Seewölfe 13 1
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Sie waren harte Männer, diese sechzehn Kerle, die Anfang November des Jahres 1576 das...
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Seewölfe 13 1
Davis J.Harbord 1.
Sie waren harte Männer, diese sechzehn Kerle, die Anfang November des Jahres 1576 das spanische Beuteschiff, die Galeone „Santa Barbara“, nordwärts steuerten. Noch standen sie südlich der Azoren. Um sie herum dehnte sich die unermeßliche Weite des Atlantik, von dem sie wußten, daß er weit, weit im Westen an eine neue Welt grenzte, die Geheimnisse – und Schätze barg. Schätze für die spanische Krone, nicht für die englische, es sei denn, man schnappte sie weg, bevor sie Spanien erreichten. Schnapphähne zur See? Freibeuter? Korsaren? Vielleicht waren sie das. Aber was besagte das schon? Wer meinte, alle Schätze dieser Welt für sich beanspruchen zu können, der mußte sich schon gefallen lassen, daß man ihm da und dort etwas abzwackte. War jener Mann, der sich als Stellvertreter’ Christi bezeichnete und in selbstherrlicher Machtvollkommenheit über neu entdecktes Land verfügte, nicht ein viel größerer Schnapphahn? Er hieß Rodrigo Borgia, der als Papst Alexander VI. mit dem Lineal jenen unseligen Strich auf der Landkarte zog und damit kundtat, daß alles Land westlich des Striches den Spaniern und alles östlich davon gelegene den Portugiesen gehören solle. Dieser Strich verlief hundert Seemeilen westlich der Azoren vom Nordpol bis zum Südpol durch den Atlantik. Er war sehr gerissen, dieser Papst. Bei Strafe der Exkommunizierung verbot er allen Nichtspaniern und Nichtportugiesen, zu den neuentdeckten Inseln und Ländern zu fahren und dort gar „Handel“ zu treiben. Was Wunder, daß diese päpstliche Bulle die Habenichtse auf den Plan rief. Sie pfiffen auf die Exkommunizierung, sie pfiffen um so mehr darauf, weil sie das machtpolitische Spiel durchschauten und keineswegs der Ansicht waren, der Stellvertreter Christi könne so mir nicht dir nichts die Erde nach seinem Geschmack aufteilen und jenen zuschanzen, die sowie-
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so den Hals nicht voll genug kriegen konnten. Die sechzehn Männer auf der „Santa Barbara“ fuhren für den Habenichts England und für ihre königliche Lissy. Und falls ihnen jemand mit dem päpstlichen Bannstrahl gedroht hätte, wäre eins gewiß gewesen: sie hätten sich halb totgelacht, Vielleicht hätten sie auch darauf hingewiesen, daß die See frei sei, daß dort andere Gesetze gälten als im Vatikan — nämlich Gesetze, die von Wind und Wasser und Wetter diktiert wurden, von Gewalten, die mächtiger waren als papierne Erlasse. Mit ihnen hatten sie sich herumzuschlagen, wenn sie die Beutegaleone nach England bringen wollten. Vor zwei Tagen hatten sie sich von der „Marygold“ des großen Francis Drake getrennt, mit dem sie den Spanier aufgebracht hatten. Seine Order hatte gelautet: Segelt die „Santa Barbara“ nach Plymouth und übergebt sie dort Kapitän John Thomas. Und genau das würden sie tun, und kein Don würde sie daran hindern — oder sie waren es nicht wert, zur Mannschaft Francis Drakes zu gehören. Wer das verbürgte, war der schwarzhaarige, blauäugige Philip Hasard Killigrew, der Mann aus Cornwall, den sie den Seewolf nannten und der dem Teufel bereits mehr als ein Ohr abgesegelt hatte. Im Oktober, nach einer Sturmnacht, hatte die „Marygold“ Plymouth verlassen —da war Philip Hasard Killigrew, jüngster Sohn von Sir John Killigrew auf Arwenack, noch schlichter Decksmann an Bord der „Marygold“ gewesen. Was dieser junge Riese aber für ein Kaliber hatte, das war den Leuten auf der „Marygold“ bis hinauf zum Kapitän recht schnell klargeworden. Und dann hatte ihm Francis Drake die Prise „Santa Barbara“ anvertraut und ihm fünfzehn Männer unterstellt, die sich der Seewolf aus der Besatzung der „Marygold“ hatte aussuchen können. Einer war noch nicht ganz ein Mann, aber er hatte bereits gezeigt, daß erkämpfen konnte: Donegal Daniel O’Flynn, genannt
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Dan, hieß das Bürschchen, und es stammte wie der Seewolf aus Falmouth in Cornwall und war mit allen Wassern gewaschen. Dan hatte neben anderen Vorzügen die schärfsten Augen, außerdem eine anscheinend unstillbare Freßsucht und dazu eine Schnauze, die selbst die abgebrühtesten Männer zur Weißglut brachte — mit Ausnahme Hasards, der nur sanft lächelte, wenn das Bürschchen mit seinem Stimmbruch loslegte. Um hei Dans Freßsucht zu bleiben. Als Kombüsenchef hatte der Seewolf den Kutscher eingesetzt. Wie er richtig hieß, wußte keiner, und er sagte es auch nicht. Er war eben der „Kutscher“, denn als solcher hatte er sich vorgestellt, nachdem ihn die Preßgang der „Marygold“ an Bord geschafft hatte. Von der Seefahrt verstand er soviel wie die Kuh vom Spinettspielen, war bereits einmal von der Rah gerutscht und hatte ein Bad im Atlantik genommen. Hasard hatte ihn herausgefischt. Wie gesagt, sie alle wußten nur, daß der Kutscher bei Sir Anthony Abraham Freemont in Plymouth gewesen war, bevor ihn das Preßkommando eingesackt hatte. Vielleicht hatte er bei Sir Freemont in der Küche einiges abgeguckt, vom Kochen verstand er jedenfalls mehr als vom Herumturnen in den. Wanten, Seekrank war er auch nicht mehr, und allmählich schien er auch zu vergessen, daß er einmal die Absicht gehabt hatte, von Bord zu „türmen“. Das war alles soweit in Ordnung, die See schliff sie alle zurecht — bis auf die Weichen und die Memmen, denn die wurden zerbrochen. Nur mit dem Bürschchen lebte der Kutscher in erbitterter Fehde, und das hing mit dessen Freßsucht zusammen. Empört hatte der Kutscher dem Seewolf gemeldet: „Der Bengel klaut wie ein Rabe.“ „Was klaut er denn?“ „Alles Freßbare.“ Hasard hatte gelächelt. „Er wächst noch, da hat man immer besonderen Appetit.“ Aber dann hatte er sich das Bürschchen vorgeknöpft und ihm die Leviten gelesen.
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Donegal Daniel O’Flynn mochte es gar nicht, daß der von ihm angehimmelte Hasard sauer war. Er schwor Besserung bis zum nächstenmal. Gegen Abend des zweiten Tages schlief der Wind ein, und die Dünung wurde bleiern. Die „Santa Barbara“ lag torkelnd in der See, die Takelage knarrte, ächzte und stöhnte, die Segel an den drei Masten schlugen hin und her und sahen aus wie zerknautschte Bettlaken. Nicht ein Hauch von Wind, verdammt. Hasard stand auf dem Achterdeck, schnupperte über die See, suchte die Kimm ab, blickte zu den Segeln hoch und spürte, daß da irgendetwas im Anzug war. Noch bevor es dämmerte, ließ er sämtliche Segel bergen - bis auf das dreieckige Lateinersegel am Besanmast und die Fock am Vormast. Überhaupt der Vormast! Ferris Tucker, der rothaarige, riesige Schiffszimmermann, hatte ihn zwar neu gelascht und aufgeriggt, nachdem er bei dem kurzen Gefecht aufs Deck gekracht war, aber Hasard hielt ihn für den wunden Punkt der „Santa Barbara“. Und auch Ferris Tucker kaute auf dem Problem herum. Zusammen mit Ben Brighton, dem Bootsmann, umstanden sie ihr Sorgenkind und starrten an ihm hoch. Ben Brighton, untersetzt und breitschultrig, warf dem rothaarigen Riesen einen schiefen Blick zu. „Sieht aus wie ‘ne schwangere Bohnenstange, wie?“ „Blöder Witz“, sagte Ferris Tucker. „Hast du schon mal ‘ne schwangere Bohnenstange gesehen?“ Ben Brighton grinste. „Ja - nämlich diesen mistigen Fockmast.“ „Fock und Vormarssegel hat er jedenfalls die letzten zwei Tage ausgehalten, du Büffel“, sagte Ferris Tucker. „Gut, das hat er, Ferris“, sagte Hasard, „aber jetzt frag ich mich, was passiert, wenn’s ganz dick kommt? Da braut sich nämlich was zusammen, das spür ich in allen Knochen.“ „Ich auch“, sagte Ben Brighton. Ferris Tucker kratzte sich am rechten Ohr.
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„Mann, ihr macht mich vielleicht schwach. Ich hab das Ding geflickt, so gut es ging. Ob’s einen handfesten Sturm verträgt, kann ich erst sagen, wenn wir ihn überstanden haben. Ich laß mich überraschen.“ „Ha, ha“, sagte Ben Brighton zu Hasard, „er läßt sich überraschen, dieser Gemütsmensch.“ Zu Ferris Tucker sagte er: „Und was ist, wenn der Fockmast während des Sturms baden geht, he?“ „Feierabend“, sagte Ferris Tucker und grinste. „Wenn’s dich beruhigt, kann ich ihm ja noch ein paar Laschings verpassen. In der Segelkammer hab ich übrigens noch eine kleine Fock entdeckt. Schätze, daß die Dons sie als Sturmsegel gefahren haben. Vielleicht sollten wir die statt dieses großen Lappens hier setzen, wie?“ „In Ordnung“, sagte Hasard. „Ben, laß die große Fock bergen und setz die kleinere Fock. Außerdem möchte ich, daß alles seefest gezurrt wird. Und dann laß achtern unter dem Kastell die dicksten Trossen, die hier an Bord zu finden sind, klarlegen.“ Ben Brighton riß die Augen auf. Er war bestimmt zehn Jahre älter als der Seewolf und mit Salzwasser mehr als durchtränkt, aber was die dicksten Trossen achtern unter dem Kastell sollten, das kapierte er nicht. Er verbiß sich eine Frage, als er in die eisblauen Augen blickte und sagte nur: „Aye, aye.“ Hasard sagte: „Du weißt, wozu?“ Ben Brighton schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung.“ „Die Trossen werden unter Deck um den Besanmast herum gelegt und durch das Koldergatt achtern im Heck ausgebracht. Wir schleppen sie hinter uns her. Es ist dies eine Möglichkeit, vor dem Sturm herzulaufen und nicht querzuschlagen. Die Trossen wirken als Bremsen, halten das Heck gegen die See und verhindern sogar, daß sich hinter uns eine zu wüste und hohe Dünung aufbaut.“ „Mann“, sagte Ben Brighton verblüfft, „aus welcher Seekiste hast du denn diesen Trick herausgefischt?“ Hasard grinste. „Reiner Zufall. Bei einem Sturm oben in der Irischen See rauschte
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meinem Alten - ich war’ an Bord - eine Trosse achtern aus. Wir schleppten sie hinter uns her, wollten sie zuerst einholen, was wir nicht schafften, und merkten plötzlich, daß das Schiff viel ruhiger lag und vor dem Wind und der See ablief. Kein Brecher überrollte uns mehr, wir lagen sicher wie in Abrahams Schoß. Natürlich muß man in einem solchen Fall genügend freien Seeraum um sich herum haben und darf nicht auf eine Leeküste zugetrieben werden. Alles klar, Ben?“ „Aye, aye“, erwiderte der Bootsmann. „Ferris, sieh zu, daß alle Luken gut abgedichtet sind“, sagte der Seewolf. „Hast du schon mal das Bilgewasser kontrolliert, hat das Schiff irgendwelche Leckstellen?“ „Bis jetzt habe ich noch nichts entdecken können, der Stand des Bilgewassers ist normal. Aber bei diesen verdammten spanischen Kästen weiß man das ja nie. Wenn ich den Vormast noch mehr abgesichert habe, gehe ich unter Deck nochmals das ganze Schiff durch.“ „Gut. Überprüfe auch den Frachtraum mit den Seidenballen und den Gewürzsäcken. Ich will nicht, daß die Ladung irgendwie verrutscht und wir Schlagseite kriegen.“ „Geht klar“, sagte Ferris Tucker und holte sein Werkzeug. Ben Brighton ließ die Fock bergen und stattdessen das Sturmsegel anschlagen. Inzwischen brach die Dämmerung herein. Im letzten Tageslicht zeigten sich weit im Südosten hoch am Himmel faserige Wolkengebilde, die wie zerrupfte Federn wirkten. Hasard beobachtete sie mißtrauisch, bis die Dunkelheit keine Sicht mehr zuließ. Auch die Dünung rollte aus Südosten heran. Der Wind rührte sich noch immer nicht, und die „Santa Barbara“ wälzte sich träge von Backbord nach’ Steuerbord, wieder zurück, verneigte sich tief, stieg hoch, legte sich über. Es war eine schauerliche Schaukelei, die entnervend wirkte. Dazu ächzte und stöhnte die Galeone in ihren hölzernen Verbänden, das Tauwerk knarrte, an die Bordwände klatschte das Wasser - Geräusche, denen die Männer der „Santa Barbara“
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beklommen lauschten, weil sie unter die Haut gingen. Denn ohne Winddruck auf den Segeln war die „Santa Barbara“ ein totes Schiff, keine Kraft wirkte auf das Ruder, es war ein steuerloses Dümpeln und Torkeln in der Dünung, ein erzwungenes Warten auf etwas Ungewisses, das im und über dem Wasser lauerte, bereit, irgendwann brutal zuzuschlagen. Hasard ließ die zwölf Kanonen auf dem Mitteldeck - je sechs auf jeder Seite - mit Brooktauen doppelt absichern. Bei dem ständigen Überholen und Arbeiten des Schiffes brauchte sich nur eine aus den Laschungen zu lösen - sie würde wie ein übergroßes Geschoß lossausen, das Schanzkleid zertrümmern oder ins Voroder Achterkastell krachen. Keiner der sechzehn Männer schlief. Eine unerklärliche Spannung lag in der Luft. Sie waren alle hartgesotten, aber als auf den drei Mastspitzen und den Rahnocken plötzlich rötlich-violette Lichtbüschel zu tanzen begannen, bekreuzigten sich einige. Smoky, der vor dem Seewolf auf der „Marygold“ Decksältester gewesen war, ein eiserner Brocken von Mannskerl, schnaufte entsetzt und deutete die flackernden Lichter als Vorzeichen des Feuerteufels. Und der Kutscher schnatterte mit den Zähnen und vertrat die stotternde Ansicht, der Weltuntergang stünde bevor. Es sah auch weiß Gott gespenstisch genug aus. Die Lichter geisterten wie winzige Kobolde auf den Mastspitzen, es knisterte unheimlich, zuckende Funken sprangen hierhin und dorthin, schickten ihre Lichtblitze über das Deck und beleuchteten für Bruchteile von Sekunden die emporgereckten Gesichter der Männer an Deck. Donegal Daniel O’Flynn indessen nutzte die Gelegenheit und verholte sich hinter dem palavernden Kutscher klammheimlich in die Kombüse. Mit sicherem Spürsinn steuerte er den Sack an, der im hinteren Winkel der Kombüse zwischen zwei
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Backskisten stand und mit getrockneten Früchten vollgestopft war. Er löste das Bändsel, das den Sack oben zusammenhielt, langte hinein und begann zu futtern. Höhepunkt der lukullischen Genüsse waren süße Feigen und Datteln, die man daheim in Falmouth allenfalls vom Hörensagen kannte. Das Bürschchen verging vor Wonne, kaute auf beiden Backen, lauschte dem Palaver der Männer draußen vor der Kombüse und segnete die funkelnden Lichter auf den Mastspitzen und an den Rahnocken. Von ihm aus konnten die lustigen Blitze dort bis zum nächsten Morgen herumtanzen, für ihn bedeuteten sie weder Weltuntergang noch Feuerteufel, sondern einen mit süßer Kost gefüllten Magen. Etwa zu dieser Zeit erschien Ferris Tucker auf dem Deck vor dem Achterkastell und berichtete Hasard von einer Eigentümlichkeit im Vorschiff der Galeone, die ihm Kopfzerbrechen bereitete. Dort befände sich nämlich, so sagte er, unter dem Holz des durchs Deck geführten Bugspriets ein Raum, der entgegen der sonstigen Bauweise total abgeschlossen sei. „Na und?“ fragte der Seewolf. „Ich weiß nicht, was dahintersteckt“, erwiderte Ferris Tucker. „Dieser letzte Teil im Vorschiff ist regelrecht abgeschottet, da verlaufen von der Deckshöhe bis anscheinend hinunter zum Kiel sauber verfugte Bohlen so dick wie meine Faust, aber ich begreif nicht, was das soll. Warum lassen die Dons das Unterdeck nicht offen bis zum Bug durchlaufen, damit man überall ran kann, wenn’s mal nötig ist? Ich habe gegen die Bohlen geklopftes es klingt hohl dahinter.“ „Muß es doch auch“, sagte Hasard. „Die können doch nicht das Vorschiff aus Vollholz bauen.“ „Natürlich nicht“, sagte Ferris Tucker, „nur kapier ich gottverdammt nicht, warum die Dons diesen ganzen Raum ab-¬ schonen. Da könnte man doch alles mögliche verstauen und unterbringen, wie das
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überall getan wird. Man verschenkt keinen Raum, verstehst du?“ „Ferris“, sagte Hasard sanft, „ich bin kein Spanier und habe diesen Kasten nicht gebaut. Mein Problem ist zur Zeit dieser Sturm, der in zwei, drei Stunden losbrechen wird und überstanden werden muß. Ist die ‚Santa Barbara’ dicht, oder ist sie es nicht?“ „Dicht ist die alte Tante, da freß ich einen Besen.“ „Gut“, sagte Hasard, „mehr interessiert im Moment nicht. Wenn wir den Sturm hinter uns haben, säg von mir aus .ein Loch in die Bohlen, die das Vorschiff abschotten, und studier dann die Schiffbaukunst der Dons. Hast du die Luken verschalkt?“ „Alles klar“, sagte Ferris Tucker. „Meinst du, daß es dick wird?“ „Noch dicker“, erwiderte der Seewolf grimmig. „Schau dir doch mal die niedlichen Feuerchen auf den Toppen und an den Rahnocks an. Von meinem Alten weiß ich, daß diese Erscheinungen vor knüppeldicken Stürmen aufzutreten pflegen.“ „Da hat Sir John recht“, sagte der riesige Schiffszimmermann. Genau zwei Stunden später sprang plötzlich Wind auf, fegte von Süden in die Takelage, daß es nur so pfiff, drehte ebenso urplötzlich auf Südost und knallte mit doppelter Wucht auf das Schiff. Die „Santa Barbara“ legte sich über, richtete sich stöhnend wieder auf und raste jäh wie ein durchgehender Ackergaul los trotz der verminderten Segelfläche. Über Backbordbug schob die Galeone schnaubend durch die aufgewühlte See. Die Luvwanten wirkten wie straffgespannte Saiten, über die der Wind geigte. Ein Pfeifen, Tosen und Donnern erfüllte die Luft, dann stoben Regenböen waagerecht über das Schiff, und zuckende Blitze beleuchteten das grandiose Inferno aufgewühlter, schäumender Wassermassen. Die See war entfesselt und schlug zu. Vier Männer standen am Kolderstock achtern unter dem Kastell und stemmten sich gegen das schwere Holz, das den
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Ruderdruck aus der Waagerechten in die Senkrechte übertrug. Hasard brüllte ihnen zu, nach Steuerbord hochzudrehen, um die Sturmstöße nicht direkt von achtern nehmen zu müssen. Langsam, ganz langsam luvte die „Santa Barbara“ an und drehte ihren Bug schräg gegen den Wind. So nahmen sie auch die anrollenden Seen. Der Bugspriet der „Santa Barbara“ stieß in endlose Tiefen vor und erkletterte wieder schwindelnde Höhen. Dort oben auf den Kämmen, die ein brodelndes Chaos waren, tanzte das Schiff wie auf einem Seil, verharrte Sekunden und stürzte jäh wieder in die Tiefe. Hasard ließ sich von Ben Brighton festbinden und brüllte ihm zu, auch die Männer an Deck mit Tampen zu sichern. Ben Brighton nickte ihm zu und verschwand am Niedergang zur Kuhl in einer Gischtwolke. Dafür hangelte sich Ferris Tucker zum Quarterdeck hoch, rutschte quer über die Planken und wurde gerade noch von Hasard am Kragen gepackt und hochgehievt. Der riesige Mann klammerte sich an den Seewolf und sagte keuchend: „Der Scheißkasten macht Wasser. Wir müssen lenzen, Hasard.“ Die Pumpe befand sich auf der Backbordseite am Großmast, dort, wo ständig Wassermassen über die Kuhl brandeten, so daß die Männer manchmal bis zum Bauch im Wasser standen. „Mist verdammter“, stieß Hasard. heraus. „Wo kommt das Wasser her?“ „Wahrscheinlich von den Plankengängen oberhalb der Wasserlinie. Der Kasten krängt zu weit nach Backbord über. Das Holz oberhalb der Wasserlinie ist zu trocken.“ Als Hasard den Befehl geben wollte, wieder abzufallen, erfolgte ein peitschenartiger Knall, der sie im Tosen der Elemente wie ein Stich durchfuhr. „Der verdammte Fockmast“, sagte Ferris Tucker erbittert. Jetzt drückte der Sturm nur noch auf das Lateinersegel am Besan, und die „Santa Barbara“ versuchte anzuluven, aber über
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die Backbordseite vorn hing der Vormast samt Fock und Takelage und verhinderte, daß die Galeone in den Wind schoß. Ferris Tucker stöhnte vor Wut, und Hasard brüllte ihn an, den ganzen „Mist“ zu kappen und außenbords gehen zu lassen. Aber dann hielt er ihn zurück. Im grellen Licht der Blitze hatte er gesehen, daß bereits der Bootsmann und drei Männer auf dem Deck des Vorkastells arbeiteten. Sie schwangen Äxte und hieben wie die Irren auf das Durcheinander der Wanten, Fallen und Spieren ein. „Fahr die Trossen achtern aus, Ferris!“ schrie er dem Schiffszimmermann zu. „Paß aber auf, daß sie gut um den Besanmast gelegt sind und nicht ausrauschen. Bring sie so aus, daß die Trossen im Wasser eine riesige Schlinge bilden. Hast du kapiert?“ „Aye, aye.“ Ferris Tucker verschwand mit zwei Männern unter dem Achterkastell. „Blacky, Smoky, Dan!“ schrien Hasard. „Seht zu, daß ihr den Lateiner herunterkriegt! Weg mit dem Tuch! Ich muß jetzt das Heck in den Wind bringen! Rudergänger! Abfallen nach Backbord! Seht zu, daß ihr den verdammten Kahn vor den Wind legt!“ „Aye, aye“, tönte es zurück. Gefährliche Sekunden und Minuten verstrichen. Die „Santa Barbara“ drehte ab und wurde von einem donnernden Brecher an der Steuerbordbreitseite erwischt. Es war ein Schlag wie mit einem riesigen Amboß. Für Sekunden stand eine schäumende Wasserwand über der Kuhl, raste quer über das Deck und fegte naher das Schanzkleid auf der Backbordseite. Die Galeone krängte weit nach Lee und brauchte einen Alptraum von Zeit, um sich wieder aufzurichten. Ein Mann hing an seinem Sicherungstampen zappelnd über dein Schanzkleid der Backbordseite und wurde von zwei anderen mühsam an Deck gehievt. Das Lateinersegel mit der’ riesigen Gaffelrah krachte an Deck. Blacky, Smoky und Dan hatten das Fall kurz entschlossen losgeworfen und sich nicht damit aufgehalten, die Gaffel langsam
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wegzufieren. Sie stürzten sich auf das wildflatternde Segeltuch und bargen es. Alles das geschah in wenigen Augenblicken, während die „Santa Barbara“ mit schwerer Backbordschlagseite vor den Wind drehte. Der Sturm heulte und pfiff und orgelte, Regenschwaden peitschten über das Deck, Blitze zuckten durch die Dunkelheit, phosphoreszierende Gischtflächen kochten rings um das Schiff. Die Männer keuchten und spuckten und zitterten. Sie waren fast taub von dem Höllenlärm, und als ein Ruck durch das Schiff lief, glaubten sie, es breche auseinander. Aber dann merkten sie es. Die „Santa-Barbara“ hatte ihren Sturmlauf gebremst, achteraus hingen die schweren Trossen im brodelnden Kielwasser und hielten das aufragende, breite Heck mit dem Achterkastell vor dem Wind. Fast augenblicklich wurden die Bewegungen der Galeone ruhiger und gedämpfter. Hasard atmete auf. Wenigstens das war geschafft. Die Trossen wirkten wie ein mächtiger Treibanker. Er spähte achteraus und sah im Lichtschein der Blitze die riesigen Wellenberge, die von Südosten drohend heranrollten, aber ihre Bedrohlichkeit verloren, sobald sie die Zone der Trossen erreichten. Sie glitten kochend und brodelnd unter dem Schiffsleib entlang, rüttelten zwar an ihm, aber ihre brutale, alles zerschlagende Wildheit war gezähmt. Ferris Tucker erschien auf dem Achterdeck und grinste über das ganze Gesicht. „Feine Sache!“ schrie er dem Seewolf zu. Hasard lächelte und schrie zurück: „Kümmere dich um die Pumpe, Ferris! Ich glaube, der Kasten hat sich ganz schön vollgesoffen.“ „Aye, aye.“ Der Sturm wütete die ganze Nacht und die Hälfte des nächsten Tages. Keiner der Männer kam zum Schlafen. Sie pumpten und beseitigten auf dem Vorschiff die Schäden, die der weggesplitterte Fockmast angerichtet hatte.
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Sie überstanden den Sturm, aber dann brach ein anderer los -am frühen Nachmittag. 2. Philip Hasard Killigrew hörte den Lärm, als er gerade im Unterdeck achtern die Trossen überprüfte, die sie noch nachschleppten. Noch ein, zwei Stunden überlegte er -, dann war das Schlimmste vorüber, und sie konnten eingeholt werden. Er hatte noch nicht zu Ende gedacht, als Donegal Daniel O’Flynn wie eine Rakete ins Unterdeck schoß, mit wutverzerrtem Gesicht. „Spanier!“ brüllte er mit überschnappender Stimme. „Sie sind aus dem Vorkastell gestürmt!“ „Was? Spanier? Bist du noch bei Trost?“ Hasard zog das Bürschchen zu sich heran. „Du hast heute wohl deinen witzigen Tag, he ?“ Aber dann hörte er den Krach an Deck, fluchende Männerstimmen, das Trampeln von Schritten, Gerangel, spanische Laute und den dröhnenden Baß von Ferris Tucker. Wie der Blitz raste der Seewolf den Niedergang hoch aufs Achterdeck. Da sah er die Bescherung. Auf der Kuhl unter ihm wälzten sich seine Männer in die Spanier verkrallt über die Planken. Ben Brighton brach gerade in die Knie, von einer Spake am Kopf getroffen. Zwei Dons rissen den riesigen Ferris Tucker von den Füßen. Sie hingen an seinen Beinen und zerrten sie unter ihm weg. Er krachte wie ein gefällter Baum aufs Deck. Der Kutscher hieb mit einer Bratpfanne um sich, Smoky stand Fuß an Fuß im Schlagabtausch mit einem Don. Sie hämmerten sich. die Fäuste in die Mägen, Messer blitzten, Blut lief über das Deck. Hasard sah rot und sprang vom Achterdeck hinunter mitten zwischen die Kämpfenden. Hinter sich hörte er den krähenden. Kampfschrei Donegal Daniel O’Flynns, der sein „Arwenack!“ heraustrompetete und ihm folgte. Und dann’ schlugen seine Fäuste zu.
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Ein Spanier flog mit zerschmetterter Kinnlade wie von einem Katapult abgeschossen gegen das Kombüsenschott und prallte an Deck, ein zweiter empfing einen Hieb, der ihm fast den Kopf abriß. Er taumelte mit einknickenden Knien über die Kuhl, ruderte mit den Armen, erreichte die Backbordwanten des Großmastes und klammerte sich wie ein Ertrinkender an ihnen fest. Dabei grinste er blöd und wackelte mit dem Kopf. Mehr schaffte Hasard nicht. Der Don mit der Spake erwischte ihn von hinten und zog ihm das schwere Holz über den Schädel. Noch im Sturz riß der Seewolf zwei Spanier mit. Dann empfing ihn die Dunkelheit. Er sah nicht mehr, wie das Bürschchen dem Spakenmann ins Ohr biß und ihm gleichzeitig ein Büschel Haare ausriß, dann aber von einem anderen Spanier einen Belegnagel an die Schläfe kriegte und bewußtlos an dem Spakenmann herunterrutschte, dem er im Genick gesessen hatte. , Die Spanier kämpften mit dem Mut der Angst und der Verzweiflung -Angst, weil sie in dem geheimen Raum im Vorschiff fast abgesoffen wären, als der Sturm tobte, und Verzweiflung, weil sie ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen wollten. Außerdem waren sie halb verhungert und verdurstet, und damit wurden sie gefährlich. Die Männer der „Santa Barbara“ waren von der Sturmnacht her übermüdet und erschöpft. Als die Spanier aus dem Vorkastell hervorgebrochen waren, hatten sie das Überraschungsmoment für sich gehabt. Auf Anhieb hatten sie gleich sechs Männer von Hasard mit Knüppeln oder Spaken besinnungslos geschlagen. Der Rest ging kämpfend unter. Ferris Tucker gelang es, noch einmal auf die Beine zu kommen, dann säbelte auch ihn ein Schlag mit der Spake um. Da lagen sie, sechzehn Männer von Francis Drake, bewußtlos, zum Teil ziemlich verletzt, blutend - von zehn Spaniern, die sich beim Kampf mit der „Marygold“ im Vorschiff versteckt hatten, glattweg überrumpelt.
