene Absperrarmatur haben oder auch ein eigenes Regelventil. Gruppenschaltungen sind oft notwendig, um überhaupt den gesamten Betriebsbereich abdecken zu können.3 Außerdem kann, 3 Beispiel: Benötigt man beim Zünden (ca. 4% der Grundlastmenge) für eine ausreichende Zerstäubung 10 bar Düsendruck, so würde eine entsprechend ausgelegte Düse bei Grundlast (25-fache Menge) einen Druck von etwa .25 25/ 10 bar, also 6250 bar, erzeugen.
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
507
ähnlich wie im Erdgasbetrieb (s. Abschn. 11.4), eine Umschaltung auf schadstoffärmere Brenner sinnvoll sein. Die Absperrarmaturen aller Gruppen können dann zusammen die Zweitabsperrung bilden. Um eine möglichst gleichmäßige Temperaturverteilung vor der Turbine zu bekommen, muss die Brennstoffzufuhr sehr gleichmäßig auf die einzelnen Brenner verteilt werden. Hierzu ist entweder eine hohe Fertigungsgenauigkeit der Brennerdüsen erforderlich (ggf. mit einer Durchflussmessung jeder einzelnen Düse) oder man setzt sog. Strömungsteiler (flow divider) ein, die über eine aufwändige Mechanik nach dem Prinzip einer Zahnradpumpe für eine gleichmäßige Strömungsaufteilung sorgen. Diese Strömungsteiler müssen jedoch wiederum sehr genau gefertigt werden, benötigen sehr feine Filter (s. Abschn. 11.3.3) und haben – verglichen mit den anderen Bauteilen des Heizölsystems – eine erhöhte Ausfallrate. Im stationären Heizölbetrieb wird häufig auch Wasser in die Brennkammer eingespritzt. Dadurch werden die Temperaturen in der Verbrennungszone reduziert, was zum einen der Bildung von Stickoxiden entgegenwirkt, aber auch ein Potenzial zur Leistungserhöhung eröffnet (höherer Turbinenmassenstrom). Die Wasserzufuhr kann entweder über ein separates Leitungs- und Düsensystem direkt in die Brennkammer erfolgen, wobei schon Wassermengen von bis zu 200% der Brennstoffmenge realisiert wurden, oder man mischt das Wasser dem Heizöl zu. Letztere Methode hat sich besonders hinsichtlich der Reduzierung der Stickoxidbildung bewährt (s. Abschn. 10.2.4). Wasser wird außerdem häufig zum Spülen der Brenner nach Beendigung des Heizölbetriebs eingesetzt (s. Abschn. 11.5.2). Manche Hersteller setzen rücklaufgeregelte Heizöldüsen ein. In diesem Fall wird über den gesamten Betriebsbereich ein nahezu konstanter Vorlaufmassenstrom zu den Brennern gefördert und die nicht benötigte Menge über den Rücklauf wieder abgeführt. Mit einem Stellventil im Rücklauf wird der Rücklaufdruck und damit die Aufteilung zwischen Rücklaufmenge und Einspritzmenge eingestellt. Abbildung 11-4 zeigt die Charakteristik einer solchen Düse und erläutert das Betriebsverhalten. Dieser Düsentyp benötigt üblicherweise keinen Strömungsteiler. Aufgrund der nahezu konstanten Vorlaufmenge kann eine Schraubenspindelpumpe ohne Regelventil im Bypass eingesetzt werden. Stattdessen wird eine Anfahrarmatur benötigt, die schließt, sobald das Schnellschlussventil im Vorlauf öffnet. Betreibt man diesen Düsentyp mit einer Kreiselpumpe, so muss im Vorlauf i. d. R. eine zusätzliche Drosseleinrichtung (z. B. ein weiteres Stellventil) vorgesehen werden. Ein wesentlicher Vorteil dieses Düsentyps besteht darin, dass diese Düsen aufgrund der hohen Vorlaufmenge auch bei kleinen Einspritzmengen einen ausreichenden Zerstäuberdruck aufbauen, sodass sie den gesamten Betriebsbereich vom Zünden bis zur Grundlast abdecken können. Somit können Gruppenschaltungen u. U. entfallen. Nachteilig ist der Zusatzaufwand an Rohrleitungen und Absperrarmaturen für den Rücklauf. Die Rücklaufleitung vom Bypass der Pumpe bzw. ggf. von dem Rücklauf der Brenner führt zurück in den Tagestank bzw. zum Tanklager. In bestimmten Fällen kann eine Rezirkulation, d. h. Zufuhr des Rücklauföls in den Zulauf zur Einspritzpumpe, sinnvoll sein.
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Pumpenkennlinie
m·
pVL = const. m· VL
pVL,1 < pVL,2 m· VL,1 ≈ m· VL,2
m· E,2
m· E
m· E,1 1 VL: Vorlauf
2 RL: Rücklauf
pRL
E: Einspritzmenge
Linien konstanten Vorlaufdrucks oberer Teil: Vorlaufmenge unterer Teil: Einspritzmenge 1 Teillastbetriebspunkt niedriger Vorlaufdruck, niedriger Rücklaufdruck, niedrige Einspritzmenge, hohe Rücklaufmenge 2 Volllastbetriebspunkt hoher Vorlaufdruck, hoher Rücklaufdruck, hohe Einspritzmenge, niedrige Rücklaufmenge Abb. 11-4 Betrieb mit rücklaufgeregelten Heizöldüsen
11.5.2 Zusatzeinrichtungen für die Heizölbrenner Um Verkokungen (s. Abschn. 11.2.2) an den Brennern zu vermeiden, müssen diese i. d. R. nach Beendigung des Heizölbetriebs mit Wasser gespült werden. Dabei ist die Spülprozedur so zu gestalten, dass zum einen alle heißen Bereiche gespült werden, dass aber auch im Stillstand bzw. im nachfolgenden Erdgasbetrieb ein Nachlaufen von Öl in den gespülten Bereich verhindert wird.
11 Brennstoff, Brennstoffsystem und Fahrkonzept
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Im Erdgasbetrieb werden an den abgeschalteten Heizölbrennern oft sehr hohe Temperaturen erreicht (Strahlung, aber auch Zirkulation von Heißgasen über die Heizölleitungen aufgrund von lokalen Druckunterschieden in der Brennkammer). In solchen Fällen kann es notwendig werden, die Heizölbrenner zu sperren, z. B. mit (ggf. gekühlter) Verdichterendluft oder durch Absperrventile vor jedem einzelnen Brenner. Bei Heizölbrennern, die als luftgestützte Zerstäuber arbeiten (air assist), sind entsprechende Hilfseinrichtungen für die Bereitstellung der Druckluft notwendig.
11.6 Fahrweisen Vorbemerkung: Die Fahrweisen moderner Gasturbinen sind insbesondere durch die Weiterentwicklung der Brenner so komplex und vielfältig geworden, dass eine umfassende Darstellung aller Konzepte den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Während das An- und Abfahren der Gasturbine noch bei allen Herstellern und allen Baureihen recht ähnlich verläuft, ergeben sich im Leistungsbetrieb durch das Zuund Abschalten von Brennergruppen und Brennersystemen erhebliche Unterschiede. Die wesentlichen Grundzüge werden im Folgenden am Beispiel der SiemensGasturbinen mit Ringbrennkammer sowohl für den Gasbetrieb als auch für den Ölbetrieb dargestellt. Um die Bandbreite der Fahrkonzepte anzudeuten, werden zusätzlich einige Besonderheiten der Alstom-Gasturbinen mit zweistufiger Verbrennung aufgeführt, die Alstom-Gasturbinen mit Silobrennkammern und die SiemensGasturbinen mit Can-Brennkammern betrachtet.
11.6.1 Erdgas- und Heizölbetrieb Im Folgenden wird der Startvorgang und das Be- und Entlasten der Gasturbine beschrieben. Abbildung 11-5 zeigt schematisch den Verlauf einiger wichtiger Gasturbinenparameter vom Anfahren bis zum Erreichen der Grundlast. Vorbereitung der Brennstoffsysteme und der Gasturbine Zum Start der GT wird bei einem Erdgasstart zunächst eine (optionale) Erstabsperrung stromauf des Brennstoff-Packages der GT geöffnet. Eine Entlüftung oder Inertisierung des Erdgasvorsystems wird nur für Reparaturarbeiten vorgenommen. Beim Heizölstart werden die Heizölvorpumpen eingeschaltet. Eine Vorabsperrung stromauf des Brennstoff-Packages wird geöffnet. Bei ausreichendem Vordruck wird die Heizöleinspritzpumpe eingeschaltet. Bei geschlossenen Heizölventilen wird der Mindestmassenstrom der Pumpe über einen Bypass zum Tank gefördert. Im Stillstand und bei niedrigen Drehzahlen fördert die Gasturbine zu wenig Luft, um mittels der eigenen Verbrennung eine ausreichende Leistung zum Hochfahren zu erzeugen. Deshalb wird die Gasturbine mittels einer Anfahreinrichtung angeschleppt. Als Anfahreinrichtung kommen einkoppelbare Motoren oder der mittels
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E. Deuker, J. Hellat, W. Kroll Synchronisieren
Brennerumschaltung DB → VB
Turbinenaustrittstemperatur
Grundlast erreicht Vorleitschaufeln öffnen
Drehzahl
Leistung Leitschaufelstellung 1
2
3
1 Zündung Zündflamme
4 2 Zündung Hauptflamme 3 Anfahrumrichter aus
Zeit 4 Abblaseklappen schließen
DB: Diffusionsbrenner VB: Vormischbrenner
Abb. 11-5 Anfahren und Belasten der GT (Siemens V94.3A/V84.3A)
eines leistungsstarken Frequenzumrichters als Motor betriebene Generator des Turbosatzes zur Anwendung. Um beim Hochfahren auf Nenndrehzahl den Verdichter im zulässigen Betriebsbereich zu betreiben, werden Abblaseklappen geöffnet und die verstellbare Verdichtervorleitschaufel wird auf die Startstellung positioniert. Einzelheiten zum Anfahrverhalten des Verdichters werden in Abschn. 7.9.1 behandelt. Zünden der Brenner Beim Erdgasstart wird beim Erreichen der Zünddrehzahl das Schnellschlussventil geöffnet und mit dem Regelventil wird der Zündmassenstrom zu den Erdgasdiffusionsbrennern eingestellt. Mit elektrischen Zündern oder mit elektrisch gezündeten Zündfackeln wird das aus den Brennern austretende Gas entzündet und bildet stabile Flammen aus. Die Flamme muss innerhalb der Zündüberwachungszeit (z. B. 12 s) mittels einer Flammenüberwachung erkannt werden, andernfalls wird der Start abgebrochen. Die Zündung der Hauptbrenner kann auch über Zündflammen erfolgen. Dabei wird Erdgas oder Propan zunächst über separate Zündbrenner geleitet und elektrisch gezündet. An der Zündflamme wird dann die Hauptflamme gezündet. Ist bei einer Mehrbrenneranordnung die Querzündung der Einzelbrenner sichergestellt, müssen nur ein oder zwei Brenner mittels einer Zündeinrichtung gezündet werden. Die restlichen Brenner werden durch Querzündung von dem bereits gezündeten Hauptbrenner gezündet. Nach kurzer Zeit, typischerweise noch vor Ablauf der Zündüberwachungszeit, müssen alle Brenner gezündet sein. Die Zündbrenner können vor Ablauf der Zün-
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düberwachung abgeschaltet werden oder zur Stützung der Hauptflammen noch im Eingriff bleiben. Der Heizölstart erfolgt mittels einer separaten gasgefeuerten Zündflamme. Die direkte Zündung der Heizölflammen wird wegen der dazu erforderlichen Hochenergiezünder selten angewandt. Kurz vor Erreichen der Zünddrehzahl werden durch Öffnen der Zündgasmagnetventile die Zündbrenner mit Propan versorgt und elektrisch gezündet. Dabei können auch die Erdgasbrenner als Zündbrenner verwendet werden. Mit Erreichen der Zünddrehzahl werden die Schnellschlussventile im Heizölvorlauf (und ggf. -rücklauf) geöffnet, und das Stellventil wird auf die der Zündmenge entsprechenden Stellung geöffnet. Typisch für den Start mit der kleinen, in die Brennkammer eingespritzten Zündmenge ist bei einem Rücklaufbrenner die hohe Vor- und Rücklaufmenge. Dadurch wird eine gute Zerstäubung des Heizöls gewährleistet. Mit dem Öffnen der Heizölschnellschlussventile beginnt die Zündüberwachungszeit (bis zu 12 s). Spätestens nach Ablauf der Zündüberwachungszeit muss die Flammenüberwachung stabile Heizölflammen erkennen. Als Zündgas wird meist Propan eingesetzt, das über eine Flaschenbatterie oder einen Flüssiggastank beigestellt wird. Damit ist auch bei Gasturbinen, die für den Erdgas- und Heizölbetrieb vorgesehen sind, der Heizölstart unabhängig von der Erdgasversorgung. Die Zünddrehzahl und -brennstoffmenge kann für Erdgas und Heizöl unterschiedlich sein und wird so gewählt, dass die Strömungsverhältnisse am Brenner eine sichere Zündung (Luftzahl, Strömungsgeschwindigkeit, Druck) erlauben und sich keine zu hohen Turbineneintrittstemperaturen einstellen. Hochfahren auf Nenndrehzahl Nach erfolgter Zündung wird die GT weiter vom Anfahrumrichter beschleunigt. Die Brennstoffmenge wird während des Hochfahrens zeit- und drehzahlabhängig erhöht. Mit wachsender Drehzahl und Brennstoffmenge nimmt die Antriebsleistung durch die Verbrennung zu. In einem Bereich zwischen ca. 50 bis 80% der Nenndrehzahl wird die Anfahreinrichtung abgeschaltet und die Gasturbine beschleunigt aus eigener Kraft weiter. Bei Annäherung an die Nenndrehzahl werden die Abblaseklappen sequentiell geschlossen. Die Regelung der Brennstoffmenge wird vom Drehzahlregler übernommen, der die GT für den Synchronisiervorgang auf Nenndrehzahl einregelt. Die Brennstoffmassenströme für den Start werden während der Inbetriebnahme so optimiert, dass sich möglichst gleichmäßige Verläufe der Abgastemperatur und der Drehzahl ergeben. Nach oben ist die Brennstoffmenge begrenzt, einerseits durch die Abgastemperatur, aber auch unter Umständen durch das Pumpen des Verdichters. Die minimale Brennstoffmenge auf der anderen Seite ist gegeben durch die minimale Beschleunigung der Drehzahl, aber auch durch die Löschgrenze und die Stabilität der Verbrennung. Gegebenenfalls erfolgt eine Anpassung der Brennstoffmenge an den Ausgangszustand der GT (Kalt- oder Heißstart) und an die Leistung des Anfahraggregats (Normalstart mit Anfahrumrichter oder Schwarzstart mit Notstromdieselmotor).
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Belasten Nach Erreichen der Nenndrehzahl wird der Generator mit dem Netz synchronisiert. Je nach Anforderung des Betreibers erfolgt die Synchronisation automatisch oder wird manuell eingeleitet. Die Gasturbine wird leistungsgeregelt mit dem zulässigen Belastungsgradienten bis zu der gewünschten Leistung belastet. Dabei steigt bei nahezu gleichbleibendem Luftmassenstrom die Turbineneintritts- und -austrittstemperatur und die Luftzahl sinkt. Bei Erreichen einer ausreichend kleinen Luftzahl für den Vormischbetrieb erfolgt die Umschaltung von den Diffusions- auf die Vormischbrenner. Beim Erdgasbetrieb des Siemens-Hybrid-Brenners wird dazu zunächst das Pilotgasstellventil geöffnet und die Pilotgasbrenner werden eingeschaltet. Danach wird das Vormischstellventil geöffnet und das Diffusionsstellventil geschlossen. Die beiden Stellventile werden so gegeneinander verfahren, dass die GT-Leistung nahezu konstant bleibt. Beim Heizölbetrieb wird, sofern ein Vormischbrenner vorhanden ist, zunächst die Sperrluftversorgung der Vormischbrenner abgeschaltet. Dann werden die Vormischbrenner mit Wasser gekühlt, damit es beim Zuschalten des Heizöls nicht zu Verkokungen an den Düsen der Heizölvormischbrenner kommt, die etwa Verdichterendtemperatur haben. Die Heizölvormischbrenner werden durch Öffnen des Vormischstellventils zugeschaltet. Vormisch- und Diffusionsstellventil werden so gegeneinander verfahren, dass die GT-Leistung nahezu konstant bleibt. Der Diffusionsbrenner bleibt als Pilotbrenner für die Vormischflamme in Betrieb. Mit dem weiteren Steigern des Brennstoffmassenstromes steigt die Turbineneintrittstemperatur und damit die für die Regelung und Steuerung der GT gemessene Turbinenaustrittstemperatur (s. u.), während der Luftmassenstrom nahezu konstant bleibt. Mit Erreichen der Grundlastaustrittstemperatur beginnt die Verdichtervorleitschaufel sich zu öffnen. Die weitere Leistungssteigerung erfolgt durch gleichzeitiges Erhöhen des Luft- und Brennstoffmassenstromes. Die Leistung wird über die Brennstoffstellventile, die Turbinenaustrittstemperatur wird über die Verdichtervorleitschaufel geregelt. Durch eine geeignete Vorgabe der Turbinenaustrittstemperatur kann die Belastung entweder bei konstanter Turbinenaustrittstemperatur und leicht steigender Eintrittstemperatur oder bei konstanter Turbineneintrittstemperatur und leicht sinkender Austrittstemperatur erfolgen. Die Brennstoffmenge für die Pilotflammen wird zur Sicherung der Flammenstabilität und zur Begrenzung der NOx -Emissionen abhängig von der Luftzahl verstellt. Da die Luftzahl nicht direkt messbar ist, werden ersatzweise z. B. die Vorleitschaufelstellung oder die Leistung der Gasturbine als Führungsgröße für die Pilotgaseinstellung verwendet. Bei voll geöffneter Verdichtervorleitschaufel und Grundlastaustrittstemperatur erreicht die Gasturbine ihre Grundlast. Bei Grundlast wird die Turbinenaustrittstemperatur durch den Temperaturregler begrenzt.4
4
Zur Verwendung der Turbinenaustrittstemperatur für die Regelung der Gasturbine s. auch Abschn. 35.1.1.
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Normierte Temperatur und Winkel
1,4
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Eintrittstemperatur Hochdruckturbine
1,2 Eintrittstemperatur Niederdruckturbine
1,0
Vorleitschaufelwinkel Abgastemperatur
0,8 0,6 0,4
SEV-Nachbrenner in Betrieb
0,2 EV Primär 0 BK in Pilotbetrieb 0
EV-Primärbrennkammer in Premix-Betrieb 20
40
60
80
100
120
Relative Leistung, %
Abb. 11-6 Anfahren und Belasten einer GT (Alstom GT24/GT26)
Aktivieren des Vormischbetriebs vor Erreichen der mageren Zündgrenze Um Brennerumschaltungen im Lastbetrieb der GT zu vermeiden, kann der Erdgasvormischbrenner bereits vor dem Synchronisieren bzw. während des Hochfahrens der Gasturbine auf Nenndrehzahl eingeschaltet werden. Die Flammenstabilität wird dabei durch den Pilotgasbrenner gewährleistet. Als Nachteil ergibt sich bei niedrigen Leistungen und den zugehörigen niedrigen Flammentemperaturen ein unvollständiger Ausbrand der Vormischflammen. Zweistufige Verbrennung Abbildung 11-6 zeigt das Fahrkonzept für eine Alstom GT24/GT26 mit einer zusätzlichen Nachbrennkammer. Die Hochdruckprimärbrennkammer mit EV-Brennern wird im Pilotbetrieb oder mit der Primärstufe des EV-Brenners angefahren und bis über Leerlauf hinaus belastet. Sobald die Flammentemperatur in der Primärbrennkammer für eine Vormischstabilisierung ausreicht (s. Kap. 10) werden die EV-Brenner auf reinen Vormischbetrieb umgeschaltet. Die Mitteldruck-SEV-Nachbrennkammer wird dann zugeschaltet, wenn die volle Eintrittstemperatur für die Hochdruckturbine erreicht wird und die EV-Hochdruckbrennkammer wird von da an mit konstanter Austrittstemperatur weitergefahren bis zur Volllast. Die Mitteldruck-SEV-Brennkammer kann ohne spezielle Zündung stetig hochgefahren werden, da die Vormischverbrennung hier durch Selbstzündung stabilisiert wird. Auf diese Weise kann ab dem Teillastbereich eine vormischartige Verbrennungscharakteristik realisiert werden. Sequentielles Zuschalten von Brennern Eine völlig andere Fahrweise ohne Pilotierung wird in den Alstom-Silobrennkammern mit 18- oder 36-EV-Vormischbrennern realisiert (s. Abschn. 10.2.2). In diesen
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Brennkammern laufen alle Brenner nur im reinen Vormischbetrieb. Das Anfahren erfolgt nur mit wenigen Brennern, die Laststeigerung bis Volllast wird durch schrittweises Zuschalten von weiteren Brennern bewerkstelligt. Dies hat den Vorteil, dass lediglich ein Regelventil zur Einstellung der Gesamtbrennstoffmenge benötigt wird, die Zu- und Abschaltung der Brenner erfolgt über einfache Auf/Zu-Schaltventile. Diese Schaltung kann aber nur in Silobrennkammern angewandt werden. In Ringbrennkammern würde beim Starten und im Teillastbetrieb ein zu schlechtes Umfangstemperaturprofil erzeugt werden, da einzelne Brenner oberhalb der Premixlöschtemperatur, die restlichen Brenner aber kalt ohne Brennstoff laufen. Mehrstufiger Brenner mit Can-Brennkammer Bei den Siemens-Gasturbinen mit Can-Brennkammern wird ein fünfstufiger Brenner eingesetzt. Je Can bestehen die Brenner aus einem diffusiven Pilotbrenner, einem vorgemischten Pilotbrenner, zwei baugleichen Stufen mit je vier vorgemischten Hauptbrennern (A C B) und einer Vormischgaszugabe (C) in die Verbrennungsluft stromauf des Eintritts in die Brenner. Durch die Aufteilung des Brennstoffmassenstromes auf die einzelnen Stufen wird das Verbrennungssystem entsprechend der Verbrennungsschwingungen und Emissionen eingestellt. Gestartet wird über den Diffusionspiloten. Während des Hochlaufens auf Nenndrehzahl werden zunächst die erste Hauptbrennerstufe (A) und dann der vorgemischte Pilotbrenner eingeschaltet. Beim Belasten wird zunächst die zweite Hauptbrennerstufe (B) eingeschaltet, bei etwa 50% Leistung wird dann die Gaszugabe vor Brennereintritt aktiviert. Zur Optimierung der Verbrennungsschwingungen und der NOx -Emissionen werden die Anteile der beiden Pilotbrennerstufen abhängig von den Verbrennungsschwingungen und den NOx -Emissionen variiert. Entlasten und Stillsetzen Mit der Verringerung der Brennstoffmenge wird zunächst bei konstanter Turbinenaustrittstemperatur die Verdichtervorleitschaufel geschlossen. Hat die Verdichtervorleitschaufel ihre Mindeststellung erreicht, sinkt bei weiterer Entlastung die Turbinenein- und -austrittstemperatur ab. Bei Erreichen der Stabilitätsgrenze der Vormischbrenner wird auf Diffusionsbetrieb umgeschaltet. Im Erdgasbetrieb des Siemens-Hybridbrenners werden zunächst die Diffusionsbrenner durch Öffnen des Erdgasdiffusionsstellventils zugeschaltet. Nach dem Füllen der Leitung zünden die Brenner und durch gleichzeitiges Öffnen des Diffusionsstellventils und Schließen des Vormischstellventils wird bei nahezu konstanter Leistung auf die Diffusionsbrenner umgelastet. Sobald die Diffusionsbrenner stabil brennen, werden die Pilotgasbrenner abgeschaltet. Der Heizöldiffusionsbrenner ist im Heizölvormischbetrieb als Pilotbrenner im Eingriff. Die Umschaltung auf den Diffusionsbetrieb erfolgt durch Schließen des Heizölvormischstellventils bei gleichzeitigem Umlasten der Brennstoffmenge auf den Heizöldiffusionsbrenner. Bei einem rücklaufgeregeltem Diffusionsbrenner wird dabei auch das Rücklaufstellventil zur Erhöhung der Brennstoffmenge in Schließrichtung verfahren.
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Der Heizölvormischbrenner wird nach dem Abschalten mit Wasser gespült. Dazu wird über eine Spülwasserpumpe und Spülwasserabsperrarmaturen Spülwasser direkt nach dem Schließen des Heizölvormischschnellschlussventils in den Brennervorlauf eingespeist. Das Spülwasser verdrängt zunächst das Heizöl aus den Leitungen über die Brennerdüsen in die Brennkammer, bevor es selbst in die Brennkammer eingespritzt wird. Nach dem Ende des Spülvorganges werden die Spülwasserarmaturen geschlossen und die Spülwasserpumpe wird ausgeschaltet. Die Sperrluftversorgung der Heizölvormischbrenner wird eingeschaltet. Die Gasturbine wird weiter entlastet und schließlich durch Schnellschlussauslösung abgeschaltet. Mit dem Schnellschluss werden alle Schnellschluss- und ggf. auch die Regelventile geschlossen. Bei manchen Anlagen wird wegen der schnellen, hohen Rückleistungsaufnahme der GT, die durch die Antriebsleistung des Verdichters entsteht, gleichzeitig mit der GT-Schnellschlussauslösung der Generator vom Netz getrennt. Bei anderen Anlagen wird durch die Schnellschlussauslösung ein Kühlzyklus für die Gasturbine initiiert. Nach dem Gasturbinenschnellschluss werden die Entlastungsventile der Gasund Ölschlösser geöffnet. Im Heizölbetrieb werden die Heizöleinspritzpumpe und die Heizölvorpumpen ausgeschaltet. Vorabsperrungen vor den Brennstoff-Packages werden geschlossen. Je nach Ausführung der Heizölbrenner werden auch die Heizöldiffusionsbrenner nach dem Abschalten gespült. Die Spülwasserpumpe wird eingeschaltet und die Spülwasserarmaturen werden geöffnet. Bei geschlossenem Heizölvorlaufschnellschlussventil werden die Diffusionsbrenner gespült. Bei Rücklaufbrennern wird der größte Teil des Spülwassers und des vom Spülwasser verdrängten Heizöls in den Rücklauf geleitet, nur ein geringer Teil gelangt in die Brennkammer. Der Ablauf der Spülung ist so auszulegen, dass weder das in die Brennkammer gespülte Heizöl eine unzulässige Temperaturerhöhung verursacht, noch das in die Brennkammer zerstäubte Spülwasser Temperaturen unzulässig absenkt. Nach Beendigung des Spülens werden die Spülwasserarmaturen und ggf. der Heizölrücklauf geschlossen und die Spülwasserpumpe wird ausgeschaltet. Die Gasturbine läuft ungefeuert bis zur Übernahme des Drehvorrichtungsbetriebs aus. Bis zum endgültigen Auskühlen (ca. 1 Tag) verbleibt die Gasturbine im Drehvorrichtungsbetrieb. Danach wird der Wellenstrang stillgesetzt und die Schmierölversorgung ausgeschaltet. Zur Sicherstellung der Startverfügbarkeit kann der Wellenstrang in regelmäßigen Zeitabständen durch Einschalten des Drehvorrichtungsbetriebs kurz angedreht und danach wieder stillgesetzt werden.
11.6.2 Brennstoffwechsel Viele Gasturbinen werden wegen der niedrigeren Brennstoffkosten und der geringeren NOx -Emissionen mit Erdgas als Hauptbrennstoff betrieben. Heizöl dient als Notbrennstoff bei Ausfall der Erdgasversorgung. Für diesen Fall erwarten die Betreiber, dass innerhalb kurzer Zeit von Erdgas auf Heizöl umgelastet werden kann,
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ohne dass ein Abstellen und Wiederanfahren der Gasturbine erforderlich sind. Die Rückschaltung von Heizöl nach Erdgas ist meist nicht zeitkritisch. Beim Brennstoffwechsel sind die unten aufgeführten kritischen Phasen zu beachten. Der Brennstoffwechsel wird nicht von allen Herstellern für alle GT-Typen angeboten. Dass er dennoch beherrschbar ist, zeigen langjährige Betriebserfahrungen auch mit modernen Gasturbinen mit Low-NOx -Brennern. Der Zeitbedarf einer Umschaltung von Erdgas nach Heizöl setzt sich zusammen aus den Zeiten zum Vorbereiten des Heizölvorsystems (Einschalten der Vorpumpen), dem Vorbereiten des Heizölsystems der GT (u. a. Einschalten der Einspritzpumpe) und dem eigentlichen Umlastvorgang, bei dem die Brennstoffventile gegeneinander fahren. Typisch sind Werte zwischen 2 und 5 min. Kritische Punkte beim Brennstoffwechsel Das Zuschalten von Gasbrennern erfolgt wegen der Kompressibilität des Mediums und des Füllverhaltens der Leitungen mit eher geringen Leistungsschwankungen. Beim Zuschalten von Heizölbrennern kommt es bei gleichmäßig langen Versorgungswegen zu den einzelnen Brennern zu einem abrupten Leistungssprung. In der Regel ist das Umschalten im Diffusionsbetrieb verfahrenstechnisch einfacher, da keine Pilotbrenner zu- und abgeschaltet werden müssen. Beim Zu- und Abschalten eines Brennstoffes müssen bestimmte Mindestmengen berücksichtigt werden: Bei Gasbrennern kommt es bei deren Unterschreitung zu Flammenpulsation (niederfrequentes Brummen) und ggf. zu Flammenrückschlägen, bei Ölbrennern ist für eine ausreichende Zerstäubung ein Mindestdruck und damit bei Vorlaufbrennern eine Mindestmenge erforderlich. Sind die Heizölbrenner unterschiedlich hoch angebracht, ist eine Mindestmenge zur Minimierung des Effekts der Höhenunterschiede erforderlich, bei der sich eine hinreichend gleichmäßige Versorgung aller Brenner einstellt. Beim Siemens-Hybridbrenner liegen die Austrittsdüsen der Heizöldiffusionsbrenner im Bereich heißer Sekundärströmungen und werden zum Schutz vor Überhitzung und vor Querströmungen zwischen den einzelnen, über Leitungen kommunizierenden Brennern mit Verdichterendluft gesperrt. Sperrluftlose Zeiten, die beim Zuschalten der Brenner nicht zu vermeiden sind, müssen weitestgehend reduziert werden. Bei rücklaufgeregelten Brennern sind Lufteinschlüsse im Rücklauf zu beachten. Strömt eine Luftblase über das Stellventil, kommt es zum kurzzeitigen Beschleunigen der Ölsäule und damit zu Störungen an der Brennerdüse. Heiße Verbrennungsluft kann über die Brennerdüse eintreten und zur Überhitzung der Brenner führen. Heizölbrenner müssen je nach Ausführung nach dem Abschalten gespült werden, um Verkokungen zu vermeiden. Der Spülwassermassenstrom ist so zu bemessen, dass sich eine ausreichende Reinigungswirkung einstellt, ohne dass die Stabilität der Erdgasflammen beeinträchtigt wird. Bei rücklaufgeregelten Brennern kann das Spülwasser in den Rücklauf abgeführt werden, sodass sich auch große Spülwassermassenströme ohne Beeinträchtigung der Erdgasflammen realisieren lassen.
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Brennstoffmischbetrieb Neben dem Brennstoffwechsel gibt es als Sonderanforderung den stationären Brennstoffmischbetrieb. Dabei können unter Berücksichtigung von Brennstoffmindestmengen über einen weiten Bereich die Brennstoffanteile von Heizöl und Erdgas variiert werden (z. B. zwischen 20 und 80%). Der Mischbetrieb ist aufwändig bezüglich der Störfallreaktionen (Ausfall eines Brennstoffes, Lastabwurf) und der Inbetriebnahme, die ein Austesten des gesamten Fahrbereichs erfordert. NOx Emissionen sind, insbesondere wenn die Diffusionsbrenner im Eingriff sind, recht hoch. Insgesamt kommt deswegen dem stationären Mischbetrieb keine große Bedeutung mehr zu.
11.6.3 Lastabwurf Unter einem Lastabwurf versteht man die plötzliche Verringerung der Gasturbinenleistung um einen großen Betrag. Ursache für einen Lastabwurf ist meist das Öffnen des Generator- oder Blockleistungsschalters, z. B. aufgrund von Störungen im elektrischen Netz außerhalb des Kraftwerks. Je nach verbleibender Restleistung wird unterschieden in den Lastabwurf auf Leerlauf oder auf Eigenbedarf. Ziel bei einem Lastabwurf ist zunächst das Abfangen der Gasturbine auf Eigenbedarf oder Leerlauf, um nach Behebung der Störung die GT schnell wiederbelasten zu können. Bei einem Lastabwurf muss die Leistung der Gasturbine innerhalb von weniger als 1 s auf die vom Netz noch aufnehmbare Restleistung verringert werden, da die überschüssige Leistung den Turbosatz beschleunigt und bei Überschreiten der zulässigen Drehzahl die Gasturbine durch den Überdrehzahlschutz abgeschaltet würde.5 Die besondere Problematik der Gasturbinen ist dabei die direkte Koppelung von Verbrennung und Leistungserzeugung: Die Feuerleistung muss genauso schnell reduziert werden wie die elektrische Leistung. Schnelle und große Änderungen der Feuerleistung bedeuten aber eine Gefährdung der Flammenstabilität. Im Gegensatz dazu wird bei einem konventionellen Dampfkraftwerk die Kesselleistung im Minutenbereich entsprechend der Anforderung abgesenkt, die überschüssige Dampfmenge wird über Umleitstationen an der Dampfturbine vorbeigeleitet. Typisch für den Lastabwurf ist eine Restleistung, bei der ein Betrieb aller Vormischbrenner nicht mehr möglich ist. Neben der schnellen Absenkung der Feuerleistung werden bei einem solchen Lastabwurf aus dem Vormischbetrieb z. B. Brennergruppen abgeschaltet oder es wird auf Diffusionsbrenner umgeschaltet. Eine dem Lastabwurf ähnliche Situation tritt bei Kurzunterbrechungen ein. Dabei werden Netztrenner geöffnet und innerhalb einiger 100 ms wieder geschlossen. Ziel der Kurzunterbrechung ist die Behebung von Netzstörungen, wie z. B. Lichtbögen, die durch Spannungsüberschläge hervorgerufen wurden. Auch hier ist die direkte Kopplung von Verbrennung und Leistungserzeugung das Problem. Sobald 5
Die Anlaufzeitkonstante der hier betrachteten Gasturbosätze (auch Einwellenturbosätze) liegt im Bereich von 10 bis 20 s. Unter der Anlaufzeitkonstante versteht man die Zeit, in der sich bei einem Leistungsüberschuss von 100% die Drehzahl um 100% erhöht. Physikalisch ist die Anlaufzeitkonstante der Quotient aus der Nennleistung und dem Massenträgheitsmoment des Turbosatzes.
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die Gasturbine aufgrund des Leistungseinbruchs einen Lastabwurf erkennt, werden die oben beschriebenen Maßnahmen ausgelöst. Sind die Netzprobleme durch die Kurzunterbrechung behoben worden, aber die Lastabwurfmaßnahmen von der GT bereits eingeleitet, erfordert eine schnelle Wiederbelastung im Sekundenbereich spezielle Regelungs- und Steuerungsstrukturen, was nur in Sonderfällen vorgesehen wird. Besonderheiten im GuD-Betrieb Im GuD-Betrieb sind bei einem Lastabwurf der Gasturbine auch der nachgeschaltete Kessel und die Dampfturbine zu beachten. Bei einem Lastabwurf aus höherer Leistung sinken die Abgastemperaturen der Gasturbine von 500–600 °C auf die Leerlaufabgastemperaturen von ca. 200–300 °C. Durch die weiterhin hohen Abgasmassenströme bleiben die Wärmeübergangszahlen im nachfolgenden Kessel hoch. Im Kessel treten durch diese Zwangsabkühlung große Temperaturgradienten auf. Insbesondere moderne Dreidruckkessel erreichen dabei bereits nach wenigen Ereignissen die Grenze ihrer zulässigen Belastung. Im Gegensatz dazu führt ein Gasturbinenschnellschluss (auch aus höherer Leistung) für den Kessel zu einem deutlich geringeren Lebensdauerverbrauch, weil mit dem Auslaufen der GT der rapide sinkende Luftmassenstrom zu niedrigen Wärmeübergangszahlen im Kessel führt. Deshalb wird mit Rücksicht auf die Lebensdauer des Kessels im Falle eines Lastabwurfs bei vielen Anlagen auf das Abfangen der Gasturbine verzichtet und GT-Schnellschluss ausgelöst. Die Beanspruchung des Kessels beim Lastabwurf kann durch einen Bypasskamin und eine schaltbare Gasweiche zwischen Kessel und Gasturbine vermieden werden. Aus Kostengründen und wegen konstruktiver Probleme der Gasweiche, die einen Durchmesser von mehreren Metern aufweist, wird jedoch zunehmend auf einen schaltbaren Bypasskamin verzichtet.
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11.10. DIN 51871: Prüfung von gasförmigen Brennstoffen und sonstigen technischen Gasen; Bestimmung des Wasserdampf-Taupunktes; Verfahren mit gekühltem Spiegel (1985) 11.11. DIN 51872-4: Prüfung von gasförmigen Brennstoffen und sonstigen Gasen; Bestimmung der Bestandteile; Gaschromatographisches Verfahren (1990) 11.12. DVGW-Arbeitsblatt G491: Gasverteilung und Gastransport, Gas-Druckregelanlagen für Eingangsdrücke über 4 bis 100 bar – Planung, Fertigung, Errichtung, Prüfung, Inbetriebnahme. Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs e.V., Eschborn 1992 11.13. ISO 4261: Mineralölerzeugnisse; Kraftstoffe (Klasse F); Anforderungen an GasturbinenKraftstoffe für die Anwendung in Industrie und Schiffahrt (1993) 11.14. ISO 6327: Gasanalyse; Bestimmung des Wassertaupunktes von Erdgas; KondensationsHygrometer mit gekühlter Oberfläche (1981) 11.15. ISO 6570: Erdgas; Bestimmung des potentiellen Gehaltes an flüssigem Kohlenwasserstoff; Gravimetrische Verfahren (2001) 11.16. ISO 6974-1 bis 6: Erdgas; Bestimmung der Zusammensetzung mit definierter Unsicherheit durch Gaschromatographie (2000) 11.17. ISO 6975: Erdgas; Erweiterte Analyse; Gaschromatographisches Verfahren (1997) 11.18. ISO 6976: Erdgas; Berechnung von Brenn- und Heizwert, Dichte, relativer Dichte und Wobbeindex aus der Zusammensetzung (1995) 11.19. Technische Regeln für Dampfkessel (TRD): Ölfeuerungen an Dampfkesseln. TRD 411: Ausrüstung. Verband der Technischen Überwachungsvereine e.V., Essen 1997 11.20. Technische Regeln für Dampfkessel (TRD): Gasfeuerungen an Dampfkesseln. TRD 412: Ausrüstung. Verband der Technischen Überwachungsvereine e.V., Essen 1998 11.21. Engler, Th.: Untersuchungen zum Kondensationsverhalten von kohlenwasserstoffhaltigen Gasgemischen. Fortschrittsber. VDI, Reihe 3, Nr. 714. Düsseldorf 2001
Kapitel 12
Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe Andreas Heilos, Michael Huth, Jürgen Karg und Jaan Hellat
12.1 Konzepte für Vergasungskraftwerke Gasturbinen werden bis heute noch fast ausschließlich zur Verstromung von Erdgas oder Heizöl eingesetzt. Die Vorschaltung einer Vergasungsanlage ermöglicht auch die Nutzung von festen oder flüssigen Brennstoffen wie Kohle oder Raffinerierückständen, die sonst nicht direkt in einer Gasturbine bzw. GuD-Anlage mit hohem Wirkungsgrad umgesetzt werden könnten. Diese Kopplung aus Vergasungsanlage mit nachgeschalteter Gasreinigung und anschließender Nutzung des gereinigten Synthesegases (Syngas) in einer GuD-Anlage wird als IGCC-Kraftwerk (IGCC D Integrated Gasification Combined Cycle) bezeichnet. Das Basisschema eines IGCC-Kraftwerks ist in Abb. 12-1a dargestellt [12.3, 12.5]. Der mit Sauerstoff oder Luft geblasene Vergaser arbeitet bei hohem Druck und produziert ein Rohgas, das anschließend gereinigt und in der Gasturbine verbrannt wird. Die fühlbare Wärme des Rohgases und des Abgases aus der Gasturbine wird zur Erzeugung von Dampf für die Dampfturbine genutzt. Das Konzept ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Nahezu vollständige Vergasung des eingesetzten Brennstoffes (z. B. Kohle, Petrolkoks, flüssige Raffinerierückstände), • Wirksame Entfernung von Staub, Schwefel und anderen Schadstoffkomponenten, um Emissionsgrenzwerte einzuhalten oder die für den Gasturbinenbetrieb maximal zulässigen Gehalte im Brennstoff nicht zu überschreiten, • Integration der verschiedenen Teilsysteme unter Berücksichtigung von betrieblichen und Wirkungsgradgesichtspunkten. Es ist auch möglich, Prozessdampf für externe Zwecke auszukoppeln. Außerdem kann ein Teil des Syngases zur Erzeugung von Chemierohstoffen wie Wasserstoff, Ammoniak oder Methanol verwendet werden. Derartige Konzepte sind insbesondere für Anwendungen bei Raffinerien von Interesse, bei denen neben Strom auch Wasserstoff für den internen Bedarf erzeugt werden kann.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
521
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A. Heilos et al. Gasturbine (GT)
Luftzerlegungsanlage (LZA)
N2
Luft
Vergaser
Dampfturbine (DT) Dampf
Elektrizität
Luft
O2
Elektrizität
Brennstoff (fest oder flüssig) Schlacke
Quench und/oder Rohgasabhitzesystem CO-Shift (optional), Gasreinigung, CO2-Abtrennung (optional)
Rohgas
GTAbgas
Luft Dampf
Kondensat Speisewasser Quenchwasser Reingas
Staub Schwefel
Speisewasser
Reingassättigung
CO 2 (optional)
a
BrennN2 Abblasung stoff (optional)
N2 BrennAbblasung stoff
O2
Vergaser
Syngas
O2
N2 (optional)
Vergaser
Syngas
O2
N2
LZA
Luft
Luftseitig nicht integrierte Luftzerlegungsanlage
Vergaser
LZA
GT
Luft
Syngas
N2
LZA
GT
Luft
Brennstoff
GT
Luft
Luft
Luftseitig teilintegrierte Luftzerlegungsanlage
Luftseitig voll integrierte Luftzerlegungsanlage
b Abb. 12-1 a IGCC-Kraftwerk ohne und mit CO2 -Abtrennung (Prinzipdarstellung); b Integrationsmöglichkeiten für IGCC-Kraftwerke
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe
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Wesentliche Teilanlagen eines IGCC-Kraftwerkes sind: • • • • • •
Vergasungsanlage, Systeme zur Nutzung der Rohgaswärme, Gasreinigungsanlage mit Schwefelrückgewinnung, Luftzerlegungsanlage (nur für O2 -geblasene Anlagen), Gasturbine mit Abhitze-Dampferzeuger, Dampfturbine.
Die Vergasungstechnologie kann je nach Brennstoff aus den bekannten Verfahren wie Festbett-, Wirbelschicht- und Flugstromvergasung ausgewählt werden. Für IGCC-Anwendungen hat sich allerdings die Flugstromvergasung als bevorzugte Technologie herauskristallisiert. In vielen Vergasungsprozessen wird die fühlbare Wärme des heißen Rohgases in einem Rohgaskühler zur Dampferzeugung genutzt. Alternativ wird allerdings auch das Quenchen durch Wassereinspritzung verwendet. Das Quench-Konzept ist insbesondere dann von Interesse, wenn das erzeugte Syngas noch einer weiteren Prozessstufe, dem sog. CO-Shift zugeführt wird. Dabei wird CO mit Wasserdampf zu CO2 und Wasserstoff umgesetzt. Nach Abtrennung des CO2 steht dann ein H2 -reiches Gas für chemische Folgeprozesse zur Verfügung. Dieses Prinzip mit Shift liegt auch den IGCC-Konzepten mit CO2 -Abtrennung zugrunde, die verstärkt als sog. Pre-combustion-Capture-Lösung für Kohlekraftwerke diskutiert wird [12.21]. Generell wird bei IGCC-Konzepten mit oder ohne CO2 Abtrennung das Rohgas in einer Gasreinigungsanlage von Schadstoffkomponenten wie H2 S, COS, HCl, NH3 , HCN und ggf. Reststaub befreit. Der abgetrennte H2 SStrom kann zu elementarem Schwefel (z. B. in einer Claus-Anlage) umgewandelt werden. Die Reinigung des Brennstoffes wird dabei unter optimalen Prozessbedingungen, d. h. bei hohem Druck und vor der „Verdünnung“ durch Verbrennungsluft durchgeführt. In dieser Weise werden die Emissionen der „klassischen“ Luftschadstoffe Schwefeldioxid und Stickoxid auf minimale Werte abgesenkt, ohne dass nachgeschaltete Abgasreinigungsanlagen (Rauchgasentschwefelung, Stickoxidminderung) und dafür notwendige Zusatzstoffe wie Kalkstein oder Ammoniak notwendig sind. Hinter der Gasreinigungsanlage wird das Reingas wieder erhitzt, falls nötig mit überschüssigem Stickstoff aus der Luftzerlegungsanlage verdünnt und/oder mit Wasser aufgesättigt und anschließend in der Gasturbine verbrannt. Die Aufsättigung erlaubt die Nutzung von Wärme auf niedrigem Temperaturniveau, erhöht den Massenstrom durch die Gasturbine und damit deren Leistungsabgabe und reduziert die von der Gasturbine emittierten Stickoxide. Die Luftzerlegungsanlage (LZA) produziert Sauerstoff in der gewünschten Reinheit, die für den jeweiligen Vergasungsprozess benötigt wird. Daneben wird Stickstoff erzeugt: Ein Teil der Vergasungsverfahren benutzt einen kleinen Teilstrom mit Rein-Stickstoff zur Förderung der festen Brennstoffe und zu Inertisierungszwecken. Der größere Teilstrom kann entweder verkauft oder dem Syngas als Verdünnungsstickstoff beigemischt werden. Ein wichtiges Merkmal für Wirkungsgrad und Leistung eines IGCC-Kraftwerkes und die Auslegung des Gasturbinenverdichters ist der Grad der Integration des Verdichters in die Versorgung der LZA mit komprimierter Luft.
524
A. Heilos et al.
In luftseitig zu 100% integrierten Anlagen (s. Abb. 12-1a und 12-1b) wird die gesamte von der LZA benötigte Luft vom Gasturbinenkompressor verdichtet. Der Hauptanteil des von der LZA produzierten Stickstoffes wird der Gasturbine wieder zugeführt, indem er rückverdichtet und anschließend dem unverdünnten, gereinigten Syngas zugemischt wird oder an anderer Stelle stromabwärts des Verdichters der Luft zugeführt wird. Der Massenstrom durch die Turbine ist damit fast der gleiche wie mit den Standardbrennstoffen Erdgas oder Heizöl. Bei dem luftseitig zu 100% integrierten Anlagenkonzept können daher der gleiche Verdichter und die gleiche Turbine wie für Standardbrennstoffe ohne Modifikation verwendet werden. In einer luftseitig nicht integrierten Anlage (s. Abb. 12-1b) wird die Luft für die LZA von einem zusätzlichen, unabhängig von der Gasturbine betriebenen Verdichter geliefert. Durch den großen, durch die Brenner zugeführten, niederkalorischen Syngas-Massenstrom wird der Gasturbine in diesem Fall ein im Vergleich zum Verdichtermassenstrom wesentlich größerer Turbinenmassenstrom aufgeprägt. Das hierdurch im Unterschied zur Auslegung für Standardbrennstoffe wie Erdgas oder Heizöl entstehende Ungleichgewicht zwischen Turbinen- und Verdichtermassenstrom kann ohne Anpassungen an der Gasturbine zu folgenden grundsätzlichen Schwierigkeiten führen: • Infolge des über den Auslegungspunkt erhöhten Turbinenmassenstroms besteht die Gefahr, dass insbesondere in den hinteren Turbinenstufen kritische Strömungszustände erreicht werden, die zum sog. Schaufelflattern führen können. • Infolge des erhöhten Turbinenmassenstroms wird über die Turbine ein höheres Druckverhältnis aufgebaut, und infolge nähert sich die Fahrlinie des Verdichters der Pumpgrenze an und droht diese zu überschreiten. Folgende Anpassungen zur Vermeidung der oben beschriebenen Effekte sind an der Gasturbine prinzipiell möglich: • Luftentnahme zur Speisung der LZA (Luftintegration, s. o.). • Öffnen des Turbinenströmungspfades zur Reduktion des Druckaufbaus bei erhöhtem Massenstrom und Anpassung der Turbinenschaufelprofile für erhöhte Massenströme. • Reduktion des Verdichtermassenstromes und Anpassung der hinteren Verdichterstufen, um einen ausreichenden Pumpgrenzabstand zu erreichen. Weil typischerweise die Forderung besteht, dass der Betrieb mit einem Standardbrennstoff (falls der niederkalorische Brennstoff nicht zur Verfügung steht) nicht oder nur geringfügig eingeschränkt sein soll, müssen die Anpassungen an Verdichter oder Turbine so vorgenommen werden, dass sie nicht nur zu einer Anpassung, sondern vielmehr zu einer Erweiterung des zulässigen Betriebsbereiches führen. Da der Entwicklungsaufwand zur Anpassung der Turbine (komplex gekühlte gegossene Bauteile) typischerweise größer ist als im Bereich des Verdichters, bietet es sich an, erforderliche Anpassungen vornehmlich am Verdichter vorzunehmen. Für eine Anpassung am Verdichter ist es zunächst erforderlich, den Verdichtermassenstrom im gesamten Betriebsbereich abzusenken, um den Turbinenmassenstrom im Auslegungsbereich zu halten. Hierbei ergeben sich ähnlich hohe Druck-
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe
525
verhältnisse wie bei der nicht angepassten Maschine im Betrieb mit Standardbrennstoff. Infolge des verminderten Verdichtermassenstroms ergeben sich an den Frontstufen ein geringeres Stufendruckverhältnis und im weiteren Verlauf stromab eine zunehmende Stufenbelastung. Um der Überlastung der hinteren Verdichterstufen entgegenzuwirken, kann an diesen das Stufendruckverhältnis abgesenkt und der Enddruck schließlich durch eine oder mehrere am Ende des Verdichters hinzugefügte Stufen erreicht werden. Hierdurch erhält man einen Verdichter mit erweitertem Betriebsbereich und erhöhtem Pumpgrenzabstand. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, die Frontstufe wegzulassen. Hierdurch wird aber nur der Betriebspunkt verschoben und der Pumpgrenzabstand nicht erhöht, sodass dann der Betrieb mit dem Standardbrennstoff nicht mehr effektiv möglich ist. Als Folge einer Verdichteranpassung mit verändertem axialem Profil des Druckaufbaus im Verdichter ist eine Anpassung des Sekundärluftsystems erforderlich. Hierzu sind die Entnahmepositionen am Verdichter so weit stromab zu verlagern, dass für alle Betriebszustände ein ausreichender Versorgungsdruck zur Kühlung der jeweiligen Turbinenstufen gewährleistet ist. In einer nicht integrierten Anlage wird der Zusatzaufwand für den externen Zusatzverdichter wettgemacht durch die Entkoppelung des Gasturbinenprozesses von der LZA und durch den frei wählbaren Anteil des Stickstoffs, der als Verdünnung dem Syngas zugemischt wird. Das Anlagenkonzept führt zu einer hohen Flexibilität in verschiedenen dynamischen Betriebszuständen wie Starten, Abstellen und Laständerung. So wird z. B. ein von der Gasturbine unabhängiges Anfahren von Luftzerlegungs- und Vergasungsanlage ermöglicht, wodurch Zweitbrennstoff (Erdgas oder Heizöl) in dieser Betriebsphase eingespart werden kann. Allerdings ist dieses Konzept mit leichten Wirkungsgradeinbußen verbunden. Prinzipiell sind auch luftseitig teilintegrierte Anlagen möglich, wo z. B. 50% der zur Vergasung benötigten Luft von einem Zusatzverdichter und die restlichen 50% vom Gasturbinenverdichter komprimiert werden. Solche Anlagen kombinieren die thermodynamisch vorteilhafte Miteinbeziehung des Gasturbinenverdichters mit der Flexibilität des Zusatzverdichters (z. B. für Anfahrvorgänge). Die Druckverhältnisse von mit Syngas betriebenen Gasturbinen liegen im Allgemeinen nicht weit weg von den Werten der mit Standardbrennstoffen betriebenen gleichartigen Maschinen. Wirkungsgrade von ausgeführten IGCC-Anlagen auf Kohlebasis liegen bislang bei max. 45% [12.1, 12.2, 12.4, 12.6]. Dabei gilt als Faustformel, dass eine IGCCAnlage gegenüber einer GuD-Anlage mit Erdgas zu einer Wirkungsgradeinbuße von etwa 10%-Punkten führt, sofern die Anlage mit der gleichen Gasturbine und vergleichbarer Turbineneintrittstemperatur arbeitet. Die zusätzlichen Verluste rühren von den Umwandlungsverlusten bei der Vergasung und zusätzlichen Energieverbrauchern (z. B. Kompressoren) für den Vergasungsprozess, die Gasreinigung und die Luftzerlegung her. Potenzial für eine weitere Wirkungsgraderhöhung ist v. a. durch Einsatz von Gasturbinen mit höheren Turbineneintrittstemperaturen gegeben. Weitere Maßnahmen sind verbesserte Komponentenwirkungsgrade (s. Kap. 2) und optimierte Integration der Teilsysteme des IGCC-Kraftwerks. Eine Wirkungsgrad-
526
A. Heilos et al.
verbesserung ist v. a. auch für Anlagenkonzepte mit CO2 -Abtrennung von Bedeutung, da die Abscheidung von CO2 , einschließlich der für den Transport und die Speicherung erforderlichen Verdichtung, mit zusätzlichen Umwandlungsverlusten verbunden ist. Nachteil der relativ jungen IGCC-Technologie sind bei reiner Stromerzeugung die gegenüber konventionellen Dampfkraftwerken höheren Investitionskosten. Bei Anlagenkonzepten mit CO2 -Abtrennung verändert sich jedoch das Bild, da die Abtrennung von CO2 aus dem Abgas von Dampfkraftwerken („post-combustion capture“) deutlich aufwändiger ist als die Abtrennung aus dem Brennstoff bei einer IGCC-Anlage („pre-combustion capture“).
12.2 Übersicht über bestehende Anlagen In Europa sind im August 2008 zwei IGCC-Kraftwerke (Integrated Gasification Combined Cycle) auf Kohlebasis (Buggenum – Niederlande: 253 MW, s. [12.6] und Puertollano – Spanien: 300 MW) und sechs weitere IGCC-Kraftwerke im Raffineriebereich (s. z. B. Pernis Rotterdam – Niederlande: 120 MW, ISAB Priolo – Italien: 500 MW [12.1] und API Falconara – Italien: 280 MW [12.9]) in Betrieb. Tabelle 12-1 gibt eine Übersicht über weltweit bestehende Projekte mit elektrischen Leistungen über 100 MW. In [12.21] findet man weitergehende Diskussionen.
12.3 Brennstoff und Brennstoffsystem 12.3.1 Brennstoffcharakterisierung Die Zusammensetzung von Syngasen, die in der Gasturbine zur Verbrennung gelangen, variiert beträchtlich von Anlage zu Anlage. Die Konzentration der Hauptkomponenten CO, CO2 , H2 , H2 O und N2 hängt von dem eingesetzten Vergasungsbrennstoff (Kohle verschiedener Zusammensetzungen, Raffinerierückstände, : : : ) vom verwendeten Verdünnungsmedium (N2 , H2 O) und davon ab, ob CO2 abgetrennt wird. Darüber hinaus kann auch noch Beimischung von Erdgas auftreten. Für die Auslegung der Brenner und die Vorhersage des Verbrennungsverhaltens (insbesondere die Übertragung von bestehenden Anlagen auf neu zu bauende) ist eine Brennstoffcharakterisierung mit wenigen, aber aussagekräftigen Parametern wünschenswert. Folgende Parameter erlauben eine gewisse Charakterisierung: • Wobbeindex • Laminare Flammengeschwindigkeit und die hieraus gebildete charakteristische Reaktionszeit reakt . Weitere Parameter von Bedeutung sind die Zündverzugszeit (s. Abschn. 12.4.1) und die Zündgrenzen.
USA
Dow Chemical/ Plaquemine, Lousiana Nuon/Buggenum
2000 (2003)
2003
2007
2007
2009
Singapore
USA
Japan
Italien
Exxon Chawan/Jurong Island Valero/Delaware City, Delaware Nippon Petroleum/Negishi Enipower/Sannazzaro
Clean Coal Power/Nakoso Japan
Fujian Petrochemical/ Quangang Huaneng GreenGen/ Tianjin
a
2000
Italien
Sarlux/Sarroch
2011
250
280
250
250
342
240
180
550
280
300 520
120
Strom C Wärme C Wasserstoff Strom
Strom
Strom C Wasserstoff
Strom
Strom C Wärme C Wasserstoff Strom C Wärme
Strom C Wasserstoff
Strom C Wärme
Strom C Wärme C Wasserstoff Strom Strom C Wärme
Strom C Wärme
350
Lurgi (Festbett) GE, ehemals Texaco (Flugstrom) E-Gas; ehemals Destec (Flugstrom) Shell
Vergasertyp
Flüssige Raffinerie- Shell (Ölvergaser) rückstände Kohle TPRI (Flugstrom)
E-Gas; ehemals Destec (Flugstrom) Kohle/Petrolkoks GE, ehemals Texaco (Flugstrom) Kohle/Flüssige Lurgi (Festbett)/ Siemens Rückständea (Ölvergaser)a Flüssige Raffinerie- Shell (Ölvergaser) rückstände Kohle/Petrolkoks Uhde Prenflo (Flugstrom) Flüssige Raffinerie- GE, ehemals Texaco rückstände (Ölvergaser) Flüssige Raffinerie- GE, ehemals Texaco rückstände (Ölvergaser) Flüssige Raffinerie- GE, ehemals Texaco rückstände (Ölvergaser) Flüssige Raffinerie- GE, ehemals Texaco rückstände (Ölvergaser) Petrolkoks GE, ehemals Texaco (Flugstrom) Flüssige Raffinerie- GE, ehemals Texaco rückstände (Ölvergaser) Flüssige Raffinerie- Shell (Ölvergaser) rückstände Kohle Misubishi (Flugstrom) Strom C Wärme
253
250
Kohle
Strom C Wärme
262
Kohle Kohle
Strom Strom
Brennstoff
Strom; CO2 -Abtren- Kohle/Biomasse nung aus Synthesegas–Teilstrom geplant Strom Kohle/Petrolkoks
208
163 120
Nettoleistung Anwendung [MW]
2007 wurde der Lurgi (Festbett) Vergaser durch einen Siemens-Ölvergaser ersetzt. Dabei kommen anstelle von Kohle flüssige Rückstände als Brennstoff zum Einsatz.
Quanzhou, CHI China
2000
Italien 3 General Electric Frame 9E 2 General Electric Frame 6FA 2 General Electric Frame 6FA 1 Mitsubishi M701F 1 Siemens V94.2K (SGT5-2000E) 1 Mitsubishi M701DA 2 General Electric Frame 9E 1 Siemens SGT5-2000E(LC)
1998 1999
Spanien Italien
Elcogas/Puertollano Isab Energy/Priolo Gargallo Api/Falconara
2000
Niederlande 1997
Shell/Pernis
1 General Electric Frame 7FA 1 General Electric Frame 7FA 2 General Electric Frame 9E 2 General Electric Frame 6B 1 Siemens V94.3 2 Siemens V94.2K (SGT5-2000E) 1 Alstom GT13E2
1 Siemens V93 1 General Electric Frame 7E 2 Siemens W501D5 1 Siemens V94.2 (SGT5-2000E)
Wabash River Energy/ USA 1995 West Terre Haute, Indiana Tampa Electric/Polk USA 1996 County, Florida SUV/Vresowa Tschechien 1996/2007a
Niederlande 1994
1987
Deutschland 1972 USA 1984
Steag/Lünen SCE/Cool Water
Jahr der IBS Gasturbinentyp mit Synthesegas
Land
Betreiber/ Standort
Tabelle 12-1 Gasturbinen-Kraftwerksprojekte mit integrierter Vergasung (> 100 MW)
Anlage im Bau
Kommerzieller Betrieb
Demonstrationsbetrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Kommerzieller Betrieb
Vergasung stillgelegt; seit 1997 Erdgasbetrieb Kommerzieller Betrieb
Anlage stillgelegt Anlage stillgelegt
Status
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe 527
528
A. Heilos et al.
Im Folgenden sollen die zwei erstgenannten Parameter eingehender diskutiert werden. Wobbeindex Der Wobbeindex W wird traditionsgemäß zur Charakterisierung von Erdgasen verwendet (s. z. B. [12.11] und Abschn. 11.2.1). Er ist definiert als: Hu WD p Br =Luft mit Br : Syngas-Dichte; Luft : Luftdichte; Hu : volumetrischer unterer Heizwert. Gase mit gleichem Wobbeindex ergeben bei gleichem Druckgefälle über den Brenner den gleichen Energie- bzw. Enthalpiestrom HP in die Brennkammer: 1 Hu p Aeff HP D p Luft Br =Luft
p 2 p
mit Aeff : effektive Flächen der Syngas-Düse; p: Druckgefälle über die SyngasDüse. Der Wobbeindex ist ein modifizierter volumetrischer Heizwert und berücksichtigt zusätzlich die Brennstoffdichte, die in die Berechnung des Enthalpiestroms mit eingeht. Die Luftdichte ist nur zur Normierung eingeführt. H2 (W D 41 MJ=m3 ) hat einen ähnlichen Wobbeindex wie Erdgas (W 48 MJ=m3 ), dagegen CO (W D 12 MJ=m3 ) einen sehr viel geringeren. Laminare Flammengeschwindigkeit slam – charakteristische Reaktionszeit reakt Die laminare Flammengeschwindigkeit slam ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Flammenfront in das Frischgasgemisch. Sie ist ein Maß für die Rückschlagsneigung bzw. für die Abblasestabilität eines Brennstoffes. Die laminare Flammengeschwindigkeit ist durch die Reaktionskinetik und die Transporteigenschaften des Brennstoff-Luftgemisches bestimmt, die turbulente zusätzlich durch den Turbulenzzustand der Strömung. Aus der laminaren Flammengeschwindigkeit slam kann die charakteristische Reaktionszeit reakt gebildet werden: reakt D
a 2 slam
mit a: Temperaturleitfähigkeit des Brennstoff-Luftgemisches. reakt kann als Verweilzeit in der laminaren Flammenfront interpretiert [12.12] werden und liegt für Syngase zwischen 1–100 µs. Aus dem Vergleich mit einer charakteristischen Konvektionszeit konv kann ein Kriterium für Flammenrückschlag bzw. Brennerüberhitzung entwickelt werden [12.13]: reakt < const konv
H2 [vol%] CO [vol%] H2 O [vol%] N2 C Ar [vol%] CO2 [vol%] CH4 [vol%] H2 /CO [vol=vol] LHV [MJ=m3 ] LHV [MJ=kg] W [MJ=m3 ] max. laminare Flammengeschwindigkeit, bei 340 °C, 11 bar [m=s] reakt [µs]
Brennstoff
0,4 4,87 4,33 5,2 0,99
10
14
11–12
11 29 4 54 2
verdünnt
0,5 4,46 4,32 5,0 0,81
25 67 0 4 4
unverdünnt
12 25 19 43 1
verdünnt
Kohle/Petrolkoks
Puertollano
30 64 1 3 2
unverdünnt
Kohle
Buggenum
15–16
48 46 1 1 5
unverdünnt
Asphalt
PrioIo ISAB
3
1,1 7,05 9,5 9,4 1,65
31 30 35 1 3
verdünnt
unverdünnt
1,5
7
1,00
44
28 28
verdünnt
Schwerölrückstände
API Falconara
88 5 0 7 0
unverdünnt
Kohle
3
8,6 7,6 1,99
18,2
44 2 36 17 0
verdünnt
Typisches Syngas nach CO2 -Abscheidung
50 41 0,6
100
Erdgas
SGT52000E
Tabelle 12-2 Eigenschaften von Syngasen aus der Vergasung von Kohle und Asphalt: Beispiel 1: Buggenum Niederlande, Kohlevergasung (Siemens); Beispiel 2: Puertollano Spanien, Kohle-Petrolkoksvergasung (Siemens); Beispiel 3: ISAB-Priolo Italien, Asphalt-Vergasung (Ansaldo-Siemens); Beispiel 4: API Falconara Schwerölvergasung (Alstom). Zum Vergleich sind typische Gase nach CO2 Abscheidung und Erdgas aufgeführt
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe 529
530
A. Heilos et al.
mit konv D D=u; D: charakteristischer Brennerdurchmesser; u: charakteristische Strömungsgeschwindigkeit im Brenner. Hieraus lässt sich nach einigen Umformungen folgendes Kriterium bilden. Dieses Kriterium ist auch bekannt als Pecletzahl-Kriterium ( [12.12,12.14]); die PecletZahl ist definiert als Pe D u D=a. Flammenrückschlag oder Brennerüberhitzung ist demnach zu erwarten, wenn slam D 2 uD < const a a oder: u<
2 slam f .Brennergeometrie/: a
Diese Formel besagt, dass für einen gegebenen Brenner für zwei Syngase Flammenrückschlag bzw. Brennerüberhitzung für gleiche Strömungsgeschwindigkeit u 2 =a für beide Syngase gleich ist. Dies ist gleichbedeuauftritt, wenn 1=reakt D slam tend mit gleicher charakteristischer Reaktionszeit. Die Tabelle 12-2 zeigt die charakteristischen Brennstoffeigenschaften für ein Syngas typisch für Kohlevergasung (Anlage Buggenum – Niederlande: 250 MW) und typisch für Schwerölrückstandsvergasung (Anlage ISAB Priolo: 500 MW und API Falconara: 275 MW).
Erdgas Syngas
Erdgas Abscheider
Sperr- RegelGasschloss ventil ventil
zur LZA
Gasschloss
Dampf Regelventil Fackel
Syngas Stickstoff
Mischer
Gasschloss
Sperrventil BypassSperrventil RegelAbblase- ventil RegelSpülventil ventil Abscheider Vorwärmer
Schnellschlussklappe
zum Abhitzekessel
Regelklappe
Abb. 12-2 Brennstoffsystem für Syngas und Erdgas für die IGCC-Anlage Buggenum – Niederlande
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe
531
Das unverdünnte Syngas entspricht der Zusammensetzung des Reingases nach der Gasreinigung, das verdünnte Syngas entsteht durch Aufsättigung mit Wasser und/oder Beimischung von Verdünnungs-Stickstoff aus der LZA vor Eintritt in die Gasturbinenbrenner (vgl. Abb. 12-2). Es ist ersichtlich, dass die beiden Syngase aus der Kohlevergasung bezüglich reakt und Wobbeindex ziemlich ähnlich sind, dagegen die Gase aus der Schwerölvergasung (SV D Schwerölvergasung) und das Gas aus der CO2 -Abscheidung (CCS D Carbon capture and storage) aufgrund des höheren Wasserstoffgehalts reaktiver sind und einen höheren Wobbeindex aufweisen. Daraus lässt sich schließen, dass man die Kohlegasvergasungsgase und die beiden letztgenannten Gase bei der Brennerentwicklung als zwei unterschiedliche Brennstoffklassen behandeln sollte, das SV-Gas und das CCS-Gas aber ähnliches Verhalten aufweisen sollten. Darüber hinaus haben das SV- und CCS-Gas noch zusätzlichen Spielraum, um mit noch höheren Verdünnungen zu fahren, falls dies notwendig werden sollte, um z. B. die NOx -Emissionen weiter zu senken.
12.3.2 Brennstoffsystem Aufgrund des niedrigen Syngas-Heizwertes ergeben sich sehr hohe Brennstoffmassenströme (s. Tabelle 12-2). Der Syngas-Massenstrom in der gleichen Maschine bei Grundlast ist etwa 5- bis 10-mal größer als mit Erdgas, was entsprechende Anpassungen in dem gesamten Brennstoffsystem erfordert. So besteht z. B. das Brennstoffsystem in Buggenum (Siemens Energy – Abb. 12-2) aus einem Rohrnetz mit sehr großen Durchmessern (DN600), in dem Stellklappen als Regel- und Absperrarmaturen verwendet werden [12.4]. Da Syngase hochgiftig und explosiv sind, muss das Brennstoffsystem hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen. Daher kommen aus sicherheitstechnischen Überlegungen Schweißlippendichtungen, Absaugsysteme und Gasdetektoren zum Einsatz. Bei von der Brennkammer in die Rohrleitungen rückwärts eindringender Luft muss mit unkontrollierten Reaktionen innerhalb des Brennstoffsystems gerechnet werden. Daher werden umfangreiche Spülprozeduren vor und nach dem SyngasBetrieb durchgeführt. Außerdem sind alle Entlüftungen des Systems mit einer zentralen Syngas-Fackel verbunden.
12.4 Brenner 12.4.1 Konzepte für Syngas-Verbrennung Auch die Brennerauslegung muss für den Betrieb mit Syngas gegenüber einer Erdgasausführung geändert werden. Zum einen bedingen die hohen Syngas-Massenströme, dass der Strömungsquerschnitt der Syngas-Passage im Vergleich zur Erdgasdüse sehr viel größer ist. Die verbrennungstechnischen Eigenschaften von Syngas unterscheiden sich vom Erdgas vor allen Dingen durch die höhere Reaktivität
532
A. Heilos et al.
Abb. 12-3 Vergleich der berechneten laminaren Flammengeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Luftzahl [12.4]
(erkennbar an höherem reakt und höherer Flammenausbreitungsgeschwindigkeit) bei unverdünntem Syngas (s. Tabelle 12-2 und Abb. 12-3). Dazu kommen wesentlich kürzere Zündverzugszeiten und ein sehr viel größerer Zündbereich des SyngasLuft-Gemisches. Diese Eigenschaften bedingen, dass die Stabilisierung von mageren Vormischflammen mit Syngas einfacher ist, dass aber die erhöhte Rückzündneigung des Syngases vor allen Dingen beim Betrieb mit unverdünntem Syngas beachtet werden muss. Die NOx -Emission ist ein wichtiger Parameter für die Auslegung eines Brenners. Zwei Grundkonzepte zur Erreichung niedriger NOx -Emissionen werden für Gasturbinenbrenner ausgenutzt: • Absenkung der Temperatur einer Diffusionsflamme durch Zumischung von Inertgasen wie Stickstoff oder Wasserdampf zum Brenngas. • Magere Vormischverbrennung. Bei einer luftseitig zu 100% integrierten Anlage wird, wie oben ausgeführt, die gesamte Luft für die LZA vom Gasturbinenverdichter geliefert. Die LZA arbeitet dabei auf hohem Druckniveau. Dieses Konzept ist nur dann sinnvoll, wenn der gesamte von der LZA erzeugte Stickstoff der Gasturbine wieder zugeführt wird. Dies legt es nahe, die erstgenannte Methode zur NOx -Minderung zu verwenden, was durch den hohen H2 -Gehalt von Syngasen und der daraus resultierenden hohen Reaktivität (Flammengeschwindigkeit) erleichtert wird. Die hohe Reaktivität ermöglicht eine starke Verdünnung des Syngases, ohne Einbußen in der Flammenstabilität (Abblasen) in Kauf nehmen zu müssen. So sind die maximalen Flammengeschwindigkei-
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe
533
ten von Erdgas (75 cm=s) und verdünntem Syngas aus Kohlevergasung (78 cm=s) in etwa gleich (vgl. Tabelle 12-2 und Abb. 12-3), die maximale Flammentemperatur des Syngases liegt aber um 400 °C unter der von Erdgas. An Stelle oder zusätzlich zur Verdünnung mit N2 kann eine Verdünnung durch Wasserdampf durch Aufsättigung des Syngases vorgenommen. Bei einer nicht integrierten Vergasung ist der Anteil des Verdünnungsstickstoffes im Syngas frei wählbar und damit die Höhe der NOx Emissionen einstellbar. Vormischkonzepte (Konzept 2) sind bisher nur als Versuchsbrenner realisiert worden. Die hohen Brennstoffströme, die hohe Reaktivität und die weiten Zündgrenzen machen die Konstruktion eines Syngas-Vormischbrenners sehr viel schwieriger als die eines Erdgas- oder Heizölvormischbrenners (s. z. B. für weitere Details [12.16]).
12.4.2 Überblick über Brennerkonzepte verschiedener Hersteller Im Folgenden sollen die Verbrennungssysteme für Syngas der Gasturbinenhersteller beschrieben werden, die Maschinen für Syngas-Verbrennung anbieten. Alstom Power Aus Gründen der erhöhten Rückzündneigung wurde bei dem EV-Vormischbrenner der Fa. Alstom der Ort der Syngas-Eindüsung in die Nähe der Flammenstabilisierungszone an den Brenneraustritt verlegt. Statt einer Gaseindüsung entlang der Lufteintrittsschlitze, wie bei Erdgas, wird das Syngas am Brenneraustritt durch entsprechend vergrößerte Bohrungen radial nach innen in Richtung der inneren Rezirkulationszone eingedüst (s. Abb. 12-4). Dies hat zu Folge, dass stromauf von der Flammenstabilisierung in der Rückströmzone kein zündbares Gemisch existiert und damit eine Rückzündung in den Brenner ausgeschlossen wird. Die strömungstechnische Luftführung des Syngas-EV-Brenners wurde unverändert von der Erdgasvariante übernommen. Als Zweitbrennstoff wird Dieselöl standardmäßig über eine Düse in der Konusspitze eingedüst [12.7, 12.10]).
Wirbelzerfall
Gasdüsen Verbrennungsluft
Abb. 12-4 EV-Brenner für MBTU (mittelkalorisches) Syngas (Alstom)
Flammenfront
MBTU-Syngas
534
A. Heilos et al.
1000
NOx, 15% O2, trocken [vppm]
unverdünntes Syngas
100 p = 16,5 bar T Flamme ad. = 1750 K T Luft = 410 °C Hz: CO = 0,95 vol U Brenner = 31–33 m/s
10 6,00
7,00
8,00
9,00
10,00 11,00 12,00 Heizwert [MJ/kg]
13,00
14,00
15,00
Abb. 12-5 NOx -Emissionen des EV-Syngas-Brenners in Abhängigkeit von der Stickstoffverdünnung (Alstom)
Mit dem Syngas-EV-Brenner in einer Ringbrennkammeranordnung der GT13E2 der Fa. Alstom Power kann bei einer Verdünnung auf 7 MJ=kg die NOx Emission unter 25 ppm gehalten werden (s. Abb. 12-5). Siemens Energy Maschinen mit Silobrennkammern Bei den bisher im 50-Hz-Markt zur Anwendung gelangten SGT5-2000E (früher V94.2) und den V94.3-Maschinen werden Silobrennkammern eingesetzt. Diese Anordnung erlaubt eine einfache Anbringung einer Luftentnahmeleitung, durch die bis zu 20% des Verdichtermassenstroms hinter dem Verdichter abgeführt werden kann. Abbildung 12-6 zeigt den 50-Hz-Syngas-Brenner der Fa. Siemens im Vergleich zur Erdgasausführung [12.3,12.4,12.16,12.17]. Das Syngas wird, durch einen kreisringförmigen Spalt um die Brennernabe herum verdrallt, der Brennkammer zugeführt. Durch die Gestaltung der Syngas-Passage bezüglich z. B. Drall und freier Querschnittsfläche kann der brennstoffseitige Druckverlust an die Anforderungen des Anlagenkonzeptes angepasst werden. Abgesehen von der Syngas-Passage ist der Syngas-Brenner im Beispiel weitgehend baugleich mit dem normalen Hybridbrenner der Fa. Siemens (Abb. 12-6a). Infolgedessen ist der Betrieb mit Zweitbrennstoff über die Erdgasbrenner-Passage und/oder über eine Standardöllanze unter den gleichen Bedingungen wie bei dem Standardbrenner möglich. Der Zweitbrennstoff wird insbesondere für das An- und Abfahren der Gasturbine benützt, kann aber auch für den Grundlastbetrieb eingesetzt werden. Bei genügend hoher Verdünnung
12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe
535
Abb. 12-6a,b Brenner für 50-Hz-Maschinen: a Standard Hybridbrenner; b Syngas-Brenner (Siemens Energy) [12.4]
werden NOx -Werte unter 25 ppm (bezogen auf 15% O2 / im praktischen Betrieb erreicht [12.6]. Maschinen mit Rohrbrennkammern (Can-Annular-Brennkammern) Abbildung 12-7 zeigt den Brennertypen, der bisher in Rohrbrennkammern (CanAnnular, s. auch Abschn. 10.3.4) zum Einsatz gekommen ist [12.15]. Dieser Brennertyp wurde ungefähr 10 Jahre bis zur Stilllegung des Vergasers 1997 in Plaquemine/USA in 2 W501D5-Maschinen (60 Hz) (SGT6-3000E) betrieben (s. Tabelle 12-1). Er ist wie der Silobrennkammer-Brenner ein Diffusionsbrenner. Er wurde bisher für Brennstoffe von bis zu 72% H2 -Gehalt und verschiedenen Verdünnungsmedien eingesetzt [12.15–12.17]. General Electric General Electric benutzt für IGCC-Anwendungen ähnliche Can-Annular-Brennkammern wie für ihre mit konventionellen Brennstoffen befeuerten Maschinen. Die Brenner sind abgeleitet von einer Vorgängergeneration des derzeitig verwendeten Dry-Low-Nox-Brennersystems für Erdgas [12.18, 12.20]. In diesen Brennern kommen Syngas-Diffusionsflammen, die mit N2 oder anderen Medien verdünnt werden, zum Einsatz. Anders als Alstom oder Siemens setzt General Electric das Verdünnungsmedium in vielen Anwendungsfällen nicht dem Syngas, sondern der Verbrennungsluft zu (z. B. Tampa Electric-Polk County: 7FA oder Valero-Delaware: 6FA). Die General Electric Syngas-Brenner können mit zwei Brennstoffen betrie-
536
A. Heilos et al.
Abb. 12-7 Brenner für 60-Hz-Maschinen: Syngas/Erdgasbrenner der Firma Siemens Energy [12.15]
ben werden entweder in Kombination mit Erdgas oder Heizöl. Der konventionelle Gasturbinen-Brennstoff wird wie bei Siemens zum Start und zum Abfahren benutzt und kann auch bis Grundlast eingesetzt werden. Mitsubishi Über die Syngas-Brennerkonstruktion ist bisher wenig veröffentlicht worden. In [12.19] findet man einige wenige Informationen. Bisher wurden zwei Anlagen in Betrieb genommen: s. Tabelle 12-1.
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12 Vergasung fester und flüssiger Brennstoffe
537
12.8. Harasgama P, Reyser K, Griffin T (1997) The GT13E2 Medium BTU Gas Turbine. Gasification Technology in Practice, Milan, February 12.9. Del Bravo R et al. (1998) Api Energia IGCC Plant is Fully Integrated with Refinery, June, MPS (Modern Power Systems) 12.10. Del Bravo R, Reyser K (1999) Preliminary Results of Testing and Commissioning – Api Energia 276 MW IGCC Plant in Italy. Power-Gen Europe 12.11. Cerbe G (2008) Grundlagen der Gastechnik, 7. Aufl. Hanser, München Wien, Abschn. 2.2.4 12.12. Warnatz J, Maas U, Dibble RW (2001) Technische Verbrennung, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York, Abschn. 8.1 12.13. Hoffmann S (1994) Untersuchungen des Stabilisierungsverhaltens und der Stabilitätsgrenzen von Drallflammen mit innerer Rückströmzone. Dissertation, Universität Karlsruhe (TH), Abschn. 2.4 12.14. Rudolf Günther R (1984) Verbrennung und Feuerungen. Springer, Berlin Heidelberg New York, Abschn. 4.3.6.1 12.15. Gadde S et al. (2006) Syngas Capable Combustion Systems Development for Advanced Gas Turbines, Paper GT2006-90970, Proceedings of ASME Turbo Expo 2006, May 8–11, Barcelona, Spain 12.16. Wu J et al. (2007) Advanced Gas Turbine Combustion System Development for High Hydrogen Fuels, GT 2007–28337, Proceedings of ASME Turbo Expo 2007, May 14–17, Montreal, Canada 12.17. Xia J, Gadde S, McQuiggan G (2006) Advanced F-Class Gas Turbines Can be a Reliable Choice for IGCC Applications. Electric Power Conference, Atlanta, Georgia 12.18. Robert M et al. (2006) Expanding Combustion Capabilities for Syngas Fuel Flexibility. POWER-GEN International, Orlando, Florida 12.19. Hashimoto T, Ota K, Fujii T (2007) Progress Update for Commercial Plants of Air Blown IGCC. Paper GT2007-28348, Proceedings of GT2007 ASME Turbo Expo 2007, May 14– 17, Montreal, Canada 12.20. Battista RA, Feitelberg AS, Lacey MA (1996) Design and Performance of Low Heating Value Fuel Gas Turbine Combustors, 96-GT-531. Proceedings of ASME Turbo Expo 1996, June 10–13, Birmingham, UK 12.21. Karg J (2009) IGCC power plants with and without CCS – market requirements, developments and projects. 9th European Gasification Conference, 23–25 March, Düsseldorf, Germany
Kapitel 13
Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten Roger Waldinger und Jaan Hellat
13.1 Anwendungsbereiche von flüssigen Sonderbrennstoffen Brennstoffe, deren Einsatz in Gasturbinen eine Anpassung von Hilfsanlagen, Brenner oder zusätzliche Aufbereitungsmaßnahmen gegenüber der Anwendung von Standard-Flüssigbrennstoff bedeuten, werden als Sonderbrennstoffe bezeichnet. Sonderbrennstoffe dienen in der fossilen Energieerzeugung im Gasturbinen- wie auch im kombinierten Gas- und Dampfturbinen (GuD) Kraftwerk in vielen Fällen als Ausweichbrennstoffe zu den konventionellen Brennstoffen Erdgas und Heizöl und werden mit Schwerpunkt dann eingesetzt, wenn als Folge lokaler Preispolitik solche Sonderbrennstoffe wirtschaftlich sind und den Zusatzaufwand rechtfertigen, der für Brennstoffaufbereitung, Systeme und Verbrennung damit in der Regel verbunden ist. Eine Alternative zum Standard-Flüssigbrennstoff Leichtes Heizöl (siehe Kap. 11.2.2) bilden die Produkte der Verarbeitung von Rohöl in Raffinerien (siehe Abb. 13-1).
Andere Produkte Benzin Raffineriegas 180
250 830
Schweröl 470
195 Flugbenzin Abb. 13-1 Weltweite Produktion von Brennstoffen in Millionen Tonnen/Jahr [13.1]
Flüssiggase
210 155
Naphtha
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
930 Diesel
539
540
R. Waldinger, J. Hellat
13.1.1 Charakteristische Brennstoffeigenschaften und Bestandteile von flüssigen Sonderbrennstoffen Diejenigen Stoffeigenschaften, die im Wesentlichen verantwortlich für zusätzliche Aufbereitungsmaßnahmen sowie Anpassungen von System und Brenner sind und somit wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen Standard- und Sonderbrennstoff bilden, sind mit ihren spezifischen Auswirkungen und Gegenmaßnahmen in der Tabelle 13-1 beschrieben.
Tabelle 13-1 Charakteristische Brennstoffeigenschaften und Bestandteile von flüssigen Sonderbrennstoffen Brennstoffeigenschaft/ -Bestandteil
Negative Auswirkungen
Stockpunkt Flammpunkt Wasser
geringa – Explosionsschutz und Kavitation in Brennstoffsystem hochb – Verkokung und Rußentstehung geringa – Änderung des Vordrucks hochb geringa – Schmierung der Pumpen und hochb Stellglieder – Förderung und Brenner-Zerstäubung – Pumpfähigkeit hochb niedriga – Explosionsrisiko – Systemkorrosion hochc
Sedimente Wachse Schwefel
hochb hochb hochb
– – –
Stickstoff (Brennstoffgebunden) Alkalien (Na C K) Schwermetalle (V, Pb) Asche (nach Verbrennung)
hochb
–
hochb
– Hochtemperaturkorrosion
hochb
– Hochtemperaturkorrosion
hochb
– Belagbildung auf heißgasführenden Bauteilen (Turbinenbeschaufelung) – Verkokung von Brennern – Rußbildung
Siedepunkt
Dichte Viskosität
Koksrückstände hochb Aromaten hochc a,b c
Gegenmaßnahme – Ex-Schutz, Kühlung (Wärmetauscher) – Kreiselpumpen – Vorwärmung – Anpassung der Pumpen, Additivzugabe – Vorwärmung
– Vorwärmung – Ex-Schutz – korrosionsbeständige Werkstoffe Filterverstopfung, Erosion – Absetzbecken, Vorfilterung Filterverstopfung – Vorwärmung, Vorabscheidung Abgasemissionen, Kamin- und – Einhaltung behördlicher Kesselschäden bei Auflagen, erhöhte Überschreitung des Kaminaustrittstemperaturen Schwefelsäuretaupunkts (Cold-End-Corrosion) Beitrag zur NOx -Emission – Umsetzung zu N2 durch Katalysator von Kamin – Brennstoffwäsche, Einhaltung vorgegebener Grenzwerte – Einhaltung vorgegebener Grenzwerte – Off-Line-Turbinenwäsche
– Spülsequenzen von Brennern
Charakteristische Eigenschaften von a Naphtha und Kohlenwasserstoff-Kondensat sowie b Schweröl Je nach Herkunft sowohl für a und b möglich
13 Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten
541
13.1.2 Stoffdaten ausgewählter flüssiger Sonderbrennstoffe Von den flüssigen Sonderbrennstoffen unterscheiden sich die Eigenschaften – und damit die Anforderungen an den Betrieb und das System – von Schweröl und Naphtha am deutlichsten, so dass – übrigens stets in Verbindung mit einem StandardFlüssigbrennstoff – in der Regel nur einer der beiden flüssigen Sonderbrennstoffe zum Einsatz kommt (vgl. Tabelle 13-2). Im Abschn. 13.2 werden die Voraussetzungen an den Betrieb mit Schweröl, das bei Umgebungstemperatur sehr zähflüssig oder sogar fest ist und deshalb vorgewärmt werden muss, beschrieben. Im Abschn. 13.3 wird auf die Voraussetzungen für den Betrieb mit Naphtha und Kondensaten (engl. Condensates), die eine sehr niedrige Viskosität aufweisen und deren Flammpunkt unterhalb der Umgebungstemperatur liegt, was besondere Explosionsschutzmaßnahmen erfordert, eingegangen. Tabelle 13-2 Stoffdaten ausgewählter flüssiger Sonderbrennstoffe [13.1] Schweröl Naphtha Dieselöl Rückstandsöl Kondensate Atm. Verdampfungsbereich (°C) Unterer Heizwert (MJ=kg) Dichte bei 15 °C (kg=m3 ) Kinem. Viskosität bei 15 °C (cSt) Stockpunkt (°C) Flammpunkt (°C) Reid-Dampfdruck (kPa at 40 °C) Schwefelgehalt (%) Stickstoffgehalt (ppm) Koksrückstände (%) Aromatengehalt (% vol) Wasser und Sedimente (%) Asche (ppm) Na C K (ppm) V C Pb C Zn C Ni (ppm) Ca (ppm)
45–500 42,00 870 30 <0 <0 var 1,9 3500 var 0,2 100 5 11,2
45–180 174–370 43,4 42,8 690 840 0,46 5,8 – < 15 < 15 65 30 0,2 0,004 < 0;2 <1 < 150 < 0;01 < 0;15 5,7 20 < 0;1 < 0;1 <1 < 10 < 0;1 < 0;1 < 2;0 < 0;5 0,2 < 0;1
300–500 40,9 970 > 1000 < C15 2,8 5400 > 10 var 1,2 500 50 47
35–450 43,1–43,3 740 0,66 – < 15 43 0,01 5 0,07–2,0 5,6–6,2 < 0;1 6–100 0,5–3,0 < 1;0 < 1;0
var. variabel, nicht charakteristisch
13.2 Schweröl 13.2.1 Herkunft und Einsatzbereich von Schweröl Schweröle bestehen aus den hochsiedenden Bestandteilen des Rohöls und bilden somit eine der letzten Fraktionen während des Destillationsprozesses. Die Schwerölanteile, die unter atmosphärischen Destillationsbedingungen nicht ohne Zersetzungserscheinungen weiter aufbereitet werden können, bezeichnet man als Rückstandsöl. In der Technik finden solche Rückstandsöle nur noch begrenzt Ab-
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R. Waldinger, J. Hellat
Abb. 13-2 GT13D mit einer Topfbrennkammer und einem schwerölfähigen Einzelbrenner
Abb. 13-3 SGT5-2000E (frühere Bezeichnung V94.2) mit zwei Silobrennkammern und Heizöl-/Schwerölbrennern
13 Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten
543
satz, so dass sie entweder durch Destillation im Vakuum weiter aufbereitet oder durch Krackprozesse in niedriger siedende Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Diese Technologien stehen allerdings nicht in allen Ländern zur Verfügung oder werden nicht angewandt, so dass mancherorts Schweröl in größerem Umfang preiswert zur Verfügung steht. Dies macht Schweröl als Gasturbinenbrennstoff insbesondere in den Entwicklungs- und Schwellenländern attraktiv. Dem niedrigen Marktpreis gegenüber steht ein Zusatzaufwand für die Schwerölaufbereitung und Zuführung, sowie für die Zumischung von Additiven. Auch muss ein Verlust an Wirkungsgrad und Leistung auf Grund der reduzierten Heißgastemperaturen und eine beschleunigte Verschmutzung der Turbine in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen mit einbezogen werden. Je nach Herkunft und Zusammensetzung des Brennstoffes entstehen im Vergleich zu mit Diesel betriebenen Gasturbinen in der Regel höhere Stickoxid-, Ruß- und Schwefelemissionen [13.5].
13.2.2 Gasturbinen für den Schweröleinsatz Aus diesen Gründen sind schwerölgefeuerte Gasturbinen robuste Maschinen, die nicht auf niedrigste Emissionen und höchsten Wirkungsgrad ausgelegt sind. Die Bilder zeigen typische Maschinen dieser Art, Abb. 13-2 eine GT13D mit einer Topfbrennkammer und einem schwerölfähigen Einzelbrenner und Abb. 13-3 eine SGT52000E (frühere Bezeichnung: V94.2), die mit konventionellen Hybrid-Brennern für Heizöl- und Schwerölbetrieb ausgerüstet wird.
13.2.3 Schwerölaufbereitung Die hohe Zähigkeit des Schweröls bei Umgebungstemperatur erfordert eine Brennstoffvorwärmung vom Tank bis zur Zerstäubungsdüse am Brenner, um die Förderbarkeit und die Zerstäubung zu gewährleisten. Die maximale Vorwärmtemperatur wird systemseitig durch die eingesetzten Werkstoffe (insbesondere der Dichtungen) sowie eine brennstoffspezifische Zersetzungstemperatur, bei deren Überschreitung es zu Belägen im Brennstoffsystem und auch an den Brennerdüsen kommen kann, beschränkt. Je nach Hersteller werden 130 bis 180 °C angegeben. Bei vergleichbarer Dichte des Schweröls und Wassers – welches beispielsweise auch zum Herauswaschen von Alkalien bei der Brennstoffwäsche in Zentrifugen eingesetzt wird – ist eine einfache Abtrennung des Wassers aus dem Schweröl nicht möglich. In diesem Falle muss eine Wasserabscheidung mittels spezieller Separatoren vorgesehen werden, wenn ein Mischen („Verschneiden“) mit Leichtem Heizöl nicht möglich oder die Zugabe von die Entmischung steigernden Zusätzen (Demulgatoren) ohne Erfolg bleibt [13.6]. Im Gegensatz zu Vanadium lassen sich wasserlösliche Verunreinigungen, wie z. B. Alkalien durch eine Brennstoffwäsche auf eine für Gasturbinen unschädliche Konzentration reduzieren.
544
R. Waldinger, J. Hellat
13.2.4 Vermeidung von Hochtemperaturkorrosion In Bezug auf die Heißgaskorrosion sind aber mehr noch als der Schwefel die in Schwerölen in relativ hohen Konzentrationen vorkommenden Alkali- (Na, K) und Schwermetallanteile (insbesondere Vanadium) zu berücksichtigen [13.4]. Vanadium bildet Oxide, die bei weniger als 700 °C schmelzen und alle heißgasbeaufschlagten Bauteile in Brennkammer und Turbine extrem rasch korrodieren (siehe Kap. 24). Aufgrund Bildung einer stabilen öllöslichen Komplexverbindung, kann Vanadium nicht wirtschaftlich aus Schweröl entfernt werden. Man verwendet aus diesem Grund Zusätze, die als aktiven Bestandteil Magnesium enthalten. Diese Zusätze werden in Form von Additiven zum Öl dosiert oder als wasserlösliche Verbindung (Bittersalz) über separate Düsen in die Verbrennungszone eingespritzt. Unter günstigen Bedingungen kann damit in der Flamme das Magnesium vollständig mit dem Vanadium reagieren, wobei der Schmelzpunkt der Oxide auf über 1100 °C angehoben und somit die Heißgaskorrosion bis zu dieser Temperatur vermieden werden kann. Aus diesem Grund muss die Heißgastemperatur bei der Schwerölverbrennung mit einer zusätzlichen Sicherheitsmarge unter dieser Temperatur gehalten werden, was im Allgemeinen eine Unterfeuerung der Gasturbine unter Inkaufnahme von Wirkungsgrad- und Leistungsverlusten bedeutet. Trotz präventiver Maßnahmen zur Korrosionsminderung unterliegen insbesondere die Heißgaskomponenten einem erhöhten Verschleiß im Vergleich zum Betrieb mit Standardbrennstoffen, so dass der Wartungsfreundlichkeit und dem Austauschkonzept beim Schwerölbetrieb eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.
13.2.5 Emissionen Zusammen mit dem – in der Regel nicht zu vernachlässigenden – übrigen Brennstoffaschenanteil bildet Vanadiumasche im Idealfall während des Betriebs nur schwach anhaftende Beläge auf den Schaufeln, die zwar die Leistung und den Wirkungsgrad der Maschinen verringern, aber durch wiederkehrende Off-Line-Wäsche der Turbine leicht entfernbar sind. Zur Festlegung der optimalen Betriebsparameter – wie z. B. der Zeiträume zwischen zwei Off-Line-Wäschen – sollte nach Möglichkeit ein geeigneter Versuchsbetrieb mit dem Kunden vereinbart werden. Schweröle enthalten je nach Herkunft einen Schwefelgehalt zwischen 1% und 3%, der in der Brennkammer vollständig in SO2 und nur wenig SO3 umgewandelt wird. So ist die offene Verbrennung von Schweröl in Gasturbinen auf solche Fälle beschränkt, wo dies im Rahmen geltender Emissionsrichtlinien zulässig ist, oder im Verhältnis zu einer sonst zu berücksichtigenden Abgasentschwefelung wirtschaftlich erscheint. Die gasförmigen Schwefelverbindungen führen dabei weniger im Heißgaspfad als im Bereich des Abhitzekessels, infolge Überschreitung des Schwefelsäuretaupunkts, zu Korrosion [13.7]. Als Folge werden schwefelhaltige Abgase bei erhöhten Kaminaustrittstemperaturen freigesetzt. Auch dies bedeutet eine Verschlechterung des Wirkungsgrades.
13 Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten
545
13.3 Naphtha und Kondensate 13.3.1 Eigenschaften von Naphtha und Kondensaten Naphtha und Kondensate (engl. Condensates) haben in jüngster Zeit als Reaktion auf den gestiegenen Weltmarktpreis für handelsübliches Heizöl regional (z. B. Südostasien, Indien) an Attraktivität gewonnen. Diese Brennstoffklassen mit vergleichsweise hohen Anteilen an niedrig siedenden Kohlenwasserstoffen erwiesen sich im Vergleich zum konventionellen Dieselkraftstoff als ebenbürtig in der Erzielung hoher Wirkungsgrade und hoher Verfügbarkeit der Gasturbine. Ein Großteil des handelsüblichen Naphthas und Heizöls wird aus Rohöl auf dem Wege atmosphärischer Destillation gewonnen. Der Begriff Kondensate beschreibt, im Gegensatz zu Naphtha und Heizöl, keinen definierten Brennstoff, sondern wird als Synonym für bereits unter Normalbedingungen flüssige Kohlenwasserstoffe verwendet, die in nennenswertem Maßstab bei der Erdgasgewinnung anfallen. Bei der Charakterisierung von Flüssigbrennstoffen kommt den spezifischen Stoffeigenschaften (Tabelle 13-3) und deren Nachweis eine zentrale Bedeutung zu. Kondensate wie auch Naphtha zeichnen sich durch einen hohen Heizwert größer 42 MJ=kg, geringe Dichte, niedrige Viskosität und einen niedrigen Flammpunkt bzw. vergleichsweise hohen Dampfdruck aus. Tabelle 13-3 Stoffeigenschaften von Naphtha, Kondensate und Heizöl Brennstofftyp
Naphtha
Kondensate
Heizöl EL
Hu in MJ=kg Dichte in kg=m3 Flammpunkt in °C Selbstzündtemperatur in °C
> 42 650–775 *)
> 42 650–850 *) ca. 232–277 (zum Vergleich: 600 °C für Methan) < 0;9
> 42 820–880 > 55
Dampfdruck in bar bei 37,7 °C
< 0;9
< 0;003
*) immer kleiner als Umgebungs- bzw. Betriebstemperatur anzunehmen
13.3.2 Stoffeigenschaften von Naphtha, Kondensaten und Heizöl Als flüssige Begleitbestandteile von Erdgas sind Kondensate sehr rein in Bezug auf die mineralischen Bestandteile wie Alkalien und Sedimente, so dass nach der Verbrennung keine Hochtemperaturkorrosion infolge von Alkalisulfaten an metallischen Heißgasbauteilen verursacht wird, oder Belagbildung infolge von Asche auf den Gasturbinenschaufeln auftritt. Entsprechendes gilt im Allgemeinen auch für Heizöl und Naphtha als Fraktionen aus der Rohöldestillation. Unzulässige Kontamination von Flüssigbrennstoffen mit Alkalien dagegen ist häufig eine Folge un-
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R. Waldinger, J. Hellat
sachgemäßen Transportes der Brennstoffe, in diesem Fall ist eine Brennstoffaufbereitung (Zentrifugenwäsche) erforderlich. Je nach Herkunft können, im Unterschied zu Heizöl, Naphtha und in besonderem Maße Kondensate mit korrosivem Schwefelwasserstoff und Merkaptanen (organische Schwefelwasserstoff-Verbindungen) verunreinigt sein, die bei entsprechender Konzentration den Einsatz korrosionsbeständiger Werkstoffe im Brennstoffsystem erforderlich machen. Die niedrige Viskosität von Naphtha und Kondensaten erfordert den Einsatz von Kreiselpumpen (vgl. Kap. 11.3.5).
13.3.3 Sicherheitskonzept für Naphtha und Kondensat-Betrieb Im Gegensatz zu Heizöl verdampfen Naphtha- und Kondensat-Leckagen aufgrund des geringen Siedepunktes praktisch sofort. In der freien Umgebung wird durch den normalen Luftaustausch in der Regel eine ausreichende Verdünnung erzielt. Innerhalb von Gebäuden darf aber ohne Zwangsbelüftung eine Verdünnung auf nicht explosive Konzentrationen aufgrund der spezifischen Eigenschaften der resultierenden Dämpfe (unter Normalbedingungen schwerer als Luft, aber natürliche Konvektion an heißen Oberflächen) nicht gefolgert werden. Daher ist ein umfangreiches Sicherheitskonzept zur Vermeidung möglicher Explosionsrisiken notwendig. Der Grundgedanke des Explosionsschutzes in geschlossenen Räumen ist die Vermeidung des gleichzeitigen Auftretens von Brennstoff (z. B. als Leckage), in Gegenwart von Sauerstoff (Luft) und einer Zündquelle (z. B. offene Flamme, Funke, heiße Oberfläche). In Bezug auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema sei speziell auf die Explosionsschutz-Richtlinien (EX-RL) [13.2] hingewiesen. Im Folgenden sei exemplarisch das Sicherheitskonzept der Siemens-Gasturbinen skizziert. Gemäß der gültigen technischen Ex-Schutz-Vorschriften sind nur technisch dichte Systeme zugelassen. Für das Brennstoffversorgungssystem der Gasturbine, das sich im Maschinenhaus befindet, wurde die verschärfte Forderung gestellt, dass innerhalb von Gebäuden keine lösbaren Verbindungen an brennstoffführenden Bauteilen außerhalb von Einhausungen zugelassen sind. In den Zonen, in denen aus Wartungsgründen lösbare Flanschverbindungen unvermeidbar sind und/oder in denen eine Zündquelle nicht grundsätzlich auszuschließen ist, werden als zusätzliche Ex-Schutz-Maßnahmen (Maßnahmen zur Beherrschung potentieller Leckagen) Einhausungen mit den notwendigen Belüftungsmaßnahmen ausgeführt. Zur Überwachung sind Leckagedetektoren installiert. Diese Detektoren werden auf die für Kohlenwasserstoffe charakteristischen Konzentrationen kalibriert und liefern in der Standardauslegung bei 20 % LEL (Lower Explosion Limit, untere Explosionsgrenze) eine Warnung und lösen bei 60 % LEL einen Gasturbinen-Schnellschluss sowie eine CO2 -Inertisierung innerhalb der Einhausung aus (die Einstellwerte variieren gemäß lokal gültiger technischer Ex-Schutz-Vorschriften). In Zonen, in denen der elektrische Zündfunke eine mögliche Zündquelle bildet, werden alle elektrischen Antriebe und Schalter mit Kapselung bzw. Ex-geschützt ausgeführt. Als weitere zusätzliche Ex-Schutz-Maßnahme werden zur gezielten Druckentlastung für den Fall einer Verpuffung innerhalb der Gasturbinen- oder Package-
13 Besonderheiten des Betriebs mit Schweröl, Naphtha und Kondensaten
547
Einhausung – z. B. bei Versagen der o. g. CO2 -Inertisierung – die Einhausungen zur Schadensbegrenzung mit Druckentlastungsklappen ausgestattet. Alle Leitungen, die beim Start der Gasturbine (auch beim Erdgasstart) unter Druck gesetzt werden, dürfen im Stillstand keinen gefährlichen Brennstoff wie Naphtha und Kondensat enthalten, da dies ein erhebliches Gefahrenpotential für die Gasturbine, z. B. bei einem Fehlstart, bedeuten würde. Aus diesem Grund wird ein flüssiger Standardbrennstoff mit einem Flammpunkt > 55 °C als An- und Abfahrbrennstoff eingesetzt. Außerdem wird dadurch erreicht, dass beim Auftreten einer Leckage, die in vielen Fällen in dem Moment offensichtlich wird, wenn die Leitung unter Druck gesetzt wird, zunächst nur der weitaus weniger gefährliche Anfahrbrennstoff austritt. Die Überprüfung der Systemauslegung hinsichtlich eines sicheren Betriebes der Gasturbine in allen Störfallsituationen kann sehr komplex werden, und die Gefahr ist groß, dass etwas übersehen wird. Hier hat sich die Durchführung einer Studie nach dem sogenannten PAAG1 -Verfahren [13.3] bewährt (engl. HAZOP-study, HAZards and OPerability), wie sie in der Chemieindustrie zum Einsatz kommt. Dabei wird in einer sehr systematischen Vorgehensweise für jeden Teilbereich des Systems überprüft, ob bestimmte Abweichungen vom Normalzustand (z. B. höherer Druck, höhere Temperatur) eine Gefährdung für die Anlage darstellen und ob eine Einrichtung zur Beseitigung der Gefährdung vorhanden ist (z. B. Druckschalter, der bei Überschreitung eines Grenzwertes die Einspritzpumpe abschaltet). Je nach Komplexität des betrachteten Systems kann der Zeitraum für die Erstellung und Umsetzung aller sicherheitstechnischen Aufgabenstellungen einen Großteil der Abwicklung des Systems in Anspruch nehmen.
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Prognose von Störungen, Auffinden der Ursachen, Abschätzen der Auswirkungen, Gegenmaßnahmen
Kapitel 14
Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln Ulf D. Köller und Bernd van den Toorn
Die Auslegung der Beschaufelung eines Axialverdichters ist ein iterativer Prozess, bei dem die Aerodynamik (s. Kap. 7), die Konstruktion, die Berechnung und die Fertigung so aufeinander abgestimmt werden, dass sämtliche Auslegungsrichtlinien und -kriterien erfüllt werden. In diesem Prozess wird der erste geometrische Entwurf für die Beschaufelung durch den Aerodynamiker erstellt, wobei mechanische und konstruktive Erfahrungswerte bereits hier mit einfließen. Die konstruktive Umsetzung stellt den zweiten Schritt dar. Zusammen mit dem Konstrukteur trifft der Berechner die Werkstoffauswahl, um anschließend eine Nachrechnung der Auslegung mit dem Ziel durchzuführen, die statische und die dynamische Festigkeit des Bauteils zu überprüfen. Parallel zur Berechnung klärt der Konstrukteur, ob der vorgestellte Entwurf in der Fertigung zu realisieren ist. Falls alle Kriterien erfüllt sind, ist der Entwurfsprozess abgeschlossen, die Fertigung wird eingeleitet und, falls notwendig, die experimentelle Absicherung der Bauteile geplant, durchgeführt und ausgewertet. Um eine möglichst kurze Zeitspanne vom Entwicklungsstart bis zur Markteinführung eines neuen Produktes zu erzielen, ist es notwendig, so früh wie möglich die Fertigung in den Entwicklungsprozess einzubinden.
14.1 Konstruktive Ausführung Bei der konstruktiven Ausführung von Verdichterschaufeln werden von der Aerodynamik der Kanalverlauf, die Stufen- und Schaufelanzahl, das Temperaturniveau, die Oberflächengüte sowie die Geometrie des Schaufelblatts vorgegeben. Als Schaufelblatt wird der Bereich der Schaufel bezeichnet, der sich im Strömungskanal befindet. Die Geometrie des Schaufelblatts wird – basierend auf den Strömungsvektoren am Ein- und Austritt (Geschwindigkeitsdreiecke) – aus 2D-Profilschnitten aufgebaut. Durch diesen Vorgang, genannt Fädeln der D-Schnitte in radialer Richtung, ergibt sich die 3D-Geometrie des Schaufelblatts. Die Aufgabe der Konstruktion ist es, das Schaufelblatt mit dem Rotor (s. Kap. 18) bzw. dem Gehäuse (s. Kap. 20) so zu verbinden, dass die Ausführung den aerodyC. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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U. D. Köller, B.van den Toorn
Abb. 14-1 a Lauf-, b verstellbare Vorleit- und c Leitschaufel (Siemens AG, Sector Energy)
a
b
c
namischen Anforderungen genügt und die gesamte Schaufel inklusive der „Verankerung“ dauerfest [14.1] ist. Somit besteht eine Verdichterschaufel aus den wesentlichen Teilbereichen Schaufelblatt und Halterung. Dabei müssen die beiden Teilbereiche konstruktiv so miteinander verbunden werden, dass der Übergang vom Schaufelblatt zur -halterung die Festigkeitsanforderungen erfüllt, ohne die Aerodynamik im unzulässigen Maße zu beeinflussen. Bei Verdichtern wird zwischen Laufschaufeln, welche mit dem Rotor verbunden sind, und Leitschaufeln, welche mit dem Gehäuse verbunden sind, unterschieden. Um die Zuströmung zur ersten Laufschaufel bzw. die Abströmung hinter der letzten Leitschaufel aerodynamisch günstig zu gestalten, werden im Bedarfsfall zusätzliche Leitschaufeln, genannt Vorbzw. Nachleitschaufel, eingesetzt. Der Einsatz verstellbarer Leitschaufeln inklusive der Vorleitschaufel ermöglicht eine Massenstromregelung des Verdichters (s. Abschn. 7.9). Abbildung 14-1 zeigt drei Vertreter der genannten Verdichterschaufeln.
14.1.1 Laufschaufeln Die Aufgabe der Laufschaufel ist es, die Strömung im rotierenden System umzulenken und zu verzögern (s. Abschn. 7.2). Dabei wirken in erster Linie Luft- und Zentrifugalkräfte auf das Schaufelblatt und dessen Verankerung im Rotor, bestehend aus dem Schaufelfuß und zugehöriger Nut. Das Temperaturniveau im Verdichter liegt i. d. R. so niedrig, dass allein durch eine geeignete Werkstoffauswahl ein Kriechen [14.2] des Bauteils im Betrieb vermieden werden kann. Üblicherweise werden Laufschaufeln freistehend ausgeführt. Dämpfende Verbindungselemente zwischen den einzelnen Laufschaufeln werden nur in Frontstufen mit verhältnismäßig kleinen Profillängen benötigt. Diese Dämpfungselemente bedeuten einen zusätzlichen konstruktiven sowie fertigungstechnischen Aufwand und führen zu höheren aerodynamischen Verlusten sowie Verschleiß an den Verbindungsstellen.
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
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Die formschlüssige Verbindung der Laufschaufel mit dem Rotor muss konstruktiv so umgesetzt werden, dass das zulässige Spannungsniveau nicht überschritten wird. Abhängig von der Belastung des Bauteils, vom Staffelungswinkel der fußnahen Profilschnitte und dem resultierenden Einbauwinkel oder auch vom gewählten Leitschaufelkonzept wird entschieden, ob die Befestigung als Axial- oder als Umfangsnut [14.3] ausgeführt wird. Das Fuß- bzw. Nutprofil wird anschließend passend zu der gewählten Nutart und Belastung festgelegt. Der Übergang vom Schaufelblatt zum -fuß muss so konstruiert werden, dass die hier auftretenden Kerbspannungen auf einem möglichst geringen Niveau bleiben. Dabei kann der Übergang als Radius, Kombination verschiedener Radien oder Ellipse ausgeführt werden. Bei der Entscheidung hierüber muss zwischen Anforderungen der Aerodynamik, der Festigkeit sowie der Fertigung abgewägt werden. Ein einfacher Übergangsradius, mit dem die gleiche Kerbspannungsreduktion erreicht wird wie mit einer Radienkombination oder einer Ellipse, wird den Strömungskanal stärker versperren als die beiden anderen Möglichkeiten. Der Radius ist jedoch fertigungstechnisch einfacher herzustellen und demnach mit geringeren Kosten verbunden. Die 3D-Geometrie des Schaufelblatts wird, wie bereits erwähnt, durch das radiale Fädeln der 2D-Profilschnitte erzeugt. Aufgrund der heutzutage verfügbaren Rechnerleistungen ist es mittlerweile auch möglich, eine direkte aerodynamische 3D-Schaufelauslegung durchzuführen. Dem Konstrukteur werden somit nur noch die 3D-Koordinaten des Schaufelblatts übergeben, welche zur weiteren Bearbeitung in einem 3D-CAD-System geeignet sind. Der Dickenverlauf einer Laufschaufel ist von der Nabe zum Gehäuse hin abnehmend, sodass die Fliehkraft der äußeren Schnitte von den inneren getragen werden kann. Die Feinabstimmung des Dickenverlaufs wird jedoch nicht vom Aerodynamiker oder dem Konstrukteur vorgenommen, sondern durch die dynamische Festigkeitsauslegung determiniert (s. Abschn. 14.2.2). Um möglichst geringe Spaltverluste (s. Kap. 21) sowie einen möglichst hohen Pumpgrenzabstand zu gewährleisten (s. Abschnitte 7.3 und 7.9.6.5), ist es notwendig, den Spalt zwischen Laufschaufel und Gehäuse, also den Radialspalt, so auszuführen, dass sich im Betrieb der Gasturbine ein möglichst kleiner Spalt einstellt (s. Abschn. 7.3). Aufgrund des Fliehkraft- und Temperatureinflusses verlängert sich die Schaufel während des Betriebs. Hierdurch erhöht sich jedoch das Anstreifrisiko (radiales Anstreifen der Laufschaufeln am Gehäuse), v. a. bei instationären Betriebszuständen wie dem Warmstart oder dem Hochfahren der Gasturbine mit hohem Lastgradienten. Beim Anstreifen der Laufschaufel kommt es durch Reibung zu einem Wärmeeintrag in die Schaufel, wodurch sich diese zusätzlich ausdehnt. Übersteigt das „Wachsen“ der Schaufel durch Wärmeeintrag das Verkürzen der Schaufel durch Anstreifen, kann es zum Versagen des Bauteils kommen. Um dieses Risiko zu reduzieren, können die Laufschaufeln an der Blattspitze eine Verjüngung erhalten, die als Anstreifkante bezeichnet wird. Durch diese Verjüngung wird die anstreifende Fläche reduziert und somit der mögliche Wärmeeintrag verringert. Der radiale Betriebsspalt lässt sich durch Verwendung einer Anstreifkante auf ein möglichst geringes Maß optimieren. Hierbei kommen, wie in Abb. 14-2 dargestellt, verschie-
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Abb. 14-2a–c Mögliche geometrische Ausführungen von Anstreifkanten: a L-Form b Dreiecksform c mittige Form
dene geometrische Ausführungen zur Anwendung. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion des Anstreifrisikos ist der Einsatz von Abrasionsschichten, auch genannt Abriebschichten, am Stator oberhalb der Laufschaufel. 14.1.1.1 Axialnuten Weisen die fußnahen Profilschnitte gegen die Maschinenachse gemessen kleine Staffelungswinkel (bis etwa 35ı ) auf, werden die Schaufelfüße i. d. R. in Axialnuten gehalten. Diese Nuten werden als eine Art Schwalbenschwanznut (Abb. 14-3) ausgeführt. In Einzelfällen kommen in den Frontstufen des Verdichters, welche durch sehr hohe zentrifugale Belastungen gekennzeichnet sind, auch mehrfache Schwalbenschwanznuten, sog. Tannenbaumnuten [14.3], zum Einsatz. Die Geometrie der Nut bzw. des Fußes wird maßgeblich von den folgenden sechs Parametern (Abb. 14-3) bestimmt: der Halsbreite Hb , dem Öffnungswinkel , der Halstiefe Ht , dem Nutradius R1 , dem Übergangsradius R2 und der Tragflankenbreite b. Diese Parameter werden vom Konstrukteur nach einer ersten Festigkeitsabschätzung festgelegt. Eine abschließende Bewertung der Konstruktion wird vom Festigkeitsberechner vorgenommen, bei der ggf. die sechs Parameter nochmals variiert werden. Die abschließend gefundene Kombination dieser sechs Parameter wird so an alle Schaufelgrößen adaptiert, dass die Verhältnisse der einzelnen Größen zueinander gleich bleiben. Hierdurch entsteht eine Profilfamilie, aus welcher der Konstrukteur
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
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Ht
Hb
Abb. 14-3 Mögliche geometrische Ausführung einer Axialnut
R2
τ
b
R1
bei späteren Auslegungen eine Nut- bzw. Fußgröße auswählen kann, wenn er das vorgegebene Schaufelblatt mit dem Rotor verbindet. Durch Fliehkraft und Reibung an den Tragflanken ist ein axiales Wandern der Laufschaufel im Betrieb verhindert. Allerdings ist bei instationären Fahrweisen oder geringen Drehzahlen eine zusätzliche form- oder kraftschlüssige Axialsicherung erforderlich. Diese wird auch bei kleinen Schaufeln notwendig, wenn die Schaufelmasse nicht groß genug ist, um im Betrieb eine Zentrifugalkraft und damit auch eine Reibungskraft zu erzeugen, welche ein axiales Wandern verhindert. Als Axialsicherung werden von den Gasturbinenherstellern unterschiedliche Ausführungen eingesetzt. Stellvertretend werden hier vier Möglichkeiten vorgestellt: 1. Sicherungsblech (s. auch Abb. 15-12): Das Sicherungsblech greift in eine kleine Quernut an der Unterseite des Schaufelfußes und wird ein- und austrittsseitig gegen den Rotor gebogen. 2. Anprägung: Die Schaufelfüße werden nach Montage im Rotor auf beiden Seiten angeprägt (plastisch deformiert). 3. Umlaufendes Sicherungselement (s. auch Abb. 15-13): Auf einer oder beiden Seiten wird/werden umlaufend ein Draht/Bleche verlegt, welche sowohl mit dem Rotor als auch mit der Laufschaufel verbunden sind. 4. Passfeder: Auf der Mantelfläche des Rotors werden Passfedern eingesetzt, welche Rotor und Laufschaufel verbinden. 14.1.1.2 Umfangsnuten Bei Gasturbinen werden in den mittleren und hinteren Verdichterstufen häufig Umfangsnuten, wie in Abb. 14-4 dargestellt, zur Aufnahme der Schaufeln verwendet.
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Abb. 14-4 a Lauf- und b Leitschaufelkonstruktion mit Umfangsnuten (Alstom Power)
a
b
Die Umfangsnuten für die Laufschaufeln werden durch eine Drehbearbeitung am Läufer hergestellt. Ein spezieller Ablauf für die Montage ermöglicht einen gleichmäßigen und rotationssymmetrischen Einbau der Laufschaufeln, ohne dass Einfüllöffnungen oder Ähnliches notwendig wären. Bei den meisten Herstellern kommen Schaufeln mit Zwischenstücken zum Einsatz, die abwechselnd im Rotor platziert werden. Dabei werden Laufschaufeln und Zwischenstücke an beliebiger Umfangsposition in die Rotornut eingesetzt, zu ihrer Einbauposition geschoben und durch eine Drehbewegung in die Endposition zum benachbarten Bauteil gebracht. Abschließend wird der letzte noch vorhandene Zwischenraum mit einem mehrteiligen Schlussstück, dem sog. Schloss, verfüllt.
14.1.2 Leitschaufeln Die Aufgabe der Leitschaufel ist es, die Strömung im stehenden System umzulenken und zum Druckaufbau zu verzögern. Dabei wirken in erster Linie Luft- und Gewichtskräfte auf das Schaufelblatt und dessen Verankerung im Stator. Für den Temperatureinfluss im Betrieb gelten die gleichen Betrachtungen wie bei den Laufschaufeln (s. Abschn. 7.2). Der Aufbau der Leitschaufel ist, wie in Abb. 14-1 zu sehen, der Laufschaufel sehr ähnlich. Die Verbindung mit dem Stator wird ebenfalls formschlüssig (in Abb. 14-1 als Schwalbenschwanzgeometrie) entweder als Axial- oder als Umfangsnut ausgeführt. Der Übergang vom Fuß zum Blatt ist möglichst fließend, um hohe Kerbspannungen zu vermeiden. Bei der in Abb. 14-1 gezeigten Leitschaufel ist am oberen Ende ein Zapfen zu sehen, welcher als Verbindungselement zu einem Innenring dient. Der Dickenverlauf und die Sehnenlänge einer Leitschaufel sind vom Gehäuse zur Nabe hin abnehmend, sodass die Gewichtskraft der inneren Schnitte und eines möglichen Innenrings von den äußeren getragen werden kann.
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
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14.1.2.1 Freistehende Leitschaufeln Um die Strömungsverluste infolge von Rückströmungen zwischen Leitschaufelunter- und Rotoroberseite möglichst gering zu halten, wird bei freistehenden Schaufeln ein möglichst kleiner Radialspalt im Betrieb realisiert. Hierbei werden die Leitschaufeln ebenso wie die Laufschaufeln mit Anstreifkanten ausgeführt. 14.1.2.2 Leitschaufeln mit Innendeckband Kommt in der Leitscheibe ein Innenring zum Einsatz, wird die erwähnte Rückströmung durch eine Labyrinthdichtung eingedämmt, wodurch die Verluste im Vergleich zur freistehenden Leitschaufel deutlich reduziert werden können. Die Verbindung der Leitschaufel mit dem Innenring kann form- oder auch kraftschlüssig konstruiert werden, sodass der Innenring ein am Schaufelende angebrachtes Verbindungselement (z. B. den Zapfen aus Abb. 14-1) umschließt. Alternativ zu dieser Ausführung können Leitschaufel und Innenring auch als ein Bauteil konstruiert werden. Dieses Bauteil kann gegossen oder auch gefräst werden. Neben der o. g. Reduktion der Rückströmung bietet die Innenringkonstruktion weitere Vorteile: höhere Dämpfung des Bauteils und Reduktion des in den Fuß eingeleiteten Biegemoments, wodurch sowohl die statische als auch die dynamische Festigkeit des Bauteils verbessert werden. Ebenso wird die Sicherheit gegenüber Versagen des Bauteils bei Fremdkörpereinschlägen gesteigert. Ein Nachteil dieser Ausführung sind die vergleichsweise aufwändige Konstruktion und die damit verbundenen erhöhten Fertigungskosten.
14.1.3 Verstellbare Leitschaufeln Ein Sonderfall der Leitschaufelkonstruktion ist die „verstellbare“ Leitschaufel. Die verstellbare Leitschaufel ist um die eigene Längsachse drehbar. Die Leitschaufelverstellung wird zur Variation des Volumenstroms der Gasturbine genutzt, sodass durch die Induktion eines Mitdralls in die Strömung der Volumenstrom reduziert wird. Bei konstanter Betriebsdrehzahl wird hierdurch eine Variation des Verdichterluftmassenstroms und damit ein Konstanthalten der Turbinenaustrittstemperatur über einen weiten Teillastbereich möglich (s. Abschn. 7.9.2). Bei An- und Abfahren der Gasturbine wird die Anströmung an die nachfolgenden Stufen so gesteuert, dass die auftretenden Schaufelschwingungen beim unvermeidlichen Durchfahren von Resonanzstellen minimiert werden. Um ein optimales Betriebsverhalten im Teillastbereich zu erzielen, führen einzelne Hersteller neben der Vorleitschaufel auch die Leitschaufeln der vorderen Verdichterstufen verstellbar aus. Diese verstellbaren Leitschaufeln können sowohl mit Innendeckband als auch freistehend ausgeführt werden. Die Verstellung der Leitschaufel wird über eine sog. Verstelleinrichtung erreicht (Abb. 14-5). Diese kann je nach Anforderung für jeden Leitschaufelkranz einzeln
556 Abb. 14-5 Lagerung einer verstellbaren Vorleitschaufel (Siemens AG, Sector Energy)
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Verstelleinrichtung Verdichtereintrittsgehäuse Leitschaufelträger
Außenring
Vorleitschaufel
Innenringe
oder durch eine Kopplung mehrerer Leitschaufelkränze realisiert werden. Die verstellbare Leitschaufel wird sowohl im Innenring (falls vorhanden) als auch im Gehäuse gelagert. Die Verstellung selbst erfolgt über Verstellzapfen, welche mit der Drehachse der Leitschaufel verbunden sind, und daran angreifende Gelenkstangen. Diese wiederum sind mit einem Ring gekoppelt, der außen am Gehäuse umlaufend angebracht ist. Dieser Verstellring wird mittels einer Schubstange und zugehörigem Antrieb bewegt, d. h., es erfolgt eine Drehung des gesamten Ringes um die Maschinenachse. Die gewünschte Verstellgeschwindigkeit wird durch die Konstruktion der Schubstange und die Auswahl des Verstellantriebs realisiert. Über die o. g. Gelenkstangen und Zapfen wird die Bewegung auf jede einzelne Leitschaufel übertragen, sodass durch diese mechanische Koppelung sichergestellt ist, dass alle Leitschaufeln um das gleiche Maß verdreht werden und eine homogene Zuströmung zur nachfolgenden Laufschaufel gewährleistet ist.
14.1.4 Werkstoffauswahl Die primären Einflussparameter für die Werkstoffwahl bei Verdichterschaufeln sind neben den Festigkeitseigenschaften die Korrosionsbeständigkeit, die Einsatztemperatur, der Werkstoffpreis sowie die fertigungstechnische Bearbeitbarkeit. Der Werk-
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
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stoff der Frontstufen muss über eine ausreichende Kerbschlagzähigkeit und eine niedrige FATT (Fracture Appearance Transition Temperature, s. Abschn. 19.4) verfügen, damit der Verdichter auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen betrieben werden kann, ohne dass eine Kaltversprödung eintritt. Da sich die Fluidtemperatur im vorderen Verdichterbereich im Betrieb noch unterhalb der Taupunkttemperatur befindet, muss entweder ein korrosionsbeständiger Werkstoff oder eine Antikorrosionsschutzschicht verwendet werden (s. Kap. 24). Da es kostengünstiger ist, die Verdichterschaufeln mittels einer Schutzschicht zu schützen, werden diese Schichten häufiger als korrosionsbeständige Werkstoffe eingesetzt. Im hinteren Verdichterbereich werden aufgrund der höheren Betriebstemperaturen warmfeste, hochlegierte Chromstähle (meist 12% Chromanteil und mehr) verwendet [14.4], um ein Kriechen der Bauteile im Betrieb zu verhindern und gute dynamische Festigkeitseigenschaften zu garantieren.
14.2 Berechnung Die Aufgabe des Berechners besteht aus folgenden vier Schritten: Werkstoffauswahl zusammen mit dem Konstrukteur, Nachrechnung und Bewertung der statischen Festigkeit, Nachrechnung und Bewertung der dynamischen Festigkeit sowie die Planung und Auswertung der experimentellen Absicherung. Wie in Abschn. 14.1 dargestellt, ist der Aufbau von Lauf- und Leitschaufeln eines Axialverdichters sehr ähnlich; jedoch sind die Laufschaufeln aufgrund der zusätzlich wirkenden Fliehkräfte deutlich höher belastet. Aus diesem Grund wird im Folgenden nur auf die statische und dynamische Berechnung von Laufschaufeln eingegangen, wobei die Vorgehensweise prinzipiell auch auf die Leitschaufelberechnung übertragbar ist.
14.2.1 Statische Festigkeit Eine erste Abschätzung der statischen Festigkeit der Konstruktion erfolgt basierend auf dem Nennspannungskonzept [14.5]. Hierzu werden die Kräfte und Randbedingungen angesetzt, welche auf die Laufschaufel bei Grundlast der Gasturbine, also Betrieb bei Nenndrehzahl, wirken. Nach Fädeln der einzelnen 2D-Schnitte einer Laufschaufel sind die Massen, Schwerpunkte, Querschnitte und Widerstandsmomente der einzelnen Schaufelblattabschnitte bekannt. Die tragenden Querschnitte im Schaufelfuß sind durch die Auswahl der in Abschn. 14.1.1.1 vorgestellten Parameter Hb , Ht , R1 , R2 , b und festgelegt. Die Einsatztemperatur des Bauteils wird vom Aerodynamiker errechnet und steht als Randbedingung zur Verfügung. Somit können folgende Belastungen bestimmt werden: • Fliehkraftspannung in den einzelnen Profilquerschnitten, • Zugspannung im Fußhals, • Maximale Schubspannung im Fuß,
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• Maximale Biegespannung im Fuß, • Mittlere Flächenpressung an den Fußtragflanken. Alle diese Spannungen werden der temperaturabhängigen Dehngrenze bei 0,2% bleibender Dehnung Rp0;2 gegenübergestellt und mit unterschiedlichen Sicherheiten bewertet. In der oben dargestellten Vorgehensweise ist die Vereinfachung der Laufschaufel als Biegebalken mit veränderlichem Querschnitt zugrunde gelegt. Die Blattgeometrie wird hierbei abschnittsweise berücksichtigt (je nach Vorgabe der 2D-Schnitte durch den Aerodynamiker). Bei einer derartigen Betrachtung ist es möglich, die aus der Strömung resultierenden Luftkräfte (s. auch Abschn. 15.6.1) auf das Modell aufzubringen und die maximale Biegespannung im Schaufelblatt zu errechnen. Basierend auf diesen Ergebnissen kann eine Kompensation der Gasbiegekräfte durchgeführt werden. Durch eine Verschiebung der Schaufelverankerung im Rotor in Umfangsrichtung wird ein Momentengleichgewicht zwischen den Luftkräften und der Fliehkraft für den Blattquerschnitt am Übergang zum Schaufelfuß erreicht [14.6]. Eine zweite Möglichkeit der Momentenkompensation ist das „Neigen“ der Profilschnitte, d. h., die einzelnen Profilschnitte werden in Umfangsrichtung zueinander verlagert, sodass sich ebenfalls ein Ausgleich des Biegemoments aus den Luftkräften ergibt. Bei dieser zweiten Möglichkeit ist ein Verlagern der Fixierung der Laufschaufel im Rotor nicht notwendig. Eine detaillierte Bewertung der statischen Festigkeit der Laufschaufel inklusive der Verankerung im Rotor ermöglicht die 3D-Finite-Elemente-Analyse nach dem „Lokalen Konzept“ [14.5]. Derartige Rechenmodelle bestehen aufgrund der Rotationssymmetrie eines Laufrads aus nur einem Schaufelblatt, dem zugehörigen Schaufelfuß und dem entsprechenden Rotorsegment, welches die Schaufelnut beinhaltet. Eine Darstellung eines solchen Modells ist im linken Bildteil der Abb. 14-6 gegeben. Üblicherweise werden die Rechnungen linear elastisch unter Berücksichtigung der Drehzahl, der Einsatztemperatur und der Luftkräfte durchgeführt. An der Tragflanke, der Verbindungsstelle zwischen den beiden Bauteilen, werden unterschiedliche Übergangsbedingungen angesetzt: Während einige Hersteller eine feste Verbindung annehmen, andere nur den Formschluss betrachten, hat sich bei der Mehrzahl der Hersteller die „Kontaktrechnung“ [14.7] durchgesetzt, bei der Reibung zwischen den beiden Kontaktflächen angenommen wird. Wie bereits erwähnt, werden die Ergebnisse dieser 3D-Rechnung nach dem Lokalen Konzept bewertet. Hierzu wird die Von-Mises-Vergleichsspannung [14.8] an jedem Knoten des Modells errechnet. Eine Darstellung des Gesamtmodells sowie des Schaufelblatts, des Schaufelfußes und der Nut ist in Abb. 14-6 gegeben. Im linken Bildteil ist die Vernetzung der Laufschaufel sowie eines Teils der Radscheibe zu sehen. Die radiale Verschiebung aufgrund der Fliehkraft und der Temperatur sowie die Temperaturverteilung selbst werden als Randbedingungen aufgeprägt. Alternativ kann auch das gesamte Radscheibensegment modelliert werden, was aber aufgrund der hohen Komplexität des Modells zu langen Rechenzeiten führt. Im rechten Bildteil der Abb. 14-6 sind für das Schaufelblatt zwei Regionen mit hohen Spannungen zu erkennen. Die maximalen Spannungswerte im Schaufelblatt
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
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Abb. 14-6 Vernetzung und Vergleichsspannung statische Laufschaufelberechnung
treten i. d. R. am Übergang vom Schaufelfuß zum -blatt auf. Eine weitere Zone hoher Beanspruchung findet sich bei 25–50% der Blatthöhe bei etwa 40% der Sehnenlänge. Diese Werte sind je nach aerodynamischer Auslegung unterschiedlich, befinden sich aber bei der Mehrzahl der eingesetzten Verdichterprofile in diesen Bereichen. Die maximale Vergleichsspannung am Schaufelfuß (Mitte oben in Abb. 14-6) tritt auf der Tragflanke oder dem darüber liegenden Übergangsradius R2 (vgl. Abb. 14-3) auf. Da die hohe Vergleichsspannung auf der Tragflanke auf Druckspannungen basiert, ist ein Versagen an dieser Stelle – sollte das o. g. Kriterium für Flächenpressung eingehalten sein – nicht zu erwarten. Die kritische und damit zur Bewertung heranzuziehende Stelle des Schaufelfußes ist also der Übergangsradius. An der Tragflanke der Nut treten ebenfalls lokale Maxima basierend auf Druckspannungen auf. Die kritischen Spannungen befinden sich sowohl ein- als auch austrittsseitig an den Stirnflächen der Nuten. Das Maximum ist hier im Nutradius R1 (vgl. Abb. 14-3) zu finden und zwar auf der Seite, die durch den Einbauwinkel der Schaufel im Rotor zu einem spitzen Winkel wird. Über den temperaturabhängigen statischen E-Modul kann aus den zu bewertenden maximalen Vergleichsspannungen die örtliche Dehnung bestimmt werden. Mit dem sich ergebenden Maximalwert wird im Wöhler-Diagramm [14.9] überprüft, ob ausreichend Lastwechsel bis zu einem möglichen Anriss, genannt LCF (Low Cycle Fatigue), ertragen werden können. Auf Basis der 3D-Spannungsverläufe ist auch eine bruchmechanische Bewertung der Bauteile möglich.
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14.2.2 Dynamische Festigkeit Um die Beurteilung der dynamischen Festigkeit eines Bauteils durchführen zu können, benötigt der Berechner die Mittelspannung m , die Amplitudenspannung sa und die Zahl der Lastwechsel, welche sich aus Betriebsdauer und Schwingfrequenz errechnet. Die Mittelspannung ist aus der Nachrechnung der statischen Festigkeit bekannt. Die exakte Amplitudenspannung, resultierend aus der dynamischen Belastung der Laufschaufel durch Rotation sowie durch Anregung der stromauf und stromab eingesetzten Statoren, lässt sich zurzeit noch nicht exakt oder nur mit sehr aufwändigen Rechenverfahren vorherbestimmen. Jedoch ist bei Vermeidung einer starken Resonanzanregung davon auszugehen, dass die auf das Bauteil wirkenden dynamischen Kräfte ertragen werden können. Aufgrund des breiten Anregungsspektrums in einem mehrstufigen Verdichter lassen sich Resonanzen mit weiter stromauf liegenden Schaufelreihen oder Anregungen höherer Moden nie ganz vermeiden. Eine endgültige Bestätigung der tatsächlichen dynamischen Anregungen ist nur mittels der experimentellen Absicherung möglich. Dagegen ist die Betriebsweise (s. Abschn. 7.4) der Gasturbine – Hochfahrgradienten oder zulässige Bereiche konstanter Drehzahl – dem Berechnungsingenieur bekannt, sodass er bei Kenntnis der Schwingfrequenzen des Bauteils die zu ertragende Lastwechselzahl errechnen kann. Da stationäre Gasturbinen mit einer Drehzahl von 50 Hz oder mehr operieren, die Grundfrequenzen der Laufschaufeln i. d. R. oberhalb der zweiten Rotationsharmonischen, also 100 Hz, liegen, sind z. B. 107 Lastwechsel in weniger als 30 Betriebsstunden erreicht. Somit müssen die Laufschaufeln mit entsprechend hoher Sicherheit gegen ein mögliches Schwingungsversagen, genannt HCF (High Cycle Fatigue), dauerfest ausgelegt sein. Auch für die transienten Bereiche (Hoch- und Abfahrt) wird i. d. R. dauerfest ausgelegt, wegen der geringeren Lastwechselzahl meist jedoch mit reduzierten Sicherheiten. Entscheidend für die dynamische Auslegung der Verdichterlaufschaufel ist somit die Resonanzfreiheit im stationären Betrieb. Hierzu ist die Kenntnis der möglichen Anregungen sowie der Bauteileigenfrequenzen notwendig. Als Anregungen kommen einerseits Drehzahlvielfache aus der Rotation, andererseits Anregungen aus dem stehenden System (Entnahmen, Lagerstützen, Statoren) in Frage. Die Verdichterlaufschaufel ist so abzustimmen, dass im stationären Betrieb keine kritische Eigenfrequenz in Resonanz mit einer der genannten Anregungen steht. Zur Berechnung der Eigenfrequenzen wird mit demselben Modell, welches zur Nachrechnung der statischen Festigkeit verwendet wird, eine Modalanalyse durchgeführt. Es werden zwei Zustände betrachtet, die Stillstandsrechnung bei Raumtemperatur und einer Drehzahl von null sowie die Betriebsrechnung bei Nenndrehzahl und der Schaufelblatttemperatur bei Grundlastbetrieb. Beide Rechenwerte werden zusammen mit den möglichen Anregungen in ein Schaubild, das Campbell-Diagramm (Abb. 14-7), eingetragen. Auf der Abszisse ist hierbei die relative Drehfrequenz der Gasturbine aufgetragen, der Ordinatenwert zeigt die jeweilige Frequenz des Bauteils bzw. der Anregung. Die Ergebnisse der Finite-ElementeRechnung sind für die ersten acht Schwingungsmoden bei einer relativen Drehzahl n=n0 D 0 und n=n0 D 1 als Symbole dargestellt. Während mit zunehmender Flieh-
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
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3500 Düsenerregung
3000
7. Eigenfrequenz
Frequenz [Hz]
2500 2000 1500 1000 Rotationsharmonische
500 0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Relative Drehzahl n/n0 Abb. 14-7 Campbell-Diagramm einer Verdichterlaufschaufel
kraft die Frequenz der Laufschaufel ansteigt (Bauteil wird steifer), führt die erhöhte Schaufelblatttemperatur bei Grundlastbetrieb zu einer Abnahme der Eigenfrequenz (sinkender E-Modul aufgrund steigender Einsatztemperatur). Diese Reduktion kann in den hinteren Stufen, wie in Abb. 14-7 dargestellt, sogar den Versteifungseffekt überkompensieren. Da sowohl die Anregung aus dem stehenden System als auch die Rotationsharmonischen mit der Drehzahl steigen, sind diese als Ursprungsgeraden in das Campbell-Diagramm einzutragen. Im vorliegenden Schaubild sind die ersten sechs Rotationsharmonischen eingetragen sowie die Anregung der stromauf und stromab liegenden Statoren (Leitschaufelzahl Drehzahl), welche als Düsenerregung bezeichnet wird. Eine Resonanzstelle lässt sich somit im Campbell-Diagramm anhand der Schnittpunkte der Eigenfrequenzlinien mit den Ursprungsgeraden auffinden. Der Bereich nahe Nenndrehzahl, in dem die Gasturbine stationär betrieben werden darf, ist durch die senkrechten gestrichelten Linien abgegrenzt. Innerhalb dieser Grenzen ist das Auftreten einer Resonanzstelle nicht erwünscht, jedoch lässt sich dies insbesondere bei den Frontstufen des Axialverdichters für die höheren Schwingungsmoden nicht vermeiden. Die Auslegung der Laufschaufeln beschränkt sich daher auf jene kritischen Moden, bei deren Anregung es zu einem Versagen der Laufschaufel kommen kann. Zur Verdeutlichung dieser Vorgehensweise sind in Abb. 14-8 die Schwingungsformen der ersten acht Moden des in Abb. 14-7 vorgestellten Campbell-Diagramms dargestellt. Diese Schwingungsformen treten an allen Verdichterlaufschaufeln auf, je nach Schaufelgeometrie jedoch in veränderter Reihenfolge. Die beiden ersten Biege- und Torsionsmoden sowie die Biegeschwingung über die steife Achse (Imax )
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Knotenlinie
1. Biegung
1. Torsion
2. Biegung
Biegung lmax
2. Torsion
3. Biegung
3. Torsion
Eckenmode
Abb. 14-8 Schwingungsmoden 1–8 einer Verdichterlaufschaufel
führen bei einem Versagen zu einem Abbruch der gesamten oder eines Großteils der Verdichterlaufschaufel und somit zu starken Folgeschädigungen. Daher ist eine Vermeidung von Resonanzstellen im stationären Betrieb für diese Moden unerlässlich. Die weiteren Schwingungsformen (3. Biegung und Torsion sowie die Eckenmode) würden bei zu starker Anregung zu einem Ausbruch eines kleinen Stücks an der Schaufeloberseite führen und somit zu einer mäßigen Beschädigung der stromab liegenden Stufen. Da jedoch eine Auslegung der Laufschaufeln auf höhere Moden nicht durchgeführt wird, muss das Schaufeldesign in der Lage sein, die aus der Anregung resultierenden dynamischen Spannungen zu ertragen. Eine erste Kontrolle des Finite-Elemente-Modells sowie die Absicherung der Auslegung und des Fertigungsprozesses sind durch eine Stillstandsmessung der Bauteileigenfrequenzen möglich. Hierzu wird die Laufschaufel in eine entsprechende Haltevorrichtung eingespannt. Anschließend wird die Schaufel mit unterschiedlichen Frequenzen angeregt und die Amplitudenantwort gemessen. Hierdurch kann zum einen die Frequenzlage der Resonanzstelle, zum anderen die Knotenlinie der zugehörigen Schwingungsform bestimmt werden. Bei bestimmten Betriebszuständen nahe der Arbeitsgrenze der Laufschaufel oder bei ungünstiger Lage des Verzögerungsstoßes in transsonisch (s. Abschn. 7.5) ausgelegten Stufen oder Schaufeln mit verhältnismäßig geringen Sehnenlängen kann es zum Auftreten von selbsterregten Schwingungen, dem Flattern, kommen. Der Unterschied zu den weiter oben beschriebenen erregten Schwingungen besteht darin, dass es keine zyklische Anregung gibt, sondern das Bauteil mit einer nahezu konstanten Geschwindigkeit angeströmt wird. Jedoch ist hierbei das Bauteil geometrisch so ungünstig ausgeführt oder von der Strömung so ungünstig angeströmt, dass es trotz einer korrekten Abstimmung auf mögliche Resonanzstellen zu einem Auftreten hoher Schwingungsamplituden kommen kann. Eine Übersicht der mögli-
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
563
chen Mechanismen wird in [14.10] vorgestellt. Richtwerte für das Vermeiden von Biege- bzw. Torsionsflattern werden in der entsprechenden Fachliteratur [14.11] angegeben. Sollten die statischen und dynamischen Anforderungen durch das nachgerechnete Bauteil nicht erfüllt werden, ist durch eine Änderung der Werkstoffauswahl, des Dickenverlaufs, der Sehnenlänge oder ggf. einer aerodynamischen Neuauslegung eine erneute Iterationsschleife im Auslegungsprozess notwendig.
14.3 Fertigung Die von der Konstruktion festgelegte und von der Berechnung freigegebene Schaufelgeometrie wird der Fertigung mittels Zeichnung und Geometriedateien übermittelt. Die Wahl des Fertigungsverfahrens ist abhängig von der zu erwartenden Stückzahl einer Schaufelvariante, der geforderten Oberflächengüte, der Geometrietreue sowie des Werkstoffs.
14.3.1 Fertigungsarten Bei der Herstellung von Verdichterschaufeln kommen verschiedene spanende und spanlose Fertigungsverfahren wie Schmieden, Fräsen und Schleifen zum Einsatz. Um das Zerspanvolumen möglichst klein zu halten und sehr gute Festigkeitseigenschaften – insbesondere bei großen Laufschaufeln – zu erreichen, kommt das Gesenkschmieden zum Einsatz. Beim Gesenkschmieden wird die gesamte Schaufel, d. h. Schaufelblatt und -fuß im Gesenk mit einigen Millimetern Aufmaß geschmiedet. Anschließend werden Fuß und Blatt mittels Fräsen oder Schleifen fertig bearbeitet. Hierbei besitzt das Fräs- bzw. Schleifwerkzeug die negative Profilform des fertigen Schaufelfußes. Das in der Vergangenheit verwendete Präzisionsschmieden für das Schaufelblatt kommt heute nur noch vereinzelt zum Einsatz, da aufgrund der hohen Strömungsgeschwindigkeiten in den vorderen Stufen eine sehr enge Profiltoleranz – insbesondere an der Vorderkante – eingehalten werden muss. Aufgrund der hohen Herstellungskosten der Schmiedegesenke sowie der großen Anzahl unterschiedlicher Schaufelvarianten im Vergleich zur zu erwartenden Stückzahl wird in der Verdichterschaufelfertigung zumeist das Fräsen bzw. das Schleifen eingesetzt. Beim Fräsen von Verdichterschaufeln kamen in der Vergangenheit das manuelle Fräsen und die Kopierfrästechnik zum Einsatz. Diese beiden Verfahren wurden vor einigen Jahren durch das CNC-Fräsen (Computerized Numerical Control) ersetzt. Gefräste Schaufeln werden entweder aus Flachstahl oder aus Schmiederohlingen hergestellt. Das Schaufelblatt wird bis auf einige 1=10 mm auf Nennmaß gefräst und anschließend durch manuelles Schleifen, Gleitschleifen oder durch Schleifroboter fertig bearbeitet. Der Schaufelfuß wird in der gleichen Art wie bei geschmiedeten Schaufeln fertig bearbeitet. Ein großer Vorteil des Fräsens gegenüber dem Gesenkschmieden ist, dass auf etwaige Designänderungen mit geringem Aufwand durch Umprogrammierung der CNC-Software reagiert werden kann.
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U. D. Köller, B.van den Toorn
Das Gießen von Verdichterschaufeln ist zwar fertigungstechnisch möglich, wird aber aus ökonomischen Gründen selten angewendet.
14.4 Experimentelle Absicherung Wie in Abschn. 14.2.2 beschrieben, ist ein exaktes Bestimmen der dynamischen Belastung und der damit verbundene Nachweis der Dauerfestigkeit des Bauteils nur anhand von Betriebsmessungen möglich. Hierbei werden die wahren Schwingungsamplituden experimentell ermittelt und die resultierenden Spannungen bewertet. Als Grundlage hierzu dient das Haigh-Diagramm [14.12], bei dem die zulässige Spannungsamplitude temperaturabhängig über der Mittelspannung aufgetragen ist. Zwei Messverfahren werden i. d. R. zur Bestimmung der Schwingungsamplituden eingesetzt: Dehnungsmessstreifen und berührungslose Messverfahren, welche die Umfangsauslenkung der Schaufelblattspitze aufzeichnen. Bei den berührungslosen Messverfahren werden im Gehäuse oberhalb der Laufschaufeln mehrere in Umfangsrichtung verteilte Sensoren installiert, welche bei jeder Umdrehung den Zeitpunkt des Eintreffens der Schaufelblattspitze feststellen. Pro Umdrehung und Sensor ergibt sich ein Messpunkt pro Schaufel. Hierdurch ist einerseits eine Überwachung der gesamten Beschaufelung einer Reihe möglich. Auf der anderen Seite liegt die Abtastrate jedoch deutlich unterhalb der Schwingfrequenz, sodass eine exakte Bestimmung der Eigenfrequenz besonders in transienten Betriebszuständen schwierig ist. Dieses Messverfahren ist für Frontstufen zur Kontrolle niedriger Schwingungsmoden gut geeignet, jedoch erschweren die geringen Auslenkungen bei den hinteren Stufen sowie bei den höheren Moden an der Blattspitze die Auswertung deutlich. Mit dem Einsatz von Dehnungsmessstreifen, welche direkt auf dem Schaufelblatt fixiert werden, ist eine zeitlich durchgehende Messung möglich; die Abtastrate liegt deutlich oberhalb der Schwingfrequenz. Somit lässt sich eine exakte Bestimmung der Schwingungsamplituden und -frequenzen bis hin zu höheren Moden erreichen. Eine umfassende Beurteilung der Auslegung wird hierdurch gewährleistet. Während eine entsprechende Messung mit Dehnmessstreifen im stehenden System wenig problematisch ist, stellen eine Installation im rotierenden System und die Übertragung der Messsignale ins stehende System einen sehr großen Aufwand dar. Eine ausführliche Beschreibung beider Messverfahren findet sich in Abschn. 33.4. Aus der ermittelten Auslenkung der Blattspitze bzw. den gemessenen Dehnungen lassen sich mit Hilfe des Berechnungsmodells der Ort und der Wert der maximalen Spannung und somit im Haigh-Diagramm die Sicherheit des Bauteils bestimmen. Nach Auswertung der Messergebnisse ist sowohl die statische als auch die dynamische Belastung der Verdichterbeschaufelung bekannt; eine Serienfreigabe des Designs kann erfolgen.
14 Konstruktion, Berechnung und Fertigung von Verdichterschaufeln
565
Literaturverzeichnis 14.1. 14.2. 14.3. 14.4. 14.5. 14.6. 14.7. 14.8. 14.9. 14.10.
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Kapitel 15
Turbinenbeschaufelung Herbert F. J. Bals und Hans-Thomas Bolms
15.1 Allgemeine Betrachtungen In stationären Gasturbinen werden Axialturbinen eingesetzt, um die Energie des aus der Brennkammer strömenden Heißgases in mechanische Arbeit umzuwandeln. Im Heißgaskanal wird zwischen feststehenden Leitschaufeln, rotierenden Laufschaufeln und feststehenden Gehäusesegmenten unterschieden. Die Leitschaufeln dienen der Strömungsumlenkung. Durch die Umlenkung der Strömung in den rotierenden Laufschaufeln wird der Rotor in Bewegung versetzt und gibt die Leistung an Verdichter und Generator ab. Die Gehäusesegmente begrenzen zusammen mit den Plattformen der Leit- und Laufschaufeln den Strömungskanal. Die Auslegung dieser hoch belasteten Bauteile ist ein komplexer, iterativer Prozess. Neben der aerodynamischen Auslegung, welche die Expansion des Heißgases und damit die Energieumwandlung bestimmt, nehmen die thermische Auslegung zur Kühlung der Bauteile und die Festigkeitsauslegung zur Optimierung und Bestimmung der Lebensdauer einen breiten Raum ein. Bei der Auslegung werden neben den thermodynamischen Randbedingungen wie Temperatur und Druck des Heißgases auch Kühlluftversorgung, Stufenbelastung, Wirkungsgrad und Kühlluftverbrauch berücksichtigt. Weitere Randbedingungen und Anforderungen, wie z. B. Wechselwirkungen mit anderen Komponenten der Gasturbine, geforderte Lebensdauer der Komponenten, Fertigungsprozesse, Montage, Entwicklungszeit und Kosten, müssen ebenfalls beachtet werden.
15.2 Leitschaufeln Die Aufgabe der feststehenden Leitschaufeln ist die Führung der Heißgasströmung in axialer Richtung, die Expansion und damit Beschleunigung der Strömung und die Umlenkung der Strömung in Umfangsrichtung.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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H. F. J. Bals, H.-T. Bolms
15.2.1 Konstruktive Merkmale Die Form der Leitschaufeln orientiert sich an der Funktion: Fuß- und Kopfplatte führen die Strömung in axialer Richtung, das Schaufelblatt lenkt sie in Umfangsrichtung um (Abb. 15-1). Die Expansion und Beschleunigung der Strömung ergeben sich durch Umlenkung und den Verlauf der Kanalkontur. Die Ankoppelung an
Abb. 15-1 Definition einer Turbinenleitschaufel
Abb. 15-2 Leitschaufelkonstruktion mit direkter Aufhängung im Leitschaufelträger
15 Turbinenbeschaufelung
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Abb. 15-3 Leitschaufelkonstruktion mit Aufhängung in Zwischenringen
das Gehäuse und an die nabenseitigen Anbauten erfolgt über Stege und oder Verhakungen (Abb. 15-2, 15-3). Dabei können die Leitschaufeln entweder direkt im Gehäuse, in einem Leitschaufelträger oder in Zwischenringen (Abb. 15-3) befestigt sein. Da bei stationären Gasturbinen das Gehäuse zur Montage immer horizontal geteilt wird, werden die Leitschaufeln zur Montage ausgehend von der Teilfuge in den Träger eingeschoben und fixiert. Bei stark gekühlten Leitschaufeln werden die Schaufeln meist einzeln ausgeführt, während bei schwach- oder ungekühlten Schaufeln die Konstruktion als Segment mit mehreren Schaufelblättern an einer Kopf- und Fußplatte verbreitet ist. Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Konstruktion müssen im Einzelfall genau untersucht und bewertet werden. Faktoren wie Wärmespannungen, Leckagen, Fertigung, Gewicht, Kosten und nicht zuletzt Entwicklungsaufwand und Zeit sind zu berücksichtigen. Je nach verwendetem Grundmaterial, der thermischen Belastung und der geforderten Einsatzdauer werden die Schaufeln mit metallischen oder und keramischen Wärmedämmschichten versehen.
15.2.2 Leitschaufelblatt Das feststehende Leitschaufelblatt lenkt die Heißgasströmung in Umfangsrichtung um. Die Gestaltung des Profils erfolgt nicht nur nach aerodynamischen Gesichtspunkten (s. Kap. 8). Fertigungstechnische Aspekte, wie z. B. eine gerade Hinter-
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kante oder in radialer Richtung gerade Wände zum einfachen Einbringen von Kühllufteinsätzen, werden berücksichtigt. Die aerothermische Belastung des Schaufelblatts erfordert je nach Größe unterschiedliche Maßnahmen zur Schaufelblattkühlung. In den hinteren Stufen ist die Belastung oftmals so gering, dass auf eine aktive Kühlung verzichtet werden kann. Dennoch sind diese Schaufelblätter oft hohl ausgeführt, um Sperrluft zu dem Nabenbereich zu leiten. Die z. T. sehr großen Schaufeln lassen sich so auch besser abgießen und handhaben. Steigen die thermischen Belastungen an, so muss das Schaufelblatt gekühlt werden, um die Materialtemperaturen innerhalb zulässiger Grenzen zu halten. Meist wird als Kühlmedium abgezweigte Verdichterluft verwendet. Dampf oder andere Kühlmedien werden seltener eingesetzt, da neben den thermodynamischen Vorteilen viele Nachteile im Betrieb, in der Fertigung und bei der Montage bestehen. Für einfache Aufgaben reicht die konvektive Kühlung des Blattes durch radiale glatte oder mit Turbulenzelementen versehene Kanäle. Die radialen Kanäle sind oftmals untereinander mäanderförmig verbunden. So kann das Kühlmedium mehrfach genutzt werden. Im Bereich der Hinterkante werden meist Stege oder andere Einbauten eingesetzt, um diesen Bereich zu kühlen. Die erhitzte Luft tritt dann entweder durch gebohrte Löcher oder durch eingegossene Schlitze an der Schaufelhinterkante aus. Eine bessere Kühlwirkung wird durch den Einsatz der Prallkühlung erreicht. Dabei strömt das Kühlmedium durch Löcher und trifft mit hoher Geschwindigkeit auf die zu kühlende Schaufelinnenwand. Die Löcher werden entweder in Stegen beim Gussprozess eingegossen. oder es werden Blecheinsätze mit entsprechenden Lochmustern verwendet, die in das Schaufelblatt eingebaut werden (Abb. 15-4). Durch eine Segmentierung des Innenraumes können die einzelnen Bereiche kühlungstechnisch optimiert werden, und der Kühlluftverbrauch kann so reduziert werden. Die thermische Belastung kann zusätzlich durch den Einsatz von Filmkühlung (s. Kap. 17) reduziert werden. Dabei wird die bereits intern aufgeheizte Kühlluft durch Löcher in der Schaufelwand möglichst unter einem flachen Winkel in die Heißgasströmung ausgeblasen. Die Kühlluft wird dabei zweifach genutzt. Zum einen zur konvektiven Kühlung in der Schaufelwand und nach dem Austritt aus der Wand zur Ausbildung eines Isolierfilms zwischen Heißgasströmung und Schaufelaußenwand. Die Gestaltung der Löcher ist ein iterativer Prozess, da die Wirkung des Kühlluftfilmes direkten Einfluss auf die Aufheizung der Kühlluft in der Schaufel hat, jedoch selbst abhängig von den Austrittbedingungen der Kühlluft ist. Voraussetzung für die Filmkühlung ist eine ausreichende Druckdifferenz (Backflow margin) zwischen dem Druck am Filmkühlbohrungsein- und austritt bei allen Betriebszuständen. Der Druckaufbau im Verdichter ist – im Gegensatz zum Druckabbau in der Turbine – stark vom Durchsatz abhängig. Bei Teillast sinkt der relative Versorgungsdruck insbesondere der hinteren Turbinenstufen. Sofern die Druckdifferenz nicht positiv ist, strömt das Heißgas durch die Filmbohrungen in die Schaufel und kann zu raschem Versagen der Schaufel führen. Besonders gefährdet ist dabei der Staupunktbereich der Schaufel. Bei der ersten Leitschaufel steht hier maximal der Brennkammerdruckverlust als Druckdifferenz für die Filmkühlung zur Ver-
15 Turbinenbeschaufelung Abb. 15-4 Profilquerschnitt einer Leitschaufel mit Prallkühleinsatz
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Kühllufteintritt
Blecheinsatz
fügung. Der Brennkammerdruckverlust ist für den Gesamtwirkungsgrad der Gasturbine schädlich und muss niedrig gehalten werden. Daher kann in diesem Bereich oftmals eine Prallkühlung der Schaufelinnenwand ohne den Einsatz eines zusätzlichen Kühlluftverdichters nicht angewendet werden. Kühlluftverdichter werden i. d. R. auch dann eingesetzt, wenn die Kühllufttemperatur in einem externen Kühler reduziert wird. Aber auch bei Schaufeln ohne Filmkühlbohrungen, die bei Heißgastemperaturen höher als etwa 1150 °C betrieben werden, muss eine positive Druckdifferenz über die Schaufelwand in allen Betriebszuständen gewährleistet sein. Ansonsten kann Heißgas bei einer Schädigung der Schaufel, z. B. durch Fremdkörper oder durch Risse in die Schaufel, eindringen und das Grundmaterial schmelzen. Dies führt i. d. R. zu einer schnellen Vergrößerung des Schadens. Mithilfe der Kühlung wird eine möglichst gleichmäßige Temperaturverteilung im Material angestrebt, um Wärmespannungen niedrig zu halten. Damit kann die thermische Ermüdung minimiert und die thermisch induzierten Risse können vermieden werden. Durch die Reduzierung der Materialtemperatur soll weiterhin die Kriechspannung im zulässigen Bereich gehalten werden. Nur wenn die Kühlung richtig ausgelegt wurde, kann die Schaufel über die geforderte Lebensdauer betrieben werden und eine evtl. geplante Aufarbeitung (Refurbishment) kann wirtschaftlich durchgeführt werden.
15.2.3 Fußteil Am gehäuseseitigen Ende des Schaufelblattes befindet sich das Fußteil der Leitschaufel. Es begrenzt gehäuseseitig den Strömungskanal. Die Schaufelkräfte werden über Verhakungen und Stege in das Gehäuse eingeleitet. In Umfangsrichtung werden die Schaufeln über Bolzen fixiert. Die Stege und Verhakungen werden auch genutzt, um unterschiedliche Kühlluftdruckniveaus voneinander zu trennen. Auf der kalten Seite der Plattform finden sich oftmals Umlenkungen der internen Kühlkanäle. In stationären Gasturbinen werden relativ gleichmäßige radiale Temperaturverteilungen ohne einen starken Abfall zu den Wänden hin angestrebt. Die thermische Belastung der Fußplattform kann daher eine aktive Kühlung erfordern. Andererseits sind im Kontaktbereich mit dem Gehäuse oder den Zwischenringen die zulässigen
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Temperaturen oftmals relativ gering, da die Zeitstandfestigkeit der gewählten Materialen teilweise deutlich unter der des verwendeten Schaufelmaterials liegt. Durch diese relativ kalten und mechanisch sehr steifen Bereiche können große Wärmespannungen hervorgerufen werden, die durch das Schaufelblatt teilweise noch vergrößert werden. Dies erfordert eine sorgfältige thermische Gestaltung der Plattform und Aufhängung. Bei der Auslegung der Verhakungen sind neben den thermischen Dehnungen der Leitschaufeln und des Gehäuses auch mögliche Verkippungen der Schaufeln zu berücksichtigen. Zwischen einzelnen Plattformen sind im kalten Zustand Spalte in Umfangsrichtung vorzusehen, welche die thermische Dehnung der Plattformen auch bei transienten Vorgängen ermöglichen. Zwischen den Plattformen werden Abdichtelemente eingesetzt, um den Verlust von Kühlluft bzw. Sperrluft durch diese Spalte zu vermeiden. Bei stark gekühlten Plattformen sind diese Plattformränder kritisch, da sie üblicherweise massiver als der Rest der Plattform ausgeführt werden müssen, um die Dichtelemente aufnehmen zu können. Sie werden oftmals besonders gekühlt. Durch die Materialanhäufung ist eine, den Anforderungen gerecht werdende Auslegung besonders anspruchsvoll.
15.2.4 Kopfteil Üblicherweise begrenzt das Kopfteil den Strömungskanal auf der Nabenseite. Freistehende Leitschaufelprofile ohne Kopfteil sind nur bei älteren Gasturbinen anzutreffen. Der Läuferbereich muss vor den heute sehr hohen Gastemperaturen geschützt werden. Weiterhin wird die aerodynamisch unvorteilhafte Umströmung der Schaufelspitze durch den Einsatz der Kopfplatte vermieden. Thermisch hoch belastete Kopfplatten müssen ebenso wie die Fußplattform aktiv gekühlt und abgedichtet werden. Es kommen hier die gleichen Techniken zur Anwendung. Die Auslegung der Kopfplatte mit den Verhakungen und Stegen ist einfacher als bei der Fußplatte. Die mechanische Belastung ist deutlich geringer, da nur die angehängten Ringsegmente (s. Abschn. 15.2.5) gehalten werden müssen. Die thermischen Spannungen sind auch kleiner, da die Kühlluft im Nabenbereich vielfach schon stärker aufgeheizt und die Kopfplatte üblicherweise deutlich kleiner als die Fußplatte ist.
15.2.5 Schnittstellen Unterhalb der Kopfplatte finden sich Elemente, welche die Umströmung der Kopfplatte mit Heißgas zum Läufer hin verhindern. Dies können einfache direkt unter die Kopfplatte aufgebrachte Dichtspitzen oder wabenförmige Strukturen sein. Meist werden jedoch Segmente angebracht, welche die radiale Dichtfläche auf einen deutlich kleineren Radius verlegen. Der Vorteil besteht in einer deutlich kleineren Dichtfläche, bedingt aber auch größere Kräfte auf die Leitschaufeln und einen größeren
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Abb. 15-5 Axiale Dichtung der Radseitenräume
Radseitenraum
Ringsegment
Abb. 15-6 Preswirler Laufschaukel
Kühlluft Leitschaufel
Preswirler
Laufschaufel
Axialschub des Rotors. Die Verbindung zur Leitschaufel wird oft wie auf der Gehäuseseite mit Verhakungen und Nuten konstruktiv gelöst. Es gibt jedoch auch Konstruktionen, die eine individuelle Zentrierung der Elemente zum Rotor hin erlauben. Üblicherweise bilden diese Ringsegmente zusammen mit dem Rotor eine Labyrinthdichtung aus. Die Radseitenräume können offen oder mit zusätzlichen Dichtelementen ausgeführt werden. Bei der Konstruktion solcher Dichtungen ist zu beachten, dass bei stationären Gasturbinen der Rotor horizontal in die untere Gehäusehälfte eingelegt wird. Daher können diese axialen Dichtungen nicht wie bei Flugtriebwerken üblich ineinander greifen, sondern sie liegen übereinander, der rotierende Dichtflügel liegt dabei immer unter dem feststehenden Dichtbalkon (Abb. 15-5). Die stromauf liegenden Radseitenräume müssen üblicherweise mit Kühlluft gesperrt werden, um die hoch belasteten Rotorscheibenköpfe vor zu hohen Temperaturen zu schützen. Die Sperrluft muss den Druck im Radseitenraum hoch genug halten, sodass es nicht zu einem Einzug von Heißgas in den Radseitenraum kommt. Sofern die Laufschaufeln mit Kühlluft aus dem Gehäuse versorgt werden sollen, wird die Kühlluft durch die Leitschaufeln geführt und in den Segmenten unter den Leitschaufeln in sog. Preswirlern in Umfangsrichtung stark umgelenkt (Abb. 15-6). Damit werden beim Übergang in das rotierende System große Verluste vermieden. Der Vorteil dieser Ausführung ist die Möglichkeit der externen Regelung und eventuellen Kühlung der Rotorkühlluft.
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15.3 Laufschaufeln Die Aufgabe der rotierenden Laufschaufeln ist die Umlenkung und weitere Expansion der Heißgasströmung. Der daraus resultierende Impuls in Umfangsrichtung versetzt den Rotor in Bewegung. Die Leistung wird an Verdichter und Generator abgegeben.
15.3.1 Konstruktive Merkmale Wie bei der Leitschaufel lenkt das Schaufelblatt die Strömung um (Abb. 15-7). Ungekühlte kleinere Schaufeln werden i. d. R. als Vollprofil ausgeführt. Große ungekühlte Schaufeln werden dagegen oftmals hohl ausgeführt, um Gewicht und damit die Fliehkraftbelastung im Fuß zu reduzieren. Gekühlte Schaufeln haben im Profil mehr oder weniger komplexe Kühlkanäle. Die nabenseitige Plattform begrenzt den Strömungskanal und schirmt den Fußbereich mit Fußhals und Verhakung vor den hohen Heißgastemperaturen ab. Der Fußhals verbindet das verwundene Profil und die Plattform mit der geraden Verhakung im Rotor. So kann der Spannungsverlauf optimiert werden und eine gleichmäßige Kraftübertragung in der Laufschaufelbefestigung erreicht werden. Im Fußhals werden die hohen Materialtemperaturen in Richtung der Befestigung abgebaut. Durch seine radiale Länge werden die Schwingungsamplituden größer, was die Wirksamkeit von Dämpfungselementen verbessert. Bei freistehenden Laufschaufeln findet sich am oberen Blattende des Öfteren eine Anstreifkante. Durch ihre Form können die aerodynamischen Kopfspaltverluste beeinflusst werden. Außerdem verhindert sie eine zu starke Beschädigung der Schaufel, wenn diese am Gehäuse anstreifen sollte.
Abb. 15-7 Definitionen einer Turbinenlaufschaufel
15 Turbinenbeschaufelung
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Deckbänder am oberen Blattende bei nicht frei stehenden Schaufeln dienen der Dämpfung. Bei älteren Konstruktionen finden sich auch Dämpfungsdrähte oder Bolzen im Blattbereich. Diese sind aus aerodynamischen und Festigkeitsgründen nicht mehr üblich.
15.3.2 Laufschaufelblatt Die Belastung des Schaufelblattes durch Gaskräfte und thermische Lasten ist identisch wie bei Leitschaufeln. Zusätzlich muss den hohen Fliehkraftbelastungen Stand gehalten werden. Daher wird ein möglichst leichtes, schlankes Profil mit möglichst dünnen Wänden angestrebt. Die dünnen Wände sind leichter zu kühlen, allerdings fertigungstechnisch anspruchsvoller zu gießen. Auch muss die Schaufel im Betrieb sicher gegen das Eindringen von Fremdkörpern sein (s. auch Abschn. 15.5.5), was eine gewisse Mindestwandstärke in den am meisten gefährdeten Bereichen an der Saugseite erfordert.
Abb. 15-8 Kern einer Laufschaufel mit MehrpassKühlsystem
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Je nach thermischer Belastung gibt es unterschiedliche Designs. Bei den stark gekühlten Schaufeln finden sich komplexe Mehrpasssysteme, bei denen die Kühlluft mehrfach radial im Schaufelblatt umgelenkt wird (Abb. 15-8). Turbulenzelemente in den Kanälen erhöhen den inneren Wärmeübergang. Auch werden Prallkühlsysteme an Vorder- und Hinterkante eingegossen. Die Kühlluft strömt über Filmkühlbohrungen und die Hinterkante, die gegossen oder gebohrt werden kann, aus. Prallkühleinsätze wie bei der Leitschaufel gibt es praktisch nicht. Wärmedämmschichten werden eingesetzt, um die thermische Belastung weiter zu verringern. Verglichen mit den Leitschaufeln steht den Laufschaufeln einer Stufe eine größere Kühlluftdruckdifferenz zur Verfügung, da im Leitschaufelgitter vor der Laufschaufel Druck in der Heißgasströmung abgebaut wird. Bei schwach gekühlten Laufschaufeln werden einfachere Kühlungstechniken wie radiale Kanäle oder Bohrungen eingesetzt. Große, ungekühlte Laufschaufeln werden oftmals hohl ausgeführt, um die Fliehkraftbelastung abzusenken, aber auch um die erforderlichen Schwingungseigenschaften zu erfüllen.
15.3.3 Fußbereich Mehrere Funktionen sind im Fußbereich vereint. Primär dient dieser Bereich der Befestigung der Schaufel im Rotor. Weiterhin wird durch ihn das Schaufelblatt mit Kühlluft versorgt, die Schaufel axial fixiert und der Rotor vor der Heißgasströmung abgeschirmt. Durch seine Form und in Kombination mit Dämpferelementen wird das Schwingungsverhalten der Schaufel beeinflusst. Der Fußbereich unterteilt sich Fußplatte, Fußhals und Tragzähne (Abb. 15-7). Die Fußplatte begrenzt nabenseitig den Strömungskanal. Der Übergang zum Schaufelprofil muss besonders sorgfältig gestaltet werden, da hier die thermomechanischen Belastungen sehr groß sind. Die Wärmespannungen zwischen dem relativ leicht zu kühlenden dünnwandigen Schaufelblatt und der nur bedingt oder aufwändig zu kühlenden massiven Fußplatte bestimmen nicht selten die zulässige Lebensdauer der Schaufel. Bei thermisch hoch belasteten Schaufeln wird die Fußplatte konvektiv mit Filmkühlbohrungen und Kühlkanälen vor zu hohen Materialtemperaturen geschützt. Zwischen benachbarten Fußplatten finden sich insbesondere bei gekühlten Ausführungen Dichtelemente, die auch die Schaufelschwingungen dämpfen. Gebräuchlich sind runde Stifte, abgeflachte Stifte und Dichtstreifen. Je nach Konstruktion und Funktion stützen sich diese an den geraden oder abgeschrägten Fußplattenrändern ab oder werden in Nuten gehalten. Unterhalb der Fußplatte schließt sich der Fußhals an. Er stellt die mechanische Verbindung zwischen Schaufelblatt und den Tragzähnen her. Bei gekühlten Schaufeln wird durch ihn die Kühlluft zum Schaufelblatt geführt. Die konkrete Ausführung wird von mehreren Faktoren bestimmt. Um die Fliehkraftbelastung klein zu halten, sollte der Fußhals möglichst kurz ausgeführt werden. Eine längere Ausführung bietet jedoch einige Vorteile. So erlaubt ein längerer Fußhals einen besseren radialen Temperaturabbau zur Befestigung im Rotor hin. Der Verlauf von Kühlluft-
15 Turbinenbeschaufelung Abb. 15-9 Abdichtung des Fußhalsbereiches mit angegossenen Stegen
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Schnitt durch den Fußhals
Steg der Stirnseite
Fußhals Scheibenkopf Zahnbereich
Schnitt durch den Fußhals
Abb. 15-10 Abdichtung des Fußhalsbereiches mit einem im Rotor gehaltenen Dichtblech
Nase Dicht- und Sicherungsblech
Scheibe
Laufschaufelfuß
kanälen kann so gestaltet werden, dass nur geringe Druckverluste auftreten. Weiterhin bietet ein längerer Fußhals den Vorteil, dass die Belastung in den Tragflanken gleichmäßiger verteilt wird und dass Dämpfungselemente unter der Fußplatte aufgrund der größeren Schwingungsamplituden effektiver arbeiten. Der Bereich zwischen Fußhals und Scheibenkopf muss gegen Heißgaseintritt und Kühlluftaustritt abgedichtet werden. Diese Abdichtungen können entweder direkt zwischen den einzelnen Schaufeln eingesetzt werden oder konstruktiv vom Schaufelfuß getrennt werden. Im ersten Fall werden Dichtdrähte oder Dichtstreifen in Nuten eingelegt. Die Öffnungen zwischen Schaufelhals und Scheibenkopf werden dann mithilfe von am Fußhals angegossenen Stegen abgeschirmt (Abb. 15-9). Im zweiten Fall wird der Schaufelfuß von Dichtblechen komplett von der Heißgasströmung abgeschirmt. Diese Bleche können sich im Rotor oder an der Schaufel abstützen. Die Befestigung im Rotor hat den Vorteil, dass der Schaufelfuß nicht zusätzlich die Fliehkraftbelastung durch das Blech tragen muss. Dafür ist die Fertigung des Rotors aufwändiger (Abb. 15-10). Wenn das Blech sich an der Schaufel abstützt (Abb. 15-11) und sich mindestens über zwei Schaufeln erstreckt, kann es
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Abb. 15-11 Abdichtung des Fußhalsbereiches mit einem von der Schaufel gehaltenen Dichtblech
Nase Dicht- und Sicherungsblech
Scheibe
Laufschaufelfuß
Abb. 15-12 Axiale Schaufelsicherung mit einem Blechstreifen
Laufschaufelfuß
Scheibe
Sicherungsblech
zur Dämpfung der Schaufelschwingungen beitragen. Verschleiß und die Belastung des Bleches auf Beulen müssen bei der Auslegung berücksichtigt werden. Mit den Tragzähnen wird die Schaufel im Rotor radial gehalten. Die dabei auftretenden Kräfte sind gewaltig, so kann die Fliehkraftbelastung einer einzelnen Endstufenschaufel bis zu 400 Tonnen betragen. Die geraden Tragzähne sind in Form eines Tannenbaums angeordnet. Die Nuten im Rotor verlaufen axial oder leicht schräg zur Maschinenachse. Am Fuß befinden sich 2–6 Zahnpaare. Die Anzahl wird von den in der Fertigung erzielbaren Toleranzen und der Größe der internen Kühlkanäle maßgeblich bestimmt. Große Kühlkanalquerschnitte können kleine Tragzähne erfordern. Die sehr hohen Belastungen erfordern eine sorgfältige Gestaltung der Tragflanken und Hohlkehlen. Fertigungstoleranzen und Temperaturunterschiede beeinflussen die Lastverteilung und damit die zulässigen Lastwechsel und werden im Design besonders sorgfältig bewertet. Der Tannenbaumfuß fixiert die Schaufel bei niedrigen Umfangsgeschwindigkeiten nicht in axialer Richtung. Daher müssen die Schaufeln auch axial fixiert werden. In Kombination mit einer eventuell notwendigen Abdichtung gegen Leckagen gibt es eine Vielzahl von konstruktiven Lösungen. Eine einfache Ausführung besteht aus einem Blechstreifen unter dem Fuß. Unter der Schaufel greift dieser in eine Nut, seine Enden werden umgebogen und fixieren so die Schaufel im Rotor (Abb. 15-12). Andere Konstruktionen verwenden Sicherungsbleche, die in Umfangsrichtung in Nuten in Rotor und Schaufelfuß eingeschoben werden und damit die Schaufel axial fixieren (Abb. 15-13).
15 Turbinenbeschaufelung Abb. 15-13 Axiale Schaufelsicherung mit Umfangssicherungsblech
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Laufschaufelfuß
Scheibenkopf
Sicherungsblech
15.3.4 Anstreifkante Schaufeln ohne Deckband weisen oft eine Anstreifkante am Blattende auf. Im Vergleich zu einem massiven Blattende kann durch die Anstreifkante im Fall des Anstreifens am Gehäuse größerer Schaden vermieden werden. Üblich ist eine umlaufende Kante, bei schlanken Profilen wird die Kante aerodynamisch vorteilhaft auf der Saugseite ausgebildet. Die Anstreifkante wird bei thermisch hoch belasteten Schaufeln aktiv durch Filmkühlluft gekühlt, da ansonsten die geforderten Standzeiten nicht erreicht werden können.
15.3.5 Deckband Kann eine freistehende Schaufel nicht resonanzfrei ausgelegt werden, so kann ein Design mit Deckband die Lösung darstellen (Abb. 15-14). Das Resultat unterscheidet sich dann deutlich von einem Design ohne Deckband. So ist die Schaufelzahl deutlich größer, da die freie Spannweite der Deckbänder aus Festigkeitsgründen limitiert ist. Die Schaufeln sind dann deutlich schlanker und haben eine kürzere Sehnenlänge. Zur Dämpfung wird die Entwindung der Schaufel unter Fliehkrafteinfluss genutzt. Der im Stillstand kleine Spalt zwischen den Deckbandrändern schließt sich durch die Verdrehung. Die Reibung der Kontaktflächen aneinander dämpft die Schwingungen. Dabei bilden sich wesentlich mehr Paketschwingungsformen aus. Die Kontaktflächen werden oft mit einer Schutzschicht gegen Verschleiß beschichtet. Die Reduzierung von Kopfspaltverlusten durch das Deckband steht beim Design nicht an erster Stelle. Da die Deckbänder möglichst leicht und klein ausgeführt wer-
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Abb. 15-14 Deckbänder einer Turbinenendstufe
den und sich daher nicht mehr über die volle axiale Gitterbreite erstrecken, ist die Verlustreduzierung nur klein.
15.3.6 Andere Dämpfungselemente Wie in der Einleitung erwähnt (Abschn. 15.3.1), werden Dämpfungsdrähte oder Stifte im Blattbereich in modernen Konstruktionen nicht verwendet. Dagegen sind Dämpfungsstifte unterhalb benachbarter Plattformränder üblich. Durch die Fliehkraftbelastung werden diese an die Flanken der Schaufeln gedrückt und dämpfen damit die Relativbewegung der Schaufeln. Sie übernehmen auch die Abdichtung des Fußseitenraumes zum Heißgas hin, sodass kaum Kühlluft austreten kann.
15.4 Gehäusesegmente Die Aufgabe von feststehenden Gehäusesegmenten ist die axiale Strömungsführung im Bereich von rotierenden Laufschaufeln, so können die Fußplatten der angrenzenden Leitschaufeln kürzer ausgeführt werden. Dieser Vorteil wird mit größeren Leckagen durch die zusätzlichen Spalte erkauft.
15.4.1 Konstruktive Merkmale Ähnlich wie bei Leitschaufeln werden Gehäusesegmente mit Stegen oder Verhakungen im Leitschaufelträger oder Zwischenringen befestigt. In den vorderen, ther-
15 Turbinenbeschaufelung
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Abb. 15-15 Gehäusesegment mit Anstreifmaterial
Anstreifmaterial
misch hoch belasteten Stufen kommen wie bei den Leitschaufeln komplexe, hocheffektive Kühlverfahren zum Einsatz. Häufig werden neben Prall- und konvektiver Kühlung, Filmkühlung und Wärmedämmbeschichtungen eingesetzt. Die größten Belastungen in den vorderen Stufen sind die thermischen, gefolgt von der dynamischen Anregung durch die vorbeidrehenden Laufschaufelspitzen sowie der Druckdifferenz über das Segment hinweg. Durch eine Optimierung der axialen und Umfangslänge der einzelnen Segmente werden die Belastungen optimiert, sodass die geforderte Einsatzdauer gewährleistet werden kann. Gehäusesegmente werden auf der Heißgasseite je nach Höhe der thermischen Belastung mit metallischen Oxidationsschutzschichten oder keramischen Wärmedämmbeschichtungen geschützt. Diese verlängern die Lebensdauer der Bauteile erheblich. Allerdings führt ein Anstreifen von Laufschaufelspitzen in die Wärmedämmschicht zu einem starken Abtrag der metallischen Laufschaufelspitze. Die kürzeren Laufschaufeln führen dann im weiteren Betrieb zu größeren Kopfspaltverlusten. Durch die Verwendung von abriebfähigen Beschichtungen auf den Gehäusesegmenten wird erreicht, dass die Laufschaufeln sich lokal im Bereich des zeitweise kleinsten Radius in die Schicht einarbeiten können, ohne dass die Laufschaufelspitzen geschädigt werden. Im Gegensatz zu Flugtriebwerken wird bei stationären Gasturbinen dieses Einschleifen nicht planmäßig forciert. Gehäusesegmente über Laufschaufeln mit Deckbändern werden insbesondere in den hinteren Turbinenstufen mit weichen Anstreifmaterialien, wie z. B. wabenförmigen Strukturen (Honeycombs) aus Nickelblechen versehen, in die sich die Deckbänder leicht einarbeiten können (Abb. 15-15). Diese werden üblicherweise auf die tragende Struktur aufgelötet. Je nach thermischer Belastung und verwendetem Material werden diese wabenförmigen Strukturen durch Oxidation stark angegriffen und müssen bei Revisionen ausgetauscht werden. Wie bei Leitschaufeln werden zwischen einzelnen Segmenten und zwischen Segment und benachbarten Leitschaufelfußplatten Abdichtelemente eingesetzt, um die Kühlluftverluste zu reduzieren.
15.5 Schädigungsarten Gasturbinenschaufeln sind unterschiedlichsten Belastungen ausgesetzt, die zu verschiedenen Anzeigen bzw. Versagensmechanismen führen können.
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15.5.1 Kriechschädigung Große Bereiche der Turbinenschaufeln befinden sich auf einem Temperatur- und Lastniveau, bei dem Kriechverformungen zu erwarten sind. Die Größe der Kriechverformung ist eine Funktion der Zeit, Temperatur und Spannung des Werkstoffes (s. Kap. 25). Obwohl die Dehnungen global deutlich unter den Bruchdehnungen liegen, können sich lokal Kriechporen und kleine Risse bilden. Die Kriechverformung erfolgt in drei Phasen: zunächst erfolgt unter Last schnell eine Dehnung mit relativ großer Dehngeschwindigkeit (primäres Kriechen). Dieser Phase folgt eine große Zeitspanne mit konstanter, kleiner Dehngeschwindigkeit (sekundäres Kriechen). In der dritten Phase kommt es dann zum schnellen Wachsen der Dehnrate und anschließenden Versagen durch den Zusammenschluss von Poren (tertiäres Kriechen). Bei der Auslegung wird daher gegen die globale Verformung, die lokale Dehnung oder die Zeitstandsfestigkeit ausgelegt.
