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MARTIN HEIDEGGER
GESAMTAUSGABE H. ABTEILUNG: VORLESUNGEN 1919-1944 BAND 36/37 SEIN UND WAHRHEIT
11011 VITTORIO KLOSTERMANN FRANKFURT AM MAIN
MARTI
HEIDEGGER
SEIN UND WAHRHEIT 1.
DIE GRU DFRAGE DER PHILOSOPHIE 2. VOM WESEN DER WAHRHEIT
= 11011 VITTORIO KLOSTERMANN FRANKFURT AM MAIN
Freiburger Vorlesungen Sommersemester 1933 und Wintersemester 1933/34 herausgegeben von Hartrnut Tietjen
© Vittorio Klostermann GmbH· Frankfurt am Main . 2001 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Satz: bLoch Verlag, Frankfurt am Main Druck: Hubert & Co., Gättingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier @IS09706 . Printed in Germany ISBN 3-465-03153-9 kt . ISBN 3-465-03154-7 Ln
INHALT
DIE GRUNDFRAGE DER PHILOSOPHIE Sommersemester 1933 EINLEITUNG Die Grundfrage der Philosophie und das Grundgeschehen unserer Geschichte
§ 1. Der geistig-politische Auftrag als Entscheidung zur Grundfrage ........................................... 3
§ 2. Das dichtend-denkende Fragen der Griechen und der Anfang der Philosophie. Philosophie als der unausgesetzte geschichtliche fragende Kampf um das Wesen und Sein des Seienden. . .. 6
§ 3. Was Philosophie nicht ist. Abwehr unangemessener Bestimmungsversuche ..................................... 8
§ 4. Die Grundfrage der Philosophie und die Auseinandersetzung mit der abendländischen Geistesgeschichte in ihrer Hauptstellung: Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13
HAUPTTEIL Grundfrage und Metaphysik. Vorbereitung einer Auseinandersetzung mit Hegel
Erstes Kapitel Ausbildung, Wandlung und christliche Prägung der überliiferten Metaphysik
§ 5. Hinweise zur Auseinandersetzung mit Hegel . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 § 6. Der Begriff der Metaphysik und seine Wandlung bis zur klassischen Metaphysik der Neuzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20
VI
Inhalt a) Die Entstehung des Metaphysikbegriffs als buchtechnischer Ordnungstitel für bestimmte Aristotelische Schriften (IlEta ta !pU
§ 7. Kants kritische Frage nach der Möglichkeit metaphysischer Erkenntnis und die klassische Einteilung der Metaphysik. . . . .. 23 a) Zur Nachwirkung der christlichen Prägung des Metaphysikbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 b) Die drei rationalen Disziplinen der neuzeitlichen Metaphysik und Kants Frage nach der inneren Möglichkeit und den Grenzen metaphysischer Erkenntnis als Erkenntnis aus reiner Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25
Zweites Kapitel Das System der neuzeitlichen Metaphysik und ihr erster Hauptbestimmungsgrund: das Mathematische
§ 8. Vorbemerkungen zu Begriff und Bedeutung des Mathematischen in der Metaphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28 a) Aufgabe: geschichtlicher Rückgang zu den Wendepunkten des Metaphysikbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28 b) Der griechische Begriff des Lehr- und Lernbaren (ta lla91lllata) und der innere Zusammenhang zwischen dem »Mathematischen« und dem »Methodischen« ......... 30
§ 9. Der Vorrang des Mathematischen und dessen Vorentscheid über den Inhalt der neuzeitlichen Philosophie: die mögliche Idee von Wißbarkeit und Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35
§ 10. Die neuzeitliche Metaphysik in ihrem scheinbaren Neuanfang bei Descartes und ihre Verfehlungen ........................ 37 a) Das übliche Bild des Descartes. Die strenge Neugründung der Philosophie aus der radikalen Zweifelsbetrachtung ... .. 37
Inhalt b) Der Schein des Radikalismus und der Neugründung bei Descartes unter der Vorherrschaft des mathematischen Methodengedankens ................................... a) Der methodische Zweifel als Weg zum letzten Unbezweifelbaren. Das Einfachste und Einsichtigste als Fundamenturn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ß) Die Zweifelsbetrachtung als Schein. Der inhaltliche Vorentscheid für ein Unbezweifelbares vom Charakter des Vorhandenen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. y) Das Fundamenturn als Ich ............................ 3) Das Ich als Selbst. Die Selbstbesinnung als Täuschung. .. E) Das Wesen des Ich (Selbst) als Bewußtsein . . . . . . . . . . . .. ~) Das Selbst als Ich und das Ich als »Subjekt«. Der Wandel des Subjektbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die inhaltliche Folge der Vorherrschaft des mathematischen Methodengedankens: das Verfehlen des eigentlichen Selbst des Menschen und der Grundfrage der Philosophie. Der Vorentscheid der mathematischen Gewißheit über Wahrheit und Sein ..............................................