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Was keiner der Engländer wußte und hier von den Spaniern das erstemal mit Erfolg angewandt wurde, war jene Kriegslist, die ein spanischer Seestratege ausgeheckt hatte, um den freibeuternden Habenichtsen das Handwerk zu legen oder zumindest zu erschweren. Die List bestand darin, auch bei einem gekaperten Schiff noch ein Trumpfas im Ärmel zu haben, nämlich ein paar verrückte Draufgänger, die sich an Bord verbergen und später durch einen Handstreich die Führung des Schiffes wieder an sich reißen sollten. Genau zu diesem Zweck war auch der Raum im Vorschiff geschaffen und getarnt worden. Er ließ sich nur von innen öffnen. Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, war da mit seinem Mißtrauen schon auf dem richtigen Weg gewesen, aber dann war der Sturm losgebrochen, und er hatte sich nicht mehr um diese ominösen Holzbohlen, die das Vorschiff abschotteten, kümmern können. Ein - vielleicht - glücklicher Stern stand über den sechzehn Männern der „Marygold“. Sie wurden nicht kurzerhand über Bord geworfen. Nein, die Order der Casa de Contratacion in Sevilla - jener Behörde, die Handel und Verkehr mit den Kolonien überwachte - lautete: gefangene Engländer ins spanische Mutterland mitzunehmen, damit man ihnen zur Abschreckung den Prozeß machen könne. Je nach Urteilspruch fristeten sie dann ihr Dasein an die Ruder von Galeeren gekettet, siechten in Kerkern dahin oder wurden öffentlich gevierteilt, verbrannt oder schlicht an einem Galgen aufgebaumelt. Einmal in der Gewalt der Spanier, konnte die königliche Lissy nichts mehr für ihre räubernden Seewölfe tun. Nie und nimmer durfte sie Spanien gegenüber zugeben, gewissermaßen Mitaktionär ihrer Kapitäne zu sein, und die würden sich eher die Zunge abbeißen, als ihre Königin zu verraten. Eingedenk also der Order wurden die sechzehn Mannen nicht den Fischen zum Fraß vorgeworfen, sondern gefesselt in den Frachtraum der „Santa Barbara“
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geschleppt, in dem sie zunächst einer dunklen Zukunft entgegenträumten. Ihr Aufwachen zwischen Ballen chinesischer Seide und sackweise verpackten Gewürzen des Fernen Ostens verlief je nach der Schwere ihrer Bewußtlosigkeit. Immerhin konnte Philip Hasard Killigrew, genannt der Seewolf, ehemaliger „Kapitän“ der „Santa Barbara“, für sich den Erfolg verbuchen, als erster aus dem langen Schlaf aufzutauchen. Erbittert vermerkte er, daß er gefesselt war, daß sein Schädel brummte, daß er in einem einerseits duftenden, andererseits stinkenden, muffigen und feuchten Raum zwischen irgendwelchen Säcken lag und daß er, wie die Dinge standen, nur kurzfristig ein Schiff geführt hatte und von den Dons vierkant in die Pfanne gehauen worden war. Letzteres erboste ihn am meisten. Dem Sturm hatte er die Zähne gezeigt, aber von den Spaniern war er nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz gelegt worden. Denn das fiel ihm sofort ein: daß ihm Ferris Tucker über das so merkwürdig abgeschottete Vorschiff berichtet hatte. Da also hatten die Burschen gehockt und auf ihre Chance gelauert. Und diese Chance hatte sich ergeben, als der Sturm abgeflaut war, seine Männer aber nicht mehr viel Kraft für eine Decksschlacht aufgebracht hatten. Hasard fluchte laut und voller Inbrunst vor sich hin. Und es war das Bürschchen, genannt Dan, das als nächster in die rauhe Wirklichkeit zurückkehrte und den fluchenden Seewolf hörte. „Mann“, sagte Donegal Daniel O’Flynn, „ich wußte gar nicht, daß ihr Leute von Arwenack auch so gut fluchen könnt wie das Lumpenpack unten in den Hafengassen von Falmouth.“ „Hallo, Dan“, sagte Hasard, „bist du auch da?“ „Klar“, sagte das Bürschchen trotzig, „wo du bist, da bin auch ich. Vor der ,Bloody Mary’ ging diese ganze verdammte Scheiße ja los, nicht wahr? Erst dreschen
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sie dich zusammen, und dann muß ich meinen Kopf hinhalten ...“ „Tut’s weh?“ unterbrach ihn Hasard. „Ich bin ein O’Flynn, Sir“, sagte das Bürschchen prompt und ziemlich empört, „und wir O’Flynns sind ja darauf geeicht, immer zusammen mit den Killigrews von Arwenack Dresche zu beziehen.“ „He, he“, sagte Hasard, „du hast ja Schon wieder mächtig viel Dampf drauf, Dan O’Flynn.“ „Hab ich auch.“ Das Bürschchen schnaufte erbittert. „Die Mistkerle haben mich gefesselt, dich auch?“ „Mich auch“, erwiderte Hasard. „Mich auch“, ertönte rechts von Hasard der Baß von Ferris Tucker. Er schnüffelte laut und fügte hinzu: „Schätze, wir liegen im Frachtraum der ‚Santa Barbara’. Den Mief hier kenne ich.“ „Gute Nase“, sagte Donegal Daniel O’Flynn und nieste. „Ich liege zwischen Pfeffersäcken, verdammt.“ „Zum Wohlsein. Kleiner“, sagte der Schiffszimmermann. „Der Teufel ist dein Kleiner“, fauchte das Bürschchen.. „Hättest du diesen abgeschotteten Raum im Vorschiff besser untersucht, brauchten wir jetzt nicht diesen Mief hier zu riechen.“ „Sei friedlich, Dan O’Flynn“, sagte der Seewolf, bevor der Schiffszimmermann losbullern konnte. Er bäumte sich auf und versuchte über die Seidenballen hinweg seine nähere Umgebung zu erkennen. In den Frachtraum fiel minimales Licht, und das auch nur durch die winzigen Ritzen einer Schottentür links von ihm. Aber soviel konnte er flüchtig erkennen: Jeweils in den Seitengängen zwischen Ballen und Säcken lagen gefesselte Männer seine Männer. „Ich glaube“, sagte Hasard laut, „wir alle Sind hier versammelt. Ben?“ „Aye, aye“, sagte der Bootsmann. „Kutscher?“ „Aye, aye.“ „Smoky?“ „Alles klar“, sagte Smoky, „aber die haben mir ein Ding auf die Rübe verpaßt, daß ich
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das Gefühl hab, als sei unter meiner Schädeldecke ein Wespennest im Gange.“ Hasard grinste still vor sich hin und rief die weiteren Namen auf. Sie waren alle da, zwei Männer allerdings ziemlich verletzt. Hasard schob sich in den Mittelgang, der die Mittschiffslinie einsprach, und arbeitete sich zu dem Quergang vor, der von den I Ladungen gebildet wurde und in dem der eine der beiden verletzten Männer lag. Er hatte einen Messerstich in der Schulter und viel Blut verloren. Hasard tastete ihn ab. Dazu mußte er sich an ihm vorbei entlang schieben - seine Hände waren auf den Rücken gefesselt -, sich seitwärts von ihm aufrichten - auch seine Füße waren gefesselt - und versuchen, die Wunde nur aus dem Tastgefühl heraus zu untersuchen. „Schmerzen?“ fragte er. „Die auch, aber noch mehr Wut“, erwiderte der Mann, und Hasard hörte, daß der Mann mit zusammengebissenen Zähnen sprach. Er hieß Pete Ballie und war einer der Rudergänger auf der „Marygold“ gewesen. Hasard hatte ihn auch auf der „Santa Barbara“ am Ruder eingesetzt. Pete war ein untersetzter und stämmiger Kerl mit Fäusten vom Umfang einer Ankerklüse. Er sagte: „Die Dons haben uns ganz schön einen übergebraten, was?“ „Wir leben“, sagte der Seewolf, „und noch sind wir nicht in Spanien.“ Er spürte Blut zwischen den tastenden Fingern, riß mühsam seitlich aus seinem Hemd einen Fetzen heraus, faltete ihn zusammen und schob ihn auf die Stichwunde. Mehr konnte er im Augenblick nicht tun. „Bleib so liegen, Pete“, sagte er, „damit’ der Stoff nicht verrutscht und die Blutung gestoppt wird.“ „Aye, aye“, sagte Pete. Hasard rutschte zu dem anderen Verletzten, Gary Andrews, der mit zu den Fockmastgasten gehörte. Er war ein dürrer, aber ungemein zäher Mann mit erstaunlichen Kräften in seinem hageren Körper. Gary hatte eine klaffende Schnittwunde quer über die linke Brust
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bekommen und war dann auch mit einer Spake niedergeschlagen worden. Er biß ebenfalls die Zähne zusammen und jammerte nicht, obwohl er ziemliche Schmerzen haben mußte. Die Haut um die Wunde glühte, wie Hasard tastend feststellte. Er opferte noch mehr von seinem Hemd und packte den Stoff über die Wunde, aus der Blut sickerte. Natürlich waren das weder bei Pete noch bei Gary fachgerechte Verbände, sondern nur ein Notbehelf. Ein Schütz gegen Entzündungen waren sie keineswegs, aber sie würden dazu beitragen, daß die beiden nicht noch mehr Blut verloren. Gary war schlimmer dran als Pete, das stand fest. „Wird schon werden, Gary“, sagte der Seewolf. „Wenn wir die Dons wieder im Griff haben, wirst du ordentlich versorgt. Du weißt ja, Carberry, der prächtige Hundesohn, empfiehlt Salzwasser zur Wundbehandlung.“ Carberry war der Profos auf der „Marygold“. Gary Andrews lachte glucksend. „Der alte Stinkstiefel. Ich werde nie vergessen, wie du ihm zwei Zähne ausgeschlagen hast, was, wie?“ „Richtig - was, wie, das sagt Carberry immer.“ Hasard lächelte. „Und wir sind ,Affenärsche’ und ,Rübenschweine.“ Die Männer lachten. „Und verlauste, von unseren Großmüttern im Linksgalopp an die Wand geschissene Waldameisen“, -sagte das Bürschchen mit seiner Krähstimme. „Ach du lieber Gott“, ließ sich der Kutscher vernehmen, „du Floh mußt wohl gleich wieder deine Schandschnauze aufreißen, wie? Was für ein Segen, wenn die Dons dir das Maul gestopft hätten.“ „Ha“, sagte das Bürschchen, „haben sie aber nicht. Ich habe sogar einem fast das Ohr abgebissen ...“ „Bei deinem Hunger kein Wunder“, sagte der Kutscher. „Wie schmecken denn spanische Ohren?“ „Jedenfalls besser als deine Speckmaden, du Kochlöffelbastard.“
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„Ich sag’s ja.“ Der Kutscher seufzte. „Der Bengel frißt sogar Menschenohren.“ So schlecht war die Stimmung gar nicht. Sie hatten eine Niederlage hinnehmen müssen, aber das warf sie nicht um. Wenn sie noch eine Chance erhielten, würden sie kämpfen, das war mal sicher. „Mal herhören“, sagte der Seewolf. „Ich schätze, daß die Dons versuchen werden, so schnell wie möglich einen spanischen Hafen zu erreichen. Der Vormast ist außenbords gegangen, vielleicht bauen sie einen Notmast auf. Vielleicht drei, eher aber vier Tage brauchen sie bis Spanien, wenn sie Westwind haben und alles an Tüchern setzen. Daß sie uns in Spanien nicht gerade um den Hals fallen werden, dürfte klar sein. Wir haben also eine Galgenfrist von drei, vier Tagen, um uns zu befreien und den Spieß wieder umzudrehen. Die Dons haben uns zwar gefilzt, aber hat jemand von euch vielleicht noch ein Messer verborgen, das nicht gefunden wurde?“ Keiner hatte eins. Sie waren von den Spaniern gründlich durchsucht worden. „Dan, du brauchst doch immer was zum Knabbern“, sagte I Hasard. „Wie wär’s, wenn du dich mal an meinen Lederriemen versuchen würdest? Rutsch zu mir herüber, ich bin jetzt im Mittelgang.“ „In Ordnung“, sagte das Bürschchen. Sie hörten, wie Donegal Daniel O’Flynn über die Holzplanken rutschte und dabei allerlei Wissenswertes über die Dons verkündete. Daß sie allesamt räudige Hurensöhne seien, war noch ziemlich harmlos, „Hört euch nur mal diese Laus an“, sagte der Kutscher fast bewundernd. Das Bürschchen schob sich an Hasard vorbei, bis er mit den Zähnen an die Lederriemen heran konnte. Hasard lag auf der Seite und streckte ihm die gefesselten Handgelenke entgegen. Donegal Daniel O’Flynn ging an die Arbeit. Er kaute und nagte an den Riemen, fluchte zwischendurch, wenn er Pausen einlegte, und biß dann erbittert weiter an den Riemen herum. Er hatte gesunde,
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kräftige Zähne, aber die Riemen waren zäh und noch dazu elastisch. Die „Santa Barbara“ wiegte sich über den Atlantik, rollte nach der einen, dann nach der anderen Seite, tauchte nach vorn weg und stieg wieder hoch. Hasard und das Bürschchen mußten sich im Mittelgang mit den Schultern und den Füßen an den Säcken festkeilen, um ruhig zu liegen. Vom Vordeck her hörten sie Hämmern und Klopfen. „Sie bauen einen Notmast“, sagte Ferris Tucker und grinste in die Dunkelheit. „Ich find das sehr höflich von den Dons, dann brauch ich mich nicht damit herumzuärgern.“ Ben Brighton, der Bootsmann, befand sich ganz in der Nähe des Türschotts zum Frachtraum. Er lauschte und sagte plötzlich: „Still mal! Ich glaube, wir kriegen Besuch.“ „Weg, Dan!“ zischelte Hasard. Das Bürschchen schlängelte sich wie ein Aal in den nächsten Seitengang. Außen an dem Türschott klirrten schwere Riegel. Sie wurden zurückgeschoben, das Schott schwang auf und Licht von Öllampen flutete in den Frachtraum. Zwei Spanier hielten die Lampen hoch und ließen die Lichtscheine über die gefesselten Männer zwischen den einzelnen Gängen wandern. Einer der beiden leuchtete Hasard ziemlich lange an, fluchte und sagte etwas zu dem anderen, der daraufhin auch seine Lampe auf Hasard richtete. Ben Brighton war als Junge auf spanischen Schiffen gefahren und verstand, was der erste Spanier gesagt hatte. „Er meint, du hättest an einem anderen Platz gelegen, Hasard“, erklärte er. „Ein ganz Schlauer“, sagte Hasard. „Mal sehen, ob er auch kapiert, warum ich da nicht mehr liege.“ Er blinzelte in das Licht der beiden Lampen und grinste die Spanier an. Die schnatterten zugleich los, als gelte es, ein Wettrennen im Schnellsprechen zu gewinnen. „Was rasseln die da runter, Ben?“ fragte Hasard.
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„Sie haben was gemerkt, und der eine meint, sie sollten mal deine Fesseln kontrollieren. Jetzt sagt der eine, du solltest dich auf den Bauch legen.“ „Ich versteh kein Spanisch und du auch nicht, klar?“ sagte der Seewolf. Der erste Spanier, ein Mann mit einem schwarzen Knebelbart, beugte sich vor, stieß Hasard mit den Stiefeln an und brüllte etwas. Hasard lächelte freundlich und zuckte mit den Schultern. Dabei sagte er: „Komm her, du Enkel einer triefäugigen Ziege, noch etwas näher, bitte sehr, damit ich dir eine verpassen kann.“ Fluchend griff der Knebelbärtige zu und wollte Hasard herumdrehen. Blitzartig zog der Seewolf die Knie an und stieß sie vor. Der Spanier flog wie eine Kanonenkugel durch den Mittelgang, krachte gegen den Schottrahmen und fiel wie ein nasser Sack auf die Decksplanken. Die Öllampe, die er krampfhaft festgehalten hatte, flackerte und verlosch. Der andere Spanier lief hastig zurück, schnappte den Knebelbärtigen am Kragen und schleifte ihn durchs Schott nach draußen. Das Schott wurde zugeschlagen. Ein Rasseln verriet, daß die Riegel wieder vorgeschoben wurden. „Amen“, sagte Hasard, und zu dem Bootsmann: „Ben, du bist ein Armleuchter. Du hättest den zweiten Don nicht durchlassen dürren, als er zurückhastete. Hättest du dich vorgeschnellt und deine Beine zwischen seine geschoben, wäre er gestolpert und nicht bis zum Schott gelangt. Irgendwie hätten wir ihn dann schon festgehalten.“ „Scheiße“, sagte Ben Brighton, „Ich habe auch daran gedacht nur zu spät. Da war er schon am Schott.“ „Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen“, verkündete Donegal Daniel O’Flynn mit ziemlich frecher Stimme. „Sehr richtig“, sagte Hasard, „dann schieb dich mal wieder bei mir längsseits und knabbere weiter an den Riemen. Bis jetzt hast du nur große Töne gespuckt und den Kutscher in der Kombüse beklaut. Da
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stand übrigens ein Sack mit getrockneten Früchten. Merkwürdig, daß der nicht. mehr so prallvoll ist. Hast du dir dort deine Beißer stumpf geschliffen?“ Das Bürschchen blieb ausnahmsweise einmal stumm und rutschte wieder in den Mittelgang. „Jetzt hat’s ihm die Sprache verschlagen“, sagte der Kutscher. „Was kümmert den Adler das Gekrächze der Krähen“, erklärte Donegal Daniel O’Flynn. „Komm her, du Adler“, sagte Hasard, „und halt hier keine langen Vorträge.“ „Ja doch.“ Das Bürschchen schob sich in die alte Position und begann wieder zu nagen. Nicht lange. Ben Brightons zischende Stimme ertönte: „Sie sind wieder vor dem Schott, Hasard.“ „Mist“, flüsterte der Seewolf. „Hau ab, Dan.“ Das Bürschchen fluchte unterdrückt und schlängelte sich aus dem Mittelgang. Das Schott flog auf, und jetzt beleuchteten mehr als zwei Öllampen den Frachtraum. Und die Spanier hinter den Lampen waren bis an die Zähne bewaffnet - mit Piken, Messern, Pistolen und Musketen. „Halleluja!“ sagte Hasard. „Die Dons haben Sehnsucht nach uns. Ben, jetzt nicht angreifen. Wir haben die schlechteren Karten. Übersetz mir nur, was sie palavern.“ „Sie wollen bei jedem von uns die Fesseln überprüfen“, sagte Ben Brighton. Dann blieb er still, weil ihm ein Spanier die Spitze einer Pike auf die Gurgel drückte und wütend etwas herunterrasselte. Sie gingen sehr methodisch vor. Zwei Spanier untersuchten jeweils die Fesseln eines Engländers, und zwei standen dabei und lauerten wie Luchse, ob einer der Gefesselten Lust verspürte, aufsässig zu werden. Dann erreichten sie den Seewolf. Einer der beiden Aufpasser war der Knebelbärtige. Er sah recht blaß aus, aber daß er vor Wut kochte, war auch nicht zu übersehen. Hasard empfing einen brettharten Fußtritt in die Nieren, einen in den Magen und
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einen zwischen die Rippen. Als der Knebelbärtige Anstalten zeigte, seine Tätigkeit zu Hasards Gesicht zu verlegen, bremste ihn ein anderer barsch und schoß dabei eine Kanonade spanischer Sätze heraus, die den Knebelbärtigen Sichtlich beeindruckten. Noch mehr aber schien der Knebelbärtige von dem Gesichtsausdruck Hasards beeindruckt zu sein, dem er einen kurzen Blick zugeworfen hatte und prompt zwei Schritte zurückprallte. Denn der Seewolf hatte einen Ausdruck in seinem braungebrannten, scharfgeschnittenen Gesicht, vor dem selbst der Teufel Reißaus genommen hätte. Die beiden Augen, kalt wie Gletschereis und grellblau, stießen den Knebelbärtigen noch weiter zurück. Er bekreuzigte sich und stammelte dabei etwas. „Du seist der Teufel“, dolmetschte Ben Brighton und grinste über das ganze Gesicht, obwohl der Pikenmann herumwirbelte drohend seine Waffe schwenkte. „Buh !“ machte Hasard und fletschte die Zähne. Der Knebelbärtige rannte davon, als säße ihm der Leibhaftige im Genick. Die anderen Spanier redeten wirr durcheinander. Der Mann, der den Knebelbärtigen gebremst hatte, fuhr dazwischen und gab eine Reihe von Befehlen. „Anscheinend der Leithammel“, sagte Ben Brighton. „Sie ollen dich an den Eisenring auf der Steuerbordseite fesseln.“ Hasard lächelte, als ihn zwei Dons packten und durch einen Quergang zur Steuerbordseite zerrten. Sie hatten weitere Lederriemen bei sich und bewiesen, daß sie zumindest in der Kunst seemännischer Knoten Experten waren. Auf dem Bauch hegend wurde Hasard so an den Eisenring gefesselt, daß die Schlinge um seinen Hals ihn strangulieren würde, wenn er sich bewegte. Der Spanier, der die Befehle gab, beugte sich über ihn und sagte in gebrochenem Englisch: „Teufel so bändigen - krrgggs! Kehle zu, verstehen?“
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„Kapiert, Don Alfonso“, sagte der Seewolf. „Nix Alfonso, ich Capitan Miguel Lopez Luis Velasco Sanz y Diaz de Pordenone.“ „Aha“, sagte Hasard, „bißchen viele Namen, wie?“ „Wie du heißen?“ „Petrus“, sagte Hasard todernst. „Ich bin einer der männlichen Nachfahren des Apostels.“ Der Capitan mit den vielen Namen wurde ziemlich rot im Gesicht. „Du Engländer!“ Er spie die beiden Worte aus, als habe er einen galligen Geschmack im Mund. „Nix Engländer“, sagte der Seewolf tadelnd, „mein Urahn Petrus war doch auch keiner, verstehst du das, du Rübenschwein, du Miguel Lopez und sonst wie noch.“ Der Capitan stampfte mit dem Fuß auf, schoß Hasard einen giftigen Blick zu und wandte sich ab. „Der hat die Schnauze voll“, sagte Ben Brighton zufrieden. Aber alle Männer Hasards wurden noch einmal kontrolliert, dann erst verließen die Spanier den Frachtraum. „An die Arbeit, Dan O’Flynn“, befahl Hasard, „aber nicht bei mir. Die Dons haben meine Handgelenke doppelt und dreifach an den Eisenring gebunden. Nimm dir Smoky vor. Smoky, rutsch in den Mittelgang, damit Dan an dich heran kann.“ „Aye, aye“, sagte Smoky, „aber ich hab hier ‘n bißchen rumgefummelt und unter einem Sack ‘ne rote Ratte gefunden.“ Er räusperte sich. „Die hat ziemlich spitze Zähne, die Ratte, spitzer als die von unserem Adler. Ich meine, Dan und ich könnten ja mal mit der Ratte.“ „Ich soll also ‘ne lausige Ratte anfassen, wie?“ fauchte das Bürschchen. „Huhu, unser Kleiner hat Angst“, höhnte der Kutscher. „Halt’s Maul, du Bratpfannenschwenker“, sagte das Bürschchen giftig. „Smoky, bring das Biest mit und pack dich in den Mittelgang. Wenn die Zähne scharf genug sind, sollten wir es schaffen. Wir legen uns Rücken an Rücken, ich halte die Ratte, und
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du versuchst, deine Riemen an den Zähnen durchzuscheuern.“ „Alles klar“, sagte Smoky. So leicht, wie sie sich das gedacht hatten, war es nun auch wieder nicht. Die Männer lauschten, wie die beiden sich gegenseitig einwiesen und Rücken an Rücken an eine Arbeit gingen, für die sie als einziges Handwerkszeug eine tote Ratte hatten. Sie mußten sich ganz auf ihr Tastgefühl verlassen. Das Bürschchen versuchte, die aufgesperrte Rattenschnauze so an die Riemen Smokys heranzubringen, daß der seine Fesseln auf einer Gebißreihe wie auf einer Säge hin und her reiben konnte. Sie fluchten beide um die Wette, keuchten und ächzten, waren innerhalb kurzer Zeit schweißgebadet und infolge ihrer verkrampften Haltung, in der sie arbeiten mußten, schnell erschöpft. Hasard hatte eine andere Idee. „Könntet ihr das Gebiß nicht als Zange benutzen?“ fragte er. „Und wie?“ erwiderte Smoky. „Ihr müßtet versuchen, vielleicht einen Riemen zwischen das Gebiß zu kriegen und es dann zuzudrücken. Am besten übernimmst du das, Smoky, du hast mehr Kraft in den Händen als Dan. Die Rattenzähne sind spitz, sie müßten zumindest kleine Löcher in das Leder bohren. Versucht es doch mal.“ Die tote Ratte wechselte von Dan zu Smoky. Sie probierten eine Weile herum, bis Dan plötzlich sagte: „Jetzt, Smoky, ein Riemen sitzt genau zwischen den Zahnreihen.“ Smoky preßte die beiden Kiefer der Ratte zusammen. Er hatte den Rattenkopf zwischen den Handballen und drückte. Dabei spürte er, wie sich die dolchscharfen Zähne in das Leder gruben, bis sie auf den Gegenbiß stießen. „Ich bin durch“, sagte er. „.Jetzt noch einmal dicht daneben, wenn es geht“, sagte Hasard, „und so immer weiter, bis dieser eine Riemen zerfasert ist. Dan sollte ihn dann eigentlich aufsprengen können.“ Smoky hatte Mühe, das Gebiß wieder aufzukriegen. Er verschob es etwas,
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drückte es zusammen, öffnete es und wiederholte die mühsame Prozedur mehrere Male. „Na?“ fragte Hasard gespannt. „Klappt ganz gut“, sagte Smoky. „Soweit ich das fühlen kann, sind da schon ganz schöne Löcher im Riemen. Preß doch mal deine Handgelenke auseinander, Dan, mit ‘nem kräftigen Ruck, Junge.“ Dan holte tief Luft, krümmte sich etwas zusammen und spreizte ruckartig die Ellenbogen. Es knackte, und das Bürschchen sagte sehr zufrieden: „Ha!“ „Was ist?“ fragte Smoky. „Ein verdammter Riemen ist durch“, sagte Donegal Daniel O’Flynn. „Hilf mir mal, das lose Ende durch die Knoten zu ziehen.“ Smoky tastete über die Fesselung, fand das lose Ende und begann es aus der Verknüpfung zu lösen. Eine Minute später war die Fesselung so gelockert, daß Dan sie abstreifen konnte. Er rieb sich die Handgelenke, richtete sich auf und knüpfte seine Fußfesseln auf. „Wenn ihr schön artig sein“, erklärte er lässig, „bin ich vielleicht so großzügig und binde euch. auch los.“ „Dan O’Flynn“, mahnte Hasard, „halt keine Volksreden, Pete und Gary sind verletzt, nimm sie dir zuerst vor, und zwar hopp, hopp, wenn ich darum bitten dürfte.“ „Aye, aye, Sir,“ Das Bürschchen stand auf, tastete sich an den Säcken und Ballen vorbei zu Gary Andrews und befreite ihn von den Fesseln. Dann entknotete er die Riemen Pete Ballies und nahm sich den Seewolf vor. Gemeinsam lösten sie die Fesseln von Ferris Tucker und Ben Brighton, und kürz darauf waren sämtliche Männer frei. Ausnahmsweise fluchte einmal keiner über die Ratten, die zum lebenden Inventar eines Schiffes gehörten - wie die Maden, Kakerlaken und anderes Getier an Bord. 3. Philip Hasard Killigrew hatte zwei Seiden ballen aufgerissen und in einem Quergang
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für die beiden Verletzten ein weiches Lager hergerichtet sowie noch einmal ihre Wunden verbunden. Stoff hatte er dafür mehr als genug. Gary Andrews fieberte und redete im Halbschlaf wirres Zeug. Hasard wies den Kutscher an, sich um ihn zu kümmern. „Halte ihn fest, wenn er sich herumwirft“, sagte er. „Gary muß ruhig liegen, damit die Wunde nicht aufbricht und wieder zu bluten beginnt.“ „Geht klar“, sagte der Kutscher, „hab da so meine Erfahrungen von den Krankenbesuchen her, als ich noch Kutscher bei Sir Anthony Abraham Freemont war.“ Mit Ferris Tucker untersuchte Hasard dann das Türschott. Es war aus massiver Eiche und widerstand allen Versuchen, es aufzubrechen. Wie viele Stunden sie inzwischen in dem Frachtraum zugebracht hatten, wußten sie nicht. Nach ihrem Hunger und Durst zu urteilen, mußte bereits ein Tag vergangen sein. Der Durst setzte ihnen in dem stickigen Frachtraum am meisten zu. Hasard schätzte, daß die Spanier die Absicht hatten, seine Männer und ihn auf kleiner Flamme weichzukochen. Entkräftete Männer waren weniger gefährlich. Wahrscheinlich würden sie von Zeit zu Zeit eine Muck mit etwas Wasser und einen vergammelten Zwieback kriegen - zuviel zum Leben und zuwenig zum Sterben, eben ausreichend, um einen Mann nicht krepieren zu lassen. Donegal Daniel O’Flynn, stets hungrig und mit normalen Portionen nicht satt zu kriegen, litt am meisten. Aber er jammerte nicht. Dafür untersuchte er systematisch sämtliche Säcke im Frachtraum und entdeckte nacheinander Zimtstangen, Pfefferkörner, Lorbeer, Majoran, gemahlenen Koriander, Ingwerwurzeln, Basilikumsamen und Aniskörner. Die Aniskörner waren brauchbar, wie er beseligt feststellte. Sie schmeckten süßwürzig und ergaben mit zerkauten Ingwerwurzeln eine Ersatzmahlzeit, die durchaus genießbar war. Dann fand er noch einen Sack und öffnete ihn. Er griff
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hinein und hielt etwas in der Hand, das weder hart noch sehr weich war, ein daumenbreites dreieckiges Stück, von denen der ganze Sack voll war. Er nahm es heraus und roch daran. Was war das? Vorsichtig grub er seine Zähne in das Stück und kostete. Hm, nicht schlecht, etwas fettig, süß. „He, Ben!“ rief er. „Ich glaub, ich hab hier was, das man essen kann. Probierst du mal? Du bist doch schon bei den Dons gefahren und kennst dich aus.“ Ben Brighton kletterte über ein paar Säcke zu Dan, langte in den geöffneten Sack und holte ein Stück heraus. „Kokosnuß“, sagte er sofort, „das Fleisch von der Kokusnuß.“ „Ist doch eßbar, oder?“ „Klar, und man wird ziemlich satt davon. Junge, das ist ein Fang. Hilf mir mal. Wir stellen den Sack in den Mittelgang, damit alle ran können.“ Sie hievten den Sack gemeinsam zwischen den anderen heraus und zogen ihn zum Mittelgang: Ben Brighton verteilte die Stücke, und für eine Weile war nur das Kauen .und Schmatzen zu hören - eine Meute hungriger Wölfe, die ihre Zähne in das süße Fleisch hieben und es zermalmten. Der Ölgehalt in dem Fleisch reichte aus, ihren gröbsten Durst zu stillen. Hasard schaute nach den beiden Verwundeten. Pete Ballie war .eingeschlafen. Gary Andrews phantasierte und hatte einen glühendheißen Kopf. „Verflucht, hoffentlich steht er das durch“, murmelte Hasard besorgt. „Er ist von der zähen Sorte“, sagte der Kutscher. „Dennoch, wir müssen hier raus. Wir könnten natürlich Krach schlagen und die Dons hereinlocken. Aber ich will nicht noch mehr Verletzte haben. Außerdem hat keiner von uns eine Waffe.“ Er schwieg einen Augenblick und fragte dann: „Weiß jemand, wie viele Dons es waren, die uns überrumpelt haben?“ „Ich hab zehn gezählt“, sägte Ferris Tucker. „Ich auch“, erklärte Ben Brighton.
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Hasard überlegte. „Fete und Gary sind kampfunfähig, dann steht das Verhältnis also vierzehn zu zehn. Einem der Dons habe ich zumindest die Kinnlade zerschlagen. Jedenfalls sind wir in der Überzahl - nur leider waffenlos. Ferris?“ „Ja?“ „Du solltest mal auf die Säcke hier steigen und Zoll für Zoll die Planken über uns untersuchen. Vielleicht sitzt eine locker oder ist verrottet. Über uns befindet sich das Unterdeck, sei also leise, falls du das Holz abklopfst. Ben, du bleibst beim Schott und lauschst, ob sich draußen was rührt. Stell dich so, daß du sofort zupacken kannst, sobald ein Don seine Nase hier hereinsteckt. Dann haben wir einen der Kerle als Geisel, ganz abgesehen von seinen Waffen. Blacky und Smoky, ihr geht mit Ben zum Schott und schnappt euch den nächsten, falls er auch neu? gierig wird. Sie dürfen aber nicht schreien. Sammelt die Riemen auf und steckt sie ein. Wir brauchen sie bestimmt noch. Alle anderen gehen in den Quergängen in Deckung, damit die Dons nicht auf Anhieb merken, daß wir nicht mehr gefesselt sind. So, Ferris, fang an.“ Der Riese begann auf der Backbordseite beim Schott und stieg dort auf die Ballen. Die Männer verhielten sich mucksmäuschenstill. Nur Gary Andrews lallte unverständliche Worte und atmete stoßweise. Hasard wußte, daß der Kutscher ihm unablässig den Schweiß vom Gesicht wischte. Alles in der Dunkelheit des Frachtraums war unwirklich. Die schwachen Lichtschimmer zwischen den Ritzen des Türschotts waren verschwunden. Es mußte Nacht sein. Die „Santa Barbara“ lag nach Backbord über. Also segelte sie mit dem Wind von der Steuerbordseite. Hasard versuchte, sich die Situation oben auf dem Deck der Galeone vorzustellen. Zweifelsohne steuerte die „Santa Barbara“ östlichen, wahrscheinlich aber nordöstlichen Kurs, denn sie hatten unterhalb der Azoren gestanden, als von den Dons der
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„Wachwechsel“ erzwungen worden war. Verdammte Dons! Dieser Capitan mit dem langen Namen war als Gegner nicht zu unterschätzen. Hasard vergegenwärtigte sich das Gesicht. des Mannes - hager, dunkelbraun gebrannt, Adlernase, ein schmales, freches Bärtchen über der Oberlippe, das Kinn aber glattrasiert. Mit dem schmalen Ding über der Oberlippe hatte der Capitan sogar noch mehr als frech ausgesehen. Verwegen. Na ja, Bärte konnten alles mögliche vortäuschen, aber eines zeichnete diesen verdammten Miguel Lopez trotz allem aus: Er war strikt dagegen gewesen, einem Wehrlosen Fußtritte ins Gesicht verpassen zu lassen. Ein Gentlemen, dachte Hasard. Aber dieser Knebelbärtige, der ihm die Fußtritte zu kosten gegeben hatte, der war eine ganz miese Type. Ferris Tucker unterbrach seine Gedanken. Er befand sich links hinter Hasard. „Bisher nichts“, sagte er erbittert. „Hätte nie gedacht, daß die Dons so exakt bauen. Dieses Deck hier über uns ist nach Mali gezirkelt und gefugt. Alles gesundes Holz. Verdammter Mist. Wie kriegen die das nur hin. Da müßte man direkt noch mal in die Lehre gehen, wie die bauen.“ „Sie kochen auch nur mit Wasser“, sagte Hasard, „außerdem kannst du in Plymouth das Schiff auseinandernehmen und die spanische Bauweise studieren. Vielleicht lernst du etwas dazu, aber jetzt geht’s mir darum, den Frachtraum aufzuknacken, also such weiter, Ferris.“ „Aye, aye,“ Ferris Tucker schnaufte, und Hasard hörte, wie der Schiffszimmermann mit den Fingernägeln am Holz herumkratzte und leise mit den Knöcheln die Planken abklopfte. „Huuuuh!“ schrie plötzlich Gary Andrews. „Die -- die Wassermänner wollen ...“ Ersticktes Gurgeln. „Ich halt ihm die Schnauze zu“, sagte der Kutscher entschuldigend. „Dan, hilf ihm”, sagte Hasard scharf. „Gary darf jetzt keinen Krach schlagen.“ Er hörte, wie das Bürschchen in den Quergang tappte und sich über den zappelnden Gary warf.
