BAD EARTH
Die große Science-Fiction-Saga
SCHATTEN ÜBER CRYSRAL von Alfred Bekker Das Jahr 2252 ist eine düstere Zeit...
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BAD EARTH
Die große Science-Fiction-Saga
SCHATTEN ÜBER CRYSRAL von Alfred Bekker Das Jahr 2252 ist eine düstere Zeit, in der die Menschen Erinjij - »Geißel der Galaxis« genannt werden und sich hemmungslos über den Orion-Arm der Milchstraße ausbreiten. Dabei annektieren sie auch Welten, die bereits von anderen intelligenten Geschöpfen bewohnt sind oder in Besitz genommen wurden. Die irdischen Astronauten John Cloud und Scobee hat es aus dem Jahr 2041 in diese Zukunft verschlagen - im Zuge einer von den Keelon initiierten Invasion der Erde und des gesamten Solaren Systems. Seither regieren die Keelon- Master auf der fremd gewordenen, hinter einem Schattenschirm verborgenen Erde - und bedrohen den Frieden der ganzen bekannten Galaxis. Widerstand leistet die Allianz CLARON - ein Bündnis aus sechs Hauptvölkern, die allesamt organischer Natur sind. Ihnen gegenüber stehen neben den Erinjij die Jay'nac, anorganische Intelligenzen, die inzwischen als Kriegstreiber entlarvt sind... und die offenbar beabsichtigen, CLARON mit geklonten Kopien seiner Anführer zu unterwandern. Cy, der Aurige, und Algorian, der Aorii, haben das Komplott der Jay'nac aufgedeckt und CLARON warnen können. Doch es ist abzusehen, dass die Anorganischen sich dadurch nicht von ihren dunklen Zielen abbringen lassen. Und tatsächlich fällt eines Tages ein erster Schatten über Crysral, die Zentralwelt der Allianz. Es kommt zu Ereignissen, der den von den Jay'nac offenbar begrüßten »Großen Krieg« auslösen könnten... Erinjij Sinngemäß »Geißel der Galaxis«- Bezeichnung, welche die Milchstraßenvölker den rücksichtslos expandierenden Menschen verliehen haben. Die galaktische Position der Erde ist den Außerirdischen dabei bislang unbekannt- mit einer Ausnahme: Der Keelon Darnok kennt die Koordinaten und ermöglichte Cloud und Scobee so erst die Heimkehr ins Sonnensystem. Die Erinjij beherrschen als einzige bekannte Spezies die so genannte »Wurmlochtechnik«. Über das künstlich erschaffene Jupiter-Tor gelangen sie zu in der Nähe von Wurmlöchern gelegenen Außen-Basen, von wo aus sie ihre aggressiven Eroberungsfeldzüge koordinieren. CLARON Eine Allianz von sechs raumfahrenden, organischen Völkern. Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der alliierten Rassen zusammen - Ceyniden, Laschkanen, Aorii, Rogh, Ovoaner, Neeg. Der Zentralplanet CLARONs heißt Crysral. Crysral Der Zentralplanet der Allianz CLARON. Er kreist um einen weißen Zwerg, der kaum Wärme spendet. Entsprechend ist auf Crysrals Oberfläche kein Leben möglich. Doch der Planet ist von riesigen künstlichen Höhlen durchzogen. jedes Mitgliedsvolk von CLARON verfügt über ein eigenes Habitat, in dem die Umweltbedingungen des Heimatplaneten herrschen. Jay'nac Die mächtigste Rasse der anorganischen Zivilisationen und zugleich deren Sprecher. Algorian Ein so genannter "Zweitling" aus dem Volk der Aorii. Die Aorii kommen immer als Zwillinge zur Welt, wobei der "Erstling" fast die doppelte Masse seiner "Nachgeburt" aufweist. Viele Erstlinge sind mächtige Telepathen, Psi-Sucher. Die Zweitlinge gelten bei den Aorii als minderwertig und haben meistens eine rein dienende Funktion Algorians Erstling, Rofasch, kam durch ein Komplott der anorganischen jay'nac auf deren Hauptwelt Nar'gog ums Leben. Trotz mangelnder Akzeptanz bei seiner eigenen Rasse ist Algorian bei CLARON wegen seines Anteils am Auffinden von Cy hoch angesehen.
Cy Das Pflanzenwesen von der Spore Auri ist der Letzte seiner Art. In sich transportierte er die Be wusstseinskopien der sechs Regenten von CLARON, die mit den Jay'nac verhandeln sollten. Doch die Anorganischen begingen Verrat und entrissen ihm die Kopien. Der Aorii Algorian betrachtet sich als Cys Beschützer und Freund. Die Keelon Bei den Keelon handelt es sich um eine zeitreisende Rasse, die vom Planeten Roogal stammt. Dieses Volk von friedlichen Forschern wurde nur scheinbar von den Erinjij ausgelöscht. In Wahrheit rekrutieren sich die Master aus ihnen. Ein unruhiges Zittern erfasste Kerrghs grazilen Körper. Es war eine Reaktion der Nerven, die höchste emotionale Erregung signalisierte. Allzu lange hatte Kerrgh Fassung bewahren und den wahren Zustand seiner Seele verschleiern müssen. Er war schließlich der Erste der Rogh. Der oberste Repräsentant eines der sechs galaktischen Völker, die sich in der Allianz CLARON zusammengeschlossen hatten. Die Rogh waren von ausgesprochen filigraner, zartgliedriger Gestalt mit großen, beinahe durchsichtigen Flügeln. Die Erinjij verglichen sie mit kleinen, harmlosen Tierchen ihres Heimatplaneten - mit Schmetterlingen. Doch trotz der Tatsache, dass sie auf Angehörige anderer Spezies sehr zerbrechlich wirkten, wussten sich die Rogh durchaus ihrer Haut zu wehren und verfügten über eine Flotte von bewaffneten, zylinderförmigen Raumschiffen. Einen mehrere Dutzend Lichtjahre durchmessenden Raumsektor um die Heimatwelt Farsal herum hatten sie unter ihrer Kontrolle. Stützpunkte und Kolonien befanden sich auf einer ganzen Reihe von Planeten. Aber das Volk der Rogh stand jetzt an einem Wendepunkt in seiner Entwicklung. Genau wie die gesamte Allianz CLARON. Die Krise stand unmittelbar bevor. Kerrgh spürte es mit jeder Faser seines zerbrechlich wirkenden Körpers. Auch wenn viele in seinem Volk sich vor dieser Erkenntnis noch drückten - es half nichts, die Augen vor dem Unvermeidlichen zu verschließen. Kerrgh stieß ein paar Töne im Hochfrequenz-Bereich aus, die nicht einmal das feine Gehör eines Rogh noch wahrzunehmen vermochte. Allerdings hatten diese unhörbaren Laute eine beruhigende Wirkung auf die Psyche. Sie waren Teil eines Rituals der Arrlagh-Meditationsschule. Es war üblich, dass die geistige und politische Elite von Farsal bei Arrlagh-Lehrern die Kunst der Selbst beherrschung gelernt hatte. Mit Hilfe bestimmter Übungen und Rituale sollte unter höchster psychischer oder physischer Belastung ein Zustand des Gleichgewichts erreicht werden. Ein Nebeneffekt war die weitgehende Beherrschung äußerlich sichtbarer Anzeichen emotionaler Regungen. Die Veränderungen der Flügelfärbung gehörten dazu. Kerrgh trat an die von innen durchsichtige Wand seiner Residenz. Seine langen, sehr dünnen BeinExtremitäten verliehen ihm dabei ein erstaunliches Maß an Stabilität. Die Residenz des Ersten der Rogh lag hoch über As-Farsal. »Perle von Farsal« - so könnte man diesen Namen übersetzen. As-Farsal war die größte und bedeutendste Stadt auf der Heimatwelt der Rogh. Die kokonartigen Gebäude waren nahezu perfekt an die natürliche Umgebung angepasst. Der einzige Kontinent Farsals war zum Großteil mit dichtem Dschungel bedeckt. Die Luftfeuchtigkeit war enorm, und der hohe Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre sorgte für einen beträchtlichen Treibhauseffekt. Die Vegetation neigte unter diesen Bedingungen zu Riesenwuchs. Bäume von bis zu dreihundert Metern Höhe waren durchaus keine Seltenheit. Die kokonartigen Gebäude der Rogh hingen wie reife Früchte von den gewaltigen Ästen dieser aus extrem hartem Holz bestehenden Bäume. Manche von ihnen konnten bis zu zwanzigtausend Umkreisungen der Sonne alt werden, die wie ein verwaschener Lichtfleck durch die Wolken hindurchleuchtete.
Ka-La-Farsal wurde sie in der Sprache der Rogh genannt. Das große Licht von Farsal. Im Gegensatz dazu gab es in der Nacht die kleinen Lichter von Farsal. So bezeichneten die Rogh sowohl die drei bei Nacht sichtbaren Monde ihres Heimatplaneten als auch den Nachbarplaneten Tasaragh, der von Farsal aus wie eine gewaltige tiefblau leuchtende Scheibe wirkte. Außer den Nachtmonden besaß Farsal auch noch drei Trabanten, die vom Tageslicht überstrahlt wurden und daher unsichtbar waren. Sämtliche Planeten und Monde des Heimatsystems der Rogh wurden durch röhrenartige Konstrukte miteinander verbunden. Die sechs Monde umliefen Farsal deshalb in geostationären Bahnen, die die Rogh vor langer Zeit mit großem technischem Aufwand synchronisiert hatten. Die Umlaufgeschwindigkeit der anderen Planeten des Systems war ebenfalls an Farsals Umlauf um seine Sonne angeglichen worden. Gemeinsam umkreisten sie ihr Zentralgestirn Ka-La-Farsal. Die Verbindungen zu den Trabanten und Nachbarwelten waren nicht fest verankert. Die röhrenartigen, aus einem überraschend dünnen, karbonartigen Material bestehenden Bauwerke waren durch ein Energiefeld mit der Planetenoberfläche verbunden. Durch Eigenrotation wanderten sie und erschienen Tag für Tag zur gleichen Uhrzeit wieder exakt am selben Ort. Durch diese Verbindungen verkehrte eine Art interplanetarer Rohrpost. Es gab Fracht- und Personenkabinen, die unablässig zwischen den einzelnen Welten hin und her pendelten. Yrgadh nannten die Rogh diesen Weltenverbund. Ein Begriff, den bisher niemand wirklich zufrieden stellend in eine der anderen Allianz-Sprachen hatte übersetzen können. Er bedeutete gleichermaßen so etwas wie System, Verbund, aber auch Heimat oder vertrauter Kokon - und noch etwas ganz anderes, was sich Nicht-Rogh nicht einmal vorzustellen vermochten. Kerrgh ließ den Blick über die Stadt schweifen. Seine Residenz hing am höchsten Ast eines besonders großen Urwaldriesen. Gut sechshundert Meter ragte dieser fast hundert Meter durchmessende Stamm empor und war damit selbst für farsalische Verhältnisse von außergewöhnlicher Größe. Nirgends in As-Farsal gab es einen Punkt, von dem aus man eine bessere Sicht über die gesamte Stadt gehabt hätte. Ein Rascheln erfüllte die Luft. Sensoren übertrugen dieses Geräusch ins Innere der Residenz. Der Erste der Rogh wollte es so. Es beruhigte ihn zusätzlich. Ist es nicht paradox?, überlegte er. Einerseits möchte ich allein sein, um durch die Rituale der Arrlagh-Meditation neue Kraft für die vor mir liegenden Aufgaben und Prüfungen zu schöpfen andererseits hole ich mir per Sensorschaltung »das Rascheln« in meine Einsamkeit. Das Rascheln wurde einerseits durch die Blätter verursacht, die der leichte Nordwest-Wind bewegte. Andererseits gab es Hunderttausende von Rogh-Flügeln, die diesem Rascheln eine spezielle Note hinzufügten. Es wimmelte nur so von schmetterlingshaften Rogh, die von einem Gebäude zum anderen flogen. Das Rascheln war für einen Rogh nicht einfach irgendein Geräusch. Schon gar nicht für Anhänger der Arrlagh-Meditationsschule. Das Rascheln hatte eine spirituelle Bedeutung. Es versicherte einem Rogh die Anwesenheit seiner Artgenossen und vermittelte dadurch ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Rogh, die auf einsamen Stützpunkten, draußen im All ihren Dienst tun mussten und nur Kontakt zu einer Handvoll Crewmitglieder hatten, ließen sich das Rascheln per Hyperfunk übertragen. Tonträgeraufzeichnungen kamen dafür nicht in Frage. Um das richtige Gefühl zu erzeugen, musste das Rascheln live aus einer der Städte auf Farsal übertragen werden. Notfalls taten es auch Sendungen von anderen Welten, die zum Weitenverbund des Yrgadh gehörten. Kerrgh blickte nach Westen. Ein Gebilde, das zunächst wie ein gewaltiger Strich aussah, den jemand in den Himmel hineingemalt hatte, näherte sich und wurde rasch größer. Die Verbindung nach Tasaragh, erkannte Kerrgh sofort. Pünktlich wie stets. Das Energiefeld, das die interplanetare Röhrenverbindung an die Oberfläche Farsals band, ließ die Vegetation am Boden vollkommen unbeschadet. Es strich über die Oberfläche
wie ein heftiger Wind. In den Wanderschneisen der interplanetaren Fahrstühle befanden sich selbstverständlich keine Siedlungen. Kerrgh beobachtete, wie der Fahrstuhl nach Tasaragh sich immer weiter näherte. In der Umgebung stiegen mit Antigravaggregaten ausgestattete Gleiterkabinen empor und verschwanden nach und nach in der Öffnung des Fahrstuhls. Aus derselben Öffnung kamen im Gegenzug Dutzende von Kabinen ins Freie und landeten nach kurzem Flug in der Umgebung. Wir sind ein Teil der Natur geblieben, trotz all des technischen Fortschritts, den wir erreicht haben!, ging es Kerrgh durch den vergleichsweise winzigen Kopf, der auch keineswegs seine gesamte Gehirnmasse beherbergte. Aber nun steht unsere Zivilisation am Scheideweg... Die Rogh hatten sich der Allianz CLARON angeschlossen, um Schutz vor den aggressiven Erinjij zu erhalten, jenen vollkommen rücksichtslosen Eroberern, die sich ein Planetensystem nach dem anderen einverleibten. Ihre Eroberungsgier schien dabei keine Grenze zu kennen. Kein noch so geschickter diplomatischer Schachzug konnte sie stoppen. Außerdem waren sie die Einzigen, die bislang die Wurmloch-Passage von Raumschiffen beherrschten. Diese Technologie brachte sie gegenüber allen anderen bekannten organischen Lebensformen in Vorteil. Zwar waren die Erinjij dadurch nicht schneller als zum Beispiel die Rogh-Raumer, doch es war auch nicht möglich, sie zu verfolgen und die Koordinaten ihres Heimatsystems zu erfahren. Bislang war es der Allianz nicht gelungen, die Technik der Wurmloch-Passage zu kopieren oder wenigstens eines der Erinjij-Schiffe in ihre Hände zu bekommen. Lieber vernichteten sich die skrupellosen Eroberer selbst, bevor sie es zuließen, dass ihre Technik in die Hände ihrer Gegner geriet. Gut dreißig Farsal-Jahre lang suchte diese Pest nun schon das Universum heim. Und die Vorstöße der Erinjij wurden immer dreister. Einen Planeten nach dem anderen verleibten sich die unersättlichen zweibeinigen Eroberer ein, und es schien niemanden zu geben, der willens oder in der Lage war, ihnen Einhalt zu gebieten. Seit einiger Zeit existierte etwa zwanzig Lichtjahre von Farsal entfernt eine Wurmloch-Passage der Erinjij, durch die bereits große Truppenverbände geschleust worden waren. Lange Zeit war die Gefahr durch die Erinjij für die meisten Rogh etwas Abstraktes gewesen. Ein weit entfernter Schatten, der sich nur langsam näherte und dessen Existenz sich zwischenzeitlich immer wieder aus dem Bewusstsein drängen ließ. Aber diese Zeiten waren vorbei. Die Gefahr manifestierte sich jetzt in unmittelbarer Nähe jener Zone, die die Rogh als ihr Einflussgebiet definiert hatten. Mehrere Planetensysteme hatten die Eroberer bereits an sich gerissen. Jegliche Proteste und diplomatische Annäherungsversuche waren ungehört verhallt. Die Erinjij setzten ihre Eroberungspläne ohne den Hauch irgendeiner Rücksicht in die Tat um. Sie waren davon überzeugt, dass sie ihren Gegnern überlegen waren und niemanden zu fürchten brauchten. Es gab vereinzelt Stimmen in der Allianz, die sich für ein entschiedenes militärisches Auftreten gegenüber den Erinjij aussprachen. Auch im Rat der Rogh waren solche Stimmen inzwischen laut geworden. Aber sie waren weit davon entfernt, die Mehrheitsmeinung zu repräsentieren. Die Rogh waren ein Volk, das Gewalt in jedweder Form zutiefst verabscheute. Die militärischen Kräfte waren weitgehend defensiv ausgerichtet und für machtpolitische Muskelspiele nur bedingt geeignet. Der Rat belügt sich selbst, dachte Kerrgh und seine Fühler bewegten sich dabei leicht. Die Tatsache, dass die Erinjij bislang lediglich Planeten besetzt haben, auf denen es keine RoghSiedlungen gibt, sollte uns nicht in trügerischer Sicherheit wiegen... Das Interkomsystem meldete sich mit einem Summton. »Der Erste der Rogh ist in seiner heiligen Zeit ansprechbar«, sagte Kerrgh und sprach damit eine rituelle Formel aus, die gleichzeitig das Interkom aktivierte. Heilige Zeit war die Rogh-Bezeichnung für Zeitspannen, die nicht von Arbeit oder Schlaf erfüllt waren. Zeiten, die, nach allgemein unter den Rogh verbreiteten Ansicht, der mentalen Regeneration und der Meditation gewidmet werden sollten. Jemanden während seiner heiligen Zeit anzusprechen
oder gar mit einem dienstlichen oder geschäftlichen Anliegen zu belästigen, wurde normalerweise
als Sakrileg angesehen.
In der Position des ersten Rogh konnte man das Privileg einer unantastbaren heiligen Zeit natürlich
nur eingeschränkt in Anspruch nehmen. Schließlich musste Kerrgh im Ernstfall jederzeit erreichbar
sein. Mochte sich das auch noch so sehr mit den Traditionen sämtlicher Rogh-Meditationsschulen
beißen.
Aber diesen Besucher hatte Kerrgh erwartet.
»Hier spricht Shatragh, dein Meister, der dir den Weg in die Harmonie deiner Heiligen Zeit zeigen
wird«, kam die ebenfalls formelhafte Erwiderung über den Interkomlautsprecher.
»Tritt ein, Meister Shatragh!«, forderte Kerrgh sein Gegenüber auf.
Eine Schiebetür öffnete sich. Dahinter lag ein röhrenartiger Gang.
Ein Rogh schwebte herein. Er trug das traditionelle Purpur-Gewand der Arrlagh-Meditationsschule.
Er war gekommen, um mit Kerrgh einige der Meditationsübungen der Arrlagh-Schule
durchzuführen.
Die Flügelmembrane des Meisters hatte ein verwaschenes Muster aus ineinander laufenden
Pastelltönen angenommen. Das äußere Zeichen innerer Harmonie und Ausgeglichenheit.
Und Kontrolle, überlegte Kerrgh.
Denn um die Kontrolle seines Selbst ging es letztlich in den Lehren sämtlicher Rogh-
Meditationsschulen. Das Ziel war die absolute Selbstbeherrschung in Harmonie mit der Umgebung.
Die nahezu perfekt ihrer Umwelt angepassten Siedlungen und Städte der Rogh waren wie ein
Spiegelbild dieses Ideals.
Meister Shatragh ließ sich auf dem Boden nieder. Die aus hauchdünner Membran bestehenden
Flügel stellten ihre Bewegungen ein und wurden leicht nach hinten geklappt. Die Bewegungen, mit
denen Meister Shatragh sich auf seinen Gastgeber zubewegte, waren federnd.
Der Purpurgekleidete neigte Kopf und Fühler. »Sei gegrüßt, Erster unter den Rogh.«
»Ich grüße dich ebenfalls, Meister Shatragh.«
»Du hast nach mir gerufen.«
»Ich nehme an, du kennst den Grund dafür.«
»Gewiss. Du wirst in nächster Zeit viel Kraft brauchen, Erster der Rogh.«
Kerrgh bewegte bestätigend die Fühler. »Unser Rat findet es wichtiger, über die Frage zu
debattieren, ob das volle Bürgerrecht nicht bereits im Raupenstadium verliehen werden muss!«
»Die Frage der Raupen-Emanzipation ist ein alter Streitpunkt«, erwiderte Meister Shatragh.
»Angesichts der Gefahr, in der sich unser Volk befindet, ist es geradezu lächerlich. Es gibt zu viele,
die ihre Fühler ins Moos stecken...«
Kerrgh führte Meister Shatragh zu einer Sitzmatte, wie sie bei den Rogh üblich war. Dort ließen
sich beide nieder.
»Die heilige Zeit ist ein kostbares Gut, Erster unter den Rogh«, mahnte Shatragh.
»Du sagst es!«
»Verschwende sie nicht mit Gedanken an die Politik, so drängend dir die damit
zusammenhängenden Probleme auch erscheinen mögen.«
»Ich werde es versuchen«, versprach Kerrgh.
»Du wirst die innere Kraft brauchen, um jene Prüfungen zu bestehen, denen du entgegensiehst.«
»Ich weiß.«
Die nächsten Ratsversammlungen zählte Kerrgh ebenso zu diesen Prüfungen, wie seine nächste
Reise nach Crysral, der Zentralwelt der Allianz CLARON. Sobald sich die Krise zuspitzte, würde
man ihn dorthin rufen.
Kerrgh versuchte, die Gedanken von allem Ballast zu befreien.
Aber es wollte ihm nicht gelingen. Wertvolle heilige Zeit verrann.
Dann ertönte erneut der Summton des Interkom.
Das Signal hatte diesmal eine andere Tonhöhe, was dem Ersten der Rogh sofort deutlich machte,
dass es sich um eine Alarmmeldung der Prioritätsstufe eins handelte.
Eine Projektion wurde automatisch aktiviert.
Das dreidimensionale holografische Abbild eines Rogh in Raumflottenuniform erschien mitten im
Raum. Deutlich trug er das Abzeichen der Allianz CLARON. »Hier spricht Kommandant Trarigh.«
Kerrgh wandte den Kopf in Richtung der Projektion.
»Was ist los, Kommandant?«, fragte er ihn, um gleich zur Sache zu kommen. Es musste etwas
Außergewöhnliches geschehen sein. Andernfalls wäre er niemals während seiner heiligen Zeit mit
dieser holografischen Botschaft belästigt worden.
»Die Erinjij haben das Marala-System angegriffen! Der Kontakt zu unserem Stützpunkt ist
abgebrochen.«
Die Fühler des ersten Rogh erstarrten für einen Moment. Der Rotton seiner Flügelmembran wurde
deutlich dunkler.
»Irgendwann musste das ja kommen!«, stieß Kerrgh hervor.
»Kontaktversuch mit dem Hauptquartier gescheitert!«, meldete Suarrgh, der Kommunikationsoffizier des Rogh-Stützpunkts auf Pa-Marala, dem vierten Planeten des MaralaSystems. Die Flügelmembrane des Stützpunktkommandanten Lerrogh war dunkelrot. Er starrte auf die Projektionen, die den Angriff der Erinjij zeigten. Über ihre nahe gelegene Wurmloch-Basis konnten sie jede beliebige Menge an Nachschub herbeischaffen. Ihre Raumschiffe schwebten über allen wichtigen Städten der reptiloiden aber warmblütigen Ureinwohner des Planeten. Die Rogh bezeichneten sie aufgrund ihrer schuppigen Haut als Sharaj - die Gepanzerten. Die Sharaj lebten in oft untereinander verfeindeten Staatsverbänden und waren gerade dabei, zu erkennen, dass Pa-Marala keine Scheibe, sondern eine Kugel war. Erste Feuerwaffen waren ent wickelt worden, mit denen die Anhänger des Sonnengottes ihren Glauben zu verbreiten versuchten. Den Invasoren konnten sie natürlich keinerlei nennenswerten Widerstand entgegensetzen. Die Begegnung mit den Erinjij musste ein kulturhistorischer Schock für die Reptiloiden sein. An die Möglichkeit, dass es Leben auf fernen Sternen gab, hatte auf Pa-Marala noch nie jemand gedacht. Für die Sharaj waren die Sterne nichts anderes als Lichter, die der Sonnengott erschaffen hatte, um auf Pa-Marala die Nacht zu erhellen. Der Rogh-Stützpunkt, den es seit etwa 50 Farsal-Jahren auf Pa-Marala gab, war stets getarnt gewesen. Die intelligenten Ureinwohner des Planeten ahnten nichts davon, dass eine andere Spezies einen Beobachtungsposten auf dieser Welt unterhielt. Die Rogh folgten einer Doktrin, die für alle Angehörigen der Allianz CLARON galt. Danach konnten von intelligenten Spezies besiedelte Welten nicht einfach besetzt und kolonisiert werden. Vielmehr wurde jeder Spezies ein Recht auf eigenständige Evolution zugesprochen. Dieses Recht zog natürlich weit reichende Einschränkungen im Handel und im Technologietransfer nach sich. Einschränkungen, die so weit gehen konnten, dass in Einzelfällen sogar jedwede Kontaktaufnahme unterbleiben musste, da sie einen zu starken Eingriff in die kulturelle Evolution des jeweiligen Planeten darstellte. Die Erinjij waren in dieser Hinsicht weit weniger rücksichtsvoll. Stützpunktkommandant Lerrogh ließ sich auf der Sitzmatte des Kommandanten nieder. Noch immer betrachtete er schweigend die verschiedenen Projektionen. Hunderte von Beobachtungsson den sandten diese Aufnahmen zum Stützpunkt, sodass sich für dessen Besatzung ein ziemlich genaues Bild der planetaren Lage ergab. »Es wird nicht einmal Stunden dauern, bis die Erinjij Pa-Marala unter ihre Kontrolle gebracht haben!«, stellte Lerroghs Stellvertreter Quossrrgh fest. Kommandant Lerrogh konnte dem nicht widersprechen. Der Stützpunkt lag zwar in einer entlegenen Gegend, weit ab der großen Sharaj-Metropolen. Aber es war dennoch nur eine Frage der Zeit, wann die Erinjij den Stützpunkt entdeckten. Da half auch die relativ ausgefeilte Tarn-Technik der schmetterlingshaften Rogh auf die Dauer nicht weiter. Den
Erinjij standen Mittel und Wege zur Verfügung, die Tarnung der Station zu überwinden. Schließlich
gab es genügend verräterische Emissionen.