15.5.2 Thermische Ermüdung und zyklische Beanspruchung Schaufelwerkstoffe halten bei wechselnder, niederfrequenter Beanspruchung nur eine bestimmte Anzahl Dehnungswechsel stand (Materialermüdung bei niederfrequenter Beanspruchung, engl. Low Cycle Fatigue D LCF). Die Anzahl der ertragbaren Dehnungswechsel ist eine Funktion der Dehnungsamplitude, Temperatur und Haltezeit (s. Kap. 25). Die Dehnungen werden durch Temperatur-, Fliehkraft- und Druckänderungen hervorgerufen. Durch Relaxation ermüdet der Werkstoff, und es kommt zur Rissbildung, einer der Hauptgründe für den Ausfall von Schaufeln. Im Bauteil entstehen Wärmespannungen durch unterschiedliche Materialtemperaturen und durch eingeschränkte Dehnung. Sie werden vielfach noch durch instationäre Vorgänge verstärkt. In Abb. 15-16 ist dies beispielhaft über einen Belastungs- und sehr schnellen Entlastungszyklus für einen Profilschnitt einer ungekühlten Schaufel dargestellt. In die dünne Hinterkante des Profils fließt z. B. beim Anstieg der Rauchgastemperatur saug- und druckseitig ein Wärmestrom. Dieser kann jedoch wegen des relativ kleinen Querschnittes zwischen Hinterkante und mittlerem Profilbereich und der großen Wärmeleitungslänge nicht so schnell in den dickeren mittleren Profilbereich geleitet werden. Dadurch steigt die Hinterkantentemperatur schneller als die Temperatur des mittleren Profilbereiches. Dies bewirkt eine größere Wärmeverformung an der Hinterkante, als sich im mittleren Profilbereich einstellt. Da diese zwei Bereiche jedoch fest verbunden sind, entsteht eine gegenseitige Behinderung und damit eine Dehnung. Die Hinterkante kann sich dadurch weniger verlängern, als sich freistehend ergeben würde, und damit wird eine Druckspannung erzeugt. Im mittleren Profilbereich entsteht dementsprechend eine Zugspannung. Bei der Entlastung der Gasturbine, also Abfall der Rauchgastemperatur, kehren sich die Vorzeichen der Wärmespannung um. Dies führt dann zu der in Abb. 15-16 gezeigten max. Dehnungsdifferenz an der Hinterkante. Solche instationären Vorgänge müssen bei der Vorhersage der erwarteten Anzahl ertragbarer Lastwechsel berücksichtigt werden.
15 Turbinenbeschaufelung
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900 Rauchgastemperatur 800
600
Temperatur der Hinterkante
500 400 300 Temperatur in der Profilmitte 200 100 0 –100 –200
Spannung an der Hinterkante
–300
Max. Dehnungsdifferenz an der Hinterkante
Temperatur [°C] und Spannung [MPa]
700
–400 0
1
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3
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Zeit [min] Abb. 15-16 Instationärer Temperatur- und Spannungsverlauf einer Turbinenschaufel
Die Spannungen im Bauteil werden durch scharfe Kanten und Kerben verstärkt. Dies wird bei der Auslegung durch entsprechende Kerbfaktoren berücksichtigt und erlaubt die korrekte Vorhersage der ertragbaren Lastwechsel.
15.5.3 Schädigung durch dynamische Beanspruchung Schaufelwerkstoffe ertragen bei wechselnder, hochfrequenter Beanspruchung nur eine bestimmte Anzahl Lastwechsel bis zum Bruch. Der Werkstoff versagt in Abhängigkeit von der Wechselspannungsamplitude, Mittelspannung, Temperatur und der Anzahl Lastwechsel. Durch instationäre Gaskräfte werden dynamische Beanspruchungen erzeugt, welche sich den stationären überlagern. Da die Vorhersage der genauen dynamischen Anregungen von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird, müssen die Annahmen durch Messungen überprüft werden. Hohe dynamische Beanspruchungen insbesondere in Resonanzbereichen werden durch die in den Abschn. 15.3.5, 15.3.6 und 15.6.5 beschriebenen Maßnahmen vermieden.
15.5.4 Schädigung durch Oxidation, Heißgaskorrosion Turbinenschaufeln werden bei hohen Temperaturen durch Oxidation und Heißgaskorrosion angegriffen. Für Industriegasturbinen werden lange Revisionsintervalle
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angestrebt, daher müssen die Schaufeln durch besondere Beschichtungen geschützt werden. Die Materialoberflächentemperatur, ab der eine Schutzschicht erforderlich ist, ist abhängig von der geforderten Standzeit, dem Grundwerkstoff und Brennstoff. Die Auswahl der Schutzschicht muss sehr sorgfältig auf den Grundwerkstoff und die Betriebsbedingungen abgestimmt geschehen (s. Kap. 24). Ansonsten kann es zu einem schnellen Verbrauch der Schicht, Abplatzen und Angriff des Schaufelwerkstoffs kommen. Heißgaskorrosion kann auftreten, wenn im Heißgas Elemente wie Natrium, Schwefel, Chlor, Fluor oder Brom enthalten sind. Diese Elemente sind in minderwertigen Brennstoffen zu finden, aber auch in der Nähe von Industriegebieten, sodass sie über die Ansaugluft in den Heißgastrakt gelangen können. Hohe Konzentrationen dieser Elemente führen zur schnellen Zerstörung der Bauteile, da sowohl Keramiken als auch Metall stark angegriffen werden. Durch Oxidation, Korrosion oder Heißgaskorrosion vorgeschädigt, kann es zum frühen Versagen der Schaufel durch zu hohe Spannungen in den verbleibenden Querschnitten kommen. Auch kann durch eventuell auftretende Löcher Kühlluft austreten. Dadurch kann die Kühlung der Schaufel versagen, was i. d. R. zum schnellen Ausfall des Bauteils führt.
15.5.5 Schädigung durch Fremdteile Im Gegensatz zur Erosion ist hiermit die Beschädigung durch größere Partikel oder Teile gemeint, welche vom Heißgasstrom transportiert werden (Foreign Object Damage, FOD). Wegen der hohen Umfangsgeschwindigkeiten der Laufschaufeln können diese erhebliche Schäden anrichten. Kleinere Partikel können Filmkühlbohrungen verstopfen, insbesondere wenn sie im Kühlluftsystem transportiert werden. Dies kann Dreck sein, der während der Montage oder einer Revision in die Bauteile gelangt, oder auch Rost aus anderen Bauteilen aus nicht oxidationsresistenten Werkstoffen. Größere frei fliegende Teile können die Wärmedämmschichten beschädigen oder die Schaufelwände durchschlagen. Daher ist größte Sorgfalt bei der Konstruktion und Montage aller Teile im Bereich der Brennkammer und der Turbine geboten, damit sich Teile nicht lösen können. Teile aus dem Verdichter stellen ein nicht so großes Gefahrenpotenzial dar, da sich diese Teile oftmals in dem Bereich vor der Brennkammer, in dem die Strömungsgeschwindigkeiten klein sind, ablagern können. Erosion spielt bei Standorten mit hoher Luftverschmutzung oder beim Betrieb mit schlechten Brennstoffen eine gewisse Rolle. Insbesondere die Lebensdauer der Beschichtung ist nachteilig betroffen.
15.6 Lebensdauervorhersage Die Vorhersage der Bauteillebensdauer nimmt im Designprozess eine zentrale Rolle ein. Es muss nachgewiesen werden, dass die Bauteile alle Lebensdaueranforderun-
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gen erfüllen. Man unterscheidet dabei zwischen Anforderungen zur Zeitstandfestigkeit, zur Anzahl der ertragbaren Start-Stopp-Zyklen und zur Beschichtungslebensdauer. Alle drei Größen ergeben sich aus dem vorgesehen Service- und Betriebskonzept für die Turbine. Die Intervalle zwischen dem Austausch der Turbinenbeschaufelung betragen je nach Belastung etwa 3–5 Jahre. Weniger belastete Schaufeln können entweder in der Maschine für weitere Intervalle verbleiben oder werden aufgearbeitet und wieder eingebaut. Damit ergeben sich für die Zeitstandfestigkeit Anforderungen von etwa 24–41 103 Stunden bzw. vielfache davon. Die Anforderungen an die zyklische Belastung der Bauteile haben sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Durch steigende Energiepreise und anderseits durch die vermehrte Nutzung von erneuerbaren Energien werden Gasturbinenkraftwerke heute vermehrt zur Abdeckung von Spitzenlast und als Ersatz für nicht verfügbare Windkraftwerke genutzt. Wurden die Gasturbinen vor einigen Jahren hauptsächlich in der Grundlastversorgung eingesetzt, sind heute Anforderungen von bis zu 350 Starts pro Jahr üblich. Damit ergeben sich Lebensdaueranforderungen von mindestens 1000 Starts pro Intervall für hoch belastete Schaufeln bzw. vielfache davon bei weniger belasteten Schaufeln. Das geplante Servicekonzept gibt die minimale Beschichtungslebensdauer vor und erfordert die Einhaltung von bestimmten zulässigen Beschichtungsmaterialtemperaturen. Schaufeln, deren Zeitstandsfestigkeit und oder zyklisches Leben noch nicht aufgebracht sind, werden aufgearbeitet. Die Lebensdauerkosten einer Turbinenschaufel werden maßgeblich durch die Festlegung auf geeignete Servicekonzepte und ein dafür geeignetes Bauteildesign beeinflusst. Im Entwurfsprozess werden die Bauteile iterativ ausgelegt. Dabei spielen neben der Funktionalität des Bauteils, die Anforderungen an die Lebensdauer, die zur Verfügung stehenden Technologien und Werkstoffe, die Herstellungskosten und nicht zuletzt die Entwicklungskosten und -zeit eine wichtige Rolle. In den gekoppelten Entwurfsprogrammen werden dabei alle Parameter der Schaufeln modelliert und berechnet. Während früher die Auslegung der Schaufeln ein- und zweidimensional durchgeführt wurde, werden heute standardmäßig Turbinenschaufeln dreidimensional ausgelegt. Nur so können die hohen Anforderungen und die gestiegenen Belastungen in Einklang gebracht werden. Im Folgenden wird ein Überblick über die bei der Festigkeitsauslegung zu beachtenden Beanspruchungen gegeben.
15.6.1 Statische Beanspruchung aus den Gaskräften Gaskräfte verursachen im Schaufelblatt und in dessen Befestigung ein Biegemoment. Dies setzt sich aus den Änderungen des Umfangsimpulses, des Axialimpulses und des Druckes zusammen. Diese Kräfte werden entlang des Blattes integriert. Zusätzlich müssen auch noch Kräfte berücksichtigt werden, die an Fuß- und Kopfplatten, Deckbändern und Labyrinthdichtungen angreifen können. Bei Leitschaufeln können die an der Kopfplatte hängenden Segmente mit den Labyrinthdichtun-
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gen wegen der dort vorherrschenden Druckdifferenzen erhebliche zusätzliche Kräfte aufbringen.
15.6.2 Statische Beanspruchung aus den Fliehkräften Die statische Hauptbeanspruchung bei nicht oder nur gering gekühlten Laufschaufeln ist die Fliehkraftbeanspruchung. Die von den Gaskräften hervorgerufene statische Biegebeanspruchung spielt vielfach eine nur untergeordnete Rolle und lässt sich für einen bestimmten Betriebszustand durch Fliehkraftrückbiegung (Auslenkung des Profilschwerpunktes von der Radialen) kompensieren. Die Fliehkraftspannung ist proportional zu der Fläche des axialen Strömungsquerschnittes. Daher ist sie für Endstufenschaufeln deutlich größer als für Schaufeln der ersten Laufschaufelreihe. Zusätzlich muss die Fliehkraftbeanspruchung von Deckband, Dicht- und Dämpfungselementen berücksichtigt werden. Durch Verjüngung des Profils zum Blattende hin und durch eingegossene Hohlräume kann die Fliehkraftspannung an der Nabe deutlich reduziert werden. Allerdings kann bei zu dünnen Profilen im oberen Blattbereich die dynamische Belastung zu hoch werden. Die kleinste Wandstärke bzw. der Verlauf der Wanddicke ist auch vom Gussprozess abhängig und damit nicht beliebig wählbar.
15.6.3 Beanspruchung durch thermische Belastung Bei stark gekühlten Schaufeln ist vielfach die Wärmespannung die bestimmende Größe für die erreichbare Lebensdauer. Durch die großen Temperaturdifferenzen innerhalb des Bauteils entstehen erhebliche Dehnungsdifferenzen. Die lokalen Wärmespannungen innerhalb der Schaufel können nur mit FiniteElemente-Programmen genau erfasst werden, da sie in alle drei Raumrichtungen wirken. Hier soll nur zur Darstellung der Einflussgrößen die Wärmespannung eines geraden Stabes mit kreisförmigem Querschnitt betrachtet werden, der ungleichförmig über den Querschnitt erwärmt wurde. Der Querschnitt soll genau hälftig aufgeteilt sein in einen Kernbereich mit der Temperatur T1 und in einen äußeren Bereich mit der Temperatur T2 . Außerdem wird angenommen, dass der Wärmeausdehnungskoeffizient ˛ und der Elastizitätsmodul E des Werkstoffes unabhängig von der lokalen Temperatur sind. Die Wärmespannung W im Kernbereich errechnet sich dann wie folgt: W D E˛.T2 T1 / : Ein Werkstoff mit niedrigem E-Modul (z. B. Einkristall) und niedrigem Wärmeausdehnungskoeffizienten erzeugt also eine niedrigere Wärmespannung. Bei den Wärmespannungen können schon die stationären Werte eine limitierende Rolle spielen. Durch Kriechvorgänge bauen sich stationäre Wärmespannungen zwar mit der Zeit ab, jedoch kann lokal die dann erreichte Gesamtdehnung einen Riss erzeugen. In Kombination mit dynamischen Beanspruchungen kann dies dann sehr schnell zum totalen Versagen der Schaufel führen.
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Gravierender als die statischen Wärmespannungen wirken sich jedoch die Wechselbeanspruchungen durch die Start-/Stopp- und Belastungs-Zyklen aus. Dies führt zu thermischer Ermüdung des Werkstoffes. Bei hoher Belastung muss nach einer gewissen Startzahl mit lokaler Rissbildung gerechnet werden. Je nach Lage und Größe der Risse kann dann die Schaufel vielfach noch für eine bestimmte Anzahl Starts und Stunden betrieben werden. Zur Bestimmung der bis zum Versagen ertragbaren restlichen Lastwechsel werden bruchmechanische Methoden angewendet. Oftmals werden zur Lebensdauerberechnung thermischer Belastungen die einfacheren Modelle der zyklischen Materialbelastung (Low Cycle Fatigue, LCF) angewendet. Für diese rein isotherme mechanische Belastung sind materialspezifische Koeffizienten relativ einfach zu ermitteln, während die Modellierung anisothermischer Materialbelastung (Thermomechanical Fatigue, TMF) und die zugehörigen Materialtests ungleich komplexer und aufwändiger sind. Das Temperaturniveau und die Temperaturgradienten und damit auch die Wärmespannungen im tragenden Schaufelmaterial können durch eine Wärmedämmschicht (s. Kap. 24) erheblich reduziert werden. Hierbei muss jedoch auf gute Verträglichkeit der Wärmedämmschicht und der Haftschicht mit dem Grundwerkstoff geachtet werden. Zu große Dehnungsdifferenzen zwischen Schicht und Grundwerkstoff können sonst zur Ablösung der Schicht oder zum Einleiten von Rissen in den Grundwerkstoff führen.
15.6.4 Dauerfestigkeit
Spannungsamplitude σa
Es existiert für die zyklische Dauerfestigkeit (High Cycle Fatigue, HCF) eine materialspezifische Dauerfestigkeitsgrenze. Sofern die Belastung unter dieser Grenze bleibt, wird das Bauteil nie unter der zyklischen Belastung versagen. In der Praxis werden die Dauerfestigkeitsversuche für Hochtemperaturwerkstoffe bis zu etwa 108 Lastwechsel durchgeführt. Als Auslegungskurve für die Dauerfestigkeit ist die Darstellung der Spannungsamplitude über der Mittelspannung, das Haigh-Diagramm (Abb. 15-17), üblich. Die Koeffizienten zur Beschreibung der Funktion werden in Materialversuchen ermittelt.
Abb. 15-17 Schematisches Haigh-Diagramm
T = konstant N i = konstant
Dauerfester Bereich
Mittelspannung σm
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15.6.5 Dynamische Beanspruchung aus Gaskräften Eine weitere wichtige Beanspruchungsart ist die dynamische Beanspruchung durch instationäre Gaskräfte. Besonders sind hier die periodischen Anregungen durch Ungleichförmigkeiten der Strömung am Umfang von großer Bedeutung. Diese können noch von lokal ungleichen Gitterteilungen oder von Unterschieden in der Temperaturverteilung in Umfangsrichtung überlagert werden. Bei Leitschaufeln mit Kopfplatten wirkt sich die dynamische Anregung nur geringfügig aus. Die relativ losen Aufhängungen im Leitträger und die Labyrinthsegmente erzeugen eine sehr gute Dämpfung. Eine wichtige Anregung bei Laufschaufeln ist die sog. Düsenerregung. Die Anzahl der Nachlaufdellen der vor der Laufschaufelreihe liegenden Leitschaufeln multipliziert mit der Drehfrequenz soll nach Möglichkeit im gesamten Betriebsbereich der Turbine nicht mit einer Eigenfrequenz der Laufschaufel übereinstimmen. In diesem Resonanzfall können sonst zu hohe dynamische Amplituden erzeugt werden. Die Resonanzfreiheit kann allerdings nur in wenigen Fällen erreicht werden. Bei der Festlegung der Leitschaufelzahl kann jedoch oft die Resonanz auf eine Eigenform gelegt werden, welche sich sehr viel schlechter anregen lässt als eine nächst höhere oder niedrigere Eigenform. In etwas abgeschwächter Form können die Laufschaufeln auch durch die Stromaufwirkung der dahinter liegenden Leitreihe angeregt werden. Deshalb sollte vor und hinter der Laufschaufelreihe nicht die gleiche Anzahl Leitschaufeln gewählt werden. Weiterhin kann es bei Übereinstimmung der Drehfrequenz oder eines Vielfachen der Drehfrequenz der Gasturbine mit einer Schaufeleigenfrequenz zur Resonanz kommen. Durch Abstimmung der dynamischen Eigenschaften der Laufschaufel wie Veränderungen der Sehnenlänge oder des Schaufelkernes muss die Übereinstimmung insbesondere mit den niedrigeren Drehzahlharmonischen vermieden werden. Bedingt durch Fertigungsabweichungen oder Veränderungen im Betrieb der Turbine kann es sowohl zur Verschiebung der Schaufeleigenfrequenzen als auch der dynamischen Anregungen kommen. Daher werden im Betrieb Sicherheitsabstände zu den Drehzahlharmonischen gefordert. Das schematische, kombinierte Campbell-Diagramm (Abb. 15-18) gibt einen Überblick über das Schwingungsverhalten der Schaufel unter unterschiedlichen Belastungen: Schaufel im kalten Zustand, keine Rotation (n=nN D 0); Hochfahren der Gasturbine bis Nenndrehzahl (n=nN D 1), keine Belastung der Gasturbine (P =PN D 0) und schließlich der Fall Nenndrehzahl und Volllast (P =PN D 1). In dem Diagramm sind weiterhin die Drehzahlharmonischen und die Sicherheitsbänder um die Drehzahlharmonischen eingezeichnet. Beim Hochfahren der Turbine kommt es zwangsläufig zu Überschneidungen von Schaufeleigenfrequenzen mit Drehzahlharmonischen. In diesen Punkten könnte es bei stationärem Betrieb zu hohen dynamischen Amplituden kommen, die nur durch die Eigendämpfung des Materials und spezielle Dämpfungselemente gedämpft werden. Normalerweise werden diese kritischen Punkte rasch durchfahren, und es kommt nicht zu unzulässigen Amplituden. Nach Erreichen der Nenndrehzahl wird die Maschine belastet. Durch die veränderten Temperaturen und Gaskräfte sinken
15 Turbinenbeschaufelung
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400 350
Sicherheitsband S icherheitsband
250
nzenz freuequ eneq - E ige felelEignfr auuf chha SSc
200 cshc
hee
150
ramr m oon
nisi
Frequenz [Hz]
300
DDr erhe
zhaz ha lh hlah
100 50 0 0 0
11 0
n/n N
21
P /P N
Abb. 15-18 Kombiniertes Campbell-Diagramm
die Schaufeleigenfrequenzen ab. Die Sicherheitsabstände zu den Drehzahlharmonischen müssen eingehalten werden. Bei höheren Drehzahlharmonischen ist dies nicht immer einzuhalten, allerdings werden die Anregungen auch immer kleiner. Eine Messung der Schaufelfrequenzen im Betrieb ermöglicht den Nachweis der geforderten Sicherheitsabstände, bzw. dass die Amplituden der Schaufel auch im Resonanzfall unkritisch und die dynamische Belastung dauerhaft zu ertragen ist.
15.7 Werkstoffauswahl Weil die für die Turbine geeigneten Werkstoffe und ihre Eigenschaften in den Kap. 23–25 genau besprochen werden, soll hier nur Generelles vermittelt werden. Aus thermodynamischer Sicht würde der optimale Werkstoff für Turbinenbauteile keine Kühlung erfordern. Trotz großer Bemühungen ist solch Material derzeit nicht verfügbar. Alternativ muss daher heute ein Grundwerkstoff mit hoher Wärmeleitfähigkeit, niedrigem Wärmeausdehnungskoeffizienten, hoher Temperaturzeitstandfestigkeit und Oxidations- und Korrosionsbeständigkeit ausgewählt werden. Bei der Materialauswahl werden neben den genannten Werkstoffkennwerten noch die Herstellbarkeit, die Möglichkeit der Beschichtbarkeit mit Oxidations- und Wärmedämmschichten und die Kosten berücksichtigt. Nickel- und Kobaltbasis-Legierungen kommen heute diesen Forderungen weitgehend nach und sind daher die bevorzugten Werkstoffe für Bauteile im Heißgaspfad. Kobaltlegierungen weisen eine etwas höhere Wärmeleitfähigkeit als Nickellegierungen aus. Sie sind leichter zu schweißen und daher in Herstellung und Repara-
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tur günstiger. Ein Nachteil ist ihre geringere Zeitstandfestigkeit. Keramische Schaufeln, die theoretisch auch ohne Kühlung betrieben werden könnten, sind derzeit bei stationären Gasturbinen nicht im Einsatz.
15.8 Fertigung Die Fertigung der Heißgas führenden Bauteile ist sehr anspruchsvoll und aufgrund der hohen Anforderungen, den speziellen Werkstoffen und Fertigungsverfahren auf relativ wenige Lieferanten beschränkt. Um die ohnehin hohen Kosten niedrig zu halten, wird die Herstellbarkeit während des gesamten Auslegungs- und Designprozesses stets berücksichtigt. So werden Lieferanten frühzeitig in den Entstehungsprozess eingebunden, um im engen Austausch ein fertigungsgerechtes Design zu ermöglichen, aber auch um neue Fertigungsverfahren gemeinsam zu entwickeln und einzusetzen. Generell werden in der Fertigung von Turbinenbauteilen durchgängig die für die Funktionalität kritischen Maße oder Eigenschaften kontrolliert, dokumentiert und zur Prozessbewertung statistisch ausgewertet. Damit wird die Qualität der Bauteile sichergestellt. Durch die genauen Kenntnisse und Kontrolle der einzelnen Prozesse können Fehlleistungskosten vermieden werden und ermöglichen so erst eine wirtschaftliche Fertigung. Im Folgenden wird kurz auf die einzelnen Prozesse zur Herstellung einer gekühlten Turbinenschaufel eingegangen. Bei der Herstellung einfacherer Schaufeln entfallen einzelne Prozessschritte.
15.8.1 Guss Heute steht meist der Feinguss der Turbinenschaufel am Anfang der Fertigungskette. Weniger komplexe und ungekühlte Schaufeln können auch geschmiedet werden. Gegenüber dem Feinguss sind die Kosten nicht geringer, und es können auch keine hochfesten Werkstoffe verwendet werden. Daher werden Schaufeln heute fast ausschließlich gegossen. Die Mehrzahl der Turbinenschaufeln wird heute im konventionellen, polykristallinen Feinguss (Conventional Casting, CC) hergestellt. Für hoch belastete, gekühlte Schaufeln in den vorderen Reihen werden die Schaufeln auch als gerichtet erstarrter Guss (Directional Solidified, DS) oder als Einkristall (Single Crystal, SX) hergestellt. Diese Verfahren wurden in den letzten 15 Jahren von den aus dem Flugtriebwerkbau bekannten Prozessen für die wesentlich größeren stationären Gasturbinenschaufeln weiterentwickelt. Die Nachteile durch den wesentlich komplexeren Gussprozess (s. auch Kap. 25) und damit verbunden auch höhere Kosten für das Gussteil werden durch die deutlich verbesserten thermomechanischen Eigenschaften gerichtet erstarrter oder einkristalliner Schaufeln kompensiert. Diese lassen sich zum einen auf das Fehlen (Einkristall) bzw. die deutliche Reduzierung von Korngrenzen in der gerichtet erstarrter Schaufel zurückführen. Im Gegensatz zum kon-
15 Turbinenbeschaufelung
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ventionellen, polykristallinen Werkstoff sind die Werkstoffeigenschaften beim DSund SX-Werkstoff abhängig von der Kristallorientierung (anisotrop). In Richtung der Erstarrung (meist in radialer Richtung) haben die Werkstoffe einen niedrigeren E-Modul. Die resultierenden Spannungen sind damit in dieser Richtung geringer und damit ist die Anzahl der ertragbaren Lastwechsel höher. Diese besonderen Materialeigenschaften müssen bei der Auslegung berücksichtig werden. Um die Vorteile gerichtet erstarrter Werkstoffe zu nutzen und um gleichzeitig die hohen Kosten insbesondere für komplexe Bauteile zu reduzieren bzw. diese erst zu ermöglichen, werden derzeit Verfahren entwickelt, Schaufeln aus mehreren Bausteinen aufzubauen. Alternativ werden Verfahren zum Sintern von Turbinenwerkstoffen entwickelt, die völlig neue Perspektiven zur Gestaltung von gekühlten Schaufeln geben.
15.8.2 Konventionelle Bearbeitung Zur konventionellen mechanischen Bearbeitung zählen Schleifen, Fräsen und Drehen. Die mechanische Bearbeitung von Hochtemperaturwerkstoffen ist sehr aufwändig. Daher sollte die Kontur des Rohteils möglichst der des Fertigteils entsprechen. Allerdings sind die Fertigungstoleranzen des Gussprozesses meist größer als die zulässigen Toleranzen. Funktionsflächen, wie z. B. Verhakungen, Dichtflächen und Dichtnuten, müssen sehr genau gefertigt werden, um die geforderte Funktionalität zu ermöglichen. Dagegen werden die Konturen im Heißgaskanal (Schaufelprofil und Gaskanal) normalerweise nicht nachträglich bearbeitet. Diese Flächen dienen dann bei der mechanischen Bearbeitung als Referenz (MaschinenAufnahmepunkte). Ein Großteil der Bauteile wird heute auf modernen mehrachsigen Schleifmaschinen bearbeitet. So lassen sich hohe Abtragsraten, große Genauigkeiten und eine hohe Oberflächengüte erzielen. Die sehr engen Toleranzen der Tannenbaumverzahnung der Laufschaufelfüße können nur so eingehalten werden. Die spanende Bearbeitung durch Fräsen oder Drehen ist bei den modernen, hochfesten Werkstoffen durch die Festigkeit des Materials sehr schwierig. Die Bauteile werden meistens einzeln bearbeitet, die Ringbearbeitung findet sich nur noch selten, da die Nachteile, wie z. B. hohe Rüstzeiten und eine vergleichsweise lange Bearbeitungszeit, heute gegenüber der Einzelbearbeitung überwiegen.
15.8.3 Unkonventionelle Bearbeitung Das Erodieren und Laserbohren zählt zu den unkonventionellen Bearbeitungsverfahren. Erodierverfahren werden zur Fertigung von engen Nuten, genauen Oberflächenkonturen, Kühl- und Filmlöchern benutzt. Man unterscheidet zwischen Funken- und elektrochemischem Erodieren. Beim Funkenerodieren (Electrical Discharge Machining, EDM) wird durch elektrische Funken zwischen Elektrode und Werkstück
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das Material abgetragen. Dabei befinden sich die Elektrode und das Werkstück in einem nicht leitenden Dielektrikum, wie z. B. deionisiertes Wasser. Die Elektroden werden heute vermehrt aus Graphit hergestellt. Graphit weist gegenüber dem früher fast ausschließlich verwendeten Kupfer höhere Standzeiten aus und ist somit wirtschaftlicher. Dagegen gibt es beim elektrochemischen Erodieren (Electro Chemical Machining, ECM) keinen Verschleiß des Werkzeuges. Werkzeug und Werkstück befinden sich in einer Elektrolytlösung z. B. Natriumchlorid. Der Abtrag vom Werkstück erfolgt durch den Elektronenstrom und die Reaktion mit dem Elektrolyt. Laserbohrungen werden vorzugsweise zum Einbringen von Filmkühlbohrungen eingesetzt. Im Gegensatz zum Erodieren muss das Werkstück nicht elektrisch leitend sein. Damit lassen sich auch keramisch beschichtete Oberflächen bearbeiten. Mit Hilfe von gepulsten Laserstrahlen wird lokal Material verdampft und aus der Bohrung getrieben. Bohrungslängen von bis zu etwa 40 mm können für übliche Filmbohrungsdurchmesser gefertigt werden. Hinter der zu bearbeitenden Wand liegende Flächen müssen vor dem durchbrechenden Laserstrahl und den Abbrandresten geschützt werden. Dazu werden die Turbinenschaufeln entweder mit Wachs, Polymeren oder Tefloneinsätzen geschützt. Neben zylindrischen Bohrungen können durch geeignete Maschinensteuerungen auch geformte Filmkühlbohrungen (laser shaped holes) gebohrt werden.
15.8.4 Beschichtung Zum Schutz vor Oxidation, Korrosion und hohen Gastemperaturen werden Turbinenschaufeln mit metallischen Schutzschichten und oder Wärmedämmschichten versehen (s. auch Kap. 24). Auf der Heißgasseite der Schaufel werden metallische Schutzschichten oder metallische Trägerschichten für keramische Wärmedämmschichten mithilfe von Plasmaverfahren unter Vakuum (vacuum plasma spray, VPS oder low pressure plasma spray, LPPS) oder bei Umgebungsdruck mithilfe des Hochgeschwindigkeitsflammspritzens (high velocity oxy fuel, HVOF) aufgebracht. Für die Aufbringung von keramischen Wärmedämmbeschichtungen existieren zwei Verfahren. Zum einen ein Vakuumverfahren, die sog. EB-PVD-Beschichtung (electron beam – physical vapor deposition). Bei diesem Verfahren lagert sich unter Vakuum die von einem Elektronenstrahl verdampfte Keramik auf der Schaufel ab. Die metallische Trägerschicht muss für eine gute chemische Anbindung vorher geglättet werden. Dagegen wird bei der APS-Beschichtung (atmospheric plasma sprayed) unter Umgebungsdruck die Keramik unter hoher Geschwindigkeit mit einer Plasmadüse auf die raue metallische Trägerschicht gespritzt. Die Träger- und die Wärmedämmschicht sind bei diesem Verfahren mechanisch miteinander verklammert. Im Gegensatz zur EB-PVD-Beschichtung müssen Filmkühlbohrungen bei Verwendung von einer APS-Beschichtung entweder nach der Beschichtung eingebracht werden oder diese müssen mit einem Polymer vor der Beschichtung maskiert werden. Diese Maskierung verhindert ein Zusetzten der Filmkühllöcher mit Keramik und wird nach dem Beschichtungsprozess ausgebrannt.
15 Turbinenbeschaufelung
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Falls die inneren Wandtemperaturen hoch und die geforderte Einsatzdauer lang ist, müssen die Innenflächen der Schaufel in Abhängigkeit vom Oxidationsverhalten des verwendeten Grundmaterials gegebenenfalls zum Schutz vor Oxidation und Korrosion alitiert (aluminizing) werden. Dabei wird entweder der Innenraum der Schaufel mit einem aluminiumhaltigen Pulver gefüllt, oder die Schaufel wird von einem Gas durchströmt (chemical vapour deposition, CVD).
15.8.5 Weitere Fertigungsschritte Sofern die Turbinenschaufeln Prallkühlbleche oder -einsätze, Drosselbleche oder Verschussstopfen aufweisen, so werden diese entweder eingelötet oder aufgeschweißt. Für gekühlte Schaufeln wird der Kühlluftdurchfluss der Schaufeln mit einer Durchflussmesseinrichtung bestimmt. Wenn der Durchfluss der Schaufeln nicht den Vorgaben entspricht, besteht zum einen die Gefahr, dass die Schaufel im Betrieb überhitzt, oder dass der Gesamtkühlluftverbrauch zu hoch ist und damit die geforderte Maschinenleistung zu niedrig sowie der Schadstoffausstoß zu hoch ist. Gegebenenfalls werden die Schaufelsätze nach dem Kühlluftverbrauch zusammengestellt. Für die Zusammenstellung eines Laufschaufelsatzes werden zunächst die Momentengewichte der einzelnen Schaufeln bestimmt. Dazu wird das Gewicht der Schaufel, welches durch Fertigungstoleranzen einer gewissen Streuung unterliegt, mit einem fiktiven Einbauradius multipliziert. Die Schaufeln werden anschließend so verteilt, dass die resultierende Unwucht innerhalb der zulässigen Grenze liegt und möglichst klein ist.
15.9 Reparatur Nach einem Serviceintervall in der Gasturbine können Turbinenschaufeln für ein weiteres Serviceintervall aufgearbeitet werden, sofern die Kriech- und die LCFbzw. TMF-Lebensdauer noch nicht aufgebraucht sind. Die Reparatur von Turbinenschaufeln ist aus Kosten- und Umweltgesichtspunkten für die Betreiber ein wichtiger Faktor. Sie sollte immer günstiger als ein neues Bauteil sein, da meist nur die Beschichtung erneuert und kleinere Oxidationsschäden ausgebessert werden müssen. Damit entfallen ein neues Gussteil und ein Großteil der mechanischen Bearbeitung. Ressourcen werden geschont. Bei aufwändigen Filmkühlungsmustern und günstigen Rohteilen kann es jedoch unter Umständen sinnvoller sein, ein neues Bauteil zu verwenden. Die Entscheidung für oder gegen eine wirtschaftliche Reparatur hängt auch von den eingesetzten Reparaturverfahren ab. Weiterhin bietet die Reparatur die Möglichkeit, Bauteile aufzuwerten, indem z. B. verbesserte Beschichtungen oder Filmkühlungs-Bohrungsmuster eingebracht werden.
Kapitel 16
Sekundärluftsystem Arnd W. Reichert
16.1 Grundlagen Das Sekundärluftsystem beschreibt alle Strömungswege durch die Gasturbine, die neben dem primären Gaspfad bestehen. Der primäre Gaspfad führt vom Ansaugtrakt der Gasturbine durch die Verdichterbeschaufelung, die Brennkammer und die Turbinenbeschaufelung in den Abgaskanal. Innerhalb des Verdichters oder am Verdichteraustritt werden dem primären Gasstrom Teilströme entnommen und dem Sekundärluftsystem zugeführt. Auf diese Weise strömt nur ein Teil des Verdichteransaugmassenstroms durch die Brennkammer. Abbildung 16-1 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Sekundärluft-
externe Kühlluftführung
Kühlfunktion
Sperrfunktion
Axialschubausgleich
interne Kühlluftführung
Abb. 16-1 Sekundärluftsystem einer Gasturbine (stark vereinfacht)
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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strömungen, die in Bezug auf den Rotor einer externen und einer internen Kühlluftführung unterliegen. Die Möglichkeiten der Führung der Sekundärluft durch den Rotor hängen stark von seiner Bauform ab, hier ist ein gebauter Rotor mit zentralem Zuganker gezeigt. Weiterhin werden beispielhaft die primären Aufgaben der innerhalb des Sekundärluftsystems geführten Luft dargestellt: • Ausreichende Versorgung aller gekühlten Schaufelreihen der Turbine mit Kühlluft. Es wird sowohl das Schaufelblatt als auch der Schaufelfuß mit Kühlluft versorgt. • Ausreichende Kühlung des Rotors der Turbine. • Ausreichende Kühlung der Brennkammerauskleidung. • Ausreichende Sperrluftversorgung aller mit dem Heißgaskanal verbundenen Kammern (z. B. Radseitenräume), um eine Überhitzung von tragenden Rotorund Statorbauteilen zu verhindern. • Kontrolle des Drucks aller Kammern, in die möglicherweise Heißgas eintreten könnte, um die Überhitzung von Beuteilen zu verhindern. • Kontrolle des durch Druckdifferenzen über die Schaufelreihen hervorgerufenen axialen Schubs. • Beschleunigung des Aufheizverhaltens der Komponenten von Rotor und Stator zur Minimierung der radialen Betriebsspalte. Die in modernen Gasturbinen anzutreffenden hohen Gastemperaturen erfordern eine starke Kühlung der beaufschlagten Komponenten, sodass einschließlich der Brennkammerkühlung mehr als ein Viertel der Verdichteransaugluft durch das Sekundärluftsystem geführt wird. Dieser hohe Anteil führt zu einer nicht zu vernachlässigenden Wechselwirkung mit dem Gasstrom des primären Kreislaufs.
16.1.1 Abgrenzungen und Definitionen Die Schaufeln der Turbine einer Gasturbine werden sowohl von Gas des primären Kreislaufs als auch von Kühlluft des Sekundärluftsystems umströmt. Sie belasten den Rotor aufs Stärkste mechanisch und stellen sowohl gusstechnisch als auch seitens der verwendeten Materialien eine Herausforderung dar. Die Auslegung und Berechnung der Kühlluftführung innerhalb der Schaufeln stellen bei der Gestaltung und Berechnung der Turbinenschaufeln lediglich eine Teilaufgabe dar, die nicht sinnvoll von den anderen Aufgaben zu trennen ist. Aus diesem Grund findet die Berechnung der inneren Kühlluftführung der Schaufeln i. d. R. nicht im Rahmen der Auslegung der Versorgungswege des Sekundärluftsystems statt. Die Turbinenschaufeln werden innerhalb der Berechnung des Sekundärluftsystems lediglich anhand einfacher Modelle berücksichtigt, die das Durchflussverhalten und die Aufheizung der Luft in den Schaufeln richtig beschreiben. Durch dieses Verfahren wird die Aufgabe der Berechnung und Auslegung des Sekundärluftsystems weitestgehend von der Auslegungsaufgabe des primären Gaskreislaufs entkoppelt. Dennoch ist der Einfluss des Sekundärluftsystems auf den
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primären Gasstrom nicht zu vernachlässigen. Auch hier wird der Einfluss durch Modellierung anhand einfacher Kennzahlen für den Gesamtmassenstrom und die Teilmassenströme, die Temperaturänderung sowie die zu- und abgeführten Arbeiten berücksichtigt.
16.1.2 Einfluss des Sekundärluftsystems auf die Eckdaten des Kreisprozesses Teilt man gedanklich die Gasströme in einer Gasturbine in zwei voneinander unabhängige Kreisprozesse auf, in einen primären Kreislauf und in den Kreislauf des Sekundärluftsystems, so lässt sich der Einfluss der im Sekundärluftsystem geführten Luft auf den Kreisprozess des primären Gasstroms untersuchen. In Abb. 16-2 sind die idealisierten Kreisprozesse des Primärstroms sowohl ohne Kühlluft als auch nach ISO 2314 (s. Kap. 2) in einem h-s-Diagramm dargestellt und dem real anzutreffenden Kreisprozessen gegenübergestellt. Verfolgt man z. B. den Kreisprozess der Kühlluft für die erste Turbinenstufe, so erkennt man, dass diese Kühlluft ebenso wie die Luft des Primärstroms auf Verdichterenddruck verdichtet wird, dann aber nicht durch die Brennkammer, sondern durch die Schaufeln geleitet und dort aufgeheizt wird (Kühlaufgabe). Die Kühlluft verlässt die Schaufeln unter Entspannung auf das Druckniveau des Primärstroms und mischt sich diesem zu. Bei diesem Mischungsprozess heizt sich die Kühlluft weiter auf, während die Temperatur des Primärstroms sinkt. Auf diese Art und Weise kommt es schließlich real zu einer Abgastemperatur, die deutlich unter der berechneten Temperatur des Kreisprozesses für den Primärstrom ohne Kühlluft liegt. Legt man den Turbinenwirkungsgrad zugrunde, so lässt sich aus der realen Abgastemperatur die fiktive Turbineneintrittstemperatur nach ISO 2314 ermitteln, die deutlich unter den real am Turbineneintritt und in der Brennkammer festzustellenden Temperaturen liegt. Mischt man gedanklich alle Kühlluftströme der Turbine dem Rauchgas am Turbineneintritt zu, so ergibt sich für diese fiktive Gasmischung TVerbrennung T
ISO-TET TAustritt,
TMischung, Primärstrom
Schaufel
TVerdichterAbb. 16-2 T -s-Diagramm für reale und fiktive Kreisprozesse des Primär- und Sekundärluftstroms zur Erläuterung der ISOTurbinenaustrittstemperatur
TAbgas
ende
TAnsaug
Primärstrom, fiktiv: ohne Kühlluft Sekundärstrom, real Stufe 1 Primärstrom, fiktiv: nach ISO 2314
s
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die Turbineneintrittstemperatur nach ISO 2314, in Abb. 16-1 mit ISO-TET bezeichnet, die deutlich unter den real am Turbineneintritt und in der Brennkammer festzustellenden Temperaturen liegt. Die Ermittlung dieser ISO-Mischtemperatur wird in Kap. 2 beschrieben. Um zu der gleichen Turbinenaustrittstemperatur zu gelangen, muss dem realen primären Kreisprozess mehr Brennstoff zugeführt werden als dem fiktiven Kreisprozess ohne Kühlluft. Durch die hohen Druckverluste innerhalb des Kühlluftkreislaufs kann nur ein Teil der an der Kühlluft geleisteten Kompressionsarbeit in der Turbine wieder zurückgewonnen werden. Dadurch ist die in dem fiktiven primären Kreisprozess ohne Kühlluft geleistete technische Arbeit der Gasturbine größer als die in dem realen Kreisprozess. Durch den Einfluss der Kühlluft • sinkt die technische Arbeit des Gasturbinenkreisprozesses, da bei etwas geringerer aufzuwendender Verdichterarbeit deutlich weniger Turbinenarbeit freigesetzt wird, • sinkt dementsprechend der thermische Wirkungsgrad des Gasturbinenkreisprozesses, • steigt die Neigung zu Instabilitäten bei der Verbrennung, da die dem Luftstrom in der Brennkammer zugeführte Energie steigt, weil durch die Entnahme der Kühlluft weniger Luft für die Verbrennung zur Verfügung steht, • steigt der Anteil der bei der Verbrennung entstehenden Schadstoffe im Abgas, z. B. NOx , weil die Verbrennungstemperatur in der Primärzone steigt. Hieraus leitet sich neben der Erreichung der eingangs erwähnten Auslegungsziele folgende Minimierungsaufgabe für den Sekundärluftkreislauf ab: • Der Anteil der im Sekundärluftsystem geführten Luftmenge ist zu minimieren. • Die Kühlluft ist dem Verdichter mit der möglichst geringsten Temperatur und, verknüpft damit, auf dem möglichst geringsten Druckniveau zu entnehmen. • Die Druckverluste bei der Strömung der Sekundärluft sind zu minimieren. Diese Minimierungsaufgabe kann nur mit einem integrierten Berechnungsverfahren für die Zustandsänderungen in Turbine, Verdichter und Sekundärluftsystem gelöst werden. Hierbei ist insbesondere dem Teillastverhalten von Verdichter und Turbine und den Strömungsphänomenen in rotierenden Systemen besondere Beachtung zu schenken.
16.1.3 Für das Sekundärluftsystem relevante Zustandsänderungen in Verdichter und Turbine Die in dem primären Gasstrom stattfindenden Zustandsänderungen sind insofern für das Sekundärluftsystem relevant, als dass sie die Ein- und Austrittsrandbedingungen für die Sekundärluft an den einzelnen Entnahmestellen im Verdichter und den Einspeisestellen in der Turbine bestimmen.
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Tabelle 16-1 Einflussgrößen für den bezogenen Entnahmedruck und deren Wirkung Einflussgröße
Wirkung auf den bezogenen Entnahmedruck Einflussgröße : : : ) Entnahmedruck : : :
Ansaugtemperatur Verdichter Vorleitgitterstellung Druckverhältnis Verdichter
Sinkt (#) Schließen (#) Steigt (")
Sinkt (#) Sinkt (#) Sinkt (#)
Da das Sekundärluftsystem über den gesamten Betriebsbereich der Gasturbine seine Funktion aufrechterhalten muss, kommt insbesondere den bei Teillast auftretenden Änderungen eine besondere Bedeutung zu. Der Druckaufbau von Schaufelreihe zu Schaufelreihe im Verdichter und respektive der Druckabbau in der Turbine erfolgen nicht in den gleichen Relationen, wenn die Gasturbine in einem Teillastpunkt und bei extremen Umgebungsbedingungen betrieben wird, wie bei Grundlastbetrieb unter Normbedingungen. Dies trifft insbesondere für den Verdichter zu. Hier sind die wesentlichen Einflussgrößen die Ansaugtemperatur, die Vorleitgitterstellung und das Verdichterdruckverhältnis. Der Zustand an einer beliebigen Position im Verdichter, also insbesondere auch an einer Entnahmestelle kann vereinfachend durch dimensionslose Größen beschrieben werden. Hierzu soll der jeweilige Druck auf den Verdichterenddruck bezogen werden und die zugehörige Temperatur durch einen polytropen Wirkungsgrad, gebildet aus dem Verdichteransaugzustand und dem betrachteten Zustand, ersetzt werden. Für den für das Sekundärluftsystem besonders relevanten bezogenen totalen Druck an einer Entnahmestelle des Verdichters ergibt sich die in Tabelle 16-1 dargestellte Abhängigkeit von den genannten Einflussgrößen. Die Schwankungsbreite der bezogenen Entnahmedrücke kann dabei ˙10% des Wertes bei Grundlast betragen. Dagegen variieren die bezogenen Drücke innerhalb der Turbine deutlich weniger bei Änderungen des Betriebszustandes. Messungen haben ergeben, dass sich die Drücke an einer beliebigen Stelle der Turbine in guter Näherung proportional zum Verdichterenddruck verhalten. Hier stellen die bezogenen Turbinendrücke Konstanten dar. Eine Ausnahme bildet die letzte Turbinenstufe.
16.1.4 Strömungsphänomene in Radseitenräumen; Heißgaseinzug Die Strömungsphänomene in rotierenden Systemen entziehen sich dem allgemeinen Erfahrungsschatz und unterscheiden sich grundsätzlich von den Phänomenen in nicht rotierenden Systemen. Man unterscheidet zwischen Strömungen in Rotor-Stator-Systemen, Rotor-Rotor-Systemen und Strömungen durch rotierende Kanäle.
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Sperrluft
Radseitenraum Leckage Labyrinth
Abb. 16-3 Beispiel eines Radseitenraums in der Turbine
Außenströmung ohne Drallströmung
Rotor
Stator
Heißgas Hei§gas mit Drallströmung Drallstršmung
Rotor
Stator
Sperrluft
rotierende Kernströmung
Grenzschichtströmung
Heißgaseinzug
kühlende Sperrluft
Abb. 16-4a,b Phänomene des Heißgaseinzugs: Radseitenraumströmung: a ohne und b mit überlagerter Primärströmung durch das Turbinengitter
Zu den Rotor-Stator-Systemen gehören z. B. die Strömungen in den Radseitenräumen der Turbine (vgl. Abb. 16-3). Das Strömungsfeld im Radseitenraum wird dominiert durch die hohe Umfangsgeschwindigkeit der Rotorwand des Radseitenraums. Durch turbulente Reibung bildet sich auch ohne jeden Durchfluss von Sperrluft durch den Radseitenraum ein Strömungsfeld aus, in dem an den Rotorwänden entsprechend der Fliehkraft Fluid
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Verteilung des statischen Drucks in einem Turbinengitter
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Druckmaximum
Position des Radseitenraums
Druckminimum
Position des Radseitenraums Abb. 16-5 Lage der Radseitenräume relativ zum Druckfeld im Schaufelgitter
radial nach außen und an den Statorwänden radial einwärts strömt. In der Mitte rotiert eine Kernströmung mit ungefähr halber Umfangsgeschwindigkeit ohne direkten Austausch mit der Strömung an den Rotor- und Statorwänden (Abb. 16-4) [16.3]. Die Rotorwände verrichten durch ihre Bewegung in Verbindung mit den Reibungskräften Arbeit an dem Fluid, die zu einer starken Aufheizung der Strömung führt, wenn die zugeführte Energie nicht durch eine überlagerte Durchströmung des Radseitenraums abgeführt wird. Sinnvollerweise lässt man die Durchströmung des Radseitenraums radial von innen nach außen fließen. In diesem Fall findet ebenfalls der Transport des zusätzlich strömenden Sperrluftmassenstroms an der höher belasteten Rotorwand statt. Die Rotationsgeschwindigkeit der Kernströmung senkt sich dann gegenüber dem Fall ohne Durchströmung leicht ab. Dadurch verschiebt sich das aus Druck-, Flieh- und Zähigkeitskräften bestehende Kräftegleichgewicht in der Rotorgrenzschicht derart, dass in der Grenzschicht der größere Massenstrom radial nach außen gefördert werden kann. Dieses empfindliche Gleichgewicht zwischen Kern- und Grenzschichtströmung ist rechnerisch schwer zu erfassen. Es wird i. d. R. durch empirisch bestimmte Korrelationen in Abhängigkeit von den Einflussgrößen Umfangsgeschwindigkeit der Rotorwand und radialer Durchfluss durch den Radseitenraum beschrieben. Hervorgerufen durch die Strömung des primären Gasstroms durch die Turbine ergibt sich eine komplizierte Wechselwirkung zwischen der Strömung im Radseitenraum und der Heißgasströmung in der Turbine. In dem Spalt zwischen den Leitund Laufschaufelreihen treten Druckfelder hoher Intensität auf, die ihre Form und Lage zeitlich stark variieren (Abb. 16-5). Siehe dazu auch Abschn. 8.7. Diese Druckfelder wirken bis in die Radseitenräume hinein und führen dort zu einer Ausgleichsströmung von hohem zu niedrigem Druck, die zum Eindringen von Heißgas in den Radseitenraum führt. Ist das heiße Gas erst einmal in den Radsei-
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überlagertes Druckfeld: + hoher, – niedriger Druck Mischströmung aus Heißgas und Sperrluft eingezogenes Heißgas kühlende Sperrluft
Abb. 16-6 Räumliche Darstellung zur Erläuterung des Heißgaseinzugs
tenraum eingedrungen, so wird es von der beschriebenen Zirkulationsströmung an den Rotor- und Statorwänden erfasst und tief in den Radseitenraum eingezogen. Dort vermischt es sich mit der vorhandenen Luftströmung, deren Temperatur dadurch stark ansteigt (Abb. 16-4b und 16-6). Es ist eine sehr schwierige Aufgabe bei der Auslegung von Gasturbinen, durch gezielte Zumischung von Sperrluft aus dem Sekundärluftsystem die Gastemperatur im Radseitenraum über den gesamten Betriebsbereich der Turbine geringer als die zulässige maximale Materialtemperatur an den Rotor- und Statorwänden einzustellen.
16.1.5 Strömungsphänomene in rotierenden Kavitäten Die Durchströmung von rotierenden Kavitäten und Kanälen ist ein sehr komplexes Thema, das eingehend in der einschlägigen internationalen Literatur über RotorRotor-Systeme behandelt wird [16.2, 16.4, 16.5]. Ähnlich der Strömung in RotorStator-Systemen unterscheiden sich die Strömungsphänomene grundsätzlich von denen nicht rotierender Systeme und entziehen sich damit auch dem allgemeinen Erfahrungsschatz. Entscheidende Unterschiede zu Strömungen in nicht rotierenden Systemen liegen darin, dass auch bei Bereitstellung großer Strömungsquerschnitte erhebliche To-
16 Sekundärluftsystem
603
taldruckverluste auftreten können und dass die Totaltemperatur auch bei der adiabaten Durchströmung von Rotor-Rotor-Systemen erheblichen Änderungen unterworfen sein kann. Bei Strömungen in rotierenden Systemen findet der Transport des Fluids zum überwiegenden Anteil im wandnahen Bereich der Grenzschichtströmung statt. Die Außenströmung rotiert mit von den Wänden unterschiedlicher Geschwindigkeit, ohne wesentlich zum Fluidtransport beizutragen. Dabei wird durch den Kontakt mit den rotierenden Wänden dem Fluid in erheblichem Umfang Strömungsarbeit zuoder abgeführt. Diese führt zu einer Aufheizung oder Kühlung der Strömung. Da in Grenzschichtströmungen die Druckentwicklung jedoch nicht unabhängig von der Außenströmung ist, wird die zugeführte Strömungsarbeit nur zu einem geringen Teil in Druck umgewandelt. Die Änderung des statischen Drucks wird vielmehr unabhängig von der in der Grenzschichtströmung zugeführten Arbeit von der Außenströmung aufgeprägt. Die Differenz zwischen möglicher und tatsächlicher durch zugeführte Strömungsarbeit gewonnene Totaldruckerhöhung kann in rotierenden Systemen stationärer Gasturbinen mehrere bar betragen. Eine genaue Analyse erfolgt mit eigens hierzu entwickelten Rechenprogrammen für das Sekundärluftsystem, über die jeder Gasturbinenhersteller verfügt.
16.2 Auslegung des Sekundärluftsystems 16.2.1 Anforderungen an die Kühlluftversorgung von Turbinenschaufeln Je nach der für die jeweilige Turbinenschaufel verwendeten Kühltechnologie (s. Kap. 17) ergeben sich aus der Kühlung unterschiedliche Anforderungen an das Sekundärluftsystem. Für konvektiv gekühlte Schaufeln ergibt sich in Abhängigkeit von der Kühllufttemperatur die Forderung nach einem bestimmten Kühlluftdurchsatz. Dagegen wird bei filmgekühlten Schaufeln zur Vermeidung von Heißgaseinströmen ein bestimmter bezogener Mindestversorgungsdruck gefordert. Bei schwach gekühlten Schaufeln steht nicht die Kühlung des Schaufelblatts, sondern die Kühlung der Verzahnung am Schaufelfuß und Scheibenkopf im Vordergrund. Hier ist in Abhängigkeit von der Kühllufttemperatur ein bestimmter Mindestdurchsatz sicherzustellen. Die konkreten Anforderungen ergeben sich aus der Berechung der Turbinenschaufeln.
16.2.2 Anforderungen an das Sperrluftsystem Die Anforderungen an das Sperrluftsystem ergeben sich aus den für die verwendeten Rotorwerkstoffe bei der vorliegenden Belastung einzuhaltenden maximalen Materialtemperaturen. Bei der Sperrung der Radseitenräume ist hierzu die Leckagemenge
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durch die Rotor-Stator-Dichtungen – z. B. Labyrinthdichtungen, die Menge des in den Radseitenraum eingezogenen Heißgases und die Aufheizung der Sperrluft im Radseitenraum zu berücksichtigen. Aus diesen Größen kann eine erforderliche Mindestsperrluftmenge ermittelt werden. Zur Sperrung von konstruktiv erforderlichen Dehnspalten zwischen gemeinsam rotierenden oder feststehenden Teilen ist seitens des Sperrluftsystems eine MindestDruckdifferenz zum Heißgaskanal sicherzustellen.
16.2.3 Relevante Betriebszustände Aus der oben dargestellten Abhängigkeit der relativen Entnahmezustände von unterschiedlichen Betriebsparametern der Gasturbine ergibt sich, dass ein Betriebszustand mit sehr kalten Außentemperaturen und mit geschlossenen Vorleitgitterschaufeln zu besonders niedrigen bezogenen Drücken an den Entnahmestellen des Verdichters führt. Bei entsprechender Anforderung aus dem Kühlluft- oder Sperrluftsystem ist eine Auslegung dieser Systeme für diesen Betriebszustand durchzuführen. Bei sehr heißen Umgebungstemperaturen und geöffneten Vorleitgitterschaufeln ergeben sich besonders hohe Temperaturen an allen Entnahmestellen des Verdichters. Für diesen Betriebszustand ist eine Auslegungsrechnung bezüglich aller Anforderungen an das Sekundärluftsystem durchzuführen, die aus einer spontanen Schädigung von Bauteilen durch Überhitzung herrühren. Dagegen ist für Anforderungen, die z. B. aus Zeitstandsproblemen rühren, ein geeignetes Lastkollektiv auszuwählen, das die Zeitdauer berücksichtigt, die Gasturbinen ungünstigerweise bei den jeweiligen Bedingungen betrieben werden.
16.2.4 Führung der Sekundärluft zur Turbine Die individuelle Versorgung einer Reihe von Turbinenschaufeln mit Kühlluft, die dem Verdichter an zum geforderten Druckniveau passender Stelle entzogen wurde, führt – gegenüber der pauschalen Versorgung mit Verdichterendluft – zu einem Leistungs- und Wirkungsgradvorteil im Gasturbinen-Kreisprozess. Diesem Vorteil stehen ggf. höhere konstruktive Aufwendungen gegenüber, die in der Konzeptphase gegeneinander abgewogen werden und zur Festlegung des Versorgungskonzepts führen. Bei der Versorgung der Laufschaufeln der Turbine bieten gebaute Rotoren besonders einfache Gestaltungsmöglichkeiten für eine individuelle Versorgung der Stufen durch den Rotor (s. Abschn. 18.4.1). Eine Alternative stellt die gemeinsame äußere Versorgung von Leit- und Laufschaufeln einer Stufe durch das Gehäuse dar. Bei der gemeinsamen äußeren Versorgung besteht die Möglichkeit, den Versorgungsdruck auch für die Laufschaufeln mittels Drosseln auf einen vorgegebenen Wert einzuregeln. Hierdurch können die betriebsbedingten Schwankungen des Versorgungsdrucks abgeschnitten und der resultierende Sekundärluftmassenstrom kann reduziert werden.
16 Sekundärluftsystem
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Bei modernen stationären Gasturbinen werden Verdichterdruckverhältnisse größer als 16 ausgeführt. Bei den resultierenden Verdichterendtemperaturen wird speziell bei Betriebsbedingungen mit hohen Umgebungstemperaturen, die Übergangstemperatur, ab der Zeitstandseffekte bei Stählen auftreten, überschritten. Das Auftreten von Zeitstandseffekten kann speziell bei den hoch belasteten Rotorkomponenten zu Problemen führen. Es ist die Aufgabe der Auslegung des Sekundärluftsystems, die Materialtemperatur der Rotorwerkstoffe auf einem Niveau zu halten, bei dem Zeitstandseffekte beherrschbar bleiben. Eine häufig gewählte Lösungsvariante für dieses Problem ist die Rückkühlung der Kühlluft in einem externen Kühler vor der Zufuhr zu den Rotorkomponenten. Die Verwendung eines Kühlers geht einher mit zusätzlichen Kosten, einem Wirkungsgradverlust des Kreisprozesses, und sie führt zu einem komplexeren System. Diese Effekte sind mit den Vorteilen aus den verwendeten Rotormaterialien abzuwägen. Eine Alternative stellt die Verwendung von Vordrallsystemen bei der Zufuhr der Kühlluft in das rotierende System dar. Durch Vordrallsysteme wird die Luft stark in Umfangsrichtung beschleunigt – wodurch ihre Temperatur sinkt – und anschließend wird ihr beim Eintritt in den Rotor durch Dralländerung Energie entzogen – wodurch ihre Temperatur noch einmal sinkt. Die sichere Auslegung von Vordrallsystemen ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Der interessierte Leser findet mehr dazu in [16.1].
16.2.5 Lage der Entnahmestellen Ein Ergebnis der o. g. Auslegungsrechnungen ist die Lage der Entnahmestellen im Verdichter. Bei der Versorgung filmgekühlter Schaufeln ergibt sich i. d. R. die Lage der Entnahmestellen allein aus den Anforderungen an den relativen Versorgungsdruck, während bei der Versorgung von konvektiv gekühlten Schaufeln ein Optimum aus der verfügbaren Paarung Versorgungsdruck und Temperatur auszuwählen ist. Sollte der mit einer Entnahme erreichbare Druck den Anforderungen nicht in jedem Betriebszustand genügen oder eine Kostenrechnung derartige Maßnahmen rechtfertigen, kann durch externe, ggf. zuschaltbare Aggregate wie einen Kühlluftverdichter oder Strahlpumpen der Entnahmedruck angehoben werden. Die Abstimmung dieser Aggregate mit relativ steilen Durchflusskennlinien mit den Komponenten der Gasturbine, deren Durchflussmengen größeren Schwankungen unterworfen sein können, stellte eine besondere Herausforderung für die Auslegung dar.
16.2.6 Dichtungstechnologien Wegen des starken Einflusses der Sekundärluft auf die Leistungsdaten der Gasturbine wurden sehr wirkungsvolle Dichtungssysteme entwickelt, um die Leckagemassenströme zu minimieren.
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Durch das zeitlich unterschiedliche Aufheizverhalten der Bauteile und die Temperaturunterschiede zwischen den Bauteilen ergeben sich recht große Relativbewegungen der Bauteile zueinander. Die Dichtungen müssen diese Bewegungen ohne Einbüßung ihrer Dichtwirkung zulassen und weiterhin die hohen Einsatztemperaturen ertragen können. In der Regel weisen die Dichtmittel aus diesem Grund eine gewisse Elastizität oder Schiebemöglichkeiten auf und sind aus metallischen oder keramischen Materialien gefertigt. Abbildung 16-7 zeigt beispielhaft eine Auswahl an Wellendichtungen für RotorStator-Systeme. Bei den Abdichtungen zwischen Stator und Rotor kommen neben den bekannten Labyrinthdichtungen heute zunehmend Bürstendichtungen zum Einsatz. Diese Dichtungen weisen anfänglich eine sehr hohe Dichtwirkung auf, die sie aber nach wenigen hundert Starts wegen des Verschleißes der Bürsten wieder verlieren. Der hohe Preis dieser Dichtmittel lässt i. d. R. einen wirtschaftlichen Einsatz von Bürstendichtungen nur an wenigen Stellen in der Gasturbine zu. Hierzu zählen die Dichtungen an der Wellenabdeckung zwischen Verdichter und Turbine und die Rotor-Stator-Dichtungen an den Turbinenleitschaufeln. Leaf-Seals sind eine neuere Variante der Bürstendichtungen, die bei hoher Steifigkeit in axialer Richtung ausreichend elastisch in radialer Richtung ausgelegt werden können. Diese Eigenschaft erlaubt es, hohe Druckkräfte bei geringen Kontaktkräften zum Rotor aufzunehmen, was zu deutlich geringerem Verschleiß als bei Bürstendichtungen führt. Neben Wellendichtungen gibt es eine Reihe Dichtungen zwischen statischen Bauteilen, die ebenfalls von hoher Bedeutung für die Funktionalität der Gasturbine sind. Hier sollen Überlappungen, Nut- und Federdichtungen, Dichtungen aus elastischen Blechen (E-Seals, W-Seals), Dichtungen aus keramischen Fasern (RopeSeals) sowie Labyrinth- und Bürstendichtungen genannt werden.
Abb. 16-7 Wellendichtungen für stationäre Gasturbinen
Durchblick-Labyrinthdichtung
echte Labyrinthdichtung
Labyrinthdichtung mit Abriebschicht/Honeycomb
Bürstendichtung
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Literaturverzeichnis 16.1. Owen JM, Rogers RH (1989) Flow and Heat Transfer in Rotating-Disk Systems, Vol 1: Rotor-Stator Systems. Research Studies Press. Wiley, New York 16.2. Owen JM, Rogers RH (1995) Flow and Heat Transfer in Rotating-Disk Systems, Vol 2: Rotating Cavities. Research Studies Press. Wiley, New York 16.3. Schlichting H (1965) Grenzschichttheorie, 3. Aufl. G. Braun, Karlsruhe 16.4. Weißert I (1996) Numerische Simulation dreidimensionaler Strömungen in Sekundärluftsystemen von Gasturbinen unter besonderer Berücksichtigung der Rotation. VDI Fortschrittsbericht, R 7, Nr. 313 16.5. Strscheletzky H (1959) Gleichgewichtsformen der rotationssymmetrischen Strömungen mit konstantem Drall in geraden zylindrischen Rotationshohlräumen. In: Voith Forschung und Konstruktion, H 5
Kapitel 17
Turbinenschaufel – Kühlung Bernhard Weigand
17.1 Einführung Eine der wirkungsvollsten Methoden zur Steigerung der Leistungsdichte und des thermischen Wirkungsgrades einer Gasturbine im Kombiprozess besteht in der Anhebung der Turbineneintrittstemperatur (s. auch Kap. 2). Abbildung 17-1 zeigt die Entwicklung der Eintrittstemperatur seit 1950. Man erkennt, dass zu Beginn der 50er-Jahre die Gasturbinenschaufeln ohne eine aktive Kühlung auskamen. Dies lag natürlich an den niedrigen Heißgastemperaturen von rund 1000 K, die am Eintritt der Turbine auftraten. Die Entwicklung neuer, leistungsfähiger Gasturbinen mit hö-
2000 T [K] b Ver
ess
e
g run
der
Kü
er fa hlv
hre
n
Keramik
1500
Einkristallschaufel gerichtet erstarrte Schaufel
1000
herkömmlich gegossene Schaufel 1950
1960
1970
1980
1990
Zeit [Jahr]
Abb. 17-1 Entwicklung der Turbineneintritts- und der Materialtemperatur seit 1950 [17.5]
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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B. Weigand
heren thermischen Wirkungsgraden verlangte aber gerade eine Steigerung der Eintrittstemperatur in die Turbine. Wie man aus Abb. 17-1 ersieht, stieg die Turbineneintrittstemperatur im betrachteten Zeitraum um rund 25–40 K=Jahr an. Diese enorme Steigerung wurde u. a. durch eine deutliche Weiterentwicklung von Werkstoffen und neuartigen Gießtechniken für Gasturbinenschaufeln ermöglicht (s. auch Kap. 25). Damit konnte die maximal ertragbare Materialtemperatur in den vergangenen Jahren um rund 10 K=Jahr gesteigert werden. Da diese Steigerung jedoch deutlich geringer ausfiel als der Anstieg der Turbineneintrittstemperatur, war eine Kühlung der Gasturbinenschaufeln unumgänglich. Diese erfolgte zunächst durch einfache radial verlaufende Bohrungen durch die Schaufeln. Diese rein konvektive Kühlung der Schaufeln wurde in der Folge verbessert, indem man z. B. die Anzahl der Kühlkanäle erhöhte oder aber Einbauten zur Steigerung der internen Wärmeübertragung vorsah. Ab einer bestimmten Heißgastemperatur ist es allerdings nicht mehr sinnvoll eine Schaufel rein konvektiv zu kühlen, da die Temperaturgradienten im Werkstoff zu groß werden. Um diesen Nachteil zu vermeiden, führte man die Filmkühlung von Schaufeln ein. Hierbei leitet man Kühlluft durch kleine Bohrungen an die Oberfläche der Gasturbinenschaufel und formt somit einen schützenden Kühlfilm um das Schaufelprofil. Dadurch wird die für den Wärmeübergang treibende Temperaturdifferenz zwischen Heißgas und Schaufeloberfläche gesenkt. Damit ist es nun wieder möglich, die Schaufeln bei deutlich höheren Heißgastemperaturen zu betreiben. Die Einführung der konvektiven Kühlung als auch die Einführung der Filmkühlung kennzeichnen einen Innovationssprung in der Kühlung von Gasturbinenschaufeln und sind in Abb. 17-1 durch einen Sprung in der Turbineneintrittstemperatur erkennbar. Heutzutage kombiniert man für thermisch sehr hoch belastete Schaufeln die konvektive Kühlung mit der Filmkühlung. Hierbei werden die in der Schaufel liegenden Kühlkanäle immer komplizierter ausgestaltet, um die Kühlluft möglichst effizient auszunutzen. Weiterhin verwendet man heutzutage noch zusätzlich dünne Schutzschichten aus Keramik (Thermal barrier coatings D TBC), die auf die Schaufeln aufgebracht werden (s. Kap. 24). Durch die niedrige Wärmeleitfähigkeit dieser Schicht lassen sich der in die Schaufel eintretende Wärmestrom und die Oberflächentemperatur des Grundmaterials absenken, und man kann die Schaufel bei noch höheren Heißgastemperaturen betreiben. Da die zur Kühlung verwendete Luft nicht mehr am gesamten Kreisprozess teilnehmen kann, führt jegliche Kühlung der Schaufeln zu einer Reduktion des thermischen Wirkungsgrads der Gasturbine. Darum zielt die Kühlungsauslegung darauf ab, den erforderlichen Kühlluftmassenstrom – bei Einhaltung der Forderung nach einer gewissen Lebensdauer der Komponente – zu minimieren. Dieses Ziel motivierte in jüngerer Zeit auch die Einführung von Dampfkühlung für die Schaufeln. Ziel des vorliegenden Kapitels ist es eine kurze und allgemeinverständliche Einführung in die Problematik der Turbinenschaufel-Kühlung zu geben. Natürlich ist es bei dem Umfang des Kapitels nicht möglich, detailliert auf alle Bereiche einzugehen. Hierzu sei der Leser auf deutlich ausführlichere Abhandlungen zur Kühlung von Schaufel verwiesen (s. z. B. [17.16, 17.26, 17.37, 17.61]).
17 Turbinenschaufel – Kühlung
611
17.2 Bauformen gekühlter Gasturbinenschaufeln Um die einzelnen Elemente zur Kühlung einer modernen Gasturbinenschaufel besser verstehen zu können, ist es hilfreich, zunächst einige bereits ausgelegte Schaufeln zu analysieren. Abbildung 17-2 zeigt zwei typische Beispiele moderner gekühlter Gasturbinenschaufeln. Es sind zwei Laufschaufeln einer ersten Stufe einer Gasturbine [17.49, 17.60] dargestellt. Abbildung 17-3 zeigt weiterhin zwei erste Leit-
Filmkühlung
Kühlluft Kühlluft
Filmkühlung Rippen Kühlluft Pin Fins Prallkühlung MultipassKühlkanal
Abb. 17-2 Typische Laufschaufeln der ersten Stufe einer modernen Gasturbine [17.49, 17.60]
Filmkühlung Filmkühlung
Prallkühlung
Filmkühlung Prallkühlung, Filmkühlung im vorderen Bereich Turbulenzerzeuger
radiale Strömung im hinteren Kanal
Abb. 17-3 Typische Leitschaufeln der ersten Stufe einer modernen Gasturbine [17.49, 17.60]
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B. Weigand
schaufeln [17.49, 17.60]. Die dargestellten Leitschaufeln als auch die Laufschaufeln unterliegen sehr hohen thermischen Belastungen und werden aus diesem Grund neben der internen konvektiven Kühlung zusätzlich noch filmgekühlt. Zur Steigerung der internen Wärmeübertragung verwendet man bei Leitschaufeln sehr häufig Prallkühlung in Verbindung mit Pins (kleine vertikal im Strömungskanal stehende Zylinder) im Hinterkantenbereich der Schaufel. Für Laufschaufeln bevorzugt man meist den Einsatz von Turbulatoren in Kombination mit Pins zur Erhöhung des internen Wärmeübergangs. Häufig verwendet man bei Laufschaufeln MultipassKühlsysteme (Systeme mit mehreren radial verlaufenden Strömungskanälen, die miteinander über Krümmer verbunden sind). Diese können sehr verschiedenartig ausgestaltet sein, wie man an den beiden in Abb. 17-2 dargestellten Beispielen erkennt. Sowohl die erste Leitschaufel als auch die erste Laufschaufel moderner Gasturbinen sind wegen der extrem hohen Heißgastemperaturen meistens mit Filmkühlung versehen. Hierbei ist darauf zu achten, dass eine genügend große Druckdifferenz zwischen dem Innendruck der Kühlluft und dem Druck des umgebenden Heißgases besteht, sodass ein Ausströmen aus den Kühlbohrungen jederzeit gewährleistet ist. Dies ist natürlich besonders im Bereich der Vorderkante der Schaufel problematisch, da dort der statische Außendruck praktisch so hoch ist wie der Gesamtdruck im Heißgas. Bei Laufschaufeln sieht man deshalb meist einen separaten Vorderkantenkanal vor, um den Innendruck der Kühlluft möglichst gut kontrollieren zu können (Abb. 17-2). Zur Kühlung der hinteren Stufen einer Gasturbine genügt – wegen der niedrigeren Heißgastemperatur – meist eine rein konvektive interne Kühlung der Schaufel. Hier werden sowohl Multipass-Kühlsysteme als auch getrennte Kammern mit Prallkühlung für Leitschaufeln verwendet. Für Laufschaufeln verwendet man fast ausschließlich Multipass-Kühlsysteme.
17.3 Der externe Wärmeübergang Vernachlässigt man die Wärmeübertragung durch Strahlung auf die Schaufel, so geschieht die Wärmeübertragung vom Heißgas an die Schaufeloberfläche durch erzwungene Konvektion. Die heiße Gasströmung überträgt hierbei an die Schaufel die Wärmestromdichte QP 00 (W=m2 ): QP 00 D ˛HG .THG TW /
(17.1)
Hierin ist THG die Recovery-Temperatur des Heißgases [17.32] und TW die Wandtemperatur der Schaufel. ˛HG ist der Wärmeübergangskoeffizient auf der Außenseite der Schaufel. Abbildung 17-4 zeigt eine typische Verteilung des Wärmeübergangskoeffizienten am Schaufelprofil nach [17.11,17.12]. Die Grenzschicht entwickelt sich – beginnend vom Staupunkt – zunächst laminar auf der Druck- und der Saugseite des Profils. Auf der Saugseite geht die Strömung nach einer gewissen Lauflänge – über ein unterschiedlich langes Umschlaggebiet – in eine turbulente Strömung über. Auf der Druckseite der Schaufel kann sich der transitionale Strömungsbereich auch bis zur
17 Turbinenschaufel – Kühlung
613
Abb. 17-4 Qualitative Verteilung der externen Wärmeübergangszahlen am Mittelschnitt eines Schaufelprofils [17.11]
Hinterkante erstrecken. An der in Abb. 17-4 dargestellten Verteilung des Wärmeübergangskoeffizienten sieht man, dass im Staupunkt des Profils sehr hohe Wärmeübergangskoeffizienten auftreten, die zu einer extrem hohen thermischen Belastung der Schaufel führen. Der Wärmeübergang im Staupunkt hängt von der AnströmReynoldszahl sowie vom Turbulenzgrad der Außenströmung ab und lässt sich z. B. nach der Gleichung von [17.34] wie folgt berechnen: 0;5 TuReD NuD p D 0;945 C 3;48 100 ReD
!
0;5 TuReD 3;99 100
!2 ; ReD D
u1 D (17.2)
wobei Tu den Turbulenzgrad und ReD die mit der Anströmgeschwindigkeit und dem Durchmesser der Profilnase gebildeten Reynoldszahl der Strömung darstellt. Gleichung (17.2) verdeutlicht, dass bei gegebenen Anströmbedingungen der Nasenradius des Profils einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Wärmeübergangskoeffizienten im Staupunkt hat. Die Verteilungen des Wärmeübergangskoeffizienten auf der Druck- und der Saugseite einer rein konvektiv gekühlten Schaufel lassen sich mittels Grenzschichtverfahren, die an die aktuellen Fälle angepasst sind, mit ausreichender Genauigkeit berechnen. Der Leser sei in diesem Zusammenhang z. B. auf [17.32, 17.50] hingewiesen. Die entscheidende Schwierigkeit bei solchen Berechnungen ist die Bestimmung des Beginns und des Endes des laminar/turbulenten Umschlaggebiets der Strömung. Generell kann man feststellen, dass der Wärmeübergang am Profil – außer von dem Umschlaggebiet – noch stark von dem äußeren Druckgradienten, der Profilkrümmung und dem Turbulenzgrad der Außenströmung abhängt. Hinzu kommen noch Effekte, wie z. B. die Rauhigkeit der Oberfläche, die bei einer Gasturbinenschaufel, die für mehrere zehntausend Stunden im Betrieb ist, zeitlich veränderlich ist und einen deutlichen Einfluss auf die Wärmeübertragung hat. Die Güte des Berechnungsverfahrens kann nun daran gemessen werden, wie genau die einzelnen Einflussfaktoren und insbesondere deren Wechselwirkung (z. B. der Einfluss der Rauigkeit und des Turbulenzgrades der Außenströmung auf die Position und die Ausdehnung des Umschlaggebiets) modelliert werden können.
614 Abb. 17-5 Schematische Darstellung der Filmausblasung
B. Weigand
U∞
U∞
ρ∞, U∞, T∞ TW S
ρK, UK, TK,
β
Wird die Schaufel noch zusätzlich filmgekühlt, so sind die Verhältnisse deutlich schwieriger. Die Wärmestromdichte an der Schaufeloberfläche ist – anders als im Fall der rein konvektiv gekühlten Schaufel – nun durch QP F00 D ˛F .TaW TW /
(17.3)
gegeben. Hierbei ist ˛F der Wärmeübergangskoeffizient an der filmgekühlten Oberfläche. Dieser ist normalerweise höher als ˛HG , da durch die Ausblasung der Kühlluft in die Grenzschicht die lokale Turbulenz erhöht wird (s. hierzu z. B. [17.15, 17.37]). Die Wärmeübertragung an die Wand wird nun durch die Temperaturdifferenz zwischen dem schützenden Kühlfilm und der Wandtemperatur getrieben. Eine gute Approximation für die Filmtemperatur ist die adiabate Wandtemperatur TaW . Diese wird in der Literatur oft in dimensionsloser Form als adiabate Filmkühleffektivität ad ad D
TaW T1 TK T1
(17.4)
angegeben. ad nimmt hierbei Werte zwischen 0 (TaW D T1 , keine Kühlwirkung des Films) und 1 (TaW ist gleich der Temperatur des Kühlgases TK , optimale Kühlwirkung des Films) an. Der Prozess der Filmkühlung stellt einen höchst komplizierten, dreidimensionalen Vorgang dar. Die Filmkühleffektivität hängt von sehr vielen, verschiedenen Einflussfaktoren ab. Diese sind: Lochgeometrie, Dichteverhältnis zwischen Kühlluft und Heißgas, Geschwindigkeitsverhältnis zwischen Kühlluft und Heißgas, Ausblasewinkel (axial und lateral), Druckgradient, Krümmung der Oberfläche, Rotation, Anzahl und Anordnung der Löcher und Oberflächenbeschaffenheit (z. B. Rauigkeit) usw. Weiterhin kann die dreidimensionale Strömung im Kühlkanal bei der Zuströmung zur Filmkühlungsbohrung auch eine deutliche Veränderung der Filmkühleffektivität bewirken. Bei realen Schaufeln treten viele der genannten Einflussfaktoren zusammen auf und beeinflussen einander. Abbildung 17-6 zeigt schematisch die Verhältnisse bei der Filmausblasung. Man sieht sehr deutlich, dass bei einer Ausblasung mit einer sehr geringen Ausblaserate .M D K uK =.1 u1 // die Kühlluft sehr nahe an die Schaufelwand transportiert wird, während bei einer größeren Ausblaserate die Kühlluft nur noch eine geringe Kühlwirkung hat, da der Kühlluftstrahl weit in die Grenzschicht eindringt. Abbildung 17-7 zeigt eine typische
17 Turbinenschaufel – Kühlung
615
Abb. 17-6 Schematische Darstellung der Einzellochausblasung für zwei verschiedene Ausblaseraten
ba
d
e
f
g
h
i
j
0 ηad
j
i
h
g
c f ed a b
i
0,5
d
h
f
j
g a, b, c e
0
0
25
50
100
75 x/d
adiabate Filmkühleffektivität des Einzellochs adiabate Filmkühleffektivität aller Löcher Abb. 17-7 Filmkühleffektivität auf der Saugseite einer Leitschaufel [17.52]
616
B. Weigand
Verteilung der Filmkühleffektivität für eine Gasturbinenschaufel [17.52]. Dabei ist sowohl die Filmkühleffektivität der einzelnen Reihen (offene Symbole) als auch die Filmeffektivität bei Ausblasung aus allen Lochreihen (geschlossene Symbole) gezeigt. Aufgrund der vielen Einflussfaktoren, die die Wärmeübertragung an einer filmgekühlten Schaufel beeinflussen, gelingt es bis heute nicht, die Filmkühleffektivität und den Wärmeübertragungskoeffizienten ˛F für alle Fälle genau numerisch vorherzusagen [17.16, 17.26, 17.32]. Beschränken wir uns auf eine ebene Wand, wie in Abb. 17-5 dargestellt, und betrachten den einfachsten Fall einer Schlitzausblasung, so lassen sich mittels einfacher Energiebilanzen Approximationen für die Filmkühleffektivität angeben. Zur beispielhaften Verdeutlichung soll hier nur eine solche Gleichung angegeben werden (s. hierzu auch [17.15]): 1 ad D 1 C cp1 =cK 0;329.4;01 C /0;8 1
(17.5)
mit den Größen x D Ms
K REK 1
0;25
; M D
K uK uK sK ; REK D 1 u1 K
(17.6)
Viele zur Auslegung von Gasturbinenschaufeln benutzte Korrelationen basieren auf Gleichungen der oben dargestellten Art, wobei die Gleichungen normalerweise durch die Verwendung von experimentellen Daten empirisch weiter ausgebaut werden. Man sieht an (17.5) sehr gut, dass die Filmkühleffektivität in unmittelbarer Nähe des Kühlschlitzes sehr groß ist. Mit zunehmender Entfernung vom Kühlschlitz lässt die Kühlwirkung nach und ad ! 0. Hat man es mit Kühllöchern und nicht mehr mit einem Schlitz zu tun, so kann man (17.5) weiterhin näherungsweise anwenden, wenn man s durch eine äquivalente Schlitzbreite sD
d 2 4T
(17.7)
ersetzt, wobei T den Abstand zweier Löcher darstellt. Schaltet man mehrere Filmreihen hintereinander, so erhöht sich die Wirkung der ausgeblasenen Kühlluft. Nach Sellers [17.37] lässt sich die resultierende Filmkühleffektivität durch ad D 1 .1 1 / .1 2 / .1 3 / : : : .1 n /
(17.8)
berechnen, wobei die j , j D 1 : : : n die einzelnen Effektivitäten der Lochreihen sind (s. auch Abb. 17-7). Zur Steigerung der Kühlwirkung werden zunehmend geformte Bohrungen eingesetzt, die eine deutlich höhere Filmeffektivität als zylindrische Bohrungen aufweisen (einige Beispiele findet man z. B. in [17.7,17.17,17.40]). Bei der Auslegung einer Gasturbinenschaufel verwendet man heutzutage auch deutlich kompliziertere Modelle zur Vorhersage der Wärmeübertragung an einer filmgekühlten Schaufel. Diese reichen von der Benutzung von Grenzschichtgleichungen bis hin zu 3D numerischen Berechnungen. Zu einer detaillierteren Beschreibung der Filmkühlungsprozesse und den dazugehörigen Berechnungsmethoden sei der Leser auf [17.15, 17.26, 17.38] verwiesen.
17 Turbinenschaufel – Kühlung
617
17.4 Interne Wärmeübertragung Da jede Kühlluft, die zur Schaufelkühlung benötigt wird, nicht mehr vollständig an dem Kreisprozess teilnehmen kann und somit einen Leistungs- und Wirkungsgradverlust bedeutet, besteht das primäre Ziel bei der internen Kühlung der Schaufel in einer möglichst starken Anfachung der Wärmeübergangskoeffizienten im Inneren der Schaufel, um die Gasturbinenschaufel mit möglichst wenig Kühlluft dauerhaft auf einer für das Material erträglichen Temperatur zu halten. Reviews zum Stand der Literatur auf dem Gebiet der internen Wärmeübertragung findet der Leser z. B. in [17.16, 17.26, 17.27, 17.39, 17.56, 17.58, 17.61]. Wie schon weiter oben beschrieben, verwendet man die folgenden Methoden zur Intensivierung des internen Wärmeübergangs.
17.4.1 Prallkühlung Diese Art der internen Kühlung wird sehr häufig für Leitschaufeln verwendet. Die Kühlung ist sehr effektiv, wenn der Strahl ungehindert auf die zu kühlende Oberfläche prallen kann und nicht zu stark durch Querströmungseffekte abgelenkt wird. Aus diesem Grund verwendet man diese Art der Kühlung sehr oft zur internen Kühlung der thermisch sehr hoch belasteten Vorderkante und dem vorderen Bereich der Schaufel (Abb. 17-3). In der Literatur gibt es eine große Anzahl an Publikationen, die sich mit der Prallkühlung beschäftigen. Gute Literaturübersichten findet man z. B. in [17.14,17.19,17.44]. Bei der Anwendung in Gasturbinenschaufeln kommen fast ausschließlich Lochfelder zur Anwendung. Die geometrischen Parameter einer solchen Anordnung sind in Abb. 17-8 gezeigt. Die Löcher können zueinander fluchtend oder versetzt sein. Der Wärmeübergang für solche Konfigurationen lässt sich
xn yn Prallplatte
Abb. 17-8 Geometrische Größen bei der Prallkühlung
z Wand
618
B. Weigand
Tabelle 17-1 Koeffizienten für die Korrelation des Wärmeübergangs bei Prallströmung (5 xn 15, 4 yn 8, 1 zn 3, 5000 REj 50 000) [17.11, 17.12] Fluchtende Lochreihen A m B n
C 1,18 0,612 0,437 0,092
nx –0,944 0,059 –0,095 –0,005
Versetzte Lochreihen ny –0,642 0,032 –0,219 0,599
nz 0,169 –0,022 0,275 1,04
C 1,87 0,571 1,03 0,442
nx –0,771 0,028 –0,243 0,098
ny –0,999 0,092 –0,307 –0,003
z. B. nach [17.11, 17.12] mittels der folgenden Gleichung bestimmen: z GK n 1 B PR0;33 NUj D AREm j dj Gj nx ny nz xn yn zn A; B; m; n D C dj dj dj
nz –0,257 0,039 0,059 0,304
(17.9)
Hierin sind NUj die mit dem Lochdurchmesser dj gebildete mittlere Nusseltzahl, REj ist die mit der Prallgeschwindigkeit und dem Lochdurchmesser gebildete Reynoldszahl. Die Größe GK =Gj beschreibt das Verhältnis der Querströmung zur Prallströmung. Die Größen A, B, m und n hängen von der Geometrie (Abstand der Löcher untereinander und Abstand zwischen Prallblech und Wand ab). Sie wurden von [17.11, 17.12] aus Messungen bestimmt und sind in Tabelle 17-1 angegeben. Zur numerischen Berechnung von Prallströmungen gibt es eine Vielzahl an Arbeiten, die sich meist auf den Einzelstrahl oder eine Reihe von Prallstrahlen konzentrieren (s. z. B. [17.16,17.26,17.63]). Für ganze Prallfelder findet man hingegen nur relativ wenige numerische Arbeiten (s. z. B. [17.51]). In letzter Zeit werden vor allem Modifikationen der Pralloberflächen für den Vorderkantenbereich [17.53] als auch für die Kühlung der Druck- und Saugseiten [17.1, 17.9] untersucht. Dabei spielt die Interaktion der Prallströmung mit anderen Oberflächenelementen (z. B. Rippen, Pins, Pyramiden, Dimples) eine wesentliche Rolle. Die Störung der Prallkühlung durch die veränderte Oberfläche kann zur Reduktion des Wärmeübergangskoeffizienten führen. Gleichzeitig erhöht sich aber die Wärme abgebende Oberfläche, was zu einem höheren, übertragenen Wärmestrom beiträgt. In der Gasturbinenanwendung müssen dabei die Wärmeleitungsvorgänge in den Oberflächenelementen entsprechend berücksichtigt werden, um die Gesamteffizienz beurteilen zu können.
17.4.2 Pins Pins werden sehr häufig zur Intensivierung des internen Wärmeübergangs im Hinterkantenbereich von Gasturbinenschaufeln eingesetzt. Weiterhin verstärken die Pins auch die Stabilität der Schaufel, da sie die Druck- und die Saugseite miteinander verbinden. Abbildung 17-9 zeigt eine Pingeometrie und ein Beispiel einer solchen Anwendung. Durch die Verwendung der Pins erhöht man die benetzte
17 Turbinenschaufel – Kühlung
619
Abb. 17-9 Geometrische Größen der Pins
D
S
X
Oberfläche, die zur Wärmeübertragung beiträgt, und man steigert weiterhin auch die Turbulenz im Kühlkanal. Versetzte Anordnungen der Pins führen zu einer besseren Anfachung des Wärmeübergangs und werden deshalb bei dem Einsatz in Schaufeln fluchtend angeordneten Pins vorgezogen. Meist werden die Pins im Hinterkantenbereich benutzt, um den Kühlmassenstrom bei einer rein konvektiv gekühlten Schaufel genau einzustellen. Hierzu lässt man einen sehr großen Druckabfall über den mit Pins ausgestatteten Hinterkantenbereich zu. Dies hat den Vorteil, dass spätere Justierungen im Kühlmassenstrom der Schaufel durch eine Modifikation des Hinterkantenschlitzes oder der Anzahl der Pins leicht möglich sind. Sehr gute Literaturüberblicke über den Druckverlust und den Wärmeübergang in versetzt angeordneten Pins findet man bei [17.3, 17.26]. Die Wärmeübertragung lässt sich z. B. durch die folgende Gleichung nach [17.10] beschreiben: NUDh 0;8 REDh PR0;33 "
(
D 0;023 C RE0;2946 Dh
D 4;143 exp 3;094 S
S 0;89 H
0;5075 ) !#
(17.10) Hierin ist D der Pindurchmesser, S der Abstand zweier Pins und H die Höhe der Pins. Die charakteristische Länge Dh ist durch Dh D
4Amin L At
(17.11)
gegeben. Hierin ist Amin die minimale Durchströmfläche, At die gesamte zum Wärmeübergang benutze Fläche und L die Länge des Pinfeldes in Strömungsrichtung. Eine erweiterte Korrelation für den Wärmeübergang bei versetzten und fluchtenden Pinanordungen geben [17.30] an. Den Druckverlust im Kanal mit N Pinreihen kann man z. B. mit p D 2u2max Nf ; 0;132 f D 0;317RED für 103 < RED < 104
0;318 f D 1;76RED für 104 < RED < 105
(17.12)
620
B. Weigand
beschreiben. Die oben angegebene Gleichung nach [17.42] gilt für H=D D 1, S=D D 2;5 und 1;5 < X=D < 5. Da die Pins sehr häufig im Hinterkantenbereich einer Schaufel verwendet werden, werden der Wärmeübergang und der Druckverlust durch die in diesem Bereich auftretende Beschleunigung noch verändert. Entsprechende Korrekturfaktoren für die oben stehenden Gleichungen sind in [17.3] angegeben.
17.4.3 Rippen Zur Intensivierung des internen Wärmeübergangs werden sehr häufig Rippen eingesetzt, da sie auf sehr einfache Weise beim Gießprozess hergestellt werden können. Die Rippen erhöhen den Wärmeübergang durch ein periodisches Stören der Grenzschicht. Abbildung 17-10 zeigt die grundlegenden Parameter zur Beschreibung der Rippengeometrie und die Wirkungsweise der Rippen. Wie man an der Abb. 17-10 sieht, löst die Strömung direkt hinter der Rippe ab. Am Ende der Ablöseblase kommt es zu einem sehr hohen Wärmeübergang. Werden die Rippen zu nahe zusammengestellt (p=e < 7), so kann es passieren, dass die Ablösegebiete vor und hinter der Rippe zusammenwachsen. Dies vermindert unter Umständen die Effizienz der eingebauten Rippen. Aus diesem Grund benutzt man meist für p=e ein Verhältnis von 10 < p=e < 12. Die geometrische Gestaltung der Rippen kann sehr vielfältig sein. In der Abb. 17-11 sind einige ausgewählte Rippengeometrien dargestellt. Durch die eingebrachten Rippen steigt der Wärmeübergang beträchtlich an. Rippen mit einem Winkel ungleich 90ı zur Hauptströmung erzeugen weiterhin eine Sekundärströmung im Kanal, die auch die Wärmeübertragung lokal verändert. Abbildung 17-11 zeigt die Verteilung der Sekundärströmungen für verschiedene Rippentypen. Durch die Rippen wird natürlich auch der lokale Druckverlust deutlich gesteigert. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, zeigen Abb. 17-12 und 17-13 exemplarisch die Erhöhung des Druckverlusts und die Nusseltzahl als Funktion der Durchström-Reynoldszahl für ausgewählte Rippenkonfigurationen. Man sieht, dass Draufsicht: p/e < 7
γ
Strömungs-
W
richtung p/e > 7
Seitenansicht: p e
H
Abb. 17-10 Grundlegende Geometrie berippter Kanäle
Sekundärströmungen
17 Turbinenschaufel – Kühlung Abb. 17-11 Verschiedene Rippentypen und die zugehörige Sekundärströmung in rechteckigen Kanälen [17.27]
621
Strömungsrichtung
Widerstandsbeiwert f 0,07 γ = 90°
0,06 0,05
γ = 45°
0,04
D/e = 15 P/e = 10 W/H = 2
0,03 0,02 0,01 0
Glatter Kanal 0
20 000
40 000
60 000 Reynoldszahl RED
80 000
100 000
Abb. 17-12 Verteilung des Druckverlustbeiwertes für verschiedene Rippengeometrien als Funktion von RED (nach einer Korrelation von [17.21, 17.22])
der Wärmeübergang durch die Rippen drastisch gesteigert wird. Auf der anderen Seite erkennt man auch die deutliche Erhöhung des Druckverlusts im Kanal, der ein Vielfaches des Wertes in einem glatten Kanal betragen kann. Der Druckverlust in berippten rechteckigen Kanälen, die unter einem Winkel angeordnet sind, wurde
622
B. Weigand
300 NUD 250
D/e = 15 P/e = 10 W/H = 2
γ = 90°
200 γ = 45° 150 Glatter Kanal 100 50 0 0
20 000
40 000
60 000
80 000
RED
100 000
Abb. 17-13 Verteilung der Nusseltzahl für verschiedene Rippengeometrien als Funktion von RED (nach einer Korrelationen von [17.21, 17.22])
für die verschiedensten Rippenarten sehr ausführlich untersucht. Gute Überblicke über den Stand des Wissens findet man z. B. in [17.26, 17.56, 17.59]. Exemplarisch soll hier der Aufbau einer Korrelation zur Berechnung des Wärmeübergangs und des Widerstandsbeiwertes im berippten Kanal dargestellt werden. Diese lassen sich z. B. nach den folgenden Gleichungen nach [17.21, 17.22] berechnen: L uN 2 f (17.13) p D 2 D wobei L und D die Länge und der hydraulische Durchmesser des Kanals sind. uN ist die mittlere Strömungsgeschwindigkeit und f ist der mittlere Widerstandsbeiwert. Dieser berechnet sich wie folgt: f D
Wfs C Hfr W CH
(17.14)
wobei fs und fr die Widerstandsbeiwerte für die jeweils zwei glatten und berippten Seiten im Kanal und W und H die Breite und die Höhe des Kanals darstellen. Der Widerstandsbeiwert der beiden glatten Kanalseiten lässt sich z. B. mittels der Blasius’schen Formel fs D 0;046RE0;2 D
(17.15)
berechnen. Der Widerstandsbeiwert fr folgt nach [17.22] aus 2 2W 2e fr D 2 R 2;5 ln C1 D H CW
(17.16)
17 Turbinenschaufel – Kühlung
623
wobei die Rauhigkeitsfunktion R durch
# "
2 P 0;35 W m R D 12;31 27;07 C 17;86 90ı 90ı 10e H
(17.17)
mit m D 0 für D 90ı und m D 0;35 für < 90ı (falls W=H > 2 wird ist W=H D 2 zu setzen). Der mittlere Wärmeübergang berechnet sich mittels: NUD D
W NUs C H NUr W CH
(17.18)
wobei NUs und NUr die Nusseltzahlen des glatten und des berippten Kanals sind: 0;8 NUs D 0;023RED PR0;4 RED PRfr =2 NUr D p 1 C fr =2 ŒG R
mit der Funktion G nach G D 4;5
e 0;28 p RED fr =2 PR0;57 D
(17.19) (17.20)
(17.21)
Für Industriegasturbinen sind aufgrund der Fortschritte in der Gießtechnologie und der relativ großen Abmessungen im Vergleich zu Fluggasturbinen komplexere Rippengeometrien in den Kühlkanälen der Schaufeln möglich. Ein Beispiel für einen Vorderkantenkühlkanal nach [17.4] ist in Abb. 17-14 gezeigt. Die Rippen sind in einem Winkel von 45ı zur Hauptströmungsrichtung angeordnet und überlappen sich
Abb. 17-14 Kühlsystem für einen Vorderkantenkanal nach [17.4]
624
B. Weigand
Abb. 17-15 Wärmeübergangs- und Druckverluststeigerung bei verschiedenen Turbulatorgeometrien (nach Daten von [17.23])
im Vorderkantenbereich. Gleichzeitig weisen sie eine dreidimensionale Geometrie auf, um einen hohen Wärmeübergang im Gebiet des Staupunkts zu realisieren. Experimentelle Untersuchungen nach [17.2] zeigen, dass sich durch die Gestaltung des Überlappungsbereiches unterschiedliche Wärmeübergangsverteilungen erzielen lassen, die der lokalen Heißgasbelastung sehr gut angepasst werden können. Abschließend zeigt Abb. 17-15 noch einen Vergleich der Wärmeübergangssteigerung (NU=NUs ) gegenüber einem glatten Kanal durch verschiedene Rippengeometrien und Wirbelgeneratoren und die damit verbundene Erhöhung des Druckverlustbeiwertes (f =fs ) nach experimentellen Untersuchungen von [17.23] in einem quadratischen Kanal. In diesem Diagramm sieht man nochmals sehr schön den „positiven Wert“ der Turbulenzerzeuger, der sich in einer Erhöhung des Wärmeübergangs äußert, verglichen mit dem „negativen Effekt“, einer enormen Druckverluststeigerung. Diagramme dieser Art können hervorragend zum Vergleich und zur Bewertung von verschiedenen Turbulenzerzeugern eingesetzt werden. Weiterhin zeigt die Abbildung noch einmal die vielfältigen Formen von Turbulenzerzeugern, die heute eingesetzt werden.
17.4.4 Krümmer (180ı -Umlenkungen) Bei Schaufeln, die ein Multipass-Kühlsystem verwenden, werden die einzelnen Kühlkanäle durch 180ı -Umlenkungen miteinander verbunden. Die Strömung in
17 Turbinenschaufel – Kühlung
625
180ı-Krümmern ist extrem kompliziert und stark dreidimensional. Durch die Bahnlinienkrümmung kommt es zu einer ausgeprägten Sekundärströmung im Krümmer. Die Strömung löst normalerweise bei der scharfen Umlenkung ab. Hier bildet sich ein mehr oder weniger starkes Ablösegebiet. Die Strömung prallt an die Außenwand des ausströmenden Kanals. Dort ergeben sich sehr hohe Wärmeübergänge. Die Vorgänge in solchen Bauteilen sind stark abhängig von der Geometrie. Je nach Bauart des Kühlsystems gibt es eine schier unübersehbare Anzahl von verschiedenen Konfigurationen. Auf der anderen Seite ist die richtige Vorhersage des Druckverlusts und auch des Wärmeübergangs in den Krümmern von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Auslegung und die sichere Funktionsweise einer Schaufel. Für ein typisches Multipass-System einer Gasturbinenschaufel kann der Druckverlust im ersten Krümmer z. B. in der gleichen Größenordnung liegen wie der Druckverlust in den beiden durch den Krümmer verbundenen Kanälen. Die geometrischen Größen, die einen 180ı -Krümmer definieren, sind in Abb. 17-16 dargestellt. Weiterhin zeigt die Abbildung noch ein paar typische Bauformen solcher Krümmer. Man kann feststellen, dass der Druckverlust im Krümmer im Wesentlichen vom Massenstrom und von der Größe H=.W1 C W2 / abhängt. Untersuchungen zum Druckverlust in Krümmern für verschiedene rechteckige Kanalgeometrien findet man z. B. in [17.41, 17.42, 17.45]. Zur Reduktion des Druckverlusts oder zur Erhöhung des Wärmeübergangs im Krümmer ist es möglich, dass Einbauten (z. B. Umlenkbleche oder Rippen) im Umlenkbereich verwendet werden (s. hierzu [17.13, 17.46]). Die beiden mit dem Krümmer verbundenen Kanäle sind zudem meist mit Rippen versehen, um den lokalen Wärmeübergang in den Kanälen zu intensivieren. Hierdurch kommt es zu Interaktionen zwischen der durch die Rip-
Abb. 17-16 Geometrische Kenngrößen in einem eckigen 180ı -Krümmer
626
B. Weigand
pen erzeugte Sekundärströmung und der im Krümmer sich ausbildenden Sekundärströmungen. Weiterhin bewirken die Rippen im Zuströmkanal eine Erhöhung der Eintrittsturbulenz. Dadurch kann sich der Druckverlust und der Wärmeübergang im Krümmer deutlich ändern (s. hierzu z. B. [17.25]). Detaillierte Untersuchungen der Strömung und des Stoff-/Wärmeübergangs in 180ı-Krümmern findet man z. B. in [17.28, 17.45, 17.48, 17.57]. Eine Darstellung verschiedener Arbeiten zur numerischen Berechnung von Krümmern findet man z. B. in [17.59].
17.4.5 Einfluss der Rotation Durch die Systemrotation verändern sich der Druckverlust und der Wärmeübergang in den Kühlkanälen einer Gasturbinenschaufel. Dies geschieht durch die Ausbildung von Sekundärströmungen, die durch die Rotation getrieben werden. Der Einfluss der Systemrotation führt z. B. in einem orthogonal zur Strömungsrichtung rotierenden Kanal zur Ausbildung zweier gegensinnig rotierender Wirbelstrukturen. Der Druckverlust und der Wärmeübergang im rotierenden Kanal werden nun nicht mehr nur durch die Reynoldszahl RED D uD=, sondern auch durch die Rotationszahl RO D !D=u und die Grashofzahl GRD D ˇTR! 2 D 3 = 2 beeinflusst. Hierbei beschreibt Ro den Einfluss der Systemrotation für eine isotherme Strömung, und GR beschreibt den geänderten Einfluss der Systemrotation auf Teilchen unterschiedlicher Dichte (Auftriebseinfluss). Betrachtet man eine nach außen gerichtete Kanalströmung, die orthogonal zu ihrer Achse rotiert, so führt die Systemrotation zu einer Erhöhung des Wärmeübergangs auf der Druckseite und zu einer Verminderung des Wärmeübergangs auf der Saugseite. Der Auftriebseinfluss durch die Systemrotation kann den Wärmeübergang anfachen, z. B. wenn die Strömung vom Zentrum der Rotation radial nach außen strömt. Einen guten Überblick über den Stand der Literatur auf diesem Gebiet findet man in [17.5,17.26,17.37,17.47]. In [17.5] findet man auch eine Zusammenstellung von verschiedenen Korrelationen für den Druckverlust und den Wärmeübergang im glatten, orthogonal rotierenden Kanal. In Laufschaufeln einer Gasturbine überlagern sich die Effekte der Systemrotation mit denen der hoch komplizierten, dreidimensionalen Strömung in berippten Kanälen und in Krümmern. Die dort auftretenden Verhältnisse sind sehr kompliziert. In diesem Zusammenhang sei der Leser z. B. auf [17.29] hingewiesen.
17.4.6 Dampfkühlung Die Verwendung von Dampf zur internen Kühlung von Gasturbinenbauteilen in einem Kombikraftwerk ist seit Mitte der 90er-Jahre eine Entwicklungsrichtung verschiedener Gasturbinenhersteller. Dampf ist aufgrund seiner höheren spez. Wärmekapazität und seiner niedrigeren Viskosität prinzipiell ein besseres Kühlmedium als Luft. Diese Technologie hat also das Potenzial, den Kühlluftverbrauch einer Gasturbine deutlich zu verringern. Unter Verwendung von Dampf als Kühlungsmedium sind in Kraftwerksprozessen Steigerungen des thermischen Wirkungsgrads
17 Turbinenschaufel – Kühlung
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zwischen 1–2% Punkten möglich [17.31, 17.54]. Dabei muss zwischen geschlossener und offener Dampfkühlung der Bauteile unterschieden werden. Bei der offenen Dampfkühlung können bekannte Kühlmethoden eingesetzt werden (z. B. das Ausblasen des Kühlmediums durch Bohrungen als Filmkühlung [17.20]) und somit die Wärmebelastung der Gasturbinenbauteile verringert werden. Eine höhere Effizienz kann hingegen bei geschlossener Dampfkühlung der Gasturbinenbauteile erreicht werden, wobei gleichzeitig Mischungsverluste reduziert werden können. Allerdings entstehen durch die geschlossene Dampfkühlung verschiedene Probleme. Neben der Dichtungsproblematik (der Dampf wird bei deutlich höheren Drücken verwendet, als dies bei Luftkühlung üblich ist) und der Problematik von Ablagerungen im Kühlsystem sind v. a. die lokal außerordentlich hohen Wärmeströme, die durch die rein konvektive Kühlung bedingt sind, schwierig zu beherrschen. Diese Problematik tritt v. a. im Vorder- und Hinterkantenbereich bei Gasturbinenschaufeln auf [17.6]. Diese Bereiche erfahren die höchste Wärmebelastung und sind aufgrund der geometrischen Verhältnisse konvektiv nur schwer zu kühlen [17.36]. Die damit verbundenen technischen Probleme und Lösungsansätze bei der Entwicklung von dampfgekühlten Gasturbinenkomponenten zeigen sich v. a. in Patentschriften der Hersteller. So werden momentan hybride Konzepte (geschlossene Dampfkühlung der Hauptbereiche, offene Luftkühlung der kritischen Bereiche) eingesetzt [17.43]. Andere Lösungskonzepte ohne Luftausblasung können zu sehr komplexen Kühlkonfigurationen führen. Weiterhin wirft die Verwendung von Dampf zur Kühlung der Schaufel auch noch andere Probleme auf. Einige dieser Schwierigkeiten sind: Verschmutzung und Korrosion der Schaufeln, hohe Wärmespannungen im Schaufelmaterial, Dichtigkeit der Zu- und Abführsysteme (speziell bei rotierenden Schaufeln), Materialermüdung und die Aufrechterhaltung der Kühlung während des An- und Abschaltens der Turbine bei Kombiprozessen.
17.5 Kühlungsauslegung von Schaufeln Nachdem nun in den vorangegangenen Abschnitten auf die externe Wärmeübertragung und die verschiedenen Methoden zur Intensivierung des internen Wärmeübergangs eingegangen wurde, sind alle Voraussetzungen bekannt, um die Kühlungsauslegung einer Gasturbinenschaufel zu diskutieren. Hierbei ist zu beachten, dass die Auslegung des Kühlsystems einer Gasturbinenschaufel eine stark multidisziplinäre Aufgabe darstellt (s. auch Kap. 8 und 15). So besteht natürlich eine starke Interaktion bei der Auslegung zwischen der Aerodynamik des Profils und der Kühlung. Je besser das Profil aerodynamisch optimiert wird, desto schlanker wird es normalerweise werden und umso schwieriger wird es zu kühlen sein. Genau so wichtig sind natürlich auch die Verknüpfungen der Kühlungsauslegung mit anderen Disziplinen: So sind z. B. die im Bauteil auftretenden Spannungen natürlich von dem verwendeten Kühlkonzept abhängig. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die richtige Materialauswahl für die Schaufel getroffen wird und dass das beabsichtigte Kühlsystem der Schaufel auch herstellbar ist. Die
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am Ende dieser äußerst komplizierten Iteration stehende Gasturbinenschaufel stellt natürlich einen Kompromiss hinsichtlich aller zu befriedigenden Restriktionen dar. Im Folgenden wird im Wesentlichen nur auf den eigentlichen Kühlungsteil eingegangen. Die erfolgenden Iterationen ändern das hier dargestellte Vorgehen nicht, sie verursachen nur einen mehrfachen Durchlauf der einzelnen vorgestellten Auslegungszyklen.
17.5.1 Konzeptionelle Auslegung (1D) Die prinzipielle Kühlungsauslegung beginnt man meist mit einer 1D-Auslegung des Bauteils [17.8, 17.16]. Hierzu betrachten wir einen kleinen Ausschnitt aus einer Schaufel. Wendet man den ersten Hauptsatz der Thermodynamik auf das in Abb. 17-17 dargestellte Modell an, so erhält man: P K cNpK .TKA TKE / ˛HG AHG .THG TM / D m
(17.22)
Hierbei wurde die vereinfachende Annahme gemacht, dass das Schaufelmaterial eine unendlich gute Wärmeleitfähigkeit besitzt und somit die mittlere Metalltemperatur TM überall im Material herrscht. Die äußere Wärmeübertragung wurde durch eine mittlere Wärmeübergangszahl angenähert. Das Kühlmedium wurde weiterhin als ideales Gas mit der mittleren spezifischen Wärmekapazität cNpK betrachtet. Stellt man die obige Gleichung etwas um, so findet man: THG TM m P K cNpK TKA TKE D THG TKE ˛N HG AHG THG TKE
αHG, THG
TM
TKA UMK
αK
s
Abb. 17-17 Modell einer gekühlten Schaufel (Ausschnitt)
. mK, TKE
(17.23)
17 Turbinenschaufel – Kühlung
629
Der Ausdruck auf der linken Seite der Gleichung stellt eine dimensionslose Metalltemperatur dar. Diesen Ausdruck bezeichnet man als Kühlungseffektivität ". Der erste Ausdruck auf der rechten Seite der Gleichung ist ein dimensionsloser Massenstrom des Kühlfluids. Diesen bezeichnet man mit m . Den zweiten Term auf der rechten Seite kann man noch etwas umschreiben, sodass auch dieser eine anschauliche, physikalische Bedeutung erhält. Damit ergibt sich: "D
m .1 C m /
mit den Größen: m P cNpK TKA TKE THG TM ; m D ; D "D THG TKE ˛N HG AHG TM TKE
(17.24)
(17.25)
wobei als Güte der Kühlung (Kühlungseffizienz) bezeichnet wird. Diese Größe stellt die Aufheizung der Kühlluft in dimensionsloser Form dar und charakterisiert somit die geometrische Gestaltung des Kühlsystems. Die Aufheizung der Kühlluft geschieht durch die interne Wärmeübertragung in den Kühlkanälen. Für einen kleinen Schaufelausschnitt der Länge Ds gilt: m P K cNpK dTK D ˛K UMK .TM TK / ds
(17.26)
In dieser Gleichung stellt UMK den benetzten Umfang des internen Kühlkanals dar. TK ist die lokale mittlere Temperatur des Kühlfluids. Integriert man (17.26) zwischen dem Eintritt der Kühlluft (TK D TKE , s D 0) und dem Austritt aus dem Kühlkanal (TK D TKE , s D L), so erhält man unter der Annahme, dass sich nur TK mit s ändert: NUD UMK L ; (17.27) D 1 exp RED PRAK wobei NUD die Nusseltzahl für den internen Wärmeübergang und RED die Reynoldszahl im Kühlkanal ist. AK ist die für die interne Wärmeübertragung zur Verfügung stehende Oberfläche. Führt man nun noch den hydraulischen Durchmesser D D 4AK =UMK in (17.27) ein, so ergibt sich schließlich: 4NUD L : (17.28) D 1 exp RED PRD Mit dieser Gleichung kann nun die Aufheizung des Kühlfluids im Kühlkanal berechnet werden. An (17.28) sieht man sofort, dass eine mögliche Form für ein sehr effizientes Kühlsystem darin besteht möglichst lange Kanäle mit kleinem Durchmesser in die Schaufel einzubringen. Dies entspricht im Wesentlichen einem Multipass-Kühlsystem. Wie schon weiter oben erwähnt, wurde (17.24) für eine Wand mit unendlich guter Wärmeleitfähigkeit hergeleitet. Die Wärmeleitung in der Schaufelwand lässt sich sehr einfach mit in die Betrachtung mit einbeziehen, indem man den Wärmeübergangskoeffizienten auf der Heißgasseite durch eine entsprechende Wärmedurchgangszahl ersetzt. Allerdings ist der Effekt der Wärmeleitung in der Schaufelwand für eine erste grobe Auslegung meist unbedeutend. Bedeutsamer ist hingegen
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B. Weigand
der Einfluss einer keramischen Schutzschicht (TBC), die auf die Schaufel aufgebracht wird (s. auch Kap. 24). Diese kann in genau der gleichen Weise durch eine Wärmedurchgangszahl berücksichtigt werden. Man erhält dann aus (17.24): "D
˛N HG ıTBC m .1 C BiTBC / ; BiTBC D : .1 C m .1 C BiTBC / / TBC
(17.29)
Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass im Fall einer zusätzlich aufgebrachten keramischen Schutzschicht der benötigte Kühlluftmassenstrom um .1 C BiTBC / verringert wird als im Fall einer Schaufel ohne keramische Schutzschicht, um die gleiche Kühleffektivität zu erreichen. Für typische Werte von ˛HG D 3000 W=.m2 K/, ıTBC D 0;2 mm und TBC D 2 W=.m K/ bedeutet dies eine theoretisch mögliche Reduktion des Kühlluftmassenstroms für die Schaufel um bis zu 30%. Trägt man (17.24) als Diagramm auf, so ist es sehr gut möglich, verschiedene Designs von gekühlten Schaufeln miteinander zu vergleichen. Abbildung 17-18 zeigt ein solches Diagramm. Für die Auslegung der Schaufel sind nun zumeist die erlaubte mittlere Materialtemperatur TM , die Heißgas- und die Kühllufttemperatur bekannt. Damit ist die Kühleffektivität " gegeben. Die Kühlungseffizienz lässt sich nach (17.28) bestimmen, wenn man weiß, welches Kühlsystem (Einfacher Kühlkanal, Multipass-Kühlkanal, Ausgestaltung der Kanäle: Rippen usw.) die Schaufel bekommen soll. Damit ist dann die Massenstromfunktion m festgelegt. m lässt sich durch Aufbringen einer keramischen Schutzschicht noch reduzieren. In Abb. 17-18 sieht man sehr schön, dass die Schaufeln mit den höchsten Kühlungsgüten stets eine
ε
1,0
η
0,9
Thermal Barrier Coating (TBC)
0,8
1,0 0,8
0,7
0,6
Konvektion + Film
0,6
0,4
0,5
0,3
Konvektion 0,4
0,2
0,3
Nur Film 0,1
0,2 0,1 0,0 0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
m* Abb. 17-18 Diagramm zur Auslegung der Schaufelkühlung
17 Turbinenschaufel – Kühlung
631
Kombination aus konvektiver Kühlung und Filmkühlung (eventuell in Kombination mit TBC) aufweisen. Der Effekt der Filmkühlung lässt sich in (17.24) noch mit erfassen, indem man die Heißgastemperatur durch die adiabate Wandtemperatur nach (17.4) ersetzt. Man erhält dann mit der vereinfachenden Annahme, dass sich der Wärmeübergangskoeffizient auf der Heißgasseite durch die Filmkühlung nicht ändert: "D
m C ad .1 / 1 C m ad
(17.30)
Hierbei wurde noch angenommen, dass TK in (17.4) die Eintrittstemperatur der Kühlluft ist. Die hier vorgestellte 1D-Kühlungsauslegung wird vielfach zur konzeptionellen Studie verschiedenartigster Kühlsysteme und deren Wechselwirkung mit dem Gesamtsystem Gasturbine verwendet [17.8]. Damit finden diese Modelle Eingang in übergeordnete Berechnungen zur Beschreibung des Sekundärluftsystems (s. Kap. 16) und auch zur Prozessanalyse (s. Kap. 2). Sie können weiterhin schön zur Studie des Einflusses von „Ungenauigkeiten“ verschiedener physikalischer Parameter auf die Vorhersagegenauigkeit bei der Auslegung eines Kühlsystems eingesetzt werden [17.35].
17.5.2 Auslegung der Kühlung (2D/q3D) Die eigentliche Auslegung des Kühlungsdesigns des Schaufelblattes erfolgt vielfach noch „quasi 3D“. Hierzu betrachtet man die Schaufel auf mehreren 2D-Schnitten. Auf diesen Schnitten werden der externe Wärmeübergangskoeffizient und auch die adiabate Wandtemperatur (falls Filmkühlung vorhanden ist) mittels Grenzschichtverfahren und Korrelationen bestimmt. Die interne Wärmeübertragung und Druckverluste werden mit einem Netzwerklöser bestimmt, der meist sehr stark auf empirische Korrelationen für den Druckverlust und die internen Wärmeübergangskoeffizienten zurückgreift. Hierzu werden die internen Kühlkanäle in Segmente aufgeteilt, die durch einen Druckverlust und eine Wärmeübertragung charakterisiert sind. Da die interne Aufheizung des Fluids vom eingebrachten Wärmestrom durch die Schaufeloberfläche abhängt, muss man nun beide Berechnungen miteinander koppeln und iterieren, um die korrekte Wärmestromverteilung in das Schaufelprofil bereitzustellen. Dies geschieht z. B. durch Kopplung der Rechnungen mithilfe einer Wärmeleitungsrechnung für die einzelnen Schaufelschnitte. Falls sich bei diesem Zyklus zur Kühlungsauslegung herausstellt, dass die Auslegung eine Änderung der äußeren Schaufelkontur erfordert, wird eine erneute Berechnung der Aerodynamik und der äußeren Wärmeströme notwendig. Der gesamte Berechnungszyklus zur Kühlungsauslegung ist wiederum mit Festigkeitsberechnungen gekoppelt, mit denen man die Spannungen in der Schaufel vorhersagen kann. Ziel der gesamten Auslegung ist es, eine Schaufel zu konstruieren, die allen Erfordernissen genügt. Ziele aus dem Bereich der Kühlungsauslegung sind hierbei die Auslegung einer Schaufel, die bei möglichst geringem Kühluftbedarf die zulässigen maximalen Materialdaten
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nicht überschreitet und möglichst kleine Variationen der Oberflächentemperaturen und der Temperaturgradienten im Material aufweist. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die Forderungen nicht nur aus dem Bereich der Aerodynamik, Festigkeit und der Kühlung kommen, sondern natürlich auch sehr stark durch Fertigungsgesichtspunkte und den Herstellungspreis getrieben werden. Bei der oben beschriebenen Vorgehensweise zur Auslegung einer Schaufel soll noch darauf hingewiesen werden, dass bestimmte Bereiche der Schaufel, wie z. B. Plattformen, Schaufelfuß und Schaufelkrone, grundsätzlich mit 3D-Methoden ausgelegt werden müssen, da die Verhältnisse in diesen Bereichen der Schaufel sehr stark von 2D-Verhältnissen abweichen. So hat man z. B. bei der Umströmung der Schaufelspitze einer Rotorschaufel eine starke Abhängigkeit des Wärmeübergangskoeffizienten an der Spitze der Schaufel von der Größe des Schaufelspaltes und der Geometrie der Schaufel im oberen Bereich. Aufgrund der dramatischen Steigerung der Rechnerleistung in den letzten zehn Jahren wird die oben beschriebene Vorgehensweise heutzutage massiv durch 3D numerische Methoden punktuell unterstützt. Beispiele zur Darstellung der Auslegungsphilosophie findet man z. B. in [17.35] und [17.55]. Weiterhin muss hier noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die Güte der beschriebenen Auslegungsprozedur ganz entscheidend von der „Kalibrierung“ der Thermalmodelle abhängt. Diese „Kalibrierung“ der Modelle geschieht durch Messungen von Schaufeltemperaturen im Betrieb. Diese Messungen können z. B. durch auf der Schaufeloberfläche angebrachte Thermoelemete oder durch Pyrometermessungen geschehen. Vielfach benutzt man auch Metallurgische Untersuchungsmethoden (s. auch [17.55]).
17.5.3 Tests/3D-Rechnungen/-Anpassungen Nachdem die Kühlung der Schaufel ausgelegt wurde, erfolgt eine Überprüfung ihrer Funktionsweise zunächst in sog. Komponententests. Diese können stationär oder auch im rotierenden Versuchsstand durchgeführt werden. Bei den stationären Tests verwendet man meist ein maßstäblich vergrößertes Modell. Diese Tests können z. B. mithilfe der Flüssigkristallmethode zur Bestimmung des Wärmeübergangs durchgeführt werden. Abbildung 17-19 zeigt ein solches Modell aus Plexiglas und die zugehörige Verteilung der internen Wärmeübergangskoeffizienten. Bei diesen Tests bringt man auf die Wand des internen Kühlkanals Flüssigkristalle auf, die sich dadurch auszeichnen, dass sie ihre Farbe mit der herrschenden Wandtemperatur ändern. Lässt man nun z. B. heiße Luft durch das Modell strömen, so kann man den Verlauf der Isothermen an der Wand der Kühlkanäle verfolgen. Hieraus bestimmt man dann die herrschenden Wärmeübergangszahlen. Die Experimente werden massiv durch 3D numerische Berechnungen unterstützt. Wegen der sehr komplizierten internen Kühlgeometrien verwendet man meist unstrukturierte Gitter, um z. B. die Rippengeometrie genau genug abbilden zu können. Auch die Geometrie der Filmkühlungsbohrungen kann mithilfe von numerischen Methoden optimiert werden. Hier gibt es einen großen Fundus an numerischen Arbeiten, deren Aufzählung den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Einen Überblick findet man
17 Turbinenschaufel – Kühlung
633
Abb. 17-19 Komponententest einer modernen Gasturbinenschaufel (Plexiglasmodell und Verteilung der internen Wärmeübergangskoeffizienten) [17.58]
z. B. in [17.26, 17.59]. Am Ende der Kühlungsauslegung steht dann der Test des Kühlungsdesigns in einer gut instrumentierten Test-Gasturbine. Hier wird die Kühlungsauslegung abschließend verifiziert, bevor sie in die neuen Gasturbinen eingebaut wird. Wie schon in Abschn. 17.5.2 beschrieben, werden die erhaltenen Messdaten dazu verwendet, die Auslegungsmodelle zu verbessern und damit eine höhere Genauigkeit des Auslegungsprozesses zu gewährleisten. Dies ist essenziell notwendig, da die Gesamtlebensdauer einer Schaufel ganz entscheidend von der genauen Vorhersage der Bauteiltemperatur abhängt. So verdoppelt/halbiert sich z. B. beim Versagen einer Schaufel durch Kriechen die Lebensdauer durch eine Änderung der Schaufelmaterialtemperatur von 15 K. Bei Versagen durch Korrosion sind dies 20 K und bei Low Cycle Fatigue (LCF) 30 K [17.8]. Dies zeigt eindrucksvoll, wie entscheidend eine genaue Auslegung des Kühlungsdesigns für das gesamte Bauteil ist.
17.6 Ausblick Zum Abschluss des Kapitels sei der Leser noch auf weitere Entwicklungen auf dem Gebiet der Gasturbinenschaufelkühlung hingewiesen. Da die heutigen Gasturbinen zu immer höheren Heißgastemperaturen vorstoßen, gibt es eine Reihe modernerer Entwicklungen, um die Schaufeln effizient zu kühlen. Neben der bereits in Abschn. 17.4.6 beschriebenen Dampfkühlung gibt es z. B. die Entwicklung von Sandwichschaufeln bestehend aus mehreren Schichten (z. B. TBC, Superlegierungen und einer sehr gut leitenden inneren Schicht) oder den Einsatz von Hochtemperatur Wärmerohren zur Kühlung von Schaufeln [17.62]. Diese modernen Methoden zur Kühlung einer Schaufel bauen praktisch alle auf den Einsatz von keramischen Schutzschichten an der Außenseite der Schaufel auf. Dies wirft jedoch auch einige Probleme auf, da für eine Gasturbinenschaufel für industrielle Anwendungen die Standzeit sehr lang ist und z. B. ein Abplatzen der keramischen Schutzschicht trotz verbesserter Herstellungsverfahren immer noch problematisch ist.
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B. Weigand
Danksagung Für zahlreiche wertvolle Hinweise und Diskussionen zum Thema der Kühlungsauslegung möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn K. Semmler (MTU) bedanken. Weiterhin möchte ich mich bei der ASME für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Abb. 17-8, 17-16 und 17-19, bei dem VDI, Düsseldorf für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Abb. 17-2b und 17-3b, bei Herrn Prof. Berg für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Abb. 17-1, bei dem VKI für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Abb. 17-11 und bei Annals of the New York Academy of Sciences für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Abb. 17-2a, 17-3a und 17-7 bedanken.
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Kapitel 18
Läuferbauformen Joachim Schulte, Michael Müller und Manfred Janssen
18.1 Einleitung In den Bauformen des Gasturbinenläufers wird die Entwicklungsgeschichte dieses Maschinentyps widergespiegelt (vgl. Kap. 1). Bei der ersten industriellen Gasturbine, die im Jahre 1939 von der damaligen BBC gebaut wurde, hatten das Verdichterund das Turbinengehäuse eine horizontale Trennebene, so dass der Läufer als Ganzes eingelegt werden konnte. Er war bereits damals unlösbar aus einzelnen Scheiben zusammengeschweißt, eine Technik, die bei BBC seit 1929 üblich war. Parallel dazu wurden Gasturbinen als Strahlantrieb für schnelle Flugzeuge entwickelt. Sie wurden in Scheibenbauweise für Rotor und Stator hergestellt. Dazu muss der Rotor teilbar sein (vgl. Kap. 1), d. h., die Scheiben werden mit einer lösbaren Verbindung zusammengefügt. Die Anzahl der Scheiben ist dann häufig identisch mit der Anzahl von Verdichterstufen plus Anzahl der Turbinenstufen. Für die industrielle Anwendung wurden diese Strahlantriebe dann um eine Nutzturbine ergänzt. Aus diesen beiden Entwicklungslinien ist die stationäre Gasturbine als eigener Maschinentyp entstanden und das Gehäuse mittlerweile bei allen Herstellern horizontal geteilt. Die Läufer werden separat hergestellt und dann als Ganzes in das Gehäuse eingelegt. Dadurch können die Läufer aus einer beliebigen Anzahl von Scheiben hergestellt werden und es stehen prinzipiell alle Fügeverfahren zur Konstruktion des Läufers zur Verfügung. Bei der klassischen Einteilung der Fügeverfahren für die Rotorscheiben gibt es zunächst die lösbaren Verbindungen durch Schrauben, wie der zentrale Zuganker in der Mitte des Rotors oder mehrere Zuganker über den Umfang verteilt. Die Übertragung der Kräfte und Momente kann durch Reibung an den Berührungsflächen erfolgen oder durch Verzahnungen wie die Hirth-Verzahnung oder Gleason-Verzahnung. Bei den nicht lösbaren Verbindungen steht das Schweißen im Vordergrund. Die Praxis zeigt, dass mit beiden Fügeverfahren wettbewerbsfähige stationäre Gasturbinen gebaut werden können. Das Gesamtkonzept der Gasturbinen mit Ge-
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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häusekonstruktion, Kühlluftführung usw. muss dabei aber so optimiert werden, dass die Vorteile der jeweiligen Bauart zum Tragen gebracht und ihre Nachteile weitgehend gemildert werden.
18.2 Anforderungen an den Läufer Bei der Auslegung von Gasturbinen ist es besonders wichtig, Detailwissen über die Beanspruchung der einzelnen Läuferkomponenten und ein sehr genaues Verständnis über das integrale Zusammenwirken der verschiedenen Komponenten zu haben. Die Vielzahl von Aufgaben und Anforderungen, die in diesem Zusammenhang gerade an den Gasturbinenrotor gestellt werden, erfordern in der Entwicklungsphase ein hohes Maß an Systemkenntnissen und die Bereitschaft – unabhängig von der gewählten Bauform – Kompromisse einzugehen. Aufgrund des nachfolgend aufgeführten Anforderungskatalogs wird schnell ersichtlich, dass es sich bei dem Gasturbinenrotor um eine Schlüsselkomponente der Gasturbine handelt. Folgende Aufgaben und Kriterien muss der Läufer dabei im Einzelnen zuverlässig erfüllen: • Definition der Geometrie des Strömungskanals im Verdichter und in der Turbine (Nabenkontur), • Tragen der Verdichter- und Turbinenbeschaufelung, • Führung der Kühl- und Sperrluft, Abdichtung gegen Heißgas, • Übertragung des Drehmomentes von der Turbine zum Verdichter und Generator, • ruhiges Laufverhalten im gesamten Betriebsbereich [18.1], • mechanische Integrität auch unter Berücksichtigung auftretender Störfälle. Die Beanspruchung und Belastung des Gasturbinenrotors sowie sein dynamisches Verhalten [18.2] müssen sowohl für die normalen Betriebsbedingungen als auch für Off-Design-Bedingungen zuvor definierter Vorgaben genügen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass auch im Fall auftretender Störfälle wie Schaufelabriss, Klemmenkurzschluss oder Fehlsynchronisation der Rotor eine ausreichende Sicherheit gegen den Verlust der mechanischen Integrität aufweist. Unabhängig von der gewählten Läuferbauform besteht deshalb eine elementare Forderung darin, einen sicheren und zuverlässigen Betrieb der Maschine über die gesamte Lebensdauer zu gewährleisten. Neben den bereits genannten Kriterien werden weitere Forderungen an die Konstruktion moderner Gasturbinenrotoren gestellt. Hier zu nennen sind unter anderem • ein kostengünstiges Design, • eine einfache und leichte Montage und Demontage, • eine einfache Wartung (Inspektionen bzw. Revisionen). Obwohl die bisher genannten Kriterien grundsätzlich alle für die Auslegung von Gasturbinenrotoren zutreffen, zeigt die industrielle Praxis eine Vielfalt von Lösungen.
18 Läuferbauformen
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18.3 Läuferbauformen Die am Markt agierenden Hersteller großer Gasturbinen haben bei der Wahl der Bauform in der Vergangenheit unterschiedliche Wege beschritten. Die existierenden Läufervarianten reichen dabei vom schweren Monoblockdesign (Abb. 18-1 oben) und massiven Wellen mit aufgeschrumpften Scheiben über die aus verschiedenen Scheiben zusammengeschweißte Ausführung bis hin zu den leichteren Rotoren (Abb. 18-1 Mitte) in Scheibenbauweise, die über mehrere am Umfang gleichmäßig angeordnete oder einen zentralen Zuganker (Abb. 18-1 unten) verspannt werden. Bei den verschiedenen Bauformen zeigt sich ein erster wesentlicher Unterschied in der Anzahl, Größe und Form der Rotorscheiben. Die Variation reicht dabei von einem Schmiedestück für den Verdichter und die Turbine (Abb. 18-1 oben) über die Variante einiger weniger schwerer Scheiben bis hin zu einer Vielzahl von leichten Scheiben, deren Anzahl häufig von der Zahl der Verdichter- und Turbinenstufen bestimmt wird. Bei der Verbindung der verschiedenen Rotorscheiben haben sich im Wesentlichen zwei Technologien bei Industriegasturbinen durchgesetzt. Hierbei handelt es sich zum einen um das Schweißen und zum anderen um das Verschrauben der Rotorscheiben. Bei dem Schweißen werden sowohl die Schutzgasund Unterpulverschweißung als auch die Elektronenstrahlschweißung eingesetzt. Bei den geschraubten Rotoren existieren im Wesentlichen zwei Lösungen: im ers-
Voll-Rotor (Monoblock)
Scheiben und dezentraler Zuganker
Scheiben und zentraler Zuganker
Abb. 18-1 Rotorbauformen
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ten Fall wird der gesamte Läufer mittels eines zentralen Zugankers verspannt, im zweiten Fall erfolgt das Spannen über mehrere gleichmäßig am Umfang verteilte Zuganker abschnittsweise, d. h. nach Verdichter und Turbine (Abb. 18-1 unten) oder auch durch paarweise Verschraubung nebeneinanderliegender Scheiben getrennt (Abb. 18-1 Mitte). Die einzelnen Scheiben liegen entweder plan aufeinander und übertragen das Drehmoment reibschlüssig oder sie sind formschlüssig miteinander verbunden, um ein Rutschen unter Last oder Temperatur zu verhindern. Als wesentliche Konstruktionselemente für den Formschluss findet man neben Radialbolzen vor allem die Hirth- oder die Gleason-Verzahnungen. Bei der Führung der Kühlluft vom Verdichter zur Turbine existieren ebenfalls unterschiedliche Lösungen. Bei Rotoren mit zentralem Zuganker kann die Kühlluft je nach Bedarf an bestimmten Verdichterstufen entnommen und intern durch den Rotor zu der entsprechenden Turbinenstufe geleitet werden. Optional besteht bei allen Läuferbauarten die Möglichkeit, die am Verdichterende entnommene Luft entweder in einem externen Zwischenkühler zurückzukühlen und der Turbinenlaufbeschaufelung über den Rotor wieder zuzuführen oder sie entlang des äußeren Trommeldurchmessers direkt der Turbinenbeschaufelung zuzuführen. Beispiele dieser Art der Kühlluftführung finden sich bei allen Herstellern großer industrieller Gasturbinen. Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Läuferauslegung ist die Position der Kupplung. Da große Gasturbinen für die Stromerzeugung heutzutage vorzugsweise in GuD-Kraftwerken eingesetzt werden, hat sich inzwischen bei allen Herstellern großer Gasturbinen die verdichterseitige Ankupplung des Generators durchgesetzt. Diese Konfiguration bringt günstige Voraussetzungen für den Anschluss eines optimalen Abgasdiffusors und einer verlustarmen Abgasstrecke ohne starke Umlenkungen zum Kamin oder zu einem Abhitzekessel mit sich. Weitere Vorteile liegen in einer Minimierung der Länge des gesamten Wellenstrangs. Die verdichterseitige Ankupplung des Generators erweist sich aus oben genannten Gründen als die ideale Lösung für alle Kraft-Wärme-Kopplungs- und GuD-Anwendungen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die zunehmende Zahl von Einwellenanordnungen bei GuD-Kraftwerksblöcken. Der Nachteil des verdichterseitigen Generatorantriebs liegt darin, dass die Nutzleistung des Generators (etwa 50% der mechanischen Leistung der Turbine) bei dieser Konfiguration zusätzlich zu der für den Antrieb des Verdichters erforderlichen Leistung durch den Verdichter übertragen werden muss. Die industrielle Anwendung beweist jedoch, dass das höhere durch den Rotor zu übertragende Drehmoment bei entsprechender Berücksichtigung in der Auslegungsphase keine Schwierigkeiten hervorruft.
18.4 Ausgeführte Maschinen 18.4.1 Rotor in Scheibenbauweise mit zentralem Zuganker Stellvertretend für die Scheibenbauweise mit zentralem Zuganker ist in Abb. 18-2 der Längsschnitt eines Siemens-Gasturbinenrotors der Baureihe SGT5-2000E dar-
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Kühllufteintritt
vordere Hohlwelle
17 Verdichterscheiben
mittlere Hohlwelle
zentraler Zuganker
hintere Hohlwelle 4 Turbinenscheiben
Abb. 18-2 Längsschnitt eines Läufers der Siemens Baureihe SGT5-2000E
Luftzirkulation durch Hirth-Verzahnung
Kühlluft für den Turbinenbereich
Abb. 18-3 Kühlluftführung der Siemens Baureihe SGT5-2000E
gestellt [18.3, 18.5]. Der Läufer besteht aus einer 4-stufigen Turbine und einem 17stufigen Verdichter. Beide Scheibenpakete werden über eine mittlere Hohlwelle miteinander verbunden und zusammen mit der vorderen und hinteren Hohlwelle über den zentralen Zuganker verspannt. Die Bohrungsdurchmesser der Radscheiben werden im Hinblick auf eine gezielte innere Kühlluftführung und Bauteilfestigkeit optimiert. Zusätzlich werden an ausgewählten axialen Positionen Dämpfungselemente angeordnet, die eine Schwingungsanregung des Zugankers im gesamten Betriebsbereich verhindern. Durch die innere Kühlluftführung eröffnet sich die Möglichkeit, die Radscheiben während eines Kaltstarts deutlich schneller aufzuheizen und somit eine Vergleichmäßigung der Temperaturen im Naben- und im Trommelbereich des Läufers zu erzielen. So kann zum Beispiel die zur Versorgung der Tubinenbeschaufelung entnommene Verdichterluft sehr effektiv zur Erwärmung der Turbinen- und hinteren Verdichterscheiben verwendet werden. Das Niveau der während transienter Betriebszustände auftretenden thermischen Zusatzbelastung lässt sich durch die ge-
642 Abb. 18-4 Konstruktionsmerkmale einer Verdichterradscheibe der Siemens Baureihe SGT5-2000
J. Schulte, M. Müller, M. Janssen
Nut für Dämpfungselement
Hirth-Verzahnung
Schaufelfußnuten
Scheibensteg
Dichtspitzen
zielte innere Kühlluftführung deutlich reduzieren (Abb. 18-3). Gleiches gilt für die Radialspalte zwischen Beschaufelung und Gehäuse. Durch die Vergleichmäßigung der Erwärmung der Läufertrommel und des Gehäuses während des An- und Abfahrens der Gasturbine lassen sich die Schaufelspalte auf ein Mindestmaß reduzieren (passive Spaltkontrolle) [18.4]. Die Drehmomentenübertragung sowie die Zentrierung erfolgt bei allen SiemensGasturbinenläufern der Baureihe SGT5-2000E sowohl im Verdichter als auch in der Turbine im äußeren Bereich der Trommel formschlüssig über Hirth-Verzahnungen. Die Hirth-Verzahnungen, die über den zentralen Zuganker miteinander verspannt werden, haben sich in der industriellen Praxis als sehr zuverlässiges Konstruktionselement gezeigt (Abb. 18-4). Die Erfahrungen der letzten vier Jahrzehnte beweisen, dass selbst die sehr hohen Torsionsmomente, die im Fall von elektrischen Störfällen wie Klemmenkurzschlüssen oder Fehlsysnchronisationen auftreten und bis zu dem achtfachen des Nennmomentes betragen können, oder auch hohe Biegebeanspruchungen, die infolge eines Schaufelverlustes auftreten können, sicher übertragen werden [18.6]. Die Fertigung der einzelnen Radscheiben und Hohlwellen kann aufgrund der Bauform parallel erfolgen. Wesentliche Fertigungsschritte sind neben dem Drehen, Fräsen und Bohren das Räumen der Radscheibennuten und das Schleifen der Hirth-Verzahnung. Die erzielten Oberflächengüten und Genauigkeiten im Bereich der Hirth-Verzahnung und der Radscheibennuten sind von so hoher Qualität, dass ein Tausch einzelner Scheiben ohne manuelle Nacharbeit jederzeit möglich ist. Die Montage des Rotors kann sehr einfach durchgeführt werden. Zuerst wird der Zuganker in die vordere Hohlwelle eingeschraubt. Anschließend erfolgt das Stapeln der beschaufelten Radscheiben, beginnend mit der Verdichterscheibe 1. Zentriert werden die horizontal aufeinander liegenden Scheiben ausschließlich durch die Hirth-Verzahnung. Nach Stapeln der vier Turbinenscheiben und der hinteren Hohlwelle wird die Zugankermutter aufgesetzt und der Läufer mit Hilfe einer hydraulischen Spannvorrichtung im kalten Zustand gespannt.
18 Läuferbauformen
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18.4.2 Rotor in Scheibenbauweise mit dezentralen Zugankern Als Beispiel für einen Läufer in Scheibenbauweise mit am Umfang gleichmäßig angeordneten Zugankern ist in Abb. 18-5 ein Siemens Gasturbinenläufer der Baureihe SGT6 5000F dargestellt. Dieser Läufer ist zusammengesetzt aus dem Verdichterläufer und dem Turbinenläufer. Der Verdichterläufer besteht aus einer „vorderen Welle“, welche die ersten drei Verdichterlaufreihen trägt, 13 Radscheiben und einer Hohlwelle, welche die Verbindung zum Turbinenläufer dargestellt. Diese Komponenten sind über 12 Zuganker, die gleichmäßig über den Umfang verteilt angeordnet sind, zusammengehalten. Die Kraftübertragung erfolgt über Reib- und Formschluss. So werden über die Vorspannung der dezentralen Zuganker die planen Stirnflächen der Scheiben aneinander gepresst und somit ein Reibschluss erzeugt. Der Formschluss erfolgt über 12 radiale Bolzen, die um eine halbe Teilung zu den dezentralen Zugankern versetzt zwischen benachbarte Scheiben eingebracht werden (Abb. 18-6). Die Ausrichtung der einzelnen Komponenten zueinander erfolgt über Zentrierungen im Bereich der Scheibenmitte und einen Bund an den radialen Bolzen. Der Turbinenrotor besteht aus 4 Turbinenscheiben und einem Übergangsstück, welches die Zentrierung zwischen Verdichterläufer und Turbinenläufer sicherstellt. Diese Komponenten werden gemeinsam mit dem turbinenseitigen Ende der Hohlwelle des Verdichterläufers wiederum mittels 12 gleichmäßig über den Umfang angebrachter Zuganker zusammen gehalten. Die Zentrierung und Kraftübertragung des Turbinenläufers erfolgt über eine Gleason-Verzahnung. Die GleasonVerzahnung stellt in radialer wie in Umfangsrichtung eine formschlüssige Verbindung dar. Unterschiedliche radiale Ausdehnungen benachbarter Scheiben, hervorgerufen durch unterschiedliches Aufheizen oder Abkühlen, sowie unterschiedlich ho-
Abb. 18-5 Längsschnitt eines Läufers der Siemens Gasturbine SGT6 5000F
12 dezentrale Zuganker – Übertragung des Drehmomentes durch Reibung und radiale Bolzen – Zentrierung durch Vor-/Rücksprung und radiale Bolzen Abb. 18-6 Konstruktion des Verdichterläufers
12 radiale Bolzen
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J. Schulte, M. Müller, M. Janssen
Abb. 18-7 Konstruktionsmerkmale des Turbinenläufers der Siemens Gasturbine SGT6 5000F
he Radialkräfte werden mittels flexibler Scheibenbalkone, auf welchen die GleasonVerzahnung angebracht ist, aufgenommen, ohne die zulässigen Spannungen der Bauteile zu überschreiten. Abbildung 18-7 zeigt die wesentlichen Konstruktionsmerkmale des Läufers der Siemens Gasturbine SGT6 5000F [18.5]. Die beschriebene Läuferbauweise hat sich mit den Erfahrungen von über 30 Jahren als sehr robust und zuverlässig erwiesen. Störfälle, elektrischer oder mechanischer Art, werden mit Hilfe der formschlüssigen Verbindungen und ausreichender Sicherheiten der Spannelemente sicher beherrscht und damit wird die Läuferintegrität gewährleistet. Die beschriebene Bauweise findet man in ähnlicher Weise bei den Industrie-Gasturbinen der General Electric Company. Die Drehmomentübertragung erfolgt allerdings im Unterschied zur Siemens-Westinghouse-Bauart nur durch Reibschluss.
18.4.3 Rotor in geschweißter Ausführung Bei den Rotoren aus der industriellen Entwicklungslinie wird das Schweißen als Fügeverfahren für die Scheiben eingesetzt. Die Scheiben weisen keine Bohrungen auf, welche die Fliehkraftspannungen lokal etwa verdoppeln würden. Außerdem wird mit dem Schweißen dasjenige Fügeverfahren für die Scheiben ausgewählt, welches die besten Festigkeitseigenschaften aufweist. Das gilt für Biege- und Torsionsmomente sowie für die Zentrierung der Scheiben gegeneinander unter dem Einfluss von Fliehkraft und Temperatur. Es ist daher nicht nötig, den Rotor von innen mit Kühlluft zu spülen, um die Kerbspannungen von Bohrungen zu reduzieren oder die unterschiedlichen radialen Dehnungen von Scheiben zu mildern. Diese Bauart erlaubt beträchtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Die frühen geschweißten Gasturbinenrotoren wurden aus ähnlich vielen Scheiben zusammenge-
18 Läuferbauformen
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fügt wie bei der geschraubten Variante. Das lag an der damaligen Schmiede- und Prüftechnik, wo die Schmiedescheiben dünn sein mussten. Inzwischen ist diese Einschränkung nicht mehr vorhanden: wenn dünne Rotorscheiben bestellt werden, dann werden sie im Schmiedewerk aus einem großen Schmiedestück abgedreht. Die Anzahl und Größe der Rotorscheiben muss sich daher nur nach ihrer Funktion im Gasturbinenrotor richten. Zum Zusammenfügen werden die vorbearbeiteten Läuferscheiben zunächst vertikal aufeinander gestellt und unter Schutzgas durch eine erste Montageschweißnaht verbunden. Dann wird der Läufer in die horizontale Lage gedreht und die Verbindung mit einer Unterpulverschweißung ausgefüllt. Dabei hat die Schweißnaht eine höhere Festigkeit als das Grundmaterial. Anschließend wird der Läufer einer Wärmebehandlung unterzogen. Dann wird die Außenkontur fertig bearbeitet; die Hohlräume im Inneren sind seit dem Schweißen mit Edelgas gefüllt. Als Scheibenmaterial wird im Turbinenteil ein Schmiedestahl mit etwa 12% Chromanteil eingesetzt, im kälteren Verdichterbereich des Läufers kommen niedriger legierte Stähle zur Anwendung. Austenitische Werkstoffe wie Inconel 706 sind in geschweißter Bauart ebenfalls einsetzbar. Wegen des generell niedrigeren Spannungsniveaus überwiegen jedoch ihre Nachteile wie die größere thermische Ausdehnung und geringere Duktilität. Im Verdichterteil des Läufers befinden sich die Schweißnähte am Außendurchmesser der Scheiben und bilden die Kontur des Strömungskanals. Die Verdichterschaufeln sind bei dieser Bauart in Umfangsnuten eingesetzt (s. Abb. 15-4). Dadurch kann bei den Verdichterleitschaufeln auf die inneren Deckbänder verzichtet werden, was zu weniger Bauteilen mit den dazugehörigen Vorteilen führt. Im Bereich der mittleren Hohlwelle erreicht man mit dem geschweißten Läufer die notwendige Torsions- und Biegefestigkeit auf einem kleinen Durchmesser. Die Fliehkraftspannungen in der Hohlwelle sind klein und damit sind höhere Temperaturen möglich, so dass die Luft vom Verdichterende direkt zur Kühlung dieses Bereiches verwendet werden kann. Auf eine externe Rückkühlung der Rotorkühlluft kann damit häufig verzichtet werden. Die rotierende Wellendichtung zwischen dem Ende des Verdichters und der ersten Turbinenscheibe befindet sich damit ebenfalls auf diesem kleinen Durchmesser. Dieses hat zunächst Vorteile für die Leckage. Außerdem wird dadurch die Bilanz der Axialschübe in der Maschine verbessert, so dass ein kleines Axiallager mit wenig Verlustleistung verwendet werden kann. Im Bereich der Turbinenbeschaufelung verbleiben die Schweißnähte auf dem gleichen Durchmesser wie die mittlere Hohlwelle, weil sich dadurch ein gleichmäßiger Verlauf der Biege- und Torsionssteifigkeit ergibt. Die Schweißnaht ist auf diesem Durchmesser in der Lage, sich selbst zu tragen, d. h., die Scheibenzentren werden durch sie nicht belastet. Ein radialer Versatz der Rotorscheiben durch Fliehkraft und thermisch transiente Zustände ist bei dieser Bauart prinzipiell ausgeschlossen (s. Abb. 18-8). Die Kühlluft für die Turbinenlaufreihen wird auf dem kürzesten Wege vom Ende des Verdichters außen entlang der mittleren Hohlwelle geführt; Schmutzablagerungen und Korrosion im Inneren des Läufers können somit nicht auftreten. Beispiele für diese Bauart sind die GT8C und die GT13E2 der Alstom.
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mittlere Hohlwelle Turbinenteil (3 Scheiben)
Axiallager Verdichterteil (6 Scheiben)
Abb. 18-8 Geschweißter Gasturbinenläufer in der Bauweise der Alstom
Das Gewicht des geschweißten Läufers kann in einem weiten Bereich optimiert werden. Die Scheiben weisen keine Bohrungen mit Spannungskonzentrationen auf und deshalb könnte der Läufer prinzipiell leichter konstruiert werden als bei geschraubter Bauweise. Weil bei den stationären Gasturbinen das Gewicht aber keine primäre Rolle spielt, wird das Gesamtverhalten der Maschine optimiert und auf unnötigen Leichtbau verzichtet. Ein schwerer Rotor hat etwas andere Eigenschaften, die sich als Vor- und Nachteile erweisen können. Er reagiert beim Anfahren und Abstellen der Maschinen thermisch langsamer. Bei den Gasturbinen aus dieser Entwicklungslinie werden die Turbinengehäuse deshalb aus Sphäro- oder Stahlguss mit etwas größerer Wandstärke hergestellt, wodurch das thermische Verhalten von Läufer und Gehäuse wieder ausgeglichen ist. Gegossene Gehäuse haben außerdem den Vorteil von gut gerundeten Übergängen mit geringen Kerbfaktoren. Ein größeres Rotorgewicht erweist sich auch als Vorteil: beim Schaufelschaden wird der Läuferschwerpunkt durch die abgeworfenen Schaufeln weniger exzentrisch. Dadurch sind Schwingungsamplituden beim Auslauf kleiner. Auch im Fall eines Lastabwurfs bei Volllast reagiert der Wellenstrang gutmütiger, weil die erreichte Überdrehzahl kleiner ist.
18.4.4 Variationen der klassischen Läuferbauarten Die beiden Entwicklungslinien für stationäre Gasturbinen haben sich bei der Lagerung des Läufers, bei der Gehäusebauart und dem Generatorantrieb weitgehend angeglichen. Bei den Läuferkonstruktionen überwiegen jedoch die ursprünglichen Bauarten in Reinform: der ausschließlich geschraubte Läufer mit Bohrungen, durch die Kühlluft geführt wird, sowie der geschweißte Läufer ohne Bohrungen mit der Kühlluftführung entlang der mittleren Hohlwelle. Es gibt jedoch auch Mischformen: beim geschraubten Läufer werden einige Scheibenverbindungen geschweißt und beim geschweißten Läufer wird ein Teil der Scheiben mit Bohrungen ausgeführt, durch welche dann Kühlluft fließt.
18 Läuferbauformen
Verdichter
Elektronenstrahlschweißung
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Turbine
Verschraubung mit Bolzen am Umfang
Abb. 18-9 Alstom GTX 100
Es ist interessant zu beobachten, dass dabei möglichst viele der bewährten Merkmale der jeweiligen Entwicklungslinie erhalten bleiben. Ein Beispiel ist die GTX 100 der Alstom, die 2-lagerig ist, den Generatorantrieb auf der Kompressorseite hat und sonst wesentliche Merkmale aus der Entwicklungslinie der Strahltriebwerke aufweist. Dort ist ein Teil der Schraubverbindungen durch Schweißnähte ersetzt worden (s. Abb. 18-9). Die Schweißverbindung ist im Verdichterteil eingesetzt, wo wegen des niedrigen Spannungsniveaus während der Betriebsdauer keine Scheibeninspektionen notwendig werden. Als Fügeverfahren wurde die Elektronenstrahlschweißung gewählt, die am besten in dieses Baukonzept integrierbar ist und z.B. weiterhin eine parallele Fertigbearbeitung der einzelnen Scheiben ermöglicht. Auch die anderen Konstruktionsmerkmale des geschraubten Läufers sind erhalten geblieben. Bei den geschweißten Läufern aus der industriellen Entwicklungslinie wird bei neueren Maschinen die letzte Turbinenscheibe mit einer zentralen Bohrung ausgeführt, denn die hinteren Turbinenlaufreihen können mit Kühlluft von niedrigerem Druck und damit niedriger Temperatur versorgt werden. Dadurch ergibt sich ein besserer Wirkungsgrad der Gasturbine. Die Scheibentemperatur ist durch diese Kühlluftführung so niedrig, dass weiterhin keine Überholung des Läufers während der 100 000 Betriebsstunden notwendig ist. Auch hier sind die übrigen Merkmale der Bauart, wie gegossene Gehäuse, erhalten geblieben.
18.5 Zusammenfassung Läufer aller vorgestellten Entwicklungslinien haben sich über mehrere Jahrzehnte hinweg für den Einsatz in industriellen Gasturbinen bewährt. Die verschiedenen Bauformen verlangen unterschiedliches Know-how in der Auslegung, Bearbeitung, Montage und im Service. Dieses Know-how hat mit dem Einsatz und der Weiterentwicklung der Produkte immer weiter zugenommen. Diese beiden Gründe führten dazu, dass die Hersteller an ihrer einmal getroffenen
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J. Schulte, M. Müller, M. Janssen
Entscheidung zum Konstruktionsprinzip festgehalten haben und somit die Läuferkonstruktion ein markantes Unterscheidungsmerkmal darstellt. Dies geschieht aber nicht ohne Zwang, denn der Wechsel zu einer anderen Entwicklungslinie birgt wegen mangelnder Erfahrung große Risiken. Die Weiterentwicklung der industriellen Gasturbinen wird auch in der Zukunft durch höhere Wirkungsgrade und größere Leistungen bestimmt. Konstruktive Lösungen für die steigenden Anforderungen werden damit weiter eingeschränkt. Hierdurch könnte eine Mischform als Kombination der vorgestellten Entwicklungslinien – modulare und damit flexible Bauform und Reduzierung der Teilezahl – in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
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Kapitel 19
Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers Ekkehard Maldfeld und Michael Müller
19.1 Auslegungsziele und Lastfälle für den Turbinenläufer Bei der Auslegung des Läufers steht die mechanische Integrität im Vordergrund, weil seine kinetische Energie sehr hoch ist. Wenn die Rotationsenergie eines typischen Gasturbinenläufers von 80 000 kg Masse in translatorische Bewegung umgewandelt würde, dann könnte er sich mit einer Bahngeschwindigkeit von ca. 850 km=h bewegen, oder er würde alternativ auf eine Höhe von 2700 m über dem Kraftwerk aufsteigen können. Die Auslegungsziele sind daher so formuliert, dass bezüglich der mechanischen Integrität nur minimale Kompromisse eingegangen werden. Dabei können die Betriebsweisen für die Gasturbine sehr unterschiedlich sein. Es gibt Maschinen zur Erzeugung von Spitzenlast, die täglich mehrmals für kurze Zeit starten und kaum eine stationäre Temperatur erreichen. Das andere Extrem sind Maschinen zur Abdeckung der Grundlast, welche ohne Abstellen ein Jahr lang in Betrieb sein können. Die Betriebsweise kann sich für die einzelne Maschine auch mit der Zeit ändern: Eine neue Maschine mit gutem Wirkungsgrad wird zunächst für Grundlast verwendet, später leistet sie dann die Abdeckung der Spitzenlast. Infolge der hohen Startzahlen und den hohen Temperaturen ist die Lebensdauer des Läufers begrenzt. Typisch ist z. B. eine Kombination von 5000 Starts und 100 000 Betriebsstunden, die miteinander durch entsprechende Wichtungsfaktoren zu äquivalenten Betriebsstunden (vgl. Kap. 38) verrechnet werden. Der Grundgedanke der Wichtungsfaktoren ist, dass ein Startvorgang genauso viel zum Erschöpfungsgrad des Werkstoffes in einem Bauteil beiträgt wie eine bestimmte Anzahl von Grundlastbetriebsstunden. Für die Festlegung der Wichtungsfaktoren werden typische Situationen aus den weiter unten genannten Belastungsarten A-1 bis C-3 herangezogen. Diese Wichtungsfaktoren gelten dann für die Ermittlung der äquivalenten Betriebsstunden, unabhängig davon, ob es sich um eine Grundlast- oder eine Spitzenlastmaschine handelt. Für einen Normalstart ergibt sich aus der Belastungsart B-1 und den beiden Forderungen 5000 Starts bei 100 000 Betriebsstunden z. B. der Wichtungsfaktor zu 20 h. Im Falle eines Schnellstarts (Belastungsart B-3), bei dem höhere thermiC. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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E. Maldfeld, M. Müller
sche Beanspruchungen durch eine vergrößerte Belastungstransiente auftreten, wird der Wichtungsfaktor auf 40 h gesetzt. Für einen Schnellschluss (Belastungsart B-2) ergibt sich infolge der zusätzlichen Beanspruchungen z. B. ein Wichtungsfaktor von 30 h. Grundlastbetriebsstunden (Belastungsart A-1) werden ohne einen Wichtungsfaktor in äquivalente Betriebsstunden umgerechnet. Aus den entsprechend höheren Beanspruchungen infolge eines Störfalles folgt die Bewertung z. B. eines Lastabwurfes bei maximaler Leistung (Belastungsart C-1) mit 50 h und der seltene Störfall eines Klemmenkurzschlusses im Generator mit 100 h. Mithilfe von Wichtungsfaktoren würde sich beispielsweise für eine Maschine, die mit 1650 Normalstarts, 50 Schnellstarts, 36 000 Betriebsstunden, 15 Schnellschlüssen, 3 Lastabwürfen und einer Fehlsynchronisation betrieben worden ist, eine äquivalente Betriebsstundenzahl von 71 700 errechnen. Das wäre gleichbedeutend mit der Aussage, dass der Turbinenläufer dieser Maschine etwa 72% seiner Auslegungslebensdauer verbraucht hat. Nicht nur im Normalbetrieb, sondern auch bei Störfällen darf es nicht zum Versagen des Läufers kommen: Es können Fehlbedienungen beim Synchronisieren des Generators auftreten oder auch Kurzschlüsse in der Generatorwicklung. Die Turbine kann im Fall eines Schaufelschadens eine oder mehrere Schaufeln verlieren, was eine große Unwucht erzeugt. An manchen Aufstellungsorten müssen auch Erdbeben berücksichtigt werden. Die Auslegung des Läufers geschieht nun mithilfe von Lastfällen, welche den ganzen möglichen Betriebsbereich und die Störfälle erfassen müssen. Ihre Formulierung orientiert sich an den Eckpunkten des Betriebsbereiches. Einige Beispiele für diese Lastfälle: 1. Grundlastmaschine mit 100 000 Betriebsstunden, aber nur wenigen Starts • Kriechbeanspruchung der thermisch stark belasteten Rotorscheiben durch die Fliehkraft, • Umlaufende Biegewechselbeanspruchung der Wellenzapfen durch Eigengewicht und gestörte Ausrichtung des Wellenstrangs, • Torsionsschwingungen im Wellenstrang durch elektrische Schieflast an den Generatorklemmen. 2. Maschine für Spitzenlast mit 5000 Starts, aber wenig Betriebsstunden • Transienter Anfahrvorgang von Umgebungstemperatur auf stationären Betrieb mit Abfahrvorgang und Auskühlen bis zum Stillstand, • Lastabwurf (Schnellschluss) aus stationärem Betrieb, • Schnellbelastung aus ausgekühltem Stillstand. 3. Störfälle für alle Betriebsweisen • Lastabwurf bei maximaler Leistung, • Fehlsynchronisation und Klemmenkurzschluss im Generator, • Schaufelabriss in der Turbine oder im Verdichter. Neben diesen sicherheitsrelevanten Auslegungszielen gibt es noch weitere Aspekte, wie z. B. die Schwingungen des Läufers im Normalbetrieb, für welche international
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers Abb. 19-1 Schematischer Spannungs-TemperaturZyklus
651
σ Rp0,2 = f (T )
: Ballen : Nabe
Zug
T Druck
gültige Standards (vgl. Abschn. 26.3 und 30.1 sowie [19.1]) eingehalten werden müssen. Je nach mechanischer und thermischer Belastung ergibt sich für jedes einzelne Läuferbauteil mindestens ein spezieller, eigener, auslegungsrelevanter Betriebspunkt, für den dann der Sicherheitsnachweis zu erbringen ist. Allgemein kann nicht vorab entschieden werden, welcher Betriebspunkt und welche Stelle des Bauteils „kritisch“ ist, sodass bei der Läuferauslegung mehrere Lastfälle betrachtet werden müssen. Dies soll anhand von Abb. 19-1 für eine Turbinenscheibe verdeutlicht werden. In Abb. 19-1 ist für zwei verschiedene Punkte einer Turbinenscheibe schematisch der Verlauf der Umfangsspannung als Funktion der Temperatur gezeigt D f .T /. Dieses „Fahrdiagramm“ entsteht durch die Kombination der D f .t/und T D f .t/-Verläufe aus einer transienten FEM-Analyse. Weiterhin ist in das Diagramm der Verlauf der Streckgrenze des Werkstoffes der Turbinenscheibe über der Temperatur Rp0;2 D f .T / eingezeichnet. Mithilfe dieses Diagramms kann beurteilt werden, welche Stelle des Bauteils bei der zugehörigen Temperatur die für den Sicherheitsnachweis maßgebende ist. Unter Umständen sind infolge der konstruktiven Gestaltung nicht alle Lastfälle für sämtliche Läuferbauteile relevant, wenn bereits das „schwächste Glied“ den Festigkeitsanforderungen standhält.
19.2 Festigkeitsnachweise Im Folgenden werden die Berechnungsverfahren für die technisch interessanten Lastfälle vorgestellt, wobei die statischen und die dynamischen Aspekte in eigenen Abschnitten zusammengefasst werden.
652
E. Maldfeld, M. Müller
19.2.1 Statische Auslegung Für die statische Auslegung sind bei der Festigkeitsberechnung verschiedene Kriterien einzuhalten. Es ergeben sich vier nachzuweisende Aspekte: • Vermeiden des Versagens durch Verformung und Bruch infolge von transienten Temperatur- und Fliehkraftbeanspruchungen. Die maßgebenden Beurteilungsgrößen sind zeitunabhängige Spannungsgrenzwerte. • Vermeidung des Versagens durch Verformung und Bruch bei stationären Langzeithochtemperaturbeanspruchungen (Kriechen). Hierbei sind die zeitabhängigen Spannungsgrenzwerte die für die Beurteilung verwendeten Kenngrößen. • Vermeidung von ausgeprägter Werkstoffermüdung durch wechselnde mechanische und thermische Belastung bei An- und Abfahrvorgängen (Low Cycle Fatigue und High Cycle Fatigue), die sich unter Berücksichtigung der lokalen Kerbeffekte infolge eines vollständigen Dehnungswechsels ergibt. Bewertungsgröße ist die Anrisslebensdauer. • Einhalten einer kritischen Fehlergröße im Bereich der Kurzzeitermüdung (Low Cycle Fatigue) infolge der zu betrachtenden Lastfälle. Hierzu ist ein Bruchmechaniknachweis zur Bewertung von Fehlstellen, die infolge des Herstellungsprozesses und der anschließenden zerstörungsfreien Ultraschallprüfung der Bauteile nicht ausgeschlossen werden können, durchzuführen. Die für die statische Auslegung anzusetzenden Spannungen setzen sich aus Primärspannungen und Sekundärspannungen zusammen. Als Primärspannungen bezeichnet man die Spannungen, die sich aus den mechanischen Gleichgewichtsbedingungen unter Wirkung der inneren und äußeren Kräfte einstellen. Primärspannungen sind nicht selbstbegrenzend. Die Überschreitung eines Spannungsgrenzwertes führt zu unzulässig hohen Formänderungen oder zum Versagen der Struktur. Sekundärspannungen sind Spannungen, die aus Verformungsbehinderungen eines Bauteils entstehen. Dabei wird das äußere Kräftegleichgewicht nicht gestört. Wärmespannungen infolge unterschiedlicher thermischer Aufheizung (z. B. zwischen Kopf und Nabe einer Turbinenradscheibe) sind ein typisches Beispiel für Sekundärspannungen. Da die Temperaturdifferenz endlich ist, stellt sich eine begrenzte Verformung am Bauteil ein. Für die Bewertung ist es weiterhin üblich, die am Bauteil auftretende Spannung zu zerlegen. In der Regel setzt sich die Gesamtspannung aus einer mittleren Spannung, einer lokalen Spannung und einer Spitzenspannung zusammen, wie in Abb. 19-2 schematisch am Beispiel der Tangentialspannung skizziert. Oft wird in Anlehnung der Spannungsgrößen aus dem Druckbehälterbau von Membran-, Biegeund Spitzenspannung gesprochen. Die mittlere oder Membranspannung ist der Mittelwert, der bei Integration des Spannungsgleichgewichtes über den gesamten Querschnitt des Bauteils erhalten wird (z. B. über den Mittelschnitt durch eine Scheibe, vgl. Abb. 19-2). Lokale Spannungen, die den Biegespannungen des Druckbehälterbaus entsprechen, stellen örtliche Überhöhungen über diesen Mittelwert hinaus dar und Spitzenspannungen ergeben sich an Spannungskonzentrationen durch konstruktiv bedingte Kerben.
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers Abb. 19-2 Schematischer Spannungsverlauf durch eine Scheibe
653
Spitzenspannung
σ
lokale oder Biegespannung mittlere oder Membranspannung tatsächlicher Spannungsverlauf r
r
Die Festigkeitsbewertung wird mithilfe einer Vergleichsspannung durchgeführt. In der Regel wird die Vergleichsspannung nach von Mises (Gestaltänderungsenergiehypothese) [19.2] verwendet. Zur Bildung der für die Ermüdungsanalyse maßgeblichen Vergleichsspannung müssen jeweils für alle Punkte eines Bauteils die maximalen, während des Fahrzyklus auftretenden Werte der in die drei Raumrichtungen untergliederten Spannungskomponenten herangezogen werden. Das bedeutet, dass sich z. B. die maximale Spannungsschwingbreite als Differenz der Beträge der Spannungstensoren beim An- und Abfahren ergibt D an ab . 19.2.1.1 Mechanische und thermische Beanspruchung von Rotorbauteilen Bevor die verschiedenen Kriterien und Methoden zur Bewertung der Festigkeit der Läuferbauteile dargestellt werden, sollen zunächst die unterschiedlichen mechanischen und thermischen Beanspruchungen am Beispiel der Rotorscheiben erläutert werden. Grundsätzlich kann die Gesamtbelastung der Scheibe in drei Komponenten zerlegt werden. Die erste Komponente ist die Fliehkraft durch die Rotation der Scheibe. Die zweite Komponente ist die zusätzliche Belastung durch Spannungen, die am Rand der Scheibe anliegen. Diese Spannungen werden in der Regel am äußeren Rand durch die zusätzlichen Fliehkräfte der Schaufeln verursacht. Am inneren Rand kann dies bei Scheiben mit zentraler Bohrung ein aufgeprägter Druck des Kühlluftsystems sein. Die dritte Komponente ist die Temperaturbelastung der Scheibe, die durch ein Temperaturfeld mit einer Temperaturdifferenz zwischen dem Innen- und Außendurchmesser entsteht. Das Zusammenwirken dieser drei Komponenten soll an einer Scheibe mit konstanter Breite erläutert werden, da sich dann die unterschiedlichen Einflüsse am übersichtlichsten darstellen lassen. Für die Scheibe wird ein ebener, rotationssymmetrischer Spannungszustand angenommen. Die Scheibe hat den Innenradius ri und den Außenradius ra . Dann gilt nach [19.3] für die Fliehkraftbeanspruchungen in
654
E. Maldfeld, M. Müller
radialer Richtung r;f D ! 2
2 2 3C 2 r r ra C ri2 a 2 i r 2 8 r
und in tangentialer Richtung 2 2 1 C 3 2 ra ri 3C 2 2 2 ';f D ! ra C ri C r : 8 r2 8
(19.1)
(19.2)
Wirkt am Innenradius die Zusatzspannung i und am Außenradius a , gilt r;z D a
ra2 ri2 ra2 ri2 1 C . / i i a ra2 ri2 ra2 ri2 ra2 ri2 r 2
(19.3)
für die Radialspannung und ';z D a
ri2 ra2 ri2 1 ra2 . / i i a ra2 ri2 ra2 ri2 ra2 ri2 r 2
(19.4)
für die Tangentialspannung. Infolge der Temperaturverteilung T D T .r/ stellt sich folgende Radialspannungsverteilung ein: 2 Zra 1 4 r;T D ˛ E T .r/rdr ra2 ri2 ri 3 Zra Zr ri2 1 1 2 T .r/rdr 2 T .Qr /Qr drQ 5 (19.5) r ra ri2 r 2 ri
ri
Für die Tangentialspannung gilt in Abhängigkeit vom Radius: 2 3 ra Zr 2 Z r 1 1 1 C i2 T .r/rdr C 2 T .Qr /Qr drQ T .r/5 ';T D ˛ E 4 2 r r ra ri2 ri
ri
(19.6) Die Gesamtbeanspruchungen setzen sich additiv zusammen: r D r;f C r;z C r;T ; ' D '; f C '; z C '; T :
(19.7) (19.8)
Die Spannungsverläufe, die sich nach (19.1)–(19.8) ergeben, sollen anhand eines Zahlenbeispiels kurz skizziert werden. Es wird eine Scheibe mit zentraler Bohrung betrachtet, deren Innenradius ri D 150 mm und deren Außenradius ra D 1000 mm beträgt. Die Scheibe rotiert mit 50 Hz, die äußere Spannung infolge Schaufelfliehkraft beträgt a D 100 MPa. Die Spannung am Innenradius i wird aus Gründen der Übersichtlichkeit zu 0 gesetzt, da sie in der Praxis meist wesentlich kleiner ist als a . Die Dichte beträgt 7850 kg=m3, der E-Modul 210 000 MPa und die Querdehnungszahl ist D 0;3.
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
655
450 400
Fliehkraft Außenspannung Temperatur Summe
Radialspannung [MPa]
350 300 250 200 150 100 50 0 150 200
250 300
350
400
450 500
550 600 650 Radius [mm]
700 750
800 850 900 950 1000
Abb. 19-3 Radialspannungen in einer rotierenden Scheibe konstanter Breite
Für die Temperaturbelastung wird eine lineare Temperaturverteilung der Form T .r/ D .Ti T0 / C
Ta Ti .r ri / ra ri
(19.9)
angesetzt. Dieser lineare Verlauf für die Temperatur innerhalb der Scheibe ist ein guter näherungsweiser Ansatz für den stationären Zustand in Gasturbinenscheiben. Die Umgebungstemperatur ist T0 D 20 °C, die Temperatur am Innenradius beträgt Ti D 200 °C und am Außenradius Ta D 400 °C. In Abb. 19-3 sind die Radialspannungen als Funktion des Radius aufgetragen. Dabei wurden sowohl die drei einzelnen Komponenten als auch ihre Summe dargestellt, um den Beitrag jeder einzelnen Beanspruchungsart besser aufzeigen zu können. Das Spannungsmaximum liegt im Ballenbereich, sowohl für Beanspruchung aus der Rotation als auch aus der Temperaturbelastung. Die zusätzliche Spannung aus der am Rand angreifenden Schaufellast hat im äußeren Bereich der Scheibe einen größeren Einfluss als im Ballenbereich. Bei der Tangentialspannung in Abb. 19-4 hat der Anteil aus der reinen Rotation den größten Einfluss. Weiter fällt auf, dass die Schaufellast über einen großen Bereich der Scheibe einen sehr homogenen Anteil zur Belastung beiträgt, der dann in der Nähe der Bohrung ansteigt. Infolge der Temperaturverteilung bilden sich auf der kälteren Seite der Scheibe Zug- und auf der heißeren Seite Druckspannungen aus. Für die Gesamtbeanspruchung ist in Abb. 19-4 zu erkennen, dass der Nabenbereich mit der Bohrung der am höchsten belastete Bereich der Scheibe ist. Bereits in Abschn. 18.3 wurde erwähnt, dass es bei den Läufern Bauformen mit vollen Rotorscheiben (vgl. Abb. 18-9) oder mit zentraler Bohrung (vgl. Abb. 18-2) gibt. Daher wird im Folgenden zunächst die Vollscheibe mit der gebohrten Scheibe
656
E. Maldfeld, M. Müller
1050 Fliehkraft Außenspannung Temperatur Summe
Spannungen [MPa]
850
650
450
250
50 150
200 250
300
350 400 450 550
50
600
650
700 750
800
850 900 950 1000
–150 Radius [mm]
Abb. 19-4 Tangentialspannungen in einer rotierenden Scheibe konstanter Breite
verglichen. Hierbei werden nur die Komponenten Fliehkraft und die Schaufelkraft am Außenrand betrachtet. Für die Vollscheibe ergibt sich durch setzen von ri D 0 und Kombination von (19.1) mit (19.3) für die Radialspannung die Beziehung: r D a C ! 2
3C 2 ra r 2 : 8
Aus (19.2) und (19.4) erhält man für die Tangentialspannung: 3 C 2 1 C 3 2 ra r : ' D a C ! 2 8 8
(19.10)
(19.11)
In Abb. 19-5a sind die Radialspannungen für die Vollscheibe mit konstanter Breite und die Scheibe mit zentraler Bohrung bei konstanter Breite gegenübergestellt. Es ist zu erkennen, dass die Vollscheibe über einen weiten Bereich auf einem höheren Spannungsniveau bleibt, bis sich die beiden Verläufe in der Nähe des Außenrandes annähern. Die Tangentialspannungen sind in Abb. 19-5b aufgetragen. Hier wird der Einfluss der zentralen Bohrung besonders deutlich. Die Tangentialspannung ist an der Bohrung annähernd doppelt so hoch wie im Kern der Vollscheibe. Der Spannungsverlauf hat einen wesentlich stärkeren Gradienten vom Innenradius zum Außenradius und bleibt über den gesamten Radius auf einem höheren Niveau als bei der Vollscheibe. Bei den thermisch induzierten Spannungen tritt ebenfalls ein deutlicher Unterschied zwischen einer Scheibe mit zentraler Bohrung und einer Vollscheibe auf.
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
657
450 400
σr , Vollscheibe
350
σr , gebohrte Scheibe
Spannung [MPa]
300 250 200 150 100 50 0 0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
–50
Radius [mm]
a
900 800
σϕ , Vollscheibe
700
σϕ , gebohrte Scheibe
Spannung [MPa]
600 500 400 300 200 100 0 0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
–100
b
Radius [mm]
Abb. 19-5a,b Vergleich der mechanischen Beanspruchung von Vollscheibe und Scheibe mit zentraler Bohrung. a Radialspannung, b Tangentialspannungen
In einer Vollscheibe, die am äußeren Rand sich sehr schnell aufheizt und deren Kern sich nur sehr langsam erwärmt, werden recht hohe Thermospannungen induziert. Bei der Scheibe mit zentraler Bohrung kann dagegen die Temperaturdifferenz zwischen dem inneren und dem äußeren Rand durch das Kühlluftsystem minimiert werden. Dieser Einfluss ist in Abb. 19-6 skizziert.
658
E. Maldfeld, M. Müller
600 500 Vollscheibe, ΔT = 400 Grad Lochscheibe, ΔT = 400 Grad Lochscheibe, ΔT = 300 Grad Lochscheibe, ΔT = 100 Grad
Tangentialspannung [MPa]
400 300 200 100 0 0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
–100 –200 –300 Radius [mm]
Abb. 19-6 Einfluss der Scheibenform auf die Thermospannungen
Die Rotorscheiben in ausgeführten Läufern von Gasturbinen haben jedoch in der Regel nicht eine konstante Breite, sondern sind in Abhängigkeit vom Radius konturiert. Daher können die Spannungen nur grob mit (19.1)–(19.11) ermittelt werden. Die Beanspruchungen in Rotorscheiben mit komplexer Kontur werden heute mit FEM-Programmen berechnet. Der Einfluss der Kontur ist aber auch einer analytischen Behandlung zugänglich und soll hier kurz skizziert werden. Die Beschreibung einer rotierenden Scheibe mit hyperbolischer Kontur geht auf A. Stodola, 1927, zurück und ist in Roark [19.4] abgeleitet. Dabei wird angenommen, dass die Dicke der Scheibe durch die Funktion t D c r a beschrieben werden kann. Für den Exponenten a ergibt sich dann: aD
log .ti =ta / : log .ri =ra /
(19.12)
Für eine Scheibe, die am Innenradius einen Ballen hat und sich zum Scheibenkopf hin verjüngt, ergibt sich ein negativer Wert von a. Eine Scheibe konstanter Breite hat a D 0. Für die Radialspannungen gilt: r D
E .3 C / Z r 2 C .m1 C / A r m1 1 C .m2 C / B r m2 1 : 2 1 (19.13)
Die Tangentialspannungen ergeben sich aus: ' D
E .1 C 3/ Z r 2 C .1 C m1 / A r m1 1 1 2 C .1 C m2 / B r m2 1 :
(19.14)
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers ta
659 ta
ta
ra
ti Vollscheibe
Scheibe mit zentraler Bohrung
Scheibe mit schmalen Ballen
ti Scheibe mit breiten Ballen
ri ti Scheibe gleicher Festigkeit (de Laval’sche Scheibe)
Abb. 19-7 Verschiedene Scheibenformen
Die Abkürzungen Z, m1 und m2 ergeben sich wie folgt: 1 2 !2 ; ZD E Œ8 C .3 C / a r a2 a a C 1 : m1; 2 D 2 4
(19.15) (19.16)
Die Konstanten A und B in (19.13) und (19.14) werden aus den beiden Spannungsrandbedingungen für r an ri und ra ermittelt. In Abb. 19-7 sind die unterschiedlichen Scheibenformen, die in diesem Abschnitt betrachtet werden, nebeneinander skizziert. In Abb. 19-8a sind die Radialspannungen und in Abb. 19-8b die Tangentialspannungen für verschiedene Ausführungen von Scheiben aufgetragen. Zusätzlich sind auch die Verläufe aus Abb. 19-5 dargestellt. Die Scheibe mit „schmalem Ballen“ hat ein Verhältnis von ti =ta D 1;5 und für die Scheibe mit „breitem Ballen“ beträgt ti =ta D 5. In Abb. 19-8a ist zu erkennen, dass mit Verbreiterung des Ballens die maximale Radialspannung um etwa 20% gegenüber der Scheibe konstanter Breite gesenkt werden kann. Gegenüber der Vollscheibe liegt der Maximalwert sogar um 45% niedriger. Einen ähnlichen Effekt erkennt man bei der Tangentialspannung in Abb. 19-8b. Mit einem breiten Ballen lässt sich der Maximalwert der Tangentialspannung auf die gleiche Größenordnung wie bei der Vollscheibe konstanter Dicke bringen. Dabei wird insgesamt eine homogenere Spannungsverteilung in der gesamten Scheibe erreicht, was eine gleichmäßigere Werkstoffausnutzung bedeutet. Für reine mechanische Lasten ist bei der Vollscheibe eine Konturoptimierung als „de Laval’sche Scheibe“ oder „Scheibe gleicher Festigkeit“ bekannt. Aus den Differenzialgleichungen der rotierenden Scheiben folgt nach [19.5] für den Fall, dass an jedem Punkt der Scheibe die Spannungen r D ' D gleich sind, für die
660
E. Maldfeld, M. Müller 450 σr , Vollscheibe σr , gebohrte Scheibe σr , schmaler Ballen σr , breiter Ballen
400
Spannung [MPa]
350 300 250 200 150 100 50 0 0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
Radius [mm]
a
Spannung [MPa]
900 800
σϕ , Vollscheibe σϕ , gebohrte Scheibe
700
σϕ , schmaler Ballen
600
σϕ , breiter Ballen
500 400 300 200 100 0 0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
–100
b
Radius [mm]
Abb. 19-8a,b Einfluss der Scheibenform. a Radialspannungen, b Tangentialspannungen
Scheibendicke t in Abhängigkeit vom Radius r die Beziehung t.r/ D t0 e.! r/
2
=.2 /
:
(19.17)
für r D 0. Die Profilkurve dieser in Abb. 19-7 Dabei ist t0 die Scheibendicke q
skizzierten Scheibe hat für r D
= . !/2 einen Wendepunkt. Für die radiale
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
661
Verschiebung gilt .1 / r : (19.18) E Durch die Kombination von Scheibenform und gezielter Temperaturbeeinflussung mithilfe des Kühlluftsystems lassen sich die Beanspruchungen in Rotorscheiben in optimaler Weise steuern. Außer den Beanspruchungen der Rotorkomponenten ist auch ihre Verformung von großer Bedeutung. Genau wie die Spannungen setzt sich die Verschiebung in radialer Richtung ur aus einem Fliehkraftanteil !2 1 ur; f D .1 C / .3 C / ra2 ri2 8E r 2 3 2 2 C .1 / .3 C / ra C ri r 1 r ; (19.19) ur D
dem Anteil aus zusätzlichen Spannungen am Rand 1 .1 / r a ra2 i ri2 ur; z D 2 2 E ra ri 1 C .i a / .1 C / ra2 ri2 (19.20) r sowie der Temperaturbelastung 2 Zra ri2 1 1 4 .1 C / 2 ur; T D ˛ C .1 / 2 r T .r/rdr ra ri2 r ra ri2 ri 3 r Z 1 C .1 C / T .Qr /Qr drQ 5 (19.21) r ri
zusammen. Für die Gesamtverschiebung gilt: ur D ur; f C ur; z C ur; T :
(19.22)
Für die Scheibe mit konstanter Breite ergeben sich die in Abb. 19-9 aufgetragenen Verschiebungen. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Verschiebung infolge der Rotation sich sehr homogen in Abhängigkeit vom Radius verhält. Der Einfluss der Temperaturdehnung ist dagegen größer. Am Außenrand ist für die Beispielscheibe die Verschiebung infolge der Temperaturbelastung annähernd sieben Mal so groß wie die Verformung aus Fliehkraft und Zusatzspannung. Die Axialverformung ist für die Einhaltung der Spalte wichtig. Für den ebenen, rotationssymmetrischen Spannungszustand unter Berücksichtigung eines Temperaturfeldes gilt nach [19.6] folgender Zusammenhang für die axiale Dehnung: 1 r .r/ C ' .r/ : (19.23) "z .r/ D ˛ T .r/ E Für die oben verwendete Beispielscheibe ergibt sich unter Verwendung von (19.1) und (19.3) für die Radialspannung und (19.2) und (19.4) für die Tangential-
662
E. Maldfeld, M. Müller 5
4,5 Fliehkraft Außenspannung Temperatur Summe
4 Verschiebung [mm]
3,5 3
2,5 2
1,5 1 0,5 0 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000 Radius [mm]
Abb. 19-9 Radialverschiebungen in einer rotierenden Scheibe konstanter Breite 0,005 0,004
axiale Dehnung, thermischer Anteil axiale Dehnung, Fliehkraftanteil axiale Dehnung, gesamt
Dehnung [–]
0,003 0,002 0,001 0 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000 –0,001 –0,002 Radius [mm]
Abb. 19-10 Axiale Dehnung in einer rotierenden Scheibe konstanter Breite
spannungen zusammen mit der Temperaturverteilung nach (19.9) der in Abb. 19-10 gezeigte Verlauf der Axialdehnung in Abhängigkeit vom Radius. In Abb. 19-10 sind zum einen der mechanische und der thermische Anteil einzeln dargestellt und andererseits ihre Summe nach (19.22). Der mechanische Anteil
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
663
bewirkt eine geringe Kontraktion in Dickenrichtung. Die thermische Ausdehnung infolge der Temperatur ist jedoch betragsmäßig deutlich größer und überwiegt diesen Anteil. 19.2.1.2 Bewertung mit zeitunabhängigen Spannungsgrenzwerten Zur Bildung eines zeitunabhängigen Spannungsgrenzwertes wird bei duktilen Hochtemperaturstählen der Mindestwert der Rp0;2 -Streckgrenze bei der betrachteten Temperatur herangezogen. Dieser Mindestwert der Streckgrenze wird durch einen Sicherheitsfaktor dividiert. Es ergibt sich für die Bezugsspannung: BUi D
Rp0;2 .Tmax / : Si
(19.24)
Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden: i D 1: i D 2: i D 3:
Mittlere Spannung oder Membranspannung, Mittlere und lokale Spannung oder Membran- und Biegespannung, Mittlere, lokale und Spitzenspannung oder Membran, -Biege und Spitzenspannung.