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Merkwürdig. Die Schandschnauze Donegal Daniel O’Flynn sagte mit ganz sanfter, ruhiger Stimme: „Wassermänner gibt’s nicht, Gary. Denk lieber an die Wasserweiber mit den kugeligen Brüsten na, Junge? Ist das was? Still dir mal vor: so richtig prall und fest, daß du darauf Läuse knacken kannst, oder Flöhe, oder Kakerlaken ...“ Gary Andrews brabbelte etwas Unverständliches, aber es klang keineswegs wild, eher so, als erwäge er, mit einem solchen von Dan beschriebenen Wasserweib ein bißchen herumzuturnen. „Du hast vielleicht ‘ne schmutzige Phantasie“, sagte der Kutscher empört. „Gary scheint’s aber zu gefallen“, sagte das Bürschchen. „Mit dir nimmt das kein gutes Ende.“ Der Kutscher schien ziemlich fassungslos zu sein. „Als ich so jung war wie du, wußte ich noch nicht mal, was ‘n Busen ist.“ „Kann ich mir denken.“ Das Bürschchen triumphierte so richtig. „Du bist eben zurückgeblieben. Und blöd bist du auch noch.“ „Du kriegst gleich eine geschmiert“, sagte der Kutscher giftig. Hasard mußte einschreiten. Die beiden brachten es glatt fertig, sich gegenseitig an die Gurgel zu fahren. „Würdet ihr beiden da wohl so freundlich sein, euren Disput auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen? Ich will, daß Ferris sich auf die Untersuchung des Decks über uns konzentrieren kann. Bei eurem Palaver ist das unmöglich. Seht zu, daß Gary ruhig bleibt.“ Er vernahm, wie einige Männer kicherten. Die Kerle hätten wahrscheinlich zu gern weiter mit angehört, was Dan dem Kutscher noch zu bieten hatte. Und daß er was zu bieten hatte, bewies sein Vorschlag, auf einem bestimmten weiblichen Körperteil Läuse zu knacken. Der Gedanke daran erheiterte Hasard, und genauso erging es seinen Männern. Manchmal war so ein Junge mit einem Maulwerk, wie es Donegal Daniel O’Flynn hatte, Gold wert. Hasard gab sich keinen Illusionen hin. Es würde verdammt schwierig sein, aus dem
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Frachtraum auszubrechen und den Spieß wieder umzudrehen. Seine Männer waren in Ordnung. Sie klagten nicht, sondern gaben sich gelassen und vertrauten ihm. Gerade darum mußte er ihnen zeigen, daß er mit jeder Situation fertig wurde. Und er hatte die Pflicht, das Beuteschiff sicher und unbeschädigt nach Plymouth zu bringen. Das war weiß Gott keine Lustreise. Er lauschte. Ferris Tucker befand sich jetzt links voraus von hm und schien den vorderen Teil des Frachtraums erreicht zu haben. „Ferris?“ „Ja?“ „Wie schaut’s aus?“ „Scheiße“, sagte der Schiffszimmermann, „alles stabil und sauber verarbeitet.“ Hasard biß sich auf die Lippen. Wenn sie es nicht schafften, zum Unterdeck durchzustoßen, mußten sie versuchen, die Spanier hier unten im Frachtraum zu überwältigen. Das bedeutete, kämpfen zu müssen - nackte Fäuste gegen stählerne Waffen. Er mußte eine List finden, ohne daß das Leben seiner Männer dabei aufs Spiel gesetzt wurde. Der Seewolf. zerbrach sich den Kopf und gelangte doch immer wieder zu dem Schluß, daß ein Kampf unausweichlich war. „Hallo!“ sagte Ferris Tucker ziemlich erregt. „Hier ist was! Ich komm aber nicht richtig ran. Die Stelle ist direkt über dem Mittelgang - ‘ne Planke, ziemlich verrottet. Ich kann mit dem Finger drin rumpulen. Alles morsch und weich. Mann, ist das ein Ding ...“ Hasard hatte sich bereits durch den Mittelgang nach vorn getastet und stand jetzt unmittelbar unter dem Schiffszimmermann, der sich oben auf den Säcken weit nach rechts verrenkte, um das Holz zu untersuchen. „Du brichst dir gleich das Genick, Ferris“, sagte er. „Warte einen Moment. Wir schieben ein paar Säcke von der Steuerbordseite hierher zum Mittelgang. Packt mal mit an, Männer.“ Sie lösten die Säcke und Ballen aus ihren Laschungen, mit denen sie festgezurrt
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waren, und schoben sie zum Mittelgang. Hasard stieg hoch — mit eingezogenem Kopf, um nicht an das Deck zu stoßen — und tastete sich zu Ferris Tucker vor. Der Schiffszimmermann nahm seine Linke und führte sie zu der Planke hoch. „Hier ist die Stelle“, sagte er befriedigt. Hasard bohrte seine Finger in das Holz und drückte. mit der Faust dagegen. Tatsächlich, das Holz war herrlich verrottet. Mit dem Zeigefinger tastete er nach rechts und spürte die Längsfuge zur nächsten Planke. Dann fuhr er mit dem Finger nach links, bis er die andere Längsfuge spürte. Die morsche Bohle maß etwa vier Handbreit, vielleicht etwas mehr, In der verdammten Dunkelheit war das nicht so ohne weiteres festzustellen. Und jetzt? Als habe Ferris Tucker seine Gedanken erraten, sagte er: „Wir könnten uns mit den Schultern unter die Planke stemmen und sie hochdrücken. Viel hält die nicht mehr aus.“ „Das ist richtig“, erwiderte Hasard, „nur schätze ich, daß im Unterdeck hier über uns ein paar Dons sind, die zur Zeit keine Wache gehen.“ „Die pennen doch.“ „Hoffentlich. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn sie recht tief schlafen. Wo liegt die Planke auf dem Decksbalken auf?“ „Hier, weiter voraus“, erwiderte Ferris Tucker. „Meinst du, wir sollten dort zuerst hebeln?“ „Genau.“ „Das kann ich allein“, sagte der Schiffszimmermann, und schien in die Hände zu spucken. „Sobald es sich etwas anhebt, müßtest du von hier aus dann mitdrücken. Hoffentlich kracht uns der Krempel nicht mit Getöse weg.“ „Nicht, wenn du ganz vorsichtig und ohne zuviel Krafteinsatz drückst. Also los. Bist du klar?“ „Bin ich jetzt, Hasard!“ Die Männer hielten den Atem an. Es knackte und knarrte, Holz splitterte und brach. Es waren keine allzu lauten Geräusche, aber sie hatten den Eindruck,
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das Schiff breche auseinander. Natürlich täuschte das, denn jedes Schiff auf See knackte und knarrte je nach der Beanspruchung, nach Windstärke und Seegang. „Ah“, flüsterte Ferris Tucker. Dort, von wo seine Stimme ertönte, erschienen in der Dunkelheit zwei Lichtspalten, rechtwinklig verbunden mit einem dritten, kleineren Lichtspalt, der genau der Breite der Planke entsprach. Das Licht war nicht hell, keineswegs. Nur ihre Augen empfanden es so, die zu lange in die Dunkelheit gestarrt hatten. Und jetzt verkündeten die drei Lichtspalten, daß dieser verteufelte Seewolf und der Schiffszimmermann kräftig dabei waren, entweder ein neues Tor zur Hölle oder aber in die Freiheit aufzustoßen. „Halt das Scheißding fest, Ferris!“ zischte Hasard. „Noch ein Mann hier herauf, aber fix, und mit abstützen, sonst kracht uns die Planke weg.“ Einer klomm wie eine Katze in Sekundenschnelle auf die Säcke und unterfing neben Hasard die Planke. „Gut so“, flüsterte Hasard. „Ferris, bitte jetzt die Planke ankanten. Drück sie aber erst noch ein bißchen höher.“ „In Ordnung“, flüsterte Ferris Tucker zurück. Die Lichtspalten wurden größer und breiter. Sie sahen, wie der Schiffszimmermann die Planke höherstemmte und ankantete. Sie löste sich auch von dem hinteren Decksbalken. Holzstücke bröckelten nach unten. Die Planke schwebte plötzlich, von den drei Männern gehalten, frei in der Luft und wurde angekantet schräg nach unten gegeben. „Wahrnehmen“, flüsterte Hasard. Kräftige Fäuste packten zu und legten die Planke sanft auf den Boden des Frachtraums. Über ihnen gähnte ein etwa vier Yards langer, schulterbreiter Spalt, erhellt von dem Licht einer nicht sichtbaren Öllampe. 4.
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Sie hatten noch nicht einmal Atem geholt, da hing der Seewolf bereits an der Nachbarplanke, zog sich im Klimmzug durch den Spalt hoch in den Stemmstütz, schwang seine Beine hoch und war verschwunden. Verblüfft starrten die Männer nach oben, Klatsch! Da schlug jemand mit der Faust zu. Ein Schnarch ton brach abrupt ab. Aber da schnarchten noch mehr. Klatsch! Noch dreimal kurz hintereinander. Da schnarchte keiner mehr. Dafür erschien das grinsende Gesicht, des Seewolfs über dem Plankenspalt. „Alles klar im Unterdeck“, sagte er. „Vier Dons schlafen jetzt noch fester. Aber wir müssen sie sofort fesseln und knebeln. Ben, ihr könnt euren Horchposten am Schott jetzt verlassen. Helft den anderen, Pete und Gary hochzuhieven. Ferris, bist du noch nicht hier oben?“ „Ich kann nicht“, sagte der Schiffszimmermann erbittert. „Und wieso nicht?“ „Ich komm nicht durch den verdammten Spalt durch. Meine Schultern ...“ „Ach du lieber Gott!“ Hasard sah sich im Unterdeck um, entdeckte eine Handspake, holte sie und hebelte sie unter die nächste Planke. „Allmählich nehmen wir die ganze Santa Barbara’ auseinander. Los, hilf mit, du Klotz.“ Mit dieser Planke war es nicht so leicht. Ben Brighton und drei andere Männer waren auf die Säcke gestiegen und wuchteten gemeinsam mit dem Schiffszimmermann und Hasard an der Planke, bis sie krachend nachgab und angelüftet werden konnte. Ferris Tucker schwang sich hoch und landete bei Hasard, der ihm sofort die Spake in die Hand drückte. „Paß dort beim Türschott auf, Ferris. Falls sich ein Don zeigt, gib ihm was auf die Rübe.“ „Aye, aye“, sagte Ferris Tucker und postierte sich neben dem Schott. Hasard half den anderen Männern herauf. Smoky und Blacky gingen daran, die vier
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bewußtlosen Spanier zu fesseln und zu knebeln. Sie hatten auf Hängematten gelegen - an Deck, wie der Seewolf mißbilligend feststellte. Wahrscheinlich waren sie zu faul oder zu müde gewesen, sie zwischen den dafür vorgesehenen Augbolzen aufzuhängen. Gary Andrews schlief, als sie ihn vorsichtig durch den Spalt bugsierten. Hasard hatte den Eindruck, daß Garys Kopf nicht mehr so heiß war. Er ließ zwei der Hängematten zwischen die Augbolzen spannen und verfrachtete Gary Andrews in die eine. Pete Ballie wachte kurz auf, als er durch den Spalt gehoben wurde, sagte, heute sei doch ein sehr schöner Tag, und schlief sofort weiter. Sie legten ihn in die andere Hängematte. „Und ob heute ein schöner Tag ist, mein Junge“, sagte Hasard leise. Donegal Daniel O’Flynn war bereits dabei, die Backskisten im Unterdeck zu durchschnüffeln. Er förderte zwei Korbflaschen mit Wein zutage sowie den unvermeidlichen Schiffszwieback. Hasard verteilte den Wein, verdünnt mit Wasser aus einem kleinen Fäßchen, das im Unterdeck abgestellt war. Fast noch wichtiger aber waren ihm die Waffen, die sie bei den vier Spaniern fanden - fünf Dolche, zwei Pistolen, eine Axt und zwei zierliche Stichdegen. Hasard verteilte die Waffen und behielt für sich eine Pistole. „Stürmen wir jetzt das Achterkastell?“ fragte das Bürschchen begierig. Es fuchtelte mit einem Dolch herum und prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Schneide. Hasard blinzelte ihn an. „Du bist wohl mächtig wild darauf, wie’?“ „Klar“, sagte Donegal Daniel O’Flynn. „Vor allem den Kerl mit dem Knebelbart, der dich so gemein getreten hat, möchte ich ein bißchen mit dem Piekser hier kitzeln.“ „Das ist mein Mann, Dan O’Flynn. Laß von dem ja die Finger weg. Und im übrigen stürmen wir nicht, sondern warten ah.“ Er blickte seine Männer der Reihe
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nach an. „Ohne Pete und Gary steht das Verhältnis jetzt vierzehn zu sechs. Vier Dons haben wir bereits aus dem Verkehr gezogen. Ich schlitze die Rangordnung der Dons wie folgt ein: acht Männer für die Decks- und Segelarbeiten, ein Bootsmann und der Capitan mit dem langen Namen. Der Bootsmann ist vermutlich der Kerl, der bei dem Überfall so bravourös mit der Handspake um sich schlug. Wenn diese Rechnung stimmt, sind die vier Dons hier die wachfreie Crew. Die vier anderen sind an Oberdeck - mit dem Bootsmann und dem Capitan.“ Er blickte das Bürschchen an. „Was passiert bei Wachwechsel, Dan?“ Donegal Daniel O’Flynn bohrte in der Nase und schien sichtlich überfordert. „Zur Zeit bist du wohl nicht sehr helle, Dan“, sagte Hasard und grinste. Dann wurde er wieder ernst. „Ich möchte euch allen etwas sagen, und ihr könnt darüber denken, wie ihr wollt. Solange ich euch führe, weigere ich mich, Situationen wie diese hier durch wildes Drauflosschlagen zu lösen. Wir können uns keine Verletzten leisten. Pete und Gary hat’s schon schlimm genug erwischt. Ich möchte euch alle und die ,Santa Barbara’ heil nach Plymouth bringen. Damit ihr mich richtig versteht: ich gehe keinem Kampf aus dem Weg, aber ich vermeide ihn, wenn ein anderer Weg zum Ziel führt, und zwar ein Weg, bei dem Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist. Und damit bin ich bei dem, was ich eben Dan fragte. Vor dem Wachwechsel wird ein Mann unter Deck geschickt, um die abzulösende Wache zu wecken. Dieser Mann wird dort durch das Schott treten. Ferris wird ihn an seine breite Brust drücken, und damit hätten wir den fünften Don kassiert.“ Hasard lächelte. „Und was passiert dann, Donegal Daniel O’Flynn?“ Jetzt grinste das Bürschchen und biß sich dabei fast die Ohrläppchen ab. „Erst nichts, aber dann taucht der sechste Don auf, um nachzusehen, wo der fünfte bleibt.“ „Richtig“, sagte der Seewolf. „Und dann wird’s spannend, denn wenn auch der sechste Don nicht mehr an Deck zurückkehrt, müssen die restlichen vier ja
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doch wohl allmählich Verdacht schöpfen. Aber dem möchte ich zuvorkommen. Wenn wir Nummer fünf und sechs kassiert haben, werden Ben und ich deren Klamotten anziehen - bei Nacht sind alle Katzen grau -und aufs Achterdeck steigen. Wenn Ben ein paar spanische Brocken murmelt, sollten wir das ungehindert schaffen. Ich glaube nicht, daß der Capitan so unvernünftig sein wird, gegen zwei vorgehaltene Pistolen anzugehen. Tut er es doch, dann greift ihr ein. Ich werde schon laut genug brüllen. Ferris, du führst dann die Männer. Stürmt nicht in einem Haufen vor, sondern verteilt euch. Ein Mann bleibt bei den Gefangenen zurück. Alles klar?“ Die Männer nickten und grinsten verwegen. Sie wußten, was für ein Draufgänger dieser Seewolf war, aber eben kein blinder Draufgänger, sondern einer, der mit sicherem Instinkt und präzisem Augenmaß zuschlug, und wenn er zuschlug, dann war die Hölle los. Dieser schlanke, breitschultrige große Bursche mit den eisblauen Augen in dem kühnen Gesicht war ein Mann nach ihrem Geschmack. Er wollte nicht mit „Sir“ angeredet werden, obwohl ihm das nach Geburt und Rang zustand. Er pochte auf keine Rechte, er führte mit leichter Hand, er beherrschte das Schiff und die See - und es schien nichts zu geben, das ihn umwerfen konnte. Er war eisenhart. Und da war nicht einer unter den fünfzehn Männern, der seine Führerrolle angezweifelt hätte. Die zweite Pistole wechselte von Smoky zu Ben Brighton, der sie sofort untersuchte. Auch Hasard überprüfte seine Waffe. Dann warteten sie. Noch immer segelte die „Santa Barbara“ über Backbordbug. Vom Oberdeck her hörten sie das Knarren der Rahen und das Quietschen der Blöcke, über deren Scheiben die Taue liefen, mit denen die Segel bedient wurden. Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, da polterten Schritte einen Niedergang hinunter und näherten sich dem Türschott. „Ferris“, flüsterte Hasard.
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Der rothaarige Riese nickte nur und duckte sich lauernd zusammen. Hasard drehte den Docht der Öllampe etwas herunter. Der Don brauchte nicht gleich zu sehen, daß sich im Unterdeck einiges verändert hatte. Ferris Tucker stand links von der Tür. Sie sprang nach rechts auf. Eine Gestalt erschien in dem Rechteck des Schotts und trat vor, Geschmeidig glitt der Riese hinter den Spanier, hielt ihm mit der Linken den Mund zu und hämmerte ihm mit’ er Rechten einen knallharten Hieb an die Schläfe. Der Don seufzte nicht einmal, er sackte in sich zusammen, Ferris Tucker schob die Tür mit. dem Fuß zu und trug den Spanier lässig unter dem linken Arm zu den vier anderen. „Nummer fünf“, sagte er und grinste den Seewolf an. „Der hat bestimmt jetzt schlechte Träume.“ „Wie die anderen“, sagte Hasard. „Gut gemacht, Ferris.“ „Aye, aye, Sir”, sagte der Riese und lächelte glücklich. Er war bestimmt zehn Jahre älter als Hasard, aber er freute sich über das Lob, als sei er zehn Jahre jünger als der Mann aus Cornwall. „Ben, probier mal, ob dir der Wams von dem Don paßt. Die Hosen laß ihm. Aber die rote Zipfelmütze müßte dir gut stehen. Vergeßt nicht, ihn nach Waffen zu durchsuchen. Ich sehe da schon einen Dolch in seinem Gürtel. Die Dons scheinen alle wild aufs Pieken zu sein.“ Sie zogen dem Spanier den Wams aus, stülpten seine Taschen um, fanden ein Bündel Takelgarn und ein winziges Messer in einer Lederscheide und fesselten ihn. Dann folgte der Knebel, und der Don wurde neben seine Compadres gelegt. Sie lagen sauber ausgerichtet einer neben dem anderen auf der Backbordseite des Unterdecks. Und alle fünf schliefen sehr sehr tief. Ben Brighton kostümierte sich indessen. Als er sich die rote Zipfelmütze über die dunkelblonden Haare stülpte, begannen die Männer zu kollern und zu glucksen.
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Ben Brighton, ein ruhiger und ausgeglichener Mann, blickte sich wütend um. „Was grinst ihr denn so dämlich, ihr Affenärsche. Habt ihr noch nie ‘n Don gesehen?“ Smoky, der breite ruppige Kerl, brachte einen Kratzfuß zustande, vollführte eine weitausholende Armbewegung und sagte geziert: „Habe die Ehre, Don Brighton, Euer Gnaden sehen entzückend aus, direkt zum Anknabbern.“ „Idiot“, sagte Ben Brighton. Worauf die Männer noch mehr glucksten. Und der Bootsmann sah ziemlich beleidigt aus. Er blickte Hasard hilfesuchend an. Hasard lächelte nur und sagte: „Ben, denk daran, was Dan O’Flynn unten im Frachtraum verkündet hat: Was kümmert den Adler das Gekrächze der Krähen. Paß mal auf, wie ich aus- sehe, wenn ich den sechsten Don spiele. In den nächsten zehn Minuten müßte er eigentlich aufkreuzen, wenn meine Rechnung stimmt.“ Er kreuzte auf, lärmend und mit einer ziemlichen Ladung Wut im Bauch. Kein Wunder, wer abgelöst werden soll, schachert mit jeder Minute, die ihm vom ersehnten Schlaf abgezwackt wird. Der Don verhielt sich nicht anders als alle Seeleute und Wachgänger dieser Welt. Und wer in den Stunden der Nacht Wache gegangen war, eine Wache, in der der Schlafteufel finit konstanter Bosheit das Wachsein untergraben hatte, der war doppelt erpicht auf das süße Vergessen. Der Don näherte sich mit der Geschwindigkeit und dem Getöse einer Rakete. Er schoß durch das Schott, ohne daß Ferris Tucker die Chance erhielt, ihn an die breite Brust zu drücken. Dafür landete er genau vor dem Seewolf, der breitbeinig vor ihm aufragte. Es war der Knebelbart! Hasard holte die Faust von tief unten rechts hoch. „Du Scheißkerl!“ sagte er und rammte dem Don einen Amboß unter das Kinn, in dem mehr als nur die Wucht von drei Fußtritten saß.
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Der Knebelbart stieg senkrecht hoch, knallte mit dem Kopf ans Oberdeck, das ihn zurückstieß, und erhielt von Hasard im Zusammensacken noch zusätzlich einen Hammer auf die Schädelplatte. Sang- und klanglos kippte er nach vorn aufs Gesicht und rührte sich nicht mehr. Hasard beugte sich über ihn, zerrte ihm das Cape von den Schultern und setzte die Zipfelmütze auf, die auch dieser Spanier getragen hatte. Das Cape schwang er sich über die Schultern. „Na?“ sagte er. „Don Killigrew“, sagte das Bürschchen, „der König von Spanien.“ Dann erschrak Donegal Daniel O’Flynn. „Du hast keinen Knebelhart, Hasard. Verdammt, wo kriegen wir einen Knebelbart her?“ „Geht auch ohne“, sagte der Seewolf. „Ich mag sowieso keine Fusseln im Gesicht.“ Er blickte auf den Spanier hinunter. „Verschnürt ihn besonders gut, und mit dem Knebel braucht ihr auch nicht zu sparen. Dieser Don hat sich nicht wie ein Kavalier benommen. Und bitte – nicht vergessen, ihn zu durchsuchen. Ben, bist du bereit?“ „Aye, aye, Sir.“ „Ferris, jetzt übernimmst du hier das Kommando. Dan, du folgst uns bis zu dem Schott, das auf die Kuhl führt, Dort bleibst du stehen und paßt auf, wie bei uns die Sache läuft. Wenn etwas schiefgeht, alarmierst du Ferris, klar?” „Klar“, erwiderte das Bürschchen. Hasard blickte seine Männer an. „Wie sagte der Kapitän, wenn die ,Marygold` ins Gefecht ging? Er sagte: ‚Tut eure Pflicht. Gott möge euch behüten.’ Das gilt immer noch.“ Der Kutscher reckte die schmale Brust heraus. „Wir werden unsere Pflicht tun, Sir.“ Hasard schaute ihn fast verdutzt an. Das wuchs sich ja zu einem richtigen Theater aus, einem Heldengesang. Fast, bestürzt. wurde er sich bewußt, daß er dieses Theater heraufbeschworen hatte, mit den Worten Kapitän Drakes. Und die Männer hatten eherne Gesichter. Nur ihre Augen verrieten, daß sie jetzt sogar bereit waren,
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die Hölle mit einem Kochlöffel kurz und klein zu schlagen. Nur ein paar Worte, dachte Hasard, und schon sind sie bereit, dir zu folgen und sich auf etwas zu stürzen, das Tod bedeuten kann. Er drehte sich jäh um, ein fast wütender Mann, der plötzlich erkannt hatte, daß er Macht besaß, Macht über Männer, die ihm blindlings folgten. Im Umdrehen streifte sein Blick das Gesicht Donegal Daniel O’Flynns, der ihn hingerissen anstarrte. „Daß du dich unterstehst, uns aufs Achterdeck zu folgen“, fuhr er ihn an, „du —du Läuseknacker!“ „Aye, aye, Sir.“ Warum sagten diese Idioten plötzlich alle „Sir“? 5. Der Wechsel zwischen Nacht und Morgen kündigte sich an, aber noch war die Kimm unsichtbar, versteckt in der Dunkelheit. Das Deck glitzerte feucht, ein kühler Wind wehte beständig, ohne Böen, von Südsüdwest. heran und trieb die „Santa Barbara“ stetig in nordöstliche Richtung. Die beiden Männer atmeten tief durch und füllten ihre Lungen mit der frischen, salzigen Luft. Ein paar Nebelschwaden schwebten verloren leewärts. Die Blicke der beiden Männer glitten zum Achterdeck. Drei Männer standen dort; undeutlich erkennbar. Eine Stimme, laut und scharf, fast gereizt, sagte etwas. „Der Capitan“, flüsterte Ben Brighton. „Er will wissen, wo die neue Wache bleibt.“ Hasard zeigte seine Zähne und sagte ebenso leise: ,;Die kommt jetzt. Los, Ben, fang an zu palavern.“ Er setzte sich in Marsch quer über die Kuhl. Der Bootsmann folgte ihm und schnatterte auf spanisch weiß Gott was. Es klang durchaus musikalisch und schien den Capitan auf dem Achterdeck zu beruhigen. Jedenfalls drehte er sich um, die Hände auf dem Rücken, und marschierte zur Backbordseite. Typisch, dachte Hasard, alle Kapitäne wandern auf ihren
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Achterdecks von Steuerbord nach Backbord und wieder zurück, haben die Hände auf dem Rücken, kontrollieren unablässig den Stand der Segel, den Kurs, die See und scheinen mit tausend Gedanken beschäftigt. Ob der Capitan allerdings bei seinen tausend Gedanken auch daran dachte, wie schnell ihm das Kommando über die „Santa Barbara“ wieder abgenommen werden konnte, war mehr als fraglich. Hasard verbarg die Pistole unter dem Cape und stieg leichtfüßig den schmalen Niedergang hoch, der zum Achterdeck führte. Der Capitan würdigte ihn keines Blickes. Er marschierte an ihm vorbei zur Steuerbordseite. Nur der Handspakenmann wetterte los. Hasard grinste, glitt hinter den Capitan und bohrte ihm den Lauf der Pistole ins Kreuz. „Ben! Sag ihm, daß wir wieder die ‚Santa Barbara’ übernehmen. Sag ihm meine Empfehlung, und er soll seine verdammten Pfoten ruhig halten, sonst puste ich ihm ein Loch in die Haut!“ Der Bootsmann rasselte seinen Text herunter und hielt gleichzeitig dem Spakenmann die Pistole unter die Nase. Die drei Spanier standen wie steinerne Denkmäler, mit aufgerissenen Augen und hängenden Unterlippen. Der vierte Don, der als Rudergänger am Kolderstock stand, kapierte überhaupt nichts und fragte irgendetwas Dämliches. „Sag ihm, er soll die Schnauze halten und auf Kurs bleiben“, befahl Hasard und zog dem Capitan eine Pistole aus dem Gürtel. „Verdammt“, sagte der Capitan sehr deutlich und auf englisch. „Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Senor Capitan“, sagte Hasard, und zu Ben Brighton: „Entwaffne den Spakenmann. Der andere Don ist harmlos. Das ist der, dem ich das Kinn verschoben habe. Schau mal, der wackelt jetzt noch mit dem Kopf.“ Der Spakenmann fluchte lästerlich. „Was sagt er?“ fragte Hasard interessiert. „Was ganz Unanständiges.“ Ben Brighton grinste. „Er meint, du seist einer Familie von Hurenböcken, Saufbolden,
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Tagedieben, Galgenstricken und Spitzbuben entsprungen.“ „Wenn das Sir John wüßte“, sagte Hasard und seufzte. „Hast du seine Waffen?“ „Hab ich.“ „Treib sie beide ganz nach achtern an die Heckreling.“ Er knuffte den Capitan ins Kreuz. „Sie bitte auch, Senor Capitan.“ Die drei Dons schlurften zur Heckreling. Hasard räusperte sich. „Sag ihnen, sie dürften sich nicht umdrehen, sonst kracht’s. Dann hol unsere Männer. Ich halte die drei Dons solange in Schach. Der Kutscher soll gleich die Kombüse besetzen und was Handfestes zubereiten. Sorg dafür, daß immer ein Mann bei den Dons Wache hält.“ „Sollen sie im Unterdeck bleiben?“ „Vorerst ja.“ Der Bootsmann rasselte ein paar spanische Sätze herunter. Die drei Spanier standen an der Heckreling ihnen den Rücken zugewandt -und rührten sich nicht. Ben Brighton eilte über das Achterdeck, sprang auf die Kuhl hinunter und verschwand. Minuten später war die „Santa Barbara“ wieder fest in den Händen Hasards und seiner Männer. Als der Capitan gefesselt vom Achterdeck geführt wurde, blieb er bei Hasard stehen und lächelte höflich. „Du sehr gute Capitan“, sagte er. „Danke“, sagte Hasard und lächelte ebenfalls. „Aber großes Problem für, dich.“ Aus dem Lächeln des Capitans wurde ein breites, zufriedenes Grinsen. „Aha“, sagte Hasard und fragte sich, was den Capitan Miguel Lopez und so weiter so erheitere. „Sehr, sehr großes Problem“, wiederholte der Capitan. „Du schauen Steuerbord achteraus, bitte sehr!“ „Bitte sehr“, sagte auch der Seewolf und wandte den Kopf. Das war ja doch wohl die Höhe. Hasard blieb buchstäblich die Spucke weg. Gestaffelt Steuerbord achteraus, etwa dreihundert Yards entfernt, segelte im Morgendunst auf gleichem Kurs eine andere Galeone, dickbäuchig, schwarz
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angestrichen, zwölf Stückpforten auf der Backbordseite. Allerdings waren Sie geschlossen. Hasard drehte sich langsam wieder um und blickte den grinsenden Capitan an. Das Grinsen wird dir schon noch vergehen, Freundchen, dachte er und sagte: „Sehr schön, Senor Capitan, aber wo ist da ein Problem, bitte sehr?“ „Dort die ‚Barcelona’ -sehr starkes Schiff, sehr, sehr gute Capitan, Freund von mir, Senor Juan Descola, er dich verschlingen, hahaha!“ „Dich auch“, sagte Hasard freundlich. „Mitgefangen, mitgehangen. Wenn die ‚Santa Barbara’ absäuft, sauft ihr alle mit ab, verehrter Kollege Capitan.“ „Mein Leben für den König“, sagte der Capitan stolz. „Ich werd’s ihm ausrichten, wenn ich ihn mal treffe“, sagte Hasard und wandte sich zu Ben Brighton um. „Bring ihn unter Deck, Ben, bevor es hell wird. Ab sofort trägt jeder Mann von ins, der an Deck arbeitet, spanische Kleidung. Zieht den Dons die Klamotten aus und probiert, was wem paßt. Ich möchte das Zeug von diesem verehrten Senor hier haben. Und jetzt verschwindet, bevor die Dons den Schwindel bemerken.“ * Noch bevor die Sonne durchbrach, war die Maskerade beendet. Ben Brighton, der einzige, der die spanische Sprache beherrschte, wurde zum wichtigsten Mann an Bord der „Santa Barbara“. Er mußte ständig bei Hasard bleiben, um .notfalls sofort dolmetschen zu können. Wieder einmal inspizierten sie zu dritt den Fockmast, der aber nicht mehr als Mast zu bezeichnen war. Die Dons hatten aus einer Spiere einen Notmast errichtet und die eigentliche Fock verkleinert. Hasard meinte, daß es besser als gar nichts sei, während Ferris Tucker die Ansicht vertrat, daß sie mit dem Murksding von Notmast ziemlich lahm seien, was ja auch stimmte, und wenn sie mal türmen müßten, seien sie aufgeschmissen:
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Hasard schaute zu der „Barcelona“ hinüber, etwas nachdenklich, wie es schien. Ferris Tucker und Ben Brighton wechselten einen schnellen Blick und grinsten sich dann an. Offensichtlich kannten sie ihren Seewolf inzwischen. Der heckte also wieder etwas aus, und beide stimmten still darin überein, daß es mit der schwarzen Galeone da drüben zusammenhing. Sie hatten recht. Hasard sagte: „Eigentlich hatte ich nicht die Absicht, die Dons da drüben bis Spanien zu begleiten. Ihr doch auch nicht, oder?“ Was für eine Frage! Die beiden Männer grinsten nur, und Ferris Tucker sagte: „Möchte wissen, was der Kasten geladen hat.“ Er leckte sich über die Lippen und sah aus wie ein rothaariger Kater, der sich an ein Schüsselchen mit Sahne heranpirscht. „Möcht ich auch wissen“, sagte Ben Brighton. „Ich auch“, sagte der Seewolf. „Ich stelle also fest, daß wir drei, die wir die Schiffsführung verkörpern, einhelliger Meinung sind.“ Die beiden schauten ihn verblüfft an. Warum sprach dieser Teufelsbraten plötzlich so gestelzt? „Dennoch“, fuhr Hasard fort, „müssen wir uns die Frage stellen, ob es nicht ratsamer ist, uns zu nächtlicher Stunde mit der ‚Santa Barbara’ von der ‚Barcelona’ abzusetzen und schleunigst auf Gegenkurs zu verschwinden.“ „Da bin ich dagegen“, sagte Ferris Tucker prompt und fast empört. „Ich auch.“ Der Bootsmann hieb in dieselbe Kerbe. „Na denn“, sagte Hasard zufrieden. „Ich nämlich auch.“ Jetzt grinsten sie alle drei wie sahnelüsterne Kater. Da Hasard sich bislang der Aufgabe gewidmet hatte, die „Santa Barbara“ heil nach Plymouth zu bringen, sah er sich nun mit dem Problem konfrontiert; sich noch ein zweites Beuteschiff aufzuhalsen und in den sicheren Hafen zu steuern
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vorausgesetzt, sie schafften es überhaupt, den schweren Brocken zu schlucken. Die beiden Männer starrten den Seewolf erwartungsvoll an und waren sich sicher, daß der bereits wieder eine Patentlösung aus dem Ärmel schütteln würde. So war es. Hasard sagte: „Wir werden nach einem ähnlichen Rezept verfahren wie heute nacht im Unterdeck. Das heißt, wir müssen versuchen, die Besatzung der ‚Barcelona’ aufzusplittern, um ein vernünftiges Kräfteverhältnis herzustellen. Ich habe vor, so viele Dons wie möglich an Bord der ,Santa Barbara’ zu locken. Das geschieht mit einem Taschenspielertrick. Wir werden den Dons auf der ‚Barcelona’ kundtun, daß wir ein Leck hätten und um kräftige Männer für die Pumpe bäten, unsere Männer seien bereits total erschöpft. Wenn die Dons einzeln über das Schanzkleid klettern, nehmen wir sie gebührend in Empfang und packen sie verschnürt zu den anderen.“ „Mann, ist das ein Ding!“ stieß Ferris Tucker hervor. „Langsam, Ferris“, sagte Hasard, „jetzt wird’s nämlich ernst. Und hier wird das Unternehmen für uns gefährlich. Wir müssen entern und kämpfen. Allerdings haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite, Wir werden mit etwa zehn Männern unserer Besatzung in dem Boot der Spanier zur ‚Barcelona’ pullen und die Dons überrumpeln. Wenn es mir gelingt, den Capitan der ‚Barcelona’ zur Aufgabe zu zwingen, haben wir es geschafft. Ben, du mußt mir noch ein paar spanische Brocken beibringen, die dafür passend sind ...“ „Was denn? Entere ich nicht mit?“ fragte der Bootsmann empört, „Nein“, erwiderte Hasard, „mach dich gleich damit vertraut, daß du die ‚Santa Barbara’ übernehmen wirst, wenn wir die ,Barcelona’ gekapert haben. Oder traust du dir das nicht zu?“ „Aye, aye, Sir“, sagte Ben Brighton und hatte plötzlich eine sehr breite Brust. „Na also“, sagte Hasard. „Weitere Einzelheiten besprechen wir noch. Unser
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Unternehmen starten wir heute abend, wenn es zu dämmern anfängt. Wenn es ganz dunkel ist, pullen wir zur ‚Barcelona’ hinüber und entern. Ferris, übernimmst du jetzt die Wache? Ich möchte mich mit dem Capitan noch einmal unterhalten. Ben, du haust dich unter dem Achterkastell aufs Ohr, mußt aber sofort bereit sein, wenn Ferris dich als Dolmetscher braucht. Ich löse Ferris in drei Stunden ab. Ben, du gehst dann mit mir die Wache und bringst mir spanische Vokabeln bei. Alles klar?“ „Alles klar“, sagten die beiden. Ferris Tucker äugte noch mal auf den Notmast. „Und wo kriegen wir einen besseren Mast her?“ „Vielleicht hat die ‚Barcelona’ Ersatz, den wir verwenden können“, erwiderte Hasard. „Oder wir segeln zu den Azoren und legen einen Baum um, was, wie?“ „Affenarsch und Rübenschwein“, sagte Ferris Tucker. „Der alte Carberry fehlt mir direkt.“ „Mir auch“, sagte Hasard und dachte an den eisernen Profos auf der „Marygold“. Sie gingen nach achtern, und Ferris Tucker übernahm die Wache. Hasard inspizierte seine Männer, die an Oberdeck der üblichen Bordroutine nachgingen - ja, sie waren alle „spanisch“ gekleidet. Die Dons auf der „Barcelona“ mußten schon sehr, sehr scharfe Augen haben oder noch dichter heransegeln, um die Verkleidung zu erkennen. Er hoffte nur, daß nicht vor dem Dunkelwerden etwas Unvorhergesehenes passierte. Hatte er an alles gedacht? Er blickte zum Großmars hoch. Donegal Daniel O’Flynn hatte seinen Ausguckposten bezogen. Er linste zu Hasard hinunter und kaute auf einer Speckscheibe. „Dan!“ rief Hasard nach oben. „Behalte vor allem die ‚Barcelona’ im Auge. Alles, was dir dort ungewöhnlich erscheint; bitte sofort melden. Wir müssen immer damit rechnen, daß die Dons aus irgendeinem Grunde mißtrauisch werden. Also paß scharf auf.“
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„Aye, aye!“ rief das Bürschchen nach unten. „Nehmen wir den Kasten hopp?“ „Schätze, ja“, erwiderte der Seewolf. Das Bürschchen pfiff begeistert, und Hasard hätte ihm dafür im liebsten einen Tritt in den Hintern verpaßt. „Wenn dir mal ein Ohr abgesäbelt wird, pfeifst du nicht mehr, du Läuseknacker!“ „Ich habe ja noch eins“, sagte der Lümmel. „Und wenn du wie dein Vater ein Bein verlierst?“ „Krieg ich ‘n Holzbein, genau wie der Alte, der mich mit seinem immer verdroschen hat. Ha! So’n Holzbein aus englischer Fiche, das ist was, das ist ‘ne richtige Waffe, ist das, jawohl.“ „O Gott“, sagte Hasard, „du hast doch ein zu sonniges Gemüt.“ „Der Don fällt auf uns ab!“ sagte das Bürschchen erregt. „Er segelt dichter ran!“ Hasard wirbelte herum und blickte nach Steuerbord achteraus. Tatsächlich. Die „Barcelona“ ging mehr vor den Wind. Verdammt, verdammt! „Der Bootsmann sofort aufs Achterdeck!“ rief er Blacky zu, der damit beschäftigt war, das Kuhldeck zu schrubben. Blacky schoß wie der Blitz unter das Achterkastell und erschien ein paar Sekunden später mit Ben Brighton, der sich hastig die rote Zipfelmütze über den Kopf zog. „Rauf zu Ferris!“ rief Hasard. „Schnell, Ben!“ Der Bootsmann enterte aufs Achterdeck, Hasard folgte ihm, schnappte sich eine lange Leine und tat so, als so hieße er sie fein säuberlich auf. Dabei drehte er Ferris Tucker und Ben Brighton den Rücken zu ein beschäftigter .Seemann, der das Achterdeck aufklart. „Starrt nicht alle zu der verdammten Galeone hinüber“, sagte er scharf. „Tut so, als sei alles völlig normal. Ferris, wenn der Don die Absicht erkennen läßt, den wilden Mann zu spielen, dann nichts wie runter aufs Kuhldeck und ran an die Kanonen, klar?“ „Aye, aye, Sir“, sagte der Schiffszimmermann mit seiner Baßstimme. Sie klang völlig ruhig.