Zur Station gehörte ein unterirdischer Hangar mit zwei kleinen zylinderförmigen Raumschiffen.
Aber um diese zu starten, war es jetzt zu spät.
Ein im Orbit befindliches Beobachtungsschiff der Rogh war von den Invasoren ohne Vorwarnung
abgeschossen worden.
Dasselbe galt für den Satelliten, über den normalerweise die Kommunikation mit Farsal
abgewickelt wurde. Es war anzunehmen, dass den im Stationshangar befindlichen Raumern
dasselbe Schicksal drohte, sobald sie den Tarnschirm verlassen hatten.
»In Kürze werden die Invasoren damit beginnen, intensiv nach uns zu suchen«, vermutete
Quossrrgh. »Was werden wir dann tun, Kommandant?«
»Uns so gut wie möglich verteidigen«, erwiderte Kommandant Lerrogh. »Ansonsten müssen wir
auf Hilfe von außen hoffen.«
»Eine Art Geleitschutz für die beiden Raumer im Hangar?«
»Ja«, stimmte Lerrogh zu.
Quossrrgh blieb skeptisch. Er ließ sich auf der Sitzmatte des stellvertretenden Kommandanten
nieder. Auf der Matte gab es ein Sensorfeld. Quossrrgh berührte es und aktivierte damit eine
holografische Konsole.
Der Blick von Kommandant Lerrogh war hingegen auf eine der Drei-D-Projektonen gerichtet. Die
Bilder wiederholten sich. Erinjij-Schiffe schwebten über den Städten der Reptiloiden. Unter Sharaj
breitete sich Panik aus. Die meisten von ihnen glaubten, dass sie sich den Zorn des Sonnengottes
zugezogen hatten, der nun seine furchtbaren Heerscharen aussandte, um die Ungehorsamen zu
strafen.
Sturmshuttles wurden ausgeschleust.
Sie trafen auf keinerlei ernst zu nehmenden Widerstand, landeten an strategisch wichtigen Plätzen
und schleusten Truppen aus.
Die Übertragungen der Rogh-Sonden zeigten, wie schwer bewaffnete Erinjij-Raumsoldaten
ausschwärmten. Sie trugen Strahlwaffen im Anschlag.
Sofern vereinzelte Sharaj es wagten, mit ihren primitiven Waffen Widerstand zu leisten, wurde
rücksichtslos von der Waffe Gebrauch gemacht. Hier und da blitzten Strahlschüsse auf. Mit
Schwertern, Äxten und Armbrüsten versuchten Sharaj-Kämpfer an mehreren Orten, sich gegen die
Invasoren zu wehren. Aber die Widerständler hatten nicht den Hauch einer Chance. Das
Blasterfeuer der Erinjij verbrannte sie zu Asche.
»Der Großteil der Bevölkerung wird sich sehr schnell in sein Schicksal ergeben«, vermutete
Quossrrgh.
Lerrogh bog seine Flügelmembrane etwas nach hinten. Eine Körperhaltung, die Anspannung und
Konzentration signalisierte.
Seine Augen wirkten starr.
Plötzlich wandte er sich an den Kommunikationsoffizier. »Ich möchte die letzte Videosequenz
wiederholt haben!«
»Jawohl, Kommandant.«
Die Sequenz, die eine der Rogh-Sonden in der Sharaj-Stadt Rroshrrar aufgezeichnet hatte, zeigte,
wie die Erinjij-Soldaten damit begannen, scheinbar willkürlich Gefangene unter der Bevölkerung zu
machen.
Die Reptiloiden wurden aus ihren Häusern geholt, mit Handschellen gefesselt und in große
Mannschaftsgleiter verschleppt, die in der Nähe gelandet waren.
»Ich frage mich, was da vor sich geht«, sagte Kommandant Lerrogh.
Der Rotton seiner Flügel war etwas heller geworden und ging hier und da bereits in verwaschene
Pastellfarben über. Ein Zeichen dafür, dass das erste unmittelbare Entsetzen über die Invasion der
Erinjij im Abklingen war.
»Mir scheint, wir sollten uns im Augenblick lieber Sorgen um unser eigenes Schicksal machen«,
erwiderte sein Stellvertreter Quossrrgh in einem Frequenzbereich, der selbst für die Ohren von
Rogh als schrill empfunden wurde. »Ich schlage zum Beispiel vor, sämtliche Systeme auf
Minimalniveau zu fahren, um verräterische elektromagnetische Emissionen so weit wie möglich zu
vermeiden. Außerdem sollten wir den Kontakt zu sämtlichen Sonden abbrechen.«
»Einen Augenblick!«, schritt Kommandant Lerrogh ein.
»Die Impulse, die von den Sonden ausgehen, sind zwar stark gedämpft, könnten aber die Erinjij
trotzdem auf uns aufmerksam machen. Beim strahlenden Licht von Ka-la-Farsal! Die Erinjij
werden uns keinen freien Abzug gewähren!«
Lerrogh wusste, dass Quossrrgh mit seiner letzten Bemerkung Recht hatte. Jegliche diplomatischen
Bemühungen in Bezug auf die Eroberer waren gescheitert. Die Erinjij folgten einfach ihrem Er
oberungsplan und ließen sich dabei von niemandem von ihren Zielen abbringen.
Da der Allianz CLARON die Koordinaten des Heimatplaneten der Aggressoren bislang
vollkommen unbekannt waren, gab es auch nicht die Möglichkeit eines Vergeltungsschlags.
Lerrogh erhob sich von seiner Sitzmatte. Er bewegte sich auf Kommunikationsoffizier Suarrgh zu,
dessen oberste Extremitäten über ein Terminal glitten.
»Es gibt ähnliche Szenen aus anderen Sharaj-Städten«, erklärte dieser.
Mehrere Projektionsfelder erschienen und zeigten Bilder aus unterschiedlichen Ortschaften.
»Ich will wissen, was da vor sich geht«, sagte Lerrogh mehr zu sich selbst als an seine Crew
gerichtet.
Ein sehr hoch gewachsener und mit besonders langen Extremitäten und Fühlern ausgestatteter
Rogh, der bislang geschwiegen hatte, mischte sich nun in das Gespräch ein. »Es scheint immer nach
demselben Muster abzulaufen«, stellte er fest. »Die Sharaj werden aus ihren Häusern geholt, in die
Erinjij-Gleiter gebracht und wenig später wieder auf freien Fuß gesetzt.«
Kommandant Lerrogh wandte sich an den Langbeinigen, der als exzellenter Experte über die
Sharaj-Kultur galt.
»Könnte es sich um irgendeine Art der Registrierung handeln, der die Bevölkerung unterworfen
wird, Wertugh?«
Der Angesprochene wollte sich in dieser Hinsicht nicht endgültig festlegen. »Es wäre möglich.
Allerdings wundert es mich, dass sie damit so früh beginnen und nicht abwarten, bis sie den
Widerstand vollständig gebrochen haben.«
Der Kommunikationsoffizier meldete sich zu Wort. »Ich lasse eine Rechneranalyse durchführen.«
Auf einer der Projektionsflächen erschien ein Sharaj, der gerade gefangen genommen worden war
und jetzt zum offen stehenden Außenschott eines Mannschaftsgleiters geführt wurde. »Auf
Standbild umschalten«, befahl, Suarrgh dem Rechner. Die Projektion gefror. Ein Fenster bildete
sich, in dem gezeigt wurde, was danach geschah. Wenige Minuten später verließ der Sharaj den
Mannschaftsgleiter wieder. Einer der Erinjij nahm ihm die Fesseln ab. Suarrgh sorgte erneut dafür,
dass ein Standbild erzeugt wurde.
Anschließend wurde ein Abgleich durchgeführt.
Eine Markierung blinkte auf. Sie bezeichnete eine Stelle am Nacken des Reptiloiden.
»Vergrößern«, befahl Suarrgh über die Spracheingabe.
Der markierte Bildausschnitt wurde maximal vergrößert.
Nur bei genauem Hinsehen konnte man die Veränderung auf den Schuppen sehen.
»Sieht aus wie eine frische Narbe!«, stellte Lerrogh fest.
»Der Rechner teilt diese Ansicht, Kommandant«, sagte Suarrgh und deutete auf ein Anzeigefenster.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der markierten Stelle um frisch vernarbtes Gewebe
handelte, wurde mit 98 Prozent angegeben.
»Infrarot!«, befahl jetzt Kommandant Lerrogh.
Das neue Farbspektrum zeigte dort, wo sich die Narbe befand eine etwa daumennagelgroße Region,
deren Temperatur erheblich vom Niveau des übrigen Körpergewebes abwich.
»Ein Implantat!«, vermutete Quossrrgh.
Lerrogh bewegte leicht die Fühler. »Fragt sich nur, wozu es dient.«
»Vermutlich wird es den Bewohnern unterworfener Welten zur besseren Lokalisierung und
Überwachung eingesetzt«, war Suarrghs Vermutung.
»Möglich«, gestand der Kommandant zu. »Andererseits erscheint mir der Aufwand bei einer
technologisch derart rückständigen planetaren Bevölkerung stark übertrieben...«
»Und worum handelt es sich Ihrer Meinung nach, Kommandant?«, hakte Quossrrgh nach.
»Wenn ich das wüsste...«
Kommandant Lerrogh kam nicht mehr dazu, weiter über diese Frage nachzudenken. Die
Datenübertragung der Sonde brach ab. Die Projektion verblasste und wurde von einer
entsprechenden Fehlermeldung des Zentralrechners überblendet.
»Scheint so, als wäre unsere Sonde einem Magnetfeld zum Opfer gefallen«, meldete der
Kommunikationsoffizier.
»Ich nehme nicht an, dass dieses Magnetfeld natürlichen Ursprungs war«, vermutete Lerrogh.
Suarrgh wandte sich seiner Konsole zu und blickte angestrengt auf die Displays. »Ich denke, es war
ein gezielter Angriff auf unsere Sonden. Etwa neunzig Prozent von ihnen sind ausgefallen.«
»Jetzt wird es ernst«, erklärte Quossrrgh.
»Die Verbindung zu sämtlichen noch intakten Sonden abbrechen und Energieniveau der Station auf
Minimum herunterfahren«, befahl Lerrogh. »Wir spielen jetzt tote Raupe.«
Quossrrgh unterdrückte ein Zittern seiner Fühler. »Wenn es dazu mal nicht längst zu spät ist,
Kommandant.«
Schlaf im eigentlichen Sinn kannte der Metabolismus eines Rogh nicht. Vielmehr verbrachte ein
Rogh auf dem Höhepunkt seiner täglichen heiligen Zeit ein bis zwei Stunden in einem tranceartigen
Zustand, der dafür sorgte, dass sich der Geist regenerieren konnte.
Ein schrillendes Alarmsignal weckte Kommandant Lerrogh aus dieser Trance. Ein schmerzhaftes
Erwachen. Er fühlte sich benommen und schwindelig. Einige Augenblicke lang drehte sich alles vor
seinen Augen.
Eine Erschütterung erfasste die Station.
Offenbar war es den Erinjij gelungen, den Beobachtungsposten der Rogh ausfindig zu machen und
die Tarnung zu neutralisieren.
Jetzt begann der Angriff.
Lerrogh erhob sich von seiner Matte, schwankte dann, als erneut eine Erschütterung das gesamte
Gebäude zittern ließ.
Er schwebte zur Tür. Sie glitt lautlos zur Seite. Auf den Korridoren der Station herrschte Chaos.
Über Interkom waren die Anweisungen des stellvertretenden Kommandanten Quossrrgh zu hören,
der während Lerroghs heiliger Zeit die Befehlsgewalt innehatte.
Offenbar hatte Quossrrgh eine Evakuierung der oberirdischen Bereiche angeordnet.
Etwa ein Drittel des Stützpunktes befand sich unter der Oberfläche Pa-Maralas.
Lerroghs empfindlicher Geruchssinn registrierte einen beißenden Geruch. Es roch nach
geschmolzenem Metallplastik.
Der oval geformte oberirdische Teil der Station war offenbar bereits schwer durch Energiefeuer in
Mitleidenschaft gezogen worden.
Einer der diensthabenden Offiziere, Leutnant Sirragh, schwebte ihm mit dunkelrot gefärbten
Flügeln entgegen. »Schnell, Kommandant! Hier wird in Kürze alles zerstört sein!«
Lerrogh versuchte ein Interkom-Aggregat zu aktivieren. Es war defekt. Daraufhin schwebte er dem
Offizier hinterher.
Ein Teil der Decke stürzte plötzlich in sich zusammen und begrub den Leutnant unter sich.
Lerrogh bremste gerade noch rechtzeitig seinen Flug. Er schwebte zurück.
Für den Offizier konnte er nichts mehr tun.
Wieder durchlief ein Zittern das gesamte Gebäude. Risse durchzogen die Wände. Weitere Teile der
Decke krachten hinab. Staub raubte Lerrogh beinahe den Atem. Die Lungen der Rogh waren sehr
fein strukturiert und an eine hohe Luftfeuchtigkeit gewöhnt. Staub konnte einen Rogh schnell in
akute Lebensgefahr bringen.
Während hinter ihm alles im Chaos versank, flog Lerrogh so schnell es ging den Korridor zurück.
Es ging um wenige Augenblicke. Die Atmung fiel ihm bereits schwer. Eine Wolke aus grauweißem
Staub folgte ihm.
Schon spürte er ein leichtes Schwindelgefühl – der Vorbote akuten Sauerstoffmangels -, und wenn
er das Bewusstsein verlor, war es aus.
Detonationen grollten dumpf durch das Gebäude.
Lerrogh erreichte einen Schacht, der hinunter in den unterirdischen Teil des Stützpunktes führte.
Der Kommandant schwebte hinab. Mehr als zwanzig Meter sank er in die Tiefe. Das Summen
seiner vibrierenden Flügelmembranen verlor sich in den Explosionsgeräuschen.
Lerrogh erreichte schließlich den Fuß des Schachtes und passierte ein Schott, das sich selbsttätig
öffnete und hinter ihm wieder schloss.
Offenbar befand er sich nun in einem Teil des Stützpunktes, in dem die internen Systeme noch
einigermaßen funktionierten.
Lerrogh passierte ein weiteres Schott und gelangte in den Kontrollraum für die Raumschiff- und
Gleiter-Hangars.
Suarrgh und Quossrrgh befanden sich dort zusammen mit einem halben Dutzend weiterer
Besatzungsmitglieder der Pa-Marala-Station. Einer der Rogh war schwer verletzt. Zwei andere
kümmerten sich um ihn und leisteten erste Hilfe.
»Schön, dass Sie es geschafft haben, Kommandant«, wurde Lerrogh von Quossrrgh begrüßt.
»Schadensbericht?«, fragte Lerrogh.
»Zwei Drittel der Stationsbesatzung dürften tot sein. Der oberirdische Gebäudeteil ist zum Großteil
zerstört.« Quossrrgh deutete auf eine schematische Darstellung. Daneben waren Drei-D-Aufnahmen
angreifender Erinjij-Kampf-Gleiter zu sehen. »Glücklicherweise funktionieren einige unserer
Außensensoren noch. Sie sehen, dass sich insgesamt fünf schwere Kampfgleiter der Erinjij über der
Station positioniert haben und sie mit konzentriertem Blasterfeuer unter Beschuss nehmen. Da wird
nichts weiter als ein großer Aschehaufen übrig bleiben.«
»Was ist mit den Raumschiffen?«
»Einige von uns sind gerade dabei, die beiden Einheiten startklar zu machen.« Quossrrgh deutete
erneut auf die schematische Darstellung der Station.
Normalerweise war es in der Rogh-Architektur unüblich, unterirdisch zu bauen. Dass sich ein Teil
der Station unter der Planetenoberfläche befand war aus Sicherheitsgründen geschehen. Aus den
unterirdischen Hangars führten lange Tunnel in einer Entfernung von mehreren Rogh-Meilen an die
Oberfläche. Sie hatten die Aufgabe, eine Flucht im Fall eines Angriffs auf die Station selbst zu
ermöglichen. Schließlich hatte der Stützpunkt auf Pa-Marala neben der Erforschung der Sharaj auch
strategischen Zwecken gedient.
»Wir müssen sehen, dass wir schnell hier herauskommen!«, war Quossrrghs Ansicht. »Es wird zwar
schwierig sein, das Marala-System zu verlassen, aber ich fürchte, es bleibt uns keine andere Wahl.«
»Ist ein Notsignal gesendet?«, erkundigte sich Lerrogh.
»Ja. Auch auf einer verschlüsselten Geheimdienst-Frequenz.«
Über Interkom meldete sich ein Rogh-Offizier. »Hier Pilot Draragh. Beide Raumschiffe startklar.«
»Wir sind schon unterwegs«, erklärte Quossrrgh. »Der Kommandant hat übrigens wider Erwarten
überlebt und ist soeben zu uns gestoßen.«
»Der großen Ur-Raupe sei Dank! Wenigstens eine gute Nachricht!«
Lerrogh blickte nachdenklich auf die Anzeigen der Kontroll-Displays. »Gibt es da oben wirklich
keine Überlebenden?«, fragte er.
»Wenn doch, dann können wir ihnen nicht helfen, Kommandant«, drang Quossrrghs Stimme in sein
Bewusstsein.
Lerrogh wusste nur zu gut, dass sein Stellvertreter Recht hatte.
Dennoch fiel es ihm schwer, einen Großteil der Rogh, für die er Verantwortung getragen hatte,
einfach abzuschreiben. Lerrogh versuchte mit Hilfe einer Arrlagh-Technik seine Atmung zu
kontrollieren und damit auch seine Psyche zu stabilisieren.
Inneres und Äußeres sind einander Spiegelbild und beeinflussen sich gegenseitig, so lautete einer der Arrlagh-Lehrsätze, die ihm dabei in den Sinn kamen. »Die Systeme arbeiten noch einwandfrei. Und soweit es möglich war, haben wir alles nach Lebenszeichen gescannt, aber zuletzt nichts mehr gefunden.«
Insgesamt gab es nur etwa zwei Dutzend Überlebende unter der Stützpunktbesatzung. Sie verteilten
sich an Bord der beiden zylinderförmigen Raumschiffe der Tasaragh-Klasse, von denen jedes
normalerweise eine Besatzung von bis zu sechzig Rogh beherbergen konnte.
Quossrrgh hatte sich jedoch für einen Fluchtversuch mit beiden Raumern ausgesprochen, um das
Risiko aufzuteilen.
Quossrrgh ging an Bord der KA-LA-FARSAL, Lerrogh hingegen begab sich an Bord des zweiten
Raumers, der KA-LA-YRGADH.
Beide Raumschiffe starteten kurz hintereinander und schossen zur gleichen Zeit durch den Tunnel,
der zur Außenrampe führte. Normalerweise vermied man es aus Sicherheitsgründen, dass sich zwei
Raumfahrzeuge gleichzeitig im Tunnel befanden. Aber jetzt spielte das keine Rolle.
Nur Augenblicke später schossen beide Raumer in die Atmosphäre Pa-Maralas hinein. Das
Außenschott des Tunnelausgangs schloss sich hinter ihnen. Nur Sekunden später wurde dieses
Außenschott aus seinen Halterungen herausgesprengt und in die Höhe geschleudert. Eine
Feuerzunge spuckte aus der Tunnelöffnung heraus.
»Scheint, als wären wir gerade noch rechtzeitig vor der völligen Zerstörung des Stützpunktes
geflohen!«, stellte Pilot Draragh fest, der die Steuerkonsole der KA-LA-YRGADH bediente.
»Maximale Geschwindigkeit!«, befahl Lerrogh.
Schnell gewannen die Raumer an Höhe. Die Beschleunigung war so extrem, dass trotz der
Ausgleichsysteme noch ein Teil der Auswirkungen spürbar blieben. Lerrogh fühlte sich, als würde
er an seine Sitzmatte gedrückt. Im Bezug auf die Auswirkungen von starken G-Kräften, wie sie bei
extremer Beschleunigung auftreten konnten, waren die zerbrechlichen Rogh-Körper sehr
empfindlich. Zumindest sobald sie das Falter-Stadium erreicht hatten.
»Eine Raupe müsste man jetzt sein«, meinte Kommunikationsoffizier Suarrgh schleppend, was
deutlich machte, welche Probleme er beim Atmen durch die Auswirkungen der G-Kräfte hatte.
Seine Flügelmembran hatte fast sämtliche Farbpigmentierung verloren.
»Gravitatonsabsorber auf maximalem Level schalten!«, befahl Lerrogh.
»Das ist längst geschehen, Kommandant!«, erwiderte der Pilot. »Wir werden übrigens verfolgt.«
»Kampfgleiter?«
»Auch. Aber die werden uns nicht lange folgen können. Ich spreche von Raumjägern der Erinjij, die
sich auf Abfangkurs befinden.«
Die Projektion einer schematischen Positionsdarstellung erschien.
Die nahenden Erinjij-Jäger waren darauf als rote Punke zu sehen.
»Schutzschilde aktivieren!«, befahl Lerrogh. »Feind-Einheiten ins Visier nehmen!«
»Jawohl.«
Eine Erschütterung erfasste die KA-LA-YDRAGH. Alarmsignale schrillten. Die Anzeigen
flackerten, Projektionen verblassten oder wurden von Fehlermeldungen überblendet. Die
Andruckabsorber fielen offenbar vollkommen aus. Die Rogh an Bord der KA-LA-YDRAGH hatten
für einige Augenblicke das Gefühl, durch zentnerschwere Lasten an den Boden gedrückt zu werden.
Sie waren unfähig sich zu bewegen. Über die Spracheingabe versuchte Pilot Draragh die KA-LA-
YDRAGH unter Kontrolle zu halten. Vergeblich.
Die Kunststimme des Rechners betete einen erschütternden Schadensbericht herunter, verbunden
mit allerhand Sicherheitswarnungen.
Die KA-LA-YDRAGH verlor an Höhe, begann der Oberfläche entgegenzutrudeln. Das
Haupttriebwerk war ausgefallen. Der Andruck normalisierte sich wieder, sodass Draragh seine
Konsole bedienen konnte.
»Machen Sie dem verdammten Kokon eine Membran!«, rief Lerrogh. Einem Kokon eine Membran
machen war eine Rogh-Redewendung, die bedeutete, dass etwas oder jemand beschleunigt werden
sollte. Andere Spezies hätten vielleicht von »Beine machen« gesprochen.
»Leichter gesagt als getan, Kommandant!«, rief Draragh. »Das Haupttriebwerk ist nicht mehr
funktionstüchtig...«
»Rekalibrieren Sie es!«
»Rekalibrierung erfolglos. Ich kann nur versuchen, mit den Nebentriebwerken eine einigermaßen
weiche Landung hinzubekommen.«
Erneut erfasste eine Erschütterung die KA-LA-YDRAGH.
Kommunikationsoffizier Suarrgh wurde von seiner Konsole weggeschleudert. Lerrogh konnte sich
nur mit Mühe halten.
»Erneuter Treffer?«, rief der Kommandant.
»Nein. Auswirkungen einer Druckwelle«, erklärte Draragh.
»Druckwelle?«, echote der Kommandant. Mit den Augen suchte er die Anzeigen und Displays ab.
Die meisten Systeme waren ausgefallen.