VII
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44
§ 11. Die Vorherrschaft des mathematischen Methodengedankens in den metaphysischen Systembildungen des 18. Jahrhunderts. . .. 46
§ 12. Einleitende Bestimmungen aus Wolffs »Ontologie«. Der Ausgang von den philosophischen Prinzipien aller menschlichen Erkenntnis .............................................. 48
Drittes Kapitel Christliche Bestimmung und mathematisch-methodischer Begründungsgedanke in den metaphysischen Systemen der Neuzeit
§ 13. Die Verklammerung der beiden Hauptaufgaben: Begründung des Wesens des Seins überhaupt und Erweis von Wesen und Dasein Gottes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 51
§ 14. Der mathematische Systemcharakter im Ausgang der Baumgartschen Metaphysik ................................ 53
VIII
Inhalt a) Der Begriff der veritas metaphysica: Übereinkunft des Seienden mit den allgemeinsten Prinzipien ............... 53 b) Vorüberlegungen zum Prinzipiencharakter der Prinzips, aus dem sich das ens in communi soll bestimmen lassen .... 54
§ 15. Baumgartens Ansatz beim possibile (Seinkönnenden) und der logische Grundsatz vom Widerspruch als schlechthin erstes Prinzip der Metaphysik ................................... 55
§ 16. Anmerkungen zur Gründung des principium primum. Der Satz vom Widerspruch und das Dasein des Menschen: die Wahrung der Selbigkeit des Selbigen ................................ 57
§ 17. Die mathematisch-logische Bestimmung von Ausgang, Ziel und Ableitung im metaphysischen System Baumgartens ....... a) Das summum ens als perfectissimum. Die Zugehörigkeit des perfectum zum Seinsbegriff und seine Eignung als Überleitung zum höchsten Seienden .. '.' . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die Hauptschritte des Aufbaus des metaphysischen Systems. (1) Der Ausgang vom Denkbaren im urteilenden (aussagenden) Denken und der Satz vom Grund ................. ß) Die logische Umgrenzung des ens. Die possibilitas als essentia (Was-sein): Vereinbarkeit der inneren und einfachen Bestimmtheiten .............................. 1) Die relatio ad unum der essentia als perfectum. Der mathematische Sinn der Einstimmigkeit des perfectum ö) Die Eignung des perfectum als Überleitung zum summum ens: die mathematisch-logisch notwendige Steigerungsfähigkeit des perfectum zum perfectisSlmum ............................................. E) Das summum ens als perfectissimum und die eingeschlossenen Seinsbestimmungen ..................... ".