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Hasard spähte über die Schulter. Die schwarze Galeone segelte auf Rufweite heran. Auf dem Deck des Achterkastells standen drei Männer. Einer winkte, hielt dann die Hände trichterförmig vor den Mund rief etwas zu ihnen herüber. „Er entbietet Capitan de Pordenone seinen Morgengruß“, sagte Ben Brighton mit zusammengebissenen Zähnen. „Auch das noch. Sag ihm, der Capitan habe sich in seine Kammer begeben, um Schlaf nachzuholen, und er wolle nur geweckt werden, wenn etwas Außergewöhnliches geschehe.” Ben Brighton nickte, formte die Hände zum Trichter und brüllte ein paar spanische Sätze zur „Barcelona- hinüber. Drüben wurde „Verstanden“ gezeigt, ein paar Kommandos ertönten, die „Barcelona“ ging wieder auf ihren alten Kurs zurück und sackte Steuerbord achteraus. Die Männer auf der „Santa Barbara“ atmeten auf. „Die sägen vielleicht auf unseren Nerven herum“; sagte Ben Brighton mißbilligend. „Ich war gerade eingeschlafen.“ „Geh runter und penn weiter“, sagte Hasard. „Ferris, laß vorsichtshalber drei Kanonen auf der Steuerbordseite feuerbereit machen, aber nicht zu auffällig. Die Männer sollen so tun, als würden die Waffen gereinigt.“ „Aye, aye.“ „Sind Pete und Gary noch im Unterdeck?“ „Nein, im Vordeck. Ben hat sie direkt am Schott untergebracht, wegen der frischen Luft.“ „Gut. Ich schau sie mir nachher an. Ich bin jetzt beim Capitan im Unterdeck, falls was los ist.“ Die Gefangenen wurden von Smoky bewacht, der auf einer Backskiste saß und mit einer Pistole spielte. Die sechs bewußtlosen Dons waren inzwischen zu sich gekommen. Alle zehn sahen nicht sehr glücklich aus. Smoky stand auf, als Hasard das Unterdeck betrat. „Alles klar hier, Smoky?“
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„Aye, aye. Nur der Capitan ist ständig am Maulen.“ Gemütvoll sagte Hasard: „Dagegen wirkt ein Knebel Wunder.“ Smoky grinste. „Soll ich ...“ „Noch nicht, nur wenn’s schlimmer wird.“ Hasard trat vor den Capitan und schaute auf ihn hinunter. „Capitan Descola von der ‚Barcelona’ läßt Ihnen seinen Morgengruß entbieten, Capitan. Ich habe ihm sagen lassen, Sie hätten sich zur Ruhe begeben und wünschten nicht gestört zu werden. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne.“ In den dunklen Augen des Spaniers schimmerte verhalten Wut. „Alle Engländer Bastarde!“ stieß er hervor. „Mag sein“, erwiderte Hasard ruhig, „ich kenn mich da nicht so aus. Wir Männer vom Stamm des Petrus sind friedliche Leute. Nur wenn wir gereizt werden, vergessen wir die christliche Nächstenliebe.“ „Ihr alle verdammte Ketzer!“ „Verehrter Capitan“, sagte Hasard, „lassen wir doch die kirchlichen Dinge mal aus dem Spiel. Ich schätze, auch in Spanien sind nicht alle der einhelligen Auffassung, der derzeitige Papst sei ein sehr würdiger Vertreter Gottes auf Erden.“ „Alle!“ fauchte der Capitan. Hasard schüttelte den Kopf. „Das glaub ich nicht, zum mindesten kann ich mir nicht vorstellen, daß alle spanischen Seeleute vernagelte Katholiken sind — die dreißig Seeleute auf der ‚Barcelona’ zum Beispiel bestimmt nicht.“ „Doch —alle dreißig!“ Hasard zeigte sein charmantestes Lächeln und verbeugte sich. „Danke, Senor Capitan, das wollte ich wissen. Es ging mir nicht um die Religion. Ich wollte nur erfahren, wie stark die Besatzung der ‚Barcelona’ ist. Meine Schätzung ist also richtig.“ Der Capitan biß sich auf die Lippen und schien vor Wut zu platzen. „Man muß Niederlagen mit Fassung tragen“, sagte Hasard. „Lernt man das nicht in Spanien?“ „Teufel!“
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„Senor Capitan“, sagte Hasard, „als Sie unten im Frachtraum Ihren knebelbärtigen Schlagetot daran hinderten, mir den Kopf einzutreten; dachte ich, Sie seien ein Mann von vornehmer und ritterlicher Gesinnung. Bitte geben Sir mir keine Veranlassung, diese Meinung zu revidieren.“ Der Spanier wurde dunkelrot im Gesicht und drehte den Kopf weg. Er schwieg. Hasard wandte sich ab. Im Hinausgehen sagte er: „Paß gut auf, Smoky. Falls die Dons zu palavern anfangen, benutz den Knebel.“ „Aye, aye, Sir.“ Der Seewolf drehte sich im Schott noch einmal um und blickte Smoky an. „Kannst du mir mal erklären, was dieses ,Sir’ soll? Ich gehöre zum Vordeck und bin nur für diese Fahrt Kapitän.“ „Schon.“ Smoky wand sich verlegen, kratzte sich die Brust und starrte auf seine Füße. Ohne Hasard anzusehen, sagte er: „Du - du bist eben vornehmer als unsereiner - und -.und hast mehr auf dem Kasten.“ Hasard ergriff schleunigst die Flucht. So sah und hörte er nicht, wie Smoky dem Capitan die Faust hinreckte und ihn anknurrte: „Sag noch einmal ‚Teufel’ zu meinem Kapitän, und ich schlag dir die Fresse ein!“ Der Seewolf überquerte indessen die Kuhl und betrat das Vordeck. Er warf nur einen Blick auf Gary Andrews, fuhr her um, und seine Stimme war messerscharf. „Kutscher!“ Der stürzte aus der Kombüse, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. „Verdammt, bist du hier der Doc an Bord oder nicht? Gary ist rotglühend!“ „Ja - ja.“ Der Kutscher geriet ins Stottern. „Ich - ich wollte dich schon rufen, aber aber du warst unten beim Capitan - da - dada mochte ich nicht stören.“ Hasard fluchte wild. „Mann, was heißt hier stören? Der Capitan ist mir scheißegal. Hier geht’s um Gary. Bist du blöd, oder was bist du? Meinst du vielleicht, dieser Capitan sei mir wichtiger als Gary?“ Philip Hasard Killigrew wurde so richtig biestig und zeigte plötzlich eine Seite, die
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bislang noch keiner erkannt hatte - er selbst am allerwenigsten. Er stauchte den Kutscher zusammen, daß es nur so rauchte, und alle Männer - auch der Kutscher - die an Oberdeck der „Santa Barbara“ mithörten, begriffen, daß dieser schwarzhaarige, blauäugige Teufel zu einem Orkan werden konnte, wenn jemand eine ihm gestellte Aufgabe und Pflicht zu lax auffaßte. Außerdem ging es um Gary Andrews. Sie begriffen, daß dieser Killigrew niemanden von seiner Mannschaft jemals im Stich und kaltblütig verrecken lassen. würde. Darum, und nur darum, fiel er mit dieser ungebärdigen Wildheit über den Kutscher her: Der Kutscher stand vor Hasard und schlotterte am ganzen Körper. Ferris Tucker auf dem Achterdeck sah zu, daß er aus dem Blickwinkel dieser eisblauen Augen kam. Donegal Daniel O’Flynn oben im Hauptmars starrte angestrengt über die See. Blacky schrubbte wie ein Irrer die Planken der Kuhl. Der Rudergänger steuerte haarscharfen Strich. Sie alle waren ungemein konzentriert - und dennoch entging keinem, was sich da auf der Kuhl abspielte. Dort fluchte ein Mann, weil es um das Leben eines anderen Mannes ging, der zwar nicht namenlos, aber doch minderen Ranges war, nur ein Fockmastgast. „Heißes Salzwasser!“ brüllte Hasard den Kutscher an. „Und ein ausgeglühtes, scharf es Messer!“ „Aye, aye, Sir.“ „Scheiß auf den Sir!“ schrie der Seewolf. „Mannomann“, flüsterte Ferris Tucker auf dem Achterdeck vor sich hin, „der ist imstande und bringt die See zum Kochen.“ Der Kutscher verschwand wie ein verstörtes Kaninchen in der Kombüse. Hasard beugte sich bereits über Gary Andrews, strich ihm mit der Linken sanft über die Stirn, hob ihn an und schlug ihm die Rechte an die Schläfe. Langsam und vorsichtig ließ er den bewußtlosen Mann zurück auf die Matratze gleiten und begann, den Brustverband zu lösen.
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„Darf ich helfen, Sir?“ Hasard schaute hoch. Pete Ballie stand neben ihm und grinste ihn an. „Ich bin schon ganz in Ordnung, Sir.“ Pete Ballies Grinsen wurde noch breiter. „Ist heute nicht ein schöner Tag? Das sagtest du doch, oder?“ Hasard lächelte. „Richtig, das sagte ich. Bist du wirklich wieder in Ordnung?“ „Klar. War doch nur ‘n Piekser.“ „Gut. Dann heb Gary etwas an, damit ich den Verband lösen kann.“ Pete Ballie trat an das Kopfende der Matratze, hockte sich in die Knie, griff Gary Andrews unter die Achseln und richtete ihn etwas auf. „Gut so?“ „Bestens.“ Hasard wickelte den Brustverband auf, bis die Wunde frei lag. „Mein lieber Mann“, sagte Pete Ballie leise, „das sieht aber schlimm aus.“ Die Schnittwunde auf der linken Brust war geschlossen, aber die Wundränder waren dick aufgequollen und knallrot. Und darunter sammelte sich Eiter. Der Geruch war bestialisch. Fast tonlos sagte Hasard: „Danke, Pete, laß ihn wieder vorsichtig auf die Matratze.“ Behutsam bettete Pete Gary Andrews zurück. Er blickte Hasard an. „Ob wir ihn durchkriegen?“ „Ich weiß es nicht.“ „Mein Gott“, sagte Pete Ballie, „der alte Gary ...“ Er schnaufte. „Seit drei Jahren fahren wir beide bei Kapitän Drake. Wenn bei uns die Zähne wackelten — Gary blieb immer gesund. Ich könnte den Don erwürgen, der ihm dieses Ding beigepult hat, abmurksen könnt ich den.“ „Pete“, sagte Hasard sanft, „das würde Gary auch nichts nutzen.“ „Da hast du auch wieder recht.“ Er blickte auf. „Na, endlich!“ Der Kutscher keuchte durchs Schott, setzte einen dampfenden Kessel ab und blickte Hasard scheu an. „Das Messer?“ Hasards Stimme war eisig. „Hier.“ Hasard nahm es und tupfte kurz mit dem linken Zeigefinger auf die Klinge. Sie war glühendheiß.
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„Leinen?“ Der Kutscher zuckte zusammen. Höhnisch sagte Hasard: „Hat Sir Freemont nie Leinen gebraucht, wenn er eiternde Wunden behandelt hat?“ Hasard wurde wieder bissig. „Was hast du eigentlich in deinem Gehirn, verdammt noch mal, Grütze? Ich wollte heißes Salzwasser und ein ausgeglühtes, scharfes Messer. In Ordnung.“ Jetzt wurde seine Stimme ätzend. „Reicht dann dein Verstand nicht aus, weiter zu denken? Schließlich sagtest du ja, du hättest Sir Freemont bei seinen Krankenbesuchen begleitet.“ Der Kutscher verschwand wie ein Geist und kehrte nach knapp zwei Minuten mit einem Arm voller Leinentüchern zurück. „Na also“, sagte Hasard. Er beugte sich über Gary Andrews und fuhr mit den Fingerspitzen leicht über die Wundränder. Dann schaute er zu dem Kutscher hoch. „Wo hätte Sir Freemont den Schnitt geführt?“ Der Kutscher kniete sich neben Hasard hin und deutete mit dem rechten Zeigefinger auf zwei Stellen, die links und rechts neben der eigentlichen Schnittwunde lagen. „Da und da.“ Hasard nickte. „Halte zwei Leinentücher bereit. Gleich fließt der Eiter.“ Er führte zwei blitzschnelle Schnitte — einmal links, einmal rechts. Eiter spritzte hoch, und der Kutscher fing ihn mit den Leinentüchern auf. Jetzt war sein Gesicht sehr ernst und gesammelt. Er schob Hasard etwas zur Seite und drückte die Leinen auf die Schnittwunden. „Salzwasser“, sagte er. Hasard grinste Pete Ballie an und langte nach dem Kessel. Das Messer legte er zur Seite. Der Kutscher nahm. die Leinen von den Schnittstellen, beäugte sie, drückte wieder, nahm die Leinen weg und sagte: „Bitte, jetzt ordentlich Salzwasser auf die beiden Stellen.“ Hasard goß heißes Salzwasser darüber. „Mehr!“ befahr der Kutscher. Hasard blinzelte Pete Ballie zu, und der blinzelte zurück. Heißes Salzwasser war
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genug im Kessel. Und jetzt diktierte der Kutscher die weitere Behandlung. „Ordentlich durchspülen“, sagte er. Hasard setzte die ganze Wunde unter Salzwasser. „Sehr gut“, sagte der Kutscher und tupfte mit den Leinen die Wunde ab. Er wartete, drückte wieder auf die Schnittstellen, tupfte, drückte. „Wasser!“ befahl er. Hasard schüttete das ganze Wasser aus dem Kessel. Noch einmal säuberte der Kutscher die Wunde, dann legte er Gary Andrews einen neuen Verband an. Das tat er sehr geschickt. Als er zu Hasard hochblickte, wurde sein angestrengtes Gesicht wieder ängstlich. „Soll ich jetzt ,Sir Freemont’ zu dir sagen?“ fragte Hasard lächelnd. Der ängstliche Mann senkte den Kopf. „Ich war doch nur sein Kutscher.“ „Ich schätze, du warst mehr für ihn“, sagte Hasard leise. „Sei so wie er. Die Verletzten und Kranken haben Vorrang vor allem. Dem hat sich auch ein Kapitän zu beugen das betrifft diese Sache von vorhin.“ „Danke, Sir“, sagte der Kutscher. Prompt reagierte Hasard. „Wenn du ‘ne Suppe versalzt, ziehe ich dir die Haut vom Hintern.“ „Aye, aye, Sir“, sagte der Kutscher, und sein Gesicht war gar nicht mehr ängstlich. 6. Stetig segelten die beiden Galeonen- die spanische und die „englische“ nordostwärts. Wie Schwäne, ruhig und majestätisch, glitten sie über die weite See, die rings um sie herum bis an die sichtbare Grenze der Kimm leer war. Der Wind, immer noch gleichmäßig aus Südsüdwest heranwehend, strich durch die Takelage, die summend antwortete. Das Wasser gurgelte an den Bordwänden entlang, spreizte sich an den Hecks zum Fächer aus, der breiter und breiter wurde, als Spur eine Zeitlang wie ein Keil über dem Wasser lag und plötzlich wie weggewischt war. Nie würde eine solche
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Spur erhalten bleiben. Die See löschte sie aus. „Tümmler - ho!“ rief Donegal Daniel O’Flynn vom Hauptmars nach unten. Sein Arm wies nach Backbord. Drei, vier, sechs schlanke Leiber zogen auf gleichem Kurs mit, etwa dreihundert Yards querab. Wie ein Spiel sah es aus. Schwarbraune Körper schossen mit elegantem Schwung aus dem Wasser, segelten durch die Luft, klatschten zurück, tauch ten wieder auf. Eine Weile begleiteten sie die beiden Schiffe, bogen dann plötzlich wie auf Kommando um neunzig Grad ab und blieben verschwunden. Hasard hatte drei Stunden wie ein Toter geschlafen, war aber völlig erfrischt, als Ferris Tucker ihn wecken ließ. Sein erster Gang war zum Vordeck. Gary Andrews war wach und grinste ihn matt an. „Na, mein Junge? Wie fühlst du dich?“ fragte Hasard. „Mächtig stark“, erwiderte Gary Andrews, „außerdem könnt ich jetzt ‘n ganzen Hammelbraten verdrücken.“ „Das ist gut. Hammel gibt’s aber nicht. Der Kutscher wird dir eine kräftige Suppe kochen.“ „Mir auch?“ fragte Pete Ballie. „Dir auch. Bei dir alles klar?“ „Bestens“, sagte Pete Ballie. „Morgen stehe ich wieder am Ruder.“ „Mal sehen. Eigentlich sollten wir euch nach draußen auf die Kuhl packen. Ihr braucht frische Luft. Die Sonne scheint, und direkt am Schanzkleid seid ihr gut geschützt.“ Die beiden nickten. Hasard ließ die beiden samt Hängemattenmatratzen auf die Steuerbordseite ans Schanzkleid bringen. Der Kutscher erhielt seine Anweisungen für die Krankenkost, dann übernahm Hasard mit Ben Brighton die Wache und paukte spanische Vokabeln. Die Sonne stand jetzt genau im Süden. Die See glich einem riesigen, silbern funkelnden Teppich. Es war ein Tag zum Helden zeugen, wie Ben Brighton sagte. Bis auf die Wachgänger lagen die Männer faul an Deck und schliefen oder sonnten
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sich - drüben auf der „Barcelona“ war es nicht anders. Der eiserne Carberry, Profos auf der „Marygold“, hätte wahrscheinlich Zustände gekriegt, daß britische Seeleute dem lieben Gott die Zeit klauten. Hasard war anderer Ansicht. Die Männer würden spätestens ab dieser Nacht mit jeder Minute Schlaf geizen müssen. Vorausgesetzt, alle waren gesund, dann blieben für die Bemannung der beiden Galeonen - wenn sie die „Barcelona“ kaperten ganze acht Leute. Hasard krauste die Stirn, als er daran dachte. Mutete er den Männern zuviel zu? Und was würde Kapitän Francis Drake sagen, wenn er erfuhr, daß Philip Hasard Killigrew auf eigene Faust Kaperkrieg führte? Drakes Auftrag lautete, die „Santa Barbara“ nach Plymouth zu bringen. Hatte er ihm absichtlich keine Anweisungen gegeben, was er tun sollte, wenn ein spanisches Schiff seinen Kurs kreuzte? Wenn es sich so verhielt, dann mußte der Kapitän davon ausgegangen sein, daß Hasard das tun würde, was er für richtig hielt. Also hatte er die Freiheit der eigenen Entscheidung. Aber auch wenn ihm der Kapitän die strikte Order gegeben hätte, vor jedem Spanier den Schwanz einzuziehen und die Flucht zu ergreifen Hasard hätte sich darüber hinweggesetzt. Entscheidend war schließlich der Erfolg. Versagte er aber, dann konnte der Kapitän seinen Kopf fordern. Hasard hatte keineswegs vor, zu versagen. Dennoch war er sich darüber im klaren, daß das, was er plante, tollkühn, wenn nicht sogar leichtsinnig war. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er die „Barcelona“. Sie war größer als die „Santa Barbara“ und besser bestückt. Ihre Segel waren hervorragend getrimmt, was darauf hinwies, daß dieser Capitan Descola ein ausgezeichneter Seemann sein mußte. Natürlich war die „Barcelona“ schneller als sein Schiff, das noch dazu mit verkleinerter Fock und einem klapprigen Notmast segelte. Drüben auf der „Barcelona“. hatten sie die Blinde weggenommen, und am Hauptmast führten
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sie nur das Großsegel. Mit der Blinden und dem Großmarssegel würde die „Barcelona“ auf und davon gehen und der „Santa Barbara“ nur noch das Heck zeigen. Was mochte die schwarze Galeone geladen haben? Hatte sie wie die „Santa Barbara“ Afrika umrundet oder kam sie von Westen aus der Neuen Welt? . „Capitular o morir?“ examinierte ihn der Bootsmann. „Kapitulieren oder sterben“, sagte der Seewolf, „capitular o morir.“ „Bueno.“ „Gut“, sägte der Seewolf. „Bueno.“ Der Bootsmann grinste. „Was heißt Hackfleisch?“ „Picadillo.“ „Wenn du das sagst, mit den Augen rollst und das Enterbeil schwingst, dann weiß jeder Don, was die Glocke geschlagen hat. Gefangennehmen heißt übrigens hacer prisionero.“ Hasard wiederholte es. Er lernte leicht und schnell. Ben Brighton staunte. „Sag mal, hast du bei Sir John schon Spanisch gelernt?“ „Nicht die Bohne. Warum?“ „Das geht so flüssig, als sei Spanisch deine Muttersprache.“ „Jetzt hör aber auf, Ben.“ „Verzeihung.“ „De nada“, sagte Hasard und grinste. „Keine Ursache. Vielleicht habe ich ein besonderes Ohr für die spanische Sprache. Ich finde sie übrigens sehr klangvoll. Viel eleganter als unser Geknautsche. Wir kauen auf den Worten herum wie auf einer Speckschwarte.“ Er schaute zur Sonne hoch. „Ich schätze, in drei Stunden sollten wir die Pumpe bemannen und schon mal so tun, als seien wir schwer damit beschäftigt, unsere Bilge leer zu kriegen. Wenn es dunkelt, drehen wir einfach bei und rufen nach Verstärkung. Ferris soll dann auch die Entermannschaft aufstellen und die Männer informieren. Zum Entern werde ich acht Männer mit hinübernehmen. Mit Ferris und mir sind wir dann zehn. Kommst du für diese Zeit mit dem Rest aus?“
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„Sicher, Hasard. An und für sich brauche ich nur jemanden, der unsere Dons bewacht.“ „Das schon, aber Pete und Gary kannst du noch nicht mitrechnen, allenfalls vielleicht Pete. Aber das möchte ich nicht. Ohne die beiden hast du also drei Männer zur Verfügung. Einer geht die Wache im Unterdeck — bleiben dir zwei.“ Er lächelte knapp. „Wenn uns die Dons drüben auf der ‚Barcelona` in die Pfanne hauen, stehst du schön da, Ben.“ Völlig unerschüttert sagte Ben Brighton: „Dann hauen wir euch wieder heraus.“ „Und wie?“ „Sobald ich so etwas merke, gehe mit mit der ‚Santa Barbara’ bei euch längsseits und greife mit ein.“ Hasard nickte. Dann sagte er: „Ich weiß übrigens, wie stark die Besatzung da drüben ist — dreißig Männer. Der Capitan hat es mir unfreiwillig verraten. Bleibt also abzuwarten, wie viele uns Capitan Descola zum Pumpen zur Verfügung stellt.“ „Verdammt“, sagte der Bootsmann plötzlich. „Was ist?“ „Wenn alles klappt, haben wir vierzig spanische Gefangene. Ich würde lieber ‘n Sack Flöhe hüten.,“ „Ich auch. Was würde denn Kapitän Drake in einem solchen Fall tun?“ „Was Carberry tun würde, weiß ich. Er würde dafür sorgen, daß der Kapitän dieser Sorgen enthoben wäre und die Fische was zu fressen hätten.“ „Nein“, sagte Hasard hart, „für eine solche Kampfführung habe ich .nichts übrig. Wenn sie sich ergeben, sollen sie die Chance haben, am Leben zu bleiben.. Ich lehne es ab, Wehrlose niederzumetzeln. Carberry ist ein guter Mann, aber brutal. Wenn der Kapitän seine Handlungsweise duldet, ist das seine Sache. Bei mir dürfte es Carberry nicht tun.“ „Aber wohin mit den Gefangenen? Willst du sie bis Plymouth mitnehmen?“ Hasard schüttelte den Kopf. „Wir laufen die Azoren an und setzen sie dort an Land. Dann kann Ferris sich auch gleich nach einem neuen Fockmast umsehen.“
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„Das wäre eine Lösung“, sagte der Bootsmann. Allmählich neigte sich die Sonne auf ihrer Bahn. Hasard ließ Ferris Tucker wecken und informierte ihn über ihre weiteren Pläne. „Sorg dafür, daß die Entermannschaft bis an die Zähne bewaffnet wird, Ferris. Wen du für die Entermannschaft aussuchst, überlaß ich dir. Nur Donegal Daniel O’Flynn wird nicht dabei sein.“ Dan, der von Blacky als Ausguck abgelöst worden war, hörte mit und maulte. „Du setzt mich dauernd zurück, Hasard“, sagte er wütend. „Das ist keine Zurücksetzung, Dan“, erwiderte Hasard ruhig. „Ich brauche deine guten Augen. Wenn wir drüben mit den Dons kämpfen, wirst du nichts weiter tun, als uns zu beobachten, soweit das bei der Dunkelheit möglich ist. Wenn wir die Dons nämlich nicht in den Griff kriegen, muß Ben eingreifen. Das heißt, er wird mit euch bei der ‚Barcelona’ längsseits gehen, und dann kannst du dich immer noch auf die Spanier stürzen. Ob er aber rechtzeitig eingreift, das hängt einzig und allein von deinen Augen ab. Hast du das kapiert?“ „In Ordnung“, sagte das Bürschchen. „Wie viele Männer soll ich aussuchen?“ fragte Ferris Tucker. „Acht. Mehr wäre mir auch lieber, aber es geht nicht anders. Wir brauchen eine Eingreifreserve, und die Gefangenen hier an Bord müssen auch bewacht werden. Erklär den Männern Unseren Plan. Dann laß die Pumpe besetzen, aber die Männer sollen sich keinen abbrechen und nur Theater spielen. Wenn die Dons später zu uns herüberpullen, wird nur eine Jakobsleiter ausgebracht. Dann entern sie einzeln, und wir können sie auch einzeln schlafen legen. Sie müssen sofort gefesselt und sicherheitshalber auch geknebelt werden. Laß also genug Riemen oder Tampen heranschaffen. Selbstverständlich bleiben wir alle spanisch kostümiert.“ „Aye, aye“, sagte Ferris Tucker und rieb sich die riesigen Pranken. „Ich bin schon ganz wild darauf, den Dons eins
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überzubraten. Wie entern wir? Achtern über die Heckgalerie?“ „Nein. Dort, wo sie ihre Jakobsleitern ausgebracht haben. Wenn wir achtern rangehen, könnten sie Verdacht schöpfen.“ „Richtig. Aber darin stoßen wir sofort zum Achterkastell vor, nicht wahr?“ „Ja. Und ich hoffe, daß wir Capitan Descola auf Anhieb erwischen.“ „Was willst du für Waffen haben?“ „Ich hab hier die zwei Pistolen.“ Hasard überlegte und sagte dann: „Gib mir den Stoßdegen von unserem Capitan.“ „Kannst du denn mit so einem Piekser umgehen?“ Dem Schiffszimmermann rutschte das so heraus, und er sagte schnell: „Verzeihung, Sir.“ „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Ferris.“ Hasard zeigte sein Raubtiergebiß. „Meine Gegenfrage lautet: Kannst du denn mit so einem Ding fechten?“ „Nein. Ich bin doch nicht verrückt!“ „Falsch“, sagte Hasard, „und weißt du, warum?“ Der rothaarige Riese blickte den Seewolf konsterniert an. Sie waren beide gleichgroß, aber Hasard wirkte schlanker und geschmeidiger. Der Riese schüttelte den Kopf. „Nein, das weiß ich nicht.“ „Mit was wirst du kämpfen, Ferris?” „Mit ‘ner handfesten Spake.“ Hasard peilte zu der „Barcelona“ hinüber, blickte den Riesen wieder an, deutete auf den Winkel, der vom Backbordschanzkleid und der Vorkante des Achterkastells gebildet wurde und sagte: „Hol Spake und Stoßdegen. Ich werde es dir dort zeigen.“ Drei Minuten später war Ferris Tucker zurück, unter dem rechten Arm einen Prügel von Spake, in der linken Hand den Stoßdegen Capitan de Pordenones. Er hielt ihn, als sei er giftig oder zumindest ein Ding, das man nur mit der Kneifzange anfassen konnte. Hasard nahm den Degen, prüfte die schmale Klinge, bog sie, ließ sie zurückschnellen und sagte: „So, Ferris, jetzt lern deine Lektion.“ Er stellte sich genau in den Winkel des Schanzkleides und der Querwand des Achterkastells,
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senkte den Degen und blickte den Riesen an. „Schlag zu!“ „Aber …“ „Schlag zu, Ferris Tucker, oder hast du Angst?“ Angst? Ein Ferris Tucker hatte keine Angst — und vor so einem lächerlichen Pieksdings schon gar nicht. Er packte die Spake mit beiden Händen, schwang sie nach hinten rechts hoch und drosch zu. Mit einem solchen Schlag wurden Schädel zerschmettert, Halswirbel gebrochen und Knochen zersplittert. Eine solche Spake war eine fürchterliche Waffe. Nicht für Hasard. Die Männer, die auf der Kuhl dieses seltsame Duell beobachteten, stöhnten, als sie sahen, daß ihr Kapitän drauf und dran war, seinen Kopf an dieser Spake auszuprobieren. Denn eben stand dieser schwarzhaarige Schädel noch genau dort, wo ihn die Spake treffen mußte. Aber tatsächlich befand er sich eine knappe Fingerbreite darunter, als der Hieb über ihn hinwegfegte. Es sah so verdammt leicht aus. Die Spake krachte in das Holz des Achterkastells. Hasard federte hoch, und dann stand mit einer einzigen, geschmeidigen Armbewegung die Spitze des Degens genau auf der Kehle des Schiffszimmermanns. Der erstarrte zur Salzsäule, als er die Spitze spürte. „Jetzt bis du ein toter Mann, Ferris Tucker“, sagte Hasard. „Deine Spake ist einen Scheiß wert. Jedenfalls gegen einen Mann, der weiß, mit dem Degen umzugehen.“ Ferris Tucker ließ die Spake sinken und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Etwas fahrig wischte er sie weg und starrte den Seewolf entgeistert an. Hasard senkte die Klinge und wurde biestig. „Capitan Descola hätte zugestochen, Ferris Tucker. Du kämpfst blind, weil du die Waffen deines Gegners nicht kennst. Aber du mußt sie kennen. Nur dann wirst du in der Lage sein, diesen Waffen so zu begegnen, daß du überlebst. Spake gegen Degen. Du darfst nie und nimmer
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drauflosprügeln, wie du es eben getan hast. Deine Spake ist eine stumpfe Waffe gegen diesen spitzen, scharf geschliffenen Degen. Nicht der Don ist dein Feind, sondern dieser Degen — der verlängerte, allerdings tödliche Arm des Gegners. Also schalte diesen Arm aus. Du hast nach meinem Kopf geschlagen. Den brauchte ich nur abzuducken. Schon im Abducken hätte ich die Zeit gehabt, dir den Degen durch den Hals zu stoßen. Während du die Spake schwingst und weit ausholst, bist du erstens völlig ungedeckt und läßt mir zweitens eine endlose Spanne Zeit, dich mit der Stoßwaffe ins Jenseits zu befördern. Begreifst du das?“ „Aye, aye, Sir.“ Der riesige Mann schluckte. „Aber — aber was soll ich dann tun?“ „Wenn du schon die Spake vorziehst, dann schlag mit ihr deinem Gegner die Waffe aus der Hand. Ziel nicht auf seinen Kopf. Knall ihm das Ding zwischen die Rippen. Ich wette, daß du ihm dabei den Arm brichst, der den Degen führt. Hör zu, Ferris. Einen Gegner, gleichgültig wer er ist, besiegst du nur, wenn du seine Waffen und die Art seiner Kampfführung kennst. Wir Engländer holzen drauflos und setzen brutale Gewalt gegen unsere Gegner ein. Diese Gegner aber zeichnet eins aus: schnelles und blitzartiges Fechten. Sie mögen uns von der Kraft her unterlegen sein, aber sie sind flinker als wir. Sie stoßen mit einer absolut tödlichen Waffe zu und springen zurück. Darauf, nur darauf hast du dich in deinem Kampfstil auszurichten. Du verachtest den Stoßdegen, und ich sage, lerne ihn kennen. Du brauchst nicht mit ihm zu fechten, aber du mußt zumindest wissen, wie er geführt wird, damit du ihm seine tödliche Deckung nehmen kannst. Ist das klar?“ Der Riese nickte. „Jetzt begreife ich es. Kannst du mir bringen, wie man mit diesem Ding umgeht?“ „Klar kann ich das“, sagte Hasard, „aber dafür bleibt uns keine Zeit mehr. Du bist gut mit der Spake. Aber vergiß nie, daß ein Gegner mit einem Degen auch gut sein kann. Denn das ist die Lektion: Du