»Es war die KA-LA-FARSAL«, erklärte der Pilot mit Blick auf die Ortungsanzeige, die zumindest
teilweise funktionierte. »Sie ist explodiert.«
Die KA-LA-YDRAGH schrammte über die Baumwipfel eines ausgedehnten Waldgebietes im Westen des Nordkontinents von Pa-Marala. Die Bäume bremsten den Flug etwas ab. Draragh blickte hochkonzentriert auf die Positionsanzeigen seiner Konsole. Da nur ein Teil der Systeme einwandfrei arbeitete, fehlten ihm wichtige Daten zur Landung. Er hatte auf manuelle Steuerung ge schaltet, da er sich auf das Rechnersystem nicht mehr ausreichend verlassen konnte. Nur die eigentlich zur Navigation im Unterlichtflug gedachten Nebentriebwerke standen dem Piloten für sein Landemanöver zur Verfügung. Bei den Rogh war die Unterweisung in einer der Meditationsschulen für Piloten obligatorisch. Draraghs Flügelmembrane hatte einen blassen Pastellton angenommen. Er war also in einem Zustand psychischer Stabilität. Die KA-LA-YDRAGH setzte viel zu schnell auf dem Boden auf und verlor dabei ein Teil des ohnehin beschädigten Hecks. Das Raumschiff rutschte über den Boden, mähte Dutzende von Bäumen nieder und grub sich einen halben Meter tief in den weichen Waldboden, ehe es schließlich liegen blieb. Die Insassen waren durcheinander gewirbelt worden. Ein Besatzungsmitglied war sogar verletzt und hatte sich einen schmerzhaften Fühlerbruch zugezogen. Kleinere Blessuren bis zu einem leichten Flügelmembranriss hatten auch andere Besatzungsmitglieder erlitten. Aber sie waren alle noch flugfähig. »Wir müssen weg hier!«, bestimmte Kommandant Lerrogh. »Unsere Verfolger werden das Gebiet weiträumig absuchen...« In aller Eile wurden Handfeuerwaffen und eine Notausrüstung verteilt. Darunter auch Nährstoffkonzentrate und Tabletten, die den im Vergleich zu Farsal geringeren KohlendioxidGehalt der Atmosphäre von Pa-Marala ausgleichen sollten. Keines der Außenschotts war noch passierbar. Die Besatzung verließ über den Hüllenbruch im Heck die KA-LA-YDRAGH. Einer nach dem anderen schwebten sie hinaus in die feuchtheiße Dschungelluft. Abgesehen von der Tatsache, dass es hier weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre gab und keinen Baum, der größer als dreißig Meter emporwuchs, erinnerten die Umweltbedingungen stark an die von Farsal. Die ein Dutzend Überlebenden des Rogh-Stützpunktes schwebten zwischen den schlanken
Baumstämmen daher.
Sie waren jetzt vollkommen auf sich gestellt.
Jagdbeute für die Erinjij, die nicht zögern würden, sie zu töten.
Was mag es sein, was dieses Volk zu seiner grausamen Eroberungslust antreibt?, ging es Lerrogh
während des Flugs durch den Kopf. Warum können sie nicht auf die Kooperationsangebote der
Diplomatie eingehen?
Jegliche Versuche in dieser Hinsicht waren bislang gescheitert. Es machte den Anschein, dass die
brutalen Zweibeiner mit ihrer offensichtlich ethisch vollkommen unterentwickelten Kultur gar nicht
die Absicht hatten, sich mit irgendwem zu verständigen. Es war ihnen gleichgültig, was der Rest der
Galaxis von ihnen hielt. Wer sich ihnen nicht fügte, der wurde an die Wand gedrückt.
In der Nähe einer Sharaj-Siedlung sanken die Rogh zu Boden. Wie schnell die Erinjij daran gingen,
das Gebiet um die Abschussstelle abzusuchen, hing davon ab, für wie wichtig sie die ganze An
gelegenheit hielten und ob sie überhaupt glaubten, dass jemand den Absturz überlebt hatte.
»Ich hoffe, wir haben jetzt erst einmal ein bisschen Luft«, meinte Lerrogh.
Die Rogh waren vom Flug vollkommen erschöpft. Derartige körperliche Anstrengungen war keiner
von ihnen gewöhnt. Sie hatten ihren Kräften das Äußerste abverlangen müssen.
Lerrogh hatte den Befehl gegeben, sämtliche Ortungsgeräte und andere technischen
Ausrüstungsgegenstände zunächst zu deaktivieren, um keine verräterischen Energie-Signaturen
abzustrahlen. Nur ab und zu nahmen sie eine kurze Ortung der Umgebung vor, um sich zu
orientieren. In unregelmäßigen Abständen hatte der Kommandant mit Hilfe eines Impulsgebers ein
codiertes Geheimsignal abgesetzt, von dem die Rogh nur hoffen konnten, dass es das Farsal-System
erreichte.
Das Ydragh.
Den heimatlichen, vertrauten Kokon.
Lerrogh war Realist genug, um zu wissen, dass selbst dann die Chancen für eine Rettung nicht gut
standen. Alles hängt vom Mut der Verantwortlichen ab, war ihm klar. Riskierten sie einen offenen
Konflikt mit den Erinjij oder hielten sie einfach still? In der irrigen Annahme, man könnte vielleicht
doch noch zu irgendeiner Form der Verständigung gelangen.
»Es geht jetzt darum, dass wir durchhalten«, stellte Lerrogh an die anderen Rogh gewandt fest.
»Wir müssen uns tot stellen und darauf hoffen, dass jemand kommt, um uns hier herauszuholen.«
»Eine ziemlich vage Hoffnung, würde ich sagen«, meinte Kommunikationsoffizier Suarrgh. Seine
Fühler zitterten.
Er braucht dringend seine heilige Zeit, erkannte Lerrogh. »Wir werden einen Platz zum Lagern
suchen«, erklärte er. »Und außerdem sollten wir uns die Sharaj-Siedlung hier in der Nähe mal
ansehen.«
»Es werden Erinjij dort sein«, gab Draragh zu bedenken.
Lerrogh machte eine bestätigende Geste mit den Fühlern.
»Eben deshalb!«, sagte er.
»Sie wollen doch nicht etwa vorschlagen, dass wir versuchen, den Erinjij ein Raumschiff
abzunehmen.«
»Das wäre natürlich das Beste.«
»Niemand garantiert uns, dass wir überhaupt im Stande wären, es zu fliegen. Davon abgesehen,
sind alle bisherigen Versuche, in den Besitz eines Erinjij-Raumers zu gelangen, gescheitert. Die
Erinjij sind eher bereit, ihre eigenen Schiffe zu zerstören, als auch nur eines davon in unsere Hände
fallen zu lassen.«
»Das ist mir bekannt«, erwiderte Lerrogh. »Wahrscheinlich werden wir in dieser kleinen Siedlung
auch gar kein Erinjij-Raumschiff finden. Aber ein funktionstüchtiger Gleiter wäre doch schon ein
Anfang. Wir könnten damit in eine entferntere Region flüchten, wo wir es vielleicht schaffen, uns
auf Dauer versteckt zu halten.«
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen unter den Rogh.
Suarrgh war der Erste, der sich zu Wort meldete.
»Auf Dauer?«, echote er niedergeschlagen. »Sie rechnen wohl damit, dass wir eine Weile hier
bleiben müssen, was?«
Lerroghs Antwort war glasklar und ehrlich.
»Ja«, sagte er. »Wir müssen uns darauf einstellen, sehr lange hier zu bleiben.«
Die Dämmerung brach herein. Es wurde rasch dunkel und die drei Purpur-Monde von Pa-Marala
erschienen am Nachthimmel.
Die Rogh-Gruppe suchte sich im Schutz des Unterholzes einen Lagerplatz.
Lerrogh brach zusammen mit Draragh in Richtung der nächsten Sharaj-Siedlung auf. Im Schutz der
Dunkelheit konnten sie hoffen, dass man sie vielleicht mit den etwa gleichgroßen aber
nichtintelligenten Riesenlibellen verwechselte, die in den Wäldern des Nordkontinents von Pa-
Marala zu finden waren.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Siedlung der Sharaj erreichten. Sie befand sich auf einer
gerodeten Fläche und bestand aus vergleichsweise primitiven Holzbauten.
Ein großer Kampfgleiter der Erinjij war auf dem Mittelplatz gelandet, um den herum die
Holzbauten gruppiert waren. Lagerfeuer brannten. Außerdem erhellten zahlreiche Öllampen die
Siedlung. Lerrogh wusste, dass die Sharaj aus den Früchten des auf Pa-Marala weit verbreiteten
Hrazu-Baums ein brennbares Öl pressten, das unter den meisten Reptiloiden-Nationen auch als
gültiges Zahlungsmittel akzeptiert wurde.
Lerrogh und Draragh waren in der Nähe gelandet und hatten sich das letzte Stück zu Fuß durch das
Unterholz gekämpft, um näher an die Siedlung heranzukommen. Für einen Rogh war so ein Marsch
durch dichtes, dorniges Unterholz nicht ganz ungefährlich. Es bestand immer die Gefahr eines Flü-
gelmembran-Risses.
Schließlich hatten die beiden einen günstigen Beobachtungspunkt gefunden.
Erinjij-Soldaten patrouillierten durch die Siedlung. Sie hielten ihre Blaster im Anschlag. Die
primitiven Waffen der Reptiloiden waren neben dem Kampfgleiter aufgehäuft. Hunderte von
Schwertern, Armbrüsten und Lanzen lagen dort.
Die Sharaj selbst bildeten lange Schlangen.
Einer nach dem anderen wurde von einem Team von Erinjij-Ärzten einer kurzen Untersuchung
unterzogen und bekam anschließend ein medizinisches Instrument an den Nacken gesetzt. Lerrogh
konnte der Versuchung nicht widerstehen. Gegen jede Vorsicht aktivierte er ein Sichtgerät und
stellte es auf maximalem Zoom.
»Die Erinjij scheinen tatsächlich die Absicht zu haben, die gesamte Sharaj-Bevölkerung mit
Implantaten zu versehen«, stellte Lerrogh fest.
»Es scheint den Erinjij sehr wichtig zu sein, dass diese Prozedur möglichst schnell bei allen Sharaj
durchgeführt wird«, sagte Draragh. »Sonst würden sie nicht buchstäblich Tag und Nacht damit
fortfahren.«
Lerrogh konnte dem nur zustimmen.
»Die gesamte militärische Infrastruktur der Invasoren schien hier auf diesen einen Zweck hin
ausgerichtet zu sein«, meinte er.
»Darin könnte unsere Chance liegen. Glauben Sie mir, Kommandant, die Erinjij hätten uns längst
gekriegt, wenn sie uns auch nur annähernd so wichtig nähmen wie das Einsetzen der Implantate.«
»Soweit ich sehe, befindet sich nur ein schwerer Kampfgleiter in dieser Ortschaft.«
»Sie denken noch immer daran, den Erinjij so eine Maschine abzunehmen?«
»Nein, nicht so ein schweres Gerät, mit dem eine halbe Hundertschaft von Erinjij-Soldaten
transportiert wird! Eine kleinere Einheit wäre besser...«
»Wir werden es uns nicht aussuchen können, Kommandant.«
Ein leises Summen ließ die Fühler der beiden Rogh zitternd erstarren.
Ein hantelförmiger Flugkörper näherte sich ihnen.
Eine Drohne!, durchzuckte es Lerrogh. Vermutlich hatte sie die Aufgabe, das Dorf zu bewachen,
um die Erinjij-Soldaten für den Vollzug der Implantierungs-Prozedur freizustellen. Ein Strahl zuckte durch die Nacht. Gleißend hell durchschnitt er die Dunkelheit und erfasste Draragh. Die Flügelmembran glühte auf. Lerrogh griff zu seinem Strahler und feuerte blitzschnell zurück. Sein Strahlschuss erfasste die Drohne und ließ sie zerplatzen. Funken sprühten. Metallteile wurden durch die Gegend ge schleudert. Die Soldaten in der Sharaj-Siedlung waren natürlich augenblicklich alarmiert. Lerrogh reagierte beinahe automatisch. Mochte er auch ansonsten ein sehr empfindsamer und feinsinniger Charakter sein, so sorgte eine spezielle Konditionierung durch ArrlaghMeditationstechniken dafür, dass er in Gefahrensituationen mit ausgesprochener Kaltblütigkeit rea gieren konnte. Für Draragh konnte er nichts mehr tun. Von dem Piloten der KA-LA-YDRAGH war nichts weiter als etwas Asche geblieben. Lerrogh flog davon. Strahlschüsse wurden ihm von Erinjij-Soldaten hinterher gesandt. Die Invasoren feuerten auf alles, was sich im Wald bewegte. Ganze Baumkronen wurden durch die Strahlschüsse versengt. Manche gerieten in Brand dabei. Lerrogh floh in die Dunkelheit. Er flog beinahe blind. Hin und wieder kam es zu leichteren Kollisionen mit Baumstämmen. Er erlitt eine Verletzung an der Flügelmembran, die ihn aber zum Glück nicht flugunfähig machte. So gut es ging, versuchte sich Lerrogh auf den nur noch rudimentär vorhandenen Sonar-Sinn seiner Vorfahren zu besinnen. Mit Hilfe seines Meditationsmeisters war es ihm gelungen, ihn zeitweilig zu reaktivieren. Die Anlagen dazu waren nach wie vor in jedem Rogh vorhanden, auch wenn dieser Sinn schon seit Zeitaltern als verkümmert galt. Aber jetzt befand er sich in einer akuten Gefahrensituation. Lerrogh wusste, dass er keinen zweiten Versuch hatte. Schließlich gelang es ihm, auch in dunklen Waldregionen einigermaßen unbeschadet fliegen zu können. Er wagte es nicht einmal, sein Nachtsichtgerät zu aktivieren. Schließlich konnte er ja nicht wissen, ob die Erinjij ihn nicht doch mit einem großen Aufwand an hoch spezialisierten Drohnen aufzuspüren versuchten und das umliegende Gebiet einer eingehenden Feinortung unterzogen. In dem Fall konnte jede noch so feine Energiesignatur verräterisch sein. Soweit Lerrogh sich zu orientieren vermochte, versuchte er, sich vom Rest der Gruppe zu entfernen. Auf keinen Fall wollte er seine Verfolger zu ihnen führen. Er musste sich jetzt allein durchschlagen. Lerrogh konnte noch nicht einmal Verbindung mit dem Rest der Gruppe von Rogh-Überlebenden aufnehmen, wollte er sie nicht in Gefahr bringen.
Pa-Marala wies eine sehr schnelle Eigenrotation auf. Der Wechsel von Tag und Nacht ging etwa mit dem doppelten Tempo vonstatten, das auf Farsal üblich war. Lerrogh schlug sich durch, versteckte sich und nahm auch in der Folgezeit keinerlei Kontakt zu seiner Gruppe auf. Allerdings sandte er mehr oder minder regelmäßig das Notsignal auf der Geheimfrequenz ab. Es war seine letzte Hoffnung. Dass die Nahrungsmittelkonzentrate langsam zur Neige gingen, war nicht ganz so schlimm. Notfalls war es auch möglich, die nötigen Nährstoffe aus der Flora und Fauna des Waldes zu gewinnen. Schlimmer war, dass das Präparat zum Ausgleich des geringeren Kohlendioxidgehaltes in der Atmosphäre Pa-Maralas nicht mehr lange reichen würde. Halluzinationen und Störungen der Hirnleistung waren die unvermeidlichen Folgen. Da halfen auch die Arrlagh-Meditationstechniken nicht weiter. Lerrogh versuchte, seinen Vorrat an dem CO2-Ersatzpräparat so lange wie möglich zu strecken. Aber die Auswirkungen der geringeren Dosis machten sich bereits nach etwa einer Pa-Marala-
Woche bemerkbar.
Lerrogh fiel in eine Art Delirium.
Er verlor jedes Gefühl für Zeit und reagierte immer sensibler auf jedes Dschungelgeräusch. So gut
es ging, versuchte er mit Hilfe der Meditationstechniken der Arrlagh-Schule sein inneres Gleichge
wicht aufrecht zu erhalten. Es fiel ihm immer schwerer. Dutzende von Riesenlibellen fielen seiner
Strahlwaffe zum Opfer, weil er in Anflügen von Panik glaubte, dass die Drohnen der Erinjij ihn
gefunden hatten.
In einer der kurzen Pa-Marala-Nächte wurde Lerrogh durch ein Geräusch aus seiner Trance-Zeit
geweckt. Das Geräusch lag in einem Frequenzbereich, der für die Fauna des Pa-Marala-Dschungels
nicht hörbar war. Wohl aber für das überaus empfindliche Gehör eines Rogh.
Lerrogh griff zur Waffe und aktivierte sein Sichtgerät.
Im Nachtsichtmodus erkannte er einen schnell heranfliegenden Gegenstand, dessen Flugbahn auf
eine Drohne schließen ließ. Lerrogh riss seine Waffe empor.
Aber er kam nicht mehr dazu, sie zu benutzen. Ein grünlich schimmernder Strahl erfasste ihn.
Dunkelheit senkte sich über sein Bewusstsein...
Zwei Farsal-Standard-Tage später... Kerrgh, der Erste der Rogh, deaktivierte die Projektion. Einen Augenblick lang hielt er inne. Die
Färbung seiner Flügelmembranen war jetzt ein von kleinen roten Inseln durchsetztes Muster aus
Pastelltönen. Die Stellung seiner Fühler verriet höchste Konzentration.
Außer ihm waren noch einige hohe Kommandanten der Rogh-Raumflotte versammelt, darüber
hinaus der Leiter des Geheimdienstes.
Letzterer hieß Basrigh.
Kerrgh wandte ihm den Blick zu. »Ich kann Ihrer Organisation nur zu der Aktion gratulieren, die
zur Evakuierung der Überlebenden unserer Station auf Pa-Marala geführt hat.«
»Es war nicht ohne Risiko, mit einem getarnten Spezialraumer auf der Planetenoberfläche zu
landen«, erklärte Basrigh. »Aber die Raumkontrolle der Erinjij befindet sich im Marala-System
noch in den Anfängen. Ich weiß nicht, ob wir es sonst geschafft hätten.«
Basrigh hatte dem Ersten der Rogh einen ausführlichen Bericht erstattet. Die Geheimdiensteinheit,
die zur Evakuierung der Überlebenden eingesetzt worden war, hatte Kommandant Lerrogh in
äußerst instabiler mentaler Verfassung angetroffen. Auf Grund der Signale eines Impulsgebers, den
er bei sich getragen hatte, war es möglich gewesen, den Kommandanten zu orten. Eine Suchdrohne
hatte ihn paralysieren müssen.
Der Rest der Gruppe war sogar noch in weitaus schlechterer Verfassung gewesen.
Kohlendioxidmangel konnte im Gehirn eines Rogh lang anhaltende und schwer wiegende
Beeinträchtigungen verursachen. Ob es bei den Betroffenen zu Spätschäden kam, würde erst die
Zeit erweisen.
Basrighs Spezialschiff PANSHOOG war es gelungen, das Marala-System unbemerkt zu verlassen.
Jetzt lagen die ersten Ergebnisse der Befragungen vor, denen die Überlebenden unterzogen worden
waren.
Ergebnisse, die Kerrgh hatten aufhorchen lassen.
»Was glauben Sie, wozu diese Implantate dienen, mit denen offenbar die gesamte Sharaj-
Bevölkerung von Pa-Marala versehen wird?«, fragte Kerrgh.
»Tut mir Leid. Das ist ein leerer Kokon für mich.«
Ein leerer Kokon war eine Rogh-Metapher für das Unerklärliche.
»Keine Hypothesen?«, hakte Kerrgh nach. »Was ist mit einer Art mentalen Kontrolle, die über
diese Chips gesteuert wird?«
»Streng genommen sind wir noch nicht einmal sicher, ob es sich bei dem, was den Sharaj
implantiert wird, wirklich um Chips handelt. Das sind nur Vermutungen der Überlebenden. Einen
handfesten Beweis gibt es nicht.«
Kerrghs Fühler senkten sich etwas.
Eine Geste, die bedeutete, dass ein Rogh die Argumente seines Gegenübers anerkannte.
»Ich möchte genauer wissen, was da vor sich geht«, erklärte der Erste der Rogh nach einer kurzen
Pause. »Basrigh, ich will, dass Sie ein Spezialkommando auf den Weg schicken. Der Auftrag lautet,
sich auf die Oberfläche Pa-Maralas zu begeben und mindestens einen Sharaj mit Implantat in unsere
Hände zu bekommen und nach Farsal zu bringen.«
»Ein Auftrag voller Risiko«, meinte Basrigh. »Nicht nur für die Beteiligten, auch was die
politischen Implikationen angeht, falls dieses Kommando entdeckt wird.«
»Ich glaube kaum, dass wir unser Verhältnis zu den Erinjij noch maßgeblich verschlechtern
können«, erwiderte Kerrgh.
Er wusste, worauf der Geheimdienst-Chef hinauswollte.
Schließlich gab es für die Allianz CLARON, abgesehen von den Erinjij, noch ein zweites Problem.
Die anorganischen Jay'nac hatten sich bislang weitgehend neutral verhalten. In letzter Zeit aber war
die Vermutung, dass sich die Anorganischen aus irgendeinem Grund mit den Erinjij verbündet
hatten, immer häufiger zu hören gewesen.
CLARON hatte versucht, mit den Jay'nac diplomatischen Kontakt aufzunehmen, doch die
Botschafter waren noch nicht zurückgekehrt.
War es möglich, dass irgendeine Aktion der Rogh auf Pa-Marala den Verhandlungen Schaden
zufügen konnte...?
Aber Kerrgh hatte in dieser Angelegenheit eine Entscheidung getroffen, die auch durch die
Bedenken Basrighs nicht mehr erschüttert werden konnte. »Ich möchte, dass Sie Ihre Spezialeinheit
sofort ins Marala-System schicken. Wer weiß, ob dort überhaupt noch eine Chance besteht,
derartige Operationen durchzuführen, wenn die Erinjij ihre Herrschaft erst einmal stabilisiert haben.
Noch sind sie offenbar dabei, ihre Infrastruktur aufzubauen...«
Basrigh senkte die Fühler. »Wie Sie wünschen, Erster der Rogh.«
»Vielleicht werden wir endlich herausfinden, was die Erinjij eigentlich zu ihrem rücksichtslosen
Eroberungsfeldzug treibt.«
»Sie meinen, dass es mit diesen Implantaten zu tun hat?«
»Wäre das so abwegig?«
Basrigh kam nicht mehr dazu, darauf zu antworten.
Die Drei-D-Projektion eines Rogh-Gesichtes erschien mitten im Raum. »Eine Nachricht von
Crysral ist für Sie eingetroffen, Erster der Rogh«, sagte die dazugehörige Stimme.
»Ich möchte die Nachricht im Nebenraum entgegen nehmen«, erklärte Kerrgh und deaktivierte die
Projektion.
Er schwebte in den Nebenraum. Die Schiebetür schloss sich hinter ihm. Die Projektion des Rogh-
Gesichtes erschien erneut, diesmal um den Faktor 2 verkleinert.
»Ich grüße Sie, Erster der Rogh.«
»Ich grüße Sie ebenfalls Adjutant Herragh.« Kerrgh spreizte die Fühler etwas voneinander ab, ehe
er fortfuhr. »Eine Botschaft von Crysral bedeutet im Moment wohl nichts anderes, als dass sich die
Lage in Bezug auf die Erinjij zuspitzt«, stellte Kerrgh fest, noch ehe sein Gegenüber etwas sagen
konnte.
»Nein, mit den Erinjij hat es diesmal nichts zu tun. Nichtsdestotrotz ist Ihre Anwesenheit auf
Crysral unbedingt erforderlich.«
»Warum?«
»Der Bewusstseinsträger Cy und Botschafter Algorian sind von ihrem Besuch bei den Jay'nac
zurückgekehrt.«
»Ich verstehe...«
»Es gibt viel, worüber die Allianz jetzt beraten muss.«
»Das glaube ich auch.«
»Die Jay'nac sind ein Problem, das wir nicht unterschätzen dürfen...«
»Ich werde unverzüglich nach Crysral aufbrechen«, erklärte Kerrgh und unterbrach die Verbindung.
Er hatte damit gerechnet, schon sehr bald die Zentralwelt der Allianz aufsuchen zu müssen.
Immerhin erfüllte es Kerrgh mit Erleichterung, dass Algorian und Cy von der Expedition zu den
Jay'nacs zurückgekehrt waren.
Die Färbung von Kerrghs Flügelmembran bekam einen leichten Gelbstich. Ein Zeichen dafür, dass
ihn etwas amüsierte. Seine Gedanken galten dem Pflanzenwesen Cy.
Ein eigenartiges Gefühl, sich vorzustellen, dass eine Kopie meines Bewusstseins in dieser Kreatur steckt, die wie eine wuchernde Goarigh-Staude aussieht, wie man sie an der Südküste des farsalischen Festlandes findet..., sinnierte der Erste der Rogh. Ein zweites Ich als Botschafter der Allianz... Auch von den anderen Regenten der Allianz-Völker waren jeweils Bewusstseinskopien in Cys äußerst anpassungsfähigen Körper zu finden. Algorian und Rofasch, die beiden Sucher der Allianz, hatten seinerzeit lange nach einem Wesen Ausschau halten müssen, das in der Lage war, die Bewusstseinskopien in sich aufzunehmen. Es wird sicher in mehrfacher Hinsicht interessant sein, meinem zweiten Ich zu begegnen..., ging es dem Ersten der Rogh durch den Kopf. Er aktivierte den Korn-Kanal. Mit den Vorbereitungen seiner Reise nach Crysral musste er sofort beginnen...