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Viertes Kapitel" Hege! Die Vollendung der Metaphysik als Theo-Logik
§ 18. Überleitung zu Hegel ..................................... 69
Inhalt
IX
§ 19. Der Grundcharakter der Hegeischen Metaphysik. Metaphysik als Theo-Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Hegels Metaphysik als Logik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die logische Wissenschaft als eigentliche Metaphysik. . .. ß) Metaphysik als Logik in höherer Gestalt. Die Logik des Logos als Logik der reinen Wesenheiten ................ y) Die höhere Logik als Logik der Vernunft. . . . . . . . . . . . . .. aa) Das Wesen der Vernunft als selbstbewußtes Wissen .. ßß) Die Wahrheit (das Sichselbstwissen) der Vernunft als absoluter Geist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Logik als System des absoluten Selbstbewußtseins Gottes: Theo-Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
70 71 71 72 74 74 74 75
§ 20. Die Vollendung der abendländischen Philosophie in der Metaphysik als Theo-Logik und die Fragwürdigkeit dieser » Vollendung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
76
SchllflJ
§ 21. Auseinandersetzung und Einsatz ........................... 78
VOM WESEN DER WAHRHEIT Wintersemester 1933/34 EINLEITUNG Verfänglichkeit und Unumgänglichkeit der Wesenifrage
§ 1. Die Frage nach dem Wesen der Wahrheit und das Wollen des Wahren unseres Daseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83
§ 2. Die Frage nach dem Wesen des Wesens. Voraussetzungen und Ansatz .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86 a) Das Wesentlich werden des Daseins in der eigentlichen Sorge um sein Seinkönnen und das Erwirken des Wesens der Dinge. Das Wie des Wesens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86 b) Die Frage nach dem Was des Wesens. Das Zurückhören in den griechischen Anfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 88
298
Anhang II
Das Sein - Seiendheit: xp&1:ov - 'Cou'Co yap ~aA.tO''Cot EX\. xav'Ccov XotptXE'Cott (186 a 2 sq.); das am ehesten zuvor schon sich Einstellende, sich Zeigende, auf uns her sich Kehrende, das Vor-herige. ~aA.tO''Cot xpW'Cov, deshalb XpO'CEPOV, prius, apriori.
NACHWORT DES HERAUSGEBERS
Die beiden unter dem bibliographischen Titeln Sein und Wahrheit in dem vorliegenden Doppelband vereinigten Vorlesungen entstammen dem Rektoratsjahr Martin Heideggers. Die Vorlesung Die Grundfrage der Philosophie wurde im Sommersemester 1933 zweistündig gehalten, die Vorlesung Vom Wesen der Wahrheit im Wintersemester 1933/34 ebenfalls. Letztere begann ausweislich der vorliegenden Hörernachschriften am 7. November 1933 und endete am 27. Februar 1934. Für die Vorlesung vom Sommersemester 1933 weisen die Nachschriften keine entsprechenden Daten aus. Die Kürze des Vorlesungstextes läßt jedoch vermuten, daß Heidegger wegen der außerordentlichen und ungewohnten Belastung durch das Rektoramt im Sommersemester 1933 einige Vorlesungsstunden ausfallen ließ. Als Editionsgrundlagen für die Vorlesung vom Sommersemester 1933 standen dem Herausgeber zur Verfügung: 1. Die vom Deutschen Literaturarchiv gefertigte Fotokopie der Handschrift, die 22 fortlaufend gezählte, im Querformat beschriebene Seiten sowie zahlreiche eingelegte und nachgefügte Beilagen unterschiedlichen Formats - größtenteils jedoch im DIN A5 Format - umfaßt. 2. Die vom Herausgeber im Jahre 1978 erstellte maschinenschriftliche Abschrift der Handschrift (mit Beilagen ca. 100 Seiten DIN A4). 3. Eine handschriftliche Hörernachschrift von Wilhelm Hallwachs mit 117 zumeist doppelseitig in großer Handschrift beschriebenen Blättern DIN A5, die vermutlich selbst eine Abschrift einer ursprünglich stenographischen Mitschrift darstellt. 4. Eine maschinenschriftliche Hörernachschrift von Adolph Kolping mit 35 Seiten DIN A4 als Abschrift einer stark verkürzten handschriftlichen Nachschrift.