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befindest dich in einem tödlichen Irrtum, wenn du die Waffe deines Gegners nicht kennst, verniedlichst oder verächtlich abtust.“ „Kapiert“, sagte der Riese. „Hast du bei Sir John das Fechten gelernt?“ Hasard lachte lauthals. „Bei dem? Nein. Der schlug auch am liebsten mit dem Knüppel zu. Aber er war immerhin schlau genug, einen italienischen Fechtmeister nach Arwenack zu holen. Der hat mich gebimst und mir beigebracht, mit Hiebund Stichwaffen umzugehen.“ Ferris Tucker seufzte. „Mein Vater war Schmied.“ „Und meiner ein mieser Stinkstiefel und gottverdammter Leuteschinder. Frag Dan O’Flynn, dessen Vater bei meinem Alten ein Bein verloren hat.“ „Das Holzbein hat Sir John aber bezahlt!“ schrie das Bürschchen. „Alles was recht ist.“ „Richtig“, sagte Hasard scharf, „das hat er. Aber weiß du auch, von welchem Geld?“ „Nein.“ „Dann hör zu, Junge, damit du kapierst, was für Hyänen auf Schloß Arwenack sitzen. Das Geld dafür hat der verdammte Alte, den ihr unten in Falmouth voller Verehrung ,Sir John’ nennt, aus einem seiner Pächter herausgeprügelt. Oder dachtest du etwa, er hätte in seine eigene Schatulle gegriffen, he? O nein - nicht dieser miese Geizkragen. So ist das, und jetzt hör endlich auf, die Killigrews für edle Wohltäter zu halten. Hast du mich verstanden?“ „Aber du bist ein Killigrew“, sagte das Bürschchen trotzig, „und auf die Killigrews laß ich nichts kommen.“ „Du bist ja verrückt, Dan. Und irgendwie hast du eine merkwürdige Logik. Mein Alter hat deinem Alten ein Holzbein verpassen lassen, und genau mit diesem Holzbein pflegte dein Alter dich zu verdreschen, wie du selbst erzählst hast. Statt auf deinen Alten wütend zu sein, solltest du eher Sir John sämtliche Flöhe dieser Welt auf den Pelz wünschen, denn der hat mit erpreßtem Geld dieses verdammte Holzbein finanziert.“
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„Aber ...“ „Nichts aber, Schluß der Debatte. Fang schon mal an der Pumpe an und denk darüber nach, was ich dir gesagt habe.“ Donegal Daniel O’Flynn schniefte, zog seine Hosen hoch und trollte sich zur Pumpe. „Blacky?“ „Ja?“ Blacky beugte sich über die Segeltuchumwandung des Großmarses. „Haben die Dons herübergeschaut? Haben sie Ferris und mich sehen können?“ „Mir ist nichts aufgefallen. Außerdem wart ihr vom Achterkastell verdeckt.“ „Gut. Paß auf, ob sie irgendwie registrieren, daß wir an der Pumpe arbeiten. Zunächst werden sie es für routinemäßiges Lenzen halten. Aber dann könnten sie neugierig werden. Ich möchte sofort Meldung haben, wenn sie näher herandrehen.“ „Aye, aye.“ Ferris Tucker begann, die Männer für die Entermannschaft auszusuchen. Hasard ließ Pete Ballie und Gary Andrews wieder ins Vordeck schaffen. Der Kutscher packte mit an und versorgte ihre Wunden. Petes Stichwunde verheilte bereits. Aber auch Garys Wunde sah nicht mehr so übel aus. Die Rötung ging zurück, Eiterbildung war nicht festzustellen. Der Kutscher strahlte. „Ich sag’s ja, Salzwasser heilt.“ „Das schon“, sagte Hasard, „nur Knochenbrüche kriegst du damit nicht hin. Wie fühlst du dich, Gary?“ „Viel, viel besser. Nur dauernd müde.“ „Der Blutverlust“, sagte Hasard, „aber den holst du wieder auf.“ „Klar“, sagte Gary Andrews, „und vielen Dank auch für - für alles und so. Pete hat’s mir erzählt ...“ „Pete ist eine alte Schnattertante, die um einen Furz einen Heiligenschein häkelt.“ Der Kutscher, Pete und Gary grinsten, und Hasard sah zu, aus dem Vordeck zu verschwinden. Die Sonne im Westen war inzwischen zu einem glutroten Ball geworden. Die schwarze Galeone Steuerbord achteraus schien in einer feurigen Lohe zu stehen,
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das Meer spiegelte rötliche bis goldene Farben, wie sie nur die Natur zu schaffen vermochte. Sie wechselten in fast spielerischer Laune, wurden aber immer satter und dunkler. Das Bürschchen und ein anderer Mann der Besatzung standen an der Pumpe und schwitzten. Andere schleppten Pützen. Sie tauchten aus dem Niedergang zum Unterdeck auf, eilten über die Kuhl zur Backbordseite - die von der „Barcelona“ nicht eingesehen werden konnte - und entleerten die Pützen. So wirkte es jedenfalls, denn Wasser befand sich nicht in den hölzernen Eimern. Aber es wirkte echt, und Hasard grinste vor sich hin. „Die linsen schon zu uns herüber!“ rief Blacky vom Großmars. Hasard nickte. Die Bühne war aufgebaut, das Theaterspiel -Komödie und Tragödie zugleich - nahm seinen Anfang. Der Vorhang ging auf. 7. Die Unterkante der glutroten Scheibe im Westen tippte an die Kimm, verschmolz mit ihr, verschwand, die Scheibe rutschte tiefer und tiefer. In fünf Minuten würde die Nacht beginnen - noch fünf Minuten Helle, dann Dämmerung und diffuses Licht. Hasard stand auf dem Achterdeck neben Ben Brighton. „Jetzt etwas mehr Bewegung, Gentlemen!“ rief er auf die Kuhl hinunter. „Mehr Dramatik, vielleicht etwas Panik!“ Die Männer mit den Pützen gebärdeten sich aufgeregt, palaverten sich an, liefen hin und her, kippten leere Eimer über die Backbordseite und wirkten wie aufgescheuchte Ameisen. „Sehr gut!“ lobte Hasard. Zwei andere Männer, halbnackt, standen an der Pumpe und schufteten im rhythmischen Gleichtakt. Dan flitzte die Wanten hoch und löste Blacky wieder ab. Der obere Bogen der Sonnenscheibe wurde kleiner und kleiner. Hasard beobachtete ihn, wartete gespannt, sah, wie er buchstäblich wegsackte - und dann war da
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nur noch die Kimm, die von der Sonne unter dem Horizont angeleuchtet Wurde. Hasard atmete auf. Das Spiel mit der Zeit hatten sie bisher gewonnen. Er blickte \zu der „Barcelona“ hinüber. Im letzten Licht sah er, daß fast alle Männer, die sich an Deck befanden, zu ihnen herüberschauten. „Die haben jetzt lauter Fragezeichen im Kopf“, sagte Ben Brighton. „Wir lassen sie noch etwas zappeln. Je schneller es jetzt dunkel¬ wird, umso besser“, erwiderte Hasard. Sie beobachteten, wie die Gestalten auf der „Barcelona“ mit zunehmender Dunkelheit undeutlicher wurden. „Jetzt“, sagte Hasard knapp. „Luv an, Ben, und laß dann die Rahen gegenbrassen. Wir bleiben beigedreht liegen.“ „Aye, aye.“ Der Bootsmann rief seine Befehle, das Ruder wurde gelegt, die „Santa Barbara“ schwenkte ihren Bug südwärts, verlor an Fahrt und blieb mit gegengebraßten Rahen beigedreht liegen. Hinter ihr rauschte die „Barcelona’ vorbei, drehte hoch und ging ebenfalls in den Wind. „Ben, lad sie ein!“ „Wir brauchen Hilfe!“ brüllte Ben Brighton auf Spanisch. „Wir haben ein Leck,. durch welches das Wasser schneller hereinläuft, als wir pumpen können. Unsere Männer sind er“ schöpft. Könnt ihr uns ein paarkräftige Kerle herüberschicken - so viele wie möglich?” „Habt ihr das jetzt erst gemerkt?“ schrie eine Stimme. „Nein, vor einer Stunde etwa.“, „Bist du das, Miguel, du Hundesohn?“ Ben Brighton dolmetschte. Hasard fluchte und flüsterte: „Sag einfach ja, Ben. Der Descola heißt Juan mit Vornamen. Schmeiß ihm auch irgendein liebes Wort an den Kopf.“ Ben Brighton nickte und brüllte: „Wer denn sonst, du altes Walroß! Hilfst du uns jetzt, oder willst du uns absaufen lassen?“ „Genügen zwölf Männer?” „Er will uns zwölf schicken“, sägte Ben Brighton leise. „In Ordnung“, sagte Hasard.
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„Die genügen!“ schrie Ben Brighton. „Je schneller, je besser, Juan!“ Auf der „Barcelona“ erklangen scharfe Kommandostimmen. Die Galeone lief auf der Backbordseite an ihnen vorbei und blieb erst etwa hundert Yards vor ihnen mit gegengebraßten Rahen liegen. Ein paar Fackeln flammten auf, in deren Schein ein Boot außenbords gehievt und zu Wasser gelassen wurde. „Ferris! Nimm sie an der Steuerbordseite wahr. Wer besorgt es den Kerlen?“ „Ich“, sagte Ferris Tucker, „mit ‘nem Belegnagel.“ „Gut. Hängt die Jakobsleiter in Höhe Achterkante des Vorkastells außenbords, dann seid ihr besser gegen Sicht von vorn gedeckt.“ „Aye, aye.“ „Und bitte keine Versammlung. Bewegt euch, Gentlemen. Denkt daran, daß wir Wasser im Bauch haben.“ Er blickte zu Dan im Großmars hoch. „Kannst du was bei der ‚Barcelona’ an Deck erkennen?“ „Nur undeutlich. Besser sehen die uns auch nicht.“ Hasard beugte sich weit über das Schanzkleid und schaute am Bug vorbei nach vorn. Das Boot war von der Bordwand der Galeone abgestoßen worden, je fünf Männer saßen auf beiden Seiten an den Riemen. Auf der Achterducht hockten der Bootssteurer und der Bootsführer. „Ben, nimm sie in Empfang und palavere mit ihnen, falls es nötig ist. Weise sie auf die Steuerbordseite ein. Sag unseren Männern schnell ein paar spanische Brocken, keiner spricht Englisch, verstanden?“ Der Bootsmann sprang auf die Kuhl hinunter und legte auf spanisch los: „Presto, presto! Adelante! Vamos.“ Dann flüsterte er etwas, was Hasard nicht verstand, aber die Männer murmelten plötzlich Wortbrocken, die spanisch klangen. Hasard fand, daß diese Falle eigentlich ganz gut aufgebaut war. Seine Männer spielten begeistert mit und hielten alles für einen herrlichen Spaß. Das Wörtchen „presto“ hatte es ihnen angetan
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— es bedeutete „schnell“, und sie wiederholten es dauernd. Hörten es die Kerle im Boot? Sie pullten wie die Irren, und der Bootsführer schlug mit einem dicken Tampen den Takt auf die Bodenbretter. „Hierher!“ brüllte Ben Brighton auf spanisch. Der Bootssteurer zeigte mit der Hand klar und legte etwas Ruder. Das Boot schor etwas von der „Santa Barbara“ ab, beschrieb einen Bogen und lief zum Längsseits gehen von achtern heran. Ruderkommandos ertönten. Die Riemen auf der Backbordseite wurden eingenommen und auf die Duchten gelegt. Dann folgten die Steuerbordriemen. Der Bugmann warf eine Vorleine nach oben über das Schanzkleid, von achtern folgte eine Heckleine. Ben Brighton redete sich auf spanisch den Mund fusselig, rief alles mögliche nach unten, der Bootsführer antwortete, stieg über die Duchten zur Jakobsleiter und enterte als erster. Ben Brighton trat zurück. Er grinste Ferris Tucker zu und flüsterte: „Jetzt bist du dran. Nummer eins ist im Anmarsch.“ Ein Kopf tauchte über dem Schanzkleid auf, ein bärtiges, dunkelbraunes Gesicht. Der Mann schwang sich hoch und jumpte über das Schanzkleid. Er hatte noch nicht die Füße auf den Planken, da hatte ihn Ferris Tucker bereits von hinten am Kragen, schwenkte ihn herum und tippte ihm den Belegnagel an die Schläfe. Zwei Männer fingen ihn auf und zogen ihn hastig ins Vorschiff. Nummer zwei erschien. Er hatte das Pech, mit dem rechten Fuß am Schanzkleid hängen zu bleiben, als er nach unten sprang. Er klatschte wie ein Frosch platt aufs Deck, fluchte und kriegte von Blacky, der dicht bei ihm stand, die Faust an die Schläfe. Mit dieser Faust hatte Blacky einmal fast eine eichene Schottenquerwand durchschlagen, als er nach dem Auslaufen aus Plymouth Hasards Kopf aufs Korn genommen, aber danebengehämmert hatte. Nummer zwei verabschiedete sich seufzend ins Reich der Träume, und
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Blacky bugsierte ihn wie einen nassen Sack ins Vorschiff zu dem anderen. Sie gerieten ganz schön ins Schwitzen, denn jetzt herrschte Andrang auf der Jakobsleiter. Nummer drei kippte bewußtlos in die Arme von Ben Brighton, der ihn schnell weiterreichte, denn Nummer vier ging bereits zu Boden, während Nummer fünf über dem Schanzkleid erschien. Ferris Tucker arbeitete methodisch und ohne lange zu fackeln. Er zog Nummer fünf zu sich heran und verhaßte ihm die Kopfnuß. „Presto, presto!“ feuerte er seine Mannen an, was die Männer der „Barcelona“ wiederum als Aufforderung anfaßten, schneller zu entern. Ben Brighton schnatterte auf spanisch kräftig mit. Nummer sechs, sieben, acht, neun blieben gleich auf der Kuhl liegen, und bevor die letzten drei Männer merkten, daß sie die Geleimten waren, wischte sie Ferris Tuckers Schmetterschlag von den Füßen. „Fertig“, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Das flutschte ja wie das Schweinezählen.“ „Hab noch nie welche gezählt“, sagte Ben Brighton. Sie grinsten sich an, und die Männer grinsten mit. Hasard polterte vom Achterdeck hinunter und betrachtete die aufs Deck verstreuten Dons. Dann grinste er ebenfalls. „Gut, Männer“, sagte er, „sehr gut. Die erste Hälfte hat also geklappt, bleibt die zweite, und die wird verdammt schwieriger sein als das hier.“ „Das regeln wir“, sagte Blacky. Hasard hob die Hand. „Moment. Ich weiß, wie viele Männer uns drüben auf der ‚Barcelona’ gegenüberstehen werden. Ich nenne euch die Zahl, damit ihr euch darüber klar seid, was uns erwartet. Auf der ‚Barcelona’ befinden sich noch achtzehn Männer, ihre Besatzung war dreißig Mann stark. Zehn Männer werden gegen achtzehn Männer kämpfen müssen ein miserables Verhältnis. Wir haben nur einen einzigen Vorteil: wir stoßen auf
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einen nichtsahnenden Gegner. Diesen Vorteil müssen wir blitzschnell ausnutzen. Schlagt also sofort zu und schlagt vor allem hart zu. Wir stürmen das Achterkastell, weil wir uns dort - sollte es so kommen - auch am besten verteidigen können. Spart euch für diesen Fall die Schußwaffen auf. Beim Entern werden sie nicht eingesetzt. Ich will nicht, daß die Kerle drüben gleich auf Anhieb aufgescheucht werden. So, und jetzt fesselt und knebelt die Dons hier. Bringt sie ins Vorschiff. Wer wird sie später bewachen?“ „Ich“, sagte der Kutscher. „Ferris wollte mich zum Entern nicht mitnehmen.“ „Bist du so scharf darauf?“ „.Ja. Ich kann mit der Bratpfanne nicht nur braten, sondern auch zuschlagen, und - und die Bratpfanne ist aus Eisen, Sir.“ Hasard verbiß sich ein Lächeln. „Um so besser. Dann schlag sie dem Don über den Schädel, der im Vorschiff irgendwelche Mucken anfängt. Aber davon abgesehen ich weiß, warum Ferris dich nicht ausgesucht hat.“ „Bin ich als Kämpfer zu schlecht?“ Der Kutscher geriet richtig in Hitze. „Aber nein“, erwiderte der Seewolf. „Du bist unser Doc; und damit ist alles gesagt. Du bist bei uns an Bord Sir Freemont, und deswegen bleibst du hier. Wer soll denn eventuelle Blessuren verbinden und heilen, he?“ „Natürlich ich“, sagte der Kutscher und reckte die schmale Brust heraus. „Na also“, sagte Hasard, „dann sind wir uns ja einig.“ „Aye, aye, Sir.“ Hasard seufzte nur. Dieses verdammte „Aye, aye, Sir“ würde ihm wohl Zeit seines Lebens begleiten. Er würde sich damit abfinden müssen. Ferris Tucker räusperte sich. „Wann pullen wir rüber?“ Hasard fuhr aus seinen Gedanken hoch und wischte sie beiseite. „Wann wohl?“ fragte er zurück. „Am liebsten sofort.“ „Ferris“, sagte Hasard sanft. „Meinst du, daß die zwölf Dons unseren lecken Kasten so schnell leerpumpen?“
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„Ach so.“ Ferris Tucker fuhr herum. „Wollt ihr wohl pumpen, ihr Rübenschweine? Hopp, hopp! Noch saufen wir ab, und die Dons drüben hören sehr genau, ob hier eine Pumpe arbeitet.“ Schlagartig setzte das Quietschen, Schmatzen und rhythmische Stoßen der Pumpe wieder ein. „Kannst du was bei den Dons erkennen?“ rief Hasard zu Da im Großmars hoch. „Die dümpeln vor sich hin, haben achtern eine Laterne gesetzt und verhalten sich so ruhig wie ein Schaf, das zwei Stunden darüber nachdenkt, ob es weiterfressen oder schlafen soll.“ Das paßte genau ins Bild. Die da drüben auf der „Barcelona“ dachten offensichtlich, daß ihre zwölf Männer auf der „Santa Barbara“: ausreichend und lange genug beschäftigt wären, um der übrigen Crew eine längere Pause zu gönnen. Die sollten mal ordentlich pumpen, sie selbst konnten inzwischen eine ordentliche Mütze voll Schlaf nehmen. Beigedreht spielte sich nichts ab. Man trieb etwas luvwärts, und luvwärts war so viel Raum, daß man einen Monat lang schlafen konnte, ohne irgendwo anzustoßen. Einen Monat? Zwei Monate, wenn der Wind so weiter wehte, sanft, beständig, gleichmäßig. Hasard lächelte vor sich hin. Wenn jemand ahnungslos war, dann waren es die achtzehn Männer dort drüben auf der „Barcelona“. Plötzlich war er davon überzeugt, daß er es schaffen würde. Er mußte es einfach schaffen. Sämtliche Bedingungen waren bisher erfüllt worden. Die Voraussetzungen für den zweiten Teil des Plans waren bereits Vergangenheit erfüllte Vergangenheit. Hasard musterte seine Männer, die ihn erwartungsvoll umstanden. Sie hatten wieder jene Gesichter, mit denen sie dem Teufel mitten ins Maul springen würden. „Geduld“, sagte er. „Wir entern kurz vor Mitternacht. Haut euch hin und pennt. Jetzt den Kasten da drüben anzugehen, wäre sträflicher Leichtsinn. Von jetzt ab haben wir Zeit. Je müder und schläfriger die da drüben werden, desto besser für uns. Ben,
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jetzt muß deine Restbesatzung die Pumpe übernehmen. Die Entermannschaft hat drei Stunden Pause.“ „Ob Capitan .Descola das so lange hinnimmt?“ fragte Ben Brighton.. „Versetz dich in seine Lage“, sagte Hasard. „Er weiß, daß seine Männer mit anpacken. Steht er unter irgendeinem Zeitdruck? Anscheinend doch nicht. Also gut. Um seinem Amigo de Pordenone zu helfen, läßt er vier gerade sein und wartet, bis seine Männer zurückkehren. Und die kehren um Mitternacht zurück.“ „Aber nur zehn.“ „Zwei helfen, das Leck abzudichten. Noch irgendwelche Bedenken?“ Ben Brighton wiegte den Kopf. „Na ja, was ist, wenn sie dich beim Heranpullen anrufen? Sie werden dich vielleicht fragen, wo die restlichen zwei sind. Was weiß ich? Ich meine, ich sollte vielleicht doch mit euch entern.“ Hasard überlegte nur einen kurzen Augenblick. Dann nickte er. „Du hast recht, verdammt, du hast recht. Wenn die Deckswache uns anruft, wüßte ich nicht, was die fragen. Und damit kann unser Überrumpelungseffekt zum Teufel. gehen.“ Er wandte sich zu Ferris Tucker um. „Ist Smoky in der Entermannschaft?“ „Ja.“ „Smoky?“ Smoky löste sich aus dem Kreis der wartenden Männer und sagte: „Weiß schon Bescheid. Ich soll also den Job des Bootsmanns übernehmen. Tu ich, tu ich glatt. Aber nur dieses einzige Mal. Ich bin ein Vordecksmann. Auf Achterdecks wird’s mir immer übel, verstehst du das Sir?“ „Ja.“ Hasard blickte Smoky fest an. „Das verstehe ich sogar sehr gut. Du meinst, du dürftest dir keinen Hut aufsetzen, der dir nicht paßt. Ist es das?“ „Genau“, sagte Smoky. „Und wenn ich dir sage, daß dir der Hut paßt?“ „Dann setze ich ihn auf.“ Hasard grinste. „Für zwei Stunden?“ „Auch für drei -Sir.“
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„Und wenn wir da drüben auf der ‚Barcelona’ in. die Pfanne gehauen werden?“ Smoky, ein harter, ausgekochter, in vielen internen Decksschlachten um den Posten des Decksältesten bewährter Kämpfer, grinste geradezu teuflisch. „Dann, Sir“, sagte er, „nehme ich die alte Tante ,Santa Barbara’ an die Zügel und jage sie auf Rammkurs. Und wenn ich hier noch zwei Mann an Bord habe, die ‚Barcelona’ nehm ich auf die Hörner und zeig ihr, woher bei Smoky der Wind weht, verdammt noch mal.“ „Der Hut paßt“, sagte Hasard. „Aye, aye, Sir“, sagte Smoky. „Von hier bis in alle Ewigkeit. Auf Smoky kannst du dich verlassen. Scheiß Achterdeck. Aber wenn du meinst, daß ich das Achterdeck übernehmen soll, dann tu ich das. Und ich werde die alte Tante so fahren, wie du es wünschst.“ 8. Der Nachthimmel war sternenklar, der Mond zeigte sich als schmale Sichel -eine Nacht für Diebe und Schnapphähne, denn das Licht begünstigte sie. Sie sahen genug, konnten selbst aber nicht erkannt werden. Ihre Gesichter waren auch auf eine Entfernung von drei, vier Yards nur undeutliche, helle Flecke. Smoky ließ es sich nicht nehmen, die Vorund Achterleine des Bootes loszuwerfen und nach unten zu geben. Er beugte sich über das Schanzkleid und sah zu, wie das Boot abgestoßen wurde und die Männer die Riemen ausbrachten. Hasard winkte zu ihm hinauf, und er winkte zurück. Smoky fluchte verhalten. „Verdammt, die spielen den Dons jetzt zum Tanz auf, und wir hängen hier herum und müssen zuschauen.“ Er spähte voraus zur „Barcelona“. Sie war nur als großer schwarzer Schatten zu erkennen. Wie die „Santa Barbara“ trieb sie mit gegengebraßten Rahen nicht ganz quer zur See. Der Wind versetzte die beiden Galeonen leewärts, ohne daß sie
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Fahrt voraus liefen. „Siehst du unser Boot noch, Dan?“ rief er zum Großmars hoch. „Klar. Sie pullen ‘nen ganz ruhigen Rundschlag wie alte Großväter auf der Themse. Die haben vielleicht die Ruhe weg.“ „Und was ist mit der ‚Barcelona’?“ „Da tut sich nichts, soweit ich erkennen kann.“ „Paß ja scharf auf, oder ich zieh dir die Haut vom Hintern.“ „Ha!“ sagte das Bürschchen. „Du mir, was wie? Dich frühstücke ich doch im Vorbeigehen ...“ Indessen rückte der schwarze Schatten der Galeone für die Männer im Boot näher und näher. Hasard saß mit Ben Brighton auf der Achterducht, Als Backbordschlagmann pullte der riesige Ferris Tucker, der den schweren, klotzigen Riemen wie einen dünnen Holzspan handhabte. Neben ihm pullte Blacky. Einen Mann hatte Ferris Tucker für die Entermannschaft ausgewählt, der von besonderem Kaliber war: Matt Davies. Der hatte zwar keine rechte Hand, dafür aber eine bis Zum Ellenbogen festgeschnürte Ledermanschette, deren unteres Ende einen metallenen Ring mit einem spitzgeschliffenen Haken aufwies. Matt Davies war als Kämpfer eine Klasse für sich. Im Nahkampf zog er den Gegner mittels des Hakens zu sich heran und ließ ihn ins offene Messer rennen, das er in der Linken bereithielt. Oder er letzte einem Angreifer mal so eben den Haken durchs Gesicht. Als die Dons unter Capitan de Pordenone. Hasards Mannschaft niedergerungen hatten, war ihm die Ledermanschette abgenommen worden. Er hatte sie im Unterdeck wiedergefunden - zum Glück, denn ohne dieses Ding fühlte sich Matt nur als halber Mensch. Aber mit diesem Haken am Armstumpf hatte er Macht und blieb bei den üblichen Schlägereien zumeist unbehelligt. jeder halbwegs normale Mann schlug einen weiten Bogen um ihn, sobald er das blitzende Ding erkannte. Selbst zum Pullen war das Ding zu gebrauchen. Der Haken. war so weit
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gerundet, daß er um den Schaft des Riemens herumgriff: Rechts würde Matt nie Blasen an den Fingern haben, hatte Smoky einmal fast neidisch festgestellt. Die Ledermanschette war ein unerschöpfliches Thema schon an Bord der „Marygold“ gewesen, denn Matt Davies gehörte zum Stamm der Besatzung. Die Tüftler unter den Decksmannen rieten Matt, es doch nicht nur bei dem Haken zu belassen. -Man müsse ihn auswechseln können - mit Hämmern, kleinen Äxten, Messern und so. Jedenfalls sorgte Matt Davies’ fehlende Rechte für Gesprächsstoff, wobei natürlich auch sein Umgang mit dem weiblichen Geschlecht in allen Details erörtert wurde. Aber zur Zeit ging es um den Umgang mit der „Barcelona“, die zwar auch weiblich, aber immer noch mit achtzehn Kerlen bemannt war. Den Haken würden bestimmt einige unliebsam kennenlernen. Hasard und Ben Brighton beobachteten gespannt die schwarze Galeone. Sie sahen es gleichzeitig. Eine Fackel wanderte vom Achterkastell mittschiffs und verhielt auf der Steuerbordseite in Höhe des Großmastes. Sie erkannten, daß dort eine Jakobsleiter außenbords hing. „Na denn“, flüsterte Hasard, „sie haben uns gesichtet. Halte auf die Jakobsleiter zu, Ben.“ Und zu seinen Rudergasten sagte er: „Noch etwa fünfzig Yards, Männer, dann geht der Tanz los. Vergeßt nicht, daß wir sofort das Achterkastell stürmen. Und wenn ich bitten darf: lautlos!“ Die Männer grinsten ihn an, während sich ihre Oberkörper vorbeugten, die Riemen ins Wasser hieben, durchzogen im langen Schlag und wieder aufrichteten. Ihre Waffen hatten sie unter den Duchten liegen, bis auf jene, die sie im Gürtel stecken hatten. Der Mann mit der Fackel schrie etwas. „Er will wissen, warum nur zehn zurückkehren“, sagte Ren Brighton leise. „Weil zwei helfen, das Leck abzudichten“, sagte Hasard bissig. „Der soll doch nicht so dämlich fragen.“
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Ben Brighton rief die Antwort zu der Galeone hoch, die jetzt wie ein klotziges Ungetüm vor ihnen aufragte. Der Mann beugte sich weit mit der Fackel über das Schanzkleid. „Du fällst gleich außenbords!“ rief Ben Brighton auf spanisch. Er steuerte die Jakobsleiter im spitzen Winkel an und flüsterte den Männern im Boot zu: „Nehmt die Riemen ein.“ Dann brüllte er auf spanisch: „Auf Riemen!“ Der Mann mit der Fackel war etwas zurückgetreten. Nur noch Kopf und Schultern ragten über das Schanzkleid. In der Rechten hielt er die Fackel, in die der Wind stieß und die Flamme leewärts bog. „Der kokelt noch den verdammten Kasten an“, murmelte Ben Brighton und ratterte einen spanischen Fluch hinterher. Der Arm mit der Fackel zuckte zurück und blieb hoch über dem Schanzkleid stehen. Das Boot schurrte an die Bordwand. Matt Davies vorn im Bug erhob sich von der Ducht und schlug seinen Haken in die hölzerne Bordwand. Hasard hangelte nach der Jakobsleiter, zeigte seinen Männern das blitzende Wolfsgebiß und enterte wie eine Katze hoch. Hinter ihm folgte Ben Brighton, dann Ferris Tucker, dann Blacky und die anderen Männer, zuletzt Matt Davies, der schlicht eine Vorleine um die Jakobsleiter schlang und das Boot mehr schlecht als recht festlegte. Hasard stieg über das Schanzkleid und dem Mann mit der Fackel auf die Füße. „Pardon“, sagte er, nahm ihm die Fackel aus der Hand und hieb sie ihm über den Schädel. Funken sprühten auf, Pechtropfen zerplatzen auf dem Kopf des Spaniers, seine Haare fingen Feuer, er brüllte und sprang mit einem irren Schrei über das Schanzkleid. Wollte er sich abkühlen? Er raste in den nach oben gekehrten Haken von Matt Davies, der ihn gewissermaßen aufhielt. Der Haken verfing sich in Höhe der Kehle und riß von dort aus die Brust und die Bauchdecke des Spaniers fingerbreit auf. Aus dem Kopfsturz des armen Kerls wurde eine Rolle rückwärts.