Algorians Haut schimmerte grau. Das hagere, kantige Gesicht wirkte angestrengt. Der Psi-begabte Humanoide gehörte zum Allianz-Volk der Aorii und blickte auf das beeindruckende Land schaftspanorama einer zerklüfteten Bergwelt. Der Himmel schimmerte bläulich. Ein leichter Wind wehte und Algorian sog die frische, kühle Luft ein. Kaum zu glauben, dass ich mich unter der Oberfläche Crysrals befinde - und nicht auf einem AoriiPlaneten!, ging es ihm durch den Kopf. Crysral kreiste um einen weißen Zwerg. Ein atmosphäreloser Gesteinsbrocken, der um einen verlöschenden, kalten Stern kreiste. Flotten von jedem Mitgliedsvolk CLARONs schützten das System. Denn Crysral war nichts anderes als das Zentrum der Allianz: Ein Schmelztiegel verschiedenster galaktischer Völker. Allerdings spielte sich das Leben ausschließlich in den ausgedehnten unterirdischen Anlagen ab. Sechs große Hauptkavernen gab es, die jeweils den spezifischen Lebensbedingungen eines CLARON-Volkes angepasst waren. Crysral glich damit einem Konglomerat von Hohlwelten, die sich in Luftdruck, Gravitation, Zusammensetzung der Atmosphäre und der vorherrschenden Temperatur teilweise gravierend unterschieden. In der Zone der Roghs beispielsweise brauchte der Aorii Algorian ein Atemgerät, um sich vor dem hohen Kohlendioxid-Gehalt zu schützen. Andernfalls wäre nach einigen Minuten ein Sauerstoffmangel im Gehirn mit anschließender Bewusstlosigkeit die Folge gewesen. Neben den sechs Hauptkavernen für Rogh, Aorii, Laschkanen, Ovoaner, Ceyniden und Neeg gab es noch zahllose kleinere Kavernen, in denen sich Angehörige anderer - nicht so einflussreicher galaktischer Völker angesiedelt hatten. Wenn es so etwas wie eine Gemeinschaft verschiedener planetarischer Völker gab, dann existierte sie auf Crysral. Dieser Planet glich einem Wunschbild für Allianz als Ganzes. Ein Ort des Friedens und der Verständigung zwischen den organischen Völkern. Außer den Erinjij, ging es Algorian durch den äußerst hageren und vollkommen haarlosen Kopf. Auf ihrer Reise zu den anorganischen Jay'nac hatten Algorian und Cy erfahren, dass auch Letztere einen Krieg gegen die Erinjij planten. Außerdem hatten die Anorganischen versucht, die Politik der Allianz CLARON zu beeinflussen und sie durch Unterwanderung in diesen drohenden Konflikt hineinzuziehen. Auf den ersten Blick sah eine Koalition zwischen Jay'nac und CLARON gegen die Erinjij wie eine
logische Konsequenz der Ereignisse aus.
Aber nur auf den ersten.
Es war nämlich anzunehmen, dass die Jay'nac den Feldzug gegen die Erinjij nur als Auftakt zu
einem Krieg gegen alles organische Leben betrachteten.
Ein Laut, den Algorian spontan als klagend interpretierte, ließ den Aorii den Kopf zur Seite
wenden.
Etwa einen Meter neben ihm befand sich Cy, der Aurige. Sein pflanzlicher Metabolismus war derart
anpassungsfähig, dass er mühelos mit jeder der auf Crysral simulierten Umweltbedingungen
zurechtkam.
Cy pflegte sich in Gesprächen zumeist sehr zurückzuhalten.
Ein Grübler, dachte Algorian.
Er wusste, dass das Pflanzenwesen noch immer von Heimweh nach seiner Heimat geplagt wurde.
Nach Auri.
Außerdem nagte der Schmerz an ihm, der Letzte seiner Art zu sein.
»Es hat keinen Sinn, mit den Gedanken in der Vergangenheit zu weilen«, sagte Algorian.
Er wusste nicht, ob er damit Worte gefunden hatte, die den Aurigen in seiner Trauer erreichten.
Aber er hatte das sichere Gefühl, dass der Aurige darauf gewartet hatte, von ihm angesprochen zu
werden.
»Du wirst gleich an einer Lagebesprechung der Allianz-Regenten teilnehmen, Algorian«, sagte das
kleine buschähnliche Wesen. »Vielleicht erscheinen dir meine Gedanken dagegen lächerlich
unwichtig...«
»Keineswegs.«
»Keine Kunstsonne kann das Licht von Auri ersetzen.«
»Ich weiß.«
Cy hatte auf der Spore gelebt. Diese Spore hatte in einem Gasring existiert, der seine Sonne wie ein
breites leuchtendes Band umgab. Aber nun war jedes Leben auf Auri erloschen.
Nur Cy hatte überlebt.
Es gab im gesamten Universum niemanden mehr von seiner Art. So sehr sich Algorian auch als
Freund und Lehrer erwiesen hatte, so wenig vermochte der Humanoide das zu ersetzen, was Cy
verloren hatte.
Eine ganze Weile standen sie schweigend da und sahen dem Spiel des Lichtes zu, das die
Kunstsonne auf die Felsmassive sandte.
Cy hatte jedoch keinen Sinn für die Schönheit dieses Schauspiels.
Kein Wunder, dachte Algorian. Es ist für die Augen von Aorii geschaffen worden - nicht für ein
Pflanzenwesen, dessen sehnlichster Wunsch es ist, wieder auf einer Spore zu sitzen, die ihrerseits in
einem Gasring treibt.
Ein paar Crysral-Tage waren vergangen, seit Darnok, der Letzte der Keelon, sie in unmittelbarer
Nähe Crysrals abgesetzt hatte.
Sowohl Cy als auch Algorian waren in dieser Zeit umfangreichen Befragungen unterzogen worden.
Es würden nicht die letzten sein.
Darnok hingegen hatte sich gleich daraufhin abgesetzt. Unter anderem wohl auch deshalb, weil der
Keelon sich derartige Verhöre hatte ersparen wollen.
»Hast du inzwischen schon etwas über den Inhalt des Datenspeichers herausgefunden, den Darnok
dir vor unserem Abschied gegeben hat?«, fragte Cy unvermittelt.
Er schien sich jetzt aktiv der Gegenwart zuwenden zu wollen. Es hatte wirklich keinen Sinn, voll
Trauer rückwärts zu sehen.
Algorian holte den Speicher aus einer Tasche seiner Kombination hervor. Er nahm ihn zwischen
zwei Finger der linken Hand, hob ihn in das Licht der Kunstsonne und verengte ein wenig die
Augen. Seine Gesichtsknochen traten stark hervor und gaben seinem Antlitz unverwechselbare
Konturen. Allerdings war Cy kaum in der Lage, die Mimik dieses Gesichtes richtig zu deuten.
»Ich habe wirklich alles versucht«, sagte Algorian schließlich.
»Du hattest keinen Erfolg?«
»Nicht eine einzige Datensequenz konnte ich bislang entschlüsseln. Und dabei gibt es auf Crysral
die besten Spezialisten dafür, die man in der gesamten Allianz auftreiben kann!«
»Du solltest nicht den Mut verlieren, Algorian«, versuchte Cy seinen Freund zu ermutigen.
»Das werde ich auch nicht.«
Erneut schwiegen sie.
Schließlich sagte Cy: »Diese eigenartige Welt ist nicht Auri. Aber sie ist interessant genug, um sich
jedes Detail darin genau anzusehen!«
»Es sind eigentlich mehrere Welten in einer, Cy.«
»Ja, ich weiß. Ich sollte sie mir alle ansehen.«
»Wenn es hier möglich ist, für jedes Allianz-Volk Areale mit speziell ausgerichteten
Lebensbedingungen zu schaffen, warum kann man dann nicht etwas Ähnliches wie Auri im Inneren
von Crysral erschaffen?«
»Der Aufwand wäre immens groß...«
Cy stieß einen Laut aus, den Algorian im ersten Augenblick nicht zu interpretieren wusste. Erst ein
paar Augenblicke später fiel ihm ein, dass es vielleicht das Äquivalent des bei humanoiden Völkern
sehr verbreiteten Lachens war.
»Du bist so ernst, Algorian!«, sagte der Aurige.
»Soll das heißen, dass das ein Scherz sein sollte?«
»Du kannst es so nennen.«
»Tut mir Leid«, wehrte Algorian ab, »aber zurzeit ist mir einfach nicht nach so etwas zumute. Die
Lage ist ernst.«
»Ich bin trotzdem froh.«
»Froh?«, echote Algorian verständnislos.
»Die Bewusstseinskopien der Regenten sind nicht mehr in meinem Inneren.«
»Na, und?«
»Ist das nicht der Grund dafür, dass ich an dieser Besprechung nicht teilzunehmen brauche?«
»Cy...« Ein tadelnder Tonfall schwang in den Worten des Aorii mit. Algorian war sich jedoch nicht
sicher, inwieweit der Aurige überhaupt in der Lage war, die Feinheiten sprachlicher Modulation zu
erfassen.
Die Naivität, mit der das Pflanzenwesen alles betrachtete, ging Algorian im Übrigen hin und wieder
durchaus auf die Nerven...
Die Besprechung fand in einem spartanisch eingerichteten Konferenzraum statt. Die Regenten der Laschkanen, Ovoaner, Ceyniden, Neeg, Aorii und Rogh waren ebenso anwesend wie zahlreiche Räte und Sicherheitsexperten der Allianz. Außerdem einige der militärischen Kommandanten. Qarleinen, der ovoanische Regent, ging demonstrativ auf Algorian zu und begrüßte ihn. In der Vergangenheit hatten sie zwar des Öfteren unterschiedliche Meinungen vertreten, aber beide respektierten sich. Algorian schätzte an Qarleinen die ehrliche, offene Art. Der Ovoaner hielt mit seiner Meinung selten hinter dem Berg. Die meisten anderen Regenten nickten Algorian höflich zu. Nur Barbeilen, der Regent der Aorii Algorians eigenes Volk - ignorierte ihn. Schließlich handelte es sich bei ihm um eine Nachgeburt, einen zweitgeborenen Zwilling. Damit war er beim Volk der Aorii nichts wert, und würde nie etwas wert sein. Kerrgh, der Erste der Rogh, war als Letzter eingetroffen. Algorian registrierte, dass der Rogh auf Qarleinen, den Herrscher der Ovoaner, zuging und ihn mit ungewohnter Herzlichkeit begrüßte. Beide Regenten waren in der Vergangenheit selten einer Meinung gewesen und hatten ihre gegenseitige Geringschätzung nur mühsam verbergen können. Das war allgemein bekannt. Offenbar hatte sich die Einstellung beider aber geändert.
Eine andere Möglichkeit bestand darin, dass sie sich gegenseitig für irgendeine kurzfristige Koalition dringend brauchten. Ein seltsames Paar!, ging es Algorian durch den Kopf. Da war auf der einen Seite der filigranzerbrechliche, nur etwa ein Meter sechzig große Körper des Rogh mit seiner empfindlichen und farblich entsprechend der momentanen Stimmung changierenden Flügelmembrane. Auf der anderen war der breitschultrige Ovoaner, der über zwei Meter groß war, ein Humanoide von ausgesprochen kräftiger Statur. Hornplatten schützten den Schädel, die Augen lagen sehr tief. Die Haut wirkte ledrig. Den Ovoanern wurde ein Hang zum Kriegerischen nachgesagt. Aber dieser Ruf stammte wohl eher aus einer aus heutiger Sicht der CLARON-Historiker unrühmlichen Vergangenheit, als die Ovoaner in zahllose Konflikte verwickelt gewesen waren. Kriege untereinander und gegen andere galaktische Völker hatten die frühe Geschichte dieses CLARON-Volkes geprägt. Aber das war lange vorbei, und der heute regierende Regent der Ovoaner, Qarleinen, war auch eher für vermittelnde Positionen bekannt. Algorian informierte die Anwesenden über das, was er auf der Reise zu den Jay'nac erfahren hatte. »Die Anorganischen haben den Plan, die Führungsspitzen der Allianz gegen Klone auszutauschen. Ich nehme an, dass Cy deswegen auch die Bewusstseinskopien der Regenten entrissen wurden.« »Sie meinen, dass diese Kopien jetzt in geklonte Körper implantiert werden«, stellte ein laschkanischer Rat fest, von dem man nichts sah, außer einem Schattenfeld. Die Laschkanen stammten von einer Welt, die so weit von ihrem Zentralgestirn entfernt war, dass es dort kaum Licht gab. Daher hüllten sie sich in Dunkelheit, um ihre empfindliche Haut und besonders die Augen vor Helligkeit zu schützen. Algorian, der noch nie einen Laschkanen ohne Schatten gesehen hatte, bestätigte den Einwurf mit einem leichten Senken des Kopfes. »Ja«, sagte er anschließend. »Zumindest besteht die Mög lichkeit!« Algorian fiel auf, dass sich bei Kerrgh, dem Ersten der Rogh, die Farbe der Flugmembran leicht änderte. Einer der Räte meldete sich zu Wort... wieder ein Laschkane. Algorian war davon überzeugt, dass er von seiner Regierung vorgeschoben wurde. »Niemand bezweifelt Ihre Loyalität zur Allianz«, erklärte der Laschkane. »Allerdings mussten unsere Sicherheitskräfte einige Ungereimtheiten im Zusammenhang mit Ihrer Rückkehr feststellen. Ungereimtheiten, die bisher auch nicht aufgeklärt worden sind.« Algorian wusste natürlich nur zu gut, worauf der Laschkane anspielte. »Es ist wirklich so, wie ich immer wieder erklärt habe«, sagte Algorian ruhig. »Darnok hat Cy und mich in der Nähe von Crysral ausgesetzt und ist danach weitergereist.« »Aber warum dieses offensichtlich getarnte Vorgehen?« Algorian verzog das Gesicht. »Das muss ich mich ausgerechnet von einem Laschkanen fragen lassen?« Hier und da wurden unter den Angehörigen verschiedener Allianz-Völker ganz unterschiedliche Ausdrucksformen von Heiterkeit bemerkbar. Algorian fuhr fort: »Mir ist klar, dass die Umstände unserer Rückkehr einige Fragen aufwerfen, für die es keine zufrieden stellenden Antworten gibt. Aber ich bin bereit, mich jeder Art von Unter suchung zu stellen.« »Sie wissen genau, dass niemand die Ereignisse jetzt noch genau zu rekonstruieren vermag«, warf ein ceynidischer Rat ein. Algorian konnte dem nicht widersprechen. »Ich kann Sie nur um Ihr Vertrauen bitten.« »Was mich angeht, so denke ich, dass niemand diesen Vertrauensvorschuss mehr verdient hätte als Algorian und Cy«, meldete sich Kerrgh, der Erste der Rogh, zu Wort. »Wir sollten uns auf das kon zentrieren, was sie an Erkenntnissen von ihrer Reise mitgebracht haben.« Die Äußerung des Rogh traf auf allgemeine Zustimmung. Kerrgh musterte den Aorii einige Augenblicke lang. Algorians Ruf in der Allianz war außerordentlich gut. Nicht zuletzt deswegen, weil er entscheidend zu Cys Auffindung beigetragen
hatte. Niemand mochte sich vorstellen, dass jemand wie er vielleicht doch Teil einer Verschwörung war. Nicht einmal Barbeilen, der Aorii-Regent, schien anderer Meinung zu sein, obwohl er Algorian selbst nicht schätzte. Allerdings konnte das auf der anderen Seite auch nicht heißen, dass die Führungsspitzen der Allianz nun jegliche Vorsicht vermissen ließen. Einer der Sicherheitsexperten meldete sich zu Wort. Er war Ovoaner und hieß Tremleg. »Wir sollten bedenken, dass die Trümmer der CLARON inzwischen gefunden wurden - und zwar genau an den Koordinaten, die Algorian uns angegeben hat.« Von allen Seiten kamen Signale der Zustimmung. Diejenigen, die Algorian misstrauten, waren in der absoluten Minderheit. »Bei nüchterner Analyse ist die Lage der Allianz mehr als kritisch«, stellte Algorian etwas später fest, als sich die Beratungen endlich dem eigentlichen Gegenstand der Sitzung zuwandten. »Dass die Erinjij unsere Feinde sind, ist nichts Neues. Jegliche Versuche, sie auf diplomatischem Weg zur Aufgabe ihres Eroberungsfeldzuges zu bewegen, müssen wir als gescheitert ansehen. Sie werden ihren Krieg nicht eher beenden, als ihnen eine gleichwertige Macht militärisch gegenübertritt.« Algorian blickte in die Runde. Die Augen von Ovoanern, Laschkanen, Aorii, Ceyniden, Neeg und Rogh waren auf ihn gerichtet. »Die Allianz CLARON ist ein Bündnis, das auf Verständigung und Kooperation beruht. Früher gab es auch zwischen unseren Mitgliedsvölkern blutige Konflikte. Diese Zeit ist zum Glück vorbei.« »Wir müssen uns vielleicht an den Gedanken gewöhnen, dass wir es mit Gegnern zu tun haben, die weder an Kooperation noch an Verständigung überhaupt interessiert sind«, warf Kerrgh ein. »Da hilft nur Härte!« Ein ceynidischer Rat war entrüstet. »Die Allianz wollte niemals als Hegemonialmacht auftreten!«, erklärte er. »Im Moment geht es wohl eher um die Frage, ob wir uns vor den Karren der Jay'nac spannen lassen sollten«, erklärte Algorian. »Immerhin wären die Anorganischen ein Gegner, der es mit den Erinjij aufnehmen könnte!«, gestand Kerrgh zu. Sein neuer ovoanischer Freund Qarleinen unterstützte ihn dabei. »Unser drängendstes Problem sind die Erinjij«, erklärte der Regent der Ovoaner. »Sie nagen bereits an der Peripherie des Allianz-Territoriums. Und das sollten wir ihnen nicht länger gestatten.« »Und die Jay'nac als Bündnispartner ansehen?«, fragte Algorian skeptisch. »Warum nicht?«, fragte Qarleinen. Einige Augenblicke lang herrschte Stille. Der Ovoaner schien die Reserve zu spüren, die gegenüber dieser Alternative unter den Anwesenden vorhanden war. Trotz seines martialischen Aussehens war Qarleinen sensibel genug, um das schnell zu bemerken. »Wir sollten zumindest darüber nachdenken«, sagte er. »Auch wenn es keine offizielle Übereinkunft zwischen uns und den Jay'nac gibt, so sind sie doch faktisch unsere Verbündeten gegen die Erinjij. Lassen wir ihnen doch den Vortritt! Ich bin nicht gegen den Krieg. Ich bin aber gegen einen Krieg, den wir gegenwärtig kaum gewinnen können. Ich erinnere nur daran, dass wir noch immer nicht die Zentralwelt dieser Sternenbestien entdeckt haben! Damit haben sie einen unangreifbaren Rückzugspunkt. Wir können die Erinjij zurücktreiben, aber niemals schlagen.« Algorian hob leicht das Kinn. Seine hageren Gesichtszüge wirkten konzentriert. »Mag sein«, gestand er zu, wobei er sich fragte, ob er gerade seine Befugnisse überschritt. Zwar war er Ratsmitglied, jedoch nur in beratender Funktion. Er war kein Regent. »Aber ich fürchte - und dieser Rat war bislang auch dieser Meinung -, wir wären nach einem Sieg der Jay'nac über die Erinjij das nächste Opfer der Anorganischen.« »Es gibt einen weiteren Bedrohungsfaktor«, meldete sich ein anderer Aorii zu Wort. Er war gigantisch, beinahe so groß, wie es Algorians Erstling Rofash gewesen war. Es handelte sich um einen in Sicherheitsfragen seit langem sehr engagierten Mann namens Zegrian. Hinter ihm stand sein Zweitling und wartete auf Anweisungen.
Ich weiß nicht einmal seinen Namen, durchfuhr es Algorian mit einem Stich des schlechten Gewissens. In der Vergangenheit war Zegrian einer der wenigen Hardliner in den Reihen der CLARONFührung gewesen, die für ein entschiedeneres Auftreten gegenüber den Feinden der Allianz eintraten. Zegrian war häufig kritisiert worden. Inzwischen war Algorian jedoch zu der Ansicht gelangt, dass der Aorii kein Hardliner, sondern ein Realist war. Alle Augen waren auf Zegrian gerichtet, der diese Aufmerksamkeit sichtlich genoss. Seine Miene wirkte ernst. »Wirrr haben Inforrrmationen darrrüber, dassss der Aqua-Kubusss jüngst eine belebte Welt in sssich aufgenommen hat«, erklärte Zegrian mit donnernder Stimme. Doch diese Lautstärke war für einen Erstling normal. »Ich dachte, das wären unbestätigte Gerüchte«, mischte sich der erste Repräsentant der Ovoaner ein. »Inzwischen wurrrden die Fakten bestätigt«, sagte Zegrian. »Derrr Planet, derrr dem Aqua-Kubusss zum Opferrr fiel, heißt Masssana, umkrrreissste alsss Vierrrterrr von acht Planeten eine gelbe Sssonne und warrr nurrr wegen einigerrr ssseltenerrr Vorrrkommen von Minerrralien interrressssant.« »Soweit ich mich erinnere, war Masana nicht mit CLARON verbündet«, stellte Kerrgh fest. »Es war nur eine primitive Kultur.« »Dasss issst rrrichtig«, sagte Zegrian. »Dennoch issst esss unklug, anzunehmen, dassss derrr Kubusss davon absssehen würrrde, eine CLARRRON-Welt zu assssimilierrren.« »Vernichten wäre ein passenderes Wort«, kommentierte Algorian. Zegrian bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick, da ein Zweitling es gewagt hatte, ihn zu unterbrechen, und sagte schließlich: »Die Bevölkerrrung einesss ganzen Planeten fiel diesssem brrrutalen Angrrriff zum Opferrr.« »Könnte es sein, dass dieser Angriff mit den Plänen der Jay'nac in Zusammenhang steht?«, wandte sich Kerrgh an Algorian. »Dafür konnten wir während unserer Reise keinerlei Anhaltspunkte finden«, erwiderte dieser. Zegrian ergriff erneut das Wort. »Esss bleibt die Tatsssache, dassss wirrr unsss darrrauf vorrrberrreiten müssssen, mit dem Kubusss einen weiterrren Gegnerrr zu haben. Ich schlage vorrr, ssseine gegenwärrrtigen Koorrrdinaten zu errrmitteln und mit geballterrr Macht zurückzuschlagen, sssollte errr versssuchen, sssich eine CLARRRON-Welt einzuverleiben.« Dieser Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung. Der Wind hat sich gedreht, ging es Algorian durch den Kopf. Noch vor kurzem wäre jemand wie Zegrian mit einem derartigen Vorschlag niemals so leicht durchgedrungen. Die Mitglieder der Al lianz haben Angst...
Cy war von kindlichem, fast ehrfürchtigem Staunen erfüllt, als er die gewaltigen, teilweise mehrere
hundert Meter aufragenden Bäume sah. Kokonartige Gebäude hingen an den ausladenden Ästen.
Auf den ersten Blick konnte man sie für Früchte halten.
Es war heiß. Der Dschungel dampfte förmlich. Die Luftfeuchtigkeit und der Kohlendioxid-Anteil in
der Atemluft waren so hoch, dass Angehörige der meisten CLARON-Völker in diesem Habitat ihre
Probleme gehabt hätten.
Cy befand sich in einer der sechs Hauptkavernen von Crysral. Es handelte sich um einen Bereich
der Rogh. Hin und wieder sah er Angehörige anderer CLARON-Völker unter den zahllosen Rogh.
Zumindest die Aorii trugen Atemmasken, um sich vor dem Kohlendioxid zu schützen.
Cy hingegen hatte seinen Stoffwechsel problemlos an diese Umgebung anpassen können.
Er war entschlossen, sich so viel wie nur irgend möglich von dieser Welt anzusehen.
Diese vielen Welten in einer, korrigierte er sich, denn genau das war Crysral. Wahrscheinlich kann man nirgendwo sonst in der Galaxis auf so engem Raum derart viele verschiedene Umgebungen kennen lernen. Die den Verhältnissen auf Farsal nachgebildete Zone der Rogh übte dabei eine ganz besondere
Faszination auf das Pflanzenwesen aus. Woran das genau lag, wusste Cy noch nicht so recht. Er
genoss einfach die Intensität des kindlichen Staunens, das ihn erfüllte. Dieses Staunen war ein gutes
Mittel gegen die Trauer in ihm.
Cy erreichte den Fuß eines dieser gewaltigen Urwaldriesen. Angeblich sollte es auf Farsal noch
gewaltigere Exemplare geben.
Der Stamm war von enormer Dicke und fest in der Erde verwurzelt.
Der Aurige erinnerte sich daran, dass der Legende nach auch sein Volk einst starr an einen Ort
gebunden gewesen war. Er stellte sich vor, wie sich dieses riesige Ungetüm aus dem Erdreich löste
und ging. Ihn schauderte.
Mit seinen tentakelartigen Auswüchsen berührte Cy dieses besondere Holz.
Dass die Hauptkaverne der Rogh ihm mehr als alle anderen Habitate im Inneren von Crysral gefiel,
die er bisher kennen gelernt hatte, lag vielleicht daran, dass die Vegetation hier eine besonders
wichtige Rolle spielte. Die Rogh schienen einen sehr engen Kontakt zur Flora ihres Heimatplaneten
zu haben.
Ein Umstand, der Cy gefiel.
Tausende von Rogh flatterten zwischen den kokonartigen Gebäuden hin und her, die von den Ästen
herunterhingen. Ein faszinierender Anblick.
Das Pflanzenwesen lauschte.
Rascheln erfüllte die Luft. Ein sich dauernd verändernder, filigraner Klangteppich. So zart
gesponnen wie die feinen Strukturen auf den Flügelmembranen der Rogh.
Cy hatte sich über einen der öffentlichen Zugänge zu dem Datennetz von Crysral einige
Grundkenntnisse über die Rogh und die von ihnen bevorzugten Umweltbedingungen angeeignet. So
wusste er, dass das Rascheln für die Rogh eine meditative, beinahe religiöse Bedeutung hatte. Es
war für sie Sinnbild der Verbundenheit aller Rogh.
Als Cy daran dachte, überschwemmte eine Welle tief er Traurigkeit sein Bewusstsein.
Du bist allein, Cy!, erinnerte ihn eine innere Gedankenstimme. So allein wie sonst wohl kaum
jemand im Universum.
Schließlich war er der Letzte seiner Art.