300
Nachwort des Herausgebers
Für die Edition der Vorlesung vom Wintersemester 1933/34 standen zur Verfügung: 1. Die Fotokopie der Handschrift der für die Wiederholung dieser im Wintersemester 1931/32 erstmals gehaltenen Vorlesung neu verfaßten Einleitung im Umfang von 24 querbeschriebenen Seiten sowie 14 eingelegten Zetteln, überwiegend im Format DIN A5 und teilweise zusammenhängend durchnumeriert. 2. Eine vom Herausgeber im Frühjahr 1980 hergestellte maschinenschriftliche Abschrift des Manuskripts der Einleitung. 3. Das Original der handschriftlichen Vorlesungsnachschrift von Wilhelm Hallwachs im Umfang von 199 überwiegend doppelseitig großzügig beschriebenen Blättern DIN A5, vermutlich wiederum Abschrift einer ursprünglich stenographischen Mitschrift. 4. Eine hiervon durch den Herausgeber 1985 gefertigte maschinenschriftliche Abschrift im Umfang von 199 Seiten DIN A4. 5. Eine maschinenschriftliche Hörernachschrift mit 44 eng beschriebenen Seiten DIN A4 von Arnold Bergsträsser als Abschrift einer handschriftlichen Mitschrift, die den Vorlesungstext nur verkürzt wiedergibt. 6. Die Fotokopie des Manuskripts der gleichnamigen Vorlesung aus dem Wintersemester 1931/32. Hinsichtlich der Editionsgrundlagen stellt die Vorlesung Vom Wesen der Wahrheit aus dem Wintersemester 1933/34 einen Sonderfall dar. Sie wiederholt zwar die gleichnamige Vorlesung aus dem Wintersemester 1931/32 (vgl. GA 34), jedoch in mehrfach veränderter Gestalt. Eine neu verfaßte Einleitung über Heraklits 1t6A.eIlO~-Spruch, die durch ausführlichere Wiederholungen ,erweiterte Auslegung des Platonischen Höhlengleichnisses, die verkürzte Auslegung des Dialogs Theätet sowie die Vielzahl im weiteren Sinne »politischer« Anspielungen geben der Vorlesung insgesamt eine veränderte Gestalt. Da Heidegger für den Hauptteil kein neues Vorlesungsmanuskript ausgearbeitet hatte, gebot schon die Verpflichtung zu historischer Wahrhaftigkeit, die ver-
Nachwort des Herausgebers
301
änderte Gestalt und die Vielzahl der »politischen« Einflechtungen im Hauptteil durch den Abdruck der ausführlichen Vorlesungsnachschrift von Wilhelm Hallwachs wiederzugeben. Die Wiedergabe der Hallwachs-Nachschrift wird in der Vorlesungsstunde am 30. Januar 1934 durch eine handschriftliche Textpassage Heideggers unterbrochen, die eine Ansprache zum Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung wiedergibt, in der sich Heidegger äußerst kritisch mit einem am Tag zuvor gehaltenen Vortrag des Dichters Kolbenheyer und dem darin vorgestellten (nationalsozialistischen) Menschen- und Weltbild auseinandersetzt. Diese originale Textpassage (S. ~W9 ff.) ist zur Abhebung von dem der Nachschrift Hallwachs entstammenden Text in Kursivschrift als Grundschrift, die Hervorhebungen entsprechend umgekehrt recte gesetzt.
* Für die Editionen wurden die vom Herausgeber bereits Ende der siebziger und in den achtziger Jahren gefertigten Abschriften mit den handschriftlichen Originalen bzw. Fotokopien sorgfältig kollationiert, damalige Versehen berichtigt und zahlreiche verbliebene Fehlstellen und fragliche Lesarten aufgelöst. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden der neueren (nicht der neuesten) behutsam angeglichen, sofern es sich nicht um (wiederkehrende) Eigentümlichkeiten der Schreibweise Heideggers handelte. Die Überschriften der Paragraphen und nachgeordnete Ül;>erschriften stammen größtenteils vom Herausgeber. Sie wurden in enger Anlehnung an Formulierungen des Textes gewählt. Eine Ausnahme bildet in der Vorlesung vom Sommersemester 1933 die Auseinandersetzung mit Descartes, die Heidegger am Rand des Haupttextes mit kurzen titelartigen Notizen versehen hatte, die als Überschriften übernommen wurden. Die höherstufigen Überschriften der Teile und Kapitel stammen überwiegend von Heidegger bzw. sind den entsprechenden Dispositionen im Text
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Nachwort des Herausgebers
entnommen. Sie wurden in einigen wenigen Fällen aus Formulierungen des Textes ergänzt. Die Hervorhebungen im Text durch Kursivsatz folgen zwar allgemein den Unterstreichungen Heideggers in den Manuskripten, jedoch sind reine Lese- bzw. Betonungsunterstreichungen nicht übernommen worden. In einigen Fällen wurden Kernsätze und -formulierungen vom Herausgeber durch Kursivsatz hervorgehoben. Eckige Klammern in Zitaten bezeichnen Zusätze und Erläuterungen Heideggers, außerhalb von Zitaten Konjekturen des Herausgebers. Anmerkungen des Herausgebers sind durch einen entsprechenden abgekürzten Hinweis gekennzeichnet. Auf nicht entzifferbare Worte wird in gesonderten, mit Sternchen versehenen Fußnoten hingewiesen, fragliche Lesarten sind mit einem in eckige Klammern gesetzten Fragezeichen versehen.