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Matt Davies ruckte ein bißchen, der Körper des Spaniers löste sich überschlagend von dem Haken und klatschte auf die Vorderducht des Bootes unter der Jakobsleiter. Matt starrte nach unten und schüttelte den Kopf. Dieser Don hätte ihn fast mit in die Tiefe gerissen. Aber eines stand fest: Es waren nur noch siebzehn Dons. Dieser Don dort unten verblutete, und nichts, gar nichts würde seinen Tod noch aufhalten können. Aber sein Brüllen, bevor er mit brennenden Haaren über das Schanzkleid gestürzt war, hatte die Männer der „Barcelona“ aus dem Schlaf hochgescheucht, bis auf den zweiten Wachgänger. Und dessen Ansturm fing Ferris Tucker auf, der als dritter enterte. Er hob ihn einfach hoch und warf ihn außenbords. Da waren Hasard und Ben Brighton bereits auf dem Achterdeck. Aus dem Vorkastell brachen Männer hervor und warfen sich Ferris Tucker und der nachfolgenden Entermannschaf t entgegen. Ein wütender Kampf Mann gegen Mann entbrannte. Der riesige Schiffszimmermann klatschte einen Spanier mir der Handspake gegen den Fockmast, überrannte den nächsten und stürmte Hasard und Ben Brighton aufs Achterdeck nach. Genau zu diesem Zeitpunkt erreicht Matt Davies im Sprung die Kuhl, zog sich einen Spanier mit dem Haken heran und setzte ihn außer Gefecht. Den zusammensackenden Mann schob er von sich, hieb nach rechts und riß einem Don den Hals auf, sprang vor und brach zwischen zwei anderen Spaniern durch zum Achterdeck. Jetzt hatten sie das Achterdeck zu viert besetzt. Hasard lauerte neben dem Niedergang zur Kammer des Capitans. Zehn, fünfzehn Sekunden verstrichen. Und dann schoß ein schmales, kleines Männchen mit einem blitzenden Degen wie ein Kobold aus dein Niedergang und stürzte sich verwegen in Richtung des Kuhldecks,
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Hasard fing das Männchen gerade noch mit einem Fußhaken ab. Das Männchen prallte auf die Decksplanken, schlitterte bis zur Vorkante des Achterdecks, schnellte hoch, wirbelte herum und griff wie eine züngelnde Natter an. Hasard blieb fast die Luft weg. Dieses Männchen führte eine Klinge, die selbst dem Fechtmeister aus Italien das Schwitzen beigebracht hätte. Der riesige Ferris Tucker, eingedenk der Lehre Hasards, sich vor so einem Piekser in acht zu nehmen, hielt sich den rasenden Zwerg mit ausgestreckter Handspake vom Leibe. Degen gegen Handspake, zwei ungleiche Waffen, zwei ungleiche Kämpfer. Der eine verfluchte die Waffe des anderen. Der Große brüllte auf den Kleinen hinunter, und der Kleine giftete zu dem Großen hoch. Dabei säbelte er Ferris Tucker einen fast armlangen Span aus der Spake, und der wurde nun erst richtig wütend. Hasard ging dazwischen, sonst hätte sich der Schiffszimmermann glattweg in den Degen gestürzt. „Oiga!“ rief er das Männchen an. „Hallo!“ Das Männchen ruckte herum, und schon klirrten die Klingen aufeinander, kreiselten, spielten, zuckten vor, finteten tödliche Blitze, denen das Auge kaum zu folgen vermochte, und doch mußte das Auge des einen Fechters mit fast unheimlicher Präzision die Schwächen des Gegners erkannt haben. Denn Hasards Klinge glitt plötzlich über die Klinge des Männchen hinweg, vorbei am schützenden Korb hoch zu’ einer Terz, die seine Degenspitze genau vor die Kehle des Männchens brachte. Hasard stieß nicht zu. Das Männchen stand wie erstarrt, fast weiß im Gesicht. „Er soll die Waffe fallen lassen“, sagte Hasard. Ben Brighton schrie das Männchen an. Der Degen klirrte zu Boden. „Na also“, sagte Hasard und senkte den Degen. „Er soll seinen Leuten befehlen, den Kampf aufzugeben. Wenn nicht - na, du weißt schon, Ben.“
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Der Bootsmann schoß ein Stakkato spanischer Brocken auf das Männchen ab. Das Männchen reckte die Brust heraus und schüttelte den Kopf. Hasard begriff, ließ den Degen fallen, zog eine Pistole, sprang auf das Männchen zu, stieß es an den Niedergang zur Kuhl und hielt ihm den Pistolenlauf an die Schläfe. „Termino!“ brüllte er. „Schluß, ihr verdammten Idioten, oder ich schieße euren Capitan auf der Stelle nieder! Ben, sag das den Dons, aber schnell, wenn ich bitten darf!“ Ben Brighton legte los. Die Kämpfenden ließen taumelnd voneinander ab und starrten zum Achterdeck hoch. „Nach Waffen durchsuchen und fesseln!“ befahl Hasard seinen Männern. Gleichzeitig zählte er sie und atmete auf. Keiner lag an Deck, und keiner war schwer angeschlagen. Dafür wälzten sich drei Spanier stöhnend auf den Planken, zwei lagen ganz still. Hasard zählte die Spanier. Mit dem Capitan waren es noch sechzehn. Zwei fehlten. Er blickte sich um. „Einer blieb an meinem Haken hängen“, sagte Matt Davies und betrachtete seine Ledermanschette. Sie war ziemlich blutig. „Einen hab ich außenbords gefeuert“, sagte Ferris Tucker. Spaken, Belegnägel, Messer fielen an Deck. Für Philipp II. von Spanien zu segeln und die Schätze ausgeplünderter Länder nach Sevilla, dem großen Umschlagplatz aller dieser Güter zu bringen, war die eine Sache für ihn zu sterben, eine andere, die nicht unbedingt zwingend erschien. Man lebte nur einmal, und außerdem hatte der Capitan - jenes kleine Männchen dort am Niedergang zur Kuhl - kapituliert und die Waffen gestreckt. Zudem sah dieser große, schwarzhaarige Teufel mit seinem wilden Gesicht ganz so aus, als sei er jeden Moment bereit, dem Capitan ein Loch in den Kopf zu schießen. . Murrend, aber widerstandslos ließen sie sich fesseln, „Wohin mit den Dons?“ rief Blacky zum Achterdeck hoch. „Ins
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Vordeck zunächst“, befahl Hasard, „und scharf aufpassen. Durchsucht das Vordeck nach Waffen.“ „Aye, aye.“ Hasard steckte die Pistole in den Gürtel und ließ das Männchen los. Der kleine Capitan starrte zu ihm hoch. Hasard trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ja, klein war dieser Juan Descola. aber seine Züge verrieten Kälte und Grausamkeit. Ein wie gelackt aussehendes, gezwirbeltes Bärtchen klebte über seinem messerscharfen Mund, und zwischen Kinn und Unterlippe sproß ein Haarbüschel in der Form einer Olive. Dunkle, gemeine, eng zusammenstehende Augen musterten Hasard abschätzend. Es war ein böses Gesicht und Hasard so sympathisch wie ein angefaulter Zahn. Und plötzlich nahm der Seewolf noch etwas anderes wahr, das er beim Entern der Galeone zwar irgendwie registriert hatte, dessen er sich aber jetzt erst voll bewußt wurde. Etwas Unerklärliches lag über dem ganzen Schiff, ein merkwürdiger Geruch von Schweiß und Angst, von Schmutz und Abfall. Auch Ben Brighton schien es zu spüren, Und dann Ferris Tucker. Sie hoben ihre Nasen wie witternde Jagdhunde. Der Capitan verhielt sich schweigend, seine Mundwinkel waren verächtlich nach unten gebogen. „Hier Stinkt’s“, stellte Ben Brighton sachlich fest, „hier stinkts’s nach allem möglichen, nur nicht nach Weihrauch.“ „Frag ihn, was der Kasten geladen hat“, sagte Hasard. Ben Brighton fragte. Der Capitan spuckte ihm vor die Füße, aber der Spucklaut war das einzige, was er äußerte.’ „Ein sehr vornehmer Mensch“, sagte Hasard, „spuckt auf sein eigenes Deck, dieses Rübenschwein. Hat man so was schon gesehen?“ „Ich hätte ihn vorhin nicht geschont“, sagte Ferris Tucker erbittert. „Dieser Kerl ist eine ganz miese Wanze.“ Hasard bückte sich und nahm die beiden Degen auf. „Ich mag ihn auch nicht. Aber
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er hatte seinen Degen fallen lassen. Und einen Menschen, der sich ergibt, töte ich nicht. Das wäre nackter Mord.“ Blacky meldete, daß sie die Dons im Vorschiff untergebracht hätten. Hasard nickte und deutete auf die Ladeluke in der Mitte der Kuhl. Sie war mit mehreren Ketten abgesichert, die wiederum von eisernen Schlössern zusammengehalten wurden. „Merkwürdig“, sagte er. „Warum Ketten? Und was sollen die Schlösser?“ Er wandte sich an Ferris Tucker. „Untersuch doch mal den sauberen Capitan. Vielleicht trägt er die Schlüssel zu den Schlössern bei sich. Das würde uns der Mühe entheben, die Dinger aufzusprengen.“ Der Riese griff sich das Männchen, nicht gerade sanft, und untersuchte dessen Taschen. Nichts. Aber dann ‚stutzte Ferris Tucker, riß das Spitzenhemd, das eine schöne Halskrause zierte, auseinander und schnappte sich triumphierend die Kette mit den Schlüsseln. Sie hatte um den Hals des Männchens gehangen. Das Männchen spuckte wieder und erhielt dafür von Ferris Tucker eine Maulschelle, die wie eine Muskete krachte und dem Giftzwerg fast den Kopf abriß. „Dir bring ich schon nach Manieren bei, mein Freundchen“, stieß er .hervor. „Wenn du noch einmal spuckst, verarbeite ich dich zum Putzlappen und wisch mit dir das Deck sauber.“ Ben Brighton übersetzte das mit Genuß und schien noch einiges hinzuzufügen, was dem Männchen offensichtlich die Lust nahm, weitere Spuckversuche zu unternehmen. Außerdem schüttelte ihn Ferris Tucker wie eine Puppe, und das entsprach in etwa einem Seegang bei Orkanstärke. Dann warf er ihn zur weiteren Aufbewahrung Matt Davies zu, und der hielt ihn mit seinem Haken an der Halskrause fest. Ferris Tucker sprang auf die Kuhl hinunter zu der Ladeluke. Blacky und ein anderer Mann leuchteten mit zwei Fackeln, als er die Schlüssel ausprobierte. Sie paßten zu
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den vier Schlössern, mit denen die Ketten kreuzweise verbunden waren. Sie klirrten zur Seite, und dann stemmte der Schiffszimmermann die Ladeluke hoch und schob sie vom Süllrand. „Verflucht!“ Hasard fuhr herum, als die Baßstimme Ferris Tuckers ertönte. Er hatte zur „Santa Barbara“ hinübergeschaut, wo Smoky sicherlich sehnsüchtig auf ein Zeichen von ihnen wartete. Die drei Männer bei der Ladeluke standen gebückt da und starrten in den Frachtraum. Sie wirkten wie versteinert. „Was gibt’s?“ rief Hasard. Ferris Tucker hob langsam den Kopf, richtete sich auf und blickte zu Hasard hoch. „Schwarze“, sagte er tonlos, „Neger! Der ganze Frachtraum ist mit Negern vollgestopft. Schau’s dir an, Hasard.“ Mit einem Satz war der Seewolf auf der Kuhl und beugte sich über den Süllrand. Der Gestank, der ihm entgegenprallte, war unbeschreiblich: Aber das war gar nicht einmal das schlimmste. Viel schlimmer war der Ausdruck in den Gesichtern, die zu ihm hochstarrten. „Mein Gott“, murmelte Philipp Hasard Killigrew erschüttert. Wild rollende Augäpfel in grauen Gesichtern, aufgerissene Münder, die gierig die frische salzige Luft einatmeten, Hände, die sich bettelnd hochreckten, blutig gepeitschte Rücken mit schwärenden Wunden - geschundene, leidende Menschen einer Rasse, die man noch unter dem Tier einstufte, Arbeitsvieh, das billig eingekauft und auf den Sklavenmärkten teuer und meistbietend verschachert wurde. Sitzen konnten sie nicht in dem Frachtraum, liegen schon gar nicht. Sie standen bis zu den Oberschenkeln in einer stinkenden Brühe von Salzwasser, Urin, Exkrementen und Erbrochenem. „Mein Gott-, sagte Hasard noch einmal ganz leise. „Du - Engländer, Ssör?“ sagte eine tiefe Stimme zwischen all den grauen Gesichtern.
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Ein herkulisch gebauter Neger plantschte direkt unter das Luk und starrte zu Hasard hoch. Er hatte ein knochiges Gesicht, eine kleine und gerade Nase, kurzes Kraushaar. Im Licht. der Fackeln spielten die mächtigen Muskelstränge unter der samtenen Haut. „Du sprichst unsere Sprache?“ fragte Hasard verwundert. „Gelernt- in Mission, Ssör. Du uns befreien?“ „Worauf du dich verlassen kannst“, erwiderte der Seewolf, Es rutschte ihm heraus, und im selben Moment wurde ihm bewußt, was das bedeutete. Er und fünfzehn Männer Sollten eine Beutegaleone nach Plymouth segeln. Und was taten sie? Sie kaperten eine zweite Galeone, weil sie auf weitere Beute erpicht waren. Und was enthielt sie? Statt der erwarteten Schätze führte sie menschliche Fracht - schwarze Fracht an Bord, Verdammt, dreimal verdammt, wo sollte er mit den Schwarzen hin? Sie etwa nach Afrika zurückbringen? Alles das schoß ihm innerhalb von Sekunden durch den Kopf. Zwischen zusammengebissenen Zähnen sagte er: „Werft ihnen eine Jakobsleiter hinunter. Stellt Pützen mit Seewasser bereit, damit sie sich waschen können. Blacky, sieh zu, daß du in der Kombüse etwas zubereitest.. Ben, pull mit vier Männern zur Santa Barbara’ und bring sie hier längsseits! Matt?“ „Sir?“ „Jag diesen verdammten Capitan an die Pumpe. Er soll pumpen, bis er schwarz wird, dieser Drecksack. Tritt ihm in den Hintern, wenn er frech wird oder nicht pariert.“ „Geht klar, Sir.“ Und schon trat der Haken in Aktion, mit dem er den Capitan zur Pumpe trieb. „Ferris, untersuch diesen Kasten, Ich glaub nicht. daß er leckt. Die haben das Wasser aus lauter Bosheit in den Frachtraum gelassen. Aber sicher ist sicher.“ „Aye, aye.“
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Auf der Steuerbordseite der „Barcelona“ klatschte etwas ins Wasser. Hasard sprang zum Schanzkleid und schaute nach unten. Ben Brighton stand auf der Achterducht des Bootes und wischte sich die Hände an der Hose ab. Achteraus von dem Boot trieb ein menschlicher Körper und wiegte sich in der Dünung. Ben Brighton blickte zu Hasard hoch und sagte: „‘n toter Spanier, halb aufgeschlitzt. Er lag im Boot, und ich hab ihn ...“ „Schon gut, Ben.“ Hasard trat zur Seite und sah zu, wie die vier Männer über die Jakobsleiter nach unten ins Boot kletterten. Dann wandte er sich um und blickte zu der Frachtluke. Dort kniete der riesige Neger am Süllrand und langte nach unten. Anscheinend half er jemandem, der auf der Jakobsleiter hochstieg. Und dann erstarrte Hasard, denn bisher hatte er das glattweg übersehen. Die Gestalt, der dieser riesige Neger aus dem Frachtraum hochhalf, war unverkennbar weiblichen Geschlechts. Sie war nackt - bis auf den Lendenschurz. Ja, nackt. Und gebaut wie, verdammt, wie diese -diese Venus von sonst wo. Hasard stieß scharf die Luft aus, die er angehalten hatte. Und seine Männer, die um die Luke herum standen, hatten Augen so groß wie Teller und offene Münder, in die eine Bratpfanne hineingepaßt hätte. „O Mann“, murmelte Hasard vor sich hin. „Was hast du dir da eingebrockt?“ Und dann erschien die zweite Venus, die dritte, die vierte. Mechanisch zählte Hasard mit und hatte das Gefühl, mit einem Brett vor dem Kopf durch irgendeinen Nebel zu rennen. Siebzehn! Siebzehn junge Negerinnen, lendenbeschürzt und sonst von untadeligem Körperwuchs. Hasard wischte sich über die Augen und spürte dankbar, daß er das Schanzkleid im Kreuz hatte. Am liebsten hätte er sich über Bord gestürzt. Hasard schloß die Augen, als die erste. Venus ihren Lendenschurz abstreifte und sich mit spitzen, freudigen Juchzern einen Eimer Wasser über den Kopf goß. Er hörte
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das Trappeln nackter Füße über das Deck, das Platschen der Pützen, die ins Wasser fielen, das Geschnatter weiblicher Stimmen, das Plätschern des Wassers - und er dachte, daß dies alles nur ein Traum, ein total und völlig verrückter Traum sei. Es war kein Traum. Es war eine Badeorgie, die diese siebzehn schwarzen Schönheiten veranstalteten. Das Wasser lief über die Kuhl und gurgelte durch die Speigatten wieder außenbords. Und seine Männer holten immer neue Pützen hoch und grinsten wie dämliche Mondkälber, wenn sie einer Schönen die volle Pütz überreichten, Kratzfüße zelebrierten und sich geradezu überschlugen, die leere Pütz so schnell wie möglich am Tampen wieder ins Wasser zu kippen und hochzuhieven. Klar! Diese Hundesöhne, diese ausgekochten Rübenschweine - das Überreichen der Pütz, die Kratzfüße und das Wiederentgegennehmen der entleerten Pütz, das dauerte wesentlich länger als das Außenbordskippen und Hochhieven, bei dem man den Nackedeis - leider -den Rücken zudrehen mußte. Wenn diese verdammten Weiber nur nicht so mit ihren Brüsten und mit ihrem Hintern wackeln würden, dachte Hasard verzweifelt. Und er atmete auf, als sich in die Badeorgie dann Neger mischten. Da wurde der Eifer. seiner Männer allerdings auch lahmer. Was für Burschen, diese Schwarzen! Ja, sie waren geschunden und geprügelt und ausgepeitscht worden. Sie hatten Eiter. wunden und mußten halb verhungert und verdurstet sein. Aber sie gaben sich dem beißenden Salzwasser mit einer Freude hin, die etwas Naives und doch Wildes hatte. Sie spülten nicht nur den äußeren Dreck und Schmutz von ihren Körpern. Sie reinigten sich auch von der Schmach, die ihnen Weiße zugefügt hatten. Es war ein Ritual, das sie vollzogen. Und plötzlich sang dieser riesige Neger, der englisch gesprochen hatte. Die anderen fielen ein. Es war eine traurige Melodie, aber jäh wurde sie wild, rhythmisch, aufpeitschend.
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Hasard stieß sich von dem Schanzkleid ab und sah selbst ziemlich wild aus, als er durch die Masse der Schwarzen hindurchging und auf das Achterdeck stieg. Als er sich umdrehte, verstummte der wilde Gesang. Der Herkules von Neger trat vor und blickte zu ihm hoch. „Dir danken“, sagte er in seinem gebrochenen Englisch. Er klopfte sich auf die breite und naßglänzende Brust. „Ich Batuti.“ Er blickte nach rechts, zog eine schwarze Schönheit zu sich heran und drehte sie zu Hasard, „Schön?“ „Sehr schön“, sagte Hasard und hatte einen Kloß im Hals. „Das sein Nuva“, sagte Batuti. „Sie gehören dir, Ssör.“ Diese Nuva - o verdammt - war ein Weib, das ganze Völkerstämme verrückt machen konnte. Vielleicht wußte sie das auch. Sie blickte aus; verschleierten Augen zu Hasard hoch, den Kopf ein ganz klein wenig schiefgeneigt, aber ihr Nacken war kerzengerade. Ihre rechte Hüfte war etwas vorgeschoben, einladend zu einem Spiel, das so alt war wie. die Menschheitsgeschichte, Ihr Körper war immer noch nackt, Tropfen perlten wie winzige Sterne an ihm hinunter. Das, genau das war eine Situation, auf die kein Vater seinen Sohn und kein Lehrer seinen Schüler jemals vorbereitete. Sir John Killigrew schon gar nicht. Und wenn, dann war diese schwarze Venus ja schließlich eine Wilde, eine Wilde aus einem Urwald, den noch kein Weißer so richtig ergründet hatte. Man munkelte so allerlei, aber man wußte nichts. Hasard befand sich in einer ausweglosen Situation. Und er war sich sehr klar darüber, daß er sehr gern wollte, aber nicht durfte. Er tat das - zunächst -, was alle Männer in ausweglosen Situationen zumeist tun. Er räusperte sich. Räuspern ist immer gut. Er sagte: „Am ähem ...“ Worauf die Venus die linke Hüfte vorschob, Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf, Wie seine Männer verstohlen grinsten. Er
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räusperte sich noch einmal, warf den verdammten Kerlen einen wütenden Blick zu, wobei ihm die verrücktesten Dinge durch den Kopf schossen, setzte zu einer Antwort an - und da rettete ihn buchstäblich in letzter Sekunde die „Santa Barbara“. „Barcelona ho!“ brüllte Ben Brighton. „Bitte Leinen wahrnehmen!“ Hasard zuckte entschuldigend mit den Schultern, wandte sich um und sah aufatmend, wie Backbord achteraus die „Santa Barbara“ unter dem Großsegel heranglitt, das aber im selben Moment aufgegeit wurde. „Leinen wahrnehmen!“ rief Hasard seinen Männern zu. Mit auslaufender Fahrt ging die „Santa Barbara“ bei der „Barcelona“ längsseits. Sie fuhren Leinen aus, um die beiden Schiffe miteinander zu vertäuen. „Alles klar?“ fragte Ben Brighton. Er stand auf der Steuerbordseite des Achterdecks und schaute zu Hasard hinüber. „Nichts ist klar“, sagte Hasard wütend. „Schau mal auf die Kuhl dieser verdammten Galeone.“ Ben Brighton trat weiter vor und äugte hinüber. Und dann ruckte er verblüfft wieder zu Hasard herum. „Ich werd verrückt“, sagte er fassungslos. „Da sind ja Weiber an Bord - und noch dazu nackt ...“ Er machte den Hals lang und äugte wieder auf die Schönheiten. Im Licht der Fackeln sah Hasard, daß sein Bootsmann ziemlich rot wurde. „Verguck dich nicht“, sagte Hasard bissig. Sein Blick fiel auf Smoky, den Kutscher, Donegal Daniel O’Flynn, auf Pete Ballie und Gary Andrews und den dicken Lewis Pattern, den er in seine fünfzehnköpfige Mannschaft als Segelmacher aufgenommen hatte. Sie alle standen auf der Kuhl der „Santa Barbara“ an Steuerbordseite und hielten mit glotzenden Augen Maulaffen feil. „Bootsmann“, sagte Hasard höhnisch, „könntest du wohl mal deine Männer da auf der Kuhl ein bißchen auf Trab bringen? Es gibt noch ‘ne Menge zu tun. Ich möchte, daß sämtliche Spanier hier in den
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Frachtraum der ‚Barcelona’ gebracht werden. Dann müssen wir die Mannschaft aufteilen, sieben Männer kommen zu dir, sieben zu mir. Die Neger verteilen wir ebenfalls. Die siebzehn Frauen bleiben bei mir an Bord. Ich werde ihnen das Vorschiff zuweisen.“ „Aye, aye, Sir. Und dann?“ „Steuern wir die Azoren an und setzen die Neger dort an Land“, sagte Hasard verbissen. „Oder dachtest du, ich nehme sie nach Plymouth mit?“ Ben Brighton zögerte. Dann sagte er: „Kapitän Hawkins und Kapitän Drake würden das aber tun. Für Schwarze kriegt man viel Geld.“ Zum erstenmal, seit der Seewolf die „Santa Barbara“ übernommen hatte, verlor er die Beherrschung. „Ich bin aber weder Kapitän Hawkins nach Kapitän Drake!“ schrie er seinen Bootsmann an. „Ich bin kein Sklavenhändler hast du mich verstanden?“ „Aye, aye, Sir, Verzeihung, Sir.“ Ben Brighton verschwand wie der Blitz vom Achterdeck der „Santa Barbara``. Und dann brachte er die glotzenden Männer auf Trab, daß es nur so rauchte. 9. Klettern können die Burschen, dachte Hasard, die reinsten Affen. Er stand auf dem Achterdeck der „Barcelona“ und beobachtete, wie Ferris Tucker und Smoky mit den Schwarzen in den Wanten und auf den Rahen herumturnten. Die schwarzen Söhne Afrikas wurden in der Handhabung der Segel unterwiesen. Immerhin war das Ben Brightons Vorschlag gewesen. Hasard wandte den Kopf und blickte über die glitzernde See. Steuerbord achteraus segelte die „Santa Barbara“. Auch dort wurden die Neger mit praktischer Seemannschaft beschäftigt. Den Herkules Batuti hatte Hasard bei sich an Bord. Die Sache mit der schönen Nuva war zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Hasard seufzte und riskierte einen Blick zum Vorschiff. Dort saßen die
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siebzehn Schönheiten und schnatterten wie eine Affenherde. Sie schienen sich herrlich zu amüsieren, kicherten; zeigten mehr von ihrer nackten Schönheit, als in England erlaubt war, wo man sich bis oben hin zuschnürte, und ließen sich den Wind um die Nase wehen.. Nuva kämmte ihr Haar mit einem hölzernen Kamm. Sie saß aufrecht im Schneidersitz seitlich zu Hasards Blickrichtung, und das Profil ihres Körpers war atemberaubend. Der Blick, den sie Hasard plötzlich über die linke Schulter zuwarf, war fast wie ein Dolchstoß. Hasard wandte sich abrupt um und stiefelte zur Heckgalerie, von dort zur Backbordseite, hinüber auf die Steuerbordseite, wieder zurück zum Heck. Er hatte sechzehn Neger an Bord und die siebzehn Töchter Afrikas. Auch auf der „Santa Barbara“ befanden sich sechzehn Neger. Gut, sie würden die Azoren anlaufen und dort die Schwarzen an Land setzen. Dann mußte Ferris Tucker darangehen, einen neuen Fockmast für die „Santa Barbara“ herzurichten. Und wo sollte er mit den gefangenen Spaniern hin? In dem dumpfen Loch des Frachtraums der „Barcelona“ hockten sechsunddreißig Dons. Juan Descola, dieser schwarze Hundesohn, hatte sechs Stunden gebraucht, um den Frachtraum leerzupumpen. In diesen sechs Stunden war er mehrere Tode gestorben, denn Matt Davies hatte ihm keine Sekunde Ruhe gegönnt. Als der Capitan den Frachtraum leergelenzt hatte, war er an der Pumpe zusammengebrochen, und sie hatten ihn zu der Ladeluke tragen müssen. Hasard hatte nicht das geringste Mitleid mit ihm. Außerdem war der Frachtraum jetzt geradezu ein paradiesischer Aufenthalt im Gegensatz zu früher. Die Dons selbst hatten ihn reinigen müssen. So penetrant wie zuvor roch es nicht mehr. Zweimal am Tag durften die Dons zu zweit an Oberdeck und gewissermaßen aufs Töpfchen.