Seine Lage war allenfalls mit der Darnoks vergleichbar.
Einer der Rogh flatterte auf Cy zu und ließ sich vor ihm nieder.
Einige weitere Rogh landeten in der Nähe. Cy war im ersten Augenblick etwas irritiert.
»Sei gegrüßt, Cy«, sagte einer der Rogh. Er bewegte sich etwas zögernd auf das Pflanzenwesen zu.
Die anderen Rogh schienen unter dem Befehl des Sprechers zu stehen. Cy bemerkte, dass sie
bewaffnet waren.
»Wer bist du?«, fragte das Pflanzenwesen.
»Mein Name ist Kerrgh.«
»Ich habe von dir gehört...«
»Ich bin der Erste der Rogh.«
»Verstehe«, sagte Cy ernst.
»Auch ich habe viel von dir gehört, Cy. Du hast deine Heimat verloren. Mehr als das!«
»Auri...«
»Ich weiß. Die Spore, auf der du gelebt hast...«
Cys tentakelartige Fortsätze bewegten sich leicht. Niemand im gesamten Universum vermochte
diese Geste noch zu deuten. Es gab einfach keinen zweiten Aurigen mehr.
Was will dieser Kerrgh von mir?, fragte sich Cy. »Eigentlich kann ich mir kaum vorstellen, dass
jemand, der kein Aurige ist, meine Trauer nachempfinden kann.«
»Vielleicht empfindest du etwa das, was ein Rogh fühlt, wenn er das Rascheln nicht hören kann«,
vermutete Kerrgh.
Nach allem, was Cy bisher über das Leben und die Kultur der Rogh wusste, war diese Analogie gar
nicht mal so abwegig - nur dass das Rascheln wiederkehren könnte...
»Was willst du von mir, Kerrgh?«, fragte Cy unvermittelt.
Die Flügelmembrane des Ersten der Rogh war in einem verwaschenen Muster aus Pastelltönen
gehalten. Ein Zeichen dafür, dass sich Kerrgh emotional absolut unter Kontrolle hatte. Er spreizte
leicht die Fühler.
»Es ist reiner Zufall, dass wir uns hier getroffen haben«, erklärte er.
Auf Cy wirkte das nicht sehr überzeugend. »Diese Kaverne ist riesig! Geradezu gigantisch!«
»Und doch trifft man sich immer wieder an denselben Orten und Plätzen, Cy. Ich verfolge wirklich
keine besondere Absicht, sondern wollte einfach nur jenes Wesen kennen lernen, das in der Lage
war, die Bewusstseine der sechs Regenten von CLARON in sich aufzunehmen.«
»Ich habe diese Bewusstseine nicht mehr in mir«, stellte Cy sachlich fest. Er war etwas irritiert.
Warum kommt er jetzt auf dieses Thema zu sprechen?, überlegte er.
»Ich weiß«, erklärte Kerrgh. »Dein Freund Algorian hat vor den Regenten und einigen hohen
Kommandanten unserer Raumflotte sowie ein paar Sicherheitsexperten einen ausführlichen Bericht
über eure Reise zu den Jay'nac geliefert.«
»Dann weißt du ja Bescheid«, stellte Cy fest.
»Wir sind froh, dass Algorian dich gefunden hat. Wir alle - die gesamte Allianz von CLARON -
schulden ihm dafür Dank.«
»Ja, das stimmt.«
»Was ist mit den Bewusstseinskopien geschehen, die in dir gespeichert waren, Cy?«, fragte Kerrgh.
Warum interessiert er sich ausgerechnet für diesen Punkt?, fragte sich Cy. Weil gewissermaßen ein
Teil seiner selbst mit dieser Kopie verloren ging? Empfindet er das so?
Aus irgendeinem Grund schien der Rogh in dieser Hinsicht sensibler zu sein als die anderen
Regenten.
»Ich weiß nicht, was mit den Kopien letztlich geschah«, erklärte Cy. »Die Jay'nac haben sie mir
entzogen. Das ist alles.«
»Und es ist wirklich nichts davon in dir übrig geblieben?«, hakte Kerrgh nach. »Nein.«
»Ich frage das insbesondere in Bezug auf...«
»...die Kopie deines Bewusstseins?«, beendete Cy die Frage.
»Ja.«
»Ich muss dich enttäuschen, Kerrgh. Es ist nichts mehr von dir da.«
»Das wollte ich nur wissen.« Der Rogh blickte auf das winzige Display seines Kommunikators.
»Ich werde gerufen. Zurzeit reiht sich eine Besprechung an die andere. CLARON befindet sich in
der Krise... Aber ich brauche dir ja wohl nicht zu erklären, warum.«
»Nein.«
Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in Cys Innerem aus. Er konnte diese Empfindung selbst nicht
so recht einordnen. Er wusste nur, dass es mit Kerrgh zu tun hatte.
Dieses Gefühl irritierte Cy zutiefst. Unbehagen ließ die tentakelartigen Fortsätze sich zurückziehen.
Ist Kerrghs Interesse an dir nicht eigentlich nur allzu gut verständlich?, dachte das Pflanzenwesen
dann. Schließlich gab es eine sehr gute Bindung zwischen uns beiden! Ich trug seine Gedanken in
mir...
Eine Spur Misstrauen blieb.
Der Erste der Rogh erhob sich zusammen mit seinen Leibwächtern wieder in die Luft. Die Gruppe
schwebte davon, mischte sich in die gewaltige Schar von Rogh, die gemeinsam das Rascheln
erzeugten.
Ein Rascheln, das inzwischen beinahe die gleiche Beliebtheit erreicht hatte, wie das Rascheln der
großen Metropolen von Farsal und daher auch in die Datennetze der Ydragh-Welten eingespeist
wurde.
Cy sah der Gruppe von Rogh nach und blieb etwas verwirrt zurück.
Er empfand noch immer Unbehagen, ohne sich den Grund dafür erklären zu können.
Plötzlich nahm er einen Luftzug wahr.
Etwas kam von oben auf ihn zu.
Das Rascheln veränderte sich, wurde von schrillen Schreckenslauten hunderter Rogh durchsetzt.
Eines der Kokon-Gebäude stürzte ab. Es hatte sich von seiner hängenden Position unterhalb eines
dicken, knorrig wirkenden Astes gelöst und raste nun in die Tiefe.
Cy bewegte sich blitzartig seitwärts. Seine gesamte körperliche Kraft legte das Pflanzenwesen in
diese Bewegung.
Im nächsten Augenblick erzitterte der Boden der Rogh-Kaverne unter dem Aufprall des Gebäudes.
Große Brocken des weichen Waldbodens wurden in die Höhe geschleudert. Hunderte von Rogh sto
ben zu allen Seiten davon. Ein Alarmsignal ertönte.
Das Gelände, auf dem das Kokon-Gebäude gelandet war, war abschüssig.
Cy bemerkte, dass es sich in Bewegung setzte.
Wie eine gewaltige, haushohe Walze, rollte es auf ihn zu.
Cy ergriff die Flucht.
Aber er war nicht schnell genug.
Die Walze näherte sich unaufhaltsam. So sehr sich das Pflanzenwesen auch bemühte, so
aussichtslos war es doch, dem rollenden Kokon zu entkommen.
Die Walze kam in Fahrt.
Panik ergriff Cy.
Einer seiner tentakelartigen Fortsätze geriet unter die Walze. Im letzten Moment schaffte es Cy, den
Fortsatz zurückzuziehen.
Er wusste, dass ex damit nichts gewonnen hatte. Schon drückte ihn die Last der aus einem
holzähnlichen Material bestehenden Außenhülle des Kokon-Gebäudes zu Boden.
Das ist das Ende, war ihm klar. Das Ende des letzten Aurigen...
Er ist in der Nähe. Und irgendetwas beunruhigt ihn stark.
Der Psi-begabte Algorian spürte die Anwesenheit des Ovoaners noch bevor sich die Schiebetür zu
dem Aufenthaltsraum geöffnet hatte.
Im nächsten Moment betrat die hoch aufragende, breitschultrige Gestalt des Regenten der Ovoaner
den Raum. Zwei Leibwächter befanden sich in seinem Gefolge.
Qarleinen machte ihnen ein Zeichen. Sie verstanden sofort, entfernten sich und warteten in der
Nähe eines Nahrungsmittel- und Getränkespenders.
»Sie wollen mich sprechen, Qarleinen?«, wandte sich Algorian an den ovoanischen Regenten.
»Das ist richtig.«
»Worum geht es?«
Das ansonsten recht scharf geschnittene, von furchenartigen Falten durchzogene Gesicht des
Ovoaners entspannte sich leicht.
Er ist nicht wirklich entspannt, ging es Algorian durch den Kopf. Sein Psi-Sinn sagte es ihm.
Außerdem kannte er die Körpersprache der Ovoaner inzwischen recht gut. Irgendetwas liegt ihm
auf der Seele...
»Zurzeit folgt eine Versammlung der anderen. Wichtige Entscheidungen stehen bevor.«
»Das ist richtig«, stimmte Algorian zu.
Eine kleine Pause entstand, die auf Seiten des Ovoaners von Verlegenheit geprägt war.
Ein guter Diplomat ist Qarleinen nie gewesen, überlegte Algorian.
»Ich schätze Sie seit langem sehr, Algorian. Und in Zeiten wie diesen tut es manchmal ganz gut, die
persönliche Einschätzung von jemandem zu erfahren, dem man trauen kann.«
»Meine Einschätzung kennen Sie doch! Ich bin Ihrer Meinung. Wir haben zurzeit nicht die
Möglichkeit, die Erinjij zu schlagen. Aber wenn wir herausbekämen, wo ihr Heimatsystem liegt...«
»Dann wüssten wir zumindest, welche militärischen Reserven sie noch haben!«, meinte Qarleinen.
»Und wir hätten ein Angriffsziel.« Er atmete tief durch. Schließlich fuhr er fort: »Während der La
gebesprechung hat sich ein Angehöriger Ihres Volkes sehr vernünftig geäußert.«
»Sie sprechen von Zegrian.«
»Ja. Leider entspricht seine Position nicht ganz der seines Regenten.«
»Zegrian ist ein Sicherheitsexperte der Allianz. Er hat eine unabhängige Position und ist nicht an
Weisungen gebunden.«
»Mag sein.«
»Sie möchten, dass ich die Position der Aorii-Regierung beeinflusse!« Algorian hätte beinahe
lautstark seine Belustigung zum Ausdruck gebracht. So angesehen er in der Allianz war, so wenig
Einfluss hatte er auf sein eigenes Volk.
Qarleinen verzog den Mund, bleckte dabei die Zähne wie ein Raubtier. Es war das ovoanische
Äquivalent eines Grinsens. »Ihr Einfluss hier auf Crysral ist nicht zu unterschätzen, Algorian.«
»Auf Crysral, ja.« Aber nicht bei den Aorii, das weißt du doch!
»Es mag sein, dass es während der Besprechung die eine oder andere kritische Frage im Hinblick
auf Ihre Rückkehr gegeben hat. Aber die große Mehrheit vertraut Ihnen und könnte sich niemals
vorstellen, dass Sie etwa die Interessen der Allianz verraten würden. Wenn Sie sich auf Kerrghs
Seite schlagen und für ein entschlosseneres, offensiveres Vorgehen gegenüber den Erinjij eintreten,
bliebe das nicht ohne Wirkung.«
»Dasselbe gilt, wenn ich mich auf die Gegenseite schlagen würde.«
»Sicher. Und? Was ist nun Ihre Position, Algorian?«
»Ich glaube nicht, dass die Allianz im Augenblick stark genug wäre, um in die Offensive zu gehen!
Mal ganz abgesehen davon, dass es auch politisch nur schwer durchsetzbar wäre, riskieren wir
einen Drei-Fronten-Krieg - Erinjij, Jay'nac und der Aqua-Kubus.«
Der Ovoaner trat noch etwas näher an Algorian heran. Er sprach jetzt in gedämpftem Tonfall. »Was
Ihre Einschätzung der militärischen Möglichkeiten angeht, die der Allianz CLARON zurzeit zur
Verfügung stehen, teile ich Ihre Ansicht voll und ganz.«
»Wie schön, dass wir uns einig sind«, entgegnete Algorian.
»Aber hat der Krieg in Wahrheit nicht längst begonnen?«
Der Aorii stimmte zögernd zu. Einerseits musste der dem Regenten der Ovoaner Recht geben,
andererseits gefiel ihm die Schlussfolgerung nicht, die Quarleinen ziehen würde.
»Na sehen Sie!«, setzte dieser auch gleich an dieser Stelle an. »Da die Notwendigkeit besteht,
möglichst schnell und entschieden gegen die Erinjij vorzugehen, liegt die Konsequenz doch auf der
Hand! Wir benötigen Verbündete.«
»Ich denke, die Jay'nac haben deutlich gemacht, dass wir ihnen nicht trauen können.« Algorian
bemerkte ein akustisches Signal seines Kommunikators. »Entschuldigen Sie bitte.«
Er nahm das Gespräch entgegen. Auf dem Mini-Display erschien das Gesicht eines ceynidischen
Sicherheitsbeamten.
»Ich melde mich wegen Cy«, sagte dieser. »Im Sektor der Rogh gab es einen Unfall...«
Kommandant Lerrogh erwachte.
Für einen Rogh, der Schlaf im herkömmlichen Sinn nicht kannte, war dies ein seltenes Ereignis.
Lerrogh war der Unterschied zum normalen Emportauchen aus der Trancephase innerhalb der
heiligen Zeit sofort klar.
Die Tatsache, dass er so etwas zum ersten Mal erlebte, spielte dabei keine Rolle.
Ich war bewusstlos, erkannte er.
Ein Zustand, der für jeden Rogh etwas Beängstigendes hatte und nur im äußersten Notfall bei
medizinischen Eingriffen angewandt wurde. Lange Zeit hatten die Meditationsschulen auf Farsal
heftig darüber debattiert, ob es grundsätzlich abzulehnen sei, jemanden zu betäuben. In den
religiösphilosophischen Vorstellungen der Rogh bestand die Gefahr, dass ein Individuum nach dem
Erwachen nicht mehr dasselbe war. Berühmte Meditationsmeister der Arrlagh-Schule sowie der mit
ihr verfeindeten Schule von Jarragha hatten in ihren Schriften darum gestritten, ob der Faden des
Lebens durch eine Bewusstlosigkeit abgeschnitten und damit die Kontinuität der Persönlichkeit
unterbrochen würde.
Die Bewusstseine anderer galaktischer Völker mochten weder im Schlaf noch in der
Bewusstlosigkeit etwas Bedrohliches sehen. Die Rogh hielten noch immer den Schlaf für ein
Merkmal der Primitivität. Nur langsam hatte sich der Gedanke durchgesetzt, dass es vor allem in
der Medizin notwendig sein konnte, einen schlafähnlichen Zustand herbeizuführen.
Oder wenn es darum ging, jemanden zu stoppen, dessen Steuerungsfähigkeit nicht mehr vorhanden
war, überlegte Lerrogh.
Genau das war offenbar bei ihm der Fall gewesen.
Erinnerungen stiegen in ihm auf.
Er war durch den Dschungel von Pa-Marala geirrt und hatte sich gegen Fauna und Flora verteidigen
müssen. Der größte Feind aber war der Mangel an Kohlendioxid gewesen. Sein Gehirn hatte immer
schlechter funktioniert. Immer weniger hatte er seiner eigenen Wahrnehmung trauen können.
Ein Albtraum, der nun offensichtlich ein Ende hatte.
Lerrogh versuchte sich zu bewegen und stellte fest, dass er durch ein Energiefeld auf der Matte
fixiert war.
Es hatte keinen Sinn, seine Kraft damit zu verschwenden, sich gegen diese Fixierung zu wehren.
In Augenblicken wie diesen wünscht man sich ins Raupenstadium zurück!, ging es ihm durch den
Kopf.
Er vernahm ein brummendes Geräusch, das den Boden vibrieren ließ.
Ich bin an Bord eines Raumschiffs!, erkannte er.
Eine Schiebetür öffnete sich. Ein Rogh schwebte herein und ließ sich neben der Matte nieder.
»Wie ich sehe, sind Sie erwacht, Lerrogh«, stellte er fest. Er aktivierte eine Projektion, die ihm die
physiologischmedizinischen Parameter anzeigte.
»Wo bin ich?«, fragte Lerrogh.
»An Bord des Raumschiffs PANSHOOGH. Erinnern Sie sich nicht?«
Panshoogh war eigentlich der Name eines etwa zwanzig Meter langen amphibischen Raubtiers, das
für seine gute Tarnung bekannt war.
»Sind wir auf dem Weg nach Farsal?« »Oh, nein, wir sind vor kurzem von dort
aufgebrochen. Erinnern Sie sich an mich?« »Tut mir Leid.«
»Mein Name ist Gradossagh. Ich bin der medizinische Offizier an Bord der PANSHOOGH.«
»Kommt mir bekannt vor, aber...«
»Schon gut«, sagte der Arzt beschwichtigend. »Bei dem, was Sie durchgemacht haben, kann es
durchaus zu Amnesie-Phasen kommen.«
»Vielleicht helfen Sie mir ein bisschen auf die Sprünge.«
»Können Sie mit dem Namen Pa-Marala etwas anfangen?«
»Ein Planet!«, erinnerte sich Lerrogh.
»Das ist doch ein Anfang. Sie wurden von Spezialkräften des Geheimdienstes im Dschungel von
Pa-Marala gerettet. Leider mussten Sie dabei paralysiert werden. Sie waren sehr lange einer Koh
lendioxidmangelatmosphäre ausgesetzt. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass es zu
Hirnschäden gekommen ist. Daher wurden Sie gründlich untersucht. Allerdings kann auch bei der
gründlichsten Untersuchung etwas übersehen werden...«
Gradossagh deaktivierte das Energiefeld, das Lerrogh bis dahin fixiert hatte.
»Aber inzwischen bin ich wieder auf dem Weg nach Pa-Marala?«, vergewisserte sich Lerrogh. Er
sah zum Chronometer an der Wand. Seine Fühler erstarrten. »Ich war mehrere Tage bewusstlos?«
Lerrogh war fassungslos und verlor vollkommen die Kontrolle über die Färbung seiner
Flügelmembrane.
Gradossagh blieb ruhig.
»Sie leiden offensichtlich an einer Erinnerungslücke. Das kann eine Spätfolge einer Kohlendioxid-
Unterversorgung sein. Sie sind natürlich während des Rückfluges von Pa-Marala so schnell wie
möglich aus der Paralyse geweckt worden und haben sich auf Farsal umfangreichen Befragungen
unterziehen müssen...«
Lerroghs Körperhaltung entspannte sich etwas. »Ja, ich...« Er sprach nicht weiter.
Erinnerungsfetzen tauchten in seinem Inneren auf. Noch waren es nur Schnipsel, die sich nicht zu
einem vollständigen Bild fügen wollten. Plötzlich wusste er, weshalb er an Bord der PANSHOOG
war. »Wir sind auf einer Mission, nicht war? Die PANSHOOG hat den Auftrag, einige der Sharaj
zu entführen, denen die Erinjij Implantate eingesetzt haben, damit wir endlich herausfinden, was es
damit auf sich hat!«
Gradossagh senkte bestätigend seine Fühler nach vorn.
»Das ist korrekt«, sagte er sachlich. »Sie nehmen an dieser Mission teil, weil Sie uns mit Ihren
Kenntnissen über Pa-Marala und die Sharaj sicherlich helfen können.«
»Warum wurde ich betäubt?«
»Sie litten unter starken Wahnvorstellungen und drohten, großen Schaden anzurichten, Lerrogh. Die
Diagnose lautet: Störungen bei den Impulsübertragungen im Gehirn durch einen vor kurzem
erlittenen Kohlendioxid-Mangel. Aber wir haben die Sache im Griff.«
»Können Sie mir garantieren, dass das nicht noch einmal geschieht?«, fragte Lerrogh.
»Ich denke ja...«
Weitere Erinnerungsfetzen tauchten in Lerroghs Bewusstsein auf. »Ich habe die Einrichtung meines
Quartiers zerstört.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Das haben Sie.«
»Tut mir Leid.«
»Aus medizinischer Sicht hätten wir Sie gar nicht auf diese Mission mitnehmen dürfen, Lerrogh.
Nach einem erlittenen Kohlendioxid-Mangel braucht ein Rogh-Körper eine lange Phase der Er
holung. Aber die konnten wir Ihnen leider nicht gönnen. Wir brauchen Sie.«
»Ich weiß.«
»Mit Hilfe der Medikamente, die Sie bekommen, ist Ihr Zustand stabil.«
Ein Summton war zu hören. Ober Interkom meldete sich ein Brückenoffizier.
»Wir nähern uns dem Marala-System. Kommandant Basrigh wünscht die Anwesenheit Lerroghs
auf der Brücke, sofern dies medizinisch vertretbar ist.«
Gradossagh zögerte einige Augenblicke mit seiner Antwort. »Es ist vertretbar«, behauptete er
schließlich.
Als Lerrogh die Brücke betrat, waren schon deswegen alle Blicke auf ihn gerichtet, weil er nicht
schwebte, sondern tatsächlich ging.
Kommandant Basrigh musterte ihn. »Wie ich sehe, sind Sie wieder auf den Beinen, Lerrogh.«
»Der medizinische Offizier riet mir, für ein paar Stunden auf den Gebrauch der Flügel zu
verzichten.«
»Ja, das ist ein Routinehinweis nach jeder Form von Schlaf oder Bewusstlosigkeit.« Kommandant
Basrigh deutete zu der großen Hauptprojektion auf der Brücke der PANSHOOG. Im Vordergrund
war eine dunkelrote Kugel zu sehen. »Ich denke, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was das ist.«
»Pag-Marala, der äußerste Planet des Marala-Systems. Besteht zu einem erheblichen Teil aus Eisen,
das an der Oberfläche oxidiert ist und den Großteil des Kohlendioxids bindet. Eine wasserlose Welt,
so gut wie ohne Atmosphäre...«
»Mit anderen Worten: Bis Pa-Marala ist es nur noch ein Katzensprung.«
In einem gesonderten Fenster dieser Projektion erschien jetzt eine schematische Darstellung, auf der
die gegenwärtigen Positionen aller zum Marala-System gehörenden Himmelskörper zu sehen war.
Lerrogh wusste als Angehöriger der Raumflotte natürlich auch, was die aufblinkenden
Markierungen bedeuteten, die über das gesamte System verteilt waren.
Der ehemalige Kommandant des Rogh-Stützpunktes auf Pa-Marala trat etwas näher an die
Projektion heran. »Scheint so, als wären die Erinjij intensiv damit beschäftigt, rund um Pa-Marala
eine wirksame Raumkontrolle aufzubauen«, stellte er fest. Kommandant Basrigh senkte die Fühler. »Sie haben in den letzten Tagen weitere Truppen durch ihr nahe gelegenes Wurmloch herbeigeschafft. Ich zweifle daran, dass all die Raumschiffe nur dazu dienen sollen, das Marala-System zu sichern.« »Ich gebe Ihnen Recht. Wahrscheinlich haben sie das nächste System, dass sie unterjochen wollen, schon im Visier.« Lerrogh blickte nach links. Dort befand sich der Schatten eines Laschkanen. Lerrogh wusste, dass dieser eine Atemmaske trug, um sich vor dem hohen Kohlendioxid-Gehalt in der den Rogh-Standards angepassten Luft an Bord der PANSHOOG zu schützen. Gemischte Mannschaften waren normalerweise bei CLARON unüblich, da jedes der Mitgliedsvölker seine eigenen Flotteneinheiten hatte. An Bord der PANSHOOG war das aus gutem Grund anders. Der Laschkane war für die besondere Tarntechnik des Spezialraumers verantwortlich. »Alle Tarnsysteme klar«, meldete der Laschkane. »Es spricht nichts dagegen, auf Pa-Marala zuzufliegen. Die Erinjij werden uns auf Grund eines falschen ID-Signals für eines ihrer eigenen Transportschiffe halten.« »Gut«, murmelte Basrigh. »Wir waren schon einmal dort - es gibt keinen Grund, weshalb wir es nicht wieder schaffen sollten!«
Cy fühlte einen Ruck seinen gesamten pflanzlichen Körper erfassen.
Die Fortsätze schrammten über die raue Oberfläche der Kokon-Behausung. Er fühlte Schmerz.
Einen Schmerz, der ihm beinahe die Sinne raubte. Gleichzeitig spürte er, wie er in die Höhe geris
sen wurde.
Mehrere Rogh hatten seine Tentakelfortsätze gepackt und ihn emporgerissen.
Jetzt schwebten sie mit ihm in die Höhe, während unter ihnen die tödliche Kokon-Walze ihren Weg
nahm. Rogh, die sich in ihrer Vernichtungsbahn befanden, schlugen mit den Flügeln und erhoben
sich in die Luft, um nicht niedergewalzt zu werden.
In einer Mulde kam das Gebäude endlich zur Ruhe.
Die Rogh, die Cy gerettet hatten, waren jetzt im Sinkflug begriffen. Sie verloren zusehends an
Höhe. Ihre grazilen Körper waren für den Transport von Lasten einfach nicht geschaffen. Mehr als
eine einigermaßen weiche Landung konnten sie nicht mehr hinbekommen.
Cy war froh, den Boden wieder unter sich zu spüren.
Die Rogh setzten ebenfalls auf. Sie waren vollkommen erschöpft. Es dauerte einige Augenblicke,
bis sie in der Lage waren, zu sprechen.