* Die Vorlesung Die Grundfrage der Philosophie aus dem Sommersemester 1933 entfaltet die Seinsfrage in einem ersten Schritt in der Abhebung gegen die Verklammerung von christlicher Bestimmung und mathematisch-logischem Begründungsgedanken in den metaphysischen Systemen des 18. Jahrhunderts (Wolff, Baumgarten). Diese Entwicklung erreicht ihre »Vollendung« in Hegels Metaphysik als Theo-Logik, in der die Logik der reinen Wesenheiten die Wahrheit (das Sichselbstwissen) der Vernunft als absoluten Geist begreift. Die eigentliche Metaphysik als höhere Logik erscheint als System des absoluten Selbstbewußtseins Gottes. Die Fragwürdigkeit dieser Vollendung der Metaphysik als Theo-Logik zeigt sich darin, daß die im Anfang der abendländischen Philosophie herrschende tiefste Not der Fragwürdigkeit im Kampf mit den unbeherrschten Mächten der Wahrheit und der Irre der höchsten Seligkeit der Aufhebung aller Gegensätze weicht. In der Ohnmacht bloßer Begriffsgegensätze versagt und
Nachwort des Herausgebers
303
erstirbt alles echte Fragen in der leeren Ewigkeit des Entscheidungslosen. Die Vorlesung Vom Wesen der Wahrheit aus dem Wintersemester 1933/34 wiederholt die gleichnamige Vorlesung aus dem Wintersemester 1931/32 (vgl. GA 34) in mehrfach veränderter Gestalt. Die Vorlesung fragt nach dem frühen und tieferen Grund für den geschichtlichen Wandel des Wesens der Wahrheit von der Unverborgenheit (a-Ai)SEta) zur Richtigkeit (der Aussage). Wohl ist bei Platon die höchste Idee, die Idee des Guten, als Joch des Lichtes von Sehen und Sichtbarem angelegt und damit als Ermächtigung des Seins und der Unverborgenheit, doch bleibt sie als das ermächtigende Höhere hinsichtlich ihres eigenen Seins im wesentlichen unbefragt. Das Ausbleiben der Frage nach dem Wesen der Verborgenheit, der Unverborgenes abgerungen werden kann, führt schließlich in den geschichtlichen Wesenswandel von Wahrheit und Unwahrheit als der Geschichte des Menschen.