Entsprechend ergeben sich die folgenden drei zu untersuchende Fälle: 1. Mittlere Spannung oder Membranspannung: Lm BU1 :
(19.25)
Gleichung (19.25) bezieht sich nur auf Primärspannungen. 2. Lokale Spannung oder Membran- und Biegespannung: Lm C Ll BU2 :
(19.26)
Die Bewertung mit (19.26) gilt für Primärspannungen. 3. Spitzenspannung oder Membran-, Biege- und Spitzenspannung: .Lm C Ll C LS /swb BU3 :
(19.27)
In der Festigkeitsbedingung aus (19.27) sind sowohl Primär- als auch Sekundärspannungen berücksichtigt. Durch die Betrachtung der Schwingbreite wird gewährleistet, dass kein plastisches Einspielen in der Struktur auftreten kann. Für die Sicherheitsbeiwerte gilt S1 > S2 > S3 . Entsprechend dem ASME-Code, Sect. III [19.7] und dem AD-Merkblatt [19.8] gilt S3 0;5, S2 1;0 und S1 1;5. 19.2.1.3 Bewertung mit zeitabhängigen Spannungsgrenzwerten Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung, ob der Festigkeitsnachweis mit den in Abschn. 19.2.1.1 beschriebenen Kriterien ausreichend ist oder nicht, ist die Überschneidungstemperatur Tü des Werkstoffes.
664
E. Maldfeld, M. Müller
Mit der Überschneidungstemperatur Tü wird diejenige Temperatur bezeichnet, bei der sich der temperaturabhängige Verlauf der Rp0;2 -Streckgrenze und der temperaturabhängige Verlauf der 105 h Zeitstandfestigkeit (Rm; 105 h / schneiden. Ist die maßgebliche Einsatztemperatur des Bauteiles kleiner als Tü, so kann die Bewertung anhand zeitunabhängiger Werkstoffkennwerte erfolgen. Liegt die Bauteileinsatztemperatur oberhalb von Tü, sind zusätzlich zeitabhängige Werkstoffkennwerte zu verwenden. Für die Spannungsbewertung werden die beiden nachfolgend definierten Bezugsspannungen BA4 und BA5 herangezogen. Für die Bildung der Bezugsspannung BA4 wird der Mindestwert der 105 h Zeitstandfestigkeit bei der mittleren Temperatur Tm (die Spannung, die im Zeitstandversuch bei der mittleren Temperatur Tm nach 105 h zum Bruch des Grundwerkstoffes führt) benutzt. BA4 D
Rm;105 h .Tm / S4
(19.28)
Bei der Bildung der Bezugsspannung BA5 wird der Mindestwert der Spannung, die bei der mittleren Temperatur Tm nach 105 h eine bleibende Dehnung von 1% bewirkt (1%-Zeitdehngrenze), verwendet BA5 D
Rp1;0;105 h .Tm / : S5
(19.29)
Die Wahl der mittleren Bauteiltemperatur in (19.28) und (19.29) ist entscheidend vom Aufstellungsort der Gasturbine abhängig. In gemäßigten Klimazonen wird die mittlere Bauteiltemperatur Tm unter Verwendung der im Jahresmittel anzusetzenden ISO-Werte (15 °C) der Ansauglufttemperatur berechnet. Für warme Klimazonen ist ein höherer Wert anzusetzen. Für die Auslegung von Gasturbinen in heißen Ländern kann bei der Auslegung die mittlere Bauteiltemperatur für eine Umgebungstemperatur von 30 °C ermittelt werden. Für die Auslegung der Langzeithochtemperaturbeanspruchung sind die beiden nachfolgenden Kriterien zu erfüllen. 1. Mittlere Spannung: Lm BA4 :
(19.30)
In (19.30) werden Primärspannungen verwendet. 2. Lokale Spannung: Lm C Ll BA5 :
(19.31)
Dabei sind in (19.31) Primärspannungen anzusetzen. Diese Vorgehensweise kann nur für Spannungszustände angewendet werden, die im Wesentlichen aus einer Hauptbeanspruchung (in der Regel Umfangsspannung) bestehen.
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
665
Bei komplexen Spannungszuständen oder Bauteilgeometrien werden im Langzeithochtemperaturbereich Finite-Elemente-Berechnungen mit Modellierung des Kriechverhaltens notwendig. Kriechen wird generell in primäres, sekundäres und tertiäres Kriechen eingeteilt. Während des primären Kriechens nimmt die Dehnungsgeschwindigkeit zunächst ab. Im Bereich des sekundären Kriechens bleibt die Dehnungsgeschwindigkeit konstant, die Dehnung wächst linear über der Zeit. Im Bereich des tertiären Kriechens nimmt die Dehnungsgeschwindigkeit stark zu bis zum Bruch. Für die Modellierung des Kriechverhaltens in FEM-Berechnungen kommt häufig ein Kriechgesetz von Typ Norton-Bailey [19.9] mit dem Ansatz "P D A B
(19.32)
zur Verwendung, wobei der Kriechfaktor A und der Kriechexponent B von der Temperatur abhängig sind und aus einachsigen Kriechversuchen abgeleitet werden. Der Kriechfaktor A und der Kriechexponent B haben die Funktion einer Werkstoffkonstanten. Das Kriechgesetz nach (19.32) beschreibt die Verformungen nur im Bereich des sekundären Kriechens. Durch eine Erweiterung von (19.32) in der Form "P D A B t C
(19.33)
können die Verformungen im Bereich des primären und sekundären Kriechens beschrieben werden. Je nach Notwendigkeit stehen noch verschiedene andere Ansätze zur Verfügung, um das jeweilige Werkstoffverhalten im Kriechbereich mathematisch zu beschreiben. Dabei werden beispielsweise Kriechgesetze angewendet, die auf einer Modifikation des von Garofalo [19.10] vorgeschlagenen Kriechgesetzes aufbauen. Für einen sicheren Betrieb der Gasturbine dürfen die Verformungen von rotierenden Bauteilen nur im Bereich des primären und sekundären Kriechens erfolgen. Mit einer FEM-Berechnung wird dann die über die Auslegungszeit (z. B. 100 000 h) akkumulierte Dehnung "acc berechnet. Diese Dehnung darf dann einen zulässigen Wert nicht überschreiten: "zul D
"acc : S9
(19.34)
Typische Werte für S9 in (19.34) liegen zwischen 1,5 und 4,0 und richten sich nach dem funktionalen Aspekt des jeweiligen Bauteils. Im Zusammenhang mit der Gestaltung von spaltbestimmenden Bauteilen (vgl. Abschn. 21.3) sind z. B. für die Einhaltung enger Spalte über den gesamten Einsatzzeitraum der Gasturbine größere und für weitere Spalte kleinere Werte anzustreben. Eine Kriechrechnung für eine Umgebungstemperatur von 30 °C deckt in der Regel die jahreszeitlichen Schwankungen (stärkeres Kriechen im Sommer, schwächeres Kriechen im Winter) ab. Jedoch müssen in speziellen Fällen für eine GT, die z. B. in einem heißen Land nur in den Sommermonaten betrieben werden soll, die Verformungen durch eine Kriechrechnung mit den explizit zu erwartenden Werten durchgeführt werden.
666
E. Maldfeld, M. Müller
19.2.1.4 Bewertung anhand der Anrisslastwechselzahl Ein weiteres wichtiges Auslegungsziel ist die Vermeidung ausgeprägter Werkstoffermüdung, die mithilfe der Anrisslebensdauer bewertet wird. Hierbei gibt es zwei Bereiche zu unterscheiden. Zum einen ist der Bereich Low Cycle Fatigue (LCF) oder Bereich der Kurzzeitermüdung zu betrachten. Zum anderen muss der Bereich High Cycle Fatigue (HCF) oder Dauerfestigkeitsbereich überprüft werden. Die beiden Bereiche unterscheiden sich durch die Zahl der bis zu einem technischen Anriss zu ertragenden Lastwechsel. Der LCF-Bereich erstreckt sich bis etwa 104 Lastwechsel und der HCF-Bereich erreicht bei Grundlastmaschinen Lastwechselzahlen > 1010 . Für die Ermittlung der LCF-Anrisslastwechselzahl wird die größte Spannungsschwingbreite eines Fahrzyklus gemäß den Lastfalldefinitionen identifiziert und mittels des E-Moduls der zugehörigen maßgebenden Temperatur in eine Dehnungsschwingbreite umgerechnet. Mit dieser Dehnungsschwingbreite wird dann im log."/ log.N /-Diagramm die zugehörige Anrisslastwechselzahl NA bestimmt. Diese Vorgehensweise ist zulässig, solange die Schwingbreiten der Spannung bis maximal 1;2Rp0;2 betragen. Im Rahmen des rechnergestützten Festigkeitsnachweises wird diese Bewertung in der Regel mithilfe sogenannter Dehnungs-Wöhler-Linien durchgeführt, deren mathematische Beschreibung mit der Manson-Coffin-Gleichung [19.11, 19.12] "A D "Ael C "Apl D
f0 E
.2N /b C "0f .2N /c
(19.35)
erfolgt. Gleichung (19.35) beschreibt dabei die Überlagerung der elastischen und plastischen Dehnungsanteile, die jeweils im doppeltlogarithmischen Maßstab in erster Näherung als Geraden auftreten. Die Schwingfestigkeitsparameter in (19.35) können in entsprechenden Laborversuchen für die jeweiligen Werkstoffe ermittelt werden. Treten größere Spannungsschwingbreiten auf, so ist mithilfe des Neuber-Hyperbel-Ansatzes [19.13] zunächst für die Belastung der sich tatsächlich einstellende Punkt im Spannungs-Dehnungs-Diagramm zu ermitteln und anschließend der Spannungs-Dehnungs-Zustand zu bestimmen, der nach dem Entlasten erreicht wird. Aus diesem Diagramm kann dann die für die Bestimmung des Anrisses relevante Dehnungsschwingbreite abgelesen werden. Speziell für kerbempfindliche Bereiche, wie beispielsweise die Nuten zur Aufnahme der Laufschaufeln im Kopfbereich der Scheibe (vgl. Abschn. 14.1.1.1 für Verdichter- und Abschn. 15.3.3 für Turbinenlaufschaufeln) ist darauf zu achten, dass mit einer entsprechenden Sicherheit eine hohe Lastwechselzahl für den LCF-Anriss erreicht wird, damit auch für Spitzenlastmaschinen eine hohe Lebensdauer erzielt wird. Hinsichtlich der HCF-Belastungen muss jeweils für die zugehörigen hochfrequenten Amplituden gewährleistet sein, dass die Beanspruchungen unterhalb der Dauerfestigkeit liegen, da sonst innerhalb kurzer Zeit Anrissbildung und anschlie-
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
667
ßend Risswachstum auftreten kann. Bei der Bewertung der HCF-Belastungen müssen auch Faktoren wie Oberflächenrauhigkeiten sowie der spannungsmechanische Größeneinflussfaktor berücksichtigt werden. 19.2.1.5 Bewertung mittels Bruchmechaniknachweis In jedem Bauteil, speziell in den großvolumigen Schmiedeteilen des Turbinenläufers, sind herstellungsbedingt Fehlstellen zu unterstellen. Dies können Lunker, Poren oder Einschlüsse sein. Bei einer Prüfung mit Ultraschall (US) führen diese Fehlstellen zu Signalen, die mit definierten Kreisscheibenreflektoren, sogenannten KSRWerten, verglichen werden. In der Praxis beobachtet man jedoch, bedingt durch die unregelmäßige Form der Ausdehnung, dass die realen Fehlstellen größer sind als der aus der US-Prüfung ermittelte KSR-Wert. Dies führt zur Definition der „wahren Ersatzfehlergröße“ WEFG. Das Verhältnis WEFG (19.36) KSR ist von der Größe des KSR-Wertes abhängig und ist unter Mitwirkung der VGB (Technische Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber e.V.) in Richtlinien [19.14, 19.15] festgelegt worden. Für KSR-Werte 4 in (19.36) ist k D 2. Für KSRWerte > 5 ist k D 1;7. Für KSR-Werte zwischen 4 und 5 wird in (19.36) zwischen diesen beiden k-Werten linear interpoliert. Die sich ergebende Kurve ist in Abb. 19-11 dargestellt. Für die Festlegung der k-Werte nach (19.36) wurden Proben nach erfolgter US-Prüfung aufgebrochen, und die tatsächlichen Größen der detektierten Fehlstellen mit den Ergebnissen der US-Prüfung verglichen. kD
3
k = WEFG/KSR [–]
2,5
2
1,7 1,5
US-Anzeige 1
umhüllende WEFG 0,5
0 0
1
2
3
4
KSR [mm]
Abb. 19-11 Bewertungsfaktor für WEFG und KSR
5
6
7
668 Abb. 19-12 VersagensBeurteilungs-Diagramm (FAD-Kurve)
E. Maldfeld, M. Müller
Kr
spröd
unsicherer Betrieb
1
„Bruch” sicherer Betrieb γ
β
α
„Start” duktil 1
1,15
LR
Die WEFG, die sich aus der Detektionsgrenze der US-Prüfung ergibt, ist im Auslegungsfall Startpunkt einer Lebensdauerberechnung. Diese Berechnung erfolgt nach den Gesetzen der linear-elastischen (LEBM) und elastisch-plastischen (EPBM) Bruchmechanik. Die elastisch-plastischen Vorgänge bei hohen Belastungsspannungen werden nach dem sogenannten R6-Code [19.16–19.18] mithilfe des Failure Assessment Diagrams (FAD-Kurve) berücksichtigt. Die FAD-Kurve in Abb. 19-12 zeigt die bezogene Spannungsintensität (Kr ) in Abhängigkeit von der dimensionslosen Bezugsspannung (Lr ). Sie grenzt den Bereich des sicheren Betriebes einer Komponente vom Bereich des unsicheren Betriebes ab. Die FAD-Kurve enthält auch als Grenzfälle den Sprödbruch (Kr D 1) und den Zähbruch (Lr D 1;15). Die bezogene Spannungsintensität Kr D
K.B / KIc
(19.37)
im FAD-Diagramm wird aus der Spannungsintensität der Belastungsspannung K.B / und der Bruchzähigkeit KIc gebildet. Die dimensionslose Bezugsspannung Lr im FAD-Diagramm wird mit der Belastungsspannung B und der plastischen Grenzlast g folgendermaßen berechnet: Lr D
B : g
(19.38)
Für die Auslegung läuft die bruchmechanische Berechnung, wie von Maldfeld et al. [19.19] skizziert, nach folgendem Schema ab: Aus der US-Prüfung folgt ein zu unterstellender KSR-Wert, der mit (19.36) in eine WEFG umgerechnet wird. Da Fehlstellen in der Regel nicht ideale Kreisform haben, sondern eine ungleichmäßige Kontur aufweisen, wird für das Berechnungsmodell als Fehlerform eine Ellipse angenommen. Die kurze Halbachse a der Ellipse entspricht der halben Risstiefe und die lange Halbachse c wird mit der halben Risslänge gleichgesetzt. Das Verhältnis der Ellipsenhalbachsen wird zu a=c D 0;4 gewählt, um den bruchmechanisch ungünstigsten Fall abzubilden. Dies folgt aus den Ergebnissen von Newman und Raju [19.20], die Spannungsintensitätsfaktoren
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
669
für halbelliptische Oberflächenrisse durchgeführt haben. Aus der Flächengleichheit von Kreisscheibenreflektor und Ellipse folgt für die Ausgangsrisstiefe WEFG a0 D p : (19.39) 10 Aus dem erstmals von Irwin [19.21] definierten Spannungsintensitätsfaktor K folgt unter Verwendung der Ausgangsrisstiefe a0 aus (19.39) und der aus dem maßgebenden Lastfall abgeleiteten Spannungsschwingbreite eine Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors K0 , die wie folgt bestimmt wird: p (19.40) K0 D Y a0 : In der FAD-Kurve in Abb. 19-12 wird dieser Startpunkt durch das Kr , das zum Punkt „Start“ gehört, repräsentiert. Die Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors nach (19.40) wird für eine Risswachstumsberechnung, die beispielsweise unter Verwendung des ParisGesetzes [19.22] da D C K n (19.41) dN durchgeführt werden kann, verwendet. Mithilfe des Paris-Gesetzes aus (19.41) wird ein Risszuwachs da für den aktuellen Zyklus berechnet. Die Risstiefe des nächsten Zyklus wird durch Addition des Zuwachses da zur aktuellen Risstiefe a1 D a0 C da
(19.42)
berechnet. Für die neue Risstiefe a1 wird eine neue Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors K1 berechnet: p (19.43) K1 D Y .a0 C da/ : Mit dem K-Faktor aus (19.43) wird mit dem Paris-Gesetz (19.41) der Risszuwachs da für den nächsten Start-Stopp-Zyklus berechnet. Dieser Vorgang wird entsprechend wiederholt. Dieser Algorithmus wird ebenfalls auf die Risslänge c angewendet. Durch Experimente an realen Gasturbinenbauteilen wurde von Maldfeld et al. [19.19,19.23] und Berger und Maldfeld [19.24] die Anwendbarkeit des dargestellten Bruchmechaniknachweises gezeigt. In der Lebensdauerberechnung muss für die Ermittlung der kritischen Zyklenzahl Nc dann überprüft werden, nach welcher Anzahl von aufgelaufenen StartStopp-Zyklen eine kritische Bewertungsgröße erreicht wird. Als Bewertungsgrößen können beispielsweise die kritische Risslänge ac oder die Bruchzähigkeit KIc verwendet werden. Diese beiden Größen sind über die Definition des Spannungsintensitätsfaktors K der linear-elastischen Bruchmechanik unmittelbar nach folgender Vorschrift verbunden: p (19.44) KIc D Y ac : Meistens wird für die Bewertung in der linear-elastischen Bruchmechanik die Bruchzähigkeit KIc und bei Verwendung der FAD-Kurve die bezogene Spannungsintensität Kr des Werkstoffes herangezogen.
670
E. Maldfeld, M. Müller
Für die Ermittlung der letztlich gesuchten zulässigen Startzahl Nzul werden anschließend verschiedene Sicherheitskriterien überprüft. Diese führen zu unterschiedlichen zulässigen Startzahlen und sind schematisch in Abb. 19-12 durch die drei Zustände ˛, ˇ und skizziert. Erreichen einer zulässigen Spannungsintensität an einer Fehlstelle im Bauteil: Kzul D
Kr : S6
Definition einer zulässigen Risslänge einer Fehlstelle im Bauteil: ac azul D : S7
(19.45)
(19.46)
Ermittlung einer zulässigen Startzahl für die betrachtete Fehlstelle im Bauteil: Nzul D
Nc : S8
(19.47)
Die maßgebliche zulässige Startzahl ist der kleinste Wert für Nzul , der sich aus den drei Abfragen aus (19.44) bis (19.46) ergibt. Durch die gleichzeitige Anwendung der drei Kriterien wird erreicht, dass auch ein über ein großes Startzahlintervall sehr langsam verlaufendes Risswachstum in die Sicherheitsbewertung mit einfließt. Die Bewertung alleine auf Basis der kritischen Spannungsintensität würde dem nicht Rechnung tragen. Für die Sicherheitsfaktoren S6 , S7 und S8 können, je nach Anforderung, verschieden hohe Werte angesetzt werden. Entsprechend den Vorgaben für Kerntechnische Anlagen [19.25] (KTA-Regeln) wird für die Spannungsintensität der Sicherheitsbeiwert S6 1;5 gefordert. Für den risslängenbezogenen Sicherheitsfaktor sind Werte S7 2;0 und für die Zyklenzahl sind Werte S8 1;5 üblich. Bei der Wahl von S6 , S7 bzw. S8 ist zu beachten, dass ggf. auch bei der Bestimmung der Konstanten C und m des Paris-Gesetzes aus (19.41) infolge der Streuung der Werkstoffdaten bereits Sicherheitsfaktoren durch die Umrechnung von Mittelwerten auf Mindestwerte enthalten sein können. Neben dem LCF Rissfortschritt ist beim bruchmechanischen Sicherheitsnachweis auch zu überprüfen, dass die sich mit der lokalen HCF-Amplitude HCF zur jeweiligen Fehlergröße ergebende Spannungsintensität KHCF nicht den Schwellwert Kth für Risswachstum überschreitet. Zur Überprüfung des j -ten LCF-Zyklus wird die HCF-Spannungsintensität p KHCF .j / D HCF Y aj (19.48) mit der Risslänge aj des aktuellen LCF-Zyklus berechnet. Solange die Bedingung KHCF
Kth S10
(19.49)
erfüllt ist, tritt kein HCF-Rissfortschritt auf. Der Sicherheitsbeiwert S10 in (19.49) wird meist zu S10 D 1;5 : : : 2;0 gewählt. Falls der Bruchmechaniknachweis des LCF-Rissfortschritts für lokale Bereiche mit hohen HCF-Belastungen durchgeführt wird, kann die Überprüfung der HCF-Bedingung aus (19.49) diejenige sein, die
0,5
lid /σ n <2
M
isc hg
1,0
eb iet
0
Ligamentschädigung
Rσ =
K
Abb. 19-13 Zwei-KriterienDiagramm zur Beurteilung der Kriechrissermüdung
671
Bruch
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
Leck >5 /σ n d
K li
0,5
Rissspitzenschädigung
1,0
1,5
RK =
0
letztlich die zulässige Startzahl der Komponente bestimmt. Diese Startzahl kann eventuell zu einem noch kleineren zulässigen Wert führen als die in Abb. 19-12 angedeuteten Zustände der weiter oben genannten LCF-Kriterien in (19.45) bis (19.47) angeben. Im Bereich sehr hoher Temperaturen im Kriechgebiet erfolgt die Bewertung hinsichtlich des Kriechermüdungsrisswachstums mit dem sogenannten 2-KriterienDiagramm nach Ewald [19.26], das in Abb. 19-13 gezeigt ist. Zur Bewertung wird eine ideelle Spannungsintensität KIid verwendet. Durch das Verhältnis der nach LEBM-Methoden berechneten ideellen Spannungsintensität KIid0 zur Nettospannung n im betrachteten Querschnitt werden die Gebiete der Ligamentschädigung, der Rissspitzenschädigung und ein Mischgebiet voneinander abgegrenzt. Im Fall der Rissspitzenschädigung kommt es zu einem begrenzten Kriechrisswachstum, das toleriert werden kann, solange der Spannungsintensitätsfaktor einen ausreichenden Abstand von der Kriechrissbruchzähigkeit KIID hat (RK < 1 in Abb. 19-13). In Anlehnung an den Druckbehälterbau, aus dem das 2-Kriterien-Diagramm abgeleitet wurde, bedeutet eine zunehmende Rissspitzenschädigung, dass es zu unzulässigen Verformungen kommen kann, die im Druckbehälterbau mit „Leckage“ gleichzusetzen sind. Tritt hingegen Ligamentschädigung auf, wird die Kriechschädigung durch die hohen Spannungen des Fernfeldes gesteuert. Dann ist mit starkem Kriechrisswachstum zu rechnen, das durch die Nettospannung gesteuert wird. Die charakterisierende Kenngröße ist das Verhältnis von Nettospannung zur Zeitstandfestigkeit (R in Abb. 19-13). Ab R > 1 ist Kriechbruchversagen zu erwarten und die Höhe der ertragbaren Beanspruchung wird dann durch die temperatur- und zeitabhängige Zeitstandfestigkeit Rmt begrenzt. Eine ausführliche Einführung in die Bruchmechanik, die sowohl die klassische linear-elastische Bruchmechanik aber auch die elastisch-plastische Bruchmechanik sowie die Kriechbruchmechanik umfasst, findet sich in [19.27].
672
E. Maldfeld, M. Müller
19.2.2 Dynamische Auslegung Bei der dynamischen Auslegung des Gasturbinenläufers werden im Wesentlichen die Schwingungseigenschaften und die daraus resultierenden dynamischen Lasten untersucht. Der Gasturbinenläufer muss sowohl für die Biegeschwingungen als auch für die Torsionsschwingungen als elastische Struktur betrachtet werden, die sich unter dem Einfluss der Betriebslasten verformt. Darüber hinaus bildet der Läufer der Gasturbine mit den anderen Komponenten des Wellenstranges wie Generator, Getriebe und Dampfturbine ein gekoppeltes System. Eine Kopplung besteht auch mit den Statorteilen, insbesondere der Lagerung und den Gehäusen (vgl. Abschn. 20.4). Die Lastfälle können deshalb nicht für den Gasturbinenläufer allein untersucht und beurteilt werden, sondern nur im Zusammenwirken mit den anderen Komponenten. 19.2.2.1 Biegeschwingungen im Normalbetrieb und bei Schaufelverlust Die Biegeschwingungen des Gasturbinenläufers werden im Wesentlichen durch seine Unwucht erzeugt. Sie entsteht durch fabrikationsbedingte Unwuchten der Rotorscheiben und der Beschaufelung, durch thermisch verursachte Verkrümmungen des Läufers im Betrieb sowie im Fall eines Schaufelschadens durch den Verlust von einer oder mehrerer Schaufeln. Die fabrikationsbedingte Unwucht wird in der Schleuderanlage mit dem Auswuchten als letztem Arbeitsgang vor dem Einbau des Läufers in das Gehäuse weitgehend beseitigt. In der Schleuderanlage soll dabei der Läufer empfindlich auf Unwucht reagieren, damit sie gemessen und ausgeglichen werden kann. Dazu wird er in speziellen Lagerständern aufgenommen, die wenig Dämpfung aufweisen. Für den Läufer im Betrieb gelten die entgegengesetzten Anforderungen: Die Aufstellung soll unempfindlich für Unwucht sein, damit Betriebseinflüsse und Schaufelverlust nur zu kleinen Schwingungsamplituden führen. Die hierfür wesentlichen Teile der Struktur sind die Gasturbine mit dem angekuppelten Generator, die Gleitlager und die Abstützung mit ihrer Steifigkeit und Masse. Bei der Auslegung wird berücksichtigt, dass der eigentliche Wellenstrang aus Gasturbine, Generator usw. nur wenig Dämpfung aufweist: Dagegen weist die Abstützung mit den Gleitlagern eine sehr große Dämpfung auf. Sie hat Energiedissipation in den Gleitlagern und den Abstützungen selber, und außerdem wird Schwingungsenergie über das Fundament an den Untergrund abgestrahlt. Hierzu sei auf die Kap. 22 und 30 verwiesen. Der Gasturbinenläufer und der Wellenstrang werden so konstruiert, dass die gut dämpfenden Abstützungen genügend stark an der Schwingung beteiligt sind. Wenn der Läufer zu elastisch ist, dann findet die Auslenkung im Wesentlichen im Läufer statt, die Abstützungen werden nur wenig beansprucht und die Dämpfung ist klein. Der gleiche Effekt tritt auf, wenn die Abstützungen in den Knoten der Schwingungseigenform angeordnet sind; auch dann schwingt nur der Läufer, die Dämpfung ist gering und die Resonanzüberhöhung ist groß. Bei der Auslegung wird der Wellenstrang mit einem Finite-Elemente-Verfahren modelliert. Dabei werden die Kreiselwirkung und die Masse der Beschaufelung mit-
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
673
berücksichtigt. Die Gleitlager mit ihrer Steifigkeit und Dämpfung und die Abstützung mit Steifigkeit, Dämpfung und Masse beschreiben dabei den statischen Teil der Struktur. Mit dieser Modellierung werden dann die Eigenfrequenzen, die Eigenformen und die erwarteten Dämpfungen bestimmt und bewertet. Die Voraussetzungen für einen zufrieden stellenden Betrieb sind dann gegeben, wenn die durch die Unwucht anregbaren Eigenfrequenzen genügend Dämpfung und damit nur kleine Resonanzüberhöhungen aufweisen bzw. wenn die Eigenfrequenzen genügenden Abstand zur Betriebsdrehfrequenz aufweisen, siehe dazu Abschn. 30.2. In der ISO 10 814 [19.1] werden Richtlinien für die typischen Resonanzüberhöhungen angegeben. Damit sind die notwendigen Voraussetzungen für ein zufrieden stellendes Verhalten im Normalbetrieb und beim Schaufelverlust gegeben. Für die zulässigen Schwingungen im Normalbetrieb des Gasturbinenwellenstranges gibt es mit den ISO-Standard 10 816-4 [19.28] eine internationale Norm, welche z. B. eine Lagerbockschwingung von 4,5 mm=s als gut bewertet. Mit den berechneten Eigenformen und Dämpfungen kann daraus die im Normalbetrieb zulässige Unwucht abgeleitet werden. Solange die durch den thermischen Einfluss usw. hervorgerufene Unwucht kleiner ist als dieser Wert, wird der Wellenstrang die Schwingungsnorm erfüllen. Im Fall des Schaufelverlustes muss zunächst eine maximal zu erwartende Schaufelunwucht definiert werden, z. B. drei Schaufelblätter der letzten Turbinenlaufreihe. Mit dieser Unwucht und den berechneten Resonanzüberhöhungen werden dann die Schwingungsamplituden beim Schaufelverlust bestimmt. Dabei kann berücksichtigt werden, dass sich die Amplituden wegen des raschen Durchfahrens der Resonanzen verringern. Die zu erwartenden Biegemomente im Rotor, die Kräfte in den Abstützungen usw. werden damit bestimmt und die Bauteile entsprechend dimensioniert. 19.2.2.2 Torsionsbeanspruchung im Normalbetrieb und bei elektrischen Störfällen Die Torsionsschwingungen werden im Normalbetrieb durch elektrische Schieflast an den Generatorklemmen sowie durch Störfälle wie Fehlsynchronisation oder Kurzschluss erzeugt. Die elektrische Belastung der drei Wicklungen des Generators darf ungleichmäßig sein; die Netzbetreiber verlangen einen zulässigen Wert von etwa 10% der Nennleistung. Dieser Lastfall wird elektrische Schieflast genannt. Hierbei entsteht für den Wellenstrang ein Torsionsmoment am Generator mit doppelter Drehfrequenz. Dieses oszillierende Drehmoment kann andauernd wirken, sodass sich im Wellenstrang ein stationärer Schwingungszustand ausbildet. Die Dämpfung der Torsionseigenformen ist gering, da die Lagerung nicht am Geschehen beteiligt ist. Daher ist es erforderlich, dass der Bereich um die Anregungsfrequenz (100 Hz bei 50 Hz Netzfrequenz) frei von Torsionseigenfrequenzen des Wellenstranges ist. Die Berechnung der Torsionseigenfrequenzen geschieht ähnlich wie bei den Biegeschwingungen mit einem Finite-Element-Modell, welches jetzt nur aus dem gekoppelten Wellenstrang besteht.
674
E. Maldfeld, M. Müller
In Analogie zum Schaufelverlust wird der Wellenstrang außerdem so ausgelegt, dass elektrische Störfälle ohne Folgeschäden ertragen werden können. Dazu gehören die klassische Fehlsynchronisation mit 120ı Phasenwinkel oder ein Kurzschluss im Generator zwischen zwei Statorwicklungen (vgl. Abschn. 5.6.4.2), siehe Abb. 19-14. Die dabei auftretenden Torsionsmomente sind instationär, weil der Generator mittels der Schutzvorrichtung vom Netz getrennt und die antreibende Gasturbine abgeschaltet wird, sodass die Drehzahl des Wellenstrangs nicht mehr
Störmoment auf den Generator
Beanspruchung an der Turbine
Zeitlicher Verlauf des Störmomentes 89,4 60 40 20
t [ms] –20
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000 1100
1200 1300
1400 1500
900
1000 1100
1200 1300
1400 1500
–40 –71,0
Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung an der Turbine 49,8 40 20
t [ms] 0
100
200
300
400
500
600
700
800
–20 –40 –49,7
Abb. 19-14 Torsionsschwingungen bei einem Kurzschluss im Generator
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
675
konstant bleibt. Es bilden sich deshalb keine stationären Resonanzamplituden aus, sondern man hat es mit einem transienten Vorgang zu tun. Bei diesem Sicherheitsnachweis muss ein Teil des elektrischen Netzes mit abgebildet werden. Dazu gehören die elektrischen Eigenschaften des Transformators und die Reaktionszeiten der Schutzvorrichtung. Mit diesem Modell wird dann eine transiente Torsionsschwingungsrechnung durchgeführt und die maximal auftretende Belastung auf ihre Zulässigkeit geprüft. Die 120ı-Fehlsynchronisation und der Kurzschluss im Generator sind typische Lastfälle, mit denen nachgewiesen wird, dass der Wellenstrang robust ist. Es ist jedoch keine absolute Schadensicherheit, da z. B. eine Fehlsynchronisation bei einer abweichenden Drehzahl noch höhere Beanspruchungen hervorruft. Die elektrischen Störfälle müssen im Zusammenhang mit den Eigenschaften und Schutzvorrichtungen des Netzes beurteilt werden. 19.2.2.3 Biegewechselspannungen durch Eigengewicht und Betriebseinflüsse Eine weitere Art von dynamischer Beanspruchung des Gasturbinenläufers und des Wellenstranges entsteht durch das Eigengewicht von Läufer und Beschaufelung. Durch diese Last entstehen Biegespannungen im Läufer; er hängt je nach Bauart um bis zu einen Millimeter statisch nach unten durch (Abb. 19-15). Die Drehung des Rotors erfolgt jetzt um diese statische Biegelinie, wobei der Rotor diese eigentlich statische Durchbiegung als umlaufende Wechselbeanspruchung erfährt. Darüber hinaus verändern die Abstützungen der Lager beim Anfahren, im Dauerbetrieb und beim Abstellen der Maschine ihre Höhe, weil sich etwas unterschiedliche Temperaturen einstellen. Auch die Außentemperatur hat einen Einfluss. Dadurch wird die statische Biegelinie des Wellenstranges verändert und es entstehen Spannungen im Läufer und Änderungen der Lagerlasten. Deshalb wird der ungünstigste Betriebszustand ermittelt und die Zulässigkeit der Biegespannungen geprüft.
mm
0,8 mm
0,1 mm
0,9 mm
Abb. 19-15 Biegewechselbeanspruchung durch Eigengewicht (der Wellenstrang rotiert um seine statische Biegelinie)
676
E. Maldfeld, M. Müller
Die Sicherheitsbeiwerte erscheinen dabei auf den ersten Blick sehr konservativ, man muss aber berücksichtigen, dass diese Wechselspannungen mit Drehfrequenz während mehrerer Jahre auf den Läufer wirken und er dabei gleichzeitig anderen statischen und dynamischen Beanspruchungen ausgesetzt ist.
19.3 Zusammenwirken der Auslegungsverfahren am Beispiel der mittleren Hohlwelle Bei der Konstruktion und Auslegung eines Gasturbinenläufers müssen alle Aspekte gleichzeitig erfüllt werden, wobei die hier aufgeführten mechanischen Kriterien noch mit der thermodynamischen Auslegung verknüpft sind. Das Zusammenwirken wird am einfachen Beispiel der mittleren Hohlwelle gezeigt, welche zwischen Verdichter und Turbine angebracht ist (s. Abb. 19-16). Die Hohlwelle ist divergierenden Optimierungszielen ausgesetzt: Wegen der Biegesteifigkeit des Läufers sollte ihr Durchmesser so groß wie möglich sein, andererseits sollten die auf der Hohlwelle angebrachten Dichtungen auf einem möglichst kleinen Durchmesser angebracht sein, auch der vom Axiallager aufzunehmende Schub wird dann günstiger. Schließlich müssen die Fliehkraftspannungen ertragbar sein. Wegen der thermodynamischen Auslegung des Kühlluftsystems soll die mittlere Hohlwelle dann noch eine möglichst hohe Temperatur ertragen können. An zwei Diagrammen wird das Zusammenwirken dieser Anforderungen als Beispiel gezeigt. In Abb. 19-17a sind die Biegesteifigkeit des Rotors und die Fliehkraftspannung in der Hohlwelle in Abhängigkeit von ihrem Durchmesser aufgetragen. In Abb. 19-17b ist die Werkstofffestigkeit mit der Streckgrenze und der für 100 000 h gültigen Zeitstandfestigkeit dargestellt. Aufgrund der dynamischen Berechnungen ergibt sich ein Mindestdurchmesser der Hohlwelle, welcher für die Biegesteifigkeit erforderlich ist. Daraus ergeben sich die Fliehkraftspannungen. Im Werkstoffdiagramm kann nun die zulässige Material-
mittlere Hohlwelle, mit Außen- und Innendurchmesser
Abb. 19-16 Mittlere Hohlwelle (Alstom Power)
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
677
Fliehkraftspannung
Biegesteifigkeit Verlauf der Biegesteifigkeit
Verlauf der Fliehkraftspannung
erforderliche Biegesteifigkeit
Ergebnis 1: Außendurchmesser
a
Außendurchmesser der Hohlwelle
zulässige Spannung
Streckgrenze Zeitstandfestigkeit
b
Ergebnis 2: zulässige Temperatur
Temperatur der Hohlwelle
Abb. 19-17a,b Festigkeitsauslegung der mittleren Hohlwelle. a Biegesteifigkeit des Rotors und Fliehkraftspannung in der Hohlwelle, b Werkstofffestigkeit
678
E. Maldfeld, M. Müller
bzw. Kühllufttemperatur ermittelt werden. Diese Kühllufttemperatur ist eine von vielen Schnittstellen zwischen mechanischer und thermodynamischer Auslegung der Gasturbine.
19.4 Werkstoffaspekte für die Rotorauslegung Aus den oben dargelegten Festigkeitskriterien folgt, dass für die Werkstoffwahl bei der Rotorauslegung verschiedene, zum Teil gegenläufige Aspekte zu beachten sind. Für die Einhaltung der in Abschn. 19.2.1.2 aufgeführten Festigkeitskriterien kommen hauptsächlich Werkstoffe mit einer hohen Ausgangsfestigkeit (Streckgrenze) bei einer hohen Duktilität zur Anwendung. Für die Rotorkomponenten, deren Temperaturbelastung unter T D 450 °C liegt, werden häufig niedrig legierte Vergütungsstähle mit einem Gehalt von etwa 3% Nickel und 1–2% Chrom eingesetzt. Durch die Feinabstimmung mit weiteren Legierungselementen (z. B. Vanadium) wird bei diesen Werkstoffen sichergestellt, dass keine Anlasssprödigkeit auftritt. Insgesamt überschreitet die Summe der Legierungselemente bei diesen Stählen nur selten 6% [19.29]. Wird bei diesen Werkstoffen der Gehalt von Spurenund Begleitelementen wie Phosphor und Antimon gesenkt, werden diese auch nach Schatt [19.29] als superreine (super clean) Stähle bezeichnet. Für die Komponenten, deren maximale Einsatztemperaturen im Bereich T > 450 °C liegen und für die die Festigkeitskriterien nach Abschn. 19.2.1.3 heranzuziehen sind, werden hochwarmfeste Werkstoffe benötigt. In der Regel kommen für diese Bauteile hochlegierte Stähle zum Einsatz, deren Chromgehalt zwischen 10 und 12% liegt. Die häufigsten weiteren Legierungselemente sind Molybdän, Vanadium, Wolfram, Niob, Stickstoff und Bor [19.28]. Haupteigenschaft dieser Werkstoffe ist eine hohe Ausgangsfestigkeit (Streckgrenze) bei Raumtemperatur mit einem stabilem Verhalten in Abhängigkeit von der Temperatur sowie sehr gute Zeitstandfestigkeitseigenschaften. Hinsichtlich der bruchmechanischen Auslegung ist bei der Werkstoffwahl darauf zu achten, dass die eingesetzten Werkstoffe über eine ausreichend hohe Bruchzähigkeit verfügen, damit bei Unterstellung von auslegungsbedingten Fehlstellen aus der Risswachstumsberechnung, wie in Abschn. 19.2.1.5 gezeigt, eine hohe Startzahl erreicht werden kann. Eine weitere Eigenschaft mit besonderer Bedeutung bei der Werkstoffwahl ist die sogenannte Fracture Appearance Transition Temperature (FATT). Werden die im Kerbschlagbiegeversuch gemessenen Kerbschlagzähigkeiten als Funktion der Temperatur aufgetragen, so existieren bei ferritisch-perlitischen Werkstoffen [19.30] in einem relativ engen Temperaturintervall eine Hochlage und eine Tieflage. In der Tieflage liegt kristalliner Sprödbruch vor und in der Hochlage duktiler Verformungsbruch. Die FATT kennzeichnet die niedrigste Temperatur, bei der im Kerbschlagbiegeversuch noch ein kristalliner Bruchanteil von 50% beobachtet wird. Je nach Bauteil ist auf eine ausreichend hohe Kerbschlagzähigkeit und eine niedrige FATT zu achten, damit sich der Abfall der Bruchzähigkeit bei tiefen Temperaturen, wie er bei martensitischen Werkstoffen auftritt und der besonders im Ansaugbereich des Verdichters eine wichtige Rolle spielt, möglichst gering auswirkt.
19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
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Im Kriechgebiet ist neben der bereits erwähnten Zeitstandfestigkeit und der Zeitdehngrenze auch die Kerbzeitstandversprödung ein wichtiges Beurteilungsmaß. Man spricht von Kerbzeitstandversprödung, wenn bei gleicher Nennspannung die Laufzeit einer gekerbten Probe, deren Formzahl ˛k D 4;5 ist, kleiner ist als die Laufzeit einer glatten Probe. Für Rotorkomponenten, die im Kriechgebiet beansprucht werden, ist darauf zu achten, dass Werkstoffe mit einer ausreichenden Kriechduktilität eingesetzt werden. Das bedeutet, die eingesetzten Werkstoffe dürfen keine Kerbzeitstandversprödung aufweisen, damit gezielt eine beanspruchungsabhängige Kriechrisseinleitung mit anschließendem Kriechrisswachstum vermieden werden kann. Je nach Bauweise des Rotors müssen die Werkstoffe zusätzlich noch eine gute Schweißbarkeit aufweisen. Das Hauptproblem beim Schweißen sind die unterschiedlichen Abkühlgeschwindigkeiten, die sich in den verschiedenen Wärmeeinflusszonen (WEZ) in der Umgebung der Schweißnaht einstellen. Im Bereich der Schmelzzone wird der Werkstoff überhitzt und das Gefüge wird unter Bildung eines groben Korns austenitisiert [19.31]. Infolge der unterschiedlichen Abkühlgeschwindigkeiten in der WEZ wandeln sich dann die austenitisierten Gefügebereiche verschiedenartig um (ferritisch/perlitisch, bainitisch, martensitisch). Mit steigendem Kohlenstoffgehalt wird die Härte der entstehenden Gefügezustände größer, weshalb der Kohlenstoffgehalt für schweißgeeignete Stähle auf Werte < 0;22 Masse-% begrenzt wird [19.32]. Aufhärtungserscheinungen beim Schweißen legierter Stähle erschweren die Herstellung guter Schweißnähte und hängen damit zusammen, dass die meisten Legierungszusätze die kritische Abkühlgeschwindigkeit für die Martensitbildung absenken. Dies hat die Ausbildung von Härterissen in der WEZ zur Folge [19.29]. Durch Vorwärmen des Grundwerkstoffes und geeignete Wärmenachbehandlung der Schweißverbindung kann hier Abhilfe geschaffen werden. Die tatsächlichen Zustände lassen sich nur mithilfe eines schweißspezifischen Zeit-Temperatur-Umwandlungsschaubildes (ZTU-Schaubild) ermitteln. Um die Verschleißfestigkeit von Rotorkomponenten, die mit benachbarten Bauteilen in Berührung kommen (z. B. Laufschaufeln, Dämpfungselemente, Dichtbleche etc.) zu steigern, können je nach Grundwerkstoff unterschiedliche Verfahren zur Steigerung der Oberflächenfestigkeit eingesetzt werden. Dabei können zum einen mechanische Verfahren wie das Festwalzen und das Kugeldruckstrahlverfestigen angewendet werden. Zum anderen können auch thermochemische Oberflächenbehandlungsverfahren wie das Gas- und Plasmanitrieren oder das Badnitrocarburieren zur Anwendung kommen.
19.5 Zusammenfassung Das wichtigste Auslegungsziel für den Turbinenläufer ist die Gewährleistung der mechanischen Integrität. Diese Anforderung gilt für die statische wie für die dynamische Auslegung. Sie muss sowohl bei Grundlast- als auch bei Spitzenlastmaschinen erfüllt werden. Ebenso müssen bei der Auslegung Normalbetrieb, Sonderfälle im Betrieb und Störfälle berücksichtigt werden.
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E. Maldfeld, M. Müller
Neben grundlegenden Festigkeitsaspekten hat die bruchmechanische Bewertung der Läuferkomponenten eine große Bedeutung. In der statischen wie der dynamischen Auslegung kommen heute in der Regel Finit-Element-Programme und Bruchmechaniksoftware zum Einsatz, mit deren Hilfe die Einhaltung der Beurteilungskriterien standardisiert durchgeführt werden kann. Bei der Auslegung ist zu beachten, dass zum Teil die statischen und die dynamischen Kriterien gegenläufige Auswirkungen haben können. Für die Auslegung des Läufers werden warmfeste und hochwarmfeste Werkstoffe benötigt, die die Einhaltung der unterschiedlichen Auslegungskriterien ermöglichen. Zudem müssen diese Werkstoffe über ausreichende Verschleißfestigkeitseigenschaften verfügen und zum Teil auch schweißbar sein. Für die zukünftige Steigerung von Leistung und Wirkungsgrad der Gasturbine sind zum einen Weiterentwicklungen bei den Werkstoffen notwendig und zum anderen ist die Bereitstellung von umfassenderen Werkstoffdatenbasen für die Durchführung von authentischeren Lebensdauervorhersagen nötig.
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19 Statische und dynamische Auslegung des Turbinenläufers
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Kapitel 20
Gehäuse und Leitzeug Ekkehard Maldfeld und Michael Müller
20.1 Einleitung Die Statorteile der industriellen Gasturbine bestehen im Wesentlichen aus dem Turbinengehäuse mit den Leitschaufelträgern, der inneren und der äußeren Abstützung sowie dem Grundrahmen, auf welchem die ganze Turbine montiert ist. Bei den industriellen Gasturbinen hat sich dieser Aufbau als Standard durchgesetzt und ist in Abb. 20-1 exemplarisch gezeigt. Er wird beim Hersteller komplett mit dem Läufer montiert und dann zum Aufstellungsort gebracht. Dieser Aufbau ist sehr unterschiedlichen Anforderungen ausgesetzt. Einerseits muss er sehr robust sein, um z. B. dem Innendruck bei den hohen Temperaturen zu widerstehen und die Abstützungen müssen selbst bei einem Schaufelschaden einen sicheren Auslauf des Läufers ermöglichen. Andererseits ist das Turbinengehäuse jedoch so zu konstruieren, dass die thermisch transienten Vorgänge beim Anfahren und Abstellen der Gasturbine sowie im Dauerbetriebszustand möglichst wenig Spannungen in den Bauteilen erzeugen, damit es nicht zu LCF-Anrissen oder zu bleibenden Verformungen durch Kriechvorgänge kommt. Dazu sollten die Wandstärken gering und auch gleichmäßig sein. Thermische Dehnungsunterschiede, z. B. zwischen dem Gehäuse und dem Grundrahmen, können dabei elastisch oder über Gleitflächen aufgenommen werden. Darüber hinaus hängen die Leistung und der Wirkungsgrad der Gasturbine entscheidend von den Radial- und Axialspalten in Verdichter und Turbine sowie in den Labyrinthen ab (vgl. Abschn. 21.1). Deshalb müssen auch die Verformungen der Gehäuse in engen Grenzen bleiben bzw. mit den Verformungen des Läufers korrespondieren. Im Idealfall ist dazu die Struktur rotationssymmetrisch und die thermischen Differenzdehnungen werden hysteresefrei ermöglicht. Bei der Konstruktion und Auslegung muss zwischen diesen divergierenden Anforderungen ein Ausgleich gefunden werden. Bei großen stationären Gasturbinen wird dazu ein anderer Weg eingeschlagen als bei den Flugtriebwerken.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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innere Abstützung Turbinenseite: 10 Rippen im Strömungskanal
Äußere Abstützung Turbinenseite: 2 bewegliche Stützen und ein Federbein
E. Maldfeld, M. Müller
innere Abstützung Verdichterseite: 7 Rippen im Strömungskanal
Äußere Abstützung Verdichterseite: Ansauggehäuse auf Grundrahmen
Abb. 20-1 Gasturbine mit Außengehäuse, Leitschaufelträgern und Abstützungen. Quelle: Alstom Power
20.2 Konstruktiver Aufbau Ein charakteristisches Konstruktionsmerkmal der großen stationären Gasturbinen ist ihr horizontal geteiltes Gehäuse, welches sie von den Flugtriebwerken unterscheidet, bei denen das Gehäuse aus ungeteilten Ringen axial zusammengeschraubt wird. Die Bauart ist durch die Größe der Maschinen bedingt: Bei horizontal geteilten Gehäusen können die Gehäuseoberteile leicht entfernt und der Läufer in das Gehäuseunterteil eingelegt werden; Maschinen mit axial geteiltem Gehäuse müssten vertikal montiert und anschließend in einem bei dieser Größe riskanten Wendemanöver in die horizontale Lage verbracht werden. Durch die horizontale Trennebene entstehen jedoch auch Schwierigkeiten: Die Flansche sollten die gleiche Biegesteifigkeit wie die Gehäusewand aufweisen, um eine Ovalisierung des Gehäuses beim Anfahren durch die höhere Temperatur an der Innenseite zu vermeiden. Der Flansch ist aber auch eine lokale Massenanhäufung, welche thermisch träger ist als die Gehäusewand. Dadurch entsteht eine thermische Unsymmetrie, welche das Gehäuse ebenfalls unrund werden lässt. Ab dem Ende des Verdichters sind die Temperaturen und Drücke in der Maschine bereits so hoch, dass mit den aus Festigkeitsgründen notwendigen großen Flanschen die Anforderungen an die Rundheit beim Anfahren und Abstellen nicht mehr zu erfüllen sind. Das würde eine Vergrößerung der Schaufelspiele notwendig machen und den Wirkungsgrad verschlechtern. Deshalb wird das Gehäuse am Ende des Verdichters in den meisten Anwendungsfällen zweischalig ausgeführt; im Tur-
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binenteil kommt i. d. R. eine zweischalige Konstruktion zur Anwendung. Bei der zweischaligen Ausführung sind die Leitschaufeln bzw. die kompletten Leitringe bei nicht freistehenden Leitschaufeln (vgl. Abschn. 14.1.2 und 15.2.1) dann in einem separaten Leitschaufelträger oder Leitschaufelring untergebracht. Dessen Flansche können vergleichsweise filigran ausgeführt werden, da der Leitschaufelträger nicht durch die Druckdifferenz belastet wird. Die Rundheit des einzelnen Schaufelträgers lässt sich leichter erreichen als die des ganzen integralen Gehäuses. Häufig werden in einen Leitschaufelträger mehrere Leitringe (sowohl beim Verdichter als auch bei der Turbine) zusammen eingebaut. Die Leitringe wiederum bestehen aus mehreren Segmenten, bei einem horizontal geteilten Gehäuse mindestens aus zwei Hälften. Je nach Größe der Leitscheibe kommen zur Erleichterung der Montage im Neubau und der Demontage bei Revisionen auch Ausführungen mit vier, sechs oder acht Segmenten vor. Da sich der Leitschaufelträger sowohl bei der Montage als auch im Betrieb so wenig wie möglich verformen soll, muss er konstruktiv mit einer möglichst hohen Steifigkeit ausgeführt werden. Der komplett montierte Leitschaufelträger wird dann im Außengehäuse axial verschiebbar eingesetzt, um eine definierte Ausrichtung der Leitgitterringe gegenüber dem Rotor zur Einstellung der gewünschten Axialspalte zu ermöglichen. Die Leitschaufelträger verfügen im Gehäuse über zusätzliche Einstellmöglichkeiten, um auch eine Optimierung der radialen Schaufelspalte zu erreichen. In Abb. 20-2 ist in einer Prinzipskizze dargestellt, wie durch vier am Umfang des Leitschaufelträgers verteilte Lagerklötze eine Einstellbarkeit des gesamten Leitschaufelträgers in zwei senkrecht aufeinander stehenden Ebenen x und y ermöglicht wird. Zusätzlich bestehen noch durch in diesen Lagerklötzen eingebrachte Zentrierbolzen Verdrehmöglichkeiten um zwei senkrecht zur Rotationsachse stehende Achsen. Ein separater Leitschaufelträger kann die Wartung der Gasturbine erleichtern: Nach dem Entfernen der Gehäuseoberteile sind zunächst alle Laufschaufeln und die Leitschaufeln in den Gehäuseoberteilen zugänglich. Die Leitschaufeln im Unterteil sind zunächst durch den Läufer verdeckt. Durch Anbringen von Anhängepunkten am Umfang des unteren Leitschaufelträgers kann konstruktiv die Möglichkeit zum Auskugeln der unteren Halbschale des Leitschaufelträgers bei eingelegtem Läufer geschaffen werden. Für diese Option sollten am Leitschaufelträger möglichst große Aufnahmemöglichkeiten für ein Auskugelwerkzeug vorgesehen werden. Weiterhin sollten möglichst viele Anhängepunkte am Umfang vorgesehen werden (etwa z. B. alle 20ı am Umfang). Dann kann auch der untere Leitschaufelträger bei eingelegtem Läufer aus der Maschine ausgebaut werden und die Schaufeln sind zugänglich. Die zeitraubende Arbeit zum Ausbau des Läufers ist dann nicht nötig. Die Turbinengehäuse können als Schweiß- oder Gusskonstruktion ausgeführt werden. Geschweißte Turbinengehäuse aus Blechen sind flexibler in der Materialauswahl, allerdings ist die Geometrie auf Zylinder- oder Kegelkonturen beschränkt. Beim gegossenen Gehäuse sind die konstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten sehr viel freier. Im Wesentlichen stehen lamellarer (EN-GJL nach DIN EN 1561 [20.1], alte Bezeichnung GG) und globulitischer Guss (EN-GJS nach DIN EN 1563 [20.2], alte Bezeichnung GGG) oder Stahlguss (GS) als Werkstoff zur Verfügung.
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Abb. 20-2 Einstellmöglichkeiten eines Leitschaufelträgers. Quelle: Siemens Power Generation
Der lamellare Grauguss (EN-GJL) verfügt unter anderem über gute Gleit- und Verschleißeigenschaften, ein gutes Dämpfungsvermögen, eine gute Temperaturwechselbeständigkeit und gute thermische Leitfähigkeit [20.3]. Der Nachteil des lamellaren Graugusses besteht darin, dass sich die Grafitlamellen nicht an der Kraftübertragung beteiligen und an ihren Rändern Spannungskonzentrationen auftreten. Dies führt zu einer geringen Verformungsfähigkeit und einer hohen Sprödigkeit, die hohe Sicherheitsfaktoren beim Festigkeitsnachweis (vgl. Abschn. 20.4.1) erforderlich macht. Daher kann der lamellare Grauguss (EN-GJL) nur für moderat beanspruchte Gehäusekomponenten im kälteren Bereich der Gasturbine eingesetzt werden. Der globulitische Guss (Sphäroguss, EN-GJS) ist im Gegensatz zum Guss mit lamellarem Grafit plastisch verformbar, weil die innere Kerbwirkung des globular ausgebildeten Grafits niedriger ist [20.3]. Beispielsweise besitzt der Werkstoff ENGJS-400-15 (alte Bezeichnung GGG-40) eine garantierte Bruchdehnung von 15% (gekennzeichnet durch den Zusatz 15 in der Werkstoffbezeichnung). Die sphärolithische Ausbildung des Grafits wird durch Zusatz von geringen Mengen an Magnesium (0,005 bis 0,07%) durch den sog. Impfprozess erzielt. Die Eigenschaften des EN-GJS liegen zwischen denjenigen des EN-GJL und denjenigen von Stählen. Dabei ist beispielsweise der E-Modul des EN-GJS zwischen 50 und 80% höher als derjenige des EN-GJL. Allerdings ist das Dämpfungsvermögen des EN-GJS geringer als beim EN-GJL [20.3]. Bei der Verwendung von globulitischem Guss (EN-GJS, früher GGG) können bestimmte Mindestanforderungen an die Zähigkeit, die durch die Kerbschlagarbeit repräsentiert sind, erfüllt werden (z. B. EN-GJS-400-18U-LT; Gusseisen mit Kugelgrafit mit einer Zugfestigkeit
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von mindestens 400 MPa und einer Bruchdehnung von 18% mit einer garantierten Kerbschlagarbeit bei 20ı von 10–12 J [20.2]). Dies erlaubt die Verwendung von niedrigeren Sicherheitsbeiwerten. Die Eigenschaften von globulitischem Guss (EN-GJS) können durch Wärmebehandlung und gezielte Legierungselemente stärker beeinflusst werden als bei lamellarem Guss (EN-GJL). Dadurch wird der Einsatz von globulitischem Guss für Gehäusekomponenten der Gasturbine im Bereich höherer Temperaturen (z. B. durch das Zulegieren von Si und Mo) oder für Bauteile mit höheren Anforderungen an die Schwingfestigkeit interessant. Das Abgießen von großvolumigen Gehäusekomponenten aus EN-GJS ist technisch herausfordernder als beim EN-GJL; es können Gussabweichungen wie Dross, Lunker und Grafitentartung („ChunkyGrafit“) [20.4] auftreten. Der globulare Guss ist aber schweißbar [20.2, 20.5–20.8] und von Janssen, Maldfeld und Braun [20.5] wurde ein Verfahren zum „Kaltschweißen“ von Sphärogussbauteilen für Turbinengehäuse vorgeschlagen, das die Einsetzbarkeit dieses Werkstoffes deutlich erweitert. Dadurch lassen sich in Zukunft die Kostenvorteile des globulitischen Gusses mit den Eigenschaftsvorteilen des Stahlgusses verbinden. Für Gehäusekomponenten, von denen die Festigkeit und die Zähigkeit des Stahls gefordert werden, kann ferritischer oder martensitischer Stahlguss (GS) verwendet werden. Dabei steht dem Konstrukteur nahezu die gesamte Palette der unlegierten und legierten Stähle zur Auswahl. Die Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften des GS sind jedoch etwas geringer als die des entsprechenden Walzstahls in Walzrichtung (etwas höher als beim Walzstahl in Querrichtung), was auf die Textur des Walzstahles und auf das gröbere Korn und die Mikrolunker des Stahlgusses zurückzuführen ist [20.3]. Aufgrund der vielfältigen Auswahl an warmfesten Stählen wird Stahlguss hauptsächlich für Gehäusekomponenten eingesetzt, die höheren Temperaturen ausgesetzt sind. Weiterhin eignet sich schweißbarer Stahlguss auch für Hybridbauteile, deren Grundformen aus mehreren, einzelnen Gussteilen oder auch aus Guss- und Schweißkonstruktionsteilen bestehen, die dann vor der mechanischen Endbearbeitung zu einem zusammenhängenden Bauteil verschweißt werden. Auf diese Weise können auch sehr komplexe Gehäusegeometrien kostengünstig ausgeführt werden. Für die Auskleidung von Gehäuseteilen, welche direkt mit dem Abgas der Turbinen in Berührung kommen, werden als Schweißkonstruktion meist ferritische Werkstoffe mit mehr als 10% Chromanteil oder austenitische Werkstoffe eingesetzt. Diese Werkstoffe erreichen i. d. R. durch die Legierungselemente Chrom, Silizium und Aluminium eine ausreichende Zunderbeständigkeit. Diese Legierungselemente bilden mit Sauerstoff Oxide in der Zunderschicht und vermindern die Ionendiffusion in den Grundwerkstoff hinein [20.3]. Teilweise wird auch Nickel zur Erhöhung der Warmfestigkeit zulegiert. Das wesentliche Merkmal dieser Werkstoffe ist zum einen die hohe Einsatzgrenztemperatur und zum anderen die gute Zunderbeständigkeit bzw. der hohe Widerstand gegen Hochtemperaturkorrosion. Hinsichtlich der Schweißbarkeit muss jedoch das jeweilige Einsatzprofil mit der Werkstoffauswahl abgestimmt werden [20.3, 20.6].
688 Abb. 20-3 Flansch. Quelle: Alstom Power
E. Maldfeld, M. Müller
Platzverhältnis an einem Kreuzflansch Schraubenanpresskraft Dichtleiste Stützleiste
Weiterhin ist die Gestaltung der Flansche ein wichtiges Detail: Es werden blanke Stahlflächen aufeinander gepresst, ohne dass spezielle Dichtungselemente dazwischengelegt werden. Eine übliche und statisch definierte Bauart für Turbinenflansche benutzt eine Dicht- und eine Stützleiste mit der Verschraubung in der Mitte (s. Abb. 20-3). Durch den Abstand von Dicht- und Stützleiste kann die Biegesteifigkeit des Flansches an die der Gehäusewand angepasst werden (vgl. Abschn. 20.4.4). Die Vorspannung der Verschraubung wird so hoch gewählt, dass in der Dichtleiste die Streckgrenze des Werkstoffs leicht überschritten wird. Dadurch tritt eine Plastifizierung ein und der Flansch ist gasdicht. Beim Starten der Gasturbine bleibt die Außenseite des Flansches noch länger kalt, während die Wand und die Innenseite des Flansches bereits Betriebstemperatur erreicht haben. Die dadurch entstehende Verbiegung des Gehäuses kann durch Schlitzen des Flansches gemildert werden. Eine andere Möglichkeit, um auch bei instationärer Durchwärmung eine gute Rundheit des Gehäuses zu erreichen, besteht in der Anbringung von zwei „Teilfugenflanschattrappen“. Darunter versteht man Massenanhäufungen, die im Querschnitt das gleiche Flächenverhältnis haben wie die Massenanhäufungen in der Teilfugenebene, aber um 90ı zur Teilfuge versetzt angebracht sind. Dadurch können Ovalisierungseffekte des Gehäuses reduziert werden. Oberhalb der Teilfugenebene muss die Schalenstruktur lokal noch verbreitert werden, um ausreichend Platz für die Aufnahme der Teilfugenschrauben zu schaffen. Dabei sollte die Verbreiterung möglichst so ausgeführt werden, dass die notwendige Anplanung für die Auflagefläche der Schraubenköpfe die Schalenstruktur des Gehäuses nur gering beeinflusst. Für eine einfache Fertigung sollten die Teilfugenschrauben möglichst nah an der Gehäuseschale liegen. Zu weiteren konstruktiven Details gehören an der Außenseite der Gehäuseoberteile Poller, an denen Transportmittel angebracht werden können. An den Gehäuseunterteilen ist eine Stellfläche zum Absetzen der Maschine vorzusehen. Die Gestaltung der Stellfläche sollte das Anbringen einer Erdbebensicherung ermögli-
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Kühlluftentnahme für Leitschaufeln
Abb. 20-4 Beispiele für Kühlluftentnahmen am Gehäuse einer Siemens SGT6-4000F (frühere Bezeichnung: V84.3A). Quelle: Siemens Energy Sector
chen. Weiterhin müssen Möglichkeiten zum Verzurren während des Transportes der Rumpfturbine zum Kraftwerk am Außengehäuse angebracht werden. In den Gehäusebereichen, in denen sich Kondensat bilden kann oder z. B. sich bei der Verdichterwäsche Flüssigkeit ansammeln kann, sind Anschlüsse für Entwässerungsleitungen vorzusehen. An verschiedenen Stufen des Verdichters wird Luft zum Kühlen und Sperren entnommen. Diese Luft wird meist aus dem Gehäuse heraus geführt und mittels Rohrleitungen an die Orte der Turbine (z. B. Turbinenleitschaufeln) gebracht, wo sie eingesetzt werden soll. Die genaue Lage der Entnahmen ergibt sich aus der jeweiligen Auslegungsrechnung des Sekundärluftsystems (vgl. Abschn. 16.2). Für die Entnahme von Kühl- und Sperrluft aus dem Verdichterkanal muss bei der Ausführung des Entnahmequerschnittes darauf geachtet werden, dass die entnommene Luft optimal abgeführt wird und eine strömungsbedingte Schwingungsanregung des Leitschaufelträgers vermieden wird. In der linken Hälfte der Abb. 20-4 sind im Axialschnitt einer Siemens SGT6-4000F-Maschine (alte Bezeichnung V84.3A) verschiedene Möglichkeiten für die Ausführung von Kühlluftentnahmen gezeigt. Die rechte Hälfte von Abb. 20-4 zeigt einen Vertikalschnitt durch die erste äußere Kühlluftentnahmestelle, der die Anordnung der Rohranschlussflansche zur Außenseite des Gehäuses hin entlang des Umfangs des Ringraumes zeigt. Es ist zu erkennen, dass eine symmetrische Anordnung aller Flansche für die Verrohrung am Umfang angestrebt, aber nicht komplett erreicht wird. Dies hängt mit den baulichen Randbedingungen, wie z. B. der Gesamtleitungsführung, den Transportpollern und dergleichen zusammen, die bei der konstruktiven Gestaltung der Kühlluftentnahmestellen zu beachten sind. Bei der Gestaltung des Ringraumes ist für Gusskonstruktionen darauf zu achten, dass Anhäufungen von Material vermieden werden, um thermische Spannungen durch lokal unterschiedliche Aufwärmzeiten im Bauteil zu minimieren. Weiterhin soll der Ringraum des Entnahmequerschnitts möglichst flach ausgeführt sein, weil dadurch seine Federwirkung gering gehalten werden kann.
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Schließlich ist das gesamte Außengehäuse der Gasturbine mit einer Isolierung versehen. Dadurch werden zunächst Wärmeverluste reduziert, welche den Wirkungsgrad verschlechtern und überdies noch die Kraftwerkshalle unnötig aufheizen sowie die Bestimmungen der europäischen Maschinenrichtlinie [20.9], bzw. der ISO Sicherheitsrichtlinie [20.10] hinsichtlich des Berührungsschutzes eingehalten. Der Hauptzweck ist jedoch, beim stationären Betrieb der Gasturbine eine gleichmäßige Gehäusetemperatur und somit ausgeglichene thermische Dehnungen sicherzustellen. So kann ein Verziehen des Gehäuses beim An- und Abfahren und bei Laständerungen vermieden werden. Typisch für die stationären Gasturbinen ist auch die Konstruktion mit einer inneren Abstützung für die Lagerung des Läufers im Gehäuse (vgl. Abschn. 22.3.1) und die äußere Abstützung für das Gehäuse auf dem Grundrahmen bzw. Maschinenhausfundament. Das unterscheidet sie von den großen Dampfturbinen, bei denen Läufer und Gehäuse unabhängig voneinander auf einem Tischfundament abgestützt sind. Der Grund für diese Bauart besteht zunächst darin, dass die Gasturbine ein komplexes Gebilde ist und möglichst viele Montageabläufe unter den günstigen Werksbedingungen ablaufen sollen. Deshalb wird häufig ein Grundrahmen verwendet. Darüber hinaus reagiert die Gasturbine sehr empfindlich auf eine Veränderung der Schaufelspiele. Deshalb wird der Läufer direkt im Gehäuse gelagert. Wegen der thermischen Relativdehnungen zwischen Läufer/Turbinengehäuse und Turbinengehäuse/Fundamentrahmen ist der Anordnung der Fixpunkte und der Aufnahme der Wärmedehnungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das Axiallager als axialer Fixpunkt für den Läufer (vgl. Abschn. 22.3.3) ist bei allen Herstellern auf der Verdichterseite, weil der dort aufgenommene Axialschub
Abb. 20-5 Abstützung des Gehäuses einer Siemens SGT6-4000F (frühere Bezeichnung: V84.3A). Quelle: Siemens Energy Sector
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besser durch die kalte Abstützung auf der Verdichterseite zum Gehäuse abgeleitet werden kann als durch die thermisch hochbelastete Abstützung auf der Turbinenseite. Der Läufer hat auf der Verdichterseite das „Festlager“ und auf der Turbinenseite das „Loslager“. Der axiale Fixpunkt zwischen Gehäuse und Maschinenfundament/Grundrahmen befindet sich ebenfalls auf der Verdichterseite durch zwei biegesteife Stützen. Sie übertragen den Axialschub auf das Fundament bzw. den Grundrahmen und müssen zusätzlich auch die durch Erdbeben bedingten Kräfte aufnehmen können. Die Einleitung der Kräfte ins Fundament erfolgt i. d. R. formschlüssig. Horizontalkräfte werden durch Schubnocken aufgenommen, vertikale Zugkräfte und Biegemomente durch Ankerschrauben. An der Turbinenseite sind zwei elastische Stützen angebracht, welche die thermisch bedingten Relativbewegungen zwischen Gehäuse und Fundament aufnehmen. Dazu muss eine entsprechend biegeweiche Ausführung gewählt werden, wie im rechten Teil von Abb. 20-5 dargestellt. Die elastische Stütze muss zusätzlich auch gewährleisten, dass die Höhenveränderung der Maschinenmitte klein bleibt. Neben den möglichen Belastungen aus den Standardlastfällen muss die konstruktive Ausführung auch eine ausreichende Knicksicherheit gewährleisten.
20.3 Auslegungsziel, Anforderungen und Lastfälle für Gehäusekomponenten Das Ziel der Auslegung ist eine zuverlässige Funktion aller Gehäusekomponenten inklusive der Leitschaufelträger für eine ausreichend hohe Startzahl und das Erreichen einer hinreichend großen Zahl von Betriebsstunden der Gasturbine. Daraus folgt, dass die Festigkeit, die Dehnungswechselermüdung, die Dauerfestigkeit, die Kriechermüdung, die Dichtigkeit und die Bruchmechanik für die geforderte Startzahl und Betriebsstundenzahl zu erfüllen ist. Neben diesen Auslegungszielen, die der Erfüllung der mechanischen Integrität dienen, kommt noch das Auslegungsziel nach möglichst großer Formstabilität der Gehäuse, um möglichst kleine Schaufelspiele und damit den bestmöglichen Maschinenwirkungsgrad zu erzielen. Für druckführende Bauteile, sofern sie nicht der übergeordneten Druckbehälterverordnung [20.11] unterliegen, ist zusätzlich auf eine Formbeständigkeit bei Druckbelastung, Stabilität bei innerem bzw. äußeren Überdruck und Dichtigkeit für alle Betriebszustände zu achten. Die Druckbehälterverordnung wird i. d. R. bei Bauteilen wirksam, die im Sinne der Verordnung keine Druckgasbehälter sind und in denen durch die Betriebsweise ein Betriebsüberdruck entstehen kann, der größer als 0,1 bar ist. Die Druckbehälterverordnung ist nicht auf Zylinder und Gehäuse von Turbinen sowie auf Ringbrennkammern und Rohrringbrennkammern von Gasturbinen anzuwenden. Da Druck und Strömungstemperatur sich bei der Gasturbine i. d. R. gegenläufig in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur ändern (s. Kap. 34), ist für die Auslegung das ungünstigste Wertepaar aus Druck und zugeordneter Temperatur zu wählen.
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E. Maldfeld, M. Müller
Nachfolgend sind Beispiele für charakteristische Lastfälle an Gehäusekomponenten und Leitschaufelträgern aufgelistet. In der Berechnung sind Lastfälle, die gleichzeitig auftreten können, entsprechend zu überlagern: Lastfall 1: Lastfall 2: Lastfall 3: Lastfall 4: Lastfall 5: Lastfall 6: Lastfall 7: Lastfall 8: Lastfall 9: Lastfall 10:
Druck (innerer und/oder äußerer Überdruck), Eigengewicht, Drehmoment aus Leistung, Temperatur, Temperaturdifferenzen, Montage, Transport und Wendevorgänge, Schaufelstörfall, schlagartiger Läuferstillstand (Generatorkurzschluss), Erdbeben, dynamische Zusatzlasten.
20.4 Festigkeitsnachweise 20.4.1 Allgemeine Vorgehensweise Gehäuse und Leitschaufelträger haben i. d. R. eine sehr komplexe Form, die die Berechnung der Spannungen und Verformungen erheblich erschwert. Für die Bemessung hilft man sich meist dadurch, dass Leitschaufelträger und Gehäuse näherungsweise als schalenförmige Strukturen betrachtet werden. Für beide Komponenten liegen im Wesentlichen folgende drei Hauptbeanspruchungen in der Gehäusewand vor: 1. Der innere Überdruck führt zu einer stationären mechanischen Beanspruchung der Gehäusewand. Es treten Tangential-, Radial- und Axialspannungen auf, die von der Wandstärke und der Gehäuseform abhängen. 2. Im stationären Zustand treten unsymmetrische Temperaturfelder im Gehäuse auf. Diese Temperaturfelder führen zu unsymmetrisch behinderten Wärmedehnungen und damit verbundenen Wärmespannungen. Diese bewirken eine stationäre thermische Beanspruchung der Gehäusewand. 3. Die An- und Abfahrvorgänge sowie Lastwechselvorgänge bewirken instationäre thermische Beanspruchungen der Gehäusewand. Diese Beanspruchungen können, je nach Wanddicke und der Geschwindigkeit, mit der Lastwechselvorgänge ablaufen, deutlich über den stationären Beanspruchungen liegen. 20.4.1.1 Vordimensionierung Für die grobe Dimensionierung von schalenförmigen Gehäusebauteilen kann zunächst eine erste Abschätzung nach der Theorie des dickwandigen Rohres, vgl. z. B. Dubbel [20.12], erfolgen. Wird elastisches Werkstoffverhalten unterstellt, können die sich in der Gehäusewand durch die Wirkung des inneren Druckes pi ergebenden
20 Gehäuse und Leitzeug
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Radial-, Tangential- und Axialspannungen näherungsweise nach folgenden Gleichungen berechnet werden: r 2 r 2 r 2 r 2 r 2 r 2 i a a i p ; (20.1) r, p D pi a r r ra2 ri2 ra2 ri2 r 2 r 2 C r 2 r 2 r 2 C r 2 i a a i p ; (20.2) '; p D pi a r r ra2 ri2 ra2 ri2 ax, p D
pi ri2 pa ra2 : ra2 ri2
(20.3)
Vergleicht man die Tangentialspannungen aus (20.2) mit den Axialspannungen aus (20.3), kann man erkennen, dass die Tangentialspannungen in etwa 1,5 bis 2mal so hoch sind wie die Axialspannungen. Aus dieser prinzipiellen Betrachtung lässt sich für Gehäuse, die als Schweißkonstruktion ausgeführt werden, schließen, dass eine entlang des Umfangs verlaufende Schweißnaht geringer beansprucht wird als eine axial verlaufende Schweißnaht. Zu den mechanisch induzierten Spannungen können noch Thermospannungen, die durch den Wärmedurchfluss durch die Gehäusewand bedingt sind, auftreten. Dabei bilden sich auf der wärmeren Seite Druck- und auf der kälteren Seite Zugspannungen aus. Näherungsweise können diese Thermospannungen am Innendurchmesser der Gehäusewand durch T, i D
E 1 ˛ T Ki 2 1
(20.4)
E 1 ˛ T Ka 2 1
(20.5)
und am Außendurchmesser mit T, a D
ermittelt werden. Die Korrekturfaktoren Ki und Ka hängen von der Wandstärke des Gehäuses ab. Nach Bohl [20.13] kann für dünne Wandstärken, die etwa 3% des Innendurchmessers des Gehäusezylinders betragen, in (20.4) Ki D 1;06 und in (20.5) Ka D 0;94 angesetzt werden. Für dicke Wandstärken, etwa in der Größenordnung 10% des Innendruchmessers, gilt in (20.4) Ki D 1;2 und in (19.5) Ka D 0;8. Die Dehnungen in radialer und axialer Richtung lassen sich aus den Spannungen mithilfe des Hooke’schen Gesetzes ermitteln. Für die radiale Dehnung gilt nach Szabó [20.14]: "r D
1 r ' ax C ˛ T : E
(20.6)
Für die axiale Dehnung gilt entsprechend: "ax D
1 ax r C ' C ˛ T : E
(20.7)
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E. Maldfeld, M. Müller
Um die Radialverschiebung zu ermitteln, muss (20.6) über den Radius integriert werden: Zr u.r/ D ri
1 r .Qr / ' .Qr / ax .Qr / drQ C ˛ E
Zr T .Qr /drQ :
(20.8)
ri
Wird als erste Näherung eine lineare Temperaturverteilung über der Gehäusewand angesetzt, erhält man für die Temperaturverteilung: T .r/ D Ti
Ti Ta Œr ri : ra ri
(20.9)
Mit (20.6), (20.1)–(20.3) und (20.9) erhält man schließlich am Außenradius ra für die Radialverschiebung folgende Beziehung: 1 u.r D ra / D 2 E ra ri2
1 1 ri ra
ri2 ra2 .pa pi C pa C pi /
C .ra ri / pi ri2 2 pi ri2 pi ra2
T 1 T 2 C ˛ Ti .ra ri / ra ri2 C ri .ra ri / : 2 ra ri ra ri (20.10)
Für die konstruktiv gestalteten Komponenten von Leitschaufelträger und Gehäuse ist in gleicher Weise bei der Berechnung der Festigkeitsnachweis auf Basis der maßgebenden instationären Temperaturverteilung zu führen. Dabei ist die Festigkeit, die Anrisslastwechselzahl für LCF-Belastung sowie die Dauerfestigkeit für HCF-Belastung nachzuweisen. 20.4.1.2 Rechnerischer Festigkeitsnachweis Da Gasturbinengehäuse und Leitschaufelträger i. d. R. eine komplexe Gestalt haben und nicht den in (20.1)–(20.5) skizzierten Beanspruchungen genügen, werden für diese Komponenten die auftretenden instationären Spannungsverteilungen i. d. R. mithilfe von thermoelastischen Finite-Elemente-Berechnungen (FEM) ermittelt. Die Beanspruchungen werden dann in mittlere Wandspannungen, die den Membranspannungen im Behälterbau entsprechen, und Biegespannungen zerlegt. Bei kombinierten Beanspruchungen wird die Summe aus Membran- und Biegespannung gebildet und diese Summe dann wie eine Membranspannung behandelt. Die maßgebenden Festigkeitskennwerte sind die Bruchfestigkeit Rm für spröde Werkstoffe, die Streckgrenze Rp0;2 für duktile Werkstoffe, die unterhalb der Übergangstemperatur Tü (vgl. Abschn. 19.2.1.3) beansprucht werden und die Zeitstandfestigkeit Rm; 100 000 h für Komponenten, die oberhalb von Tü eingesetzt werden.
20 Gehäuse und Leitzeug
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Für Komponenten aus spröden Werkstoffen, die unterhalb von Tü eingesetzt werden, ergeben sich folgende Bezugsspannungen: BD
Rm .Tmax / : S1
(20.11)
Beim Einsatz duktiler Werkstoffe sind die Bezugsspannungen folgendermaßen zu bilden: BD
Rp0;2 .Tmax / : S2
(20.12)
Nach den AD-Merkblättern [20.15, 20.16] ist bei Sphäroguss mit nicht definierter Kerbschlagarbeit in (20.11) für den Sicherheitsbeiwert S1 3;5 zu wählen. Für Gusseisen mit Lamellengrafit ist S1 > 4 zu wählen. Für S2 in (20.12) ist in Abhängigkeit der Werkstoffgruppe Walz- und Schmiedestahl sowie Stahlguss bzw. Sphäroguss mit definierter Kerbschlagarbeit ein Wert von 1;5 S2 2;4 anzusetzen. Bei Beanspruchung oberhalb von Tü ist in (20.11) anstelle der Zugfestigkeit die Zeitstandfestigkeit für 100 000 h (Rm; 100 000 h / als Werkstoffkennwert einzusetzen. Für Bauteile aus duktilen Materialien, deren Funktion durch eine Verformung beeinträchtigt werden kann, wird bei Temperaturen oberhalb von Tü in (20.12) der entsprechende Mindestwert der 0;2, 0;5 oder 1,0% Zeitdehngrenze für 100 000 h, je nach der Anforderung an die Formstabilität des Bauteiles, angesetzt. Neben der statischen Festigkeit der Gehäuse ist auch deren Ermüdungsfestigkeit nachzuweisen. Durch das An- und Abfahren der Gasturbine ergeben sich transiente Änderungen des Druckes und der Temperatur und somit entsprechende Lastzyklen für die Beanspruchungen in den Gehäusebauteilen. Der Nachweis der Ermüdungsfestigkeit kann z. B. in Anlehnung an den ASME Boiler and Pressure Vessel Code, Sektion VIII, Kategorie 2 [20.17] geführt werden. Bei Druckbehältern wird nach der in Deutschland maßgebenden Regel AD-S2 [20.18] der Nachweis der Ermüdungsfestigkeit ab 1000 Beanspruchungszyklen erforderlich. Gehäuse von Gasturbinen müssen i. d. R. eine deutlich höhere Zahl von Beanspruchungszyklen, z. B. 5000 Start-Stopp-Vorgänge, bewerkstelligen, sodass eine Bemessung nach dem ASME Boiler and Pressure Vessel Code eine gute Orientierungsbasis bietet. Als weitere Regelwerke für den rechnerischen Festigkeitsnachweis bei der Auslegung von Gehäusebauteilen kann zum einen auch die FKM-Richtlinie „Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile“ [20.19] angewendet werden. Die Abkürzung FKM steht für „Forschungskuratorium Maschinenbau e.V.“. Das FKM ist eine Dienstleistungsorganisation des VDMA (Verband Deutscher Maschinenund Anlagenbau e.V.), die industrielle Gemeinschaftsforschung im gesamten Bereich des Maschinenbaus unterstützt und fördert. Dabei ist vor der Anwendung der FKM-Richtlinie zu klären, welche konstruktiven Details als festigkeitsrelevant angesehen werden, um für diese dann den Nachweis gemäß der Richtlinie zu führen. Zum anderen kann der Eurocode für Bauten aus Stahl und Aluminium [20.20], wie z. B. der Abstützung des Gehäuses der Gasturbine zum Fundament, zur Anwendung kommen. Allgemein bietet [20.21] eine besonders ausführliche Übersicht über die Berechnungsverfahren zur Ermüdungsfestigkeit im Maschinenbau.
Gewalzte Stahlbleche
Austenitischer Sphäroguss
210 210
130
0,29 0,29
0,28
0,28
170–185
Vergütungsstahlguss Austenitischer Stahlguss Sphäroguss
0,3 0,3 0,3 0,3 0,28
215 215 215 195–210 165–185
GS-38 GS-45 GS-42 CrMo 4 G-X 6 CrNi 18-9 EN-GJS-400-15 (alte Bezeichnung: GGG-40) EN-GJS-600-3 (alte Bezeichnung: GGG-60) EN-GJSA-XNiCr 20-3 (alte Bezeichnung: GGG-NiCr 20-3) 17 Mn 4 15 Mo 3
Stahlguss
[–]
E [GPa]
Werkstoff
Tabelle 20-1 Eigenschaften von Gehäusewerkstoffen
21 19
5
3
25 22 12 20 15
A5 [%]
440 420
390
700
380 450 885 440 400
Rm
235 220
215
380
200 230 665 175 250
Rp0;2 [MPa]
[W=(m K)] bei 300 °C 35 35 35 18 37 33 18 38 40
[kg=m3 ] 7850 7850 7850 7900 6900 7100 7500 7850 7850
13;5 13;0
17;7
13;5
13;0 13;0 13;0 17;7 13;7
˛ [106 =K] bei 300 °C
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697
In Tabelle 20-1 sind einige typische Gehäusewerkstoffe und ihre wesentlichen Eigenschaften zusammengestellt. Dabei handelt es sich zum einen um typische Stahlguss- und Graugusswerkstoffe, zum anderen aber auch um speziell hochtemperaturbeständige Gusswerkstoffe. Außerdem sind die entsprechenden Eigenschaften für zwei typische warmfeste Walzstähle, wie sie für geschweißte Gehäuse häufig zur Anwendung kommen, aufgeführt.
20.4.2 Flächenpressungen Bei Komponenten des Gehäuses und am Leitschaufelträger können an verschiedenen Stellen Flächenpressungen auftreten. Grundsätzlich sind dabei große Berührungsflächen mit teilweise inhomogener Pressungsverteilung und kleine Berührungsflächen zu unterscheiden. Typischerweise treten Flächenpressungen an der Teilfugenfläche, an den Umfangsflanschen der einzelnen Gehäusesegmente und an den Rohranschlussflanschen auf. Weiterhin treten Flächenpressungen an den Schaufelverhakungen der Leitschaufeln in den Leitschaufelträgern sowie an den Führungssegmenten der Leitschaufelträger mit dem Gehäuse auf. Außerdem sind die Pratzen zur Aufnahme des Gehäuses auf den Lagerstützen, die Schottbleche zum Trennen von Räumen unterschiedlichen Drucks, die Führungsstifte und die Kulissensteine Elemente, an denen sich Flächenpressungen ausbilden. Bei der Überprüfung der Flächenpressung ist zu unterscheiden, ob an der Kontaktstelle eine Relativbewegung auftritt oder nicht. An Flanschen und der Teilfugenfläche treten i. d. R. keine Relativbewegungen auf. An der Aufnahme des Leitschaufelträgers im Außengehäuse tritt beispielsweise beim An- und Abfahren infolge des unterschiedlichen Aufwärmverhaltens eine LCF-Relativbewegung auf. Je nach Lastfall können in instationären Betriebspunkten auch HCF-Relativbewegungen, die bei der Übertragung von Strömungskräften auf das Gehäuse entstehen, an den Berührungsebenen von benachbarten Komponenten auftreten. Bei Kontaktstellen mit Relativbewegung ist ein möglichst niedriger Wert der Flächenpressung (Größenordnung 20 MPa) anzustreben. Unter Umständen sind an solchen Kontaktstellen Verschleißschutzsysteme, wie z. B. Nitrierschichten, vorzusehen. Für Komponenten ohne Relativbewegung sollte die Flächenpressung unterhalb eines Wertes von Rp0;2 =1;5 liegen.
20.4.3 Schrauben 20.4.3.1 Allgemeines Schraubenverbindungen sind bei den Gehäusekomponenten ein häufig auftretendes Konstruktionselement. Für die Berechnung einfacher Schraubenverbindungen, die keinem besonderen Temperatureinfluss unterliegen, können gängige Regelwerke wie AD-Merkblatt B7 [20.22], DIN 2510 [20.23] oder VDI-Richtlinie 2230 [20.24] herangezogen werden. Für hochbeanspruchte Schrauben ist bei der Berechnung ins-
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besondere für warmfeste Schrauben oberhalb von 350 °C ein ausreichend großer Abstand von der Streckgrenze vorzusehen, da die Tragfähigkeit zum einen durch temperaturbedingte Änderungen der mechanischen und physikalischen Werkstoffeigenschaften [20.25] und zum anderen durch die sich transient einstellenden Temperaturdifferenzen zwischen Flansch und Schraube beeinträchtigt wird. Beim Anfahren der Gasturbine erwärmen sich i. Allg. die Schrauben langsamer als die Flansche, weshalb durch den Einsatz von Dehnhülsen möglichst große Dehnlängen erzielt werden sollten. Infolge des Relaxierens der Schrauben muss die Restspannung, die nach Ablauf der angestrebten Betriebsdauer noch vorhanden ist, noch die einwandfreie Funktion der Schraubenverbindung gewährleisten. In besonderen Fällen kann nach [20.25] bei Relaxieren der Schrauben ein wiederholtes Nachspannen der Schrauben durchgeführt werden. Dabei ist durch entsprechende Messungen zu gewährleisten, dass die jeweils erforderliche Vorspannkraft in der Schraubenverbindung wirksam ist. Für besonders beanspruchte Schrauben kann es erforderlich sein, diese nur für einen Revisionszeitraum zu bemessen und nicht für die gesamte angestrebte Nutzungsdauer der Gasturbine. 20.4.3.2 Flanschverschraubungen Die Flanschverschraubungen müssen während aller Betriebszustände die Dichtheit des Gehäuses gewährleisten (vgl. Abschn. 20.4.4). Die Vorspannkraft bei Montage muss alle Effekte, die sich infolge der Temperaturdehnung des Gehäuses während des Betriebes einstellen, berücksichtigen. Nachfolgend soll kurz vereinfacht skizziert werden, welche Effekte dabei zu beachten sind. Wenn die Temperaturdifferenz zwischen Flansch, Schraube und Hülse mit T bezeichnet wird, so kann die Wärmedehnung der Schraubenverbindung mit "D
˛FL hGO T ls C lh
(20.13)
berechnet werden. Dabei wird mit hGO die Höhe des Flansches im Gehäuseoberteil bezeichnet. Die Hülsenlänge ist lh und die Schraubenlänge ls . Im elastischen Fall ergibt sich die Spannung im Schraubenschaft mit der Schraubenlänge ls D hGO C lh zu D
Es ˛FL hGO T : .hGO C lh / C lh
(20.14)
Bei einer konstruktiven Ausführung ohne Dehnhülse wird in (20.14) lh D 0 und die Spannung im Schraubenschaft steigt an. Aus der Vorspannkraft Fv resultiert in der Schraube die Spannung Fv v D 2 : 4 ds
(20.15)
Um bei der Vordimensionierung Relaxationseffekte zu berücksichtigen, sollte diese Spannung weniger als 60% der Zeitstandfestigkeit Rm; 100 000 h bei der Be-
20 Gehäuse und Leitzeug
699
triebstemperatur betragen. Weiterhin hat die Methode des Schraubenanzugs einen Einfluss auf diese Spannung. Generell kann bei torsionsfreiem Anziehen (z. B. hydraulisches Anziehen) der Schraubenverbindung eine höhere Vorspannung ertragen werden. Die Kraft FS in der Schraube setzt sich aus der Kraft FD , die zum Dichten der Teilfuge benötigt wird und der Betriebskraft FB , die aus dem inneren Druck des Gehäuses resultiert, zusammen: FS D FD C FB :
(20.16)
20.4.4 Auslegung von Teilfugenflanschen Wie bereits in Abschn. 20.2 erwähnt, haben die Gehäuse der großen Gasturbinen i. d. R. eine horizontale Teilfuge. Für eine erste Dimensionierung kann für die Beanspruchungen folgendes abgeschätzt werden [20.13, 20.26]. Zur Vereinfachung wird ein Flansch mit durchgehender Dichtung betrachtet. Dann ergibt sich das in Abb. 20-6 gezeigte Kräftegleichgewicht pro Längeneinheit.
M pi ri
FS z y x
ra ri t Δq
t a x
q b
Δq
Abb. 20-6 Kräftegleichgewicht am Horizontalflansch eines zylindrischen Gehäuses
700
E. Maldfeld, M. Müller
Das Kräftegleichgewicht in vertikaler Richtung (y-Richtung) in Abb. 20-6 beträgt pi ri C qb N
FS D0: t
(20.17)
In (20.17) ist q (in MPa) die Flächenpressung, t (in mm) ist die Schraubenteilung, die den Abstand zwischen zwei benachbarten Teilfugenschrauben bezeichnet und b (in mm) ist die Breite des Teilfugenflansches. Momentengleichgewicht bezüglich des Ursprungs des Koordinatensystems liefert Zb pi ri2
CM C
xq. Q x/d Q xQ D 0
FS .ri C a/ ; t
(20.18)
wobei M (in N) in (20.18) das Moment pro Längeneinheit ist. In (20.18) wird nach Traupel [20.26] für die Verteilung der Flächenpressung über die Flanschbreite q.x/ Q D qN C
2xQ b q a
(20.19)
angesetzt. Multipliziert man dann (20.17) mit ri und subtrahiert diese von (20.18), erhält man schließlich FS q qN M D qbr N i: a b2 C (20.20) t 2 6 In (20.20) ist M wieder das Moment pro Längeneinheit. Dieses Moment M beinhaltet einen Anteil aus den thermischen Spannungen sowie aus dem inneren Überdruck. Traupel [20.26] schlägt einen Ansatz mit einer logarithmischen Temperaturverteilung über der Gehäusewand vor. Damit erhält man schließlich für q die folgende Gleichung. FS a ri2 pi Fp C ˛ETFT t (20.21) q D 3qN C 6 b2 Fp und FT sind Abkürzungen, die Traupel [20.24] für die Integration verwendet. Schließlich ergibt sich nach Traupel [20.24] für 1 Y 2 ln Y 2 Y 1 2
(20.22)
2 Y ln Y Y21 1 : 2.1 / Y 2 1 4 ln Y
(20.23)
Fp .Y / D und für FT .Y / D
In (20.22) und (20.23) bezeichnet Y D ra =ri .
20 Gehäuse und Leitzeug
701
Zur Vordimensionierung nimmt man nun eine mittlere Pressung qN an, berechnet nach (20.17) die auf die Teilung t bezogene Schraubenkraft FS =t, berechnet nach (20.21) die Differenzflächenpressung q. Damit kein Klaffen auftritt, muss die resultierende Flächenpressung an der Außenkante des Flansches größer als der Innendruck pi sein. Durch die transienten Vorgänge beim An- und Abfahren der Gasturbine sowie die zu berücksichtigende Relaxation der Schraubenverbindung im Hochtemperaturbereich liefern (20.17)–(20.23) nur einen ersten Anhaltspunkt. In der Regel werden die Flansche inklusive der Schraubenverbindung mittels FEM-Berechnungen ausgelegt.
20.4.5 Schweißverbindungen Für den rechnerischen Festigkeitsnachweis von geschweißten Gehäusekomponenten von Gasturbinen stehen im Wesentlichen drei Konzepte zur Verfügung: Nennspannungskonzept, Strukturspannungskonzept oder Kerbspannungskonzept, vgl. [20.21]. Beim Nennspannungskonzept berücksichtigt die Nennspannungs-WöhlerLinie sämtliche Einflüsse wie Werkstoff, Geometrie, Oberflächenzustand und Kerbwirkung. Weil bei Schweißverbindungen i. d. R. eine hohe Kerbwirkung auftritt, hat sich schon früh die Einführung von Kerbklassen etabliert (vgl. hierzu z. B. [20.27]), die für den Nachweis herangezogen werden können. Alternativ können auch Qualitätsfaktoren gemäß dem Structural Welding Code der American Welding Society [20.28] für die Bewertung nach dem Nennspannungskonzept verwendet werden. Der Strukturspannungsnachweis wurde speziell zur besseren Bewertung von Schweißverbindungen entwickelt und hat einen hohen Entwicklungsstand (vgl. [20.29]). Dabei wird am sog. „hot spot“ (vgl. [20.21]) durch die Unterscheidung zwischen Bauteilkerbwirkung und Nahtkerbwirkung die Übertragbarkeit von Beanspruchbarkeitskennwerten des Nahtübergangs gesichert. Dabei wird mit „hot spot“ die erwartete Rissausgangsstelle bezeichnet, die i. d. R. aus Dehnungsmessungen oder aus Berechnungen mit der Methode der Finiten Elemente bekannt ist. Das Kerbspannungskonzept basiert auf dem jeweiligen Kerbeffekt eines Bauteils und bezieht sich im einfachsten Fall auf die wahre Dauerfestigkeit bei Belastung mit konstanter Amplitude [20.21]. Bei der Modellierung des Bauteils mittels FEM wird die Schweißnaht inklusive der Wurzel abgebildet (vgl. z. B. [20.30]), sofern das FEModell für das geschweißte Bauteil inklusive der Schweißnaht nicht zu groß ist. Bei allen drei Konzepten wird jeweils eine Methode definiert, mit der die im Bauteil zu erwartenden Beanspruchungen mit den in Regelwerken (z. B. [20.17–20.19]) definierten Beanspruchbarkeiten verglichen werden können, um den Nachweis der Ermüdungsfestigkeit durchzuführen. Entsprechend der ISO-Richtlinie für Konstruktionsanforderungen bei Gasturbinen [20.31] sollten Schweißungen an druckführenden Bauteilen immer entsprechend der Section VIII, Division 1 [20.32] und der Section IX des ASME Boiler and Pressure Vessel Code [20.33] oder ähnlichen nationalen Standards durchgeführt werden.
702
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20.4.6 Dynamische Auslegung Bei der dynamischen Auslegung der Abstützungen und des Gehäuses sind im Wesentlichen das Verhalten der Maschine im Normalbetrieb zu beachten sowie die Sicherheit im Fall eines Schaufelschadens und bei einem Erdbeben, falls es für den Aufstellungsort relevant ist. Der Störfall „Versagen des Läufers“ wird bei den Gehäusen von schweren Gasturbinen durch die bruchmechanische Auslegung der Rotoren, die ein Versagen des Läufers durch Bersten von Scheiben oder Bruch des Rotors verhindern soll, praktisch ausgeschlossen (vgl. dazu auch ISO Sicherheitsrichtlinie [20.10]). Die Statorteile können dabei nicht alleine betrachtet werden, sondern bilden ein gekoppeltes dynamisches System mit dem Wellenstrang, der aus Gasturbinen- und Generatorläufer besteht. Auch mit dem Fundament besteht eine Wechselwirkung, insbesondere wenn es sich dabei um eine Stahlkonstruktion handelt. Selbst ein auf dem Baugrund aufliegendes Betonfundament muss mitberücksichtigt werden. Für den Normalbetrieb der Gasturbine ist zunächst die Steifigkeit der Abstützung eine wichtige Schnittstelle zwischen der dynamischen Läuferauslegung (vgl. Abschn. 19.2.2) und der Gehäusekonstruktion. Die Abstützungssteifigkeit sollte so gewählt sein, dass die Eigenfrequenzen des Gesamtsystems aus Wellenstrang, Turbinengehäuse und Fundamentstruktur genügend Abstand zum Betriebsdrehzahlbereich aufweisen. Dadurch wird die Maschine unempfindlich gegen die unvermeidlichen Unwuchtanregungen, die z. B. durch thermische Verkrümmungen des Läufers oder Verschmutzung der Schaufeln entstehen. Auch auf genügend Dämpfung der Abstützungen muss geachtet werden. Die Dämpfungswirkung entsteht im Wesentlichen durch den Ölfilm der Gleitlager, durch Reibung in Fügestellen der Abstützungsstruktur und durch die Abstrahlung von Schwingungsenergie in den Untergrund. Diese Größen lassen sich insgesamt nur schwer vorhersagen. Deshalb werden meist Erfahrungswerte von schon ausgeführten, ähnlichen Konstruktionen verwendet. Die Wirkung der Abstützung auf das Gesamtsystem hängt stark von der jeweiligen Schwingungsform ab: Hat die Eigenform große Auslenkungen an den Abstützungsstellen, so kann sie durch eine geeignete Abstützungskonstruktion gut gedämpft werden. Befindet sich die Abstützung jedoch an einem Schwingungsknoten, so ist sie am Geschehen unbeteiligt und ihr Einfluss auf das Gesamtsystem ist gering. Bei einem Schaufelschaden entstehen durch die Unwucht am Turbinenläufer große Schwingungsbeanspruchungen in den Abstützungen; ein Versagen der Abstützungen führt zwangsläufig zu einem Bruch des Wellenstranges und damit zum Totalschaden der Maschine. Die Dimensionierung der Abstützungen beginnt mit der Annahme der beim Schaufelschaden zu erwartenden Unwucht. Üblicherweise geht man davon aus, dass mehrere Schaufelblätter der ersten Verdichterlaufreihe bzw. der letzten Turbinenlaufreihe im Schadensfall abreißen. Ausgehend von dieser Unwucht werden dann die Kräfte und die Auslenkungen in den Abstützungen berechnet. Eine Schwierigkeit dieser Berechnung besteht darin, dass das Verhalten der Struktur bei diesen großen Amplituden nicht mehr linear ist, weil z. B. das Lagerspiel überbrückt ist. Nichtlineare Berechnungsverfahren stehen zwar seit langem zur Verfügung, aber
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703
eine realistische Modellbildung ist schwierig. Solche Auslegungen müssen daher immer mit Betriebserfahrungen korreliert werden. Zunehmend kommt bei diesen Berechnungen die Methode der Finiten Elemente (FEM) mit Komplettmodellen im 2D-Schnitt oder Teilmodellen in 3D zum Einsatz. Während beim Schaufelschaden die Schwingungsanregung aus dem Inneren der Maschine kommt, wirkt sie während eines Erdbebens von außen auf die Struktur ein. Die Schwingungsanregung wird dabei mit tiefen Frequenzen (0–10 Hz) über die Verdichterstützen bzw. den Grundrahmen der Gasturbine in die Struktur eingeleitet. Auch hier ist es wichtig, dass unter allen Umständen die Ausrichtung des Wellenstranges erhalten bleibt, da ein Verrücken der Gasturbine auf dem Fundament hohe Biegewechselbeanspruchungen in der Welle erzeugt, die zum schnellen Bruch führen würden. Bei dem Sicherheitsnachweis ist eine Zusammenarbeit von ortskundigen Geologen, den Bauingenieuren für das Fundament und den Berechnungsingenieuren aus der Gasturbinenentwicklung unerlässlich.
20.5 Zusammenfassung Gasturbinengehäuse sind komplexe Strukturen, bei deren Konstruktion und Auslegung viele gegenläufige Aspekte Berücksichtigung finden müssen. Je nach Maschinengröße kommen verschiedenste Konstruktionsprinzipien, vom Gussgehäuse bis zum geschweißten Gehäuse, zum Einsatz. Die für die einzelnen Komponenten eingesetzten Werkstoffe müssen zum Teil sehr hohen Temperaturen über lange Zeiträume standhalten. In einigen Gehäusebereichen sind Verschleißschutzschichten für Relativbewegungen vorzusehen, in anderen Bereichen Wärmedämmschichten mit Zunderbeständigkeit und hoher Korrosionsbeständigkeit. Außerdem ist für das Außengehäuse eine Isolierung vorzusehen. Für die erste grobe Dimensionierung der meist schalenförmigen Gehäusestrukturen können analytische Lösungen herangezogen werden. Jedoch werden zunehmend dreidimensionale Berechnungsmodelle mit der Methode der Finiten Elemente (FEM) angewendet, um für komplex geformte Strukturen und die verschiedenen Lastfälle den Nachweis der Betriebsfestigkeit führen zu können.
Literaturverzeichnis 20.1. DIN EN 1561: Gießereiwesen – Gusseisen mit Lamellengraphit. Berlin: Beuth, 1997 20.2. DIN EN 1563: Gießereiwesen – Gusseisen mit Kugelgraphit. Berlin: Beuth, 2005 20.3. Schatt, W., Simmchen, E., Zouhar, G.: Konstruktionswerkstoffe des Maschinen- und Anlagenbaus. Stuttgart: Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, 5. Auflage, 1998 20.4. Kaufmann, H.: Zur schwingfesten Bemessung dickwandiger Bauteile aus GGG-40 unter Berücksichtigung gießtechnisch bedingter Gefügeungänzen. Darmstadt: FraunhoferInstitut für Betriebsfestigkeit, Bericht Nr. FB-214, 1998 20.5. Janssen, S., Maldfeld, E., Braun, J.: Repair Welding of Nodular Iron Castings for Heavy Duty Gas Turbines. Detroit: Materials Science and Technology, Processing and Product Manufacturing, S. 303–314, 2007
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E. Maldfeld, M. Müller
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Kapitel 21
Spalte Arnd W. Reichert
21.1 Grundlagen In diesem Kapitel werden in Abgrenzung zu den verschiedensten Füge- und Dehnspalten einer Gasturbine nur die Radial- und Axialspalte oder -spiele zwischen Rotor und Stator behandelt. Diese Spalte sind aufgrund der Relativbewegung zwischen Rotor und Stator erforderlich. Sie sind in zweierlei Hinsicht von Bedeutung für den Betrieb der Gasturbine: der durch diese Spalte dringende Leckagemassenstrom hat großen Einfluss auf die Leistungsdaten der Gasturbine. Die in möglicherweise zu eng gewählten Spalten auftretenden Anstreifvorgänge können zu Bauteilschäden führen. Dies kann zum einen die Beschaufelung, zum andern auch die Welle und die Wellendichtungen betreffen. Die möglichen Folgen des Anstreifens für das Schwingungsverhalten werden in Kap. 30.7 behandelt.
21.1.1 Einfluss der Spalte auf die Eckdaten des Kreisprozesses Über den Schaufelreihen von Turbine und Verdichter der Gasturbine liegt bestimmungsgemäß eine Druckdifferenz an, die den Leckagemassenstrom durch die Rotor-Stator-Spalte hervorruft. Dieser Leckagemassenstrom nimmt in der Turbine nicht an der Energieumsetzung innerhalb der Beschaufelung teil, im Verdichter verringert er den arbeitsintensiv gewonnenen Druck. Gleichzeitig stört die Spaltströmung die Primärströmung innerhalb der Beschaufelung und erzeugt so innerhalb der Primärströmung zusätzliche Verluste. In der Folge wird durch die Spaltströmung der Wirkungsgrad von Verdichter und Turbine verringert. Da in modernen Gasturbinen etwa doppelt soviel Leistung in der Turbine umgesetzt wird wie im Verdichter, wirken sich Veränderungen des Turbinenwirkungsgrades etwa doppelt so stark auf den Gasturbinenwirkungsgrad aus wie Veränderungen des Verdichterwirkungsgrads. Schätzungen für die Spaltverluste der Turbine belaufen sich auf rund ein Drittel der gesamten Strömungsverluste der Turbine. Damit
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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706
A. W. Reichert
ergibt sich für den Umfang der Spaltverluste ein nennenswerter Prozentbetrag der Gasturbinenleistung. Der Umfang der Spaltverluste hängt stark von den Leckagemassenströmen der jeweiligen Gasturbine ab. Diese werden durch die Spaltweite, die anliegende Druckdifferenz und die Spaltgeometrie bestimmt.
21.1.2 Anteile von Spalten An die in einem stabilen Fertigungsprozess herzustellenden Spaltweiten werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Daher wird zur näheren Erläuterung im Folgenden der einzelne Spalt entsprechend den Anforderungen in einzelne Anteile zerlegt. Anhand der Abb. 21-1 werden die einzelnen Anteile der Spaltvorgaben veranschaulicht:
Ausrichttoleranz Spalt
Fertigungsabweichungen größter Spalt größter Warmspalt
kleinster Spalt
kleinster Warmspalt
Toleranzband
stationäre Spaltverengung
größter Kaltspalt kleinster Kaltspalt
instationäre Spaltverengung Sicherheit
Zeit
Abb. 21-1 Anteile von Spaltvorgaben, Erläuterung und Benennung
Als Kaltspalt wird der Spalt bezeichnet, der bei der Montage und bei kalten Bauteilen der Gasturbine vorliegt. Als Warmspalt bezeichnet man den Spalt, der sich im thermischen Beharrungszustand bei stationärem Betrieb der Gasturbine einstellt. Die Differenz zwischen Warm- und Kaltspalt ist die stationäre Spaltverengung. Die stationäre Spaltverengung ergibt sich aus den Dehnungen der Bauteile im Beharrungszustand aufgrund ihrer mittleren Temperatur, aufgrund der Fliehkraft und aufgrund der Druck- und Gaskräfte. Spalttoleranzen ergeben sich aus Abweichungen von der Sollkontur der Rotorund Statorkomponenten sowie der genau zentrischen Ausrichtung des Rotors zu den Statorteilen. Ein weiterer Anteil des vorgegebenen Kaltspalts dient als Sicherheit gegen Anstreifen. Die Sicherheit ist aufgrund der Ungewissheit des tatsächlichen Warmspalts über den gesamten Betriebsbereich der Gasturbine oder bei außergewöhnlichen Operationen, wie zum Beispiel bei überhöhten Schwingungen oder bei Erdbeben, erforderlich. Die Sicherheit kann reduziert werden, wenn im Rahmen der Konstruk-
21 Spalte
707
tion Vorkehrungen getroffen werden, die die Folgen eines Anstreifens soweit herabsetzen, dass ein Bauteilversagen ausgeschlossen werden kann. Die instationäre Spaltverengung wird durch zeitabhängige Dehnungen der einzelnen Gasturbinenkomponenten hervorgerufen. Bis zur vollständigen Durchwärmung der Gasturbine im Beharrungszustand können die einzelnen Komponenten stark unterschiedliche Temperaturen annehmen. Diese Temperaturunterschiede bewirken Verkrümmungen und Ovalisierungen, wenn sie in einem einzelnen Bauteil auftreten und unterschiedlich große Dehnungen der beiden Bauteile, wenn sie zwischen verschiedenen Bauteilen auftreten. Die auf den Bauteilen lastenden Gaskräfte variieren mit dem Betriebszustand der Gasturbine und rufen während des Startzyklus unterschiedlich große Verformungen der Bauteile hervor. Alle genannten Faktoren sind bei der Spaltauslegung zu berücksichtigen, um einen minimalen Warmspalt im stationären Betrieb zu erhalten.
21.2 Spaltauslegung Das wesentliche Problem bei der Spaltauslegung ist die hohe Genauigkeitsanforderung in Verbindung mit der hohen Anzahl der zu berücksichtigenden Komponenten und deren geometrische Komplexität. Der Weg von einer Schaufelspitze in der Turbine zu der gegenüberliegenden Statorfläche führt von der Schaufel und deren Verhakung über eine Vielzahl von Rotorscheiben, das Gleitlager, die Lagerstützen, den verschiedenen Außengehäusen, den Turbinenleitschaufelträger und der Verhakung zu der Heißgasauskleidung der Turbine. Die instationäre Ausdehnung dieser vielen, zum Teil sehr komplexen Teile wird durch so viele einzelne thermische Randbedingungen, Materialeigenschaften und Toleranzen bestimmt, dass eine rein theoretische Bestimmung nicht den Genauigkeitsanforderungen genügt. Eine vollständig rechnerische Ermittlung der instationären Spaltverengung setzt daher die sorgfältige Kalibrierung des Rechenverfahrens an experimentellen Daten voraus. Die zur Messung von Radialspalten eingesetzten Verfahren werden in Abschn. 33.1 vorgestellt. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei dem Fahrzyklus der relevanten Betriebszustände vom Start über die Erwärmung, das Abfahren und das Auskühlen bis zum nochmaligen „warmen“ Wiederanfahren zu widmen. Unabdingbar für viele Bauteile des Stators ist auch die Berücksichtigung der vollen räumlichen Struktur der Komponenten. Der Fahrzyklus während des Starts einer Gasturbine hat vielfältigen Einfluss auf die Spalte. Die Fliehkraftdehnung der Rotorbauteile verkürzt die Radialspalte erheblich und beeinflusst wegen der Querkontraktion des Rotors auch die Axialspalte. Die Turbinenschaufeln erreichen sehr schnell hohe Materialtemperaturen und verringern durch ihre Dehnungen ebenfalls die Spalte. Die Tragstrukturen von Rotor und Stator erreichen unterschiedlich schnell ihre Betriebstemperatur. Aus den sich instationär ergebenden Temperaturdifferenzen können ebenfalls zusätzliche Spaltverringerungen resultieren [21.1]. Eine besondere Problematik entsteht dadurch, dass der Rotor beim Auskühlen nach dem Abschalten der Gasturbine ein grundsätzlich anderes zeitliches Verhal-
708
A. W. Reichert
Tabelle 21-1 Eingabedaten für ein vereinfachtes Spaltmodell Allgemeine Daten Startzeit bis Volllast Auskühlzeit bis zum Re-Start Radius Rotor Radius Gehäuse Radiale Dehnung Rotor unter Fliehkraft
600 s 30 000 s 1,1 m 1,3 m 1,0 mm
Komponentendaten
Rotor
Stator
Schaufel
Starttemperatur Kalt Wärmeausdehnungskoeffizient Mittlere Temperatur bei Volllast Zeitkonstante Aufheizen Zeitkonstante Auskühlen
15 °C 1;2 105 1=K 400 °C 1000 s 54 000 s
15 °C 1;2 105 1=K 400 °C 2000 s 10 800 s
15 °C 1;2 105 1=K 800 °C 100 s 1000 s
ten aufweist als der Stator. Während beim Rotor nur über die Beschaufelung die gespeicherte Wärme an den Kaminzug abgegeben werden kann, erfolgt beim Stator die Wärmeabgabe über relativ große Flächen sowohl des Außenmantels als auch der Beschaufelung. In der Folge kühlt der Rotor wesentlich langsamer aus als der Stator. Als Konsequenz erreichen während des Auskühlens die Spalte ein Minimum, das i. d. R. kleiner ist als der Kaltspalt. Ein erneutes Starten zu diesem Zeitpunkt minimaler Spalte ruft während des Anfahrzyklus engere Spalte als beim Start einer ausgekühlten Maschine hervor. Zur Verdeutlichung der für die Radialspalte maßgeblichen instationären Vorgänge soll ein stark vereinfachtes Modell aus einem Rotorelement, einer Laufschaufel und einem Gehäuseelement betrachtet werden. Jedes Element ist in seinem Dehnungsverhalten durch eine mittlere Temperatur, einen mittleren Radius und einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten beschrieben. Der zeitliche Verlauf der Dehnungen wird durch eine Exponentialfunktion bestimmt, die durch die Anfangs- und Endtemperatur und eine Zeitkonstante bestimmt ist. Die Zeitkonstante ist für eine reine Exponentialfunktion als die Zeit gegeben, nach der die Aufheizung des Bauteils zu 63% erfolgt ist. Diese Zeitkonstante variiert für jedes Bauteil und nimmt auch jeweils für den Aufheiz- und den Abkühlvorgang stark unterschiedliche Werte an. In Tabelle 21-1 sind Zeitkonstanten angegeben, die bei einer Heavy-Duty-Gasturbine angetroffen werden können. Diese Werte unterliegen einer Varianz, die sich je nach Gestaltung der Rotorkomponenten und der Führung der Sekundärluft ergibt und die mehr als einen Faktor 2 ausmachen kann. In Abb. 21-2 wird eine Auswertung dieses Modells für den Radialspalt zwischen Schaufelspitze und innerer Gehäusekontur gezeigt. Man erkennt, dass der minimale Spalt, der hier beispielhaft zu 0,0 mm gewählt wurde, beim warmen Wiederanfahren der Gasturbine nach 5 h auftritt. Nach vollständiger Durchwärmung ergibt sich ein Betriebsspalt von 3,0 mm. Zum Erreichen dieser Spaltkonstellation ist beim Zusam-
21 Spalte
709 120%
450,0 °C Konstruktionsspalt kalt
400,0 °C
einsetzende Fliehkraftdehnung und Aufheizen der Schaufeln
350,0 °C Temperatur
300,0 °C 250,0 °C
100% maximale Spaltverengung während des Auskühlens
80%
60% 200,0 °C Betriebsspalt Volllast
150,0 °C
40%
100,0 °C
Temperatur Rotor Temperatur Stator Radialspalt Drehzahl Rotor
50,0 °C 0,0 °C 0s
5000 s
10 000 s
Radialspalt
fehlende Fliehkraftdehnung und Auskühlen der Schaufel
15 000 s
20 000 s
25 000 s
30000 s
35000 s
40000 s
20%
0% 45000 s
Zeit
Abb. 21-2 Zeitabhängige Veränderung der Radialspalte nach einem vereinfachten Modell
menbau der (kalten) Maschine ein Spalt von 5,0 mm vorzusehen. Die in ausgeführten Maschinen erreichten Spalte sind etwas kleiner. Einen typischen Betriebszyklus zeigt auch Abb. 33-2. Das „warme“ Wiederanfahren der Gasturbine zum Zeitpunkt minimaler Spalte stellt hinsichtlich der Spalte die kritischste Betriebsart dar und erfasst somit i. d. R. die für die Auslegung der Spalte relevanten Betriebszustände der Gasturbine. Durch die Berücksichtigung von Verschiebungstrajektoren (vgl. Abschn. 21.3.3) können hier Verbesserungen erreicht werden.
21.3 Gestaltung von spaltbestimmenden Bauteilen 21.3.1 Einfluss von Rotorbauformen und Kühlkonzepten Die für den sicheren Betrieb mindestens erforderliche Spaltweite wird durch wesentliche konstruktive Merkmale des Gesamtkonzepts der Gasturbine bestimmt. Hier spielen die Bauformen von Rotor und Stator und das eingesetzte Kühlkonzept eine entscheidende Rolle. Beide beeinflussen die Bauteiltemperaturen und deren zeitliche Entwicklung. Größere Differenzen in den Bauteiltemperaturen von Rotor und Stator, ob sie nun stationär oder vorübergehend während des Betriebszyklus auftreten, führen i. d. R. zu erweiterten Warmspalten. Für grundsätzliche Untersuchungen zu diesem Phänomen kann die während eines Betriebszyklus zwischen einzelnen Bauteilen auftretende maximale Temperaturdifferenz dienen. Betrachtet man die Antwort auf einen Temperatursprung der zwei Bauteile umströmenden Luft, so hängt die maximal während des Betriebszy-
710
A. W. Reichert
klus zwischen den Bauteilen auftretende Temperaturdifferenz nur von der Höhe des Temperatursprungs und dem Verhältnis der thermischen Zeitkonstanten der Bauteile ab. Geringe Spalte lassen sich folglich durch ähnlich große thermische Zeitkonstanten der Bauteile (ähnliche Gewichte, Wärmeübergangszahlen und wärmeübertragende Flächen) sowie durch geringe Kühllufttemperaturen für Rotor und Stator erzeugen. Speziell die erste Forderung lässt sich beispielsweise durch die Konstruktion des aus einzelnen Scheiben „gebauten Rotors“ erfüllen, da dieser ähnlich den Statorbauteilen geringes Gewicht mit großer wärmeübertragender Oberfläche vereint. Beim Einsatz eines Kühlluftkühlers zur Verringerung der Spalte sind dem Nutzen der Wirkungsgradsteigerung in der Turbine und dem geringeren Kühlluftverbrauch die nachteiligen Effekte auf den Kreisprozess und die höheren Gesamtkosten der Kraftwerksanlage gegenüberzustellen.
21.3.2 Gestaltung der Statorbauteile, Justiervorrichtungen Im Gegensatz zu den mechanisch hoch belasteten Rotorbauteilen bestehen bei den Statorbauteilen wesentlich mehr Freiheitsgrade bezüglich der Außenkonturen, der Gewichtsverteilung, der Materialwahl etc. Dadurch können speziell durch die Gestaltung des Stators die o. g. Forderungen nach gleichen Zeitkonstanten für die Rotor- und Statorbauteile erfolgreich umgesetzt werden. Hier sind intensive Studien bezüglich des thermischen Verhaltens und der daraus resultierenden Verformungen erforderlich. Ziel dieser Untersuchungen ist es, eine möglichst geringe stationäre wie instationäre Spaltverengung zu erzielen. Aber die Statorbauteile sind auch noch mit einer anderen Zielsetzung zu gestalten. Durch die Einarbeitung von Justiervorrichtungen erlauben die Statorbauteile eine optimale Ausrichtung von Rotor zu Stator während der Montage der Gasturbine. In Kap. 20 wird dieser Aspekt ausführlicher behandelt.
21.3.3 Berücksichtigung von Verschiebungstrajektoren, Einlaufschichten Während eines vollständigen Fahrzyklus beschreibt ein beliebiger Punkt eines Bauteils einen Weg in der Ebene des Längsschnitts durch die Gasturbine. Trägt man diese Verschiebungstrajektoren zweier direkt gegenüberliegender Punkte von Rotor und Stator gegeneinander auf, so stellt man fest, dass die Punkte zu verschiedenen Zeitpunkten auf den Verschiebungstrajektoren nicht mehr direkt einander gegenüberliegen. Vielmehr liegen zu jedem Zeitpunkt unterschiedliche Punkte jeweils der Rotor- und der Statorkontur einander direkt gegenüber. Jeder Punkt hat seine eigene Trajektorie, die nicht deckungsgleich mit der Trajektorie der Ausgangspunkte ist und i. d. R. eine Spaltverengung bewirkt. Trajektorien einzelner Punkte von Rotor und Stator lassen sich mit Finiteelementverfahren berechnen.
21 Spalte
711
Ersetzt man die üblicherweise zylindrische Kontur von Rotor und Stator durch eine Kontur, die eine Einhüllende der Verschiebungstrajektoren der Ausgangspunkte darstellt, so verschieben sich die Bauteile derart, dass die Trajektoren aller gegenüberliegender Punkte annähernd zusammenfallen. Dadurch kann die instationäre Spaltverengung deutlich verringert werden. Durch die Verwendung von Einlaufschichten lässt sich automatisch statorseitig eine derartige einhüllende Kontur während des Betriebs der Gasturbine erzeugen. Einlaufschichten sind dünne Schichten von wenigen Millimetern Dicke aus weichem Material wie z. B. Keramik, die mit geringem energetischem Aufwand mechanisch abgearbeitet werden können. Bei der Verwendung von Einlaufschichten werden die Spalte bewusst so eng gewählt, dass es zum Anstreifen zwischen Rotor und Stator kommt. Durch den Anstreifvorgang arbeitet sich der Rotor in den Stator ein und hinterlässt die Spur der Relativbewegung zum Stator. Der sich nun einstellende Betriebsspalt ist kleiner als ohne die Verwendung von Einlaufschichten. Das so erzielte Ergebnis kann bezüglich der minimalen Betriebsspalte unter gleichzeitiger Anpassung der Rotorkontur noch weiter optimiert werden.
21.3.4 Anstreifkanten Anstreifkanten sind konstruktive Elemente, die den Wärmeeintrag während des Anstreifereignisses in die in Kontakt tretenden Bauteile derart reduzieren, dass keine unzulässigen Temperaturen oder Dehnungen auftreten. Anstreifkanten erlauben eine deutliche Reduzierung der erforderlichen Sicherheiten gegen Anstreifen in den Spaltvorgaben und führen damit insgesamt zu kleineren Betriebsspalten. Siehe dazu Abschn. 14.1 (Verdichter) und 15.3 (Turbine).
21.3.5 Aktive Methoden Bei den oben erwähnten passiven Methoden der Spaltkontrolle wird bewusst das thermische Verhalten der Bauteile durch eine entsprechende Formgebung oder Materialauswahl so aufeinander abgestimmt, dass ein minimaler Betriebsspalt erreicht wird. Mit aktiven Methoden der Spaltoptimierung – einer aktiven Steuerung von Bauteiltemperaturen, -bewegungen oder -dehnungen in Abhängigkeit von dem Betriebszustand der Gasturbine – lässt sich eine weitere Minimierung der Betriebsspalte erzielen [21.2]. Beim Einsatz aktiver Methoden ist jeweils eine Abwägung zwischen dem mit diesen Methoden erzielten zusätzlichen Nutzen und dem entsprechenden technischen Mehraufwand und dem zusätzlichen Betriebsrisiko durchzuführen. Auf dieser Basis kommen bei stationären Gasturbinen derartige aktive Methoden zum Einsatz, durch die mit geringem Mehraufwand eine große Spaltverringerung im stationären Betrieb erreicht werden kann [21.3, 21.4].
712
A. W. Reichert
Literaturverzeichnis 21.1. Janssen, M., Seume, J., Zimmermann, H.: The model V84.3A shop tests: Tip clearance measurements and evaluation. In: ASME-Paper 94-GT-319, 1994. 21.2. Lattime, S. B., Steinetz, B. M.: Turbine Engine Clearance Control Systems: Current Practices and Future Directions. In: NASA/TM-2002-211794 / AIAA-2002-3790, 2002. 21.3. Maghon, H., Stöcker, B., Granser, D.: 50-Hz Heavy Duty Gas Turbines – Experience and Evolution. In: Power Gen Asia 2005, 2005. 21.4. Clearance Sale, In: Modern Power Systems, JAN 2006, pp. 42–43.
Kapitel 22
Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung Stefan Verstege und Frank Böckel
22.1 Einführung Die Gleitlager bilden die Schnittstelle zwischen dem Läufer mit Laufbeschaufelung und dem Gehäuse mit Leitbeschaufelung. Ihre Aufgabe ist die Positionierung dieser Komponenten zueinander (Einhaltung der Spiele), sowohl in radialer als auch in axialer Richtung, und das Übertragen statischer sowie dynamischer Kräfte (Gewichtskraft des Läufers, Unwuchtkräfte). Der Ölfilm der Gleitlager dämpft durch unvermeidliche Restunwuchten bedingte Rotorschwingungen; er kann jedoch seinerseits selbsterregte Schwingungen verursachen, die bei geeigneter Auslegung vermieden werden. Die Gleitlager spielen daher für das Systemverhalten und die Betriebssicherheit des Turbosatzes eine wichtige Rolle. Mit der Weiterentwicklung stationärer Gasturbinen zu Einheiten größerer Leistung und Leistungsdichte wachsen die Anforderungen an die Gleitlager, die bei immer höheren Umfangsgeschwindigkeiten betrieben werden und deren spezifische Belastung steigt.
22.2 Grundlagen Für die Gleitlager von Turbomaschinen wird in der Regel Öl als Schmiermittel verwendet, das die Gleitflächen bei genügend hohen Gleitgeschwindigkeiten (hydrodynamisches Gleitlager) oder durch extern aufgebauten Druck (hydrostatisches Gleitlager) völlig voneinander trennt und dadurch niedrige (Flüssigkeits-)Reibung und im Idealfall völlig verschleißfreien Betrieb sicherstellt. Die Funktions- und Verschleißsicherheit hängt maßgeblich vom vorliegenden Reibungszustand ab. Die möglichen Reibungszustände im Radiallager lassen sich anhand der Stribeck-Kurve (Abb. 22-1) erläutern. Die über der Winkelgeschwindig-
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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714
S. Verstege, F. Böckel
f f0
A
F = konst. hydrodynamisches Lager Mischreibung a
Flüssigkeitsreibung D
ϑ = konst. Betriebspunkt
fmin
B
b
C ϑ = konst. hydrostatisches Lager
ω=0
ωn
ωtr
ω
Abb. 22-1 Reibungszustände im Gleitlager (Stribeck-Kurve, nach [22.1])
keit ! aufgetragene Reibungszahl f ist für Radiallager definiert als 2 MR FR D F F d mit FR Reibkraft; F radiale Lagerlast; MR Reibmoment; d Lagerdurchmesser. Entlang der Stribeck-Kurve werden folgende Reibungszustände durchlaufen: Für ! D 0 (A) besteht Kontakt zwischen Welle und Lager. Hier gilt annähernd das Coulomb’sche Gesetz der Festkörperreibung, nämlich f D
FR0 F mit f0 D mechanischer Reibbeiwert; FR0 Reibkraft. Mit zunehmender Winkelgeschwindigkeit sinkt die Reibungszahl und erreicht bei der Übergangsdrehzahl !tr das Reibungsminimum (B). Für ! > !tr steigt die Reibungszahl wieder an. Dieser Reibungszustand wird als Mischreibung bezeichnet, es besteht neben Flüssigkeitsreibung auch Festkörperreibung. Im Bereich der Mischreibung gilt typischerweise 0;1 < f < 0;01. Bei weiter steigender Winkelgeschwindigkeit verschwindet die Festkörperreibung, es besteht reine Flüssigkeitsreibung (C). Hier ist die Reibung wesentlich geringer, etwa 0;01 < f < 0;001. Nur in diesem Gebiet der Flüssigkeitsreibung ist ein verschleißsicherer Betrieb möglich, so dass für hydrodynamische Gleitlager der Betriebspunkt stets hier liegen muss. Die Kurve a gilt für eine konstante Lagertemperatur und damit für konstante Schmierstoffviskosität. In der Praxis ist diese Annahme unzutreffend. Da die Temperatur im Schmierfilm mit der Gleitgeschwingigkeit ansteigt, nimmt die Viskosität ab, so dass der Anstieg der Reibungszahl abgeschwächt wird (Kurve b). f0 D D
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
715
Darüber hinaus ist in Abb. 22-1 der Anfahrzustand für ein hydrostatisches Lager dargestellt.
22.2.1 Strömungsmechanische Grundlagen Für die Berechnung der Strömungsvorgänge im Schmierspalt eines Gleitlagers werden häufig die folgenden vereinfachenden Annahmen getroffen: • der Schmierstoff ist eine Newton’sche Flüssigkeit (die Schubspannung ist dem Geschwindigkeitsgefälle proportional); • der Schmierstoff ist inkompressibel; • die Strömung im Schmierspalt ist laminar; • Trägheitskräfte des Schmierstoffs sind vernachlässigbar klein; • die Schmierspalthöhe ist klein gegenüber den Lagerabmessungen; • die Gleitflächen der Lagerbauteile sind ideal glatt und starr; • die Schmierstoffviskosität ist im gesamten Schmierspalt konstant. Einige dieser Annahmen sind immer hinreichend genau erfüllt, andere dagegen in einigen Anwendungsfällen, z. B. bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten, nicht. 22.2.1.1 Viskosität von Schmierstoffen Die sowohl für hydrodynamische als auch hydrostatische Schmierung entscheidende Eigenschaft eines Schmierstoffes ist seine dynamische Viskosität . Sie ist von Druck und Temperatur abhängig. Bei den meisten Schmierstoffen nimmt sie mit steigender Temperatur stark ab, mit steigendem Druck zu. Bei den zur Schmierung von Gleitlagern eingesetzten Mineralölen muss i. Allg. nur die Temperaturabhängigkeit der Viskosität berücksichtigt werden. Die kinematische Viskosität ist das Verhältnis von dynamischer Viskosität zur Dichte : D : In Abb. 22-2 ist die dynamische Viskosität von Schmierölen für die nach DIN 51519 genormten Viskositätsklassen in Abhängigkeit der Temperatur dargestellt. Die Viskositätsklasse gibt die kinematische Viskosität in mm2 =s bei 40 °C an. So bedeutet z. B. die Angabe „ISO VG 32“: Der Schmierstoff hat bei 40 °C eine kinematische Viskosität von 32 mm2 =s ˙10%. 22.2.1.2 Strömungsvorgänge im Schmierspalt Unter den o. g. vereinfachenden Annahmen stellt sich im Schmierfilm von Gleitlagern eine laminare Strömung ein, die sich i. Allg. zusammensetzt aus • Scherströmung mit linearem Geschwindigkeitsprofil (Couette-Strömung) und • Druckströmung mit parabelförmigem Geschwindigkeitsprofil (Hagen-PoiseuilleStrömung).
716
S. Verstege, F. Böckel
104 mPas 6 4 2
ISO 150 -V 0 G 10 00 68 0
46
6 4
10 2 Viskosität η
Dichte ρ=900 kg/m3
0 32 0 22 0 15 0
103
0
68 46
102
32
6
22
4
15 10
2
7 101
5
6
3
4
2 2 100 20
30
40
50 60 70 Temperatur ϑ
80 90 100
120 °C 150
Abb. 22-2 Dynamische Viskosität von Schmierölen (nach [22.1])
Für den konvergierenden Schmierspalt gilt h2 @p y y y 1 : uDU 1 h 2 @x h h Die Vorgänge einer Scherströmung lassen sich im einfachsten Fall an einem von zwei ebenen, parallelen Flächen begrenzten Spaltraum der Länge l, der Breite b (b l/ und konstanter Höhe h gemäß Abb. 22-3 zeigen. Wird die den Spaltraum
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
717
feststehende Wand τ dy
p(0)
z
y
p
p h
τ dx
p(l)
x bewegte Wand U
U U
Δp = p(0)–p(l) = 0 Abb. 22-3 Scherströmung im ebenen Schmierspalt
nach unten begrenzende Wand in x-Richtung mit der Geschwindigkeit U bewegt, so ist die örtliche Geschwindigkeit bei gleich großen Randdrücken p.0/ und p.1/ nur von der Spalthöhenkoordinate y, nicht hingegen von x und z abhängig. Es gilt dann y dp D 0u D U 1 : dx h Damit ergeben sich: • • • •
Volumenstrom Qx D U b h2 ; Schubspannung D Uh ; Reibkraft FR D b l Uh ; 2 Reibleistung PR D b l Uh .
Zwei für das Verständnis der Strömungsvorgänge in Gleitlagern wichtige Feststellungen lassen sich aus dieser Betrachtung ableiten: • In einem Spalt konstanter Höhe baut sich kein Druck auf, wenn die Wände nur in Längsrichtung zueinander bewegt werden. • Die Reibkräfte (Scherkräfte) im Fluid hängen – anders als bei Coulomb’scher Reibung – nicht von der Normalkraft, sondern von der Spaltgeometrie, der Viskosität und der Geschwindigkeit ab. Auch im einfachsten Fall einer Druckströmung lassen sich die Strömungsvorgänge an dem zuvor definierten Spaltraum zeigen: bei einer Wandgeschwindigkeit U D 0 und einer Differenz p zwischen den Randdrücken ergibt sich ein parabelförmiger,
718
S. Verstege, F. Böckel
feststehende Wand
τ + dτ p(0)
dy
U
y z
p + dp
p
τ dx
p(l)
h
U
x feststehende Wand
Δp = p(0)–p(l) > 0 b >> l Abb. 22-4 Druckströmung im ebenen Schmierspalt
bei einem Spalt ohne Seitenfluss (b l) ebenfalls nur von der Spalthöhenkoordinate y abhängiger Geschwindigkeitsverlauf gemäß Abb. 22-4. Es gilt dann p h2 p y y dp D I uD 1 : dx l 2l h h Damit ergibt sich der Volumenstrom zu b h3 : 12 l Auch aus dieser grundsätzlichen Betrachtung zur Druckströmung lassen sich wichtige Feststellungen für die Strömungsvorgänge in Gleitlagern treffen: Qx D p
• Um einen „ruhenden“ Spalt konstanter Höhe mit einem viskosen Fluid zu durchströmen, ist eine Differenz zwischen den Randdrücken erforderlich. • Aus der Druckverteilung im Spalt ergibt sich eine Kraft, die einer äußeren Belastung das Gleichgewicht halten kann. Geht man unter Beibehaltung der bisherigen Annahmen vom ebenen Spalt mit parallelen Gleitflächen zum Keilspalt mit konvergierenden Gleitflächen über, so ergibt sich der grundlegende Strömungszustand für ein hydrodynamisch wirkendes Gleitlager. In einem derartigen Keilspalt gemäß Abb. 22-5 stellt sich, wenn die untere Wand mit der Geschwindigkeit U in x-Richtung bewegt wird, ein Druckverlauf mit
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
719
l Druckströmung
fests
tehe
nde
Scherströmung hmax
reine Scherströmung
Wan d Stromlinie
resultierendes Geschwindigkeitsprofil hmin
y x, u
z p(0)
u bewegte Wand
U
U
p(l)
u U
Druckmaximum pmax
p y z
x p(0)
p(l) = p(0)
Abb. 22-5 Überlagerung von Scher- und Druckströmung im Keilspalt
einem zur x-Richtung asymmetrisch liegenden Druckmaximum (dp=dx D 0) ein. An dieser Stelle liegt reine Scherströmung vor. Im Bereich vor dem Druckmaximum steigt der Druck an (dp=dx D 0), so dass sich der Scherströmung eine ihr entgegengesetzt gerichtete Druckströmung überlagert. Im dahinter liegenden Bereich fällt der Druck ab (dp=dx D 0), d. h. der Scherströmung wird eine gleich gerichtete Druckströmung überlagert. Druckanstieg bzw. -gefälle sind an jeder Stelle genau so groß, dass der aus Scher- und Druckströmung resultierende Volumenstrom über der Länge konstant ist. In Abb. 22-5 sind die entsprechenden Geschwindigkeitsprofile für den Spaltanfang, die Stelle des Druckmaximums und für das Spaltende dargestellt. In hydrodynamischen Gleitlagern wird somit ein tragender, die Gleitflächen trennender Schmierfilm durch die Gleitbewegung selbst erzeugt.
22.2.2 Lagertypen, Lagerbauformen 22.2.2.1 Hydrodynamische Axialgleitlager Im Axialgleitlager wird die hydrodynamisch erzeugte Druckkraft gleich der axialen Lagerkraft FA . Für eine vollständige Trennung der Gleitflächen ist eine Mindest-
720
S. Verstege, F. Böckel
Abb. 22-6 Prinzipieller Aufbau hydrodynamischer Axialgleitlager
gleitgeschwindigkeit erforderlich, um Festkörper- bzw. Mischreibung sicher zu vermeiden. Abbildung 22-6 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines Axialgleitlagers, bestehend aus Welle, Laufring, Axiallagerring und Lagergehäuse. Die Kontaktfläche zwischen Laufring (sog. Spurscheibe) und Axiallagerring stellt dabei die Lauffläche des Lagers dar. Die zum hydrodynamischen Druckaufbau erforderlichen konvergenten Spalte entstehen durch eingearbeitete Keilflächen des Axiallagerringes oder durch kippbewegliche Segmente. Die Auswahl der Lagerbauart erfolgt abhängig von den Betriebsbedingungen: für hohe oder wechselnde Flächenpressungen und/oder häufiges An- und Abfahren unter Last werden kippbewegliche Segmente gewählt, da sich der konvergente Spalt optimal einstellt. Da die verfügbare Lauffläche von Axialgleitlagern in Lagersegmente aufgeteilt ist, wird die Segmentgeometrie idealisiert: die als Kreisringsektoren ausgeführten Lagersegmente werden bei Bezug auf den mittleren Axialringradius rm durch flächengleiche Rechtecksegmente der Breite b und der Länge l angenähert. Aus dieser geometrischen Idealisierung ergibt sich auch, dass die Gleitgeschwindigkeit U gleich der mittleren Umfangsgeschwindigkeit um D ! rm gesetzt werden kann.
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
721
Für diese hydrodynamisch wirksame Druckfläche eines Rechtecksegmentes lässt sich die Druckverteilung p.x;z/ bei vorgegebenem Spaltverlauf h.x;z/ unter Berücksichtigung der Kontinuitätsbedingung für eine stationäre Lagerbelastung durch die Reynolds’sche Differentialgleichung beschreiben: @ @h @ @p @p h3 C h3 D 6U @x @x @z @z @x mit x Koordinate in Umfangsrichtung; z Koordinate in Breitenrichtung; dynamische Viskosität; h D h.x;z/ Spalthöhe. 22.2.2.2 Hydrodynamische Radialgleitlager Der hydrodynamische Druckaufbau beim Radialgleitlager entsteht dadurch, dass eine mit Spiel in einer Lagerschale unter Radiallast rotierende Welle eine exzentrische Position einnimmt und dadurch auf der einlaufenden Seite einen konvergenten
Lager ϕ
b
F
Welle
Öl
D
e
R
ω
z
r
h(ϕ)
β FR
hmin
p(ϕ, z)
F R r D b p
radiale Lagerlast Lagerschalenradius Wellenradius Lagerdurchmesser Lagerbreite Öldrücke im Gleitraum
p(ϕ, z)
ϕ, z
e h hmin
ω β
FR
Koordinaten Exzentrizität Schmierspalthöhe kleinste Schmierspalthöhe Winkelgeschwindigkeit Richtungswinkel der Wellenverschiebung Reibungskraft
Abb. 22-7 Schema eines hydrodynamischen Radialgleitlagers (nach [22.1])
722
S. Verstege, F. Böckel
F
F
F
R
ω
ω
r
e β
hmin
Kreiszylinderlager
F
F
F
ω
ω
ω
Mehrflächenlager
ω
Radialkippsegmentlager
Abb. 22-8 Bauformen hydrodynamischer Radialgleitlager
und auf der auslaufenden Seite einen divergenten Schmierkeil bildet. Voraussetzung für einen Druckaufbau ist eine hinreichende Füllung des Spaltes der einlaufenden Seite. Abbildung 22-7 zeigt die Verhältnisse schematisch. Die Exzentrizität e der Welle stellt sich im Betrieb so ein, dass das Integral des Schmierstoffdruckes der radial gerichteten Lagerlast F das Gleichgewicht hält. Bei Variation von Lagerlast oder Drehzahl folgt – für das zylindrische Lager – die Verlagerungsbahn der Wellenachse einer halbkreisähnlichen Funktion. In Abb. 22-7 ist gleichzeitig der sich unter Last und Betriebsdrehzahl einstellende Druckverlauf p.';z/ qualitativ dargestellt. In Abb. 22-8 sind schematisch verschiedene Bauformen hydrodynamischer Radialgleitlager dargestellt. Man unterscheidet • Kreislager mit zylindrischer Bohrung, mit zwei Öltaschen; hohe Tragfähigkeit, aber niedrige Stabilitätsgrenze gegen selbsterregte Schwingungen; geringste Herstellkosten. • Mehrflächenlager, deren Bohrung aus mehreren (zwei bis vier) kreiszylindrischen Teilschalen besteht, deren Krümmungsmittelpunkte nicht mit dem Lagerbohrungsmittelpunktes zusammenfallen; symmetrische (für beide Drehrichtungen) oder unsymmetrische Ausführungen; geringere Tragfähigkeit, aber höhere Stabilitätsgrenze als Kreislager; höhere Kosten durch erhöhten Aufwand der mechanischen Bearbeitung. • Radialkippsegmentlager, bei denen sich – ähnlich dem Axialkippsegmentlager – kippbewegliche Segmente selbsttätig entsprechend den Betriebsbedingungen einstellen; die Segmente – üblicherweise drei, vier oder fünf – stel-
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
723
len Zylindersegmente dar, deren Mittelpunkte wiederum exzentrisch zur Lagermitte liegen: hohe Tragfähigkeit, gleichzeitig hohe Stabilitätsgrenze; höchster Fertigungs- und Montageaufwand durch große Anzahl an Komponenten. Setzt man x D r ', so nimmt die Reynolds’sche Differentialgleichung für hydrodynamische Radialgleitlager folgende Form an: @h @p @p @ @ h3 C r2 h3 D6U r @' @' @z @z @' mit ' Koordinate in Umfangsrichtung; z Koordinate in Breitenrichtung; dynamische Viskosität des Schmieröls; r Lagerradius; U D ! r Umfangsgeschwindigkeit der Welle; h D h.';z/ Spalthöhe. In dimensionsloser Darstellung ergibt die Integration der Druckverteilung die wichtigste Kennzahl eines Radialgleitlagers, die als Sommerfeld-Zahl bezeichnete Tragkraftkennzahl So D
pN 2 !N
mit pN D F=b d Flächenpressung, gebildet mit Lagerbelastung und projizierter Lagerfläche; D s=d relatives Lagerspiel; D Bohrungsdurchmesser; s D D d Lagerspiel; dynamische Viskosität; ! Winkelgeschwindigkeit der Welle. Eine weitere Kennzahl für die Dimensionierung von Radialgleitlagern ist die Reibwertkennzahl f D
f
D
2 MR F d
mit MR Reibmoment; F Lagerlast; d Lagerdurchmesser; relatives Lagerspiel. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Kennzahlen, der Sommerfeld-Zahl So und der Reibwertkennzahl f , lässt sich durch zwei Näherungsbeziehungen charakterisieren [22.2]. Im sogenannten Schnelllaufbereich, der durch kleine Sommerfeld-Zahlen und relative Exzentrizitäten gekennzeichnet ist (nahezu zentrischer Lauf der Welle in der Lagerschale), erhält man f D
f
D
3 : So
Für den so genannten Schwerlastbereich, der durch große Sommerfeld-Zahlen bzw. relative Exzentrizitäten gekennzeichnet ist, erhält man f D
f
3 Dp : So
22.2.2.3 Druckölentlastung, hydrostatische Anhebung Im Unterschied zu hydrodynamischen Gleitlagern wird bei hydrostatischen Gleitlagern der Schmierstoffdruck nicht im Schmierspalt, sondern extern durch eine Pumpe
724
S. Verstege, F. Böckel
erzeugt. Das Prinzip der hydrostatischen Lagerung wird vor allem dann angewendet, wenn infolge zu kleiner oder fehlender Relativgeschwindigkeit auf hydrodynamischem Wege kein tragender Schmierfilm aufgebaut werden kann, Mischreibung und damit verbundener Verschleiß aber vermieden werden sollen. Es ist möglich, innerhalb eines Lagers – abhängig von den Betriebsbedingungen – sowohl hydrodynamische als auch hydrostatische Schmierung zu realisieren. So haben die Lager bei hohen spezifischen Belastungen eine zusätzliche hydrostatische Schmiereinrichtung („Anfahrhilfe“) zur Sicherstellung ausreichend großer Schmierspalte im Turn-Betrieb sowie im unteren Drehzahlbereich beim Hoch- und Abfahren. Hierzu werden in die Unterschale des Lagers (bzw. die unteren Segmente) eine oder zwei flache Mulden eingearbeitet, denen das Drucköl über Bohrungen im Lagerkörper zugeführt wird. Der Druck für das Anheben der Welle aus dem Lager ist dann bd pM0 D pN K z bM l M mit K > 1 empirischer Vergrößerungsfaktor, von Lager- und Muldengeometrie abhängig; z Anzahl der Mulden; bM Breite der Mulde; lM Länge der Mulde; pN D F=b d Flächenpressung. Der Muldendruck bei angehobener Welle ist niedriger und kann wie auch der – mit der Anhebehöhe stark zunehmende – Ölbedarf berechnet werden.
22.2.3 Auslegungskriterien, Betriebsparameter 22.2.3.1 Statische Lagerkenngrößen Für die Dimensionierung von hydrodynamischen Gleitlagern hinsichtlich ihrer statischen Eigenschaften (Tragfähigkeit) gelten die folgenden beiden Kriterien: Die kleinste Schmierspalthöhe darf einen als zulässig bekannten Grenzwert nicht unterschreiten, um Mischreibung zu vermeiden, und die Maximaltemperatur von Schmiermittel und Lagerwerkstoff muss einen hinreichenden Abstand von deren Versagenstemperatur haben. Für die Lagerung von Turbomaschinen mit ihren hohen Umfangsgeschwindigkeiten ist das zweite Kriterium entscheidend. Darüber hinaus müssen Ölbedarf und Reibleistung der Lagerung bekannt sein, da sie die Dimensionierung der Ölversorgungsanlage (Pumpe und Kühler) und die Anlagenkosten beeinflussen; die Reibleistung mindert darüber hinaus den Gesamtwirkungsgrad. Eine Minimierung dieser beiden Kenngrößen ist daher stets Ziel der Lagerauslegung. 22.2.3.2 Dynamische Lagerkenngrößen Rotorschwingungen, bedingt durch einen unvollkommenen Wuchtzustand des Rotors (Restunwucht und Betriebsunwucht), sind unvermeidlich. Fällt die aktuelle Rotordrehzahl mit einer Biegeeigenfrequenz des Rotors zusammen (sog. biegekritische Drehzahl), so treten Amplitudenüberhöhungen auf, die ohne den dämpfenden
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
725
Einfluss des Lagerschmierfilms eskalieren würden. Die Auslegung eines Rotors, der oberhalb seiner ersten Eigenfrequenz betrieben wird, wie bei Turbomaschinen üblich, ist nur mit Kenntnis der Feder- und Dämpfungseigenschaften der Lagerschmierfilme möglich (s. Abschn. 30.3). Die instationären Schmierfilmkräfte wirken der Wellenbewegung entgegen. Diese Kräfte sind nichtlineare Funktionen von Lage und Geschwindigkeit des Wellenmittelpunktes. Durch Linearisierung der instationären Tragkraft in der Nähe des statischen Gleichgewichtspunktes lassen sich die Federungs- und Dämpfungseigenschaften des Schmierfilms durch Steifigkeits- und Dämpfungskoeffizienten cik bzw. bik annähern (vgl. Abb. 30-5). Für die instationären Tragkraftkomponenten Fx (horizontal) bzw. Fy (vertikal) gilt dann Fx D c11 x C c12 y C b11 xP C b12 yP ; Fy D Fstat C c21 x C c22 y C b21 xP C b22 yP mit xP D @x P D @y @t ; y @t . Macht man die Steifigkeits- und Dämpfungskoeffizienten wie folgt dimensionslos, ik D cik
3
2B !
bzw. ˇik D bik
3
2B
;
so hängen diese Koeffizienten für einen Lagertyp (Bohrungsform) nur vom Lagerbreitenverhältnis B=D und der Sommerfeld-Zahl ab. Bedingt durch die Anisotropie der Federungs- und Dämpfungseigenschaften des Schmierfilms, können im Gleitlager bei Überschreiten einer bestimmten Drehzahl (Stabilitätsgrenze) selbsterregte Schwingungen entstehen (oil whirl), die auch zur Anregung einer Biegeeigenfrequenz des Rotors führen können (oil whip). Die zur Anfachung und Aufrechterhaltung dieser selbsterregten Schwingungen erforderliche Energie wird dem Schmierfilm der Gleitlager entzogen. In der Praxis lassen sich beide Phänomene dadurch unterscheiden, dass die Frequenz von durch „oil whirl“ bedingten Schwingungen stets in einem festen Verhältnis zur Drehfrequenz steht, während „oil whip“ durch eine feste, durch die Rotoreigenfrequenz bestimmte Frequenz gekennzeichnet ist. Zur Berechnung der Stabilitätsgrenze und der Dämpfungsreserve bei Betriebsdrehzahl werden i. Allg. die linearen Steifigkeits- und Dämpfungskoeffizienten benutzt. Als Stabilitätsgrenze wird diejenige Drehzahl bezeichnet, bei der die Systemdämpfung genau einer der berechneten Biegeeigenformen zu Null wird, wobei eine weitere Drehzahlsteigerung zu negativer Dämpfung führt (vgl. Abschn. 30.9). Die Amplituden der selbsterregten Schwingungen werden sehr groß, so dass ein Betrieb oberhalb der Stabilitätsgrenze ausgeschlossen ist.
22.2.4 Berechnungsverfahren Die Berechnung der statischen und dynamischen Lagerkenngrößen ist nicht analytisch, sondern nur mit Hilfe numerischer Verfahren möglich. Dabei ist man im Hinblick auf Aufwand und Handhabbarkeit grundsätzlich bemüht, dem Anwen-
726
S. Verstege, F. Böckel
dungsfall angemessene vereinfachende Annahmen zu treffen. Dabei können folgende Gruppen von Rechenmodellen unterschieden werden: • Besonders einfach sind Modelle, die auf der Annahme einer im gesamten Schmierspalt konstanten, mit einer mittleren Temperatur (aus einer einfachen Wärmebilanz) gebildeten Viskosität beruhen. Unter dieser Voraussetzung lässt sich die zweidimensionale Reynolds-Gleichung für den Schmierfilmdruck allgemeingültig lösen. Ein solches Rechenmodell liegt der DIN 31652 zur Auslegung von Gleitlagern [22.3] zugrunde. • Bei schnelllaufenden Turbomaschinenlagern muss zur Berücksichtigung einer veränderlichen Viskosität neben der Reynolds-Gleichung simultan auch die Energiegleichung für den Schmierfilm gelöst werden, da beide über die lokale Strömungsgeschwindigkeit und die Viskosität miteinander gekoppelt sind. Wohl am weitesten verbreitet sind heute zweidimensionale Rechenmodelle, bei denen mit einer in Umfangs- und Breitenrichtung als veränderlich angenommenen, über der Spalthöhe dagegen konstanten Viskosität gerechnet wird. Gebildet wird diese mit kalorisch gemittelten Öltemperaturen, die sich aus der Lösung einer über der Spalthöhe integrierten Energiegleichung ergeben. Ein solches zweidimensionales Rechenmodell bildet auch die Grundlage der DIN 31657 [22.4]. • Bei Lagern mit hoher Energiedichte, d. h. hoher Umfangsgeschwindigkeit und hoher spezifischer Belastung, wird der zulässige Betriebsbereich durch die maximale Lagertemperatur begrenzt. Hier genügt eine Auslegung nach DIN 31657 nicht mehr, da die darin getroffenen Annahmen nicht mehr erfüllt sind. Das bedeutet, dass hier die über der Spalthöhe veränderliche Temperatur, die lokale Strömungsform (Taylor-Wirbel, Turbulenz), die Trägheitseffekte in den Taschen, die Dämpfung in den Kavitationsbereichen, die lokale thermische Taschenmischung, die Wärmeleitung in Welle und Schale, die Verformungen von Welle und Lager sowie die Abstützungseinflüsse bei Kippsegmentlagern mit berücksichtigt werden müssen. Das Programm ALP3T, das alle diese Zusatzeffekte berücksichtigt und sich damit von [22.4] unterscheidet, ist in [22.5] beschrieben. Es wurde in Kooperation zwischen Forschungsstellen und industriellen Anwendern entwickelt, und seine Ergebnisse wurden anhand experimenteller Untersuchungen verifiziert. Damit steht ein adäquates Werkzeug zur Vorausberechnung der statischen und dynamischen Eigenschaften von hydrodynamischen Gleitlagern für Turbomaschinen zur Verfügung. 22.2.4.1 Berechnungsbeispiel Im Folgenden werden beispielhaft mit dem Programm ALP3T ermittelte Ergebnisgrößen bei Variation einzelner Parameter dargestellt. Untersucht wird das sog. Tragspiegellager. Seine Bohrungsform ist ähnlich der eines Zweiflächenlagers; abweichend davon hat dieses Lager jedoch in einem als „Tragspiegel“ bezeichneten Teilbereich der Unterschale ein kleineres Spiel. Für alle Untersuchungen gelten folgende Daten: Breiten/Durchmesserverhältnis b=d D 0;8; Ölsorte ISO VG 32; Öleintrittstemperatur 55 °C; Ölaufwärmung 20 K.
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung Abb. 22-9 Höchste Temperatur in der Unterschale
727
150 140
Höchste Temperatur der Unterschale [°C]
130 120 110 100 90 80 70 60 50 0,0
0,5
1,0
: n= 3000 min–1
1,5
2,0
2,5
3,0 3,5 4,0 PQU N/mm2
: n= 3600 min–1
In Abb. 22-9 ist die berechnete höchste Temperatur in der Unterschale bei Variation der Belastung für ein Lager mit 500 mm Durchmesser und die Drehzahlen 3000 min1 und 3600 min1 dargestellt. Für 3000 min1 steigt die Temperatur mit der Belastung stetig, von ca. 90 °C bei 0,5 MPa bis auf über 140 °C bei 4 MPa. Ein anderer Verlauf ergibt sich bei 3600 min1 : für kleinere Belastungen von 0,5 bis 1,5 MPa bleibt die Temperatur nahezu konstant und ist geringer als bei 3000 min1 , um dann bei weiterer Belastungssteigerung stark anzusteigen. Erst bei Belastungen über 2 MPa liegt die Temperatur bei 3600 min1 über der bei 3000 min1 . Ursache für dieses charakteristische, in der Literatur als „Temperatursprung“ bezeichnete Verhalten ist ein – auf den Bereich kleinster Spalthöhen begrenzter – Strömungsumschlag. Die Laufflächentemperatur steigt sprunghaft an, wenn bei Steigerung der Belastung durch entsprechend verringerte Spalthöhen die Strömung in Teilbereichen des Schmierspaltes rein laminar wird, und sie fällt bei Drehzahlsteigerung infolge größer werdender Spalthöhen durch das Auftreten von Turbulenz sprunghaft ab. In Abb. 22-10 ist – wiederum bei Variation der Belastung – die Reibleistung für mehrere Lagerdurchmesser dargestellt. Die Reibleistung hängt nur wenig von der Lagerbelastung ab, steigt jedoch stark (näherungsweise mit der dritten Potenz!) mit dem Lagerdurchmesser.
728
S. Verstege, F. Böckel
Reibleistung [kW]
600
500
400
300
200
100
0 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
PQU N/mm2 : D = 200 mm : D = 450 mm
: D = 300 mm : D = 500 mm
: D = 400 mm : D = 560 mm
Abb. 22-10 Reibleistung
Abbildung 22-11 zeigt den kleinsten Schmierspalt für einen Lagerdurchmesser von 400 mm und mehrere Drehzahlen. Bei kleiner Drehzahl und hoher Belastung ergeben sich erwartungsgemäß die kleinsten Spalthöhen; diese sind mit 20 bis
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
729
100
Kleinster Schmierspalt [μm]
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
PQU N/mm2 : n = 500 min–1
: n = 1000 min–1
: n = 2000 min–1
: n = 3000 min–1
Abb. 22-11 Kleinster Schmierspalt
30 µm sehr gering und liegen in der Größenordnung der Filterfeinheit der Ölversorgung bzw. möglicher Oberflächenrauheiten. Daher werden solch geringe Spalthöhen durch hydrostatische Anhebung (s. Abschnitt 22.2.2.3) vermieden.
730
S. Verstege, F. Böckel
22.2.5 Lagerwerkstoffe Lager, Schmierstoff und Welle bilden ein tribologisches System. Der Lagerwerkstoff muss eine ausreichende mechanische Festigkeit, eine möglichst hohe Wärmeleitfähigkeit sowie ein ausreichendes Einbettungsverhalten aufweisen und im Zusammenwirken mit dem Wellenwerkstoff gute Notlaufeigenschaften besitzen. Als Notlaufeigenschaft eines Lagers wird die Fähigkeit des Lagermetalls verstanden, bei kurzzeitigem oder gar völligem Ausfall der Schmierung die Betriebsfähigkeit des Lagers kurzfristig aufrechtzuerhalten oder den Auslauf des Turbosatzes ohne sekundäre Schäden sicherzustellen. Die Beschädigung des Lagers wird dabei in Kauf genommen. Die besten Notlaufeigenschaften haben niedrigschmelzende Metalle geringer Härte, die bei örtlicher Erhitzung aufschmelzen und so die Reibung vermindern. Das Einbettungsverhalten kennzeichnet die Fähigkeit, Schmutz- oder Verschleißkörper in die Lauffläche der Lagerschale einzulagern. Der statischen Beanspruchung durch Druck- und Temperaturverteilung überlagern sich dynamische Lasten, gegen die der Werkstoff dauerfest sein muss. Für die Lager von Turbomaschinen kommen ausschließlich Weißmetalle, d. h. Legierungen auf Zinnbasis, zum Einsatz. In einer weichen Matrix, bestehend aus dem Hauptlegierungselement Zinn, sind härtere Teilchen, die aus intermetallischen Verbindungen und Mischkristallen bestehen, eingebettet. Das Weißmetall wird im Schleudergussverfahren in den rotierenden Lagerkörper eingebracht, der zuvor angewärmt und durch Zinnbad oder Auflöten der auszugießenden Fläche mit Zinn benetzt wurde. Die möglichst vollständige Bindung des Weißmetalls mit dem Lagerkörper ist für die Betriebssicherheit des Lagers von großer Bedeutung und stellt daher ein wesentliches Qualitätsmerkmal dar. Bei hochbeanspruchten Lagern ist daher eine vollständige Prüfung der Bindung unerlässlich. Zerstörungsfreie Verfahren zur Prüfung der Bindung und zulässige Abweichungen beschreibt DIN ISO 4386 [22.6, 22.7]. Die frühzeitige Erkennung und Beurteilung von Lagerschäden ist für einen sicheren Betrieb unerlässlich. Die Erkennung der primären Ursache von Lagerschäden ist schwierig, weil oft mehrere Faktoren gleichzeitig wirksam werden, die Zerstörung schon so weit fortgeschritten ist, dass eine Beurteilung nicht mehr möglich ist und Betriebszustände vor dem Schadenseintritt oft nicht mehr reproduzierbar sind. DIN 31661 [22.8] enthält Begriffsbestimmungen, äußere Merkmale und mögliche Ursachen betrieblicher Veränderungen und Schäden an hydrodynamischen Gleitlagern. Typische, öfter auftretende Schäden an Turbomaschinenlagern mit Weißmetallausguss sind: • Herstellfehler: Beeinträchtigung der Betriebssicherheit durch Qualität des Stützkörpers, d. h. ungünstige chemische Zusammensetzung, ungünstiger Gefügeaufbau, scharfer Übergang von extrem unterschiedlichen Wanddicken, und die Qualität des Lagerwerkstoffs, ungünstige chemische Zusammensetzung, d. h. ungünstige Schmelzführung, unzweckmäßiges Herstellverfahren und Nichteinhaltung der Gießbedingungen. • Verschmutzung: Gelangen metallische oder nichtmetallische Fremdkörper in den Schmierspalt, so werden diese, wenn sie nicht zu groß sind, nach kurzer Zeit
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
•
•
•
•
•
•
731
im Lagermetall eingebettet. Sind diese Fremdkörper zu zahlreich oder zu groß, kann die gesamte Lauffläche des Lagers verrieft werden. Die Fremdkörper können Rückstände von Fertigung oder Instandsetzung sein (Metallspäne, Gusssand) sowie auf schlechte Wartung und Filterschäden, aber auch auf Lagerschäden wie Ermüdung oder Auswaschung zurückgehen. Verschleiß durch Mischreibung: Sind die Bedingungen für hydrodynamische Schmierung nicht erfüllt (z. B. durch Überlastung, Verkantung, unzureichende Ölzufuhr), so wird über die Glättung der Rauigkeitsspitzen hinaus das Lagermetall in der Hauptbelastungszone abgetragen. Bei segmentierten Lagern (z. B. Axiallagern) kann das an der Auslaufkante abgetragene Lagermetall an der Einlaufkante des in Gleitrichtung folgenden Segments aufgetragen werden. Kriechverformung: Wird das Lager längere Zeit bei Betriebsbedingungen betrieben, die lokal durch Druck und Temperatur zur Überschreitung der Zeitstandfestigkeit des Lagermetalls führen, so treten auf der Oberfläche des Lagermetalls Kriechverformungen auf. Auf der Lauffläche bilden sich rissfreie Verformungen mit halbkreisförmiger Mulden- und Wulstbildung. Ermüdung: Wird die Dauerwechselfestigkeit des Lagermetalls bei Betriebstemperatur durch zu hohe dynamische Belastung und damit wechselnde Schmierfilmdrücke mit hohen Druckgradienten überschritten, so entstehen im Hauptbelastungsbereich netzartige Risse. Kavitationserosion: Durch hochfrequente Schwingungen und damit einhergehende hohe Beschleunigungen entsteht Kavitation. Die wiederholte Implosion von Kavitationsdampfblasen nahe der Lauffläche bewirkt eine lokale Ermüdung des Lagerwerkstoffs. In der Lauffläche werden Metallpartikel herausgerissen. Ein unzulässig hoher Wasseranteil im Öl oder ein nicht ausreichendes Luftabscheidevermögen des Öles fördern die Kavitation. Aus diesem Grunde sind eine regelmäßige Kontrolle der Eigenschaften des Öles und ggf. Maßnahmen (Ölpflege, Ölwechsel) unerlässlich. Tribochemische Reaktion, Korrosion: Durch tribochemische Reaktionen können aus dem Lagermetall selektiv einzelne Elemente korrodieren. Dies kann durch Öle mit aggressiven Eigenschaften bereits im Neuzustand oder nach längerer Gebrauchsdauer infolge Kontamination z. B. mit Wasser oder Verbrennungsrückständen hervorgerufen werden. Elektroerosion: Wird in Lagern elektrischer Maschinen (oder deren Antriebsmaschinen) durch vagabundierende Ströme Funkenerosion hervorgerufen, so wird sowohl auf der Welle als auch auf der Lagerlauffläche Metall abgetragen. Elektroerosion wird durch Erdung der Welle verhindert.
Zur Überwachung des Betriebsverhaltens und frühzeitigen Schadenserkennung werden Temperaturmessstellen in jenen Bereichen des Lagers angeordnet, an denen die höchsten Laufflächentemperaturen auftreten. Abhängig von der Betriebstemperatur eines Lagers wird eine Grenztemperatur festgelegt, bei deren Erreichen eine Warnmeldung erfolgt. Eine weitere, z. B. von der Versagenstemperatur des Lagerwerkstoffs abhängige Grenztemperatur führt zur Abschaltung des Turbosatzes.
732
S. Verstege, F. Böckel
22.3 GT-Lagerung, konstruktiver Aufbau 22.3.1 Lagerungskonzept der GT Der Gasturbinenläufer ist in zwei Radiallagern gelagert, das Turbinenlager im Abgaskanal und das Verdichterlager im Ansaugkanal. Ein doppeltwirkendes Axiallager ist nahe des Verdichterlagers angeordnet oder stellt mit diesem eine Einheit dar. Es handelt sich also um ein statisch vollständig bestimmtes System. Abbildung 22-12 zeigt einen Längsschnitt durch den Ansaugkanal mit dem Verdichterlager und den Abgaskanal mit dem Turbinenlager, dazu Ansichten von beiden Stirnseiten.
Abb. 22-12 Turbinen- und Verdichterlagerung
22.3.2 Radiallager Radiale Rippen im Abgaskanal tragen das Turbinenlagergehäuse mit dem Turbinenlager, einem Radialgleitlager. Durch diese Rippen sind auch die Leitungen für Schmieröl- und Anhebeöl, manchmal auch die Ölrücklaufleitung geführt. 22.3.2.1 Mehrflächenlager Häufig wird das Turbinenlager als Zweikeil- oder (bei nicht zu hohen Belastungen) als Vierkeillager ausgeführt. Sonderformen sind das sog. Taschenlager (Zweikeillager mit großen hydrodynamisch wirksamen Taschen) und das Tragspiegellager (ähnlich dem Taschenlager, jedoch ohne Taschenstege). Abbildung 22-13 zeigt ein Turbinenlager (Tragspiegellager) im Längsschnitt. Das Lager kann axial nach hinten ausgebaut werden; es ist deshalb nicht geteilt. Einstellbare Keile dienen der Ausrichtung in vertikaler und horizontaler Richtung. Um betriebsbedingte (thermische) Gehäuseverformungen auszugleichen und eine Verkantung des Lagers zu vermeiden, wird es um die Querachse drehbeweglich im Lagergehäuse aufgehängt. Die Öldichtheit ist turbinenseitig durch einen Lagerdichtungsring und eine Wellendichtung, abgasseitig durch den Lagerdeckel sichergestellt.
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
733
Abb. 22-13 Turbinenlager: Mehrflächenlager
22.3.2.2 Radial-Kippsegmentlager In Fällen hoher spezifischer Lagerbelastungen oder aus Gründen der rotordynamischen Auslegung wird das Turbinenlager als Radial-Kippsegmentlager ausgeführt. Typisch sind Lager mit 5 Segmenten, außermittig abgestützt, mit Last auf Segmentlücke (Abb. 22-14). Durch kugelige Abstützung der Radialsegmente sind diese nicht nur in Umfangs-, sondern auch in Breitenrichtung kippbeweglich. Das Lager ist daher in der Lage, sich Ausrichtänderungen oder Gehäuseverformungen anzupassen und die Verkantung zu minimieren.
Abb. 22-14 Turbinenlager: Radial-Kippsegmentlager (nach [22.9])
22.3.3 Axiallager Das Axiallager ist doppeltwirkend ausgeführt, da es die axiale Positionierung des Läufers relativ zum Gehäuse sicherstellen muss und darüber hinaus der vom Be-
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S. Verstege, F. Böckel
Abb. 22-15 Mechanischer Lastausgleich für Axiallager (nach [22.10])
Abb. 22-16 Verdichterlager: Kombiniertes Radial-/Axiallager
triebszustand abhängige Axialschub auch die Richtung ändern kann. Axiallager mit feststehenden Laufflächen kommen wegen ihrer geringen Tragfähigkeit nicht zum Einsatz. Entsprechend den Anforderungen werden Kippsegmente mit mittiger oder – bei hoher Belastung – außermittiger Unterstützung eingesetzt; zur gleichmäßigen Aufteilung der Last auf alle Segmente und zum Ausgleich von Unterschieden in der Segmentdicke und Schiefstellungen zwischen Lager und Welle werden Axiallager mit mechanischem Lastausgleich verwendet (Abb. 22-15). Um den Bauraum innerhalb des Ansaugquerschnittes für das Axiallager optimal zu nutzen, ist es sinnvoll, das Axiallager möglichst weit in Ansaugrichtung anzuordnen. Andererseits ist aus rotordynamischen Gründen ein möglichst geringer Lagerabstand der beiden Radiallager anzustreben. Beiden Forderungen kann man durch konstruktive Trennung von Axial- und verdichterseitigem Radiallager genügen.
22 Lagerung – Grundlagen und konstruktive Gestaltung
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Abb. 22-17 Kombiniertes Radial-/Axiallager mit Mehrflächen- bzw. Kippsegmentlager
Kompakter (kürzerer Läufer!) und kostengünstiger ist die Verbindung aus verdichterseitigem Radial- und doppeltwirkendem Axiallager zu einer Einheit (Abb. 22-16). Der Platzbedarf des so entstandenen kombinierten Radial-/Axiallagers lässt sich verkleinern, indem die zum Verdichter gewandte, geringer belastete Seite des Axiallagers („Nebenspurseite“) kleiner ausgeführt wird als die höher belastete, zum Ansaugkanal gewandte Seite („Hauptspurseite“). Zugleich wird damit eine Reduzierung des Ölbedarfs und der Reibleistung erreicht. Den Anforderungen entsprechend wird der Radialteil des kombinierten Radial-/ Axiallagers entweder als Mehrflächenlager oder als Radial-Kippsegmentlager (Abb. 22-17) ausgeführt.
Literaturverzeichnis 22.1. Beitz, W.; Küttner, K.-H.: Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau. 17. Aufl. Springer 1990, Kap. 6 22.2. Vogelpohl, G.: Betriebssichere Gleitlager. Springer 1958 22.3. DIN 31652 T 1-3: Hydrodynamische Radialgleitlager im stationären Betrieb; Berechnung von Kreiszylinderlagern (1983) 22.4. DIN 31657 T 1-4: Hydrodynamische Radialgleitlager im stationären Betrieb; Berechnungsgrundlagen für Mehrflächen- und Kippsegmentlager (1996) 22.5. Mittwollen, N.; Rückert, A., u. a.: Verbesserung der Berechnungsgrundlagen für schnellaufende, hochbelastete Mehrgleitflächen- und Radialkippsegmentlager. Abschlußbericht zum BMFT-Verbundprojekt „Gleitlageruntersuchungen“. TU Braunschweig 1991
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S. Verstege, F. Böckel
22.6. DIN ISO 4386 T 1: Metallische Verbundgleitlager; Zerstörungsfreie Ultraschall-Prüfung der Bindung (1992) 22.7. DIN ISO 4386 T 3: Metallische Verbundgleitlager; Zerstörungsfreie Prüfung nach dem Eindringverfahren (1992) 22.8. DIN 31661: Gleitlager; Begriffe, Merkmale und Ursachen von Veränderungen und Schäden (1983) 22.9. Designer’s Handbook 10: Tilting pad radial bearings. Federal Mogul RPB Ltd., London (England) 1995 22.10. Designer’s Handbook 5B: Tilting pad thrust bearings. Federal Mogul RPB Ltd., London (England) 1995
Kapitel 23
Keramische Komponenten Holger Grote, Christine Taut, Wolfgang Kollenberg und Uwe Rettig
23.1 Hintergrund und Einsatzbereich In diesem Kapitel wird ein Überblick über die Betriebserfahrungen mit vollkeramischen Isolationselementen in den Brennkammern großer stationärer Gasturbinen gegeben. Prinzipiell besteht bei der Entwicklung von Gasturbinen die Aufgabe, steigende Wirkungsgrade bei immer strenger limitierten Emissionen zu erzielen. Die Höhe der Verbrennungstemperatur ist durch die gesetzlich vorgegebenen Begrenzungen der NOx -Emissionen beschränkt. Die Mitteltemperatur im Heißgaspfad lässt sich daher nur über die Reduktion der für die Kühlung der heißgasführenden Bauteile verbrauchten Verdichterluft erhöhen. Das kann sowohl durch höhere Materialtemperaturen, durch verfeinerte Kühlkonzepte als auch durch die Verringerung der zu kühlenden Oberflächen realisiert werden. Am Beispiel der Entwicklung der SiemensGasturbinen lässt sich verfolgen, wie das Volumen der Brennkammern über die Generationen von der SGTX-2000E (früher VX4.2) über die VX4.3 bis hin zur SGTX4000F (früher VX4.3A) minimiert wurde (Abb. 23-1). Die Brennraumauskleidung, die im Wesentlichen thermomechanischen und korrosiven, jedoch nur geringen aerodynamischen Lasten ausgesetzt ist, kann prinzipiell sowohl metallisch als auch keramisch ausgeführt werden. Für Langzeitanwendungen (einige 10 000 h) liegt die Einsatzgrenztemperatur selbst für Verbunde metallischer Werkstoffe mit keramischen Wärmedämmschichten nicht über 1250 °C, während die maximale Betriebstemperatur oxidkeramischer Brennraumauskleidungen nach praktischer Erfahrung in Gasturbinen durchaus oberhalb von 1550 °C anzusetzen ist. Das bedeutet, dass metallische Wände stark gekühlt werden müssen, während beim Einsatz von Vollkeramiken das Konzept der „heißen Wände“ verfolgt werden kann, was einen deutlich verringerten Kühlluftverbrauch ermöglicht. Vollkeramische Hitzeschilde werden bereits seit 1960 kommerziell in den Brennkammern eingesetzt. Die Betriebserfahrungen von Siemens mit diesen Bauteilen
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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V84.2-Gasturbine (60 Hz) 2 Silo-Brennkammern mit 2 mal 6 Brennern
H. Grote, C. Taut, W. Kollenberg, U. Rettig
Keramische Hitzeschilde
V84.3-Gasturbine 2 horizontale Brennkammern mit 2 mal 6 Brennern
Flamme 2m 1m
V84.3A-Gasturbine Ringbrennkammer mit 24 Brennern 1m
Abb. 23-1 Entwicklung der Brennkammergenerationen von Siemens
Abb. 23-2 Blick in eine Ringbrennkammer
23 Keramische Komponenten
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Abb. 23-3 Materialhistorie keramischer Hitzeschilde in Siemens-Gasturbinen
umfassen zurzeit mehr als 500 Maschinen mit über 20 Millionen Betriebsstunden. Abbildung 23-2 zeigt den Blick in eine aktuelle, mit keramischen Hitzeschilden ausgekleidete Brennkammer. Die Werkstoffbasis für die keramischen Hitzeschilde sind hochkorundhaltige Feuerfestkeramiken. Korund ist die hochtemperaturstabile, kristalline Modifikation von Al2 O3 . Diese grundlegende Werkstoffbasis blieb im gesamten betrachteten Entwicklungszeitraum gleich. Allerdings wurde die Ausführung den steigenden Anforderungen angepasst (Abb. 23-3): anfangs, beim Einsatz in großvolumigen Brennräumen mit niedrigen Wandtemperaturen und geringen thermomechanischen Wandbelastungen, kamen Keramiken auf Basis natürlicher Rohstoffe (Sillimanitsteine) zum Einsatz. Die über die Maschinengenerationen hinweg fortschreitende Verringerung des Brennraumvolumens führte zu steigenden Wandtemperaturen, Wärmeströmen und thermomechanischen sowie korrosiven Beanspruchungen der Keramiken und erforderte den Einsatz von Keramiken der „zweiten Generation“ auf Basis synthetischer, hochreiner Rohstoffe mit verringertem SiO2 -Gehalt. Diese Änderung führte zu einer Verbesserung der Hochtemperatureigenschaften und der Korrosionsbeständigkeit. Zur weiteren Steigerung der Temperaturwechselbeständigkeit und Resistenz gegenüber mechanischen Belastungen wurde die „dritte Generation“ der Hitzeschildkeramiken 2004 erfolgreich eingeführt. Hier war es bereits notwendig, Prozessänderungen bei der Herstellung umzusetzen. Durch Anwendung neuer Herstellungsverfahren und Technologien (u. a. Einsatz von nanoskaligen Ausgangstoffen, sowie neuer Bindungsmechanismus und Formgebungsprozess) wurden bei Siemens Keramiken der „vierten Generation“ eingeführt, die mit dem Fokus weiter erhöhter Betriebsbeanspruchungen und Lebensdauerverlängerung entwickelt wurden sowie die Herstellung komplexer Geometrien erlauben.
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H. Grote, C. Taut, W. Kollenberg, U. Rettig
23.2 Vorteile und Risiken feuerfestkeramischer Brennkammerauskleidungen Der Einsatz feuerfestkeramischer Hitzeschilde im Heißgaspfad bietet eine Reihe von Vorteilen. Das sind, beispielhaft für die hier vorgestellte Lösung: • hohe ertragbare Materialtemperatur daher kein bzw. geringer Kühlluftverbrauch, • Realisierung sog. „heißer Wände“, die eine gute Voraussetzung für homogene Temperaturverteilung (und damit homogene Verbrennung) bieten, • lange Lebensdauer (hohe Korrosionsstabilität, unterkritisches Risswachstum, Schadenstoleranz gegenüber dehnungsgesteuerter Belastung) ermöglicht lange Serviceintervalle, • geringe spezifische Kosten im Vergleich zu metallischen oder Metall-KeramikVerbund-Lösungen. Demgegenüber steht das Risiko des für Keramiken typischen Sprödbruchverhaltens, dem die Ausführungskonstruktion Rechnung tragen muss.