»Ich danke euch«, sagte Cy. »Ihr habt mir das Leben gerettet!«
»Ich verstehe das nicht«, sagte einer der Rogh. Er war der Größte unter ihnen. Seine
Flügelmembrane wurde durch einen wahren Teppich an verschiedenen Farbklecksen gezeichnet.
Ein Ausdruck seiner Verwirrung. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass je eines der Kokon-
Gebäude abgestürzt ist!«, erklärte er mit zitternden Fühlern. »Zumal wir die sehr strengen Sicher
heitsvorschriften wirklich genau einhalten!«
»Hier war das offensichtlich nicht der Fall!«, mischte sich einer der anderen Rogh in das Gespräch
ein. Er wandte sich an Cy. »Wie geht es dir?«
»Körperlich fehlt mir nichts. Mein Gewebe ist vollkommen in Ordnung. Allerdings muss ich diesen
Schrecken wohl erst in mich aufnehmen.«
»Wie?«
»Verdauen würdet ihr vielleicht sagen.« Cy musterte seine Retter. Er stellte fest, dass sie keinerlei
Uniformen oder Abzeichen trugen, die sie als Angehörige der Sicherheitskräfte, der Raumflotte
oder der Allianz-Verwaltung ausgewiesen hätten. Im ersten Moment war Cy das überhaupt nicht
aufgefallen.
»Ihr gehört nicht zu den Sicherheitskräften«, gab er seiner Überraschung Ausdruck.
»Nein«, sagte der dritte Rogh. »Wie kommst du darauf?«
»Allerdings wundert es mich, dass noch niemand hier ist«, meldete sich ein anderer zu Wort.
Doch inzwischen flog eine halbe Hundertschaft von Sicherheitsbeamten heran. Sie waren
uniformiert und bewaffnet. Der Unfallort wurde weiträumig abgesperrt. Mehrere Transportgleiter
schwebten heran und setzten auf dem Boden auf.
»Brauchen Sie medizinische Versorgung?«, wandte sich einer der uniformierten Rogh an Cy.
Dieser verneinte. »Mit mir ist alles in Ordnung«, erklärte er. »Ich möchte nur wissen, wie es sein
kann, dass eines dieser Gebäude einfach abstürzen kann!«
»Das kann sich niemand von uns erklären«, mischte sich ein anderer Rogh in das Gespräch ein.
»Meines Wissens hat es einen derartigen Absturz in der gesamten Geschichte der Rogh-Kaverne
von Crysral noch nicht gegeben!«
Mehrere Rogh stimmten lauthals zu.
Auf jeden Fall habe ich wohl großes Glück gehabt, dachte das Pflanzenwesen.
Neugierig beobachtete Cy die Aktivitäten der Sicherheitskräfte. Einige der Rogh schwebten zu dem
Ast empor, an dem das kokonförmige Gebäude gehangen hatte.
Inzwischen hatte sich eine große Gruppe von Schaulustigen gebildet, die ebenfalls interessiert den
Fortgang der Ereignisse beobachtete. Ein weiterer Gleiter schwebte heran und setzte in der Nähe
des abgestürzten Gebäudes auf.
Ein Aorii stieg aus. Er trug eine Atemmaske, um sich vor dem erhöhten Anteil von Kohlendioxid
im Rogh-Bereich zu schützen.
Cy erkannte ihn trotz der Maske sofort. »Algorian!«
Der Aorii ging auf Cy zu, blieb schließlich vor ihm stehen. »Ich habe gehört, was sich ereignet hat.«
»Keine Sorge, mir ist nichts passiert! Allerdings hätte nicht viel gefehlt und das Volk der Aurigen
wäre nun völlig ausgelöscht!«
Algorians Gesicht war sehr ernst. »Es gibt eigentlich kaum etwas, das sicherer ist, als ein Rogh-
Gebäude.«
»In diesem Fall stimmt das wohl nicht ganz«, erwiderte Cy.
Algorian wandte sich an einen der Rogh vom Sicherheitsteam, die um das abgestürzte Gebäude
herumflatterten. Sie trugen Scanner bei sich, um jede Kleinigkeit aufzuzeichnen, die vielleicht im
Zusammenhang mit diesem Unfall relevant war.
Wenn es sich wirklich um einen Unfall handelt, dachte Algorian.
»Wie werden Rogh-Gebäude eigentlich an den Ästen befestigt?«, erkundigte sich der Aorii.
Einer der Rogh wandte sich ihm zu. Er trug eine blaue Uniform, außerdem das Emblem der
Sicherheitskräfte und ein Rangabzeichen. Algorian wusste, dass die Rogh trotz ihrer grundsätzlich
eher pazifistischen Grundeinstellung Uniformen liebten. Genau wie sich ihr Seelenleben durch die
Färbung der Flügelmembrane zeigte, so war ein Rogh in der Regel durch seine Kleidung als
Mitglied einer bestimmten Berufsgruppe oder als Angehöriger einer Meditationsschule erkennbar.
Der Rogh deutete auf ein paar kegelförmige Aggregate an der Oberseite des Kokon-Gebäudes.
»Sehen Sie die Projektoren? Mit denen werden Energiefelder erzeugt, die das Gebäude an Ort und
Stelle halten.«
»Und warum werden sie nicht fester verankert?«, wunderte sich Algorian.
Er wusste im Allgemeinen durchaus über die Kultur der Rogh Bescheid. Für die Frage, wie sie ihre
Häuser an den Ästen von Riesenbäumen befestigten, hatte er sich allerdings zuvor noch nie
interessiert.
Die Flügelmembrane des Rogh veränderte sich und zeigte nun ein gelbliches Flächenmuster. Das
Zeichen für Erheiterung. Die scheinbar unkontrollierten Bewegungen der Fühler unterstrichen
diesen Eindruck.
»Die Gebäude sind auf bestmögliche Weise an den Ästen befestigt. Diese Energiefelder sind nicht
starr, sondern flexibel genug, um auch bei schweren Stürmen zu gewährleisten, dass ein Rogh-
Gebäude nicht einfach weggerissen wird. Im Übrigen wären Verschraubungen oder das
Hineintreiben von Bolzen in den Körper des Baumes ein Verstoß gegen die Lehren sämtlicher
Meditations-Schulen.«
»Verstehe«, murmelte Algorian nachdenklich.
Der Rogh sprach vom Körper eines Saumes, ging es ihm dabei durch den Kopf. Dieses Volk hat
offenbar wirklich eine sehr innige Beziehung zur Natur seines Heimatplaneten!
»Was könnte dazu führen, dass diese Energiefelder versagen?«, erkundigte sich der Aorii.
»Eigentlich nichts«, erwiderte der Rogh-Beamte. Seinen Flügelmembranen war anzusehen, dass er
nur mit Mühe seine mentale Ausgeglichenheit aufrecht zu erhalten vermochte. Algorian spürte die
Verwirrung seines Gegenübers gleichzeitig durch seinen Psi-Sinn.
»Was ist mit einem plötzlichen Energieabfall?«, fragte Algorian. »Kein System funktioniert auf
ewige Zeiten perfekt.«
»Es gibt mehrere Sicherungen«, versicherte der Rogh. »Auf Farsal kommt es in regelmäßigen
Abständen zu heftigen Stürmen, denen die Gebäude standhalten müssen. Schwankungen in der
Energieversorgung sind da keine Seltenheit. Selbst Ausfälle müssen hin und wieder hingenommen
werden. Dafür sind die Halterungen der Häuser mit speziellen Energiespeichern versehen, die
eventuelle Ausfälle ausgleichen können.«
»Ich möchte bitte über den Fortgang der Ermittlungen umfassend und sofort informiert werden!«,
forderte Algorian.
»Haben Sie denn eine offizielle Befugnis in dieser Angelegenheit?«, fragte einer der anderen Rogh-
Beamten, der dem Gespräch zugehört hatte.
»Nein, das nicht«, gab Algorian zu. »Noch nicht...«
»Bei allem Respekt, Algorian. Sie sind eine bekannte Persönlichkeit, die sich um die Allianz
CLARON verdient gemacht hat. Aber das heißt nicht, dass die Gesetze für Sie nicht gelten.«
Algorian wandte sich ärgerlich ab.
»Dann werde ich eben auf eigene Faust herausfinden, was sich ereignet hat«, knurrte er. Wegen der
Atemmaske klang seine Stimme dumpf dabei.
»Es war ein Unfall«, wandte sich Cy an ihn.
Algorian sah auf das Pflanzenwesen hinab. Daran würde ich auch gerne glauben, dachte er.
Aber Algorian hatte einfach das Gefühl, dass einige Dinge im Zusammenhang mit diesem Vorfall
nicht zusammenpassten. Er hatte die tiefe Verstörung der Rogh-Beamten gespürt. Für sie war es
nahezu unerklärlich, dass sich ein Gebäude von seinem Ast löste.
Die Rogh haben genau den gleichen Gedanken wie ich!, schoss es ihm durch den Kopf. Auch sie
zweifeln daran, dass es ein Unfall war!
»Ich habe keine Ahnung, wie du auf den Gedanken kommst, dass es etwas anderes gewesen sein
könnte, als ein bedauerlicher Unfall«, sagte Cy. »Warum sollte mich jemand töten wollen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich bin der Letzte meines Volkes. Die Aurigen werden Vergangenheit sein, wenn ich sterbe. Das
Einzige, was an mir vielleicht für andere einen gewissen Wert darstellte, waren die
Bewusstseinskopien der sechs CLARON-Regenten, die mir eingepflanzt wurden. Aber diese
Bewusstseinskopien wurden mir doch auf Nar'gog während unserer Jay'nac-Mission gestohlen.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte Algorian noch immer nachdenklich.
»Dann sag mir, weshalb du an diesem absurden Gedanken festhältst!«
Diesmal war es Algorian, der schwieg. Normalerweise war es Cy, der diese Rolle innehatte und sich
zurückhielt.
Obwohl die Atemmaske nur den oberen Teil des Gesichts freiließ, bemerkte man eine Veränderung
in Algorians Zügen. Eine qualvolle Anstrengung spiegelte sich in den Linien rund um die Augen
wider. Angestrengt blickte Algorian erst zu Boden, dann hob er abrupt den Kopf und blickte in
Richtung des farsalischen Urwaldriesen, an dessen Ast das Gebäude gehangen hatte.
Er ging auf den gewaltigen Stamm zu. Cy folgte ihm.
Er muss irgendetwas gespürt haben, dachte er.
Sie erreichten schließlich beide den Fuß des Baumes. Algorian blickte hinauf. Er blinzelte gegen
das Licht der Kunstsonne, die dieser Hohlwelt Licht schenkte.
»Genau hier ist etwas geschehen, das mit den sechs Bewusstseinskopien in Zusammenhang steht«,
sagte er mit Bestimmtheit. Er sah Cy forschend an. »Ich spüre deine Unruhe deswegen. Du denkst
die ganze Zeit schon daran...«
»Ich traf hier zufällig Kerrgh.«
»Den Ersten der Rogh?« Algorian konnte seine Überraschung kaum verbergen.
Cy bestätigte seine Aussage. »Er hat mich danach gefragt, ob wirklich nichts mehr von den
Bewusstseinskopien in mir wäre...«
»Warum interessierte ihn das?«
»Wäre es dir gleichgültig, wenn jemand eine Kopie deines Bewusstseins in sich tragen und diese
dann gestohlen würde?«
»Vermutlich nicht«, murmelte der Aorii.
»Du glaubst doch nicht, dass Kerrgh etwas damit zu tun hat?«
Algorian zögerte, ehe er antwortete. »Eigentlich nicht...«
Die PANSHOOG trat in die Atmosphäre von Pa-Marala ein. Bisher war das Spezialschiff des Rogh-Geheimdienstes von der Raumkontrolle der Erinjij nicht weiter behelligt worden. Die Eroberer waren durch ein falsches ID-Signal erfolgreich getäuscht worden. Ein spezieller Schutzschirm gaukelte den Erinjij auch bei einer oberflächlichen Masseabtastung ein Bild vor, das dem eines ihrer eigenen Transportschiffe entsprach. Bei einer eingehenderen Überprüfung wären den Ortungsoffizieren der Erinjij wahrscheinlich einige Ungereimtheiten bei den Daten aufgefallen. Aber zu einer solchen Überprüfung bestand für die Invasoren im Moment gar kein Anlass. Sobald die PANSHOOG in die Atmosphäre eingetaucht war, aktivierte sie einen zusätzlichen Deflektorschirm, der sie unsichtbar machte. Die Gefahr, dass Erinjij-Schiffe oder -Gleiter auf Sichtweite herankamen war einfach zu groß. Das falsche ID-Signal verstummte im selben Augenblick, als der Deflektorschirm aktiviert wurde. Die PANSHOOG verschwand buchstäblich. Kommandant Basrigh gab die Anweisung, das Schiff möglichst abseits der von den Erinjij bevorzugten Flugrouten zu halten. Das Zielgebiet lag tief im Süden, etwa zweitausend Kilometer unterhalb des planetaren Äquators. Das Gebiet war nur dünn besiedelt. Die wenigen Sharaj-Siedlungen lagen weit verstreut in einem gewaltigen Dschungelgebiet, das für seine aggressive Fauna berüchtigt war. »Unser Landegebiet liegt in der Nähe einer Sharaj-Siedlung mit dem Namen Ta-Draal«, erklärte der Navigator und aktivierte die Projektion einer schematischen Drei-D-Darstellung, die die Zielposition anschaulich machte. »Mehrere Erinjij-Schiffe sind in der Gegend gelandet. Wir können davon ausgehen, dass wir auch in den abgelegensten Gegenden Pa-Maralas genug Sharaj finden werden, denen bereits ein Implantat eingesetzt wurde.« »Dieses Einsetzen der Implantate muss für die Erinjij eine ganz zentrale Rolle spielen«, stellte Basrigh fest. Er wandte sich an Lerrogh. »Was ist Ihre Hypothese dazu?« »Ich habe keine.« »Wie...? Sie haben nie darüber nachgedacht?« »Das habe ich nicht gesagt. Aber alles, was es an Hypothesen bislang gibt, erscheint mir nicht sehr sinnvoll zu sein. Um Sicherheit zu gewährleisten, brauchen die Erinjij keine Überwachungschips. Dazu sind sie den Sharaj zu sehr überlegen. Und ansonsten gibt es in meinen Augen kaum einen Zweck, der so große und kostspielige Mittel heiligen würde.« »Es gibt also einen Faktor, den wir noch nicht kennen«, vermutete Kommandant Basrigh. Lerrogh senkte die Fühler. »Das nehme ich ebenfalls an.« »Wir nähern uns dem Zielgebiet!«, warf der Navigator ein. Die Landeprozedur begann. Der zylinderförmige Rogh-Raumer sank mitten im Urwald durch das Blätterdach, begrub dichtes Unterholz unter sich und berührte schließlich den Boden. »Alle Tarnsysteme funktionieren einwandfrei!«, meldete der laschkanische Offizier. »Soweit ich
das beurteilen kann, haben uns die Erinjij nicht bemerkt.«
»Wollen wir hoffen, dass es so bleibt«, sagte Basrigh.
Andernfalls erging es ihnen schlecht. Die Erinjij waren nicht gerade dafür bekannt, besonders
zimperlich mit ihren Gegnern umzugehen. Lerrogh hatte es ja vor kurzem noch erlebt.
»Wie weit ist es bis zur Siedlung?«, erkundigte sich Basrigh.
Der Ortungsoffizier gab ihm Auskunft. »Gut zehn Flugminuten.«
»Sie werden die Siedlung mit Hilfe Ihrer Ortungstechnik die ganze Zeit über im Auge behalten«,
forderte Kommandant Basrigh. »Falls sich dort auch nur das Geringste tun sollte, geben Sie es
sofort an das Außenteam weiter. Eventuell müssen wir die Operation dann abbrechen.«
»Jawohl!«
»Für das Bodenteam ordne ich Kampfausrüstung an«, fuhr Basrigh fort. Er wandte sich an Lerrogh.
»Wahrscheinlich ist es aus medizinischer Sicht besser, Sie nehmen nicht an dieser Operation teil.
Zumindest nicht im Außenteam.«
»Gradossagh sagte, dass mein Zustand unter der Wirkung von entsprechenden Medikamenten
absolut stabil ist.«
»Sie werden fliegen müssen.«
»Ich kenne mich von Ihnen allen am Besten hier auf Pa-Marala aus. Vergessen Sie nicht, dass ich
hier gelebt habe. Die Sharaj waren unsere Studienobjekte.«
»Ich weiß nicht...«
»Fragen Sie Gradossagh, der wird Ihre Bedenken zerstreuen, Kommandant.« Basrigh zögerte noch.
»Auf Ihre Verantwortung«, sagte er schließlich.
Wie die Färbung seiner Flügelmembrane verriet, fühlte er sich dabei allerdings unwohl...
Eine Gruppe von insgesamt sechs Rogh flog in Richtung der nahen Sharaj-Siedlung Ta-Draal.
Kommandant Basrigh selbst führte den Trupp schwer bewaffneter Rogh an. Der erste Offizier
führte derweil das Kommando an Bord.
Zur Ausrüstung der Rogh-Truppe gehörten neben Blastern auch hochempfindliche Ortungsgeräte.
Am Rande der Lichtung, auf der Ta-Draal errichtet worden war, versteckte sich die Gruppe im
Unterholz.
Nicht mehr als tausend Sharaj lebten in der Siedlung.
Es fiel allerdings auf, dass im Verhältnis dazu recht viele Erinjij-Soldaten zwischen den Hütten der
Einheimischen umherpatrouillierten.
Das Zentrum von Ta-Draal war jetzt nicht mehr das traditionelle Versammlungshaus der
Dorfältesten, sondern ein Erinjij-Gleiter, der direkt in der Mitte des Dorfplatzes gelandet war.
»Das ist ein Dorf in einem Guranje-Gebiet«, erklärte Lerrogh. »Bei Einbruch der Dunkelheit wird
ein Großteil der erwachsenen Sharaj-Bevölkerung in den Wald gehen, um Guranje-Früchte zu
ernten.«
»Warum tun sie das nicht am Tag?«, fragte Basrigh.
»Weil die Guranje-Frucht am Tag von einer sehr aggressiven Insektenart in Beschlag genommen
wird. Aber die Insekten verschwinden bei Dunkelheit in ihren Bauten.«
Basrigh blickte auf sein Chronometer. »Dann brauchen wir also nur abzuwarten, bis uns die Beute
über den Weg läuft.«
»Vorausgesetzt, die Besatzer haben den täglichen Rhythmus des Lebens in diesem Sharaj-Dorf
nicht kurzfristig außer Kraft gesetzt.«
Es dauerte nicht lange bis zum Einbruch der Dämmerung.
Lerrogh hatte das Dorfleben die meiste Zeit über mit einem Sichtgerät beobachtet. Die Rogh
befanden sich außer Hörweite, aber das Sichtgerät war dazu in der Lage, die Mundbewegungen der
Sharaj in Sprache zu übersetzen. Zumindest dann, wenn die Mundbewegung eindeutig Begriffen
aus der Sharaj-Sprache zugeordnet werden konnte. Das war nicht immer der Fäll. Aber es reichte,
um im Groben den Inhalt der Gespräche mitzubekommen.
»Einige von ihnen denken noch an Widerstand«, stellte Lerrogh fest. »Aber sie sehen zurzeit keine
Chance, etwas gegen die übermächtigen Erinjij zu unternehmen.«
»Davon kann man jedem Sharaj, dem sein Leben lieb ist, auch nur abraten«, erwiderte Basrigh
düster.
»Immerhin habe ich deutliche Anzeichen dafür gesehen, dass das allabendliche Guranje-Sammeln
auch heute stattfindet. Die Vorräte sind nämlich knapp geworden. In den ersten Tagen der Erinjij-
Invasion fand wohl keine Sammlung statt.«
»Das Einsetzen der Implantate hatte wohl absoluten Vorrang«, vermutete Basrigh.
»So ist es.«
Bei Einbruch der Dunkelheit versammelte sich eine Schar von etwa zweihundert Sharaj auf dem
Dorfplatz. Der Dorfpriester hielt eine kleine Zeremonie ab, der die Erinjij-Soldaten teilnahmslos
zusahen.
Anschließend teilten sich die Sharaj in kleinere Gruppen von höchstens vier oder fünf Personen auf
und begannen damit, in den Dschungel zu gehen.
Die Erinjij hielten es offensichtlich nicht für nötig, ebenfalls einen Teil der Truppen in den
Dschungel zu schicken, um die Guranje-Sammler zu bewachen.
Wieder einmal stellte Lerrogh fest, dass sich die Invasoren ihrer Sache sehr sicher waren.
Die Gruppe der Rogh zog sich etwas weiter in das Unterholz des Dschungels zurück.
In der Dunkelheit waren sie ohne modernes Ortungsgerät so gut wie überhaupt nicht auszumachen.
Um Guranje-Früchte zu sammeln, mussten die Sharaj tief in den Dschungel hineingehen. Vor
Morgengrauen mussten sie zurück sein, da sie sonst ein Opfer der aggressiven Insekten wurden, die
niemanden davonziehen ließen, der eine Guranje-Frucht bei sich trug. Die Vorräte im Dorf konnten
nur dadurch geschützt werden, dass sie vor der Lagerung mit einer Paste bestrichen wurden, die die
Insekten verscheuchte.
Einer der Rogh hatte einen Sharaj ausgemacht, der etwas hinter seiner Gruppe hermarschierte. Um
den Sharaj zu paralysieren, wurde kein Strahlschuss verwendet. Die damit einhergehende
Lichterscheinung hätte die anderen Sharaj oder sogar die Erinjij auf das Rogh-Kommando
aufmerksam gemacht. Einer der Rogh schoss mit einer Injektionspistole auf den Nachzügler.
Das Projektil traf den Sharaj im Rücken, und er brach zusammen, ohne einen Laut von sich zu
geben.
Sofort war das gesamte Rogh-Kommando bei ihm. Sie packten den für sie recht schweren Körper
des Reptiloiden und schleiften ihn ins Unterholz.
Einige Augenblicke verhielten sie sich ruhig. Mit Hilfe eines Ortungsgeräts wurde die Umgebung
gescannt. Keiner der ausschwärmenden Sharaj schien das Verschwinden des Nachzüglers bemerkt
zu haben. Ein Antigrav-Aggregat wurde am Rücken des Entführten befestigt.
»Warten wir, bis die anderen Guranje-Sucher etwas weiter entfernt sind!«, befahl Basrigh.
Lerrogh verfolgte die Bewegungen der anderen Sharaj auf einem Ortungsgerät.
Nach einigen Minuten brach die Gruppe auf und schwebte mit ihrem paralysierten Gefangenen
dicht über dem Unterholz.
Es ist schon bemerkenswert, wie schnell sich unsere Führung über ethische Grundsätze
hinweggesetzt hat, als ihr das Wasser bis zu den Fühlern stand, ging es Lerrogh durch den Kopf.
Während seiner Zeit auf dem Pa-Marala-Stützpunkt war jede Einmischung in die inneren
Angelegenheiten der planetaren Bevölkerung strengstens verboten gewesen. Das galt für die
politische Ebene genauso wie für das Leben jedes einzelnen Sharaj.
Lerrogh bedauerte den Gefangenen zutiefst.
Aber wahrscheinlich gab es keine andere Möglichkeit, um endlich herauszufinden, was die Erinjij
auf den von ihnen besetzten Welten taten.
Was waren ihre Pläne?
Es mochte gut sein, dass von der Beantwortung dieser Frage das Schicksal der Allianz CLARON
abhing.
Die Gruppe erreichte den Landeplatz der PANSHOOG.
Der gefangene Sharaj wurde in die Krankenstation gebracht, wo sich Gradossagh um ihn kümmerte.
Der medizinische Offizier bestand darauf, sofort eine umfangreiche medizinische Untersuchung
anzustellen.
»Ich möchte gerne dabei sein«, forderte Lerrogh.
»Haben Sie medizinische Kenntnisse?«
»Nein, aber ich könnte Ihnen trotzdem zur Hand gehen. Über die Sharaj weiß ich schließlich mehr
als jeder andere hier.«
»Meinetwegen«, sagte Gradossagh. »Wir sollten uns beeilen. Niemand darf ein intelligentes
Lebewesen länger in Paralyse halten, als unbedingt notwendig.«
»Heißt das, Sie wollen das Implantat gleich hier und jetzt entnehmen?«, fragte Kommandant
Basrigh.
»Ja. Wir könnten den Gefangenen danach wieder aussetzen und würden den Verstoß gegen unsere
Doktrinen in Grenzen halten.«
»Mal davon abgesehen, dass auch jeder zwangsweise durchgeführte medizinische Eingriff dagegen
verstößt«, stellte Lerrogh fest.
Basrigh überlegte kurz. »Führen Sie den Eingriff durch! Ich möchte wissen, was mit den Sharaj
geschehen ist. Außerdem hängt von Ihren Untersuchungsergebnissen ab, ob es notwendig ist,
weitere Implantierte gefangen zu nehmen...«
Der Gefangene schwebte auf einem Energiefeld. Schon der erste medizinische Scan brachte neue
Erkenntnisse.
Gradossagh wies Lerrogh an, eine Projektion zu aktivieren, die das Innere des Sharaj-Körpers
zeigte. Die Region, in der das Implantat saß, zoomte Lerrogh heran.
»Kennen Sie sich denn genügend mit der Sharaj-Physiologie aus, um das Ding dort herausholen zu
können?«, fragte Lerrogh.
»Glauben Sie, die Erinjij kannten sich damit aus, bevor sie hier auftauchten?«, fragte Gradossagh
etwas gereizt zurück. »Mal davon abgesehen, haben sie diese Implantate wahrscheinlich auch Dut
zenden von anderen Spezies eingesetzt.«
»Wir sind nicht die Erinjij!«, erinnerte Lerrogh.