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Das „Töpfchen“ war eine Segeltuchpütz, eine Sensation für die Schwarzen, die denn auch mit der Naivität von Kindern den wütenden Dons interessiert zuschauten, wenn’s soweit war. Hasard stieg hinunter in die Kapitänskammer, in der er mehrere Seekarten gefunden hatte. Dieser Capitan Descola mochte ein elender Menschenschinder und Sklavenhändler sein, aber als Navigator und Seemann war er beste Klasse. Auf der einen Karte mit der Westküste Afrikas und Spaniens hatte er den letzten Schiffsort eingetragen - dort auf diesem imaginären Punkt, wo die „Santa Barbara“ mit dem „Leck“ beigedreht und um Hilfe gebeten hatte. Hasards Finger fuhr in nordwestlicher Richtung zu den Azoren. Er beugte sich über die Karte. Ja, er würde die westlichste Insel - Flores - ansteuern. Über ihr, etwa acht Meilen entfernt, lag die winzige Insel Corvo. Auf ihr würde er zuerst die Spanier absetzen. Mochten sie bleiben, wo der Pfeffer wächst. Die Inseln waren portugiesischer Besitz, aber Kapitän Drake hatte Hasard vor den Azoren gewarnt und gesagt, er habe den Eindruck, daß die Dons scharf auf die Inseln seien. Jedenfalls wurden sie von den aus Westindien zurücksegelnden Schiffen gern angesteuert, um Proviant und Frischwasser zu ergänzen. Wenn er die Spanier auf Corvo aussetzte, würde sich schon irgendeine Gelegenheit für sie ergeben, von einem zum Mutterland zurücksegelnden Schiff mitgenommen zu werden. Das sollte seine geringste Sorge sein. Hatte er sie abgesetzt, würde er Flores anlaufen. Der Schiffsort von Capitan Descola hatte fast haargenau mit Hasards übereingestimmt. In der Nacht waren sie dann vom Wind in nordöstliche Richtung versetzt worden, nachdem sie beigedreht hatten. Das bedeutete eine Verschiebung vom letzten Schiffsort bis zu dem Punkt, von dem sie dann am Morgen losgesegelt waren. Aber diese Verschiebung war nach Hasards Schätzung nicht allzu groß. Wenn
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er Kurs, Zeit und Distanz zu den Azoren. richtig berechnet hatte, sollten sie morgen um die Mittagszeit gesichtet werden vorausgesetzt, Windstärke und Windrichtung blieben konstant. Wenn sie in einer Flaute hängenblieben, waren sowieso sämtliche Berechnungen zum Teufel. Hasard ließ stündlich loggen, um die eigene Schiffsgeschwindigkeit festzustellen. Sie ermöglichte es ihm, die zurückgelegte Distanz zu berechnen und mit dem Kurs auf die Seekarte einzutragen. Dabei ging ihm Donegal Daniel O’Flynn zur Hand, der vor Wißbegierde zappelte und sich alles hundertmal erklären ließ. Hasard merkte rasch, daß das Bürschchen durchaus die Anlagen hatte, einmal ein guter Pilot zu werden. Hasard ging wieder zurück aufs Achterdeck, kontrollierte automatisch den Stand der Segel, den Kompaßkurs, nickte dem Rudergänger- es war Blacky - zu und rief den Schiffszimmermann zu sich. Ferris Tucker turnte die Großwanten hinunter und stieg aufs Achterdeck. „Sag mal“, fragte Hasard, „wie lange Zeit brauchst du, um für die ‚Santa Barbara’ einen neuen Fockmast zu bauen?“ Ferris Tucker kratzte sich hinter dem Ohr und überlegte. „Wenn ich auf Anhieb einen guten Stamm finde, etwa zwei bis drei Tage. Er muß gefällt und abgeschält werden - eine alte Fockrah hab ich übrigens im Vorschiff entdeckt, die Vormarsrah krieg ich auch hin - na ja, dann muß ich das Ding insgesamt neu aufriggen, da vergeht schon allerlei Zeit.“ Er grinste. „Hast du’s so eilig?“ „Kapitän Drake warnte mich vor den Azoren - wegen der Dons, die sich dort herumtreiben. Wieweit die Portugiesen ihnen gefällig sind, kann ich nicht beurteilen. Da kann es immer einen geben, der neugierig wird, feststellt, daß wir gar keine Spanier sind und nichts Eiligeres zu tun hat, als den Dons unsere Anwesenheit zu melden.“ Ferris Tucker nickte. „Verstehe. Aber Flores liegt ziemlich weit westlich der
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anderen Azoreninseln, da kreuzt so schnell kein Don auf.“ „Eben, darum laufen wir sie ja auch an. Nur müssen wir davon ausgehen, daß jeder weitere Tag, den wir dort herumliegen, die Gefahr einer Entdeckung vergrößert.“ „Ich werde mich beeilen“, sagte Ferris Tucker. „Und wie willst du das Problem der Spanier und Neger lösen? Wenn wir die zusammen auf Flores an Land setzen, gibt’s Mord und Totschlag. Die Schwarzen würden am liebsten schon jetzt den Dons den Hals umdrehen. Und weißt du, warum? Dieser verdammte Descola hat sich alle paar Nächte irgendeine der siebzehn schwarzen Täubchen in die Kammer geholt nicht zum Plauderstündchen, verstehst du? O nein, er hat sie vernascht. Unser Herkules hat mir da einiges erzählt, da kann’s einem glattweg schlecht werden.“ Hasard preßte die Lippen zusammen. Dann sagte er: „Ich setze zuerst die Spanier aus auf Corvo. Ich habe mir das eben auf der Karte angeschaut. Die Insel liegt nördlich von Flores, knapp acht Meilen von ihr entfernt. Dann segeln wir zurück nach Flores, und dort werden die Neger gelandet. Was soll ich sonst tun? Ich bin kein Kindermädchen. Schau sie dir an, Ferris. Alles junge, kräftige Burschen. Die sollten doch in der Lage sein, sich zu wehren und für ihre Freiheit zu kämpfen. Wir werden ihnen Waffen und Werkzeuge zurücklassen. Alles andere sollen sie dann selbst in die Hand nehmen.“ „Ja, du hast recht. Eine bessere Lösung gibt es nicht.“ „Doch“, sägte Hasard, „aber es wäre nicht die bessere Lösung für uns. Wir könnten die Fracht der ‚Santa Barbara’ auf die ‚Barcelona’ umladen und den Negern die ,Santa Barbara’ zur Verfügung stellen. Mit der könnten sie nach Afrika zurücksegeln.“ Ferris Tucker grinste. „Die Affen wissen doch noch nicht einmal, wo hinten und vorn bei einem Schiff ist.“ „Dann lernen sie es“, sagte Hasard. „Aber es ist eben nicht die bessere Lösung für uns, denn ich will beide Galeonen nach England bringen. Und für diese Galeone
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hier haben wir Kopf und Kragen riskiert. England braucht jedes Schiff. Das ist es.“ „Genau. Soll ich weiter mit den Affen exerzieren?“ „Ja, je mehr sie lernen, um so besser. Und wer weiß, was uns noch blüht, bis wir die Azoren erreichen.“ Hasard nahm seinen Marsch auf dem Achterdeck wieder auf, und Ferris Tucker widmete sich den „Affen“. Batuti mußte dolmetschen. Wie die Segel gesetzt und wieder geborgen wurden, hatten seine Schüler inzwischen verstanden. Jetzt brachte er ihnen bei, wie sie bedient wurden und bei den verschiedenen Windrichtungen stehen mußten. Zwischendurch fluchte Ferris Tucker, und die Flüche übersetzte Batuti getreulich mit. Sie hatten viel Spaß. Am Nachmittag standen sie abwechselnd am Ruder und steuerten Zickzackkurse oder Kringel, bis auch daraus ein geraderes Kielwasser wurde. Als Ferris Tucker: mit ihnen die gebräuchlichsten Knoten üben wollte, stellte sich heraus, daß sie die schon kannten. Natürlich hieß bei ihnen der Webleinenstek nicht Webleinenstek, sondern irgendetwas Unaussprechliches. Aber Ferris Tucker begriff, daß die „Affen“ auch Menschen waren - logisch, wer seemännische Knoten beherrschte, konnte kein Affe sein. Batuti erklärte ihm, wozu sie die verschiedenen Knoten brauchten -zum Bau ihrer Hütten, beim Zusammenbinden von Flößen, für die Sehnenbespannung ihrer Kampfbögen, für die Herstellung von Tierfallen und Fischfangnetzen. Ferris Tucker geriet ganz schön ins Staunen. Und als ihm Batuti nur mit einem Messer, aber sehr flinken und geschickten Fingern vorführte, mit welcher Geschwindigkeit und Exaktheit er aus einem Vierkantholz einen etwa fingerdicken Pfeil zu schnitzen vermochte, da stand Ferris Tucker ganz schön dumm da. Und Hasard meinte, ob er, Ferris, immer noch der Ansicht sei, daß die Affen vorn und hinten bei einem Schiff nicht zu unterscheiden wüßten. Ferris Tucker schwenkte restlos um.
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„Das ist eine ganz gerissene Bande, ist das, ich hab’s ja gleich gesagt.“ „So, so“, sagte Hasard. „Hattest du sie nicht auf eine Stufe mit Affen. gestellt?“ „Ach verdammt, hab ich das?“ Ferris Tucker brummelte etwas Undeutliches vor sich hin. „Wie bitte?“ fragte Hasard sehr höflich. „Ich sagte, sie seien dennoch schwarz.“ Ferris Tuckers Gesichtsfarbe war so rot wie sein Haar. „Und wir sind weiß“, sagte Hasard, „und haben Kopf und Arme und Leib und Füße genau wie sie. Und dann schau dir mal ihre Zähne an.“ „Perlen“, sagte Ferris Tucker begeistert. „Eben“, sagte Hasard und fuhr in seiner liebenswürdigen Art. gemischt, mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, fort: „Unsere Pferdehändler in Falmouth pflegten beim Ankauf von Pferden zuerst die Zähne zu untersuchen. Und je besser das Pferdegebiß war, umso höher war der Preis des Verkäufers. Merkst du was, Ferris?“ Ferris Tucker schnaufte. „Aber du sprichst doch von Pferden.“ „Du hattest von Affen gesprochen“, sagte Hasard ziemlich brutal. „Aber du mein test Menschen. Und ich bin überzeugt, daß dieser Descola seine menschliche Ware nach der Methode der Pferdehändler ausgesucht hat. Haben wir uns jetzt verstanden?“ „Aye, aye, Sir“, sagte Ferris Tucker erschüttert. Batuti, der diesem Dialog mit wachsendem Interesse gefolgt war, grinste über das ganze Gesicht und zeigte seine „Perlen“ „Verdammich“, sagte er - das hatte er von Ferris Tucker gelernt - du sehr gut, Ssör. Du sogar zu gut für Nuva. Aber da ist noch Wobia…“ Sein Blick suchte Wobia, die dort beim Vorschiff sein mußte. Hasard und Ferris Tucker wechselten einen schnellen Blick - der Seewolf ziemlich hilflos, Ferris Tucker mit einem Zwinkern des rechten Auges. „Da!“ sagte Batuti und zeigte auf eine samthäutige Antilope, die auf einer Stufe des Niedergangs zur Back saß und
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verträumt über das Schanzkleid hinweg auf die See starrte. Sie blickte nach Osten, wo weit hinter der Kimm Afrika sein mochte. Und genau zu diesem Zeitpunkt hatte Matt Davies die Frachtluke geöffnet und eine Jakobsleiter hinuntergelassen, um den beiden ersten Dons routinemäßig ihren zweiten „Ausgang“ zu gewähren. Aus der Ladeluke tauchte der Kopf von Juan Descola auf. Batuti gab so etwas Ähnliches wie ein Knurren von sich. Wobia, die samthäutige Antilope, starrte weiter verträumt nach Osten. Sie saß nur drei Schritte entfernt vom Süllrand der Ladeluke. Hasards Gesicht versteinerte. Er sah zu, wie der kleine Capitan an Deck stieg und von Matt Davies die Segeltuchpütz in Empfang nahm. Er schlenkerte sie an dem Stropp, der den Henkel bildete und schaute sich auf dem Deck um - dem Deck, über das er bisher befohlen hatte. Es geschah in Bruchteilen von Sekunden. Die Segeltuchpütz flog Matt Davies ins Gesicht, ein riesiger Satz, und dann war Juan Descola über Wobia, riß sie vom Niedergang und wälzte sich über sie. Wobia schrie gellend auf. Matt Davies wischte die Segeltuchpütz beiseite, duckte sich und nahm die Rechte mit dem furchtbaren Haken zurück. Ein Schatten huschte an ihm vorbei - der Seewolf. Mit einem wilden Sprung erreichte er den Capitan, der mit zuckendem Körper über der sich windenden Negerin lag. Er packte in die Hemdkrause, riß. das Männchen hoch, stellte es vor sich hin und ließ die Hemdkrause los. Dann trat Hasard einen Schritt zurück und sagte, ohne den Capitan aus den Augen zu lassen: „Zieh die Jakobsleiter hoch, Matt.“ „Aye, aye, Sir“, sagte Matt Davies fast erschrocken und griff augenblicklich zu. Capitan de Pordenone, der gerade an Deck steigen wollte, kippte mit einem Aufschrei wieder zurück. Er krachte mit dumpfen Poltern auf die Planken des Frachtraums. Das Männchen stand zusammengekrümmt, vor Hasard, Speichel in den Mundwinkeln,
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Haß in den Augen - Haß und Gier und Wahnsinn -, die Finger beider Hände wie Krallen gespreizt. Ein stoßweises Keuchen drang durch seine messerscharfen Lippen. Schweiß glitzerte auf der knochigen, fahlgelben Stirn. „Jetzt mach ich Picadillo aus dir“, sagte Hasard und spuckte in die Hände. Picadillo - Hackfleisch! Das Männchen zuckte zusammen, als es das Wörtchen „Picadillo“ hörte. Wobia flüchtete aufs Vordeck. Wer sich auf der Kuhl befunden hatte, verschwand, einige auf die Back, andere aufs Achterkastell, Matt Davies und Donegal Daniel O’Flynn in die Wanten. Mit einem Riesensatz rettete sich das Männchen hinter die Frachtluke. Zwischen ihm und Hasard gähnte jetzt ein Quadrat von drei mal drei Yards, Hasard lächelte verächtlich. Das Männchen griff hinter sich zur Nagelbank des Großmastes und riß einen Belegnagel heraus. Hasard wartete, locker und dabei etwas angeduckt. Ohne auch nur einmal mit den Wimpern zu zucken, blickte er das Männchen unbewegt an - Sekunden, Minuten, Descola wurde unruhig, wich dem Blick dieser eisblauen Augen aus, wandte den Kopf hin und her, sah in die kalten Gesichter der Engländer und die haßglühenden Augen der Neger. Sein Adamsapfel bewegte sich in der Kehle. Er wirkte wie eine in die Enge getriebene Ratte. Aufreizend langsam löste der Seewolf seinen Lederriemen und zog ihn aus den Schlaufen. Er nahm ihn in die Rechte und ließ ihn hin und her pendeln. Unverwandt starrte er das Männchen an. Dem Capitan gingen die Nerven durch. Mit einem Aufschrei. schleuderte er den Belegnagel auf Hasard, der etwas zur Seite wich. Das eisenharte Holz flog an seinem Kopf vorbei, prallte auf das straffgespannte Fockfall, ein Ton wie von einer riesigen Baßsaite klang auf, das Holz wurde abgefedert und wirbelte über das Schanzkleid in die See.
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„Jetzt spielt, er auch noch mit unseren Belegnägeln herum’’, sagte Ferris Tucker erbittert. Hasard glitt um die Frachtluke herum. Das Männchen blickte gehetzt nach links und rechts, flitzte über die Kuhl, griff in die Backbordwanten des Großmastes und kletterte hoch. Nur stand über ihm Matt Davies auf den quergespannten Webleinen. Er trat mit dem Stiefel zu und sagte: „Dort unten ist die Arena, du Torero Brüllend krachte Juan Descola auf die Planken zurück, sprang aber sofort wieder auf. Da war der Seewolf heran. Sein erster Schlag mit dem Lederriemen zerfetzte die lächerliche Halskrause, beim nächsten wickelte sich der Riemen um den dürren Hals Descolas und hinterließ einen blutigen Striemen. Gnadenlos fielen die weiteren Schläge und peitschenartigen Hiebe, bis die Kleidung in Fetzen hing. Er trieb den brüllenden Mann kreuz und quer über die Kuhl, und wenn Juan Descola jemals einen Stolz besessen haben sollte, so wurde er jetzt erbarmungslos gebrochen - vor den Augen der Schwarzen, die zusahen, wie ein weißer Mann von einem anderen weißen Mann ausgepeitscht wurde. Er hatte die Neger erniedrigt, jetzt geschah ihm das gleiche. Er winselte und heulte und schrie, er hüpfte mit grotesken Sprüngen über die Kuhl - ein böser, widerwärtiger Kobold, der voller Gift und Brutalität und Gemeinheit war. Jetzt verabfolgte ihm der Seewolf eine Lektion, die er wohl nie wieder vergessen würde. Freilich war zu bezweifeln, ob dieser Mann sich je ändern würde. Wimmernd hockte sich Juan Descola hin und hielt die Arme schützend über den Kopf. Hasard warf Ferris Tucker den Lederriemen zu, riß den Capitan hoch und schmetterte ihm abwechselnd Rückhandschläge und Maulschellen um die Ohren. Blitzschnell und knallhart fielen die klatschenden Schläge, und der Kopf des Capitans flog nach links, nach rechts, nach links, nach rechts wie bei einer
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Marionette, deren Kopf von zwei Schnüren hin Und hergezogen wird. Juan Descola schrie hysterisch und in schrillem Diskant. Angewidert ließ Hasard ihn los, drehte ihn um und trat ihm in den Hintern. Kopfüber schoß der Capitan in die Ladeluke und landete krachend unten auf den Frachtraumplanken. „Hoffentlich hat er sich das Genick gebrochen“, sagte Ferris Tucker grimmig und warf Hasard den Gürtel zu. . Hasard fing ihn auf und schnallte ihn wieder um. Dann trat er an den Süllrand und schaute nach unten. „Capitan de Pordenone?“ „Si?“ Der braungebrannte Capitan mit der Adlernase und dem frechen Bärtchen auf der Oberlippe trat unter die Luke und blickte hoch. „Hören Sie mir gut zu, Senor Capitan“, sagte Hasard. „Ihr Freund Descola - Sie nannten ihn jedenfalls Ihren Freund - ist ein Vieh. Vielleicht haben Sie es eben noch mitgekriegt. Er wollte über eine der Negerinnen herfallen, und ich habe ihm dafür eine Tracht Prügel verabreicht. Lassen Sie es sich von seinen Leuten erzählen, was er den Schwarzen noch alles angetan hat. Anders als er gewährte ich Ihnen die Vergünstigung, zweimal am Tag hier oben frische Luft schnappen zu können. Das ist jetzt vorbei. Beschweren Sie sich bei Ihrem Freund Descola. Ich habe etwas dagegen; Gefangene so zu behandeln, wie es bei Descola üblich zu sein scheint. Aber sein Verhalten zwingt mich dazu. Das ist keine Entschuldigung, sondern eine Feststellung. Das wär’s, Senor Capitan.“ „Was haben Sie mit uns vor?“ „Ich werde Sie irgendwo an Land setzen, mein Freund - bis dahin wird der Frachtraum Ihre ständige Behausung sein, genauso wie er es für die Neger war, mit Ausnahme jener Negerinnen, die sich dieses Vieh nachts in die Kammer zu holen pflegte.“ Er wandte sich ab. „Matt, verschließ die Ladeluke.“ „Aye, aye.“
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Polternd schloß sich die Luke über dem Frachtraum. Von unten drang wütendes Stimmengemurmel herauf. Ferris Tucker lauschte und sagte: „Wenn mich nicht alles täuscht, kriegt dieser Giftzwerg jetzt seine zweite Abreibung.“ „Das hatte ich gehofft“, erwiderte Hasard trocken. 10. Gegen Abend schlief der Wind ein, sprang nach einer halben Stunde noch einmal auf, kreiselte um die. halbe Windrose und legte sich dann endgültig schlafen. Hasard fluchte, aber damit war kein Wind herbeizurufen. Sie dümpelten südlich der Azoren, die Segel schwappten und klatschten lustlos an den Rahen, die Holzverbände ächzten und verstärkt ertönte das Knarren und Quietschen von Blockwerk und Takelage. Steuerbord querab von ihnen schaukelte die „Santa Barbara“ in der Dünung. Über ihnen wölbte sich ein glitzernder Sternenhimmel, den keine Wolke verdunkelte. Hasard beschloß, Ben Brighton auf der „Santa Barbara“ zu besuchen, um ihn über die Landung zu informieren und nachzusehen, wie es bei ihm an Bord stand. Das Boot wurde ausgesetzt und Hasard hinübergepullt. Nuva und Wobia sahen ihm aus dunklen, verschleierten Augen nach - es war nicht zu verheimlichen, daß ihre Gefühle für ihn nicht von Dankbarkeit bestimmt waren. Nuva seufzte. Und dann seufzte auch Wobia. Hasard kletterte die .Jakobsleiter hoch und sprang über das Schanzkleid. Ben Brighton empfing ihn lächelnd. „Alles klar bei dir?“ fragte Hasard. „Alles klar“; erwiderte der Bootsmann, „Hast du Sehnsucht nach uns?“ „Das auch. Verfluchte Flaute. Morgen mittag hätten wir die Azoren erreichen können, wenn der Wind so geblieben wäre. Hast du mitnavigiert?“
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Ben Brighton nickte. „Du wolltest Flores westlich der anderen Inseln ansteuern, nicht, wahr?“ „Genau. Aber wir werden zuerst Corvo anlaufen, dort die Dons an Land setzen und uns erst dann Flores vornehmen. Dort landen wir die Schwarzen, und Ferris wird euch so schnell wie möglich zu einem neuen Fockmast verhelfen. Er rechnet mit zwei bis drei Tagen. Deine Leute werden ihm zur Hand gehen müssen. Wir werden uns inzwischen um Trinkwasser und Frischproviant kümmern, auch für euch natürlich. Ich möchte, daß der Fockmast tatsächlich so schnell wie möglich hergerichtet wird. Jeder Tag, den wir dort verbringen, vergrößert die Gefahr der Entdeckung.“ „Rechnest du mit Dons?“ „Ja. Kapitän Drake riet mir, die Azoren zu meiden. Aber jetzt bleibt uns gar keine andere Wahl, als sie anzulaufen. Wie geht es Pete und Gary?“ „Pete stand schon vier Stunden am Ruder, und Gary hat heute Sitzarbeit verrichtet. Er hat zerrissene Segel genäht und einen Teil des Tauwerks überholt. Die Wunde verheilt bestens. Übrigens - du hast doch den Descola auf der Kuhl verdroschen ...“ „Er war über eine der Negerinnen hergefallen, dieser Mistkerl. Habt ihr das so genau beobachten können?“ „Wir waren herangedreht. Erst dachte ich, die Spanier seien wild geworden und wir müßten euch ein bißchen helfen.“ „Ah, das ist gut.“ Hasard nickte. „Man kann ja nie wissen. Aber da hätten auch die Schwarzen bei mir an Bord ein Wörtchen mitgeredet. Wie sind deine Neger?“ „Prächtig.“ „Sprachschwierigkeiten?“ Ben Brighton schüttelte den Kopf. „Da ist einer, der heißt Tarim. Er spricht nicht so gut wie Batuti, aber es reicht. Die Burschen kapieren schneller, als ich gedacht habe. Und sie wollen lernen. Wie geht’s denn deinen schwarzen Täubchen?“ „O Gott!“ Hasard verdrehte die Augen. „Frag mich nicht. Batuti hat mir noch eine angeboten ...“ Ben Brighton grinste.
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„Was gibt’s da zu grinsen?“ „Nichts. Ich überlegte nur gerade, was ich an deiner Stelle täte.“ „Und? Was würdest du tun?“ „O Mann!“ Ben Brighton seufzte. „Ich ich würde so richtig sündigen.“ „Klar“, sagte der Seewolf.. „Und die Männer? Die sehen ihren Kapitän mit so einer Schönen in seiner Kammer verschwinden. Hältst du das für richtig? Soll ich vielleicht auf der ‚Barcelona’ ein Bordell eröffnen?“ Ben Brighton grinste wieder. „Wär mal ganz was Neues, wie?“ Er wurde wieder ernst. „Aber du hast recht. Das gäbe nur Stunk an Bord.“ „Siehst du. Entweder alle oder keiner. Und ich habe mich für das letztere entschlossen. Aber noch etwas anderes, Ben, was mir eben eingefallen ist. Sollte uns ein Spanier in die Quere geraten, laß uns nach folgendem Rezept vorgehen: Du übernimmst seine Luvseite, und ich bleibe in Lee von ihm. Klar?“ „Klar, aber da bist du in der schlechteren Position.“ „Dafür ist die ‚Barcelona’ kampfstärker als die ,Santa Barbara’. Ich habe zwölf Kanonen auf jeder Seite, du nur sechs.“ „In Ordnung. Willst du dir noch eine Prise aufhalsen?“ „Nein, nur vorbauen im Fall der Fälle. Vergiß nicht, daß die Azorengegend für uns gefährlich ist. Wir müssen höllisch aufpassen.“ Eine halbe Stunde später war Hasard wieder zurück an Bord der „Barcelona“, und das Boot wurde hochgehievt. Eine Stunde nach Mitternacht säuselte ein leichter Südwestwind heran, der sich nach zehn Minuten etwas verstärkte und dann beständig blieb. Die beiden Galeonen nahmen erneut Fahrt auf und steuerten ihren Kurs auf die Azoreninsel Flores zu. Hasard überrechnete seine Navigation. Jetzt würden sie erst am frühen Abend die Insel erreichen. Es war alles unwägbar. Der Wind hatte seine Launen und Mucken, und wenn er ganz verrückt spielte, fing er an zu toben.
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Hasard ließ einen vierstündigen Wachtörn gehen und übernahm selbst die Wache von morgens vier Uhr ab. Als die Sonne über der Kimm aufging, begann wieder das Geschnatter auf dem Vordeck. Die Schönen widmeten sich ihrer morgendlichen Wäsche, das heißt, sie zeigten sich, wie sie von Gott erschaffen wurden. Hasard marschierte auf dem Achterdeck seine gewohnte Route, die zu einem Dreieck geworden war - von Backbord nach Steuerbord, von dort zur Heckmitte und zurück zur Backbordseite. Das Geschnatter stimmte ihn einerseits heiter und andererseits wütend -der Teufel mochte wissen, warum. Weiber, dachte er verächtlich. Und auf seinem Weg vom Heck zur Backbordseite tat er dennoch’ nichts anderes als jeder Mann seiner siebenköpfigen Crew. Er riskierte mehr als nur einen Blick auf die nackten Schönheiten. Dann entdeckte er die grinsenden und feixenden Gesichter seiner Männer, und die Heiterkeit verging ihm. Er wurde wieder biestig und ekelhaft. „Daniel O’Flynn! Die Aufgabe und Pflicht eines Ausgucks besteht darin, ständig die Kimm ringsum zu beobachten und keine Hügel abzugrasen, auf denen Läuse geknackt werden könnten!“ „Aye, aye, Sir.“ „Smoky! Klarier das Fall der Fock, verdammt noch eines. Schau dir das lieber an, statt gewisse Buchten mit den Augen zu streicheln!“ ,,Aye, aye, Sir.“ „Kutscher! Rührst du da in einem Topf rum? Aber da ist kein Topf, da ist nur Luft. Und in der brauchst du nicht herumzurudern, verflucht! Dein Topf ist in der Kombüse!“ „Aye, aye, Sir.“ „Matt! Grins nicht so dämlich!“ „Aye, aye, Sir.“ Jeder kriegte sein Fett, zuletzt Blacky, der am Ruder stand und nicht so Kurs steuerte, wie Hasard das wollte.
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„Dein Kielwasser sieht aus wie ‘ne Schlangenlinie!“ pfiff er ihn an. „Lauter aneinander gehäkelte Busen, Mann! Da kann’s einem ja übel werden.“ „Aye, aye, Si r.“ Oh, dieses dreimal verdammte „Aye, aye, Sir“! Sie sagten es und grinsten genauso blöd weiter. „Batuti!“ schrie Philip Hasard Killigrew. „Ssör?“ Auch der grinste. Hasard ließ Luft ab und sagte sanft: „Sorg dafür, daß deine schwarzen Hexen ihre Morgenwäsche in die Nacht verlegen, wenn’s dunkel ist - dun-kel, verstanden?“ „Bei Tag heller“, sagte Batuti. „Kein schöner Anblick?“ „Doch, sehr - äh, aber Nacht besser.“ Hasard verfiel unwillkürlich in die Sprechweise Batutis. „Du verstehen?“ „Nein.“ Ach du heiliger Strohsack! Auf diesem Schiff fuhren anscheinend nur Irre - aber auch siebzehn knackige, samthäutige Weiber mit festen, spitzen Brüsten, schlanken Hüften und wohlgerundeten Hinterteilen, „Du Nuva und Wobia mögen?“ fragte Batuti. Mögen! Mögen! Hasard knirschte erbittert mit den Zähnen und ging auf Kollisionskurs. Ein eisblauer Blitz schoß in die dunklen Augen Batutis, der direkt zurückzuckte. „Dies ist ein Schiff der Königin von England und keine Lustwiese!“ schrie er den Neger an. „Hier sind wir auf See und nicht im Urwald! Oder habt ihr wieder Sehnsucht nach den Dons? Die sind da und da und da!“ Er stach bei jedem „da“ den Zeigefinger in eine andere Richtung. „Kapierst du das?“ „Ah, also keine Zeit für Liebe?“ „Nein, verdammt und zugenäht!“ „Was sein zugenäht? Was Schlimmes? Was mit Liebe?“ Der gute alte Ferris Tucker rettete seinen Seewolf vor dem Explodieren. Er sagte: „Nix Liebe, nix Schlimmes. Verdammt und zugenäht ist das gleiche wie ‚verdammich’. Und deinen Hexen da vorn
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erklär bitte, daß die Morgenwäsche hiermit beendet ist. Der Kapitän wünscht es.“ „Verdammich, verdammt und zugenäht“, sagte Batuti fröhlich und marschierte zum Vorschiff. Zwei Minuten später verschwanden bestimmte Blößen wieder unter Lendenschürzen. Das war immerhin ein Erfolg. Nur da drüber blieb der freie, paradiesische Zustand wie eh und je. Schließlich konnte Hasard bei den Schwarzen ja keine neuen Kleidermoden einführen. Er hatte genug am Hals, verdammich. „Danke, Ferris”, sagte er. „Ich glaube, ich war soweit, den Herkules zu erwürgen. Aber diese verdammten Weiber stellen das ganze Schiff auf den Kopf. Soll das’ so weitergehen?“ „Natürlich nicht. Auf Flores sind wir sie quitt, und dann ist die Welt wieder in Ordnung.“ Nichts würde in Ordnung sein, denn die Zeitverschiebung der .Flaute brachte neue Würfel ins Spiel... * In der Abenddämmerung umsegelten sie Flores und liefen auf Corvo zu. Die Insel erhob sich wie ein Schildkrötenbuckel aus der See. Die „Santa Barbara“ fiel zurück und drehte abwartend bei. Hasard beorderte Smoky nach vorn auf die Back und ließ ihn loten, während er sich näher an die Insel heranpirschte. „Sieben Faden!“ rief Smoky nach achtern. Hasard ließ sämtliche Segel bis auf .das Großsegel wegnehmen. Die „Barcelona“ verlor an Fahrt und glitt langsam auf den südlichen Uferstrich der Insel zu. „Sechseinhalb Faden!“ rief Smoky. „Runter mit dem Großsegel“, befahl Hasard. „Blacky! Bei drei Faden legst du sofort Ruder und drehst den Kasten nach Backbord, klar?“ „Aye, aye.“ „Sechs Faden!“ rief Smoky. Hasard spähte voraus. Ganz langsam steuerte jetzt die „Barcelona“ auf die Insel zu. Er erkannte Einzelheiten — ein paar
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vorgelagerte Klippen, dahinter den Uferstrich, an dem sich weiß die Wellen brachen, und das dunkle Grün von Bäumen und Büschen. „Lotung?“ fragte Hasard. „Steht!“ rief Smoky zurück. „Immer noch sechs Faden.“ „Laufend weitermelden!“ „Aye, aye!“ „Ferris! Laß bitte die Frachtluke öffnen. Wenn Blacky auf Parallelkurs mit der Insel geht, jag die Dons aus dem Frachtraum und über Bord.“ „Kein Boot?“ „Bist du verrückt? Die Kerle sollen schwimmen. Und ich verwette meine Hose, daß spätestens jetzt jeder dieser Hundesöhne das Schwimmen lernen wird … „Fünf Faden!“ rief Smoky. „Na bitte“, sagte Hasard, „von hier aus kann man fast schon an Land spucken. Gib dem Capitan de Pordenone ein Messer mit, Ferris, Aber erst, wenn er außenbords springt.“ „Aye, aye.“ Ferris Tucker rief eine paar Männer heran und sprang auf die Kuhl. Klirrend rasselten die Ketten zur Seite, polternd wurde die Luke weggeschoben. „Vier Faden!“ rief Smoky. „Blacky, paß auf“, sagte Hasard. Er schätzte die Entfernung zu dem weißen Wellenstrich, am Ufer. Zweihundert Yards? Eher weniger: „Dan?“ Das Bürschchen beugte sich über die Verkleidung vom Großmars. „Ja?“ „Schätzung! Wie weit ist es zum Uferstrich?“ „Einhundertsechzig Yards!“ „Danke.“ „Noch vier Faden!“ rief Smoky. Die „Barcelona“ verlor ganz gewaltig an Fahrt. Je weniger Fahrt, desto weniger Ruderwirkung. Hasard biß sich auf die Lippen. Hatte er zu früh die Segel wegnehmen lassen? Smokys Stimme war schrill: „Drei Faden!“ „Herum mit dem Kasten, Blacky!“
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Der hatte schon Ruder gelegt. Der Bug der „Barcelona“ schwang herum. Mit kaum noch wahrnehmbarer Fahrt glitt die Galeone parallel zum Inselufer durchs Wasser. „Raus mit den Dons, Ferris! Hopp, hopp! Frage Lotung?“ „Drei Faden!“ „Halte etwas von der Insel wieder ab, Blacky.“ „Aye, aye.“ Das ging jetzt Schlag auf Schlag. Hasard beobachtete den Abstand zum Ufer, den Kurs und die Fahrt der „Barcelona“ und gleichzeitig die Kuhl, wo Ferris Tucker die Dons anbrüllte, die auf der Jakobsleiter hintereinander auftauchten und mit irren Augen um sich blickten. Da war auch Matt Davies, der ihnen seinen Haken in den Hintern piekte und sie zum Steuerbordschanzkleid trieb. Als sie das nahe Land sahen, sprangen sie fast freiwillig über Bord. „Noch drei Faden!“ schrie Smoky. Noch! dachte Hasard. Aber etwas weniger, und dann würde es unter dem Kiel knirschen. Etwa zehn Fuß Tiefgang mochte die Galeone haben. Zwischen ihrem Kiel und dem verdammten Meeresboden oder den Klamotten, die ihn bildeten, lag noch etwas mehr als ein Faden, also ein bißchen mehr als sechs Fuß. Da brauchte nur eine Unterwasserklippe... Hasard dachte nicht weiter. Er biß die Zähne zusammen, lauerte auf das Knirschen, stand auf Stützen und atmete auf, als Smoky plötzlich vier Faden ausrief. Und unaufhörlich klatschten Spanier im Sprung ins Wasser. Capitan de Pordenone tauchte an der Luke auf und sagte etwas zu Ferris Tucker. Der nickte. Der Capitan trat ans Achterdeck, gefolgt von Ferris Tucker, und blickte zu Hasard hoch. Er deutete eine leichte Verbeugung an. „Nach der Lage der Dinge“, sagte er, „haben Sie für uns mehr getan, als wir es getan hätten. Wir hätten Sie in Spanien als Piraten abgeurteilt. Aber lassen wir das.