23.3 Keramische Komponenten im Einsatz: keramische Hitzeschilde 23.3.1 Anforderungen an keramische Hitzeschilde Die für die keramische Auskleidung in aktuellen Siemens-Ringbrennkammern wichtigsten Betriebsbedingungen sind in Tabelle 23-1 zusammengestellt. Werkstoffe, die unter derart extremen Beanspruchungen betrieben werden, müssen sowohl über hohe thermische und thermomechanische als auch chemische und mikrostruk-
Tabelle 23-1 Betriebsbedingungen keramischer Hitzeschilde in Ringbrennkammern stationärer Gasturbinen (Siemens) Oberflächentemperatur Heißgasseite stationärer thermischer Gradient über (Heißgasseite – kalte Seite) instationärer thermischer Gradient (Heißgasseite) Heißgasgeschwindigkeit Inspektionen nach Heißgasumgebung Verunreinigungen 1
1300 : : : 1550 °C 1000 K ca. 1000 K 40 : : : 100 m=s 4000=8000 h oxidierend1 , Wasserdampf Alkalien, Vanadium, S, Fe, Erdalkalien (MgO)
„oxidierend“ hier im qualitativen Sinn. Sauerstoffpartialdrücke gleich oder größer dem von Luft (0,2 bar O2 ) werden hier als „oxidierend“ bezeichnet
23 Keramische Komponenten
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turelle Stabilität gegen Korrosion durch wasserdampfhaltige, schnell strömende Gase verfügen. Im vorliegenden Beispiel wird von Korrosion im Sinne der Heißgaskorrosion gesprochen, die überwiegend als Reaktion zwischen der Keramik und dem im Heißgas enthaltenen Wasserdampf auftritt. Oxidation, die Reaktion mit Sauerstoff, stellt keinen Schädigungsmechanismus dar, da es sich im hier diskutierten Anwendungsfall um eine Oxidkeramik handelt. Die höchsten Belastungen entstehen durch den beim schnellen Abschalten von Grundlast („Trip“) verursachten Thermoschock, bei dem die Heißgastemperatur plötzlich um mehr als 1000 K fällt. Die Heißgasseite der Brennkammerwand ist diesen schnellen Temperaturänderungen unmittelbar ausgesetzt. Daraus ergibt sich für die Werkstoffeigenschaften ein Anforderungsprofil, das hohe Festigkeit bei gleichzeitig geringem Elastizitätsmodul sowie geringe thermische Dehnung bei gleichzeitig hoher Wärmeleitfähigkeit für Temperaturen bis 1550 °C beinhaltet. Zudem müssen die Keramiken einen hohen Widerstand gegen Rissbildung und Rissfortschritt besitzen sowie über Mechanismen zur Dissipation von Rissenergie verfügen, die ein langsames anstatt des für Keramiken typischen schnellen Risswachstums ermöglichen. Diese Eigenschaften sind nicht unabhängig voneinander und die für die verschiedenen Betriebszustände der Maschinen relevanten Eigenschaftsforderungen widersprechen einander teilweise sogar. So ist z. B. eine geringe Wärmeleitfähigkeit für die thermische Isolierung der Brennkammerwand unverzichtbar, gleichzeitig führt sie aber zum Aufbau hoher thermischer Gradienten und damit großer Wärmespannungen. Deshalb muss für die komplexen Anforderungen beim Betrieb keramischer Komponenten als Brennkammerauskleidung ein anwendungsspezifisches Optimum von Zusammensetzung, Gefüge und Eigenschaften gefunden werden. Aufgrund der durch schnelle thermische Zyklen (auch beim An- und Abfahren) gekennzeichneten Betriebsweise ist das Werkstoffverhalten unter stationären thermischen Gradienten sowie unter Thermoschock und Thermozyklierung eine Schlüsseleigenschaft potenzieller Werkstoffkandidaten für den Heißgaspfad.
23.3.2 Modellierung des Betriebsverhaltens von Feuerfestkeramik Die hier behandelten Feuerfestkeramiken besitzen ein sehr komplexes, mehrphasiges, inhomogenes Gefüge. Eine befriedigende Kenntnis und Modellierung dieses Gefüges, welche eine hinreichend genaue Vorhersage der Materialantwort auf die jeweiligen spezifischen Belastungskollektive sowie des Alterungs- und Versagensverhaltens ermöglichen würde, liegen bisher nicht vor. Daraus ergibt sich, dass alle verfügbaren Informationen – von Fertigungsdaten über Ergebnisse von Laborund Maschinenversuchen bis hin zur Analytik an betriebsbeanspruchten Bauteilen – kombiniert werden müssen, um die Alterungs- und Versagensmechanismen dieser Werkstoffe zu verstehen und geeignete Maßnahmen für einen zuverlässigen Betrieb abzuleiten.
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23.3.3 Konstruktion Prinzipiell gibt es zwei Wege, die Umschließung eines Flammraumes zu gestalten: entweder großflächig (großteilig) oder segmentiert (kleinteilig). Eine segmentierte Auskleidung ist vorteilhaft, wenn • hohe Temperaturgradienten zu erwarten sind, • thermisch verursachte Verformungen auftreten, die nicht behindert werden sollen, • hohe thermische Spannungen vermieden werden sollen, • die Montage und Remontage einzelner Isolationselemente ohne größeren Montageaufwand an der Maschine realisierbar sein sollen. Daraus ergibt sich bei genügend großem Brennraum die Möglichkeit der Gestaltung von Ausschnitten in der Wand, die der Begehbarkeit und Inspizierbarkeit der Bauteile vom Flammraum her dienen. Da keramische Bauteile ein stochastisches Versagensverhalten aufweisen, ist es erforderlich, im Rahmen von Inspektionen alle Bauteile anstatt von Stichproben zu überprüfen. Im Folgenden wird nur auf die segmentierte Auskleidung mit keramischen Hitzeschilden eingegangen. Abbildung 23-4 zeigt beispielhaft die Geometrie keramischer Hitzeschilde. Die Hitzeschilde folgen der Kontur der metallischen Brennkammerwand. Ihre Dicke ist aus einem Kompromiss zwischen der Forderung nach ausreichender thermischer Isolation der metallischen Brennkammerwand und der Höhe der zu erwartenden thermischen Spannungen abgeleitet. Nuten an jeweils gegenüberliegenden Seitenflächen dienen der Aufnahme metallischer Halter, mit denen die Hitzeschilde an der Brennkammerwand befestigt werden. Ein Vor- und gleichzeitiger Nachteil der segmentierten Wandausführung ist die Entstehung von Spalten zwischen den einzelnen Hitzeschilden. Der Vorteil dieser Spalte ist, dass eine ungehinderte Wärmedehnung von Isolationselementen und Brennkammerwand realisiert werden kann. Dem steht der Nachteil gegenüber, dass die Spalte gegen das Eindringen von Heißgas geschützt werden müssen. Das kann sowohl durch konstruktive Verdeckungen geschehen als auch durch den Einsatz von
Abb. 23-4 Geometrie keramischer Hitzeschilde in Siemens-SGTX-4000FGasturbinen
23 Keramische Komponenten
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Sperrluft, die der Verdichterluft entnommen wird und gleichzeitig die metallischen Halter kühlt. Diese Sperrluft tritt aus den Spalten ins Heißgas aus und steht somit der Verbrennung nicht mehr zur Verfügung. Der Verbrauch an auf diese Weise „verlorener“ Verdichterluft wirkt sich direkt auf die Verbrennungstemperatur und die erreichbaren Emissionen aus und ist daher zu minimieren. Durch die Einführung prallgekühlter Halterungen kann der Verbrauch an notwendiger Kühlluft weiter reduziert werden, was ebenfalls zu einer Reduktion der thermischen Bauteilbelastungen führt (geringerer Temperaturgradient, s. u.). Die beschriebene Einbau- und Kühlsituation der Hitzeschilde führt dazu, dass diese im „Idealfall“ (d. h. ohne zusätzliche Störungen durch benachbarte Heißgasoder Kühlluftströme) auf der „heißen“ (dem Heißgas zugewandten) Seite über einen „kalten“ Rand und eine „heiße“ Mitte verfügen. Aufgrund des Temperaturgradienten zwischen „kalter“ (der Brennkammerwand zugewandter) und „heißer“ Seite sowie zwischen Rand und Mitte der „heißen“ Seite wölben sie sich im stationären Betrieb glockenförmig ins Heißgas hinein. Aus den beschriebenen Temperaturgradienten ergeben sich Verteilung und Höhe der zu erwartenden thermomechanischen Spannungen. Abbildung 23-5 zeigt einen Blick in eine Brennkammer während der Endmontage und die beschriebene Befestigung der keramischen Hitzeschilde.
Abb. 23-5 Installation der keramischen Hitzeschilde in Ringbrennkammern
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23.3.4 Werkstoffeigenschaften Die wichtigsten Werkstoffeigenschaften der für die keramischen Hitzeschilde eingesetzten Keramik sind in Tabelle 23-2 zusammengestellt. Tabelle 23-2 Werkstoffeigenschaften der Hitzeschildkeramiken kristalline Phasen Rohdichte, g=cm3 offene Porosität, % Biegebruchfestigkeit, MPa (3-Pkt.) 20 °C 1200 °C Thermoschockstabilität (Wasser, 1000 °C ! 20 °C) Elastizitätsmodulstatisch , GPa thermische Leitfähigkeit1200 °C , W=(m K) spezifische Wärmekapazität1200 °C , J=(kg K) thermische Dehnung1200 °C , 106 K1
Korund, Mullit 2;8 : : : 3;0 18 : : : 20 9 : : : 12 6:::8 > 30 Schocks ohne Bruch 13 : : : 16 2:::3 1200 : : : 1230 6;5 : : : 7;5
Zusammensetzung, Phasen, Gefüge Chemische Zusammensetzung, Typ und Menge der verschiedenen kristallinen oder amorphen Phasen im Gefüge sowie Größe, Form, Verteilung und Beschaffenheit der einzelnen Gefügebestandteile bestimmen wesentlich die Langzeitstabilität der Bauteile gegen Heißgaskorrosion im Gasturbinenbetrieb. Die Überwachung dieser Parameter liefert Aussagen über die Stabilität der Rohstoffqualität und des Herstellungsprozesses. Sie ermöglicht eine Kontrolle der Stabilität der für den Einsatz wichtigsten Eigenschaften der Keramik. Die hier verwendete Keramik gehört zur Klasse der Feuerfestkeramiken. Sie besteht aus den kristallinen Haupt-Phasen Korund (chemisch: Al2 O3 / und Mullit (chemisch: 3Al2 O3 *2SiO2 ). Das Gefüge dieser Keramik ist beispielhaft in Abb. 23-6 dargestellt. Es besteht aus einer multimodalen Korngrößenverteilung der Mineralphasen Korund und Mullit. Die Auslegung dieser Verteilungsfunktion stellt das eigentliche Know-how des Werkstoffes dar. Die Gefügegrößen (Korngrößen, Porosität) variieren vom nanoskaligen Bereich bis zu einigen Millimetern. Ein Netzwerk von Mikrorissen und Poren durchzieht das Material. Die Mikrorisse entstehen während der Fertigung beim Abkühlen von Sintertemperatur aufgrund des Unterschieds der thermischen Dehnungen von Korund und Mullit sowie aufgrund der Richtungsabhängigkeit der thermischen Dehnung [23.1]. Diese Gefügemerkmale bestimmen sowohl die thermophysikalischen Eigenschaften als auch die Antwort des Werkstoffs auf statische oder transiente Spannungsbelastungen. Sie sichern einen hohen Widerstand gegenüber Temperaturwechselbelastung und ermöglichen ein quasischadenstolerantes Werkstoffverhalten unter den meisten Betriebsbedingungen der Gasturbinen. Ein solches Material ist in der Lage, Rissenergie, die bei homogenen, dichten Werkstoffen zum schnellen Bruch führen würde, in hohem Maße zu dissipieren.
23 Keramische Komponenten
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Abb. 23-6 Gefüge der für die keramischen Hitzeschilde eingesetzten Feuerfestkeramik (Anschliff, REM Aufnahme)
Thermische und thermomechanische Eigenschaften Ein wesentliches Kriterium für die Einsetzbarkeit einer Keramik als Brennkammerauskleidung ist deren Fähigkeit, statische und transiente Spannungsbelastungen zu ertragen. Diese Spannungen können sowohl durch thermische als auch durch mechanische Lasten verursacht werden. Das thermische Kurzzeit-Versagensverhalten der keramischen Hitzeschilde wird durch deren Thermoschockstabilität (s. Abschn. 23.3.1) bestimmt, die auch ein wichtiges Kriterium bei der Werkstoffauswahl darstellt. Für ihre Prüfung wird der in Forschung und Industrie gebräuchliche Vielfach-Wasser-Abschreck-Test [23.2–23.4] so modifiziert, dass jeweils das gesamte Bauteilvolumen unter betriebsrelevanten Temperaturdifferenzen (T D 1000 K) geprüft wird (s. Tabelle 23-1). Die höheren Wärmeübergangskoeffizienten beim Übergang von Keramik zu Wasser anstatt zu Gas initiieren beim Wasserabschreckversuch steilere Temperaturgradienten – und höhere Spannungen – als beim Thermozyklieren in der Gasturbine. Durch die Entwicklung eines HochtemperaturWechselprüfstandes hat Siemens eine dem Wasserabschreckversuch überlegene, da anlagenvergleichbarere Prüfmethode für keramische Hitzeschilde eingeführt. Der Wasserabschreckversuch wird jedoch weiterhin zur Qualitätssicherung und Validierung neuer Werkstoffe herangezogen. Der Widerstand gegen Thermoschock wurde grundlegend u. a. von Hasselmann [23.5, 23.6] beschrieben. Danach gilt für die im Thermoschock bei Wasserabschreckung (Näherung: unendlich hoher Wärmeübergang) maximal ertragbare Temperaturdifferenz max .1 / Tmax D E ˛ und die daraus für die Abkühlung in Luft abgeleitete Thermoschockbeständigkeit TWB D Tmax :
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Daraus ergibt sich die Bedeutung der Absolutwerte und Streuungen von maximal ertragbarer Zugspannung max , Elastizitätsmodul E, Wärmeleitfähigkeit und thermischer Dehnung ˛ für das Versagensverhalten unter Thermoschock ( D PoissonKonstante). Festigkeit und Elastizitätsmodul erfahren eine starke Reduzierung während der ersten Thermoschocks und bleiben dann auf einem relativ niedrigen Niveau nahezu konstant. Eine solche Degradation der mechanischen Eigenschaften tritt nicht nur im Modellthermoschock, sondern auch im Betrieb der keramischen Hitzeschilde auf und weist auf mikrostrukturelle Änderungen hin. Diese werden neben der Thermozyklierung durch Starts/Stopps oder Lastwechsel der Maschinen auch durch steile stationäre Temperaturgradienten und mechanische dynamische Belastungen verursacht. Solche mikrostrukturellen Änderungen laufen bei Betriebstemperatur oberhalb 1000 °C ab. In diesem Temperaturbereich sind linear-elastische Materialgesetze für den vorliegenden Werkstoff nur noch bedingt bzw. nicht mehr gültig. Zeitabhängige Effekte wie Kriechen oder die Verbindung von Mikrorissen zu Rissnetzwerken müssen zum Verständnis der Bildung von Makrorissen und zur Interpretation des thermischen Langzeit-Versagensverhaltens herangezogen werden. So ist die Verformung durch Kriechen unter äußeren Spannungen eine wesentliche Hochtemperatureigenschaft oxidischer Keramiken. Im Gegensatz zu metallischen Werkstoffen, bei denen schon etwa ab 500 °C mit signifikantem Kriechen gerechnet werden muss, sind die Kriecheffekte bei den hier verwendeten Keramiken bis 800 °C sehr gering, das Kriechverhalten ist in diesem Temperaturbereich nahezu temperaturunabhängig. Bei höheren Temperaturen führt der Wechsel vom elastischen zum teil-viskosen Materialverhalten schon bei geringen äußeren Spannungen zur Verformung. Kriechen kann dazu führen, dass gegenüberliegende Rissflanken nach Entlastung nicht mehr aneinander passen und die Rissspitze so erneut unter Spannung gerät. Bereiche, in denen Druckspannungen bei hohen Temperaturen relaxieren, können beim Abkühlen unter Zugspannung geraten. Diese beiden Mechanismen führen zu langsamem, unterkritischem Risswachstum. Somit wird auch unter konstanten thermischen Randbedingungen bei der hier behandelten Anwendung immer ein – wenn auch geringfügiges – Risswachstum auftreten. Eine nicht unerhebliche Rolle für Keramiken in Gasturbinenanwendungen von Keramiken spielen zyklische mechanische Wechselbelastungen im Frequenzbereich bis 500 Hz. Diese mechanisch-dynamischen Beanspruchungen überlagern die bereits besprochenen thermischen Beanspruchungen der Bauteile. Modellrechnungen, experimentelle Untersuchungen und Betriebserfahrungen weisen darauf hin, dass die kombinierte thermomechanische Belastung maßgeblich für die Entstehung und Ausbreitung von Rissen in keramischen Hitzeschilden ist. Daraus ergibt sich die große Bedeutung der Beurteilung des Ermüdungsverhaltens der Hitzeschildkeramik unter mechanischer Wechselbelastung. Sie ermöglicht die Ableitung von Grenzbedingungen für kurzzeitig und langfristig ertragbare Belastungen aus der Abhängigkeit der kritischen Zyklenzahl von der Belastungshöhe (Wöhler-Kurven). Die Anforderungen an solche Messungen im Hochtemperaturbereich sind komplex: Zug-
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Druck-Wechselbelastungen sind unter möglichst anwendungsnahen Bedingungen und unter Ausschluss von zeitabhängigen Effekten (Kriechen, Spannungsrelaxation) zu realisieren. Die Überprüfung des Verhaltens der hier verwendeten Keramiken zeigt eine Reduktion der ertragbaren Belastung gegenüber der statischen Festigkeit bei konstantem Belastungsniveau sowohl in Abhängigkeit von der Zyklenzahl als auch in Abhängigkeit von der Temperatur. Der Hochtemperatur-Wechselprüfstand (s. u.) wurde daher so ausgelegt, dass eine mechanisch-dynamische Belastung definierter Frequenz und Amplitude unter den bereits erwähnten thermischen Randbedingungen angelegt werden kann. Dadurch kann das Wachstum thermischer Risse durch mechanisch-dynamische Einflüsse anlagennah simuliert werden. Der Hochtemperatur-Wechselprüfstand Das Wasserabschreckverfahren kann nicht alle Belastungszustände in der Brennkammer simulieren, da dort grundsätzlich verschiedene thermo- und thermomechanische Belastungen vorliegen, die zu stabilem Risswachstum führen. Neben den stationären Betriebsbedingungen müssen weiterhin schnelle Lastwechsel und Start- bzw. Abkühlvorgänge berücksichtigt werden. Im Brennraum ist mit Wechseldrücken und Bauteilvibrationen zu rechnen, die die Dauerfestigkeit des Bauteils beeinflussen können (HCF Belastungen). Biegefestigkeitsmessungen (3Pkt.und 4Pkt.-Biegefestigkeit) simulieren statische Lasten, die zum Spontanversagen des Prüfkörpers führen. Sie können nicht mechanische Belastungen, die zyklisch auftreten, simulieren (Vibrationen). Zur Simulation typischer Temperaturrandbedingungen, wie sie grundsätzlich auch für keramische Hitzeschilde in der Ringbrennkammer gelten wird ein Hochtemperatur-Wechselprüfstand (HTWP) [23.8, 23.9] eingesetzt. Mittels dieses Prüfstandes können gezielt thermo- und thermomechanische Prüfungen an keramischen Hitzeschilden durchgeführt werden. Es entsteht ein anlagenvergleichbares Rissbild an keramischen Hitzeschilden. Abbildung 23-7 zeigt den HTWP im Betrieb. Die Probe wird mittels 4 Haltern ähnlich dem Einsatz in einer Gasturbine an einem Brennkammerauschnitt (Tragstruktur) befestigt. Die Halter werden rückseitig durch Druckluft gekühlt. Die Probe wird heißgasseitig mit einem Spezialstrahler (ca. 60 kW) schnell auf eine
Abb. 23-7 Der Hochtemperatur-Wechselprüfstand (rechts: eingebaute Probe)
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Abb. 23-8 Rissentwicklung als Funktion der Belastung am Hochtemperatur-Wechselprüfstand am Beispiel der Umfangsrisslängen (im Bild horizontal, Risssumme D Maximalriss links C Maximalriss rechts)
Temperatur von 1500–1600 °C aufgeheizt. Gleichzeitig wird über einen Gasbrenner die Tragstruktur auf eine Temperatur von ca. 450 °C aufgeheizt (entspricht Verdichterendlufttemperatur). Bei einem typischen Prüfstandversuch wird im Anschluss an eine Vorbelastung mit 1 bis 50 Thermoschocks unter Temperaturlast rückseitig ein Stößel an das Hitzeschild geführt. Der Stößel wird unter Vorkraft und mit einer Maximalkraft, die unterhalb der Vorspannung der Halter der Hitzeschilde liegt, in Schwingung von 100 Hz bis 500 Hz versetzt. Dieser Schwingversuch wird typischerweise für mehrere Stunden durchgeführt. Die vorher thermisch gebildeten Risse können durch diese zusätzliche mechanische Belastung verlängert werden (s. Abb. 23-8).
23.3.5 Betriebserfahrungen – Versagensmechanismen Besonderheit: Schadenstoleranz Eine Schlüsseleigenschaft der verwendeten Hitzeschildkeramik ist ihre Schadenstoleranz, die zu einem quasi-plastischen statt eines spontanen Versagens führt. Diese Schadenstoleranz wird einerseits durch die geringe Bruchenergie aufgrund relativ niedriger Bruchfestigkeit und Gefügesteifigkeit (Elastizitätsmodul) und andererseits durch Gefügeverstärkungsmechanismen vermittelt. Solche Verstärkungsmechanis-
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men sind die Reibung rauer Rissflanken gegeneinander, die Rissüberbrückung durch große Körner, Rissumlenkung und Rissverzweigung. Sie werden werkstofftechnisch durch die Kombination bestimmter Gefügemerkmale (unter anderem Kornund Porenarten, -größen, -formen und -beschaffenheiten, Mikrorissstrukturen) hergestellt und ermöglichen ein langsames statt des sonst keramiktypischen schnellen Risswachstums. Verstärkungsmechanismen degradieren durch thermische und mechanische Wechselbeanspruchungen. Wiederholtes Öffnen und Schließen der Risse führt zum Verlust von Partikeln aus den Rissflanken und so zur verminderten Rauigkeit zusammengehöriger Rissflächen. Damit vermindert sich der Widerstand gegen Risswachstum allmählich. Befinden sich herausgefallene Partikel nahe der Rissspitze, können sie beim Schließen des Risses mittels eines Hebeleffekts die Rissspitze erneut unter Zugspannung bringen und so ebenfalls zum Risswachstum beitragen. Risse: Ursache, Erscheinungsbild Rissbildung und -wachstum werden durch die beim Betrieb der Hitzeschilde auftretenden kombinierten thermomechanischen Belastungen verursacht. Nach ihrer Entstehungsursache wird zwischen thermischen und dynamisch-mechanischen Rissen unterschieden. Thermisch Risse entstehen sowohl unter stationären als auch unter transienten Betriebsbedingungen der Maschinen. Im stationären Betrieb führen die in Abschn. 23.3.3 beschriebenen, durch die Einbau- und Kühlsituation bedingten Temperaturgradienten zu Zugspannungen an den Kanten der Heißgasseite der Hitzeschilde. Die Spannungsmaxima liegen im Bereich der Kantenmitten nahe der Heißgasseite (Beispiel s. Abb. 23-9). Dort entstehen demzufolge bevorzugt „thermische“ Risse (Bereich I, Abb. 23-10). Die äußeren treibenden thermischen Kräfte entfallen, wenn der Riss den Bereich hoher thermischer Gradienten verlassen hat. Dann wirken nur noch die besprochenen Mechanismen des langsamen Risswachstums, was ohne weitere äußere Einflüsse zu einem Rissfortschritt im Millimeterbereich innerhalb von einigen tausend Betriebsstunden führt (Bereich Ia, Abb. 23-10). Im transienten Betrieb (während Starts, Stopps oder Trips der Maschinen) ist die Heißgasseite der Hitzeschilde schnellen Temperaturänderungen ausgesetzt. So wird während eines Trips von Grundlast die Heißgasseite der Hitzeschilde sehr schnell um mehr als 1000 K abgekühlt, während der „Kern“ des Hitzeschildes noch heiß ist. Dadurch entstehen Zugspannungen auf der Heißgasseite und Druckspannungen im Kern des Hitzeschilds. Auch hierbei kommt es zu Rissbildung auf der Heißgasseite der Hitzeschilde (Oberflächenmikrorisse). Der Mechanismus „Spannungsabbau durch Rissbildung“ führt auch in diesem Fall dazu, dass ein auf diese Weise erreichter Zustand bei gleicher oder niedriger wiederholter Belastung lange nahezu konstant bleiben kann und weiteres Risswachstum erst unter Lasterhöhung oder -Verschiebung auftritt. Dynamisch-mechanische Risse in keramischen Hitzeschilden können dann entstehen, wenn die Bauteile zusätzlich dynamisch beansprucht werden. Neben betriebstypischen HCF-Belastungen treten in seltenen Fällen auch dynamische Lasten
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a Temperaturverteilung stationär
Temperatur °C 550 625 710 790 875 965 1050 1130 1215 1300 1390 1500
b Spannungsverteilung stationär
Zug
Druck
Hauptspannungen
Abb. 23-9a,b Temperatur- und Spannungsverteilung im stationären Betrieb. a Temperaturverteilung, b Spannungsverteilung 1. Hauptspannung
auf, wobei es aufgrund von Druckschwankungen im Gasvolumen der Brennkammer zur Anregung von Eigenformen kommen kann [23.7]. Die Hitzeschilde und ihre Halterungen müssen deshalb so ausgelegt sein, dass sie den Schwingungen der Brennkammerwand folgen können und auf diese Weise keine zusätzlichen dynamischen Beanspruchungen erfahren. Damit wird vermieden, dass die durch die Beschleunigungen senkrecht zur Wand auftretenden Kräfte die der Halter überstei-
23 Keramische Komponenten
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Abb. 23-10a–c Rissbildung an keramischen Hitzeschilden unter Betriebsbedingungen. a Entstehung eines thermischen Risses, b thermisches Risswachstum, c dynamisch-mechanisches Risswachstum
gen, was zum Abheben und Wiederaufschlagen der Hitzeschilde auf die Wand und innerhalb kurzer Zeit zum Versagen der Hitzeschilde führen würde (Bereich Ib, Abb. 23-10). Heißgaskorrosion Zu den herausragenden Eigenschaften der verwendeten Hitzeschildkeramik zählt ihre exzellente Beständigkeit gegenüber korrosivem Angriff durch schnell strömende und unter hohem Druck stehende wasserdampfhaltige Verbrennungsgase extrem hoher Temperatur. Diese Beständigkeit beinhaltet eine hohe thermische, chemische, Korrosions- und Erosionsstabilität. Der meist einzig wirklich korrosive Bestandteil des Heißgases ist Wasserdampf, dessen Reaktion mit allen Arten von Werkstoffen unter Gasturbinenbedingungen eine fundamentale Herausforderung darstellt. Abbildung 23-11 zeigt den Blick auf ein betriebsbeanspruchtes keramisches Hitzeschild nach mehreren tausend Betriebsstunden. Die Hitzeschildoberflächen zeigen ein geglättetes Relief mit Grübchenbildung und Materialabtrag (bis zu einigen mm) in den heißesten Bereichen. Dieser Effekt wird nach einigen tausend Betriebsstunden allmählich sichtbar und verstärkt sich mit zunehmender Betriebsdauer. Korrosionsmechanismus: Die Hauptphase der Hitzeschildkeramik, Korund, bleibt im Verbrennungsgas stabil. Der im Gefüge enthaltene und dem Verbrennungsgas an der Heißgasseite der Hitzeschilde ausgesetzte Mullit ist unter Gasturbinenbedingungen jedoch nicht langzeitstabil. Er zersetzt sich in Si(OH)4 (gasförmig) und einen sekundären, feinnadeligen Korund (s. Detailaufnahmen Abb. 23-11): Mullit C 2H2 O.g/ () 3Al2 O3 C 2Si.OH/4 .g/
[23.10] :
Der sekundär gebildete Korund versintert mit zunehmender Einsatzdauer und versiegelt die Oberfläche, so dass kein weiterer Mullit unterhalb der Oberfläche angegriffen wird. Mit höherer Einsatzdauer bilden sich unterhalb der Oberfläche Risssysteme, die zum Einen auf Temperaturwechsel und zum Anderen auf die Dehnungsunterschiede Korund-Mullit zurückzuführen sind. Diese den Grübcheneffekt (Spannungsrisskorrosion, abrasives Mikrobrechen) unterstützenden Risse führen zur allmählichen Gefügeschwächung und hierdurch nach langer Einsatzdauer zum Verlust von Oberflächenpartikeln.
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H. Grote, C. Taut, W. Kollenberg, U. Rettig
Abb. 23-11 Heißgaskorrosion an betriebsbeanspruchten keramischen Hitzeschilden nach einigen tausend Betriebsstunden
Die beschriebenen Reaktionen führen erst über viele Tausende von Betriebsstunden und in den thermisch am stärksten beanspruchten Bereichen zur allmählichen heißgasseitigen Oberflächendegradation der keramischen Hitzeschilde und stellen keine sicherheitsrelevante Funktionsbeeinträchtigung dar.
23 Keramische Komponenten
753
Abb. 23-12 Schutzschichten für keramische Hitzeschilde. Rechts im Bild: Befund nach mehreren tausend Betriebsstunden mit und ohne Schicht im Vergleich
Um die Oberflächendegradation der keramischen Hitzeschilde zu vermeiden, setzt Siemens Environmental Barrier Coatings D EBC (Schutzschichten) ein (s. Abb. 23-12). Diese überbrücken die relevante Korrosionszone (< 300 m) und schützen das Basismaterial vor Heißgasangriff.
23.4 Schlussfolgerungen und Zusammenfassung In diesem Kapitel wird ein Überblick über die wichtigsten Eigenschaften und Betriebserfahrungen mit keramischen Hitzeschilden in Brennkammern von SiemensGasturbinen gegeben. Es wird gezeigt, dass spezielle Feuerfestkeramiken in der Lage sind, die Anforderungen einer solchen Anwendung zu erfüllen. Die Betriebserfahrungen zeigen, dass für die Abschätzung der Tauglichkeit eines Keramikwerkstoffs für den Einsatz im Heißgaspfad konventionelle Tests einzelner Werkstoffeigenschaften nicht ausreichen: die Kombination von Verbrennungsatmosphäre, hohem Druck, hoher Gasgeschwindigkeit, höchsten Temperaturen, vielen Temperaturwechseln und dynamischen mechanischen Belastungen über sehr lange Zeiten und auf unterschiedlichsten Belastungsniveaus stellen für die Werkstoffe eine überaus komplexe Herausforderung dar. Realistische Abschätzungen des Kurz- und Langzeitversagensverhaltens können jedoch aus der Kombination sorgfältig ausgewählter Experimente mit FE-Modellierungsrechnungen gewonnen werden. Die hier vorgestellte Keramik entspricht den gegenwärtigen Anforderungen an Brennkammerwerkstoffe. Sie ist allerdings nicht in der Lage, plötzliche und extrem hohe Spannungen zu tolerieren. Diese Forderung ist aber auch für metallische Bauteile relevant, eine Auslegung für Dauerbetrieb unter hohen Schwingungsamplituden ist nicht möglich. Das Entwicklungspotenzial ist in einer weiteren Verbesserung der Konstruktion und weiterer Gefügeverstärkung mit dem Ziel einer noch verbesserten Schadenstoleranz zu sehen. Kombiniert mit einem tieferen Verständnis von unterkritischen Risswachstumsmechanismen wird es so möglich sein, auch für zukünftige Maschinengenerationen zuverlässige, langzeit-betriebsstabile keramische Brennkammerauskleidungen bereitzustellen.
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H. Grote, C. Taut, W. Kollenberg, U. Rettig
Danksagung Die Autoren danken Frau Margarete Neuhaus, den Herren Schmahl, Maghon, Jeppel, Dr. Bast und Dr. Heilos (alle Siemens AG) für die fruchtbaren Diskussionen und die Unterstützung.
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Kapitel 24
Korrosion und Beschichtungen Norbert Czech
Stationäre Gasturbinen operieren in unterschiedlichsten geografischen Umgebungen und mit verschiedenen Brennstoffen unterschiedlicher Qualität (vgl. hierzu Kap. 3 und 11). Hieraus können Korrosionserscheinungen an den GT-Komponenten resultieren. Die wichtigsten Korrosionsarten in Gasturbinen sind Nasskorrosion im Ansaugund Verdichterbereich sowie Hochtemperaturkorrosion/Oxidation im heißgasführenden Bereich, d. h. der Brennkammer und der Turbinenbeschaufelung. Sonderfälle von Korrosionsangriffen – z. B. Spannungsrisskorrosion an Schweißnähten in Brennstoffleitungen – sind von untergeordneter Bedeutung. Außer neuartigen Kühltechniken erfordert der Einsatz von Werkstoffen bei Heißgastemperaturen von ca. 1400 °C, der sich nicht nur auf die Turbinenschaufeln, sondern auch auf andere heißgasbeaufschlagte Bauteile wie z. B. Brennkammerauskleidungen erstreckt, werkstofftechnisch eine Verbundlösung, in der der Grundwerkstoff die mechanische Integrität des Bauteils sicherstellt (z. B. durch äußerst aufwändige Gusstechnologien wie gerichtete oder gar einkristalline Erstarrung, siehe Kap. 25), während die Abschirmung gegen korrosiv/oxidative Einwirkung des Heißgases durch Beschichtungen erfolgt [24.1]. In den vergangenen Jahren haben Beschichtungen auch eine Funktion als Wärmedämmschicht übernommen, wodurch die Lebensdauer der Grundwerkstoffe erheblich verlängert werden konnte. Begrenzend für weitere Steigerungen der Turbineneintrittstemperatur sind die maximal zulässigen Oberflächentemperaturen der heißgasbeaufschlagten Komponenten – in der Regel also der Beschichtungen. Dies ist bedingt durch die beschränkte zur Verfügung stehende Kühlluftmenge und die weitgehende Ausreizung der Kühltechnik. Die Korrosion/Oxidation ist somit eine der wichtigsten Regelgrößen für die erreichbaren Fortschritte einer Schlüsseltechnik geworden. Die Lebensdaueranforderungen sind trotz der gesteigerten Leistung nicht reduziert worden; sie betragen typischerweise 25 000–33 000 Betriebsstunden für die heißgasbeaufschlagten Beschichtungen und 55 000–100 000 Betriebsstunden für die Komponenten [24.2].
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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N. Czech
Im Folgenden wird auf Korrosionsphänomene an den Komponenten stationärer Gasturbinenanlagen eingegangen, wobei der Schwerpunkt auf der Hochtemperaturkorrosion/Oxidation und deren Beherrschung liegt.
24.1 Korrosion im Verdichterbereich Der Verdichter saugt Umgebungsluft an, die feste und flüssige Aerosole sowie Spurengase enthält. Die Belastung der Luft hängt vom Standort (Industrie, Reinluftgebiet, Wüste, Meeresnähe, Landwirtschaft mit Düngeremissionen) und den Wetterund Windgegebenheiten ab. Wegen der riesigen Luftmengen – eine große Gasturbine hat einen Massenstrom von mehr als 500 kg=s – gelangen während der Betriebszeit der Maschine auch mit sauberer Luft und trotz Filterung auf eine Restbeladung von z. B. 0,1 mg=m3 immer noch etliche Tonnen Staub in die Maschine [24.3]. In Abhängigkeit von der Konsistenz und der Korngröße der Partikeln sowie den Strömungsverhältnissen in der Beschaufelung wird der überwiegende Teil des angesaugten Staubes im Verdichter abgelagert; es bilden sich zum Teil sehr fest haftende Beläge. Bei Überschreiten einer kritischen Belagdicke kann es zum Abplatzen kommen („Shedding“), wodurch der Schmutz in die strömungsabwärts gelegenen Regionen der Gasturbine und damit letztlich in den Heißgasbereich gelangt [24.4]. Aufgrund der Unvollständigkeit dieses Selbstreinigungseffektes verliert der Verdichter im Laufe der Zeit messbar an Effizienz. Zur Aufrechterhaltung eines wirtschaftlichen Betriebes ist es üblich, entweder „online“, d. h. bei laufender, oder „offline“, also bei stehender Maschine, eine Verdichterwäsche mit wässrigen oder organischen Detergenzienlösungen vorzunehmen (siehe auch Abschn. 7.3). Die zum Einsatz gelangenden Chemikalien müssen selbstverständlich für diese Anwendung spezifiziert werden; insbesondere dürfen sie selbst keine Korrosionserreger – auch für Hochtemperaturkorrosion – enthalten. Aus diesem Grund sind nur neutrale oder kationische Tenside zugelassen.
24.1.1 Korrosive Ablagerungen Die im Verdichter auftretenden Korrosionserscheinungen hängen im Wesentlichen von der Art der Ablagerungen ab. In Tabelle 24-1 ist beispielhaft die chemische Zusammensetzung je eines Schaufelbelages aus einer Gasturbine an einem Industriebzw. einem meeresnahen Standort dargestellt (eigene Untersuchung). Tabelle 24-1 Chemische Zusammensetzung von Verdichterbelägen Element (%)
Cl
Fe (als Fe2 O3 )
K (als K2 O)
Na S (als Na2 O) (als SO3 )
Zn (als ZnO)
Glühverlust (500 °C)
Industrie Meer
4,9 2,4
7,2 17,5
0,6 1,2
0,6 1,9
1,5 10,0
51,0 45,0
19,9 19,4
24 Korrosion und Beschichtungen
757
Biegewechselspannung in ± N/mm2 bei 50 Hz 500 Luft verschiedene Beschichtungen unter Korrosion
400
300
200
unbeschichtet unter Korrosion
100
0
105
106
107 108 Lastspielzahl
Abb. 24-1 Korrosionszeitschwingfestigkeit von X20 Cr13 mit und ohne Beschichtung in 22%iger NaCl-Lösung, pH 7, 20 : : : 80 °C
Der hohe Zinkgehalt der Probe aus Meeresnähe ist auf Korrosionsprodukte verzinkter Bleche im Ansaugtrakt zurückzuführen; der Glühverlust beinhaltet im wesentlichen pflanzliche Biomasse und unverbrannte Kohlenwasserstoffemissionen aus Feuerungsanlagen bzw. dem Straßenverkehr. Der pH-Wert des wässrigen Auszuges beider Belagproben lag bei 4–5. Der Zusammenstellung kann entnommen werden, dass es zwar quantitative Unterschiede in der Belagzusammensetzung gibt, qualitativ aber eine sehr ähnliche Situation vorliegt. Alkalichloride und -sulfate in saurem kondensierten Milieu schaffen für die praktisch relevanten Verdichterschaufelwerkstoffe Bedingungen für Nasskorrosion [24.5]. Während des Betriebes beschränkt sich dies auf die vorderen (kalten) Schaufelstufen, da durch die adiabatische Kompression der Luft die hinteren Stufen über den Taupunkt des Wassers erwärmt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass es beim Stillstand der Turbine und bei hoher Luftfeuchtigkeit auch dort zu Kondensation von Wasser und sogenannter Stillstandskorrosion kommen kann. Die überwiegend eingesetzten 13%-Chromstähle (z. B. X20 Cr13) erleiden unter den genannten nasskorrosiven Bedingungen Lochkorrosion. Unter der gegebenen Schwingungsbeanspruchung der Beschaufelung stellen die Korrosionsnarben Kerben dar, die die Schwingfestigkeit der Schaufeln des Bauteils auf unter 20% der an Luft erzielten Werte herabsetzen können (Schwingungsrisskorrosion im teilpassiven Zustand; vgl. Wöhler-Diagramm in Abb. 24-1 [24.6]).
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N. Czech
Überschreitet die Betriebsbeanspruchung einer Schaufel diesen Wert, kommt es zur Risseinleitung und unter Umständen zum Versagen des Bauteils. Zur Vermeidung gibt es neben den erwähnten Waschmaßnahmen sowie dem Einsatz geeigneter Trockner im Falle längerer Stillstände vor allem werkstofftechnische Lösungen.
24.1.2 Beschichtungen Hier haben sich Schichten auf Aluminiumpigmentbasis durchgesetzt; die früher weit verbreiteten Nickel-/Cadmiumschichten sind aus Umweltschutzgründen weitgehend verschwunden. Das Al-Pigment wird üblicherweise mit einem silikat- und/ oder phosphathaltigen Überzug versehen, der es vor Erosion durch Partikel und Strömungskräfte schützt. Durch die kathodische Wirkungsweise bleibt der Schutz auch bei kleineren lokalen Verlusten der Schicht gewährleistet. Aus Abb. 24-1 ist ersichtlich, dass der beschichtete Werkstoff im Laborversuch mit NaCl-Lösung praktisch die gleiche Dauerfestigkeit erreicht wie der unbeschichtete Werkstoff an Luft. In der Praxis werden – je nach Philosophie des Herstellers – entweder nur die im Betrieb durch Kondensation gefährdeten Schaufeln oder der gesamte Verdichter inklusive der Radscheiben beschichtet. Positive Erfahrungen gibt es auch mit dem nachträglichen Beschichten bereits betriebsbeanspruchter und zum Teil durch Lochkorrosion geschädigter Schaufeln. Es ist ebenfalls mit gutem Erfolg gelungen, Beschichtungen „vor Ort“ – d. h. im Kraftwerk – aufzubringen, wodurch Transporte eingespart werden konnten. Erwähnenswert ist auch, dass die Oberflächengüte und vor allem die Adhäsionseigenschaften durch Beschichtungen positiv beeinflusst werden können; hierdurch kann der aerodynamische Wirkungsgrad über längere Zeiten beibehalten werden.
24.1.3 Einsatz alternativer Schaufelwerkstoffe Einige Turbinenhersteller setzen seit einigen Jahren aus dem 13%-Chromstahl weiterentwickelte Stähle in der Verdichterbeschaufelung ein. Es handelt sich um ausscheidungshärtende martensitische Legierungen mit erhöhter (Schwing-)Festigkeit und durch Anhebung des Mo- und Cr-Gehaltes verbesserter Korrosionsbeständigkeit. Schaufeln aus solchen Werkstoffen können in der Regel unbeschichtet eingesetzt werden [24.7].
24.2 Korrosion im Heißgasbereich 24.2.1 Randbedingungen Bei der Verbrennung wird die auf das bis zu 30-fache des Umgebungsdrucks verdichtete Luft erhitzt. Durch verbrennungstechnische Maßnahmen versucht man heute, hohe Verbrennungstemperaturen, die hohe Stickoxidemissionen (NOx -Emis-
24 Korrosion und Beschichtungen
759
sionen) zur Folge haben, zu vermeiden; angestrebt werden Flammentemperaturen < 1600 °C (siehe Kap. 9). Durch Vermischung mit Luft, die zur Kühlung der Brennkammer dient, sinkt die Heißgastemperatur auf < 1450 °C in den höchstentwickelten und zu weit tieferen Temperaturen in älteren Gasturbinentypen (siehe Kap. 10). Bei der Entspannung in der Turbine und aufgrund der Zumischung der Schaufelkühlluft sinkt die Gastemperatur; beim Verlassen der Turbine beträgt sie 500–600 °C. Die hohen Gastemperaturen sind selbstverständlich nur durch intensive Kühlung der beaufschlagten Bauteile realisierbar. Die benötigte Kühlluft wird auf dem jeweils notwendigen Druckniveau dem Verdichter entnommen. In den vorderen Turbinenstufen werden deshalb auch kühlluftseitig durchaus Temperaturen erreicht, die auf der Innenseite der Schaufeln nicht zu vernachlässigende Oxidationsangriffe verursachen können [24.8] (ein typischer Wert in diesem Bereich beträgt ca. 700– 750 °C). Schon geringe Oxidationsangriffe können zu kritischen Zuständen (Risseinleitung und -wachstum) führen, da im stationären Zustand auf der Kühlluftseite Zugspannungen vorliegen. Heißgasseitig werden zurzeit Oberflächentemperaturen von ca. 950 °C als limitierend angesehen. Die Hersteller sind bemüht, diesen Grenzwert durch konstruktive Maßnahmen bei der Kühlluftversorgung und -verteilung einzuhalten. Es kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass in Schaufelbereichen mit hohem externem Wärmeeintrag und nicht optimalem Kühlluftzutritt Überschreitungen auftreten können („Hot Spots“). Gleichzeitig treten in Bereichen mit massiven Wandstärken bzw. in der Nähe der Schaufelbefestigung wesentlich niedrigere Temperaturen (< 700 °C) auf. Es muss daher aus korrosionschemischer Sicht mit allen in diesem Bereich auftretenden Korrosionsmechanismen gerechnet werden. In modernen Gasturbinen kommen im Brennkammer- und Turbinenbereich verstärkt Wärmedämmschichten zum Einsatz, bei denen die heißgasseitige Oberfläche aus einer Keramikschicht (i. d. R. yttriumstabilisiertes Zirkoniumoxid) besteht [24.9]. Bei gegebenem Kühlsystem treten dann wesentlich höhere Oberflächentemperaturen auf und es kann unter bestimmten Bedingungen zu Korrosionsangriffen auf die Keramik kommen. Im Allgemeinen hat man es aber mit metallischen Werkstoffen – Co-Basis- oder Ni-Basis-„Superlegierungen“ – zu tun [24.10], siehe hierzu Kap. 25.
24.2.2 Brennstoffe Moderne Gasturbinen (mit Ausnahme von Flugtriebwerken) sind weitgehend treibstoffflexibel; es können sowohl gasförmige als auch flüssige Stoffe über einen weiten Bereich von Heizwerten verfeuert werden. Im stationären Einsatzbereich hat sich aus ökonomischen und umweltpolitischen Gesichtspunkten Erdgas durchgesetzt; häufig dient Heizöl EL bzw. Diesel als Notbrennstoff. Die zuletzt genannten können aber auch in Sonderfällen als Hauptbrennstoff zum Einsatz kommen, wenn zum Beispiel eine Gaspipeline fehlt. In Ölförderländern ist nach wie vor Rohöl als GT-Brennstoff weit verbreitet; hier befinden sich die Gasturbinenkraftwerke häufig
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in direkter Nachbarschaft der Quellen. In Regionen mit hohen Raffineriekapazitäten ist auch die Verwendung von Rückstandsölen wirtschaftlich interessant (siehe Kap. 12 und 13); dieser Brennstoff erlaubt allerdings nicht den Einsatz der jüngeren Gasturbinengeneration (siehe Abschn. 24.2.4). In anderen Sonderfällen kann auch der Einsatz von „Naphtha“, d. h. bestimmten Kohlenwasserstoffgemischen mit zum Teil weiten Siedebereichen, sinnvoll sein (siehe Kap. 13). Hervorgerufen durch die Ölkrise in den 1970er-Jahren wurden in der erdölverarbeitenden Industrie vermehrt Anstrengungen unternommen, den Anteil leichter, als Automobiltreibstoffe begehrter Fraktionen beim Raffinerieausstoß zu steigern. Dies erfolgte durch thermischkatalytische Crackverfahren und Vakuumdestillation. Im Destillationssumpf, dem Rückstandsöl (engl. residual oil) verblieben nur noch sehr stabile Kohlenwasserstoffe, zum Teil poly- und heterocyclische Aromaten mit hohem Schwefel- und Stickstoffgehalt (bis zu 5 bzw. 1 Gew.-%). Die anorganischen bzw. metallorganischen Schadstoffe des Rohöls sind ebenfalls stark angereichert; von besonderer Bedeutung ist das Vanadium, das in Form einer komplexen, thermisch sehr stabilen Verbindung im Rohöl vorkommt [24.11]. Während der Verbrennung wird es zu Vanadiumpentoxid (V2 O5 / oxidiert, einem gefürchteten Erreger von Hochtemperaturkorrosion (siehe Abschn. 24.2.3). Die physikalischen Eigenschaften wie Dichte, Schmelz- und Siedebereich sowie Viskosität machen es in jeder Hinsicht zu einem Sonderfall im Vergleich zu den oben genannten flüssigen Brennstoffen. Dennoch gibt es – bedingt durch den attraktiven Preis – zahlreiche GT-Kraftwerke auf dieser Brennstoffbasis. Es sind etliche Sondermaßnahmen notwendig, um die Gasturbinenverträglichkeit sicherzustellen; neben den weiter unten dargestellten korrosionsmindernden Maßnahmen ist vor allem die Brennstoffvorwärmung zu nennen, mit der die Viskosität in den Bereich der Pumpbarkeit abgesenkt wird. Die GT-Hersteller bieten für diese Anwendung eher die älteren, robusten Maschinentypen mit – in Abhängigkeit vom Verschmutzungsgrad – abgesenkter Turbineneintrittstemperatur an. An Standorten mit zeitgemäßen umweltrechtlichen Anforderungen sind auch Abgasaufbereitungsmaßnahmen unumgänglich; hierdurch kann die Wirtschaftlichkeit der Verfeuerung von Rückstands- und anderen Schwerölen infrage gestellt werden. Als Alternative bietet sich – je nach den wirtschaftlichen Erwägungen – die Vergasung an (vgl. mit dem Einsatz von Kohle als GT-Brennstoff, Kap. 12); hierdurch kann auch dieser Brennstoff vom Standpunkt der Korrosion aus weitgehend entschärft werden. Als zukunftsträchtig wird der Einsatz kohlestämmiger GT-Brennstoffe angesehen (Kap. 12). Aufgrund des hohen Aschegehaltes der Kohle ist ein direkter Einsatz heute noch nicht möglich; es wird allerdings weltweit an den notwendigen Schlüsseltechniken gearbeitet (Kohleeintrag und Ascheabscheidung unter Druck, vor allem aber Abfangen flüchtiger Korrosionserreger unter Druck und bei sehr hohen Temperaturen; letzteres ist zurzeit der „K. o.-Punkt“) [24.12]. Wegen des hohen technischen Aufwandes ist an einen wirtschaftlichen Einsatz der direkten Kohlefeuerung wohl erst bei einer zukünftigen Verknappung von Erdgas und Erdöl zu denken. In der Nähe des Break-even-Punktes befindet sich dagegen bereits heute die integrierte Kohlevergasung als Möglichkeit, Stein- oder auch Braunkohle für die Gastur-
24 Korrosion und Beschichtungen
761
Tabelle 24-2 Herkunft der GT-Schadstoffe Luft
Art des Schadstoffes
Brennstoff
– Aerosole in Meeresnähe – Auswaschung salzhaltiger Filterstäube
Na
– Lagerstättenbedingt bei Rohöl – Seewasser als Ballast bei Leerfahrten von Tankern ! in GT-Brennstoffen bei unterlassener Reinigung
– Mineralische Stäube (Ton, Feldspat) – pflanzenstämmige Stäube (z. B. Pollen)
K
– Geringer Anteil in Meersalz (K=Na 1:28)
Autoabgase
Pb
– Tetraethyl- bzw. -methylblei als Kraftstoffadditiv ! in GT-Brennstoffen bei nicht zwischengespülten Tanks und Rohrleitungen in Raffinerien und Transporteinrichtungen
Flüssige Brennstoffe
V
– Im Rohöl genesebedingt als wasserunlöslicher V-Porphyrinkomplex – Anreicherung im Rückstandsöl ! in der GT „geplant“ bei Roh- oder Schwerölfeuerung, ungeplant bei nicht zwischengespülten Tanks und Rohrleitungen in Raffinerien oder Rohrleitungen
– SO2 aus Feuerungsanlagen – Aerosole in Meeresnähe – mineralische Stäube (z. B. Gips)
S
– Im Erdgas und Rohöl als H2 S oder organisch gebunden ! in GT-Brennstoff bei Verzicht auf Entschwefelung
Aerosole in Meeresnähe
Cl
– Kohlestämmige Brennstoffe – Verunreinigungen durch CKW (Lösungsmittel)
– dominierend in Pflanzenmasse (kohlestämmige Brennstoffe)
bine zu nutzen. Hierbei wird die Kohle bei hoher Temperatur mit sauerstoffangereicherter Luft vergast, wobei als Hauptprodukte CO und H2 entstehen. Der größte Teil der Asche wird bereits im Vergasungsreaktor abgezogen; in der folgenden Gasaufbereitung gelingt dann eine praktisch vollständige Entstaubung. Bei der – mehrstufigen – Gasaufbereitung werden auch ursprünglich gasförmige Schadstoffe, z. B. die Alkalisalze und der Schwefel, abgeschieden. Das relativ niederkalorische Gas kann nach Anpassung der Rohrleitungen, Ventile und Brenner im Prinzip ähnlich flexibel wie Erdgas eingesetzt werden [24.13]. In gleicher Weise ist es auch möglich, andere Synthesegase aus der chemischen Industrie oder Hochofengas als GT-Brennstoff einzusetzen. Sieht man von möglichen Störungen in der Aufbereitungsstrecke ab, können all diese Brennstoffe auch von der Korrosion her unbeschränkt zum Einsatz gelangen. Das Abgas einer druckaufgeladenen Wirbelschichtfeuerung kann ebenfalls zum Betrieb einer Gasturbine dienen; aufgrund der niedrigen Turbineneintrittstempera-
762
N. Czech
Einfluss der Legierungselemente
ungünstiger Einfluss
Einfluss der Brennstoffinhalte
günstiger Einfluss
ungünstiger Einfluss günstiger Einfluss Cr, Co, Hf, Ta (Al, Si)
Mg Korrosionsrate
Al, Co
HTK Typ I
Cr, Si HTK Typ II Na, SO3, Cl
Oxidation
V, Na, K, SO3, Cl W, Mo
(Na2SO4 -Schmelzen, Alkaliverbindungen)
Al, Y
(Na2SO4 * MeSO4-Schmelzen, SO3 gelöst)
ca. 700°C
ca. 850°C
ca. 1000°C
Temperatur
Abb. 24-2 Hochtemperaturkorrosion – schematische Darstellung der Angriffsarten
turen und der noch nicht gelösten Entstaubungsprobleme sowie der damit verbundenen Folgen wie dem Verschmutzen der Turbine in kurzer Zeit, der Erosion an den Laufschaufeln und der Sulfatkorrosion hat diese Technologie das Stadium von öffentlich geförderten Demonstrationsanlagen noch nicht verlassen. In der Tabelle 24-2 sind die wichtigsten gasturbinenrelevanten Schadstoffe mit ihrer überwiegenden Herkunft wiedergegeben.
24.2.3 Korrosionsmechanismen Die korrosionschemische Beanspruchung der heißgasführenden Bauteile besteht zunächst in der Oxidation – hierunter versteht man im Folgenden den ausschließlich von der Temperatur der Bauteiloberfläche und (in geringerem Maße) vom Druck und Sauerstoffgehalt abhängigen Angriff auf den Werkstoff. Dieser Angriff ist als solcher vom Arbeitsmedium vorgegeben und unvermeidbar; aus praktischen Gründen wird hier auch häufig die Nitrierung durch den Stickstoffanteil des Heißgases mitbetrachtet. Das Ausmaß des Angriffs kann durch Kühlung des Bauteils und Werkstoffwahl auf ein beherrschbares Niveau gebracht werden. Weitere Einflussgrößen sind die Fahrweise der Maschine – vor allem die Anzahl von Thermozyklen – und der Partialdruck des Wasserdampfes im Heißgas; beide Größen wirken tendenziell angriffssteigernd. Sind belagbildende Verunreinigungen zugegen, kann es zu beschleunigter (katalysierter) Oxidation, der bekannten Hochtemperaturkorrosion (HTK) kommen [24.14]. In Abb. 24-2 sind die für die GT-Praxis relevantesten HTK-Mechanismen als Funktion der Temperatur dargestellt. Eine Schlüsselfunktion bei den Korrosions-
24 Korrosion und Beschichtungen
763
erregern nimmt das Natriumsulfat ein, das unter der Annahme, dass ursprünglich Natriumchlorid in der Luft bzw. dem Brennstoff vorliegt, nach der „Sulfatierungsreaktion“ 2NaCl C SO3 .bzw. SO2 C 12 O2 / C H2 O ) Na2 SO4 C 2HCl
(24.1)
entsteht. Die hierzu notwendigen Schwefeloxide können in der Ansaugluft vorhanden sein (Industriestandorte), aber auch bei der Verbrennung schwefelhaltiger Verunreinigungen des Brennstoffes entstehen. Unter ungünstigen Bedingungen – vor allem bei hoher Feuchtigkeit und hohem SO2 -Gehalt der Luft – kann die Sulfatierung bereits auf den Ansaugfiltern stattfinden. Das hygroskopische Alkalisulfat kann dann als Salzlösung den Filter durchwandern und in die Maschine gelangen. Voraussetzung für das Wirksamwerden des Salzes als Korrosionserreger ist seine Kondensation in der Turbine. Unter Vernachlässigung kinetischer Effekte bei der Sulfatisierung ist das Kondensationsgleichgewicht eine Funktion des Partialdruckes des Salzes und der Oberflächentemperatur des Bauteils [24.15]. Nach dem Dalton’schen Gesetz hängt der Partialdruck vom Gesamtdruck ab; d. h. für die Gasturbine, dass bei gegebener Alkalikonzentration im Heißgas hohe Drücke in der Turbine einen kondensations- und damit HTK-fördernden Einfluss haben. Hohe Oberflächentemperaturen der Bauteile wirken der Kondensation entgegen, haben jedoch verstärkte Oxidation zur Folge. Zudem wird das Problem unter Umständen nur „nach hinten“ verlagert, da die Oberflächentemperaturen in den hinteren Stufen tendenziell niedriger werden. Dieser Effekt wird besonders wichtig, wenn die vorderen Turbinenstufen mit Wärmedämmschichten versehen sind, da diese durch die Isolationswirkung der Keramik sehr hohe Oberflächentemperaturen aufweisen. Die „Niedertemperatur“-Form HTK II – die Nummerierung basiert auf der relativ späten Entdeckung und Beschreibung dieser Angriffsart – besteht in einem sauren Aufschluss der schützenden Oxidschichten durch komplexe Alkali-/Co, NiSulfate, die aus Alkalisulfatablagerungen und Oxiden der Schaufelwerkstoffe gebildet werden [24.16]. Das aufschließende Medium ist unter GT-Bedingungen nur bei sehr hohen SO3 -Partialdrücken beständig, die Schwefelgehalten im Brennstoff > 1% entsprechen – HTK II ist somit eine Sonderform, die meist nur bei Schwerölfeuerung beobachtet wird. Morphologisch tritt diese HTK-Form mit Pusteln in Erscheinung, unter denen sich lochkorrosionsähnliche, im wesentlichen mit Chrom- und Nickelsulfiden gefüllte Grübchen befinden (Abb. 24-3). Nennenswerte im Metallgefüge vorlaufende Angriffe treten bei dieser Korrosionsform nicht auf. Die klassische Hochtemperaturkorrosion (HTK I) – sie wird vor allem in der angelsächsischen Literatur häufig als „Sulfidation“ bezeichnet – tritt lebensdauerbegrenzend im Temperaturbereich von ca. 750–950 °C auf. Im Gasturbinenbetrieb mit praktisch stets oxidierenden Bedingungen tritt HTK I nur in Gegenwart von Belägen auf, die die schützenden Oxidschichten auflösen. Die höchste Relevanz haben Alkalisulfate, z. B. Natrium, die Chrom- bzw. Aluminiumoxid nach 2Cr2 O3 C 4Na2 SO4 C 3O2 ) 4Na2 CrO4 C 4SO3
(24.2)
764
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Abb. 24-3 Morphologie der Typ II-HTK des Werkstoffes IN738 LC
und Al2 O3 C Na2 SO4 ) 2Na AlO2 C SO3
(24.3)
im Sinne eines basischen Aufschlusses in nichtschützende Verbindungen überführen [24.17, 24.18]. Die Aufschlussaktivität steigt dramatisch beim Übergang des Sulfates vom festen in den flüssigen Zustand. Für reines Natriumsulfat ist demnach katastrophale HTK erst oberhalb 884 °C zu erwarten; in der Praxis wird der Schmelzpunkt jedoch durch andere Salze und Reaktionsprodukte deutlich herabgesetzt. Die Morphologie des Angriffs ist relativ komplex und variabel. Unter einer äußeren Schicht, die vorwiegend aus Korrosionsprodukten – vorwiegend Oxiden – des Werkstoffes besteht, findet man ein Gemisch aus Oxiden und Sulfiden, in denen Chrom und, falls vorhanden, Nickel dominieren; auch Einschlüsse von nicht oxidiertem Metall sind häufig zu beobachten. Darunter befindet sich eine Zone mit innerer Oxidation bestimmter Legierungselemente (Al, Ti) und mit Sulfiden, die sehr
24 Korrosion und Beschichtungen
765
Abb. 24-4 Morphologie der Typ I-HTK des Werkstoffes IN738 LC
charakteristisch an den Korngrenzen entlang in den Werkstoff eindringen („Vorlaufende Sulfidation“). Ein Beispiel für HTK-I-Schädigung ist in Abb. 24-4 dargestellt. Erwähnenswert sind auch Untersuchungsergebnisse, dass die Änderung des Mechanismus von HTK I auf HTK II und umgekehrt – dies tritt in der Praxis auf, wenn eine GT häufig zwischen Teil- und Vollastbetrieb wechselt – zu einer schlimmeren Schädigung führt als eine der beiden Formen allein. Eine besonders scharfe Sonderform der HTK in Industriegasturbinen ist die Vanadatkorrosion. Das bei der Verbrennung entsprechender Brennstoffe entstehende Vanadiumpentoxid (V2 O5 ) stellt in flüssiger Form ein äußerst potentes („saures“) Agens für die Auflösung schützender Oxidschichten dar. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Alkalien kann der Schmelzpunkt der Vanadate in den Temperaturbereich < 600 °C herabgesetzt werden. Der Vanadatangriff beinhaltet grob betrachtet eine Verstärkung der bei den jeweiligen Temperaturen existierenden HTKMechanismen, sodass morphologisch das HTK-II- oder das HTK-I-Erscheinungsbild vorgefunden wird. Einen ähnlichen Einfluss haben Schwermetalle und Chlor, wobei letzteres praktisch niemals in Belägen vorzufinden ist; zum Mechanismus des Cl-Einflusses gibt es zahlreiche Hypothesen [24.19, 24.20]. Chlorwasserstoff hat nachgewiesenermaßen eine beschleunigende Wirkung auf die zyklische Oxidation von GT-Werkstoffen und Schutzschichten [24.21].
766
N. Czech
Keramische Beschichtungen, die in den vergangenen Jahren auf breiter Front an Bedeutung gewonnen haben, unterliegen ebenfalls korrosionschemischen Degradationen. Durchgesetzt in dieser Anwendung hat sich das mit 7–8% Yttriumoxid teilstabilisierte Zirkoniumoxid auf einer metallischen Haftvermittlerschicht (siehe auch Abschn. 24.3 „Wärmedämmschichten“) [24.22]. Aufgrund der Sauerstoffdurchlässigkeit des ZrO2 ist die Oxidation der Haftschicht (des „Bondcoats“) für den langfristigen Einsatz solcher Wärmedämmschichtsysteme neben der Thermoschockbeständigkeit lebensdauerbestimmend. Das Versagen tritt bei Überschreiten einer kritischen Oxidschichtdicke durch die induzierten Zugspannungen ein. Die Keramikschicht als solche unterliegt HTK-Angriffen, die den bei Metallen beschriebenen ähneln. Durch Alkalisulfate wird das ZrO2 in Form eines basischen Aufschlusses in Zirkonate überführt, die völlig andere thermisch-mechanische Eigenschaften besitzen. Der Stabilisator Y2 O3 ist dagegen empfindlich gegen Vanadate, die zur Bildung von YVO4 und dem Verlust der stabilisierenden Wirkung führen [24.23]. In neuerer Zeit wird ein Korrosionsmechanismus bei keramischen Beschichtungen – insbesondere in Triebwerken – unter dem Namen „CMAS“-Effekt beschrieben. (CMAS ist eine profane Abkürzung für Kalzium, Magnesium, Aluminium und Silizium.) Es handelt sich um die häufigsten Bestandteile mineralischer Stäube. Ihre Wirkung besteht in einem basischen Aufschluss des Zirkoniumoxides, gefolgt vom Zerfall der Kristallstruktur [24.24].
24.2.4 Korrosionsmindernde Maßnahmen Brennstoffspezifikation und -aufbereitung Die günstigste Strategie zur Vermeidung von Korrosionsschäden ist das präventive Fernhalten potenzieller Schadstoffe. Neben der bereits erwähnten Filtration der Ansaugluft und der regelmäßigen Verdichterwäsche hat sich die konsequente Anwendung von Brennstoffspezifikationen bewährt. Als Beispiel ist in Tabelle 24-3 die Spezifikation eines GT-Herstellers aufgeführt. Die Maximalwerte dieser Richtlinie sind zwar brennstoffbezogen, bei ihrer Beurteilung müssen aber die anderen in die Turbine mündenden Massenströme (Luft, Einspritzwasser etc.) berücksichtigt werden. In Meeresnähe werden beispielsweise je nach den Ansaug- und Filtrationsbedingungen ein bis zwei Drittel des Alkalimaximums durch die Luft ausgeschöpft; der Brennstoff muss daher entsprechend sauber sein. Während die Grenzwerte für Alkalien sich chemisch-physikalisch gut begründen lassen (sie werden aus den „Taupunkten“ der Alkalisulfate hergeleitet), ist im Falle des Chlors eine Quantifizierung des HTK-fördernden Einflusses sehr schwierig; sie sollte daher im Einzelfall unter Würdigung der Gesamtsituation getroffen werden. Der Schwefelgehalt wird hauptsächlich wegen seiner „Allgegenwart“ nicht begrenzt; die Kontrolle der schädlichen Alkalisulfatbildung erfolgt zweckmäßigerweise über die Alkalien. Überschreitungen einzelner Grenzwerte, die u. U. zeitlich begrenzt auftreten, führen nicht notwendigerweise zur Ablehnung eines Brennstoffes. Bei „geringfü-
24 Korrosion und Beschichtungen Tabelle 24-3 Grenzwerte für GT-Schadstoffe
767 Schadstoff
Max. zulässige Konzentration [mg=kg]
Na C K Pb V Ca Cl S
0,3–0,5 (abhängig vom Druckverhältnis) 1,0 0,5 10 Rücksprache mit dem Hersteller empfohlen Keine GT-seitigen Restriktionen
gigen“ Verletzungen der Richtlinie um 50–100% wird häufig das Revisionsintervall verkürzt, so dass die Schutzschichten entsprechend früher erneuert oder geschädigte Bauteile ausgetauscht werden können. Liegen schwererwiegende Kontaminationen vor, sind Maßnahmen zur Aufbereitung des Brennstoffes möglich; dies ist bei den fast ausschließlich betroffenen flüssigen Brennstoffen seit vielen Jahren Stand der Technik. Alkalisalze sind wasserlöslich und können ausgewaschen werden. Die entstehenden Emulsionen werden entweder durch Zentrifugieren oder elektrostatisch getrennt [24.25]. Die in Roh- und Schweröl vorliegenden Vanadiumgehalte (im Extremfall bis zu 300 mg V=kg!) machen weitere Sondermaßnahmen zur Korrosionsminderung notwendig. Hier hat sich vor allem die Dosierung von Magnesiumverbindungen als Inhibitoren bewährt [24.26]. Die Funktion des Mg besteht darin, das bei der Verbrennung entstehende Vanadiumpentoxid in das hochschmelzende Magnesiumorthovanadat zu überführen: V2 O5 C 3MgO ! Mg3 V2 O8
.Schmelzpunkt 1159 °C/ :
(24.4)
Neben der Additivierung des Brennstoffes mit öllöslichen Suspensionen von feinstverteiltem MgO ist als kostengünstige Alternative das Einspritzen in Wasser gelöster Mg-Salze, z. B. Magnesiumsulfat, in die Verbrennungszone erfolgreich erprobt worden [24.27]. Letztere Technik bietet zudem den Vorteil, mit einem geringeren Mg-Überschuss operieren zu können. (Stöchiometrisches Mg=V-Verhältnis 0;6; Dosierverhältnis „organische“ Additive D 3; Dosierverhältnis Magnesiumsulfat D 1.) Der Dosierüberschuss dient zum einen der Kompensation der unterschiedlichen Verteilung des Mg und des V im Heißgasbereich und zum anderen der Sicherstellung eines bestimmten Mg-Sulfatanteils in den resultierenden Belägen zum Zweck der leichten Waschbarkeit. Da MgSO4 thermisch nicht sehr stabil ist und auch die Wirksamkeit der Inhibierung mit steigender Temperatur abnimmt, empfehlen die maßgeblichen GT-Hersteller die Absenkung der Turbineneintrittstemperatur bei Schwerölbetrieb in Abhängigkeit vom V-Gehalt.
24.2.5 Korrosionsbeständige Werkstoffe Es existiert eine Vielzahl von Legierungen, die speziell für den Heißgasbereich entwickelt wurden. Für die Bauteile im Brennkammerbereich kommen sowohl hochwarmfeste Bleche als auch Gussteile infrage. Bis vor wenigen Jahren kamen fast
768
N. Czech
ausschließlich Chromoxidbildner zum Einsatz. Wegen steigender Heißgastemperaturen und beschränkter Kühlluftmenge sind nunmehr Aluminiumoxidbildner von zunehmender Bedeutung. Die oxiddispersionsgehärtete Fe-Basislegierung MA 956 mit einer Zulässigkeitsgrenze von ca. 1000 °C (unbeschichtet!) ist ein Beispiel für diese Entwicklung; sie wurde leider kürzlich vom Markt genommen. Die bewährten Werkstoffe Hastelloy X, IN 617, Haynes 230 und X 40/45 sind nach wie vor – auch aufgrund ihrer Reparaturfreundlichkeit – die „Arbeitspferde“ für den Bau von Heißgasgehäusen, Brennkammereinbauten und Übergangsstücken. In den neueren GT-Generationen werden sie zunehmend mit Wärmedämmschichten eingesetzt. Bei den Turbinenschaufelwerkstoffen, die heute fast ausschließlich durch Feinguss hergestellt werden, steht die Kriech- und Ermüdungsfestigkeit im Vordergrund der Werkstoffwahl (siehe Kap. 25). Tendenziell führt die Erhöhung des verfestigenden 0 -Anteils zur Herabsetzung der HTK-Beständigkeit – unabhängig von der Gussstruktur. Als grober Anhaltspunkt dient der Chromgehalt der jeweiligen Legierung [24.28]. Während die klassischen hoch HTK-beständigen Legierungen wie IN 939 und IN 738 LC Cr-Anteile von 22 bzw. 16% aufweisen, gibt es eine Gruppe mit geringerer HTK-Resistenz, aber höherer Festigkeit im Bereich von 12–14% Cr (z. B. IN 792 und René 80). Werkstoffe mit weniger als 10% Cr wie CM 247 oder die Einkristalllegierung CMSX 4 werden wegen ihrer sehr attraktiven Festigkeitseigenschaften mit steigender Tendenz in stationären Gasturbinen eingesetzt; für das Erreichen einer akzeptablen Lebensdauer benötigen die Schaufeln jedoch hoch zuverlässige Schutzschichten mit äußerst geringer Versagenswahrscheinlichkeit. Bei eher konservativer Auslegung wird daher die mittlere Werkstoffgruppe wegen der deutlich besseren „Notlaufeigenschaften“ bei Verlust oder Verbrauch der Beschichtung bevorzugt. (Die Hochtemperatur-Oxidationseigenschaften der höchstfesten Werkstoffe sind im Vergleich zur HTK unkritischer, da sie gute Aluminiumoxidbildner sind.) Weit verbreitet für Leitschaufeln und Übergangsstücke sind auch CoBasislegierungen wie FSX 414 und MarM 509. Sie zeichnen sich durch hohe Wärmeleitfähigkeit (was die Kühlung erleichtert) und gute HTK-Eigenschaften bei relativ schwacher bis mittlerer Warmfestigkeit aus. HTK-geschädigte Bauteile aus Co-Basis und solche aus Ni-Basis mit geringem 0 -Anteil können im Rahmen der Auslegungsgrenzen durch Schweißen oder Hochtemperaturlöten repariert werden [24.29]. Entscheidend für den Erfolg ist das restlose Entfernen aller Oxide und anderer Korrosionsprodukte sowie von Beschichtungsresten vor der Reparatur; hier sind Spezialverfahren wie die Fluorwasserstoffglühung entwickelt worden. Bei einkristallin erstarrten Schaufeln ist auch auf mögliche Rekristallisationen zu achten. Ausführlich dargestellt sind die Eigenschaften der Hochtemperaturlegierungen in Kap. 25.
24.2.6 Schutzschichten für den Heißgasbereich Die Oberflächen im Heißgasbereich werden in modernen Gasturbinen fast vollständig mit Beschichtungen versehen; Ausnahmen bilden in manchen Fällen noch die Schaufeln hinterer Turbinenreihen. In zunehmendem Maße werden nicht nur die
24 Korrosion und Beschichtungen
769
Tabelle 24-4 Anforderungsprofil an HTK-/Oxidationsschutzschichten – Geringe statische und zyklische Oxidationsraten – Hinreichende Beständigkeit gegen Hochtemperaturkorrosion – Niedrige Duktil-Spröd-Übergangstemperatur – Hohe Kriechfestigkeit – Physikalische Eigenschaften ähnlich dem Grundwerkstoff, gute chemische Kompatibilität – Gute Haftung – Minimale Langzeitinterdiffusion mit dem Grundwerkstoff – Wirtschaftliche Aufbringbarkeit in reproduzierbarer Qualität
WDS im heißgasführenden Bereich (Krümmer, Hitzeschild, Brennereinsätze, etc.) Innenalitierung: Pack, CVD, Paste WDS auf Schaufeln APS, EB-PVD 2. Generation MCrAIY NiCoCrAlY + Re/ + Ta/ + Pt 1. Generation MCrAIY NiCrAlY, CoCrAlY (+Al) Diffusionsschichten (Pt-) Aluminium, Chromierung, NiCrSiB
1970
1980
1990
2000
Einführungsjahr Abb. 24-5 Entwicklung von Schutzschichten für stationäre GT
heißgasseitigen Oberflächen, sondern auch die kühlluftseitigen geschützt [24.30]. Das Anforderungsprofil an die Schichten ist komplex, siehe Übersicht in Tabelle 24-4. Wie bei den Grundwerkstoffen hat sich auch bei den Beschichtungen der Übergang von Chrom- zu Aluminiumoxidbildnern für die heißeren Bauteile vollzogen. Die historische Entwicklung dieser Schichten ist in Abb. 24-5 dargestellt; typische Anwendungen in einer modernen Gasturbine zeigt Abb. 24-6. Fast alle Hersteller stationärer Gasturbinen verwenden heute trotz höherer Kosten thermisch gespritzte Auflageschichten aus der MCrAlY-Familie (M D Ni, Co), da die klassischen Chrom- bzw. Aluminiumdiffusionsschichten zu unflexibel hinsichtlich wünschenswerter Modifikationen der chemischen Zusammensetzung sind. MCrAlY-Schichten enthalten als Aluminiumvorrat die intermetallische ˇ-Phase NiCoAl [24.31]. Die
770
N. Czech Hitzeschilde: APS-WDS
1. u. 2. Reihe: EB-PVD-WDS und Innenalitierung 1. Reihe: Oxidationsbeschichtung und Innenalitierung
1. u. 2. Reihe: EB-PVD-WDS und Innenalitierung
1. Reihe, Führungsringsegmente: MCrAlYRe-Beschichtung
Brennereinsätze: APS-WDS
Abb. 24-6 Beschichtungen in einer modernen Gasturbine
Dotierung mit Yttrium verbessert die Haftung der Oxidschicht insbesondere bei zyklischer Beanspruchung [24.32]. Die Eigenschaften der MCrAlY-Schichten können durch Zulegieren weiterer Elemente deutlich verbessert werden. Durch Rhenium werden beispielsweise die mechanischen Eigenschaften und die Interdiffusion günstig beeinflusst. (Interdiffusion, d. h. „Einwärts“-Diffundieren von Schichtelementen und „Auswärts“-Diffundieren von Elementen des Schichtsubstrates, kann zur Verarmung der Schicht an Aluminium und somit schwächerer Oxidationsresistenz sowie im Falle unterschiedlicher Diffusionskoeffizienten von Schicht- und Substratelementen zu Porenbildung – dem Kirkendall-Effekt – und schließlich zu Abplatzungen führen.) [24.33, 24.34]; andere mögliche Beimengungen sind Si, Hf und Ta sowie Pt [24.35]. Platinaluminidschichten wurden ursprünglich gegen Heißgaskorrosion eingesetzt; heute werden sie zunehmend als Haftschichten für Wärmedämmschichten verwendet. Abbildung 24-7 zeigt den Zustand einer Re-haltigen NiCoCrAlY-Schicht nach 25 000 h statischer Oxidation im Laborversuch; die Schicht ist noch nicht völlig verbraucht und die Interdiffusion mit dem Grundwerkstoff hat nicht zu den durch den bereits erwähnten „Kirkendall-Effekt“ [24.36] hervorgerufenen, die Schichthaftung beeinträchtigenden Porenketten geführt. Zur weiteren Steigerung der Oxidationsbeständigkeit ist es möglich, die MCrAlY-Schichten mit einer Al-Diffusionsschicht zu überziehen. Wegen der Versprödungsgefahr beschränkt man dies weitgehend auf aluminiumarme Ausgangsschichten. Das Aufbringungsverfahren der Wahl für
24 Korrosion und Beschichtungen
771
Präparationsschutzschicht
MCrAlRe
Grundwerkstoff Ausgangszustand
Abb. 24-7 Oxidationsverhalten einer MCrAlRe – Legierung nach 20 000 h bei 950 °C/Luft/ stationär
MCrAlY-Schichten ist das Niederdruckplasmaspritzen, mit dem dichte, gut angebundene Schichten mit äußerst niedrigem Oxidgehalt erzeugt werden können. Aus Kostengründen greift man in der jüngeren Zeit in bestimmten Fällen auf das Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen (High Velocity Oxygen Fuel, HVOF) zurück. In den hinteren Schaufelreihen sowie in älteren GT-Typen kommen noch die genannten Diffusionsschichten auf Chrom- bzw. Aluminium/Silizium-Basis (z. B. Sermaloy J) zum Einsatz. Für die Innenbeschichtung der Kühlkanäle wählt man üblicherweise Alitierungen als Schichtsystem. Die Aufbringung erfolgt wo möglich mit dem Pulverpackverfahren; bei komplizierten Passagen wird die aufwändigere Gasphasentechnik (Chemical Vapour Deposition, CVD) angewendet [24.37]. Diese Schichten können – auch als Außenschicht – durch Modifikation mit Platin unter Bildung der intermetallischen Phase PtAl verbessert werden [24.38]. Tabelle 24-5 zeigt die chemische Zusammensetzung einiger häufig angewendeter Diffusions- und Auflageschichten sowie einige ihrer Eigenschaften. Während des Betriebes werden die Schutzschichten allmählich verbraucht; die ˇ-Phase wird oxidiert und es verbleibt eine NiCoCr-Matrix, in der auch andere Elemente enthalten sein können. Soll das Bauteil für eine weitere Betriebsperiode zum Einsatz kommen, müssen die Überreste der verbrauchten Beschichtung vollständig entfernt („gestrippt“) werden, bevor die Neubeschichtung erfolgen kann; dieser Prozess wird „Refurbishment“ genannt. Da die Schichtreste zum Teil sehr hartnäckig einem nasschemischen Strippen widerstehen, sind Spezialverfahren entwickelt worden, die bessere Erfolge zeigen [24.39]. Während des Refurbishments können auch die erwähnten Reparaturen durchgeführt werden. Detailliert werden diese Maßnahmen in Kap. 38 dargestellt.
772
N. Czech
Tabelle 24-5 Chemische Zusammensetzung einiger metallischer Schichten a) Diffusionsschichten Bezeichnung Chemische Herstellung bzw. Handelsname Klassifizierung
Bemerkung
„High-activity“Pack-Alitierung
Ni2 Al3
Packzementation bei niedriger T
Spröde, gut in Oxidation
„Low-activity“Pack-Alitierung
ˇ -NiAl
Packzementation bei hoher T
Gut in Oxidation
Gasphasenalitierung
ˇ -NiAl
„Out of Pack“-CVD Geeignet für Innenbeschichtungen oder CVD
Chromierung
NiCr/˛-Cr
Packzementation
RT 22 (Chromalloy)
PtAl
1. Galvanisch Pt, Gut in HTK und Oxidation, spröde 2. Packzementation Al
Gut in HTK, schlecht in Oxidation
b) Auflageschichten Handelsname
Anwender Ni
Co
GT 29
GE Power
–
GT 29 plus
GE Power
–
LCO 22
Siemens PG
PWA 286
Al
Y
Sonstige Sonstige Bemerkung
Rest 29
6
0,8
–
–
Gut in HTK, schlecht in Oxidation
Rest 29
6–15 0,8
–
–
Al " durch Diffundieren, besser in Oxidation
32,5 Rest 21
8
–
–
Schlecht in Oxidation bei hoher T
Pratt & Whitney
Rest 20
17
11,5 0,6
Hf < 1
Si < 1
Gut in Oxidation
HV 30
Alstom Power
Rest 25
25
7–10 1
Hf < 1
–
–
HV 40
Alstom Power
Rest 22
21
9–12 < 1 Hf < 1
Ta 1–2
–
Rest 5–30 7–10 < 1 < 1 Si
–
Gut in HTK und Oxidation bei mittleren T
9–12 < 1 < 3 Re
–
Gut in Oxidation
SICOAT 2231 Siemens PG
30
SICOAT 2453 Siemens PG
Rest 30
Cr
18
0,4
24.3 Wärmedämmschichten Die Entwicklung der Beschichtungen und der passenden Aufbringungstechnologien für stationäre Gasturbinen wurde seit Beginn der 1970er-Jahre basierend auf Triebwerksanwendungen vorangetrieben. Wärmedämmschichten (WDS) wurden zunächst im Brennkammer- und heißgasführenden Bereich eingesetzt, da die dor-
24 Korrosion und Beschichtungen
773
tigen Beanspruchungen niedriger und die verwendeten Bauteile einfacher und damit besser beschichtbar sind. Seit einigen Jahren werden auch Turbinenleit- und -laufschaufeln keramisch beschichtet. Als Keramikwerkstoff hat sich überall Zirkoniumoxid durchgesetzt; es wird in aller Regel mit ca. 7 Gew.-% Yttriumoxid teilstabilisiert angewendet (Internationale Kurzbezeichnung: „YPSZ“ von Yttria Partially Stabilised Zirconia). Als Haftschichten können sowohl Diffusions- als auch Auflageschichten zum Einsatz kommen. Für die besonderen Anforderungen in stationären Gasturbinen bieten die oben beschriebenen Auflageschichten auf MCrAlY-Basis (M D Ni, Co) die besten Möglichkeiten zur Erfüllung der chemischen und mechanischen Voraussetzungen. Ihre Eigenschaften können durch Zulegieren – wie oben dargestellt – spezieller Refraktärelemente wie Rhenium und Tantal oder durch Platinieren weiter verbessert werden (siehe oben).
24.3.1 Beschichtungsverfahren In der Keramikschicht muss bekanntlich durch gezieltes Einstellen der Mikrostruktur eine ausreichende Dehnungstoleranz sichergestellt werden. Hierzu gibt es zwei technisch bedeutende, prinzipiell unterschiedliche Vorgehensweisen: • Thermisch (meist mit atmosphärischem Plasma, APS) gespritzte Schichten, bei denen abhängig von der gewünschten Schichtdicke und Spannungsverteilung Porosität zwischen ca. 10 und 25 Vol.-% eingestellt wird (Abb. 24-8). Die Bindung zur (rau gespritzten) Haftschicht erfolgt durch mechanische Verklammerung. • Mittels Elektronenstrahl aufgedampfte (EB-PVD-)Schichten, die bei Einhaltung bestimmter Abscheidebedingungen eine kolumnare dehnungstolerante Struktur aufweisen (Abb. 24-9). Die Schicht ist chemisch durch Bildung eines Al, Zr-Mischoxides (Thermally Grown Oxide, TGO) gebunden, was besondere Anforderungen an das Oxid-
Abb. 24-8 Gradiert-porös gespritzte Wärmedämmschicht
├
100 μm
┤
774
N. Czech
Abb. 24-9 Mikrostruktur einer EB-PVD-WDS
Keramikschicht
Haftschicht
Tabelle 24-6 Anforderungsprofil für Wärmedämmschichten Bauteil
Tmax Oberfläche
Tmax Bondcoat
Schichtdicke
Porosität
Schaufeln
1200 °C
930 °C
150–300 µm
Hitzeschilde Brennereinsätze Dichtring
1200 °C 1100 °C 1200 °C
930 °C 900 °C 900 °C
0,5–1,2 mm 0,7–0,8 mm 1mm
EB-PVD 0 % APS 15 % APS 12–24% APS 12–24% gradiert 9–27%
Aufgedampfte Schicht
APSSpritzschichten
0
10 20 30
40
50 60 70 80
90 100
Relative Lebensdauer (EB-PVD = 100) Abb. 24-10 Thermoermüdungsverhalten von EB-PVD-YPSZ im Vergleich zu gespritzten (APS) Schicht
wachstum auf der Haftschicht stellt. Für eine ungestörte Keimbildung und ein störungsarmes Wachstum der kolumnaren Kristalle ist eine möglichst glatte Haftschicht von Vorteil. In Tabelle 24-6 sind typische Anforderungsprofile für einige Bauteile aufgeführt.
24 Korrosion und Beschichtungen
775
Tabelle 24-7 Eigenschaften von APS- und EB-PVD-Keramiken als WDS auf Turbinenschaufeln APS
EB-PVD
Bindung
mechanisch, niedrige Adhäsionskräfte
chemisch, hohe Adhäsionskräfte
Haftschicht
rau
glatt, spezielle Zusammensetzung erforderlich
Mechanismus der Dehnungstoleranz
Porosität (oder Mikrorisse)
kolumnare Mikrostruktur
Wärmeleitfähigkeit
niedrig
höher
Lebensdauererwartung
breite Streuung
reproduzierbar
Blockierung der Kühlluftbohrungen
nicht kontrollierbar
reproduzierbare Durchmesserverengung
Beschichtung komplexer Geometrien
Kontrolle durch Anzahl der Roboterbewegungen
Kontrolle durch Bauteilbewegung
Streuung der Schichtdickenverteilung
> 50%
< 50%
Kosten
niedrig
hoch
Im Brennkammerbereich sind wegen der niedrigeren Strömungsgeschwindigkeit und damit geringerem Wärmeübergang dickere Schichten als auf der Beschaufelung nötig, um eine vergleichbare Isolationswirkung zu erzielen. EB-PVD-Schichten werden vorwiegend auf Schaufeln eingesetzt, da hier ihre überlegene Thermoschockbeständigkeit (Abb. 24-10) zum Tragen kommt. Ist diese Beanspruchung nicht dominierend, können auch thermisch gespritzte Schichten mit Erfolg eingesetzt werden. Für Brennkammerkomponenten kommen sie wegen ihrer limitierten Schichtdicke weniger infrage. Hier werden mittlerweile bis zu 2 mm dicke Schichten durch APS realisiert. In Tabelle 24-7 sind die wichtigsten Unterschiede und Auswahlkriterien für die Entscheidung, ob ein Bauteil mit EB-PVD oder APS beschichtet werden soll, aufgeführt. Aufgrund der technologisch bedingt höheren Kosten des Aufdampfens werden EB-PVD-Schichten nur auf besonders stark beanspruchten Schaufeln eingesetzt.
24.3.2 Anwendungsbeispiele Eine mit EB-PVD-Keramik beschichtete Laufschaufel ist in Abb. 24-11 wiedergegeben. Bei der Herstellung dieser Schaufel kommt vorteilhaft zum Tragen, dass im Gegensatz zu thermisch gespritzten Schichten nicht die Gefahr besteht, dass Kühlluftaustrittsbohrungen verstopft werden; es erfolgt lediglich eine gut reproduzierbare Einschnürung, die bei der Festlegung der Bohrungsdurchmesser vorgehalten werden kann.
776
N. Czech
Abb. 24-11 Laufschaufel mit EB-PVD-Wärmedämmschicht
Abbildung 24-12 zeigt einen Hitzeschild, der in der Brennkammer Verwendung findet. Er ist auf der Rückseite prallgekühlt und wird mittig mit einer Schraube gehalten. Je nach Einbauort kann das Bauteil eben oder gekrümmt ausgeführt werden. Die Beschichtung wird mit APS aufgebracht; die Schichtdicke ist 0;5 mm. Ebenfalls ein Bestandteil der Brennkammerauskleidung ist der in Abb. 24-13 gezeigte Brennereinsatz. Er hat die Abmessung 420 420 mm. Die nach der gleichen Spezifikation wie bei den Hitzeschilden applizierte Beschichtung hat bei diesem großen Bauteil vorrangig die Funktion, Wärmespannungen zu vermindern. Abbildung 24-14 zeigt die beiden erwähnten Bauteile zusammen mit den vorderen Laufschaufelreihen (in diesem Fall ohne WDS) im montierten Zustand als Komponenten der sogenannten Innenschale einer Ringbrennkammer. Insgesamt können bei einer großen Gasturbine mit Ringbrennkammer mehr als 15 m2 heißgasbeaufschlagte Fläche mit WDS beschichtet sein. Eine weitere zukunftsweisende Applikation ist in Abb. 24-15 wiedergegeben. Es handelt sich um ein Segment des sogenannten Dichtrings, der die 1. Laufschaufelreihe gehäuseseitig abdichtet. Neben der Verringerung des Wärmeflusses hat die WDS hier auch die Funktion einer Einlaufschicht zur Minimierung der Spaltverluste, eine in Triebwerken seit längerem eingeführte Technik. Eine Besonderheit der WDS besteht darin, dass die Keramikschicht mit gradierter Porosität ausgeführt ist. Zunächst wird eine relativ dichte Schicht gespritzt, die dann allmählich immer
24 Korrosion und Beschichtungen Abb. 24-12 BrennkammerHitzeschild mit WDS
Abb. 24-13 Brennereinsatz mit WDS
Abb. 24-14 Innenschale einer Ringbrennkammer
777
778
N. Czech
Abb. 24-15 Segment eines Dichtrings über der Laufschaufel 1
WDS mit MCrAlY der 2. Generation
Kühlluftbedarf [%]
100
WDS mit MCrAlY der 1. Generation 50 HaftschichtOxidation Sinterung des YPSZ 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
1,6
1,8
2,0
Schichtdicke der YPSZ-Schicht [mm] Abb. 24-16 Kühllufteinsparung in der Brennkammer
poröser ( 25 Vol.-%) wird. Der Sinn dieser Ausführung besteht darin, Spannungsspitzen, die durch das Anstreifen der Laufschaufelkante induziert werden, innerhalb der Schicht abzubauen und ein durchgehendes Abplatzen bis zur Haftschicht hin zu verhindern. Theoretisch wären zur Kühllufteinsparung möglichst dicke Keramikschichten wünschenswert. In der Realität gibt es jedoch die Limitierung durch die Sinterung des Zirkoniumoxids bei Dauereinsatztemperaturen 1200 °C; bei gegebener Kühlluftmenge wird diese Temperaturgrenze bei einer bestimmten Schichtdicke erreicht (vgl. Darstellung in Abb. 24-16).
24 Korrosion und Beschichtungen
779
Aus dem Diagramm ist ebenfalls ersichtlich, dass im Dickschichtbereich eine Steigerung der zulässigen Haftschichttemperatur keine Kühllufteinsparung ermöglicht, während bei dünnen Keramikschichten die Entwicklung von Haftschichten mit höherer Oxidationsbeständigkeit äußerst attraktiv ist.
24.3.3 Versagensmechanismen Das Versagen von WDS bzw. die lebensdauerbestimmenden Faktoren in stationären Gasturbinen stimmen zum Teil mit den in Triebwerken dominierenden überein, zum Teil gibt es fundamentale Unterschiede aufgrund zusätzlicher Beanspruchungen. In Abb. 24-17 sind die wichtigsten Mechanismen in Form eines „Fehlerbaumes“ dargestellt. Neben den prozessbedingten Qualitätsaspekten von Haft- und Keramikschicht, die durch eine kontinuierliche Prozessverbesserung und eine Weiterentwicklung von zerstörungsfreien Prüfverfahren beherrschbar sind, gibt es die alterungsbedingten Eigenschaftseinbußen und die (lokale) Zerstörung der Schicht durch Fremdkörpereinschläge (Foreign Object Damage, FOD). Wie bereits erwähnt, ist bei dünnen keramischen Schichten die Oxidation der Haftschicht, bei dickeren das Sintern der Keramik lebensdauerbestimmend. Die Ermüdungseffekte bei Haft- und Keramikschicht sind dagegen in stationären Gasturbinen von geringerer Bedeutung, da die Dauerbetriebstemperaturen niedriger sind als die Spitzentemperaturen im Triebwerk. Allerdings werden letztere nur für wenige Minuten im Steigflug erreicht, während beim heute in stationären Gasturbinen meist üblichen Grundlastbetrieb die Ex-
TBC Spallation
Coating Quality Issues
Property Degradation
Decrease of Adhesion
Accelerate Bond Coat Oxidation
Decrease of Strain Tolerance
Ceramic Sintering
Fatigue Effects
Bond Coat creep
Ceramic Creep
Structural Ceramic Instability
Corrosion
Insufficient Strain Tolerance
Insufficient Adhesion
Ceramic Process Deviations
Bond Coat Process Deviations
Overheating (e.g. Cooling Hole Blockage)
Abb. 24-17 Versagensmechanismen von Wärmedämmschichten
FOD
780
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Abb. 24-18 Laufschaufel der 1. Stufe betriebsbeansprucht (links) und neu. Abplatzungen der WDS durch Überhitzung (Plattform) und Kanteneffekte der Kühlluftbohrungen
positionszeit bei maximaler Temperatur deutlich länger ist. Des Weiteren gibt es den bei Triebwerken nicht vorkommenden „Lastabwurf“ oder „Trip“, bei dem der Generator vom Netz getrennt wird. Dabei wird innerhalb einer Sekunde die Brennstoffzufuhr stark reduziert oder gar völlig unterbrochen, während der Verdichter weiter „kalte“ Luft fördert. Hierdurch werden in der Schicht sehr hohe Zugspannungen induziert. Oxidation und Sinterung als Langzeiteffekte werden bei der Auslegung des Bauteils – insbesondere der Kühlung – berücksichtigt, sie sollten daher während der üblichen Standzeit der Beschichtung (z. B. 25 000 Betriebsstunden) nicht zum Versagen der Schicht führen. Dennoch kann im Einzelfall ein lokales Abplatzen der Schicht nicht ausgeschlossen werden. Daher muss das Werkstoffsystem unter der Keramikschicht hinreichende „Notlaufeigenschaften“ haben. FOD schließlich kann durch Grobpartikel oder Fremdkörper verschiedenster Herkunft hervorgerufen werden. Im Folgenden sind einige Beispiele für die genannten Schädigungen aufgeführt: Abbildung 24-18 zeigt jeweils eine betriebsbeanspruchte und neue mit EB-PVD beschichtete Laufschaufel, von denen die zuerst genannte auf der Plattform einen „Hot Spot“ aufweist. In seinem Kernbereich ist die Keramikschicht bereits abgeplatzt; der umgebende helle Hof zeigt erfahrungsgemäß, dass dort keine Bindung zwischen Haft- und keramischer Schicht mehr besteht (Delamination). Weitere Ab-
24 Korrosion und Beschichtungen
Keramikschicht
TGO
Haftschicht
Abb. 24-19 EB-PVD-Wärmedämmschicht Delamination unterhalb des TGO
Keramikschicht
Haftschicht
Substrat
Abb. 24-20 APS-Wärmedämmschicht: Delamination im unteren Bereich der Keramik
781
782
N. Czech
platzungen der WDS sind im Bereich der eintrittskantennahen Kühlluftbohrungen zu verzeichnen. Dort wird die Haftschicht durch den Kanteneffekt an den Bohrungen frühzeitig oxidiert. Im Schliffbild (Abb. 24-19) sieht man, dass das TGO die kritische Dicke überschritten hat und die Ablösung an der Grenzfläche zwischen Haftschicht und TGO eingetreten ist. Bei gespritzten Schichten dagegen tritt das Versagen üblicherweise im unteren Bereich der Keramikschicht ein (Abb. 24-20). In Abb. 24-21 ist eine ebenfalls mit EB-PVD beschichtete Laufschaufel der ersten Stufe mit FOD dargestellt. Von der thermisch hervorgerufenen Abplatzung unterscheidet sich diese Schädigung durch den scharfen Übergang zum „gesunden“ Bereich (Fehlen des Hofes) und ihr bevorzugtes Auftreten in einem bestimmten Bereich des Schaufelprofils, nämlich kurz hinter der Eintrittskante auf der konvexen (Saug-)Seite, wo es strömungsbedingt bevorzugt zu Partikeleinschlägen kommt. Wegen der Vielzahl möglicher Partikelquellen sind sicher wirkende primäre Abhilfemaßnahmen kaum realisierbar. Um die Folgen derartiger Schichtbeschädigungen für den Betrieb der Maschine zu begrenzen, kann man neben der generellen Beachtung der Notlaufeigenschaften bei der Auslegung der Schaufeln den gefährdeten Profilabschnitt gezielt so „überkühlen“, dass sich auch nach einem Verlust der Keramikschicht die verbleibende MCrAlY-Haftschicht in ihrem Arbeitstemperaturbereich befindet und das Bauteil für die restliche Betriebszeit schützt, was aber einen erhöhten Einsatz von Kühlluft während der gesamten Betriebsdauer verursacht.
Abb. 24-21 Schädigung einer WDS durch Fremdkörpereinschlag
24 Korrosion und Beschichtungen
783
24.3.4 Ausblick In den nächsten Jahren wird die Weiterentwicklung der vorhandenen Wärmedämmschichtsysteme einen Schwerpunkt der Werkstofftechnik für stationäre Gasturbinen darstellen. Da das teilstabilisierte Zirkoniumoxid – wie dargestellt – insbesondere bei dicken Schichten in die Nähe des Sinterbereiches gerät, ist man auf der Suche nach alternativen Keramikwerkstoffen mit höherer Temperaturbeständigkeit; ein mittelfristiges Ziel stellt eine Dauereinsatztemperatur von 1300 °C dar. Daneben müssen selbstverständlich für die Funktion günstige physikalische Eigenschaften (geringe Wärmeleitfähigkeit und metallnaher Ausdehnungskoeffizient) angestrebt werden. Erste Erfolge wurden bereits in Triebwerksanwendungen erzielt. Im Mittelpunkt des Interesses stehen derzeit die Klassen der Perowskite, Spinelle und Pyrochlore [24.40]. Eine bereits im „Regenbogenversuch“ getestete Keramik ist das Gadoliniumzirkonat Gd4 Zr3 O12 . Diese Schicht kann nur durch EB-PVD aufgebracht werden [24.41]. Die ebenfalls für den Triebwerkseinsatz vorangetriebene Entwicklung von WDS mit geringerer thermischer Leitfähigkeit (d. h. Realisierung dünnerer und damit leichterer Schichten bei gleicher Dämmwirkung) spielt in stationären Gasturbinen wegen der fehlenden Gewichtsproblematik keine Rolle. Unabhängig hiervon wird daran gearbeitet, die bestehenden Haftschichten oxidationsbeständiger zu machen und Dauereinsatztemperaturen 1000 °C für 25 000 h zu ermöglichen. Hierbei ist zu beachten, dass in diesem Temperaturbereich Diffusionseffekte zwischen dem Grundwerkstoff und der Schicht zu zusätzlichem Schichtverbrauch und auch zu Haftungsproblemen führen können. Eine über das heute Erreichte hinausgehende Feinabstimmung der MCrAlY-Chemie scheint aber trotz dieser Probleme ein ausreichendes Potenzial zu bieten. Ähnliches gilt auch für die die PtAl-Schichten. Die etablierten Beschichtungstechniken müssen an immer größere Bauteile mit zunehmend filigranen Wandstrukturen angepasst werden, bei gleichzeitiger Optimierung der Reproduzierbarkeit, der Qualität und der Wirtschaftlichkeit. Auf der theoretischen Seite müssen aussagekräftige Lebensdauermodelle für WDS entwickelt und verfeinert werden. Eine Rückkopplung mit aktuellen Betriebserfahrungen ist zu gewährleisten.
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N. Czech
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Kapitel 25
Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe Christina Berger und Hermann W. Grünling
25.1 Einführung und Geschichte Die Entwicklung der stationären Gasturbine, insbesondere die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Turbinenbeschaufelung, war viele Jahre lang eng mit der Entwicklung von Flugtriebwerken verknüpft. Drei wesentliche Entwicklungen haben den Fortschritt bestimmt: • Die Weiterentwicklung hochwarmfester Werkstoffe von den Eisen- und Kobaltbasislegierungen hin zu den ausscheidungshärtenden Nickelbasislegierungen mit hohem 0 -Anteil, • die Entwicklung der Herstelltechnologie vom Schmieden über den Präzisionsfeinguss unter Vakuum zur Technologie der gerichteten und einkristallinen Erstarrung auch größerer Schaufeln und • die Entwicklung der Schaufelkühlung. Keine dieser Entwicklungen ist unabhängig von den anderen zu sehen, denn keine wäre ohne die anderen ohne weiteres möglich gewesen. Eine Legierung mit hoher Warmfestigkeit bzw. Zeitstandfestigkeit erfordert einen möglichst hohen Anteil härtender Phasen. Ein solcher Werkstoff kann nur gießtechnisch verarbeitet werden. Komplexe Kühlgeometrien im Inneren einer Schaufel sind wirtschaftlich nur gießtechnisch herstellbar. Höhere Zeitstandfestigkeit eines Bauteils ist nur noch durch Eliminieren der Korngrenzen möglich, indem man das ganze Bauteil als Einkristall erstarren lässt. Das setzt wiederum das Beherrschen der Technologie der gerichteten einkristallinen Erstarrung voraus. Die Beschaufelung der ersten Gasturbinen bestand aus Eisenbasisknetlegierungen aus der Gruppe der hochlegierten austenitischen Stähle wie dem heute noch verfügbaren A-286, dem noch bis in die 1970er-Jahre in stationären Gasturbinen eingesetzten S 590 oder der historischen Legierung Rex-78 (bezüglich Zusammensetzung vgl. Tabelle 25-1) oder insbesondere in Deutschland, wo man in den ersten serienmäßigen Strahltriebwerken bereits einfach gekühlte Hohlschaufeln einsetzte [25.1], Legierungen vom Typ 18 Cr-9 Ni oder 16 Cr-15 Ni mit Mo, W, Ta und Ti als festigkeitssteigernde Legierungszusätze.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
785
786
C. Berger, H. W. Grünling
Tabelle 25-1 Legierungszusammensetzungen (Beispiele, Mittelwerte in Masse-%) Legierungsnamen sind kursiv gedruckt, eine Zuordnung zu den Herstellern befindet sich am Ende der Tabelle Eisenbasissuperlegierungen Legierung
Ni
Cr
Co Mo W
Nb Al
A 286 1.4980; X 5 NiCrTi 26 15
26
15
1,2
Alloy 800 H 1.4959; X 8 NiCrAlTi 32 21
32
21
N 155 1.4971; X 12 CrCoNi 21 20
20
21
20
3
S 590 1.4977; X40 CoCrNi 20 20
20
20
20
3,8 3,8 4,5
Alloy 802 X 50 NiCrAlTi 33 20
32
20
Ti
C
Mn Si
andere
Knetlegierungen 0,3 2
0,8 1,3 0,5 0,25 V, 0,006 B
0,4 0,4 0,08 2,5 1
0,15 1,5 0,5 0,15 N 0,4 0,3 0,6 0,5
Mechanisch legierte Werkstoffe Incoloy MA 956 Incoloy MA 957 PM 2000
20 14 19
4,5 0,5 1 5,5 0,5
0,3
0,5 Y2 O3 0,3 Y2 O3 0,5 Y2 O3
Cobaltbasissuperlegierungen Legierung
Fe
Ni
Cr
Co Mo W Nb Al Ti C
Mn
Si
B
<1
0,012
0,5
0,5
Zr Ta
Gusslegierungen FSX 414
< 2 10,5 29,5 R
7
X-40 2.4682; G-CoCr25NiW
1,5 10
7,5
X-45
< 2 10,5 25,5 R
7
MAR-M 509 MAR-M 302
1
7
10
25
R
24 R 21,5 10
0,25 < 1 0,5
0,25 < 1
0,01
0,2 0,6 < 0;1 < 0;1 < 0;01 0,5 3,5 0,85 0,005 0,2 9
Nickelbasissuperlegierungen Legierung
Fe Cr
Co Mo W Nb
Al Ti
C
Mn Si B
Zr
Knetlegierungen Nimonic 80A Nicrofer 7520Ti 2.4952; NiCr20TiAl
19,5
Nimonic 91, IN 587 Nimonic 101; IN 597
1,4 2,3 0,07
0,003 0,06
28,5 20
0,75 1,2 2,3 0,05
0,006 0,07
24
0,95 1,5 3
20 1,5
0,05
0,013 0,05
Nimonic 105 2.4634; NiCo 20 Cr 15 MoAlTi
0,5 15
20 5
4,7 1,2 0,15
0,06
0,07
Nimonic 115 2.4636; NiCo 15 Cr 15 MoAlTi
15
15 4
5
0,16
0,04
4
0,15
Ta
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
787
Tabelle 25-1 (Fortsetzung) Legierung
Fe Cr
Co
Mo W Nb Al Ti
C
Mn Si
B
Zr
Nimonic 263 2.4650 NiCo 20 Cr 20 MoTi
20
20
5,9
0,4 2,1
0,06
0,004
Udimet 500 – 2.4666; NiCr 18 CoMo
18
19
4,2
3
3
0,05
0,007 0,05
Udimet 520
–
19
12
6
2
3
0,05
0,005
Udimet 700
–
15
17
5,3
Udimet 710
–
18
15
3
Udimet 720
–
18
14,5 3
Ta
Knetlegierungen
Waspalloy – 2.4645; NiCr 19 Co 14 Mo 4 Ti Legierung
1
4,2 3,3 1,5 2,5 5 1,3
19,5 13,5 4,3
Fea
Cr Mo W
0,07
0,02
0,07
0,02
2,5 5
0,03
0,03
1,3 3
0,08
0,006 0,06
Ta Al Ti
C
B
Zr
0,03
Y 2 O3
Mechanisch legierte Werkstoffe IN MA 754
1
20
IN MA 6000
1
15 2
4
IN MA 760
1
20 2
3,5
PM 1000
20
PM 3030
17 2
Legierung
2
0,3 0,5 0,05
0,6
4,5 2,5 0,05 0,01
0,15 1,1
6
0,05 0,015 0,15 0,95 0,3 0,5
3,5 2
0,6
6
1
Cr
Co Mo W Ta Nb Al Ti
C
B
Zr
GTD-111
14
9,5 1,5 3,8 2,8 –
GTD-222
22,5 19
IN 100 2.4674; G-NiCo15CrAlTiMo
10
IN 713 LC 2.4670; G-NiCr13Al6MoNb
12
IN 738 LC
16
IN 939
22,5 19
IN792
12,5 9
MAR-M 002
9
10
MAR-M 247
8,4
10 0,7 10 3
5,5 1
René 80
14
9,5 4
3
4,8 0,17 0,015 0,03
Udimet 500; 2.4666
18
19 4,2
3
3
Udimet 700
15
17 5,3
4,2 3,3 0,07 0,02
Andere
Gusslegierungen
a
2
1
3
4,9 0,1
0,8 1,2 2,3 0,1
15 3
0,01 0,008
5,5 4,7 0,18 0,015 0,06 1 V
4,5
2
6
0,7 0,05 0,01
8,5 1,7 2,6 1,7 0,9 3,4 3,4 0,11 0,01 2 1,9 4
0,05
1,4 1
1,9 3,7 0,15 0,009 0,1
4
3,5 3,9 0,08 0,02
10 2,5 4
0,1
0,1
bis 1,4 Hf
5,5 1,5 0,14 0,015 0,05 1,5 Hf 0,15 0,015 0,05 1,4 Hf 0,07 0,007 0,05
Geringe Fe-Gehalte rühren vom Verschleiß der Mahlkugeln her.
788
C. Berger, H. W. Grünling
Tabelle 25-1 (Fortsetzung) Legierung
Cr
Co Mo W
Ta
Nb Al
Ti
C
B
Zr
Andere
–
4,9 3,9 3,5 4,8 0,7 0,7 1,5 2
0,1 0,08 0,15 0,08 0,07 0,07 0,15 0,14 0,12
0,01 0,02 0,01 0,015 0,01 0,015 0,015 0,015 0,015
0,1 0,1 0,2 0,01 0,005 0,05 0,08 0,02
bis 1,4 Hf 0,75 Hf 0,75 Hf 1,4 Hf 1,4 Hf, 3 Re 1,5 Hf 2 Hf 2,8 Re, 1,5 HF
Gerichtet erstarrte Legierungen GTD-111 IN792 IN 6203 René 80 H CM 247 LC CM 186 LC MAR-M 002 MAR-M 200 René 142
14 12,5 22 14 8,1 6 9 9 6,8
9,5 9 19 9,5 9,2 9 10 10 12
Legierung
Cr
Co
1,5 3,8 2,8 1,9 4 4 2 1,1 4 4 0,5 9,5 3,2 0,5 8 3 12 2,5 12 1,5 4,9 6,4 Mo
W
3 3,5 0,8 2,3 3 5,6 – 5,7 5,5 1 5 6,1 Nb
Ta
Hf
Re
Ru
Al
Ti
Andere
– – – – – – – – – –
– – – –
– – –
5,6 5,6 4,8 5 3,6 3,5 5,5 3,7 5,2 6
1 1 4,7 1,5 4,1 3,5 2,2 4,2 1,1 2
– – – – 0,07 C – – – – –
3 3 3 3
– – – –
5,6 5,6 6,2 5,2
1 – – 1
– – – –
Einkristalllegierungen Erste Generation CMSX-2 CMSX-3 CMSX-6 PWA 1480 PWA 1483 SC 16 SRR 99 René N4 AM 1 AM 3
8 8 9,8 10 12,2 16 8 9 7,8 8
4,6 4,6 5 5 9 – 5 8 6,5 5,5
0,6 0,6 3 – 1,9 3 – 2 2 2
8 8 – 4 3,8 – 10 6 5,7 5
– – – – – – – 0,5 – –
6 6 2 12 5 3,5 3 4 7,9 3,5
– 0,1 0,1 – – – – – – –
–
Zweite Generation CMSX-4 PWA 1484 René N5 SC 180
6,5 5 7 5
9 10 8 10
0,6 2 2 2
6 6 5 5
– – – –
6,5 8,7 7 8,5
0,1 0,1 0,2 0,1
Dritte Generation CMSX-10 CMSX-10M René N6
2 2 4,2
3 1,7 12,5
0,4 0,4 1,4
5 5,4 6
0,1 0,08 –
8 8,2 7,2
0,03 0,03 0,15
6 6,5 5,4
– – –
5,7 5,78 5,75
0,2 0,24 –
TMS-75 TMS-80
3 2,9
12 11
2 1,9
6 5,8
– –
6 5,8
0,1 0,1
5 4,9
– –
6 5,8
– –
3 Ir
6 5 5,8
3,0 2,0 3,6
5,6 5,8 5,7
– – –
– – –
0,05C, 0,004B, 0,01Y
Vierte Generation PWA 1497 TMS-138 TMS-138 A
2,0 3,2 3,2
16,5 5,8 5,8
2 2,9 2,9
6 5,9 5,6
– –
8,3 5,6 5,6
0,15 0,1 0,1
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
789
Tabelle 25-1 (Fortsetzung) Legierung
Cr
Co
Mo
W
Nb
Ta
Hf
Re
Ru
Al
Ti
Andere
0,1 0,1 0,1
4,9 6,9 6,4
6,0 5,0 5,0
5,8 5,6 5,6
– – –
– – –
Fünfte Generation TMS-162 TMS-173 TMS-196
3,0 3,0 4,6
5,8 5,6 5,6
3,9 2,8 2,4
5,8 5,6 5,0
– – –
5,6 5,6 5,6
Erläuterungen der Handelsnamen: Alloy, z. B. Alloy 800 H, 802 S, z. B. S 590 Incoloy, z. B. Incoloy MA956 PM, z. B. PM 2000, 3000 FSX, z. B. FSX 414 X, z. B. X-40, -45 MAR-M, z. B. MAR-M 509 Nimonic, z. B. Nimonic 80A, 105 Nicrofer, z. B. Nicrofer 7520Ti Udimet, z. B. Udimet 500, 720 Waspalloy IN, z. B. IN MA 6000, IN 738 LC, 939 GTD, z. B. GTD-111 CM, z. B. CM 247 LC René, z. B. René 142, René N4, 5 CMSX, z. B. CMSX-4 PWA, z. B. PWA 1480, 1484 SC, z. B. SC 16, SC 180 SRR, z. B. SRR 99 AM, z. B. AM 3 TMS, z. B. TMS-75, -196
International Nickel Comp. (jetzt Special Metals Inc.) Allegheny-Ludlum Steel Co. International Nickel Comp. (jetzt Special Metals Inc.) Metallwerk Plansee GmbH GE, F D A. D. Foster, S D C.T. Sims, X D R. Thiellemann definiert von R. Thiellemann Martin Marietta Corp. International Nickel Comp. (früher Henry Wiggin, England, jetzt Special Metals Inc.) Krupp VDM GmbH Special Metals Inc. United Aircraft Comp. International Nickel Comp. (jetzt Special Metals Inc.) (LC D Low Carbon) General Electric Comp. (Gas Turbine Division) Cannon-Muskegon Corp. General Electric Comp. Cannon-Muskegon Corp. Single Crystal (Xtal) Pratt & Whitney Aircraft Corp. (United Technologies Corp.) General Electric Comp. (Patent) Rolls-Royce Ltd. ONERA, Frankreich (Entwickler) NIMS (National Institute of Material Science, Tsukuba, Japan, Entwickler)
Die Geschichte der hochwarmfesten Nickelbasislegierungen – den eigentlichen Superlegierungen – begann Ende der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts mit der Beobachtung, dass die Zugabe geringer Mengen an Aluminium und Titan zu der damals schon gut bekannten Legierung aus 80% Nickel und 20% Chrom eine erhebliche Steigerung der Kriechfestigkeit ergab. Es dauerte aber noch mehr als 20 Jahre, bis man die für die Kriechfestigkeitseigenschaften der Nickelbasislegierungen im Wesentlichen verantwortliche, kohärent ausgeschiedene, kubisch flächenzentrierte 0 Phase elektronenmikroskopisch identifizieren konnte. Mit dem Ende des 2. Weltkrieges begann, getrieben von der zunächst im Wesentlichen militärisch orientierten Entwicklung der Flugtriebwerke, eine nahezu stürmisch verlaufende Entwicklung von GT-Schaufellegierungen, wobei neben den Nickelbasislegierungen karbidausscheidungshärtende Kobaltbasislegierungen wegen der einfacheren Gießbarkeit (an Luft) an Bedeutung gewannen. In die Jahre zwischen 1940 und 1950 fallen Ent-
790
C. Berger, H. W. Grünling
1200 Ru 1000 h /T = 137 MPa TMS-162
Einkristall
1100
TMS-26 TMS-64 TMS-12
TMS-71
TMS-196 TMS-82
TMS-138
TMS-75 TMS-63 CMSX-4 TMD-103 PWA1484 ReneN6 NASAIR100 CMSX-10 MM200Hf PWA1480 TMD-5 CN186LC MM247 TM-321 MM246 MM247 TM-70
gerichtet erstarrt
1000 Polykristall
MM200
IN792
Rene80 IN 713C
900
U 700
geschmiedet
N 100
N 115
TM-49
IN 738LC geschmiedet
N 105 U 500
polykristallin erstarrt
Waspaloy N 90
gerichtet erstarrt
800 N 80A
einkristallin erstarrt
N 80
700 1940
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
Jahr
Abb. 25-1 Historische Entwicklung der Warmfestigkeit von Nickelbasissuperlegierungen ( [25.4], ergänzt mit Daten aus [25.5] und [25.6])
wicklungen wie beispielsweise Nimonic 80 A als Nickelbasisschmiedelegierung oder X 40 als Kobaltbasisgusslegierung. Das Warmfestigkeits- bzw. Kriechfestigkeitspotenzial der Nickelbasislegierungen wurde in der Folge konsequent mit immer komplexeren Legierungszusammensetzungen herausgearbeitet, zusammen mit den Technologien zur Herstellung komplex geformter Bauteile, wie sie für eine optimale Innenkühlung von Schaufeln erforderlich sind: Zunächst der Vakuumfeinguss, dann die gerichtete vielkristalline Erstarrung durch VerSnyder und Mitarbeiter 1960 bei GE [25.2], verbunden mit der Beobachtung, dass eine durchgehend kolumnare Anordnung der Kristalle parallel zur Hauptbeanspruchungsrichtung sowohl größere Duktilität als auch deutlich höhere Zeitstandfestigkeit ergibt. Mitte der 1970erJahre dann – bei P&W – die gerichtete einkristalline Erstarrung [25.3], zunächst für kleine Bauteile in der Triebwerkstechnologie und heute für Schaufeln großer stationärer GT. Abbildung 25-1 gibt den Fortschritt der Legierungsentwicklung zwischen 1940 und heute wieder ( [25.4], ergänzt mit Daten aus [25.5] und [25.6]). Dargestellt ist für die verschiedenen Gruppen von Nickelbasislegierungen die Temperatur, bei der bei einer Last von 137 MPa 1000 h Lebensdauer bis zum Bruch erreicht werden. Die Fortschritte in den vergangenen Jahren waren nur noch klein. Die erzielten Steigerungen der Zeitstandfestigkeit nähern sich asymptotisch einer oberen Grenze. Das zeigt, dass das Potenzial dieser Legierungsgruppe mit dem Erreichten weitgehend ausgeschöpft ist. Weiterführende Literatur zum Thema GT-Schaufelllegierungen findet sich in [25.7, 25.8], in den Proceedings der internationalen Tagungen „Superalloys“ in Seven Springs [25.9–25.16] und in den Proceedings der internationalen Tagungen in Lüttich [25.17–25.24].
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
791
25.2 Bauteilanforderungen (Beanspruchungen, Werkstoffeigenschaften) Die Anforderungen an das Bauteil GT-Schaufel und damit an den Werkstoff richten sich nach • • • • • • • •
Einsatzart: Lauf- oder Leitschaufel, Einsatzort: Beschaufelungsstufe, Leistung und Wirkungsgrad der GT: Bauteilgröße, Heißgastemperatur, Drehzahl der Turbine: Fliehkraftbeanspruchung, Schaufelkühlung: gekühlt oder ungekühlt, Kühlgeometrie, Brennstoff: Korrosionsvorgänge im Heißgas, Heißgastemperatur: maximale Werkstofftemperatur, Betriebsart/Inspektionsintervalle: min. Lebensdauer, Regenerationsfähigkeit.
Bauteilbeanspruchungen und relevante Werkstoffeigenschaften sind beispielhaft in Abb. 25-2 gegenüber gestellt [25.25] und werden in Kap. 15 behandelt. Bezogen auf eine gewünschte Leistungsgröße und Effektivität der Turbine ergeben sich Anforderungen an • die Bauteilgröße und -geometrie und damit an die Herstell- und Bearbeitungstechnologie der Bauteile (reproduzierbar, wirtschaftlich) und an deren mechanisch-thermische Belastung (statisch, quasistatisch und zeitlich veränderlich), • die Kriech- bzw. Zeitstandfestigkeit und Warmfestigkeit der Legierung bei statischer und quasistatischer Belastung, • die Schwingfestigkeit bzw. Ermüdungsfestigkeit der Legierung bei zyklischer mechanischer Beanspruchung, sowohl im hoch- als auch im niederzyklischen Bereich (HCF, LCF einschließlich des Risswachstumsverhaltens da=dN ), • das thermische Ermüdungsverhalten im zeitlich veränderlichen Temperaturfeld, • das thermisch-mechanischen Ermüdungsverhalten unter wechselnden thermischen und mechanischen Beanspruchungen, • die Korrosionsbeständigkeit der Schaufellegierung im Heißgasstrom (Typ II oder Typ I Heißgaskorrosion, Hochtemperaturoxidation), • die zerstörungsfreie Prüfbarkeit versagenskritischer Fehlergrößen und • die Zähigkeit bzw. Bruchzähigkeit der Legierung als Basis einer Abschätzung der Bauteilintegrität und Versagenstoleranz (besonders für rotierende Teile bedeutend). Zusätzliche Anforderungen ergeben sich aus anderen Rahmenbedingungen wie z. B. der Verwendung von Korrosionsschutz- und/oder Wärmedämmschichten (s. Kap. 24) und damit die Forderung nach mechanischer und chemischer Verträglichkeit zwischen Schaufel- und Schichtwerkstoff. Daneben ist aus wirtschaftlichen Rahmenbedingungen heraus die Regenerierbarkeit des Schaufelwerkstoffes nach einer bestimmtem wirtschaftlichen Betriebszeit und die Reparaturfähigkeit des Bauteils durch entsprechende Maßnahmen (Schweißen, Löten, Schleifen, Beschichten, Wärmebehandeln usw.) von Bedeutung (s. auch Kap. 38).
thermisch
mechanisch
mechanisch
thermisch
Instationäre Temperaturfelder
Start/Stop, Teilfugenund Spalterregung Gasschwingungen, Druckstöße, Umlaufbiegung
Fremdkörpereinschlag (Partikelerosion)
Stationäre Temperaturfelder behinderte Wärmedehnung
Fliehkräfte, Dampf-/Gaskräfte Drehmomente
Ursachen (Beispiele)
E ρ
Wärmeausdehnung α Wärmeleitung λ
v≈
Dichte ρ E-Modul Körperschallgeschw.
Wärmeausdehnung α
Dichte ρ
Werkstoffeinfluss
Abb. 25-2 Bauteilbeanspruchungen und relevante Werkstoffeigenschaften [25.25]
zyklisch
dynamisch
Statisch u. quasistatisch
mechanisch
Art der Beanspruchung
σa(εa) bei NA/2
da/dN, ΔK 0 Ermüdungsrisswachstum
Δεges (N, R, t) Zyklische Fließkurve
Dehnungswechselfestigkeit ohne/mit Haltezeiteinfluss
σa (N, R, σm , t)
A, Z Av, KIC ... HV,HB... Verformbarkeit (Duktilität) Zähigkeit Härte Zeit-/Dauerfestigkeit (Zug/Druck/Biegung/Torsion)
R ut/T , Rp1/t/T Au ε (t), σ (t) da/dt, K0
Rm, Rp0,2
Zeitstandfestigkeit Zeitstandbruchdehnung Relaxationsverhalten Kriechrisswachstum
Mechanische Festigkeit in Funktion der Temperatur (Zug/Druck/Biege/Torsion)
Werkstoffeigenschaften temperaturabhängig
792 C. Berger, H. W. Grünling
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
793
Für die verfügbaren Werkstoffe haben sowohl Werkstoff- als auch Bauteilhersteller und Turbinenbauer umfangreiche Datensammlungen für die wesentlichen physikalischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften erarbeitet und durch Ergebnisse von Betriebsversuchen und kumulierte Betriebserfahrungen ergänzt. Da der Werkstoff nur bedingt dem Bauteil angepasst werden kann, muss das Bauteil mit dem Werkstoff und dem Herstellverfahren ganzheitlich optimiert bzw. entwickelt werden. Das bedeutet letztlich, dass die Herstelltechnologie auf das Bauteil abzustimmen ist und dass die Betriebsfestigkeit des Bauteils mit entsprechenden Bauteilversuchen verifiziert werden muss.
25.3 Fe-Basiswerkstoffe Hierunter fallen hochlegierte austenitische Cr-Ni- oder Cr-Ni-Co-Stähle für Einsatztemperaturen zwischen 500 und etwa 750 °C. Nickel stabilisiert das kfz (kubisch flächenzentrierte) Austenitgitter. Chrom vermittelt durch Cr2 O3 - oder SpinellDeckschichtbildung (Spinelle sind beispielsweise FeCr2 O4 oder NiCr2 O4 / Hochtemperaturkorrosionsschutz und ist ein wesentlicher Karbidbildner. Kobalt erhöht die Kriechfestigkeit durch Erniedrigung der Stapelfehlerenergie.1 Die vorwiegenden Mechanismen zur Erlangung einer ausreichenden Kriechfestigkeit sind: • Mischkristallhärtung durch Elemente wie Mo (bis 3,5%), W (bis 3%), V (< 1%), Nb (bis 4%), Al (bis 5,5%), Mn (bis 1,5%), • Teilchenhärtung durch Karbide, im Wesentlichen vom Typ MC (M D Ti, Nb) und M23 C6 (M D Cr, Fe, Ni, Co, Mo, W), • Teilchenhärtung durch Nitride oder Karbonnitride vom Typ M(C, N), • Teilchenhärtung durch intermetallische Phasen wie 0 (Ni3 Al, Ti) oder (Ni3 Ti), • Teilchenhärtung durch feindisperse Oxide (Y2 O3 , dispersionsgehärtete Legierungen, siehe auch Abschn. 25.5, Ni-Basiswerkstoffe). Die Keimbildung der Karbide, Nitride und Karbonnitride erfolgt heterogen auf Korn- und auch Zwillingskorngrenzen2 sowie auf Versetzungen, die sich bei Verformungsvorgängen, wie z. B. beim Kriechen, entwickeln. Die Verankerung der Versetzungen durch fein verteilte Karbide bzw. Nitride und Karbonnitride ergibt eine wirkungsvolle Verfestigung. Der Effekt kann durch Warm-Kalt-Umformung nach dem Lösungsglühen gezielt hervorgerufen werden, allerdings auf Kosten einer niedrigeren Rekristallisationstemperatur3 und einer geringeren Duktilität und Kriechduktilität des Werkstoffes. Abbildung 25-3 zeigt ein typisches Gefüge am Beispiel der Energiebeitrag zum Einbau eines Stapelfehlers D der zwischen zwei Partialversetzungen aufgespannte, zweidimensionale, und im Falle eines kfz-Gitters hexagonale, Streifen in der Gleitebene von dichtest gepackten Raumgittern, der aus einer Veränderung der Stapelfolge hervorgeht. 2 Eine Zwillingsgrenze oder Zwillingskorngrenze ist die Gitterebene, um die bei der Zwillingsbildung im Gitter eine Umklappung stattfindet. Wenn sie das ganze Korn durchzieht, ist sie kohärent, wenn sie innerhalb eines Korns endet, wird sie als inkohärent bezeichnet. 3 Die Rekristallisationstemperatur muss oberhalb der Einsatztemperatur bleiben, um unkontrollierte Gefügeveränderungen durch Kornwachstum zu vermeiden. 1
794
C. Berger, H. W. Grünling
Abb. 25-3a,b Gefüge der Legierung A 286. a Übersicht mit Zwillingskorngrenzen und MC-Karbidausscheidungen, b Detail mit MC-Karbiden im Austenitkorn und feinen M23 C6 -Auscheidungen auf Korngrenzen und Zwillingskorngrenzen
Legierung A 286 mit primär ausgeschiedenen MC-Karbiden unterschiedlicher Größe in den Austenitkörnern und feinkörnigen M23 C6 -Karbidsäumen auf Korngrenzen und Zwillingskorngrenzen. Die Härtung durch Ausscheidung intermetallischer Phasen spielt bei Fe-Basiswerkstoffen eine untergeordnete Rolle, da nur geringe Volumenanteile (z. B. abhängig vom Ni- und (Al C Ti)-Gehalt < 5 Vol.-% bei 0 ) realisierbar sind. Lediglich in den dispersionslegierten Fe-Basiswerkstoffen wird er voll ausgenutzt. Die bereits einleitend erwähnte Legierung A 286 ist durch Ausscheidungen der -Phase (Ni3 Ti) gekennzeichnet (diese sind bei der in Abb. 25-3 gewählten Vergrößerungen nicht zu erkennen). Auch die Ausscheidung von Laves-Phase (Fe2 (Mo, W, Nb)) kann zu einer Erhöhung der Kriechfestigkeit führen. Zu beachten ist jedoch, dass die Ausscheidung intermetallischer Phasen in der Regel zu einer Senkung der Duktilität und der Bruchzähigkeit führt, sodass Effekte dieser Art nur kontrolliert zur Anwendung kommen können. Zu beachten ist bei den hoch chromhaltigen austenitischen Fe-Basiswerkstoffen ferner zwischen 500 und 800 °C die Gefahr der Bildung von -Phase, die ebenfalls zu einer erheblichen Versprödung führen kann. Legierungstechnisch kann ihr Auftreten durch höhere Ni-Gehalte sowie geringe Mengen an Mo und Si kontrolliert
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
795
werden. Auch B, N und C wirken der -Bildung durch Abbindung der beteiligten Elemente entgegen. Für die GT-Beschaufelung wurden ausschließlich Knetlegierungen verwendet. Die Schaufeln wurden entweder aus Stangenmaterial spangebend herausgearbeitet (z. B. gefräst) oder im Gesenk genau geschmiedet und spangebend nachbearbeitet. In den modernen Hochleistungsgasturbinen werden Eisenbasiswerkstoffe nicht mehr für die GT-Beschaufelung verwendet. In einigen älteren Turbinen finden sich jedoch noch Schaufeln aus Legierungen wie z. B. A-286 oder S 590 (vgl. Tabelle 25-1). Weiterführende Literatur zum Thema Fe-Basiswerkstoffe siehe [25.26, 25.27].
25.4 Co-Basiswerkstoffe Für die Beschaufelung von stationären Gasturbinen sind lediglich einige Gusslegierungen interessant, die für mechanisch geringer belastete Leitschaufeln eingesetzt werden (Tabelle 25-1). Die kfz-Matrix wird durch die Zugabe von Eisen und Nickel stabilisiert. Reines Kobalt weist bis 417 °C eine hexagonal dicht gepackte (hdP-)Struktur auf. Die Phasenumwandlung ist reversibel, die Hysterese gering. Die Umwandlung von kfz nach hdP erfolgt beim Abkühlen bei ca. 390 °C. Chrom gibt den Legierungen durch Cr2 O3 -Deckschichtbildung im Bereich des Heißgaskorrosionsangriffes gute Korrosionsbeständigkeit und ist zusammen mit Kohlenstoff wesentlicher Karbidbildner. Weitere Karbidbildner sind Tantal, Titan und Zirkonium. Wolfram leistet auch als Karbidbildner einen Beitrag zur Hochtemperaturfestigkeit dieser Legierungen ist darüber hinaus aber wesentlicher Träger der Mischkristallhärtung. Bor wird Gusslegierungen in geringen Mengen zur Verbesserung der Duktilität sowie der Kriechfestigkeit zulegiert. Wegen der Gefahr der Ausscheidung von versprödend wirkenden TCP-Phasen (Topologically Closed Packed D topologisch dicht gepackt) wie - oder Laves-Phasen sind die Gehalte an W und Ta nach oben begrenzt. Auch Cr kann die Bildung dieser Phasen fördern. Der Kohlenstoffgehalt wird auf 0,6 Masse-% begrenzt, weil oberhalb dieser Konzentration der Beitrag zur Härtung nicht weiter zunimmt aber die Duktilität drastisch herabgesetzt wird. Die wesentlichen Härtungsmechanismen für die Kriechfestigkeit dieser Legierungsgruppe sind: • Teilchenhärtung durch primär ausgeschiedene Karbide vom Typ M23 C6 , M3 C2 und M7 C3 (X-40, X-45, FSX 414) sowie MC, M6 C (in Mar-M 509), • Teilchenhärtung durch sekundär ausgeschiedenes chromreiches M23 C6 entlang von Stapelfehlern und Zwillingskorngrenzen, u. a. auch aus einer Zersetzungsreaktion von primär ausgeschiedenem Cr7 C3 bei Betriebstemperatur und • Mischkristallhärtung. Die in einer letzten Phase der Erstarrung der Legierungen in den interdendritischen Bereichen gebildeten /M23 C6 -Eutektika leisten dagegen nur einen geringen bzw. keinen Beitrag. Der Gefügeaufbau einer Co-Basislegierung ist in Abb. 25-4 am Beispiel von X-45 dargestellt.
796
C. Berger, H. W. Grünling
Abb. 25-4a,b Gefüge der Kobaltbasislegierung X-45. a Übersicht: dendritische Struktur, b Detail: grobe Primärkarbide M23 C6 (weiß) und /M23 C6 -Eutektikum in den interdendritischen Bereichen (feinkörnig dunkelgrau)
Die Bauteilherstellung erfolgt für Legierungen ohne sauerstoffaffine Elemente wie Tantal oder Titan, das sind beispielsweise FSX 414, X-40 oder X-45, kostengünstig im Feingussverfahren an Luft. Der Einsatz erfolgt im Gusszustand ohne nachgeschaltete Wärmebehandlung. Da lediglich die M23 C6 -Karbide in Lösung gebracht werden können, aber die /M23 C6 -Eutektika bis zu ihrer beginnenden Schmelztemperatur bei etwa 1330 °C stabil sind und somit nicht ohne lokale Aufschmelzung beseitigt werden können, bringt eine Wärmebehandlung keine wesentlichen Vorteile [25.28]. Mar-M 509 muss wegen seines Gehaltes an Ta und Ti im Vakuum vergossen werden. Ein Lösungsglühen bei 1275 °C löst auch die interdendritischen Bereiche auf. Eine Ausscheidungsglühung bei 930 °C führt zur Ausscheidung fein verteilter Karbide. Die Kriechduktilität wird dadurch zwar heraufgesetzt, aber die Zeitstandfestigkeit wird geringfügig gesenkt, sodass auch für diese Legierung eine Wärmebehandlung nicht wirtschaftlich vertreten werden kann. Im Zusammenhang mit einer Reparatur und der Regeneration nach Betriebsbeanspruchung kann sie aber zweckmäßig sein, insbesondere auch wegen der im lösungsgeglühten Zustand besseren Schweißbarkeit [25.29].
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
797
Gerichtete Erstarrung ergab für die betrachteten Co-Legierungen gewisse Verbesserungen der Zeitstandfestigkeit (X-40) und der Thermoermüdungsfestigkeit des Mar-M 509 [25.29]. Großtechnisch hat sich jedoch kein Durchbruch dafür ergeben. Auch den Entwicklungen gerichtet erstarrter Eutektika vom Typ Co-M7 C3 (z. B. C 73) und Co-TaC war trotz herausragender Kriechfestigkeit in Faserrichtung kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden, weil die Querfestigkeiten und die LCFEigenschaften (Low Cycle Fatigue – niederzyklische Ermüdung, siehe Kap. 15) ungenügend waren [25.30]. Auch pulvermetallurgische Technologien einschließlich der Dispersionshärtung durch mechanisches Legieren (z. B. TD-CoCr) konnten trotz hervorragender Kriechfestigkeitseigenschaften der erzeugten Teile keinen Durchbruch erzielen.
25.5 Ni-Basiswerkstoffe Die Gruppe der Nickelbasissuperlegierungen ist hinsichtlich ihrer mechanischen, thermischen und chemischen (Korrosionsfestigkeit) Eigenschaften unter den Hochtemperaturwerkstoffen am weitesten entwickelt. Das Basismetall Nickel bleibt bis zum Schmelzpunkt bei 1455 °C kfz, erfährt also keine allotrope Umwandlung, weshalb legierungstechnische Stabilisierungsmaßnahmen, wie sie z. B. bei Fe oder Co als Basismetallen erforderlich sind, entfallen. Es sind vielfältige Möglichkeiten des Legierens mit geeigneten Elementen gegeben, um sowohl die Hochtemperaturkorrosionsbeständigkeit (z. B. durch Cr und Al) als auch die Kriechfestigkeit (durch Mischkristall- und Ausscheidungshärtung) für den Einsatz bis zu Temperaturen oberhalb von 1000 °C zu optimieren. Hervorzuheben ist besonders die Möglichkeit, sehr hohe Volumenanteile (bis zu etwa 70%) an Ausscheidungen der kohärenten 0 -Phase Ni3 (AlTi) zu realisieren, was zu den heute höchstwarmfesten Legierungen geführt hat, die bei gegossenen einkristallinen Bauteilen in einer stationären GT bei Kriechlebensdauern von 30 000 h Werkstofftemperaturen bis etwa 1000 °C erlauben (Anmerkung: Die Kriechlebensdauer ist von der Temperatur und der Spannung im kritischen Querschnitt eines Bauteils abhängig und damit u. a. auch von der Art der Schaufel – Leit- oder Laufschaufel – und der Schaufelgröße). Das Potenzial der ODS-Legierungen auf Ni-Basis (Oxide Dispersion Strengthened D OxidDispersions-verfestigt) ist sogar mit 1050 bis 1100 °C noch höher, doch gibt es bei ihnen erhebliche Einschränkungen bezüglich der Formgebung, der Bearbeitung und der Homogenität der Eigenschaften und damit für den praktischen Einsatz. Die absolute Temperaturgrenze für einen langzeitigen Einsatz von Ni-Basislegierungen ist wegen der Kinetik diffusionskontrollierter Vorgänge bei etwa 1150 °C zu ziehen. In [25.8] wird als höchster ereichter Wert für den Langzeiteinsatz eine homologe Temperatur von 0,85 berichtet (D 0;85 Schmelztemperatur der Legierung). Die vorwiegenden Mechanismen zur Erlangung einer ausreichenden Kriechfestigkeit sind: • Mischkristallhärtung durch Elemente wie Mo (bis 14%), W (bis 14%), Nb (bis 5%); Ta (bis 12%), Re (bis 6%, in Einkristalllegierungen), Cr (bis 30%) und weniger stark ausgeprägt Co (bis 20%),
798
C. Berger, H. W. Grünling
Abb. 25-5a,b Gefüge der Nickelbasis-Knetlegierung Nimonic 101. a Übersicht mit Zwillingsbildungen und feinkörnigen Primärkarbidausscheidungen (MC), b Detail mit MC-Karbiden im Korn und gezackten Korngrenzen zur Verbesserung der Kriecheigenschaften durch Behinderung des Korngrenzengleitens
• Teilchenhärtung durch die kohärent ausgeschiedene intermetallische 0 -Phase Ni3 (Al, Ti), (Al-Gehalte bis 6%, Ti-Gehalte bis 5%, aber auch Co, Mo, W, Nb, Hf und Ta werden mit unterschiedlicher Wirkung auf die Stabilität der 0 -Phase eingebaut, • Teilchenhärtung durch Karbide, im Wesentlichen vom Typ MC (M D Ti, Nb, Ta), M6 C (M D Mo, W) und M23 C6 (M D Cr, Fe, Ni, Co, Mo, W), • Teilchenhärtung durch feindisperse Oxide (Y2 O3 , nur bei dispersionsgehärteten Legierungen). Voraussetzungen für höchste Kriechfestigkeit sind: • • • • •
ein möglichst hoher Volumenanteil an 0 -Phase, eine optimale Größe, Form und Anordnung der 0 -Phase, eine optimierte Gitterfehlanpassung zwischen -Matrix und 0 -Ausscheidungen, eine hohe Alterungsbeständigkeit der 0 -Phase (träge Vergröberungskinetik), eine dem Bauteilquerschnitt angepasste, möglichst grobe Kristallitkorngröße.
Die Beständigkeit gegen Hochtemperaturkorrosion ergibt sich aus der Fähigkeit, stabile Deckschichten aus Cr2 O3 oder Al2 O3 auszubilden. Die ersteren sind besonders in den Temperaturbereichen bis etwa 900 °C, in denen Heißgaskorrosionsvor-
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
799
gänge (Sulfidationsprozesse, vgl. Kap. 24) ablaufen können, von Vorteil. In diesen Legierungen muss der Al-Gehalt auf etwa 4% begrenzt werden. Bei Temperaturen oberhalb 900 °C und bei vorwiegendem Hochtemperaturoxidationsangriff sind Al2 O3 -Deckschichtbildner besser, die sich bei ausreichend hohem Cr-Gehalt auf Legierungen > 4% Al ausbilden können. Ta, Si (meist nur in Schichten eingesetzt), Hf, Y und Re können die Beständigkeit unterstützen. Ti kann je nach Legierungszusammensetzung sowohl positiv als auch negativ wirken. Im Verlauf des Einsatzes können abhängig von der Legierungszusammensetzung versprödend wirkende Phasen ausgeschieden werden. Das sind im Wesentlichen: • TCP-Phasen wie Laves-Phasen vom Typ (Fe, Cr, Mn, Si)2 (Mo, W, Nb, Ti) (nur in Fe-reichen Legierungen), -Phase mit dem Zusammensetzungsbereich (Fe, Ni, Co)x (Cr, Mo, W) und die -Phase (Co, Fe)7 (Mo, W)6 , • die GCP-Phase (Geometrically Close Packed D geometrisch dicht gepackt) , Ni3 Ti, weshalb der Ti-Gehalt begrenzt bleiben muss, • die 00 -Phase Ni3 (Nb, Al, Ti) und die ı-Phase Ni3 Nb in Nb-haltigen Werkstoffen > ca. 4% bzw. auch in Seigerungen mit entsprechend hohem Nb-Gehalt, • Boride vom Typ M3 B2 auf den Korngrenzen bei B-Gehalten über etwa 0,01%. B wird in einigen Legierungen (vgl. Tabelle 25-1) gezielt zur Verbesserung der Korngrenzenfestigkeit eingesetzt. Bei der Legierungsentwicklung wird die Bildung von TCP-Phasen durch Berechnung der Phasenstabilität – z. B. nach der PHACOMP-Methode [25.31] – berücksichtigt. Zu unterscheiden sind nach der Art der Bauteilherstellung und -bearbeitung: • Knetlegierungen (Schmiedelegierungen), • Gusslegierungen für regellos polykristallin, gerichtet polykristallin (kolumnar) und einkristallin erstarrte Bauteile und • ODS-Legierungen. Die Zusammensetzung typischer Vertreter ist in Tabelle 25-1 zusammengestellt. In Knetlegierungen ist wegen der erforderlichen Warmumformbarkeit der Volumenanteil der 0 -Phase auf etwa 20% begrenzt. Die obere Einsatzgrenze liegt für die hochwarmfesten Varianten wie Nimonic 115 oder Udimet 720 für eine Einsatzdauer bis etwa 30 000 h bei etwa 800 °C. Die Schaufelherstellung erfolgt durch Genauschmieden im Gesenk und spangebende Bearbeitung. Ein typisches Gefüge zeigt Abb. 25-5 am Beispiel der Legierung Nimonic 101. Zu erkennen sind Zwillingsbildung, MC-Karbidausscheidungen im Korn (vgl. Abb. 25-5b) und gezackte Korngrenzen für verbesserte Kriecheigenschaften durch Behinderung des Korngrenzengleitens. Typische Teilchengefüge von Knetlegierungen zeigt Abb. 25-6a–c [25.32]. Einige der in Tabelle 25-1 aufgeführten Legierungen wie z. B. Udimet 500 und die Udimet-700-Serie können auch im Vakuumfeingussverfahren verarbeitet werden. Feingusslegierungen haben Volumenanteile der 0 -Phase bis etwa 60% (vgl. auch Tabelle 25-1 und Abb. 25-6d). Das Gefüge der in stationären Gasturbinen häufig verwendeten Legierung IN 738 LC zeigt Abb. 25-7. Zu erkennen sind interdendri-
800
C. Berger, H. W. Grünling
a
b
400 nm
200 nm Nimonic PE 16 (1940)
Nimonic 90 (1945)
f = 5%
f = 15%
c
d
5 μm
1 μm Nimonic 105 (1950)
IN ~ 100 (1960)
f = 20%
f = 60%
f
e
200 nm
200 nm MA 754 (1980)
MA 6000 (1985)
f = 1,5%
f = 55% bzw. 3%
Abb. 25-6a–f Teilchengefüge einiger Nickelbasislegierungen [25.32]. a–c Knetlegierungen, d Gusslegierung, e und f ODS-Legierungen. f ist bei a–d und f der Volumenanteil an 0 -Phase, bei e der niedrigere Wert und bei f der Volumenanteil an Dispersoid Y2 O3
tische Bereiche mit / 0 -Eutektika und gröberen primären 0 -Ausscheidungen sowie ebenfalls primär ausgeschiedene länglich oder hakenförmig ausgebildete MCKarbide. Eine obere Einsatzgrenze für regellos erstarrte Legierungen ist bei Werkstofftemperatur von etwa 850 °C gegeben. Einige Legierungen aus dieser Gruppe haben sich
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
801
Abb. 25-7a,b Gefüge der NickelbasisFeingusslegierung IN 738 LC. a Übersicht, interdendritische Bereiche mit / 0 -Eutektika und gröberen primären 0 Ausscheidungen sowie ebenfalls primär ausgeschiedenen länglich oder hakenförmig ausgebildeten MC-Karbiden, b Detail mit / 0 -Eutektikum und MC-Karbiden
auch als gerichtet (kolumnar) erstarrte Varianten (in der internationalen Literatur auch als DS D Directionally Solidified bezeichnet) bewährt, so z. B. IN 738 LC, IN 792, GTD 111, MAR-M 002 und MAR-M 247. Durch Elimination von Korngrenzenflächen normal zur Hauptbeanspruchungsrichtung ist die Kriechfestigkeit in dieser Richtung höher und durch den gerichteten Erstarrungsprozess werden ungünstig wirkende Seigerungszonen und Erstarrungsporositäten vermieden. Auch das Ermüdungsverhalten ist günstiger (vgl. Abschn. 25.6). Die höchsten Kriechfestigkeiten weisen aber speziell entwickelte Legierungen auf. Eine obere Einsatzgrenze für stationären GT-Betrieb kann bei etwa 900 bis 950 °C gezogen werden. Abbildung 25-8 zeigt im Vergleich polykristallin, gerichtet und einkristallin erstarrte Gefügestrukturen [25.33]. Deutlich zu erkennen ist in Abb. 25-8b die kolumnare Ausbildung der Kristallite mit einer Orientierung parallel zur Hauptbeanspruchungsrichtung, die der kristallografischen h001i-Orientierung entspricht. In Abb. 25-8c erkennt man dagegen die ebenfalls in h001i-Richtung orientierten, primär erstarrten Dendriten des Gussgefüges, die sich im Querschliff bei entsprechender Vergrößerung als regelmäßig ausgerichtete Kreuze darstellen (im Bild aufgrund der gewählten Vergrößerung nicht deutlich zu erkennen).
802
C. Berger, H. W. Grünling
EQ polykristallin erstarrt
SC einkristallin erstarrt
DS gerichtet erstarrt
Querschliff 2 mm
2 mm
2 mm
2 mm
2 mm
2 mm
Längsschliff
a
b
c
Abb. 25-8a–c Gefügeausbildungen von Gussschaufeln (im Beispiel sind Schaufeln von Fluggasturbinen gezeigt) [25.33]. a polykristallin erstarrtes Gefüge, b gerichtet erstarrtes kolumnares Gefüge mit Orientierung parallel zur Hauptbeanspruchungsrichtung entsprechend der kristallografischen h001i-Orientierung, c einkristallin erstarrtes Gefüge mit in h001i-Richtung orientierten primär erstarrten Dendriten des Gussgefüges, die sich im Querschliff als regelmäßig ausgerichtete Kreuze darstellen (im Bild wegen zu geringer Vergrößerung nicht zu erkennen)
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
803
Abb. 25-9a–c Gefüge der einkristallin erstarrten Legierung CMSX-4, aus [25.34]. a Gusszustand mit dendritischer Struktur und Inseln aus / 0 -Eutektikum, b mehrstufig zwischen 1200 und 1320 °C homogenisierter Zustand, / 0 -Eutektika sind aufgelöst, c 0 -Ausscheidungen (etwa 70% Volumenanteil) nach Behandlung wie b
In den speziell für eine einkristalline gerichtete Erstarrung entwickelten Legierungen kann ein 0 -Volumenanteil bis etwa 70% erreicht werden. Das Teilchengefüge der Legierung CMSX-4, die in großem Umfang für Laufschaufeln der vorderen Stufen in stationären GT eingesetzt wird, zeigt Abb. 25-9. Verglichen sind der Gusszustand mit dendritischer Struktur und großen Inseln des / 0 -Eutektikums (Abb. 25-9a) mit dem homogenisierten Zustand nach mehrstufiger Wärmebehandlung (Abb. 25-9b) und das Teilchengefüge ( 0 -Ausscheidungen mit einem Volumenanteil von ca. 70%, Abb. 25-9c) [25.34]. Die Legierung gehört zu der sog. zweiten Generation der Nickelbasiseinkristalllegierungen [25.35] mit Re-Gehalten um 3%. Die dritte Generation zeichnet sich durch noch höhere Re-Gehalte (bis 6,5%), geringeren Cr-Gehalt und sehr wenig oder kein Ti aus. Die Absenkung des Cr-Gehaltes ist zur Erhaltung der Phasenstabilität erforderlich. Die Dichte dieser Legierungen ist mit ca. 9 g=cm3 hoch. Die sog. vierte Generation dieser Legierungsgruppe enthält neben 5–6% Re noch 2–3,6% Ru. Dieses Element bewirkt, dass sich Legierungselemente wie Cr, Mo, W und Re stärker in den 0 -Ausscheidungen anreichern, wodurch die Anfälligkeit zur TCP-Phasenbildung verringert wird. Bezüglich der Rolle von Re und Ru in Einkristalllegierungen siehe [25.36, 25.37]. Die sog. fünfte Generation dieser Legie-
804
C. Berger, H. W. Grünling
Hochvakuum p≈10–3 Pa
Eingusstrichter
Strahlungsheizung Heizelemente Einguss
TForm>TL
Baffle
TL
TL
TS
TS
Einkristallselektor
}
„teigige” Zone TS
Wärmeabstrahlung
Cu-Platte
Abzugrichtung Abb. 25-10 Schema einer Einkristallgießanlage nach Bridgman, aus [25.8]: Gießtraube mit zwei Turbinenschaufeln; Erstarrungsfront etwa im Fuß/Blatt-Übergangsbereich; Einkristallselektion durch Wachstumsauslese (vgl. Abb. 25-11a)
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
805
Bauteil
[001]
Bauteil Einkristallselektor
Formschalen
gekühlte Cu-Platten Wachstumsauslese a
Einkristallimpfling Impftechnik b
Abb. 25-11a,b Prinzipien der Einkristallselektion bei gerichteter Erstarrung, aus [25.8]. a Wachstumsauslese, b Impftechnik; nicht aufgeschmolzener Teil des Impflings schwarz dargestellt, ursprüngliche Länge schraffiert dargestellt
rungsgruppe enthält bis zu 6% Ru, wobei auch der Cr-Gehalt wieder etwas angehoben werden kann, um eine bessere Oxidationsbeständigkeit zu erzielen [25.6]. Die Gießbarkeit dieser Legierungen entspricht etwa der Gießbarkeit der Legierungen der zweiten Generation. Die Legierung TMS 196 mit der höchsten bisher erzielten Kriechfestigkeit wurde bereits erfolgreich zu GT-Schaufeln bis 300 mm Länge abgegossen [25.38]. Das Schema einer Gießanlage zeigt Abb. 25-10. Prinzipien der Einkristallselektionierung gehen aus Abb. 25-11 hervor [25.8]. Zu achten ist auf geeignete Erstarrungsbedingungen (z. B. Erstarrungsgeschwindigkeit und Temperaturgradient an der Erstarrungsfront im Festkörper, geringste Abweichung von der kristallografischen h100i-Orientierung), um optimale Eigenschaften zu erzielen. Für weitere Details sei auf die oben aufgeführten Tagungsberichte und ganz besonders auf die umfassende Monografie von Bürgel [25.8] verwiesen.
806
C. Berger, H. W. Grünling
Abb. 25-12 Gefüge und Mechanismen der Festigkeitssteigerung in gerichtet rekristallisierten ODS-Legierungen am Beispiel der Legierung MA 6000 [25.32]
Die Einsatzgrenze für stationären GT-Betrieb liegt bei diesen Legierungen je nach mechanischer Belastung bei 950 bis 1050 °C. Ob höhere Bauteiltemperaturen mit den neuesten Entwicklungen wie z. B. TMS 196 möglich sind, kann erst nach Vorliegen von Kriech- und Zeitstandversuchen mit langer Dauer – d. h. 104 Stunden – beurteilt werden. ODS-Legierungen werden ausschließlich auf pulvermetallurgischem Wege hergestellt (vgl. [25.7,25.8,25.39]). Sie werden oft auch als MA-Werkstoffe, Mechanically Alloyed D mechanisch legiert, bezeichnet. Optimale Kriechfestigkeit erfordert ein in Beanspruchungsrichtung lang gestrecktes Korn, das durch gerichtete Rekristallisation eingestellt werden muss. Abbildung 25-6e und 25-6f zeigen typische Teilchengefüge, Abb. 25-12 in einer Übersicht die in dieser Legierungsgruppe zusam-
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
T
807
T
Tl TS
TS
L
Tl
TS(G) Tl
T
TS(UG)
(+HIP)
+A
RT
+A
t
a
t
b
L
T
+A
t
c
T A L+
+A RT
t
d
t
e
T
T
L
A1 A2 L+ RT f
t
g
t
Abb. 25-13a–g Schematische Temperatur-Zeit-Verläufe für die Wärmebehandlung ausscheidungshärtender Nickelbasislegierungen [25.8]. a vollständige Lösungsglühung, b Teillösungsglühung (in diesem Fall ist TI < TS ), c mehrstufige Lösungsglühung (TS.UG/: Ungleichgewichts-Solidustemperatur, TS.G/: Gleichgewichts-Solidustemperatur, d Lösungsglühen mit langsamer Abkühlung (Bildung gezackter Korngrenzen), e einstufige Aushärtung, f zweistufige Aushärtung, g direkte Aushärtung durch langsame Abkühlung nach dem Lösungsglühen. L: Lösungsglühung, A: Aushärtung, TI : Lösungstemperatur der Ausscheidungen, TS : Solidus- bzw. Anschmelztemperatur
menwirkenden festigkeitssteigernden Mechanismen und ein typisches Gefügebild der Legierung MA 6000 [25.32]. Die Zeitstandfestigkeit der mit hohem 0 -Anteil versehenen ODS-Legierungen wie z. B. MA 6000 (57%) ist der von Gusslegierungen mit vergleichbarem 0 -Anteil
808
C. Berger, H. W. Grünling
bei mittleren bis hohen Temperaturen vergleichbar. Oberhalb von etwa 950 °C ist ihre Kriechfestigkeit wegen des nunmehr bestimmenden Dispersionsverfestigungseffektes höher. Eine obere Temperaturgrenze für den Einsatz in stationären GT kann etwa bei 1050 bis 1100 °C gezogen werden. Dennoch ist ihr praktischer Einsatz auf andere Anwendungen beschränkt. Dafür verantwortlich ist einerseits die gefügebedingte Anisotropie der Eigenschaften und andererseits die Problematik der Herstellung innengekühlter Schaufeln, die bei ODS-Legierungen nur über spangebende oder elektrochemische Verfahren erfolgen kann und damit auf einfache Kühlkonfigurationen beschränkt ist. Komplexere Kühlkonfigurationen lassen sich lediglich bei gebauten Schaufeln realisieren, allerdings mit erheblichem Fertigungsmehraufwand. Gusslegierungen erlauben eine wirtschaftlichere Herstellung von Hohlschaufeln mit komplexen Innengeometrien (Vakuumfeinguss, gerichtete bzw. einkristalline Erstarrung). Die Einstellung optimaler mechanischer Eigenschaften von Knet- und Gusslegierungen erfolgt über eine Wärmebehandlung. Dadurch ist nicht nur eine günstige Größe, Form und Anordnung der 0 -Phase erzielbar, sondern es kann auch die Ausscheidung von Karbiden optimiert werden. Gefügeinhomogenitäten (Gussseigerungen, / 0 -Resteutektika) können teilweise oder ganz beseitigt werden und ein eigenspannungsarmer Zustand kann eingestellt werden. Alterungseffekte als Folge einer thermischen Betriebsbeanspruchung können durch eine regenerierende Wärmebehandlung ganz oder zu einem großen Teil beseitigt werden. Im Prinzip besteht der Wärmebehandlungsvorgang aus einem Lösungsglühprozess, bei dem möglichst alle Ausscheidungen in Lösung genommen werden sollten und eine homogene Verteilung aller Legierungselemente in der Matrix herbeigeführt wird sowie aus einem Ausscheidungsprozess, bei dem eine kontrollierte Ausscheidung der härtenden Teilchen erfolgt. Das kann in einem Zwei- oder Mehrstufenprozess erfolgen oder aber in einem Einstufenprozess mit kontrollierter Abkühlung. Das optimale Vorgehen muss für jede Legierung gesondert ermittelt werden. Abbildung 25-13 zeigt einige schematische Temperaturzeitverläufe [25.8]. Die Lösungsglüh- oder Solidustemperatur Tl muss im gesamten Gefüge unterhalb der Solidustemperatur (oder auch Anschmelztemperatur) Ts bleiben. Zu beachten ist, dass in Seigerungen bzw. Resteutektika die Anschmelztemperatur niedriger liegen kann. Um lokale Anschmelzungen zu vermeiden ist dann ein Stufenprozess (Abb. 25-13c) anzuwenden (z. B. für Einkristalle) oder über eine heißisostatische Verdichtung (HIP D Hot Isostatic Pressing) ein Homogenisierungsvorgang herbeizuführen (Abb. 25-13a).
25.6 Werkstoffeigenschaften Unter dieser Überschrift sind Anhaltswerte der wichtigsten mechanischen und physikalischen Eigenschaften für die verschiedenen Legierungsgruppen im Vergleich zusammengestellt. Die Basis dafür waren Mittelwertdarstellungen aus den bereits vorne erwähnten Standardwerken [25.7, 25.8] sowie aus weiteren Quellen wie Datensammlungen und persönlichen Mitteilungen von Werkstofflieferanten und Forschungsinstituten [25.40–25.42], dem Werkstoffleistungsblatt Luft- und Raumfahrt,
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
809
Entwurf WL 2.4682, Teil 1, 1986 (für Kobaltlegierungen) [25.43] sowie weiteren Veröffentlichungen [25.44–25.53]. Soweit die Legierungen genormt sind und Werkstoffnummern haben, wurde auch auf die Normen DIN EN 10095 und DIN EN 10302 [25.54,25.55] zurückgegriffen. Die Turbinenhersteller verfügen über umfangreiche vertrauliche Datensammlungen als Ergebnis von eigenen Untersuchungen oder aus Gemeinschaftsforschungsvorhaben mit Werkstoffherstellern und über Konstruktionsdatenblätter, die u. a. die herstellungsbedingte Schwankung von Eigenschaften mit Streubandgrenzen berücksichtigen. Auf diese Datensammlungen sei hier verwiesen. Darüber hinaus veröffentlichen auch die am Ende von Tabelle 25-1 aufgeführten Werkstoffhersteller aktuelle Datensammlungen, auf die im Bedarfsfalle zurückgegriffen werden kann. Ferner wird am Institute for Energy des JRC Petten der Europäischen Kommission eine Datenbank unterhalten, in der u. a. Ergebnisse aus der Europäischen Gemeinschaftsforschung dokumentiert sind [25.56, 25.57]. Nachfolgend sind für die verschiedenen oben vorgestellten Werkstoffgruppen • • • • • • • •
Eisenbasisknetlegierungen, Eisenbasis-ODS-Legierungen, Kobaltbasisgusslegierungen, Nickelbasisknetlegierungen, Nickelbasisfeingusslegierungen, Nickelbasis-DS-Legierungen, Nickelbasiseinkristallegierungen und Nickelbasis-ODS-Legierungen
Bandbreiten der wichtigsten mechanischen Eigenschaften dargestellt. Die Abb. 25-14 und 25-15 zeigen typische Bandbreiten der 0,2%-Dehngrenze Rp0;2 und der Zugfestigkeit Rm bis zu hohen Temperaturen. Die Abb. 25-16 und 25-17 zeigen in gleicher Bandbreitendarstellung die typischen Bereiche für 10 000 Stundenwerte der 1%-Zeitdehngrenze und der Zeitstandfestigkeit. Die Überlegenheit der Nickelbasislegierungen und darunter insbesondere die der gerichtet erstarrten Varianten für den Einsatz als Schaufelwerkstoffe von stationären Gasturbinen wird deutlich. Abbildung 25-18 zeigt den Vorteil gerichteter kolumnarer und einkristalliner Erstarrung und der dafür optimierten Legierungen gegenüber konventionellem Feinguss in einer Abschätzung für die 105 h-Zeitstandfestigkeit bei 140 MPa über dem Chromgehalt der Legierungen (1. Generation der Einkristalllegierungen, CMSX 4 als Vertreter der 2. Generation [25.58], CMSX 10 als Vertreter der 3. Generation [25.59], TMS 138 als Vertreter der 4. Generation [25.5] und TMS 196 als Vertreter der 5. Generation [25.38]). Bei vergleichbarem Chromgehalt sind Steigerungen der Einsatztemperatur um 25 K für gerichtet kolumnar erstarrte Legierungen und um 50 K für einkristallin erstarrte Legierungen möglich. Die Darstellung verdeutlicht auch den Einfluss der Legierungszusammensetzung auf das Zeitstandverhalten. Erlauben die Einsatzbedingungen hinsichtlich Heißgaskorrosionsbedingungen (Brennstoff, z. B. Erdgas, Heißgaszusammensetzung und Metalloberflächentemperatur, vgl. auch Kap. 24) den Einsatz chromarmer Legierungen, die Aluminiumoxiddeckschichten ausbilden (z. B. CMSX-2 und CMSX-4 bzw. Einkristalllegierungen der 3. bis 5. Generation), dann sind im Vergleich zu konventionell vergossenen Le-
810
C. Berger, H. W. Grünling
Abb. 25-14 Bandbreiten der 0,2%-Dehngrenze der betrachteten Schaufelwerkstoffgruppen über der Temperatur
Abb. 25-15 Bandbreiten der Kurzzeitfestigkeit der betrachteten Schaufelwerkstoffgruppen über der Temperatur
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
811
Abb. 25-16 Bandbreite der 1%-Zeitdehngrenze der betrachteten Schaufelwerkstoffgruppen für 10 000 h
Abb. 25-17 Bandbreiten der Zeitstandfestigkeit der betrachteten Schaufelwerkstoffgruppen für 10 000 h
812
C. Berger, H. W. Grünling
Abb. 25-18 Mögliche Temperatursteigerung durch Verwendung gerichtet kolumnar erstarrter Legierungen und Einkristalllegierungen im Vergleich zu den klassischen polykristallin erstarrten Feingusslegierungen IN 738 LC und IN 939 in einer Abschätzung für die 105 h-Zeitstandfestigkeit bei 140 MPa in Abhängigkeit vom Chromgehalt der Legierungen (1. Generation der Einkristalllegierungen, CMSX-4 als Vertreter der 2. Generation und CMSX 10, TMS 138 und TMS 196 als Vertreter der 3., 4. und 5. Generation). Die Darstellung verdeutlicht auch den Einfluss der Legierungszusammensetzung auf das Zeitstandverhalten ( [25.58], ergänzt durch Daten aus [25.5, 25.38, 25.59])
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
813
gierungen wie IN 738 LC sogar Steigerungen um mehr als 100 K denkbar. Die dritte bis fünfte Generation der Einkristalllegierungen (z. B. CMSX-10, TMS 138 und TMS 196) erlauben möglicherweise eine weitere Steigerung der Temperatur um etwa 50–70 K gegenüber der zweiten Generation (CMSX-4). Die Werte für die Legierungen CMSX 10, TMS 138 und TMS 196 sind allerdings erst aus Larson-MillerDarstellungen der oben zitierten Literatur entnommen. Sie wären durch Zeitstandversuche langer Dauer (t 104 h) zu verifizieren. In der Regel wird das Bauteil GT-Schaufel, wie auch aus Abb. 25-2 hervorgeht, zeitlich veränderlichen mechanischen und thermischen Beanspruchungen unterzogen, sodass eine Betrachtung der Festigkeit bei statischer oder quasistatischer Belastung zur Beurteilung einer Verwendbarkeit allein nicht ausreicht. Bezüglich der Grundlagen zum Werkstoffverhalten bei zyklischer mechanischer und/oder thermischer Beanspruchung sei auf die bereits oben zitierten Standardwerke verwiesen [25.7, 25.8]. Zu unterscheiden ist zwischen Dauer- und Zeitschwingfestigkeit. Eine Dauerschwingfestigkeit (zeitunabhängig, Zyklenzahl unendlich) existiert nur bei niedrigeren Temperaturen < ca. 0,4 TS ab einer Zyklenzahl von etwa 106 . Für Legierungen, bei denen der Übergang in den Dauerschwingfestigkeitsbereich nicht sehr ausgeprägt ist, wird eine Dauerschwingfestigkeit bei einer Zyklenzahl von 2 107 festgesetzt. Oberhalb dieser Grenzwerte ist die Bruchzyklenzahl endlich (Zeitschwingfestigkeitsbereich). Bei Temperaturen > ca. 0,4 TS existiert keine Dauerfestigkeit mehr. Die Schwingfestigkeit ist zeitabhängig und die Bruchzyklenzahl grundsätzlich endlich (Zeitschwingfestigkeit). Abhängig von der Anzahl ertragener Lastwechsel bis zum Bruch unterscheidet man bei isothermer Beanspruchung (T D konst.) zwischen niederzyklischer Ermüdung (LCF, engl. Low Cycle Fatigue, Bruchzyklenzahl NB < ca. 104 : : : 105 ) und hochzyklischer Ermüdung (HCF, engl. High Cycle Fatigue, Bruchzyklenzahl NB > ca. 104 : : : 105 ). Im zeitlich veränderlichen Temperaturfeld werden im Bauteil den zeitlich veränderlichen mechanischen Spannungen als Folge behinderter Wärmedehnung thermisch induzierte Spannungen überlagert. Man spricht dann von thermischer Ermüdung (TF, engl. Thermal Fatigue) bzw. anisothermem LCF oder thermomechanischer Ermüdung (TMF, engl. Thermomechanical Fatigue). Einen Sonderfall stellt das Bauteilversagen (Anrissbildung oder Bruch) nach nur einer oder wenigen (Bruchzyklenzahlen zwischen 1 und 10) thermischen Wechselbeanspruchungen dar und wird als Thermoschockverhalten bezeichnet. Nachfolgend sei mit einigen Beispielen auf das Hochtemperaturermüdungsverhalten einiger Nickelbasislegierungen eingegangen. Abbildung 25-19 zeigt das Zeitschwingfestigkeitsverhalten der Nickelbasisknetlegierung Udimet 520 in einem Schaubild nach Haigh [25.60] bei 850 °C, einer Prüffrequenz von 33 Hz, gemessen an glatten und gekerbten (Kerbformzahl ˛k D 2;65) Proben. Aufgetragen sind über der Mittelspannung m die Bruchzeiten tm (stellvertretend für die sich aus der Frequenz ergebenden Bruchzyklenzahl) für drei verschiedene Spannungsamplituden und unterschiedliche Spannungsverhältnisse R. Die zeitliche Begrenzung von m bei R D 1 (ruhende Belastung) auf der Abszisse ist durch die Zeitstandfestigkeit der Legierung gegeben. Auf der Ordinate ist dagegen die reine Wechselfestigkeit bei m D 0 aufgetragen. Dazwischen las-
814
C. Berger, H. W. Grünling
σ a ( MPa)
300
Werkstoff Udimet 520
tm (h)
T = 850 °C, f = 33 Hz
10
glatte Probe gekerbte Probe
100 200
(αk = 2,65)
1000
100 R = −1
R =
≈0
σm– σa σ m+ σ a
0
0,54 1
0
100
200
300
400 σ ( MPa) 500 m
Abb. 25-19 Zeitschwingfestigkeitsschaubild der Ni-Basis-Knetlegierung Udimet 520 nach Haigh [25.60] bei 850 °C und einer Prüffrequenz von 33 Hz, gemessen an glatten und gekerbten Proben (Kerbzahl ˛k D 2;65). Spannungsverhältnis R D .m a /=.m C a /, m ist die Mittelspannung und a die Spannungsamplitude
sen sich die Bruchzeiten für unterschiedliche Spannungsverhältnisse mit steigender Mittelspannung ablesen. Das Spannungsverhältnis R 0 repräsentiert den Fall einer reinen Zugschwellbeanspruchung. Gezeigt ist auch, dass Kerben bei ausreichender Zeitstandduktilität im Bereich hoher Mittelspannungen R < 1 durch zyklische Verfestigung gegenüber glatten Proben zu einer Verbesserung der Schwingfestigkeit führen. Zu bemerken sei an dieser Stelle nochmals, dass im Hinblick auf die Schwingfestigkeit ein feinkörniges Gefüge und im Hinblick auf die Zeitstandfestigkeit ein grobkörniges Gefüge günstiger ist. Abbildung 25-20 zeigt im Vergleich das LCF-Verhalten der Schmiedelegierungen Nimonic 101 und Udimet 720 GK (grobkörnig) und der Feingusslegierung IN 792 CCF (durch metallurgische Maßnahmen besonders feinkörniges Gefüge) nach Versuchen mit geringen Haltezeiten im Zug- und Druckbereich. Aufgetragen ist die Dehnungsschwingbreite " über der Anrisszyklenzahl NA (Anzahl der Zyklen bis zum ersten Anriss) bei 700 und 800 °C [25.61, 25.62]. Die Überlegenheit der feinkörnigen Gusslegierung gegenüber den grobkörnigeren Schmiedewerkstoffen im Bereich der praxisnäheren niedrigen Dehnungsschwingbreiten im untersuchten Temperaturbereich wird deutlich; ebenso die Temperaturabhängigkeit selbst.
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
815
Δε (%) 2
Nimonic 101 1 IN 792 CCF
0,5 800 °C Udimet 720 GK
0,05 h
ε
700 °C
dε /dt = 6 %/min
0,2
t
Rε = –1
0,05 h 0,1 10 2
10 3
10 4
NA
10 5
Abb. 25-20 LCF-Verhalten der Schmiedelegierungen Nimonic 101, Udimet 720 GK (grobkörnig) und der Feingusslegierung IN 792 CCF (durch metallurgische Maßnahmen erzeugtes, besonders feinkörniges Gefüge) nach Versuchen mit geringen Haltezeiten im Zug- und Druckbereich [25.61, 25.62]. Aufgetragen ist die Dehnungsschwingbreite " über der Anrisszyklenzahl NA (Anzahl der Zyklen bis zum ersten Anriss) von (a) Nimonic 101 bei 700 °C, (b) IN 792 CCF bei 700 und 800 °C, (c) Grobkornvariante von Udimet 720 GK bei 700 und 800 °C
Auch hinsichtlich der LCF-Eigenschaften sind einkristallin erstarrte Legierungen den polykristallin erstarrten Feingusslegierungen überlegen. Abbildung 25-21 zeigt einen Vergleich zwischen IN 738 LC und SC 16 (vgl. Tabelle 25-1) bei 750, 850 und 950 °C, alles bei einer Rampendehngeschwindigkeit von 6% min1 [25.63, 25.64]. Die Anrisszyklenzahl des SC 16 liegt bei großer Temperaturabhängigkeit um eine (950 °C) bis zwei (750 °C) Größenordnungen über der des IN 738 LC. Bei dieser Legierung wird eine charakteristische Umkehr des Temperatureinflusses bei 750 bis 950 °C beobachtet. Das ist auf eine Fließspannungsanomalie zurückzuführen, die bei Superlegierungen mit hohem 0 -Anteil zu beobachten ist [25.65]. Für die Legierung IN 738 LC ergeben sich aus der Darstellung in Abb. 25-21 weitere Erkenntnisse zum LCF-Verhalten: • Bei einer Rampendehngeschwindigkeit von nur 0,06% min1 wird die Anrisszyklenzahl infolge des stärkeren Kriecheinflusses weiter abgesenkt (dargestellt für 750 und 950 °C).
816
C. Berger, H. W. Grünling
Δε (%) 10
a) c) d)
ε
dε/dt = 6 %/min t
IN 738 LC
R ε = −1
a) 850 950 750 °C
1
b) 950
ε
750 °C
dε/dt = 0,06 %/min t
c) Luft Vakuum 850 °C
d) 950
850 750 °C SC 16
R ε = −1
0,1 101
10 2
103
10 4
NA
105
Abb. 25-21a–d Gegenüberstellung des LCF-Verhaltens von IN 738 LC und SC 16. a für eine Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 6% min1 und die Temperaturen 750, 850 und 950 °C [25.36], b für eine Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 0;06% min1 und Temperaturen von 750 und 950 °C [25.63], c für eine Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 6% min1 und 850 °C an Luft und in Vakuum [25.64], d für die Ni-Basis-Einkristalllegierung SC 16 für eine Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 6% min1 und Temperaturen 750, 850 und 950 °C [25.62]
• Oxidationsvorgänge an der Werkstoffoberfläche begünstigen die Ermüdungsrisseinleitung und senken die Anrisszyklenzahl ab, wie an dem dargestellten Beispiel bei 850 °C an Luft und unter Vakuum zu erkennen ist [25.64]. Das macht die Notwendigkeit der Einbeziehung von Korrosionsvorgängen auf der Bauteiloberfläche für eine praxisrelevante Bauteilfestigkeitsanalyse deutlich. Unter vergleichbaren Bedingungen ermittelte LCF-Eigenschaften der Legierung CMSX-4 in h001i-Richtung zeigt Abb. 25-22 [25.66, 25.67]. In Abb. 25-22a lässt sich für ein Dehnungsverhältnis R" D "min ="max D 1 die Wirkung der Temperatur auf die Anrisszyklenzahl erkennen, wobei die Absenkung der Anrisswechselzahl bei einer, den oberen Anwendungstemperaturbereich repräsentierenden Temperatur von 950 °C, bezogen auf eine mittlere Temperatur von 700 °C, eine Größenordnung beträgt. Abbildung 25-22b zeigt den Einfluss erhöhter Zugdehnungsanteile (R" D 0;05 und 0,5) bei Temperaturen von 700, 850 und 950 °C wieder mit einer charakteristischen Umkehr des Temperatureinflusses bei 700 und 950 °C. Abbildung 25-22c zeigt schließlich, dass hier auch Druckhaltephasen (im Beispiel 1 h)
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
817
Δε (%) 10
dε/dt = 6%/min
ε
CMSX-4
t b) R ε = 0,05 und 0,5 950 850 °C
700
c) 950 °C
1
ε
dε/dt = 6 %/min a) 950 700 °C
t 1h
dε/dt = 6 %/min
ε
R ε = −1
t R ε = −1
0,1 101
10 2
10 3
10 4
NA
10 5
Abb. 25-22a–c LCF-Verhalten von CMSX 4 in h001i-Richtung. a Zug-/Druckdehnwechselbeanspruchung mit R D "min ="max D 1 und einer Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 6% min1 für 700 und 950 °C [25.65], b Dehnwechselbeanspruchung mit R D "min ="max D 0;05 und 0,5 und einer Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 6% min1 für 700, 850 und 950 °C [25.66], c Zug-/Druckdehnwechselbeanspruchung mit R D "min ="max D 1, einer Druckhaltezeit von 1 h und einer Rampendehngeschwindigkeit d"=dt D 6% min1 bei 950 °C [25.65]
bei sonst mit Abb. 25-22a vergleichbaren Bedingungen eine Schädigung herbeiführen und die Anrisszyklenzahl drastisch reduzieren können. Ein weiterer Vorteil der kolumnar und einkristallin gerichtet erstarrten Werkstoffe ergibt sich aus dem niedrigen E-Modul in der vorliegenden h001i-Orientierung, wie in Tabelle 25-2 deutlich wird. Das hat zur Folge, dass das Thermoermüdungsverhalten deutlich günstiger wird. Man kann nach vorliegenden Erkenntnissen davon ausgehen, dass die Lebensdauer unter vergleichbarer Thermoermüdungsbeanspruchung für gerichtet kolumnar erstarrte Strukturen um einen Faktor 3–5 und für einkristalline Bauteile um einen Faktor von etwa 10 höher ausfällt. Da für Bauteile dies jedoch nicht nur eine Frage der Werkstoffeigenschaft allein ist, sondern auch die Geometrie und die Oberflächenbeschaffenheit mit eingeht, ist für jedes Bauteil ein entsprechender Nachweis im Bauteilversuch zu empfehlen. Relevante physikalische Eigenschaften wie der mittlere lineare Wärmeausdehnungskoeffizient ˛, die Wärmeleitfähigkeit und die Dichte sind in den Tabellen 25-2–25-5 exemplarisch in ihrer Bandbreite dargestellt.