Gradossagh quittierte diese Bemerkung mit verärgertem Überkreuzen der Fühler.
Er setzte mehrere Instrumente an den Körper des Sharaj an, um noch genauere Untersuchungen
durchführen zu können. Schließlich durfte er kein Risiko eingehen. Das galt einerseits für den
Sharaj, dem kein körperlicher Schaden zugefügt werden durfte. Andererseits beinhaltete ihr Auftrag
aber auch, dass das Implantat möglichst funktionstüchtig erhalten werden musste.
»Es gibt zweifellos technische Komponenten«, murmelte Gradossagh. Er schaltete in einen anderen
Frequenzbereich um, sodass in der Projektion die metallischen Anteile deutlich hervortraten.
»Aber es gibt noch etwas anderes«, schloss Lerrogh.
»Ja.«
Gradossagh arbeitete mit äußerster Konzentration. Aber die Färbung seiner Flügelmembrane
verriet, dass ihn etwas beunruhigte.
Schließlich gab er entnervt auf.
»Dieses Implantat ist mit den Nervensträngen des Sharaj verwachsen«, stellte er fest. »Um ehrlich
zu sein, ich weiß gar nicht exakt, wo das Implantat aufhört und der Körper des Sharaj beginnt.«
»Heißt das, es gibt biologische Komponenten?«, erkundigte sich Lerrogh. »Ja. Es ist erstaunlich,
wie schnell diese Komponenten sich mit dem Gewebe des Reptiloiden verbunden haben.
Schließlich sind die Erinjij ja erst seit kurzem auf Pa-Marala.« Gradossagh aktivierte das Interkom
und stellte eine Verbindung zur Brücke der PANSHOOG her.
»Was gibt es, Gradossagh?«, fragte Kommandant Basrigh.
»Es haben sich neue Erkenntnisse ergeben. Ich kann das Implantat hier nicht entfernen. Wir sind
gezwungen, den Gefangenen zu diesem Zweck nach Farsal zu bringen. Außerdem sollten wir noch weitere Gefangene nehmen, um die empirische Breite unserer Untersuchungen zu erweitern.«
Algorian befand sich in seinem Quartier. Nachdenklich saß er in einem Schalensitz. Der
münzenartige Speicher, den Darnok ihm gegeben hatte, lag in der Innenfläche seiner linken Hand.
Was für ein Geheimnis mag darin enthalten sein?, ging es ihm durch den Kopf.
Der Speicher musste von Bedeutung sein, sonst hätte Darnok ihn nicht an ihn übergeben. Er hätte
mir auch sagen sollen, wie man an die Informationen gelangt!, dachte Algorian etwas ärgerlich.
Dabei war ihm klar, dass der Keelon nicht gewollt hatte, dass CLARON sofort über die
gespeicherten Informationen verfügte. Viel Zeit hatte er schon mit dem Versuch verbracht, den
Speicher zu knacken - bislang erfolglos.
Ein Korn-Signal ertönte.
»Jemand wünscht Ihr Quartier zu betreten«, sagte eine Kunststimme. »Die Person ist...«
»Tür öffnen!«, befahl Algorian, noch ehe die Kunststimme ihm die Identität des Besuchers verraten
hatte. Er spürte, wer zu ihm wollte.
Es war Cy.
Er war ziemlich aufgebracht und raschelte mit den Zweigen.
Bevor sich die Schiebetür hinter dem Pflanzenwesen schloss, bemerkte Algorian zwei hoch
gewachsene Ovoaner in der Uniform der Sicherheitskräfte auf dem Korridor. Sie waren mit
Strahlern bewaffnet.
»Was soll ich davon halten?«, fragte Cy, der seine sonst eher zurückhaltende Art ganz und gar
aufgab.
Algorian reagierte gelassen. »Es wäre schön, wenn du mir sagst, worum es eigentlich geht!«
»Worum es geht? Seit Neuestem ist meine Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt worden. Aus
Sicherheitsgründen! Zwei martialisch aussehende Gestalten folgen mir auf Schritt und Tritt.
Außerdem darf ich mich nur noch innerhalb gewisser Sektoren aufhalten. Du weißt doch, dass ich
alle Welten Crysrals erkunden wollte.«
»Tut mir Leid, Cy. Ich hätte schon längst mit dir sprechen sollen, aber es war einfach zuviel zu
tun.« Algorian legte den Speicher auf den sechseckigen durchsichtigen Tisch.
»Es geht immer noch um diesen Unfall, nicht wahr?«, vermutete Cy. »Du hast den Gedanken, dass
es sich um einen Anschlag handelte, noch nicht fallen gelassen und dafür gesorgt, dass ich jetzt von
den Sicherheitskräften drangsaliert werde.«
»Du wirst nicht drangsaliert, Cy.«
»So?«
»Du wirst geschützt. Und was diesen angeblichen Unfall angeht, so habe ich inzwischen Beweise
dafür, dass es ein Mordanschlag gewesen sein muss.«
»Das ergibt doch keinen Sinn!«
»Sieh her!« Algorian aktivierte eine Holoprojektion. Ein Drei-D-Abbild des in die Tiefe gestürzten
Gebäudes war zu sehen. »Achte auf die markierten Punkte. Dort werden die Energiefelder erzeugt,
die das Gebäude am Ast des Riesenbaumes befestigen. Jedes dieser Aggregate arbeitet vollkommen
unabhängig. Ein einziges würde noch ausreichen, um das gesamte Gebäude eine gewisse Zeit zu
halten, bis eine Reparatur der anderen Aggregate durchgeführt wurde. Aber in dem Moment, als du
dich unter diesem Gebäude befunden hast, wurden alle Aggregate auf einmal abgeschaltet. Das ist
normalerweise nicht möglich. Sicherheitsprogramme verhindern einen gleichzeitigen Zugriff. Cy,
ein Unfall ist nahezu ausgeschlossen.«
Das Pflanzenwesen schwieg einen Moment.
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte es dann kleinlaut.
»Wer immer es auf dich abgesehen hatte, muss genaue Kenntnisse der Energiefeldtechnik haben,
die bei den Halterungen der Rogh-Häuser Verwendung findet. Wahrscheinlich hatte er Zugang zu
den sicherheitsrelevanten Bereichen des planetaren Datennetzes. Wer ein Kokon-Gebäude genau in
dem Moment abstürzen lässt, in dem sich eine bestimmte Person darunter befindet, verfügt über
höchste Sicherheitsautorisationen! Leider sind es auf einer Welt wie Crysral immer noch recht viele
Personen, auf die dieses Merkmal zutrifft. Ich gehe allerdings weiter davon aus, dass der
Verantwortliche ein Rogh ist oder zumindest mit Rogh zusammenarbeitet.«
Cy schwieg erneut eine Weile, bevor er sagte: »Ich habe kurz vor dem Absturz des Kokon-
Gebäudes Kerrgh getroffen.«
»Angeblich ein Zufall.«
»Gibt es irgendeinen Grund, daran zu zweifeln?«
»Nein, bis jetzt nicht«, sagte Algorian. »Aber der Erste der Rogh passt exakt in das Profil
desjenigen, der für das Attentat verantwortlich ist!«
»Das ist nicht dein Ernst!«, erwiderte Cy empört. »Hast du vielleicht mal über die Möglichkeit
nachgedacht, dass möglicherweise Kerrgh das eigentliche Opfer des Anschlags hätte sein sollen?
Vielleicht ist das Ganze ein fehlgeschlagener Versuch, bei den Rogh einen Umsturz
herbeizuführen?«
Algorian lächelte mild.
Er trat an sein Terminal, ließ die Finger darüber gleiten und ließ sich einige Übersichten anzeigen.
»Daran habe ich auch gedacht, Cy. Aber glaubst du nicht, die Rogh würden anders reagieren? Ich
habe die letzten Stunden zu überprüfen versucht, was die Rogh in Kerrghs Umgebung getan
haben.«
»Und?«
»Jedenfalls wirken sie nicht alarmiert. Sie haben auch keine Fahndungsmaßnahmen ergriffen oder
zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für ihren Regenten getroffen.«
»Nein, davon bin nur ich betroffen«, sagte Cy etwas niedergeschlagen.
»Es ist zu deinem Besten, glaub mix...«
Cy verließ Algorians Quartier wieder. Die beiden ovoanischen Wachen folgten ihm wie ein
Schatten.
»Ich fühle mich in eurer Gegenwart wie ein Gefangener«, erklärte Cy an die beiden gewandt.
Der Kleinere der beiden antwortete dem Pflanzenwesen. »Wir führen nur unsere Befehle aus.«
»Ja, das weiß ich. Aber ich kann nicht sagen, dass es mir gefällt. Ich möchte, dass ihr mich jetzt
wieder in den Rogh-Bereich bringt.«
Die beiden Ovoaner wechselten einen schnellen Blick.
»Ich weiß nicht, ob das unter den gegebenen Umständen wirklich eine gute Idee ist«, sagte der
Kleinere.
»Warum? Es hat mir dort gefallen! Und wenn ihr Kopfschmerzen oder Schlimmeres durch die
kohlendioxidhaltige Atmosphäre dort befürchtet, dann könnt ihr j a Atemmasken tragen!«
»Die gesamte Rogh-Kaverne gehört nicht mehr zu den Bereichen, die Ihnen zugänglich sind«,
erklärte nun der Größere. »Und das mit gutem Grund. Der Anschlag hat dort stattgefunden, und
solange nicht die näheren Umstände ermittelt worden sind, sollten Sie vorsichtig sein!«
Cy stoppte an der nächsten Ecke abrupt.
»Wie heißt ihr?«, fragte er.
»Raxeinen«, antworte der Größere.
»Tobulén«, erklärte der Kleinere.
»Ihr braucht mir gegenüber nicht so förmlich daherzureden. Vielleicht verstehen wir uns ja ganz
gut, wenn ich ein bisschen mehr Freiheit erhal...«
Ein Ruck ging plötzlich durch Raxeinens Körper. Er griff zu seinem Blaster. Seine sehr scharfen
Augen hatten etwas gesehen, was Cy vollkommen entgangen war.
Ein Flugkörper, der etwa die Größe einer Ovoaner-Kralle hatte, war durch den Rost des
Belüftungsschachtes in den Korridor geschwebt.
»Eine Drohne!«, schrie Raxeinen, riss den Strahler hervor. Er feuerte blitzschnell.
Die Drohne glühte auf und zerbröselte zu schwarzem Staub, der zu Boden rieselte.
Im nächsten Moment zischte von der anderen Seite ein greller Strahlschuss durch die Luft,
erwischte Raxeinen am Kopf.
Der Ovoaner sank ächzend zu Boden. Cy registrierte, dass weitere Drohnen durch die Belüftung
heranflogen. Tobulén hob den Strahler und schaltete ihn auf Streufeuer.
Mehrere der Drohnen glühten auf. Auf Grund der geringeren Energie beim Streuschuss wurden die
Drohnen nicht völlig vernichtet, sondern fielen funktionsuntüchtig zu Boden.
Aber das reichte ja auch, und die Gefahr schien vorüber.
Tobulén packte Cy, riss ihn mit sich, während er noch einmal auf den nächstgelegenen Lüftungsrost
feuerte. Das Gitter begann zu glühen.
Mit Cy unter dem Arm wollte er die nächste Schiebetür passieren. Sie führte in einen Bürotrakt und
war zurzeit verschlossen. Tobulén öffnete sie mit einem gezielten Strahlschuss auf das
elektronische Schloss. Bei dessen Ausfall wurde eine Sicherheitsschaltung aktiviert. Eigentlich
diente sie dazu, um im Fall eines Brandes oder einer Störung der Energieversorgung eine Evakuie
rung des Gebäudes zu ermöglichen. Jetzt sorgte sie dafür, dass sich die Tür automatisch öffnete.
Cy wunderte sich ein wenig, dass kein Alarm ausgelöst wurde, obwohl eine Schusswaffe abgefeuert
und ein Schloss aufgebrochen worden war. Doch da Tobulén nicht darauf einging, nahm er an, dass
das schon seine Richtigkeit hatte.
Die folgenden Türen waren nicht verschlossen und öffneten sich automatisch.
Tobulén und Cy passierten mehrere von ihnen.
Schließlich erreichten sie einen Raum mit zahlreichen Konsolen. Der Ovoaner aktivierte eine von
ihnen, gab seinen Sicherheitscode ein und bekam auf diese Weise sofort Zugang zu den Systemen,
die die Lebenserhaltungssysteme steuerten.
»Alle Türen dieses Raumes verschließen. Frischluftversorgung unterbrechen. Abluftwege
verschließen.«
Eine Rechnerstimme begann, den Ovoaner auf die Folgen hinzuweisen. »Wenn Sie die
Frischluftzufuhr unterbrechen, kann dies für Sie erhebliche gesundheitliche Folgen...«
»Sicherheitshinweise abschalten!«, befahl Tobulén, und der Computer verstummte.
Der Ovoaner atmete tief durch.
Cy wirkte einige Augenblicke wie erstarrt.
»Was hast du vor?«, fragte das Pflanzenwesen.
»Ich sorge dafür, dass wir uns hier für
eine gewisse Zeit aufhalten können, oh
ne dass weitere Drohnen uns jagen.«
»Die Atemluft...«
»Bis die verbraucht ist, hat man uns hier längst herausgeholt und eventuell noch vorhandene
Morddrohnen im Belüftungssystem gefunden.«
Cy bemerkte die Unruhe, die den Ovoaner nach wie vor erfüllte.
Nein, Wachsamkeit ist der richtige Begriff, korrigierte sich das Pflanzenwesen.
Tobulén ließ den Blick kreisen. Den Blaster hielt er schussbereit in der rechten Hand.
Er traute dem Frieden offenbar noch nicht.
Schließlich konnte es ja sein, dass sich noch Drohnen Zugang in die Belüftung verschafft hatten,
bevor Tobulén sämtliche Zugänge gesperrt hatte.
»Ich möchte, dass die Sicherheitskräfte verständigt werden«, befahl der Wächter dem Computer.
»Vorsichtsmaßnahmen nach Code 3456-23.«
Augenblicke der Stille folgten.
»Erbitte Bestätigung!«, sagte der Tobulén.
»Alle Kommunikationskanäle sind blockiert!«, kam die ernüchternde Antwort. »Es scheint ein
schwerer Leitungsschaden vorzuliegen!«
»Können diese Mordmaschinen dafür verantwortlich sein?«, fragte Cy.
Der Leibwächter verzog grimmig das Gesicht. »Wer sonst?« Tobulén versuchte, die insgesamt drei
Belüftungsroste im Büro gleichzeitig im Auge zu behalten. »Sollte es doch noch eines dieser
Biester schaffen, hierher zu gelangen, dann solltest du dich ruhig verhalten!« Er hat die
persönlichere Anredeform benutzt!, registrierte Cy.
»Was heißt ruhig?«, fragte das Pflanzenwesen.
»Diese Drohnen reagieren üblicherweise auf Bewegung und Wärme. Was die Wärme angeht,
werden sie Schwierigkeiten bei einem pflanzlichen Wesen haben...«
»Meine Temperatur weicht trotzdem etwas von der Umgebung ab.«
»Ich werde sämtliche Konsolen in diesem Raum aktivieren. Das wird weitere Wärmefelder
erzeugen, die unsere Feinde verwirren könnten.«
»Kann ich dir helfen, Tobulén?«
»Du hast keine Sicherheitspriorität, die die privaten Zugriffscodes umgehen kann. Aber du solltest
vielleicht die Augen– oder was auch immer – offen halten.«
Tobulén aktivierte eine Konsole nach der anderen.
Plötzlich stieß Cy einen Laut aus. Tobulén wirbelte herum.
Aus einem der Belüftungsroste war eine Drohne hervorgekommen. Sie schwebte beinahe lautlos
dahin.
Instinktiv riss Tobulén die Waffe empor.
Ein Bewegungsreiz, auf den die Sensoren der Drohne reagierten.
Ein Strahlschuss traf den Ovoaner, getroffen sackte er zu Boden. Ein Geruch nach Verbranntem
verbreitete sich.
Tobuléns Schuss hatte ebenfalls getroffen, wenn auch nicht mit voller Energie. Die Drohne torkelte
zu Boden. Weitere, völlig ungezielte Strahlschüsse zischten aus ihr hervor und versengten die
Einrichtung. Eine der Konsolen wurde getroffen.
Weitere Drohnen kamen durch die Belüftungsroste.
Es waren insgesamt drei.
Cy war wie erstarrt.
Tobuléns Worte hallten in seinem Bewusstsein wider. Er musste sich ruhig verhalten. Vollkommen
still, ohne irgendeine Bewegung.
Das war seine einzige Chance.
Die Drohnen flogen im Raum umher. Ihre Systeme verglichen die Formen, die ihre Sensoren
wahrnahmen mit denen, die in ihre Speicher eingegeben worden waren. Sie verglichen auch Wärme
und Bewegungsmuster.
Offenbar hatten sie Schwierigkeiten, ihr Opfer zu finden.
Schließlich gruppierten sie sich etwa einen halben Meter von Cy entfernt. Ihre Waffenmündungen
zeigten auf das Pflanzenwesen.
Eine Bewegung und alles ist vorbei!, war Cy klar. Das geringste Zittern der Tentakelfortsätze und
sie werden mich in einen Haufen Asche verwandeln. Beim Licht von Auri! Algorian hatte Recht!
Jemand hat es auf mich abgesehen, auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorzustellen
vermag, warum!
Verzweiflung erfasste das Pflanzenwesen.
Ich habe keine Chance! Die Kommunikationskanäle waren abgeschnitten. Die Botschaft, die Tobulén ausgesetzt hatte,
würde niemanden erreichen. Bis jemand das Büro aus anderen Gründen betrat, konnten Stunden
oder Tage vergehen.
Algorian!, dachte Cy. Algorian vielleicht spürst du, dass hier etwas nicht in Ordnung ist!
Diese Möglichkeit war nicht völlig aus der Luft ergriffen. Schließlich befand sich Algorians
Quartier ganz in der Nähe.
Aber Cy wusste nicht, ob er wirklich hoffen sollte, dass der Aorii mit Hilfe seiner Psi-Begabung
etwas von der Gefahr spürte, in der sich das Pflanzenwesen befand.
Leicht zitternd standen die drei Killer-Drohnen in der Luft. Mit Sicherheit liefen die Sensoren in
ihrem Inneren auf Hochtouren.
Wer immer jetzt durch die Tür hereinkam, würde es mit dem Leben bezahlen. Auch Algorian. Gleichgültig, wer es auch sein mochte, der den Raum betrat: Für die Drohnen bedeutete er nichts weiter als einen Bewegungsreiz, auf den sie ihrer Programmierung entsprechend reagierten.
Ein Ruck ging durch Algorian. Er spürte mentale Energie ganz in der Nähe.
Der Aorii versuchte, sich auf seinen Psi-Sinn zu konzentrieren.
Er spürte die Anwesenheit von jemand sehr Vertrautem ganz in der Nähe... Angst...
Panik!
Algorian wusste plötzlich, dass es etwas mit Cy zu tun hatte.
Er sprang auf...
Die Minuten dehnten sich für Cy zu kleinen Ewigkeiten. Noch immer schwebten die drei Killer-
Drohnen zitternd in der Luft und belauerten ihn.
Sie warteten.
Warteten auf eine Bewegung oder ein spezifisches Wärmesignal, das seinem pflanzlichen Körper
entsprach und sie in ihrem Ziel bestätigte.
Da setzten sich zwei der Drohnen in Bewegung, patrouillierten durch den Raum, während die dritte
in ihrer Position verharrte.
Die Schiebetür öffnete sich.
Cy bemerkte Algorian.
»Nein!«, rief er.
Ihm war klar, dass dies sein eigenes Todesurteil bedeutete, denn indem er Algorian gewarnt hatte,
hatte er auch sich selbst verraten.
Wie auf ein geheimes Kommando hin
drehten sich die Drohnen in Richtung Tür. Sie kamen nicht dazu zu schießen. Torkelnd segelten sie
zu Boden und
blieben dort liegen. In derselben Sekunde wurden sämtliche Konsolen deaktiviert.
»Alles in Ordnung?«, rief Algorian, während er auf Cy zulief.
Mehrere Sicherheitsbeamte folgten ihm. Es waren mehrheitlich Ovoaner und Aorii - alles
Zweitlinge.
Einer der Letzteren trug statt einer Waffe ein etwa handgroßes Modul in der Hand.
Der Aorii wandte sich an Algorian. »Sehen Sie, es war doch gut, erst einen vollständigen Scan zu
machen, bevor wir hier eingedrungen sind!«
»Was ist mit den Drohnen geschehen?«, fragte Cy.
Algorians Gesicht entspannte sich. Er deutete auf den Aorii mit dem Modul. »Wir haben ein sehr
starkes elektromagnetisches Feld erzeugt, dass das Innenleben dieser Dinger lahm gelegt hat«,
erklärte er. »Ich denke, du zweifelst jetzt nicht mehr daran, dass es jemand darauf abgesehen hat,
dich zu töten, Cy.«
»Du hattest Recht.«
»Wir werden die Überreste dieser Killer-Drohnen sehr gründlich untersuchen. Vielleicht erhalten
wir dadurch wertvolle Hinweise. Und was dich angeht, Cy...«
»Ja?«
»Du wirst alle angeordneten Maßnahmen zu deiner Sicherheit peinlich genau einhalten.«
Cy zögerte etwas mit seiner Antwort. Schließlich erklärte er: »Du hast mich gerettet«
»Und dafür bist du mir was schuldig, Cy.«
Kerrgh nutzte eine Pause in den Beratungen mit den anderen Regenten, um eine Nachricht von
Farsal zu empfangen.
Er begab sich dazu in einen abgeschirmten Raum.
Über eine Konsole aktivierte er eine holografische Anzeige. Das Abbild von Kommandant Trarigh
erschien.
»Seien Sie gegrüßt, Erster der Rogh. Ich hoffe, ich störe Sie nicht in Ihrer heiligen Zeit.«
»Nein, keine Sorge. Eine Nachricht von Farsal ist eine willkommene Abwechslung von den
Beratungen hier auf Crysral. Ich hoffe, Sie haben mal gute Nachrichten für mich.«
»Das Spezialschiff PANSHOOG ist von seiner Mission ins Marala-System zurückgekehrt.«
»War die Mission erfolgreich?«
»Ja. Kommandant Basrigh und seiner Crew ist es gelungen mehrere Sharaj gefangen zu nehmen,
die von den Erinjij mit Implantaten versehen worden sind.«
»Ich hoffe, es ist Ihnen klar, dass diese ganze Angelegenheit auf keinen Fall an die Öffentlichkeit
gelangen darf. Auch im Nachhinein nicht! Eine ethische Debatte über die Rechtmäßigkeit einer
derartigen Aktion möchte ich in der gegenwärtigen Situation um jeden Preis vermeiden!«
»Die Operation und alles, was in irgendeiner Form damit zusammenhängt, unterliegt der strengsten
Geheimhaltungsstufe, so wie Sie befohlen haben.«
»Ich möchte, dass Sie das insbesondere den beteiligten Wissenschaftlern und Medizinern klar
machen.«
»In Ordnung.«
»Gibt es schon Ergebnisse?«
»Es war sehr schwierig, den Gefangenen die Implantate zu entnehmen. Schließlich ist es aber
unserem Spezialisten-Team doch gelungen. Offenbar handelt es sich bei den Implantaten um eine
Kombination aus technischem und biologischem Material. Das biologische Material verbindet sich
sehr schnell und fast untrennbar mit den Nervensträngen des Implantierten. Das war auch der
Grund, weshalb unsere Mediziner so große Schwierigkeiten hatten, die Gefangenen zu operieren.«
»Gibt es schon irgendwelche Erkenntnisse darüber, welchem Zweck diese Implantate dienen?«,
fragte Kerrgh.
»Nein. Das Einzige, was wir bislang wissen ist, dass der biologische Anteil wie eine Art Mini-
Gehirn zu funktionieren scheint. Aber zur Zeit gibt es noch mehr Rätsel als konkrete Erkenntnisse.«
Kerrgh beugte sich etwas vor. »Sofern es irgendetwas Neues gibt, möchte ich umgehend davon in
Kenntnis gesetzt werden.«
»Jawohl«, bestätigte Kommandant Trarigh.
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Kerrgh führte ein Atemritual der Arrlagh-Schule durch. Es war dringend notwendig, dass er sich
mental wieder stabilisierte. In den oberen Instanzen von CLARON gab es auch unter den Ange
hörigen anderer Rassen genug Personen, die die Flügelfärbung eines Rogh genauestens zu
interpretieren wussten.
Ein Summton ließ ihn aufhorchen.
Sein persönlicher Adjutant Rairagh wünschte einzutreten.
Kerrgh erteilte ihm die Erlaubnis. Im nächsten Moment schwebte ein Rogh durch die geöffnete
Schiebetür.
Er setzte auf dem Boden auf.
Der Erste der Rogh drehte sich zu seinem Besucher herum.
Der Flügelfärbung nach ist mein Adjutant ziemlich durcheinander!, schloss Kerrgh.
»Das, was ich Ihnen jetzt mitzuteilen habe, wollte ich nicht über das Kommunikationsnetz gehen
lassen«, begann Rairagh etwas umständlich.
Kerrgh spreizte die Fühler.
»Worum geht es?«
»Es gibt Neuigkeiten, die Cy betreffen...«
Für einen kurzen Moment mischte sich ein Rotstich in das Farbmuster von Kerrghs Flügeln.