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Ich möchte mich für die Behandlung bedanken - wenn auch die letzten Stunden in dem Frachtraum nicht sehr angenehm waren ... „Für die Neger waren es nicht Stunden, sondern, wie ich hörte, über zwei Wochen“, unterbrach ihn Hasard, „und zwar unter Bedingungen, gegen die ein Schweinestall ein Paradies ist.“ „Ich weiß“, sagte der Spanier leise. Dann reckte er sich und frage: „Darf ich erfahren, wer mich besiegt hat’?“ Hasard ritt der Teufel. „Man nennt mich den ,Seewolf`.“ „Oh!“ Der Capitan lächelte leicht. „Ein Kriegsname, nehme ich an, oder?“ „Führen wir denn Krieg?“ frage Hasard spöttisch zurück. „Warum überfallen Sie dann unsere Schiffe?“ Jede Frage wurde mit einer Gegenfrage beantwortet. „Was tun denn die Spanier in der Neuen Welt, Senor Capitan? Man spricht davon, daß dort ganze Völker überfallen und ausgeraubt werden. Wer sind denn wohl. die Piraten?“ Der Spanier biß sich auf die Lippen. Er verbeugte sich wieder, grüßte mit einer Handbewegung und wandte sich zum Schanzkleid. Als Ferris Tucker ein Messer zog und es ihm hinhielt, blickte er ihn verwirrt an. „Ein Geschenk meines Kapitäns“, sagte Ferris Tucker und grinste. „Ein bemerkenswerter Mann, dieser Seewolf“, murmelte Capitan de Pordenone. „Gracias.“ Er klemmte das Messer zwischen die Zähne, schwang sich auf das Schanzkleid hoch und sprang mit einem Satz außenbords. „Alle raus?“ rief Hasard. „Ja -nur dieser verdammte Giftzwerg fehlt noch.“ „Dann hol ihn. Wenn wir hier noch lange herumtrödeln, laufen wir auf. Smoky! Was zeigt das Lot an?“ „Vier Faden.“ Ferris Tucker verschwand in der Frachtluke. Kurz darauf Quiekte und schrie
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jemand - Juan Descola. Dazwischen ertönte der Baß des Schiffszimmermanns, dann Klatschen von Ohrfeigen. Eine Minute später enterte er die Jakobsleiter hoch - mit dem Capitan. Den hatte er sich unter den rechten Arm geklemmt. „Er hockte in der hintersten Ecke“, sagte Ferris Tucker zu Hasard hoch. Der Capitan Strampelte mit Händen und Füßen. „No, no!“ schrie er. „Doch“, sagte Ferris Tucker und trug ihn zum Schanzkleid. „Auf diesem Schiff ist deine Reise nämlich jetzt zu Ende, du Wanze.“ Er packte ihn an Hosenboden und Kragen, stemmte ihn hoch und warf ihn über das Schanzkleid ins Wasser. . „Vier Faden!“ rief Smoky. „Hoch mit Fock und Besan“, befahl Hasard. „Blacky, fall mehr ab, damit wir wieder Fahrt aufnehmen. Beeilung, Leute hopp, hopp!“ Juan Descola planschte im Wasser herum und schrie wilde Flüche nach oben. Ferris Tucker spuckte außenbords und sagte ergrimmt: „Du Scheißkerl!“ Juan Descola schüttelte drohend die Fäuste, dann geriet er in das Kielwasser der abdrehenden Galeone und wurde auf das Land zugetrieben. Er begann zu paddeln, schien aber anscheinend bestrebt, nicht dort zu landen, wo sich bereits ein Teil der anderen Spanier versammelt hatte. Hasard beobachtete sie kurz. Merkwürdig, dachte er, keiner kümmert sich um Descola, er wird geschnitten, und das deutet darauf hin, daß er wohl kaum noch etwas zu sagen hat. Er zuckte mit den Schultern und spähte zur „Santa Barbara“ hinüber. Ja, Ben Brighton hatte ebenfalls wieder Fahrt aufnehmen lassen und drehte auf sie zu. Etwa eine halbe Stunde hatte es gedauert, um die Spanier auszusetzen. Inzwischen war es dunkel geworden. Ein paar Meilen südlich von ihnen ragten die Umrisse von Flores aus dem Wasser. Die Insel war noch zu erkennen. Die „Santa Barbara“ segelte auf Rufweite heran. Ben Brighton winkte.
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„Bist du sie los?“ rief er. „Ja.“ Hasard trat an die Backbordseite. „Es ist zu spät, um jetzt noch einen Landeplatz zu finden, Ben. Wir gehen an die Südspitze von Flores und ankern dort. Nach einer Karte, die ich hier habe, muß dort eine Bucht sein. Wir bleiben vor der Bucht, klar?“ „Klar“, tönte es zurück. Die „Santa Barbara“ folgte der „Barcelona“. Der Wind stand von Südwesen, und sie mußten mehrere Male über Stag gehen, bis sie mit dem letzten Schlag die Südspitze der Insel anliegen konnten. „Ferris, laß den Anker klarmachen. Wir loten uns an die Insel bis auf dreineinhalb Faden heran. Dann laß ich in den Wind drehen, und ihr werft den Anker. Smoky soll sich mit dem Lot bereithalten.“ „Aye, aye.“ Ferris Tucker bewegte sich zum Vorschiff. Hasard hörte, wie er Batuti zu sich rief und die Ankervorrichtung erklärte.. „Inselspitze in Sicht!” rief Dan vom .Hauptmars nach unten. „Knapp Steuerbord voraus, etwa zweihundert Yards entfernt.“ „Fall etwas ab, Blacky“, sagte Hasard, „bis wir mit halbem Wind segeln.“ „Aye, aye.“ Sie segelten immer noch unter Fock und Besan und jetzt mit dem letzten Schlag zur Insel über Backbordbug. Die „Santa Barbara“ folgte in ihrem Kielwasser. „Hundert Yards!“ rief Dan O’Flynn. „Lotung?“ rief Hasard nach vorn. „Fünf Faden!“ Sie steuerten im schrägen Winkel auf die Insel zu, Hasard ließ wieder anbrassen, bis sie am Wind lagen und fast parallel zur Insel segelten, die ihnen ihre Westseite zeigte. „Viereinhalb - vier!“ „Geit die Fock auf, Leute!“ rief Hasard. „Wir gehen in den Wind. Ferris, ist der Anker klar?“ „Klar!“ tönte es zurück. Noch ein Ruderkommando, und die „Barcelona“ drehte ihren Bugspriet in den
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Wind, die Fock wurde aufgegeit, die Besanschot losgeworfen. „Dreieinhalb Faden!” rief Smoky. Hasard nickte zufrieden. Die Galeone verlor an Fahrt. Hasard trat ans Schanzkleid und starrte ins Wasser. Als die „Barcelona“ fast stand, rief er: „Fallen Anker - schmeiß weg, Ferris!“ Der Anker platschte ins Wasser und nahm die Ankertrosse mit, die durch die Steuerbordklüse auslief. Die „Barcelona“ begann achteraus zu sacken. Wenn der Anker nicht faßte, saßen sie in spätestens fünf Minuten auf Grund, denn der Wind trieb sie jetzt auf die Insel zu. Er faßte. Ein leichter Ruck lief durchs Schiff, es schwang etwas nach Backbord, dann nach Steuerbord. „Wie zeigt die Trosse, Ferris?“ „Schräg nach Steuerbord voraus. Sie kommt steif.“ „Steck noch mehr Trosse, damit wir den Anker nicht herausbrechen.“ „Aye, aye.“ Hasard blickte achteraus. Auch die „Santa Barbara“ war mit ihrem Ankermanöver beschäftigt. Sie lag etwa sechzig Yards hinter ihnen. Hasard peilte eine Klippe vor der Küste an und wartete, während Ferris Tucker noch mehr Ankertrosse steckte. Langsam wanderte die Klippe aus der Peilung, als die „Barcelona“ noch etwas achteraus sackte. Dann stand die Peilung. Die „Barcelona“ lag vor Anker. Hasard ließ eine Ankerwache aufziehen, schärfte ihr ein, regelmäßig die Peilurig zu kontrollieren und Land und See zu beobachten. „Und keiner rührt mir eine der Negerinnen an, ist das klar? Wer es dennoch tut, dem werde ich zeigen, von wo der Wind in die Hölle weht:“ Die Männer zogen die Köpfe ein. Da war wieder dieser Klang in der Stimme des blauäugigen Teufels - wie eine durch die Luft pfeifende Peitsche. Er stand am Ende des Achterdecks, die Hände auf die Querbalustrade gestützt, und zeigte seine weißschimmernden Zähne, Ferris Tucker stieg aufs Achterdeck.
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„Der Anker sitzt”, sagte er und blickte zur Insel auf ihrer Backbordseite hinüber. „Tut gut, mal wieder Land zu sehen. Und die Dons sind wir auch quitt. Diese Wanze weigerte sich. doch tatsächlich, den Frachtraum zu verlassen. Hast du noch bemerkt, wie er aussah?“ „Nein.“ Hasard lächelte. „Du hattest es ja so eilig, ihn außenbords zu befördern. Wieso, wie sah er denn aus?“ „Die müssen ihm ganz schön die Leviten gelesen haben, nachdem du es ihm besorgt hattest. Sie haben ihm die Augen dichtgeschlagen, ringsum war alles bunt wie bemalt. Und verschwollen.“ „Geschieht ihm recht. Hau dich aufs Ohr, Ferris. Du hast morgen am meisten von uns zu tun.“ „Und du?“ „Ich penn hier an Deck ein bißchen - mit dem einen Auge. Mit dem anderen paß ich auf, daß keinem gebratene Täubchen ins Maul flattern -gebraten und braunhäutig.“ „Hab ich mir gedacht“, sagte Ferris Tucker trocken und verschwand im Achterkastell. 11. Die Verblüffung war auf beiden Seiten gleich groß nur reagierten die Männer auf der „Barcelona“ und auf der „Santa Barbara“ schneller. Sie waren im Morgengrauen ankerauf gegangen und umsegelten die Südspitze von Flores genau in dem Moment, als sich eine Karacke wie eine träge Kuh aus der Bucht wälzte. Sie führte Fock-, Groß- und Besanmast, hatte aber erst das Lateinersegel am Besanmast und die Fock gesetzt. Am Großsegel murksten ein paar Leute herum und hörten prompt mit der Murkserei auf, als sie beiden Galeonen entdeckten, die mit rauschender Fahrt anrückten. „Ach du Scheiße“, sagte Ferris Tucker entgeistert. Und dann fügte er hinzu: „Nun sieh dir das an! Die freuen sich und winken.“ „Die denken, wir sind Spanier.“ Hasard stand auf der Backbordseite des
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Achterdecks und überlegte blitzschnell. „Wir greifen sie an, Ferris.“ Ferris Tucker blies die Backen auf. „Du kriegst wohl auch den Hals nicht voll genug.“ „Nicht für mich!“ stieß Hasard hervor. „Für die Neger, Mann! Mit dem Kasten können sie zurück nach Afrika und brauchen nicht hier auf der Insel zu bleiben.“ „Ach so.“ Ferris Tucker spuckte in die Hände. „Dann will ich mal unsere Kanönchen klarmachen.“ Er fegte wie ein Blitz auf die Kuhl und schrie die Männer an, die wie Wiesel losflitzten, Pulver und Kugeln holten und die Lunten vorbereiteten. Der Seewolf blickte nach Steuerbord hinüber, wo die „Santa Barbara“ querab von ihnen segelte. Ben Brighton hatte anscheinend aufgepaßt, was bei ihm, an Deck der „Barcelona“, vor sich ging, denn auch auf der „Santa Barbara“ arbeiteten die Männer an den Kanonen. „Sehr gut“, murmelte Hasard und schaute wieder zu der Karacke hinüber. Dort tat sich gar nichts. Die Karacke schaukelte vor sich hin, ihr Großsegel war immer noch nicht gesetzt, die Männer dort an Bord glotzten, und einige winkten wieder. Hasard winkte auch. Dann erschrak er. Die winkten, weil sie die Weiber gesehen hatten, die sich seit dem Ankeraufgehen bereits wieder in halbnackter Pracht auf dem Vorschiff in Positur gesetzt hatten und jetzt wie Sirenen auf die Männer Art drüben wirken mußten. Hasards Fluch war lästerlich. Dann peitschte seine Stimme über das Deck: „Batuti! Schick deine Gazellen unter die Back, bevor ein Unheil passiert, verdammt und zugenäht!’ Eine groteske Situation! Da wollten zwei Galeonen Ihrer Majestät der Königin von England - so formulierte es Hasard in seinem Geist - eine Karacke angreifen, und auf der einen Galeone turtelten siebzehn halbnackte, brüste- und hüftenwackelnde Negerinnen herum. Aber dann erkannte er, daß dies genau der Trick war. Die da drüben stierten sich die
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Augen aus den Höhlen und verschlangen die halbnackten Schönen, aber daß an Bord der beiden Galeonen die Messer gewetzt wurden, das entging ihnen dabei. „Batuti!“ rief Hasard. „Laß die Gazellen schön langsam verschwinden, nicht zu hastig, bitte sehr, und sie können - äh ruhig etwas mehr von - äh - dem zeigen, was sie von uns unterscheidet.“ Da hatte er mal wieder herrlich drumherumgeredet. Aber Batuti schien begriffen zu haben - und ebenso die Männer, wie er an ihrem Grinsen erkannte. Dieses dämliche Grinsen! Batuti sagte etwas, und die Schönen lächelten entzückend. Und Nuva ging graziös über die Kuhl auf ihn zu - auf ihn, o Himmel! Was für Brüste! Und Wobia! Und die anderen! Sie paradierten vor ihm, vor Philip Hasard Killigrew, dem Seewolf, dem Kapitän der „Barcelona“ und Befehlshaber eines Flottenverbandes von zwei gekaperten Galeonen. O Himmel, Arsch und Zwirn! Er schwitzte und fror und hätte diesen ganzen verdammten Kasten samt grinsenden Männern und wackelnden Negerinnen in Klump hauen können. Und diese schmelzenden Blicke! Die Wackelprozession zog unter ihm vorbei, rüber zur Steuerbordseite, voraus, entlang des Vorkastells, zur Backbordseite und wieder auf ihn zu. Immer reihum im Quadrat. „Fein?“ fragte Batuti. Nimm dich zusammen, .Philip Hasard Killigrew, ermahnte sich der Seewolf und zeigte ein wüstes Grinsen, vor dem selbst der Teufel Reißaus genommen hätte. „Hör zu, mein Junge“, sagte Hasard mit mühsam beherrschter Stimme. „Die Karacke dort drüben wird euer Schiff. Aber ihr müßt es stürmen. Wir helfen euch. Ich werde halsen, im Gegenkurs haarscharf mit meiner Steuerbordseite an der Karacke vorbeischeren - und das ist der Moment, in dem ihr entern müßt. Bis zu diesem Zeitpunkt stelle bitte deine Gazellen nebeneinander - front zu der Karacke - an der Steuerbordseite auf. Und da sollen sie zeigen, was sie haben, verstanden?“
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„Verdammich, verdammt und zugenäht! Jetzt verstanden. Und Karacke dann unser Schiff?“ „Jawohl, euer Schiff. Aber ihr müßt blitzschnell hinüberspringen, wie Raubkatzen. Sag das deinen Männern.“ Batuti fletschte die Zähne. „Wir alle kämpfen wie Löwen, Ssör.“ Er wandte sich um, sagte etwas zu den Gazellen und sprach mit den fünfzehn anderen Negern, die plötzlich mit den Augen zu rollen begannen und eifrig nickten. „Ferris!“ „Ja?“ „Du hast mitgehört, was ich Batuti sagte. In dem Moment, in dem sie entern, feuere eine Kanone ab, nur eine. Die Kugel wird über die Wasserlinie in den Rumpf der Karacke schlagen und wohl keinen Schaden anrichten, der nicht behoben werden kann. Aber mir geht’s um die Wirkung. Krach ist immer gut. Und dann verteil Waffen an die Schwarzen. Sie sollen sich bis zum Entern hinter dem Steuerbordschanzkleid verbergen -zu Füßen der Schönen. Wer entert von unseren Männern mit?“ „Alle“, sagte Ferris Tucker prompt. „Ach? Und wer bleibt dann auf diesem Kasten?“ „Du natürlich.“ „Natürlich. Und ich bediene die Segel und stehe gleichzeitig am Ruder, wie?“ Ferris Tucker kratzte sich am Kopf. Hasard sagte: „Dan O’Flynn, Smoky und der Kutscher bleiben hier an Bord, aus, vorbei. Wir haben nicht mehr viel Zeit, die Karacke liegt schon hinter uns. Wahrscheinlich denken die, hier seien Verrückte an Bord. Wenn ihr die Karacke im Griff habt, steuern wir in die Bucht und gehen dort vor Anker.“ „Aye, aye. Und Ben?“ Hasard nickte. „Der kriegt jetzt Bescheid.“ Er trat zur Steuerbordseite hinüber und winkte. Ben Brighton zeigte klar und drehte die „Santa Barbara“ heran. „Ben!“ rief Hasard hinüber. „Wir halsen und gehen auf Gegenkurs. Ich werde mit
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der ‚Barcelona’ an der Steuerbordseite der Karacke vorbeischeren und entern. Die Karacke kapern wir für die Neger. Mit ihr können sie zurück nach Afrika segeln. Sag das deinen Schwarzen. Versuche zur selben Zeit, an der Backbordseite der Karacke vorbeizuscheren und zu entern. Dann haben wir sie in der Zange. Unser Überraschungstrick: Vor dem Entern werden unsere siebzehn Schönen auf der Steuerbordseite ihre Reize zur Schau stellen. Die Kerle auf der Karacke werden sich kaum um euch kümmern, wenn ihr euch heranpirscht. Dann laufen wir in die Bucht ein und ankern dort. Alles klar?“ „Verstanden!“ rief Ben Brighton und grinste über das ganze Gesicht. Und schon knallten seine Befehle über das Deck der „Santa Barbara“. Hasard blickte zurück. Die Karacke lag Backbord achteraus - noch immer nur unter der Fock und dem dreieckigen Lateinersegel. Eilig hatten die es überhaupt nicht. Wahrscheinlich palaverten sie jetzt über diese verrückte Galeone, auf der halbnackte Weiber mit ihren Busen wippten. Und der Capitan hatte alle Hände voll zu tun, seine Leute wieder an die Arbeit zu scheuchen. „Soll ich weiter Kurs halten?“ fragte Blacky. Ach du liebe Zeit, Blacky hätte er fast vergessen. „Du bleibst natürlich am Ruder, Blacky“, sagte Hasard, „ja, halte noch Kurs.“ „Ich entere nicht mit?“ fragte Blacky empört. „Nein.“ Das klang endgültig und ziemlich scharf. „Ist gut“, sagte Blacky und seufzte. „Was gibt’s da zu seufzen? Ihr wollte wohl alle vor den Augen dieser-dieser schwarzen Hexen den Helden spielen, was?“ „Klar“, sagte Blacky, schielte auf den Kompaß und hoch zu den Segeln. Dieses „klar“ klang so, als sei Blacky restlos davon überzeugt, ein zukünftiger Held zu sein. Und daraus wiederum ersah Hasard, daß es höchste Zeit wurde, seine Männer von dem täglichen Alpdruck
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halbnackter, -wohlgerundeter Weiber zu befreien. Daß sie mit den Negern zusammen diese miese Karacke kapern würden, stand außer Zweifel. Sie würden wie die Teufel über das Schiff herfallen. Die Schwarzen, weil ihnen die Chance geboten wurde, mit dieser Karacke ihre wirkliche Freiheit zurückzuerobern. Und seine Männer? Die kämpften wegen dieser lausigen Gazellen, die ihnen allen den Kopf verdreht hatten. Wahrscheinlich bildeten sie sich ein, dies sei der einzige Weg ins Himmelreich weicher. Frauenarme und anschmiegsamer Körper. „Idioten“, sagte Hasard laut und deutlich. „Aye, aye, Sir“, sagte Blacky. „Klar zur Halse!“ schrie Hasard und Blacky fuhr er am „Fall ab, du Held!“ Blacky legte Ruder. Die „Barcelona“ drehte an, schwenkte den Bugspriet herum und ging in einem feingezirkelten Halbkreis auf Gegenkurs. „Recht so“, sagte Hasard zu Blacky und peilte über den Bugspriet die Karacke an, die ihnen jetzt entgegensegelte. „Halte diesen Kurs.“ „Aye, aye, Sir.“ „Spar dir dies verdammte ,Sir’“, fauchte Hasard. „Aye, aye.“ Hasard warf Blacky einen kurzen Blick zu. Natürlich, der grinste schon wieder. Und noch blöder als je zuvor. „Diese Weiber“, sagte Hasard so eklig und biestig, wie er nur sein konnte, „habt ihr in spätestens einer halben Stunde das letztemal gesehen, und zwar dann an Bord der verdammten Karacke, mit der sie an der östlichen Kimm verschwinden werden. Auf Nimmerwiedersehen, mein lieber Blacky. Bitte geh um einen Viertelstrich nach Backbord, sonst steuern wir Kollisionskurs. Ja, recht so.“ Hasard warf einen kurzen Blick nach Steuerbord. Auch die „Santa Barbara“ hatte gehalst und lag auf Kurs, hing aber zurück. Sie hatten jetzt achterlichen Wind. Hasard ließ das Großsegel wegnehmen, um langsamer zu werden. Die „Santa Barbara“
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mußte aufholen, um dann mit ihnen gleichzeitig an der Karacke zu sein. Hasard beobachtete sie. Ja, sie kam langsam auf, als die „Barcelona“ die Fahrt verringerte. Die siebzehn Schönen standen längst an der Steuerbordseite aufgereiht und hatten ihre Busen gewissermaßen aufs Schanzkleid gelegt. Der Seewolf - auch an der Steuerbordseite des Achterdecks -peilte über die Rundungen, die sich da vor ihm in fleischerner Phalanx präsentierten. Es war ein unerhörter Anblick. Und zum erstenmal nach allen diesen verwirrenden Ereignissen seit dem Ankeraufgehen dieses Tages begann er zu lächeln, und daraus wurde ein schallendes Lachen, befreiend wie eine Fanfare zum Beginn der Schlacht. Ferris Tucker stand mit seiner riesigen Gestalt geduckt in der Deckung des Vorkastells. Er hatte einen ähnlichen, nur entgegengesetzten Blickwinkel über die Busenphalanx. Als die schmetternde Fanfare über das Deck fegte, zuckte er erst zusammen, dann begriff er, warum dieser schwarzhaarige Teufel dort auf dem Achterdeck Tränen lachte, und röhrte mit seinem Baß los. So rauschten die beiden Galeonen der Karacke entgegen. Ben Brightons Männer feixten herüber und genossen den Anblick, den ihnen die Breitseite der „Barcelona“ bot - ein letztes heiteres Bild vor einem grimmigen Kampf, dessen Bild von aufeinander klirrenden Klingen, wirbelnden Enterbeilen, krachenden Schüssen und wildem Gebrüll bestimmt sein würde. Hasard schnappte nach Luft und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ist der Kurs recht so?“ fragte Blacky unruhig. Von seinem Standort am Kolderstock der Galeone konnte er zwar den Stand der Segel sehen, aber das Vorkastell verbaute ihm die direkte Sicht voraus. „Ausgezeichnet, Blacky“, erwiderte der Seewolf. Er lehnte sich weiter über die Steuerbordseite. Nach seiner Schätzung
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würden die „Barcelona“ und die Karacke einander in einem Abstand von knapp zwei Fuß passieren. „Holt die Rahen längsschiffs, Männer“, befahl er. Er hatte keine Lust, sich mit den Spieren der „Barcelona“ in der Takelage der Karacke zu verhaken. Mit einem kurzen Blick hinüber zur „Santa Barbara“ sah er, daß Ben Brighton das gleiche befohlen hatte. Ben war umsichtig und aufmerksam. Hasard nickte zufrieden. Die Karacke schien zu stehen, aber das täuschte, denn der Abstand zwischen ihr und den beiden Galeonen schmolz zusehends zusammen. Noch etwa hundert Yards. Ferris Tucker hatte bereits eine glimmende Lunte in der Hand. Die Neger und seine Männer kauerten eng ans Schanzkleid gepreßt, vor ihren Nasen schlanke, samthäutige Beine und wohlgerundete Schenkel. Hasard sah, wie Matt Davies einer Schönen In den Hintern kniff -dieser Lustmolch! „Matt! Verdammich, halt deine Finger ruhig!“ „Aye, aye, Sir.“ Die Linke verschwand wieder, Matts Gesicht war rot wie eine Tomate. Die Schöne kicherte. Noch fünfzig Yards. Auf der Karacke war Zustand. Ihre Steuerbordseite war mit langgereckten Hälsen geziert, Männerstimmen grölten herüber, Arme wurden geschwenkt. Auf dem Achterdeck tanzte ein einzelner Mann herum und raufte sich die Haare, wohl der Capitan. Zwanzig Yards. „Aufgepaßt, Männer!“ rief der Seewolf. Ja, sie lauerten sprungbereit, die Waffen in den Fäusten, Messer quer zwischen den Zähnen. Zugleich mit der „Barcelona“ passierte der Bugspriet der „Santa Barbara“ den Bug der Karacke. „Ferris! Feuer!” Sekunden später krachte die Kanone auf der vorderen Kuhl Holz zersplitterte, Pulverdampf waberte hoch.
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„Vorwärts, Männer der ‚Barcelona’!“ brüllte der Seewolf, Eine Woge schwarzer Leiber, gemischt mit den halbnackten Körpern der Weißen, schnellte hoch, brandete über das Schanzkleid und überflutete im wilden Ansprung das Schanzkleid der Karacke. Ein ohrenbetäubender Lärm donnerte über die Decks, Drüben enterten Ben Brightons Männer und fielen über die Spanier her. Im Vorbeirauschen sah Hasard verzerrte Gesichter mit entsetzt aufgerissenen Augen, Todesschreie gellten über das Deck der Karacke, Männer brachen zusammen. Batuti stieß einem Spanier das Messer in den Leib. Zwei Spanier flogen von den riesigen Fäusten des Schiffszimmermanns gepackt außenbords zwischen die Schiffswände. Schüsse krachten - die Metzelei war im vollen Gange. Vorbei! Sie passierten das Heck, glatt, elegant, und drüben, nur getrennt durch die Breite der Karacke, erschien die „Santa Barbara“. „Mann! Ist das ein Ding!“ schrie Ben Brighton begeistert. „Sollen wir noch einmal zurückdrehen?“ „Nein, Ben. Sie schaffen es. Wir steuern die Bucht an. Wenn Ferris klar Deck hat, folgt er uns.“ „Aye, aye. Deine Schönen sind hinreißend!“ Die Schönen! Hasard hatte sie fast vergessen. „Wollt ihr wohl dort weg, ihr Hexen!“ fuhr er sie an. Sie standen immer noch auf der Steuerbordseite. Nuva löste sich, glitt geschmeidig über die Kuhl ans Achterdeck und schaute zu ihm hoch. „Du -Mann, du“, sagte sie guttural, „schöner Mann, tapfer ...“ Auch das noch, dachte Hasard. Bleib mir ja vom Leib, du Hexe. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und ächzte. „Smoky! Verdammt, schaff mir die Weiber vom Hals. Ich muß mich darum kümmern, wie wir in die Bucht kommen, verstehst du?“
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„Klar, aber ich kann doch auch nicht diese Batuti-Sprache.“ Hasard fluchte. „Mir egal, Mann, schaff sie nach vorn, die machen mich hier ganz nervös.“ „Mich auch“, sagte Smoky, grinste, klopfte Nuva zärtlich aufs Hinterteil und gurrte wie ein Täuberich. „Bitte schön, du schwarze Hexe, dorthin, nach vorn, wie haben hier zu tun, verstehst du das, meine Süße? Schiff dort in die Bucht bringen. Jetzt keine Zeit, verdammt und zugenäht. Na, komm schon!“ Er schob Nuva zum Vorschiff, und Hasard stellte grimmig fest, daß er ein bißchen zuviel an Nuva herumfummelte. Aber sie folgte ihm willig und warf neckende Blicke zurück zu Hasard. Oh, dieses verdammte Luder. Gottlob schlossen sich ihr die anderen Gazellen an. Und Donegal Daniel O’Flynn feixte über das ganze sommersprossige, freche Gesicht mit der Stupsnase. Er hatte die Hände in den Taschen, flötete und schaukelte dabei auf den Fußballen. „Hast du nichts zu tun?“ fuhr ihn Hasard an. „Noch nicht“, sagte das Bürschchen, „aber sicherlich hast du gleich was für mich zu tun, eh?“ „Eh! Eh! Mach das Lot klar, verstanden? Kutscher! Sieh zu, daß das Ankergeschirr irr klariert. wird. Steht nicht herum, Bewegung! Bewegung!“ Die beiden trollten sich - und natürlich waren dort, wo sie jetzt zu tun hatten, wieder diese verdammten Weiber. Es war zum Auswachsen. „Frage Kurs?“ Blacky meldete sich wieder. Hasard schaute nach vorn. Sie segelten auf die Bucht zu, die sich weit vor ihnen öffnete. Links, an Backbord, schwang die Südspitze wie eine Sichel in die See und schirmte die Bucht ab. Hasard konnte Sandstrand erkennen, dahinter stiegen Schroffen hoch, bewaldet und von herrlichem Grün. Zwischen den Bäumen ganz rechts weit hinter dem Strand entdeckte Hasard ein paar Hütten. Er blickte zurück zur Karacke. Ja, der Kampf war beendet. Die Karacke drehte
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bereits schon ab, um ihnen zu folgen. Die Hütten! Hasard kaute auf der Unterlippe. Feindliche Inselbewohner oder nicht? Man würde sehen. Er ließ die Segel aufgegeit, bis auf das Lateinersegel. Es reichte, um mit genügender Fahrt in die Bucht zu laufen. Zehn Minuten später hatte Smoky den Anker geworfen. Sie lagen etwa vierzig Yards vom Strand entfernt. Vogelstimmen lärmten vom Land herüber. Ein stiller Frieden lag über der Bucht. Oder täuschte die Ruhe? Neben ihnen ankerte die „Santa Barbara“. Dann lief die Karacke ein und warf den Anker. Hasard rieb sieh die Hände. „Smoky, Dan! Setzt das Boot. aus und bringt die Gazellen auf die Karacke hinüber.“ „Aye, aye.“ Aber sehr zügig arbeiteten die beiden nicht gerade, und sehr begeistert sahen sie auch nicht aus. Hasard grinste spöttisch. „Blacky, Kutscher! Helft den beiden, sonst brechen sie noch zusammen!“ „Aye, aye.“ Auch auf der „Santa Barbara“ wurde ein Boot ausgesetzt und ebenfalls auf der Karacke. Hasard verschwand im Achterkastell, als die Gazellen schnatternd von Bord stiegen. Er hatte genug von allen Nuvas und Wobias und wie sie heißen mochten. Als auf dem Deck wieder Ruhe herrschte, ging er auf die Kuhl. Immerhin, winkten konnte er ja. Und die Gazellen winkten zurück. Ferris Tucker und zwei seiner Männer pullten mit Batuti längsseits und enterten. Batuti sprang als erster an Deck, voller Blutspuren, aber selbst unverletzt. Hasard blickte ihn verwundert an. Batuti scharrte mit den nackten Füßen, wand sich vor Verlegenheit und schaute hilfesuchend zu Ferris Tucker, der jetzt an Deck sprang. „Der Herkules will bei uns an Bord bleiben“, sagte Ferris Tucker¬ und grinste fröhlich. „Was denn, bei uns? Er will nicht zurück nach Afrika?“
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„Nein, Ssör, bitte. Batuti hei dir bleiben, du guter Mann, bitte. Mit dir segeln, Ssör, immer, bis Ende der Welt, ja?“ Hasard war platt und starrte den Riesen verblüfft an. „Ein Mann mehr zur Verstärkung unserer Besatzung wäre nicht schlecht“, sagte Ferris Tucker, „und dieser Herkules ist nicht von schlechten Eltern, Hasard.“ „In Ordnung“, sagte der Seewolf. „Er bleibt bei uns.“ Batuti hätte ihn fast umgerissen vor Freude. * Der Strand hatte eine hölzerne Anlegestelle — und dort lagerten Kisten mit Musketen, Pistolen, Piken, Pulver, Kugeln,
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Werkzeugen, zehn Weinfässer und vier Fünfpfünderkanonen. Mit fünf Weinfässern an Bord zog die Karacke ostwärts davon und verschwand hinter der Kimm — und mit ihr einunddreißig Neger und siebzehn samthäutige Schönen. Die Bucht hieß Punta Lagens, und die Karacke hatte Waffen, Wein und Werkzeuge dort ausgeladen — und dreißig spanische Soldaten, wie sie von einem Inselbewohner erfuhren. Sie sollten auf dem Morro Grande, dem höchsten Gipfel der Insel, eine Beobachtungsstation errichten. Und noch während Ferris Tucker am Strand eine vierzig Fuß lange, schlanke Pinie zum Fockmast herrichtete, wußte Hasard, daß es Kampf mit den Spaniern geben würde....
ENDE