818
C. Berger, H. W. Grünling
Tabelle 25-2 Typische Werte des dynamischen E-Moduls (Angaben in GPa) [25.5, 25.74] T (°C)
21
540
Fe-Basislegierungen
202
151
Co-Basislegierungen
225
Ni-Basislegierungen (konventionell)
199
Ni-Basislegierungen gerichtet erstarrta
128
Einkristall-Legierungen h001i h011i h111i
130 236 307
a b
650
760
870
980
178
165
155
137
179
172
165
156
145
110
105
99
93
87 91b 174b 237b
110 203 268
Gemessen in longitudinaler Richtung parallel zur kristallografischen h001i-Orientierung T D 950 °C
Tabelle 25-3 Bandbreite des mittleren linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten ˛ (RT-T, 106 K1 ) T (°C)
300
400
500
600
700
800
900
1000
Fe-Basis15,2–16,9 15,5–17,3 16,0–17,5 16,7–17,7 17,3–18,1 17,6–18,9 17,7–18,3 – legierungen Co-Basis- 12,9–13,9 13,2–14,4 13,6–14,9 13,9–15,6 14,2–16,3 14,6–16,9 15,3–17,3 15,9–17,9 legierungen Ni-Basis12,1–13,3 12,8–14,0 13,2–14,5 13,9–15,0 14,5–15,6 15,0–16,0 15,5–17,3 16,0–18,4 legierungena a
Ohne Werte für gerichtet kolumnar und einkristallin erstarrte Werkstoffe
Eine gewisse Bedeutung – z. B. für die Beurteilung von Schadensfällen – hat die Bruchzähigkeit der Schaufellegierungen. Es liegen allerdings nur wenig öffentlich zugängliche Daten vor. Die hochwarmfesten Superlegierungen haben im Vergleich zu vielen anderen metallischen Werkstoffen eine vergleichsweise geringe Bruchzähigkeit (engl. „fracture toughness“) bzw. kritischen Spannungsintensitätsfaktor KIc (engl. „stress intensity factor“). Er ist temperatur- und zeitabhängig (u. a. durch alterungsbedingte und kriechbedingte Gefügeveränderungen). Es ist aber nicht nur der Verlauf von KIc .T / von Bedeutung. Auch unterkritische Risswachstumsvorgänge durch Ermüdung (da=dN ) und/oder Kriechen (da=dt) spielen für die Beurteilung von Lebensdauer und Schädigungsvorgängen eine bedeutende Rolle. Während für das Kriechrisswachstum untere Grenzwerte nicht existieren, können für das Ermüdungsrisswachstum untere Grenzwerte K0 oder Kth (engl. „threshold values“) in betracht gezogen werden. Die Schwingbreite der Spannungsintensität K ist abhängig von der Fehlergröße a und der Beanspruchung . Ermüdungsrisswachstum setzt ein, wenn K K0 wird. Als Ausgangsfehlergröße kann die mithilfe der zerstörungsfreien Prüfung erkennbare Mindestfehlergröße von a D 0;25 mm angenommen werden. Mit dieser Fragestellung haben sich u. a. Speidel und Mitarbeiter auseinandergesetzt [25.65] und eine Übertragung auf beschichtete Bautei-
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
819
Tabelle 25-4 Bandbreite der Dichte der behandelten Legierungsgruppen [25.5, 25.48, 25.60] Dichte , g cm3
Legierungsgruppe
Beispiel
Fe-Basislegierungen
7,9–8,2
A 286
7,9
Co-Basislegierungen
8,6–9,2
X 45
8,6
7,9–8,4
Udimet 500
8,2
7,7–8,6 7,9–8,7
IN 738 LC CM 186 LC
8,1 8,7
7,87–8,60 8,63–9,02 8,91–9,05 8,95–9,20 9,01–9,11
CMSX-2 CMSX-4 CMSX-10 TMS-138 TMS-196
8,60 8,70 9,05 8,95 9,01
Ni-Basislegierungen – Knetlegierungen – Gusslegierungen Polykristallin Kolumnar gerichtet erstarrt (DS) Einkristallin erstarrt 1. Generation 2. Generation 3. Generation 4. Generation 5. Generation
Tabelle 25-5 Bandbreite der Wärmeleitfähigkeit der behandelten Legierungsgruppen (Angaben in W m1 K1 ) T (°C)
316
540
650
760
870
980
Fe-Battlegrounds – Beispiel A 286 Co-Basislegierungen – Beispiel MAR-M 509 Ni-Knetlegierungen – Beispiel: Nimonic 80 A – Beispiel: Udimet 700 Ni-Gusslegierungen (polykrist.) – Beispiel: IN 738 Ni-Gusslegierungen (einkrist.) – Beispiel: CMSX-4
16,2–18,5 18,5 17,9–25,2 – 12,3–16,9 12,3 20,0 13,1–13,8
19,2–22,5 22,5 21,6–27,9 27,9 15,9–20,6 15,9 20,2 15,2–19,1
20,8–24,8 24,8 22,3–28,1 31,1 18,2–22,1 18,2 20,6 17,3–21,0
–
–
–
– 34,8 22,5–24,2 20,5 21,4 14,0–23,0
– 37,6 22,5–26,4 22,5 23,2 21,6–26,9
– 41,2 24,2–28,1
13,8
17,7
19,7
21,5
23,3
25,3
12,0
15,7
18,0
20,6
23,6
27,1
27,7 23,1–29,8
le wurde in [25.68] versucht. Erschwert werden solche Betrachtungen durch die Zeitabhängigkeit der Eigenschaften bei Temperaturen oberhalb etwa 0,4 TS (TS D absolute Schmelztemperatur in K), also im Bereich der Einsatztemperaturen. Als grobe Anhaltswerte für KIc können etwa 30 bis 60 MN m3=2 angegeben werden, wobei im Tieftemperaturbereich die niedrigeren Werte anzusetzen sind und im zeitabhängigen Bereich höhere, aber ebenfalls zeitabhängige Werte gelten. In Kenntnis dieser Eigenschaften lassen sich versagenssichere Bereiche definieren, wie sie in Abb. 25-23 exemplarisch für die Legierung IN 738 LC für RT und 850 °C=200 h dargestellt sind. Neuere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass das Kriechrisswachstum bei grobkörnigen Feingusslegierungen wie dem IN 738 LC unter Bedingungen, bei denen der Kriechbruch interkristallin erfolgt (untersucht bei 700 und 850 °C), nicht stetig
820
C. Berger, H. W. Grünling
3000 IN 738 LC
1000
R m = 800 MPa
Κ IC = 57 MN m − 3/2
Spannung σ (MPa)
Kein Überlastversagen
σ Kriechen = 310 MPa Κ Kriechen
2 σ a = 280 MPa
100
= 20 MN m−3/2 Kein Kriechversagen
Kein Ermüdungsversagen ΔΚ 0 = 8,5 MN m−3/2 (R = 0)
Bereich typischer Schichtdicken
10 10 −4
10 −3
10 −2
Fehlertiefe [m] Abb. 25-23 Versagensdiagramm der unbeschichteten und beschichteten Nickelbasisfeingusslegierung IN 738 LC für RT und 850 °C=200 h [25.67, 25.68]
verläuft. Es ist stark von der Orientierung der Korngrenzen zur Rissfortschrittsebene abhängig. Trifft die Rissspitze beispielsweise auf eine normal dazu angeordnete Korngrenze, kann es zu temporärem Rissstopp und Rissumlenkung kommen. Rissstopp und Risswachstumsphasen können sich einander abwechseln [25.69]. Gültige da=dt-Kurven sind deshalb für diese Bedingung nicht darstellbar. Das Ermüdungs- und Kriechermüdungsrisswachstum erfolgte dagegen am gleichen Werkstoff bei 700 und 850 °C transkristallin mit gerader Rissfront und glatter Bruchfläche. Erste Ergebnisse für die Rissfortschrittsrate da=dN sind in Abb. 25-24a und 25-24b [25.70] in Abhängigkeit vom zyklischen Spannungsintensitätsfaktor KI dargestellt. Auffällig ist eine Verschiebung der Ermüdungsrissfortschrittsrate unter Kriecheinfluss (Haltezeiten von 0,3 h bei 850 °C) zu niedrigeren Werten. Rissschließeffekte sind in dieser Darstellung nicht berücksichtigt, sodass eine allgemeingültige Regel noch nicht abgeleitet werden kann. Im Vergleich zu den isothermen LCF-Eigenschaften sind die anisothermen TMFEigenschaften, ermittelt aus betriebsnahen Experimenten, von besonderem Nutzen für die Bauteilauslegung bzw. für die Verifikation von Verformungs- und Versagens-
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe 10
821
–1
10
IN-738 LC T = 700 °C Cs20-Proben a 0 /W = 0,55 R = 0,1
da/dN -2 10 (mm/LW)
10
–3
10
–4
10
–5
10
–6
15
IN-738 LC T = 850 °C Cs20-Proben a 0 /W = 0,55 R = 0,1
da/dN -2 10 (mm/LW)
tH = 0,3 h
f = 0,05 Hz
10
–1
20
25 30 35 Δ K I (MPa m1/2 )
10
–3
10
–4
10
–5
10
–6
tH = 0,3 h
10
40
f = 0,05 bzw. 10,0 Hz
15
20
25K (MPa 30 m1/235 Δ ) I
40
Abb. 25-24 Ermüdungsriss- und Kriechermüdungsrissfortschrittsrate von IN 738 LC in Abhängigkeit vom zyklischen Spannungsintensitätsfaktor KI bei 700 bzw. 850 °C [25.70] T max ,T (°C) 1000 IN 792 CC FK T min (TMF) = 400 °C
900
T 800
t
ε
In-Phase
t
700
ε
Out-of-Phase : Out-of-Phase t
: In-Phase : Isotherm
600 50
10 2
10 3
10 4
NB
2 × 10 4
Abb. 25-25 Vergleich des TMF-Verhaltens des Werkstoffes IN 792 CC FK unter In-Phase-Beanspruchung und Out-of-Phase-Beanspruchung mit dreieckförmigem Temperatur-Zeit-Verlauf und einer Maximaltemperatur zwischen 650 und 1000 °C sowie einer Minimaltemperatur von 400 °C, isotherme Dehnwechselbeanspruchung bei Maximaltemperatur der TMF-Beanspruchung [25.71]
modellen. Die gleichgerichtete Überlagerung von mechanischer und thermischer Beanspruchung (In-Phase) bzw. deren gegenläufige Überlagerung (Out-of-Phase)
822
C. Berger, H. W. Grünling
führen am Beispiel der Feinkornvariante der Nickelbasislegierung IN 792 CC FK zu einer deutlichen Absenkung der Bruchzyklenzahl NB vom Faktor zwei im Vergleich zur isothermen Beanspruchung bei der oberen Zyklustemperatur Tmax (Abb. 25-25) [25.71]. Die einfachere LCF-Beanspruchung führt hier also deutlich auf die unsichere Seite. Die Notwendigkeit einer experimentellen Simulation der Bauteilbeanspruchung durch TMF-Experimente wird schon an diesem Beispiel durch die komplexe Abhängigkeit der Bruchzyklenzahl von der absoluten Höhe der maximalen Zyklustemperatur Tmax und der Art der Überlagerung von mechanischer und thermischer Beanspruchung deutlich. Eine weitere wichtige Eigenschaft aller Schaufelwerkstoffe ist die Beschichtbarkeit, d. h. die Verträglichkeit – und zwar chemisch sowohl als auch mechanischthermisch – zwischen Grundwerkstoff und Schicht. Die chemische Verträglichkeit betrifft die Interdiffusion von Basislegierungs- und Schichtlegierungsbestandteilen, die sowohl weitgreifende Veränderungen der Korrosionsbeständigkeit der Schutzschicht als auch der mechanischen Eigenschaften und damit der mechanischen Verträglichkeit des Werkstoffverbundes herbeiführen können. Unter dem Begriff der mechanischen Verträglichkeit versteht man die physikalischen und mechanischen Wechselwirkungen zwischen Schicht- und Grundwerkstoff, die sich aus unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften wie z. B. der thermischen Ausdehnung und dem E-Modul ergeben oder aber aus Fehlanpassungen mechanischer Eigenschaften. Auf den Einfluss von Korrosionsvorgängen auf das LCF-Verhalten von Schaufelwerkstoffen wurde bereits oben hingewiesen. Schutzschichten können aber auch das thermomechanische Ermüdungsverhalten eines Bauteils signifikant verändern [25.72, 25.73], wie beispielhaft in Abb. 25-26 für die Legierung IN 738 LC mit unterschiedlichen MCrAlY-Auflageschichten in TMF-Zyklen (Tmin D 300, Tmax D 850 °C) mit einer Haltezeit von 4 min bei der oberen Zyklustemperatur gezeigt wird. Dargestellt ist die Dehnungsschwingbreite " über der Schichtanrisszyklenzahl NAS . Zyklus „u“ modelliert die Verhältnisse an Vorderkante, Rücken und Hinterkante einer ungekühlten bzw. nicht ideal gekühlten Schaufel mit hohen thermisch induzierten Dehnungen aufgrund der voreilenden Außen- und nachlaufenden Innentemperatur, mit einem Temperaturausgleich in der stationären Betriebsphase. Zyklus „k“ modelliert die Verhältnisse einer ideal gekühlten Schaufel, bei der aufgrund der ständig aufrechterhaltenen Temperaturdifferenz zwischen heißer Außenseite und gekühlter Innenseite und der Dehnungsbehinderung an der Schaufelaußenseite in der stationären Betriebsphase eine Druckdehnung vorliegt. Kritisch sind offensichtlich auch in diesem Falle Druckhaltephasen, besonders für den unbeschichteten Grundwerkstoff und die relativ spröde CoCrAlY-Schicht. Die etwas duktilere CoNiCrAlY-Schicht verhält sich etwas günstiger und deutet an, dass eine optimale Abstimmung der mechanischen und physikalischen Eigenschaften zwischen Schicht- und Grundwerkstoff durchaus positive Auswirkung auf die Verbundeigenschaften haben kann. Für das weitere Studium sei auf Kap. 24 verwiesen.
25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
823
Δε (%) 1 T
4 min 4 a i
6 4 850 °C IN 738 LC (u)
300 0,5
ε
Zyklus u
ε
Zyklus k
CoCrAlY + IN 738 LC (u)
IN 738 LC (k) t
CoCrAlY + IN 738 LC (k)
0,2 IN 738 LC (u)
CoCrAlY + IN 738 LC (k)
IN 738 LC (k)
CoCrAlY (150 μm) + IN 738 LC (k)
CoCrAlY + IN 738 LC (u)
CoNiCrAlY + IN 738 LC (u)
CoCrAlY + IN 738 LC (u), evakuiert
CoNiCrAlY + IN 738 LC (k)
0,1 10 1
10 2
10 3
N AS
10 4
Abb. 25-26 Wirkung metallischer Schutzschichten auf das TMF-Verhalten der Nickelbasisfeingusslegierung IN 738 LC [25.72, 25.73]. Zyklus u: ungekühlte bzw. nicht ideal gekühlte Schaufel; Zyklus k: ideal gekühlte Schaufel, (a): Temperatur an der Schaufeloberfläche außen, (i): Temperatur an der Schaufeloberfläche innen
Danksagung Für die Unterstützung bei der Literaturbeschaffung und -auswertung, sowie der Erstellung von Bildern danken wir Dr.-Ing. Brigitte Heinecke, Dr.-Ing. Yan Wang, Dr.-Ing. Falk Müller, Dr.-Ing. Alfred Scholz vom Institut für Werkstoffkunde, Technische Universität Darmstadt und Dipl.-Ing. Joachim Schubert, Alstom Power Systems GmbH.
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25 Hochtemperatur-Schaufelwerkstoffe
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25.68. Grünling, H. W.; Schneider, K.; Singheiser, L.: Mechanical properties of coated systems. In: Materials Science and Engineering, Band 88, 1977, S. 177–189 25.69. Müller, F.; Scholz, A.; Speicher, M.; Klenk, A.: Absicherung von Konzepten zur Beschreibung des Rissverhaltens der Legierungen Inconel 706, Inconel 718 und IN-738 LC unter überlagerter Beanspruchung. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben Nr. 884 Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV), Heft 858, 2008 25.70. Müller, F.; Scholz, A.; Speicher, M.; Klenk, A.: Untersuchung des Hochtemperaturrissverhaltens an den Nickelbasislegierungen Inconel 706, Inconel 718 und IN-738 LC. 31. Vortragveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für warmfeste Stähle und der Arbeitsgemeinschaft für Hochtemperaturwerkstoffe, Langzeitverhalten warmfeste Stähle und Hochtemperaturwerkstoffe, Düsseldorf, 28.11.2008, S. 127–138 25.71. Beck, T.; Pitz, G.; Lang, K.-H.; Löhe, D.: Thermisch-mechanische und isotherme Ermüdung von IN 792 CC. In: Grünling, H. W. (Hrsg.), Werkstoffe für die Energietechnik, DGM-Informationsgesellschaft, Frankfurt (1997), S. 145–150 25.72. Kirchner, H.: Mechanisches Verhalten des Schutzschicht-Grundwerkstoff-Verbundes von Gasturbinenschaufeln unter zyklischer Beanspruchung. Dissertation: Technische Hochschule Darmstadt 1995, D 17 25.73. Hortig, P.: Zyklisches Langzeitverhalten von Schutzschichten auf Gasturbinenschaufelwerkstoffen unter betriebnaher Kriechermüdungsbeanspruchung. Dissertation: Technische Hochschule Darmstadt 1996, D17 25.74. Diologent, F.; Caron, P.: On the creep behavior at 1033 K of new generation single-crystal superalloys, Materials Science and Engineering, A 388, 2004, S. 245–257.
Kapitel 26
Normung Bernard Becker
26.1 Allgemeine Hinweise Die Industriegasturbine hat in den letzten Jahrzehnten eine dramatische Verbesserung ihrer Leistung erfahren. Gleichzeitig wurde durch Anhebung der Temperatur und der Komponentenwirkungsgrade der Wirkungsgrad des Kombiprozesses in die Nähe von 60% gebracht. Dies war nur durch den Einsatz leistungsfähiger Berechnungsverfahren, innovativer Materialien und ihrer höheren Ausnutzung möglich, weil sie nicht in ein festes Regelwerk von Gestaltungs- und Berechnungsvorgaben gezwängt wurden. Beim Flugtriebwerk hat schon oft Versagen viele hundert Menschenleben gekostet. Daher werden neue Techniken und Bauweisen nur nach einem umfangreichen Erprobungsprogramm mit Überwachung durch eine Zertifizierungsbehörde (z. B. die Federal Aviation Agency FAA in den USA) eingeführt. Viele Triebwerke einer Nullserie werden bei Überlast und in weiten Drehzahlbereichen erprobt und in Versuchen (z. B. durch Absprengen einer großen Gebläseschaufel oder beim Fremdkörpertest mittels Vogelkörpern) zerstörend geprüft. Dafür gibt es besondere Regelwerke, die hier jedoch nicht behandelt werden. Obwohl der Betrieb von Anlagen mit Industriegasturbine auch schon Menschenleben gekostet hat, ist das Risiko doch Größenordnungen geringer. Seit dem 01.01.1995 dürfen in der Europäischen Union nur noch Maschinen in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, die die Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllen. Die Gasturbine ist eine Systemkomponente, die allein nicht lauffähig ist. Als Teil der EG-Konformitätserklärung ist daher eine Herstellererklärung B erforderlich (Maschinenrichtlinie 91/368/EWG). Damit ist nicht gesagt, dass der Betrieb von Gasturbinenanlagen ohne regulierende Standards erfolgen kann. Denn wenn auch die Gasturbine selber keiner direkten Zertifizierungspflicht unterliegt, so existiert doch für die zum Betrieb eingesetzte
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Gasturbinensteuerung und deren Schutzeinrichtungen eine Reihe von Vorschriften und Regelwerken. Diese Richtlinien werden in Kap. 35 behandelt. Komponententests und Prüffeldversuche sowie der Prototypbetrieb in einem Kraftwerk unterliegen keinen besonderen Vorschriften. Das unter Umständen sehr hohe finanzielle Risiko solcher Tests und auch des späteren Normalbetriebs tragen Hersteller, Versicherer und Betreiber entsprechend vertraglicher Absprachen. Um alle Beteiligten bei dieser Vertragsgestaltung zu unterstützen, wurde die europäische Norm EN 45510-5-2 [26.2] herausgegeben. Sie gilt für Gasturbinen mit offenem Kreislauf und mit normalem Verbrennungssystem, üblicherweise mit einer elektrischen Leistung größer als 20 MW, und schließt auch Gasturbinenkraftwerke mit geschlossenem, halbgeschlossenem und kombiniertem Prozess sowie Kraftwärmekopplungsanlagen ein. Ausdrücklich ausgenommen sind Antriebe von Luft-, Wasser- und Landfahrzeugen, dagegen nicht der Antrieb stationärer Arbeitsmaschinen (Verdichter, Pumpen usw.). Zeitlich parallel zum Entstehen dieser Europäischen Norm wurde im Technical Committee ISO/TC 192 Gas Turbines und seinen Working Groups WG 1–9 an einem vergleichbaren internationalem Standard „ISO 3977 Gas turbines-Procurement“ gearbeitet [26.1]. Dass hier nicht nur die Kraftwerksanwendung betrachtet wurde, geht aus der Mitbeteiligung des „Subcommittee ISO/TC 67/SC6 Petroleum and natural gas industry – Processing equipment und systems“ hervor. Obwohl diese ISO-Norm 1998 noch nicht vollständig erstellt war, wird sie in EN zitiert in der Absicht, sie mitzubenutzen. Der EN-Leitfaden sollte daher zusätzlich und ergänzend zu dieser internationalen Norm gelesen werden. Die eingangs erläuterten Umstände haben beide Normungsgremien dazu veranlasst, nicht wie bei einer Gewindenorm Ausführungsdetails festzuschreiben oder wie bei der Baustatik Dimensionierungsregeln anzugeben. Dazu sagt die EN 455 10-5-2: Dieser Leitfaden bezieht sich vorzugsweise auf die Funktion der behandelten Ausrüstung und nicht auf die Art ihrer Konstruktion. Aus diesem Grunde wird die Anleitung zur Spezifikation unter Leistungsaspekten gegeben anstelle von detaillierter Beschreibung der zu liefernden Ausrüstung. Potentielle Käufer erfahren aus dem Leitfaden, wie die Spezifikation formuliert werden sollte, damit: • die Ausrüstung von Typ und Leistung her den anderen Teilen der Systeme genau angepasst ist; • die vorgesehene Leistung erreicht wird; • die Zusatzausrüstung entsprechend dimensioniert wird; • Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Sicherheitsanforderung erreicht werden; • die anzuwendenden Bewertungsverfahren und Qualitätssicherungsmaßnahmen bestimmungsgemäß berücksichtigt werden. Der Leitfaden bestimmt nicht die Art der Spezifikation (z. B. detaillierte, auslegungstechnische, funktionelle Spezifikation) oder den Lieferumfang für einen bestimmten Vertrag, die üblicherweise auf der Grundlage der Projektstrategie des Käufers festgelegt werden.
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Der Leitfaden umfasst nicht: • kaufmännische, vertraglich oder rechtliche Elemente, die üblicherweise in der Anfrage separat behandelt werden; • die Zuweisung von Verantwortlichkeiten, die im Vertrag festzulegen sind. Der Leitfaden beschreibt nicht die Zusammenstellung der Dokumente in der Anfrage. ANMERKUNG: Eine umfassende europäische Umweltpolitik ist in Vorbereitung. Der Leitfaden berücksichtigt deshalb keine Umweltaspekte hinsichtlich der Ausrüstung. Somit liegt die Verantwortung für die Auswahl der Berechnungsverfahren, der Sicherheitsabstände, der theoretischen und experimentellen Absicherungsmethoden weitestgehend beim Hersteller, der sein Qualitätssystem nach EN ISO 9000 aufbaut und zertifiziert [26.52, 26.53]. Die ISO/DIS 3977 gibt einen sehr detaillierten und umfangreichen Überblick. Das ISO-Bulletin N141 des Technical Committee TC 192 sieht in dieser Normungsaktion, die 1000 Fachleute weltweit einbezogen hat, einen Weg zur Vereinheitlichung der Produkteigenschaften und damit zur Kostensenkung bei Herstellern und Betreibern. Das Ziel ist, dass 80% der Anlage aus Standardkomponenten besteht und nur die verbleibenden 20% Kundenwünschen angepasst werden müssen. Das Kostensenkungspotential wird mit bis zu 40% angegeben. Teile der ISO 3977: • • • • • • • • • •
Part 1: General and definitions, Part 2: Standard reference conditions and rating, Part 3: Design requirements, Part 4: Fuels and environment, Part 5-1: Applications for petroleum and natural gas industries, Part 5-2: Applications for emergency standby, Part 6: Combined cycle acceptance tests, Part 7: Technical information, Part 8: Inspection, testing, installation and commissioning, Part 9: Reliability, availability, maintainabilty and safety.
In diesem Handbuch kann nur auf einen kleinen Teil dieses Regelwerks genauer eingegangen werden.
26.2 Bauweise und Entwicklung 26.2.1 Schwachstellen vermeiden Wenn auch in den Normen auf die Bauweise nicht direkt Einfluss genommen wird, so ist doch deren Wirkung auf die Funktion für den Betreiber von wesentlicher Bedeutung. Die Bauweise der Komponenten bestimmt natürlich die Eigenschaften der Ausrüstung als Ganzes (Leistung, Zuverlässigkeit usw.) Daneben beeinflusst
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sie aber auch entscheidend deren Instandhaltungsaufwand. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang die Instandhaltungsfreundlichkeit als ein wichtiges Funktionsmerkmal. Die Komponente muss so gestaltet und ausgelegt werden, dass sie keine Schwachstelle im Gesamtsystem darstellt. DIN 31051 [26.33] definiert eine Schwachstelle als eine durch die Nutzung bedingte Schadenstelle oder schadensverdächtige Stelle, die mit technisch möglichen und wirtschaftlich vertretbaren Mitteln so verändert werden kann, dass Schadenshäufigkeit und/oder Schadensumfang sich verringern. Dieser Gesichtspunkt der unter wirtschaftlichen Kriterien besten technischen Lösung erfordert für die zeitbegrenzten Bauteile der Gasturbine eine Abwägung des durch höhere Gastemperaturen erzeugten Nutzens (geringere Kosten pro installierten kW und Brennstoffersparnis durch besseren Kombiprozesswirkungsgrad) und des Aufwands (kürzere Instandhaltungsintervalle, höherer Ersatzteil- und Reparaturbedarf). Entscheidend aus Sicht des Käufers sind die Life Cycle Cost, ausgedrückt durch den gesamten Geldaufwand pro erzeugter kWh. Damit der Käufer das für seinen Einsatzzweck optimale Produkt auswählen kann, ist er auf belastbare Angaben zu allen Einflussgrößen durch den Hersteller angewiesen, die er entsprechend dem Leitfaden [26.2] anfragt. Damit der Käufer diese Angaben überprüfen und werten kann, sollte der Lieferant in der Beschreibung der Ausrüstung eine Begründung für die Auswahl der Komponenten sowie die angewandten Auslegungsgrundlagen geben und auf den Innovationsgrad und dessen wirtschaftliche Auswirkungen hinweisen.
26.2.2 Bauteilspezifische Auslegungskriterien Für die Gasturbine selbst enthält nur Teil 3 der ISO 3977 „Design requirements“ einige Vorgaben zur Kraftübertragung in der Kupplung, in einem evtl. vorhandenen Hilfsgetriebe und zu den Wuchtebenen im Läufer. Weitere Hinweise für die Dimensionierung ergeben sich aus Druckbehälteranalogien. Das Gasturbinengehäuse hat neben den Kräften aus dem Innendruck auch Drehmomente sowie örtliche Krafteinleitungen statischer und dynamischer Art aufzunehmen. Es bestimmt als Teil des Gesamtsystems durch hohe Steifigkeit im geschlossenen Zustand das Schwingungsverhalten und im geöffneten Zustand die Verformungen während der Montagevorgänge. Wegen der vielen Anforderungen wird es nicht als Druckbehälter im Sinne der entsprechenden Richtlinien (Druckbehälterverordnung [26.45], AD Merkblätter [26.44] und ASME Boiler und Pressure Vessel Code [26.43]) definiert. Trotzdem muss die Auslegung sich an diesen Richtlinien orientieren, um der Herstellerverantwortung gerecht zu werden. Sind die Brennkammern nicht im Gasturbinengehäuse selbst, sondern in besonderen druckführenden Gehäusen angeordnet, so fallen sie unter die Druckbehälterverordnung. Auch die druckführenden Rohrleitungen, insbesondere die mit brennbaren Medien, fallen unter diese Richtlinie (siehe Kap. 11)
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Allgemeinerer Art sind die Anforderungen an die Werkstoffauswahl (Absatz 10.3 der EN 45510). Bei der Werkstoffauswahl sollte der Lieferant mögliche nachteilige Einflüsse auf die Werkstoffe während Fertigungs-, Lager-, Montage-, Prüf-, Anfahr-, Betriebsund Abfahrvorgängen berücksichtigen. Die ISO 3977-3 betont im Abschn. 5.1.3 besonders die Beachtung korrosiver und versprödender Umgebungseinflüsse bei der Werkstoffauswahl. Weitere Werkstoffnormen finden sich unter [26.36–26.39]. Der Käufer mehrerer Gasturbinen des gleichen Typs wird sicherlich Wert auf die Austauschbarkeit gleichartiger Bauteile nicht nur innerhalb einer Gasturbine, sondern auch von Gasturbine zu Gasturbine legen (Absatz 10.5 der EN 45510). Zusätzlich sollten natürlich – soweit von den technischen Anforderungen her sinnvoll – Normteile zum Einsatz kommen, z. B. bei Schrauben, Blechhalbzeugen usw. Auch bei oben zitierter Werkstoffauswahl sollte der Konstrukteur schnell und kostengünstig zu beschaffende Normwerkstoffe bevorzugen. Der Annex C der ISO 3977-3 fasst entsprechende internationale und nationale Normen der wichtigsten Herstellerländer zusammen.
26.3 Erprobung, Betrieb und Anwendungen Bei der Erprobung werden in einer Abnahmemessung die zugesicherten thermodynamischen Eigenschaften wie Leistung, Wirkungsgrad und Abgasenergie nachgewiesen (ISO 2314 [26.6], siehe Kap. 31). Auch andere im Vertrag genannte Zusicherungen müssen erfüllt werden, z. B. die Einhaltung der zulässigen Emissionen, der Abgasbestandteile (ISO 11042-1 SOx , NOx , CO, Ruß, unverbrannte Kohlenwasserstoffe [26.28]), der Schallemissionen innerhalb und außerhalb des Kraftwerks (ISO 10494, [26.19]), des Schwingungsverhaltens (ISO 7919 [26.10–26.15], ISO 10816 [26.20–26.26], API STANDARD 616 [26.41], siehe Kap. 30) und der Zuverlässigkeit. Zwecks Nachweis des letzten Punktes wird in der Regel ein störungsfreier Betrieb über einen Zeitraum von einigen Wochen nach der Abnahmemessung vereinbart. Während der Leitfaden EN 45510 nur sehr allgemeine Aussagen zu den erforderlichen Nachweisen macht und im Wesentlichen auf die jeweilige Spezifikation verweist, enthält Teil 8 der ISO 3977 detaillierte Angaben über Nachweisziele und die dazu benutzten Verfahren. Die genannten Vorschriften sind auch während des späteren Betriebs zu beachten. Die Einhaltung der Abgasemissionen muss nicht nur bei der Abnahme, sondern auch später regelmäßig überwacht werden. Durch Beobachtung des Schwingungsverhaltens, der thermodynamischen Eigenschaften und anderer Systemkenngrößen durch das Betriebspersonal, unterstützt durch Diagnosesysteme, können Schäden im Frühstadium erkannt und die Wirtschaftlichkeit des Betriebs verbessert werden. Der VDMA hat dazu eine Richtlinie „Trendmonitoring-Systeme für Gasturbinenanlagen“ [26.52] herausgegeben. Typisch für Gasturbinen ist die Abnutzung der Heißgas führenden Bauteile in Brennkammer und Turbine (DIN 31051 [26.33] und 31054 [26.34]). Während der
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Inspektionen wird der Abnutzungsvorgang verfolgt und der Reparaturzeitpunkt vor das Erreichen der Schadensgrenze gelegt (Bild Seite 7 in DIN 31051). Durch Schließen von Rissen sowie Auftragen von Material mittels Schweiß- und Lötverfahren, Erneuern von Schutzschichten und Wärmebehandlungen wird neuer Abnutzungsvorrat geschaffen. Da zur Durchführung dieser Instandhaltung sehr spezifische Fachkenntnisse erforderlich sind, schließen Hersteller und Betreiber häufig langfristige Wartungsverträge, bei deren Abfassung Normen unterstützen (CIMAC No: 16/1999 [26.35]). Durch Austausch nicht mehr reparierbarer Teile wird die Gasturbine über viele Jahrzehnte funktionsfähig erhalten. Wird der Instandhaltungsvorgang mit Upgrade-Maßnahmen verbunden, können die Gebrauchseigenschaften (Wirkungsgrad, Leistung, Zuverlässigkeit, Emissionen) im Laufe der Betriebszeit sogar noch erheblich verbessert werden. Dadurch kann der neue Sollzustand – wie im Bild dargestellt – eine längere Nutzung durch mehr Abnutzungsvorrat erlauben als der ursprüngliche. Mehr zu diesen Themen findet man in den Kapiteln 38 und 39. Besonderheiten des Betriebs in Offshore-Anlagen zur Gas- und Ölförderung behandelt Teil 5 der ISO 3977. Die früher hier international angewendeten Richtlinien der American Petroleum Industry (API) sind nach wie vor in Gebrauch und Grundlage der ISO 3977 als einer Norm für alle eingangs zitierten Anwendungen geworden.
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26.47. ASTM A 194: Carbon and alloy steel nuts for bolts for high-pressure and high-temperature service 26.48. ASTM A 307: Carbon steel externally threaded standard fasteners 26.49. NEPA 70, National electric code 26.50. NACE MR-0175-94 26.51. Trend-Monitoring-Systeme für Gasturbinenanlagen. Ein Leitfaden für die Praxis. VDMA Fachgemeinschaft Kraftmaschinen 26.52. EN ISO 9001: Qualitätsmanagementsysteme – Modell zur Qualitätssicherung/QMDarlegung in Design/Entwicklung, Produktion, Montage und Wartung (1994) 26.53. EN ISO 9002: Qualitätsmanagementsysteme – Modell zur Qualitätssicherung/QMDarlegung in Produktion, Montage und Wartung (1994)
Kapitel 27
Montage Willi Paschmann
Die Montage des Turbosatzes am Bestimmungsort (erection) erfordert im Vorfeld die Schaffung einer geeigneten Baustelleninfrastruktur. Vor Beginn der Montage sind der Bauplatz und die Zwischenlagerplätze für Teile und Komponenten herzurichten, Transport- und Hebeeinrichtungen sind bereitzustellen und die Standorte für Werkzeugcontainer und Spezialwerkzeuge festzulegen. Geeignete Büro- und Arbeitsplätze für das Baustellenpersonal müssen vor Beginn der Montage bereit stehen. Grundlage für die Abwicklung eines Bauvorhabens, wie die Errichtung einer Gasturbinenanlage, ist die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (BaustellV). Als Umsetzung der EG-Richtlinie 92/57 ist die Baustellenverordnung am 1. Juli 1998 in Kraft getreten. Sie gilt für Bauvorhaben im gewerblichen, öffentlichen und privaten Bereich und ergänzt das deutsche Arbeitsschutzrecht durch die Beschreibung der Pflichten des Bauherrn und hiermit verbundene Forderungen, wie z. B. die Vorankündigung des Bauvorhabens, die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsplans (SiGe-Plan) sowie die Bestellung der Koordinatoren für Planung und Ausführung. Weitere materiellrechtliche Mindestforderungen der EU-Baustellenrichtlinie werden durch bereits bestehende Bestimmungen wie die Arbeitsstättenverordnung, die Unfallverhütungsvorschriften und die Bauordnung der Länder abgedeckt. Der Aufbau einer Gasturbinenanlage ist ein komplexes Bauvorhaben, bei dem neben dem Hauptkontraktor in der Regel Unterlieferanten mit entsprechendem Fach- und Montagepersonal aus dem In- und Ausland zum Zuge kommen. Das gemeinsame Ziel ist die komplette Errichtung der Anlage einschließlich aller Nebenanlagen, den notwendigen Systemreinigungsarbeiten, Prüfungen und Bauabnahmen gemäß den Regeln der Technik. Zum Abschluss der Außenmontage wird die Anlage dem nachfolgenden Gewerk, der Inbetriebsetzung, per Montageübergabeprotokoll übergeben.
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Gasturbine im offenen Prozess ohne Abhitzeverwertung (simple cycle) Gasturbinenanlagen ohne Abhitzeverwertung werden dort realisiert, wo kurzfristige Bereitstellung von elektrischer Energie vor den Nachteilen, wie niedriger Anlagenwirkungsgrad und hohe spezifische Brennstoffkosten, rangiert. Ihr geringer Platzbedarf und die Unabhängigkeit von Kühlwasser lassen eine breite Standortauswahl zu. Die weitgehend modulare Bauweise und die gute Transportierbarkeit sind wesentliche Faktoren für kurze Bauzeiten und eine schnelle Amortisation des Investitionskapitals. Der Aufbau wird in den meisten Fällen einfach gehalten, ohne Maschinenhaus und Wartengebäude, teilweise als vollautomatische Fernstartanlage mit niedrigem Wartungsaufwand und einem Minimum an Bedienpersonal. Die Großkomponenten wie Gasturbine, Generator und Transformatoren werden vormontiert angeliefert und mittels Hubgerüst oder Autokran aufgestellt. Die Hilfsanlagen, wie z. B. Schmieröl- und Brennstoffversorgungssysteme, werden als Module auf leicht zu transportierenden Gestellen (engl.: Skids) komplett montiert, verdrahtet und geprüft ausgeliefert. Leittechnikschränke, Starteinrichtung und Schaltanlage werden in Containerbauweise installiert. Zu den bauzeitbestimmenden Anlagenteilen, die aufgrund ihrer Größe und Abmessungen nicht als vorgefertigte Komponenten zu transportieren sind, zählen das Filterhaus, die Luftansaug- und Abgaskanäle sowie der Abgaskamin. Diese Anlagenkonzeptionen ermöglichen Gesamtbauzeiten von weniger als 12 Monaten. Gasturbine im offenen Prozess mit Abhitzeverwertung (Combined cycle) Gasturbinenanlagen mit Abhitzeverwertung sind gegenüber Anlagen ohne Abhitzeverwertung erheblich komplexer und erfordern entsprechend längere Bauzeiten. Bei diesen GuD-Anlagen (Gas und Dampf) sind der Abhitzekessel, die Dampfturbinenanlage und die Rohrleitungssysteme die bauzeitbestimmenden Faktoren. Der Gasturbosatz, mit Ausnahme der Ein-Wellen-Anlage, ist aber auch in diesen Kraftwerkskonzeptionen weitgehend ähnlich aufgebaut, sodass die Modularisierung und Standardisierung auch hier zur Anwendung kommt. Gesamtbauzeiten von ca. 24 Monaten sind realistisch und werden im Standardkraftwerk realisiert. Gasturbinen mit einer Kupplungsleistung > 300 MW dürften zukünftig an die Grenzen der Transportierbarkeit (Gewicht, äußere Abmaße) stoßen. Eine Rückkehr zur traditionellen Einzelteilmontage muss dann in Betracht gezogen werden, wenn Kapazitätsgrenzen von Straßen und Brückenbauwerken erreicht werden und die Kosten für deren Ausbau und temporäre Verstärkung die Mehrkosten einer Einzelteilmontage überschreiten.
27.1 Montageplanung Die Montageplanung stellt den notwendigen Vorlauf für den Aufbau der Gesamtanlage dar. Sie wird im Zuge der Bauphase laufend aktualisiert. Ihr kommt daher für die Abwicklung eines Kraftwerkprojektes entscheidende Bedeutung zu.
27 Montage
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Sie umfasst neben der technischen Planung auch die terminlichen, personellen, logistischen und organisatorischen Aspekte.
27.1.1 Technische Planung Basis der technischen Planung ist die Anlagenkonzeption auf der Grundlage der Bestellunterlagen und den hierin ausgewiesenen technischen Besonderheiten und speziellen Kundenwünschen. Die Montagebedingungen, wie Montage unter Maschinenhauskran oder unter Autokran oder mittels Hubgerüst, bestimmen den Einsatz und die Festlegung der unterschiedlichen Spezialwerkzeuge und Vorrichtungen. Der weitere Aufbau ist typbezogen weitgehend standardisiert, sodass der Hersteller auf Erfahrungspotenzial aus wiederkehrenden Arbeitsschritten zurückgreifen kann. Steigende Anforderungen an die technische Planung resultieren aber aus neuen Gesetzgebungen der EU und den vorwiegend in angelsächsischen Ländern geforderten Risikoabschätzungen (risk assessments), d. h. die technische Dokumentation, Montagezeichnungen, Montagevorschriften, Montagehandbücher und Prüfvorschriften müssen heute stärker als früher den Kundenanforderungen entsprechen und die länderspezifischen Anforderungen und Vorschriften berücksichtigen.
27.1.2 Terminplanung Die Montageterminplanung ist Teil der Projektterminplanung und wird entsprechend den Anfangs- und Endterminen in den Gesamtterminplan eingepasst. Wichtige Ecktermine (Meilensteine) des Gesamtterminplans dienen hierbei als Orientierungspunkte für die veränderlichen Größen wie Personalstärke, Arbeitszeit, Schichtarbeit oder sonstige Einflussfaktoren, wie Beschleunigungsmöglichkeiten durch Änderungen der Transportart oder Änderung der Lieferbedingungen.
27.1.3 Personalplanung Mit der Personalplanung wird die Anzahl und die Qualifikation des Montagepersonals festgelegt. Hierbei sind insbesondere die im Ausland zu erwartenden Erschwernisse und länderspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Für die Auswahl des Personals sind Merkmale wie interkulturelle Kompetenz, Erfahrung mit dem gleichem oder ähnlichen Kunden, Fremdsprachenkenntnisse, Teamfähigkeit und gesundheitliche Eignung wie die Tropentauglichkeit bedeutsam. Funktionsträger, die darüber hinaus ausländisches Personal zu führen haben, sollten mit den länderspezifischen Regelungen in Bezug auf Arbeitssicherheit, Arbeitszeitgesetze und angrenzenden Verordnungen vertraut sein.
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27.1.4 Planung der Baustellenorganisation Ein wichtiger Planungsschritt ist die Erstellung eines Baustellenorganigramms. Hierin sind die Funktionsträger und ihre Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereiche festgeschrieben. In der Regel steht ein Oberbauleiter als Gesamtverantwortlicher an der Spitze der Pyramide, gefolgt von den Bauleitern der Unterlieferantengruppen, die sowohl von internen als auch von externen Abteilungen bzw. Lieferern entsandt werden. Das Baustellenorganigramm stellt für alle am Projekt beteiligten Personen sicher, dass immer der richtige und für ein Gewerk zuständige Ansprechpartner benannt ist. Eingeschlossen werden sollte auch die Organisation des Kunden und die der eigenständig agierenden Fremdfirmen.
27.1.5 Planung der Baustellenlogistik Die Planung der Baustellenlogistik umfasst alle Maßnahmen zur Sicherstellung eines möglichst ungestörten Baustellenablaufs. Hierzu gehören auf der Grundlage des Gesamtterminplanes die Planung der Baustellenbüros incl. Telekommunikation, Wasser- und Stromanschlüsse, Lagerplätze, Werkstätten, Aufenthalts- und Waschcontainer, Kantine, ärztlicher Notdienst und die Zufahrtswege. Des Weiteren sind im Vorfeld eines Projektes Informationen über das Umfeld von Bedeutung für den Baustellenfrieden und die allgemeine Gemütslage des Personals. Hierzu zählen Kenntnisse über die Lebensverhältnisse der Bevölkerung, Wohnmöglichkeiten, Lebenshaltungskosten, Gefahrenpotenziale und Gesundheitsrisiken. Besonders Letzteres ist wichtig für die Einleitung von Vorsorgemaßnahmen durch entsprechende Impfungen und Gesundheitshinweise. Nicht zuletzt sind die Beachtung der Arbeitssicherheit, länderspezifische Standards und Vorschriften, arbeitsrechtliche Aspekte, Sicherheitsbelehrungen und die Aufgabe und Funktion örtlicher Gewerkschaften zu berücksichtigen.
27.2 Montagedurchführung 27.2.1 Montagehandbuch (erection manual) Die Durchführung der Montage des Turbosatzes erfolgt grundsätzlich mithilfe technischer Dokumente (z. B. einem Montagehandbuch). Dem Montagehandbuch beigeordnet sind die Montagezeichnungen, Unterlagen zu den Montagewerkzeugen und technische Anweisungen. Jeder einzelne Montageschritt wird in Form eines Arbeitsplanes beschrieben. Aus den Arbeitsplänen sind wiederum die notwendigen Prüfschritte (z. B. Druck-, Dichtheits- und Materialprüfungen) sowie Hinweise zu Montage- und Prüfprotokollen gegeben. Daneben werden bei Bedarf oder auf Wunsch des Kunden Beschreibungen zu Gefahrenpotenzialen (risk assessments) und speziellen Arbeitsmethoden (method statements) geliefert.
27 Montage
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27.2.2 Montageschritte (vereinfacht) 1. Fundamentkontrollen, 2. Festlegung der Achsmaße, Einrichtung der Stützen, Grundplatten und Mittenführungen, 3. Absetzen und Grobausrichten der Großkomponenten wie Turbine, Generator und Abgaskanal, 4. Positionierung und Montage der Nebenanlagengestelle, wie Schmierölversorgung, Brennstoffversorgung(en), Druckluftversorgung, Steuerölversorgung und H2 -Anlage (bei wasserstoffgekühlten Generatoren), 5. Montage der verbindenden Rohrleitungen für Schmieröl, Brennstoff, Druckluft, H2 -Anlage und übrige Nebenanlagensysteme, 6. Herstellung der Verbindung zwischen dem Turbinenaustrittsdiffusor und dem Abgaskanal bzw. Abgaskamin, 7. Montage der Generatorableitung, 8. Montage der Kabeltrassen, Verlegen der Kabel zu den Unterverteilern, Motoren und elektrischen Antrieben, 9. Montage der Gehäuse- und Rohrleitungsisolierung, soweit nicht schon während der Werksmontage durchgeführt, 10. Montage der über der Isolierung liegenden Brennstoff- und Steuerleitungen, 11. Endausrichtung des Wellenstrangs und Kuppeln der Wellen, 12. Montage der Schallumhausung, Bühnen und Leitern 13. Installation von Spülprovisorien und Spülen der Rohrleitungssysteme, 14. Durchführung von Druck- und Dichtheitsprüfungen sowie bei Bedarf weiterer Materialprüfungen, 15. Montageabschlussprotokoll.
27.2.3 Montageabschluss Nach Abschluss der Montagearbeiten erfolgt eine gemeinsame Abnahme mit dem nachfolgenden Gewerk, der Inbetriebsetzung unter Mitwirkung der übergeordneten Bauleitung (auch Kunde oder Kundenvertreter). Hierbei sollen die Montage- und Prüfprotokolle vorliegen. Sind die Voraussetzungen zur Aufnahme der Inbetriebsetzung Phase A (siehe Kap. 29) gegeben, wird ein Montageabschlussprotokoll (Erection Clearance Certificate, ECC) unterzeichnet. Offene Punkte werden in einer LOP-Liste (Liste der offenen Punkte) festgehalten.
Kapitel 28
Ausrichten des Wellenstrangs Willi Paschmann
Das Ausrichten des Wellenstrangs eines Turbomaschinensatzes hat zum Ziel, eine vertraglich festgelegte Güte des Laufzustandes abzusichern bzw. die Voraussetzungen zu schaffen, die für den geforderten Laufzustand notwendig sind. Obwohl die Einzelwellen wie der Gasturbinenrotor und der Generatorrotor i. d. R. bereits in den Herstellerwerken ausgewuchtet werden, kann das Kuppeln der Einzelwellen zusätzliche Störgrößen (Unwuchten) erzeugen. Um hier ein akzeptables Minimum zu erreichen, sollte das Ausrichten des Wellenstrangs möglichst präzise erfolgen. Als allgemeine Literatur seien [28.1, 28.3] empfohlen.
28.1 Begriffe In der VDI-Richtlinie 2726 [28.3] sind die Begriffe zur Ausrichtung von Wellen definiert worden. Hier einige Erläuterungen: Ausrichten Ausrichtzustand Drehachsenversatz
Ausrichttoleranz Ausrichtprotokoll
Herstellung des Ausrichtzustandes eines Wellenstranges einer Turbomaschine, Getriebes oder Generators etc. Der Endzustand nach erfolgter Ausrichtung eines Wellenstranges. Lageabweichung zweier Drehachsen zueinander. Hier unterscheidet man den Radialversatz, den Winkelversatz und den Axialversatz. Bereich der zulässigen Abweichung des Drehachsenversatzes. Dokument, in dem der Ausrichtzustand nach erfolgter Ausrichtung protokolliert ist sowie bei Bedarf weitere Angaben zur Ausrichtmethode, Messwerkzeugen und Umgebungsbedingungen.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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W. Paschmann
28.2 Ausrichtmethoden Abhängig von der Art der zu kuppelnden Maschinen und deren Kupplungsausführungen kommen verschiedene Ausrichtmethoden zur Anwendung. In der Praxis ist man bemüht, die für den jeweiligen Anwendungsfall optimale Ausrichtmethode zu nutzen. Die Auswahlkriterien richten sich nach der erforderlichen Ausrichtqualität, der konstruktiven Ausführung der Kupplungen und dem Abstand der zu kuppelnden Wellen. Die Ausrichtkorrekturmaße können bei allen Messverfahren sowohl rechnerisch als auch grafisch ermittelt werden.
28.2.1 Axial-Radial-Verfahren oder AR-Methode Dieses Verfahren mit drei Messuhren findet Anwendung bei der klassischen Ausrichtung von eng zusammenstehenden Drehachsen. Hierbei werden zwei Messuhren mit gleichem Abstand zur Drehachse um genau 180ı versetzt zur Ermittlung des Winkelversatzes und eine Messuhr zur Ermittlung des Radialversatzes angebracht (Abb. 28-1). Durch die Verwendung von zwei axial messenden Uhren kompensieren sich bei der Drehbewegung eventuell auftretende kleine axiale Verschiebungen (z. B. Axiallagerspiel) selbsttätig. Sie brauchen in der Auswertung nicht gesondert berücksichtigt werden. Vor der Verwendung nur einer Messuhr zur Ermittlung des Winkelversatzes muss gewarnt werden, da hierin die Ursache für einen der häufigsten Messfehler zu finden ist. Bei Anwendung der AR-Methode ist die gleichzeitige Drehung beider Maschinenwellen nicht erforderlich. In jedem Fall ist auf eine ausreichend steife Anordnung der Messeinrichtung zu achten. Dies gilt besonders bei größeren Kupplungsabständen. U
U Messradius (=)
Abb. 28-1 Axial-RadialMethode
Messradius (=)
U
28.2.2 Doppel-Radial-Verfahren oder DR-Methode Hierbei handelt es sich um ein Verfahren mit zwei Messuhren, bei dem eine Messvorrichtung auf die auszurichtende Welle, die andere auf die ausgerichtete (feststehende) Welle montiert wird. Diese Methode wurde aus der klassischen RI-Methode
28 Ausrichten des Wellenstrangs Abb. 28-2 RIM (Reversed indicator method)
845 normale Messuhrposition
umgekehrte (reversed) Messuhrposition
U
U
Abb. 28-3 Doppel-RadialMethode
U
U
(Reverse Indicator Method), wie sie in vielen englischsprachigen Ländern in Gebrauch war, abgeleitet. Bei der RI-Methode wird die Messvorrichtung zuerst auf die auszurichtende und danach (reversed) auf der ausgerichteten Welle befestigt (Abb. 28-2). Diese Methode ist zeitaufwändig und führt leicht zu Fehlern. Sie wird daher kaum noch angewendet. Aufgrund der langen Messabstände lässt sich bei Anwendung der DR-Methode der Winkelversatz sehr genau ermitteln. Nachteilig ist, dass sie nicht angewendet werden kann, wenn eine Welle während der Messung nicht gedreht werden kann [28.1]. Es ist besonders darauf zu achten, dass die beiden Messvorrichtungen exakt um 180˚ versetzt montiert sind (Abb. 28-3). Hier empfiehlt sich eine geeignete Kennzeichnung der Wellen. Des Weiteren muss, wie bereits bei der AR-Methode gesagt, auf eine ausreichend steife Messanordnung geachtet werden, um Fehler aus der Durchbiegung der Messarme gering zu halten. Die zuletzt genannte Fehlerquelle kann durch eine geänderte Ausführung der Messvorrichtungen weitgehend kompensiert werden, indem die Messuhren nicht im hinteren Bereich der Vorrichtung installiert werden, sondern im vorderen Bereich, und so übereinander liegend, also nicht um 180ı versetzt, auf das jeweilige Ende der anderen Messvorrichtung messen (Abb. 28-4). Hierbei wird die Durchbiegung der Messarme praktisch gegeneinander aufgehoben [28.1].
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W. Paschmann
Abb. 28-4 Doppel-RadialMethode (modifiziert)
U
U
28.2.3 Doppel-Axial-Verfahren oder DA-Methode Bei diesem Verfahren werden nur die axialen Winkelabweichungen gemessen. Hierbei dienen die Kupplungsflansche der Zwischenwelle ebenfalls als Messebene. Dieses Verfahren kommt z. B. bei großen Maschinensätzen mit großen Wellenabständen zur Anwendung. Es setzt voraus, dass die Kupplungen selbstzentrierend sind (z. B. Membrankupplungen, Zahnkupplungen) oder als genau gefertigte Zentrierkupplungen ausgeführt werden (Abb. 28-5). Bei der Messung des Winkelversatzes mittels Messuhren ist grundsätzlich der Messdurchmesser in die Berechnung einzubeziehen und nicht der Kupplungsdurchmesser, es sei denn, der Messdurchmesser ist gleich dem Kupplungsdurchmesser. Gleiches gilt bei der Messung des Winkelversatzes mittels Endmaßen. Hier ist die Einstecktiefe der Endmaße entsprechend zu berücksichtigen. Der Messdurchmesser ist demnach Kupplungsdurchmesser minus 2 Einstecktiefe. Letztes Verfahren wird umso ungenauer, je kleiner der Kupplungsdurchmesser ist, da der individuelle Fehler relativ betrachtet größer wird. Siehe hierzu das Beispiel in Abschn. 28.5.
U
Abb. 28-5 Doppel-AxialMethode
U
oder Messung mit Endmaßen
28 Ausrichten des Wellenstrangs
847
Optische und elektronische Messverfahren Seit den 1970er-Jahren sind verschiedene optische, elektronische und mechanischelektronische Messverfahren entwickelt worden. Alle diese Verfahren zeichnen sich durch hohe Präzision und Genauigkeit aus. Nachteilig sind hohe Beschaffungskosten, die Notwendigkeit der Einarbeitung in die Handhabung des jeweiligen Messsystems (Personalschulung) und die teilweise für den Baustellenbetrieb zu empfindlichen Apparaturen. Eine umfassende Beschreibung der einzelnen Verfahren findet sich in [28.1].
28.3 Werkzeuge und Vorrichtungen Zu den üblichen Ausrichtwerkzeugen zählen Messuhren (1=100-Teilung) mit Magnetständern und Kettenspannern, Fühlerblattlehren, Endmaße (1=1000-Abstufung), Rahmenwasserwaage, Richtwasserwaage, Schlauchwasserwaage (sogen. Wassertopfmessung), Nivelliergerät, Bandmaß, Stahlschnur, Lot, Haarlineal sowie hydraulische Pressen und Hilfsgeräte.
28.4 Vorausrichtung des Wellenstrangs Die Einzelmaschinen, Gasturbine und Generator, werden mittels Maschinenhauskran oder Hubgerüst auf die nivellierten Stützen bzw. Fundamentplatten abgesetzt. Anschließend erfolgt die Ausrichtung der Längs-, Quer- und Höhenlage mittels Rahmenwasserwaage, Lot und Schlauchwasserwaage (Wassertopfmessung) entsprechend der berechneten Vorgaben. Hierbei dient die schwieriger zu verschiebende Maschine in der Regel als Referenzmaschine für die jeweils andere. Die Entscheidung, welche Drehachse als feststehende Achse betrachtet wird, hängt von der Verschiebemöglichkeit ab, die durch verbindende Komponenten, z. B. den Abgaskanal und die Generatorausleitung, zugelassen werden. Bei entsprechend präziser Vorausrichtung bewegen sich die Korrekturmaße bei der Endausrichtung um wenige Millimeter.
28.5 Endausrichtung des Wellenstrangs am Beispiel eines Turbosatzes SGT5-4000F Vorbemerkung Ein Turbosatz Siemens-SGT5-4000F wird standardmäßig mit Zwischenwelle ausgeführt. Die Wellenkupplungshälften der Einzelmaschinen sowie die der Zwischenwelle sind als genau gefertigte Zentrierkupplungen ausgeführt, die ein radiales Nachrichten nicht mehr zulassen. Im folgenden Beispiel wird zuerst der Generatorrotor und danach der Turbinenrotor als auszurichtende Drehachse angesehen.
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W. Paschmann
L1= +1,56
L2 = –0,46
G1
G2
Generator YES
L3 = 0,00
Lzw
T1
T2
Zwischenwelle YTS
L4 = +1,57
Turbine YV
YT
Abb. 28-6 Vertikale Höhenlage des Wellenstrangs L1–L4 (Biegelinie)
Voraussetzungen • Die Gasturbine ist endausgerichtet, d. h. die Achslage zum Abgaskanal ist festgelegt, der Wellenanstieg am Verdichterlager (0,0 mm) ist eingestellt und die Querlage mittels Wassertopfmessung oder Rahmenwasserwaage überprüft. • Die Zwischenwelle liegt mit geringen Kupplungsabständen (1,0–2,0 mm) in den Zentrierungen der Turbinen- und Generatorkupplung. Mitnehmerbolzen, die bei der Drehbewegung keine Verspannungen in den Wellenstrang einleiten, sind montiert. • Die Höhenlage des Generators ist über Referenzflächen der Turbine mittels Schlauchwasserwaage (Wassertopfmessung) vorgerichtet und die axiale Lage des Generatorrotors zum Ständergehäuse (elektrische Mitte) gemessen und berücksichtigt. • Es sind Maßnahmen getroffen, die eine axiale Bewegung des Generatorrotors beim Drehen des Wellenstranges verhindern (der Turbinenrotor ist durch sein Axiallager festgelegt). Der Generator bzw. die Turbine wird nach dem Doppel-Axial-Verfahren ausgerichtet, bei dem die Winkelabweichungen der Wellenabschnitte, ausgedrückt durch Klaffungsmaße, eingestellt werden. Durch die Konstruktions- bzw. Berechnungsabteilung des Herstellers wurde die Biegelinie des Wellenstrangs ermittelt und damit die Höhenlage der Lagerstellen [L1] bis [L4] (Abb. 28-6) und die Sollklaffungsmaße (Gus , Gos , Tos , Tus für „Generatorkupplung/Turbinenkupplung – unten/oben – Soll“) der Kupplungen für den Kaltzustand festgelegt (Abb. 28-7). In den Sollklaffungsmaßen für den Kaltzustand ist sowohl die Wärmedehnung des Turbinengehäuses und der Turbinenstützen als auch die Gehäusedehnung des Generators berücksichtigt. Das heißt, im stationären Grundlastbetrieb, also im durchwärmten Zustand, sind die Kupplungsklaffungsmaße rechnerisch gleich Null. Das Seitenspiel wird üblicherweise mit Glks Gre und Tlks Tre D 0;0˙0;02 (für Generatorkupplung/Turbinenkupplung – links/rechts) angegeben. Vor der Messung sollte der Wellenstrang eine gewisse Zeit gedreht werden (Anhebeölsystem muss
28 Ausrichten des Wellenstrangs
849
Go
To
Gu
Tu
DTk
DGk
Abb. 28-7 Vertikale Sollklaffungsangaben
betriebsbereit sein), um durch den Stillstand bedingte geringe thermische Verformungen des Wellenstrangs auszugleichen und Messfehler auf ein tolerierbares Maß zu reduzieren. Die Messung der Klaffungsmaße erfolgt bei 0, 90, 180 und 270ı . Die Maße werden im Ausrichtprotokoll eingetragen und gemittelt. Danach erfolgt die Berechnung der Korrekturmaße YTS =YES für den Generator bzw. YV und YT für die Turbine. Bedeutung der Indizes im Beispiel: Gus D Gum D Gom D Glks=res D Glksm D Grem D Tos D Tom D Tum D Tlksm D Trem D T1 D T2 D G1 D G2 D Lzw D DTk D DGk D YV D YT D YTS D YES D XV D XT D XTS D XES D
Sollklaffung Generatorkupplung unten D 0;06 mm () Istklaffung Generatorkupplung unten D 2;22 mm (Messung) () Istklaffung Generatorkupplung oben D 2;00 mm (Messung) (C) Sollklaffung Generatorkupplung links/rechts D 0;00 mm Istklaffung Generatorkupplung links D 2;11 mm (Messung) (C) Istklaffung Generatorkupplung rechts D 2;11 mm (Messung) () Sollklaffung Turbinenkupplung oben D 0;18 mm (C) Istklaffung Turbinenkupplung oben D 2;48 mm (Messung) (C) Istklaffung Turbinenkupplung unten D 2;00 mm (Messung) () Istklaffung Turbinenkupplung links D 2;24 mm (Messung) (C) Istklaffung Turbinenkupplung rechts D 2;24 mm (Messung) () Abstand Turbinenstütze/Verdichterstütze D 7737 mm Abstand Verdichterstütze/Kupplungsflansch VD D 524 mm Abstand Generatorlager ES/Generatorlager TS D 7870 mm Abstand Generatorlager TS/Kupplungsflansch GS D 1100 mm Länge der Zwischenwelle D 2330 mm Durchmesser der turbinenseitigen Kupplung D 1061 mm Durchmesser der Generatorkupplung D 740 mm vertikales Korrekturmaß an den Verdichterstützen vertikales Korrekturmaß an den Turbinenstützen vertikales Korrekturmaß am Generatorlager TS vertikales Korrekturmaß am Generatorlager ES horizontales Korrekturmaß an den Verdichterstützen horizontales Korrekturmaß an den Turbinenstützen horizontales Korrekturmaß in der Generatorlagerebene TS horizontales Korrekturmaß in der Generatorlagerebene ES
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Festlegungen • Die Bezugsblickrichtung ist im Beispiel vom Generator in Richtung Turbine. • Für eine Korrektur in der vertikalen Ebene wird der Messwert der unteren Klaffung mit negativem Vorzeichen () festgelegt. Damit muss bei einem positiven Rechenergebnis die Verschiebung nach oben, bei negativem Rechenergebnis die Verschiebung nach unten erfolgen. • Für eine Korrektur in der horizontalen Ebene wird der Messwert der rechtsseitigen Klaffung mit negativem Vorzeichen () festgelegt. Damit folgt analog, dass bei positiven Korrekturwerten (C) eine Verschiebung nach links, bei negativen Korrekturwerten () eine Verschiebung nach rechts erfolgen muss. Hinweis: Im Beispiel werden die seitlichen Klaffungen als innerhalb der Toleranz liegend angegeben und damit nicht berücksichtigt. Korrekturberechnung bei Verschiebung des Generators Zuerst bildet man die Klaffungsdifferenzen: Generatorkupplung: Turbinenkupplung:
Gum .Gus / C Gom D Gu , Tom Tos C .Tum / D To.
Im Beispiel ist Gu D 0;16 mm und To D C0;3 mm . Lösung To Gu G2 C .G2 C Lzw/ DGk DTk Gu To D .G2 C G1/ C .G1 C G2 C Lzw/ DGk DTk
YTS D YES
als Zahlenwertgleichungen (in mm) 0;3 0;16 1100 C .1100 C 2330/ 740 1061 D 0;73 mm 0;3 0;16 .7870 C 1100/ C .7870 C 1100 C 2330/ D 740 1061 D 1;26 mm :
YTS D YTS YES YES
Der Generator muss am TS-Lager um 0,73 mm angehoben und am ES-Lager um 1,26 mm angehoben werden. Da die Generatorgrundplatten nach erfolgter Endausrichtung vergossen werden, wird er bei einer späteren notwendigen Ausrichtkorrektur, z. B. bei einer Revision, nicht mehr verschoben. Man verschiebt dann die leichter zu bewegende Turbine. Für diesen Fall werden die obigen Formeln unter Beibehaltung der Festlegungen wie folgt umgestellt:
28 Ausrichten des Wellenstrangs
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Korrekturberechnung bei Verschiebung der Turbine Gu To T2 C .T2 C Lzw/ DTk DGk Gu To .T1 C T2/ C .T1 C T2 C Lzw/ YT D DTk DGk
YV D
als Zahlenwertgleichungen (in mm) 0;16 0;3 524 C .524 C 2330/ 1061 740 YV D 0;47 mm 0;16 0;3 .7737 C 524/ C .7737 C 524 C 2330/ YT D 1061 740 YT D 0;05 mm : YV D
Bei Verschiebung der Turbine muss an den Verdichterstützen um 0;47 mm abgesenkt und an den Turbinenstützen um 0,05 mm angehoben werden. Bei der Korrektur der horizontalen Lage können die Formeln analog genutzt werden. Es sind lediglich die vertikalen durch die horizontalen Klaffungsdifferenzen der Kupplungen zu ersetzen.
28.6 Kuppeln des Wellenstrangs, Dokumentation Nach der Endausrichtung werden die beiden Kupplungsflansche mit Kupplungsbolzen zusammengezogen. Hierbei kommen je nach Hersteller unterschiedliche Kupplungskonzepte zur Anwendung. Bei der in Abschn. 28.5 genannten Gasturbine erfolgt das Kuppeln der turbinenseitigen Kupplung mittels leicht unter Maß gedrehten Kupplungsbolzen und einer zusätzlich auf die Stirnflächen aufgebrachten Reiblackbeschichtung, die eine Erhöhung des Reibschlusses bewirkt. Die generatorseitigen Kupplungsbohrungen werden nach der Endausrichtung aufgerieben und mit individuell zum Bohrungsdurchmesser gefertigten Passbolzen versehen. (Diese Maßnahme ist bei Einsatz von Passbolzen erforderlich, da ein präzises Fluchten der Kupplungsbohrungen bei der Fertigung noch nicht erreicht werden kann.) Zur Anwendung kommen auch sogenannte Pilgrim® -Bolzen. Hierbei handelt es sich um ein kegeliges Bolzen/Hülse-System, dass hydraulisch ge- und entspannt werden kann. Das Spannen der Kupplungsbolzen erfolgt maschinell oder manuell. Als Maß für die berechnete Spannkraft kann eine Längenänderung, ein Verdrehwinkel oder ein hydraulischer Spanndruck dienen. Abschließend wird eine radiale Ablaufkontrolle mittels Messuhren an den Kupplungsflanschen durchgeführt (Abb. 28-8). Diese Messung dient der Dokumentation des Rundlaufs der Kupplungen und gibt u. U. Aufschluss über einen unzulässigen
852 Abb. 28-8 Radiale Kontrollmessung
W. Paschmann D C
B A
generatorseitige Kupplung
verdichterseitige Kupplung
Stirnschlag der Kupplungsflansche oder eine Schiefstellung der Kupplungsbohrungen. Letzteres kann beim Spannen der Kupplungsbolzen zu einer radialen Verschiebung der Kupplungsflansche in ihren Zentrierungen führen. Bei einem Radialschlag von beispielsweise > 0;03 mm sind i. d. R. Korrekturmaßnahmen erforderlich. Abschließend wird der Ausrichtzustand im Ausrichtprotokoll dokumentiert und durch den Verantwortlichen unterzeichnet.
Literaturverzeichnis 28.1. Pernleitner, E. (Hrsg.): Ausrichten von Maschinensatz-Wellen. VDI-Verlag 1995 28.2. Seminar C42: Ausrichten. Carl Schenk AG, Darmstadt 1994 28.3. VDI-Richtlinie 2726: Ausrichten von Getrieben. VDI-Verlag 1982
Kapitel 29
Inbetriebsetzung Michael Wegen
29.1 Einleitung Die Inbetriebsetzung ist i. Allg. die Überführung einer Anlage vom Ruhe- in den Betriebszustand. Ziel der Inbetriebsetzung (IBS) ist es, dem Kunden eine erstmalig zur Aufnahme des bestimmungsgemäßen Betriebes betriebsbereite Anlage zu übergeben [29.4]. Die Inbetriebsetzung beginnt nach Abschluss der Montage und ist, einschließlich der Abnahmemessung und des Probebetriebes, der letzte Abschnitt eines Neuanlagenprojektes vor der Übergabe an den Kunden. Mit der Übernahme durch den Kunden beginnen gleichzeitig die Garantiephase und der offizielle kommerzielle Betrieb der Anlage. Die IBS ist die Fokussierung der Vorleistungen aller beteiligten Fachbereiche, wie beispielsweise die der Planung, Konstruktion und Montage.
29.2 Inbetriebsetzungsplanung Die Planung der IBS (engl.: commissioning) kann in drei Bereiche gegliedert werden: die technische Vorbereitung, die Bereitstellung der Dokumentation und die Personalplanung.
29.2.1 Technische IBS-Planung Zu dieser zählen die Zusammenstellung aller benötigten Werkzeuge, Reserveteile oder, mitunter vom Standardumfang abweichend, die Beschaffung zusätzlicher Hilfsmittel wie Spezialmesstechnik für erweiterte Inbetriebnahmen. Aufgrund zahlreicher Anlagenvarianten und unterschiedlicher Standorte ist eine Vorbereitung nicht immer im Detail planbar. So ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll, C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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M. Wegen
den sehr seltenen Fall des Läuferwuchtens bei einer Erstinbetriebnahme standardmäßig mit zu berücksichtigen. Für den Zeitraum der IBS ist immer zusätzliche Messtechnik erforderlich. Die temporär genutzten Geräte müssen vor dem Einsatz geprüft und kalibriert werden und sollten mindestens der Genauigkeitsklasse der Betriebsinstrumentierung entsprechen. Mit dem weltweiten Versand ist strikt auf die Einhaltung der Transport- und Zollvorschriften zu achten. Aufgrund landesspezifischer Gegebenheiten kann das viel Zeit in Anspruch nehmen. Zur schnellen und umfassenden Auswertung von Versuchen und einer verlustfreien Kommunikation mit Fachabteilungen und Kunden müssen auch Hilfsmittel wie Notebooks, Telefone und Kameras ständig den sich schnell ändernden Entwicklungen angepasst werden. Die Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen der Baustelle und dem Stammhaus ist nicht nur in Bezug auf den Austausch von Betriebsparametern sehr wichtig, sondern auch, um auf regionale Unwägbarkeiten schnell und koordiniert reagieren zu können. Infrastrukturschwache Regionen stellen in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung dar und sollten in der Vorbereitungsphase nicht vernachlässigt werden.
29.2.2 Dokumentation Ein wichtiger Planungsbestandteil ist die Übergabe einer vollständigen, geprüften und in der Vertragssprache freigegebenen technischen Produktdokumentation. Diese muss, einschließlich der Dokumente der Unterlieferanten, vor Beginn der Inbetriebsetzung an den Kunden übergeben werden. Während produktrelevante Dokumente über einen verhältnismäßig langen Zeitraum Gültigkeit haben können, so sind insbesondere Bestimmungen zur Arbeitssicherheit und zum Umweltschutz unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Gesetze und Normen regelmäßig zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Einige dieser Dokumente werden operativ genutzt. So erfolgt mithilfe von Systemplänen (engl.: P&ID, piping and instrumentation diagram) die Kontrolle von Hilfssystemen (s. Abschn. 29.3.2 „Phase A Systemkontrollen“). Zur Prüfung von Signalen, Steuerungen und Verriegelungen dienen Funktions- oder sog. Leittechnikpläne (engl.: I&C function charts). Werden Abweichungen zwischen den Vorgaben und dem Istzustand festgestellt, so erfolgt eine Korrektur. Diese korrigierten, als „As built“-Dokumente gekennzeichneten Unterlagen, sind ebenfalls Teil der Gesamtanlagendokumentation. Protokolle dienen zur Aufnahme von Maschinendaten und Betriebsparametern. Werte wie zum Beispiel die Winkelmaße der Verdichtervorleitschaufeln, die Turbinenaustrittstemperatur oder die Lagertemperaturen sind entweder handschriftlich zu notieren oder aus dem Betriebssystem auszuleiten. Einige nicht zum Lieferumfang gehörige, aber zur Inbetriebnahme notwendige, Dokumente enthalten firmeninterne produktspezifische Informationen. Unterlagen dieser Art müssen strikt entsprechend den Regeln der Informationssicherheit ge-
29 Inbetriebsetzung
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handhabt werden. Schutz vor Verlust, Missbrauch, Verfälschung und ungewollter Offenlegung ist, im Sinne aller Hersteller von Hochtechnologieprodukten, zu gewährleisten. In der täglichen Praxis muss der Informationssicherheit ständig Aufmerksamkeit geschenkt werden. So ist die Hard- und Software entsprechend zu sichern, z. B. durch Passwortschutz des Notebooks und Verschließen von Schränken. Büroräume sind beim Verlassen abzuschließen. Die Inbetriebsetzung endet mit der Übergabe einer vollständigen, herstellerseitig geprüften und freigegebenen Gesamtanlagendokumentation. Darüber hinaus sollte ein Abschlussbericht erstellt werden. Dieser dient einer genaueren Beschreibung anlagenspezifischer Besonderheiten und eventuell aufgetretener Probleme. Die Archivierung des Berichtes im Stammhaus sichert die Information und dient als Grundlage einer guten Vorbereitung für folgende Servicemaßnahmen. Die Bedeutung einer termingerechten und vollständigen Gesamtanlagendokumentation wird in zunehmendem Maße an dem daran gebundenen, oft erheblichen, Auftragswert deutlich.
29.2.3 Personalplanung Kundenzufriedenheit beginnt bereits mit einer guten Planung. Durch den ständigen Kontakt zum Kunden und auch zur einheimischen Bevölkerung leistet das Außendienstpersonal einen wichtigen Beitrag zur Reputation des entsendenden Landes und des Unternehmens. Ziel der Personalplanung ist es, der Aufgabe entsprechend termingerecht qualifiziertes Personal am richtigen Ort einzusetzen. Neben der Einsatzplanung ist zur Bewältigung zukünftiger Anforderungen auch besondere Aufmerksamkeit auf die Planung von Qualifizierungsmaßnahmen zu legen. 29.2.3.1 Einsatzplanung Die Einsatzplanung des IBS-Personals unterliegt einer Reihe von zu beachtenden Randbedingungen. Folgend einige Beispiele: Reisebestimmungen Entsprechend den Einreisebestimmungen und der Gesetze der jeweiligen Einsatzländer müssen eine Reihe von Anforderungen rechtzeitig vor Reiseantritt geplant und erledigt werden. Zum Beispiel Visa-Formalitäten, der internationale Führerschein oder die Klärung vermeintlicher Kleinigkeiten wie die verbleibende Gültigkeitsdauer des Reisepasses. Gesundheitsschutz Hierzu zählen regelmäßige Voruntersuchungen und rechtzeitige Impfungen vor den Einsätzen. Tropentauglichkeit ist in vielen Ländern unerlässliche Voraussetzung. Einige Staaten fordern bei längerem Aufenthalt im Land einen AIDS-Test.
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M. Wegen
Arbeitssicherheit Regelmäßige Unterweisungen zur Arbeitssicherheit auf Baustellen, z. B. zum Umgang mit Gefahrstoffen, sind zu planen. Je nach Einsatzland sind hier ggf. spezielle Anforderungen zu beachten. So erfordert die Arbeit auf Anlagen in den Niederlanden und anderen europäischen Staaten ein Zertifikat entsprechend Safety Certificate Contractors (SCC) und ein Einsatz in Australien setzt die erfolgreiche Teilnahme am sog. Blue-Dog-Sicherheitstraining voraus. Die Trainings werden u. a. über Internet angeboten und verlangen gute Englischkenntnisse. Fluktuation Im Rahmen der Einsatzplanung (z. B. bei Pensionierung) muss rechtzeitig mit einer Nachfolgeplanung begonnen werden, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Ein Beispiel an dieser Stelle veranschaulicht die Anforderungen. So wirkt sich das Alter der vor Jahren als modern eingesetzten Technik dahingehend aus, dass Wiederinbetriebnahmen von manchmal mehr als 30 Jahre alten Anlagen zwar mit erfahrenem Personal angestrebt werden, aber oft nur mit Fachleuten durchgeführt werden können, deren Alter geringer ist als das der Anlage. Einsatzplanung hinsichtlich Qualität und Quantität Die Komplexität und die Anzahl der Turbosätze eines Projektes bestimmen die Zahl und die Qualifikation beziehungsweise die Erfahrung der einzusetzenden Inbetriebnehmer. Work-Life-Balance Auch und gerade für Außendienstpersonal ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Berufs- und dem Privatleben anzustreben. Ziel hierbei ist es, private Interessen (besonders das Familienleben und das soziale Umfeld) mit den Anforderungen an die meist langfristigen Auslandstätigkeiten in Einklang zu bringen. Exemplarisch können folgende Fachgebiete (Qualifikationen) für die Erst-IBS einer Gasturbinenanlage eingeplant werden: • • • • • • • •
Maschinenbau oder Verfahrenstechnik, Regelung der GT, Prozessleittechnik, Generator bzw. Starkstromanlagen, Starthilfssysteme des Turbosatzes (z. B.: Anfahrumrichter), Betriebsmessinstrumentierung, Montage (zur Unterstützung der IBS, z. B.: Rohrleitungsmodifikationen), Systemunterlieferanten (z. B.: Brandschutzanlagen, Filterhaus).
Mitunter können artverwandte Gebiete, wie zum Beispiel Regelung und Leittechnik, auch in Personalunion abgedeckt werden.
29 Inbetriebsetzung
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29.2.3.2 Qualifizierung Neben der Einsatzplanung für die anfallenden IBS-Aufgaben ist es ebenso wichtig, die weitere Qualifizierung der Mitarbeiter in einer Weiterbildungsplanung zu erfassen. Hier wird unterschieden zwischen der Erstqualifizierung des neu rekrutierten und der Weiterbildung des bereits tätigen Personals. Inbetriebnahmepersonal komplexer Anlagen wie Kraftwerke, Raffinerien oder Chemieanlagen ist selten auf dem freien Markt verfügbar und erfordert nach dem Recruiting eine intensive Einarbeitungsphase (Erstqualifikation). Hier muss, zur Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses, ein Basiswissen aufgebaut werden. Anschließend erfolgt eine Spezialisierung entsprechend den Einsatzgebieten. Das Training sollte aus theoretischen und praktischen Teilen bestehen. Der erfolgreiche Abschluss des Trainings wird mit einem Zertifikat bestätigt und autorisiert den Absolventen, Gasturbinen in Betrieb zu nehmen. Ständige Neu- und Weiterentwicklungen, Optimierung bestehender Prozesse, sich ändernde Systeme und Komponenten (z. B. bei wechselnden Unterlieferanten) und anderes mehr verlangen nicht nur eine Erstqualifikation, sondern auch die permanente Planung von Weiterbildungsmaßnahmen erfahrener Mitarbeiter. Um den komplexen Anforderungen an das Inbetriebnahmepersonal gerecht zu werden, kann sich die Weiterbildung nicht nur auf technische Inhalte beschränken. Auch Themen wie Personalführung, Sprachen und interkulturelles Training müssen berücksichtigt werden.
29.3 Inbetriebsetzungsablauf Für die Vorbereitung, die Durchführung und die Dokumentation der Inbetriebsetzung von konventionellen Kraftwerksanlagen im In- und Ausland sind unterschiedliche Randbedingungen zu beachten. Die folgende Beschreibung des Inbetriebsetzungsablaufes dient dem Zweck, ein möglichst einheitliches und koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten zu gewährleisten. Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen, einerseits vorgegeben durch die eingesetzte Technik und andererseits durch die jeweilige Vertragsform, soll eine hohe Standardisierung und größtmögliche Kundenzufriedenheit erreicht werden. Vorgaben für die Inbetriebsetzung sind notwendig, um folgende Punkte zu erreichen: • Erhöhung der Transparenz für alle Beteiligten durch die übersichtliche Darstellung aller Einzelaktivitäten. • Verbesserung und Erleichterung der Koordinierung durch die Erfassung von Schnittstellen. • Verfolgung der termingerechten Durchführung der IBS-Aktivitäten, dadurch Erkennung von Terminverzügen und Einleitung von Gegenmaßnahmen. • Ständige Prüfung der Bearbeitung der Dokumentation, dadurch Vermeidung von Problemen im Vorfeld der Übergabe an den Kunden.
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29.3.1 Voraussetzungen für die IBS Einige wesentliche Voraussetzungen für die IBS einer Gasturbine sind: • EG-Konformitätsbescheinigung liegt vor (CE-Kennzeichnung). • Die Montageaktivitäten für das jeweilige System müssen soweit abgeschlossen sein, dass die Übergabe dieses Systems von dem für die Montage Verantwortlichen an den für die IBS Verantwortlichen mit einem Montageabschlussprotokoll (engl.: ECC – erection clearance certificate) erfolgen kann. Der Begriff System umfasst dabei die Gasturbine sowie deren Hilfssysteme. Ein Beispiel ist die Schmierölversorgung. • Erforderliche Spezialisten stehen wie geplant zur Verfügung. • Geprüfte und freigegebene Unterlagen liegen in Vertragssprache vor. • Betriebsstoffe (Gase, Öle, Fette etc.), Verbrauchsmaterialien (Schweißzusatzwerkstoffe, Schleifmittel), zusätzliche Messmittel und Reserveteile stehen zur Verfügung. • Das Inbetriebsetzungspersonal hat an Unterweisungen für Arbeitssicherheit und Arbeitserlaubnisverfahren (AE-Verfahren; engl.: permit to work procedure) teilgenommen. Jeder Inbetriebnehmer verfügt über eine persönliche Schutzausrüstung. Restpunkte der M- und E-Montage, die den Beginn der IBS aber nicht behindern, werden in einer Liste offener Punkte aufgeführt, später abgearbeitet und dann als erledigt gekennzeichnet.
29.3.2 IBS-Phasen Der Inbetriebsetzungsablauf kann grundlegend, wie an einem Beispiel der Siemens AG dargestellt, in drei Phasen (A, B und C) eingeteilt werden: • Phase A: IBS von Komponenten und Systemen, • Phase B: IBS und Betrieb von Systemgruppen, • Phase C: Leistungsbetrieb der GT und der Gesamtanlage. Die Unterteilung der einzelnen Phasen ist in Abb. 29-1 dargestellt. In der Praxis wird die Inbetriebsetzung auch in die sog. „kalte“ und „heiße“ Inbetriebsetzung unterteilt. Der erste Start oder das erstmalige Zünden des Brennstoffs (Hauptflamme) in der Brennkammer stellen den gleichzeitigen Beginn der heißen IBS und der Phase B dar. Die Abnahmemessung und der Probebetrieb (s. Abschn. 29.3.3) schließen sich der Phase C an. Die Abnahmemessung (engl.: acceptance test), welche dem Probebetrieb vorausgehen sollte, dient dem Nachweis der vertraglich garantierten Werte der Anlage (s. Kap. 31). Unter anderem sind das die zu erreichende Leistung an den Generatorklemmen, der elektrische Wirkungsgrad oder die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten. Bei diesen Versuchen wird, falls erforderlich, die endgültige (Fein-) Einstellung der Gasturbine vorgenommen. Ein Beispiel hierfür ist die Anpassung
29 Inbetriebsetzung
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Vorbereitung “kalte” IBS
Durchführung “heiße” IBS
zur Übergabe Erstmaliges Anfahren des Turbosatzes abgeschlossen u.a. Beginn Generatorschutzfahrten Dokumentation Schulung Personal erste Synchronisation Vorbereitungen Aktivitäten sind u.a. Abnahmetest Reinheitskontrollen (z.B. Verdichter Systemkontrollen Lastbetrieb waschen) Verriegelungsprüfungen Übergabe Wellendrehbetrieb Aktivitäten (anlagenabhängig) an den Schleppversuche Belastung bis GL, SL Kunden Brennstoffumschaltungen Probe(PAC) Wassereinspritzung betrieb Montage Frequenzstützung letzte Aktivitäten Lastabwurftests
Abnahmetest
Technik Beginn IBS der Anlage Dokumentation Personal
Phase A
Phase B
Phase C
Zeit
Abb. 29-1 Inbetriebsetzungsablauf
der Abgastemperatursollwerte. Die Änderungen werden von dem Verantwortlichen der Abnahmemessung vorgegeben und durch das IBS-Personal umgesetzt. Im Folgenden sind die in den einzelnen Phasen wichtigsten Arbeiten der Inbetriebsetzung einer Gasturbine zu finden: 29.3.2.1 Phase A Ziel der Phase A ist es, Komponenten und Systeme vorzuprüfen und erstmals unter möglichst betriebsnahen Bedingungen zu betreiben. Die komponenten- und systemorientierte IBS gliedert sich in • maschinentechnische IBS (M-IBS), • elektro- und leittechnische IBS (E-IBS), • verfahrenstechnische IBS (V-IBS). Die maschinentechnische IBS umfasst folgende Arbeiten: Systemkontrollen Diese erfolgen als Qualitätssicherungsschritt zusätzlich zu den von der Montagefirma durchgeführten Kontrollen. Installierte Systeme und Einzelkomponenten werden mit den Planungsunterlagen verglichen. Falls erforderlich, wird die Beseitigung von Ausführungsfehlern, die Durchführung von baulichen Änderungen (bei Planungsfehlern) oder die Revision von Systemschaltplänen veranlasst. Beispiel einer Systemkontrolle: Der Inbetriebnehmer kontrolliert unter anderem das Hilfssystem „Heizöl“ mit den entsprechenden Systemplänen. Um eventuelle Abweichungen zu notieren oder sonstige Vermerke vorzunehmen, kann eine kopierte Arbeitsversion mit in die Anlage genommen werden. Komponenten wie Rückschlagklappen, Dichtungen und Verschraubungen sind hinsichtlich Vollständigkeit, Einbaulage etc. zu prüfen. Weiterhin ist auf die kollisionsfreie Verlegung von Rohrleitungen, deren Nennweite (DN) und Nenndruck (PN), die richtige KKS-
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M. Wegen
Beschilderung, dem Medium entsprechenden Farbanstrich und vieles andere mehr zu achten. Korrekturen, welche nicht sofort erledigt werden können, sind in einer Liste offener Punkte zu notieren und sukzessive abzuarbeiten. KKS [29.1, 29.3] steht für Kraftwerkkennzeichensystem: Mit diesem System werden Anlagen, Anlagenteile und Geräte aller Kraftwerksarten nach Aufgabe, Art und Ort gekennzeichnet. Es ermöglicht eine eindeutige Identifizierung von Komponenten wie Ventile, Messgeräte oder Handabsperrungen. Auch die Signalerkennung und Verarbeitung erfolgt mit diesem System. Es ist für alle Fachbereiche für Planung, Genehmigung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung anwendbar. Reinigung von Komponenten und Systemen Der erforderliche Reinheitsgrad ist schon während der Montage anzustreben. Die Reinheit der Ansaug- und Abgasstrecke, der Brennkammer(n) und der Hilfssysteme wird in der Phase A sichergestellt bzw. geschaffen. Verfahren wie die manuelle Reinigung, das Ausblasen mit unterschiedlichen Medien, das Spülen oder auch die chemische Reinigung kommen dafür zur Anwendung. Mannlöcher, Filterbehälter und anderes mehr werden vor dem ersten Anfahren (ab-)geschlossen und gesichert. Schlüssel sind entsprechend dem AE-Verfahren gesichert aufzubewahren und nur autorisiertem Personal zugänglich. Druck- und Dichtheitsprüfungen Diese sind nach notwendigen Änderungen während der IBS-Phase erforderlich und dienen dem Nachweis der geforderten Dichtheit eines Systems bzw. der Festigkeit der auf der Baustelle geschweißten Verbindungen. Die elektro- und leittechnische Anlagen-IBS beinhaltet Aufgaben wie: • Vorprüfungen von Schaltanlagen, Trafos und Baugruppen, • Sensor-, Antriebs-, Funktionsprüfungen und deren (Vor-)Einstellung, • IBS von E-Systemen wie die der Anfahreinrichtung oder Erregung. Stellvertretendes Beispiel eines Komponententests für die maschinen-, verfahrensund leittechnische IBS ist das Beschleunigen des Turbosatzes (Schleppversuche) mit der Anfahreinrichtung (Starthilfssystem). Herstellerabhängig kann das ein Verbrennungsmotor oder ein netzabhängiger elektrischer Antrieb sein. Diese Versuche schließen das Schleppen bis zur maximal erreichbaren Drehzahl (ca. 30% der Nenndrehzahl) ohne Brennstoffeindüsung ein. Sie bedingen unter anderem den Abschluss der IBS des Schmierölsystems und die Prüfung der notwendigen Verriegelungen. Für eine Verkürzung der Gesamtzeit und unter Einhaltung des AE-Verfahrens kann die M- und E-IBS an Systemen bereits parallel zur Montage an Systemen beginnen, welche offiziell mittels ECC übergebenen worden sind. Verfahrenstechnische IBS Diese beginnt nach Beendigung der M- und E-IBS und schließt folgende Arbeiten ein:
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• • • • •
Verriegelungsprüfungen, beispielsweise die der Notschmierölpumpe(n), Prüfung von Gruppen-, und Untergruppensteuerungen sowie Teilsteuerungen, Prüfen von Grenzwerten, Meldungen, Analog- und Binärsignalen, Reglerparametrierungen, Komponentenprüfung von Pumpen, Filtern, Behältern, Armaturen etc. (unter Zuhilfenahme der Herstellervorschriften), • Einarbeitung von bis zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Erkenntnissen zur Verbesserung des Maschinenverhaltens (technische Änderungen). Falls erforderlich erfolgt die verfahrenstechnische Optimierung bis zum Ende der Phase C. 29.3.2.2 Phase B In der Phase B wird das Zusammenwirken von Systemen erprobt. Getrennt nach Phasen ist die erste Aktivität der Phase B das Anfahren des Turbosatzes. Es beginnt die, dem Sinn des Wortes entsprechend, sog. heiße IBS. Erstmalig brennt die Hauptflamme. Nicht zu verwechseln mit Zündgasversuchen, die der kalten IBS (Phase A) zuzuordnen sind und Voraussetzung für das Anfahren mit dem Primärbrennstoff sind. Oftmals, entsprechend der Arbeitsqualität in der Phase A, ist das Hochfahren auf Nenndrehzahl bereits beim ersten Versuch erfolgreich. Häufig sind aber auch mehrmalige Anfahrversuche erforderlich. Verschiedenste Ursachen, wie beispielsweise fallender Heizgasdruck oder geschlossene Absperrarmaturen an Druckschaltern, führen zu „unnötigen“ Schnellschlussabschaltungen und sind möglichst zu vermeiden. Sie verzögern die Inbetriebsetzung und haben Auswirkung auf die äquivalenten Betriebsstunden der Gasturbine und den nachgeschalteten Kessel (s. Kap. 5.3). Einerseits verkürzt sich das erste Betriebsintervall dieser Großkomponenten bis zur Heißgasteilinspektion, andererseits soll die Abnahmemessung (s. Kap. 31) mit einer Betriebsstundenzahl erfolgen, die den vertraglich festgelegten Wert möglichst nicht überschreitet. Nach den Generatorschutzfahrten und der ersten Synchronisierung des Generators mit dem Netz wird die Leistung der Gasturbine stufenweise bis zur Nennleistung gesteigert. Optimierungen, Prüfungen und Messungen erfolgen parallel oder an Haltepunkten (stationärer Betrieb). Die Funktion der Anlage ist unter Leistungsbedingungen und Einhaltung der Auslegungsgrenzwerte nachzuweisen. Einige wesentliche Aktivitäten der Phase B sind: • Hochfahren des Turbosatzes auf Nenndrehzahl, • Optimierung (fortlaufend) des Startverhaltens für Kalt- und Heißstarts mit dem Erstbrennstoff. Falls eine zusätzliche Starthilfseinrichtung (Schwarzstartdiesel) vorhanden ist, so muss der Start auch mit dieser erprobt werden, • Generatorschutzfahrten, • erste Synchronisation, • Belastung bis zur Grundlast (ggf. Spitzenlast) mit dem Erstbrennstoff (einschließlich Optimierung Be- bzw. Entlastung),
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M. Wegen
• Wechsel des Brennerbetriebsmodus von Diffusions-/Pilot- zum Vormischbetrieb und zurück, • Start, Be-/Entlastung und Abfahren mit dem Zweitbrennstoff, • Brennstoffwechsel, Wechsel von gasförmigen zu flüssigen Medien und zurück (ggf. mit Brennstoffvorwärmung und Wassereinspritzung), • hydraulische Spaltoptimierung, • Optimierung Verdichter(vor-)leitschaufelregelung, • Anti-Icing, Vermeidung von Eisbildung im Luftansaugbereich. Parallel zu oben genannten Tätigkeiten erfolgen umfangreiche Kontrollgänge im Außenbereich der Maschine. Diese dienen unter anderem dem Aufspüren von Leckagen und der Sichtkontrolle von Rohrleitungen zur Vermeidung hoher Schwingungen und Kollisionen. Nach der ersten ca. einstündigen Leerlauffahrt sollte die Gasturbine einer kurzen Inspektion unterzogen werden. Alle Bereiche, soweit zugänglich, wie Brennkammer(n), Verdichtereintritt und Turbinenaustritt, werden auf Unregelmäßigkeiten wie gelöste Sicherungselemente oder Anstreifspuren kontrolliert. Ansaug- und Abgasstrecke sind mit in die Inspektion einzubeziehen. 29.3.2.3 Phase C Unabhängig von der Anlagenkonfiguration können, wie an einem Beispiel der Siemens AG dargestellt, gleiche IBS-Aktivitäten gleichen Phasen zugeordnet werden. Das heißt, alle Tests der Phase eines GuD-Blocks sind auch Phase-C-Versuche für den einfachen Gasturbinenprozess (engl.: simple cycle). Unter anderem sind das: • Lastabwurftests (ggf. mit unterschiedlichen Brennstoffen und Wassereinspritzung aus unterschiedlichen Betriebsarten und Leistungen), • Optimierung Be- bzw. Entlastung der Gesamtanlage, • Optimierung der Verbrennung (u. a. NOx -Reduzierung), • Optimierung der Wassereinspritzung (zur NOx -Reduzierung, Leistungserhöhung), • Optimierung Frequenzunterstützung des Netzes, • Erprobung der Blockführung (nur im Kombibetrieb) (Übergeordnete Betriebsführung der Gesamtanlage zur Optimierung der Prozessführung zwischen dem Gas- und Dampfteil). Zur Absicherung und Schaffung eines gemeinsamen technischen Verständnisses zwischen den Vertragspartnern wird zum Abschluss der Phase C bzw. mit Beginn des Probebetriebes und der Garantiephase eine wiederholende Inspektion (Sichtkontrolle) der Anlage, wie bereits in Phase B beschrieben, empfohlen.
29.3.3 Probebetrieb Der Probebetrieb (engl.: trial run) dient dem Nachweis des Erreichens zugesicherter Leistungsparameter und der Nutzungsfähigkeit der Anlage für den Dauerbetrieb.
29 Inbetriebsetzung
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Vertraglich festgelegt sind i. d. R. die zu testenden Betriebsweisen und Funktionsprüfungen, deren zeitlicher Ablauf sowie die zulässige Anzahl und der Zeitraum von störungsbedingten Betriebsunterbrechungen. Erfolgt die Demonstration der Tests den Vereinbarungen zuwider oder werden festgelegte Zeiträume nicht eingehalten, so hat die Vorführung bis zum Gelingen zu erfolgen. Häufig beträgt die Probebetriebsdauer derartiger Großanlagen 30 Tage. Die technische Verantwortung und Durchführung obliegt der Inbetriebsetzung. Nach vertragskonformem Abschluss des Probetriebes erfolgt die Übergabe der Anlage an den Kunden mit Unterschrift des sog. PAC (engl.: provisional acceptance certificate). Zeitgleich beginnen die Garantiephase und der offizielle kommerzielle Betrieb der Anlage. Während der Inbetriebnahme, intensiver aber in der Probebetriebsphase, wird das Kundenpersonal unter Zuhilfenahme des Anlagenbetriebshandbuches und der Produkthandbücher befähigt, die Gasturbinenanlage eigenständig zu betreiben. Unter Einhaltung des AE-Verfahrens werden dem Bedien- und Wartungspersonal Tätigkeiten der täglichen Wartung und Instandhaltung vermittelt. Fähigkeiten wie der Tausch von Filtern, das Verdichterwaschen oder das Ausleiten von Betriebsprotokollen aus der Leittechnik werden mit dem Kundenpersonal trainiert.
29.4 Inbetriebsetzung nach einer Servicemaßnahme Die IBS von Anlagen ist nicht nur im Zuge der Neuerrichtung notwendig, sondern auch im Zusammenhang mit dem Service der Anlagen. In Abhängigkeit von der zeitlichen Einordnung in den Lebenszyklus wird zwischen der Erstinbetriebsetzung nach Erstmontage bis zur Anlagenübergabe/-nahme und der Wiederinbetriebsetzung (Re-IBS) während des Betriebszeitraumes (Service) unterschieden [29.2]. Alle Änderungen, welche das Betriebsverhalten beeinflussen, erfordern eine ReInbetriebsetzung. Ein Beispiel einer Servicemaßnahme, bei der solche Änderungen vorgenommen werden, ist die Revision (s. Abschn. 38.4). Bei einer Revision wird die Gasturbine und ein großer Teil von Komponenten der Hilfsanlagen nahezu vollständig demontiert, zustandsabhängig instand gesetzt, wieder zusammengebaut und in Betrieb genommen. Stark verschlissene oder defekte Teile werden repariert oder entsprechend dem geltenden Wartungskonzept gegen neue, respektive überholte, ausgetauscht. Die Vorgehensweise bei der Re-IBS nach Servicemaßnahmen ist, ähnlich wie die IBS einer Neuanlage, in die Phasen A, B und C einteilbar. Die Inbetriebnahmezeit ist i. Allg. kürzer, das Team kleiner und die Gesamtanlagendokumentation geringeren Umfangs. Bevor Anlagen wieder in Betrieb gesetzt werden, wurden diese bis zu einige Jahre durch Kundenpersonal betrieben und gewartet. Mitunter erfolgten dabei technische Eingriffe, deren Auswirkungen hinsichtlich der Betriebssicherheit nicht immer vollständig überblickt werden konnten. Festgestellte Unzulänglichkeiten, welche während der Re-IBS entdeckt werden, sind durch den Inbetriebnehmer dem
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Betreiber zu melden. Eine Korrektur ist in sachlicher Art und Weise anzustreben, falls erforderlich auch mit Nachdruck. Zur Förderung der Kundenzufriedenheit kann mithilfe von technischen Kundeninformationsbriefen eine Erklärung der technologischen Zusammenhänge angeboten werden. Wird den Hinweisen keine Beachtung geschenkt, so sollte der Inbetriebnehmer den Sachverhalt schriftlich festhalten, zum Beispiel im Abschlussbericht. Zur gezielten Vorbereitung und erfolgreichen Durchführung der ersten Re-Inbetriebnahme sollte der Abschlussbericht der Neuanlage genutzt werden. Zusätzlich, für alle weiteren Re-Inbetriebnahmen, die Berichte der jeweils vorangegangenen Servicemaßnahmen. In jedem Bericht zur IBS sollte mindestens eine vollständige Betriebsaufschreibung zu finden sein. Mit dieser ist es möglich, Vergleiche vorzunehmen, Veränderungen festzustellen oder gegebenenfalls Fehlerquellen zu analysieren. Dem Standard der Neuanlage folgend wird, speziell aber nach der Durchführung von Modernisierungen und Maßnahmen zur Leistungssteigerung, immer häufiger das Ergebnis einer Revision mit einem vertraglich festgelegten Abnahmetest nachgewiesen. Im Kap. 31 gibt es für diese Tests einige beschreibende Szenarien. Sollte kein Abnahmetest vorgesehen sein, so liegt es dennoch im Interesse des Betreibers und des Herstellers, das Ergebnis der Maßnahme im Sinne von erreichter Leistung und erzieltem Wirkungsgrad zu kennen. Das ist nur mit zuverlässig instand gesetzter Betriebsmesstechnik möglich. Die Prüfung und Kalibrierung der Betriebsmessinstrumente ist ein wichtiger Teil der IBS-Tätigkeit. Verglichen mit einer standardisierten Abnahmemessung mit zusätzlicher Präzisionsinstrumentierung, sollten die Erwartungen an die Genauigkeit der Ergebnisse nicht zu hoch gestellt werden. Die mit der Betriebsmessinstrumentierung ermittelten Messwerte sind jedoch hinreichend genau, um eine (tendenzielle) Bewertung der Montage- und IBS-Maßnahmen vornehmen zu können. Über den Rahmen einer Standardservicemaßnahme hinaus ist es mitunter notwendig oder vom Kunden gewünscht, technologische Änderungen vorzunehmen. Gründe können geänderte Gesetzesauflagen oder die Umsetzung von Upgradeoptionen sein. Häufige Kundenwünsche sind die Erhöhung der Leistung, die Verbesserung des Wirkungsgrades oder die weitere Reduzierung der Abgasemissionen. Beispiele zur Leistungssteigerung ist der Einbau einer Verdunstungskühlung oder die Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur bei Nutzung neuer Schutzschichten an der Turbinenbeschaufelung (s. Abschn. 39.2). Ein mögliches weiteres Ziel ist auch die Verlängerung des Betriebsintervalls bis zur nächsten Revision. Diese baulichen und verfahrenstechnischen Änderungen beeinflussen das Betriebsverhalten und erfordern ebenfalls eine (Re-)Inbetriebsetzung. Zeit und Aufwand addieren sich zum Teil und müssen bei der Planung berücksichtigt werden. Eine der letzten IBS-Aktivitäten ist die Einstellung der Grundlast bzw. der Spitzenlast. Schutz- und Regelwerte am Turbinenaustritt müssen neu berechnet werden. Alle in der Leittechnik, im Regler und an der Messinstrumentierung geänderten Einstellwerte sind zu protokollieren und wie bei der Neuanlagen-IBS dem Kunden nach vorangegangener interner Prüfung und Freigabe als vollständige Dokumentation zu übergeben.
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Literaturverzeichnis 29.1. Siemens AG, Power Generation: Festlegungen für GuD® -Kraftwerke entsprechend den Richtlinien zur KKS-Anwendung, Ausgabe April 2002 29.2. Weber, Klaus H.: Inbetriebnahme verfahrentechnischer Anlagen, Springer Berlin Heidelberg, 2006 29.3. VGB – Fachausschuss Technische Ordnungssysteme: Kraftwerk-Kennzeichensystem, 4. Ausgabe 1995 29.4. Eversheim, W.: Inbetriebnahme komplexer Maschinen und Anlagen: Strategien und Praxisbeispiele in der Einzel- und Kleinserienproduktion, Springer Berlin 1990
Kapitel 30
Maschinendynamik Peter Wutsdorff
Da es im Rahmen dieses Gasturbinenhandbuches nicht möglich ist, alle rotordynamischen Schwingungserscheinungen umfassend zu erläutern, soll dem praktisch tätigen Betriebsingenieur ein Überblick gegeben werden über das maschinendynamische Verhalten von Gasturbosätzen unter den sich im Betrieb einstellenden Gegebenheiten, wobei viele Verhaltensweisen nur in ihren Ergebnissen dargestellt werden können. Die Rotordynamik erfordert bekanntlich viel Mathematik und Mechanik, auf die hier aber verzichtet werden soll. In der Hochschule wird das Aufstellen und Lösen von Differenzialgleichungen mit gegebenen Parametern gelehrt. Der praktisch tätige Ingenieur steht indessen vor der Lösung der Differenzialgleichung in Form von zu interpretierenden Schwingungen seiner Maschine und es stellt sich ihm die Aufgabe, diejenigen Parameter herauszufinden, die von den vorgegebenen Werten abweichen. Dieses Kapitel stellt in komprimierter Form die vieljährige Erfahrung des Autors als Turbinenversuchsingenieur eines bekannten Herstellers von Dampf- und Gasturbinen in Südwestdeutschland dar. Viele der hier angerissenen Themen gelten allgemein für thermische Turbomaschinen. Bezüglich weiterführender Literatur sei auf Gasch et al. [30.1], Krämer [30.2, 30.3] und die VDI-Richtlinie 3839 [30.7] verwiesen.
30.1 Schwingungsmessungen In den meisten Fällen ist ein größerer Gasturbinensatz bereits mit einer stationären Schwingungsmesseinrichtung ausgerüstet und die Schwingungswerte werden angezeigt und/oder registriert. Ein ambulantes Messgerät sollte darüber hinaus zur Ausrüstung eines Betriebsingenieurs gehören. Im Folgenden soll auf seine Arbeitsweise eingegangen und ihre Anwendung erläutert werden.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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P. Wutsdorff
30.1.1 Lagergehäuseschwingungsmessung Eine Schwingungsmesseinrichtung besteht grundsätzlich aus dem Aufnehmer, auch Sensor oder Geber (pick up) genannt, dem Verstärker, den Filtern, der Anzeige und einer Registriermöglichkeit. Ein Blockschema ist in Abb. 30-1 dargestellt. Bei Aufnehmern unterscheidet man zwischen sog. tief abgestimmten oder seismischen Aufnehmern und hoch abgestimmten sog. Piezo-Quarz-Aufnehmern. Seismische Aufnehmer liefern ein zur Schwinggeschwindigkeit proportionales Spannungssignal. Das Ausgangssignal der Piezo-Quarz-Aufnehmer ist der Schwingbeschleunigung proportional und sie werden daher auch Beschleunigungsaufnehmer genannt. Beide Typen von Schwingungsaufnehmern messen jeweils die absoluten Schwingungen. Man beachte, dass ein Schwingungsaufnehmer grundsätzlich als ein „Einmassenschwinger“ einen Frequenzgang hat. Seismische Aufnehmer haben eine niedrige Eigenfrequenz von ca. 10–15 Hz. Sie sind ohne ein weiteres elektronisches Netzwerk nur oberhalb dieser Eigenfrequenz zu verwenden. Beschleunigungsaufnehmer werden nur unterhalb ihrer Eigenfrequenz von ca. 30 kHz eingesetzt und sie haben den Vorteil der relativ geringen Masse. Im Maschinenbau werden Schwingungen in einem Frequenzbereich von 10 bis 1000 Hz erfasst und beurteilt, weshalb der in Abb. 30-1 dargestellte Breitbandfilter FB notwendig ist. Links oben in Abb. 30-1 ist ein Lagerbock mit zwei Aufnehmern für die Lagergehäuseschwingungen (LG) horizontal und vertikal und zwei Wellenschwingungssonden (WS) dargestellt. Da die Schwinggeschwindigkeit oder der Schwingweg zur Anzeige A oder Registrierung gebracht werden soll, ist bei Beschleunigungsaufnehmern eine ein- oder zweimalige Integration des Aufnehmersignals notwendig. Beim seismischen Aufnehmer ist keine oder eine einmalige Integration erforderlich. Die gezeigte Einrichtung gestattet insbesondere das Erfassen von drehfrequenten Schwingungen nach Betrag und Phase. Natürlich wird auch die Drehzahl selbst angezeigt. Einzelheiten finden sich bei Schneider [30.11]. In vielen Fällen ist eine Frequenzanalyse der gemessenen Schwingungen erforderlich. Zu diesem Zweck wird das Signal dem einstellbaren Schmalbandfilter FS zugeführt. Moderne Geräte digitalisieren das Schwingungssignal, und die Schmalbandfilterung erfolgt ebenfalls digital. Nach einer Fourier-Transformation (FFT) kann das komplette Spektrum angezeigt werden. Oft ermöglicht ein digitaler Ausgang die Weiterverarbeitung auf einem PC mit entsprechender Software. Zur Erinnerung: Bei einer harmonischen Schwingung gilt für den Schwingweg s.t/ D s0 sin ˝t ; die Schwinggeschwindigkeit ist dann v.t/ D s0 ˝ cos ˝t D v0 cos ˝t und die Beschleunigung a.t/ D s0 ˝ 2 sin !t D v0 ˝ sin ˝t D a0 sin ˝t. Die Kreisfrequenz ˝ mit der Dimension s–1 berechnet sich aus der Drehzahl gemäß ˝ D n=30 D 2 f , mit der Schwingfrequenz f in Hz und der Drehzahl n in min1 . Der Zusammenhang zwischen den Amplituden lautet also: v0 D s0 ˝; a0 D s0 ˝ 2 D v0 ˝.
30 Maschinendynamik
869
LG WS
Aufnehmer
WS
u ~ a(t) LG
u ~ v(t)
Oszillatoren
Ph
dt
A FB 10
dt
A FS f von Ph gesteuert
Anzeige n
1/min
A
μm
Ph
Abb. 30-1 Schema einer ambulanten Schwingungsmesseinrichtung
1K
f
870
P. Wutsdorff
Mit ! wird i. Allg. auch die Eigenkreisfrequenz oder Resonanzkreisfrequenz bezeichnet. Die Umrechnung von Schwingweg, -geschwindigkeit und -beschleunigung gestaltet sich bei drehfrequenten Schwingungen von Maschinen mit einer Betriebsdrehzahl von ca. 10 000 min1 sehr einfach, da ˝ 1000 s1 ist. Die Zahlenwerte in µm, mm=s und m=s2 sind gleich. ˝ ist dabei die Betriebsdrehfrequenz. Ferner gilt für eine harmonische p Schwingung: Effektiv- oder auch RMS-Wert (root mean square) seff D s0 = 2. Der „Spitze–Spitze-Wert“ spp ist die Schwingungsbreite. Der Index pp steht für peak to peak, also Doppelamplitude; im Deutschen ist auch der Index ss (Spitze–Spitze) gebräuchlich.
30.1.2 Wellenschwingungsmessung Es handelt sich um eine relative, berührungslose Messung. Die Wellenschwingungssonde WS in Abb. 30-1, die am Lager- oder Maschinengehäuse befestigt ist, misst die relative Abstandsänderung zur Wellenoberfläche. Die Kennlinie sieht prinzipiell aus wie in Abb. 30-2 gezeigt. Die Sonde bildet mit dem Sondenkabel von genau definierter Länge und dem Oszillator einen abgestimmten Schwingkreis. Das Sondenkabel darf nicht durch ein anderes ersetzt werden, da sonst die Kennlinie der Wellenschwingungssonde nicht mehr stimmt. Unten rechts ist symbolisch die schwingende Welle dargestellt, die in Achsrichtung der Sonde schwingt. Dem statischen Grundabstand so entspricht eine Gleichspannung Uo am Ausgang des Oszillators. Führt nun die Welle bei Rotation in ihren Lagern Schwingungen aus, so registriert die Wellenschwingungssonde eine Änderung s.t/ des statischen Grundabstandes, der sich gemäß der Kennlinie als Änderung u.t/ der Ausgangsspannung um den Gleichspannungsanteil Uo darstellt. Die verwendeten Wirbelstromaufnehmer sind gegenüber magnetischen Einflüssen unempfindlich. Sie reagieren jedoch auf Inhomogenitäten des Wellenmaterials im Bereich der Wellenoberfläche (z. B. Riefen). Eine Wellenschwingungsmesseinrichtung misst an der entsprechenden axialen Position der Welle auch im Drehwerksbetrieb den Rundlauf und damit eine eventuelle Verkrümmung der Welle. Dieses Messergebnis wird als „Mechanischer Run-out“ bezeichnet. Bei einer Wellenschwingungsmessung interessiert besonders die maximale Auslenkung der Welle in der Messebene senkrecht zur Wellenachse, die keineswegs in Richtung der Sonde fallen muss. Daher wird eine zweite Sonde installiert, die zur ersten um 90ı in Umfangsrichtung versetzt ist. Beide Messsignale werden einer Recheneinheit zugeführt, welche die maximale Auslenkung smax der Welle ermittelt, s. VDI-Richtlinie 3839, Bl.1 [30.7]. Werden die Ausgangssignale der Oszillatoren auf die Eingänge der x- und yAchse eines Oszilloskopes geschaltet, geben die Gleichspannungsanteile im Verlauf des Hochfahrens der Maschine auf Nenndrehzahl die Verlagerungsbahn der Welle im Lager (Gümbel-Kurve) wieder. Der Wechselspannungsanteil zeigt nach Unterdrückung des Gleichspannungsanteils die kinetische Wellenbahn im Lager, die meistens eine Ellipse ist.
30 Maschinendynamik Abb. 30-2 Wellenschwingungsmesseinrichtung und Kennlinie
871
U Kennlinie
Upp
Uo
S
So s pp So
WS-Sonde
Welle
Oszillator
Die ambulante Schwingungsmesseinrichtung kann auch zur Messung der absoluten Wellenschwingung verwendet werden, indem eine Schleifvorrichtung, z. B. ein fischschwanzförmig gesägtes Brett aus Kunststoff, fest an die Welle gedrückt wird. Auf die Schleifvorrichtung wird der seismische der Schwingungsaufnehmer montiert. Auf diese Weise kann z. B. der radiale Montagezustand einer Kupplung im Betrieb überprüft werden (s. Abschn. 30.5).
30.1.3 Phasenmessung In vielen Fällen ist es notwendig, den Phasenwinkel der drehfrequenten Wellenund/oder Lagergehäuseschwingungen bezüglich eines Rotorfixpunktes zu messen. Dazu wird ein separates drehfrequentes Signal benötigt. Zu diesem Zweck wird eine Markierung auf der Wellenoberfläche angebracht und eine entsprechende Sonde Ph liefert einen Impuls pro Umdrehung. Die Durchlassfrequenz des eingezeichneten schmalbandigen Filters FS in Abb. 30-1 wird von diesem Impuls gesteuert. An seinem Ausgang kann nur der drehfrequente Anteil der gemessenen Schwingung angezeigt werden, und es wird die Phasendifferenz zwischen dem gefilterten Schwingungssignal und dem optischen Signal als Phasenwinkel angezeigt.
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P. Wutsdorff
Einige Geräte benutzen ein Stroboskop zur Phasenmessung. Beim Einstellen der Betriebsdrehzahl mit dem Stroboskop achte man darauf, dass nicht die halbe Betriebsdrehzahl eingestellt wird. Im stroboskopischen Bild erscheint dann ebenfalls ein scharfes Bild, jedoch zündet die Lampe nur alle zwei Umdrehungen. Wird jedoch fälschlicherweise die doppelte Drehzahl eingestellt, entsteht ein unscharfes Bild, da die Lampe alle halbe Umdrehung zündet. Handelt es sich um einen GT-Satz mit einem Synchrongenerator als Arbeitsmaschine, kann ersatzweise, wenn die Maschine zur Präparation einer Phasenmessung nicht abgestellt werden kann, die Netzspannung nach entsprechender Spannungsteilung gewählt werden. Verständlicherweise können dann nur Phasenmessungen vorgenommen werden, solange die Maschine am Netz und der Polradwinkel konstant ist.
30.1.4 Hinweise zur praktischen Durchführung von Betriebsschwingungsmessungen • Lagerbockschwingungen sind grundsätzlich horizontal und vertikal, Schwingungen von Axiallagern außerdem axial zu messen. Man messe, wenn möglich, wirklich in der Lagerebene. Bei allen Messungen verwende man stets die gleichen Messorte. • Bei Gehäuseschwingungen achte man auf eine gute Ankoppelung der Aufnehmer. • Eine Schwingungsmessung an allen Lagern ist stets bei konstanten Betriebsbedingungen durchzuführen, und man überzeuge sich vor und nach jeder Messung von deren Konstanz. Folgende Angaben im Protokollformular sind erforderlich: • • • • • • • •
Was wurde wann gemessen? Lager- und/oder Wellenschwingung? Wo wurde gemessen? Welche Lager, an welchen Stellen, Messrichtung? Einheit der Zahlenwerte? Bei Verwendung eines Filters: Auf welche Durchlassfrequenz wurde das Filter eingestellt? Eine kleine Faustskizze der Maschine mit den Messstellen vermeidet Missverständnisse. Allgemeine Angaben zur Anlage. Welche Betriebsdaten wurden konstant gehalten, welche wurden variiert? Wenn Ausschnitte von Betriebsregistrierungen aus dem Leitstand kopiert werden: Anlage, Datum, Skala und andere notwendige Informationen müssen auf der Kopie notiert werden.
30.2 Kritische Drehzahlen Beim langsamen Hochfahren einer Gasturbine auf Nenndrehzahl stellt man an einem Schwingungsschreiber fest, dass die Schwingungen bei bestimmten Drehzah-
30 Maschinendynamik Abb. 30-3 Resonanzdrehzahlen eines Rotorstranges in Abhängigkeit der Lagernachgiebigkeit
873
ZW
Gen
ni
V
T
ZW n5
nB Gen V-T Gen
n4 n3
V-T n1
n2
α [mm/MN]
len ein Maximum aufweisen. Es sind dies diejenigen Drehzahlen, bei denen eine Biegeeigenfrequenz des Rotorstranges mit der momentanen Drehfrequenz (Drehzahl) übereinstimmt. Die Bezeichnung „kritische Drehzahl“ hat allein historische Gründe; sie ist keineswegs kritisch. Es handelt sich um die Resonanz eines schwingungsfähigen Systems (hier der Rotor in seinen Lagern) mit der Frequenz der anregenden Kräfte infolge einer immer vorhandenen Restunwucht. Obwohl der Begriff wissenschaftlich sicher nicht korrekt ist, soll im Folgenden von Resonanzdrehzahlen oder Resonanzfrequenzen gesprochen werden. In der Resonanz schwingt der Wellenstrang in den einzelnen Rotorabschnitten mit einer ganz bestimmten typischen Form, der sog. Eigenschwingungsform. Eigenschwingungsformen sind der U-Schlag, auch erste Eigenform und der S-Schlag, auch zweite Eigenform genannt. Der Zahlenwert der Resonanzdrehzahlen eines Rotors hängt hauptsächlich vom Schlankheitsgrad des Rotors und von der Nachgiebigkeit seiner Lagerung ab, wozu auch der Ölfilm der Gleitlager zu rechnen ist. Lager sind in der Praxis nie starr, sondern besitzen eine Federwirkung. Je weicher eine Lagerung ist, umso stärker fällt die Resonanzdrehzahl gegenüber einer als „starr“ angenommenen Lagerung ab. Trägt man die Resonanzdrehzahlen des Rotorstranges n1 ;n2 ; : : : nn über der Lagernachgiebigkeit ˛ (Dimension Weg/Kraft) auf, erhält man das prinzipielle Diagramm in Abb. 30-3. Es zeigt die ersten fünf Resonanzdrehzahlen des gesamten Wellenstranges: die erste und zweite Eigenform von Verdichter-Turbine (V-T) und Generator sowie die erste der Zwischenwelle. Die Zeichen als Index bezeichnen die Eigenform, nämlich u für den U-Schlag und das liegende s für den S-Schlag. Die ausgezogenen Kreise geben bei der gegebenen Konfiguration der Lager die berechneten Resonanzdrehzahlen der Rotorabschnitte horizontal und vertikal wieder, die durch entsprechende Striche (horizontal und vertikal) in den Kreisen kenntlich gemacht sind.
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P. Wutsdorff
Abb. 30-4 Prüfung auf Resonanznähe
A [μm]
A~V 1(n2)
A(nB2) = 19 A(nB1) = 14
A~n 2
nB1 nB2 nres1
[1/min]
n
3000 3300
Beim Hochfahren der Gasturbine steigen die Schwingungsamplituden infolge von Unwuchtkräften quadratisch mit der Drehfrequenz. Bei Annäherung der Drehzahl an eine Resonanzdrehzahl steigen gemäß Abb. 30-4 (gestrichelte Linie) die Schwingungen jedoch stärker an als nach quadratischer Funktion, und nach Durchfahren der Resonanzdrehzahl sinken sie wieder, um nach einem Minimum wieder dem quadratischen Drehzahlgesetz zu folgen. Man wird jedoch feststellen, dass insbesondere beim schnellen Hochfahren keine Resonanzen zu erkennen sind. Es kommt nicht zur Ausprägung der Resonanzschwingung. Die Maschine wird, wie man sagt, durch die Resonanzen gerissen. Beim Durchfahren der oberen 20% des gesamten Drehzahlbereichs steigen in einigen Fällen die Schwingungsamplituden beträchtlich an. Es liegt der Verdacht nahe, dass nicht weit oberhalb der maximalen Betriebsdrehzahl eine Resonanz liegt. Das Messen der Schwingungen bei einer Überdrehzahlfahrt, die i. Allg. bis auf 110% der maximalen Betriebsdrehzahl – oder entsprechend dem Proportionalbereich des Drehzahlreglers – reicht, gibt hierüber Auskunft. Es werden zwei Messpunkte gemäß Abb. 30-4 gewählt und das Verhältnis der drehfrequenten Schwingungsamplituden AB2 zu AB1 bei den zugehörigen Drehzahlen nB2 , nB1 gebildet, die sich bei Resonanzfreiheit proportional zu den Quadraten der zugehörigen Drehzahlen verhalten müssen. Bei Vorhandensein einer Resonanz wird im Bereich der Resonanzdrehzahl die sog. Vergrößerungsfunktion V1 wirksam, die mit V1 .n2 , D) bezeichnet wird, mit D, dem sog. Lehr’schen Dämpfungsmaß: V1 .n/ D
n2 1 s : n2res 2 2 2 1 nnres C 4D 2 nnres
Beispiel: Amplitude AB1 D 14 µm bei nB1 D 3000 min1 , Amplitude AB2 D 19 µm bei nB2 D 3300 min1 . AB2 =AB1 D 1;35; und .3300=3000/2 D 1;21; es liegt also eine Resonanznähe vor, da 1;35 > 1;21. Ist keine Überdrehzahlfahrt möglich, so lässt sich das Verfahren auch für andere Drehzahlen unter 100% der maximalen Betriebsdrehzahl sinngemäß durchführen. Die beiden Messdrehzahlen sollten jedoch nicht mehr als ca. 10% auseinander liegen, und es dürfen zwischen ihnen keine Resonanzen liegen.
30 Maschinendynamik
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30.3 Kinetisches Verhalten der Gleitlager Bei der Erörterung der Resonanzdrehzahlen wurde betont, dass ihre Größe neben anderen Parametern auch vom Ölfilm abhängt. Bei Vorhandensein einer Wellenschwingungsmesseinrichtung kann, wie oben erläutert, die stationäre Wellenposition im Gleitlager festgestellt werden. Wird später einmal ein Lagerschaden vermutet, kann sie zum Vergleich herangezogen werden. Einzelheiten zu Gleitlagern entnehme man Kap. 22. Abbildung 30-5 zeigt das dynamische Ersatzbild eines Gleitlagers, in dem der Ölfilm durch Federn cik und Dämpfer bik ersetzt wurde. Während des Hochfahrens der Gasturbine auf Nenndrehzahl durchläuft der Wellenzapfenmittelpunkt im Lager eine quasi statische Kurve, die Gümbel-Kurve G.
y
c21 b21 c11
n n
b11 c12
b22
c22
b12
Abb. 30-5 Dynamisches Ersatzmodell eines Gleitlagers
x
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P. Wutsdorff
Der Vektor e, die statische Exzentrizität, ist der Radiusvektor vom Lagermittelpunkt zum Wellenmittelpunkt. Die Diagonalelemente der Federn und Dämpfer weisen auf den dynamischen Anisotropiecharakter eines Gleitlagers hin. Da bei einem mehrfach gelagerten Gasturbinensatz u. U. unterschiedliche Lager nach Typ und Größe verwendet werden, ist natürlich die statische Verlagerung der einzelnen Wellenzapfen in den Lagern bei Betriebsdrehzahl auch unterschiedlich, besonders weil die Lagerbelastung unterschiedlich ist. Das führt zu einer leichten Verspannung des Wellenstranges und darf nicht zu dem Schluss einer falschen Ausrichtung führen, da dieser Umstand i. Allg. bei der Ausrichtung berücksichtigt wird. Die immer vorhandene Restunwucht U bewirkt eine rotierende Fliehkraft Fu D U ˝ 2 . Durch die Anisotropie des Ölfilms und der Lagerung ist die kinetische Wellenbahn (Orbit) K des Wellenzapfenmittelpunktes theoretisch eine Ellipse, deren Mittelpunkt ein Punkt der Gümbel-Kurve ist. Der Kehrwert der Federzahl c22 ist die Nachgiebigkeit ˛ in Abb. 30-3. Bei der kinetischen Auslenkung des Wellenzapfens von der statischen Lage bei Betriebsdrehzahl nB wirken die Kräfte P C b12 y.t/ P ; Fx .t/ D c11 x.t/ C c12 y.t/ C b11 x.t/ P C b22 y.t/ P : Fy .t/ D c21 x.t/ C c22 y.t/ C b21 x.t/ x und y sind die horizontale und vertikale Auslenkung und x, P yP die entsprechenden Geschwindigkeiten des Wellenzapfens. Die Feder- und Dämpfungsmatrizen sind nicht symmetrisch. Wichtig für den Betriebsingenieur ist bei Kreis- ,Taschen- und Mehrkeillagern, die mit einer Sommerfeldzahl (s. Kap. 22 und Abschn. 30.9) So 0;8 laufen, die folgende Tatsache: Ein Erhöhen der Lageröleintrittstemperatur, eine höhere Lagerlast und ein Vergrößern des Lagerspiels bewirken eine höhere Federsteifigkeit c22 in vertikaler Richtung. Eine Tatsache, die bei notwendigen Änderungen berücksichtigt werden muss.
30.4 Untersuchungen an der äußeren Lagerabstützung Erhöhte Lagerschwingungen sind oft die Folge einer schlechten dynamischen Anbindung des Lagers und damit der Welle an den Untergrund. Es kann deshalb zu Resonanzerscheinungen kommen, da eine Resonanz, die u. U. oberhalb der Betriebsdrehzahl liegt (s. Abb. 30-4), durch eine geringer werdende äußere Steifigkeit zu niedrigerer Drehzahl und damit in den Bereich der Betriebsdrehzahl verschoben wird. Eine fehlerhafte Anbindung des Lagers zeigt sich oft durch das Auftreten von erhöhten Schwingungen an nur einem Lager und zudem nur in horizontaler oder vertikaler Richtung. Es ist daher erforderlich, den dynamischen Kraftfluss vom Wellenzapfen bis einschließlich der Fundamentlagerung in allen Einzelheiten gemäß Abb. 30-6 zu verfolgen. Im Sinne der Maschinendynamik handelt es sich dabei um
30 Maschinendynamik
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Abb. 30-6 Kontrolle des dynamischen Kraftflusses durch Abtastmessungen an einem Lageraufbau
die Untersuchung der resultierenden horizontalen und vertikalen Nachgiebigkeiten der gesamten Lagerung. Der Lagerkörper ist über Fixierungselemente im Lagergehäuse mit einer ganz bestimmten Passung gelagert. Man nennt diese Lagerung oder Abstützung den Lagersattel und die entsprechende Passung das Sattelspiel. Die Kontrolle des Lagersat-
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P. Wutsdorff
telspiels sollte stets bei einer Lagerkontrolle erfolgen, wenn erhöhte Schwingungen am Lager aufgetreten sind. Hierzu einige Hinweise: • Alle Passflächen sind vor der Reinigung gründlich auf Tragspuren zu untersuchen (Fotos anfertigen). • Leichte ölige Beläge mit Ölkohle auf den Passflächen oder gar Reibrostspuren (roter Belag) geben einen Hinweis auf relative Schwingungen oder Bewegungen bezüglich Lagerkörper und Lagergehäuse. • Beim Messen des Sattelspiels achte man auf die richtige Anwendung des Messverfahrens; ein sog. Bleiabdruck führt manchmal zu Fehlern. Auch Blei hat eine gewisse Elastizität. Der dynamische Kraftfluss geht bei Gasturbinenlagern gemäß Abb. 30-6 vom Lager L über den Lagersattel Stt in das Lagergehäuse LG, von dort über den Abgasstern AS in das Maschinengehäuse G und über Schraubenverbindungen SV und die Stützen SZ in die Grundplatte, die durch die Ankerbolzen mit dem Fundament F verschraubt ist. Man verschaffe sich an Ort und Stelle einen genauen Überblick über die Konstruktion. Messungen der drehfrequenten Schwingungen nach Betrag und Phase in horizontaler und vertikaler Richtung oberhalb und unterhalb aller Schnitte im dynamischen Kraftfluss bis einschließlich Fundament und gegebenenfalls Grundplatte/Solplatte geben Auskunft über eine gute dynamische Anbindung des Lagers an den Unterbau. Es sollte sich ein kontinuierlicher Abbau der Schwingungen vom Lager bis zum Fundament ergeben. Abbildung 30-6 zeigt die Messpunkte in Form der Doppelpfeile beispielhaft. Das Auftreten einer relativ großen Änderung der Schwingung an einem Schnitt, besonders aber wenn ein Phasensprung von über 90ı auftritt, ist ein Hinweis auf eine nicht korrekte Abstützung – z. B. Montagefehler – und eine „Unterbrechung“ des dynamischen Kraftflusses. Manchmal werden sog. „Schulterschrauben“ S verwendet. Sie klemmen die Pratzen des Lagergehäuses nicht, sondern gestatten eine freie radiale horizontale Dehnung der Pratzen. Da an dieser Stelle absichtlich eine „lose“ Verbindung vorhanden ist, treten hier naturgemäß größere Änderungen der Schwingungen auf. Besondere Aufmerksamkeit sind den Fundamentankerbolzen zu schenken. Setzerscheinungen im Stahlbeton bewirken eine Verringerung ihrer Vorspannung. Bei älteren Anlagen ist auch der Beton selbst auf Risse zu untersuchen. Die kontinuierliche Verschlechterung des Laufverhaltens über lange Zeiträume von u. U. mehreren Jahren kann hierin ihre Ursache haben. Fundamentabsenkungen durch bodenmechanische Veränderungen wie Grundwasserabsenkungen sind, wie Wutsdorff [30.5] zeigt, in einigen Fällen der Grund für ein langfristig schlechteres Laufverhalten. Setzerscheinungen verursachen grundsätzlich eine Verringerung der äußeren Lagersteifigkeit. Laufen Rotoren unterhalb einer Resonanz, tritt eine Erhöhung der Schwingungen ein. Setzerscheinungen sind daher an allen Bauelementen zu untersuchen, die im dynamischen Kraftfluss liegen. Bei federnd gelagerten Fundamenten sollten stets die Federpakete auf ihre freie Beweglichkeit geprüft werden.
30 Maschinendynamik
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30.5 Einfluss des Kupplungszustands Große Gasturbinenrotoren sind i. Allg. mit biegesteifen, kraftschlüssigen Reibungskupplungen, sog. Flanschkupplungen, mit der Arbeitsmaschine verbunden. Bei kleineren Anlagen kommen Zahnkupplungen und andere flexible Kupplungen zum Einsatz. Flanschkupplungen, und diese sollen hier in erster Linie betrachtet werden, übertragen Längs- und Querkräfte, Biege- und Torsionsmomente. Bei möglichen Fehlern im Bereich der Flanschkupplungen muss streng unterschieden werden zwischen Fehlern, die in der Kupplung selbst liegen und solchen, die das Kuppeln als Montageprozess umfassen, also das Ausrichten zweier Wellen zueinander und das anschließende Zusammenschrauben der beiden Kupplungshälften. Der erste Fehler ist ein generischer Fehler, demnach ein Fertigungsfehler, der zweite ein Ausrichtfehler. Kupplungsfehler unterteilen sich in Zentrierfehler des Einpasses, genannt Kupplungsversatz, und Planlauffehler. Die Abb. 30-7a und 30-7b, in denen die statische Durchbiegung der Wellen infolge Eigengewichts nicht berücksichtigt ist, zeigen diese zwei Kupplungsfehler und ihre Folgen nach dem gewaltsamen Zusammenziehen der Kupplungsflansche. Sie bewirken eine Unstetigkeit bzw. einen Knick der Wellenmittelpunktslinie an der Trennstelle. Die Wellenachse ist nicht mehr identisch mit der Drehachse, hier in diesem Bild der Verbindungslinie der Lagermitten. Es entstehen zusätzliche Unwuchten bei Rotation und dadurch umlaufende Kräfte in den Lagern. Zum Typ Planlaufkupplungsfehler ist auch das fehlerhafte Warmaufschrumpfen einer Kupplungsnabe auf eine Welle zu rechnen. Liegt nämlich die Welle mit der aufgeschrumpften Nabe während des Abkühlvorganges horizontal, entstehen, über den Umfang betrachtet, im Schrumpf unterschiedliche Axialspannungen, wodurch ein Taumelfehler des aufgeschrumpften Kupplungsflansches entsteht. Ein weiterer, selten auftretender, fertigungsbedingter Kupplungsfehler ist die Exzentrizität des Teilkreises der Kupplungsbolzenlöcher. Sie lässt eine Unwucht durch die Kupplungsbolzen entstehen. Sind weiterhin die Kupplungsbolzen mit ihren Muttern nicht ausgewogen, d. h. dass ihr Gewicht nicht innerhalb einer gegebenen Toleranz liegt, entsteht eine zusätzliche Unwucht, wenn nicht gleich schwere Bolzen gegenüberliegen. Ein Ausrichtfehler hat unmittelbar auf das Schwingungsverhalten keinen Einfluss, denn die Wellen werden dadurch auf Wechselbiegung beansprucht (s. Abb. 19-15 und [30.12]). Aufgrund der dadurch hervorgerufenen anderen Lagerbelastung ändern sich die Sommerfeldzahl und somit auch die vertikale Federsteifigkeit des Ölfilms. Das führt vereinzelt zu einer geringen Verschiebung der Biegeresonanzfrequenzen. Bei der Neuinbetriebnahme großer Maschinen sollte beim Einschalten der hydraulischen Wellenanhebung das Maß der vertikalen Anhebung an jedem Lager gemessen und protokolliert werden. Auf diese Weise kann jederzeit der Ausrichtzustand einfach überprüft werden. Ob die Wellenzapfen dabei frei aufschwimmen, kann in horizontaler Richtung gemessen werden. Die Welle muss in horizontaler Richtung eine sehr geringe Schwingung ausführen. Dieser Schwingung liegt der gleiche physikalische Vorgang zugrunde, wie er bei einem Tischtennisball zu beobachten ist, der sich stabil auf einem vertikalen Luftstrom hält (Magnuseffekt).
880 Abb. 30-7a–c Entstehen einer Unwucht durch a Kupplungsplanlauffehler, b Kupplungsversatz, c Ermittlung von Ausricht- und Kupplungsfehlern durch Klaffungsmessung (I , II, III, IV = Rotorpositionen; A, B, C ,D D rotorfeste Marken; Messungen: oben; rechts; unten; links ( O; R; U ; L/; Mittelwerte: O D 1;5; R D 1;0; U D 0;5; L D 1;0 D Ausrichtfehler; Pos I – Mittelwerte: A D 0;5; B D 0;0; C D 0;5; D D 0;0 D Kupplungsfehler)
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30 Maschinendynamik
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Bei der Montage kann zunächst nicht zwischen Kupplungsfehlern und Ausrichtfehlern unterschieden werden. Der Monteur stellt zunächst ein Klaffen und/oder einen Versatz der beiden noch nicht zusammengezogenen Kupplungshälften fest. Zur Feststellung der Fehler wird folgende Prozedur durchgeführt: Ein oder zwei Kupplungsbolzen werden durch die entsprechenden Löcher in die Flansche gesteckt und leicht von Hand angezogen. Dabei dürfen die beiden Kupplungshälften noch nicht im Rezess (das ist der Kupplungseinpass) sitzen. Der Monteur misst das Versatz- und Klaffungsmaß oben, unten, rechts und links, anschließend dreht er den Wellenstrang um 90ı und wiederholt die Messung und so fort. Aus den so gewonnenen 2 16 Messgrößen können Kupplungs- und Ausrichtfehler in jeweils zwei Ebenen ermittelt werden. Durch Mittelwert- und Differenzbildung der Messdaten können beide Fehler getrennt werden. In Abb. 30-7c ist ein Beispiel für die Klaffung eines Kupplungspaares gezeigt. Man erkennt einen vertikalen Ausrichtfehler von 1,0 mm (O–U) und einen Kupplungsfehler von 1,0 mm (A–C). Als Resümee merke man sich: Das Klaffen eines Kupplungspaares bzw. der Versatz läuft bei einem Kupplungsfehler um, ist also rotorfest, bei einem Ausrichtfehler jedoch raumfest. Eine kurzzeitige Überschreitung des Reibschlusses der Kupplung (z. B. bei Fehlsynchronisation) führt zu einem Rutschen der Kupplungsflansche innerhalb des Rezesses, der bekanntlich eine Spielpassung (h=H) ist, und damit zu Unwuchtschwingungen. Die Wellenmittellinie geht dann ebenfalls mit einem Sprung durch die Kupplungsstelle und es entsteht ein Unwuchtmoment. Zahnkupplungen sind in der Lage (ähnlich wie Gelenkwellen und andere flexible Kupplungen), einen begrenzten Versatz und eine Schiefstellung der zu verbindenden Wellenenden auszugleichen. Die Zentrierung der Zahnkupplungshülse erfolgt bei modernen Ausführungen über den Kopf- oder Fußkreis der Verzahnung, bei älteren jedoch über die Zahnflanken selbst. Mitunter geben die Hersteller die Zentrierungsart an. Da bei der Flankenzentrierung die Zahnflanken zur Zentrierung und zur Übertragung des Drehmomentes benutzt werden, entsteht eine vom Drehmoment abhängige Exzentrizität der Kupplungshülse und damit eine vom Drehmoment abhängige Unwucht. Vor der Demontage einer Zahnkupplung, die bisher gut gelaufen ist, sind daher entsprechende Markierungen für die exakt gleiche Wiedermontage anzubringen.
30.6 Leistungsabhängige Schwingungen Im Folgenden sollen einige Schwingungsprobleme angerissen werden, die sich dem Turbineningenieur als leistungsabhängig zeigen. Es handelt sich um drehfrequente Schwingungen. Obwohl Instabilitätsschwingungen sich in vielen Fällen ebenfalls als leistungsabhängig zeigen, werden diese in einem gesonderten Abschnitt behandelt. Der wohl gravierendste Schadensfall einer axialen Turbomaschine ist der eines Schaufelverlustes. Er zeigt sich am häufigsten im Leistungsbetrieb. Zu erkennen ist er an einer sprungartigen Veränderung nach unten oder oben im Wellenschwin-
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P. Wutsdorff
gungsschrieb. Moderne Anlagen verfügen über eine Registrierung der Phasenlage des drehfrequenten Anteils der entsprechenden Schwingungen. Hier zeigt sich bei einem Schaufelschaden immer ein Sprung in der Phasenlage. Es muss aber betont werden, dass ein Schaufelschaden bei ordnungsgemäßer Betriebsführung und Beachtung der Lebensdauer der Heißgas führenden Teile heute sehr selten ist.
30.6.1 Getriebemaschinen Bei kleineren Gasturbinenanlagen wird die Drehzahl der Turbine oft mit einem Stirnradgetriebe untersetzt. Der Drehsinn ist meistens so gewählt, dass infolge der Zahnumfangskräfte das Ritzel „steigt“, also bei Volllast die oberen Lagerschalen der Ritzelwelle belastet werden. Die vertikale Federsteifigkeit c22 (s. Abschn. 30.3) des Lagerölfilms hängt sehr stark von der Lagerbelastung ab. Da gemäß Abschn. 30.2 die Lage der Resonanzdrehzahl von der Steifigkeit der Lager abhängt, ergibt sich eine Abhängigkeit der Resonanzdrehzahlen im Bereich des Getriebes vom Drehmoment, bei konstanter Drehzahl infolge dessen eine Abhängigkeit von der Leistung. Dies ist ein Umstand, der selten beachtet wird und Ursache für ein oft zunächst unerklärliches Schwingungsverhalten ist. Abbildung 30-8, in welcher wieder der Verlauf der Resonanzdrehzahlen in Abhängigkeit von der Nachgiebigkeit der Lager gemäß Abschn. 30.2 dargestellt ist, zeigt die Verhältnisse. Die Indizes weisen wieder wie in Abb. 30-3 auf die Eigenform des Wellenabschnittes, U- oder S-Schlag, hin. Es lassen sich mit den konkreten Federzahlen des Ölfilms in den verschiedenen Lagern bei Leerlauf (LL) und Volllast (VL) horizontal und vertikal die Betriebspunkte eintragen. Man stellt fest, dass in Abhängigkeit von der Leistung (ein Pfeil zeigt die Richtung der steigenden Leistung P ) bei konstanter Drehzahl ganze Bereiche (dick ausgezogene Linien) der Resonanzdrehzahlen zu beobachten sind. Einzelheiten hat Wutsdorff [30.4] untersucht. Es ist zwar die Aufgabe des Konstrukteurs, die Bereiche der Resonanzdrehzahlen nicht mit der Betriebsdrehzahl zusammenfallen zu lassen, in einigen Fällen lässt sich das jedoch nicht vermeiden. In Abb. 30-8 ist der Fall der vollständigen Resonanzfreiheit dargestellt. Liegt jedoch der Resonanzbereich z. B. der U-Schwingung der Zwischenwelle vertikal weiter links auf der Kurve, sodass der Volllastpunkt oberhalb der Betriebsdrehzahl liegt, tritt der mitunter anzutreffende Fall ein, dass beim Hochfahren die vertikale Resonanz für den Leerlauf vor Erreichen der Betriebsdrehzahl durchfahren wird, dann aber vor Erreichen der Volllast bei einer bestimmten Leistung Resonanz auftritt. Der Turbineningenieur einer Gasturbine mit Getriebe erkennt diesen Sachverhalt an einem mit der Leistung zunehmenden Schwingungsniveau, wobei die Maschine mit konstanter Drehzahl läuft. Bei einer bestimmten Leistung erreichen die Schwingungen ein Maximum und werden bei Volllast wieder geringer. Diese Leistung kann sinnvoll „Resonanzleistung“ genannt werden, weil bei dieser Leistung und sonst konstant gehaltenen Betriebsparametern eine Resonanzdrehzahl mit der Betriebsdrehzahl zusammenfällt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dieser Betriebszustand keineswegs besorgniserregend ist. Kommt es bei geringerer Leistung zu einer „Resonanzleistung“, zeigen sich i. Allg. nur geringere
30 Maschinendynamik
883
Abb. 30-8 Leistungsabhängige Resonanzen bei StirnradGetriebe-Maschinen
ZW
GT ni
Ri
n = konstant
P
ZW
hor. LL/VL vert. LL/VL P
n4 n3
nB ZW GT
P P
n2 n1 α [mm/MN]
Amplitudenüberhöhungen. Die Ursache liegt in den höheren Dämpfungszahlen der Gleitlager des Ritzels bei geringerer spezifischer Lagerlast. Aber auch Resonanzen im oberen Leistungsbereich sind bei gut ausgewuchteten Wellensträngen trotz geringerer Dämpfung nur gering ausgeprägt. Mitunter hilft ein Feinwuchten. Bei Getriebemaschinen entstehen mitunter bei Lastgradienten unerklärliche Wellenschwingungen am Getrieberitzel. Es handelt sich dabei um Torsionsschwingungen. Dem statischen Drehmoment ist ein Wechseltorsionsmoment überlagert und das Ritzel schwingt dadurch bedingt vertikal. Die Frequenz der Torsionsschwingung ist entweder eine Eigentorsionsfrequenz des Wellenstranges (Sprungantwort auf einen Lastgradienten) oder bei Generatoren die einfache bzw. doppelte Netzfrequenz.
30.6.2 Lastabhängige Schwingungen an Generatoren Einzelheiten finden sich in der VDI-Richtlinie 3839 [30.7, Bl. 5]. Hier nur die wichtigsten Phänomene: Eine nicht rotationssymmetrische Erwärmung des Induktors führt zu einer Verkrümmung, d. h. zu einer thermischen Unwucht (s. Abschn. 30.7), und es entsteht eine Leistungsabhängigkeit, da die Leistung durch den eingestellten Erregerstrom bestimmt wird. Der Erregerstrom verursacht die ungleichmäßige Erwärmung des Induktors. Wegen der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und Kupfer kann es bei einer Behinderung der freien axialen Dehnung der Kupferstäbe ebenfalls zu einer Verkrümmung kommen. Weil es sich bei diesen Ursachen immer
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P. Wutsdorff
um ein Wärmeleitungsproblem handelt, erfolgen alle Zustands- und damit auch die Schwingungsänderungen in Form einer Exponentialfunktion. Das bedeutet allgemein, dass ein exponentielles Ansteigen einer Schwingung immer mit dem Auftreten einer thermischen Unwucht zusammenhängt. An den Generatorlagern auftretende doppelt drehfrequente Schwingungen sind jedoch unabhängig von der Leistung und haben ihre Ursache in der restlichen Anisotropie des Induktors. Durch die Wickelzone und die Polzone des Induktors (der Induktor kann grob vereinfacht als rotierender I-Träger betrachtet werden), also unterschiedliche Frästiefen der Nuten für die Wicklungen, entsteht diese Anisotropie. Die statische Durchbiegung des Induktors ändert sich von 1=4 zu 1=4 Umdrehung. Durch Wuchtprozeduren lassen sie sich nicht beseitigen!
30.6.3 Mediumbedingte Schwingungen Die Strömung durch die Beschaufelung verursacht manchmal drehfrequente Schwingungen. In Abb. 30-9 weist der Mittelpunkt M der Laufbeschaufelung einer Strömungsmaschine bezogen auf den der Leitbeschaufelung O eine Exzentrizität OM auf, es entsteht gegenüber dem Gehäuse in Umfangsrichtung ein asymmetrischer Dichtspalt. Die Leckagemenge am engen Dichtspalt SPe ist geringer als am weiteren Dichtspalt SPw. Oder umgekehrt ausgedrückt: Im Bereich des weiten Dichtspaltes steht weniger Gas zur Leistungsumsetzung zur Verfügung als im Bereich des engen Dichtspaltes. Die resultierende Umfangskraft Fu1 an den Laufschaufeln in dem Bereich, in dem sich der engere Dichtspalt befindet, ist demnach größer als Fu2 in dem Bereich, in dem sich der weite Dichtspalt befindet. Das bedeutet aber, dass außer dem resultierenden Moment infolge der Umfangskräfte auch eine resultierende Querkraft FQ entsteht. Jetzt sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Läuft die genannte Exzentrizität OM um, schleudert also die Welle (z. B. durch thermische Verkrümmung), läuft auch die resultierende Querkraft FQ um und es entsteht eine sog. Gasunwucht, die mengen-, also leistungsabhängig ist. Sie kann also leicht erkannt werden, da sie sich praktisch ohne Zeitkonstante zu den übrigen drehfrequenten Schwingungen addiert. 2. Ist die Exzentrizität jedoch statisch, liegt also der Rotor exzentrisch im Gehäuse, ist die resultierende Querkraft FQ raumfest, und es entstehen zusätzliche Lagerkräfte. Ihre Richtung ergibt sich aus derjenigen von FQ . Die resultierende Lagerkraft aus FQ und der Lagerkraft infolge Eigengewichts wirkt also nicht mehr vertikal und es kann wie bei einer Teilbeaufschlagung zu Abweichungen der Lagerkräfte von der Vertikalen kommen. In erster Linie ändert sich das Schwingungsverhalten nicht. In seltenen Fällen wird durch diesen Umstand der Wellenzapfen innerhalb des Lagers in eine neue statische Lage gedrückt, und die Feder- und Dämpfungszahlen der Gleitlager ändern sich, sodass eine in der Nähe der Betriebsdrehzahl liegende Resonanz sich näher zur Betriebsdrehzahl verschiebt. Es kommt auch mitunter zu Instabilitätsschwingungen (s. u.). In diesem Falle ist es empfehlenswert, die statische Wellenlage auf einem Oszilloskop darzustellen und mit denen der Berechnung zu vergleichen (s. Abschn. 30.1.2).
30 Maschinendynamik
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Abb. 30-9 Entstehung einer Gasunwucht
SPe
Fu1
SPw FQ B
M
O Fu2
30.7 Anstreifprobleme und thermische Unwuchten Aufgrund von Toleranzen an den berührungslosen Wellendichtungen, die sich bei Fertigung und Montage ungünstig summieren können und aufgrund thermischer Verformungen von Welle und Gehäuse kommt es mitunter zu Spielüberbrückungen, wobei verschiedene Mechanismen auftreten. Das kontinuierliche Anstreifen an der Welle bewirkt eine in Umfangsrichtung gleichmäßige Erwärmung. Es resultieren keine Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten. Kommt es hingegen zu einer Berührung an nur einem Punkt in Umfangsrichtung der Welle pro Umdrehung, entsteht eine örtliche Erwärmung der Wellenoberfläche und es entsteht eine Verkrümmung des Rotors. Da es sich hier um ein Wärmeleitungsproblem handelt (Wärmequelle an der Oberfläche eines Zylinders), erfolgt die Aufwärmung der Welle und damit das Entstehen der Unwucht in einem exponentiellen Zeitverlauf. Ein Anstreifen dieser Art zeigt sich durch das exponentielle Ansteigen der Wellen- und/oder Lagerbockschwingungen. Ein weiteres damit zusammenhängendes Phänomen ist der Vorgang des sog. „Vektorkreisens“ (spiral vibration), wie es Kellenberger [30.8] zuerst beschrieb und Liebich [30.17] vertiefte. Es soll nachstehend vereinfacht skizziert werden: Man betrachtet den Wellenschnitt an der Stelle des Rotors, an dem es zu einem Anstreifen kommt (Abb. 30-10). Die Schwingbewegung des Wellenmittelpunktes Z0 erfolgt um den Punkt O, der auf der Gümbel-Kurve G liegt, in Form einer hier stark vergrößerten Ellipse E0 . Der maßgebende Schwerpunkt sei S0 . Z0 S0 sei also die ursprüngliche Exzentrizität, die eine entsprechende Fliehkraft zur Folge hat. Bei elastischen Rotoren bewirkt diese Fliehkraft, und das ist entscheidend, eine Auslenkung nicht in dieselbe Richtung, sondern z. B. in Richtung OZ0 .
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P. Wutsdorff
Abb. 30-10 Zum Mechanismus des rotierenden Vektors
α S1
S0
ε
n
Sth
Z0 E0
ε
α
A1
Z1
O
A0
y
E1 G
x
Die ursprüngliche Exzentrizität Z0 S0 und Auslenkung OZ0 bilden den Winkel " und es kommt z. B. am Punkt A0 , also in Verlängerung von OZ0 , zum Anstreifen an das Gehäuse. Der Winkel " ist der aus der Rotordynamik bekannte Phasenwinkel zwischen Unwucht und Auslenkung, er hängt einzig von der Nähe der Betriebsdrehzahl zur maßgebenden Resonanzdrehzahl ab. Im Punkt A0 gelangt Wärme in den Rotor und er verkrümmt sich in der Meridianebene OZ0 A0 , wodurch eine zusätzliche Exzentrizität Z0 Sth in Richtung OZ0 A0 entsteht, die sich zur ursprünglichen Z0 S0 vektorisch addiert. Die resultierende neue Exzentrizität Z0 S1 hat gegenüber der alten einen anderen Betrag und ist gegen die ursprüngliche um den Winkel ˛ gedreht; es entsteht eine neue Anstreifstelle in Richtung A1 . Dieser hier beschriebene Mechanismus, der hier in zwei Zeitschritten erläutert wurde, verläuft natürlich kontinuierlich. Nach diesem Mechanismus kann der Anstreifpunkt A u. U. über den gesamten Umfang wandern und es stellt sich ein Auf- und Abklingen des resultierenden Schwingungsvektors ein. Um das rotierende Anstreifen zu identifizieren, müssen die drehfrequenten Schwingungen nach Betrag und Phase gemessen und über der Zeit in einem NyquistDiagramm dargestellt werden (Abb. 30-11). Die Umlaufzeit beim Vektorkreisen ist von dem Wellendurchmesser an der Anstreifstelle und von der Stärke des Anstreifens abhängig und kann bis zu mehrere Stunden betragen. Werden nur die Schwingungsausschläge registriert, zeigt sich der rotierende Unwuchtvektor oft durch einen periodischen Verlauf, wie er im unteren Teil der Abb. 30-11 gezeigt ist. Die Maximalwerte der Schwankung können abklingen, aber auch aufklingen, und nehmen im Extremfall einen exponentiellen Verlauf. Einen Sonderfall stellt das einmalige Anstreifen bei instationären Betriebszuständen dar. Als solche kommen das Beschleunigen beim Hochfahren und positive Lastgradienten in Betracht. Erkannt werden kann dieses einmalige Streifen durch
30 Maschinendynamik
887
Abb. 30-11 Messtechnische Darstellung des rotierenden Vektors
90° A
0°
A 0,5 h
t Abb. 30-12 Schwingungsausschläge über der Zeit bei thermischer Unwucht
A 0,5 h
t
das fast sprungartige Ansteigen der Schwingung und anschließende Abklingen mit exponentiellem Zeitverlauf (Abb. 30-12). Besteht der Verdacht, dass die Welle der Gasturbine kurzzeitig gestreift hat, sollte beim Hochfahren die Haltezeit bei den entsprechenden Drehzahlen verlängert werden, bis sich stationäre Schwingungszustände eingestellt haben. Diese thermische Unwucht stellt sich auf einem Schwingungsschreiber als unsymmetrischer Berg gemäß Abb. 30-12 dar. Die Höhe des Berges ist abhängig von der Stärke des kurzzeitigen Anstreifens am Rotor. Es ent-
888
P. Wutsdorff
Abb. 30-13 Thermische Unwucht in Vektordarstellung
90°
A
e0 0°
Richtung eth
steht die vektorische Addition einer nach ihrer Winkellage und Größe konstanten Restunwucht e0 und einer nach dem Betrage zeitlich veränderlichen thermischen Unwucht eth , die eine andere, aber zeitlich konstante Phasenlage hat (Abb. 30-13). Durch gezieltes Verändern der Restunwucht kann die Höhe des Berges, d. h. die maximale resultierende Unwucht, minimiert werden. Hierbei muss in den meisten Fällen jedoch ein schlechteres Hochlaufverhalten und eine schlechtere Laufruhe im durchgewärmten Zustand in Kauf genommen werden. Die hierbei anzuwendenden Auswuchtverfahren gehören zu den kompliziertesten der Auswuchttechnik überhaupt. Es muss jedoch betont werden, dass sich die im Einzelnen beschriebenen Anstreifvorgänge leider nicht immer so klar und rein, wie hier beschrieben, darstellen. Bei Generatoren kann es vorkommen, dass die Schwingungen innerhalb eines relativ großen Zeitraumes stetig ansteigen. Die Ursache kann eine unsymmetrische Verschmutzung der Kühlgasbohrungen der Erregerwicklung sein. Entsprechendes gilt für eine asymmetrische Kühlung von Gasturbinenrotoren. Bei Gasturbinen ändert sich das Schwingungsverhalten in einigen Fällen mit dem transienten Durchwärmungsgrad, da stets geringe Unsymmetrien in Umfangs- und Radialrichtung bzgl. der Wärmeleitfähigkeit zu leichten Verkrümmungen führen, die aber stets wieder abklingen. Wegen der höheren Medientemperaturen sind Gasturbinen gegenüber anderen thermischen Turbomaschinen in dieser Hinsicht besonders empfindlich. Die Größen Lagerabstand und Wellensteifigkeit sind hier geeignete Kenngrößen, um bei gleichen Temperaturen verschiedene Maschinen zu vergleichen. Das Anstreifen der Laufbeschaufelung am Gehäuse ist, da nur Wärme in die Schaufelspitzen eingetragen wird, rotordynamisch ohne Bedeutung. Hingegen be-
30 Maschinendynamik
889
wirkt ein Anstreifen der Leitschaufelspitzen am Rotor eine thermische Verkrümmung desselben. Aus diesem Grunde sind die Spiele hier stets größer gewählt als diejenigen der Laufschaufeln gegenüber dem Gehäuse.
30.8 Axialschwingungen Bei großen Gasturbinen treten sehr selten nennenswerte Axialschwingungen auf, da die Rotoren gleitgelagert sind. Oft werden Axialschwingungen mit doppelter Drehfrequenz als Indiz für eine fehlerhafte Ausrichtung gedeutet. Wird das Drehmoment mit Flanschkupplungen übertragen, sind doppelt drehfrequente Axialschwingungen jedoch nicht die Folge einer fehlerhaften Ausrichtung. Bei kleinen Anlagen mit flexiblen Kupplungen treten jedoch Axialschwingungen infolge einer Fehlausrichtung auf. Einzelheiten finden sich in der VDI-Richtlinie 3839 [30.7, Bl. 2]. Bei großen Gasturbinen treten zwei Ursachen für Axialschwingungen auf: • Ein sehr selten vorhandener Taumelfehler des Wellenbundes im Axiallager verursacht Schwingungen des Axiallagers, die zunächst in das Fundament geleitet werden und sich dann an anderen Lagern zeigen. Axialschwingungen eines radialen Gleitlagers sind für das Lager jedoch ohne Bedeutung! Ein Taumelfehler des Wellenbundes des Axiallagers kann bei laufender Maschine durch Messung des dynamischen Anteils der axialen Wellenlage festgestellt werden. • Bei Getriebemaschinen verursacht der unvermeidbare restliche Symmetriefehler der Stirnrad-, Schräg- oder Pfeilverzahnung Axialschwingungen. Bei einer Pfeilverzahnung liegen die „Pfeilspitzen“ der einzelnen Zahnpaare nicht exakt in einer Ebene senkrecht zur Wellenachse. Die auftretenden dynamischen Kräfte werden ebenfalls über das Axiallager in das Fundament geleitet. Der Symmetriefehler der Verzahnung addiert sich zum Taumelfehler des Wellenbundes des Axiallagers. Beide Fehler sind daher messtechnisch nicht trennbar, denn es treten in beiden Fällen Schwingungen mit ganzzahligem Vielfachen der Drehfrequenz auf. Sehr tieffrequente Axialschwingungen im Bereich von 2–8 Hz treten bei Kraftwerksturbosätzen auf, wenn die Spannungsregelung des Generators durch einen Dreipunktregler erfolgt. Da, in axialer Richtung gesehen, die magnetischen Mittelpunkte von Induktor und Stator selten exakt übereinstimmen, entstehen bei der Spannungsregelung unterschiedliche Axialkräfte in Form einer Sprungfunktion. Auf diese Sprungfunktion antwortet der Wellenstrang mit seiner axialen Schwingung in Eigenfrequenz. Die axiale Federkonstante bildet das Axiallager. Diese Schwingungen zeigen sich manchmal in der Registrierung der axialen Wellenlage. Sie rufen zwar Verwunderung hervor, sind aber maschinendynamisch ohne Bedeutung. Die oben bei den leistungsabhängigen Schwingungen infolge Anisotropie des Induktors geschilderten doppeltfrequenten Schwingungen rufen an den Generatorlagern mitunter doppeltfrequente Axialschwingungen hervor. Auch sie sind ohne Bedeutung.
890
P. Wutsdorff
30.9 Instabilitätsschwingungen Es handelt sich in den meisten Fällen um das instabile Verhalten eines Gleitlagers. Das charakteristische Merkmal einer Instabilitätsschwingung ist das deutliche Auftreten einer Schwingung mit einer Frequenz, die cum grano salis etwa der ersten Biegeeigenfrequenz des betroffenen Wellenabschnittes entspricht. Man unterscheidet die Instabilität im Großen, die in den meisten Fällen mit der ersten Biegeeigenfrequenz auftritt (oil whip). In diesem Falle treten sehr große Amplituden auf und die Maschine muss abgestellt werden. Die Instabilität im Kleinen (oil whirl) tritt mit ca. halber Drehfrequenz auf und ist durch geringere Amplituden gekennzeichnet. Auf einem Wellenschwingungsschreiber zeigt sich ein stochastisches Schwanken der Amplitude (Aussehen wie Gras), weil kurzzeitig die beschriebene zusätzliche Schwingung auftritt und wieder zusammenbricht (s. auch Abschn. 22.2.3.2). Oil whirl und oil whip können ineinander übergehen. Oft kann eine Instabilität vermutet werden, wenn sich in Abhängigkeit eines Betriebsparameters dem drehfrequenten Geräusch ein tieferer Ton überlagert. Abbildung 30-14 stellt die Stabilitätskarte eines Gleitlagers dar. Auf der Ordinate ist die sog. Grenzdrehzahl ngr aufgetragen, die auf die erste Resonanzdrehzahl nres, st1 des als starr gelagert angenommenen Rotors bezogen wird. Bei einer ganz bestimmten reproduzierbaren Drehzahl tritt der instabile Lauf ein. Diese Drehzahl wird daher Grenzdrehzahl ngr genannt. Die bezogene Grenzdrehzahl ngr =nres, st1 wird in Abhängigkeit von der Sommerfeld-Zahl als Abszisse betrachtet. Die Sommerfeld-Zahl selbst wird ebenfalls mit der ersten Resonanzdrehzahl des starr gelagerten Rotors !res,st1 gebildet: Sores, st1 D
pN 2 : !res, st1
Darin ist pN die Flächenpressung, das relative Lagerspiel und die dynamische Viskosität. Eine ausführliche Erläuterung der Sommerfeld-Zahl findet man in Kap. 22. Der im Stabilitätsdiagramm angegebene Parameter ist das Verhältnis der maximalen Wellendurchbiegung zum Lagerspiel und im weiteren Sinne das Verhältnis von Lager- (cL / zu Wellensteifigkeit (cR ), wie Wutsdorff [30.6] zeigt. Oberhalb der Grenzkurve D konst. ist der instabile Bereich. Zur Ermittlung eines Stabilitätsdiagramms eines Rotors in Gleitlagern vgl. [30.1]. Weitere die Grenzdrehzahl beeinflussende Größen sind, wie den einzelnen Größen auf Abszisse und Ordinate entnommen werden kann, der Schlankheitsgrad des Rotors und die Steifigkeit der Lagerung, die auch den Ölfilm berücksichtigt. Ein horizontales Verlagern des Rotors erhöht die spezifische Lagerbelastung. Es bewirkt eine zusätzliche statische Vertikalkraft FQ nach unten in den Lagern, wie sie in Abschn. 30.6 gemäß Abb. 30-9 beschrieben ist. Der Betriebspunkt wird im Stabilitätsdiagramm horizontal nach rechts verlagert. Die gleiche Wirkung hat eine Vergrößerung des Lagerspiels. Man beachte, dass umgekehrt proportional zur Temperatur des Ölfilms ist, also D .1=T /, womit eine weitere Eingriffsmöglichkeit gegeben ist.
30 Maschinendynamik
891
Abb. 30-14 Stabilitätsdiagramm einer Laval-Welle in Gleitlagern, nach [30.1]
ngr nres, st1 c µ = cL R
2,0
µ = 1000 instabil
6 1,6 1,5
0,6
0,25 1,0
0,1 stabil
Kreislager
0,5
0,01
Sores, st1
0 0
0,5
1,0
1,5
2,0
Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor auf das Stabilitätsverhalten besteht in der Vergrößerung der Zahl . Das bedeutet eine Erhöhung der äußeren Lagersteifigkeit. Insbesondere bei einem Lager mit Sattelspiel kann ein Klemmen der Lager schon zum Erfolg führen. Bei einer fehlerhaften Ausrichtung eines Wellenstranges mit Doppellagerung, d. h. jeder der gekuppelten Rotoren hat zwei Lager, kommt es durch Entlastung eines der Lager zur Instabilität. Dem Betriebsingenieur zeigt sich ein Instabilitätsverhalten als von der Drehzahl abhängig oft nur bei Wellensträngen mit Getrieben beim Hochfahren. Bei konstanter Drehzahl tritt sie meistens in Abhängigkeit eines Betriebsparameters, z. B. der Leistung, auf. Bei instabilem Laufverhalten befindet man sich oft im Bereich des Minimums der Grenzkurve D konst., meistens am rechten Ast.
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P. Wutsdorff
Eine Instabilität kann auch infolge der Gasströmung durch die Labyrinthdichtung entstehen. Dieser Vorgang wird als Spalterregung bezeichnet, sie tritt jedoch bei großen Gasturbinen selten auf. Parametereinflüsse zur Veränderung der Stabilitätsgrenze werden von Tondl [30.13] und Glienicke [30.14] behandelt.
30.10 Auswuchten Es soll hier keine Anleitung zum Auswuchten hochtouriger wellenelastischer Rotoren gegeben werden, sondern nur ein kleiner Überblick über die grundlegenden Zusammenhänge und Begriffe. Das Auswuchten hochtouriger Gasturbinenrotoren sollte ausschließlich fachkundigem Personal vorbehalten sein. Es besteht erhebliche Unfallgefahr mit allen rechtlichen Konsequenzen, vor denen nicht eindringlich genug gewarnt werden kann. Die Problematik des Auswuchtens behandeln in den Grundlagen Federn [30.16], ausführlich und umfassend für Elastische Rotoren Kellenberger [30.9] und in etwas kürzerer Form Schneider [30.11]. Unter Auswuchten versteht man den Ausgleich fehlerhafter Massenverteilungen eines sich um eine Achse drehenden Körpers. Aufgabe der Auswuchttechnik ist
e
S
O,W
US = me
Ud = meh /2
S e
eh S
KUS
O,W
I
KUd
Sh
m KUS
III
n << n1
KUd
Ud Mu = Ud a
WE
V
β
a
II
IV
S W
e
KUe
f
n ≈ n1
KUe
KUe
KUe
O
KUe
Abb. 30-15 Unwuchtiger Scheibenrotor
n ≈ n2
KUe
β
KUe
30 Maschinendynamik
893
es, durch geeignete Massenkorrekturen die beim Umlauf auftretenden unsymmetrischen Fliehkräfte und Fliehkraftmomente und infolge dessen umlaufende Lagerkräfte zu beseitigen. Im Folgenden soll die Problematik an einer einfachen dünnen Welle mit einer Scheibe in der Mitte und anschließend an einem Gasturbinenrotor erläutert werden. Ausgegangen wird von einer Scheibe der Masse m (Abb. 30-15 links oben), die zentrisch und zunächst rechtwinklig auf einer Welle sitzt. Infolge von Inhomogenitäten liegt ihr Schwerpunkt S in der Entfernung e vom Mittelpunkt W der Scheibe. e nennt man Exzentrizität. Die geometrischen Mittelpunkte von Scheibe und Welle fallen zusammen, es ist der Wellendurchstoßpunkt W. Der Punkt O repräsentiert die Lagermitten. Durch die Exzentrizität der Scheibe entsteht eine rotierende Fliehkraft me˝ 2 , die durch die Lager aufgenommen werden muss. Das Produkt aus Masse und Exzentrizität ist die Unwucht U D me. Die axiale Lage der Ebenen, an denen Massen zum Korrigieren des Wuchtzustandes angebracht werden können, werden als Wuchtebenen (WE) mit römischen Zahlen bezeichnet. Da die Lager frei von umlaufenden Unwuchtkräften sein sollen, werden in den WE I und V in unmittelbarer Nähe der Lager Kompensationsunwuchten (KUS ) angebracht, gekennzeichnet durch Kreise mit einem Punkt. Da der Rotor axialsymmetrisch aufgebaut ist, werden in diesem Falle die KU gleich groß sein. Man könnte den noch unwuchtigen Rotor auf Schneiden lagern und statisch auspendeln lassen. Man spricht deshalb auch von einer statischen Unwucht US . Natürlich kann auch eine einzige KU an der Scheibe angebracht werden. In vielen Fällen ist die Scheibe besonders bei Betriebswuchtungen nicht zugänglich und es muss auf die konstruktiv vorgegebenen WE I und V zurückgegriffen werden. Es ist natürlich zu betonen, dass die Größe und Richtung von e nicht bekannt sind. Mit modernen Auswuchtmaschinen kann jedoch die Winkellage und Größe einer Unwucht bestimmt und somit der Rotor gewuchtet werden. Muss die Maschine im Betriebszustand gewuchtet werden, wird die Größe der Unwucht und die Phasenlage mittels Testgewichtsetzungen bestimmt. Wird ein Kompensationsgewicht mk am Auswuchtradius r der Scheibe angebracht, ergibt das statische Momentengleichgewicht des gewuchteten Rotors die Beziehung mk r D me. Anders sieht es bei dem nebenstehenden Rotor mit einer homogenen Scheibe aus, dessen Scheibenschwerpunkt S mit O und W zusammenfällt. Die Scheibe sitzt aber unter dem Winkel ˇ schief auf der Welle. Bei Rotation entsteht ein sog. Unwuchtmoment infolge der Taumelbewegung. Die obere Scheibenhälfte ist momentan nach links geneigt, die untere nach rechts. Beide Scheibenhälften haben den Schwerpunktabstand eh von der Drehachse und jede Scheibenhälfte besitzt somit eine Unwucht Ud D 1=2m eh. Die beiden Unwuchten der Scheibenhälften sind aber axial um den Betrag a versetzt, sodass ein Unwuchtmoment Mu D Ud a entsteht. Da diese Art Unwucht sich nur bei Rotation zeigt, wird sie dynamische Unwucht Ud genannt. Zum Auswuchten benötigt man ein entsprechendes Gegenmoment, das durch die KU in den WE I und V gebildet wird. In der Praxis besitzt jeder Rotor natürlich eine kombinierte Unwucht. Beim Auswuchten dieser Wellen wurde bisher davon ausgegangen, dass die Biegemomente in der Welle infolge von Fliehkräften ohne merkliche Verformungen
894
P. Wutsdorff
der Welle aufgenommen werden. Diese Voraussetzung der „Starrheit“ ist jedoch bei großen Rotoren des Turbomaschinenbaus selten erfüllt. Wird die Drehzahl n bis in die Nähe der ersten bzw. zweiten Biegeresonanzdrehzahl gesteigert, liegen Verhältnisse vor, wie sie im unteren Teil des Bildes dargestellt sind. Die ursprüngliche bei geringer Drehzahl auftretende Fliehkraft Fe D me˝ 2 wird bei höherer Drehzahl so groß, dass die Welle sich um f ausbiegt und die „neu entstehende“ Fliehkraft jetzt die Größe F D m.e C f /˝ 2 hat. Die elastische Ausbiegung f der Welle läuft mit der Drehzahl um. e und f sind Vektoren, die i. Allg. nicht kollinear sind. Die exzentrisch zur Verbindungslinie der Lagermitten verlagerte Rotormasse (Punkt W) verursacht eine zusätzliche Unwucht, sie vergrößert die Durchbiegung weiter und hat eine Vergrößerung der Lagerreaktionskräfte zur Folge. Man spricht jetzt von einem elastischen Rotor. (Die gleichen kinetischen Verhältnisse liegen übrigens beim Fliehkraftregler vor.) Die praktische Erfahrung zeigt, dass Wellenelastizität vorliegt, wenn das Verhältnis nBetr =nres > 0;7 ist. In der Nähe der ersten Biegeresonanzdrehzahl verbiegt sich ein Rotor u-förmig infolge der statischen Unwucht und bei der zweiten s-förmig durch das Unwuchtmoment. Ein starrer Rotor hat in der Ebene zwei Freiheitsgrade, weswegen auch zwei WE (hier I und V) zum Auswuchten notwendig sind. In der Nähe der ersten beiden Biegeresonanzen erfährt der Rotor zwei zusätzliche Freiheitsgrade, also werden zwei zusätzliche WE (II und III) benötigt. Man spricht daher vom (nC2)-Verfahren beim Auswuchten eines elastischen Rotors, wenn n Biegeresonanzen innerhalb des Betriebsdrehzahlbereiches liegen. Im linken unteren Bild muss eine KUe direkt an der Scheibe in WE III gesetzt werden, gekennzeichnet durch das Kreuz. Diese würde aber bei niedriger Drehzahl das schon gewonnene Wuchtergebnis zunichte machen. Deshalb müssen in den WE I und V an den Lagern entsprechende Gegen-KUe gesetzt werden, die ebenfalls durch Kreuze gekennzeichnet sind. Im unteren rechten Bild entsteht infolge der s-förmigen Verbiegung der Welle ein das ursprüngliche Unwuchtmoment verstärkendes zusätzliches Unwuchtmoment, das mit einem entsprechenden Gegenmoment beseitigt werden muss, indem man in den WE II und IV in den Bäuchen der S-Form zwei KUe setzt. Auch hier würde das bei niedriger Drehzahl erzielte Wuchtergebnis beeinträchtigt werden; in den WE I und V an den Lagern müssen daher wiederum KUe gesetzt werden. Zur Kompensation der Biegemomente werden also ganze Gewichtssätze am Rotor angebracht, um den schon bei niedriger Drehzahl erreichten Wuchtzustand nicht zu zerstören. Jeder Gewichtssatz zum Auswuchten in der Nähe der Resonanzen ist in sich statisch und dynamisch ausgeglichen. Diese Prozedur wird „elastisches Wuchten“ genannt. Rotoren von großen Gasturbogruppen laufen überkritisch (nBetr =nres > 1;0) und sind als elastische Rotoren einzustufen. Bei den meisten großen elastischen Gasturbinenrotoren ist die erste und zweite Resonanzdrehzahl in Betracht zu ziehen. Die notwendige Auswuchtmethode ist auch hier das systematische Auswuchten in mehreren Ebenen. Man kann zwar einen elastischen Rotor in nur zwei Ebenen auswuchten, dann aber nur für eine bestimmte Drehzahl, nicht aber für den ganzen Betriebsdrehzahlbereich. Die Kunst des „elastischen Wuchtens“ besteht also in der
30 Maschinendynamik
895
WE I
III
II
IV
T
V
VI
V
U(z) = U0(1–[z/l])
U0
z l Us + Ud 0,28
0,714 0,21
1. EF
0,21
Ue1 0,42
0,004
2. EF
0,008 Ue2
0,008
0,5
0,008
0,004 Res. 0,42
–0,008
0,074
Σ = 0,994 Abb. 30-16 Wuchten eines Gasturbinenrotors nach Eigenformen
geeigneten Wahl der Größe und Anordnung der Wuchtgewichte, um die zulässige Laufruhe über den ganzen Betriebsdrehzahlbereich zu erreichen. Es werden heute zwei grundsätzlich verschiedene Methoden zum Auswuchten elastischer Rotoren angewendet: Das Wuchten nach Eigenformen (modal balancing) wie es an dem obigen Beispiel gezeigt wurde. Allgemein beeinflusst der Wuchtsatz einer Eigenform den Wuchtzustand des starren Rotors und diejenigen der vorherigen Eigenformen nicht
896
P. Wutsdorff
mehr. Die Wuchtebenen für das elastische Wuchten müssen möglichst im Bereich der Schwingungsbäuche der Eigenformen liegen. Um einen Eindruck von den Größenordnungen der zu setzenden Wuchtgewichte zu vermitteln, wurde in Abb. 30-16 das Beispiel einer dreieckförmigen Urunwucht gewählt. Als Initial- oder Urunwucht bezeichnet man die zu beseitigende Unwucht. Das Integral über die Dreiecksunwucht beträgt zur Vereinfachung 1 kg m. Eingetragen sind die KU der Starrkörperwuchtung und die der ersten beiden Eigenformen, bezogen auf die Urunwucht. Es wurde hier von dem für den Wuchtingenieur idealen Zustand ausgegangen, dass fünf WE zur Verfügung stehen, ein Umstand, der in der Praxis leider selten anzutreffen ist. Man erkennt in Abb. 30-16, dass die Wuchtsätze für die Eigenformen in sich statisch ausgeglichen sind. Die resultierenden KU in den WE und die Gesamtsumme sind unten aufgetragen. Die WE VI in der Kupplung wird in der Wuchtanlage im Herstellerwerk selten benutzt, da hier der Anschluss zur Arbeitsmaschine (z. B. Generator) erfolgt. Im Zusammenschluss mit der Arbeitsmaschine entstehen in diesem Bereich andere Eigenformen. Außerdem sollte diese im Betrieb sehr gut zugängliche WE Betriebswuchtungen vorbehalten bleiben. In [30.10] untersucht Wutsdorff quantitativ wuchttechnisch noch eine Reihe weiterer Rotoren des Turbomaschinenbaus. Das Wuchten mit Einflusskoeffizienten (influent coefficient method) erfordert mehrere Messungen und Testläufe. Umfasst der Betriebsdrehzahlbereich 2 Resonanzdrehzahlen, sind, wie gezeigt wurde, (n C 2) WE erforderlich, in die nacheinander Testgewichte nach einem sog. Urunwuchtlauf gesetzt werden. Es werden n C 1 Messdrehzahlen festgelegt, wobei die erste Messdrehzahl so niedrig liegt, dass der Rotor als starr betrachtet werden kann. Die übrigen Messdrehzahlen sollten im Bereich der Resonanzdrehzahlen liegen. Gemessen werden die drehfrequenten Wellen- und/oder Lagerbockschwingungen nach Betrag und Phase an den Lagern. Auf diese Weise wird der Einfluss eines jeden Testgewichtes auf die Schwingungen an den Lagern bei den verschiedenen Messdrehzahlen ermittelt. Daher der Name des Verfahrens. Aus den so gewonnenen Datensätzen werden anschließend mit einem Rechenprogramm die notwendigen Ausgleichsgewichte bestimmt. Die Grenzen des Verfahrens diskutiert Wutsdorff [30.10].
30.11 Ausblick Die hier angerissenen Probleme des rotordynamischen Verhaltens großer GT-Gruppen sind u. U. für den vor einer Turbogruppe stehenden Betriebsingenieur, der sich im Sinne der Einleitung zu diesem Kapitel mit zu hohen Schwingungen seiner Maschine beschäftigen muss, vielleicht etwas unübersichtlich. Das Flussdiagramm der Abb. 30-17, wie es der Verfasser in [30.15] im Rahmen eines Berichtes über Expertensysteme vorgestellt hat, stellt einen groben Wegweiser dar, wie die Ursachen zu hoher Schwingungen eingekreist werden können.
30 Maschinendynamik
897
Bewerten und Verknüpfen der Abweichungen n
S - radial ? j
n f = 2fn ?
n
f = fn ? j
j Geno
Ax-Lg.
Hochl./Abl. ?
j
j Teilreson, Lose, Abtasten
n
f(Paramet.) ?
stationär ? j
j
n
Anstreifen Vektordrehen Erregerstr.
therm. Peak
n
e-Fkt ?
n
P-krit. Staffelg.
n
Getriebe ? j
n
Sondermessg. Getriebe Geisterfreq.
Kupplg./Ausr. ? j Prüfen
j Reson.
n
f = 2fn ? n
Wuchten
n
f(T-Öl) ?
f < fn ? j
Geno
f = kfn ?
n
f < 0,2fn ?
j
j
n
n
stochast. ? j
j fremd
0,2fn < f < 0,8fn ? j
Rohrltg.
Run out f > 5fn ? j Körp.-Schall
n n
n
f(Leistg) ? j
0,8fn < f < 2fn Sonderfall
Abb. 30-17 Flussdiagramm zur Schwingungsdiagnose
Instab. T-Öl
Instab. Stafflg.
898
P. Wutsdorff
Literaturverzeichnis 30.1. Gasch, R.; Pfützner, H.: Rotordynamik. Springer 1975 bzw. Gasch, R.; Nordmann, R.: Rotordynamik. Springer 2001 30.2. Krämer, E.: Maschinendynamik. Springer 1984 30.3. Krämer, E.: Dynamics of rotors and foundations. Springer 1993 30.4. Wutsdorff, P.: Messtechnische Untersuchung leistungsabhängiger Schwingungen an Getriebeturbinen. VDI-Ber. Nr. 536, S. 91–96. VDI-Verlag 1984 30.5. Wutsdorff, P.: Einfluss der dynamischen Randbedingungen auf das Laufverhalten einer 150-MW-Dampfturbogruppe. VDI-Ber. Nr. 603, S. 159–166. VDI-Verlag 1986 30.6. Wutsdorff, P.: Stabilitätsuntersuchungen an einem Kühlgasradialgebläse. In: Irretier, H.; Nordmann, R.; Springer, H.: Schwingungen in rotierenden Maschinen. SIRM-Tagung, Braunschweig 1995. Vieweg 1995 30.7. VDI-Richtlinie 3839, Bl. 1, 2, 5: Hinweise zur Messung und Interpretation der Schwingungen von Maschinen. VDI-Verlag 2001 30.8. Kellenberger, W.: Quasi-stationäre Schwingungen einer rotierenden Welle, die an ein Hindernis anstreift. Spiral vibration. Ing. Arch. 46 (1977) S. 349ff 30.9. Kellenberger, W.: Elastisches Wuchten. Springer 1987 30.10. Wutsdorff, P.: Untersuchungen zum Auswuchten elastischer Rotoren des Turbomaschinenbaus. Diss. TU Berlin 1975 30.11. Schneider, H.: Auswuchttechnik. VDI-Verlag 1992 30.12. Pernleitner, E.: Ausrichten von Maschinensätzen und -wellen. VDI-Verlag 1993 30.13. Tondl, A.: Some problems of rotordynamics. CZ Academy of Science, Prag (Tschechien) 1965 30.14. Glienicke, J.: Rotordämpfung. FVV-Bericht 251, Frankfurt/Main 1978 30.15. Wutsdorff, P.: Ein Expertensystem zur Zustandsdiagnose an Dampfturbinen. VGBKraftwerkstechnik. H5, S. 426ff, Essen. VGB-Verlag 1991 30.16. Federn, K.: Auswuchten, Springer 1977 30.17. Liebich, R.: Der Rotor-Stator-Kontakt unter Berücksichtigung von thermischen Effekten; VDI-Ber. Reihe 1, Nr. 296, Düsseldorf, VDI-Verlag 1998
Kapitel 31
Abnahmemessungen Klaus Werner
31.1 Zielsetzung Abnahmemessungen an Gasturbinen finden i. Allg. statt, um vertraglich garantierte Betriebseigenschaften der Maschine nachzuweisen. Bei Anlagen mit reinem Gasturbinenbetrieb handelt es sich dabei meist um die elektrische Leistung an den Generatorklemmen sowie den Wirkungsgrad, gebildet aus elektrischer Leistung und zugeführtem Brennstoffenergiestrom. Darüber hinaus werden i. d. R. Emissionsmessungen zum Schadstoffausstoß und zur Schallausbreitung durchgeführt. Wird die Gasturbine in einem Kombikraftwerk betrieben, so können auch ihre Abgasgrößen, Massenstrom und Temperatur, Gegenstand der Abnahmemessung sein. Dieses Kapitel befasst sich im Wesentlichen mit den nachzuweisenden thermodynamischen Größen, da diese fast immer den Hauptanteil der Messkampagne ausmachen. Ziel der Messung ist also, die garantierten Größen und alle Randbedingungen der Garantie, z. B. Umgebungszustände, zu bestimmen. Liegen diese Daten vor, so können die nachzuweisenden Eigenschaften auf die Garantierandbedingungen umgerechnet und mit den vertraglich zugesicherten Werten verglichen werden.
31.2 Grundlagen, Normen Es gibt verschiedene nationale und internationale Normen, ISO 2314 [31.1], ASME PTC22 [31.2], DIN 4341 [31.3], die so ausgeführt sind, dass sie Basis für eine Gasturbinenabnahmerichtlinie sein können. Im Normalfall reicht es demnach nicht aus, festzulegen, dass eine Abnahmemessung entsprechend einer zitierten Norm durchzuführen ist, sondern Kunde und Hersteller halten Absprachen zum Ablauf und zur Auswertung der Messungen in einer zusätzlichen Richtlinie fest. Die beiden gebräuchlichsten Normen, ISO 2314 und ASME PTC22, zielen zwar auf das gleiche in Abschn. 31.1 beschriebene Ergebnis ab, sie unterscheiden sich aber in einigen Punkten dennoch signifikant. Eine Gegenüberstellung, insbesondere im Hinblick auf Messfehler und deren Berücksichtigung, ist in [31.4] ausgeführt. C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
899
900
K. Werner
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Normen liegt in der Beurteilung des Gasturbinenbetriebszustandes aufgrund der eingestellten Temperatur. Während die ASME PTC22 nur die Turbinenaustrittstemperatur als führende Größe berücksichtigt, verwendet die ISO 2314 Energie- und Massenstrombilanzen, um auch eine Turbineneintrittstemperatur zu ermitteln. Man erhält dort also eine Zusatzinformation über die Belastung der gesamten Turbine stromaufwärts. Der Algorithmus ist so aufgebaut, dass der gesamte Kühlluftmassenstrom für die Turbine mit berücksichtigt wird, ohne dass dieser explizit gemessen oder vorgegeben werden muss. Ursache für die unterschiedlichen Behandlungen sind wohl die Auslegungsphilosophien der lokalen Hersteller, verbunden mit Ursprüngen der jeweiligen Normentstehung. Die amerikanischen Hersteller haben sicherlich die ASME PTC22 dadurch entscheidend beeinflusst, dass sie als Auslegungsgröße die sog. „firing temperature“, also eine reale Gastemperatur vor dem ersten Turbinenleit- oder -laufrad, verwenden. Da diese Temperaturen in der Praxis mit vertretbarem Aufwand nicht messbar sind, konzentriert man sich hier also auf die Abgastemperatur. Demgegenüber berücksichtigen die europäischen Hersteller, die stark in der Entwicklung der ISO-Norm 2314 vertreten sind, auch die sog. ISO-Turbineneintrittstemperatur oder ISO-Mischtemperatur bei der Entwicklung ihrer Maschinen. Zur Definition der ISO-Turbineneintrittstemperatur wie auch der firing temperature sei auf Kap. 2 verwiesen. Dies ist zwar eine fiktive Größe, die demzufolge auch nicht messbar ist, sie kann aber leicht aus gemessenen Größen mithilfe von Bilanzgleichungen bestimmt werden. Der Informationsgewinn kann so erheblich sein. Ist z. B. eine höhere firing temperature eingestellt als erwartet, verbraucht aber gleichzeitig die Turbine mehr Kühlluft als berechnet, so kann sich daraus genau die Auslegungsabgastemperatur einstellen. Da weder die firing temperature noch der gesamte Kühlluftverbrauch der Turbine messtechnisch erfasst werden, ist eine Erkennung der Fehlbelastung sehr unwahrscheinlich. Im gleichen Fall würde die ISO-Turbineneintrittstemperatur einen höheren Wert aufweisen, da in ihre Bestimmung der Brennstoffmassenstrom eingeht, der für die höhere firing temperature verantwortlich ist. Die jeweils letzten Versionen der beiden Abnahmenormen ISO 2314 und ASME PTC22 betonen, dass die Performancetests mit einem hohen Grad an Genauigkeit durchgeführt werden sollen. Dabei soll für die Messtechnik und die Messmethoden der derzeitige Stand der Technik, bezogen auf die ingenieurmäßige Durchführung und die Industriepraxis, berücksichtigt werden. Um dies zu untermauern, werden in beiden Normen für die wichtigsten Messstellen maximal zulässige Unsicherheiten genannt. Auch an dieser Stelle unterscheiden sich die amerikanische und die internationale Norm deutlich. Während die ASME die maximal zulässigen Unsicherheiten für die gesamte Messkette der einzelnen Messgrößen nennt, tabelliert die ISO nur die zulässigen Unsicherheiten der Messinstrumente.