»Reden Sie!«, forderte er.
In den Beratungen der nächsten Tage verschob sich das Gleichgewicht immer mehr. Algorian registrierte diesen Vorgang sehr genau. Die Befürworter einer zurückhaltenden Politik gegenüber den Feinden der Allianz verloren immer mehr an Boden. Eine Schlüsselstellung nahm dabei Qarleinen ein. Der Ovoaner war zwar für ein entschiedenes Auftreten gegenüber den Erinjij, neigte aber andererseits dazu, in dieser Hinsicht den Jay'nac gewis sermaßen den Vortritt zu lassen. Er nahm damit eine Art Mittelstellung ein. Viele Anhänger der Gemäßigten konnten seine Argumentation durchaus nachvollziehen. Aber auch unter den Befürwortern einer Konfrontationspolitik hatte er Anhänger, die in ihm jemanden sahen, der trotz aller Entschiedenheit nicht blindwütig losschlagen und dabei eventuell ins offene Messer rennen wollte. Gerade sein Ruf als Hardliner in der Vergangenheit ließ ihn jetzt als ehrlichen Makler erscheinen. Kerrgh hingegen entwickelte sich immer mehr zum Sprecher der Hardliner, die insbesondere gegen die Erinjij ein sofortiges und entschiedenes Eingreifen forderten. Hatte er zu Beginn seines Aufenthalts auf Crsyral noch eher eine vermittelnde Position vertreten, so wurde er nun zu einem immer entschiedeneren Befürworter eines Krieges gegen die Erinjij. Angesichts der Entwicklungen im Marala-System wunderte das niemanden sonderlich. Die Erinjij hatten ihre Truppenstärke dort nach der Invasion von Pa-Marala noch erheblich verstärkt. Ein Ende dieser Zusammenballung von Raumschiffen und Truppen war noch nicht absehbar. Dass ihre Mission ausschließlich auf Pa-Marala beschränkt bleiben würde, konnte sich niemand so recht vorstellen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie das nächste System in der Umgebung von Marala angreifen würden. Sollte das der Fall sein, dann würde es erstmalig zu einem Angriff auf Welten kommen, auf denen sich nicht nur Stützpunkte, sondern auch regelrechte Siedlungskolonien eines Allianzvolkes befanden. Mit anderen Worten: Der Ernstfall, für den diese Allianz gegründet wurde. Ein Angriff von außen. Neben seiner Teilnahme an Beratungen, Lagebesprechungen und Konferenzen, in denen über das
weitere Vorgehen verhandelt wurde, ging Algorian weiter seinen Ermittlungen nach.
Allerdings vermied er es, davon mehr bekannt werden zu lassen als unbedingt notwendig.
In einer Verhandlungspause wandte er sich an Qarleinen und bat ihn in einen Nebenraum. Ein
Getränkespender sorgte dafür, dass sie beide jeweils ein Getränk bekamen, das dem spezifischen
Geschmack ihrer Spezies entsprach.
»Ich spreche Sie an, weil ich Ihnen vertraue«, wandte er sich an Qarleinen. »Trotz aller
Meinungsverschiedenheiten, die wir in der Vergangenheit gehabt haben...«
Der Ovoaner neigte den Kopf. »Sie sind für mich ebenfalls über jeden Zweifel erhaben, Algorian.«
»Ich möchte mit Ihnen über die beiden Attentatsversuche auf Cy sprechen. Ansonsten wüsste ich
nicht, an wen ich mich wenden sollte.«
»Ich habe davon gehört. Bei dem ersten Vorfall mag man noch an einen Unfall denken, aber der
Angriff dieser Killer-Drohnen...«
Dass Qarleinen offenbar über gut funktionierende Informationskanäle verfügte, wunderte Algorian
nicht im Mindesten.
»Auch das, was Sie den ersten Vorfall nennen, war kein Unfall, sondern ein Mordanschlag«,
eröffnete Algorian dem Regenten. »Ich habe einen Verdacht.«
»Und der wäre?«
Die Blicke der beiden Männer begegneten sich.
Algorian zögerte noch einen Augenblick damit, sich seinem Gegenüber anzuvertrauen. Aber wenn
nicht ihm - wem dann?
»Ich glaube, dass Kerrgh dahinter steckt.«
»Sie müssen sich irren, Algorian. Warum sollte ein honoriger Allianz-Regent wie Kerrgh so etwas
tun?«
Der Aorii holte tief Luft. »Die Jay'nac beabsichtigen offensichtlich mit Hilfe der gestohlenen
Bewusstseinskopien die Allianz durch Klone der Regenten zu unterwandern!«
»Ich kenne Kerrgh, wir sind befreundet!«
»Ich weiß. Und mir fiel es genauso schwer, daran zu glauben, wie Ihnen, dass Kerrgh etwas damit
zu tun hat! Doch die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Die Energiefelder, die das Kokon
gebäude gehalten haben, das auf Cy niederstürzte, wurden absichtlich und gleichzeitig deaktiviert.
Mir kam gleich der Gedanke, dass es eigentlich ein Rogh mit hoher Sicherheits-Autorisierung sein
muss, der so etwas schaffen könnte!«
»Also ein Rogh! Und da haben Sie gleich auf Kerrgh geschlossen! Ist das alles, was Sie
vorzuweisen haben?«
»Dann hätte ich Sie niemals angesprochen, Qarleinen.«
Der Ovoaner trank sein Glas aus und atmete tief durch. Was er gehört hatte, gefiel ihm nicht, und
um das zu erkennen, brauchte man nicht einmal über besondere Kenntnisse über die Mimik von
Ovoanern zu verfügen. Aber auch wenn er es nicht gerne hörte, dass ein Regent, mit dem er
persönlich verbunden war, möglicherweise in einen Mordanschlag verwickelt war, so war der
Ovoaner doch realistisch genug, um sich von guten Argumenten jederzeit überzeugen zu lassen.
Qarleinen galt als unbestechlich. Im Zweifel rangierte bei ihm die Loyalität zur Allianz CLARON
vor freundschaftlicher Verbundenheit.
»Reden Sie, Algorian. Kennen wir uns nicht gut genug, als dass wir uns gegenseitig nichts
vorzumachen brauchen?«
»Sie haben Recht.«
»Sie sprachen von weiteren Beweisen.«
»Die Killer-Drohnen, mit denen Cy angegriffen wurde entstammen Rogh-Technik. Außerdem habe
ich inzwischen mit Shatragh gesprochen, dem Meditationslehrer des Ersten der Rogh. Er begleitet
ihn auf dieser Reise.«
»Was hat er ausgesagt?«
»Dass er Kerrgh die Hengraratah-Atemtechnik vor ihrem Aufbruch nach Crysral beigebracht habe.
Es handelt sich um ein kompliziertes Arrlagh-Ritual zur Erhöhung der geistigen Leistungsfähigkeit
und inneren Stabilität.«
»Und?«
»Als Shatragh nach der Ankunft auf Crysral zu seinem Regenten gerufen wurde, stellte sich heraus,
dass dieser sich an das Ritual nicht mehr erinnern konnte. Und dabei war es ihm von Meister
Shatragh auf seinen eigenen dringenden Wunsch hin gezeigt worden!«
Das Gesicht des Ovoaners veränderte sich. »Das ist in der Tat eigenartig.«
»In den Logbüchern des Raumschiffs, mit dem Kerrgh die Reise von Farsal nach Crysral hinter sich
gebracht hat, gibt es erhebliche Ungereimtheiten im zeitlichen Ablauf. Einige Angaben können
einfach nicht stimmen.«
»Wie kommen Sie denn an das Logbuch eines Rogh-Schiffes?«, hakte der Regent der Ovoaner
nach.
Algorian verzog das Gesicht. »Es gibt da Mittel und Wege, in ein Datennetz hineinzugelangen...«
»Ich will das vielleicht gar nicht genauer wissen, werter Algorian.«
»Tatsache ist, dass während der Reise von Farsal nach Crysral etwas an Bord geschehen sein muss,
was nicht bekannt werden darf.«
Qarleinen schwieg.
»Und ich halte es für möglich, dass Kerrgh von den Jay'nac abgefangen worden ist«, fügte Algorian
noch hinzu.
Der Atem des Regenten ging schneller als es normalerweise bei einem Mann seiner Spezies der Fall
war. Der Blick war in sich gekehrt und nachdenklich. Auch das akustische Signal, das das Ende der
Beratungspause anzeigte, riss ihn nicht aus seinen Gedanken heraus.
Schließlich hob er den Kopf und sagte entschieden: »Setzen Sie Ihre Ermittlungen fort, Algorian.
Sie haben absolut richtig gehandelt!«
»Es freut mich, dass Sie das so sehen!«
»Unterrichten Sie mich, sobald Sie etwas Neues herausgefunden haben. Sollte sich Ihr Verdacht
weiter erhärten, dann stehen wir vielleicht vor der größten Krise, die die Allianz CLARON jemals
durchmachen musste...«
Algorian setzte seine Ermittlungen fort. Er befragte die Raumlotsen, ob sie eine Erklärung für die
offensichtlichen Ungereimtheiten im Logbuch von Kerrghs Schiff hatten. Aber das war nicht der
Fall.
Für sie waren die Widersprüche ebenso rätselhaft wie für Algorian.
Der Chef der Raumlotsen hieß Dresgos und war Ceynide. Er machte den Vorschlag, Mitglieder der
Besatzung einer verdeckten Befragung zu unterziehen.
»Die Befragungen würden von meinen Mitarbeitern durchgeführt«, erklärte Drasgos. »Sie wären
aus dem Spiel. Angesichts der politischen Verwicklungen, die Ermittlungen an Bord von Kerrghs
Raumschiff mit sich bringen könnten, wäre diese Vorgehensweise vielleicht ratsam. Im librigen
haben die Raumlotsen das formelle Recht, Befragungen durchzuführen, wenn diese der
Aufrechterhaltung der Raumsicherheit im Allianz-Territorium dienen.«
Algorian konnte dem nur zustimmen.
Ein Besatzungsmitglied nach dem anderen wurde befragt, während Algorian die Verhöre aus einem
Nebenraum verfolgte.
Cy gesellte sich dabei zu ihm und verfolgte ebenfalls, was die Rogh zu sagen hatten.
Sehr schnell stellte sich heraus, dass es während des Raumfluges von Farsal nach Crysral genau
eine Crysral-Standard-Stunde Verzögerung gegeben hatte. Eine Stunde, die weder in den Log
büchern korrekt wiedergegeben wurde, noch an die sich irgendjemand unter der Besatzung erinnern
konnte.
»Genau elf Crysral-Standard-Stunden nach dem Aufbruch von Farsal ist irgendetwas an Bord
geschehen, wovon noch nicht einmal die Besatzungsmitglieder etwas zu wissen scheinen!«, meinte
Algorian. Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten dabei.
»Hältst du die Aussagen der Rogh-Besatzung für glaubwürdig?«, erkundigte sich Cy.
»Es gibt keinen Grund, an dem zu zweifeln, was die Besatzung ausgesagt hat«, war Algorians
entschiedene Erwiderung. »Es fehlt eine Stunde...«
»Du glaubst, dass Kerrgh in dieser Zeit gegen einen Klon ausgetauscht wurde«, schloss Cy.
»Ist das denn so abwegig? Es würde alles zusammenpassen.«
»Und warum hat er sich dann bei mir danach erkundigt, ob noch Reste der Bewusstseinskopie in
mir wären?«
Algorian hob die Schultern und verschränkte anschließend die Arme, während er die Befragung des
ersten Offiziers nur mit halbem Ohr verfolgte.
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht befürchtete er, dass du einfach zu viel über ihn weißt... Der
Plan der Jay'nac scheint auf jeden Fall schon viel weiter fortgeschritten zu sein, als die meisten in
der Allianz es für möglich gehalten hätten!«
Die neuen Beweise musste Algorian unverzüglich Qarleinen vorlegen. Es musste gehandelt werden.
Sofort.
Über Interkom stellte Algorian eine Verbindung zum Herrscher der Ovoaner her.
»Wir müssen uns erneut treffen«, forderte er.
»Ich verstehe«, erwiderte Qarleinen mit maskenhaft wirkendem Gesicht. »Es geht um Dinge, die zu
wichtig sind, als dass Sie sie mir über einen Kom-Kanal anvertrauen möchten.«
»Ja.«
»In einer Stunde. Sektion 3245-2.«
»In Ordnung.«
Bevor Algorian zu seinem Treffen mit Qarleinen ging, kehrte er in sein Quartier zurück. Cy
hingegen verfolgte weiter die Verhöre der Raumlotsen.
Als Algorian die Tür zu seinem Quartier passiert hatte, erlebte er eine Überraschung.
»Sei gegrüßt, Algorian!«, sagte eine Stimme, die ihm nur allzu vertraut war.
Algorian erstarrte und blickte auf den sechseckigen durchsichtigen Tisch, auf den er den
münzgroßen Speicher gelegt hatte, an dessen Inhalt er noch immer nicht herangekommen war.
»Darnok!«, entfuhr es dem Aorii unwillkürlich.
Über dem Speicher schwebte ein Hologramm Darnoks, des letzten der Keelon, mit dem zusammen
Algorian und Cy von den Jay'nac zurückgekehrt waren.
»Diese Nachricht war mit einem Zeitschloss codiert, das sich nun offensichtlich zum vorgesehenen
Zeitpunkt geöffnet hat. Sonst könntest du dieses Hologramm nicht sehen.«
»Was ist auf diesem Speicher?«, fragte Algorian.
Darnok - oder dessen Aufzeichnung - ignorierte ihn. »Da du diese Nachricht hörst, bin ich also
nicht wie geplant zurückgekehrt, um den Speicher wieder an mich zu nehmen. Ich fürchte, dass mir
etwas zugestoßen ist bei dem Versuch, ins Heimatsystem der Erinjij vorzudringen«
Algorian keuchte auf. Er weiß, woher die Erinjij stammen!
»Sie haben mein Volk vernichtet und nun auch mich. Sie müssen um jeden Preis aufgehalten
werden. CLARON muss sie stoppen. Daher folgen nun die Koordinaten des Heimatsystems der
Erinjij!«
Algorian starrte auf eine holographische Karte, die Darnok ersetzt hatte, während die Stimme des
Keelon zusätzlich noch die Koordinaten herunterbetete.
Algorian war wie vor den Kopf geschlagen.
Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit.
Das stellt alles in den Schatten!, war ihm klar. Selbst meine Ermittlungen im Hinblick auf Kerrgh.
Wenn diese Koordinaten tatsächlich jenen Punkt der Galaxis bezeichneten, an dem die Heimatwelt
der Erinjij um ihre Sonne zog, dann bedeutete das einen Wendepunkt in diesem Krieg.
Zum ersten Mal würde sich die Möglichkeit bieten, gegen das Zentrum der Eroberer vorzugehen!, durchzuckte es Algorian.
Diese Information durfte er nicht zurückhalten.
Die Führung der Allianz musste unverzüglich darüber beraten.
Selbst seine Ermittlungen gegen Kerrgh traten dahinter zurück.
Algorian dachte über die Auswirkungen seiner Entdeckung nach. Sobald die Position der Erinjij-
Heimat bekannt war, würden sich Kerrghs Hardliner und Quarleinens Gemäßigte
zusammenschließen, da es jetzt ein Ziel für einen effektiven Angriff gab. Die Friedensbewahrer wa
ren dann klar in der Minderheit.
Ist CLARON bereit für einen Krieg?, überlegte der Aorii.
Doch er schob diesen Gedanken beiseite. Es war nicht an ihm, darüber zu entscheiden. Er musste
die Regenten informieren.
Kerrgh!, durchzuckte es Algorian.
Wenn sich sein Verdacht bestätigte, würde er damit auch den Jay'nac wichtige strategische
Informationen zuspielen. Aber andererseits war es auch unmöglich, dieses Wissen einfach
zurückzuhalten, bis sich der Verdacht gegen Kerrgh endgültig gefestigt hatte - oder widerlegt war.
Algorian zögerte nicht länger und stellte eine Korn-Verbindung zu Qarleinen her.
Das Gesicht des Ovoaners erschien in einer Holo-Projektion.
»Ich dachte, wir wollten uns gleich ohnehin treffen, Algorian«, wunderte sich Qarleinen.
»Ich bin im Besitz der Koordinaten der Erinjij-Heimat«, sagte Algorian.
»Was?«
Für einen Moment verlor Qarleinen die Kontrolle über seine Gesichtszüge.
»Der Keelon Darnok übergab mir einen Datenspeicher, bevor er Cy und mich in der Nähe Crysrals
aussetzte. Ein Zeitschloss hat dafür gesorgt, dass ich bis jetzt nicht an die Informationen
herankam.«
»Eine weitere Facette in einer sehr eigenartigen Geschichte«, sagte Qarleinen und spielte damit auf
die Tatsache an, dass Algorians Bericht über die Rückkehr von den Jay'nac teilweise als
unglaubwürdig angesehen worden war. »Aber wenn sich Ihre Koordinaten als wahr erweisen, wird
der letzte Zweifel an Ihrer Darstellung ausgeräumt sein!«
»Sie meinen, ich sollte diese Information an den Allianzrat weitergeben?«
»Unbedingt. Es muss sofort eine Sondersitzung einberufen werden.«
»Ihnen ist klar, dass dann unter Umständen die Frage entschieden wird, ob wir Krieg gegen die
Erinjij führen!«
»Nein, da bin ich anderer Ansicht«, widersprach Qarleinen. »Zunächst einmal geht es darum, den
Wahrheitsgehalt der Daten zu überprüfen. Die Allianz muss ein Späh-Schiff losschicken. Danach
kann man weitersehen.«
Vielleicht hat er Recht, dachte Algorian.
Es wurde eine Sondersitzung einberufen, an der alle Regenten der Allianz und die Mitglieder des Rates teilnahmen. Außerdem einige Sicherheitsexperten wie zum Beispiel Zegrian. Qarleinen machte den Vorschlag, so schnell wie möglich ein Späh-Schiff auszusenden. Kritische Stimmen, die nach der Herkunft der Koordinaten fragten, brachte der Ovoaner schnell zum Verstummen, indem er Algorian öffentlich sein Vertrauen aussprach. »Ich zweifle nicht an seiner Darstellung der Ereignisse«, sagte er. »Im Übrigen ist für mich eine andere Frage von entscheidender Bedeutung: Ist an jenem Ort tatsächlich das Heimat-System der Erinjij? Das würde viele Entscheidungen, die vor uns liegen, vielleicht in einem neuen Licht erscheinen lassen!« Der Beschluss, das Späh-Schiff auf den Weg zu schicken, wurde einstimmig gefasst. Bis zu seiner Rückkehr würde es ein paar Crysral-Standard-Tage brauchen. Die Beratungen werden bis dahin weitergehen, dachte Algorian. Wahrscheinlich ohne jedes Ergebnis, so wie bisher. Die Debatten der nächsten Tage waren überaus hitzig. Kerrgh profilierte sich weiter als Befürworter eines schnellen Schlages gegen die Erinjij. »Worauf warten wir noch?«, rief er mit großer Bewegung der Fühler. »Wenn sich tatsächlich erweist, dass wir die Heimat der Eroberer gefunden haben, dann gibt es keinen Grund, länger zu zögern. Sollen wir erst warten, bis sie sich System für System unserer Allianz-Mitgliedsvölker angeeignet haben? Sollen wir warten, bis sie unendliches Leid über Milliarden von CLARONBürgern gebracht haben? Die Individuen der unterworfenen Welten werden von ihnen mit Implantaten versehen, deren Sinn wir noch nicht genau kennen! Aber will irgendjemand unseren Bürgern wirklich ein Schicksal als Versuchsobjekt zumuten?« Es überraschte Algorian nicht, als auch Qarleinen diese Position unterstützte. »Ich glaube, dass der Zeitpunkt für den großen Schlag gegen die Eroberer gekommen ist«, erklärte er. »Ich bin früher immer dafür eingetreten, dass wir nicht blindlings in ein Abenteuer hineinlaufen sollten, dessen Ausgang niemand von uns kennt. Aber dies ist nicht mehr nötig. Sobald wir die Bestätigung über die Koordinaten der Erinjij-Heimat erhalten, haben wir ein Ziel. Wir können nicht darauf warten, dass die Jay'nac für uns in den Krieg ziehen. Vielleicht wird das nie geschehen, und wir werden dann noch immer starr vor Angst auf die Erinjij blicken.«
Das Spähschiff hieß ALLIANZ. Es handelte sich um einen perfekt getarnten Raumer der
Laschkanen. Als die ALLIANZ die angegebenen Koordinaten erreichte, schickte sie eine Nachricht
nach Crysral.
Das Sonnensystem, das an der angegebenen Stelle zu finden war, hatte sich tatsächlich als die
Heimat der Erinjij herausgestellt. Dafür sprach der abgehörte Funkverkehr ebenso wie die Tatsache,
dass es nirgends in der Galaxis eine größere Konzentration von Raumschiffen der Invasoren gab.
Algorian nahm diese Nachricht in seinem Quartier entgegen. Nachdenklich lauschte er den
Ausführungen des laschkanischen Kommandanten der ALLIANZ.
Die Münze ist geworfen, dachte er. Der Krieg gegen die Erinjij ist wohl nicht mehr aufzuhalten.
Und die Jay'nac können sich freuen...
Qarleinen meldete sich über eine Korn-Verbindung. »Ich nehme an, Sie haben die gute Nachricht
auch schon gehört, Algorian.«
»Ja, das habe ich.«
»Ich bin davon überzeugt, dass dies der Anfang einer neuen Zeit ist.«
»Sie sind sehr optimistisch«, stellte der Aorii fest.
»Jetzt, da wir die Heimat der Erinjij kennen, haben wir eine Chance, sie auch zu besiegen. Ich habe
niemals aus Feigheit Zurückhaltung geübt, sondern weil ich für ein realistisches Abschätzen von
Chancen und Risiken war.«
»Und in dieser Hinsicht hat sich das Gleichgewicht verändert, ich weiß...«
»Algorian, ich nehme an, dass Sie weiter gegen Kerrgh ermittelt haben.«
»Eine Datenspur führt von den deaktivierten Energiefeldern zu einem von Kerrghs direkten
Untergebenen«, sagte der Aorii.
»Kommen Sie ins Malén-Gebäude in der Kaverne der Ovoaner. Ich möchte mich dort mit Ihnen
treffen, damit Sie mich über den Stand der Dinge informieren. Falls Kerrgh tatsächlich ein Jay'nac-
Klon ist, müssen wir schleunigst etwas gegen ihn unternehmen.«
»Dieser Meinung bin ich auch«, stimmte Algorian zu.
»Noch etwas: Bringen Sie Cy mit.«
»Tut mir Leid, aber das Malén-Gebäude in der Ovoaner-Kaverne ist außerhalb der Zone, innerhalb
der seine Sicherheit garantiert werden kann.«
»Schade«, sagte Qarleinen. »Aber aus Sicht unserer Sicherheitsbehörden sicher verständlich.«
Als Algorian den Treffpunkt erreichte, wartete Qarleinen bereits auf ihn. Nur ein Leibwächter war
in seiner Begleitung.
»Sie haben neues Beweismaterial gegen Kerrgh?«, fragte Qarleinen zur Eröffnung.
»Ja«, bestätigte der Aorii.
»Dann wäre es vielleicht ratsam, wenn Sie ihn direkt damit konfrontieren«!«
Algorian starrte Qarleinen überrascht an.
Eine Tür zu einem Nebenraum öffnete sich. Kerrgh schwebte herein und ließ sich im nächsten
Moment auf dem Boden nieder.
»Überrascht, Algorian?«, fragte Kerrgh.
Algorian machte einen Schritt zurück. »Qarleinen, was soll das?« Doch er ahnte die Antwort
bereits.
»Ihre Vermutung ist richtig, Algorian«, erklärte Qarleinen. »Kerrgh ist nichts anderes als ein Klon
im Dienst der Jay'nac, ausgestattet mit einer gestohlenen Bewusstseinskopie.«
Algorian starrte Qarleinen fassungslos an.
»Sie wussten schon davon, bevor ich Ihnen meine Ermittlungsergebnisse mitgeteilt habe!«,
erkannte er.
»Das ist richtig.«
Algorian musste schlucken. »Sie auch, Qarleinen?«
»Auch ich bin ein Jay'nac-Klon.«
»Den Jay'nac scheint sehr viel daran zu liegen, dass die Allianz endlich Krieg gegen die Erinjij
führt!«
»Und dieses Ziel haben wir so gut wie erreicht«, sagte Qarleinen. »Übrigens auch dank Ihrer Hilfe,
Algorian!« Der Leibwächter hob seine Waffe.
Algorian wollte ausweichen, aber der Paralyse-Strahl erfasste ihn sofort. Getroffen sank er zu
Boden und blieb regungslos liegen.
»Wir sollten ihn töten«, sagte Kerrgh. »Nein. Wer weiß, wozu er uns noch nützlich sein kann.«
»Ich hoffe, wir werden dies nicht eines Tages bereuen.«
»Wichtig ist doch erst einmal nur, dass Algorian keine Gelegenheit finden wird, sein Wissen mit
den anderen Regenten zu teilen.«
In diesem Moment summte der Kommunikator des Ovoaners. Qarleinen stellte eine Verbindung
her.
»Hier Kommandant Dasrionen«, meldete sich eine Stimme. »Wir haben dieses Pflanzenwesen in
seinem Quartier festgesetzt und die Wachen ausgeschaltet. Was sollen wir mit ihm machen?«
Der ovoanische Regent bleckte triumphierend die Zähne...
ENDE
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