* Zwar zeigen beide Vorlesungen eine Annäherung an die zeitgenössische politische Diktion, doch bleibt die Kluft zwischen Heideggers denkerischer Grundstellung und der nationalsozialistischen Ideologie unüberbrückbar. Beide Vorlesungen hätten ihrer rein philosophischen Grundaussage nach auch in einer anderen Situation gehalten werden können. Heideggers Einstimmung in das Pathos des Auf-und Umbruchs steht unüberhörbar die eindringliche Warnung gegenüber, daß sich dieser auf der Grundlage eines verkehrten Menschen- und Weltbildes vollziehe, das dem Schattenreich der Höhlenbewohner im Platonischen Gleichnis entspreche. Die Weltanschauung des Nationalsozialismus, das macht die Kritik Heideggers an dem Vortrag Kolbenheyers (vgl. S. 209 ff.) sichtbar, ist für Heidegger ein zusammengeraffter Auswurf der neuzeitlichen Metaphysik und der in ihrer Folge aufkommenden Wissenschaften. Das Dilemma für Heidegger ergab
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Nachwort des Herausgebers
sich daraus, daß es die Stimmung des Auf- und Umbruchs für die von ihm für notwendig gehaltene geistig-politische Umwälzung am Ende (d.h. in der fragwürdigen »Vollendung«) der Metaphysik im Sinne ihrer Überwindung und eines »anderen Anfangs« zu erhalten, zu befördern und zu vertiefen galt, die Kritik am unsäglichen Menschen- und Weltbild des Nationalsozialismus aber nicht mehr offen geäußert werden konnte - jedenfalls dann nicht, wenn man sich nicht völlig der Wirkungsmöglichkeit (durch die akademische Lehre) berauben wollte. Die Ablösung der revolutionären Stimmung vom weltanschaulich-politischen Gehalt der nationalsozialistischen Ideologie wurde allerdings nicht nur durch die Notwendigkeit einer verdeckten Redeweise erschwert, sondern auch dadurch, daß sich Heideggers Denken selbst in einem Umbruch befand. Mit der Betonung der Unabdingbarkeit und Notwendigkeit eines ursprünglicheren und grundlegenderen Fragens (nach dem Sein und seiner Wahrheit) ließen sich die simplen, mit ungeheurem propagandistischem Aufwand verbreiteten und gestützten Antworten der NS-Ideologie nicht mehr aus den Angeln heben. Die Wiederholung der gleichnamigen Vorlesung vom Wintersemester 1931/32 in der zweiten Hälfte des Rektoratsjahres gibt der zentralen Auslegung von Platons Höhlenmythos eine Richtung ins Weltanschaulich-Politische. Der Philosoph weiß um die Anziehungskraft der Schattenbilder in der Höhle und das Widerstreben der Höhlenbewohner, sich von ihnen zu lösen. Der in die Höhle als Befreier zurückkehrende Philosoph weiß darüber hinaus um seine Gefährdung: nämlich verlacht, mißverstanden, ignoriert oder gar angefeindet und mit dem Tode bedroht zu werden »durch die in der Höhle mächtigen und maßgebenden Höhlenbewohner« (S. 182), ob seiner befremdlichen Sicht der Dinge. Aus seiner »Einsamkeit heraus spricht er in dem entscheidenden Augenblick. Er spricht mit der Gefahr, daß unversehens das Gesagte in das Umgekehrte umschlägt« (S. 183). Aber der Philosoph gibt nicht auf. Wenn es ihm nicht gelingt, alle Gefangenen aus der Höhle zu führen, so wird er versuchen,
Nachwort des Herausgebers
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»diesen oder jenen, den er [als ansprechbar und aufgeschlossen)' erkannt zu haben glaubt, zu ergreifen und auf dem steilen Weg hinauszuführen, nicht durch einen einmaligen Akt, sondern durch das Geschehen der Geschichte selbst«. (Ebd.) So spiegelt sich in Auslegung des als Befreier in die Höhle zurückkehrenden Philosophen und seiner Absicht und Gefährdung das Selbstverständnis Heideggers in seinem »politischen« Eingreifen des Rektoratsjahres und der nachfolgenden akademischen Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus. In den Nietzsehe-Auslegungen in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre gelingt Heidegger die wesentliche Demaskierung der NS-Ideologie als bloßem Mittel der Machtergreifung, Machterhaltung und Machtsteigerung.
* Für die gewissenhafte Kollationierung des Satztyposkripts mit der Handschrift bin ich vor allem Frau Jutta Heidegger sowie Herrn Dr. Hermann Heidegger und Herrn Dr. Peter von Ruckteschell zu großem Dank verpflichtet. Für die Hilfe bei der Entzifferung von Fehlstellen und fraglichen Lesarten danke ich Herrn Prof. Dr. F.- W. von Herrmann und wiederum Herrn Dr. Hermann Heidegger. Dank schulde ich den Herren Dr. Robin Rollinger und Dr. Thomas Vongehr vom Husserl-Archiv der Universität Freiburg für die Entzifferung von drei stenographischen Einfügungen. Für die sorgsame Korrektur des Drucktextes gilt mein Dank den Herren Dr. Peter von Ruckteschell und Dr. Ino Augsberg sowie wiederum insbesondere Herrn Dr. Hermann Heidegger. Freiburg i. Br., im September 2001
• Konjektur des Herausgebers.
Hartrnut Tietjen