31.3 Vorbereitung Mit dem Auftragsstart für eine Abnahmemessung beginnt bei der durchführenden Stelle die Koordination des Abnahmeteams. Dazu gehören i. Allg. ein Versuchslei-
31 Abnahmemessungen
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ter, Messtechniker und Kreislaufberechner. Hilfreich ist auch die Anwesenheit von Inbetriebsetzungsingenieuren und Leittechnikern auf der Anlage. Bei der Terminfestlegung sollte den Normen entsprechend berücksichtigt werden, dass die Abnahmemessung jeweils so früh wie möglich erfolgen sollte, um Alterungseinflüsse so weit wie möglich auszuschließen. Da aber der meistens nachzuweisende Grundlastbetrieb nicht sofort zu Beginn der Inbetriebsetzung möglich ist, vergeht eine gewisse Zeit bis zur Abnahmemessbereitschaft der Anlage. Um die Eigenschaftsänderungen der Gasturbine von der Inbetriebsetzung bis zum Abnahmetest zu berücksichtigen, werden dem Vertrag Alterungskurven beigelegt, die bei der Auswertung und Umrechnung der Messergebnisse auf Garantiebedingungen angewendet werden. Ebenso muss bei der Terminplanung berücksichtigt werden, dass der Hersteller vor den Tests die Gelegenheit erhält, die Gasturbine auf Konformität mit seinen Vorgaben zu prüfen und zu reinigen. Das können z. B. die Messung der Leitschaufelstellung am Eintritt des Verdichters und eine Verdichterwäsche sein.
31.3.1 Gespräche, Prozeduren, Festlegungen Da die Hersteller basierend auf den o. g. Normen meist ihre eigenen Richtlinien entwickelt haben, werden diese Standardunterlagen oft bereits mit in den Vertrag übernommen. Damit liegen dann die Abnahmeprozedur und die Messstellen fest. Trotzdem ist es sinnvoll, kurz vor der Abnahmemessung auf der Baustelle ein Gespräch unter Beteiligung des Kunden bzw. des Beraters sowie des Herstellers, der Bauleitung und der Inbetriebsetzungsvertreter durchzuführen. Themen sind dann u. a. ein genauer Zeitplan, die Lage der Messstellen, die Art und Anzahl der zu fahrenden Lastpunkte, die Entnahme und die Analyse der Brennstoffproben und der notwendige Personaleinsatz während der Messung.
31.3.2 Messinstallation Auf Basis der in den Abnahmerichtlinien genannten Größen erfolgt die Montage der extra für die Abnahmemessung vorgesehenen Messgeräte. Prinzipiell wäre auch eine Messdatenaufnahme mit Betriebsinstrumenten möglich. Die Qualität der Messwerte reicht jedoch in den meisten Fällen nicht aus, um die Genauigkeitsansprüche, die an die nachzuweisenden Größen gestellt werden, zu erfüllen. In der Regel sind die Abnahmemessinstrumente hochgenaue Geräte, die eine noch gültige Kalibrierung besitzen. Spätestens nach Installation aller Geräte sollte dem Kunden eine Kopie aller Kalibrierzertifikate übergeben werden. Zur Optimierung der Installationszeit sehen die Gasturbinenhersteller oft Möglichkeiten vor, um die zusätzlichen Einbauten ohne große Zwangsstillstände und ohne Demontage der betrieblichen Messgeräte zu ermöglichen. Werden also z. B. zur Bestimmung der Turbinenaustrittstemperatur im täglichen Betrieb sechs Thermoelemente verwendet, so kann die entsprechende Anzahl Temperaturmessgeräte
Exc. transf.
ϑFOS
ϑFOR
ϑFOS
fFG
Generator
pG, ϑG
pCO
ΔpG
Heizgas Fuel gas
N
ΔpCI
PGT T = PGT + PEXC
Main transf.
ϑCO ΔpCC
Brennkammer Combustion chamber
Verdichter Compressor
ϑCI
Schalldämpfer Silencer
Filter
pamb, ϕ, ϑamb
Lufteintritt Air intake
fFiW
Turbine
ϑTO
ΔpiS
ϑiW
piS
Abb. 31-1 Beispielhaftes Messstellenschema einer Gasturbinen-Abnahmemessung
pFOS
Heizöl Vorlauf Fuel oil supply
Heizöl Rücklauf Fuel oil return
pFOS
Heizöl Vormisch Fuel oil premix
IEXC
Aux. transf.
Diffusion-System
fFOSD
fFOR
Premix-System
fFOPM
Σ PAUX
PAUX T = PAUX + PEXC
Netz Grid
ϑiS
Diffusor Diffuser
ΔpEXH
ϑEXH
Schalldämpfer Silencer
NOx
Dampf Steam
Wasser Water
Kamin Stack
Rauchgasaustritt Flue gas exhaust
H2O - Eindüsung H2O - Injection
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31 Abnahmemessungen
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ohne großen Aufwand zusätzlich installiert werden, wenn auch sechs zunächst leere Bedarfsmessstellen vorgesehen werden. Bei heutigen Messungen werden die meisten Messgeräte direkt mit einer Messwerterfassungsanlage verkabelt, sodass sie elektronisch aufgezeichnet und je nach Bedarf über einen Zeitraum integriert oder gemittelt werden können. Nur Größen, die keinen starken zeitlichen Schwankungen unterliegen, wie etwa der Umgebungsdruck, können noch manuell aufgezeichnet werden. Um die Messwerte so realistisch wie möglich zu erhalten, muss bei einigen Messgrößen auf die korrekte Positionierung geachtet werden. So dürfen z. B. die für die Gasturbine relevanten Größen Umgebungstemperatur und Umgebungsdruck nicht irgendwo im Kraftwerk gemessen werden, wenn der Lufteintritt des Verdichteransaughauses auf einer geodätischen Höhe von 10 m liegt und je nach Windrichtung auch Kühlturmabdampf angesaugt wird. Sollten Versuchsleiter und Messtechniker nicht dieselbe Person sein, so wird die Einbauposition der Messgeräte generell zwischen den beiden abgestimmt. Die Prüfung auf einwandfreie Funktion erfolgt spätestens während eines Vortests (s. Abschn. 31.4).
31.3.3 Messgrößen Abbildung 31-1 zeigt zusammen mit Tabelle 31-1 beispielhaft die an einer Gasturbine eingesetzten Messstellen. Dabei wurde das Schema so aufgebaut, dass möglichst alle Messgrößen, die bei verschiedenen Betriebsmodi auftreten können, vorhanden sind. Auf Anlagen, die z. B. nur für Gasfeuerung ausgelegt sind, können demzufolge die Messinstrumente zur Ermittlung des eingespritzten Ölbrennstoffes entfallen. Ebenso sind meist die Leistungsmessungen an den Generatorklemmen ausreichend, sodass auf die Messstellen hinter Trafo verzichtet werden kann. Wie man sieht, werden bei dieser Messanordnung auch Größen wie Verdichteraustrittstemperatur oder Brennkammerdruckdifferenz gemessen. Für die reine Betrachtung der Garantiegrößen wie Leistung und Wirkungsgrad wären diese Werte ohne Belang. Sie ermöglichen aber den Blick in das Innere der Maschine, indem sie die Basis für die Berechnung der Verdichter- und Turbinenwirkungsgrade sowie der bereits beschriebenen ISO-Turbineneintrittstemperatur bilden. Anhand dieser Größen, die nicht nur auf der Gesamtbilanz der Gasturbine beruhen, kann der Hersteller eine Flottenanalyse betreiben und durch Vergleich mit den Messergebnissen oft sehr schnell feststellen, ob ein Messwert unplausibel ist.
31.4 Durchführung 31.4.1 Koordination Um einen reibungslosen Ablauf des Haupttests zu gewährleisten, werden i. d. R. während des Abnahmevorgesprächs alle notwendigen Tätigkeiten bestimmten Personen zugeordnet. Das kann vom Ablesen eines am Ansaughaus positionierten Ba-
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Tabelle 31-1 Beispielhafte Messstellenliste für eine Gasturbinenabnahmemessung Symbol Zu bestimmende Größe
Messgerätetyp
Einheit
a
pamb
Barometer
bar
X – X
Psychrom./Hygrom. Widerstandsthermometer Druckumformer Thermoelement Druckumformer Thermoelement Frequenzzähler
% °C mbar °C bar °C l=s (Hz)
X – – X X X – X – X – X –
Frequenzzähler
l=s (Hz)
X – X
Frequenzzähler
l=s (Hz)
X – X
Thermoelement Druckumformer Frequenzzähler Druckumformer
°C bar m3 =s (Hz) bar
X X X X
Druckumformer Leistungsmessgerät
bar kW
X – X X X X
Voltmeter Leistungsmessgerät Pulstransmitter Widerstandsthermometer Frequenzzähler
A – kW X – X min1 (Hz) – °C X – X l=s (Hz) X – X
Thermoelement Druckumformer Druckumformer Thermoelement Druckumformer Druckumformer Thermoelement Widerstandsthermometer Thermoelement
°C bar bar °C bar bar °C °C °C
' #amb pCI #FOS pFOS #FOR fFOPM fFOSD fFOR JG pG fFG pG pEXH pGT T IEXC PAUXT N #IW fFIW #IST PiS pIS #CO pCO pCC #EXH #CI #TO IGV a b c
Umgebungsdruck (am Verdichtereintritt) Relative Luftfeuchte Umgebungstemperatur Verdichtereintrittsdruckverlust Temperatur Ölvorlauf Druck Ölvorlauf Temperatur Ölrücklauf Volumenstrom Öl Vormischbetrieb Volumenstrom Öl Diffusionsbetr. Vorlauf Volumenstrom Öl Diffusionsbetr. Rücklauf Temperatur Brennstoff Gas Druck Brennstoff Gas Volumenstrom Brennstoff Gas Wirkdruckdifferenz Brennstoff Gas Turbinenaustrittsdruckverlust Leistung an den Generatorklemmen Erregerstrom Eigenbedarfsleistung, total Drehzahl Temperatur Einspritzwasser Volumenstrom Einspritzwasser Temperatur Dampf Druck Dampf Wirkdruckdifferenz Dampf Verdichteraustrittstemperatur Verdichteraustrittsdruck Druckdifferenz Brennkammer Turbinenaustrittstemperatur Verdichtereintrittstemperatur Turbinenaustrittstemperatur (Regelung) Stellung Verdichterleitschaufeln
Stellungsgeber, Winkelmesser %, °
Kalibrierung empfohlen Mehrere Messstellen für diese Größe empfohlen Hochgenaue Abnahmeinstrumentierung empfohlen
X X X X X
b
– – – –
– – – X X – X X X X X
c
X X X X X X
X X X X
X X X X X X X
– X
31 Abnahmemessungen
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rometers über die Brennstoffprobenahme in der außerhalb liegenden Gasversorgungsstation bis zur Aufzeichnung von Messwerten eines nicht elektronisch zu erfassenden Signals gehen. Da erfahrungsgemäß beim ersten Durchlauf einer Messung noch mit hoher Wahrscheinlichkeit Fehler auftreten können, wird die Durchführung eines Vortests empfohlen. Neben der korrekten Funktion aller Messaufnehmer kann so auch der abnahmeadäquate Zustand der Gasturbine überprüft werden. Bei erfolgreichem Abschluss des Vortests kann dieser nach vorheriger Absprache auch im Nachhinein zum Haupttest erklärt werden. Die Koordination umfasst darüber hinaus auch die Abstimmung mit dem Lastverteiler, die beinhaltet, dass die für die Abnahmemessung geplanten Lastzustände mit der Planung des Netzbetreibers übereinstimmen.
31.4.2 Betriebszustand Um den Einfluss von Umrechnungen auf die Ergebnisse so klein wie möglich zu halten, sollen die Tests bei Randbedingungen stattfinden, die so nahe wie möglich an den Bezugsbedingungen der Vertragsgarantie liegen. Prinzipiell können diese Bedingungen in verschiedene Gruppen aufgeteilt werden: • • • •
Umgebungsbedingungen, Ansaug- und Abgaskanal, Brennstoffeinsatz, Lastfall.
Die Umgebungsbedingungen können i. Allg. nur wenig beeinflusst werden, wenn das Datum der Messung festgelegt ist. Freiheitsgrad ist dann nur die Wahl der Tagesbzw. Nachtzeit unter Beachtung der Wettervorhersage. Im Ansaug- und Abgaskanal treten Druckverluste auf, die das Betriebsverhalten der Gasturbine beeinflussen. Die meisten Verträge enthalten daher Angaben über diese Größen im Zusammenhang mit den garantierten Leistungen und Wirkungsgraden, s. dazu Abschn. 34.2. Die hier auftretenden Besonderheiten bzgl. der Umrechnung werden in Abschn. 31.6.2 beschrieben. Um die Druckverluste in Richtung der gewünschten Konditionen zu verändern, können z. B. vor der Messung im Ansaughaus Filterwechsel vorgenommen werden oder im Abgastrakt Klappen zur Rauchgasumleitung auf bestimmte Stellungen justiert werden. Beim Brennstoff ist es die Aufgabe des Kunden, für den Versuchszeitraum Kriterien wie Zusammensetzung oder Vordruck sicherzustellen, die möglichst nahe an den vertraglichen Spezifikationen sind und die grundsätzlich die Anforderungen des Gasturbinenherstellers erfüllen. Auch für die Wahl der gefahrenen Last ist zu empfehlen, nicht zu stark von den Garantiepunkten abzuweichen. Ist z. B. ein Punkt mit Ölfeuerung und Wassereinspritzung garantiert, so ist zwar rechnerisch auch die Umrechnung eines im trockenen Gasbetrieb gefahrenen Messpunktes möglich, sie wäre aber mit zusätzlichen Ungenauigkeiten verbunden.
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31.4.3 Dauer Die von den gebräuchlichen Normen empfohlenen Messdauern unterscheiden sich teilweise. Während die ISO 2314 einen stationären Testzeitraum von 30 min empfiehlt oder als Notlösung mindestens drei Messpunkte mit einer Dauer zwischen 5 und 20 min pro Messpunkt vorschreibt, legt die ASME PTC22 eine maximale Dauer von 30 min fest. In der Praxis hat es sich bewährt, jeden garantierten Lastfall im Haupttest eine Stunde lang zu messen. Die moderne elektronische Datenverarbeitung erlaubt dabei, alle aufgenommenen Daten sogar in Intervallen kleiner als eine Minute abzuspeichern. Man hat dann die Möglichkeit, den Messzeitraum nach dem Test in mehrere gewünschte Intervalle zu unterteilen, um z. B. eine große Schwankung der Umgebungstemperatur zu eliminieren.
31.4.4 Schwankungen In jedem Fall ist ein stationärer Betriebszustand wichtig, um eine Abnahmemessung erfolgreich durchzuführen. Die Festlegung des Kriteriums „stationär“ hängt dabei sicherlich von den eingesetzten Maschinen und Apparaten ab. Die Normen listen hierzu Größen auf, die während des Testzeitraumes nicht mehr als die angegebene Abweichung vom Mittelwert aufweisen dürfen. Der Versuchsleiter beobachtet i. d. R. die Messgröße mit der höchsten thermischen Trägheit (z. B. die Verdichteraustrittstemperatur) und entscheidet danach, wann der Versuch gestartet wird.
31.5 Wesentliche Messgrößen Die genaue Anzahl und Anordnung der Messgeräte ist sicherlich von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Die Größen mit dem entscheidenden Einfluss auf den Garantienachweis sind aber in fast Fällen die gleichen, nämlich Leistung und Brennstoff sowie die Abgastemperatur als Eingangsgröße für die Beanspruchung der Turbine oder als Regelungsparameter.
31.5.1 Leistung Da es schwierig ist, die Kupplungsleistung einer Gasturbine zu messen, werden bei Kraftwerksabnahmemessungen fast ausschließlich elektrische Leistungen gemessen. Um möglichst genau bestimmen zu können, welche Leistung in die Energiebilanz der reinen Gasturbine eingeht, wird meistens an den Generatorklemmen gemessen, sodass Ungenauigkeiten bzgl. der Transformatorverluste vermieden werden können. Dabei wird die Leistung oft mit eigens für die Abnahmemessung installierten Geräten bestimmt, die nach der Drei-Wattmeter-Methode arbeiten. Diese hochgenauen, kalibrierten Geräte erreichen Messunsicherheiten von weniger als
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0,5%. Der bei dieser Vorgehensweise für Bilanzen zu berücksichtigende Generatorwirkungsgrad (üblicherweise > 98;5%, s. Abschn. 5.6) wird über eine Messung der Generatorverluste mit guter Genauigkeit schon vom Hersteller bestimmt und über ein Messprotokoll weitergegeben.
31.5.2 Brennstoff Die Bestimmung des mit dem Brennstoff in das System Gasturbine eingebrachten Energiestroms ist eine der höchsten Anforderungen, die während der Abnahmemessung auftreten. Die Aufgabe ist hier, sowohl den Brennstoffmassenstrom, als auch seine Zusammensetzung so genau wie möglich zu bestimmen. Daher verlässt man sich bei der Brennstoffmengenermittlung meist nicht auf die Anzeige bereits umgerechneter Werte (z. B. der Anzeige eines Flow-Computers in Normkubikmeter pro Stunde), sondern versucht, alle eingehenden Messgrößen direkt abzugreifen. Ist beispielsweise zur Gasmessung ein Turbinenradzähler installiert, so sind folgende Schritte empfehlenswert: • • • • •
direkte Messung der Frequenz des Turbinenradzählers, Umrechnung von Frequenz auf Volumenstrom mithilfe des Kalibrierzertifikates, direkte Messung der Brennstofftemperatur, direkte Messung des Brennstoffdruckes, Probenahme des Brennstoffs zur Analyse der Zusammensetzung und des Heizwertes in einem geeigneten Labor; nach gegenseitiger Abstimmung kann zu diesem Zweck auch ein Onlinegaschromatograf verwendet werden; Berechnung der Gasdichte im gemessenen Betriebszustand mithilfe der Gaszusammensetzung, der Temperatur und des Druckes, • Berechnung des Gasmassenstroms aus Volumenstrom und Dichte. Während die meisten Messgeräte für Brennstoffdurchflussmessungen als Zwischenergebnis den Volumenstrom liefern, sind auch – insbesondere für flüssige Brennstoffe – Messgeräte nach dem Coriolis-Prinzip verfügbar, die direkt den Massenstrom und die Dichte anzeigen können. Sie haben sich allerdings auf dem Kraftwerksmarkt bisher nicht durchsetzen können. Zur Brennstoffdurchflussmessung wird eine Reihe von Sensortypen angeboten, deren Aufzählung und Beurteilung den Rahmen dieses Kapitels sprengen würde. Nach Ansicht des Verfassers stellen hochwertige Turbinenradzähler zur Erfassung des Durchflusses sowohl gasförmiger als auch flüssiger Brennstoffe eine gute Wahl dar. In jedem Fall muss die gesamte Messeinrichtung mit Sensor, Ein- und Auslaufstrecke sehr sorgfältig und unter Einhaltung der Herstellervorgaben ausgeführt sein. Unter dieser Voraussetzung sind mit kalibrierten Turbinenradzählern Messunsicherheiten für den Brennstoffmassenstrom im Bereich von 0,5% erreichbar. Allerdings ist zu beachten, dass durch die Bestimmung der Heizwerte noch eine nicht vernachlässigbare Messunsicherheit dazu kommt, die i. Allg. bei flüssigen Brennstoffen (ca. 0,9%) größer ist als bei gasförmigen (ca. 0,3%).
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31.5.3 Abgastemperatur Die Messung der Gasturbinenabgastemperatur ist ein wichtiges Thema im Rahmen der Abnahmemessungen. Die Gasturbinenhersteller wenden größtenteils unterschiedliche Methoden an, um diese Größe zu bestimmen. Die Abgastemperatur dient im Wesentlichen zwei Zwecken: Zum einen geht sie in die Regelung der Maschine ein und beschreibt, wie in der ASME PTC22 vorausgesetzt, die Beanspruchung der Turbine, zum zweiten geht sie aber auch in die Energiebilanz ein, die um das Gesamtsystem Gasturbine gezogen werden kann, um z. B. die Turbineneintrittstemperatur nach ISO 2314 zu berechnen. Es kann demnach durchaus von Vorteil sein, für beide Zwecke unterschiedlich ausgelegte Temperaturmessungen vorzusehen. Denn die Regelung, die ja auch zum Schutz der Maschine eingesetzt wird, sollte sehr schnell heiße Strähnen erkennen. Also sollten die entsprechenden Thermoelemente so positioniert sein, dass sie Strömungen mit hohen Temperaturen schnell und zuverlässig detektieren. Hingegen sollten Temperaturen, die als Mittelwert einer Strömung in eine Bilanz eingehen, dort gemessen werden, wo bereits eine möglichst homogene Verteilung vorliegt, weil sonst sehr viele Messstellen notwendig werden. Die zu diesem Zweck eingesetzten Messinstrumente sind meistens Thermoelemente mit einer Messunsicherheit von 1,5 bis 2,5 K.
31.6 Auswertung Nach Austausch aller Messprotokolle zwischen den an der Messung teilnehmenden Parteien erfolgt die Auswertung. Sie dient sowohl dazu, den Vergleich der Messergebnisse und der Garantien zu ermöglichen als auch dazu, dem Hersteller Aufschluss über das Betriebsverhalten der Gasturbinenanlage zu geben, um seine Flottenanalyse zu verbessern und damit die Vorhersagegenauigkeit für Betriebsdaten zu erhöhen. Darüber hinaus kann der Abgleich mit den Mittelwerten der bis dahin untersuchten Flotte aber auch wertvolle Hinweise auf etwaige Messfehler geben. Aus diesem Grund werden fast immer mehr Daten aufgenommen, als für den reinen Garantienachweis notwendig wären.
31.6.1 Ansaugmassenstrom und Turbineneintrittstemperatur Wegen des hohen Aufwandes, der großen Messunsicherheit und der Schadensgefahr werden diese beiden Größen nicht direkt gemessen, sondern anhand von Bilanzierungen indirekt bestimmt. Die Messung der repräsentativen Turbineneintrittstemperatur würde z. B. sehr viele Messstellen erfordern, da am Eintritt der Turbine kein homogenes Temperaturfeld vorliegt. Zudem müssten sehr aufwändige Instrumente eingesetzt werden, denn erstens liegen sehr hohe Temperaturen vor und zweitens ist ein Abbrechen der Sensoren wegen der wahrscheinlich hohen Folgeschäden an der Turbinenbeschaufelung unbedingt zu vermeiden. Stellt man Bilanzen um die gesamte Gasturbine und um die Brennkammer auf, so ist sowohl der Ansaugmassenstrom als auch die Turbineneintrittstemperatur nach
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ISO 2314 berechenbar. Eingangsgrößen sind dann u. a. die Werte für Brennstoffmenge, Leistung, Ansaugtemperatur und Abgastemperatur, also Daten, die bereits vorhanden sind.
31.6.2 Umrechnung Die Umrechnung der gemessenen Größen auf die Referenzbedingungen muss so erfolgen, dass sowohl der Kunde als auch der Hersteller den Algorithmus akzeptiert. Daher werden meist vor den Abnahmemessungen Richtlinien und Umrechnungskurven übergeben. Trotz der weiten Verbreitung von Computerprogrammen zur Berechnung des Gasturbinenbetriebsverhaltens konnte sich der Ersatz von Umrechnungskurven durch entsprechende Software noch nicht durchsetzen. Beide Methoden werden z. B. auch in der ISO 2314 [31.1] erwähnt. Für elektronische Programme sprechen die kürzere Rechenzeit und die Verwendung geschlossener Bilanzen für Massen- und Energiestrom, während Umrechnungskurven sequentiell angewendet werden und von einer gegenseitigen Unabhängigkeit der einzelnen Parameter ausgehen, die aber in der Realität nicht immer gegeben ist. Gegen die Programme spricht bisher, dass die Hersteller nicht ihr komplettes Werkzeug zur Simulation des Betriebsverhaltens aus der Hand geben wollen und dass der Kunde zunächst eine „Black Box“ erhalten würde, deren Reaktionen er nicht im gesamten Umfang kennt. Im Folgenden sollen beispielhafte Kurven Details zur Umrechnungsprozedur mithilfe von Diagrammen verdeutlichen. Obwohl prinzipiell relativ einfach aufgebaut, können Umrechnungskurven doch auf verschiedene Arten erzeugt und angewandt werden. Eine Auswahl der wichtigsten Optionen ist: • projektspezifisch, d. h. jeweils bezogen auf die Vertragsbedingungen oder generell gültig, also z. B. bezogen auf die ISO-Umgebungsbedingungen, • mit konstanten Ansaug- und Abgasdruckverlusten oder mit konstanten Widerstandsbeiwerten für Ansaug- und Abgaskanal, • mit oder ohne Berücksichtigung von Sekundäreffekten bei Änderung eines Parameters. Beispiel für den letzten Punkt kann der Filterdruckverlust sein. Hält man zur Erstellung einer Umrechnungskurve für die Klemmenleistung als Funktion des Filterdruckverlustes alle anderen Größen konstant, so vernachlässigt man eventuell einen signifikanten Einfluss auf die Leistung, der erst durch Betrachtung einer Kausalkette deutlich wird. Mit steigendem Filterdruckverlust verringert sich der Ansaugmassenstrom des Verdichters. Da der Massenstrom das Druckverhältnis bedingt, fällt dieses ebenfalls. Hält die Regelung nun aber wie üblich die Abgastemperatur konstant, dann ergibt sich durch das abgesenkte Druckverhältnis eine niedrigere Turbineneintrittstemperatur. Dieser Effekt würde aber bei der Erstellung der oben beschriebenen Umrechnungskurve vernachlässigt. Dies ist also ein Beispiel für Unzulänglichkeiten oder Anwendungskomplexitäten von Umrechnungskurven.
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Um eine gebräuchliche Umrechnungsvorgehensweise beispielhaft darzustellen, wurde hier eine generell gültige, also nicht projektspezifische, Prozedur gewählt. Da sich die Korrekturkurven demnach auf Standardbedingungen beziehen, muss die Umrechnung von den Messbedingungen auf die vertraglich vereinbarten Referenzbedingungen in zwei Schritten erfolgen: 1. Korrektur von Messbedingungen auf die Standardbedingungen unter Verwendung des Index „M“. 2. Korrektur von Referenz- bzw. Garantiebedingungen auf die Standardbedingungen unter Verwendung des Index „G“. Die beschriebene Vorgehensweise führt zu folgenden Gleichungen für die auf Referenzbedingungen umgerechneten Werte (Beispiel Klemmenleistung): Pkorrigiert D Pgemessen Pkorrigiert Pgemessen I PM1 PG1 PG2 I PM2 I PM3 PG3 I PM4 PG4 I PM5 PG5 PG6 I PM6 PG7 I PM7 I PM9 PG9 I PM10 PG10
PG1 PG2 PG3 PG4 PG5 PG6 PG7 PG9 PG10 ŒKW PM1 PM2 PM3 PM4 PM5 PM6 PM7 PM9 PM10
korrigierte Leistung gemessene Leistung Korrekturfaktor für Umgebungsdruck bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Eintrittsdruckverlust bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Austrittsdruckverlust bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Brenngaszusammensetzung bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Luftfeuchte bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Drehzahl bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Verdichtereintrittstemperatur bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Wassereinspritzung bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Alterung bei Garantie-, Messbedingungen
Details zur Umrechnung des Leistungsfaktors finden sich im elektrischen Teil der Abnahmerichtlinie oder in den entsprechenden Generatorkurven. Mit ähnlicher Vorgehensweise kann auch der Klemmenwirkungsgrad umgerechnet werden. korrigiert D gemessen korrigiert gemessen G2 I M2
G2 G3 G4 G5 G6 G7 G8 G9 G10 Œ% M2 M3 M4 M5 M6 M7 M8 M9 M10
korrigierter Wirkungsgrad berechneter Wirkungsgrad, basierend auf gemessener Leistung und Wärmeeintrag Korrekturfaktor für den Eintrittsdruckverlust bei Garantie-, Messbedingungen
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G3 I M3 G4 I M4 G5 I M5 G6 I M6 G7 I M7 G9 I M9 G10 I M10
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Korrekturfaktor für den Austrittsdruckverlust bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für die Brenngaszusammensetzung bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für die Luftfeuchte bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für die Drehzahl bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für die Verdichtereintrittstemperatur bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für Wassereinspritzung bei Garantie-, Messbedingungen Korrekturfaktor für die Alterung bei Garantie-, Messbedingungen
Kurven (s. Abb. 31-2 bis 31-10), die exemplarisch den Verlauf der aufgelisteten Parameter enthalten, sind am Ende des Kapitels zu finden.
31.6.3 Ein-/Mehrwellenanordnung Wird bei einem Kombikraftwerk eine Gasturbine zusammen mit einer Dampfturbine auf einer Welle betrieben, so fehlt für die Auswertung zunächst eine Größe, nämlich die Leistung der Gasturbine. Während sie als Einzelwert im Kombikraftwerk keine Rolle für den Garantienachweis spielt, so ist doch zumindest der Hersteller an diesem Wert interessiert, um Aufschluss über die Eigenschaften der speziellen Maschine zu bekommen. Daher wird in diesem Fall meist vor oder nach den Messungen im Kombibetrieb eine Messung der Gasturbine allein durchgeführt, wenn eine ausrückbare Kupplung zwischen Dampfturbine und Generator vorhanden ist.
31.6.4 Solo-/Kombibetrieb In den vergangenen Jahren wurde die Gasturbine, deren Domäne früher die Spitzenlastanwendung war, mehr und mehr auch in Kombikraftwerken eingesetzt. Prinzipiell unterscheidet sich die Abnahmemessung der Gasturbine bzgl. der Bestückung mit Messgeräten und der Auswertung der Ergebnisse aber nicht zwischen den beiden Modi Kombi- und reiner Gasturbinenbetrieb. In einer Anlage, bei der nur die Leistung und der Wirkungsgrad des gesamten Blockes, bestehend aus Gasturbine, Kessel, Dampfturbine, Kondensator usw., garantiert sind, könnte man sich zwar auf die Messung weniger gasturbinenspezifischer Größen beschränken, aber auch hier gilt, dass ein Hersteller die wertvollen Zusatzinformationen, die er durch die Installation zusätzlicher Messinstrumente erlangen kann, nach Möglichkeit bekommen möchte.
31.6.5 Fehlerbetrachtung Wegen des Einflusses auf den entscheidenden Vergleich zwischen den umgerechneten Messgrößen und den Garantiewerten ist die Fehlerbetrachtung ein wichtiger
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Tabelle 31-2 Sensitivitätsanalyse für Änderungen der Ergebnisgrößen einer Messung nach Umrechnung (Beispiel Gasturbine der 250-MW-Klasse) Änderung der Ergebnisgröße in % Einflussgröße Umgebungsdruck (am Verdichtereintritt) Relative Luftfeuchte Umgebungstemperatur Verdichtereintrittsdruckverlust Brennstoffmassenstrom Heizwert Brennstoff Turbinenaustrittstemperatur Klemmenleistung Turbinenaustrittsdruckverlust
Änderung der Eingangsgröße 1% 5%-Punkte 1K 10% 1% 1% 1% (bez. auf °C) 1% 10%
Leistung
Wirkungsgrad
0,99
0
0,01 0,75 0,14 0,71 0,77 1,16 0,32 0,17
0,03 0,13 0,03 0,92 0,92 0,08 0,95 0,15
Bestandteil der meisten Auswertungen von Abnahmemessungen. Auch hier geben die Abnahmenormen mittlerweile Empfehlungen für die Betrachtung der Messunsicherheiten. Allerdings beschränken sie sich zu Recht auf deren Herleitung oder Berechnung und befassen sich nicht mit der möglichen Verknüpfung von Messergebnissen und -unsicherheiten in Richtung Vertragsvergleich. Die Gewährung und Anwendung von Testtoleranzen wird von beiden Normen als nicht-technische Angelegenheit betrachtet und demzufolge dem kommerziellen Teil des Vertrages zugeordnet. Die ASME PTC22 verweist auf die PTC19.1 [31.5] als eine ausführliche Beschreibung der Unsicherheitsbetrachtung und enthält darüber hinaus selbst einen Anhang mit Beispielrechnungen zu diesem Thema. Für Unsicherheitsbetrachtungen, vor allem im Zusammenhang mit Datenvalidierung, ist noch die VDI 2048 [31.6] von Bedeutung. Sie basiert auf der DIN 1319 [31.7] und versteht sich als Anleitung für die Auswertung von Abnahmemessungen bzw. für die Beurteilung der Ergebnisqualität. Durch Kopplung der Messunsicherheiten der einzelnen Instrumente mit probabilistischen Methoden und zu erfüllenden Nebenbedingungen, wie z. B. Bilanzgleichungen, führt die VDI 2048 sogar zu Messergebnissen mit korrigierten Messwerten. Daher muss ihre Anwendung schon vor den Tests von den teilnehmenden Organisationseinheiten akzeptiert werden. Prinzipiell sollte vor der Abnahmemessung geklärt sein, nach welchem Verfahren die Unsicherheiten der Messungen zu berechnen sind und welche Testtoleranzen vertraglich angesetzt werden dürfen. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft an einer Gasturbine der 250-MW-Klasse, welche Änderungen bei den Ergebnisgrößen nach Umrechnung auf vorgegebene Randbedingungen – z. B. Umgebungsbedingungen, Brennstoffzusammensetzung und Turbineneintrittstemperatur – auftreten können, wenn man einen bestimmten Messfehler für eine einzelne Größe annimmt und gleichzeitig alle anderen Messwerte unverändert lässt (Tabelle 31-2).
31 Abnahmemessungen
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Ein Fehler von 1% in der Leistung würde zunächst dafür sorgen, dass sich eine andere berechnete Turbineneintrittstemperatur ergibt. Durch Umrechnung dieser Turbineneintrittstemperatur auf den spezifizierten Wert reduziert sich der Fehler in der Leistung dann auf etwa ein Drittel des Ausgangswertes. Diese Art der Betrachtung, nach Umrechnung auf eine vorgegebene Turbineneintrittstemperatur, ist eher für den Hersteller interessant, der auf diese Weise seine Flotte vergleichbar macht. Bei der Umrechnung nach Abnahmemessung zum Garantienachweis wird dagegen die eingestellte Turbineneintrittstemperatur üblicherweise nicht umgerechnet.
31.6.6 Bericht Die Ergebnisse und alle notwendigen Angaben für die Nachvollziehbarkeit der Abnahmemessungen und der Auswertungen werden in einem Bericht zusammengefasst. Die beiden internationalen Normen ISO 2314 [31.1] und ASME PTC22 [31.2] geben jeweils an, welche Angaben Bestandteil eines Berichtes sein sollen. Oft liegt nach dem Abschluss der Messungen noch keine endgültige Brennstoffanalyse vor, sodass neben den übergebenen Kopien der Messprotokolle nur ein vorläufiger Bericht erstellt werden kann. Dieser enthält meist eine Zusammenfassung der relevanten Ergebnisse und den Hinweis auf die noch ausstehende Brennstoffanalyse. Nach Erhalt der Analyse werden die Berechnungen den endgültigen Brennstoffdaten angepasst und in den Abschlussbericht eingearbeitet. Nach Übergabe und Akzeptanz dieser Unterlage wird i. d. R. vom Kunden das Provisional Acceptance Certificate (PAC) erteilt, sodass die Anlage dem Betreiber übergeben werden kann.
914
K. Werner 1,18 Kurvenverlauf bei Erreichen der Grenzleistung (beispielhaft) Course when Mechanical Limit is Reached (Example)
1,16 1,14 1,12 1,10 1,08
Brennstoffmenge Fuel Mass Flow
m*F7
Klemmenleistung P*GT7 Power Output at Generator Terminals
1,06
Power Output and Efficiency at Generator Terminals , Fuel Mass Flow
1,04 1,02
Klemmenwirkungsgrad η*GT7 Efficiency at Generator Terminals
1,00 0,98 0,96 0,94 0,92 0,90 0,88 0,86 0,84 0,82 0,80 0,78 0,76 0,74
Brennstoffmenge Fuel Mass Flow
m*F7
Klemmenleistung P*GT7 Power Output at Generator Terminals
Erreichen der Grenzleistung zu erwarten
0,72
Compressor Inlet Temperature
Abb. 31-2 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung, -wirkungsgrad und Brennstoffmassenstrom als Funktion der Verdichtereintrittstemperatur
31 Abnahmemessungen
915
Abb. 31-3 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung als Funktion des Umgebungsdruckes
916
K. Werner
Abb. 31-4 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung und -wirkungsgrad als Funktion der relativen Luftfeuchte; Parameter Verdichtereintrittstemperatur
31 Abnahmemessungen
917
Abb. 31-5 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung, -wirkungsgrad und Turbinenaustrittsgrößen als Funktion des Ansaugdruckverlustes
918
K. Werner
Abb. 31-6 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung, -wirkungsgrad und Turbinenaustrittsgrößen als Funktion des Abgasdruckverlustes
31 Abnahmemessungen
919
Abb. 31-7 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung und -wirkungsgrad als Funktion der Drehzahl; Parameter Verdichtereintrittstemperatur
920
K. Werner
Abb. 31-8 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung und -wirkungsgrad als Funktion der Brennstoffzusammensetzung und des Heizwertes
31 Abnahmemessungen
921
Abb. 31-9 Exemplarische Umrechnungskurve für Klemmenleistung, -wirkungsgrad und Turbinenaustrittsgrößen als Funktion der Wassereinspritzung
922
K. Werner
Abb. 31-10 Exemplarische Umrechnungskurve für die Alterungsfaktoren der Klemmenleistung und des Klemmenwirkungsgrades als Funktion der äquivalenten Betriebsstunden (EOH)
Literaturverzeichnis 31.1. ISO 2314: Gas turbines – Acceptance test; ISO 2314 amd (1997) Gas turbines – Acceptance test – Amendment 1 (1989) (Veröffentlichung der Neufassung der ISO 2314 voraussichtlich im Jahre 2010, da der Final Draft International Standard (FDIS) hierzu bereits freigegeben wurde.) 31.2. ASME PTC 22: Performance test codes on gas turbines (1997) 31.3. DIN 4341: Abnahmeregeln für Gasturbinen. Teil 1: Grundlagen (Aug. 1979); Teil 2: Auswertungsbeispiele (März 1986) 31.4. Pfost, H.: Performance test codes for gas turbines and measurement uncertainties. Proc. 1999 Int. Joint Power Generation Conf., ASME New York, NY (USA), Bd. 1, S. 551–568 31.5. ASME PTC 19.1: Measurement uncertainty (1985) 31.6. VDI-Richtlinie 2048 (Entwurf): Meßunsicherheiten bei Abnahmemessungen an energieund kraftwerkstechnischen Anlagen – Grundlagen (Juni 1998) 31.7. DIN 1319: Grundlagen der Meßtechnik. Teil 1: Grundbegriffe (Jan. 1995); Teil 3: Auswertung von Messungen einer einzelnen Meßgröße, Meßunsicherheit (Mai 1996); Teil 4: Auswertung von Messungen mehrerer Meßgrößen, Meßunsicherheit (Okt. 1997)
Kapitel 32
Systematik der Erprobung Olaf König und Christof Lechner
32.1 Einführung Für die Erprobung schwerer stationärer Gasturbinen existieren, abgesehen von den Normen zur Durchführung der Abnahmemessungen vor Übergabe der Gasturbine an den Kunden, die in Kap. 31 beschrieben werden, keine Normen oder Regelwerke (s. auch Kap. 26). Sowohl die Erprobung innovativer Komponenten einer Gasturbine als auch die Erprobung einer Neuentwicklung einer kompletten Gasturbine ist dem Hersteller überlassen. In diesem Kapitel sollen die Typen von Versuchsanlagen beschrieben werden, die zur Erprobung des vielschichtigen Systems „Gasturbine“ genutzt werden. Aufgrund der weltweit stark steigenden Nutzung fossiler Energien und dem damit einhergehenden Ausstoß von Schadstoffen und CO2 werden von Gasturbinenbetreibern und -herstellern immer niedrigere Emissionen pro erzeugte Kilowattstunde elektrischer Energie gefordert. Ein ebenfalls hoher Innovationsdruck entsteht durch die parallele Forderung an die Hersteller, die Kosten ihrer Maschine pro kW Leistung zu senken (s. dazu Kap. 3). Der Einsatz der Gasturbine reicht heute vom kurzzeitigen Spitzenlastbetrieb mit wenigen Betriebsstunden, aber hohen Startzahlen, bis zum Dauerbetrieb in Kombikraftwerken mit ca. 8000 Betriebsstunden pro Jahr bei niedrigen Startzahlen. In allen Betriebsarten wird vom Markt hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit gefordert, die vom Hersteller meist vertraglich zugesagt werden muss. Für die experimentelle Absicherung von Innovationen entstehen aus dieser Situation zwei Zielrichtungen: Sie muss zum einen eine schnelle Umsetzung der Innovationen ermöglichen und zum anderen die vom Markt verlangten Eigenschaften nachweisen. Die zuverlässigste Aussage über die Dauerbetriebstauglichkeit einer neuen Komponente erhält man durch ihren erfolgreichen Langzeiteinsatz im Kraftwerk, doch kann auf diese Art die Forderung nach schneller Absicherung nicht erfüllt werden. So steht die Gasturbinenerprobung widersprüchlichen Anforderungen gegenüber, denen sie durch den Einsatz unterschiedlicher Versuchsmethoden gerecht wird.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
923
924
O. König, C. Lechner
Man unterscheidet hierbei die Erprobung in Komponentenversuchsständen, im Versuchskraftwerk und im Gasturbinenprüffeld.
32.1.1 Komponentenversuchsstand Komponentenversuchsstände bieten die Möglichkeit, spezifische Eigenschaften von Bauteilen oder Materialien gezielt, schnell und zu vergleichsweise geringen Kosten zu untersuchen. Aufgrund dessen werden Komponentenversuche auf nahezu allen Ebenen der Gasturbinenentwicklung vorgenommen. Eine Darstellung der Variationsbreite würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, daher soll das Prinzip anhand des Beispiels aerodynamischer Untersuchungen der Verdichterströmung vorgestellt werden. Wesentliche Ziele der Verdichterentwicklung sind die Minimierung der Strömungsverluste und ein in allen Betriebszuständen ausreichend großer Pumpgrenzabstand (s. Kap. 7). Folglich werden beide Kriterien auch in besonderen Versuchseinrichtungen untersucht. Als früheste Stufe der experimentellen Erprobung im Verlauf einer Neuauslegung eines Verdichters werden Schaufelprofile in ebenen Gitterwindkanälen untersucht. Dazu werden mehrere zylindrische Schaufeln gefertigt, deren Profil einem ausgewählten Zylinderschnitt der späteren Verdichterschaufel entspricht. Die Schaufeln werden zu einem Gitter zusammengefasst, dessen Staffelungswinkel und Teilungsverhältnis (s. Kap. 7) dem Originalzylinderschnitt entnommen wurde, und in die Messstrecke des Windkanals gebracht. Je nach Ausführung des Windkanals lassen sich nun die Anströmgeschwindigkeit, das Druck- und Temperaturniveau, sprich Mach- und Reynoldszahl, und der Anströmwinkel variieren. Durch die sich ausbildenden Seitenwandgrenzschichten und deren kontrollierte Absaugung lässt sich in einem gewissen Rahmen die Kontraktion von Gitterein- zu Gitteraustritt der für den ausgewählten Zylinderschnitt maßgeblichen Stromröhre (Axial Velocity Density Ratio D AVDR, s. z. B. [32.2]) im Versuch einstellen. Für die zu untersuchenden Schaufeln im Gitterverbund sind gleichmäßige Anströmbedingungen zu gewährleisten. Dies kann entweder durch eine entsprechend hohe Anzahl von Schaufeln oder durch geeignete Strömungsführung an Ober- und Unterseite des Kanals realisiert werden. Eine ausführlichere Behandlung der verschiedenen Typen von Gitterwindkanälen findet man z. B. bei Bölcs und Suter [32.1]. Durch Strömungssondenmessungen stromab des Gitters können dessen spezifische Eigenschaften, wie z. B. die Gitterumlenkung, das Druckverhältnis oder die Gitterverluste für einen bestimmten Betriebsbereich (Machzahl, Inzidenzwinkel) bestimmt werden (s. z. B. [32.2]). Auf diese Art können durch Gitteruntersuchungen wichtige Informationen zum grundlegenden aerodynamischen Verhalten von Schaufelprofilen im Gitterverband gewonnen werden, die eine Vorauswahl geeigneter Formen ermöglichen. Zur Untersuchung des Zusammenspiels von Gittern in einer oder mehreren Stufen stehen Verdichterprüfstände zur Verfügung. Wegen ihrer Abmessungen und ihrer großen Leistungsaufnahme werden in solchen Prüfständen maßstäblich verklei-
32 Systematik der Erprobung
925
nerte Stufen eingesetzt. Damit ein solches geometrisch ähnliches Modell auf die Originalausführung übertragbare Ergebnisse liefern kann, müssen im Versuch noch eine Reihe weiterer dimensionsloser Kenngrößen im Sinne der Ähnlichkeitsgesetze richtig wiedergegeben werden. Zur Theorie der Ähnlichkeit sei auf Zierep [32.3] verwiesen. Mit geringen Vereinfachungen bestehen für eine Verdichterstufe folgende Abhängigkeiten für die Zielgrößen der Untersuchung, z. B. dem polytropen Wirkungsgrad, der Enthalpie- und der Druckkenngröße (s. Kap. 6): V D V .';Mau ;Reu ;;li =D/ ; h
D
h .';Mau ;Reu ;;li =D/ :
(32.1) (32.2)
Das heißt, diese Kenngrößen haben im Modellversuch (Index M) und in der Originalausführung (Index O) gleiche Werte, wenn gilt: Durchflusszahl ' D cum (mit cm als Meridian- und u als Umfangsgeschwindigkeit): 'M D 'O : Machzahl Mau D
pu RT
(32.3)
(mit R als spez. Gaskonstante und T als Temperatur): Mau, M D Mau, O :
(32.4)
Reynoldszahl Reu D uD (mit der Dichte , der dynamischen Viskosität und D als Bezugsdurchmesser): Reu, M D Reu, O :
(32.5)
M D O ;
(32.6)
Isentropenexponent :
geometrische Abmessungen
li D
(mit li für ein beliebiges Maß):
li D
D
M
li D
:
(32.7)
O
Diese Forderungen wirken sich auf die Eckparameter eines Modellversuchs aus, wie im Folgenden kurz erläutert wird. Die erste Stufe einer Industriegasturbine (Druckverhältnis 1,4, Massenstrom ca. 450 kg=s, Leistungsaufnahme ca. 15 MW, Drehzahl 3600 1=min) soll in einem geoM D 15 untersucht wermetrisch ähnlichen Verdichterprüfstand im Maßstab f D D DO den. Im Prüfstand wird, wie in der Originalausführung, Luft von 288,15 K und 1,013 bar angesaugt.
926
O. König, C. Lechner
Somit ist die Forderung gleicher Isentropenexponenten (32.6) erfüllt. Aus (32.3) und (32.4), gleiche Durchfluss- und Machzahl, folgt unter den genannten Bedingungen: uM D uO
und ebenso cM D cO :
Denn durch die Einhaltung der geometrischen Ähnlichkeit liegen in Modell und Original an jedem Ort des Strömungskanals gleiche Geschwindigkeiten vor. Mit (32.7) folgt für die Drehzahl nM D 2 uM =DM : uM DO 1 nM : D D nO uO DM f 2 Neben der Modelldrehzahl ist auch der Massendurchsatz m P M / M cM DM von Interesse: 2 M cM DM M m PM D 2 D f2 : m PO O cO DO O
Mit dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik (s. Kap. 6) für adiabate Systeme und der Maßgabe, dass in Modell und Großausführung gleiche Enthalpiekenngrößen vorliegen (32.2), folgt für die Leistung PM : hM m PM M PM D D f2 : PO hO m PO O Aus der Forderung nach gleichen Reynoldszahlen (32.5) ergibt sich für die mit gleichem Medium durchströmten Stufen: M 1 : D O f Bei Einhaltung aller Kenngrößen wäre demnachPM D f PO . Für die betrachtete Stufe müsste der Verdichterprüfstand bei einer Drehzahl von 18 000 min1 über eine Antriebsleistung von etwa 3 MW verfügen. Um den damit verbundenen Aufwand zu vermindern, werden bei vielen Versuchsständen geringere Reynoldszahlen als in der Realität verwirklicht, indem die Versuche auf einem niedrigeren Druck- und damit Dichteniveau gefahren werden. In vielen Fällen ist dann auch das Grenzschicht- und Ablöseverhalten der Versuchsbeschaufelung nicht direkt auf die Großausführung übertragbar. Hierzu werden geeignete Korrekturverfahren eingesetzt. Die Simulation in der Realität erfolgt in der Regel wesentlich komplizierter als in diesem vereinfachten Beispiel. So werden vielfach unterschiedliche Medien verwendet oder unterschiedliche Temperaturniveaus eingestellt. Zudem können geringfügige geometrische Abweichungen nicht vermieden werden, wie die auch im Modell einzuhaltenden Mindestradialspalte über den Laufschaufeln oder die Oberflächenrauhigkeiten, die nicht maßstäblich wiedergegeben werden können.
32 Systematik der Erprobung
927
Abb. 32-1 Verdichterprüfstand
Bei sorgfältiger Festlegung der tolerierbaren Abweichungen von den Modellgesetzen bietet ein derartiger Versuchsstand aber die Möglichkeit, den Aufwand gegenüber Untersuchungen der Großausführung wesentlich zu verringern. Abbildung 32-1 zeigt den Verdichterprüfstand des Instituts für Strömungsmaschinen der Universität Hannover. Seine max. Drehzahl beträgt 18 000 min1 , der max. Durchsatz 14,1 kg=s und die max. Leistung 1350 kW. Die maßstäbliche Verkleinerung und die Erprobung unter Laborbedingungen erleichtert wesentlich die Instrumentierung mit unterschiedlichen Sensoren. Sie ermöglicht zudem den Einsatz anspruchsvoller und empfindlicher Messtechniken, wie z. B. Hitzdraht- oder Laser-Doppler-Anemometrie. Auf diese Art können die Strömungsvorgänge in der betrachteten Stufe sehr detailliert erfasst werden. Vielfach werden die Messergebnisse zur Validierung und Kalibrierung numerischer Strömungsberechnungsverfahren herangezogen, mit denen anschließend die Großausführung berechnet wird. Die Abb. 32-2a und 32-2b zeigen am Beispiel des dreistufigen Verdichterprüfstandes des Instituts für Strahlantriebe der RWTH Aachen Möglichkeiten und Umfang des Einsatzes von Messtechnik in derartigen Versuchsanlagen.
32.1.2 Erprobung im Kraftwerk Wie schon im vorigen Abschnitt angedeutet, kann auch eine sehr vielschichtige Komponentenerprobung keinen vollständigen Qualitätsnachweis liefern, da es nicht möglich ist, alle späteren Betriebsbedingungen des Bauteils zu simulieren. Die perfekte Wiedergabe der Betriebsbedingungen der Maschine kann letztlich nur die Maschine selber liefern. Eine Möglichkeit, Komponenten unter realen Betriebsbedingungen zu untersuchen, bietet die Erprobung in einer Gasturbine eines Kraftwerks. Selbstverständlich kann dies nur nach vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kraftwerksbetreiber erfolgen, zumal versuchsbedingte Ausfallzeiten des Kraftwerks in der Regel hohe Kosten verursachen. Die Erprobung im Kraftwerk eignet sich daher vor allem für die Untersuchung des Langzeitverhaltens von stark beanspruchten Bauteilen im realen Betrieb, die nach ihrem Einbau vorzugsweise den normalen Kraftwerksbetrieb
928
O. König, C. Lechner
Zustand der Zuströmung Totaldruck Totaltemperatur Strömungsgeschwindigkeit Strömungswinkel Totaldrucksonden, Zylindersonden
Feldmessung Totaldruck, statischer Druck Totaltemperatur, statische Temperatur Strömungsgeschwindigkeit Strömungswinkel Fünfloch-, Dreiloch-, Pitotsonden
Feldmessung statischer Druck Wanddruckbohrungen
Feldmessung Totaldruck, statischer Druck Totaltemperatur, statische Temperatur Strömungsgeschwindigkeit Strömungswinkel Fünfloch-, Dreiloch-, Pitotsonden
Zustand der Abströmung Totaldruck Totaltemperatur, Totaldrucksonden
statischer Druck Profildruckbohrungen
LE00
LA01
LE01
LA02
LE02
LA03
LE03
a Feldmessung Totaldruck Strömungsgeschwindigkeit Strömungswinkel HItzdrahtsonden, Totaldrucksonden
Feldmessung statischer Druck Halbleiterdruckaufnehmer
Feldmessung Totaldruck Strömungsgeschwindigkeit Strömungswinkel HItzdrahtsonden, Totaldrucksonden
Grenzschichtverhalten Oberflächenheißfilme statischer Druck Halbleiterdruckaufnehmer
LE00
LA01
LE01
LA02
LE02
LA03
LE03
b Abb. 32-2 a Instrumentierung eines Verdichterprüfstands zur Messung stationärer Strömungsgrößen, b Instrumentierung eines Verdichterprüfstands zur Messung instationärer Strömungsgrößen
32 Systematik der Erprobung
929
nicht beeinflussen und idealerweise im Rahmen der regulären Inspektionsintervalle kontrolliert werden können. Im Kraftwerk kann jedoch auch das Gesamtsystem Gasturbine erprobt werden. Diese Möglichkeit nutzen einige Hersteller zur Erprobung ihrer Prototypen [32.4]. Der Versuchsumfang geht dann weit über die standardmäßige Abnahmemessung einer Neuanlage hinaus, die in Kap. 31 behandelt wird. Bei der Prototyperprobung im Kraftwerk kann die Maschine unter realen Bedingungen über ihren gesamten Leistungsbereich geprüft werden. Viele der im Standardkraftwerksbetrieb auftretenden Betriebssituationen können auf diese Art nachgefahren werden. Somit bieten derartige Prototypversuche die Möglichkeit zu einem weitreichenden Qualitätsnachweis. Im Falle einer erfolgreichen Prototyperprobung mit planmäßigem Resultat kann der Hersteller sehr frühzeitig auf eine Referenzanlage verweisen, sein neues Produkt gelangt schnell auf den Markt. Dem steht entgegen, dass die Erprobung im Kraftwerk nicht umfassend ist. Es herrschen nur die örtlichen klimatischen Bedingungen vor, daher kann der Einfluss des thermodynamischen Zustandes der Ansaugluft nur begrenzt untersucht werden. Zudem können im netzsynchronen Betrieb extreme Fahrsituationen nicht gezielt eingestellt werden, sodass das Betriebsverhalten des neuen Maschinentyps nicht vollständig ermittelt werden kann. Andere Aspekte ergeben sich für die Vertragsgestaltung, wenn ein Prototyp mit der Option der Erprobung verkauft wird. Zum einen sind die Risiken, z. B. hinsichtlich der Leistungs- und Wirkungsgradgarantien, die mit dem Ersteinsatz eines neuen Maschinentyps verbunden sind, zu berücksichtigen. Zum anderen steht die Maschine während der Versuchsphase nur eingeschränkt für die Stromerzeugung zur Verfügung. In aller Regel ist auch bei Prototypkraftwerken ein pönalisierter Übergabetermin im Vertrag festgelegt, der außerplanmäßigem Erprobungsbedarf im Wege steht. Sollte die eine oder andere neue Komponente nicht die an sie gerichteten Forderungen erfüllen, so muss der Hersteller unter Zeitdruck und unter den Augen des Kunden eine funktionstüchtige Alternative bereitstellen.
32.1.3 Erprobung im Prüffeld Um eine umfassende Erprobung ihres Produkts sicherzustellen, betreiben einige Hersteller Versuchstände für die komplette Gasturbine [32.5, 32.6]. Ein derartiges Prüffeld dient sowohl zur Absicherung innovativer Komponenten, die dort unter realen Betriebsbedingungen untersucht werden, als auch zur Prototyperprobung, d. h. der Erprobung des Gesamtsystems Gasturbine. Ein zentrales Problem der Erprobung im Prüffeld ist die Beherrschung und Abnahme der Wellenleistung des Prüflings. Entweder kann dies durch einen Generator und der technischen und rechtlichen Möglichkeit, elektrische Energie ins Netz zu speisen, erfolgen, oder durch eine Wasserreibungsbremse und die angeschlossene Peripherie, d. h. Wasserkreislauf und Kühltürme. Mit einer Wasserreibungsbremse können von vornherein 50- wie 60-Hz-Maschinen gefahren werden, beim Generator ist man auf die örtliche Netzfrequenz festgelegt. Der Generator bietet dagegen den Vorteil, die beim Versuchsbetrieb aufge-
930
O. König, C. Lechner Ansaughaus
Erdgas-Package Heizöl-Package
Anfahrmotor
Abgasdiffusor
Wasserreibungsbremse
Gasturbine
Schmierölversorgung
Abb. 32-3 Gasturbinenprüffeld
wendete Brennstoffenergie zu verstromen. Da die Bedürfnisse des Versuchsbetriebs nach flexiblen Versuchs- und Stillstandszeiten, flexiblen Lasten und häufigen Lastwechseln einschließlich häufigen Schnellschlüssen aus hoher Last kaum mit denen der Energieversorgung übereinstimmen, relativiert sich dieser Vorteil in finanzieller Hinsicht. Bei der Wasserbremse muss der im Versuchsbetrieb eingesetzte Brennstoff energiewirtschaftlich als Verlust verbucht werden. Abbildung 32-3 zeigt das Schema eines Gasturbinenprüffelds. Kernstück dieser Anlage, die die Siemens AG in ihrem Gasturbinenwerk in Berlin betreibt, ist eine Wasserreibungsbremse, die Wellenleistungen bis zu 235 MW verarbeiten kann. Zufuhr der Ansaugluft, Führung des Rauchgases und Brennstoffversorgung entsprechen den Gegebenheiten eines Gasturbinenkraftwerks, die Leittechnik der Versuchsanlage ist jedoch den Bedürfnissen des Versuchsbetriebs angepasst. Sie bietet zum einen die Flexibilität, die der Off-design-Betrieb der Maschine erfordert, zum andern ermöglicht sie neben dem automatisierten Betrieb auch die manuelle Durchführung von Steuerungsvorgängen. Im Rahmen einer Prototyperprobung werden häufig folgende Themen untersucht: • Thermodynamik: Leistung, Wirkungsgrad, Austrittstemperatur, Massenstrom, • Emissionsverhalten, • Stabilität der Verbrennung bei unterschiedlichen Brennstoffen, mit und ohne Wassereindüsung, • Kühlluftverbrauch, • Oberflächentemperaturen heißgasführender Teile, • Schwingungsverhalten von Turbinen- und Verdichterlauf- und Leitschaufeln • Aero-Thermodynamik von Verdichter und Turbine, • Radialspalte, Dehnungen in unterschiedlichen Betriebssituationen.
32 Systematik der Erprobung
931
Die Bandbreite möglicher Untersuchungen ist naturgemäß außerordentlich groß. Sie richtet sich auch nach der Bauart des Prüflings und dem Innovationsgrad einzelner Komponenten. Einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Prototyperprobung im Kraftwerk gewinnt das Prüffeld, wenn es die Möglichkeit der Drehzahlvariation bietet. Bei Verwendung einer Wasserbremse ist dies ohne weiteres möglich, beim Betrieb mit einem Generator muss dieser vom Netz abgekoppelt werden und die elektrische Leistung mithilfe von elektrischen Widerständen abgebaut werden. Durch eine Variation der mechanischen Drehzahl können aero-thermodynamisch gesehen beliebige klimatische Umgebungsbedingungen simuliert werden. Wie in Kap. 7 dargestellt, wird das Betriebsverhalten eines Verdichters fester Geometrie durch das Verdichterdruckverhältnis charakterisiert, die reduzierte Drehzahl n und den reduzierten Massenstrom m P s s RTein, V, ref RTein, V pein, V, ref n Dn I m P Dm P : RTein, V pein, V RTein, V, ref Durch die Festlegung der mechanischen Drehzahl n kann so bei mitteleuropäischen Temperaturverhältnissen (Tein, V / eine reduzierte Drehzahl gefahren werden, die dem Gasturbinenbetrieb in den Tropen entsprechen würde. Mittels Drehzahl- und Lastvariation kann das Verdichterkennfeld und analog auch das Turbinenkennfeld aufgenommen werden. Eine ausführliche Darstellung des Betriebsverhaltens des Verdichters anhand des Verdichterkennfeldes wird ebenfalls in Kap. 7 gegeben. Im Gegensatz zum Kraftwerk bietet ein Prüffeld die Möglichkeit, auch Extremsituationen des Gasturbinenbetriebs, bei denen eine Beschädigung der Maschine nicht ausgeschlossen werden kann, gezielt einzustellen und zu untersuchen. Ein Beispiel dafür sind Versuche zur Pumpgrenzdetektion. Die eine Möglichkeit, einen Verdichter an die Pumpgrenze zu fahren, besteht in der Absenkung der Drehzahl, die andere in der schlagartigen, kurzzeitigen Erhöhung der Brennstoffeinspritzmenge (engl. fuel spiking). Abbildung 32-4 zeigt die Wirkungsweise beider Methoden im Verdichterkennfeld, bei dem das Druckverhältnis über dem reduzierten Verdichtermassenstrom aufgetragen ist. Die Drehzahlabsenkung führt bei einem Leistungsabgriff mit einer Wasserreibungsbremse zu einer Verringerung der Leistung. Damit sinkt das Verdichterdruckverhältnis etwas ab, bis die Pumpgrenze erreicht wird. Wie aus Abb. 32-4 ersichtlich, kann man deshalb auf diese Art den oberen Abschnitt der Pumpgrenze nicht ermitteln. In diesem Bereich hoher Lasten und Drehzahlen wird das Verdichterdruckverhältnis durch fuel spiking kurzfristig angehoben. Übliche Gasturbinenverdichter haben nahe der Nenndrehzahl auslegungsbedingt einen recht hohen Pumpgrenzabstand, sodass fuel-spiking-Versuche hauptsächlich dazu dienen, einen Mindestpumpgrenzabstand nachzuweisen. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind beispielsweise Schaufelschwingungsmessungen bei Drehzahländerungen unter Last. Da sich die Eigenfrequenzen der Turbinenschaufeln mit der – lastabhängigen – Temperatur ändern, kann durch einen derarti-
932
O. König, C. Lechner
Abb. 32-4 Versuche zur Pumpgrenzdetektion
fuel spiking Pumpgrenze
Drehzahlabsenkung
π
n = konst
. m*
Abb. 32-5 Campbell-Diagramm: Drehzahlvariation unter Last
gen Versuch festgestellt werden, ob bei einer bestimmten Leistung ein ausreichend großer Abstand zu den Resonanzfrequenzen der Schaufeln vorliegt. Abbildung 32-5 zeigt das Campbell-Diagramm einer Turbinenlaufschaufelreihe, in das die Eigenfrequenzen der Laufschaufeln und die ersten 5 Drehzahlharmonischen (Ziffern 1 bis 5) eingezeichnet sind. Wie in Kap. 15 vorgestellt, steigen die Eigenfrequenzen mit der Drehzahl an. Da sie sich von Schaufel zu Schaufel etwas unterscheiden, liegt in der Schaufelreihe eine gewisse Bandbreite F vor. Zudem sinken die Eigenfrequenzen mit steigenden Schaufeltemperaturen T , die sich bei steigender Last einstellen. Durch Schaufelschwingungsmessungen soll festgestellt werden, ob über den gesamten zulässigen Last- und Drehzahlbereich (z. B.
32 Systematik der Erprobung
933
95–103% der Nenndrehzahl) resonanzfreier Betrieb vorliegt. Bei drehzahlfestem Leistungsabgriff über Generator kann nur im Leerlauf Über- und Unterdrehzahl gefahren werden, während im Lastbetrieb die Netzfrequenz herrscht (in Abb. 32-5 schraffiert). Durch den drehzahlvariablen Lastabgriff kann der gesamte temperaturund drehzahlabhängige Eigenfrequenzbereich der Schaufeln abgefahren werden (in Abb. 32-5 gerastert). Im Beispiel fällt keine Eigenfrequenz mit einer Drehzahlharmonischen zusammen. Die messtechnischen Möglichkeiten für derartige Versuche werden in Kap. 33 vorgestellt.
32.2 Strategie der Erprobung Die Strategie zur Erprobung von Innovationen bei schweren stationären Gasturbinen zielt auf ihre größtmögliche technische Absicherung ab. Dabei richtet sie sich natürlich an den dem Hersteller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus, wobei betriebswirtschaftliche Überlegungen, insbesondere das Risikomanagement, und terminliche Eckdaten wesentliche Faktoren sind. Als ein Bestandteil des Entwicklungsprozesses erfolgt die Untersuchung neuer Bauteile gewöhnlich zuerst in Komponentenversuchsständen, in denen spezifische Funktionen durch Simulation einer Auswahl der wichtigsten Betriebsparameter überprüft werden. Nach Fertigstellung eines Prototyps, gleich ob Komponente oder Gesamtsystem, kann im kommerziellen Kraftwerk, in einem Versuchskraftwerk oder in einem speziellen Gasturbinenversuchsstand der Funktions- und Qualitätsnachweis unter realen Betriebsbedingungen vorgenommen werden. Auch die Kombination von verschiedenen Erprobungsmöglichkeiten wird von den Herstellern genutzt [32.4]. Die Untersuchung der Langzeitbetriebseignung erfolgt in ausgewählten Kraftwerken parallel zum regulären Betrieb. In diesem Zusammenhang bieten Betriebsüberwachungs- und Diagnosesysteme dem Gasturbinenhersteller eine wertvolle Datenbasis zur Analyse des Langzeitverhaltens seiner Maschinen.
Literaturverzeichnis 32.1. Bölcs, A., Suter, P.: Transsonische Turbomaschinen. G. Braun, 1986 32.2. Küsters, B., Schreiber, H.-A., Köller, U., Mönig, R.: Development of Advanced Compressor Airfoils for Heavy-Duty Gas Turbines – Part II: Experimental and Theoretical Analysis. Transactions of the ASME, Vol. 122, July 2000 pp. 406–415 32.3. Zierep, J.: Ähnlichkeitsgesetze und Modellregeln der Strömungslehre. G. Braun, 1972 32.4. Ratcliff, P., Garbett, P., Fischer, W.: The Siemens New Gas Turbine for More Customer Benefit SGT5-8000H. VGB Powertech – International Edition – 2007, Vol. 87; Numb. 9, pp. 128–132 32.5. Chellini, R.: ABB Gas Turbine Test Center Looks to the Future. Diesel & Gas Turbine Worldwide, December 1997 32.6. Seume, J.: Valuable Experience Gained from 25 Years of Operating the Full-Load Gas Turbine Test Facility in Berlin. Power Gen Europe ’97, Madrid, June 1997
Kapitel 33
Versuchsmesstechnik Stefan L.F. Frank und Frank Woditschka
Der Anteil der Mess- und Leittechnik an den Kosten eines modernen Gasturbinenkraftwerkes nimmt seit Jahren beständig zu. Betriebsmessstellen wie beispielsweise für Temperaturen, Drücke, Ventilstellungen und Durchflüsse sind für die Lebensdauer der Gasturbine vorgesehen und liefern ihre Informationen kontinuierlich an die Leittechnik. Diese stellt dann die Betriebsparameter automatisch so ein, dass jederzeit ein sicherer, zuverlässiger und umweltfreundlicher Betrieb der Gasturbinenanlage gewährleistet ist. Abnahmemessungen werden hingegen i. d. R. nach Abschluss der Kommissionierung zur Übergabe der Anlage an den Kunden nur einmalig durchgeführt. Diese Messungen dienen dem Nachweis der dem Kunden vom Hersteller garantierten Betriebswerte wie Leistung, Wirkungsgrad und Schadstoffemissionen. Darüber hinaus werden in speziellen Gasturbinenprüffeldern oder in ausgesuchten Kraftwerken Prototyperprobungen mit teilweise sehr aufwändigen Messtechniken durchgeführt. Diese Sondermessungen werden meist einmalig vorgenommen und dienen der Absicherung der im Auslegungsprozess bestimmten Betriebsdaten und der Bereitstellung von experimentell bestimmten Größen. Letztgenannte werden dann als Startwerte für numerische Berechnungen oder zur Verifizierung der eingesetzten Berechnungsprogramme verwendet. Daneben können konstruktive Modifikationen natürlich auch rein experimentell erprobt werden. Aus der Vielzahl angewendeter Sondermesstechniken sollen nachfolgend vier besonders wichtige im Detail beschrieben werden, im Einzelnen sind dies Radialspaltmessungen, die Temperaturmessung heißgasführender Bauteile und Verbrennungs- und Schaufelschwingungsmessungen.
33.1 Radialspaltmessungen Hochleistungsgasturbinen erfordern die genaue Bestimmung der radialen Spalte zwischen Laufschaufeln und Gehäusewand. Relativ große radiale Spalte ermöglichen es dem Heißgas, über die Blattspitzen zu strömen, ohne Arbeit zu verrichten. C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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936
S.L.F. Frank, F. Woditschka
Tabelle 33-1 Vergleich der verschiedenen Sensortypen für Radialspaltmessungen Sensortyp
Auflösung
Temperatur max. in °C
GeometrieAbhängigkeit
Abriebstifte Elektromechanisch Optisch Kapazitiv
0,05 mm 0,05 mm 0,05 mm 5% vom MB
Kaltspalte 800 1000 1100
Nein Nein Nein Ja
MB: Messbereich
Nach Peacock [33.1] bewirkt eine Vergrößerung des Spaltmaßes um 1% der Schaufelblattlänge dabei eine Verringerung des Wirkungsgrades um ca. 1,5%. Darüber hinaus stört die Spitzenumströmung das gesamte Strömungsfeld, sodass die Schaufeln nicht im Auslegungspunkt arbeiten und möglicherweise ihre Lebenserwartung beeinträchtigt wird. Bei zu geringen Spaltmaßen droht hingegen ein Anstreifen der Beschaufelung gegen die Gehäusewand. Als Folge können Schaufelausbrüche oder – beim Auslauf der Maschine – festsitzende Rotoren auftreten. In thermischen Strömungsmaschinen ändert sich das radiale Spaltmaß stark mit den Betriebsbedingungen, d. h. vor allem mit der Gas- und Gehäusetemperatur sowie mit der Drehzahl. Um die Leistungsabgabe und den Wirkungsgrad zu optimieren, werden insbesondere in Flugtriebwerken und zunehmend auch in stationären Gasturbinen die radialen Spalte aktiv beeinflusst. Hierzu ist eine zuverlässige Onlinemessung des Spaltmaßes notwendig. Bezüglich des kleinsten Spaltmaßes wird in Gasturbinen gemeinhin der Warmstart als kritischster Moment angesehen. Für den industriellen Einsatz werden ungekühlte Sensoren mit hoher Lebensdauer für permanenten Betrieb gefordert. Der Messbereich soll die gesamte Spanne vorkommender Radialspalte abdecken und die notwendige Elektronik ohne Kühlung auskommen. Für die messtechnische Erfassung kommen Abriebstifte, mechanische Taststifte, kapazitive und induktive Sensoren sowie optische Messtechniken zur Anwendung [33.2]. Einen Überblick der angewendeten Verfahren zur Spaltmessung gibt Tabelle 33-1. Bei den Abriebstiften handelt es sich um aus weichem Material (Kupfer, Messing, PTFE) hergestellte Stifte, die von der Gehäuseseite her eingeführt und von den vorbeidrehenden Laufschaufeln abgearbeitet werden (Abb. 33-1). Das so nach dem Versuch erhaltene Maß gibt den absolut kleinsten Spalt während des Testlaufs an. Mechanische Taststifte werden von der Gehäuseseite aus mit Schrittmotoren den rotierenden Blattspitzen mit geringer Geschwindigkeit (1 bis 5 µm=Umdrehung) solange entgegenbewegt, bis die Stifte die Blattspitzen berühren [33.3]. Hierdurch wird ein elektrischer Kontakt geschlossen, der zum einen bewirkt, dass das Spaltmaß von der Datenerfassung gespeichert wird, und zum anderen, dass der Taststift in seine Warteposition zurückfährt. Mit Taststiften sind daher auch transiente Spalte messbar, allerdings mit relativ geringer zeitlicher Auflösung. Kapazitive und Induktive Sensoren messen die Veränderung des elektrischen bzw. magnetischen Feldes zwischen dem im Gehäuse eingebauten Sensor und der
33 Versuchsmesstechnik
Abriebstifte
937
elektromechanischer Sensor
kapazitiver Sensor
Abb. 33-1 Auswahl verschiedener Sensoren zur Radialspaltmessung
rotierenden Schaufel. Die Sensoren arbeiten berührungslos und mit hoher Auflösung und eignen sich daher für eine transiente Messung des Spaltmaßes für jede einzelne Schaufel. Aufgrund des Messprinzips der Sensoren ist der maximal messbare Spalt auf einen Höchstwert begrenzt. Dies ist meist kein Nachteil, da insbesondere die Kleinstspalte interessieren. In letzter Zeit werden vor allem kapazitive Sensoren mit Erfolg eingesetzt [33.2, 33.4]. Optische Methoden arbeiten ebenfalls berührungslos und mit hoher Auflösung (z. B. [33.5]). Es kommen verschieden Messprinzipien zur Anwendung, beispielsweise Triangulation, Astigmatismus oder Rückstreuintensität. Hohe Auflösung und die Möglichkeit zur transienten Messung zeichnen auch diese Messverfahren aus. Bei den meisten Verfahren wird Licht vom Gehäuse aus mittels Laser oder LED eingebracht, welches von den rotierenden Schaufeln reflektiert und mit einer Fotodiode detektiert wird. In den ersten Turbinenstufen kann es aufgrund der hohen Schaufeltemperaturen und der damit verbundenen Wärmestrahlung zu Problemen kommen, da letztgenannte auch von den Fotodioden gemessen wird. Abbildung 33-2 zeigt die typische Entwicklung des kapazitiv gemessenen Laufschaufelspaltmaßes in der achten Verdichterstufe einer stationären Gasturbine über der Zeit für einen Fahrzyklus der Start (1), Belastung (2), Abfahren (3) sowie Warmstart (4) mit erneuter Belastung beinhaltet. Zu Beginn (1) ist der aktuelle Spalt erkennbar (für vollkommen abgekühlte Maschinen ist dies der sogenannte „Kaltspalt“). Beim Hochlauf (2) nimmt das Spaltmaß aufgrund der Fliehkräfte zunächst fortlaufend ab, bis die Gasturbine ihre Nenndrehzahl erreicht hat. Anschließend vergrößert sich der Spalt, um nach einiger Zeit den Wert beim erstmaligen Erreichen der Nenndrehzahl anzunehmen. Wird die Maschine jetzt abgeschaltet, wirken keine Zentrifugalkräfte mehr, sodass sich das Spaltmaß hier sogar über den ursprünglichen Wert vergrößert (3). Beim nachfolgenden Abkühlen sinkt der radiale Spalt deut-
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S.L.F. Frank, F. Woditschka
Radialspalt (2)
(3)
Last (4)
Radialspalt, Drehzahl, Last
(1)
Drehzahl
Abb. 33-2 Typischer Radialspaltverlauf über der Zeit für einen Betriebszyklus
lich unter den Startwert bei (1). Dieses liegt in den unterschiedlichen thermischen Zeitkonstanten begründet, weswegen sich alle Komponenten im Strömungspfad wie beispielsweise Schaufeln, Rotor sowie Leitschaufelträger und Gehäuse unterschiedlich schnell aufwärmen bzw. abkühlen. Wird die Maschine bei (4) erneut gestartet, so wirken erneut Zentrifugalkräfte, und das Spaltmaß sinkt noch unterhalb des zuvor bei (2) erreichten Minimalwertes. Dieses ist der kritische Moment, in dem unter allen Umständen sichergestellt sein muss, dass der verbliebene Spalt ausreicht, um ein Anstreifen der Laufschaufeln am Gehäuse zu verhindern.
33.2 Temperaturmessungen 33.2.1 Thermoelemente Die Forderung nach immer höheren Turbinenleistungen und Wirkungsgraden hat eine stetige Erhöhung der Turbineneintrittstemperaturen zur Folge. Die Entwicklung neuer Werkstoffe allein kann dieser Entwicklung nicht Folge leisten. Daher kommen neben Hochtemperaturwerkstoffen anspruchsvolle Kühlkonzepte zum Einsatz, wie beispielsweise die Konvektions-, Prall- und Filmkühlung bei Turbinenschaufeln. Um der Forderung nach möglichst hoher Lebenserwartung und langen Wartungsintervallen nachzukommen, ist eine genaue Bestimmung der Bauteiltemperaturen zur Absicherung der Auslegungswerte erforderlich. Als Faustregel kann gelten, dass eine um 15 bis 30 K zu hohe Bauteiltemperatur eine Halbierung der Lebensdauer bei
33 Versuchsmesstechnik
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Tabelle 33-2 Übersicht zu Temperaturmessverfahren Verfahren
Messbereich
Thermoelemente
–200–1600 °C < 1 °C, (max. 1700 °C) 1% vom MW
Thermofarben
40–1350 °C
Pyrometrie, 0–3000 °C Thermographie
Temperaturauflösung, Unsicherheit
Vorteile
Kommentar
– hohe Genauigkeit – Einzelpunktmessung – hohe Auflösung – Einfluss Temperatur– Standardtechnik gradient – Installation erforderlich
10–100 °C, – Flächenmessung 1–5% vom MW – Zugänglichkeit – keine Installation
– Auswertung aufwändig – Einmalmessung – Kalibrierung unsicher
0,1 °C, 1% vom MW
– optischer Zugang erforderlich – Einfluss Emissionsgrad – Einfluss Umgebungsstrahlung
– berührungslos – trägheitslos – hohe Auflösung
MW: Messwert
Schaufeln der ersten Turbinenstufe zur Folge hat. Für die Temperaturmessung an heißgasführenden Bauteilen kommen insbesondere Thermoelemente, Thermofarben und die optische Pyrometrie zum Einsatz. Jedes Messverfahren hat dabei seine spezifischen Vor- und Nachteile (Tabelle 33-2). Eine detaillierte Übersicht hierzu gibt die VDI/VDE-Richtlinie 3511 „Technische Temperaturmessungen“ [33.6]. Thermoelemente kommen für punktförmige Temperaturmessungen zum Einsatz. Vorteilhaft sind dabei die weite Verbreitung (Standardmesstechnik), die relativ einfache Handhabung und die hohe Genauigkeit. Nachteilig ist die teilweise recht aufwändige Installation, beispielsweise in Laufschaufeln. Hierbei muss das Temperatursignal vom rotierenden ins stehende System übertragen werden. Zudem wirkt sich die begrenzte räumliche Auflösung in Bereichen hoher Temperaturgradienten, beispielsweise bei der Oberflächentemperaturmessung von Turbinenschaufeln, nachteilig auf das Messergebnis aus. Als Kontaktthermometer entzieht das Thermoelement seiner Umgebung Wärme, was die Temperatur der Messstelle gegenüber dem ungestörten Fall beeinflusst. Darüber hinaus erfordert jede Messstelle einen eigenen Messkanal. Thermoelemente bestehen aus zwei elektrischen Leitern unterschiedlicher Werkstoffe, die an beiden Enden miteinander verbunden sind. Wird die eine Verbindungsstelle (Vergleichsstelle) auf konstantem Temperaturniveau gehalten, während die andere Verbindungsstelle (Messstelle) auf dem Niveau der zu messenden Temperatur liegt, entsteht nach dem Seebeck-Effekt (thermoelektrischer Effekt) eine der Temperaturdifferenz zwischen den beiden Stellen proportionale Gleichspannung. Je nach Materialkombination sind die Höhe der Thermospannung und der Messbereich festgelegt. Im Turbinenbereich kommen vor allem NickelchromNickel-Thermoelemente („Typ K“) im Bereich von 200 bis 1300 °C und PlatinPlatinrhodium-Thermoelemente („Typ S“) im Bereich von 0 bis 1600 °C (max.
940
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1700 °C) zum Einsatz. Da die Thermospannungen lediglich Mikro- bis Millivolt betragen, sind bei der Signalverarbeitung bestimmte Randbedingungen zu beachten [33.7].
33.2.2 Thermofarben Thermofarben sind Farbstoffe, die flächig auf das zu untersuchende Bauteil aufgebracht werden und die bei Erreichen einer bestimmten Umschlagtemperatur – in der Regel irreversibel – ihre Farbe ändern [33.6]. Durch eine geeignete Zusammenstellung verschiedener Farbstoffe können mehrere derartige Farbumschläge kombiniert werden, wodurch sich die Temperaturverteilung auf dem Bauteil vorteilhaft darstellen lässt. Thermofarben eignen sich besonders für die Messung an während des Tests schwer oder gar nicht zugänglichen Bauteilen wie Brennkammern von Flugtriebwerken. Prinzipiell ist der Farbumschlag abhängig von der maximalen Temperatur und der entsprechenden Haltezeit (z. B. 5 min). Daher sind die Farben sowohl Temperatur- als auch zeitabhängig zu kalibrieren und die vorgeschriebenen Versuchsbedingungen während des Tests exakt einzuhalten. Angezeigt wird grundsätzlich der zur höchsten Temperatur während des Tests gehörige Farbumschlag, das Messverfahren ist also zeitlich gering auflösend. Nachteilig auf die Aussagefähigkeit wirken sich mögliche vorzeitige Erosion der Thermofarben oder ihre Verschmutzung aus, beispielsweise mit Brennstoff oder Ruß. Darüber hinaus ist zur Auswertung unzugänglicher Bauteile deren Demontage notwendig, die u. U. für stationäre Gasturbinen recht aufwändig sein kann. Thermofarben eignen sich gut zur Bauteilerprobung, können aber für Dauermessungen oder zum Monitoring nicht eingesetzt werden.
33.2.3 Optische Pyrometrie Die optische Pyrometrie (Strahlungsthermometrie) dient der punkt-, linien- oder flächenhaften Temperaturmessung mit hoher Auflösung, wobei das Verfahren berührungs- und rückwirkungsfrei sowie nahezu trägheitslos ist. Es sind räumliche Auflösungen von einem Quadratmillimeter, zeitliche Auflösungen von einer Mikrosekunde und Temperaturauflösungen von Zehntelkelvin möglich [33.8]. Bei Strahlungsthermometern wird der Umstand ausgenutzt, dass jeder Körper mit einer Eigentemperatur über 0 K elektromagnetische Strahlung in Form von Wärme aussendet. Die Höhe der spezifischen spektralen Strahlungsleistung LSK für einen schwarzen Körper ist nach dem Planck-Strahlungsgesetz proportional zur Objekttemperatur T und zur betrachteten Wellenlänge (Abb. 33-3), LSK .;T / D
5
c1 .exp.c2 =. T // 1/
in
W ; sr
m3
(33.1)
wobei c1 die erste Strahlungskonstante (c1 D 1;1910439 1016 W m2 ) und c2 die zweite Strahlungskonstante ist (c2 D 0;0143876 m K). Wenn T c2 vereinfacht
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941
108
104 103 102 3000K 101 100 10–1 10–2
Thermographie
6000K
Thermographie
105
Turbinenpyrometrie im nahen IR
106
sichtbarer Bereich
Spektrale Strahldichte in W/(m2 · µm · sr)
107
500K 300K
1000K
200K
10–3 1
10
100
Wellenlänge in µm Abb. 33-3 Spektrale Strahldichte des schwarzen Körpers als Funktion von Wellenlänge und Temperatur
sich obige Formel zu (Wien-Vereinfachung): LSK .;T / D
c1 5 exp.c2 =. T //
in
W : m3 sr
(33.2)
Das Maximum der spezifischen spektralen Strahlungsleistung verschiebt sich mit niedrigeren Temperaturen zu immer höheren Wellenlängen und es gilt das WienVerschiebungsgesetz: max T D 2897;7 in µm K :
(33.3)
Hieraus ergibt sich bereits, das hohe Temperaturen günstigerweise bei niedrigen Wellenlängen und tiefe Temperaturen bei höheren Wellenlängen gemessen werden, sofern möglichst hohe Signalamplituden im Vordergrund stehen. Reale Körper sind hinsichtlich ihrer Emissionseigenschaften durch den Emissionsgrad ", den Transmissionsgrad und den Reflexionsgrad gekennzeichnet. Dabei gilt stets: "C C D1 :
(33.4)
Der Emissionsgrad ist dabei als Verhältnis der tatsächlich emittierten Strahlung zur maximal möglichen Strahlung des schwarzen Körpers definiert. Die tatsächlich
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von einem Pyrometer detektierte Strahlung LP ergibt sich unter Vernachlässigung des Transmissionsgrades ( D 0) aus der Schwarzkörperstrahlung und dem Emissionsgrad des Messobjektes sowie der reflektierten Umgebungsstrahlung Lamb : LP D " LSK C Lamb :
(33.5)
Der Emissionsgrad sollte daher für die Messobjekte möglichst groß sein, um einen hohen Anteil an Eigenstrahlung für das Messobjekt zu gewährleisten und den u. U. verfälschenden Einfluss der Umgebungsstrahlung gering zu halten. Dies ist besonders wichtig für Schaufeltemperaturmessungen in der ersten Turbinenstufe in Gegenwart von direkter Gas- und Flammstrahlung aus der Brennkammer. Bei ausgeführten Geräten wird grundsätzlich zwischen Gesamtstrahlungs-, Quotienten- und Teilstrahlungspyrometern unterschieden. Bei Gesamtstrahlungspyrometern wird ein sehr breitbandiger Empfänger gewählt, der den gesamten Spektralbereich vom nahen bis zum fernen Infrarot detektiert. Die Strahlungsleistung ist dann proportional zur vierten Potenz der Temperatur. Beim Quotientenpyrometer wird nicht die Höhe der Strahlungsleistung bewertet, sondern das Verhältnis der Strahlungsleistungen L1 =L2 von zwei getrennten Teilstrahlungsempfängern bei unterschiedlichen Wellenlängen 1 und 2 . Nach (33.1) ist die Strahlungsleistung eine Funktion von und T , womit jeder Objekttemperatur genau ein Strahlungsverhältnis zugeordnet ist. Damit ist das Messergebnis weitgehend unabhängig von eventuellen Verschmutzungen der Messoptik und vom Emissionsgrad des Messobjektes (sofern " ¤ f .;T /). Einfache Teilstrahlungspyrometer werten die emittierte Strahlung nur in einem sehr schmalen Spektralbereich aus, beispielsweise mit Siliziumfotodioden im Wellenlängenbereich um 1 µm. Dabei ist vorteilhaft, dass sich die Strahlungsleistung dann ungefähr proportional zur zehnten Potenz der Temperatur verhält (für T 1000 °C), womit sich leichte Schwankungen des Emissionsgrades nur gering auf das Messergebnis auswirken. Darüber hinaus befinden sich in diesem Wellenlängenbereich keine strahlenden Heißgasbanden, sodass das Messergebnis nicht durch das heiße Abgas verfälscht wird. Abbildung 33-4 zeigt den schematischen Versuchsaufbau für die Anwendung in einer Kraftwerksgasturbine. Die von der Turbinenschaufel ausgesendete Wärmestrahlung wird über einen Spiegel zu einer Sammellinse umgelenkt, welche die Strahlung in einen flexiblen Lichtleiter einkoppelt. Über den Lichtwellenleiter wird das optische Signal einer Fotodiode in der Empfangselektronik zugeführt, die das optische in ein elektrisches Signal wandelt. Nach der Verstärkung und ADWandlung kann es der Datenerfassung zugeführt werden. Gängig sind stationäre Pyrometer mit direkter Sicht, die sich für einen Dauereinsatz in Gasturbinen zur Überwachung der ersten Turbinenlaufschaufelstufe eignen. Nachteilig ist hierbei der geringe Sichtbereich des Pyrometers. Bei indirekter Sicht sind die Sonden entweder traversierbar oder mit einem scannenden Spiegel ausgestattet, um eine möglichst große Oberfläche der Turbinenleit- und Laufschaufeln abzutasten. Bei der Turbinenpyrometrie an metallischen Oberflächen werden insbesondere Spektralpyrometer (nur ein kleiner spektraler Bereich der Strahlung wird
33 Versuchsmesstechnik
943
Photodiode und Verstärker Lichtleiter Turbinenschaufel
zur Datenerfassung Kühlwasser
Temperatur
Stickstoff
1,05
Sammellinse
1,02
Sondenrohr
1,00 Spiegel
0,97 0,95 0,92
Messfleck
Abb. 33-4 Messprinzip der Pyrometrie und gemessene Temperaturverteilung auf einer Laufschaufel der ersten Turbinenstufe
genutzt) im nahen Infrarot eingesetzt. Diese zeichnen sich durch eine hohe Messwertauflösung aus und sind relativ unempfindlich gegenüber kleineren Emissionsgradschwankungen und kälterer Umgebung, jedoch relativ empfindlich gegenüber heißerer Flamm-, Ruß- und Umgebungsstrahlung. Speziell für Flugtriebwerke sind deswegen hierzu Messsysteme mit mehreren Wellenlängen und geeigneten Auswertungsalgorithmen zur Kompensation der Hintergrundstrahlung entwickelt worden, z. B. von Suarez [33.9]. Abbildung 33-4 zeigt eine mithilfe hochauflösender Turbinenpyrometer (minimaler Messfleckdurchmesser 1 mm, Abtastrate 500 kHz) aufgenommene Temperaturverteilung auf einer Laufschaufel der ersten Turbinenstufe. Hierzu wird die Sonde kontinuierlich in den Strömungsquerschnitt traversiert und die Temperaturverteilung auf der gesamten Oberfläche der rotierenden Schaufeln bei Grundlast abgetastet. In einem Postprocessing kann jeder Temperaturwert einem bestimmten Messort jeder einzelnen Laufschaufel zugeordnet werden. Im thermischen Abbild sind sogar einzelne Kühlluftbohrungen erkennbar. In neuerer Zeit kommen zunehmend Bauteile mit keramischen Wärmedämmschichten zum Einsatz. Bei den Schichten handelt es sich meist um Oxidkeramiken wie beispielsweise yttriumstabilisiertes Zirkonium (ZrO2 ). Diese Keramiken zeichnen sich im nahen Infrarot durch niedrige Emissionsgrade, d. h. hohe Reflexion und Semitransparenz aus. Die eingeführten, im nahen Infrarot messenden Turbinenpyrometer weisen somit unzulässig hohe Messunsicherheiten auf (bis zu einigen Prozent vom Messwert). Eine Perspektive besteht hier in der Verwendung des langwelligen Infrarot, auch in Kombination mit kürzeren Wellenlängen, z. B. [33.10, 33.11].
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33.3 Verbrennungsmessungen 33.3.1 Rauchgasanalyse An die fossile Energieerzeugung werden ständig höhere Anforderungen bezüglich der Emission von Schadstoffen gestellt. Um die Entwicklungsziele im Hinblick auf niedrigen Schadstoffausstoß und hohe Umweltfreundlichkeit zu erreichen und die gesetzlichen Auflagen der TA Luft [33.12] einhalten zu können, wird eine automatisierte Rauchgasanalyse durchgeführt. Sie dient der Bestimmung von Kennwerten für die Optimierung von Verbrennungsprozessen, der Bereitstellung von Daten für weitere Untersuchungen sowie der automatischen Generierung von Protokollen für die Umweltbehörde. Abbildung 33-5 zeigt ein einfaches Schema für die automatisierte Rauchgasanalyse an einer Gasturbinenanlage mit mehreren individuellen Analysegeräten. Die Probenentnahme erfolgt mit Rauchgassonden im Kamin gemäß der VDI-Richtlinie 2066 [33.13]. Dabei wird das Rauchgas über eine Entnahmepumpe angesaugt und über beheizbare Schläuche den Stickoxid- (NOx ) und Kohlenwasserstoffanalysatoren (CHx ) direkt zugeführt, um Messfehler durch Kondensation zu vermeiden. Die Analysatoren für Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2 ), Sauerstoff (O2 ) und Schwefeldioxid (SO2 ) erfordern hingegen zuvor Rauchgasleitung (beheizt) Rauchgasleitung (unbeheizt) Spül- und Prüfgasleitung
Kamin mit Rauchgassonden
Analysatoren NO CHx Spül- und Prüfgas
CO/CO2/O2 SO2 EntnahmePumpe
N2
N2 C3H6 NO
SO2 CO2
H2
Filter SO3-Falle
Messgaskühler
FeuchtigkeitsDetektor
CO/O2
Abb. 33-5 Vereinfachtes Schema zur automatisierten Rauchgasanalyse mit mehreren individuellen Analysegeräten
33 Versuchsmesstechnik
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Tabelle 33-3 Übersicht der Verfahren zur Rauchgasanalyse Rauchgasbestandteil
Messprinzip
Stickoxide NO, NOx Kohlenmonoxid CO Kohlendioxid CO2 Wasser H2 O Sauerstoff O2 Schwefeldioxid SO2 Kohlenwasserstoffe CHx Ruß
Chemilumineszenz Nichtdispersive Infrarotspektroskopie (NDIR) Nichtdispersive Infrarotspektroskopie (NDIR) Nichtdispersive Infrarotspektroskopie (NDIR) Paramagnetismus Nichtdispersive Ultraviolettanalyse (NDUA) Flammenionisationsdetektion Filterschwärzung/Lichtabschwächung
eine Kühlung und Entfeuchtung des Rauchgases über einen Messgaskühler. Eine Übersicht gebräuchlicher Analysatoren findet sich in Tabelle 33-3 [33.7,33.14]. Das gesamte Messsystem wird in regelmäßigen Abständen mit speziellen Prüfgasen bekannter Zusammensetzung kalibriert. Diese können hierzu entweder den Rauchgassonden über eine Ringleitung oder direkt den Analysatoren zugeführt werden (hier nicht dargestellt). Zur Vermeidung von Verschmutzungen lassen sich die Rauchgassonden mit Stickstoff spülen. Alternativ zu Analyseanlagen mit mehreren individuellen Geräten lassen sich auch Vielkomponentenmessverfahren nach dem Prinzip der Fourier-Transformations-Infrarot-Spektrometer (FT-IR) einsetzen (z. B. [33.15]). Kernstück dieser Geräte ist ein Michaelson-Interferometer, mit dem es möglich ist, die Absorptionsbanden der enthaltenen Gase zu analysieren. Dabei werden in einem kompakten Gerät alle relevanten Rauchgasbestandteile (außer homonuklearer Sauerstoff) simultan detektiert. Da die Absorptionsbanden der Gase Naturkonstanten sind, ist es ausreichend, die Kalibrierung des Gerätes mit einem einzigen Prüfgas durchzuführen. Theoretisch kann der Aufwand an Prüfgasen so deutlich reduziert werden. Nachteilig gegenüber den konventionellen Methoden ist die relativ lange Messzeit von einigen Sekunden (bis zu ca. 30 s) für jeden Messpunkt, da das Rauchgasvolumen in der Mehrfachreflexionsmesskammer zunächst vollständig ausgetauscht werden muss. Neben der eigentlichen Rauchgasanalyse sind die Umgebungsbedingungen wie Luftdruck, Luftfeuchte und Umgebungstemperatur aufzuzeichnen. Die Bestimmung der Rußzahl kann diskontinuierlich über ein Filterschwärzungsverfahren, beispielsweise nach Bacharach, oder kontinuierlich über die Abschwächung eines Lichtstrahles erfolgen.
33.3.2 Flammenbeobachtung Die visuelle Analyse der Flammen stellt bei der experimentellen Erprobung und Optimierung von Verbrennungssystemen einen Schwerpunkt der Aufgaben dar. Um das Verhalten im Betrieb beurteilen zu können, werden Flammenbeobachtungssonden in die Brennkammer eingesetzt, die es erlauben, einzelne Brenner individuell zu betrachten. Von besonderem Interesse sind Form, Farbe und Stabilität der Flamme,
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a
S.L.F. Frank, F. Woditschka
b
Abb. 33-6a,b Typische Bilder der Flammenbeobachtung während des Heizöldiffusionsbetriebs (a) und fotografische Ansicht der Sondenspitze (b)
das Start- und Zündverhalten, Umschaltvorgänge zwischen Diffusions- und Vormischbetrieb sowie zwischen Erdgas und Heizöl. Abbildung 33-6 zeigt ein typisches Bild aus der Ringbrennkammer einer Gasturbine während der Erprobung. Deutlich sind zwei separate Brenner im Heizöldiffusionsbetrieb erkennbar. Nebenstehend findet sich die Spitze der Flammenbeobachtungssonde in der fotografischen Ansicht. Die Sonden werden in die Brennkammer eingebaut und können den dort herrschenden Temperaturen dauerhaft widerstehen. Sie bestehen aus einem Sichtrohr mit Saphirfenster, das mit sauberer Pressluft gespült wird. In der Sonde befindet sich ein Endoskop mit 90ı -Sichtumlenkung, das die optischen Signale aus der Brennkammer zur am Außengehäuse angeflanschten CCD-Kamera weiterleitet. Während des Betriebs werden die Kamerabilder online auf Monitoren dargestellt und für die weitere Bildbearbeitung analog oder digital aufgezeichnet. Die Messsysteme können sowohl bei der Erprobung als auch im Standardbetrieb der Gasturbinen eingesetzt werden.
33.4 Schaufelschwingungsmessungen1 Die Komponenten einer Gasturbine unterliegen vielfältigen mechanischen und thermischen Beanspruchungen. Insbesondere bei komplexen Bauteilen und/oder komple1
Bearbeitet nach David Regnery, Mühlheim
33 Versuchsmesstechnik
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xen Beanspruchungen ist trotz der Verfügbarkeit moderner numerischer Verfahren eine experimentelle Absicherung unerlässlich. Dabei wird im Bauteilversuch oder im Betrieb der Maschine nachgewiesen, dass kritische Bauteile unterhalb ihrer jeweiligen Grenzbelastungen beansprucht werden. Speziell die Laufbeschaufelung unterliegt den statischen und quasistatischen Beanspruchungen aus Strömungs- und Fliehkräften sowie der thermischen Beanspruchung. Daneben induziert die Wechselwirkung mit der Strömung starke dynamische Beanspruchungen der Beschaufelung. Sie stammen z. B. aus der Turbulenz der Strömung, der Passage der Schaufeln durch den Nachlauf oder den Aufstau benachbarter Reihen (Düsenerregung) oder von Einbauten, aus der Verbrennungsdynamik (Brennkammerbrummen), aus thermischen Ungleichgewichten (heiße Strähnen), von Ablösungen, der Interaktion mit Einlauf- oder Abgasstrecke und weiteren Effekten. Einzelheiten zu den instationären Effekten sind Abschn. 14.2.2 zu entnehmen. Stationäre Gasturbinen zeichnen sich gegenüber Flugtriebwerken (und Aeroderivativa) u. a. durch ihre Ausführung als Einwellenaggregate mit konstanter Drehzahl sowie langen Laufzeiten bei hohen Leistungen aus. Eine große Turbine wie die SGT5-8000H erzeugt einen Verdichtermassenstrom von rund 800 kg=s bei einem Verdichterdruckverhältnis von 19,2. Störungen aus instationären Effekten können hieraus große Energien für die Schwingungsanregung bereithalten. Die Stärke und räumliche Verteilung von dynamischen Anregungen lassen sich selbst für den Auslegungszustand nur beschränkt numerisch erfassen, für Teillastpunkte oder z. B. den Startvorgang sind sie dementsprechend noch unzugänglicher.
33.4.1 Schaufelschwingungen Eine Schaufel als schwingfähiges System hat eine ganze Reihe von Eigenformen, wie sie beispielhaft in Abb. 14-8 gezeigt werden. Sie sind durch ihre zugehörigen Eigenfrequenzen und Eigenwerte charakterisiert. Abhängig von der Anregung wird eine Schaufel im Betrieb mit einer Überlagerung verschiedener Schwingungsformen antworten. Die Stärke der Schwingungsantwort in jeder Schwingungsform hängt neben der Stärke der Anregung auch vom Frequenzabstand zwischen Anregung und Eigenfrequenzen sowie der Dämpfung ab. Im Betrieb einer Gasturbine werden sich die Eigenfrequenzen nicht als fest zeigen, sondern aufgrund der Fliehkraftversteifung mit der Drehzahl steigen und wegen der Temperaturabhängigkeit des E-Moduls mit der Leistung fallen. Damit ändert sich mit dem Betriebszustand auch der Abstand der Eigenfrequenzen von den Anregungen und entsprechend der sog. Vergrößerungsfunktion die Schwingungsantwort der Schaufel. Die Anregungen selbst hängen in ihrer Frequenz und ihrer Stärke ebenfalls von den Betriebsbedingungen ab. So ändern sich bei An- und Abfahrten die Drehfrequenz sowie der Massenstrom; letzterer kann aber auch durch die Verstellung von Leiträdern geändert werden. Daneben sorgen Fertigungstoleranzen für ein gewisses Streuband der Frequenzen.
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Im Läufer ist eine Schaufel nicht ein isolierter Körper, der nur mit der Strömung in Wechselwirkung steht. Über den Schaufelfuß gibt es eine starke Kopplung mit dem Rotor, durch Verbindungselemente wie Dämpfungselemente (s. Abschn. 15.3) oder Deckbänder mit Nachbarschaufeln. Bei stationären Gasturbinen sind im Verdichter freistehende Laufschaufeln die Regel; in der Turbine findet man sowohl freistehende Laufschaufeln, oft mit einem verlängerten Fußhals und Dämpfungselementen im Bereich der Fußplatten, als auch Deckbandkonstruktionen. Insbesondere bei Leitschaufeln sind häufig mehrere Einzelschaufeln zu Segmenten verbunden. Diese mechanische Kopplung führt abhängig von den beteiligten Massen und den eingeführten Steifigkeiten und Dämpfungen zu einer mehr oder weniger starken Interaktion der beteiligten Komponenten. Eine freistehende Schaufel auf einem massiven Läufer mit hoher Steifigkeit wird sich sehr gut als isolierte Schaufel mit rein lokalen Schwingungsformen betrachten lassen. Bei einem weniger steifen Läufer, bei sehr großen Schaufeln und beim Einsatz von Koppel- und Dämpfungselementen beeinflussen die angekoppelten Elemente die modalen Größen der Einzelschaufeln. Zusätzlich bildet sich ein größeres Schwingsystem aus den gekoppelten Elementen, welches eigene Schwingungsformen mit jeweils eigenen Frequenzen, Dämpfungen und Verformungen zeigt. Auch eine Zwangserregung einer Komponente durch die Schwingungsantwort einer Nachbarkomponente ist möglich. Infolge der vielfältigen Einflüsse wird der Nachweis der Betriebsfestigkeit i. d. R. für alle Betriebsbedingungen zu führen sein, einschließlich Start und Abfahrt sowie solcher Extremzustände, für die eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit besteht. Daher haben Schaufelschwingungsmessungen eine feste Rolle nicht nur in der Auslegung und Prototyperprobung, sondern auch innerhalb der fertigungsbegleitenden Qualitätssicherung und während der Produktlebensdauer bei Modernisierungen und Upgrades. Der Einbau neuer Komponenten, Massenstrom- oder Leistungserhöhungen sowie Änderungen im Verbrennungssystem können eine Schaufelschwingungsmessung zur Absicherung auch bei älteren Typen erforderlich machen.
33.4.2 Stillstandsuntersuchungen Bereits vor dem Einbau einer neu ausgelegten Schaufel in eine Gasturbine wird i. d. R. das Schwingungsverhalten im Stillstand untersucht (Abb. 33-7). Dazu wird der Schaufelfuß in einer geeigneten Haltevorrichtung eingespannt. Dabei ist darauf zu achten, dass der Fuß trotz der fehlenden Fliehkraftbelastung entsprechend der Betriebsbeanspruchung eingespannt wird, also insbesondere die Einspannkräfte an den Tragflanken übertragen werden und den Betriebskräften entsprechen. Derart eingespannt wird die Schaufel dann mit einem elektrodynamischen Erreger („Shaker“) oder per Anschlagen angeregt und es werden zunächst die Eigenfrequenzen bestimmt. Für relevante Schwingungsformen wird eine Modalanalyse durchgeführt. Als Sensoren können wie in der klassischen Modalanalyse Beschleunigungsaufnehmer verwendet werden, doch muss ihr Einsatz aufgrund der möglichen Beeinflussung der Schaufel durch die Eigenmasse des Sensors sehr sorgfältig erfolgen;
33 Versuchsmesstechnik
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Abb. 33-7 Stillstandsuntersuchung einer Laufschaufel im Schwingblock
daneben ist die Messung der Beschleunigungen kein direktes Maß für die Bauteildeformation. Deutlich rückwirkungsärmer ist die Applikation von Dehnungsmessstreifen (DMS, s. Abschn. 33.4.4.2), mit denen direkt die auftretenden Dehnungen erfasst werden. Aufgrund ihrer geringen Größe lassen sie sich auch im Schaufelfußbereich anbringen, so dass Korrelationen zwischen Dehnungen an Schaufelblatt und -fuß erstellt werden können. Allerdings muss bei beschichteten Schaufeln hierfür i. d. R. die Beschichtung entfernt werden. Rückwirkungsfrei sind optische Verfahren wie Laser-Vibrometrie oder Holografie (Abb. 33-8). Beim Laser-Vibrometer sieht ein Laserstrahl auf einen Punkt der Oberfläche (oder tastet die Oberfläche ab) und erfasst die Schwingbewegung der Schaufel in Strahlrichtung. Bei der Holographie erzeugt die Überlagerung eines Referenzstrahls mit dem vom Objekt reflektierten Objektstrahl ein Interferenzmuster. Dieses Muster zeigt das Verformungsbild der Oberfläche (den Modeshape) und erlaubt die direkte Identifikation der Verläufe der Schwingungsknoten. Moderne Holografiesysteme arbeiten auch dreidimensional und können die flächige Information über den Bewegungsvektor an jedem Punkt des Schaufelblatts liefern. Der Schaufelfuß kann nicht erfasst werden, da er optisch unzugänglich ist. Die gefundenen Eigenfrequenzen und Modeshapes werden mit den numerischen Analysen der Schaufeln für den Stillstand abgeglichen. Hieraus lässt sich nicht nur ableiten, inwiefern die Auslegungsziele hinsichtlich Frequenzlagen und Ausbildung
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Abb. 33-8 Hologramm
der Schwingungsformen erreicht werden. Es ergeben sich Aussagen über die Schaufel(blatt)dämpfung und die Anregbarkeit der verschiedenen Eigenformen im Betrieb. So lassen sich problematische Zonen frühzeitig identifizieren und korrigieren sowie geeignete Sensorpositionen für eine Betriebsmessung ableiten. Nicht zuletzt liefern diese Untersuchungen auch Hinweise auf die Güte der in der Auslegung eingesetzten numerischen Werkzeuge und der Modelle. Sollen die Eigenschaften von stark gekoppelten oder stark gedämpften Schaufeln (Leitschaufelsegmente, Deckbandschaufeln, Schaufeln mit Dämpfungselementen) untersucht werden, so ist der Modellierung einer betriebsnahen Einspannung besonderes Augenmerk zu widmen, um brauchbare Ergebnisse zu erhalten. Die Messverfahren entsprechen den bereits beschriebenen Methoden.
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33.4.3 Betriebsmessungen Letztendliche Auskunft über die Schwingungsbeanspruchung der Schaufeln geben nur Messungen im Betrieb. Die Prototyperprobung einer stationären Gasturbine in einem Prüffeld erlaubt es, für Schaufelschwingungsmessungen auch Betriebszustände und Fahrweisen außerhalb der normalen Fahrlinie zu erfassen (s. Kap. 32). Schaufelschwingungsmessungen im Kraftwerk sind von den Betriebsbedingungen meist durch Kunden- oder Netzanforderungen eingeschränkt. Nachmessungen an einzelnen Schaufelreihen im Zuge von Modifikationen oder Upgrades sowie zur Ursachenklärung bei Problemen sind vom Aufgabenumfang und hinsichtlich der Messverfahren meist ein Ausschnitt aus einer Prototypenerprobung, stellen jedoch wegen der oft erforderlichen Installation der Sensoren im Kraftwerk eine besondere Aufgabe dar. Zwischen den stationären Messungen und den Betriebsmessungen in Kraftwerken oder Prüffeldern gibt es noch die Messungen in Wuchtanlagen. Hier können Rotoren oder Komponenten unter dem Einfluss der Fliehkraft getestet werden. Gerade für stark gekoppelte Systeme oder beim Einsatz spezieller Dämpfungselemente, die erst unter Fliehkraft wirken, bieten sie die Möglichkeit, grundsätzliche Fragestellungen zu Wirkung und Verhalten der Systeme zu klären. Vor allem für den Bereich der Dämpfungsbestimmung bieten solche Versuche den großen Vorteil, dass hier (im Gegensatz zur Betriebsmessung einer kompletten Maschine), sehr kleine Gradienten bei der Drehzahlaufnahme gefahren werden können. Dieses ermöglicht eine genaue Untersuchung von Resonanzdurchgängen. Da diese Versuche wegen der Ventilationsleistung der Beschaufelung meist unter Vakuum stattfinden, ist für eine ausreichende Anregung der Systeme zu sorgen. Diese kann z. B. aus der Restunwucht kommen oder die Systeme werden gezielt mit Torsionsshakern, stationär montierten Magneten oder mittels Luftstrahl angeregt. Da die installierte Messtechnik weder der extremen Strömung noch den extremen Temperaturen ausgesetzt ist und auch nicht die hohen Standzeiten wie bei einer Betriebsmessung erreichen muss, kann die Instrumentierung einfacher ausgeführt werden und es können kostengünstigere Sensoren eingesetzt werden. Aufgrund der überlagerten Fliehkraftbeanspruchung mit ihren besonderen Anforderungen an die Gestaltung der Einspannung des Schaufelfußes und des konstruktiven Aufbaus des Schaufelblatts sind Laufschaufeln i. d. R. schwingungstechnisch kritischer belastet als Leitschaufeln (s. Kap. 15). Für die Messtechnik stellt die Installation und Signalübertragung aus dem rotierenden System ebenfalls eine besondere Herausforderung dar. Daher werden die für die Schaufelschwingungsmessung im Betrieb eingesetzten Verfahren nur für Laufschaufeln dargestellt.
33.4.4 Berührende Messverfahren Die aufgrund der Schaufelschwingbewegung auftretenden dynamischen Spannungen lassen sich im Betrieb nicht direkt messen. Es wird daher eine Größe gemessen,
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welche in möglichst direkter Relation zu den Bauteilspannungen steht. Dazu bieten sich in erster Linie Dehnungen und Auslenkungen, aber auch Schwingwege, -geschwindigkeiten und -beschleunigungen an. Generell darf der eingesetzte Sensor aufgrund seiner Masse, Steifigkeit und Dämpfung die dynamischen Eigenschaften der Schaufel nicht unzulässig beeinflussen. Daneben soll er möglichst punktförmig messen, um eine hohe Ortsauflösung zu erreichen. Sein Einbau darf darüber hinaus die Strömung nicht oder nur vernachlässigbar stören und Maschinenmodifikationen für die Applikation müssen vertretbar bleiben. Nicht zuletzt muss der Sensor mit seinen Anschlussleitungen und ggf. seiner Versorgung und der Signalaufbereitung alle in seiner Umgebung herrschenden Bedingungen (z. B. Fliehkraft, Temperatur, Feuchtigkeit, hohe Strömungsgeschwindigkeiten) ertragen können. Für Schaufelschwingungsmessungen speziell an Laufschaufeln haben sich zwei Verfahren durchgesetzt: Messungen mit Dehnungsmessstreifen (DMS) und berührungslose Techniken (s. Abschn. 33.4.6). Beschleunigungsaufnehmer werden auf dem Schaufelblatt wegen der Störung der Strömung nicht eingesetzt, an Leitschaufeln finden sie Anwendung außerhalb des Strömungskanals. 33.4.4.1 DMS-Technik DMS werden heute in einer Vielzahl von Bauformen angeboten. Neben Aufnehmern, die den piezoelektrischen Effekt nutzen, gibt es auch Aufnehmer auf Basis von Halbleitermaterial. Sie sind extrem empfindlich beim Messen von Dehnungen, aber ebenso empfindlich reagieren sie auf äußere Einflüsse wie Temperaturänderungen. Ihr Einsatz ist daher eher auf Sonderanwendungen beschränkt. Am häufigsten werden die klassischen DMS auf Basis eines feinen Widerstandsdrahtes genutzt. Der Widerstandsdraht ist als Messgitter ausgeführt, welches in seiner Form der Art der Beanspruchung angepasst ist. Andere Bauelemente ermöglichen die Befestigung des DMS am Objekt, schützen den DMS, oder erlauben den Anschluss der Versorgungsleitungen. Zur Messung wird der Effekt der Widerstandsänderung eines elektrischen Leiters bei einer mechanischen Längenänderung ausgenutzt. Die Änderung des Widerstandes ist der Längenänderung proportional: l R Dk D k" R l K L R "
k-Faktor eines DMS Länge elektrischer Widerstand Dehnung.
Um die geringe Widerstandsänderung messen zu können, werden die DMS an eine Spannungs- oder Stromversorgung angeschlossen. Gemessen wird dann die resultierende Spannungsänderung. Der Anschluss kann für dynamische Messungen direkt erfolgen, am weitesten verbreitet ist jedoch die sog. Wheatstone’sche Brückenschaltung (Abb. 33-9). Dabei werden vier Widerstände so zueinander geschaltet, dass bei unbelastetem DMS die Brücke symmetrisch ist und die gemessene Spannung Null.
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Abb. 33-9 Wheatstone’sche Brückenschaltung
Eine am DMS aufgeprägte Dehnung führt über die Widerstandsänderung des DMS zu einer Brückenverstimmung und damit zu einer Messspannung. Die elektrische Spannung U aus der Brückenverstimmung lässt sich für eine symmetrische Brücke mit einem DMS herleiten zu U D
U R U U R D k" : 2 2R C R 4 R 4
Durch geeignete Anordnung von DMS in der Brückenschaltung lässt sich so der Messeffekt verstärken. Beispiele sind die Anordnung von zwei DMS an Ober- und Unterseite eines reinen Biegestabs, die Anordnung von vier DMS für eine Torsions(Drehmomenten-)Messung an einer Welle oder die Nutzung eines unbelasteten Widerstands neben dem aktiven DMS zur Temperaturkompensation. Bei Schaufelschwingungsmessungen lässt sich wegen der komplexen Bauteilgeometrie meist nur ein aktiver DMS nutzen, lediglich die Temperaturkompensation spielt eine gewisse Rolle. 33.4.4.2 DMS-Installation Der Installation der DMS kommt eine zentrale Bedeutung zu. Die Qualität der Ausführung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Standzeiten der Instrumentierung und somit die Qualität und Menge der Messergebnisse. Je nach Anwendung kann man in unterschiedliche Applikationsmethoden unterteilen. Die größte Auswahl gibt es im Bereich der Folien-DMS. Das Messgitter wird hier auf eine Trägerfolie aufgebracht. Oft verfügt das Messgitter auch über eine schützende Abdeckung. Das fotolithografische Herstellverfahren ermöglicht an viele Anwendungen angepasste Bauformen. Folien-DMS werden auf die zu untersuchende Oberfläche geklebt (Abb. 33-10). Hierzu müssen die verwendeten Kleber
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Abb. 33-10 Installation von Folien-DMS auf eine Schaufel
Abb. 33-11 Freigitter-DMS während der Applikation mittels Flamespray-Verfahren, Messgitter 5 3 mm
auf die Trägerfolie, das Grundmaterial und die Einsatztemperaturen abgestimmt werden. Die Trägerfolie und der Kleber begrenzen den Einsatz für dynamische Messungen auf ca. 350 °C, wobei unter Fliehkraftbelastung diese Grenze niedriger anzusetzen ist. Eine Installation ist auch direkt im Kraftwerk möglich. Vorwiegend bei höheren Einsatztemperaturen werden gern sog. Freigitter-DMS appliziert (Abb. 33-11). Sie bestehen nur aus dem eigentlichen Messgitter, das zur besseren Handhabung auf einen Träger ablösbar aufgebracht ist. Auf dem zu untersuchenden Objekt wird zunächst eine elektrisch isolierende Schicht aufgebracht,
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welche zugleich zur Haftvermittlung dient. Darin wird der DMS eingebettet, der Träger entfernt und der DMS anschließend mit einer weiteren Schicht abgedeckt. Für den Schichtaufbau stehen keramische Kleber oder thermische Spritzverfahren zur Verfügung. Derart aufgebaute Installationen lassen sich bei entsprechender Auswahl der Schichtmaterialen bis deutlich über 900 °C verwenden. Zu beachten ist, dass die eingesetzten Materialien hygroskopisch sind. Beim Eindringen von Feuchtigkeit führt dies zu einem Absinken des Isolationswiderstandes, wodurch das Nutzsignal stärker gestört sein kann, bis hin zum temporären oder kompletten Verlust der Messstelle. Dies kann durch Lagerung der instrumentierten Bauteile oder durch längere Versuchsunterbrechung geschehen. Die Messstellen sind daher zu schützen oder das Versuchsprogramm ist entsprechend anzupassen, um die Messstellen, wenn möglich, zu trocknen. Bei aufschweißbaren DMS (Abb. 33-12) ist das Messgitter in ein Metallröhrchen eingebettet, welches mit einem Anschweißflansch versehen ist. Die Anschlussdrähte sind ebenfalls von einem Metallmantel umhüllt. Die Verbindung mit dem DMS wird bereits beim Hersteller vorgenommen. Diese DMS sind vollständig gekapselt und daher feuchtigkeitsunempfindlich. Aufgrund ihres Aufbaus sind sie ebenfalls für hohe Temperaturen bis über 900 °C geeignet. Die Befestigung am Objekt erfolgt mittels Punktschweißen. Das Punktschweißen ist, neben den hohen Stückkosten, ein Nachteil dieser DMS, da es einen starken Einfluss auf den Messobjektwerkstoff hat. Messungen mit DMS unterliegen einer ganzen Reihe von Einflüssen, die bei der Applikation und in der Messkette beachtet werden müssen. Für eine Instrumentierung ist zunächst die Art der Untersuchung abzuklären. Zum einen sind dies Umgebungsbedingungen, wie zu erwartende Temperaturen, Feuchtigkeit, Fliehkräfte, Strömungskräfte, aber auch die Versuchsdauer und die Zugänglichkeit des Messobjekts. Zum anderen spielen die Eigenschaften des Objekts, wie Materialeigenschaften, geforderte Ortsauflösung, Vorhandensein hoher Spannungsgradienten, geome-
Abb. 33-12 Installation mit aufschweißbaren DMS (DMS und Leitungen abgedeckt)
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trische Verhältnisse (Nähe zu Kanten oder Radien, Kontakt zu anderen Bauteilen), eine entscheidende Rolle. Anhand dieser Parameter und weiterer Randbedingungen für die Leitungsführung und die Signalkonditionierung lässt sich ein für die jeweilige Aufgabe optimaler DMS-Typ auswählen. Damit wird auch die Applikationstechnik festgelegt. Ein DMS misst stets integral über seine Gittergröße. Wählt man den DMS unangemessen groß oder legt seine Messachse in Richtung eines Spannungsgradienten, wird man lokale Dehnungsspitzen nicht auflösen können. 33.4.4.3 Leitungsführung und Signalübertragung Bei Schaufelschwingungsmessungen am Rotor ist es erforderlich, die Leitungen fliehkraftfest zu verlegen. Die Leitungen müssen in ihrer gesamten Länge sicher festgelegt oder abgestützt sein. Jedes Anstreifen an stationären Komponenten infolge Spaltüberbrückung muss durch die Leitungsführung sicher vermieden werden. Auf dem Schaufelblatt selbst kommt die Sicherung gegen die Strömungskräfte bei gleichzeitig möglichst geringer Störung der Schaufelkontur hinzu (Abb. 33-12). Von den DMS kommende Signale müssen zur Erfassung und Weiterverarbeitung aus dem rotierenden ins stehende System übertragen werden. Aufgrund der hohen Temperaturen und schlechten Zugänglichkeit im mittleren Bereich des Läufers ist es kaum möglich, dort eine Signalübertragungsstrecke einzurichten. Stattdessen werden diese an einem der beiden Läuferenden untergebracht. Demnach müssen Leitungen vom DMS zur Signalübertragung zum Teil durch einen Großteil des Läufers geführt werden. Bei einer Untersuchung in einer Wuchtanlage kann die Leitungsführung i. d. R. an der hier frei zugänglichen Läuferoberfläche erfolgen. Bei einem Maschinentest ist dieser Weg aufgrund der dort liegenden Dichtungen erheblich erschwert. Hier werden Leitungen dann zum Teil im Inneren des Läufers verlegt, was diverse Bauteilmodifikationen (Bohrungen) nach sich ziehen kann. Diese sind in ihrer Wirkung auf die Bauteillebensdauer abzusichern und müssen bei der Installation gegen unerwünschte Querströmungen abgedichtet werden. Eine grundsätzliche Frage bei der Messung im rotierenden System ist die Ausgestaltung des Überganges vom rotierenden in das ruhende System. Hier haben sich zwei Optionen herausgebildet: zum einen die „Verlängerung“ der Messleitungen über einen Schleifringübertrager, um dann den Anschluss an Energieversorgung und Signalaufbereitung zu realisieren, zum anderen die Verlegung von Energieversorgung und Signalaufbereitung in das rotierende System mit anschließender Übertragung per Telemetrie. Bei letztgenannter Option wird die benötigte Energie dem System über eine verschleißfrei induktive Übertragung einer stationären Primärspule und einer rotierenden Sekundärspule realisiert. Eine Kombination aus beiden Optionen beschränkt sich auf Sonderfälle. Eine weitere Möglichkeit zur Energieversorgung bieten Batterien, die aber in ihrer Betriebszeit sehr beschränkt sind und daher eher für Messungen in Wuchtanlagen genutzt werden. Schleifringübertrager (Abb. 33-13) bestehen, vereinfacht ausgedrückt, aus einer Reihe rotierender Scheiben, von denen jeweils stationäre Kontakte die Verbindung
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Abb. 33-13 Schleifringübertrager mit Vorgelegewelle
herstellen. Sie erfordern stets ein freies Wellenende, benötigen eine gute Ausrichtung, verlangen meist eine Kühlung und verschleißen an den Kontakten. Wegen der Kontakte sind sie eine mögliche Quelle für elektrische Störungen in den Signalen. Durch eine geeignete Beschaltung lassen sich solche Störungen jedoch weitgehend vermeiden. Da das freie Wellenende bei stationären Gasturbinen meist auf der Turbinenseite liegt, muss dort ein geeigneter Einbauraum vorhanden sein oder geschaffen werden. Dieser Raum muss ausreichend gegen die heißen Abgase isoliert und zusätzlich gekühlt sein. Des Weiteren müssen die Messleitungen in der Rotationsachse zusammengeführt werden. Telemetriesysteme gibt es in analoger und digitaler Ausführung. Bei der analogen Telemetrie werden die Nutzsignale auf ein Trägersignal aufmoduliert, vergleichbar einem Radiosignal. Je nach geforderter Bandbreite der Signale lassen sich auf einer Trägerfrequenz auch mehrere Nutzsignale aufmodulieren, wobei der Frequenzabstand benachbarter Sender gewissen Beschränkungen unterliegt. Bei der digitalen Telemetrie laufen die Messsignale über einen AD-Wandler und werden, je nach Nutzsignalfrequenz, mit den Signalen anderer Messstellen zu einem Datenstrom zusammengeführt und mittels einer Trägerfrequenz im Gigaherzbereich übertragen. Für beide Systeme befinden sich im rotierenden System die Sender; die Empfangsantenne bildet den stationären Teil. In den Sendern integriert ist die Sensorversorgung für verschiedene Sensortypen inklusive Verstärker. Auf der stationären Seite wird die Empfangsantenne über ein Antennenkabel und ggf. einen Antennenverstärker mit dem Empfänger verbunden. Durch die Einführung der Digitaltechnik konnte die Baugröße noch einmal deutlich reduziert werden. Im Volumen eines analogen Senders für drei dynamische Messstellen lassen sich z. B. zehn dynamische und zehn Temperaturmessstellen unterbringen. Sie lassen sich daher vorteilhaft auch bei beengtem Einbauraum zu viel-
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Abb. 33-14 Telemetrieanlage mit Induktivspeisung
kanaligen Systemen zusammenstellen. In stationären Gasturbinen können Telemetrieanlagen z. B. im Bereich der verdichterseitigen Kupplung, am turbinenseitigen Wellenende oder in Wuchtnuten und Wuchtbohrungen untergebracht werden. Auf der Turbinenseite ist das Wellenende vollständig vom Lagergehäuse umschlossen. Für eine erfolgreiche Messung müssen alle Bestandteile der Messkette aufeinander abgestimmt sein. Neben den mechanischen Einflüssen sind auf der elektrischen Seite die Änderung der Empfindlichkeit mit der Temperatur sowie Rauschen und Einstreuungen von Störsignalen von Bedeutung. Durch geeignete Wahl der Versorgung, des DMS-Typs, der Beschaltung und der Leitungsführung lassen sich störende Einflüsse i. d. R. gut beherrschen. Andere Parameter, z. B. die Empfindlichkeitsänderung des DMS mit der Temperatur, müssen bekannt sein.
33.4.5 Datenerfassung und Auswertung Die Datenerfassung spielt in den folgenden beiden Prozessschritten eine zentrale Rolle. Mit der Datenerfassung wird sozusagen der Gewinn der vorher beschriebenen Arbeiten eingefahren und gesichert. Um die sehr großen Datenmengen in vertretbarem Zeitrahmen bearbeiten zu können, wird auch hier die Digitaltechnik eingesetzt. 33.4.5.1 Datenerfassung Sämtliche Daten werden digitalisiert und in einen Datenstrom eingespeist. Die Systeme sind so aufgebaut, dass die Speicherung der noch nicht weiterverarbeiteten
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Daten Vorrang vor allen anderen Prozessen hat. Nachgeschaltete Programme müssen Datenpakete nachfordern oder ggf. auf Daten verzichten. Damit lässt sich der Datenstrom zur Weiterverarbeitung kontrollieren und Testsequenzen lassen sich jederzeit zur weiteren oder erneuten Analyse vom Speichermedium abspielen. Allein schon wegen der hohen Testkosten (Installation/Vorbereitung und Durchführung) ist dies zwingend. Die Aufzeichnung umfasst meist ganze Testfahrten, auch wenn nur kurze Sequenzen mit speziellen Versuchspunkten für die Schaufelschwingungsmessungen gefahren werden. Auch dazwischenliegende Zeiträume liefern für die Betrachtung von Ausgleichsvorgängen, die Erfassung von Fremdeinflüssen (z. B. Brennkammerdynamik) oder bei unerwarteten Ereignissen wertvolle Informationen. Bei einem großen Gasturbinentest, wie zum Beispiel an der SGT5-8000H in Irsching, werden im Bereich Schaufelschwingung weit über 200 Messstellen mit durchschnittlich 20-KHz-Abtastrate genutzt. Hinzu kommen noch einmal weitere rund 200 dynamische Messgrößen. Es entstehen hierbei leicht Datenströme in einer Größenordnung von 25 MB=s für die Rohdaten. Dieser Datenstrom wird durch Überwachungs- und Auswertesysteme noch einmal verdoppelt bis verdreifacht, so dass das Datenmanagement sehr hohen Anforderungen genügen muss. Neben der reinen Aufzeichnung findet stets auch eine Überwachung der Messstellen unter zwei Gesichtspunkten statt. Aus messtechnischer Sicht werden die Signale auf ihre Qualität überwacht. Störungen werden möglichst behoben, zumindest jedoch zur Vermeidung von Fehlinterpretationen protokolliert. Aus Sicht der Schaufelauslegung erfolgt eine Überwachung der Signale anhand von Grenzwerten. Mit den heute verfügbaren Geräteleistungen können viele Signale gleichzeitig und jedes DMS-Signal für sich auf unterschiedliche Schwingungsformen hin überwacht werden. Somit kann das Versuchspersonal bei Grenzwertüberschreitungen, z. B. durch Veränderung des Betriebspunktes, geeignet reagieren. Gleichzeitig liefert diese Überwachung ein erstes verdichtetes Bild des Schwingungsverhaltens der untersuchten Schaufeln. 33.4.5.2 Auswertung Ziel der Schaufelschwingungsmessung ist es, die vorhergesagten Eigenschaften zu überprüfen und über den gesamten Betriebsbereich der Gasturbine das Beanspruchungsniveau der untersuchten Schaufeln zu bestimmen. In einem ersten Analyseschritt erfolgt dies durch die Zusammenfassung und Beurteilung der bei der Online-Überwachung ermittelten Werte. Hierbei wird untersucht, ob für die einzelnen Schwingformen und Betriebsbedingungen Grenzwerte überschritten worden sind und ob die berechneten Frequenzen mit den gemessenen übereinstimmen. Einen guten Überblick über das Verhalten einer Schaufel gibt das Campbell-Diagramm. Hier sind die Verläufe der Eigenfrequenzen sowie die dazugehörige Auslenkung zu sehen (Abb. 33-15). In einem zweiten Schritt erfolgt eine detaillierte Auswertung der Daten. Hier werden zum einen die bereits gefilterten Informationen weiter verarbeitet. Dabei
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Abb. 33-15 Campbell-Diagramm
werden z. B. die Treiber für die erkannten Schaufelantworten identifiziert oder es wird bei gleichzeitiger Antwort mehrerer Schwingungsformen die Überlagerung betrachtet. Für die Validierung der Berechnungen werden einzelne Eigenfrequenzverläufe genauer untersucht. Hierzu wird z. B. das gezielte schmalbandige Filtern entlang der Frequenz einer Drehzahlvielfachen (Order Tracking) oder das gezielte Filtern entlang des Frequenzverlaufs einer Schwingungsform (Mode Tracking) genutzt (Abb. 33-16). Mit Hilfe der unterschiedlichen Analysetechniken lässt sich schließlich ein umfassendes Bild der Schaufelantworten in den unterschiedlichen Betriebsbereichen erstellen. Insbesondere in der Prüffelderprobung werden extreme Betriebspunkte gezielt angefahren oder spezielle Fahrweisen gewählt. So fallen z. B. bei regulärem Betrieb die Eigenfrequenzen der Turbinenbeschaufelung mit wachsender Leistung langsam ab und es lassen sich eventuell auftretende Resonanzen oder die Annäherung daran nur relativ schwer exakt bestimmen. Bei einer Drehzahlvariation bei festgehaltener Leistung werden die mit den Drehzahlvielfachen verbundenen Trei-
Abb. 33-16 Mode Tracking und Order Tracking
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ber hingegen stark verschoben. Damit lassen sich Resonanzdurchgänge bzw. Resonanzabstände genau bestimmen. Eine Wiederholung von Drehzahlvariationen bei unterschiedlichen Leistungen ergibt ein vollständiges Bild des Schaufelverhaltens über den Betriebsbereich.
33.4.6 Berührungslose Verfahren Die Schaufelschwingungsmessung mit DMS erlaubt bei geeigneter Auswahl der DMS-Orte die Erfassung aller relevanten Schwingungsformen und aller für deren Bewertung relevanten Einflüsse. Aufgrund des hohen Aufwands für die Installation, die Energieversorgung der DMS und die Signalübertragung können jedoch stets nur einige Schaufeln aus einer Stufe instrumentiert werden. Damit bleibt eine Unsicherheit darüber, ob diejenigen Schaufeln instrumentiert wurden, welche die höchsten Beanspruchungen innerhalb des Satzes erfahren. Der hohe Aufwand von DMS-Messungen im rotierenden System, verbunden mit dem geringen Stichprobenumfang, führte schon relativ früh zu Überlegungen, ob man nicht alle Schaufeln einer Stufe simultan mit geringem Instrumentierungsaufwand überwachen kann. Beginnend mit den späten 60er-Jahren [33.24] wurden schließlich nach und nach Systeme entworfen und gebaut, die mit radial oberhalb einer Schaufelreihe im Gehäuse eingebauten Sensoren arbeiten. 33.4.6.1 Sensoren und Messprinzip Alle diese Systeme errechnen die Auslenkung der Schaufelspitze aus der Drehfrequenz der Maschine und der Ankunftszeit der (schwingenden) Schaufel am Sensor. Je nach Fragestellung wird eine unterschiedliche Zahl an Sensoren eingesetzt, die entsprechend der erwarteten Frequenzen über der Schaufelreihe verteilt werden. Um die Ankunftszeit zu bestimmen, können verschiedenste Messverfahren genutzt werden. Zum Einsatz kommen z. B. magnetische, kapazitive oder optische Sensoren. Ihr Einsatz richtet sich nach der Größe der Schaufel und Umgebungsbedingungen wie Druck und Temperatur. Für die weitere Auswertung können die ermittelten Zeitpunkte unterschiedlich weiterverarbeitet werden. Man kann z. B. die ermittelten Zeitpunkte mit einer theoretischen Ankunftszeit der nicht schwingenden Schaufel vergleichen, die sich aus der Drehzahlmessung ermitteln lässt. Beim Einsatz einer größeren Zahl von Sensoren kann man die einzelnen Signale als Abtastpunkte eines digitalen Signals nutzen und den Datenstrom direkt mittels FFT analysieren (im Regelfall liegt keine äquidistante Abtastung vor). Frequenz und Amplitude lassen sich aber auch durch das sog. „curve fitting“ ermitteln. Hierbei wird die am besten durch die ermittelten Punkte zu legende Schwingung gesucht. Alternativ kann auch die Passierzeit zwischen jeweils zwei Sensoren betrachtet werden. Die Differenz zwischen gemessener Zeit und Sollzeit ist ein Maß für die momentane Auslenkung der Schaufelspitze. Abbildung 33-17 zeigt das Messprinzip für ein solches System mit zwei Sensoren.
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Abb. 33-17 Messprinzip Zwei-Sensor-System
33.4.6.2 Auswertung Die Messtechnik kann prinzipiell alle Schwingungsformen erkennen, die an der Schaufelspitze ausreichende Auslenkungen erzeugen. Aufgrund des Messprinzips erhält man pro Rotorumdrehung maximal so viele Informationen wie Sensoren verwendet werden, wodurch sich im Regelfall eine signifikante Unterabtastung des Schaufelschwingungssignals ergibt. Beim oben beschriebenen Zwei-Sensor-System werden die Eigenfrequenzen nicht direkt abgebildet, sondern in den Frequenzraum 0–0,5-fache Abtastrate rückgefaltet. Damit müssen zur eindeutigen Interpretation der Daten Informationen über das Schaufelverhalten vorhanden sein. Bei ungünstiger Lage der Eigenfrequenzen können ihre Faltungen sogar aufeinander fallen, womit eine Separation der Schwingungsformen stark erschwert ist. Ebenfalls aufgrund des Messprinzips der Abtastung mit relativ wenigen Sensoren gestaltet sich die qualitative Bestimmung von Resonanzamplituden schwierig. In einer Resonanz (bei der die Schaufelfrequenz einem ganzzahligen Vielfachen der Drehfrequenz des Rotors entspricht) sehen die ortsfesten Sensoren die Schaufel bei jeder Rotorumdrehung in gleicher relativer Phasenlage ihrer Schwingbewegung. Da aber zur Bestimmung der Amplitude einer Sinusbewegung mindestens zwei Punkte erforderlich sind, ist die Amplitudenbestimmung in Resonanz ohne Zusatzinformationen nur bis maximal zu der Ordnung möglich, welche der halben Anzahl der Sensoren entspricht. Bei Resonanzdurchfahrten (z. B. beim An- und Abfahren) kommen zwar weitere Freiheitsgrade wie die Schaufeldämpfung und der Drehzahlgradient hinzu, hier lassen
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Abb. 33-18 Berührungslose Schaufelschwingungsmessung einer Hochfahrt mittels zweier Sensoren
sich jedoch aus dem Phasenwechsel beim Resonanzdurchgang weitere Informationen auch in den Messdaten ableiten (Abb. 33-18). Vorteile der berührungslosen Schaufelschwingungsmesstechnik sind: • geringer Installations- und Vorbereitungsaufwand. Es muss keine Installation an Laufschaufeln vorgenommen werden, sondern der Einbau von Sensoren ins Gehäuse genügt. • Die Schaufeln bleiben völlig unbeeinflusst durch eine Instrumentierung. • Alle Schaufeln einer Stufe werden gleichzeitig überwacht. Daher ist dieses System auch als Monitoring-System für lange Zeiträume geeignet und bereits realisiert. • Bei geeigneter Vorbereitung ist ein Tausch defekter Sensoren bei kurzen Stillständen oder sogar bei laufendem Betrieb möglich. Dem stehen allerdings einige Nachteile gegenüber: • Es können nur solche Schwingungsformen erkannt werden, die an der Schaufelspitze eine ausreichende Auslenkung erzeugen, womit die praktische Anwendung auf bestimmte Eigenformen beschränkt ist. • Die Unterabtastung wird mit steigenden Eigenfrequenzen immer stärker, was bei kleinen Schaufeln schon in deren niedrigen Eigenformen zum Problem wird, da die Zuordnung zu den Eigenformen und die Amplitudenbestimmung schwieriger werden. • Die Güte der Amplitudenbestimmung in Resonanz hängt von der Zahl der verwendeten Sensoren ab. • Das Verfahren erfordert für eine genaue Amplitudenbestimmung die Kenntnis der exakten axialen Sensorposition relativ zur Schaufelspitze. Je nach Messort
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ändert sich die Umrechnung auf die höchstbeanspruchte Stelle für die jeweilige Schwingungsform. • Die Komplexität und Fehleranfälligkeit der Verfahren steigt mit der Zahl der Sensoren sehr stark an. Die Algorithmen zur Analyse der Anwendungsfälle (nichtsynchrone Schwingung, Resonanzdurchgang, stationäre Resonanz, axial versetzter Sensor) sind meist individuell adaptiert. Berührungslose Messverfahren haben sich mittlerweile aufgrund ihrer Vorteile einen festen Platz bei den Schaufelschwingungsmessungen erobert. Die Anzahl der eingesetzten Sonden richtet sich stark nach der Messaufgabe. Für eine Absicherung gegen Flattern reichen zum Beispiel ein bis zwei Sonden. Es gibt aber auch Anwendungen mit 16 und mehr Sonden. Viele Turbomaschinenhersteller entwickeln und nutzen ihre eigenen Systeme, da eine starke Verzahnung mit Informationen aus der Maschinenauslegung für die berührungslosen Verfahren nötig ist. Sie tragen verschiedene Namen, z. B. BSSM, BVM, OSS, NSMS oder Tip Timing. Sie können ihre Stärken insbesondere bei klar umrissenen Aufgaben bei Kraftwerksmessungen (z. B. Absicherung einer Turbinenlaufschaufel gegen Flattern bei Erhöhung der Grenzleistung oder Ermittlung von Streubändern in der Prototyperprobung) ausspielen. Zur Bestimmung des Schaufelschwingungsverhaltens über alle Betriebsbereiche hinweg mit Abdeckung auch höherer Schwingungsformen sind sie jedoch nur bedingt geeignet. In Verbindung mit der berührenden DMS-Messung jedoch bilden sie eine ideale Ergänzung zur Erlangung eines möglichst vollständigen Bildes über das Schaufelverhalten.
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Kapitel 34
Stationäres Betriebsverhalten Andreas Bauer und Stefan Rofka
Üblicherweise geben Gasturbinenhersteller für ihre Gasturbinentypen charakteristische Kennwerte wie Nennleistung und Wirkungsgrad an. Diese Werte gelten aber nur für ganz bestimmte Referenzbedingungen. Jede Abweichung hinsichtlich Umgebungsbedingungen (T1 , 1 , '1 ), Brennstoff (Typ, unterer Heizwert Hu und Zusammensetzung), Zustand des elektrischen Netzes (cos ';f ) und Druckverluste der Luftzufuhr (pein / sowie der Abgasabführung (paus) führt zu Änderungen dieser Kennwerte. Neben diesen Parametern, welche im Normalfall durch den Aufstellungsort, die meteorologischen Bedingungen und die Kraftwerkskonfiguration gegeben sind, können der Lastzustand einer Gasturbine und damit die Leistungskennwerte durch Änderung von Regelungsparametern im Rahmen der Betriebsgrenzen beeinflusst werden. Als wichtigste Parameter zur Lastregelung sind hier die Turbineneintrittstemperatur (TET), der Verdichteransaugmassenstrom (m P ein ) sowie die Wasser- bzw. Dampfeinspritzung zu nennen. Als Betriebsverhalten wird die Reaktion der Gasturbine auf Änderungen dieser Parameter bezeichnet. Der oben erwähnte Referenzzustand muss nicht identisch mit dem Auslegungspunkt der Gasturbine sein. Insbesondere müssen bei Betrieb im Referenzzustand nicht alle Komponenten in ihrem Auslegungspunkt betrieben sein. Bei der Neuentwicklung wie auch bei der Weiterentwicklung von Gasturbinen kann es von Vorteil sein, auf bereits entwickelte und im Alltagseinsatz getestete Komponenten zurückzugreifen. Hierbei kann es nötig sein, diese Komponenten außerhalb des ursprünglichen Komponentenauslegungspunktes zu betreiben. Als Referenzzustand haben sich die ISO-Bedingungen (T1 D 15 °C, 1 D 1;013 bar, '1 D 60%, ISO2314-2009[E] [34.4]) allgemein durchgesetzt. Ergänzt werden diese atmosphärischen Bedingungen um die Annahmen verlustloser Zu- und Abströmung (ptot, ein D 0, paus D 0) und der Festlegung auf einen Referenzbrennstoff. Für Gasbetrieb bietet sich hier reines Methan (CH4 , Hu D 50 MJ=kg), für Ölbetrieb Heizöl Extraleicht (international: Oil no. 2, Hu D 42MJ=kg) an. Die maximale Last, unter welcher die Gasturbine bei gegebenen Umgebungsbedingungen und normaler Alterung dauerhaft betrieben werden kann, wird als Volllast oder Grundlast bezeichnet. Lastzustände unterhalb dieses Wertes werden als Teillast bezeichnet. Zur Abdeckung hoher Netzlasten können Gasturbinen zeitlich C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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A. Bauer, S. Rofka
limitiert auf Spitzenlast betrieben werden. Da dies im Normalfall durch Anhebung der Turbineneintrittstemperatur erfolgt, ist dies mit einer deutlich verringerten Lebensdauer der heißgasführenden Teile verbunden.
34.1 Grundlagen Im Folgenden sollen die für das Gesamtbetriebsverhalten von stationären Gasturbinen wichtigsten Betriebscharakteristika von Gasturbinenkomponenten beschrieben werden. Sobald eine stationäre Gasturbine in Einwellenbauweise über den Generator mit dem elektrischen Netz synchronisiert ist, liegt die mechanische Drehzahl des Rotors fest. Lediglich die im Normalfall geringfügigen Schwankungen der Netzfrequenz werden dem Gasturbinenrotor aufgeprägt. Diese Drehzahlkonstanz hat starke Auswirkungen auf Betriebsverhalten und Lastregelung. Ohne eine Änderung der Drehzahl ist der geförderte Luftvolumenstrom des Verdichters bei unveränderter Verdichtergeometrie nahezu konstant. Darüber hinaus ist der Verdichteransaugmassenstrom bei typischen Axialverdichtern für stationäre Gasturbinen in einem weiten Bereich praktisch unabhängig vom Verdichtungsdruckverhältnis. Dies zeigt sich in den steilen Linien konstanter aerodynamischer Drehzahl im Verdichterkennfeld (Abb. 34-1), bei dem – wie in Kap. 7 näher erläutert – das Verdichterdruckverhältnis über dem reduzierten Verdichteransaugmassenstrom aufgetragen wird: p RTein, V, ref n p : nrel D nref RTein, V Näherungsweise gilt also für konstante reduzierte Drehzahl P ein, V =1 D konst : VPein, V D m Dies legt zum einen die relative Veränderung des Verdichteransaugmassenstroms über Umgebungstemperatur und -druck fest (siehe Abschn. 34.2), zum anderen zeigt dies auch, dass zur Beeinflussung des Lastzustandes der Gasturbine über den Ansaugmassenstrom eine Verstellung der Verdichtergeometrie nötig ist (siehe Abschn. 34.3). Als Merksatz kann festgehalten werden: Der Massenstrom durch die Gasturbine wird durch das Betriebsverhalten des Axialverdichters bestimmt. Als weiteres wichtiges Komponentenverhalten ist die Schluckfähigkeit der Turbine zu erwähnen. Eine mehrstufige Turbine mit einer für stationäre Gasturbinen typischen Auslegung verhält sich hinsichtlich Massendurchfluss näherungsweise wie eine kritisch durchströmte Düse. Charakteristisch für die kritische Düsenströmung ist die Konstanz des reduzierten Massenstroms: p m P ein, T RTein, T : m P ein, T D pein, T
34 Stationäres Betriebsverhalten
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relatives Verdichterdruckverhältnis [–]
1,4 n* = 1,05 n* = 1,1
1,3
n* = 1,0
1,2
n* = 0,95
1,1 1,0
n* = 0,9
Pumpgrenze
Referenzpunkt heißer Tag (50 °C)
0,9
kalter Tag (–20 °C)
VolllastArbeitslinie
0,8 0,7 0,6 0,5 0,80
0,85
0,90
0,95
1,00
1,05
relativer reduzierter Verdichteransaugmassenstrom [–] Abb. 34-1 Typisches Verdichterkennfeld mit Volllastbetriebslinie bei Variation der Umgebungstemperatur
Alle Größen beziehen sich auf den Eintrittszustand der Turbine. Wird nun, wie oben beschrieben, der Massenstrom durch die Gasturbine vom Betriebsverhalten des Verdichters bestimmt und die Turbineneintrittstemperatur durch die Auslegung festgelegt, so bleibt als freier Prozessparameter der Eintrittsdruck der Turbine. Der Druck vor Turbine und damit auch das Verdichterdruckverhältnis ergeben sich somit aus der Abstimmung des Turbinenschluckvermögens auf die Massenstromcharakteristik des Verdichters. Somit kann festgehalten werden: Das Verdichterdruckverhältnis im Betrieb wird durch das Schluckvermögen der Turbine bestimmt. Abbildung 34-1 zeigt eine typische Volllastarbeitslinie bei Variation der Umgebungstemperatur, wie sie sich aus dem Zusammenspiel von Verdichtermassenstromcharakteristik und Turbinenschluckvermögen ergibt.
34.2 Abweichung vom Referenzzustand In den seltensten Fällen wird die Gasturbine in ihrem Referenzzustand betrieben. Abhängig vom atmosphärischen Zustand – barometrischer Druck, Umgebungstemperatur, relative Feuchte – und von zusätzlichen Verlusten im Ansaugkanal durch z. B. Filter und im Abgaskanal durch z. B. einen Abhitzekessel, werden der Betriebspunkt und somit die Betriebsdaten Leistung, thermischer Wirkungsgrad, Austrittsmassenstrom und Austrittstemperatur der Gasturbine vom Referenzpunkt (ISO
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A. Bauer, S. Rofka
Definition Abschn. 34.1) abweichen. Die Umgebungstemperatur, die in den allermeisten Fällen gleich der Ansaugtemperatur ist, ist bei stationären Gasturbinenanlagen zur Stromerzeugung hierbei der wichtigste Einflussfaktor, da diese abhängig vom Aufstellungsort einer großen Variationsbreite unterliegen kann. Auf das Teillastverhalten, das ebenfalls eine Abweichung vom Referenzzustand darstellt, wird in Abschn. 34.3 näher eingegangen. Bei jeder Spezifikation für eine zu erstellende Gasturbinenanlage müssen die klimatischen Bedingungen und die Meereshöhe unbedingt in Betracht gezogen werden. Auch die Beeinflussung der Ansaugtemperatur der Gasturbine durch Eintrittskühlung zwecks Leistungssteigerung beziehungsweise Vorwärmung zur Reduktion der Vereisungsgefahr muss hierbei berücksichtigt werden. Eine Änderung der Ansaugtemperatur bewirkt eine Änderung der Dichte und demzufolge gemäß der Verdichtercharakteristik eine Änderung des Ansaugmassenstromes. Zusätzlich wird der Verdichtungsprozess beeinflusst. Je geringer die Eintrittstemperatur ist, desto geringer ist die erforderliche spezifische Verdichterarbeit. Der Ansaugmassenstrom bzw. der Austrittsmassenstrom, die Leistung und der thermische Wirkungsgrad der Gasturbine verlaufen gegenläufig zur Umgebungstemperatur bei sonst konstanten Umgebungsbedingungen und gleicher Turbineneintrittstemperatur. Die Austrittstemperatur sinkt mit der Umgebungstemperatur. Abbildung 34-2 zeigt exemplarisch an Hand eines einfachen Gasturbinenprozesses den Einfluss der Umgebungstemperatur auf den Verlauf der Zustandsänderung im T;sDiagramm. Abbildung 34-3 ist die Änderung der wichtigsten Betriebsparameter mit der Umgebungstemperatur zu entnehmen. Eine Änderung des barometrischen Drucks hat nur Einfluss auf Leistung und Austrittsmassenstrom, welche proportional mit diesem ansteigen. Da das Druckverhältnis des Gasturbinenprozesses konstant bleibt, bleiben auch der thermische Wirkungsgrad und die Austrittstemperatur unverändert. Bei Gasturbinenanlagen in höher gelegenen Standorten führt dies zu erheblichen Leistungseinbußen gegenüber dem Referenzzustand. Der Einfluss der relativen Feuchte auf die Gasturbinenbetriebsdaten ist klein und kann besonders bei nicht zu hohen Umgebungstemperaturen näherungsweise vernachlässigt werden. Der Einfluss des Ansaugdruckverlustes auf die Betriebsdaten ist grundsätzlich wie derjenige der Umgebungstemperatur (Abb. 34-4). Ein Anstieg des Druckverlustes im Abgaskanal vermindert die Leistung und den thermischen Wirkungsrad und erhöht die Austrittstemperatur der Gasturbine. Der Austrittsmassenstrom bleibt unverändert, da lediglich der Gegendruck der Expansion der Turbine beeinflusst wird. Die zusätzlichen Druckverluste im Ansaug- und Abgaskanal lassen sich durch konstruktive Maßnahmen minimieren und stellen somit ein gewisses Optimierungspotenzial dar. Beim Betrieb einer Gasturbinenanlage muss die Verschmutzung der Ansaugluftfilter mit der damit einhergehenden Erhöhung des Ansaugdruckverlustes mit den Kosten für die Filterwartung in Einklang gebracht werden. Üblicherweise werden die vorher beschriebenen Änderungen der Betriebsdaten als so genannte Korrekturkurven dokumentiert. Unterschiedliche Verläufe dieser
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971
Maximale Turbineneintrittstemperatur
Totaltemperatur T
Umgebungstemperatur –15 °C
p∞
Umgebungstemperatur 35 °C
Umgebungstemperatur 15 °C Entropie s
Änderung der Austrittstemperatur [K]
rel. Leistung [–], rel. Wirkungsgrad [–], rel. Austrittsmenge [–]
Abb. 34-2 Verlauf der Zustandsänderung im T;s-Diagramm in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur
relativer Austrittsmassenstrom relative Leistung
relativer Wirkungsgrad
Änderung der Austrittstemperatur
–15
–10
–5
0
5
10
15
20
25
30
35
Umgebungstemperatur [°C] Abb. 34-3 Korrekturkurven über Umgebungstemperatur
Kurven für Gasturbinen verschiedener Hersteller resultieren zum einen aus dem unterschiedlichen Verhalten der Komponenten bezüglich Wirkungsgraden, Durchflusscharakteristiken, Verbrauch von Kühlluftmengen und Druckverlusten und zum
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relativer Wirkungsgrad
relativer Austrittsmassenstrom
relative Leistung
Änderung der Austrittstemperatur [K]
rel. Leistung [–], rel. Wirkungsgrad [–], rel. Austrittsmenge [–]
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Änderung der Austrittstemperatur 0
5
10
15
20
Eintrittsdruckverlust [mbar] Abb. 34-4 Korrekturkurven über Eintrittsdruckverlust
anderen aus dem angwendeten Regelgesetz zur Einstellung der Turbineneintrittsstemperatur im Betrieb. In der Regel werden die Korrekturkurven nur für Bereiche des Umgebungszustandes angegeben, bei denen die Gasturbine keinen Beschränkungen unterliegt, d. h., dass die Turbineneintrittstemperatur und die Stellung der Verdichtervorleitreihe wie beim Referenzzustand eingestellt sind. Bei sehr niedrigen Umgebungstemperaturen – also großen reduzierten Drehzahlen – kann es notwendig sein, die Leistung mittels Teillastbetrieb (siehe Abschn. 34.3) zu begrenzen, um Beschränkungen durch z. B. den maximal zulässigen Verdichteraustrittsdruck oder den maximal zulässigen Axialschub zu berücksichtigen. Häufig wird dabei von der Grenzleistung der Gasturbine gesprochen. Bei hohen Umgebungstemperaturen – also kleinen reduzierten Drehzahlen – kann es notwendig sein, die Turbineneintrittstemperatur (bei einer Maschine mit sequentieller Verbrennung die Turbineneintrittstemperatur der Niederdruckturbine) zu senken, damit die Turbinenaustrittstemperatur zulässige Grenzwerte der letzten Turbinenlaufreihe und des Abgaskanals nicht überschreitet. Die Verdichteraustrittstemperatur kann auslegungsbedingt auf einen bestimmten Wert begrenzt sein. Wird dieser Wert erreicht (z. B. bei hohen Umgebungstemperaturen), muss in der Regel die Verdichtereintrittsleitreihe geschlossen werden, um das Druckverhältnis und somit die Verdichteraustrittstemperatur zu senken. Die Gefahr der rotierenden Ablösung der ersten Stufen des Verdichters oder des Pumpens bei hohen Umgebungstempera-
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973
TET Tein, V
Verdichterdruckverhältnis
Pumpgrenze
ηV
Turbinenschlucklinien
n* 1
reduzierter Verdichtereintrittsmassenstrom Abb. 34-5 Verdichterkennfeld mit Turbinenschlucklinien bei Variation der Turbineneintrittstemperatur
turen kann ebenfalls durch eine Absenkung der Turbineneintrittstemperatur, d. h. durch die damit verknüpfte Reduzierung des Verdichterdruckverhältnisses, vermieden werden. Der Zusammenhang wird aus Abb. 34-5 ersichtlich. Hier wird ein Verdichterkennfeld gezeigt, in welches die Turbinenschlucklinien für verschiedene Turbineneintrittstemperaturen eingezeichnet wurden.
34.3 Teillastverhalten Neben dem für den Dauerbetrieb wichtigen Grundlastzustand muss eine Gasturbine jede beliebige Lastanforderung zwischen Grundlast und Leerlauf (Pnet D 0, n D nref ) abdecken können. Dies ist für das normale An- und Abstellen der Maschine, aber insbesondere für wechselnde Lastanforderungen des elektrischen Netzes, erforderlich. Grundsätzlich lässt sich die abgegebene Leistung einer Gasturbine über die wesentlichen Eingriffsparameter Ansaugmassenstrom und Turbineneintrittstemperatur beeinflussen.
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A. Bauer, S. Rofka
34.3.1 Verstellung von Verdichterleitreihen Wie bereits in Abschn. 34.1 erwähnt, ist bei fester Geometrie des Verdichters der Volumenstrom konstant. Damit lässt sich eine aktive Beeinflussung des Verdichteransaugmassenstroms nur über variable Geometrien erreichen. Wegen ihrer Komplexität spielen verstellbare Verdichterlaufschaufeln in der industriellen Anwendung keine Rolle, somit verbleibt nur die Anstellwinkelvariation von Verdichterleitschaufeln. Die einfachste Ausführungsvariante ist hier eine Verdichtervorleitreihe, welche in ihrem Anstellwinkel variabel ist und somit die Zuströmung der ersten Laufreihe beeinflusst. Mit dieser Maßnahme lässt sich der Verdichteransaugmassenstrom gegenüber der Grundlaststellung in einer Größenordung von ca. 30% reduzieren. Ein größerer Verstellbereich lässt sich nur mit der Anwendung von mehreren verstellbaren Verdichterleitreihen in den vorderen Stufen erzielen. So vergrößert sich der Verstellbereich des Ansaugmassenstroms mit z. B. drei verstellbaren Leitreihen auf ca. 50%. In Abb. 34-6 sind Teillastkennfelder eines Verdichters mit Vorleitreihenverstellung dargestellt. Für die drei Vorleitreihenstellungen Volllast, teilweise zugedreht und Minimalstellung sind jeweils die gleichen Linien konstanter reduzierter Drehzahl eingetragen. Man erkennt deutlich die Verschiebung der Teilkennfelder zu niedrigeren Durchsätzen. Mit eingetragen ist eine typische Teillastarbeitslinie einer stationären Gasturbine. Mit der Reduktion des Ansaugmassenstroms erniedrigt sich auch das Druckverhältnis des Prozesses. Der Zusammenhang zwischen Druckverhältnis und massen-
1,4 relatives Verdichterdruckverhältnis [–]
Vorleitreihe auf Volllaststellung
1,3 1,2
Vorleitreihe teilweise zugedreht
1,1 1,0
Referenzpunkt
Vorleitreihe auf Minimalstellung
Teillastbetriebslinie
P=100%
0,9 0,8 0,7 0,6
n*=1,0 P=80%
P=60%
n*=1,0
n*=0,9
n*=1,0
P=20%
n*=1,05
n*=0,95
0,5 0,4 0,65
0,70
0,75
0,80
0,85
0,90
0,95
relativer reduzierter Verdichteransaugmassenstrom [–] Abb. 34-6 Teillastbetriebslinie im Verdichterkennfeld mit verstellbarer Vorleitreihe
1,00
1,05
34 Stationäres Betriebsverhalten
975
110% relativer Betriebsparameter
Turbinenaustrittstemperatur
Volllaststellung
100% Vorleitreihenverstellung
Turbineneintrittstemperatur
90% Wirkungsgrad
80% 70% Gesamtdruckverhältnis Ansaugmassenstrom
60%
Vorleitreihenstellung
50% 20%
Leerlaufstellung
40%
60%
80%
100%
relative Last P Abb. 34-7 Typische Abhängigkeit der Betriebsparameter einer stationären Gasturbine bei Teillast
Maximale Turbineneintrittstemperatur Volllast Vorleitreihe geschlossen
Totaltemperatur T
Vorleitreihe geschlossen und TET reduziert p∞
Entropie s Abb. 34-8 T;s-Diagramm für Teillastbetrieb
spezifischer Leistung ist in Kap. 2 näher beschrieben. Abbildung 34-7 zeigt den Verlauf der wichtigsten Prozessparameter über der relativen Last der Gasturbine für ein Teillastbetriebskonzept, wie es z. B. bei der Alstom-Gasturbine GT13E2 angewendet wird. Bei der Entwicklung des Teillastbetriebskonzeptes sind Zielvorgaben wie
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A. Bauer, S. Rofka
z. B. maximaler Anlagenwirkungsgrad im GuD Betrieb sowie Betriebseigenschaften der Gasturbinenkomponenten zu berücksichtigen. Hier kommt z. B. der Erzielung niedriger Schadstoffemissionen im ganzen Teillastbereich eine immer grössere Bedeutung zu. Das hier beschriebene Teillastbetriebskonzept hat als Ziel, die Turbinenaustrittstemperatur für einen nachgeschalteten Dampfprozess möglichst hoch zu halten. Es stellt ein typisches Beispiel dar – verschiedene Hersteller wenden unterschiedliche Konzepte an –, die grundsätzlichen Reaktionen der Kreisprozessparameter auf die Veränderungen der Regelungsparameter lassen sich jedoch auf andere Betriebskonzepte übertragen. Ausgehend von Volllast, wird zur Lastreduktion zunächst der Ansaugmassenstrom mittels Verdichterleitreihenverstellung reduziert. Mit dieser Maßnahme reduziert sich das Druckverhältnis und als Folge davon steigt die Abgastemperatur bei festgehaltener Turbineneintrittstemperatur an. Dieses Verhalten ist in Abb. 34-8 im schematischen T;s-Diagramm verdeutlicht. Die maximal zulässige Abgastemperatur kann durch Materialgrenzen der Gasturbine wie auch eines eventuell nachgeschalteten Dampfkessels gegeben sein. Wird diese maximale Abgastemperatur bei Entlasten mittels Verdichtermassenstromreduktion erreicht, muss zur weiteren Lastreduktion die Turbineneintrittstemperatur gesenkt werden.
34.3.2 Absenkung der Turbineneintrittstemperatur Die Absenkung der Turbineneintrittstemperatur erfolgt über die Reduktion des Brennstoffmassenstroms. Sie führt, wie unter Abschn. 34.1 dargestellt, zu einer Abnahme des Druckverhältnisses. Der Einfluss auf den Verlauf der Zustandsgrößen ist in Abb. 34-8 dargestellt. Bei Gasturbinen, welche keine Verstellung der Verdichtergeometrie zulassen, ist die Absenkung der Turbineneintrittstemperatur die einzige Möglichkeit zur Lasteinstellung. Unabhängig vom gewählten Teillastfahrkonzept nimmt der thermodynamische Wirkungsgrad des Prozesses mit einer Reduktion der Last ab (Abb. 34-7). Dies ist im Wesentlichen durch die beiden Parameter Druckverhältnis und Turbineneintrittstemperatur bestimmt. In Kap. 2 ist der Einfluss dieser Prozessgrößen auf den Wirkungsgrad des Gasturbinenprozesses beschrieben. Heute werden Gasturbinen im Kraftwerksbau vorwiegend in Kombikraftwerken eingesetzt. Damit der Dampfteil des Kraftwerkes in einem thermodynamisch günstigen Zustand betrieben werden kann, ist es von Vorteil, wenn auch bei Teillastbetrieb eine hohe Abgastemperatur und damit Frischdampftemperatur gewährleistet werden kann. Dies wird durch die Anwendung der Verdichterleitreihenverstellung ermöglicht. (Abb. 34-7). Bei einer Lastreduktion über die Turbineneintrittstemperatur allein nimmt die Abgastemperatur proportional zu dieser ab. Mit der abgegebenen Leistung verringert sich bei Teillast die Energiezufuhr in die Brennkammer. Brennersysteme moderner stationärer Gasturbinen werden zur Minimierung der Stickoxidemissionen (NOx ) nahe an der Löschgrenze betrieben (Dry-low-NOx -Technik). Auch hier zeigt sich ein Vorteil des Teillastbetriebes mit Verstellung der Verdichtergeometrie. Während bei al-
34 Stationäres Betriebsverhalten
977
leiniger Reduktion der Turbineneintrittstemperatur und damit der Brennstoffzufuhr das Brennstoff-Luft-Verhältnis der Brennkammer reduziert wird, kann dieses mit einer Reduktion des Ansaugmassenstroms über einen weiten Lastbereich praktisch konstant gehalten werden. Spezielle Maßnahmen zur Beeinflussung des BrennstoffLuft-Verhältnisses in der Brennkammer (z. B. Brennerstufung oder Luftbypasssysteme) können so vermieden oder zumindest im Aufwand reduziert werden.
34.3.3 Methoden zur Leistungssteigerung Die Deregulierung des Strommarktes bringt es mit sich, dass es aus kommerzieller Sicht sehr vorteilhaft sein kann, in Zeiten hohen Verbrauchs die Leistung eines Kraftwerkes über den Normalwert hinaus zu steigern. Als technisch realisierte Maßnahmen werden im Folgenden der Spitzenlastbetrieb durch Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur, die Lasterhöhung durch Wasser- bzw. Dampfeinspritzung in die Brennkammer und die Kühlung der Ansaugluft beschrieben (s. auch Abschn. 2.4.4). Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur Zur kurzfristigen Leistungssteigerung wird die Turbineneintrittstemperatur um ein bestimmtes Delta angehoben. Typische Werte bewegen sich zwischen 30 K und 50 K. Damit lässt sich eine Leistungssteigerung in der Größenordnung 5–10% erzielen. Auch der Wirkungsgrad nimmt aufgrund der Erhöhung der maximalen Prozesstemperatur und des Druckverhältnisses noch leicht zu. Die Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur über den Auslegungswert hinaus führt zu einer schnelleren Alterung der Heißgaskomponenten. Daher wird der zusätzliche Lebensdauerverbrauch durch einen Multiplikator in der Größenordnung 10 im Betriebsstundenzähler erfasst. Zur Berechnung dieser so genannten äquivalenten Betriebsstunden, in die noch eine Vielzahl anderer Lebensdauer verbrauchender Betriebssituationen eingeht, sei auf Kap. 38 verwiesen. Wasser- oder Dampfeinspritzung Wasser- oder Dampfeinspritzung in die Brennkammer wurde schon sehr früh eingesetzt, um die NOx -Emissionen der früher üblichen Diffusionsbrenner zu kontrollieren. Bei modernen Dry-low-NOx -Brennern ist dies im Gasbetrieb nicht mehr nötig, dennoch macht man sich diese Technik zu Nutze, um die Leistungsabgabe einer Gasturbine zu erhöhen. Dabei wird Wasser bzw. Dampf in die Brennkammer eingespritzt, wodurch bei gleichbleibender Leistungsabgabe die Turbineneintrittstemperatur gesenkt werden kann. Durch Zugabe von zusätzlichem Brennstoff kann die Leistungsabgabe der Maschine gesteigert werden, bis die maximal zulässige Turbineneintrittstemperatur erreicht wird. Durch die Wasserzugabe erhöht sich der Wasserdampfanteil im Heißgas und damit der Wärmeübergang in die heißgasführenden Bauteile. Die maximal zulässige TET erniedrigt sich deswegen bei festgehaltener Metalltemperatur und gleichen Lebensdauerzielen der heißgasführenden Komponenten.
relative Leistung, relativer Wirkungsgrad
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A. Bauer, S. Rofka
125% Relative Leistung
120% 115% e Wass
p reins
110% Dampfe
insp
ritzu
ng
ung spritz pfein Dam = 400 °C T f ritzung Damp
°C T Dampf = 250
105%
Relativer Wirkungsgrad
100% Wassereinspritz
95% 90% 0,00
ung
0,01 0,02 0,03 0,04 Verhältnis Einspritzmenge H2O zu Ansaugluftmenge
0,05
Abb. 34-9 Typischer Einfluss von Wasser- und Dampfeinspritzung auf Leistung und Wirkungsgrad einer stationären Gasturbine
Zwei Effekte sind für die Erhöhung der Gasturbinenleistung verantwortlich: Durch die Wasserzugabe erhöhen sich die spezifische Wärmekapazität des Heißgases und damit die bei der Entspannung in der Turbine realisierbare Enthalpiedifferenz. Einen weiteren Beitrag liefert die Massenstromerhöhung durch die Turbine, welche auch zu einer Erhöhung des Verdichterdruckverhältnisses führt. Die Druckerhöhung bewirkt eine Verschiebung der Arbeitslinie im Verdichter in Richtung Pumpgrenze. Zudem ändert sich infolge der Massenstromerhöhung auch die Austrittsmachzahl der letzten Turbinenstufe, was Einfluss auf deren aerodynamische und festigkeitsmäßige Auslegung hat. Aus diesem Grund ist es wichtig, eine optionale Wasseroder Dampfeinspritzung bereits frühzeitig bei der Auslegung der Turbokomponenten zu berücksichtigen. Abbildung 34-9 zeigt einen typischen Verlauf von Leistung und Wirkungsgrad einer stationären Gasturbine bei Wasser- oder Dampfeinspritzung in die Brennkammer. Der für eine ausgeführte Gasturbine sich tatsächlich ergebende Verlauf hängt aber wesentlich vom Verlauf des Verdichtungswirkungsgrades bei Druckerhöhung und von der Wirkungsgradveränderung der Turbine bei Massenstromerhöhung ab. Die relative Veränderung der Leistungsparameter ist über dem Verhältnis von eingespritzter Wasser- bzw. Dampfmenge zu Verdichteransaugmassenstrom aufgetragen. Bei ausgeführten Anlagen bewegt sich dieser Wert in einem Bereich zwischen etwa 0,02 und 0,05. Bei Dampfeinspritzung erhöht sich der auf den Brennstoffmassenstrom bezogene Wirkungsgrad der Gasturbine, da bei der üblicherweise angewandten Definition des Gasturbinenwirkungsgrades die zugeführte Energie des Dampfmassenstroms (typi-
34 Stationäres Betriebsverhalten
979
sche Zustandswerte: TDampf D 250–400 °C, pDampf D 20–50 bar) nicht berücksichtigt wird. Somit ist die Dampfeinspritzung insbesondere bei Kraftwerken rentabel, bei welchen der einzuspritzende Dampf in einem schon vorhandenen Abhitzekessel erzeugt werden kann. Der Wirkungsgrad des Kraftwerkes nimmt aber im Allgemeinen nur dann zu, wenn der in die Gasturbine eingespritzte Dampf sonst für den Kraftwerksprozess verloren wäre. Bei Wassereinspritzung wird die zur Verdampfung des Wassers in der Brennkammer nötige Verdampfungsenthalpie der Verbrennung entzogen. Da es nicht möglich ist, im normalen Gasturbinenprozess das Wasser im Abgassystem zu kondensieren, geht diese Verdampfungsenergie dem Prozess verloren. Damit erniedrigt sich der Gasturbinenwirkungsgrad bei Wassereinspritzung. Aus diesen Gründen kommt die Wassereinspritzung bei Gasturbinenkraftwerken ohne angeschlossen Abhitzekessel zum Einsatz. Typischerweise wird bei derartigen Anlagen die Wassereinspritzung wegen des negativen Einflusses auf den Wirkungsgrad nur zur Abdeckung von Spitzenlastbedarf eingesetzt. Dampfeinspritzung hingegen bietet sich bei GuD-Anlagen an, wobei auch hier der Dampf im Normalfall nur zur Reduktion von Emissionen benutzt wird, da es bei typischen Konfigurationen energetisch günstiger ist, den Dampf in der Dampfturbine zu entspannen. Auch der Verbrauch von demineralisiertem Wasser spielt bei der Wirschaftlichkeitsberechnung für diese Form der Leistungssteigerung eine wichtige Rolle. Kühlung der Ansaugluft In Regionen mit hohen Umgebungstemperaturen und hohem Industrialisierungsgrad steigt der Bedarf an elektrischer Energie mit der Umgebungstemperatur stark an. Umgekehrt nimmt die Leistungsabgabe von Gasturbinenkraftwerken mit steigender Umgebungstemperatur ab. Um diesem gegenläufigen Effekt entgegenzuwirken, kann die Verdichteransaugluft gekühlt werden. Die technisch einfachste Variante ist die Kühlung durch Verdunstung von Wasser. Die Ansaugluft durchströmt nach dem Luftfilter angeordnete, mit Wasser benetzte Fasermatten. Die zur Verdunstung nötige Verdampfungswärme wird der vorbeistreichenden Luft entzogen. Gleichzeitig sättigt sich die Ansaugluft mit Wasser. Somit ist der zu erzielende Abkühlungseffekt abhängig von der Wasseraufnahmefähigkeit der Umgebungsluft. Dies wiederum heißt, dass bei feuchtwarmem Klima nur eine geringfügige Abkühlung erzielt werden kann. Optimale Ergebnisse sind in trockenem, heißem Klima zu erzielen. Theoretisch kann bis auf die Feuchtkugeltemperatur (Temperatur eines angefeuchteten Thermometers) heruntergekühlt werden, praktisch kann eine Wassersättigung der Ansaugluft zu 100% mit diesem Prinzip nicht erzielt werden. Der Wirkungsgrad von Verdunstungskühlern wird über das Verhältnis der erreichten zur theoretisch möglichen Temperaturabsenkung definiert: Verdunstungskühler D
TKühler, ein TKühler, aus TKühler, ein TFeuchtkugel
Typische Werte für diesen Wirkungsgrad liegen, je nach technischem Aufwand, zwischen 70% und 95%. Die zusätzlichen Druckverluste mit den damit verbundenen
980
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negativen Auswirkungen auf Leistung und Wirkungsgrad nehmen mit der zunehmenden Versperrung des Ansaugkanals zu. Deshalb ist eine Optimierung zwischen verursachten Druckverlusten und erreichbarem Verdunstungswirkungsgrad nötig. Eine weitere technische Lösung zur Ausnutzung des Verdunstungseffektes ist das direkte Vernebeln von Wasser im Ansaugkanal. Mit dieser Methode kann der Abkühleffekt noch verstärkt werden, indem mehr Wasser in die Ansaugluft eingespritzt wird, als zur vollkommenen Sättigung nötig ist. Das nicht verdunstete Wasser wird als Nebel in den Verdichter eingesogen dem Verdichter in Form von Wassertröpfchen zugeführt und im Zuge der Verdichtung verdunstet. Damit kann sowohl der Ansaugmassenstrom erhöht als auch die Verdichteraustrittstemperatur erniedrigt werden. Das Risiko einer beschleunigten Abnutzung (Erosion) der Verdichterbeschaufelung nimmt bei dieser Methode zur Ansaugluftkühlung zu. Wesentlich aufwendiger ist die technische Lösung, die Ansaugluft über Wärmetauscher zu kühlen. Die erzielbaren Temperaturdifferenzen sind hier allerdings nur durch die Vereisungsgrenze des Wärmetauschers und der Verdichterbeschaufelung limitiert.
34.4 Einfluss des Brennstoffes Erdgase In ähnlicher Weise, wie die Betriebsdaten der Gasturbine von den Umgebungsbedingungen abhängen, werden sie von der Art und Zusammensetzung des Brennstoffes mit bestimmt. Der wichtigste Brennstoffparameter für den Gasturbinenprozess ist der untere Heizwert, der im Wesentlichen den für eine gegebene Turbineneintrittstemperatur benötigten Brennstoffmassenstrom bestimmt. Dabei steigen die Leistung und der thermische Wirkungsgrad der Gasturbine mit sinkendem unteren Heizwert an, da der Massenstrom durch die Turbine zunimmt und das Druckverhältnis der Gasturbine steigt. Der Einfluss des Druckverhältnisses auf spezifische Leistung und Wirkungsgrad wurde in Kap. 2 bereits erläutert. Den umgekehrten Einfluss hat die Brennstoffvorwärmung, welche die fühlbare Wärme des Brennstoffes erhöht und somit die erforderliche Brennstoffmenge verringert. Die Anwendung der Brennstoffvorwärmung ist damit aus Prozesssicht nur von Vorteil, wenn hierzu Abfallwärme genutzt werden kann. Der Einfluss des Heizwertes auf die Prozessparameter Leistung und Wirkungsgrad ist in Abb. 34-10 dargestellt. Dargestellt ist der Verlauf der relativen Leistung und des relativen Wirkungsgrades (bezogen auf Nennwerte bei Verbrennung von reinem Methan) über dem unteren Heizwert. Die Reduktion des Heizwertes wurde über eine Beimischung von Stickstoff bzw. Kohlendioxid zum Brennstoff simuliert. Wie Abb. 34-10 ebenfalls zu entnehmen ist, ist neben dem Heizwert auch die Zusammensetzung des Brennstoffes von Bedeutung für die abgegebene Leistung und den Wirkungsgrad einer Gasturbine. Bei gleichem Heizwert liefert eine Verdünnung mit Stickstoff höhere Werte für Leistung und Wirkungsgrad im Vergleich zu Verdünnung mit Kohlendioxid. Dies liegt hauptsächlich an der niedrigeren spezi-
relative Leistung, relativer Wirkungsgrad
34 Stationäres Betriebsverhalten
102,0%
981
relative Leistung
101,5% N2-Verdünnung CO2-Verdünnung
101,0% relativer Wirkungsgrad
N2-Verdünnung
100,5% CO2-Verdünnung
100,0% 30
35
40 Unterer Heizwert Hu [MJ/kg]
45
50
relative Leistung, relativer Wirkungsgrad
Abb. 34-10 Typischer Einfluss des Heizwertes auf Leistung und Wirkungsgrad
101% 100% Relativer Wirkungsgrad 99% 98% 97% Relative Leistung 96% 95% 3
4
5
6 7 8 Brennstoff C/H Massenverhältnis
9
10
Abb. 34-11 Typischer Einfluss des C/H-Massenverhältnisses auf Leistung und Wirkungsgrad
fischen Gaskonstante des Heißgases bei Verdünnung des Brennstoffes mit Kohlendioxid und damit an der geringeren Arbeitsfähigkeit des Abgases im Vergleich zum Fall mit Stickstoffverdünnung. Aufgrund der hohen Wärmekapazität von Wasserdampf im Vergleich zu den restlichen Verbrennungsprodukten spielt der Anteil an Wasserdampf im Rauchgas eine wichtige Rolle für die Arbeitsfähigkeit des Abgases. Als Faustregel gilt: je höher
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der Wasserdampfanteil im Abgas ist, desto höher sind Leistung und Wirkungsgrad bei sonst gleichen Betriebsbedingungen. Das Verhältnis der beiden Hauptverbrennungsprodukte Wasserdampf und Kohlendioxid steht in direktem Zusammenhang zum Massenverhältnis von Kohlenstoff zu Wasserstoff im Brennstoff. Abbildung 34-11 zeigt den Einfluss des C=HMassenverhältnisses auf Leistung und Wirkungsgrad bei festgehaltenem unteren Heizwert für eine typische stationäre Gasturbine. Flüssige Brennstoffe Bei Betrieb mit flüssigen Brennstoffen mit ihrem höheren Kohlenstoffanteil ist es in der Regel notwendig, die Turbineneintrittstemperatur auf Grund der erhöhten Wärmestrahlung gegenüber dem Wert mit Gasfeuerung zu senken, um die Materialtemperaturen möglichst konstant zu halten. Im Gegensatz zum Betrieb mit gasförmigen Brennstoffen ist es bei den heute verfügbaren Brennertechnologien zur Verminderung von NOx -Emissionen bei Verbrennung von flüssigen Brennstoffen meistens notwendig, die Flammentemperatur durch Einspritzung von Wasser zu senken. Die der NOx -Bildung zugrunde liegenden Mechanismen werden in Kap. 9 erläutert. Je größer das Verhältnis von Wasser zu Öl ist, desto schlechter ist der thermische Wirkungsgrad und umso mehr Leistung ist verfügbar, da der Austrittsmassenstrom und das Druckverhältnis der Gasturbine ansteigen (s. Abschn. 34.3.3). Gemäß den unter 34.2 gemachten Aussagen können aber wiederum besonders bei niedrigen Umgebungstemperaturen Betriebsbeschränkungen notwendig sein. Gasförmige Brennstoffe mit niedrigem Heizwert Neben den Erdgasen, welche sich hauptsächlich in einem Heizwertbereich (unterer Heizwert) von ca. 30–50 MJ=kg bewegen, gelangen in Spezialanwendungen auch Gase mit deutlich niedrigeren Heizwerten zur Anwendung. So fallen z. B. in Hochofenprozessen Gase mit Heizwerten von 2–4 MJ=kg an (so genannte Low-BtuGase) und es kann wirtschaftlich interessant sein, diese Abfallprodukte in einem Gasturbinenprozess zu verwerten. Auch bei der Vergasung von Kohle oder Teer (s. Kap. 12) entstehen wasserstoffreiche Gase mit einem Heizwert in der Größenordnung 10–15 MJ=kg (MediumBtu-Gase). Damit diese niederkalorischen Gase in Gasturbinentypen für herkömmliche Brennstoffe eingesetzt werden können, müssen spezielle Maßnahmen ergriffen werden. Im Vergleich zur Verbrennung von Erdgasen werden der Brennkammer wesentlich höhere Brennstoffmengen zugeführt und das Druckverhältnis der Maschine steigt an. Zur Einhaltung eines ausreichenden Pumpgrenzenabstandes des Verdichters (s. Abschn. 7.9) muss entweder durch Verstellgeometrien der Ansaugmassenstrom reduziert werden oder Luft nach Verdichter abgeblasen werden. Im letzten Fall geht die zum Verdichten der abgeblasenen Luft aufgewendete Wellenleistung dem Gasturbinenprozess verloren. Derartige Schaltungen machen demnach nur Sinn, wenn die komprimierte Luft energetisch sinnvoll (z. B. in der BrennstoffVergasung) weiterverwendet werden kann.
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34.5 Spezielle Betriebsfälle Während in Abschn. 34.3 der Betrieb außerhalb des Auslegungspunktes beschrieben wird, welcher durch aktives Verstellen der Regelparameter herbeigeführt wird, kann es auch zu Betriebsfällen kommen, welche einen Betrieb außerhalb des Auslegungspunktes ähnlich wie bei der Änderung der Umgebungsbedingungen darstellen.
34.5.1 Frequenzabweichung Besonders bei kleinen Elektrizitätsversorgungsnetzen (so genannten Inselnetzen) kommt es regelmäßig zu Abweichungen von der Sollnetzfrequenz (50 oder 60 Hz). Der britische National Grid Code (NGC) [34.5], welcher von den Betreibern vieler Versorgungsnetze angewendet wird, schreibt z. B. als Anschlussbedingung für ein Kraftwerk an das Netz einen Frequenzbereich von 6% bis C4% vor. Innerhalb dieses Frequenzbereichs muss der Betrieb des Kraftwerkes gewährleistet werden. Der NGC schreibt weiter vor, dass im Frequenzbereich bis 1% die abgegebene Leistung konstant gehalten werden muss und unterhalb dieser Frequenz die Leistung maximal pro Rata abnehmen darf. Stationäre Gasturbinen sind nur bedingt in der Lage, diese Schwankungen der Netzfrequenz zu verarbeiten und die geforderte Leistung bereitzustellen. So steigt bei hohen Umgebungstemperaturen bei einer Netzfrequenz unter Sollwert die Gefahr einer rotierenden Ablösung im Verdichter bzw. des Verdichterpumpens. Darüber hinaus nimmt mit abnehmender Drehzahl der Verdichteransaugmassenstrom ab. Da sich dadurch der Betriebspunkt im Verdichterkennfeld und damit der Verdichterwirkungsgrad ändern, hängt die Gesamtreaktion der Gasturbine wesentlich von der Umgebungstemperatur, aber auch von der Wahl des Auslegungspunktes im Verdichterkennfeld ab. Je nach Auslegung und vorherrschender Umgebungstemperatur kann es deshalb nötig werden, bei starken Frequenzeinbrüchen kurzzeitig die Turbineneintrittstemperatur zu erhöhen. Die oben beschriebene Anschlussbedingung des NGC beschreibt lediglich das vorgeschriebene Verhalten bei „passivem“ Betrieb des Kraftwerkes. Da hier bei fallender Frequenz die Leistung des Kraftwerkes konstant bleibt bzw. bei starker Unterfrequenz sogar abfallen darf, trägt das Kraftwerk nicht zur Stützung der Netzfrequenz bei. Soll ein Kraftwerk aktiv die Netzfrequenz stützen, so muss bei fallender Netzfrequenz die abgegebene Leistung erhöht werden. Diese Betriebsart wird als Frequenzstützungsbetrieb bezeichnet. Hierbei wird die Gasturbine bei Teillast betrieben (typisch 60–80%) um im Unterfrequenzfall die Leistung erhöhen zu können. Umgekehrt muss bei Überfrequenz die Last zurückgenommen werden. Im Frequenzstützungsbetrieb kann es für die Gasturbine zu kritischen Betriebszuständen kommen, da der Leistungssollwert mit hoher Regelverstärkung an die Netzfrequenz gekoppelt ist. Schon relativ kleine Änderungen der Frequenz bewirken erhebliche Änderungen der Leistungsanforderung und dementsprechend schnelle und große Regeleingriffe. Typische Werte für den geforderten Lastgradienten liegen hier bei 10% der Nennleistung in 10 s. Falls die Maschine für Fre-
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quenzstützungsbetrieb vorgesehen ist, muss besondere Sorgfalt auf die Abstimmung der Reglerdynamik von Vorleitreihenverstellung und Brennstoffregler gelegt werden (vgl. Abschn. 35.1.2.2). Anderenfalls besteht während des Durchfahrens von negativen Lastgradienten die Gefahr, dass die Turbinenbeschaufelung überhitzt wird oder der Verdichter ins Pumpen gerät, falls die Leitschaufeln schneller geschlossen werden, als der Brennstoff reduziert wird. Beim Durchfahren von positiven Lastgradienten kann es zu einem Löschen der Flamme kommen, falls die verstellbaren Leitreihen zu schnell geöffnet werden. Daraus ist ersichtlich, dass eine sorgfältige Reglerauslegung und Optimierung für zuverlässigen Frequenzstützungsbetrieb unerlässlich ist. Neben diesen erhöhten Anforderungen bei Frequenzstützungsbetrieb besteht bei unkontrollierter Drehzahländerung die Gefahr, dass Eigenfrequenzen rotierender Bauteile angeregt werden und es durch Schaufelbruch zu gravierenden Schäden kommen kann. Entsprechende Schutzkonzepte, welche die Netzfrequenz überwachen, schützen die Gasturbine vor unerlaubt großer und langer Abweichung von der Solldrehzahl. In Abschn. 35.3.2.1 wird vertieft auf dieses Thema eingegangen.
34.5.2 Verschmutzung und Vereisung der Verdichterbeschaufelung Der Ansaugmassenstrom der Gasturbine hängt im Wesentlichen vom Eintrittsquerschnitt, der Geometrie der Vorleitreihe und der ersten Stufe des Verdichters sowie der Umfangsgeschwindigkeit und dem Wirkungsrad der ersten Stufe ab. Bei Umgebungstemperaturen unter ca. 5–10 °C und hohen relativen Feuchten über ca. 50–70% kann es durch die Beschleunigung der Strömung im Eintrittsstutzen und innerhalb der ersten Stufe aufgrund der damit verbundenen Absenkung der statischen Temperatur zu lokaler Eisbildung und zum Eisansatz an der Beschaufelung kommen. Die dadurch bedingte Verschlechterung des Wirkungsgrades der Frontstufe des Verdichters führt, neben einer signifikanten Reduktion des Pumpgrenzabstandes, zu einer Verringerung des Eintrittsmassenstroms und somit zu einem Leistungs- und Wirkungsgradabfall der Gasturbine. Darüber hinaus können ablösende Eisschichten zu erheblichen Schäden an der nachfolgenden Beschaufelung führen. Vereisung kann durch Vorwärmung der Ansaugluft durch Wärmetauscher oder durch Eindüsung von Entnahmeluft aus dem Verdichter verhindert werden. Der Betrieb mit Entnahme von Verdichterendluft führt zu einer Reduktion der Leistungsabgabe von bis zu 10%, der Leistungsverlust bei Vorwärmung mittels Wärmetauscher ergibt sich aus der normalen Korrekturkurve über der Umgebungstemperatur (s. Abschn. 34.2). Einen ähnlichen Einfluss wie die Vereisung hat die Verschmutzung der Verdichterbeschaufelung. Durch regelmäßiges Waschen – in der Regel geschieht dies durch Einspritzen einer Reinigungsflüssigkeit in den Verdichtereintritt – kann eine dauerhafte zu starke Verschmutzung verhindert werden (s. Abschn. 38.2). Bei zu starker Verschmutzung sinken nicht nur Leistung und Wirkungsgrad der Gasturbine, sondern zusätzlich steigt die Gefahr des Verdichterpumpens stark an. Das Verdichter-
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waschen kann entweder im Betrieb (unter Last) oder bei stark reduzierter Drehzahl durchgeführt werden. Im Allgemeinen ist die Wirksamkeit des Verdichterwaschens bei reduzierter Drehzahl höher. Das Waschen unter Last stellt daher nur eine ergänzende Maßnahme dar (mehr zu diesem Thema im Abschn. 7.9.6).
34.5.3 Alterung Jede Gasturbine unterliegt während des Betriebs einer gewissen Alterung, die sich nicht nur durch den – im Entwurf berücksichtigten – Verbrauch der Betriebslebensdauer äußert, sondern sie bewirkt auch eine Erhöhung von Leckagen durch Dichtungsabnutzung, Verstopfung von Kühlluftzuführungen durch Verschmutzung und Vergrößerung von Spielen in den Turbokomponenten durch Anstreifen. Während die Vergrößerung von Spielen zu einem Leistungs- und Wirkungsgradverlust der Gasturbine führt, kann die Zunahme von Leckagen und die Verstopfung von Kühlluftzuführungen zu Folgeschäden führen. Eine Zunahme der Leckage kann zu einer Überfeuerung der Gasturbine führen, ohne dass dieses unmittelbar sichtbar ist, da eine Temperaturmessung vor der Turbinenbeschaufelung im großtechnischen Einsatz derzeit noch nicht als Betriebsmessstelle verfügbar ist. Für die Regelung der Gasturbine muss daher eine repräsentative Temperatur aus Betriebsmessdaten berechnet werden. So kann z. B. die Turbineneintrittstemperatur nach ISO 2314 [34.4] über direkt gemessene Betriebsparameter wie Verdichterdruckverhältnis oder Turbinenaustrittstemperatur näherungsweise abgebildet werden. Diese stark vereinfachenden Funktionen werden für die neue Maschine im Rahmen der Inbetriebnahme justiert und repräsentieren im Normalfall keine vollständige Wärmebilanz. Je nach angewandtem Betriebskonzept (s. Abschn. 34.3.1) kann die Regelung auch unmittelbar auf Betriebsmessungen wie der Turbinenaustrittstemperatur basieren. All diesen Konzepten ist gemeinsam, dass die Regelung der Maschine mehr oder weniger direkt auf der Messung der Abgastemperatur basiert. Anhand dieser ist aber nicht zu unterscheiden, ob Kühlluft nun wirklich zur Kühlung von Komponenten verwendet wurde oder ob sie über Leckagen in den Heißgasstrom eingemischt wurde. So hat z. B. eine vergrößerte Leckage von Hochdruckkühlluft in den Heißgaspfad zur Folge, dass die Heißgastemperatur vor der Leckage und damit auch die thermische Bauteilbelastung ansteigen. Grundsätzlich ist die Vorhersage des Verlaufs der Betriebsparameter einer Gasturbine über lange Zeiten hinweg mit großen Unsicherheiten verbunden. Sie ist von lokalen Einflussfaktoren wie Luft- oder Brennstoffqualität und nicht zuletzt von der Betriebsweise der Gasturbine abhängig. Auch Einzelereignisse, z. B. Heißstarts, können zu einer Reduktion der Leistungsdaten führen. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten sollen hier nur Größenordnungen für die typische Reduktion von Leistung und Wirkungsgrad angegeben werden. Diese bewegen sich nach 10 000 Betriebsstunden bei 2– 4% Leistungsreduktion und 1–3% Wirkungsgradreduktion. Wegen des signifikanten Einflusses der Alterung und den Unsicherheiten bei der Vorhersage ist es besonders wichtig, dass diese beim Entwurf des Betriebs-, Schutz- und Wartungskonzeptes Berücksichtigung finden (s. hierzu auch Kap. 38).
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Literaturverzeichnis 34.1. Walsh, Ph. P.; Fletcher, P.: Gas turbine performance. Blackwell Science, Oxford (England) 2000 34.2. Münzberg, H. G.; Kurzke, J.: Gasturbinen – Betriebsverhalten und Optimierung. Springer 1977 34.3. Cohen H.; Roger, G. F. C.; Saravanamuttoo, H. I. H.: Gas turbine performance. John Wiley & Sons, New York, NY (USA), 1987 34.4. ISO2314-2009[E] Gas turbines – Acceptance tests 34.5. The National Grid Code (NGC), Connection Conditions. http://www. nationalgrid.com/uk/indinfo/grid_code
Kapitel 35
Automatisierungstechnik Olaf Drobner und Andreas Pahl
Die Gasturbinenautomatisierungstechnik umfasst alle Einrichtungen der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik sowie die elektronischen Schutzeinrichtungen, die für den optimalen Betrieb des Gasturbosatzes in allen Betriebsarten und bei allen Umschaltvorgängen erforderlich sind. Infolge der zunehmenden Komplexität moderner Gasturbosätze und der vielfach sehr schnell ablaufenden dynamischen Vorgänge nehmen die Möglichkeiten zum manuellen Eingreifen durch das Betriebspersonal ab. Die Folge ist ein nahezu vollautomatischer Betrieb im modernen Gasturbinenkraftwerk, in dem es im Wesentlichen dem Zusammenwirken der projektierten Hard- und Software der Prozessrechnersysteme überlassen bleibt, wie die Gasturbine betrieben wird. Die Gasturbinenautomatisierungstechnik stellt in erster Linie sicher, dass • die vom Betriebspersonal vorgegebenen Betriebsparameter erreicht und eingehalten werden, • kritische Prozessgrößen wie Abgastemperatur und Drehzahl zu keinem Zeitpunkt die zulässigen Grenzen überschreiten und so die Sicherheit der Anlage beeinträchtigen, • in allen Betriebszuständen ein höchstmöglicher Wirkungsgrad erzielt wird, • die Schadstoffemissionen auf dem niedrigsten erreichbaren Niveau gehalten werden, • die Gasturbine so materialschonend betrieben wird, dass sowohl der Turbosatz als auch nachgeschaltete Komponenten (z. B. Abhitzekessel) die vorgesehene Lebensdauer mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen. Diese Aufgaben stehen aus physikalisch-technischen Gründen zum Teil im Widerspruch zueinander und bedürfen je nach Anwendungs- und Betriebsfall einer Gewichtung und Abwägung durch den Turbinen- und Kraftwerkshersteller sowie den Anlagenbetreiber. Angesichts des seit einigen Jahren üblichen hohen Automatisierungsgrades kann das Betriebspersonal meist nur noch durch indirekte Bedieneingriffe über das Leittechniksystem Einfluss auf den Betrieb des Gasturbosatzes nehmen. Diese Teile der C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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Gasturbinenleittechnik, die die Mensch-Maschine-Schnittstelle darstellen, werden auch als Prozessbedien- und -informationssysteme bezeichnet. Sie werden vielfach durch rechnergestützte Diagnose-, Analyse- und Optimierungssysteme ergänzt, die dem Betriebspersonal die für den optimalen Betrieb der Anlage erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Die Einzelfunktionen der Gasturbinenautomatisierung lassen sich damit untergliedern in • • • •
Steuerung und Regelung, Überwachung und Schutz, Prozessvisualisierung und -bedienung und Prozessdatenermittlung, -analyse und -diagnose.
Hier sollen die speziellen Aspekte der Gasturbinenautomatisierung erläutert werden. Grundlegende Betrachtungen zur Automatisierungstechnik würden den gesteckten Rahmen sprengen. Daher sei an dieser Stelle auf [35.13,35.14,35.19,35.21, 35.27] verwiesen.
35.1 Turbinen- und Generatorregelung Die primäre Aufgabe des Turbosatzes ist die Einspeisung von elektrischer Leistung in das Netz und bei Gasturbinenkraftwerken mit Prozessdampferzeugung oder Fernwärmeauskopplung die zuverlässige Bereitstellung des Abgaswärmestroms. Die für den stationären Betrieb und das An- und Abfahren erforderlichen regelungstechnischen Eingriffe erfolgen gasturbinenseitig durch Veränderung der zugeführten Brennstoffmenge und des Verdichterluftmassenstroms. Bei einigen Gasturbinen wird zusätzlich auch eine Sekundärluftregelung eingesetzt, mit der im Teillastbetrieb zur Sicherung eines möglichst konstanten Luft-Brennstoff-Verhältnisses ein Teil des Verdichterluftmassenstroms an der eigentlichen Verbrennung vorbeigeführt wird (s. auch Kap. 10.3). Bei erhöhten Anforderungen an die Stickoxidemission wird der Verbrennung häufig Wasser oder Wasserdampf zugeführt, was eine zusätzliche Mengenregelung dieser Medien erfordert. Generatorseitig ist ein Spannungsregler und häufig auch eine Blindleistungsregelung vorgesehen. Zusätzliche Begrenzungsregelungen sorgen dafür, dass der Generator stets innerhalb des zulässigen Betriebsbereiches betrieben wird (s. Kap. 5.6).
35.1.1 Einfluss der Regelungen im Gasturbinenbetrieb Der Start der Gasturbine erfolgt i. d. R. aus dem Stillstand oder dem Wellendrehbetrieb. Alle Stellventile und Brennstoffabsperrventile sind geschlossen, die Verdichterleitschaufeln befinden sich – soweit sie für Regelungseingriffe verstellbar sind – in einer Minimalposition. Zunächst wird die Gasturbine ausschließlich durch das Drehmoment des Anfahrmotors beschleunigt (als Anfahrmotor wird häufig der mit-
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tels Anfahrumrichter als Motor betriebene Turbinengenerator genutzt). Sobald eine Drehzahl erreicht ist, bei der der Verdichter eine für das Zünden des Brennstoffs ausreichende Luftmenge fördert, wird durch die Brennstoffregelung eine festgelegte, vergleichsweise geringe Brennstoffmenge den Brennern zugeführt und dort gezündet. Mit weiter steigender Turbinendrehzahl und damit wachsendem Verdichterluftmassenstrom wird die Brennstoffmenge dann z. B. nach einer DrehzahlZeit-Funktion in der Anfahrsteuerung stetig erhöht. Damit wird gewährleistet, dass das für die optimale Verbrennung erforderliche stöchiometrische Luft-BrennstoffVerhältnis zu jedem Zeitpunkt eingehalten wird und die Verbrennungstemperatur nicht zu stark ansteigt bzw. schwankt. Mit steigender Verbrennungsleistung sinkt der Anteil des Anfahrmotors am Gesamtdrehmoment, sodass dieser bei einer bestimmten Drehzahl abgeschaltet werden kann. Die zur Beschleunigung erforderliche Arbeit wird dann allein durch Umwandlung der thermischen Energie in mechanische Energie in der Turbine aufgebracht. Die erste Startphase ist abgeschlossen, sobald der Turbosatz seine Nenndrehzahl erreicht und der Drehzahlregler die Regelung des Brennstoffmassenstroms übernommen hat. Bei Erreichen der Nenndrehzahl wird auch die Generatorerregung eingeschaltet und der Generatorspannungsregler aktiv. Um den Generator an das elektrische Netz anschalten zu können, müssen Amplitude, Frequenz und Phasenlage der Generatorspannung mit den entsprechenden Werten der Spannung im Netz übereinstimmen. Mithilfe eines Synchronisiergeräts werden deshalb die Sollwerte des Drehzahl- und des Spannungsreglers so beeinflusst, dass sich in möglichst kurzer Zeit die genannten elektrischen Kenngrößen der Generatorspannung an die der Netzspannung annähern. Sobald die Synchronbedingungen erfüllt sind, wird durch das Synchronisiergerät der Generator- bzw. Blockleistungsschalter geschlossen und damit der Generator stoßfrei an das Netz geschaltet. Beim gelegentlich gewünschten manuellen Synchronisieren werden die Sollwerte des Drehzahl- und des Spannungsreglers durch das Betriebspersonal verstellt und der Generator- bzw. Blockleistungsschalter durch einen manuellen Bedieneingriff geschlossen. (Um ein schadensträchtiges Anschalten des Generators an das Netz bei fehlenden Synchronbedingungen zu verhindern, wird heute bei größeren Gasturbosätzen häufig ein Synchron-Check-Relais eingesetzt. Dieses gibt das manuelle Schließen des Generator- bzw. Blockleistungsschalters nur dann frei, wenn die Synchronbedingungen annährend erfüllt sind.) Nach dem Anschalten des Generators an das Netz wird die Gasturbine zumeist leistungsgeregelt betrieben. (Soll der Gasturbosatz auf Schwankungen der Netzfrequenz durch Anpassung der an das Netz abgegebenen Leistung reagieren, wird der Leistungsregler entsprechend dem Ausmaß der Frequenzabweichung korrigiert; s. Abschn. 35.1.2.2.) Durch kontinuierliche Erhöhung des internen Leistungssollwerts wird der Brennstoffmassenstrom durch den Leistungsregler soweit erhöht, bis die vom Bedienpersonal eingestellte Zielleistung erreicht ist. Vor allem bei Spitzenlastmaschinen soll die Zeit bis zum Erreichen der Zielleistung möglichst kurz sein. Andererseits bedeutet eine sehr schnelle Erhöhung der Gasturbinenleistung auch eine erhöhte thermische Belastung der Bauteile und damit eine verringerte Le-
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korrigierte Turbinenaustrittstemperatur TATKSL TATKGL Vorleitschaufelstellung = 0%
Vorleitschaufelstellung = 100%
Gasturbinenleistung
PelSL PelGL Grund- Spitzenlast last
Abb. 35-1 Zusammenhang zwischen Gasturbinenleistung und korrigierter Turbinenaustrittstemperatur bei unterschiedlichen Verdichterleitschaufelstellungen
bensdauer. Insofern ist bei der Wahl des Leistungstransienten abzuwägen, ob einer kurzen Startzeit oder einer verlängerten Lebensdauer der Vorzug gegeben werden soll. Wenn der Turbinenhersteller eine Umschaltung auf verschiedene Transienten vorsieht, kann die Entscheidung je nach Netzanforderung durch das Betriebspersonal getroffen werden. Eine wichtige thermodynamische Kenngröße für den Gasturbinenbetrieb ist die Eintrittstemperatur des Heißgases in die Turbine. Auf das direkte Messen der Turbineneintrittstemperatur wird aber zumeist verzichtet, weil die thermische Belastung der Messsensoren wegen der sehr hohen Temperaturen vor der Turbine außerordentlich hoch wäre und eventuell abbrechende Teile der Temperaturgeber kapitale Schäden an der Turbinenbeschaufelung verursachen könnten. Stattdessen wird die Temperatur der Abgase am Turbinenaustritt gemessen. Aus der Turbinenaustrittstemperatur TAT, der Temperatur der angesaugten Luft (Verdichtereintrittstemperatur), der Turbinendrehzahl und ggf. weiteren Prozessgrößen wird dann eine maschinentypabhängige thermodynamische Ersatzgröße ermittelt, die zur Turbinentemperaturregelung herangezogen werden kann. Diese Ersatzgröße wird zum Beispiel als korrigierte Turbinenaustrittstemperatur TATK bezeichnet. Im Beispiel von Abb. 35-1 erreicht die korrigierte Turbinenaustrittstemperatur bei etwa 50% der Nennleistung den im Turbinentemperaturregler eingestellten Grundlastsollwert, sofern die verstellbaren Verdichterleitschaufeln nur minimal geöffnet sind. Der Turbinentemperaturregler öffnet nun die verstellbaren Verdichterleitschaufeln und erhöht damit den Verbrennungsluftmassenstrom. Während der
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Tabelle 35-1 In den Betriebsphasen wirksame Regler Betriebsphase
Führender Brennstoffregler
Verstellbare Verdichterleitschaufeln
Start bis Nenndrehzahl
Anfahrsteuerung
Minimale Betriebsstellung
Leerlaufbetrieb
Drehzahlregler
Minimale Betriebsstellung
Synchronisieren
Drehzahlregler
Minimale Betriebsstellung
Belasten
Leistungsregler
Langsames Öffnen bei Erreichen des Turbinenaustrittstemperatursollwerts
Schnelles Belasten infolge sinkender Netzfrequenz
Leistungsregler mit Drehzahleinfluss
Schnelles Öffnen in Abhängigkeit von der Frequenzabweichung (s. Abschn. 35.1.2.2)
Grundlast
Turbinentemperaturregler
Maximale Betriebsstellung
Entlasten
Leistungsregler
Langsames Schließen bei Unterschreiten des Turbinenaustrittstemperatursollwerts
Schnelles Entlasten infolge steigender Netzfrequenz
Leistungsregler mit Drehzahleinfluss
Schnelles Schließen in Abhängigkeit von der Frequenzabweichung (s. Abschn. 35.1.2.2)
Trennen des Generators vom Netz
Drehzahlregler
Schnelles Schließen bis zur minimalen Betriebsstellung
Leistungsregler die Brennstoffmenge weiter steigert, bleibt auf diese Weise die korrigierte Turbinenaustrittstemperatur annähernd konstant. Über den gesamten Verstellbereich der Verdichterleitschaufeln sind sowohl der Leistungsregler (Erhöhung der Brennstoffmenge) als auch der Turbinentemperaturregler (Steigerung des Luftmassenstroms) an der Leistungssteigerung der Gasturbine beteiligt. Die temperaturabhängige Regelung der Verdichterleitschaufelstellung sorgt auf diese Weise dafür, dass die Turbinenaustrittstemperatur über einen weiten Leistungsbereich auf einem hohen konstanten Niveau gehalten wird (s. Abschn. 5.3). Damit ergibt sich im oberen Teillastbereich ein hoher Anlagenwirkungsgrad und sowohl die Turbine als auch ein nachgeschalteter Abhitzekessel bleiben von größeren Temperaturschwankungen verschont. Sind bei Erreichen der Grundlasttemperatur die verstellbaren Verdichterleitschaufeln maximal geöffnet, übernimmt der Turbinentemperaturregler die Regelung der Brennstoffmenge und verhindert eine thermische Überlastung der Gasturbine. Eine weitere Leistungssteigerung (s. Abb. 35-1) ist nur dann möglich, wenn der Turbinenhersteller eine manuelle Umschaltmöglichkeit auf einen höheren Temperatursollwert (Spitzenlastwert) oder/und eine zusätzliche Eindüsung von Wasser oder Wasserdampf in die Brennkammer zur Leistungssteigerung vorgesehen hat. Beide Maßnahmen bewirken eine zusätzliche thermische und mechanische Belastung der Gasturbine und damit eine verringerte Lebensdauer, können aber für das elektrische Netz wichtige Leistungsreserven bereitstellen. Bei Gasturbinen mit Abhitzeverwertung beeinflusst zudem die Kesseltemperaturregelung den Sollwert des Turbinentemperaturreglers, um das Anwärmen sowie
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die Be- und Entlastungsvorgänge für den Abhitzekessel soweit wie möglich zu optimieren. Zusätzliche Begrenzungsregler verhindern, dass wichtige Betriebsparameter des Gasturbosatzes die zulässigen Grenzen überschreiten. Beispiele für derartige Begrenzungsregelungen sind • der Grenzleistungsregler, mit dem das Drehmoment auf das den mechanischen Bauteilen zuträgliche Maß absolut begrenzt wird und • der Verdichterdruckverhältnisbegrenzungsregler, mit dem das Überschreiten der Pumpgrenze des Axialverdichters verhindert wird. Diese Regler wirken begrenzend vor allem auf die Brennstoffmenge, können bei Bedarf aber auch die Verdichterleitschaufelstellung beeinflussen (z. B. zur Verhinderung des Überschreitens der Pumpgrenze). In Tabelle 35-1 sind die in einzelnen Betriebsphasen wirksamen Regler noch einmal zusammengefasst. An dieser Stelle sei auf Abschn. 11.6 und 34.3 hingewiesen, in denen die Fahrweisen der Gasturbine ausführlich beschrieben sind. Abbildung 35-1 zeigt den zeitlichen Verlauf der wichtigsten physikalischen Größen während des Startvorgangs.
35.1.2 Struktur der Regelungen Die Regelkreise für die Gasturbine werden sehr häufig als Kaskadenregelungen aufgebaut, bei denen die Führungsregler die eigentlichen Regelgrößen (z. B. Drehzahl, Leistung, korrigierte Turbinenaustrittstemperatur) regeln. Die unterlagerten Folgeregler übernehmen die Positionierung der Stellglieder, also die Stellungsregelung der Stellventile und ggf. der Verstelleinrichtung für die verstellbaren Verdichterleitschaufeln. Die Regelungen werden sehr häufig als proportional (P-), proportional-integral (PI-) oder auch proportional-integral-differenzial (PID-) wirkende Regler ausgeführt, die sich sehr einfach auslegen lassen und vergleichsweise unempfindlich gegen Störungen und Parameterungenauigkeiten sind. In Einzelfällen kommen auch komplexere Algorithmen wie zum Beispiel Zustandsregelungen zum Einsatz. Die beim Einsatz von digitalen Reglern sehr wichtige Abtastzeit hängt vom Übertragungsverhalten der jeweiligen Regelstrecke ab. Die Regelung des Generatorerregerstroms erfordert Abtastzeiten von weniger als 1 ms, die Stellungsregelung für schnelle hydraulische Stellantriebe von ca. 10 ms. Für die Drehzahl- und Leistungsregelung sind in der Regel 25 bis 50 ms ausreichend, für die Turbinentemperaturregelung 200 bis 300 ms. Bei der Brennstoffregelung hat es sich bewährt, dass die Stellgrößen aller Führungsregler auf eine Minimalwertauswahl geschaltet werden (s. Abb. 35-2). Damit wird stets derjenige Führungsregler wirksam, der aktuell die kleinste Stellgrößenanforderung stellt, folglich von den unterlagerten Folgeregelungen die geringste Brennstoffmenge fordert. Eine wie auch immer geartete Überlastung des Turbosatzes wird auf diese Weise in allen Betriebsphasen zuverlässig verhindert.
+ –
Grenzleistungssollwert
Berechnung
+ –
Turbinentemperaturregler
Grenzleistungsregler
VerdichterdruckverhältnisBegrenzungsregler
TATK-Regeldifferenz Kennfeld Verdichterdruckverhältnis
Berechnung
+ –
TATK-Sollwert
Leistungssollwert
– – +
+
Drehzahl-/ Leistungsregler
Abb. 35-2 Prinzipielle Struktur einer Gasturbinenregelung
elektrische Leistung
Verdichteraustrittsdruck
Verdichtereintrittsdruck
Verdichtervorleitschaufelstellung Verdichtereintrittsdruck Drehzahl
Turbinenaustrittstemperatur Verdichtereintrittstemperatur Drehzahl
Generator am Netz
elektrische Leistung
Drehzahl
Drehzahlsollwert
Anfahrsteuerung
Führungsregler
Gaszustände
M
Stellungsregler
Stellungsregler
Stellungsregler
Stellungsregler
VerdichtervorleitschaufelRegler
Heizölzustände
HeizölbrennerAnteilsteller
GasbrennerAnteilsteller
TATK-Regeldifferenz
Brennstoffanteilsteller
Vorwahl Brennstoffanteil
Folgeregler Gas
Heizöl
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MINIMALWERT-AUSWAHL
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Die auf diese Weise gewonnene Stellgröße verkörpert für die unterlagerten Folgeregelungen zunächst den Sollwert des Gesamtwärmestroms, der durch die Verbrennung aufgebracht werden soll. Wird die Gasturbine mit mehreren Brennstoffen gleichzeitig betrieben, so ist dieser Wärmestromsollwert entsprechend dem vom Betriebspersonal eingestellten Brennstoffanteil auf die in Betrieb befindlichen Brennstoffsysteme aufzuteilen. Wird ein Brennstoff über mehrere Brennersysteme mit jeweils eigenen Stellventilen zur Verbrennung geleitet, so ist der brennstoffspezifische Wärmestromsollwert in einem weiteren Anteilsteller spezifikationsgerecht auf die eingeschalteten Brennersysteme aufzuteilen. Auf diese Weise wird für jedes Brennstoffstellventil ein eigener Wärmestromsollwert ermittelt, aus dem unter Berücksichtigung der Brennstoffeigenschaften (z. B. Heizwert, Dichte, Druck, Temperatur) und der strömungstechnischen Eigenschaften des Brennstoffsystems (z. B. Ventilkennlinie) ein Stellungssollwert für den unterlagerten Stellungsregelkreis berechnet werden kann. Die wichtigsten Führungsregelungen für den Betrieb der Gasturbine wurden im vorangegangenen Abschnitt bereits hinsichtlich ihrer Aufgabe vorgestellt. Im Folgenden soll nun ihr Aufbau und ihre Funktion näher betrachtet werden. 35.1.2.1 Anfahrsteuerung Die Anfahrsteuerung bestimmt die Brennstoffmenge vom Zünden bis zum Erreichen der Nenndrehzahl. Bei Erreichen der Zünddrehzahl wird das Stellventil zum Zünden der Hauptflammen so positioniert, dass nur die festgelegte Zündbrennstoffmenge zum Brenner geleitet wird. Mit der Zunahme der Drehzahl und damit des Verdichterluftmassenstroms wird dann der Brennstoffmassenstrom entsprechend einer rampenförmigen Kennlinie langsam erhöht. Die Steilheit der Rampenabschnitte und die Anzahl und Lage der Knickstellen wird für jeden Startbrennstoff spezifisch eingestellt. 35.1.2.2 Drehzahl- und Leistungsregelung Für die Regelung der Drehzahl und der Leistung hat sich der Einsatz eines kombinierten Reglers bewährt. Bei Leerlauf der Gasturbine wirkt dieser Regler als reiner Drehzahlregler z. B. mit PI-Verhalten und ermöglicht so das schnelle und genaue Ausregeln von Drehzahlabweichungen. Im Leistungsbetrieb (Generator ist ans Netz geschaltet, Drehzahl wird von der Netzfrequenz bestimmt) werden von diesem Regler Abweichungen der Istleistung von der (internen) Sollleistung ausgeregelt. Damit der Gasturbosatz, falls zur Frequenzstützung gewünscht, auch auf Abweichungen der Netzfrequenz vom Sollwert durch Veränderung der ins Netz eingespeisten Leistung reagiert, kann der aktuelle Leistungssollwert mit einem Leistungskorrekturwert korrigiert werden, welcher proportional zur Abweichung der aktuellen Netzfrequenz von der Nennfrequenz ist. Das Verhältnis der Frequenzabweichung f zur Leistungsänderung P wird als Statik S bezeichnet und in Prozent angegeben (S D f =P in %). Eine Statik von 5% bedeutet folglich, dass bei ei-
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ner Frequenzabweichung von 5% der Leistungssollwert um die volle Nennleistung (100%) des Turbosatzes verstellt wird. Je kleiner der Zahlenwert der Statik, umso stärker reagiert die Gasturbine auf Netzfrequenzschwankungen durch eine Änderung der Leistung, was die Lebensdauer entsprechend verringert. Bei der Wahl der Statik sind deshalb die Anforderungen an die Frequenzstabilität des Netzes einerseits und die Notwendigkeit einer möglichst materialschonenden Fahrweise andererseits gegeneinander abzuwägen. Liegt der durch die Netzfrequenz bestimmte Drehzahlistwert über der Solldrehzahl (Überfrequenz), wird die Gasturbinenleistung proportional zur Drehzahlabweichung durch Verringerung des Brennstoffmassenstroms vermindert. Im umgekehrten Fall (Unterfrequenz) wird die Gasturbinenleistung erhöht. Durch den damit verbundenen Anstieg der Turbinenaustrittstemperatur kann es im mittleren und oberen Leistungsbereich zum Eingriff des Turbinentemperaturreglers (Öffnen der verstellbaren Verdichterleitschaufeln) kommen, was bei langsamen drehzahlbedingten Leistungssteigerungen i. d. R. nicht störend ist. Ist jedoch eine sehr schnelle Reaktion auf Netzfrequenzschwankungen gefordert, muss die verstellbare Verdichterleitschaufel zum Beispiel durch eine entsprechende Vorsteuerung in die Drehzahlregelung mit einbezogen werden. 35.1.2.3 Turbinentemperaturregelung Für die Turbinentemperaturregelung ist die genaue Erfassung der Regelgröße (Abgastemperatur) sehr wichtig. Da die Temperaturverteilung im Turbinenaustritt vor allem bei transienten Übergangsvorgängen nicht immer homogen ist, wird zumeist der arithmetische Mittelwert aus den Messwerten mehrerer im Austrittsquerschnitt verteilter Messstellen ermittelt und als Regelgröße herangezogen. Zu berücksichtigen ist die für schnelle Regeleingriffe mitunter störende Verzögerung zwischen dem Ansteigen der Temperatur und der Reaktion des Messsignals infolge der thermischen Trägheit der Messsensoren (Thermoelemente). Der Sollwert der Turbinentemperaturregelung wird in den meisten Fällen durch den Turbinenhersteller vorgegeben und deshalb als fester Wert eingestellt. Er kann vom Betriebspersonal nur beeinflusst werden, wenn der Turbinenhersteller – wie in Abschn. 35.1.1 beschrieben – eine Umschaltmöglichkeit zwischen einem Grundund einem Spitzenlasttemperatursollwert vorsieht. Darüber hinaus wird bei Gasturbinen mit Abhitzeverwertung der von der Kesselregelung bereitgestellte Abgastemperatursollwert mit dem internen Sollwert des Gasturbinentemperaturreglers in Minimalwertauswahl so verschaltet, dass immer der kleinere der beiden Werte für die Brennstoffregelung wirksam wird. Damit wird eine thermische Überlastung sowohl der Turbine als auch des Abhitzekessels zuverlässig verhindert. Der Turbinentemperaturregler beeinflusst zwei Stellgrößen an der Gasturbine, den Brennstoffmassenstrom und den Verdichterluftmassenstrom, was zu ungünstigen Verkopplungen führen kann. Eine Entkopplung der Stellgrößen ist zum Beispiel in der Weise möglich, dass der TATK-Sollwert für die Brennstoffregelung mit einem kleinen, festen Abstand über dem TATK-Sollwert der Verdichterleitschaufelregelung gehalten wird, solange die Verdichterleitschaufeln noch nicht vollständig
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geöffnet sind. Erst wenn die Verdichterleitschaufelverstellung keine Regelreserve mehr hat, wird der unveränderte TATK-Sollwert auf den Brennstoffregelkreis geschaltet. 35.1.2.4 Elektrische Generatorregelung Bei den im Gasturbinenkraftwerk eingesetzten Synchrongeneratoren können durch Beeinflussung des Erregerstroms im Läufer je nach Betriebsfall unterschiedliche Regelziele erreicht werden. Ist der Generator nicht an ein starres Netz geschaltet, kann durch Verstellung des Erregerstromes die Spannung an den Ständerwicklungen verändert werden, was für das Synchronisieren und für den Betrieb in kleineren Lastinseln erforderlich ist. Ist der Generator elektrisch mit einem starren Netz verbunden, wird die Generatorspannung vom Übersetzungsverhältnis des Blocktransformators und der Spannung im Netz bestimmt. Durch gezieltes Verstellen des Erregerstromes kann die vom Synchrongenerator erzeugte Blindleistung verändert und damit das Gasturbinenkraftwerk zur Blindleistungskompensation im Netz herangezogen werden. Im selben Zusammenhang ist auch eine Regelung des Leistungsfaktors cos ' realisierbar (s. auch Abschn. 5.6). Zusätzlich können durch gezielte Veränderung des Erregerstroms niederfrequente Pendelungen des Polradwinkels gedämpft werden. Derartige Schwingungen werden durch abrupte Änderungen des Turbinendrehmoments oder durch transiente Vorgänge im Netz angeregt und sind i. d. R. durch die Leistungsregelung der Gasturbine nicht beeinflussbar. 35.1.2.5 Sonstige Regelkreise Zur Dosierung von Wasser oder Wasserdampf, die der Verbrennung zur Verringerung der Stickoxidemission zugeführt werden, kommen meist einfache Durchflussregelungen zum Einsatz. Die Sollwertvorgabe erfolgt hier in Form von Kennlinien oder -feldern. Die zur Erfassung der Regelgröße erforderliche Durchflussmessung sollte so ausgelegt sein, dass über den gesamten Regelbereich eine zuverlässige, gegen Störeinflüsse unempfindliche und ausreichend genaue Messwerterfassung möglich ist. Auch für die mitunter vorhandene Sekundärluftregelung reicht eine einfache Stellungsregelung meist aus. Der Stellungssollwert kann dabei relativ einfach als Kennlinie in Abhängigkeit vom Lastpunkt vorgegeben werden.
35.1.3 Stellantriebe Zur Regelung des Brennstoffmassenstroms werden üblicherweise hydraulisch, bei kleineren Massenströmen gelegentlich auch pneumatisch, betätigte Stellventile mit Stellzeiten von ca. 0,5 s eingesetzt (s. auch Abschn. 11.3.1). Diese werden vom Re-
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gelungssystem zumeist durch Stromsignale betätigt. (Unter Stellzeit versteht man die Zeit, die der Stellantrieb bei maximaler Stellgeschwindigkeit benötigt, um das Stellglied (z. B. Ventil) von einer Endlage (z. B. Zu) in die andere Endlage (Auf) zu bewegen.) Zur Verstellung der Verdichterleitschaufeln wird bei normalen Anforderungen ein elektrischer Stellmotor mit Stellzeiten von ca. 15 bis 20 s eingesetzt. (Die Stellzeit ergibt sich bei diesen Antrieben aus der Positioniergenauigkeit sowie der Mindestein- und Mindestausschaltdauer des Antriebsmotors, die zwischen 100 und 300 ms liegt.) Ist eine sehr schnelle Verstellung der Verdichterleitschaufeln im Stellzeitbereich von 2 bis 10 s gefordert (z. B. zur Frequenzstützung), kommen meist hydraulische Antriebe oder elektrische Servomotoren zur Anwendung.
35.2 Steuerung des Gasturbosatzes und dessen Hilfssysteme Die Steuerung koordiniert das Zusammenwirken der einzelnen Turbinen-, Generator- und Hilfssystemkomponenten beim An- und Abfahren, in allen stationären Betriebszuständen sowie bei Umschaltvorgängen. Dabei kommen überwiegend binäre Logikverknüpfungen zum Einsatz, d. h. solche, deren Informationsgehalt sich immer durch nur zwei Zustände umfassende „Ja/Nein“- bzw. „1/0“-Aussagen abbilden lässt. Die Steuerung erfasst die erforderlichen Informationen von den Gebern am Turbosatz, wandelt diese ggf. in binäre („1/0“-)Werte um, verknüpft sie entsprechend der projektierten, anlagenspezifischen Schaltungen und bildet damit die Steuerbefehle, die an die Stellglieder weitergeleitet werden. Angesichts der Komplexität moderner Gasturbinen und der Vielzahl von Einund Ausgangssignalen werden seit einigen Jahren fast ausschließlich speicherprogrammierbare Prozessrechnersysteme eingesetzt, die bei vertretbaren Kosten über die erforderliche Signalverarbeitungsleistung verfügen.
35.2.1 Gliederung der Steuerungsfunktionen Um den Überblick über die Wirkungszusammenhänge und eine maximale Stabilität und Eindeutigkeit der Funktionsabläufe im Steuerungsrechner zu erhalten, hat es sich in der Praxis bewährt, die Steuerungsfunktionen vertikal entsprechend dem verfahrenstechnischen Zusammenhang und horizontal entsprechend der Steuerungshierarchie zu strukturieren und zu modularisieren (s. Abb. 35-3). Die in der Kraftwerksleittechnik häufig übliche hierarchische Unterteilung in Gruppen- bzw. Untergruppensteuerung, Teilsteuerung und Einzelsteuerung kann auch in der Gasturbinenautomatisierung wirkungsvoll eingesetzt werden. So können beispielsweise allen wichtigen Maschinenkomponenten individuelle Untergruppensteuerungen zugeordnet werden, die – als Schrittsteuerungen ausgeführt – den jeweiligen Anlagenteil sequenziell von einem Betriebszustand zum nächsten führen. In jedem dieser Einzelschritte werden die vom Gasturbinenher-
Heizölvorpumpen Heizöleinspritzpumpen Heilölabsperrventile Heizölentleerungsventile Spülwasserpumpe und -ventile
Heizölvorpumpen Heizöleinspritzpumpen Spülwasserförderung
An-, Umschalt- und Abfahrprogramm des Heizöl-Brennstoffsystems
Abb. 35-3 Struktur der Gasturbinensteuerung
Erdgasabsperrventile Entlüftungsventile Inertisierungsventile Zündgasventile
Einzelsteuerungen
Teilsteuerungen
An-, Umschalt- und Abfahrprogramm des Erdgas-Brennstoffsystems
Untergruppensteuerungen
Wassereinspritzpumpen und Wasserabsperrventile
Wassereinspritzpumpen
An- und Abfahrprogramm der Wassereinspritzung zur NOXReduzierung
Schmierölpumpen Schmierölkühlung Öldunstgebläse Steuerventile für Wellendreheinrichtung
Schmierölpumpen Schmierölkühlung Öldunstgebläse
An- und Abfahrprogramm der Schmierölversorgung und der Wellendreheinrichtung
Verdichterluftansaugabsperrung Abblaseklappen Antriebe und Armaturen im Generatorkühlsystem
Verdichterluftansaugabsperrung Abblaseklappen Generatorhilfssysteme
Manuelle Befehle zum Starten und Stillsetzen
An- und Abfahrprogramm der Gasturbine
Automatik der Blockleittechnik
Anfahrmotor/ Anfahrumrichter Hydraulikpumpen Erregereinrichtung Leistungsschalter der Hoch-, Mittel und Niederspannungsschaltanlagen
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steller vorgegebenen Befehle an die jeweils unterlagerte Steuerungsebene ausgegeben. Zum nächsten Schritt wird erst dann weitergeschaltet, wenn die zugehörigen Prozesskriterien erfüllt sind. Kann störungsbedingt eine wichtige Schalthandlung nicht erfolgreich ausgeführt werden (das entsprechende Prozesskriterium ist dann nicht erfüllt), so kann ein Alternativzweig der Schrittkette (Störbehandlungsroutine) durchlaufen oder die Schrittkette ins Abfahrprogramm umgeschaltet werden. Der Gasturbosatz als Ganzes kann z. B. durch eine übergeordnete Schrittsteuerung an- und abgefahren werden, der die Untergruppensteuerungen der einzelnen Anlagenteile unterlagert sind. In den Teilsteuerungen sind in sich weitgehend abgeschlossene Steuerungsfunktionen für mehrere Aggregate zusammengefasst (z. B. Logik für die Aggregateumschaltung bei redundanten Pumpen). Auf der Einzelsteuerungsebene werden die Schaltbefehle für die Einzelaggregate gebildet und an die entsprechenden Stellglieder (z. B. Schaltschütz) ausgegeben. Zudem überwacht die Einzelsteuerung bei Bedarf auch das jeweilige Aggregat und ermöglicht ggf. auch manuelle Bedieneingriffe.
35.2.2 Zusammenwirken der Steuerungsfunktionen im Gasturbinenbetrieb 35.2.2.1 Steuerung des Anfahrens Das Anfahren der Gasturbine wird entweder manuell vom Betriebspersonal (in der Warte oder in der Netzleitstelle) oder automatisch von der Blockführung des Kraftwerkes eingeleitet. Voraussetzung für das Anlaufen des Anfahrprogramms ist, dass alle Startfreigabekriterien erfüllt sind. Dies sind beispielsweise: • Alle Brennstoffabsperrventile an der Gasturbine sind geschlossen. • Keiner der wichtigen Schutz- und Regelkreise ist gestört. • Es liegt keine Störung wesentlicher Aggregate vor (sofern das vor dem Start von der Steuerung erkannt werden kann). • Die Schmieröltemperatur ist ausreichend hoch. • Von der Leittechnik des Abhitzekessels, der Blockführung und den elektrotechnischen Einrichtungen des Kraftwerkes liegt jeweils ein Startfreigabesignal vor. Fehlen bestimmte Startfreigabekriterien, wird das dem Betriebspersonal angezeigt und der Start verhindert. Ansonsten beginnt die Anfahrschrittkette mit der Abarbeitung des ersten Schrittes. Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, werden dann alle Schritte in der festgelegten Reihenfolge durchlaufen, bis mit dem Erreichen des letzten Schrittes der stationäre Betriebszustand des Gasturbosatzes am Netz erreicht ist. In Tabelle 35-2 sind einige wesentliche Schalthandlungen dargestellt, die durch die Anfahrschrittkette ausgeführt werden. Wenn in bestimmten Schritten der Anfahrschrittkette einzelne Fortschaltbedingungen störungsbedingt nicht erfüllt werden, wird der Startvorgang abgebrochen und meist in das Abfahrprogramm umgeschaltet.
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Tabelle 35-2 Schalthandlungen, die durch die Anfahrschrittkette ausgeführt werden Freigabe- bzw. Fortschaltbedingungen
Schalthandlungen
Drehzahl
Start angewählt und Startfreigabekriterien erfüllt
Schmierölversorgung einschalten, Wellendrehbetrieb beenden, Hydraulikversorgung einschalten, Verdichterluftansaugabsperrung und Abgasweg öffnen, Brennstoffsystem des Startbrennstoffs aktivieren, Abblaseklappen öffnen
Stillstand oder Wellendrehbetrieb
Schmieröldruck ausreichend
Schmierölkühlung einschalten
–
Abblaseklappen, Verdichterluftansaugabsperrung und Abgasweg offen
Anfahrmotor einschalten, Zündung vorbereiten, Brennstoffstellventil auf Zündstellung positionieren
Steigt an
Zünddrehzahl erreicht
Zündung einschalten, Brennstoffschnellschlussventil öffnen
Ca. 15%
Drehzahl > 70%
Anfahrmotor ausschalten
70%
Drehzahl > 75%
Abblaseklappen nacheinander schließen
75% bis Nenndrehzahl
Drehzahl > 95%
Generatorerregung einschalten, Synchronisierung einschalten
95% bis Nenndrehzahl
Nenndrehzahl erreicht
Synchronisieren (s. auch Abschn. 35.1.1)
Nenndrehzahl
Generator am Netz
Eigenbedarfsumschaltung (elektrische Verbraucher des Kraftwerks werden ab jetzt vom Generator versorgt)
Entspricht der Netzfrequenz
35.2.2.2 Steuerung des Abfahrens Das Abfahren der Gasturbine erfolgt nach einem entsprechenden manuellen Bedieneingriff des Betriebspersonals oder durch einen automatischen Befehl von der Blockführung des Kraftwerks. Zusätzlich wird der Gasturbosatz störungsbedingt automatisch abgefahren, wenn • beim Anfahren bestimmte Prozesskriterien nicht erfüllt sind und der Startvorgang deswegen abgebrochen werden muss oder • Störungen im Turbinenschutz, in den Brennstoffsystemen oder in den elektrotechnischen Einrichtungen des Kraftwerks auftreten, die den andauernden Weiterbetrieb nicht zulassen. (Das störungsbedingte Abfahren des Gasturbosatzes ist nicht mit dem Turbinenschnellschluss gleichzusetzen. Beim Abfahren wird die Gasturbine langsam und damit schonend entlastet und ist damit noch für einige Minuten in Betrieb. Da-
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gegen wird beim Schnellschluss die Brennstoffversorgung unabhängig von der Leistung abrupt unterbrochen und die Turbine damit einem plötzlichen Temperaturabfall ausgesetzt; s. dazu auch Abschn. 35.3.) Bei Verwendung einer Schrittsteuerung wird im ersten Abfahrschritt der Leistungssollwert über den Leistungsregler rampenförmig abgesenkt und damit die Gasturbinenleistung stetig vermindert. Bei einer kleinen Leistung wird – soweit das Schaltanlagenkonzept das vorsieht – die elektrische Eigenbedarfsversorgung des Turbosatzes vom Turbinengenerator abgetrennt und auf eine externe Einspeisung umgeschaltet. Danach wird der Generator durch Öffnen des Generator- oder Blockleistungsschalters vom Netz getrennt, was entweder bei einer sehr kleinen Restleistung durch die Gasturbinensteuerung oder bei Entlastung in den Rückleistungsbereich hinein vom elektrischen Rückleistungsschutz erfolgen kann. (Rückleistung bedeutet, dass die vom Gasturbosatz aufgebrachte Leistung kleiner ist als die zum Betrieb des Gasturbosatzes erforderliche Leistung (z. B. zum Antrieb des Verdichters) und deshalb der Differenzbetrag aus dem Netz bezogen wird. Der Gasturbinengenerator arbeitet in diesem Fall als Motor, der vom Netz gespeist die Gasturbine mit antreibt. Dies hat bei großen Kraftwerksgasturbinen den Nachteil, dass für einen kurzen Zeitraum das Netz mit dem nicht unerheblichen Gasturbinenrückleistungsbetrag belastet wird, was in kleinen Netzen wegen der möglichen Beeinträchtigung der Netzstabilität häufig unerwünscht ist.) Anschließend werden die Schnellschlussventile geschlossen und damit die Brennstoffversorgung abgeschaltet. Bei einigen Gasturbinen wird hingegen im Leerlauf die Drehzahl zunächst für eine bestimmte Zeit konstant gehalten, um alle Bauteile gleichmäßig auskühlen zu lassen. Andere Abfahrkonzepte sehen vor, dass die Drehzahl über den Drehzahlregler langsam reduziert und die Brennstoffversorgung erst bei einer kleineren Drehzahl abgeschaltet wird. Die weiteren Schalthandlungen beim Auslaufen der Gasturbine hängen sehr stark vom Turbinentyp und dem Abfahrkonzept des Herstellers ab. Deshalb soll hier darauf nicht weiter eingegangen werden. In der Regel wird nach dem Auslaufen der Gasturbine für einige Stunden der Wellendrehbetrieb aufgenommen, damit sich alle Teile der Gasturbine gleichmäßig abkühlen. 35.2.2.3 Steuerung von Umschaltvorgängen Bei Gasturbinen, die für die Verbrennung unterschiedlicher Brennstoffe geeignet sind, kann – eine entsprechende Auslegung der Brenner und Brennstoffsysteme vorausgesetzt – bei laufender Maschine zwischen den Brennstoffen umgeschaltet werden (Brennstoffwechsel). Zudem können dann auch häufig zwei Brennstoffe gleichzeitig verbrannt werden (Mischbetrieb), wobei der Anteil der einzelnen Brennstoffe durch das Betriebspersonal innerhalb vorgegebener Grenzen verstellt werden kann. Zur Einhaltung der stetig sinkenden Emissionsgrenzwerte wird der einzelne Brennstoff je nach Lastpunkt über unterschiedliche Brennersysteme (z. B. Diffu-
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sions- und Vormischbrenner) zugeführt und verbrannt. Zur Verringerung der Stickoxidemissionen wird der Verbrennung häufig Wasser oder Wasserdampf (ggf. je nach Lastfall auch über unterschiedliche Austrittsstellen im Brenner) zugeführt. Bei einigen gasförmigen Brennstoffen und Brennerkonstruktionen müssen Rohrleitungen und Brenner vor oder/und nach dem Betrieb mit Inertisierungsmedien (z. B. Stickstoff, Kohlendioxid) gefüllt oder gespült werden. Bei flüssigen Brennstoffen sind die Brennstoffleitungen vor dem Einschalten des Brenners häufig mit Brennstoff zu füllen. Nach dem Abschalten des Ölbrenners wird dieser bei einigen Bauformen mit Wasser gespült, um die Verkokung der Brenner zu vermeiden. All diese Umschaltvorgänge, die detailliert in Abschn. 11.6 beschrieben sind, sind mit einer Vielzahl von Schalthandlungen zur Betätigung der beteiligten Pumpen und Ventile verbunden, die von der Gasturbinensteuerung koordiniert und überwacht werden müssen. Bei der Projektierung der zum Teil sehr komplexen Steuerungslogik ist darauf zu achten, dass der Überblick über die Wirkungszusammenhänge und die Rückwirkungsfreiheit der einzelnen Steuerungsfunktionen erhalten bleibt. Die Detailkonzeption der Steuerung hängt dabei sehr von den spezifischen Eigenschaften der Gasturbine und der eingesetzten Brenner ab und lässt sich daher nicht verallgemeinern. Vor allem für die teilweise sehr kritischen Brennerumschaltungen müssen die Steuerungs- und die Regelungsfunktionen sehr genau aufeinander abgestimmt sein. Eine eindeutige Trennung von Steuerung und Regelung ist dabei manchmal kaum noch möglich. 35.2.2.4 Steuerung der Hilfssysteme Neben den Brennern und den Brennstoffsystemen ist für den Betrieb des Turbosatzes eine ganze Reihe von Hilfseinrichtungen erforderlich, die ebenfalls gesteuert und überwacht werden müssen. Einige derartige Systeme sind • die Brennstoffversorgungssysteme (Heizöltanks, -absperrventile und -förderpumpen, Gasreduzierstation, ggf. Zündgastank und -ventile, s. auch Kap. 11), • die Versorgungssysteme für Inertisierungs- und Spülmedien, • die Brennkammerentleerungsventile, • das Heizölleckagesystem mit entsprechenden Ventilen und der Leckageölpumpe, • das Schmierölsystem mit Tankheizung und -überwachung, Schmier- und Anhebeölpumpen sowie dem Schmierölkühler, • die Wellendreheinrichtung, • das Hydraulikölversorgungssystem mit dem Hydrauliktank, den Hydraulikpumpen und dem Ölkühler, • das Druckluftversorgungssystem, • das Luftansaugsystem mit Filtern, teilweise mit Luftbefeuchtern oder Anti-IcingSystem und der Luftansaugabsperrung, • das Generatorkühlsystem (mit automatisch zu betätigenden Kühlluftklappen, -ventilatoren und Kühlmittelpumpen, bei Wasserstoffkühlung mit zusätzlichen
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Wasserstoffversorgungs- und -überwachungseinrichtungen sowie Dichtölpumpen) und • die Hoch-, Mittel- und Niederspannungsschaltanlage zur Einspeisung der Energie ins elektrische Netz und zur Eigenbedarfsversorgung. Nicht alle diese Einrichtungen werden durch die Gasturbinensteuerung zentral gesteuert und überwacht. In einigen Fällen hat sich ein angepasstes Black-BoxKonzept bewährt, bei dem der Komponentenlieferant auch die zugehörige Steuerung mitliefert, die nur über wenige Signale mit der Gasturbinensteuerung verbunden ist. In jedem Fall bedarf es für den reibungslosen vollautomatischen Betrieb des Gasturbosatzes einer optimalen Abstimmung aller Steuerungsfunktionen.
35.3 Turbinenschutz Die Regelung und die Steuerung stellen normalerweise sicher, dass während des Betriebes sämtliche Prozessgrößen ihre spezifizierten Grenzen nicht überschreiten. Jedoch ist dies beim Versagen von Bauteilen des Turbosatzes oder bei Ausfällen automatisierungstechnischer Einrichtungen nicht immer vollständig gewährleistet, was unter Umständen zu größeren Maschinenschäden oder zur Gefährdung von Personen führen kann. Zusätzliche Schutzeinrichtungen sollen derartige Schäden verhindern, oder, falls dies technisch nicht möglich ist, das Schadensausmaß begrenzen. Zu den Einrichtungen des Turbinenschutzes gehören • die Messgeräte für die gefährdungsrelevanten Prozessgrößen, • die Auswerteeinrichtungen, mit denen diese Prozessgrößen auf das Überschreiten der zulässigen Grenzwerte überwacht werden, • die Verarbeitungseinheit, in der die schutzrelevanten Signale miteinander verknüpft und daraus die entsprechenden Abschaltsignale gebildet werden und • die Stellglieder, mit denen die Stoff- und Energieströme unterbrochen und damit die Abschaltung des Gasturbosatzes bewirkt wird. Der Turbinenschutz sollte möglichst unabhängig von den Steuerungs- und Regelungsfunktionen wirken. Er ist immer aktiv bzw. aktiviert sich im Betrieb selbsttätig und kann durch Bedieneingriffe nicht deaktiviert werden. Die Schutzeinrichtungen am Gasturbosatz können grundsätzlich in zwei Hauptgruppen gegliedert werden: • Der maschinentechnische Schutz überwacht die sicherheitsrelevanten mechanischen und thermodynamischen Prozessgrößen und wirkt hauptsächlich auf die Brennstoffschnellschlussventile und den Anfahrmotor ein. • Der elektrotechnische Blockschutz sichert den Generator und die einzelnen Komponenten der Schaltanlage (z. B. Netztransformator) gegen elektrotechnische Störungen (z. B. Kurzschluss, Erdschluss, Differenzialschutz) und schaltet den gestörten Bereich durch Öffnen des entsprechenden Leistungsschalters ab.
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Ist ein Weiterbetrieb des Generators nicht möglich, wird vom Blockschutz der Turbinenschnellschluss ausgelöst. Die i. d. R. standardisierten, nicht gasturbinenspezifischen Einrichtungen des elektrischen Blockschutzes sollen im Folgenden nicht näher betrachtet werden. Die Schutzeinrichtungen können je nach Art, Ursache, Umfang und Auswirkungsbereich der möglichen Störfälle in unterschiedlicher Weise Einfluss auf den Betrieb der Gasturbinenanlage nehmen: • Überschreiten wichtige Prozessgrößen den zulässigen Bereich, wird dies dem Betriebspersonal in den allermeisten Fällen zunächst nur durch eine Warnmeldung signalisiert. Ein automatischer Eingriff ist damit nicht verbunden. Das Betriebspersonal entscheidet, ob und wie der Betrieb der Anlage fortgesetzt wird. • Kann bei Auftreten eines Störzustandes der Turbosatz für einen kurzen definierten Zeitraum noch weiterbetrieben werden, so wird das automatische Abfahren eingeleitet (s. Abschn. 35.2.2.2). Die Maschine wird dabei schonend entlastet, steht aber für den weiteren Betrieb nicht mehr zur Verfügung. Bei einigen Gasturbinentypen wird bei Ansprechen bestimmter Schutzeinrichtungen auf einen größeren Leistungstransienten umgeschaltet und damit die Maschine schneller als sonst üblich entlastet. • Einige Störungen, die von außen durch das Netz auf den Turbosatz einwirken (z. B. Unterfrequenz), können dadurch behoben werden, dass der Generator durch Öffnen des Generator- oder Blockleistungsschalters elektrisch vom Netz getrennt wird. Der Gasturbosatz läuft dann im Leerlauf bzw. Eigenbedarfsbetrieb weiter und steht für das Wiedersynchronisieren bei wiederhergestellten Netzbedingungen ohne Zeitverzögerung zur Verfügung. • Die gefährlichsten Störfälle erfordern eine sofortige Abschaltung der Gasturbine durch schnellstmögliches Schließen der Brennstoffschnellschlussventile. In der Folge wird der Generator vom Netz getrennt. Die eventuell vorhandene Wasseroder Wasserdampfeindüsung wird ebenso schnellstmöglich abgeschaltet. Während der Startphase wird zudem der Anfahrmotor ausgeschaltet.
35.3.1 Grundsätzliche Anforderungen an Schutzeinrichtungen Da der Turbinenschutz als letzte automatisierungstechnische Einrichtung die schadensträchtigen Folgen von Störungen verhindern oder doch wenigstens begrenzen soll, kommt dem Ausfallverhalten der verwendeten Geräte und Aggregate sowie der gesamten Auslösekette eine besondere Bedeutung zu. Beim passiven Versagen der Schutzeinrichtung kann diese nicht mehr abschaltend wirken, was zu einer i. d. R. nicht hinnehmbaren Einschränkung der Anlagensicherheit führt. Der passive Fehler ist umso gefährlicher, je länger er unentdeckt bleibt. Deshalb ist durch regelmäßige manuelle Prüfungen oder geeignete automatische Prüf- und Überwachungsfunktionen sicherzustellen, dass der passive Ausfall der wichtigen Schutzeinrichtungen vom Betriebspersonal erkannt und in der Folge durch Reparatur behoben werden kann [35.12].
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Das aktive Versagen der Schutzeinrichtung bewirkt hingegen das sofortige Auslösen der Schutzfunktion, was mit dem Abschalten der zu schützenden Komponente verbunden ist. Der aktive Fehler bleibt i. d. R. nicht unerkannt und schränkt die Anlagensicherheit nicht ein. Da es sich aber prinzipiell um eine Fehlabschaltung handelt – die zu überwachende Prozessgröße wird i. d. R. nicht zufällig gleichzeitig den Auslösegrenzwert überschritten haben – wird die Verfügbarkeit der Anlage vermindert, was insbesondere bei größeren Gasturbinenkraftwerken und Anlagen zur Prozessdampferzeugung und Wärmeauskopplung außerordentlich ungünstig ist. Um die Ausfallwahrscheinlichkeit zu verringern, werden wichtige Schutzeinrichtungen sehr häufig redundant konzipiert. Bei redundanten Systemen werden mehrere gleichartige Teilkomponenten oder -funktionen zu einer Gesamtkomponente oder -funktion zusammengeschaltet. Der Ausfall einer Teilfunktion beeinträchtigt nicht die Gesamtfunktion, womit die Ausfallwahrscheinlichkeit der Gesamtfunktion deutlich sinkt. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden, ob mit der Redundanz nur die Sicherheit oder nur die Verfügbarkeit oder sowohl die Sicherheit als auch die Verfügbarkeit der Anlage verbessert werden sollen (Abb. 35-4). Bei der Projektierung des Turbinenschutzes ist es wesentlich, wie die Zustände der Prozessgrößen den binären Signalzuständen zugeordnet werden: • Verkörpert der Aus-Zustand (logisch „0“) eines Signals den normalen ungestörten Zustand der zu überwachenden Prozessgröße und wird das Signal bei einem kritischen Wert (prozesstechnische Störung) eingeschaltet (logisch „1“), so spricht man von einem Arbeitsstromsignal. • Ist das Signal dagegen im Normalfall eingeschaltet (logisch „1“) und fällt bei einem kritischen Wert der zu überwachenden Prozessgröße in den Aus-Zustand (logisch „0“) ab, so bezeichnet man dieses Signal als Ruhestromsignal. Der Vorteil des Ruhestromprinzips liegt darin, dass ein fehlerbedingtes Ausschalten des Schutzsignals (z. B. infolge eines Drahtbruchs) ein aktives Versagen darstellt und die Sicherheit nicht einschränkt. Bei Anwendung des Arbeitsstromprinzips (Aus bedeutet „keine Störung“) bliebe dieser Fehler zunächst unentdeckt und das Signal könnte die Schutzfunktion nicht mehr erfüllen (passiver Fehler). Die Anlage bliebe aber weiter in Betrieb. Es wird deutlich, dass der Grad der Redundanz und das Signalverknüpfungsprinzip immer entsprechend der Bedeutung der jeweiligen Schutzeinrichtung für die Sicherheit und Verfügbarkeit der Anlage gewählt werden muss. Diversitäres System Systeme sind solche, die sich im Wirkprinzip oder in der Bauart unterscheiden, womit das gleichzeitige Auftreten derselben systematischen Fehler nahezu ausgeschlossen werden kann. Durch das Zusammenschalten diversitärer Systeme zu einer Schutzeinrichtung wird eine Schwachstelle vermieden, die sich bei der Verwendung mehrerer gleichartiger Systeme prinzipiell ergeben könnte. Im Zusammenhang mit Schutzaufgaben wird häufig der Begriff Fehlersicherheit bzw. Fail-Safe-Verhalten gebraucht. Dieser bezeichnet die Fähigkeit eines technischen Systems, im Fehlerfall eine vordefinierte sichere Stellung einzunehmen bzw. einen sicheren Anlagenzustand herbeizuführen [35.2]. Bei einem fehlersicheren
Arbeitsstromprinzip
Ruhestromprinzip Gasturbinenschnellschluss
Gasturbinenschnellschluss
ODER
Gasturbinenschnellschluss
Gasturbinenschnellschluss
UND
UND
ODER
verfügbarkeitsgerichtete Redundanz
ODER
UND
UND
ODER
UND
UND
Gasturbinenschnellschluss
UND
Gasturbinenschnellschluss
UND
sicherheits- und verfügbarkeitsgerichtete Redundanz
Abb. 35-4 Beispiele für sicherheits- und verfügbarkeitsgerichtete Redundanz der Prozessgrößenverarbeitung unter Anwendung des Arbeits- und des Ruhestromprinzips
Negator
Druckgeber 3 Schmieröldruck > Min Druckgeber 2 Schmieröldruck > Min Druckgeber 1 Schmieröldruck > Min
Thermoelement 3 Lagertemperatur > Max Thermoelement 2 Lagertemperatur > Max Thermoelement 1 Lagertemperatur > Max
sicherheitsgerichtete Redundanz
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Schutzgerät kann bauartbedingt ein passiver Ausfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, was durch unabhängige Gutachter im Rahmen einer Baumusterprüfung nachgewiesen werden kann und entsprechend den Normen und Standards für einige Schutzaufgaben nachgewiesen werden muss.
35.3.2 Wichtige Schutzeinrichtungen für Gasturbinen Art, Umfang und Ausführung der Schutzeinrichtungen sind sehr stark abhängig vom Konzept des Gasturbinenherstellers, den technischen Details des jeweiligen Gasturbinentyps, der Leistungsklasse und den Anforderungen der Kraftwerksbetreiber und der Genehmigungsbehörden. An dieser Stelle soll deshalb nur auf die Schutzkreise eingegangen werden, die bei Gasturbinen relativ häufig vorgesehen werden. 35.3.2.1 Überdrehzahlschutz Die Turbinendrehzahl ist eine Prozessgröße mit einem extrem hohen Gefährdungspotenzial. Erreichen die Fliehkräfte bei sehr hohen Drehzahlen die Festigkeitsgrenzen der Rotorbauteile, so ist zumindest mit einer nennenswerten Lebensdauerverminderung dieser Bauteile zu rechnen. Kommt es zur Zerstörung von Teilen des Rotors infolge zu großer Fliehkräfte, so ist wegen der gewaltigen freiwerdenden Energie mit einer völligen Zerstörung des Turbosatzes zu rechnen. Zudem können Schäden an benachbarten Anlagenteilen nicht ausgeschlossen werden. Es muss daher unbedingt verhindert werden, dass der Gasturbosatz durch übermäßigen Brennstoffeintrag den zulässigen Drehzahlgrenzwert überschreitet [35.9]. Da elektronische Geräte und Baugruppen früher nicht verfügbar und bis vor einigen Jahren als nicht sehr ausgereift und zuverlässig galten, wurde der Überdrehzahlschutz mit mechanisch-hydraulischen Einrichtungen nach dem Fliehkraftprinzip aufgebaut, die regelmäßiger Wartung und Prüfung bedurften. Heute gelten speziell für sicherheitsrelevante Anwendungen konzipierte elektronische und speicherprogrammierbare Systeme als so ausgereift, dass ihr Einsatz auch für den Überdrehzahlschutz Stand der Technik ist. Zur Erfassung der Drehzahl wird auf einem schmalen Abschnitt der Turbinenwelle durch axial verlaufende Nuten eine Art Zahnscheibe gebildet (oder eine solche dort montiert), die durch einen elektromagnetischen Sensor abgetastet wird. Die Frequenz des damit gebildeten elektrischen Impulssignals ist das Maß für die Drehzahl. Bei Überschreiten einer festgelegten Impulsfrequenz schaltet eine elektronische Auswertebaugruppe ein Binärsignal um, das zur Schutzauslösung herangezogen werden kann. Durch Einsatz mehrerer unabhängiger Geber und Auswertebaugruppen sowie entsprechende Verknüpfung der Überdrehzahlsignale kann der Überdrehzahlschutz in der erforderlichen Redundanz ausgeführt werden. Passive Störungen können frühzeitig erkannt werden, indem die einzelnen Überdrehzahlschutzkanäle z. B. durch zyklisches Aufschalten einer Testfrequenz auto-
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matisch getestet werden. Fehlt eine derartige automatische Überwachungseinrichtung, so ist durch anderweitige Prüfungen sicherzustellen, dass Störungen des Überdrehzahlschutzes rechtzeitig entdeckt und behoben werden. Wegen des sehr hohen Gefährdungspotenzials wird häufig der Nachweis gefordert, dass die gesamte Überdrehzahlschutzeinrichtung fehlersicher ist. 35.3.2.2 Flammenüberwachung Bei Gasturbinenanlagen mit Abhitzeverwertung ist die Wärmequelle für den dampferzeugenden Abhitzekessel der Wärmestrom der Gasturbine, der durch die Brenner in der Gasturbinenbrennkammer erzeugt wird. Deshalb wird innerhalb des Anwendungsbereichs der technischen Regeln für Dampfkessel (TRD) die Auffassung vertreten, dass die Festlegungen zur Flammenüberwachung in konventionell befeuerten Kesseln sinngemäß und unter Berücksichtigung gasturbinenspezifischer Besonderheiten (z. B. längere Zündsicherheitszeit) auch auf Gasturbinen anzuwenden sind [35.4, 35.6, 35.7]. Kernforderungen der Richtlinie sind: • Die Flammenaktivität ist ständig zu überwachen, z. B. durch eine Strahlungsmessung mit Selbstüberwachung oder durch eine Überwachung von mindestens zwei physikalischen Größen (z. B. Turbinenaustrittstemperatur und -drehzahl), die rückwirkungsfrei von anderen Automatisierungsfunktionen sein müssen. Wird ein Verlöschen der Flammen erkannt, sind die Brennstoffschnellschlussventile zu schließen. • Der Zündvorgang ist zeitlich in der Weise zu überwachen, dass nach dem Öffnen der Brennstoffschnellschlussventile innerhalb einer festgelegten Zündsicherheitszeit die Flammenüberwachung das Entzünden der Flamme erkannt haben muss, anderenfalls sind die Brennstoffschnellschlussventile wieder zu schließen. Die Flammenüberwachung muss gemäß [35.4] fehlersicher ausgeführt sein. 35.3.2.3 Turbinentemperaturschutz Kommt es beim Netzbetrieb der Gasturbosatzes zu einem unzulässig hohen Brennstoffeintrag (z. B. weil die in Abschn. 35.1.2.3 beschriebene Turbinentemperaturregelung ausgefallen ist), so wird zwar die elektrische Leistung, nicht aber die durch das starre Netz bestimmte Turbinendrehzahl ansteigen. Um eine thermische Überlastung der Gasturbine und dabei insbesondere der Turbinenbeschaufelung zu verhindern, muss bei zu hohen Turbineneintrittstemperaturen die Brennstoffzufuhr abgeschaltet werden. Wegen der in Abschn. 35.1.1 beschriebenen Schwierigkeiten bei der Messung der Turbineneintrittstemperatur wird für den Schutz meist auch die Turbinenaustrittstemperatur gemessen und ggf. wie beschrieben umgerechnet. Um den Einfluss von thermischen Strähnen am Turbinenaustritt zu vermindern, werden für den Turbinentemperaturschutz i. d. R. über den Umfang verteilt mehrfach redundante Messstellen (Thermoelemente) vorgesehen.
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35.3.2.4 Brandschutz Auch wenn die Brandmeldeanlagen nicht immer zum Lieferumfang des Gasturbinenherstellers gehören, so darf die Wirkung des Brandschutzes auf den Gasturbinenbetrieb nicht außer Acht gelassen werden. Auf welche Art ein Brand festgestellt wird und ob der Brandschutz manuell oder/und automatisch ausgelöst wird, hängt weitgehend von den örtlichen Feuerschutzbestimmungen und dem Anlagenkonzept des Betreibers ab. In jedem Fall sind gemäß [35.9] im Falle eines Brandes alle Brennstoffschnellschlussventile und -absperrungen zu schließen, die Brennstoffförderpumpen und die Fördereinrichtungen aller brennbaren Medien (z. B. Schmieröl, Hydrauliköl) abzuschalten. Nur die Notschmierölpumpe(n) und je nach Konzept des Gasturbinenherstellers auch die Anhebeölpumpe(n) und die Wellendreheinrichtung behalten ihre Funktion im Brandfall bei, sollen also bei Erfordernis eingeschaltet werden bzw. weiterlaufen. Jedoch müssen die Steuerungen für diese Pumpen so konzipiert sein, dass sie im Brandfall durch das Betriebspersonal ausgeschaltet werden können, falls der Brand bei laufenden Pumpen (z. B. bei undichten Rohrleitungen) nicht gelöscht werden kann. Bei wasserstoffgekühlten Generatoren gelten für das Wasserstoff- und das Dichtölsystem besondere brandschutztechnische Festlegungen. 35.3.2.5 Weitere Schutzeinrichtungen In Tabelle 35-3 sind einige weitere bei modernen Gasturbinen häufig übliche Schutzeinrichtungen aufgeführt. Bei Gasturbinen mit nachgeschaltetem Abhitzekessel muss zudem der Kesselschutz eine unverzügliche Abschaltung der Turbine bewirken können, was einen entsprechenden (häufig redundant konzipierten) Signalaustausch zwischen der Kesselschutzeinrichtung und dem Turbinenschutz erfordert.
Tabelle 35-3 Weitere Schutzeinrichtungen bei Gasturbinen Schutzkriterium
Messprinzip
Manuelle Schnellabschaltung des Turbosatzes (Hand-Not-Aus)
Not-Aus-Schalter im Maschinenraum und in der Warte
Lagergehäuse- oder Wellenschwingung
Elektronische Erfassung der Schwinggeschwindigkeit oder der Beschleunigung am Lagergehäuse oder der relativen Wellenschwingung im Lagerraum
Lagertemperatur
Temperaturmessung im Lagermaterial
Verdichterpumpen
Differenzdruckmessung am Verdichtereintritt
Schmieröldruck
Druckmessung stromab der Schmierölpumpen
Schmieröltankniveau
Füllstandsmessung am Schmierölbehälter
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Zusätzliche Schutzkriterien können durch die spezifische Gasturbinenkonstruktion oder Anlagenkonstellation erforderlich werden.
35.3.3 Projektierung von Schutzeinrichtungen Gemäß den Grundsätzen der Produkthaftung hat der Hersteller für die Sicherheit seines Produktes die notwendige Vorsorge zu treffen. Für die Auslegung und Projektierung von Schutzeinrichtungen existiert eine Reihe von Normen und Richtlinien, die gelegentlich von lokalen oder betreiberspezifischen Regelungen oder Vorgaben ergänzt werden [35.4–35.10, 35.15]. Die wesentliche Grundvoraussetzung für die sinnvolle Auslegung von Schutzeinrichtungen ist eine gründliche Analyse des Gefährdungspotenzials aller Prozessgrößen und Anlagenteile [35.1–35.3, 35.28]. Wie in Abschn. 35.3.1 erwähnt, ist bei der Projektierung der Schutzeinrichtungen auf das Ausfallverhalten der verwendeten Geräte zu achten [35.11,35.17,35.20, 35.23,35.24,35.29–35.31]. Für sehr wichtige Schutzeinrichtungen wird von einigen Genehmigungsbehörden ein Nachweis über die spezifische Eignung für die jeweilige Schutzaufgabe gefordert, der beispielsweise durch eine Baumusterprüfung eines unabhängigen Gutachters erfolgen kann. Hinsichtlich der Einschränkung der Gasturbinenverfügbarkeit durch aktiven Ausfall der zum Teil sehr komplexen Schutzgeräte und Prozessrechentechnik gilt der alte Grundsatz „Was nicht vorhanden ist, kann auch nicht ausfallen“. Die stetig steigende Anzahl und Komplexität der Verarbeitungsfunktionen soll also mit möglichst einfachen und überschaubaren Hard- und Softwarelösungen in einem adäquaten Kostenrahmen realisiert werden. Deshalb werden trotz der Fortschritte in der Anwendung speicherprogrammierbarer Systeme in sicherheitskritischen Bereichen auch heute noch mitunter einfachste Relaisschaltungen eingesetzt. Bei einigen Schutzkriterien ist ein sehr schnelles Ansprechen der Schutzeinrichtung gefordert (z. B. Überdrehzahlschutz). Neben den Schaltverzögerungen elektromechanischer Bauelemente (z. B. Relais) und der Schließzeit der Schnellschlussventile kommt beim Einsatz speicherprogrammierbarer Systeme der Wahl der Zykluszeit eine besondere Bedeutung zu. Das Prozessrechnersystem ist so zu projektieren bzw. programmieren, dass die maximal zulässige Reaktionszeit auch bei einer sehr hohen Rechnerauslastung nicht überschritten wird.
35.4 Einsatz und Projektierung moderner Leittechniksysteme für die Gasturbinenautomatisierung In der Automatisierung von Gasturbinen werden seit einigen Jahren vor allem speicherprogrammierbare Prozessrechner- und Prozessleitsysteme eingesetzt [35.13, 35.21, 35.27]. Die herkömmliche verdrahtungsprogrammierte Technik wird nur noch dort angewendet, wo sie wegen spezifischer Anforderungen – z. B. hinsichtlich der leichteren Nachweisbarkeit des Ausfallverhaltens – besondere Vorteile bietet.
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Moderne Kraftwerksgasturbinen stellen insofern besondere Anforderungen an die eingesetzte Prozessrechentechnik, da eine Vielzahl an Prozessgrößen in sehr kurzen Zeitabständen erfasst und verarbeitet werden muss. Zur Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bieten moderne Prozessleitsysteme die Möglichkeit, alle ausfallgefährdeten Teile (Verarbeitungseinheit, Bussysteme, Stromversorgung) redundant einzusetzen. Hier übernimmt beispielsweise im ungestörten Fall ein Rechner die gesamte Prozessdatenverarbeitung. Der zweite identische Rechner (mit eigener Busanschaltung und Stromversorgung), der mit einer identischen Software betrieben wird, erhält ebenfalls alle Eingangssignale zugeleitet, verarbeitet diese in gleicher Weise wie der Hauptrechner, gibt jedoch selbst keine Stellsignale aus. Im Falle einer Störung des ersten Rechners wird stoßfrei auf den zweiten Rechner umgeschaltet, d. h., jetzt gibt der zweite Rechner die Signale an die Gasturbinenstellglieder aus, sodass die Anlage mit gleicher Automatisierungsfunktionalität weiterbetrieben werden kann. Die besondere Herausforderung bei der Entwicklung derartiger Prozessrechnerstrukturen besteht darin, auftretende Fehler sicher und schnell zu erkennen und schnell genug stoßfrei auf das ungestörte System umzuschalten. Die im Vergleich zur Computertechnik niedrigen Stückzahlen, in denen Kraftwerksgasturbinen gefertigt werden und das hohe Innovationstempo in der Prozessrechentechnik lassen sehr häufig die Entwicklung und Fertigung gasturbinenspezifischer Automatisierungssysteme nicht wirtschaftlich erscheinen. Deshalb werden meist am Markt verfügbare Standardkomponenten eingesetzt und durch gasturbinenspezifische Software- und Hardwarelösungen ergänzt. Die weitgehende Verwendung von automatisierungstechnischen Standardkomponenten wie Prozessleitsystemen, Gebern und Antrieben bietet darüber hinaus den Vorteil, dass die für Gasturbinen eingesetzten Geräte und Softwaretechniken trotz des hohen Innovationstempos eine gewisse Betriebsbewährung in anderen Bereichen des verfahrenstechnischen Anlagenbaus mit ähnlichen Anforderungen erfahren haben. Ein Beispiel dafür ist die Feldbustechnik. Mit dieser Technik werden die Geber und Antriebe in der Anlage (dem Feld) nicht mehr durch herkömmliche Strom- und Spannungssignale an die Prozessleittechnik gekoppelt. Stattdessen werden die neuen, mit leistungsfähigen Mikroprozessoren ausgestatteten Feldgeräte untereinander und mit dem zentralen Prozessleitsystem durch eine für die Anwendung in der Verfahrenstechnik speziell entwickelte Prozessrechnerschnittstelle (dem Bus) verbunden [35.18,35.25,35.26]. Der Vorteil dieser Technik besteht darin, dass die aufwändige Kabelverbindung zwischen den Geräten in der Anlage und dem Prozessleitsystem im Elektronikraum auf das Verlegen des Feldbusses reduziert wird. Zudem entfällt das bei digitalen Feldgeräten erforderliche zweifache Umwandeln des digitalen Messwertes in ein nur zur Signalübertragung erforderliches analoges Strom- oder Spannungssignal mit anschließender Analog-Digital-Rückumwandlung im (digitalen) Prozessleitsystem zur rechnergestützten Weiterverarbeitung. Durch die mit dem Einsatz der Feldbustechnik verbundene nahezu vollständige Digitalisierung der Automatisierungstechnik steigt die Genauigkeit der zu übertragenden Werte, und die Anfälligkeit des Signalweges gegen elektromagnetische Störeinflüsse wird verrin-
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gert. Zusätzlich bieten die am Feldbus angeschlossenen Geräte vielfach die Möglichkeit, neben der eigentlichen Prozessgröße auch Zusatzinformationen über den aktuellen Zustand des Feldgerätes zum Prozessleitsystem zu übertragen, was die Fehlersuche und Diagnose erleichtert. Trotz einiger besonderer Anforderungen im Gasturbinenbereich wird sich die Feldbustechnik auch hier in absehbarer Zeit durchsetzen. Angesichts des Umfangs und der Komplexität der Steuerungs-, Regelungs- und Schutztechnik an modernen Kraftwerksgasturbinen wird diese zumeist durch den Turbinenhersteller selbst mitgeliefert. Sofern die Leittechnik für die anderen Teile des Kraftwerkes von einem anderen Hersteller geliefert wird, sollte sich die Gasturbinenleittechnik möglichst einfach und rückwirkungsfrei in die Gesamtleittechnik integrieren lassen. Die zum Signalaustausch mit der Gasturbinenleittechnik erforderliche Schnittstelle sollte weitgehend standardisiert und hinsichtlich des Signalumfangs und der Übertragungsrate eindeutig spezifiziert werden. In diesen Fällen gilt es, die oftmals zwangsläufig unterschiedlichen Bedienkonzepte der einzelnen Leittechnikhersteller dem Betriebspersonal nahe zu bringen. Bedingt durch das immense Innovationstempo in der Informations- und Kommunikationstechnik bieten sich auch für Gasturbinenkraftwerke stets neue Möglichkeiten zur Prozessvisualisierung und -bedienung, Datenanalyse, Diagnose und zum Datenaustausch auch über große Entfernungen hinweg. So verfügen moderne Prozessleitsysteme vielfach über die Möglichkeit der Anbindung an das Internet oder das firmenspezifische Intranet. Neben den unbestreitbaren Vorteilen eines vereinfachten Datenzugriffs und den neuen Möglichkeiten der Fernbedienung und -beobachtung ergeben sich damit auch neue Gefahren für die Anlagensicherheit und -verfügbarkeit. Durch geeignete informationstechnische Sicherheitsvorkehrungen muss der Zugriff Unbefugter genauso ausgeschlossen werden wie das Einschleusen unautorisierter Programmteile und schadenstiftender Software. Hierfür sollten die in der Computertechnik üblichen Sicherheitstechniken wie z. B. Autorisierungsmechanismen, Firewalls, Verschlüsselungssysteme und Virenschutzprogramme in der Gasturbinenautomatisierung in ausreichendem und angemessenen Umfang eingesetzt werden [35.16, 35.22]. Die moderne Informationstechnik vereinfacht den Datenaustausch zwischen dem Kraftwerksbetreiber und dem Gasturbinenhersteller, erleichtert die Fehlersuche bei Störfällen und reduziert damit deutlich die Ausfallzeiten der Anlage. Bei einem zweckgemäßen Einsatz dieser neuen Techniken wird dem Kraftwerksbetreiber zudem die Optimierung des Anlagenbetriebes über die gesamte Lebensdauer hinweg deutlich vereinfacht.
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O. Drobner, A. Pahl
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Kapitel 36
Ferndiagnose von Kraftwerks-Gasturbinenanlagen Hans-Gerd Brummel
36.1 Einleitung In den vergangenen Jahren haben in der Kraftwerkswirtschaft bedeutende Veränderungen in den Beziehungen zwischen Herstellern von Turbomaschinen und deren Kunden stattgefunden. Diese Änderungen haben zu neuen Formen der Zusammenarbeit speziell im Servicegeschäft geführt. Die Ferndiagnose durch den Hersteller ist eines der Ergebnisse dieser Entwicklung, auf die im Rahmen dieses Kapitels näher eingegangen werden soll. Die folgenden Gründe waren Auslöser für diese veränderte Geschäftskonstellation. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist ein starker Trend zu beobachten, Gasturbinen in größerem Umfang zur Stromerzeugung einzusetzen. Fallende Gaspreise in Verbindung mit immer höheren Gasturbinenwirkungsgraden machten diese Technik erstmals attraktiv im Vergleich zu der traditionellen Stromerzeugung auf Kohlebasis. Mitte der 1990er-Jahre waren dann Kraftwerksgasturbinen mit mehr als 250 MWel Leistung und ca. 38% Wirkungsgrad im Solobetrieb sowie ca. 58% Wirkungsgrad im GuD-Prozess verfügbar. Diese beachtliche Steigerung (die Vorläufergeneration der Heavy-Duty-Gasturbinen brachte es im Vergleich dazu lediglich auf ca. 150 MWel und Wirkungsgrade von rund 31% im Solobetrieb bzw. 51% im GuD-Prozess) konnte nur erreicht werden durch Einsatz der zum damaligen Zeitpunkt fortschrittlichsten Techniken und Materialien. Erschwerend für die Konstrukteure kommt hinzu, dass dieser beachtliche Entwicklungssprung aus Gründen des Umweltschutzes noch mit einer deutlichen Reduzierung der NOx -Emission einhergehen musste. Je komplizierter die Maschinen wurden, desto größer wurde auch das Potenzial für Betriebsstörungen sowie Materialversagen und dadurch bedingte ungeplante Stillstände der Maschinen. In traditionellen Geschäftsbeziehungen verkaufte der Hersteller Gasturbinen an einen Stromversorger, und nach einer festen Garantiezeit hatte dieser Kunde das volle Risiko für seine Maschine zu tragen. Mit der Markteinführung der neuen Hochleistungsgasturbinen waren Kunden, unter diesen in zunehmendem Maße auch unabhängige Stromerzeuger, Hersteller C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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und Versicherungen, daran interessiert, neue Strukturen von Geschäftsbeziehungen einzugehen. So wurden Betriebs- und Wartungs- sowie Langzeitwartungsverträge für den größten Teil der Lebenserwartung der Gasturbine eingegangen, die unter gewissen Bedingungen auch eine Beteiligung an Reparaturkosten nach der Gewährleistungsfrist durch den Hersteller vorsahen. Dies machte die Sache kalkulierbarer für den Kunden, resultierte aber in gestiegenem Risiko für den Hersteller, da sich dieser ggf. an Reparaturkosten zu beteiligen hatte, ohne zu wissen, wie die beschädigte Maschine tatsächlich betrieben wurde. Zu derselben Zeit, in der diese Veränderungen in der Kraftwerkstechnik und in der Elektrizitätswirtschaft stattfanden, hatte es in der Informationstechnik einen Entwicklungsschub gegeben, der es erstmals ermöglichte, große Mengen an Daten über weite Entfernungen zu transportieren, sodass es nahe lag, mittels Ferndiagnose durch den Hersteller das Risiko von Langzeitwartungsverträgen zu minimieren. Wegen der Sachkompetenz des Herstellers für seine Maschinen erhoffte man sich hierbei Vorteile für beide Parteien. Schäden könnten so frühzeitiger erkannt, Folgeschädigungen verhindert und die Reparatur konnte, wenn immer möglich, in einen Zeitraum gelegt werden, in dem die Anlage planmäßig stillstehen würde. Wie bei einer geplanten Wartungsarbeit könnten jetzt auch im Fall von verschiedenen Schadensbildern schon vor dem eigentlichen Abfahren der Anlage Ersatzteile und Fachkräfte auf die Anlage gebracht werden, um die Reparatur dann in kürzester Zeit durchzuführen. Die Ausführungen des vorliegenden Kapitels beziehen sich deshalb konsequenterweise auf die Maschinendiagnose zur möglichst frühzeitigen Erkennung sich anbahnender Schäden. Eine Analyse von Betriebsdaten zur Aufstellung von Betriebsstatistiken (Verfügbarkeit, Flottenverhalten etc.) ist nicht Bestandteil dieses Kapitels. Auf diese Aspekte wird in Kap. 37 näher eingegangen. Die Beschreibung der Ferndiagnose soll so weit wie möglich herstellerneutral gehalten sein, in einer Reihe von Fällen wird – zumeist beispielhaft – auf Lösungen des Kraftwerkservice von Siemens Energy eingegangen. In der Regel wird die Ferndiagnose von Gasturbinen durch Hersteller beschrieben, es haben sich jedoch auch unabhängige Drittanbieter auf diesem Markt etabliert. Auch für diesen Geschäftszweig sind die meisten der hier getroffenen Ausführungen gültig, dies gilt ebenso für eine Diagnose vor Ort, die man als Untermenge der Ferndiagnose interpretieren kann. Ein wichtiger Aspekt dieses Diagnoseansatzes aus der Ferne ist das Thema Sicherheit, zum einen die Zuverlässigkeit der Datenübertragung, aber auch die Verhinderung eines gezielten Eingriffs in den Anlagenbetrieb durch unautorisierte Dritte. Zu Letzterem können aus verständlichen Gründen lediglich grundlegende Prinzipien gestreift werden, die zudem keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben.
36.2 Strategie der Ferndiagnose Grundsätzlich bedarf es bei der Ferndiagnose, sei es durch den Hersteller, durch ein unabhängiges Diagnosezentrum oder auch durch den Betreiber selbst, der mehrere
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TechnologieExperte
Leittechnik Analysesystem 1
Analysesystem 2
Analysesystem N
Anlage 1 Abb. 36-1 Struktur der Gasturbinenanlagen-Diagnose durch den Betreiber vor Ort
Ferndiagnosezentrum Experten für: DatenHandhabung
Infrastruktur: Hardware/ Software
Datenbank Analysewerkzeuge Technologie
Weltweites Kommunikationsnetz
Datenakquisition
Anlage 1
Datenakquisition
Anlage 2
Datenakquisition
Anlage N
Abb. 36-2 Struktur der Gasturbinenanlagen-Ferndiagnose durch ein unabhängiges Diagnosezentrum oder durch ein Diagnosezentrum des Betreibers
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VertragsManagement
Hersteller Ferndiagnosezentrum Experten für: DatenHandhabung
Infrastruktur: Hardware/ Software
Datenbank Analysewerkzeuge Technologie
FachAbteilung A Vernetzung
FachAbteilung B FachAbteilung C
Weltweites Kommunikationsnetz
Datenakquisition
Anlage 1
Datenakquisition
Anlage 2
Datenakquisition
Anlage N
Abb. 36-3 Struktur der Gasturbinenanlagen-Ferndiagnose durch den Hersteller
seiner Anlagen zentral an einem Ort überwachen will, einer Reihe von Prozessschritten, deren Realisierung unumgänglich ist (vgl. hierzu Abb. 36-1 bis 36-5). Die Abb. 36-1 stellt den einfachsten Fall dar: Hier praktizieren Fachleute des Betreibers auf der Anlage eine lokale Datenanalyse und Diagnose. In Abb. 36-2 ist aufgezeigt, wie ein unabhängiges Diagnosezentrum oder auch ein Diagnosezentrum des Betreibers mehrere Anlagen aus der Ferne überwacht. Die Abb. 36-3 zeigt die umfassendste Variante, die Ferndiagnose durch den Hersteller mit der Einbindung diverser Fachabteilungen. Die Ausführungen der folgenden Abschnitte beziehen sich immer auf die Ferndiagnose durch den Hersteller der Kraftwerkshauptkomponenten, da diese die in den Abb. 36-1 und 36-2 skizzierten Fälle mit abdeckt. Zu den Grundfunktionen der Ferndiagnose gehören die Beschaffung der eigentlichen Messdaten sowie weiterer Betriebsaufzeichnungen wie der Leittechnik-Ereignisprotokolle im Kraftwerk selbst, die Datenübertragung zu einem oder mehreren Diagnosezentren und die Analyse dieser Daten mit nachfolgender Maschinendiagnose. Eine zentrale Speicherung der Rohdaten und der zugehörigen Analyse- und Diagnoseergebnisse gehört ebenfalls zu den Basisfunktionen. Der Datensicherheit sowie der Sicherheit des Prozesses gegen mögliche Zugriffe nicht autorisierter Dritter kommt dabei, wie schon erwähnt, höchste Bedeutung zu.
36 Ferndiagnose von Kraftwerks-Gasturbinenanlagen
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Siemens Ringbrennkammer – Gasturbine • Diagnose Parameter (Standard Instrumentierung) Filterhaus-Eintritt: • Umgebungsdruck • Relative Feuchte • Differenzdruck Eintritt Filterhaus – Kompressor • Temperatur (8×)
• Druckdifferenz Eintritt Filterhaus - Kompressor – Eintritt ...
Kompressor-Austritt: • Temperatur (Mittelwert) • Druck (Mittelwert)
Kompressor-Eintritt:
• Druckdifferenz Brennkammer Eintritt – Austritt
• Turbinen-AustrittsTemperatur (24×)
Abgas:
• Druck (2×) • Temperatur (Mittelwert)
• Temperatur (6×) • Druck
Kombiniertes Radial-/Axial-Lager: • Temperatur • Gehäuseschwingungen (2× vertikal) • Wellenschwingungen (X/Y)
• Brennstoff: Temperatur, Druck • Rotor: Drehzahl • Schmieröl: Temperatur, Druck stromab Kühler
Radiallager: • Temperatur • Gehäuseschwingungen (2× vertikal) • Wellenschwingungen (X/Y)
Abb. 36-4 Typische Sensoren zur Diagnose von Kraftwerksgasturbinen (Beispiel: Siemens Gasturbine mit Ringbrennkammer) [Siemens Energy]
Der zentrale Bearbeitungsschritt ist jedoch die eigentliche Analyse der betrieblichen Daten und sonstigen Aufzeichnungen und die daraus resultierende Diagnose für die betrachtete Maschine, die sich analog zur Medizin nur durch fundiertes Fachwissen und systematische Kombination einzelner Analyseergebnisse sowie Schlussfolgerungen daraus erreichen lässt. Werden aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse Aussagen für die Zukunft getroffen, spricht man auch von einer Prognose. Die Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Untersuchungen in Berichtsform ist ein weiterer wichtiger Prozessschritt. Dabei ist zu betonen, dass auch die an sich wenig spektakuläre, aber durch Untersuchungen belegte Aussage, dass alles in Ordnung sei, für Kunden und Hersteller eine wertvolle Information darstellt, verglichen mit Nichtwissen oder der simplen Hoffnung, dass nichts Unvorhergesehenes passieren möge. In der Praxis wurden zur Realisierung all dieser Funktionsschritte – sei es durch Hersteller, Betreiber oder auch unabhängige Diagnoseanbieter – eine Reihe von Softwarewerkzeuge zur eigentlichen Analyse/Diagnose/Prognose und auch zur Steuerung des Diagnoseprozesses entwickelt. Auch Hochschulinstitute und Softwareunternehmen sind sehr aktiv auf diesem Gebiet. Deshalb kann hier auf die Vielzahl individueller Lösungen nicht direkt eingegangen werden. Es soll aber versucht werden, in den folgenden Abschnitten einen Überblick zu geben, welche Ansätze für die einzelnen Funktionsschritte prinzipiell möglich sind und welche Methoden sich dabei als praxisgerecht herausgestellt haben. Hierbei soll der gesam-
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Gesicherter Datentransfer Anlage
„Entmilitarisierte Zone” Diagnosezentrum Local Area Network des Herstellers Abb. 36-5 Ferndiagnose-Prozessführung: von der Anlage bis zum Diagnosezentrum [Siemens Energy]
te Prozess von der eigentlichen Messung bis zur Verteilung der Diagnoseergebnisse behandelt werden.
36.2.1 Mess- und Analysetechnik vor Ort Zur Gasturbinendiagnose werden zuerst einmal die klassischen Messgrößen herangezogen, die an die Leittechnik der Anlage übermittelt werden und dabei teilweise auch zum Schutz der Maschine benutzt werden. Hierzu gehören z. B. Drücke, Temperaturen, Massenströme sowie die Rotordrehzahl. Wegen der hohen Temperaturen im eigentlichen Heißgaspfad der Gasturbine, d. h. im Bereich von den Brennern bis zum Gasturbinenaustrittsflansch, lässt sich nur bedingt Messtechnik installieren, die auch einer längere Betriebszeit standhält (zu Messungen im Heißgaspfad sei auf Kap. 33 verwiesen). Für kommerziell betriebene Gasturbinen muss man hier zurzeit noch den indirekten Weg über die Abgastemperaturen gehen, wobei der kontinuierlichen Auswertung der Temperaturverteilung im Austrittsquerschnitt der Turbine eine wichtige Rolle zukommt (Näheres dazu in Abschn. 36.2.5). Auch Lagertemperaturen, mit denen die Wirksamkeit der Lagerschmierung überwacht werden kann, gehören zur Gruppe dieser wichtigen Messparameter. Diese traditionellen Messaufgaben werden im Wesentlichen durch Einsatz von Standardsensorik (Thermoelemente, Druckaufnehmer etc.) realisiert, Abb. 36-4 gibt hierzu einen Überblick. Die zeitliche Auflösung der Messdaten (Messzyklus) beträgt bei Gasturbinenkraftwerken i. d. R. 1 s, zur Datenkomprimierung bei der Speicherung der Messdaten im
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Datenarchiv der Anlage bedient man sich des Totbandansatzes. Dabei wird zum neuen Zeitpunkt nur ein neuer Wert für eine Messgröße gespeichert, wenn dieser im Verhältnis zu seinem zeitlichen Vorgängerwert nicht in einem definierten Totband liegt. Wegen der immer aufwändigeren Technik (z. B. Verbrennungssteuerung) werden jedoch im steigenden Maß auch komplexere Analysesysteme an die Gasturbine angeschlossen. Diese werden häufig von unabhängigen Drittanbietern entwickelt, die sich auf eine bestimmte Auswertung für eine Teilkomponente der Maschine spezialisiert haben. Hierzu gehören z. B. die Schwingungsüberwachung des Wellenstranges eines Turbosatzes, Analysesysteme zur Vermeidung oder Begrenzung von Verbrennungsschwingungen, Körperschallüberwachungssysteme oder auch die thermodynamische Analyse des Leistungsvermögens der Gasturbine bzw. der gesamten GuD-Anlage. Allen diesen fortschrittlicheren Überwachungstechniken ist gemein, dass hier neben den zu installierenden Sensoren eine spezielle Auswerteeinheit zur Analyse hinzukommt, i. d. R. als eigenständiger Rechner (PC). Diese Überwachungssysteme lassen sich autark betreiben, es können aber auch ausgewählte Ergebnisse der Auswerteeinheiten durch Vernetzung an die Leittechnik übermittelt werden. Weitere wichtige Quellen auf der Anlage zur Analyse des Betriebsverhaltens und zur nachfolgenden Diagnose stellen die Betriebsprotokolle der Leittechnik dar. Alle Ereignisse auf der Anlage werden mit Zeitstempel protokolliert, dazu gehören sowohl betriebliche Eingriffe als auch Störungs- und Alarmmeldungen. Für die Diagnose vor Ort stellt diese Anhäufung von unabhängigen Analysesystemen/Computern zunächst einmal lediglich eine Platzfrage dar, für die hier primär behandelte Ferndiagnose ergibt sich jedoch das nicht zu unterschätzende Problem, wie die Daten/Ergebnisse all dieser verschiedenen Systeme effizient in das Diagnosezentrum des Herstellers übertragen werden.
36.2.2 Datenakquisition für die Ferndiagnose Prinzipiell kann zur Beschaffung und Weiterleitung der Messdaten und der zugehörigen Betriebsprotokolle auf die Leittechnik der Anlage direkt zugegriffen werden. Mag diese Vorgehensweise in der Inbetriebsetzungsphase der Gasturbine noch statthaft sein, sind spätestens bei der Übernahme der Anlage durch den Kunden professionellere Lösungen zu realisieren. Eine der Grundvoraussetzungen zur Akzeptanz einer Ferndiagnose durch den Betreiber ist, dass sich durch die dabei unumgängliche Verbindung des Kraftwerkes nach außen keine Beeinträchtigungen oder gar Manipulationen des Anlagenbetriebes ergeben dürfen. Hierzu zählt nicht nur die Abwehr gezielter, destruktiver Eingriffe durch Dritte, es muss ebenfalls von vornherein ausgeschlossen sein, dass die an sich wohlmeinende Tätigkeit des Diagnosezentrums nicht unbeabsichtigt zu einer Störung der Anlage führt. Gasturbinenschnellabschaltungen sind kostenintensiv, und sie haben darüber hinaus direkten Einfluss auf die Lebensdauer der Maschine.
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Zur Vermeidung dieser Risiken hat sich folgende Vorgehensweise in der Praxis bewährt: Zur Datenakquisition vor Ort wird ein separater PC an die Leittechnik der Anlage angeschlossen, der im Eigentum des Turbinenherstellers verbleibt. Die Leittechnik wird dann so konfiguriert, dass sie von sich aus in einer einzustellenden Taktfrequenz die für die Ferndiagnose benötigten Daten an diesen Computer übermittelt. Es besteht über diese „Dateneinbahnstrasse“ somit keine Möglichkeit, über diese Verbindung die Leittechnik zu erreichen. Der Datenakquisitionsrechner verhält sich in Hinblick auf die Leittechnik passiv. Hat er jedoch Daten empfangen, kann er sie direkt an das Diagnosezentrum weiterleiten. Alternativ kann der Rechner diese Daten erst einmal sammeln und nach einer vordefinierten Zeitspanne die aufgelaufenen Daten als Paket abschicken (sog. Datencontainer). Wählt man diese Möglichkeit, sollte der Datenakquisitionsrechner aber in der Lage sein, im Fall von Alarmen das Datensammeln sofort zu unterbrechen und einen Container abzuschicken, der alle Daten seit dem letzten abgeschickten Datenpaket bis zum Alarmzeitpunkt enthält. Auch sollte es bei dieser Prozessvariante möglich sein, kritische Anlagen vom Diagnosezentrum aus ohne Zeitverzögerung zu überwachen. Dazu verbindet sich ein Spezialist des Diagnosezentrums „live“ mit dem Datenakquisitionsrechner. Er ist dann in der Lage, die Geschehnisse vor Ort direkt zu verfolgen (IT-Englisch: online). Ein Aspekt der Datenakquisition muss an dieser Stelle noch explizit behandelt werden. In Abschn. 36.2.1 wurde schon auf fortschrittlichere Analysesysteme, wie z. B. die Wellenstrang-Schwingungsanalyse, eingegangen. Große Hersteller bieten mit Softwareplattformen auf den Datenakquisitionsrechnern die Möglichkeit, spezielle Analysen vor Ort, die nicht in die Leittechnik integriert sind, in die Fernüberwachung einzubinden. Diese Plattformstrategie eröffnet eine Reihe von Vorteilen. Sämtliche Informationen, die zur Fernanalyse benötigt werden, können über einen einzigen Datenakquisitionsrechner versandt werden. Die komplexen Analysesysteme für Verbrennungs- und Wellenschwingungen benötigen naturgegeben einen Dateninput mit sehr feiner zeitlicher Auflösung und damit enormem Datenanfall. Die Rohdaten der Schwingungsaufnehmer zur Analyse in ein Zentrum zu schicken, ist daher keine praktikable Lösung. Hier bewirkt die Analyse vor Ort eine Datenverdichtung. Nur die Analyseergebnisse werden weitergeleitet, die speicherplatzintensiven Rohdaten können temporär auf der Anlage gespeichert und nach Verteilung der Analyse-/Diagnoseberichte überschrieben werden, solange keine Störung diagnostiziert wurde. Ein weiterer Vorteil der Plattformlösungen (Beispiele: System 1® GE/Bently-Nevada, WIN_TS Siemens) ist, dass die komplexen Analysensysteme über den Datenakquisitionsrechner aus der Ferne bedienbar werden. Hierdurch eröffnen sich neben der Ferndiagnose auch weitere Möglichkeiten von aktiven Ferndienstleistungen, wie z. B. der Schwingungsanalyse zum Wuchten von Rotoren oder der Feinjustierung der Verbrennungsregelung.
36.2.3 Datenfernübertragung Zur Datenübertragung können prinzipiell alle heute verfügbaren Kommunikationssysteme genutzt werden, wie Telefonleitungen (analog/ISDN), Satellitenverbindun-
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gen und das Internet. Waren in der Anfangsphase der Ferndiagnose Telefonleitungen das Mittel der Wahl (hier hatte der Kunde einen plausiblen Sicherheitstrumpf, er konnte nach telefonischer Anfrage durch das Diagnosezentrum mit einem gezielten Rückruf selbst die Verbindung herstellen, was ein hohes Maß an Sicherheit gegen Eingriffsversuche unbefugter Dritter schuf), geht heute der Trend jedoch immer mehr zu speziellen Internetverbindungen, die gesicherte Punkt-zuPunkt-Verbindungen herstellen, sog. getunnelte Systeme. Diese Verbindungen (ITEnglisch: Virtual Private Network – VPN) müssen hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen (z. B. die Kriterien der North American Electricity Reliability Corporation – NERC). Zusätzlich sind die Endpunkte der Verbindung sowohl auf der Kunden- als auch auf der Herstellerseite gegen unberechtigte Eindringversuche durch Barrieren zu sichern (IT-Englisch: Firewall). Aus Gründen der Datensicherheit (vertraglich sind und bleiben die übermittelten Daten des Anlagenbetriebes im Besitz des Kunden) werden die übermittelten Daten i. d. R. verschlüsselt.
36.2.4 Empfang der Daten beim Hersteller Die oben beschriebenen datentechnischen Barrieren lassen nur identifizierbare Informationen passieren. Bevor die Daten beim Hersteller analysiert werden können, müssen sie noch eine Sicherheitsschleuse (IT-Englisch: Demilitarized Zone – DMZ) durchlaufen, in der sie auf Herz und Nieren geprüft werden, z. B. auf Virenbefall. In Abb. 36-5 sind die in den Abschn. 36.2.1 bis 36.2.4 beschriebenen Funktionsschritte der Ferndiagnose schematisch zusammengefasst.
36.2.5 Datenanalyse Nachdem die Daten auch die letzten Sicherheitsüberprüfungen erfolgreich bestanden haben, können sie von Spezialisten des Diagnosezentrums ausgewertet werden. Hier sind die angewendeten Praktiken natürlich sehr spezifisch. Es soll deshalb versucht werden, in Form eines allgemeinen Überblicks die zugrunde liegenden Analyseansätze prinzipiell zu beschreiben. Generell existiert eine Vielzahl von Analysemethoden, die auf unterschiedlichsten Ansätzen beruhen und die auch untereinander kombinierbar sind. Wegen des gegenwärtig sehr bedeutenden Stellenwertes der Thematik Analyse/Diagnose/Prognose (bis hin zur zustandsbedingten Wartung) und der daraus resultierenden hohen Innovationsrate kann bei dieser Zusammenstellung kein Anspruch auf Vollständigkeit geltend gemacht werden. Auf folgende Methoden der Gasturbinenanalyse soll hier näher eingegangen werden: • Manuelle Auswertung der Störungsmeldungen und der Messdaten durch Experten: – Überprüfung auf Überschreitung von Grenzwerten, – Spezielle Analyseverfahren (z. B. Abgastemperaturanalyse),
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• Bewertung der Messdaten durch Vergleich mit der Flotte, • Statistische Auswertung (typische Vorkommnisse in Abhängigkeit von den Betriebsstunden der Maschine), • Vergleich der Messdaten mit Simulationsergebnissen (empirische und physikalische Modelle), • Einsatz von regelbasierten Expertensystemen, • Einsatz neuronaler, d. h. selbstlernender Methoden (intelligente Analysesoftware, die aus der Vergangenheit das normale Verhalten der individuellen Maschine gelernt hat und Abweichungen vom diesem Normalzustand registriert). Vielen dieser Ansätze ist gemein, dass die übermittelten Messdaten mit Daten verglichen werden, die den störungsfreien Normalbetrieb repräsentieren. Eine professionelle Gasturbinen-Ferndiagnose zeichnet sich dadurch aus, dass dabei mehrere dieser Ansätze zum Einsatz kommen. Wegen der Vielzahl der Auswertewerkzeuge, zu deren Bedienung häufig Fachleute erforderlich sind, sind alle namhaften Hersteller dazu übergegangen, die Ferndiagnose in eigens dazu eingerichteten Zentren durchzuführen, wo die Spezialisten für diese Programme und Technologieexperten direkt zusammenarbeiten. Auch wegen der zentralen Speicherung der Betriebsdaten und der Analyseergebnisse in einer Datenbank bietet sich diese Vorgehensweise an. Im Folgenden sollen die oben aufgelisteten prinzipiellen Ansätze näher beschrieben werden. Manuelle Auswertung Die manuelle Auswertung der Betriebsdaten stellt die einfachste Methode der Maschinendiagnose dar. Durch Auswertung der Event Logs (Betriebsprotokolle bzw. Störungsprotokolle, Alarmlisten) werden Betriebszeiten, die näher zu untersuchen sind, identifiziert. Dann werden aufschlussreiche Messwerte über eine Plotsoftware visualisiert und von Fachkräften begutachtet. Hierzu ist es vorteilhaft, über eine gute Visualisierungssoftware zu verfügen, die in der Lage ist, definierte Betriebszustände aus der Gesamtdatenmenge herauszufiltern. Als Nachteile der manuellen Auswertung sind anzuführen: Es handelt sich um einen arbeitsintensiven Prozess, die Diagnoseergebnisse sind weitgehend abhängig von der Erfahrung des Bearbeiters. Überprüfung auf Über-/ Unterschreitung von fixen Grenzwerten Hier werden wichtige Betriebsparameter auf Einhaltung eines normalen Betriebsintervalls überprüft. Die einfachste Methode ist es, feste Grenzwerte einzuführen, wobei deren Überprüfung durch einen Soll-Ist-Vergleich auch im Gegensatz zu der oben beschriebenen manuellen Auswertung voll automatisiert werden kann. Vielfach sind feste Grenzwerte auch schon direkt in der Leittechnik implementiert, dort dienen sie hauptsächlich dem Maschinenschutz, wobei ein spezifisches Dilemma der festen Grenzwerte in der Gasturbinendiagnose umgangen werden kann. Die Schutzgrenzwerte sind mit Absicht so weit von den normalen Betriebswerten entfernt eingestellt, dass bei einer Über- bzw. Unterschreitung mit Sicherheit
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eine Gefährdung der Anlage gegeben ist, da man Fehlalarme, die hier zur Schnellabschaltung führen, natürlich vermeiden möchte. Im Gegensatz zum vollautomatisierten Schutz der Anlage, der integraler Bestandteil der Leittechnik ist, ist man in der Diagnose aus Gründen der Schadensvermeidung oder zumindest der Schadensbegrenzung dagegen bemüht, möglichst frühzeitig eine Abweichung vom normalen Betriebsverhalten festzustellen. Jede technische Anlage weist aber bei den Betriebsdaten eine gewisse Fluktuation oder auch Variationsbreite auf. Stationäre Kraftwerksgasturbinen werden im Gegensatz zu Großserienprodukten wie Elektromotoren oder Pumpen dazu noch individuell eingestellt. Die eigentlichen Betriebsparameter hängen darüber hinaus stark von den atmosphärischen Bedingungen am Kraftwerksstandort ab. Damit ist es in der Praxis nicht möglich, bei Gasturbinen ausschließlich mit typenbedingten festen Grenzwerten eine effektive Diagnose durchzuführen. Entweder man setzt diese Grenzwerte zu eng, dann kann dies eine Reihe von Fehlalarmen zur Folge haben (was für Maschine A schon ein Indiz für eine Unregelmäßigkeit ist, fällt für Maschine B noch voll in das Spektrum des Normalbetriebes). Oder sie werden zu weit gesetzt, damit ist die Diagnose dann nicht in der Lage, im Vergleich zum Anlagenschutz eine frühzeitigere Erkennung eines sich anbahnenden Schadens zu ermöglichen. Es bleibt somit nur der steinige Weg, die Grenzwerte für jede Turbine individuell festzulegen, was einen hohen Aufwand darstellt. Dazu kommt noch, dass die Maschinen bei Revisionen neu eingestellt werden, daher ist eine einmalige Aktion nicht ausreichend, die vom Aufwand her evtl. noch zu rechtfertigen wäre. Man muss hier durch ständige Aktualisierungen alle auf der Anlage durchgeführten Änderungen nachjustieren, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten. Spezielle Analyseverfahren Aufgrund der im letzen Abschnitt beschriebenen Schwierigkeiten bei der Heranziehung von festen Grenzwerten als Vergleichsbasis zu den Messwerten wurden in der Vergangenheit schon eine Reihe von intelligenten Analysemethoden entwickelt, die diese Sensitivitätsproblematik geschickt umgehen. Viele dieser Ansätze gehören zum Know-how des Herstellers und werden nicht öffentlich preisgegeben. Stellvertretend soll hier ein klassisches Verfahren beschrieben werden, das schon so lange, wie es Gasturbinen gibt, in Testständen zur Diagnose des Verbrennungsverhaltens und zur Überprüfung der Integrität des Heißgaspfades herangezogen wird, die sog. Blade Path Spread Analysis (dazu existiert kein direkter deutscher Fachbegriff, am nächsten kommt dem englischen Term: Abgas-Durchschnittstemperatur-Analyse oder kürzer Abgastemperaturanalyse) für Maschinen mit um die Turbinenachse herum angeordneten Einzelbrennkammern (vgl. Abb. 36-12 in Abschn. 36.3.1). Diese Methode funktioniert, wenn jeder Brennkammer am Austritt der Gasturbine ein Thermoelement zugeordnet ist. Der Vergleich der einzelnen Thermoelemente mit dem Durchschnittswert aller parallel im Ringspalt des Strömungsaustrittquerschnittes der Gasturbine installierten Thermoelemente ermöglicht dem Fachmann Rückschlüsse auf typische Schadensbilder im Inneren der Maschine. Als Beispiel soll folgendes Schadensbild bei einer Gasturbine mit Einzelbrennkammern und Übergangsstücken zur eigentlichen Abgasturbine dienen. Aufgrund eines sich
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öffnenden Risses in einem solchen Übergangsstück strömt mehr Kompressorluft durch die Rissöffnung in das schadhafte, heißgasführende Teil („Weg des geringsten Widerstandes“). Die darin zur Turbine geleiteten Abgase werden somit etwas abgekühlt. Diese Kühlluftmenge wird den unmittelbar benachbarten Übergangsstücken entzogen, die Abgase in diesen Strömungskanälen werden heißer als die gemittelte Abgastemperatur, da die Abgase in den restlichen Übergangsstücken auf ihrem Temperaturniveau beharren. Dieselbe Methode lässt auch Rückschlüsse zu, wenn einem der Brenner zuwenig Brennstoff zugeführt wird, z. B. durch eine verstopfte Zuleitung oder Brennstoffdüse. Hier nimmt ebenfalls die dem Brenner zugeordnete Abgastemperatur ab, jedoch bleiben die benachbarten Abgastemperaturen auf ihrem Niveau, da sich hier keine veränderten Strömungswege für die Kompressorluft ergeben, die Übergangsstücke sind intakt. Da man jede einzelne dieser Messungen mit dem zeitgleichen Durchschnittswert vergleicht, ist dieses Verfahren viel sensitiver, als wenn man die einzelnen Abgastemperaturen je nach Lastzustand mit feststehenden oberen und unteren Grenzwerten vergleichen würde. Flottenvergleich Aufgrund des weiter oben beschriebenen individuellen Verhaltens von Gasturbinen ist eine Gegenüberstellung von Betriebsmesswerten mit repräsentativen Werten für die Flotte des entsprechenden Gasturbinentyps nur bedingt erfolgreich. Für bestimmte Problematiken, z. B. Untersuchungen der Gründe für abgebrochene Startvorgänge, kann aber die Gegenüberstellung des Fehlversuches mit erfolgreichen Starts anderer Maschinen der Flotte zur Aufdeckung der Ursache beitragen. Statistische Auswertung von Schadenshäufigkeiten Der Hersteller kennt die neuralgischen Punkte seines Produktes und weiß i. d. R., welche Komponenten man nach einer bestimmten Betriebsstundenanzahl näher betrachten sollte. Somit werden bei diesem Ansatz insbesondere die Messdaten zielgerichtet analysiert, die Indikatoren für die Anbahnung eines erwarteten Schadens sind. Simulation Hier werden die Messwerte direkt mit korrespondierenden Werten verglichen, die über eine Rechensimulation gewonnen werden. Dazu können geeignete empirische oder physikalische Modelle herangezogen werden, die das Verhalten der gesamten Maschine oder von Teilbereichen beschreiben. Je komplexer eine technische Anwendung ist, desto schwieriger und aufwändiger ist natürlich auch deren Gesamtsimulation. Somit kann man empirische Modelle nur begrenzt einsetzen, wenn man, wie hier gefordert, eine gute Übereinstimmung von Mess- und Rechenwerten für den störungsfreien Betrieb erreichen will, da die Rechenwerte ja nachfolgend als Vergleichsbasis für Störfallanalysen herangezogen werden. Da physikalische Modelle ebenfalls nicht exakt eine individuell eingestellte Maschine allein über „first principles“ beschreiben können, werden hier von den Entwicklern der Simulationsmodelle Einstellparameter vorgesehen, mit denen man die Simulation noch besser
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an den Realbetrieb anpassen kann. Auch dabei gilt: Je komplexer der zu simulierende Vorgang ist, desto mehr „Stellschrauben“ müssen hierbei angepasst werden. Damit ist dieses Verfahren arbeitsintensiv, insbesondere wenn – wie bei stationären Gasturbinen üblich – diese ein ausgeprägtes individuelles Verhalten aufweisen. Die Simulation hat aber auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Durch systematische Variation von Parametern lassen sich, nachdem schon ein vom Normalbetrieb abweichendes Verhalten der Maschine festgestellt wurde, Rückschlüsse auf die Ursache der Störung ziehen. Es versteht sich dabei von selbst, dass solche Untersuchungen von Fachleuten durchzuführen sind, da hierbei leicht voreilige Schlüsse gezogen werden können. Expertensysteme Trotz der Schwierigkeiten, die selbst diese menschlichen Experten haben, korrekte Schlüsse bei komplexen Phänomenen zu ziehen, wird schon seit einigen Jahrzehnten versucht, das Wissen, das Fachkräfte im Lauf der Zeit durch praktische Erfahrungen oder auch durch den Umgang mit den schon beschriebenen Analyseansätzen gewonnen haben, in eine numerische Form zu bringen. Man spricht hier von Expertensystemen oder auch von regelbasierten Systemen. In Abb. 36-6 ist das Prinzip eines solchen Expertensystems anhand eines einfachen, abstrakten Beispiels skizziert. Die zeitgleichen Messdaten durchlaufen ein System von Regeln (mathematische Abfragen). Je nach den Beträgen der Messwerte werden gesteuert weitere Regeln
A
nein
FG
F
B
Existiert Zustand A? Existiert Zustand B?
nein
G > 10
nein ja
ja
ja nein
Messwert für eine Diagnosevariable
M > 1000
nein
nein
F > 120 ja
C
Zustand, durch Regeln (Abfragen) definiert
M
D
Existieren Zustände C und D? ja Diagnose Schadensfall
Abb. 36-6 Funktion eines regelbasierten Expertensystems
X
ja
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durchlaufen, bis das Expertensystem zu einer Schlussfolgerung kommt (hier als abstraktes Beispiel: Falls die Betriebszustände A und B gegeben sind (durch vorgeschaltete, hier nicht abgebildete Regeln ermittelt), ergibt sich Zustand C. Falls die Messparameter F und G in den zugehörigen Abfragen zu kleine Werte aufweisen, M jedoch seinen Normalwert überschreitet, ergibt sich Zustand D. Sind Zustände C und D gegeben, ist der Schadensfall X eingetreten.) Der Nutzen eines solchen Expertensystems liegt auf der Hand: • Ein regelbasiertes System ist rund um die Uhr verfügbar und zu jeder Zeit des Tages aufmerksam. • Hat man einmal einen Satz technischer Regeln für einen Schadensfall formuliert, gilt dieser für den betrachteten Maschinentyp quasi lebenslang. Damit lässt sich auch das Generieren komplexer Regelstrukturen wirtschaftlich eher vertreten. • Ein Expertensystem arbeitet automatisch, man erreicht so eine hocheffiziente Überwachung der Maschinen im Diagnosezentrum. • Regelbasierte Systeme sind für einen Einsatz in einer Zentrale prädestiniert. Das Einbringen von Modifikationen (z. B. zusätzlichen Regeln) muss nur an einem Ort durchgeführt werden, was den Änderungsdienst einfach und überschaubar macht. • Ein Expertensystem liefert nicht nur eine Analyse, sondern als Resultat eine Diagnose, im Idealfall direkt die Ursache des Schadens. Bei so vielen Vorteilen darf es nicht verwundern, dass Expertensysteme in der Praxis auch eine Reihe von gravierenden Nachteilen gegenüber menschlicher Überwachung mit sich bringen: • Im Gegensatz zu einem menschlichen Experten kann ein regelbasiertes System nicht mehrere Beobachtungen/Schlussfolgerungen in einer Aktion verarbeiten. Deshalb muss bei der Erstellung der technischen Regeln sehr systematisch und detailliert vorgegangen werden. Randbedingungen, die ein menschlicher Experte als selbstverständlich in seine Analyse mit einbezieht, wie z. B., dass die Analyse der Messdaten nur Sinn macht, wenn die Maschine läuft, muss ein Expertensystem erst explizit durch eine Abfrage ermitteln (z. B. Drehzahl > 0 U=min). Damit wird das Aufstellen komplexerer technischer Regeln zu einem langwierigen und arbeitsintensiven Unterfangen. Menschen arbeiten heute noch zielgerichteter als ein Computer, somit ist die Gefahr groß, dass die eine oder andere, für den Rechner notwendige Zwischenregel vergessen wird zu implementieren. Stellt sich ein nicht berücksichtigter Betriebszustand ein und tritt dann auch noch ein Schaden auf, befindet man sich in undefiniertem Gelände. Das Expertensystem ist dann nicht in der Lage, eine korrekte Diagnose zu stellen, es wird seinem Namen nicht gerecht. • Das Testen der implementierten Regeln ist sehr zeitaufwändig. Dabei muss jede neu dazugekommene Regel auf Verträglichkeit mit dem bereits bestehenden Regelsatz geprüft werden. Je mehr ein Expertensystem mit der Zeit wächst, desto größer wird dabei der Testaufwand (überproportionaler Anstieg). Expertensysteme sind für Analysen und Diagnosen von einfach aufgebauten Maschinen oder auch von überschaubaren Prozessen (z. B. für Teilprozesse in der che-
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mischen Verfahrenstechnik mit nur wenigen Betriebsparametern) gut geeignet, bei komplexeren Fragestellungen stößt ein solches System schnell an seine Grenzen. Da bei den Abfragen meistens mit festen Grenzwerten (logischen Abfragen >, <, D etc.) gearbeitet wird, gelten hier analog die kritischen Anmerkungen für die Überwachung speziell von stationären Kraftwerksgasturbinen, die schon im Unterpunkt „Überprüfung auf Über-/Unterschreitung eines fixen Grenzwertes“ getroffen wurden. Neuronale Ansätze Die Erfahrungen mit Grenzwertanalysen, Simulationen oder auch den Expertensystemen haben in Hinblick auf die Analyse und Diagnose von stationären Gasturbinen, d. h. von im Normalfall individuell eingestellten Maschinen, deren Betriebsverhalten darüber hinaus noch von der Brennstoffzusammensetzung und von den Umgebungsbedingungen abhängig ist, in der Praxis immer wieder gezeigt, dass zuverlässige Aussagen einer sehr aufwändigen Feineinstellung bedürfen. Zum Beispiel benötigt die „virtuelle Inbetriebsetzung“ der Simulation einer kompletten GuDAnlage mit empirischen und physikalischen Modellen mehrere Wochen, bis für alle relevanten Lastfälle eine befriedigende Übereinstimmung zwischen Messung und Rechnung herbeigeführt werden kann. Was für eine geringe Anzahl von Anlagen noch vertretbar ist, ist bei Hunderten fernüberwachter Kraftwerken praktisch kaum noch handhabbar. Daher sind in den letzten Jahren mehr und mehr mathematische Verfahren in die Analyse und Diagnose von Turbomaschinen eingeflossen, die auf selbstlernenden Algorithmen beruhen. Sehr erfolgreich sind hier Verfahren, die sich der nicht linearen Regression bedienen. In diese Familie von Analysewerkzeugen fallen z. B. Programmsysteme wie eCM der Firma SmartSignal [36.1, 36.2], SureSense von Expertmicrosystems [36.3, 36.4] oder auch PowerMonitor der Siemens AG [36.5, 36.6], die man alle als fortschrittliche Frühwarnsysteme bezeichnen kann. Anhand des Codes PowerMonitor soll deren Funktionsweise näher beschrieben werden. PowerMonitor Das Programm ist in der Lage, durch mathematische Analyse einer Trainingsperiode, die vom Anwender für eine individuelle Maschine zu wählen ist, die Abhängigkeit der Messparameter untereinander mathematisch zu ermitteln. Hier handelt es sich also nicht um physikalische oder empirische Modelle, die Anhängigkeit wird allein auf Basis von rein mathematischen Verknüpfungen hergestellt. Sie gilt auch nur für Betriebszustände, die in der Trainingsperiode enthalten sind und damit ausgewertet werden können. Um die Rechenzeit nicht ausufern zu lassen, hat der Anwender die Möglichkeit, die Messparameter, zwischen denen eine stärkere Abhängigkeit vermutet wird, in Gruppen zusammenzufassen (hier hat sich für diese einfache Zuordnung der eigentlich nicht zutreffende Begriff Modell eingebürgert, was leicht zu Missinterpretationen in Richtung physikalischer oder empirischer Modelle führen kann). Die Wahl der Trainingsperiode und die Spezifizierung der Messparameter in einem solchen Modell sind die einzigen Aktionen, die vom Anwender des Systems durchzuführen sind. Es ist hier nochmals zu betonen, dass die
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dann vom Programm ausgeführten Regressionsanalysen mit Messdaten einer individuellen Maschine durchgeführt werden. Das heißt, alle in den bisherigen Abschnitten gemachten Einschränkungen der Analysegenauigkeit aufgrund globaler Ansätze entfallen hier von vornherein. Die resultierenden mathematischen Abhängigkeiten sind individuell auf die betrachtete Maschine zugeschnitten. Ist die mathematische Abhängigkeit der Parameter eines Modells (besser einer „Parametergruppe“) durch nicht lineare Regression oder andere vergleichbare mathematische Verfahren ermittelt, wird das Programm vom Trainingmodus auf den Überwachungsmodus umgeschaltet. Dann berechnet PowerMonitor für jeden im Modell enthaltenen Messparameter nach Zuführung eines neuen zeitlichen Messwertes für diesen Parameter den korrespondierenden Erwartungswert, basierend auf den in der Trainingsperiode gelernten mathematischen Zusammenhängen. Stimmen Messwert und Erwartungswert überein, hat sich das Verhalten der Maschine gegenüber der Trainingsperiode nicht verändert. Die Differenz aus Messwert und Erwartungswert ist also gleich null. Diese Differenz wird häufig als Residuum bezeichnet. Sobald dieses Residuum, über der Zeitachse aufgetragen, von der Nulllinie nach oben oder unten wegzudriften beginnt, verändert sich etwas am Betriebsverhalten der Maschine. Dies kann ein sich anbahnender Schaden sein, aber auch ein Sensor, dessen Anzeige fehlerhaft wird. Was auch immer die Ursache für
PowerMonitor – Vorgehensweise Trainingsphase
Aktive Überwachungsphase Tabellarische Auflistung aller festgestellten Abweichungen für die gesamte überwachte Anlagen-Flotte
Auswahl der Anlage Laden der Betriebsdaten
Auswahl der Anlage und Visualisierung des vom Normalverhalten abweichenden Messparameters
Auswahl der Trainingsperiode
Durchführung des Trainings
Abb. 36-7 Arbeitsschritte von PowerMonitor [Siemens Energy]
Residuum beginnt von „null” abzuweichen
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die Drift eines Residuums ist, es entwickelt sich hier eine Abweichung vom Normalzustand, die näher untersucht werden muss. PowerMonitor ist daher hervorragend als Frühwarnsystem geeignet. Ist der Code in einen automatisierten Prozess eingebunden (mehr dazu in Abschn. 36.2.8), ist er in der Lage, dem menschlichen Analysten die Routinearbeit der Datenkontrolle auf Unregelmäßigkeiten (s. auch Unterpunkt „manuelle Auswertung“ im vorliegenden Abschn. 36.2.5) abzunehmen. Das Programm erkennt deutlich eher als ein menschlicher Experte eine Abweichung vom Normalzustand. Der Analyst kann sich damit auf die detaillierte Analyse/Diagnose der so schon von PowerMonitor im Vorfeld identifizierten Problemfälle konzentrieren und vergeudet keine Zeit mit Routinekontrollen. Damit liefert das Programm einen signifikanten Beitrag, die Diagnose im Zentrum wirtschaftlich zu gestalten. Die tägliche Überprüfung von mehreren hundert Gasturbinen in einem Diagnosezentrum ist keine Seltenheit. Dies ist in der Praxis nur möglich durch weitgehende Automatisierung. Was ist nun bei der Anwendung eines Programms wie PowerMonitor zu beachten, damit verlässliche Frühwarnergebnisse erzielt werden? Die gewählte Trainingsperiode sollte eine Reihe von verschiedenen Betriebszuständen umfassen. Es sollte auch gewährleistet sein, dass in dem Trainingszeitraum das Betriebsverhalten der Maschine störungsfrei war. Dies ist der eigentliche Schwachpunkt des Regressionsansatzes, den prinzipiell all diese Systeme aufweisen. Ist während der Lernphase schon ein Defekt vorhanden oder in Entwicklung, wird er bei der folgenden Regressionsberechnung als Normalzustand registriert. Damit entfällt die gewünschte Früherkennung eines sich anbahnenden Schadens. Das System wird erst sichtbar reagieren, wenn sich das Betriebsverhalten der Maschine weiter verändert, dies kann unter Umständen zu größeren Schäden führen. Deshalb wird empfohlen, die Trainingszeit nach einer erfolgten Maschinenüberholung auszuführen, wenn sich die Gasturbine nach bestem menschlichem Ermessen in einem guten Zustand befindet. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Zeitraum des Problembeginns mit mehreren verschiedenen Trainingsperioden aus der Betriebshistorie der Maschine zu analysieren. Stellt man in jeden Fall zum identischen Zeitpunkt ein Driften von Residuen fest, ist definitiv eine Situation gegeben, die vom Experten näher untersucht werden sollte. Die Abb. 36-7 veranschaulicht die Arbeitsschritte von PowerMonitor, links oben die Verknüpfung von Messparametern zu einer Gruppe (Modell) durch einfaches Markieren der Messparameter, darunter die Festlegung einer Trainingsperiode, was ebenfalls durch Markieren direkt auf dem Bildschirm (grau hinterlegt) erfolgt, rechts die Gegenüberstellung der Messwerte des Modells und der korrespondierenden Rechenwerte mit deutlicher Drift eines Residuums, rechts oben die Zusammenfassung der festgestellten Abweichungen in einer Tabelle. Analysesysteme, die auf nicht linearer Regression oder vergleichbaren mathematischen Verfahren beruhen, sind sehr sensitiv und daher hervorragend als Frühwarnsysteme geeignet. Sie sind jedoch nicht in der Lage, die Ursache eines Schadens direkt zu diagnostizieren, wozu numerische Expertensysteme prinzipiell in der Lage sind (vgl. Unterabschnitt „Expertensysteme“ im vorliegenden Abschn. 36.2.5). Da sie aber sehr frühzeitig die Tendenz von Parametern erkennen, sich nicht mehr
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normal zu verhalten, ist allein schon diese Erkenntnis eine große Hilfe, um letztlich zur Schadensursache vorzudringen. Erkennung falsch anzeigender Sensoren Abschließend soll noch auf einen sehr wichtigen Punkt der Diagnose eingegangen werden, der eigentlich ganz am Anfang der durchzuführenden Analysen steht. Thematisch macht es aber Sinn, ihn ganz am Ende der Ausführungen über die Analyseund Diagnoseansätze zu behandeln, da zur Identifizierung falsch anzeigender Sensoren viele der schon in diesem Abschnitt beschriebenen Ansätze herangezogen werden können. Nicht korrekt anzeigende Sensoren führen leicht zu falschen Diagnoseschlussfolgerungen. Ist solch ein fehlerhafter Messwertgeber dazu noch in den Anlagenschutz der Leittechnik integriert, kann er zum unbegründeten Trip der Anlage führen. Hier stehen der Anschaffungswert eines Messfühlers und die ökonomischen Konsequenzen der Schnellabschaltung in einem extremen Missverhältnis. Deshalb sind alle Anstrengungen zu unternehmen, falsch anzeigende Sensoren aus Analysen und Diagnosen von vorneherein herauszuhalten. Für sehr wichtige Messgrößen werden deshalb auch Duplex- oder Triplex-Sensoren installiert, damit die Fehlmessung eines Messfühlers besser erkannt werden kann. Leittechnisch werden dabei im Schutz 2 von 2- oder 2 von 3-Kriterien eingesetzt, um den Auswirkungen falsch anzeigender Sensoren gegenzusteuern (vgl. Abb. 36-4 in Abschn. 36.2.1: Gehäuseschwingungssensoren für die beiden Wellenlager sind jeweils zweifach vorhanden). Welche Arten von Falschmessungen gibt es? • Anzeigen falscher Werte aufgrund von mangelnder oder fehlerhafter Kalibrierung. In diesem Fall ist die Messtechnik in Ordnung, die Messkette kann durch erneute Kalibrierung zum Anzeigen des korrekten Messwertes gebracht werden. • Einen weiteren Fehler, der zudem einfach zu erkennen ist, stellt der Totalausfall der Messung dar, es wird entweder null oder überhaupt kein Wert angezeigt. Hierzu gehören auch Fälle, in denen die Messkette nur zeitweilig oder periodisch ausfällt. Bei all diesen Störungen ist der Fehler durch Austausch der fehlerhaften Komponente zu beheben. • Schwieriger sind Fälle, in denen Sensoren unauffällig driften, oszillieren oder lediglich temporär unrealistische Spitzen anzeigen. Hier bedarf es, besonders im letzten Fall, einer genauen und v. a. kontinuierlichen Überwachung, um überhaupt das Fehlverhalten zu bemerken. Zu dem letzten Punkt ein reales Beispiel aus eigener Erfahrung: Der Umgebungsdrucksensor der Wetterstation einer Mehrwellen-GuD-Anlage zeigte i. d. R. normal an (Größenordnung 1000 hPa), hatte aber häufiger physikalisch unsinnige, kurzzeitige Messspitzen bis hin zu 1500 hPa, was aber niemandem auffiel. Der Sensor wurde für eine thermodynamische Berechnung des Leistungsvermögens der GuD-Anlage herangezogen. Es gelang bei der Inbetriebsetzung des Thermodynamikprogramms trotz aller Anstrengungen nicht, Messung und Rechnung in Übereinstimmung zu bringen, es blieb eine Diskrepanz von ca. 3 MWel. Natürlich glaubte jeder Beteiligte zuerst, dass gewisse Modellbeschreibungen für die Gasturbinen in dem Re-
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PowerMonitor – Erkennung eines Sensorfehlers Temperatursensor zeigt ab hier unrealistische Oszillationen, die im Gegensatz zum vorangegangenen Zeitraum in großen Residuum-Werten resultierten. Temperature Sensor XYZ001 °F 1 400,00 1 200,00 1 000,00 800,00 600,00 400,00 200,00 02/06/03 00:00 °F 100,00 80,00 60,00 40,00 20,00 0,00 –20,00 –40,00 –60,00 –80,00 –100,00
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Graph Data Estimates
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Time Residual Graph Residual Data
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Time
Abb. 36-8 Erkennung eines plötzlich falsch anzeigenden Thermoelementes (Oszillation) [Siemens Energy], [36.7]
chenmodell nicht korrekt wiedergegeben wurden (es handelte sich hier zudem um den Ersteinsatz des Programms für den vorliegenden Gasturbinentyp). Erst durch intensivste Überprüfung aller Parameter wurde man fündig. Für die thermodynamische Berechnung werden bei konstanter Last (i. d. R. Volllast) die Messwerte für einen Beharrungszeitraum gemittelt, zumeist für eine Stunde. Somit wurden bei der feinen Auflösung der Messdaten (1 Messwert pro Sekunde) all die kurzzeitigen unrealistischen Druckspitzen des Umgebungsdrucksensors mit integriert, was zu einem mehrere Hektopascal zu hohen Durchschnittswert für den Atmosphärendruck führte, was in der nachfolgenden Thermodynamik-Berechnung natürlich in einer falschen Gasturbinenleistung resultierte. Zur Erkennung falscher Sensoren können im Prinzip alle Methoden herangezogen werden, auf die in diesem Abschnitt schon vorher eingegangen wurde. Abb. 36-8 zeigt die Erkennung plötzlich auftretender heftiger Oszillationen in der Anzeige eines Thermoelementes mit PowerMonitor. Demgegenüber verbleiben die berechneten Erwartungswerte auf ihrem bisherigen Niveau, was zu extremen Ausschlägen der Residuen (unterer Plot) führt. Auswertungen bei Siemens Power Diagnostics haben gezeigt, dass falsch anzeigende Sensoren mehr als 70% aller diagnostizierten Probleme ausmachen (Abb. 36-9). Die Diagnose, insbesondere die Ferndiagnose von Gasturbinen durch den Hersteller, hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Die Anlagen werden rund um die Uhr überwacht, und Unregelmäßigkeiten können somit frühzeitig er-
1034 Abb. 36-9 Häufigkeit von durch die Ferndiagnose festgestellten Fehlern, sortiert nach Fehlerklassen [Siemens Energy], [36.7]
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Technische Defekte 7% Betriebsbedingte Fehler 22% Sensorik 71% Eine zuverlässige Diagnose ist nur mit ausreichend kalibrierten und gut gewarteten Sensoren möglich!
kannt werden. Um davon im vollen Umfang zu profitieren, sollte der Betreiber der Anlage hier auch im eigenen Interesse sein Möglichstes dazu beizutragen, die installierte Messtechnik immer in gutem Zustand zu halten und identifizierte falsch anzeigende Sensoren so schnell wie möglich zu reparieren oder auszutauschen.
36.2.6 Zentrale Speicherung der Daten und Diagnoseergebnisse Nach der ausführlichen Darstellung möglicher Analyse- und Diagnosemethoden im vorangegangenen Abschnitt, die das zentrale Thema dieses Kapitels darstellen, müssen noch einige weitere wichtige Aspekte des Diagnoseprozesses beschrieben werden, die eher in der Informationstechnologie(IT) beheimatet sind. Hierbei kommt der Datenhandhabung und Datenspeicherung eine zentrale Rolle zu. Die Ferndiagnose in Zentren, welche die Überwachung einer ganzen Flotte von Gasturbinenanlagen zur Aufgabe hat, stellt in Hinblick auf den Datenanfall natürlich eine weit größere Herausforderung dar als die Diagnose einer einzelnen Maschine vor Ort (vgl. Abb. 36-1 und 36-3). Geht man davon aus, dass pro Heavy-DutyGasturbine ungefähr 500 Messparameter fernüberwacht werden, wobei die zeitliche Aktualisierung des Messwertes in der Leittechnik zumeist einmal pro Sekunde erfolgt, fallen hier trotz Datenkomprimierung pro Tag und Maschine mehrere Megabyte an Rohdaten an. Nimmt man dazu noch den gesamten Wasserdampfkreislauf bei einer GuD-Anlage, die Generatoren und die anfallenden Ergebnisse der speziellen Analysesysteme wie der Schwingungsdiagnose oder der GesamtanlagenThermodynamik (vgl. Abschn. 36.2.1) sowie die Ereignisprotokolle der Leittechnik hinzu, ergibt sich schon für eine solche GuD-Anlage eine Rohdatenmenge von mehr als 10 MB täglich. Dazu kommt noch der Datenanfall der Analyseergebnisse und der daraus zusammengestellten Diagnoseberichte, die im Zentrum generiert werden (näheres dazu im folgenden Abschn. 36.2.7). In den Diagnosezentren der Gasturbinenhersteller werden mehrere hundert Gasturbinen- und GuD-Anlagen überwacht, Tendenz steigend. Da dort auch Langzeittrends für die Maschinen beobachtet werden, ist es vorteilhaft, einen aktiven Datenzugriff für ein Intervall von mindestens einem Jahr, wenn nicht von mehreren Jahren zu haben. Damit erreicht die zu handhabende Gesamtdatenmenge in solch einem Diagnosezentrum eine Größenordnung von Terabyte. Diese Daten müssen nicht nur gespeichert werden, auch der Datenzu-
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griff muss schnell und unkompliziert erfolgen, um z. B. Maschinenvergleiche, Flottenanalysen oder auch die schon beschriebenen Langzeitanalysen durchzuführen. Bei der Realisierung einer solchen Datenbank werden eingeführte Softwareprodukte als Grundlage herangezogen, auf die die einzelnen Diagnoseorganisationen, seien es Turbinenhersteller oder auch auf Ferndiagnose spezialisierte Drittanbieter, ihre individuellen Lösungen aufsetzen. Die Kosten zur Erstellung und Pflege der Datenbank (Hardware und Software) sind neben den Personalkosten für die Diagnosespezialisten die Hauptkostenverursacher beim Betrieb eines Ferndiagnosezentrums.
36.2.7 Erstellung und Verteilung von Diagnoseberichten Die überwiegende Anzahl der Diagnosezentren überwacht nicht nur kontinuierlich ihre Flotte, um lediglich bei identifizierten Schäden aktiv zu werden. In der Regel erwarten die Betreiber, die ja auch die Daten ihrer Anlagen zur Verfügung stellen, periodische Berichte über das Verhalten ihrer Maschinen oder Gesamtanlagen, denn auch die Aussage, dass eine Anlage zufriedenstellend läuft und im Berichtszeitraum keine ungewöhnlichen Ereignisse festgestellt wurden, ist eine wertvolle Information für den Kunden. Der Bericht dient zudem als Tätigkeitsnachweis. Jeder, der auf diesem Gebiet schon einmal aktiv war, weiß, dass der Aufwand, einen offiziellen und dazu noch aussagekräftigen Bericht zu erstellen, sehr viel größer ist, als nur im Fall von festgestellten Abweichungen vom Normalbetrieb zu reagieren. Bei der hohen Anzahl zu überwachender Maschinen gibt es aus ökonomischen Gründen hier eigentlich nur die Möglichkeit der Standardisierung, und wenn irgendwie möglich, der Automatisierung. Heute sind die meisten der Betreiber von Diagnosezentren in der Lage, standardisierte Routineberichte den Kunden zu vertraglich festgelegten Zeiten zu übermitteln, an einer Automatisierung der Berichtserstellung wird gearbeitet. Die Berichte für Störfallereignisse, festgestellte Unregelmäßigkeiten des Betriebes oder über das Erkennen einer Schadensanbahnung werden dagegen noch weitgehend manuell verfasst, da sich diese Aussagen auf konkrete Einzelereignisse beziehen. Die Verteilung der Berichte an die in den Diagnoseprozess einbezogenen Fachabteilungen des Herstellers sowie an die Kunden kann prinzipiell per Post, Hauspost, E-Mail oder aber auch über eine Web-Applikation erfolgen.
36.2.8 Automatisierter Diagnoseprozess Es wurde schon an verschiedenen Stellen in diesem Kapitel auf die nicht unerheblichen Kosten beim Aufbau und beim Betrieb eines Ferndiagnosezentrums hingewiesen. In einem solchen Zentrum arbeiten Informationstechnologiespezialisten, Programmierer und Diagnoseexperten miteinander, um die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Funktionsabläufe zu ermöglichen. Je größer die zu überwachenden Flotten werden, desto dringlicher wird hier der Zwang zur Automatisierung, da sich rein manuell betriebene Zentren für Hunderte zu überwachende Anlagen wegen der dabei entstehenden Kosten nicht rechtfertigen ließen.
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Daher wurde, schon kurz nachdem die prinzipiellen Entwicklungen zur Aufnahme der Ferndiagnose abgeschlossen waren, an deren Automatisierung gearbeitet. Bevor heute bei Siemens Energy ein Mitarbeiter von Power Diagnostics zum ersten Mal auf die Daten seiner Anlage schaut, haben diese von der Akquisition bis zur Analyse durch PowerMonitor und ein Expertensystem, die Power Diagnostics Rule Base, schon eine Reihe von Prozessschritten ohne menschliches Zutun durchlaufen. Auch die Speicherung dieser Daten und die Erstellung von Berichten erfolgen weitgehend automatisch. Die gesamte Prozesskette wird dabei durch ein übergeordnetes System gesteuert. Die Spezialisten können sich somit voll auf die Problemfälle und ihre Lösung konzentrieren. Wie so etwas praktisch abläuft und wie dabei die Kommunikation mit dem Kunden organisiert ist, soll im folgenden Abschnitt beschrieben werden.
36.2.9 Kommunikation mit dem Kunden bei Feststellung einer Anlagenstörung In Abb. 36-10 ist anschaulich beschrieben, wie die Behandlung eines sich anbahnenden Störfalles bei Siemens Power Diagnostics gehandhabt wird. Andere Hersteller haben – bedingt durch eine andere Vertragsgestaltung – davon vielleicht im Detail abweichende Prozeduren entwickelt. Die Vorgehensweise kann aber insgesamt als repräsentativ für die Ferndiagnose durch den Hersteller angesehen werden. Die von den Anlagen übermittelten Daten werden im Power Diagnostics Center (PDC) für jede Anlage mit Langzeitwartungsvertrag täglich ausgewertet. Ebenfalls findet täglich eine Durchsprache der Anlagen und der erarbeiteten Diagnoseergebnisse mit Spezialisten aus den Konstruktions- und Serviceabteilungen statt. Kommt man gemeinsam zu dem Schluss, dass hier ein kritischer Betriebszustand erkannt wurde, wird ein Problembericht initiiert, zu dem Spezialisten aus den entsprechenden Fachabteilungen eine Lösung zu erarbeiten haben. Dabei unterstützt sie das PDC auf Anfrage mit weiteren Daten. Ist eine Lösung für das Problem gefunden, werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammen mit der vorgeschlagenen Lösung an den Programm-Ingenieur, der für den Langzeitwartungsvertrag der betroffenen Anlage zuständig ist und die offizielle (und einzige autorisierte) Kontaktperson zum Kunden darstellt, weitergeleitet. Der Programm-Ingenieur nimmt mit dem Kunden Kontakt auf, informiert ihn über die Sachlage und organisiert den Dialog mit den Fachkräften auf beiden Seiten. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass sich nicht parallele und unzureichende Informationskanäle entwickeln, die durch Missverständnisse die Problemlösung verzögern oder auch nachhaltig behindern können. Da in der Vielzahl der Fälle auftretende Schäden sehr früh erkannt werden, können Kunde und Hersteller jetzt zielgerichtet an einer optimalen Reparaturstrategie arbeiten. Dabei stehen die Chancen gut, die notwendige Reparatur in den Zeitraum eines geplanten Stillstandes zu legen. Es besteht zudem mehr Zeit, Reparaturkräfte und Ersatzteile zu ordern, als wenn man unvermittelt mit einem größeren Schaden und Anlagenstillstand konfrontiert würde.
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Power Diagnostics identifiziert frühzeitig unnormales Anlageverhalten, welches mit Spezialisten aus Entwicklung, Konstruktion und Service erörtert wird, um den Kunden schnell und umfassend zu informieren und zu beraten. Alle Daten von Anlagen mit LangzeitWartungsverträgen werden an das Power Diagnostics Center (PDC) zur Analyse weitergeleitet.
Power Diagnostics Ingenieure werten die Daten täglich aus, um frühzeitig ein ungewöhnliches Betriebsverhalten zu erkennen.
Alle identifizierten Problemfälle werden in täglichen Meetings mit Vertretern der Fachabteilungen durchgesprochen und die notwendigen Schritte zur Behebung beraten.
Power Diagnostics Center
Der ProgrammIngenieur ist der zentrale Kontakt zwischen Siemens und dem Kunden.
Programm-Ingenieur
Die Fachabteilungen benötigen oft weitergehende Datenstudien vom PDC zur Problemlösung.
Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen sowie Empfehlungen zur Problemlösung werden von den Fachabteilungen an den für den betroffenen Langzeitwartungsvertrag zuständigen Programm-Ingenieur weitergeleitet (Kopie an PDC).
Für gravierende oder neuaufgetretene GTVorkommnisse wird ein Problem-Bericht ausgestellt, den Experten zu lösen haben.
Fachabteilungen
Abb. 36-10 Ferndiagnose-Bearbeitungsfluss und Kommunikation mit dem Kunden [Siemens Energy]
Auch bei der verschärften Überwachung dieser kritischen Anlage, die ja möglichst bis zu einem geplanten Stillstand im Betrieb gehalten werden soll, liefert das PDC seinen Beitrag. Die kritischen Parameter der Anlage können dabei rund um die Uhr online von den Spezialisten überwacht werden, damit man, sollte sich die Lage kurzfristig verschlimmern, direkt reagieren kann. Damit ist die Ferndiagnose in ihren grundsätzliche Funktionen umfassend beschrieben, im Folgenden soll noch ein Blick in die Zukunft getan werden und anhand einer innovativen Messtechnikentwicklung, an der der Autor dieses Kapitels direkt beteiligt war, gezeigt werden, dass bei der Gasturbinen-Betriebsüberwachung noch ein großes Potenzial für weitere Fortschritte gegeben ist.
36.3 Maschinendiagnose durch innovative Messtechnik In den vorangegangenen Abschnitten wurden vornehmlich Ansätze beschrieben, welche die Standardinstrumentierung der Anlage benutzten, unterstützt durch einige wenige Spezialsysteme wie beispielsweise die Schwingungsanalyse für den Wellenstrang des Turbosatzes. Im Folgenden soll als Beispiel für innovative Messtechnik
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ein Online-Überwachungssystem vorgestellt werden, das in der Lage ist, während des Betriebes in die heiße Kernzone einer Gasturbine im wahrsten Sinne des Wortes hineinzusehen, um die thermisch höchstbelasteten Laufschaufeln optisch zu überwachen. Der vorgeschlagene Ansatz unter Einbeziehung fortschrittlicher Infrarottechnik fand das Interesse des US-amerikanischen Department of Energy (DOE), welches das Projekt von 2001–2005 förderte.
36.3.1 Anforderungen an ein Online-LaufschaufelÜberwachungssystem Wie bereits in der Einleitung des vorliegenden Kapitels beschrieben, können die hohen Betriebstemperaturen fortschrittlicher Gasturbinen (z. B. Abb. 36-11) nur durch Kombination verschiedener Methoden erreicht werden, um die mit am höchsten beanspruchten Teile, die Leit- und Laufschaufeln der ersten Schaufelreihe der Abgasturbine, vor der Hitze der durchströmenden Gase zu schützen. Diese Maßnahmen umfassen die Wahl geeigneter hochwarmfester Stahllegierungen für die Turbinenschaufeln, deren effiziente Kühlung sowie die Aufbringung einer keramischen Wärmeschutzschicht (thermal barrier coating – TBC). Trotz dieses hohen Aufwandes sind die heutigen Lauf- und Leitschaufeln nicht dazu geeignet, die gesamte Lebensdauer der Gasturbine zu überstehen. Sie müssen deshalb im Rahmen eines geplanten Wartungsprogramms zu gegebener Zeit ersetzt werden. Zur Bestimmung des konkreten Austauschzeitpunktes werden herstellerspezifische Algorithmen angewandt. Es ist aber zu betonen, dass diese Berechnungen i. d. R. Schätzungen darstellen, da sie nicht alle Details berücksichtigen, die den tatsächlichen Zustand der Heißgasteile bestimmen. Als Konsequenz besteht die Gefahr, dass einzelne Leit- oder Laufschaufeln schon vor dem Erreichen des geplanten Austauschtermins versagen. Von den drei Maßnahmen, die ein langes Leben der Schaufeln ermöglichen sollen, Materialwahl, Kühlung und Schutz des Grundmateriales durch Aufbringung einer thermischen Isolierschicht, ist Letztere am stärksten vom Verschleiß betroffen. Nach Aufsprühung einer Verbindungsschicht (bond coat) auf die metallische Oberfläche der Leit- und Laufschaufeln, die eine bessere Haftung der eigentlichen Wärmeschutzschicht gewährleisten soll, wird diese keramische Isolierschicht mittels eines Plasmasprühverfahrens aufgebracht. Während des Betriebes der Gasturbine ist diese hochbelastete Schicht der Erosion sowie beim An- und Abfahren auch Wärmespannungen ausgesetzt, was im Laufe der Zeit lokal zum Loslösen der Schutzschicht (debonding) und nachfolgend auch zum Abplatzen führen kann (spallation), vgl. Abb. 36-13, wo fabrikneue und austauschreife Schaufeln gegenübergestellt sind. Eine deutlich angegriffene Turbinenschaufel, die mit 3000 U=min (50 Hz) oder 3600 U=min (60 Hz) rotiert, stellt prinzipiell ein Potenzial für schwere Folgeschäden in der Turbine dar. Es ist extrem schwierig, diese hochbelasteten Turbinenkomponenten und insbesondere die Integrität der Wärmeschutzschicht während des Betriebes der Maschine zu überwachen, da in der heißen Gaszone vor der ersten Schaufelreihe lokal Temperaturen bis zu 1700 K bei einem Systemdruck von rund 15 bar
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Abb. 36-11 Schnittbild einer Siemens SGT6-5000F-Gasturbine (60-Hz-200-MW-Klasse) [Siemens Energy]
Übergangsstück Brennkammer
Leitschaufeln Reihe 1 Laufschaufeln Reihe 1
Abb. 36-12 Heißgaspfad der Siemens SGT6-5000F-Gasturbine [Siemens Energy]
herrschen. Darüber hinaus bewegen sich die freien Enden der Laufschaufeln der Reihe 1 mit einer Umfangsgeschwindigkeit von ca. 390 m=s. Diese Überwachung der Integrität der Wärmeschutzschicht stellt eine Diagnosemöglichkeit dar, mit der Informationen direkt aus der heißen Kernzone der Turbine an die Experten weitergeleitet werden.
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Abb. 36-13 Neue und austauschreife Laufschaufeln der Reihe 1 [Siemens Energy]
Fabrikneue Laufschaufeln der Reihe 1 mit intakter Wärmeschutzschicht
Austauschreife Laufschaufeln der Reihe 1 mit beschädigter Wärmeschutzschicht (TBC)
36.3.2 Technische Lösung und Entwicklungsspezifikation Trotz der oben beschriebenen widrigen Bedingungen für eine optische Überwachung im Inneren der laufenden Turbine trägt gerade die hohe Prozesstemperatur maßgeblich zur Lösung dieser schwierigen Messaufgabe bei. Die im Betrieb rot glühenden Schaufeln strahlen genug Wärme ab, um kontrastreiche Bilder mit modernen Infrarot-Hochgeschwindigkeitskameras zu erzeugen. Bei der Siemens Gasturbine SGT6-5000F rotieren die Schaufeln der Reihe 1 bei 3600 U=min mit ca. 320 m=s am Schaufelfuß und mit ca. 390 m=s am freien Ende. Um ein Verwischen des aufzunehmenden Bildes zu vermeiden, sind somit Belichtungszeiten < 106 s nötig, welche die Schaufelbewegung quasi einfrieren.
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Neben der IR-Hochgeschwindigkeitskamera stellt das Steuerungs- und Auswertesystem einen weiteren unverzichtbaren Bestandteil des Überwachungssystems dar. Dessen Aufgabe ist es, die optimale Kameraeinstellung vorzunehmen, die individuelle Schaufel, die aufgenommen werden soll, zu erkennen, den Auslöser der Kamera im richtigen Moment zu betätigen sowie die erzeugten Bilder abzuspeichern. Das Steuersystem sollte darüber hinaus in der Lage sein, beliebige Sequenzen von Schaufelbildern zu erzeugen, z. B. Bilder der Schaufeln 5, 11, 21, 22, 48 : : : in exakt dieser Reihenfolge. Von Anfang an sollte das System in die zu diesem Zeitpunkt im Aufbau befindliche globale Infrastruktur von Siemens Power Diagnostics einbezogen werden. Das System sollte von Ferne bedienbar sein, automatisch ablaufende Auswertealgorithmen beinhalten, um Abplatzungen von TBC selbständig zu erkennen, die aufgenommenen Digitalbilder zu speichern und ausgewählte Bilder zur Dokumentation in eines der Diagnosezentren zu schicken. Die Entwicklung und Konstruktion erforderten: • Modifikationen an der Gasturbine: Aufbohren des Maschinengehäuses, Anschweißen von Zugangsflanschen mit Saphirglasfenstern am Maschinengehäuse und Einbau von Führungsrohren für die optischen Systeme innerhalb der Gasturbine (für verschiedene Blickwinkel auf die Laufschaufelreihen 1 und 2), • Auslegung des optischen Systems mit dem eigentlichen Objektiv und Transferlinsensystemen, • Konstruktion des Kameragehäuses mit integriertem Kühlsystem, • Entwicklung des Bedienungs- und Überwachungssystems (Software).
36.3.3 Infrarotbilder Die Abb. 36-14 zeigt die Anordnung des Systems für eine SGT6-5000F-Gasturbine (erste Testmaschine zur Verifikation des Messprinzips) mit Infrarotkamera/Kameragehäuse, Halteflansch, Optiksystem und den zu beobachtenden Laufschaufeln. Abbildungs 36-15 zeigt ein Infrarotbild, das während dieses Tests unter Vollast der Maschine aufgenommen wurde. Die abgebildete Schaufel ist einzigartig, da an der Anströmkante die thermische Beschichtung willkürlich abgeschliffen wurde, um die Schaufelidentifizierung und der Bildauslösemechanismus des Bedienungssystems zu testen. Der Bereich, in dem das TBC-Material entfernt wurde, ist neben den Kühlluftbohrungen und austretender Kühlluft (schwarze Strähnen) klar erkennbar. Damit sind zwei Schlussfolgerungen möglich: • Schaufelbereiche, an denen schon TBC abgeplatzt ist (spallation), können mit dem Überwachungssystem erkannt werden (eine Spallation stellt sich im Infrarotbild ähnlich dar wie der Bereich, in dem das TBC manuell entfernt wurde). • Der Schaufelidentifizierungs- und Bildauslösemechanismus funktioniert einwandfrei auch bei der Betriebsdrehzahl der Maschine (3600 U=min). Nach Vorauswahl einer Schaufel wird eine Aufnahme genau dieser Schaufel angefertigt.
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Abb. 36-14 Schnittbild des Online Blade Monitoring System [Siemens Energy]
Abb. 36-15 Infrarotbild einer Laufschaufel der Reihe 1 einer Gasturbine der 200-MW-Klasse, aufgenommen unter Volllast [Siemens Energy]
Manuell entfernte Wärmeschutzschicht an der Schaufelanströmkante
36 Ferndiagnose von Kraftwerks-Gasturbinenanlagen Abb. 36-16 Infrarotbild einer Laufschaufel der Reihe 1 einer Gasturbine der 200-MW-Klasse [Siemens Energy]
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Versuche mit experimentellen Wärmeschutzschichten
TBC-Abplatzungen am Schaufelfuß
Die Abb. 36-16 zeigt eine Aufnahme, die zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen von TBC-Tests gemacht wurde. Hier ist klar ein TBC-Verlust durch Abplatzen an den Schaufelfüßen zweier benachbarter Laufschaufeln zu erkennen [36.7].
36.3.4 Stand der Entwicklung Als nächster Schritt wurden drei Kamerasysteme wurden in einer kommerziell betriebenen SGT6-5000F Gasturbine installiert. Dabei liefern zwei Infrarotkameras mit unterschiedlichen Blickwinkeln Bilder von Laufschaufeln der Reihe 1, sodass nahezu die gesamte Schaufel bildmäßig erfasst werden kann. Die dritte Kamera überwacht Laufschaufeln der Reihe 2 (vgl. Abb. 36-17). Da eine Test-Maschine nur jeweils wenige Stunden kontinuierlich in Betrieb ist, ist es notwendig, zusätzliche Erkenntnisse über das Langzeitverhalten des Überwachungssystems unter vollen kommerziellen Betriebsbedingungen der Anlage zu erlangen. Das Online Blade Monitoring System beinhaltet nun auch eine fortschrittliche automatische Bildauswertung (advanced pattern recognition) und die Möglichkeit der Fernbedienung [36.7]. Das Laufschaufel-Überwachungs- und Analysesystem ist heute zusätzlich zu den schon vorab beschriebenen Eigenschaften in der Lage, zweidimensionale Temperaturfelder für die Schaufeloberflächen durch Auswertung der emittierten Infrarotstrahlung zu generieren. All diese Fähigkeiten haben es zu einem sehr wichtigen Instrument bei der Auswertung von Versuchsreihen zur Einführung neuer Gasturbinentypen gemacht.
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Abb. 36-17 Schnittbild der Infrarotkamera-Installationen für die Laufschaufelreihen 1 und 2 [Siemens Energy]
Darüber hinaus beinhaltet diese Technologie noch ein großes Entwicklungspotenzial. Für eine künftige zustandsbedingte Instandhaltung kann sie neben anderen, noch zu entwickelnden Überwachungs- und Analysemodulen eine tragende Rolle übernehmen.
36.4 Zusammenfassung und Ausblick Die Fernüberwachung hat sich in den letzten 10 Jahren für Kraftwerke mit fortschrittlichen Heavy-Duty-Gasturbinen etabliert. Eine stetige Datenanalyse durch Fachkräfte hilft, Schäden schon in ihrer unmittelbaren Entstehungsphase zu erkennen, sodass deren Auswirkungen begrenzt bleiben. Alle namhaften Hersteller von stationären Gasturbinen haben heute Ferndiagnosefähigkeiten und die entsprechende Infrastruktur aufgebaut. Fortschrittliche Analysesysteme unterstützen dabei den Diagnoseingenieur in zweierlei Hinsicht: zum einen, um eine größere Anzahl von Maschinen effektiv zu überwachen, zum anderen, um eine immer bessere Aussagegenauigkeit der Diagnosen zu ermöglichen. Aktuell wird zur Thematik der Gasturbinendiagnose sehr intensiv geforscht, sodass in den nächsten Jahren noch mit einer Reihe von verbesserten sowie neuen Ansätzen und Techniken zu rechnen ist.
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Zusammenstellung englischsprachiger Fachbegriffe Originalhersteller Hochleistungsgasturbinen Unabhängige Stromerzeuger Betriebs- und Wartungsverträge Langzeit-Wartungsverträge Planmäßiger Anlagenstillstand Datenbeschaffung Fernüberwachung Verbrennungsschwingungen, Brummen Überwachung des Leistungsvermögens Betriebsprotokolle der Leittechnik Wuchten von Rotoren Feinjustierung der Verbrennungsregelung Zustandsbedingte Wartung Gasturbinen-Einzelbrennkammern Übergangsstücke zur eigentlichen Abgasturbine Expertensystem, regelbasiertes System Volllast (Stationäre) Schwermaschinen-Gasturbine Heißgaspfad Wärmeschutzschicht Verbindungsschicht Lokales Loslösen der Wärmeschutzschicht Abplatzen von Teilen der Wärmeschutzschicht Laufschaufel Leitschaufel Brennkammer
Original equipment manufacturers (OEM) Advanced frames Independent Power Producers (IPP) Operation and maintenance (O&M) Long term service agreements (LTSA) Planned outage Data acquisition Remote monitoring Humming, combustion dynamics Thermal performance monitoring Sequence of events (SOE) Balancing Tuning Condition based maintenance (CBM) Cans Transition pieces, transitions Rule based system, rule base, expert system Base load Heavy duty gas turbine Hot gas path Thermal barrier coating (TBC) Bond coat Debonding Spallation Blade Vane Combustor
IT-Englisch (ohne direktes deutschsprachiges Äquivalent) Virtual Private Network (VPN) Online Firewall Demilitarized Zone (DMZ)
Terabyte (TB)
Getunnelter, Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsweg im Internet Direkt verbunden, unverzögerter Datenzugriff Sicherheitsbarriere bei Computernetzen. Ursprung des Begriffes: „Brandschott“ bei Flugzeugen und Schiffen Nicht direkt mit dem Computernetz verbundene Sicherheitszone zum Überprüfen von hereinkommenden Daten- oder auch Programmfiles. Ursprung des Begriffes: Militär/Politik, z. B. DMZ in Korea (38. Breitengrad) Maß für Speicherplatzbedarf. 1 TB D 1012 Byte
Sonstige Fachbegriffe angloamerikanischen Ursprungs (ohne direktes deutschsprachiges Äquivalent) First principles simulation Spiking Blade Path Spread Analysis
Simulation allein aufgrund von physikalischen Gesetzen Messwerte weisen physikalisch nicht begründbare Spitzen auf. Vergleich einzelner, lokaler Abgastemperaturen mit dem Mittelwert aller Abgastemperaturen
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Kapitel 37
Betriebsdatenanalyse Ayhan Inceoglu und Christopher Steinwachs
37.1 Einführung Für Planung und Einsatz technisch komplexer Systeme besitzt die Kenntnis ihres Betriebs- und Ausfallverhaltens große Bedeutung, da eine Vielzahl von sicherheitstechnischen, betriebswirtschaftlichen und wettbewerbsspezifischen Kennzahlen von diesen Eigenschaften beeinflusst werden. Die Beurteilung derartiger Eigenschaften erfolgt im Wesentlichen mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen Methoden: Die erste Methodengruppe umfasst vorhersagende (prediktive) Verfahren und wird unter dem Begriff der probabilistischen Systemanalyse zusammengefasst. Diese Verfahren kombinieren Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie [37.1,37.3] mit empirisch gewonnenen Zuverlässigkeitsparametern wie u. a. mittlere Ausfall- und Reparaturzeiten von Komponenten eines technischen Systems. Bekannte Methoden der Systemanalyse sind Fehlerbaumanalyse und Monte-Carlo-Simulation, wie in [37.3, 37.4] beschrieben. Diese aufwändigen Simulationsverfahren werden hauptsächlich in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Kerntechnik immer dann eingesetzt, wenn Sicherheits- und Zuverlässigkeitsaussagen über Neuentwicklungen von Systemen gemacht werden sollen, von welchen noch keine oder nur unzureichende Betriebserfahrungen vorliegen. Die zweite Gruppe wird von den beurteilenden Verfahren der Betriebsdatenanalyse gebildet. Diese Methodik setzt immer eine – im statistischen Sinne – ausreichende Datenbasis betrieblicher Kenngrößen voraus. Daraus folgt, dass diese Methode ein Verfahren darstellt, welches nicht prediktive, sondern aposterioriAussagen über Betriebs- und Ausfallverhalten technischer Systeme bereitstellt. Die im Folgenden beschriebene Methodik der Betriebsdatenanalyse bezieht sich ausschließlich auf die quantitative Bewertung empirischer Betriebsdatenbasen und somit auf die zweite Gruppe der beurteilenden Verfahren.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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A. Inceoglu, C. Steinwachs
37.2 Datenbasis Betriebsdatenanalysen werden bei GT im Interesse des Herstellers und des Betreibers durchgeführt, um • • • • •
eine ständige Produktverbesserung durchzuführen, den Anlagenbetrieb zu verbessern, Instandhaltungsstrategien zu optimieren, Schwachstellen aufzudecken und zukünftige Vorhersagen zu treffen (Garantiewerte).
Die Rückmeldung der Betriebsdaten (Bsp.: Betriebszeiten, Stillstände und deren Ursachen etc.) erfolgen großteils manuell über Gasturbinenerfahrungsberichte die einerseits durch den Kunden und andererseits über technische Berichte aus Inspektionen, Revisionen und Befundungen oder in geringem Maße auf elektronischem Wege direkt von der Anlage über das Zustandsüberwachungssystem der Gasturbine erbracht werden. Die Datenquantität und -qualität ist somit hauptsächlich von den Rückmeldungen der Kunden abhängig. Diese Ansprüche sind nur dann sinnvoll zu realisieren, wenn die verfügbaren Informationen das GT-Betriebsverhalten in einer hinreichend genauen Weise beschreiben. Eine effektive Betriebsdatenanalyse setzt daher einen Mindeststandard an auswertbaren Daten voraus. Folgende Datenkategorien sind als Mindestvoraussetzung anzusehen:
37.2.1 Ereignisse Ereignisse sind in diesem Zusammenhang Betriebssituationen, welche geplant oder ungeplant den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage – z. B. Abgabe einer vom Netzverteiler geforderten elektrischen Leistung – stören oder ganz unterbinden. Im Zusammenhang mit dem Gasturbinenbetrieb lassen sich die Standardereignisse Störung, Fehlstart, Schnellschluss, Schaden und geplante Stillsetzung nennen. Jedes Ereignis wird durch folgende Parameter charakterisiert: • Datum/Uhrzeit von Beginn/Ende des Ereignisses, • Kennzeichnung der Baugruppe/des Untersystems, welche das Ereignis auslöste; z. B. KKS-Schlüssel (Abschn. 29.3.2) des VGB-Standards, • gefahrener Brennstoff zum Zeitpunkt der Außerbetriebnahme, • zeitliche Dringlichkeit der Außerbetriebnahme, z. B. entsprechend VGB-Schlüssel 1, (Absatz 1.2, s. auch Begriffsbestimmungen in der Energiewirtschaft, Teil 5) [37.5, 37.6], • Grund der Außerbetriebnahme, z. B. entsprechend VGB-Schlüssel 2, (Absatz 1.2, s. auch Begriffsbestimmungen in der Energiewirtschaft, Teil 5) [37.5, 37.6], • Zeitart des Stillstandes; diese Größe bezieht sich auf „ungeplante“ (z. B. technisch bedingte Spontanausfälle) und „geplante“ (z. B. Instandhaltung) Stillstandszeiten und geht aus der Kombinationen von „zeitlicher Dringlichkeit“ und
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„Grund“ der Außerbetriebnahme hervor. Diese Unterteilung ist für die richtige Berechnung der unterschiedlichen Verfügbarkeitskennzahlen von großer Wichtigkeit. Praktisch alle Standards (VGB, Begriffsbestimmungen in der Energiewirtschaft, Teil 5, ANSI/IEEE Standard u. a.) unterteilen beide Zeitarten noch einmal in Untergruppen, um z. B. Zwangsausfallzeiten unterscheiden zu können, welche durch einen Schnellschluss (automatische Aktion des Leitsystems) oder durch ein technisch notwendiges Abfahren der Anlage verursacht wurden. • Kommentar (Text); ist häufig sehr hilfreich zur Klassifizierung des Ereignisses, da die Ursache eines Stillstandes nicht immer eindeutig durch das Baugruppenkennzeichnungssystem bestimmbar ist. (z. B. Abschaltung der GT zwecks Wartung). Art und Umfang der oben aufgeführten Ereignisparameter sind als Standardforderung anzusehen, um qualifizierte Betriebsdatenanalysen durchführen zu können. Weitere Parameter wie Starts, Standbystunden und Leistungsniveau erhöhen die Qualität der Betriebsdatenaufschreibungen und damit der Analysemöglichkeiten. Typische Auswertungen auf Basis ereignisspezifischer Informationen sind: • Verfügbarkeitskennzahlen Vx (s. Abschn. 37.3) als Einzel-, Flotten- und Gruppenauswertungen sowie in Abhängigkeit von Zeit, Einsatzart (Peak, Baseload), Brennstoff, Nennleistung u. a. (Abb. 37-1) • Häufigkeitsverteilungen von Ereignissen und den zugeordneten Stillstandszeiten (z. B. Zwangs- und Planausfallzeiten) in Abhängigkeit von auslösender Baugruppe (KKS), Zeit, Zeitart u. a. (Abb. 37-2) • Welche Instandhaltungen (Wartung, Inspektion, Revisionen) dauerten länger als x Stunden? • Wie viel automatische Abschaltungen (Fehlstarts, Schnellschlüsse) erfolgten mit Brennstoff X (Öl, Erdgas, Schweröl) bei GT mit der Betriebsart Y (Peak, Baseload, Combined Cycle) der Flotte Z in der Zeit von t1 bis t2 ?
37.2.2 Befunde Befunde sind in diesem Zusammenhang Informationen über Komponenten/Funktionsgruppen/Teilsysteme, deren Zustand einen ordnungsgemäßen Weiterbetrieb der Anlage gefährdet oder ganz verhindert. Befunde werden gewöhnlich im Rahmen von Instandhaltungsmaßnahmen (Wartung, Inspektion, Revision) oder bei Schäden von qualifizierten Befundaufnehmern erstellt. Bei Instandhaltungen wird die Befundaufnahme durch tabellarische Aufzählungen der zu befundenden Bauteile – Checklisten – bereits vorbereitet. Tabelle 37-1 zeigt einen Auszug aus einer GT-Revisionscheckliste mit Beispielen von Befundaufnahmen. Darüber hinaus vermittelt der formale Checklistenprozess dem Ausführenden zusätzliche Informationen wie die eindeutige Bezeichnung der befundeten Komponente (Baugruppennummer), ggf. die Kennzeichnung zugeordneter Kontrollmaßblätter
1050
A. Inceoglu, C. Steinwachs
Tabelle 37-1 Checkliste GT-Revision: Beispiel einer Befundaufnahme
37 Betriebsdatenanalyse Zuverlässigkeit (V3)
100
99,5
1051 Verfügbarkeit (V7)
Zwangsausfallkennzahl (V11)
99,4
99,0 95,8
94,4
92,3
Zeitausnutzung (V17)
Startzuverlässigkeit (V18)
99,5
95,7
92,8
91,1
99,2 95,3
94,6
93,4
92,8
Kennzahlen Vx [%]
90 77,9
80
76,9
74,6
73,9
69,5
70 60 50 40 30 20 10 0
0,7
2003
1,3
2004
0,8
2005
0,7
2006
1,1
2007
Zeit/a
Abb. 37-1 Verfügbarkeitskennzahlen V3, V7, V11, V17 und V18 D als Funktion der Zeit, Beispiel einer Flottenauswertung
und stellt einen Maßnahmenkatalog – welche Aktionen müssen in Abhängigkeit des Befundes an einer Komponente wann erfolgen – zur Verfügung. Befunde im Sinne der Betriebsdatenanalyse beinhalten noch zusätzliche Informationen und werden durch folgende Parameter charakterisiert: • Kennzeichnung des übergeordneten Systems (z. B. KKS-Formalismus), • Kennzeichnung der befundeten Komponente (Baugruppenklassifizierungssystem, kein Standard, s. Checkliste), • Befundstichwort (z. B. „Riss“, s. Checkliste), • Stichworte/Schlüssel zu den folgenden acht Themengruppen: 1. Zeitliche Dringlichkeit der Außerbetriebnahme (z. B. „sofortige automatische Abschaltung“), 2. Grund der Außerbetriebnahme (z. B. „Fehlbedienung“), 3. Betriebszustand bei Außerbetriebnahme (z. B. „Teillast < 80% Nennleistung“), 4. Gelegenheit der Schadens- oder Störungsäußerung (z. B. „Meldung, Anzeige“), 5. Schadens- oder Störungsäußerung (z. B. „Leckage“), 6. Schadens- oder Störungsbild (z. B. „Bruch, Riss“), 7. Schadens- oder Störungsursache (z. B. „Werkstoffermüdung“), 8. Schadensklasse (z. B. „Minderleistung des Blockes“). Diese Themenzuordnung wurde weitgehend dem VGB-Schlüssel 1 bis 8 (s. VGBStandard [37.5]) angelehnt, mit welchem u. a. freie Fließtexte – z. B. bei Schadensbefundungen – durch eine angepasste Stichwortwahl „diskretisiert“ werden können. Diese Umformung unstrukturierter Informationen (Text) in strukturierte Formen (Stichworte/Schlüssel) besitzt den Vorteil einer besseren Auswertbarkeit durch
1052
A. Inceoglu, C. Steinwachs 2003–2007 Zwangsausfallereignisse
Zwangsausfallstunden
3500 3000
250
2500
200
2000 150 1500 100
1000
50
Zwangsausfallstunden/h
Zwangsausfallereignisse
300
500 0 A CHA CHL CJN CJP CJQ CJR CXX EH EK H MA MBA1 MBA2 MBA4 MBD MBH MBJ MBK MBL MBM MBN MBP MBR MBV MBX MBQ MK MKD MYB P XJ
0
KKS-Schlüssel
Abb. 37-2 Zwangsausfallereignisse und die daraus resultierenden Ausfallstunden D f (KKSSchlüssel) KKS-Schlüssel mit Benennungen A CHA CHL CJN CJP CJQ CJR CXX EH EK H MA MBA1 MBA2 MBA4 MBD MBH
Netz- und Verteilungsanlage einschl. Blocktrafo BAA Generatorschutz Turbinenschutz Erregerschränke (01, 02, 03) Steuerschränke (01, 01, 03) Messschränke (01, 02) Gasturbinenreglerschrank Leitstand (örtlich) Ölaufbereitung Heizgasversorgung Abhitzekessel/Dampferzeuger Dampfturbosatz Verdichterläufer und -gehäuse Turbinenläufer u. -gehäuse einschl. Abgasdiffusor Abblasesystem Gasturbinenlagerung einschl. Verdichter Kühlluftsystem
MBJ Anfahrumrichter, Anfahrumrichterleistungsteil MBK Kupplung und Getriebe MBL Ansaugluftsystem einschl. Filter und Schalldämpfer MBM Brennkammer MBN Brennstoffzuführung (flüssig) MBP Brennstoffzuführung (gasförmig) MBR Abgassystem (ab Abgasdiffusor) MBV Schmierölversorgung MBX Nichtelektrische Steuer-, Regel-, Schutzeinrichtung einschl. Mediumversorgung MBQ Zündeinrichtung MK Generatoranlage MKD Generatorlagerung MYB Klemmenkästen am Turbosatz P Kühlwasseranlage XJ Notstromdieselanlage
Datenbanken, birgt allerdings auch Gefahren der Unterdrückung bzw. Verfälschung von Informationen. Weitere Stichworte zur exakten örtlichen Zuordnung des befundeten Teiles (z. B. Teilfuge rechts), zum vermuteten Verursacher (z. B. Montagefehler) und zur Informationsquelle (Ident-Nummer des Befundberichtes).
37 Betriebsdatenanalyse
1053
Aus der Parameterzusammenstellung geht hervor, dass Befunden – im Gegensatz zu Ereignissen – allgemein keine individuellen Ausfallzeiten zugeordnet werden und sie daher auch nicht zur Berechnung von Verfügbarkeitskennzahlen verwendet werden können. Allerdings ist durch die hierarchische Zuordnung von Befunden zu ihrem übergeordneten Ereignis – meist „geplante Stillsetzung“ oder „Schaden“ – eine ungefähre zeitliche Fixierung der Befunde anhand der eindeutigen Stillstandszeit des übergeordneten Ereignisses möglich. Typische Auswertungen auf Basis befundspezifischer Informationen: Befundanzahl einer willkürlich ausgewählten GTGruppe (z. B. Typ, Betriebsart, Kunde, Land) in Abhängigkeit der Auswertungszeit, des befundeten Systems (KKS, z. B. MBM D Brennkammer), der Bauteilbenennung, des VGB-Schlüssels u. a. Beispiele: a) Bei wie viel Befunden liegen in der Zeit von April 1994 bis September 1999 bei der GT-Gruppe X , der Baugruppe MBA20 (KKS; Turbine) und der Bauteilidentifizierung Y (z. B. TLe1 D Turbinenleitreihe 1 oder Baugruppennummersystem) Risse (VGB6,K: VGB-Schlüssel 6: Schadens- und Störungsbild, Schlüssel K D Riss, Bruch) vor? b) Wie entwickelt sich die Befundanzahl des obigen Beispiels – Risse in der TLe1 – über die Zeit? Möglicher Hintergrund dieser Auswertung: Wie bewähren sich die bereits umgesetzten konstruktiven Verbesserungen?
37.2.3 Gasturbinenlebenslauf Als Gasturbinenlebenslauf wird die Kombination aus Ereignissen und ihrer zugeordneten Befunde in einer zusammenfassenden Tabelle bezeichnet. Ereignisse und Befunde werden hierin mit allen oben aufgeführten Parametern chronologisch aufgelistet. Der Lebenslauf dokumentiert die gesamte Geschichte der Gasturbine ab Inbetriebsetzung bis zum aktuellen Ereignis und ermöglicht damit einen schnellen Überblick über wichtige Vorfälle wie Revisionen, Austausch wichtiger Komponenten, Schäden und Störungen. Die der Ereignisart „geplante Stillsetzung“ zugeordneten Befunde erteilen darüber hinaus Aufschluss über Problemschwerpunkte im Wartungsverhalten der Maschine. Die Befundungen im Zusammenhang mit Störungen und Schäden sind u. a. wichtig für die Beurteilung, wie sich neue technische Lösungen im Betrieb bewähren. Zusätzlich stellt der Lebenslauf eine wichtige Interpretationshilfe berechneter Verfügbarkeitskennzahlen (s. Abschn. 37.3) dar. Zeigt z. B. eine Verfügbarkeitsauswertung einen Einbruch in der zeitlichen Darstellung einer Maschinen- oder Flottenzuverlässigkeit V3 (Abb. 37-1, Tabelle 37-2), muss sich dieser Sachverhalt in entsprechenden Lebenslaufeintragungen ungeplanter Stillsetzungen widerspiegeln.
1054
A. Inceoglu, C. Steinwachs
37.3 Verfügbarkeitskennzahlen 37.3.1 Allgemeines Das Betriebsverhalten von Gasturbinenanlagen wird mithilfe von Kennzahlen beschrieben, welche durch geeignete Verknüpfungen von Stillstands-, Betriebs- und Kalenderstunden u. a. Aufschluss darüber erteilen, wie zuverlässig die Anlage den Betriebsanforderungen nachkommt bzw. für welche relative Zeit die Anlage für den Betrieb zur Verfügung steht. Als wesentlichste Verfügbarkeitskennzahlen Vx zur Beurteilung des Beriebsverhaltens von Gasturbinenanlagen sind die in Tabelle 37-2 aufgelisteten fünf Größen anzuführen. Wegen der unterschiedlichen Bezeichnungen sind auch die Definitionen des angloamerikanischen Sprachraumes angegeben.
37.3.2 Definitionen der Formelgrößen PH D Period Hours D Kalenderstunden Zeitintervall in Stunden, auf welchen die zur Auswertung herangezogenen Betriebsund Stillstandszeiten sowie Starts/Fehlstarts bezogen werden; z. B. Monat, Quartal, Halbjahr, Jahr. FOH D Forced Outage Hours D Zwangsausfallstunden Stillstandszeiten aus ungeplanten Ereignissen wie Störungen und Schäden, welche nicht über das nächste Wochenende hinaus verschoben werden können. POH D Planned Outage Hours D geplante Stillstandsstunden Geplante Stillstandszeiten für Inspektionen und Revisionen.
Tabelle 37-2 Verfügbarkeitskennzahlen Vx zur Beurteilung des Betriebsverhaltens von Gasturbinenanlagen Bezeichnung
Formel
Gleichung Nr.
Zuverlässigkeit V3 Reliability Factor RF
V3 D .PH FOH/=PH 100% RF D .PH FOH/=PH 100%
(37.1)
Verfügbarkeit V7 Availability Factor AF
V7 D .PH .FOH C POH C MOH//=PH 100% (37.2) AF D .PH .FOH C POH C MOH//=PH 100%
Zwangsausfallkennzahl V11 Forced Outage Rate FOR
V11 D FOH=.SH C FOH/ 100% FOR D FOH=.SH C FOH/ 100%
(37.3)
Zeitausnutzung V17 Service Factor SF
V17 D .SH=PH/ 100% SF D .SH=PH/ 100%
(37.4)
Startzuverlässigkeit V18 Starting Reliability SR
V18 D .Nerfolgreich =Ngesamt / 100% SR D .Nsucc =Nattempted / 100%
(37.5)
37 Betriebsdatenanalyse
1055
MOH D Maintenance Outage Hours D ungeplante Stillstandstunden Stillstandszeiten aus ungeplanten Ereignissen wie Störungen und Schäden, deren Behebung jedoch über das nächste Wochenende hinaus verschoben werden kann, aber nicht bis zur nächsten planmäßigen Inspektion oder Revision. SH D Service Hours D Betriebsstunden Zeit in Stunden, in welcher sich die Anlage im Betriebszustand befindet. Nsucc , Nerfolgreich D No. of Successful Starts D Anzahl erfolgreicher Starts Anzahl von Startbefehlen, welche zum ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage führen. Nattempted , Ngesamt D No. of Attempted Starts D Gesamtzahl durchgeführter Starts Anzahl aller durchgeführten Startversuche. Die Anzahl der zugeordneten Fehlstarts NFS berechnet sich zu NFS D Ngesamt Nerfolgreich :
(37.6)
Die Definitionen der Verfügbarkeitskennzahlen werden im europäischen (z. B. VGB), angloamerikanischen (ANSI/IEEE/NERC) und asiatischen Raum mit identischer Bedeutung benutzt. Es existiert allerdings eine Vielzahl abgeleiteter Varianten, welche meist unterschiedliche Definitionen von Zwangsausfall- und geplanten Stillstandszeiten sowie des Ereignisses „Fehlstart“ beinhalten. Im amerikanischen Raum wird darüber hinaus häufig mit leistungs- oder energiegewichteten Zeiten gerechnet (Stichwort: „äquivalent“), welche die Differenz zwischen angeforderter und wirklich erbrachter Leistung einer Gasturbinenanlage berücksichtigen. Beispiel: Erbringt eine Anlage zwei Tage lang aus technischen Gründen nur 50% der angeforderten Leistung, so entspricht das einer Zwangsausfallzeit von einem Tag.
37.3.3 Zuverlässigkeit V3/RF Die Zuverlässigkeit ist als Wahrscheinlichkeit dafür definiert, dass ein betrachtetes System innerhalb der Anforderungszeit seine Funktion erfüllt. Sie verknüpft die Kalenderstunden PH eines betrachteten Zeitintervalls – meist ein Jahr mit PH D 8760 h – mit den darin enthaltenen Zwangsausfallstunden FOH. Die berücksichtigten Zwangsausfallstunden FOH schließen per Definition keine geplanten Ausfallstunden POH wie Wartungs-, Inspektions- und Revisionszeiten mit ein, sondern berücksichtigen nur Stillstandszeiten, welche maximal bis zum nächsten Wochenende verschiebbar sind (s. Definition der Zwangsausfallzeit FOH).
1056
A. Inceoglu, C. Steinwachs
Im angloamerikanischen Raum wird häufig alternativ zu V3 der Forced Outage Factor FOF verwendet. FOF ist als der komplementäre Wert zu V3 definiert und wird mit folgender Beziehung bestimmt: FOF D 100% V 3
(37.7)
Der Wertebereich von V3 läuft von 0% (PH D FOH) bis 100% (FOH D 0). Der Wertebereich von FOF läuft komplementär zu V3.
37.3.4 Verfügbarkeit V7/AF Diese Größe verknüpft die Kalenderstunden PH mit allen Ausfallzeiten in dem betrachteten Zeitintervall. Im Gegensatz zur Zuverlässigkeit V3 werden hier neben den Zwangsausfallstunden FOH auch die geplanten Ausfallstunden POH berücksichtigt. V7 ist normalerweise betraglich kleiner als V3 und strebt bei verschwindenden Wartungszeiten – z. B. bei Neuanlagen – gegen V3. Die Zeitausnutzung V17 (s. Tabelle 37-2) steht mit den daraus resultierenden relativen Wartungszeiten, bezogen auf die kalendarische Gesamtdauer eines Wartungszyklus, in einer annähernd linearen Beziehung der Form FOHrel k0 C k1 V 17 I
k0; k1 > 0 :
(37.8)
Das rührt daher, dass mit zunehmender Zeitausnutzung V17 eine schnellere Anhäufung äquivalenter Betriebsstunden erfolgt, d. h., der gesamte Wartungszyklus wird in einer kürzeren kalendarischen Zeitspanne durchlaufen. Da die Summe der nominalen, dem Wartungskonzept entsprechenden Instandhaltungszeiten eines kompletten Wartungszyklus konstant ist, müssen diese auf abnehmende Standzeiten bezogen werden und nehmen daher relativ zu. Aus diesem Grunde existieren V17-abhängige Obergrenzen der Verfügbarkeit V7, welche grundsätzlich nicht überschritten werden können, es sei denn, es werden Reduzierungen der nominalen Inspektions- und Revisionszeiten in Kauf genommen. Die Tabelle 37-3 zeigt anhand eines Fallbeispieles die Obergrenzen der Verfügbarkeit V7, wenn man ein Wartungskonzept mit einem Gesamtzyklus von 66 000 äquivalenten Betriebsstunden (ÄBh, Def. s. Abschn. 38.3) mit insgesamt 2188 Instandhaltungsstunden (Summation der nominalen Stillstandszeiten aller Instandhaltungsmaßnahmen innerhalb des Zyklus) zugrunde legt; weiterhin wurde unterstellt, dass der Quotient ÄBh=Bh 1,25 beträgt, d. h., mit jeder Betriebsstunde Bh werden im Mittel 1,25 ÄBh erzeugt. Die Tabelle zeigt, dass z. B. eine Anlage, welche mit einer Zeitausnutzung V17 von 90% betrieben wird, aufgrund der anfallenden Instandhaltungsstunden eine mittlere Verfügbarkeit von 96,3% nicht überschreiten kann, ohne die dem Wartungskonzept zugrunde liegenden Wartungsaufwendungen zu reduzieren. Da in diesem Beispiel angenommen wurde, dass keine Zwangsausfallstunden anfallen (FOH D 0), stellen diese V7-Maximalwerte eine absolute Obergrenze dar, sofern man den gesamten Wartungszyklus betrachtet. Wertebereich von V7: 0% (FOHCPOH D PH) bis V7max (FOH D 0, POH > 0).
37 Betriebsdatenanalyse
1057
Tabelle 37-3 Obergrenzen der Verfügbarkeit V7 Zeitausnutzung (V17) Vorgabe
Mittl. jährlicher Wartungsaufwand
Betriebsstunden pro Jahr
Äquivalente Betriebsstunden pro Jahr
Maximal erreichbare Verfügbarkeit (V7)
%
h=Jahr
h
h
%
90 80 70 60
327 290 254 218
7884 7008 6132 5256
9855 8760 7665 6570
96,3 96,7 97,1 97,5
37.3.5 Zwangsausfallkennzahl V11/FOR Diese setzt entsprechend Tabelle 37-1 die Zwangsausfallstunden FOH trachteten Zeitbereiches mit den darin enthaltenen Betriebsstunden SH hung. Weil FOH im Zähler der Formel steht, strebt V11 von 100% FOH > 0) mit verschwindenden Zwangsausfallzeiten gegen null; diese sollte somit im Gegensatz zu V3 und V7 möglichst klein sein. Wertebereich von V11: 100% (FOH D SH) bis 0% (FOH D 0).
eines bein Bezie(SH D 0, Kennzahl
37.3.6 Zeitausnutzung V17/SF Die Zeitausnutzung V17 setzt die einem betrachteten Zeitintervall zugrunde liegenden Kalenderstunden PH mit den darin gefahrenen Betriebsstunden SH in Beziehung. V17 ist eine Verfügbarkeitskennzahl, deren Größe im Wesentlichen vom Betreiber bestimmt wird. Ähnlich wie die Kennzahl V7 besitzt V17 eine Obergrenze, welche i. Allg. von der mittleren Instandhaltungszeit einer Anlage sowie den anfallenden Reservestillstands- und Zwangsausfallzeiten beeinflusst wird. Wertebereich von V17: 0% (SH D 0) bis ca. 90%.
37.3.7 Startzuverlässigkeit V18/SR Als Startzuverlässigkeit V18 wird das Verhältnis der erfolgreichen Starts zur Anzahl der gesamten Startbefehle definiert, welche in einem betrachteten Zeitraum erfolgten. Problematisch bei dieser Kennzahl ist der Vergleich betraglich ähnlicher V18Werte von z. B. Grund- und Spitzenlastmaschinen. Weil sich die Anzahl der Startvorgänge bei beiden Betriebsweisen durchaus um den Faktor 100 unterscheiden kann, sind auch die statistischen Schwankungsbreiten der Vergleichsgrößen entsprechend unterschiedlich. (s. Abschn. 37.4).
1058
A. Inceoglu, C. Steinwachs
Beispiel: Bei einer Startzuverlässigkeit von 95% liegen folgende Schwankungsbreiten vor: Grundlastmaschine mit 20 Starts=a:V18 D 95 ˙ 5;0%, Spitzenlastmaschine mit 500 Starts=a: V18 D 95 ˙ 1;0%. Das Beispiel macht deutlich, dass besonders im Zusammenhang mit garantierten Startzuverlässigkeiten dieser Sachverhalt von erheblicher Bedeutung sein kann. Wertebereich von V18: 0% (NFS D Ngesamt ) bis 100% (NFS D 0).
37.4 Risikoabschätzung von Zuverlässigkeitsgarantiewerten 37.4.1 Ausgangsbedingungen Die Vorhersage des Betriebsverhaltens neuer Gasturbinenbaureihen auf Basis von Betriebsdaten bereits eingeführter und erprobter Flotten beinhaltet u. a. das Problem, die Fülle der verfügbaren Informationen in einer solchen Weise in Beziehungen zu setzen, dass Aussagen dieses Verhaltensmodells verallgemeinert und damit auch auf neue Baureihen übertragen werden können. Diese Vorgehensweise unterstellte, dass die zeitliche und betragliche Entwicklung der Zuverlässigkeit (V3) als einhüllende Bedingung für alle nachfolgenden Neuentwicklungen Gültigkeit besitzt. Ausgehend von dieser Hypothese konnten unter Verwendung der Zuverlässigkeitswerte und deren Eintreffwahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit der Betriebsjahre für beliebige Gasturbinenflotten abgeschätzt werden.
37.4.2 Generierung einer Lernkurve Bei dieser Vorgehensweise wurde daher von dem Ansatz ausgegangen, dass die aktuellen Größen der Zuverlässigkeit (V3) einer generellen, für alle Gasturbinenbaureihen geltenden Entwicklung folgen, wenn man sie in Abhängigkeit des Flottenalters aufträgt. Diese Hypothese unterstellt damit, dass alle Gasturbinenbaureihen in ihrem technischen Reifeprozess eine ähnliche Entwicklung durchlaufen und diese weitgehend abhängig vom Gasturbinentyp und dem kalenderzeitlichen Ersteinsatz der Flotte abläuft. Diese Annahme wird durch die relativ gute Anpassungsgüte der Regressionsfunktionen der Zuverlässigkeit V3 (Abb. 37-3) unterstützt. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie mehrere Baureihen in die Verfügbarkeitsentwicklung einbezieht und so repräsentativere Zusammenhänge darstellt. Mithilfe dieses Werkzeuges kann das zukünftige Betriebsverhalten einer jeden Gasturbinenflotte abgeschätzt werden, indem man das derzeitige Flottenalter als Anfangswert vorgibt und die nachfolgende Entwicklung von Zuverlässigkeiten über das zu betrachtende Betriebsjahresintervall abgreift.
37 Betriebsdatenanalyse
1059
100 99
Zuverlässigkeit V3 [%]
98 97 96 95 94 W = 50%
93
W = 65%
W = 75%
W = 85%
92 W = Wahrscheinlichkeit dafür, einen vorgegebenen Zuverlässigkeitswert (V3) zu erreichen bzw. zu übertreffen
91 90 89 88 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
Flottenalter/a
Abb. 37-3 Zuverlässigkeit V3 D f (Flottenalter, Eintreffwahrscheinlichkeit W ), Beispiel einer „Lernkurve“
37.4.3 Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Zuverlässigkeitswerten (V3) auf Basis der Lernkurven Um Eintrittswahrscheinlichkeiten von Zuverlässigkeitswerten (V3) zeitabhängig berechnen zu können, muss eine ausreichende Anzahl von Einzelergebnissen für ein bestimmtes Zeitintervall vorliegen. Die Zuverlässigkeitslernkurve wurde für diesen Zweck in Zeitintervalle unterteilt und danach die Zuverlässigkeitsauswertungen von allen Maschinen jener Flotten durchgeführt, welche die Zuverlässigkeitslernkurve im betrachteten Zeitintervall einschließen. Aus den so generierten Einzelergebnissen lassen sich zeitabhängige Häufigkeitsverteilungen und damit Wahrscheinlichkeiten ableiten und parametrieren. Die Verläufe der Eintrittswahrscheinlichkeiten der Zuverlässigkeit sind in Abhängigkeit des Flottenalters aufgetragen, wobei die Parametrierung zu < 50, 65, 75 und 85% den Risikoklassen entspricht Auf diese Weise wird eine qualifizierte Abschätzung von Zuverlässigkeitswerten auch für Flotten ermöglicht, bei welchen noch nicht genügend empirische Betriebserfahrungen vorliegen und daher eine Risikoberechnung zu ungenau wäre. Die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Betrag einer Kennzahl in der Praxis zu erreichen oder zu überschreiten, hängt von der individuellen Verteilungsfunktion dieser Kennzahl innerhalb einer betrachteten Grundgesamtheit und Auswertungszeit ab. Weist z. B. die Mehrzahl der betrachteten Zuverlässigkeiten einer Baureihe für eine bestimmtes Betrachtungsintervall Werte in der Nähe von 100% auf, ist die Wahrscheinlichkeit entsprechend hoch, einen Wert von angenommen 98% bei einer noch auszuliefernden Maschine zu erreichen.
1060
A. Inceoglu, C. Steinwachs
Weist die Grundgesamtheit allerdings erhebliche Streuungen zu kleineren Werten auf, sinkt dementsprechend auch die Wahrscheinlichkeit, den angenommenen Wert von 98% zu erreichen bzw. zu überschreiten. Dieser Effekt tritt naturgemäß bei neu eingeführten Baureihen verstärkt auf, da selbst aufwändige Teststandsläufe neuer Baureihen die Unwägbarkeiten des „rauen“ Leistungsbetriebes beim Betreiber nicht abdecken können. Der reale Leistungsbetrieb dient daher auch als Quelle der Erkenntnis über kritische Pfade von Störungs- und Schadensanbahnungen, ihrer Behebung sowie deren Prävention. Erst wenn diese Erkenntnisse in Auslegung, Konstruktion und Fertigung der Maschinen rückgekoppelt werden, ergibt sich ein messbarer Lerneffekt wie in Abb. 37-3 beispielhaft dargestellt. Abbildung 37-3 zeigt in Abhängigkeit des Flottenalters (Maß der Erfahrungsrückkopplung) Zuverlässigkeiten V3 (im Wesentlichen Herstellerverantwortung), welche mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten erreicht bzw. übertroffen werden. Der Anstieg der Kurven bei kleinen Flottenaltern ist eng mit dem Lernvermögen des Herstellers korreliert; das Anfangsniveau der V3-Werte hingegen ist ein Maß des technischen Reifegrades der neuen Baureihe bei Markteinführung. Darüber hinaus ist die statistische Streuung der Zuverlässigkeit einer Baureihe ein direkter Indikator für die Güte des Qualitätsmanagements eines Herstellers. Diese wahrscheinlichkeitstheoretischen Betrachtungen besitzen für Hersteller und Betreiber im Zusammenhang mit der Risikoabschätzung vertraglicher Vereinbarungen von Verfügbarkeitsgarantiewerten große Bedeutung.
37.5 Abhängigkeiten der Kennzahlen Die in Tabelle 37-2 aufgeführten Verfügbarkeitskennzahlen sind trotz formaler Unabhängigkeit mittelbar gekoppelt. Bei ihrer Interpretation sollten daher immer alle fünf aufgeführten Kenngrößen einbezogen und in Beziehung gesetzt werden. Die Schlüsselgröße zur sach- und fachgerechten Interpretation der Kenngrößen ist die Zeitausnutzung V17. Dieser Wert erteilt Auskunft über die Anzahl der im Berichtszeitraum gefahrenen Betriebsstunden der GT und damit Hinweise über die Betriebsart (Tabelle 37-4). Die Betriebsart wiederum lässt Rückschlüsse auf die entsprechende Startzahl im Berichtszeitraum und damit auf den Streubereich der Startzuverlässigkeit zu. Weiterhin beeinflusst V17 den Betrag von V11, da die gefahrenen Betriebsstunden im Nenner von (37.3) stehen. Die Forderung, dass bei einer gut laufenden Anlage V11 gegen null streben sollte, wird z. B. durch die hohe Anzahl jährlicher Betriebsstunden bei einer Grundlastanlage besser unterstützt als bei einer Peak-GT (s. Tabelle 37-4). Darüber hinaus steigen mit V17 auch die mittleren Instandhaltungsaufwendungen (s. Abschn. 37.3.4), sodass auch die Bewertung der Verfügbarkeit V7 nicht ohne Kenntnis von V17 erfolgen sollte (s. Abb. 37-4) Zusätzlich ist zu beachten, dass der Betreiber durch die bereitstehende Infrastruktur im Kraftwerk – Hebezeuge, Montagewerkzeuge, Abstellflächen, Fachpersonal,
37 Betriebsdatenanalyse
1061
Tabelle 37-4 Zeitausnutzung V17 und Betriebsart Betriebsart
Betriebsstunden
V17mittel
Definitionen Kontinuierliche Grundlast Überwiegend Grundlast Mittellastbereich Wechsel zwischen Grund- und Spitzenlast Bedarfsspitzenlast Notfallstandby Kraftwerkspezifisch
SH=a 7500–8500 5500–7500 3000–5500 2000–3000 1000–2000 200–1000 20–200
% 85–97 73–85 34–73 23–34 11–13 3–11 0,2–3
Logarithmisch 100,0
Verfügbarkeit V7 [%]
99,5 99,0 98,5 98,0 97,5 97,0 96,5 96,0 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
85
90
95 100
Zeitausnutzung V17 [%]
Abb. 37-4 Obergrenzen der Verfügbarkeit (V7) in Abhängigkeit der Zeitausnutzung (V17)
Ersatzteilhaltung – einen großen Einfluss auf die Dauer von Instandhaltungsmaßnahmen und damit auf V7 ausübt. Mit empirischen Analysen kann gezeigt werden, dass die Zuverlässigkeit V3 in der Praxis nahezu unabhängig von V17 ist. Dieser Fakt erscheint zunächst als Widerspruch, da die allgemeine Erfahrung zeigt, dass – konstante Ausfallraten vorausgesetzt – zeitlich intensiv genutzte technische Systeme häufiger ausfallen müssten als weniger beanspruchte. Dieser allgemeingültigen Regel wird durch die Art der Wartungskonzepte der meisten großen GT-Hersteller entgegengewirkt, indem entsprechend Abschn. 37.3.4 verfahren wird sowie betriebliche Sonderbelastungen der Maschine – Temperaturtransienten bei Fehlstarts, Schnellschlüssen und Lastwechseln Brennstoffspezifika Wassereindüsung – individuell gewichtet werden und damit eine zusätzliche Standzeitreduzierung bzw. eine relative Erhöhung der Instandhaltungsaufwendungen bewirken (s. auch Definition „Äquivalente Betriebsstunden“, Kap. 38). Diese „nichtlinearen“ Wartungskonzepte erzielen mit guter Näherung die erwünschte Wirkung, V3 nahezu unabhängig von V17 zu machen.
1062
A. Inceoglu, C. Steinwachs
Literaturverzeichnis 37.1. Hartung, J.: Lehr- und Handbuch der Statistik. 9. Aufl. Oldenbourg 1993 37.2. Kreyszig, E.: Statistische Methoden und ihre Anwendungen. 7. Aufl. Vandenhoek & Ruprecht 1985 37.3. DIN 25424: Fehlerbaumanalyse; Methode und Bildzeichen (1990) 37.4. Vose, D.: Risk analysis. A quantitative guide. 2. Aufl. John Wiley and Sons, New York, NY (USA), 2000 37.5. VGB-Standard: KKS Kraftwerk-Kennzeichnungssystem Funktionsschlüssel. VGBKraftwerkstechnik 2000 37.6. Gemeinsam ausgearbeitet von den Fachverbänden VDEW, VGB, VIK, DVG: Begriffsbestimmunen in der Energiewirtschaft. Teil 5: Verfügbarkeiten von Wärmekraftwerken. Verlags- und Wirtschaftsgesellschaft der Elektrizitätswerke mbH, 5. Ausg. 1992 37.7. ANSI/EEE Standard 762. The Instituts of Electrical and Electronics Engineers, New York, NY (USA), 1987
Kapitel 38
Wartung, Inspektionen und Ersatzteilkonzepte Gerhard Bohrenkämper
38.1 Einleitung Stationäre Gasturbinen nutzen atmosphärische Luft als Arbeitsfluid sowie die direkte Einspritzung des Brennstoffs in die verdichtete Luft; sie erfahren somit durch deren Schadstoff- und Staubbelastung Verschmutzungen und Korrosion. Weitere Kennzeichen dieser Gasturbinen sind die hohen Arbeitstemperaturen, die zu Wärmespannungen und Materialermüdung sowie zu Oxidation an den Heißteilen führen. Damit stellt der Gasturbinenprozess hohe Anforderungen insbesondere an die Heißteile. Wie bei jeder Anlage entsteht somit durch Nutzung auch Abnutzung und Verschleiß. Die Instandhaltung stellt sich die Aufgabe, die Abnutzung zu erkennen, zu beeinflussen und durch Instandsetzung neue Abnutzungsvorräte zu schaffen und somit ungeplante, schadensbedingte Stillstände zu vermeiden. Nach [38.1, S. 3] wird Instandhaltung als „Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements während des Lebenszyklus einer Betrachtungseinheit zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, so dass sie die geforderte Funktion erfüllen kann“ definiert. Dabei kann die Instandhaltung „vollständig in die Grundmaßnahmen Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung unterteilt werden“ [38.1, S. 2]. Die Basis dafür hat der Gasturbinenhersteller durch eine instandhaltungsfreundliche Konstruktion und durch ein praxisgerechtes Instandhaltungsprogramm zu schaffen. Damit können Gasturbinen trotz der beschriebenen hohen Prozessanforderungen ein hohes Zuverlässigkeits- und Verfügbarkeitsniveau erreichen. Beide Eigenschaften haben bei der Ermittlung der Stromgestehungskosten einen hohen Stellenwert und sind deshalb wichtige Marktkriterien. Wartungsmaßnahmen (day to day maintenance) umfassen alle Tätigkeiten, die i. d. R. ohne Beeinträchtigung der Verfügbarkeit an der laufenden oder in Bereitschaft stehenden Gasturbine einschließlich ihrer Hilfsanlagen durchgeführt werden können. Dazu gehören Überprüfungen von Messanzeigen, Abarbeiten von Schmierplänen und Kontrolle bzw. Austausch von Brennstoff- und Luftfiltern. Hier wird C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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nur auf die sehr gasturbinenspezifische Wartungsmaßnahme der Verdichterwäsche eingegangen, da sie für die Effizienz stationärer Gasturbinen hohe Bedeutung hat. Dagegen ist eine Turbinenwäsche nur in besonderen Fällen, nämlich beim Einsatz aschebildender, schwerer Heizöle erforderlich. Das GT-Instandhaltungsprogramm besteht aus mehreren Inspektionstypen mit bauartspezifischen Umfängen, die in sinnvollen und erreichbaren Zeitintervallen gestaffelt werden. So werden kleine Inspektionen, Brennkammerinspektionen, umfangreiche große Inspektionen – im deutschen Sprachraum allgemein als Revisionen bekannt – und bei einigen Gasturbinentypen auch Heißteilinspektionen eingeplant. Mit der Vorgabe von Zeitintervallen und Standardinspektionsumfängen handelt es sich um vorbeugende Instandhaltung. Durch befundabhängige Arbeiten bei Inspektion und Revision sowie einer Toleranzbreite bei der Intervallbestimmung ist die Instandhaltung vorbeugend mit zustandsabhängigen Anteilen. Die unterschiedlichen Inspektionsversionen mit ihren spezifischen Umfängen zur Befundaufnahme und Reparatur setzen einen Stillstand der Gasturbine über mehrere Tage oder Wochen voraus; die Anlage wird daher beim Lastverteiler als unverfügbar gemeldet. Instandhaltungsvorgaben des Herstellers, z. B. in Form von Inspektions- und Revisionschecklisten, sind Bestandteil des Gasturbinenhandbuchs. Sie basieren auf dem Engineering-Knowhow und den Betriebs- und Instandhaltungserfahrungen von der GT-Flotte.
38.2 Wartungsmaßnahme Verdichterwäsche, Verdichterverschmutzung Die heute üblicherweise dem Verdichter vorgeschalteten Ansaugluftfilter verhindern zwar weitgehend den Eintrag der gröberen Schmutzpartikeln, hohe Anteile von Feinstäuben mit kleinerem Korndurchmesser als ca. 5 mm können jedoch die Filterung passieren und den Verdichter verschmutzen (fouling). In den vorderen Verdichterstufen werden in der Ansaugluft vorhandene Wasserund Ölbestandteile aufgrund der niedrigen Temperatur noch flüssig abgeschieden, sodass Feinstäube abhängig von ihrer Zusammensetzung und von der Betriebszeit feuchte und gegebenenfalls klebrige Beläge bilden können. Solche Beläge verkleinern den Strömungskanal und reduzieren dadurch Verdichtermassenstrom und Verdichterdruckverhältnis. Infolge des abgesenkten Druckverhältnisses nimmt – in Verbindung mit dem Regelungskonzept konstant geregelter korrigierter Abgastemperatur – die (rechnerische ISO-) Turbineneintrittstemperatur ab. Die im Anlieferungszustand („new and clean“) hydraulisch glatten Strömungsprofile werden infolge der Beläge rau, die Profilform wird verändert und somit der Verdichterwirkungsgrad verschlechtert [38.2,38.3], Leistung und Wirkungsgrad der GT wie auch der Dampfturbine im Kombiprozess sinken deutlich. Bezogen auf die GT-Leistung wird über Einbußen bis hin zu 11% berichtet [38.4]. Der Abfall der abgegebenen GT-Leistung in Abhängigkeit von der Betriebszeit wird schematisch in Abb. 38-1 gezeigt, der Verlauf der Wirkungsgradeinbuße ist analog. Als Faustformel lässt sich angeben: Bei einem um 1% verringerten Massenstrom (gemeinsam mit
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A
E
abgegebene Leistung
P
1
0 A B C D E
B
C
D
Revision
äquivalente Betriebszeit Leistungsminderung durch Alterung (u.a. Aufrauung von Oberflächen) Leistungsminderung durch Verschmutzung des Kompressors zusätzlich zur Alterung Rückgewinn von Leistung durch Onlinewäsche Rückgewinn von Leistung durch Wäsche mit Einweichen (Offlinewäsche) Rückgewinn von Leistung durch eine Revision/Heißteilinspektion
Abb. 38-1 Leistungsverluste durch Verdichterverschmutzung und GT-Alterung
den Effekten verringerter Verdichterwirkungsgrad, abgesenktes Verdichterdruckverhältnis und reduzierte Turbineneintrittstemperatur) ist mit ca. 2% Leistungsverlust und mit ca. 0,5% höherem Brennstoffverbrauch zu rechnen [38.2]. Mit zunehmender Verdichterverschmutzung verringert sich außerdem der Sicherheitsabstand der betrieblichen Fahrlinie von der Pumpgrenze des Verdichters. Verdichterreinigungsverfahren Um die thermodynamischen Verluste infolge Verdichterverschmutzung möglichst gering zu halten, wurden in der Vergangenheit verschiedene Verdichterreinigungsverfahren entwickelt und in die GT-Wartung integriert. Bis Ende der 1970er-Jahre war die Trockenreinigung mit organischen, abrasiv wirkenden Materialien (Granulate aus Nussschalen, Pfirsich- oder Aprikosenkernen sowie Reis) üblich. Wegen des unbefriedigenden Reinigungsergebnisses sowie mit der Einführung von Oberflächenschutzschichten auf der Verdichterbeschaufelung zur Verhinderung von Lochfraßkorrosion wurde dieses Verfahren von Nassreinigungsverfahren abgelöst [38.5, 38.32]. Hier sind zwei unterschiedliche Verfahren entwickelt worden: • Die Einweichreinigung, zu der die GT abgestellt wird und bei der nach einigen Stunden Abkühlzeit eine mehrstufige Reinigungsprozedur ausgeführt wird. Sie wird üblicherweise als Offlinewäsche bezeichnet.
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• Die Reinigung bei Betriebsdrehzahl unter Volllast oder mit abgesenkter Leistung, sie wird allgemein als Onlinewäsche bezeichnet. Offlinewäsche Voraussetzungen für diese Wäsche sind an geeigneter Position vor dem Verdichtereintritt installierte Düsen, ein Einspritzpumpensystem mit Steuerung, demineralisiertes Wasser als Reinigungsmittel, chemische Reinigungszusätze sowie die Fähigkeit der GT, eine Waschdrehzahl (z. B. 20% der Nenndrehzahl) mittels Anfahrumrichter und eine Läuferabkühldrehzahl (Turndrehzahl, z. B. 4% der Nenndrehzahl) mittels Dreheinrichtung zu fahren. Weiter sind Entwässerungshähne erforderlich, die an geeigneter Position angebracht und in die GT-Steuerung eingebunden sind. Das folgende Verfahrensbeispiel gilt für eine V64.3 Gasturbine von Siemens [38.6]. Die Waschprozedur läuft in den Abschnitten Vorbereiten, Einweichen, Spülen und Trocknen ab. a) Vorbereiten: • Stillsetzen der GT und Abkühlen im entsprechenden Drehbetrieb für z. B. 6 h, • Bereitstellen des Reinigungsgemisches (z. B. 300 l Gemisch aus demineralisiertem Wasser und chemischem Reinigungszusatz im Verhältnis 4:1 für eine 60 MW GT) und Betriebsfertigmachen der Waschanlage, • Öffnen der Entwässerungshähne; Öffnen der verstellbaren Verdichtervorleitreihe und • Brennstoffsystem und Zündeinrichtung gegen Einschalten sichern. b) Einweichen mit Reinigungsgemisch: • Erzeugen eines relativ starken, direkt gerichteten Reinigungsstrahls für die stärker verschmutzten vorderen Schaufelreihen bei relativ niedriger Drehzahl (z. B. Läuferabkühldrehzahl), • Erzeugen eines gut verteilten Wassernebels, der sich bei relativ hoher Drehzahl (Waschdrehzahl) mit der angesaugten Luft intensiv vermischt und den gesamten Verdichterbereich erreicht und reinigt und • Absenken der Drehzahl nach Verbrauch des vorbereiteten Reinigungsgemisches. c) Spülen mit purem demineralisiertem Wasser in Anlehnung an die Einweichprozedur. d) Trocknen: • Brennstoffversorgung und Zündeinrichtung wieder freigeben und • GT anfahren und nach Bedarf belasten; nach einigen Minuten ist die GT ausreichend getrocknet und kann weiterbetrieben oder abgestellt werden. Die Offlinewäsche wird bei einer deutlichen Verdichterverschmutzung eingesetzt. Ihr Reinigungserfolg wird visuell kontrolliert und die Wäsche wird bei Bedarf wiederholt und mit einer Handwäsche von Vorleitreihe sowie Laufreihe 1 kombiniert. Mit dieser Prozedur lassen sich die verschmutzungsbedingten thermodynamischen
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Verluste von mehreren Prozent weitgehend wiedergewinnen (Abb. 38-1, Leistungsdifferenz D). Dabei ist der Bezug die abgegebene Leistung mit Alterungsverlust (Abb. 38-1, Kurve A). Die nach dieser Wäsche noch vorhandene Restverschmutzung wird bei der Revision oder erweiterten Heißinspektion beseitigt. Onlinewäsche Dieses Waschverfahren wurde entwickelt, um den Nachteil des GT-Anlagenstillstands zu vermeiden. Die Wascheinrichtung (Düsen und Einspritzsystem) ist hier auf die Erfordernisse der Reinigung bei Nenndrehzahl abgestimmt, nämlich Beläge mittels eines fein verteilten und mit der angesaugten Luft intensiv vermischten Wassernebels abzubauen. Als Reinigungsmittel wird wiederum demineralisiertes Wasser mit oder ohne chemische Zusätze verwendet. Der Reinigungserfolg ist im Vergleich zur Offlinewäsche wesentlich geringer (s. Abb. 38-1: Leistungsdifferenz C endet deutlich unter der Alterungskurve A). In [38.7] wird berichtet, dass nach fünf Zyklen Onlinewäsche eine Restverschmutzung äquivalent einem Verlust von 0,8% Verdichtermassenstrom (ca. 1,6% Leistungsverlust) gemessen wurde, dass weitere Wiederholungen der Onlinewäsche keine messbare Wirkung mehr zeigten und erst die Offlinewäsche auch diesen Massenstromverlust rückgängig machen konnte. Standortbezogener optimierter Einsatz der Verdichterwäsche Zu optimieren sind möglichst geringe Brennstoffverluste und hohe GT-Leistung im Verhältnis zu möglichst geringen Stillstandszeiten und Reinigungskosten. Betreiber analysieren deshalb – bezogen auf ihre GT-Anlage – den Leistungstrend [38.8], und zwar sowohl die Verluste als auch den Wiedergewinn durch Reinigung, und ermitteln daraus die optimalen Waschintervalle. Dazu können vorteilhaft moderne Diagnoserechner eingesetzt werden (s. Kap. 36). Über den Standorteinfluss (Meereshöhe, Industrie etc.) hinaus kann ein starker saisonaler Effekt (Eintrag von Blütenstaub, Insekten, neblige oder regnerische Witterung etc.) vorliegen, der ebenfalls Waschintervall und Waschverfahren beeinflusst. Die Onlinewäsche wird zwecks Vermeidung des Belagaufbaus in kurzen Zeitintervallen eingesetzt. An einigen GTStandorten wird täglich mit purem demineralisiertem Wasser gereinigt und am jeweils dritten Tag wird ein Reinigungszusatz hinzugemischt. In dieser Weise kann das Offlinewaschintervall gestreckt werden. Falls sich eine Stillstandsgelegenheit ergibt, ist gegebenenfalls auch eine monatliche Offlinewäsche sinnvoll. In [38.24] wird über typische (Mindest-)Waschfolgen zur Erreichung vertraglicher Leistungsund Wärmeverbrauchswerte berichtet: Onlinewäsche jeden zweiten Tag und Offlinewäsche zwei- bis dreimal pro Jahr. Bei häufiger Onlinereinigung lässt sich ein gewisser erosiver Abtrag der Verdichterschaufelschutzschichten nicht völlig vermeiden. Damit kann es notwendig werden, vordere Schaufelreihen des Verdichters während einer Revision oder einer erweiterten Heißteilinspektion vorzeitig wiederzubeschichten. Reinigungszusätze werden nach der Art der Verschmutzung gewählt. Für staubige, sandige Beläge sind wasserbasische Additive ausreichend, für klebrige, ölige Beläge sind jedoch lösungsmittelhaltige Zusätze erforderlich [38.6]. Um das
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Betriebsrisiko gering zu halten, bedürfen Additive der Freigabe durch den GTHersteller. Über Additive berichten [38.9] und [38.10]. Da durch Expansion der Ansaugluft im Ansaugkanal zum Verdichtereintritt hin die Temperatur abfällt, besteht unterhalb einer bestimmten Umgebungstemperatur (z. B. C4 °C) die Gefahr der Eisbildung auf Verdichterschaufeln mit Folgeschädigung. Über einen solchen Schaden wird in [38.11] berichtet. Mittels Frostschutzzugabe kann der Betriebsbereich auf tiefere Temperaturen erweitert werden, andernfalls ist die Wäsche unterhalb dieser Grenztemperatur zu vermeiden. Da Beläge im Verdichter in den meisten Fällen auch erhebliche Salzkonzentrationen (mehrere Prozent Natrium- oder Kalziumchlorid) enthalten, wirkt die tägliche Verdichterwäsche im Nebeneffekt gegen die Nasskorrosion. Der primäre Schutz gegen diese Art Korrosion wird jedoch durch adäquate alukeramische Schutzschichten auf den vorderen Verdichterschaufelstufen realisiert [38.12], zusätzlich wird bei der Materialwahl der hochbelasteten vorderen Verdichterstufen i. d. R. ein nasskorrosionsfesterer Grundwerkstoff bevorzugt [38.31]. Zur Vermeidung von Stillstandskorrosion sollte vor längeren Stillständen der GT der Verdichter einer Offlinewäsche unterzogen und mittels Stillstandstrocknung trocken gehalten werden.
38.3 Heißteilverschleiß und Kriterien für die Bemessung der Inspektionsintervalle Die am höchsten beanspruchten Gasturbinenbauteile sind die Heißteile (z. B. heißgasführende Gehäuse und Turbinenschaufeln). Heißteilverschleiß erfolgt sowohl durch zeitabhängige als auch durch zyklische Vorgänge [38.14, 38.15] und seine verschiedenen Erscheinungsformen schlagen sich in den Befundkriterien der Inspektions- und Revisionschecklisten nieder. Gasturbinen sind in vielfältigen Betriebsweisen zwischen Aussetzbetrieb (z. B. tägliches An- und Abfahren) und kontinuierlichem Betrieb (wenige Starts pro Jahr) im Einsatz. Dabei können sich die Betriebsweisen saisonal oder dem Anlagenlebensalter entsprechend ändern. Ein Instandhaltungskonzept muss eine Inspektionsintervallbemessung ansetzen, die alle Betriebsarten abdeckt und zum vergleichbaren Abnutzungsgrad/Lebensdauerverbrauch der Turbinenschaufeln kleine Inspektionen und Überholungen bei Heißteilinspektion/Revision durchführt: nicht zu früh und nicht zu spät, d. h. mit Schadensfolge. Zeitabhängige, also von den Betriebsstunden abhängige Abnutzungseffekte umfassen • die innere Kriechschädigung des Werkstoffes infolge der mechanischen Beanspruchung bei hohen Metalltemperaturen während Grundlast- und Spitzenlastbetrieb (sie kann nur durch metallurgische Untersuchung an Bauteilproben festgestellt werden), • Erosion durch feine Staubpartikel, die trotz Luft- und Brennstofffilterung in das Heißgas gelangen (erosiver Abtrag ist ein Befundkriterium bei kleiner Inspektion und bei Revision),
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• Oxidationsabtrag bei hohen Metalltemperaturen bei „reinen“ Brennstoffen, zusätzlich Korrosionsabtrag durch die Ansaugluft, durch leicht kontaminierte Brennstoffe oder durch stark kontaminierte schwere flüssige Brennstoffe, • zusätzliche mechanische Beanspruchung bei erhöhter Metalltemperatur sowie Destabilisierung von Oxidschichten infolge Wassereinspritzung und • hochfrequente Schwingungen, die Reibverschleiß fördern; sie können im Zusammenhang mit Läuferschwingungen oder mit nicht weiter reduzierbarem Verbrennungslärm auftreten. Zyklische Abnutzung und Lebensdauerverbrauch entstehen durch das An- und Abfahren der Gasturbine und durch schnelle Temperaturänderungen, wie sie bei schnellen Laständerungen oder bei den Schutzmaßnahmen Lastabwurf und Schnellschluss auftreten. Zyklische Abnutzung der Heißteile umfasst: • Dehnungswechselermüdung (Low Cycle Fatigue, s. Kap. 25), gegebenenfalls verstärkt durch überlagerte Kriechschädigung, • Abplatzen/Abtragen der die heißen Bauteile schützenden Oxidschicht und • Reibverschleiß durch Schiebevorgänge. In Bezug auf Auflagen und Übergänge heißgasführender Gehäuse wirken zeitabhängiger schwingungsinduzierter Reibverschleiß und zyklisch aufgebrachte freie Wärmeausdehnung während Start und Stopp gemeinsam. Jeglicher metallischer Abtrag aus beiden Anteilen wirkt also additiv und ist bei visueller Inspektion messbar. Ähnliches gilt für die Interaktion von Betriebszeit und Zyklen in Bezug auf die Turbinenschaufelschutzschichten. Diese bilden bei der Beaufschlagung mit Heißgas stabile Oxidschichten. Oxidschichten unterliegen zeitabhängigem Abtrag durch die Strömungskräfte und platzen durch die zyklischen Dehnungswechsel ab, sodass sich wieder neue Oxidschichten aufbauen müssen. Der Schutzschichtverbrauch ist damit die Summe aus beiden Abnutzungsanteilen. Weiter nimmt durch das Kriechen wie durch die zyklische LCF-Beanspruchung die plastische Dehnung im Bauteil zu [38.15]. An hoch beanspruchten Positionen (z. B. den Eintritts- und Austrittskanten der Turbinenschaufeln) treten immer beide Anteile gleichzeitig auf, kein Anteil wird zu Null. Mithilfe des Konzepts der äquivalenten Betriebsstunden [38.15,38.16] werden die zeitabhängigen und die zyklischen Abnutzungsanteile von Heißteilen auf einfache Weise linear überlagert. Damit ist dieses Rechenmodell und Kriterium in einfacher Weise für die Messung und Bestimmung der Inspektionsintervalle gut handhabbar und wird in der servicerelevanten ISO 3977-9 explizit aufgeführt [38.13]: tequ D a1 n1 C a2 n2 C
n X i D1
tequ n1 a1 n2
äquivalente Betriebsstunden (EOH) Anzahl der Starts Startfaktor, z. B. 10 Anzahl der Schnellbelastungen
ti C f w.b1 t1 C b2 t2 /
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a2 ti n t1 b1 t2 b2 f w
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Schnellbelastungsfaktor, z. B. 10 äquivalente Stunden infolge schneller Temperaturänderungen (u. a. Schnellschluss) Anzahl der schnellen Temperaturänderungen Betriebsstunden bis Grundlast Grundlastfaktor, i. d. R. gleich 1 gesetzt Betriebsstunden oberhalb Grundlast bis Spitzenlast Spitzenlastfaktor, z. B. 4 Brennstoffbewertungsfaktor Bewertungsfaktor für die Einspritzung von Wasser oder Wasserdampf, wird meistens zwischen 1,0 und 2,0 gewählt.
Äquivalente Betriebsstunden werden hier als EOH (Equivalent Operating Hours) abgekürzt. Die unterschiedlichen Abnutzungsanteile werden in den verschiedenen Temperaturbereichen mit individuellen Faktoren in der Weise bewertet und gewichtet, dass auf die Beanspruchung bei Grundlast bezogene äquivalente Betriebsstunden berechnet werden. Das bedeutet, dass die Betriebsstunde bei Grundlast mit dem Brennstoff Erdgas und ohne Einspritzung von Wasser die Referenz für alle davon abweichenden Betriebsbedingungen darstellt. Die Abhängigkeit der Zeitstandfestigkeit von der Betriebstemperatur wird durch die Bewertungsfaktoren b1 für Grundlast und b2 für Spitzenlast (falls eine solche zugelassen ist) berücksichtigt. Mit der Inbetriebnahme der Gasturbine werden diejenigen (korrigierten) Turbinenaustrittstemperaturen eingestellt, bei denen die zugesicherten Grund- und Spitzenleistungen erreicht werden (Regelungskonzept von Siemens). Mit steigenden Turbinenaustrittstemperaturen ist mit einer Verringerung der Lebensdauer der Beschaufelung zu rechnen, da die Turbineneintrittstemperatur und damit die Metalltemperaturen der Heißteile ansteigen. Dies führt zu dem Spitzenlastfaktor b2 , mit dem die Betriebsstunden t2 zwischen Grundlast und Spitzenlast zu multiplizieren sind. Der Brennstoffbewertungsfaktor f berücksichtigt Brennstoffeigenschaften. Heizgas (Erdgas) wird von allen Herstellern mit f D 1;0 bewertet, ist somit der Idealund Referenzbrennstoff. Bei flüssigen Brennstoffen wählen einige Hersteller wegen des im Vergleich zur Erdgasfeuerung höheren Flammenstrahlungseinflusses auf die Heißteilmetalltemperaturen den Faktor f größer als 1. Für schwere, aschebildende Brennstoffe wie Schweröl oder Rückstandsöl wird abhängig von der Vanadiumund Aschekonzentration (insbesondere Magnesiumvanadat) und abhängig von dem festgelegten Absenkungsbetrag für die Turbineneintrittstemperatur ein Brennstoffbewertungsfaktor zwischen 1,0 und 4,0 angesetzt. Dabei wird die Turbineneintrittstemperatur soweit gesenkt, dass die Oberflächentemperaturen der Heißteile kleiner als z. B. 900 °C bleiben und Aschebeläge nicht so stark „festbacken“, dass sie durch eine Turbinenwäsche nicht mehr entfernt werden könnten. Wasser bzw. Wasserdampf wird entweder zur NOx -Reduzierung oder im Rahmen der Erzeugung von Spitzenlaststrom zur Leistungserhöhung (power augmentation) verwendet. Beide Anwendungen führen zu erhöhtem Heißgasmassenstrom, er-
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höhtem Druckverhältnis und höherer Leistung bei drastischen Wirkungsgradeinbußen. Daraus resultiert zum einen eine höhere mechanische Belastung der Turbinenbeschaufelung, des Weiteren eine Erhöhung der heißgasseitigen Wärmeübergangszahl und damit eine höhere Metalltemperatur der Turbinenbeschaufelung. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt ist die geringere Beständigkeit der Schutzschichten von Turbinenschaufeln bei erhöhtem Wasseranteil im Rauchgas. Die Schutzwirkung einer solchen Schutzschicht besteht im Aufbau einer stabilen Oxidschicht infolge des Sauerstoffs im Heißgas und der relativ hohen Metalltemperatur. Diese Oxidschicht wird durch Wasserdampf in ihrer Stabilität beeinträchtigt. Durch die Wasser- und Wasserdampfeinspritzung wird die bereits durch Ansaugluft und Brennstoff eingebrachte Wasserdampfkonzentration erheblich erhöht. Alle drei Effekte – erhöhte mechanische Belastung, erhöhte Metalltemperatur sowie die Destabilisierung der Oxidschichten – beschleunigen den Schutzschichtverbrauch. Außerdem wird die Lebensdauer des Grundwerkstoffs reduziert. Wie bereits herausgestellt, werden zyklisch erzeugte Werkstoffschädigungen als zeitliches Äquivalent bewertet und den zeitabhängigen Schädigungsanteilen überlagert. Dabei ist zu beachten, dass Bewertungsfaktoren für Start/Stopp-Zyklen wie auch für Start/Schnellschluss-Zyklen nicht für alle heißbetriebenen Komponenten gleich sein können, sondern dass man sich bei der Festlegung der Bewertungsfaktoren nach der ungünstigsten Komponente richten muss. Als Start (n1 ) wird jeder Anfahrvorgang gewertet, bei dem die Hauptflammen gezündet wurden und eine bestimmte Drehzahl (z. B. 1=3 der Nenndrehzahl) erreicht wurde. Der zugehörige Bewertungsfaktor für Starts a1 wird typabhängig zwischen 10 und 20 gewählt. Ein Start mit Schnellbelastung wird zusätzlich gezählt. Weiter fallen äquivalente Betriebsstunden ti infolge schneller Temperaturänderungen an, wie sie bei schnellen Laständerungen oder bei den Schutzmaßnahmen Lastabwurf und Schnellschluss auftreten. Schnelle Laständerungen können insbesondere in kleinen inselartigen elektrischen Versorgungsnetzen auftreten, wenn große Leistungsaufnehmer (z. B. Elektroschmelzöfen) bedient werden oder ein größerer Kraftwerksblock ausfällt. Schnelle Laständerungen führen zu hohen Gradienten der korrigierten Turbinenaustrittstemperatur, sodass die im Standardautomatikprogramm vorgesehenen Normalwerte für Be- und Entlastung überschritten werden. Sowohl durch stärkere und schnellere Aufheizungen als auch durch entsprechende Abkühlungen im Sinne eines Thermoschocks wird die maximale Spannungsdifferenz am Bauteil vergrößert. Ein Thermoschock kann z. B. durch die Änderung der Turbinenaustrittstemperatur von mehr als 20 °C innerhalb von 10 s definiert sein. Lastabwürfe und Schnellschlüsse schädigen durch den Temperaturschockeffekt bestimmte Heißteile sehr drastisch, insbesondere wenn nach Auslösung der volle „kalte“ Verdichtermassenstrom wirksam ist; hier werden z. B. 150 EOH je Ereignis gezählt. Eine schnelle Verstellung der Verdichtervorleitreihe 0 innerhalb weniger Sekunden, ermöglicht durch einen entsprechend bemessenen Verstellmotor, mildert diesen Effekt erheblich. Schnellschlüsse wie auch Lastabwürfe sollten von Betreiber und Hersteller sorgfältig analysiert und Maßnahmen für die Ursachenbeseitigung sollten abgeleitet werden.
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38.4 Instandhaltungsprogramm 38.4.1 Instandhaltungsgerechte Gasturbinenkonstruktion Abnutzung und Lebensdauerverbrauch ist der Preis, der für den Gebrauch eines Gerätes oder einer Anlage entrichtet wird. Ohne die Wiederherstellung von Abnutzungsvorräten bei Inspektionen kann eine Gasturbine nicht zuverlässig betrieben werden. Inspektionen dienen der Feststellung des Zustandes der Maschine sowie der zustandsabhängigen Korrektur und Reparatur, sie schützen den Betreiber somit vor Maschinenschäden und dem damit verbundenen Produktionsausfall infolge Stillstands. Geplanter bzw. wirtschaftlich nicht vermeidbarer Bauteilverschleiß ist somit keinesfalls als Schadensfall einzustufen. Bei den Inspektionstypen lassen sich bauartbedingt im Wesentlichen zwei unterschiedliche Konzepte unterscheiden, denen entsprechende Hersteller zugeordnet sind. Europäische Hersteller wie Alstom und Siemens haben traditionell das robuste, selbständig entwickelte Silo-Brennkammer-Konzept verfolgt, beide haben später für neue GT-Generationen auf Ringbrennkammerkonstruktionen umgestellt. Beide Brennkammerkonzepte erlauben einfache Inspektionen von Brennkammer und erster Turbinenstufe infolge leichter Zugänglichkeit der Maschine durch Mannlöcher (Abb. 38-2). Im Folgenden werden die Inspektionstypen dieser beiden Hersteller charakterisiert: • Die kleine Inspektion (minor inspection), nachfolgend als Inspektion bezeichnet, umfasst die Begehung der zugänglichen Bereiche der Maschine mit vorwiegend visueller Kontrolle mit einer Stillstandzeit von zwei bis vier Tagen; Instandsetzung oder Teiletausch ist nicht geplant; bei GTs von Alstom werden Inspektionen weiter in Typ A und Typ B unterschieden (s. u.).
A
Mischgehäuse
C
B
Zugangsquerschnitt:
D
Innengehäuse A
C
B
Schnitt A–B und Schnitt C–D sind identisch
Zugangsquerschnitte: Schnitt A–B
D Schnitt C–D
a
b
Abb. 38-2a,b Inspektion von Heißteilen bei a seitlich angeordneten Brennkammern (Siemens SGT-2000E (V94.2)) und b Ringbrennkammern (Siemens SGT-4000F (V94.3A))
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• Die Heißteilinspektion (hot-gas-path inspection, wird bei Alstom nicht verwendet) beinhaltet im Wesentlichen eine auf die Heißteile beschränkte Revision. • Die Revision (major inspection) beinhaltet eine weitgehende Zerlegung der Maschine, detaillierte visuelle Prüfungen und zerstörungsfreie Materialprüfungen sowie planmäßige und befundabhängige Instandsetzung. Die Heißteilinspektion ist in der Revision enthalten. Bei Gasturbinen mit Rohrbrennkammerdesign tritt an die Stelle der oben beschriebenen (kleinen) Inspektion eine Brennkammerinspektion mit geplantem Austausch von Brennern und Rohrbrennkammerteilen und damit verbunden relativ hohem Ersatzteilbedarf. Die Stillstandzeit beträgt mindestens fünf Tage. Die Instandhaltungskosten für einen Gasturbinentyp sind insbesondere stark von Ersatzteilbedarf und Reparaturkosten abhängig, z. B. verfügt der Typ 13E2 über fünf Turbinenstufen, während der Typ MS9001E nur über drei Turbinenstufen verfügt. Dies schlägt sich in den Kosten für Heißteilinspektion und Revision nieder. Weiter sind die geplanten Stillstandszeiten aller Inspektionstypen zu bewerten. Das Instandhaltungsprogramm ist also bereits in der Gasturbinenkonstruktion des jeweiligen Herstellers verankert und wird bereits in der GT-Entwicklungsphase festgelegt. Dabei wird ein einfaches, robustes und langlebiges Design angestrebt.
38.4.2 Inspektionsumfang und Inspektionsintervall Zur Vorbereitung der Inspektion sollte eine Verdichterwäsche durchgeführt werden, um die Befundaufnahme im Verdichterteil zu ermöglichen. Zur Inspektion werden die Mannlöcher und gegebenenfalls Endoskopieöffnungen freigemacht und Kontrollen gemäß der Inspektionscheckliste durchgeführt. Dabei nennt diese Checkliste Befundkriterien wie Wandabtrag, Risse und Ausbrüche und gibt weiterhin zulässige Grenzwerte und erforderliche Korrekturmaßnahmen an (z. B. Abbohren eines Risses in einem heißgasführenden Gehäuse). Die Befundung umfasst generell eine visuelle Begutachtung, gegebenenfalls ergänzt um eine endoskopische Untersuchung, eine Messung ausgewählter Spalte sowie die Kontrolle auf lose oder fehlende Teile. Damit ist ein Rückschluss auf den Gesamtzustand der Maschine möglich. Typabhängig sind nach dem Abstellen zwecks Abkühlung der Maschine einige (z. B. 20) Stunden Turnbetrieb erforderlich, bevor die Brennkammern begangen bzw. demontiert werden können. Unter den Voraussetzungen keine befundabhängigen Reparaturmaßnahmen, geeignete Vorbereitung und qualifizierte Befundaufnahme lässt sich die Inspektion im günstigsten Fall während eines Wochenendstillstandes durchführen. Wartungsarbeiten wie die Wartung der Ansaugluftfilter können sinnvoll mit der Inspektion koordiniert werden. Die Intervalle für (kleine) Inspektionen betragen für kontinuierlich betriebene Grundlastmaschinen bis zu 8000 EOH. Bei Spitzenlast- und Mittellastbetrieb ergeben sich häufig – insbesondere während der Wochenenden – Zeitabschnitte, in denen die Gasturbine für mehr als einen Tag abgeschaltet wird. Solche Stillstände
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sollten zusätzlich für eine (kleine) Inspektion genutzt werden, um zusätzliche Serviceerfahrungen zu gewinnen und spätere Inspektionen und Revisionen noch besser vorbereiten zu können. Für Maschinen mit Verbrennung flüssiger Brennstoffe kann es erforderlich sein, bei erhöhtem Verschleiß der Einspritzdüsen durch stärkere Verunreinigungen im Brennstoff die Ölbrenner in kürzeren Intervallen zu kontrollieren. Dies gilt auch für Brennerausführungen, die empfindlich gegen Verkokung sind. Bei aschebildenden schweren Brennstoffen werden Flammrohre und Brenner aus Anlass der Turbinenwäsche gemäß Inspektionscheckliste inspiziert.
38.4.3 Heißteilinspektion und Revision Wie bereits dargelegt, sind für die Instandhaltungsplanung der Gasturbinen die Heißteile führend. Grundsätzlich muss vorausgesetzt werden, dass die Heißteile der Gasturbine, hier besonders die Turbinenschaufeln, nur für eine begrenzte Lebensdauer ausgelegt sind. Die Auslegung trägt der Kriechschädigung dadurch Rechnung, dass die Schaufeln mechanisch auf der Basis der Zeitstandfestigkeit ausgelegt werden. In Abb. 38-3 ist schematisch der Verlauf der Grundwerkstofflebensdauer über der Betriebszeit unter Berücksichtigung des Einflusses des Refurbishments dargestellt. Um diesen mechanischen Nutzungsvorrat auch wirklich nutzen zu können und nicht durch Grundwerkstoffangriff zu gefährden, erfordern einige Schaufelreihen ein zusätzliches Schutzsystem gegen Hochtemperaturkorrosion und Oxidation (s. Kap. 24). Ein solches Schutzsystem hat eine begrenzte Schichtdicke und einen begrenzten Vorrat an schützenden Elementen (z. B. Aluminium). Eine Schutzschicht hat daher den Charakter einer Verbrauchsschicht, besitzt wesentlich niedrigere
100% C
Lebensdauer
Grundmaterial
A
Schutzschicht A
B
E
0% t0
Abb. 38-3 Lebensdauer und Refurbishment von Heißteilen
A B tAld C, E
tA
tA
tB
tA
tA tAld Betriebszeit
Inspektion Revision oder Heißteilinspektion mit Refurbishment Lebenserwartung (Auslegung) Erwarteter Zustandsverlauf von Grundmaterial und Schutzschicht
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Standzeiten als die mechanische Nutzungsdauer der Bauteile selbst und muss deshalb in bestimmten Abständen erneuert werden. Zur Erneuerung der Oberflächenschutzschicht werden die Turbinenschaufelreihen mit verbrauchten Schutzschichten während der Heißteilinspektion ausgebaut und gegen neu beschichtete Schaufeln getauscht. Dabei sichern die zwischenzeitlichen Inspektionen den Zeitraum zwischen den Heißteilinspektionen ab, indem festgestellt wird, ob der Schutzschichtverbrauch innerhalb der zulässigen Grenzen liegt. Die Heißteilinspektion (sofern im Instandhaltungsprogramm des jeweiligen Herstellers vorgesehen) umfasst primär die Überholung der Heißteile und beinhaltet die Demontage der Brennkammern, des Außengehäuses, des Turbinenleitschaufelträgers bzw. alternativer Leitringe sowie der Lauf- und Leitbeschaufelung der Turbine. Bei der reinen Heißteilinspektion wird der Verdichter nur endoskopiert und nicht weiter demontiert. Allerdings wird dieser Inspektionstyp in der Praxis häufig um einige Aspekte erweitert, die streng genommen der Revision (s. u.) zuzurechnen sind: • Durch Demontage von Leitschaufelträgern und Leitscheiben im Verdichterbereich können diese im vorderen Bereich infolge Nasskorrosion angegriffenen Bauteile durch Säuberung und Schmierung wieder gängig gemacht werden, was im Bedarfsfall den Tausch einzelner Verdichterleitschaufeln erleichtert. • Die bei der Revision üblichen visuellen Begutachtungen und (zerstörungsfreie) ZF-Materialprüfungen bieten gegenüber der endoskopischen Beurteilung eine wesentlich höhere Befundungsqualität, d. h. eine höhere Sicherheit gegen einen Verdichterschaden. • Durch Öffnen und Säubern der Verdichterlauf- und Leitschaufeln kann die Restverschmutzung beseitigt werden und somit ein verbesserter Rückgewinn von Leistung und Wirkungsgrad erzielt werden. Die Ausgestaltung der Heißgasteilinspektion erfolgt gemäß Kundenwunsch, dazu bietet das mindestens ein Jahr vor Durchführung der Heißgasteilinspektion stattfindende Vorbereitungsgespräch eine geeignete Basis. Dieses Gespräch stützt sich auch auf die Ergebnisse der letzten Inspektion, sodass nicht zuletzt befundabhängig über den Umfang der Heißteilinspektion entschieden wird. Heißteilinspektionsintervalle betragen 24 000 oder 25 000 EOH, bei einzelnen GT-Typen auch 33 000 EOH und 41 000 EOH (Siemens SGT5-2000E (V94.2)). Anlässlich der Revision ist das Refurbishment der beschichteten Verdichterschaufeln zur Prävention von Lochfraßkorrosion erforderlich [38.12], ebenso werden die oben genannten Arbeiten im Verdichterbereich durchgeführt. Generell ist der Umfang der Heißinspektion Bestandteil der Revision. Weiter werden die Hilfsanlagen der Gasturbine eingehend inspiziert. Bei einer Revision werden alle Teile der Gasturbine auf Veränderungen hin überprüft, die Betriebssicherheit, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit gefährden können. Zu diesen Veränderungen zählen zum Beispiel Undichtigkeiten, bleibende Verformungen, Verschleiß, Risse, Verschmutzung und Korrosion. Weiter wird mit der Heißteilinspektion oder mit der Revision durch die Wiederherstellung glatter Turbinenschaufeloberflächen und glatter Verdichterschaufeloberflächen, der Säuberung der GT-Strömungskanäle und der Neueinstellung der Radialschaufelspalte ein Wiedergewinn an Wirkungsgrad und Leis-
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tung erzielt (Abb. 38-1). Wegen bleibender Alterungseinflüsse können die ursprünglich bei der Neuanlagengarantiemessung gemessenen thermodynamischen Werte (new and clean) jedoch nicht wieder erreicht werden. Die Veränderungen des GTWirkungsgrades verhalten sich analog zur Darstellung in Abb. 38-1. Das Intervall für die Revision ist doppelt so groß wie das Heißteilinspektionsintervall (insofern beide Inspektionstypen angewendet werden). Die Anwender verlängerter Inspektions- und Revisionsintervalle, insbesondere für Grundlastmaschinen, nutzen ihre Anlage besser aus, erhöhen die jährliche Produktion elektrischer Energie und senken die Instandhaltungskosten durch eingesparte Inspektionen und Revisionen. Beide Effekte senken die Stromgestehungskosten. Verschiedene Hersteller bieten auf ihre Flotte zugeschnittene Upgradepakete zur Inspektions- und Revisionsintervallverlängerung an [38.27–38.30, 38.33]: • General Electric bietet z. B. für den GT-Typ MS9001E das EXTENDOR-Brennkammer-Upgrade-Paket (Firmenbezeichnung) zur Verlängerung des Brennkammerinspektionsintervalls von 8000 auf bis zu 16 000 Betriebsstunden an. Erklärtes Endziel ist die weitere Verlängerung des Brennkammerinspektionsintervalls von 16 000 auf 24 000 Betriebsstunden, d. h. die Brennkammerinspektion würde mit der Heißteilinspektion zusammenfallen und als gesonderter Inspektionstyp entfallen. • Siemens hat bei dem GT-Typ SGT-2000E (V94.2) das Revisionsintervall von 33 000 EOH auf 41 000 EOH erhöht und bietet ein diesbezügliches Upgradepaket an. Diese Verlängerung bedeutet für eine GuD-Grundlastmaschine einen Revisionsstillstand erst nach fünf (Kalender-)Jahren statt, wie vorher, nach vier Jahren. • Alstom Power bietet für die GT13E2 mit modernisierter Turbinenbeschaufelung des Typs M und weiteren Heißteilupgrades neben einem Revisionsintervall von 24 000 EOH eine Option auf eine Intervallverlängerung auf 36 000 EOH bei leicht reduzierter Turbineneintrittstemperatur an. Die Vorbereitung der Heißteilinspektion oder Revision durch Betreiber und Hersteller umfasst die Themen Befunde aus der vorausgegangenen Inspektion, vom Hersteller empfohlene technische Änderungen, Ersatzteilbedarf, Bedarf an Fachpersonal des Herstellers, Bedarf an Leihwerkzeugen und organisatorischer Ablauf. Die Heißteilinspektion oder Revision kann bei einigen GT-Typen im Kraftwerk durchgeführt werden. Einige Prüf- und Instandsetzungsarbeiten (z. B. Überholung von Brennstoffkugelhähnen) werden jedoch i. d. R. beim Hersteller oder in einer geeigneten Werkstatt durchgeführt. Der Ablauf von Heißteilinspektionen und Revisionen beinhaltet folgende wesentliche Schritte: • • • •
Erfassung der Betriebsdaten vor dem Abstellen, Protokollieren erforderlicher Montagespalte, Unterstützung der Maschine und Demontage der Gehäuseoberteile, Befundaufnahme sowie zerstörungsfreie Materialprüfung von Komponenten gemäß Checkliste, • Instandsetzung oder Austausch abgenutzter Teile, Reinigen der Komponenten,
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• Wiederzusammenbau der Gasturbine, dabei wird der Istzustand entsprechend der Revisionscheckliste protokolliert, • Wiederinbetriebnahme der Anlage und Neueinstellung der Grundlast, dabei werden wichtige Betriebsaufschreibungen protokolliert, • Freigabe der Maschine für den Betrieb und • Zusammenstellung der Dokumentation. Der Arbeitsaufwand und die Stillstandszeit für die Heißteilinspektion und Revision sind von mehreren Bedingungen abhängig: • Verfügbarkeit der erforderlichen Ersatzteile vor Ort, Entzollung etc., • Anzahl der eingesetzten Arbeitskräfte, Anzahl der Schichten pro Tag und pro Woche, • Erfahrung und Ausbildung der eingesetzten Fachkräfte und Hilfskräfte, • Krankapazität, Verfügbarkeit erforderlicher Montagewerkzeuge, geeignete Ablageflächen und Arbeitswege, • Verfügbarkeit lokaler Werkstätten und • keine außergewöhnlichen Befunde.
38.4.4 Ersatzteile und reparierte Teile Abhängig von den o. g. Bedingungen sowie bei der heute üblichen Verwendung von beschichteten Turbinenschaufeltauschreihen zur Überbrückung der RefurbishingZeit sind Standardstillstandszeiten gemäß Herstellerangaben erreichbar. Mit der Nutzung von zusätzlichen Tauschkomponenten kann die Instandsetzung zeitkritischer Komponenten auf die Zeit nach Revisionsabschluss verlagert werden (replace first, repair later). Nach Instandsetzung werden diese Komponenten dem Ersatzteillager des Betreibers oder einem gemeinsamen Ersatzteilpool mehrerer Betreiber zugeführt und im Ringtausch bei der nächsten Heißteilinspektion oder Revision einer anderen Maschine eingesetzt. Zwecks langfristiger Budgetplanung für werterhebliche Ersatzteile geben Hersteller den Austausch- und Reparaturumfang wesentlicher Gasturbinenkomponenten in der Form einer bestmöglichen Prognose an, z. B. 100 000 EOH Lebensdauererwartung für die hinteren, ungekühlten Turbinenstufen. Dabei geht man häufig von folgenden Voraussetzungen aus: • kontinuierliche Grundlastbetriebsweise mit einer begrenzten Anzahl von Starts, • Brennstoff Erdgas sowie Ansaugluft gemäß Herstellerspezifikation und • Betrieb und kalendermäßige Wartung (day to day maintenance), Inspektions- und Revisionsdurchführung gemäß Instandhaltungsvorgaben des Herstellers. Die auf Komponentenauslegungen beruhenden Lebensdauerprognosen sind insbesondere bei den technologisch fortgeschrittenen Gasturbinentypen (F-class, Hclass) durch revisionsbegleitende Lebensdaueruntersuchungen, insbesondere an Heißteilen, abzusichern. Weiter ist zu beachten, dass wie oben festgestellt die EOHBewertungsfaktoren für die ungünstigste Komponente gewählt wurden, die Kom-
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ponenten also beispielsweise zum Zeitpunkt einer Revision bei 25 000 EOH einen unterschiedlichen Abnutzungsgrad aufweisen. Hinzu kommen Unterschiede in der vom Hersteller erreichten Auslegungslebensdauer. In einigen Fällen werden Upgrades (häufig verbessertes Kühlungsdesign und verbesserte Schutzschichten) auf der Basis gesammelter Flottenerfahrungen erforderlich sein, um Frühausfälle und Zwangsstillstände abzustellen und die geplanten Austauschintervalle zu erreichen. Mit der zunehmenden Anwendung gekühlter Turbinenschaufeln sowie der Einführung fortschrittlicher gerichtet erstarrt oder als Einkristall abgegossener Schaufelmaterialien der hochwertigen vorderen Turbinenschaufelreihen der Hochtemperaturgasturbinen der F-Klasse erhöhen sich die Anforderungen an die Wiederaufarbeitung (Refurbishment, Reconditioning) dieser Schaufeln. Zusätzlich zu den eingeführten zerstörungsfreien Prüfverfahren (Röntgen, Ultraschall, Fluoreszenzverfahren etc.) bemühen sich Gasturbinenhersteller und Reparaturfirmen um weitere Verfahren zur Risserkennung. So wird in [38.36] über das akustisch-thermografische SIEMAT-Prüfverfahren, insbesondere zur Risserkennung an inneren Oberflächen der Kühlkanäle, berichtet. Dieses Verfahren basiert auf der Einbringung von Schwingungsenergie durch Ultraschallerregung und der dadurch erzeugte Wärmeentwicklung an Rissen, die durch eine Infrarotkamera detektiert wird. Verbesserte Reparaturverfahren wie Schweißen und Löten von gerichtet-erstarrten Schaufeln oder Einkristallschaufeln sowie das erneute Öffnen feiner Filmkühlbohrungen nach der Wiederbeschichtung sind notwendige Basisverfahren, um die hochwertigen vorderen Turbinenschaufelreihen für ein zweites oder sogar drittes Heißteilinspektionsintervall wieder aufzubereiten [38.34, 38.35]. Gerade die hochpreisigen vorderen Turbinenschaufelreihen gehen erheblich in die Investitionskosten und in die Servicekosten ein. Eine schonende, möglichst kontinuierliche Betriebsweise wirkt sich positiv auf die Heißteillebensdauer aus und diese ist durch Berücksichtigung der konkreten GTBetriebsdaten in (Rest-)Lebensdauerbetrachtungen einzubeziehen (s. Kap. 39).
38.5 Instandhaltungsmanagement und langfristige Serviceverträge Hand in Hand mit den in den vergangenen Jahren rasch gewachsenen Flotten stationärer Gasturbinen ist auch der GT-Servicemarkt expandiert. GT-Hersteller haben in den Vertriebsregionen ihre Präsenz verstärkt und lokale Unternehmen gegründet. Traditionelle Serviceleistungen wie Inspektionen, Reparaturen, Montagen, Ersatzteillieferungen und Kundenberatung wurden ausgeweitet und eine Palette von Modernisierungsprodukten wurde generiert (s. Kap. 39). Darüber hinaus hat man moderne internetbasierte Tools wie Ferndiagnose mit Onlinezugriff auf die Gasturbinendaten zur Betriebsoptimierung und Schadensverhütung im Einsatz. Des Weiteren wurden Ersatzteilpools und Hotlines für Problemfälle eingeführt [38.17, 38.25, 38.26]. Im Wettbewerb mit den GT-Herstellern (Original Equipment Manufacturer, OEM) treten weitere Reparaturfirmen und Ersatzteilproduzenten (Non-OEM) auf den Servicemarkt. Traditionell betreibt der Kraftwerkseigner das Kraftwerk selber,
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führt auch einen großen Teil der Instandhaltung selber aus und vergibt die noch verbleibenden Serviceleistungen projektspezifisch in Einzelverträgen an Unterlieferanten. Demgegenüber richten insbesondere die unabhängigen Investoren auf den liberalisierten Strommärkten (IPPs) ihren Fokus auf Anlagenrentabilität und Risikominimierung und haben langfristige Servicevertragsmodelle vorangetrieben [38.18– 38.23]. Diesen Modellen liegt das Kundeninteresse zu Grunde, mittels langfristiger Fremdvergabe Instandhaltungs-, Betriebs- und Kostensteigerungsrisiken zum GTHersteller oder zu einem anderen Anbieter hin zu transferieren. Solche Verträge beinhalten Festpreise und laufen über einen Zeitraum von zwei bis 25 Jahre. Den Serviceanbietern eröffnen diese Modelle die Chance der langfristigen Kundenbindung. Langfristige Ersatzteillieferverträge (z. B. für eine Betriebszeit von 100 000 Betriebsstunden für eine kontinuierlich betriebene Gasturbine) dienen der Absicherung der erwarteten Ersatzteillebensdauer, der Festschreibung der Ersatzteilpreise und der Erzielung eines deutlichen Mengenrabatts, insbesondere für die kostenintensiven Heißteile. Mit der Festlegung des Ersatzteilvolumens für die Betriebszeit wird im Grunde die Ersatzteilgarantie verlängert. Der GT-Eigner kann mit dieser Vertragsvariante bereits einen erheblichen Anteil der Life-Cycle-Kosten absichern. Weit darüber hinaus gehen Instandhaltungs- und Betriebsführungsverträge (Operation-&-Maintenance-Verträge), in denen der Kunde Instandhaltung und Betriebsführung mit den damit verbundenen Risiken an das O&M-Unternehmen – wegen des GT-Know-hows meistens ein Unternehmen des GT-Herstellers – überträgt. Solche Verträge sind häufig Teil eines dreistufigen Kraftwerksprojektes: • Standortentwicklung, Kraftwerkserrichtung und Inbetriebsetzung, • Betrieb und Instandhaltung im Rahmen des O&M-Vertrags und • Transfer an den Kunden nach Beendigung der O&M-Vertragszeit. In O&M-Verträgen werden unter anderem: • die Liefergrenzen (welche Kraftwerkskomponenten sind eingeschlossen?), • das Betriebsprofil der GT (wann sollen Inspektionsstillstände stattfinden?) und • Garantien für die über die Laufzeit festgelegten betrieblichen Kennwerte wie Leistung, Wirkungsgrad, Zuverlässigkeit und Zeitverfügbarkeit festgelegt; dies dient der Erfüllung der langfristigen Stromliefer- und Brennstoffabnahmeverträge und ist häufig mit einer Bonus-Malus-Regelung verbunden. Durch die starke Einbindung des GT-Herstellers können Betriebsergebnisse optimiert und Instandhaltungskosten minimiert werden, der Anlagennutzen kann durch gezielte Modernisierungsmaßnahmen über den Originalzustand hinaus noch erhöht werden (s. Kap. 39). Die wachsende Bedeutung langfristiger Serviceverträge wird in [38.24] unterstrichen. O&M-Verträge variieren in der Praxis sehr stark, es gibt O&M-Verträge mit 100%-GT-Herstellerbeteiligung wie auch Joint-Ventures. Weiter werden auch reine Instandhaltungsverträge ohne die Aufgabe der Betriebsführung abgeschlossen.
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G. Bohrenkämper
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Kapitel 39
Modernisierungen im Gasturbinenservice Gerhard Bohrenkämper
39.1 Ältere Gasturbinenanlagen im Wettbewerb Ähnlich anderen Wärmekraftwerken wird für Gasturbinenkraftwerke eine Nutzungsdauer von 30 bis 40 Jahren zu Grunde gelegt. In diesem Zeitraum altert eine Gasturbinenanlage. Verglichen mit dem Auslieferungszustand, nehmen Wirkungsgrad und Leistung deutlich ab und Schadstoffemissionen können ansteigen. Andererseits drängen hocheffiziente und schadstoffarme Gasturbinen der neuesten Generation auf den Markt. Sie repräsentieren den aktuellen Stand der Technik und treiben damit die Herabsetzung der Genehmigungswerte für Schadstoffemissionen an. Möglicherweise genießen sie darüber hinaus aufgrund ihrer Effizienz Steuervorteile. Da außerdem die modernen Gasturbinenanlagen in der Zeit der Liberalisierung des Strommarktes, des Markteintritts unabhängiger Stromerzeugungsunternehmen und des verschärften Wettbewerbs bezüglich Betriebsführung und Instandhaltung erfolgreich optimiert werden, drohen im Vergleich dazu die älteren GT-Kraftwerke technisch und wirtschaftlich unattraktiv zu werden. Damit stellt sich ihren Betreibern die Aufgabe, Modernisierungspotenzial und Modernisierungsoptionen für ihren Gasturbinentyp zu analysieren. Technologien aus fortgeschrittenen GT-Typen werden von Herstellerseite in Upgradepakete eingebracht, z. B. Werkstoffe und Kühlverfahren für Heißteile oder schadstoffarme Verbrennungstechnologien. Der bei Gasturbinen, insbesondere im Heißgaspfad, im Vergleich zu Dampfturbinen weitaus häufigere Routineservice bietet vielfältige Möglichkeiten für Modernisierungen. Dabei wird der Gasturbinenbetreiber Modernisierungsmaßnahmen mit hohem Nutzen und mit kurzen Amortisationszeiten den Vorzug geben. Modernisierungsmaßnahmen sind überwiegend mit den geplanten Inspektionsund Revisionsstillstandzeiten vereinbar.
C. Lechner, J. Seume, Stationäre Gasturbinen DOI 10.1007/978-3-540-92788-4, © Springer 2010
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G. Bohrenkämper
39.2 Modernisierungsthemen 39.2.1 Uprate-Optionen Zur Verbesserung von elektrischer Leistung und Wirkungsgrad, in der englischsprachigen Literatur als Uprate bezeichnet [39.1], gibt es eine Reihe technisch bewährter Nachrüstungsmaßnahmen. Maßnahmenabhängig bestehen starke Unterschiede in den Auswirkungen auf die thermodynamischen Kennwerte; so kann sich zum Beispiel eine leistungssteigernde Maßnahme auch zu Ungunsten des Wirkungsgrads auswirken (z. B. Wassereinspritzung in die Brennkammer). Weiter spielt es eine große Rolle, ob die Gasturbine in den einfachen Gasturbinenprozess oder in einen kombinierten Prozess eingebunden ist (Tabelle 39-1). Nahe liegende und auch die am meisten eingesetzten Modernisierungsmaßnahmen sind diejenigen, die innerhalb der Evolution eines GT-Typs eingesetzt worden sind, damit bereits betriebsbewährt sind und eine ältere Version auf eine modernere Typversion anheben können. So wurde die Gasturbine SGT5-2000E (V94.2)
Tabelle 39-1 Bewertung von Uprate-Optionen GT-Prozess
Kombiprozess
Option
Leistung Wirkungsgrad
Leistung Wirkungsgrad
Bemerkung
Erhöhung des Verdichtereintrittsmassenstroms
"
"
Änderungen meist auf den Verdichterbereich beschränkt
Steigerung der Turbineneintrittstemperatur TITISO
"
"
"
"
Änderungen an Heißteilen erforderlich
Schaufelprofile mit höherem Wirkungsgrad, reduzierte Sekundärluftströme
"
"
"
"
–
Wassereindüsung zur " Leistungssteigerung (PAG)
#
"
#
Überwiegend für Spitzenlaststrom
Dampfeindüsung zur " Leistungssteigerung (PAG)
Nicht anwendbar
"
#
Überwiegend für Spitzenlaststrom
Verdunstungskühlung im Ansaughaus
"
"
"
Einsatz überwiegend in heißem, trockenem Klima
Nassverdichtung durch Wassereindüsung in das Ansaughaus
"
"
"
Beinhaltet einen Anteil Verdunstungskühlung
Heizgasvorwärmung
"
"
–
" Steigerung
# Reduzierung
nicht oder nur leicht beeinflusst
39 Modernisierungen im Gasturbinenservice
1085
von Siemens für Neuinstallationen von ursprünglich 110 MW bei einer Turbineneintrittsmischtemperatur nach ISO (TITISO , s. Abschn. 2.1) von 930 °C schrittweise auf 168 MW bei einer TITISO von 1080 °C angehoben [39.2, 39.24]. Eine wesentlich auf Leistungssteigerung zielende Maßnahme ist die Erhöhung des Verdichtermassenstroms durch weiteres Aufdrehen des verstellbaren Verdichtervorleitgitters, gegebenenfalls einhergehend mit einer aerodynamischen Änderung einiger vorderer Verdichterschaufelreihen durch Schaufelaustausch. In der Vergangenheit war eine solche Nachrüstung häufig verknüpft mit dem Ersatz einer ursprünglich starren Verdichtervorleitreihe durch eine verstellbare. Letztere Maßnahme hält die Gasturbinenabgastemperatur in einem weiten Teillastbereich (z. B. zwischen 60% und 100%) konstant und verbessert damit ganz erheblich den Teillastwirkungsgrad im kombinierten (GuD-)Prozess. Die Erhöhung der Turbineneintrittsmischtemperatur TIT ISO um z. B. 50 °C bei einer Gasturbine SGT5-2000E (V94.2) mit 140 MW bewirkt eine Leistungssteigerung von 8,5% und eine Reduzierung des Brennstoffverbrauchs um 1,1%, jeweils im einfachen GT-Prozess [39.2]. Die mit dieser Maßnahme erreichbare Wirkungsgradverbesserung macht diese Uprate-Option besonders interessant. Ermöglicht werden solche Verbesserungen durch Weiterentwicklungen der Komponenten im Heißgasbereich. Diese umfassen eine verstärkte Bauteilkühlung (z. B. durch effektivere Prallkühleinsätze für Leitschaufeln), eine höhere Materialfestigkeit (z. B. infolge des Wechsels von dem Kobaltbasiswerkstoff FSX414 auf den Nickelbasiswerkstoff IN738LC) oder den Übergang von Diffusionsschutzschichten (z. B. der Chromierung) auf oxidationsbeständigere MCrAlY-Auflageschutzschichten für die vorderen Turbinenstufen (s. Kap. 24). In der Literatur [39.2–39.9, 39.24–39.29] sind solche Evolutionen eingehend beschrieben. Die Verbesserung des Verdichterwirkungsgrades durch verlustärmere Profile oder Verringerung der Spaltverluste bewirkt einen leichten Anstieg von GT-Leistung und Wirkungsgrad. Während verlustärmere Profile i. d. R. nur mit der Neuprofilierung von Ersatzschaufelreihen im Falle von Verdichtermassenstromerhöhungen einher gehen, sind verbesserte Abdichtungen durch verringerte Labyrinthspalte, Bürstendichtungen (brush seals), Anstreifkanten an den Laufschaufelspitzen und Einlaufschichten zur Verringerung der Radialspalte zwischen Laufschaufelspitzen und Stator (abradable coatings) je nach GT-Bauweise profitabel nachrüstbar. Weiter kann eine Beschichtung der kompletten Verdichterbeschaufelung zur Verringerung der Oberflächenrauhigkeit sinnvoll sein. Die Verbesserung des Turbinenwirkungsgrades durch verlustärmere Profile oder eine Verringerung des Kühl-, Leckage- und Sperrluftverbrauchs (häufig als Turbinensekundärluft bezeichnet) wirkt sich relativ stärker auf die GT-Leistung und den GT-Wirkungsgrad aus, da sich diese Maßnahmen auf die Turbinenleistung beziehen und diese etwa das Doppelte der GT-Leistung beträgt. Verbesserte Grund- und Schichtwerkstoffe, eine effektivere Kühlung oder eine Kühlluftregelung können dazu beitragen, Kühlluft einzusparen. Mögliche Abdichtungsmaßnahmen zur Reduzierung von Leckage und Sperrluftströmen sind Einlaufschichten oder Honigwabendichtungen (honeycomb seals) zur Verringerung der Radialspalte zwischen Lauf-
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Tabelle 39-2 Uprate-Optionen mit Beitrag der Einzelmaßnahmen (MS7000B von General Electric) Option
I
II
III
Firing temperature (TF) TF nach Uprate TF-Steigerung
1004 °C 0 °C
1004 °C D Basis 1041 °C 1074 °C 37 °C 70 °C
IV 1104 °C 100 °C
Leitungssteigerung [%] TF-Steigerung Verdichtermassenstromerhöhung Effektivere Dichtungen Verstärkte Kühlung Turbinenschaufel Übrige Gesamt
– 4,7 0,6 –
6,7 4,7 0,9 2,6
12,8 4,7 1,1 2,6
18,2 4,7 1,1 2,6
– 5,3
– 9,8
– 16,2
0,2 22
Reduzierung Brennstoffverbrauch [%] TF-Steigerung Verdichtermassenstromerhöhung Effektivere Dichtungen Verstärkte Kühlung Turbinenschaufel Übrige Gesamt
– 0,5 2,3 –
1,1 0,5 2,6 1,5
2 0,5 2,8 1,5
2,6 0,5 2,8 1,5
– 2,8
– 2,7
– 3,8
0,1 4,5
schaufelspitzen und Stator sowie Bürstendichtungen zur Spaltabdichtung. Zu beachten ist, dass zum einen der Einsatz dieser Technologien stark von der konstruktiven Ausführung der abzudichtenden Bauteile abhängt. So machen Honigwabendichtungen im Stator als Gegenüber zu den Laufschaufelspitzen nur dann Sinn, wenn die Laufschaufeln mit Außendeckband und Labyrinthdichtung ausgeführt sind. Bei allen Turbinensekundärlufteinsparungen ist sicherzustellen, dass noch eine ausreichende Sperrwirkung durch eine ausreichend große Sperrluftmenge verbleibt, um eine Bauteilüberhitzung z. B. von Läuferteilen infolge Rauchgaseintritt sicher auszuschließen. Wegen der streng konisch ausgeführten Außenkontur des Turbinenströmungskanals kann bei einigen Modellen der Siemensbaureihe eine hydraulische Optimierung der Turbinenradialspalte angewendet werden und bei älteren Maschinen nachgerüstet werden. Dieses Prinzip beruht auf der Reduzierung der Turbinenradialwarmspalte durch eine axial wirkende Läuferverschiebung im Millimeterbereich während des stationären Betriebs [39.24]. Die Verbesserung des Turbinenwirkungsgrad – z. B. durch verlustärmere Profile führt bei gleichbleibenden Turbineneintrittsbedingungen zu einem Absinken der Abgastemperatur. Diese für die Performance des ungefeuerten Kombiprozesses nachteilige Nebenwirkung kann möglicherweise durch eine gleichzeitig realisierte Sekundärlufteinsparung teilweise verhindert werden oder durch eine moderat er-
39 Modernisierungen im Gasturbinenservice
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höhte TITISO oder durch ein moderat abgesenktes Verdichterdruckverhältnis wieder ausgeglichen werden. Ein aerodynamisches Upgrade, basierend auf modernen 3D-CFD Auslegungsverfahren für die ersten zwei Turbinenstufen der Siemens SGT5-2000E (V94.2), verbunden mit Turbinenkühllufteinsparungen, wird in [39.24] berichtet, die erreichten Leistungs- und Wirkungsgradverbesserungen betragen 4 MW und 0,8 Prozentpunkte. Eine komplett überarbeitete 5-stufige Turbine der Alstom 13E2 bewirkte Leistungs- und Wirkungsgradverbesserungen von 6,2 MW und 0,4 Prozentpunkten [39.26–39.28]. In der Praxis werden Maßnahmen zur Steigerung von Verdichtermassenstrom, TITISO und zur Verbesserung von Verdichter- und Turbinenwirkungsgrad häufig zu Uprate-Paketen gebündelt. Johnston beschreibt in [39.3] vier abgestufte UprateOptionen für die im Jahre 1979 eingeführte MS7000B (Tabelle 39-2). Option I umfasst einen erhöhten Verdichtereintrittsmassenstrom sowie verbesserte Dichtungen, die anderen Optionen schließen zusätzlich eine Turbineneintrittstemperaturerhöhung (hier bezogen auf die „firing temperature“, die Eintrittstemperatur vor der Laufreihe 1, s. Abschn. 2.1) unterschiedlichen Ausmaßes ein. Während die Turbineneintrittstemperaturerhöhung um 37 °C im Falle der Option II von der Abgasstrecke her zulässig ist, ist für die volle Ausschöpfung der von dem Heißgaspfadupgrade selbst zugelassenen Temperaturerhöhung um 100 °C der Austausch der Abgasstrecke erforderlich. Somit werden mit den vier gezeigten Optionen projektspezifische Lösungen ermöglicht. Deutlich wird in dem Beispiel ebenfalls, dass der infolge Temperaturerhöhung ansteigende Kühl- und Sperrluftverbrauch bei den Optionen II bis IV einen Teil des Nutzens aufzehrt. Insbesondere zwecks der Erzeugung von Spitzenlaststrom wird zur temporären Leistungssteigerung (insbesondere auf dem US-Markt als „power augmentation“ (PAG) bekannt) demineralisiertes Wasser oder Wasserdampf der Brennkammer zugeführt (z. B. durch spezielle Düsen in der Brennerkombination). Bei der 60 HzGasturbine V84.2 von Siemens sind Wassermengen bis hin zur zweifachen Brennstoffmenge zulässig; die erzielbare Leistungssteigerung beträgt bis zu 15%. Die Gründe für die deutliche Leistungssteigerung liegen in dem für die Entspannung in der Turbine zusätzlich nutzbaren Heißdampf massenstrom, für den keinerlei Verdichtungsarbeit aufgewendet werden muss und der gegenüber Heißluft eine höhere spezifische Enthalpie besitzt. Allerdings geht mit dem Abgas die Verdampfungsenergie verloren, sodass in dem angeführten Beispiel für die maximal zulässige Wassermenge eine Verschlechterung des Wirkungsgrades von bis zu 6% (ca. 2 Prozentpunkte), bezogen auf den Ursprungswert, hingenommen werden muss. Bei Nachrüstungen sind die Wirkungen des erhöhten Druckverhältnisses, wie verringerter Pumpgrenzabstand und erhöhte Gehäusebeanspruchung, ebenso zu berücksichtigen wie die Zunahme des Inspektions- und Reparaturaufwandes durch stärkeren Verschleiß heißgasführender Bauteile (s. Kap. 38). Stationäre, bei konstanter Netzfrequenz arbeitende Gasturbinen weisen einen konstanten Volumenstrom im Verdichtereintritt auf. Die Dichte der angesaugten Umgebungsluft und damit der Verdichtermassenstrom und die GT-Leistung nehmen jedoch mit zunehmender Umgebungstemperatur ab. Da demgegenüber unter diesen
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Abb. 39-1 Leistungserhöhung durch Verdunstungskühlung und Nassverdichtung (SGT5-2000E (V94.2) von Siemens) 22,0
elektrische Leistungssteigerung [%]
20,0 Relative Umgebungsluftfeuchte
18,0
10% RH 16,0
20% RH
14,0
30% RH 40% RH
12,0
50% RH 10,0
60% RH 70% RH
8,0
80% RH
6,0
Annahme: • Aufsättigung auf 100% Luftfeuchtigkeit • gerechnet für GT-Typ W501 D5A
4,0 3,0 0 7
10
13
16
18
21
24
27
39
32
35
38
41
44
46
49
Umgebungstemperatur [°C]
Abb. 39-2 Leistungssteigerung durch Verdunstungskühlung der Ansaugluft, abhängig von Umgebungsluftfeuchte und Umgebungstemperatur
klimatischen Bedingungen der Strombedarf an vielen Standorten steigt, wurden Verfahren zur Kühlung der Verdichteransaugluft und damit der Verdichtermassenstromund Leistungserhöhung entwickelt und eingesetzt. Der Verdunstungskühler (evaporative cooler) arbeitet mit einer Art „Wasservorhang“ im Filterhaus, bei der angesaugte heiße Umgebungsluft mit Wasser befeuchtete Matten durchströmt, dabei das Wasser verdunstet und sich infolge der aufgewendeten Verdunstungswärme abkühlt [39.10, 39.13]. Dies kommt einer Erhöhung der relativen Luftfeuchte des Ansaugmassenstroms gleich.
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Zusätzlich zur Leistungssteigerung (Abb. 39-1 [39.31] und 39-2 [39.12]) wird – ganz im Gegensatz zur Wassereindüsung in die Brennkammer – im einfachen GTProzess eine Wirkungsgradverbesserung erzielt und im GuD-Prozess kann der Wirkungsgrad annähernd gehalten werden. Der Eigenbedarf an elektrischer Energie ist gering und für das eingesetzte Wasser ist Trinkwasserqualität ausreichend. Weiter ist bei der Bilanz die dauerhafte Zunahme des Druckverlustes im Ansaughaus um ca. 2 mbar zu bewerten und die nachträgliche Installation erfordert bauliche Änderungen am Ansaughaus. Der Nutzen ist stark klimaabhängig (Abb. 39-2). Bei ohnehin hoher Luftfeuchtigkeit ist kein ausreichender Spielraum zur Aufsättigung mehr gegeben, bei niedrigen Umgebungstemperaturen unter der Einsatzgrenze von 10 °C ist diese Betriebsart wegen der Gefahr von Eisbildung im Verdichtereintritt nicht mehr freigegeben. An Standorten mit heißem und trockenem Klima ist eine solche Nachrüstung besonders effektiv und amortisiert sich innerhalb weniger Monate. Die praktische Nutzung direkter Kühlung der Ansaugluft mithilfe von Kältemaschinen [39.13] ist bisher auf Gasturbinen kleinerer Leistung begrenzt geblieben. Nachteilig sind der für einen großen Ansaugluftmassenstrom hohe apparative Installationsaufwand sowie der dauerhafte Druckverlust durch die Installation im Ansaughaus. Verfahrenspezifisch ergibt sich für das Kompressorverfahren der Nachteil eines immensen Stromeigenbedarfs, der mit zunehmender Umgebungsluftfeuchtigkeit stark ansteigt. Für den Absorptionskühler ist ein aufwändiger Wärmetauscher in der GT-Abgasstrecke erforderlich. Wegen der hohen Investitionskosten ist die Amortisationszeit für beide Verfahren direkter Ansaugluftkühlung sehr lang.
Abb. 39-3 Leistungssteigernde Effekte der Nassverdichtung
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Eine Nassverdichtung (wet compression, Abb. 39-1 und 39-3) der Verdichteransaugluft wird durch die Eindüsung großer Wassermengen in den Reinraum des Ansaughauses hinter den Luftfiltern erzielt [39.11], s. Abschn. 2.4.2. Das möglichst gleichmäßig in der Verdichterluft feinverteilte Wasser wird innerhalb der Verdichterstufen verdampft und überhitzt. In [39.11, 39.30] wird berichtet, dass seitens des Herstellers ein umfangreiches Mess- und Erprobungsprogramm absolviert wurde, um das Risiko der Verdichterschaufelerosion einzugrenzen, Maschinenschäden durch Gehäuseverkrümmung, Spaltüberbrückung und Anstreifen zu vermeiden und den Auswirkungen auf das Kühl- und Sperrluftsystem zu begegnen. Das Nassverdichtungsverfahren ist ab ca. 10 °C Umgebungstemperatur mit hohem Nutzen anwendbar, die eingespritzten Wassermengen, bezogen auf den Ansaugmassenstrom, betragen bis zu 2%. Bezogen auf 1% eingespritzter Wassermenge, ergibt sich je nach Gasturbinentyp eine GT-Leistungssteigerung von bis zu 10% und eine GT-Wirkungsgradverbesserung von bis zu einem Prozentpunkt, bezogen auf die Ausgangswerte [39.11, 39.31]. Im Rahmen einer Prototypmessung an einer SGT5-2000E (V94.2) konnte eine Leistungssteigerung von 21 MW erzielt werden (Abb. 39-1 [39.31]). Ähnliche Entwicklungen werden auch von einem anderen Gasturbinenhersteller berichtet [39.32–39.34]. Dieses Verfahren hat einen hohen Nutzen im Dauerbetrieb und wegen der schnellen Verfügbarkeit innerhalb weniger Minuten auch im Spitzenlastbetrieb. Es amortisiert sich wegen der moderaten Installationskosten innerhalb weniger Monate. Die Nachrüstung einer Heizgasvorwärmung – bei Neuanlagenprojekten häufig im Einsatz – ist bei älteren Anlagen relativ aufwändig. Zum einen begrenzt das vorhandene Brennstoffsystem oftmals die Vorwärmtemperatur auf ca. 100 bis 150 °C, ebenso begrenzt der weit verbreitete Zweidruckprozess des Wasserdampfkreislaufs die Vorwärmtemperatur auf etwa dieses Temperaturniveau. Damit können Wirkungsgradverbesserungen von ca. 0,2% im Kombiprozess bei geringfügig sinkender Leistung erreicht werden. Die Bedingungen für die Heizgasvorwärmung sind letztlich abhängig von der verwendeten Brennergeneration [39.35]. Weiter können Heizgasvorwärmer zwecks Verdampfung von etwaigen im Heizgas vorhandenen höheren Kohlenwasserstoffen nachgerüstet werden, um Flammenrückschläge in Vormischbrennern zu vermeiden. Dem steht ein hoher apparativer Aufwand für einen Wärmetauscher mit zweifachem Wärmeaustausch über einen Zwischenkreislauf gegenüber, da wegen des Leckagerisikos aus Sicherheitsgründen der direkte Austausch von Wasserdampf auf Heizgas gemieden wird.
39.2.2 Reduktion von Schadstoffemissionen Weltweit werden vom Gesetzgeber Genehmigungswerte für Schadstoffemissionen fortlaufend herabgesetzt. Kreditgeber für Kraftwerksmodernisierungen wie die Weltbank fordern in ihren Vergaberichtlinien schadstoffarme Verbrennungstechnologien. Ähnliches gilt für die Vergabe von nationalen, EU- oder internationalen Fördermitteln. Wesentliche Forderungen sind Niedrig-NOx -Grenzwerte von 50 bzw.
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25 ppm oder sogar von 9 ppm im Erdgasgrundlastbetrieb. Da in älteren Gasturbinenanlagen noch Diffusionsbrenner mit relativ hohem Schadstoffausstoß eingebaut sind, sind Betreiber mehr und mehr gezwungen, in einem „Generationswechsel“ auf schadstoffarme Niedrig-NOx -Technologie umzurüsten [39.14, 39.15]. Diese Technologie umfasst: • die nasse Niedrig-NOx -Verbrennung mit optimierten Heizgas- oder Heizöldiffusionsbrennern und in den Verbrennungsraum eingespritztem Wasser oder Wasserdampf (s. Abschn. 9.6.2). Dies war historisch die zuerst entwickelte Methode zur NOx -Reduzierung in stationären Gasturbinen. Diese Methode reduziert z. B. den NOx -Ausstoß von 200 ppm im trockenen Heizgasbetrieb durch Wassereinspritzung auf 50 ppm. Als – oftmals erwünschter – Zusatzeffekt wird die elektrische Leistung der GT erhöht. • die „trockene Niedrig-NOx “-Verbrennung mit einem Heizgas- oder Heizölvormischbrenner [39.16] und einer stabilisierenden Diffusionsflamme in einer „Hybrid“-Brennerkombination (s. Abschn. 9.8). Diese Methode kann je nach GT-Typ und zugeordneter Verbrennungstemperatur den NOx -Ausstoß auf 25 oder sogar 9 ppm begrenzen. • einen Abgaskatalysator (KAT), bei einer GT-Anlage integriert in die Abgasstrecke, bei einer GuD-Anlage integriert in den Abhitzekessel. Der KAT dient i. d. R. der Reduzierung einer bereits niedrigen NOx -Emission von z. B. 25 ppm auf einen besonders niedrigen NOx -Ausstoß von 9 ppm und niedriger (s. Abschn. 5.3.3.1). Für NOx -reduzierende Nachrüstungen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten sowohl „nasse Niedrig-NOx “-Technologien mit mittlerem Aufwand für Systemund Leittechnik als auch „trockene Niedrig-NOx “-Technologien mit hohem Aufwand für System- und Leittechnik angewendet worden. Dagegen sind Katalysatoren, bei denen größere Umbauten in der Abgasstrecke bzw. im Abhitzekessel erforderlich sind, nur selten nachgerüstet worden. Über den oben beschriebenen „Generationswechsel“ hinaus sind auch im Rahmen von Uprate-Projekten mit erhöhter Turbineneintrittstemperatur gegebenenfalls Brennermodifizierungen zur NOx -Reduktion erforderlich. Mit erhöhter Turbineneintrittstemperatur ohne Maßnahmen zur Kühllufteinsparung steigt die Verbrennungstemperatur und damit die NOx -Produktion, sodass Brennermodifizierungen der Einhaltung des vorgegebenen, ursprünglichen NOx -Grenzwertes dienen. In Nachrüstungsprojekten mit schadstoffarmen Verbrennungstechnologien sind – um die Projektziele bei Wahrung höchster Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit zu erreichen – folgende Grundsätze zu beachten: • Für die Verbrennung relevante Parameter wie chemische Brennstoffzusammensetzung, Turbineneintrittstemperatur, Verdichteraustrittsdruck und Verdichteraustrittstemperatur müssen festgelegt sein, der anlagenspezifische Gesamtverbrauch der Maschine an Kühl- und Sperrluft muss zur Berechnung von Luftzahl und Verbrennungstemperatur auch nach vielen Betriebsjahren hinreichend bekannt sein.
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• Das Upgradepaket erfordert über die schadstoffarmen Brenner hinaus meist noch Brennkammeranpassungen infolge veränderter thermischer und akustischer Belastung ihrer Komponenten sowie Anpassungsmaßnahmen in Brennstoffsystem und leittechnischer Verarbeitung. • Für den Anlagenbetrieb sind alle vorgesehenen Betriebsweisen zu berücksichtigen und nachzuweisen; gegebenenfalls ist für eine zusätzliche, noch nicht betriebserprobte Betriebsweise (z. B. Erdgasvormischbetrieb mit vorgewärmtem Erdgas) ein verlängerter Probebetrieb im Rahmen der Inbetriebnahme vorzusehen. • Wesentliche projektspezifische Risiken sind Nichterreichen der geforderten niedrigen Emissionen und unzulässig hoher Verbrennungslärm in der Brennkammer (s. Abschn. 9.9) mit daraus resultierendem Schwingungsverschleiß von GTKomponenten. • Die Anlagenmodifikationen können während eines Revisionsstillstandes erfolgreich durchgeführt werden. Infolge von Standortbesonderheiten ist jedoch eine mehrtägige bis mehrwöchige Inbetriebsetzung mit einem spezifischen Messprogramm erforderlich; hierin ist häufig eine thermodynamische Garantiemessung mit kalibrierten Abnahmemessgeräten eingeschlossen.
39.2.3 Erweiterung des Verbrennungs- und Brennstoffsystems Nach mehreren Jahren Betrieb kann sich die Verfügbarkeit oder die Qualität des ursprünglichen Brennstoffs verschlechtern und eine Umstellung oder Erweiterung des Verbrennungs- und Brennstoffsystems auf einen anderen Brennstoff erforderlich machen. Ebenso kann ein niedrigerer Brennstoffpreis eine solche Umstellung, z. B. von leichtem Heizöl auf Erdgas, motivieren. Eine solche Modernisierung umfasst die Brennstoffversorgung, den Brenner, die Brennstoffregelung, Schutzmaßnahmen sowie Anpassungen in der Leittechnik. Projektabhängig wird das vorhandene Brennstoffsystem komplett ersetzt oder zu einem Mehrfachbrennstoffsystem erweitert. Dabei werden Standardbrennstoffe mit nachgewiesenen Betriebsweisen relativ risikolos nachgerüstet; zu diesen Brennstoffen gehören hochkalorisches Erdgas (Heizwert zwischen z. B. 35 MJ=kg und 50 MJ=kg), leichtes Heizöl sowie Kerosin mit hohem Flammpunkt. Darüber hinaus möchten manche Betreiber einen weiten Bereich von Brennstoffen erschließen, der im Hinblick auf Viskosität, Flammpunkt, Heizwert und Reinheit stark von den Standardbrennstoffen abweicht. Ob eine Nachrüstung für solche Sonderbrennstoffe profitabel ist, kann nur projektspezifisch ermittelt werden. Dabei können Änderungsumfang und Betriebseinschränkungen für einen Billigbrennstoff wie hoch vanadium- und alkalibelastetes Schweröl unattraktiv groß werden. Hier sind zusätzlich zu den gasturbinenspezifischen Änderungen eine aufwändige Brennstoffaufbereitung und i. d. R. eine Absenkung der Turbineneintrittstemperatur erforderlich. Wesentliche Bedeutung hat außerdem der Gesichtspunkt, inwieweit für den betrachteten Gasturbinentyp technische Lösungen und Betriebserfahrungen vorliegen. So kann bei der Verbrennung
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niedrigkalorischer Heizgase erheblicher Entwicklungsaufwand für Brenner, Brennkammer und Brennstoffsystem erforderlich sein, der für das spezifische Projekt finanziert werden muss. Die Nachrüstung von Flüssigbrennstoffen niedrigen Flammpunktes wie Naphtha oder einige Kerosinarten (Kap. 13) erfordert spezielle Explosionsschutzmaßnahmen. Hier besteht die Gefahr, dass sich im Leckagefall ein gefährliches explosives Dampfgemisch bildet und dass es sich im weiteren Verlauf an elektrischen Funken oder an den heißen Oberflächen der Gasturbine entzündet und zu einem katastrophalen Explosionsschaden führt. Somit sind innerhalb der Brennstoffversorgung besondere Dichtheitsmaßnahmen erforderlich; darüber hinaus muss ein Leckagefall mittels Gasdetektion und Absaugungseinrichtungen sicher beherrscht werden. Da bei der Brennstoffsystemänderung auch Brenner nachgerüstet werden, ist auch in diesen Projekten eine Schadstoffstrategie, insbesondere im Hinblick auf die NOx -Produktion, erforderlich; die o. g. Grundsätze für die Nachrüstung schadstoffarmer Verbrennungstechnologien sind gegebenenfalls anwendbar.
39.2.4 Verbesserte Betriebsführung Alle bisher vorgestellten Modernisierungsmaßnahmen verbessern die Bedingungen, Strom zu produzieren und erweitern die Handlungsspielräume des Betreibers. Darüber hinaus sind direkt auf die Betriebsführung zugeschnittene Upgrades auf dem Markt verfügbar. Sie dienen der optimalen Informationserfassung und -aufbereitung, der Beratung bei Entscheidungen und der Steigerung von Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit überhaupt. Zu solchen Upgrades zählen: • Der Einsatz optimierter Verdichterwascheinrichtungen zur verbesserten Vermeidung und Beseitigung von Verschmutzung bei gleichbleibendem oder sogar verlängerten Waschintervall. Reduzierte Verdichterverschmutzung hat eine hohe Leistungs- und Wirkungsgradverbesserung zur Folge (s. Kap. 38), sodass sich eine solche Investition innerhalb weniger Monate bezahlt macht. • Die Modernisierung der Steuerungs- und Messtechnik und der Hilfsanlagen überhaupt im Sinne höherer Zuverlässigkeit (z. B. 2-von-3-Redundanz, ausfallsicherere Geber, redundante Brennstoffpumpen). Häufig werden solche Umbauten im Zusammenhang mit der Modernisierung der Leittechnik vorgenommen. • Die Flexibilisierung der Gasturbinenregelung durch die Massenstromregelung mit verstellbarem Vorleitgitter zur Verbesserung des Teillastverhaltens der Gasturbine [39.17, 39.18], die Regelung von Brennkammerbypassluft zur Erweiterung des Teillasteinsatzes von schadstoffarmen Brennern oder der Einsatz der schnellen Massenstromregelung mit verstellbarem Vorleitgitter zur Frequenzstützung im elektrischen Netz. • Der Einsatz verbesserter Diagnosesysteme und Expertensysteme bis hin zur Ankopplung an ein Kompetenzzentrum des Herstellers zur Störungsdiagnose und Anlagenoptimierung (s. Abschn. 35.4).
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• Die Modernisierung der Leittechnik. Sie umfasst zum einen den „Generationswechsel“ von der analogen zur digitalen Leittechnik [39.19]. Dieser wird zwingend erforderlich bei auslaufender Ersatzteilversorgung, bei Anpassungen und Erweiterungen im Rahmen von Nachrüstungen schadstoffarmer Verbrennung, bei Brennstoffsystemupgrades oder im Rahmen von anderen größeren Änderungen an den Hilfsanlagen. Dagegen lässt moderne digitale Leittechnik Funktionserweiterungen zu.
39.2.5 Optimierte und reduzierte Instandhaltung Verringerte Eingriffe der vorbeugenden Instandhaltung in die Stromproduktion erhöhen Anlagenverfügbarkeit (Kap. 37) und Profitabilität der GT-Anlage. Beiträge zu einer derartigen Instandhaltungsstrategie sind vielfältige Optimierungsmaßnahmen im Inspektions-/Revisionsumfang und im Inspektions-/Revisionsablauf selber, darüber hinaus Strategien wie der Komponententausch zur Verringerung von Stillstandszeiten oder Betriebsführungs- und Instandhaltungsverträge (O&M-Verträge, Kap. 38). Upgradepakete für den Heißgaspfad ermöglichen längere Inspektions- und Revisionsintervalle. Dabei müssen diese Änderungen die betrieblichen Zielvorgaben für die Inspektionen und Revisionen, insbesondere den geplanten Leistungs-/ Wirkungsgradwiedergewinn bei Revision (Kap. 38), wahren und die höchstmögliche Anlagenzuverlässigkeit einhalten. Nahe liegend ist die Verkürzung der Inspektions- und Revisionsarbeitsumfänge und der Durchlaufzeiten durch optimiertes Projektmanagement mit optimierten Termin-, Ressourcen- und Netzplänen. Darüber hinaus reduzieren vielfältige konstruktive Verbesserungen einhergehend mit optimierten Werkzeugen den Arbeitsumfang; ein Beispiel dafür ist der hydraulische Anzug von Gehäuseschrauben anstelle thermischer Schraubendehnung. Die Anwender verlängerter Inspektions- und Revisionsintervalle nutzen ihre Anlage besser aus, erhöhen die jährliche Produktion elektrischer Energie und senken die Instandhaltungskosten durch eingesparte Inspektionen und Revisionen. Beide Effekte senken die Stromgestehungskosten. Hersteller bieten auf ihre Flotte zugeschnittene Upgradepakete zur Inspektions- und Revisionsintervallverlängerung an. So bietet General Electric für den GT-Typ MS9001E das EXTENDOR-Brennkammer-Upgrade-Paket (Firmenbezeichnung) zur Verlängerung des Brennkammerinspektionsintervalls von 8000 auf 12 000 und im weiteren Schritt auf 16 000 Betriebsstunden an (zu den Inspektionsintervallen der MS9001E s. Kap. 38). Dieses Upgradepaket beinhaltet Brennkammerbauteile wie Flammrohre und Überleitstücke mit verlängerten Reparaturintervallen. Damit werden für Grundlastmaschinen die jährlichen Inspektionsumfänge auf endoskopische Kontrollen reduziert und der Austausch reparaturbedürftiger Brennkammerbauteile wird erst nach eineinhalb oder zwei Jahren erforderlich. Erklärtes Endziel ist die weitere Verlängerung des Brennkammerinspektionsintervalls von 16 000 auf 24 000 Betriebsstunden. Damit würde die Brennkammerinspektion mit der Heißteilinspektion zusammenfallen und als gesonderter Inspektionstyp entfallen.
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Siemens hat bei dem GT-Typ SGT-2000E (V94.2) das Revisionsintervall 25 000 EOH auf 33 000 EOH erhöht. Diese Verlängerung bedeutet für eine GuD-Grundlastmaschine einen Revisionsstillstand erst nach vier (Kalender-)Jahren statt wie zuvor nach drei Jahren, damit fällt aus der Instandhaltungsplanung für 100 000 EOH Betrieb eine komplette Revision heraus. Nachdem das verlängerte Revisionsintervall von 33 000 EOH im Anlagenbetrieb nachgewiesen werden konnte, bietet Siemens für den GT-Typ SGT-2000E (V94.2) nun ein Upgradepaket zur weiteren Verlängerung des Revisionsintervalls von 33 000 EOH auf 41 000 EOH an. Dies bedeutet für eine GuD-Grundlastmaschine einen zukünftigen Revisionsstillstand erst nach fünf Jahren statt wie zuvor nach vier Jahren [39.31]. Alstom Power bietet für die GT13E2 neben einem Revisionsintervall von 24 000 EOH eine Option auf eine Intervallverlängerung auf 36 000 EOH bei leicht reduzierter Turbineneintrittstemperatur an [39.28].
39.2.6 Kraftwerksrehabilitation mit Modernisierungen Die Heißteile der Gasturbine sind je nach Typ für eine Zeitstandfestigkeit von bis zu 100 000 Betriebsstunden ausgelegt und für ihren Ersatz ist eine relativ große Investition fällig (s. Kap. 38). Da diese Betriebszeit je nach Einsatzart innerhalb von 12 bis 25 Kalenderjahren anfallen kann, ist eine Bestandsaufnahme von Gasturbine und Gesamtanlage erforderlich. Diese wird nach Möglichkeit durch eine Inspektion im Vorfeld einer Revision erledigt. Darauf aufbauend werden im Rahmen einer Revision Maßnahmen zur Lebensdauerverlängerung der Gasturbine im Sinne einer Kraftwerksrehabilitation durchgeführt [39.21, 39.22]. Vor dem Hintergrund des Ersatzbedarfs an Heißteilen werden Upgrades sinnvoll in ein solches Projekt integriert, um das Kraftwerk profitabler zu machen. Darüber hinaus wird die gesamte Palette möglicher Modernisierungen in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen. Zur Rehabilitation der Gasturbine selber lässt sich über die Heißteile hinaus feststellen: • Die Verdichterbeschaufelung (z. B. für ein Druckverhältnis von 16) wird mit der Streckgrenze bemessen und ist daher nicht zeitbegrenzt, sie erträgt i. d. R. mehrere tausend Start/Stop-Zyklen und ist bei nichtkorrodierter, kerbfreier Oberfläche dauerschwingfest. Ein Austausch erfolgt daher nur befundabhängig. • Im Gegensatz zu Dampfturbinen haben einige GT-Bauweisen gekühlter Gasturbinenläufer und druckbelasteter Gehäuse den Vorteil einer ausreichend niedrigen Temperatur; diese Komponenten sind deshalb mit der Streckgrenze bemessen. Sie ertragen mehrere tausend Start/Stop-Zyklen und werden bei Erreichen einer definierten Startzahl (z. B. 3000 Starts) einer zerstörungsfreien Materialprüfung in Bezug auf mögliche Oberflächenanrisse oder in Bezug auf inneres Wachstum von Materialungänzen (bei Läuferteilen aus dem Schmiedeprozess herrührend) geprüft. Im Hinblick auf die Aussagekraft dieser Prüfung haben Scheibenläufer Vorteile gegenüber Vollwellen. Aus duktilem Kesselblech geschweißte Gehäuse sind in gewisser Hinsicht fehlertolerant. Falls bei der Prüfung Anrisse festgestellt
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werden, können sie leicht durch Ausschleifen oder Reparaturschweißen repariert werden. Dagegen sind in der Praxis an druckfesten Gussgehäusen gravierende Befunde aufgetreten, die einen Austausch erforderlich machten. • Hilfsanlagen wie Armaturen oder die Messinstrumentierung werden funktionsgeprüft und befundabhängig behandelt, erosiv oder korrosiv abgenutzte Rohrleitungen werden Ultraschallwanddickenmessungen und Druckproben unterzogen und befundabhängig ausgetauscht. • Die Abgasstrecke einschließlich Kamin wird ebenfalls befundabhängig revidiert. Bei der Rehabilitation eines Kombikraftwerks liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen auf der Gasturbine [39.20], weil heißdampfbeaufschlagte Dampfturbinenkomponenten und heiß betriebene Kesselbauteile für 200 000 Betriebsstunden ausgelegt werden und ein vergleichbarer Austauschbedarf nicht vorliegt.
39.3 Lebensdauerbeurteilung von Bauteilen Über standardmäßige Kontrollen bei Inspektion und Revision hinaus sind für die Rückkopplung der Betriebserfahrung und als Basis der Auslegung von Upgrades systematische Bauteiluntersuchungen an Heißteilen erforderlich. Dazu legen Auslegungsrechnungen den Ort der Probenentnahme fest und können an ermittelten Befunden und Betriebsdaten geeicht werden. Vereinfacht lässt sich folgende Vorgehensweise skizzieren: • Zusammenstellung von Daten aus Betrieb und Instandhaltung (Fahrweise, Historie, Inspektionsergebnisse), • Heranziehen von Prüffeld- und Anlagenmessungen, • Heranziehen von Auslegungsrechnungen, die gegebenenfalls mit modernen Tools erweitert werden, • zerstörungsfreie Prüfungen (visuelle Beurteilung, Oberflächenrissprüfungen), • werkstofftechnische Untersuchungen an Schnitten oder entnommenen Proben (metallografisch, Zeitstandfestigkeits- und Dehnungswechselfestigkeitsversuche) und • Beurteilung. In Abb. 39.4 wird die betriebliche Bewährung des Upgrades einer Turbinenlaufschaufelreihe 1 beispielhaft dargestellt [39.23]. Dieses Schaufel-Upgrade besteht aus einer Schutzschicht des MCrAlY-Typs (s. Kap. 24, SICOAT 2231) und einer verbesserten Kühlung der Eintrittskante durch einen separaten Kühlkanal. Obwohl diese Schutzschicht über ein Revisionsintervall von 33 000 EOH eingesetzt war, zeigt die metallografische Untersuchung selbst an der Eintrittskante, der heißesten Stelle der Schaufel, einen moderaten Schutzschichtverbrauch und zeigt demnach Potenzial für ein über 33 000 EOH hinaus verlängertes Revisionsintervall . Im Vergleich mit oxidierten Ofenproben sind außerdem Aussagen über die Materialtemperatur möglich. Eine weitere Aussage über die Materialtemperatur lässt sich aus der Vergröberung der 0 -Phase (Kap. 25) gewinnen. Diese Temperatur wird mithilfe eines
39 Modernisierungen im Gasturbinenservice
a)
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b) vollständig verarmte β Phase schützende
β -Phase 40 μm
Grundwerkstoff IN 738LC
Beurteilung der Schutzschicht und Bestimmung der Metalltemperatur Kriterium : Verarmung der β - Phase (Ni (Co) Al)‘ einer Schutzschicht des MCrAlY- Typs
Bestimmung der Metalltemperatur Kriterium : Vergröberung der γ‘ - Phase des Grundwerkstoffes IN738LC
Abb. 39-4 Lebensdauerbeurteilung für ein Turbinenlaufschaufel-Upgrade (Eintrittskante, Turbinenschaufelreihe 1, SGT5-2000E (V94.2), nach 33 000 EOH Betrieb)
Rasterelektronenmikroskops und anhand eines Gefügekatalogs bestimmt. Im Ergebnis erwies sich die Eintrittskante der Upgradeversion gegenüber der Originalversion um 50 °C niedriger und bestätigte damit die Auslegungsrechnung.
39.4 Zusammenfassung und Ausblick Upgrades für den Gasturbinenservice werden von der Herstellerseite meistens von der Typevolution im Neuanlagengeschäft abgeleitet und das Betriebsrisiko ist i. d. R. gering. Bei größeren Anpassungen oder bei speziell für den GT-Service entwickelten Modernisierungen sind auf Hersteller- wie auf Betreiberseite besondere Anstrengungen erforderlich: • Erforderliche Grundlagen für ältere GT-Typen sind zum einen die Betriebserfahrungen, zum anderen sind teilweise Auslegungsrechnungen für Heißteile mit modernen Tools gemäß heutigem Stand der Technik nachzuholen und mit Bauteiluntersuchungen zu vergleichen. • Projektspezifische Risiken werden untersucht und bewertet, die Änderungen während der Inbetriebnahme messtechnisch abgesichert, Kontrollen und Untersuchungen bei Inspektion und Revision eingeplant. • Ein effektives Projektmanagement auf Herstellerseite wie auch auf der Seite des Kunden ist erforderlich. In einzelnen Fällen kann es zur kompletten Kraftwerksumsetzung (relocation) kommen. Hier sind in erster Linie Aufgaben ähnlich der Errichtung einer Neuanlage zu erfüllen, die Umsetzung kann mit einer Kraftwerksrehabilitation und Modernisierung kombiniert werden. Ist eine Gasturbine innerhalb eines Kombikraftwerks technisch und wirtschaftlich veraltet, besteht eine Alternative zum Komplettersatz der Gesamtanlage gegen
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G. Bohrenkämper
eine neue darin, dass man versucht, anstelle der veralteten eine moderne Gasturbine in den Kombiprozess zu integrieren (repowering). Ein solcher Modultausch wird heute üblicherweise wie eine Neuanlage projektiert. Dabei besteht eine große Herausforderung darin, die i. d. R. hohe Abgastemperatur der modernen Gasturbine in den vorhandenen Prozess zu integrieren.
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39 Modernisierungen im Gasturbinenservice
1099
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Sachverzeichnis
A Abblaseklappe 510 Abdampfvolumenstrom 244 Abfahren 97 Abgasstrecke 135 Abgasdiffusor 140 Abgaskanal 148 Anschlusskompensator 138 Außenisolierung 148 austenitischer Stahlkompensator 138 Bypasskamin 149 Doppeljalousieklappen 144 englischsprachige Fachbegriffe 205 Gasturbinenkamin 141 Gasweiche 149 Gewebekompensator 141 idealer Diffusor 140 Innenisolierung 148 Konvektion 147 Regenklappe 149 Rippenversteifung 148 Schalldämpfer 141 Schalldämpferkulisse 149 schwenkbare Bypassklappe 145 Stand der Technik 198 Strömungsumschaltung 143 typische Abgasdaten 136 Wärmestrahlung 147 Wärmeübergang 147 Wärmeverlust 151 Abgassystem 68 Abgastemperatur 29, 30, 32, 34, 35, 37, 46, 104, 413, 597 Abgasvorschriften 453 Abhitzedampferzeuger 92, 135 1-Druck-AHDE 177
2-Druck-AHDE 178 3-Druck-AHDE 179 3-Druck-AHDE mit Zwischenüberhitzung 180 Abschlämmung 204 AHDE-interne Bypassströmungen 182 Anfahrgradient 195 Approach-Temperaturdifferenz 172 Ausblasen 183 Dampfleitung 162 Druckverlust 182 Economizer 171 einflutige und mehrflutige Heizflächen 159 Einspritzkühler 162 englischsprachige Fachbegriffe 205 Fernwärme 193 Fernwärmeauskopplung 193 Flächenbrenner 191 gekämmte Heizflächen 160 Heizflächenpaket 156 Hochdruckbypass 195 horizontaler AHDE 183 Kanalbrenner 193 Komponenten des Abhitzedampferzeugers 153 Kondensatvorwärmer 173 Kostenoptimierung 187 Langzeitbetrieb 204 Montage 183 Naturumlauf 186 Naturumlaufverdampfer 164 Pinch Point 169 Prozessdampf 193 Prozessdampfauskopplung 193 Rippenrohre 156
1101
1102 Rohrreißer 200 Stand der Technik 198 Taupunktunterschreitung 174 Überhitzer 156 Verdampfer 164 vertikaler AHDE 181 Wasser-/Dampfkreislauf 152 Wasserausstoß 195 Wasserchemie 205 Zusatzfeuerung 190 Zwangdurchlauf-AHDE 171 Zwangumlaufverdampfer 164 Zwischenüberhitzung 164 Abhitzekessel 987 Ablagerungen 756 Abnahmemessungen 899 Abnahmerichtlinie 899 Abnahmeteam 900 Abnutzung 1068 äquivalente Betriebsstunden 1069 zeitabhängige 1068 zyklische 1069 Abplatzen 756 Abriebstifte 936 Absolutgeschwindigkeit 372 Absorptionsbande 945 Abstützung 683 Abstellen 683 Abströmung 211 Abstrahlung 433 Abwärmenutzung 136, 248 Additivierung 767 adiabate Filmkühleffektivität ad 614 adiabate Flammentemperatur 404 adiabate Wandtemperatur TaW 614 Admittanz 437 Aeroderivat 4, 101, 104 Dampfeinspritzung 107 Hochlaufzeit 107 Aeroderivative 65 aerodynamische Drehzahl 361 aerodynamischen Belastung 372 Aerosole 756, 761 aktive Kontrolle 489 aktive Maßnahmen 489 aktives Kontrollsystem 489 Aktivierungsenergie 416, 417 Alitierung 771 High-activity-Pack-Alitierung 772 Low-activity-Pack-Alitierung 772 Alkali 757 chloride 757
Sachverzeichnis Alterung 366, 1065 Beschichtung 367 Erosionsangriff 366 Lauf- und Leitschaufelradialspalte 366 Oberflächenqualität 366 Alterungskurven 901 Aluminiumoxidbildner 769 Aluminiumpigment 758 Amplitudenspannung 560 An- und Abfahren 357 Abblasen von Luft 358 Arbeitsumsatz 357 kleinere Stufendruckverhältnisse 357 regelbare Ventile 359 Schadstoffemissionen 360 Stufenbelastung 358 verringerte Dichtezunahme 357 Verstellen der Leitschaufeln 358 Analyse 1019 Analysemethoden 1023 Blade Path Spread Analysis 1025 Expertensysteme 1027 Flottenvergleich 1026 intelligente 1025 manuelle Auswertung 1024 neuronale Ansätze 1029 Rechensimulation 1026 regelbasierte Systeme 1028 Regressionsanalyse 1030 Soll-Ist-Vergleich 1024 statistische Auswertung 1026 Analysesysteme 1021 komplexere Analysesysteme 1021 Anfahren 683 Anfahrumrichter 63 Anhängepunkt 685 Ankerrückwirkung 251 Ankerschraube 691 Anlaufzeitkonstante 517 Anregungen 560 Anrisslebensdauer 666 Ansaugluftkühlung 66 Ansaugmassenstrom 908 Ansaugsystem 61, 66 Anstreifbeläge 552 Anstreifen 368, 551 Anstreifkante 551, 711 0 -Anteil 768 Antriebsmaschine 1 Anziehen 699 hydraulisches 699 torsionsfreies 699 APS, EB,-PVD 769
Sachverzeichnis äquivalente Schlitzbreite 616 AR-Methode 844 Arbeitsübertragung 294 absolute Strömung 294 Geschwindigkeitsdreiecke 294 relative Strömung 294 rotierende Schaufeln 294 Umfangskomponente der relativen Geschwindigkeit 295 Arbeitsprinzip 286 Kolbenmaschine 286 Schaufel 285 Strömungsmaschine 286 Turbomaschine 286 Aromaten 760 Arrheniusansatz 407 Asche 497, 761 Ascheabscheidung 760 Aschegehalt 760 ASME PTC22 899 Aufbereitung 504 Aufenthaltszeit 416, 418, 421, 425, 469 Auffädelung der Profilschnitte 377 Auflageschichten 769, 771 Aufschlus 764 Ausblaserate 614 Ausbrand 476 Ausbrandzone 414 Ausgleichswellenkupplung 109 Auskugeln 685 Ausrichten 843 Ausrichtmethoden 844 Ausrichtwerkzeug 847 Außen- und Nebenanlagen 72 äußere Rezirkulationszonen 476 Austauschbarkeit 492 Austrittstemperatur 28–30, 34, 38 Auswahl Kühlverfahren 241 Kühlwassergrenzpreis 242 Wasserbedarf 241 Autoabgase 761 Automatisierungstechnik 987 Axialdehnung 662 mechanische 662 thermische 662 axialer Schub 596 Axialgeschwindigkeit 375 Axialgitter 459 Axialgleitlager 719 Axiallager mit mechanischem Lastausgleich 734 Axialnuten 552 Axialsicherung 553
1103 Axialturbinen 371 Axialverformung 661 B Basiskraftwerk 85 mit Optionen 85 Bautechnik 71 Bauteil druckführend 691 Bauteilkerbwirkung 701 bauteilspezifische Auslegungskriterien 832 Beanspruchung instationäre 692 stationäre 692 Beeinflussung Strömungsgrößen Gleichung von Euler 287 Kontinuität des Massenstromes 287 Beeinflussung thermodynamischer Größen 287 Energieerhaltung 288 Entropieänderung 288 Hauptgleichung von Gibbs 289 polytrope Zustandsänderung 289 Polytropenverhältnis nach Zweifel 290 wirkliche Zustandsänderung 289 Befunde 1049 Belag 756 Belagprobe 757 Belagzusammensetzung 757 Belastungszyklen 2 Bemessungsleistung 274 Benzolring 426 Berechnung bruchmechanisch 668 berührungslose Messverfahren 564 Beschaufelung 756 Beschichtungen 755 Betriebs- und Wartungskosten 55 Betriebsdatenanalyse 1047 Betriebsgrenzen 391 Betriebsprotokoll 1021 Betriebspunkt 651 Betriebsspalte 376 Betriebsstunden 649, 650 Betriebsverhalten 393, 967 Änderung der Ansaugtemperatur 970 Alterung 985 Frequenzstützungsbetrieb 983 Korrekturkurven 970 Kühlung der Ansaugluft 979 Referenzzustand 967 Verdichter 357
1104 Vereisung 984 Verschmutzung 984 Betriebsweise 649 Betriebszustand stationär 906 bezogener Entnahmedruck Einflussgrößen 599 Bezugsspannung 663, 695 Biegemoden 561 Biegemoment 558 Biegeschwingungen 672 Biegespannung 558, 675, 694 Biegewechselspannung 757 Bildungsenthalpie 401 Biomasse 757 Blattlänge zur Sehnenlänge 376 Bleche 757 Blindleistung 257 Blindstromkompensation 112 Blitztemperatur 118 Brenner 456 AEV-Brenner 463 Diffusionsbrenner 459 EV-Brenner 456 Hybridbrenner 459 Nachbrenner 464 Pilotbrenner 461 SEV-Brenner 464 Brenneraustritt 415 Brennereinsatz 776 Brennerluftzahl 431 Brenngeschwindigkeit 408, 411, 412 Brennkammer 743, 750, 776 Brennkammerauskleidung 776 Druckverlust 398 Ringbrennkammer 776 Brennkammerdruckschwankung 487 Brennkammern 737 Brennkammerwand 741, 742 Brennraumauskleidung 737 Brennstoff 405, 491, 504 Aufbereitung 766 Lanze 464 Mischbetrieb 517 Pumpe 501 Spezifikation 766 Stickstoff 425 Stickstoffgehalte im Brennstoff 496 System 491, 502, 504 Ventile 497 Verdampfung 446 Verdunstung 466 Verteilung 424, 428
Sachverzeichnis Vorwärmung 760 Wechsel 515 Zerstäubung 446 Bruchmechanik 691 elastisch-plastisch 668 linear-elastisch 668 Bruchmechaniknachweis 652 Bruchzähigkeit 668 Bürstendichtung 223, 606, 1086 Bypasskamin 141, 518 Bypassregelung 430, 501 C Campbell-Diagramm 560, 588 Chemical Vapour Deposition, CVD Chlor 765 Chlorwasserstoff 765 Chromierung, NiCrSiB 769 Chromoxidbildner 768 Chromstähle 557 CM 247 768 CNC-Fräsen 563 CoGen 58 Cogenerationanlagen 32 COORETEC 1 9–10% Cr Stähle 207 Crackverfahren 760 CVD 769
771
D DA-Methode 846 Damköhlerzahl 413 Dampfeinspritzung 978 Dampfeintrittstemperatur 210 Dampfentnahme 215 Dampfkühlung 626 Dampfkreislauf 33–35 Dampfprozess 175 1-Druck-Prozess 176 2-Druck-Prozess 176 3-Druck-Prozess 176 3-Druck-ZÜ-Prozess 176 Approach-Temperaturdifferenz 172 Temperatur-Wärmeabgabe-Diagramm 169, 172 Zwischenüberhitzung 175 Dampftemperatur 209 Dampfturbinenbaureihe 207 Dämpfung 433, 487, 672, 702 Dämpfungselemente 550, 641 Dämpfungswirkung 702 Datenakquisitionsrechner 1022
Sachverzeichnis Datenanalyse durch den Hersteller 1018 lokale 1018 Datenbank 1035 Datenbasis 1048 Datensicherheit 1023 Datenvalidierung 912 Datenverdichtung 1022 Dauerfestigkeit 564, 587, 691, 747 Dauerfestigkeitsbereich 666 Dehnhülse 698 Dehnungsgeschwindigkeit 665 Dehnungsmessstreifen (DMS) 564, 949, 952 Dehnungsschwingbreite 666 Dehnungswechselermüdung 691 Delamination 782 Detergenzien 756 Diagnose 1019 Ferndiagnose 1016 Plattformstrategie 1022 vor Ort 1016 Diagnosesystem 71, 1093 Diagonalgitter 460 Dichte 760 Dichtigkeit 691 Dichtleiste 688 Dichtölversorgung 264 Dichtring 776 Dichtung 555 Dichtungselement 223, 688 Dichtungstechnologien 605 Dickenverlauf 551 Diesel 759 Dieselöl siehe Heizöl, 541 Diffusion 406 Diffusionsbetrieb 459 Diffusionsflamme 418 Diffusionsschichten 769, 771 Chrom- bzw. Aluminiumdiffusionsschichten 769 DIN 4341 899 Dispersion 423, 436 Dokumentation 854 Abschlussbericht 855 Funktions- oder sog. Leittechnikpläne 854 Systempläne 854 DR-Methode 844 Drallbrenner 410 Dralldüse 447 Drallerzeuger 415 Drallgesetz 382 Drallstärke 410, 461 Drallzahl S 476
1105 Dreheinrichtung 214 Drehfeld 251 Drehfeldmaschine 251 Drehmomentenübertragung 642 Drehzahlharmonische 588 Drehzahlregelung 502 Drehzahlvielfache 560 Dross 687 Drosselregelung 501 3-Druck-ZÜ-Prozess 78 Druckreduzierstation 500, 503 Druckspannungen 655 Druckstoß 500 Druckverhältnis 25, 27–32, 36, 37 Druckverlust 905 Duktilität 678 Durchblick-Labyrinthdichtung 606 Durchflusszahl 374 Düsenerregung 561, 588 E (EB-PVD-)Schichten 773 ECC 858 echte Labyrinthdichtung 606 Eckenmode 562 Effizienz 756 Eigenformen 673 Eigenfrequenzen 560, 588, 673 Eigengewicht 675 Einbettungsverhalten 730 Einlageranordnung 221 Einlaufschicht 710, 776, 1085 Einschlüsse 667 Einspritzpumpe 501 Einströmen von Heißgas 596 Eintrittstemperatur 18, 19 Einwellenanlagen 78, 81, 211 Einzelzahngrund (Zahnkupplung) 112 elektrische Leistung an den Generatorklemmen 899 Elektrizitätsversorgungsunternehmen 53 Elektrotechnik 61, 68 Emissionsgrad " 941 Emissionsvorschriften 455 Endausrichtung 847 Endstufenschaufel 216 Energiebilanz 399 Energiegleichung 328 Energieumwandlung Arbeitsmaschinen 285 Kraftmaschinen 285 Umwandlungsprinzip 285 Entgasung 91
1106 Enthalpie-Entropie-Diagramm 373 Entnahme 560, 689 Entschwefelung 761 Erdbeben 703 Erdbebensicherung 689 Erdgas 405, 492, 502, 504, 759 physikalische Eigenschaften 493 Zusammensetzung 493 Erdgasverdichter 501 Erdgasversorgung 502 Erdgasvorwärmung 500, 503 Erdöl 760 Ereignisse 1048 Ermüdungsfestigkeit 695 Ermüdungsverhalten 746 Erosion 584, 762 Erregung 267 bürstenlose Erregung 269 statische Erregung 268 Erstabsperrung 502 3D-Euler/Navier-Stokes 378 Eulergleichung 372 EV-Brenner 461 evaporative cooler 1088 Evolvente 117 Evolventenverzahnung 116 Experimentelle Erprobung 364 Dehnungsmessstreifen 365 Drehzahlvariation 364 Leistungsbedarf 364 Reynoldszahlniveau 364 skalierter Modellverdichter 364 Strömungsvektorsonde 364 Explosionsschutz 496 F Fädeln 549 Fahrkonzept 491 Fahrweisen 509 Fahrzyklus 666 Falschmessungen 1032 Faltung 962 Farbumschlag 940 Fehlerbaum 779 Fehlstellen herstellungsbedingt 667 Fehlsynchronisation 638, 673 Feinfilter 499 Fertigungsarten 563 Festigkeit 691, 757 Ermüdungsfestigkeit 768 Kriechfestigkeit 768
Sachverzeichnis Schwing 757 Warmfestigkeit 768 Festigkeitsberechnung 652 Fett-Mager-Verbrennung 425, 432 Feuerturbine 49 Filmkühlbohrung 571, 576, 584, 592 Filmkühleffektivität 616 Filmkühlung 610 Filter 499 Filterung 756 Final-Chance-Filter 500 Finite-Elemente 558 firing temperature 900 FKM-Richtlinie 695 Flächenpressung 558 Flammenbeobachtung 945 Flammendynamik 432 Flammenfront 418, 420 Flammengeschwindigkeit 412 Flammenoberfläche 411 Flammenposition 408 Flammenrückschlag 438, 456, 501 Flammenstabilisierung 408 Flammpunkt 495 Flammraum 742 Flammrohr 477 Flansch 684 Flanschkupplung 109 Flatter 562 Flattersicherheit 385 Fliehkraft 586, 653 Fliehkraftbeanspruchung 372 Fliehkraftspannung 558 flow divider 507 Fluorwasserstoffglühung 768 flüssige Sonderbrennstoffe 539–541 Flüssigkeitsabscheider 494 Flüssigkeitszerfall 423 Foreign Object Damage 584 Formstabilität 691 Fourier-Transformations-InfrarotSpektrometer 945 Fräsen 563 Fremdkörpereinschläge (Object Damage, FOD) 555, 779 Frequenz 947 Eigen- 947 Netzfrequenz 991 Nutzsignal- 957 Fressen 117 Frischwasserkühlung 225, 226, 241 Ablaufkühlung 226 Kraftschlussbecken 226
Sachverzeichnis
1107
Mischkühlung 227 Zusatzkühlturm 226 Frühwarnsystem 1031 FSX 414 768 G Gas 761 Gasaufbereitung 761 Gaseigenschaften 492 Gasgenerator Hochdruckturbine 101 Gaskompressor 492 Gaskräfte 585 Gasmengenmessung 503 Gasschloss 504 Gasturbine 285 Abgastemperatur 105 Brennkammer 285 cold end drive 6, 101 Entwicklung der 6 Generatorantrieb 5 Heavy-Duty 2 hot end drive 6, 101 Industriegasturbine 7 Leistungsregelung 104 Mechanical Drive 5 Mikrogasturbine 1 Rekuperator 4 Schwerbauweise 2 stationäre 1 STIG 105 Turbine 285 Turbineneintrittstemperatur 105 Verdichter 285 zum Antrieb von Arbeitsmaschinen zur Energieerzeugung 2 Gasturbinen-Kraftwerk 56, 61 Gasturbinenbrennkammer 397 Gasturbinendiagnose 1020 Gasturbinenlebenslauf 1053 Gasturbinenverdichter 313 Laufschaufel 323 Verdichterbeschaufelung 315 Gasverdichter 64 Gasverdichter (Erdgas) 500 Gasverhalten 12 ideal 12 real 12, 13 Gasvorwärmer 494 gebauter Rotor 710 geformte Bohrung 616 Gehäuse 672, 684 geteilt 684
2
ungeteilt 684 zweischalig 685 Gemischbildung 405 Gemischtransport 435 Generator 65 Generatornormen 272 geometrische Größe 317 Gesamtstrahlungspyrometer 942 geschlossene Kühlung 478 Geschwindigkeitsdreieck 319, 372, 379 gespritzte Schichten 773 Getriebe 62, 116, 215 Axiallagern 124 Druckschmierung 130 Getriebeschaden 134 Getriebeverluste 131 Gleitlager 123 Inspektion 134 Konzepte 124 Lager 123 Ölmengen 131 Parallelwellengetriebe 124, 125 Planetenräder 126 Schmieröl 130 Schmierung 130 Schwingungen 134 Sonnenritzel 126 Überwachung 132, 134 Umlaufgetriebe 126 Verluste 130 Wirkungsgrad 131 Zahnkranz (Hohlrad) 126 Gittereigenschaften 298 Gitterähnlichkeitsbedingungen 299 Gittercharakteristiken 301 Gitterkenngrößen 300 Gittergeometrie 297 Auslegungsgenauigkeit 298 inverses Berechnen 298 Vorgaben nachmessen 298 Vorgaben nachrechnen 298 Gitterkombination zu Stufen 302 Turbinenstufe 302 Verdichterstufe 302 Wechselwirkung 304 Gitterteilung 317 Gitterverluste 296 Hufeisenwirbel 296 Kanalwirbel 296 Profilverluste 296 Spaltwirbel 297 Gleason-Verzahnungen 640 Gleichgewichtskonzentration 413, 416
1108 Gleitfläche 683 Gleitlager 713 hydrodynamisches 713 Reibungszustände 714 Glühverlust 757 Grafitentartung 687 Grashofzahl 626 Grenzwerte 1024 Grobfilter 499 Grobverteilung 423 Grübchenbildung 117 Grundlast 649 Grundwerkstoffe 755 Gruppenpilotierung 431 Gruppenschaltung 431 GT 29 772 GT 29 plus 772 GT13D 543 GT26 45 GT8C2 42 GuD-Kraftwerk 72, 105 mit integrierter Vergasung (IGCC) Investitionskosten 526 Wirkungsgrad 525 GuD-Wirkungsgrad 175 Guss 685 globulitisch 685 lamellar 685 Güte der Kühlung (Kühlungseffizienz) H Haftschicht (Bondcoats) 766 Haftvermittlerschicht 766 Haigh-Diagramm 564 Hastelloy X 768 Hauptbrennstoff 455 Hauptreaktionszone 413 HCF (High Cycle Fatigue) 560, 666 Belastungen 747 Heißgaseinzug 599 Heißgaskorrosion 583, 741, 751 Heißgaspfad 740 Heißgastemperatur 404 Heizgasvorwärmung 1090 Heizöl 495, 501, 504, 539, 545, 546 Heizölsystem 508, 510, 513 Hybrid-Brenner 543 Heizöl EL 545, 759 Heizölbrenner 509 sperren 509 Heizöldüse Rücklauf 507 Heizölsystem 505
Sachverzeichnis
629
Heizwert 15, 401 Heller-System 238 Helmholtz-Resonatoren 487 Helmholtzdämpfer 437 Hilfskamin 151 Hirth-Verzahnungen 640 Hitzeschild 737, 743, 749, 776 Hochdruckteilturbine 218 Hochdruckturbine 5 Gasgenerator 5 Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen 771 Hochofengas 761 Hochtemperatur-Oxidationseigenschaften 768 Hochtemperatur-Wechselprüfstand 745 hochtemperaturfeste Werkstoffe 475 Hochtemperaturkinetik 443 Hochtemperaturkorrosion 495, 497, 762 Hochtemperaturlöten 768 Hohlwelle 641 Honigwabendichtung 1085 Hortitherm 248 Hot Spots 759 HTK I 763 HTK II 763 HV 30 772 HV 40 772 Hybrid 456 Hybridbauteile 687 Hybridkühlturm 232, 234 Schwadenfreiheitspunkt 234 hydrostatische Schmiereinrichtung 724 I IGCC-Kraftwerks 521 Impulsbeschaufelung 217 IN 617 768 IN 738 768 IN 792 768 IN 939 768 Inbetriebsetzung 853 nach einer Servicemaßnahme 863 Probebetrieb 853 Inbetriebsetzungsablauf 857 Inbetriebsetzungsplanung 853 Abnahmemessung 858 IBS-Phasen 858 „kalte“ und „heiße“ Inbetriebsetzung 858 Probebetrieb 858 Voraussetzungen für die IBS 858 Independent Power Producer (IPP) 53 Induktor 254 Inertisierung 265
Sachverzeichnis
1109
Informationstechnologie 1034 Datenhandhabung 1034 Datenspeicherung 1034 Infrarot 943 Infrarottechnik 1038 Inhibitoren 767 Innenbeschichtung 771 Innenschale 776 Inspektion 1063 Inspektionstypen 1064 Brennkammerinspektion 1064 Heißteilinspektion 1064, 1073, 1074 kleine Inspektion 1064, 1072 Revision 1064, 1073, 1074 Instandhaltung 1063, 1079 Instandhaltungsmanagement 1078 O&M-Vertrag 1079 Serviceverträge 1078 zustandsbedingte 1044 Instandsetzung 1063 Integraltemperatur 118 Integration einer Gasturbine 33 Interdiffusion 770 interne Rezirkulationszone 476 interne Wärmeübertragung 617 Internetverbindung 1023 IR-Hochgeschwindigkeitskamera 1041 isentroper Wirkungsgrad 374 isentropes Geschwindigkeitsverhältnis 375 ISO 2314 899 ISO-Turbineneintrittstemperatur 900 Isolierung 690 J Joule-Thompson-Effekt
494
K Kaltspalt 937 Kaltstart 93 Kaltversprödung 557 Kanalhöhenfestlegung 375, 381 Kanalverlauffestlegung 382 Kavitationsgrenze 505 Keimbildung 774 Keramik 739, 745, 746 Keramikschicht 759 keramische Hitzeschilde 477, 739 Kerbschlagarbeit 695 Kerbschlagzähigkeit 557 Kerbspannungskonzept 701 Kerbzeitstandversprödung 679 Kernströmung 399
Kinetik 416 Kirkendall-Effekt 770 Klaffungsmaße 848 Klemmenkurzschluss 273, 638 Klinkengesperre 114 Klinkenverzahnung 115 Knoten 672 Kohärenz 434 Kohle 760 Braunkohle 761 Kohlefeuerung 760 Kohlevergasung 760 Steinkohle 761 Kohlenwasserstoff-Kondensat 540 Kohlenwasserstoffemissionen 757 Kohlevergasung 530 Koksrückstand 496 kombinierter Gas- und Dampfprozess 175 Approach-Temperaturdifferenz 172 Temperatur-Wärmeabgabe-Diagramm 169, 172 Kombiprozess 52 Komponentenversuchsstände 924 Kondensat-Betrieb 546 Kondensate 456, 539, 541, 545, 546 Dampfdruck 545 Explosionsschutz 546 Explosionsschutzmaßnahmen 541 Flammpunkt 545 HAZOP-study 547 Merkaptanen 546 PAAG-Verfahren 547 Schwefelwasserstoff 546 Viskosität 545, 546 Kondensation 224, 494, 757, 763 Kondensationsgleichgewicht 763 Kondensator 215, 245, 247 Hochaufstellung 246 Kühlfläche 246 nicht kondensierbare Gase 245 Rohrreinigungsanlage 247 Tiefaufstellung 245 Kontaktrechnung 558 konvektive Kühlung 610 Korngröße 756 Korrosion 556, 741, 755, 756, 759 Hochtemperaturkorrosion 755 Korrosionserreger 756, 763 Korrosionserscheinungen 756 Korrosionsprodukte 757, 764 Mechanismen 759 Nasskorrosion 755 Spannungsrisskorrosion 755
1110 Sulfatkorrosion 762 Vanadatkorrosion 765 Korrosionsnarben 757 Korrosionszeitschwingfestigkeit 757 Korund 744 Kraft-Wärme-Kopplung 248 Entnahmekondensationskraftwerk 248 Heizgegendruckbetrieb 248 Kraftstoffadditiv 761 Kraftwerkkennzeichensystem 860 Kraftwerksrehabilitation 1095 Kreiselpumpe 501 Kreislager 722 Kreislauf 597 des Sekundärluftsystems 597 primär 597 Kreisprozess 2 einfacher 4 GuD 9 kombinierte Dampf- und Gasturbinen 9 thermodynamischer 9, 104 Kriechbeanspruchung 650 Kriechbruchversagen 671 Kriechen 550, 582, 652, 746 primär 665 sekundär 665 tertiär 665 Kriechermüdung 691 Kriechermüdungsrisswachstum 671 Kriechrissbruchzähigkeit 671 Kriechvorgänge 683 kritische Betriebszustände 363 An- und Abfahren 363 Anstreifen 363 Erosionsangriff 363 Fremdkörpereinschläge 363 Frequenzstützung 363 Korrosionsangriff 363 Schwingungsbeanspruchung 363 Verschmutzung 363 Krümmer (180ı -Umlenkungen) 624 Kühl-, Sperr- und Leckluftverbrauch 376 Kühleffektivität 630 Kühlluftführung 596, 641 externe 596 Kühlluftkühler 710 Kühlluftsystem 661 Kühlsystem 63, 630 Kühlung 9, 609 Kühlungseffizienz 630 Kühlungstechnologie 475 Kupplung 68 Kupplungshülse 114
Sachverzeichnis Kupplungsverzahnung 111, 114 Außenverzahnung 111 Innenverzahnung 111 Kurzzeitermüdung 666 L Labyrinth 555 Labyrinthdichtung mit Abriebschicht/Honeycomb 606 Lage der Entnahmestellen 605 Lagerstützen 560 Lagertemperatur 1009 Lagerung 672 Lagerungskonzept 732 Lamellenkupplung 110 laminare Brenngeschwindigkeit 407, 457 Längenmaß 413 Lastabwurf 456, 517 Lasten dynamische 672 Lastfälle 650, 651 lastgesteuertes Anfahren 194 Lastwechsel 560 Läuferbauformen 637 Läuferkomponenten 638 Laufschaufel 371, 550 LCF (Low Cycle Fatigue) 559, 683 LCO 22 772 Lebensdauer 939 Anforderungen 755 Betrachtung 390 Beurteilung 1096 Kosten 585 Verlängerung 1095 Legierungen 758 martensitische 758 Lehnen 558 leichtes Heizöl 539 Leistung 14, 15, 31, 39 Leistungsdiagramm 258 Leistungserhöhung 507 Leistungsklasse 31 Leistungsregelung 310 Turbinen-Eintritts-Temperatur 311 Verstellen von Leiträdern im Verdichter 311 Leistungssteigerung 977, 1085 Dampfeinspritzung 977 Spitzenlastbetrieb 977 Verdunstungswirkungsgrad 980 Leistungszahl 374 Leitfähigkeit thermische 686
Sachverzeichnis
1111
Leitring 685 Leitschaufel 371, 550 Leitschaufelring 685 Leitschaufelträger 683 Leittechnik 61, 69, 1022 Life Cycle Cost 832 Limnotherm 249 Lochdüse 447 Lochkorrosion 757 Lokales Konzept 558 Löschgrenze 411, 413 Low Cycle Fatigue 582, 587, 666 Luft 756 Luftfeuchtigkeit 757 luftgekühlter Generator 261 luftgekühlter Kondensator 238, 241 Dephlegmator 238 luftgestützte Zerstäuber 509 Luftkondensator 95 Luftkräfte 558 Luftspaltinduktion 257 Luftspeicher-Kraftwerke 60 luftunterstützte Zerstäubung 447 Luftverteilung 428 Luftzahl 401 Luftzahlschwankung 433 Luftzerlegungsanlage 523 Lunker 667, 687
mehrstufige Ausführung 375 Mehrwellenanlagen 78 Membrankupplungen 111 Membranspannung 652, 694 Meridiankanal 380 Messdaten 1021 Messinstallation 901 Messstellen 903 Messunsicherheiten 912 Messverfahren 564 Metallumlenkwinkel 339 Methan (CH4) 492 Mikrogasturbine 3 Mindestmengenventil 506 Mindestsauerstoffmenge 401 Mischstrecke 423 Mischtemperatur 17–19, 26, 32 Mischung 421, 423 Mischungsfluktuation 424, 425 Mischungsintensität 413 Mischungsqualität 415 1D-Mittelschnittrechnung 377, 381 Mittelspannung 560 Modalanalyse 560 Moden 560 Modernisierung 1083 Modul 117 Monoblockdesign 639 Montage 837 Montagehandbuch 840 Montageplanung 838 Personalplanung 839 Planung der Baustellenlogistik 840 Planung der Baustellenorganisation 840 technische Planung 839 Terminplanung 839 Mullit 744 Multipass-Kühlsystem 612
M MA 956 768 Machzahl 325 magere Löschgrenze 408 Magnesiumorthovanadat 767 Magnesiumsulfat 767 MarM 509 768 Maschinencharakteristiken 309 Maschinendiagnose 1016 Maschinenkenngrößen 309 Massendurchsatz 14 Massenstrom 31, 46 Massenstromregelung 360 Abgastemperatur 360 Dampfprozess 360 Leitschaufelverstellung 360 Materiale 8 Einkristall 8 keramische Wärmedämmschichten Mattenfilter 66 MCrAlY 769 Meeresnähe 757 Meersalz 761 Mehrflächenlager 722
N
8
Nachbrennkammer 475 Nachverbrennung 430, 431 Nahtkerbwirkung 701 Naphtha 456, 501, 539–541, 545, 546, 760 Dampfdruck 545 Explosionsschutz 546 Explosionsschutzmaßnahmen 541 Flammpunkt 545 HAZOP-study 547 Kondensate 545 PAAG-Verfahren 547 Viskosität 545, 546 Nasskühlturm 229, 242
1112 Abluftfahne 229 Eindickungszahl 228 Feuchtlufttemperatur 228 Kühlgrenzabstand 228 Kühlturmzusatzwasser 242 Verdunstungsverlust 228 Zusatzwassermassenstrom 228 Nasskorrosion 757 Nassverdichtung 1090 Nasszellenkühlturm 231 Zellenkühlturm 232 Natrium 763 Natriumchlorid 763 Natriumsulfat 763 Nebenkühlkreislauf 226 Nennspannungskonzept 557, 701 Nickel 764 Nickel-Basis-Legierung 208 NiCoCrAlY, CoCrAlY 769 Niederdruckflut 211, 214 Niederdruckplasmaspritzen 771 Niederdruckteilturbine 221, 243, 244 Abdampfvolumenstrom 243 Niedertemperaturkinetik 444 Nitrierung 762 Normbedingungen 492 Notlaufeigenschaft 730, 768 NOx 496 Nut 550 Nutzleistungsturbine 5, 101 O O&M-Verträge 1094 OEMs 56 oil whip 725 oil whirl 725 Öllanze 459 Öltanks 497 Ölvormischsysteme 466 One Digit Emission 189 Online Blade Monitoring System 1042 Onlinegaschromatograf 907 optimale Umfangsgeschwindigkeit 375 optische Pyrometrie 940 Ovalisierung 684 Oxid 764 Oxidation 583, 755 zyklische 765 P PAC 863 Package 502, 504, 505
Sachverzeichnis Packzementation 772 PAK 426 Partikel 756 Partikeleinschläge 782 Partikelquellen 782 passive Maßnahmen 489 Pécletzahl 440 Perowskite 783 Pflanzenmasse 761 pH-Wert 757 ˇ -Phase 770 phased construction 57 Phasendrehung 437 Phasengrenze 448 Phasenschieber 112, 271 Phasenschieberbetrieb 58 Pilotflamme 461 Pilotierung 428, 430 Pins 612, 618 pitting 117 Planck-Strahlungsgesetz 940 Platin 771 Platinieren 773 Poller 688 polytroper Wirkungsgrad 374 Poren 667 power augmentation 1087 Power Control Centers 69 Prallkühlung 612, 617 Primärspannungen 652 Probebetrieb 862 Problemlösung 1036 Profil Machzahlverteilung 386 Profilfamilie 335 CDA 335 NACA 335 Profilierung 377, 386 2D-Profilierung 377 Profilsehnenlänge 384 Prognose 1019 Prozess 19, 33, 35 Brayton 21 Carnot 19–21 Ericsson 22, 47 GuD 46 idealer 19, 23 Joule 21, 37, 42 Kombi 32–35, 46 kombiniert 1 Kriterien 29 nichtumkehrbarer 23 realer 19, 23 Reheat 36–39, 46
Sachverzeichnis STIG 41 teilidealisiert 19 umkehrbarer 23 Zwischenerhitzung 35, 37, 45 Zwischenkühlung 39 Prozessleitsystem 1010–1012 Prüfgase 945 Prüfverfahren 779 zerstörungsfreies 779 Pulsation 432 Pulsfilter 66 Pumpbarkeit 760 Pumpe 501 Pumpen 321 PWA 286 772 Pyrochlore 783 Q Qualifizierung 857 Weiterbildung 857 Quotientenpyrometer 942 R radiales Gleichgewicht 382 Radialgleitlager 721 hydrodynamisches 722 Radialkippsegmentlager 722 Radialspalt 551 Radialspalteinfluss 388 Radialspaltmessungen 935 Radikalenpool 441 Radseitenräume 604 Sperrung 604 Rauchgas-Rezirkulation 9 Rauchgasanalyse 944 Rauchgassonde 944 Rayleigh-Index 436, 487 Rayleigh-Kriterium 436 Reaktion 407 Reaktionsbeschaufelung 217 Reaktionsenthalpie 401 Reaktionsgrad 321, 379 Recovery-Temperatur 612 Reduzierstation 494 reduzierte Drehzahl 325, 361 reduzierter Massenstrom 326, 361, 394 Referenzzustand 400 Reflexionsgrad 941 Refurbishment 771 Regelarmatur 498
1113 Regelung 501 Drehzahlregler 991 Grenzleistungsregler 992 Leistungsregler 991 Statik 994 Regelventile 497, 504 Reheat 35 Reheat-Maschine 405 Reheat-Prozess 38 Rekristallisation 768 Rekuperator 40 Relativgeschwindigkeit 372 Relativsystem 331 René 80 768 Reparaturstrategie 1036 Repowering 58, 1098 Resonanz 560, 588 Resonanzfrequenz 437 Resonator 437 Revisionsintervalle 210 Rezirkulation 232, 507 Ringbrennkammer 455, 474, 691, 740 Rippen 620 Risse 747 Risseinleitung 758, 759 Risslänge 669 kritische 669 Risswachstum 667, 759 Schwellwert 670 Rohgaswärme 523 Rohöl 759 =4-Rohr 437 Rohrbrennkammer 455, 479 Rohrleitungen 499 Rohrreinigungsanlage 247 beschichtete Kugeln 248 Schwammkugeln 247 Rohrringbrennkammer 691 Rotating Stall 321 Rotation 626 2D-Rotationssymmetrisch 381 2D-Rotationssymmetrisch (Ductflow) 377 2D-Rotationssymmetrisch (Throughflow) 378 Rotationszahl 626 rotierende Kavitäten 602 RT 22 772 Rückkopplung 434 Rückschlagsicherheit 439 Rückstandsöl 541, 760 Rückströmzone 408 Rückzündung 438
1114 Ruß 426, 496 Abbrand 428 Bildung 426 Oxidationszone 428 Zahlbestimmung 945 S Sättigung 433 Säulenfundament 209 Säuretaupunkt 174 Schäden an Turbomaschinenlagern 730 Schadstoffausstoß 944 Schadstoffe 944 Schadstoffreinigungsmaßnahmen 189 Katalysatoren 189 Kohlenmonoxidreduktion 189 Primärmaßnahmen 189 selektive katalytische Reduktion 189 Schalldruck 433 Schallschnelle 433 Schallschutz 232 Schaufelabriss 638 Schaufelbelag 756 Schaufelblatt 549 Schaufelfuß 550 Schaufelgitter Entspannungsgitter 296 Kompressionsgitter 296 Verzögerungsgitter 295 Schaufelprofilkriterien 386, 387 Schaufelschaden 672 Schaufelschwingung 946, 947 Schaufelwerkstoffe 757 Verdichter 757 Schaufelzahlfestlegung 384 Scheibenbauweise 639 Scheibenformen 659 Scheinleistung 258 Scherschicht 410 Schichten 757 Nickel-/Cadmiumschichten 758 Sermetel-Schichten 757 Schieflast 673 elektrische 673 Schlamm 497 Schleifen 563 Schließzeiten 498 Schlitzausblasung 616 Schmieden 563 Schmieröldruck 1009 Schmierölsystem 62 Schmierstoffe 715 Schnellschlussarmatur 498
Sachverzeichnis Schnellschlussventil 504 2D-Schnitte 549 Schraube 697 hochbeanspruchte 697 warmfeste 698 Schraubenspindelpumpe 501 Schubnocke 691 Schubspannung 558 Schutzschicht 557 Schutzschichtverbrauch 1096 Schwachstelle 832 Schwalbenschwanznut 552 Schwarzkörperstrahlung 942 Schwefel 760 Schwefeloxide 763 Schweißen 768 Schwermetalle 765 Schweröl 539–541, 544 Brennstoffaufbereitung 539 Brennstoffvorwärmung 543 Hochtemperaturkorrosion 544, 545 Hybrid-Brenner 543 Off-Line-Wäsche der Turbine 544 Rückstandsöl 541 Schwerölaufbereitung 543 schwerölgefeuerte Gasturbinen 543 Viskosität 545, 546 Schwerölbetrieb 544 Schwerölrückstandsvergasung 530 Schwingbreite 663 Schwingfestigkeit 687 Schwingungsbeanspruchung 757 Schwingungseigenform 672 Schwingungsmesseinrichtung 868 Schwingungsmessungen 867 Schwingungsmoden 433 Schwingungsrisskorrosion 757 Seebeck-Effekt 939 Seewasser 761 Sehnenlänge 317, 554 Sekundärluftsystem 595 Sekundärspannungen 652 Selbstzündtemperatur 441, 466 Selbstzündung 415, 441 Selbstzündzeit 405, 442, 468 Semitransparenz 943 Sensitivität 38 Sensor 1032 induktive 936 kapazitive 936 sequentiell gestuftes Verbrennungssystem 475 sequenzielle Verbrennung 432
Sachverzeichnis Servicegeschäft 1015 Servicekonzept 585 Shedding 756 Sherwoodzahl 449 Sicherheitsabsperrarmatur 497, 500 Sicherheitsfaktor 663 Sicherheitsnachweis 651 Sicherheitsventil 506 SICOAT 772 SICOAT 2231 772 SICOAT 2453 772 Siebfilter 500 Siedetemperatur 448 Signalübertragung 951, 956, 961 Silobrennkammer 472, 534 Sinterung 778 Skid 502, 504 Smith-Diagramm 376 Solidity 317, 339 Sommerfeld-Zahl 723 Sonderbrennstoffe 456 Sondereinbauten 188 Spalt 551 Spaltauslegung 707 Fahrzyklus 707 Querkontraktion 707 Radialspalte 707 warmes Wiederanfahren 709 Zeitkonstante 708 Spalte 665, 705 Kaltspalt 706 Toleranzen 706 Warmspalt 706 Spaltverengung 706 instationäre 707 stationäre 706 Spaltverluste 551, 705, 776 Spannungen 558 Spannungsgrenzwert 652 zeitunabhäng 663 Spannungsintensität 668 Spannungsintensitätsfaktoren 668 Speisewasserpumpen 91 Speisewasservorwärmung 173 Sperrdampf 223 Sperrgrenze 362 Sperrluft 515, 516, 602, 743 Sperrluftversorgung 596 Spezifikation 492 spezifische Arbeit 14, 26–30, 33, 36–38 Spinelle 783 Spitzenlast 649 Spitzenspannung 652
1115 Spülen 507, 515 Spülprozedur 508 Spurengase 756 SSS-Überholkupplung 113, 115 Stabilitätsgrenze 362 Staffelungswinkel 551 Stahl 757 Chrom 757 hochlegiert 678 schweißgeeignet 679 superrein (super clean) 678 Stahlguss 687 ferritisch 687 martensitisch 687 Standardisierung 83 Standardsensorik 1020 Ständerblechpaket 252 Ständerwicklung 253 Standort 756 Starts 649 statische Stabilität 398 Statoren 560 Statorteile 672 Staub 756 Stäube 761 Filterstäube 761 Stellantrieb 996 Stellventile 494 Stellzeiten 498 Steuerung 999 Abfahren 1000 Anfahren 999 Stickoxid 416, 507 Stickoxidemission 418, 453 Stickstoff 497, 760 Stillstandskorrosion 757 Stockpunkt 495 Stoffumwandlung 399 Störfall 638, 1036 Strahlungsleistung LSK 940 Strahlungsthermometer 940 Strahlungsthermometrie 940 Streckgrenze 651 Strippen 771 Strombelag 257 Stromlinienkrümmung 383, 384 Strömungsabriss 321 Strömungsgeschwindigkeitsdefinition Strömungsteiler 500, 507 Strömungsverhältnisse 756 Strömungswinkeldefinition 383 Strukturspannungskonzept 701
383
1116 Stufendruckverhältnis 317 mittleres 8 Stufeneigenschaften 304 Betriebsverhalten 306 Stufencharakteristiken 306 Stufenkenngrößen 304 Stufenenthalpiekenngröße 347 Stufenzahlfestlegung 377, 380 Stufung 432 Stufungskonzept 428, 480 Stützleiste 688 Sulfatierungsreaktion 763 Sulfid 764 Chromsulfide 763 Nickelsulfide 763 Sulfidation 763 Superlegierung 759 Surge 321 Synchrongenerator 250 Synchronisier-Zahnkupplung 113 Synchronisieren 991 Syngas 530, 531 Flammengeschwindigkeiten 533 Flammenstabilität 532 Verbrennungssysteme für Syngas 533 Synthesegase 761 Systemkontrolle 859 T Tannenbaumnut 552 Tantal 773 Taststifte 936 Taupunkt 494, 757 Taupunkttemperatur 557 Taupunktvorwärmer 503 Teilfugenfläche 697 Teilfugenschrauben 688 Teillastverhalten 428, 973 Absenkung der Turbineneintrittstemperatur 976 Vorleitreihenverstellung 974 Teilstrahlungspyrometer 942 Teilturbine 207 Telemetrie 956–958 Temperatur 755 Oberflächentemperatur 755 Temperaturdehnung 661 temperaturgesteuertes Anfahren 197 Temperaturgradienten 743 Temperaturmessung 939 Temperaturprofil 399 Temperaturverteilung 694, 700 instationäre 694
Sachverzeichnis lineare 694 logarithmische 700 Temperaturverteilung und Festigkeit 378 Temperaturwechsel 751 Temperaturwechselbeständigkeit 739 Tenside 756 kationische 756 neutrale 756 Testtoleranzen 912 Thermally Grown Oxide (TGO) 773 thermoakustisch 487 thermoakustisch induzierte Verbrennungsschwingungen 483 thermodynamisches Gleichgewicht 398 Thermoelement 939 Thermofarbe 940 Thermomechanical Fatigue 587 Thermoschock 741, 745 Thermoschockbeständigkeit 766 Thermospannungen 657 Torsionseigenformen 673 Torsionsmoden 561 Torsionsschwingungen 672 Torsionswelle 109 Totbandansatz 1021 Tragflügeltheorie 7 Tragflanke 552 Transferpumpe 501, 505 Transmissionsgrad 941 Transport 497, 689 Triebwerk 101 Dreiwellen- 104 Flugtriebwerk 101 Hubschraubertriebwerk 102 Kerntriebwerk 101 Zweiwellen- 104 Trockenkühlturm 235 Einspritzkondensator 237 indirektes System mit Direktkontaktkondensation 237 indirektes System mit Oberflächenkondensator 235 Mischkondensator 237 Winterbetrieb 238 Trockner 758 Tropfenaufheizung 448 Tropfenbewegung 423 Tropfendispersion 448 Tropfenverdampfung 448 Turbine 567 Gehäusesegment 567, 580 Honeycombs 581 Verhakungen 580
Sachverzeichnis Laufschaufel 567 Anstreifkante 574, 579 Dämpfungselement 574, 580 Deckband 575, 579 Dichtblech 577 Dichtelement 576 Fußhals 574, 576 Laufschaufelblatt 575 Plattform 574 Preswirler 573 Scheibenkopf 577 Tannenbaumfuß 578 Tragzähne 578 Verhakung 574 Leitschaufel 567, 573 Abdichtung 572 Fußplatte 568, 571 Gehäuse 569 Kopfplatte 568, 572 Leitschaufelblatt 569 Leitschaufelträger 569, 570 Plattformränder 572 Radseitenräume 573 Ringsegment 572 Schaufelkraft 571 Sperrluft 573 Zwischenring 569, 572 Turbinenauslegung 389 Turbinenaustrittstemperatur 14 Turbinenbeschaufelung 567 Turbineneintrittstemperatur 598, 610, 900 Definitionen 18 Erhöhung der 8 fiktive 598 nach ISO 2314 598 reale 598 Turbinengehäuse 685 gegossen 685 geschweißt 685 Turbinenkennwert 374 Turbinenlager 732 Turbinenleistung 372 Turbinenradzähler 907 Turbinenschaufel 592, 942 Beschichten 592 Alitierung 593 Kühlluftdurchfluss 593 metallische Schutzschicht 592 Momentengewichte 593 Wärmedämmschicht 592 Fertigungsverfahren 590 Conventional Casting 590 Directional Solidified 590
1117 Drehen 591 elektrochemisches Erodieren Feinguss 590 Fräsen 591 Funkenerodieren 591 Laserbohren 591 Schleifen 591 Single Crystal 590 Kühlung Backflow margin 570 Filmkühlung 570 konvektive 570 Prallkühlung 570 Reparatur 593 Turbinenwäsche 1064 turbulente Brenngeschwindigkeit Turbulenzintensität 412
591
457
U Überhitzer 162 Überschneidungstemperatur 664 Ultraschallprüfung 652 Umfangsgeschwindigkeitsfestlegung Umfangsnuten 553 Umgebungsdruck 903 Umgebungsluft 756 Umgebungstemperatur 903 Umlenkdiffusors 475 Umrechnungskurven 909 Umsatzrate 413 Umschlagtemperatur 940 Umweltbelastung 105 NOx-Emission 105 Unsicherheiten 900 Unsicherheitsbetrachtung 912 Unwucht 672 Uprate 1084 V V-Porphyrinkomplex 761 V94.2 543 Vakuumdestillation 760 Vanadium 760 Vanadiumpentoxid 760, 765 Varianz 425 Ventile 497 Verbrennung 15 sequentielle 39 Verbrennungsinstabilität 456 Verbrennungslärm 434 Verbrennungsschwingung 456 Verbrennungstemperatur 410
374
1118 Verbrennungswirkungsgrad 414 Verbund-/Kombikraftwerk 51, 58 Verdampfung 403, 423 Verdichter 756 Hochdruck 101 Mitteldruck 101 Niederdruck 101, 102 Zwischenkühlung 107 Verdichterbeläge 756 Verdichterkennfeld 361 bei Variation der Turbineneintrittstemperatur 973 bei Variation der Umgebungstemperatur 969 Verdichterlager 732 Verdichterpumpe 438 Verdichterpumpgrenze 394 Verdichterreinigung 64 Offlinewäsche 1065, 1066 Onlinewäsche 1066, 1067 Reinigungszusatz 1067 Waschintervall 1067 Verdichterreinigungsverfahren 1065 Verdichterverschmutzung 365, 1065 Detergentium 365 Filterung 365 Frostschutzmittel 366 Laugen 365 Lochfraß 365 Off-Line-Cleaning 365 On-Line-Cleaning 365 regelmäßige Reinigung 365 Reinigungsmittel 366 Säuren 365 Sprühnebel 366 Stillstandskorrosion 365 Waschen 365 Verdichterwäsche 756 Verdichterwascheinrichtung 1093 Verdunstungskühler 40, 1088 Vereisen 503 Verfügbarkeitskennzahlen 1054 Abhängigkeiten 1060 Definitionen 1054 Eintrittswahrscheinlichkeit 1059 Lernkurve 1058 Risikoabschätzung 1058 Zuverlässigkeit V11/FOR 1057 Zuverlässigkeit V17/SF 1057 Zuverlässigkeit V18/SR 1057 Zuverlässigkeit V3/RF 1055 Zuverlässigkeit V7/AF 1056
Sachverzeichnis Verformung 661 bleibend 683 Vergasungsanlage 523 Vergasungskraftwerke 59 Vergasungsreaktor 761 Vergasungsverfahren Festbett 523 Flugstromvergasung 523 Wirbelschicht 523 Vergleichsspannung 653 Vergütungsstähle 678 Verkokung 496, 504, 508 Verluste Strömungsmaschinen 24 Verlustkorrelation 381 Verschiebung 661 Verschiebungstrajektoren 710 Verschleißschutzsystem 697 Verschraubung 688 verstellbare Leitschaufel 555 Verstelleinrichtung 555 Verunreinigungen 501 Verzahnung 116 Abweichungen 129 Deformation 119 Doppelschrägverzahnung 122, 123 Einfachschrägverzahnung 122 Herstellung 129 Modifikationen 119 Schleifen 129 Tragbild 130, 134 Verzahnungsparameter 119 Vielfach-Wasser-Abschreck-Test 745 vielstufige Beschaufelung 308 Änderung der Geometrie 308 erste und letzte Stufe 308 Reynolds- und Machzahl 308 Viskosität 495, 760 von-Mises-Vergleichsspannung 558 Vor- bzw. Nachleitschaufel 550 Vordrallsysteme 605 Vorgänge 683 transient 683 Vormischbrenner 1091 Vormischung 423 Vormischverbrennung 404, 454 Vorspannkraft 698 Vorwärmung 492 W Wahl des Pumpentyps 501 Wahrscheinlichkeitsdichte 425 Wandreibung 437
Sachverzeichnis Wärme-Kraft-Kopplung 58 Wärmeabfuhrsystem 224 Kaltes Ende 224 Wärmesenke 224 WarmebehandlungqWärmebehandlung 127 Wärmedämmschicht 755, 759, 943 Wärmedurchgangszahl 629 Wärmefreisetzung 416 Wärmefreisetzungsfluktuation 487 Wärmeklasse 276 Wärmespannungen 572, 582, 586, 776 Wärmestrahlung 942 Wärmestromdichte 614 Wärmeübergang 612 Wärmeübergangskoeffizient 612 Warmstart 936 Wartung 1063 Wasser 40, 41, 507, 757 Einspritzwasser 766 Wasser-Dampf-Kreislauf 89 Wasserdampf 762 Wassereinspritzung 404, 979 Wasserinjektion 403 Wasserstoffkühlung 262 Wasserstoffversorgung 265 Weber-Zahl 467 Wellendichtung 264 Wellenkupplung 109, 110, 112 nichtschaltbare 110 richtungsgeschaltete 112 schaltbare 112 Wellenstrang 672, 843 Werkstoff 556, 694 duktil 694 spröde 694 Werkstoffausnutzung 659 Werkstoffdaten Mindestwerte 670 Mittelwerte 670 Streuung 670 Werkstoffe 127 Eigenspannung 128 Einsatzstahl 127 ferritisch-perlitische 678 Festigkeit 127 hochwarmfeste 678 martensitische 678 Nitrieren 127 Oberflächenhärte 127 Reinheitsgrad 129 Werkstoffermüdung 652 Werkstoffkennwert 664 zeitabhängig 664
1119 zeitunabhängig 664 wet compression 40, 67, 1090 Wiederaufarbeitung 1078 Reconditioning 1078 Refurbishment 1078 Wien-Verschiebungsgesetz 941 Wirbel 411 Wirbelablösung 437 Wirbeldynamik 440 Wirbelschichtfeuerung 761 Wirkleistung 257 Wirkungsgrad 28–30, 35, 37, 39, 104, 208, 292 isentroper 15–17, 293, 319 ISO-Misch 18 Netto 15 polytroper 15–17, 320 statischer Turbinewirkungsgrad 293 statischer Verdichterwirkungsgrad 293 thermischer 1, 6, 14, 20, 22, 24, 29, 36, 38 thermodynamischer 3 totaler Turbinenwirkungsgrad 292 totaler Verdichterwirkungsgrad 292 Wirkungsgradverbesserung 1085 Wobbe-Zahl 492 Wöhler-Diagramm 757 Wrasen 223 X X 40/45 768 X20 Cr13 757 Y YPSZ 773 Yttrium 770 Yttriumoxid 766 Z Zahnbruch 117 Zahnkupplung 111, 112, 115 Zahnradschäden 117 Zahntauchschmierung (Zahnkupplung) Zeitdehngrenze 695 Zeitstandfestigkeit 664 Zerstäuber 446 Zink 757 Zirkoniumoxid 759, 766 Zuganker 640 Zugspannung 558, 759 Zunderbeständigkeit 687 Zündkinetik 443
112
1120 Zündquelle 408 Zündverzugszeit 442 Zündvorgang 441 Zündzone 410 Zwangdurchlaufdampferzeuger Zweifelzahl 385
Sachverzeichnis
170
Zweitabsperrung 506 Zweitbrennstoff 455 Zwischenüberhitzer 162 Zwischenwelle 847 Zyklus 8 einfacher 8